PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Deutſche Uberſetzungen Und Gedichte.
Mit bewilligung deß Autoris.
JnBreßlau/ VerlegtsEſaias Fellgibel Buchhaͤndl. daſelbſt /1679.

An den geneigten Leſer.

DAfeꝛn derſelbte auß vier Buchſtaben / oder auf andere Weiſe mich kennen lernet / oder ich jhm auch zuvor genug - ſam bekant bin / wolle er von mir kein zu ſcharffes Urtheil faͤllen / vielmehr aber wolmeinende glauben / daß bey jtziger Schreibeſucht / niemals meine Meinung geweſen / der Welt mit meiner Feder beſchwerlich zu ſeyn / dem Drucker einige Muͤhe zu machen / oder die Buchlaͤ - den damit anzufuͤllen / indem dieſes / was in hieſigem kurtzen Begriffe zufinden / alleine zu meiner eigenen Beluſtigung / von mir) (aufVorredeaufgeſetzet worden iſt. Es wuͤrde auch / wie ich es hoͤchlich betheure / ſchwerlich ei - nige Silbe von mir in das offentliche Licht kommen ſeyn / wenn nicht etliche vor - witzige Leute / theils von mir ſelbſt erfun - dene / theils auß andern Sprachen uͤber - ſetzte Wercke (ſo vielmahl / hin und wieder / uͤbel abgeſchrieben und der geſtalt verkehret worden; daß ich meine eigene Kinder nicht mehr kennen koͤnnen) ſich unterſtan - den / miꝛ zum ſchimpf und jhnen zum Nutzen durch den Druck bekant zu machen / dadurch ich endlich mit verdruͤß genoͤhtiget worden / ein und das andere Stuͤcke dergeſtalt her - außzugeben.

Jch ſcheue mich nicht zu bekennen / daß ich zu den Poetiſchen Sachen / von Jugend auff einen zimlichen Zug gehabt / und da - rinnen faſt mein eigener Meiſter geweſen bin / maſſen ich denn keine gedruckte An - weiſung dazu auffgeſchlagen / und allein durch fleiſſige Uberleſung der reinen deut - ſchen Reimen / reimen leꝛnen / biß daß ich bey anwachſenden Jahren / vermittelſt fleiſſi -gerAn den geneigten Leſer. ger Durchſuchung gelehrter Schrifften / auch endlich tichten und erfinden koͤnnen / indem das erſte alleine / der Pritſchmeiſte - rey gar nahe kommt / das andere aber / ſo zu ſagen / der Poeſie Seele iſt.

Meine Jugend traff gleich in eine Zeit / da der gelehrte Mann Martin Opitz von Boberfeld / der beruͤhmte Schleſiſche Buntzlauer / durch der Frantzoſen und Hollaͤnder poetiſche Wercke angeleitet / mit ſeiner Feder in das Licht trat. Meiner Natur gefiel dieſe reine Schreibens-Arth ſo ſehr / daß ich mir auß ſeinen Exempeln Regeln machte / und bey Vermeidung der alten rohen Deutſchen Art / mich der rei - nen Liebligkeit / ſo viel moͤglich gebrauch - te: Biß nachmals ich auff die Lateini - ſchen / Welſchen / Frantzoͤſiſchen / Nieder - laͤndiſchen und Engliſchen Poeten gerieth / darauß ich die ſinnreichen Erfindungen / durchdringende Bey-Woͤrter / artige Be - ſchreibungen / anmuthige Verknuͤpffun - gen / und was dieſem anhaͤngig / mir ie mehr und mehr bekant machte / umb nicht / was) (2ſieVorredeſie geſchrieben / nachzuſchreiben / ſondern nur derer Arth und Eigenſchafft zube - obachten / und ſolches in meiner Mutter - Sprache anzuwehren. Jch kan leicht ge - dencken / daß ich dieſen Vorwurff werde hoͤren muͤſſen / daß ſothaner fernere Trieb mit Abweichung meiner Jugend auch haͤtte verrauchen / und nicht bey hoͤheren Jahren mich ferner beluſtigen ſollen; die - ſem werde ich zuantworten mich unter - ſtehen / daß kein Menſch zufinden / ſo ſich nicht in etwas ergetzte / und ich vielleicht ehe wegen dieſer untadelhafftigen Beluſti - gung / als er wenn er ohne Erhebligkeit mich zu kuͤhn tadelt / werde entſchuldiget werden koͤnnen.

Poeſie / dafern mir ein wenig außzu - ſchweiffen erlaubet wird; iſt eine Sache / derer ſich die heiligſten Maͤnner gebrau - chet / und eine von der aͤlteſten Erfindung genennet werden kan. Der groſſe Mann Moiſes / ſo nach der Gelehrten Mei - nung / eher als jemand geſchrieben / hat / nachdem jhn GOTT auß deß PharaonsHaͤndenAn den geneigten Leſer. Haͤnden errettet / und er nebenſt ſeinem Volcke ſich auſſer der Gefahr geſehen / ein andaͤchtiges Danck-Lied angeſtimmet. Wie denn auch Debora nebenſt dem Barac nach erhaltem Siege wieder den Siſera, ein Helden-Lied jhrem Erloͤſer geſungen. Maſ - ſen denn die Edlen Pſalmen deß Koͤnigli - chen Propheten Davids / das hohe Lied ſeines klugen Sohnes / Salomons, und nach dem Zeugnuͤß Tremellii und Junii, das Buch Hiob / Poetiſche Wercke ſeyn. Daß die erſten Gottes-Lehrer bey den Grichen / Poeten geweſen / bezeuget jhr beruͤhmter Landsmann Ariſtoteles, und wird dieſes Volck vor dem Muſæo, Homero und Orpheus, als Poeten / keinen / der etwas geſchrieben / vorzeigen koͤnnen: Wie denn auch das Lateiniſche Wort Vates, nicht minder einen Poeten / als Gottes-Lehrer bedeutet / zum beweiß / daß die erſten Glau - bens-Regeln in Poeſie ſeyn vorgetragen worden. Daß Thales, Empedocles und Parmenides die natuͤrlichen Dinge / Pytha - goras und Phocylides die Sitten-Lehre / Tyrtæus die Kriegs-Sachen / und Solon) (3dieVorrededie Welt-Weißheit / wie auch die bekante Fabel / von der Atlantiſchen Jnſel (ſo Plato, wiewol ein Feind der Poeſie / nachmals vollfuͤhret) Poetiſch abgefaſſet haben / iſt unſchwer zuerweiſen. Welcher geſtalt die Alten Deutſchen jhre Druiden und Bar - den gehabt / ſo GOtt und jhren Helden zu ehren / ſich kuͤnſtlich hoͤren laſſen / iſt jeder - mann bekant. Und haben die halb erfror - nen Lappen jhre Morſe faurog, oder Hoch - zeit-Geſaͤnge / wie nicht minder die neu erfundene Jndianiſche Lande / wie rauhe und wild auch dieſelben geweſen / jhre Areitos und Haravac, alſo nennen ſie jhre Poeten / unter ſich gehabt: Zum Zeug - nuͤß deſſen iſt folgender Satz eines ver - liebten Jndianers / ſo eine bunde tſchi - ſchende Schlange vor jhm herſtreichende geſehen / ſo in unſerer Mutter-Sprache folgender maſſen lautet.

O aller Schlangen Pracht / kom̃ doch was zuverweilen /
Halt an dein tſchiſchend eilen /
Verbleib doch was allhier /
So thuſtu einen Dienſt der Liebſten und auch mir.
Kom̃ /An den geneigten Leſer.
Kom̃ / Schweſtrichen / kom̃ bald / der kuͤhle zugenuͤſſen.
Sie iſt allzeit befliſſen /
Durch Kuͤnſtler abgericht /
Zu mahlen / was jhr nur kom̃t vor das Angeſicht.
So kan nach freyer Arth /
Nach deines Balges prangen /
Jch dieſes bald erlangen
Daß ſie mit jhrer Hand
Mir zubereiten wird ein ſchoͤnes Guͤrtel-Band.
So muͤſſen / glatte Schlang / auch alle deines gleichen
Auff ewig vor dir weichen.
Es wird die ſcharffe Zeit
Dir nicht beſchwerlich ſeyn durch jhre Hefftigkeit.

Ja es hat die Wiſſenſchafft / ſo gar lan - ge Zeit in dem Chriſtlichen Europa unter der Banck gelegen / ſich nicht eher hervor thun koͤnnen / biß Dante, Petrarca und an - dere / derer Gehuͤlffen / mit jhrer Poeſi her - vorgerucket / daß alſo zuſagen / ſolche da - ſelbſt / gleichſam der andern Wiſſenſchaff - ten Amme / wo nicht Mutter / worden iſt. Welcher geſtalt die Reimens-Arth auffkommen / ſeyn viel von den Frantzoſen und Welſchen zuergruͤnden bemuͤhet / einer wil / daß ſie von den Sicilianern / einander / daß ſie von den Provenzalen, (welche / ſo wol zuverwundern / die Poeſi viel lange) (4ZeitVorredeZeit unter jhren Troubadours alleine ge - halten / und von denen ein gelehrter Mann meldet / daß ſie mehr Poeten / als alle ande - re Voͤlcker zuſammen haben ſollen) ent - ſprungen ſey. Es wird aber niemand laͤugnen koͤnnen / daß die Hebræer die Rei - mens-Art / maſſen denn ſolches in der Ara - biſchen Sprache / als der Hebræiſchen Abſatze / auch uͤblich / zum erſten gebrau - chet / und andere Voͤlcker jhnen nur nach - mals nachgereimet haben. Maſſen dann theils der neuen Lateiniſchen Poeten / als durch Nachlaͤſſigkeit / und eingeſchlichene Barbarei / die Alte reine Arth / von jhnen nicht mehr zu ſehr geachtet worden / zu reimen angefangen / daß man alſo den Urſprung der Reimen nicht zu tieff ſu - chen darff. Da ich denn bekenne / daß kein Volck in Europa ſo zeitlich die Poeſi / zur Annehmligkeit und in Anſehen bracht / als eben die Welſchen / ſo ſolche auß der Pro - venzaliſchen Reimens-Arth / da ſie lange einheimiſch geweſen / herfuͤr gezogen / und wegen Reinligkeit der Sprache dergeſtaltver -An den geneigten Leſer. verbeſſert / daß auch ſolche nachmahls alle - zeit auff einerley Arth / durch mehr als 300. Jahr ungeaͤndert verblieben iſt. Maſ - ſen denn Petrarca, ſo viel lange Zeit der nachfolgenden Poeten Richtſchnur gewe - ſen / und Arioſto in ſeinem Orlando, Taſſo in ſeinem Jeruſalem, Guarini in ſeinem Hir - ten-Spiele / Marini in ſeinem Adone, Capo - rale in ſeinen ſpitzigen Spott-Reimen / Fulvio Teſti in ſeinen artigen Geſaͤngen / Achillini in ſeinen Sonnetten, Gratiani in ſeinem Granata, und hundert andere mehr / denen ich mit Verſchweigung jhres Nah - mens an jhrer Wuͤrde nichts entzogen ha - ben wil / in der Schreibens-Arth nichts neues vorzeigen koͤnnen / und nur durch etliche annehmlichere Saͤtze / geſchaͤrfte und loͤblichere Beyworte und andere ent - lehnte Arthen jhrer Arbeit einen ſchoͤnen Anſtrich gemacht haben. Die Frantzo - ſen ſind / auß Urſache / daß erſt zu Zeiten Franzens deß erſten / ſo ſich ſelbſt in Rei - men beluſtiget / jhre Sprache ſich zimlich zu verbeſſern angefangen / gar langſam) (5zurVorredezur reinen Poeſi gelanget. Dann ob gleich Abelard, in ſeinen Liebes-Liedern / Helinan in ſeinem Getichte vom Tode / Jean Re - velois, Jodelle und Baiſ, Rudolph ein Graf von Soiſſon, Tibaut ein Graf auß Cham - pagnien, und Alanus, Carls deß VII. Ge - heim-Schreiber / mit unterſchiedenen Ge - tichten / ſich hervorgethan / ſo iſt doch we - gen der unartigen Sprache alles derge - ſtalt harte und unannehmlich / daß ietzige verwoͤhnte Ohren / es nicht ohne Verdruß vertragen koͤnnen. Wie obgemeldet / ſo iſt unter Franzen dem erſten / wie in gemei - ner Rede / alſo auch in Poeſi / alles vollkom - mener worden / dazu dann Melin und Ma - rot, beſonders der letzte durch 50. Pſalmen Davids / und andere zur ſelbigen Zeit nicht uͤbellautende Getichte und kurtze Sti - chel-Reimen / ſonderbar befoͤrderlich ge - weſen. Zu Zeiten Carl deß Neunden / ſo ſich ſelbſt in der Poeſi geuͤbet / hat ſich Ronſard ein geſchickter Angoulemiſcher Edelmann herfuͤr gethan / ſo auch alle vor - hergehende an kuͤnſtlicher Erfindung undLieblig -An den geneigten Leſer. Liebligkeit weit uͤbertroffen; wiewol er meiner Meinung nach den Grichiſchen und Lateiniſchen Poeten / beſonders dem Ho - mero und Pindaro, wie auch dem Catullo, Tibullo, und Propertio faſt gar zu knech - tiſch angehangen / und in vielen Faͤllen dem natuͤrlichen Verſtande / und der Sprache zu viel gethan; dem der de Portes, Bellay, Bartas und mehr andere ruͤhmlich nachge - folget. Wiewol nun dieſe und andere hurtige Leuthe / an ſich nichts ermangeln laſſen / ſo hat doch keiner das Werck ſo gluͤck - lich als Malherbe unter Henrichen dem IV. angegriffen / der nebenſt der gluͤckſeli - gen Uberſetzung / deß drey und dreiſigſten Buches auß dem Livio, und deß Buches von den Wolthaten deß Seneca, nachmahls auch in dem ſchoͤnen Getichte von den Thraͤnen Petri, worinnen die Anmuth und Liebligkeit der Poeſi und die Kraft der Mutter-Sprache beſtuͤnde / ſeinen Nachkommenden genugſam bezeiget hat. Deme nachmals Theophile in dem Getich - te / von dem Tode Socratis, und andernAuffſaͤ -VorredeAuffſaͤtzen / wie auch Saint Amant in den ſchoͤnen Gedancken von der Einſamkeit und dem erretteten Moiſes, Godeau in den Pſalmen Davids / Moine in dem heiligen Ludewig / und andern lieblichen Dingen / Chapelain in der Orleaniſchen Jungfrau / Scuderi in ſeinem Alaric, die beyden Cor - neille in jhren Luſt - und Trauer-Spielen / mit hundert andern ruͤhmlich nachgefol - get. Die Spanier ſeyn zimlich langſam auff den rechten Grieff der Poeſie gera - then / und haben ohngefehr vor hundert und ſiebentzig Jahren (indem vor ſolcher Zeit / das meiſte in jhren ſo genandten Ro - manzes, auff Arth der Moren Lieder / in Liebes - und Helden-Geſaͤngen beſtanden) ſich herfuͤr gethan: Boſcan und Garcilaſſo haben zum erſten dieſelbe recht angegrif - fen. Und iſt vor jhnen keine richtig ab - gefaſte Poeſi / oder eintziges Sonnet zuſe - hen geweſen / denen George de Monte Major in ſeiner Diana, da ein groſſes Theil in Reimen iſt / und der Fabel von Pyramo und Thisbe, Lopes de Vega in ſeinen Luſt -undAn den geneigten Leſer. und andern Spielen / Quevedo in ſeinem groſſen Poetiſchen Wercke / wie auch an - dere / als Caſtillejo, Ercilla, Juan Rufo und andere gluͤckſelig nachgegangen. Die En - gellaͤnder und Britten / wie ſie vor Jahren genennet worden / haben zu jeder zeit ſich als Liebhaber der Poeſi bezeiget / wiewol nicht mit gleicher Gluͤckſeligkeit / indem jhre Getichte / ſo etwas vortreffliches ha - ben / meiſtentheils von neuen Leuten ge - ſchrieben ſind. Weil bey dem Chaucer, dem Engliſchen Homerus, wie jhn die Lands-Leuthe nennen / und Robert of Glo - ceſter gar nicht die Gelehrigkeit / Kunſt und Liebligkeit / wie in Edmond Spenſers fearie Queene und Michael Draitons Poly-Ol - bion, Johnſons Luſt und Trauer-Spiel / Quarles und Dons Geiſtlichen Getichten anzutreffen iſt. So wol in Nieder-als in Deutſchland iſt iederzeit deß Singens und Tichtens ſehr viel geweſen; aber mit ſchlechter Gluͤckſeligkeit / biß Daniel Hein - ſius der gelehrte und anmutige Kopff / ſich her fuͤr gethan / und die zierliche reine ArthderVorrededer Getichte in das Licht geſtellet / dem ne - benſt vielen andern Cats in ſeinen erbauli - chen Wercken / beſonders in ſeinem Ge - tichte vom Eheſtande und dem Trau-Rin - ge / ſo zwar keine zu kuͤnſtliche aber doch eine reine Redens-Arth fuͤhret / und von gar erbaulichen Sachen handelt / wie auch Hügens und Vondelen, ſo gar einer hohen Arth zu ſchreiben ſich angemaſſet / nebenſt Hofft und Weſterbaen, Veens, Vos und Deker ruͤhmlich nachgefolget. Die Hoch - deutſche Poeſie anreichende / iſt ſolche in Geſaͤngen auch noch im Heidenthum ſehr uͤblich geweſen / maſſen denn die Druiden, der ſich auch die Alten Gallier und Britten ge - braucht / bey den Opfern / und ſonſt / jhre Stimme hoͤren laſſen: Die Barden aber die Heldenthaten jhres Volckes in Lieder bracht / ſo in Ermangelung der Schrifft dazumal an ſtat der itzigen Geſchicht - Buͤcher geweſen / und gedachte Lieder auch in Schlachten und Kriegs-Zuͤgen / zur Er - munterung vorgeſungen / wie denn ſolcher Druiden und Barden Cæſar, Lucan, Am -mianusAn den geneigten Leſer. mianus Marcellinus, Nonius und mehr an - dere gedencken. Solche Geſaͤnge ſeyn nach - mahls je mehr und mehr in Lauff kommen / und haben viel bey der damals zimlich harten und rauhen Sprache nicht uͤbele Gedancken gefuͤhret / wie noch in vielen Kloͤſter-Bibliotheken / als zu St. Gall / zu Eichſtadt / zu St. Emeran in Regenſpurg / und vielen andern Orten mehr dergleichen auff Pergament verzeichnet zufinden iſt. Unter den aͤltiſten Hochdeutſchen Poe - ten / ſo viel mir bekand / iſt der frome Moͤnch Ottfried von Weiſſenburg / der die Evangelia ſam̃t den Außlegungen Acht - hundert Jahr nach Chriſti Geburt / zu Zei - ten der Kaͤyſer Lotharii und Fridrichs / in Reimen gebracht hat / wiewol alles dieſes ſo rauhe und unverſtaͤndlich / daß man es leicht vor ein Werck einer außlaͤndiſchen Sprache halten doͤrffte; maſſen denn auch die unvollkommenen Schreibens - Arthen ſolches noch tunckeler gemacht / in - dem umb ſelbige und etliche nachfolgende Jahr / die Gurgel-Woͤrter / (weil ſie dasC mit -VorredeC mitten / und in andern Orten der Silben im ſchreiben nicht zugebrauchen gewuſt / und mehrentheils ih vor ich / dih vor dich / ah vor ach geſetzet / dann das tſchiſchende ſch auß Mangel deß Ch / deſſen ſie ſich nicht bedienet / nur mit einem S bezeichnet / die Sprache ſehr unverſtaͤndlich gemachet. Zum Zeugnuͤß deſſen habe ich auß der Vor - rede obgedachten Ottfrieds folgende un - verſtaͤndliche Reimen hierbey fuͤgen wol - len:

Ludouuic ther ſnello /
Thes Wuisduames follo.
Er Oſtarrihe rihtit all /
So Frankono Kuning ſcal.
Ubar Frankono Lant /
So gengit ellu ſin Giuualt.
Thaz rihtit ſo ih thir zellu
Thiu ſin Giuualt ellu.
Themo ſi jamer heili
Joh ſalida gimeini.
Druthin hohe mo thaz guat.
Joh freuemo emmizen thur muat.
Hohemo gimuato
Jo allo rihi guato.

So ich auf folgende Weiſe verdeutſchen wollen:

DerAn den geneigten Leſer.
Der geſchwinde Ludewig aller hohen Weißheit voll /
Der gantz Oeſterreich regiert / wie ein Fraͤnkſcher Koͤnig ſol.
Uber dieſes Fraͤnkſche Land gehet alle ſeine Macht /
Die Regierung / wie ich melde / hat er in den ſchwung gebracht.
GOtt verſtaͤrck jhm ſeine Guͤte und erfreu jhm ſeinen Muth /
Er erleucht jhm ſein Gemuͤte und gewehr jhm reiches Gut.

Nach dieſem weiß man keinen ſonder - bahren / ſo ſich herfuͤrgethan / biß ohngefehr umbs 1100rte Jahr ſich Cunrad von Wirtz - burg / ſo in Kaͤyſer Friedrichs Hofe gar be - kant geweſen / hoͤren laſſen / auß deſſen Wer - cke folgende vier Reimen ſeyn / und ſchon etwas beſſer als obige lauten.

Herr Mars der rihſet in den Lande /
Der hat den werden GOt Amur
Verhert mit Roͤbe und oͤch mit Brande /
Deß ſind di minne worden ſur.
Herr Mars der reiſet in dem Lande /
Der hat den werthen Buhlſchaffts Gott
Verhert mit Raub und auch mit Brande /
Dadurch die Liebe kam in Noth.

Dann iſt Herman von Sachſenhauſen ein Edler Ritter gefolget / ſo ein langes Getichte die Moͤrin genennet / hinter ſich gelaſſen / darinnen er allerhand Geluͤcks -) () (FabelnVorredeFabeln und Begebenheit im menſchlichem Leben erwehnet; von deſſen Arbeit aber ich nichts geſehen. Werner von Tuͤfen iſt auch nicht zuverſchweigen / der mit Kaͤyſer Fri - drichen in Sirien wider Saladin den Sa - razeniſchen Koͤnig gezogen / welchen Krieg Er auch in Reimen ſol beſchrieben haben; folgender Satz wird jhm zugeeignet.

So we dir Werlt / ſo we im der dir volgen mus /
Din Lon is kranc / du giſt den Angel jemer nach der ſuͤſſe /
Din du treiſt Untruwe und allen Valſch uf dinen Rugge enbor.
Jh han in dinen Weg geſetzet minen Fuß:
Es wende GOt von Himle ſo wene ih dir volgen muͤſſe;
Du zuheſt mir den Heln / als einer jungen Kazen / vor.
Din Lon iſt als ein richer Troͤm /
Der nah dem Shlafe ſwindet.
Du haſi in meinen Munt geſtriket dinen Zoͤm:
Davon min Lip in diner Lere erblindet.
Ze dir ih nakent wart geborn / und ſheide auh blos von dir:
Ein Linen Tuh fuͤr mine Shame / und anders niht / giſt du ze
Lone mir.
Ach weh dir Welt / und weh dem der dir folgen muß /
Dein Lohn iſt ſchwach / du gibſt den Angel nach dem ſuͤſſen /
Auff deinem Ruͤcken traͤgſt du Falſchheit Uberfluß;
Jch war auff deinem Pfad zu wandeln ſtets befliſſen /
Der Himmel lencke mich von dieſer glatten Bahn!
Sie wil durch Scheufell mich wie eine Katze blenden /
Dein gantzes Reichthum iſt gleich wie ein reicher Traum /
Der / wenn der Schlaf vorbey ſich auch mit jhm muß enden.
DuAn den geneigten Leſer.
Du haſt in meinen Mund geleget einen Zaum /
Davon der Lippen Krafft ſich nicht mehr regen kan.
Nackend werd ich dir gebohren / nackend ſcheid ich auch von hier /
Ein Tuch vor meine Scham das haſtu mir erkohren /
Ein mehrers hab ich nicht von dir.

Wolfrom von Eſchenbach iſt ein Ed - ler Schwaͤbiſcher Ritter nicht weniger lobens wuͤrdig / hat nebenſt viel andern Ge - tichten auch eines von Marg-Grafen Wil - helm von Narbone / und dem ſtarcken Ren - newart gemacht / er hat unter andern der Frauen wanckelbahren Sin beſchrieben / darauß folgende Reimen:

Do ſprach die Keiſerinne /
Wir Froͤwen han kuͤrzen Mut:
Swas eine iez nit im Sinne /
Gern ſie es moren tut.
Da ſprach die Kaͤyſerin /
Wir Frauen haben leichte Sinnen
Wozu man heute ſie nicht uͤberreden koͤnnen /
Da wollen morgen ſie auch ungebeten hin.

Heinrich von Efferlingen kom̃t auch billich in der Poeten Reih / ſo zu Ehren Ertz-Hertzogen Leopolden von Oeſterreich viel Liebes-Getichte auffgeſetzt / und ſehr) () (2beruͤhmtVorredeberuͤhmt deßwegen worden. Er hat viel Zufaͤlle in ſeinem Leben / von ſeinen Wider - waͤrtigen / meiſtens auß Neid erlit - ten / von deſſen Arbeit mir aber nichts ins Geſichte kommen.

Walther von der Vogel-Weide ein Land-Herr iſt nicht unter den geringſten geweſen / und hat ohngefehr umb das Jahr 1200. ſich hoͤren laſſen / wie er dann dem Kaͤyſer Philippen ein Buch zugeſchrieben haben ſol. Jhm werden dieſe Reimen zugeeignet:

Wer ziret nuͤ der eren Sal?
Der jungen Ritter Zuͤht iſt ſmal /
So pfligent die Knehte gar unhoͤviſhe Dinge /
Mit Worten und mit Werken oͤch.
Swer zuͤht hat der iſt jo ir goͤch.
Nemet war / wie gar unfuͤge fuͤr ſich dringe:
Hie vor do bertet man die Jungen /
Die da pflagen vrecher Zungen:
Nu iſt es ire Werdekeit.
Wie zieret man den Ehren-Saal?
Der jungen Ritter-Zucht iſt ſchmal /
Viel ungehoͤftes Werck iſt bey uns eingedrungen
So wol mit Worten / als mit That /
Der iſt ein Jeck / wer Tugend hat /
Schaut doch den Unfug dieſer Zeit /
Vor ſtrafte man die frechen Zungen /
Jtzt iſt es eine Zierligkeit.
NichtAn den geneigten Leſer.

Nicht minder iſt Reinhard von Zwe - chin Lobenswuͤrdig / deſſen folgende Rei - men ſeyn /

Swer oͤch Turniren minnet alſo ſere /
Daz er da bi vergiſſet der Husere:
Dern hat die Mazze niht behalten /
Ein genuͤg Turniren das iſt gut;
Ze vil an allen Dingen / tut
Bruch an den Lobe: ſo ſagen die wiſen Alten.
Wer ſeinen gantzen Sinn auff das Turniren lenckt /
Und an ſein Haus und Weib dabey nicht mehr gedenckt /
Der hat kein rechtes Maß gehalten /
Ein maͤſſiger Turnir iſt loͤblich und auch gut /
Doch wer zu viel in allen Sachen thut /
Verlihrt den Ruhm / nach laut der weiſen Alteu.

Zur nachfolge derer haben mehr Fuͤr - ſten und etzliche andere beruͤhmte Leute ſich in der Poeſie geuͤbet / und in jhren Getich - ten / ſo viel es die noch etwasrohe Sprache / ſo doch allezeit ſauberer worden / leiden wollen / gar artige Gedancken blicken laſ - ſen. Darunter ein Fuͤrſt von Anhalt / dann Friedrich Graf von Liningen / Hein - rich ein Marggraf von Meiſſen und ne - benſt einer groſſen Anzahl anderer / auch) () (3Hein -VorredeHeinrich der V. Hertzog von Breßlau / von welchem dieſe nachgeſetzte Reimen mir be - kant ſeyn /

Swenne ſi ſtet gegen in ze Angeſiht /
Und ſi in mit troͤgen giht /
Daz ſi in von Herze meine:
Swer diſen zwein geverlih ſi /
Und wont mit valſher Hute bi /
Der werde zeinem Steine.
Jndem ſie gegen jhm jhr freundlich Angeſicht /
Und den verliebten Glantz der Augen hat gericht /
Zum Zeichen / daß ſie es von gantzem Hertzen meine /
Wer dieſen Zwey zu wider iſt /
Und brauchet jrgend arge Liſt /
Der werde bald zu Steine.

Jch konte ferner hier ein Heer deut - ſcher Poeten auf die Buͤhne ſtellen / aber ich wil mit dergleichen nicht beſchwerlich ſeyn. Doch gedencke ich auch billich Hein - richs Frauen-Lobs / ſo mit vielen Getich - ten / ſo er zur Liebe deß Frauen-Zimmers aufgeſetzt / diß zu wege gebracht / daß ſol - ches ſeine Leiche biß in die Kirche getragen und ſeine Grabſtaͤdt / jhm zuehren / mit Weine begoſſen hat.

Folgender Jahre iſt die Poeſie mei -ſtensAn den geneigten Leſer. ſtens unter gemeine Haͤnde gerathen und von Erlauchten und Adelichen Gemuͤttern wenig gebraucht worden / doch iſt nach Maximilian deß erſten Zeiten / ein Buch auff Poetiſche Weiſe verfertiget herauß kommen / darinnen gedachten Kayſers un - terſchiedene ungluͤckſelige Faͤlle und wun - derbahre Begebenheiten / unter den ertich - teten Nahmen / Fuͤrwittig / Unfalo und Neidelhard / fuͤrgeſtellet werden. Etzliche ſeyn der Meynung / es waͤre hoͤchſt gedach - ten Kayſers eigene Erfindung / ſo ich mich zwar nicht uͤberreden laſſen kan / aber doch es vor eines gutten Kopfes Arbeit halte / und dieſes iſt der Poet / darinnen ich im neunden Jahre meines Alters mich ſehr beluſtiget / und die Silben zehlen gelernet.

Jn abgelauffener Hundert-Jaͤhriger Zeit / hat ein ehrlicher Buͤrger in Nuͤrn - berg / Hans Sachs ſich herfuͤr gethan / und in einem groſſen Wercke allerhand Spiele / Geſaͤnge und deꝛgleichen / unteꝛ dem Nahmen eines Meiſter-Saͤngers in das Licht geſtellt. Deſſen Kopff und Art /) (jvnachVorredenach Beſchaffenheit der Jahre / darinnen er gelebet / ich gar nicht tadele / und wuͤrde er / wann er beſſere Wiſſenſchafft von ge - lehrten Sachen / und genauere Anweiſung gehabt haͤtte / es vielen die nach ſeiner Zeit geſchrieben / und manche ungereimte Din - ge uns ſehen und hoͤren laſſen / weit vorgethan haben. Folgende Jahre iſt die Deutſche Poeſie nicht viel beſſer wor - den / biß ohngefehr vor funffzig Jahren / wie ich allbereit oben beruͤhret / Opitz von Boberfeld / als ein ungemein Gelehrter und aufgeweckter Kopf / (deſſen Dacia an - tiqua, ſo ich vor vierzig Jahren / als ich in Danzig taͤglich bey jhm auß und eingegan - gen / vielmahl in Haͤnden gehabt / ſich nu - mehr gantz verlohren) die rechte Reinlig - keit der Woͤrter und eigentliche Kraft der Bey-Woͤrter genauer beobachtet / und das Maß der Silben / richtige Reim-endung / gute Verknuͤpfung / und ſinnreiche Spruͤ - che / ſeinen Getichten einverleibet. Wie Er denn in allen Stuͤcken der Poeſie / beſon - ders in Uberſetzungen / vortreflich gluͤckſe -ligAn den geneigten Leſer. lig geweſen / welchem bald drey ſeiner Lands-Leuthe / als Tſcherning / ſo ſich ſehr an ſeine Art gehalten / dann Colerus und Czepko ruͤhmlich gefolget. Nach wel - chem auch Dach ein Preuſſe / dem die Lie - der nicht uͤbel gerathen / und Flemming ein Meißner / ſo vor andern ein Sonnet gar wol geſchrieben / wie auch Riſt ein Holl - ſteiner / ſo viel Geiſtliche Geſaͤnge herauß gegeben / dann Titz und Muͤhlpfort als Poeten bekand worden. Dabey ich denn auch / deß weitbekandten Harßdoͤrfers un - vergeſſen / der zwey beruͤhmten Sinnrei - chen Maͤnner Gryphii und deß von Lohen - ſtein ſchuldigſt gedencke / ſo wie in allen Sachen / ſo ſie angegriffen / alſo auch in jh - ren Trauer-Spielen / nach Art Sophoclis und Senecæ gefertiget / was ein hurtiger und gelehrter Geiſt kan / zur genuͤge er - wiſen.

Wie ich mich dan frey zuſagen erkuͤhne / daß wan man vor ſiebenzig Jahren / das gantze gelehrte Deutſchland auffgefodert haͤtte / es nichts dergleichen in der Mutter -) () (vSpracheVorredeSprache wuͤrde haben verrichten koͤnnen. Darauß wiꝛ dann / wie auß vielen anderen Anmerckungen ſehen / daß die Alten / nach - dem ſie auß der Welt gezogen / die Bruͤcke / in das Land deꝛ Wiſſenſchaft zukom̃en / nicht hinter ſich abgeworfen / ſondern den Nach - kommen auch Kraft uͤbrig gelaſſen / etwas geſchicktes und artiges aufzuſetzen. Jch koͤnte derer mehr nennen / ſo ſich in der Deutſchen Poeſte geuͤbet / weil mir aber unwiſſende ob es allen lieb ſeyn moͤchte / daß jhr Nahme bey dieſer gelegenheit be - kant ſeyn ſolte / ſo ziehe ich mich beſcheiden zu ruͤcke. Diß werde ich mich noch beyzu - fuͤgen unterſtehen / daß durch gedachter Maͤnner Fleiß und Nachſinnen / die Deut - ſche Poeſie ſo reine worden / daß ſie der auß - laͤndiſchen nichts mehr nachgiebet. Die - ſes geſtehe ich gerne / daß die Welſchen / we - gen jhrer ingemein angeboͤhrnen Ver - ſtandes und Scharff-ſinnigkeit / an gutten Erfindungen (wiewol auch bey allen nicht alles von gleicher guͤtte) den Deutſchen manches mal zuvorgehen / ſie haben aberauchAn den geneigten Leſer. auch in jhrer Poeſie ſo vieler Freyheit ſich bedienet / daß wer nicht etzliche Zeit ſich darinnen umb geſehen / wegen Verſchneid - und Zuſammenziehung der Silben / und Einmiſchung vieler ungemeiner und ſonſt ungebraͤuchlicher Woͤrter / wie jener von den Grichen ſaget / es vor eine frembde Sprache halten wird: Wie dann auß fol - gendem / wie viel eꝛlaubnuͤs ſie in jhren Rei - men ſich angemaſſet mit mehrem erhellet. Als vo, vor voglio, opre vor opere, Domino vor Dominio, lettre vor lettere, merto vor merito, maſſen dan Taſſo pro vor pronto in folgender Reimen Zeile zu gebrauchen ſich nicht ſcheuet.

Potente di conſiglio e pro di mano.

Wie dann ſolche auch ohne unterſcheid der langen und kurtzen Silben / allein auff die Anzahl derſelben und die Reim-endun - gen / ſo auch vielmal nicht zum beſten beob - achtet werden / alleine bedacht ſeyn.

Die Frantzoſen handeln jhre Poeſie eben auff dieſe Art / und laſſen jhnen die laͤnge und kuͤrtze der Silben wenig ange -legenVorredelegen ſeyn / maſſen dann Corneille in der Comedie Cid genannt / ſo jhn erſtlich beruͤhmt gemacht / und daruͤber ſo viel hurtige Gemuͤther / vor und wieder jhn / jhr Urtheil gefaͤllet / bald in dem erſten Reim deß erſten Drucks es mercklich bli - cken laͤſt /

Entre tous les amans dont la jeune ferueur.

Welches eben ſo lautet / als wenn ich im Deutſchen ſetzen wolte:

Unter den Liebenden die mich treulich gekennt /

Und jhre Poeten Reimen in gemein auff mèr amèr auf aimant aimant, vin fin das iſt / als wenn ich im Deutſchen auf Schale / Schale / Gewahr / wahr / huͤtte / be - huͤtte / Zige / Zuͤge / und dergleichen ſetzen wolte.

Wie denn auch die Spanier / wie - wol etwas ſparſamer jhre Freyheit brau - chen / und dann Holl - und Engellaͤnder ſich auch zum theil dazu gewoͤhnet ha - ben.

Den geneigten Leſer aber mit der -gleichenAn den geneigten Leſer. chen verdruͤßlichen Dingen nicht laͤnger auffzuhalten / ſo ſtelle demſelben ich ohne fernere weitlaͤuftigkeit / deß beruͤhmten Guarini Getreuen Schaͤfer vor / ſo nach vie - lem Verlauff der Jahre / noch eben den Ruhm / (eine ungemeine Gluͤckſeligkeit Poetiſcher Wercke!) den er jhm auff der Fuͤrſtlichen Saphoiſchen Schau-Buͤhne erworben / unverruckt erhalten. Jch habe mich erkuͤhnet / nachdem zwey Per - ſonen vor mir hand an denſelben geleget auch meine Feder daran zuverſuchen. Jch verachte nicht derſelben Arbeit / lobe aber auch nicht die meinige. Doch getroͤſte ich mich / daß ich nicht in allem werde geirret haben / und etwan noch ein und der andere Reim dem Geneigten Leſer gefallen werde. Jch muß bekennen / daß es ſchwer iſt / etwas auß einer in andere Sprache zu uͤberſetzen / daß man auch keiner Gewalt thue / die Kraft der Woͤr - ter nicht ſchwaͤche / und den Jnhalt nicht dunckel mache. Jn dem Wiederſchall habe ich mich einer Freyheit unterſtan -den /Vorrededen / die ich nicht wol habe vermeiden koͤnnen: Weil es unmoͤglich geweſen durch Gebrauch gleich-lautender Woͤr - ter / ſolchen zu uͤberſetzen / und mir alſo anders nicht habe zu helffen gewuſt. Jch gedencke von meiner Arbeit nichts mehr / und laſſe Amarillen und Mirtillo jhr / und auch mein Wort reden.

Mein anderes uͤberſetztes Werck be - treffende / deß Socratis Tod genennt / un - terwerffe ich gleichfals deß Geneigten Le - ſers Urtheile. Zu meiner Arbeit hat der beruͤhmte Frantzoͤſiſche Poet Theo - phile, jhm aber zu ſeiner Plato Anlaß ge - geben / der den Tod deß Socratis in ſei - nen Geſpraͤchen weitlaͤuftig beſchrieben / und dabey der Unſterbligkeit der See - len gedencket. Da ich ſolches zu uͤber - ſetzen anfing / hatte ich mehꝛ Feur und Freu - digkeit als jtzund / und wundere mich auch noch / wie in der damahligen Jugend ich ein ſo trauriges und unluſtiges Werck habe zu ende bringen koͤnnen Vor jun - ge und Welt-liebende Leute iſt dieſeskeineAn den geneigten Leſer. keine zu anmuthige Speiſe / doch hoffe ich / daß etzliche / den die ernſthafte Sa - chen nicht gantz zu wieder ſeyn / und dan die Muͤhe nehmen werden / ein paar Blaͤtter darinnen umbzuſchlagen / leicht glauben werden / daß ich die Gedancken vielmal hin - und wieder lencken muͤſſen: Jndem man / andere Schwerigkeiten zu - geſchweigen / in ſolchem Getichte ſchwer - lich mehr Reimen / als in dem Frantzoͤ - ſiſchen Wercke finden wird.

Die Helden-Briefe anreichende / ſo iſt das meine eigene Arbeit und nichts entlehntes. Jch hoffe es werde / weil viel Groſſer und meiſtens Deutſcher Leu - te darinnen gedacht wird / der Purpur durch meine Feder nicht befleckt / und jhre Aſche / vor der ich tauſendmal die Knie beuge / nicht verunruhiget wor - den ſeyn. Die ungleiche Begebenheiten darinnen ſeyn Fruͤchte der Liebe / ſo wie Africa allezeit etwas abentheurliches vorbringet / und Jrrthuͤmer gleichen dem Reife / ſo eben ſo wol auff die ge -kroͤnteVorredekroͤnte Granaten / als die ſauren Wald - Aepfel faͤllt. Die Art zu ſchreiben da - rinnen iſt gelaͤuffig / leicht / und mehr lieblich / als praͤchtig / dazu dan Ovidius mein Anfuͤhrer geweſen. Viel von Heyd - niſchen Goͤttern und uͤberſteigenden ge - zwungenen Redens-Arten / wie auch an - dere gemeine Schul-Poſſen / werden hier wenig zufinden ſeyn / und machen die den enthalt der Sachen eigentlich bedeutende Woͤrter / etzliche kraͤftige Bey-Woͤrter und andere mit Verſtande angewendete Kleinigkeiten / die gantze Verfaſſung mei - nes Schreibens. Lange auf Kunſt und weitgeſuchte Dinge zu dencken / oder uͤber allen Wort-Saͤtzen Rath zu halten / und druͤber in den Naͤgeln zu klauben / iſt kein Werck von meinem Gemuͤthe. Und wird kein Ohr oder Auge / wie zaͤrtlich und empfindlich es ſeyn mag / durch ein zu - ſchlipfrig oder zu kuͤhnes Wort beleidi - get oder beflecket werden koͤnnen. Das uͤbrige ſeyn zuſammen geleſene Stuͤcke / die ich von vielen andern abgeſondert /vorherAn den geneigten Leſer. vorher geſetzte Aufſaͤtze begleiten laſſen wollen. Die anderen Luſt-Getichte / ſo noch unter meinen Haͤnden liegen / habe ich / zu ungleichem Urtheil nicht anlaß zugeben / mit fleiß zu ruͤcke gehalten / maſſen denn auch viel dergleichen meiner Poetiſchen Kleinigkeiten allbereit in unterſchiedenen Haͤnden ſeyn.

Das vornehmſte / was ich mir vor etli - chen Jahren fuͤrgenommen / zu Vergnuͤ - gung meiner Landsleute in das Licht zu - bringen / iſt unter meiner Hand / und ſo zu - ſagen in der Mutter erſticket. Nicht zwar auß unkraͤften ſolches zu voͤlliger Geburt zubringen / ſondern allein auß Mangel etli - cher guter Freunde / ſo mich ein wenig dar - zu aufgemuntert haͤtten. Jtzund iſt mir das Feuer ziemlich außgegangen / und der rechte Zug zu einem langen Wercke etwas ſchwaͤcher worden / maſſen denn auch der Anfang deſſen was ich / wie obgemeldet / un - ter meine Feder genommen / allbereit zu Aſche worden iſt.

Der geneigte Leſer wird wenig der -) () () (gleichenVorrede an den geneigten Leſer. gleichen mehr von mir ſehen / denn ob ich ſchon etwan noch eine Regung finden moͤchte / eines / und das andere von Luſt - Sachen aufzuſetzen / ſo ſchicken ſich doch zu ſolchen 26. Jahr beſſer als 62 / auch ſte - hen dergleichen bundte Gedancken mir ſo uͤbel an / als bundte Baͤnder auf meinen Kleidern / weil einem auf Eiß ſchlafenden nicht wol von Roſen traumen kan. Jch hoffe / es werde der geneigte Leſer meine Fehler / mit ſeiner Sanfftmuth und Be - ſcheidenheit verdecken / und gedencken / daß Jrꝛthum und Menſchligkeit in einer Huͤt - te / ja unter einem Hutte zu wohnen pfle - gen: wie ich mich denn endlich getroͤſte / daß der / ſo ein zu ſcharfes Urtheil uͤber mich oder meine Arbeit faͤllen wird / nach genauer Unterſuchung auch nicht ohne Fehler werde gefun - den werden.

Perſonen.

  • SILVIO

    Sohn deß Montano.

  • LINCO

    Alter Knecht deß Mon - tano.

  • MIRTILLO

    Liebhaber der Amarillis.

  • ERGASTO

    Gefehrte deß Mirtillo.

  • CORISCA

    Liebhaberin deß Mirtillo.

  • MONTANO

    Vater deß Silvio, ein Prieſter.

  • TITIRO

    Vater der Amarillis.

  • DAMETA

    Ein Alter Knecht deß Montano.

  • SATIRO

    Geweſener Liebhaber der Coriſca.

  • DORINDA

    Liebhaberin deß Silvio.

  • LUPINO

    Ziegen-Hirt und Knecht der Dorinda.

  • AMA -
  • AMARILLI

    Tochter deß Titiro.

  • NICANDRO

    Aelteſter Diener deß Pri - ſters.

  • CORIDON

    Liebhaber der Coriſca.

  • CARINO

    Alter und vermeinteꝛ Va - ter deß Mirtillo.

  • URANIO

    Alter Gefehrte deß Ca - rino.

  • TIRENO

    Blinder Prophet. Bote. Reyh der Schaͤfer. Reyh der Jaͤger. Reyh der Nympfen. Reyh der Prieſter.

Der1

Der Erſten Abhandlung

Erſter Auftritt.

SILVIO. LINCO.

Siluio et Linco IMB aur inv Cum Priuilegio S. C. May Melch. Küsell

DJe ihr das rauhe Wild mit Garnen habt uͤmſtecket / Laſſt hoͤren / daß man itzt zu jagen iſt bedacht / Friſch! daß das krumme Horn die faulen Augen wecket / Und das Geſchrey die Hertzen munter macht. AWem2Der Erſten AbhandlungWem in Arcadia kan Cynthia belieben / Ja deſſen freyer Geiſt Das Spiel der Jagt / die beſte Kurtzweil heiſt / Und dem der gruͤne Wald gefaͤllt / Der wird mit mir dahin zu eilen nicht verſchieben; Wo zwar ein enger Kreiß / Jedoch vor unſern Ruhm faſt eine weite Welt / Uns des erhitzten Schweines Wuͤtten Zu zeigen weiß: So Thal und Wald / Von wegen Grimm und ſcheußlicher Geſtalt Vor ſeinen Schrecken haͤlt / So itzt den Erimanth bewohnet / Und umb und umb faſt alles will zerruͤtten / Das beſte Feld verderbt / uud keines Hirten ſchonet. Geht laufft / ja uͤber laufft der Morgenroͤthe Pracht / Laſſt das heißre Horn erthoͤnen. Wir / Linco, wollen ſeyn bedacht / Die Goͤtter durch Gebete zu verſoͤhnen: Da gehn wir auf die Jagt mit mehrer Zuverſicht. Wer wohl begonnen hat / iſt halb zu Ende kommen / Doch / iſt kein Anfang gut / der nicht von GOtt genommen.

Linc.

Mein Silvio, ich tadle dich zwar nicht / Daß du in Andacht denckſt die Goͤtter zu verehren; Doch was mein treuer Mund dir itzt vor uͤbel ſpricht / Jſt dis / daß du den Schlaf der Prieſter wirſt verſtoͤren: Sie liegen all in ſuͤſſer Ruh / Und koͤnnen nicht den Tag erblicken: Bis Phoͤbus wird auf das Gebirge ruͤcken.

Silv.

Wie irreſtu? Es ſcheint / daß du noch ſelbſt im Schlafe biſt vergraben.

Linc.

Was nutzt dir doch die junge Zeit? Sollſtu umbſonſt die friſchen Blumen haben? Und ſind die Roſen hier vergebens ausgeſtreut? Ach! koͤnte dieſer Purpur-Schein Noch itzt uͤm meine Lippen ſeyn / So ſagt ich gute Nacht / ihr Waͤlder und ihr Auen; Jch gieng ein ſchoͤner Wild zu ſchauen;Jch3Erſter Auftritt. Jch regt in Luſt und Spiel der Jugend heiſſes Blut Jm Schatten Sommerszeit / im Winter bey der Glut.

Silv.

Du haſt mir ſolchen Rath ja nicht zuvor gegeben; Jſt dir denn itzt veraͤndert Geiſt und Muth?

Linc.

Ein andre Zeit bringt ander Leben / Waͤr ich der Silvio, ſo nennt ich dis mein Gut.

Linc.

Weil ich nun Silvio, und gar nicht Linco bin / Wil ich den Silvio, und nicht den Linco hoͤren.

Linc.

O junger Sinn / Wie laͤſtu dich bethoͤren! Du ſuchſt ein Wild ſo weit / und laͤſt daſſelbe gehn / So du in Sicherheit nah und zu Hauſe findeſt.

Silv.

Jſt dieſes Ernſt / wie ſoll ich es verſtehn?

Linc.

Ernſt / wo du dich nicht ſelbſt zu ſchertzen unterwindeſt.

Silv.

Und iſt nicht weit von hier?

Linc.

Faſt naͤher als du ſelber dir.

Silv.

Wo hat es denn den Aufenthalt?

Linc.

Du ſelber biſt der Wald / Und dieſes Waldes Wild iſt deine Grauſamkeit / Das laͤſtu ohne Streit / Und lieget doch mit Ruh in deinem Hertzen.

Silv.

Jch dachte wohl / du wuͤrdeſt ſchertzen.

Linc.

Das ſchoͤnſte Weib / da Liebligkeit und Pracht / Was ſterblich war / zu einer Goͤttin macht / Der friſche Morgen-Roſen weichen: Der ſelbſt der weich - und weiſſe Schwan / Wie weich und weiß er iſt / nicht gleiche kommen kan / Um welcher wegen viel vergebne Seufzer ſtreichen; Die hat Erd und Himmel nun dir / O Silvio, beſchert. Du biſt der Gunſt nicht wehrt / Du kanſt Sie itzt uͤmfangen / Und wilſt Sie nicht erlangen. Du biſt vorwahr ein Wild / ja Eiſen / Eiß und Stein.

Silv.

Jſt dann / nicht lieben / ſo groſſe Grauſamkeit? So muß die Grauſamkeit ja eine Tugend ſeyn: Und bin gantz unbeſorgt / daß ſie mein Hertze heget. Ja dieſes hat mein Haupt mit Ehr und Ruhm beſtreut /A 2Weil4Der Erſten AbhandlungWeil ich durch ſie Faſt ohne Muͤh Ein groͤſſer Thier / als ſie / die Liebe / hab erleget.

Linc.

Wir haſtu dis bezwungen / So dir iſt unbekandt?

Silv.

Durch Unerfahrenheit hab ich es weg gedrungen.

Linc.

Ach fuͤhlteſtu einmal den angenehmen Brandt / Und kennteſt dieſen Schatz der Erden / Verliebt zu ſeyn / und auch geliebet werden / So wuͤrdeſtu mit vielen Seufzen ſagen: Wie daß das ſuͤſſe Gifft ſo langſam mich beſprengt? Ach lieber Freund / laß Waͤlder / Wild und Jagen!

Silv.

Zu ſagen was mein Hertze denckt / Jch gebe vor ein Wild viel tauſend Nymfen hin / Das mein Melampo hat erleget / Es ſey ein ander Sinn Durch dieſen wehrten Schatz beweget.

Linc.

Was fuͤhlſtu denn / fuͤhlſtu die Liebe nicht? Die macht / daß ſich die Welt kan regen und vermehren; Dich wird die Unzeit lehren / Was du itzt nicht wilſt hoͤren. Die Liebe leget uns doch endlich an den Tag / Was ihre Fanſt verricht / Und ihre Kraft vermag. Jch kan aus Erfahrung ſagen / daß ſich nichts dem Schmertzen gleicht / Als wenn dieſe heiſſe Brunſt in dem Alter uns beſchleicht / Da unſer Leib um meiſten wird gekraͤnckt / Jemehr man ihm zu helffen denckt. Denn wird die Jugend gleich durchbort mit Liebes-Pfeilen / So kan die Lieb auch ſie durch ihre Pflaſter heilen / Kan ſie der Schmertz verletzen / So kan die Hoffnung ſie hergegen auch ergetzen. Ob eine Zeit ihr Hertz und Sinnen bricht / So wird ſie endlich doch auch wieder aufgericht. Beſchwingt dich aber Liebes-Brandt Wann Schnee und Eiß / Marck / Blut und Geiſt beſtricken /Wann5Erſter Auftritt. Wann dein Gebrechen mehr / als fremde Schuld / dich plagt / So weiß kein Pflaſter und kein Band Dich wieder zu erquicken; Ja dir iſt Huͤlff und Raht verſagt. Dann wil ſich kein Hertze mehr deiner erbarmen / So ſchreiſtu uͤber Noth / Und reicht man dir die Armen / So biſtu mehr als todt. Nicht locke vor der Zeit Der Jahre Bitterkeit. Wird mit den grauen Haaren Sich Brunſt und Liebe paaren / So haſtu doppelt Leid. Theils / weil du / als du vermocht / haſt die Stunden laſſen flieſſen; Theils / weil du / als du gewolt / nicht haſt koͤnnen mehr genieſſen. Laß Wild und Wald / mein Freund / gebrauche dich der Zeit.

Silv.

Als waͤre ſonſt kein Leben mehr zu finden / Als dieſes / ſo die Milch der tummen Lieb erquicket.

Linc.

Betrachte doch / wenn itzt in dieſem Lentzen / Da ſich die Jahreszeit mit Blumen pflegt zu binden / Und man der Welt Veraͤnderung erblicket; An ſtatt daß Berg und Thal voll Farben ſolten glaͤntzen / Und dieſer bunte Schmeltz die Allen ſolt uͤmkraͤntzen / Dis alles duͤrr und nackend ſtuͤnde / Und unſer Augen Licht Vor ein angenehmes Blat / nichts erkieſt als Aſt und Rinde; So ſchwuͤrſtu dieſe Welt hat keine Kraͤffte nicht / Es iſt uͤm ſie gethan. So dis nun deinen Geiſt mit Wunder koͤnt erfuͤllen: So ſchaue dich doch itzt ſelbſt als ein Wunder an. Dir hat des reichen Himmels Hand Bey deinem jungen Leben / Aus welchem tauſend Schaͤtze qvillen / Auch gruͤne Kraft gegeben / Und was vor Zierath mehr aus deiner Jugend bricht. Wie nun der Liebe Brand Bey uͤberſchneyten HaarenA 3Ge -6Der Erſten AbhandlungGehalten wird vor einen Ubelſtand: So iſt bey gruͤnen Jahren Nicht lieben / der Natur ein Mameluk zu ſeyn / Und wider ihr Gebot ſich freventlich zu ſetzen. Betrachte doch den Schein Des Zirckels dieſer Erden; Ja was ſich in der weiten Welt Hat an das Licht geſtellt / Das wil ein Knecht der heiſſen Liebe werden: Es muß Himmel Erd und Meer Der Brunſt zu Dienſte gehn; Des hellen Sternes Glaͤntzen / So dorte wil fuͤr der Aurora ſtehn / Komt von der Liebe her / Und laͤſt die reine Glut ſein ſchoͤnes Haupt uͤmkraͤntzen; Es iſt Venus / ſo da liebt / und uns auch verliebet macht. Dis iſt vielleicht die Stunde / Jn der ſie iſt bedacht Den letzten Kuß zu geben deſſen Munde / Bey dem ſie hat die gantze Nacht Jn ſuͤſſer Buͤberey vergnuͤget zugebracht. Ach ſchaue / wie ihr Mund aus geilen Flammen lacht! Es muͤſſen hier und da die wilden Thiere brennen / Die rauhe See Lehrt das beſchuͤpte Volck das heiſſe Liebes-Weh. Der ſchwere Wahlfiſch brennt bey fluͤchtigen Delphinen; Das leichte Voͤgelein / ſo dorte lieblich ſingt / Und von der Tann itzt auf die Fichte huͤpfft / Ja von der Fichte ſich hinwieder fluͤchtig ſchwingt / Und in die Myrthen-Straͤuche ſchluͤpfft / Haͤtt es der Menſchen Geiſt / Es wuͤrde laut bekennen / Jch muß der Liebe dienen Und thun was ſie mich heiſt: Doch rufft es / wie es kan / demſelben / was es liebt / Mit ſuͤſſem Geſchwirre und Lieblichkeit zu / Daß ihm nach ſeiner Art denn auch zur Antwort giebt: Jch liebe gleich wie du. Das7Erſter Auftritt. Das Vieh bleckt in dem Stalle / Das muß der Aufbot ſeyn zu ihrer Buhlerey; Der Loͤw bezeuget ſelbſt mit ſeinem rauhen Schalle / Daß nun ſein alter Grimm der Liebe dienſtbar ſey. So iſt die gantze Welt ein ſtarck verliebtes Heer. Weiß hier denn Silvio alleine nicht zu brennen / Und ſoll dann Silvio im Himmel / Erd und Meer / Die Seele / ſo nicht liebt / alleine ſeyn zu nennen? Laß doch die Waͤlder ſeyn / Und ſtelle dich beym meiſten Hauffen ein.

Silv.

Wer hat dir meine Jugend Zu fuͤhren heimgeſtellt? Daß ihr an ſtatt der Tugend Die Buhlerey ſey zugeſtellt. Und kenneſt du nicht mich und dich?

Linc.

Ein ieder pruͤfe ſelber ſich: Jch bin ein Menſch / und wuͤntſch ein Menſch zu bleiben / Und wil mit dir als einem Menſchenkinde / Mit menſchlichem Geſpraͤch auch itzt die Zeit vertreiben; Und daß ich mich noch dis zu melden unterwinde / Weil du dich der Menſchlichkeit allzueifrig wilſt erwehren / So gedencke / daß die Zeit dich kan in ein Wild verkehren.

Silv.

Durch deſſen Hand die Ungeheuer ſtorben / Aus welchem Quell mein Blut entſprungen; Der haͤtte nimmer mehr ſo groſſen Ruhm erworben / Haͤtt er zuvor die Liebe nicht bezwungen.

Linc.

Ach blinder ſelbſt-Betrug / Wo waͤreſt du itzund / wenn dein Alcides nicht Jn Liebes-flammen kommen / Daß er den Sieg erworben / und Ungeheuer ſchlug / Hat mehrentheils die Liebe zugericht. Und haſtu nicht vernommen / Daß er der Omphale in allem gleich zu leben Nicht allein die Leuenhaut in ein Frauen-Kleid verkehret / Sondern auch vor ſeine Keul Rock und Spindel ſelbſt begehret. Er wuͤntſch in derer Schoß / als in einem Port zu ſchweben / Und nach vieler Noth und Leiden Hier zu aͤrnten Luſt und Freuden /A 4Die8Der Erſten AbhandlungDie verliebte Hertzens-Seufzer die entleichten unſre Schmertzen / Und erwecken Tapfferkeit in der Menſchen kalten Hertzen. Das Liebes-Seufzen kan auf den vergangnen Schmertzen Die beſte Kuͤhlung machen / Und leget oft in unſerm Hertzen Ein Feuer an / zu vielen groſſen Sachen. Dann / wie ein rohes Eyſen Mit edlerm Ertz verbunden / Zur Arbeit gut und tuͤchtig wird befunden: So kan man gleichfals leicht erweiſen / Daß ein erhitztes Blut So viel mal durch den Brand der eignen Flammen faͤllt / Wann ſich die Lieb ihm an die Seite ſtellt / Die beſten Dienſte thut. Wilſtu des Hercules ſein nechſter Enckel heiſſen / Und kanſt dich deiner Jagt und Waͤlder nicht entreiffen / So laß im Walde nicht / die Liebe zu verehren; Entzeuch dich doch der Glut Der Amarillis nicht / ſo lieblich iſt und gut. Wilſtu nicht die Dorinde hoͤren / So thuſtu wohl / ja du biſt hoch zu ſchaͤtzen. Dann / weil die Ehre dir zum Zweck iſt fuͤrgeſetzt / So muß durch Neben-Brunſt nicht ſeyn dein Hertz ergetzt. Sonſt wuͤrdeſtu nur deine Braut verletzen.

Silv.

Wie? Meine Braut? Sie iſt noch nicht mein eigen.

Linc.

Sie ſchwur dir ja bey Hand und Hertzen / Mich wundert / daß du nur daſſelbe wilſt verſchweigen: Die Goͤtter laſſen nicht mit ihren Augen ſchertzen.

Silv.

Des Menſchen Freyheit iſt ein Theil der Himmels-Gaben; Und den verknuͤpffet nichts / den er befreyt wil haben.

Linc.

Ach hoͤre nur dem Himmel deutlich zu Und mercke / was er dir verſpricht: Es ſoll dein Heyraths-Werck uͤmſchlieſſen Ehr und Ruh.

Silv.

Der Goͤtter Sorg iſt gleich auf Buhlerey gericht. Mich ſoll die Liebe nicht nach ihrem Willen treiben; Jch wil ein Jaͤger ſeyn und ohne Brunſt verbleiben. Geh du zur Ruh / der du in Liebe wolteſt ſchweben.

Linc.

Dich ſoll der Himmel uns haben gegeben? Jch9Anderer Auftritt. Jch weiß faſt nicht / woher den Urſprung du genommen: Du biſt nicht recht von GOtt / nicht recht von Menſchen kommen / Und hat dir ja ein Menſch gegeben Geiſt und Leben / So muß ja Tiſiphons und auch Alecto Gifft / So hier auf dieſer Erden Gar manches Ubel ſtifft / Und nicht der Venus Luſt / dich heiſſen Menſchlich werden.

Anderer Auftritt.

MIR TILLO. ERGASTO.

Mirtillo et Ergasto. 3 I. WB aur inv. Cum Priuilegio. Sac. Cœs. May〈…〉〈…〉 Melch Küsell f

ACh! Amarillis, ach! die Bitterkeit und Lieben Mit ſteiffen haͤfften kan verbinden; Es hat zwar deines Leibes Schein Den weiſſen Lilien den alten Ruhm vertrieben;A 5Doch10Der Erſten AbhandlungDoch / muß ich mich auch dis zu ſagen unterwinden / Die Natter / ſo ſich hier laͤſt im Gepuͤſche finden / Wird nicht ſo wild und taub als Amarillis ſeyn. Und kan mein Wort dich nicht erweichen / So wil ich ſchweigende verbleichen. Es wird doch Berg und Thal nicht meinen Tod verſchweigen; Jch weiß der gruͤnen Waͤlder Pracht / Deh’n ich dein Lob faſt ſtuͤndlich kund gemacht / Wird dein verhaͤrtes Hertze zeigen. Der Wind wird mich beſeufzen muͤſſen / Und mancher Brunn wird Thraͤnen laſſen flieſſen; Aus meinen Augen wird mein Leiden ſeyn zu leſen / Und ſolt auch alles dis mich weigern zu beklagen / So wird der Tod doch ſelbſt von meiner Marter ſagen Und melden / wer ich bin geweſer.

Erg.

Die Liebe wil uns ſtets mit Jammer uͤberſchuͤtten / Jemehr man ſie verbirgt / iemehr ſie pflegt zu wuͤtten. Den Zaum ſo in der Brunſt des Bulers Zunge traͤgt / Hat nur der Liebe Macht iemehr und mehr bewegt; Sie ſetzt uns haͤrter zu / wenn Feſſel ſie uͤmgeben / Als wenn ſie mit der Zeit in Freyheit weiß zu leben. Und muſtu nun mir deine Flammen zeigen / Warumb bemuͤh’ſtu dich die Urſach ihrer Pein Mir zu verſchweigen? Du wirſt noch indenck ſeyn / Wie oft ich dir geſagt: Mirtillo der vergeht in einer ſtummen Glut.

Mirt.

Mich hab ich wegen dieſer verborgen ſtets geplagt / Die mir itzt unrecht thut / Jch hielt auch noch verſchloſſen meinen Mund / Wenn nicht die Noth die Bande mir zubrochen. Ein Wort das that nur etwas kund / So mich durch das Gehoͤr ins Hertze hat geſtochen / Daß Amarillis bald ſolt aͤndern ihren Stand. Jch durffte nichts mehr fragen / Theils mich nicht in Verdacht zu ſetzen. Theils nicht / was mich erſchreckt / zu hoͤren. Mir11Anderer Auftritt. Mir iſt nicht unbekand / Die Liebe wird mich auch in dem Fall nicht bethoͤren / Daß ich vor die nicht wuͤrdig bin zu ſchaͤtzen / Die man ſelbſt des Himmels Auszug ſchaut auf Bruſt und Stirne tragen. Das Urtheil weis ich ſchon ſo mein Geburts-Stern ſpricht / Daß ich ſoll ſeyn zur Glut gebohren / Doch nicht zu dem Genieß der Liebe zugericht. Weil das Verhaͤngnis denn mich armen hat erkohren Den Tod zu lieben; So wil ich auch zu ſterben nicht verſchieben / Derſelben Anlaß hier zu geben / Die mich in dieſe Noth gebracht / Daß / wenn der letzte Geiſt wird aus dem Munde ruͤcken / Mich durch ihrer Augen Plitz doch zuvor noch anzublicken / Jch wuͤntſche dieſes Wort: Mirtillo ſol nicht leben; Solt Amarillis doch vor meinem bleichen ſcheiden / Und eh ſie Hochzeit macht / Mich doch nur hoͤren leiden. Ergaſto ſey bedacht / Daferne meine Noth dich zur Erbarmnis bringet / Mir doch darzu Gelegenheit zu machen.

Erg.

Das iſt ein Wuntſch / den zwar die Lieb erzwinget / Doch der in Todes Rachen Uns wenig hilfft / und iſt nicht auſſer der Gefahr. Nehme dis ihr Vater wahr / Und kriegt ihr Schwaͤher nur ein Wort davon zu wiſſen / Daß Sie auf den Begehr gehoͤret deine Klagen; So wuͤrde ſie erbaͤrmlich buͤſſen. Wer weiß ob nicht ihr Geiſt / der dich hat meiden muͤſſen / Mit dir itzt leidet gleiche Plagen? Denn / viel eher als ein Mann iſt ein Weib zwar anzuſtecken: Doch wird Sie die Liebes-Brunſt beſſer auch / als Er / verdecken; Liebt ſie dich gleich ſo muß ſie dich doch meiden / Denn wer nicht helffen kan der hoͤret ohne Frucht / Wer gegenwaͤrtig kraͤnckt / denckt billig auf die Flucht. Die groͤſte Weisheit iſt / daſſelbe bald zu laſſen Was uns unmuͤglich ſcheint ins kuͤnfftig zu uͤmfaſſen.

Mirt.
12Der Erſten Abhandlung
Mirt.

Jch wolte / wuͤſt ich dis / auch mit Vergnuͤgung leiden / Und lebte vieler Sorgen frey. Ach ſage mir doch bald wer dieſer Schaͤfer ſey / Auf den der Himmel ſo mit Freundſchaft iſt entbrant?

Erg.

Jſt Silvio dir unbekant / Des Prieſters der Dianen Sohn? Der fuͤhrt / von wegen ſeiner Gaben / Jtzt dieſen Schatz darvon.

Mirt.

O Schaͤfer / wie hat doch der Himmel dich erhaben / Dem bey ſo fruͤher Zeit das Gluͤcke reiffen ſoll! Doch dieſes ſag ich nicht aus Neid / Mich druͤckt mein eigen Leid!

Erg.

Dein Neid / der waͤre hier gewiß auch Jrrthums voll / Beklagen ſoll man ihn und keines weges neiden.

Mirt.

Beklagen / wo kein Leiden?

Erg.

Der leidet / der nicht fuͤhlt der Liebe ſuͤſſe Kertze.

Mirt.

Nicht lieben? Wie iſt dis bey Leben / Aug und Hertze? Doch zu ſagen: Waruͤm nichts ihr Geſicht itzt mehr entzuͤndet; So wiſſe / daß ſich ihrer Flammen Macht Hier ungetheilt in meinem Hertzen findet / Und was ſoll die Perle dieſem / der der Perle Glantz veracht?

Erg.

Durch ſolche Heurath ſoll uns wieder ſeyn gebracht / Was bis anher Arcadien verlohren. Haſtu denn nicht gehoͤret / Wie Cynthia hier wird verehret / Und Jhr jaͤhrlich eine Jungfrau zu dem Opfer wird erkohren?

Mirt.

Jch bin ein Fremder hier; Dis ſind nur neue Sachen; Mir iſt der Wald an ſtatt der Welt / Weil es dem Himmel ſo gefaͤllt. Doch was hat die Goͤtter doch ſo erzuͤrnet koͤnnen machen?

Erg.

Jch bin bereit dir dieſes zu erzehlen / Was auch die harten Eichen Vermoͤchte zu erweichen / Solt ihnen ja der Menſchen Thraͤnen fehlen. Als auch das Prieſterthum der Jugend war vertrauet / Die man noch glat von Haut und friſch von Jahren ſchauet; So ward ein Prieſter hier durch Liebes Glut entbrannt / Von Adel und Vernunfft / ſonſt weit und breit bekand. Amin -13Anderer Auftritt. Amintas der began Lucrinen zu behagen; So hieß das junge Paar / Lucrina konte ſagen / Daß ſie das gantze Land vor ſeinem Zierrath hielt / Doch / war ihr leichter Geiſt mit Falſchheit angefuͤllt. Sie zeigte lange Zeit Aminten treue Flammen / Und ſezte wol vielleicht Betrug und Gluͤck zuſammen: Denn / als ſie ungefehr ein junger Hirt erblickt / So ward ſie unvermerckt in fremdes Garn geruͤckt. Sie fuͤhlte neue Brunſt ihr in das Hertze kommen / Eh ihr Amintas wird vom Eifer eingenommen; Amintas, der forthin nicht beſſer wird geacht / Als Kertzen bey der Sonn / und Spiegel bey der Nacht. Es ward nunmehr ihr Geiſt auf ſeinen Schimpf befliſſen / Sie wolt auch nicht ein Wort von ſeiner Liebe wiſſen: Du / als erfahrener / wirſt kennen dieſe Pein.

Mirt.

O Pein / der keine Pein recht gleiche weiß zu ſeyn.

Erg.

Weil Hertz und Hoffnung ihm verſtirbt in fremden Haͤnden / So wil Amintas ſich zu ſeiner Goͤttin wenden / Er ſpricht ſie haͤlb entzuͤckt mit dieſen Worten an: O Cynthia, ſo mich dein Auge kennen kan / Der ich aus treuer Pflicht und ungefaͤlſchten Sinnen Die Feuer angeſteckt / und dich verſoͤhnen koͤnnen / So neige dich zu mir / und ſchau auf eine Glut / Der itzt ein ſchoͤnes Weib Gewalt und Unrecht thut. Die Goͤttin laͤſſt das Wort des Prieſters ſich bewegen / Sie wil den heiſſen Grimm zu ihrer Wehmuth legen; Und ſchieſt den Todes-Pfeil in unſers Landes Bruſt / Ach was vor Leichen hat doch dieſer Pfeil gekoſt! Es ward hier Jung und Alt erbaͤrmlich weggeriſſen; Oft ſtarb ein kluger Artzt bey ſeines Krancken Fuͤſſen / Es ward ein edler Tranck / es war die kluge Flucht / Und was ſonſt helffen wil / uͤmſonſt hervor geſucht / Das beſte Mittel blieb / den Himmel zu erbitten / Zu hemmen dieſes Schwert / das unſer Land beſtritten. Man wante ſich darauf zu des Orakels Mund: Durch ſolches ward uns bald mit hoͤchſtem Schrecken kund / Daß den entbranten Haß der Cynthia zu ſtillen / Lucrina ſonder Friſt / uͤm ihrer Untreu willen /Durch14Der Erſten AbhandlungDurch des Amintas Hand geopffert muͤſte ſeyn; Wo nicht iemand vor ſie erlitte dieſe Pein / Und wuͤrde hingericht. Lucrina ſchwimmt in Zaͤhren / Die neue Liebe kan den Ausſpruch nicht verwehren: Sie wird in groͤſter Angſt / wiewol mit hoͤchſter Pracht / Gleich als ein Opffer-Thier zu dem Altar gebracht. Hier beugt ſie Knie und Halß zu des Amintas Fuͤſſen / Der ihr ſo lange Zeit vergebens folgen muͤſſen / Und wartet auf den Streich / der ſie verderben ſoll. Amintas, wie es ſchien / von Grimm und Rache voll / Greifft ietzt das Meſſer an / doch auch nicht ohne Schmertzen / Und fuͤhrt Lucrinen noch die alte Schuld zu Hertzen / Er ſprach: Was du geliebt / betracht aus deiner Noth; Und was du haſt veracht / lern itzt durch meinen Todt. Er ließ darauf den Stahl ihm ſelbſt ins Hertze gleiten; Jhm muß Lucrinen Arm den erſten Sarg bereiten. Er faͤllt ihr gans verblaſt auf die gebognen Knie / Als Prieſter / doch zugleich auch als das Opffer-Vieh. Die Jungfrau iſt beſtuͤrtzt von dieſen Wunderdingen / Ob Wehmut oder Stahl ſie ſoll zum Tode bringen / Jſt ihr noch unbekand. Sie ſpricht / ſo gut ſie kan / Und als ihr moͤglich iſt / noch den Amintas an: Zu langſam lern ich itzt / wie ſehr du mich geliebet / Jndem dein jaͤher Tod mir Tod und Leben giebet. War dis ſo groſſe Schuld / daß ich mich dir entbrach / So faͤhrt itzund mein Geiſt dem deinen ewig nach. Sie riß darauf den Stahl aus des Amintas Schaden / Und ſtieß ihn ſelbſt in ſich / von Blute noch beladen; Man ſchaute / wie ſie bald auf deſſen Leichnam ſanck / Dem auch noch dieſer Stoß vielleicht ins Hertze drang. So hoͤreſtu wie dieſe zwey geſtorben / Und durch die Lieb und Untreu ſeyn verdorben.

Mirt.

O! Schaͤfer reich an Pein / doch reicher am Geluͤcke / Weil dir ein ſo beruͤhmtes Feld Die Treu recht kund zu thun / itzund wird fuͤrgeſtellt / Dein Tod belebt itzund der Wehmuth reine Blicke. War nun des Volckes Wuntſch durch dieſen Fall erfuͤllt? Ward ihre Noth gedaͤmpfft und Cynthia geſtillt?

Erg.
15Anderer Auftritt.
Erg.

Jhr Zorn ließ etwas nach / doch wolt er nicht vergehen: Man ſchaut ein Jahr darauf die alte Noth entſtehen Man lief bald nach Gebrauch auf das Orakel zu: Es gab uns ſchlechten Troſt / es bracht uns ſchlechte Ruh. Die Noth wuchs mit der Zeit. Wir muſten hier erfahren / Daß eine zarte Nympf in ihren beſten Jahren / Die uͤber ſunfzehn zwar / doch uͤber zwantzig nicht / Der groſſen Cynthia bald wuͤrde hingericht: Und daß man alle Jahr dis Opffer ſolt erfriſchen / Durch dieſes reine Blut viel Schulden abzuwiſchen: Was mehr? Es hoͤrt allhier das weibliche Geſchlecht Ein allzuſtrenges Wort / und allzuſcharffes Recht; Ein Recht / ſo leichtlich bricht / wiewol mit Blut geſchrieben / Daß dieſe ſterben ſoll / die nicht iſt treu verblieben. Es meint der Vater nun / daß derer reine Eh Alleine tilgen ſoll des Landes Noth und Weh. Weil das Orakel auch hat frey heraus geſaget / Als man es noch einmal in Demuth hat gefraget: Es weichet eher nicht des Landes ſchwere Laſt / Bis daß zwey Himliſche der Liebe Band verfaſt / Bis eines Schaͤfers Treu wird gut zu machen wiſſen / Was ſich ein falſches Weib zu ſtoͤren hat befliſſen. Nun iſt kein ander Paar / mir faͤllt nichts anders ein / Es muß ja Silvio und Amarillis ſeyn / Die von der Goͤtter Art zu erſte hergefloſſen. Er iſt vom Hercules, und ſie vom Pan entſproſſen. Und / was uns bis anher verzweiffelt hat gemacht / So hat der Goͤtter Stamm nicht Kinder aufgebracht Von beyderley Geſchlecht; itzt / da nun ſolche kommen / So hat Montano auch die Zuverſicht genommen / Doch auch nicht ohne Grund; und ſchaut man gleich noch nicht Das Ende dieſer Pein / ſo tauſend hingericht; So iſt doch dis der Grund / das Ende ſteht bey Gott / Und dieſer Heyrath Frucht vertilget unſer Noth.

Mirt.

Mirtillo, biſtu denn ein Zweck von allen Noͤthen? Soll denn aller Feinde Hauffen Gegen mir zu Sturme lauffen? Wil auch bey Liebes-Pein mich das Verhaͤngnis treten?

Erg.
16Der Erſten Abhandlung
Erg.

Mirtillo glaub es nur / der Liebe Wunder-Macht Wird durch die Thraͤnen wohl genaͤhrt und angefuͤllet: Doch durch die Thraͤnen nicht geſtillet. Jch bin dahin bedacht / Daß dieſe Nymfe dich doch endlich noch ſoll hoͤren. Nur ſtelle deinen Geiſt zu Ruh / Der heiſſen Seufzer Trieb erkuͤhlet nicht den Schmertzen. Es iſt ein Sturm / der unſern Brand wil mehren / Und richtet nur die Zwirbel Winde zu / Die auf der Verliebten Hertzen Mit viel tauſend Jammer dringen / So Wolcken vieler Noth und Thraͤnen-Regen bringen.

Dritter Auftritt.

CORISCA.

Corisca. 4 I. WBaur inv. Cum Priuilegio S. C. May. Melchior Küsell f.
Wer17Dritter Auftritt.

WEr hat iemals geſchaut / wer hat iemals gehoͤret / Daß einen der verliebte Brand So wunderlich / wie mich / bethoͤret? Jn meinem Hertzen hengt ein Band / So Lieb und Haß ſo kraͤftig hat verbunden / Daß eines mit dem andern Komt und vergeht / Stirbt und entſteht / Sich zeigt / und wieder weg wil wandern. Betracht ich / was mein Geiſt bey dem Mirtillo funden; Erweg ich ſeine Blicke / Sein hoͤfliches Geſchicke / Und was ſich von ſeinem Scheitel / bis zu ſeiner Ferſe zeiget / Sein Reden und ſein Lachen / Und waß ihn mehr zum Wunder weiß zu machen; So fuͤhl ich / wie der Brand mir in die Seele ſteiget; Jch ſpuͤre nichts als Glut / All andre Regung weicht / von Liebe qvillt das Blut. Wird denn hergegen auch erwogen / Wie ſein verhaͤrter Geiſt auf fremde Felder lenckt / und ferner nicht auf meine Schoͤnheit denckt / Die tauſend Hertzen oft als ein Magnet gezogen; So wird er mir zu Gift / und bitter wie die Gallen / Es kan kein Haar mir mehr an ihm gefallen. Bisweilen denck ich zwar bey mir / Koͤnt ich des ſuͤſſen Mirtillo genieſſen / Solt ich Beſitzerin / doch aber gantz allein / Des ſchoͤnen Leibes ſeyn; So waͤr ja Coriſca geneſen / Und koͤnte das Geluͤck in reicher Erndte leſen. Jch hatte damals Angſt zu wehren Haͤnd und Fuͤſſen / Daß ſie nicht ihm verrahten meine Noth. Duͤrfft ich / ich bet ihn an / und nennt ihn meinen GOtt. Bald koͤmt mir wieder ein / ſoll ich den Spoͤtter lieben / Der mich verwirfft und wenig acht / Der bloß auf fremde Liebe tracht / Der nur mein Auge ſchaut mich beſſer zu betruͤben / Und meiner Schoͤnheit weiß mit Hochmuth obzuſiegen. BSoll18Der Erſten AbhandlungSoll die / uͤm derer ſtoltzen Fuß Faſt eine Legion der Seelen ſenfzen muß / Verſtrickt zu ſeinen Fuͤſſen liegen? Das ſoll warlich dem Betruͤger nicht vor ſeinen Augen ſchweben. Und dieſes ſtecket mich mit ſolchem Wuͤtten an / Daß ihn und mich ich nicht mehr lieben kan / Und was ich vor geſucht / itzund nun wil begeben. Sein Namen / meine Brunſt / wird mir zu Gift und Peſt; Jch zuͤrne daß ihn nicht der Donner ſterben laͤſt: Und koͤnt ich / dieſe Fauſt die braͤcht ihn uͤm das Leben. So leget Lieb und Haß / ſo ruͤſtet Brunſt und Zorn Sich feindlich gegen mich / und zeigen Zahn und Horn. Vor dieſem ſteckt ich an viel tauſend tauſend Hertzen / Viel tauſend ſpeiſet ich mit Hoffnung / Noth und Weh: Jtzt ſchwimm ich Arme ſelbſt in einer Jammer-See / Und ſchmeck in meiner Noth der Fremden Seelen Schmertzen. Wo ſind die ſuͤſſen Stunden? Da ich noch in der Stadt Von Buhlern / die ich nicht genugſam ruͤhmen kan / Mit Seuftzern war bedint; doch ſtetig ungebunden / Wie mir manch hoher Sinn zuvor geopffert hat: So hat mich itzt ein Bauers-Garn uͤmwunden. Mir war manch edler Geiſt vor dieſem noch zu ſchlecht: Jtzt werd ich ſelbſt beſtrickt durch einen Hirten-Knecht. Coriſca waͤr itzund ein Trauer-Spiel der Erden / Haͤtt ich mich zeitlich nicht uͤm Buhler uͤmgethan; Wie koͤnt itzund die Noth von mir gewendet werden? Jhr Nymphen ſchaut doch itzund an / Und gedenckt uͤm tauſend Buhler euch in Zeiten zu bemuͤhen. Denn koͤnt ich ſonſten nichts / als den Mirtillo hoffen / So haͤtte mich die groͤſte Noth betroffen; Und dieſe Frau kennt keinen guten Rath / Die einen nur allein zu lieben Fuͤrſatz hat. Nimmermehr wird dieſe Thorheit mich auf ihre Seite ziehen. Treu und Beſtaͤndigkeit Sind eifriger Jecken ertichtete Grillen / Nur zum Betrug der Weiber ausgeſtreut. Es wird doch keine Treu ein Frauen-Hertz erfuͤllen;Und19Dritter Auftritt. Und ſolte man ja Treu verſpuͤren / So wird ſie doch die Tugend nicht Zu der Gefehrtin fuͤhren; Und iſt nur als ein Zwang der Liebe zugericht / So uns befiehlt bloß einem nachzujagen / Weil ihrer viel wir ferner nicht behagen. Dafern ein ſchoͤnes Weib / von tauſenden geehrt / Nur einen denckt zu hoͤren / Und keinen ſonſt wil ehren / So weiß ich nicht / wie ihr der Name / Weib / gehoͤrt: Und iſt ſie ja ein Weib / ſo iſt ſie gantz bethoͤrt. Was iſt die Schoͤnheit doch / ſo niemals wird betracht? Und ob ſie wird betracht / von keinem wird geacht / Und da ſie wird geacht / nur einen dienſtbar macht. Jemehr man Buhler ſchaut auf unſre Seite treten / Je ſtaͤrcker iſt das Pfand / Daß unſre Schoͤnheit wird den Sternen zugeſandt. Vieler Seelen Eigenthum Jſt der beſte Frauen-Ruhm. So thun die klugen auch in Staͤdten. Es wird alldar ein Weib eh einen Brand uͤmfaſſen / Als eines Buhlers Dienſt aus ihren Haͤnden laſſen. Denn was einer nicht wohl kan / Wird von vielen doch gethan / Der bedienet / jener ſchenckt / Viel ſind geſchickt zu andern Dingen. Den Eifer / der den einen kraͤnckt / Wird ein ander unbewuſt oftmals auf die Seite bringen / Und offt auch Eiferſucht / wo keine war / erzwingen. Das iſt der Zeitvertreib der Kluͤgſten in der Stadt / Da eine von den groͤſten Frauen Den Griff der Buhlerey mir wollen anvertrauen; Jch weiß es / was mein Sinn von ihr gelernet hat. Nicht ſelten ſagte ſie zu mir: Trachte doch mit deinen Buhlern ſo zu thun / wie mit den Roͤcken; Viel zu haben / ſtets zu wech ſeln / und mit einem dich zudecken. Der Wechſel muß hier ſeyn: Denn lange FreundligkeitB 2Ge -20Der Erſten AbhandlungGebiehret dir Nur mit der Zeit Verdruß / der kurtz hernach Verachtung mit ſich fuͤhrt / Verachtung / die ſonſt nichts / als lauter Haß gebiehrt. Ein Weib iſt ſchon verdorben Die man bedienet mit Verdrus. Die hat den beſten Ruhm erworben / Die um ſich ſtoͤſt / und nicht verſtoſſen werden muß. Dis iſt der Zweck / darnach ich mich ſtets richte: Jemehr der Buhler ſind / ie groͤſſer iſt die Luſt. Der eine dient der Hand / der ander dem Geſichte / Und der Geſchickſte koͤmt allein auf meine Bruſt. Doch ſitzt mir nicht ſo leicht ein Buhler in dem Hertzen: Wiewol ich faſt nicht weiß / wie itzt zu meinem Schmertzen Mirtillo hier begeht ſein ſtoltzes Sieges-Feſt / Mirtillo, der aus mir viel tauſend Seufzer preſſt. Wiewol mein Seuftzen mich betrifft / Von Hertzen geht / und nicht Betruͤgereyen ſtifft. Jch ſtehle ſtets den Gliedern ihre Ruh / Und laſſe nicht den Schlaff auf meine Lichter zu; Jch warte bis die Morgenroͤth erwacht / Die Zeit / zur Buhlerey gemacht. Auch itzt ſuch ich durch dieſen dunckeln Wald / Wo mein geliebter Freund hat ſeinen Aufenthalt. Coriſca, was wilſtu beginnen? Soll er von dir gebeten ſeyn? Wolt ich es gleich ſo wird mein Haß nicht koͤnnen. Lauff ich vor ihm? die Liebe ſaget nein. Jch ſoll es aber thun: Wie ſoll ich mich verhalten? Vielleichte kan ich ihn mit Schmeichel-Worten beugen; Die Liebe wil ich ihm / nicht was verliebt iſt / zeigen. Fehlt bis / ſo ſoll Betrug deſſelben Stattverwalten. Und hilfft mich mein Betruͤgen nicht / So ſchwer ich / daß mein Grimm ihm Ehr und Leben bricht. Mirtillo ſoll den Haß / wil Er nicht Liebe haben; Und Amarillis, dir verſprech ich gleiche Gaben / Du Neben-Buhlerin / dich bett Mirtillo an. Euch beyden ſoll ſeyn kund gethan / Was Haß und Grimm bey einem Weibe kan.

Vierter21Vierter Auftritt.

Vierter Auftritt.

TITIRO. MONTANO. DAMETA.

Tijtiro é Montano 5 IWB aur inv. Cum Priuilegio S. C. M. Melch. Küsell f.

DJe Warheit ſteht mir bey / mein Sinn iſt nicht zu tichten: Montano, du verſtehſt hier etwas mehr als ich. Die Orakel fuͤhren ſtets etwas dunckeles in ſich / Und ſind nicht nach der Woͤrter Laut zu ſchlichten / Du muſt ſie gleich als wie ein Meſſer fuͤhren. Greiffſtu es recht und bey der Schalen an / So nutzt es dir: Wilſtu es ſonſt beruͤhren / So ſticht es dich / und dir wird Leid gethan. Daß mit des Himmels guten Willen Die Amarillis ſoll des Landes Unheil ſtillen /B 3Wird22Der Erſten AbhandlungWird mir / als Vater / ja am allerliebſten ſeyn. Wie aber dis / und wenn es zu erfuͤllen / So ſtellt ſich noch darzu kein rechtes Mittel ein. Soll die Liebe ſie verbinden / Wie kan das eine fluͤchtig leben? Und wer wird einen Schluß in dieſer Sache finden / Weil die Feindſchafft zum Gewuͤrcke Eintrag ſich bemuͤht zu geben? Wer wird ſich des Hoͤchſten Willen umzuſtoſſen unterſtehen? Und man ſagt: Gott wil es nicht: wenn nichts wil von ſtatten gehen. Waͤr Amarillis ja zu ſeiner Braut erkohren / So waͤr Er mehr zur Lieb als zu der Jagt gebohren.

Mont.

Er iſt noch nicht recht achtzehn Jahr / Die zarte Jugend wird der Liebe nicht gewahr / Dis alles bringt die Zeit.

Tit.

Wie daß ihn mehr ein Wild / als eine Nymf erfreut?

Mont.

Der Jugend bringt die Jagt die meiſte Lieblichkeit.

Tit.

Jſts nicht natuͤrlicher zu fuͤhlen Liebes-Brunſt?

Mont.

Wo keine Jahre ſeyn / iſt alles dis umbſonſt.

Tit.

Die Liebe bluͤht doch nur / weil man im Fruͤhling iſt.

Mont.

Was Bluͤhte? Wenn man nicht der Bluͤhte Frucht erkieſt.

Tit.

Der Liebe Bluͤhte bleibt gar ſelten ohne Frucht. Doch hier iſt keine Zeit zu zancken / Und auch kein Zanck wird hier von mir geſucht; Jch fuͤhr itzund gar andere Gedancken. Dis laß ich aber mir mit Recht zu Hertzen gehn / Daß ich einer lieben Tochter hoͤchſtgeneigter Vater bin; Und darff ich mich vor dir der Woͤrter unterſtehn / Die tauſend Maͤnnern hat entzuͤndet Geiſt und Sinn?

Mont.

Haͤtt auch der Himmel gleich die Heurath nicht beſchloſſen / So wil die verſprochne Treu ſie doch itzt zuſammen ſetzen; Und wer ſich die bemuͤhte zu verletzen / Verletzte dieſer Goͤttin Geiſt / Der Amarillis ja ſich gantz ergeben heiſt. Du kennſt was ſie vor Grimm hat uͤber uns gegoſſen. Und ſo in des Himmels Schluͤſſen mir nicht der Verſtand gebricht / So hat des Verhaͤngnis Finger dieſe Bande zugericht. Was die Vorzeit nun beſchloſſen / wird die Affterzeit vollbringen. Ein Morgen-Traum betteugt mich nicht /Der23Vierter Auftritt. Der mir ein Bild gezeigt von vielen Wunderdingen / Und hier / ſo irgend was / gewuͤnſchten Troſt verſpricht.

Titiro.

Ein Traum iſt nur ein Traum: Erzehl ihn aber doch.

Mont.

Du weiſt es noch; Und wer wolte dis vergeſſen / Was einen Theil von uns erbaͤrmlich aufgefreſſen? Da in einer boͤſen Nacht Der Ladon ſich hat dergeſtalt ergoſſen / Daß / wo der Vogel vor ihm hatt ein Neſt gemacht / Dazumal der Fiſch gefloſſen; Da Menſch und Vieh in gleiche Noͤthen kam / Da Heerd und Stall das ſtrenge Waſſer nahm. Jn dieſer ſchwartzen Nacht / O ungemeiner Schmertz! Da ward ich uͤm mein Hertz Durch der Fluthen Grimm gebracht. Ja was ich mehr als mich verbunden war zu lieben / Mein Sohn / der in den Windeln lag / Den ich beklagen muß bis auf den letzten Tag / Der ward auch / ehe wir / in Nacht und Noth vergraben / Jhn konten retten aus Gefahr / Durch die Wellen hingetrieben. Die Wiege ſelbſt / darinn er war / Die haben wir nicht wieder koͤnnen haben / Jch glaube / daß itzt Kind und Wiegen Zugleiche da begraben liegen.

Titiro.

Was kan man anders ſchluͤſſen? Mich deucht / ich habe dis vor dieſem auch gehoͤrt / Und wo mich mein Gedaͤchtnis nicht bethoͤrt / So haſtu ſelbſt mich ſolches laſſen wiſſen. Doch billich kraͤncken dir die Soͤhne Hertz und Muth / Den einen hat der Wald / den andern hat die Fluth.

Mont.

Es wird vielleicht des groſſen Himmels Hand Jn dem / der uͤbrig iſ[t]des Todten Platz erſetzen. Die Hoffnung bleib[et][doch]der Menſchen beſtes Pfand. Was aber wirſtu nun von meinem Traume ſchaͤtzen? Es war gleich uͤm die Zeit / Da der Morgenroͤhte PrachtB 4Uns24Der Erſten AbhandlungUns ſchimmernde war aus den Wolcken bracht / Und ein Theil der Finſternis noch uͤm ſie lag ausgeſtreut; Jch hatte faſt die gantze Nacht Gewacht und auch gedacht / Was aus der Heurath doch noch endlich ſey zu ſchluͤſſen / Durch lange Muͤdigkeit beſchweret und gedruͤckt; So ward ich unvermerckt hin in den Schlaff geruͤckt / Und durch den Schlaff in einen Traum geriſſen. Mich daucht / ich ſaß mit Schatten wohl uͤmgeben / Den ich bey einem Ahorn fand / Die Angelruth in meiner Hand / Den Fiſch aus ſeiner Flutt zu heben: Da tratt ein alter Mann Mit keinen Kleidern angethan / Faſt mitten in dem Fluß herfuͤr / Es ſchien wie Bart und Haar Von tauſend Tropffen traͤchtig war / Und reichte mir Ein Kindlein zu; Er ſprach / ich habe dir itzt deinen Sohn gegeben / Doch bring ihn ſelbſt nicht etwan uͤm das Leben; Und fuhr in einem Nu Tieff in des Fluſſes Schos. Der Himmel war darauf mit Wolcken dick uͤmhuͤllet. Mich daucht / wie ich / mit Schrecken angefuͤllet / Die Armen recht uͤm dieſes Kindlein ſchloß; Jch rufft: Jch bin aus Noͤhten kommen; Was eine Stunde gab / das hat ſie auch genommen. Nach dieſem ließ das Licht ſich wieder blicken / Der Donnerkeil war ohne Macht; Was vor geblitzet und gekracht / Fiel ohne Kraft recht auf des Fluſſes Ruͤcken. Des Baumes Stock fing an zu zittern / Jch hoͤrte dieſes Wort aus ſeiner Rinde ſchallen: Des Landes Pracht / ſo hingefallen / Wird ſich bald wieder wuͤttern. Mich deucht ich ſpuͤre noch das unverhoffte Thoͤnen. Jch weiß nicht / was der Traum mir itzt vor Regung macht:Jch25Vierter Auftritt. Jch war itzt gleich bedacht Die Goͤtter durch ein Opffer zu verſoͤhnen / Daß guter Segen ſey auf das Geſichte bracht.

Tit.

Traͤume ſind Bilder der Hoffnung im Hertzen / Aber nicht Spiegel der kommenden Sachen: Schatten des taͤglichen Ernſtes und Schertzen / Welche die Nachtzeit vertunckelter machen.

Mont.

Die Seele ſchlaͤffet ja faſt niemals mit den Sinnen / Sie wil alsdenn das beſte Werck entſpinnen / Wann ſie der Sinn tieff in den Schlaff verſenckt / Nicht / wie zuvor / mit fremden Bildern kraͤnckt.

Tit.

Zu was des Himmels reines Weſen Hat unſre Kinder auserleſen / Jſt gaͤntzlich unbekandt und Ungewißheit voll. Dis weiß ich aber wohl / Daß deiner meine fleucht / Und zu wider der Natur / nicht das Joch der Liebe zeucht; Wie auch / daß mein liebes Kind Zwar die Laſt verſprochner Treu / Doch nicht ihre Luſt empfindt. Jch ſage hier zwar nicht / daß ſie die Liebe fuͤhlet; Dis weiß ich wohl / daß ſie viel Hertzen ſtiehlet / Doch muß ſie ja den Trieb davon empfinden / Weil ſie ſo zierlich weiß zu binden. Mich daucht / der ſchoͤnen Wangen Pracht / Da vor ein Feld der Roſen war gemacht / Laͤſſt ſich mit Lilien der Bleichheit ietzt uͤmwinden / Doch / ohn Ehſtand eine Jungfrau in die Liebes-Brunſt zu ſetzen / Heiſt den Ehſtand recht verletzen; Und gleich als wie die Roſe meine Luſt / Die in der gruͤnen Knoſpenbruſt / Vor dieſem lag verborgen: So bald das ſchoͤne Licht von Morgen Die erſten Strahlen zeigt / Sich ermuntert / und der Sonnen / die den ſchoͤnen Nacker liebt / Entgegen ſteigt; Und des Buſens ſchoͤnen Biſem / da viel tauſend Bienen ſchweben / Von denen iede wil auf ihren Blaͤttern kleben /B 5Jhr26Der Erſten AbhandlungJhr zur Morgengabe giebt; Daß wer die Roſe nicht wil in dem Morgen brechen / Und es verſcheubt bis auf die Mittags-Zeit / Da nunmehr alle Pracht von ihr iſt abgemeit; Gegen Abend dis wird ſprechen: Wo iſt die Roſe doch und ihre Lieblichkeit? So geht es auch mit einer Jungfrau zu / Weil noch der Mutter kluge Sorgen Verwahren ihre Bruſt von Abend bis zu Morgen / So hat ſie vor der Liebe gute Ruh: Wann aber nu der geilen Blicke Glut Jhr keuſches Auge ruͤhrt / Und der Buhler heiſſes Seufzen Zunder in die Ohren fuͤhrt / So oͤffnet ſie der Liebe Hertz und Muth / Und laͤſſt die Bruſt derſelben Wohnhauß ſeyn / So denn aus Schrecken oder Zucht Sie dieſe Glut ja zu verbergen ſucht: So wird ſie doch verzehrt durch dieſe ſtumme Pein; Die Schoͤnheit weicht / wil dieſe Brunſt nicht weichen. Man ſchauet ihr Geluͤck als wie die Zeit verſtreichen.

Mont.

Mein Titiro, behalt den guten Muth / Laß dich die Furchte nicht bezwingen / Der guten Hoffnung wil der Himmel allzeit gut; Ein laulicht Beten kan die Wolcken nicht durchdringen: Jſt Hoffnung und Gebet nun allen fuͤrgeſchrieben / So ſoll vor allen dis der Stamm der Goͤtter uͤben. Die Kinder unſrer Lenden Sind ja den Goͤttern beygethan. Der allen Samen nun erhalten wil und kan / Der wird ſich warlich nicht von ſeinem Samen wenden. Wir wollen nun mit reinen Haͤnden Zuſammen unſer Opffer ſchlachten: Den Bock erwuͤrgeſtu dem Pan / Es wird der Hercules kein junges Rind verachten. Der die Heerde hat vermehret / Wird dieſem ja genaͤdig ſeyn / Der durch der Heerde Frucht den Herd der Goͤtter ehret. Dameta, geh itzt bald in unſern Stall hinein /Nim27Vierter Auftritt. Nim da das beſte Rind / das du daſelbſt ſiehſt ſtehen / Und bring es her zu mir / Jm Tempel wart ich dir; Du kanſt den kuͤrtzſten Weg nechſthin dem Berge gehen.

Tit.

Schau daß ich einen Bock von meinen haben kan.

Dameta.

Es ſoll beydes ſeyn gethan.

Tit.

Der itzt erzehlte Traum Der ſey forthin ein Zaum Und ein bewehrter Schrancken / Vor traurige Gedancken. Jch habe ſchon erkieſt / Daß dis / was du geſagt / ein gutes Zeichen iſt.

Fuͤnffter Auftritt.

SATIRO.

Satiro 6 IWB auz inv. Cum Priuilegio S. C. M. Melchior Küsell f.
HA28Der Erſten Abhandlung

HAgel-Wetter bricht die Aehren / Und die Blumen friſſt der Brand: Kraͤuter wil das Eiß verheeren / Und der Wurm beſaͤt das Land: Hirſche werden durch die Netze / Vogel durch den Leim beſtrickt: Und der Menſch / O Mordgeſetze! Wird durch Bulerey beruͤckt. Der erſtlich Liebes-Brunſt hat eine Glut genennet / Hat allzuwohl gekennet / Was ſie vor Qval und Untreu in ſich fuͤhret. Dann / betrachteſtu die Glut / So haͤlſtu ſie vor lieblich / ſchoͤn und gut / Bis daß ſie dich beruͤhret. Denn lerneſtu / wie dieſe weite Welt Nichts ungeheurers hat gebohren; Es wuͤhlet wie ein Wild / es ſchneidet wie ein Schwerd / Es iſt kein Band / ſo es zuruͤcke haͤlt; Und wo es ihm einmal hat einen Sitz erkohren / Da wird ihm keine Macht verwehrt. Die Liebe hat nun auch dergleichen Eigenſchafft. Beſchauſt du ſie in zweyer Augen Licht / Jndem ein goldner Stral aus ſchwartzen Wolcken bricht. So meinſtu da zu ſehn des Himmels Glantz und Krafft / Und denckſt / daß Fried und Luſt einander hier uͤmfaſſen. Tritſt du denn naͤher hin zu ihr / Daß ſie dir einen Stral kan in das Hertze laſſen / So hat Hircanien kein wilder Tiegerthier / Und Libien nicht ſolche boͤſe Schlangen / Ja kein ſo grimmer Leu iſt auf den Raub gegangen / Als dieſes was man Liebe nennet. Sie trotzt die Hell und auch den Tod / Wird Feindin aller Luſt / und Freundin aller Noth; Ja in der Liebe wird nichts liebes mehr gekennet. Was zoͤrn ich aber viel / ſoll ich die Liebe ſchelten / Daß die verkehrte Welt Durch Jrrthum mehr als durch die Liebe faͤllt? Nein; es ſoll der Weiber Tuͤcken mein erzoͤrntes Wort itzt gelten. Du29Fuͤnffter Auftritt. Du liſtiges Geſchlecht / die Unthat faͤllt auf dich / Die Liebe hat nichts boͤſes hier begangen / Und hat die Liebe ja was ſchaͤdliches in ſich / Die vor ſich ſelbſt kein Tadel kan beruͤhren / So hat ſie dis von dir faſt unvermerckt empfangen. Du ſchleuſt ihr alle Straſſen zu / Und wilſt ſie nicht zu deinem Hertzen fuͤhren; Von auſſen heuchelſtu / Und giebeſt vor / ihr einen Sitz zu bauen. Doch wil ich dich gantz eigentlich beſchauen / So iſt dein gantzes Thun und Sinnen / Durch einen falſchen Strich die Haut erhoͤhen koͤnnen. Du achteſt nicht die Treu der Treu hinzu zu ſetzen / Und Liebe durch die Liebe zu entzuͤnden; Du laͤſſt nicht einen Geiſt in zweyen Leibern finden / Du weiſt den Griff alleine hoch zu ſchaͤtzen / Ein todtes Haar als weiches Gold zu machen / Und den verwirrten Schein Den Labyrinth der Seelen heiſſen ſeyn. Wie ſind doch dis ſo ungeſchickte Sachen / Wann ich dich ſchauen muß / Wie du durch einen Pinſel-Strich Verjagen wilſt der Flecken Uberfluß? So dir Natur und Zeit Hat uͤm den Mund geſtreut. Wie plagſtu dich / Den Nacker aufzutragen / Das Braune zu verweiſſen / Die Runtzeln wegzujagen / Und durch Flecken andre Flecken / Die in dem Fehle ſtecken / Fuͤrwahr mehr kund zu thun / als gaͤntzlich wegzureiſſen! Wie ofte wird ein ſchneller Faden / Wenn des Geſichtes Feld mit Haaren iſt beladen / Zur Dienerin gemacht? Das eine Theil behaͤlſtu in den Zaͤhnen / Das ander weiß die lincke Hand zu daͤhnen / Jndem die Rechte ſteht bedacht /Den30Der Erſten AbhandlungDen Mittel-Knoten zu beruͤhren / Bald ſolchen aufzuthun / bald ſolchen zuzumachen / Und nach Beſchaſſenheit der Sachen Der Stirne Glantz / was rauch iſt / zu entfuͤhren. Es ſtellt ſich oftmals hier ſo groſſer Schmertzen ein / Daß man die Buſſe ſchaut der Thorheit Schweſter ſeyn. Jch habe hier noch alles nicht erkieſt: Den Wercken gleichen ſich die Sitten und Geberden: Was kan von dir doch nur gemeldet werden / Das nicht voll Liſt und Falſchheit iſt? Gehn dir die Lippen auf / ſo ſtincken ſie nach Luͤgen / Dein Seuftzen iſt erdicht / dein Blick iſt voll Betruͤgen; Dein Thun und Laſſen / Man ſchaues oder ſchau es nicht / Dein Stehen / Gehn / Geſang und Lachen / Dis was dein Mund verſchweigt und ſpricht / Ja was du denckſt zu machen / Und ich nur mit Gedancken kan uͤmfaſſen / Jſt ſonſt auf nichts als auf Betrug gericht. Jch habe hier noch nicht genung geſagt; Den der am meiſten glaubt am meiſten zu beruͤcken / Der deine Gunſt verdient / mit Feindſchafft zu beſtricken / Ja ſelbſt die Treu dem Teufel zuzuſchicken / Dieſes iſt das ſchoͤne Spiel / ſo der Liebe Lob verjagt. So komt der Liebe Schuld / O Weib / von dir alleine / Doch mehr von dem / der dir vertraut: Und ich / der ich ſo viel / Coriſc / auf dich gebaut / Bin gezwungen / daß ich itzt meinen Fehler ſtets beweine. Ja ich glaube / daß auch Argos, O du Wolluſt-reiche Stadt! Dich zu meiner Folterung erſtlich ausgeſendet hat / Doch kanſtu noch der Geilheit falſchem Grunde Der Tugend Firnis geben: Man ſchaut dich ſtets bey keuſchen Nymfen ſchweben / Jm Hertzen fuͤhrſtu Brunſt / und Zuchtſchein auf dem Munde. Was hab ich nicht bisher vor Jammer / Angſt und Weh / Deinethalben hier erlitten? Die Angſt / ſo mich beſtritten / Sey euch Buhlern ein Compaß mitten auf der Liebes-See. Du31Fuͤnffter Auftritt. Du muſt kein Weibesbild naͤchſt zu den Goͤttern ſtellen: Dein Opffer macht aus Jhr ein Bild der ſchwartzen Hellen; Sie kennt ſich ſelber nicht / tritt alles unter ſich / Und haͤlt auf dieſer Welt nichts nichtiger als dich. Zu was dein treuer Geiſt ſie hoͤflich hat erkohren / Das meint ſie ſicherlich / es ſey mit ihr gebohren. Was hilfft der Thraͤnen Qval / dein Seuftzen und dein Bitten? Nur vor Weiber und vor Kinder ſind die Waffen hier gemacht; Ein Mann muß maͤnnlich ſeyn / ich habe zwar gedacht / Es wird ein Weib durch ſolchen Dienſt beſtritten / Jtzt ſchau ich nun / daß ich geſehlet; Ein Hertz aus Kieſelſtein Hat keine Thraͤnen uͤberzehlet / Und wil durch leichte Seufzer doch nicht erweichet ſeyn. Es weiß die linde Hand nicht Flammen aufzujagen / Man muß mit groͤſſer Macht das Feuereiſen ſchlagen. Du muſt nicht zu gelinde gehn / Wilſtu von der Geliebten was genieſſen / Und wolt auch Ætna ſelbſt in deinem Hertzen ſtehn / So muſtu doch die Flammen wohl verſchlieſſen / Und mit Gelegenheit zu wagen dir erwehlen / Was die Natur und Liebe dir befehlen. Beſcheidenheit muß doch bey einer Frauen Dem Scheine nach nur eine Tugend heiſſen. Und wer ſich hier zu ſehr derſelben wil befleiſſen / Der wird ſich mit der Zeit gewiß betrogen ſchauen. Es ſcheint zwar daß ein Weib wil Zucht und Tugend uͤben / Doch wil ſie ſolche nicht an andern Leuten lieben: Coriſca ſoll forthin Nicht mehr Gelindigkeit an meinen Wercken ſpuͤren; Sie ſoll die Feindſchafft ſehn Hertz / Geiſt und Haͤnde fuͤhren / Und einen Mann beſtraffen ihren Sinn. Zwar hab ich ſie zweymal gefangen / Doch hat ſich ſolch aus meiner Hand Stets unvermerckt gewandt. Komt Coriſca noch einmal mir in dieſes Garn gegangen / So ſoll ſie wohl ſo leichtlich nicht entkommen. Jtzt hab ich mir vorgenommenJhr32Der Erſten AbhandlungJhr durch den Wald Mit Schlauigkeit friſch nachzujagen. Jch weiß / ſie hat hier ihren Aufenthalt! Komm ich nur auf ihre Spur ſo wird ſie gezwungen ſagen / Daß bisweilen auch die Blinden Augen und Geſicht erlangen Und der Weiber falſche Blumen oftmals ohne Frucht vergangen.

Schluß-Chor.

O Satzung! in der Bruſt des Jupiters gegruͤndet / Nicht ſchlecht hinein geſchrieben / O Satzung! die durch Liebes-reiche Macht Ein ieder Ding / ich weiß nicht wie / verbindet / Dis / was es fuͤhlt / und doch nicht kennt / zu uͤben! Man ſchaut / wie die nicht eintzig iſt bedacht / Jn ihrer Sieges-Pracht / Die ſchlechte Haut den Raub der Zeit zu fuͤhren / Der leicht iſt zu verlieren: Sie wil das rechte Korn / den Grundzeug aller Sachen / So ewig kraͤftig bleibt / ihr gleichfals dienſtbar machen; Daß man die gantze Welt itzund kan ſchwanger nennen / Als Mutter aller Wercke; Daß ſich die Kraft des ſtarcken Geiſtes regt / So weit man ſchaut der Sonnen Pferde rennen / Und ſich allzeit mit einer gleichen Staͤrcke / Die maͤnnlich iſt / und dauren kan / bewegt; Daß Menſch und Vieh ſich hegt / Daß Blum und Kraut in guten Kraͤften ſchwebet: Daß alles ſteht und lebet; Daß endlich alles auch durch Alter wird verſchloſſen / Jſt nur aus deiner Qvell alleine hergefloſſen.

Und uͤber dieſes noch / wormit des Himmels-Kertzen / Was ſterblich iſt / hier treiben / Wodurch bey uns bald Luſt / bald wieder Pein / Bald Freud und Qval ſich reget in dem Hertzen / Wo durch die Krafft des Lebens kan verbleiben Und daß ſie muß zerſtoͤrt und fluͤchtig ſeyn / Wodurch der Regung ScheinBald33Schluſ-Chor. Bald waͤchſt / bald faͤllt / bald friſch / bald ſchlaͤfrig ſtehet / Bald gantz und gar vergehet / Das nennet zwar die Welt Geluͤck und Sternes-Wercke / Doch iſt diß alles nichts als nur des Himmels Staͤrcke.

O Ausſpruch! der nicht kan zuruͤcke ſeyn geſetzet / So es von dir ja kommen / Daß vieler Noth auf uns geruͤſte Schar / So bis anher Arcadien verletzet / Nunmehr ſoll ſeyn von deſſen Brunſt genommen. So dieſes nun / was uns verſprochen war / Soll thun ein treues Paar / So dieſer Fluß mit Goͤttlichem Belieben Jſt worden ausgeſchrieben / Und das Orakel ward durch deine Krafft erfuͤllet: Wie wird Arcadien nicht bald die Noth geſtillet?

Schaut doch den Juͤngling an / der keines Liebens achtet / Den Gott zwar uns geſchencket. Und ſich doch Gott itzund entgegen ſetzt: Beſchaut auch die / ſo treu zu ſeyn itzt trachtet / Und mit der Treu nur deſſen Seele kraͤncket / Den ſonſt kein Weib ſo mercklich hat verletzt / Als die ihn hoch geſchaͤtzt: Ja die ſich laͤſt ie mehr und mehr verbinden / Jemehr ſie Haß muß finden. Doch kan man durch die Flucht der Schoͤnheit nicht entkommen / Der ſich der Himmel hat mit Kraͤfften angenommen.

Soll dann die hohe Krafft des Himmels gantz erliegen? Was macht die Wunderſtaͤrcke? Soll hier der Zug / den man Verhaͤngnis nennt / Dann ewiglich mit dem Verhaͤngnis kriegen? Was tichten doch der Menſchen tolle Wercke / Jndem ihr Fuß frech zu dem Himmel rennt / Von dem er ſich getrennt Durch Lieb und Haß / als wie der Rieſen Hauffen / Die Wolcken anzulauffen? Soll dann der Sternen Reich / es wil mir nicht zu Sinnen / Durch Blind / als Lieb und Haß / beſtuͤrmet werden koͤnnen?

CDu /34Schluß-Chor.

Du / deſſen groſſe Hand der Sternen Kreiß kan fuͤhren / Und das Verhaͤngnis treiben: Du / deſſen Licht uns alle leiten kan / Laß unſre Noth dein Auge doch beruͤhren; Laß Lieb und Haß nunmehr verſoͤhnet bleiben; Laß Eiß und Glut[z]uſammen ſeyn gethan / Nim dich des Werckes an; Laß den / der liebt / nicht ferner mehr verziehen / Laß Haß zur Seite fliehen! Laß einen rauhen Sinn / der Eiſen wuͤnſcht zu bleiben / Dis was du zugeſagt / nicht ferner hintertreiben: Es wird noch wohl / was itzt umnoͤglich ſcheint zu ſeyn / Und ewig bey uns denckt zu wuͤtten / Dis arme Land mit Freuden uͤberſchuͤtten. Wie ſtellt ſich unſer Geiſt nur bey der Erden ein / Und ſchwingt das faule Licht nicht zu der Sonnen Schein?

Der35

Der Andern Abhandlung

Erſter Auftritt.

ERGASTO. MIRTILLO.

J. Myrtillo et Ergaſto I. WBaue inv. Cum Priuilegio S. C. M. Melch. Küsellf

BEy Wieſen / Huͤgeln / Brunn und Fluͤſſen / Da / wo man Wette laufft und ringt / Hab ich dich lange Zeit vergebens ſuchen muͤſſen / Der Himmel ſey gelobt / der mich itzt zu dir bringt.

Mirt.

Was bringſtu doch neues ſo fluͤchtig zu mir? Jſt es Sterben oder Leben?

C 2Erg.
36Der Andern Abhandlung
Erg.

Haͤtt ich das erſte gleich / ſo wolt ich dirs nicht geben / Das andre hab ich nicht; ie doch verſprech ichs dir / Du muſt in dieſer Noth nicht alſobald erliegen: Wer Fremde zwingen wil / muß erſtlich ſich beſiegen. Leb und faſſe Muth und Lufft: Doch zu ſagen / was mich itzt einzig hat hieher gerufft / Kennſtu des Ormino Schweſter nicht? Doch / wem kan ſie fremde ſeyn? Sie iſt freudig von Geſicht / Etwaß roth / und ſchoͤn von Haaren / hurtig und mehr lang als klein.

Mirt.

Wie heiſt ſie aber denn?

Erg.

Coriſca.

Mirt.

Jſt es die? Jch kenne Sie / Und hab auch oft und viel Mit Reden mich mit ihr ergetzet.

Erg.

Jch weiß es faſt nicht wie / Schaue des Geluͤckes Spiel! Sie Amarillis hat der Freundſchafft werth geſchaͤtzet: Derſelben hab ich nun dein Lieben kund gethan / Und heimlich dis vertraut / was deine Seele plaget. Sie hat mir auch gantz treulich zugeſaget / Befoͤrderlich zu ſeyn / ſo viel ſie immer kan.

Mirt.

Sind dieſes wahre Sachen / So bleibt Mirtillo ja des Gluͤckes liebſter Sohn. Doch / hat ſie nicht gemeldt was ferner ſey zu machen?

Erg.

Sie meldte nichts davon / Und wil das Werck in etwas noch verſchieben. Sie wuͤnſcht / itzund geſichert hier zu gehn / Den Grund von deinem Lieben Gantz eigen zu verſtehn: Denn eher kan ſie nicht der Nymfen Hertz ergruͤnden. Sie weiß noch nicht / Ob Bitten oder Liſt hier moͤchten Stelle finden. Doch / thue mir itzt gruͤndlichen Bericht / Wie deine Liebe dich beſtritten?

Mirt.

Jch bin bereit / du darffſt nicht bitten. Jdoch erwege nur / wie dieſes Angedencken Dem allzuſchwehr / den todte Hoffnung nehrt / Sich einer Fackel gleicht / die wir im Winde ſchwencken. Jemerh37Erſter Auftritt. Jemehr ſie Flammen giebt / und Feuer aus ihr faͤhrt / Jemehr ſie ſich verzehrt. Jch hab es faſt dem Pfeile gleiche funden / Den man im Leibe traͤgt / Und der uns kraͤnckt / Jemehr man ihn bewegt / Und auszuziehen denckt; Je groͤſſer wird die Pein / ie groͤſſer wird die Wunden. Daraus du ſchauen kanſt / wie der Verliebten Hoffen Gar ſelten auf den Zweck getroffen. Wie umb den Liebes-Stamm zwar ſuͤſſer Zucker iſt / Doch umb den Wipfel man nur herbe Frucht erkiſt. Es iſt itzt gleich ein Jahr / Als dieſer ſchoͤne Monat war / Da man die Naͤchte ſchaut nicht lange Herrſchafft fuͤhren. So kam die ſchoͤne Pilgramin / Der Schoͤnheit andre Sonn und Pracht / Mein geliebtes Vaterland / wie ein neuer Lentz zu ziehren / So itzt durch ſie noch ſchoͤner wird gemacht; Sie ward dahin Durch ihre Mutter bracht / Bey dem Feſt des Jupiters / da viel tauſend Opffer brennen / Und bey manchem Freuden-Spiele ſich in Anmuth zu ergetzen / Doch ſoll ich dieſes recht bekennen / Jhr Auge ſelbſt zum Schauſpiel aufzuſetzen. Jch hatte ſie faſt noch nicht recht erblickt / Da fuͤhlt ich mich / als Erſtling in dem Lieben / Erbaͤrmlich in die Glut geruͤckt: Der erſte Blitz / ſo mir ins Auge ward getrieben / Der ſanck mir in die Bruſt; O Luſt / ohn alle Luſt! Und ſprach mit ernſtem Schertze: Mirtillo gieb dein Hertze.

Erg.

Was kan die Liebe doch mit ihren ſtrengen Banden? Doch kennt es dieſer nur / der ſolches ausgeſtanden.

Mirt.

So lerne nun / wie in den zarten Jahren / Da nichts als Einfalt liegt / Die Lieb am beſten ſiegt. C 3Un -38Der Andern AbhandlungUnter den die meiner Nymfe hoͤchſtvertraute Freundin waren / War eine mir vor andren wol bekand / Die aus Vertrauligkeit ich Schweſter ſtets genant / Der hab ich meine Noth geklagt; Sie hat mich angehoͤrt / und mir mit Hertz und Hand Auch Huͤlffe zugeſagt. Sie zierte mich darauf mit ihren beſten Roͤcken; Es muſte Gold und Stein Meiner Haare Zierath ſeyn / Und falſches Haar den Schlaff / das Haar die Blumen decken〈…〉〈…〉 Sie hing mir Pfeil und Bogen an / Und als ſie dis gethan / So lehrte ſie mich Wort und Blicke tichten; Und weil mein Mund noch ohne Haar / Der Lippen Kreiß nach Frauen-Art zu richten / Dann fuͤhrte ſie mich recht / wo meine Nymfe war. Jch ſchaute ſie immittelſt viel Bekanten / Und meiſtes Megareſerin, Die theils durch Blut / theils durch Gemuͤth und Sinn / Sich ihre Freundin nannten. Meine Goͤttin zeigte da ihres ſchoͤnen Leibes Pracht / Wie die Roſe / ſo die Veilgen unter ſich veraͤchtlich macht. Nachdem ſie eine Zeit alhier Faſt ohne Luſt geſeſſen / Trat ein aus Megara herfuͤr / Und ſprach: wie koͤnnen wir des Spieles gantz vergeſſen? Alles was ſich regen kan / Greiffet Kampff und Waffen an / Sollen wir denn muͤßig ſtehen? Hat die Natur vor uns denn keine Waffen nicht / Wie vor die Maͤnner zugericht? Ach Freundin wollet ihr mit mir zu rahte gehen / So laſſet uns im Schertz itz und die Waffen fuͤhren / Die Manner mit der Zeit im Ernſte ſollen ſpuͤren. Kuͤſſen wir uns und ſtreiten mit Kuͤſſen / Und die den beſten Kuͤß wird aufzudrucken wiſſen / Der wird man dieſen Krantz zur Beute geben muͤſſenDer39Erſter Auftritt. Der Fuͤrſchlag ward mit Frenden angenommen / Das fodern war gemein / ſie ſtellten Mund auf Mund. Doch weil der Streit nicht in der Ordnung ſtund / Ließ ein aus Megara das Wort darzwiſchen kommen / Die ſoll der Kuͤſſe Richtrin ſeyn / Die die ſchoͤnfte Lippen fuͤhret. Auf dieſes brach der helle Hauffen ein / Die Amarillis iſt allein / Der dieſes Recht gebuͤhret. Sie aber ſchlug die Augen zu der Erden / Die Roͤhte hieng der Demuth Bildnis aus / Als zeigte die Natur / daß ihres Leibes Haus Wie von innen / ſo von auſſen / reichlich muß gezieret werden; Und vielleicht wolt auch das Feld ihrer wunderſchoͤnen Wangen / Aus Neid / den es zum Munde traͤgt / Jtzund mit Purpur prangen / Und rufft ihm gleichſam zu: Jch bin ſchoͤne / gleich wie du.

Erg.

Dis haſtu wohl und weißlich uͤberleget / Daß du dich in der Zeit den Nymfen zugeſellt. Denn dieſer Liebligkeit / ſo ſich darauff erreget / Hat deine Kuͤhnheit hier ein Bildnis fuͤrgeſtellt.

Mirt.

Die ſchoͤne Richterin ward auf den Thron gebracht / Jhr verliebtes Amt zu halten; Und iede Jungfrau war nach ihrer Reih bedacht Auch ihre Stelle zu verwalten / Und an den ſchoͤnen Wunderſtein / Davon die Liebligkeit verſchworen nicht zu weichen / Und da die Gottheit wil der Schoͤnheit Schweſter ſeyn / Zur Pruͤfung Kuß und Mund zu ſtreichen. Artige Lippen / und artiger Mund / So Jndiens beruͤhmte Muſchel traͤget / Die fremde Morgen-Perlen heget / Du zierliches Rund / Das auf - und niederfaͤhret / Und Purpur-Honig uns gewaͤhret! Koͤnt ich doch Ergaſto dir Der Kuͤſſe Suͤßigkeit recht fuͤr das Auge druͤcken! C 4Daß40Der Andern AbhandlungDaß aber dis uͤmſonſt / das wirſtu ja allhier Dar aus genug erblicken / Weil auch der Mund / der doch gekuͤſt / Und die gewuͤnſchte Luſt gebuͤſt / Zu der Erzehlung ſich nicht fuͤglich weiß zu ſchicken. Was Hiebel s Bienſtock traͤgt / und Cyper ns Rohr laͤſt flieſſen / Wird vor der Suͤſſigkeit der Kuͤſſe weichen muͤſſen.

Erg.

O ſuͤſſer Kuß und Liebe Dieberey!

Mirt.

Doch war die Suͤſſigkeit nicht aller Maͤngel frey. Dann dis ermangelte zu voͤlligem Geluͤcke / Die Liebe gab ſie nur / und nahm ſie nicht zuruͤcke.

Erg.

Als nun dich der Kuß erreichte / war denn deine Luſt ſehr groß?

Mirt.

Jch empfand / wie meine Seele gantz auf ihre Lippen floß: Und durch der Anmuth Uberfluß So war mein Leben hier nichts anders als ein Kuß; Wie dann die Glieder mir auch todt zu ſeyn begunten / Und nur durch Zittern ſich noch etwas ruͤhren kunten. Als ich nun nahe kam / Und ihrer Blicke Blitz betrachte / Theils den Betrug auch recht bedachte / So ſpuͤrt ich / wie ihr Glantz mich gantz gefangen nahm. Doch durch ein heiteres Lachen erqvicket / So bin ich endlich noch behertzt herfuͤr geruͤcket. Die Liebe wolt ihr itzt auf beyden Lippen ſchweben / Wie man eine Biene ſchaut zwiſchen zweyen Roſen kleben; Und weil noch der gekuͤſte Mund Geſchloſſen ſtund / So troff mir nichts als Honig auf das Hertze. Als ſie aber ihre Roſen kam an meinen Mund zu reiben / (Dem Zufall / keiner Gunſt / iſt dieſes zuzuſchreiben) Und Kuß auf Kuͤſſe ſchnellte; Wenn durch ein befeuchtes Schmatzen Mund zu Munde ſich geſellte / (Ach daß ich dis verlieren kan und leben!) So ward mein Hertz uͤmzirckt mit neuem Schmertze: Welches damals mir zur Pein gleichſam wieder war gegeben. Mir nun / bis auf den Tod verwnndet und geſchlagen / Waͤre gewiß die Gedult hier entriſſen / Daß ich die moͤrderſchen Lippen gebiſſen /Wenn41Erſter Auftritt. Wenn nicht eine Bieſem-Lufft / Als ein Trieb des Himmel-Geiſtes / mich zu meiner Pflicht gerufft / Und ſich bemuͤht den Eifer zu verjagen. Wie auch Beſcheidenheit / als Deckel meiner Flecken / Vor dieſen zu erwecken.

Erg.

O Sittſamkeit! So der Verliebten Geiſt mit Angſt und Noth beſtreut.

Mirt.

Man ſchaute nun des ſuͤſſen Streites Ende / Und iede hoͤrte mit Verlangen / Was vor ein Spruch hier wuͤrd erſchallen / Als Amarillis kam gegangen / Und mit einer gruͤnen Crone / Des Sieges fuͤrgeſtelltem Loͤhne / Mein ſchnoͤdes Haupt uͤmgab durch ihre ſchoͤne Haͤnde / Zum Zeugnis daß mein Kuß vor andern ihr gefallen. Doch / kein blanckes Feld und Thal Wird der Hund-Stern ſo erhitzen / Wann alles muß vor ſeinem Wuͤtten ſchwitzen / Als dazumal / Durch Regung und Begier / Entbrant ein armes Hertz allhier. Jch ward als Sieger uͤberwunden / Und durch die Croneſelbſt gebunden. Doch wuſt ich mich ſo weit noch zu erwegen / Daß ich den Krantz / den ſie mir uͤbergeben / Hinwieder kont in ihre Haͤnde legen. Jch ſprach: Er wilallein uͤm deine Scheitel ſchweben Die weil dein Mund mein ungeſchmackes Kuͤſſen Hat kuͤnſtlich zu verſuͤſſen wiſſen. Sie nam auch ſolchen Krantz in Demuth bald von mir Und ſatzt ihn ſelber ihr Auf das ſchoͤne Haar; Doch nahm ſie dieſen auch / der vor ihr Kleinod war / Mein ſchlechtes Haupt damit zu zieren; Und dieſen wil ich auch mit mir zu Grabe fuͤhren / Er iſt verdort; Sein Glantz iſt faſt verſch enen / Was kan doch wohl bey duͤrrer Hoffnung gruͤnen?

C 5Erg.
42Der Andern Abhandlung
Erg.

Erbarmnis / und nicht Neid muß itzund uͤm dich ſchweben / Du Tantalus von unſrer Zeit: Denn / wer im Lieben denckt zu ſchertzen / Fuͤhlt offt des Jammers Ernſt im Hertzen. Fuͤrwahr / du muſt zu viel vor dieſes Kleinod geben / Und deiner Luſt wird hier die Buſſe beygeſtreut. Doch merckte ſie nicht dieſen Poſſen?

Mirt.

Dis iſt mir wohl nicht recht bekant / Doch / weil ſie zu Elide ſich befand / Da hab ich manchen Blick von ihrer Treu genoſſen. O Blick! den das Verhaͤngnis hat verheert / Und dieſes Morgenlicht in truͤbe Nacht verkehrt! Jch weiß nicht / wie der Augen reine Pracht Mir einen ſtrengen Trieb in meine Seele bließ / Daß ich des Vatern Haus verließ / Und mich in dieſen Ort gemacht / Da der Aufgang meiner Sonnen / Eh ich gedacht / zu weichen hat begonnen / So bald ſie mich erblickt / So ſchaut ich / wie des Zornes Blitz Jhr aus den Augen war geruͤckt; Sie ſchloß derſelben ſchoͤne Lieder / Verließ den alten Sitz / Und kam zu mir nicht wieder. Jch dachte / dieſes ſeyn die Bothen meiner Noth; O Noth / die nicht vergeht / als endlich durch den Tod / Mein Vater / der mich ſehnlich liebet / Zog meine ſchnelle Reiß ihm dergeſtalt zu Hertzen / Und war darob ſo hoch betruͤbet / Daß aus uͤberhauftem Schmertzen Er endlich kranck zu Bette fiel / Dis hieß mich unverlaͤngt nach Hauſe wieder eilen / Mein Beyſeyn das entruͤckt ihn zwar des Todtes Pfelen / Jch aber ſelber war des Todtes bleiches Ziel. Das Liebes-Fieber hieß mir Muth und Kraͤffte fehlen / Von dem Tag an / als der Stier ſich geſegnet mit der Sonnen / Und nun der Steinbock ſie zu gruͤſſen hat begonnen /So43Erſter Auftritt. So ließ ich mich ſo qvaͤlen / Jch laͤge noch in dieſer Pein / Wenn das Orakel nicht geſaget / Nachdem mein Vater es aus treuem Rath gefraget / Daß mir Arcadien ein Mittel wuͤrde ſeyn / So kriegt ich nun gewuͤnſchten Fug / Dieſelbe wiederum zu ſchauen / Die meinen Leib geſund gemacht. Wer wird auf den Betrug Der Orakel endlich bauen? Es war mein armer Geiſt in neue Noth gebracht.

Erg.

Die Faͤlle / die du mir itzund haſt fuͤrgetragen / Die heiſſen mich mit Schmertzen dich beklagen. Doch in der Verzweiffelung troͤſtet dieſes unſre Sinnen Ach herbes Wort! nicht ferner hoffen koͤnnen. Jtzt muß ich zur Coriſca eilen / Damit ſie wiſſen mag / was du mir kund gethan: Beym Brunnen muſtu dort in etwas noch verweilen. Jch komme wiederum / ſo bald ich immer kan.

Mirt.

Geh: Vor dieſe groſſe Treu muͤſſe Wohlfahrt uͤm dich Schweben / Und der Himmel ſchencke dir / was Mirtillo nicht kan geben.

Ande -44Der Andern Abhandlung

Anderer Auftritt.

DORINDA. LUPINO. SILVIO.

Dorinda Lupino et Siluio. I. WB aur in. Cum Priuilegio Sac. Cœs. May. Melchior Küsellf.

DU beſter Troſt / und allergroͤſte Luſt / Die meinem Silvio erfuͤllt die kalte Bruſt / Waͤr ich deinem ſtrengen Herren doch ſo lieb Melamp, als du? Es ſchertzt mit dir die wunderweiſſe Hand / Die mir mein Hertze hat geſetzt in Kett und Band; Er bringt mit dir / weil ich durch Liebe faſt vergehe / Ja ohne Hoffnung ſtehe / Den Tag und auch die Naͤchte zu / Und / was bey mir vermehrt des Jammers Uberfluß /Er45Anderer Auftritt. Er ſpeiſet dich mit tauſend Kuͤſſen / Da mich ein einziger zu heilen wuͤrde wiſſen. Und weil ich dir ja ſonſt nichts geben kan / So nim doch einen ſchlechten Kuß / Melampo, von mir an. Vielleicht hat ein Geſtirn itzt deinen Fuß geruͤhret / Mich auf die Spur zu leiten; Laß uns nicht ſchlaͤfrig ſchreiten / Wohin dich die Natur / und mich die Liebe fuͤhret. Doch / was erthoͤnt itzt in der Lufft?

Silv.

Zu zu / Melampo, zu.

Dor.

Mich daͤucht / daß Silvio itzt ſeinem Hunde rufft.

Silv.

Zu / zu / Melampo, zu.

Dor.

Mein Ohre das betreugt mich nicht; Dorinde ſchaut itzund ihr Gluͤcke reichlich kommen. Schau wie der Himmel hier verſpricht Zu zeigen / was du dir zu ſuchen fuͤrgenommen. Jch muß den Hund itzund auf eine Seite bringen / Und durch den Hund vielleicht des Herren Hertze zwingen. Lupino?

Lup.

Jch bin hier.

Dor.

Nim eilend dieſen Hund / Und kreuch mit ihm in jene Hecken. Verſtehſtus?

Lup.

Gar genug.

Dor.

Jſt dir mein Willen kund / So muſtu dich ſo lange hier verſtecken / Bis daß du wirſt gerufft. Lupino, du muſt eilen.

Lup.

Du ſelber muſt zu lange nicht verweilen / Damit der Hund vom Hunger angetrieben / Mich nicht zu freſſen ihm laſſe belieben.

Dor.

Wie wenig iſt mit dir doch ausgericht! Fort / fort / Lupino, fort!

Silv.

Es iſt kein Orth / Es iſt kein Berg und Thal / da ich dich nicht / Mein treuer Melampo, mit Schmertzen geſucht. Wohin ſoll doch mein Fuß nun ſchreiten? Mein Suchen iſt gantz ohne Frucht. Es wil mich itzt die Muͤdigkeit beſtreiten: Das Wild / ſo du verfolgſt / ſey tauſend mal verflucht. Was ſchau ich aber dort vor eine Nymfe kommen? Die wird mir etwan was von meinem Hunde ſagen. Jch46Der Andern AbhandlungJch Aermſter / es iſt die / ſo ihr hat fuͤrgenommen Mich ewiglich zu plagen. Doch muß ich es itzund vertragen: Schoͤnſte Nymfe / haſtu nicht Den Melampo wo geſpuͤret / Den ich vor kurtzer Zeit auf einen Hirſchen ließ?

Dor.

Jch Schoͤne / Silvio! ſchau / was dein Mund itzt ſpricht Jch weiß nicht / wie er itzt dergleichen Worte fuͤhret / Da er mich kurtz zuvor als einen Greul verſtieß.

Silv.

Schoͤn oder Grenliche / weiſtu den Hund? Das begehr ich nur zu wiſſen: So thue mir es kuͤnd / Wo dis nicht; Gute Nacht!

Dor.

Dich bett ich an / und muß vor dieſes buͤſſen. Wer haͤtte wohl gedacht / Daß Grauſamkeit und Himmels-gleicher Schein Hier ſolten Nachbarn ſeyn? Du rennſt durch Berg und Thal nach Wilde mit den Hunden: Und die / ſo dir ſich ewig nennt verbunden / Hat hier das Wiederſpiel gefunden. Richt ſuch ein fluͤchtig Wild / ſo furchtſam dir entweicht: Hier ſteht ein zahmes Wild / So willig / wo es etwas gilt / Dir ſeine Freyheit uͤberreicht; So ungejagt Sich in dein Garn und in dein Netze wagt.

Silv.

Ach! Nymf ich ſuche nichts / als den Melampo hier! Es ſcheint / ich werde ſo die beſte Zeit verlichren; Dorinda gute Nacht!

Dor.

Ach! Silvio fleuch nicht von mir / Jch wil Melampo dir ſelbſt in die Haͤnde fuͤhren.

Silv.

Dorinde wil nur ſchertzen!

Dor.

So wahr die Liebe mich hat in ihr Joch gebracht / Und dieſes ſtrenge Gifft ſich regt in meinem Hertzen / So kan ich dir Bericht von dem Melampo geben! Und ſaheſt du ihn nicht nach einem Hirſchen rennen?

Silv.

So iſt es: Und die Spur verlor ich alſobald.

Dor.

Es wil ſich Hund und Wild itz und zu mir bekennen.

Silv.
47Anderer Auftritt.
Silv.

So ſoll itzt Hund und Wild in deinen Haͤnden ſchweben / Und iſt nun dergeſtalt Jn deiner gaͤntzlichen Gewalt?

Dor.

Ja beyde haben hier itzt ihren Aufenthalt. Es ſcheint / du ſchaͤmſt dich / ſie in derer Hand zu wiſſen / Die dich / als einen Gott / zu ehren iſt befliſſen.

Silv.

Ach! liebe Dorinde, Gieb mir ſie geſchwinde.

Dor.

Wo bin ich endlich hingebracht? O mehr als leichter Geiſt! Daß mich ein Hund und Wild dir nun hat wehrt gemacht? Doch ſey dir dieſes auch zur Lehre heimgeſtellt / Daß ohne Wiedergelt / Du mir ſie nicht aus meinen Haͤnden reiſt.

Silv.

Gar recht / ich wil es nicht uͤmſonſt.

Dor.

Was haſtu dir denn mir zu ſchencken fuͤrgenommen.

Silv.

Zwey Aepffel geb ich dir zum Zeugnis meiner Gunſt / Die ich nechſt aus der Hand der Mutter uͤberkommen / Sie ſind als Gold.

Dor.

Die hab ich nicht gewolt. Jch ſelber koͤnte dir dergleichen Aepffel reichen / Die deinen von Geſchmack und Schoͤnheit nicht zu gleichen: Doch dieſes alles wird von deiner Fauſt veracht.

Silv.

Beliebet dir ein Schaff / begehrſtu eine Ziege? Doch mein Vater laͤſſet mir noch zu ſolchen ſchlechte Macht;

Dor.

Jch mag nicht Schaf noch Ziege haben / Die ich mich nur an deiner Gunſt vergnuͤge.

Silv.

So nimſtu meine Gunſt vor tauſend andre Gaben?

Dor.

Ach zweifle nicht daran!

Silv.

So habe ſie denn hier von meiner Hand; Doch mache / daß ich Hund und Wild auch haben kan.

Dor.

Ach! waͤre dir der wehrte Schatz bekand / Den du ſo reichlich wilſt verſchencken / Und gleichte ſich das Hertze doch dem Munde.

Silv.

Du pflegeſt mir ſo manche Stunde Der Liebe zu gedencken / Und ich weiß noch nicht eigen was Lieben moͤge ſeyn.

Jch48Der Andern Abhandlung

Jch liebe dich / ſo viel mir moͤglich iſt / Und du beſchuldigſt allezeit Mich groſſer Grauſamkeit; Ja ſageſt mir / ich ſpeiſe dich mit Pein / Da doch kein Menſch noch iemals hat erkieſt / Was Grauſamkeit in meinem Wandel ſey. So ſage mir doch frey Was iſt doch dein Begehren?

Dor.

Wo hat Dorinda doch die Hoffnung hingeſetzt? Wer wird ſich dergeſtalt mit Huͤlffe zu mir kehren? Jch liebe was noch nicht der ſuͤſſe Brand ergetzt / Dem ſich kein Hertze ſonſt zu lange kan erwehren: Schoͤner Freund / mich brennt dein Feuer / und du brenneſt ſelber nicht / Liebe ſchwebt auf deinen Lippen / die im Hertzen dir gebricht Die Goͤttliche Mutter / die Cypern verehret / Hat dich als einen Menſch den Menſchen zugeſandt; Daß Bogen / Pfeil und Brand dir eigen zugehoͤret / Jſt meinen matten Sinnen / Die wegen heiſſer Pein dis ſattſam wiſſen koͤnnen / Mehr als zu wohl bekandt. Nim du die Fluͤgel auf dem Ruͤcken / So wirſtu ein neuer Cupido genennt. Ach! Daß du Eiß und Schnee dein Hertze laͤſt erdruͤcken / Und daß die Liebe ſich zur Liebe nicht bekennt!

Silv.

Was iſt die Liebe doch / wer macht mir dieſes kund?

Dor.

Laß ich mein truͤbes Licht nach deinen Augen ſtreichen / So kan ich Lieb und Gunſt dem Paradies vergleichen: Betracht ich aber denn die Lieb in meinem Hertzen / So iſt die Liebe nichts als Hoͤllen Angſt und Schmertzen.

Silv.

Laß dieſe Woͤrter hin / und gieb mir meinen Hund.

Dor.

Gieb mir zuvor das zugeſagte Lieben?

Silv.

Was lieben? nim es hin / wie plagſtu meinen Geiſt? Dir iſt vergunt Mit dieſem alles auszuuͤben / Was du Vergnuͤgung heiſt; Was wilſtu mehr von meiner Hand?

Dor.

Auch meine ſtreut den Samen in den Sand. Verſpuͤr ich kein Geluͤck gllhier?

Silv.
49Anderer Auftritt.
Silv.

Bleib ich denn ewig ſo bey dir?

Dor.

Gieb / was verſprochen iſt / wer wil auf Worte bauen?

Silv.

Jch fliehe nicht / du kanſt mir ſicher trauen.

Dor.

Gieb mir ein Pfand.

Silv.

Ja was?

Dor.

Das Wort iſt nur zu ſchwer.

Silv.

Warum?

Dor.

Jch ſchaͤme mich.

Silv.

Und iſt doch dein Begehr?

Dor.

Ach wolteſtu es doch nur unbeniemet wiſſen!

Silv.

Des Wortes ſchaͤmſtu dich / und wilſt das Werck genieſſen.

Dor.

Verheiſcht du mir es recht ſo geb ich dir Bericht.

Silv.

Verheiſchen ſey es bald / iedoch verhaͤl es nicht.

Dor.

Wuͤſt jch ſo viel als du / ſo hoͤrt ich auf zu fragen.

Silv.

Du biſt mehr ſchlau als ich / was ſoll ich ferner ſagen.

Dor.

Jch brenne mehr als du / und wuͤtte nicht dabey.

Silv.

Doch dencke / daß ich auch nicht ein Prophete ſey. Verſtand koͤmt auf Bericht.

Dor.

Jch mag ſonſt nichts erheben / Als was die Mutter dir bisweilen pflegt zu geben.

Silv.

Bisweilen ſchlaͤgt ſie mich.

Dor.

Dich ſchlagen / die dich liebt?

Silv.

Bedencke / daß ſie ſo der Liebe Zeugnis giebt.

Dor.

Dis iſt erdichtes Werck / pflegt ſie dich nicht zu kuͤſſen?

Silv.

Nein / nein; Sie wil auch dis von keinem andern wiſſen. Und wilſtu etwan einen Kuß? Gieb mir Bericht / Jch ſchwere / daß das Blut dich itzt verrahten muß / Spricht gleich die Zunge nicht. Genug; Jch dacht es wohl: Doch gieb mir erſtlich meinen Hund; Jch ſchwere / daß darauf das Kuͤſſen folgen ſoll: Hier haſtu Hand und Mund.

Dor.

Verſprichſtu dis denn mir?

Silv.

Ja ich verſprech es dir.

Dor.

Und wilſt auch etwas hier verweilen?

Silv.

Wie anders? Jſt mir denn noch keine Ruh vergunt?

Dor.

Lupino, komm herfuͤr / Lupino, du muſt eilen.

Lup.

Wer ſtoͤhret mich itzund? Jch ſchlieff ja nicht / es ſchlieff ja nur der Hund.

DDor.
50Der Andern Abhandlung
Dor.

Hier iſt der Hund / und deine beſte Luſt / Dem itzt mehr Freundligkeit / als dir / mein Freund / bewuſt.

Silv.

Nun bin ich recht zu frieden.

Dor.

Jn dieſen Armen hier / die Silvio verflucht / Und derer Band er ſtets gemieden / Hat dein getreuer Hund die beſte Ruh geſucht.

Silv.

Geliebter Melampo, ſo find ich dich hier?

Dor.

Der iſts / der meinen Kuß und meine Seufzer liebet.

Silv.

Das iſt ſein Herr / der ihm viel tauſend Kuͤſſe giebet. Hat etwan dir Das Laufſen koͤnnen ſchaden?

Dor.

Ach koͤnt ich doch in dich verwandelt ſeyn! Wie hat mich doch die Zeit mit vieler Laſt beladen / Daß mir auch itzt ein Hund erregt des Eifers Pein! Lupino mache dich itzt eilend auf die Jagt / Jch ſtelle mich alldar in kurtzen ſelber ein.

Lup.

Jch thu / als du geſagt.

Dritter Auftritt.

SILVIO. DORINDA.

Siluio et Dorinda. I. WB aur in. Cum Priuilegio S. C. M. Melch. [sell f.]
51Dritter Auftritt.

DJr mangelt ja itzt nichts / ſo viel ich ſpuͤren kan; Wann aber wird das Wild mir endlich zugeſtellet?

Dor.

Wilſtu es lebendig oder ja todt.

Silv.

Du haſt mir ſo noch nicht genug Bericht gethan. Wie lebt es / wenn der Hund es in der Flucht gefaͤllet?

Dor.

Wie aber / wenn der Hund es ließ ohn alle Noth?

Silv.

So lebt es denn?

Dor.

Es lebt.

Silv.

Je hoͤher iſts zu ſchaͤtzen: Und iſt Melampo denn ſo kuͤnſtlich abgefuͤhrt / Daß er es gefangen hat ſonder verletzen?

Dor.

Das Hertze war ihm nur beruͤhrt.

Silv.

Dorinda ſpottet mein / und liebet nichts als Schertzen[:]Wie lebet doch ein Thier verwundet in dem Hertzen?

Dor.

Du harter Geiſt / ich bin das Wild / So ſich itz und zu dir geſellt / So itzt in deine Garne faͤllt. Und ungejagt dein Netze fuͤllt / Dein Lieben tilget meine Noth / Dein Haſſen bringet mir den Tod.

Silv.

Jſt dis das ſchoͤne Wild / davon du mir geſagt?

Dor.

Was ſtoͤſt dich Silvio itzund vor Schrecken an / Haſtu nicht vor einen Hirſchen eine Nymfe dir erjagt?

Silv.

Jch ſchwere / daß ich dich nicht lieben kan / Dich tolle Luͤgnerin / dich Scheuſal unſrer Zeit / Dich Stoͤhrerin der Ruh / dich Peſt der Liebligkeit.

Dor.

Jſt dis mein Lohn? Sind dis die ſchoͤnen Gaben? Trag ich denn ſonſten nichts davon? Doch kanſtu deinen Hund und mich zugleiche haben. Jch ſchencke beydes deiner Hand / Nur komm bisweilen auch zuruͤcke / Und ſpeiſe mich mit deiner Sonnen Blicke. Jch ſchwere dir / durch Puͤſche / Graß und Sand / Dich treulich zu begleiten / Und was Lieb und Treu betrifft / mit Melampo ſtets zu ſtreiten. Wenn dich die Muͤdigkeit im Jagen wird beſchleichen / Und dir der Schweiß wird uͤm die Schlaͤffe fluͤſſen /D 2So52Der Andern AbhandlungSo wird dir meine Haud ihn vom Geſichte ſtreichen / Auf meinen Schoß / als einem treuen Kuͤſſen / So wegen deiner Ruh nicht wird zu ruhen wiſſen / Solſtu den ſuͤſſen Schlaff genieſſen. Jch wil dir Wild und Waffen tragen / Und kanſtu denn kein Wild erjagen? So ſtoß den Pfeil Dorinden in die Bruſt. Du kanſt allhier ſtets nach Belieben / Mit hoͤchſter Luſt / Den ſteiffen Bogen uͤben; Jch wil allein Jhn als Magd mit Willen fuͤhren / Und als Wild im Hertzen ſpuͤren / Ja dein Ziel und Koͤcher ſeyn. Wen red ich aber an? Den / der mich wenig acht / Und ſich ietzt auf die Seite macht. Doch fleuch / du fleuchſt vor der / die dir wohl folgen kan. Jch wil dich in den Schlund der Hoͤllen ſtets begleiten / So ja der Hoͤllen Pein Der Qval kan aͤhnlich ſeyn / Damit mich itzt dein Grimm und meine Noth beſtreiten.

Vier -53Vierter Auftritt.

Vierter Auftritt.

CORISCA.

Corisca I. WB aur in. Cum Priuilegio S. C. M. Melch. Küsell

WJe kroͤnet das Gluͤcke mich uͤber Verhoffen / Ja mehr / als ich gedacht / Es irrt nicht / daß es die zu ſeiner Bruſt wil ruffen / Die ſich durch ſteten Fleiß deſſelben wuͤrdig macht. Die Welt hat ſeine Krafft nicht uͤberhin gekennet / Die ſolches lange Zeit die groͤſte Gottheit nennet / Doch muß die Wachſamkeit erwerben ſeine Blicke / Es ſucht geraden Weg / kein Fauler hat Geluͤcke. Haͤtt ich nicht vor vielen Jahren dieſer Freundſchafft mich beworben / So waͤre dieſe ſchoͤne ZeitD 3Gantz54Der Andern AbhandlungGantz ohne Frucht verdorben / Manch ungeſcheuter Geiſt Haͤtte dieſer Nebenbuhlſchafft ſeinen Eifer laſſen wiſſen / Und der Rache feſten Bau allzuzeitlich eingeriſſen. Man kan mit mehrer Sicherheit Fuͤr dieſem ſtehn / der feindlich iſt und heiſt / Als dem der Freundſchafft Schein der Feindſchafft Deckel worden / Fuͤr den uͤberſchwemmten Klippen muß manch kluges Schiff zer - ſpalten / Und der iſt kein Feind zu ſchelten / der nicht freundlich Zorn kan halten. Was die Coriſca kan / ſoll heute ſich erweiſen. Jch bin itzt nicht in derer Orden / Die ſie als einen Trotz der Liebe wollen preiſen. Mir wil es nicht zu Sinnen / Es glaub es / wer es wil; Mich wird man dis nicht uͤberreden koͤnnen. Jch weiß der Liebe Grund / Krafft / Eigenſchafft und Ziel. Eine Jungfrau / reich an Einfalt / arm an Jahren und Verſtand / Die / wie man ſagt / erſt aus der Schale kreucht / Der die Suͤßigkeit der Liebe ſtetig vor der Naſe reucht / Und nun beſtritten wird von einer ſchoͤnen Hand / Die Kuͤſſe hat gegeben und genommen / Soll die der Liebe Garn entkommen? Der iſt nicht klug / der dieſes glauben kan. Doch / das Verhaͤngnis wil mir ſelbſt die Bahn bereiten. Schau! Amarillis komt heran; Jch muß mit Fleiß itzt auf die Seite ſchreiten.

Fuͤnf -55Fuͤnfter Auftritt.

Fuͤnffter Auftritt.

AMARILLIS. CORISCA.

ii. Amarilli Corisca. I. WB aur in. Cum Priuilegio Sac. Cœs. May. Melch. Küsellf.

BEliebter / und mehr als geſegneter Wald / Du Einſamkeit und ſtille Wuͤſteney / Des Friedens und der Ruh gewuͤnſchter Aufenthalt / Ach! ſtuͤnde mir es frey / Mir / der ich dich itzt wieder kan beſchauen / Allhier ein Hauß nach meiner Luſt zu bauen / So wolt ich mich nicht ſchaͤmen / Fuͤr der Eliſer Feld / Da ſich die reine Schaar der Seelen itzt enthaͤlt / Den ſchoͤnen Schatten anzunehmen / Und dieſes ſchnoͤde Gut ein wenig zu ermeſſen. D 4Was56Der Andern Abhandlung Was iſt es doch / als nur Verwirrung und Verdruß? Der / ſo das Geld beſitzt / iſt offtmals ſelbſt beſeſſen / Und unſer Armuth waͤchſt / durch unſern Uberfluß. Ob gleich der Jahre Lentz mit tauſend Schoͤnheit pranget; Ob Erd und Himmel uns baut Geiſt und Acker an / Ob Leib / Gemuͤth und Haus mit tauſend Schaͤtzen pranget: Was hilfft es dem / der ſich nicht auch vergnuͤgen kan. O Schaͤferin / wie ſelig iſt dein Leben / Wiewol dich kaum ein ſchlechter Rock umhuͤllet / Der doch die Reinligkeit zu dem Gebrehme fuͤhret / Dein Reichthum kanſtu ſelber ſeyn / Und biſt durch nichts / als die Natur gezieret; Dich hat die ſuͤſſe Duͤrftigkeit Mit Duͤrftigkeit der Freude nicht erfuͤllet / Dich lehret nicht die Zeit / Wie oft aus Gut und Geld Noth / Angſt und Jammer qvillet. Dir iſt alles dis gegeben / So dich der Pein / Mehr zu wuͤntſchen / als du haſt / gantz und gar kan uͤberheben: Und ob dir auch die Kleidung faſt gebricht / So mangelt dir doch die Vergnuͤgung nicht. Mit Geſchencken der Natur mehrſtu der Natur Geſchencke; Durch Milch wird Milch und Blut erweckt. Und daß ich mehr gedencke: Die Suͤſſigkeit / ſo in der Biene ſteckt / Verſuͤſt den Honigſeim von deiner Liebligkeit. Der Brunn / ſo dir Getraͤncke giebt / Wil auch dein Bad und Spiegel ſeyn. Du lebſt vergnuͤgt / du kennſt kein Leid / Der Himmel hat ſich dir zu keiner Zeit getruͤbt / Dir hagelts gar kein mal / es ſchlaͤgt dir auch nicht ein / Und ſtehſtu gleich entbloͤſt / wenn alles knackt und bricht / So mangelt dir doch die Vergnuͤgung nicht; Dein Sorgen iſt nicht ſorgen. Mit Kraͤutern ſpeiſeſtu bald mit dem zarten Morgen Die angenehmen Heerden / Bis in die tieffe Nacht / Und deiner hellen Augen PrachtMuß57Fuͤnfter Auftritt. Muß deines Liebſten Weide werden / Zu dem dich nicht der Menſchen Wort gezwungen / Dem nicht ein Stern dich dienſtbar hat gemacht / Der nicht durch Liebeskrafft in deinen Geiſt gedrungen / Der unter dem Schatten der lieblichen Myrten Betrachtet wird / und auch betracht / Die keine Gluth gedencket zu bewirthen / Die ſie ihm nicht geſchworen hat zu zeigen / Wie ſie denn auch faſt keine Gluth bezwinget / Die nicht / als waͤre ſie ſein eigen / Auch gleichesfalls auff ſeine Seele dringet: Und hat die Hand der Kunſt dein Kleid nicht zugericht / So mangelt dir doch die Vergnuͤgung nicht. Dis iſt das rechte Leben / So uns den Tod nicht vor dem Tode ſchickt; Koͤnt ich mein Leben doch itzt vor das deine geben! Jtzt hab ich die Coriſc erblickt: Ach / Coriſca, unſer Himmel kroͤne dich mit ſeinem Scheine!

Cor.

Rufft man mir! ach! Amarillis, die mein hochgeneigter Geiſt Stets die Seele meiner Seele / und mein ander Auge heiſt / Wo gehſtu hin ſo gar alleine?

Amar.

Wohin? dahin / da ich dich itzt empfangen: Wie gluͤcklich gieng ich aus / weil ich zu dir gegangen.

Cor.

Du findeſt die / ſo ſich faſt nimmer von dir trennet. Jch dachte gleich an dich. Jch erwog / iſts Amarillis, die ſich meine Seele nennet / Und wandelt ohne mich? Jch ſchaut auf dieſes Wort dich / meine Seele / kommen; Haſtu denn deiner Coriſca vergeſſen;

Amar.

Wie dis?

Cor.

Wie dis? weil ich dich Braut zu ſeyn ver - nommen.

Amar.

Jch Braut?

Cor.

Ja Braut / Jſt denn dis ſo tieff geſeſſen? Daß du mir ſolches nicht vertraut.

Am.

Wie kan ich dir dis vertrauen / was mir ſelbſt nicht iſt bewuſt?

Cor.

So leugneſtu noch wie vorhin?

Amar.

Coriſca hat zum Schertzen Luſt.

Cor.

Zu Schertzen iſt der Amarillis Sinn.

D 5Amar.
58Der Andern Abhandlung
Amar.

So iſt es denn gewiß / daß du davon verſtanden?

Cor.

Jch ſchwer es dir / du wirſt es wol nicht wiſſen?

Amar.

Jch weiß von keinen andern Banden / Als daß ich ie verſprochen werden muͤſſen: Doch werd ich nicht ſo zeitlich Hochzeit machen.

Cor.

Von Ormino meinem Bruder hab ich den Bericht be - kommen. Was vor Beſtuͤrtzung ſtoͤſt dich an? Seyn dis ſo groſſe Sachen?

Amar.

Groß genug: Dann meine Mutter hat mir ja Bericht ge - than / Daß dieſer Tag uns auf das neu gebiehre.

Cor.

Ja dis iſt die Geburt zu einem beſſern Leben; Wiewol / wie ich verſpuͤre / Dir dieſes nicht weiß rechten Troſt zu geben. Sey getroſt / laß jenen Armen weinen.

Amar.

Welchen Armen wilſtu meinen?

Cor.

Der Arme / deſſen ich gedacht / Jſt Mirtillo, der dich liebt / Und dieſe Zeitung hat ſo wol als ich vernommen. Er war darob ſo ſehr betruͤbt / Daß er bey nah in die gewoͤlckte Nacht Des Todes waͤre kommen. Haͤtt ich nicht durch mein Verſprechen ihn bald wieder aufgericht. Solches war zwar dazumal nur zum Troſt ihm fuͤr gebracht / Doch weiß ich / daß mein Witz leicht dieſe Knoten bricht.

Amar.

So haſtu wohl ſo groſſe Kunſt und Macht?

Cor.

Warum wohl nicht?

Amar.

Wie aber iſt wohl dieſes Werck zu fuͤhren?

Cor.

Dir wird mir auch zu helffen hier gebuͤhren.

Amar.

Kan meine Hoffnung nur auf ſteiffen Ancker liegen / Schwert deine Zunge mir Treu und Verſchwiegenheit / So zeig ich dir / was nun ſo lange Zeit Mein Hertze hat verdeckt / und dieſer Mund verſchwiegen.

Cor.

Wird man ein Wort von dieſen Lippen bringen / So ſoll der Erden Rachen Den verfluchten Leib verſchlingen.

Amar.
59Fuͤnfter Auftritt.
Amar.

Dir meinen Kummer kund zu machen / So dencke nur / wie ich kan luſtig leben / Wenn ich mus betrachten / Daß ich dem bin hin gegeben / Der meiner nichts kan achten: Der vor mir fleucht / und mich nur wil verlachen / Der Tag und Nacht auf Jagd und Hunde denckt / Ja vor ein Reh Tauſend Nymfen / ja die Gottheit ſuͤſſer Liebe ſelbſt verſchenckt. Ach Weh! Jch muß die Noth verzweifelt tragen / Und theils den alten Ruhm nicht thoͤricht zu verletzen / Theils die Goͤttin und den Vater nicht in heiſſen Zorn zu ſetzen / So darff ich dieſes nirgends klagen. Kanſtu nun ſolches Joch von meinen Schultern heben / Doch daß die Treu den Glauben und die Ehre / Wie auch des Lebens zarten Faden Jch nicht verſehre / So nenn ich heute dich mein Heil und auch mein Leben.

Cor.

Jch ſpuͤre deine Noth / damit du biſt beladen. Ach! wie oft hab ich gedacht / ſoll die Perle vor ein Schwein? Ein Eſel kennt nicht Gold und Stein: Doch weiß ich nicht / Was dich bisher zu ſchweigen beweget / Und ob Einfalt oder ja Verſtand Dir deine Zunge bindet / Und daß du nicht vorlaͤngſten haſt bericht / Was vor ein ſtrenges Band Dein reines Hertze traͤget.

Amar.

Du haſt es noch nicht recht ergruͤndet / Die Scham verhindert mich.

Dor.

Und ich beklage dich. Die Kranckheit die du traͤgſt / iſt nicht von ſchlechter Pein; Das Wuͤtten / und der Krebs / des Fiebers kaltes Weſen / Kan dieſer Noth an Krafft nicht gleiche ſeyn; Doch iſt ein Rath von dieſem zu geneſen / Reiſt deine Fauſt einmal die ſchwache Taͤmmung ein.

Amar.
60Der Andern Abhandlung
Amar.

Die eingepflantzte Scham vertraͤget ja kein Schertzen / Sie laͤufft uns uͤm den Mund / verjaget aus dem Hertzen.

Cor.

Der allzuklug die Noth zu bergen iſt befliſſen / Der wird ſie endlich doch mit Torheit melden muͤſſen. Ach! haͤtteſt du mir dis in Zeiten kund gethan / So waͤreſtu itzund von aller Qval entbunden / Doch heute geb ich dir zu wiſſen / Was die Coriſca kan / Und wie du Treu und Kunſt in dieſer Fauſt gefunden / Doch wenn du der Verdruͤßligkeit Dieſes Menſchen biſt entriſſen / Wilſtu dich forthin denn nicht auf ein treuer Hertze lencken?

Amar.

Das giebt die Zeit.

Cor.

Du muſt aus Pflicht auf den Mirtillo dencken. Wen ſchau ich ihm an Treu / Krafft / Lieb und Schoͤnheit gleichen? Und du verlaͤſt ihn in der Noth? Du wilſt ihm nicht ſo viel Gehoͤre reichen / Daß er dir ſagen kan: Mirtillo der iſt todt. Laß doch einmal ſein Wort zu deinen Ohren gehn.

Amar.

Es wuͤrde beſſer uͤm ihn ſtehn / Haͤtt er dieſe ſchnoͤde Regung laͤngſt aus Hertz und Geiſt geriſſen / Die ohne dis ohn alle Frucht verdirbt.

Cor.

So goͤnn ihm dis doch / eh er ſtirbt.

Amar.

Jch werde dergeſtalt nur Oel ins Feuer gieſſen.

Cor.

Was geht dich dieſes an / das wird Mirtillo leiden.

Amar.

Wie geht es aber mir / komt dieſes an das Licht?

Cor.

Kan ſich dein ſchwacher Geiſt in dieſem nicht beſcheiden?

Amar.

Schwach / immer ſchwach / wannn nur nicht Ruhm und Ehre bricht.

Cor.

Wil Amarillis denn in dieſem von mir ſetzen. So ſetz ich auch mit gutem Fug von ihr. Nun gute Nacht!

Amar.

Nur noch ein Wort: Coriſca bleib alhier.

Cor.

Es hat ein kaltes Wort dis Werck nicht ausgemacht / Und dein Verſprechen iſt alleine hoch zu ſchaͤtzen.

Amar.

Hiermit verſprech ich dir ihn willig anzuhoͤren. Doch laß ich mich zu mehrem nicht verbinden.

Cor.

Du wirſt ſonſt kein Beſchwernis finden.

Amar.
61Fuͤnfter Auftritt.
Amar.

Du muſt ihn uͤberreden / als haͤtt ich nichts gewuſt.

Cor.

Jch wil ihn leicht alſo bethoͤren / Daß er ſonſt nichts alhier / als Zufall wird erkennen.

Amar.

Und daß ich auch nach meiner Luſt Mich wieder koͤnne von ihm trennen?

Cor.

Was dir gefaͤllt. Nur hoͤr ihn an.

Amar.

Daß er mich mit langen Worten nicht zu ſehr zuruͤcke haͤlt.

Cor.

Es ſoll alles ſeyn gethan /

Amar.

Daß nach meines Pfeiles Laͤnge er nur moͤge zu mir ſchreiten;

Cor.

Ach! wie beſchwerlich iſts die Einfalt zu beſtreiten! Jch wil alle ſeine Glieder / auſſerhalb die Zunge binden / So wirſtu dich auf allen Seiten Jn Sicherheit bey ihm befinden. Jſt dir nun ſo / was du gewuͤnſcht / gewaͤhrt?

Amar.

Was hab ich mehr begehrt?

Cor.

Wenn denckſtu dis ins Werck zu ſetzen?

Amar.

Jch wil es nicht verſchieben: Doch werd ich mein Verſprechen nicht verletzen / Wenn ich zuvor nach meinem Belieben Zu Hauſe werde gehn / Zu hoͤren / wie man hat das Hochzeitwerck getrieben / Und alle Sachen ſtehn.

Cor.

So gehe denn / doch mit Behutſamkeit / Was dis betrifft / ſo wir uns fuͤrgenommen / So kanſtu umb die Mittags-Zeit / Doch ohn alle deine Nymfen / hier in dieſen Schatten kommen / Da wirſtu mich denn auch Bey Aglaur en / und Licoris, bey Neriden und Eliſen, So wegen Witz und Treu ich iederzeit geprieſen / Unfehlbar finden. Da wollen wir nach altem Brauch / Das ſo genante Spiel der Blinden / Uns zu ſpielen unterwinden. Mirtillo wird alsdenn nichts anders dencken koͤnnen /Als62Der Andern AbhandlungAls daß dich nur das Spiel in dieſen Ort gezogen.

Amar.

Du haſt es wohl erwogen. Doch wil mir dieſes nicht zu Sinnen / Daß die Nymfen den Mirtillo mit mir ſollen reden hoͤren.

Cor.

Auch dieſes iſt nicht in den Wind zu ſchlagen: Doch laß dir ſolches nicht den guten Fuͤrſatz ſtoͤren. Jch wil ſie wohl mit Liſt auf eine Seite fuͤhren. So gehe denn nach deinem Wohlbehagen / Und gedenck an die Coriſca, ſo dir ewig Treu verſpricht.

Amar.

Hab ich mein Hertze dir in deine Fauſt gelegt / So kanſtu / wie du wilſt / es zu der Liebe treiben.

Cor.

Dis iſt ein Weib / die Stein und Ertzt zubricht / Man muß den Felß mit mehrer Krafft beruͤhren / Und hat ſie gleich nicht recht mein ſchwaches Wort bewegt / So wird ſie doch nicht Stahl fuͤr dem Mirtillo bleiben. Woͤrter eines lieben Buhlen koͤnnen leicht ein Hertze zwingen / Und bring ich ſie / dahin ich wil / So bleibt ihr Spiel nicht lang ein Spiel. Jch wil durch ihr eigen Wort tieff in ihre Seele dringen. Kan ich daſſelbe nur wie ich gewuͤnſcht erlangen / Und werde Meiſterin von ihrer Heimligkeit; So hab ich ſie gefangen / Und werde mit der Zeit Sie dergeſtalt zu fuͤhren wiſſen / Daß ſie und iederman Mit ihr wird ſagen muͤſſen: Dieſes hat der Liebe Brunſt / nicht der Feindin Kunſt gethan.

Sech -63Sechſter Auftritt.

Sechſter Auftritt.

CORISCA. SATIRO.

Corisca Satiro I. WB aur inv. Cum Priuilegio Sac. Cœs. May. Melchior Küsell

ACh! ich bin todt.

Sat.

Und ich bin noch bey Leben.

Cor.

Komm / komm / Amarillis, ich bin itzt gefangen.

Sat.

Du muſt dich itzt ergeben / Sie hoͤrt dich nicht / 966 du kanſt nicht Huͤlff erlangen.

Cor.

Ach Gott / mein Haar!

Sat.

Jch hab auf dich ſo lange Zeit geziehlet / Bis du mir itzt biſt in das Netze kommen /

Cor.

So haſtu dir denn mich zu plagen fuͤrgenommen.

Sat.

Ja dich / die lange Zeit ein falſches Spiel geſpielet / Dich Meiſterin der Luͤgen / Die verfaͤlſchte Woͤrter tichtet /Und64Der Andern AbhandlungUnd derer Blicke ſich ernehren durch Betruͤgen. Die Coriſca, ſo mich ſtets hat beruͤcket und vernichtet.

Cor.

Daß ich Coriſca bin / das kan ich nicht verneinen: Doch / lieber Satiro, bin ich dieſelbe nicht / So du zuvor gefuͤhrt in Auge / Hertz und Sinnen.

Sat.

Du laͤſt ja deinen Griff auf allen Seiten ſcheinen / Die Liebe haͤtte ja gar wenig ausgericht / Weil du vor den Coridon mich ſo leichtlich laſſen koͤnnen.

Cor.

Dich vor andre hingelaſſen?

Sat.

Das kanſtu / wie es ſcheint / nicht faſſen. Gedenck / als ich / wie du mir anbefohlen / Der Chloris Schleyr / der Daphnis ſchoͤnſtes Kleid / Der Lilla beſten Bogen / Wie auch der Sylvia Stiefeln geſtohlen / Jn Hoffnung / daß du mir nun wuͤrdeſt ſeyn gewogen / Kriegt ein ander Hold und Liebe / und ich hatte Noth und Leid. Erweg / als du den Krantz / den ich dir ſelbſt gegeben / Lieſt uͤm des Niſo Schlaͤfe ſchweben; Und ob du mich / wenn ich bey kalter Nacht Jn der Hoͤle bey den Brunnen Auf dein Befehl mit Wachen zugebracht / Durch das ich doch ſonſt nichts als Hohn und Spott gewonnen / Auch lieber Satiro, zu nennen warſt befliſſen? Jch gebe mich nun eher nicht zur Ruh. Bis daß du nach Verdienſt wirſt buͤſſen.

Cor.

Du zerreſt mich wie eine wilde Kuh /

Sat.

Du ſageſt was du biſt: Reiß / reiß nur nach Belieben / Du wirſt mir nicht entreiſſen / Dis iſt ein feſtes Band / Du magſt nur den Betrug auf andre Zeit verſchieben. Laͤſt du den Kopff nur nicht in meiner Hand / So wirſt du ohne Frucht Mir zu entwerden dich befleiſſen.

Cor.

So goͤnne mir doch endlich ſo viel Zeit / Dis / was mich druckt / recht zu entdecken.

Sat.

Dir ſey gewaͤhrt / was du geſucht.

Cor.

Mein Reden iſt uͤmſonſt / bin ich nicht auch befreyt.

Sat.
65Sechſter Auftritt.
Sat.

Befreyt?

Cor.

Jch ſchwere dir von dannen nicht zu weichen.

Sat.

Was Schwur? O falſches Weib! da Liſt und Bosheit ſtecken / Und Treu und Glaube ſelbſt verbleichen. Jch wil dich itzt in eine Hoͤle fuͤhren / Die weder Menſch noch Vieh / ja ſelbſt das Licht der Welt / Mit ihrem Auge kan beruͤhren. Das andre ſag ich nicht: du witſt es wol verſpuͤren. Da wil ich mir zur Luſt / und dir zu Spott und Hohn / Weil dir ja Spott gefaͤllt / Geben / was dir wird gebuͤhren:

Cor.

So traͤgt mein ſchoͤnes Haar ſonſt keinen Lohn davon / So dir zuvor dein Hertze hielt gebunden! Kanſtu mein Antlitz itzt ohn alle Wehmuth plagen? Auf das du doch ſo ofte haͤſt geſchworen / Du wolteſt eher ſeyn verlohren / Ehe man die Liebes-Wunden Solt aus deinem Hertzen jagen. O Himmel! O Geluͤck! auf was iſt doch zu tranen?

Sat.

Wilſin Betruͤgerin mir neue Netze ſtellen?

Cor.

Ach! lieber Satiro, nicht zeuch mich / wie du thuſt / Mich / die ich dir wil Opffer-Heerde bauen. Was haſtu doch vor Luſt? Du wirſt dich ja nicht ſelbſt den Tiegern zugeſellen? Dein Hertz iſt ja nicht Stahl und Stein; Und ſchauet meine Schuld dir ja zu groß zu ſeyn / Du Abgott meiner Sinnen! So bitt ich dich Wegen dieſer ſtarcken Knie / die forthin auf dieſer Erden Sonſt nichts als ihnen ſelbſt verglichen koͤnnen werden / Und mir die Ehre ſie zu kuͤſſen itzt vergoͤnnen. Wegen deiner Bruſt / die mich Vor kurtzer Zeit Nicht meiden koͤnnen; Wegen dieſer Lieblichkeit / Die dir mein Auge ſtets gewaͤhret / So du itzt des hohen Titels deiner Sternen haſt befreyt / Und in einen Brunn verkehret / Aus welchem tauſend Zaͤhren flieſſen:ELaß66Der Andern AbhandlungLaß mich Genade doch genieſſen /

Sat.

Deine Schalckheit noͤthigt mich / Und wolt ich mich auf bloſſe Worte gruͤndẽn / So koͤnte mein Erbarmen ſich Gar leichtlich hier betrogen finden. Jch traue nicht / Du ſtirbſt Verraͤtherin; Jch kenne deinen falſchen Sinn / Was immermehr mir itzt dein Mund verſpricht. Coriſca wird Coriſca doch verbleiben.

Cor.

Ach weh / mein Haupt! Ach! halt ein wenig an / Du wirſt mir noch eine Genade gewaͤhren.

Sat.

Was Genade meineſtu?

Cor.

Daß ich doch noch ein Wort mit Friede reden kan / Eh / als dein Grimm mich wil verzehren.

Sat.

Du denckeſt noch mit viel verſtohlnen Thraͤnen / Und viel ertichteten Sachen / Meine Hand zu hintertreiben.

Cor.

So iſt dein Wunſch und Sehnen Jn einem kurtzen Nu Mich / hoͤflicher Satiro, nichtig zu machen?

Sat.

Komm / komm / du wirſts erfahren.

Dor.

Jſt das Grbarmnis gantz erſtorben?

Sat.

Wenn haſtu dis erworben?

Cor.

Und wilſtu denn mit mir ſo wunderlich gebaren?

Sat.

Jch wil es gar nicht ſparen; Haſtu deinen Zauber-Segen dann noch hier nicht gantz geendet?

Cor.

Halber Menſch und halber Bok / mehr als Vieh / Spott der Natur / Galgen-Aß / verfluchter Kruͤpel / ſchaue mich doch itzund an: Mein Auge zeiget dir die Spur / So ja dein Geiſt nicht glauben kan / Daß der Coriſca Geiſt ſich gantz von dir gewendet. Was ſolt ich an dir lieben? Den ſchoͤnen Ruͤſſel der dich ziehrt / Und den Bocksbart / welcher Schatten uͤm die duͤrren Backen fuͤhrt? Deine ſchoͤne Ziegen-Ohren Und das geiffer-reiche Maul / So ſtetig faulSich67Sechſter Auftritt. Sich in dem Unluſt hat verlohren / Ja dem kein Zahn mehr uͤbrig blieben?

Sat.

Geht dieſes denn auf mich?

Cor.

Auf dich.

Sat.

Auf mich / du Teufels-Weib?

Cor.

Auf dich / du fauler Bock.

Sat.

Hier ſchauſtu meine Hand / Die ſoll die Zunge dir aus deinem Munde reiſſen.

Cor.

So tritſtu mir denn nu ſo nah itzt auf den Leib?

Sat.

Ein Weib / ſo ſich befindt in meiner Armen Band / Soll mich / ich weiß nicht wie? zu trotzen ſich befleiſſen? Jch wil dich bald?

Cor.

Was wilſtu Schlingel machen?

Sat.

Lebendig zureiſſen!

Cor.

Haſtu doch keinen Zahn in deinem gantzen Rachen.

Sat.

Ach Himmel / leid ich dis? Komm / komm es iſt nun Zeit: Du muſt / ſolt ich mich gleich uͤm Haͤnd und Armen bringen.

Cor.

Nein; ſolte mir der Kopff gleich von dem Rumpfe ſpringen.

Sat.

Jch wil dich lehren / Ob deines Kopffes Haͤrtigkeit / Und deines Halſes Staͤrcke Sich gleichet meiner Haͤnde Wercke; Was macht die Hand alhier? Sie wird mich nicht verſtoͤren.

Cor.

Und dis wird durch die Zeit alleine kund gemacht.

Sat.

Du wirſt mein Ziel mir nicht verſehren.

Cor.

Satiro zeuch / gute Nacht / Brich den alten Halß in Stuͤcken.

Sat.

Ach weh! Ach weh; mein Haubt! mein Bein! mein Ruͤcken! Ach! welch ein harter Fall! ich kan mich faſt nicht wenden / Jch ſchane ſie itzt fluͤchtig von mir ſtreichen / Und ihren Kopf behalt ich in den Haͤnden. O Wunder / dem kein Wunder zu vergleichen! Jhr Hirten komt herbey / und hoͤret itzt Bericht: Schaut dieſes Zauberwerck mit euren Augen an / Das iſt des Weibes Kopf / die von mir lauffen kan. Er iſt gantz federleicht / als haͤtt ich nichts zu fuͤhren / Und hat vielleicht auch kein Gehirne nicht: Wie daß ſich doch kein Blut laͤſt ſpuͤren? Was ſchau ich armer doch an Augen und Verſtand! E 2Sie68Schluß-Chor. Sie hat ja Kopffs genug / weil mir hier Kopff gebricht! Jtzt komt es deutlich an das Licht / Warum ſie ſtets verhoͤnt die Kraͤfften meiner Hand. Du falſche Zauberin / es war vor dich zu ſchlecht / Mit Wort / Geſicht und Lachen zu betruͤgen: Es muſten dir auch noch die Haare luͤgen. Jhr Tichter ſchaut doch recht Das hohe Gold / des Ambers reines Weſen / Und was ihr thoͤricht euch zu ruͤhmen auserleſen: Geht / geht nun wieder Mit verblaſtem Angeſicht Durch die weit erſchollnen Lieder / Thut Bericht / Daß dieſes / was durch euren Mund gefloſſen / Durch eines Weibes Zauberkunſt Mehren theiles ſey entſproſſen. Die durch der boͤſen Geiſter Gunſt Der faulen Schaͤdel Haare Entfuͤhret aus der Bahre / Und daſſelbe nun ſo kuͤnſtlich ihrem Haubt hat eingeflickt / Bis daß ſie euch beruͤckt / Daß ihr es durch eure Reimen habt den Sternen beygefuͤhret / Dem doch faſt mehr Graun und Ekel als Meger ens Haar gebuͤhret. Jhr Buhler / ſchaut das Garn / darinn ihr liegt gefangen / Entfaͤrbet Mund und Wangen / Jſt euer Hertz hier noch beſtrickt / Ein ieder kan das ſein itzund erlangen. Was wil ich aber doch noch ihre Schmach verdecken? Dieſes Haar / ſo in dem Himmel wil mit tauſend Sternen prangen / Jſt mit ſo vielen Ruhm und Wuͤrde nicht umhangen / Als vieler Schmach mein Mund dir deines ſoll beflecken.

Schluß-Chor.

ACh! welche boͤſe That / hat dieſe doch begangen / O Urſach unſrer Pein! Die durch Betrug und Schein Die Satzung reiner Brunſt zu truͤben angefangen! Dis69Schluß-Chor. Dis hat bey uns entbrennt / Was man den groſſen Zorn der groſſen Goͤtter nennt / Der durch viel Ungemach / durch Blut / durch Thraͤnen-qvillen / Und was man ferner denckt / nicht leichtlich iſt zu ſtillen.

So wird die edle Treu / die Wurtzel reiner Hertzen / Der beſten Seelen-Pracht Auch eben werth geacht: So ſetzt der Goͤtter Hand durch wunderbaͤre Kertzen Die Menſchen in den Brand; Und durch die ſuͤſſe Glut wird dis uns beygeſandt / Wodurch viel Liebligkeit und Freuden-voller Segen Sich in der tieffen Bruſt zu iederzeit bewegen.

Jhr blinden Sterblichen / durch Geld-Durſt angetrieben / Wie kan der goͤldne Kloß / Entfuͤhrt der Erden Schoß / Das / der todte Grauß / euch doch ſo ſehr belieben? Dis iſt ein falſcher Schein / Der Seelen Liebe ſoll die Liebe ſelber ſeyn Denn weil die Seel allein auf Gegenliebe trachtet / So wird die Seel allein der Liebe werth geachtet.

Es wird die Suͤßigkeit zwar nicht dem Kuß entweichen Den wir dem Wang entfuͤhren / So ſuͤſſe Zucker-Roſen zieren / Doch wird ein ieder ſich in dem mit mir vergleichen / Daß dieſer Kuß iſt todt zu ſchaͤtzen / Wenn das gekuͤſte nicht kan Kuͤß entgegen ſetzen. Denn dis heiſt recht gekuͤſt / wenn Lipp auf Lippe druͤcket / Und einen naſſen Kuß dem Kuß entgegen ſchicket.

Dis wird ein rechter Kuß inskuͤnfftig heiſſen muͤſſen / Wann der / ſo eifrig liebt / Jn Gleichheit nimt und giebt. Man mag Hand / Stirn und Bruſt zu tauſend malen kuͤſſen: Allhier weiß nichts zu ſtehn / So uns durch einen Kuß entgegen koͤnte gehn / Es weiß der Mund allein die Seelen aufzufuͤhren / Daß ſie durch einen Kuß einander hier beruͤhren.

E 3So70Schluß-Chor.

So kriegen Geiſt und Krafft die kuͤſſenden Rubinen / Und der beſeelte Kuß Spracht hier mit Uberfluß / Jn dieſem kleinen Kreiß iſt eine Luſt erſchienen / So man am beſten ſpuͤrt / Wenn eine Seele wird der andern zugefuͤhrt / Denn wenn alſo ein Kuß den andern hat empfangen / So kommet Hertz zu Hertz / und Geiſt zu Geiſt gegangen.

Der71

Der Dritten Abhandlung

Erſter Auftritt.

MIRTILLO.

Mirtillo. J. WB aur in. Cum Pr. Sac. Cœs. May. Melchior Küsell f

SChoͤner Lentz / des Jahres Jugend / ſchoͤne Mutter / tauſend Kraͤuter / Neuer Blumen / neuer Buhlſchafft / auserwehlter Zeugbe - reuter / Du komſt zwar itzt zuruͤcke / Doch kommen nicht mit dirE 4Des72Der Dritten AbhandlungDes Gluͤckes alte Blicke / Du komſt / du komſt / doch ſchau ich nichts allhier Mit dir zuruͤcke lencken / Als des mir entfuͤhrten Schatzes hochbetruͤbtes Angedencken. Du laͤſt / du laͤſt noch deine hohe Pracht Auf tauſend Blumen leſen. Jch aber bin itzund verworffen und veracht / Und zwey ſchoͤnen Augen nicht / was ich bin zuvor geweſen. Liebes-Zucker! da man ſchauet tauſend Wermuths-Tropffen rinnen / Schwerer iſts / dich zu verlieren / als dich nicht erlangen koͤnnen. Liebe waͤr ein ſchoͤnes Weſen / wenn die Liebe nicht erſtuͤrbe / Oder ja mit dem Verluſt ihr Gedaͤchtnis auch verduͤrbe. Doch / wo mein Hoffen itzt nicht wie ein Glaß zubricht / Und ja mein Wunſch durch fuͤrgebildte Luſt Den Fuͤrſatz nicht zu hoch heiſt gehn / Ey ſo ſeh ich heute noch mein begehrtes Sonnen-Licht; Mein Seufzer wird ſie heiſſen ſtille ſtehn / Und ihres Mundes Pracht wird meiner Sinnen Koſt. Jch hoff / es wird die ſchoͤne Grauſamkeit Auf mich ihr ſtoltzes Auge lencken / Und ob ſie keinen Stral der Freundſchafft von ſich ſtreut / So ſoll mich doch ihr Blitz verderben: Wenn gleich mich nicht ihr freundlich-ſeyn erfreut / So hab ich doch den Ruhm durch ihren Grimm zu ſterben / Und laſſe mich durch ſie in eine Grufft verſencken. O lieber Tag! den ich ſo lange Zeit begehret / Der endlich nun / nach ſo viel truͤben Stunden / Da Noth und Angſt zuſammen war gebunden / Mir das Geluͤcke hat gewehret / Daß ich in ihrer Augen Licht Die Sonne meiner Augen wieder funden. Wie aber hat Ergaſto mich bericht / Daß ich wuͤrde die Coriſca bey der Amarillis finden / Spielende das Spiel der Blinden? Jch ſchaue hier ja keine Blinde nicht / Als meine blinde Brunſt / Die ſich laͤſt andre leiten / Und ſeine Sonne ſucht vergebens und uͤmſonſt. Ach!73Anderer Auftritt. Ach! wer weiß / ob das Verhaͤngnis nicht durch meine Hoffnung bricht / Und das Geluͤcke heiſt aus meinen Graͤntzen ſchreiten; Wie plaget das Verweilen meinen Sinn? Eh ein Buhler hat erkieſet des beſtimmten Tages Schein: So beduͤncken wenig Stunden ihn viel tauſend Jahr zu ſeyn. Ja wer weiß es / ob ich nicht allzulangſam kommen bin / Und die Coriſca wird auf mich gewartet haben? Jch wil auch bald dahin; Doch iſt es meine Schuld / ſo muß man mich begraben.

Anderer Auftritt.

AMARILLIS MIRTILLO. Reyh der Nymfen. CORISCA.

Amarilli Mirtillo Ninfe et Corisca. I. WB aur in. Cum Pr. S. C. M. Melch. Küsellf
E 5Hier74Der Dritten Abhandlung

HJer iſt die Blindenn.

Mirt.

Ach Gott! Jch ſchane ſie vor mir.

Amar.

Tritt man denn nicht herzu?

Mirt.

Schoͤnes Wort! ſo mir verneuert und auch heilet meine

Amar.

Was macht ihr / ſend ihr nicht alhier? (Wunden / Und Liſette die vor andern ihr ließ dieſes Spiel behagen / Die hoͤret itzt nicht auf die Stunden.

Mirt.

Man kan itzt wohl ſagen: Die Lieb iſt blind / und hat die Augen ihr verbunden.

Amar.

So hoͤret denn / was meine Meinung ſey: Jhr / die ihr Euch hieher gefunden / Mich auf rechte Bahn zu fuͤhren / So bald ihr werdet koͤnnen Den Reſt von unſren Geſpielen verſpuͤren: So fuͤhrt mich auf die Seite / Und ſtellt mich frey / Auf einen Platz von rechter Weite; Denn ſchlieſt mich mitten ein / So wollen wir das Spiel beginnen.

Mirt.

Was wird mir wol damit geholffen ſeyn? Und meinem Wunſch iſt nicht alſo genug gethan. Und ich kan noch die Coriſca meinen beſten Wind nicht ſpuͤhren / Es nehme ſich der Himmel meiner an. Sie ſind gewiß nicht weit Man hoͤrt wie ſie ſich ruͤhren.

Amarill.

Soll ich euch Naͤrrin denn ſiets ſo geblendet ſtehn? Es iſt nun Zeit: Man mus zum Spiele gehn.

R. d. N.

Die Lieb iſt geblendet / O faͤlſchliche Sachen! Dis weiß ich / die Liebe denckt blinde zu machen; Doch ſoll ich nach meinem Befindniſſe ſprechen: Es wird dir mehr Glauben als Auge gebrechen / Du wirſt mich durch Blindheit gewiß nicht verfuͤhren / Jch muſte geblendet die Freyheit verlieren: Jtzt wieder entbunden / dir Glauben zu geben / Das waͤre der Narrheit zu Dienſte zu leben. Lauff / ſchertze und ſpiele nach deinem Belieben / Jch werde nicht ferner ins Netze getrieben / Jch kenne dein Spielen / ich kenne dein Schertzen / Du kuͤtzelſt die Geiſter und toͤdteſt die Hertzen.

Amar.
75Anderer Auftritt.
Amar.

Jhr ſpielt das Spiel zu weit / Und laſſt zu viel Behutſamkeit verſpuͤren; Jhr muͤſt ja allezeit / Eh ihr zu ruͤcke weicht / Mich auch zuvor beruͤhren; Verſpuͤr ich etwas naͤher euch alhier / So glaubet nur / daß ihr Nicht unerhaſcht zuruͤcke ſtreicht.

Mirt.

Was ſchau ich doch ihr groſſen Goͤtter-Hauffen! Ach wo bin ich / ſoll dis Himmel oder ſoll es Erde ſeyn? Soll das weite Himmels-Rad mit ſo ſuͤſſem Thone lauffen / Oder geben deſſen Sterne ſolchen ſchoͤnen Wiederſchein?

Reyh d. N.

O blinde von Augen! O falſche von Hertzen! Du ruffſt mich und lockſt mich mit dir itzt zu ſchertzen; Betrachte / wie ich mich zum Spielen itzt ſchicke / Dich ſchlag ich mit Haͤnden und lauffe zuruͤcke / Jch rupff dich und zupff dich / ich bin dir entgangen; Du trachteſt vergebens mich wieder zu fangen: Verblendete Liebe / vergeben Beginnen / Jch fuͤhre befreyete Geiſter und Sinnen.

Amar.

Jch dacht ich haͤtte dich / Licoris, nun gefangen / Und kan doch nichts / als dieſen Strauch erlangen? Jch hoͤrte dich wohl lachen.

Mirt.

Ach koͤnt ich mich zu dieſem Strauche machen! Aber blickt dort bey den Straͤuchen die Coriſca nicht herfuͤr? Jch weiß nicht was ſie wil / es ſcheint ſie wincket mir / Jch laſſe mich dis auch vergebens nicht beduͤncken / Jch ſchaue ſie mir deutlich itzund wincken.

Reyh d. N.

Die Freyheit der Sinnen giebt Fluͤgel den Fuͤſſen; Es wird mich dein Netze nicht ferner beſchlieſſen; Du wirſt mich nicht ferner in Dienſtbarkeit ruͤcken / Mit gleiſſenden Worten und ſchmeichlenden Tuͤcken. Doch tret ich dir nahe / ich kan es nicht laſſen / Bald komm ich / bald weich ich: Kanſtu mich nicht faſſen? Verblendete Liebe / vergeben Beginnen! Jch fuͤhre befreyete Geiſter und Sinnen.

Amar.

Daß doch der verfluchte Strauch nicht fuͤr laͤngſt verderben muͤſſen! Er76Der Dritten AbhandlungEr komt mir ſtetig in die Hand; Wiewol es ſchien / daß ich itzund was anders fand: Mich bedeucht / daß die Eliſa mir vor dismal iſt entriſſen.

Mirt.

Coriſca bleibt mir noch zu wincken ſtets befliſſen: Es ſcheinet ſie erzuͤrnet ſich / Sie draͤuet mir / Und wil vielleicht auch mich Jm Spiele bey den Nymfen wiſſen.

Amar.

So ſoll ich ewig dann das Spiel mit Straͤuchen treiben?

Cor.

Jch kan nicht mehr in meinem Vortheil bleiben / Jch muß ihm etwas ſagen; Wie ſtehſtu? greiff ſie kuͤhnlich an / Du Maͤmme / ſoll ſie dir in Haͤnd und Armen jagen? So lauff doch hin / daß ſie dich haſchen kan / Gieb mir den Pfeil / du muſt itzt etwas wagen.

Mirt.

Wie iſt die Kuͤhnheit doch der Luſt ſo weit entlegen! Wie wandelt Muth und Wunſch doch nicht auf gleichen Wegen!

Amar.

Jch wil das letzte mal mich wagen in den Hauffen. Jch bin itzt Kraft - und Athem loß. Ach! Eure Schuld iſt uͤbergros; Daß ihr mich laſſt ſo lange lauffen.

R. d. N!

Du ſiegende Gottheit / die Liebe genennet / Der ieder Verliebter ſich zinßbar bekennet: Wie wirſtu doch dieſes wohl koͤnnen vertragen; Jtzt biſtu gehoͤnet / itzt biſtu geſchlagen / Gleichwie ſich die Eule bey Tage geblendet / Mit Voͤgeln uͤmſchloſſen / verdrehet und wendet: So laͤſtu / O Liebe / dich laͤcherlich ſchmeiſſen; Es kan dich kein Fluͤgel des Schimpffes entreiſſen. Doch pfleget das Spielen auch Seuftzer zu treiben / Manch Vogel beginnet hier kleben zu bleiben / Denn wer ſich der Liebe wil gaͤntzlich entreiſſen / Der muß ſich mit ihr nicht zu ſpielen befleiſſen.

Drit -77Dritter Auftritt.

Dritter Auftritt.

AMARILLIS. CORISCA. MIRTILLO.

Amarilli Corisca et Mirtillo IWB aur in. Cum Pr. Sac Cœs May Melchibr Küsellf.

AGlaur, itzt hab ich dich! Wilſtu davon? du ſolſt mir nicht entkommen.

Cor.

Haͤtt ich mir nicht vorgenommen / Jhn mit Macht auf ſie zu ſchieben; So haͤtte warlich ich Mit Bitt ihn nicht dahin getrieben / Und alſo wenig ausgericht.

Amar.

Ey ſo rede doch einmal / biſtu ſolches oder nicht?

Cor.

Jtzt halt ich ſeinen Pfeil nicht ferner in der Hand: Jch wil da in dem Gepuͤſche den Verlauff mit Luſt erfahren.

Amar.
78Der Dritten Abhandlung
Amar.

Jtzt hab ich dich erkant / Ha Coriſca! reich an Laͤnge / und beyneben arm an Haaren / Allein auf dich hab ich gehofft / Du komſt mir / als gerufft: Ey ſo habe dieſen Schlag / den dazu / und dieſen noch. Jſt die Zunge dir gelaͤhmet? Rede doch; Befrey die / ſo du dich zu blenden nicht geſchaͤmet. Jch ſchwere dir / den ſuͤſſen Kuß zu geben / Der ſich iemal uͤm deinen Mund gewittert; Kanſtu vor Muͤdigkeit nicht mehr die Haͤnd erheben? Es ſcheint daß alles an dir zittert: Laß deine Zaͤhne doch verrichten / Was nicht der Nagel weiß zu ſchlichten. Du biſt nicht rechter Sinnen / Und weil ich nicht mehr kan in dem Beſchwernis ſchweben: So muß ich beginnen Mich ſelbſt zu entbinden / Ach! wie viel Knoten ſind alhier? Trifft dich das blinde Loß / ich wil dich wieder finden. Ach! Jch bin frey! Ach Gott! Was ſchau ich doch vor mir? Ach! ich bin todt! Verraͤther laß mich eilen.

Mirt.

Mein Leben / ſcheue nicht / ein wenig zu verweilen.

Amar.

Ach! laß mich / laß mich fort! heiſt dis die Nymfen ehren? Aglaur, Eliſa, komt herbey; Verraͤtherin / wolt ihr nicht hoͤren? Laß mich frey Und ſicher gehn.

Mirt.

Jch muß aus Pflicht dir zu Gebote ſtehn.

Amar.

Und dieſes komt von der Coriſca Liſt. Behalt nu dis / was du dir haſt erworben.

Mirt.

Ach Tyrannin / die du biſt / Jtzt muß der Pfeil in meine Bruſt. So ſchaue doch / wodurch ich Armer bin geſtorben.

Amar.

Ach ſchaue / was du thuſt!

Mirt.

Es ſchmertzt dich / daß es nicht die Amarillis thut.

Amar.
79Dritter Auftritt.
Amar.

Jch muß itzt ſterben!

Mirt.

Und wartet deine Hand auf mein geringes Blut: So ſchaue Bruſt und Eiſen hier.

Amar.

Du haͤtteſt wohl verdient dein aͤuſſerſtes Verderben. Was aber konte dir Solchen groſſen Muth erregen?

Mirt.

Die Liebe hats gethan.

Amar.

Was tadelhafftig iſt / richt Liebe niemals an.

Mirt.

Und das Zeugnis meiner Liebe wird mein Glimpff itzt abelegẽ / Haſtu mich erſtlich doch gefangen / Wie ſoll ich denn / der durch Beſcheidenheit Verſtreichen ließ den ſuͤſſen Punet der Zeit / Nichts / als Verweiß dafuͤr erlangen? Als ich ſicher folgen konte heiſſer Liebe Haupt-Geſetzen / So hieß meine Sittſamkeit mich nicht mehr verliebt zu ſchaͤtzen.

Amar.

So rechne meine Schuld doch meiner Blindheit zu.

Mirt.

Dich lieb ich Mehr als du mich / Drum bin ich mehr blind als du.

Amar.

Das gute Schwert / damit erhitzte Buhler ſtreiten / Muß Bitt und Hoͤfligkeit nicht der Betrug bereiten.

Mirt.

Gleichwie ein wildes Thier / So der heiſſe Hunger jagt / Aus dem Gepuͤſche bricht Und auf die Reiſenden ſich wagt / So ſchaut man eben auch von mir / Der nur zu leben weiß durch deiner Augen Licht / Und dem die ſuͤſſe Koſt / ſo ihm mein Geiſt begehrt Das Verhaͤngnis / oder ja deine Tyranney verwehrt. So nun aus Hunger-reicher Brunſt Jch aus dem Walde bin geruͤckt / Da mich faſt lange Zeit / vergebens und uͤmſonſt Die bleiche Duͤrfftigkeit gedruͤckt / Und mir dis endlich ließ belieben / Dazu mich ſelbſt die Hand der Liebe hat getrieben; Ach! ſo lege dis auf dich / Und nicht auf mich / Weil auch durch beſcheidenes Flehen und BittenKlu -80Der Dritten AbhandlungKluge Buhler ſtreiten ſollen; Und du haſt dis nicht recht erwarten wollen: So zuͤrn auf dich / daß ich nicht recht geſtritten / Denn deine Grauſamkeit erregte dieſe Schuld / Daß meine Hoͤfligkeit nicht that was ſie geſollt.

Amar.

Du duͤrfftſt der Hoͤfligkeit dich nicht ſo ſehr bemuͤhen / Haͤtteſtu nur mich Jn Frieden laſſen von dir flihen / Fuͤrwahr uͤmſonſt bemuͤhſtu dich / Zu was haſtu dich denn entſchloſſen?

Mirt.

Du ſolſt mich noch einmal vor meinem Todte hoͤren.

Amar.

Was du begehrſt / das haſtu ſchon genoſſen / So mache denn ein Ende mich zu ſtoͤren

Mirt.

Ach Nymfe / glaube mir / der duͤrfftige Bericht / Kan nur ein Tropffen ſeyn des Meeres melner Zaͤhren / Hoͤrt aus Erbarmnis ja dein kaltes Ohre nicht / So hoͤre denn zur Luſt was mir das Hertze bricht.

Amar.

Wohlan! ich wil dir dis gewaͤhren / Deinen Jrrthum / und zugleich mein Beſchwernis hinzutreiben: Doch daß Reden und Verweilen moͤg in ihren Graͤntzen bleiben.

Mirt.

Wie ſoll ich doch nach Wuͤrden Jn ſolche kleine Buͤrden Meine groſſe Regung binden: Die nichts als nur der menſchliche Verſtand / Denn ſonſten weiß ſich ihm nichts faͤhig mehr zu finden / Jn ſein Behaͤltnis denckt zu bringen. Jch bin in dich in Lieb entbrant / Du biſt mir wehrter als mein Leben. Und wil deine Grauſamkeit mir itzund nicht Beyfall geben / So kanſtu das Gepuͤſche fragen; Das rauhe Wild / die harten Eichen / Die werden mir ein Zeugnis uͤberreichen / Und dir von meiner Liebe ſagen: Die ſteiffen Felſen ſind ſelbſt auf Beweiß bedacht / Die offt mein Klagen hat beſtuͤrtzt und weich gemacht. Und wie ſolte groſſe Schoͤnheit nicht auch groſſe Brunſt erwecken? Betrachte doch des Himmels Pracht / Und was vor Schminck und Glantz die Bruſt der Erden decken /Und81Dritter Auftritt. Und faß in einem Kloß dis alles wohl zuſammen: So ſchaueſtu den Grundzeug meiner Flammen. Wie nun die Krafft des Feuers auſwerts dringt; Das Waſſer abwerts ſinckt; Die Lufft ſtets hin und wieder faͤhrt; Die Erde ruht / der Himmel ſich bewegt: So wird auch mein Geiſt zu dir / als ſein beſtes Gut gekehrt. Wird etwas ihm alhier in Weg gelegt / Und wird ihn einer itzt zu ſtoͤren ſich befleiſſen / Der wird eher Erde / Feuer / Waſſer / Luͤffte / ja die Welt Aus ihrem Lager reiſſen. Und weil dir ja ſo ſehr gefaͤllt / Daß ich mein Wort ſoll auf das kuͤrtzſte ſagen: So ſchwer ich meine Noth / Die wird in kurtzer Zeit mich auch zu Grabe tragen; Und mein Tod Wird deine Grauſamkeit und meine Qval verjagen. Wird aber auch / wenn mich die Erde wird bedecken / Dir meine Pein Barmhertzigkeit erwecken? Schoͤnſte Goͤttin / die vor Jahren Mir erhielt mein junges Leben / Laß doch der edlen Sternen Schein Auch ietzt fuͤr meinen Augen ſchweben; Und hat mein ſchwaches Licht ie ihre Kraͤfft erfahren / Ey! ſo laß ſie vor dem Tode mir ein ſuͤſſes Zeichen geben; Ja es wil ſich faſt gebuͤhren / Daß deiner ſuͤſſen Augen Pracht So meinem Leben hat geſchienen / Mich auch zu Grabe ſolle fuͤhren / Und zeigte ſie / wie ich der Liebe ſolte dienen; So leuchte ſie mir itzt auch in der Todes Nacht / Die den Auffgang meiner Laſt hat als Morgenlicht gezieret / Sey nunmehr / als Abendſtern meines Lebens aufgefuͤhtet. Doch / dich verhaͤrtet nur mein Bitten und mein Weinen; Du hoͤrſt mich ſonder Antwort an / Jch rede nur den harten Marmelſteinen! So ſage mir doch dis: Es ſey uͤm dich gethan;FSo82Der Dritten AbhandlungSo wil ich bald fuͤr deinen Augen ſterben. O falſcher Liebe ſtrenge Noth! Sie wuͤnſchet nichts als mein Verderben / Und weigert mir doch auch den Tod / Mich nicht durch ſolchen Tod zu ehren: Und daß ſie recht ſich an mir raͤche / So laͤſt ſie mich auch nur kein Scheltwort hoͤren / Damit ihr ſchoͤner Mund mir nicht das Hertze breche.

Amar.

Haͤtt ich Antwort dir zu geben / Wie dich zu hoͤren zugeſagt: So wuͤrd ich billig angeklagt / Du wilſt mir meine Grauſamkeit verheben / Jn Meinung / meinen Geiſt auf deine Bahn zu lencken / Und ſchaueſt nicht / wie deiner Worte Pracht Die mich unverdient zu preiſen / du uͤmſonſt haft angefuͤhret / Mich nicht ſo kraͤfftiglich geruͤhret / Noch mich mit ſolcher Luſt beſchencken / Als meine Grauſamkeit mir Nutzen hat gebracht. Denn warlich Grauſamkeit / ſo ſonſt ein Laſter heiſt / Kan eine Tugend ſeyn in der Verliebten Geiſt; Und was du Grauſamkeit genennt / Wird in einer ſchoͤnen Nymfe nur vor Erbarkeit erkennt / Daß ich nun die Grauſamkeit gleich wie du vor Laſter ſchaͤtze / Wann hat doch ſich Amarillis allzugrauſam dir erzeiget? Da vielleicht als meine Schaͤrffe waͤre Billigkeit geweſen / So hat kein ſtraͤnger Blick ſich doch zu dir geneiget. Ja ich riß dich dazumal aus des Todes bleichem Netze; Jch meyne da / als du durch kuͤhne Brunſt getrieben / Dich in einem Nymfen-Kleide zu der keuſchen Schaar geſellet / Die ich zu meiner Geſellſchafft erleſen; Da unſer Schertz durch dich nicht unbefleckt iſt blieben / Als du bey unſerm kenſchen Kuß Solche befleckete Kuͤſſe geſtellet / Daß ſich auch das Angedencken noch darvon entfaͤrben muß. Der Himmel weiß / daß ich dich damals nicht gekennet / Und daß darauf mich deutlicher Bericht / Jm Zorn hat gegen dich entbrennet. Doch deine Geilheit traff die reinen Geiſter nicht. Jch83Dritter Auftritt. Jch ließ dein ſchnoͤdes Gifft mein Hertze nicht entzuͤnden / Und alhier Wird ſich nichts von dir Als der Lippen Obertheil uͤberhin befleckt befinden. Ein Mund / der einen Kuß im Grimme von ſich ſpeyt / Der hat ſich aller Schmach entbrochen und befreyt. Und haͤtt ich dich alsdenn den Nymfen nun verrathen Was wuͤrde dir der Raub vor Nutzen haben bracht? Der Thraciſch Orpheus ſelber nicht / Der durch die Landsmannin zu ſchanden war gemacht / Wuͤrde nimmermehr ſo grauſam / als wie du ſeyn hingericht. Da mein Erbarmnis nun durch deine Torheit bricht / So haͤlſtu meinen Glimpff vor wuͤterliche Thaten? Mein Glimpf iſt noch zu groß. Erkuͤhnſtu dich ſo viel bey Unbarmhertzigkeit / So riſſe deine Brunſt die ſtaͤrckſten Bande loß / Haͤtt allzugroſſer Glimpff dich aller Furcht befreyt! Jch habe dir ſo viel Erbarmnis ja erwieſen / Als reine Zucht dir nur erweiſen kan; Vergebens ſprichſtu mich itzt um ein mehrers an / Denn Erbarmnis in dem Lieben wird gar ſelten hoch geprieſen; Und wer Barmhertzigkeit auf alle Menſchen wendet / Hat endlich ſelber nicht / was er zuvor verſchwendet. Biſtu verliebt / ſo lieb auch meinen Ehren-Ruhm / Mein Heil und auch mein Leben / Dein Wunſch iſt noch kein Eigenthum / Der Himmel wil darein nicht ſeinen Willen geben / Die Erde ſchauts / der Todt begehrts zu raͤchen. Und was mehr iſt / Zucht und Ehre wollen ſelbſt darwieder ſprechen. Ein Geiſt von guter Art haͤlt ja zu ieder Zeit Fuͤr ſeinen beſten Schirm / Zucht / Ruhm und Erbarkeit. Genung Mirtillo, laß mich bleiben / Wohnt dir noch Witz und Klugheit bey / Und denck auf Ruh und auf dein Leben; Aus Kummer ſich dem Tod ergeben / Jſt ſelten tadelfrey / Und keiner Mannheit zuzuſchreiben. Dann loͤblich iſt dis zu verlaſſen /F 2Was84Der Dritten AbhandlungWas dem Auge wohlgefaͤllt / Wan uns dis ſo wir umfaſſen Zu dem Unfall Netze ſtellt.

Mirt.

Wer iſt der ohne Hertz dem Tode ſich entbricht?

Amar.

Wer Zucht zu Waffen hat / den zwingt die Regung nicht.

Mirt.

Ach! wo die Liebe ſiegt / hat Zucht nichts ausgericht.

Amar.

Wer nicht kan / was er wil / der wolle / was er kan.

Mirt.

Der Liebe ſtrenge Noth ſchaut keine Satzung an.

Amar.

Abweſenheit hat offt ein Pflaſter aufgelegt.

Mirt.

Wer kan dem Pfeil entgehn den man im Hertzen traͤgt.

Amar.

Doch reiſſet neue Brunſt offt alte Flammen ein.

Mirt.

Es muß ein neues Hertz zu dieſem Wercke ſeyn.

Amar.

Die groͤſte Liebe weicht doch endlich mit der Zeit.

Mirt.

Eh dis geſchicht / ſo friſſt mich deine Grauſamkeit.

Amar.

So iſt kein Pflaſter denn vor deine herbe Noth?

Mirt.

Das Pflaſter / ſo mich heilt / bleibt endlich nur der Tod.

Amar.

Tod? doch laß hier meine Warnung dir zuvor zur Richt - ſchnur werden / Wiewol mir mehr als gar genug bekand / Daß der Buhler Todtenbahre nur auf ihren Lippen ſteht / Und das Wort: Jch mag nicht leben; ihnen nicht von Hertzen geht; Doch wuͤnſcht du dich aus Ernſt tieff in der Schos der Erden. So dencke doch / daß ſich / wirſtu die Augen ſchlieſſen / Auch mein bekanter Ruhm bald wird verlieren muͤſſen. Biſtu in mich in Lieb entbrant / So ſey bedacht zu lieben und zu leben; Geh hin und lerne mich benebens auch zu meiden. Und weiß dein Ungedult / Verſtand und Witz zu leiden / So wird dieſes deiner Klugheit mir ein helles Zeugnis geben / Wenn du mir inkuͤnfftig nicht wirſt fuͤr meinen Augen ſchweben.

Mirt.

Herber Spruch! Soll ohne Leben ich dir noch bey Leben ſeyn? Und / wie ſoll ich ohne Sterben ſchlieſſen meine ſchwere Pein?

Amar.

Mirtillo, es iſt Zeit / daß man von hinnen geht / Du haſt genug verweilet. Geh / geh / und troͤſte dich / daß der verliebte Hauffen / Die Noth und Jammer plagt / in keiner Zahl beſteht. Dich hat die Noth alleine nicht ereilet; Tauſend muͤſſen in den Thraͤnen / als wie du / itzt faſt erſauffen /Je -85Vierter Auftritt. Jeder Schlag hat ſeinen Schmertzen. Mirtillo dir allein geht dieſes nicht zu Hertzen.

Mirt.

Jch gebe mich itzt nicht vor den Verliebten an / Der in der Welt alleine muͤſte leiden; Alleine muß ich nur ein bleicher Abriß werden / Den Lebenden und Todten dieſer Erden / Daß ich nicht nach Wunſch geneſen / und auch nicht erſterben kan.

Amar.

Es iſt nun Zeit zu ſcheiden

Mirt.

Ach Scheiden / ſchweres Leiden! Jch ſoll mich von dir wenden / Und nicht mein Leben enden! Doch fuͤhl ich in dem Hertzen Den Tod und ſein Verderben / Das Scheiden wuͤrckt in mir ein leben-reiches Sterben / Und heiſt die Pein / Von meinen Todes-Schmertzen / Ewig und unſterblich ſeyn.

Vierter Auftritt.

AMARILLIS.

Amarilli J. WB aur in Cum Pr. Sac. Cœs. Maÿ. Melch. Küsellf.
F〈…〉〈…〉[Mir]86Der Dritten Abhandlung

MIrtillo, Mirtillo, mein einiges Leben / Koͤnteſtu nur ein Blick itzt zu derer Hertze ſchicken / Die du die herb Amarillis genennet: So wuͤrdeſtu gewiß erblicken Wie itzt ihr Hertze brennet / Und wie meine Wehmuth wuͤnſchet / ſtets bey deiner Noth zu ſchweben. O du durch Liebe gefolterter Geiſt! Was hilfft es mich geliebt und auch verliebt zu ſeyn? Warum trennſtu / O Verhaͤngnis / die die Lieb ein Paar genennet? Warum pareſtu uns Liebe / weil uns das Verhangnis trennet? Das Wild / ſo hier mein Mund mehr als geluͤcklich heiſt / Lebt auſſer dieſer Pein. Es hat ſonſt kein Gebot im Lieben / als das Lieben; Hergegen ſtellt bey uns ſich ſchaͤrffre Satzung ein / Dieweil der Tod der Liebe Straff iſt blieben. Jſt uns dann das Suͤndigen als ein Zucker in dem Leben / Und von Suͤnden rein zu ſeyn ſcharff und eifrig mit gegeben. Ey! ſo irret die Natur / ſo ſich wider Satzung ſetzet; Oder ja die Satzung ſelbſt / weil ſie die Natur verletzet. Was aber dieſe Lieb iſt / ſchlecht und gar geringe / Die vor das Geliebte ſich wegert zu ſterben? Ach Mirtillo! wolte Gott / Es waͤre nichts als nur der Tod / Durch den die Verliebeten muͤſten verderben; Du heilig Ehre du / du reinſtes aller Dinge / Dir ſey der heiſſe Trieb im Lieben Durch deiner Schaͤrffe Stahl geſchlacht / Als ein unbeflecktes Weſen itzt zum Opffer hingebracht. Mirtillo, aber du / Du Auszug meiner Seelen / Nicht rechne mir doch das Verbrochne zu / Daß ich dich muß durch Haͤrtigkeit betruͤben! Jch bin darum dir unbarmhertzig blieben / Dieweil die Noth mich hieß die Wehmuth zu verhoͤlen. Ach! verzeihe dieſer Schuld / die von auſſen grauſam ſcheint / Und aus ungefaͤrbter Hold es mit dir von Hertzen meint! Doch / wuͤnſcht du dir Dich an mir zu raͤchen? Was87Fuͤnfter Auftritt. Was wird doch mir Schaͤrffer als dein eigen Schmertz / durch mein treues Hertze brechen? Du bleibeſt ja mein Hertze? Du bleibeſts ja / obs alle Welt verdrenſt. Netzſtu die Seuffzer itzt aus allzugroſſem Schmertze? Ey! ſo ſchwer ich / daß mein Blut auch aus deinen Augen fleuſt; Daß gewißlich deine Seufzer nichts als meine Geiſter ſeyn / Ja daß dein getreues Klagen ſich verkehrt in meine Pein.

Fuͤnffter Auftritt.

CORISCA. AMARILLIS.

Corisca Amarilli. I. WB aur in. Cum Pr. Sac. Cœs. Maÿ. Melchior Küsell

ACh / Schweſter / was vor ſchlieff / hat itzt die Zeit erweckt!

Amar.

Jch Aermſte bin entdeckt!

Cor.

Jch habe zwar genug verſtanden; Sagt ich dir nicht /F 4Du88Der Dritten AbhandlungDu waͤres verliebet / Und truͤgeſt dieſe feſte Banden? Jch foder itzt nicht ferneren Bericht; Doch / was ſchenſtu dich vor dieſer / die dir auch das Hertze giebet? Schweſter / werde doch nicht roth / Lieben iſt gemeine Noth.

Amar.

Du haſt mich / wie du wilſt / ich muß es nur bekennen.

Cor.

Du muſt wohl / weil ich ſelbſt die Flamme ſehen brennen.

Amar.

Ach ja / wann die Liebe gieret / und ſich lenckt auf Lufft und Licht; Alsdann dient ein enges Hertze ihr vor kein Behaͤltnis nicht.

Cor.

Grauſame / die dem Mirtillo und ihr ſelbſt die Ruh verſtoͤret.

Amar.

Das iſt keine Grauſamkeit / die uns das Erbarmnis lehret.

Cor.

Wolffs-Milch auf geſunden Wurtzeln zeiget ſich zu keiner Zeit / Und Erbarmnis / ſo nicht nutzet / gleicht ſich einer Grauſamkeit.

Amar.

Ach / Ach! Coriſca, Ach!

Cor.

Das Seuffzen iſt ein Zeichen ſchwacher Hertzen: Du folgeſt ſo den feigen Weibern nach.

Amar.

Und waͤre dis nicht grauſam ſeyn / Wenn ohn alles Hoffen Jch noch vermehrte ſeine Schmertzen? So zeig ich ihm durch meine Flucht / Daß mich beweget dieſe Pein / So ihn und mich betroffen.

Cor.

Warum iſt denn das Hoffen ohne Frucht?

Amar.

Weiſtu dann nicht / Daß mich mein Vater hat dem Silvio verſprochen: Und daß an der / ſo Treu und Glauben bricht / Sich das Geſetze hat mit Glut und Stahl gerochen?

Cor.

Ach Albere / faͤllt dir itzund nichts beſſers ein? Welches wol von den Geſetzen Wilſtu vor das altſte ſchaͤtzen? Wird es dieſes der Diana oder dis der Liebe ſeyn? Dis komt mit uns zugleich bald in das Tagelicht / Und ſtaͤtckt ſich mit der Zeit: Man lehrt und lernt es nicht / Kein Meiſter hat uns hier die Regeln zugeſandt: Es zeigt ſie die Natur mit ihrer alten Hand. Wo89Fuͤnfter Auftritt. Wo dis Geſetze nun laͤſt ſeine Stimm erſchallen / Da wird der Himmel ſelbſt zu Fuſſe muͤſſen fallen.

Amar.

Und wenn Diana nun mich ſchmaͤhlich hieſſe ſterben / Wird auch die Liebe mich erretten vom Verderben?

Cor.

Du ſuchſt ja alles gar zu weit: Haͤt iedes Weib vor dieſem ſo gedacht / Und wolt auch ein itzund noch ſo behutſam werden; So ſagt ich gute Zeit Jſt nun vertilget von der Erden. Die Satzung iſt ja nur fuͤr Albere gemacht / Es geht die Witzigen ja keines weges an. Wuͤrd allen Suͤnderinn alſo ihr Recht gethan / So muͤſte dieſes Land bald ohne Weiber ſtehn Daß nun die Thoͤrichten hier ſchmertzlich muͤſſen leiden / So heiſſet das Geſetz die billig Diebſtahl meiden / Die mit dem Stehlen nicht recht wiſſen uͤmzugehn. Und endlich muß die Zucht allein Der Unzucht kluger Mantel ſeyn. Und dis denck ich: Ein anders dencke / was es wil.

Amar.

Und dieſes Ziel Jſt nicht vor mich. Die groͤſte Klugheit iſt / dis bald zu meiden wiſſen / Was uns unmuͤglich iſt nach Wunſche zu genieſſen.

Cor.

Wer hat dir dis verwehret? Die Zeit iſt gar zu kurtz / nur einen lieb zu haben: Und die Maͤnner ſind zu karg / Ja wohl vielleicht zu arg / Und zuverkehrt / Uns mit ihrer Gunſt zu laben. Du weiſt ja / wir ſind nur ſo lange Zeit geliebet / So lange noch der Jugend Liebligkeit Uns Anmuth giebet: Sind denn dieſe Fruͤhlings-Roſen durch das Alter abgemeit / So ſieht man uns als einen Bienſtock an / Der nicht mehr Honig giebt / und ferner dienen kan. Die Maͤnner haben gut Zuſagen / Sie duͤrffen ja nicht fuͤr und fuͤr Wie wirF 5Dis90Der Dritten AbhandlungDis Ungemach ertragen. Ein Mann wird wehrter mit der Zeit / Ob in dem Alter ihm die Schoͤnheit gleich verſchneit / Ey / ſo ziert ihn doch dabey des Verſtandes Trefligkeit. Hergegen hat mit unſrer Jahre Pracht / Die offt mit Liebligkeit der Maͤnner Witz beſtricket / Sich aller unſer Werth weit von uns weg gemacht. Ja man hat kein aͤrger Scheuſal / als ein altes Weib erblicket. Ehe dich nun / liebe Schweſter / die gemeine Noth beſchleicht / So lerne deine Hoheit kennen; Kan die zarte Lebens-Zeit durch die gruͤnen Wege rennen / So ſchaue daß ſie nicht das duͤrre Feld erreicht. Was huͤlffe doch dem Leuen ſeine Staͤrcke / Legt er ſie nicht zu ſeinem Beſten an? Es waͤre ja uͤm Witz und uͤm Verſtand gethan / Bemuͤhte man ſich nicht / Jhn auch zu zeigen durch die Wercke. Und eh uns noch der Luſt Gelegenheit gebricht; So ſamle man mit Luſt / was man nur ſamlen kan: Dann zeitlich weicht die Zeit. Der neuen Jahre Frucht Erſetzt zwar / was das Eis gejagt hat in die Flucht / Wird aber nur einmal die Jugend uns verbluͤhen / So wird ſie keine Zeit mit ſich zuruͤcke ziehen. Ach! ſtellen ſich bey uns die grauen Locken ein / So kan man zwar verliebt / doch nicht geliebet ſeyn.

Amar

Du redeſt / wie es ſcheint / Mehr mein Gemuͤhte zu ergruͤnden: Als richtig darzu thun / was itzt dein Hertze meint / Und was ich wuͤnſche zu vernehmen. Jch ſchwere / kanſtu nicht ein tauglich Mittel finden / Und deſſen ich mich nicht auch kuͤnfftig muͤſte ſchaͤmen / Dieſer ungereimten Hochzeit mich auf ewig zuentbinden / So ſoll noch eher mich der Erde Schos bedecken / Eh als mein Hertze wird der Keuſchheit Ruhm beflecken.

Cor.

Dis iſt der haͤrtſte Kopff / den ich iemals gefunden. Und weil dein feſter Schluß ſich gantz auf Tugend ſetzet; So ſag / ob deſſen Geiſt / dem du dich haͤltſt verbunden / So hoch die Treu / als du die Ehre ſchaͤtzet?

Amar.
91Fuͤnfter Auftritt.
Amar.

du reitzeſt mich zu lachen / Wie Silvio ein Freund der Treu? Und iſt ein Feind der Liebes-Sachen.

Cor.

Ein Feind der Liebe? Wie / das iſt mir gar zu neu? Jch ſag es ohne Scheu: Jch kenn ihn wohl / er weiß zu ſchweigen und zu machen. Du aber kennſt noch nicht die Schleicher in der Welt: Wer ihnen leichtlich glaubt / wird leichtlich uͤmgefaͤllt. Es wird kein Liebes-Raub in Sicherheit verbracht / Wann nicht die Tugend ſich zu einem Deckel macht. Es liebet Silvio: doch dich O Schweſter nicht!

Amar.

Was muß dieſe die er liebt / doch vor eine Goͤttin ſeyn? Denn keine Sterbligkeit kan ſeinen Geiſt entbrennen.

Cor.

Hier ſtellt ſich keine Nymf / auch keine Goͤttin ein.

Amar.

O ſeltzamer Bericht!

Cor.

Du wirſt ja wol meine Liſette noch kennen?

Amar.

Liſette wie? die deine Schafe treibet.

Cor.

Ja wohl.

Amar.

Jch weiß faſt nicht / ob ich dir trauen ſoll?

Cor.

Die iſt es / der ſein Hertze bleibet.

Amar.

Er kan ſich wohl verſorgen / Heiſt dieſes endlich wehlen?

Cor.

Jch wil noch mehr erzehlen. Er ſtirbet faſt vor Brunſt; Und unterm Schein der Jagt Bemuͤht er ſich zu ſuchen ihre Gunſt.

Amar.

Jtzt denck ich gleich / wie alle Morgen Sein verfluchtes Jaͤger-Horn mein getreues Ohre plagt.

Cor.

Ja uͤm die Mittags-Zeit / Weil die andern fleißig ſeyn / ſtielt er mit Behendigkeit Sich heimlich weg / Und koͤmt durch einen falſchen Steg Zu meinem Obeſt-Garten / Da ſie durch einen Zaum / den dicke Straͤuch uͤmſchlieſſen / Und da ſie ſeiner muß erwarten / Sein Lieben und Seuffzen bekommet zu wiſſen / So ſie mir denn im Lachen erzehlet. Jtzt hoͤre nur was ich mir fuͤrgenommen /Auch92Der Dritten AbhandlungAuch ſchone wegen dein gethan; Du weiſt ja daß ein Mann / der in der Treu verſehlet / Gleichwie ein Weib nicht ungeſtrafft ſeyn kan / Und daß von dem Geſetz auch dieſer Ausſpruch kommen / Daß / wenn ein Braͤut gam ſich in Untreu laͤſt beſchleichen / Die Braut / was auch die Eltern moͤchten ſagen / Wohl mag zuruͤcke weichen / Und Lieb und Gunſt zu einem andern tragen.

Amar.

Es iſt mir mehr als wohl bekand / So ließ Egle den Licotta, und Armilla den Turingo Von wegen Untreu hin. Und eben ſo War auch der Ligurin Von der Leucipp aus Aug und Hand geſetzet: Und dis machte dieſe Nymfen frey / wie ſie vor dieſem waren.

Cor.

Du wirſt noch mehr erfahren. Liſette hat / weil ich es ſo befunden / Es gleichesfals vor gut geſchaͤtzet / Jhr ihren Silvio zu fodern in die Hoͤle; Dis kuͤtzelt ihm itzt Hertz und Seele / Und wartet nun den Antritt dieſer Stunden. Da wil ich / daß du ihn beſchleicheſt. Jch wil nicht einen Tritt von deiner Seite gehn / Bis daß du deinen Zweck erreicheſt. Jch wil dir Zeuge ſeyn / Damit nur alles moͤg auf gutem Grunde ſtehn. Dann tritſtu / dieſem Joch entbunden / Jn deine Freyheit wieder ein / Und haſt deines Vatern Ehre / und auch deiner Rath gefunden.

Amar.

Wie haſtu alles wohl bedacht: Was ſoll ich ferner mehr verrichten?

Cor.

Dis / waß itzund von mir ſoll werden fuͤrgebracht / Du muſt den Rath / der gut iſt / nicht vernichten. Da / wo das Mittel faſt der engen Hoͤlen iſt / So mercklich lang und ziemlich ſchmal / Da wird auf der rechten Seiten / (Nicht weiß ich / obs die Kunſt hat wollen zubereiten / Oder aber die Natur) gar ein enges Loch erkieſt /Von93Fuͤnfter Auftritt. Von Eppigkraut uͤmkleidet uͤberall; Ein enger Ritz der giebet ihm das Licht / Und iſt als ein recht Behaͤltnis zu der Liebe zugericht: Dahin / da muſtu nun vor den Verliebten kommen / Und da verborgen dich enthalten. Dann / laß mich walten / Hab ich mir fuͤrgenommen / Auch die Liſette hinzuſenden; Und gar von weiten Dem Silvio auch nachzuſchreiten. So bald er ſich nun wird recht zu der Hoͤle wenden / So wil ich ihm auch folgen und ihn fangen / Und auf die Liſette ſelbſt / wie ich ihr auch ſchon gedacht / Mit loſen Worten dringen. Du muſt alsdann bald kommen gegangen; Und was Diana dir vor eine Freyheit macht / Dem Silvio friſch in die Ohren ſingen. Denn wollen wir uns zu dem Prieſter kehren / Und alſo wirſt du dich des Joches wohl erwehren.

Amar.

Sein Vater muß doch auch zu gegen ſeyn.

Cor.

Es iſt nichts daran gelegen. Bildeſtu dir ein / Daß der Montano wohl des eigen Nutzes wegen / Den allgemeinen ſolte kraͤncken / Und nicht mehr was heilig iſt / als was weltlich iſt bedencken?

Amar.

Jch wil itzt mein Geſichte ſchlieſſen / Und mich nur dich alleine laſſen fuͤhren

Cor.

Doch wird man hier auch eilen muͤſſen.

Amar.

Aber / mir wil in dem Tempel Gott zu ehren vor gebuͤhren. Denn was der Menſch gedenckt / erreichet nicht das Ziel / Dafern es nicht zugleich der Geiſt des Himmels wil.

Cor.

Jeder Ort kan from̃en Hertzen vor Altar und Tempel dienen / Die rechte Zeit iſt nun erſchienen / Du muſt ſie nicht verlieren.

Amar.

Wer dieſe treulich ehrt / die ſelbſt der Zeit befehlen / Den wird die Flucht der Zeit mit nichten koͤnnen qvaͤlen.

Cor.

So geh und ſtelle dich auch zeitlich wieder ein. Mich deucht / itzt hab ich gute Sachen:Doch94Der Dritten AbhandlungDoch wil mir ihr Verweilen Kummer machen. Es kan auch wol mein Vortheil ſeyn; Jch muß mich einer Liſt itzunder unterwinden. Jch muß dem Coridon bald geben zu verſtehn / Daß ich mich wil bey ihm befinden / Jch muß ihn zur Amarillis in die Hoͤle heiſſen gehn: Denn wil ich auf verdeckten Stegen Die Prieſter der Diana heiſſen kommen; Da wird ihr dann / uͤm ihrer Untreu wegen / Das Leben ſeyn genommen. Jſt dann die Nebenbuhlſchafft hin / So wil ich des Mirtillo harten Sinn / Der / wegen ihrer / mich nicht treulich lieben koͤnnen / Leicht zu biegen wiſſen. Er koͤmt itzt gleich herbey: Jch werd ihm itzund ſtellen muͤſſen / Weil Amarillis nicht kan ſtoͤren mein Beginnen. Venus mache / daß die Liebe mir auf Zung und Augen ſey.

Sechſter Auftritt.

MIRTILLO. CORISCA.

Mirtillo et Corisca. J. WB aur in. Cum Pr. Sac. Cœs. Maÿ. Melchior Küsell
95Sechſter Auftritt.

JHr heulenden Geiſter der feurigen Hoͤle / Vernehmt itzt eineneue Pein; Und ſchaut / wie eine rauhe Seele Doch von ſich ſpielen laͤſt der Wehmuth falſchen Schein. Mein Lieb / das auch der Hoͤlle wil uͤberlegen ſeyn / Als die mein Tod ſchlechthin nicht wohl beſtillen kan / Befiehlt mir ferner noch zu leben / Weil ſie weiß / daß mir das Leben ſtets den Tod hat angethan / Und in meinem ſchwachen Leben mehr als tauſend Moͤrde ſchweben.

Cor.

Jch wil mich itzt ſtellen / als ſchaut ich ihn nicht. Was hoͤr ich doch vor Seuffzer uͤm mich? Wer klagt doch / daß der Schmertzen Jhm alle Kraͤffte bricht? Ach mein Mirtillo, ſchau ich dich!

Mirt.

Waͤr ich doch nur nichts als Schatten und ein wenig leich - ter Sand!

Cor.

Wie war doch deinem Hertzen / Als dein Mund mit deiner Liebſten guten Fug zu reden fand?

Mirt.

Gleichwie ein erdurſter Krancker / der verbotnen Tranck be - gehret / So ihm derſelbe wird gewaͤhret / Zugleiche verzehret den Durſt / und das Leben So geht es itzt auch mir / Dem der duͤrre Liebes-Durſt alle Kraͤffte hat verheret. Denn ich Armer hab alhier / Aus zwey gewuͤnſchten Bronnen Da aus hartem Marmelſtein nichts als kaltes Eiß geronnen / Das Tropffenreiche Gifft genoſſen; So mir mehr mein junges Leben / als die Regung ausgegoſſen.

Cor.

Mirtillo Lieb und Brunſt hat ſonſten keine Krafft / Als die ſie aus unſerm Hertzen ihr zum Vortheil hat genommen; Und wie der Baͤr den ungeſtalten Jungen Richtige Geſtalt verſchafft / Vermoͤge ſeiner Zungen / Die erſtlich ungeſchickt auf dieſe Welt ſeyn kommen: So giebt der Buhler auch offt einer ſchlechten Luſt / Die man zu erſt hat kuͤmmerlich verſpuͤret / Bey wenigem in ſeiner Bruſt / Krafft / Anſehn und Gewalt /So96Der Dritten AbhandlungSo mit der Zeit die Liebe denn gebuͤhret / Die tritt nun erſtlich auf in kindiſcher Geſtalt / Und weil ſie ſo verbleibt / ſo weiß ſie nur zu ſchertzen / Wird aber ſie nur etwas alt / So plagt ſie uns mit wunderreichen Schmertzen: Daß man endlich eine Liebe / die da hat zu wurtzeln wiſſen / Qval und Noth wird nennen muͤſſen. Dann / wenn in lieblichen Gedancken Die Seele ſich zu ſehr verſtrickt: So faͤllt die Lieb aus ihren Schrancken / Und was ſonſt nichts als Anmuth ſolte ſeyn / Wird endlich durch die Trauerſucht erdruͤckt / Wird zur Wahnſucht / oder wol zu der herben Todes-Pein. Und dieſes iſt ein kluger Mann / Der offt im Lieben wechſeln kan.

Mirt.

Was Wechſel? Ehe ich den Fuͤrſatz wil begeben / So ſoll mein Leben ſich verwechſeln in den Tod / Speiſt Amarillis gleich mich nur mit Angſt und Noth: So bleibt ſie doch mein Leben; Und unſers Leibes Hoͤle Wil nur ein Hertz und eine Seele.

Cor.

Armer Schaͤfer / ach! du liebeſt mehr als thoͤricht / wie mich deucht / Zu lieben was mich haſſt / Zu ſuchen / was mich fleucht / Viel leichter waͤre mir die ſchwere Todtes-Laſt.

Mirt.

Wie das Gold in Glut und Feuer ſtets erhoͤhet ſeinen Schein; So wil auch in Noth und Leiden unſre Treu gepruͤfet ſeyn. Wilſtu die Beſtaͤndigkeit in der Liebe recht erkennen: So muß Grimm und Haͤrtigkeit ſie in das Geſichte brennen. Ja dieſes iſt mein Troſt / immittelſt Noth und Leiden / Daß / ob mein Hertze gleich verdorret und vergeht: So fleuſt doch alle dieſe Pein / Ob gleich Marter und Verweiſung ihr auf beyden Seiten ſteht / Mir als leichtes Waſſer ein. Ja eher ſoll mein Geiſt / als meine Liebe ſcheiden / Und ich wil eher dieſes Leben / Als die verſprochne Treu begeben.

Cor.
97Sechſter Auftritt.
Cor.

O ſchoͤner Schluß! O Buhler ohne gleichen! Du biſt ein harter Felß / und wilder als ein Wild / Die Stahl und Strahl ohn alle Frucht beſtreichen / Fuͤrwahr kein aͤrger Gifft hat unſer Hertz erfuͤllt / Als wann die Treu zugleich bey heiſſer Liebe qvillt. Wer die ertichte nicht ſein Hertze laͤſt beſchleichen / Von dem wird alle Luſt der Liebe muͤſſen weichen / So ſage du armer Verliebter doch mir / Mit der Beſtaͤndigkeit / Die itzt dein Mund zu einer Tugend macht / Was liebſtu wohl in ihr / Die dich veracht? Jſts die Schoͤnheit Die du muſt entbehren? Jſts dann die Luſt / ſo ſie nicht wil gewaͤhren? Jſts Erbarmnis / ſo ſich laͤſt gleichesfals uͤmſonſt begehren? Oder aber iſt es ihre Gunſt / Die du ſo lange Zeit bedienet haſt uͤmſonſt! Du liebeſt nichts / wilſtu es recht betrachten / Als deine Noth / Ja deinen Tod. Und wie kanſtu dieſe lieben / ſo dich dencket zu verachten? Auf / auf / Mirtillo, auf / Und aͤndre deinen Lauff! Ach! lerne dich doch endlich kennen. Kennſtu denn ſonſt kein Hertze nicht / So auch auf Liebe ſey gericht / Und gegen dich vermoͤchte recht zu brennen?

Mirt.

Um der Amarillis wegen Angſt und Jammer leiden muͤſſen / Soll mir allzeit ſuͤſſer ſeyn Als tauſend anderer genuͤſſen / Und ſtieß auch der Himmel gleich gaͤntzlich meinen Fuͤrſatz ein / Und wuͤrde der Genuß mir gaͤntzlich weggeriſſen / Solt ich deſſentwegen wohl andere zu lieben wiſſen? Wolt ich gleich / ſo koͤnt ich nicht / Koͤnt ich gleich / ſo wolt ich nicht. Und kan es ſeyn / daß ia zu einer Zeit Mein Wollen dieſes wolte /GMein98Der Dritten AbhandlungMein Koͤnnen dieſes koͤnnen ſolte: So ſey der Himmel doch bereit / Und laſſe mir das Wollen und das Koͤnnen / Wie weiches Wachs zurinnen.

Cor.

So rennſt du kranckes Hertz denn ſelbſt in deinen Tod?

Mirt.

Wer nicht Erbarmnis hofft / der fuͤhlet keine Noth.

Cor.

Mirtillo hoͤre doch: kan ja dein Geiſt was faſſen. Daß Amarillis dich nicht treulich lieben wil. Und ſich entſchloſſen dich zu haſſen. Von dieſem hat ſie mir geſaget offt und viel.

Mirt.

Dis ſind verliebte Sieges-Zeichen Meiner Treu. Jtzt kan ich ohne Scheu Den Ehren-Krantz erreichen. Alſo weiß ich Erd und Himmel / ja ihr ſelber obzuſiegen. Noth und Jammer / ja der Tod ſoll zu meinen Fuͤſſen liegen.

Cor.

Was ſolte dieſer wohl beginnen / Wuͤſt er / daß ihn Amarillis, wie ſie thut / von Hertzen meint? Die Thorheit ſo dich plagt / macht das mein Auge weint. Hat denn auſſer Amarillis keine dich entzuͤnden koͤnnen?

Mirt.

Amarillis hat zum erſten mich geſetzt in Liebes-Pein / Und es ſoll auch Amarillis meine letzte Buhlſchafft ſeyn.

Cor.

So viel ich mercken kan / So haſtu nichts als Noth und Leid / Jm Lieben noch zur Zeit verſpuͤret. Ach wuͤrde der Genieſſung Suͤſſigkeit Dir kuͤnfftig beygefuͤhret! Verſuche doch einmal / und dencke zu genieſſen / So wird dir kund gethan / Wie man nichts lieblichers wird zu ergruͤnden wiſſen: Als wenn eine ſchoͤne Nymfe / die dich aberglaubiſch liebt / Wie du itzt die Amarillis, ſich dir zu genieſſen giebt. Dis iſt der Zucker dieſer Welt / Wenn man hat was man begehret / Wenn unſer Bitt uns wird gewehret / Und die Gewaͤhrung nicht dem langen Wunſch entfaͤllt; Wann der Liebſten Seufzen ſich reichlich zu dem deinen ſtellt. Kein ſchoͤner Wort iſt ja zu ſpuͤren /Als99Sechſter Auftritt. Als wann du hoͤren kanſt: Mein Liebſter was ich bin / Und alles was ich kan in Hertz und Adern fuͤhren / Das geb ich dir dahin. Jſt etwas ſchoͤnes nur an mir / Wie du vermeinſt zu finden / So iſt es dein alleine; Und dir Werd ich mit des Goldes Scheine / Meine Stirne / meine Bruſt / mich zu zieren unterwinden / Ja mein Hertze / ſo ich dir zur Behauſung zugericht / Das bewirthet itzt dein Hertze beſſer als ſich ſelber nicht / Doch dieſes iſt nur wie ein kleiner Fluß Bey das weite Meer geſetzt / So uns die Liebe laͤſt genieſſen; Doch wer es nicht verſucht / der kan es auch nicht wiſſen.

Mirt.

Und deſſen Gluͤcke wird vor andern hochgeſchaͤtzt / Dem das Geſtirne ſo zu helffen iſt befliſſen.

Cor.

Nim ſerner nun mein Wort in acht / Jch haͤtte bald geſagt mein Hertze: Eine Nymfe / die ſich dir / wie du ihr / ſich wuͤrdig macht / Die dieſe Waͤlder zieret / Und tauſend Hertzen fuͤhret / Auf die mit uͤberhaͤufftem Schmertze / Die beſten Hirten ſeyn bedacht / Die ehrt dich mehr / als Hertz und Leben / Ja betet dich als ihre Gottheit an. Kan dir nun die Vernunfft noch etwas Kraͤfften geben: So laß doch / was ſie thut / nicht ſeyn uͤmſonſt gethan. Gleichwie den Leib der Schatten muß begleiten: So wird ihr Fuß auch ſtets nach deinem ſchreiten. Dein Wincken / deinen Willen Verehret ſie als Magd: Ja was dir nur behagt / Wird ſie bey Tag und Nacht / und wenn du wilſt erfuͤllen. Laß dis Geluͤcke doch itzt nicht aus deinen Haͤnden; Nichts weiß ſich dieſer Luſt zu gleichen / Da Seufzer / Angſt und Noth nicht den Compaß verruͤckt / Da ohne Muͤh dir ieder Wunſch geluͤckt /G 2Da100Der Dritten AbhandlungDa der Gehorſam ſich nach deiner Brunſt wil wenden / Und die Winde / ſo du hoffſt / ſtets das Segel dir beſtreichen. Kein Auge hat iemals dergleichen Schatz erblickt. Laß nun den falſchen Fuß und ſeine Stapffen fahren / Umfaſſe / was ſich ſehnt nach dir / Es kan ja dein Gebot nach Willen hier gebahren; Ja die / ſo dich begehrt / iſt gar nicht weit von hier / Und dieſe Stunde ſteht ſie dir bereit.

Mirt.

Es acht mein Hertze nicht der Liebe Liebligkeit.

Cor.

So pruͤfe nur einmal / was dir mein Mund verſpricht / Und kehre dann zu deinen alten Plagen / Damit du doch nur koͤnteſt ſagen / Was der Genuß vor eine Sache ſey.

Mirt.

Ein krancker Gaumen acht des beſten Zuckers nicht.

Cor.

So mache dieſe doch nur von dem Tode frey / Die nur zu leben weiß durch deiner Augen Licht / Du weiſt was Betteln ſey / und bitter Armuth tragen; Und wuͤnſcheſtu erhoͤrt zu ſeyn / So laß nicht ſelbſt den Nechſten in der Pein.

Mirt.

Wie ſoll ich doch ertheilen was mir itzt ſelbſt gebricht? Mein Schluß iſt / dieſer treu zu bleiben / Die ich ſtets / ſie ſey von Treu / oder ja von Untren voll / Als Goͤttin hoch verehren ſoll

Cor.

Der Blindheit / die dich druͤckt / iſt dieſes zuzuſchreiben. Wem aber haſtu doch wohl deine Treu verſprochen / Mit Willen wolt ich wol dein Leiden nicht vermehren / Weil aber man ſo viel an dir verbrochen / Und mich / weil du mir lieb / dis ſelbſt ſcheint zu verſehren / So kan ichs ferner nicht verſchweigen. Vermeinſtu / daß aus Gottesfurcht und Ehre / Die Amarillis ſich dir grauſam wil erzeigen / Ach! glaubſtu dis / ſo mangelt dir Verſtand / Dein Hauß iſt itzt in fremder Hand / Ach! ach! Mirtillo hoͤre / Wann der und jener lacht / ſo muſtu es beweinen. Was ſagſtu / biſtu ſtumm / kanſtu mir dis verneinen?

Mirt.

Jch ſchweb itzund immittelſt Tod und Leben: Und weil ich noch nicht eigen kan ergruͤnden /Ob101Sechſter Auftritt. Ob dieſem Glauben ſey zu geben / So laͤſt ſich meine Zunge binden.

Cor.

Zweiffelſtu an dem Bericht?

Mirt.

Hielt ich es vor gewiß / ſo muͤſt ich ja verderben / Und iſt es wahr / ſo wil ich augenblicklich ſterben;

Cor.

Ach Armer ſtirb doch nicht / Du muſt zuvor dich raͤchen.

Mirt.

Jch glaube nicht / was deine Zunge ſpricht. Es kan nicht ſeyn.

Cor.

Du glaubeſt nicht / und ſucheſt doch von mir / Was du dich gruͤndlich fuͤrchtſt zu wiſſen. Was ſoll ich ferner ſprechen / Schauſtu die Hoͤle dort vor dir? Dieſe ſchleuſt der Liebſten Ehre in ihr treu Behaͤltnis ein; Da lacht man deiner Treu / Da wird durch deine Pein / Der Nebenbuhlſchafft Luſt verzuckert werden muͤſſen. Da ſincket itzt / ich ſag es ohne Scheu / Deiner Amarillis Ehre in die groben Bauer-Armen / Das iſt der Lohn der Treu / laß nun die Thraͤnen flieſſen?

Mirt.

Die Goͤtter muͤſſe dis erbarmen! So iſt dann dieſes wahr / und ſoll ich dir itzt trauen?

Cor.

Du wirſt noch aͤrgers ſchanen / Und heute noch / weil itzt die Stund erſchienen / So zu ihrer Luſt ſoll dienen. Verbirg dich nur in jene Hecken / Dadurch ſich laͤſt hier dieſe Gegend zieren: So wirſtu ſelbſt verſpuͤhren / Wie die Amarillis ſich in die Hoͤle wird verſtecken / Und wie ſie endlich auch den Buhler zu ſich nimt.

Mirt.

So zielt mir denn der Tod ſo zeitlich nach dem Hertzen!

Cor.

Sie koͤmt itzund heran. Schau / wie ſie den Tempel-Weg ſo behutſam uͤberſchleicht! Schau itzund zu deinem Schmertzen / Wie man auch ein falſches Hertze aus den Fuͤſſen kennen kan. Hier warte nu / Und ſchaue ferner zu / Wie dann die Zeit dir gute Mittel reicht:G 3Dich102Der Dritten AbhandlungDich bin ich bald wieder zu ſchauen befliſſen;

Mirt.

Eh ich den rechten Grund der Sache werde wiſſen: So wird Tod und Leben mir noch im Zweiffel ſchweben muͤſſen.

Siebender Auftritt.

AMARILLIS.

Amarilli J. WB aur in. Cum Pr. Sac. Cœs. Maÿ. Melchior Küsellf.

DHne GOTT ſoll ja der Menſch kein beſonder Werck be - ginnen / Jch gieng mit gantz beſtuͤrtzten Sinnen Zu dem Tempel hin / Von dannen ich itz und getroſt bin wieder kommen: Es war mir Geiſt und Sinn / Auf mein inbruͤnſtig Beten / Durch einen Himmels-Geiſt faſt aller Furcht entnommen /Mich103Siebender Auftritt. Mich deucht / es ſprach mir etwas zu / Gieb dein Gemuͤthe doch zu Ruh / Du kanſt nu wiederum auf deine Wege treten. Mich wolle nun der Himmel ſicher fuͤhren; Die Mutter reiner Brunſt Begleite die auf allen Seiten So ſich verlaͤſt auf ihre Gunſt! Ach Goͤttin / die du wilſt den dritten Zirckel zieren / Erkennſtu / was dein Sohn und ſeine Kertze kan: So nim dich meiner an / Laß mich geluͤcklich ſchreiten / Und verſchaffe / daß den Schaͤfer mag kein Ungemach beruͤhren / Dem meine Treu verbleibet unterthan. Und du geliebte Grufft / die du mich ſolſt umſchlieſſen / Laß dieſe Liebes-Sclavin ein / Und ihren Fuͤrſatz hier wohl ausgefuͤhret ſeyn. Saͤume dich nicht Amarillis, denn kein Auge kan dich ſchauen / Kein Ohre hoͤret dich / Schreit in die Grufft mit freudigem Vertrauen: Ach! koͤnteſtu doch mich Hier mein Mirtillo wiſſen.

G 4Ach -104Der Dritten Abhandlung

Achter Auftritt.

MIRTILLO.

Mirtillo I. WB aur in. Cum Pr. S. C. M. Melch. Küsellf.

DJe Augen gehn mir auf / ich ſchaue nur zu viel: Ach! waͤr ich blind / ja beſſer nicht gebohren; Ach! daß der Himmel mich doch noch erhalten wil / Damit ich nur zum Jammer ſey erkohren / Mirtillo, deine Seele Fuͤhlt groͤſſer Angſt und Pein / Als das verdamte Volck in der erhitzten Hoͤle / Und wilſtu noch nicht glauben? Was ſuchſtu mehr Bericht? Die Ohren lehren dich / und deiner Augen Licht / Daß itzt dein liebſter Schatz in fremder Hand muß ſeyn /Nicht105Achter Auftritt. Nicht zwar durch die Welt-Geſetze / ſo ſie allen Menſchen rauben: Sondern nur durch Liebes-Satzung / ſo ſie dir allein entfuͤhrt. Kanſtu dich denn Amarillis noch nicht recht zu frieden ſtellen / Daß ich mich laſſen muß ins Garn des Todes faͤllen; Du ſpotteſt meiner noch dabey Und daß auch mein Nahmen nicht deiner Luſtgefertin ſey / Der doch dein Ohre hat zuvor mit Luſt beruͤhret / So macheſtu itzt deine Falſchheit kund / Und ſpeiſt / zu meinem Schmertzen / Jhn durch den boͤſen Mund / Daß du ihn ja nicht darffſt behalten in dem Hertzen. Wilſt aber du / Mirtillo, noch verweilen? Die dir das Leben hat gegeben / Hat die es auch genommen / Und iſt durch ihre Hand in fremde Haͤnde kommen. So ſtirbſtu nicht? wie weiſtu noch zu leben? Stirb / ſtirb / Mirtillo, du muſt eilen! Und weil du ja der Luſt muſt abgeſtorben ſeyn / So ſtirb auch ab dem Jammer und der Pein; Todter Mirtillo, ach! dencke zu ſterben: Und biſtu ſchone todt / So ſtirb auch deiner Noth / Die dich doch nur zu deinem Verderben Noch ferner laͤſt im Leben ſchweben. Wie aber ſterben ohne Rache! Der mich itzund ſterben heiſt / muß vor mir das Leben ſchlieſſen / Und ich werde meinen Tod noch ſo lange ſparen muͤſſen / Bis ich zuvor denſelben nieder mache / Und dem das Leben kan benehmen / Der ſich / das Hertze mir zu rauben / nicht darff ſchaͤmen Mein Schmertzen muß itz und der Rache weichen / Und das Erbarmnis muß den Wuͤten / Wie gleichfals auch der Tod dem Leben / Noch Platz und Stelle geben; Ja mein Blut ſoll ohne Rache nicht auf dieſer Spitze kleben / Und ehe ſoll die Hand Erbarmnis nicht beſtreichen / Bis daß ſie vor mit Grimm den Feind wird uͤberſchuͤtten / Wer der auch ſey / der itzt mein Antheil wil genieſſen /G 5Dem106Der Dritten AbhandlungDem reiſt mein Untergang auch ſeinen Wohlſtand ein. Jn dieſe Hecken Da wil ich mich verſtecken: Und wenn du wirſt naͤchſt bey der Hoͤle ſeyn / Dir einen ſcharffen Pfeil in deine Lenden ſchieſſen. Jſt dieſes aber recht / ſo heimlich ſich zu raͤchen? Solt es nicht beſſer ſeyn zu fechten Mann vor Mann? Daß meine Tapfferkeit mit Ehren zeigen kan / Wie mich die geſchaͤrfften Dornen eines edlen Eifers ſtechen. Nein / nein / das Hirten-Volck / das koͤnt uns hier verſtoͤren / Und fragen / was doch deſſen Urſprung ſey: Verſchwieg ichs / ſo waͤr ich nicht alles Tadels frey / Und ließ ich ſie auch was ertichtes hoͤren / So ſenckt ich meinen Ruhm tieff in Betruͤgerey: Bekennt ich denn / warum ich dis gethan Ey! ſo klebt ich meiner Liebſten nichts als Schmach und Flecken an. Wiewol ich nun nicht dieſes weiß zu lieben / Was ich ietzt ſchauen kan: So iſt die Liebe doch zu dieſem uͤbrig blieben / Was ich zuvor gewolt / und ſtetig werde wollen / So lang ich auf der Welt noch werde leben ſollen. Es ſterbe dieſer denn / der dieſes Band zu brochen / Der ihr die Ehr und mir das Leben raubt. Wenn ich mich denn nun dergeſtalt gerochen / Wird durch ſein Blut auch wohl mein Recht behaupt? Was aber fuͤrchtet der die Straff am Leib und Leben / Der ſtets den Tod begehrt? Wird die Urſach aber deſſen klaͤrlich in dem Lichte ſchweben / So iſt mein Ruhm verzehrt / Und ich muß mit Amarillis faſt ein gleiches Schandmal tragen. Mirtillo, du muſt noch was anders wagen / Du muſt dich in der Hoͤlen an ihn machen / Das wird das beſte ſeyn / Jch muß / ſo ſtill ich kan / mich ſchicken in die Sachen. Jch weiß / ſie gieng tieff in die Grufft hinein / Wie ich denn aus ihr ſelbſt vernommen / Darum begehr ich nicht zu tieff hinein zu kommen. Jm107Achter Auftritt. Jm Felſen iſt ein Spalt faſt unten zu zuſpuͤren / Den auf der lincken Hand die Straͤuche reichlich decken: Da wil ich heimlich mich verſtecken / Bis der Himmel dieſen Feind wird in meine Haͤnde fuͤhren; Jſt dann mein Feind erſchlagen / So ſaͤum ich nicht / Jch wil ihn bald zu meiner Feindin tragen / Mich recht an ihr zu raͤchen. Dann ſoll das Schwert auch ſeyn auf mich gericht / Jch wil mich ſelbſt durchſtechen / So brechen dreyer Hertzen / Zwey durch das Schwert / und eines durch den Schmertzen: Da ſchauet ſie dann mehr als nur zu viel / Theils wegen des verjagten / Theils wegen des behagten / Auf dem Schauplatz ihres Grimmes ein beruͤhmtes Trauerſpiel / Und dieſe Hoͤl allhier darinnen ſie gehofft Ein Kraͤuterbad der Buhlerey zu haben / (Ach wuͤrde doch nur auch derſelben Schmach begraben!) Wird ſo zu ihrer Grufft. Und ihr / ihr Stapffen ihr / die ihr mich itzund fuͤhret / Der ich euch lange Zeit vergebens nachgegangen / Leitet mich und laſt mich itzt dieſen ſchoͤnen Orth erlangen. Jch ehr und folg euch auch / als wie es mir gebuͤhret. Ach! Coriſca, Ach! Coriſca, hat mir endlich kund gethan / Was ich itzt glauben kan.

Neun -108Der Dritten Abhandlung

Neunter Auftritt.

SATIRO.

Satiro. J. WB aur in. Cum Pr. S. C. M. Melchior Küsell fecit

DEr glaubet der Coriſc und folget ihren Fuͤſſen / Recht nach der Ericiner Hoͤle; Dis iſt wohl eine ſchlechte Seele / Die nicht das Spiel wird zu errathen wiſſen! Doch glaubſtu ihr / So wird ein feſter Band Dich ietzt verſichern muͤſſen / Als da ihr Haar ich mir Um meine Haͤnde band: Doch Band und Pfand genug / wo nicht Geſchencke fehlen. Die Feindin aller Zucht / Die hat nach ihrem Brauch ſich ihm verkaufſen wollen /Und109Neunter Auftritt. Und vor dieſe faule Wahre wird man itzt die Gelder zaͤhlen / Vielleicht hat auch der Himmel dich itzt herfuͤr geſucht / Daß er dich zugleich wird ſtraffen und auch mich wird raͤchen ſollen. Es zeiget ja ſein eigen reden an / Daß er nicht vergebens glaubt; Und die Stapffen ihrer Fuͤſſe Haben ihm genug behaubt / Daß er ſie in der Hoͤle finden kan. So mache / daß man ſie in dieſer Grufft verſchlieſſe. Der ſchwere Stein Wird hierzu dienlich ſeyn: So werden ſie mir nicht entkommen koͤnnen / Dann wil ich ungeſaͤumt hin zu den Prieſtern gehn / Und dieſes Schand beginnen / Jhnn geben zu verſtehn / Sie werden nicht entrinnen / Biß daß er und auch ſie mit Blut und Leben buͤſſe. Jch weiß / ſie iſt dem Coridon verſprochen / Der wil kein Wort verlieren / Dieweil ich meinen Grimm ihm oftmals ließ verſpuͤren: Jtzt tracht ich / wie es moͤcht an beyden ſeyn gerochen; Es iſt nun hohe Zeit / ich wil von jener Eichen Den ſtaͤrckſten Aſt abreiſſen; Der iſt mir gut / er wird gewiß nicht weichen. Wie iſt doch dis ſo eine ſchwere Laſt / Wie hat er mit der Erde ſich verfaſſt. Jch muß den Baum nur kraͤftig unterſchieben / Und dieſen Stein zu wiegen mich befleiſſen. Und dis gelingt noch wohl / Jch hab ihn wohl getrieben / Es ſcheint / daß ich dergleichen Auch hier verrichten ſoll: Wie haͤlt er ſich auf allen Seiten an: Das Werck iſt wichtiger / als ich wol nicht gedacht / Es ſcheinet / daß ich ihn nicht wohl bewegen kan. Steckt dann die gantze Welt darinnen? Hat meine Krafft ſich von mir weggemacht? Was ſtoͤrt doch vor ein Stern mein eifriges Beginnen? So110Schluß-Chor. So wirſtu mir denn weichen muͤſſen / Solt es die verfluchten Sinnen Der Coriſc, und aller Weiber waͤre mir itzt faſt entriſſen / Gleich nicht vergnuͤgen koͤnnen. Du Vater Pan, der alles kan und iſt / Entzeuch mir itzt nicht deinen Segen; Und haſtu in deinem Leben etwan auch Betrug erkieſt / Ey! ſo ſtraffe die Coriſca doch itzund von deinet wegen! Jtzt ruͤhr ich ihn durch deiner Gottheit Macht: Jch hoffe Huͤlffe zu erlangen / Du haſt ihn und nicht ich / itzt von der Stelle bracht / Der Fuchs liegt nun gefangen / Er ſoll das Feuer lernen kennen: Solt ich alle falſche Weiber nur zuſammen ſchauen brennen.

Schluß-Chor.

DJe Liebe muß der gantzen Erden / Ja der Natur zum Wunder werden / Kein rauher Geiſt / ja kein ſo wildes Land Verbleibt von ihr unangerennet / Doch eigentlich die Krafft / dadurch die Flamme brennet / Hat noch kein Buch gelehrt / und auch kein Geiſt erkannt. Vor wem ihr ſchnelles Feuer blitzet / So uns mit heiſſer Brunſt erhitzet / Rufft: Mich betritt ein Geiſt / der endlich ſtirbt; Wer aber gruͤndlich hat verſpuͤret / Wie auch ihr ſtarcker Zug uns zu der Tugend fuͤhret / Rufft: unſre Seele zeucht ein Geiſt / der nicht verdirbt.

Du allergroͤſtes Ebentheuer / Halb Goͤtt-halb Menſchlich Ungeheuer / Bey Torheit klug und blind bey Augenſchein. Voll von Verſtand und truͤber Sinnen / Daraus ſich Regung kan von vieler Art entſpinnen; Doch haſtu dieſen Ruhm darbey erwerben koͤnnen / Daß Erd und Himmel dir muß unterthaͤnig ſeyn.

Doch111Schluß-Chor.

Doch kan ich dis auch nicht verſchweigen / Daß ſich noch etwas weiß zu zeigen / So uͤber dich / und dich beſchaͤmet macht. Dann / ob dein Brand die Hertzen zwinget / Und als ein Wuͤtterich tieff in die Seele dringet / So wird es nur gethan durch ſchoͤner Frauen Pracht.

O ſchoͤnes Weib / vom Himmel kommen / Ja aus der groſſen Hand genommen / Die dich noch mehr als jenen hat geſchmuͤckt: Er kan ſich deiner Pracht nicht gleichen / Sein Cyclops - Auge muß vor deiner Schoͤnheit weichen / So offtmals Blendungen vor Strahlen zu uns ſchickt. Der Himmel kan Sturm / Angſt und Schrecken Durch ſeinen rauhen Mund erwecken / Als wie ein Leu der grimmig tobt und bruͤllt / Man zittert wann er ſich recht ruͤhret / Wenn er den Donnerknall aus rothen Lippen fuͤhret / Und ſich durch lange Nacht der Wolcken feſt umhuͤllt.

Du aber kanſt mit ſuͤſſem Blitzen Und Engels-Glantz die Welt erhitzen / Jndem du haſt zwey Sonnen aufgeſteckt Den Seelen / die in Unruh ſchweben / Und mit Verwirrung ſeyn viel lange Zeit uͤmgeben / Denn wird durch ihren Glantz die hoͤchſte Luſt erweckt.

Schall / Zierath / Schertzen und Bewegen Kan eine Gleichheit hier erregen / Die durch das Band der Anmuth alles zwingt: Sie heiſt des Himmels Meinung weichen / So ſelbſt dem Paradis an Schoͤnheit zu vergleichen Daß ſeine Pracht ſo tieff als deine Schoͤnheit dringt.

Das andre Thier / der Mann genennet / Dem alles dienſtbar ſich bekennet / Verfehlet nicht / wann er dich knechtiſch ehrt. Und / ob gleich Kronen / Gut und Leben / Jhm zu beherrſchen ſeyn vom Himmel uͤbergeben / Geſchicht nicht / daß der Frau / das Hefft nicht auch gehoͤrt.

Des112Schluß-Chor.

Des Urthels darff ſie ſich nicht ſchaͤmen / Es wird ihr nicht ihr Lob benehmen / Und ihre Hand wird nicht dadurch veracht / Dis alles hat der Himmel ihm geſchencket. Daß er bey ſeiner Macht der Frauen Ruhm bedencket / Weil des Beſiegten Krafft den Sieg noch groͤſſer macht. Wer hier ein Beyſpiel hat begehret / Dem hat Mirtillo dis gewehret / Es reiſſt ein Weib ihm Menſch - und Mannheit ein. Doch war das beſte noch verſtoͤret / Daß man / O edles Weib / dich nicht als Goͤttin ehre[t]/ Weil du die Liebe laͤſt ohn alle Hoffnung ſeyn.

Der113

Der Vierten Abhandlung

Erſter Auftritt.

CORISCA.

Corisca. J. WB aur in. Cum Pr. S. C. M. Melchior Küsellfecit

JCh habe mir die Einfalt zu beruͤcken / So angelegen laſſen ſeyn Daß ich auch an mein Haar / So mir der Schlingel abgerieſſn / Faſt nicht einmal gedacht. Es wolte mir wol bitter ein / Daß ich von meinen beſten StuͤckenHDas114Der Vierten AbhandlungDas liebſte ſolte laſſen muͤſſen / Doch anders kont ich nicht entkommen der Gefahr / Wiewohl ein Blat ihn ſonſten furchtſam macht / Und er ein Haſen-Hertz in ſeinem Leibe traͤget / So hat er mir doch Spott beweiſen koͤnnen. Jch hab ihn ſtets veracht und meiſterlich betrogen; Ja alle Krafft ſo ſich bey ihm gefunden hat Hat ihm die Liebes-Glut nun zimlich ausgezogen. Jtzt klagt er / daß ſich meine Gunſt gelegt / Und dieſes Klagen auch das haͤtte gute ſtatt / Haͤtt ich ihm nur einmal gewiedmet Geiſt und Sinnen. Denn was nicht Liebens werth / das kan man ja nicht lieben / Gleichwie ein Kraut / ſo dem / der es geleſen / Eh als der Safft heraus gedruͤckt / Sehr nutzbar iſt geweſen; Als nunmehr keine Krafft darinnen iſt geblieben / So wird es hingelegt / und nicht mehr angeblickt. Man ſchaut mich eben ſo itz und mit ihm gebahren: Als ich das Beſt an ihm hab ausgepreſſt / So laß ich nun die Huͤlſen fahren / Das Spuͤhl-Schaff und der Schacht behaͤlt den faulen Reſt. Jtzt moͤcht ich doch wol wiſſen / Ob Coridon ſey in die Hoͤle kommen; Was ſchau ich / was iſt dis? Schlaff ich / wach ich / bin ich truncken? Jch weiß ja vor gewiß / Daß noch vor kurtzer Zeit die Hoͤl eroͤffnet ſtund / Wer hat ſie denn verſchlieſſen muͤſſen? Wie iſt der Stein ſo bald herab geſuncken? Kein Beben hab ich ja um dieſen Ort vernommen? Doch wuͤſt ich nur den Grund / Ob hier zu der Amarillis ſich der Coridon gefunden? Das andre geht mich nicht beſonders an / Doch hat mir / weiß ich recht / Liſette kund gethan / Daß er ſich faſt vor einer Stunden / Hab auf den Weg gemacht. Er wird vielleicht auch wohl darinnen ſeyn / Und Mirtillo hat gedacht /Sie115Anderer Auftritt. Sie zu verſperren durch den Stein / Denn wenn Eiferſucht und Zorn ſich zu Lieb und Brunſt geſellen / So vermoͤgen ſie die Welt nicht nur Steine hinzufaͤllen. Verfehlt nicht mein Gedancken: So hat Mirtillo mir mehr Nutzen ſchaffen muͤſſen / Als ich mir nicht gewuͤnſcht von ſolchem zu genieſſen. Saͤß an ſtatt der Amarillis ich in ſeines Hertzens Schrancken! Jch muß den Bergſteg hin recht auf die Hoͤle gehn / Die Warheit und den Grund der Sachen zu verſtehn.

Anderer Auftritt.

DORIND A. LINCO.

I. uBaur in,Dorinda et Linco. Cum Pr. S. C. M. Melch. Küſel.

MEin Linco, wie es ſchien / So kanteſtu mich nicht?

Linc.

Wer haͤtte dich in dieſen alten Huͤllen Doch vor die ſchoͤne Dorinda gehalten. H 3Ach116Der Vierten AbhandlungAch waͤr ich nur ein Hund / wie ich der Linco bin / Jch haͤtt auch wider deinen Willen Dein Angeſicht Genugſam kennen wollen! Was ſchau ich aber doch?

Dor.

Du ſchaueſt / wie man muß die Liebe laſſen walten / Und wie an derer ſehweres Joch / Mich auf beſonder Art ich habe ſtellen ſollen.

Linc.

Ein zartes Weibesbild / Voll Zaͤrtligkeit wie du / Die noch vor kurtzer Zeit Jn ihrer Ruh Mit Windeln war uͤmhuͤllt: Und die ich / ſo zu ſagen / Noch geſtern / wie mich deucht / hab auf der Hand getragen. Die / derer Fuͤſſe Zaͤrtligkeit / Dieweil es mir als Diener war vergunt / Jch erſtlich lehren ſchreiten / Und derer Mund Jch zum erſten fuͤrgezeiget wie man Syllben ſoll bereiten; Die vor faſt furchtſamer als eine Hindin war / Eh als die Liebe ſie gedachte zu beſtreiten /[U]nd ſie gebunden fuͤhrte /[d]er ieder Wind / ja iedes Blat /[D]er kleinſte Wurm / den man auf Graß und Kraͤutern ſpuͤrte /[H]at eine Furcht erweekt /[D]ie waget itzt die kuͤhne That /[L]acht der Gefahr /[U]nd wird durch keinen Hund und auch kein Wild geſchreckt.

Dor.

Ach! dem der Liebes-Pfeil das Hertze recht durchſticht:[d]er fuͤrchtet / glaub es mir / ſonſt keine Wunden nicht.

Linc.

Dich hat die Liebe treffen muͤſſen /[W]eil du dich in einen Mann / ja in einen Wolff verſtellet.

Dor.

Ach! koͤnte dein Geſicht[H]ier dieſe Tieffe recht erreichen[S]o ſchauteſtu den Wolff / der ſich alhier enthaͤlt /[D]urch den / als wie ein Schaf mein Hertze wird zuriſſen. (chen?

Linc.

Was vor Wolff? du wirſt ja nicht / Silvio, den Woͤlffen glei -

Dor.
117Anderer Auftritt.
Dor.

Du ſagſt es / Ach! genug Bericht!

Linc.

Jſt Silvio ein Wolff / ſo haſtu auch getracht / Dich in die Woͤlffin zu verſtellen; Denn / weil die Menſchen-Art ihn ja nicht dienſtbar macht / Daß doch / was woͤlffiſch iſt / ihn kaͤme hinzufaͤllen. Wo haſtu aber wohl die alten Lumpen funden?

Dor.

Das wil ich dir itzt ſagen; Gleich mit den erſten Morgenſtunden Nahm ich mir vor zum Berge hinzugehn / Wo Silvio beſchloß das wilde Schwein zu jagen; Jch kam nicht recht aus dem Gepuͤſch herfuͤr / Wo man das Baͤchlein ſchaut aus dem Gebuͤrge flieſſen / So ſchaut ich unverhofft fuͤr mir Den laͤchzenden Melampo ſtehn / Der wegen Durſt in etwas ruhen muͤſſen. Die ich nun / was da nur nach Silvio ſich nennet / Ja die Stapffen von den Fuͤſſen / Und den Schatten / den er macht / Zu ehren bin befliſſen / Geſchweige dann den Hund / den er als Schatz erkennet / War alſo bald bedacht / Jhn mit mir wegzufuͤhren; Der Hund ließ auch nichts wiedriges verſpuͤren / Er ließ ſich meine Haͤnde lencken. Jch hatte mir nun fuͤrgenommen / Dem Silvio dadurch das Hertze zu gewinnen / Jhm ſolchen wiederum zu ſchencken. So ſchaut ich eben ihn von ferne zu mir kommen / Dieweil er ſeinen Hund ſonſt nirgend finden koͤnnen. Dis was ſich unter uns nun ferner zugetragen / Mein Linco, ſind gar wunderliche Sachen: Jch weiß dir alles nicht zu ſagen / Doch wiſſe dis / den Handel kurtz zu machen: Er gieng / nach dem er mich beruͤcket / gantz davon / Er ſtahl mir den Melamp und mein verdientes Lohn.

Linc.

Ach rauher Silvio! was thateſt aber du? Ergrim̃teſt du dich nicht der groſſen Falſchheit wegen?

Dor.

Ach nein! H 3Ja118Der Vierten AbhandlungJa als wenn der Zornes-heiſſer Schein Mir meine Liebes-Glut mit Kraͤfften ſolt erregen: So lachte da ſein Grimm auch meinem Brande zu: Jch gieng darauf / auf unterſchiedner Bahn / Recht nach der Jagt / als wie ich angefangen: So traff ich den Lupino an / Der kurtz zuvor von mir hinweg gegangen / Da fiel mir ein / Mich in ſeinen Bauer-Rock alſo liſtig zu verkleiden / Daß ich auch moͤcht einem Hirten bey den Huͤrten gleiche ſeyn / Und mein Aug in Sicherheit koͤnt an meinem Liebſten weiden.

Linc

Du haſt in Wolffsgeſtalt dich auf die Jagt begeben / Und dich hat doch kein Hund verletzet in dem Leben. Dorinda hat ein groſſes wollen wagen.

Dor.

Wie ſo? Es kan der Hund daſſelbe nicht verletzen / Was ihm der Herr gedenckt vor ſeinen Raub zu ſchaͤtzen. Jch ſtund nur nach Behagen / Auſſerhalb der Netze Schrancken / Mit Hirten uͤberall uͤmgeben / Und ließ nun Auge und Gedancken Mehr um meinen edlen Jaͤger als um Jagt und Hunde ſchweben; Doch wenn das Schwein begunte ſich zu wuͤttern / So fieng mein Hertz auch an zu zittern / Sah ich den Silvio nur einen Finger ruͤhren / So trieb mein Geiſt empor / ſo ſehr er immer konte: Doch ſchaut ich meine Luſt ſich wiederum verlieren / Nach dem das Schwein zu regen ſich begunte. Das Schwein / ſo wild und ſtarck mit ungeheurer Pracht / Den ausgetretnen Fluͤſſen / So eilends Baͤum und Haͤuſer eingeriſſen / Sich gantz aͤhnlich hat gemacht / Denn eben ſo muſt alles zu der Erden / Menſch / Hund und Spieß / Durch Blut - und Geſcht-gemengten Biß Dahin geriſſen werden / Wie offte ließ ich dieſe Worte gleiten! Koͤnt ich doch vor meines Liebſten Leben Mein eigen Blut hingeben;Bald119Anderer Auftritt. Bald wuͤnſcht ich ſelbſt zu ſtreiten / Seiner Bruſt durch meine Bruſt einen Schutz-Schild zu bereiten. Nicht ſelten ließ ich dieſe Sylben ſtreichen: Ach! wildes Schwein / Stelle doch dein Wuͤtten ein / Und gedencke nicht den Leib meines Liebſten zu erreichen. So klagt ich voller Angſt bey mir / Als er den Hund Der mit ſcharff-geſtaͤhlten Spitzen / wie es Brauch / gewaffnet ſtund / Lief auf das wilde Schwein herfuͤr / So durch viel verwundte Hirten / und durch todter Hunde Schaar Alle Stunden ſtoͤltzer worden / und faſt nicht zu faͤllen war. Jch kan dir nicht den Muth des Hundes recht beſchreiben / Und Silvio thut recht / daß er ihn liebt. Ja eben / wie ein Leu / der aus entbranten Zorn / Des wilden Ochſens Horn / Sich bald laͤſt treiben / Bald ihm auch wiederum genug zu ſchaffen giebt: Wie der / nachdem er nun mit ſeiner ſcharffen Klauen Den Feind hat angetaſt / Jhn dergeſtalt verfaſſt / Daß man ihm nun kan uͤberwunden ſchauen. So ſahe man auch den Melampo ſtreiten / Nachdem er lange Zeit den ungeheuren Zahn / Vor welchem nichts beſtehen kan / Vermieden hat auf allen Seiten / So faſſt er nun das Schwein recht bey den Ohren an: Und als er es genug geſchuͤttelt / Und hin und wieder wohl geruͤttelt / So hielt er es mit ſolcher Macht / Daß es ohn alle Regung ſtund / Und / weil es auch in etwas wund / Leicht konte werden uͤmgebracht. Dann lenckte Silvio ſein Hertz in dieſem Streit Auf die Diana zu / und ſprach: Laß deine Hand Und meinen beſten Pfeil ſeyn auf das Wild gewandt. Des erlegten Schweines Kopff ſchenck ich dir aus Schuldigkeit. H 4Nach120Der Vierten AbhandlungNach dieſem nahm er ſeinen beſten Pfeil Aus des Koͤchers Gold-belegtem Schoß / Und ſchoß in Eil / Nachdem er ſeinen Bogen Bis an das Eiſen angezogen / Auf des Schweines Schultern loß. Weil dann der Pfeil ihm bis zum Hertzen drang / So ſchaute man daß es zu Boden ſanck. Als nun ich den Silvio gaͤntzlich ſchadenloß verſpuͤret / So ſprach ich: Geſegnetes Wild / Dieſe Hand / ſo dich erleget / hat dich auch mit Ruhm erfuͤllt / Weil ſie unvermerckter Art aller Menſchen Hertz entfuͤhret.

Linc.

Was wird man aber wol mit dieſem Wilde machen?

Dor.

Von allen dieſen Sachen Weiß ich nichts eigentlichs zu ſagen; Jch machte mich bey zeiten / Aus Furcht erkennt zu werden / auf die Seiten: Doch wird man itzt den Kopff in Tempel tragen.

Linc.

Was machſtu aber denn / und wann entkleidſtu dich?

Dor.

Jch bin bereit zu eilen. Doch der Lupino hat noch mein Gewand bey ſich / Und hat mir zugeſagt beym Brunnen zu verweilen. Doch hab ich ihn daſelbſt nicht funden. Mein Linco, liebſtu mich / So wirſtu ihn itzt zu ſuchen / dir nicht vor beſchwerlich ſchaͤtzen / Denn er wird ſich weit zu gehen wohl nicht haben unterwunden. Jch wil mich aus Muͤdigkeit hier in das Gepuͤſche ſetzen / Denn ich mag in dieſen Kleidern nicht bey mir geſchauet ſeyn.

Linc.

Jch gehe. Warte hier / So bald es moͤglich iſt / ſo ſtell ich mich bey dir Gewißlich wieder ein.

Drit -121Dritter Auftritt.

Dritter Auftritt.

Reyh der Schaͤfer. ERGASTO.

LWBaur in. Choro di Pastori et Ergasto. Cum Pr. Sac. Cæs. May. 24 Melchior Kürell f

JHr Hirten habt vernommen / Was unſer Halbs-Gott hat gethan / Den Montano einen Sohn ohne Tadel nennen kan / Und der von dem Hercules als ein groſſer Enckel kommen. Dieſer hat das rauhe Wild / So gantz Arcadien mit Schrecken hat erfuͤllt / Durch kuͤhne Fauſt gefchlagen / Und iſt itzund bereit / Was er gelobet hat / den Goͤttern fuͤrzutragen / Schlaͤfft unſre Danckbarkeit? Laſſt uns unſerem Erloͤſer alſo bald entgegen gehn /H 5.Laſſt122Der Vierten AbhandlungLaſſt die Pflicht getreuer Hertzen ihm fuͤr ſeinen Augen ſtehn Ob auch gleich ein hoher Geiſt Ehre nicht Belohnung heiſt / So kan man endlich doch der Tugend in dem Leben Die Ehre nur allein zu der Belohnung geben.

Erg.

O ſchweres Ungeluͤck! O Zufall / reich an Leid! O Schaden / den kein Pflaſter kan verjagen! O Tag / der taͤglich wird mit Thraͤnen uͤberſtreut!

Reyh d. Schaͤfer.

Wer weinet hier uͤm uns / was hoͤren wir vor Klagen?

Erg.

Jhr Sternen voller Grimm / ihr zornigen Geſellen / So ſpottet ihr der Treu / und reiſt ſie gaͤntzlich ein! Habt unſer Hoffnung ihr ſo hoch gedacht zu ſtellen / Daß ſie mit Ach und Weh geſtuͤrtzet muͤſte ſeyn.

Reyh d. S.

Es ſcheint / Ergaſto iſt: Er iſt es gar gewiß.

Erg.

Ach! klage nicht den Trieb des Himmels an / Klag uͤber dich und dis / Was du ſelbſt gethan. Du / du haſt den rechten Zunder unter Stahl und Stein gebracht / Deine Hand hat Feuer hier geſchlagen / Das Holtz herzu getragen / Und die Flamme groß gemacht / So itzt kein Menſch mehr daͤmpſſen kan. O ſchwerer Stand den zwey Verliebten! O Amarillis, reich an Pein! O armer Titiro, der Tochter-loß muß ſeyn! Du trauriger Montan, als Spiegel der Betruͤbten! Ach! ach! O armes Land! noch aͤrmer aber wir! Mit Angſt und Noth uͤmfangen / Auge / Hertz / Gemuͤth und Ohre kan itzt nicht viel anders hier / Als Schrecken / Greul / Verdruß und Ungeluͤck erlangen.

Reyh d. S.

Was muß doch wol dis vor ein Zufall ſeyn? Der unſre Noth heiſt gantz beſammen ſtehn. Laſſt uns doch / ihr lieben Hirten / dem Ergaſt entgegen gehn; Er koͤmt itzt gleich herbey. Stellt ihr denn / ihr groſſen Goͤtter / noch nicht euer Zoͤrnen ein! Sag uns doch / was vor ein Trieb deiner heiſſen Thraͤnen ſey?

Erg. 123Dritter Auftritt.
Erg.

Glaubet mir / ihr lieben Freunde / ich beweine dieſe Pein / So des gantzen Landes Auge denckt zu truͤben ihren Schein!

Reyh d. S.

Was ſageſtu?

Erg.

Der Hoffnungs-Pfeiler liegt!

Reyh d. S.

Rede doch / daß man Verſtand deines groſſen Schmer - tzen kriegt.

Erg.

Wer kennt des Titiro beruͤhmte Tochter nicht? Jhres Stammes letzten Zweig / ihres Vatern Steck und Stab? Bey welcher man in Angſt und Leid Die ſicherſte Huͤlffe gedachte zu ſuchen / Die durch des Himmels Freundligkeit Dem Sohne des Montano war verſprochen / Die dem lieben Vaterlande groſſe Hoffnung von ſich gab; Die Nymfe / von der Hand des Himmels zugericht / Der Tugend Blum und Licht / Die klug Amarillis, das Muſter der Zucht / Ach die / (mein Wort iſt auf der Flucht) Ach die / (ich fuͤhl itzund / was mir das Hertze bricht.)

Reyh d. S.

Sie todt!

Erg.

Sie lebet zwar: Doch ſtehet ſie dem Todte ſchon im Rachen.

Reyh d. S.

Was hoͤren wir?

Erg.

das iſt die ſchlechtſte Noth / Die Schmach wird ihren Todt voll Fleck und Mackel machen

Reyh d. S.

Jſt Amarillis dann nicht ehrlich / iſt es wahr?

Erg.

Ach ja / ſie war bey dem Verbrecher funden! Und wartet ihr ein wenig noch alhier / So koͤnt ihr ſie verfaſſt in Tempel ſehen fuͤhren. Schwerſte Tugend / und zugleich aller Nymfen beſte Zier / Ach Keuſchheit! die ſich itzt ſo ſelten laͤſt verſpuͤren / Es wird endlich keine Frau wahrer Keuſchheit Titul zieren / Auſſer dieſe / der kein Mann hold zu ſeyn ſich unterwunden / Warlich aller Frauen Ehre reiſſet der Verdacht itzt ein / Weil itzunder faſt die Ehre nicht mehr Ehre weiß zu ſeyn.

Reyh d. Schaͤfer.

Mein Schaͤfer / ſage doch den Grund der gantzen Sachen!

Erg.

Jch bin bereit euch ſolches kund zu machen: Montan, der Prieſter / kam zu fruͤher Tages-Zeit / Und Titiro mit ihm / der Vater voller Leid /Der124Der Vierten AbhandlungDer Vater / der itzund die Tochter muß verfluchen / Und beyde fuͤhrt ein Trieb den Tempel zu beſuchen / Jhr Seufzer lenckte ſich auf dieſen groſſen Tag / Da ihrer Kinder Eh ſie recht vergnuͤgen mag; O laͤngſt gewuͤnſchte Zeit! Man ſchaut itzt Opffer bringen: Gedaͤrm und Glut verſprach / es ſolte wohl gelingen: Und der Tirenio ſprach freudig / O Montan, Du / ſchauſt den Silvio noch heut als Braͤutgam an! Und Titiro, dein Kind wird heute Braut geheiſſen. Geh eilend in dein Hauß / du muſt dich itzt befleiſſen / Zu dencken auf ein Feſt / das alle luſtig macht; O tumme Prophecey / die billich wird verlacht! Und du verblendter Mann an Augen und an Sinnen / Wann du dem Titiro nur haͤtteſt ſagen koͤnnen / Daß die vermeinte Braut dem Todte ſich vermaͤhlt / So haͤtte ja dein Wort der Warheit nicht verfehlt. Ach Jammer! alles Volck / das ſtant mit Luſt uͤmfangen / Die Freude netzte ſelbſt den Vaͤtern ihre Wangen / Und eh als Titiro nach ſeinem Hauſe kam / So brach ein Schrecken ein / das alle Luſt benahm. Man ſchaute nichts als Angſt der Menſchen Geiſt beſtreichen / Der Tempel war erfuͤllt mit tauſend boͤſen Zeichen / Als Boten eines Grimms / der nach dem Himmel ſchmeckt: Das Zittern und die Furcht / durch ſolches hier erweckt / Laß euch / ihr Hirten / ich itzunder ſelbſt bedencken / Jndem von auſſen ſich die frommen Leute kraͤncken / So beugt die Prieſterſchafft tieff in der Sacriſtie / Als wie das andre Volck / mit Schmertzen ihre Knie: Mit dieſem kam der Schalck der Satiro gegangen / Und zeigte / wie es ſchien / ein ſehnliches Verlangen / Bald bey dem Wuͤrdigſten der Prieſterſchafft zu ſeyn. Weil dann mein Amt befiehlt zu laſſen aus und ein / So fuͤhrt ich ihn dahin / wohin er ihm begehret: Er nun / aus dem nicht viel von guter Zeitung faͤhret / Sprach laut: Ach hoͤret mich ihr lieben Vaͤter an! Daß euer Opffer euch noch nicht vergnuͤgen kan / Daß euer Weyrauch ſtinckt / daß Glut und Flamm erſtirbet / Jſt ja kein Wunderwerck / weil itzt die Zucht verdirbet /Und125Dritter Auftritt. Und einer Nymfe Hand das werthe Band zubricht / So Treu und Satzung hat mit Fleiſſe zugericht. Die Ericener Grufft wird deſſen Zeugnis geben / Da findet ihr ſie noch in geilen Armen ſchweben / Wo ihr mir folgen wolt. Wie legt doch unſer Sinn / Wenn das Verhaͤngnis wil / faſt alle Kraͤfften hin! Wie fehlt uns der Verſtand! Die mehr als frommen Alten / Die Opffer und Altar bisher beſtuͤrtzt gehalten / Die meinen nunmehr recht den Jrrthum zu verſtehn / Nicandro kriegt Befehl zur Hoͤle hinzugehn / Und durch den Satiro die Nymf herbey zu bringen. Weil alle Prieſter nun an ſeiner Seite hiengen / So gieng er nach der Hoͤl auf unbeſuchter Bahn / Die ihm der Satiro verſchlagen kund gethan. Die arme Nymfe nun / uͤmzirckt mit Noth und Steinen / Verlaͤſt / als ſie das Liecht der Fackeln ſiehet ſcheinen / Der Hoͤle tieffe Schoß / und ſteht itzund bedacht / Zu fliehen durch den Orth / vorlaͤngſt ſchon zugemacht Durch Liſt des Satiro.

Reyh der Schaͤfer.

Was dacht er nun zu machen?

Erg.

Er dachte ferner nicht auf den Verlauff der Sachen / Und ſtahl ſich heimlich weg / als er uns angefuͤhrt. Wie war durch Schrecken doch der Prieſter Geiſt beruͤhrt / Als man das keuſche Kind des Titiro erblicket! Man hatte ſie nicht recht gefangen und beſtricket / So machte ſich aldar in einer kuͤhnen Eil Mirtillo ſelbſt herfuͤr / und warff den langen Pfeil Auf dem Nicandro zu; Ach haͤtt er / nach Verhoffen / Dahin wo er gezielt / auch kraͤfftig angetroffen / So waͤre wohl gewis der Prieſter ohne Geiſt: Doch / als Mirtillo ihn zu treffen ſich befleiſt / So wich Nicandro aus / daß die erzoͤrnte Spitze Zwar in die Kleidung faͤhrt / doch ihre beſte Hitze Jm Futtertuch erloͤſcht / und nicht die Bruſt beruͤhrt / Da man den Pfeil ſo ſtarck verfaſſet hat geſpuͤrt / Daß / weil Mirtillo denckt ihn wieder zu erlangen / Daruͤber unvermerckt verbleiben muß gefangen.

Reyh
126Der Vierten Abhandlung
Reyh d. S.

Was that man nun mit ihm?

Erg.

Man fuͤhrt in ei - nem nun Jhn auf den Tempel zu.

Reyh d. Schaͤfer.

Was da mit ihm zu thun?

Erg.

Die Warheit dieſer That nach Recht zu uͤberlegen: Man wird auch wol gewiß daſſelbe wohl erwegen / Daß er den Prieſter ſich zu ſchimpffen unterſtund. Ach! das mir doch nicht / ihn zu troͤſten / war vergunt!

Reyh d. S.

Wie? nicht vergunt?

Erg.

Ach nein: der ſchlechten Diener Hauffen Darff warlich nicht ſo frey zu den Beklagten lauffen: Drum wolt ich laͤnger nicht bey der Verſamlung ſtehn / Um deſto freyer itzt zum Tempel hinzugehn / Aldar des Himmels Schluß mit Thraͤnen aufzuſchlieſſen / Und deſſen klaren Strahl in kuͤnfftig zu genieſſen. Jhr Hirten lebet wohl / euch wuͤnſch ich gute Nacht / Nur ſeyd mit beten auch auf unſer Heyl bedacht!

Reyh d. S.

Das ſoll nicht unterlaſſen ſeyn / Nachdem dem Silvio wir unſre Pflicht gethan: Jhr Goͤtter ſtellet doch das lange Zoͤrnen ein / Und ſchauet uns mit Gunſt und nicht mit Eifern an!

Vier -127Vierter Auftritt.

Vierter Auftritt.

CORISCA.

J. WBaur in. Corisca. Cum Pr. Sac. Cæs. Mav. 25 Melch [r]ell f.

JHr ſiegenden Lorberzweig / ehret die Haar / Auf den’n Triumph und Ehre liegt: Jch hab in dieſem Jahr Jm Liebes-Felde ritterlich gekriegt / Und obgeſiegt. Erd und Himmel / ja Natur und Kunſt / Freund und Feind / Verhaͤngnis und Geluͤcke / Verſchwenden ihre Gunſt / Und ſtreiten itzt vor mich mit hochgeneigtem Blicke: Der falſche Satiro, der mich nicht lieben kan / Der nahm ſich als ein Freund hier ſelber meiner an / Und Mirtillo iſt durch Zufall leichter in die Hoͤle kommen /Als128Der Vierten AbhandlungAls Coridon, den ich auf allen Seiten Mir eifrig fuͤrgenommen Betruͤgeriſch zu leiten. Nur der Amarillis Schuld recht dadurch herauszuſtreichen / Solt auch Mirtillo gleich mit ihr gefangen ſeyn / So darff er doch nicht buͤſſen / Weil nur die Verbrecherin hier wird Straffe leiden muͤſſen. O ſchoͤner Sieg! O werthes Sieges-Zeichen! Jhr buhleriſchen Luͤgen Komt / richtet mir Gedaͤchtnis-Seulen auf / Jhr zieht mit Allmacht bey mir ein / Doch muß Coriſca nicht verziehen: Coriſca, denck auf Flucht und Lauff / Bis die Amarillis wird ihrer Falſchheit Straffe kriegen. Sie doͤrffte ſonſt / dem Unfall zu entfliehen / Auf dich die Schulden binden; Und der Prieſter doͤrffte wol / eh er zu der Straffe ſchritte / Sich auf mein Wort begehren zu gruͤnden. Du muſt itzt zu entweichen dich bemuͤhen; Jch nehme dieſe Warnung mitte; Dem / der nicht wol lauffen kan / Schlaͤgt das Luͤgen oftmals uͤbel an. Jch wil in dieſer Hecken / Bis ich des gewuͤnſchten Schatzes recht genieſſen werde koͤnnen / Mich itzt verſtecken. Coriſca, wer ſchaut ein artiger Beginnen?

Fuͤnf -129Fuͤnfter Auftritt.

Fuͤnffter Auftritt.

NICANDRO. AMARILLIS.

J. WBaur in. Nicandro Amarilli. Cum Pr. S. C. M. 26 Melch. Kürellf.

DEr muſt ein Hertz aus Stahl / ja gantz kein Hertze fuͤhren / Der nicht / elende Nymf / itzt dich beklagen ſolte / Und dieſes zwar mit mehrer Pein / Je weniger es der ihm laͤſt empfindlich ſeyn / Dem ſolches ſcheint vor andern zu gebuͤhren. Wann man ſich gleich bemuͤhen wolte / Die Nymfe frey von Wehmuth anzuſchauen / So auch der Himmel ſelbſt bemuͤht war auszuziehren / Ja die zum Opffer ihr die Welt ſchien zu verbinden / Und nun / als Opffer / ſich gebunden laͤſt befinden: So wird man ſich doch dis zu enden nicht getrauen. Wer aber noch bey dieſem ſich befleiſſtJZu130Der Vierten AbhandlungZu dencken / wie du biſt gebohren; Und auch / worzu du biſt erkohren; Daß Titiro dich Tochter heiſt / Und des Montano Schnur gewiedmet biſt zu werden / (Welche Maͤnner nicht nur Hirten: ſondern Vaͤter dieſer Erden) Daß eine Nymf auf der der Schoͤnheit Sternen glaͤntzen Ja der noch die Natur nicht zeigt des Lebens Graͤntzen / Durch Unbedachtſamkeit zu ihren Tode rennt: Der laͤſt billig einen Bach tauſend Trauer-Traͤnen rinnen. Und ſolt er dieſer ſich alhier enthalten koͤnnen / Ey! ſo wird er vor ein Menſch ein verſtelltes Vieh genennt.

Amar.

Nicandro, waͤr itzund der Unfall meine Schuld / Und thaͤt ich ie der Keuſchheit was zu wider / Als wie es zwar geſchehen ſcheint zu ſeyn; So legt ich mit Gedult Den Halß dem Beile nieder / Und lieſſe durch mein Blut und durch die Todes-Pein Die Schuld gebuͤſt / den Geiſt geſaubert werden / Vergnuͤgte Gott / und auch das Recht der Erden. Jch koͤnte leicht alſo den truͤben Geiſt beſtillen / Und durch vernuͤnfftiges Erwegen / Daß ich die Qval verdient / bezwingen meinen Willen / Ja / ohne Seuffzen mich dem Tode niederlegen / Und durch eine ſtille Bahn Zu dem ſuͤſſen Leben eilen / das kein Unfall ſtoͤren kan.

Nic.

Jch wolte / daß durch Schmach dich haͤtt ein Menſch verletzet / Und daß ſich nicht dein Geiſt dem Himmel widerſetzet; Dann leichter koͤnten wir dir retten deinen Ruhm / Als recht genugſam thun der Goͤtter Heiligthum. Was dich nun itzt verletzet hat / Das biſtu ſelbſt / wie ich vermeine; Hat man dich nicht betroffen auf der That / Und zwar mit dieſem gantz alleine Mit dem dein leichter Geiſt hat Eh und Treu gebrochen? Wareſtu denn nicht dem Sohne des Montano recht verſprochen? Wie ſoll man dieſes denn nicht klaren Ehbruch nennen? Und meinſtu / daß deine That noch ohn allen Tadel ſey?

Amar.
131Fuͤnffter Auftritt.
Amar.

Man mag das Werck vor was man wil erkennen: Kein Geſetz hab ich verletzet / und bin nun der Strafe frey

Nican.

Die Satzung der Natur zwar haſtu nicht verletzet; Sie ſagt: Komm liebe dis / worzu du biſt geſinnt. Doch haſtu wider die des Himmels dich geſetzet / Die rufft: nicht liebe mehr / als was man dir vergoͤnnt.

Amar

Es ſcheint / daß Erd und Himmel auf mein Verderben tracht Jſt es wahr / daß unſer Heil uns von oben wird gebracht / Wie wird der Himmel doch ſein rechtes Ambt verwalten? Wann itzund das Verhaͤngnis macht Daß eine fremde Schuld vor meine wird gehalten.

Nic.

Ach! Nymfe halt doch innen / Bezwing doch Zung und Ungedult / Der Himmel hat nicht Schuld. Wer wird wol deſſen Thun und heimliches Beginnen Verwegen tadeln koͤnnen? Ach tadle keinen Stern / verklage Geiſt und Sinnen / Von denen gut und boͤſe Faͤlle rinnen.

Am.

Jm Himmel klag ich nichts / als mein Verhaͤngnis an: Und uͤber die ſo mir die Schmach gethan.

Nic.

Klag uͤber dich nur ſelbſt / die du dich haſt betrogen.

Am.

Ja ich betrog mich zwar / durch fremde Liſt gezogen.

Nic.

Dieſe der Betrug gefaͤllt fuͤhlet nicht Betruͤgerey.

Am.

So meinſtu / daß ich voll von Brunſt und Unzucht ſey?

Nic.

Das weiß ich warlich nicht: du kanſt das Werck befragen.

Am.

Die Wercke zeugen offt / was nicht die Hertzen ſagen.

Nic.

Doch ſchaut man nur das Werck / die Hertzen aber nicht.

Am.

Der Geiſt iſt vor das Hertz als Auge zugericht.

Nic.

Doch iſt der Geiſt verblendt / wenn ihn der Sinn nicht fuͤhret.

Amar

Ach! fuͤhrt ihn nicht Vernunfft / ſo wird er falſch geſpuͤhret.

Nic.

Ja die Vernunfft verfehlt in unbekanter That.

Amar.

So weiß ich daß mein Geiſt hier nicht verfehlet hat.

Nic.

Wer hat dich denn / als du / gefuͤhret in die Hoͤle.

Am.

Die Einfalt / und ſonſt nichts / als eine reine Seele.

Nic.

Haſtu denn Buhler dann die Seele ſo vertraut?

Am.

Der Freundin / auf die ich mehr als zu viel gebaut.

Nic.

Was Freundin? Ja / du meinſt das Gunſt-geneigte Hertze.

J 2Am.
132Der Vierten Abhandlung
Am.

Die Schweſter des Ormins, den Leitſtern zu dem Schmertze.

Nic.

Wen ſeine Buhlſchafft lockt / der lachet der Gefahr.

Am.

Was wuſt ich / ob dahin Mirtillo kommen war?

Nic.

Was hatteſtu aldar zu thun dir fuͤrgenommen.

Am.

Genug / daß ich dahin nicht ſeinet wegen kommen.

Nic.

Ach weiſtu nichts / als dis / ſo iſts uͤm dich gethan.

Am.

Man frag ihn / ob er mich mit Recht was zeihen kan?

Nic.

Er / den man gleiche Schuld / und gleichen Fleck ſchaut tragen?

Amar.

Die / ſo mich hat verfuͤhrt / mag mein Verbrechen ſagen.

Nic.

Der trauen / die dich ſelbſt durch Untreu hat verletzt.

Amar.

So ſey die Unſchuld denn auf einen Eid geſetzt. Diana ſoll mich ſehn mit gleichen Lippen ſchweren.

Nican.

Sie kennt den falſchen Eid / ſie wird ihn nicht begehren. Ach! Nymf / ich heuchle nicht! Laß die Gedancken ſchwinden / Und dich doch nicht durch Dunſt und Traͤume binden / Und hoͤre / was dein Freund itzt ohne Falſchheit ſpricht. Zum ſaubern iſt fuͤrwar kein truͤbes Waſſer gut. Es wird kein gutes Wort erzeugt durch falſchen Muth / Wann uns das Werck verklagt / Da hat Entſchuldigung zu keiner Zeit behagt. Du haͤtteſt ja das Kleinod deiner Zucht Den Angen gleiche ſollen ſchaͤtzen / Du wirſt dich nur durch Selbſt-Betrug verletzen / Und findeſt nicht / was du geſucht.

Amar.

So ſoll ich nun vergehen? Nicandro, ach! was ſtoͤſt mich an! Jſt keiner hier der mich begehrt zu ſchuͤtzen? Ach! ich fuͤhl ohn allen Troſt mir den Tod das Hertze ritzen! Nichts als Wehmuth ohne Krafft / die mir doch nicht helffen kan / Wil / als traurige Geſpielin / itzt an meiner Seite ſtehen.

Nican.

Ach Nymfe ſtelle dich zur Ruh! Und haſtu deinen Witz befleckt mit falſcher Schuld / So mache / daß dein Todt Nicht ohne Strahlen ſey der muhtigen Gedult. Und iſt dein Stamm gepflantzt durch einen Gott / So lenck auch deinen Geiſt itzund den Himmel zu. Die Wurtzel treibt den Baum / den Fluß gebiert das Meer; Was133Fuͤnfter Auftritt. Was Freud und Leid ſich nennt / das koͤmt von oben her / Was hier in dieſer Welt offt unſre Geiſter druͤcket / Das hat der gute Qvell von oben zugeſchicket. Der groſſe Jupiter, der alles weiß und kennt / Ja dieſer Goͤttin reines Weſen / Der ich zum Prieſter bin erleſen / Die wiſſen / wie mich itzt dein Unfall hat berennt. Hat mein Geſpraͤche dich verletzet / So folgt ich hier der Aertzte Hand / Die offtermals mit grauſamen Erbarmen Das Eiſen laͤſt in einer Wund erwarmen / Und es in die Oerter ſetzt / Wo ſich der groͤſte Schmertzen fandt; Ach ſtelle dich zur Ruh / und laß dir dis belieben Was in dem Himmel iſt geſchrieben.

Amar.

O rauher Spruch! er komm aus Himmel oder Erden; Doch weiß ich wohl / er koͤmt vom Himmel nicht / Weil ihm ja von meiner Unſchuld itzt nicht Wiſſenſchafft gebricht / Er kennt mich: doch mir kan ſo nicht geholffen werden / Dieweil ich ſterben ſoll. Ach ſchwerer Gang! Ach herber Trunck! Und wilſtu mir / wie du geſagt / noch wohl / So verweile noch ein wenig. Ach! es iſt ja Zeit genug!

Nican.

Der / ſo nicht gerne ſtirbt / ſchmeckt ſtuͤndlich ſeinen Tod: Nicht gerne ſterben iſt die groͤſte Todes-Noth / Wer ſterben ſoll und muß / wird zeitlich uͤberwinden / Wenn er ſich zeitlich wird zu ſeinem Tode finden.

Amar.

Vielleichte wird mir wol noch etwan Huͤlffe kommen. Ach Vater! wie verlaͤſtu mich / Bin ich dann nicht dein Kind / Wie biſtu gegen mich geſinnt? Werd ich ohne deinen Kuß in das kalte Reich genommen? Ach Vater dieſer Schlag verletzet mich und dich. Die Wunde / ſo itzund der Tochter wird geriſſen / Heiſt auch des Vatern Blut mit reichen Stroͤhmen flieſſen. Liebſter Vater / ſuͤſtes Wort / dem der Nectar muſte weichen / Wie daß du mich itzund mit Schmertzen ſterben laͤſt? Der meinen Noͤthen ſtets hat wollen Huͤlffe reichen /J 3Be -134Der Vierten AbhandlungBegehrt itzund alſo der Tochter Hochzeit-Feſt? Es ſchauret mir die Haut / es beben mir die Knie / Des Morgens Braut / des Abends Opffer-Vieh.

Nican.

Ach Nymfe / plage dich und andre nicht uͤmſonſt / Jch muß dich itzt in Tempel fuͤhren. Jch moͤchte ſonſt Genad und Gunſt Der Goͤtter und der Menſchen gantz verlieren.

Amar.

Nun / ihr Walder / gute Nacht! Nehmt dieſen letzten Seuffzer an / Bis der ungerechte Stahl mich wird haben uͤmgebracht / Und mein Schatten euren Schatten wiederum begruͤſſen kan. Dann in die Hoͤle weiß die Unſchuld nicht zu gehn: Und die Verzweiffelung kan nicht im Himmel ſtehn. Mirtillo, dieſer Tag troff voller Ungeluͤcke / Als mich dein Ange hat das erſtemal betracht / Und ich das erſtemal empfunden deine Blicke; Soll dann mein Leben / So du noch mehr als das deine geliebet / Nur dir zum Leben ſeyn gegeben / Damit es mich itz und dem bleichen Tode giebet / Und fuͤhret in die lange Nacht? Wer ſolte dieſes dencken. Jch leide Todes-Pein / Dieweil ich aller Schuld und Suͤnde frey zu ſeyn / Dich ſo viel lange Zeit bemuͤhet war zu kraͤncken. Das Fromm ſeyn und der Glimpff verrauchen ohne Frucht / Es mangelt uns Verbrechen oder Flucht / Was hilfft dis aber mich: Jch ſterb itzt ohne Schuld / und auch / ach! ohne dich / Mirtillo, ach! mein Hertze!

Nic.

Jhr Goͤtter / ach! Sie ſtirbt vor Schmertze! Ach! Komt / und helfft ſie mir doch halten! Ach! ungemeine Noth! Des Mirtillo fuͤſſer Nahmen bringet ihr itzund den Tod / Und verliebte Traurigkeit wil des Beiles Statt verwalten. Du / arme Nymfe / du! doch ſpuͤr ich noch ein Leben / Mich deucht ich fuͤhl ihr Hertze ſchlagen / Helfft mir ſie doch zum nechſten Brunnen tragen;Leicht -135Sechſter Auftritt. Leichtlich wird ein friſcher Tropffen ihr noch etwas Kraͤffte geben. Doch / bey dieſer wird Erbarmnis gar ein ſchlechtes Lob erwerben / Die durch Schmertzen wil vergehn / daß ſie nicht durch Stahl darff ſter - ben. Doch muß man ſie nicht laſſen in der Noth. Was kuͤnfftig iſt / das weiß alleine Gott.

Sechſter Auftritt.

Reyh der Jaͤger. Reyh der Schaͤfer / mit dem SIL VIO.

Choro di Pastori et Cacciatori. 27J. WBaur in. Cum. Pr. S. C. M. Melch. Küsell f
R. d. J.

HAt deine junge Fauſt ſich maͤnnlich wollen wagen / Zu faͤllen dieſes Schwein? So wird der Hercules, der auch ein Schwein ge - ſchlagen / Gewiß dein Anherr ſeyn!

J 4R. d.136Der Vierten Abhandlung
R. d. S.

O junger Held / dem Ruhm gebuͤhret / Durch dich fiel Erimantus Wild / So man vor unbezwungen hielt / So tod den Tod noch in ſich fuͤhret. Wer dieſes nicht wohl glauben kan / Der ſchaue hier den Schaͤdel an / Den unſer Halb-Gott abgeſchlagen. Jhr Hirten ſchreibt den Tag in Stahl und Marmel ein / Des Ruhmes Fluͤgel ſoll ihn tragen / Und jaͤhrlich muß er auch von euch gefeyret ſeyn.

R. d. J.

Hat deine junge Fauſt ſich maͤnnlich wollen wagen / Zu faͤllen dieſes Schwein / So wird der Hercules, der auch ein Schwein geſchlagen / Gewiß dein Anherr ſeyn!

R. d. S.

O junger Held! mit Ruhm uͤmfangen / Der du das Leben ſchlecht geſchaͤtzt / Und kuͤhn vor ander aufgeſetzt; So laͤſt die Ehre ſich erlangen! Der Himmel hat in dieſer Welt Den Schweiß dem Ruhme zugeſellt / Aus Unluſt wird die Luſt gebohren. Es hat die duͤrre Ruh / ſo nicht Bewegung liebt / Sich unvermerckt auch hin verlohren: Die Arbeit pflantzt den Baum / der rechte Fruͤchte giebt.

R. d. J.

Hat deine junge Fauſt ſich maͤnnlich wollen wagen / Zu faͤllen dieſes Schwein / So wird der Hercules, der auch ein Schwein geſchlagen / Gewiß dein Anherr ſeyn!

R. d. S.

O junger Held! der Ehr erlanget / Durch den das angenehme Feld / So vormals uͤbel war beſtellt / Mit ſeiner alten Krone pranget. Jtzt wird in ſtiller Sicherheit Der ſchwere Samen ausgeſtrent / Der Bauer kan in Hoffnung pfluͤgen / Die Erndte ſtoͤhrt forthin kein ungezaͤhmter Fuß / Es heiſt kein Zahn die Aehren liegen / Und macht / daß guter Fleiß zu nichte werden muß.

Reyh
137Sechſter Auftritt.
Reyh der J.

Hat deine junge Fauſt ſich maͤnnlich wollen wagen / Zu faͤllen dieſes Schwein / So wird der Hercules, der auch ein Schwein geſchlagen / Gewiß dein Anherr ſeyn!

Reyh der Schaͤfer.

O junger Held! die hohen Wercke Belacht des Himmels reine Pracht; Dein Schwein war nicht von minder Macht Als das da band des Herculs Staͤrcke. Es haͤtte deine Helden-Hand Es auch gelegt in Kett und Band; Doch muſt das erſte Meiſter-Zeichen / Nicht wie das dritte ſeyn / ſo Hercules gethan. Die Jugend wil das Wild beſtreichen / Dein hoͤher Alter greifft die Ungeheuer an.

Reyh der Jaͤger.

Hat deine junge Fauſt ſich maͤnnlich wollen wagen / Zu faͤllen dieſes Schwein / So wird der Hercules, der auch ein Schwein geſchlagen / Gewiß dein Anherr ſeyn!

Reyh der S.

O junger Held! dem Ruhm gehoͤret; Wie kan doch Gottesfurcht und Muth Bewegen dieſes junge Blut? Schau! Cynthia, womit dich ehret Dein Jaͤger; Nim den Schaͤdel an / Der hier und da iſt angethan Mit Zaͤhnen / den dein Horn ſich gleichet. Nun Goͤttin! flog der Pfeil vermittelſt deiner Hand / Und hat das rauhe Wild erreichet / So nim itzt auch den Kopff / als wahrer Liebe Pfand.

J 5Sie -138Der Vierten Abhandlung

Siebender Auftritt.

CORIDON.

[I]WB aur in. Coridon Amanto de Corisca. Cum Pr. Sac. Cæs. Maÿ. 28 Melch. Küsell f.

WAs mir der Satiro vergangen hat vertraut / Das hab ich erſtlich faſt als Maͤhrlein angeſchaut / Jhm zwar zur Nutzbarkeit und mir zum Schimpff erdacht. Jch ſagt / iſt dis / was mir Liſette fuͤrgebracht / Nicht lauterer Betrug? Wie kan denn dis beſtehen / Daß die Coriſca wird dahin mit andern gehen / Da ſie allein auf mich zu warten ſich entſchloß? Doch dieſer Hoͤle Schlund macht mich des Zweiffels loß / Jch ſchaue ja dafuͤr die Laſt des Steines liegen / Die Sach iſt allzuwar / ich ſpuͤre kein Betruͤgen. Coriſca, ach Coriſc! ich hab es laͤngſt geſagt / Daß auf den falſchen Tritt / der dir bisher behagt /Ein139Siebender Auftritt. Ein ungemeiner Fall noch wuͤrde folgen muͤſſen: Jch haͤtte zwar zuvor und zeitlich koͤnnen ſchlieſſen / Daß Falſchheit uͤbermahlt durch ſchnoͤde Heucheley Des Zufalls / der dich trifft / ein Trieb geweſen ſey / Wann nicht die Liebe mir den Fuͤrhang fuͤrgezogen. Das Gluͤcke hat fuͤrwar noch meiner wohl gepflogen / Es war / als wenn man mir ein Schwerd ins Hertze ſtieß / Als mich der Vater noch zu Hauſe bleiben hieß. Nun ſchau ich / daß ich ſo bin der Gefahr entnommen / Denn waͤr ich etwas fruͤh hin zu der Hoͤle kommen / So ſteckt ich itzt in Noth. Was fang ich aber an / Soll itzt mein Eifer ſeyn durch Rache kund gethan? Nein / nein / mein Eifer wird durch Achtbarkeit verzehret / Und Wehmuth wird allhier / nicht Rach und Zorn begehret. So haſtu denn Gedult / und leideſt den Betrug? Sie fuͤhlt itzund das Schwerd / damit ſie andre ſchlug; Sie wolte meine Treu veraͤchtlich von ihr jagen / Und ließ den Schaͤfer-Knecht vor andern ihr behagen / Der / als ein Fremder / ihr ſtellt mit Betrug und Liſt / Und ſie in kurtzen ſelbſt mit ihrer Ehle miſſt. Wie aber wird man dann die Schuld nicht raͤchen muͤſſen? Soll das Erbarmnis denn hier aus dem Zorn entſprieſſen? Sie hat dich ja verletzt / doch auch zugleich geehrt / Jch halte viel von mir / daß mich ein Weib verſehrt / Die nach gemeinem Brauch / auf ihr Verderben rennet / Was Lieb und Gegenlieb / erfodert nicht erkennet / Die den / der Liebens werth / als leichte Spreuen acht / Und den / der nichts verdient / zu lieben iſt bedacht. Steigt aber dir der Schimpff gleich itzo nicht zu Hertzen / So wird doch der Verluſt nicht bleiben ſonder Schmertzen. Dis / was nicht meine war / das wird mir nicht entwandt / Jch hoͤr itzt auf zu ſeyn ein Sclave fremder Hand. Was iſt doch vor Verluſt bey Schoͤnheit ohne Zucht / Bey Augen / da der Witz vergebens wird geſucht / Bey Leichnam ohne Hertz / bey Hertze ſonder Seele / Und Seele ſonder Treu / ja einer faulen Hoͤle / Da nur ein Schattenwerck und Aaß der Liebe liegt / So morgen durch Geſtanck und Faͤuluis wird bekriegt /So140Der Vierten AbhandlungSo allen Glantz verzehrt. Jſt dis Verluſt zu nennen? Man wird es / irr ich nicht / noch vor Gewinn erkennen. Wird ohne die Coriſc an Nymfen Mangel ſeyn? Und ſtellt ſich ohne ſie nichts wehrtes bey mir ein? Sie ſelber wird forthin nicht ſolche Buhler finden / Die ſie mit Lieb und Treu / wie Coridon, verbinden / Sie war nicht ſeiner werth. Ach! ſing ich dieſes Lied / Darzu der Satiro mir ihr zum Schaden rieht Und ſagte / wie ſie Treu und Redligkeit gebrochen / So haͤtt ich mich genug an ihrer Liſt gerochen. Es gieng ihr an den Halß / doch mein geſetzter Geiſt Wil nicht / daß mich ein Weib itzt in Verwirrung reiſſt. Die Bosheit einer Frau war allzuſehr geehret / Wann auch durch dieſes wuͤrd ein reiner Geiſt geſtoͤret / Wenn er ſich raͤchen ſoll. Coriſca mag itzund Verbleiben / was ſie wil / es iſt ihr wohl vergunt. Sie darff ſich wegen mein nicht in den Tod begeben / Sie mag / dafern ſie wil / itzt wegen andrer leben. Jhr Leben ſoll und muß mir kuͤnfftig Rache ſeyn. Sie lebt itzt ihrer Schmach und Buhlſchafft gantz allein / Jhr Zuſtand wehret mir / ihr Feindſchafft zu erzeigen / Jhr Spott / nicht ihre Schuld wird mir zu Hertzen ſteigen.

Ach -141Achter Auftritt.

Achter Auftritt.

SIL VIO.

J. WBaur in. Eccho et Siluio. Cum Pr. S. C. M. 29 Melchior Küsellf

ACh Goͤttin! die du ja nur Goͤttin denckſt zu ſeyn Des Volckes / das man kan falſch / blind und muͤßig ſchauen / So durch verkehrten Sinn ehrt deines Nahmens Schein / Und mit nichtigem Vertrauen Dir Tempel und Altar wil bauen / Sag ich Tempel? Zufluchts-Staͤdte / Schand - und Bosheit-reicher Wercke / Da faͤlſchlich ſich der Titel reiner Pracht / Der faulen Schlipffrigkeit zu einer Decke macht. Und142Der Vierten AbhandlungUnd daß man nicht das Schand-Spiel mercke / So biſtu Goͤttin ſtets bedacht / Dein eigne Schuld durch fremde Schuld zudecken / Wann du deinem Volcke laͤſt frey den Geilheits-Zuͤgel ſchieſſen. Thorheits-Freundin / Diebſtahlſtifftern / Seelenſtoͤrern / Weltbe - trug / Das Meer das hatte guten Fug / Daß es aus ſeiner Schos dich / Tochter / hieß entſprieſſen / Und als ungeheure Mutter dich ließ in der Muſchel ſtecken / Dich / dich / die erſtlich zwar durch linde Hoffnungs-Lufft Jederman berufft; Doch bald darauf in allen Hertzen Nichts anders wirckt / als Ungeſtuͤmm und Schmertzen / Als Angſt und Pein. Daß du beſſer eine Mutter vieler Stuͤrme / Qval und Threnen / Von Wahnwitz und vergebnen Sehnen / Als der Liebe koͤnteſt ſeyn. Betrachte doch itzt das verliebte Paar / So du in Noth haſt wollen ſetzen; Jſt die Allmacht / ſo du ruͤhmeſt / dir itz und nicht gantz verkuͤrtzet / So rette doch der armen Nymfe Leben / So dein uͤberzuckert Gifft itzt hat in den Tod geſtuͤrtzet. O mehr als geluͤckliche Zeit! Da dir meine keuſche Seele / Cynthia, gewiedmet war. Cynthia, die hier mein Geiſt wil vor ſeine Gottheit ſchaͤtzen / Und ihr ewig Opffer geben. Ach! maͤchtige Gottheit / Die unten die trefflichſten Seelen erfreut: Als wie bey den Sternen glaͤntzet deines Feuers Zierligkeit / Wie ſicher kan man doch in deinen Dienſten ſchweben / Da die armen Venus - Knechte nichts betrifft als Noth und Leid / Das Volck / ſo dich verehrt / legt wilde Schweine nieder / Durch Schweine ſind zumalmt der Venus - Knechte Glieder. Hier iſt mein Bogen / der nicht fehlt / Meine Krafft und Luſt; Die Pfeile ſtecken hier / den nichts als Sieg bewuſt;Die143Achter Auftritt. Die Pfeile ſtecken hier / den nichts als Sieg bewuſt; Und derer Flug allzeit zum Ziele rennet / Das kleine Gauckel-Spiel / So man die Liebe nennet / Und ihm die kindiſchen Waffen erwehlet / Komm itzt herbey / und ſtuͤrme wie es wil. Was mach ich aber doch? Jch ehre dich zu viel / Du kleiner Kinder-Schuͤtze / komm / komm / und reitze mich! Jch ruffe dich / ſo ſehr ich kan; Komm doch heran. Die Peitſch iſt nur / weil du ein Kind / vor dich. (VV. Jch Jſt dis der Wiederſchall / ſo in dem Walde blieben? (VV. lieben Die Liebe ruff ich itzt: So biſtu nun alhier. (VV. hier. Hier der Sohn derſelben Gottheit / ſo den Adon ihr er - kieſt. (VV. iſt Jſt es ſo / des Mavors Hure / ſo die Sterne lehret ſcher - tzen. (VV. hertzen Hertzlich klag ich / ſo zu lallen und mit Wind und Lufft zu ſprechen. (VV. raͤchen Raͤchen wil ſich derer Sohn / die ſo mancher Mann be - rennet. (VV. brennet Brennſtu gleich / ſo wird Vulcan dich doch nicht vor Sohn erkennen /(VV. nennen Nennen wird er dich das Weſen / ſo die Hertzen aufge - ſchwellt. (VV. Welt Welt / iſt dieſes dein Pallaſt / daß man hier in Straffe falle. (VV. alle Alle / ſo dich nicht verehren? doch was wird ſie wol verzehren? (VV. Zaͤhren Zaͤhren? Soll ich auch den weinen / denn du ſtets uͤmſonſt berannt? (VV. Brant Brant / wenn komt es / daß der Brandt mir Gemuͤth und Blut erhitzt? (VV. itzt Jtzo bald? Jch weiß es nicht: Kan man denn ſo bald entbrennen? (VV. rennen Rennen ſoll ich zu der Liebe? Ach! ſie bleibet wohl dort - hinden(VV. DorindenDie144Der Vierten AbhandlungDie Dorinde ſoll es ſeyn? Meinſtu dieſes denn alſo? (VV. So So ſoll ich denn Feinde lieben? Sage mir wer zwinget mich? (VV. Jch Jch ſoll itzt durch dich erliegen / und durch deiner Feinde Stich? (VV. dich Durch mich und meinen Pfeil? Was wirſtu endlich ſpre - chen? (VV. brechen Mein zubrochen Pfeil und Bogen ſoll dir nach dem Kopffe fliegen. (VV. luͤgen. So ſchau ich ja / daß du mit Weine biſt gefuͤllet / Lege dich doch auf ein Ohr / Und ſchlaff zuvor. Doch ſage mir doch auch / woraus dein Hochmuth qvillet? Wann aber zeigſtu mir doch deiner Flammen Blitz? (VV. Jtz Jtzt iſt ſchon vorbey / O der lahmen Prophecey! (VV. Ey Wie aber ſchau ich nicht in jener Hecken / Oder komt es mir ſo fuͤr? Sich etwas graues ſtrecken / So ſich einem Wolffe gleicht; Es ſcheint nicht nur / es iſt ein groſſer Wolff alhier. Wer iſt es / der mir itzt nicht an Geluͤcke weicht? O Tag / aus welchem nichs / als Sieg und Ehre qvillt! O Goͤttin / die mich heiſt zu faͤllen doppelt Wild! Wie / daß ich doch verweile / Schaue / Goͤttin / wie ich wil Den beſten meiner Pfeile / Jn deinem Nahmen itzt erkieſen. Ewige Schuͤtzin / damit das Geluͤcke Mir nicht den Schuß verruͤcke / So laß ihn auf das rechte Ziel Durch deine Leitung ſeyn gewieſen! Jn deinem Namen fleucht er itzt aus meiner Hand / Die Haut gelob ich dir / als meiner Liebe Pfand;

O145Neunter Auftrit.
J. WBaur in. Siluio et Dorinda. Cum Pr. S. C. M. 30. Melchior Küsell[f.]

O ſchoͤner Schuß! Der Pfeil / der ſteckt aldar / wohin ich ihn gericht! Ach / haͤtt ich meinen Spieß ihn vollends recht zu faͤllen! Bald nimt er aufs Gepuͤſche ſeinen Lauff: Es ſcheinet / daß ich itzt die Stein ergreiffen muß; Doch findet man ihr auch nicht viel an dieſer Stellen. Was aber halt ich mich doch noch vergebens auf? Und ſuche mir Geſchoß? Was mach ich mir Verdrus? Was iſts / das mir gebricht? Hier ſteckt ja noch ein Pfeil / der ſoll den Garaus machen. Ach! was ſchau ich doch vor Sachen! Was haſtu Silvio gethan! Ach! Silvio, du Zweck von aller Noth / Unter einem Wolffes-Kleide ſchuͤſtu einen Hirten nieder! O ſchwerer Fall / den ich nicht wohl vertragen kan! KO Zu -146Der Vierten AbhandlungO Zufall / arger als der Todt! Mich deucht / ich kenne ihn / Der Linco ſteht bey ihm / und haͤlt die matten Glieder! O du verfluchter Pfeil / wie flohſtu ſo dahin? Du toͤdtliches Geluͤbd / und Urſach aller Pein / Die meine Luſt zerſtoͤret! Doch muß die Goͤttin mehr / als dieſes toͤdtlich ſeyn / Die es verſtattet hat und willig angehoͤret. Jch ſtellte mich zuvor / als ein Erloͤſer ein / Und ſparte vor das Volck noch Zeit / noch Blut noch Leben; Jtzo muß ich Moͤrder ſeyn und in Spott und Schanden ſchweben. Wirff / wirff den Bogen hin / du ungeachter Schuͤtze / Er iſt dir nichts mehr nuͤtze. Ach! ſchauet doch den Armen an / Der doch noch nicht ſo arm / als ich itzt werden kan.

Neunter Auftritt.

LINCO. SILVIO. DORINDA.

J. WBaur in. Lincus Siluio et Dorinda. Cum Pr. Sac. Cæs. May. 31 Melchior Küsell[f.]
Ach!147Neunter Auftritt.

ACh! Tochter / hat dich an! Dorinda lehne dich getroſt hier auf die Armen.

Silv.

Ach! Dorinda, ich bin todt.

Dor.

Linco, Linco, der als Vater nimmermehr mich laſſen kan!

Silv.

Jhr Goͤtter / laſſt euch dis erbarmen! Es iſt Dorinda, ja / ach weh der groſſen Noth!

Dor.

Es ſcheint / daß durch des Himmels Schluß Jhm der Linco de Dorinda ſtets mit Treuen muß verbinden. Er ließ ſich erſtlich bald bey meiner Wiege finden / Jtzt merck ich / daf er mich auch ſterben ſchauen muß / Und der Arm / ſo meiner Kindheit Windel und auch Wiege war / Macht ſich itzt mit hoͤchſter Wehmuth zu der treuen Todtenbahr.

Linco.

O Tochter / mehr als Tochter geliebet / Verzeihe / daß mein Mund dir itzt nicht Antwort giebet / Zu Thraͤnen wird mein Wort durch uͤberhaͤuffte Pein

Silvio.

O Erdreich / thu dich auf / verſchlinge mich in dich!

Dor.

Ach! ſtelle dein Eilen und Weinen doch ein. Dann jenes mehrt den Schaden / Damit ich bin beladen; Und dis betruͤbet mich.

Silv.

Soll nun dieſes / ſchoͤne Nymfe / deiner Gunſt Belohnung ſeyn?

Linc.

Tochter / ſey nur unverzagt / Vielleicht iſt noch zu deinem Schaden Rath.

Dor.

Schoͤner Rath / wenn mir der Tod Huͤlff und Leben abgeſagt. Doch / wuͤſt ich doch zuvor wer mich verwundet hat?

Linc.

Zu Mitteln muß man itzt / und nicht zum Thaͤter eilen: Die Rache weiß die Wunden nicht zu heilen.

Silv.

Was machſtu aber hier? Und darffſtu noch verweilen? Stehſtu ſo keck fuͤr ihr? Wer legt dir dieſe Kuͤhnheit bey? Ach fleuch die Straffe / ſo dir dreut! Du bleibſt von ihr nicht frey. Schauſtu nicht / wie ſie die Rache itzt aus Aug und Lippen ſtreut Ach Silvio, ach fleuch! Ach / ach! Jch kan ja nicht; Ach! Jch weiß nicht / was vor Regung mir itzt in die Ohren ſpricht / Verzeuch / verzeuch:K 2So148Der Vierten AbhandlungSo muß ich ja verziehen / Wiewol ich ſolte fliehen.

Dor.

So ſterb ich unbewuſt durch was vor eine Hand?

Linc.

Silvio hat es gethan.

Dor.

Silvio, ach! ſage mir / wie man dieſes niſſen kan?

Linc.

Sein Pfeil iſt mir bekandt.

Dor.

So ſchließ ich hoͤchſt erfreut der Augen mittes Licht / Weil Silvio mein trenes Hertze bricht.

Linc.

Da iſt er gleich. Es ſcheint / er klagt ſich ſelber an. Der Himmel ſey gepreiſet / Du biſt in Waͤldern nun ſo lang umher gereiſet / Biß du einen rechten Schuß endlich haſt verrichten muͤſſen: So thue mir doch nun zu wiſſen / Der du wilſt wie Silvio, und nicht wie der Linco leben / Was ich dieſen ſchoͤnen Schuſſe ſoll vor einen Nahmen geben? Du weiſer Menſch / dem nichts zu gleichen / Haͤtteſtu dem alten Jecken nur zu rechter Zeit geglaubet; Denn wird dieſe hier erbleichen / So biſtu aller Luſt beraubet. Jch weiß du wirſt mich itzt berichten / Daß du dir einen Wolff zu treffen haſt gedacht. Vorwar / du wirſt die Sache ſo nicht ſchlichten. Dann heiſt das nicht blind zu ſeyn / alſo thoͤricht hin zu ſchieſſen; Du kenneſt ja der Hirten Tracht / Die ſich ſiets grau zu kleiden ſeyn befliſſen. Bilde dir / Silvio, dieſes nur ein: Wer ihm den gruͤnen Schein der Sinnen laͤſt belieben / Vor den iſt reiffe Fruchtdes Jrrthums auch verblieben / Meinſtu denn / daß dieſes Werck ohngefehr ſo kont entſprieſſen? Ach nein! Was Hertz und Geiſt erſchreckt / Geſchicht nicht ohngefehr; Es wird durch Gott erweckt / Und komt von oben her. Schauftu nicht / Daß dir des Himmels Geiſt / Erzoͤrnt vor uͤbel ſpricht / Daß du dich ohne Lieb und Welt zu ſeyn befleiſt? Die149Neunter Auftritt. Die Goͤtter wollen nicht auf Erden Goͤtter wiſſen / Die Tugend muß allhier auch Hochmuths wegen buͤſſen. Was ſagſtu nun itzund? Wer ſchleuſt dir doch ſo bald den vor beredten Mund?

Dor.

Ach! Silvio, laß nur den Linco ſagen: Jhm iſt gantz unbekand / Was uͤber mich dein Geiſt vor Herrſchafft hat gefuͤhret / Ja wie mein Geluͤck und Leben bloß in deiner Fauſt beſtand. Muß ich itzt deinen Pfeil in meinem Hertzen iragen / So trag ich dis / was mir gebuͤhret / Ja du beſtreichſt ein Ziel vor dein Geſchoß genacht / Und weil mich albereit dein Augen-Blitz geruͤhrt / So werd ich itzund leicht erlegt durch deine Ha〈…〉〈…〉 Schau dieſe / ſo du ſtets zu haſſen haſt gedacht / Numehr / wie du ſie laͤngſt zu ſchauen haſt begehrt / Zu ſchieſſen haſtu ſie getracht / Es wird dir itzt gewehret: Sie ſolte deine Beute ſeyn / Sie ſtellt ſich auch / als Beute vor dir ein; Du trugſt nach ihrem Todt ein ſehnliches Verlangen. Jtzt findeſtu den Todt auf ihren bleichen Wangen; Was wilſtu mehr von ihr? Nichts mehrers weiß Dorinda dir zu geben. Soll dann ewig / Silvio, Stahl in deinem Hertzen ſchneben? Du kanteſt nicht / was mir Die Liebe wegen dein vor Wunden aufgeriſſen / So ſchau die Wunde hier / gemacht durch dein Geſchoß. Du verachteſt ſtets das Blut / ſo aus meinen Augen floß: So achte nun die Stroͤhme / die aus meiner Seite ſchieſſen? Haſtu aber mit Erbarmnis nicht auch Muth und Hoͤfligkeit / (Die letzten zwey ſind ja mit dir geboren) Jtz gantz verlohren / So verweigere doch nicht Den letzten Todes-Streit / Den letzten Seuffzer / der aus meinem Hertzen beicht / Mit einem Seufzer zu verehren: Suͤſſe wird mein Sterben ſeyn / laͤſtu mich die Woͤrter hoͤren: Reine Seele / fahre wohl!

K 3Silv.
150Der Vierten Abhandlung
Silv.

Ach! Dorinde, ſag ich meine? ſo ich meine nennen ſoll / Die meine wird / da ſie mir wird entwandt? Ja da ſie ſoll durch meine Hand erkalten / Und dazumal nicht meine war / Als ich ihr noch das Leben kont erhalten: Doch wirſtu mein itzund genant / Und verbleibeſts / was ſich auch immermehr darwieder ſetzet: Und waͤreſtu nicht meine / Als du mich deiner werth geſchaͤtzet / So nennet Silvio Dorirda doch die Seine / Auf der ſchwartzen Toden-Baar. Was du an mir ſchane kanſt / iſt bereit dich itzt zu raͤchen / Mein Pfeil verletzte Dane Bruſt / Du muſt mit meinen Pfeil auch meine Bruſt durchſtechen. Und wie dein Grimn mich itzund muß verklagen: So wuͤnſch ich / da[ß]dein Grimm auch mag mein Hertze brechen. Du konteſt mir vo〈…〉〈…〉 dieſem nicht behagen / Und meine Torhet hat dich bis hieher veracht. Schau / wie meirtreuer Fuß Hier ſich fuͤr dir[b]iegen muß / Und ein Zufall dich zur Goͤttin / und mich dir zum Opffer macht. Um Vergebun[g]ſprech ich dich / doch nicht uͤm mein Leben an. Hier haſtu Pfal und Bogen: Nicht richte / Was ich dir[r]eichen wil / nach Haͤnden und Geſichte / Sie haben[n]ichts gethan; Ein Jrrthum ohne Schuld der hatte ſie betrogen. Verletz[t]dieſe Bruſt / Der Unempfindligkeit verfluchtes Ungeheuer / Der Liebe ſtrenges Ebentheuer: Du irreſt / wo du nicht dem Hertzen Leid anthuſt. Meine nackte Bruſt alhier Die ſchaueſtu fuͤr dir

Dor.

Soll ich an dieſe Bruſt ein kaltes Eiſen ſetzen? Du darffſt ſie nicht entdecken / Haſtu nur rechte Luſt / daß ich ſie ſoll verletzen. Schoͤner Felß / von Wind und Wellen meiner Seuffzer / meiner Zaͤhren /So151Neunter Auftritt. So offtermals beſtritten und beruͤhret; Jſt es Ernſt / daß dir mein Schmertzen Ein Erbarmnis kan erwecken / Oder geht es nicht von Hertzen. Doch du magſt ein weiches Fleiſch / oder ja ein Marmel ſeyn. So denck ich mich doch zu erwehren / Daß ich nicht verfuͤhret ſey durch den weiſſen Wunderſchein / Wie itzt dein und meinen Herren eines Wolffes Schein verfuͤhret. Die Liebe muͤſſe dich / nicht ich itzund verwunden / An deiner Lieb hab ich dich beſte Rache; Hochgelobet ſey der Tag / der mich erſtlich angeſteckt; Geſegnete Seuffzer / geſegnete Zaͤhren / Vor Rache wil ich euch gebuͤhrlich Ruhm gewehren. Ach Silvio, was komt dich an / Daß ſich deine Hoͤfligkeit itzt alhier danieder ſtreckt! Dann / der gehoͤrt nicht zu den Fuͤſſen / Den man vor ſeinem Herren haͤlt. Doch / ſo Silvio ein Knecht der Dorinda werden kan / So ſey ihr auch zu folgen nun beflieſſen / Und ſtehe auf / dieweil es ihr gefaͤllt. Du wirſt mir deiner Treu ja dis zu Pfande geben / Doch dis dabey / daß du begehrſt zu leben / Mir aber werde dis / was oben iſt / geſchrieben / Dann mein Hertze hat in dir gar genugſam Leben funden; Und lebeſtu / ſo bin ich auch bey Leben blieben. Doch / trachteſtu / daß meine Wunden Dem Rechte nach gerochen ſollen ſeyn / So ſey die Ruth auf den / der ſie verdient / gebunden: Der Bogen traͤgt die Schuld / der Bogen leid allein / Der Bogen iſt allhier / von dem koͤmt mein Verderben / Er ſoll alleine ſterben.

Linc.

O rechter und hoͤflicher Spruch!

Silv.

Du Mord-geneigtes Holtz / du ſolſt alleine buͤſſen / Dich / dich betrifft der Fluch / Und / daß du ja forthin nicht moͤgeſt Menſchen ſchieſſen / So brich hiermit in Stuͤcken / Deine Sehne geh entzwey / Dir ſoll kein Schuß in kuͤnfftig mehr geluͤcken /K 4Und152Der Vierten AbhandlungUnd ſey forthin nichts mehr als ein verachter Span / Jhr Pfeile bleibet auch nicht von der Straffe frey: Jhr Gebruͤder dieſes Pfeiles / der den Schaden hat gethan / Brecht / brecht durch meine Hand; Jhr ſolt forthin nicht Pfeile heiſſen / Die Feder wird nicht mehr das ſpitzig Eiſen zieren / Und auch das Eiſen ſoll nicht mehr die Feder fuͤhren / Von Federn wil ich Stahl / von Stahl die Federn reiſſen / Und werffen auf den Sand. Ach! Liebe / dis haſtu aus jener gruͤner Hecken / Durch einen Wiederſchall mir wohl zuvor geſagt: O Gottheit! derer Macht Sich uͤber Gott und Menſchen wil erſtrecken / Zuvor von mir verlacht / Jtzund aber als ein Herr meiner Seele hoch geacht; So dir ein Hertz aus Stahl zu zwingen hat behaget / Ey ſo ſprich doch auch itzund / Den dir zu binden iſt vergunt / Weil dis / was Dorinda trifft / auch nach meinem Hertzen jaget / Von des Todes Pfeilen frey; Dann wird er ihr durchs Hertze dringen / So ſchauet man den Tod / (Mich deucht / daß dis vor einem Gott Mehr als zu ſchimpflich ſey) Die ſiegende Liebe bezwingen.

Linc.

So ſeyd ihr beyde wund? O angenehme Pein! Doch wird die Pein ohn alles Ende ſeyn / Wird die Dorinda nicht geſund. Man muß itzund auf Mittel ſeyn bedacht.

Dor.

Ach! fuͤhret mich doch nicht zu Haus in dieſer Tracht!

Silv.

Wuͤnſcht Dorinda ſonſt wohin / als zum Silvio zu kehren? Mein Haus das ſchaut dich heut als meine Braut; Dis ſoll dem Silvio auch nicht der Todt erwehren / Der dich auch todt zu lieben ihm getraut.

Linc.

Wie findet ſich doch dis alſo zu rechter Zeit / Alls Amarillis Hochzeit / Ehr und Leben Von ihr geriſſen ſchaut. O153Neunter Auftritt. O ſchoͤnes Paar! Jhr Goͤtter zeugt den Blick von eurer Freundligkeit / Denn zweyen koͤnnet ihr itzund das Leben geben!

Dor.

Ach! Silvio wirſtu es nicht gewahr / Wie ich mich kaume kan auf dieſe Seitel encken?

Silv.

Dein Hertze wolle ſich nicht kraͤncken / Man iſt bemuͤht zu aͤndern alles Leid / Wir wollen Stuͤtze ſeyn / ſey du uns ſuͤſſe Laſt.

Dor.

Ach Linco, gieb die Hand.

Linc.

Jch bin dazu bereit.

[I.]WBaue inv. Siluio Dorinda et Linco. Cum Priuilegio S. C. May. 32 Melchior Küsell f.
Silv.

Halt meine Hand / wie du ſie itz und haſt / Wir wollen ihr ſo einen Seſſel bauen. Dorinda, ſetze dich nur frey: Deine Rechte muß ſich dir uͤm den Halß des Linco ſchlieſſen / Und an meinen wirſtu dich mir der Lincken halten muͤſſen /K 5Ge -154Der Vierten AbhandlungGemach / damit der Schaden dir nicht geruͤhret ſey / Sonſt kanſtu ſicher trauen.

Dor.

Ach! welch ein Stich!

Silv.

Setze dich / Wie du vermeinſt / daß ſichs am allerbeſten ſchicke.

Dor.

Mich deucht ich ſitze wohl.

Siv.

Ach Linco! ſchreit gemach / daß man nicht etwan ruͤcke.

Linco.

Schreit du gemach: doch weiſtu ohne mich / Was dir iſt anvertraut / das iſt ein hoͤher Stuͤcke / Als wenn man zum Siegeszeichen einen Schaͤdel tragen ſoll.

Silv.

Erregt / Dorinda, dir der Pfeil auch etwan Pein?

Dor.

Er ſticht mich zwar / mein Hertze / Doch / ein Stich in deinen Armen kan mir nicht verdruͤßlich ſeyn / Und ſtuͤrb ich gleich allhier / ſo ſtuͤrb ich ohne Schmertze.

Schluß-Chor.

OEdel-goͤldne Zeit / Da Milch die Speiſe war / Und da der Puſch die zarte Welt gewieget: Die Heerde ſtund erfreut / Befreyet von Gefahr / Man war noch nicht durch Schwert und Gifft bekrieget; Der Kummer / der itzt auf uns lieget / Hat uns noch nicht verdecket. Der wahren Sonnen Licht / So uns itzt mehrentheils gebricht / Und in dem Joch der Sinnen ſich verſtecket: Dis zeigt den Trieb / der dis und das begehret / Der fremdes Ufer ſucht / und fremde See befaͤhret. Der Firnis ohne Grund / Der keine Warheit kennt / So ſich mit Liſt und ſchnoͤden Schmeicheln zieret / Und der gemeine Mund / Die Ehre hat genennt /Der155Schluß-Chor. Der hatte noch kein Hertze recht beruͤhret: Vielmehr wie ſichs alhier gebuͤhret / Jn Luſt ohn alle Suͤnden / Bey Puͤſchen und bey Fluß / Zu ſtaͤrcken Hertze / Geiſt und Fuß / War da ihr Thun und reines Unterwinden Der Fuͤrſatz Treu und Ehre zu behalten / Der konte nimmer mehr in ihrer Bruſt erkalten. Jn Puͤſchen und auf Feld / Da ward durch reinen Schertz / Und keuſche Brunſt der Menſchen Geiſt verbunden / Es meint in ſolcher Welt Der Mund gleichwie das Hertz / Es war der Kuß / den man alldar empfunden / Mit Hymens Zucker wohl uͤmwunden / Die Roſen abzuleſen / War nur vor eine Hand / Dem falſche Luſt den Geiſt entbrant / Der wuͤſte hier nicht leichtlich zu geneſen: Dis was ſich Mann und Buhler itzund nennet. War in der erſten Welt nur vor ein Ding erkennet. O Zeit / die uns verdeckt Mit Keuſchheit loſer Luſt / Den reinen Schatz / den unſer Hertze heget! O Zeit / die dis erweckt / Was die verfuͤhrte Bruſt Nur zum Verderb auf geilen Schalcn traͤget / Die auch in Blumen Stricke leget / Die Freyheit hinzufaͤllen / Und Schein der Heiligkeit / Nach Luſt und Orts Gelegenheit Zur Suͤnde wil die loſen Netze ſtellen. Man tadelt nicht / was dort und da geſchiehet / Wann dis was ſchaͤndlich iſt / nur nicht das Auge ſiehet. Du wahres Seelen-Licht / So recht ſich Ehre nennet / Und als ein Schatz den Menſchen iſt gegeben /Ver -156Schluß-Chor. Verſchmaͤh uns Arme nicht / Laß du hier ſeyn entbrennt / Was unſrer Krafft kan ſchaffen neues Leben. Laß uns nicht mehr in duncklen ſchweben Der Troſt ſey nicht benommen / Daß Hoffnung bey uns ſteht; Daß zwar die Sonn offt untergeht / Doch wiederum mit Luſt muß zu uns kommen / Daß offt ihr Glantz mit Wolcken wird bedeckt / Und doch das ſchoͤne Gold bald wieder von ſich ſtreckt.

Fuͤnf -157

Der Fuͤnften Abhandlung

Erſter Auftritt.

URANIO. CARINO.

J. WBaur in. Vranio et Carino. Cum Pr. Sac. Cæs. Maÿ. 33 Melchior Küsell fecil

ES find ſich uͤberall ein Ort / der uns gefaͤllt / Der tapffren Leute Land iſt dieſe weite Welt.

Cor.

Die Warheit pflicht dir bey; Jch hab es ſelbſt er - fahren / Mein Freund Uranio, als ich vor vielen Jahren Der Eltern Haus verließ / und mit getreuer HandDas158Der Fuͤnften AbhandlungDas fremde Vieh gehuͤtt / und fremden Pflug gewandt / Bis daß ich runtzlicht bin dahin zuruͤcke kommen / Wo man mich glatt geſchaut und jung hat angenommen. Doch der / den noch beſtrahlt des Witzes Licht / Vergiſſt / wie weit er ſey / der erſten Wohnſtadt nicht; Man ſpuͤhret doch / wie ſich ein ſtarckes etwas findet / Das uns aus Vaterland mit ſuͤſſen Haͤfften bindet / Mit Haͤfften / ſo die Zeit nicht zu verfaͤulen weiß / Und gleich wie der Magnet / ob ſchon durch Flut und Eiß Nach Suden und nach Weſt der kluge Schiffer ſtreichet / Nicht eines Punctes weit von ſeinem Norden weichet: So geht es gleichfalls dem / der ſeine Vaͤter-Stadt Aus Luſt / die Welt zu ſehn / nunmehr geſegnet hat / Daß ihn / dafern er gleich muß in der Fremde bleiben / Doch ein gewiſſer Zug wird ſtets nach Hauſe treiben. Und du / Arcadien, du aller Laͤnder Pracht / Von mir / als Vaterland / ſtets hoch und wehrt geacht / Dem itzt mein Geiſt ſich neigt / das itzt mein Fuß beruͤhret / Haͤtt auch mich einer blind zu deiner Schos gefuͤhret / So haͤtt ich / Mutter dich / als Kind doch bald erkennt. Jch weiß nicht was vor Trieb der Luſt mich hat berennt / Was vor Empfindligkeit mir meinen Geiſt bezwungen / Daß mir das heiſſe Blut durch iedes Glied gedrungen / Als ich dich nur betrat / und du getreuer Freund / Du haſt es bis hieher ſtets gut mit mir gemeint / Den kein Beſchwernis hat von mir hinweg geriſſen / Du ſolt Gefert auch itzt der Freude werden muͤſſen.

Uran.

Geferte bin ich itz / du weiſts / doch ohne Frucht / Du haſt nunmehr erlangt dis / was du haſt geſucht / Du kanſt den muͤden Fuß hier freudig niederſetzen / Dem Leibe guͤtlich thun / und dein Gemuͤth ergetzen: Jch aber / der nun gantz von Hauſe / Weib und Kind / Sich abgethan / und hier als Fremder ſich befindt / Kan zwar als dein Gefert itzt meinen Leib erqvicken; Doch dieſer Ketten Laſt / die meine Seele druͤcken / Wann ich erwegen wil den Schatz / den ich verließ / Jſt ohne Linderung; doch glaube vor gewiß / Daß keiner dieſes Haubt / ſo graue Haare zieren /Als159Erſter Auftritt. Als du / in fremde Luſt leicht haͤtte ſollen fuͤhren: Wiewol mir noch zur Zeit nicht eigeutlich bekant / Warum du mich mit dir gebracht in dieſes Land.

Car.

Du weiſt es wie mein Sohn / Mirtillo, ach mein Leben! Den mir der Himmel hat als einen Schatz gegeben / Aus Kranckheit in dis Land nach Mitteln kommen ſey; Zwey Monat / und wol mehr / ſeyn albereit vorbey / Daß er nach meinem Wunſch und des Ora kels Willen / (Es ſagt / Arcadi en ſoll deinen Kummer ſtillen /) Von mir ſich weggemacht. Jch / der nun dieſes Pfand Nicht lange ſchauen kan getrennt von meiner Hand / Ließ beym Ora kel mich / gleich wie zuvor belehren / So mich auch ungeſaͤumt ließ dieſe Woͤrter hoͤren: Zeuch in dein Vaterland / das Gluͤcke ruͤſtet ſich / Es liebet deinen Sohn Mirtillo und auch dich; Der Himmel wil dein Kind mit Wunder uͤbergieſſen / Doch laß Arcadi en nur mein Verheiſchen wiſſen. Du aber / treuer Freund / der du zu iederzeit Mich ungefaͤlſcht geliebt / zugleich in Noth und Leid / Laß deinen matten Leib ſich hier zur Ruh begeben: So wird die Ruh auch dann auf meinem Geiſte ſchweben: Mein Gluͤcke / ſtellet ſich daſſelbe bey mir ein / Soll mit Uranio ſtets gleich getheilet ſeyn: Und glaube mir / mich kan nichts Gutes mehr ergoͤtzen / Miſſt es Uranio.

Uran.

Die Muͤh iſt ſchlecht zu ſchaͤtzen. Nimſtu / was itzt geſchehn / als Freundſchaffts-Zeichen an / So iſt vor alles dis mir gar genug gethan. Was aber hat dich doch in fremde Lufft getrieben?

Car.

Ein Geiſt zur Singe-Kunſt: Jch ließ mir nicht belieben Hier in Arcadi en allein gehoͤrt zu ſeyn. Mein liebes Vaterland das ſchien vor mich zu klein / Jch ſucht ein weiter Feld / ich trachte nur nach Ehren / Elid und Piſa ließ ich meine Lieder hoͤren / Die Oerter / welch ihr viel beruͤhmt und groß gemacht. Der Egon ſaß alhier in Vater Phœbus Pracht Mit Purpur ſtaͤts gezieret / mie Lorber-Laub uͤmfangen / Jhm hab ich Laut und Hertz zu Ehren aufgehangen. Ach! haͤtt ich doch alhier vergnuͤget meinen Geiſt /Jn160Der Fuͤnften AbhandlungJn Oertern / ſo die Ruh ſtets ihre Wohnung heiſt: Jch kam zwar zu dem Zweck / den ich ſo ſehr begehret / Doch weil der Himmel mir Geluͤck allein gewaͤhret / Und nicht zugleich den Griff dem Gluͤcke fuͤrzuſtehn / So fuͤhlt ich einen Trieb von Piſa wegzugehn / Das Argos, und zugleich Micene zu beſchauen. Hier wolt ich ein Altar vor eine Gottheit bauen / Die doch nur irdiſch war. Mit was vor Angſt und Leid Mir meinen Geiſt beſtrickt die ſtrenge Dienſtbarkeit / Erforſche nicht von mir; Jch mehrte meine Plagen / Und machte dir Beſchwer Doch kan ich dieſes ſagen: Man lachte meiner Muͤh / und hoͤhnte meinen Fleiß / Jch ſchrieb / ich weint / ich ſang / ich lag in Froſt und Schweiß / Jch lieff / ich ſtand / ich lied / bald traurig / bald ergetzet / Bald niedrig / bald erhoͤht / bald hoch / bald ſchlecht geſchaͤtzet: Und wie zu Delphos Stahl und Eiſen ſich befand / So heute war gebraucht von einer wehrten Hand / Die groſſe Sachen that / und morgen muſte dienen Zu Wercke ſchlechter Art: So bin ich auch erſchienen / Zu was man nur gewollt. Jch war durch nichts erſchreckt / Jch habe der Gefahr den Halß ſtets dargeſtreckt / Und alles frey gethan: Doch kont ich nichts erhalten / Jch ließ mein Vaterland; ich fieng an zu veralten: Jch aͤnderte Gebrauch / Lufft / Leben / Stand und Haar / Doch nicht mein Ungeluͤck. Jch ward daraus gewahr / Jn was vor boͤſes Garn mein Jrrthum mich getrieben: Jch ließ den alten Stand mir auf das neu belieben / Und gieng von Argos aus / verließ den falſchen Schein Mit der beruͤhmten Laſt / und gieng in Piſa ein / Da durch des Himmels Gunſt ich den Mirtillo funden / Und ſchaͤtzte mich nunmehr von aller Noth entbunden.

Uran.

Wohl dem / und uͤber wohl / der Hertze / Sinn und Geiſt Durch Zuͤgel der Vernunfft zu zaͤhmen ſich beſleiſſt / Der nicht durch falſche Luſt ihm ſeine Wohlfart ſtoͤret / Und nicht die Blumen mehr / als ihre Frucht verehret.

Car.

Wer haͤtte wohl geglaubt / daß man durch Standes Pracht Veraͤchtlich / und durch Gold arm ſolte ſeyn gemacht. Jch161Erſter Auftritt. Jch dachte Freundligkeit muͤſt in den Hoͤfen bluͤhen / Da ſtuͤndlich neue Zierd und Schoͤnheit ſie beziehen / Und die Gelegenheit ihn niemals fehlen kan. Ach / mein Uranio, was traff ich aber an? Ein Volck / das Lieb im Mund / und Haß im Hertzen fuͤhret / Das reich an Eidſchwur iſt / und keinen Finger ruͤhret / Wann du nach Huͤlffe ruffſt. Ein Volck von auſſen her / Voll Sanfftmuth und Gedult / doch wilder als das Meer / Und aͤrger noch / als dis / wilſtu dich ihm vertrauen? Ein Volck / ſo nur die Gunſt laͤſt auf der Stirn ſchauen / So Augen voller Hold / und Sinnene voller Gifft Dir ſtets zu lieffern denckt / und da das aͤrgſte ſtifft / Wenn ſichs am meiſten / dich zu ehren / wird befleiſſen: Was ſonſten Tugend iſt / muß ihm ein Laſter heiſſen. Der Warheit Freund zu ſeyn / bey Eid und Wort zu ſtehn / Nicht wie ein Wetterhan / bald hin / bald her zu gehn; Ein reines Aug und Hertz / ein gleiches Thun und Dencken / Bemuͤht man ſich alhier mit Spott und Hohn zu kraͤncken / Heiſt ſchlechter Koͤpffe Werck / und iſt nur Lachens wehrt: Der aber / dem kein Wort aus Mund und Lippen faͤhrt / Das nicht nach Luͤgen ſchmeckt; Der in Betrug ſich weidet / Der ſeine Dieberey durch falſchen Glantz verkleidet / Der durch der Freunde Fall zu hohen Ehren ſteigt / Wann derer Untergang ihm neue Sonnen zeigt / Das iſt ein Wunderwerck / ſo tauſend Zungen ehren. Kein Ohre wil alhier Verbot und Satzung hoͤren / Verdienſt und Tapfferkeit des Hauptes und der Hand Jſt ihm ein fremdes Werck und gaͤntzlich unbekant. Gemuͤth und auch Gebluͤt weiß keinen hier zu dencken / Es ſchlaͤfft der Danckbarkeit verpflichtes Angedencken. Mit kurtzem: Es iſt nichts ſo heilig / recht und gut / Dem Geld und Ehrgeitz nicht Gewalt und Unrecht thut / Und recht gehaͤſſig iſt. Du kanſt nun leicht ermeſſen / Daß ich in dieſem Ort als Scheuſal ſey geſeſſen; Jch / der die Redligkeit auf Hertz und Stirne traͤgt / Und nicht / was er gedenckt / ie zu verhoͤlen pflegt. Jch hab ein ſchnoͤdes Ziel des Hofes werden muͤſſen / Nach dem ihr falſcher Pfeil zu ſtreichen ſich befliſſen.

LUran.
162Der Fuͤnften Abhandlung
Uran.

Wer wird geluͤcklich doch auf dieſer Welt erkennt / Nachdem ſich bleicher Neid der Tugend Feindin nennt.

Car.

Haͤtt ich zu ſolcher Zeit als ich durch Luſt geruͤhret / Die Muſe von Elid auf Argos zugefuͤhret; Mich in der Lieder-Kunſt ſo wohl begabt gewuſt / Als ich den Trauer-Zug gefuͤhlet in der Bruſt / So haͤtt ich meinen Fuͤrſt nach Schuldigkeit zu ehren / Die Welt ein ſolches Lied gewißlich laſſen hoͤren / Daß er auf den Achill / und den Mæo nſchen Schein / Wie groß er immer iſt / nicht doͤrffte neidiſch ſeyn. Und du mein Vaterland / dich ſolte mein Erthoͤnen Durch einen neuen Krantz als Schwanen-Mutter kroͤnen: O Land / das Schwanen zeugt / beruͤhmt durch Noth und Leid / Wie ſind die Tichter doch gedruckt zu dieſer Zeit! Die Schwanen lieben Ruh und zuckerreiche Speiſen / Sie haſſen dicke Lufft: dem Pindo zuzureiſen / So muß man nicht beſchwert mit ſcharffen Sorgen gehn: Dem das Verhaͤngnis ſtets gedenckt zu widerſtehn / Der wird der Lieder-Kunſt ſich gantz uͤmſonſt bemuͤhen / Und den das Ungemach nur heiſt zu Felde ziehen Dem mangelt Luſt und Klang. Jtzt lockt die Zeit mich an Zu ſchauen / ob ich nicht Mirtillo finden kan / Wiewol ich nun alhier und unter meinen Fuͤſſen Mein ſchoͤn Arcadi en faſt werde ſuchen muͤſſen / So hat es ſich verkehrt; doch komm / und ſcheu dich nicht / Weil dem / der ſprechen kan / der Fuͤhrer nicht gebricht. Es ſcheint / die Muͤdigkeit wil deinen Fuß beſchleichen / Getroſt! wir werden bald ein fuͤglich Hauß erreichen.

An -163Anderer Auftritt.

Anderer Auftritt.

TITIRO. der Both.

[I]WBaur in. Jittiro Meßo. Cum Pr. S. C. M. 34 Melch. [r]

WAs ſoll ich / Tochter / doch am erſten itzt beklagen? Dein Leben oder deinen Ruhm? Deiner Ehre Haubt-Verluſt heiſt mich groſſen Kummer tragen. Dann / lebt dein Vater gleich vom Tode nicht befreyt / So war die Ehre doch ſein ſtetes Eigenthum: Und an ſtatt der Tochter Leben wil ich meines itzt beweinen / So des Himmels Haͤrtigkeit Mir bis hieher erhalten / Daß der Tochter Ehr und Leben ich zugleiche ſchaut erkalten. Montano, ach Montan! wer ſolte doch vermeinen / Daß ein Orakel-Spruch / den du nicht recht gefaſſet / Gewiß nicht recht verſtanden /L 2Und164Der Fuͤnften AbhandlungUnd dein Sohn / der meine Tochter und zugleich die Liebe haſſet / Mich ſehen ſolt in dieſen Jammer-Banden. Ach! das Orakel / ſo ich meine / Jſt viel gewiſſer / als das deine. Des Ehren-Schatzes wird die Buhlſchafft nicht gewahr / Und eine Jungfrau ſchwebt faſt ſtuͤndlich in Gefahr.

Both.

Jſt Titiro nicht todt / und wo er mit den Winden Jtzt nicht die Wette fleucht / So ſolt ich ihn alhier ja finden: Dort ſteht er / wie mich deucht; Jch finde dich zu langſam faſt vor mich / Doch allzuzeitlich noch vor dich / Ach! Vater / reich an Pein / was hab ich dir zu ſagen?

Tit.

Was bringſtu hergetragen? Den Stahl / ſo mir mein Kind hat klaͤglich hingericht!

Both.

Es iſt zwar dieſes nicht; Doch meine Zeitung weiß dir auch nicht Troſt zu geben. Hat etwan einer ſonſt Bericht hieher geſandt?

Tit.

So iſt ſie noch bey Leben?

Both.

Ja Leben und auch Todt beſteht in ihrer Hand.

Tit.

Geſegnet ſey mein Freund / der aus der Todes-Nacht Mich / uͤber hoffen / hat itzt in das Leben bracht. Wie aber / iſt ſie dann nicht der Gefahr entkommen? Weil zu leben und zu ſterben Jhr nunmehr iſt heimgeſtellt?

Both.

Dieweil ihr ſolches nicht gefaͤllt.

Tit.

So hat ſie ihr dann ſteiff zu ſterben fuͤrgenommen / Was noͤthigt ſie dann zu verderben?

Both

Nichts als ein fremder Todt. Und wirſtu ſie / aus dieſer Noth Nicht zu entfuͤhren / dich befleiſſen; So iſts uͤm ſie gethan. Dann den tieffgeſetzten Schluß weiß kein andrer uͤmzureiſſen.

Tit.

Kom / kom / ich ſaͤume nicht / ich lauffe was ich kan.

Both.

Halt an! Der Tempel iſt ja noch nicht aufgemacht / Und wer nicht geiſtlich iſt / darff nicht die Schwelle ruͤhren /Bis165Anderer Auftritt. Bis man das Opffer in herrlicher Pracht Wird aus der Sacriſtie zu dem Altare fuͤhren.

Tit.

Duͤrfft aber ſie ſich ſelbſt zu toͤdten ſich bemuͤhen;

Both.

Es kan nicht ſeyn / ſie wird zu wohl verwacht /

Tit.

Weil man denn etwas muß verziehen / So ſage den Verlauff der traurigen Geſchichte.

Both.

Als deine Tochter nun war fuͤr den Prieſter bracht / O ſchreckliches Geſichte! So ronnen nicht allein der Menſchen heiſſe Zaͤhren; Die Seulen ſelbſt begunten da zu weinen / Das Seufftzen drang aus den verhaͤrten Steinen / Sie kunten ſich des Traurens nicht erwehren. Sie ward / eh als man nicht recht einen Finger ruͤhrt / Verklaget / uͤberzeugt / und in den Tod gefuͤhrt.

Tit.

Ach aͤrmſte Tochter / ach! doch zeige mir auch an / Warum man denn mit ihr ſo ſchleunig iſt verfahren?

Both.

Weil die Ergruͤndungen der Sache groͤſſer waren / Als die Entſchuldigung / ſo ſie darauf gethan; Und eine Nymfe ſelbſt / ſo ihr hier zeugen ſolte / Nicht anzutreffen war / und ſich nicht zeigen wolte. Die ſchrecklichen Zeichen / Die wunderreichen Faͤlle Der heiligen Stelle / Die rufften gleichſam aus: Laſſt nicht die Zeit verſtreichen! Dis / was uns deſto mehr erſchreckte / War / daß man nicht zuvor viel ſolche Noth geſpuͤret: Dann / man wuſte nichts dergleichen / Als da der Himmel das Verbrechen / An des Amintas Verlobten zu raͤchen / So allen Jammer uns alleine zugefuͤhret / Rauch / Donner / Blitz und Wind erweckte. Die Goͤttin ſelbſt begunte Blut zu ſchwitzen / Es fieng die Erd an zu erzittern / Der Schlund voll Heiligkeit begunte ſich zu wittern / Er heult / und bließ mehr Dampff und Schwefel aus / Als das Gifft-gefuͤllte Haus / Da die verdamten Seelen ſitzen. Der Prieſter kam nun gleich / mit vielem Volck uͤmgeben /L 3Dein166Der Fuͤnften AbhandlungDein Kind zu fuͤhren zum Altar: So war Mirtillo dis gewahr / O Wunder / ewig zu verwehren! Und ruͤſte ſich / vor ſie zu laſſen Leib und Leben. Er ließ das Volck die treuen Worte hoͤren: Jhr ſchnoͤden Bande fallt von derer ſchoͤnen Haͤnden / Die itzt der Cynthia ſoll aufgeopffert ſeyn: Jch wil mich itzt vor ſie zu dem Altare wenden / Und ſtell / als Opffer / mich der Amarillis ein.

Tit〈…〉〈…〉 ro.

O Spiegel wahrer Treu! O ungemeine That!

Both.

Vernim / was ſich itzt mehr mit ihr begeben hat; Der nun zuvor des Todes bleiches Schrecken Verſchloſſen hatte Krafft und Mund / Die ließ itzund vergeſſen aller Schmertzen / Durch des Mirtillo Wort ihr neuen Muth erwecken / Und that mit friſchem Hertzen Jhm ihre Meinung kund. Sie ſprach / wie ſoll dein Todt mir Lebens-Mittel geben / Mir / die ich nur durch dich / Mirtillo, weiß zu leben? O Wunder ohne Krafft! Jhr Prieſter fort / thut / was euch iſt geſchafft: Denn dieſe Wehmuth hier iſt gaͤntzlich nicht vor mich. Mirtillo ließ darauf die ſchwache Worte fahren: Ach! Amarillis endre dich / Du muſt nicht ſo gebahren: Denn dis Erbarmen heiſt nur Unbarmhertzigkeit / Und du verletzt das beſte Theil an mir. Es heiſt die Zeit mich gantz alleine ſterben; Mir / und nicht dir / War der Amarillis Antwort / dreut die Satzung mit Verderben. Man ſchaute ſie ſo ſtarck in dieſem Streite ſchweben / Als waͤre Leben Todt / und Sterben waͤre Leben. O wunderreiches Paar! O wunderreiche Seelen! Es muͤſſe kein Gewoͤlck euch euren Glantz verhoͤlen / Euer Tod und Leben ſey Von allem Tadel frey. Haͤtte mir gleich die Natur ſo viel Zungen mit gegeben / Als im Himmel Sternen ſtehen / und im Meere Fiſche ſchweben:So167Anderer Auftritt. So wuͤrden ſie doch noch zu ſchwach zum Lobe ſeyn. Ja des Himmels reine Tochter / ſo der matten Sterbligkeit / Hochgebrachte Wunderthaten von der Zeiten Biß befreyt / Schreib auch eure Treu mit Golde harten Diamanten ein.

Tit.

Was nahm der Todes-Kampff doch endlich vor ein Ende?

Both.

Mirtillo der gewann / O wunderbarer Streit! Der Uberwundne blieb bey Leben / Und der Uberwinder fiel in des Todes bleiche Haͤnde. Der Prieſter ſelber ſprach: Ach! Tochter / ſchweig doch nu / Dann dieſer wird durch dich vom Tode nicht befreyt / Vor die er ſich entſchloß ſein Leben hinzugeben / So rufft uns das Geſetze zu. Nach dieſem hieß er ſie aufs fleißigſte verwahren / Weil gar leichte das Verzweiffeln Ubels aͤrger moͤchte machen. So war der Zuſtand dieſer Sachen / Als mich Montano hat von ſich zu dir geſandt: Ein mehrers hab ich nicht erfahren.

Tit.

Es iſt der Welt genug bekand / Daß man eher einen Fruͤhling ohne Blumen werde ſpuͤren / Als die Nymfe / ſo nicht Liebe ſolt in ihrem Hertzen fuͤhren. Doch verbleiben wir alhier / Wie werden wir Die Stunde / wenn man ſoll in Tempel gehen / wiſſen.

Both.

Jch weiß nicht / wo man beſſer warten kan: Dann dieſes iſt der Plan / Da der fromme Schaͤfer wird als ein Opffer ſterben muͤſſen.

Tit.

Wie ſo im Tempel nicht?

Both.

Er muß die Straffe leiden / Wo er verbrochen hat.

Tit.

Wie ſo / daß er die Schuld Nicht in der Hoͤle buͤſt / wo er die That begangen?

Both.

Die Satzung hat gewollt / Daß er unter freyem Himmel ſolte ſeinen Streich empfangen.

Tit.

Von wem haſtu Bericht?

Both.

Von dem Aelſten unfrer Prieſter / der mit viel Beteuren ſpricht / Daß Tirenio der alte habe zu verſtehn gegeben / Daß Lucrin und auch Amintas ſo verlohren Geiſt und Leben. Doch iſt es Zeit zu weichen: Schauſtu / wie der heilig Umgang bald die Ebne wird erreichen? L 4Es168Der Fuͤnften AbhandlungEs wird itzund nicht uͤbel ſeyn gethan / Wenn man nun dahin gedenckt / daß man auf entlegnen Stegen / Deiner liebſten Tochter wegen / Jn den Tempel kommen kan.

Dritter Auftritt.

Reyh der Schäfer. Reyh der Prieſter. MONTANO. MIR TILLO.

Choro di Pastori Sacerdoti Montano Mirtillo35. Waur in. Cum Pr. S. C. M. Melchior Küsell fecit.

JUpiters Tochter / Schweſter der Sonnen / Anderer Phœbus, die du der Welt / Wann ſie die Blindheit der Naͤchte befaͤllt / Jm erſteren Zirckel zu leichten begonnen.

Reyh d. P.

Du / derer linder Strahl die bruͤderlichen Flammen Mit Nutzen etwas kuͤhlt /Und169Dritter Auftritt. Und fuͤhret der Natur Gewalt und Krafft zuſammen / Daß Erde / Lufft und See ſich reichlich ſchwanger fuͤhlt. Kanſtu in anderen die ſtarcke Hitze daͤmpffen; So daͤmpff auch deines Grimmes Brand / Und laß Arcadi en / das abgematte Land / Nicht ſtets mit Angſt und Jammer kaͤmpffen.

Mont.

Jhr heiligen Prieſter / trett ſchleunig herbey / Schaut / daß doch das Altar bald aufgerichtet ſey; Und ihr / Andachts-volle Schaͤfer / laſſt itzund vor andren allen Unſrer groſſen Gottheit wegen ein verneuet Lob erſchallen.

Reyh der Schaͤfer.

Jupiters Tochter / Schweſter der Sonnen / Anderer Phœbus, die du der Welt / Wann ſie die Blindheit der Naͤchte befaͤllt / Jm erſteren Zirckel zu leichten begonnen.

Mont.

Jhr Prieſter und ihr Hirten / auf die Seiten / Komt nicht ungerufft herzu. Und / tapffrer Jungling du / Der itzt andre zu beleben / aus dem Leben denckt zu ſchreiten / Stirb unverzagt; Dencke / daß ein kurtzes Seuffzer / ſo der Poͤbel ſterben heiſt / Und ihn niemals behagt Dich durch Unſterbligkeit dem Tod entreiſt / Und glaube / daß der Zeiten Neid / Der meiſten Namen gantz zerſtreut / Deinen nach viel tauſenden unverletzet wird verwahren. Doch / weil die Satzung ja begehrt / Daß du als Stummer ſolſt verbleichen. So red / eh als dein Knie noch die Erde wird erreichen / Und ſchaue / daß nach dem / dir nicht ein Wort entfehrt.

Mirt.

Vater / Vater muſtu doch itzt von mir genennet werden / Den Leib verlaß ich hier der Erden / Und der Geiſt ſey der geſchenckt / Die mir das Leben weiß zu geben. Doch / wo ſie auch zu ſterben denckt / Wie ſie gedraͤut / So iſt Geiſt und Leib von mir in den Todes-Staub geſtreut. O ſuͤſſer Todt / wann nur was ſterblich iſt darff ſterben / Und nicht der Todt die ſelbſt beſchwingt! L 5Kan170Der Fuͤnften AbhandlungKan dieſer ja Erbarmnis noch erwerben / Dem aus allzuviel Erbarmnis itzt der Todt zum Hertzen dringt / So mach O Vater ſie doch von demſelben frey! Mache daß durch dieſe Hoffnung doch mein End verſuͤſſet ſey. Ach es laſſe das Verhaͤngnis ſich durch meinen Todt beſtillen / Und mein bleicher Untergang vergnuͤge ſeinen Willen. Laß meinen Geiſt / Den itzt der Tod aus mir zu weichen heiſt / Sich in dieſe doch verſchliſſen / Von der Mirtillo ſtets geſondert leben muͤſſen.

Mont.

Jch kan mich ja des Weinens kaum enthalten: Wie iſt die Menſchligkeit mit Schwachheit ſtets uͤmfangen / Mein Sohn laß mich hier walten / Du ſolſt / was du begehrſt / erlangen. Begehreſtu ein Pfand / So ſchwer ich dir bey Haubt und Hand

Mirt.

Jtzt weiß ich / daß ich freudig ſterben kan: Ach! Amarillis, itzt komm ich zu dir; Nim alhier Des getreuen Schaͤfers Seele treulich zu verwahren an: Dann im Namen Amarillis wuͤnſcht Mirtillo zu beſchlieſſen! Nun ſo wil ich ohne Wort hier auf meinen Knien buͤſſen.

Mont.

Jhr heiligen Diener / ach ſaͤumet doch nicht / Macht / daß der Balſam itzt die Flammen moͤg erwecken; Und verfuͤgt / daß bey dem Weyrauch / auch der Myrrhen nicht gebricht. Streut auf / daß Glut und Rauch ſich zu den Wolcken ſtrecken.

Reyh d. S.

Jupiters Tochter / Schweſter der Sonnen Anderer Phœbus, die du der Welt / Wann ſie die Blindheit der Naͤchte befaͤllt / Jm erſteren Zirckel zu leichten begonnen.

Vier -171Vierter Auftritt.

Vierter Auftritt.

CARINO. URANIO. MONTANO. NICANDRO. MIRTILLO. Reyh der Schaͤfer.

Carino Montano Mir tillo Choro di Pastori. 36. [I.]WBaur in. Cum Pr. S. C. M. Melch. Küsell f.

WJrd man irgend weite Haͤuſer weniger bewohnet finden? Doch hoff ich leichtlich zu ergruͤnden / Wodurch dis wird verurſacht ſeyn. Schauſtu wohl / wie dort das Volck ſich zuſammen hat gemacht / Ach! welch ein Schein / Ach welcher Pracht! Man wird wohl gar gewiß ein Opffer dort anzuͤnden.

Mont.

Nicandro, reiche mir die goͤldne Flaſche her / Jn dem der ſuͤſſe Safft des Bacchus ſich enthaͤlt.

Nic.
172Der Fuͤnften Abhandlung
Nic

Auf dem Begehr / Wird ſie dir zugeſtellt.

Mont.

Alſo ſoll das reine Blut / Goͤttin / deinen Eifer lindern / Wie des Weines edler Safft kan des Feuers Hitze mindern. Nim wieder die goͤldne Flaſche zu dir / Und lange mir / nach Opffer-Brauch / Das ſilberne Gefaͤß herfuͤr:

Nic.

Da iſt es auch.

Mont.

Alſo weich auch itzt dein Zorn / den die Untreu hat erreget / Wie die Flamme ſich alhier durch des Waſſers Naͤſſe leget.

Car.

Alles iſt zum Opffer fertig / doch das Opffer ſchau ich nicht /

Mont.

Jtzt iſt alles zugericht. Es mangelt nichts / als nun das Ende: Gieb mir das Beil nun in die Haͤnde.

Car.

Schau ich etwas / oder deucht es mich / So ſich von hinten zu recht einem Menſchen gleicht. Es ſcheint / es kniet auf der Erden: Der wird vielleicht geopffert werden / Ach! Aermſter ich beklage dich! Es ruͤhret ſchon ſein Haupt des Prieſters reine Hand: Jſt dann der alte Grimm noch nicht hinweg gewandt / Der nun viel lange Jahr das arme Land durchſtreicht.

Reyh d. S.

Jupiters Tochter / Schweſter der Sonnen / Anderer Phœbus, die du der Welt / Wann ſie die Blindheit der Naͤchte befaͤllt / Jm erſteren Zirckel zu leichten begonnen.

Mont.

Goͤttin / voller Grimm und Rache / die du einzele Verbre - chen / Mit allgemeinen Streichen / Jn uns beſchloſſen haſt zu raͤchen / Es iſt alſo dein Schluß Der unverruckt beſtehen muß / Daß unſre Noth noch nicht ſoll von uns weichen; Daferne das befleckte Blut / So dir die falſche Lucrina vergoſſen / Noch nicht genugſam thut / Und den ſtrengen Durſt geleſcht / der uns draͤuet zu verzehren: So laß das Blut / ſo hier aus dem ſoll ſeyn gefloſſen /Der173Vierter Auftritt. Der ſo treu als der Amintas ſich fuͤr den Altar geſtellt / Und dir zur Rache niederfaͤllt / Als den Verſoͤhnungs Trang gewaͤhren.

Reyh d. S.

Jupiters Tochter / Schweſter der Sonnen / Anderer Phœbus, die du der Welt / Wann ſie die Blindheit der Naͤchte befaͤllt / Jm erſteren Zirckel zu leichten begonnen.

Mont.

Wie / wil die Wehmuth mir das Hertz itzund bezwingen? Wie? entſchlaͤfft mir Muth und Geiſt? Jch weiß nicht / was vor Furcht mich ſtille halten heiſt / Daß ich das Beil nicht weiß zu ſchwingen.

Car.

Jch moͤchte wol zuvor den armen Menſchen ſchauen / Und dann zuruͤcke weichen: Denn dergleichen Kan ich mir anzuſehn gewißlich nicht getrauen.

Mont.

Wer weiß / ob nicht der Sonnen klarem Lichte / Wiewol es untergeht / Das menſchlich Opffer ſcheint ein groß Verdruß zu ſeyn: Und dieſes daͤmpfet meinen Muth / Und reiſſet meine Kraͤfften ein. Wende dich / daß dein Geſichte Jenſeits hingekehret ſteht. So iſt es gut.

Car.

Ach was ſchau ich! Ach! mein lieber Sohn / Mirtillo, ach! ich armer / ſchau ich dich?

Mont.

Jtzt kan nun.

Car.

Ach! er iſts.

Mont.

Jch wolt den Streich beginnen.

Car.

Ach Diener Gottes halt doch innen.

Mont.

Und du verfluchter Menſch / was ſtoͤſt dich itz und an / Daß das heilig Eiſen hier Vor deiner Hand nicht unbefleckt ſeyn kan.

Car.

Ach! Mirtillo, komt dein Vater in dergleichen Noth zu dir.

Nic.

Geh zu dem und jenem hin / alter Narr / fort auf die Seiter!

Car.

Das haͤtt ich nicht gedacht.

Nic.

Fort / fort / wilſtu noch ſtreiten. Was den Goͤttern iſt beſtimmt / ſoll kein ſchnoͤder Finger ruͤhren.

Car.

Jch bin auch den Goͤttern lieb / die mich haben wollen fuͤhren.

Mont.

Nicandro, halt noch an / man muß ihn erſtlich hoͤren:Dann174Der Fuͤnften AbhandlungDann iſt es Zeit.

Car.

Prieſter voller Freundligkeit / Ehe noch das ſchwere Beil dieſen Juͤngling wird verſehren / So melde doch / was deſſen Urſach iſt; Sag es uͤm der Goͤttin willen / der du Knecht und Prieſter biſt.

Mont.

Was geht dich dieſes an?

Car.

Ach mehr! als man gedenckt.

Mont.

Weil er ſich vor andrer Leben willig in den Tod verſchenckt:

Car.

Soll er denn vor andre ſterben / So ſterb ich ſelbſt fuͤr ihn / Und mein altes Haubt alhier wuͤnſcht durchs Beil itzt zu verderben.

Mont.

Dis iſt nur Schertz / und nicht dein rechter Sinn.

Car.

Wie wird dis mir verwehrt / was er ſo leicht erhielt?

Mont.

Weil dieſes Recht nicht bey den Feinden gilt.

Car.

Wann ich nun nicht fremde waͤre?

Mont.

Und ſo koͤnt es doch nicht ſeyn: Denn / wer vor andre ſich zum ſterben ſtellet ein / Der kan durch keinen nicht vom Todt errettet werden. So thu mir aber doch Bericht / Biſtu ja kein Fremder nicht / Aus welchem Ort auf dieſer Erden / Du dich haſt zu uns gemacht? Denn / warlich aus der Tracht Wird dich Arcad ien vor Buͤrger nicht erkennen.

Car.

Arcadi en das muß mich Kind und Buͤrger nennen.

Mont.

Mich deucht nicht / daß ich dich vor dieſem ie geſchaut.

Car.

Jch nenne mich Carin, und bin allhier gebohren: Mirtillo iſt mein Sohn zum Opffer itzt erkohren.

Mont.

Du Vater / dieſer Sohn? Wer haͤtte dis getraut? Ach! mache dich davon. Zur Unzeit uns und dir biſtu zum Opffer kommen. Dann / dem Opffer koͤnten leicht / Jndem ſich nichts der Eltern Liebe gleicht / Die Kraͤfften ſeyn genommen.

Car.

Ach! wann du Vater warſt?

Mont.

Jch bin zwar Vater auch? Und eines Sohnes nur alleine / Der auch wuͤrdig iſt zu lieben. Doch175Vierter Auftritt. Doch / wann der Silvio, als wie itzund der deine Auf den Knien laͤg alhier: So getraut ich mir / An ihm getroft / nach Opffers Brauch / Der Goͤttin Willen auszuuͤben. Und der wird mit Prieſter-Schmucke tadelhafftig angethan / Der nicht wegen Eigennutzens freudig ſich entkleiden kan.

Car.

Ach! laß mich meinen Sohn bey Leben Doch nur noch einmal kuͤſſen.

Mont.

Jch weiß auch dis nicht zuzugeben.

Car.

Ach! mein liebſtes Fleiſch und Blut / Ach! wie verhaͤrteſtu ſo ſtraͤfflich Geiſt und Muth? Wie laͤſtu dir den bleichen Mund verſchlieſſen.

Mirt.

Ach! Vater / ſtelle doch dein bittres Klagen ein.

Mont.

Das Opffer iſt entweiht / entheiligt / ach uns Armen! Jhr Goͤtter laſſt euch dis erbarmen.

Mirt.

Wehrter koͤnte ja mein Leben So du mir haſt gegeben / Nicht aufgewendet ſeyn.

Car.

Jch dachte wohl / Daß meine Thraͤnen ihn nicht wuͤrden ſchweigen laſſen.

Mirt.

Jch Aermſter / Angſt und Jrrthums voll / Kont ich das Schweigen dann nicht ins Gehirne faſſen.

Mont.

Auf / auf ihr Prieſter auf / daß man doch nicht verweile / Und alſo bald mit ihm hin in den Tempel eile / Damit er auf das neu frey ſein Geluͤbde thu. Wann ihr zuruͤcke kommt / ſo heiſſet neue Kohlen / Neu Waſſer / neuen Wein / und was benoͤthigt holen / Auf / auf / die Sonne laufft dem Untergange zu.

Fuͤnf -176Der Fuͤnften Abhandlung

Fuͤnffter Auftritt.

MONTANO. CARINO. DAMETA.

[I.]WBaur in. Montano Carino Dameta. Cum Pr. S. C. M. 37. Melch. Küsell f.

DU ungeſtuͤmer Alter / Sey itzt bedacht / dem Himmel Danck zu ſagen / Daß du der Vater biſt: Denn ſonſt / (ich ſchwer es dir) Wolt ich dich laſſen wiſſen / Wie ſich mein Zorn hat gegen dir geruͤſt / Dieweil du mich zu ſtoͤren dich beflieſſen. Kennſtu mich nicht / und weiſtu nichts von mir / So wiß / ich bin alhier Des Geiſt - und Weltlichen geweihter Haupſt-Verwalter.

Car. 177Fuͤnfter Auftritt.
Car.

Es wird mit Genade bitten keiner Herrſchafft Leid gethan.

Mont.

Du aber greiffeſt mich zu unbeſcheiden an / Und weiſtu nicht / daß ein gerechter Geiſt Des Zornes Grimm zu daͤmpffen ſich befleiſt / Und daß / wenn man zu ſehr deſſelben Glimpff verletzt / Gar offtmals der Verzug mit Wuͤtten wird erſetzt.

Car.

Der groſſen Leute Zorn wil nichts von Wuͤtten wiſſen / Man ſchaut aus hohem Trieb ihn als den Wind entſprieſſen / Der auf die Seele blaͤſt / daß ihre Krafft erwacht; Durch Zorn wird ſie geſchickt zur Tapfferkeit gemacht. Kan ich nicht Genad erhalten; So foder ich das Recht / du ſolſt es ja verwalten. Denn wer Geſetze giebt / muß auch Geſetze hoͤren / Und muß man dich alhier als Obrigkeit verehren / So iſt Gehorſam doch nicht minder deine Pflicht / Wann dich die Duͤrfftigkeit uͤm reines Recht beſpricht: Das Recht befiehlet dir / mir dis nicht zu entziehen; Und wilſtu wegen mein dich nicht ſo ſehr bemuͤhen / So ſey itzund auf dich und deinen Ruhm bedacht / Denn durch dis Opffer wirſtu ungerecht gemacht.

Mont.

Jch / Ungerechtigkeit begehn? Wie ſoll ich dis verſtehn?

Car.

Und ſagt’ſtu nicht: Gott kan kein fremdes Opffer lieben.

Mont.

Jch ſag es / durch den Geiſt des Himmels angetrieben.

Car.

Und den du opffern wilſt / der iſt ein fremder Mann.

Mont.

Wie / fremde / wenn er dich vor Vater halten kan?

Car.

Jch ſage ferner nichts / du haſt genug verſtanden.

Mont.

Vielleichte weil er nicht erzeugt in dieſen Landen.

Car.

Dem / der zu viel zu wiſſen hat begehrt / Wird offtermals am wenigſten gewaͤhrt.

Mont.

Man muß alhier das Blut / und nicht den Orth betrachten.

Car.

Den ſo ich nicht erzeugt kan ich vor Fremdling achten.

Mont

Haſtu ihm nicht erzeugt / wie iſt er denn dein Sohn?

Car.

Weil ich ihn nicht erzeugt / ſo meld ich nichts davon.

Mont.

Haſtu mir nicht geſagt / er ſey von dir entſproſſen?

Car.

Jch nannt ihn Sohn / doch nicht aus Fleiſch und Blut ge - floſſen.

Mont.

Der Schmertzen ſencket dich in lauter Wahnwitz ein.

MCar.
178Der Fuͤnften Abhandlung
Car.

Ach lebt ich ohne Witz / ſo lebt ich ohne Pein!

Mont.

Es mangelt mir Verſtand / wo nicht / ſo ſeyn es Tuͤcken!

Car.

Die Tuͤcken koͤnnen ſich nicht zu der Warheit ſchicken.

Mont.

Sohn / und nicht Sohn zu ſeyn / das ſchickt ſich nicht zu gut.

Car.

Ja Sohn / aus Lieb und Gunſt / doch nicht aus Fleiſch und Blut /

Mont.

Jſt dieſes nun dein Sohn / wie kan er fremde heiſſen? Und iſt ers nicht / wer heiſt dich ſolchen mir entreiſſen? Schaue wie dein Grundſchluß bricht / Du ſeyſt nun Vater oder nicht.

Car.

Offt fehlt die Warheit nicht / wo gleich die Worte fehlen.

Mont.

Dem Widerſprechen kan ſich Warheit nicht vermaͤhlen.

Car.

Du thuſt doch hier nicht recht / dis iſt dir nicht erlaubt.

Mont.

So komme dis auf mich und meines Sohnes Haubt.

Car.

Es wird dich bald gereuen.

Mont.

Dich / dich / vergiſtu nicht mir viel in Weg zu ſtreuen.

Car.

So ruff ich alle Welt / ja Gott / zum Zeugen an.

Mont.

Gott / den dein falſcher Geiſt nicht recht verehren kan.

Car.

Und weil du ja mich nicht zu hoͤren dich befleiſt / So laſſe Himmel und auch Erden Sein Ohre hier zu mir gekehret werden. O groſſe Goͤttin / die ſich laͤſt von uns verehren / Scheue nicht zu hoͤren / Daß es ein Fremder iſt / der ſich Mirtillo heiſt: Und daß dis Opffer falſch.

Mont.

Der Himmel laſſe mich Von dieſem Menſchen doch einmal befreyet ſchauen! Wer iſt ſein Vater denn?

Car.

Das weiß ich warlich nicht / Es ſey genug geſagt! nicht ich.

Mont

Ach ſchaue doch / welch dunckeler Bericht! Und kanſtu ihn dein Blut zu nennen dir getrauen?

Car.

Ach nein!

Mont.

Wie daß man ihm dann Sohnes Namen giebt?

Car.

Dieweil ich dieſen Menſch / ſo bald ich ihn bekommen / Als einen Sohn mit Freuden aufgenommen; Als Sohn in meinem Haus ernehrt / Und ſtetig bis hieher als meinen Sohn geliebet.

Mont

Wer hat ihn dir gewehrt? Haſtu ihn vielleicht gekaufft oder irgend wo entfuͤhret.

Car.
179Fuͤnffter Auftritt.
Car.

Jn Elide hat ein Fremder mir ihn willig hingeſchenckt.

Mont.

Wie aber / hat er dann dem Fremden zugehoͤret?

Car.

Jch hatt ihn ihm verehret.

Mont.

Jch muſte lachen / ob mich gleich deine tolle Rede kraͤnckt. So haſtu ſein Geſchenck ihm wieder zugewandt?

Car.

Jch gab / was ſeine war / und dis / was ihm gebuͤhret / Und er ſchenckt aus Hoͤfligkeit ihn bald wieder meiner Hand.

Mont.

Wo hatteſtu ihn aber her?

Car.

Jch hab ihn ohngefehr / Wo des Alfeus Einfluß iſt / Bey einem Myrtenſtrauch erkieſt / Und wolt ihn eben auch darum Mirtillo heiſſen.

Mont.

Wie kanſtu doch ſo ſehr des Dichtens dich befleiſſen! Hat euer Puſch kein Wild?

Car.

Wie ſo?

Mont.

und nahm kein Leid?

Car.

Es hatt ihn da der Strom an einen Strauch gehangen / Und weil das Eyland ihn in ſeine Schos empfangen / So blieb er der geſtalt von aller Noth befreyt.

Mont.

Die Luͤgen fuͤhreſtu mit groſſer Zierligkeit. War dann die Flut So treflich gut / Daß ſie ſolchen nicht ertraͤncket? Wie / daß doch euer Fluß So hoͤflich werden muß / Daß er ein Kind ihm zu ernaͤhren dencket?

Car.

Jch fand ihn liegen Jn einer Wiegen / Die wie ein Schiff beſcheidentlich bewegt / Sich an das Strauchwerck angelegt.

Mont.

Jn einer Wiege / wie?

Car.

Du weiſt es albereit.

Mont.

Jn Windeln?

Car.

Eben ſo / und voller Liebligkeit.

Mont.

Vermelde doch die Zeit.

Car.

Neunzehn Jahr ſind itzt verfloſſen / als das groſſe Waſſer war. Und dis geſchach daſſelbe Jahr.

Mont.

Ach! welch ein Schauer ſtoͤſt mich an?

Car.

Schaut doch / wie er nicht Worte ſinden kan. Es weiß kein groſſer Geiſt ſich leichtlich zu ergeben; Bezwinget man ihn gleich / ſo wil er widerſtreben. Er meint / weil ſeine Macht das gantze Land bezwingt /M 2Daß180Der Fuͤnften AbhandlungDaß auch ſein hoher Witz durch alle Sachen dringt. Er iſt bezwungen. Und hoͤrt ich recht das Murmeln ſeiner Zungen / So ſucht er etwan einen Schein / Dadurch ſein Fehler recht bemaͤntelt koͤnte ſeyn.

Mont.

Mit was vor Recht beſaß der Mann denn dieſes Kind? Hut er es als ſeinen Sohn.

Car.

Da weiß ich nichts davon.

Mont.

Und haſtu ſeiner ſonſt gantz keine Kundſchafft nicht?

Car.

Sonſt weiß ich nichts: du biſt ja wunderlich geſinnt!

Mont.

Erinnerſtu dich itzt noch / wie er war geſtalt?

Car.

Waͤr er nur hier / ich kennt ihn alſobald / Er iſt ein rauher Mann / nicht minder von Geſicht / Als auch von Tracht; Den die kurtze Leibes-Art / Das ſchwartze Haar und der verwoͤrrte Bart / Neben langen Augen-Wimpern treflich kennlich hat gemacht.

Mont.

Jhr Knecht und Hirten komt itzt ingeſamt zu mir.

Dam.

Wir ſind alhier.

Mont.

Schau itzt die Hirten an / Ob unter dieſen wol dein Auge finden kan / Was dieſem gleicht / von dem du mir gedacht.

Car.

Der itz mir dir Geſvraͤche haͤlt / Hat nur nicht etwan einen Schein / Jhm etwas gleich zu ſeyn / Sondern es iſt eben dieſer / der das Kind mir zugeſtellt. Er iſt noch eben ſo geſtalt / Wie er vor zwanzig Jahren war: Er hat kein weiſſes Haar / Und ich bin grau und alt.

Mont.

Dameta, bleib alhier: Jhr andern tretet abe. Kennſtu dieſen / ſag es recht / daß ich des Gewißheit habe?

Dam.

Daß ich ihn vor geſchaut / daſſelbe leugn ich nicht. Doch wo / und wie / das faͤllt mir itz nicht ein.

Car.

Du ſolt alsbald erinnert ſeyn.

Mont.

Mache dich doch unbeſchwert Ein wenig nur von hinnen. Dann erſtlich wil ich ſelbſt vernehmen / was er ſpricht.

Car.
181Fuͤnfter Auftritt.
Car.

Wohlan wie man begehrt.

Mont.

Du muſt / Dameta, nun alhier Mir entdecken Geiſt und Sinnen. Nur das kein Unwarheit dir etwan hier entfaͤhrt.

Dam.

Ach! was! ihr Goͤtter ihr!

Mont.

Als du mein Kind geſucht / es ſind gleich zwantzig Jahr / So in der Wiege mir hinweg geſchwemmet war. Brachtſtu mir nicht Bericht / du haͤtteſt ohne Frucht / Umb den Alfeus her / es uͤberall geſucht?

Dam.

Wie komſtu doch auf dis?

Mont.

Dis haſtu nicht zu fragen: Auf dis / was ich gefragt / ſolſtu mir Antwort ſagen; Ob nehmlich ſich mein Kind denn nirgends wo befand?

Dam.

Nein / nein.

Mont.

Was vor ein Kind haſtu mit eigner Hand Dem Fremden / der dich itzt erkant / Jn Elide dann geſchencket.

Dam.

Meinſtu / daß nach zwantzig Jahren einen Alten dis gedencket.

Mont.

Wie / daß ſich dieſer dann ſo wohl erinnern kan?

Dam.

Vielleichte hat er nur zu ſchertzen ſich befliſſen.

Mont.

Mein Fremder komm heran.

Car.

Hier bin ich.

Dam.

Solt ich dich nur in dem Grabe wiſſen;

Mont.

Stellte dieſer Hirte hier dir nicht ein Geſchencke zu?

Car.

So iſt es.

Dam.

Und von was Geſchencke redeſtu?

Car.

Dir iſt es ja nicht unbekant / Als du des Orakels Mund Bey der Olymp iſchen Gottheit befraget / Allda dein Geiſt dann auch genug Bericht empfand / Daß ich / als dir der Sinn numehr nach Hauſe ſtand / Mich zu dir gelencket / Und deſſen Zeichen wollen wiſſen / Was du zu ſuchen warſt befliſſen / Die du mir auch geſagt. Drauf giengſtu bald mit mir / und fandeſt in der Wiegen Dein Kindlein liegen / So du damals mir williglich geſchencket.

Dam.

Was iſt nun dis?

Car.

Das Kind ſo mir gegeben war / Hab ich / als meinen Sohn / mit hoͤchſtem Fleiß ernehret / Und dis iſt eben der / den hier auf dem Al[t]ar Man aufzuopffern hat begehret.

M 5Dam.
182Der Fuͤnften Abhandlung
Dam.

Verhaͤngnis / was kanſtu!

Mont.

Als wuͤſteſtu es nicht / was er itzund gefragt? Sage / traff nicht ſein Bericht mit der Warheit gleiche zu?

Dam.

Ach! waͤr ich ſo wol todt als er die Warheit ſagt.

Mont.

Dein Wunſch wird dir gewaͤhrt / hoͤrſtu nicht auf zu luͤgen. Und was konte dich doch lencken Dis was nicht dein eigen war einem Frembden zu verſchencken.

Dam.

Frag uͤm der Goͤtter willen nicht Von mir itzt mehr Bericht / Laß dich mit dem / was du gehoͤrt / vergnuͤgen!

Mont.

Jtz reitzeſtu mich recht dis eigentlich zu wiſſen: Verweileſtu / wilſtu den Mund verſchlieſſen? So ſchwer ich / daß ich dich nicht leben laſſen kan.

Dam.

Weil das Orakel kund gethan: Dem Kinde doͤrffte wohl / ſolt es nach Hauſe kommen / Das Leben durch die Hand des Vatern ſeyn genommen.

Car.

Und dis iſt war. Jch kan ſein Zeuge ſeyn.

Mont.

Die Sach iſt offenbar / Es ſtimt alles mit den Traͤumen / und mit dem Verhaͤngnis ein.

Dam.

Begehreſtu noch mehr Bericht?

Mont.

O mehr als klares Licht! Du haſt genug geſagt / Dein Wort ſtoͤrt meine Luſt; Zu viel hab ich gefragt / Du haſt zu viel gewuſt; Carino, ach! ich tret itzund in deinen Orden / Deine Thraͤnen ſind mein eigen / und dein Angſt iſt meine worden, Das iſt mein Sohn / Mir / mir zur Pein erzeugt / und ihm zur Oval geboren. Dich fuͤhrte zwar die Flut mit groſſem Grimm davon / Doch hat ſie dich mit groͤſerm Grimm erhalten / Weil dein Vater nun fuͤr[d]ir ſoll des Moͤrders St[a]tt verwalten / Und dein Blut ſein Vaterland zu befeuchten wird erkohren.

Car

Du ein Vater des Mirtillo, und wiehaſtu ihn verlohren?

Mont

Er war mir von[d]er Flut / der du itzund gedacht / Aus dem Geſicht / und ausdem Hauſe bracht. O liebſtes Pfand! Du lebteſt ja zuvor Ohn alle Noth / ob ich dich gleich verlohr /Und183Fuͤnfter Auftritt. Und wirſt mir nun entwandt / Ja ſelbſt durch meine Hand / als ich dich wieder faͤndt.

Car.

Jch weiß es nicht / durch was vor Wunder-Rath Die Verſehung ſo viel Faͤlle bis hieher verſchoben hat / Da alles muß zuſammen ſchieſſen. Sie hat etwas Ungeheures zu empfangen ſich beſtiſſen / So man / nach dem es wird durch die Geburt entſprieſſen / Entweder einen Schatz von Frenden / Oder ein Schenſal von vielerley Leiden / Gar gewiß wird nennen muͤſſen /

Mont.

Dis iſts / was mir der Traum ſo klar zuvor geſagt. O Traum! Ja Spiegel voll Gefahr / Jn dem Guten luͤgenhafftig / in dem Boͤſen allzuwahr. Dieſes war die fremde Wehmuth / So mir durch die Geiſter lieff / Und das Schrecken / ſo mir gleich / als ich nach dem Beile griff / Durch Marck und Blut gejagt / Dann der Natur geht ſolches bitter ein / Daß ich als Vater ſoll des Sohnes Moͤrder ſeyn.

Car.

Jch glaube nicht / daß dis Montano thut. Du kanſt / als Vater / nicht dem Opffer Endſchafft geben.

Mont.

Wer wil mich deſſen uͤberheben?

Car.

Wird durch den Vater dann der Sohn itzt hingericht?

Mont.

Jch muß nur thun / was das Geſetze ſpricht: Alhier nutzet kein Verſchonen / keine treue Vater-Sinnen / Weil der treu Amintas ſelber ſeiner nicht verſchonen koͤnnen.

Car.

Verhaͤngnis / ach! wohin haſtu mich doch gebracht?

Mont.

Sie fuͤhret dich dahin / Wo zweyer Vaͤter Geiſt und allzufrommer Sinn Zu Moͤrdern wird gemacht; Gegen den Mirtillo deiner / Gegen Goͤtter aber meiner; Du meineſt deinen Sohn zu reiſſen aus den Noͤhten / Jndem du ihn nicht Sohn wilſt heiſſen / Und muſt ihn dergeſtalt verlieren: Jch hingegen / ach! der ich mich wil befleiſſen / Den deinigen zu ſuchen und zu toͤdten / Finde meinen / den ich itzt muß dem Tod in Rachen fuͤhren.

M 4Car.
184Der Fuͤnften Abhandlung
Car.

Schau doch das grauſam Ungeheuer / So das Verhaͤngnis hier gebieret: Ach! Mirtillo, deſſen Leben auch das meine bey ſich fuͤhret / Wie gewaltig komt die Rede des Orakels mir zu ſteuer? Jſt dieſes des Geluͤckes Krone / So ich im Vaterland empfange von dem Sohne Dieſes armen Alten? Seuffzen muß itzund der Hoffnung hoͤchſtbetruͤbte Statt verwalten.

Mont.

Carino, weine nicht! denn dis gehoͤrt vor mich / Der ich mein eigen Blut zu toͤdten bin erkohren: Doch werd ich dich mein Blut nicht nennen muͤſſen / Weil ich es ſoll durch meine Hand vergieſſen. Ach armer Sohn! warum erzeugt ich dich / Zu was biſtu doch wol gebohren? Mich bedeucht / daß dich der Strom hat beſchuͤtzt vor Noth und Leid / Daß du endlich ſterben ſolteſt durch des Vaters Haͤrtigkeit. Maͤchtige Gottheit! Die alles weiß / und alles kennt / So weit der Fuß der Zeiten rennt / Und ohne die / im Meer / in Luͤfften / und auf Erden / Kein Strom / kein Wind / kein Blat / Fleuſt / wehet / und Bewegung hat / Wie kanſtu doch auf mich ſo ſehr entruͤſtet werden! Was taſteſtu den Sohn doch vor dem Vater an / Was hab ich doch gethan / Daß der Himmel meinen Samen nicht forthin ertragen kan! Laß mich durch die ſchnelle Glut deines heiſſen Eiſers buͤſſen! O groſſer Jupiter / wilſtu die Keile ſparen / So laß das Eiſen hier mir in das Hertze fahren. Des Amintas Trauerfall werd ich noch erfriſchen muͤſſen / Und eher wird der Sohn den Vater ſehen ſterben / Als durch den Vater wird der liebſte Sohn verderben. So ſ[ti]rb Montano dann / ſtirb / weil du ſolſt noch heute / Der Todt wird deine reiche Beute. Jhr Goͤtter des Himmels / vielleichte der Hoͤllen / Die ihr in heiſſem Schmertze Schme[r]tzt mein verzweiffelt Hertze / Schaut doch / wie ich euer Wuͤtten mir itzt laſſe zugeſellen. Ein185Sechſter Auftritt. Ein toͤdlich Belieben das Leben zu laſſen / Wil mich itzund uͤmfaſſen: Es ſcheint mein Untergang verſuͤſſet meine Noth / Tod! Tod! Tod! Tod!

Car.

Ach! lieber Alter / ach! was ſoll ich von dir ſagen! Gleichwie ein groͤſſer Licht Des kleincrn Kraͤffte bricht / So hat die Wehmuth mir / durch deine Noth erreget / Auch meinen Schmertzen hingeleget. Was ſterblich heiſt und iſt / muß deine Noth beklagen.

Sechſter Auftritt.

TIRENIO. MONTANO. CARINO.

J. WBaur in. Tirenio Montano Carino. Cum Pr. S. C. M. 38. Melchior Küsellfecit.

FOrt / fort / mein Sohn / doch nim dich auch in acht / Und eile ſo / daß ich dir folgen kan / Damit in dieſen engen Stegen / Meiner Blindheit wegen /M 5Nicht186Der Fuͤnſten AbhandlungNicht etwan ſey ein boͤſer Trit gethan. Du ſolſt numehr mein Auge ſeyn / Gleichwie ich auch deiner Seele bin ein treuer Sonnenſchein Und wann du mich zum Prieſter haſt gebracht / So muſtu ſtille ſtehn.

Mont.

Jſt dieſes nicht / den ich hieher zu ſchaue gehn / Tirenio voll Wuͤrd und reiner Sitten / Der zwar hier auf Erden nichts / doch im Himmel alles ſieht. Es muß wol was groſſes ſeyn / daß er ſich ſo weit bemuͤht; Denn er iſt in vielen Jahren aus der Zelle nicht geſchritten.

Car.

Der Himmel laß ihn dir zu guter Stunde kommen.

Mont.

Was neues ſchau ich hier? Vater auſſerhalb des Tempels / was haſtu dir fuͤrgenommen?

Tir

Nichts / als dir Etwas neues mitzubringen / und was neues auch zu finden.

Mont.

Bleibt der heilig Umgang dañ numehr gantz und gar dahin - Wie / daß das geheiligt Opffer nicht mit dir zuruͤcke kehrt / (den / Und mir dieſes wird gewaͤhrt / Was die Verzuͤgerung der Opffer hier begehrt?

Tir.

Wie ſteckt der Augen Fehl doch offtmals Lichter an / Daß man in Blindheit mehr / als ſonſt erkieſen kan. Dann / wann die Seel alſo in ſich verſchloſſen lieget / Und nicht von auſſen her ſtets neue Regung krieget: So ſieht ihr Auge mehr / als ſonſt kein Auge ſieht Daß man ſich doch / Montan, ſo laulicht hier bemuͤht / Die Wunderfaͤlle recht und wuͤrdig zu erwegen? Es wil / was Goͤttlich iſt / ſich auch auf Erden regen / Denn / ob die Goͤtter gleich nicht hier zugegen ſtehn / Und nicht gewohnet ſeyn mit Menſchen uͤmzugehn / Ey ſo verwalten doch viel tauſend Wunderfaͤlle / Derſelben hohe Steile. Dis iſt der Goͤtte[r]Wort / ſo nicht das Ohre ruͤhrt / Und deſſen ſtarck[en]Schall allein ein Hertze ſpuͤrt / Das himmliſch heiſt und iſt. Wohl dem / der es verſtehet / Und dem der reine Spruch recht in die Seele gehet. Nicandro wolte gleich den heilgen Umgang fuͤhren / Vermoͤge des Befehls / den er von dir gehoͤrt / Als er von mir darinnen war verſtoͤrt /Weil187Sechſter Auftritt. Weil ſich gleich ein neuer Zufall in dem Tempel ließ verſpuͤren. Ein Zufall / der mir meinen Geiſt Jn Furcht - und Hoffnungs-Bande reiſſt / Dafern ich ihn zu dieſem halten wil / Der faſt auf eine Zeit dich gleichfals uͤberfiel. Jch ſag es wie es iſt: Mir mangelt hier Verſtand / Je weniger ich auch in dieſem Fall erkant / Je mehr kan ich vom Boͤſen und von Guten Alhier vermuthen.

Mont.

Was du nicht kanſt verſtehn / Muß ich elender Mann verſtehen und erfahren: Kan man / was heimlich iſt / auch wol vor dir verwahren / Als vor dieſem der da kan / Mit Weißheits-Klarheit angethan / Jn der Verhaͤngnis-Behaltniſſe gehn.

Tir.

Sohn / Sohn: Wuͤrd uns nach Begehr geſchenckt des Prophetſehen Lichtes Schein / Ey ſo wuͤrd es der Natur / nicht des Himmels Gabe ſeyn. Jch weiß nichts eigentlichs davon / Dis ſpuͤret zwar mein dunckler Geiſt / Daß das Verhaͤngnis hier das Licht zuruͤcke haͤlt / Und etwas groſſes uns in das Verborgne ſtellt / Und dieſes iſt / was mich aus meiner Zelle reiſt / Damit ich doch nur moͤchte recht verſtehn / Wer dieſen Juͤngling hat gebohren / [Dafern ich den Nicandro recht verſtand) Der zu dem Tode war erkohren.

Mont.

Er iſt dir alzuſehr bekand: Und darum wird dir ſein Jammer deſto mehr zu Hertzen gehn.

Tir.

Jch muß deine Wehmuth preiſen: Es fuͤhrt die Menſchligkeit uns ſelbſt zu dieſem an / Und heiſt dem Durfftigen Erbarmnis zu erweiſen. Ach! mache doch / daß ich bald mit ihm reden kan.

Mont.

Jtzt ſeh ich ja / daß dir des Himmels Krafft gebricht / Und daß dir iſt verleſcht das Profeceyungs-Licht. Der Vater / den du ſuchſt / der ſieht itzund auf dich / Und den du hoͤren wilſt / Tirenio, bin ich.

Tir.

Du ſolt deſſen Vater ſeyn /Der188Der Fuͤnften AbhandlungDer hier auf dem Altar die Goͤttin ſoll beſtillen?

Mont.

Ach ja! du triffſt itzt ein / Jch bin Vater eines Sohnes / der itzt ſtirbt aus freyem Willen.

Tir.

Deſſen treuen Schaͤfers Vater / der vor andrer Leben ſtirbt?

Mont.

Deſſen / der vor andrer Leben ungezwungen itzt verdirbt / Und dem verwehrt zu leben / Der ihm das Leben hat gegeben.

Tir.

Sol ich dir glauben / wie?

Mont.

Hier wirſtu Zeugen finden.

Car.

Er ſagt / was ſich der Warheit nach gebuͤhret.

Tir.

Wer iſt der / ſo ſich wil zu zeugen unterwinden?

Car.

Carino, tritt zum Zeugnis itzt herfuͤr / Von dem bis auf die Stund alhier / Ein ieder hat muͤſſen bekennen / Daß er des Juͤnglings Vater ſey.

Tir.

Jſt dieſes wol das Kind / ſo dir Der Fluß entfuͤhret?

Mont.

Tirenio, du ſagſt es frey.

Tir.

Wilſtu dich dann deſſentwegen einen armen Vater nennen? Wie liegt doch unſer Geiſt in Jrrthums-truͤber Nacht / Wie wird die Seele doch ſo leichtlich blind gemacht / Wann groͤſte Sonne du / die unſer truͤbes Leben Allein erleuchten kan / ihr nicht wilſt Klarheit geben. Das Theil / ſo hier in uns verſtehet / weiß und denckt / Das wird uns aus der Hand von oben her geſchenckt. Es iſt nicht unſer Werck / es iſt des Himmels Stuͤcke / Der giebt es / wenn er wil / und nimt es auch zuruͤcke. Montan, ich bin zwar blind von Augen und Geſichte; Doch biſtu blinder von Gemuͤthe; Welch Geiſt doch / welcher Zauberey Steht dir itzund im Lichte / (Jſt es wahr / daß dieſer Juͤngling dir ein Sohn iſt von Gebluͤte) Daß du nicht kanſt erkieſen / Daß deine Wohlfahrt nun gantz unvergleichlich ſey / Und die Goͤtter keinen Vater mehr Geluͤck / als dir / erwieſen. Schau doch das groſſe Geheimnis itzt an / So nichts als nur ihm ſelbſt ſich recht vergleichen kan / Und das Verhaͤngnis mir bisher verborgen hielt: Schau / ſchau / den groſſen Tag /Den189Sechſter Auftritt. Den man unter Blut und Thraͤnen furchtſam zu vermuthen pflag. Und uns nunmehr den groſſen Jammer ſtillt. Montano, ſchlaffen deine Sinnen? Kehre doch in dich: Biſtu denn der / ſo hier alleine ſich Des beruͤhmten Orakels gaͤntzlich nicht erinnern wil. Wann war es doch / daß dir deſſelben Spruch entfiel? Der Spruch / den ja das gantze Land Stets unverruckt befand / Jn Hertz und Seele ſitzen. Was wilſtu doch beginnen / Weiſtu nichts davon? Wird dich dann nicht das angenehme Blitzen / Damit dich unverhofft beſtrahlt dein lieber Sohn / Des himmliſchen Donners erinneren koͤnnen? Es weichet / ach! die ſuͤſſen Freuden-Zaͤhren / Die wollen mir das Reden faſt erwehren: Es weichet eher nicht des Landes ſchwere Laſt / Bis daß zwey himmliſche der Liebe Band verfaſſt / Bis eines Schaͤfers Treu wird gut zu machen wiſſen / Was ſich ein falſches Weib zu ſtoͤren hat befliſſen. So ſage nun Montan, Komt der Schaͤfer nicht / Von welchem Meldung hier geſchicht / Vom Himmel her / weil er von dir gebohren? Jſt nicht auch aus Himmels Zeugen Amarillis zugericht? Wer hat ſie nun verfaſſt und ſo zuſammen bracht: Hat es die Liebe nicht gethan? Silvio war durch der Eltern Macht Der Amarillis zwar zum Braͤutigam erkohren / Doch die Liebe wuſte nicht dieſe Leute zu verfaſſen / Weil ſich niemals Haß und Gunſt eigentlich verknuͤpffen laſſen. Dis / was nun ferner hier vom treuen Schaͤfer ſteht / Befind ſich / daß es klar auf dem Mirtillo geht? Denn wer hat nach dem Amintas irgend eine Treu geſchaut / Die ſich wohl dieſer zu gleichen getraut? Keiner hat / nach dem Amintas, wie Mirtillo, wollen ſterben / Und frey vor die / ſo er geliebt / verderben! Die -190Der Fuͤnften AbhandlungDieſes iſt des Schaͤfers Treu / welche Wuͤrd - und Wunders-voll / Nunmehr der Lucrin en Schuld gantz und gar verleſchen ſoll / Jch weiß / daß dieſe Wunderthat / Mehr als das Menſchen Blut / Des Himmels Grimm gedaͤmpffet hat / Und dem ewiggleichen Rechte / das er ſelber fuͤrgeſchrieben / Und ihr ein Weib zu ſtoͤren ließ belieben / Nunmehr Vergnuͤgung thut. Dannenhero kam es auch / Daß faſt den Augenblick / als er in Tempel trat / Das Geluͤbde zu verneuern / dieſe Zeichen allzumal / Zu verlieren ſich begunten / Und nicht mehr das klare Blut aus der Goͤttin Bildnis qval: Die Erde hoͤret auf ſich ferner zu erſchuͤttern / Es wolte ſich kein fauler Rauch / Als wie vor dieſem wuͤttern / Die Oerter / ſo zuvor von Dampff nicht frey ſeyn konten / Die wolten itz einen ſo edlen Schall Und ein ſo beruͤhmetes Rauchwerck gewaͤhren / Daß man im Himmel auch nichts edlers kan begehren. Ewige Verſehung! Und ihr Herrſcher aller Dinge! Wenn meine Woͤrter gleich itz Seelen koͤnten ſeyn / Und ſtellten alle ſich zu eurem Opffer ein / So waͤr es nicht genug. Doch geb ich / was ich geben kan. Nim es doch / O groſſe Gottheit / Wiewol es ſehr geringe / Meiner treuen Danckbarkeit / Jtzt von mir auf meinen Knien als ein reines Zeichen an. Was ſolt euch Goͤttern ich aus Schuldigkeit nicht geben / Dieweil ich heute noch kan leben? Hundert Jahr von meinem Leben ſeyn mir ſchon hinweg gerennt / Doch hab ich gewiß mein Leben eher nicht / als itzt gekennt; Und ich ſchwere / daß ich ſolches niemals mehr zu loben pflag / Als heute dieſen Tag. Jch werde heute neu gebohren / Und faſt verjuͤngt zum Leben auserkohren;Wie191Sechſter Auftritt. Wie aber ſoll die Zeit mit Worten ſo verſtreichen / Die man mit Nutzen an ſoll legen? Du muſt / mein Sohn / mir itzt die Armen reichen: Denn / anders kan ich nicht / aus Schwachheit mich bewegen.

Mont.

Tirenio, ich weiß faſt nicht / Wie Verwunderung und Luſt Sich mir uͤm das Hertze flieht; Die Freud erfuͤllet meine Bruſt / Und kan ſie kaum empfinden; Und die Seele weiß die Freude / die nunmehr wil uͤm ſie ſchweben / Nicht an das Licht von ſich zu geben / Weil die Verwirrung ihr wil alle Sinnen binden. O groſſe Wunderthat! So kein Auge hat geſchauet / und kein Geiſt verſtanden hat. Himmliſche Genadens-Blicke / welchen nichts ſich weiß zu gleichen / O du ſuͤſſes Liebes-Gifft! O du rechtes Himmels-Pfand! Und du / Arcadi en / o Wohlfarts-reiches Land! Dir muͤſſen alle Laͤnder weichen! Liebſtes Land / dein Freuden-Stand Wil mich dergeſtalt verſtricken / Daß ich faſt meine Luſt darbey nicht kan erblicken. Jch weiß an meinen Sohn / Den ich zweymal verlohren / Und der mir auch zweymal war auf das neu gebohren / Ja / an mich ſelbſt nicht zugedencken / Der ich / aus ungegruͤndtem Leiden / Jn den Abgrund vieler Freuden Mich ſchauen muß verſencken. Mit kurtzem / meine Luſt verſchwindt und weicht davon / Sie muß den Tropffen gleich verſchwinden / Die in deiner Freuden-See ich nicht wieder weiß zu finden? O edler Traum! was Traum? O goͤttliches Geſichte! Du lieſt mir ja die ſuͤſſen Wort erſchallen: Des Landes Pracht ſo hin gefallen / Wird ſich bald wieder wuͤttern koͤnnen.

Tir.

Des Himmels Schluß ſteht itzt in offenbarem Lichte. Montano darff kein Blut zum Opffer laſſen rinnen / Du ſchauſt ja / was der Himmel wil /Lieb192Der Fuͤnften AbhandlungLieb und Gunſt / nicht Zorn und Rache wird ſein fuͤrgeſetztes Ziel. Du weiſt ja wohl / Was die Goͤttin hat befohlen / Man darff ihr kein betruͤbtes Opffer holen: Sie befiehlt / daß man ſich freuen und Verlobung halten ſoll / Doch / ſage mir / wie viel mag noch im Tage ſeyn?

Mont.

Viel mehr als eine Stunde nicht:

Tir.

So wird die Sonn uns bald entziehen ihren Schein: Hier ſchadet das Verweilen / Man muß zum Tempel eilen / Damit man deinen Sohn / den Spiegel der Verliebten / Mit der Tochter des Betruͤbten Als Braut und Braͤtigam nunmehr zuſammen ſpricht; Dann muß eines auch das ander in der Eltern Wohnung fuͤhren / Das nach Ordnung dieſer Erden / Eh / als die Nacht laͤſſt ihre Herrſchafft ſpuͤren / Zwey Hertzen eines werden. Sohn / fuͤhre mich dahin / Von wann ich kommen bin. Komm / folge mir Montan.

Mont.

Tirenio, das Werck wil mir nicht recht in Sinn / Wie ſie buͤndlich dem Mirtillo ihre Treu verſprechen kan / Damit ihr Mund nicht etwan das Geſetze Zugleich verletze; Du weiſt / ſie hat ſich ja dem Silvio verſchworen.

Car.

Gar recht / ſie war dem Silvio erkohren. Denn von zarter Kindheit an war Mirtill auch ſo genannt / Wo mir dein Knecht hat recht bekant: Er bat mich auch / ich ſolte mich befleiſſen / Vor Silvio Mirtillo ihn zu heiſſen.

Mont.

Jch muß es ſelbſt bekennen: Und damit mir das Betruͤbnis durch des erſten Todt gemacht / Jn etwas wuͤrd aus dem Gemuͤthe bracht: So wolt ich den anderen eben wie den erſten nennen.

Tir.

Dein Kummer iſt von Wichtigkeit. Komm / fort / und folge mir.

Mont.

Komm / kom̄ mein Freund Carin, Zum Tempel hin / So wird zu dieſer ZeitMit193Siebender Auftritt. Mit doppelten Vaͤtern Mirtillo erfreut. Man ſchaut / wie itzt Montan Seinen Sohn uͤmfaſſen kan / Und der Carin trifft einen Bruder an.

Car.

Weil man mich ja deinen Bruder / und Mirtillo Vater nennet / So gedencke / daß Carin beyder Knecht zu ſeyn bekennet. Und weil du dich ja mir ſo freundlich haſt erwieſen / So gedenck auch meinen Freund dir zum Freunde zu erkieſen / Ohne welchen ſich vor Freund der Carino ſelbſt nicht haͤlt.

Mont

Jch thue dis / was dir gefaͤllt.

Car.

Jhr Goͤtter / wie ſind doch die hohen Wunder-Wege / Dadurch ſich eure Gunſt zu unſern Graͤntzen lenckt / Entlegen und entfernt von dieſem krummen Stege / Dadurch ihm unſer Geiſt zu euch zu kommen denckt!

Siebender Auftritt.

CORISCA. LINCO.

J. WBaur in. Corisca Linco. Cum Pr. Sac. Cœs. Maÿ. 39 Melchior Küsell fecit
NSo194Der Fuͤnften Abhandlung

SO ward der Silvio, eh als er es gedacht / Auf Unempfindligkeit mit Liebes-Garn uͤmſponnen. So melde / wie es doch nun der Dorind ergieng?

Linc.

Sie ward bald in das Haus des Silvio gebracht / Da mit vielen heiſſen Thraͤnen ſeine Mutter ſie empfing. Jch hab es ungewiß geſchaͤtzt / Ob ihr ſolche mehr aus Luſt oder aus Betruͤbnis ronnen. Sie befand ſich zwar ergetzt / Den Sohn verliebt und Braͤutigam zu wiſſen. Doch hieß der Nymfen ſchwere Pein Sie nicht zum laͤngſten froͤlich ſeyn. Dann / als Schwieger zweyer Schnuren muſte ſie zugleiche buͤſſen: Die eine war nach ihrer Meinung todt / Und die andre lag fuͤr ihr angeſprengt durch Todes-Noth.

Cor.

Die Amarillis lebt ja nicht?

Linco.

Es lautet der Bericht / Sie ſolte heute ſterben / Und dieſes hieß mich in den Tempel gehn / Damit ich dem Montan bald gebe zu verſtehn / Daß er koͤnt in ſeiner Wohnung eine neue Schnur erwerben.

Cor.

Dorind iſt dann nicht tod?

Linc.

Wie todt? ich kan dir ſchweren / Du darffſt nicht mehr als ſie zu leben dir begehren.

Coriſca.

Hat ſie dann nicht der Pfeil bis auf den Todt verwundt?

Linc.

Ein Wehmuth-reiches Wort das machte ſie geſund; Und laͤge ſie dem Todt auch albereit im Rachen / So wuͤſte Silvio ſie lebendig zu machen.

Coriſca.

Wie hielt er ſie ſo bald / was brauchet er vor Sachen?

Linco.

Es iſt mir ſchlechte Muͤh Dir ſolches kund zu thun. Es ſtund numehr uͤm ſie Viel Mann - und Weibes-Volck / erwegend ihren Schmertzen / Mit fertigen Haͤnden und zitternden Hertzen. Doch die Dorinda wolte / Daß der Silvio alleine ihr die Wunde ruͤhren ſolte; Sie ſprach / die ſtarcke Hand / ſo mich mit ſcharffen Pfeilen Bis auf den Todt verletzt / vermag mich auch zu heilen. Es kam darzu / daß endlich ſich Niemand mehr uͤm ſie befand /Als195Siebender Auftritt. Als Silvio, die Mutter / und dann ich: Zwey hulffen ihr mit Rath / und einer mit der Hand / Nachdem der Juͤngling nun das blutige Gewand Von dem nackten Helffenbeine ſaͤuberlich hinweg genommen: So ließ er ihm faſt nichts ſo ſehr ſeyn angelegen / Als daß bald das Geſchoß moͤcht aus der Wunde kommen. Jch weiß nicht / wie durch das Bewegen Sich das Holtz vom Stahle trieb / Und die Spitz ihr in dem Schaden jaͤmmerlich verhafftet blieb: Da ſchaute man die Noth erſt recht beginnen / Man konte hier mit Zaͤnglein und mit Haͤnden Nichts rechtes enden. Es haͤtte ſich zwar noch ein Mittel finden koͤnnen / Zu gelangen zu der Spitzen / Doch haͤtte man das Loch was weiter muͤſſen ritzen: Dis aber war zu ſchwer vor des Verliebten Sinnen / Denn / dis was ſchneiden wil und ſchmertzlich uͤm ſich ſticht / Begehrt der Liebes-Gott zu ſeinen Wunden nicht / Wiewol die Nymfe faſt den Schaden nicht verſpuͤrte / Weil ſie ihr Silvio beruͤhrte: Deswegen ihm dann auch faſt neuer Muth entſtund. Er ſprach: du Stahl / haſt keine Luſt Zu weichen aus der Bruſt / Und wilſtu nicht / ſo ſchwer ich dir / du muſt. Es werde dir nun kund / Daß dieſe Hand / durch die du in die Bruſt geflogen / Dich endlich ohne Muͤh auch hat heraus gezogen: Und daß die Jaͤger-Kunſt / durch die ich hier verſehrt / Mich die Verſehrung auch zu ſtoͤren hat gelehrt. Mir faͤllt itzt gleich ein Kraͤutlein ein / Wornach der ſchnelle Rehbock ſteiget / Durch des Jaͤgers Pfeil verwundt / Jhm hat es die Natur / und er es uns gezeiget / Und weil der Orth nechſt dem Gebuͤrge lag / Da dieſes Kraut zu wachſen pflag / So eilet er / daſſelb alldar zu pfluͤcken / Und bracht uns deſſen ein Gebund / Darauf bemuͤht er ſich den Safft daraus zu druͤcken. N 2Nach -196Der Fuͤnften AbhandlungNachdem er nun die Saat ſo Eiſenkraͤutigt traͤgt / Wie auch tauſend Golden-Wurtzel neben dem hinzu gelegt / So ward ein Pflaſter draus. Als dis den Schuß beruͤhrt / So hat Dorinda bald Verbeſſerung geſpuͤhrt. Das Blut begunte ſich zu ſtillen / Das Eiſen gieng heraus nach unſrem Wunſch und Willen. Und die Warheit recht zu ſagen / ſo war da nicht viel Gefahr / Weil nur durch das bloſſe Fleiſch dieſer Schuß gegangen war.

Cor.

O Kraut / voll reicher Wunderkrafft! Doch Nymfe / reicher an Geluͤcke.

Linco.

Die beſten Wunderſtuͤcke Sind hier leichter zu vermuthen / als nach Wuͤrden auszuſprechen / Gewiß / Dorind iſt itzt mit keiner Noth behafft / Sie kan nach Willen und Begehren Sich auf alle Seiten kehren / Und weiß nichts mehr von vorigem Gebrechen. Jch weiß / Coriſca faͤllt mir bey / Daß an mehr als einem Schaden ſie anitzt geheilet ſey. Doch / wie Dorinda muſt an vielen Wunden leiden / So ſind die Waffen auch ſehr unterſcheiden. Denn eine Wunde liegt gefuͤhlt mit eitel Pein / Die ander heiſt die Luſt des Schmertzens Nachbar ſeyn; Die eine laͤſt ſich noch mit vielen Haͤfften heilen / Die andre wird ein Hafft nur mehr von ſammen theilen: Und dieſer ſo mit Treffen und Verwunden / Als er noch Jaͤger war ſich ſtetig hat geuͤbt / Hatt auch itzt als er verliebt Jn der Verletzung noch die beſte Luſt gefunden.

Cor.

So muß ich ja erfahren / Daß auch bey grauen Haaren Dem Linco nicht der Liebes-Zug gebricht.

Linc.

Ach! Coriſca, glaub es mir / Linco hat zwar guten Willen / doch die beſten Kraͤffte nicht. Dis ſchwer ich daß alhier / Unter dieſer alten Haut / Die friſche Regung noch zu gruͤnen ihr getraut.

Cor.

Weil Amarillis nun iſt auf die Seite bracht / So muß ich ſehn was mein Mirtillo macht.

Achter197Achter Auftritt.

Achter Auftritt.

ERGASTO. CORISCA.

I. WBaur in. Ergasto Corisca Cum Pr. S. C. M. 40 Melch. Küsell

TAg voll Wunder! Tag voll Liebe! Tag voll Anmuth! Tag voll Luſt! O Land / dem nichts als Wohlfahrt iſt bewuſt! O Himmel voller Freundligkeit!

Cor.

Ach ſchau! Ergaſto koͤmt itzt zu gewuͤnſchter Zeit.

Ergaſto.

Feuer / Waſſer / Lufft und Erden / dieſer groſſen Kugel lacht; Ja ich weiß / daß unſertwegen ſich die Hoͤlle froͤlich macht / Und heute keine Schuld zu ſtraffen iſt bedacht.

Cor.

Schau / wie er ſich erfreut.

Erg.

Und du begruͤnte Waͤlder-Pracht / Die du mit Trauer-reichen Brauſen Dich mit den Betruͤbten haſt wollen betruͤben /N 3Laß198Der Fuͤnften AbhandlungLaß itz mit ſuͤſſem Sauſen Dir mit den Verliebten zu ſchertzen belieben. Du muſt deine Zweig itzt in Zungen verkehren / Und zur Geſellſchafft der laͤchelnden Lufft / Die ſie als liſpelnde Schweſtern berufft / Zwey treuen Verliebten ein Brautlied gewaͤhren.

Cor.

Er wird den Silvio und die Dorinda meinen. Und wer kan ewig weinen? Der bittre Thraͤnen-Qvell wird mit der Zeit geſtillt / Doch bleibt der Freuden-Fluß ſtets reichlich angefuͤllt / Von der todten Amarillis kan ich hier kein Wort verſtehn. Man iſt zu dieſer Zeit Mit den Freudigen erfreut / Und billig / denn der Menſchen Leben Jſt nur zu viel mit Angſt und Noth uͤmgeben / Wo gedenckſtu ſo erfreut mein Ergaſto hinzugehn? Zur Hochzeit wie mich deucht. Erg. Gewiß du irreſt nicht: Hat von der Verliebten Zuſtand Dich dann keiner nicht bericht? Wem iſt dergleichen Werck / als dieſes / wohl bekandt?

Cor.

Von Linco hab ich dis mit hoͤchſter Luſt vernommen / Und durch dis hat auch mein Schmertzen / So der Todt der Amarillis mir erreget in dem Hertzen / Jn etwas Linderung bekommen.

Erg.

Jſt Amarillis todt: Wie? du verſtehſt nicht mich / Oder ich nicht dich / Was bildeſtu dir wol hier vor Verliebte ein?

Cor.

Es wird der Silvio und die Dorinda ſeyn.

Erg.

Silvio und auch Dorinda kan mir ſchlechte Luſt erregen / Du kenneſt meine Freude nicht. Wiſſe / daß mir dieſer Trieb aus viel edler Wurtzel bricht; Es geſchiehet des Mirtillo und der Amarillis wegen. Dann dieſes ſind warlich die wuͤrdigſten Zwey / Die iemals hat beſtrickt die Laſt der Buhlerey.

Cor.

Jſt Amarillis dann nicht todt?

Erg.

Wie todt? ſie lebt vergnuͤgt / als Braut / geſund und roth.

Cor.

Du ſchertzeſt nur.

Erg.

Ach nein! du wirſts bald anders wiſſen.

Cor.

Und ſo weiß ich / daß das Urtheil ihr das Leben abgeſprochen.

Erg.
199Achter Auftritt.
Erg.

Und ſo weiß ich / daß was hoͤhers dieſes Urtheil hat gebrochen.

Cor.

Was ſoll ich endlich ſchlieſſen? Traͤumet dir / Oder mir?

Erg.

Bleibſtu hier ein wenig ſtehn / So ſiheſtu diß edle Paar / Selbſt aus dem Tempel gehn / Da es durch ein ſuͤſſes Band ehlich itzt verlnuͤpffet war. Es wird nicht lange mehr verweilen Zu des Montano Hauß zu eilen / Da es die ſuͤſſe Liebes-Frucht Bis hieher uͤmſonſt geſucht / Mit vollen Freuden ſoll genieſſen. Ach! ſolteſtu die groß Ergetzung ſchauen / Ach hoͤrteſtu die lauten Freudens-Zeichen / Die Aug und Ohr itzund beſtreichen! Der Tempel war gedruckt von tauſend tauſend Fuͤſſen; Die Maͤnner bey den Frauen / Die Jungen bey den Alten Die wuſten ſich vor Freude kaum zu halten. Was weltlich war / ſtund bey der Geiſtligkeit; Es ſchien / als wenn durch dieſen Freuden-Streit Der Hauffen waͤr in Aberwitz geriſſen. Ein ieder iſt itzt ausgegangen Das edle Paar gebuͤhrlich zu verehren / Und nach Vermoͤgen zu empfangen. Es ruͤhrt ſich Hand und Mund zu ihrem Wohlgefallen / Der zeucht die Treu / der etwas andres an; Dieſer ſagt / was die Natur / der was ihn ihr Gott gethan. Berg und Thal / Feld und Wald Laͤſt ſeine Freude hoͤren / Und ſo ſehr er kan / Getreuer / getreueter Schaͤfer erſchallen. O verliebter Wunderfall! O ungemeines Spiel der Erden! Soll ein Schaͤfer alſobald Ein Halb-Gott werden? N 4Ein200Der Fuͤnften AbhandlungEin Augenblick der ſetzt dich aus dem Todt ins Leben / Und die verliebte Braut / So du dir nicht zu haben haſt getraut / Wird als ein Eigenthum in deine Fauſt gegeben. Coriſca, dieſes iſt zwar viel / Doch dis iſt mehr / dieſelbe zu erlangen / Vor die er albereit zu ſterben angefangen / Dieſelbe / ſo mit Hertz und Mund Jtz fertig ſtund / Auch gleichesfals vor ihm das Leben hinzulaſſen / Geſchweige dann / als ihrer Liebe Ziel Jhn freundlich zu uͤmfaſſen. Was Suͤſſigkeit iſt dis / auf derer Bruſt zu ſincken / Vor welcher Leben er zu ſterben / Und als ein Opffer zu verderben / Geſchickt zu ſeyn ſich ließ beduͤncken. Ach! dis iſt ein Goluͤck / und eine Libligkeit So kein Gedancken kan erſteigen. Wie daß dich dieſes nicht erfreut? Weiſtu dann der Amarillis wegen / Wie ſie des Mirtillo wegen / dich nicht luſtig zu erzeigen?

Cor.

Ach ſchau doch! was vor Luſt ſich wil bey mir erregen.

Erg.

Haͤtteſtu ſie nur als Braut Mit Augen angeſchaut / Als ſie die Hand / Der Treu gewiſſes Pfand / Gab und bekam. Und als der Mirtillo ihr einen ungekoſten Kuß / Aus ſeiner Regung Uberfluß / Dem Scheine nach zwar gab / doch recht zu ſagen / nahm / Du haͤtteſt dir Verluſt zu bleiben kaum getraut. Der Roſen Glantz / des Purpurs Pracht / Die Farben von Natur und Kunſt herfuͤr gebracht / Wurden durch das Praugen Der Nacker-reichen Wangen Schimpflich uͤberwunden. Die Wangen ſo die Scham mit Fleiß alhier bedeckte / Und unter den Schild des Gebluͤtes verſteckte /So201Achter Auftritt. So des Mirtillo Brunſt nur deſto mehr erweckte. Sie ſtellte ſich / nachdem ſie ſeinen Trieb empfunden / Als wenn ſie ihm entweichen wolte / Damit nur deſto mehr der Kuß ſich ſchaͤrffen ſolte / Und keiner war des Zweiffels frey / Ob der Kuß hier mehr geraubet / oder mehr geſchencket ſey. Das hitzig Entziehen / Das faͤlſchlich Entfliehen / War ein Nein / das da begehrte Das halb verſagt / und gantz gewaͤhrte. Ein ſo hoͤfliches Verſagen / Das ſie dieſem mit Behagen / Was ſie verweigerte ſchien eyfrig nachzujagen. Ein Verbot / ſo hieß / Und hier den Rauber ſelbſt zum Rauben drang und riß. Ein Bleiben und ein Fliehen / So ſich geraubt zu ſeyn faſt ſelber wil bemuͤhen. O Zucker-ſuͤſſer Kuß! Coriſc ich kan nicht mehr. Die Luſt bezwinget mich ſo ſehr / Daß ich uͤm eine Braut mich itzt bewerben muß. Dann ſoll die Suͤſſigkeit uns recht zu Hertzen gehen / So muß die Lieb uns auch nechſt an der Seite ſtehen.

Cor.

Jſt dieſes wahr / ſo iſt gewißlich dis der Tag / Da Coriſca ſagen mag / Daß ſie allen Witz verlohren / Oder ja zu mehrem Witz auf das neue ſey gebohren.

N 5Neun -202Der Fuͤnften Abhandlung

Neunter Auftritt.

Reyh der Schäfer. CORISCA. AMARILLIS. MIRTILLO.

I. WBaur in. Corisca Amarilli Mirtillo. Cum Pr. S. C. M. 41 Melchior Küsell f.

KOmm Hymen, komm / ſteh unſerm Wunſche bey / Erblicke die Verliebten zwey; Laß hier Halb-Gott und Halb-Goͤttin dergeſtalt zuſam̃en binden / Daß keine Zeit ſie mag getrennet finden.

Cor.

Ach! es iſt nur alzuwahr! Da haſtu nun die Frucht von der Eitelkeit / Und erndteſt ein / gleichwie du ausgeſtreut. O nichtiges Begehren / Vermenget mit Betrug und ſchaͤndlicher Gefahr! Bloß203Neunter Auftritt. Bloß meiner Luſt ein Opſſer zu gewahren / So wuͤnſch ich dieſe todt / die froͤmmer war als ich / O blinde Grauſamkeit! ach wer erleuchtet mich? Jch kan numehr den Greul von meinen Suͤnden ſchauen / Darauf ich mein Geluͤck entſchloſſen war zu bauen.

Reyh d. S.

Komm / Hymen, komm / ſteh unſerm Wunſche bey / Erblicke die Verliebten zwey; Laß hier Halb-Gott und Halb-Goͤttin dergeſtalt zuſammen binden / Daß keine Zeit ſie mag getrennet finden. Getreueſter Schaͤfer verwiſche die Zaͤhren / Betrachte wo du hin biſt kommen / Dis / was der Himmel dir gedachte zu verwehren / Und das Verhaͤngnis dir entwand / Ja durch den Todt nun ſchien zu ſeyn genommen / Was die verſprochne Treu und dein geringer Stand Weit / weit von dir gewieſen / Daß kanſtu hier als deinen Schatz erkieſen. Mirtillo, dieſes Haubt / / dis Auge / dieſe Bruſt / Was du alhier kanſt fuͤhren / ſehn und ſpuͤren / Was dich ſo manchen Seuffzer koſt / Wird dir itzund gebuͤhren; Und kommet dir und deiner Treu itzt zu / Wie ſchweigeſtu?

Mirt.

Wie / ſoll ich meine Zung erheben? Jch zweifle noch an meinem Leben; Und darff mir dieſes recht zu glauben nicht getrauen / Was mich itzund beduͤnckt zu ſpuͤren und zu ſchauen. Die Amarillis, da itzt meine Geiſter ſchweben / Die wird itzund vor mich am beſten Antwort geben.

Reyh d. S.

Komm / Hymen, komm / ſteh unſerm Wunſche bey / Erblicke die Verliebten zwey; Laß hier Halb-Gott und Halb-Goͤttin dergeſtalt zuſammen binden / Daß keine Zeit ſie mag getrennet finden.

Coriſca.

Was machſt du aber noch / du ſchnoͤde Zier und Pracht? Du haſt den Leib geſchmuͤckt / die Seel in Schimpff gebracht. Fort / fort / ich mag durch euch nicht mehr verfuͤhret werden / Die ihr von Erde komt / geht wieder zu der Erden /Jhr204Der Fuͤnften AbhandlungJhr waret geiler Brunſt ein Waffen fuͤr der Zeit; Seid itzt als Beut und Raub der Keuſchheit ausgeſtreut.

Reyh. d. S.

Komm / Hymen, komm / ſich unſerm Wunſche bey / Erblicke die Verliebten zwey; Laß hier Halb-Gott und Halb-Goͤttin dergeſtalt zuſammen binden / Daß keine Zeit ſie mag getrennet finden.

Coriſca.

Coriſca, wilſtu noch verweilen? Jtzt iſt es Zeit / Begehrſtu / daß man dir noch ſoll Genad ertheilen. Laß dich die Furchte nicht uͤmſonſt zuruͤcke treiben; Ach! ſcheue nicht der Straffe Bitterkeit: Dann deine Schuld wird dir die groͤſte Straffe bleiben. Du ſchoͤnſtes und ſeligſtes Paar / Dem der Himmel ie geneiget / und die Erde Freundin war / So aus Krafft des Himmels-Schluſſes dis / was groß iſt in der Welt / Vor euch darnieder faͤllt; So ſinckt auch billig die zu euren edlen Fuͤſſen / Die des Himmels Spruch zu wider / euch zu faͤllen war befliſſen. Ach / Amarillis, dis / (ich muß es nur bekennen) Was du gewuͤnſcht / das hab ich auch begehrt / Und uͤm deiner Jugend halben / ward dir dis vor mir gewehrt. Nichts wehrters / als du haſt / weiß dieſe Welt zu nennen; Und viel keuſchers als Mirtillo hat der Kreiß der Erden nicht. Nicht tadele / was meine Zunge ſpricht. Des einen Treu hat meine Hand gewetzet: Und des andern reiner Keuſchheit mehren Zierath beygeſetzet; Daferne dich nun nicht mein Bitten lencken kan / So ſchau / eh als du zoͤrnſt / doch deinen Braͤutgam an / Da die Urſach der Verzeihung / und auch meiner Miſſethat / Der Himmel eingegraben hat. Kennſtu nun deſſen Macht / die dich ſo ſehr beruͤhrt: Ey ſo verzeih auch mir / dieweil ſie mich verfuͤhrt / Und kanſtu wahrer Lieb erhitzte Brunſt empfinden / So ſtraffe nicht an mir die ſuͤſſen Liebes-Suͤnden.

Amar.

Auf den Ausſchlag muß ich hier / und nicht auf den Anſchlag ſchauen / Und dis macht / daß ich mir dir zu verzeihen kan vertrauen. Denn205Neunter Auftritt. Denn ob Eiſen / Band und Brand uns gleich Angſt und Schmertzen bringt / Wird es dennoch wehrt geſchaͤtzt / weil es manche Noth verdringt. Du ſeyſt mir ein Freund oder Feindin geweſen / So bin ich doch vergnuͤgt / Weil es der Himmel mir itzund zum beſten fuͤgt / Der dich zur Befoͤrderung meiner Wohlfart hat erleſen. Geluͤcklicher Betrug und Schalckheit ohne Leid! Coriſca, wo es dir gefaͤllt / Und etwas wichtigers dich nicht zuruͤcke haͤlt: So ſchicke dich itzund mit mir zur Froͤligkeit.

Cor.

Es mangelt mir an Freude nicht / Daferne nur Verzeihung nicht gebricht.

Mirtill.

Wolan! So verzeih ich gleichfals dir / alles / was du mir gethan / Auſſer / daß ich wegen deiner nicht alsbald von hinnen kan.

Cor.

Gute Nacht! Der Himmel ſey itzund auf eure Luſt bedacht!

Reyh d. S.

Komm / Hymen, komm / ſteh unſerm Wunſche b[ei]Erblicke die Verliebten zwey; Laß hier Halb-Gott und Halb-Goͤttin dergeſtalt zuſammen binden / Daß keine Zeit ſie mag getrennet finden.

Zehen -206Der Fuͤnften Abhandlung

Zehender Auftritt.

MIRTILLO. AMARILLIS. Reyh der Schäfer.

J. WBaur in. Amarilli Mirtillo. Cum Pr. S. C. M. 42 Melchior Küs[ell f.]

WJe bin ich doch gewohnt zu Jammer / Angſt und Pein / Daß ich auch bey meinen Freuden nicht recht froͤlich weiß zu ſeyn / Der Hauffen / der mich itzt faſt ohne Maß verehret / Der haͤtte mich gewiß noch nicht genug geſtoͤret / Wann ſich nicht zu mehr Verweilen auch Coriſc herzu gemacht.

Amar.

Wie biſtu ſo treflich zu eilen bedacht?

Mirt.

Mein Schatz / ich bin noch nicht von aller Furchte frey; Jch zittre noch / und weiß nicht recht zu trauen / Daß Amarillis meine ſey / Bis ich ſie kan zu Haus an meiner Seite ſchauen. Jch207Zehender Auftritt. Jch fuͤrcht all Augenblick / daß nicht mein Aug erwacht / Denn dieſes duͤncket mir nur noch ein Traum zu ſeyn / Den leichtlich ſtoͤren kan der Sonne Morgen-Schein. Es muß ein langes Wachen / Daß meine Luſt kein Traum / mich recht verſichert machen.

Schluß-Chor.

ORecht erfreutes Paar / Das Thraͤnen ausgeſtreut / Nun Lachen abgemeit / Vegiß itzt / daß dein Stand voll Noth und Jammer war. Was ſterblich heiſt und iſt / Hat hier genug erkieſt / Wo rechtes Gut und wares Ubel ſteckt / Wie ieder Glantz nicht Gold bedeckt. Dis / dis / heiſt wahre Luſt zu ſeyn / Die auf die Tugend komt nach vieler Noth und Pein.

ENDE.

Sterbendeꝛ Socrates.

Der Sterbende Socrates.

1
PHOEDON.
WAnn ich an Socrates gedencke /
Den ich gefangen heimgeſucht /
Als ſeine Pein kam in die Flucht:
Durch der Athener Gifft-Getraͤncke;
So ſchwer ich bey der Woͤrter Macht /
Damit er hat den Todt verlacht /
Jhn anzuſehn in meinem Wercke;
So nicht vielmehr Beſchwernis kent /
Als ſeines Geiſtes Wunderſtaͤrcke;
Nach dem der Todt auf ihn gerent.
Aus Neid der hochberuͤhmten Sachen /
Davon er ſtets gehandelt hat /
So war gewiſſer Goͤtter Rath /
Dem Leben noch was Friſt zu machen;
Auf daß der Todt auch eh 'er ſchlaͤgt /
Und ſeinen Leib zu Boden legt /
Jhn durch ſein Bildnis recht erſchrecke /
Und weil er ihm fuͤr Augen haͤlt /
Das Urtheil ſo kein Bitten faͤlt /
Jhm lange Sterbensangſt erwecke.
Ein wunder-ſeltzames Begeben
Zur Pruͤfung ſeiner Tapfferkeit
Ließ das Gericht in ſolcher Zeit
Nicht bald in ſeiner Wirckung ſchweben /
Es iſt ein Schiff von alter Art /
Da Theſeus ließ auf ſeiner Farth /
Viel ſchwartz 'und weiſſe Seegel blicken /
So tauſendmal aufs neu gemacht /
Wie auch verkehrt in allen Stuͤcken /
Man vor das alte Weſen acht.
A 3A -2Der ſterbende
Athen / aus wichtigen Bedencken /
Beladte jaͤhrlich dieſes Schieff /
So dann aus ſeinem Hafen lief /
Das Delus reichlich zu beſchencken /
Jn dem es jagte durch die Fluth.
So ſprach das Recht nicht uͤber Blut /
Und hemte ſeines Donners Staͤrcke;
Man ließ gantz kein Gericht ergehn /
Man ſtraffte keine boͤſe Wercke /
Es muſte dann im Hafen ſtehn.
Jn dem es trieb durch wilde Wellen /
Und weil es unter Delus ſtund /
So war dem Socrates vergunt
Nach wunſch ſein Ende zu beſtellen.
Unangeſehen den Verdruß /
Da faſt ein ieder fuͤrchten muß /
Das ſtrenge Recht ſo nicht kan ſchweigen /
So war die Freyheit mir vergunt /
Bey ihm zu oͤffnen meinen Mund /
Und meine Wehmuth ihm zu zeigen.
Viel / den der Grund der Zeit / und Sinnen.
Der Freundſchafft reiner Anfang war
Befunden ſich mit mir aldar /
Und wolten ihren Troſt beginnen;
Sie konten aber bey der Pein
Jhm gar nicht gleiche froͤlich ſeyn /
Sein Muth muſt ihren Muth vermahnen /
Und weil er unerſchrocken ſtund /
So lieſſen wir uns gerne lehren
Den Grief zu fuͤhren gleichen Mund.
Die Lehre kont uns da nicht fehlen /
Wie man mit Ehren ſterben kan /
Es dachte keiner mehr daran /
Den Grim̃ des Urtheils zu erzehlen /
Als endlich nun der ſchnelle Lauf
Des engen Leben hoͤrte auf /
Durch3Socrates.
Durch des Geſtirnes ſcharffe Graͤntzen /
So ſchaute wer am Ufer ſtund
Die blancken Segel wieder glaͤntzen
Es fiel der Ancker in den Grund.
Als nun der Tag zum letzten ſelbſt war kommen /
Daß dieſer Schatz uns ſolte ſeyn benommen /
Und durch den Spruch / den das Verhaͤngnis macht /
Dem Cerberus ſein Biſſen war gebracht /
Den nicht vielmehr der ſchoͤne Geiſt beweget /
Als etwan der ſo Thorheits Flecken traͤget /
So nahmen wir auch die Gelegenheit:
Erbaut zu ſeyn durch ſeine Freundligkeit.
Den Heldenmuth nam keine Furcht gefangen /
Wie nah ihm auch das Ende kam gegangen.
Er ward auch nicht durch Todes-Angſt geruͤhrt /
So uns gar leicht Witz und Verſtand entfuͤhrt /
Wer iſt doch ſonſt / wann er den Tag erblicket /
Durch den der Leib wird aus der Welt geruͤcket /
Er ſey denn gantz ein Engel oder Stein /
Daß er nicht ſolt in Angſt und Schrecken ſeyn?
Drum hat gewiß der Engel reines Weſen
Den Socrates erzeuget und erleſen;
Denn unſer Sinn iſt warlich allzuſchlecht /
Und hoͤrt mit Angſt des Todes ſtrenges Recht /
Jhm aber war es leicht alhier zu weiſen /
Ein Hertz aus Stein / und einen Mund von Eiſen /
Es zeiget uns Geſichte / Hand und Mund /
Wie Geiſt und Sinn recht im Gewichte ſtund /
Und daß man ihn weit hoͤher muſte plagen
Der Thraͤnen Bach den Wangen abzujagen;
Die Seufzer ſelbſt ſo allzuleicht entgehn /
Die muſten ihm ſtets zu gebote ſtehn /
Sein treues Weib lag auch zu ſeinen Fuͤſſen
Verblaſt / beſtuͤrtzt / erbaͤrmlich abgeriſſen /
Sie konte nicht der Ubermaß der Pein
Durch ihr Geſchrey wie ſonſt erleichtert ſeyn /
A 4Sie4Der ſterbende
Sie hielt den Sohn des Socrates in Armen /
Und predigt ihm vom ſchlaͤfrigen Erbarmen /
Als welcher nicht vor dieſer letzten Fahrt
Ein Seuffzerlein zu dem Gedaͤchtniß ward.
Mein werther Mann begunte ſie zu ſagen
Ach wuͤrden wir zugleiche hingetragen /
Ach weh! wann dir die allzulange Ruh /
Das reine Licht der Augen druͤcket zu /
So wirſt du denn bey des Cocytus Fluͤſſen /
Gar ſchlechten Schein der Liebligkeit genieſſen;
Und waͤren wir gleich alleſambt um dich /
So kenteſt du die Freunde gleich wie mich.

Socrates den der Abſchied und die Wehmuth der Seinigen / wenig zu Hertzen gieng / ließ ſich die traurigen Geberden ſeiner Frauen nicht ſonderlich anfechten / wie er denn auch alſobald zu den Um - ſtehenden ſagte: Jch bitte euch / fuͤhret mir dieſes Weib nach Hauſe / in welchem ihm unverzuͤglich ei - ner von des Critons Leuten zu gebote ſtand / und ſie in ihre wohnung begleitete.

Drauf ſatzt er ſich / es ruhte Geiſt und Hertz /
Sein gleicher Muth / ſein Reden-voller Schertz /
Die wolten uns faſt eine Luſt erregen
Mit ihm zu gehn auf ſeinen bleichen Wegen.

Denſelben Augenblick als man ihm die Feſſel abgethan / ſo fuhr er mit der Hand uͤber die La - ſchen / ſo ihn vortreflich juckten / wie er nun nicht we - nig Linderung und Anmuth daraus verſpuͤrte / ſo ſagte er:

Betrachtet doch wie keine Noth entſteht /
Da nicht die Luſt bald auf den Schmertzen geht /
Die Lieblichkeit waͤchſt aus den ſchweren Banden /
Und dieſe Luſt iſt aus der Pein entſtanden.
Wie5Socrates.

Wie iſt es doch ſo eine wunderliche Sache / ſprach er ferner / daß dieſe Empfindlichkeit / welche die Menſchen Luſt nennen / ſo eine groſſe Verwand - ſchafft mit der Unluſt / als ſeinem Gegenſpiele zu ha - ben ſcheinet; Dann ſie koͤnnen nicht beyſammen ſtehen / und wir koͤnnen doch auch des einen / ohne Theilhafftigkeit des andern / ſchwerlich genieſſen / ja ſie ruͤhren ſo nahe an einander / daß es faſt das Anſehen hat / als wann ſie mit den Enden an einan - der geknuͤpfft waͤren. Aeſopus haͤtte ſonder Zweif - fel / ſo ihn nur dieſes in Sinn kommen waͤre / etwas artiges / wegen dieſer Gedancken halber / fuͤrgeſtel - let; daß nemlich Gott / weil er zwey ſo widerwaͤrti - ge Sachen unter ſich vereinigen / und aus denſelben eine / welches unmoͤglich iſt / machen wollen / auf das wenigſte ſie bey den Enden vertnuͤpfft haͤtte / das ei - ne dergeſtalt allezeit beginnet / wo die andere auf - hoͤret / welches mich dann die augenſcheinliche Er - fahrung itzund genugſam lehret. Dann die Feſ - ſel / ſo mir in den Schenckeln unausſprechliche Be - ſchwerniſſe verurſachten / ſind ſo balde nicht aufge - ſchloſſen worden / als ich uͤberaus groſſe Luſt und Anmuth daraus empfunden. Darauf fiel ihme einer ſeiner Freunde / mit Namen Cebes / in die Rede / und begehrte zu wiſſen / aus was vor Re - gung er ſich in dem Gefaͤngniß einen Geſang zu ma - chen unterſtanden haͤtte; Dann er haͤtte etwas dergleichen / ſo in ſeinem gantzen Leben vormals nicht geſehen / juͤngſt verwichene Tage aufgeſetzt. Ce - bes aber fragte dieſes nicht aus eigener Begierde /A 5als6Der ſterbendeals auf Begehren eines Richters Evenus genant / der ihm deſſen zu erkundigen hoͤchlich gebeten hatte. Du kanſt dem Evenus nur zur Antwort geben / ſag - te Socrates / daß dieſes was ich etwan aufgeſetzt / weder ihm zu Gefallen / noch die Wette mit ihm zu tichten / welches mir denn allzuſchwer fallen wuͤrde / geſchehen iſt / ſondern allein mein Gemuͤth in et - was zu erledigen / und die Gewißheit eines Trau - mes zu erfahren / der mir ein Lied aufzuſetzen / einge - geben hatte; Denn ein ſolch naͤchtliches Geſichte / ſo ſich bald auf eine / bald auf andere Weiſe geſtel - let / hat mir allezeit eingeblaſen / auf Socrates / auf Socrates / tichte etwas.

Weil ich dann hin und wieder dachte /
Wie ich an dieſer Regung hing?
Und mein Gemuͤthe ſich betrachte /
Wie ihm der Reim von ſtatten gieng /
So blieſen die Getichts-Goͤttinnen /
Zuvor erzoͤrnt auf mein Beginnen /
Mich itzt mit klugem Athen an.
Sie pflantzten mir in das Gemuͤthe /
Ein klein Vermoͤgen / deſſen Guͤte
Sich kleiner Torheit gleichen kan.

Je oͤffter mich nun itzt gedachtes Geſichte zu die - ſer Sache antrieb / ie mehr Vermoͤgen ſpuͤrete ich auch / mich ſolches zu unterwinden.

Wie der ſo in den Schrancken rennet /
Und ihm den Preiß zu haben traut /
Viel Volck und Laͤuffer um ſich ſchaut /
Biß wo ſich Bahn und Reuter trennet.
So plagte mich auch dieſer Trieb /
Es war mir leid / es war mir lieb /
Jch7Socrates.
Jch muſte nur die Feder faſſen /
Er ſprach mir unaufhoͤrlich zu
Das ſuͤſſe Weſen nicht zu laſſen;
Jch hatte weder Raſt noch Ruh.

Weil ich mich dann nun entſchloſſen / dieſer Re - gung Folge zu leiſten / und meinen Geiſt / ehe er aus der Welt ſchiede / auch durch ſolches Mittel recht zu ſaubern / ſo machte ich mich in wehrender feyerli - cher Zeit / ſo die Volziehung des Urtheils noch et - was zuruͤcke hielt / uͤber etliche Reimen / weil ich denn mein Gedichte von dem Apollo / den man damals opfferte / begonnen habe /

Es muſte dieſes reine Weſen /
So uns den Reim legt in die Bruſt /
Und mir erregte dieſe Luſt
Zum erſten mein Gedichte leſen.

Nach dieſem unterſtund ich mich allerhand Schein-Geſchichte / oder Maͤhrlein vor die Hand zu nehmen / in Erwegung / daß ein Tichter ihm ſo - thane Sachen zuſchreiben / mehr als irgend eine andere ſolle angelegen ſeyn laſſen. Weil mir nun etliche derſelben einfielen / ſo habe ich ſie in der Ord - nung / wie ſie mir zu erſt in den Sinn kommen / her - vor gezogen; Es ſeyn Schein-Geſchichte aus dem Aeſopus genommen; Dann was mich betriefft / ſo iſt mein Gemuͤthe nicht geartet / etwas dergleichen zu erdencken. Dieſes iſt alles was du dem Eve - nus antworten kanſt: Gruͤſſe ihn von meinet wegen.

Und8Der ſterbende
Und rath ihm / wo er folgen kan /
Sich mit mir aus der Welt zu wenden /
Die Stunde ruͤckt nunmehr heran /
Daß ich mein Leben ſol vollenden.

Daß er mir dann nachfolge; Es iſt meiner Rich - ter Urtheil und Ausſpruch / daß ich dieſen Abend von hinnen ſcheiden ſoll. Simias der uͤber dieſen Beybringen hochlich beſtuͤrtzt war / ſagte darauf: Mein Socrates / was iſt es / daß du mir dieſem Tichter anzukuͤndigen befiehleſt / wo ich ihn anders recht kenne / ſo zweiffelt mir faſt / daß er dir ſolchen Beyfall geben wird. Warum dann? antwortete Socrates / iſt er nicht gleichfals der Weißheit be - fliſſen? Ja freylich / ließ ſich Simias verlauten; So wird er dann meinen Rath ſchwerlich in den Wind ſchlagen / redete Socrates ferner / wie ich mir dann ſolches von keinem / ſo der Weißheit recht beflieſſen iſt / iemals einbilde; durch welchen ich doch nicht verſtehe / daß man ſich ſelbſt toͤdten ſolle; wie dann wider dergleichen Beginnen ein allgemei - nes Verbot iſt. Darauf ruckte er zu der einen Seite des Bettes / richtete ſich auf / und hielt ferner Geſpraͤch mit uns.

Cebes aber ließ wehrender Zeit dieſe Frage glei - ten; Jch moͤchte wol wiſſen wie du mir dieſes zu - ſammen reimen wolleſt / daß ein Menſch ihm nicht ſelber ein Leid thun / und ein Weiſer Begierde ha - ben ſolle / einem ſterbenden Freunde nachzufol - gen.

So -
9Socrates.
Socrates.

Habt ihr niemals etwas dergleichen begrieffen / wann ihr mit dem Philolaus eurem vertrauten Freunde geſprachet?

Simias.

Jn Warheit nichts eigentliches.

Socrates.

Mit mir hat es faſt eben dieſe Beſchaffenheit / denn ich rede nur von Hoͤren ſagen / jedennoch wil ich nicht unterlaſſen / euch alles das jenige zu entde - cken / was mir etwan in dieſer Sache fuͤr Ohren kom̃en; wie es dann auch nicht unfuͤglich ſeyn wird / daß ich in dem letzten Augenblick meines Lebens doch eigentlich betrachte / wie man ſolchen Abſchied anſtellen / und was man von ſolchem Abſchiede recht halten ſolle / dieſes iſt in Warheit das nuͤtzlichſte Fuͤrhaben / ſo ſich von Morgen bis auf den Abend er - ſtrecken ſoll.

Der Geiſt ſey ſtets dahin gekehrt;
Und was man auch vor Reden fuͤhret /
So iſt ja der vor andern werth /
Der unſern Urſprung recht beruͤhret.
Cebes.

Und warum iſt es nicht vergunt ſich ſelber abzu - thun; es iſt wol wahr / daß Philolaus / wie auch an - dere mir offt erwehnet / daß ſolches nicht zulaͤßlich ſey; ſie haben mir aber mit angezogenen Urſachen nicht genug gethan.

So -
10Der ſterbende
Socrates,

Jch bitte auf meine Rede genau acht zu haben / in dem euch / wenn ihr mich gleich wol verſtanden zu haben vermeinen werdet / dieſes nicht wenig Ge - dancken verurſachen wird; warum denn ſolches den Menſchen ſo ſehr verboten worden / da wir doch genugſam ſehen / daß es offt einen und den andern beſſer iſt zu ſterben / als laͤnger zu leben.

Wann das Verhaͤngniß wird gedruͤckt
Durch des Geluͤckes falſche Tuͤcke /
Und unſer Auge wird verruͤckt
Durch allzuheiſſe Sonnenblicke.
Wann wir erlernen aus der Pein /
Daß des Geſtirnes falſcher Schein
Nicht muͤde wird uns zu verderben.
Wann unſer Geiſt uns ſtuͤndlich plagt /
Und tauſend Schrecken in uns jagt /
Darff man durch eigne Hand nicht ſterben?
Was darff die Noth von fremden Haͤnden
Jn kuͤnfftig ſeyn von mir gewand /
Wann heute noch mir meine Hand
Kan tauſend Angſt und Leiden enden.

Cebes ſagte darauf lachende: ha / ha / Jupiter / ſi - he da die Gewonheit der Thebaner; diſes ſcheinet in Warheit (ſprach Socrates) zimlich ungereimt ſeyn / und hat doch wol vielleicht ſeine Gruͤnde. Deñ was von dieſen Sachen in der Stille gehalten wird / daß der Menſch / nemlich in dieſem Leben wie in ei - nem Gefaͤngniſſe ſey / davon ſich entbrechen / und ſelbſt zu beweinen keinem verguͤnſtiget wird / iſt meinem Erachten nach zimlich hoch / und ſehr ſchwerzu11Socrates. zu verſtehen. Doch Cebes du wirſt unfehlbar dar - vor halten / daß die Goͤtter vor uns ſorgen.

Cebes.

Ja freylich.

Socrates.

Und daß die Menſchen unter das Eigenthum der Goͤtter gerechnet werden.

Cebes.

Unfehlbahr.

Socrates.

So betrachte dann Cebes / wann ein Leibeigener / ſo dir zuſtuͤnde / ſich wider deinen Willen entleibete / ob du dich nicht deſſentwegen entruͤſten / und ihn auch nach ſeinem Tode wuͤrdeſt ſtraffen laſſen.

Cebes.

Ohne allen Zweiffel.

Socrates.

So halte ich gleichfals vor recht und billich / daß ſich kein Menſch ſelber entleiben / ſondern vielmehr den Willen der Goͤtter in Gedult erwarten ſolle / wie du dann ſchaueſt / daß ſie mir den Todt durch geſprochenes Urtheil auferleget.

Cebes.

Dieſes alles iſt Sonnenklar. Was ihr aber i - tzund fuͤrgebracht / daß nemlich die Weiſen die Be -Bgier -12Der ſterbendegierde des Todes niemals aus dem Hertzen laſſen / kan nicht wol beſtehen / wann dieſes ſtatt hat / daß GOtt unſer Schoͤpffer / und wir ſein Eigenthum ſeyn; Dann es iſt nimmermehr zu vermuthen / daß die Menſchen / wofern ſie etwas Weißheit in ſich haben / ſich von den Goͤttern / ſo weiſer als ſie / regi - ret zu werden / wuͤrden verdrieſſen laſſen. Denn ein kluger Menſch wird bey ſeiner Freyheit und Wilkuͤhr mehr furchtſam ſeyn / als wenn Gott ihn zu lencken und zu fuͤhren ſelbſt die Muͤhwaltung auf ſich nimmt. Ein Narr aber wuͤrde leicht uͤberre - det werden koͤnnen / ſeinen Herrn zu verlaſſen / ohne einzige Erwegung / daß man allezeit das beſte er - wehlen ſolle; Da ein Verſtaͤndiger hergegen ihm allezeit den ſicherſten Weg zu erkieſen gedencket. So iſt dann nun aus dieſem Leben zu fliehen nichts anders / als ſich der Beobachtung zu entbrechen / darunter uns GOtt haͤlt / und unter welcher allezeit den Weiſen zu verbleiben beliebet / dahero ſolte bil - lich folgen / daß dieſe allezeit mit Verdruß ſterben / die Unweiſen aber alleine im Tode Ergetzung em - pfinden.

Socrates hatte an des Cebes ſeine Scharffſin - nigkeit / ſo aus dieſem Einwurffe mercklich herfuͤr blickte / nicht wenig Vergnuͤgung / wie er ſich denn alſobald zu uns wendete / ſagende: Dieſer Cebes bemuͤhet ſich alles auf das genaueſte zu durchſuchen / wie ihn denn niemand / er ſey auch wer er wolle / leicht etwas ungleiches uͤberreden wird. Und ich / antwortete Simias / halte gaͤntzlich dafuͤr / daßdie -13Socrates. dieſes / was uns Cebes fuͤrgetragen / im geringſten nicht falſch ſey / denn warum wolten die Menſchen / denen es nicht gantz an Verſtand gebricht / die jeni - gen ſo ihnen an Weißheit uͤberlegen / leichtſinnig verlaſſen / und ſich ihrer entbrechen. Darauff ant - wortete Cebes / das gehet dich an Socrates / der du nicht alleine von uns weg eileſt / ſondern dich auch zu - gleich der Goͤtter / welche doch nach deiner Meinung gut / und zu menſchlicher Regirung bequem genung ſind / unachtſamer Weiſe zu entbrechen erkuͤhneſt. Wolan / ſprach Socrates / ſo wolt ihr dann / daß ich mich alhier / als wie fuͤr Gerichte verantworten ſolle. Wie anders / gab Simias darauf zur Ant - wort. Es geſchehe denn / ſagte Socrates wiederum / ich wil noch genauer / als fuͤr keinem Richter / itzund Rede und Antwort geben.

Wann ich die Todes Nacht geſchwinde zu erreichen
Geſtuͤrtzet wolte ſeyn hin in den Fluß der Leichen
Da Charons Nache haͤlt
Mit ſehnlichen Verlangen
Zulaſſen dieſe Welt /
Jn Meinung dergeſtalt der Noth zu ſeyn entgangen /
So wuͤrd ich ſehr und groͤblich fehlen /
Und wer in den Gedancken bleibt
Der kan vernuͤnfftig nicht erzehlen /
Was ihn zu ſeinem Ende treibt.
Diß hoff ich / wenn mein Fleiſch wird ſeyn von hier getragen /
So manches mal gedruckt viel tauſend Angſt und Plagen /
den Goͤttern gleich zu ſeyn /
Und in dem andern Leben
Jn Freuden-reichen Schein
Und frommer Leute Schaar nicht ohne Luſt zu ſchweben.
Da gibt das ewige Beſchlieſſen /
B 2So14Der ſterbende
So wol viel Wolluſt als viel Pein.
Die Boͤſen werden leiden muͤſſen /
Den Frommen bleibt die Luſt allein.

Dieſes iſt es was ich mir feſtiglich einbilde / und welches mir mehr Urſache zur Hoffnung als zur Furcht gibt.

Da iſt kein Unterſcheid der Staͤnde /
Wir werden faſt den Goͤttern gleich /
Es leiten mich in dieſes Reich
Der Himmels Richter reine Haͤnde.

Daß ich nach dieſem Leben eine Geſellſchafft ſo vollkom̃ener Leute antreffen werde / begere ich nicht ſo ſehr heraus zu ſtreichen / aber an dieſem zweiffele ich gar nicht / allmaͤchtige / und allguͤtige Goͤtter al - dar zu finden / welches mir auch niemand in dieſer Welt zweiffelhaftig machen wird.

Darum geſchicht es wann mein Fuß /
Die Todes-Bahn beſchreiten muß /
Daß ihm mein Geiſt mit Luſt bedencket /
Wie er allhier als Fremder ſteht
Und nur in ſeine Heimath geht /
So ihn zuvor der Welt geſchencket.

Wolleſt du dann wol / ſagte Simias / dich mit dieſer Wiſſenſchafft alſo hinweg machen / und uns nichts von derſelben mittheilen; Bevoraus / weil dieſes eine Sache iſt / ſo uns ſo wol als dich angehet. Bilde dir nun nimmer mehr ein / daß du nun genug gethan haſt / und gantz frey biſt / ſo fern du uns nicht auch dieſe Lehre recht erklaͤreſt / und deine Mei - nung recht behaupteſt.

So -
15Socrates.
Socrates.

Jch wil in dieſem Fall thun ſo viel mir moͤglich iſt; laſt uns aber zuvor vernehmen / was Crito erinnern wil / dann ich habe ihm ſchon lange angemerckt / daß er etwas zu reden im Sinn hat. Jch habe nichts anders zu ſagen / ſprach Crito / als dieſes / was der Nachrichter wol hundert mal gedacht / daß du nem - lich nicht allzuviel reden ſolteſt / weil ſolche Bewe - gung dich vielleicht erhitzen / und die Wirckung des Giffts alſo verhindern doͤrffte / wie er denn zugleich beteuerte / daß man etlichen den Gifft-Trunck zu unterſchiedlichen malen geben muͤſſen.

Laß ihn da / ſagte Socrates / er mag deſſen / was ihm befohlen iſt / abwarten / und das Gifft auf drey / vier oder mehrmal / beliebt es ihm anders zu berei - ten. Jch dachte wol / fing Crito an / daß ich kein ande - re Antwort erlangen wuͤrde / konte mich aber deß Nachrichters Uberlauffens nicht anders entledi - gen.

Socrates.

Laß ihn da. Euch aber / meine Richter / wil ich itzund die Urſache entdecken / warum ein Menſch / der ſeine gantze Zeit in Unterſuchung der Weißheit zugebracht / dem Tode mit Standhafftigkeit unter Augen gehen / und vollkommene Gluͤckſeligkeit nach dieſem Leben erwarten ſolle. Und ſchauet / geliebten Freunde / wie dieſes meinem Erachten nach zuver - ſtehen iſt.

B 3Der16Der ſterbende
Der in der ſuͤſſen Stille lebet /
Und bloß aus Luſt der Wiſſenſchafft /
Sich in die Kuͤnſte tieff vergraͤbet /
Scheint ja dem Tode ſtets verhafft /
Wann er der Wolluſt unergeben /
Bloß wil in den Gedancken ſchweben
Dahin ihm ſein Verſtand geruͤckt;
So lebt der Todt ihm in dem Hertzen /
Er dencket wie er iſt beſtrickt /
Und ſchaut Stein / Feuer / Schwerd und Kertzen /
Die Wolluſt acht er wie die Noth /
Und wann ihn endlich trifft der Todt /
So iſt es ihm kein neuer Schmertzen.

Es ſolte einem zimlich bedencklich fuͤrkommen / wann die Weiſen / ſo die gantze Lebens-Zeit dem Tode nachzugehen / ihnen angelegen ſeyn laſſen / endlich wann ſie ihn nun angetroffen / Verdruß ver - ſpuͤren / und uͤber dem / was ſie ſo offt begehret / ſich beklagen ſolten. Simias ſagte laͤchelnde: ich mus wider meinen Willen lachen; denn ihrer viel wuͤr - den Gelegenheit gehabt haben / wann ſie dieſes ge - hoͤret / den Weiſen eines anzuhengen. Unſere A - thenienſer wuͤrden gewiß dafuͤr halten / daß die Weiſen gerne ſterben / weil ihnen nicht unwiſſend iſt / daß ſie den Todt verdienet. Es waͤre nicht ſo ungereimt geredet / meldete Socrates / wann ſie dazuſetzten / wie nemlich den Weiſen nicht unwiſ - ſend waͤre / daß ihnen die Ehre zu ſterben wol ge - buͤhre. Denn was die andern belanget / ſo haben ſie ſolches niemals verſtanden / warum die Weiſen ſo gerne ſterben. Was haben wir aber mit dieſen Leuten zu thun / wir reden vor uns. Jſt dann unſerege -17Socrates. gewiſſe Meinung / daß der Todt etwas ſey. Ohne allen Zweiffel iſt er etwas / ſagte Simias.

Socrates.

Jſt der Todt etwas anders als eine Abſonde - rung der Seelen von dem Leibe? Und iſt nicht todt zu ſeyn / wenn der Leib der Seelen entzogen vor ſich bleibet / und die Seele gleicher maſſen von dem Lei - be geſondert / aus eigener Krafft und Vermoͤgen beſtehet? Jſt der Todt noch etwas anders? Nichts anders / ſagte Simias. Socrates / ſo erwege nun / ob du und ich in dieſer Sache recht einig ſeyn; ſo werden wir unſern Zweck deſto leichter erreichen koͤnnen. Haͤlteſtu davor / daß ein Weiſer ihm die Wolluſt belieben laſſen / und ſeine Gedancken auf Unordnung und Schwelgerey / ſo in Begierlichkeit annehmlicher Speiſen beſtehet / alleine gerichtet ſeyn ſollen?

Soll ich aus nichtigem Behagen
Mit Speiſen ſtets erfuͤllt zu ſeyn
Durch ſtarck Getraͤnck und guten Wein
Der Seelen reines Weſen plagen?
Simias.

Dieſe Luſt iſt allzuſchlecht einen Weiſen einzu - nehmen.

Socrates.
Wilſt du / daß Venus Luſt-Geſetze /
So uns ſo bald wir ſind geruͤhrt /
Der Seelen alle Krafft entfuͤhrt /
Das Wunder-reine Thun verletze?
B 4Si -
18Der ſterbende
Simias.

Keines Weges / dann ich bin der gaͤntzlichen Meinung / daß einem witzigen Manne dieſe Zaͤrt - ligkeit uͤber die Maſſen uͤbel anſtehe / und daß ein Gemuͤhte / wie geſetzt es immer ſey / dafern es lange von dieſer Schwachheit angefochten wird / endlich in die Gefahr gerathe / ſich gaͤntzlich abzumatten / und zu keiner Zeit wiederum zu rechte zukommen.

Socrates.
Die Luſt in Seide ſtets zu gehn /
Mit Diamant und Gold zu prangen /
Mit Purpur reichlich ſeyn behangen /
Soll da die rechte Wolluſt ſtehn?
Simias.

Eben ſo wenig / denn ein Weiſer ſol ſeinen Geiſt mit dieſen geringen Sachen nicht beſchweren / noch ſich derſelben weiter / als es des gemeinen Lebens Duͤrfftigkeit erfodert / auf dieſer Welt bedienen.

Socrates.

Euch iſt nicht unbewuſt / daß ein Weiſer ihm nicht die leiblichen Dinge ſolte angelegen ſeyn laſſen / ſon - dern daß er ſich derſelben / den geiſtlichen Sachen deſto mehr obzuliegen / ſo viel immer moͤglich / ent - brechen ſolle.

Simias.

Jch biß eben dieſer Meinung.

So -
19Socrates.
Socrates.

Dannenhero erſcheinet es / wie ein Weiſer mehr als iemand anders darob iſt / daß er ſein Gemuͤhte der Seuche und Gemeinſchafft des Leibes entziehen moͤge.

Simias.

Es iſt die Warheit.

Socrates.

Und unterdeſſen halten die meiſten einen ſolchen Menſchen vor todt / der die fleiſchliche Wolluſt ihm nicht angelegen ſeyn laͤſt.

Dem Eitelkeit und Luſt nicht hat Gewalt gethan /
Dem Silber / Geld und Stein hat keinen Zug gegeben /
Den die verliebte Brunſt nicht uͤbermeiſtern kan /
Der nicht geſchworen hat zu Bachus naſſer Fahn /
Den ſchaͤtzet man vor todt auch mitten in dem Leben.
Simias.

Dieſes iſt in Warheit faſt ein allgemeiner Jrr - thum auf der Welt.

Socrates.

Jm uͤbrigen ſo darf man nicht gedencken / daß das Gemuͤthe ſich in einigerley wege / zu gruͤndlicher Er - kaͤntniß der Sachen zugelangen / des Leibes bedie - nen koͤnne: Dann die euſſerlichen Sinnen ſind in gemein betruͤglich / und zu ohnmaͤchtig. GeſichteB 5und20Der ſterbendeund Gehoͤre ſind die vornehmſten unter ihnen / weil nun dieſe / wie am Tage iſt / uns offenbarlich betrie - gen / was ſollen wir wol von den andern gewaͤrtig ſeyn. So iſt nun hoͤchſter Nothwendigkeit / daß die Seele ſich auf die Seite mache / und bey ge - ſchloſſenen Augen / und verſtopfften Ohren / ohne ein - zigen Uberlauff der Luſt / oder der Betruͤbniſſe ſich in ſich ſelbſt verwickele / dem Leibe vor ſich ſein Thun haben laſſe / und in ſolcher Beſchaffenheit zu unfehl - barem Erkaͤntniß der Sachen zu kommen ſich be - muͤhe. Daraus dann genugſam zu erſehen iſt / wie eines Weiſen Gemuͤthe den Leib hindan ſetzet / in dem es ſich ſeiner entaͤuſſert / und ſein Leben vor ſich zu fuͤhren bemuͤhet iſt. Wir muͤſſen aber auch daran kommen Simias / ob dieſes / was wir gerecht / gut oder ſchoͤne nennen / etwas oder nichts ſey.

Simias.

Es iſt ſonder Zweiffel etwas.

Socrates.

Kan man dieſes mit den leiblichen Augen / ne - benſt Geſundheit / Groͤſſe / Staͤrcke und andern Ei - genſchafften erkieſen; das iſt ſo viel zu ſagen / ob man alle Sachen durch das Geſicht ermeſſen koͤn - ne? Warlich keines weges; Dann dieſes iſt eine Wirckung der Gedancken / und ſo von genauer Un - terſuchung der Seelen herkommet. Dahin aber rechtſchaffen zu gelangen / ſo iſt vor allen Dingenhoch21Socrates. hoch vonnoͤthen der Einbildung gaͤntzlich ob zuliegen / ſich alles des jenigen / was uns etwan der Leib fuͤr - ſtellen moͤchte / ſtets zu entaͤuſſern / und tieff in der Seele alles zu uͤberlegen / ohne das geringſte dem Vermoͤgen des Leibes / ſo nur den Geiſt irre macht / und die Warheit verfinſtert / davon anzuvertrauen; Dahero ſchaueſt du / daß die Weiſen auf ihrer Mei - nung verbleiben / und alſo unter ihnen vernuͤnfftig einer Sache nachdencken ſollen. So iſt nun klar und leicht / vermoͤge unſerer euſſerlichen eigenen Sinnen / zu erweiſen / daß es / ſo lange wir einen Leib haben / und unſere Seele durch die Seuche ſo vieles Ubels beſtritten wird / unmoͤglich iſt / den fuͤr - geſetzten Zweck zu erreichen. Dann der Leib gie - bet uns tauſenderley Verhinderungen / ſo von Noth - wendigkeit ſeiner Unterhaltung herruͤhren / und wie waͤre es wol moͤglich / immittelſt ſo vieler Begierden / als Liebe / Furcht / Hoffnung und dergleichen / ſo daß Gehirne mit allerhand Duͤnſten anfuͤllen / zu der eigentlichen Erkaͤntniß der Warheit zu gelangen. Krieg und Aufruhr kom̃t uns allein durch Begierde und Veraͤnderung der Leibesbeſchaffenheit in den Kopf; deñ ſolche Empoͤrung geſchiehet in gemein aus Liebe des Geldes / und man iſt genotdraͤnget aus Zuneigung gegen den Leib / weil dieſes alles zu ſei - ner Nothdurfft von noͤthen iſt / auf Schaͤtze und Vorrath zu gedencken. Solches benimmt nun dem Gemuͤthe ſeine Freiheit / und ſtoͤret es mercklich in ſeinem ruͤhmlichen Vornehmen. Wie es denn faſt unmoͤglich iſt etwas annehmliches und ſchoͤneszu22Der ſterbendezu ſchauen / daß ſich nicht das Gemuͤthe denſelben Augenblick von ſeinem Zweck verleiten laſſe.

Man laß ein Schoͤnheit-reiches Weib /
Fuͤr einem klugen Manne ſchweben /
Die Kraͤfften ſo in Augen leben /
Die werden ruͤhren ſeinen Leib /
Biß daß ſich Hertz und Muth ergeben.

Und dergleichen andere Duͤnſte mehr zugeſchwei - gen / ſo in gemein aus dem Leibe ſteigen / das Ge - muͤhte zu verdunckeln / und die Einbildung zu ver - unruhigen.

Der Menſch iſt aller Freyheit bloß;
Und was er aus der Goͤtter Schoß
Vor Flammen und vor Hitze fuͤhret /
Vergeht / und faͤlt in kurtzer Zeit /
Dieweil noch die Empfindligkeit
Des Leibes ſeine Seele ruͤhret /
Worauf all unſer Hoffnung denckt /
Liegt in dem Grabe tieff verſenckt /
Da wird dem Weiſen recht gewehret
Der Auszug ſeiner beſten Luſt /
Dem kein Gebrechen iſt bewuſt /
Und Plutons Feuer nicht verzehret.

Weil dann die Seuche des Leibes der algemei - nen Betrachtung uͤber die maſſen zu wider ſeyn ſol / muß notwendig daraus folgen / daß wir / es ſey denn nach dem Tode / nicht vollkom̃en weiſe ſeyn koͤnnen / und in dieſem Leben der Wiſſenſchafft / ſo wir nach dem Tode recht zu erlangen gedencken / deſto naͤher kommen / ie mehr wir uns der Gemeinſchafft des Leibes entbrechen.

Wann23Socrates.
Wann unſer faules Haut und Bein
wird zu dem Maden-Hauffen gehn /
So wird der Weißheit reiner Schein
An ſtatt der ſchnoͤden Thorheit ſtehn.

Da werden wir dann der rechten Fruͤchte der Weißheit genieſſen / und von uns ſelbſten ohne ein - zige Bemuͤhung / zu der rechten Klugheit und gruͤnd - lichen Erkaͤntniß aller Dinge gelangen / ja unſere reine und unbefleckte Seele / wird von der Gemein - ſchafft des Leibes / und ſeinen Zerruͤttungen entfer - net / in Geſellſchafft anderer gleichfals rein und wei - ſer Geiſter ſich befinden. Dann wie wuͤrden wir von den dicken Duͤnſten / ſo der Leib von der Erden bekommt / angeſteckt und erfuͤllet / der Geſellſchafft der Geiſter / ſo uͤber uns wohnen / wuͤrdig ſeyn koͤnnen.

Simias.

Die nun rechte Begierde tragen etwas zu erler - nen / muͤſſen ohne allen Zweiffel ſo reden / und glau - ben. So es ſich nun alſo verhaͤlt / ſagte Socrates / ſo muß der jenige / der in der andern Welt / wie ich itzund / hingehet / recht freudig ſeyn. Dann er ge - het dahin / da er verſichert iſt / das jenige / was er allhier bey Lebenszeit ſo ſorgfaͤltig geſuchet / uͤberfluͤſ - ſig anzutreffen.

Nicht glaube daß es mich betruͤbet /
Weil ich auf meine Reiſe muß /
Es ſcheuet nicht der leichte Fuß
Die Loſung ſo der Todt mir giebet.
Ge -24Der ſterbende
Geſetz und Richter bet ich an /
Und leid itz und wie ſichs gebuͤhret /
Wer eine reine Seele fuͤhret /
Dem hat der Todt kein Leid gethan.

Und dieſe Sauberung des Gemuͤthes iſt nichts anders / als ſich des Leibes / ſo viel immer moͤglich / zu entbrechen.

Die Seele klebet voller Flecke /
So lange ſie die ſchwartze Decke
Des faulen Leibes tunckel macht /
Sie kan ſich ſo nicht wol befreyen /
Sie dienet bey der Todes Nacht /
Als wo die Lebens-Strahlen ſcheinen.
Man muß ſie fuͤhren auf die Bahn /
Da ſie was hoͤhers finden kan /
Als was der Sterbligkeit beliebet;
Weil ſonſten das beruͤhmte Licht /
So aus der Seelen Hoheit bricht /
Nicht ſeine rechte Klarheit giebet.

Wann ſie ſich nun gedachter Gemeinſchaft gaͤntz - lich entbrochen / ſo erkieſet ſie die Warheit / und fin - det in derſelben groſſe und vollkommene Vergnuͤ - gung. Dieſes iſt der Weiſen Thun und Verrich - tung / die Seele beſagter maſſen zu fuͤhren / ja die - ſes iſt ihre vornehmſte Bemuͤhung / wie man denn auch nicht zweiffeln darff / daß ſelbige / wann ſie ſo weit gelanget / ſonderbare Freude daraus ſchoͤpffen / und daß es ſich keines weges zuſammen reimen wil / daß ſie bey Lebens Zeit ſich ſo ſehr bemuͤhen ſolten / die Seele von dem Leibe abzuſondern / und endlich ihnen den Todt wolten verdrießlich ſeyn laſſen /durch25Socrates. durch welchen der Geiſt nichts anders wird / als was er ihm allezeit zu werden gewuͤnſcht hat / nemlich vollkoͤmmlich erfahren / und von aller Gemeinſchafft des Leibes abgeſondert zu leben; Wie ſie denn auch allezeit demſelben / ſo viel moͤglich / ſich zu entziehen / hoͤchſt bemuͤhet geweſen ſind. Und damit man nicht etwan fuͤr ungereimt halten moͤchte / daß die Weiſen Belieben am Tode tragen / ſo laſt uns er - wegen:

So viel aus Liebe die ſie tragen
Zu Weibern / Bruͤdern / Freund und Kind /
Jhn eifrig wuͤnſchen nachzujagen /
Wann ſie vor laͤngſt geſtorben ſind /
Und um das Ufer ſchwer von Leichen
Des Fluſſes ungemeiner Art /
Wo Seuchen / Gifft und Feuer ſtreichen
Zu ſehn der Geiſter leichte Fahrt /
Ja laſſen Sinnen und Gedancken /
Von denen niemals Liebe weicht /
Jn der Eliſer gruͤnen Schrancken
Umhalſen was ſich ihnen gleicht.
Wie ſolt ein Weiſer / deſſen Weſen
Jhm weder Freund noch Frau erleſen /
Und nichts als Kunſt und Weißheit liebt /
Sein Leben ſcheuen zu beſchlieſſen /
Jn dem er kan dadurch genieſſen /
Was ihm die meiſte Freude giebt.
Wann nun alſo das Auge hat
Den alten Schein von ſich geleget /
So find es an deſſelben ſtatt
Ein Licht ſo tauſend Luſt erreget /
Und unſer Geiſt / ſo durch die Macht
Die Warheit hier nicht kan erkieſen /
Befindet ſie in ihrer Pracht
Wann er iſt aus der Welt gewieſen.
Und26Der ſterbende

Und iſt alſo gar nicht zu vermuthen / daß ein Wei - ſer / weil er in die rechte Weißheit / die er erſt nach dem Tode genieſſen kan / inbruͤnſtig verliebet iſt / ſich zu ſterben ſolte verdrieſſen laſſen. Wie dann auch hergegen leicht zu ermeſſen iſt / daß die jenigen / ſo das Leben alzuſehr lieben / und ohne groſſes Be - ſchwerniß es nicht verlaſſen koͤnnen / keines weges rechte Weiſe ſeyn koͤnnen.

Der Weiſe laͤſt mit Luſt das unbequeme Band /
Und iſt faſt nichts beſtuͤrtzt zu laſſen Leut und Land /
Darnach der Geitzhalß trachtet.
Denn wer das Leben ſchleuſt mit Unmuth und Verdruß /
Der hat nicht recht gelernt den angenehmen Schluß /
Den bloß ein Weiſer achtet.

Der jenige ſo ſich zu ſehr nach dem Leben ſehnet / giebet ſattſamlich zu verſtehen / daß er weniger der Weißheit / als der Liebe / oder des Geld und Ehr - geitzes befliſſen iſt. Jm uͤbrigen ſo gehoͤren die Tu - genden dem Betruͤbniſſe zu widerſtehen / und die Wolluͤſte zu uͤberwinden / unter welchen man die ei - ne Großmuͤhtigkeit / und die andere Maͤßigkeit nen - ner / eigentlich und alleine den Weiſen zu. Dann in andere Leute Gemuͤthe wuͤrde man eben dieſe Tugenden ungereimt und mangelhafft befinden; dieweil ſolche den Tod vor das groͤſte Unheil unter der Sonnen halten / ja wenn ſie ſich etwan demſel - ben mit Gleichmuͤhtigkeit unterwerffen / und ihm ohne Schrecken unter Augen gehen / es mehrenteils aus Argwon eines groͤſſeren Ungemachs herruͤhret / und / ſo zuſagen / einer Nothkuͤnheit aͤhnlich ſiehet. Was27Socrates. Was die Maͤßigkeit betriefft / ſo kan ſolche keines weges recht bey ihnen wohnen / denn die rechte Maͤſ - ſigkeit iſt

Wenn man die Luſt in Graͤntzen faſt /
Und unter vieler Regungs-Laſt /
Dazu uns Fleiſch und Blut verleitet /
Die Seel in ihrer Freyheit haͤlt /
Und aus den ſchnoͤden Schrancken ſtelt /
Da ſie die Wolluſt ſtets beſtreitet.

Dieſe Tugend iſt niemand anderen als den Wei - ſen gegeben. Denn ob ſich gleich etliche maͤßig zu erſcheinen / einer oder der andern Wolluſt entbre - chen / ſo geſchiehet es nur mehrentheils darum / da - mit ſie ſich zu einer andern deſto geſchickter befinden moͤgen / und uͤberwaͤltigen alſo niemals eine boͤſe Regung / es ſey denn durch Zwang einer aͤrgeren / wie dann ſolche Leute in gemein wegen Unmaͤßig - keit maͤßig ſeyn. Man muß aber wol erwegen / daß dieſes nicht der rechte Weg zur Tugend iſt / Wolluſt mit Wolluſt / Furcht mit Furcht / Schmertzen mit Schmertzen / und das Kleinere gegen das groͤſſere / wie mit dem Gelde zugeſchehen pfleget / zu ver - wechſeln; ſondern daß dieſes alleine die rechte Muͤntze ſey / gegen welche man andere alle ingeſamt verwechſeln koͤnne. Dieſes iſt nun Witz und Ver - ſtand / vor welche und mit welchen alle Sachen ge - kaufft und verkaufft werden; wie denn auch Groß - muͤtig - Maͤßig - und Gerechtigkeit / ja mit einem Worte / die rechte Tugend ſelbſt mit der Weißheit / ohne Abſonderung der Wolluſt oder Furcht / wieCauch28Der ſterbendeauch alle anderer Regungen / ſo neben bey zuzuſchla - gen pflegen. Wenn aber eines gegen das andere ohne Verknuͤpffung der Weißheit / abgewechſelt wird / ſo iſt es nur ein Schatten / und eine knechti - ſche Tugend / ja ein Schein / der in ſich nichts eigent - liches und warhafftiges begreifft / daß nun dergeſtalt die Warheit der Tugend in Reinigung deſſen alles beſtehet / wie dañ Maͤßigkeit / Gerechtigkeit / Groß - mut uñ Weißheit / eine rechte Art der Reinigung iſt.

Fuͤrwar der erſten Menſchen Schaar /
Verdienet Opfer und Altar /
Von wegen ihrer klugen Sinnen /
Jn dem ſie ſtets darauf geſchaut /
Damit die Nachwelt ſey erbaut /
Und durch ſie moͤge wachſen koͤnnen.
Durch ſie iſt uns nicht unbewuſt /
Daß unſern Geiſtern voller Luſt /
Und derer ungeſchicktes Weſen
Sich in dem Leben nicht verklaͤrt /
Kein ander Kleinoth wird gewehrt /
Als daß ſie nimmermehr geneſen.
Das Grauſen ſo die Hoͤlle hat /
Die Nacht die alte Laͤgerſtadt /
Jn der die Marter-Goͤtter leben /
Der Hoͤllenhund geſchickt zur Qual /
Das Feld / da bleiche Leichen ſchweben /
Jſt ihn ein ewig Hoſpital.
Da dann ein Tugendreicher Geiſt /
Der ware Kunſt und Weißheit liebet /
Und ſo der Freyheit ſich befleiſt /
Weil ihn die Dienſtbarkeit betruͤbet /
Kan ſeine Noth mit ſeinem Leben ſchlieſſen /
Und weil er ſich im Himmel ſetzt /
An ſtatt daß Cerberus auf ihn koͤmmt zugeriſſen /
Von Freudenreicher Schaar der Goͤtter wird ergetzt.
Wer29Socrates.

Wer nun nach dieſem Leben eine gluͤckſelige Wohnſtadt zu erlangen begehret / der muß der Froͤmmigkeit ergeben ſeyn / und ſein Gemuͤthe mit weltlichen Laſtern nicht erfuͤllet haben. Denn es ſeyn nur / wie man ſaget / nicht alles rechte Lands - knechte die lange Spieſſe tragen. Durch die rech - ten Landsknechte verſtehe ich die jenigen / ſo mit Ernſt der Weißheit beflieſſen ſind / unter welchen ich nicht einer von den letzten zu ſeyn verhoffe / wel - ches ich dann / ſo Gott wil / bald erfahren werde / deñ es kan nicht lange mehr Anſtand haben. Da haſt du meine Entſchuldigung Cebes. Was die Be - ſtaͤndigkeit betriefft / welche du mir / weil ich faſt oh - ne Verdruß meine Freunde verlaſſe / aufzurucken vermeineſt / ſo bin ich verſichert / nach meinem Tode in einem andern Orte ſolche wieder anzutreffen / ſo dieſen allhier weit / weit / werden uͤberlegen ſeyn. Mir iſt nicht unbewuſt / daß dieſes allen Leuten nicht in den Kopff wil / ſo aber nur ſolches / was ich in mei - ner Schutzrede fuͤr gebracht / bey euch mehr als bey den Athenienſern gefruchtet / ſo iſt alles gut / und fin - de mich ſatſamlich vergnuͤget.

Dieſes / ſagte Cebes / iſt gar wol abgehandelt / und du haſt mit meinem hoͤchſten Vergnuͤgen dieſer Sachen ihr Recht gethan. Jch muß aber noch ei - ne Frage auf die Bahn bringen / und Gelegenheit davon zu reden geben / was es doch eigentlich um die Seele vor Bewandſchafft habe / denn etliche glau - ben / daß ſie unſterblich iſt / etliche / daß

C 2Die30Der ſterbende
Die Seele ſo bey Lebens Zeit
Ein kleines Feuer hat entbrennet /
Wird in dem Tod als Sand zerſtreut /
Und wie ein leichter Rauch zertrennet /
So nun das allgemeine Gifft
Nicht dieſen gantzen Menſchen trifft
So halt ich / daß nach dieſem Leben
Die Seele dieſen Grad erreicht /
Von welchem keine Klarheit weicht /
Und da deß Himmels Schaͤtze ſchweben.
Diß was dein weiſer Mund verſpricht /
Von Guͤtern / die kein Todt zubricht /
Und ewig in den Himmel bluͤhen /
Kan warlich nicht viel anders ſeyn /
Wo unſre Seelen ſich bemuͤhen
Zukommen zu der Sternen Schein /
Wann Faͤulniß / Todt und Nacht umziehen
Fleiſch / Sehnen / Adern / Haut und Bein.

So laſt uns dann ſehen / ſagte Socrates / was wir wol glaubliches in dieſer Sache befinden wer - den. Es iſt ein hohes Werck / und ich bin nicht der Meinung / daß iemand mein Geſpraͤche unzeitig o - der ungereimt werde heiſſen koͤnnen. Laſt uns a - ber erſtlich betrachten / ob man wol vor gewiß aus - geben koͤnne / daß der Todten Seelen in der Hoͤllen ſeyn oder nicht.

Man glaubt vor langer Zeit / daß der entleibte Geiſt /
Den ſonſt die alte Welt nur ein Geſpenſte heiſt /
Wann er die faule Haut des Leibes abgezogen /
Und in das ſchwaͤrtze Hauß der Hoͤllen iſt geflogen /
Noch endlich / weil die Todes-Bande
Jhn nicht auf ewig hier beſtrickt /
Durch einen Wechſel wird erquickt /
Jn dem er aus dem duͤrren Lande
Mit31Socrates.
Mit freien Fluͤgeln wieder fleucht /
Und in den Menſch zuruͤcke zeucht.

So dieſes ſich nun dergeſtalt verhaͤlt / daß von den Toͤdten wiederum Lebendige werden koͤnten / ſo muͤſten ſich unſere Seelen unfehlbar aldar aufhal - ten: Dann wie ſolten ſie wiederum in das Leben ge - langen / wann ſie nicht irgend wo anzutreffen waͤ - ren. Und dieſes iſt nun ſo eine ſtarcke Muthmaſ - ſung / daß die Seelen irgend wo ſeyn muͤſſen / wo - fern es ſich ſo befindet / daß die lebendigen von nichts als von den Todten koͤnnen herkommen. Dafern es aber nicht alſo bewand iſt / ſo wil uns obliegen nach einen ſtaͤrckeren Beweiß zu trachten. Und deſto fuͤglicher dahin zugelangen / ſo wollen wir nicht allein den Menſchen beſchauen / ſondern auch zu - gleich allerley Arten der Thiere und Pflantzẽ / ja alles was unter der Sonne gezeuget wird / recht betrach - ten / und wollen erwegen / ob es nicht die Warheit ſey / daß alle Dinge von ihrem Gegenſpiele herkom - men / auf daß wenigſte die jenigen / ſo einander der - geſtalt / wie ſchoͤn und greulich / gerecht und unge - recht / zu wider ſind. Laſt uns demnach behertzigen / ob es dann nothwendig / daß alle das jenige / ſo ein Gegenſpiel hat / von ſeinem Gegenſpiel muͤſſe her - ruͤhren; Beſſer zu verſtehen / ob dieſes was groͤſſer wird / nothwendig von dem / was es zuvor geweſen / nemlich von etwas kleinerem groͤſſer worden / wie auch / ob dieſes / was dieſen Augenblick kleiner wor - den / nothwendig kleiner worden / weil es ſich von et -C 3was32Der ſterbendewas groͤſſerem gleichſam entbrochen und abgeſon - dert hat / und ob dieſes was ſtaͤrcker wird von etwas ſchwaͤcherem / diß / was boͤſe von etwas beſſerem / und diß / was langſam von etwas geſchwinderem herkommen. Wie wir nun nicht in Abrede ſeyn koͤnnen / daß alle Dinge von ihrem Gegenſpiele her - ruͤhren / ſo muͤſſen wir auch geſtehen / daß unter die - ſem Gegenſpielen ſich noch ein Mittelding befindet / welches die Erzeug - oder Ziehlung iſt / der Fortgang nemlich / oder Abtritt von einem zu dem andern / wie wir denn ſehen / daß unter den zwey widerwaͤrtigen Sachen Groͤſſer und Kleiner / das Mittelding die Vergroſſung und Verkleinerung iſt / und gleichfals von Hitze und Kaͤlte ſagen / daß ſich das eine erhitzt / und das andere erkaltet / in dem dieſe / wie alle an - dere widerwaͤrtige Sachen / ſich alſo mit einander verwechſeln / und dergeſtalt unterſchieden werden. Und ob ſchon der Name in etlichen Dingen faſt ge - brechen wil / ſo koͤnnen wir doch geſichert ſeyn / daß alles von ſeinem Gegenſpiele herkommet / und ihr Mittelding die Ziehlung oder Geburt iſt / durch wel - ches eines zu dem andern ruͤcket und ſchreitet. Hat nun nicht alles / was nur kan erdacht werden / ſein Widerſpiel / als wachen / hat es nicht ſchlaffen / und leben hat es nicht ſterben zu ſeinem Widrigen? Kommt da nicht / wiewol eine groſſe Widerwaͤrtig - keit entzwiſchen ſtehet / eines von dem andern / und haben ſie nicht / weil es zweyerley Sachen ſeyn / gleichfals zweyerley Forttritte / daß alſo umgewech - ſelter Weiſe eines aus dem andern werden kan? Wie33Socrates. Wie nun Schlaffen und Wachen zwey widerwaͤr - tige Dinge ſeyn / ſo ſeyn Sterben und Leben es gleich - fals / und wie von dem Wachen der Schlaf / und von dem Schlaffe das Wachen herkoͤmmt / ſo wird von dem Leben der Todt / und von dem Tode gleichfals das Leben. Ja weiter zu gehen / wie der Forttritt vom Wachen zum Schlaffen einſchlaffen / und der Forttritt vom Schlaffen zum Wachen auſwa - chen heiſt / ſo heiſſet auch der Forttritt vom Leben zum Tode / ſterben. Wo bleibet aber der Fort - tritt und Wechſel vom Tode zum Leben? Solle die Natur hier alleine mangelhafft und gebrechlich er - funden werden? Das darff man in keinerley Wei - ſe glauben. Sondern wir werden befinden / daß der Forttritt vom Tode zum Leben Auferſtehung ge - nennet wird / und eben ſo / wie die Todten von den Lebendigen / alſo auch die Lebendigen von den Tod - ten herkommen. Und dannenhero iſt unfehlbarlich zu ſchlieſſen / daß der Todten Seelen irgend wo ſeyn muͤſſen / von dannen ſie durch eine Umwechſelung wiederum koͤnnen zuruͤcke tretten. Ohne dieſen veraͤnderlichen Forttrit nun / durch welche alle Sa - chen auf das neue erzeuget werden / und in die Na - tur gleichſam zirckelweiſe wiederum zuruͤcke treten / ſo wuͤrde endlich alles unter einerley Geſtalt bleiben / und nichts zu ſeiner alten Beſchaffenheit kommen koͤnnen / als wann gleichſam alle Sachen in einen tieffen Schlaffe legen / daraus ſie ſich nimmermehr zu wickeln vermoͤchten / und ohne Zweiffel /

C 4Das34Der ſterbende
Das / was man hier und dort von einem Hirten findet
Jns Mondenlicht verliebt / ſo allezeit gewacht /
Jſt nur ein Fabelwerck / und allzuſchlecht gegruͤndet /
So ein gemeiner Kopff zum Schertzen hat erdacht.

Dann wann alle Ding ſich in einander vermiſch - ten / und dergeſtalt zuſammen geriethen / daß ſie nicht koͤnten von einander geſchieden werden / ſo wuͤrde es endlich auf des Anaxagoras Meinung kommen / daß alle Dinge zu gleich beyſammen waͤren.

Daß Licht kaͤm in des Schattens Bande /
Die
*
* vier gemiſchte Reinligkeit /
Die ſchaute man in kurtzer Zeit
Bey ihren erſten Ubelſtande.
*Elementa.

Dann dafern dieſes / was da lebet / alſo dahin ſtirbet / und dieſes / was geſtorben iſt / nicht wiede - rum kan lebendig werden / ſo kommt es endlich auf dieſes / daß alles ver gehen muß / und nichts mehr le - ben kan.

Diß / was die Sonne ſchaut gebohren /
Dem wird ſein Ende bald erkohren /
Und liegt vom Tode hingericht.
Reiſt uns nu nichts aus deſſen Klauen /
Und ſtelt uns wieder in das Licht /
So muß die Welt ihr Ende ſchauen.

Und ob ſchon die Lebendigen andere erzeugen / ſo muͤſſen doch endlich allzuſammen ausgetilget wer - den / wenn ſie ohne Wiedergeburt dergeſtalt fortſter -35Socrates. ſterben. Jch glaube es / ſagte Cebes / und halte nicht vor unfuͤglich dazu zu ſetzen / daß eine Auferſte - hung ſey; durch welche von den Todten wiederum Lebendige herfuͤr kommen / die Seelen von dem To - de befreyet bleiben / und daß nach dieſem Leben die Frommen ein beſſeres / und die Boͤſen ein aͤrgeres werden zu gewarten haben. Bey dieſer Gelegen - heit erinnere ich mich deſſen / was ich offtmals von dir gehoͤret habe / daß nemlich alles unſer Wiſſen und Lernen / nichts als eine Erinnerung und Ange - dencken iſt. So dieſes nun dergeſtalt ſich verhaͤlt / ſo iſt unfehlbar zu ſchlieſſen / daß wir zu einer andern Zeit / ehe wir auf dieſe Welt kommen / alles das je - nige / was uns itzund einfaͤlt / nothwendig muͤſſen gelernet haben.

Diß / was man in den weiten Schrancken
Der Menſchen muͤhſamen Gedancken /
Vor Weißheit und vor Kuͤnſte ſpuͤhrt /
Jſt nur ein wieder holtes Weſen /
Dadurch der kluge Geiſt verſpuͤhrt:
Was er in jener Welt geweſen /
Sein gantzes Thun das denckt darauf /
Was er vor langer Zeit getrieben /
Und durch viel ſchneller Zeiten Lauf
ſtets unverſehret iſt geblieben.

Welches nimmermehr geſchehen wuͤrde / wann unſere Seelen / ehe ſie dieſe menſchliche Geſtalt an ſich genommen / nicht irgend anderswo geſchwebet haͤtten.

Es ſcheinet nun genung heraus /
Daß unſer Seel in ſich geſeſſen /
C〈…〉〈…〉Eh36Der ſterbende
Eh ſie bezog des Leibes Haus /
Was kan man wol hieraus ermeſſen.

Sey gebeten mein Cebes / ſagte Simias / mir zu entdecken / mit was vor Gruͤnden du dieſe Meinung wol behaupten wolleſt. Schaue deſſen einen ſchoͤ - nen Grund / antwortete Cebes / daß die Menſchen / wann man ſie etwas fraget / ſo fern nur einer ſolches verſtaͤndlicher maſſen fuͤrzutragen weiß / gereimet darauf antworten / und der Sache ein Genuͤgen thun / welches ihnen zu leiſten unmoͤglichen waͤre / wann ihrem Gemuͤthe nicht eine richtige Wiſſen - ſchafft und vollkommene Vernunfft beywohnete / wie man dann auch / wann ſie zu den unterſchiedlichen Satzungen und Formen der Meßkunſt gefuͤhret werden / augenſcheinlich ſehen wird / daß unſere Gemuͤther allbereit einen gewiſſen Vorſchmack haben.

Wann durch der Goͤtter Glut und Flammen /
Und eine nicht bekante Macht /
Der Seelen Kraͤfften gantz zuſammen
Sind in den Kloͤß des Leibes bracht /
So ſpuͤhrt man wie durch Freundſchaffts Wercke /
So unſer Geiſt nicht an ſich haͤlt /
Gar vieler Weißheit / Macht und Staͤrcke /
Jn Eil zuſammen ſich geſellt.

Der Beweiß / welchen Cebes anfuͤhrete / that den Simias genung / und veraͤndert ihm dergeſtalt Sinnen und Gedancken / daß er nunmehr geſtehen muſte / wie unſer Lernen nichts anders als eine Erin - nerung waͤre. Jedennoch trug er Belieben auch denSo -37Socrates. Socrates daruͤber zu vernehmen / welcher folgender Geſtalt davon ſprachete:

Socrates.

So man ſich etwas erinnern ſoll / ſo muß noth - wendig daraus folgen / daß man eher Zeit ſolches gewuſt habe / und wann die Wiſſenſchafft derge - ſtalt beginnet / ſo wird keiner leugnen koͤnnen / daß es nicht eine Erinnerung ſeyn muͤſſe. Auf folgen - de Art und Weiſe; Wann iemand nach dem er et - was geſehen / oder gehoͤret hat / ſich deſſen erinnert / und nicht allein deſſen / ſondern auch zugleich etwas anders / deſſen Erkaͤntniß von dem Erſtgeſehenen gantz unter ſchieden iſt / ſo heiſt die Erinnerung einer entlegenen Sache ein Angedencken: Als das Erkaͤnt - niß eines Menſchen und einer Laute ſind zwey un - terſchiedene Sachen / nichts deſto weniger / wann ein Verliebter die Laute erblicket / darauf er zuvor ſeine Liebſte ſpielen geſehen / ſo dencket er auch zu - gleich an ſeine Liebſte.

Schau ich der Roſen Purpurſchein
Jn einem bunten Garten ſchweben /
So kommt mir meine Phyllis ein /
Bey der ſie auf den Wangen leben.
Diana / ſo im Himmel ſitzt /
Und mit viel Luſt und Schoͤnheit pranget /
Macht daß ſich Bruſt und Bruſt erhitzt /
Und mich nach gleicher Pracht verlanget.
Gruͤſt38Der ſterbende
Gruͤſt Phoͤbus dieſe runde Welt /
So ſchau ich ſie in gleichem Feuer /
Weil alles fuͤr ihr nieder faͤlt /
Als einem reinen Ungeheuer.
Die Venus / ſo Apelles macht /
Der kleine Gott und ſeine Kertze /
Und andre Farben Zier und Pracht
Fuͤhrt mir die Phillis in das Hertze.

Alſo kan man / in den einem etwas von dem Ce - bes einkommet / auch zugleich an den Simias ge - dencken / wie es denn offt zu geſchehen pfleget / daß man ſich Sachen erinnert / ſo die Laͤnge der Zeit / o - der ja die Unachtſamkeit albereit in dem Gedaͤcht - niß ausgetilget. Und begiebet es ſich nicht oft / daß man bey Anſchauung eines gemahleten Pferdes o - der Bettes zugleich an einen Menſchen gedencket / wie auch / daß einem bey Abbildung des Cebes zu - gleich der Simias in Sinn kommet. So ſchauen wir nun dergeſtalt / daß das Angedencken zwar in gemein durch etwas aͤhnliches und gleiches / aber auch offt durch etwas ungleiches erwecket wird.

Gedenck ich ohngefehr / daß ich einmal geſchifft /
So wird der ſchnelle Geiſtden Wolcken zugelencket /
Und der geringſte Zeug / ſo dieſe Kunſt betrifft /
Macht daß man alſobald an Maſt und Seegel dencket.

So man ſich nun beſagter maſſen einer Sache durch etwas gleiches erinnert / ſo muß auch erwogen werden / ob dieſe Eriñerung ſich uͤber dieſe Aehnlich - keit und Gleichheit der Dinge erſtrecket / ſo uns ein -fal -39Socrates. fallen. Man muß alhier genau auf alles Achtung haben. Saget man nicht / daß etwas ſey / ſo man gleiche nennet? Jch verſtehe dieſes nicht von einem Holtze / Steine oder anderer Sache / da eine der an - deren gleiche ſey / ſondern ich rede alhier noch uͤber dieſes von einem Dinge / ſo man gleiche heiſſet: Und iſt nun dieſes gleich etwas? Ohne einigen Zweiffel antwortete Simias / und von dieſer Er - kaͤntniß des gleichen ruͤhret es auch her / daß wir in Anſchauung gleicher Hoͤltzer / Stein oder anderer Sachen / uns dieſes gleiche eingebildet haben / ſo gar etwas anders als Holtz und Stein / iſt / dann eben dieſes Holtz / oder dieſer Stein heiſſet bißweilen nach gewiſſer Beſchaffenheit gleich oder ungleich; Dieſes aber / was man gleiche oder ungleiche Gleich - heit oder Ungleichheit nennet / bleibet ie und alle wege unveraͤnderlich. Aus dieſem ſehen wir nun / daß die gleichen Sachen / und die Gleichheit nicht eines ſey / nichts deſtoweniger ſo ſind wir von dieſen gleichen Sachen / ſo nicht die Gleichheit ſeyn / zu dem Erkaͤntniß der Gleichheit gelanget. Eben ſo iſt es mit dem aͤhnlichen und unaͤhnlichen bewand. Dann wann ihr bey Anſchauung eines Dinges euch etwas anders / es ſey dem Geſehenen aͤhnlich o - der unaͤhnlich / einbildet / ſo folget unfehlbar eine Er - innerung darauf. Laſt uns aber ſehen / wie ſich die - ſes in den Sachen / ſo wir itzund gleiche genennet / als Holtz / Stein und anderen wol verhaͤlt / ſolten wir wol meinen / daß ſie ſo gleiche waͤren / als die Gleichheit ſelber iſt? Es mangelt gar viel daran. Muͤſ -40Der ſterbendeMuͤſſen wir nicht bekennen / daß wañ ein Menſch / ſo eine Sache genauer beſchauet / und betrachtet / welcher etwan / einer andern gemaͤß zu ſeyn begeh - ret / und nun gewiß verſpuͤhret / daß das jenige / ſo er in ſeinem Willen zu ſolcher Beſchaffenheit brin - gen wil / gantz mangelhafft und entfernet iſt / noth - wendig daraus folgen muͤſte / daß er etwan zuvor ei - ne Aehnligkeit dieſer Sache empfunden / zu welcher dieſes was er itzund fuͤr ſich hat / ſeinem Abſehen nach / nicht wol gelangen kan. Dieſes geſchiehet nun gleichfals auch in den gleichen Sachen. Dann es iſt leicht zu ſchlieſſen / daß dieſes / was wir gleiche nennen / und was wir hier durch die gleichen Sa - chen erkennet / ja welches etwas hoͤhers als ſie iſt / und zu dero Vollkommenheit alle Sachen zu kom - men bemuͤhet ſtehen / ohne allen Zweiffel etwas ſeyn muͤſſe / ſo uns zuvor im Geiſte beygewohnet / welches wir aber itzund durch nichts als durch die euſſerli - chen Sinnen / nemlich Geſichte / Gehoͤre und Fuͤhle haben erkennen koͤnnen.

Simias.

Man muß doch auch ſehen / ob das jenige / deſſen wir itzund gedacht / ſich in allen dergeſtalt verhalte. Und was das Vermoͤgen der euſſerlichen Siñen be - trift / ob alle die Dinge / ſo ihnen unterworffen / nach Gleichheit ſtreben / ob ſie ſchon nicht ſo weit gelangẽ koͤnnen? Es iſt nicht anders / antwortete Socrates / denn ehe wir zu ſehen / zu hoͤren / und uns andererSin -41Socrates. Sinnen zu gebrauchen begonnen / ſo muͤſſen wir not wendig des rechten Gleichen gehabt / und was die Gleichheit ſey / unfehlbar gewuſt haben / weil wir ſo genau die Sachen / ſo den Sinnen uͤbertreffen / da - hin fuͤhren wollen / daß wir auch zu urtheilen wiſſen / wie ſolche zu der Gleichheit zu gelangen bemuͤhet ſind / ob ihnen gleich recht dahin zu kommen gantz unmoͤglich iſt.

So bald die Leiber nun beginnen /
Und treten auf die runde Bahn /
So merckt man wie die Schaar der Sinnen /
Jhr Abſehn bald erkieſen kan.
Die Seele weiß bald zu verſpuͤhren /
Sind nur die Leiber recht beſtelt /
Was Augen / Naſ und Ohren fuͤhren /
Was Schmack und Fuͤhlen in ſich haͤlt.

So bald wir auf die Welt kommen / ſo werden wir zu ſehen / zu hoͤren / und zu dem Erkaͤntniß des je - nigen / was gleich heiſt / einen Anfang muͤſſen gehabt haben / und muß die Sache allbereit in jener Welt ſchon bekant geweſen ſeyn. Haben wir nun dieſes Erkaͤntniß vor unſerer Geburt gehabt / ſo iſt zu ver - muthen / daß uns dieſes Vermoͤgen in unſerer Ge - burt nicht verlaſſen / und daß wir alſobald nach der - ſelben / diß / was gleich groͤſſer oder kleiner / ſchoͤne / gut / gerecht / geſund / mit einem Worte / alles das jenige / dem wir in Frag und Antwort ein warhaf - tiges Weſen eigentlich beyfuͤgen / muͤſſen gewuſt ha - ben. Wann wir nun / nach dem wir die Wiſ - ſenſchafft erlanget / derſelben niemals vergeſſen / wiees42Der ſterbendees geſchiehet / ſo wuͤrde gewiß daraus folgen / daß wir mit der Wiſſenſchafft gebohren waͤren / und daß wir / weil unſer Lebenslauff waͤret / dieſelbe allezeit in dem Gedaͤchtniß hielten. Denn Vergeſſenheit iſt nichts anders als Verluſt der Wiſſenſchafft. So es aber dann ſo iſt / daß wir nach der Geburt unſere Wiſſenſchafft verliehren / und hernachmals ver - moͤge der Sinnen dieſe Wiſſenſchafft wiederum er - werben / welches wir Lernen heiſſen; iſt es denn nun nicht unſer eigen Wiſſen / ſo uns vor der Geburt beygewohnet / wieder erlangen? Soll man dann dieſe Erſtattung nicht eine Erinnerung nennen? Dann es geſchiehet / wie wir allbereit geſaget ha - ben / daß man bißweilen bey Anſchau - oder Anhoͤ - rung einer Sache / ihm offt eine andere / ſo ſich die - ſer gleichet oder nicht gleichet / einbildet / welches man dann erinnert heiſſet. So muß nun nothwen - dig unter den zweyen eines ſeyn / entweder daß wir die Wiſſenſchafft mit auf die Welt bringen / und dieſelbe ſteiff und feſt behalten / oder daß dieſes / was wir lernen / angedencken heiſſe / und alle unſere Wiſ - ſenſchafft nur eine bloſſe Erinnerung ſey. Und welches unter zweyen getraueſt du dir wol am mei - ſten zu behaupten / daß wir die Wiſſenſchafft mit auf die Welt bringen / oder daß wir uns nachmals des jenigen / was wir zuvor gewuſt / erinnern. Jch weiß nicht / antwortete Simias / welches ich unter dieſen wol erwehlen ſoll / und koͤnteſt du uns dann nicht offenbaren / welches wol das beſte ſeyn moͤge. Wie dann / ſagte Socrates / ſolte ein weiſer Mannnicht43Socrates. nicht ſeiner Wiſſenſchafft Beweiß anfuhren koͤn - nen; Meineſtu daß ein iedweder von dem / was wir itzund abgehandelt / Rechenſchafft zugeben wiſſe? Wolte Gott / ſagte Cebes.

Dann Morgen iſt es gantz verricht /
Und wann man / wie das Urtheil ſpricht:
Dir wird das Gifftglaß uͤbergeben /
So iſt ja alles abgethan.
Wo findet man wol einen Mann /
Von allen dieſen die itzt leben /
Der uns dergleichen lehren kan?

Jch trage groſſe Furcht / daß morgen keiner mehr wird zu finden ſeyn / ſo ſich von dieſer Sache recht zu handeln unterſtuͤnde.

Socrates.

So glaubeſt du dann / daß keiner in der Welt dieſes recht verſtehe?

Cebes.

Das iſt meine gaͤntzliche Meinung.

Socrates.

So muß dann unfehlbar folgen / weil ſie es nicht wiſſen / und doch zuvor gewuſt haben / daß ſolches / wañ ſie es lernen / nur eine Erinnerung ſey. Und wañ iſt es dann geſchehen / daß unſere Seelen dieſe Wiſ - ſenſchafft erlanget haben? Dieſes iſt nicht nach / ſondern vor der Geburt geſchehen. So iſt leicht zu ſchlieſſen / ſagte Simias / daß unſere Seelen / eheDſie44Der ſterbendeſie in dieſe menſchliche Geſtalt geſchritten / irgend wo mit Verſtand und Wiſſenſchafft muͤſſen bega - bet worden ſeyn / ſo wir nicht vielleicht / mein Socra - tes / dieſe Wiſſenſchafft den augenblick in der Ge - burt empfangen haben. Vielleicht / ſagte Socra - tes. So wir es aber zu ſelbiger Zeit empfangen / wo wird dann dieſe Zeit / in welcher wir die Wiſſen - ſchafft verlohren / anzutreffen ſeyu: Weiſt du et - wan eine andere Zeit zu nennen? Jch weis keine an - dere / ſagte Simias / und dieſer Zweiffel / der ſich hier ereignet / iſt nicht viel werth. Uber dieſes alles / re - dete Socrates weiter / dafern dieſes / was wir ſchoͤ - ne und gerecht nennen / wie auch alles andere We - ſen in unſerem Verſtande etwas iſt / und daß wir es durch fleißiges Unterſuchen wiederum begreiffen / ſo kan es auch nicht mangeln / daß unſere Seele vor unſerer Geburt muͤſſe geweſen ſeyn / wie dann nun alſo nicht zu zweiffeln / dafern ſchoͤn / gerecht / gut und ander Weſen etwas iſt / daß die Seele / ehe ſie auf die Welt kommen / ſich gleichfals irgendwo muͤſ - ſe aufgehalten haben. Es iſt ſonnenklar / ant - wortete Simias / niemand wird mehr daran zweif - feln.

Mein Geiſt der ſetzt ſich auch zu Ruh /
Und giebet alles dieſes zu /
Was itzt dein weiſer Mund geſprochen:
Der Cebes ſelbſt / ſo ſelten traut /
Und alles zu genau wil ſuchen /
Hat gleichfals auf dein Wort gebaut.
Ein ieder der dich angehoͤret /
Kommt zu der Sonne durch die Nacht /
Die45Socrates.
Die Warheit wird in ihm vermehret /
Und er auf rechte Bahn gebracht.

So wiſſe dann / daß wir unfehlbar glauben / daß unſere Seele eher als der Leib geweſen / wie es aber kuͤnfftiger Zeit ſeyn wird / ob ſie nach Verweſung der Glieder gleichfals ſeyn und bleiben werde /

Wann unſer todter Leib mit Steinen wird beſchwert /
Was Bein iſt / Aſche wird / das Fleiſch der Wurm verzehrt /

Das iſt das noch keiner unter uns recht begrief - fen hat. Dann dieſes kan meines Erachtens noch wol beyſammen ſtehen / daß nemlich die Seele zwar eher als der Leib entſtanden / und in dem menſchli - chen Leibe gewohnet / aber doch in dem Tode zugleich mit dem Leibe aufhoͤre. Wie wir dann in dem / daß die Seele eher als der Leib entſtanden / gaͤntzlich ei - nig ſeyn.

Socrates.

Haben wir doch auch ſchon mehrentheils erwie - ſen / daß ſie nach Untergang des Leibes auch uͤbrig bleibe. Dann dafern von dem Lebendigen das Todte wird / ſo wird unfehlbar auch von den Tod - ten das Lebendige kommen muͤſſen. Und ſo der Geiſt den Leib zu beleben ſich herzugemacht / und aus dem Lande des Todes kommen iſt / ſo zweiffele doch niemand / wann er aus dieſem Leben zeucht / daß er nicht wiederum zu den Todten kehre / von dannen er zu ſeiner Zeit ſich wiederum zuruͤcke machen wird. D 2A -46Der ſterbendeAber / vielleicht fuͤrchtet ihr euch mit den kleinen Kin - dern.

Jhr dencket / daß ein kleiner Wind
Sich nahe bey den Lippen find /
Und dieſe Flamme mit ſich treibet /
So gantz erſchrocken zeucht heraus /
Ja daß die Seele todt verbleibet /
Nichts anders als der Seelen Hauß.
Wie auch / wann ſich herzu gefunden /
Ein Strich der ſuͤſſen Weſten Lufft /
So unſern letzten Athen rufft /
So ſey die Seele leicht entbunden /
Und daß des kleinen Feuers Schein /
Nicht balde koͤnt erſtecket ſeyn.
So aber ſich der Zufall fuͤget /
Daß dieſer Geiſt den Sand erreicht /
Der um das Hoͤllenfuer lieget /
Und ihm der Nord entgegen ſtreicht /
So wird er hin und her getrieben /
Und findet gantz kein feſtes Land /
Wird ſo veracht / und muß verſtieben /
Wird duͤnner Rauch und leichter Sand.

Jch weiß nicht ob etwan einer oder der ander un - ter euch ſich von dieſer kindiſchen Seuche angeſteckt befindet / und euch dieſe Einbildung zu benehmen

Daß euch nicht moͤge ſchaden koͤnnen /
Das Ebentheuer duͤnner Lufft /
So bloß die Furcht der ſchwachen Sinnen /
Aus Torheit hat herbey gerufft /
So diß was Unterſuchung heiſt /
Den Jrrthum nicht zu Boden reiſt /
So muß ein ander Mittel kommen.
Man greiffe Schwur und Segen an /
Damit die Wurtzel ſey benommen /
Der Torheit ſo uns ſchaden kan.
Wann47Socrates.

Wann du aber nun von uns weg ſeyn wirſt / ſagte Cebes / wo werden wir einen Artzt antreffen / der mit dieſen Huͤlffsmitteln recht umzugehen wiſſe.

Jſt euer Sinn darauf gewand /
So zeigt das kluge Grichenland
Gemuͤhter / die die Welt mit hohen Titeln lehret /
Und wo hier nichts zu finden iſt /
So ſucht die Barbarey / was in der Fremde wohnet /
Gedenckt ihr daß aldar ihr Wonhauß wird erkieſt /
Laſt euren Fleiß die Kraͤfften zeigen /
Jn Berge / See und Thaͤler ſteigen /
Laſt dieſe weite Welt den Zeug der Arbeit ſeyn;
Erlernet wie man ſtirbt / und wieder werde leben /
Jſt euch die Seele lieb / ſo lehrt auch Haut und Bein
Zu ſchaffen / wo Cocit und ſeine Fluten ſchweben.
Mit was ein Fremder euch auch kan entgegen gehn /
Und vor gelehrte Setze bringen /
So laſt doch euren Witz nicht gantz dahinden ſtehn /
Bemuͤht euch ſelbſt dadurch zu dringen /
Vielleicht daß in der groſſen Rey /
Von denen unſre Grichen ſingen /
Nicht gar wol einer iſt / der euch zugleichen ſey.

Daß wir aber wiederum auf unſere vorige Rede kommen / ſo laſt uns erſtlich erwegen / was doch ei - gentlich dieſem Zertrennen unterworffen ſey / was doch eigentlich dieſem Zufall zu erdulden habe / und welchem Theile es geſchehen muͤſſe. Man muß nachmals genau erwegen / was doch eigentlich die Seele ſey / und ihme / ausgenom̃en wegen der See - len / weder Furcht noch Hofnung erwecken laſſen. Es iſt nur gewiß / daß dieſes / was ſich zuſammen fuͤget / und allbereit zuſammen gefuͤget iſt / nothwen -D 3dig48Der ſterbendedig einer Trennung unter worffen ſeyn muͤſſe; und daß alles das jenige / was nicht zuſammengeſetzt iſt / dieſer Trennung gaͤntzlich uͤberhoben. Was nun ge - gen alle Sachen ſich allezeit gleiche verhaͤlt / das muß ſonder Zweiffel aus ſich ſelbſt beſtehen / und dieſes / was nicht ſo geartet iſt / muß unfehlbar zuſammen geſtuͤcket ſeyn. Was wir Eigenſchafft nennen / deſ - ſen Beſchreibung durch Frag und Antwort uns das rechte Weſen eines Dinges fuͤr Augen ſtellet / blei - bet allezeit / und in allen Sachen in ebenmaͤßiger Verfaſſung / wie wir denn ſchauen / das gleich ſchoͤ - ne und was denen gleiche iſt / allezeit durch ſich ſelbſt und in allen Sachen auf eine Art beſtehet / ohne daß ſolches die geringſte Veraͤnderung leiden duͤrffte. Denn was tauſend andere Dinge betrifft / ſo wir ſchoͤne nennen / als Pferde / Menſchen / Kleider / ſo finden wir darinnen ein merckliches Widerſpiel / deñ alle dieſe ſind theils in Betrachtung ihrer ſelbſt / als anderer beygeſetzter Sachen ſehr veraͤnderlich / ja ſie finden ſich niemals von gleicher Weiſe oder Beſchaffenheit / und koͤnnen uͤber dieſes von den leiblichen Sinnen begriffen werden. Dieſes be - ſtaͤndige und ware Weſen aber kan nichts anders als das Vermoͤgen des Verſtandes erreichen. So wird es denn gar fuͤglich geſchehen / daß wir zweyer - ley Art Sachen ſetzen / deme die erſte ſichtbar / die andere aber unſichtbar / und daß die unſichtbare un - veraͤnderlich / die ſichtbare aber veraͤnderlich iſt. Wie wir nun von zweyen Stuͤcken zuſammen ge - ſetzt ſind / nemlich von Leib und Seele / ſo iſt der Leibſicht -49Socrates. ſichtbar / die Seele aber unſichtbar / aufs wenigſte von dem Menſchen: Dann wir reden hier ſo viel die menſchliche Natur vermag / in Betrachtung welcher die Seele nicht kan erkieſet werden. Wie wir denn auch allbereit zuvor erwehnet haben / daß die Seele / wann ſie ſich des Leibes / etwas zu erken - nen / bedienen wil / in gemein betrogen wird / und al - les unvollkommen betrachtet.

Die Seele ſo allzeit nach Klarheit tracht /
Befindet nur in dieſer ſchwartzen Nacht /
Jn welcher ſie der Coͤrper hat beſtricket /
Der Augenlicht / ohn allen rechten Schein /
Und weil ſie nicht wil faͤlſchlich ſeyn beruͤcket /
So kan kein Sinn ihr rechter Fuͤhrer ſeyn.
Der reine Geiſt mit Todeshaut umgeben
Kan ſeine Krafft nicht wie er wil erheben.
Es geht die Uhr der Sinnen wie ſie wil /
Und weil ihn hier der ſchnoͤde Klumpen bindet /
So ſchaut der Witz gar offt ein falſches Ziel /
Und was ſich nicht in der Natur befindet.

Das iſt die Schwachheit des Leibes / ſo der See - len offtmals Urſach giebet / ſich zu den Sachen zu lencken / ſo in gemein der Enderung unterworffen / und niemals auf eine Art anzutreffen ſind.

Der reine Strom / ſo aus den Felſen ſpringet /
Und in den Bach mit ſchnellen Fluten dringet /
Wird durch den Schlam offt truͤb und ſchwartz gemacht /
Und unſer Geiſt / wie rein er iſt gebohren /
Verleuret bey den Sinnen ſeine Pracht /
Jn dem er ihm den faulen Weg erkohren.
Wann nun der Geiſt allein auf ſich beſteht /
Und ihm kein Sinn nicht an der Seiten geht /
D 4Ja50Der ſterbende
Ja gantz allein auf ſeine Rechnung trauet /
So wandert er von allem Schlamm befreyt /
Durch einen Weg darauf die Warheit bauet /
Gantz ungeirrt hin auf die Ewigkeit.
Der reine Trieb kan ſolche Wirckung machen /
Daß er erlangt die Eigenſchafft der Sachen /
Die weder Zeit noch Zufall aͤndern kan /
Das iſt das Thun / dem ſich der Geiſt ergiebet /
So nimmermehr dem Weſen unterthan /
Dem von Natur Verwandelung beliebet.

Die Geſchickligkeit nun / ſich allezeit an dieſe Sachen / ſo niemals anders als gleiche / und eines ſind / zu halten / nennet man Weißheit. Und wir muͤſſen daraus nothwendig ſchlieſſen / daß das Ge - muͤthe unfehlbar in dieſer Sachen Rey gehoͤre / ſo keiner Aenderung unterworffen / da hergegen / was den Leib belanget / ſich gantz das Widerſpiel ereig - net. Jm uͤbrigen iſt noch zu vermercken

Des Geiſtes groſſe Wunderkrafft /
Jn dem in allen Thun und Faͤllen
Der Leib ihm gaͤntzlich iſt verhafft /
Nachdem es ihm die Seele ſchafft /
Den Fortgang richtig zu beſtellen.
Den Ruhm / den dieſes Werck gebuͤhrt /
Gibt ſeine Hoheit zu errahten /
Was Rhadamant im Schilde fuͤhrt /
Der Parcen Macht in bleichen Thaten /
Hat dieſen Helden nicht geruͤhrt /
Und ihn gelegt in Todes Schatten.

Daraus iſt nun klar genungſam zu erſehen / daß das Vortheil zu fuͤhren und zu befehlen etwas Goͤtt -li -51Socrates. liches ſeyn muͤſſe / und daß aus der Nothwendigkeit zu gehorſamen und zu folgen / die Sterbligkeit und etwas irrdiſches nothwennig zu ſchlieſſen. Und werden alſo aus dem gehabten Geſpraͤche nichts anders erzwingen koͤnnen / als daß die Seele / dem was Goͤttlich / unſterblich / von einer unveraͤnderli - chen Geſtalt unzertrennlich / ja ſtets von einer Be - ſchaffenheit iſt / gaͤntzlich gleich ſey / da der Leib her - gegen allen demjenigen / was ſterblich / menſchlich / in ſeiner Geſtalt veraͤnderlich / zerbrechlich und un - gleicher Beſchaffenheit iſt / uͤber die maſſen und gantz aͤhnlich ſeyn muͤſſe. Weiſt du nun mein Ce - bes etwas anders / oder dem angezogenen Beweiß etwas widriges herfuͤr zu bringen? Nein / ſagte Ce - bes / mein Socrates / weil es ſich denn alſo verhaͤlt / ſo iſt unſchwer zu behaupten / daß der Leib nothwen - dig eine Sache ſeyn muͤſſe / ſo bald vergehe / und nach erfolgter Trennung augenblicklich zu nichts zu werden beginne / da die Seele hergegen unter die Sachen gehoͤre / die entweder gar nicht / oder ja ſchwerlich ausgetilget werden koͤnnen. Jch glaube es / ſagte Cebes ferner.

Socrates.
Du glaubeſt aber diß / daß nach den letzten Stunden /
Wann nun der reine Geiſt dem Fleiſche wird entbunden /
Und wir erſtarret ſind /
Der Coͤrper etwas noch in ſeinem Weſen bleibe /
Und man das faule Grab genug bemuͤhet find /
Eh es den ſchlechten Kloß des Leibes recht zutreibe.
D〈…〉〈…〉Ja52Der ſterbende
Ja wenn ein ſchneller Fall durch unverhoffte Macht
Hat einen friſchen Leib in ihre Bande bracht /
So weiß man noch zu haben
Ein Mittel ſo den Leib faſt unverſehrt erhaͤlt /
Es lehrt Aegyptien den Kunſtgrieff zubegraben /
Daß in viel lange Zeit die Leiche nicht zufaͤlt.
Wiewol nun unſer Fleiſch das Faͤulniß kan zutreiben /
Und als ein zartes Ding nicht ewig weiß zubleiben /
So faͤlt doch alles nicht /
Dann Sehne / Knorpel / Bein / kan nicht ſo bald verſchwinden /
Daß alſo auch der Todt nicht alle Glieder bricht /
Wiewol in allem dem nichts himmliſches zu finden.

Erreget dir nun dieſes keinen Zweiffel mein Ce - bes? Dann wir ſagen / daß der Leib als ſterblich / ſichtbar / und unvergaͤnglich alſobald nach dem To - de ſich enden ſolle; Da hergegen die Seele / als un - ſichtbar und unſterblich / alleine unverweßlich ſey / und ſich / ſo bald ſie aus dem Leibe gezogen / in einen treflichen Ort verfuͤge?

Daß unſre Seele voll Geluͤcke
So bald des Coͤrpers Krafft verfleucht
Ohn alles Saͤumnis von ihm zeucht /
Jn einem kurtzen Augenblicke /
Und nach dem bleichen Tode lebt
Jmmittelſt reicher Himmels-Schaͤtze /
Da uns die Gottheit uͤberhebt
Des Todes moͤrdriſchen Geſaͤtze.

Wie das? Sollen wir nun dencken / daß ſie in dieſer ihrer Meinung betrogen werde / und daß / weil wir nach ihrer Abſonderung von dem Leibe / nichts mehr von ihnen ſehen / daraus folgen muͤſſe / daß auchnichts53Socrates. nichts mehr von ihnen uͤbrig. Keines weges / lieben Freunde / ſondern hergegen

Die Seele ſo den Flug recht nach dem Himmel lencket /
Wird deſtoweniger durch Schwerigkeit gekraͤncket /
Je mehr ſie von der Laſt des Leibes abgelegt /
Sie treibet fluͤchtig hin zu ihren alten Quellen /
Jhr wolgefuͤhrter Lauff wird itzt durch nichts bewegt /
Und ihren Fuͤrſatz weiß kein Zufall umzufaͤllen.
Sie liebet einen Zweck / der unſer Auge blend /
Jhr gantzes Tichten iſt auf Wiſſenſchafft gewend /
Jm Blute wohnet ſie / und laͤſt ſich Blut nicht leiten /
Sie bleibet feſt und ſteiff auf ihrer glatten Bahn /
Sie fleucht das faule Fleiſch beſteckt auf allen Seiten /
Und zeiget wie kein Sinn ſie recht verleiten kan.
Und weil man ſie alſo gantz eingezogen ſpuͤret /
Von der Verdrießligkeit des Leibes unberuͤhret /
So nimmt ſie nichts mit ihr / wann ſie von dannen zeucht /
Begierde / Liebesbrunſt mit Torheit / Angſt und Schrecken /
Ja alles was ſonſt mehr nach dem Gebluͤte reucht /
Das laͤſt den faulen Leib ſich einiglich bedecken.
Wann ſie nun klar und rein den Himmelsport erreicht /
Jn dem der bleiche Todt nicht ſeine Netze ſtreicht /
So ſchauet man um ſie viel Ehren-Cronen ſcheinen /
Die Goͤtterreiche Schaar vertreibet ihr die Zeit /
Und was kein ſterblicher mit Warheit kan verneinen /
Jhr Wolſtand dringet tieff hin in die Ewigkeit.
Die aber ſo den Sinn ihr hat zur Luſt erleſen /
Die Seele der die Zucht ein Hencker iſt geweſen /
Und der die Wiſſenſchafft nur Schrecken hat erweckt /
Die nur mit Fleiſch und Blut ein Buͤndniß hat gemachet /
Und welcher Nichtigkeit ſich auch ſo weit erſtreckt /
Daß ſie in groſſer Luſt der hohen Freundſchafft lachet;
Die54Der ſterbende
Die in der Sinnen Schoß nun viehiſch worden iſt /
Die hat gar ſelten hier was loͤbliches erkieſt /
Sie lieget gantz erſtarrt durch ſchnoͤdes Fleiſch erſtecket /
Die Wolluſt machet ſie durch ihr Getraͤncke voll /
Und dieſes was bey ihr den Thraͤnen-Bach erwecket /
Jſt daß ſie nun die Burg des Leibes meiden ſoll.
Dieweil ihr Weſen nun im Fleiſche gantz erſoffen /
So hat ſie auch gewiß viel Freyheit nicht zu hoffen /
Und wird ſie endlich gleich dem Leibe gantz entruͤckt /
So weicht ihr aller Glantz / dieweil ihr Licht verlohren /
Ja weil die ſchwere Laſt ſie auch noch immer druͤckt /
So trifft ſie nicht die Bahn / ſo ſie ihr hat erkohren.
Erreicht ſie endlich nun des Himmels reine Bahn /
So ſchaut man wie die Lufft ſie gar nicht leiden kan /
Als die den groben Dunſt nicht leichtlich kan ertragen /
Daß man dergleichen Geiſt / wie es der Wind erkieſt /
Nicht ſelten in der Welt ſchaut um die Graͤber jagen /
Und ſo der Todten Schutz der andern Schrecken iſt.

Dieſes ſind die Seelen der Gottloſen / ſo allezeit augenſcheinlich geplagt werden / und dergleichen Seuffzer hoͤren laſſen / welche genungſam an den Tag geben / daß ſolche von etwas leibliches herruͤh - ren muͤſſen / wie ſie denn auch viel Fleiſchliches / ſo ſie zuvor ſo inbruͤnſtig geliebet / auch anitzo noch an ſich kleben haben.

Und wann ſie durch den Todt ſich von dem Leib erhebet /
So merckt man wie um ſie viel Dunſt der Reden klebet /
Und in den Ort nicht kan / der Gottes Wohnung heiſt /
Man ſchaut den Matten Flug hier um die Erde ſchweben /
Es ſucht manch faules Grab ein ſolcher Flattergeiſt /
Und wuͤnſcht den alten Leib aufs neue zu beleben.
Wann55Socrates.
Wann nun der Jahre keins die letzte Zeit gebuͤhrt /
Das in ein neues Hauß ſie wieder wird gefuͤhrt /
So muß ſich ihrer Art auch ihre Wohnung gleichen.
Gewiſſer Thiere Leib muß ihre Wohnſtadt ſeyn /
Die grobe ſchauet man in einem Eſel ſchleichen /
Und kommet in den Tag zu leiden Angſt und Pein.
Die ſo ſich ſtets gezanckt / und Rauberey geliebet /
Mit falſchem Hertz und Hand den Nechſten hat betruͤbet /
Die zeigt ſich wiederum in Habichts Raubgeſtalt /
Sie rauſchet in der Lufft / und ſuchet was zu faſſen /
Sie laͤchſt nach Todten-Aaß / durch Berge / Thal und Wald /
Und ſuchet was die Hand des Schinders hat verlaſſen.
Die ſonſten nichts geliebt als Schuͤſſel / Glaß und Wein /
Die krieget fuͤr ihr Hauß ein Unflat-volles Schwein /
Und liebet auch allhier was ſie zuvor geliebet /
Sie lernet nimmer mehr was Kummer in ſich haͤlt /
Sie uͤbet itzt nichts mehr / als was ſie vor geuͤbet /
Ein Abtritt lockt ſie mehr als ein begruͤntes Feld.

So trifft eine iedweder nach ihrer Eigenſchafft ei - nen Leib an / und die Leiber der verſtorbenen Thiere kriegen gleichfals ihr Leben von den Menſchen / ſo ihrer Eigenſchafft gemaͤß ſind.

Die keine Luſt geruͤhrt was hoͤhers zu genieſſen /
Und ſich der Tugenden des Poͤfels hat beflieſſen /
Und nach gemeiner Art die Froͤmmigkeit geliebt /
Die aus Gewonheitszug ſtets recht und fromm geweſen /
Zu dem gemeinen Nutz viel Gutes ausgeuͤbt /
Und die der armen Muͤh erleſen.
Von dieſen glaubet man / daß ſie der Himmel treibt /
Der Ameiß und die Bein ihr Weſen einverleibt /
Die bey und neben uns ein ſtilles Leben fuͤhren /
Und fuͤllen Stock und Loch mit Korn und Honig an /
Sie56Der ſterbende
Sie ſchaffen hier zwar nichts was ſich nicht wil gebuͤhren /
Doch ſchaut man wie diß nicht zum Himmel dringen kan.
Das reiche Himmelsfeld da Tauſend Fackeln ſchweben /
Jſt nur der reinen Schaar der Seelen uͤbergeben /
Gott hat den ſchoͤnen Plan zu ihrer Luſt erkieſt /
Da werden wir mit ihm in Ewigkeit verbunden /
Dafern nur unſer Geiſt recht wol geleutert iſt /
Und durch die Wiſſenſchafft das Fleiſch hat uͤberwunden.

Dieſe Reinigkeit nun ſo uns zu dem Himmel lei - tet recht zu erreichen / ſo muß man in wehrender Le - bens Zeit der Weißheit beflieſſen ſeyn / und ein Ge - muͤte / ſo ſich aufrichtiger Weiſe einem ſo hohen Ge - ſchaͤffte verlobet / verwirret ſich niemals mit den leib - lichen Bewegungen / und macht ſich der Bekuͤm - merniß / der andere Leute in gemein unterworffen / niemals recht theilhafftig

Sehr reich zu ſeyn auf dieſer Erden /
Vermehrt nicht ſeines Fleiſſes Glut /
Er aͤndert niemals die Geberden /
Man nehm ihm Aecker / Vieh und Guth.
Man laß ihn gantz zum Bettler werden /
Und toͤdt ihm ſelber Fleiſch und Blut.
Sein Sinn hat nie dahin getracht
Viel hohe Titul zu erreichen /
Der Ehre Licht / der Schande Nacht
Kan ſein Gemuͤhte leicht vergleichen /
Die Furchte ſo das Sterben macht /
Kan ſeine Wolfahrt nicht beſtreichen.
Die Weißheit kan ihn nur erqvicken /
Und lehrt ihn ohne Furcht zu ſeyn /
Wann ſich die Todes-Angſt laͤſt blicken /
Sein Geiſt empfindet keine Pein /
Wann57Socrates.
Wann er ſol aus dem Leben ruͤcken /
Er liebt des Himmels Hauß allein.
Der geht mit Freuden aus der Welt;
Die aber voller groben Sinnen /
Und welcher Geiſt nichts hoͤhers haͤlt /
Die wiſſen dann nichts zu beginnen /
Sie meinen wie der Coͤrper faͤlt /
Daß auch die Seele muß zurinnen.

Die Urſache / warum die Weiſen dem Tode mit mehrem Muthe als die andern entgegen gehen / ruͤhret theils daher / daß ihnen der Ort / wohin ſie nach dieſem irrdiſchen. Leben kommen ſollen / nicht unbekant iſt / theils / daß ihr Geiſt / ſo gantz und gar der Nachforſchung der Weiß - heit ergeben geweſen / nach und nach erlernet hat / daß er in dem Leibe mit zimlich gefaͤhrlichen Ban - den verknuͤpfft / ſo ihm in eigentlicher Erkaͤntniß der Sachen / dahin er ſich zu ſchwingen vermeinet / nicht wenig verhinderlich ſeyn / die Unterſuchung der Weißheit nun entledigt und entbindet ihn / durch einen uñachlaͤßlichen Fleiß von dieſer Zunoͤhtigung / und lehret ihn / daß er wegen der Gemeinſchafft ſo er mit Fleiſch und Blut hat / leicht etwas anfaͤlli - ges fangen moͤchte / ſo der Seelen hoͤchſt nachthei - lig ſeyn koͤnte. Eben dieſes Bedencken / ſo ihm die Befliſſenheit der Weißheit unvermerckt eingiebet / verbindet ihn gleichſam dieſer Vertrauligkeit / ſo viel immer moͤglich / ſich zu enthalten mit ſeinem Wir - the / als mit einen Fremden niemals recht einzuſtim - men / und ſich zu keiner Zeit in Ergruͤndung einigerWiſ -58Der ſterbendeWiſſenſchafft den euſſerlichen Sinnen recht zu ver - trauen. Dann es iſt weder Auge noch Ohre auf - richtig genug zu befinden / irgends von etwas dem Verſtande einen richtigen Bericht zu thun. Wann dann eine Seele der geſtalt ſich in ſich ſelbſt verbir - get / und ſich gleichſam ſelbſt erbauet / ſo gelanget ſie endlich zu dem Erkaͤntniß der Dinge / die ein recht - ſchaffenes Weſen haben / und vor ſich ſelbſt beſtehen; wie ſie dann nichts vor warhafftiges halten ſoll / was ihr / vermoͤge des Leibes / offenbaret wird; Dann dieſes ſind Sachen / ſo nicht von ihm ſelbſt beſtehen / ſondern von etwas anderen herruͤhren / ja empfind - lich und ſichtbar ſind / da hergegen alles das jenige / was dieſelbe vor ſich begreifft / verſtaͤndlich und un - ſichtbar iſt; Ein recht Weißheit-Befliſſener nun / laͤſt ihn / in Erwegung / daß ſein Geiſt ſich nach An - weiſung der Weißheitsgefliſſenheit verhalten muß / vermoͤge ihre Satzung hoͤchſt angelegen ſeyn / aller - hand Wolluſt / Begierde / Furcht und Schmertzẽ ſich zu entbrechen / in Erwegung daß bey Luſt / Begierde / Furcht und Schmertzen / auch noch uͤber die gemeine Ungelegenheiten / als da ſind Verluſt des Geldes / Kranckheit und andere Beſchwerniſſe / ſo ihnen un - aufhoͤrlich anhengen / ſich noch etwas aͤrgeres ereig - net / daß nemlich die Seele dadurch allezeit leidet / uñ niemals recht in ihrem Gewichte verbleibet. Dann ſo bald ſolche ſich Luſt oder Schmertzens annimmt / und das falſche betrigliche Anſehen der ſichtbaren Dinge / vor etwas ſchoͤnes / aufrichtiges uñ warhaf - tiges haͤlt / ſo iſt ſie zweiffels ohne / weil Luſt undSchmer -59Socrates. Schmertzen des Leibes Meiſter ſeyn / in dem Leibe mercklich verſtricket; Und ſo bald ſolche Bewegun - gen der Seele allzu nahe kommen / ſo muß ſie knech - tiſch werden / erfaͤhret allerhand wunderliche Wir - ckungen / verleuret alle Reinigkeit / und zeucht end - lich voller Flecken aus dem Leibe / da ſie dann / et - wan wiederum in einen anderen gefuͤhret / und aldar gleichſam auf das neue gebohren wird / als wann man ſie alſo / von dem Goͤttlichen reinen Weſen ent - fremdet / der geſtalt in das Fleiſch gepflantzt und ge - pfropfft haͤtte. Wie denn die rechten Kunſt-Be - fliſſenen / aus Liebe deſſen / was itzund gemeldet / und nicht aus anderer Regung / wie etwan von gemei - nem Volcke beſchiehet / der Tugend ergeben ſind. Und iſt nun alſo den Weiſen genugſam bekant / daß er / nach dem die Weißheit von den Banden des Leibes befreiet / nicht wiederum in den alten Schlam ſincken / noch etwas dergleichen fuͤrhaben / und wie Penelope das alte Gewircke wieder um fuͤr die Hand nehmen ſoll / ſondern trachtet von allen Bewegun - gen zu ruhen / folget / und ſtehet feſt bey ſeiner Ver - nunfft / und ſchwinget ſich durch unermuͤdetes Uber - legen zu dem / was uͤber die allgemeine Meinung und recht Goͤttlich iſt; wie er dann von dieſer hohen Sa - chen gleichſam ernehret / ſein Leben in moͤgligſter Reinigkeit zu fuͤhren hoͤchſt bemuͤhet iſt; in troͤſtli - cher Hoffnung / daß er nach dieſem Leben / nichs der - gleichen mehr wuͤrde beziehen duͤrffen / und nun in E - wigkeit von allem menſchlichen Betruͤbniſſe befreyet ſeyn werde.

EWer60Der ſterbende
Wer ſolche Koſt hat wol verdeuet /
Der bleibt / wann die Natur uns dreuet /
Von Furcht des Todes unberuͤhrt.
Denckt nicht vom Winde zu verderben /
Er wird durch keine Angſt gefuͤhrt /
Daß ſeine Seele koͤnte ſterben.

Nachdem Socrates ſein Geſpraͤche gehoͤrter maſſen alſo vollzogen / ſo begunte die gantze Geſell - ſchafft eine zimliche Weile zu ſchweigen; Ja So - crates hatte ſelbſt das Anſehen / als wann er deme was itzund fuͤr gebracht worden / ferner nachdaͤchte. Cebes und Simias waren von den erſten die zu redẽ anfingen / und nach dem ſie etwas weniges einander in die Ohren geblaſen / ſo ſchaute ſie Socrates ſteiff an / folgender maſſen gegen ſie redende: Und was iſt es / was euch von dem / was wir itzund geſagt / wol beduͤncket? Wiſſet ihr nicht noch etwas / ſo mehr Erklaͤrung von noͤhten haͤtte / dann es koͤnte ſich noch viel Zweiffel ereignen / und allerhand Einwuͤrffe fuͤr - gebraht werden / wenn man dieſes recht ausfuͤhrlich abhandeln wolte. So ihr nun etwas abſonderli - ches mit einander zu ſprechen habet / ſo begehre ich nichts darzu zu ſetzen / ſo es aber etwan eine Schwe - rigkeit betrifft / welche ſich in dem itzund gehaltenen Geſpraͤche ereignet / ſo entdecket es nur ohne Scheu / wo euch etwan beduͤncket / daß eines oder das ande - dere ausfuͤhrlicher Erklaͤrung von noͤhten.

Simias.

Daß wir nur die Warheit ſagen / Cebes und ich / haben ſchon lange einander ermuntert / dich fer -ner61Socrates. ner zum Reden anzuhalten; Wir befuͤrchteten a - ber unhoͤflich / ja unweißlich zu handeln / in mehrer Erwegung der obhanden ſchwebenden Muͤhſelig - keit / darinnen du dich befindeſt. Socrates laͤchel - te daruͤber / und ſagte: Jch werde warlich Noth haben fremde Leute zu uͤberreden / daß dieſer Zufall mir nicht zu Hertzen ſteige / dieweil ihr ſelbſt ſolches nicht glauben koͤnnet / und meinet / daß ich heute viel ſchwermuͤhtiger als zur anderer Zeit ſeyn muͤſte.

Habt ihr denn etwas koͤnnen ſpuͤren /
Daß mich das kalte Grab erſchreckt /
Solt ich ein ſchlechter Feuer fuͤhren /
Als was den weiſſen Schwan erweckt?
Wann ihm der Todt am nechſten ſitzet /
Und er nicht ferner leben kan /
So wird ſein edler Geiſt erhitzet /
Und ſtimmt ein Freuden-Liedlein an.

Etliche ſind dieſer Gedancken / daß der Schwan bey nunmehr anruͤckendem Tode aus Betruͤbniß zu ſingen beginne / ich halte es aber nicht fuͤr glaub - lich / in dem kein Vogel zu finden / der bey dem ge - ringſten Ungemach ſingen koͤnte / ja die Nachtigal und Schwalbe machet Hunger und Froſt alſobald ſtumm. Jch bin aber der Gedancken / daß die Schwaͤne vor Freuden ſingen / und weil ſie von dem Gott Apollo / dem ſolche Vogel geheiliget ſind / gleichſam geruͤhret werden / aus Begierde brennen / zeitlich zu ihrem Herrn zu kommen / und alſo deſ - ſentwegen ein Luſt-Lied anſtimmen.

E 2Jch62Der ſterbende
Jch weiß / wie ſie / was Gott beſchloſſen /
Und glaube daß des Himmels Rath
Mir diß ſo wol entdecket hat /
Was in dem Himmel iſt entſproſſen.
Soll dann ein Thier / mir wils nicht ein /
Jm Todeskampff mein Meiſter ſeyn?

Scheuet euch nicht / um alle das jenige / was euch zu erfahren beliebet / mich frey zu fragen / mir derge - ſtalt Gelegenheit zu geben / die kurtze Zeit / ſo mir meine Richter zugelaſſen / wol uñ nuͤtzlich anzulegen. Du erinnerſt gar wol / antwortete Simias. Jch trage kein Bedencken / allen Zweiffel / ſo ſich etwan bey mir ereignen moͤchte / dir frey zuentdecken. Doch bin ich nicht der Gedancken / wie du vielleicht auch nicht / daß man die Warheit in dieſem Leben recht ergruͤnden koͤnne.

Weil unſer Leben waͤrt / eh wir die Erde fuͤllen /
So iſt viel Schwerigkeit der Weißheit Durſt zu ſtillen /
So unſern Geiſt beruͤhrt /
Der kurtze Lebens-Lauff / den wir allhier verrichten /
Der ſey dahin gefuͤhrt /
Daß wir den dicken Dampff der ſchwartzen Nacht vernichten /
Und damit wir durch den Schein /
Den der Fleiß uns angezuͤndet /
Auf dem Wege moͤgen ſeyn /
Da man reine Warheit findet.

Es waͤre in Warheit eine groſſe Nachlaͤſſigkeit von uns / mein Socrates / wann wir uns deiner / weil es noch geſchehen kan / in dieſer Angelegenheit nicht gebrauchen ſolten. Du muſt uns in Warheitdie -63Socrates. dieſen Punct noch einmal erklaͤren / und ſolteſtu auch daruͤber erliegen / damit wir nur dieſer Sache / ſo weit es die menſchliche Schwachheit zulaͤſt / recht ge - wachſen werden. Und ob wir gleich in einem ſo tief - fen Ocean nicht alles nach Wunſch erfahren koͤn - nen / ſo ſollen wir doch / ſo viel immer moͤglich / uns der Gewißheit deſſen befleiſſen.

Wo Pferd und Wagen nicht kan gehn /
Da ſucht man Seegel / Schiff und Nachen /
Die naſſen Puckeln ſchlecht zu machen /
So auf des Meeres Ruͤcken ſtehn.

So befeſtige uns dann / ſo viel als immer moͤg - lich / in dieſer Meinung / daß es nicht etwan einen oder den andern mit der Zeit bereuen moͤge / eine ſo gute Gelegenheit / als richtige Erklaͤrung deſſen zu hoͤren / aus den Haͤnden gelaſſen zu haben. Jch muß nur bekennen / daß ſich bey mir und dem Cebes allerhand Schwerigkeit ereignet. Und vielleicht nicht umſonſt / ſagte Socrates; Darum entdecket mir es / in was euch dann noch nicht gaͤntzlich genug geſchehen. Jn dieſem Punct / ſprach Simias / wo du von dem / was unſichtbar / Goͤttlich und ſchoͤn iſt / welches dann / wie es ſcheinet / eben ſo wol von dem Gethoͤne einer wolgeſtimmten und geſchlagenen Laute kan geſagt werden / geredet haſt. Denn es wird niemand in Abrede ſeyn koͤnnen / daß der Schall dieſer vollkommenen Stimmung / nicht et - was Goͤttliches / reines und unſterbliches iſt / und daß das Holtz zu ſampt den Seiten coͤrperliche Zu -E 3ſam -64Der ſterbendeſammen geſetzte / irdiſche und ſterblicher Art Sachen ſeyn; Daß man nun alſo / wann Holtz und Sei - ten zubrochen und zerriſſen ſind / laut deines Bewei - ſes wird ſagen muͤſſen / daß dieſes / was himmliſch iſt / nemlich der Schall und das Gethoͤne ſich nicht verloren; Dann wer wolte ihm einbilden / daß die Laute / wann die Seiten zuriſſen / etwas nuͤtzliches verbleiben / und daß die Seiten / ſo verweſentlicher Natur ſind / auch beſtehen ſollen / wie gleichfals daß der Schall ſo unſterlich und Goͤttlich iſt / gaͤntzlich verſchwinden / und eher als das Holtz und die Sei - ten ſich verlohren habe; ſondern vielmehr daß der Schall unter deſſen ſich irgendwo aufhielte / ja das Holtz und Seiten eher verfaulen / als dieſer Thon etwas ungleiches leiden wuͤrde. Jch halte nun da - fuͤr mein Socrates / du werdeſt unſere Meinung ge - nugſam verſtanden haben / daß nemlichen unſeren Gedancken nach die Seele einer gleichmaͤßigen Einſtimmung nicht unaͤhnlich / und daß in unſerem Leibe eine gewiſſe Verfaß - und Vermiſchung der Waͤrmde / Kaͤlte / Truckenheit / Naͤſſe und anderer ſothanen Sachen zu finden / ja daß dieſe Vereim - gung / und dannenhero ruͤhrende Gleichheit / nichts anders / als die Seele ſey / welche in dem Leibe / wann beſagte Vermiſchung recht beſchaffen iſt / ihre Wirckung verrichtet. Wo es ſich denn alſo ver - haͤlt / daß unſere Seele nichts als eine richtige Ein - ſtimmung obgemelter Sachen ſey / ſo iſt nothwen - dig daraus zu ſchlieſſen / daß ſie / wann hefftige Ge - muͤts-Bewegungen oder Kranckheiten / die Ord -nung65Socrates. nung dieſer Vermiſchung verruͤcket / oder ihren Werckzeug hemmet / wie Goͤttlich ſie auch immer iſt / eben ſo wol / als andere Gethoͤne der Lauten / o - der anderer Seitenſpiele / ſo die Handwercker zu - bereiten / vergehen muͤſte / und daß der Leib und das ſchwereſte Theil dieſer Dinge ſo lange verbleibe / biß Feuer oder Faulnuͤß es verzehren / und ſie dergeſtalt allem Anſehen nach / vor warhafftiger als die Seele und ſein zarteſtes Theil zu halten. So dencke denn nun / was man dem wol entgegen zu ſetzen / ſo da behauptẽ wolte / daß dieſes nichts an - ders / als eine Vermiſchung der Sachen ſey / ſo in dem Leibe zu finden / und auch nun am eheſten ver - ginge.

Der Socrates fing an zu lachen /
Und ließ der Augen hellen Schein /
Nach ſeiner Art recht freudig ſeyn /
Aus Antrieb dieſer hohen Sachen.
Er ſagte / was du fuͤrgebracht /
Steckt freylich noch in tieffer Nacht /
daß ich itzt werd erklaͤren muͤſſen.
Wie habt ihr denn / als ich gelehrt /
Und ihr mit Eyfer zugehoͤrt /
Mich nicht den Zweiffel laſſen wiſſen?
Wer beſſer Art zu reden hat /
Der ſolte meine Worte ſtehlen /
Und bald erweiſen in der That /
Wie offters unſre Schulen fehlen /
Dann der Gedancken iſt wol werth /
Daß man ihn mit Verſtand erklaͤrt /
Und dieſe Wolcken lauter mache /
Dieweil der Schein in dieſer Sache
Offt faͤlſchlich zu der Warheit kehrt.
E 4So66Der ſterbende
So wiſſe dann / daß auf den Stegen /
Doch ehe man die Sachen ruͤhrt /
Und dieſen Fall wil wiederlegen /
So muß ich doch zuvor erwegen /
Was Cebes vor Gedancken fuͤhrt /
Auf daß ich ſo in allen Dingen /
So es vergoͤnt der kurtze Tag /
Und mir mein Wunſch noch ſoll gelingen /
Euch alle vergenuͤgen mag /
Jn allem was ich fuͤr wil bringen.

Darauf wendete er ſich gegen den Cebes / und noͤhtigte ihn gleichfals ſeinen Zweiffel zu bekennen / wie Simias gethan hatte / mit nachfolgenden Worten:

Was iſt es daß du nicht kanſt faſſen /
Und was dein ungeſchickter Geiſt
Mit Unrecht unverſtaͤndlich heiſt /
Und nicht kan ungetadelt laſſen.

Mich beduͤncket / antwortete Cebes / daß es mit der Seele / und der Einſtimmung eine gleiche Be - ſchaffenheit habe / dann daß ſie geweſen / ehe ſie in den Leib kommen / begehre ich keines weges zu ver - neinen / und beruffe mich auf das jenige / was du allbereit davon fuͤrgebracht: Daß ſie aber nach un - ſerem Tode uͤbrig bleiben ſoll / kan ich noch nicht recht in meinen Kopff bringen. Wiewol ich nicht von des Simias Meinung bin / der gaͤntzlich darfuͤr halten wil / daß die Seele nichts beſſers und dauer - hafftigers als der Leib ſey; Sondern glaube fuͤr gewiß / daß ſie weit fuͤr trefflicher als dieſer iſt. Undſchaue67Socrates. ſchaue nur wie ich des Simias angefuͤhrte Meinung verſtehe. Jn dem man nach dem Tode eines Menſchen ſchauet / das von dem geringen noch etwas uͤbrig bleibet / wie ſolte man dann nicht ge - ſtehen / daß dieſes / was feſter und beſtaͤndiger iſt / e - ben ſo wol uͤbrig bleiben ſolle. Betrachte nun / von was fuͤr Wichtigkeit die Antwort ſey / welche ich darauf gebe. Jch muß aber beſſeres Verſtandes halber / wie Simias mich eines Gleichniſſes ge - brauchen. Mich beduͤnckt / daß dieſes ſich eben ſo verhaͤlt / als wann man nach dem Tode eines alten Webers ſagen ſolte / dieſer Mann iſt noch / dieweil das Kleid / ſo er hatte / noch uͤbrig iſt / und zu beſſerer Beſtaͤrckung noch dazu thaͤte / daß / weil ein Menſch laͤnger als ein leinen Kleid wehret / ſo muß es noth - wendigfolgen / dafern das Kleid nach des Webers Tode verbleibet / der Weber auch / weil er werhaf - tiger als ſein Kleid iſt / verbleiben muͤſſe. Mich beduͤncket Simias / daß dieſes alles nicht beſtehet / und das wenig Leute mit dem angefuͤhrten Beweiß wuͤrden zu frieden ſeyn. Dann der Weber / ſo viel Kleider wird verſchleiſſen / und viel gewircket ha - ben / iſt nach Verſchleiſſung vieler Kleider / und nur eher als eines unter denſelben geſtorben; Daraus aber erfolget keines weges / daß der Menſch etwas geringers und vergaͤnglichers als ein Kleid ſey. Man kan nun / meinem Erachten nach / zwiſchen der Seele / und dem Leibe / ſo ſchwaͤcher und zubrechli - cher iſt / eine gleichmaͤßige Vergleichung machen / daß nemlich ein iedweder Seele viel lieber verſchleiſtE 5dann68Der ſterbendedann ſo der Leib bey Lebens-Zeit ſich mit wenigem verzehret / und die Seele allezeit / was ſich verloh - ren / erſtattet / und was verſchwunden / wiederum erſetzet / ſo iſt zuletzt / wann ſie gleich ihrer viel uͤber - lebt / dieſer / worin die Seele vergehet / ihr letztes Kleid / und uns nun nach dem Ende der Seele / der Leib / ſo durch nichts kan ergaͤntzet werden / zu Be - zeugung ſeiner Schwachheit verfaulen / und ver - weſen. Aus dieſem allen iſt nicht zu ſchlieſſen / daß die Seele / wann unſer Leib nicht mehr iſt / verblei - ben ſolle / dann geſetzt / daß die Seele eher als der Leib entſtanden / wie gleichfals daß nach der Coͤrper Abſterben / etliche Seelen wiederum in andere Lei - ber kaͤmen / und alſo ab - und zufuͤhren; ſo wird man doch endlich geſtehen muͤſſen / daß die Seele durch ſo offt wieder holte Fortpflantzungen / nach Laͤnge der Zeit ermuͤdet / ebenfals den Todt leide / davon ſie niemals wiederum aufſtehe. Uber dieſes alles / ſo iſt kein Menſch zu finden / ſo recht erkieſen koͤnte / wel - che Trennung der Seele von dem Leibe die letztere ſey und es alſo faſt einer Torheit aͤhnlich ſiehet / ſich im Tode allzugetroſt zu erzeigen / weil man noch nicht recht weiß / ob die Seele unſterblich oder nicht / und hat alſo ein ieder allen Abſehen nach wol Urſache / bey Abzuge der Seelen in Furchten zu ſte - hen / in dem man nicht wol ergruͤndet / ob ſie auf E - wigkeit Abſchied nimmet / und diß die letzte Tren - nung ſeyn moͤge.

Es ließ ſich unſer Geiſt durch die Gedancken binden /
Und konten nirgends recht der Warheit Sitz ergruͤnden /
Wir69Socrates.
Wir waren gantz beſtuͤrtzt / es wanckte Muth und Fuß /
Wir ſahen einen Satz den andern uͤberwinden /
Und lenckten allbereit auf dieſen letzten Schluß /
Doch konten wir uns auch nicht recht vergnuͤget finden.
Die Meinung Socrates war uns ſo hell und klar /
Daß unſer gantzer Geiſt damit zu frieden war /
Und itzt begunte er faſt wiederum zu wancken;
Dann weil der letzte Streit uns aus der Bahn gebracht /
So hielten wir das Werck vor irrige Gedancken /
Und unſer Urthel gantz begraben in der Nacht.

Es iſt nicht ohne Urſache Phaͤdon / daß ihr in dieſen Zweiffel und Verwirrung gerahten / denn mir iſt bloß aus deiner Erzehlung ein Mißtrauen des Socrates Vorgeben erwachſen / und weiß auch nicht recht / wie mir ſeine Meinung in Zweiffel zu ziehen in den Sinn kommen. Dieſes aber ſind al - lezeit meine Gedancken geweſen / daß zwiſchen der Seele und vorerwehnter Einſtimmung eine groſſe Verwandſchafft ſey / und dein Geſpraͤche hat mich nicht wenig darinnen beſtaͤtiget / daß man mir alſo nothwendig einen beſſeren Grund zeigen muß / da - fern ich die Seele vor unſterblich halten ſoll. Doch ſey gebeten / mir zugleiche zu entdecken / ob Socra - tes ſich auch wie die andern uͤber dieſen Einwuͤrffen beſtutzt befand / ob er mit etwas Gewiſſen ſeine Mei - nung beſtaͤtigen konte / auf was vor Art er wiede - rum zu teidigen begonnen / wie er ſich darinnen ver - halten.

Weil ich den Socratem in dieſer Welt gekennet /
So hat mich ſeine Art zu reden ſtets entzuͤckt /
Doch hat mich deſſen Krafft faſt nie ſo ſtarck berennet /
Als ſolches Sonnenklar itz und herfuͤr geblickt,
Der70Der ſterbende
Der Unmuth ſo ſich ſtarck in meinem Geiſt erreget /
Wie auch die ſchwere Pein / ſo mir ſein Todt gebracht /
Die haben mir die Luſt nicht gantz in Staub geleget /
Weil mir fuͤr Augen ſchwebt / wie er den Todt verlacht /
Die Gruͤnde / ſo er uns hat an das Licht geſtellet /
Und nicht gewohnet ſeyn zu fuͤhren falſchen Schein /
Die haben alles diß / was irrig war / gefaͤllet:
Und machen uns beſchaͤmt / daß wir ſo toͤlpiſch ſeyn.
Man konte keinen Zorn in ſeinen Augen mercken /
Wiewol der Jrrthum uns tieff im Gehirne ſtund /
Und wie er freudig iſt in Worten und in Wercken /
So war der Zweiffel uns zu ſagen frey vergunt;
Er brachte Pflaſter her fuͤr alle dieſe Wunden /
Und ruͤhret uns den Geiſt mit ſo gelehrter Macht /
Daß er in kurtzer Zeit des Zweiffels war entbunden /
Und endlich wiederum zu ſeiner Freyheit bracht /
Wie ein geſchlagen Volck / ſo Noth und Schrecken ruͤhret /
Wann der ergrimte Feind durch Glied und Ordnung bricht /
Gar offt ein kluges Haupt in ſeine Reyen fuͤhret /
Und daß zertrennte Heer mit Kunſt zuſammenflicht;
So brach auch Socrates mit freudigem Erkuͤhnen /
Durch diß / was der Vernunfft viel Ubels angethan /
Er zwang den ſchwachen Geiſt uns wiederum zu dienen /
Und trieb ihn meiſterlich auf ſeine rechte Bahn.
Wiewol der ſchoͤne Grieff / damit er uns gelehret /
Noch heute bey der Welt fuͤr lauter Wunder gilt /
So ward ihm doch die Krafft und deſſen Glantz vermehret /
Als er voll Freud und Luſt mit uns Geſpraͤche hielt.
Jch ſaß gleich ohngefehr zu ſeines Bettes Fuͤſſen /
Jn welchem ihm beſchwang des langen Schlaffes Nacht /
Er hatte ſich mit Fleiß was hoch zu ſeyn befliſſen /
Mir aber hatte man ein niedrig Baͤncklein bracht.
Er ſchaute mir mit Ernſt recht unter das Geſichte /
Und fuhr mit ſeiner Hand um meine Kolbe her;
Man ſchaute / wie nunmehr das himmliſche Gerichte /
Jhm einen Spruch gethan nach Willen und Begehr.
Als ieder fertg war die Ohren zu erheben /
So71Socrates.
So fuhr er noch einmal mir in das Haar hinein /
Er ließ die traͤue Fauſt um meine Schlafe ſchweben /
Und ſprach: es wird das Haar wol morgen runder ſeyn.
Jch ſagte drauf / wolan / und konte nicht erſinnen /
Warum er dieſe Art zu reden angeſtimt /
Ach Phaͤdon / fuhr er fort / was wollen wir beginnen /
Wann die Verzweiffelung uns in die Armen nimt.
Man muß beſchoren ſeyn / weil Phoebus Fackel ſiehet /
Und dieſes Auge noch das letzte Feuer fuͤhrt;
Wir wollen beyde dran / ſo uns der Witz entgehet /
Zum Zeugniß / daß der Todt nun alles hat geruͤhrt.
Wie der Argiver Volck / wann Speer und Schwerter ſtrichen /
Geſchwohren ohne Haar / und ſtetig kahl zu ſeyn /
Biß daß der Feinde Heer hin in die Flucht gewichen /
Und der verblaſte Todt bricht durch die Hauffen ein.
Wer ich an Phaͤdon ſtatt / ich wolt es tapffer wagen /
Wann mir der Simias und Cebes Kampff antraͤgt /
Jch wolte ſie gewiß aus ihrem Vortheil ſchlagen /
Jch wuͤrde dann von ihn ſelbſt in den Sand gelegt.
Mein Fuͤrſatz / ſagte ich / verdiente Spott und Lachen /
Zu reitzen dieſes Heer / ſo Rieſen werloß macht;
Jch waͤre viel zu ſchwach / was wolt ich Armer machen?
Wird doch ein Hercules von zweyen umgebracht /
Mein Phaͤdon biſt du ſchwach / begunt er mir zu ſagen /
Nim mich zum Beyſtand an / wie Hercules gethan;
Verlaß dich nur auf mich / ich wil es tapffer wagen /
Jch wil Jolas ſeyn / der auch wol Thaten kan.
Er / ſagt ich / Hercules / doch mangelt mir die Staͤrcke /
Vor den Jolas recht mit Ehren zu beſtehn /
Doch daß mein ſchwacher Arm nicht ſchaͤndet eure Wercke /
So laß ich euch allein auf dieſe Feinde gehn.
Nach dieſem fieng er an mit Ernſt den Zweck zu ruͤhren /
Und fuͤhrte dieſes Werck / wie es zu fuͤhren war /
Man konte gar genug aus ſeinen Wercken ſpuͤhren /
Daß er mit Helden-Muth verachte die Gefahr /
Und daß er unſern Geiſt noch beſſer moͤchte ſtaͤrcken /
Und zeigen wie Betrug die Warheit offt verdeckt /
So72Der ſterbende
So ſprach er / ſeyd bereit vor allen diß zu mercken /
Daß ja kein falſcher Trieb euch einen Dunſt erweckt.
Ein ieder findet ſich von dieſer Noth beſtrichen /
Wenn ihn die Unvernunfft hat in die Jrre bracht /
[u]nd ungegruͤnnter Haß iſt in den Kopff geſchlichen /
Daß er vor helles Licht erkieſet dicke Nacht /
Da gleiten wir alsdenn auch auf den beſten Gruͤnden /
Denn der verwirrte Geiſt iſt alles Schreckens voll /
Wir unterſtehn uns nicht den rechten Grund zu finden /
Wann der verdaͤchtig wird / ſo ſolchen zeigen ſoll.
So / wann wir einen Freund nach unſern Sinn gefunden /
Deſſelben Thun und Art uns ſonderlich gefaͤlt /
So bleibet unſer Geiſt an Sinnen ſtets gebunden /
Daß man deſſelben Wort offt fuͤr Geſetze haͤlt.
Wann aber der Betrug denn in dem Boden blicket /
So traͤgt ein frommer Geiſt daruͤber groſſe Reu /
Die Seele ſteht gemuth / wie ſie dem Joch entruͤcket /
Und hat in Ewigkeit an ſolchen Banden Scheu;
Beſonders / wann man ſich faſt offte find betrogen /
Und uns die glatte Bahn hat offt und viel gefaͤlt /
Ja dieſer / dem der Geiſt am meiſten war bewogen /
Uns mit Betriegerey den Fallſtrick hingeſtelt.
So ſteckt der bloͤde Geiſt voll Kummer / Angſt und Schrecken /
Er glaubet nimmermehr / was der und jener ſpricht /
Des Eydes feſter Grund iſt ihm ein fauler Stecken /
Er fußt auf ſich allein / und traut den Freunden nicht.
Man laſſe ſich doch nun ſo leichtlich nicht verleiten /
Und ihm der Welt Betrug zu ſehr zu Hertzen gehn /
Dann deren Seelen nicht aus dem Gewichte ſchreiten /
Die wiſſen wie allhier dergleichen Sachen ſtehn.
Es iſt ein ſchoͤner Grieff die Roſen recht zu leſen /
Es iſt ein kluges Werck zu fuͤhren Leut und Land /
Der Weiſe kennt allein der Sachen reines Weſen /
So alles in gemein der Welt iſt unbekant.

Wenn nun ſothane Schlacht gehirnte Koͤpffe / die in dieſen widrigen Zufall gerahten / mit mehrerVer -73Socrates. Verſchlagenheit ſich der Leute bedienen koͤnten / ſo wuͤrden ſie die Sache nach ihrer rechten Eigen - ſchafft befinden / daß nemlich wenig Menſchen voll - kommen gut oder boͤſe / ſondern die meiſten mittel - maͤſſig waͤren. Warum bringeſt du mir dieſes auf die Bahn / ſagte ich zu ihm. Eben darum antwor - tete er mir darauf / weil es wie in groſſen und klei - nen Sachen / auch in anderen eine gleiche Ver - wandniß hat; Und ſchaueſt du nicht / daß es ſehr ſeltſam iſt / einen ſehr groſſen oder ſehr kleinen Men - ſchen / Hund / oder andere Ding zu finden.

Das ungemeine Maß der Leiber
Jſt bey den Menſchen ungemein /
Es melden der Geſchichten Schreiber /
Daß wenig Zwerg und Rieſen ſeyn.
Kein Bruder kan ſich Caſtorn gleichen /
Wer dåmpfft doch Adons Schoͤnheit Licht?
Silen darff keinem Saͤuffer weichen /
Und Neſtor keinem Weiſen nicht.
Kein Hund hat Cerbers Krafft und Staͤrcke /
Kein Fluß hat Acherontens Art /
Kein Weib verricht Magerens Wercke /
Kein Schiffer Charons bleiche Fahrt.
Was trotzt Amintens ſchoͤne Wangen /
Was trifft der Sonnen Klarheit zu /
Was fuͤhrt der Roſen-gleiches Prangen?
Was iſt ſo ſuͤß als Schlaff und Ruh /
Was gleichet ſich des Donners Knallen /
Wo iſt ein Berg wie Pelion?
Und von den ſtarcken Thieren allen /
Fuͤhrt Leuenkrafft den Preiß davon.
Sehr groß Geluͤck und gute Tage /
Wie auch ſehr groſſe Noth und Pein /
Die werden nach der Weiſen Sage
Stets ungemein und ſeltſam ſeyn.
Du74Der ſterbende

Du wirſt alle zeit erfahren / daß fortrefliche Sa - chen ungemein / uud mittelmaͤßige hergegen gemein ſeyn. Denn wann gleich Jupiter wegen Veruͤ - bung allerhand Boßheit und Argens / etwan einen Preiß aufſaͤtzen wolte / ſo wuͤrden doch wenig recht hoch darinnen ſteigen / und vollkommen leichtfertig ſeyn.

Wann Phoebus Thron der boͤſen Sachen /
Sich zur Belohnung wolte machen /
Und auf Betruͤgerey und Brand /
Ein Kleinoth und Geſchencke ſtellte /
So weiß ich / daß kein Hertz und Hand
Sich zu den Laſtern recht geſellte.

Jſt das nicht deine Meinung mein Phaͤdon? Wie anders / antwortete ich darauf. Wolan dann / ſagte er wiederum; Doch iſt unter den Beweiß - Gruͤnden und den Menſchen ein mercklicher Unter - ſcheid / in dem ſolche nicht ſo unter ſchiedlich / und un - gemein in ihrer Vortreflichkeit ſind / als wir itzund von den Menſchen gedacht haben. Doch in dieſem allem nach deiner Meinung zu reden; wie nun / daß wir bey unſerem Gleichniß bleiben / und wie wir all - bereit zuvor gedacht haben / ein groſſer Kunſtgrieff iſt / ſich der Menſchen recht zu bedienen / und ſolche / daß man nicht betrogen werde / recht zu erkennen; So iſt es gleichfals eine ausbuͤndige Geſchickligkeit / ſich eines Beweiß-Grundes recht zugebrauchen / und ſeine rechte Eigenſchafft zu wiſſen. Man kan gar leichtlich / wann man etwas vor gewiß haͤlt / und auf einen Beweiß-Grund / ohne richtige Wiſſen -ſchafft75Socrates. ſchafft der Vernunfft-Kunſt bauen wil / hinder gan - gen / verirret / und aus dem Wege gebracht werden. Wann nun eine Meinung falſch zu ſeyn ſcheinet / wie es denn leichte ſeyn / und auch nicht ſeyn kan / daß ſie falſch iſt / ſo geſchiehet es in gemein / daß der Menſch dadurch ſcheue gemacht wird / und derge - ſtalt auf alle Beweiß-Gruͤnde ein ungleiches Ver - trauen wirfft. Dieſer Zufall nun iſt den jemgen vor anderen gemein / die allezeit was wider ſinniges fuͤr zubringen im Brauch haben; Dann du weiſt / daß ſolcher Art Leute in den Gedancken ſtehen / daß ſie alleme gruͤndlich entdecket haben / wie nichts ge - wiſſers oder verſichertes in den Beweiß-Gruͤnden zu finden / ſondern daß alles untereinander wie im Euripus verwirret lieget / ja daß nichts eigentlich anzutreffen / darauf man einen Augenblick lang fuſ - ſen koͤnte / mit einem Worte / alles iſt ihnen ver - daͤchtig und unklar.

Wie Euripus in ſeinen Wellen /
Fuͤr dem der bleiche Schiffer fleucht /
Der Schiff und Schiffer dreut zu faͤllen /
Ja alles zu dem Boden zeucht.

Und iſt das nicht / geliebter Phaͤdon / eine ſchaͤnd - und ſchaͤdliche Seuche / daß ein Menſch bey guten uñ ſicheren Gruͤnden / bloß wegen uͤbeler Beſchaffen - heit ſeines Gemuͤhtes / welches die Zanckſucht ſo - bel zugerichtet und uͤberredet / daß alles in der Welt / bißweilen vor falſch / bißweilen vor recht zu halten ſey / dergeſtalt in Mißtrauen gerahten / und wieFein76Der ſterbendeein Feind aller vernuͤnfftigen Meinungen / nichts an - ders / als ein Krancker / der die Bitterkeit ſeines Ge - ſchmacks den Speiſen zuſchreibet / ſeine Unvollkom - menheit den beſten Beweiß-Gruͤnden beymaͤſſen / ihnen gehaͤßig werden / und ſich allen gewiſſen Er - kaͤntniß der Sachen entziehen ſolte.

Sein falſcher Geiſt wil immer wancken /
Und fuſt auf nichts was er erkieſt /
Er folgt dem Gaumen bey dem Krancken /
Dem alles herb und bitter iſt.
Mein Phaͤdon ſchaue wie die Sinnen /
Jch red in dieſem nicht zu ſcharff /
Gar bald verfuͤhret werden koͤnnen /
Und man den Artzt auch hier bedarff.
Man findet tauſend tauſend Sachen
Die in der Warheits Wage gehn /
Und da kein Menſch darff Zweiffel machen /
Daß ſie nicht im Gewichte ſtehn.
Der Mangel aber der Gedancken /
Reiſt manche gute Sache ein;
Dann wer begint nicht offt zu wancken?
Drum trachte man recht klug zu ſeyn.
Jch zwar den Vortheil zu genieſſen /
Und hinzugehn Vergnuͤgungs voll /
Und ihr / damit ihr ſtets koͤnt wiſſen /
Wie man der Weißheit brauchen ſoll.
Dann weil ich heute noch ſoll ſcheiden /
Und mich der bleiche Todt begruͤſt /
So wil ich dieſen Fuͤrwurff meiden /
Als liebt ich ungereimten Zwiſt.
Wer77Socrates.
Wer liebt doch ein vergifftes Hertze /
dem nichts als Zaͤnckerey behagt /
Und daß mit Hoffart-reichen Schertze
Offt ein beſtuͤrtzt Gemuͤhte plagt.
Muß man zu ihrer Schaar gerahten /
So find man eine truͤbe Grufft /
Jhr Kunſt-ſtuͤck iſt ein ſchwartzer Schatten /
Und ihre Meinung Dunſt und Lufft:
Der gantze Zweck von ihrem Wiſſen /
Jſt nichts als Nacht und Tunckelheit /
Sie haben ſich allzeit befliſſen
Der Farben der Betriegligkeit.
Man find ſie nicht auf feſten Gruͤnden /
Jhn klebt Betrug und Falſchheit an /
Damit man moͤchte ſcheinbar finden /
Was keiner leichtlich glauben kan.
Jch nun gehaͤſſig dieſen Dingen /
Laß euer Sinn und Urtheil frey /
Und trachte nur dahin zu dringen /
Wo meine Meinung ſicher ſey.
Was ſoll ich euren Geiſt verletzen
Durch ungegruͤnter Worte Schein?
Mein Fuͤrſatz iſt mich zu ergetzen /
Diß ſoll mein Zweck und Ende ſeyn.
Jſt dieſe Sache recht ergruͤndet /
So hab ich gar genug gethan /
Wer nun allhier Vergnuͤgung findet /
Der nehme ſie mit Willen an.

Schaue nun / mein Freund / den Nutzen der mir aus dieſem Geſpraͤche erwachſen / daß man nemlich /F 2ſo78Der ſterbendeſo meine fuͤr gebrachte Meinung recht iſt / billich dar - auf verbleiben ſoll / ſo ſie aber falſch / und nach dem Tode nichts von uns uͤbrig bleibet / doch aufs wenig - ſte die kurtze Zeit / in welcher mir zu leben noch ver - gunt iſt / ſo wol von mir als von euch mit Vergnuͤ - gung zugebracht werden moͤchte / doch hoffe ich nicht lange in dieſer Ungewißheit zu ſchweben / ſondern in kurtzen deſſen recht gewiß zu werden. Und nun wol - an Cebes / und Simias / laſt uns zu unſerem Zwiſt ſchreiten; Doch erinnere ich hiemit / daß keiner mehr auf Socratem als auf die Warheit ſehe. So ihr vermeinet / daß ich die Warheit ſage / ſo nehmet es an / wo ihr aber das Gegenſpiel befindet / ſo ver - werfft es / und ſetzet euch dawider / ja ſchauet genau darauf / daß ich mich und euch nicht zugleich betrie - ge / oder wie eine Biene / ſo ihren Stachel ſtecken laͤſſet / von euch Abſchied nehme. Daß wir aber nun zu den gethanen Einwuͤrffen kommen / derer ihr mich / dafern ſie mir nicht bald einfallen / nur ſicher erinnern koͤnnet.

Des Simias Zweiffel / ſo mir recht iſt / war die - ſer: Daß nemlich die Seele / wiewol dem Leibe an Schoͤnheit und goͤttlichen Gaben weit / weit - berlegen / dennoch eher als der Leib / weil ſolche mit vorgedachter Einſtimmung eine groſſe Gemein - ſchafft hat / vergehen muͤſſe. Cebes geſtand / mei - nes Bedenckens / daß die Seele warhafftiger als der Leib waͤre / doch erwehnte er dabey / daß es zim - lich ungewiß / ob die Seele / nach dem ſie etliche Lei - ber abgenuͤtzt / nich[t]auch endlich ſelbſt verſchwinde /und79Socrates. und alſo dieſe Art des Todes / der Seelen Endſchaft ſey / der Leib aber allezeit ſich verzehre / und zum Tode geſchickt mache. Simias und Cebes ge - ſtunden alſobald / daß ihr Zweiffel darinnen be - ſtuͤnde. Socrates erinnerte ſie darauf zu entde - cken / ob ſie alles oder nur etwas von dem glaubten / was allbereit waͤre fuͤrgebracht worden. Es ſind etliche Sachen / antworteten ſie / ſo uns warhafftig / etliche ſo uns bedencklich zu ſeyn fuͤrkommen. Was beduͤnckt euch aͤber / ſagte Socrates ferner / was ich bald im Anfange von dem Angedencken geſagt ha - be? Glaubet ihr / daß ſolches ſey? Und wo es nun eigendlich iſt / ſeyd ihr der Meinung / daß man dar - aus gewiß ſchlieſſen koͤnne / daß die Seele / ehe ſie in den Leib kommen / ſich irgendwo muͤſſe aufgehalten haben. Was dieſes anlanget / ſagte Cebes / ſo iſt mir das Geſpraͤche von dieſer Sache hoͤchſt annem - lich zu hoͤren geweſt / und bleibe darauf feſt und be - ſtaͤndig. Jch bin gleichesfals / ſagte Simias / die - ſer Gedancken / ja es ſolte mir wunderlich fuͤrkom - men / wann mich iemand davon abwendig machen ſolte. Du wirſt doch / Thebaner / nothwendig an - derer Meinung werden / wo du ungezweiffelt dar - fuͤr haͤlteſt / daß die Einſtimmung etwas zuſammen geſetztes / und die Seele nicht als eine Einſtim - und Vermiſchung des Leibes ſey; Dann du wirſt nicht in Abrede ſeyn koͤnnen / daß die von etwas zuſam - mengeſetzte Einſtimmung muͤſſe langſamer / als daſſelbe etwas von dem es herkommen / geweſen ſeyn: Du weiſt ſchwerlich etwas anders. Nein /F 3ſag -80Der ſterbendeſagte Simias darauf / und ſchaueſt du nicht / daß du unfehlbar etwas anders geſteheſt / wann du ſa - geſt / daß die Seele / eher als der Leib / und doch ei - ne von dem Leibe herruͤhrende Einſtimmung ſey; was iſt nun ferner daraus zu ſchlieſſen / als daß ſie von Sachen herkommet / ſo nicht weſentlich ſind. Wie denn auch die Ein - und Zuſammenſtimmung der Laute / nicht alſo / das iſt eher / als Holtz / Sei - ten und einzele Schlaͤge entſtehen koͤnnen / ja die - belklingende Schlaͤge kommen eher als die liebliche und vollkommene Einſtimmung / ſo erſt auf jene fol - get / und auch eher vergehet. Schaue nun / wie ſich dieſes zu deiner Meinung gar nicht reimen / und dasjenige / was du wegen der Einſtimmung fuͤrgebracht / gar nicht lauten wil. Ja freylich / ſag - te Simias / dann man muß / wo von der Einſtim - mung gehandelt wird / wol einſtimmende Worte fuͤhren / und die in Ohren nicht uͤbel klingen.

Wann uns Gemuͤth und Hertz in Rach und Eifer glimmen /
Wann des Verliebten Geiſt auf einen Korb gedenckt /
Und wann der Schiffer ſoll auf einen Balcken ſchwimmen /
So wird die Seele nicht auf gleicher Bahn gelenckt.
Es iſt ein Uberfluß / wann man die Ege treibet /
Daß man bered und wol zu Pferd und Ochſen ſpricht /
Und daß ein Kriegesmann / wann er die Schlacht beſchreibet /
Nach Redners Maß und Art ihm Wort und Sylbe richt.
Auf Cytherons Begrieff / wo Bachus Weiber lachen /
Wann ihr beruͤhmter Gott die naſſe Taffel deckt /
Da hoͤrt kein Ohre nicht viel kluge Woͤrter machen /
Jndem ein voller Galm uns das Gehoͤre ſchreckt.
Der81Socrates.
Der aber / deſſen Geiſt nicht aus der Wage lencket /
Dem keine Regung hat die ſuͤſſe Ruh verſtoͤrt /
Der trachte / wil er nicht / daß man was falſches dencket /
Damit kein einig Menſch was ungereimtes hoͤrt.

Das iſt ſo viel zu ſagen / Simias / daß ein Wei - ſer ſeine Sachen ſo anſtellen ſoll / damit ſeine Re - den niemals was ungereimtes in ſich haben. Weil die deinigen dann nun in dieſem Spittal zimlich kranck liegen / ſo wird von noͤhten ſeyn / daß du dir von dieſen zweyen etwas erkieſeſt / bey dem du zu ſtehen vermeineſt / entweder die Meinung von der Erinnerung / oder ja dieſe / daß die Seele eine Ein - ſtimmung ſey. Jch wil bey der erſten verbleiben / ſagte er / denn es gedencket mich nicht / daß mir ie - mand recht erwieſen haͤtte / daß die Seele mit einer Einſtimmung eigentlich uͤbereinkaͤme. Jch habe es niemals anders als durch Gleichniſſe bekraͤffti - gen hoͤren / und die Meinungen / ſo ſich auf dieſe Aen - ligkeit gruͤnden / ſind in gemein wie in der Meß - kunſt / als auch in andern Wiſſenſchafften / hoͤchſt betrieglich / der Beweiß aber / ſo auf der Erinne - rung beruhet / iſt weit beſſer gegruͤndet / und bekraͤf - tiget. Dann wir haben geſagt / daß die Seele / e - he ſie den Leib bezeucht / anderswo iſt / der geſtalt / daß ihre Eigenſchafft den Zunahmen eines rechten Weſens hat; Und dieſes iſt die Urſache / daß ich nun nicht glauben kan / daß die Seele eine Einſtim - mung ſeyn koͤnne. Glaubeſt du aber Simias / ſag - te Socrates / daß eine Zuſammenſtimmung / oderF 4ein82Der ſterbendeein zuſammen geſetztes Weſen / was es auch immer ſeyn moͤge / eine der Sachen daraus es gemacht / un - gleiche Beſchaffenheit an ſich haben / oder etwas anders als gemelte Sachen / von denen es gleichſam begehret wird / leiden oder thun koͤnne. Mit nich - ten / ſagte Simias.

Socrates.

Die Einſtimmung / ohne ihren Stimmzeug / da - von ſie herruͤhret / iſt meiner Meinung nach gantz nichts.

Dann diß iſt nichts als Haut und Bein /
So von ſich ſelbſt nichts weiß zu ſagen /
Und welchen muß geholffen ſeyn /
Durch Hand und Seiten / dann allein
Weiß ſich die Leyer nicht zu ſchlagen.
Wann aber nun das Holtz zerſpringt /
So wird kein Meiſter mehr geſpuͤhret /
Wie ſehr er auf die Seiten dringt /
Der dieſen Schall zuruͤcke bringt /
Den allbereit die Zeit entfuͤhret.

So iſt nun nicht vermuthlich / ſagte Socrates / daß die Zuſammenſtimmung zuvor hergehe / und die Sache / von denen ſie zuſammengefuͤgt iſt / hinter ihr nachziehe; ſondern vielmehr / daß ſie ſelbſt nach - folget / und alſo weder Bewegung noch Klang kan ſpuͤren laſſen / ſo ſeinen Theilen nicht gemaͤß ſey. Ohne Zweiffel / ſagte Simias.

So -
83Socrates.
Socrates.

Und die Einſtimmung iſt nicht ihrer Eigenſchafft nach Einſtimmung / ſondern ſo weit ſie mit etwas vermiſchet iſt. Simias befand dieſes im Anfange etwas dunckel / und ſagte / daß er es nicht recht ver - ſtuͤnde. Jſt es nicht ſo / ſagte Socrates / daß die Einſtimmung / nach dem ſolche mehr oder weniger vermiſchet iſt / mehr oder weniger Einſtimmung ge - nennet wird / und wir ſagen von einem Geſange / nach dem er gut oder boͤſe iſt / daß er mehr oder we - niger Einſtimmung habe / welches man dann von der Seele / ſo weit als Seele / nimmermehr ſagen kan / daß ſie in Entgegenſetzung einer groſſen oder kleineren Sache / mehr oder weniger Seele ſey. Denck ein wenig nach / ſagen wir nicht von der See - le / daß eine mit Witz und Tugend / die andere aber mit Torheit behafftet ſey / und nennen jene gut / die - ſe aber boͤſe / und wuͤrde nun einer / der die Seele vor eine ſolche Einſtimmung haͤlt / allhier ſagen / daß die Seele mit Tugend oder Untugend behafftet / o - der aber / daß an ſtatt der Tugend oder Untugend / eine Seele gut oder uͤbel einſtimme / und daß die gu - te wolſtimmige / ja als eine Einſtimmung ſelbſt / fuͤr ſich Einſtimmungen mit ſich fuͤhre / die boͤſe aber eine Verſtimmung ſey / und doch keine andere Ver - ſtimmung mehr unter ſich habe. Jch weiß nichts mehr darwider einzubringen / ſagte Simias.

F 5So -
84Der ſterbende
Socrates.

Du ſchaueſt nun / daß die jenigen / ſo die Seele vor eine Einſtimmung halten / alſo zu antworten pflegen. Wir haben aber allbereit geſtanden / daß eine Seele nicht mehr oder weniger als die andere Seele ſey / noch die eine einen widrigern Grad der Einſtimmung als die andere habe / und die Seele / ſo nicht mehr oder weniger einſtimmig iſt / auch nicht mehr oder weniger als eine andere vermiſcht koͤnne genennet werden. Und ich bitte dich / kan wol eine Seele / ſo nicht mehr oder weniger vermiſcht iſt / der Zuſammenſtimmung / in mehr denn weni - gerem oder gleichem Grad faͤhig ſeyn? Jch glaube / daß ſie gleicher Zuſammenſtimmung faͤhig ſeyn / antwortete Simias.

Socrates.

Weil nun eine Seele nicht mehr oder weniger Seele als die andere iſt / ſo folget unfehlbar daraus / daß eine nicht mehr oder weniger vermiſcht / als die andere ſey. Wann es dann nun ſo iſt / ſo wird ſolche nicht mehr der Zuſammenſtimmung / als der Verſtimmung unter worffen / und dergeſtalt / ſo das Laſter eine Verſtimmung / die Tugend aber eine Einſtimmung iſt / eine Seele nicht mehr Laſters oder Tugenden als die anderen haben koͤnnen. So ſchei - net es / ſagte Simias. Weit gefehlet / ſagte So - crates. Dann die Vernunfft giebet es / daß dieSee -85Socrates. Seele / dafern ſie eine Zuſammenſtimmung iſt / kei - nes Laſters faͤhig ſeyn koͤnne / in dem die rechte Zu - ſammenſtimmung / ſo weit ſie eine Zuſammenſtim - mung iſt / keiner Verſtimmung unterworffen ſeyn kan; Und daraus iſt nun zu ſchlieſſen / daß eine See - le / ſo ſie recht Seele iſt / auch keines Laſters faͤhig iſt / und wuͤrde endlich folgen / daß allerhand Thiere Seelen / weil eines ſo wol Seelen als die andere ſind / zugleich gut ſeyn muͤſten. So ſcheinet es. Es waͤre auch nicht anders / antwortete Socrates / wañ es ſich ſo verhielte / daß die Seele eine Zuſammen - ſtimmung waͤre / und was noch mehr iſt / Simias / haͤlteſtu nicht dafur / daß unter allen Theilen des Menſchen / das jenige / was den Scepter fuͤhret / die Seele ſeyn / und deſſen nothwendige Herrſchafft zu erlangen / dem Leibe wiederſtehen / und ſich deſſel - ben Begierden / im Eſſen / Trincken / Reden und andern Sachen widerſetzen muͤſte? Wie wir denn ſehen / daß die Seele offt den Leib zuruͤcke haͤlt / daß er ſeinen Begierden und Regungen nicht recht nach - zuhengen vermag. Es iſt war / ſagte Simias.

Wann unſer Fleiſch in Jrre geht /
Und auf der letzten Staffel ſteht /
Die heiſſe Regung zu erfuͤllen;
So trennt der Geiſt den falſchen Wahn /
Er iſt bemuͤht die Luſt zu ſtillen /
Und weg zu thun / was ſchaden kan.
Wann man von Hitz und Staub entzuͤndet /
Offt eine reine Qvelle findet /
So Hertz und Auge froͤlich macht /
So laͤſt die Furcht uns nicht bald eilen.
Ein86Der ſterbende
Ein ieder Geiſt iſt dann bedacht /
Zuvor ein wenig zu verweilen.
Wann ſich die Regung nicht wil daͤmpffen /
So faͤngt die Seel auch anzukaͤmpffen /
Allhier hilfft nicht das feſte Band /
So Leib und Seele ſteiff verbindet /
Jn dem die Luſt und der Verſtand
Sich allezeit in Waffen findet.

Dieſer Streit nun wuͤrde ſich nimmermehr er - eignen / wann die Seele eine von der Vermiſchung des Leibes zuſammengeſetzte Einſtimmung waͤre; Dann auf dieſe Weiſe wuͤrde ſie verbunden ſeyn / dieſer Vermiſchung unfehlbar nachzufolgen / und ohne die Sachen / ſo auf den ſo genanten fleiſchlichen Sinn beſtehen / nichts thun laſſen / oder ihnen etwas widriges entſpinnen koͤnnen; Da wir hergegen alle Augenblicke ſchauen / daß die Seele ſich in gemein dem Leibe widerſetzet / in dem ſie ihn bißweilen zu verdrießlicher Arbeit noͤhtiget / bald durch Artzney zwinget / und nicht ſelten mit ſcharffen Erinnerun - gen und Straffen ihm zu wider iſt; Wie ſie ihm dann auch offtmals wider Furcht / Schmertzen und boͤſe Zufaͤlle / Troſt zuſpricht.

Wann Argwohn und Verdrießligkeit
Uns Mund und Wangen bleich gemachet /
So ſteht die Seele dann bereit /
Und ſchafft daß unſre Krafft erwachet;
Wiewol ihr Raht offt iſt verlachet /
Und ausgeſchlagen vor der Zeit.
Be -87Socrates.

Betrachte doch einen Ort in dem Homerus / da Ulyſſes etwan von einerley Unruhigung beſtritten / durch Anleitung der Vernunfft ſeiner Hertzhafftig - keit zuſpricht / und wie es ſcheinet / ein Theil der Seelen mit der andern reden laͤſt; wie er dann auf die Bruſt ſchlagende / folgender Geſtalt zu reden beginnet:

Jſt die Beſtaͤndigkeit geſtorben?
Schlaͤfft mir dann heute Krafft und Muth?
Mein Hertze ruͤhre deine Glut /
Und zeige dich nicht gantz verdorben;
Wie daß dir diß ſo bange thut /
Damit du vormals Ruhm erworben?

Glaubeſt du Simias / daß Homerus / wann er die Seele fuͤr eine Zuſammenſtimmung und ein Weſen / ſo den Regungen des Leibes unterworffen / gehalten / ſo wuͤrde geredet haben / oder daß er ſie vor etwas goͤttlichers und hoͤhers angeſehen. Er meinte ſonder Zweiffel / ſagte Simias / daß die Seele etwas goͤttlichers als eine Einſtimmung ſey; So wuͤrde es uns dann auf daß hoͤchſte fuͤr un - gut gehalten werden / antwortete Socrates / wann wir die Seele vor etwas anders anſehen / und dem Homerus / ja uns ſelbſten dergeſtalt zu wider leben wolten. Es iſt die Warheit / ſagte Simias / ich bin zu frieden.

So brach / wiewol mit Schwerigkeit /
Das Licht noch endlich durch die Nacht /
Und der Thebaner harter Streit
Ward alſo von uns weg gebracht.
Du88Der ſterbende

Du biſt nun alſo vergnuͤget / redete Socrates fer - ner Thebaner / wie wollen wir aber dem Cebes be - gegnen.

Es iſt gewißlich deſſen Geiſt
Nicht von der allgemeinen Guͤte /
Der itzt mit Kunſt den Jrrthum reiſt
Aus dem Cadmeiſchen Gemuͤthe.

Jn Anhoͤrung desjenigen / was du auf des Si - mias Einwuͤrffen entgegen geſetzt / fing Cebes an / ſo dachte ich bald / es wuͤrde auch mir genung zu thun / dir nicht an Mitteln ermangeln / dann ich ſtund erſtlich in denen Gedancken / es waͤre unmoͤg - lich wider itztbeſagte Einwuͤrffe etwas aufzubrin - gen / und kan mich wegen der Beweiß-Gruͤnde / ſo du der Meinung von der Einſtimmung entgegen ge - ſetzt / welche dann den erſten Angrieff keines weges ausſtehen koͤnnen / nicht ſattſam verwundern: daß ich alſo leicht muthmaſſe / es werden die Cadmei - ſchen Gedancken nicht lange beſtehen koͤñen. Nicht zu geſchwinde / ſagte Socrates / und lobe mich nicht vor der Zeit / wer weiß ob man uns das uͤbrige recht zu erklaͤren vergoͤnnen / und ob mir folgendes Ge - ſpraͤche nach Wunſch von ſtatten gehen wird. Doch wird Gott uns auch in dieſem nicht verlaſſen / und weil wir allbereit / wie Homerus ſaget / ſo nahe an - einder gerahten / ſo laſt uns doch ſehen / ob dieſes / was du fuͤrgebracht / etwas oder nichts ſey. Der Einhalt deines Fuͤrtrages beruhet darauf / daß man dir erweiſen ſoll / daß die Seele vom Tode be - freyet / und unſterblich ſey.

Auff89Socrates.
Auf das wenn wir zum Tode gehn /
Und dieſen Kercker laſſen ſtehn /
Da unſer Seele muſte kleben /
Der Weiſe lebe Zweiffels frey /
Daß gar gewiß nach dieſem Leben
Ein Leben noch zu hoffen ſey.
Was waͤre ſonſt die Wolluſt haſſen /
Schlaff / Wein und Buhlerey zu laſſen /
Und allem dieſem Feind zu ſeyn.
Und durch was mehr die reinen Sinnen /
Sich nahen zu der Tugend Schein /
Als nur ein toͤrichtes Beginnen?
Die Luſt ſo ewig uns erfreut /
Nach vielerley Verdrießlichkeit /
Die nur auf dieſer Erde bleibet /
Waͤr eine Hoffnung die verſchwind /
Und was man von dem Himmel ſchreibet /
Verbliebe falſcher Dampff und Wind.

Daß alſo ein Weiſer / und der die Zeit ſeines Le - bens dieſes fuͤr die groͤſte Bemuͤhung gehalten / in dem Tode wol fuͤr einen Thoren duͤrffte gehalten werden. Das iſt eben die Gefahr Cebes / darin - nen er / deiner Meinung nach / ſchwebet / weil er noch nicht recht weiß / ob ein Menſch der Unſterbligkeit der Seelen gnugſam verſichert ſeyn kan. Dann du ſageſt / daß es / ob ſie gleich wehrhafftiger und vornehmer als der Leib / und etwas Gottlichen faſt aͤhnlich iſt / wie auch daß ſie eher als der Leib ent - ſtanden / und viel Sachen ohne fremde Huͤlffe / aus eigenem Vermoͤgen erkennet und wircket / doch die - ſes alles noch nicht genugſam ſie darum vor unſterb -lich90Der ſterbendelich zu halten / ja daß eben dieſer Einzug in den menſchlichen Leichnam ihr an ſtatt einer Kranckheit ſey / dardurch ſie ſich gleichſam verzehret / und alſo bey Lebenszeiten des Leibes nichts als Elende an - treffe / und im Tode gleichesfalls ihr Verderben fin - de / ja geſetzt / daß ſie einen oder mehr Leiber beziehe / ſo wuͤrde doch ſolches einem Menſchen in der Todes - ſtunde ſchlechten Troſt geben; Dann es muͤſte gar ein verruͤckter Kopff ſeyn / der denſelben Augenblick ſich nicht entſetzen ſolte / wenn man der Unſterblig - keit noch nicht recht verſichert iſt. Dieſes ſind dei - ne Gedancken Cebes. Jch habe alles mit Fleiß wieder holet / damit du nach deinem Belieben weg - und zuthun koͤnneſt. Es iſt nichts / ſagte Cebes / ſo ich noch zur Zeit / weg - oder dazu zuthun begehrete. Darauf hielt Socrates ein wenig ſtille / und ſagte / nach dem er ſich gleichſam etwas erholet: Dieſes / was du zu wiſſen begehreſt / iſt nicht von ſchlechter Beſchaffenheit. Es ſcheinet nothwendig zu ſeyn / zuvor etwas von der Zeugung und der Zerſtoͤrung zu handeln. Jn Betrachtung deſſen / ſo wil ich / was mir begegnet / hiemit erzehlen; ſo du nun ver - ſpuͤreſt / daß aus dieſem / was ich fuͤrzubringen ge - dencke / etwan ein Beweiß-Grund fuͤr deine Mei - nung zu erzwingen / ſo kanſt du dich deſſelben bedie - nen / hoͤr mir nur zu:

Jch brannte vor der Zeit um meine junge Bruſt /
Zu ſchauen was die Welt in ihrem Buſem traͤget /
Und mein geſchwinder Geiſt hielt vor die groͤſte Luſt /
Zu wiſſen wie der Trieb ſich der Natur beweget /
Das alles war fuͤr mich die allerſuͤſte Koſt.
Die91Socrates.
Die Seele wa[r]bemuͤht die Grobheit zu bekriegen /
Es fuͤhrte mich der Trieb zur Wiſſenſchafft und Kunſt /
Der Fortgang troͤſte mich in kurtzer Zeit zu ſiegen /
Es war kein Augenblick vergebens und umſonſt /
Jch maß faſt allbereit / wie hoch ich war geſtiegen.
Jch hielt gewiß davor / daß ein recht edel Blut
Genau erwegen ſoll / wie alle Sachen ſtehen /
Und wiſſen wie ſich regt der Sonnen klare Glut /
Warum die Thiere hier bald werden / bald vergehen /
Diß alles ſchaͤrffte mir iemehr und mehr den Muth.
Nachdem mein leichter Geiſt genug herum gegangen /
So ward ich endlich faſt auf die Gedancken bracht /
Ob der
*
* gevierte Zeug uns diß nicht laͤſt erlangen /
Jn dem das Faͤulniß ſich zu Hitz und Kaͤlte macht /
Daß alle Thier allhier die rechte Krafft empfangen.
*Elementa.

Darauf bemuͤhete ich mich zu erwegen / ob die Wiſſenſchafft uns von Feuer / Lufft oder Blut her - kaͤme / oder ob das Gehirne uns die Kraͤfften zum Gehoͤre / Geſichte und Geruche darſtreckten / und ob aus dieſen euſſerlichen Sinnen / Gedaͤchtniß und Meinung herkaͤmen / wie auch / ob aus Gedaͤchtniß und Meinung / wann ſie zuſammengeſtellet wuͤr - den / die Wiſſenſchafft herruͤhrete. Als ich nun al - ſo die Zerſtoͤrung dieſer Sachen / wie auch diß / was Himmel und Erde in gemein anſtoͤſſet / ſattſamlich betrachtet / ſo hab ich meinen Verſtand allzu unver - moͤgende dazu befunden / und bin endlich eben ſo un - geſchickt davon als dazu kommen. Damit ich euch aber dieſes alles recht fuͤr die Augen lege / ſo muͤſtGihr92Der ſterbendeihr wiſſen / wie dieſe Betrachtung mich dermaſſen verblendet / daß ich nicht alleine nichts neues erler - nen konte / ſondern auch das jenige dabey vergaͤß / was ich mir zuvor wol bekant gemacht / und was ich meiner Meinung nach vortreflich wol wuſte / benent - lich / wie ein Menſch waͤchſt und zunimmet / dann ich dachte es waͤre ſonnenklar / daß Eſſen und Trin - cken einen Menſchen wachſend machten / und wann Fleiſch zu Fleiſch / Bein zu Bein / uñ wie in allen an - dern Dingen / das jenige / was noch ermangelt / zu dem / was einen Mangel leidet / ſich verfuͤget / aus einem kleinen Kloß ein groſſer / und aus einem klei - nen Menſchen ein groſſer nothwendig werden muͤ - ſte. Das war damals meine gaͤntzliche Meinung. Meineſt du nicht daß ich wol damit verfuhr? Jch halte ſie vor koͤſtlich / ſagte Cebes. So erwege dann noch dieſes. Jch meinete / daß ich es fuͤr treflich wol treffe / wann ich etwan einen groſſen Menſchen bey einem kleinern oder ein groſſes Pferd bey einem kleineren ſehe / mir dabey einzubilden / daß der Menſch und das Pferd des Kopfs groͤſſer waͤre / wie auch daß zehen mehr als achte ſeyn muͤſten / weil zwey Zahlen noch dazu kaͤmen / und daß ein Maß von zwey Ellen / nothwendig groͤſſer als das von ei - ner Ellen ſeyn wuͤrde. Jtzund aber / ſagte Cebes / was beduͤncket dich wol davon? Es iſt in War - heit / antwortete Socrates / noch weit gefehlet / daß ich mir einen rechten Verſtand aus dieſem erzwin - gen ſolle / denn es wil noch nicht recht ein / daß / wann man eines zu einem ſetzet / ſelbiges eines ſo dazu ge -ſe -93Socrates. ſetzet wird / wegen der Zuſammenfuͤgung eines zu dem andern / zwey werde; Ja ich wundere mich / wie eines und eines / wann ſie von einander ſtehen / nicht mehr als eines / und mit nichtenz wey ſeyn / warum ſie dann / wann ſolche nun zuſammen geſetzt / durch dieſe Verknuͤpffung koͤnten zwey werden / und kan mir eben ſo wenig einbilden / warum doch / wann man eines theilet / dieſes / was ſich zertheilet / eine Urſache ſolte geweſen ſeyn / daß ihr zwey werden; Denn es geſchiehet hier etwas / ſo dem jenigen / was eben zwey gemacht / ſchnurſtracks zu wider iſt / denn dorte war die Urſache / warum eines zum andern kam / und durch dieſe geſchiehet es / daß eines vom andern genommen wird / wie ich denn auch nicht er - gruͤnden kan / woraus eines entſtehet / noch die rech - te Warheit zu entdecken / was / warum etwas in der Welt vor gehet oder nicht. Jch getraue mir es a - ber keines weges auf dieſe Weiſe zu verſtehen. Doch begehre ich auch keinen anderen Weg zu ſuchen / wiewol ich auf dieſem nicht recht fort kan. Als ich einmal den Anaxagoras aus einem Buche eine Meinung leſen hoͤrete / die er billigte / daß nemlich die Vernunfft eine Urſache aller Sachen waͤre / und das Gebiet uͤber alles haͤtte.

Daß menſchlicher Verſtand koͤnt alle Sachen fuͤgen /
Der alles fuͤrgebracht / ja ſelber aufgethan /
Den Abgrund der Vernunfft / da alle Wunder liegen /
Und was das groſſe Rund in ſich begreiffen kan.
So ließ ich mich alsbald durch dieſe Meinung binden /
Und ſetzte ſie getroſt den andern allen fuͤr;
G 2Jch94Der ſterbende
Jch ſprach: laͤſt ſolche Macht ſich in dem Geiſte finden /
Wie ſolte ſie ſich nicht am erſten zeigen hier?
Wenn wir den rechten Grund der Sachen wollen wiſſen /
Warum diß oder das zum ſterben iſt erkieſt /
Warum diß fort gemuſt / und jenes bleiben muͤſſen /
Weil unſers Geiſtes Zweck allein das gute iſt /
So muß man erſtlich ſehn wie alle Sachen ſtehen /
Und wie es beſſer iſt / daß diß und jenes bleibt /
Daß dieſes Leben kriegt / und jenes muß vergehen /
Und lerne / wann man ſo zum Zweck der Sachen treibt.

So nun der menſchliche Verſtand nichts ohne Erwegung / wie eines vor dem andern gut ſey / fuͤr ſich nimmt / ſo muß auch der Menſch / weder von ihm noch von andern etwas betrachten / es ſey denn daß es gut und wol beſtellet ſey. Und folget alſo / daß der / ſo das gute ergruͤndet / zu dem Erkaͤntniß des Boͤſen / weil es auch eine Wiſſenſchaft iſt / gleich - fals erlanget. Jn dieſen Gedancken gleichſam verwickelt / ſo erfreuete ich mich nicht wenig / daß ich an dem Anaxagor as einen Meiſter gefunden / ſo mich in dem jenigen darnach ich ſo lange Zeit ge - trachtet / benenntlich die Urſache aller Dinge / recht unterweiſen konte. Und daß er mich erſtlich leh - ret / ob die Rede platt oder rund waͤre / und mir dar - nach den Antrieb und Urſache deſſen recht entdecke - te / das iſt / daß er mir recht dargethan haͤtte / warum es beſſer waͤre / daß ſie ſo waͤre / und warum ſie ei - gentlich in ſolcher Geſtalt ſeyn muͤſte; Und wann er mir nur entdecket / daß die Erde das Mittel der Welt ſey / ſo erwarte ich / daß er mir auch zugleich erweiſe / daß es eben ſo der Rede am beſten waͤre /in95Socrates. in dem Mittel der Welt zu ſeyn / und ich nun / wann dieſes recht erwieſen / keinen Zweiffel mehr fuͤhren / oder mich nach anderen Beweiß-Gruͤnden mehr umſehen duͤrffte.

Und daß er mich macht alles Zweiffels frey /
Warum der Erd iſt Kugel Art gegeben /
Und ob denn diß die beſte Stelle ſey /
Daß ſie alſo muß in den Luͤfften ſchweben.
Jch wuͤnſchte wol / daß er mir kund gethan /
Warum der Mond itzt ſcheinet / itzt vergehet /
Warum der Tag auch hier ſich zeigen kan;
Wie das Geluͤck noch unterm Himmel ſtehet /
Wie auch / warum der Sternen goͤldne Pracht /
So in der Lufft bald her bald wiederſtreichet /
So wunder ſchoͤn und artig iſt gemacht /
Und wie man ſie mit dem Geſicht erreichet.

Jch bildete mir nun gaͤntzlich ein / daß er mir die - ſes alles klar erweiſen / Art und Beſchaffenheit zei - gen / und endlich ſattſamlich darthun wuͤrde / wa - rum es eben beſſer waͤre / daß dieſes oder jenes / in dieſem oder jenem wirckete oder leide. Denn ich haͤtte mir nimmermehr traͤumen laſſen / daß er / nach dem er erſtlich geſaget / daß unſer Gemuͤhte uͤber al - les gebieten koͤnte / nachmals keine andere Urſache den Dingen herfuͤr bringen wuͤrde / auſſerhalb die - ſes / daß es beſſer waͤre / das iſt / daß iedes Ding ſo iſt / weil es / daß es ſo iſt / nothwendig ſeyn muß. Ja ich dachte / daß er in Erwehnung der Urſachen / ie - derm Dinge zu ſeiner Urſache / diß was vor daſſel - be das beſte waͤre / zueignen / und fuͤr die Urſache al -G 3ler96Der ſterbendeler Sachen in gemein / die allgemeine Nutzbarkeit anziehen wuͤrde.

Jch meint ich haͤtte guten Fug /
Auf meinen Meiſter nun zu ſterben /
Als ich erfuhr / daß ſein Betrug
Mich ſchlechte Kuͤnſte ließ erwerben.
Sein Geiſt war gantz und gar verblend /
Und mit der Finſterniß umwunden /
Kein andre Urſach hab ich funden /
Als daß ers Himmels-Geiſter nennt.
Ein nichtig eingebildtes Weſen /
Mit Lufft und Feuer angethan /
Jch bin erzoͤrnt / daß ich geleſen /
Was mich ſo ſchlecht erbauen kan.

Nachdemich nun ſein Buch durchleſen / welches ich mit hoͤchſter Ungedult zu Ende brachte / ſo ver - droß mich endlich die darauf gewendete Zeit und Muͤhe / denn er zog keine andere Urſache der Din - ge an / als Grillen und unglaubliche Lumpereyen / ja er lehrete einen eben ſo ungereimte Sachen / als wenn man ſagen ſolte / alles was Socrates thut / das thut er wegen ſeines Verſtandes / und wann man nachmals eine Urſach alles deſſen / was ich thue / anziehen ſolte / man ferner fuͤrgebe / daß ich mich erſtlich hier wider geſetzt / weil mein Leib aus Bein und Sehnen zuſammen geflochten iſt / daß die Beine gantz ſind / zwiſchen einem und dem andern aber / wegen des Knorpels ein Unterſcheid zu finden / und daß die Sehnen in unſerem Leibeder -97Socrates. dergeſtalt beſchaffen / daß ſie ſich ausdehnen und zu - ſammenziehen koͤnnen / wie gleichfals / daß ſich die Beine alſo mit Haut und Fleiſch verbinden / daß / wenn die Beine mit ihnen verknuͤpfft ſich herfuͤr ge - ben / und die Sehnen gleichfals auf und nieder zie - hen / nothwendig erfolget / und daß ich ein iedes von meinen Beinen biegen / und alſo auf dieſem Stuhle gebuͤckt ſitzen kan; oder wenn jemand die Urſache dieſer Unterredung / ſo wir allhier gehalten / m[e]- den ſolte / und nichts anders fuͤrbraͤchte / als die Stimme / Lufft / das Gehoͤre / und dergleichen / ohne daß man den rechten eigentlichen Trieb darzu be - naͤnntlich den Willen der Athenienſer / ſo meinen Todt begehren / und dann mich ſelber / der ich mich ſolchem Willen gedultig unterworffen / anziehen ſol - te / und

Fuͤrwar diß ſchlechte Haut und Bein /
So itzund muß in eine Baare /
Die koͤnten leichtlich ſicher ſeyn /
Bey den Beotern und Magare.
Doch weil Athen beſchloſſen hat /
Mir einen Gifft-Trunck fuͤr zuſtellen /
So glaub ich / daß der ſtrenge Rath
Mir ſo das Urtheil muͤſſen faͤllen /
Es geht mir auch faſt ſuͤſſer ein /
Geſtorben / als verjagt zu ſeyn.

So iſt nun gar nicht zu erachten / daß man alle dieſe Dinge fuͤr rechte Urſachen halten ſolte; So aber einer ſagte / daß ich ohne Sehnen und Gebei - ne / diß / was ich mir fuͤr genommen / nicht wol thun koͤnte / ſo wuͤrde er auf die rechte Warheit gerathen /G 4wie -98Der ſterbendewiewol es billich fuͤr ungereimt zu halten ſeyn wuͤr - de / wenn ſich einer zu behaupten unterſtuͤnde / daß ich dieſes allein darum thaͤte / und daſſelbe daß ich es ſo nach meinem Kopffe und deshalben thue / da - bey verſchweigen wolte. Dann daraus wuͤrde ei - ner gnugſam blicken laſſen / daß er nicht wol wiſſe / daß ein anders die rechte Haupturſache ſey / ohne welches die Urſache nicht Urſache ſeyn koͤnte / ſo dañ von den Unwiſſenden offtmals faͤlſchlich die Urſache genennet wird.

Wie / wann man in dem Finſtern geht /
Da uns zu ſehen iſt verwehrt /
Und alles ohne Bildniß ſteht /
Daß man nicht ſind was man begehrt.

Darum ſind etliche / ſo uns / wegen Einbildung / daß die Erde allezeit wie in einem Circkel herum lauffe / uͤberreden wollen / daß ſie niemals unter dem Himmel weg weichet / andere / ſo ſie uns / wie einen groſſen Backtrog fuͤr bilden / unterſtehen ſich zu er - weiſen / daß ſie auf der Lufft / wie auf einem Grun - de ſchwebe.

Der glaubet / daß die Welt ſich einer Kugel gleichet /
So frey von aller Ruh / ſtets in die Runde ſtreichet /
Und unterm Himmel ihr hat ihren Ort erkieſt;
Ein ander ſo ſie uns wie einen Trog beſchreibet /
Der fußt auf einen Wahn der nicht viel beſſer iſt /
Daß ſie auf freyer Lufft als einem Grunde bleibet.

Und es unterſucht weder einer noch der ander die Krafft / durch welches ſie etwas vornehmers er -lan -99Socrates. langet / und dencken niemals / daß ein verborgenes und goͤttliches Vermoͤgen darunter ſtecke.

Und dieſen groſſen Kloß mit leichter Muͤh zu tragen /
So bilden ſie ihn ein / es muͤſt ein Atlas ſeyn /
Der ſich zu ſolcher Laſt mit Kuͤnheit duͤrffte wagen /
Und deſſen Schuldern nichts zu niedrig noch zu klein.

Und glauben keines weges / daß das der rechte Schoͤne / und das rechte Vollkommene etwas dabey wircke: Jn dieſer Ungewißheit nun / ſo nahm ich zum Lehrer an / wer mir fuͤrkam / gaͤntzlich hoffende / die rechte Urſachen dieſer Dinge gruͤndlich zu erler - nen. Weil ich ſie aber nun keines weges erforſchen / und weder durch eigenes Vermoͤgen / noch durch fremde Huͤlffe er gruͤnden kan / ſo habe ich eine ande - re Schiffart im Wercke / vermittelſt derſelben fuͤg - lich dahin zugelangen / und ſolche alſo einen neuen Weg der techten Urſachen dergeſtalt faͤhig zu wer - den. Wilſt du nun / mein Cebes / daß ich dich auch dahin leite. Von Hertzen gerne / antwortete Cebes.

Socrates.

Als ich nun faſt verdroſſen war / ohne Fortgang dieſe Sache zubetrachten / ſo kam mir etwas an - ders ein /

Mein Geiſt der dieſem Thun faſt lange nachgegangen /
Und auf dergleichen Bahn nichts rechtes kont erlangen /
Ja durch den hellen Schein beſtuͤrtzet war gemacht /
Der dachte / wann die Sonn am allerhoͤchſten ſtehet /
Wer iſt doch wol geſchickt zu ſchauen deſſen Pracht /
Dem das Geſichte nicht in einem Nu vergebet?
G 5Wird100Der ſterbende
Wird nicht der Sonnen Licht am beſten fuͤrgeſtelt /
Wann deſſen ſchoͤnes Bild in Fluß und Waſſer faͤlt.

Mein Gemuͤthe nun von dieſer Verblendung zu entledigen / ſo hielt ich fuͤr das beſte / an ſtatt auf meinen Zweck die Sinnen zu richten / daß ich ſolchen erſtlich / wie in einem Spiegel betrachtete / und auf gewiſſe Beweiß-Satzungen dachte / etwan durch dieſelbe zu der Warheit zugelangen. Doch ſtehet vielleicht unſre Vergleich[un]g nicht feſte genug / dañ ich wil nicht gaͤntzlich zugeben / daß der jenige / ſo die Sachen durch Beweiß-Saͤtze erſuchet / ſie eher im Bildniſſe / als der ſo ſie in den Sachen ſelbſt be - trachtet / ergruͤnden ſolle; Doch habe ich mir dieſe Bahn vor andern erwehlen wollen. Schaue nun wie ich es mache / in dem ich mir eine Beweiſſatzung fuͤrſtelle / ſo ich fuͤr die bewehrteſte halte. Jch hal - te dieſes fuͤr das warhafftigſte / ſo der angezogenen Beweiß-Satzungen am nechſten kommet / und neh - me es fuͤr die eigentliche Urſache der Dinge / heiſſe a - ber hergegen alles falſch / was von dieſer etwas weit abtritt oder abſetzet. Doch bin ich erboͤtig dir das jenige / was ich itzt fuͤr gebracht / etwas deutlicher zu erklaͤren; dann ich glaube nicht / daß du alles eigent - lich verſteheſt. Nicht zum beſten / ſagte Cebes. Jch rede hier nichts neues / fuhr Socrates ferner fort / ſondern allein dieſes / was ich in vorhergegangener Theidigung oͤffters wiederholet habe. Hiemit wil ich nun fortfahren / dir dieſe Art der Urſachen zu ent - decken / davon ſchon unter uns ſo viel gehandeltwor -101Socrates. worden iſt. Jch ſetze nun hiermit zum Grunde / daß etwas in der Welt zu finden / ſo fuͤr ſich ſelbſt ſchoͤne / groß / gut / und dergleichen ſey. So du nun dieſes geſteheſt / ſo hoffe ich dir zu erweiſen / was eigentlich Urſache ſey / und woraus die Unſterbligkeit der See - len zu ſchlieſſen.

Cebes.

Schleuß / wann es dir beliebet. Jch gebe es zu.

Socrates.

Laſt uns aber dann ſehen / was daraus fol - gen wird / ſo du auch dieſer Meinung zu ſeyn be - gehreſt. Dann meine Meinung iſt / das unfehl - bar / wo auſſer der Schoͤnheit etwas ſchoͤnes in der Welt iſt / ſolches ſchoͤne / was es auch immer ſey / nicht ſchoͤne / es ſey denn durch Mittheilung der er - ſten Schoͤnheit / koͤnne genennet werden. Und ſo ur - theile ich auch von anderen Dingen. Glaubeſt du nun / daß es dieſer Urſachen halber geſchehe.

Cebes.

Ja freylich.

Socrates.

Jch mag nicht ferner gehen / und bin nicht faͤhig alle andere fuͤrtrefliche Urſachen zubegreiffen. Wann mich aber iemand fragte / warum dieſes o - der jenes ſchoͤne ſey / ſo ſagte ich / darum daß es ent -we -102Der ſterbendeweder eine hohe Farbe / eine ſchoͤne Geſtalt / oder et - was dergleichen in ſich habe; und wann ich weiter gehen wolte / ſo verwirrete ich mir nur. Dieſes glaube ich nun ſteiff und feſte / wiewol ich / warum es ſey / nicht wol ſagen kan / und nichts anders als daß die Gemeinſchafft der Schoͤnheit eine Sache ſchoͤ - ne mache / und daß alles was ſchoͤn iſt / aus Urſache der Schoͤnheit / ſchoͤne ſeyn muͤſſe. Dieſes iſt nun / was ich mir kuͤhnlich zu behaupten getraue. Jſt ihm nun nicht alſo? Jch zweiffele in wenigſten nicht daran / ſagte Cebes. Wie dann auch / daß eben dieſer Urſachen halber / das Groſſe wegen des Groſſen groß / uñ das Kleine wegen des Kleinen klein ſeyn muͤſſe. Es iſt nicht anders / gab Cebes zur Antwort. So wirſt du dann / redete Socrates fer - ner / es nicht mit dieſen halten / ſo da fuͤrgeben / daß dieſer Menſch des gantzen Kopffes groͤſſer als jener / und jener des gantzen Kopffes kleiner dann dieſer iſt / als wann die Groͤſſe und Klugheit durch den Koͤpff unterſchieden waͤre / und von demſelben ur - theilen ſolte; ſondern du wirſt vielmehr dieſer Mei - nung ſeyn / daß alles / was groß iſt / alleine wegen der Groͤſſe groͤſſer / und diß / was kleine / alleine we - gen der Kleinheit kleiner ſey. Wie du denn auch gar weißlich daran thuſt / in Erwegung / daß / wann du ſagen wolteſt / daß einer des Kopffes groͤſſer oder kleiner werde / man dir nicht dieſen Einwurff thun duͤrffte / daß erſtlich dieſes ein groͤſſers groͤſſer / und ein kleiners kleiner wuͤrde / dafern des Kopffes we - gen der eine kleiner / und einander groͤſſer genennetwird /103Socrates. wird / ja daß es ein ungereimt Ding waͤre / daß die - ſes / was groß iſt / wegen eines kleinern ſolte groͤſſer ſeyn. Scheueſt du dich nicht auch zu ſagen / daß zehen mehr als achte / nicht ſo wol wegen der zwey / als wegen der Vielligkeit mehr waͤren / wie gleich - fals daß ein Maß von zweyen Ellen / mehr wegen der Helffte / als wegen der Groͤſſe ſelber / groͤſſer als ein Maß von einer Ellen ſeyn ſolte. Und haſt du nicht ebener maſſen bedencken zugeſtehen / daß eines zu einem geſetzt / dieſer Zuſatz nothwendig mache / daß es zwey ſeyn muͤſſen / und die Theilung der ein - zelen Zahl / daß ihrer zwey daraus entſtanden / ver - urſachen ſolte. So betheure nun / daß du nichts anders wiſſeſt / wie es eigentlich zuginge / als daß es Krafft der Eigenſchafft / ſo dieſer Zahl gemaͤß iſt / geſchehen muͤſte / und daß dir nicht anders bekannt / warum es alſo / daß zwey werden / als durch Mitthei - lung / ſo zu ſagen / der Zweyheit / wie alles gleich - fals / was zu eines ſolte werden / mit der Einigkeit ei - ne Gemeinſchafft haben muͤſte. Und laß dieſe Zu - ſaͤtze und Theilung / wie auch alle andere Scharff - ſinnigkeiten vermoͤgender Leuten / als du zu / da - mit ſie nach ihren Einfallen darauf antworten moͤch - ten; denn du wirſt allezeit was furchtſam / und allein auf deiner Meinung beruhende dergeſtalt am ſi - cherſten antworten koͤnnen. Wann aber denn ei - ner deine Grundſatzungen recht unterſuchen / und dann ferner auf dich dringen wolte / ſo darffſt du ihm nicht bald darauf antworten / biß du zuvor al - les das jenige / was daraus entſpringen koͤnte / wolund104Der ſterbendeund geuau erwogen. Dann wann du ja Urſache dieſer Urſache geben ſolteſt / ſo wuͤrdeſt du dich zuvor nach anderen Satzungen umſehen / und dieſelben / ſo du etwan von den vorhergehenden fuͤr die beſten haͤlteſt / nothwendig erwehlen muͤſſen: Wie du dañ auch niemals / wie der Zanckſuchtigen Brauch iſt / die Grundſaͤtze / und was von denſelben entſpringet / vermiſchen ſolſt / ſo du ja etwas gewiſſes daraus zu entſpinnen begehreſt. Dann was die Zanckſuͤch - tigen betrifft / ſo haben ſolche weder Sinn noch Ge - dancken / ſo der Sache gewachſen waͤren / wie ſie denn auch aus Mangel der Weißheit ihnen ſelber betruͤglich gefallen / und etwas groſſes / ihrer Ein - bildung nach / zu erlangen gedencken. Du aber Cebes / ſo du unter der Zahl der Weißheit-Befliſſe - nen zu ſeyn begehreſt / ſo wirſtu zweiffels ohne / das jenige / was ich itzund erinnert / ſtets in acht haben.

Phaͤdon.

Cebes und Simias lieſſen ihnen dieſes Fuͤrbrin - gen hoͤchſt wolgefallen.

Echocrates.

Sie hatten wol Urſache darauf zuberuhen / dann ich halte darfuͤr / daß auch die allerungeſchickſten nunmehr die Warheit dieſer Meinung werden er - kennen koͤnnen.

Phaͤdon.

Es iſt wol niemand unter uns / deme es nicht leicht zu ſeyn ſchiene.

Echo -
105Socrates.
Echocrates.

Es iſt kein Wunder / weil ich / wiewol ich zuvor abweſende geweſen / es nunmehr bloß und alleine aus gethaner Widerholung zimlich wol verſtehe. Was brachte er aber nach dieſem ferner fuͤr?

Phaͤdon.

Nachdem ſie Socrates auf ihre Meinung bracht / und ein iedweder geſtanden / daß alle Arten der Dinge etwas ſeyn muͤſten / und diß / was Gemein - ſchafft damit haben wil / nothwendig davon ſeinen Nahmen entlehnet / ſo brachte er endlich noch dieſe Frage auf die Bahn.

Socrates.

So es nun dergeſtalt / wie wir erwieſen / bewand iſt / wirſt du denn nicht auch geſtehen muͤſſen / daß / wann Simias groͤſſer iſt als Socrates / und kleiner als Phaͤdon / daß dieſe zwey Sachen ſich in dem Simias befinden / nemlich die Groͤſſe und die Kleinheit?

Cebes.

Wie anders?

Socrates.

Damit wirſt du auch geſtehen / daß Simias groͤſ - ſer als Socrates ſey / nicht zwar dem Buchſtabennach /106Der ſterbendenach / dann du glaubeſt nicht / daß es / vermoͤge der Natur ſo ſeyn koͤnte / daß Simias / als Simias den Socrates uͤbertraͤffe / ſondern Krafft des Maſ - ſes ſeiner Glieder / noch daß Socrates kleiner als Simias ſey / ſo weit als er Socrates iſt / ſondern al - leine in Betrachtung ſeines Leibes Laͤnge / die gegen des Simias ſeine gehalten / um etwas kleiner iſt.

Cebes.

Dieſes iſt eben meine Meinung.

Socrates.

Und gleicher maſſen uͤbertrifft Simias den Si - mias nicht als Phaͤdon / ſondern weil er gegen den Simias groß iſt / der in Vergleichung des Phaͤdons klein iſt.

Cebes.

Es iſt ſo.

Socrates.

Und ſo wird Simias dergeſtalt nach gewiſſem Verſtande groß und klein heiſſen / denn er iſt mittel - maͤßig / in Betrachtung des einen groͤſſer / und in Betrachtung des andern kleiner.

Phaͤdon.

Darauf ſprach er laͤchelnde / mich duͤnckt / daß ich ein wenig zu eifrig uͤber dieſe Meinung halte / doch ver - haͤlt es ſich nicht anders / als ich itzund geſagt habe.

Ce -
107Socrates.
Cebes.

Es ſcheinet faſt.

Socrates.

Jch habe mich mit Fleiß ein wenig lange allhier aufgehalten / euch deſto klaͤrer zu erkennen zugeben / wie gerne ich euch auf meine Meinung bringen moͤch - te. Meine Meinung nun iſt / daß die Groͤſſe nicht alleine zu einer Zeit nicht wolle groß und kleine ſeyn / ſondern auch / daß die Groͤſſe in uns niemals uͤber - waͤltiget / und etwas kleines / ſondern daß ſolche von zweyen Sachen eines wuͤrde / daß nemlich ſie die Groͤſſe entweder zuruͤcke wiche / wann ihr Gegen - ſpiel als die Kleinheit antritt / oder gaͤntzlich vergin - ge / wann die Kleinheit allbereit angetreten iſt; dañ ſie kan nicht erwarten noch etwas anders werden / wann ſie die Kleinheit annimmt / als was ſie zuvor geweſen. Mich zum Beyſpiel anzuziehen / der ich kleine bin / ſo kan ich / ſo lange ich dis bin / was ich bin / nichts anders als kleine ſeyn. Wie denn auch eine groſſe Sache nicht kleine / und dieſes / was klei - ne in uns iſt / nicht groß / oder etwas wiedrieges wer - den kan. Dann ein Ding / ſo lange es dieſes / was es iſt / verbleibet / kan nimmermehr ſein eigen Ge - genſpiel werden / ſondern es muß alſobald weichen / oder gantz vergehen / ſo bald ſein Widriges antritt.

Cebes.

Das iſt eben meine Meinung.

HPhaͤ -
108Der ſterbende
Phaͤdon.

Darauf begunte einer von der Geſellſchafft (ich weiß wol nicht welcher) gantz beſtuͤrtzt zu ſagen: Lie - ben Goͤtter / hat man uns nicht kurtz zuvor / gantz et - was anders / als was itzund fuͤrgebracht wird / ge - ſtanden. Dann man hat ja erweiſen wollen / daß aus dem Kleinern das Groͤſſere / und aus dem Groͤſ - ſeren das Kleinere wuͤrde / uñ unfehlbar etwas Wi - driges aus des Widrigen Gegenſpiel entſtuͤnde. So - crates ruͤckte damals mit ſeinem Kopffe ein wenig herfuͤr / und ſagte: Du haſt fuͤrwar ein gutes Ge - daͤchtniß / der du dieſes behalten haſt. Du weiſt a - ber nicht den Unterſcheid desjenigen / was ich itzund behauptet / und deſſen was ich zuvor fuͤrgebracht; Denn damals haben wir geſagt / daß von etwas Widrigem / wiederum etwas Widriges entſtuͤnde / und hier ſagen wir / daß das Widrige niemals ihme ſelber etwas widriges werden koͤnne. Wir rede - ten erſtlich von Sachen die gewiſſe Gegenſaͤtze ha - ben / uñ bezeichneten ſie mit dem Nahmen ihr es wi - drigen. Jtzund aber reden wir von den Gegenſaͤtzen die aus dieſen kommen / davon ſie den Namen ha - ben / und ſagen / daß niemals ein Gegenſpiel eigend - lich aus ſich ſelber kommen koͤnne. Darauf richte - te er die Augen auf den Cebes / ſagende / kamen dir dieſe Einwuͤrffe, nicht bedencklich fuͤr?

Cebes.

Keines weges.

So -
109Socrates.
Socrates.

So haben wir dann ſo geſtanden / daß ein Ge - genſpiel niemals aus ſeinem Gegenſpiele wird

Cebes.

Das iſt wahr.

Socrates.

Schaue ob du auch in deme meiner Meinung biſt. Nenneſt du nicht Hitz und Kaͤlte etwas?

Cebes.

Wie anders.

Socrates.

Nenneſt du aber ſchlecht weg Hitz und Kaͤlte / Feuer und Schnee?

Cebes.

Nein warlich.

Socrates.

So ſageſt du dann / daß Hitze etwas anders als Feuer / und Kaͤlte etwas anders als Schnee ſeyn muͤſſe?

Cebes.

Eben ſo.

Socrates.

Du wirſt aber ſonder Zweiffel geſtehen / daß derH 2Schnee110Der ſterbendeSchnee / ſo lange er Schnee iſt / wie wir allbereit erwehnet / keines weges Hitze an ſich nehmen / und Hitz und Kaͤlte nicht beyſammen ſeyn kan / ſondern es muß der Schnee / ſo bald die Hitze koͤmpt / entwe - der weichen oder gantz vergehen / wie denn auch das Feuer / wann die Kaͤlte antritt / ſich gleichfals auf die Seite machen / und verloͤſchen muß / indem Feu - er und Kaͤlte ſich keines weges mit einander vertra - gen koͤnnen.

Cebes.

Du ſageſt die Warheit.

Socrates.

Du muſt wiſſen / daß etliche Dinge zu finden / die ihrer Art Sachen nicht alleine allezeit mit ihrem Namen verehren / ſondern auch bißweilen etwas anders / daß doch in der Warheit nicht dem erſten gleiche iſt / ſondern nur ſo lange es daſſelbe iſt / der - derſelben Geſtalt in ſich hat. Und ſchaue nun wo du dieſes ſonnenklar ſehen wirſt / Ungerade / behaͤlt allzeit den Namen Ungerade. Jſt aber nun uͤber dieſes nichts anders? Dañ dieſes iſt eben die Frage / ob nicht etwas zu finden / ſo in ihm ſelbſt nicht eben dieſes / was ungerade iſt / welches aber doch neben einem andern Namen ſo es hat / dennoch dieſen Na - men Ungerade zu fuͤhren / gleichſam verbunden wird / und ſolches zwar aus Antrieb der Natur / die da wil / daß es allezeit den Namen Ungerade behalte; Dañ ſo iſt es auch mit der Zahl von dreyen bewand /ſo111Socrates. ſo wir die Gedritten heiſſen / dann du wirſt erfahren / daß man ſie allezeit gedritte und ungerade heiſſe. Welches Ungerade doch nicht eben oder eigentlich das jenige / was das gedritte iſt / dann man ſaget ſolches eben ſo wol von fuͤnffen und von ſieben / als von dreyen und anderen Mittel / oder ungleichen Zahlen mehr. Dann ein iedere dieſer Zahlen iſt ſo wol ungerade als gedrittet / und ob ſie gleich nicht eben das Ungerade ſelber ſeyn / ſo ſind ſie doch unge - rade. Wie ebenfals auch zwey und viere / und an - dere gleiche Zahlen / ob ſie gleich nicht eben dieſes / was man gerade nennet / ſeyn / ſo iſt doch ein ieder fuͤr ſich gerade.

Cebes.

Sonder Zweiffel.

Socrates.

Betrachte dann recht meine Frage / daß es nem - lich anders keines weges ſeyn kan / als daß nicht al - leine die unter ſich ſelbſt widrigen Sachen ſich nie - mals in ein ander vermiſchen / ſondern auch die jeni - gen Dinge / ſo zwar nicht recht einander zu wider / ſondern nur etwas der Widerwertigkeit aͤhnliches in ſich haben / niemals diß was ihre Eigenſchafft zu wider / an ſich nehmen. Muͤſſen wir nicht geſte - hen / daß drey eher vergehen / ja eher ich weiß nicht was erdulden wuͤrden / als daß ſie ſo weit drey drey ſind / gerade werden ſolten.

Cebes.

Das iſt die Warheit.

H 3So -
112Der ſterbende
Socrates.

Jedennoch iſt zwier dem gedritten nicht zu wider.

Cebes.

Keines weges.

Socrates.

Daß alſo nicht allein die unter ſich widrigen Ar - ten / ſich nicht mit einander vermaͤhlen / ſondern auch daß auſſer gedachte Arten gewiſſe Sachen zu finden / ſo nichts widriges vertragen koͤnnen.

Cebes.

Du ſageſt die Warheit.

Socrates.

Wilſt du dann / daß wir dieſe Sachen / wie ſie eigentlich beſchaffen / ſo viel moͤglich / beſchreiben ſollen?

Cebes.

Jch moͤchte es wol wuͤnſchen.

Socrates.

Werden ſolche Sachen nicht dieſer Art und Beſchaffenheit ſeyn / daß ſie auch immer beruͤhren / es nicht alleine ſein eigen Ebenbild behalten laſſen / ſondern auch noch das Widrige anzunehmen zwin - gen.

Ce -
113Socrates.
Cebes.

Wie verſteheſt du dieſes?

Socrates.

Wie ich kurtz zuvor gemeldet habe / dann du weiſt daß dieſes / was unter dem Ebenbilde der drey be - grieffen / nicht alleine drey / ſondern auch ungerade ſeyn muß.

Cebes.

Das geſtehe ich.

Socrates.

Zu dem ſagen wir / daß kein Ebenbild / ſo der Ei - genſchafft eines Dinges zu wider iſt / nicht kan ge - geben werden.

Cebes.

Niemals.

Socrates.

Und darum iſt es / daß die Zahl von dreyen nie - mals gerade ſeyn kan.

Cebes.

Das geht richtig.

H 4So -
114Der ſterbende
Socrates.

Und erfolget nun daß das Gedritte in der Zahl von dreyen nothwendig muͤſſe ungerade ſeyn.

Cebes.

Jch muß es geſtehen.

Socrates.

So habe ich nun ſo zu umſchreiben begonnen / was nemlich fuͤr Sachen ſind / welche zwar nichts eigentlich zu wider ſind / aber doch auch nichts wi - driges annehmen wollen. Mit dieſem iſt es nun e - ben ſo / wie mit dem Gedritten bewand / welches dann wiewol es dem Geraden nicht ſchnur ſtracks zu wider / es dennoch niemals / weil ſolches ihm allezeit etwas widriges beyfuget / anzunehmen begehret. Eben ſo iſt gleichfals mit der Zahl von zweyen / ge - gen ungerade / mit dem Feuer gegen die Kaͤlte / dem Schnee gegen die Hitze / und vielen anderen dieſer Art Sachen beſchaffen. So ſchaue nun Cebes / ob nicht / deiner Meinung nach / man es ſo umſchreiben koͤnnen / daß nicht alleine das Widrige / ſondern auch dasjenige / was etwas widriges beybringet / niemals eine Geſtalt an ſich nehmen wird / ſo denje - nigen / ſo ſie beygebracht wird / zu wider waͤre. Und betrachte dann / dann es ſchadet niemals dieſe Sa - chen offte zu wiederholen / daß die Zahl von fuͤnffen niemals die Art von geraden / nach zehen ſo gedop -pelt115Socrates. pelt fuͤnffe iſt / die Art von ungeraden an ſich nehmen wird. Dann dieſes / was des anderen Gegenſpiel iſt / nimmt niemals die Art ungerade zu ſeyn an ſich / wie auch in der Art vo[n]zwoͤlffen / die ſechſe / als die Helffte von zwoͤlffen / nehmen niemals Forme eines gantzen an ſich / noch alle andere / die dergeſtalt die Helffte oder Drittelzahl begreiffen / nehmen nie - mals die Geſtalt einer hoͤhern Zahl an ſich / dann wann ſolches geſchehen ſolte / ſo wuͤrden ſie vergehen / und nicht mehr die helffte / oder das Drittel ſeyn koͤn - nen. Verſteheſt du mich / und faſſeſt aus dieſem meine Meinung?

Cebes.

Zur Genuͤge.

Socrates.

Sage mir nun gleichſam vom Anfange / und ant - worte mir / nicht daß ich dich eben frage / ſondern nur zu Nachfolge dieſem / womit ich dir itzund vor - gegangen. Jch meine / daß du mir uͤber dieſe verge - wiſſerte Antwort / ſo wir bald im Anfange gethan / noch eine andere geben ſolleſt / ſo nicht weniger Ge - wißheit habe / und von dieſem / ſo wir itzund geſagt / herruͤhre. Als wann du mich ſo fragen ſolteſt / So - crates / was iſt in dem Leibe ſo da waͤrmet? ſo wol - te ich dir nicht dieſe grobe und rohe Antwort geben / es iſt die Hitze / ſondern eine gereimtere / und dem gehabten Geſpraͤche gemaͤſſere / daß es nemlich das Feuer ſey. Wie gleichesfals / wann du dich erkun -H 5di -116Der ſterbendedigen thaͤteſt / was im Leibe ſey / ſo da kranck mache; ſo wolte ich nicht antworten / die Kranckheit / ſon - dern das Fieber. Und wann du erforſcheſt welches in einer Zahl ungerade mache / ſo wil ich nicht ſagen ungerade / ſondern die Einigkeit / und ſo ferner. Ver - ſteheſt du mich nun?

Cebes.

Gar wol.

Socrates.

So antworte denn / was im Leibe denſelben le - bendig erhalte?

Cebes.

Die Seele.

Socrates.

Und dieſes allezeit.

Cebes.

Wie anders?

Socrates.

So gibt dann die Seele dem / wo ſie ſich nie - derlaͤſt / alſobald das Leben.

Cebes.

Ohne allen Zweiffel.

Socrates.

Jſt dann dem Leben nun nichts zu wider?

Cebes.

Es findet ſich freylich etwas.

So -
117Socrates.
Socrates.

Und was iſt es dann?

Cebes.

Das iſt der Todt.

Socrates.

Die Seele nimmt nun memals etwas an / ſo dem jenigen / was ſie eingefuͤhret / zu wider iſt / wie wir vor einig worden ſeyn.

Cebes.

So verhaͤlt es ſich.

Socrates.

Und wie nannten wir itzund dieſes / was das E - benbild des geraden nicht faſſen kan?

Cebes.

Ungerade.

Socrates.

Und ſo wir / was der Gerechtigkeit oder der Sin - gekunſt nicht faͤhig iſt / Ungerechtigkeit / und nicht Singekunſt nennen / wie werden wir nun das jeni - ge / ſo des Todes nicht faͤhig iſt / nennen ſollen. Son - der Zweiffel Unſterbligkeit. Die Seele iſt nun dem Tode niemals unterworffen / darum iſt ſie unſterb - lich.

Cebes.

Es muß unfehlbar daraus folgen / daß ſie unſterb - lich ſey.

Socrates.

Und wird die Seele niemals von dem Tode an - gefochten.

Ce -
118Der ſterbende
Cebes.

Niemals.

Socrates.

Haben wir nun dieſes klar genug bewieſen?

Cebes.

Ubrig klar und genugſam.

Socrates.

Haͤlteſt du nicht auch dafuͤr / o Cebes / ſo fern un - gerade vom Untergang befreyet werden / daß es drey gleichfals ſeyn wuͤrde / und wo dieſes / was mit faͤhig iſt die Hitze an ſich zu nehmen / nicht verginge / daß der Schnee ohne Zerſchmeltzung bey dem Feu - er bleiben / nicht zergehen noch erhitzt wuͤrde werden koͤnnen?

Cebes.

Jch glaube es.

Socrates.

Daraus folget nun / wo dieſes / was nicht kalt werden kan / nicht vergehet / wenn Kaͤlte gleich dar - ein ſtreichet / daß das Feuer ſich auch nicht deſſent - wegen ausloͤſchen / ſondern ohne Gefahr ſich auf die Seite machen wuͤrde.

Cebes.

Es koͤnte nicht anders ſeyn.

Socrates.

So koͤnnen wir nun gleichfals / was die Unſterb - ligkeit betriefft / einen Schluß machen / daß dafern dieſes was unſterblich iſt nicht ausweichet / es gleich -fals119Socrates. fals unmoͤglich ſey / daß die Seele bey Ankunfft des Todes vergehen ſolte. Dann wie wir zuvor erwie - ſen / ſo kan ſelbige dem Tode nicht unterworffen wer - den; und kan ſo wenig verderben als drey gerade / oder das Feuer wird kalt werden koͤnnen. Doch koͤnte man noch etwas ſagen / ob gleich ungerade niemals gerade wuͤrde / wann ſchon gerade mit da - zu kommet / wie wir allbereit zuvor geſtanden / ſo ſa - gen wir doch / daß noch ungerade / gerade an deſſen ſtatt kom̃et / und wañ uns einer ſagte / daß das Unge - rade vergangen / und nicht mehr zugegen / ſo wollen wir es nicht laͤugnen. Wie wir denn auch keines weges koͤnnen / denn es iſt nicht mit ungerade wie mit einem Weſen ſo unzertrennlich iſt / beſchaffen / und ob es gleiche Beſchaffenheit damit haͤtte / ſo wuͤrden wir erfahren / daß wegen Antritt des Gera - den / weder das Ungerade noch eine gedritte Zahl vergehen wuͤrde / und koͤnten alſo eben dieſes von Feuer / Hitze und anderen Dingen ſchlieſſen. Wuͤr - de es nicht deiner Meinung nach ſo ſeyn?

Cebes.

Wie anders.

Socrates.

Was aber das Unſterbliche betrifft / ſo es ſchei - net / daß es nicht vergehen / ſo erſcheinet es auch / daß die Seele / auſſer dem das ſie unſterblich iſt / auch zu - gleich nicht vergehen koͤnne. Wann dieſes nicht ſchone geſtanden waͤre / ſo muͤſte man einen andern Beweiß-Grund anziehen / es iſt aber nicht von noh -ten120Der ſterbendeten ſich allhier lange aufzuhalten / dannn was wolte doch unzertrennlich ſeyn / wann dieſes / was unſterb - lich und unvergaͤnglich iſt / zertrennlich waͤre.

Beſteht nicht die Unſterbligkeit /
So wird der Geiſt / wann er befreyt /
Den Leib / und was er vor beweget /
zu Staub und Aſche / ja die Welt /
Und was ſie im Beſchloſſe haͤlt /
Wird in den Todes Staub geleget;
Es wiche ſelbſt des Himmels Zier /
Die Goͤtter ſtuͤrben gleich wie wir.

Weil nun dieſes / was unſterblich iſt / auch zugleich unverweſentlich iſt / wie ſolte nicht die Seele / ſo ſie unſterblich / auch zugleich unverweſentlich ſeyn?

Cebes.

Es kan nichts anders daraus folgen.

Socrates.
Daß wann des Todes Grimm uns trennet /
So greifft er alles dieſes an /
Was er an uns beſtreiten kan /
Weil ers vor ſeinem Raub erkennet.
Doch kommet unſer rechtes Hab /
Was nicht zufaͤlt und feſte ſtehet /
Das nimmer ſtirbt und nicht vergehet /
Mit nichten in das kalte Grab /
Und unſer Geiſt dem Leib entnommen
Wird zu den Himmelsgeiſtern kommen.
Cebes.

Es ſtehet mir nicht das geringſte im Wege / daßich121Socrates. ich deiner Meinung nicht beypflichten ſolte / ſo aber Simias / oder etwan ein ander von der Geſellſchaft etwas dabey zu erinnern hat / ſo kan er es mir frey fuͤrtragen; Dann mich beduͤncket / daß man die Zeit und Gelegenheit ſolche Sachen zu hoͤren / oder davon zu reden / keines weges verſaͤumen ſolle.

Wer etwan einen Zweiffel ſpuͤhret /
Der melde ſich bey Zeiten an.
Es weiß es doch wol iederman /
Wo man dergleichen Reden fuͤhret /
Daß leichte was entgehen kan.
Simias.

Jch habe eben ſo wenig als du wider die ange - fuͤhrte Beweiß-Gruͤnde zugedencken / O Cebes. Jedennoch ſo machet mir die Sache / davon wir handeln / und die menſchliche Schwachheit nicht wenig Mißtrauen.

Socrates.

Es iſt nicht ohne Urſach / und unſere erſte Sa - tzungen / wiewol ſie auch richtig genug zu ſeyn ſchei - net / muͤſſen doch ferner ie mehr und mehr erwogen und unterſuchet werden; So ihr ſie nun einmal un - tadelhafft befindet / ſo koͤnt ihr auf ſolche Beweiß - Gruͤnde ſteiff bauen / und habt nicht Urſache ferner zu fragen.

Simias.

Es iſt die Warheit.

So -
122Der ſterbende
Socrates.
So nun die Seele ſtets verbleibet /
So ſey man ja darauf bedacht /
Daß man dieſelbe ſauber macht /
Und alle Flecken von ihr treibet.
Wer diß Geheimnis recht bedenckt /
Dem wird der reine Geiſt gelenckt /
Auf einen Zweck der ſtets beſtehet;
Und wenn er nicht mehr leben kan /
Und aus der Trauerhuͤtten gehet /
So kompt er auf die Freuden-Bahn.
Und ſolte dieſer Geiſt verſtieben /
Und auch der Faͤulniß Speiſe ſeyn /
Wann dieſe ſchlechte Haut und Bein /
Jſt durch den bleichen Todt vertrieben /
So ſind die Boͤſen wol daran.
Erwege doch / wo wuͤrde man
Belohnung und auch Straffe haben /
Wann unſre Seele in der Grufft
Sich zu dem Leibe laͤſt begraben /
Und nun kein ferner Leben hofft.
Weil aber unſer Geiſt ſich trennet /
Wann Haut und Bein wird hingelegt /
Den keine Sache leicht bewegt /
Und weder Wurm noch Faͤulniß kennet /
So wird derſelben Geiſter Schaar /
Die hier der Boßheit Urſprung war /
Daß Leib und Seele ſich vergeſſen /
Viel Angſt und Marter beygebracht /
Und leidet weil ſie iſt geſeſſen
Jn der betruͤbten Todes Nacht.
Die Seelen aber / derer Weſen
Mit Witz und Glantz iſt ausgeziert /
Und da man tauſend Zeichen ſpuͤhrt /
Wie ſie die Tugend ihn erleſen /
Die123Socrates.
Die gehn mit Wiſſenſchafft belegt /
Jn einem Ort der Fruͤchte traͤgt /
Darnach ſie lange Zeit geſtrebet.
Sie wiſſen alles / nur die Zeit
Gedenckt ſie nicht die ſie entlebet /
Und von des Leibes Band befreit.
Die Seele ſo ſich recht gezieret /
Mit Kuͤnſten und Geſchickligkeit /
Die wird den Augenblick erfreut /
Wenn ſie dem Leibe iſt entfuͤhret.
Sie trifft bald auff der erſten Bahn
Viel tauſend Luſt und Freuden an.
Die aber / welche ſind umgeben
Mit boͤſer Luſt und ſchlechtem Witz /
Die muͤſſen ſtets in Unluſt leben /
Und finden einen rauhen Sitz.
Ein Geiſt ſo nach dem groſſen Willen /
Faſt aller Menſchen Geiſter treibt /
Und allezeit bey ihnen bleibt /
wil auch allhier ſein Ampt erfuͤllen;
Er fuͤhrt die Seel an einem Ort /
Da auf der Goͤtter Rath und Wort
Die Seelen gleichſam ihm verbunden /
Sind fuͤr dem Richterſtuhl gebracht.
Denſelben Nun / wann ſie empfunden /
Daß man ihr Hauß zu nichte macht.
Wie dieſem Geiſte nun gebuͤhret
Sie bald zu fuͤhren aus der Welt /
So wird ſie / wann das Urtheil faͤlt /
Bald auf ein groſſes Feld gefuͤhret /
Da ſie verwickelt wird gekraͤnckt /
Und ſtets auf neue Rettung denckt /
Bald hin und wieder lenckt und rennet /
Da ſie ſich an das Ufer ſetzt /
Des Volckes ſo uns nicht recht kennet /
Und deſſen ſchwartze Wohnung netzt.
JWann124Der ſterbende
Wann nun die ſtrenge Zeit verſtrichen /
So trennt ſich auch die truͤbe Nacht /
Die Sonne wird ihn wiederbracht /
So vormals war hinweg gewichen.
Ein Geiſt der nimmt ſich ihrer an /
Und fuͤhrt ſie von der Orden Bahn /
Die ſie betritt des Urthels wegen;
Und dieſer unbekante Lauff /
Der fuͤhret ſie auf reinen Stegen /
Zu ihrer rechten Wohnung auf.
Viel Kruͤmmen / Rauhigkeit und Gaͤnge /
Seynd dieſen Seelen fuͤrgeſtelt;
Ob Thelephus es hoͤniſch haͤlt /
Und meint der Weg ſey gantz nicht enge /
Und Aſchilus es hat erdacht /
Daß unſre Seele wird gebracht /
Durch ein wolgebaͤhnte Straſſe /
Da Fromm und Boͤſe gleiche ſind /
Und man allhier von gleichem Maſſe /
Die fuͤrgeſtellte reiſe find.
Doch dieſes iſt gar weit verfehlet /
Die Wege ſind voll von Moraſt /
Mit Lippen iſt die Bahn umfaſt /
Viel Kluͤffte werden hier gezehlet.
Der Aſchilus ſteckt Luͤgen voll /
Jch weiß gewiß nicht wie man wol
Alleine kaͤme durch die Gaͤnge /
Die Seelen bleiben hier beftrickt /
Sie wuͤrden warlich in die Laͤnge /
Gantz in die Jrre hingeruͤckt.
Man ſchauet aus dem Opffer Feuer /
So hier mit Hauffen angezuͤnd /
Daß man viel falſche Straſſen find /
Und vieler Klippen ungeheuer /
Wiewol ein wolbeſtellter Geiſt /
Der ſeinem Fuͤhrer ſich befleiſt /
Jn125Socrates.
Jn gutem Frieden nach zugehen /
Auf dieſer Bahn viel Anmuth ſpuͤhrt /
Und alles dieſes lernt verſtehen /
Was ſonſt der Kopff nicht in ſich fuͤhrt.
Hingegen eine wilde Seele /
So noch das alte Feſſel druͤckt /
Und nichts mit mehrer Krafft erquickt /
Als nur des faulen Leibes Hoͤle /
So noch / wann ſie der Todt getrennt /
Voll ſtinckender Begierden brennt /
Zu welchem ſie das Blut entzuͤndet;
Die ſucht das kalte Haut und Bein /
Biß ſie das faule Weſen findet /
Jn dem ſie ſich ergetzt allein.
Wann ſie nach vielen langen Beiten /
So aͤrger druͤckt als Glut und Band /
Der Hoͤllen heiſſes Folterland
Mit vielem Klagen muß beſchreiten /
So laͤſt der Teuffel / ſo ſie bracht
Jn dieſes truͤbe Reich der Nacht /
Sie an dem faulem Ufer kleben /
Da man der Hoͤllen Grauſamkeit
Jhn ſchauet an den Seiten ſchweben /
So hier zur Straffe ſteht bereit.
Ein ieder Geiſt beginnt zu ſchelten /
Und was man vor Geſpenſte zehlt /
Die ſeynd bereit wo ſie gefehlt /
Jhn alles reinlich zu vergelten.
Es muß viel tauſend Jahr vorbey /
Eh dieſe Kette bricht entzwey /
Und ſie zum Freudenhafen laͤndet;
Eh als ſie aus dem Kercker bricht /
Durch dieſen Geiſt der alles endet /
Und ſelbſt erſchaffen Zeit und Licht.
J 2Die -126Der ſterbende

Dieſe ſchnoͤde Seelen nun finden endlich nach langen Umſchweiffen und tauſenderley Jammer in der Welt eine ihren Gedancken gleich geſtalte Be - hauſung / und die Frommen werden hergegen ohne einzige Quaal und Straffe / ſo den Boͤſen auf dem Halſe lieget / nach ihrem Abſterben in eine ſelige Wohnung angewieſen / da ſie ihren loͤblichen und richtigen Fuͤrſatz wol fortſtellen koͤnnen. Wie ſie dann die Goͤtter ſelbſt darzu leiten. Dann die Er - de hat viel und wunderbarliche Oerter / und iſt nicht ſo groß / und von ſolcher Beſchaffenheit / aufs we - nigſte / wie ich vernommen / als man in gemein fuͤr - giebet.

Simias.

Wie verſteheſt du dieſes? Was mich betrifft / ſo hab ich viel von dem Erdkloſe reden hoͤren / aber nichts richtiges; und moͤchte wol wuͤnſchen / daß du die Muͤhwaltung auf dich nehmen wolteſt / etwas deutlicher davon zu handeln.

Socrates.

Jch halte dafuͤr / daß die Kunſt des Glaucus / nichts eigentliches fuͤrbringe / was dieſes doch fuͤr Sachen ſeyn / und etwas gewiſſes daraus zu er - zwingen / ſcheinet mir faſt unmoͤglich. Ja ich halte mich ſelbſt dieſer Sache vor genug nicht gewachſen / und wann ich gleich vollkommen gelehrt waͤre / ſo wuͤrde die wenige Zeit meines Lebens es nicht ver - ſtatten wollen, Doch wil ich etwas von der Geſtaltdes127Socrates. des Erdbodens ſagen / und dieſe Oerter meiner Art nach beſchreiben.

Simias.

Jch begehre nichts mehr.

Socrates.
Der Kloß iſt rund nach meinem Duͤncken /
Die Himmel ſchlieſſen ihn recht ein /
Er muß ſtets unbeweglich ſeyn /
Sein gleicher Hang laͤſt ihn nicht ſincken.
Die Himmel ſo gleich um ihn gehn /
Die laſſen ihn ſchnur-gleiche ſtehn;
Und weil er auf ihn ſelbſt kan ſitzen /
Und gleich getheilt Gewichte hat /
So haͤlt er ſich ohn andre Stuͤtzen /
Als des Gerichtes Wunderthat.

Dann eine Sache / ſo der geſtalt von gleichem Ge - wichte iſt / ſo ſie in der Mitten eines Dinges / das ſich ebener maſſen gleichwichtig befindet / geſtellet wird / kan weder zu einer noch zu der anderen Sei - ten ſincken: Weil es denn in ſolcher Gleichheit ſich befindet / ſo haͤlt es ſich durch Zuneigung und Ver - faſſung eines anderen.

Simias.

Die Meinung ſcheinet nicht boͤſe zu ſeyn.

Socrates.
Der Klumpen alſo aufgehaͤncket /
Hat einen groſſen Raum in ſich /
Wie dann ein ieder ohne mich
Es glauben wird / der es bedencket,
Wir ſitzen hier um Fluß und Meer /
Als wie der Froͤſche kaltes Heer /
J 3Es128Der ſterbende
Es gleicht ſich einem Ameiß-Huͤgel /
Was zwiſchen hier und da ſich haͤlt /
Wo eine Seule dieſer Welt /
Ein Halbgott hat gemacht zum Ruͤgel.
Man ſchaut in vielen andern Enden /
Wie es fuͤr Menſchen Wohnung giebt /
Und es der Erden ſo beliebt
Bebant zu ſeyn von unſern Haͤnden /
Man ſchaut daß nach Geſtalt und Art /
Nachdem daß Waſſer nimmt die Fahrt /
Und dieſen groſſen Klupen netzet.
Die Seiten werden tieff gemacht /
Und ſchoͤne Stellen fuͤrgebracht /
Darauf des Menſchen Kind ſich ſetzet.
Ein Erde von viel hoͤhern Gaben /
Da Freude / Ruh und Friede lacht /
Wo nimmermehr der Donner kracht /
Und man nicht redet vom Begraben;
Da Glantz und Klarheit wird geſchau[t]/
Die iſt im Himmel aufgebaut /
Da alle Maͤngel muͤſſen weichen.
Hier ſind die Sternen angehenckt /
Die Frommen auch dahin gelenckt /
Wo Troſt und Luſt niemals verſtreichen.
Das reine Luſt-Schloß / wie man hoͤret
Aus dieſer groſſen Leute Mund /
Der uns den rechten Wundergrund /
Dergleichen hoher Sachen lehret /
Jſt ausgezieret gantz und gar /
Mit der Geſtirne reicher Schaar /
Die dieſe Lufft wie Glaß durchſtreichen /
Die gantze Welt iſt ihre Bahn /
Sie iſt bemuͤhet daß ſie kan
Der Erden tieffe Schoß erreichen.
Die wir hier wie in Keltern ſchweben /
Erkennen nicht wie ſichs gebuͤhrt /
Wann129Socrates.
Wann ihre Klarheit uns beruͤhrt /
Daß wir ſo tieff und niedrig leben /
Und dencken daß hier unſre Stadt
Den hoͤchſten Grad zum Circkel hat /
So dieſen Klumpen hat beſchloſſen:
Daß die wir hier auf Erden gehen /
Nun auf der hoͤchſten Flaͤche ſtehen /
Mit andern Thieren ſo entſproſſen.
So meint des Tritons kalter Hauffen /
Der in der blauen Wunder-Fluth
Betrachtet vieler Sternen Gluth /
So durch den weiten Himmel lauffen /
Daß dieſes tieffe Waſſer ſchloß /
Und was ſich regt in deſſen Schoß /
Gantz oben auf der Hoͤhe ſtunde /
Und daß man in der gantzen Welt
Zu ſchann des blauen Himmels-Feld /
Allhier die beſte Stelle finde.
Sie glauben daß in ihren Wellen
Die Sternen werden angezuͤndt /
Und daß man keine Sonne find /
Als bey Neptunus ſcharffen Quellen.
Beſchauten ſie doch nur einmal /
Mit uns den rechten Sonnenſtrahl /
Und koͤnten zu uns Menſchen kommen /
So wuͤrd ihr Jrrthum offenbahr;
Jhr Auge wuͤrde gantz und gar
Durch dieſe Klarheit eingenommen.
Wir bleiben hier in Band und Eiſen /
Als wie ein Armer Knecht beſtrickt /
Weil unſer Leib zu ungeſchickt
Jn hoͤher Oerter zuverreiſen.
Wir glaͤuben daß das hohe Licht /
So kraͤfftig durch die Wolcken bricht /
Mit tauſend hellen Himmels-Kertzen /
Beruhe in der Lufft allein;
J 4Und130Der ſterbende
Und das Gewoͤlck und Sternenſchein /
Von gleicher Hoͤhe ſey zu ſchaͤtzen.
Doch ſo man durch des Windes Staͤrcke /
Nur koͤnte ſeyn dahin geſtelt /
Wo die beruͤhmte Wohnung haͤlt
Den Auszug aller Wunderwercke /
Wir machten uns auf dieſen Plan /
Wo man die Sonne ſchauen kan /
Wann ſie ihr reiches Feuer zeiget /
Jn einem Himmel / deſſen Schein
Der Sterne Licht wil gleiche ſeyn /
Dahin auch kein Gewoͤlcke ſteiget.
Wann wir von dieſer Freuden-Spitze /
So uͤber alle Donner geht /
Da Ehre / Luſt und Freude ſteht /
Uns kehrten zu dem alten Sitze /
Wir wuͤrden ſchamroth vor der Zeit /
Und in dem Geiſte hoch erfreut /
Von wegen dieſer hohen Sachen;
Jn dem ja Silber / Gold und Geld
Allhier nicht mehr die Wage haͤlt /
Und uns bewegen zu de[m]lachen.
Wann nun die Fiſch aus ihren Wellen /
Da manch Orcan ein Spiel erweckt /
Und auch Neptunen ſelbſt erſchreckt /
Sich zu den Menſchen ſolten ſtellen;
Wann ſie aus dieſer naſſen Bahn /
Da Saltz und Schaum regiren kan /
Zu dieſer Wohnung ſolten kommen /
Sie lieſſen auch die Freude aus /
Als wenn wir ſchauten dieſes Hauß /
Davon das Weltlicht Glantz genommen.
Der Marmel ſo die Wand umkraͤntzet /
Der Stein ſo unſre Finger ziehrt /
Was Jndien im Buſen fuͤhrt /
Und in der Berge Daͤrmen glaͤntzet;
Mit131Socrates.
Mit kurtzem was ſo treflich gilt /
Den Sack und unſere Sinnen fuͤlt /
Und unſern Geitz hat angezuͤndet /
Jſt nun fuͤr Rauch und Sand geſchaͤtzt /
Demſelben Kleinoth beygeſetzt /
So in der Goͤtter Burg ſich findet.

Bey dieſer Gelegenheit wil ich euch ein Gedichte erzehlen / ſo ihr es hoͤren wolt / damit ihr das jenige / was ich euch von den Gegenden dieſer treflichen Re - de geſagt / deſto beſſer verſtehen moͤcht.

Simias.

Es ſoll uns ſehr lieb ſeyn / etwas davon zu ver - nehmen.

Socrates.
Solt an dem lichten Wunderreiche /
So ſtets befreit iſt von der Nacht /
Der Zirck von weitem ſeyn betracht /
Er ſchien uns einem Balle gleiche /
Der gantz mit Farben iſt umlegt /
So gruͤn und gelbes um ſich traͤgt /
Und was ſonſt mehr des Phoebus Wagen
Vor angenehme Farben fuͤhrt;
Was den beruͤhmten Bogen ziert /
Und was die Blumen um ſich tragen.
Diß / was die weiſen Mahler zeigen /
Und derer kluger Pinſel macht /
Wie alles / was ſie fuͤrgebracht /
Bemuͤht ſich ihnen nach zuſteigen.
Doch unſre Farben ſind zu ſchlecht /
Und gleichen ihnen ſich nicht recht /
J 5Es132Der ſterbende
Es muß der Schnee und Scharlach weichen /
Des ſchweren Ertzes hoher Schein
Kan ihnen nicht verglichen ſeyn /
Und ihren hohen Glantz erreichen.
Viel Farben die wir kaum erkennen /
Die unſre Augen nie geſpuͤhrt /
Sind hier gar reichlich aufgefuͤhrt /
Und muͤſſen durch die Wolcken brennen /
Die Tieffe ſo der Ort beſchleuſt /
Da Lufft durchſtreicht und Waſſer fleuſt /
So von Natur hier reinlich quillet /
Hat ein beſonder Glantz und Licht /
So in die groͤſten Hoͤlen bricht /
Und ſie mit neuen Farben fuͤllet.
Alldar iſt Baum und Frucht gemahlet /
Die Blume trotzt den Diamant /
Womit das reiche Morenland /
Und deſſen ſchwartzer Buͤrger pralet.
Viel tauſend Edlerſteine Pracht /
Womit der Kaͤyſer praͤchtig macht
Den Purpur / ſo den Leib bedecket /
Wird hier in Puſch und Waͤldern ſeyn /
Als wie der harte Kieſelſtein
Bey uns in allen Lachen ſtecket.
Kein Silber kan allhier bewegen /
Das Gold iſt ſelbſt faſt wenig wehrt /
Die Perlen ſind nicht mehr begehrt /
Es denckt hier keiner Geld zu pregen /
Die Thiere haben gute Zeit /
Und ſind hier aller Noth befreyt /
So unſre Erde hat umgeben;
Man weiß hier nichts was Grab und Grufft /
Es kan in dieſer reinen Lufft
Das Vieh bey Menſchen froͤlich leben.
Man133Socrates.
Man ſchaut allhier viel ſchoͤne Straͤnde /
So nicht der Unfall aͤngſten kan /
Alldar des Todes Morde-Zahn
Muß finden ſeiner Herrſchafft Ende.
Viel Jnſeln ſind hier fuͤrgeſtelt /
Denn nichts bey uns die Wage haͤlt;
Man ſchaut das Meer nicht um ſie gehen /
Hier wird kein ander Well erkieſt /
Als eine Lufft die ſauber iſt /
Da Phoͤbus nicht kan ſchlaffen gehen.
Die nun im Lande der Gnaden
Erlanget haben Buͤrgerſchchafft /
Die haben groͤſſer Staͤrck und Krafft
Als wir mit Sterbligkeit beladen;
Jhr Grundzeug iſt vortreflich gut /
Jhn iſt die Lufft / was uns die Fluth /
Und in dem Schloſſe voller Wonne /
Streicht nicht ein Dunſt der Schaden bringt /
Was hier durch ihre Lunge dringt
Jſt noch viel remer als die Sonne.
Jhr Anſehn / Augen und Geſichte /
Jſt weit vor unſern ausgeziert /
Was man bey uns vor Kuͤnſte ſpuͤhrt /
Die ſieht man dort mit mehrem Lichte.
Die Sinnen ſtehn in ihrer Krafft /
Die Leiber werden nicht behafft
Mit Kranckheit / wie auf unſer Erden /
Da mancher Tag uns traurig macht /
Es wird hier nichts herfuͤr gebracht /
Dardurch die Seele blind kan werden.
Steht nun die Lufft fuͤr See und Fluͤſſen /
Ehrt man den Himmel fuͤr der Lufft /
So wird / was hier zum Leben rufft /
Uns mit mehr Gaben ziehren muͤſſen /
Und134Der ſterbende
Und die / den in der neuen Welt
Jſt Leib und Geiſt ſo wohl beſtelt /
Und der Vollkommenheit genieſſen /
Die ſchweben voller Wiſſenſchafft /
Und koͤnnen des Vermoͤgens Krafft
Jn der Natur rechtſchaffen wiſſen.
Da ſind die groſſen Wunderwercke /
Damit der Himmel iſt geziehrt /
Und was man hier vor Stimmen ſpuͤhrt /
Sind Zeugniſſe der Goͤtter Staͤrcke /
Hier iſt das ware Haupt-Altar /
Es mag der Menſchen reiche Schaar /
Allhier kein Opffer frey entzuͤnden.
Wer nun betritt die groſſe Bahn /
Der ſieht ſo offt die Goͤtter an /
Als wir allhier der Menſchen finden.
Hier weiß die Wolcke nicht zu decken /
Man kennt hier weder Schlaff noch Nacht /
Des Monden Licht / der Sonnen Pracht /
Begehrt ſich hier nicht zu verſtecken /
Das Unheil hat hier keine Stadt /
Man ſagt hier nichts von Miſſethat;
Die Goͤtter ſind da voll Genaden.
Hier iſt kein Eiſen und kein Band /
Hier iſt kein Gifft / hier iſt kein Brand /
Die Peſt weiß hier nichts mehr zu ſchaden.
Gar viel Geleite / wie man ſchreibet /
Sind hier mit Waſſer angefuͤllt /
Dadurch manch Strom mit Rauſchen quillt /
Und durch die krummen Roͤhren treibet /
Die Graͤber ſind gar mannigfalt /
Bald enge zu / bald weit geſtalt /
Jhr Einfall iſt gantz rund zu ſpuͤhren;
Mit unſern treffen ſie nicht ein /
Jn135Socrates.
Jn dem ſie allzu enge ſeyn /
Und allzu tieff ihr Waſſer fuͤhren.
Die Roͤhren ſo beſchloſſen liegen /
Die kriegen durch Gewichtes Krafft /
Tieff in der Erden einen Hafft /
Und muͤſſen ſich zuſammen fuͤgen;
Da endet vieler Fluͤſſe Art
Die alte Bahn / die alte Fahrt /
Und floͤſſen nicht wie ſie gefloſſen.
Es lenckt ein unbekanter Schlund
Hier ieden Fluß auch auf den Grund
Des Quelles / da er iſt entſproſſen.
Hier iſt gar bald ein Fluß zu finden /
Der Feuer / Flamm und Schwefel fuͤhrt /
Bald einer der ſich kaume ruͤhrt /
Und ſich laͤſt Eis und Winter binden;
Und dieſes Naß der Ewigkeit
Jſt gantz erfuͤllt mit Ungleichheit /
Der fleuſt gantz faul / ein ander ſchnelle /
Der ein iſt truͤb / ein ander klar /
Und der vergleicht ſich gantz und gar
Mit der Sicilianer Quelle.
Da laufft der Fluͤſſe Strom zu Hauffen /
Und wird gar wunderlich gemengt /
Jn dem er im Gewichte hengt /
Und muß in ein Gefaͤſſe lauffen /
So ſtets in gleicher Wage ſteht /
Und nimmer auf die Seite geht.
Diß Faß iſt der Homerus Graben /
So mit der Fluth bedecket bleibt /
Und dieſen Kloß von ſammen treibt /
Den ſie zur Mutter ſcheint zu haben.
Die Flotten ſo hier ſtetig rinnen
Jn den Gefaͤſſen aufgehengt /
Sind136Der ſterbende
Sind nicht gautz locker / nicht gedraͤngt /
Nicht ſchwer / doch auch nicht leicht zu nennen /
Denn dieſes Naß hat keinen Grund /
Jhm iſt kein Hafft und Haͤltniß kund;
Bald ſchwilt es auf / bald faͤlt es nieder /
Bald wil es groß / bald kleine ſeyn /
Bald laufft es aus / bald laufft es ein /
Bald treibt es weg / bald koͤmpt es wieder.
Die Lufft / ſo in ihr Weſen ſtreichet /
Und ſelten ferne von ihr ſteht /
Gemuͤhet auf und nieder geht /
Die wil ſich ihrer Art vergleichen /
Und wie uns allen iſt bewuſt /
Daß auch die Lufft in unſer Bruſt
Gemuͤhet auf und nieder ſteiget /
So thut ſie durch die Fluth bewegt /
Daß ſie gar manchen wird erregt /
Und ſich bald ſtarck / bald ſanfft erzeiget.
Der Waſſerſumpff ſcheint Lufft zu faſſen /
Wann hier das Waſſer bey uns quilt /
Und wann er recht iſt angefuͤlt /
So wil er wieder von ſich laſſen /
Wann er nun diß / ſo er geſchoͤpfft /
Mit rauſchen wieder ausgekroͤpfft /
So ſchaut man Flut auf allen Seiten /
Ein Strom bedecket Stock und Stein /
Ein ander reiſt die Daͤmme ein /
Damit ein Fluß ſich koͤnne breiten.
Was ſich bey uns fuͤr Stroͤm ergieſſen /
Die kommen recht von oben her /
Es wil das weite Wunder-Meer
Selbſt keinen andern Urſprung wiſſen.
Wann nun die Fluth zuruͤcke weicht /
Und auf die alte Wohnung ſtreicht /
So137Socrates.
So Tartarus ſich heiſt und nennet /
So endert ſich offt ſeine Bahn /
Fuͤllt tauſend wilde Hoͤlen an /
Biß daß ſie ſeine Heimat kenuet.
Es ſind viel Waſſer hier zu finden /
Die als ein Pfeil zuruͤcke gehn /
Theils die faſt ſchlaͤffrig ſtille ſtehn /
Und ſich gar leichtlich laſſen binden.
Wann dieſe dann durch krumme Fahrt /
Und ieder zwar nach ſeiner Art /
Zu ihrer alten Mutter kommen /
So finden ſie gar offt und viel /
Daß ihr zuvor gehabtes Ziel
Hat einen tieffern Satz genommen.
Wann ſie nun dieſen Schlund erfuͤllet /
Da Waſſer ſchlaͤfft / da Waſſer lacht /
Da mancher Fluß ſich thoͤricht macht /
Und der von Glut und Schwefel quillet /
Da offt ein faul / und ſchneller Fluß /
Sich wunderlich vermiſchen muß /
Jn dieſes Schlundes weiten Schrancken /
So trifft er ſeine Graͤntzen an /
Er fiele ſonſt aus ſeiner Bahn /
Wolt er vom Mittelpuncte wancken.
Jn dieſem Welt-Kreiß ſind zu finden /
Vier Fluͤſſe den ſich keiner gleicht /
Und welcher alte Fluth beſtreicht /
Das Hoͤllen-Feld / den Sold der Suͤnden.
Der eine heiſſet Ocean /
Der unter des Neptunus Fahn
Sich ſchmuͤckt mit Fiſchen und mit Barcken /
Es netzt ſich unſre Welt daran.
Ein ander heiſſet Acheron /
Der einen Bach macht vor die Parquen.
Doch138Der ſterbende
Doch daß er nicht zu weit mag gehen /
So iſt ein See wie er genennt /
Da wo ſich Luſt und Unluſt trennt /
Und heiſt ihn endlich ſtille ſtehen.
Hier ſchaut man wie der Todten Geiſt /
Sich diß zu leiden nun befleiſt /
Wozu das Urtheil ihn erkohren /
Wann nun ihr Leid erſaͤuffet iſt /
So wird ihm manches Thier erkieſt /
Jn Oerter da er iſt gebohren.
Ein Fluß der keinen gleichen kennet /
Dringt bey den zweyen mitten ein /
Und wil in einem Teiche ſeyn /
Wo Schlamm und Glut zuſammen brennet.
Mehr Waſſer ſieht man hier entzuͤnd /
Als man nicht in dem Meere find.
Wie dieſer Fluß auch breiter ſtreichet:
Dann um die Erde geht ſeyn Fluß /
Durch Acheron ſtreicht er den Fuß /
Biß er den groſſen Sumpff erreichet.
Von wegen dieſer Fluten Feuer /
So dieſes Faß ſetzt in den Brant /
Wird Pyriphlegeton genannt /
Des groſſen Keſſels Ungeheuer.
Diß ſtetig truͤbe Waſſer-Hauß /
Schickt tauſend / tauſend Baͤche aus /
So ſich mit Macht erweitern muͤſſen /
Sie reiſſen ſich der Mutter loß /
Und fuͤllen dieſer Erden Schoß
Mit vielen Brunnen und mit Fluͤſſen.
Die naſſe Rey ſo hier entſtehet /
Schleuſt der Cocytes bey uns zu /
Der ſtets erzuͤrnt / uud ohne Ruh
Auf neue Stuͤrm und Wuͤten geht.
Er139Socrates.
Er ſtreicht roth / ſchwartz und blau heran /
Wie man die Farben ſchauen kan /
Wann Stix die ſtillen Fluten ruͤhret /
Stix aller Fluͤſſe Wunderkron /
Und ohne den der Goͤtterthron
Mit Schild und Scepter waͤr entſuͤhret.
Wie Stix den Goͤttern helffet ſtreiten
So thut er auch Cocytes Fluß /
Und macht daß ſein geſchwinder Fuß
Kan durch das Erdgedaͤrme ſchreiten;
Wann er dann wunderlich verſchrenckt /
Zum Peryphlegeton ſich lenckt /
So hat er Acheron daneben;
Doch wil er unvermiſchet ſeyn /
Und ſenckt ſich in die Kluſſt hinein /
So allen wil Bewirthung geben.
Aus unerbittlichem Beſchlieſſen
Des groſſen Rahtes der Natur /
So findet man allhier die Spuhr /
Da alle Todten leiden muͤſſen;
Jhr Martergeiſt der fuͤhrt ſie ein /
Sie muͤſſen hier gerichtet ſeyn.
Diß iſt der Ort beruͤhmt von Schrecken /
Alldar des Todes-Spruch ergeht /
Da alles vor Gerichte ſteht /
Und iede That ſich muß entdecken.
Die nicht der Tugend nachgegangen /
Jn allem wie ſich diß gebuͤhrt /
Auch nicht die Boßheit gantz verfuͤhrt /
Und ihrer Satzung nachgehangen /
Die faſt die gantze Lebens-Zeit
Jn ſchlaͤffriger Unachtſamkeit
Bedacht geweſen zu beſchlieſſen /
Die treffen gleiche Straffe an /
KEs140Der ſterbende
Es laͤſt der groſſe Wunder-Plan
Sie wenig Freud und Leid genieſſen.
Sie ſind auf einen Karn geladen /
Es fuͤhrt ein Geiſt die leichte Laſt /
Biß zu des Acherons Moraſt /
Sie nach Gewonheit da zu baden;
Da ſind ſie gleichſam gantz erſaͤufft /
Biß alles von ihm abetreufft /
Und alle Flecken weichen muͤſſen.
Wann dieſe Marter nun vorbey /
So gehn die Faͤſſel auch entzwey /
Und koͤnnen wieder Troſt genieſſen.
Die Seelen reich mit Blut begoſſen /
Und die Verraͤhter wollen ſeyn /
Die werden voller Angſt und Pein
Tieff in den Tartarus geſchloſſen;
Die Koͤnigs-Moͤrder ſind alldar /
Und den die groͤſte Sorge war
Sich aller Boßheit zu befleiſſen.
Die Goͤttliche Barmhertzigkeit
Jſt ſelbſt ſo hoͤchlich nicht befreyt /
Sie dieſem Jammer zu entreiſſen.
Viel Seelen von gemeinen Flecken /
Mit welchen Gott noch hat Gedult /
Die duͤrffen wegen ſchlechter Schuld /
Nicht ewig in der Marter ſtecken /
Die offt ans lauter Unbedacht /
Den Eltern Leid und Angſt gemacht /
Und ſolcher Fehler mehr begangen /
Die haben Hoffnung mit der Zeit /
Und koͤnnen wegen Reu und Leid
Noch die Erloͤſung wol erlangen.
Ein Eckel Gott mit Ernſt zu lieben /
Ein Mord aus Zorn und Grimm verbracht /
Und141Socrates.
Und derer Angedencken macht /
Daß dieſe Seelen ſich betruͤben /
Diß ſind die Laſter den das Licht
Der Goͤttlichen Verzicht gebricht /
Biß ſie die Rache wol geſpuͤhret /
Sie ſind in Tartarus geſenckt /
Da ſie dergleichen Marter kraͤnckt /
Als kein Gefaͤngniß in ſich fuͤhret.
Es muß des Monden klar Geſichte /
Zwoͤlff neue Haͤuſer ſchauen an /
Eh ſich ihr Leiden enden kan /
Und recht verſtreichet ihr Gerichte.
Wann ſich nun ſchauen laͤſt der Tag /
Da ſich in etwas endern mag
Jhr unerhoͤrtes groſſes Leiden /
So laͤſt auch das Verhaͤngniß zu /
Daß ſie was kommen zu der Ruh /
Und aus den Banden moͤgen ſcheiden.
Eh dieſe Schaar fuͤhlt recht Erbarmen /
Und ſie verlaͤſt das alte Band /
So werden ſie alsbald geſand /
Jn eines Fluſſes Wunder-armen.
Dieſelben / wo man Blut verſpuͤhrt /
Sind zum Cocytes hingefuͤhrt;
Ein ander Fluß bedeckt mit Feuer /
Umſchleuſt die ungezaͤhmte Schaar /
Die ihren Eltern ſtraͤflich war /
Und ſich erzeigt als Ungeheuer.
Da fleuſt / wie es der Fluth beliebet /
Die leichte Schaar in einem Nu
Auf dieſen groſſen Hauffen zu /
Die ſie im Leben ſo betruͤbet;
Wann ſich dann dieſe Schaar erzeigt /
Wo der Moraſt zum Ufer ſteigt /
K 2Und142Der ſterbende
Und ein begruͤnntes Feld benetzet /
So ſchreyet ſie ſo ſehr ſie kan
Die reinen Seelen traurig an /
Und wuͤnſcht zu ihn zu ſeyn geſetzet.
So dieſer Hauſſen ihn vergeben /
Und ihre Schuld vergeſſen kan /
So treten ſie auf einen Plan /
Jn gleicher Freud und Luſt zu leben /
Sie bringen dann in gleicher Ruh
und Freyheit ihre Tage zu;
Jſt ihnen aber diß verſaget /
Und ihre Bitten ſie nicht ruͤhrt /
So werden ſie alsbald gefuͤhrt
Jm Tartarus zu ſeyn geplaget.
Jhr Leiden wil ſich nimmer enden /
Jhr Schmertzen lindert ſich auch nicht /
Biß der verletzte Hauffen ſpricht /
Sie moͤgen ſich zur Freude wenden;
So bald nun dieſes iſt gethan /
So treten ſie die Freuden an.
Die Ungluͤcks Wellen ſind geleget /
Die Hoͤll iſt laß ihn Feind zu ſeyn /
Es bildet ihm auch keiner ein /
Was ihn zum Schmertzen hat beweget.
Die aber / welcher reines Leben
Stets auf den rechten Weg getracht /
Und den der Goͤtter hohe Macht /
Auch guten Willen hat gegeben /
Die fliehen reichlich an Verſtand
Hin in das reine Geiſter-Land /
Da keiner / wie auf dieſer Erden /
Mehr Beine / Fleiſch und Adern fuͤhrt /
Da keine mehr Verdruß verſpuͤhrt /
Da alle ſelbſt zu Goͤttern werden.
Auf143Socrates.
Auf das Geluͤcke ſonder Graͤntzen /
Soll unſer Sinn ſtets ſeyn bedacht /
Dann dieſer Ehre Wunder-Pracht
Wil uͤber alle Kronen glaͤntzen.
Der Weißheit Krafft / der Tugend Schein /
Die muͤſſen dieſen Fluͤgel ſeyn /
Wer dieſes Schloß wuͤnſcht zu erreichen /
Da der geleuterte Verſtand /
Bewohnen ſoll ein ſolches Land /
Dem unſre Erde nicht zugleichen.
Phaͤdon.

Er ſchloß dergeſtalt ſein Gedichte unter dem Ge - ſpraͤche der ewigen Seeligkeit / welche die durch die Weißheit recht geleuterten Geiſter zugewarten haben / und derer Hoheit er ſeinem eigenen Bekaͤnt - niß nach / theils aus Mangel der Zeit / theils aus menſchlicher Unvermoͤgenheit / nicht recht auslegen konte. Darauf ſagte er zu dem Simias / alles die - ſes / wie ich es itzund vorgetragen / iſt vielleicht nicht der Wuͤrdigkeit / daß ein wolbeſchaffenes Gemuͤh - te ihm gaͤntzlich Glauben geben ſolle / iedennoch ſo iſt es nicht ungereimt / weil wir der Seelen Unſterb - ligkeit nunmehr vergewiſſert ſeyn / ihre Art in je - ner Welt zu wohnen / uns dergeſtalt einzubilden / und in der Ungewißheit / darinnen wir in wehren - dem ſterblichen Leben / uns befinden / uns etwas der - gleichen fuͤrſtellen / ja wie die Zauberer ihre Be - ſchwerungs-Segens / ſolches auswendig zu lernen. Und ſolte man auch gleich in einem und dem andern in etwas verfehlen / ſo wird doch dieſe Kuͤnheit ohneK 3Eh -144Der ſterbendeEhre nicht abgehen / ja ich lebe der ungezweiffelten gewiſſen Hoffnung / daß ein wolgemeintes Ver - trauen / das Ungemach derjenigen unſchwer wird erleichtern koͤnnen / ſo allhier die zeitlichen Wolluͤſte gaͤntzlich verachtende / einig und alleine aus Liebe der Edelen Wiſſenſchafft / allen fremden Zierath von ſich ſtoſſen / und ſich nur mit dem reinen Schmu - cke der aus ihnen ſelber kompt / als da iſt Gerechtig - keit / Großmuͤhtigkeit / Freyheit / Maͤßigkeit und Warheit / auszuziehren bemuͤhen. Jmmittelſt die - ſer Tugenden / ſo befind ſich der Weiſe gegen die Anſtoͤſſe des Todes unbeweglich / und iſt die gantze Zeit ſeines Lebens eben ſo fertig zum Abſcheiden / als wann die Stunde nun fuͤr der Thuͤre iſt. Jhr die ihr itzund hier zugegen ſeyd / werdet zweiffels oh - ne ein ieder zu gewiſſer Zeit und Stunde aus dieſer Welt ſcheiden; Mich aber anreichende / ſo iſt es itzund dieſen Augenblick / wie ein Trauerſpiel - Schreiber redet / daß das Verhaͤngniß mich beruf - fet / ja die Stunde iſt allbereit angetreten / daß ich mich nothwendig werde waſchen gehen; Dann ich bin ſinnes / noch ehe ich Gifft trincke meinen Leib recht zu ſaubern / damit ich den Frauen / die mich werden Baden wollen / nicht allzuviel zu ſchaffen mache. Bey dieſer Gelegenheit fragte Criton / ob er nicht etwan / anreichende ſeine Kinder / oder wo - rinnen ihm ſonſt ein Gefallen geſchehen koͤnte / was anzubefehlen begehrete. Jch habe euch nichts neues zuempfehlen / antwortete er hinwiederum / als was ich ſchon offte wiederholet habe. So ihr nun aufeuch145Socrates. euch gute acht habet / ſo werdet ihr euch / und auch dergeſtalt mir einen Dienſt thun / und iſt nicht eben der Nothwendigkeit / daß ihr es mit vielen Worten betheuret / ſo aber das Widerſpiel geſchehen ſolte / und ihr die von mir gebrochene Bahn nicht ſollet in acht nehmen / ſo koͤnte es auch geſchehen / wann ihr mir es gleich weitlaͤufftig beſchwieret. Wir wol - len uns ſolches genugſam angelegen ſeyn laſſen / er - klaͤrte ſich Criton? Wie begehreſt du aber begra - ben zu werden. Nach eurem Belieben / antworte - te Socrates darauf / ſo ihr nur meinen Leib werdet erlangen koͤnnen / und wante ſich laͤchelnde gegen uns. Jch kan den Criton / redet er ferner / keines weges bereden / daß ich der Socrates bin / ſo itzund ſo lange Zeit getheidiget und geſpracht habe; Son - dern er lebet der Gedancken / allbereit dieſes Aaß zu ſehen / ſo bald liegen wird / und hat allbereit gaͤntz - lich aus den Gedancken gelaſſen / was ich unlaͤngſt ſo weitlaͤufftig erwehnet / daß ich / nemlich heute noch / von euch ſcheiden / und zu der ewigen Seelig - keit gelangen werde. So ſeyd denn / lieben Freun - de / Buͤrge fuͤr mich / bey dem Criton / doch gar an - derer Geſtalt / als er fuͤr mich bey den Richtern wor - den iſt: Dann er hat gut geſprochen / daß ich mich wiederum geſtellen wuͤrde / und ihr werdet ihm fuͤr - ſtand thun / ſo es euch beliebet / das ich / nach meinem Tode nicht mehr erſcheinen / ſondern gaͤntzlich von hinnen weichen werde. Verſichert ihn doch deſſen / ſeyd gebeten / damit der Criton ſich nicht zu ſehr da - rob entſetze / und nicht etwan / wann er meinen LeibK 4ver -146Der ſterbendeverbrennen oder verſcharren ſiehet / mich unbeſon - nener Weiſe beklagete / als wenn mir groß Weh geſchehe / oder etwan bey dem Leichbegaͤngniß aus - gebe / daß man den Socrates zu Grabe truͤge und begruͤbe. Du muſt auch wiſſen Criton / daß der / ſo auf dieſe Weiſe redet / nicht allein beſagter maſ - ſen irret / ſondern auch unſeren Geiſtern ungleich thut: Und ſolſt nun nichts anders ſagen / als daß man meinen Leib nach deinem Gefallen begra - ben werde. Als er dieſes geredet / ſo ſtund er auf / und gieng in eine Cammer ſich zu waſchen; Criton begleitet ihn / und bat uns anderen etwas zu verziehen. Wir ſprachen mitlerzeit / und wieder - holten / was wir zuvor mit mehrem vernommen / nicht ohne Erwegung unſers Ungeluͤcks / in dem wir nunmehr unſer aller Vatern verliehren / und alſo gleichſam zu Waͤiſen werden ſolten. Nach dem ſich nun Socrates gewaſchen / ſo brachte man ihm ſeine Soͤhne; Dann er hatte zwey kleinere / und einen zimlich erwachſenen; Es kamen auch etliche Frauen / ſeine Bekanten / ihn zu beſuchen. Als So - crates in Gegenwart des Critons mit ihnen gere - det / und was ſein Belieben angeordnet / ſo befahl er ihnen / wie auch ſeinen Soͤhnen / auf die Seite zu gehen / und kam darauf zu uns / ungefehr mit der Sonnen Untergang; Dann er war zimlich lang in der Cammer geweſen. Als er nun / nach dem er ſich gewaſchen / wiederum zu uns gelanget / ſo ſatzte er ſich / und ehe er noch ein Wort gegen uns aufbrin - gen konte / ſo tratt der Scharffrichter zu ihn mit fol -gen -147Socrates. genden Worten: Jch halte nicht dafuͤr / daß ich bey dir die Beſtuͤrtzung finden werde / ſo ſonſt bey andern ſich ingemein zu ereignen pfleget / dann die meiſten lehnen ſich gegen mich auf / und geben mir loſe Worte / wann ich / aus Befehl des Rahts ihnen den Gifft-Trunck uͤberreiche; Ja bey dir ha - be ich allbereit im Anfange ein groß und geſetztes Gemuͤhte verſpuͤret / und leicht aus deinen Augen ſchlieſſen koͤnnen / daß du einer von den Tugend haft - ſten Leuten ſeyn muͤſteſt / ſo iemals die Schwelle in dieſem Gefaͤngniß uͤberſchritten / und hoffe nun / daß du nicht mir / ſondern denen / ſo die rechte Urſaͤ - cher deines Ungluͤcks ſind / deinen Unfall zuſchreiben werdeſt. Du wirſt nun leicht errahten koͤnnen / was ich dir neues bringe. Sey hiemit den Goͤt - tern empfohlen / und dencke nun das jenige zu erdul - den / was nicht kan hintertrieben werden. Als er nun dieſes alſo fuͤrgebracht / ſo gieng er mit weinen - den Augen auf die Seite. Socrates wandte da - rauf die Augen mit dieſen Worten auf den Scharf - richter: Gehabe dich wol / ich wil mich fertig ma - chen; Sehet / fuhr er weiter fort / welch ein tapffe - rer und hoͤfflicher Mann iſt dieſes; Jch lerne ihn nicht erſt heute kennen / er hat mich allezeit freund - lich gegruͤſt / und iſt offt auf ein Geſpraͤche zu mir kommen; ich halte ihn fuͤr ein aufrichtiges Gemuͤ - the / ſchauet wie er mich beklaget. Luſtig Cri - ton / laſt uns thun wie er geſaget hat / und wo das Gifft zugerichtet iſt / daß man mir es bringe / wo aber nicht / daß man es verfertige. Was? ſagteK 5Cri -148Der ſterbendeCriton / ich halte die Sonne iſt noch nicht untergan - gen / und ich weiß gar wol das andere lange ver - weilen / nach dem ſie Befehl bekommen / das Gifft zu ſich zu nehmen; Ja ſie truͤncken es auch wol offte nicht eher / biß ſie ihre Luſt in dem und je - nem zur Genuͤge gebuͤſſet haben: Derohalben darffſt du nicht eilen / es hat noch gute Zeit. Die - ſer Art Leute / meldete Socrates / haben ihre Urſa - che / dann ſie meinen etwas dadurch zu genieſſen. Und ich habe auch meine Urſache / nicht dergeſtalt zuverfahren / dann ich wuͤrde nur durch dieſes Auf - ſchieben ein Geſpoͤtte verurſachen / als wann ich das Leben allzuſehr liebete / und etwas erſpahren wolte / ſo nicht mehr in meinem Vermoͤgen iſt. Thue mir aber dieſen Gefallen / und verrichte was ich dir geſagt habe. Als Criton ſeinen endlichen Schluß verſtanden / ſo gab er einem Knaben / ſo nicht weit von ihnen ſtand / ein Zeichen. Dieſer Knabe gieng aus der Cammer / und kam mit einem der das Gifft in einem Becher trug / eilfertig wiede - rum zuruͤcke. Als Socrates ihn erſahe / ſo ſag - te er: Mein ſage mir / weil du es am beſten weiſt / wie ich mich nun verhalten ſoll? Du darffſt nichts anders thun / antwortete dieſer / als wann du ge - truncken / auf und niedergehen / biß du eine Muͤ - digkeit in den Schenckeln fuͤhleſt / darauf kanſt du dich niederlegen / und uͤberreichte ihm damit den Becher. Socrates nahm den Becher mit freu - digem Geſichte / ohne eintzige Veraͤnderung der -Far -149Socrates. Farbe / ſahe darauf ſeiner Gewonheit nach / friſch um ſich / und fragte den Scharffrichter: Jſt es nicht vergonnt / an ſtatt eines Opffers etwas zu - vergieſſen. Es iſt nur / antwortete der Scharff - richter / ſo viel als von noͤhten darinnen. Wolan / ſo wird doch aufs wenigſte vergont ſeyn die Goͤt - ter anzuruffen / daß ſie mir dieſen Todt zur See - ligkeit / und dieſe Trennung zu meinem Beſten werden gedeyen laſſen; Dann dieſes iſt mein Wunſch / es geſchehe auch alſo. Als er dieſes aus - geredet / ſo fuͤhrte er das Glaß zu dem Munde / und tranck hurtig. Viel von der Geſellſchafft hatten ſich biß hieher noch des Weinens enthalten / nach dem er aber ſo freudig ausgetruncken / ſo konten wir uns nicht ferner mehr zwingen. Jch zwar war dergeſtait mit Wehmuth beſchwungen / daß mir die Thraͤnen / wie ſehr ich mich auch bemuͤ - hete / haͤuffig aus den Augen ſchoſſen / dann ich dachte nun was ich vor einen Freund hiemit ver - lohren. Critos gleichfals / war ehe er noch zu wei - nen begonnen / aufgeſtanden / und Appollodorus / der den gantzen Tag nichts anders gethan hat - te / fing nun mit vollem Halſe an zuklagen / und betrauerte aller derer ſo zugegen / elenden Zu - ſtand / auſſerhalb des Socrates. Jhr ſeyd in Warheit / ſagte uns Socrates / tapffere Leute / ſchaͤmt ihr euch nicht / ich habe die Frauen dieſer Urſachen halber auf die Seite geſchickt; Dann ich weiß wol daß heulen und ſchreyen ihnen gleich -ſam150Der ſterbendeſam angebohren iſt; Wiſt ihr denn nicht / daß man mit Freuden von hinnen ſcheiden muß. So haltet doch ein wenig inne / und habet Gedult. Dieſer Verweiß machte uns alle roth / und weineten darauf nicht mehr. Er gieng allbereit auff und nieder / und weil er eine Muͤdigkeit in den Schen - ckeln empfand / ſo legte er ſich laut gethaner Erin - nerung des Scharffrichters / etwas nieder / wel - cher dann auch bald herzu tratt / und auf des So - crates Beine genau Achtung gab. Er druckte ihm erſtlich die Fuͤſſe ſtarck / und fragte / ob er nichts fuͤhlete. Nicht das geringſte antwortete Socrates. Darauf ſchloß er ihm die Schenckel zuſammen / und zeigte uns allezeit mit der Hand hoher auffahrende / daß ſie gantz kalt und erſtar - ret waͤren / mit Vermelden: daß es / wenn der Froſt zum Hertzen ſteigen wuͤrde / auch mit ihme gethan ſeyn wuͤrde.

Deſſelben Augenblicks betratt ihn der Froſt. Damit ſtieß Socrates den Rock / darein er ſich gehuͤllet / etwas von ſich / und ſchloß mit dieſen Worten: O Criton / ich bin dem Eßculapius einen Hahn ſchuldig / fuͤhre du ihn ab / und ſchaue daß nichts daran ermangele. Es ſol unfehlbar geſchehen / antwortete Criton. Begehreſt du a - ber uͤber dieſes nichts. Darauf gab Socrates nichts zur Antwort / ſondern zuckte / als er etwas ſtille gelegen / ein wenig / und der Scharffrichter deckte ihn auf / hiemit erſtarreten ihm die Augen /und151Socrates. und verſchied. Criton aber druckte ihn Mund und Augen zu. Schaue Echocrates das Ende unſers guten Freundes / der meiner Meinung nach / einer von den Tugendhaffteſten / weiſeſten und gerechte - ſten Maͤnnern geweſen / ſo iemals die Sonne beſchienen hat.

ENDE.

[figure]

HELDEN - Briefe. Leipzig und Breßlau / Jn Verlegung Jeſaiæ Fellgiebels / Buch - haͤndlers. Jm Jahr 1680.

Geneigter Leſer.

DAfern dir die Tod - ten nicht gaͤntzlich zu - wieder ſeyn / ſo wolleſt du folgende Briefe etli - cher verliebten Helden und Heldin - nen / die / wie ſie vorlaͤngſt gebrennet / auch ſchone vorlaͤngſt zu Aſchen wor - dẽ ſeyn / und nunmehro alleine dẽ An - gedenckẽ nach leben koͤnnen / von mei - ner Wenigkeit anzunehmẽ geruhen. Jch habe ſolche aus allerhand Ge - ſchichtbuͤchern / dariñen ſie ſich / recht zuſagen / gleichſam verſtecket / her - ausziehen muͤſſen / in dem die Lie - bes Haͤndel bey den Deutſchen ſelten in ſo viel Umſtaͤndẽ / als bey den Aus - laͤndern ſich ſchauen laſſen / und da ſich ja etwan ein und andere Zufaͤlleaer -An den Leſer. ereignen / ſolche mehr untergedruckt / als den Augen der Nachwelt mit - getheilet worden ſeyn. Daferne nicht alle diejenigen / derer in mei - nen Briefen gedacht iſt / in dem Um - kreiſe Deutſchen Reichs auf die Welt kommen / maßen ich dann unterſchie - dene / ſo in Welſchland / Dennemarck und dergleichen Oerthern gebohren worden / allhier aufgefuͤhret / ſo wird doch theils der Nahmen / theils Jhre Eigenſchafft / ſattſamlich aus - weiſen / daß ſie Deutſcher Arth und Herkommens und alſo in die ange - ziehlte Reyhe gar wohl gehoͤren. So auch etwan eine und die andere ge - meine Standsperſohn hier zufin - den / welcher der Titel Held oder Hel - dinnens / dem erſten Anblick nach nicht allzuwohl gebuͤhret / ſo entſchul - dige ich es dergeſtalt / das ich in mei - ner Arbeit nicht ſo wohl die GebluͤthalsAn den Leſer. als Gemuͤths Eigenſchaften angeſe - hen / und mich genugſam zuſeyn be - deucht / wann ich ſolche mit hoͤheren Flammen uͤberſchuͤttert / und durch erlauchte Brunſt gleichſam geleutert gefunden.

Daß ich eben auf verliebte Sa - chen in meiner Poëſie gerathen / iſt nicht zuverwundern / ich weiß gar wohl / das Gedichte in allerhand Be - wegungen des Gemuͤthes / und von allerhand Arthen geſchrieben werden koͤnnen / doch ſcheinet es daß die Poë - ſie uͤberall Frembdling / und in dem Lande der Liebe alleine zu Hauſe iſt / und ſaget ein gelehrter Auslaͤnder nicht ungereimt / daß man der Poëſie mit Entziehung der Liebes Sachen die Hertzwurtzel verſteche / und herge - gen der Liebe durch Entziehung der Poëſie den lieblichſten Blumengar -a 2tenAn den Leſer. ten verſchluͤſſen wuͤrde; daferne auch etliche Allzuſcharfſichtige mich / daß ich nicht einer von den Juͤngſten und Muͤßigſten / dieſer freyen Gedan - cken halber ſcheel anſehen duͤrften / ſo bin ich warlich deſſentwegen in ſchlechten Sorgen. Wer mein Ge - muͤthe kennet oder kennen will / wird nichts ungleiches aus meinen Brie - fen ſchluͤſſen koͤñen / um die anderen / die wegen ihres vergaͤlten Urtheils oder Richtgierigkeit etwas wiedriges daraus zuentſpinnen begehren / be - kuͤmmere ich mich ſo wenig / als um die Hofjunckern des groſſen Mo - gols / oder um die Mohren in den Zuckermuͤhlen / von denen mir ſchwerlich einer viel wird ſchaden koͤn - nen. Warum ich nicht / wie vormahls unterſchieden von mir geſchehen / et - wan ein Werck eines beruͤhmten Auslaͤnders zuuͤberſetzen / fuͤr michgenom -An den Leſer. genommen / geſchiehet darum / daß ich aus erheblichen Urſachen nichts ferner zuverdeutſchen mich entſchloſ - ſen / in dem dieſe dienſtbare Arbeit mehr Muͤhe / als Ruhm mit ſich brin - get / und wann es mit rechten Augen angeſehen / und nach rechter Eigen - ſchaft ausgeſprochen werden ſoll / nichts als eine Abſchrift aus einer frembden in die Mutterſprache zu - nennen iſt; Wann ich die gruͤndliche Urſache / warum ich mir eben Briefe zu meinem Zeitvertreib erwehlet / ent - decken ſoll / ſo muß ich nur ſagen / daß zweyerley mich zu ſolchen bewo - gen: Erſtlich zwar / daß die enge Ver - faſſung eines Briefes / mehr als et - wan was weitlaͤuftigers mit aller - hand artigen Liebligkeiten ange - fuͤllet werden kan / ſich auch etliche / wie wohl wenige von alten und neu - en Auslaͤndern gar gluͤckſelig dieſera 3ArtAn den Leſer. Art gebrauchet. Und dann / daß noch niemahls / ſo viel ich mich erin - nere / etwas dergleichen von unſern Lands Leuten verſuchet worden iſt / ja man bey itzigen Zeiten / da die Waare / wie man ſaget / uͤberfuͤhret / die ſchoͤnſten Bluhmen auch in ge - meinen Kraͤutergaͤrten / und die ſel - zamſten Zeuge faſt in allen Krah - men zufinden ſeyn / auf etwas neues und ungemeines nothwendig zuden - cken hat. Dieſes hoffe ich endlich / daß meine Arbeit wider die Satzung der Tugenden nicht ſuͤndigen werde / und kein Alter oder Stand mir leicht - lich etwas werde weiſen koͤnnen / ſo ihm aͤrgerlich ſeyn moͤchte. Daß bißweilen ein unſchuldiger Schertz mit eingeſtreuet worden / erfordert die Eigenſchaft dieſes Werkes / und ſolte mir etwan uͤber Verhoffen ein zuſchluͤpfriges Wort uͤber dieHandAn den Leſer. Hand geſprungen ſeyn / ſo getroͤſte ich mich doch / daß viel gute Warnun - gen / wie ein und der andere Fall - ſtrick zuvermeiden / viel Beſchreibun - gen / wie die Thorheit oftmahls der Liebe Richtſchnur geweſen / viel An - merckungen / wie in der Schalen der ſuͤſſen Worte nicht ſelten der Wer - muth des Betrugs lieget / viel Er - zehlungen / wie groſſer Herrn Liebes - Regung mehr als allzuoft Jammer und Noth zur Nachfolge gehabt / und unterſchiedene Verzeichnungen / aus welchen erſcheinet / wie die Gemuͤths - Regungen ſo wunderbahre Thiere ſeyn / alles andere / wo ich etwan moͤchte geirret haben / ſattſam wer - de erſetzen koͤnnen. Von meiner Art zuſchreiben begehre ich nicht viel zu - melden / ich habe mir hier einen Weg erkieſet / der gleich gebaͤhnet / und nicht zu praͤchtig iſt. Solte man ineinemAn den Leſer. einem und andern Orte der Schleſi - ſchen Mundart in dem Reimen et - was nachgegangen ſeyn; ſo wird der Geneigte Leſer ſolches entſchuldigen / und ſich erinnern / daß wie Jch nebſt Opizen und andern meinen Lands - Leuten mich der unſrigen / alſo Flem - ming / Riſt / und unzehlich mehr ſich der ihrigen nicht gaͤntzlich entbrechen koͤnnen. Von allzuweit geſuchten / und ſich ſelbſt uͤberſteigenden Be - ſchreibungen / von uͤberfluͤſſiger Ein - fuͤhrung Heydniſcher Goͤtter / und dero Nahmen / ohne welche ihrer viel nicht Poëten zuſeyn ihnen einbilden / iſt mein ſchlechtes Werck ganz entledi - get. Nach dieſem will von meiner Unſchuld ich ſelbſt nichts ungleiches argwohnen / und mir dergeſtalt un - zeitigen Kampf anbieten / wie ich denn der troͤſtlichen Zuverſicht lebe / es werde meine Kuͤhnheit / daß ich etlicherAn den Leſer. licher erlauchten Haͤuſer / die ich un - terthaͤnigſt ehre / auch dafern es nicht wieder Gott were / anzubeten bereit bin / laͤngſtverrauchte Liebes Regun - gen zuerfriſchen mich unterſtanden / nicht allzufeindſeelig angeſehen wer - den. Geneigter Leſer ſtrecke eine guͤnſtige Hand nach meiner Arbeit / und ſchaue / was die Liebe vor unge - heure Spiele in der Welt anrichte. Dencke daß die Blattern uñ verliebt zuſeyn unter die Kranckheiten gehoͤ - re / denen wenig entgehen koͤnnen / und daß etliche ſolches Siechthum mehr als andere empfinden / und man es allen nicht gleiche anſiehet. Jch haͤtte hier Zeug ein paar Bogen mit etwas Anmutigẽ anzufuͤllen / ich ver - ſchiebe es aber zu einer andern Zeit. Ein ieder uͤberlege und leide ſein eigen Anliegen / ich ſagefer -An den Leſer. ferner nichts / und uͤberreiche dir hiermit meine Briefe / ei - nes geneigten Urtheils mich zuverſichtiglich getroͤ - ſtende.

1

Liebe Zwiſchen Eginhard und Fraͤu - lein Emma / Keyſer Carlns des Groſſen Geheimſchreibern und Tochtern.

KEyſer Carl der Groſſe hat - te unter vielen Kindern auch ein Fraͤulein Emma genennet / nicht minder an Leibes als Gemuͤths Gaben von hoͤchſter Vollkom̃en - heit. Nebenſt andern Bedienten enthielt ſich auch in ſeinem Hofe Eginhard / Geheimſchrei - ber des Keyſers / dem er wegen ſonderbahrer Ge - ſchickligkeit mehr als mittelmaͤßig geneiget war. Jch weiß nicht wie dieſer gute Mann in etwas uͤberſichtig ward / und der alleine die Briefe ſei - nes Herren durchſehen ſolte / auch auf die Schoͤn - heit der Tochter ein freyeres Auge warff. Die Frucht diefes Fuͤrwitzes war die Liebe / und die Frucht der Liebe / die Gefahr / ſo in Warheit / wenn er einen ſtrengern Herrn / als Keyſer Carln / an -Agetroffen /2Liebe zwiſchen Eginhardgetroffen / Jhn in Spott und Todt unfehlbahr wuͤrde geſtuͤrtzet haben. Die Ungedult ſeiner Flammen zwang ihn bey der Fraͤulein / mit der er ſonſt niemahl ausfuͤhrlich reden konte / die Genade zu bitten / einmahl alleine bey ihr eingelaſ - ſen zu werden / die dann auch mit nicht minderer Liebe gegen Jhm entzuͤndet / ſein Fuͤhrnehmen billigte / und ihm die Abendtzeit darzu beſtimme - te. Was ſie in ſolcher Zuſammenkunfft mit ein - ander abgeredet / und wie ſie ihre Stunden wohl angewendet werden haben / laß ich einen der ie - mahls recht verliebt geweſen / und in der gleichen Gelegenheit / wie Eginhard und Emma ſich befun - den / urtheilen / ich weiß nichts davon. Diß iſt gewiß / daß ſie beyde unvermercket faſt der ange - hende Morgen uͤberfallen wollen / und das Fraͤu - lein / als ſie ihren lieben Nacht Geferten / weil da - zumahl ein unverhoffter Schnee kommen / auf dem Ruͤcken aus ihrem Zimmer biß zu einem Scheidewege getragen / in Meinung nachmahls die maͤnnlichen Fußſtapffen / ſo wegen der da - mahls uͤblichen ſpitzigen Schuh ſehr kentbahr wa - ren / mit den ihrigen zuverſcharren / von ihrem Herren Vater / der / ich weiß nicht durch was vor einem Zufall / ſich um ſolche ungewoͤhnliche Zeit in ein Fenſter geleget / unter ihrer ſuͤſſen Buͤrde erblicket worden iſt. Der gute Alte kon -te3und Fraͤulein Emma ꝛc. te kaum ſeinen eigenen Augen trauen / muſts aber doch endlich nothwendig vor war halten / was er ſo klar und deutlich geſehen. Er ſchlug ſich etli - che Stunden mit den verwirrteſten Gedancken / ſo in eines Menſchen Sinn kommen koͤnten. Be - truͤbnuͤß / Verwunderung / Zorn / Rache und Er - barmnuͤß hatten bey ihm einen unruhigen Sam - mel Platz / und er wuſte bey dieſer Beſtuͤrtzung nicht eigentlich / zu was er ſich entſchluͤſſen ſolte. Nach weniger Zeit ließ er ſeine Raͤthe erfordern / und begehrete ein Gutachten / was ein Diener wohl verſchuldet / der eines groſſen Herren Toch - ter fleiſchlich zuverfuͤhren / und bey ihr eine gantze Nacht ohne alle andere Geſellſchafft zuzubringen ſich unterſtanden hette. Die Meinungen wa - ren ungleich / dieſer rieth zum Tode / jener zu im - merwaͤhrender Gefaͤngnuͤß / ein ander zu was an - derm. Als nun der Keyſer ſie ſaͤmtlich mit groſ - ſer Gedult angehoͤret / befahl er unverſehens E - ginhard und Emma hereinzufuͤhren ſagende: Hier ſeind die Verurtheilten / ich weiß nicht / zu was ich mich wohl wenden ſoll. Auf der einen Seiten ſtehet die Miſſethat / die mich als Rich - ter haben will / auf der andern die Erbarmnuͤß ſo mir alß einem Vater wehmuͤthig zurufft. Diß iſt am Tage / daß ihr beyde groͤblich geſuͤndiget und wieder Eyd und Blut gehandelt habt. DochA 2muß4Liebe zwiſchen Eginhardmuß ich auch wiederumb gedencken / daß Emma vormahls meine gehorſame Tochter und Egin - hard mein treuer Diener geweſen / und dieſes verbrechen unter diejenigen gehoͤret / welchen die hitzige Jugend / wie hoͤchlich zuwuͤnſchen / nicht allemahl aus den Augen zu treten vermag. Ein anderer wuͤrde die Flecken mit Bluth ausleſchen wollen / ich aber will meine Vaͤterliche Hand da - ruͤber legen. Und hat Emma und Eginharden mit folgenden Worten kuͤrtzlich zuſammen gege - ben: Eginhard hat allhier ſeine traͤgerin / mei - ne Tochter zur Gemahlin / des tragens halben werdet ihr euch hinfort anderwege mit einander vergleichen.

Eginhard an Emma.
DEs groſſen Carles Knecht iſt die Gedult ent -
riſſen /
Jch ſchreibe was vielleicht mein Leben koſten
kan /
Doch darf ich nur einmahl dein ſchoͤnes Auge kuͤſſen /
So trett ich wohl vergnuͤgt hernach die Marter an.
Dein hoher Purpur laͤſt mich nicht vom Tode dencken /
Die ſteiffe Zuverſicht ſtreicht allen Kummer hin:
Beliebt dir einen Blick auf meinen Brief zulencken /
So mein ich / daß ich ſchon der Sonne gleiche bin.
Mein5und Fraͤulein Emma ꝛc.
Mein Fraͤulein ſtraffe nicht mein eyfriges Beginnen /
Und reiß das treue Blat nicht vor der Zeit entzwey /
Erwege vor die Noth und Schwachheit meiner Sin -
nen /
Hernach mach einen Spruch / ob ich zutadlen ſey.
Jch weiß / das meine Glutt ſich denckt zu hoch zuheben /
Und daß mein Kieſelſtein zu Diamanten wil /
Doch die Erfahrung wird vor mich die Antwort ge -
ben /
Der Staͤnde gleichheit iſt der Liebe Poſſenſpiel;
Sie bindet Gold an Stahl und Garn zu weiſſer Sey -
de /
Macht daß ein Neſſelſtrauch die edle Roſe ſucht /
Zu Perlen legt ſie Graus / zu Kohlen legt ſie Kreyde /
Und pfropft auf wilden Baum offt eine ſuͤſſe Frucht.
Sie lachet / was die Welt von Blutverwandnuͤß ſa -
get /
Diß was man Ehlich heiſt / hemmt ihre Pfeile nicht /
Der Keyſer wird ihr Knecht / der Jaͤger wird erja -
get /
Man ſpuͤhrt wie ihre Macht / in Stock und Cloſter
bricht;
Jch ſchreibe / was ich muß / ich ſteh itzund gebunden /
Die Zeile / ſo du ſiehſt / will ſelbſt nicht meine ſeyn /
Der Gott der alles kan / der hat ſie auch erfunden /
Jch aber liefre ſie dir nur gezwungen ein.
Diß was ich hier geſagt / iſt kein ſo frembdes Weſen /
Das Fieber ſo mich plagt / iſt dir genug bekant /
Auß meinem Auge hat dein Auge ſchon geleſen /
Waß ſich vor Liebes Schrifft hier eingepraͤgt befandt /
A 3Vor6Liebe zwiſchen Eginhard
Vor Seufftzen kont ich offt kein rechtes Wort begiñen /
Die Augen branten mir / das Hertze ward mir kalt /
Die Haͤnde boͤbeten / es irrten alle Sinnen /
Jch war ein rechtes nichts / an Farb und an Geſtalt /
Du weiſt wie offtmahls ich der Zeilen Reyh verloh -
ren /
Wann ich dem groſſen Carl geheime Schreiben laß /
Es fehlten manchesmahl mir Augen / Zung / und Oh -
Wann meine Herrſcherin mir gegen uͤber ſaß. (ren /
Es drang das heiſſe Blut aus meinen Liebes Wunden /
Wann meine Moͤrderin auf mich Jhr Auge warff /
Hat deine ſchoͤne Hand / O Emma / mich gebunden /
So laß mir doch nur zu / daß ich mich regen darf /
Jch fall itzund als Knecht zu deinen zarten Fuͤſſen /
Jch ruff als Goͤttin dich mit bleichen Lippen an /
Laß einen milden Strahl auf meinen Scheitel ſchuͤſſen
Und zeige daß bey dir auch Wehmuth wohnen kan!
O Goͤttin ſtuͤrtze mich doch nicht durch deinen Blitzen
Und denck ein treuer Knecht iſt eines Blickes werth:
Du wirſt mit mehrern Ruhm auf deinem Throne ſi -
tzen /
Wenn deiner Demuth Glantz auch in die Thaͤler faͤhrt /
Die Flamme / ſo mich treibt / daß iſt ein Zug von Oben /
Jch muß daſſelbe thun / was mein Verhaͤngnuͤß heiſt /
Es wird die Nachwelt noch den heiſſen Fuͤrſatz loben /
Der mich itzund verblend’t zu deinen Knien reiſſt;
Will denn dein ſchoͤner Grimm mich gantz und gar
verterben /
Bricht deine zarte Hand die Hoffnungs-Seulen ein /
Thuſt du den Feunden diß / wie wollen dieſe ſterben /
Die deinem Vater Feind und dir zuwieder ſeyn?
Mein7und Fraͤulein Emma ꝛc.
Mein Fraͤulein weigre nicht der Liebe Platz zugeben /
Es iſt ein ſolcher Gaſt / der Freude mit ſich bringt /
Es will der Balſam ſeyn vor unſer junges Leben /
Der in die Augen traͤufft / und zu dem Hertzen dringt.
Es ſchmuͤckt der ſchoͤne Trieb die Blumen unſrer Ju -
gend /
Und fuͤhrt uns in das Feld der rechten Fruͤhlings Zeit /
Mann nennt die Liebe zwar die ſuͤſſe Gifft der Tugend /
Doch dem Verleumbder ſelbſt lobt Jhre Liebligkeit;
Es iſt die edle Saat ſo von dem Himmel kommen /
Und auf der Erde nichts als Zucker Fruͤchte traͤgt /
Es iſt der beſte Leim aus Gottes Hand genommen /
So Menſch zu Menſchen fuͤgt / und uns zur Luſt bewegt;
Mein Fraͤulein meine nicht daß ſolches dich beflecket /
Es iſt ein ſolches Werck / ſo GOtt uns ſelber hieß /
Ein etwas / ſo Er uns im Paradieß erwecket /
Und mit dem Athem tieff in Adams Naſe bließ;
Jch rede wohl zu kuͤhn / Ach Fraͤulein! dieſe Flammen
Verzehren was von Furcht und Schrecken uͤbrig war /
Luſt und auch Ungedult verbinden ſich zuſammen /
Und meine Zuverſicht verkleinert die Gefahr;
Laß dieſe heiſſe Gluth doch nicht vergebens brennen /
Und dencke / Liebe ſey allein der Liebe werth /
Soll ich mich ohne Frucht ſtets deinen Sclaven nen -
nen /
Der ohne deinen Mund ſich durch ſich ſelbſt verzehrt?
Sprich / ſprich ein ſuͤſſes Wort / laß mich mit meinen
keten /
Jn tieffſter Dienſtbarkeit fuͤr deinen Augen ſtehn /
Jch komme; darff ich auch fuͤr dein Geſichte treten?
Ach ſolt ich doch vergnuͤgt von dir zuruͤcke gehn /
A 4Und8Liebe zwiſchen Eginhard
Und eines Kuſſes darff dein Purpur ſich nicht
ſcheuen /
Es ſoll ein Geiſſel ſeyn von meiner Dienſtbarkeit /
Laß dich die hohe Gunſt / O Fraͤulein / nicht gereuen /
Die Kette ſo mich druckt / durchdringt keln Biß der
Zeit.
Sprich doch ein ſuͤſſes Wort / benenne Stell und
Stunde /
Ruffſt du / ſo haͤlt mich auch der Himmel ſelbſt nicht
auf;
Dein Willen wird mein Schluß: ein Spruch aus dei -
nem Munde
Soll ein Verhaͤngnuͤß ſeyn vor meinen Lebenslauf;
Jtzt will ich meinen Brieff / doch nicht die Hoffnung
ſchluͤſſen
Er hat / Jch neid ihn faſt / weit mehr Geluͤck als Jch /
Er will von mir zu dir; Jch muß euch beyde kuͤſſen /
Zwar mit den Lippen Jhn / und in Gedancken dich.
Emma an Eginhard.
Waͤr Jch / mein Eginhard / was Jch zuvor ge -
weſen /
Und muͤſt Jch nicht itzund in Brand und
Banden ſtehn /
So ſolteſt du ein Wort von meinen Haͤnden leſen /
Das auch dem Donner wuͤrd an Wuͤrckung gleiche
gehn;
Jch ſchriebe: kahler Knecht / dein Hals iſt nun ver -
lohren /
Was Purpur fleckigt macht / das faͤllt dẽ Tod anheim /
Es9und Fraͤulein Emma ꝛc.
Es hat des Himmels Schluß zum Feuer dich erkohren /
Vor Weſpen / gleich wie du / iſt nicht mein Honigſeim;
Was aus dem Scepter ſproſt / das ſoll kein Knecht ent -
fuͤhren /
Und Keyſer Kronen ſeyn vor deinen Garten nicht /
Du ſolt des Keyſers Brief / doch nicht ſein Kind be -
ruͤhren /
Es muß was hoͤhers ſeyn / ſo hier ein Siegel bricht.
Auff dieſer hohen Bahn wirſtu den Todt erjagen /
Wenn Wachs zur Sonne kompt / ſo wird es bald ver -
zehrt /
Die Hoffnung die du haſt / ſoll dich zu Grabe tragen /
Auch nur ein Traum davon iſt aller Hencker werth.
Des Keyſers Schreiber ſoll des Keyſers Tochter
kuͤſſen /
Wie / leß ich? ſchlaf ich halb? wer irrt? ich oder du?
Des Koͤnigs Farbe ſoll mit Ruß gemiſcht ſeyn muͤſ -
ſen /
Daß laſſe Gott und auch mein Vater doch nicht zu.
Ein Menſch / der nicht zuwohl darf ſeinen Anfang nen -
nen
Und der mehr Dint als Bluth vor uns vergoſſen hat /
Soll gegen mich / O Spott / in Liebesbrunſt entbrennen /
Seyn Folltern auch genug vor ſolche Frevelthat?
Es muͤß ein ſchnoͤdes Beil dir deinen Hals zuſchmeiſ -
ſen /
Es reiß ein kalter Stahl den heiſſen Fuͤrſatz ein /
Dann wolt ich deinen Brief in tauſend Stuͤcken reiſ -
ſen /
Und ſagen / Eginhard muß auch zuriſſen ſeyn.
A 5So10Liebe zwiſchen Eginhard
So ſchrieb ich / Eginhard / waͤr ich noch ungebunden /
Nach dem ich aber Magd / ja Sclavin worden bin /
Und mich das ſuͤſſe Garn der Liebe hat uͤmbwunden /
So nimm von meiner Fauſt die ſchlechten Woͤrter hin.
Jch bin itzt hochbeſtuͤrtzt mein Feuer zu entdecken /
Doch wahre Liebes Brunſt iſt voll Verraͤtherey /
Und konte dein Geſicht hier dieſen Brand erwecken /
So weiß ich nicht / was dir mehr zu verhoͤlen ſey.
Mein Jrrthum wie mich deucht / iſt trauren werth zu
ſchaͤtzen /
Jch weiß nicht wie ich doch in dieſe Flammen kam /
Jch wuſte noch zur Zeit kein Wort von Liebesnetzen /
Als mich das ſchlaue Garn in Eyl gefangen nahm.
Es trat das heiſſe Blut mir in das Angeſichte /
Als ich das erſtemahl dich bey dem Vater fandt /
Es ſcheinet / daß daſelbſt ein Strahl von deinem Lichte /
Mich ſchon erſehen hat zuſetzen in den Brandt.
Jch weiß nicht ob mein Geiſt daſſelbemahl verſpuͤret /
Daß ihm ein heiſſer Geiſt an ſeine Graͤntze ſprang /
Daß weis ich / daß mein Bluth ſich uͤberall geruͤhret
Und als ein ſtrenger Fluß zu dem Geſichte drang.
Nach dieſem hat es ſich mehr als zuviel begeben /
Daß man mich hat geſehn vor dir erſtarret ſtehn /
Jn deiner Augen Pech blieb offt mein Auge kleben /
Und konte ſonder Pein nicht wohl zuruͤcke gehn.
Drauff fuͤhlt ich einen Trieb vermiſcht von Luſt und
Leiden /
Den ich bekennen muß / doch nicht zunennen weiß.
Ein Mengſel von Begier / Bedencken / Furcht und
Freuden /
Bald ward mir wohl / bald weh / bald kalt / bald wie -
der heiß.
Mein11und Fraͤulein Emma ꝛc.
Mein mattes Hertze ließ viel tauſend Seuffzer fah -
ren /
Die Thraͤnen fuͤllten mir offt beyde Lichter an /
Und kanten doch nicht recht / was meine Feinde wa -
ren /
Und was mir unverhofft Gewalt hat angethan.
Drauff hat ein kuͤhner Traum mich gaͤntzlich ange -
zuͤndet /
Der dich mir allzufrech und Lieblich fuͤrgeſtellt /
So man auch ſchlafende / Bandt / Kett / und Netze
findet /
Wo bleibet endlich doch die Freyheit dieſer Welt?
Jtzund entdeck ich dir / beſtuͤrtzet meine Wunden /
Betrachte ſie mein Freuͤnd / als Wercke deiner Hand /
Ein Kruͤpel dient wohl ſonſt zur Kurtzweil der Geſun -
den /
Doch deine Wehmuth iſt mir allzuwohl bekant.
Denn darf ich deinem Brieff und deinen Worten
trauen /
(Verzeihe / wo allhier ein kleiner Argwohn ſteckt /)
So kan ich Sonnenklar die ſchoͤne Flammen ſchauen /
Die einen hellen Strahl nach meiner Seelen ſtreckt.
Nicht bitte / dich forthin als einen Knecht zulieben /
Du herrſcheſt uͤber mich / ich bleibe deine Magdt /
Du wirſt mich eher ſehn die gantze Welt betruͤben /
Als ungehorſam ſeyn in dem das dir behagt.
Des Vaters Kronen-Goldt / ſein Purpur / ſeine
Schaͤtze
Das iſt mir leichter Koth / ich trett es unter mich /
Dein Wort iſt mein Geboth / dein Willen mein Geſetze /
Mein groͤſtes Armuth iſt zu leben ohne dich.
Genug12Liebe zwiſchen Eginhard und Fraͤul ꝛc.
Genug mein Eginhard / ich kan nicht ferner ſchreiben /
Die Finger zittern mir / du haſt genug Bericht /
Wer Wort und Meinungen kan auf das hoͤchſte trei -
ben /
Der ſtecket voll Betrug / gewiß er liebet nicht.
Kom / kom / und ſaͤume nicht! Die Armen ſtehn dir
offen /
Dir / dir verſchreib ich mich / nur fodre deine Schuld;
Mein Wuͤnſchen iſt itzund vermaͤhlt mit deinem Hof -
fen /
Du biſt dem Vater treu und auch der Tochter hold.
Der Himmel blaſe nun in unſre Liebes Flammen /
Es weh uns deſſen Gunſt Ziebeth und Biſem zu;
Es hefft uns ſeine Hand durch einen Drath zuſammen /
Der keinen Mangel hat und lieblich iſt wie du.
Begehrſt du eine Zeit / ich wart auf dich nach Achten /
Mein Zimmer wird alsdann ohn alle Riegel ſeyn /
Die Flammen laſſen ſich am fuͤglichſten betrachten /
Wann uns entzogen iſt der klahre Tages Schein.
Jtzt ſchmeck ich allbereit die hochgewuͤnſchten Stun -
den /
Ach Sonne ſaͤume nicht und ende deinen Lauff /
Du weiſt ja wie mir iſt / du haſt es auch empfunden /
Mein Brieflein ſchließ ich zu und meine Cammer
auf.
Liebe13

Liebe Zwiſchen Reinier Koͤnigen aus Daͤnnemarck / und Einer Norwegiſchen Heldin Algerthe.

DJe Geſchicht / woraus folgende Briefe entſprungen / ſcheinet einem Gedichte ſo ehnlich / als ein Ey dem andern zu ſeyn / und wann ich ſie nicht in etlichen wahrhafften Schrifften gefundeu / wuͤrde ich ſie vor eine von den groͤſten Auffſchneidereyen von der Welt hal - ten. Sie iſt aber unverfaͤlſcht / und deſſentwe - gen deſto hoͤher zuſchaͤtzen / beſonders weil ſie voll wunderlicher Zufaͤlle und Regungen zubefinden. Ein Schwediſcher Koͤnig Fro / deſſen Leben nichts anders als ein laſterhaffer Zeitvertreib war / fiel ohn alle gegebene Urſach in Norwegen ein / verſtelte alles mit Brandt / Blutt und Unzucht / und weil das Geluͤcke nicht allezeit der Tugend Gefehrte iſt / ſo fuͤgte es das Verhaͤngnuͤß ſo wunderbahr / daß er den Norwegiſchen Koͤnig endlich in offentlicher Schlacht erlegte. Eine gute Anzahl Adelichen Frauenzimmers hatte ſichvor14Liebe zwiſchen Reinier Koͤn. in Denn. vor dieſer unzuͤchtigen Grauſamkeit frey zu ſeyn tieff in das Land gefluͤchtet / und eine unter denſel - ben / ſo neben fuͤrtrefflicher Schoͤnheit auch mit ungemeiner Hertzhafftigkeit begabet war / rieth der gantzen Verſamlung Helm und Schwert zuergreiffen / und weil der Daͤniſche Koͤnig auch albereit im Anzuge war / dieſem Wuͤtterich die Spitze zubitten. Dieſſer Rathſpruch ward von dem gantzen Hauffen zu einem Schluſſe ge - macht. Und dieſes Jungfraͤuliche Heer wuchs dergeſtalt / daß Fro aus Furcht einer ſchimpfli - chen Neurikeit dieſe Voͤlcker durch Geſandten zur Ruh ermahnen ließ / ſo aber zum Zeuͤgnuͤß der groſſen Verbitterung an ſtat erfreuliche Ant - wort zuerlangen / erbaͤrmlich umgebracht worden. Koͤnig Fro brach uͤber dieſer unverhofften Zeitung beſtuͤrtzet / eilend auff / ſeine Oberſten und Knechte auf Gutt und Luſt vertroͤſtende. Und der Daͤ - niſche Koͤnig machte ſich gleichfalls in das Feld / ehe ſich die Schweden deſſen vermutheten. Koͤ - nig Fro ward zur Schlacht genoͤthiget / und dieſe tapfere Heldin / ſo zu dieſen geſtoſſen / thaten das Jhrige ſo wohl / daß die Feinde geſchlagen / und mehr gedachter unzuͤchtiger Koͤnig von Weibli - cher Hand in Stuͤcken gehauen ward. Reinier als ein junger Held wuſte nicht wie er dieſem Jungfraͤulichen Hauffen mit genugſamer Danck -barkeit15und einer Norwegiſch. Heldin ꝛc. barkeit entgegen gehen ſolte; Beſonders erluſtig - te er ſich uͤber das freudige Anſehen der Algerthe / (ſo hieß die fuͤrnehmbſte unter ihnen) welcher der Feinde Blut noch uͤber Bruſt und Armen lieff. Die erhitzeten Geiſter / ſo dazumahl wegen groſſer Bewegung aus ihrem Leibe fuhren / ſteckten den Koͤnig mit Liebes Flammen an / und dieſe muthige Heldin / ſo bey ſich niemahls einem Manne un - terthan zuwerden feſtiglich beſchloſſen / muſte end - lich gleichſam genoͤthiget / ſich mit dem Koͤnige Reinier vermaͤhlen. Doch dieſe Liebe wehre - te nicht lange / wie denn ſolches Feuer ſelten ſo be - ſtaͤndig als hefftig iſt. Nach dem Reinier die - ſer ſchoͤnen Bluͤthe genoſſen / und durch ſattſahme Ergetzung ſeine Regungen ziemlich gekuͤhlet hat - te / begunte er ſeine Augen auf etwas hoͤhers zu wenden. Das Koͤnigliche Fraͤulein aus Schwe - den war das Ziel ſeines Abſehens / und Algerthe / ſo dennoch zu zweyenmahlen Mutter worden / muſte ſich mit einem Scheidebriefe befriedigen. Nach Verlauff etlicher Zeit / als Reinier durch die ſichere Ruh ſeines Reiches verleitet / in Denne - marck und andern Landen wolluͤſtig heruͤm - ſchweiffete / begab es ſich / daß ein gefaͤhrlicher Handel in der Crone ſich ereignete / und Harald ein fuͤrnehmer Herr ſich unverſehens zum Koͤni - ge aufwarff. Reinier bemuͤhte ſich dieſes Feuereilend16Liebe zwiſchen Reinier Koͤn in Daͤnn. eilend auszuleſchen / kehrete beſtuͤrtzt in ſein Reich / brachte einen und den andern Stand auf ſeine Seite und ruffte die verſtoſſene Al - gerthe / um huͤlffe an. Dieſe zu Bezeugung / daß einer rechten Liebe oft eine Beleidigung zu einer Befeſtigung dienet / fuͤhrete in kurtzen ei - ne Flotte von vielen Schiffen zuſammen / und ſatzte / gleich als Reinier mit dem Haraldt in offentlicher Feldſchlacht ſich zu verſuchen begon - nen / gluͤcklich uͤber / da ſie dann nicht verabſaͤu - met zu ihres Koͤniges Voͤlckern / ſo allbereit auszu - reiſſen gedachten / mit ihren Leuten zu ſtoſſen / und durch ihre Tapfferkeit ſoviel auszurichten / daß der Feind in die Flucht gieng / und Reinier Cron und Seepter erhielt. Der Daͤniſche Koͤnig durch dieſe ſcheinbare Danckbarkeit gleichſam aus dem Traume ſeines Jrrhums erwecket / hette faſt die andere Thorheit begangen / und den erſten Fehler auszuloͤſchen die Schwediſche Gemahlin ſitzen laſſen. Algerthe aber dieſes zu verhindern reiſe - te nach Norwegen / allda ſie Regentin wegen ihres Sohnes Friedleben / dem Rei - nier ſolches Land gewidmet / erklaͤret ward.

Alger -17und einer Norwegiſchen Heldin ꝛc.
Algerthe an Reiniern.
ALgerthe / ſo zuvor die Crone hat getragen /
So deine kuͤhne Hand ihr ſelbſt hat aufgeſetzt /
Die will ein neuer Stern von deiner Seite
jagen /
Und wird der alten Gunſt forthin nicht werth geſchaͤtzt.
Die dein erhitzter Mund begierig war zukuͤſſen /
Als ſie der Feinde Blut auf Bruſt und Armen trug /
Die wird ein Gauckelſpiel der Feinde werden muͤſſen /
Ach daß mich nicht das Schwerdt mit ſeiner Schaͤrf -
fe ſchlug!
Denn waͤr ich dazumahl in heiſſer Schlacht geblieben /
So hett ein ſchoͤner Todt beſchloſſen meine Zeit /
Man hette mir vielleicht auf meinen Sarg geſchriebẽ /
Hier liegt die Jungfrauſchafft und auch die Tapffer -
Verachtung iſt itzund mein beſtes Leibgedinge / (keit.
Die Traͤhnen traͤncken mich / die Seuffzer ſeyn mein
Brodt /
Vor war ich allzugroß / ietzt werd ich zu geringe /
Und hab auff dieſer Welt ſonſt keinen Freund als Gott.
Jch muß ein Spiegel ſeyn / in dem die Jugend ſchauet /
Wie des Geluͤckes Mund nicht Wort und Farbe haͤlt /
Wie alles was die Hand der Liebe hat gebauet /
Gar leichtlich Ritze kriegt und endlich gar zerfaͤllt.
Wie offt der ſchoͤnſte Baum vergiffte Fruͤchte traͤget /
Wie offt ein Donnerſchlag aus lichten Wolcken
dringt /
Wie offt auff ſtiller See ſich Wind und Sturm erre -
get /
Ja daß der beſte Wein den ſchaͤrfſten Eſſig bringt.
BDoch18Liebe zwiſchen Reinier Koͤn. in Daͤnn.
Doch haͤtte meine Schuld hier deinen Zorn erwecket /
Haͤtt ich durch Zauberey dir deinen Leib verletzt /
Haͤtt ich durch frembde Brunſt das Lager dir beflecket /
So lied ich was das Recht darauf haͤtt außgeſetzt;
Das weiß ich das kein Blick dich hat erzuͤrnen koͤnnen /
Jch habe nichts ſo ſehr als dieſen Spruch bedacht:
Algerth umfaſſe ſtets mit Demuth deine Sinnen /
Du biſt zur Koͤnigin auß einer Magd gemacht.
Bedenckt nicht Reinier wie er mich hat gefunden /
Als nach vollendter Schlacht er freudig zu mir kam?
Als tauſend Tropffen Schweiß um meine Stirneſtun -
den /
Und noch der Schweden Bluth auf meinen Armen
ſchwam?
Als meine Bruͤſte ſich von Eyfer noch bewegten /
Die keines Mannes Hand aus Luſt hat angeruͤhrt /
Und ihm / ich weiß nicht was vor einen Trieb erregten /
Der endlich ſeine Braut mit Purpur hat geziert.
Als mein gefaͤrbtes Schwerdt noch von dem Feinde
rauchte /
Und mein erhitzter Fuß auf warmen Leichen gieng /
Daß er der Hoͤffligkeit bey ſeiner Magd gebrauchte /
Und mich als Koͤnigin durch einen Kuß empfing?
Erwege was du da vor Antwort haſt bekommen /
Als mich dein Auge hat verliebet angeſchaut /
Und ich das erſtemahl das frembde Wort vernom̃en /
Wo Seuffzer Worte ſeyn: Algerth iſt meine Braut.
Sagt ich nicht dazumahl? ich will als Jungfrau ſter -
ben /
Der Keuſchheit Bluhme ſoll mit mir zu Grabe gehn /
Jch19und einer Norwegiſchen Heldin ꝛc.
Jch will das ſchoͤne Lob auf dieſer Welt erwerben /
Es kann Algerthe Freund und Feinden wiederſtehn.
Mich hat zwar Mannes Bluth beſpritzt / doch nicht be -
flecket /
Die Purpur Roſe macht mich alles Tadels frey /
Doch hat mir dieſes nicht den eiteln Wahn erwecket /
Daß ich vor Koͤnige genug gezieret ſey.
Nu laß mich deine Magd in erſter Freyheit bleiben /
Jch weiß die Art der Brunſt / und kenne dieſe Welt:
Denn ich errinre mich / was unſre Tichter ſchreiben /
Das Maͤnnern kurtze zeit ein ehlich Kuß gefaͤllt.
Beſchloß nicht dieſes Wort dein bruͤnſtiges begehren:
Algerthen macht der Sieg mir auch im Stande gleich /
Es ſoll die gantze Welt mir ſolches nicht erwehren /
Jch ſchaͤtze deine Gunſt mehr als ein Koͤnigreich
Nach dieſem muſt ich nun in deine Flammen ſincken /
Dein Lieben war ein Blitz / kein rechter Sonnenſchein /
Jch wolte kaltes Gift aus deinen Haͤnden trincken /
Solt ich mit ſolchen Schimpf nur nicht verſtoſſen ſeyn;
Doch muß ich dieſen Schlag mit Sanftmuth nur ver -
tragen /
Und dencken unſer Hoff der wuͤtet wie das Meer /
Jch muß ohn Ungedult mit ſtillen Hertzen ſagen /
Es komt der groͤſte Fall von hohen Orthen her;
Wie die Gewonheit uns das Rudel leichter machet /
So wird vielleicht die Zeit erleichtern meine Noth /
Man ſchaut / wie mancher Menſch in ſeinen Banden
lachet /
Und mancher Reiche weint / bey Gelde Wein und
Brodt.
B 2Des20Liebe zwiſchen Reinier Koͤn. in Daͤnn.
Des Geiſtes Friede komt nicht nur von Gold und
Schaͤtzen /
Der Geiſt find in ſich ſelbſt die allerbeſte Ruh /
Er kan in ſeiner Burg gantz ſicher ſich ergoͤtzen /
Und ſchauet Sturm und Brand mit trocknen Augen
zu
Hab ohne Hochmuth ich die Crone tragen koͤnnen /
So leg ich endlich ſie auch ohne Schmertzen hin /
Bezwinge durch Vernunfft die Regung meiner Sin -
nen /
Und werde wiederum / was ich geweſen bin;
Daß mich ein Koͤnig hat auf ſeine Schoß genommen /
Daß Koͤnige durch mich ſeyn worden umbgebracht /
Daß Koͤnigliches Bluth aus meinem Leibe kom -
men /
Verleſcht kein naſſer Schwam / und tilget keine Nacht.
Jch ſpeiſe mich annoch durch dieſes Angedencken /
Die Noth macht endlich ſelbſt mich edler als ich war /
Vnd ich verlerne faſt mich ferner mehr zukraͤncken /
Die ich gewohnet bin zu leben in Gefahr.
Mein Koͤnig lebe wohl / ich ehre deinen Willen /
Du haſt mich aus dem Koth auf einen Thron geſtellt /
Jch bin was du mir ſchafſt begierig zuerfuͤllen /
Durch eine groſſe Hand erhoben / und gefaͤllt.
Jch bin mein ſchlechtes Bluth begierig zuverguͤſſen /
Warum / wann / wo und wie es mich ein Koͤnig heiſt;
Es werden eher ſich die Felſen biegen muͤſſen /
Als ſich Algerthe nicht dir treu zu ſeyn befleiſt.
Reini -21und einer Norwegiſchen Heldin ꝛc.
Reinier an Algerthen.
ALgerthe ſchreibt zuviel! Jch kenne kein verja -
gen /
Mein Kleinoth iſt das Reich / und du ſein
beſter Stein /
Es wird die Nachwelt mir nicht wiſſen nachzuſagen /
Das deine Schoͤnheit wird verſtoſſen worden ſeyn.
Es ſoll dich meine Hand nicht auß dem Lande trei -
ben /
Jch denck an deine treu / und kenne meine Pflicht /
Du ſolt in meinen Reich und deinen Ehren bleiben /
Denn meine neue Brunſt verleſcht die alte nicht.
Jch bin ein Held und weiß dich Heldin auch zulieben /
Jch ſchau dich noch erhitzt und blutig vor mir ſtehn /
Den abgematten Feind fuͤr deinen Augen gieben /
Und deinen ſtrengen Fuß durch blaſſe Leichen gehn.
Mich deucht ich ſpuͤhre noch das Boͤben deiner Bruͤſte /
Darauf der Schweden Bluth dir als Corallen ſtund /
Jch weiß was mir gefiel / als ich dich erſtlich kuͤſte
Und in der neuen Luſt befeuchte deinen Mund.
Die ſuͤſſe Kuͤtzelung laufft noch durch meine Lenden /
Als ich die Erſtlinge von deinen Bluhmen brach /
Und mein Algerthe ſteht noch in Genaden Haͤnden /
Ja geht / was Gunſt betrifft / gewißlich keiner nach.
Die Pfaͤnder ſo du mir haſt auff die Welt gebohren /
Die mich in ſuͤſſer Luſt offt haben angelacht /
Verjuͤngen mir itzund diß / was ich dir geſchworen /
Und ſtaͤrcken mir den Bund / den ich mit dir gemacht.
B 3So22Liebe zwiſchen Reinier Koͤn. in Daͤnn.
So redet die Natur / doch muß Sie Sclavin werden /
Man ſchauet wie ſie ſich offt meiſtern laſſen muß /
Wie offt Sie zinsbar wird den zeitlichen Beſchwer -
den /
Und durch den Zufalls Trieb veraͤndert Gang und Fuß /
Du weiſt wie Koͤnige ein ſchweres Eiſen plaget /
Wie Jhre Crone Sie in Feſſel hat gebracht /
Wie offt ein hoher Schluß Sie aus ſich ſelber jaget /
Und ſtetig die Gefahr fuͤr Jhren Throne wacht.
Diß alles noͤtigt mich auf ander Art zu dencken /
Als wol die Eigenſchafft von meinen Hertzen will /
Die Liebe heiſt mich zwar auf dich mein Auge lencken /
Doch meines Reiches Nutz verruͤckt mir Maß und
Ziel.
Ein Wetter ſo mit Blitz und harten Donner dreuet /
Begint ein neues Joch / und meiſtert meinen Sinn /
Was ich zuvor gethan / hat mich zwar nicht gereuet /
Doch wird die Furcht forthin zu meiner Kuplerin;
Der Schweden ſtarckes Reich muß ich zum Freunde
haben /
Es iſt ein eiſern Schild der mir mein Land bedeckt /
Die Milch von Jhrer Gunſt kan meinen Adel laben /
Wie Wermuth ihres Grims Jhm alle Krafft erſteckt.
Und dieſe Freundſchafft muß nur Eh und Blut ver -
binden /
Der Sachen Eigenſchafft erfordert ſolches Pfand.
Wer rechnet in der Welt der Fuͤrſten kleine Suͤnden /
Wann ſie nur ſeyn gethan zu ſtaͤrcken Stand und
Land?
Der23und einer Norwegiſchen Heldin ꝛc.
Der Grund von meiner Ruh iſt ſonſt auf nichts zu -
legen /
Als auf derſelben Schoß / die Schweden Fraͤulein neñt;
Aus dieſem kanſtu nun den ſtarcken Zug erwegen /
Der mich dir unverhofft von deiner Seite trennt:
Jch glaube leicht daß dich ein ſuͤſſes Angedencken /
Der abgelebten Zeit mit Dornen uͤberſtreut /
Doch konten Cronen dich in Hochmuth nicht verſen -
cken /
So trag auch mit Gedult der Dornen Bitterkeit.
Jch weiß ſo wohl als du diß was ich dir geſchworen /
Wohl dem der ſeinen Eyd zu halten ſich befleiſſt;
Doch bin ich vor das Reich mehr als vor dich geboh -
ren /
So meine Mutter iſt und mich doch Vater heiſſt.
Und laß ich gleich itzund dich ferner zu beruͤhren /
Beklagſtu daß mein Mund den deinen meiden muß /
So wird doch keine Zeit dir dieſen Ruhm entfuͤhren /
Daß dir ein Koͤnig gab den erſten Liebes Kuß;
Die Fruͤchte ſo durch mich aus deiner Schoß geſtiegen /
Sind Zeugen was Jch dir zu leiſten ſchuldig ſey;
Die Tugend ſchlummert nicht / und bleibt auch nicht
verſchwiegen /
Sie kennet keinen Sarg / und iſt vom Tode frey.
Was wiltu mehr als diß / wenn ich die Nachwelt lehre /
Algerthe hat den Printz der Schweden uͤmbgebracht /
Jhr Tugendhaffter Geiſt erwarb Jhr auch die Ehre /
Daß Sie mein Lager hat zu einer Frau gemacht.
B 4Jch24Liebe zwiſchen Reinier Koͤn. in Daͤnn. ꝛc.
Jch war ihr Mann und Freund und kan ſie noch nicht
haſſen;
Wiewohl ich Jhren Leib / den ſchoͤnen Leib verließ /
Der Schweden Fraͤulein muſt ich ja vor ſie uͤmfaſſen /
Dieweil es mich die Noth / doch nicht die Liebe / hieß.
Was aber laß ich doch? Den Leib mit ſeinen Gaben /
Diß alles wird ein Raub der leichten Zeit genennt;
Die Geiſter / ſo einmahl ſich feſt uͤmbwickelt haben /
Und mehr als Schweſtern ſind / verbleiben ungetrennt.
Mein Geiſt wird deinen Geiſt ſtets Freund und Bru -
der heiſſen /
Sie ſchmecken einen Kuß / den nichts vergaͤllen kan;
Sie kan der Zeiten Sturm nicht von einander reiſſen /
Der Himmel legt ſie ſelbſt mit neuen Kraͤfften an.
Entgeht dir gleich mein Leib / ſo bleibt dir doch die See -
Die Schwedin ſoll mir Gold / du aber Silber ſeyn / (le /
Und daß ich / Liebſter Schatz / ja nichts fuͤr dir verhoͤle /
Wir ſtellen nur die Eh und nicht das Lieben ein;
Und unſer lieber Sohn / die Frucht der erſten Kuͤſſe /
Friedleben ſey ein Herr Norwegens mit der Zeit /
Jch will / daß dieſes Wort mit ſeiner Krafft verſuͤſſe /
Der Dreuung Ungemach / der Zeiten Bitterkeit.
Die neue Liebe wird die alte nicht verjagen /
Dein Angedencken iſt zu tieff mir eingepregt /
Was ich zuvor gekuͤſt / das kuͤſt ich mit Behagen /
Jtzt kuͤß ich was die Noth mir an die Seite legt.
Algerthe weine nicht / erfriſche deine Sinnen /
Es wird dein Ehren Ruhm durch meine Hand bedeckt /
Und glaube / daß kein Kuß mich wird erfreuen koͤnnen /
Dafern ſein Zucker nicht nach deinen Lippen ſchmeckt.
Liebe25

Liebe zwiſchen Przetislauen Fuͤrſten in Boͤhmen / und Fraͤulein Jutta Keyſer Ottens des Andern Tochter.

PRzetislaus Fuͤrſt in Boͤhmen einer von den hurtigſten Herren ſeiner Zeit / begunte einmahl ſchertzweiſe unter ſeinen liebſten Hofeleuten von Heyraths Sachen zuſprachen mit beygefuͤgten vermelden / daß er niemahls die - ſes beſchwerliche Joch ihm aufbuͤrden zulaſſen gedaͤchte / es ſey denn / das ihm ein Fraͤulein von ſehr hohen Hauſe / fuͤrtrefflichem Gemuͤthe / und ſonderbahrer Schoͤnheit / ja derer Beſchaffenheit nach dem Abriß ſeiner Gedancken wehren / fuͤr - kommen ſolte. Als nun von gegenwaͤrtiger Ge - ſellſchafft / einer dieſes / ein ander einanders fuͤr - nehmes Fraͤulein nach vermoͤgen heraußſtrich / begunte endlich des Fuͤrſten Hofemeiſter Key - ſer Ottens des II. Fraͤulein Tochter uͤber die maſ - ſen zuruͤhmen / und zugleich zugedencken / daß kei - ne / daferne nur ſolche auß dem Kloſter / dahin ſie gethan worden / zubringen moͤglich / mehr wuͤr - dig / Przetislauens Gemahlin genennet zuwerden. B 5Der26Liebe zwiſchen Przetisl. Fuͤrſt. in Boͤhm. Der Junge Fuͤrſt ließ die ſuͤſſe Beſchreibung ge - dachter Perſon ihme ſo wohl gefallen / und em - pfand eben ſo ſuͤſſe Wuͤrckungen / als weñ derſelb - ten Bildnuͤß ihm vollkommen in das Geſichte ge - ſchienen / und von dannen in das Hertze geſuncken were. Mit einem Worte / er ward in kurtzen ſo verliebet als wenn Auge / Reden und Gebehr - de / dazu langwierige Gelegenheit gegeben hetten. Den Hofemeiſter / als welchem ſolche frembde Begebenheit nicht lange verborgen ſeyn konte / ge - reuete faſt / daß er die gerinſte Meldung darvon gethan / in mehrer Anmerckung / daß ſein Fuͤrſt / weil er ihm dieſer Schoͤnheit / ſo allbereit zum Fe - chel gewidmet / anders nicht habhafft zu werden getrauete / ſolche auch mit Gefahr ſeines Lebens zu entfuͤhren ſich gaͤntzlich entſchloſſen. Was vor weiſe Einwuͤrffe / was vor helle Abbildungen der daraus erwachſenden Gefahr man auch die - ſem hitzigen Herren fuͤr die Augen legte / ſo ward doch alles zu einem Oele die Flammen deſto mehr aufzujagen. Daß auch endlich der Hofemeiſter allerhand ſchaͤdliche Anſchlaͤge zu hintertreiben / ſich mit einem Brief von dem Fuͤrſten / unter dem Schein eines Geiſtlichen Geluͤbdes / nach Re - genſpurg begab / in das Nonnen Kloſter wo ſich die Fraͤulein auf hilt / zukommen Gelegenheit ſuchte / und ihr nebenſt Uberlieferung des Fuͤrſt -lichen27und Fraͤulein Jutta ꝛc. lichen Schreibens und etlicher koſtbahren Klei - nodien / das Fuͤrhaben des Fuͤrſten Prtzetislauens weitlaͤuftig entdeckte. Jch weis nicht durch was vor Verhaͤngnuͤß / dieſe tugenhaffte und ſonſt vorſichtige Fuͤrſtin / der Nahmen / die Beſchrei - bung / und das Begehren Prtzetislauen ſo unver - hofft uͤbermeiſterte / daß ſie die uͤberreichten Ge - ſchencke nicht anders als freudig annahm / ſich auch neben beantwortung gedachten Schreibens / ſei - ne allezeit getreue Freundin zuverbleiben erklaͤ - rete. Erwehnter Hofemeiſter ſaͤumete nicht die - ſen unverhofften Bericht ſeinem Herren zuruͤck zubringen / welcher dann uͤber dieſem Geluͤck gleichſam aus ſich ſelbſten die ſchoͤne Fraͤulein all - bereit in ſeinen Armen zuhaben ſich beduͤncken ließ. Einen Augenblick zuverſchieben / ſchien ihm auf ein gantzes Jahr ſeine Liebes genieſſungen zuverliehren. Eilete deſſentwegen nebenſt ſei - nem getreuen Hofmeiſter und etlich wenigen der witzigſten ſeiner Leuthe nach Regenſpurg / und ließ ihm angelegen ſeyn die meiſten Stiffter daſelb - ſten zubeſichtigen / und zubeſchencken. Der Ruff kam endlich auch in das Kloſter / wo ſich die Kaͤyſerliche Fraͤulein aufhilt / und die gute Abetiſ - ſin / ſo mehr Froͤmmigkeit als Nachdencken hat - te / hofte allbereit auch ihr vertrauetes Geſtiffte durch dieſes Fuͤrſten Freygebigkeit mercklich zu -berei -28Liebe zwiſchen Przetisl. Fuͤrſt. in Boͤhm. bereichern. Przetislaus unterließ nicht dieſen heyligen Orth ſo bald ihm moͤglich zubeſuchen / uñ die Aebtißin empfieng ihn mit Thraͤnen in den Augen vor freuden / in gaͤntzlicher Meinung / daß der Stern ihres Gluͤckes nunmehr recht erſchie - nen wehre. Sie zeigete ihm alle daſelbſt ſich be - findliche Sachen / und fuͤhrete ihn endlich ohne be - dencken der Fraͤulein Haͤnde zukuͤſſen. Beyde verliebten verhoͤleten im Anfang ihre Regungen ſo viel moͤglich / und weil der Hofemeiſter immit - telſt oftgedachte Aebtiſſin mit Geſpraͤche unter - hilt / ſo hatte der Fuͤrſt Gelegenheit / ſeine Liebe bey der Fraͤulein zuerfriſchen. Der Jnnhalt ih - rer Worte iſt zu weitlaͤufftig hier beſchrieben zu werden. Doch iſt dieſes gewiß / daß oft erwehn - te Schoͤne / wohin ſie auch der Fuͤrſt zufuͤhren be - gehret / zu folgen ſich erklaͤhret / und die Reiſe auf folgenden Tag unter ihnen abgeredet worden iſt. Wie nun nach Abrede deſſen Przetislaues gleich umb die Zeit / als die anderen Jungfrauen ſich im Gebethe aufhilten / in das Kloſter kam / al - ſo unterließ die Fraͤulein nicht nebenſt einer alten Nonne / ſo ihr zugegeben war / dem Fuͤrſten ent - gegen zugehen / und nach genommenen Abſchie - de ihn biß fuͤr das Thor zubegleiten. Jn deme nun dieſe einfaͤltige Jungfrau einen Brief aus der Cammer zu holen ſich uͤberreden ließ / laͤſt ſich dieFraͤu -29und Fraͤulein Jutta ꝛc. Fraͤulein ſchleunig zu Pferde ſetzen / und eilet mit ihren Geliebten in Boͤhmen / da ſie dann Chriſt - licher Verordnung nach zuſammen gegeben wor - den ſeyn. Die wunderbahren Zufaͤlle / ſo we - gen dieſer Entfuͤhrung endlich entſtanden / ferner zubeſchreiben / wehre nichts anders / als den An - fang zu einer neuen Geſchicht zumachen / Jch wende mich zu meinen Briefen und hoͤre hier auf.

Przetislaues an Juthen.
HJer ſchreibet / deſſen Hand und Auge du nicht
kenneſt /
Der dich nur durch Bericht allein hat ange -
ſchaut /
Erweg eh als du mich zu kuͤhn und thoͤricht nenneſt /
Wie Lieb und Hoffnung uns viel fremde Schloͤſſer
baut.
Jch weiß es die Vernunfft reimt dieſes nicht zuſam -
men /
Jch war durch dich beraubt / uñ ſaheſt mich doch nicht /
Doch dencke / daß die Brunſt mit kraͤfftenreichen
Flammen /
Durch Mauer der Vernunfft und der Geſetze bricht.
Jch muß es nur geſtehn und ſchreib es unverholen /
Dieweil die Feder mir durch Liebe wird bewegt /
Du haſt / dir unbewuſt / das Hertze mir geſtohlen /
Und in das Kloſter hin nechſt den Altar gelegt.
Sucht30Liebe zwiſchen Przetisl. Fuͤrſt. in Boͤhm.
Sucht mancher nicht mit Angſt ein Schaf viel Tag
und Wochen?
Jſt mancher nicht bemuͤht zu finden einen Stein?
Wie ſolt ich Armer denn nicht auch mein Hertze ſuchen?
Man weiß daß ohne diß wir todt und nichtig ſeyn.
Doch nehm ich ohne dich mein Hertze nicht zuruͤcke /
Jch will die Raͤuberin und auch den Raub zugleich /
Nicht wundre dich darob / es ſeyn zwey liebe Stuͤcke /
Jch achte ſie vielmehr als meines Vatern Reich.
Es kan mein Hertz und Du nicht Kloſter Luft vertragen /
Die Kutte / wie mich deucht / ſteht beyden uͤbel an /
Der / deſſen Pſalm du ſingſt / wird dir es ſelber ſagen /
Daß Brunſt und Jugend nicht gebunden werden kan;
Mein Fraͤulein / ſolt du dich die Glocke meiſtern laſſen?
Solſt du dem kalten Ertzt ſtets zu Gebothe ſtehn?
Soll denn dein zarter Arm nur Holtz und Stein uͤm -
faſſen?
Wilſt du geſund und jung zu deinem Grabe gehn?
Wilſt du die Zelle dir vor einen Thron erwehlen?
Verweſt dein ſchoͤner Leib im Kloſter vor der Zeit?
Will dann dein ſuͤſſer Mund nur Vater unſer zehlen?
Soll deine Roſe ſeyn im Fruͤhling abgemeit?
Nein dieſe Blume war zu etwas mehr gebohren /
Es oͤffnet ſich vor Sie das Paradieß der Welt /
Es hat der Thau der Luſt ihr ſchoͤnes Blat erkohren /
Und will als Perle hier auf Nacker ſeyn geſtellt.
Der Kloſtergarten iſt zuſchlecht dich zuverſchliſſen /
Kein Auge kennt allhier die Hohheit deiner Pracht /
Und wilſt du meinen Sinn in wenig Worten wiſſen /
Das Chor und alles dis iſt nicht vor dich gemacht.
Das31und Fraͤulein Jutta ꝛc.
Das Alter ſucht die Ruh / die Jugend liebt die Freude /
Der Winter Traurigkeit / der Fruͤhling Spiel und
Luſt.
Was runtzlicht iſt den Schleir; vor dich iſt Gold und
Seide /
Die Liebe bettet ihr auf deiner weiſſen Bruſt.
Sie laͤſt ſich wie es ſcheint auf Schwanen Federn wi -
gen
Dein ſuͤſſer Athem iſt ihr lieblicher Zibeth.
Dein Haar wird ihr zum Schirm / dein Aug iſt ihr
vergnuͤgen /
So wie ein lichter Stern bald auf bald unter geht.
Jch weiß dein rother Mund wird mir entgegen ſetzen /
Daß man den Kloſter Bund nicht leichtlich brechen
kan /
Daß du vor eine Braut des Himmels biſt zuſchaͤtzen /
Und deſſen Willen auch muſt leben unterthan.
Gewiß diß iſt ein Wort umzirckt mit tauſend Schre -
cken /
Waß aber ſchrecket uns / wenn Fleiſch und Blut er -
wacht?
Ein bruͤnſtig Aug erkießt nicht alle kleine Flecken /
Es iſt auff ſeine Luſt und ſonſt auf nichts bedacht.
Und dencke nur: wer kan ſich gaͤntzlich binden laſſen /
Viel Sachen ſeyn wie Glaß uñ ſcheinen trefflich wohl /
Man kan ſie meiſterlich in ſchoͤne Worte faſſen /
Doch wann mañ nun den Spruch zuwercke richten ſoll /
So wird das hoͤchſte Gold uns oft zu Dunſt und Win -
de /
So fehlt der Moſes ſelbſt / der die Geſetze traͤgt /
So32Liebe zwiſchen Przetisl. Fuͤrſt. in Boͤhm.
So wird was Lehrer war / zu einen ſchlechten Kinde /
Und oftmahls wird der Artzt in das Spital gelegt.
Jch lobe zwar die Hand ſo Kloͤſter hat erfunden /
So hier den erſten Stein hat in den Grund geſenckt /
Jch lobe dieſen Geiſt / der Fleiſch und Bluth gebunden /
Und noch / als Engel / nicht auf heiſſe Regung denckt.
Wo aber iſt doch wohl dergleichen Volck zu finden?
Die Mauren weiß ich zwar / den Orden kenn ich auch /
Viel tauſend wollen ſich der Keuſchheit unterwinden /
Doch Dornen laſſen nicht den edlen Roſen Strauch.
Daß einer dort und hier des Fleiſches ſich entriſſen /
Das weiß ich / doch es ſeyn auch Sonnen ihrer Zeit;
Ach Fraͤulein / unſer Schluß ſteht gar auf ſchwachen
Fuͤſſen /
Wann uns die Hand der Luſt mit ihren Koͤrnern
ſtreut.
Es iſt hier nicht genug die Haͤnde rein zuhalten /
Es muß der edle Geiſt hier auch als Jungfrau ſtehn /
Was ſonſt zu Brande wird / muß wie das Eiß erkalten /
Und mit dem Willen ſtets in weiſſen Atlas gehn.
Das Fleiſch nicht anzuſehn / das Fleiſch nicht zubegeh -
ren /
Muß warlich hier ein Wort und eine Meinung ſeyn /
Der auch der Traͤume ſich nicht weißlich kan erwehren /
Der ſetze doch den Fuß nicht in das Kloſter ein.
Und was man auch forthin vom Kloſter Leben ſage /
Jch rede hier als Menſch und Buͤrger dieſer Welt /
Das Kloſter und ſein Joch iſt nur der Jugend Plage /
Jn deſſen Einſamkeit der Krantz der Luſt zerfaͤllt;
Mein Fraͤulein uͤbe dich den Freudens Baum zulieben /
Es hat das Paradieß diß Werck ſchon angeſchaut /
Es33und Fraͤulein Jutta ꝛc.
Es hat es iederzeit die Jugend fort getrieben /
Eh eine Nonne war / ward Eva zu der Braut.
Ein mehrers kan ich itzt der Feder nicht vertrauen /
Mehr ſaget dir ein Mund der meine Zunge traͤgt /
Der wird dir Sonnenklar die Regung laſſen ſchauen /
So mich den kleinen Brief zuſchreiben hat bewegt.
Jch leg ihn ungeſcheut zu deinen Fuͤſſen nieder /
Es nehm ihn deine Fauſt mit gleichen willen an /
Doch gieb vor einen Brief mir auch mein Hertze wie -
der /
Der ohne diß und dich nicht ferner leben kan.
Juthe an Przetislauen.
EMpfindſt du / daß mein Brief dir nicht nach
Roſen ſchmecket /
Jſt dieſes ſchlechte Blat nicht Bieſemkuchen
voll /
So dencke nur es iſt mit Kloſterſtaub bedecket /
Und wer verſtohlen ſchreibt / ſchreibt ſelten allzuwohl.
Jch bin gantz ungewohnt die Feder recht zufuͤhren /
Jch kenne noch den Marckt der ſchoͤnen Worte nicht /
Es weiß kein runder Spruch mein Schreiben recht
zu ziehren /
Weil mir der Anfang auch des Schreibens faſt ge -
bricht.
Was aber ſageſt du? ich ſtehle hier die hertzen /
Und hette deines ſelbſt zu dem Altar gethan?
Es ſcheint der Fuͤrſt hat Luſt mit ſeiner Magd zu ſcher -
tzen /
Mein Finger ruͤhret nichts als nur den Pſalter an.
CDie34Liebe zwiſchen Przetisl. Fuͤrſt. in Boͤhm.
Die Bethe lieget itzt allein in meinen Haͤnden /
Jn dieſe hab ich noch kein weltlich Buch gebracht /
Mein Auge weiß ſich nur auf das Altar zuwenden /
Und iſt nunmehr auf nichts als nur auff Gott bedacht.
Jch kenne faſt nicht recht diß / was mein Fuͤrſt begehret /
Er haßt mein Element / darinn ich leben muß /
Er ſagt / ich werde hier nur durch mich ſelbſt verzehret /
Er tadelt meinen Gang / und ſtoͤret meinen Fuß.
Er will die Bethe mir aus meinen Haͤnden bringen /
Er macht die Kloſter Pflicht zu ſeinem Poſſen Spiel /
Er hat mich nie gehoͤrt und tadelt doch mein ſingen /
Und meint ich thaͤte nicht / was Bluth und Jugend will.
Diß und was ferner folgt / das ſeyn mir neue Sachen /
Jch kenn es nicht vielmehr / als Schrifft der frembden
Welt /
Jch weiß nicht was ich ſoll aus deinen Wortẽ machen /
Doch wo mich recht bedeucht / hier iſt verboten Geld.
Du zeigſt mir / wie es ſcheint / gar viel verfaͤlſchte Wah -
ren /
Auf die des Hoͤchſten Zorn das Feuer hat geſetzt /
Jch kan nicht allzuwohl die Graͤntzen uͤberfahren /
Nach dem der Himmel mich des Kloſters werth ge -
ſchaͤtzt.
Und daß ich endlich nun hier ſonder Fuͤrhang ſpiele /
Und ohne Maßque dir nur zeige / was ich bin /
Mein Auge ſteht itzund nicht weit von deinem Ziele /
Jch kenne deinen Wunſch und ſpuͤre deinen Sinn.
Des Briefes Wolcke hat ein guter Freund vertrieben /
Er hat / was Nebel war / zur Sonne mir gemacht /
Jch hoͤr / es will mein Fuͤrſt die arme Nonne lieben /
Und ſein erhitzter Geiſt ſey nur auf mich bedacht.
Er35und Fraͤulein Jutta ꝛc.
Er woll in kurtzer Zeit allhier mich ſelber ſchauen /
Und ſagen / was kein Brief und Bothe melden kan /
Er woll ein ſolches Schloß der treuen Liebe bauen /
Dergleichen noch kein Fuͤrſt vor dieſer Zeit gethan.
Ach Fuͤrſt ich bin verſchenckt! und bin mir ſelbſt ent -
nommen /
Ein Feſſel druͤcket mich / ſo ſchwerer iſt als Jch /
Jch kan mit Ehren nicht aus meiner Zelle kommen /
Die Welt iſt dein Enthalt / das Kloſter iſt vor mich.
Mein Namen iſt nunmehr tieff in ein Buch geſchriebẽ /
Das nichts / was irrdiſch iſt / in ſich enthalten mag /
Jch muß vermoͤge diß nichts als den Himmel lieben /
Gott iſt mein Braͤutigam / itzt iſt der Hochzeittag.
Hier ſoll der Haare Gold in Silber ſich verkehren /
Mein Purpur ſoll allhier verſchuͤſſen ſeinen Glantz /
Der Jugend Roſe ſoll ſich in ihr ſelbſt verzehren /
Und alles muß vergehn / doch nicht mein Ehrenkrantz;
Mein Ohre darff ietzund nichts ungereimtes hoͤren /
Wann Bluth und Jugend ruft / und dis und das be -
gehrt /
So muß ich ihren Trieb mit meinem Pſalter ſtoͤren /
Und ſchauen / daß man ſich der erſten Gift erwehrt.
Jch bin nunmehr bemuͤht mich ſelber zu bezwingen /
Denn keinen andern Feind verſpuͤhr ich faſt allhier /
Mann kan ſo leichte nicht in unſer Kloſter ſpringen /
Druͤm beth ich ſtets: O Gott behuͤte mich vor mir!
Jch unterrede mich allhier mit meinen Sinnen /
Der Schalckheit dieſer Welt / der werd ich nichtgewahr /
Die beſte Kundſchafft iſt ſich ſelbſt erkennen koͤnnen /
Denn frembde Kundſchafft iſt uͤmzircket mit Gefahr.
C 2Und36Liebe zwiſchen Przetisl. und Fr. Jutta ꝛc.
Und dencke doch / O Fuͤrſt / ſeyn das nicht große Sa -
chen /
Ach groͤſſer als die Welt / was Ehre heiſt und Gott;
Uns kan des einen Zorn zu Staub und Aſche machen /
Ein Fleck des anderen iſt aͤrger als der Todt.
Auf den der Hoͤchſte zuͤrnt / deſſelben iſt vergeſſen /
Das Bley von ſeinen Grim beſchwert uns allzuſehr /
Die Ehre gleichet ſich den praͤchtigen Cypreſſen /
Behauſt du ihren Stamm / ſo gruͤnen ſie nicht mehr.
Doch weiß ich dieſes auch / ich bin nur Menſch geboh -
ren /
Die Tugend lieb ich zwar / doch auch die Hoͤfligkeit /
Es hat die Freundſchafft mich zum Kloſter zwar er -
kohren /
Doch kenn ich noch allhier die Bluhmen dieſer Zeit.
Dem Fuͤrſten kan ich ja nicht ſeinen Wunſch zerſtoͤren /
Der mich hier ſehen will / diß iſt nicht Miſſethat /
Jch bleibe was ich war / und kan den Hoͤchſten ehren /
Ob mich ein junger Fuͤrſt gleich angeſchauet hat.
Ein Auge nimt mir nichts / die Tugendt ligt im Her -
tzen /
Ein Blick / wie ſcharf er iſt / dringt warlich nicht dahin /
Jch kann ohn alle Schuld zugleich mit Worten ſcher -
tzen /
Und dencken daß ich hier als eine Nonne bin;
Jch bin (doch ungeruͤhmt) mit Keuſchheit ſo umſchloſ -
ſen /
Daß Wort und Blick fuͤr mir als todte Feinde ſeyn /
Denn wer die Liebligkeit des Himmels hat genoſſen /
Dem reiſt man nicht ſo bald der Tugend Veſtung ein.
Doch37
Doch weiß ich auch faſt nicht / wie mir der Brief gefloſ -
ſen /
Mich deucht es fuͤhrte mir hier etwas meine Handt /
Jch habe / weil ich ſchrieb / dergleichen Luſt genoſſen /
Dergleichen Eva kaum in Paradies empfandt.
Jnkuͤnfftig wollen wir nichts durch Geſandte melden /
Es iſt ein kaltes Werck und doch Verdachtes voll /
Mein Kloſter iſt gewiß kein Feind beruͤhmter Helden /
Kom ſage mir nur ſelbſt / wie ich dir dienen ſoll.

Liebe Zwiſchen Rudolphen Koͤni - gen in Burgundien und Einer fuͤhrnehmen Marckgraͤfin Ermegarden /

DAmals als es wegen Regierungs Sachen in Jtalien oder vielmehr in Lombardien ziemlich verworren hergieng / und einer dem andern entweder mit Gewalt oder mit Liſt von dem Throne drang / geſchahe es / daß nach Koͤnigs Berengars Tode / ſo vom Flamberten jaͤmmerlich ermordet worden / Rudolph Koͤnig in Burgundien / wie er albereit einen guten An - fang gemachet / ſich des Reiches anmaſſete. EsC 3lebete38Liebe zwiſchen Rudolphen Koͤn. in Burg. lebete dazumahl eine junge Wittib / eines maͤch - tigen Marckgrafens hinterlaſſene Gemahlin / eine von den anmuthigſten ihrer Zeit / und die ihr hochangelegen ſeyn ließ den Scepter der Liebe und des Regiments zugleich in ihren Haͤnden zu - fuͤhren. Die Großen / gegen die itztgedachte Heldin nicht zu unbarmhertzig war / hielten es vor eine Ehre aus derſelben Munde Geſetze zuem - pfangen / den ſie ſo offt mit Liebligkeit zuvor ge - kuͤſt hatten / und der gemeine Mann billichte das Urtheil der Fuͤrnehmen / wie dann auch mehr ge - dachte Marckgraͤfin ſich allbereit der Hauptſtadt in Lombardi Paviens bemaͤchtiget / und in wenig anderer Beſchaffenheit als Koͤnigin darin Hof hielt. Rudolphen / der wegen hochwichtiger Ge - ſchaͤfte auf etliche Zeit in ſein voriges Koͤnigreich Burgundien gereiſet war / gefiel dieſe gefaͤhrliche Neuerkeit uͤber die maſſen uͤbel / wie er dann auch ſchleunig mit einer ziemlichen Kriegesmacht nach Jtalien ruͤckte / und mit denen Voͤlckern / ſo ihm der Biſchoff von Meilandt zugeſendet / ſich vor Pavie legte / in Meinung die Loͤwin nunmehr in ihren Lager zubeſuchen. Ermegarde / ſo kein Mittel mehr uͤbrig ſahe / ſich gegen dieſen ſtren - gen Feind zuſchuͤtzen / vertrauete endlich die Sa - che der Feder / und ſchrieb an Rudolphen durch ei - ne gewiſſe Perſohn einen Brief / der ihm auch / ichweiß39und einer fuͤrnehmen Marckgraͤfin. weiß nicht durch was verborgene Kraft / dahin trieb / das er die ſeinigen zuverlaſſen / und zu dieſer ſuͤſſen Feindin zufliehen ihm fuͤrnahm. So muß / wann das Verhaͤngnuͤß will / der Harniſch zu ei - nem Hochzeitkleide / und der Wall zu einem Brautbette werden. Rudolph gieng ſelbige Nacht / als er ihm ſeine Flucht fuͤrgenommen / zeitlich ſchlaffen / wenig Stunden hernach mach - te er ſich auff / und flohe nebenſt einen abgeordne - ten / der ihm den Weg zeigte / eilend auf Pavie. Wie ihn alda die hitzige Ermegarde wird empfan - gen haben / gebe ich dieſen zuerwegen / ſo in derglei - chen Sachen nachdencklicher als ich ſeyn. Die - ſes melden die Geſchichtſchreiber / daß ſeine Ober - ſten bey angebrochenen Tage etliche Stunden nicht gewuſt / was ſie wegen ſo langer Ruh ihres Koͤniges ihnen gedencken ſolten / endlich aber aus Argwohn daß er nicht etwa wie ein Holofernes er - mordet ſein moͤchte / die Cammer eroͤffnet und ein leeres Bett angetroffen haben. Da denn auch bald erſchollen / daß Rudolph ſich nach keiner Ju - dith / ſondern einer Helenen umgeſehen / weßwe - gen denn und aus Furcht eines geſchwinden Uber - falles ſich das gantze Laͤger verlauffen / dieſe zwey Liebhabende aber von dieſem Reiche endlich nichts mehr genoſſen / als die liebreiche Hoffnung / das Sie haben regieren wollen.

C 4Erme -40Liebe zwiſchen Rudolphen Koͤn in Burg.
Ermegarde an Rudolphen.
HJer iſt ein kleiner Brief mit Schertz und
Ernſt gefuͤllet /
Der Gall und Honigſeim in ſeiner Schoß
enthaͤllt /
Auß welchen / glaͤub es mir / dir Todt und Leben qvillet /
Erwehle dir nunmehr dieß was dir wohlgefaͤllt.
Jch laſſe dich itzund mich ohne Maßqve ſchauen /
Jch ſtelle deinen Fall in hellen Farben fuͤr /
Und willſt du alzuviel auf deine Reuter trauen /
So hab ich mehr als du: die Hertzen ſeyn bey mir.
Ein Wort / ein Blick von mir kann tauſend Lantzen
ſtehlen /
Die beſten Bogen ſeyn auf mein Geboth geſpannt /
Es wird mir nimmermehr an groſſen Helden fehlen /
Als Schlangen hab ich ſie zu meiner Fahn gebannt.
Waß nur zwey Finger ruͤhrt hat dir den Todt geſchwo -
ren /
Du biſt mir allbereit im Geiſte hingericht /
Begruͤſt du mich als Feind / ſo halt dich vor verlohren /
Verſchertze doch dein Volck und dich auch ſelber nicht.
Was nur nach Eiſen reucht begehrt dich zuerdruͤcken /
Drum / dencke wo du biſt / und endlich was du thuſt /
Jch darf nur einen Blick nach deinem Lager ſchicken /
So kehrt dein eigen Schwerdt ſich gegen deine Bruſt.
Ach Koͤnig wilt du dich mit Hoffnungs Speiſen neh -
ren /
Sie blehen trefflich auf und geben keine Krafft /
Wer41und einer fuͤrnehmen Marckgraͤfin.
Wer ohne rechten Grund will alzuviel begehren /
Dem wird auch was er hat / noch endlich hingeraft.
Kein Spiegel treuget mehr / als den der Wahn uns
zeiget /
Gefahr muß hier ein Zwerg / Geluͤck ein Rieſe ſeyn /
Man ſchaut wie unſre Luſt aus Zucker Roſen ſteiget /
Man ſpuͤret keine Nacht / nur lauter Sonnenſchein.
Es zeiget ſich allhier ein Jahrmarckt voller Cronen /
Die Scepter ſcheinen uns wie ein gemeiner Stab /
Die Lorber Kraͤntze ſeyn gemeiner als die Bohnen /
Hier iſt kein Helden Fall und auch kein Todten Grab.
Doch endlich will uns nur diß Luſt Schloß gantz ver -
ſchwinden /
Der Fuͤrhang faͤllt herab / das Spiel iſt ausgemacht /
Die Lampen leſchen aus / es iſt nichts mehr dahinden /
Man mercket nichts als Rauch / und ſpuͤhret nichts als
Nacht.
Dann ſteht man gantz betruͤbt mit wunder-ſchlaffen
Haͤnden /
Und ſchaut was man gethan / mit neuen Augen an;
Wohl dieſem der ſich nicht die Hofnung laͤſt verblen -
den /
Und ſeinen Jrrthum noch vernuͤnfftig aͤndern kann.
Vermeinſt du daß ich hier mit bloſſen Worten ſchrecke /
Und dieſes alles nur pappierne Feindſchafft ſey /
So bitt ich dich / zerreiß der Augen faule Decke /
Und mache dich nun ſelbſt der falſchen Blendung frey.
Jch warne noch itzund / es iſt ein Liebes Zeichen /
Hier iſt noch Sonnenſchein / und nicht ein Donnerkeil /
Allhier verſuch ich noch ob ich dich kan erweichen /
Dann find ich keinen Feind / ſo brauch ich keinen Pfeil.
C 5Wird42Liebe zwiſchen Rudolph. Koͤn. in Burg.
Wird durch mein Schreiben nu dein Schwerd zur Ruh
geleget /
So fahr ich Himmel an und wuͤnſche das der Tag /
Jn welchen Rudolph hat die Waffen hingeleget /
Jn der Geſchichten Buch der Nachwelt kommen mag.
Jch weiß des Ruhmes Hand wird dich mit Blaͤttern
ziehren /
Die immer gruͤne ſtehn / die keine Zeit befleckt /
Und deinen Nahmen wird ſein Fluͤgel weiter fuͤhren /
Als wo der Elephant ſich an die Sonne ſtreckt.
Gedencke was du haſt zu deinen Feind erkohren /
Und gegen was dein Volck itzund ein Lager ſchlaͤgt;
Du weiſt es ohne mich / ich bin ein Weib gebohren /
Doch die ein Mannes Hertz in zartem Leibe traͤgt;
Jch bin es nicht gewohnt alſo bedient zuwerden /
Geburth und Eigenſchafft treibt mich zuhoͤhern an /
Ach Koͤnig glaub es mir / die Anmuth der Geberden
Hat gegen Frauen mehr / als Schwerd und Helm ge -
than.
Was nicht ſein Segel ſtreicht / was nicht die Lantze
ſencket /
Dem bleibet Thor und Poſt verſchloſſen iederzeit /
Und welcher Held bey mir zu ſiegen ihm gedencket /
Der waffne ſeine Bruſt zuvor mit Hoͤffligkeit.
Es wird dein gantzes Heer eh alle Koͤcherleeren /
Als du bezwingen wirſt das edele Pavt /
Du wirſt durch ſolchen Streit nichts als dich ſelbſt
verzehren /
Drum ſo du ſiegen wilſt / ſo ſieg auch ohne Muͤh.
Jch laſſe / biſt du Freund / dir Hertz und Gatter offen /
Doch ließ auch dieſes Wort / dir eintzig und allem /
Der -43und einer fuͤrnehmen Marckgraͤfin ꝛc.
Dergleichen hat dein Volck zu keiner zeit zuhoffen /
Du ſolt von mir gekuͤßt und Sie geſchlagen ſeyn.
Der Bothe / den du ſchauſt / der wird dich ſicher fuͤh -
ren /
Der Außzug aller Luſt erwartet deiner hier /
Und laͤßt du dir dein Haͤupt mit einer Crone ziehren /
So ſchau auch ob ſie mir ſo zierlich ſteht wie dir.
Laß deinen hohen Geiſt dich nicht zuruͤcke lencken /
Man kan nicht allezeit mit vollem Segel gehn /
Wer alle Stunden will auf Berg und Wippel den -
cken /
Wird offtmahls in dem Thal und bey der Wurtzel
ſtehn;
Du biſt / ich ſchwere dir / dißmahl zuweit gegangen /
Und wer ich Feindin nicht allhier dein beſter Rath /
So haͤtte dich das Garn / als wie ein Wild gefangen /
Verachteſt du die Hand / ſo dich erloͤſet hat?
Jch bin kein ſchlechtes Weib / wer ruͤhmt nicht mein
Gebluͤthe?
Jſt meiner Ahnen Lob dir nicht genug bekannt?
Es lobt ſich ohne mich; mein hurtiges Gemuͤthe
Wird endlich faſt zugroß vor dieſes weite Landt.
Kom / kom und ſaͤume nicht / itzt haſt du Zeit zu eilen /
Schmach und Verraͤtherey will deiner Crone bey;
Auf Schwerdtern ſteheſt du / und unter tauſend Pfeilen /
Ach lerne daß dein Schutz bey deiner Feindin ſey.
Dir beuth der ſtoltze Po den Silberweiſſen Ruͤcken /
Die Vorburg / ja mein Schloß nimt dich mit Freu -
den an /
Der Weg iſt dir gebaͤhnt: dem manglen keine Bruͤcken /
Wer die Gelegenheit vernuͤnfftig brauchen kan.
Ru -44Liebe zwiſchen Rudolphen Koͤn in Burg.
Rudolph an Ermegarden.
JCh weiß nicht was dein Brief vor Regung in
mich jaget /
Ein Wort das warnet mich / das andre dreu -
et mir /
Es ſcheint wie ieder Reim mir in die Ohren ſaget /
Ach Rudolph ſiehe dich auch vor dir ſelber fuͤr.
Jch ſage wie es iſt / ich kam hieher zufragen /
Was vor ein ſtoltzes Haubt die welſche Crone ſucht /
Man ſchaute dieſes Heer Schwerdt / Pfeil und Feuer
tragen /
Es ward Pavie und du von iederman verflucht.
Mein heiſſes Hertze lag voll heiſſer Zornes Flammen /
Mich deucht / ein Blick von mir der ſteckte Doͤrfer an /
Wie reimt ſich aber heut und geſtern doch zuſammen?
Wohl dem der allezeit beſtaͤndig bleiben kan.
Jhr Frauen traget nur das Kraut in euren Haͤnden /
So Stahl zu weichem Wachs und Stein zu Waſſer
macht /
Jhr koͤnt / O ſchoͤne Kunſt / den Himmel ſelbſt verblen -
den /
Und ſeyd bey eurer Luſt auf unſre Noth bedacht.
Jhr brauchet unſern Witz / als wie das Schilff im
Strande /
Bald richtet ihr ihn auf / bald druͤcket ihr ihn ein /
Jhr baut euch eine Burg aus Steinen unſrer Schan -
de /
Und heiſt uns offtermahls nur viertel Menſchen ſeyn.
Jhr45und einer fuͤrnehmen Marckgraͤfin ꝛc.
Jhr ſtreicht oft unſer Schwerd damit ihr wolt ver -
wunden /
Mit ſuͤſſen Balſam an / ſchlagt und beklagt zugleich /
Der Krancken lachet ihr und ſchont nicht der Geſun -
den /
Und unſre Dienſtbarkeit iſt euer Koͤnigreich.
Das weigern wiſſet ihr mit Freundſchafft zuverkleiden /
Jhr weint bey deſſen Noth / der euch doch Thaͤter nennt /
Jhr uͤberredet uns in Wehmuth ſelbſt zu leiden /
Jn dem uns Hertz und Geiſt ohn alle Huͤlffe brennt.
Jhr ſeyd ja der Natur beruͤhmte Wunderwercke;
Man nennt euch kalt von Arth / und ſteckt die Maͤnner
an /
Man heiſt euch ſchwachen Zeug / und ſpottet unſrer
Staͤrcke /
Man braucht euch nicht in Krieg / und fuͤhrt die Sie -
ges Fahn;
Was wil ich aber euch noch Ehren Saͤulen bauen /
Es iſt zuviel gebaut / man macht mich ſelbſt dazu /
Jch meinte Pavie im Feuer anzuſchauen /
Was itzo brennen ſoll / O Hertze / das biſt du.
Jch bin nicht was ich war / ich bin mir frembde wor -
den /
Mein Feſſel lieb ich mehr als vormals Helm und
Schwerdt /
Diß Leiden nennt mein Brief zwar einen ſtrengen Or -
den /
Doch in den Hertzen ſchein ich nicht der Marter werth.
Die Wunden jucken mich / ich ſpiele mit den Banden /
Der Ketten ſcharffer Schall iſt mir ein Lautenklang /
Jch46Liebe zwiſchen Rudolph Koͤn. in Burg.
Jch lache / wenn mein Schiff der Freyheit komt zuſtran -
den /
Und Seuffzer ſeyn nunmehr der beſte Lobgeſang.
Nun / Ermegarde ſchau diß was du ſelbſt erfunden /
Ließ dieſen kleinen Brief / den deine Liſt erdacht /
Die Dint iſt anders nichts als Blut aus meinen
Wunden /
Durch heiſſe Liebes Brunſt verbrennt und ſchwartz ge -
macht.
Fuͤr dir leg ich gebuͤckt die ſteiffe Lantze nieder /
Mein Helm beruͤhrt itzund in Demuth deinen Fuß /
Und iſt ein Koͤnig dir nicht allzuſehr zuwieder /
So geb ich als ein Knecht dir einen heiſſen Kuß.
Mein wohlgewapfnet Heer gedenck ich zuverlaſſen /
Und werde nu verblendt ein Poſſen Spiel der Welt /
Will mich dein ſchoͤner Arm mit ſeiner Gunſt uͤmfaſ -
ſen /
So mein ich / daß ich ſey dem Himmel zugeſellt.
Der Purpur / den dein Mund auf ſeinen Lippen fuͤhret /
Das Gold / ſo die Natur in deine Haare flicht /
Und mehr / das ſuͤſſe Gifft / ſo deine Briefe ziehret /
Hat mich / wie ſtarck ich war / verborgen hingericht.
Mich daͤucht ein ſuͤſſer Dampf ſtieg aus den kleinen
Schreiben /
Es grief ein Nebel mich und meine Kraͤfften an /
Jch fuͤhlte mich alsbald durch eine Regung treiben /
Der auch die Herrſchafft ſelbſt muß werden unterthan.
Sie riß mich aus mir ſelbſt / ſie brach mir Geiſt und
Willen /
Und machte daß ich itzt mir nicht mehr aͤhnlich bin /
Sie47und einer fuͤrnehmen Marckgraͤfin ꝛc.
Sie hieß auch dieſen Trieb / den du erweckſt / erfuͤllen /
Und giebt mich endlich dir als einen Sclaven hin.
Es mag mein Heer nunmehr nach ſeinem Willen le -
ben /
Als Feld Herr ſchau ich itzt nicht ihren Thaten zu /
Es mag ein ieder ſich wohin er will begeben /
Die Lieb iſt ietzt mein Krieg / die Walſtadt aber du.
Jch acht es nicht zuviel was der und jener ſaget /
Was trift auf dieſer Welt der Menſchen Urtheil nicht?
Wer alles tadeln wil was andern wohl behaget /
Wird endlich durch das Schwerdt des Unmuths hin -
gericht.
Und wer auch alles fleucht / was der und jener haſſet /
Erkieſet nimmermehr / was rechte Freude heißt /
Jch folge dieſem Zaum / an den ich bin verfaſſet /
Und der mich itzt erhitzt zu deinen Bruͤſten reißt.
Jn ſieben Stunden will ich dem Geſichte ſchauen /
Jch wart auff nichts ſo ſehr als auff die Mitternacht /
Jch hoff auch / eh es tagt / ein Luſthauß mir zubauen /
Da die Ergetzligkeit mit klaren Augen wacht.
Jch will auf deiner Bruſt in Freundſchafft mich um -
ſchantzen /
Umbzirckt mit heiſſer Luſt / entnommen der Gefahr /
Wir wollen mit bedacht des Friedens Oelzweig pflan -
tzen /
Davor der Krieges Dorn mit ſeinen ſtacheln war.
Es mag mein kuͤhnes Heer ſich wie es will ergetzen /
Es bleibt ein ieder ihm nur ſelbſt der beſte Rath /
Sie moͤgen Jhren Fuß auf Woll und Roſen ſetzen /
Nach dem ſein Paradieß ihr Fuͤrſt gefunden hat;
Doch48
Doch treibet ſie die Luſt zu mehrem Streit und Krie -
gen /
So wiederfahr ihn diß was itzt ihr Wunſch begehrt /
Jch trachte dieſe Nacht im Felde nicht zu ſiegen /
Und meine Freud iſt mehr / als ihre Beuthe werth.
Und ſagte gleich die Welt / ich haͤtte ſehr gefehlet /
Wer fehlt und faͤllet nicht? Jch bin ein Erdenkloß /
Es iſt mir / fall ich gleich / ein ſchoͤner Orth erwehlet /
Jch falle nirgends hin / als nur in deine Schoß.

Liebe Zwiſchen Aleran einem Deut - ſchen jungen Fuͤrſten / und Adelheiten Keyſer Ottens Fraͤulein Tochter.

NAch Gewohnheit damahliger Zeiten / daß junge Fuͤrſten und Herren / wenn ſie ein wenig zu Kraͤften und Verſtand kom - men / ſich in die Welt machten / und fuͤrnehme Hoͤ - fe beſuchten / begab es ſich gleichfalls / das Aleran eines vornehmen Deutſchen Fuͤrſten Sohn in Keyſer Ottens Hofe angelanget / ſeiner Jugendt eine gute Wiſſenſchafft von allerhand Ritterſpie - len und hoͤheren Tugenden beyzulegen. Sein Fuͤrſatz war nicht ohne gluͤcklichen Fortgang / undſei -49Liebezwiſchen Aleran und Adelheiden ꝛc. ſeine Vollkommenheit wuchs endlich der geſtalt / daß Aleran vor ein Wunderwerck des Hofes / ja vor die Crone der Ritterſchafft von maͤnniglich ge - halten ward. Wie aber alles den veraͤnderli - chen Zufaͤllen unterworffen / ſo ward auch hier das Gluͤck zu einem Springbronn tauſenderley Un - gemachs. Aleran / deſſen Hand nichts wieder - ſtreben konte / vermeinte unvollkommen zu ſeyn / wann er nicht auch ein Meiſter der Gemuͤther / und ein Beherrſcher der ſchoͤnen Adelheide ſeyn ſolte. Seine Blicke waren in nichts ſo ſehr be - muͤhet / als einen freyen Geiſt zubeſtricken / und ſeine Zunge bearbeitete ſich auf das hoͤchſte ein un - gebundenes Hertz in ein ſchluͤpfriges Garn zuver - ſetzen. Der Anſchlag war nicht ohne fuͤrgebilde - ten Außſchlag. Es ging aber dem Aleran wie einem guten Fechter / der oft mit ſeinem Gegen - theile zugleich fallen muß. Aleran uͤberwindet Adelheiden / aber Aleran wird zugleich zu der A - delheiden Knecht gemacht / und beyde ſeuffzen bey ihren Wunden / die nunmehr ohne Rath und Huͤlffe zuſeyn ſchienen. Wie aber das duͤrre Holtz am beſtem zum Kohlen dienet / das gruͤne damit zu entzuͤnden / ſo begiebt es ſich auch offt / daß die verlebteſten Weiber die Jugend durch ihre Liſtigkeit am meiſten anſtecken koͤnnen. Dieſes geſchahe auch eben bey dieſer Gelegenheit. Ei -Dne50Liebe zwiſchen Aleran einẽ deutſch. Fuͤrſt. ne alte Hofmeiſterin leitet den verliebten Fuͤrſten in der Fraͤulein Schlafgemach / wird Zeugin ih - res Ehegeluͤbdnuͤßes / und laͤſt ſolches alſobald auch fleiſchlich verſiegeln. Nach weniger Zeit be - trauerte die Fraͤulein den Verluſt ihres beſten Schatzes / empfindet etliche ihr unbekante Zufaͤlle und verwilliget / wie wohl ſie faſt mit gewiſſer Be - dingung dem damahls regierenden Koͤnig in Ungarn verſprochen war / durch Aleran auß ihres Vatern Landt und Augen gefuͤhret zuwerden. Jhr Weg ging nach Jtalien / ihre Reiſe war voll Ungeluͤckes / ihr Armuth zwang ſie Kohlen in der Wildnuͤs zubrennen / und die Zeit ihrer Pil - gramſchafft wehrete zwantzig Jahr; Da ſie durch einen ihrer Soͤhne / derer ſie unterſchiedliche in dieſem Waldleben gezeuget / der ſich ohngefehr unter das Keyſerliche Heer / ſo damahls in Jtali - en ſtund / begeben / dem Vater entdecket / und mit Freuden wiederumb in ihren vorigen Stand ge - ſetzet worden ſeyn.

Adelheid an Aleran.
ACh ach! wie reimt ſich ach / und Liebe doch
zuſammen?
Was aber reimt ſich nicht / wann Zeit und
Himmel ſchafft /
Der51und Adelheiden Keyſ. Ottens ꝛc.
Der Furchte dickes Eiß beſtrickt die Liebes Flammer
Jch werde durch die Hand der Aengſten hingeraft.
Jch boͤbe wie ein Laub bewegt durch Kummer Winde /
Es plaget meinen Geiſt Verluſt und auch Gewinn /
Jch werd aus bleicher Noth zu einem rechten Kinde /
Ach daß ich nicht als Kind vorlaͤngſt geſtorben bin.
Der Aeltern Nahmen iſt in meinen duͤnnen Ohren /
Wie ein Beſchwerungs Wort und wie ein Donner -
ſchlag /
Ach wer ich nur zuvor geſtorben / als gebohren!
Daß ich doch nicht alsbald ein Unding werden mag;
Mich deucht / der gantze Hoff erkent was ich begangen /
Mich deucht / ein ieder Menſch verweiſt mir meine
That /
Die Bluhmen wachſen noch aus Scham auf meinen
Wangen /
Die ſonſt mein ſchwacher Leib aus Luſt verlohren hat.
Jch bin der Perle gleich / die Flecke hat bekommen /
Und von des Keyſers Haubt an ſchlechte Haͤlſe muß /
Mir iſt nunmehr mein Glantz und auch mein Werth
entnommen /
Und dieſes alles faͤllt durch einen ſuͤſſen Kuß.
Diß ſchwer ich / daß mein Leib ein Garten iſt geweſen /
Der ſtets verſchloſſen war als wie das Paradies /
Jch weiß das keine Hand hier Bluhmen hat geleſen /
Und daß kein geiler Wind durch meine Blaͤtter bließ;
Was hilft uns aber doch zuſeyn und nicht zubleiben /
Verfloſſen Waſſer mahlt doch keine Koͤrner nicht;
Es wird die Affter Welt nur meinen Fall beſchreiben /
Und was ich guts geſtift ſchaut nicht das Tage Licht
D 252Liebe zwiſchen Aleran einẽ deutſch. Fuͤrſt.
Der Menſchen Urthel Spruch vergleichet ſich den Flie -
gen /
Sie fallen nur Geſchwuͤr und Eyter Beulen an /
Die Fehler unſer Zeit / die werden nicht verſchwiegen /
Nur diß bleibt unbekant was man hat guts gethan.
Mein fromſeyn machte mich zum Phoͤnix in dem Lan -
de /
Nach dem ich aber mich in boͤſer Gluth verbrennt /
So giebt die Aſche nichts als Eulen voller Schande /
Ach daß ein keuſches Weib noch meinen Namen neñt.
Der Ungarn weites Landt wird ungern hoͤren muͤſſen /
Daß nicht die Crone mir kan auf den Wirbel ſtehn /
Denn weil der Geilheit Hand mir hat den Krantz zu -
riſſen /
So kan ich ja forthin nicht mehr gekroͤnet gehn.
Jhr Koͤnig wird beſtuͤrtzt die boͤſe Zeitung hoͤren
Und ſagen: Ehr und Glaß zubrechen vor der Zeit;
Mein Zufall wird gewiß ihn dieſe Worte lehren: (keit.
Es paart ſich nichts ſo ſchwer als Zucht uñ Freundlig -
Jch weiß er wird beſtuͤrtzt in die Gedancken ſchreiten /
Die Roſe ladet uns zum pfluͤcken ſelber ein /
Der ſuͤſſe Zinamey gefaͤllt uns auch von weiten /
Die beſte Kuplerey iſt ſchoͤn und lieblich ſeyn.
Was ſpiel ich aber noch mit meinen ſchweren Keten?
Auß Aengſten ſchreib ich diß / in Warheit nicht aus Luſt /
Das Garn / darin mein Fuß aus Unbedacht getreten /
Verwoͤrret mein Gemuͤth und naget meine Bruſt.
Jch ſchreib itzund vor dich / und was allhier zuleſen /
Geht erſtlich mich / dann dich / am allermeiſten an /
Du weiſt was ich vollbracht / und was ich bin geweſen /
Jch weiß es daß dein Geiſt mich nicht verlaſſen kan;
Wo53und Adelheiden Keyſ. Ottens Tochter.
Wo iſt mein Aleran der Zucker dieſer Stunden /
Da mich das erſtemahl dein lieber Arm umfieng?
Es iſt die Liebligkeit / als wie ein Wachs verſchwunden /
So dazumahl mit Luſt an meinen Lippen hieng;
Die ſuͤſſe Kuͤtzelung der unbekanten Luͤſte /
Dazu mich unvermerckt dein Bitten hat gefuͤhrt /
Verweiſet mich itzund in eine duͤrre Wuͤſte /
Jn welcher man ſonſt nichts als Angſt und Noth ver -
ſpuͤhrt.
Die Roſen ſeyn vorbey / mein Garten iſt durchriſſen /
Mein Stock iſt abgepfluckt / ja Schande liegt dafuͤr;
Und wilſtu meine Noth mit wenig Worten wiſſen /
So ſchreib ich nichts als diß: zwey Hertzen ſeyn in mir;
Sie ſchlagen ohne Ruh als Wecker meiner Noͤthen /
Ein ieder Augenblick verweiſt mir meine That /
Ach koͤnte mich der Spott doch ſo geſchwinde toͤdten /
Als meinen ſchwachen Leib dein Kuß verletzet hat!
Vergieb mir meine Schuld / wo meine Feder irret /
Und ein zuhartes Wort dir faſt verdrieslich iſt /
Mein Leib traͤgt frembde Laſt / die Geiſter ſind verwir -
ret /
Durch Kummer Dampf wird nicht des Witzes Licht er -
kieſt.
Doch ſtoͤhrt diß alles nicht die Kraͤften meiner Flam -
men /
Verweiſt mir gleich die Zeit / was dieſe Bruſt gethan /
Schlegt Schrecken / Furcht und Spott gleich uͤber
mich zuſammen /
So leb ich doch durch diß: Es lebt noch Aleran.
Kom / lencke dich zu mir / und auch zu deinem Pfande /
Jch nenn es wo du wilſt / den Geiſel deiner Gunſt /
D 3Kom /54Liebe zwiſchen Aleran einẽ deutſch. Fuͤrſt.
Kom / fuͤhre mich alsbald aus meines Vatern Lande /
Dann hier verzehret mich des Zornes heiſſe Brunſt.
Jch will nach meiner Pflicht dich uͤberall begleiten /
Und treulich mit dir gehn / wohin es dir gefaͤllt;
Jch will mit dir getroſt in ſolche Laͤnder ſchreiten /
Wo nichts als Ungemach die bleiche Wohnung haͤlt.
Jch mache mich mit dir zu den verbrandten Mohren /
Und wo der kalte Nord die weiſſen Baͤhren naͤhrt /
Hat mich der Himmel gleich zu ihrer Koſt erkohren /
So werd ich doch vielleicht auf deiner Schoß verzehrt.
Da wollen wir alsdann die Schuld der Jugend buͤſſen
Und zeigen was ein Geiſt mit Treu gekroͤnt vermag /
Ja muß ich gleich wie du mich in mich ſelbſt verſchluͤſ -
ſen /
So tritt die Tugend doch noch endlich an den Tag.
Es iſt ein ſchwerer Grif den Pilgrams Stab zufaſſen /
Und meiner Zaͤrtligkeit will dis wie Wermuth ein;
Doch wer die Wolluſt See ihm hat belieben laſſen /
Dem muß der Jam̃er Strand nur nicht zuwieder ſeyn.
Aleran an Adelheiden.
WAs ſchreibt man mir itzund? die Roſen ſeyn
verlohren /
Und Adelheidens Glantz durch mich hinweg
geraft?
Sie werden wie es ſcheint dir itzund neu gebohren /
Und deine Kummer Fluth erfriſchet ihre Krafft.
Es ſcheint die Liebligkeit die kan dich nicht verlaſſen /
Sie bittet allezeit dir freye Taffel an /
Dein55und Adelheiden Keyſ. Ottens ꝛc.
Dein Auge will mich itzt in naſſe Garnen faſſen /
Nach dem ſein Feuer mir Gewalt hat angethan.
Doch weine nicht zuviel / wir haben nichts begangen /
Was Folter / Eiſen / Strang / und Feuers wuͤrdig ſey;
Wir haben keinen Krieg zuſammen angefangen /
Und unſer Buͤndnuͤß weiß nichts von Verraͤtherey.
Die Schuld ſo uns betrifft / beſteht in Luſt und lieben /
Es hat ja die Natur nicht Straff auf diß geſtellt /
Der Himmel ließ es frey die erſten Voͤlcker uͤben;
Es war ein Zeitvertreib und Spiel der alten Welt;
Seyd fruchtbar hat zwar Gott in Marmel nicht gegra -
ben /
Doch ſchrieb Er in das Bluth diß Paradies Geboth /
Was will man beſſern Grund von dieſer Sache haben?
Die Taffel war der Menſch / der Schreiber aber Gott.
Nach dieſem haben wir durch Schaͤrffe der Geſetze /
Das ſchwere Joch verſtaͤrckt: wie irrt die Sterbligkeit!
Sie ſtrickt ihr durch die Kunſt ſelbſt kummerreiche Ne -
tze /
Und friſt ſich der Geſtalt durch Klugheit vor der Zeit.
Die Eh war erſtlich nur ein Schluß in dem Gemuͤthe /
Der endlich auch den Leib zu einen Zeugen nam /
Wer ſprachte dazumahl von Stand und von Gebluͤ -
the /
Nach dem die erſte Braut zu ihrem Manne kam?
Die Ehberedung war geſchrieben in den Hertzen /
Die Tinte war das Bluth / das Siegel war ein Kuß /
Sie hatten ſonſt kein Licht / als nur des Himmels Ker -
tzen /
Und liebten keine Pracht bey dieſem Uberfluß;
D 4Braut56Liebe zwiſchen Aleran einẽ deutſch. Fuͤrſt.
Braut - und auch Trauring kam aus eines Meiſters
Haͤnden /
Denn Gold lag dazumahl noch in der Mutter Schoß /
Jhr Bette knackte nicht und war nicht umzuwenden /
Der Himmel war die Deck / ihr Pfuͤhl der Erdenkloß.
Doch kan man freylich nicht Gebraͤuche hintertreiben /
Sie meiſtern die Natur und ſeyn der hohe Rath;
Sie ſeyn faſt Muͤntzen Arth / ihr Werth der muß ver -
verbleiben /
Nach dem der Ruf der Zeit ihn ausgeſetzet hat.
Jch weiß was itzt die Welt von Liebe pflegt zuhalten /
Die ohne Prieſters Hand zufleiſchlich worden iſt /
Jch weiß es das die Gunſt der Aeltern muß erkalten /
Wann wieder ſie ein Kind hat einen Mann erkieſt.
Es wird der gantze Hof von Zorn und Freuer brennen /
Wann er erfahren wird / was ich und du vollbracht /
Es wird uns iederman mit einem Nahmen nennen /
Den unſre Vorwelt hat zũ Hohn uñ Schimpf erdacht.
Mich deucht ich hoͤre ſchon: Sind das die Edlen
Sachſen?
Jſt diß der fremde Stern / der meinen Hof geziehrt?
Jſt diß der junge Fuͤrſt / durch meine Gunſt erwachſen?
Daß er der Tochter Krantz / und meinen Schatz ent -
fuͤhrt?
Du Schlange hab ich dich in meiner Schoß genehret /
Auf daß mich endlich nu die falſche Zunge ſticht?
Diß was dein Hochmuth ſucht / das wird dir nicht ge -
wehret /
Und deinen Haubte waͤchſt hier keine Crone nicht.
Ver -57und Adelheiden Keyſ. Ottens Tochter.
Verfolgung / Ungemach / Schwerdt / Foltern / Grimm /
und Rache
Das ſey das Hochzeit Gift / das ich dir geben kan /
Der Himmel fuͤhre ſelbſt das Recht von meiner Sa -
che /
Und greiffe meinen Feind mit Donner Waffen an.
Diß ſchoͤne Hochzeit Lied / wird mir dein Vater ſingen /
Bey dem ſich ohne diß der Eifer leicht erregt /
Es wird der gantze Hof mir ein Geſchencke bringen /
So die Verachtung hat mit ihrer Hand gepregt.
Der Neid hat noch bißher von weiten ſich gehalten /
Jtzt wird er aber keck in voller Ruͤſtung ſtehn /
Der beſten Freunde Gunſt wird als ein Eiß erkalten /
Und keiner wird mit mir gedencken uͤmzugehn.
Denn Freunde halten ſtets der Schwalben falſche
Weiſen /
Des Gluͤckes Sonnenſchein der fuͤhrt ſie bey uns ein /
Des Unfalls kalter Nord befiehlt ihn abzureiſen /
Noth will das Schiboleth der rechten Freundſchaffe
ſeyn.
Doch dieſes Klagen kan den Noth Stand nicht ver -
treiben /
Hier iſt kein Pfennig mehr zu zahlen unſre Schuld /
Und die Errettung ſteht in keinen langen Schreiben /
Was hier uns helffen kan / iſt Gott / Flucht / und Gedult.
Jch weiß dein zarter Fuß und deine reine Bruͤſte /
Da nichts als Roſen Blut und Lilgen Milch geſchwebt /
Die ſeyn faſt ungewohnt zu wandeln in der Wuͤſte /
Da nichts als Schlangen Gift und Trachen Geifer
klebt.
D 5Du58Liebe zwiſchen Aleran und Adelheiden ꝛc.
Du ſolteſt billich nichts als edles Rauchwerck ſchme -
cken /
Der Fruͤhling ſolte nur bekleiden deine Bahn /
Es ſolte dir ein Rock die ſchoͤnen Lenden decken /
So Seide nichtig macht und Goldt beſchaͤmen kan.
Doch das Verhaͤngnuͤß laͤſt ſich nicht durch Menſchen
zwingen /
Man muß gehorſam ſeyn wenn deſſen Stimme ruft /
Und will dich gleich dein Land mit Ach und Weh ver -
dringen /
Vielleicht gruͤnt dein Geluͤck in einer fremden Lufft.
Nun Liebſte ſaͤum dich nicht mit mir die Flucht zuneh -
men /
Und in die frembde Luft zuſetzen deinen Fuß /
Bemuͤh itzt in Gedult der Zeit dich zubeqvemen /
Es iſt ein ſchweres Wort auf dieſer Welt: Man muß!
Umb viere wirſt du mich in deinem Garten finden /
Ach Liebſter Schatz vergiß der fruͤhen Stunde nicht /
Es wird der faure Schritt dich mir / mich dir verbin -
den /
Die Noth iſt unſer Stab / die Lieb iſt unſer Licht.
Der dir mein Schreiben gibt / der wird dich auch be -
gleiten /
Er ſtellet ſich bey dir als treuer Fuͤhrer ein /
Du kanſt ohn alle Furcht auf ſeine Worte ſchreiten /
Biſt du dann Helena / ſo muß ich Paris ſein.
Liebe59

Liebe Zwiſchen Graf Ludwigen von Gleichen und einer Mahometanin.

FOlgende Geſchicht iſt nicht eine von den juͤngſten / und ich muß nur bekennen / daß ich gar vor einen andern dieſe Stel - le meiner Helden Briefe gewidmet habe. Aber ein Bedencken / und beſonders die richtgierige Zeit / darinnen wir leben / hat mich von meinen erſten Gedancken abgezogen / und dieſes / was im Anfange nicht meine Meinung geweſen / hier auf - zuſetzen angeleitet. Doch will ich von dieſem nichts ferners melden / ſondern die Sache ſo gut ſie iſt zu Pappier bringen. Graf Ludwig von Gleichen brachte etliche Zeit mit ſeiner Gemahlin im Ehe - ſtande zu. Die damahls angeſponnene Tuͤr - cken Kriege noͤtigten auch dieſen Helden ſein Heil unter den Chriſtlichen Fahnen zuverſuchen / aber dieſer Anſchlag gerieth nicht der Seinige Wunſch und ſeinem eigenen Fuͤrſatze nach. Er ward in einen Treffen von dem Alcaixiſchen Sultan ge - fangen. Des Vortheils ſeiner Geburth wardda -60Liebe zwiſchen Graf Ludw. von Gleichẽdamahls gaͤntzlich vergeſſen / an ſtatt der golde - nen Sporn legte man ihm mehrentheils Feſſel an / und ward gezwungen an ſtat der muthigen Pferde / ſo er zuvor beſchritten / die Ochſen zutrei - ben / und dem Pflug zufuͤhren. Waß ingemein geſagt wird / daß ein annehmlich Auge / und ein gerader Leib die beſte Empfehlungs Briefe ſeyn / das ward hier wiederumb aufs neue wahr ge - macht. Eine junge Tochter gemeldeten Sul - tans / ſo ihrer Ergetzung halber auf dem Felde gieng / erblickte auch dieſen Fremdling mit Staub gefaͤrbet / und alten Lumpen uͤberzogen. Sie begunte aus etzlichen Blicken ſeiner Augen / und auch etzlichen Wendungen ſeines Leibes leicht zu - urtheilen / daß etwas wuͤrdigers an ihm were / als daß er zu einem Ochſentreiber gebrauchet werden ſolte. Es zog eine ungewiſſe Kraft ihr Auge auf daß ſeinige / und ſie fuͤhlte eine Regung von Weh - muth und Beluſtigung zuſammen vermenget. Kuͤrtzlich ſie verſpuͤhrte leichtlich / daß hier unver - ſehens eine Perle auf den Miſt kommen / und der Purpur zufaͤlliger weiſe unter Kutzentuch ge - worffen worden. Diß was ſie des Tages er - blickt / erfriſchten ihr die Gedancken / als ſie nach Hauſe gelanget / und die Traͤume / als ſie ſich zur Ruh begeben hatte. Es noͤtigte ſie endlich ein ungedultiger Fuͤrwitz ſich alleine auf das Feld zu -ma -61und einer Mahometanin. machen / und dieſen Frembdling ohne Nebenau - gen zubeſchauen. Der nechſte Tag darauf ward zu dieſer Sache gewidmet; Sie machte ſich durch eine verborgene Tuͤhre aus der Stadt / und erkuͤhnete ſich unſern Grafen um ſeine Geburth / Stand und Gelegenheit zufragen. Die anmu - thige Antwort / ſo er ihr ertheilte / war in den Her - tzen der Mahometanin wie ein Funcke / der auf ei - nen duͤnnen Zunder faͤllet / Sie ließ erſtlich ein paar heiſſe Thraͤnen uͤber die Wangen rollen / ent - deckte mit kurtzen und halb verbiſſenen Worten ihr hohes Mitleiden / uñ verſprach moͤgliche Huͤlf - leiſtung und Rettungs Mittel. Sie unterließ folgende Zeit nicht ſo oft es ſich nur fuͤgte ihren Frembdling heimlich zubeſuchen / und die Ver - trauligkeit kam endlich ſo weit / daß ſie ihn oft mit ihrer Hand ſpeiſete / ihm die Ochſen treiben halff / und den Schweiß mit ihren Fuͤrtuche von ſeiner Stirnen wiſchete. Dieſes alles war nur ein Er - leichterungs - doch kein Heylungs Mittel. Die inbruͤnſtige Liebe zwang ſie endlich / Jhm / dafern er ihr die Ehe zuſagen / und ſie mit ſich in ſein Land fuͤhren wolte / Erloͤſung aus den Banden zuver - ſprechen / auch ihn / als den die Chriſtlichen Ge - ſetze ſchreckten / uͤber vorige Gemahlin noch eine beyzufuͤgen / auf allerhand Arth zu ſolchem Fuͤr - nehmen zu ermuntern. Mit einem Worte derHan -62Liebe zwiſchen Graf Ludw. von GleichenHandel iſt leicht geſchloſſen / wann die Waare ſchoͤn iſt / und Kauffer und Verkauffer einig ſeyn. Ein Handſchlag und ein Kuß verknuͤpften ihre Hertzen / ſie eileten nach den Chriſtlichen Lan - den. Der Graf verſtaͤndigte ſeine Gemahlin ſeiner Erloͤſungs Freundin Ankunfft. Der Pabſt ließ dieſen ungemeinen Fehl ohne Buße ge - ſchehen. Sie kamen gluͤcklichen nach Hauſe / die Gemahlin empfing die Mahometanin freund - lich / und raͤumete ihr Bett und Hertz ein. Ei - nigkeit und Seegen wiewohl ohne Leibes Erben / ſchwebeten uͤber dieſer Liebe / und das Grab zu Er - furth / da ſie alle drey die Aſche unter einem Stein vermiſchet haben / zeiget gnugſam wie edel ihr Feuer hat muͤſſen geweſen ſeyn.

Graf Ludwig an ſeine Gemahlin.
EJn Brief aus frembder Luft doch von bekan -
ten Haͤnden /
Begruͤßt uñ kuͤßt dich itzt / ſo gut er kuͤſſen kan /
Es heißt die gruͤne Treu mich dieſes uͤberſen -
den /
Jch weiß du nimbſt es auch mit ſolchen Hertzen an.
Jch darf dir nicht zuviel von meinem Namen ſagen
Die kleinſte Silbe hier entdeckt dir wer ich bin /
Sie63und einer Mahometanin.
Sie denckt mein Hertze dir / wo moͤglich / fuͤrzutragen /
Und reicht / ſo gut ſie kan / auch diß im Briefe hin.
Du kenſt die alte Schrifft und auch die alten Sinnen /
Die noch kein Saracen hat in die Feſſel bracht /
Jch ſchwere / daß ſie dich ſo eifrig lieben koͤnnen /
Als in dem Hochzeit Tag und in der erſten Nacht.
Du weiſt die Liebe laͤſt ſich nicht durch Meilen meſſen
Sie waͤchſt nicht ungemein in unbekanter Luft.
Was recht gegruͤndet iſt / das laͤſt ſich nicht vergeſſen /
Und ihre Wurtzel dringt biß in die kalte Gruft.
Durch Hitze kan ſie nicht wie Blum und Graͤſer ſterben
Die Kaͤlte hemmt ſie nicht wie einen Waſſerfluß /
Die Naͤſſe weiß ſie nicht wie Farben zuverderben /
Man ſchaut wie Staal und Seein ihr oftmahls wei -
chen muß.
Die wahre Freundſchafft kan kein Saracen beſchnei -
den /
Es ſtoͤhrt der Alcoran getreue Liebe nicht /
Es kan der Mahomet Sie in dem Tempel leiden /
Und keine Satzung iſt / ſo ihr zuwieder ſpricht.
Mein Schatz / itzt heiſſet mich ein Zufall klaͤhrer ſchrei -
ben /
Es mindert wie es ſcheint / ſich nun das alte Joch /
Jch kan mit mehrer Luſt itzt meine Rinder treiben /
Und mein Geluͤcke bluͤht auch untern Heyden noch.
Ein Edles Weib von mehr als Fuͤrſtlichen Gebluͤthe /
(Jch weiß nicht ob ſie mir Weib oder Engel iſt)
Die hat vor kurtzer Zeit mit traurigem Gemuͤthe
Mein ſchweres Joch betracht / und meine Noth erkieß〈…〉〈…〉.
Es64Liebe zwiſchen Graf Ludw. von Gleichen
Es ſchien / ſie ward durch mich und meine Qvaal ge -
bunden /
Kein Striemen lief mir auf / den ſie nicht auch em -
pfand /
Die Schaͤden ſo ich trug die wurden ihr zur Wunden /
Und meine Dinſtbarkeit war ihr gemeines Bandt.
Der Schweiß auf meiner Bruſt hat Thraͤnen ihr er -
reget /
Mein Seuffzer hat bey ihr die Wehmuth angeſteckt /
Und meine Knechtſchafft hat ſie in ein Joch geleget /
Das nach der Tugend reucht / und keinen Hals befleckt.
Sie hat gar manchesmahl in einem ſchlechten Kleide /
Jn Sicherheit zugehn / mich armen Knecht beſucht /
Die Tugend war ihr Gold / die Wehmuth ihre Seyde /
Und ihr erhitzter Wunſch beſtand in meiner Flucht.
Sie half mir manchesmahl die faulen Ochſen treiben /
Wann ſie zugegen war / ſo hatt ich halbe Muͤh /
Sie ließ mich leichtlich nicht zu matt und hungrig blei -
ben /
Doch wuͤnſcht ich ihre Koſt noch nicht ſo ſehr als Sie.
Jhr Fuͤrtuch hat mir oft den ſauren Schweiß vertriebẽ /
Und ihr gemeinſtes Wort war diß: Dich laß ich nicht.
Wie ſolt ich / liebſtes Weib / nicht eine Seele lieben /
Die mich dir wiederbringt / und meine Feſſel bricht?
Nicht meine / daß mich hier ein Geiſt der Wolluſt trei -
bet
Zeit und auch Ungeluͤck hat ſolches laͤngſt verjagt.
Denn wem der Tugend Stam recht an der Bruſt be -
kleibet /
Der hoͤret leichtlich nicht / was ihm ein Laſter ſagt.
Jtzt65und einer Mahometanin.
Jtzt ſoll ich ihren Dienſt durch meinen Leib belohnen /
Die Muͤntze / ſo ſie ſucht / iſt meines Mundes Kuß /
Sie acht mein Hertze mehr als ihres Vatern Cronen /
Und liebſt du deinen Mann ſo lieb auch ihren Schluß.
Jch werd in kuͤnfftig ſie mit deinem Namen nennen /
Scheint dir die Zahlung groß / die Schuld iſt ungemein /
Wer nur vernuͤnfftig iſt muß diß mit mir bekennen /
Der Gott ſo Zucht befiehlt / heiſt uns auch danckbar
ſeyn.
Dein Glimpf muß ihre Treu wie ſichs gebuͤhrt bezah -
len /
Daß du mich ſchauen wirſt hat ihre Hand gethan /
Dir bleibet doch der Kern / ſie ſaͤttigt ſich mit Schalen /
Du haſt das beſte Brodt / ſie nimt die Brocken an.
Kan ſie von wegen mein des Vatern Hof verlaſſen /
Und fuͤhrt mich wiederumb zu Hauſe freudig ein /
So muſtu warlich ſie als Schweſter auch umfaſſen /
Und eben ſo wie mir auch ihr gewogen ſeyn.
Doch Eyfer wird bey dir ſich nicht ereignen koͤnnen /
Denn dieſes iſt ein Trieb der unſre Geiſter kraͤnckt /
Wenn etwas neben uns ſich heimlich will entſpinnen /
So dieſes was man liebt / uns zuentziehen denckt.
Ein frembdes Weib ſo dich und mich nicht weiß zu
nennen
Verlaͤſt des Vatern Burg und ihrer Mutter Schoß /
Und macht / was ſelten iſt / du wirſt es ja erkennen /
Nach langer Dinſtbarkeit mich meiner Bande loß.
Die Rauigkeit der Luft / Stein / Waſſer / Berg und He -
cken /
Wild / Regen / Nebel / Schnee / Wind / Hagel / Eiß
und Froſt /
EDurſt /66Liebe zwiſchen Graf Ludw. von Gleichẽ
Durſt / Hunger / Finſternuͤß / Sand / Wuͤſte / Furcht
und Schrecken /
Trieb ihren Fuͤrſatz nicht aus der getreuen Bruſt.
Sie laͤſt die Crone ſtehn / mit Luſt dich zu umkraͤntzen /
Sie will in Armuth ſeyn zufuͤllen deine Handt /
Sie traͤgt der Aeltern Zorn / ſie weicht von ihren
Graͤntzen /
Und laͤſt / dir guts zuthun / ihr rechtes Vaterlandt.
Du muſt / geliebtes Weib / das Hertze mit ihr theilen /
Empfaͤhſt du mich / ſo nim auch meinen Leitſtern an /
Und dencke: daß ich kan zu Weib und Kindern eilen /
Hat dieſe Frembdlinge / faſt mehr als ich / gethan.
Ein mehrers will ich dir bey meiner Ankunfft ſagen /
Die Feder reimet ſich zu vielen Reiſen nicht;
Kanſt du im Hertzen Treu / und Witz im Geiſte tragen /
So iſt der kurtze Brief dir gar genug Bericht.
Laß unterdeſſen mir Hertz / Hauß / und Lager offen /
Jch ſchreite ſchon im Geiſt bey dir mit Freuden ein;
Doch will ich auch / mein Schatz / diß ungezweiffelt
hoffen /
Daß Lager / Hertz / und Haus wird vor die Frembde
ſeyn.
Die Gemahlin an Ludwig.
ES bringt der kleine Brief dir mehr getreuer
Gruͤſſe /
Als Freude ſich itzund in meinem Hertzen regt /
Jch ſchwere / daß ich dich recht in Gedancken
kuͤſſe /
Und meine Seite ſich an deine Seite legt.
Ver -67und einer Mahometanin.
Verzeihe / Liebſter Schatz / doch meinen ſchlechten
Schreiben /
Daß Wort und Zeilen nicht in rechter Ordnung ſtehn;
Wem Freud und Zuverſicht die ſchwachen Finger
treiben /
Dem wil die Feder nicht in gleicher Wage gehn.
Bald leſch ich etwas aus / bald mach ich neue Zeilen /
Bald werd ich halb entzuckt / bald ſchlaf ich druͤber ein /
Bald wird die Feder faul / bald wil ſie fertig eilen /
Und heiſt offt einen Kleck an ſtatt der Woͤrter ſeyn.
Jch weiß nicht wie mir iſt / und kan mir ſelbſt nicht
trauen /
Ob mein Geſichte hier den wahren Zweck erkieſt?
Ob meine Hoffnung auch recht feſte weiß zubauen?
Ob nicht ein ſchlechter Dunſt itzund mein Grundſtein
iſt?
Bald reiß ich wiederum aus dieſen falſchen Schran -
cken /
Und ſchaue deinen Brieff mit ſcharffen Augen an /
Umbſchluͤſſe mit Vernunfft die fluͤchtigen Gedancken /
Weil ſolche Klarheit ja mich nicht verblenden kan.
Jch ſchaue klar genug und kuͤſſe mein Geluͤcke /
So itzt mit ſeiner Hand die oͤden Naͤchte ſtoͤhrt /
Jch ſpuͤhre wiederum des Himmels warme Blicke /
Der dich mir auf das neu aus ſeiner Schoß verehrt.
Was hab ich nicht bißher in Einſamkeit erlitten?
Was hat mir nicht vor Angſt geſeſſelt Geiſt und Sinn?
Was hat mich nicht vor Furcht zu mancher Zeit be -
ſtritten?
Daß ich / wie mich bedeucht / mir faſt nicht ehnlich bin.
E 2Wie68Liebe zwiſchen Ludw. Graf von Gleichen
Wie hab ich manchesmahl nach deinem Abereiſen /
Wenn ich erwachet bin / die Hand nach dir geſtreckt?
Wie offtmahls hat ein Traum dich mir in Band und
Eiſen
Erſchrecklich fuͤrgeſtellt / und denn mich aufgeweckt?
Bald hab ich ſchlaffende gemeinet dich zukuͤſſen /
Und meinen Jrrthum denn aus leerer Lufft vermerckt /
Man ſchaut die Menſchen ja am allermeiſten buͤſſen /
Jn dem der Mangel uns die alte Luſt verſterckt.
Bald hat dein Hochzeit Kleid / bald haben deine Ringe
Die Pfaͤnder erſter Gunſt / mir Zaͤhren ausgepreſt /
Kein Menſch berichte mich / wie dir es noch ergienge /
Jch ſchrieb ohn alle Frucht nach Nord / Suͤd / Oſt und
Weſt.
Wenn nur ein Thor aufgieng / ſo meint ich dich zu
hoͤren /
Was eine Taſche trug / das muſt ein Bothe ſeyn /
Jch ließ mich iedes Kind / ja ieden Ruf bethoͤren /
Und blieb doch iederzeit verwittibt und allein.
Wenn ich zu Tiſche gieng und ſchaute deine Stelle /
Da wir uns offt erfuͤllt mit Speiſen Wein und Luſt /
So ward das Zimmer mir zu einer rechten Hoͤlle /
Zu Galle ward mein Wein / zu Wermuth meine Koſt.
Der freudenreichen Luſt verliebtes Angedencken
War diß / ſo meinen Geiſt recht auff die Folter nahm /
Nichts konte mich ſo ſehr in meinem Hertzen kraͤncken /
Als wenn dein Bildnuͤß mir in das Geſichte kam.
Der Kinder ſtetes Wort: Wo muß der Vater bleiben?
War mir ein herber Stoß / den meine Seel empfing /
Des Jammers iſt zuviel / ich kan dir nicht beſchreiben /
Was vor ein harter Wind durch meine Geiſter ging.
Jtzt69und einer Mahometanin.
Jtzt ziehn die Wolcken weg / mein Stern begint zu
ſcheinen /
Der Himmel ſtreicht mein Hauß mit lichten Farben
an /
Und er verbeut mir faſt dich ferner zubeweinen /
Ach daß ich dich mein Schatz nicht bald umfaſſen kan!
Was aber ſchreibeſt du / und trachteſt itzt zuwiſſen /
Ob die Erloͤſungs Arth mir auch verdrießlich faͤllt?
Wie ſolt ich nicht die Hand zu tauſendmahlen kuͤſſen /
So mir mein Bette fuͤllt / und dich in Freyheit ſtellt?
Jch will ſie warlich nicht nur vor ein Weib erkennen /
Die bloß in Fleiſch und Bluth / wie ich und du beſteht /
Jch will ſie ungeſcheut ſtets einen Eugel nennen /
Der nur zu unſerm Schutz mit uns zu Bette geht.
Jch will mich ihr als Magd / zu ihren Fuͤſſen legen /
Jhr wollen ſoll forthin mir ein Geſetze ſeyn /
Jch halte ſie in Ernſt vor unſers Hauſes Seegen /
Und geb Jhr ſelbſt mein Hertz zu einem Zimmer ein.
Wie ſolt ich thoͤrichte die Schale nicht verehren /
Darauf der Himmel dich mir uͤberreichen will?
Mein Ohre ſoll ihr Wort wie die Gebothe hoͤren /
Fuͤr dem der Alten Volck auf das Geſichte fiel.
Jch will nach ihrer Arth das Lager zubereiten /
Jch laß Jhr billich halb / was ſie mir gantz geſchenckt /
Mein Fuß wird nur allein nach derer Wincken ſchrei -
ten /
Die mir noch unbekant / doch auf mein beſtes denckt.
Nun kom Geliebter Schatz! des Gluͤckes weiche
ſchwingen
Wo nichts verderben kan / umſchluͤſſe deinen[Leib /]
E 370Liebe zwiſch. Graf Lud. und einer Mah.
Es wolle dich erfreut in dieſe Stelle bringen /
Da dich empfangen kan Land / Freunde / Kind und
Weib.
Es muͤſſe Sicherheit entſpruͤſſen auf den Wegen /
Dahin du ſetzen muſt den abgematten Fuß /
Und wo du wirſt dein Haubt zuruhen niederlegen /
Da rege ſich zugleich der Seegensuͤberfluß.
Es muͤſſe dich die Kraft geſunder Luft begleiten /
Die Dornen muͤſſen nicht verfaͤlſchen deine Bahn /
Er laſſe dich geſund in meine Stube ſchreiten /
Daß auf den Lippen ich die Roſen brechen kan!
Vor Freuden tritt mir itzt das Waſſer ins Geſichte /
Und rollet unvermerckt wie Perlen ums Papier /
Jch weiß du haͤlt’ſt das Wort nicht etwan vor Getichte /
Die Silben ſeyn verleſcht / du ſchauſt die Zeugen hier.
Dein Leitſtern ſey gegruͤſt! doch wil ich Jhrentwegen
Auf kein zu groſſes Bett immittelſt ſeyn bedacht;
Denn wird die Liebe ſich mit uns zu Bette legen /
So wird der kleine Raum bald werden weit gemacht.

Liebe Zwiſchen Graf Balduin und Judithen / Koͤnig Carls in Franckreich Tochter.

[B]Alduin / ſonſt Eiſern Arm genennet / Graf[o]der nach der Alten Arth / Forſtmeiſterin71Liebe zwiſchen Graf Bald. und Judithin Flandern / war nicht allein wegen ſeiner Leibes - geſtalt / ſondern auch wegen ſeiner Fuͤrtrefflig - keit in Rittermaͤſſigen Ubungen / einer von den Beruͤhmteſten ſeiner Zeiten. Koͤnig Carl in Franckreich / ingemein der kahle geheiſſen / wie auch ſein Sohn Ludovic / bedienten ſich ge - dachten Heldens Tapfferkeit / in dem Kriege ge - gen die Nordmaͤnner; und die Saracenen erfuh - ren / daß er nicht minder wieder Auß-als Jnlaͤn - diſche Gluͤck haͤtte. Bey dieſer Gelegenheit konte er ſich der Liebe nicht erwehren / wiewohl er ſeiner angebohrnen Hohheit nach / Augen und Hertz allezeit nach dem Purpur wendete / und ihm die Koͤnigs Farbe der brennenden Liebe am mei - ſten gefallen lies. Die groͤſte Meiſterin ſeiner Seele war Judith hochgedachten Koͤnigs Carls Tochter. Er liebete ſie als Fraͤulein in ihres Vatern Hofe / wiewol in hoͤchſter Behutſamkeit / konte aber ihrer nicht eher theilhafftig werden / biß Adolph Koͤnig in Engelland ſie zu einer Frau / und der Todt ihres Gemahls ſie zu einer Wittib ge - macht hatte: Da denn die alten Funcken / bey Balduin wieder herfuͤr brachen. Wie er nun ſein Anliegen ſchriftlich erfriſchet / alſo erkuͤhnte er ſich dieſe verwittibte inbruͤnſtig zuerſuchen / ſich mit eheſter Gelegenheit nach ihres Vatern Reich zumachen / da er dann / dafern es ihr nicht gaͤntzlichE 4ent -72Liebe zwiſchen Graf Balduinentgegen / Sie zuentfuͤhren ſich entſchloſſen. Ju - dith beantwortet ſeine Gedancken ziemlich kalt - ſinnig / redet von ungleichen Regungen Balduins und aller Maͤnner / entſchuldiget ſich daß ſie ihm als ihrem alten Freunde beſonders in dieſem Wit - tiben Stande / nicht mit mehrer Hoͤfligkeit entge - gen gehen koͤnte / und gibt / wiewohl in etwas tun - ckeler Arth zuſchreiben / genugſam zuerraten / daß ſie ihm / und ſeinem Vornehmen nicht gaͤntzlich zu wiederſtreben geſonnen / maſſen dann ſie ſich auch bald darauf nach Franckreich aufmacht / und ohne groſſen Wiederſtandt entfuͤhret / und Bal - duin vermaͤhlet worden iſt.

Balduin an Judith.
KAn Judith durch den Dunſt des Traurens et -
was leſen /
Beſchwemmt die heiſſe Fluth nicht gantz ihr
ſchoͤnes Licht /
So fall auf deſſen Brief / der ſtets ihr Knecht geweſen /
Ein angenehmer Blick / der Sinn und Siegel bricht.
Mein weinen ſolte zwar zu deinen Thraͤnen fluͤſſen /
Und durch ein gleiches Ach begleiten deine Noth /
Es ſolte dieſer Brief von nichts / als Seuffzen wiſſen /
Und bloß in dem beſtehn / iſt denn dein Adolph todt?
Jch weiß / ich ſolte nicht die treuen Seuffzer ſtoͤhren /
Die ihrem Koͤnige bezahlen wahre Schuldt /
Doch73und Jndith Koͤn. Carls in Fr. Tochter.
Doch heiſſe Liebe will nichts von Verzuge hoͤren /
Du kennſt ihr Feuer wohl / es iſt voll Ungedult.
Und Judith dencke doch wer dieſen Brief geſchrieben /
Du weiſt es gar genung / es iſt deſſelben Handt /
Der durch der Jahre Lauf dir rein und treu verblieben /
Ja ſtets gefochten hat vor deines Vatern Landt.
Gedencke Koͤnigin an unſrer Jugend Flammen /
Wie mich das zarte Garn der ſchoͤnen Augen fieng /
Wie uns offt unverhofft der Vater fand beyſammen /
Da nichts als Lieb und Luſt mit uns zu Rathe gieng.
Erwege / wie ich dich oft in den Morgenſtunden
Als der gekroͤhnte Lentz mit Bluhmen ſich geziert /
Dich Bluhme dieſer Zeit bey Roſen habe funden /
Und deine Hand gekuͤſt / die hundert Lilgen fuͤhrt.
Wie oft hab ich geſagt; von tauſent Nachtigalen
Jſt deiner Stimmen Klang / O Schoͤne / zugericht /
Wie ſchoͤn auch die Natur kan die Granaten mahlen /
So gleichen ſie gewis doch deinen Lippen nicht.
Wie ofte hab ich dir die fluͤchtigen Narziſſen
Mit Roſen untermengt auf deine Bruſt gelegt?
Und hab aus Schertz geſagt: Jhr Bluhmen ſolt es
wiſſen /
Daß auch der Winter hier Euch gleichen Zierath hegt.
Daß hier ein warmer Schnee mit Bluhmen iſt um -
geben /
Dem Luft und Jahres Zeit kein Blat verſehren kan;
Und daß den Roſen / ſo auf gleichen Bergen ſchweben /
Kein Nordwind noch zur Zeit hat einig Leid gethan.
Wie wuͤnſcht ich dazumahl ein Luſthauß hier zubauen /
Doch das Verhaͤngnuͤß riß den erſten Grundſtein ein /
E 5Jch74Liebe zwiſchen Graf Balduin
Jch muſte dich betruͤbt in fremden Haͤnden ſchauen /
Du ſolteſt Koͤnigin und ich ein Sclave ſeyn.
Doch dieſer Sclave fuͤhrt auch Feuer in dem Hertzen /
Er liebt und dient zugleich / beklagt und ſuchet dich /
Erkennſt du ſeine Treu / ſo glaub auch ſeinen Schmer -
tzen /
Jſt meine Pein von dir / ſo kom und heile mich.
Es ſteht dir uͤbel an uͤm Todte ſtets zuweinen /
Wer fodert ſolches doch von deiner Augen Pracht?
Die ſchoͤne Sonne ſoll mit mehrern Strahlen ſcheinẽ /
Die meines Geiſtes Trieb zu einer Goͤttin macht.
Dem Todten hat dein Mund in Wahrheit nicht ge -
ſchworen /
Kein Eyd verbindet uns auch in den Sarg zugehn /
Die Schaͤtze deiner Bruſt ſind vor kein Grab gebohren /
Der Himmel heiſſet Sie ſtets in dem Lichte ſtehn.
Die Todten und zugleich ſich ſelbſt darzu begraben /
Jſt zwar ein Wunderwerck / doch keines Ruhmes
werth /
Wer tod iſt kan durch Leid nicht Huͤlf uñ Rettung habẽ /
Und keine Freundſchafft hat dergleichen Dienſt begehrt.
Wer ewig weinen will / beweint des Himmels Willen /
Und traͤgt das groſſe Joch mit naſſer Ungedult /
Die hoͤchſte Traurigkeit muß endlich ſich beſtillen /
Und ſagen / dieſes hat des Himmels Spruch gewolt.
Verlaß die Leiche nun mit Thraͤnen wohl genetzet /
Auch dieſer Balſam fault / und modert mit der Zeit:
Du haſt mit treuer Hand ſie traurig beygeſetzet /
Was wilſtu ferner thun in dieſer Sterbligkeit?
Vergiß dich ſelber nicht und deines Leibes Gaben /
Die Bluͤthe wird beklagt / die ohne Frucht erſtirbt /
Und75und Judith Koͤn. Carls in Fr. Tochter.
Und dencke das ein Stein / der ewig liegt vergraben /
Zwar ſeinen Werth behaͤlt / doch keinen Ruhm er -
wirbt.
Darf ich / O Koͤnigin / mich endlich noch erwegen /
Fuͤnff Woͤrter beyzuthun: Nim mich zu Dienſten an!
Mein Willen ſoll ſich dir zu deinen Fuͤſſen legen /
Weil Balduin ſo gut als Adolph lieben kan.
Hat dieſer dazumahl mich ſchmertzlich weggetrieben /
Als deinem Vater Er gekroͤnt zuwohl gefiehl /
So kanſt als Wittbe du mich kuͤhnlich wieder lieben /
Es iſt kein neues Werck / es iſt das alte Ziel.
Jch bin kein Koͤnig zwar / doch reine Lieb und Tugende
Jſt aͤlter in der Welt / als diß / was Krone heißt /
Du kenneſt ungeruͤhmt das Abſehn meiner Jugendt /
So auf den Grund gericht ſich nicht nach Firnuͤß
reiſt.
Erlaube mir daß ich dich darf Gemahlin nennen /
Dein Wort vergnuͤget mich / den Vater frag ich nicht /
Sein Eyfer iſt zuſchwach den Knoten aufzutrennen /
Der durch die heiſſe Hand der Lieb iſt zugericht.
Verlaß / ſo bald du kanſt / den weiſſen Strand der Brit -
ten /
Und nim den nechſten Weg zu deines Vatern Land /
Und darff ich ferner dich uͤm etwas groſſes bitten /
So ſchaͤme dich doch nicht vor deines Dieners Hand;
Jch werde dich alsdann aus deinem Wege leiten /
Der Liebe Nordſtern muß / getreue Kuͤhnheit ſeyn;
Wer in der glatten Welt ſtets nach der Schnur will
ſchreiten /
Der ſtelle nur forthin das gehen gaͤntzlich ein.
Laß76Liebe zwiſchen Graf Balduin
Laß einen engen Brief mich lehren deinen Willen /
Dein Wincken iſt mein Schluß / ich lebe nur durch dich /
Ein halbes Wort wird mich bewegen und beſtillen /
Nach deinen Silben regt des Geiſtes Nadel ſich.
Wilſt du zwey Leichen nicht zu Grabe ſehen tragen /
So nim als Wittib dich verlaßner Seelen an /
Und zeige / daß dein Mund die Todten zwar beklagen /
Doch auch was Leben hat empfindlich lieben kan.
Judith an Balduin.
KAn Balduin denn noch der Judith nicht
vergeſſen /
Und ſtreicht ſein alter Wunſch auch endlich
uͤber See!
Du biſt in frembder Lufft und weit von mir geſeſſen /
Doch ſtoͤhrt dein kuͤhner Brieff mein heiſſes Ach und
Weh.
Wer bey der Leich[e]ſitzt ſoll nicht von Liebe hoͤren /
Es ſchickt ſich Aloë zu Biſemkugeln nicht:
Es ſolte deine Brunſt nicht meine Seuffzer ſtoͤren /
Noch deiner Kuͤhnheit Trieb verruͤcken meine Pflicht.
Jch laſſe mich itzund mit Trauerflor uͤmſchluͤſſen /
So ſtreut dein kecker Geiſt verliebte Blumen aus /
Und weil mein Auge laͤßt die Waſſerperlen fluͤſſen /
So dringt dein freyer Schertz in mein betruͤbtes Hauß.
Kein Freuden Pflaſter dient vor die gekraͤnckten Hertzen /
Die Wehmuth ſtuͤnde dir am allerbeſten an / (tzen /
Ein Freund / d ſich ergetzt bey ſeiner Freundin Schmer -
Hat zwar nach ſeiner Luſt / doch nicht nach Pflicht ge -
than
So77und Judith Koͤn. Carls in Fr. Tochter.
So geht es Balduin; was liebſt du? deine Luͤſte;
Mein Ruhm / ja ich dazu / mag bleiben wo ich will /
Du ſuchſt ein Freuden Feld und laͤſt mich in der Wuͤſte /
Dieß / was Vergnuͤgung heiſt / iſt dein erwehltes Ziel.
Du lacheſt / ob die Welt auf meinen Nahmen fluchet /
Du ſchauſt auf deine Luſt / nicht meinen Ehren Ruhm /
Wann Balduin erhitzt die Freuden Roſen ſuchet /
So meint er / Luſt und Leid ſey gleiches Eigenthum.
Darff ich die Warheit hier mit rechten Nahmen nen -
(Doch dieſes ſtehet mir bey meinem trauren frey /) (nen /
So muß ich nur fuͤr dir und aller Welt bekennen /
Daß auf der Maͤnner Wort nicht viel zubauen ſey.
Was liebt ihr? euch / nicht uns; ihr ſpielt mit Schwu[r]
und Eyde /
Und ſucht durch Falſchheit Wind den Hafen euer Luſt /
Jhr kleidet euer Wort in ſchwanenweiſſe Seyde /
Jn dem der Boßheit Ruß erfuͤllet eure Bruſt.
Jhr wuͤnſcht das Gottes Zorn euch ſchleunig ſoll ver -
zehren /
Dafern ein Tropfen Liſt vergaͤllet euren Sinn /
Und gebet da und dort vertiefft in ſolchen Schweren
Vor einen halben Kuß den gantzen Himmel hin.
Jhr bauet mit Gefahr auf unſers Ruhmes Grunde /
Der oftmals ſehr beſchwert in tauſend Stuͤcken bricht /
Jhr blaſet falſchen Dunſt aus eurem geilen Munde
Und ſchont in eurer Gluth der reinſten Seelen nicht.
Zuletzte ſtirbt die Luſt / nicht aber unſer Schande /
Jhr ſchaut uns dann erſtarrt als todte Bilder an /
Und ruͤhmt euch offtermahls in einem frembden Lande /
Was / wo / wie / und bey wem ihr boͤſes habt gethan;
Denn78Liebe zwiſchen Graf Balduin
Denn euer Laſter duͤrft ihr nicht / wie wir / verdecken /
Gewohnheit hat das Werck ſchon in den Schwung ge -
bracht /
Daß dieſes / was uns kan in Ewigkeit beflecken /
Euch oft bey Schertz und Wein zu groſſen Helden
macht;
Vergieb mir Balduin / ſo ich zu deutlich mahle /
Und ohne Vorhang dir entbloͤſſe meinen Geiſt /
Die Antwort / ſo du ſchauſt / komt aus dem Trauer Saale /
Der bundte Farben mich itzt gar vermeiden heiſt.
Du hofſt vielleicht von mir viel angemachte Speiſen /
Und Worte ſo von nichts / als Balſam traͤchtig ſtehn /
Du wuͤnſcht / ich ſolte dir / als wie du mir / erweiſen /
Das rechte Liebe nicht ſo leichtlich kan vergehn;
Doch dieſes ſchickt ſich nicht zu meinem Wittben
Stande /
Wer hier zufertig iſt / faͤllt leichtlich in verdacht /
Jch lebe wie du weiſt in einem frembden Lande /
Da oft ein Tropfen Luſt zu Laſter wird gemacht;
Doch ſcheu ich mich auch nicht dich meinen Freund zu
nennen /
Denn Wehmuth ſcheinſt du mehr als Zornes werth zu
ſeyn.
Wer kan ſich endlich gantz von ſeiner Regung trennen?
Der Himmel preget uns ſelbſt das Erbarmnuͤß ein.
Jch werde nimmermehr dein Sinnen Fieber ruͤhmen /
Und dieſes was itzund benebelt deinen Geiſt;
Doch will ſich dieſes auch nicht alzuviel geziehmen /
Daß ein geſunder Arm den Krancken niederreiſt.
Mein79und Judith Koͤn. Carls in Fr. Tochter.
Mein Freund / trag mit Gedult / beſtille dein Gemuͤthe /
Und laß Vernunfft uñ Rath ſtets bey dem Ruder ſtehn /
Der Himmel der uns kent / iſt noch von alter Guͤtte /
Er heiſt der See und auch des Gluͤckes Sturm ver -
gehn.
Nicht zwinge / was du wuͤnſcht / der Hoͤchſte muß es ge -
ben;
Wer allzuſtrenge rennt / kombt langſam an das Ziel;
An deſſen Faden wir und unſre Sachen ſchweben /
Verfuͤgt nicht allezeit was Blut und Regung will.
Jm Alter ſeyn wir noch den Kindern gleich geſinnet /
Vor Roſen greifen wir oft heiſſe Neſſeln an /
Und wenn das kalte Gift uns aus den Haͤnden rinnet /
So meynen wir alsdann es ſey uns Leid gethan.
Ein mehrers will mir Flor und Boy nicht wohl ver -
goͤnnen /
Es iſt genung von der / die ihren Mann beklagt /
Jch tadle / Balduin / dein eyfriges Beginnen /
Ob die Beſtaͤndigkeit mir gleich nicht mißbehagt;
Den Schluß / den du gefaſt / ſoll keine Wittib hoͤren /
Die Mann und Koͤnige bezahlet ihre Pflicht /
Die bleiche Schuldigkeit will mich was beſſers lehren /
Ein weinend Auge lobt dergleichen Zeilen nicht.
Bleib Freund / doch bleib auch ſtets in reiner Freund -
ſchafft Schrancken /
Denn Freundſchafft dieſer Welt iſt offt nur Mumme -
rey /
Meinſt du / du koͤnteſt nicht von alter Liebe wancken /
So glaub auch daß mein Leid nicht ſo vergaͤnglich ſey;
Du80Liebe zwiſchen Siegreich
Du lachſt / ich bin betruͤbt / du ſchreibſt von Gluth und
Flammen
Jn dem die Trauer Bach beſchwemmet meine Bruſt /
Es ſchickt ſich ich und du ſo ungereimt zuſammen /
Als ſich verbinden laͤſt der Schmertzen mit der Luſt.
Nicht zuͤrne daß mein Schluß zu ſehr nach Myrrhen
ſchmecket /
Es haftet der Ziebeth auf meinem Briefe nicht /
Wer weiß es ob die Zeit / ſo Luſt und Leid erwecket /
Nicht nach dem Wermuth Spruch ein Zucker Urthel
ſpricht.

Liebe Zwiſchen Siegreich und Roſemunden.

DJe Art der meiſten von meinen bißher aufgeſetzten Briefen und Geſchichten iſt verhoffentlich ſo klar und offenbahr / daß niemand einer Verſtelligung mit recht mich be - ſchuldigen wiſſen wird. Nunmehro aber muß ich aufs neu wieder meinen Willen hinter den Fuͤrhang / und werde gleichſam gezwungen / mich der Maßque auf kurtze Zeit zugebrauchen; Wann alle Welt ſo urtheilen wolte / wie ſie billich ſolte /und81und Roſemunden. und man nicht bißweilen Gemuͤther antreffe / ſo auch aus den beſten Bluhmen Gifft zuſaugen ſich bemuͤheten / wuͤrde ich niemahls von meinem er - ſten Wege abzuweichen mich unterfangen haben. Es ſeyn aber die Laſter der Welt bekannt / und dieſes eben noͤtigt mich etwas verdeckter zuſpielen. Aber zum Zweck! Siegreich einer der fuͤrtreff - lichſten Helden / unſers deutſchen Landes / deſſen Leben ein rechtes Ebenbild Menſchlicher Voll - kommenheit geweſen / befand ſich einmahl in ei - ner fuͤrnehmen Stadt / derer Nahmen allhier auf - zuſetzen unnoͤtig iſt. Etzliche ſchwere Haͤndel verunruhigten ſelbes mahl ſein Gemuͤthe / und die Raͤthe waren hoͤchſtbemuͤhet ihn ſo viel moͤglich davon abzulencken. Durch ſonderbahre Schi - ckung fuͤget es ſich / daß hochgedachter Heldt ohn - gefehr eine Schoͤnheit erblickte / die theils wegen ihrer ſonderbahren Geſtalt / theils wegen ihrer lieblichen Stimme / welche ſie doch mehr zu ihrem eigenen Zeitvertreib als anderer Uppigkeit ge - brauchte / ein Wunderwerck genennet zuwerden wuͤrdig war. Eine gewiſſe Regung noͤtigte die - ſen groſſen Herren Gelegenheit zuſuchen / derſel - ben Stimme zuhoͤren / derer Augen ihm ſo lieb - lich zuſeyn geſchienen; Und dieſe junge Heldin / ſo wir Roſemunden nennen wollen / wird durch ein Schreiben / ſo bald folgen ſoll / nach Hofe gefodert /FSie82Liebe zwiſchen SiegreichSie ſtellet ſich nach vorhergegangener ſchrifftli - cher Beantwortung dienſtſchuldigſt ein. Sieg - reich ſiehet / hoͤret / verliebet ſich / und weil die Ste - ge der Liebe ſchluͤpffrig ſeyn / gleitet er nicht allein in fleiſchliche Gedancken / ſondern auch derglei - chen Wercke / darauß nachmahls ein beruͤhmter Held / durch deſſen Hand ſich das Meer mit Tuͤr - cken Bluth gefaͤrbet / und fuͤr dem die Mohren ſich buͤcken muͤſſen / entſprungen iſt. Erkennet nun iemand durch dieſe dicke Maßqve / was ich verbergen wollen / der entſchuldige meine Kuͤhn - heit / und ich hoffe / es wird mir eine Sache tun - ckel zumelden nicht verarget werden / die albereit in offene Geſchichtbuͤcher kommen / und auch da - rinnen geduldet worden iſt. Der Menſch iſt nur wie der weiſſe Atlas / es muß wunderlich zu - gehen / daß man nicht einen Flecken darinnen ſe - hen ſolte: Wiewohl gedachten hohen Heldens Abtritt ſo bewand iſt / daß er ſeinen hohen Tugen - den / und reinem Leben keine Vertunckelung wird bringen koͤnnen.

Siegerich an Roſemunden.
DJr wuͤnſchet Siegerich mehr freudenreiche
Stunden /
Als Roſen / Jungfrau / dir auf deinen Wan -
gen ſtehn /
Als83und Roſemunden.
Als Lilgen die Natur um deinen Hals gewunden /
Und Zucker Silben ſtets auß deinem Munde gehn.
Koͤnt ich was ich gewuͤnſcht / dir auch zugleiche geben /
So oͤffnet ich itzund dir voͤllig meine Handt /
Der Himmel laſſe doch umb deine Scheitel ſchweben /
Was keine Schoͤnheit nicht bey einem Helden fandt.
Nicht wunder dich darob / was ich itzund geſchrieben /
Betrachte dich nur recht / kenſt du dich ſelber nicht?
Der Spiegel will / du ſolſt dich in dich ſelbſt verlieben /
Und dein Geſichte lehnt den Sternen Krafft und Licht;
Es hat das lange Jahr vier Zeiten / du nur eine;
Es bluͤht der Fruͤhling ſtets um deinen friſchen Mund /
Kein Winter iſt bey dir / fuͤr deiner Augen Scheine
Jſt faſt der Sonne ſelbſt zuſcheinen nicht vergunt.
Die Tugend traͤgeſt du in purpurreichen Schalen /
Geziehret wie es ſcheint / durch weiſſes Helffenbein /
Dein Muͤndlein iſt ein Orth von tauſend Nachtigalen /
Wo Engels Zungen ſelbſt Gehuͤlffen wollen ſeyn.
Diß / was der kleine Brief itzund an dir geprieſen /
Diß hat dein Siegerich von weitem nur erblickt /
Durch Wolcken hat ſich itzt die Sonne mir gewieſen /
Wie daß mir nicht ihr Glantz frey in die Augen ruͤckt?
Jch habe mehr von dir / als du vermeinſt / gehoͤret /
Du kenneſt nicht den Ruhm / den dir die Warheit gibt /
Und meine hohe Gunſt wird gegen dich vermehret /
Weil deiner Jugend nicht der Jugend Luſt beliebt.
Jch weiß von guter Handt wie du dich haſt bemuͤhet /
Auf einen reinen Grund zubauen deinen Ruhm /
Auf derer keuſchen Bruſt die Tugend Roſe bluͤhet /
Die hat bey Duͤrfftigkeit ein reiches Eigenthum.
F 2Mein84Liebe zwiſchen Siegereich
Mein Aug und Ohre wuͤnſcht / O zuͤchtige Sirene /
Zuhoͤren und zuſehn / was deine Jugend ziehrt /
Mich deucht / wie albereit dein liebliches Gethoͤne /
Der Ohren Wachs zerſchmeltzt / und nur uns ſelbſt ent -
fuͤhrt.
Mich deucht / ich ſchaue ſchon wie deiner Augen Blicke
Bald freudig / bald beſtuͤrtzt / bald lieblich / bald betruͤbt
Begleiten deinen Thon / und deine Wunderſtuͤcke /
Daß ſich der Himmel ſelbſt in deine Kunſt verliebt.
Du darffſt dich / Schoͤnſte / nicht vor meinem Scepter
ſcheuen /
Er richt die Demuth auf / und reiſt nur Hoffarth ein /
Ein Tritt in meinem Hof / der kann dich nicht gereuen /
Du wirſt ein lieber Gaſt fuͤr meinen Augen ſeyn.
Denn meine Fauſt weiß mehr als Schwerd und Helm
zutragen /
Sie liebt zwar Knall und Blitz / und ſcheut nicht
Sturm und Streit /
Doch glaub? ich will dir nichts von Krieg und Feuer
ſagen /
Laß nur die Funcken aus von deiner Liebligkeit.
Jch will den ſchoͤnen Blitz und keine Feuerballen /
Jch will kein Feld Geſchrey / ich will ein Lied von dir /
Du darfſt mir nicht beſtuͤrtzt zu meinen Fuͤſſen fallen /
Du findeſt nichts als Freund / ja mehr als Freund an
mir.
Laß nichtigen Verdacht nicht deinen Sinn bethoͤren /
Ein ungefaͤlſchtes Wort bereitet dir die Bahn /
Und dencke / will dein Haupt ein ſtarcker Adler ehren /
Daß dir gewiß forthin kein Habicht ſchaden kan.
Der85und Roſemunden.
Der Stand worin ich bin / muß nicht Erklaͤrung leiden /
Jch will / das iſt genug; Dein Antwort ſey: Jch ſoll;
Jch ſetze nichts dazu / du wirſt dich ſelbſt beſcheiden /
So bleibeſt du Geluͤck und ich Genaden voll.
Der dir mein Schreiben gibt / der ſoll dich ſicher leiten /
Was er dir weiter ſagt / das nim genau in acht /
Er wird dir eine Bahn von Wolle zubereiten /
Zu der man nicht zuvor den Schlag hat aufgemacht.
Entſchließ dich Jungfrau nun und mache mir zuwiſſen /
Wenn du ein ſchoͤnes Lied vor mich beſtimmet haſt /
Wenn deine Liebligkeit ſoll in mein Ohre fluͤſſen /
So mich entbinden ſoll der ſchweren Sorgen Laſt.
Schreib nur ein ſuͤſſes Wort und laß mein Auge
ſchauen /
Ob deine Feder auch den Lippen aͤhnlich ſey /
Schreib itzt ohn alle Scheu / du kanſt mir ſicher trauen /
Mein Nahmen machet dich von allen Sorgen frey.
Der Kummer muß itzund aus deinem Hertzen weichen /
Du haſt ein ſchoͤnes Pfand mein hohes Wort von mir /
Das Gluͤcke muß nunmehr vor dir ſein Seegel ſtrei -
chen /
Und was ein groͤſſers iſt / auch anckern neben dir.
Jch faſſe was du ſchreibſt mit hochgeneigten Haͤnden /
Und deinem Briefe will ich ſelbſt entgegen gehn /
Jch weiß du wirſt mir nichts als Zucker uͤberſenden /
Der wol mit Wuͤrden kan auf meiner Tafel ſtehn.
Mich deucht ich ſchmecke ſchon die ſuͤſſe Goͤtter Speiſe /
Die Gott den Menſchen auch vor Menſchen machen
heiſt /
Und ſpuͤhre durch den Brief der Lieder ſuͤſſe Weiſe /
Die dein beruͤhmeer Mund zuſingen ſich befleißt.
F 3Doch86Liebe zwiſchen Siegreich
Doch ſchreib mir nicht allein / denn Schreiben ſeyn nur
Schreiben /
Und wer alleine ſchreibt / der thut nicht allzuviel /
So du bey mir begehrſt in guter Gunſt zubleiben /
So kom wie ich geſagt / und ſinge wie ich will.
Jch weiß die Hoͤfligkeit / ſo mit dir iſt gebohren /
Verbietet dir itzund zubrauchen Nicht nnd Nein /
Denn was mein Sinn ihm hat zu ſeiner Gunſt erkoh -
ren /
Das muß bey ſtetem Ja ihm auch gehorſam ſeyn.
Kom Schoͤnſte / glaube mir / mein Thor das ſteht dir
offen /
Und wilſt du mehr als diß / mein Hertze ſelbſt dazu /
Diß was du nur erſinnſt / das haſtu auch zuhoffen /
(Schreib / eil und ſinge mir / Ach was verweileſt du?
Die Fluͤgel meiner Gunſt die ſollen dich bedecken /
Was hier nicht ſicher iſt kan nirgend ſicher ſtehn;
Wo eine Crone liebt / da werden keine Flecken /
Und weren Flecken da / ſo muͤſten ſie vergehn.
Roſemunde an Siegreichen.
MEin Held ſey itzt uͤmkraͤntzt von tauſend Lor -
berzweigen /
Es ſtellen Oſt und Weſt ſich zinsbar bey dir
ein /
Es muͤſſe ſich die Welt vor deinem Throne neigen /
Und aller Voͤlcker Gold dir Cron und Scepter ſeyn.
Wuͤnſcht deiner Maͤgde Magd die nichts hat zugeweh -
ren /
Und auch nichts wuͤrdig iſt: Was aber will ein Brieff /
Von87und Roſemunden.
Von ungemeiner Hand und eyfrigen Begehren /
Der heut uͤm ſieben Uhr in meine Haͤnde lieff?
Mich daucht ich ſaͤße ſchon umbzirckt von Nacht und
Schatten /
Es blickte mich kein Stern mit ſeinen Zwinckern an /
So darf ich / wie es ſcheint / faſt in ein Licht gerathen /
Dem auch die Sonne ſelbſt ſich nicht vergleichen kan.
Jch hofft ich lege nu in meiner Ruh vergraben /
Es kennte mich vielleicht der nechſte Nachtbar nicht /
So ſoll ich nunmehr ſelbſt in mir Verraͤther haben /
Und zeucht ein ſchlechtes Lied mich in das Tage Licht.
Jch weiß nicht wie mir iſt und was ich ſoll beginnen /
Ob Aug und Ohre mir die Zauberey beſtrickt /
Ob mich ein todter Schlaf hat uͤberreden koͤnnen /
Daß Siegerich mich kennt / und mir ein Schreiben
ſchickt.
Wie woll ich aber doch nicht meinen Augen trauen?
Jch wach und ſchlafe nicht / ich rede mit Verſtandt /
Jch kann den kleinen Brief erbrechen und beſchauen /
Und hoͤre dieſen Freund / den du haſt abgeſandt.
Es iſt kein Bild vor mir / ich fuͤhl ein wahres Weſen /
Jch weiß das dieſes Wachs ein hohes Siegel iſt /
Jch kuͤſſe was ich itzt von groſſer Hand geleſen /
Wie aber / daß man mich zuſchauen auserkieſt?
Mich / eine ſchlechte Magd / und arm von allen Schaͤ -
tzen /
Die ſonſten die Natur den Frauen beygelegt /
Mich / die ſich ſchaͤmen muß ſich in den Orth zuſetzen /
Wo Schoͤnheit und Verſtand zuſammen ſeyn gepregt.
F 4Mein88Liebe zwiſchen Siegreich
Mein ſchwaches Auge kan die Strahlen nicht vertragẽ /
Ein ſchlechter Zeug / wie ich / wuͤnſcht keinen hellen
Tag /
Es darf ſich ja das Wachs nicht in die Sonne wagen /
Man weiß wohl daß ein Glaß die Gluth nicht leiden
mag.
Der Schatten iſt mein Freund / dazu ich bin gebohren /
Es bleibt die Einſamkeit mein beſtes Vaterland /
Jch habe zu der Fahn der Duͤrfftigkeit geſchworen /
Und bin / wie mich bedeucht / der Welt durch nichts be -
kant;
Jch habe mich bemuͤht in mich mich zuverſchluͤſſen /
Und meine groͤſte Luſt war nicht bey Luſt zuſeyn /
Mein Geiſt hat nicht gewuͤnſcht die Pracht der Welt
zuwiſſen /
Der Einfallt ſtelt ich mich zu einer Sclavin ein.
Mein gantzes Trachten war mein Armuth zuverhoͤlen /
Mein enges Zimmer hieß ich eine weite Welt /
Der Schatten bleibet doch der Port geringer Seelen /
Und kein gemeines Fleiſch wird Goͤttern fuͤrgeſtellt.
Es will ein Held mich itzt aus meinem Lager treiben /
Und meine Freyheit ſoll nunmehr zu Hofe gehn /
Wie ſoll ein ſchwaches Kraut in frembder Lufft beklei -
ben /
Wie ſoll ein Schwefel Licht bey groſſen Fackeln ſtehn?
Wie ſoll ich arme Magd doch groſſe Herren ſpeiſen?
Jch weiß kein Keyſer Brodt / und kan kein Himmels -
Lied /
Man ſaget allzuviel von meinen ſchoͤnen Weiſen /
Jch weiß nicht / wer zu erſt auf dieſen Wahn gerieth.
Biß -89und Roſemunden.
Bißweilen hab ich zwar ein kurtzes Lied ertichtet /
So ſchlecht von Weis und Art mir gleich und aͤhnlich
war;
Es ſcheint das Sprichwort ſey nu gantz auf mich ge -
richtet /
Die Stimme bringet oft den Vogel in Gefahr.
Wiewohl mein ſchlechter Mund gewißlich nichts ge -
ſungen /
Was ſich erkennen kan der Helden Ohren werth /
So machet doch itzund der Lobſpruch frembder Zun -
gen /
Daß meinen ſchlechten Thon ein groſſes Haubt be -
gehrt.
Darff ich mich noch ein Wort zumelden unterwinden /
Jſt eine Zeile noch itzt deiner Magd erlaubt /
So laß mich Arme doch bey dir Genade finden /
Und wirf den Strahl der Gunſt doch auf ein hoͤher
Haubt.
Laß mich doch unbekand in meinem Hauſe ſterben /
Und zeuch mich Arme nicht aus meiner tieffen Nacht /
Jch mag kein ander Lob auf dieſer Welt erwerben /
Als das kein Herren Hof mich hat bekant gemacht.
Jn Wolle will ich mich und nicht in Seide kleiden /
Und warten biß mich Gott von dieſer Erden ruͤckt /
Die Amberkuchen kan ich ohne Schaden meiden /
Und meine Lenden ſeyn zum Purpur nicht geſchickt.
Mein Held ſprich mich doch loß / und laß mir meine
Huͤtte /
An mir iſt umb und umb gewißlich nichts vor dich /
Erwehle dir ein Weib vom Fuͤrſtlichen Gebluͤthe /
Kan auch was ſchlechters ſeyn / auf dieſer Welt als
Jch?
F 5Doch90Liebe zwiſchen Siegreich und Roſem.
Doch alles iſt umſonſt / mein Bitten iſt verlobren /
Mein ſorgenreicher Wunſch erreicht kein rechtes Ziel /
Mein Schreiben das verdirbt / ich ſinge harten Oh -
ren /
Der Helden Wort begehrt den Wiederſchall: Jch will.
Jhr Bitten iſt umbzirckt mit tauſend Donnerkeilen /
Das Weigern iſt vor Sie ein neuer Apffelbiß /
Jhr Wollen iſt Geboth / ihr Wincken heiſt uns eilen /
Und was unmoͤglich ſcheint / das machet uns gewiß.
Jch komme weil ich muß / doch voll von Angſt und Za -
gen /
Und mein Belieben iſt entfernt von meiner That /
Jch ſoll mich auf das Eiß des glatten Hofes wagen /
Da mancher junger Fuß vor mir geglitten hat.
Der ungemeine Glantz verblendet mein Geſichte /
Und was geſchehen kan / macht mir das Hertze kalt /
Denn bey der Hofekoſt iſt faſt kein gut Gerichte /
Und eine Jungfrau wird zu Hofe ſelten alt.
Ach Held! bedecke mich mit Fluͤgeln deiner Tugendt /
Jch laß auf dein Geboth / Geſpielen / Freund und
Hauß /
Und dir vertrau ich itzt die Roſen meiner Jugendt /
Doch laͤßt du Bluhmen ein / ſo laß auch Bluhmen
aus.
Liebe91

Liebe Zwiſchen Hertzog Tugenand und Zuchtheiminen.

HErtzog Tugenand ein Herr wegen gutes Gemuͤthes und Schoͤnheit des Leibes bey maͤnniglich beruͤhmt / hielt ſich eine ziemliche Zeit zu Keyſersburg auf. Mir iſt un - wiſſende / durch was vor Gelegenheit er / unter andern einer ſchoͤnen jungen Geſchlechterin / mit Nahmen Zuchtheimine / anſichtig war / und in ſelb - te / als bey welcher der Grundt der Tugend der Jugend Annehmligkeit nicht wenig vergroͤſſerte / ſich dermaſſen verliebete / daß er ihm ohne ſie Augſpurg zuverlaſſen nicht wohl getrauete. Auf andere Arth als durch zuvorhergehendes Ehever - buͤndnuͤß dieſer Schoͤnheit theilhafftig zuwerden / ließ die Eigenſchafft dieſes groſſen Herrns / und der erbahre Wandel des beruͤhmten ehrlie - benden Geſchlechtes nicht wol zu. Weßwegen er dann auch ordentlich umb ſie anhielt. Wie - wohl nun theils bey der jungen Tochter / theils bey deroſelben lieben Eltern / dieſes unverſehene An - ſuchen allerhand Verdacht nach ſich zog / ſo erfolge -te92Liebe zwiſchen Hertzog Tugenandte doch endlich / in Betrachtung des Hertzogs un - tadelhafften Wandels / ein ſchuldiges Jawort / und oft erwehnte beruͤhmte Geſchlechterin / ward dieſen groſſen Helden / zwar mit Mißbehagen ſei - nes Herrn Vatern verehlichet. Jhre Ehe ward gluͤckſeelig / fruchtbar / und langwierig / wie ſie dann in anmuthiger Einbahrung der Gemuͤther zwantzig Jahr zuſammen gelebet / und unterſchie - dene Kinder gezeuget.

Tugenand an Zuchthei - minen.
L Zuchtheimine dich mein Siegel nicht er -
ſchrecken /
Und nenne meine Hand nicht einen frembden
Gaſt /
Der Adler / den du ſchauſt / der kan dich nicht beflecken /
Er wird dir unterthan / weil du ſein Hertze haſt.
Er will dich wo er kan / der Sonne gleiche fuͤhren /
Mein Fluͤgel ſoll ein Schild fuͤr deinen Feinden ſeyn /
Er will dein ſchoͤnes Haubt mit einer Crone ziehren /
Fuͤr der ſich ſcheuen ſoll der goldnen Sternen Schein.
Jch kenne deine Zucht / und mache mir Gedancken /
Daß Zuchtheimine nicht wird ohne Schrecken ſtehn /
Sie iſt ſo ſehr vertieft in ihrer Keuſchheit Schrancken /
Und will auf dieſer Bahn mehr als behutſam gehn.
Sie nennet Buhlerey den Fall Strick zarter Jugendt /
Sie ſchaut ein geiles Aug als einen Jrrwiſch an /
Sie93und Zuchtheiminen.
Sie haͤlt ein freches Wort vor Raͤuber wahrer Tu -
gendt /
Und meinet daß ein Traum ſie auch beflecken kan.
Die Bluhme ſo von Lieb und brennen wird genennet /
Jſt ihr den Dornen gleich und nicht vor ihren Krantz /
Sie meint das Liebeſtuͤck als eine Neſſel brennet /
Und heißt den Venus Stern die Fackel ohne Glantz.
Doch Zuchtheimine laß Verdacht und Kummer fah -
ren /
Die Flamme die mich treibt / iſt reine gleich wie du /
Nicht pruͤfe ſo genau / hier ſeyn nicht falſche Wahren /
Es leget der Betrug hier kein Gewichte zu.
Es ſoll mir mehr an dir als Fleiſch und Blut behagen /
Jch weiß die Schoͤnheit iſt ein Gauckelſpiel der Zeit /
Wir ſchauen ſie vor uns faſt ſtets zu Grabe tragen /
Und machen uns zur Gruft derſelben Eitelkeit.
Ein ungeſchmuͤckter Schmuck / die Gleichheit der Ge -
berden /
Ein Firnisloſes Werck / mit Amber unvermengt /
Ein Blick / der niemahls will durch Kunſt verbeſſert
werden /
An dem die Einfalt noch mit beyden Armen haͤngt.
Ein Purpur / welchen Scham / nicht Kunſt hat ange -
ſtrichen /
Ein Schnee der feurig iſt und keine Huͤlffe kennt /
Ein Gang von welchem nicht die Sitſamkeit gewichen /
Ein Auge ſo von Scham und nicht vor Liebe brennt.
Ein himmelreiner Geiſt / wiewohl mit Zucht vermaͤh -
let /
Ein keuſches Freundlich ſein / darauß die Tugend lacht /
Ein94Liebe zwiſchen Hertzog Tugenand
Ein Sinn ſo vor den Witz nur ſeine Fehler zehlet /
Und ſich durch dieſes auch zu einem Engel macht.
Dieß iſt der feſte Grund von meinem reinen Feuer /
Kein geiler Schwefel hat denſelben mir erweckt /
Du haſt (ſag ich zuviel?) O ſchoͤnes Ungeheuer /
Durch keuſche Funcken mir die Geiſter angeſteckt.
Die Gluth nun / ſo von dir / mir in das Bluth geflogen /
Lauft als ein neuer Gaſt verwoͤrret hin und her /
Sie noͤtigt mich zu dir / ich werd itzund gezogen /
Mit mir bey dir zuſeyn iſt eintzig ihr Begehr.
Ein Trieb von Ungedult / ein unbekanter Schmertzen /
Den ich nicht nennen kan / entfuͤhrt mich ſelber mir /
Mein Geiſt beweinet mich / und wuͤnſcht mit dir zuſcher -
tzen /
Wann ich entſchlaffen bin ſo ſprachet er von dir.
Er baut alsdann vor dich ein Luſthauß von Jeßminen /
Wo keine Liebligkeit und hohe Macht gebricht /
Er wuͤnſcht bey deiner Luſt zu Tiſche dir zudienen /
Und alle ſeine Krafft iſt nur auf dich gericht.
Er heiſt mich manchesmahl dich in den Schlafe kuͤſ -
ſen /
Was kuͤß ich? ſchlechten Wind; was faß ich? duͤnne Luft;
Wann ich erwachet bin / ſo muß ich ſolches buͤſſen /
Und werde wie ein Wild / ſo nach dem Waſſer ruft.
Erwege meine Noth geliebte Zuchtheimine /
Verbirg dein Auge nicht / entzieh nicht deine Handt /
Und glaube daß ich dir mit vollem Hertzen diene /
Wilſtu verſichert ſeyn / erforderſt du ein Pfandt.
Mein Hertze wolt ich dir zwar itzt zum Geiſſel geben /
Doch wie zuvor geſagt / du haſt es mir entfuͤhrt /
Und95und Zuchtheiminen.
Und dencke / wo ein Menſch kan ohne Hertze leben /
Das keinem mehr als dir / was uͤbrig iſt gebuͤhrt.
Drum ſchreib ein ſuͤſſes Wort / und laß dir diß belieben /
Was meine treue Hand dir hier zuwiſſen macht /
Mich heiſt die Lieb / und dich die Ehre nicht verſchie -
ben /
Tritt Zuchtheimine doch aus der gewoͤlckten Nacht.
Tritt an das Sonnen Licht O Sonne meiner Sinnen /
Mein Bluth ſtreicht dein Geſchlecht mit neuen Farben
an /
Soll denn alleine dich der Ruhm nicht beugen koͤnnen /
Der ſonſt das Frauen Volck ſo leicht bezaubern kan?
Jch zeige keine Gunſt die nur will heute wehren /
Und wie manch Fligen-Wurm ſich nur zwoͤlf Stunden
ſpeiſt /
Der Faden meiner Treu / der laͤſt ſich nicht verzehren /
Und wilſt du mehr als diß / dir ſoll was ehlich heiſt;
Du ſolſt in meiner Schoß nicht mit Verachtung ſitzen /
Mein Stammbaum wird dich ſehn auf ſeinen Aeſten
ſtehn /
Dich will nicht Tugenand durch leichte Brunſt erhi -
tzen /
Du wirſt mit ihm zu Bett und auch zu Grabe gehn.
Ein gleiches Ja und Nein ſoll unſern Geiſt ergetzen /
Ein Joch von Einigkeit des Himmels zugericht /
Wird in das Paradiß der Freuden uns verſetzen /
Da tauſend Engel ſeyn / und keine Schlange ſticht.
Erwege was ich will / und laß die reinen Flammen /
Durch einen heiſſen Zug nunmehr verflochten ſeyn /
Der Himmel fuͤhret uns durch ſeine Krafft zuſammen
Wer ſtellt / wenn dieſer ſchaft / nicht alles Weigern ein?
Ein96Liebe zwiſchen Hertzog Tugenand
Ein kraͤfftenreicher Stern der heiſt mich dich umfan -
gen /
Der irret / wer zufrech dem Himmel wiederſpricht /
Denn er muß ſeinen Schluß / ich ſeine Gunſt erlangen /
Und denck auf dieſes Wort: die Liebe feyret nicht.
Ließ wohl und liebe wohl / weil dein Geluͤcke bluͤhet /
Was dich erheben ſoll / das ſteht in deiner Handt /
Jch bin von wegen dein mehr als du denckſt bemuͤhet;
Schreib nur vier Woͤrter hin: Jch will wie Tugenand.
Zuchtheimine an Tugenand.
EJn Brieflein deiner Magd faͤllt hier zu dei -
nen Fuͤſſen /
Und wuͤnſchet: Tugenand ſey alles Seegens
voll /
Weil du mir es geſchafft / ſo hab ich ſchreiben muͤſſen /
Sonſt weiß ich / das ich nicht mit Fuͤrſten reden ſoll.
Jch bin wie dir bewuſt von gar geringen Stande /
Und weiß nicht was ein Brief ſo groſſer Hand begehrt /
Man ehrt als einen Gott dich in den Deutſchen Lande /
Jch aber bin gewiß nicht deiner Knechte werth.
Jch ſchreibe wie geſagt / doch mit verwoͤrrten Sinnen /
Jch bin nicht Adlers Art / mich blend der Sonnen Licht /
Jch weiß nicht wie mir iſt / und waß ich ſoll beginnen /
Vor Strahlen deiner Gunſt kenn ich mich ſelber nicht.
Ein groſſer Hertzog ſoll ein arme Magd erkieſen /
Die keinen andern Schmuck / als Tugend in ſich fuͤhrt /
Von Stande ſchlecht beruͤhmt / von Schoͤnheit unge -
prieſen /
Von Weißheit unbekandt / von Reichthum ungeziehrt.
Scham /97und Zuchtheiminen.
Scham / Furcht und auch verdacht laͤſt mich nicht
Worte finden /
Daß ich wie ſichs gebuͤhrt recht Antwort ſchreiben kan;
Wem Angſt und Bloͤdigkeit die ſchwachen Finger bin -
den /
Der greift die Feder nur mit groſſen Zittern an.
Es traͤget mir itzund dein wohlgeziehrtes Schreiben /
Die Bluhmen hoher Gunſt in Ruhmes Schalen fuͤr /
Laß dich zu deiner Magd doch nicht die Liebe treiben /
Denn was du haſt geruͤhmt / das findſt du nicht allhier.
Es ſoll der Purpur ſich mit Purpur nur vermaͤhlen /
Den beſten Ring beſchaͤmt ein falſcher Diamant /
Jch weiß dein Bitten iſt ein hoͤffliches Befehlen /
Doch glaub / ich bin zuſchlecht vor eines Fuͤrſten Handt.
Das Hauß von Sonnenreich ſo ſchwer von Cronen
worden /
Und dem der Purpur Rock faſt angebohren iſt /
Vergiſt ſich endlich ſelbſt / und ſeinen hohen Orden /
Jn dem mich Tugenand vor andern auſſerkieſt.
Jch weiß nicht was ich wohl ſoll fuͤr Gedancken fuͤhren /
Und ob dein Feuer nicht zu meinem Schimpffe brennt;
Oft pflegt der Ehrenkrantz die Bluhmen zuverliehren /
Wenn eine ſchlehte Magd die groſſen Herren kennt.
Ein Tritt in unſer Hauß von ſolchen hohen Fuͤſſen /
Jſt ein Genaden Werck / begleitet mit Verdacht /
Der Mund ſo heute ſich laͤſt einen Fuͤrſten kuͤſſen /
Wird morgen Kinder Spott und hoͤniſch ausgelacht.
Jhr Gold macht oftermahls uns arm an Lob und Ehre /
Ein Strahl von ihrer Gunſt verzehrt oft unſern Ruhm /
Was hilfft es / das ich mich verdaͤchtig loben hoͤre /
Es iſt entlehntes Werck / und nicht mein Eigenthum.
GWie98Liebe zwiſchen Hertzog Tugenand
Wie manch erlauchter Kuß hat Bluhmen weggeriſſen /
Wo Neſſeln mit der Zeit dafuͤr gewachſen ſeyn.
Und manche muß itzund mit heiſſen Thraͤnen buͤſſen /
Daß ſie ſich hat erwaͤrmt an groſſer Sonnen Schein.
Darf meine Kuͤhnheit noch was mehrers hier vermel -
den /
Die Lieb iſt voll Gefahr / die Macht und Waffen traͤgt /
Die Keuſchheit wird zu nichts fuͤr einen edlen Helden /
Der auf Verweigerung bald einen Krieg erregt.
Da Ja muß Schuldigkeit / und Nein Verbrechen heiſ -
ſen /
Und deſſen Traum alsbald in Wercke wird verkehrt /
Der wegen ſeiner Luſt nur will den Krantz zerreiſſen /
Und durch der Liebe Gluth oft ſich und uns verzehrt.
Da ſchaut man / daß alsdenn von groſſer Herren Feuer
Nichts / als der Ruß verbleibt / der unſern Nahmen
ſchwaͤrtzt /
Gedencke Tugenand / ein Kuß iſt allzutheuer /
Der unſre Ehre nim̃t / wenn er hat ausgeſchertzt.
Dann kan man unſern Spott an allen Waͤnden leſen /
Und unſer Nahme muß der Luſt zu Dienſte ſtehn /
Ja wo ein ſolcher Held vor dieſem iſt geweſen /
Da will alsdenn ein Knecht nicht wohl zu Bette gehn.
Vergieb mir / was ich itzt aus freyer Einfalt ſchreibe /
Die Fruͤchte / ſo du ſchauſt / die haſtu aufgebracht /
Und dencke / dieſer Brief der komt von einem Weibe /
Die dein Erniedrigung hat allzukek gemacht.
Jch gruͤnde mich nun gantz / mein Fuͤrſt / auf deine Tu -
gendt /
Du heiſt bey iederman ein Spiegel dieſer Welt /
Jch99und Zuchtheimine.
Jch muß dir ſtille ſtehn / ſofern in meiner Jugendt /
Wo nichts zu etwas wird / dir etwas wohl gefaͤllt.
Jch hoffe deine Gunſt / die wird mich nicht beflecken /
Denn wie die Sonne ſchwaͤrtzt / und doch auch bleichen
kan /
So wirſtu einen Strahl der Keuſchheit auf mich ſtre -
cken /
Mich deucht er ſtreicht mich ſchon mit edlern Farbẽ an
Jch laſſe Gott nunmehr und deine Tugend walten /
Jſt dieſes nechſt bey mir / ſo leb ich Kummers frey;
Jch weiß du erachteſt mehr dein Ehre zu erhalten /
Als wie dein Liebes Wunſch recht zuerreichen ſey.
Was Eh und Ehrlich heiſt / haſt du mir zugeſaget /
Ein wort von deiner Hand iſt mir ein theurer Eydt /
Jch muß gehorſam ſeyn / weil dir es ſo behaget /
Und du Belieben haſt an meiner Duͤrfftigkeit.
Man wird mir zwar alsdenn ein ſcheles Auge zeigen /
Und dencken Sonnenreich ſey viel zu hoch vor mich.
Ja deinem Vater will diß Werck zu Hertzen ſteigen /
Er ſaget: Tugenand will itzund unter ſich;
Jch werde neben dir manch ſchnoͤdes Urtheil hoͤren /
Doch unverdienter Haß iſt wohl gegruͤndter Ruhm;
Und ein vergaͤlltes Wort / das wird mich nicht verſeh -
ren /
Bleibt deine hohe Gunſt nur ſtets mein Eigenthum.
Jtzt hoff ich mehr Befehl von deinen werthen Haͤnden
Und ſchluͤſſe mich nun gantz in deinen Willen ein /
Ein Geiſt / der zuͤchtig iſt / den kan ich uͤberſenden /
Sonſt weiß ich keinen Schatz / der um mich konte ſeyn.
Jtzt hoͤre noch ein Wort von deiner Zuchtheimine /
Weil ich nicht zweiffeln kan an dem / was du geſagt /
G 2So100Liebe zwiſchen Graf Friedenheim
So ſchwer ich daß ich dir mit gantzem Hertzen diene /
Und will mein Tugenand / ſo ſterb ich ſeine Magdt.

Liebe Zwiſchen Graf Friedenheim und Fraͤulein Sittenoren.

GRaf Friedenheim ward von ſeinem Her - ren Vater ziemlich jung in eines vorneh - men Koͤniges Hof gethan / deſſen hohe Gunſt er alsbald wegen ſeiner Tugend und ſon - derbahren Geſchickligkeit in damahls uͤblichen Ritterſpielen ihm zu eigen machte. Wie nun freudige Gemuͤther der Liebe mehrentheils etwas naͤher / als andere zugraͤntzen pflegen / alſo begab ſich gleichfals / daß Graf Friedenheim ſich in Sit - tenoren des Koͤnigs Fraͤulein Schweſter verlieb - te / die dann auch ziemlich merckliche Gegenge - wogenheit blicken zulaſſen nicht Bedencken trug. Weil denn dazumahl der Koͤnig entſchloſſen / ſich aus ſeinen Erblanden nacher Sicilien ſeiner Re - gierung halben zuerheben / als ſchien Graf Frie - denheim dieſe wenige Trennung / beſonders weil ihm ein abſonderliches Schiff zu ſeiner Reiſe ange -wieſen101und Sittenoren. wieſen worden / unertraͤglich zu ſeyn. Welchen Schmertz dann die unterſchiedlich erſchollenen Reden nicht wenig vermehreten / als wenn hoch - ermeldte Fraͤulein dem verlebten Koͤnig Erimal in Silutanien vermaͤhlet werden ſolte. Wes - wegen dieſer junge Fuͤrſt aus Trieb ſeiner inbruͤn - ſtigen Liebe einen Brief an die Fraͤulein abgehen ließ / darin er ſich uͤber ſein Ungluͤcke beklaget / der Trennung auf der See ſchmertzlich gedencket / vor andern aber ſeinen Eyfer gegen obgedachten Koͤ - nig klar an Tag giebet / mit angehengter Bitte / daß ſie ihren Zuſtand wohl uͤberlegen und reiff - lich erwegen ſolte / ob es nicht thulicher were / mit ihm in Deutſchland zuverbleiben / als ſich der Rei - ſe und viel daraus erwachſenden Ungelegenheit zu unterwerffen. Die Fraͤulein ſo bald ſie den Brief uͤberkommen / ſtecket ſie ihn ſchleunig zwiſchen die Bruͤſte / nichts mehr wuͤnſchende / als eine be - queme Gelegenheit / ſolchen mit guten Nachden - cken zuuͤberleſen. Jch weiß nicht wie ſolches Beginnen eine fuͤrnehme Cammer-Frau / mit Nahmen Theiſa / der ſonſt die Fraͤulein die ge - heimſten Sachen zuvertrauen pflegte / innen wor - den / ſo ſolches alſobald dem Herren von Sifer / unter welchen Koͤnig Carl gaͤntzlich aufgewach - ſen / und dieſer mit vielen Umſtaͤnden / was aus ſo - thaner Vertrauligkeit endlich werden wuͤrde /G 3dem102Liebe zwiſchen Graf Friedenheimdem Koͤnige ſelbſten / als der Fraͤulein Herrn Bruder zuwiſſen machte. Der Koͤnig gehet al - ſobald zu der Fraͤulein Schweſter Zimmer / reiſt ihr den Brief von den Bruͤſten hinweg / uͤberlieſet ihn / und wuͤrde / wenn er nicht mehr Vernunfft / als Eyfer gehabt haͤtte / wunderlich in der erſten Hitze verfahren ſeyn. Nach reiffer Erwegung aber / daß nichts verſaͤngliches in gedachten Schreiben enthalten / und alles in den Schran - cken ehrlicher Liebe geblieben / ward dem Grafen / iedoch mit gutem Glimpf der Abſchied gegeben / das Fraͤulein aber in Spanien gefuͤhret / da ſie ih - res ſo hoch geliebten Grafen vergeſſen / auch erſt - lich dem Koͤnig Erimal / und hernach dem Koͤnig in Ligalen vermaͤhlet worden iſt.

Friedenheim an Sittenoren.
DEin Friedenheim ſchreibt hier / geliebte Sit -
tenore /
Der mehr itzund in dir als in ihm ſelber lebt /
Komt gleich mein Seuffzer dir nicht ſtuͤndlich
vor das Ohre /
So ſchwer ich daß mein Hertz an deinem Hertzen klebt.
Jch lebe nur in dir und bin mir abgeſtorben /
Jch bin dem Monden gleich der ohne Sonn erblaſt /
Biſt du zu weit von mir / ſo bin ich auch verdorben /
Wie leb ich ohne dich / die du mein Hertze haſt?
Doch103und Sittenoren.
Doch mag ich nicht zuviel von meiner Liebe ſagen /
Mein Auge das verrieth dir erſtlich meine Pein /
Und was ich dir hernach verſtaͤndlich fuͤrgetragen /
Das wird dir ja nicht mehr verborgen koͤnnen ſeyn.
Du weiſt wie offte mir ein heiſſer Blick entgangen /
Wann ich die Lantze dir zuehren eingelegt /
Jch hoffte dazumahl ein Kleinod zuerlangen /
Jn das der Himmel ſelbſt ſein Bild hat eingepregt.
Dein ſchoͤnes Auge gab dem Pferde Muth und Fluͤgel /
Es machte mich behertzt / und meine Lantze ſcharf /
Es fuͤhrte mehr als ich die wunderleichten Zuͤgel /
Jn dem ich mein Geſicht auf deine Bruͤſte warf:
Jch weiß wie offte mich dein Namen hat verrathen /
Und nur das leichte Blut zum Schimpf herauf ge -
bracht /
Du wahreſt Fuͤhrerin von allen meinen Thaten /
Mein Sinnen war auf nichts / als nur auf dich bedacht.
Jch ſchwur auf deine Treu / ich hoffte hier zuſterben /
Jch wolte Jaſon ſeyn / bey dir / mein golden Fluͤß /
Gedancken ohne Frucht! Jch fuͤhle mein Verderben /
Und meine Hoffnung kriegt hier einen Todes Riß.
Ein unverhoffter Schluß / der uͤberall erſchollen /
Jagt meinen Hertzen itzt den Froſt des Schreckens ein /
Es ſcheinet / daß die Luſt ſo vor aus mir gequollen /
Mir frembde werden will / und nicht kan Nachbar ſeyn.
Wir ſollen auf die See durch tauſend wilde Wellen /
Doch dieſes Waſſer leſcht der Liebe Feuer nicht /
Jch darf mich zwar allhier nicht wohl zu dir geſellen /
Doch ſchau ich warlich kaum / was unſern Fuͤrſatz
bricht.
G 4Jch104Liebe zwiſchen Graf Friedenheim
Jch ſoll mich in ein Schiff weit weit von dir begeben /
Das gehet nur den Leib und nicht die Geiſter an /
Mein Wunſch und Seuffzer ſoll in deinem Seegel
ſchweben /
Jch lobe deſſen Macht / der diß verwehren kan.
Stalitien / ſo Schaͤtz und ſuͤſſe Fruͤchte zieren /
Da nur der Fruͤhling will in den Jeßminen gehn /
Das wird mich wiederum zu dieſen Roſen fuͤhren /
Die in dem Himmel Thau der ſuͤſſen Lippen ſtehn.
Jch werd alsdann mit Luſt dein helles Auge ſchauen /
So meiner erſten Brunſt getreuer Leitſtern war.
Was ſoll ich aber doch ein Schloß der Hoffnung bau -
en /
Gegruͤndet auf den Sand der ſchlipfrigen Gefahr?
Das reiche Boleniß erſchuͤttert meine Glieder /
Der alte Velemon will deiner Tugend bey /
Es ſcheint / dein Bruder ſelbſt / iſt meiner Luſt zuwider /
Und glaubt / daß Reichthum mehr als reine Tugend ſey.
Mich deucht ich ſchaue ſchon das Silber ſeiner Haare /
Geflochten in dein Gold / dem Gold auch ſelber weicht /
Das Lieben iſt vor dich / ihm dienet eine Bahre /
Jch weiß nicht wie dein Lentz ſich ſeinẽ Winter gleicht.
Es macht der alte Greiß mir Sturm in meinen Sin -
nen /
Und richtet Schiffbruch auch auf trucknen Lande zu /
Ach Sittenore kom und endre dein Beginnen /
Jn Boloniße bluͤht dir nicht der Baum der Ruh.
Gold iſt ein todtes Ertzt / und Perlen ſeyn die Thraͤnen /
So die erzuͤrnte See zu Steinen hat gemacht /
Was105und Sittenoren.
Was wiltu Fraͤulein dich nach ſolchen Sachen ſeh -
nen /
Da nichts als nur Verdruß und duͤrrer Eyfer wacht.
Das Wagen macht den Sieg / laß Rein-Land dir be -
lieben /
Laß doch dein Auge ſich nicht blenden Glantz und
Schein /
Vertraue dich nur mir / wir muͤſſen nicht verſchieben /
Laß Lieb und meine Hand nur deine Fuͤhrer ſeyn.
Vergleicht ſich Traubenach nicht Boleniſſens Schaͤ -
tzen /
Komt mir kein reiches Schiff aus einer fremden Welt /
So wird die gleiche Lufft des Landes dich ergetzen /
Das Gold und Silbers werth in gruͤnen Armen haͤlt.
Laß Friedenheimes Treu vor Perlen dich uͤmkraͤntzen /
Denn meine Seele trotzt den harten Diamant /
Nicht nenne Leidenberg / dir unbekante Graͤntzen /
Jch oͤffne dir mein Hertz / und auch mein gantzes Land.
Die Reben ſollen ſich zu deinen Fuͤſſen neigen /
Die Fluͤſſe bieten dir den naſſen Ruͤcken an /
Kraut / Bluhme / Stand und Baum ſoll dienſtbar ſich
erzeigen /
Und wie ihr treuer Herr / dir werden unterthan.
Doch koͤnnen wir itzt nicht des Himmels Fuͤrſatz zwin -
gen /
Und muß ich gehn / wohin mich das Verhaͤngnuͤß
lenckt /
So wollen wir den Geiſt doch mit Gedult beſchwingen /
Wer weiß es / ob nicht Gott auf unſer Beſtes denckt.
G 5Oſt106Liebe zwiſchen Graf Friedenheim
Oſt ſchaut man wie der Sturm ein Schiff in Hafen
treibet /
So vor auf gleicher See ein Wind zuruͤcke hielt /
Wohl dem der mit Geduld bey deſſen willen bleibet /
Der auch der Menſchen Zorn wie wilde Wellen ſtillt.
Der Dorn ſo heute ſticht / kan morgen Roſen bringen /
Wann ein geneigter Blick von oben her ſich regt / (gen /
Die Sonne ſchaut man offt aus einer Wolcken drin -
Die / wie man meinet / nichts als Donner mit ſich traͤgt.
Trennt Schiff und Schiff uns gleich auf wuͤſter See
vonſammen /
Und ſchau ich gleich alsdann dein helles Auge nicht /
So brennet doch die See von unſern Liebes Flammen /
Die durch die Bruſt der See und tauſend Stuͤrme
bricht.
Mir ſcheint noch allezeit der Hoffnung leichte Kertze /
Jch ſchiffe wo ich muß / und liebe wo ich will /
Mein Schiff fuͤhrt meinen Leib / und dieſes fuͤhrt mein
Hertze /
Denn Sittenore bleibt mein Hafen und mein Ziel.
Sittenore an Friedenheim.
MEin Freund / ach gute Nacht! was ſag ich gut?
was meine?
Weil du mich haſſen ſolſt / und ich dich laſſen
muß?
Der Himmel wolle doch daß meine Feder weine /
Und dir verkuͤndige des Jammers Uberfluß.
Ein Wetter voller Angſt zeucht uͤber mir zuſammen /
Es ſtuͤrmt das Ungemach aus Nord / Sud / Oſt u. Weſt /
Jch107und Sittenoren.
Jch ſchaue ſonſten nichts / als Donner / Blitz uñ Flam -
men /
Ach daß der Himmel mich dergleichen melden laͤſt!
Der angenehme Brief / den du mir haſt geſchrieben /
Ligt itzt zu unſern Spott in Bruder Carles Handt /
Dein Brief und meine Bruſt verrathen unſer lieben /
Und was verborgen lag / wird aller Welt bekannt.
Dein Schreiben ſchwaͤrtzt der Hof mit giftigen Ge -
dancken /
Der Neid geuſt uͤberall gefaͤhrlich Oele bey /
Es glaubt nicht iederman / daß unſrer Liebe Schran -
cken /
Zugleich ein Paradieß der Luſt geweſen ſey.
Man kraͤncket Silb und Wort mit doppelten Ver -
ſtande /
Man leget ab und zu / und preſt die Falſchheit aus /
Dein Lieben heiſt man Liſt / und meines heiſt man
Schande;
Ja vieler Hoffarth nach / befleckſt du unſer Hauß;
Es ſchlaͤgt der gantze Hof fuͤr mir die Augen nieder /
Mein Frauen Zimmer ſelbſt ſpricht mich mit Furchten
an /
Es ſcheinet Sonn und Luft die werden mir zuwider /
Doch bleibet diß mein Troſt / ich habe nichts gethan.
O hartes Donner Wort / ich ſoll dich gaͤntzlich haſſen /
Du ſolſt forthin nicht mehr ins Koͤnigs Zimmer gehn!
Ach wolte mich der Arm des Todes doch umbfaſſen /
Und koͤnt ich in der Gruft der lieben Aeltern ſtehn!
Hand und auch Feder ſinckt aus Schwachheit zu der
Erden /
Jch mercke wie die Kraft zum Schreiben mir gebricht /
Und108Liebe zwiſchen Graf Friedenheim
Und ſo die Tinte mir zu fahl beginnt zuwerden /
So dencke nur ſie wird auß Thraͤnen zugericht.
Es ſcheidet uns die Noth: du ſolt in Deutſchland rei -
ſen /
Und ich ſoll ohne dich in meines Brudern Landt /
Kanſt du nicht Leit Stern ſeyn und mir die Straſſe
weiſen /
So lauft mein ſchwaches Schiff auf Klippen und
auf Sand.
Mir traͤumet albereit von Brauſen / Sturm und Wel -
len /
Es zeiget mir der Schlaf was Wind und Wetter kan /
Verachtung / Angſt und Furcht ſeyn meine Schifs -
Geſellen /
Die Thraͤnen melden mir ſchon einen Schifs Bruch
an.
Doch glaube / muß ich gleich dein ſchoͤnes Auge mei -
den /
Und reiſt ein groſſer Spruch den treuen Fuͤrſatz ein /
So ſolſt du dennoch nicht aus meinem Hertzen ſchei -
den /
Denn dieſes ſoll ein Schif vor dich alleine ſeyn.
Hier ſolſt du neben mir durch Fluth und Wellen drin -
gen /
Was ſag ich neben mir? ja in mir ſelber ſtehn /
Man kan mir zwar den Leib doch nicht die Geiſter /
zwingen /
Des Koͤnigs harter Schluß weiß nicht ſo tieff zugehn.
Wir koͤnnen ungeſtoͤhrt uns im Gemuͤth ergetzen /
Und hier verknuͤpffet ſeyn / wiewohl man uns getrennt /
Wir109und Sittenoren.
Wir koͤnnen unſre Luſt auf eine Tafel ſetzen /
Die ſich den hohen Trutz des bleichen Todes nennt.
Hier weiß man nichts was ſonſt muß Zwang und
Trennung heiſſen /
Hier iſt der Wittwer Stand ein unbekantes Ding /
Es kann kein Helden Arm des Geiſtes Band zerreiſſen /
So von dem Himmel ſelbſt entlehnte Krafft empfing.
Kein Herrſcher dieſer Welt iſt Herrſcher der Gedan -
cken /
Die Freyheit hat allhier ihr rechtes Vaterland /
Jn dieſem zeiget ſich der Liebe gruͤner Schrancken /
Und was man hier veruͤbt wird keiner Welt bekannt.
Der wunderreiche Platz verachtet die Geſetze /
Stand / Reichthum / Majeſtaͤt / iſt ihm ein Gauckel -
Spiel /
Die Freyheit ſo ihn ziehrt iſt mehr als tauſend Schaͤtze /
Wann alles dienen muß ſo thut er was er will.
Was aber ſpeiß ich mich mit Schatten / Dunſt und
Winde?
Und baue mir ein Schloß hoch in die weite Lufft?
Was mach ich mich itzund mit Fleiß zu einem Kinde?
Und lache wenn die Noth mich in ihr Netze ruft.
Dieß iſt ein Gauckel Spiel der innerlichen Sinnen /
Des Geiſtes Kuͤtzelung und klahrer Selbſtbetrug /
Weil ich dich / treuer Freund / nicht mehr ſoll ſchauen
koͤnnen /
So hat mein Aug und Geiſt zutrauren rechten Fug.
Jch ſoll in dieſer Welt nicht mehr zu dir gelangen /
Ein Abſcheid dieſer Arth iſt ja ein rechter Todt /
Dich ferner nicht zuſehn / zuhoͤren / zuempfangen /
Schmeckt nach der Hoͤllen Pein und nach der letzten
Noth.
Was110Liebe zwiſchen Gr. Friedenh. u. Sittenor.
Was hilft des Geiſtes Bild und alles Angedencken?
Bild bleibet nur ein Bild / Gedancken ſpeiſen nicht /
Kan ſich mein Auge nicht forthin auf deines lencken /
So werd ich durch das Schwerdt des Sehnens hinge -
richt.
Das Schwerd / ſo ich gedacht / dringt ſchon auf meine
Seele /
Mich druͤcket albereit die lange Todes Nacht;
Wo kann mir beſſer ſeyn als in der kalten Hoͤle /
Dahin ſich nicht der Tag mit ſeinen Strahlen macht?
Genug! geliebter Freund; die leichten Seegel pauſen /
Man ruft: der Wind iſt gut; Ach! alzu gut vor mich /
Jch macht itzt einen Schertz aus aller Winde ſauſen /
Und reiſte wolgemuth und froͤlich / ſchaut ich dich!
Man rufft mir; ſolt ich dich doch auch zu Schiffe ruf -
fen /
Vergebens! anders nichts / als Liebſter lebe wohl!
Jch ſey auch wo ich ſey / ſo kanſtu ſicher hoffen /
Daß deiner nimmermehr vergeſſen werden ſoll.
Dein Tugendhaffter Schertz und tauſend andre Ga -
ben /
Die nicht zuzehlen ſeyn / beſitzen meinen Geiſt /
Du kanſt um deinen Ruhm noch das Geluͤcke haben /
Das mehr als Hybla dir zu dienen ſich befleiſt.
Jch weiß kein Wort nicht mehr / man loͤſet itzt die Stuͤ -
cke /
Jch ſtelle mein Pappier getreuen Haͤnden ein /
Der Himmel kroͤhne dich forthin mit mehr Geluͤcke /
Als Thraͤnen in den Brief allhier gefallen ſeyn.
Liebe111

Liebe Zwiſchen Hertzog Tibald und Lettice von Hort.

UNter Hertzog Tibalds Frauen Zimmer / mit welchen ſeine Gemahlin zum Uber - fluß verſehen war / befand ſich auch eine A - deliche Jungfrau / mit Nahmen Lettice von Hort; Sie war die Sonne unter den andern / die bloͤde - ſten Augen erkieſeten hier etwas ſonderbahres / und es ſchien / die Natur haͤtte verſuchen wollen / was ihre Hand / wann ſie alle ihre Kraͤften dar - ſtrecket / hervorzubringen vermoͤchte; Der Her - tzog fieng ſelbſt etliche gefaͤhrliche Funcken / und es wehrete nicht lange / daß er ſich mit der hitzigen Kranckheit angeſteckt befand / ſo wir den erfahr - neſten Aertzten und beſten Freunden nicht leicht - lich zuentdecken pflegen. Er eroͤffnete ſein Anlie - gen derjenigen ſo es verurſachete / und es ließ ſich anſehen als wann ſolche allbereit eine Ehre ſuche - te / ihre Hertzogin bey guter Gelegenheit zuver - treten. Fuͤr den Augen des Hofes / beſonders der Gemahlin merckte der Hertzog leicht / das es un - moͤglich ſein wuͤrde / ſonder boͤſen Nachklang / ſei -nen112Liebe zwiſchen Hertzog Tibaldnen Flammen ferner freye Luft zugeben; ſolche a - ber auch in dem engen Behaͤltniß des Hertzens laͤnger zubeſchluͤſſen / war ihm ein wenig ertraͤgli - cher / als die Hoͤllen Pein. Wie ſinnreich iſt aber die Liebe? Auf gutachten des Hertzogs bittet ob - genente Jungfrau Erlaubnuͤs ihre liebe Eltern zu - beſuchen; Pferd und Wagen werden fertig ge - halten. Sie machet ſich auf die Reiſe / wird aber alſobald / ohne iemahls ihrer Eltern Hauß zube - ruͤhren / in ein Fuͤrſtliches Schloß auf dem Lande gebracht. Der Haubtmann ſelbigen Orthes / der ſchone gewiſſen Befehl deſſentwegen uͤberkom - men / empfaͤhet ſie freundlich / und ordnet ihr etzli - che vertraute Frauen zu. Es ward aber kurtz zu - vor aus Schnitz Werck ein Bild zugerichtet / ſo an Augen Hals und Bruſt der krancken vollkom - men aͤhnlich ſahe. Das uͤbrige theil ſo Leib ſeyn ſolte / war nichts anders als ein Hembde mit Wol - le und andern Zeuge kuͤnſtlich ausgeſtopft. Die - ſes Bild ſo ich itzt beſchrieben / wird / als ſich nie - mand fremdes bey der Krancken befindet auf die Erde geleget / und zum Uberfluß bald ein Ge - ſchrey gemacht / Lettice von Hort / welche ſich un - terdeſſen in einem verborgenen Zimmer verſchloſ - ſen / ſey ploͤtzlich verſchieden; Der Schloß Haubt - mann / ſo Meiſter des gantzen Spiels war / befieh - let ſchleunig einen Sarg zubeſtellen / und die ver -mein -113und Lettice von Hort. meinete Leiche als man ſie zuvor wohl geraͤuchert und den Fuͤrwitz zuverjagen / außgeſprenget hat - te / die Todte were in der Peſt geſtorben / wird auf die Bahre gebracht. Jn allen Hertzoglichen Schloͤſſern werden Leichgepraͤnge anſehnlich ge - halten / wie dann auch der Hertzog zuſamt der Ge - mahlin uñ gantzen Hofſtadt ſich in Leidkleidern ſe - hen laſſen. Unterdeſſen / weil dis / was nicht geſtor - ben / zur Erden beſtattet wirdt / beginnet obgemel - te Schoͤne erſt recht zuleben. Jhr Hertzog nimt Gelegenheit ſeiner Geliebten kraͤftiglich die Flam - men zuentdecken / und wiewohl die Gemahlin / wie verborgen auch dieſes Spiel gefuͤhret war / mit Un - willen endlich dieſen Handel verſtanden / hat ſie doch nicht erwehren koͤnnen / daß der Hertzog die vielmahls gedachte Schoͤnheit / mit welcher er nach und nach ſieben Kinder erzeuget / iemahls verlaſſen.

Tibald an Lettice von Hort.
LEbt meine Todte noch? iſt nichts an ihr ver -
blichen?
Greift die Verweſung ihr nicht Bruſt und
Lippen an?
Du ſturbeſt nur der Welt / mir biſtu nicht entwichen /
Du weiſt wohl / daß dein Fuͤrſt dich nicht entbehren kan.
HJch114Liebe zwiſchen Hertzog Tibald
Jch darf dir noch zur Zeit nicht eine Grabſchrifft ma -
chen /
Jch denck itzt an den Sarg / und an den Marmel nicht /
Du kanſt mit friſchem Muth itzt deines Grabes lachen /
Und ſchauſt noch / dem du gleichſt / das ſchoͤne Tages -
Licht.
Zu Flammen magſtu wohl / doch nicht zu Aſche werden /
Dann jene zieren dich / diß iſt zu fruͤh vor dich /
Den Mund / den ſchoͤnen Arm / die Anmuth der Ge -
behrden /
Begehret nicht der Todt / er laͤßt es noch vor mich.
Du biſt der werthe Zoll / den mir die Schoͤnheit giebet /
Wann durch mein Hertzogthum / ſie ihre Wahren
fuͤhrt /
Es ſcheint / der Himmel ſelbſt hat deinen Leib geliebet /
Dieweil er ihn ſo reich mit ſeinen Gaben ziehrt.
Kan nun des Himmels Hand ſich deiner nicht enthal -
ten /
Wie ſolte denn der Menſch dir ungewogen ſeyn?
Die Liebe heiſt mich itzt des Himmels ſtatt verwalten /
Jch ſtelle mich bey dir mit meinem Hertzen ein.
Wie aber lebeſtu? Was kanſtu ſchoͤnes ſchauen?
Nichts als die Einſamkeit / des Todes Ebenbild /
Du ſieheſt ihre Hand ein Schloß der Schwermuth
bauen /
Und biſt wie mich bedeucht mit Schwermuth ſelbſt er -
fuͤllt;
Jch wolte dich alſo in dieſen Schatten legen /
Dieweil ich deinen Leib hab allzuwerth geacht /
Es115und Lettice von Hort.
Es wird ein Diamant von ſeiner Hoheit wegen /
Mit Riegeln wohlverwahrt / und unter Schloͤſſer
bracht.
Das Licht iſt nicht vor dich / du kennſt den Lauf der
Zeiten /
Des Hofes Auge ſieht vor mich und dich zu ſcharf /
Es weiß der Baum der Gunſt ſich hier nicht recht zu
breiten /
Ach das ein Hertzog nicht die Satzung brechen darf.
Wir ſollen Fuͤrſten ſeyn und dienen den Geſetzen /
Man buͤcket ſich vor uns / und ſtoͤhrt doch unſer Luſt /
Wir koͤnnen ohne Fleck uns nirgends recht ergetzen /
Und was man Freyheit heiſt / das bleibt uns unbewuſt.
Dein Auge zwinget mich / ich kan dich nicht verlaſſen /
Man tadelt diß an mir / was ich nicht aͤndern kan /
Es heiſt mich die Natur dich hitzig zu uͤmfaſſen /
Und das Geſetze ſagt es ſey nicht recht gethan.
Drum muß ich dieſem nur dich aus den Augen brin -
Und diß verborgen thun / was die Natur begehrt / (gen /
Der Him̃el wird mich ja nicht uͤber Kraͤfften zwingen /
Er hat der Sterbligkeit nicht alle Luſt verwehrt.
Jetzt weiß ich was es ſey im Hertzen zuentbrennen /
Und aus dem Munde ſtets zu blaſen Eiß und Schnee /
Den Nahmen der uns zeucht / zu keiner Zeit zunennen /
Zu ſeegeln wie man will auf dieſer truͤben See.
Mit Maßquen wohl verdeckt zu Leid und Luſt zugehen /
Des Auges Herr zu ſeyn / ſo ſtets Verraͤther iſt /
Wenn uns die Liebe fuͤhrt / in gleicher Schnur zuſtehen /
Daß aus den Taumeln man / nicht unſern Trunck er -
kießt.
H 2Jch116Liebe zwiſchen Hertzog Tibald
Jch weiß es was es ſey / was aber hilft das Wiſſen?
Welch Kluger hat ſich klug bey Liebes Brunſt erzeigt?
Dann wenn man dieſe Gluth im Hertzen will ver -
ſchluͤſſen /
So ſpuͤhrt man / daß ſie uns in das Geſichte ſteigt.
Sie dolmetſcht unvermerckt bey Freunden / Weib und
Kinde /
Sie ſteckt oft auf ein Wort die hohe Blut Fahn aus /
Wer iſt auf dieſer Welt der ihre Kraͤfften binde?
Sie ſteiget auf das Dach / verbeut man ihr das Hauß.
Es gehe wie es will / ich weiß dich nicht zuhaſſen /
Und noch zur Zeit iſt Uns der Himmel wolgeneigt /
Man ſagt von deinem Todt allhier auf allen Gaſſen /
So der Gemahlin auch genug zu Hertzen ſteigt.
Es hat mein gantzer Hoff den Purpur hingeleget /
Man klagt / daß die von Hort itzt fault in ſchwartzer
Gruft /
Und durch die Prieſterſchaft wird dieſes Land beweget /
Daß iederman vor dich zu dem Erloͤſer rufft.
Die Glocken klingen ſcharf / man fragt: wer iſt geſtor -
ben?
Die Antwort folgt darauff: Des Hofes Zierd und
Pracht;
Du haſt bey vielen dir ein ſolches Lob erworben /
So dich zur Heiligen und mich zum Ketzer macht.
Ein ieder ſchwatzet itzt von deiner Art zuſchertzen /
Die durch ein ſuͤſſes Gift den Hertzog ſelber fing /
Der als dein Opferknecht verknuͤpft mit Hand und
Hertzen /
Mit ſuͤſſem Weirauch dir gebuͤckt entgegen ging.
Man117und Lettice von Hort.
Man ſagt wie ſanffte du das Leben haſt beſchloſſen /
Wie ſich ſo zierlich dir geſtreckt hat Hand und Fuß /
Und wie du nun vielleicht des Himmels haſt genoſſen /
Die Liebe macht / daß auch die Cantzel luͤgen muß.
Der Himmel zuͤrnet nicht / daß ich mich unterwinde /
Durch Meſſen und Gebeth zu blenden dieſes Landt /
Der Hoͤchſte kennet mich / und auch die ſchoͤne Suͤnde /
Diß / was dein Auge kan / iſt ihm nicht unbekannt.
Jch weiß genug / was uns hat Moſes fuͤrgeſchrieben /
Mit was das ſtrenge Recht uns arme Menſchen
ſchreckt /
Weraber ſchreibt mir nun ein Mittel vor das Lieben /
Wenn dieſer ſcharffe Brandt in Hertz und Adern ſteckt.
Man ſaget / Salomon der habe von den Kraͤfften /
Die in den Kraͤutern ſeyn / ein groſſes Buch gemacht /
Er ſtarb vielleicht verliebt bey Pulvern und bey Saͤff -
ten /
Denn vor die Liebe hat noch keiner was erdacht.
Jch bleibe was ich bin / bleib du in deinen Schaten /
Und ſtirb der groſſen Welt und deinen Freunden ab /
Du ſolſt durch meine Hand noch in ein Licht gerathen /
So dir erleuchten kan das ſchwartze Trauer Grab.
Jch will die Leiche dir mit Diamanten ziehren /
Jch will mit ſtarcker Hand zubrechen dieſen Stein /
Jch will dich wohl gekuͤſt aus deinem Sarge fuͤhren;
Getroſt / in kurtzen ſoll dein Aufferſtehung ſeyn.
H 3Letti -118Liebe zwiſchen Hertzog Tibald
Lettice von Hort an Ti - balden.
D was der Himmel noch gedenckt aus mir zu -
machen /
Und waß mein Hertzog ietzt in ſeinem Schilde
fuͤhrt /
Jſt allzuhoch vor mich / es ſeyn mir frembde Sachen /
Jch habe noch allhier den Zweck nicht recht geſpuͤhrt.
Jch muß geſtorben ſeyn / doch darf ich nicht verweſen /
Jch lerne wie mich hat der gantze Hoff beklagt /
Jch kan ietzt den Bericht von meinem Tode leſen /
Und hoͤren was wir hat die Grabſchrifft nachgeſagt.
Dort laͤutet man mir aus / hier ſoll ich Brieſe ſchreiben /
Die Todten Meſſe geht mich noch zur Zeit nicht an /
Jch kan noch unverblaſt bey andern Menſchen bleiben /
Die Faͤulnis hat mir noch kein groſſes Leid gethan.
Wird aber dieſes Spiel zuletzt uns auch gelingen?
Ein Menſch der glaͤubet oft was er nicht tadeln darf /
Wir koͤnnen wohl den Mund / doch nicht die Hertzen
zwingen /
Und die verſchmitzte Welt ſchaut itzund allzuſcharf:
Der Hof / ſo mich vielleicht zum Scheine will beklagen /
Und der ſo meinen Tod dem Volcke kund gethan /
Spricht etwan bey ſich ſelbſt / was hat man hingetra -
gen /
Diß / was der Hertzog liebt und nicht verlaſſen kan.
Und die Gemahlin ſelbſt / ſo meinen Todt beweinet /
Die weint wohl / daß ſie mich nicht recht vor Leiche haͤlt /
Wer119und Lettice von Hort.
Wer alles was er ſieht / gantz wahr zuſeyn vermeinet /
Erkennet noch nicht recht die Farben dieſer Welt.
Wir dencken manchesmahl den Nechſten zuberuͤcken /
Und er / ja wir durch ihn beruͤcken uns zugleich /
Granaten ſeyn voll Kern / und Menſchen voller Tuͤ -
cken /
An Wercken bettelarm / und an Gedancken reich.
Du meinſt / der Fuͤrhang ſey vernuͤnfftig fuͤrgezogen /
Und dieſes / was du ſpielſt / verſtuͤnde keiner nicht /
Ach dieſer Spiel Platz hat den Spieler oft betrogen /
Und unſer Heimligkeit geſtellet an das Licht.
Geſetzt mich hielte nun der Schatten gantz umgeben /
Es glaubte Nord und Weſt ich leg in einer Gruft /
Es hieſſe mich die Zeit ohn alle Sorgen ſchweben /
Wir hetten alles diß was unſer Seele ruft.
Wie lange wird uns wohl die dicke Wolcke wehren?
Wie lange wird uns wohl umhuͤllen dieſe Nacht?
Die Brunſt wird endlich ſelbſt bekand zuſeyn begehren /
Die nach Gewohnheit ſich zu einer Glocke macht.
Du weiſt es / Lieb und Gluth laͤſt ſelten ſich verdecken /
Es iſt ihr heiſſer Grund von gleicher Eigenſchafft /
Sie findet Raum und Luft an allen End und Ecken /
Und ſuchet durch den Zwang offt ihre beſte Krafft.
Beym Fuͤrhang unſrer Brunſt irrt vielmahl Hand
und Hertze /
Jnwillens fuͤrzuziehn / ſo ziehn wir alles auf /
Wir faſſen vor den Stab oft eine helle Kertze /
Und unſre Taͤmmung macht oft einen Waſſer Lauf.
Anſtatt verhuͤllt zuſeyn laͤſt man den Mantel fahren /
Vor Riegel kommen uns die Schluͤſſel in die Handt /
H 4Vor120Liebe zwiſchen Hertzog Tibald
Vor dem Beſchauer zeigt man oft verbothne Wahren /
Und ein zufreyes Nein / macht unſer Ja bekannt.
Es ſcheint uns manchesmahl / es iſt der Liebe Weiſe /
Beſonders / wo ſie recht die Wurtzel hat geſtreckt /
Als giengen wir auf Filtz / und thaͤten wunderleiſe /
Und wuͤrden durch den Schild von unſrer Kunſt be -
deckt.
Da doch ein iedes Kind auf uns mit Fingern zeiget /
Und ſaget: Dieſer iſts / der dis und jenes ſucht.
Wir armen Menſchen ſeyn uns allzuſehr geneiget /
Und hoͤren oft ein Lob wenn uns die Welt verflucht.
Es ſpielt der Selbſtbetrug uns ſtetig um das Hertze /
Er ſetzt uns Prillen auf / dadurch man nichts erkieſt /
Und daß ich nicht zuſehr auf Eiß und Stacheln ſchertze /
Der Himmel haſſet dis / was unſre Wolluſt iſt.
Wird dieſer / der mit Blitz und ſcharffen Donner ſchre -
cket /
Auch dieſes geile Spiel zuſtoͤhren mit der Zeit?
Vor dem / der alles ſieht / bleibt keine that verdecket /
Und haͤtt auch Atlas ſie mit ſeinem Schnee beſtreut.
Der kan den Zucker uns zu herben Wermuth machen /
Und deſſen Liebligkeit verkehren in ein Gift /
Er kan in Ach und Weh verwandlen unſer Lachen /
Und ſchaffen daß uns Spott und aller Jammer trift.
Doch weiß / mein Hertzog / ich dir nicht zuwiederſtreben /
Jch weis wie hoch ich dir als Magd verbunden bin /
Es hieß mich deine Gunſt in Gold und Purpur leben /
So nim was dir behagt auch wieder von mir hin.
Denn deiner Haͤnde Werck will ich mich ewig nennen /
Du haſt mich aus dem Thal auf Zinnen hingeſtellt /
Auf121und Lettice von Hort.
Auf Wincken deiner Luſt ſoll dir mein Hertze brennen /
So dir / ſo gut es kan / auch itzt zu Fuſſe faͤllt.
Auf deinem Brunſt Altar in Aſche zuverſtieben
Soll meiner treuen Pflicht an ſtatt des Himmels ſeyn /
Beſchleuſt der Hertzog mich als ſeine Magd zulieben /
So ſtell als Opffer ich mich ſeinen Flammen ein.
Jch will immittelſt hier in meinem Grabe bleiben /
Wo diß dem Grabe gleicht / wo Gold und Perle glaͤntzt /
Wo mir die ſchoͤne Zeit die Langmuth kan vertreiben /
Und gruͤner Baͤume Pracht das hohe Schloß um -
graͤntzt.
Jch will mir auch ein Schloß in dieſem Schloſſe bau -
en /
Dahin ich mit der Zeit den Hertzog fuͤhren will /
Du ſolſt alsdenn mit Luſt den ſuͤſſen Willen ſchauen /
Trifft meine Duͤrfftigkeit gleich nicht das rechte Ziehl.
Koͤnt ich in Honigſeim mir meinen Mund verkehren /
Koͤnt ich in Schwanen doch verkleiden meine Bruſt /
Koͤnt ich mit linder Hand dir eine Luſt gewehren /
Die auch die Liebligkeit zuvor nicht hat gekoſt.
Koͤnt ich als Balſam doch auf deiner Schoß zerfluͤſ -
ſen /
So meint ich / daß das Weib / durch die die Sonne
muß /
Mir an der Wuͤrdigkeit wohl wuͤrde weichen muͤſſen /
Denn Jch bin mehr als Sie / Sie krieget keinen Kuß.
H 5Liebe122Liebe zwiſchen Hertzog Ungenand

Liebe Zwiſchen Hertzog Ungenand und Agnes Bernin.

UNgenand eines vornehmen Hertzogs Sohn / ließ in zarter Jugend nebenſt der anmuthigſten Geſtalt / ſo ein Fuͤrſt in ſich haben ſolte / nicht geringe Zeichen ſeines Helden - Muths verſpuͤren. Es begab ſich / ich weiß nicht / durch war vor Schickung / daß hochermelter Herr eines Wund Artztes / oder wie wir ins gemein zuſa - gen pflegen / eines Barbires Tochter / in die Augen faſte / uñ weil Sie uͤber ihre Geburts Art nicht al - lein ſchoͤne / ſondern auch von hohẽ Gemuͤthe war / ſie inbruͤnſtig zu lieben begunte. Seine Gedan - cken waren die Agnes Bernin (ſo war dieſer ge - liebten Nahme) als eine Seele die ihm gleichte / ihm zuvermaͤhlen / und durch offentlich Gepraͤnge der Welt ſeine eyfrige Flammen ſcheinen zulaſ - ſen. Dieſe junge Heldin / ſo dem Gemuͤthe nach vielleicht ſo ruͤhmlich einen Scepter / als ihr Va - ter die Fliette / wuͤrde gefuͤhret haben / ſcheuete nicht allbereit ſich des Fuͤrſten Gemahlin zunen - nen / und begunte ſchon mit Begleitung eines Ade -lichen123und Agnes Bernin. lichen Frauen Zimmers herein zutretten. Der regierende Herr / als Vater / zog dieſes hitzige Be - ginnen ſeines Herren Sohnes / ihm treflich zu Gemuͤthe / und weil er wohl ſchauete / daß dieſes / ſeinen Gedancken nach / ſchimpfliche Feuer in dem erſten Brande auszuleſchen were / ſo eilete er in Abweſenheit des jungen Hertzogs nach Sitten - burg wo ſich gedachte ſchoͤne enthielt / berufte den Rath daſelbſt / und ließ dieſe Sache ſo weit trei - ben / daß dieſe ungluͤckſeeliche Liebhaberin in das Gefaͤngnuͤs geworffen ward. Weil ſie dann nun in der hoͤchſten Noth ihren Helden Muth nicht ſincken ließ / ſondern vielmehr durch unerſchrocke - ne Antwort an Tag geben wolte / daß ſie dem Gei - ſte nach nicht gantz unwuͤrdig ſey eine Hertzogin genennet zuwerden; als ward Sie nach geſproche - nen Urtheil in einen Sack geſtoſſen / und in einem fliſſenden Waſſer ertraͤncket. Jhr Gedaͤchtnis ſchwimmet noch oben / und das ſteinerne Ange - dencken / ſo ihr zu Ehren aufgerichtet worden / iſt noch nicht geſchleift.

Agnes an Ungenand.
DEin Agnes ſchreibet hier mit Banden an den
Haͤnden /
Mit Riegeln wohl verwahrt die mehr als ſtaͤh -
lern ſeyn /
Mit124Liebe zwiſchen Hertzog Ungenand
Mit Finſternuͤs umbſtrickt / verwacht an allen Enden /
Wer aber liefert dir diß kleine Schreiben ein?
Jch muß itzund aus Noth dergleichen Leuthen trauen /
Da keine Hoͤfligkeit ie eingewurtzelt hat /
Wird ein verdaͤchtig Aug auf meine Zeilen ſchauen /
So find die gantze Welt hier neue Miſſethat.
Es zeiget mir itzund das ſchluͤpffrige Geluͤcke /
Wie ſeine Schmeicheley die Welt beruͤcken kan /
Zuvor erqvickten mich die Strahlen deiner Blicke /
Jtzt ſchaut ein Scherge mich mit ſchelen Augen an.
Ein Hertzog kuͤſte mir vor dieſem Haud und Armen /
Jtzt ſchleuſt man meinen Leib in Ketten und in Band /
Vor ſchaut ich nichts als Neid / itzt ſchau ich kein Er -
barmen /
Und bin ein Gauckel Spiel vor dieſes gantze Land.
Diß macht der Purpur Rock / damit du mich umgeben /
Diß macht / dieweil dein Geiſt dem meinen wolgewolt /
Der Kuß / den ich empfing / der bringt mich umb das Le -
ben /
Denn das du mich geliebt iſt meine groͤſte Schuldt.
Wie leichtlich irren doch die Circkel unſrer Sinnen /
Wie macht das Hofnungs Glaß uns alles viel zugroß.
Jch meint / ich wuͤrde nun forthin nicht fallen koͤnnen /
Jch wolte Goͤttin ſeyn und nicht ein Erdenkloß.
Jch meint / ich were nur vor Fuͤrſten Bluth erkohren /
Es were nur mein Mund gekroͤnter Kuͤſſe werth /
Jch glaubte nicht / daß mich ein Buͤrgers Weib geboh -
ren /
Wie aber hat die Zeit mir dieſen Wahn verkehrt?
Dein Vater hat mich recht auch meinen laſſen wiſſen /
Und gruͤndlich kund gethan / wo ich entſproſſen bin /
Den125und Agnes Bernin.
Den Purpur hat er mir vom Leibe weggeriſſen /
Und jagt mich itzt entbloͤſt in ein Gefaͤngnuͤs hin;
Hier muß ich mich gebuͤckt in Ketten laſſen legen /
Wie druͤckt das Eiſen doch itzt meine zarte Handt!
Wie mir zu Muthe ſey das kanſtu leicht erwegen /
Dann dir iſt mein Gemuͤth und auch mein Leib bekant.
Mein Albrecht ſcheu dich nicht mein Schreiben zu
durch leſen /
Es komt von dieſer her die du haſt hoch geſchaͤtzt /
Schau was ich itzund bin / du weiſt was ich geweſen /
Und wie manch feuͤchter Kuß hat deinen Mund ergetzt.
Send einen Seuffzer nur auf meine ſchwere Bande /
Dann keine Rettung iſt vor mich auf dieſer Welt /
Ach were nicht mein Blut von allzuſchlechtem Stan -
de /
So wuͤrd ich dir / und nicht dem Tode zugeſellt!
Jch duͤrffte nicht wie itzt bey Henckers Buben leben /
Man ſalbte meinen Leib mit frembden Balſam ein /
Es muͤſte Seid und Gold umb meine Lenden ſchweben /
Und Agnes muͤſte Braut des jungen Hertzogs ſeyn.
Es wuͤrde dieſes Land Geluͤck und Segen ruffen /
Man wuͤrffe mir erfreut des Fruͤhlings Kinder zu /
Jch haͤtte nichts als Luſt / und nichts als Ruhm zuhoffen /
Und meiner Schaͤtze Schatz / O Hertzog! waͤreſt du.
So muß ſich die Natur das Gluͤcke meiſtern laſſen /
Und Menſchendreuungen ſich machen unterthan /
Muß ſchauen wie man ſie mit Satzung will verfaſſen /
Die auch der Richter ſelbſt nicht leichtlich halten kan.
Da muß ein hoher Geiſt nicht hoch und edel heiſſen /
Der nicht in Cronen ſitzt und aus dem Purpur ſchaut /
Muß126Liebe zwiſchen Hertzog Ungenand
Muß den in Dinſtbarkeit zu ehren ſich befleiſſen /
Der oft aus ſchlechtem Zeug iſt worden aufgebaut.
So muß das Silber offt gemeinem Ertzte dienen /
So muß ein kluger Knecht vor einem Herren ſtehn /
Der wie der Monde nur durch frembdes Licht geſchie -
nen /
Und ſonder Ahnen nicht darf vor die Thuͤre gehn.
Doch will ich meinen Hals dem Joche nicht entziehen /
So die Gewohnheit hat dem Menſchen aufgelegt /
Man muß die Laſt mit Luſt zutragen ſich bemuͤhen /
Wenn dieſer es befihlt der Kron und Scepter traͤgt.
Jch leide was ich kan / es wird nicht ewig wehren /
Die Kete nuͤtzt ſich ab / die Stricke gehn entzwey /
Es muß der Menſchen Zorn ſich in ſich ſelbſt verzehren /
Und wer gebunden lebt wird nach dem Tode frey.
Was mich itzt troͤſten kan / iſt daß ich nichts veruͤbet /
Worauf das ſtrenge Recht das Feuer ausgeſetzt /
Ein Fuͤrſt hat mich begehrt / ich hab ihn auch geliebet /
Und meine Seele war der ſeinen werth geſchaͤtzt.
Ach Fuͤrſt / laͤſt deine Brunſt noch etwas Thraͤnen flieſ -
ſen /
Geht ein getreues Ach durch deinen ſchoͤnen Mundt /
So wiſſe / das mir diß wird meine Noth verſuͤſſen /
Wer aber machet mir die treue Zeichen kund?
Doch kan ich dein Gemuͤth und deinen Geiſt erkennen /
So weiß ich das dich wird bewegen meine Noth /
Du wirſt in kurtzen diß die aͤrgſte Zeitung nennen /
So zeitlich kommen wird: Jtzt iſt dein Agnes todt!
Jch weiß das letzte Wort vergleicht ſich Donnerſchlaͤ -
gen /
Beſonders wenn du denckſt an dieſen ſchoͤnen Tag /
Als127und Agnes Bernin.
Als du mich haſt gefuͤhrt auf deinen geilen Stegen /
Und dein erhitzter Mund auf meinen Lippen lag;
Genug! mein Fuͤrſt und Herr / was ſoll ich ferner ſchrei -
ben?
Geneuß der Jugend Luſt / gebrauche dich der Welt[;]
Du kanſt auf deinem Stuhl und in dem Purpur blei -
ben /
Ob deine Liebe gleich durch einen Hencker faͤllt.
Die Ehre hat mir noch dein Vater nicht entfuͤhr et /
Daß ich gezeichnet bin durch deinen erſten Kuß;
Ob meinen ſchwachen Leib gleich Gluth und Bluth
beruͤhret /
So weiß ich / daß man mir diß Kleinot laſſen muß.
Nunmehr gedenck ich bald aus boͤſer Hand zukommen /
Der Agnes beſtes Theil / O Fuͤrſt! beruht bey dir /
Haſt du die Roſen mir vor dieſem abgenommen /
So findet unſer Feind die Dornen nur allhier.
Ungenand an Agnes.
JSt dieſes was ich ſoll von meiner Agnes ha -
ben?
Soll Gruß und Abſchied denn nah aneinan -
der ſtehn?
Laͤſt meine Taube ſich uͤmbgeben ſchwartze Raben?
Muß meine Sonne denn ſo ſchimpflich untergehn?
Jſt kein Erbarmnis mehr in dieſer Welt zufinden?
Kennt Blut deñ Blut nicht mehr? kennt mich mein
Vater nicht?
Laͤſt er mit Kett und Band dich meine Seele binden?
So bin ich allbereit erbaͤrmlich hingericht.
Ach128Liebe zwiſchen Hertzog Ungenand
Ach waͤr ich hingericht! Er laͤſt mich in dem Leben /
Damit ich ſchmecken ſoll die Galle meiner Noth;
Er laͤſt den Todes Stifft auf meinen Hertzen ſchweben /
Denn ohne dich zuſeyn / iſt aͤrger als der Todt.
Die Sinnen wancken mir / die Feder will nicht ſchrei -
ben /
Das Hertze waltzet ſich und will mit Macht zu dir /
Es ſcheut ſich ohne dich itzt mehr in mir zubleiben /
Und was nur Marter heiſt das find ſich itzt in Mir.
Es ſteht die Schuldigkeit mir trotzig im Geſichte /
Und ſpricht mir deutlich zu / iſt diß die heiſſe Gluth?
Laͤſt Albrecht ſeine Braut vergehen im Gerichte?
Jſt dieſes ſeine Treu? iſt diß ſein Helden Muth?
Kan ſeine Liebe denn die Riegel nicht zerbrechen?
Veruͤbt ſie diß nicht mehr was in der alten Zeit?
Kan ſeine Mañheit ſich nicht an den Richtern raͤchen?
Hat denn ein Augenblick die Kraͤfften abgemayt?
Hergegen muß ich auch den Schluß des Himmels hoͤ -
ren /
Der als ein harter Schlag mir in die Ohren faͤllt /
Du ſolt / ſoviel du kanſt / den alten Vater ehren /
Er hat dich neben Gott auf dieſe Welt geſtellt.
Mit Eltern ſoll man nur mit Demuths Waffen ſtrei -
ten /
Jhr Wort und Wille ſoll uns ein Geſetze ſeyn /
Jhr Seegen kan uns Heil und Wohlfarth zubereiten /
Und Jhrer Fluͤche Sturm reiſt alles gutes ein.
So muß ich zwiſchen Blut und heiſſen Flammen lie -
gen /
Bin ſchimpflich halb befleckt / und ſchmertzlich halb ver -
brennt /
Und129und Agnes Bernin.
Und muß den ſchwachen Hals fuͤr dem Verhaͤngnuͤß
biegen /
So dieſe gantze Welt vor ihren Zaum erkennt.
Jch werde nur erſtum̃t itzunder warten muͤſſen /
Was uͤber dich und mich die Welt beſchloſſen hat /
Jch liege dem Geluͤck erbaͤrmlich zu den Fuͤſſen /
Und hier bey unſer Noth hat auch kein Pflaſter ſtatt.
Mit Einfall umbzugehn / den Harniſch anzulegen /
Das iſt zwar Ritterlich / doch keine Huͤlffe nicht /
Den Vater wuͤrd ich nur durch ſolche That bewegen /
Daß du noch grauſamer itzt wuͤrdeſt hingericht.
Jch ſchaue nur zuviel / das Urtheil iſt geſprochen /
Der Vater fleucht vor mir / und laͤſt mich nicht vor ſich /
Es hat ſein harter Geiſt ſich wohl an mir gerochen /
Er will dir an den Hals / und meinet mich durch dich.
Jch weiß kein Mittel mehr / ich rede nur mit Steinen /
Die Ohren ſeyn verſtopft / das Hertze wird zu Stahl /
Man lacht mein Seuffzen aus und achtet nicht dein
Weinen /
Man kraͤncket dich mit Angſt und ſpeiſet mich mit
Qual.
Das groͤſte / was mir itzt den Kern des Hertzens naget /
Jſt dieſes / daß ich dich in dieſe Noth gefuͤhrt;
Jch hab als Jaͤger dich in dieſes Garn gejaget /
Das Eiſen komt von mir / ſo deine Seele ruͤhrt.
Denn ſolteſt du die Schmach von fremden Haͤnden lei -
den /
Und wuͤrde deine Bruſt nicht durch mein Blut verletzt /
So koͤnt ich endlich noch mich in Gedult beſcheiden /
Jch ſagt: es hat es ſo der Himmel ausgeſetzt.
JSo130Liebe zwiſchen Hertzog Ungenand
So ſoll mein Vater dich in Band und Eiſen legen /
Und meine Liebes Brunſt dein Scheiterhauffen ſeyn /
Ja deiner Bruͤſte Schnee zerſchmeltzet meinetwegen /
Diß iſt ein Hoͤllen Tranck und will mir bitter ein.
Doch alles iſt uͤmſonſt / dein Klagen und mein Hoffen /
Verſchwindet wie ein Dunſt und ſtirbet ohne Frucht /
Es hat uns in der Welt die hoͤchſte Noth betroffen /
Du wirſt zum Todt / und ich zur Marter itzt geſucht.
Das Eiſen ſo dich druͤckt / das will mich auch beſchwe -
ren /
Das Gift ſo dich verletzt / wuͤrckt leider! auch in mir /
Wie ſolte meine Krafft ſich nicht wie du verzehren?
Denn meine Seele wohnt itzt nirgends als in dir!
Ach Agnes glaub es mir / ich bin wie du gebunden /
Jch buͤße weil ich dich in ſolche Noth gebracht /
Wer deine Glieder ſchlaͤgt / der macht auch meine
Wunden /
Scheinſt du mir Sonne nicht / ſo bleib ich in der Nacht.
Doch kan und muß ich ja nach dir im Leben bleiben /
So ſoll dein Nahme ſtets in meinem Geiſte ſtehn /
Jch will ihn dem Cryſtall mit Woͤrtern einverleiben /
Die mit der Ewigkeit in gleichen Zirckel gehn.
Jch will dein edles Grab mit tauſend Thraͤnen netzen /
Und wo der gelbe Neid es nur vertragen kan /
So will ich dieſe Schrifft auf deinen Leichſtein ſetzen /
Daß auch der After Welt dein Ruhm ſey kund ge -
than:
Hier ruht ein ſchoͤnes Weib mit ſchwartzer Nacht be -
decket /
Ein Schatz in dunckler Gruft aus Ungunſt hingelegt /
Hier131und Agnes Bernin.
Hier ruht die Reinligkeit / die noch kein Dunſt beflecket /
Und dieſes / was zuvor die Felſen hat bewegt.
Von ihrer Todes Arth iſt hier kein Wort zuleſen /
Du weiſt es ohne mich die Welt iſt voll Gefahr /
Ach weine / weil ſie mehr als Engliſch iſt geweſen /
Daß bey den Menſchen ſie faſt mehr als ſterblich war.
Nun Agnes dieſes ſoll auf deinen Leichſtein ſchreiben /
Der einen heiſſen Kuß dir in Gedancken gibt /
Man kan zwar meinen Leib von deiner Seele treiben /
Doch mein Gemuͤthe nicht / ſo dich auch ewig liebt.
Jn meinem Geiſte kan dein Bildniß nicht verderben /
Hier ſoll es wohl verwahrt in hohen Ehren ſtehn /
Und kan mein Hertze nicht mit deinem Hertzen ſter -
ben /
So laß doch meine Hand mit dir zu Grabe gehn.

Liebe Zwiſchen Graf Holdenreich und Adelinden Graf Friedebalds Gemahlin.

DAfern etwan dieſe Blut-traurige Ge - ſchichte iemanden zu untugendhaft ſchei - net ſich unter der Rey etlich ruͤhmlichJ 2ver -132Liebe zwiſchen Graf Holdenreichverliebten finden zulaſſen / der wiſſe / das ich mit Fleiß allerhand Gemuͤther allhier einfuͤhren wol - len / deſto mehr Gelegenheit zuhaben auf unter - ſchiedene Arten meine Gedancken und Erfin - dungen zuveraͤndern. Die ſchoͤne Roſe iſt nicht unwerther ob etwan eine brennende Neſſel unter ihrem Strauch herfuͤrſchuͤſſet / und der edele Wei - tze wird nicht getadelt / ob ſich ſchon ein und das an - dere Unkraut neben ihm zeigen will. Dafern nun in der Welt ſo wohl gute als boͤſe bleiben muͤſſen / und derer uͤbeles verhalten jener Tugend nicht beflecken koͤnnen / ſo wird man ja auch einen und den andern Miſſethaͤter in dieſem kurtzen Begrif - fe verliebter Geſchichte und Briefe leicht vertra - gen. Kuͤrtzlich: ich habe mit der Liebe hier und nicht mit den ſcharfen Sitten-Regeln zuthun / und ich finde die Feder ſo bald unter der Dornhecke / als unter den Lilgenſtaͤngel. Wer aber Geiſt - liges von mir begehret / der ſoll es auch haben / gibt mir Gott Leben und Geſundheit / itzt aber ſchreibe ich nach Eigenſchafft deſſen / was ich unter der Hand habe / und entſchuldige mich nicht weiter. Adelinde ward mit belieben der ihrigen in zarter Jugend Graf Fridebald einem alten / wie es ſchien / etwas verdrieslichen / und ſo viel es die verlebten Kraͤfften verliehen / der Jagt ſehr ergebenen Her - ren vermaͤhlet. Die Gemuͤther wolten wegenunglei -133und Adelinden Gr. Frideb. Gemahl. ungleicher Beſchaffenheit nicht wohl zuſammen ſtimmen / und ihre Liebe war ſo laulicht / daß man nicht viel Eiß bedurffte / ſie gantz kalt zu machen. Bey zufaͤlliger Gelegenheit gerieth die hurtige A - delinde mit Graf Holdenreich / einem tapfern jun - gen Herren in Kundſchafft / und ihre Vertraulig - keit veraͤnderte ſich endlich in eine tadelhaffte Lie - bes Brunſt. Der Zucker / den dieſes geile Weib zu unterſchiedenen mahlen / unter den kraͤftigen Armen gemeldten Liebhabers genoſſen / hatte ihr den Geſchmack dergeſtalt verderbet / das ſie es nu - mehr vor unmuͤglich hielt / den Wermuthſafft ihres alten Herren ferner zuertragen / und weil ſie auf nichts mehr dachte / als ſich / wo moͤglich / die - ſer beſchwerlichen Laſt zuentledigen / ſo foderte ſie endlich zum Zeichen einer ungefaͤlſchten Liebe von dem Grafen ihren Alten auf der Jagt zuer - morden / und ſchlug ihm dieſes grauſame Mittel fuͤr. Sie beniehmete einen Tag / da ſich oftge - dachter Grafe bey Weiſſenburg / wo der alte Grafe Hofhilt / jagende hoͤren laſſen ſolte / ſie ihres theils wolte ihren Alten leicht dahin bewegen / daß er ihm ſolches zuverwehren ſich aufmachte / da er dann wie es die Gelegenheit weiſen wuͤrde / ſeinen Streich wohl verbringen koͤnte. Der Grafe / dem albereit die Liebe den Zuͤge der Vernunfft entwendet / billiget als ein muthiger Herr dieſenJ 3Anſchlag134Liebe zwiſchen Graf HoldenreichAnſchlag / reitet auff beſtimten Tag / gepflogener Abrede noch in das Holtz nechſt dem Schloſſe / und laͤſt ſich mit Horn und Hunden weidlich hoͤren. Die liſtige Adelinde hatte gleich auf ſelbige Zeit ihrem Gemahl ein koſtbar Wannenbad zuge - richtet / und ließ ſeiner / dem ſchein nach / wohl da - rinnen pflegen. So bald nu obgedachtes Jage - zeichen erſchollen / laͤufft ſie eyfrig in das Bad / mit vermelden / das andere ihm in ſein Gehaͤge kaͤmen / er muͤſte ſolchẽ Frevel zu Erhaltung ſeiner Wuͤrde bald abſtraffen; Liß ſich auch benebenſt verlau - tẽ / es wuͤrde zweifels ohne Graf Holdenreich ſeyn / deme er ſonderlich / weil es nicht das erſtemahl wehre / ſolches nicht geſtatten ſolte. Der Graf Friedebald laͤſt ſich dieſe Worte ſchleunig bereden / faͤhret damit auf / wirfft eilends einen Mantel - ber das Bade Hembde / ſitzt ungewapfnet zu Pfer - de / dieſen kuͤhnen Jaͤger entgegen. So bald er des Grafen anſichtig wird / ſtraft er ihn mit Wortẽ etwas harte / dieſer aber ſchreitet weiter / uñ ſchiebet dem alten Grafen einen Schweinſpieß durch den Leib / das er zu Boden faͤllet / und ſeinen Geiſt auf - giebet. Weil ſich Graf Holdenreich auf die Seiten machet / wird des entleibten Leiche nach dem Schloſſe gefuͤhret / und von der Gemahlin / daß Ehebruch und Mord durch Betrug / (drey ſchoͤne Tugenden) verſiegelt ſein moͤchte / bitter -lich135und Adelind. Gr. Friedeb. Gemahlin. lich beweinet. Wenig Monathe hernach ver - rieth ſich die Unthat ſelber / denn ehe ein Jahr ver - bey / werden Holdenreich und Adelheide mit ein - ander vermaͤhlet. Wiewohl nun nach ange - ſtrengter Klage fuͤr dem damahls regierenden Keyſer der Graf im Stift Magdeburg gefangen genom̃en / uñ auf einem feſten Schloſſe laͤnger als zwey Jahr in Verhafftung gehalten worden iſt / ſo hat er doch endlich / als er ihm durch gewiſſe ver - traute Perſonen etliche fluͤchtige Pferde an einem Ufer beſtellet / durch kuͤhnen Sprung von einem hohen Gebaͤude in den veruͤberfluͤſſenden Strom ſich des Gefaͤngnuͤſſes entlediget. Es hat nach - mals vielgedachter Grafe dieſer Urſachen halber den Zunahmen des Springers uͤberkommen / die Sache iſt durch Vergleich hingeleget worden / und auß der ſo uͤbel angefangenen Ehe ſind unter - ſchiedene groſſe Leute entſproſſen. Alſo ſind die Gerichte Gottes unerforſchlich / und nicht ſelten wird ein gluͤckſeeliges Laſter / den Tugenden an die Seite geleget / und Gifft wird vielmahl uns zu Artzneyen.

J 4Ade -136Liebe zwiſchen Graf Holdenreich
Adelinde an Holdenreich.
DU kennſt ja das Spital / in dem ich itzt muß blei -
ben /
Du nenneſt meine Noth aus Schertz den kal -
ten Brandt /
Gewißlich kalt genug! was will ich viel beſchreiben?
Mein Angſt iſt dir ſo wohl als meine Fauſt bekandt.
Mich ſolte Furcht und Scham ietzt wohl zuruͤcke hal -
ten /
Doch Lieb und Ungedult vertraͤgt den Zuͤgel nicht /
Eh als der Jugend Gluth ſoll unterm Eiß erkalten /
So will ich lieber ſeyn durch Hencker hingericht.
Diß iſt ein hartes Wort und in der Frauen Munde
Ein ungemeiner Spruch; doch wer mein Hertze kenne /
Der glaube was itzt folgt. Es ſteht auf feſtem Grunde:
Der Alte / ſo mich plagt / muß ſeyn von mir getrennt.
Was ſoll mein warmer Leib in ſeinen kalten Armen?
Was ſoll mir denn ein Kuß der nach dem Grabe
ſchmeckt?
Was ſoll mir deñ ein Mann / der niemahls kan erwar -
men?
Und ſeine beſte Krafft aus einer Krauſe leckt?
Der ohne Brillen mich nicht eigen kan betrachten /
Und mehr das Spiel der Jagt als meine Jugend ſucht;
Mein Grafe / laͤſt du mich in dieſer Noht verſchmachtẽ /
So ſcheint es ja / ich ſey von der Natur verflucht.
Die Finger ſchmecken mir noch nach dem ſtarcken
Oehlen /
Damit ich ſeinen Leib faſt taͤglich ſchmieren muß /
Es137und Adelind. Gr. Friedeb. Gemahlin.
Es will zu keiner Zeit mir hier an Marter fehlen /
Doch ſtinckt mir nichts ſo ſehr / als ſein verfaulter Kuß.
Bald liegt er an der Gicht / bald liegt er an dem Steine /
Dann werd als Waͤrterin / ich Tag und Nacht ge -
plagt /
Dann ſalb ich ſeinen Leib und ſeine duͤrre Beine /
Und wenn es beſſer wird / ſo eilt er auff die Jagt.
Dann iſt mein gantzer Leib in Einſamkeit verſchloſſen /
Und wallet wie ein Schiff auff ſeinen Kummer Meer /
Jch dencke wie ich nichts von rechter Luſt genoſſen /
Doch macht mir dieſes nicht ſo viel verdruß / als Er.
Verlaͤſt er ſeine Jagt und kommet nun zuruͤcke /
So iſt die Mattigkeit / was er erjaget hat /
Bald will er einen Stuel / bald fodert er die Kruͤcke /
Bald ſucht er zitternde beym Apothecker Rath.
Da iſt kein Feuer mehr ihn ſatſam zu erhitzen /
Dann weht die Ungedult ihm ſcharffe Winde zu /
Er wird ein kaltes Eiß / wo du begehrſt zuſchwitzen /
Was machſt denn mittler Zeit / O Adelheide du?
Jch liege weil er ſchnarcht / und ſpiele mit Gedancken /
Wo dieſes ſpielen heiſt / was Ach und Weh umſchrenckt /
Und unſern Sinn beſchleuſt in einem Trauer Schran -
cken /
Der uns biß in den Todt mit Jammer Dornen kraͤnckt.
Jch dencke wie es ſey / wenn Jugend Jugend kuͤſſet /
Wann Bluhmen in der Luſt verwechſeln Blat in
Blat /
Und eine lange Nacht das ſchoͤne Spiel verſuͤſſet /
So zwar des Himmels Hand vorlengſt bezuckert hat.
Wann ein verliebtes Paar bey angenehmen Morgen /
Den zarten Liebes Thau auf rothe Knoſpen ſetzt /
J 5Und138Liebe zwiſchen Graf Holdenreich.
Und in ein enges Grab verſcharret ſeine Sorgen /
Jch aber bin itzund der Luſt nicht werth geſchaͤtzt.
Ein Traum iſt alles diß / was mich bisher erquicket /
Der ladet manchesmahl mich ſchluͤpfrig bey ihm ein /
Doch wann der Traum verſtreicht und nu die Sonne
blicket /
So find ich das bey ihm nur kalte Schalen ſeyn.
Wiewohl die Duͤrfftigkeit mir nicht vergoͤnt zuwehlen /
Jch reiſe manchesmahl auf Koſt und Traͤume zu /
Und ſoll / mein Holdenreich / ich alles frey erzehlen /
So ſchwer ich meinen Traum verſiegelt nichts als du.
Du weiſt die Traͤume ſeyn der ſchlaffenden Gedancken /
Es zeigt mir manchesmahl die Tafel einer Nacht /
Wie deine ſteiffe Brunſt / an ſtatt der ſchwachen kran -
cken /
Durch Aepffelreiche Luſt mich gantzhat ſatt gemacht.
Mein Grafe dir will ich mich gantz zueigen geben /
Jch nenne mich dein Weib / ja wilſt du / deine Magd /
Bringſtu den alten Mann nur zeitlich umb das Leben /
Jch weiß du biſt bereit / die Lieb iſt unverzagt.
Du kanſt auf einen Tag nicht weit vom Schloſſe jagen /
Und durch ein friſches Horn verrathen deine Luſt /
So will ich alſobald zu meinem Alten ſagen /
Jſt diß ein neuer Brauch? ich weiß nicht was du thuſt?
Soll denn das groſſe Recht ein ieder Ritter brechen /
Jſt deine hohe Jagd ein allgemeine Bahn?
Du muſt gewiß mit Ernſt dergleichen Frevel raͤchen /
Ob wohl Graff Holdenreich dich auch ſo trotzen kan?
Jch weiß wie ſchwach er iſt / er wird zu Pferde ſitzen /
Und dir entgegen gehn / wie ſeine Tohrheit pflegt /
So139und Adelind. Gr. Friedeb. Gemahl.
So laß ſein grobes Wort dir auch dein Blut erhitzen /
Und mache das man ihn mir Todt zuruͤcke traͤgt.
Jch weis; es wird die Welt nicht gleiches Urtheil faͤllen /
Der Himmel ſchreibet ſelbſt / man nehme Blut fuͤr
Blut /
Doch unſre Regung komt aus allzuſuͤſſen Quellen /
Denn wer verliebet iſt / weiß ſelten was er thut.
Und uͤber diß / wir ſeyn die Groſſen in dem Lande /
Das Recht und deſſen Schwerd iſt nur den Armen
ſcharf /
Der Ahnen grauer Schildt verdeckt der Reichen
Schande /
Jch weiß den Richter nicht / der uns beſtraffen darf.
Du kanſt nach ſolcher That dich auch bey Seite machen /
(Ach was verleſchet nicht der naſſe Schwam der Zeit!)
Die Nachwelt ruͤhmet offt der alten aͤrgſte Sachen /
Wann ſie der Jahre Hand mit Schimmel hat beſtreut
Jmmittelſt will ich Mund und Auge ſo verſtellen /
Das meine Thraͤnen auch die Welt beweinen ſoll /
Jch will gantz athemloß zur Leiche mich geſellen /
Als wer ich leer von Schuld und alles Traurens voll.
Wuͤnſcht nu die treue Pflicht in meiner Gunſt zuleben /
Gleicht deinen Worten ſich auch Lantze / Staͤrck und
Muth /
So wirſtu mir gewiß ein Zeugnuͤs muͤſſen geben /
Das rothe Siegel ſey itzt meines Mannes Bluth.
Hol -140Liebe zwiſchen Graf Holdenreich
Holdenreich an Adelinden.
DAs Schreiben ſo du ſchickſt / das fuͤhr ich zu
dem Hertzen /
Denn was von Hertzen kom̃t / muß auch beym
Hertzen ſtehn /
Es zeiget keine Nacht ſo viel entbranter Kertzen /
Als Seuffzer dieſen Tag aus meiner Seele gehn.
Der Himmel ſolte dich mit dem Geſtirne kroͤnen /
Du biſt / wie mich bedeucht / viel groͤßrer Ehre werth /
So muſtu deinen Mann dich ſchmertzlich laſſen hoͤh -
nen /
Dem Wein und Alter hat Verſtand und Kraft ver -
zehrt.
Ach koͤnt ich deine Noth mit Bluthe doch beweinen /
Denn ſchlechte Thraͤnen ſeyn zu dieſem zugemein /
Jch wolte meinen Sinn dir ſattſam laſſen ſcheinen /
Und zeigen / was in mir vor treue Geiſter ſeyn.
Das Hertze bleht ſich auf / wenn ich bey mir betrachte /
Wie deine ſchoͤne Bruſt nichts als der Flor bedeckt /
Wie du verlaſſen biſt / und ſich ſonſt nichts bey Nachte /
Als nur die Einſamkeit dir an die Seite ſtreckt.
Wie deine Jugend ſoll unendlich Brache liegen /
Und deine Lippen nicht der rechte Kuß benetzt;
Daß deiner Bluhmen Pracht wie Stoppel ſoll verflie -
gen /
Eh als die Liebe ſich auf ihre Blaͤtter ſetzt.
Ach deine Jugend iſt nur eine lange Faſte /
An die ſich Gall und Pein der Marter-Woche haͤngt /
Es141und Adel. Gr. Friedeb. Gemahlin.
Es ruft die Duͤrfftigkeit faſt ſtuͤndlich dich zu Gaſte /
So dich mit Huͤlſen ſpeiſt und leeren Baͤchern traͤnckt.
Man will dich der Natur zur Mammeluck in machen /
Doch wer verleugnet dis was er im Buſen traͤgt /
Und was auch wenn du ſchlaͤfſt geſchworen hat zuwa -
chen /
Und in dem Traume dir gar manchen Sturm erregt.
Will deine Schoͤnheit nur auf mich die Strahlen
werffen /
Vermeinſt du / daß mein Arm dich itzt entbinden kan?
So will ich heute noch Gewehr und Eiſen ſchaͤrffen /
Und greiffe dieſes Werck mit vollen Kraͤfften an.
Ein Blick iſt mir genug / kein Bitten iſt vonnoͤthen /
Mein Willen iſt bereit / mein Arm der iſt geruͤſt /
Jch will mit ſolcher Luſt dir deinen Alten toͤdten /
Als ich verwichner Zeit dich auf den Mund gekuͤſt.
Die Fehler ſo er hat auf deiner Bruſt begangen /
Vertilget nichts ſo wohl als ſein vergoſſen Bluth /
Hat er die Roſen dir gebleicht auf deinen Wangen /
So will ich / daß er auch verblichen Buße thut.
Mein Sinn und Vorſatz zielt auf eine ſchoͤne Suͤnde /
Der Grund / darauf ſie ſteht / ſchwebt voller Liebligkeit /
Und daß ich itzund viel in eine Zeile binde /
Ein Bufies und nicht mehr ſoll werden abgemeyt.
Ein graues Knoblauch Haubt / dem alle Kraft entgan -
gen /
Denn rechter Knoblauch ſtoͤſt was gruͤnes noch von
ſich /
Soll heute ſeinen Reſt von meiner Hand empfangen /
Und neben deiner Noth ſich legen unter mich.
Der142Liebe zwiſchen Graf Holdenreich
Der Drache ſo bisher ſo edlen Schatz beſeſſen /
Und dich bey Lebens Zeit zur Leiche hat gemacht /
Wird billich durch den Zahn des Todes aufgefreſſen /
Und was noch uͤbrig iſt in einen Sarg gebracht.
Denn wer nicht deinen Mund in Anmuth weiß zukuͤſ -
ſen /
Und ohne volle Hand aus deinen Garten kehrt /
Ja keine Bluhme dir vom Stocke hat geriſſen /
Der iſt wie mich bedeucht nicht ſeiner Seele werth.
Wer deinen Biſem nicht weiß kraͤfftig zuvertragen /
Dem nicht das Zuckerbrodt auf deinen Lippen ſchmeckt /
Und deinen Ohren nichts / was kuͤtzlich iſt / kan ſagen /
Dem muß ſein Fehler ſeyn mit Erde zugedeckt.
Was acht ich / was man wird von dieſer Sache mel -
den /
Und was der Urteles Tiſch des Poͤbels ſagen kan?
Jch bin gewislich nicht der erſte von dem Helden /
Der durch der Liebe Trieb hat einen Streich gethan.
Ein flammenreicher Blick der ſchoͤnen Adelheide /
Der / auſſer ihren Mann auch Todten auferweckt /
Jagt durch verdeckte Kraft das Schwerd aus ſeiner
Scheide /
Und haͤtt es mir die Hand der Rieſen eingeſteckt.
Jch ſtieg auf dein Befehl in eine Loͤwinhoͤle /
Und auf der Drachen Kopf entbloͤſt ich meinen Fuß /
Jch lieffe dir dahin / wo die verdammte Seele /
(Bin ich es doch gewohnt) in Feuer leiden muß.
Jch ſtieß in heiſſes Bley die ſtets getreuen Haͤnde /
Jch machte ſonder Schiff mich auf das wilde Meer /
Jch143und Adelind. Gr. Friedeb. Gemahlin.
Jch holt auß Ætnæ Schloß die tauſend Wunder -
Braͤnde /
Und ſagte diß dabey: Der Lieb iſt nichts zuſchwer.
Jch baute mir ein Hauß auf Zembels kaͤlten Ruͤcken /
Mit altem Eiß bedeckt / das von der Suͤndfluth weiß /
Und koͤnt ich einen Stift in dieſen Orth erblicken /
So gruͤb ich dieſes ein: Hier brennt es unter Eiß.
Doch rechte Liebe ſucht was mehr als duͤrre Zeilen /
Sie will mit That / und nicht mit Worten / ſeyn genehrt /
Sie heiſt mich zu dem Stahl und nicht zur Feder eilen /
Weil die Gelegenheit uns bald den Ruͤcken kehrt.
Nach dreyen Tagen will ich nechſt dem Schloſſe jagen /
So ſchaue das der Hirſch aus ſeinem Stande ruͤckt /
Dann will ich einen Streich von deinetwegen wagen /
Und trennen was dir hat den freyen Kuß beſtrickt.
Du wirſt dann dieſen Fall ſo gut du kanſt beweinen /
Und durch ein traurig Ach eroͤffnen deinen Mundt /
Wer ſeinen Firniß recht laͤſt fuͤr den Menſchen ſchei -
nen /
Dem iſt der Firniß oft ein eiſenfeſter Grundt.
Dann laß die rothe Schuld nur gantz auf meinen Len -
den /
Denn einem Manne ſteht das Laſter beſſer an /
Ein Mann bringt ohne Muͤh den Fleck von ſeinen
Haͤnden /
Den eine Frau nicht wohl von ihren waſchen kan.
Genug / die Feder muß dem harten Eiſen weichen /
Ein rechter Heldenſchluß wird durch die That gekroͤnt /
Dafern du bluͤhen ſolſt / ſo muß dein Mann verbleichen /
Es ſcheint der Lieb Altar wird durch ſein Blut verſoͤhnt.
Liebe144Liebe und Lebens Lauf Peter Abelards

Liebe und Lebenslauff Peter Abelards und He - loißen.

PEter Abelard in Franckreich unfern Nan - tes in Britannien / aus einem adelichen Ge - ſchlechte gebohren / verließ das Recht der erſten Geburth ſeinen juͤngern Bruͤdern / den freyen Kuͤnſten deſto ruhiger obzuliegen. Er be - gab ſich erſtlich nach Paris / ſo damahls in Wiſ - ſenſchafften ein ziemliches zuthun begunte / und[v]ertrauete ſich einem fuͤrnehmen Manne Com - pelenſe genannt / ſo in gelehrten Haͤndeln uͤber die maſſen erfahren war; Es wehrete nicht lan - ge ſo wuchs der Schuͤller uͤber ſeinen Meiſter / kriegte einen Anhang von jungen Leuthen / begun - te ſelbſt zu lehren / und weil dieſes Werck ein - bel Anſehen hatte / und er ihm allerhand Feind - ſchafft damit erweckte / muſte er Paris verlaſſen / und ſich nach Corveil begeben / da er in einer Cro - ne junger Leuthe ſich tapfer hoͤren ließ. Weil dan mitler Zeit ſein alter Lehrmeiſter ein Muͤnch worden / begab ſich Abelard wieder nach Paris / und brachte es dahin / daß der jenige dem gedachterCom -145Peter Abelards und Heloiſſen. Compelenſe ſein Lehr-Ampt vertrauet hatte / es ihm willig uͤberließ / und ſein Zuhoͤrer ward. Welches ihn dann wiederumb bey ſeinen Wie - derwertigen ſo groſſen Neid verurſachete / daß er ſich mit ſeinem Anhange aus Paris / und nach Melun verfuͤgen muſte. Nach dem nun vorge - dachter Compelenſe Biſchof zu Chalon er - wehlet worden / und auch daſelbſt Abelarden zu drucken begunte / ſo wendete er ſich aber mahls zu ruͤcke nach Paris / doch nur in die Vorſtadt / weil ſein voriger Lehr-Platz ſchon von einem andern eingenommen war. Compelenſe treibet end - lich auch aldar Abelarden auf / und noͤthigt Jhn ſich als ein Schuͤller in die Aufſicht Anſelmes eines beruͤhmten Schrifftgelehrtens zu begeben; Aber dieſes Werck bleibet nicht lange in ſeinem Stande und dieſer hochmuͤtige Schuͤler begunte endlich ſeinem Meiſter zu Kopfe zu wachſen / und ihn von ſeiner Stelle zu dringen / welcher Hoch - muth dann eine gefaͤhrliche Rache abgab. Jn dem nun Abelard in ſeinem Qrte Meiſter ſpielete / und ſein Nahme in aller Mund uñ Hertzen war / er auch ſich albereit vor unvergleichlich zu halten anfieng / begab es ſich / daß ein Thum-Herr / mit Nahmen Folbert, eine junge Vetterin aus dem fuͤrnehmen Hauſe Mommoranci in Latein und andern Wiſſenſchaften ziemlich erfahren / bey ſich hatte / und unſern beruͤhmten Abelard dieſer Jgf. Kin146Liebe und Lebens Laufin Sprachen und Wiſſenſchafften eine Stunde zu leſen anſprach. Abelard ſchlug dieſes nicht ab; Sondern nahm dieſe anmutige Schuͤllerin mit Freuden an / und ſie begunte ſich in kurtzen mercklich zu beſſern. Es geſchach endlich / daß dieſer geſchickte Lehr-Meiſter ſeiner untergebe - nen zu tief in die Augen ſchaute / und etzliche ge - faͤhrliche Funcken fuͤhlete / ſo Witz und Buch Jhm aus Gemuͤth und Haͤnden wunden. Er begunte albereit mit ſeiner Schuͤllerin freundli - cher umbzugehen / er gebrauchte ſich ungewoͤhn - licher Arten zu reden / und ein Kuß war die erſte Loſung / daß er forthin etwas mehr als Lehr - meiſter ſeyn wolte. Dieſe junge Tochter merck - te endlich dieſes verborgene Spiel ziemlich deut - lich / und ließ Jhr nicht gaͤntzlich unangenehm ſeyn / / von dem / der an Anmuth und Beredſam - keit wenig ſeines gleichen hatte / bedient zu wer - den; Mit einem Worte ſie waren unfleiſſig auf eine andere Arth fleiſſig zu werden; Abelard fieng nunmehr an ſeine Schuͤllerin bald wegen Jh - rer entzuͤndeten Augen / bald wegen Jhrer weiſſen Haͤnde / bald wegen Jhres roͤthlichen Mundes / bald wegen etwas verborgeners zu rühmen / und was er dieſen Augenblick gelobet / wolte er den andern mit Augen ſchauen; oder mit Haͤnden und Lippen beruͤhren / der Durſt wuchs endlich durch den Trunck / iemehr kleine Frey - heiten unſer verliebter genoß / iemehr er genieſſenwolte /147Peter Abelards und Heloiſſen. wolte / und die Anmuth deſſen / was er allbereit uͤberkommen / ward durch die imbruͤnſtige Be - gierde etwas vollkommenes zu holen gleichſam vergaͤllet. Es gerieth endlich dahin / daß nun - mehr das liebe Latein ſambt andern Wiſſenſchaf - ten gaͤntzlich vergeſſen war / und dieſe zwey ver - liebten in ihrer Mutterſprache ziemlich offen - hertzig zu reden einen Anfang machten. Heloiſſe that dem Anſuchen ihres Liebſten endlich Thuͤr und Angel auf / und der Canari-Zucker gegen - wertiger Zeit / ließ ſie an den Wermuth der kuͤnff - tigen nicht wohl gedencken. Was nur unge - woͤhnlich in der Liebe zu finden / war ſinnreich herfuͤr geſuchet / und ſie meyneten / es were eine Unvollkommenheit / wann ſie allein gelehrt re - den und ſchreiben / und auch nicht zugleich ge - lehrt buhlen ſolten. Sie uͤberſchuͤtteten ſich endlich der geſtalt mit Wolluſt gerichten / daß un - ſre ſchoͤne Jungfrau ſich in kurtzen gegen ihren Liebſten verlauten ließ; Daß ſie dieſen Tag der Stunde wegen Unwillen des Magens nicht ab - warten konte / und wenig Zeit heꝛnach fragte / was es doch wohl bedeutete / wann einem zwey Her - tzen zugleich im Leibe ſchluͤgen; Abelard war die - ſes Uhrwerck / ſo er ſelbſt aufgezogen / nicht unbe - kandt / er verſtaͤndigte ſeine Schoͤne / daß ſie ehe - ſtes ein ſtummer Gaſt verrathen wuͤrde / und entſchloß ſich Spott und Schaden zu vermeiden /K ijendl -148Liebs und Lebens-Laufendlich Heloiſſen aus ihres Vatern Hauſe zu ſeiner Schweſter in das Frantzoͤſiſche Britanni - en zu fuͤhren / da ſie dann einen jungen Sohn / den ſie Aſtrolabe nennen ließ / auf die Welt brach - te. Abelard bemuͤhete ſich darauf ſeinen Schwa - gern / der Zorn-Gluth und Feuer bließ / ſo viel moͤglich zu beſaͤnftigen / verſpricht ſeine Freun - din in der Stille zu ehlichen / doch mit der Bedin - gung / daß es nicht der Welt allzu ſehr lautbar werden moͤchte. Mit welchem Fuͤrſchlage ſich auch gedachter Thum-Herr dem Scheine nach befriedigte / und ſolches mit Kuß und vielen ver - buͤndlichen Worten verſiegelte Abelard begiebt ſich hiermit wiederum zu ſeiner Geliebten / erzeh - lete ihr den Fuͤrſatz der abgeredetẽ Verehligung / wurd aber durch allerhand buͤndige Einwuͤrfe davon abgehalten / ſie ſtellete ihm unter andern von / daß ihres Vettern rachgieriges Gemuͤthe durch nichts dergleichen wuͤrde beſaͤnfftiget wer - den koͤnnen: Sie gab ihm zu erkennen / daß es hoͤchlich zu beklagen were / wenn ein ſo hohes Ge - muͤthe / ſo die Natur zu etwas edelern gewidmet durch Sorgen der Nahrung und andere unver - meindliche Muͤhſeeligkeiten geſchwaͤchet werden ſolte. Sie erinnert ihn / daß ſein und ihr Name / die bißhero vor ein Beyſpiel aller Tugenden ge - halten weren worden / mercklich gekraͤncket / ja der Glantz beyder Ehr und Tugend durch dieſeun -149Peter Abelards und Heloiſſen. ungebundene Haͤndel gantz dunckel werden wuͤr - den mit angeheftem Vermelden / daß es Jhr an - nehmlicher ſeyn ſolte ſeine Freundin als ſeine Ehe - frau genennet zu werden. Nach dem ſie aber ihres geliebten Fuͤrſatz durch dieſe und andere Einwuͤrfe nicht zuruͤcke lencken konte / gab ſie ſich endlich mit dieſen Worten in ſeinen Willen / daß gewiß mit Verderb ihrer beyden / die kom - mende Schmach groͤſſer als die vergangene Freu de ſeyn wuͤrde / ſie uͤber gab darauf den jungen Sohn des Abelards Schweſter / machte ſich auf den Weg und ward in Beyſeyn etzlicher weniger Freunde in Pariß mit dieſem / der neben den Zu - cker der Wiſſenſchafft / ihr auch zugleich die Gal - le der Unkeuſchheit eingefloͤßt / ordentlich ver - maͤhlet. Folbert begunte darauf dieſes Ehe - werck durch die gantze Stadt ruchtbar zumachen Heloiſſe aber ihren ſo hochgeſchaͤtzten bey Ehren zu erhalten / leugnete ſo gut ſie konte / und dieſes Werck gerieth endlich dahin / daß Abelard ge - zwungen war / ſeine Ehegattin nach Argenteil unfern von Pariß gelegen / in ein Kloſter zu ſen - den / und ſie biß auf den Fechel aldar einkleiden zu laſſen. Dieſe Entweichung der Heloiſſe ver - bitterte den Folbert iemehr und mehr / der ſich auch endlich aus Rachgier dahin verleiten ließ / den Abelard / nachdem er zuvor ſeinen Knecht mit Gelde beſtochen / bey naͤchtlicher Zeit ſeines Her -K iijren150Liebe und Lebens Laufren Schlafgemach zu eroͤfnen / durch dazu gleich - falls erkaufte Perſonen in ſeiner Ruh zu uͤber - fallen / und zu entmannen. Dieſe ungewoͤhn - liche That war alſobald durch gantz Paris rucht - bar / und Abelard / dem die angethane Schmach / mehr als der Leibes Schmertz empfindlich war / ſchauete in wehrender Niederlage ſtuͤndlich eine groſſe Anzahl Frembde umb ſich / ſo ihr Mitlei - den / mit Seuftzen / Worten / und Thraͤnen ſchein - bar ſpuͤhren lieſſen. Nach dem nun beſagter ungluͤckſeeliger Zufall unſern Abelard untuͤchtig gemacht / ſeiner Liebſten Heloiſſe nach voriger Arth kuͤnftig beyzuwohnen / ſo entdeckte er der - ſelben / den unvollkommenen Zuſtand ſeines Lei - bes / ſo dann nach Vergieſſung tauſend Thraͤnen / endlich ihr Gemuͤthe / als ein gelehrtes Weib weißlich beſtillete / und ſich voͤllig als Nonne zu Argenteil einkleiden ließ / Abelard aber in den Kloſter des H. Dioniſ. die Muͤnchs Kappe gleich falls anlegte. Den elenden Zuſtandt / darein Abelard in beſagtem Kloſter / wegen eines geiſt - lichen Streites / dazu er wegen ſeines hitzigen Ge - muͤthes ſehr geneigt war / in kurtzen gerieth / were zuverdrießlich hier ausfuͤhrlich zu erzehlen. Die Geiſtlichkeit erhub ſich ingeſambt wider ihn / al - ſo daß er aus Furcht auch in des damahligen Koͤ - nigs in Franckreich Ungenade zu fallen / unter ei - nes Grafen in Champagnien Schutz mit Na -men151Peter Abelards und Heloiſſen. men Thiboult ſich begab / der ſich nicht unge - neigt erzeigte ihn auf allerhand Weiſſe auszuſoͤh - nen / ſo aber keinen andern Ausſchlag gewinnen wolte / als daß er endlich Erlaubniß uͤberkam / ei - nen einſamen Orth zu ſeiner Wohnſtadt ihm zu erkieſen / ſein Leben / doch allezeit unter der Be - ſchaffenheit eines Bruders des Kloſters des H. Dioniſ. daſelbſt zuzubringen. Es ward ihm ein kleiner Platz / als ein Allmoſen / unfern bey dem Flecken Nogent an der Seene angewieſen / all - wo er auf die armſeeligſte Weiſſe ein enges Got - tes Hauß aus gar ſchlechten Zeuge aufbauete / und nebenſt einen duͤrfftigen Geiſtlichen ihm an den Gottesdienſt Handreichung zu leiſten / in ſolcher Einſamkeit ſein Leben zu enden entſchloſſen war. Nach dem aber ſeine vorige Schuͤller aus Liebe ihres Meiſters ſich haͤuffig bey ihm einfunden / und zu ihrem Auffenthalt geringe Zellen baueten / begunten ſeine Wiederſacher theils wegen des Namens / ſo er dem Kloſter gegeben / theils we - gen daß er wiederum̃ aufs neue zu lehren anfieng / ihn zu verfolgen / alſo daß der Fuͤrſt von Nieder - Britannien / weil die Abtey des Kloſters Hil - daſſe ſich entleediget / ſolche Abelard auftrug. Dieſe Schein nach geluͤckſeelige Begebenheit verkehrte ſich alſobald in neues Unheil / in dem er durch treue Vorſorge / viel Unordnung / ſo unter den Bruͤdern eingeriſſen / nach und nach vernuͤnff -K ivtig152Liebe und Lebens Lauftig abſtellen wolte / und alſo ihm tauſenderley Verfolgung auf dem Halß zoge. Nachdem nun der Abt zu H. Dioniſ. die geiſtliche Jung - frauen zu Argenteil, ich weiß nicht / unter was vor einen Vorwandt aus dem Kloſter drang / und es mit Muͤnchen beſetzte / reimete Abelard ſein Gottes Hauß Paraclit gedachter Nonnen ein / allwo Heloiſſe als Aebtiſſin ein ſtrenges Leben fuͤhrete / und mit ihrem unbefleckten Wandel es dahin brachte / daß die Biſchoffe ſie vor ihre Tochter / die Abtiſſe ſie vor ihre Schweſter und die weltlichen ſie vor ihre Mutter hielten. Bey welcher Gelegenheit theils die gegen dem Abelard uͤbelgeſinnte / ihm / daß er gegen gedachtem Klo - ſter nicht gnugſam Vorſchub thete / feindſeelig vorruͤckten / andere / weil er dieſes Jungfrau Klo - ſter nicht ſelten zu beſuchen pflegete / ihm / daß er die Fleiſch-Toͤpfe Aegypten / und wegen der in der Natur noch ſteckendẽ Regung ſeiner alten Buhl - ſchaft nicht muͤſſig gehen konte / ungeſchaͤmet auf buͤrdeten. Welches aber der unſchuldig Ver - leumbdete / mit Gedult vertrug / und die Rache / in dem er mit Stahl und Gift von ſeinen Wi - der wertigen verfolget war / Gott allein heimſtel - lete / ſo ihn auch hernach in ſeinem hohen Alter und zwar des 63ſten ſeiner Jahre von Sorgen und Ungemach abgemattet / ausſpannete / nach dem er vor ſeiner letzten Todes Stunde befohlenſeinen153Peter Abelards und Heloiſſen. ſeinen Leib ſeiner geliebten Heloiſſe zu uͤberant - worten / ſo ihn auch mit ihren Thraͤnen wohl be - netzet / in den beſten Orth ihrer Kirchen begraben ließ. Und viel Jahr hernach aus dieſer Welt ſcheidende den geiſtlichen Jungfrauen anbefahl ihren toden Leib gleichfalls unter die Leichen ihres getreuen Abelards zu legen / ſo auch der geſtalt er - folget / und melden die Geſchichtſchreiber ſelbiger Zeit / daß Abelard / als man ſeine geliebte Helo - iſſe (ſo mir in folgenden zweyen Briefen wegen des Reimes Heliſſe zu nennẽ erlaubet ſeyn wird) nach Verlauf vieler Jahre zu ihm in das Grab bracht / mit ausgeſtreckten Arm ſolche umbfaſ - ſet und an die Bruſt gedruckt haben ſolle. Wel - ches mich dann auch bewogen / dieſen ſo wandel - bahren Lebens-Lauf mit folgender Grabſchrifft zu beſchlieſſen.

Ein Freund / den Noth beruͤhmt / Verluſt hat groß ge -
macht /
Druͤckt ſeine Freundin noch alhier an Bruſt und Armen
Lieb und Vertrauligkeit / ſo Tod und Grab verlacht /
Heiſt die Verliebten Zwey auch in dem Grab erwarmen.
Ein edles Leben macht auch einen edlen Todt /
Getreue Liebe will auch aus dem Grab entſprieſſen /
Zum Zeugniß daß Sie nun beſiegen Todt und Noth /
So wollen ſie ſich hier auch in der Aſche kaͤſſen.
Abelard an Heloiſſen.
Mein Schreiben iſt verderbt / die Feder iſt verſchnittẽ
Die Tinte fleuſt nicht mehr / wie ſie zuvor gethan /
K vEs154Liebe und Lebens Lauf
Es wird ein kleiner Brief dich umb Verzeihung
bitten
Daß ich forthin als Mann / dich nicht bedienen kan.
Dein Abelard iſt nicht / was er zuvor geweſen /
Er floͤſt dir kuͤnftig nicht die Zucker-Tropfen ein
Du kanſt bey mir nicht mehr die Liebes-Apfel leſen.
Dich heiſt man ohne Luſt / mich ohne Kräften ſeyn.
Kein fleiſchlich Jubel-Jahr iſt mehr von mir zu hoffẽ
Nach dem ich lebenslang die Faſte halten muß /
Das Meſſer / ſo mich ſchnied / das hat dich auch ge -
troffen
Man goͤnnt dir ferner nichts als einen ſchlaffen Kuß
Heliſſe meynt vielleicht / daß ich ein Retzel ſchreibe
Und ein verwoͤrrter Schertz den Brieff bekleiden ſoll /
Nein! was die Seele qvält / das qvilt aus meinem
Leibe /
Sie iſt der kalten Angſt / er heiſſer Schmertzen voll.
Wo iſt der edle Lentz / wo bleibt die ſuͤſſe Stunde /
Als mich der heiſſe Strahl der Liebes Sonne ſtach /
Als ich die Negeln dir auf dem Zinober Munde /
Und in der engen Schoß die Zucker-Roſen brach.
Jch kan im Geiſte noch den ſuͤſſen Honig ſchmecken /
Der mir aus deinem Mund auf meinen Lippen floß.
Was eingeſchlafen lag / das konteſt du erwecken /
Du warſt mein Seelen Zug und ich dein Leibgenoß.
Die ſuͤſſe Kuͤtzelung die ſpielt mir noch im Hertzen /
Als in dem warmen Schnee ich rothe Beeren laß /
Recht ſatt von Buhlerey / und voll von Liebes -
Schertzen /
Auf des Geluͤckes Schoß / und auch auf deiner ſaß.
Mein Fruͤhling iſt veꝛbluͤth / es iſt mein Winteꝛ kom̃ẽ
Die nackte Liebe ſcheut erkalten Reif und Schnee /
Dein155Peter Abelards und Heloiſſen.
Dein falſcher Vetter hat mir meinẽ ſchatz genom̃en /
Er ſtielt mir meine Luſt / uñ ſchenckt mir Ach uñ Weh.
Er kan mich fuͤglich nicht von deiner Seite treiben /
So raubt ſein Henckers Siñ / mich endlich ſelber mir /
Was maͤnlich in mir lag / daß hieß er mir entleiben.
Vor Perlen findeſt du die leere Muſchel hier.
Ach wie verfolget mich das fluͤchtige Geluͤcke /
Jch meynt es richte mir ein Bett aus Liljen zu /
Jch waͤr ein weiſſer Zweck von ſeinem Liebes Blicke.
Es fuͤhrte ſein Magnet mich in den Port der Ruh.
Jch aͤß aus ſeiner Hand ambrirte Mandelkochen /
Es legte mir das Haupt auf ſeine weiche Bruſt /
Es haͤtte vor mein Heil und Leben gut geſprochen /
Er tränckte mich mit nichts als Moſcateller-Moſt.
Es haͤtt auf ewig ſich mir treu zu ſeyn verſchworen /
Es ſalbte mir das Haupt mit frembden Balſam ein /
Mein Unſtern haͤtte ſich aus der Natur verlohren /
Mein Lied das wuͤrde nichts als Halleluja ſeyn.
So ſpielt der ſelbſt Betrug umb unſre bloͤde Siñen /
Cometen ſcheinen oft in unſer Freuden-Hauß /
Den Luſt Saal ſchauen wir wie dünnen Schnee zer -
rinnen
Und dieſer Bau verfaͤlt auch ohne Ziegel Graus.
Wo vor die Freudigkeit uns wolte Palmen ſtreuen
Und Biſem und Zibeth uns opfert ihre Schoß /
Da will das Ungemach mit ſeinem Donner dreuen
Und laͤſt auf uns erzoͤrnt entbrennte Keile loß.
Der Hoffnungs-Ancker bricht / der Freudens -
Grund verſchwindet /
Man hoͤrt wie uns die Luſt verlohrne Soͤhne heiſt /
Wie dz Verhaͤngnis uns mit Jam̃er Seilen bindet /
Und unſer Hertze ſelbſt aus unſern Hertzen reiſt.
Heliß156Liebe und Lebens Lauf
Heliß ich weiß forthin kein rechtes Wort zu machen
Die Seele blutet mir / es kraͤncket Geiſt und Muth;
Wem Schmertzen / Scham und Furcht tief in dem
Geiſte wachen /
Der ſchreibet / wie du ſiehſt / gewieß nicht allzu guth.
Jch ſchlafe wachende / und kan kein Auge ſchlieſſen /
Du ſchauſt / wie meine Schrifft nicht Gleiß uñ Ord -
nung haͤlt; (wiſſen /
Jch ließ dich zwar die Kunſt des klugen Schreibens
Die mir als Meiſtern ſelbſt aus dẽ Gedaͤchtnuͤß faͤlt.
So treñt durch Zufall ſich / was Lehr uñ Leben heiſſet /
Ein kleiner Neben-Zug reiſt Loͤwen Kraͤfften ein;
Man ſchaut / wie uns die Noth aus dẽ Gewichte reiſ -
Und groſſe Rieſen heißt verachte Zwerge ſeyn. (ſet /
Jch meint auf heiſer Glut wie auf den Thau zu lachẽ /
Es ſolte mir kein Dorn verſchrencken meine Bahn;
Jch dacht auf duͤñem Eiß ein Buhler-Lied zu machẽ /
Jzt lern ich / daß ein ſchnitt mein Meiſter werdẽ kan.
So hebt die Hochmuth uns auch uͤber das Geſtirne;
Vergiſt was menſchlich iſt / und keñt die Erde nicht.
Verliebt ſich in ſich ſelbſt / und bauet im Gehirne /
Wz ein geringer Wind wie Spiegel-Glaß zerbricht.
Heliſſe kennſtu noch was ich zuvor geweſen;
So kehre mir auch itzt ein treues Auge zu.
Laß deine Wehmuth mich aus einem Briefe leſen /
Der nach dem Him̃el ſchmeckt / uñ lieblich iſt / wie du.
Du kanſt alleine mir das beſte Pflaſter ſenden /
So mir die Schmertzen daͤmpft / uñ mich der Noth
Uñ dis alleine ſteht in deinen zarten Haͤndẽ. (entreiſt /
Jch weiß / daß mich dein Mund noch ſeine Seele heiſt.
Du haſt ja meinen Geiſt zu erſte lernen kennen /
Mein Geiſt hat deinen Geiſt eh als den Leib geliebt.
Und157Peter Abelards und Heloiſſen.
Und glaub: ich werde noch in meiner Seele brennen /
Ob gleich der matte Leib nicht rechte Funcken giebt.
Mein Geiſt ſol deinen Leib auf neue Weiſſe kuͤſſen /
Und mein Gemuͤthe wird ſtets unverſchnitten ſeyn.
Jch weiß / der Him̃el ſelbſt wird meine Noth verſuͤſſẽ /
Und ſtreut die Liebligkeit mit reichen Haͤnden ein.
Nicht ſcheu dich dieſẽ Brief in deine Hand zu ſchlieſſẽ /
Er iſt verwund / wie ich; ach druck ihn nicht zu ſehr!
Laß doch zu meinem Blut auch deine Thraͤnẽ flieſſen;
Die Feder faͤllt mir hin; Heliß ich kan nicht mehr.
Heloiſſe an Abelarden.
Auf einen Brief von Blutt gehoͤrt ein Brief von
Thraͤnen /
Jch fuͤhle wie dein Schnitt mich auch zugleiche ſticht
Ach daß der Himmel mich den Jam̃er läſt erwehnen /
Und mir nicht auch dabey das matte Hertze bricht.
Kein Zug der Eitelkeit / kein Dunſt beflam̃ter Luͤſte /
Macht daß ich deine Noth entzuckt beweinen muß /
Die Geiſter fuͤhren mich in eine duͤrre Wuͤſte /
Gedenck ich kuͤnfftig mehr an einen geilen Kuß.
Jch ſcheue mich zwar nicht in Schwachheit zu bekeñẽ
Daß deine kuͤhne Fauſt mich in die Gluth gefuͤhrt;
Wie ſolte nicht ein Weib in ihren Geiſt entbrennen /
Wann ihr ein Abelard ſo ſchoͤne Funcken ruͤhrt?
Das Wort / damit dein Mund mein Ohre hat be -
ſtritten /
Bezwang mir auch den Geiſt durch ſuͤſſe Zauberey.
Jch bin mein Edler Freund durch deine Hand geglit -
Und lebte ſonder dich von allem Falle frey. (ten /
Jch bin durch dich allein auß dem Gewichte kom̃en /
Doch wer durch Heldẽ faͤlt / der faͤlt nicht ohne Ruhm
Daß158Liebe und Lebens Lauf
Daß du mich haſt bekriegt / und mir das Heft genom -
men /
Das bleibt der beſte Schatz von meinem Eigenthum.
Mein Einfalt ſchaͤrfteſt du durch viel gelehrte Kuͤſſe
Die Geilheit legteſt du in bunde Schalen ein /
Es machte mir dein Kuß Gall v. auch Wermut ſuͤſſe
Du lieſt Vertrauligkeit der Keuſchheit Wiege ſeyn.
Es war die Buhlerey mit Weißheit uͤberzogen /
Ja unſre Geilheit ſelbſt mit Keuſchheit angethan
Mit ſolcher Liebligkeit ward unſer Luſt gepflogen
Daß ich ſie auch itzund nicht gaͤntzlich tadeln kar.
Es gieng die Schluͤpfrigkeit in einem reinen Kleide /
Jch ward von deineꝛ Brunſt geziehret / nicht befleckt /
Es war mein Purpur Rock nicht ohne weiſſe Seide.
Wer liebt die Speiſe nicht ſo nach der Tugend
ſchmeckt.
Als Monde wolt ich nur durch dich o Soñe ſcheinen.
Mich ſchreckt auf deiner Schoß kein Bild betruͤbter
Nacht (nen /
Jch dacht auf dieſer Welt forthin nicht mehr zu wei -
Ach daß ſich unſer Luſt zur Unluſt Mutter macht.
Du hatteſt mir ſo viel von Tugend fuͤrgeſtellet /
Daß ſich die Schelmerey dadurch nicht blicken ließ.
Mit ſolcher Liebligkeit ward ich durch dich gefaͤllet
Daß ich in Luſt entzuͤckt / es nicht mehr Suͤnde hieß.
Mich deucht ich ſuͤndigte / diß Suͤnd uñ Schuld zu -
nennen /
Was ſuͤſſer iſt als Moſt uñ nach Jeßminen ſchmeckt.
Jch meynt / ich wuͤrde hieꝛ in einer Flamme brennen /
So nur zu leutern weiß / und nichts an uns befleckt.
Jch ſchlug in ſolcher Luſt Geiſt und auch Auge nieder /
Wer Adlern gleiche ſieht / wird durch die Liebe blind /
Was ich aldar empfand / bringt mir kein Monath
wieder /
Es159Peter Abelards und Heloiſſen.
Es iſt verrauſchte Flut uñ laͤngſt verrauchter Wind.
Jch will forthin nicht mehr in Liebes Schrancken
kaͤmpfen
Jch will itzt Meiſterin von meinem Blute ſeyn.
Jch weiß der Him̃el ſelbſt wird meine Luͤſte daͤmpfen /
Und druckt mir albereit der Keuſchheit Siegel ein.
Ein guter Vorſatz kan uns mehr als Stahl ver -
ſchneiden / (Ruh
Wer ihm ſich ſelbſt entbricht / ſaͤhrt in den Port der
Wir ſchmecken keine Luſt / als in der Luſt / zu meiden
Und was dein Leib entgeht / das waͤchſt der Seele zu /
Es hat mein Abelard mich niemahls recht geliebet /
So er der Meynung iſt / daß ich ihn laſſen kan /
Ein edles Weib wie ich / ſo nicht als Hure liebet / (an -
Schaut Leibespracht als Spreu / die Seel als koͤrner
Man muß die Liebe nicht mit gleicher Ele meſſen /
Gemeine Buhlerey ſucht nichts als Fleiſch uñ Blut /
Doch der ein edler Geiſt das Hertze hat beſeſſen /
Die laͤſt das Schlacken Werck / und ſucht ein hoͤher
Gut. (ret
Hat mich dein Zucker Mund zu Fleiſchlich angeruͤh -
Und in ein Roſenthal ein ſchluͤpfrich Haus gebaut /
So hat doch keine Brunſt wir die Vernunft entfuͤh -
Es hat ein jeder Kuß auf deinen Geiſt geſchaut. (ret
Jch hielt vor ungereimt den edlen Leib zu haſſen
Wo dein erlauchter Geiſt ſo kluge Hofſtadt hielt.
Kam gleich mein Abtlard mich fleiſchlich zu umfaſſen
So ſchertzt ich mehr von Lieb / als Geilheit angefuͤlt.
Jch weiß der Himmel laͤſt uns leicht Genade finden
Der unſer Seele hat tief in das Bluth geſetzt /
Ach ſchreib ich auch zuviel? dergleichen zarte Suͤndẽ /
Seyn der Vergebung mehr als Grobe werth ge -
ſchaͤtzt.
Als160Liebe und Lebens Lauf Peter Abelards.
Als Engel werd ich dich forthin umbfaſſen koͤnnen /
Was Maͤnn-uñ Weiblich heiſt / bedenckt die Seele
nicht /
Es ſcheint die Sternẽ ſelbſt belachen mein Begiñen /
Und haben Cronen mir von Strahlen zugericht.
Wir wollen einen Sitz von Tugend-Liljen bauen /
An dem kein ſchartzer Fleck verwehrter Luͤſte klebt;
Die Welt wird mich uñ dich in einem Bande ſchauẽ /
Auf dẽ die Koſtbarkeit von Zucht-Gewircke ſchwebt.
Die Seelen werden ſich auf eine Weiſſe kuͤſſen /
Die man empfinden kan / doch nich zu nennen weiß.
Ein ſuͤſſes Etwas wird von Geiſt zu Geiſte fluͤſſen /
Vor Liebeſtoͤckel pflantzt man kuͤnftig Ehren-Preiß.
Viel hundert Jahre Roſt wird unſern Ruhm nicht
ſtoͤren;
Geſezte Tugend ſproſt auch aus der Buhlerey.
Wer allzu eifrig zoͤrnt / wird dieſe Worte hoͤren:
Gar wenig Menſchẽ ſeyn von Lieb und Blattern frey
Jch kuͤſſe dich itzund in dieſem kurtzen Schreiben /
Die Seele ſchreibet mehr als dieſe ſchwache Hand.
Laß mich nur deine Magd in Ewigkeit verbleiben /
Jch bin dir laͤngſt verſchenckt / du darfſt kein ferner
Pfand.
Vor deinen Schaden kan ich itzt kein Pflaſter ſendẽ /
Wenn meine Wehmut man nicht deine Salbe heiſt.
Hiermit empfehl ich dich des Him̃els treuen Haͤndẽ /
Der heile deinen Leib / und ſtärcke meinen Geiſt.

ENDE.

Poetiſche GRAB - SCHRJF - TEN. Leipzig und Breßlau / Jn Verlegung Jeſaiæ Fellgiebels / Buch - haͤndlers. Jm Jahr 1680.

Vorrede.

Liebſter Freund / und Bruder!

DJe Einſamkeit / welche ich mir ver - gangenen Fruͤhling / mehr als wohl billich belieben laſſen / und nicht un - fuͤglich ein Begraͤbnuͤs der Lebendigen mag genennet werden / hat meinem Gemuͤthe ich weis nicht was vor eine Regung eingebla - ſen / etwas in allerhand / doch mehrentheils fantaſtiſchen Grabſchrifften zu verſuchen. Ob ich allemahl in dieſem meinem Vorneh - men gleich gluͤckſeelig werde geweſen ſeyn / iſt mir unwiſſende. Getroͤſte mich aber doch / daß aus etzlichen Erfindungen / auch mittel - maͤſſigen Augen / leicht zu erkennen ſeyn wird / daß dieſe wenige Reimen ſchwerlich in einem Gehirne jung worden / ſo gantz und gar einem Kalbs-Kopff zum Meiſter ge - habt hat. Und ſolte ja meine Ungeſchick - ligkeit durch dieſes mein Verſuchen an dena ijTagVorrede. Tag kommen / ſo weiß ich / daß ich mich der Worte / ſo jener beruͤhmter Genueſer uͤber ſeinen Pallaſt ſchreiben ließ / mit gutem Fu - ge werde gebrauchen koͤnnen: Hier iſt nichts geborget es! Dieſe meine Sterbensgedancken nun wil dir bey dieſer Gelegenheit ich uͤber - reichet haben / mit bitte / ſie von dieſem wohl - meynende anzunehmen / der mehr der Freundſchafft / als der Poeterey beflieſſen iſt. Was ich thue / das thue ich Luſt hal - ben. Und ſo in dieſen Grabſchrifften keine groſſe Kunſt vergraben lieget / ſo verſichre ich auch einen ieden / daß ſie nicht nach Schweiß ſtincken / und ſolche Kinder ſind / die ohne Kreiſſen von der Mutter kommen. Gefal - len ſie dir / ſo ſol es mir nicht mißfallen: fin - deſtu aber einen mercklichen Mangel darin - nen / ſo kanſt du dieſelben ungehindert weg werffen. Sey verſichert / es ſol von mir vor keine Beleidigung auffgenommen werden; und ich wil / wie zuvoꝛ / alſo auch nach dieſem / unveraͤndert bleiben /

Liebſter Freund und Bruder / dein Ergebener. Adams.

Poetiſche Grabſchrifften.

I. Adams.

AN ſtatt der Mutterſchoß war mir des Hoͤchſten
Hand /
Das Paradis mein Hauß / die weite Welt mein Land.
Zur Straffe weil mir diß zu enge ſcheinte ſeyn /
Schleuſt dieſer ſchlechte Raum den ſtoltzen Coͤrper
ein.

II. Lots.

Jch eilt aus Sodoma den Flammen zu entgehen /
Und konte nicht der Brunſt der Toͤchter wider ſtehen /
Wer macht den armen Lot der ſchweren Suͤnden loß /
Jch baute Sodoma auff meiner Toͤchter Schoß.

III. Salomons.

Die Cedern Libanons und Ophirs Goldund Stein /
Trug Koͤnig Salomon des HErren Tempel ein.
Die Brunſt veraͤndert ihm die Sinnenund Geber -
den /
Und ließ ihn ſelbſt verkehrter Siñen Tempel werden.

IV. Des H. Peters.

Hier iſt der Grabeſtein / ſo dieſen Stein beſchlauſt /
Der nicht mehr wie zuvor die Thraͤnen von ſich geuſt.
Doch ſol der todte Stein nicht auf das neue weinen.
So jaget Weib und Haan von dieſen beyden Stei -
nen.
a iijDesPoetiſche

V. Des Verraͤthers Judæ.

Der Strang umbfing den Hals / der ſchwartze Geiſt
die Seele /
Jtzt ruht der ſchnoͤde Reſt in einer ſchnoͤden Hoͤle.
Jch bin ein Maͤrtyrer der viel Gefehrten ſpuͤhrt /
Geld / Teufel / Pfaff / und Geitz / hat mich darzu ge -
fuͤhrt.

VI. Alexandri M.

Mir war die Welt zu klein / ich ſpielte mit der See /
Jch ſpruͤte reichlich aus / Blut / Feuer / Mord / und
Weh.
Nun ich geſtorben bin / was nutzet mir mein Siegen?
Hier koͤnten noch bey mir viel Alexander liegen.

VII. Neronis.

Strang / Feuer / Spieß und Schwerdt / trug meine
rechte Hand /
Viel tauſend hat mein Wort in Plutoͤ Reich geſand.
Nicht tadelt mich darum: Sie ſolten ihm vermelden /
Daß er Bereitſchafft macht fuͤr einen groſſen Hel -
den.

VIII. Guſtav Adolphs Koͤnigs in Schwedẽ.

So weit als Magellan den Zirckel hat gemacht /
Hat meiner Thaten Glantz auch das Geruͤchte bracht.
Vor Luͤtzen hat mein Muth mich in das Gras gebeget /
Doch fiel ich als ein Baum der tauſend aͤſte ſchlaͤget.
KoͤnigSchrifften.

IX. Koͤnig Ludewigs des XIII. in Franckreich.

Rochelle, Perpignan, mit Briſach und Tourin,
Entdecken aller Welt wer ich geweſen bin.
Als Richelieu mein Geiſt / iſt von mir weg gegangen /
So hab ich albereit zu ſterben angefangen.

X. Scævolæ.

Der Jrrthum und Verluſt macht Scævolen be -
kand /
Rom konte nicht ſo viel / als die verbrandte Hand.
Die Aſche liegt alhier / vermiſchet mit der Erden /
Noch wil aus dieſer nicht ein ander Phœnix werden.

XI. M. Curtii.

Durch einen weiten Schlund / war mit gewehrter
Hand /
Der Curtius von Rom / nach Pluto Reich geſand.
Wie ihn die groſſe Schaar der Teufel hab empfan -
gen / (langen.
Erlernſtu / Suͤnden-Knecht / wenn du wirſt hinge -

XII. Gonſalvo.

Mein Witz gab Spanien ein weites Koͤnigreich /
Es war an Kopff und Fauſt mir keiner endlich gleich;
Es hat des Neides Hand ſelbſt umb mein Grab ge -
ſchrieben / (ben.
Gonſalvo hat den Feind aus Hertz und Land getrie -
a 4Ga -Poetiſche

XIII. Gaſton de Foix.

Jch hab in kurtzer Zeit dreymahl den Feind geſchla -
gen /
Mein gruͤnes Lorberblat das muſte Purpur tragen.
Des Feindes Hand beſchrieb ſelbſt meinen Helden
Muth /
Die Feder war ein Spieß / die Tinte war das Blut.

XIV. Grafens Fliſco.

Das Hauß von Doria das tracht ich zu verderben /
Es ſolte deſſen Fall die Herrſchafft mir erwerben.
Der Himmel der verlacht der Menſchen ſtoltzen
Schluß /
Und macht daß boͤſer Rath zu Waſſer werden muß.

XV. Juan d Auſtria.

Des Vatern Tapfferkeit hab ich als Sohn geerbet /
Und durch der Tuͤrcken-Blut die wilde See gefaͤr -
bet.
Conſtantinopeln legt ich Trauer-Kleider an /
Und zeigte / daß der Muth die Macht bezwingen
(kan.

XVI. Des Marſchall Anckers.

Wer Hof und Hoffnung liebt / wer Fuͤrſten Wor -
ten trauet /
Und auf der Herren Gunſt geringe Gruͤnde bauet.
Den lehret dieſe Grufft / daß er nicht recht gethan /
Weil auch ein Ancker nicht bey Hofe halten kan.
Bar -Schrifften.

XVII. Barnefelds.

Es machte ſich mein Witz bey Weſt und Oſt be -
kand /
Man nennte meinen Kopff Compas von See und
Land /
Verdacht hat mich mit Schimpff in einen Sarg
geleget / (ſchlaͤget?
Wer lobt den Steuermann / der den Compas zu -

XVIII. Cardinals Richelieu.

Hier liegt ein Cardinal der Franckreich hat gezieret /
Und ſeine Lilien durch manches Land gefuͤhret.
Er band Neptunus ſelbſt / und nahm ſein Tyrus ein /
Durch ihn kan Ludewig ein Alexander ſeyn.

XIX. Columbens.

Der Wind trieb meinen Leib / die Ehre meine Sin -
nen /
Des Hoͤchſten ſtarcke Hand begleite mein Begiñen.
Jch fand die neue Welt / und trug nicht viel davon /
Vor alle meine Muͤh iſt dieſes Grab mein Lohn.

XX. Drackens Engl. Admirals.

Jn ungeſtuͤmer See erwarb ich Ruhm und Gut /
Jn ungeſtuͤmer See verlohr ich Geiſt und Blut.
Ein Koͤnig mag ein Grab von Gold und Perlen ha -
ben /
Mich hat Neptunus ſelbſt in ſeinen Schoß begraben.
a vPeterPoetiſche

XXI. Peter Hayns Holländiſch. Admirals.

Der Spanien betruͤbt und Holland hatt ergetzt /
Jſt von der Freunde Hand / hier unten beygeſetzt.
Das Silber muſt er bald der Staden Haͤnden gebẽ /
Das Bley verblieb vor ihn / und bracht ihn umb das
(Leben.

XXII. Admiral Hautebeens.

Mir gab a Burgundien viel Worte / wenig Gold
Und zwang den treuen Sinn zu ſuchen frembden
Sold.
Zum Zeugnüs daß ich bloß die Zeichen wolte lieben /
So bin ich wie du ſchauſt hier bey b S. Thomas bliebẽ.
aHat erſtlich dem Koͤnige in Spanien gedienet.
a
bStarb in der Jnſel St. Thomæ, unter der Linie / an der Landſeuche.
b

XXIII. Senecæ.

Der Heyden halber Chriſt / der Klugen halber Gott /
Der Roͤmer groſſer Ruhm / der Kaͤyſer gꝛoͤſter Spott.
Ließ hier was irrdiſch war / beſchlieſſen dieſen Stein /
Der Sinnen Trefligkeit war dieſe Welt zu klein.

XXIV. Diogenis.

Pracht / Reichthum / falſcher Schein / ward von mir
außgelacht /
Jch habe mehr nach Ruh als groſſen Ruhm getracht.
Mein Wohnhauß war ein Faß / mein Becher war
die Hand /
Die weite Welt mein Buch / und auch mein Vater -
land.
Cice -Schrifften.

XXV. Ciceronis.

Jn dieſen kleinen Raum ward Cicero gelegt /
Der das beruͤhmte Rom nach Willen hat bewegt.
Mein Leſer ſcheue nicht das ſchlechte Grab zu kuͤſſen.
Es liegt der Roͤmer Mund zu deinen ſchlechten Fuͤſ -
ſen.

XXVI. Eraſmi.

Mein Leſer ſtelle dich zu dieſem Grabeſteine /
Eraſmus lieget hier / hier ſind die wehrten Beine;
Jch ſchwere daß kein Staub in dieſem Grabe liegt /
So nicht der Barbarie mit Macht hat obgeſiegt.

XXVII. Martialis.

Der den Parnaſſus hat in Sodoma verkehret /
Der mit der Muſenſchaar zu bulen hat begehret /
Vor dem Apollo ſelbſt nicht allzuſicher ſaß /
Kuͤſt unter dieſem Stein ein halb verfaultes Aaß.

XXIIX. Aretins.

Hier liegt ein geiler Mann / ſo der verkehrten
Welt
Den Griff der Schlipffrigkeit hat kuͤnſtlich vorge -
ſtellt.
Die Venus daß ihr Sohn den Bogen beſſer deh -
ne /
Nahm ſein verbultes Hertz / und gab es ihm zur
Sehne.
DesPoetiſche

XXIX. Des Ritters Marini.

Jch ſpeiſete die Welt mit Amber reicher Koſt /
Aus meinen Reimen wuchs das Blumwerck gei -
ler Luſt.
Hab ich die Fleiſchligkeit zu ſchlipffrig angeruͤh -
ret /
So dencke Venus ſelbſt hat mir die Hand gefuͤh -
ret.

XXX. Opitzens.

Mich hat ein kleiner Ort der deutſchen Welt gege -
ben /
Der wegen meiner wird mit Rom die Wette le -
ben.
Jch ſuche nicht zu viel / ich bin genug geprieſen /
Daß ich die Venus ſelbſt im Deutſchen unterwie -
ſen.

XXXI. Evens.

Wie ſolte nicht ein Werck den Hoͤchſten Ruhm
erlangen /
So zweymahl durch die Hand des Hoͤchſten iſt ge -
gangen.
Es drang ein ſuͤſſer Spruch mir durch die ſtoltzen
Sinnen /
Jhr Toͤchter lernt von mir was falſche Worte
koͤnnen.
MariæGrabſchrifften.

XXXII. Mariæ Magdalenæ.

Hie ruht das ſchoͤne Haupt / hie ruht die ſchoͤne
Schoß /
Auß der die Liebligkeit mit reichen Stroͤmen floß.
Nach dem diß zarte Weib verließ den Huren-Orden /
So ſind die Engel ſelbſt derſelben Buler worden.

XXXIII. Helena.

Das Gifftloch hat zu Rom viel tauſend auffgerie -
ben /
Durch dich / O Helena / ſind ihrer mehr geblieben.
Zwar jenes hat ein Mann mit Pferd und Schwerd
gefuͤllet /
Doch hie hat keiner recht die geile Luſt geſtillet.

XXXIV. Thais.

Die Thais lieget hier / die Venus ihrer Zeiten /
So aller Maͤnner Hertz vermochte zu beſtreiten.
Durch Flammen ſo ſie warf aus Augen / Hertz / und
Hand /
Hat Alexander auch Perſepolin verbrand.

XXXV. Artemiſiens.

Wer Land und See durchſtreicht / und dieſe groſſe
Welt /
Jhm als ein groſſes Buch vor das Geſichte haͤlt /
Der muß nicht wie man pflegt alhier voruͤber drabẽ /
Jn dieſem Grabe liegt ein ander Grab begraben.
Lu -Poetiſche

XXXVI. Lucretia.

Ein Nothzwang meiner Zucht fraß meines Ruh -
mes Schaͤtze /
Ein Loch in meiner Bruſt / gab mir des Todes Netze.
Ein Loch nicht weit von hier beſchlos den zarten Leib /
Zwey Loͤcher ſind zu viel zu faͤllen nur ein Weib.

XXXVII. Kleopatren.

Hier liegt Kleopatra das Wunder ihrer Zeit /
Wer ſie geweſen iſt das weiß man weit und breit.
Ein ieder huͤtte ſich viel Perlen herzubringen /
Weil ſie gewohnet iſt dieſelben zu verſchlingen.

XXXIIX. Meſſalinæ.

Die Brunſt betaute ſtets mir meine geile Schoß /
Kein Spiel war mir zu lang / und keine Luſt zu
groß.
Das Buhleriſche Rom belachte mein Beginnen /
Ermuͤden hat man mich doch nicht vergnuͤgen koͤn -
nen.

XXXIX. Catharina Cornara letzte Koͤnigin in Cypern.

Jch war zu meiner Zeit der Venus Ebenbild /
Jch herrſchte wo vor mir die Venus Hoffſtadt hielt.
Mich hat Venedig ſelbſt zur Tochter angenommen /
Durch Lieb und Mahlerey bin ich zur Crone kom -
men.
Koͤni -Schrifften.

XL. Koͤnigin Catharina de Medices.

Gantz Franckreich liebte mich umb meines Nahmens
willen /
Als ſolte meine Hand ihr groſſes Ubel ſtillen.
Die Hoffnung war umbſonſt man fing mich an zu
haſſen /
Jch konte ſonſten nichts als nur zur Ader laſſen.

XLI. Marien Stuarten.

Mir hat Eliſabeth die Freyheit weggenommen /
Jch bin durchs Henckers Hand von meinem Leben
kommen.
Was der und jener klagt / iſt mehrentheils erdacht /
Mich hat ein guter Kopff umb meinen Kopff ge -
(bracht.

XLII. Koͤnigin Eliſabeth.

Jch habe Cron und Schwerd doch keinen Mann
getragen /
Es mag mein Koͤnigreich von meinen Thaten ſagen.
Die Todten reden nicht / wer hoͤrt den faulen Leib?
Jch ſage nichts als diß: Hier ruht ein Engliſch
(Weib.

XLIII. Marien de Medices.

Die Mutter-Stadt Florentz ließ mich nicht ohne
Schmertzen / (tzen.
Paris empfing mich zwar / doch nicht mit treuen Her -
Den ich zu groß gemacht / ſtieß mich in ſtrenge Flucht /
Zu Coͤlln hat mich der Tod nicht ungewuͤntſcht ge -
ſucht.
BiancaPoetiſche

XLIV. Bianca Capella.

Mein Bette machte mir das ſchmeichlende Geluͤcke
Und peitſchte mich hernach mit Dornen ſeiner Tuͤ -
cke.
Das Licht von meinem Ruhm gerieth in ſchnoͤde
Nacht /
Daß Lieben gifftig iſt / hab ich bekand gemacht.

XLV. Æſopus.

Den ungeſchickten Leib bedeckte mein Verſtand /
Mein Ruhm lief fliegende durch aller Voͤlcker Land.
Und hab ich Zung und Mund / Lufft / Erd / und See
gegeben /
So muß ich billich auch auff allen Zungen leben.

XLVI. Pyrami und Thysbes.

Es zeigt die kleine Grufft der Venus Meiſterſtuͤcke /
Ein außerſehen Ziel zerſprenget durchs Geluͤcke.
Der Buler See Compaß. Hier iſt genung bericht /
Wer kennet Pyramus und ſeine Thysbe nicht?

XLVII. Leanders.

Die Liebe war mein Licht bey ſchwartz-gewoͤlckter
Nacht /
Das Feuer ſo ich trug beſtritt der Wellen Macht.
Jch fiel in Nereus Reich / es iſt mir nicht gelungen /
Es hat die groſſe Fluth die groſſe Gluth bezwun -
gen.
EinesGrabſchrifften.

XLVIII. Eines Geſandten.

Mein Koͤnig ſandte mich in ein beruͤhmtes Land /
Jch hoffte frey zu ſeyn / von aller Voͤlcker Hand.
Mein Hoffen war umbſonſt / der Tod hat mich er -
ſchlagen /
Der Flegel wuſte nicht / was die Juriſten ſagen.

XLIX. Eines ungelehrten Dorffprieſters.

Ein Frembder in der Schrifft / ein Buͤrger in Po -
ſtillen /
Muß dieſen engen Raum mit ſeinem Leibe fuͤllen;
Es weint das gantze Dorff / es ſchalt in allen Ohren /
Der Kretſchem und Altar hat ſeinen Schatz ver -
lohren.

L. Eines ungleichen Richters.

Wer hier begraben liegt / darff keiner recht bekennen /
Ein ieder huͤttet ſich vor Staͤupen und vor Brennen.
Ein Wort geht noch wol hin / doch druͤck ein Auge zu /
So ſag ich: dieſer Mann war eben ſo wie du.

LI. Eines ungerechten Advocaten.

Das ſchlechte macht ich krum̃ / das krumme macht ich
ſchlecht /
Drey Sachen nehrten mich / Verwirrung / Zanck /
und Recht /
Doch wo Juſtinian wird vor den Richtſtuhl kom̃en /
Da werd ich wohl gewiß verblaſſen und erſtummen.
bEinesPoetiſche

LII. Eines unwiſſenden Artztes.

Des Todes Lietenant hat ſich hieher geſellt /
Nach dem ſein Recipe viel hundert hingefaͤllt.
Mich wundert daß der Tod nicht ſeiner hat ver -
ſchonet /
Und ihm den treuen Dienſt / ſo er gethan / belohnet.

LIII. Eines Soldaten.

Jch brannte / hieb und ſtach / ich wachte / brach / und
raubte /
Jch jagte / ſchoß / und warf / ich draͤute / zoͤrnt / und
ſchnaubte /
Die Arbeit / ſo ich that / war nicht umbſonſt verbracht /
Sie hat mir Weg und Steg zur Hoͤllen weit ge -
macht.

LIV. Eines Pauren.

Das Erdreich gab mir Brod / das Brod erhielt mein
Leben /
Vor Brod hab ich das Fleiſch der Erden hingegebẽ.
Jch gebe wol zu viel. Das Fleiſch kam aus der Erden /
Und muß auch / was es war / in kurtzem wieder werdẽ.

LV. Eines Alchimiſten.

Jch war ein Alchimiſt / ich dachte Tag und Stunden /
Auf eine neue Kunſt des Todes frey zu ſeyn /
Diß was ich ſtets geſucht / das hab ich nicht gefundẽ /
Und was ich nicht geſucht / das ſtellt ſich ſelbſten ein.
EinesGrabſchrifften.

LVI. Eines Hollaͤndiſchen Blumiſten / ſo Alchimiſterey getrieben.

Mein Geld blieb in der Glut / mein Blumwerck in
der Erden /
Der Kum̃er ließ mich nicht zu einem Bettler werden /
Jch ſtarb zu rechter Zeit und ward gewuͤnſcht ent -
bunden / (den.
Die Blumen hat der Leib / das Geld die Seele fuͤn -

LVII. Eines Laſterhafftigen.

Die Leber iſt zu Wien / das Glied zu Rom geblieben /
Das Hertz in einer Schlacht / und das Gehirn im Lie -
ben.
Doch daß der Leib nicht gantz verlohren moͤchte ſeyn /
So legte man den Reſt hier unter dieſen Stein.

LVIII. Eines gehangenen Seyltaͤntzers.

Jch bin in freyer Lufft auf Stricken ſtets gegangen /
Jch ward in freyer Lufft an einen Strick gehangen.
Mein Leib der nehrte ſich mit Stricken und mit Lufft.
Nun bringt mich Lufft und Strick auch endlich in die
(Grufft.

LIX. Eines ſo ſich am Moſte zu tode geſoſſẽ.

Der Schiffer wuͤntſchet ihm auff ſeiner See zu ſter -
ben / (ben.
Der Bergmañ achtets nicht im Schachte zu verder -
Der Buler ſtirbt getroſt an ſeiner Liebſten Bruſt /
Hier liegt ein volles Schwein erſtecket in den Moſt.
b ijEinesPoetiſche

LX. Eines ſo ſeinem Weibe feind geweſen.

Mein Teufel war das Weib ihr Bette meine Helle /
Der Marter frey zu ſeyn begehrt ich dieſe Stelle.
Doch wo mein boͤſes Weib hier ihre Ruh erkieſt /
So glaub ich / daß mein Leib ſtets in der Hoͤllen iſt.

LXI. Eines Schlaffſuͤchtigen.

Hier liegt ein fauler Leib / der aus dem Tage Nacht /
Und aus dem Leben Tod / durch Schlaffen hat ge -
macht.
Aus allzugroſſer Furcht / daß man ihn nicht erwecket
So hat er ſich alhier in dieſe Grufft verſtecket.

LXII. Eines Kupffernen / ſo im Kupfferwe - ſen geſtorben.

Es war zu meiner Zeit das Kupffer hochgeacht /
Und mancher Ofentopff zu Pfennigen gemacht.
Aus Furcht ich moͤchte noch umb meine Naſe kom -
men /
So hab ich meinen Sitz hier unten eingenommen.

LXIII. Eines Mohren.

Kein Europæer ſol die ſchlechte Grabſchrifft leſen /
Und lachen daß ich ſchwartz und nackend bin gewe -
ſen.
Jch trug das Mutter kleid / dich kleidet Bock und
Kuͤh /
Du biſt mehr Vieh als ich / ich war mehr Menſch
als du.
Ei -Grabſchrifften.

LXIV. Eines Skutnickels.

Die Weichſel war mein Meer / und Dantzig der
Welt Ende /
Da furchte man mein Maul / und haſte meine Haͤnde.
Jch ſtarb und war nicht recht in Charons Nachen
kommen /
So hatt ich ihm alsbald den beſten Rock genom -
men.

LXV. Eines Baſtart-Kindes.

Wo meine Mutter liegt / da bin ich auch begraben /
Jch wolte nechſt bey ihr mein Leichbegraͤbnuͤs haben /
Nicht unlieb hett ich mich zum Vater hinverfuͤgt /
Jch wuſte wo er lag / und weiß nicht wo er liegt.

LXVI. Eines Sclavens.

Jm Leben war ich Knecht / im Tode bin ich frey /
Es brach des Todes Band die Feſſel leicht entzwey;
Die Ketten flecken nicht / ich kante mein Gebluͤthe /
Jch ſtarb ein Knecht durch Zwang mit nichten von
Gemuͤthe.

LXVII. Eines Juden.

Die Chriſten wolten mich in keinen Zuͤnfften leiden /
Jch ſolte Kauffmannſchafft und allen Handel mei -
den.
Die Wahrheit bringet mir itzt wenige Gefahr /
Man haſte mich darumb weil ich beſchnitten war.
b iijEi -Poetiſche

LXVIII. Eines einfaͤltigen Schulmeiſters.

Hier liegt Hortenſius ein alt Parnaſſus Kind /
Er wolte Fuͤhrer ſeyn / und war doch ſelbſten blind.
Wer auff den Grabeſtein ſich nur wird wollen ſe -
tzen /
Dem wird die duͤrre Fauſt den Seſſel weidlich fetzen.

LXIX. Eines Sechswochen Kindes.

Jch gruͤſte kaum die Welt und derer weite Pracht /
So zwang mich meine Schuld zu geben gute Nacht.
Das Fruͤhſtuͤck hatt ich kaum in meinen Mund ge -
nommen /
So war der Paßport mir auch in die Haͤnde kom -
men.

LXX. Eines alten Braͤutigams.

Cupido jagte mir die Pfeile nach dem Hertzen /
Es gab mir wenig Krafft und nicht geringe Schmer -
tzen.
Der Wille war bereit / die Sehnen fehlten mir /
Mein Lieb kuͤſt friſches Fleiſch / ich faule ſchon al -
hier.

LXXI. Eines Verliebten.

Der hier begraben liegt / iſt aus der Buhler Orden /
Nicht wunder dich zu ſehr / daß er zur Aſche worden /
Sein Leib war voller Glut und voller Flam̃enſchein /
Wie ſolte denn der Mann nicht Aſche worden ſeyn.
Zwey -Grabſchrifften.

LXXII. Zweyer Verliebten.

Hier ſind zwey liebende in einer Grufft begraben /
So lange Zeit gebuhlt / doch nichts genoſſen haben /
Und riß der grimme Tod gleich ihre Hoffnung ein /
So muſte doch ihr Leib alhier vermiſchet ſeyn.

LXXIII. Eines Mahlers.

Der Kunſtrieß meiner Hand ziert manches Fuͤrſten
Schaͤtze /
Doch faͤllt er durch den Spruch der himmliſchen
Geſetze.
Die Taffel friſt der Wurm / mein Mahlwerck friſt
die Zeit /
Hier wird der Mahler ſelbſt ein Bild der Sterblig -
keit.

LXXIV. Eines Narren.

Mit Lachen ſol dein Mund die kurtzen Worte leſen /
Hier liegt ein luſtig Haupt / ſo vielen lieb geweſen.
Der Schellen kan dein Kopff kein rechter Erbe ſeyn /
Der Mangel iſt bey dir / ſie ſind vor dich zu klein.

LXXV. Eines Horntraͤgers.

Zwey Hoͤrner liegen hier in dieſer Grufft begra -
ben / (haben.
Nicht dencket / daß ein Bock hier wird die Ruhſtadt
Hier ruht ein guter Mann / der Hoͤrner hat bekom̃en /
Nach dem ihm die Natur das Stoſſen hat benom̃en.
b jvEi -Poetiſche

LXXVI. Eines der in der Frantzoſen geſtorben.

Diß was uns neben Gold hat Jndien geſchickt /
Hat dieſe fromme Haut aus dieſer Welt geruͤckt.
Mein Leſer ſol es dir nicht auch alſo ergehen /
So laß den Siegelring der geilen Venus ſtehen.

LXXVII. Eines Kammachers.

Nicht ſpotte / daß mein Hauß ſtets voller Hoͤrner
ſtund /
Und das verachte Wort ernehrte meinen Mund.
Jch ſage dir ein Wort / und biſt du noch ſo edel /
Jch trag es in der Hand / du aber auf dem Schedel.

LXXVIII. Eines Bettlers.

Mein Bette / Tiſch / und Stul war dieſes weite
Rund /
Zwo Sachen plagten mich / der Magen und der
Mund.
Jch wuͤnſchte nichts ſo ſehr / als bald ſeyn zu begrabẽ /
Gleich wie ein ander Mann ein eigen Grab zu haben.

LXXIX. Eines Todtengräbers.

Der Bader waͤſcht ſich ſelbſt / der Schneider kan ſich
kleiden / (den.
Der Koch darff ohne Koch nicht ſeine Mahlzeit mei -
Jch der ich vor begrab die Klugen / und die Narren /
Kan nun wie ſichs gebuͤhrt mich ſelber nicht verſchar -
ren.
EinesGrabſchrifften.

LXXX. Eines Zwerges.

Der Eltern kleiner Leib beſchaͤmte Floh und Lauß /
Ein alte Haſelnuß war ihm ein weites Hauß.
Ein Wuͤrmlein hat den Sohn im Kaͤmpffen auff -
gefreſſen /
Als er St. Goͤrgen ſelbſt zu trotzen ſich vermeſſen.

LXXXI. Eines Ziegeiners.

Jn ſtrenger Wanderſchafft bracht ich mein Leben
hin /
Zwey Reime lehren dich / wer ich geweſen bin.
Aegypten / Ungern / Schweitz / Beeltzebub und
Schwaben /
Hat mich genennt / erzeugt / genehrt / erwuͤrgt / be -
(graben.

LXXXII. Eines Henckers.

Die Marter und der Tod erworben mir das Brod /
Mein Handwerck war der Mord / mein Leben war
der Tod.
Und welcher was ich war nicht gaͤntzlich kan verſte -
hen / (gehen.
Der mag nach mehr Bericht an Rad und Galgen

LXXXIII. Herrn N. N.

Nicht ſetze dich alhier / und lege dich auch nicht /
Jch haſte ſtets die Ruh / die dir itzund gebricht.
Weil mein bekanter Ruhm zu mindern ſich begunte /
Als ich gleich wie zuvor nicht ferner ſtehen kunte.
b vEinerPoetiſche

LXXXIV. Einer Hebammen.

Durch meine kluge Fauſt lebt eine junge Welt /
Viel was mich itzt betrit / das hab ich aufgeſtellt.
Ruͤhmt rühmt euch Heldinnen / doch ſagt was ſich ge -
buͤhret /
Jhr habt viel abgeführt / und ich viel aufgefuͤhrt.

LXXXV. Einer keuſchen Jungfrauen.

Nicht rede hier zu frey / entbloͤſſe dich auch nicht /
Hier ruhet Cynthia der Keuſchheit helles Licht /
Den Leib ſo keine Brunſt vermochte zu verſehren /
Den ſolſt du Reiſemann auch bey den Todten ehren.

LXXXVI. Einer Mutter / ſo in Kindes - Noͤthen geſtorben.

Dem ich das Leben gab / der hat es mir genommen /
Jch bin durch die Geburth an dieſe Stelle kommen /
Doch wil ich dieſe Schmach nicht ungeklagt vertra -
gen /
Jch wil es alſobald der groſſen Mutter ſagen.

LXXXVII. Einer unkeuſchen Ehefrauen.

Sieh erſtlich deinen Leib und denn die Grabſchrifft
an /
Jn dem nicht iederman alhier beſtehen kan.
Hier liegt ein geiles Weib ſo ſchmertzlich hat gebe -
ten /
Es ſol kein Joſeph nicht zu ihrem Grabe treten.
EinerGrabſchrifften.

LXXXVIII. Einer Wittib.

Jch war ein ſchoͤnes Schif / das ohne Ladung lag /
Es plagte mich die Nacht / es kraͤnckte mich der Tag.
Hier iſt nicht Licht genung / mich deutlich zu verſte -
hen / (hen.
Weil mir der Maſt gebrach / muß ich zu Grunde ge -

LXXXIX. Einer luſtigen Jungfrauen.

Hier lieget Fulvia bey tauſenden begraben /
Jhr Mund hat nie gewuͤntſcht ein eigen Grab zu
haben.
Sie bat der Freunde Hand zu ſchreiben auf den
Stein /
Gleich wie der Koͤrper war / ſo ſol die Grabſtadt ſeyn.

XC. Einer andern deſſen Beſchaffenheit.

Die vor geſchencktes Geld entbloͤſte Leib und Bruſt /
Macht der ergrim̃te Tod zu des Gewuͤrmes Koſt.
Jhr Buhler laſt alhier die Thraͤnenſtroͤme flieſſen /
So kan noch mancher Wurm bey Speiſe Tranck
genieſſen.

XCI. Einer alten Braut.

Mein Liebſter hieß mich Braut / und meynte nur
mein Geld /
Die Peſt rieß mich von ihm / und ließ ihn in der Welt.
Der Tod ſaß in der Schoß der Winter in den Beinẽ /
Jſt Tod und Winter hier / ſo muß ein ieder weinen.
EinerPoetiſche

XCII. Einer Kuplerin.

Die Jugend hab ich ſtets mit Bulen zugebracht /
Als nun das Alter kam und meiner Jugend Nacht /
So war ich Koͤhlen gleich die junges Holtz entzuͤn -
den /
Die Aſche wird man noch umb dieſe Gegend finden.

XCIII. Eines alten greulichen Weibes.

Ein Affe von Geſtalt / ein Teufel von Gemuͤthe /
Ein Eule von Geſchrey / ein Drache von Gebluͤthe /
War dieſes alte Weib. Wer wolte doch nicht lachen /
Der Teufel liegt alhier bey Eulen / Affen / Drachen.

XCIV. Einer alten Magd.

Ein ungebrauchtes Schloß / ein ungenuͤtzter Herd /
Ein Koͤcher ohne Pfeil / ein unbeſchnitten Pferd /
Die koͤnten ſolte man ſie recht und wohl begra -
ben /
Bey dieſer alten Magd ein fuͤglich Leichmahl ha -
ben.

XCV. Einer unbeſtaͤndigen Jungfrauen.

Mein Leben aͤndert ich nach meiner Augenblicke /
Mit Unbeſtaͤndigkeit beſchaͤmt ich das Geluͤcke.
Die groͤſte Buͤberey hat mir der Tod gethan /
Dieweil ich dieſes Grab auch nicht veraͤndern
kan.
DerGrabſchrifften.

XCVI. Der Jungfrauſchafft.

Viel machten viel aus mir / viel lachten nur darzu /
Jch war und war auch nicht / itzt lieg ich in der Ruh.
Doch wil ich meinen Tod zu melden nicht verſchie -
ben / (ben.
Jch bin durch einen Ritt im Ringelrennen blie -

XCVII. Frauen N.

Der Ottomannen Schild liegt hier in guter Ruh /
Ein ieder druͤcke doch die duͤnne Naſe zu.
Der traͤgt kein Vortheil weg / ſo lang alhier verhar -
ret /
Denn dieſe Leiche ſtanck zuvor ſie war verſcharret.

XCVIII. Eines Hirſchens.

Jch hab in einer Jagt mich in ein Thal geſtuͤrtzet /
Und mir durch kuͤhnen Sprung das Leben ſelbſt
verkuͤrtzet /
Jch wil / wilſtu mein Aaß auff deiner Graͤntze leiden /
Zwar deiner Frau die Brunſt / doch dir das Horn
beſcheiden.

XCIX. Eines Hundes.

Das Bette macht ich mir auf meiner Frauen-Bruſt /
Mein Zuͤnglein war ihr Schwamm / ihr Baͤchlein
meine Koſt /
Nun Leſer wilſt du nicht der ſchlechten Leiche lachen /
So wil ich dir allein die Lagerſtadt vermachen.
EinesPoetiſche

C. Eines Papagaiens.

Die Frembden ehrten mich der Herr / der war mir
hold
Daß ich geſtorben bin / iſt meiner Zungen Schuld.
Dieweil ich meiner Frau den Titul recht gegeben /
Verlohr ich ihre Gunſt und auch zugleich mein Le -
ben.

CI. Einer Ganß.

Der Schwingen beſtes Theil fuͤhrt manches Fuͤrſten
Hand /
Die Gurgel traͤget Zwirn / die Feder ehrt das
Land.
Wird dieſer kleine Raum auf das Privet genom -
men /
So iſt die Grabeſchrifft zu ihrem Coͤrper kom -
men.

CII. Einer Fliegen.

Jn einer Butter-Milch verlohr ich Geiſt und Le -
ben /
Ein zarter Weiber-Bauch hat mir das Grab ge -
geben.
Sey nicht Domitian, vergoͤnne mir die Ruh /
Und ſchleuß in dieſer Grufft die foͤrder Thuͤre
zu.
EinesGrabſchrifften.

CIII. Eines Flohes.

Ein ſchwartzer Rittersmann fiel durch ein weiſſes
Weib /
Jn dem er ohne Scheu betrat den zarten Leib.
Doch iſt ſein alter Ruhm nicht gantz und gar verdor -
ben /
Jn dem er eben ſo wie Curtius geſtorben.

ENDE.

About this transcription

TextDeutsche Ubersetzungen und Gedichte
Author Christian Hofmann von Hofmannswaldau
Extent621 images; 121485 tokens; 14374 types; 782928 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDeutsche Ubersetzungen und Gedichte Christian Hofmann von Hofmannswaldau. . 581 S. FellgiebelBreslau1679.

Identification

SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 P GERM II, 8517

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Prosa; Drama; Belletristik; Lyrik; Prosa; Drama; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:31:42Z
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ShelfmarkSUB Göttingen, 8 P GERM II, 8517
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