DAfeꝛn derſelbte auß vier Buchſtaben / oder auf andere Weiſe mich kennen lernet / oder ich jhm auch zuvor genug - ſam bekant bin / wolle er von mir kein zu ſcharffes Urtheil faͤllen / vielmehr aber wolmeinende glauben / daß bey jtziger Schreibeſucht / niemals meine Meinung geweſen / der Welt mit meiner Feder beſchwerlich zu ſeyn / dem Drucker einige Muͤhe zu machen / oder die Buchlaͤ - den damit anzufuͤllen / indem dieſes / was in hieſigem kurtzen Begriffe zufinden / alleine zu meiner eigenen Beluſtigung / von mir) (aufVorredeaufgeſetzet worden iſt. Es wuͤrde auch / wie ich es hoͤchlich betheure / ſchwerlich ei - nige Silbe von mir in das offentliche Licht kommen ſeyn / wenn nicht etliche vor - witzige Leute / theils von mir ſelbſt erfun - dene / theils auß andern Sprachen uͤber - ſetzte Wercke (ſo vielmahl / hin und wieder / uͤbel abgeſchrieben und der geſtalt verkehret worden; daß ich meine eigene Kinder nicht mehr kennen koͤnnen) ſich unterſtan - den / miꝛ zum ſchimpf und jhnen zum Nutzen durch den Druck bekant zu machen / dadurch ich endlich mit verdruͤß genoͤhtiget worden / ein und das andere Stuͤcke dergeſtalt her - außzugeben.
Jch ſcheue mich nicht zu bekennen / daß ich zu den Poetiſchen Sachen / von Jugend auff einen zimlichen Zug gehabt / und da - rinnen faſt mein eigener Meiſter geweſen bin / maſſen ich denn keine gedruckte An - weiſung dazu auffgeſchlagen / und allein durch fleiſſige Uberleſung der reinen deut - ſchen Reimen / reimen leꝛnen / biß daß ich bey anwachſenden Jahren / vermittelſt fleiſſi -gerAn den geneigten Leſer. ger Durchſuchung gelehrter Schrifften / auch endlich tichten und erfinden koͤnnen / indem das erſte alleine / der Pritſchmeiſte - rey gar nahe kommt / das andere aber / ſo zu ſagen / der Poeſie Seele iſt.
Meine Jugend traff gleich in eine Zeit / da der gelehrte Mann Martin Opitz von Boberfeld / der beruͤhmte Schleſiſche Buntzlauer / durch der Frantzoſen und Hollaͤnder poetiſche Wercke angeleitet / mit ſeiner Feder in das Licht trat. Meiner Natur gefiel dieſe reine Schreibens-Arth ſo ſehr / daß ich mir auß ſeinen Exempeln Regeln machte / und bey Vermeidung der alten rohen Deutſchen Art / mich der rei - nen Liebligkeit / ſo viel moͤglich gebrauch - te: Biß nachmals ich auff die Lateini - ſchen / Welſchen / Frantzoͤſiſchen / Nieder - laͤndiſchen und Engliſchen Poeten gerieth / darauß ich die ſinnreichen Erfindungen / durchdringende Bey-Woͤrter / artige Be - ſchreibungen / anmuthige Verknuͤpffun - gen / und was dieſem anhaͤngig / mir ie mehr und mehr bekant machte / umb nicht / was) (2ſieVorredeſie geſchrieben / nachzuſchreiben / ſondern nur derer Arth und Eigenſchafft zube - obachten / und ſolches in meiner Mutter - Sprache anzuwehren. Jch kan leicht ge - dencken / daß ich dieſen Vorwurff werde hoͤren muͤſſen / daß ſothaner fernere Trieb mit Abweichung meiner Jugend auch haͤtte verrauchen / und nicht bey hoͤheren Jahren mich ferner beluſtigen ſollen; die - ſem werde ich zuantworten mich unter - ſtehen / daß kein Menſch zufinden / ſo ſich nicht in etwas ergetzte / und ich vielleicht ehe wegen dieſer untadelhafftigen Beluſti - gung / als er wenn er ohne Erhebligkeit mich zu kuͤhn tadelt / werde entſchuldiget werden koͤnnen.
Poeſie / dafern mir ein wenig außzu - ſchweiffen erlaubet wird; iſt eine Sache / derer ſich die heiligſten Maͤnner gebrau - chet / und eine von der aͤlteſten Erfindung genennet werden kan. Der groſſe Mann Moiſes / ſo nach der Gelehrten Mei - nung / eher als jemand geſchrieben / hat / nachdem jhn GOTT auß deß PharaonsHaͤndenAn den geneigten Leſer. Haͤnden errettet / und er nebenſt ſeinem Volcke ſich auſſer der Gefahr geſehen / ein andaͤchtiges Danck-Lied angeſtimmet. Wie denn auch Debora nebenſt dem Barac nach erhaltem Siege wieder den Siſera, ein Helden-Lied jhrem Erloͤſer geſungen. Maſ - ſen denn die Edlen Pſalmen deß Koͤnigli - chen Propheten Davids / das hohe Lied ſeines klugen Sohnes / Salomons, und nach dem Zeugnuͤß Tremellii und Junii, das Buch Hiob / Poetiſche Wercke ſeyn. Daß die erſten Gottes-Lehrer bey den Grichen / Poeten geweſen / bezeuget jhr beruͤhmter Landsmann Ariſtoteles, und wird dieſes Volck vor dem Muſæo, Homero und Orpheus, als Poeten / keinen / der etwas geſchrieben / vorzeigen koͤnnen: Wie denn auch das Lateiniſche Wort Vates, nicht minder einen Poeten / als Gottes-Lehrer bedeutet / zum beweiß / daß die erſten Glau - bens-Regeln in Poeſie ſeyn vorgetragen worden. Daß Thales, Empedocles und Parmenides die natuͤrlichen Dinge / Pytha - goras und Phocylides die Sitten-Lehre / Tyrtæus die Kriegs-Sachen / und Solon) (3dieVorrededie Welt-Weißheit / wie auch die bekante Fabel / von der Atlantiſchen Jnſel (ſo Plato, wiewol ein Feind der Poeſie / nachmals vollfuͤhret) Poetiſch abgefaſſet haben / iſt unſchwer zuerweiſen. Welcher geſtalt die Alten Deutſchen jhre Druiden und Bar - den gehabt / ſo GOtt und jhren Helden zu ehren / ſich kuͤnſtlich hoͤren laſſen / iſt jeder - mann bekant. Und haben die halb erfror - nen Lappen jhre Morſe faurog, oder Hoch - zeit-Geſaͤnge / wie nicht minder die neu erfundene Jndianiſche Lande / wie rauhe und wild auch dieſelben geweſen / jhre Areitos und Haravac, alſo nennen ſie jhre Poeten / unter ſich gehabt: Zum Zeug - nuͤß deſſen iſt folgender Satz eines ver - liebten Jndianers / ſo eine bunde tſchi - ſchende Schlange vor jhm herſtreichende geſehen / ſo in unſerer Mutter-Sprache folgender maſſen lautet.
Ja es hat die Wiſſenſchafft / ſo gar lan - ge Zeit in dem Chriſtlichen Europa unter der Banck gelegen / ſich nicht eher hervor thun koͤnnen / biß Dante, Petrarca und an - dere / derer Gehuͤlffen / mit jhrer Poeſi her - vorgerucket / daß alſo zuſagen / ſolche da - ſelbſt / gleichſam der andern Wiſſenſchaff - ten Amme / wo nicht Mutter / worden iſt. Welcher geſtalt die Reimens-Arth auffkommen / ſeyn viel von den Frantzoſen und Welſchen zuergruͤnden bemuͤhet / einer wil / daß ſie von den Sicilianern / einander / daß ſie von den Provenzalen, (welche / ſo wol zuverwundern / die Poeſi viel lange) (4ZeitVorredeZeit unter jhren Troubadours alleine ge - halten / und von denen ein gelehrter Mann meldet / daß ſie mehr Poeten / als alle ande - re Voͤlcker zuſammen haben ſollen) ent - ſprungen ſey. Es wird aber niemand laͤugnen koͤnnen / daß die Hebræer die Rei - mens-Art / maſſen denn ſolches in der Ara - biſchen Sprache / als der Hebræiſchen Abſatze / auch uͤblich / zum erſten gebrau - chet / und andere Voͤlcker jhnen nur nach - mals nachgereimet haben. Maſſen dann theils der neuen Lateiniſchen Poeten / als durch Nachlaͤſſigkeit / und eingeſchlichene Barbarei / die Alte reine Arth / von jhnen nicht mehr zu ſehr geachtet worden / zu reimen angefangen / daß man alſo den Urſprung der Reimen nicht zu tieff ſu - chen darff. Da ich denn bekenne / daß kein Volck in Europa ſo zeitlich die Poeſi / zur Annehmligkeit und in Anſehen bracht / als eben die Welſchen / ſo ſolche auß der Pro - venzaliſchen Reimens-Arth / da ſie lange einheimiſch geweſen / herfuͤr gezogen / und wegen Reinligkeit der Sprache dergeſtaltver -An den geneigten Leſer. verbeſſert / daß auch ſolche nachmahls alle - zeit auff einerley Arth / durch mehr als 300. Jahr ungeaͤndert verblieben iſt. Maſ - ſen denn Petrarca, ſo viel lange Zeit der nachfolgenden Poeten Richtſchnur gewe - ſen / und Arioſto in ſeinem Orlando, Taſſo in ſeinem Jeruſalem, Guarini in ſeinem Hir - ten-Spiele / Marini in ſeinem Adone, Capo - rale in ſeinen ſpitzigen Spott-Reimen / Fulvio Teſti in ſeinen artigen Geſaͤngen / Achillini in ſeinen Sonnetten, Gratiani in ſeinem Granata, und hundert andere mehr / denen ich mit Verſchweigung jhres Nah - mens an jhrer Wuͤrde nichts entzogen ha - ben wil / in der Schreibens-Arth nichts neues vorzeigen koͤnnen / und nur durch etliche annehmlichere Saͤtze / geſchaͤrfte und loͤblichere Beyworte und andere ent - lehnte Arthen jhrer Arbeit einen ſchoͤnen Anſtrich gemacht haben. Die Frantzo - ſen ſind / auß Urſache / daß erſt zu Zeiten Franzens deß erſten / ſo ſich ſelbſt in Rei - men beluſtiget / jhre Sprache ſich zimlich zu verbeſſern angefangen / gar langſam) (5zurVorredezur reinen Poeſi gelanget. Dann ob gleich Abelard, in ſeinen Liebes-Liedern / Helinan in ſeinem Getichte vom Tode / Jean Re - velois, Jodelle und Baiſ, Rudolph ein Graf von Soiſſon, Tibaut ein Graf auß Cham - pagnien, und Alanus, Carls deß VII. Ge - heim-Schreiber / mit unterſchiedenen Ge - tichten / ſich hervorgethan / ſo iſt doch we - gen der unartigen Sprache alles derge - ſtalt harte und unannehmlich / daß ietzige verwoͤhnte Ohren / es nicht ohne Verdruß vertragen koͤnnen. Wie obgemeldet / ſo iſt unter Franzen dem erſten / wie in gemei - ner Rede / alſo auch in Poeſi / alles vollkom - mener worden / dazu dann Melin und Ma - rot, beſonders der letzte durch 50. Pſalmen Davids / und andere zur ſelbigen Zeit nicht uͤbellautende Getichte und kurtze Sti - chel-Reimen / ſonderbar befoͤrderlich ge - weſen. Zu Zeiten Carl deß Neunden / ſo ſich ſelbſt in der Poeſi geuͤbet / hat ſich Ronſard ein geſchickter Angoulemiſcher Edelmann herfuͤr gethan / ſo auch alle vor - hergehende an kuͤnſtlicher Erfindung undLieblig -An den geneigten Leſer. Liebligkeit weit uͤbertroffen; wiewol er meiner Meinung nach den Grichiſchen und Lateiniſchen Poeten / beſonders dem Ho - mero und Pindaro, wie auch dem Catullo, Tibullo, und Propertio faſt gar zu knech - tiſch angehangen / und in vielen Faͤllen dem natuͤrlichen Verſtande / und der Sprache zu viel gethan; dem der de Portes, Bellay, Bartas und mehr andere ruͤhmlich nachge - folget. Wiewol nun dieſe und andere hurtige Leuthe / an ſich nichts ermangeln laſſen / ſo hat doch keiner das Werck ſo gluͤck - lich als Malherbe unter Henrichen dem IV. angegriffen / der nebenſt der gluͤckſeli - gen Uberſetzung / deß drey und dreiſigſten Buches auß dem Livio, und deß Buches von den Wolthaten deß Seneca, nachmahls auch in dem ſchoͤnen Getichte von den Thraͤnen Petri, worinnen die Anmuth und Liebligkeit der Poeſi und die Kraft der Mutter-Sprache beſtuͤnde / ſeinen Nachkommenden genugſam bezeiget hat. Deme nachmals Theophile in dem Getich - te / von dem Tode Socratis, und andernAuffſaͤ -VorredeAuffſaͤtzen / wie auch Saint Amant in den ſchoͤnen Gedancken von der Einſamkeit und dem erretteten Moiſes, Godeau in den Pſalmen Davids / Moine in dem heiligen Ludewig / und andern lieblichen Dingen / Chapelain in der Orleaniſchen Jungfrau / Scuderi in ſeinem Alaric, die beyden Cor - neille in jhren Luſt - und Trauer-Spielen / mit hundert andern ruͤhmlich nachgefol - get. Die Spanier ſeyn zimlich langſam auff den rechten Grieff der Poeſie gera - then / und haben ohngefehr vor hundert und ſiebentzig Jahren (indem vor ſolcher Zeit / das meiſte in jhren ſo genandten Ro - manzes, auff Arth der Moren Lieder / in Liebes - und Helden-Geſaͤngen beſtanden) ſich herfuͤr gethan: Boſcan und Garcilaſſo haben zum erſten dieſelbe recht angegrif - fen. Und iſt vor jhnen keine richtig ab - gefaſte Poeſi / oder eintziges Sonnet zuſe - hen geweſen / denen George de Monte Major in ſeiner Diana, da ein groſſes Theil in Reimen iſt / und der Fabel von Pyramo und Thisbe, Lopes de Vega in ſeinen Luſt -undAn den geneigten Leſer. und andern Spielen / Quevedo in ſeinem groſſen Poetiſchen Wercke / wie auch an - dere / als Caſtillejo, Ercilla, Juan Rufo und andere gluͤckſelig nachgegangen. Die En - gellaͤnder und Britten / wie ſie vor Jahren genennet worden / haben zu jeder zeit ſich als Liebhaber der Poeſi bezeiget / wiewol nicht mit gleicher Gluͤckſeligkeit / indem jhre Getichte / ſo etwas vortreffliches ha - ben / meiſtentheils von neuen Leuten ge - ſchrieben ſind. Weil bey dem Chaucer, dem Engliſchen Homerus, wie jhn die Lands-Leuthe nennen / und Robert of Glo - ceſter gar nicht die Gelehrigkeit / Kunſt und Liebligkeit / wie in Edmond Spenſers fearie Queene und Michael Draitons Poly-Ol - bion, Johnſons Luſt und Trauer-Spiel / Quarles und Dons Geiſtlichen Getichten anzutreffen iſt. So wol in Nieder-als in Deutſchland iſt iederzeit deß Singens und Tichtens ſehr viel geweſen; aber mit ſchlechter Gluͤckſeligkeit / biß Daniel Hein - ſius der gelehrte und anmutige Kopff / ſich her fuͤr gethan / und die zierliche reine ArthderVorrededer Getichte in das Licht geſtellet / dem ne - benſt vielen andern Cats in ſeinen erbauli - chen Wercken / beſonders in ſeinem Ge - tichte vom Eheſtande und dem Trau-Rin - ge / ſo zwar keine zu kuͤnſtliche aber doch eine reine Redens-Arth fuͤhret / und von gar erbaulichen Sachen handelt / wie auch Hügens und Vondelen, ſo gar einer hohen Arth zu ſchreiben ſich angemaſſet / nebenſt Hofft und Weſterbaen, Veens, Vos und Deker ruͤhmlich nachgefolget. Die Hoch - deutſche Poeſie anreichende / iſt ſolche in Geſaͤngen auch noch im Heidenthum ſehr uͤblich geweſen / maſſen denn die Druiden, der ſich auch die Alten Gallier und Britten ge - braucht / bey den Opfern / und ſonſt / jhre Stimme hoͤren laſſen: Die Barden aber die Heldenthaten jhres Volckes in Lieder bracht / ſo in Ermangelung der Schrifft dazumal an ſtat der itzigen Geſchicht - Buͤcher geweſen / und gedachte Lieder auch in Schlachten und Kriegs-Zuͤgen / zur Er - munterung vorgeſungen / wie denn ſolcher Druiden und Barden Cæſar, Lucan, Am -mianusAn den geneigten Leſer. mianus Marcellinus, Nonius und mehr an - dere gedencken. Solche Geſaͤnge ſeyn nach - mahls je mehr und mehr in Lauff kommen / und haben viel bey der damals zimlich harten und rauhen Sprache nicht uͤbele Gedancken gefuͤhret / wie noch in vielen Kloͤſter-Bibliotheken / als zu St. Gall / zu Eichſtadt / zu St. Emeran in Regenſpurg / und vielen andern Orten mehr dergleichen auff Pergament verzeichnet zufinden iſt. Unter den aͤltiſten Hochdeutſchen Poe - ten / ſo viel mir bekand / iſt der frome Moͤnch Ottfried von Weiſſenburg / der die Evangelia ſam̃t den Außlegungen Acht - hundert Jahr nach Chriſti Geburt / zu Zei - ten der Kaͤyſer Lotharii und Fridrichs / in Reimen gebracht hat / wiewol alles dieſes ſo rauhe und unverſtaͤndlich / daß man es leicht vor ein Werck einer außlaͤndiſchen Sprache halten doͤrffte; maſſen denn auch die unvollkommenen Schreibens - Arthen ſolches noch tunckeler gemacht / in - dem umb ſelbige und etliche nachfolgende Jahr / die Gurgel-Woͤrter / (weil ſie dasC mit -VorredeC mitten / und in andern Orten der Silben im ſchreiben nicht zugebrauchen gewuſt / und mehrentheils ih vor ich / dih vor dich / ah vor ach geſetzet / dann das tſchiſchende ſch auß Mangel deß Ch / deſſen ſie ſich nicht bedienet / nur mit einem S bezeichnet / die Sprache ſehr unverſtaͤndlich gemachet. Zum Zeugnuͤß deſſen habe ich auß der Vor - rede obgedachten Ottfrieds folgende un - verſtaͤndliche Reimen hierbey fuͤgen wol - len:
Ludouuic ther ſnello /Thes Wuisduames follo.Er Oſtarrihe rihtit all /So Frankono Kuning ſcal.Ubar Frankono Lant /So gengit ellu ſin Giuualt.Thaz rihtit ſo ih thir zelluThiu ſin Giuualt ellu.Themo ſi jamer heiliJoh ſalida gimeini.Druthin hohe mo thaz guat.Joh freuemo emmizen thur muat.Hohemo gimuatoJo allo rihi guato.
So ich auf folgende Weiſe verdeutſchen wollen:
DerAn den geneigten Leſer.Nach dieſem weiß man keinen ſonder - bahren / ſo ſich herfuͤrgethan / biß ohngefehr umbs 1100rte Jahr ſich Cunrad von Wirtz - burg / ſo in Kaͤyſer Friedrichs Hofe gar be - kant geweſen / hoͤren laſſen / auß deſſen Wer - cke folgende vier Reimen ſeyn / und ſchon etwas beſſer als obige lauten.
Herr Mars der rihſet in den Lande /Der hat den werden GOt AmurVerhert mit Roͤbe und oͤch mit Brande /Deß ſind di minne worden ſur.Herr Mars der reiſet in dem Lande /Der hat den werthen Buhlſchaffts GottVerhert mit Raub und auch mit Brande /Dadurch die Liebe kam in Noth.
Dann iſt Herman von Sachſenhauſen ein Edler Ritter gefolget / ſo ein langes Getichte die Moͤrin genennet / hinter ſich gelaſſen / darinnen er allerhand Geluͤcks -) () (FabelnVorredeFabeln und Begebenheit im menſchlichem Leben erwehnet; von deſſen Arbeit aber ich nichts geſehen. Werner von Tuͤfen iſt auch nicht zuverſchweigen / der mit Kaͤyſer Fri - drichen in Sirien wider Saladin den Sa - razeniſchen Koͤnig gezogen / welchen Krieg Er auch in Reimen ſol beſchrieben haben; folgender Satz wird jhm zugeeignet.
So we dir Werlt / ſo we im der dir volgen mus /Din Lon is kranc / du giſt den Angel jemer nach der ſuͤſſe /Din du treiſt Untruwe und allen Valſch uf dinen Rugge enbor.Jh han in dinen Weg geſetzet minen Fuß:Es wende GOt von Himle ſo wene ih dir volgen muͤſſe;Du zuheſt mir den Heln / als einer jungen Kazen / vor.Din Lon iſt als ein richer Troͤm /Der nah dem Shlafe ſwindet.Du haſi in meinen Munt geſtriket dinen Zoͤm:Davon min Lip in diner Lere erblindet.Ze dir ih nakent wart geborn / und ſheide auh blos von dir:Ein Linen Tuh fuͤr mine Shame / und anders niht / giſt du zeLone mir.Ach weh dir Welt / und weh dem der dir folgen muß /Dein Lohn iſt ſchwach / du gibſt den Angel nach dem ſuͤſſen /Auff deinem Ruͤcken traͤgſt du Falſchheit Uberfluß;Jch war auff deinem Pfad zu wandeln ſtets befliſſen /Der Himmel lencke mich von dieſer glatten Bahn!Sie wil durch Scheufell mich wie eine Katze blenden /Dein gantzes Reichthum iſt gleich wie ein reicher Traum /Der / wenn der Schlaf vorbey ſich auch mit jhm muß enden.DuAn den geneigten Leſer.Du haſt in meinen Mund geleget einen Zaum /Davon der Lippen Krafft ſich nicht mehr regen kan.Nackend werd ich dir gebohren / nackend ſcheid ich auch von hier /Ein Tuch vor meine Scham das haſtu mir erkohren /Ein mehrers hab ich nicht von dir.
Wolfrom von Eſchenbach iſt ein Ed - ler Schwaͤbiſcher Ritter nicht weniger lobens wuͤrdig / hat nebenſt viel andern Ge - tichten auch eines von Marg-Grafen Wil - helm von Narbone / und dem ſtarcken Ren - newart gemacht / er hat unter andern der Frauen wanckelbahren Sin beſchrieben / darauß folgende Reimen:
Do ſprach die Keiſerinne /Wir Froͤwen han kuͤrzen Mut:Swas eine iez nit im Sinne /Gern ſie es moren tut.Da ſprach die Kaͤyſerin /Wir Frauen haben leichte SinnenWozu man heute ſie nicht uͤberreden koͤnnen /Da wollen morgen ſie auch ungebeten hin.
Heinrich von Efferlingen kom̃t auch billich in der Poeten Reih / ſo zu Ehren Ertz-Hertzogen Leopolden von Oeſterreich viel Liebes-Getichte auffgeſetzt / und ſehr) () (2beruͤhmtVorredeberuͤhmt deßwegen worden. Er hat viel Zufaͤlle in ſeinem Leben / von ſeinen Wider - waͤrtigen / meiſtens auß Neid erlit - ten / von deſſen Arbeit mir aber nichts ins Geſichte kommen.
Walther von der Vogel-Weide ein Land-Herr iſt nicht unter den geringſten geweſen / und hat ohngefehr umb das Jahr 1200. ſich hoͤren laſſen / wie er dann dem Kaͤyſer Philippen ein Buch zugeſchrieben haben ſol. Jhm werden dieſe Reimen zugeeignet:
NichtAn den geneigten Leſer.Wer ziret nuͤ der eren Sal?Der jungen Ritter Zuͤht iſt ſmal /So pfligent die Knehte gar unhoͤviſhe Dinge /Mit Worten und mit Werken oͤch.Swer zuͤht hat der iſt jo ir goͤch.Nemet war / wie gar unfuͤge fuͤr ſich dringe:Hie vor do bertet man die Jungen /Die da pflagen vrecher Zungen:Nu iſt es ire Werdekeit.Wie zieret man den Ehren-Saal?Der jungen Ritter-Zucht iſt ſchmal /Viel ungehoͤftes Werck iſt bey uns eingedrungenSo wol mit Worten / als mit That /Der iſt ein Jeck / wer Tugend hat /Schaut doch den Unfug dieſer Zeit /Vor ſtrafte man die frechen Zungen /Jtzt iſt es eine Zierligkeit.
Nicht minder iſt Reinhard von Zwe - chin Lobenswuͤrdig / deſſen folgende Rei - men ſeyn /
Swer oͤch Turniren minnet alſo ſere /Daz er da bi vergiſſet der Husere:Dern hat die Mazze niht behalten /Ein genuͤg Turniren das iſt gut;Ze vil an allen Dingen / tutBruch an den Lobe: ſo ſagen die wiſen Alten.Wer ſeinen gantzen Sinn auff das Turniren lenckt /Und an ſein Haus und Weib dabey nicht mehr gedenckt /Der hat kein rechtes Maß gehalten /Ein maͤſſiger Turnir iſt loͤblich und auch gut /Doch wer zu viel in allen Sachen thut /Verlihrt den Ruhm / nach laut der weiſen Alteu.
Zur nachfolge derer haben mehr Fuͤr - ſten und etzliche andere beruͤhmte Leute ſich in der Poeſie geuͤbet / und in jhren Getich - ten / ſo viel es die noch etwasrohe Sprache / ſo doch allezeit ſauberer worden / leiden wollen / gar artige Gedancken blicken laſ - ſen. Darunter ein Fuͤrſt von Anhalt / dann Friedrich Graf von Liningen / Hein - rich ein Marggraf von Meiſſen und ne - benſt einer groſſen Anzahl anderer / auch) () (3Hein -VorredeHeinrich der V. Hertzog von Breßlau / von welchem dieſe nachgeſetzte Reimen mir be - kant ſeyn /
Swenne ſi ſtet gegen in ze Angeſiht /Und ſi in mit troͤgen giht /Daz ſi in von Herze meine:Swer diſen zwein geverlih ſi /Und wont mit valſher Hute bi /Der werde zeinem Steine.Jndem ſie gegen jhm jhr freundlich Angeſicht /Und den verliebten Glantz der Augen hat gericht /Zum Zeichen / daß ſie es von gantzem Hertzen meine /Wer dieſen Zwey zu wider iſt /Und brauchet jrgend arge Liſt /Der werde bald zu Steine.
Jch konte ferner hier ein Heer deut - ſcher Poeten auf die Buͤhne ſtellen / aber ich wil mit dergleichen nicht beſchwerlich ſeyn. Doch gedencke ich auch billich Hein - richs Frauen-Lobs / ſo mit vielen Getich - ten / ſo er zur Liebe deß Frauen-Zimmers aufgeſetzt / diß zu wege gebracht / daß ſol - ches ſeine Leiche biß in die Kirche getragen und ſeine Grabſtaͤdt / jhm zuehren / mit Weine begoſſen hat.
Folgender Jahre iſt die Poeſie mei -ſtensAn den geneigten Leſer. ſtens unter gemeine Haͤnde gerathen und von Erlauchten und Adelichen Gemuͤttern wenig gebraucht worden / doch iſt nach Maximilian deß erſten Zeiten / ein Buch auff Poetiſche Weiſe verfertiget herauß kommen / darinnen gedachten Kayſers un - terſchiedene ungluͤckſelige Faͤlle und wun - derbahre Begebenheiten / unter den ertich - teten Nahmen / Fuͤrwittig / Unfalo und Neidelhard / fuͤrgeſtellet werden. Etzliche ſeyn der Meynung / es waͤre hoͤchſt gedach - ten Kayſers eigene Erfindung / ſo ich mich zwar nicht uͤberreden laſſen kan / aber doch es vor eines gutten Kopfes Arbeit halte / und dieſes iſt der Poet / darinnen ich im neunden Jahre meines Alters mich ſehr beluſtiget / und die Silben zehlen gelernet.
Jn abgelauffener Hundert-Jaͤhriger Zeit / hat ein ehrlicher Buͤrger in Nuͤrn - berg / Hans Sachs ſich herfuͤr gethan / und in einem groſſen Wercke allerhand Spiele / Geſaͤnge und deꝛgleichen / unteꝛ dem Nahmen eines Meiſter-Saͤngers in das Licht geſtellt. Deſſen Kopff und Art /) (jvnachVorredenach Beſchaffenheit der Jahre / darinnen er gelebet / ich gar nicht tadele / und wuͤrde er / wann er beſſere Wiſſenſchafft von ge - lehrten Sachen / und genauere Anweiſung gehabt haͤtte / es vielen die nach ſeiner Zeit geſchrieben / und manche ungereimte Din - ge uns ſehen und hoͤren laſſen / weit vorgethan haben. Folgende Jahre iſt die Deutſche Poeſie nicht viel beſſer wor - den / biß ohngefehr vor funffzig Jahren / wie ich allbereit oben beruͤhret / Opitz von Boberfeld / als ein ungemein Gelehrter und aufgeweckter Kopf / (deſſen Dacia an - tiqua, ſo ich vor vierzig Jahren / als ich in Danzig taͤglich bey jhm auß und eingegan - gen / vielmahl in Haͤnden gehabt / ſich nu - mehr gantz verlohren) die rechte Reinlig - keit der Woͤrter und eigentliche Kraft der Bey-Woͤrter genauer beobachtet / und das Maß der Silben / richtige Reim-endung / gute Verknuͤpfung / und ſinnreiche Spruͤ - che / ſeinen Getichten einverleibet. Wie Er denn in allen Stuͤcken der Poeſie / beſon - ders in Uberſetzungen / vortreflich gluͤckſe -ligAn den geneigten Leſer. lig geweſen / welchem bald drey ſeiner Lands-Leuthe / als Tſcherning / ſo ſich ſehr an ſeine Art gehalten / dann Colerus und Czepko ruͤhmlich gefolget. Nach wel - chem auch Dach ein Preuſſe / dem die Lie - der nicht uͤbel gerathen / und Flemming ein Meißner / ſo vor andern ein Sonnet gar wol geſchrieben / wie auch Riſt ein Holl - ſteiner / ſo viel Geiſtliche Geſaͤnge herauß gegeben / dann Titz und Muͤhlpfort als Poeten bekand worden. Dabey ich denn auch / deß weitbekandten Harßdoͤrfers un - vergeſſen / der zwey beruͤhmten Sinnrei - chen Maͤnner Gryphii und deß von Lohen - ſtein ſchuldigſt gedencke / ſo wie in allen Sachen / ſo ſie angegriffen / alſo auch in jh - ren Trauer-Spielen / nach Art Sophoclis und Senecæ gefertiget / was ein hurtiger und gelehrter Geiſt kan / zur genuͤge er - wiſen.
Wie ich mich dan frey zuſagen erkuͤhne / daß wan man vor ſiebenzig Jahren / das gantze gelehrte Deutſchland auffgefodert haͤtte / es nichts dergleichen in der Mutter -) () (vSpracheVorredeSprache wuͤrde haben verrichten koͤnnen. Darauß wiꝛ dann / wie auß vielen anderen Anmerckungen ſehen / daß die Alten / nach - dem ſie auß der Welt gezogen / die Bruͤcke / in das Land deꝛ Wiſſenſchaft zukom̃en / nicht hinter ſich abgeworfen / ſondern den Nach - kommen auch Kraft uͤbrig gelaſſen / etwas geſchicktes und artiges aufzuſetzen. Jch koͤnte derer mehr nennen / ſo ſich in der Deutſchen Poeſte geuͤbet / weil mir aber unwiſſende ob es allen lieb ſeyn moͤchte / daß jhr Nahme bey dieſer gelegenheit be - kant ſeyn ſolte / ſo ziehe ich mich beſcheiden zu ruͤcke. Diß werde ich mich noch beyzu - fuͤgen unterſtehen / daß durch gedachter Maͤnner Fleiß und Nachſinnen / die Deut - ſche Poeſie ſo reine worden / daß ſie der auß - laͤndiſchen nichts mehr nachgiebet. Die - ſes geſtehe ich gerne / daß die Welſchen / we - gen jhrer ingemein angeboͤhrnen Ver - ſtandes und Scharff-ſinnigkeit / an gutten Erfindungen (wiewol auch bey allen nicht alles von gleicher guͤtte) den Deutſchen manches mal zuvorgehen / ſie haben aberauchAn den geneigten Leſer. auch in jhrer Poeſie ſo vieler Freyheit ſich bedienet / daß wer nicht etzliche Zeit ſich darinnen umb geſehen / wegen Verſchneid - und Zuſammenziehung der Silben / und Einmiſchung vieler ungemeiner und ſonſt ungebraͤuchlicher Woͤrter / wie jener von den Grichen ſaget / es vor eine frembde Sprache halten wird: Wie dann auß fol - gendem / wie viel eꝛlaubnuͤs ſie in jhren Rei - men ſich angemaſſet mit mehrem erhellet. Als vo, vor voglio, opre vor opere, Domino vor Dominio, lettre vor lettere, merto vor merito, maſſen dan Taſſo pro vor pronto in folgender Reimen Zeile zu gebrauchen ſich nicht ſcheuet.
Potente di conſiglio e pro di mano.
Wie dann ſolche auch ohne unterſcheid der langen und kurtzen Silben / allein auff die Anzahl derſelben und die Reim-endun - gen / ſo auch vielmal nicht zum beſten beob - achtet werden / alleine bedacht ſeyn.
Die Frantzoſen handeln jhre Poeſie eben auff dieſe Art / und laſſen jhnen die laͤnge und kuͤrtze der Silben wenig ange -legenVorredelegen ſeyn / maſſen dann Corneille in der Comedie Cid genannt / ſo jhn erſtlich beruͤhmt gemacht / und daruͤber ſo viel hurtige Gemuͤther / vor und wieder jhn / jhr Urtheil gefaͤllet / bald in dem erſten Reim deß erſten Drucks es mercklich bli - cken laͤſt /
Entre tous les amans dont la jeune ferueur.
Welches eben ſo lautet / als wenn ich im Deutſchen ſetzen wolte:
Unter den Liebenden die mich treulich gekennt /
Und jhre Poeten Reimen in gemein auff mèr amèr auf aimant aimant, vin fin das iſt / als wenn ich im Deutſchen auf Schale / Schale / Gewahr / wahr / huͤtte / be - huͤtte / Zige / Zuͤge / und dergleichen ſetzen wolte.
Wie denn auch die Spanier / wie - wol etwas ſparſamer jhre Freyheit brau - chen / und dann Holl - und Engellaͤnder ſich auch zum theil dazu gewoͤhnet ha - ben.
Den geneigten Leſer aber mit der -gleichenAn den geneigten Leſer. chen verdruͤßlichen Dingen nicht laͤnger auffzuhalten / ſo ſtelle demſelben ich ohne fernere weitlaͤuftigkeit / deß beruͤhmten Guarini Getreuen Schaͤfer vor / ſo nach vie - lem Verlauff der Jahre / noch eben den Ruhm / (eine ungemeine Gluͤckſeligkeit Poetiſcher Wercke!) den er jhm auff der Fuͤrſtlichen Saphoiſchen Schau-Buͤhne erworben / unverruckt erhalten. Jch habe mich erkuͤhnet / nachdem zwey Per - ſonen vor mir hand an denſelben geleget auch meine Feder daran zuverſuchen. Jch verachte nicht derſelben Arbeit / lobe aber auch nicht die meinige. Doch getroͤſte ich mich / daß ich nicht in allem werde geirret haben / und etwan noch ein und der andere Reim dem Geneigten Leſer gefallen werde. Jch muß bekennen / daß es ſchwer iſt / etwas auß einer in andere Sprache zu uͤberſetzen / daß man auch keiner Gewalt thue / die Kraft der Woͤr - ter nicht ſchwaͤche / und den Jnhalt nicht dunckel mache. Jn dem Wiederſchall habe ich mich einer Freyheit unterſtan -den /Vorrededen / die ich nicht wol habe vermeiden koͤnnen: Weil es unmoͤglich geweſen durch Gebrauch gleich-lautender Woͤr - ter / ſolchen zu uͤberſetzen / und mir alſo anders nicht habe zu helffen gewuſt. Jch gedencke von meiner Arbeit nichts mehr / und laſſe Amarillen und Mirtillo jhr / und auch mein Wort reden.
Mein anderes uͤberſetztes Werck be - treffende / deß Socratis Tod genennt / un - terwerffe ich gleichfals deß Geneigten Le - ſers Urtheile. Zu meiner Arbeit hat der beruͤhmte Frantzoͤſiſche Poet Theo - phile, jhm aber zu ſeiner Plato Anlaß ge - geben / der den Tod deß Socratis in ſei - nen Geſpraͤchen weitlaͤuftig beſchrieben / und dabey der Unſterbligkeit der See - len gedencket. Da ich ſolches zu uͤber - ſetzen anfing / hatte ich mehꝛ Feur und Freu - digkeit als jtzund / und wundere mich auch noch / wie in der damahligen Jugend ich ein ſo trauriges und unluſtiges Werck habe zu ende bringen koͤnnen Vor jun - ge und Welt-liebende Leute iſt dieſeskeineAn den geneigten Leſer. keine zu anmuthige Speiſe / doch hoffe ich / daß etzliche / den die ernſthafte Sa - chen nicht gantz zu wieder ſeyn / und dan die Muͤhe nehmen werden / ein paar Blaͤtter darinnen umbzuſchlagen / leicht glauben werden / daß ich die Gedancken vielmal hin - und wieder lencken muͤſſen: Jndem man / andere Schwerigkeiten zu - geſchweigen / in ſolchem Getichte ſchwer - lich mehr Reimen / als in dem Frantzoͤ - ſiſchen Wercke finden wird.
Die Helden-Briefe anreichende / ſo iſt das meine eigene Arbeit und nichts entlehntes. Jch hoffe es werde / weil viel Groſſer und meiſtens Deutſcher Leu - te darinnen gedacht wird / der Purpur durch meine Feder nicht befleckt / und jhre Aſche / vor der ich tauſendmal die Knie beuge / nicht verunruhiget wor - den ſeyn. Die ungleiche Begebenheiten darinnen ſeyn Fruͤchte der Liebe / ſo wie Africa allezeit etwas abentheurliches vorbringet / und Jrrthuͤmer gleichen dem Reife / ſo eben ſo wol auff die ge -kroͤnteVorredekroͤnte Granaten / als die ſauren Wald - Aepfel faͤllt. Die Art zu ſchreiben da - rinnen iſt gelaͤuffig / leicht / und mehr lieblich / als praͤchtig / dazu dan Ovidius mein Anfuͤhrer geweſen. Viel von Heyd - niſchen Goͤttern und uͤberſteigenden ge - zwungenen Redens-Arten / wie auch an - dere gemeine Schul-Poſſen / werden hier wenig zufinden ſeyn / und machen die den enthalt der Sachen eigentlich bedeutende Woͤrter / etzliche kraͤftige Bey-Woͤrter und andere mit Verſtande angewendete Kleinigkeiten / die gantze Verfaſſung mei - nes Schreibens. Lange auf Kunſt und weitgeſuchte Dinge zu dencken / oder uͤber allen Wort-Saͤtzen Rath zu halten / und druͤber in den Naͤgeln zu klauben / iſt kein Werck von meinem Gemuͤthe. Und wird kein Ohr oder Auge / wie zaͤrtlich und empfindlich es ſeyn mag / durch ein zu - ſchlipfrig oder zu kuͤhnes Wort beleidi - get oder beflecket werden koͤnnen. Das uͤbrige ſeyn zuſammen geleſene Stuͤcke / die ich von vielen andern abgeſondert /vorherAn den geneigten Leſer. vorher geſetzte Aufſaͤtze begleiten laſſen wollen. Die anderen Luſt-Getichte / ſo noch unter meinen Haͤnden liegen / habe ich / zu ungleichem Urtheil nicht anlaß zugeben / mit fleiß zu ruͤcke gehalten / maſſen denn auch viel dergleichen meiner Poetiſchen Kleinigkeiten allbereit in unterſchiedenen Haͤnden ſeyn.
Das vornehmſte / was ich mir vor etli - chen Jahren fuͤrgenommen / zu Vergnuͤ - gung meiner Landsleute in das Licht zu - bringen / iſt unter meiner Hand / und ſo zu - ſagen in der Mutter erſticket. Nicht zwar auß unkraͤften ſolches zu voͤlliger Geburt zubringen / ſondern allein auß Mangel etli - cher guter Freunde / ſo mich ein wenig dar - zu aufgemuntert haͤtten. Jtzund iſt mir das Feuer ziemlich außgegangen / und der rechte Zug zu einem langen Wercke etwas ſchwaͤcher worden / maſſen denn auch der Anfang deſſen was ich / wie obgemeldet / un - ter meine Feder genommen / allbereit zu Aſche worden iſt.
Der geneigte Leſer wird wenig der -) () () (gleichenVorrede an den geneigten Leſer. gleichen mehr von mir ſehen / denn ob ich ſchon etwan noch eine Regung finden moͤchte / eines / und das andere von Luſt - Sachen aufzuſetzen / ſo ſchicken ſich doch zu ſolchen 26. Jahr beſſer als 62 / auch ſte - hen dergleichen bundte Gedancken mir ſo uͤbel an / als bundte Baͤnder auf meinen Kleidern / weil einem auf Eiß ſchlafenden nicht wol von Roſen traumen kan. Jch hoffe / es werde der geneigte Leſer meine Fehler / mit ſeiner Sanfftmuth und Be - ſcheidenheit verdecken / und gedencken / daß Jrꝛthum und Menſchligkeit in einer Huͤt - te / ja unter einem Hutte zu wohnen pfle - gen: wie ich mich denn endlich getroͤſte / daß der / ſo ein zu ſcharfes Urtheil uͤber mich oder meine Arbeit faͤllen wird / nach genauer Unterſuchung auch nicht ohne Fehler werde gefun - den werden.
Sohn deß Montano.
Alter Knecht deß Mon - tano.
Liebhaber der Amarillis.
Gefehrte deß Mirtillo.
Liebhaberin deß Mirtillo.
Vater deß Silvio, ein Prieſter.
Vater der Amarillis.
Ein Alter Knecht deß Montano.
Geweſener Liebhaber der Coriſca.
Liebhaberin deß Silvio.
Ziegen-Hirt und Knecht der Dorinda.
Tochter deß Titiro.
Aelteſter Diener deß Pri - ſters.
Liebhaber der Coriſca.
Alter und vermeinteꝛ Va - ter deß Mirtillo.
Alter Gefehrte deß Ca - rino.
Blinder Prophet. Bote. Reyh der Schaͤfer. Reyh der Jaͤger. Reyh der Nympfen. Reyh der Prieſter.
SILVIO. LINCO.
DJe ihr das rauhe Wild mit Garnen habt uͤmſtecket / Laſſt hoͤren / daß man itzt zu jagen iſt bedacht / Friſch! daß das krumme Horn die faulen Augen wecket / Und das Geſchrey die Hertzen munter macht. AWem2Der Erſten AbhandlungWem in Arcadia kan Cynthia belieben / Ja deſſen freyer Geiſt Das Spiel der Jagt / die beſte Kurtzweil heiſt / Und dem der gruͤne Wald gefaͤllt / Der wird mit mir dahin zu eilen nicht verſchieben; Wo zwar ein enger Kreiß / Jedoch vor unſern Ruhm faſt eine weite Welt / Uns des erhitzten Schweines Wuͤtten Zu zeigen weiß: So Thal und Wald / Von wegen Grimm und ſcheußlicher Geſtalt Vor ſeinen Schrecken haͤlt / So itzt den Erimanth bewohnet / Und umb und umb faſt alles will zerruͤtten / Das beſte Feld verderbt / uud keines Hirten ſchonet. Geht laufft / ja uͤber laufft der Morgenroͤthe Pracht / Laſſt das heißre Horn erthoͤnen. Wir / Linco, wollen ſeyn bedacht / Die Goͤtter durch Gebete zu verſoͤhnen: Da gehn wir auf die Jagt mit mehrer Zuverſicht. Wer wohl begonnen hat / iſt halb zu Ende kommen / Doch / iſt kein Anfang gut / der nicht von GOtt genommen.
Mein Silvio, ich tadle dich zwar nicht / Daß du in Andacht denckſt die Goͤtter zu verehren; Doch was mein treuer Mund dir itzt vor uͤbel ſpricht / Jſt dis / daß du den Schlaf der Prieſter wirſt verſtoͤren: Sie liegen all in ſuͤſſer Ruh / Und koͤnnen nicht den Tag erblicken: Bis Phoͤbus wird auf das Gebirge ruͤcken.
Wie irreſtu? Es ſcheint / daß du noch ſelbſt im Schlafe biſt vergraben.
Was nutzt dir doch die junge Zeit? Sollſtu umbſonſt die friſchen Blumen haben? Und ſind die Roſen hier vergebens ausgeſtreut? Ach! koͤnte dieſer Purpur-Schein Noch itzt uͤm meine Lippen ſeyn / So ſagt ich gute Nacht / ihr Waͤlder und ihr Auen; Jch gieng ein ſchoͤner Wild zu ſchauen;Jch3Erſter Auftritt. Jch regt in Luſt und Spiel der Jugend heiſſes Blut Jm Schatten Sommerszeit / im Winter bey der Glut.
Du haſt mir ſolchen Rath ja nicht zuvor gegeben; Jſt dir denn itzt veraͤndert Geiſt und Muth?
Ein andre Zeit bringt ander Leben / Waͤr ich der Silvio, ſo nennt ich dis mein Gut.
Weil ich nun Silvio, und gar nicht Linco bin / Wil ich den Silvio, und nicht den Linco hoͤren.
O junger Sinn / Wie laͤſtu dich bethoͤren! Du ſuchſt ein Wild ſo weit / und laͤſt daſſelbe gehn / So du in Sicherheit nah und zu Hauſe findeſt.
Jſt dieſes Ernſt / wie ſoll ich es verſtehn?
Ernſt / wo du dich nicht ſelbſt zu ſchertzen unterwindeſt.
Und iſt nicht weit von hier?
Faſt naͤher als du ſelber dir.
Wo hat es denn den Aufenthalt?
Du ſelber biſt der Wald / Und dieſes Waldes Wild iſt deine Grauſamkeit / Das laͤſtu ohne Streit / Und lieget doch mit Ruh in deinem Hertzen.
Jch dachte wohl / du wuͤrdeſt ſchertzen.
Das ſchoͤnſte Weib / da Liebligkeit und Pracht / Was ſterblich war / zu einer Goͤttin macht / Der friſche Morgen-Roſen weichen: Der ſelbſt der weich - und weiſſe Schwan / Wie weich und weiß er iſt / nicht gleiche kommen kan / Um welcher wegen viel vergebne Seufzer ſtreichen; Die hat Erd und Himmel nun dir / O Silvio, beſchert. Du biſt der Gunſt nicht wehrt / Du kanſt Sie itzt uͤmfangen / Und wilſt Sie nicht erlangen. Du biſt vorwahr ein Wild / ja Eiſen / Eiß und Stein.
Jſt dann / nicht lieben / ſo groſſe Grauſamkeit? So muß die Grauſamkeit ja eine Tugend ſeyn: Und bin gantz unbeſorgt / daß ſie mein Hertze heget. Ja dieſes hat mein Haupt mit Ehr und Ruhm beſtreut /A 2Weil4Der Erſten AbhandlungWeil ich durch ſie Faſt ohne Muͤh Ein groͤſſer Thier / als ſie / die Liebe / hab erleget.
Wir haſtu dis bezwungen / So dir iſt unbekandt?
Durch Unerfahrenheit hab ich es weg gedrungen.
Ach fuͤhlteſtu einmal den angenehmen Brandt / Und kennteſt dieſen Schatz der Erden / Verliebt zu ſeyn / und auch geliebet werden / So wuͤrdeſtu mit vielen Seufzen ſagen: Wie daß das ſuͤſſe Gifft ſo langſam mich beſprengt? Ach lieber Freund / laß Waͤlder / Wild und Jagen!
Zu ſagen was mein Hertze denckt / Jch gebe vor ein Wild viel tauſend Nymfen hin / Das mein Melampo hat erleget / Es ſey ein ander Sinn Durch dieſen wehrten Schatz beweget.
Was fuͤhlſtu denn / fuͤhlſtu die Liebe nicht? Die macht / daß ſich die Welt kan regen und vermehren; Dich wird die Unzeit lehren / Was du itzt nicht wilſt hoͤren. Die Liebe leget uns doch endlich an den Tag / Was ihre Fanſt verricht / Und ihre Kraft vermag. Jch kan aus Erfahrung ſagen / daß ſich nichts dem Schmertzen gleicht / Als wenn dieſe heiſſe Brunſt in dem Alter uns beſchleicht / Da unſer Leib um meiſten wird gekraͤnckt / Jemehr man ihm zu helffen denckt. Denn wird die Jugend gleich durchbort mit Liebes-Pfeilen / So kan die Lieb auch ſie durch ihre Pflaſter heilen / Kan ſie der Schmertz verletzen / So kan die Hoffnung ſie hergegen auch ergetzen. Ob eine Zeit ihr Hertz und Sinnen bricht / So wird ſie endlich doch auch wieder aufgericht. Beſchwingt dich aber Liebes-Brandt Wann Schnee und Eiß / Marck / Blut und Geiſt beſtricken /Wann5Erſter Auftritt. Wann dein Gebrechen mehr / als fremde Schuld / dich plagt / So weiß kein Pflaſter und kein Band Dich wieder zu erquicken; Ja dir iſt Huͤlff und Raht verſagt. Dann wil ſich kein Hertze mehr deiner erbarmen / So ſchreiſtu uͤber Noth / Und reicht man dir die Armen / So biſtu mehr als todt. Nicht locke vor der Zeit Der Jahre Bitterkeit. Wird mit den grauen Haaren Sich Brunſt und Liebe paaren / So haſtu doppelt Leid. Theils / weil du / als du vermocht / haſt die Stunden laſſen flieſſen; Theils / weil du / als du gewolt / nicht haſt koͤnnen mehr genieſſen. Laß Wild und Wald / mein Freund / gebrauche dich der Zeit.
Als waͤre ſonſt kein Leben mehr zu finden / Als dieſes / ſo die Milch der tummen Lieb’ erquicket.
Betrachte doch / wenn itzt in dieſem Lentzen / Da ſich die Jahreszeit mit Blumen pflegt zu binden / Und man der Welt Veraͤnderung erblicket; An ſtatt daß Berg und Thal voll Farben ſolten glaͤntzen / Und dieſer bunte Schmeltz die Allen ſolt uͤmkraͤntzen / Dis alles duͤrr und nackend ſtuͤnde / Und unſer Augen Licht Vor ein angenehmes Blat / nichts erkieſt’ als Aſt und Rinde; So ſchwuͤrſtu dieſe Welt hat keine Kraͤffte nicht / Es iſt uͤm ſie gethan. So dis nun deinen Geiſt mit Wunder koͤnt erfuͤllen: So ſchaue dich doch itzt ſelbſt als ein Wunder an. Dir hat des reichen Himmels Hand Bey deinem jungen Leben / Aus welchem tauſend Schaͤtze qvillen / Auch gruͤne Kraft gegeben / Und was vor Zierath mehr aus deiner Jugend bricht. Wie nun der Liebe Brand Bey uͤberſchneyten HaarenA 3Ge -6Der Erſten AbhandlungGehalten wird vor einen Ubelſtand: So iſt bey gruͤnen Jahren Nicht lieben / der Natur ein Mameluk zu ſeyn / Und wider ihr Gebot ſich freventlich zu ſetzen. Betrachte doch den Schein Des Zirckels dieſer Erden; Ja was ſich in der weiten Welt Hat an das Licht geſtellt / Das wil ein Knecht der heiſſen Liebe werden: Es muß Himmel Erd und Meer Der Brunſt zu Dienſte gehn; Des hellen Sternes Glaͤntzen / So dorte wil fuͤr der Aurora ſtehn / Komt von der Liebe her / Und laͤſt die reine Glut ſein ſchoͤnes Haupt uͤmkraͤntzen; Es iſt Venus / ſo da liebt / und uns auch verliebet macht. Dis iſt vielleicht die Stunde / Jn der ſie iſt bedacht Den letzten Kuß zu geben deſſen Munde / Bey dem ſie hat die gantze Nacht Jn ſuͤſſer Buͤberey vergnuͤget zugebracht. Ach ſchaue / wie ihr Mund aus geilen Flammen lacht! Es muͤſſen hier und da die wilden Thiere brennen / Die rauhe See Lehrt das beſchuͤpte Volck das heiſſe Liebes-Weh. Der ſchwere Wahlfiſch brennt bey fluͤchtigen Delphinen; Das leichte Voͤgelein / ſo dorte lieblich ſingt / Und von der Tann itzt auf die Fichte huͤpfft / Ja von der Fichte ſich hinwieder fluͤchtig ſchwingt / Und in die Myrthen-Straͤuche ſchluͤpfft / Haͤtt es der Menſchen Geiſt / Es wuͤrde laut bekennen / Jch muß der Liebe dienen Und thun was ſie mich heiſt: Doch rufft es / wie es kan / demſelben / was es liebt / Mit ſuͤſſem Geſchwirre und Lieblichkeit zu / Daß ihm nach ſeiner Art denn auch zur Antwort giebt: Jch liebe gleich wie du. Das7Erſter Auftritt. Das Vieh bleckt in dem Stalle / Das muß der Aufbot ſeyn zu ihrer Buhlerey; Der Loͤw bezeuget ſelbſt mit ſeinem rauhen Schalle / Daß nun ſein alter Grimm der Liebe dienſtbar ſey. So iſt die gantze Welt ein ſtarck verliebtes Heer. Weiß hier denn Silvio alleine nicht zu brennen / Und ſoll dann Silvio im Himmel / Erd und Meer / Die Seele / ſo nicht liebt / alleine ſeyn zu nennen? Laß doch die Waͤlder ſeyn / Und ſtelle dich beym meiſten Hauffen ein.
Wer hat dir meine Jugend Zu fuͤhren heimgeſtellt? Daß ihr an ſtatt der Tugend Die Buhlerey ſey zugeſtellt. Und kenneſt du nicht mich und dich?
Ein ieder pruͤfe ſelber ſich: Jch bin ein Menſch / und wuͤntſch’ ein Menſch zu bleiben / Und wil mit dir als einem Menſchenkinde / Mit menſchlichem Geſpraͤch auch itzt die Zeit vertreiben; Und daß ich mich noch dis zu melden unterwinde / Weil du dich der Menſchlichkeit allzueifrig wilſt erwehren / So gedencke / daß die Zeit dich kan in ein Wild verkehren.
Durch deſſen Hand die Ungeheuer ſtorben / Aus welchem Quell mein Blut entſprungen; Der haͤtte nimmer mehr ſo groſſen Ruhm erworben / Haͤtt er zuvor die Liebe nicht bezwungen.
Ach blinder ſelbſt-Betrug / Wo waͤreſt du itzund / wenn dein Alcides nicht Jn Liebes-flammen kommen / Daß er den Sieg erworben / und Ungeheuer ſchlug / Hat mehrentheils die Liebe zugericht. Und haſtu nicht vernommen / Daß er der Omphale in allem gleich zu leben Nicht allein die Leuenhaut in ein Frauen-Kleid verkehret / Sondern auch vor ſeine Keul Rock und Spindel ſelbſt begehret. Er wuͤntſch in derer Schoß / als in einem Port zu ſchweben / Und nach vieler Noth und Leiden Hier zu aͤrnten Luſt und Freuden /A 4Die8Der Erſten AbhandlungDie verliebte Hertzens-Seufzer die entleichten unſre Schmertzen / Und erwecken Tapfferkeit in der Menſchen kalten Hertzen. Das Liebes-Seufzen kan auf den vergangnen Schmertzen Die beſte Kuͤhlung machen / Und leget oft in unſerm Hertzen Ein Feuer an / zu vielen groſſen Sachen. Dann / wie ein rohes Eyſen Mit edlerm Ertz verbunden / Zur Arbeit gut und tuͤchtig wird befunden: So kan man gleichfals leicht erweiſen / Daß ein erhitztes Blut So viel mal durch den Brand der eignen Flammen faͤllt / Wann ſich die Lieb ihm an die Seite ſtellt / Die beſten Dienſte thut. Wilſtu des Hercules ſein nechſter Enckel heiſſen / Und kanſt dich deiner Jagt und Waͤlder nicht entreiffen / So laß im Walde nicht / die Liebe zu verehren; Entzeuch dich doch der Glut Der Amarillis nicht / ſo lieblich iſt und gut. Wilſtu nicht die Dorinde hoͤren / So thuſtu wohl / ja du biſt hoch zu ſchaͤtzen. Dann / weil die Ehre dir zum Zweck iſt fuͤrgeſetzt / So muß durch Neben-Brunſt nicht ſeyn dein Hertz ergetzt. Sonſt wuͤrdeſtu nur deine Braut verletzen.
Wie? Meine Braut? Sie iſt noch nicht mein eigen.
Sie ſchwur dir ja bey Hand und Hertzen / Mich wundert / daß du nur daſſelbe wilſt verſchweigen: Die Goͤtter laſſen nicht mit ihren Augen ſchertzen.
Des Menſchen Freyheit iſt ein Theil der Himmels-Gaben; Und den verknuͤpffet nichts / den er befreyt wil haben.
Ach hoͤre nur dem Himmel deutlich zu Und mercke / was er dir verſpricht: Es ſoll dein Heyraths-Werck uͤmſchlieſſen Ehr und Ruh.
Der Goͤtter Sorg iſt gleich auf Buhlerey gericht. Mich ſoll die Liebe nicht nach ihrem Willen treiben; Jch wil ein Jaͤger ſeyn und ohne Brunſt verbleiben. Geh du zur Ruh / der du in Liebe wolteſt ſchweben.
Dich ſoll der Himmel uns haben gegeben? Jch9Anderer Auftritt. Jch weiß faſt nicht / woher den Urſprung du genommen: Du biſt nicht recht von GOtt / nicht recht von Menſchen kommen / Und hat dir ja ein Menſch gegeben Geiſt und Leben / So muß ja Tiſiphons und auch Alecto Gifft / So hier auf dieſer Erden Gar manches Ubel ſtifft / Und nicht der Venus Luſt / dich heiſſen Menſchlich werden.
MIR TILLO. ERGASTO.
ACh! Amarillis, ach! die Bitterkeit und Lieben Mit ſteiffen haͤfften kan verbinden; Es hat zwar deines Leibes Schein Den weiſſen Lilien den alten Ruhm vertrieben;A 5Doch10Der Erſten AbhandlungDoch / muß ich mich auch dis zu ſagen unterwinden / Die Natter / ſo ſich hier laͤſt im Gepuͤſche finden / Wird nicht ſo wild und taub als Amarillis ſeyn. Und kan mein Wort dich nicht erweichen / So wil ich ſchweigende verbleichen. Es wird doch Berg und Thal nicht meinen Tod verſchweigen; Jch weiß der gruͤnen Waͤlder Pracht / Deh’n ich dein Lob faſt ſtuͤndlich kund gemacht / Wird dein verhaͤrtes Hertze zeigen. Der Wind wird mich beſeufzen muͤſſen / Und mancher Brunn wird Thraͤnen laſſen flieſſen; Aus meinen Augen wird mein Leiden ſeyn zu leſen / Und ſolt auch alles dis mich weigern zu beklagen / So wird der Tod doch ſelbſt von meiner Marter ſagen Und melden / wer ich bin geweſer.
Die Liebe wil uns ſtets mit Jammer uͤberſchuͤtten / Jemehr man ſie verbirgt / iemehr ſie pflegt zu wuͤtten. Den Zaum ſo in der Brunſt des Bulers Zunge traͤgt / Hat nur der Liebe Macht iemehr und mehr bewegt; Sie ſetzt uns haͤrter zu / wenn Feſſel ſie uͤmgeben / Als wenn ſie mit der Zeit in Freyheit weiß zu leben. Und muſtu nun mir deine Flammen zeigen / Warumb bemuͤh’ſtu dich die Urſach ihrer Pein Mir zu verſchweigen? Du wirſt noch indenck ſeyn / Wie oft ich dir geſagt: Mirtillo der vergeht in einer ſtummen Glut.
Mich hab ich wegen dieſer verborgen ſtets geplagt / Die mir itzt unrecht thut / Jch hielt auch noch verſchloſſen meinen Mund / Wenn nicht die Noth die Bande mir zubrochen. Ein Wort das that nur etwas kund / So mich durch das Gehoͤr ins Hertze hat geſtochen / Daß Amarillis bald ſolt aͤndern ihren Stand. Jch durffte nichts mehr fragen / Theils mich nicht in Verdacht zu ſetzen. Theils nicht / was mich erſchreckt / zu hoͤren. Mir11Anderer Auftritt. Mir iſt nicht unbekand / Die Liebe wird mich auch in dem Fall nicht bethoͤren / Daß ich vor die nicht wuͤrdig bin zu ſchaͤtzen / Die man ſelbſt des Himmels Auszug ſchaut auf Bruſt und Stirne tragen. Das Urtheil weis ich ſchon ſo mein Geburts-Stern ſpricht / Daß ich ſoll ſeyn zur Glut gebohren / Doch nicht zu dem Genieß der Liebe zugericht. Weil das Verhaͤngnis denn mich armen hat erkohren Den Tod zu lieben; So wil ich auch zu ſterben nicht verſchieben / Derſelben Anlaß hier zu geben / Die mich in dieſe Noth gebracht / Daß / wenn der letzte Geiſt wird aus dem Munde ruͤcken / Mich durch ihrer Augen Plitz doch zuvor noch anzublicken / Jch wuͤntſche dieſes Wort: Mirtillo ſol nicht leben; Solt Amarillis doch vor meinem bleichen ſcheiden / Und eh ſie Hochzeit macht / Mich doch nur hoͤren leiden. Ergaſto ſey bedacht / Daferne meine Noth dich zur Erbarmnis bringet / Mir doch darzu Gelegenheit zu machen.
Das iſt ein Wuntſch / den zwar die Lieb’ erzwinget / Doch der in Todes Rachen Uns wenig hilfft / und iſt nicht auſſer der Gefahr. Nehme dis ihr Vater wahr / Und kriegt ihr Schwaͤher nur ein Wort davon zu wiſſen / Daß Sie auf den Begehr gehoͤret deine Klagen; So wuͤrde ſie erbaͤrmlich buͤſſen. Wer weiß ob nicht ihr Geiſt / der dich hat meiden muͤſſen / Mit dir itzt leidet gleiche Plagen? Denn / viel eher als ein Mann iſt ein Weib zwar anzuſtecken: Doch wird Sie die Liebes-Brunſt beſſer auch / als Er / verdecken; Liebt ſie dich gleich ſo muß ſie dich doch meiden / Denn wer nicht helffen kan der hoͤret ohne Frucht / Wer gegenwaͤrtig kraͤnckt / denckt billig auf die Flucht. „ Die groͤſte Weisheit iſt / daſſelbe bald zu laſſen „ Was uns unmuͤglich ſcheint ins kuͤnfftig zu uͤmfaſſen.
Mirt.Jch wolte / wuͤſt ich dis / auch mit Vergnuͤgung leiden / Und lebte vieler Sorgen frey. Ach ſage mir doch bald wer dieſer Schaͤfer ſey / Auf den der Himmel ſo mit Freundſchaft iſt entbrant?
Jſt Silvio dir unbekant / Des Prieſters der Dianen Sohn? Der fuͤhrt / von wegen ſeiner Gaben / Jtzt dieſen Schatz darvon.
O Schaͤfer / wie hat doch der Himmel dich erhaben / Dem bey ſo fruͤher Zeit das Gluͤcke reiffen ſoll! Doch dieſes ſag ich nicht aus Neid / Mich druͤckt mein eigen Leid!
Dein Neid / der waͤre hier gewiß auch Jrrthums voll / Beklagen ſoll man ihn und keines weges neiden.
Beklagen / wo kein Leiden?
Der leidet / der nicht fuͤhlt der Liebe ſuͤſſe Kertze.
Nicht lieben? Wie iſt dis bey Leben / Aug und Hertze? Doch zu ſagen: Waruͤm nichts ihr Geſicht itzt mehr entzuͤndet; So wiſſe / daß ſich ihrer Flammen Macht Hier ungetheilt in meinem Hertzen findet / Und was ſoll die Perle dieſem / der der Perle Glantz veracht?
Durch ſolche Heurath ſoll uns wieder ſeyn gebracht / Was bis anher Arcadien verlohren. Haſtu denn nicht gehoͤret / Wie Cynthia hier wird verehret / Und Jhr jaͤhrlich eine Jungfrau zu dem Opfer wird erkohren?
Jch bin ein Fremder hier; Dis ſind nur neue Sachen; Mir iſt der Wald an ſtatt der Welt / Weil es dem Himmel ſo gefaͤllt. Doch was hat die Goͤtter doch ſo erzuͤrnet koͤnnen machen?
Jch bin bereit dir dieſes zu erzehlen / Was auch die harten Eichen Vermoͤchte zu erweichen / Solt ihnen ja der Menſchen Thraͤnen fehlen. Als auch das Prieſterthum der Jugend war vertrauet / Die man noch glat von Haut und friſch von Jahren ſchauet; So ward ein Prieſter hier durch Liebes Glut entbrannt / Von Adel und Vernunfft / ſonſt weit und breit bekand. Amin -13Anderer Auftritt. Amintas der began Lucrinen zu behagen; So hieß das junge Paar / Lucrina konte ſagen / Daß ſie das gantze Land vor ſeinem Zierrath hielt / Doch / war ihr leichter Geiſt mit Falſchheit angefuͤllt. Sie zeigte lange Zeit Aminten treue Flammen / Und ſezte wol vielleicht Betrug und Gluͤck zuſammen: Denn / als ſie ungefehr ein junger Hirt erblickt / So ward ſie unvermerckt in fremdes Garn geruͤckt. Sie fuͤhlte neue Brunſt ihr in das Hertze kommen / Eh ihr Amintas wird vom Eifer eingenommen; Amintas, der forthin nicht beſſer wird geacht / Als Kertzen bey der Sonn / und Spiegel bey der Nacht. Es ward nunmehr ihr Geiſt auf ſeinen Schimpf befliſſen / Sie wolt’ auch nicht ein Wort von ſeiner Liebe wiſſen: Du / als erfahrener / wirſt kennen dieſe Pein.
O Pein / der keine Pein recht gleiche weiß zu ſeyn.
Weil Hertz und Hoffnung ihm verſtirbt in fremden Haͤnden / So wil Amintas ſich zu ſeiner Goͤttin wenden / Er ſpricht ſie haͤlb entzuͤckt mit dieſen Worten an: O Cynthia, ſo mich dein Auge kennen kan / Der ich aus treuer Pflicht und ungefaͤlſchten Sinnen Die Feuer angeſteckt / und dich verſoͤhnen koͤnnen / So neige dich zu mir / und ſchau auf eine Glut / Der itzt ein ſchoͤnes Weib Gewalt und Unrecht thut. Die Goͤttin laͤſſt das Wort des Prieſters ſich bewegen / Sie wil den heiſſen Grimm zu ihrer Wehmuth legen; Und ſchieſt den Todes-Pfeil in unſers Landes Bruſt / Ach was vor Leichen hat doch dieſer Pfeil gekoſt! Es ward hier Jung und Alt erbaͤrmlich weggeriſſen; Oft ſtarb ein kluger Artzt bey ſeines Krancken Fuͤſſen / Es ward ein edler Tranck / es war die kluge Flucht / Und was ſonſt helffen wil / uͤmſonſt hervor geſucht / Das beſte Mittel blieb / den Himmel zu erbitten / Zu hemmen dieſes Schwert / das unſer Land beſtritten. Man wante ſich darauf zu des Orakels Mund: Durch ſolches ward uns bald mit hoͤchſtem Schrecken kund / Daß den entbranten Haß der Cynthia zu ſtillen / Lucrina ſonder Friſt / uͤm ihrer Untreu willen /Durch14Der Erſten AbhandlungDurch des Amintas Hand geopffert muͤſte ſeyn; Wo nicht iemand vor ſie erlitte dieſe Pein / Und wuͤrde hingericht. Lucrina ſchwimmt in Zaͤhren / Die neue Liebe kan den Ausſpruch nicht verwehren: Sie wird in groͤſter Angſt / wiewol mit hoͤchſter Pracht / Gleich als ein Opffer-Thier zu dem Altar gebracht. Hier beugt ſie Knie und Halß zu des Amintas Fuͤſſen / Der ihr ſo lange Zeit vergebens folgen muͤſſen / Und wartet auf den Streich / der ſie verderben ſoll. Amintas, wie es ſchien / von Grimm und Rache voll / Greifft ietzt das Meſſer an / doch auch nicht ohne Schmertzen / Und fuͤhrt Lucrinen noch die alte Schuld zu Hertzen / Er ſprach: Was du geliebt / betracht aus deiner Noth; Und was du haſt veracht / lern itzt durch meinen Todt. Er ließ darauf den Stahl ihm ſelbſt ins Hertze gleiten; Jhm muß Lucrinen Arm den erſten Sarg bereiten. Er faͤllt ihr gans verblaſt auf die gebognen Knie / Als Prieſter / doch zugleich auch als das Opffer-Vieh. Die Jungfrau iſt beſtuͤrtzt von dieſen Wunderdingen / Ob Wehmut oder Stahl ſie ſoll zum Tode bringen / Jſt ihr noch unbekand. Sie ſpricht / ſo gut ſie kan / Und als ihr moͤglich iſt / noch den Amintas an: Zu langſam lern ich itzt / wie ſehr du mich geliebet / Jndem dein jaͤher Tod mir Tod und Leben giebet. War dis ſo groſſe Schuld / daß ich mich dir entbrach / So faͤhrt itzund mein Geiſt dem deinen ewig nach. Sie riß darauf den Stahl aus des Amintas Schaden / Und ſtieß ihn ſelbſt in ſich / von Blute noch beladen; Man ſchaute / wie ſie bald auf deſſen Leichnam ſanck / Dem auch noch dieſer Stoß vielleicht ins Hertze drang. So hoͤreſtu wie dieſe zwey geſtorben / Und durch die Lieb und Untreu ſeyn verdorben.
O! Schaͤfer reich an Pein / doch reicher am Geluͤcke / Weil dir ein ſo beruͤhmtes Feld Die Treu recht kund zu thun / itzund wird fuͤrgeſtellt / Dein Tod belebt itzund der Wehmuth reine Blicke. War nun des Volckes Wuntſch durch dieſen Fall erfuͤllt? Ward ihre Noth gedaͤmpfft und Cynthia geſtillt?
Erg.Jhr Zorn ließ etwas nach / doch wolt er nicht vergehen: Man ſchaut ein Jahr darauf die alte Noth entſtehen Man lief bald nach Gebrauch auf das Orakel zu: Es gab uns ſchlechten Troſt / es bracht uns ſchlechte Ruh. Die Noth wuchs mit der Zeit. Wir muſten hier erfahren / Daß eine zarte Nympf in ihren beſten Jahren / Die uͤber ſunfzehn zwar / doch uͤber zwantzig nicht / Der groſſen Cynthia bald wuͤrde hingericht: Und daß man alle Jahr dis Opffer ſolt erfriſchen / Durch dieſes reine Blut viel Schulden abzuwiſchen: Was mehr? Es hoͤrt allhier das weibliche Geſchlecht Ein allzuſtrenges Wort / und allzuſcharffes Recht; Ein Recht / ſo leichtlich bricht / wiewol mit Blut geſchrieben / Daß dieſe ſterben ſoll / die nicht iſt treu verblieben. Es meint der Vater nun / daß derer reine Eh Alleine tilgen ſoll des Landes Noth und Weh. Weil das Orakel auch hat frey heraus geſaget / Als man es noch einmal in Demuth hat gefraget: „ Es weichet eher nicht des Landes ſchwere Laſt / „ Bis daß zwey Himliſche der Liebe Band verfaſt / „ Bis eines Schaͤfers Treu wird gut zu machen wiſſen / „ Was ſich ein falſches Weib zu ſtoͤren hat befliſſen. Nun iſt kein ander Paar / mir faͤllt nichts anders ein / Es muß ja Silvio und Amarillis ſeyn / Die von der Goͤtter Art zu erſte hergefloſſen. Er iſt vom Hercules, und ſie vom Pan entſproſſen. Und / was uns bis anher verzweiffelt hat gemacht / So hat der Goͤtter Stamm nicht Kinder aufgebracht Von beyderley Geſchlecht; itzt / da nun ſolche kommen / So hat Montano auch die Zuverſicht genommen / Doch auch nicht ohne Grund; und ſchaut man gleich noch nicht Das Ende dieſer Pein / ſo tauſend hingericht; So iſt doch dis der Grund / das Ende ſteht bey Gott / Und dieſer Heyrath Frucht vertilget unſer Noth.
Mirtillo, biſtu denn ein Zweck von allen Noͤthen? Soll denn aller Feinde Hauffen Gegen mir zu Sturme lauffen? Wil auch bey Liebes-Pein mich das Verhaͤngnis treten?
Erg.Mirtillo glaub es nur / der Liebe Wunder-Macht Wird durch die Thraͤnen wohl genaͤhrt und angefuͤllet: Doch durch die Thraͤnen nicht geſtillet. Jch bin dahin bedacht / Daß dieſe Nymfe dich doch endlich noch ſoll hoͤren. Nur ſtelle deinen Geiſt zu Ruh / Der heiſſen Seufzer Trieb erkuͤhlet nicht den Schmertzen. Es iſt ein Sturm / der unſern Brand wil mehren / Und richtet nur die Zwirbel Winde zu / Die auf der Verliebten Hertzen Mit viel tauſend Jammer dringen / So Wolcken vieler Noth und Thraͤnen-Regen bringen.
CORISCA.
WEr hat iemals geſchaut / wer hat iemals gehoͤret / Daß einen der verliebte Brand So wunderlich / wie mich / bethoͤret? Jn meinem Hertzen hengt ein Band / So Lieb und Haß ſo kraͤftig hat verbunden / Daß eines mit dem andern Komt und vergeht / Stirbt und entſteht / Sich zeigt / und wieder weg wil wandern. Betracht ich / was mein Geiſt bey dem Mirtillo funden; Erweg ich ſeine Blicke / Sein hoͤfliches Geſchicke / Und was ſich von ſeinem Scheitel / bis zu ſeiner Ferſe zeiget / Sein Reden und ſein Lachen / Und waß ihn mehr zum Wunder weiß zu machen; So fuͤhl ich / wie der Brand mir in die Seele ſteiget; Jch ſpuͤre nichts als Glut / All andre Regung weicht / von Liebe qvillt das Blut. Wird denn hergegen auch erwogen / Wie ſein verhaͤrter Geiſt auf fremde Felder lenckt / und ferner nicht auf meine Schoͤnheit denckt / Die tauſend Hertzen oft als ein Magnet gezogen; So wird er mir zu Gift / und bitter wie die Gallen / Es kan kein Haar mir mehr an ihm gefallen. Bisweilen denck ich zwar bey mir / Koͤnt ich des ſuͤſſen Mirtillo genieſſen / Solt ich Beſitzerin / doch aber gantz allein / Des ſchoͤnen Leibes ſeyn; So waͤr ja Coriſca geneſen / Und koͤnte das Geluͤck in reicher Erndte leſen. Jch hatte damals Angſt zu wehren Haͤnd und Fuͤſſen / Daß ſie nicht ihm verrahten meine Noth. Duͤrfft ich / ich bet’ ihn an / und nennt’ ihn meinen GOtt. Bald koͤmt mir wieder ein / ſoll ich den Spoͤtter lieben / Der mich verwirfft und wenig acht / Der bloß auf fremde Liebe tracht / Der nur mein Auge ſchaut mich beſſer zu betruͤben / Und meiner Schoͤnheit weiß mit Hochmuth obzuſiegen. BSoll18Der Erſten AbhandlungSoll die / uͤm derer ſtoltzen Fuß Faſt eine Legion der Seelen ſenfzen muß / Verſtrickt zu ſeinen Fuͤſſen liegen? Das ſoll warlich dem Betruͤger nicht vor ſeinen Augen ſchweben. Und dieſes ſtecket mich mit ſolchem Wuͤtten an / Daß ihn und mich ich nicht mehr lieben kan / Und was ich vor geſucht / itzund nun wil begeben. Sein Namen / meine Brunſt / wird mir zu Gift und Peſt; Jch zuͤrne daß ihn nicht der Donner ſterben laͤſt: Und koͤnt ich / dieſe Fauſt die braͤcht ihn uͤm das Leben. So leget Lieb und Haß / ſo ruͤſtet Brunſt und Zorn Sich feindlich gegen mich / und zeigen Zahn und Horn. Vor dieſem ſteckt ich an viel tauſend tauſend Hertzen / Viel tauſend ſpeiſet ich mit Hoffnung / Noth und Weh: Jtzt ſchwimm ich Arme ſelbſt in einer Jammer-See / Und ſchmeck in meiner Noth der Fremden Seelen Schmertzen. Wo ſind die ſuͤſſen Stunden? Da ich noch in der Stadt Von Buhlern / die ich nicht genugſam ruͤhmen kan / Mit Seuftzern war bedint; doch ſtetig ungebunden / Wie mir manch hoher Sinn zuvor geopffert hat: So hat mich itzt ein Bauers-Garn uͤmwunden. Mir war manch edler Geiſt vor dieſem noch zu ſchlecht: Jtzt werd ich ſelbſt beſtrickt durch einen Hirten-Knecht. Coriſca waͤr itzund ein Trauer-Spiel der Erden / Haͤtt ich mich zeitlich nicht uͤm Buhler uͤmgethan; Wie koͤnt itzund die Noth von mir gewendet werden? Jhr Nymphen ſchaut doch itzund an / Und gedenckt uͤm tauſend Buhler euch in Zeiten zu bemuͤhen. Denn koͤnt ich ſonſten nichts / als den Mirtillo hoffen / So haͤtte mich die groͤſte Noth betroffen; Und dieſe Frau kennt keinen guten Rath / Die einen nur allein zu lieben Fuͤrſatz hat. Nimmermehr wird dieſe Thorheit mich auf ihre Seite ziehen. Treu und Beſtaͤndigkeit Sind eifriger Jecken ertichtete Grillen / Nur zum Betrug der Weiber ausgeſtreut. Es wird doch keine Treu ein Frauen-Hertz erfuͤllen;Und19Dritter Auftritt. Und ſolte man ja Treu verſpuͤren / So wird ſie doch die Tugend nicht Zu der Gefehrtin fuͤhren; Und iſt nur als ein Zwang der Liebe zugericht / So uns befiehlt bloß einem nachzujagen / Weil ihrer viel wir ferner nicht behagen. Dafern ein ſchoͤnes Weib / von tauſenden geehrt / Nur einen denckt zu hoͤren / Und keinen ſonſt wil ehren / So weiß ich nicht / wie ihr der Name / Weib / gehoͤrt: Und iſt ſie ja ein Weib / ſo iſt ſie gantz bethoͤrt. „ Was iſt die Schoͤnheit doch / ſo niemals wird betracht? „ Und ob ſie wird betracht / von keinem wird geacht / „ Und da ſie wird geacht / nur einen dienſtbar macht. Jemehr man Buhler ſchaut auf unſre Seite treten / Je ſtaͤrcker iſt das Pfand / Daß unſre Schoͤnheit wird den Sternen zugeſandt. Vieler Seelen Eigenthum Jſt der beſte Frauen-Ruhm. So thun die klugen auch in Staͤdten. Es wird alldar ein Weib eh einen Brand uͤmfaſſen / Als eines Buhlers Dienſt aus ihren Haͤnden laſſen. Denn was einer nicht wohl kan / Wird von vielen doch gethan / Der bedienet / jener ſchenckt / Viel ſind geſchickt zu andern Dingen. Den Eifer / der den einen kraͤnckt / Wird ein ander unbewuſt oftmals auf die Seite bringen / Und offt auch Eiferſucht / wo keine war / erzwingen. Das iſt der Zeitvertreib der Kluͤgſten in der Stadt / Da eine von den groͤſten Frauen Den Griff der Buhlerey mir wollen anvertrauen; Jch weiß es / was mein Sinn von ihr gelernet hat. Nicht ſelten ſagte ſie zu mir: Trachte doch mit deinen Buhlern ſo zu thun / wie mit den Roͤcken; Viel zu haben / ſtets zu wech ſeln / und mit einem dich zudecken. Der Wechſel muß hier ſeyn: Denn lange FreundligkeitB 2Ge -20Der Erſten AbhandlungGebiehret dir Nur mit der Zeit Verdruß / der kurtz hernach Verachtung mit ſich fuͤhrt / Verachtung / die ſonſt nichts / als lauter Haß gebiehrt. Ein Weib iſt ſchon verdorben Die man bedienet mit Verdrus. Die hat den beſten Ruhm erworben / Die um ſich ſtoͤſt / und nicht verſtoſſen werden muß. Dis iſt der Zweck / darnach ich mich ſtets richte: Jemehr der Buhler ſind / ie groͤſſer iſt die Luſt. Der eine dient der Hand / der ander dem Geſichte / Und der Geſchickſte koͤmt allein auf meine Bruſt. Doch ſitzt mir nicht ſo leicht ein Buhler in dem Hertzen: Wiewol ich faſt nicht weiß / wie itzt zu meinem Schmertzen Mirtillo hier begeht ſein ſtoltzes Sieges-Feſt / Mirtillo, der aus mir viel tauſend Seufzer preſſt. Wiewol mein Seuftzen mich betrifft / Von Hertzen geht / und nicht Betruͤgereyen ſtifft. Jch ſtehle ſtets den Gliedern ihre Ruh / Und laſſe nicht den Schlaff auf meine Lichter zu; Jch warte bis die Morgenroͤth erwacht / Die Zeit / zur Buhlerey gemacht. Auch itzt ſuch ich durch dieſen dunckeln Wald / Wo mein geliebter Freund hat ſeinen Aufenthalt. Coriſca, was wilſtu beginnen? Soll er von dir gebeten ſeyn? Wolt ich es gleich ſo wird mein Haß nicht koͤnnen. Lauff ich vor ihm? die Liebe ſaget nein. Jch ſoll es aber thun: Wie ſoll ich mich verhalten? Vielleichte kan ich ihn mit Schmeichel-Worten beugen; Die Liebe wil ich ihm / nicht was verliebt iſt / zeigen. Fehlt bis / ſo ſoll Betrug deſſelben Stattverwalten. Und hilfft mich mein Betruͤgen nicht / So ſchwer ich / daß mein Grimm ihm Ehr und Leben bricht. Mirtillo ſoll den Haß / wil Er nicht Liebe haben; Und Amarillis, dir verſprech ich gleiche Gaben / Du Neben-Buhlerin / dich bett Mirtillo an. Euch beyden ſoll ſeyn kund gethan / Was Haß und Grimm bey einem Weibe kan.
TITIRO. MONTANO. DAMETA.
DJe Warheit ſteht mir bey / mein Sinn iſt nicht zu tichten: Montano, du verſtehſt hier etwas mehr als ich. Die Orakel fuͤhren ſtets etwas dunckeles in ſich / Und ſind nicht nach der Woͤrter Laut zu ſchlichten / Du muſt ſie gleich als wie ein Meſſer fuͤhren. Greiffſtu es recht und bey der Schalen an / So nutzt es dir: Wilſtu es ſonſt beruͤhren / So ſticht es dich / und dir wird Leid gethan. Daß mit des Himmels guten Willen Die Amarillis ſoll des Landes Unheil ſtillen /B 3Wird22Der Erſten AbhandlungWird mir / als Vater / ja am allerliebſten ſeyn. Wie aber dis / und wenn es zu erfuͤllen / So ſtellt ſich noch darzu kein rechtes Mittel ein. Soll die Liebe ſie verbinden / Wie kan das eine fluͤchtig leben? Und wer wird einen Schluß in dieſer Sache finden / Weil die Feindſchafft zum Gewuͤrcke Eintrag ſich bemuͤht zu geben? Wer wird ſich des Hoͤchſten Willen umzuſtoſſen unterſtehen? Und man ſagt: Gott wil es nicht: wenn nichts wil von ſtatten gehen. Waͤr Amarillis ja zu ſeiner Braut erkohren / So waͤr Er mehr zur Lieb als zu der Jagt gebohren.
Er iſt noch nicht recht achtzehn Jahr / Die zarte Jugend wird der Liebe nicht gewahr / Dis alles bringt die Zeit.
Wie daß ihn mehr ein Wild / als eine Nymf erfreut?
Der Jugend bringt die Jagt die meiſte Lieblichkeit.
Jſts nicht natuͤrlicher zu fuͤhlen Liebes-Brunſt?
Wo keine Jahre ſeyn / iſt alles dis umbſonſt.
Die Liebe bluͤht doch nur / weil man im Fruͤhling iſt.
Was Bluͤhte? Wenn man nicht der Bluͤhte Frucht erkieſt.
Der Liebe Bluͤhte bleibt gar ſelten ohne Frucht. Doch hier iſt keine Zeit zu zancken / Und auch kein Zanck wird hier von mir geſucht; Jch fuͤhr itzund gar andere Gedancken. Dis laß ich aber mir mit Recht zu Hertzen gehn / Daß ich einer lieben Tochter hoͤchſtgeneigter Vater bin; Und darff ich mich vor dir der Woͤrter unterſtehn / Die tauſend Maͤnnern hat entzuͤndet Geiſt und Sinn?
Haͤtt auch der Himmel gleich die Heurath nicht beſchloſſen / So wil die verſprochne Treu ſie doch itzt zuſammen ſetzen; Und wer ſich die bemuͤhte zu verletzen / Verletzte dieſer Goͤttin Geiſt / Der Amarillis ja ſich gantz ergeben heiſt. Du kennſt was ſie vor Grimm hat uͤber uns gegoſſen. Und ſo in des Himmels Schluͤſſen mir nicht der Verſtand gebricht / So hat des Verhaͤngnis Finger dieſe Bande zugericht. Was die Vorzeit nun beſchloſſen / wird die Affterzeit vollbringen. Ein Morgen-Traum betteugt mich nicht /Der23Vierter Auftritt. Der mir ein Bild gezeigt von vielen Wunderdingen / Und hier / ſo irgend was / gewuͤnſchten Troſt verſpricht.
Ein Traum iſt nur ein Traum: Erzehl ihn aber doch.
Du weiſt es noch; Und wer wolte dis vergeſſen / Was einen Theil von uns erbaͤrmlich aufgefreſſen? Da in einer boͤſen Nacht Der Ladon ſich hat dergeſtalt ergoſſen / Daß / wo der Vogel vor ihm hatt’ ein Neſt gemacht / Dazumal der Fiſch gefloſſen; Da Menſch und Vieh in gleiche Noͤthen kam / Da Heerd und Stall das ſtrenge Waſſer nahm. Jn dieſer ſchwartzen Nacht / O ungemeiner Schmertz! Da ward ich uͤm mein Hertz Durch der Fluthen Grimm gebracht. Ja was ich mehr als mich verbunden war zu lieben / Mein Sohn / der in den Windeln lag / Den ich beklagen muß bis auf den letzten Tag / Der ward auch / ehe wir / in Nacht und Noth vergraben / Jhn konten retten aus Gefahr / Durch die Wellen hingetrieben. Die Wiege ſelbſt / darinn er war / Die haben wir nicht wieder koͤnnen haben / Jch glaube / daß itzt Kind und Wiegen Zugleiche da begraben liegen.
Was kan man anders ſchluͤſſen? Mich deucht / ich habe dis vor dieſem auch gehoͤrt / Und wo mich mein Gedaͤchtnis nicht bethoͤrt / So haſtu ſelbſt mich ſolches laſſen wiſſen. Doch billich kraͤncken dir die Soͤhne Hertz und Muth / Den einen hat der Wald / den andern hat die Fluth.
Es wird vielleicht des groſſen Himmels Hand Jn dem / der uͤbrig iſ[t]des Todten Platz erſetzen. Die Hoffnung bleib[et][doch]der Menſchen beſtes Pfand. Was aber wirſtu nun von meinem Traume ſchaͤtzen? Es war gleich uͤm die Zeit / Da der Morgenroͤhte PrachtB 4Uns24Der Erſten AbhandlungUns ſchimmernde war aus den Wolcken bracht / Und ein Theil der Finſternis noch uͤm ſie lag ausgeſtreut; Jch hatte faſt die gantze Nacht Gewacht und auch gedacht / Was aus der Heurath doch noch endlich ſey zu ſchluͤſſen / Durch lange Muͤdigkeit beſchweret und gedruͤckt; So ward ich unvermerckt hin in den Schlaff geruͤckt / Und durch den Schlaff in einen Traum geriſſen. Mich daucht / ich ſaß mit Schatten wohl uͤmgeben / Den ich bey einem Ahorn fand / Die Angelruth in meiner Hand / Den Fiſch aus ſeiner Flutt zu heben: Da tratt ein alter Mann Mit keinen Kleidern angethan / Faſt mitten in dem Fluß herfuͤr / Es ſchien wie Bart und Haar Von tauſend Tropffen traͤchtig war / Und reichte mir Ein Kindlein zu; Er ſprach / ich habe dir itzt deinen Sohn gegeben / Doch bring ihn ſelbſt nicht etwan uͤm das Leben; Und fuhr in einem Nu Tieff in des Fluſſes Schos. Der Himmel war darauf mit Wolcken dick uͤmhuͤllet. Mich daucht / wie ich / mit Schrecken angefuͤllet / Die Armen recht uͤm dieſes Kindlein ſchloß; Jch rufft: Jch bin aus Noͤhten kommen; Was eine Stunde gab / das hat ſie auch genommen. Nach dieſem ließ das Licht ſich wieder blicken / Der Donnerkeil war ohne Macht; Was vor geblitzet und gekracht / Fiel ohne Kraft recht auf des Fluſſes Ruͤcken. Des Baumes Stock fing an zu zittern / Jch hoͤrte dieſes Wort aus ſeiner Rinde ſchallen: Des Landes Pracht / ſo hingefallen / Wird ſich bald wieder wuͤttern. Mich deucht ich ſpuͤre noch das unverhoffte Thoͤnen. Jch weiß nicht / was der Traum mir itzt vor Regung macht:Jch25Vierter Auftritt. Jch war itzt gleich bedacht Die Goͤtter durch ein Opffer zu verſoͤhnen / Daß guter Segen ſey auf das Geſichte bracht.
Traͤume ſind Bilder der Hoffnung im Hertzen / Aber nicht Spiegel der kommenden Sachen: Schatten des taͤglichen Ernſtes und Schertzen / Welche die Nachtzeit vertunckelter machen.
Die Seele ſchlaͤffet ja faſt niemals mit den Sinnen / Sie wil alsdenn das beſte Werck entſpinnen / Wann ſie der Sinn tieff in den Schlaff verſenckt / Nicht / wie zuvor / mit fremden Bildern kraͤnckt.
Zu was des Himmels reines Weſen Hat unſre Kinder auserleſen / Jſt gaͤntzlich unbekandt und Ungewißheit voll. Dis weiß ich aber wohl / Daß deiner meine fleucht / Und zu wider der Natur / nicht das Joch der Liebe zeucht; Wie auch / daß mein liebes Kind Zwar die Laſt verſprochner Treu / Doch nicht ihre Luſt empfindt. Jch ſage hier zwar nicht / daß ſie die Liebe fuͤhlet; Dis weiß ich wohl / daß ſie viel Hertzen ſtiehlet / Doch muß ſie ja den Trieb davon empfinden / Weil ſie ſo zierlich weiß zu binden. Mich daucht / der ſchoͤnen Wangen Pracht / Da vor ein Feld der Roſen war gemacht / Laͤſſt ſich mit Lilien der Bleichheit ietzt uͤmwinden / Doch / ohn Ehſtand eine Jungfrau in die Liebes-Brunſt zu ſetzen / Heiſt den Ehſtand recht verletzen; Und gleich als wie die Roſe meine Luſt / Die in der gruͤnen Knoſpenbruſt / Vor dieſem lag verborgen: So bald das ſchoͤne Licht von Morgen Die erſten Strahlen zeigt / Sich ermuntert / und der Sonnen / die den ſchoͤnen Nacker liebt / Entgegen ſteigt; Und des Buſens ſchoͤnen Biſem / da viel tauſend Bienen ſchweben / Von denen iede wil auf ihren Blaͤttern kleben /B 5Jhr26Der Erſten AbhandlungJhr zur Morgengabe giebt; Daß wer die Roſe nicht wil in dem Morgen brechen / Und es verſcheubt bis auf die Mittags-Zeit / Da nunmehr alle Pracht von ihr iſt abgemeit; Gegen Abend dis wird ſprechen: Wo iſt die Roſe doch und ihre Lieblichkeit? So geht es auch mit einer Jungfrau zu / Weil noch der Mutter kluge Sorgen Verwahren ihre Bruſt von Abend bis zu Morgen / So hat ſie vor der Liebe gute Ruh: Wann aber nu der geilen Blicke Glut Jhr keuſches Auge ruͤhrt / Und der Buhler heiſſes Seufzen Zunder in die Ohren fuͤhrt / So oͤffnet ſie der Liebe Hertz und Muth / Und laͤſſt die Bruſt derſelben Wohnhauß ſeyn / So denn aus Schrecken oder Zucht Sie dieſe Glut ja zu verbergen ſucht: So wird ſie doch verzehrt durch dieſe ſtumme Pein; Die Schoͤnheit weicht / wil dieſe Brunſt nicht weichen. Man ſchauet ihr Geluͤck als wie die Zeit verſtreichen.
Mein Titiro, behalt den guten Muth / Laß dich die Furchte nicht bezwingen / Der guten Hoffnung wil der Himmel allzeit gut; Ein laulicht Beten kan die Wolcken nicht durchdringen: Jſt Hoffnung und Gebet nun allen fuͤrgeſchrieben / So ſoll vor allen dis der Stamm der Goͤtter uͤben. Die Kinder unſrer Lenden Sind ja den Goͤttern beygethan. Der allen Samen nun erhalten wil und kan / Der wird ſich warlich nicht von ſeinem Samen wenden. Wir wollen nun mit reinen Haͤnden Zuſammen unſer Opffer ſchlachten: Den Bock erwuͤrgeſtu dem Pan / Es wird der Hercules kein junges Rind verachten. Der die Heerde hat vermehret / Wird dieſem ja genaͤdig ſeyn / Der durch der Heerde Frucht den Herd der Goͤtter ehret. Dameta, geh itzt bald in unſern Stall hinein /Nim27Vierter Auftritt. Nim da das beſte Rind / das du daſelbſt ſiehſt ſtehen / Und bring es her zu mir / Jm Tempel wart ich dir; Du kanſt den kuͤrtzſten Weg nechſthin dem Berge gehen.
Schau daß ich einen Bock von meinen haben kan.
Es ſoll beydes ſeyn gethan.
Der itzt erzehlte Traum Der ſey forthin ein Zaum Und ein bewehrter Schrancken / Vor traurige Gedancken. Jch habe ſchon erkieſt / Daß dis / was du geſagt / ein gutes Zeichen iſt.
SATIRO.
HAgel-Wetter bricht die Aehren / Und die Blumen friſſt der Brand: Kraͤuter wil das Eiß verheeren / Und der Wurm beſaͤt das Land: Hirſche werden durch die Netze / Vogel durch den Leim beſtrickt: Und der Menſch / O Mordgeſetze! Wird durch Bulerey beruͤckt. Der erſtlich Liebes-Brunſt hat eine Glut genennet / Hat allzuwohl gekennet / Was ſie vor Qval und Untreu in ſich fuͤhret. Dann / betrachteſtu die Glut / So haͤlſtu ſie vor lieblich / ſchoͤn und gut / Bis daß ſie dich beruͤhret. Denn lerneſtu / wie dieſe weite Welt Nichts ungeheurers hat gebohren; Es wuͤhlet wie ein Wild / es ſchneidet wie ein Schwerd / Es iſt kein Band / ſo es zuruͤcke haͤlt; Und wo es ihm einmal hat einen Sitz erkohren / Da wird ihm keine Macht verwehrt. Die Liebe hat nun auch dergleichen Eigenſchafft. Beſchauſt du ſie in zweyer Augen Licht / Jndem ein goldner Stral aus ſchwartzen Wolcken bricht. So meinſtu da zu ſehn des Himmels Glantz und Krafft / Und denckſt / daß Fried und Luſt einander hier uͤmfaſſen. Tritſt du denn naͤher hin zu ihr / Daß ſie dir einen Stral kan in das Hertze laſſen / So hat Hircanien kein wilder Tiegerthier / Und Libien nicht ſolche boͤſe Schlangen / Ja kein ſo grimmer Leu iſt auf den Raub gegangen / Als dieſes was man Liebe nennet. Sie trotzt die Hell und auch den Tod / Wird Feindin aller Luſt / und Freundin aller Noth; Ja in der Liebe wird nichts liebes mehr gekennet. Was zoͤrn ich aber viel / ſoll ich die Liebe ſchelten / Daß die verkehrte Welt Durch Jrrthum mehr als durch die Liebe faͤllt? Nein; es ſoll der Weiber Tuͤcken mein erzoͤrntes Wort itzt gelten. Du29Fuͤnffter Auftritt. Du liſtiges Geſchlecht / die Unthat faͤllt auf dich / Die Liebe hat nichts boͤſes hier begangen / Und hat die Liebe ja was ſchaͤdliches in ſich / Die vor ſich ſelbſt kein Tadel kan beruͤhren / So hat ſie dis von dir faſt unvermerckt empfangen. Du ſchleuſt ihr alle Straſſen zu / Und wilſt ſie nicht zu deinem Hertzen fuͤhren; Von auſſen heuchelſtu / Und giebeſt vor / ihr einen Sitz zu bauen. Doch wil ich dich gantz eigentlich beſchauen / So iſt dein gantzes Thun und Sinnen / Durch einen falſchen Strich die Haut erhoͤhen koͤnnen. Du achteſt nicht die Treu der Treu hinzu zu ſetzen / Und Liebe durch die Liebe zu entzuͤnden; Du laͤſſt nicht einen Geiſt in zweyen Leibern finden / Du weiſt den Griff alleine hoch zu ſchaͤtzen / Ein todtes Haar als weiches Gold zu machen / Und den verwirrten Schein Den Labyrinth der Seelen heiſſen ſeyn. Wie ſind doch dis ſo ungeſchickte Sachen / Wann ich dich ſchauen muß / Wie du durch einen Pinſel-Strich Verjagen wilſt der Flecken Uberfluß? So dir Natur und Zeit Hat uͤm den Mund geſtreut. Wie plagſtu dich / Den Nacker aufzutragen / Das Braune zu verweiſſen / Die Runtzeln wegzujagen / Und durch Flecken andre Flecken / Die in dem Fehle ſtecken / Fuͤrwahr mehr kund zu thun / als gaͤntzlich wegzureiſſen! Wie ofte wird ein ſchneller Faden / Wenn des Geſichtes Feld mit Haaren iſt beladen / Zur Dienerin gemacht? Das eine Theil behaͤlſtu in den Zaͤhnen / Das ander weiß die lincke Hand zu daͤhnen / Jndem die Rechte ſteht bedacht /Den30Der Erſten AbhandlungDen Mittel-Knoten zu beruͤhren / Bald ſolchen aufzuthun / bald ſolchen zuzumachen / Und nach Beſchaſſenheit der Sachen Der Stirne Glantz / was rauch iſt / zu entfuͤhren. Es ſtellt ſich oftmals hier ſo groſſer Schmertzen ein / Daß man die Buſſe ſchaut der Thorheit Schweſter ſeyn. Jch habe hier noch alles nicht erkieſt: Den Wercken gleichen ſich die Sitten und Geberden: Was kan von dir doch nur gemeldet werden / Das nicht voll Liſt und Falſchheit iſt? Gehn dir die Lippen auf / ſo ſtincken ſie nach Luͤgen / Dein Seuftzen iſt erdicht / dein Blick iſt voll Betruͤgen; Dein Thun und Laſſen / Man ſchaues oder ſchau es nicht / Dein Stehen / Gehn / Geſang und Lachen / Dis was dein Mund verſchweigt und ſpricht / Ja was du denckſt zu machen / Und ich nur mit Gedancken kan uͤmfaſſen / Jſt ſonſt auf nichts als auf Betrug gericht. Jch habe hier noch nicht genung geſagt; Den der am meiſten glaubt am meiſten zu beruͤcken / Der deine Gunſt verdient / mit Feindſchafft zu beſtricken / Ja ſelbſt die Treu dem Teufel zuzuſchicken / Dieſes iſt das ſchoͤne Spiel / ſo der Liebe Lob verjagt. So komt der Liebe Schuld / O Weib / von dir alleine / Doch mehr von dem / der dir vertraut: Und ich / der ich ſo viel / Coriſc / auf dich gebaut / Bin gezwungen / daß ich itzt meinen Fehler ſtets beweine. Ja ich glaube / daß auch Argos, O du Wolluſt-reiche Stadt! Dich zu meiner Folterung erſtlich ausgeſendet hat / Doch kanſtu noch der Geilheit falſchem Grunde Der Tugend Firnis geben: Man ſchaut dich ſtets bey keuſchen Nymfen ſchweben / Jm Hertzen fuͤhrſtu Brunſt / und Zuchtſchein auf dem Munde. Was hab ich nicht bisher vor Jammer / Angſt und Weh / Deinethalben hier erlitten? Die Angſt / ſo mich beſtritten / Sey euch Buhlern ein Compaß mitten auf der Liebes-See. Du31Fuͤnffter Auftritt. Du muſt kein Weibesbild naͤchſt zu den Goͤttern ſtellen: Dein Opffer macht aus Jhr ein Bild der ſchwartzen Hellen; Sie kennt ſich ſelber nicht / tritt alles unter ſich / Und haͤlt auf dieſer Welt nichts nichtiger als dich. Zu was dein treuer Geiſt ſie hoͤflich hat erkohren / Das meint ſie ſicherlich / es ſey mit ihr gebohren. Was hilfft der Thraͤnen Qval / dein Seuftzen und dein Bitten? Nur vor Weiber und vor Kinder ſind die Waffen hier gemacht; Ein Mann muß maͤnnlich ſeyn / ich habe zwar gedacht / Es wird ein Weib durch ſolchen Dienſt beſtritten / Jtzt ſchau ich nun / daß ich geſehlet; Ein Hertz aus Kieſelſtein Hat keine Thraͤnen uͤberzehlet / Und wil durch leichte Seufzer doch nicht erweichet ſeyn. Es weiß die linde Hand nicht Flammen aufzujagen / Man muß mit groͤſſer Macht das Feuereiſen ſchlagen. Du muſt nicht zu gelinde gehn / Wilſtu von der Geliebten was genieſſen / Und wolt auch Ætna ſelbſt in deinem Hertzen ſtehn / So muſtu doch die Flammen wohl verſchlieſſen / Und mit Gelegenheit zu wagen dir erwehlen / Was die Natur und Liebe dir befehlen. Beſcheidenheit muß doch bey einer Frauen Dem Scheine nach nur eine Tugend heiſſen. Und wer ſich hier zu ſehr derſelben wil befleiſſen / Der wird ſich mit der Zeit gewiß betrogen ſchauen. Es ſcheint zwar daß ein Weib wil Zucht und Tugend uͤben / Doch wil ſie ſolche nicht an andern Leuten lieben: Coriſca ſoll forthin Nicht mehr Gelindigkeit an meinen Wercken ſpuͤren; Sie ſoll die Feindſchafft ſehn Hertz / Geiſt und Haͤnde fuͤhren / Und einen Mann beſtraffen ihren Sinn. Zwar hab’ ich ſie zweymal gefangen / Doch hat ſich ſolch’ aus meiner Hand Stets unvermerckt gewandt. Komt Coriſca noch einmal mir in dieſes Garn gegangen / So ſoll ſie wohl ſo leichtlich nicht entkommen. Jtzt hab ich mir vorgenommenJhr32Der Erſten AbhandlungJhr durch den Wald Mit Schlauigkeit friſch nachzujagen. Jch weiß / ſie hat hier ihren Aufenthalt! Komm ich nur auf ihre Spur ſo wird ſie gezwungen ſagen / Daß bisweilen auch die Blinden Augen und Geſicht erlangen Und der Weiber falſche Blumen oftmals ohne Frucht vergangen.
O Satzung! in der Bruſt des Jupiters gegruͤndet / Nicht ſchlecht hinein geſchrieben / O Satzung! die durch Liebes-reiche Macht Ein ieder Ding / ich weiß nicht wie / verbindet / Dis / was es fuͤhlt / und doch nicht kennt / zu uͤben! Man ſchaut / wie die nicht eintzig iſt bedacht / Jn ihrer Sieges-Pracht / Die ſchlechte Haut den Raub der Zeit zu fuͤhren / Der leicht iſt zu verlieren: Sie wil das rechte Korn / den Grundzeug aller Sachen / So ewig kraͤftig bleibt / ihr gleichfals dienſtbar machen; Daß man die gantze Welt itzund kan ſchwanger nennen / Als Mutter aller Wercke; Daß ſich die Kraft des ſtarcken Geiſtes regt / So weit man ſchaut der Sonnen Pferde rennen / Und ſich allzeit mit einer gleichen Staͤrcke / Die maͤnnlich iſt / und dauren kan / bewegt; Daß Menſch und Vieh ſich hegt / Daß Blum und Kraut in guten Kraͤften ſchwebet: Daß alles ſteht und lebet; Daß endlich alles auch durch Alter wird verſchloſſen / Jſt nur aus deiner Qvell alleine hergefloſſen.
Und uͤber dieſes noch / wormit des Himmels-Kertzen / Was ſterblich iſt / hier treiben / Wodurch bey uns bald Luſt / bald wieder Pein / Bald Freud und Qval ſich reget in dem Hertzen / Wo durch die Krafft des Lebens kan verbleiben Und daß ſie muß zerſtoͤrt und fluͤchtig ſeyn / Wodurch der Regung ScheinBald33Schluſ-Chor. Bald waͤchſt / bald faͤllt / bald friſch / bald ſchlaͤfrig ſtehet / Bald gantz und gar vergehet / Das nennet zwar die Welt Geluͤck und Sternes-Wercke / Doch iſt diß alles nichts als nur des Himmels Staͤrcke.
O Ausſpruch! der nicht kan zuruͤcke ſeyn geſetzet / So es von dir ja kommen / Daß vieler Noth auf uns geruͤſte Schar / So bis anher Arcadien verletzet / Nunmehr ſoll ſeyn von deſſen Brunſt genommen. So dieſes nun / was uns verſprochen war / Soll thun ein treues Paar / So dieſer Fluß mit Goͤttlichem Belieben Jſt worden ausgeſchrieben / Und das Orakel ward durch deine Krafft erfuͤllet: Wie wird Arcadien nicht bald die Noth geſtillet?
Schaut doch den Juͤngling an / der keines Liebens achtet / Den Gott zwar uns geſchencket. Und ſich doch Gott itzund entgegen ſetzt: Beſchaut auch die / ſo treu zu ſeyn itzt trachtet / Und mit der Treu nur deſſen Seele kraͤncket / Den ſonſt kein Weib ſo mercklich hat verletzt / Als die ihn hoch geſchaͤtzt: Ja die ſich laͤſt ie mehr und mehr verbinden / Jemehr ſie Haß muß finden. Doch kan man durch die Flucht der Schoͤnheit nicht entkommen / Der ſich der Himmel hat mit Kraͤfften angenommen.
Soll dann die hohe Krafft des Himmels gantz erliegen? Was macht die Wunderſtaͤrcke? Soll hier der Zug / den man Verhaͤngnis nennt / Dann ewiglich mit dem Verhaͤngnis kriegen? Was tichten doch der Menſchen tolle Wercke / Jndem ihr Fuß frech zu dem Himmel rennt / Von dem er ſich getrennt Durch Lieb und Haß / als wie der Rieſen Hauffen / Die Wolcken anzulauffen? Soll dann der Sternen Reich / es wil mir nicht zu Sinnen / Durch Blind’ / als Lieb und Haß / beſtuͤrmet werden koͤnnen?
CDu /34Schluß-Chor.Du / deſſen groſſe Hand der Sternen Kreiß kan fuͤhren / Und das Verhaͤngnis treiben: Du / deſſen Licht uns alle leiten kan / Laß unſre Noth dein Auge doch beruͤhren; Laß Lieb und Haß nunmehr verſoͤhnet bleiben; Laß Eiß und Glut[z]uſammen ſeyn gethan / Nim dich des Werckes an; Laß den / der liebt / nicht ferner mehr verziehen / Laß Haß zur Seite fliehen! Laß einen rauhen Sinn / der Eiſen wuͤnſcht zu bleiben / Dis was du zugeſagt / nicht ferner hintertreiben: Es wird noch wohl / was itzt umnoͤglich ſcheint zu ſeyn / Und ewig bey uns denckt zu wuͤtten / Dis arme Land mit Freuden uͤberſchuͤtten. Wie ſtellt ſich unſer Geiſt nur bey der Erden ein / Und ſchwingt das faule Licht nicht zu der Sonnen Schein?
ERGASTO. MIRTILLO.
BEy Wieſen / Huͤgeln / Brunn und Fluͤſſen / Da / wo man Wette laufft und ringt / Hab ich dich lange Zeit vergebens ſuchen muͤſſen / Der Himmel ſey gelobt / der mich itzt zu dir bringt.
Was bringſtu doch neues ſo fluͤchtig zu mir? Jſt es Sterben oder Leben?
C 2Erg.Haͤtt ich das erſte gleich / ſo wolt ich dirs nicht geben / Das andre hab ich nicht; ie doch verſprech ichs dir / Du muſt in dieſer Noth nicht alſobald erliegen: „ Wer Fremde zwingen wil / muß erſtlich ſich beſiegen. Leb und faſſe Muth und Lufft: Doch zu ſagen / was mich itzt einzig hat hieher gerufft / Kennſtu des Ormino Schweſter nicht? Doch / wem kan ſie fremde ſeyn? Sie iſt freudig von Geſicht / Etwaß roth / und ſchoͤn von Haaren / hurtig und mehr lang als klein.
Wie heiſt ſie aber denn?
Coriſca.
Jſt es die? Jch kenne Sie / Und hab auch oft und viel Mit Reden mich mit ihr ergetzet.
Jch weiß es faſt nicht wie / Schaue des Geluͤckes Spiel! Sie Amarillis hat der Freundſchafft werth geſchaͤtzet: Derſelben hab ich nun dein Lieben kund gethan / Und heimlich dis vertraut / was deine Seele plaget. Sie hat mir auch gantz treulich zugeſaget / Befoͤrderlich zu ſeyn / ſo viel ſie immer kan.
Sind dieſes wahre Sachen / So bleibt Mirtillo ja des Gluͤckes liebſter Sohn. Doch / hat ſie nicht gemeldt was ferner ſey zu machen?
Sie meldte nichts davon / Und wil das Werck in etwas noch verſchieben. Sie wuͤnſcht / itzund geſichert hier zu gehn / Den Grund von deinem Lieben Gantz eigen zu verſtehn: Denn eher kan ſie nicht der Nymfen Hertz ergruͤnden. Sie weiß noch nicht / Ob Bitten oder Liſt hier moͤchten Stelle finden. Doch / thue mir itzt gruͤndlichen Bericht / Wie deine Liebe dich beſtritten?
Jch bin bereit / du darffſt nicht bitten. Jdoch erwege nur / wie dieſes Angedencken Dem allzuſchwehr / den todte Hoffnung nehrt / Sich einer Fackel gleicht / die wir im Winde ſchwencken. Jemerh37Erſter Auftritt. Jemehr ſie Flammen giebt / und Feuer aus ihr faͤhrt / Jemehr ſie ſich verzehrt. Jch hab es faſt dem Pfeile gleiche funden / Den man im Leibe traͤgt / Und der uns kraͤnckt / Jemehr man ihn bewegt / Und auszuziehen denckt; Je groͤſſer wird die Pein / ie groͤſſer wird die Wunden. Daraus du ſchauen kanſt / wie der Verliebten Hoffen Gar ſelten auf den Zweck getroffen. Wie umb den Liebes-Stamm zwar ſuͤſſer Zucker iſt / Doch umb den Wipfel man nur herbe Frucht erkiſt. Es iſt itzt gleich ein Jahr / Als dieſer ſchoͤne Monat war / Da man die Naͤchte ſchaut nicht lange Herrſchafft fuͤhren. So kam die ſchoͤne Pilgramin / Der Schoͤnheit andre Sonn und Pracht / Mein geliebtes Vaterland / wie ein neuer Lentz zu ziehren / So itzt durch ſie noch ſchoͤner wird gemacht; Sie ward dahin Durch ihre Mutter bracht / Bey dem Feſt des Jupiters / da viel tauſend Opffer brennen / Und bey manchem Freuden-Spiele ſich in Anmuth zu ergetzen / Doch ſoll ich dieſes recht bekennen / Jhr Auge ſelbſt zum Schauſpiel aufzuſetzen. Jch hatte ſie faſt noch nicht recht erblickt / Da fuͤhlt ich mich / als Erſtling in dem Lieben / Erbaͤrmlich in die Glut geruͤckt: Der erſte Blitz / ſo mir ins Auge ward getrieben / Der ſanck mir in die Bruſt; O Luſt / ohn alle Luſt! Und ſprach mit ernſtem Schertze: Mirtillo gieb dein Hertze.
Was kan die Liebe doch mit ihren ſtrengen Banden? Doch kennt es dieſer nur / der ſolches ausgeſtanden.
So lerne nun / wie in den zarten Jahren / Da nichts als Einfalt liegt / Die Lieb am beſten ſiegt. C 3Un -38Der Andern AbhandlungUnter den die meiner Nymfe hoͤchſtvertraute Freundin waren / War eine mir vor andren wol bekand / Die aus Vertrauligkeit ich Schweſter ſtets genant / Der hab ich meine Noth geklagt; Sie hat mich angehoͤrt / und mir mit Hertz und Hand Auch Huͤlffe zugeſagt. Sie zierte mich darauf mit ihren beſten Roͤcken; Es muſte Gold und Stein Meiner Haare Zierath ſeyn / Und falſches Haar den Schlaff / das Haar die Blumen decken〈…〉〈…〉 Sie hing mir Pfeil und Bogen an / Und als ſie dis gethan / So lehrte ſie mich Wort und Blicke tichten; Und weil mein Mund noch ohne Haar / Der Lippen Kreiß nach Frauen-Art zu richten / Dann fuͤhrte ſie mich recht / wo meine Nymfe war. Jch ſchaute ſie immittelſt viel Bekanten / Und meiſtes Megareſerin, Die theils durch Blut / theils durch Gemuͤth und Sinn / Sich ihre Freundin nannten. Meine Goͤttin zeigte da ihres ſchoͤnen Leibes Pracht / Wie die Roſe / ſo die Veilgen unter ſich veraͤchtlich macht. Nachdem ſie eine Zeit alhier Faſt ohne Luſt geſeſſen / Trat ein’ aus Megara herfuͤr / Und ſprach: wie koͤnnen wir des Spieles gantz vergeſſen? Alles was ſich regen kan / Greiffet Kampff und Waffen an / Sollen wir denn muͤßig ſtehen? Hat die Natur vor uns denn keine Waffen nicht / Wie vor die Maͤnner zugericht? Ach Freundin wollet ihr mit mir zu rahte gehen / So laſſet uns im Schertz itz und die Waffen fuͤhren / Die Manner mit der Zeit im Ernſte ſollen ſpuͤren. Kuͤſſen wir uns und ſtreiten mit Kuͤſſen / Und die den beſten Kuͤß wird aufzudrucken wiſſen / Der wird man dieſen Krantz zur Beute geben muͤſſenDer39Erſter Auftritt. Der Fuͤrſchlag ward mit Frenden angenommen / Das fodern war gemein / ſie ſtellten Mund auf Mund. Doch weil der Streit nicht in der Ordnung ſtund / Ließ ein aus Megara das Wort darzwiſchen kommen / Die ſoll der Kuͤſſe Richtrin ſeyn / Die die ſchoͤnfte Lippen fuͤhret. Auf dieſes brach der helle Hauffen ein / Die Amarillis iſt allein / Der dieſes Recht gebuͤhret. Sie aber ſchlug die Augen zu der Erden / Die Roͤhte hieng der Demuth Bildnis aus / Als zeigte die Natur / daß ihres Leibes Haus Wie von innen / ſo von auſſen / reichlich muß gezieret werden; Und vielleicht wolt auch das Feld ihrer wunderſchoͤnen Wangen / Aus Neid / den es zum Munde traͤgt / Jtzund mit Purpur prangen / Und rufft ihm gleichſam zu: Jch bin ſchoͤne / gleich wie du.
Dis haſtu wohl und weißlich uͤberleget / Daß du dich in der Zeit den Nymfen zugeſellt. Denn dieſer Liebligkeit / ſo ſich darauff erreget / Hat deine Kuͤhnheit hier ein Bildnis fuͤrgeſtellt.
Die ſchoͤne Richterin ward auf den Thron gebracht / Jhr verliebtes Amt zu halten; Und iede Jungfrau war nach ihrer Reih bedacht Auch ihre Stelle zu verwalten / Und an den ſchoͤnen Wunderſtein / Davon die Liebligkeit verſchworen nicht zu weichen / Und da die Gottheit wil der Schoͤnheit Schweſter ſeyn / Zur Pruͤfung Kuß und Mund zu ſtreichen. Artige Lippen / und artiger Mund / So Jndiens beruͤhmte Muſchel traͤget / Die fremde Morgen-Perlen heget / Du zierliches Rund / Das auf - und niederfaͤhret / Und Purpur-Honig uns gewaͤhret! Koͤnt ich doch Ergaſto dir Der Kuͤſſe Suͤßigkeit recht fuͤr das Auge druͤcken! C 4Daß40Der Andern AbhandlungDaß aber dis uͤmſonſt / das wirſtu ja allhier Dar aus genug erblicken / Weil auch der Mund / der doch gekuͤſt / Und die gewuͤnſchte Luſt gebuͤſt / Zu der Erzehlung ſich nicht fuͤglich weiß zu ſchicken. Was Hiebel s Bienſtock traͤgt / und Cyper ns Rohr laͤſt flieſſen / Wird vor der Suͤſſigkeit der Kuͤſſe weichen muͤſſen.
O ſuͤſſer Kuß und Liebe Dieberey!
Doch war die Suͤſſigkeit nicht aller Maͤngel frey. Dann dis ermangelte zu voͤlligem Geluͤcke / Die Liebe gab ſie nur / und nahm ſie nicht zuruͤcke.
Als nun dich der Kuß erreichte / war denn deine Luſt ſehr groß?
Jch empfand / wie meine Seele gantz auf ihre Lippen floß: Und durch der Anmuth Uberfluß So war mein Leben hier nichts anders als ein Kuß; Wie dann die Glieder mir auch todt zu ſeyn begunten / Und nur durch Zittern ſich noch etwas ruͤhren kunten. Als ich nun nahe kam / Und ihrer Blicke Blitz betrachte / Theils den Betrug auch recht bedachte / So ſpuͤrt ich / wie ihr Glantz mich gantz gefangen nahm. Doch durch ein heiteres Lachen erqvicket / So bin ich endlich noch behertzt herfuͤr geruͤcket. Die Liebe wolt ihr itzt auf beyden Lippen ſchweben / Wie man eine Biene ſchaut zwiſchen zweyen Roſen kleben; Und weil noch der gekuͤſte Mund Geſchloſſen ſtund / So troff mir nichts als Honig auf das Hertze. Als ſie aber ihre Roſen kam an meinen Mund zu reiben / (Dem Zufall / keiner Gunſt / iſt dieſes zuzuſchreiben) Und Kuß auf Kuͤſſe ſchnellte; Wenn durch ein befeuchtes Schmatzen Mund zu Munde ſich geſellte / (Ach daß ich dis verlieren kan und leben!) So ward mein Hertz uͤmzirckt mit neuem Schmertze: Welches damals mir zur Pein gleichſam wieder war gegeben. Mir nun / bis auf den Tod verwnndet und geſchlagen / Waͤre gewiß die Gedult hier entriſſen / Daß ich die moͤrderſchen Lippen gebiſſen /Wenn41Erſter Auftritt. Wenn nicht eine Bieſem-Lufft / Als ein Trieb des Himmel-Geiſtes / mich zu meiner Pflicht gerufft / Und ſich bemuͤht den Eifer zu verjagen. Wie auch Beſcheidenheit / als Deckel meiner Flecken / Vor dieſen zu erwecken.
O Sittſamkeit! So der Verliebten Geiſt mit Angſt und Noth beſtreut.
Man ſchaute nun des ſuͤſſen Streites Ende / Und iede hoͤrte mit Verlangen / Was vor ein Spruch hier wuͤrd erſchallen / Als Amarillis kam gegangen / Und mit einer gruͤnen Crone / Des Sieges fuͤrgeſtelltem Loͤhne / Mein ſchnoͤdes Haupt uͤmgab durch ihre ſchoͤne Haͤnde / Zum Zeugnis daß mein Kuß vor andern ihr gefallen. Doch / kein blanckes Feld und Thal Wird der Hund-Stern ſo erhitzen / Wann alles muß vor ſeinem Wuͤtten ſchwitzen / Als dazumal / Durch Regung und Begier / Entbrant ein armes Hertz allhier. Jch ward als Sieger uͤberwunden / Und durch die Croneſelbſt gebunden. Doch wuſt ich mich ſo weit noch zu erwegen / Daß ich den Krantz / den ſie mir uͤbergeben / Hinwieder kont in ihre Haͤnde legen. Jch ſprach: Er wilallein uͤm deine Scheitel ſchweben Die weil dein Mund mein ungeſchmackes Kuͤſſen Hat kuͤnſtlich zu verſuͤſſen wiſſen. Sie nam auch ſolchen Krantz in Demuth bald von mir Und ſatzt ihn ſelber ihr Auf das ſchoͤne Haar; Doch nahm ſie dieſen auch / der vor ihr Kleinod war / Mein ſchlechtes Haupt damit zu zieren; Und dieſen wil ich auch mit mir zu Grabe fuͤhren / Er iſt verdort; Sein Glantz iſt faſt verſch enen / Was kan doch wohl bey duͤrrer Hoffnung gruͤnen?
C 5Erg.Erbarmnis / und nicht Neid muß itzund uͤm dich ſchweben / Du Tantalus von unſrer Zeit: Denn / wer im Lieben denckt zu ſchertzen / Fuͤhlt offt des Jammers Ernſt im Hertzen. Fuͤrwahr / du muſt zu viel vor dieſes Kleinod geben / Und deiner Luſt wird hier die Buſſe beygeſtreut. Doch merckte ſie nicht dieſen Poſſen?
Dis iſt mir wohl nicht recht bekant / Doch / weil ſie zu Elide ſich befand / Da hab ich manchen Blick von ihrer Treu genoſſen. O Blick! den das Verhaͤngnis hat verheert / Und dieſes Morgenlicht in truͤbe Nacht verkehrt! Jch weiß nicht / wie der Augen reine Pracht Mir einen ſtrengen Trieb in meine Seele bließ / Daß ich des Vatern Haus verließ / Und mich in dieſen Ort gemacht / Da der Aufgang meiner Sonnen / Eh ich gedacht / zu weichen hat begonnen / So bald ſie mich erblickt / So ſchaut ich / wie des Zornes Blitz Jhr aus den Augen war geruͤckt; Sie ſchloß derſelben ſchoͤne Lieder / Verließ den alten Sitz / Und kam zu mir nicht wieder. Jch dachte / dieſes ſeyn die Bothen meiner Noth; O Noth / die nicht vergeht / als endlich durch den Tod / Mein Vater / der mich ſehnlich liebet / Zog meine ſchnelle Reiß ihm dergeſtalt zu Hertzen / Und war darob ſo hoch betruͤbet / Daß aus uͤberhauftem Schmertzen Er endlich kranck zu Bette fiel / Dis hieß mich unverlaͤngt nach Hauſe wieder eilen / Mein Beyſeyn das entruͤckt ihn zwar des Todtes Pfelen / Jch aber ſelber war des Todtes bleiches Ziel. Das Liebes-Fieber hieß mir Muth und Kraͤffte fehlen / Von dem Tag an / als der Stier ſich geſegnet mit der Sonnen / Und nun der Steinbock ſie zu gruͤſſen hat begonnen /So43Erſter Auftritt. So ließ ich mich ſo qvaͤlen / Jch laͤge noch in dieſer Pein / Wenn das Orakel nicht geſaget / Nachdem mein Vater es aus treuem Rath gefraget / Daß mir Arcadien ein Mittel wuͤrde ſeyn / So kriegt ich nun gewuͤnſchten Fug / Dieſelbe wiederum zu ſchauen / Die meinen Leib geſund gemacht. Wer wird auf den Betrug Der Orakel endlich bauen? Es war mein armer Geiſt in neue Noth gebracht.
Die Faͤlle / die du mir itzund haſt fuͤrgetragen / Die heiſſen mich mit Schmertzen dich beklagen. Doch in der Verzweiffelung troͤſtet dieſes unſre Sinnen Ach herbes Wort! nicht ferner hoffen koͤnnen. Jtzt muß ich zur Coriſca eilen / Damit ſie wiſſen mag / was du mir kund gethan: Beym Brunnen muſtu dort in etwas noch verweilen. Jch komme wiederum / ſo bald ich immer kan.
Geh: Vor dieſe groſſe Treu muͤſſe Wohlfahrt uͤm dich Schweben / Und der Himmel ſchencke dir / was Mirtillo nicht kan geben.
DORINDA. LUPINO. SILVIO.
DU beſter Troſt / und allergroͤſte Luſt / Die meinem Silvio erfuͤllt die kalte Bruſt / Waͤr ich deinem ſtrengen Herren doch ſo lieb Melamp, als du? Es ſchertzt mit dir die wunderweiſſe Hand / Die mir mein Hertze hat geſetzt in Kett und Band; Er bringt mit dir / weil ich durch Liebe faſt vergehe / Ja ohne Hoffnung ſtehe / Den Tag und auch die Naͤchte zu / Und / was bey mir vermehrt des Jammers Uberfluß /Er45Anderer Auftritt. Er ſpeiſet dich mit tauſend Kuͤſſen / Da mich ein einziger zu heilen wuͤrde wiſſen. Und weil ich dir ja ſonſt nichts geben kan / So nim doch einen ſchlechten Kuß / Melampo, von mir an. Vielleicht hat ein Geſtirn itzt deinen Fuß geruͤhret / Mich auf die Spur zu leiten; Laß uns nicht ſchlaͤfrig ſchreiten / Wohin dich die Natur / und mich die Liebe fuͤhret. Doch / was erthoͤnt itzt in der Lufft?
Zu zu / Melampo, zu.
Mich daͤucht / daß Silvio itzt ſeinem Hunde rufft.
Zu / zu / Melampo, zu.
Mein Ohre das betreugt mich nicht; Dorinde ſchaut itzund ihr Gluͤcke reichlich kommen. Schau wie der Himmel hier verſpricht Zu zeigen / was du dir zu ſuchen fuͤrgenommen. Jch muß den Hund itzund auf eine Seite bringen / Und durch den Hund vielleicht des Herren Hertze zwingen. Lupino?
Jch bin hier.
Nim eilend dieſen Hund / Und kreuch mit ihm in jene Hecken. Verſtehſtus?
Gar genug.
Jſt dir mein Willen kund / So muſtu dich ſo lange hier verſtecken / Bis daß du wirſt gerufft. Lupino, du muſt eilen.
Du ſelber muſt zu lange nicht verweilen / Damit der Hund vom Hunger angetrieben / Mich nicht zu freſſen ihm laſſe belieben.
Wie wenig iſt mit dir doch ausgericht! Fort / fort / Lupino, fort!
Es iſt kein Orth / Es iſt kein Berg und Thal / da ich dich nicht / Mein treuer Melampo, mit Schmertzen geſucht. Wohin ſoll doch mein Fuß nun ſchreiten? Mein Suchen iſt gantz ohne Frucht. Es wil mich itzt die Muͤdigkeit beſtreiten: Das Wild / ſo du verfolgſt / ſey tauſend mal verflucht. Was ſchau ich aber dort vor eine Nymfe kommen? Die wird mir etwan was von meinem Hunde ſagen. Jch46Der Andern AbhandlungJch Aermſter / es iſt die / ſo ihr hat fuͤrgenommen Mich ewiglich zu plagen. Doch muß ich es itzund vertragen: Schoͤnſte Nymfe / haſtu nicht Den Melampo wo geſpuͤret / Den ich vor kurtzer Zeit auf einen Hirſchen ließ?
Jch Schoͤne / Silvio! ſchau / was dein Mund itzt ſpricht Jch weiß nicht / wie er itzt dergleichen Worte fuͤhret / Da er mich kurtz zuvor als einen Greul verſtieß.
Schoͤn oder Grenliche / weiſtu den Hund? Das begehr ich nur zu wiſſen: So thue mir es kuͤnd / Wo dis nicht; Gute Nacht!
Dich bett ich an / und muß vor dieſes buͤſſen. Wer haͤtte wohl gedacht / Daß Grauſamkeit und Himmels-gleicher Schein Hier ſolten Nachbarn ſeyn? Du rennſt durch Berg und Thal nach Wilde mit den Hunden: Und die / ſo dir ſich ewig nennt verbunden / Hat hier das Wiederſpiel gefunden. Richt ſuch ein fluͤchtig Wild / ſo furchtſam dir entweicht: Hier ſteht ein zahmes Wild / So willig / wo es etwas gilt / Dir ſeine Freyheit uͤberreicht; So ungejagt Sich in dein Garn und in dein Netze wagt.
Ach! Nymf ich ſuche nichts / als den Melampo hier! Es ſcheint / ich werde ſo die beſte Zeit verlichren; Dorinda gute Nacht!
Ach! Silvio fleuch nicht von mir / Jch wil Melampo dir ſelbſt in die Haͤnde fuͤhren.
Dorinde wil nur ſchertzen!
So wahr die Liebe mich hat in ihr Joch gebracht / Und dieſes ſtrenge Gifft ſich regt in meinem Hertzen / So kan ich dir Bericht von dem Melampo geben! Und ſaheſt du ihn nicht nach einem Hirſchen rennen?
So iſt es: Und die Spur verlor ich alſobald.
Es wil ſich Hund und Wild itz und zu mir bekennen.
Silv.So ſoll itzt Hund und Wild in deinen Haͤnden ſchweben / Und iſt nun dergeſtalt Jn deiner gaͤntzlichen Gewalt?
Ja beyde haben hier itzt ihren Aufenthalt. Es ſcheint / du ſchaͤmſt dich / ſie in derer Hand zu wiſſen / Die dich / als einen Gott / zu ehren iſt befliſſen.
Ach! liebe Dorinde, Gieb mir ſie geſchwinde.
Wo bin ich endlich hingebracht? O mehr als leichter Geiſt! Daß mich ein Hund und Wild dir nun hat wehrt gemacht? Doch ſey dir dieſes auch zur Lehre heimgeſtellt / Daß ohne Wiedergelt / Du mir ſie nicht aus meinen Haͤnden reiſt.
Gar recht / ich wil es nicht uͤmſonſt.
Was haſtu dir denn mir zu ſchencken fuͤrgenommen.
Zwey Aepffel geb ich dir zum Zeugnis meiner Gunſt / Die ich nechſt aus der Hand der Mutter uͤberkommen / Sie ſind als Gold.
Die hab ich nicht gewolt. Jch ſelber koͤnte dir dergleichen Aepffel reichen / Die deinen von Geſchmack und Schoͤnheit nicht zu gleichen: Doch dieſes alles wird von deiner Fauſt veracht.
Beliebet dir ein Schaff / begehrſtu eine Ziege? Doch mein Vater laͤſſet mir noch zu ſolchen ſchlechte Macht;
Jch mag nicht Schaf noch Ziege haben / Die ich mich nur an deiner Gunſt vergnuͤge.
So nimſtu meine Gunſt vor tauſend andre Gaben?
Ach zweifle nicht daran!
So habe ſie denn hier von meiner Hand; Doch mache / daß ich Hund und Wild auch haben kan.
Ach! waͤre dir der wehrte Schatz bekand / Den du ſo reichlich wilſt verſchencken / Und gleichte ſich das Hertze doch dem Munde.
Du pflegeſt mir ſo manche Stunde Der Liebe zu gedencken / Und ich weiß noch nicht eigen was Lieben moͤge ſeyn.
Jch48Der Andern AbhandlungJch liebe dich / ſo viel mir moͤglich iſt / Und du beſchuldigſt allezeit Mich groſſer Grauſamkeit; Ja ſageſt mir / ich ſpeiſe dich mit Pein / Da doch kein Menſch noch iemals hat erkieſt / Was Grauſamkeit in meinem Wandel ſey. So ſage mir doch frey Was iſt doch dein Begehren?
Wo hat Dorinda doch die Hoffnung hingeſetzt? Wer wird ſich dergeſtalt mit Huͤlffe zu mir kehren? Jch liebe was noch nicht der ſuͤſſe Brand ergetzt / Dem ſich kein Hertze ſonſt zu lange kan erwehren: Schoͤner Freund / mich brennt dein Feuer / und du brenneſt ſelber nicht / Liebe ſchwebt auf deinen Lippen / die im Hertzen dir gebricht Die Goͤttliche Mutter / die Cypern verehret / Hat dich als einen Menſch den Menſchen zugeſandt; Daß Bogen / Pfeil und Brand dir eigen zugehoͤret / Jſt meinen matten Sinnen / Die wegen heiſſer Pein dis ſattſam wiſſen koͤnnen / Mehr als zu wohl bekandt. Nim du die Fluͤgel auf dem Ruͤcken / So wirſtu ein neuer Cupido genennt. Ach! Daß du Eiß und Schnee dein Hertze laͤſt erdruͤcken / Und daß die Liebe ſich zur Liebe nicht bekennt!
Was iſt die Liebe doch / wer macht mir dieſes kund?
Laß ich mein truͤbes Licht nach deinen Augen ſtreichen / So kan ich Lieb und Gunſt dem Paradies vergleichen: Betracht ich aber denn die Lieb in meinem Hertzen / So iſt die Liebe nichts als Hoͤllen Angſt und Schmertzen.
Laß dieſe Woͤrter hin / und gieb mir meinen Hund.
Gieb mir zuvor das zugeſagte Lieben?
Was lieben? nim es hin / wie plagſtu meinen Geiſt? Dir iſt vergunt Mit dieſem alles auszuuͤben / Was du Vergnuͤgung heiſt; Was wilſtu mehr von meiner Hand?
Auch meine ſtreut den Samen in den Sand. Verſpuͤr ich kein Geluͤck gllhier?
Silv.Bleib ich denn ewig ſo bey dir?
Gieb / was verſprochen iſt / wer wil auf Worte bauen?
Jch fliehe nicht / du kanſt mir ſicher trauen.
Gieb mir ein Pfand.
Ja was?
Das Wort iſt nur zu ſchwer.
Warum?
Jch ſchaͤme mich.
Und iſt doch dein Begehr?
Ach wolteſtu es doch nur unbeniemet wiſſen!
Des Wortes ſchaͤmſtu dich / und wilſt das Werck genieſſen.
Verheiſcht du mir es recht ſo geb ich dir Bericht.
Verheiſchen ſey es bald / iedoch verhaͤl’ es nicht.
Wuͤſt jch ſo viel als du / ſo hoͤrt ich auf zu fragen.
Du biſt mehr ſchlau als ich / was ſoll ich ferner ſagen.
Jch brenne mehr als du / und wuͤtte nicht dabey.
Doch dencke / daß ich auch nicht ein Prophete ſey. Verſtand koͤmt auf Bericht.
Jch mag ſonſt nichts erheben / Als was die Mutter dir bisweilen pflegt zu geben.
Bisweilen ſchlaͤgt ſie mich.
Dich ſchlagen / die dich liebt?
Bedencke / daß ſie ſo der Liebe Zeugnis giebt.
Dis iſt erdichtes Werck / pflegt ſie dich nicht zu kuͤſſen?
Nein / nein; Sie wil auch dis von keinem andern wiſſen. Und wilſtu etwan einen Kuß? Gieb mir Bericht / Jch ſchwere / daß das Blut dich itzt verrahten muß / Spricht gleich die Zunge nicht. Genug; Jch dacht es wohl: Doch gieb mir erſtlich meinen Hund; Jch ſchwere / daß darauf das Kuͤſſen folgen ſoll: Hier haſtu Hand und Mund.
Verſprichſtu dis denn mir?
Ja ich verſprech es dir.
Und wilſt auch etwas hier verweilen?
Wie anders? Jſt mir denn noch keine Ruh vergunt?
Lupino, komm herfuͤr / Lupino, du muſt eilen.
Wer ſtoͤhret mich itzund? Jch ſchlieff ja nicht / es ſchlieff ja nur der Hund.
DDor.Hier iſt der Hund / und deine beſte Luſt / Dem itzt mehr Freundligkeit / als dir / mein Freund / bewuſt.
Nun bin ich recht zu frieden.
Jn dieſen Armen hier / die Silvio verflucht / Und derer Band er ſtets gemieden / Hat dein getreuer Hund die beſte Ruh geſucht.
Geliebter Melampo, ſo find ich dich hier?
Der iſts / der meinen Kuß und meine Seufzer liebet.
Das iſt ſein Herr / der ihm viel tauſend Kuͤſſe giebet. Hat etwan dir Das Laufſen koͤnnen ſchaden?
Ach koͤnt ich doch in dich verwandelt ſeyn! Wie hat mich doch die Zeit mit vieler Laſt beladen / Daß mir auch itzt ein Hund erregt des Eifers Pein! Lupino mache dich itzt eilend auf die Jagt / Jch ſtelle mich alldar in kurtzen ſelber ein.
Jch thu / als du geſagt.
SILVIO. DORINDA.
DJr mangelt ja itzt nichts / ſo viel ich ſpuͤren kan; Wann aber wird das Wild mir endlich zugeſtellet?
Wilſtu es lebendig oder ja todt.
Du haſt mir ſo noch nicht genug Bericht gethan. Wie lebt es / wenn der Hund es in der Flucht gefaͤllet?
Wie aber / wenn der Hund es ließ ohn alle Noth?
So lebt es denn?
Es lebt.
Je hoͤher iſts zu ſchaͤtzen: Und iſt Melampo denn ſo kuͤnſtlich abgefuͤhrt / Daß er es gefangen hat ſonder verletzen?
Das Hertze war ihm nur beruͤhrt.
Dorinda ſpottet mein / und liebet nichts als Schertzen[:]Wie lebet doch ein Thier verwundet in dem Hertzen?
Du harter Geiſt / ich bin das Wild / So ſich itz und zu dir geſellt / So itzt in deine Garne faͤllt. Und ungejagt dein Netze fuͤllt / Dein Lieben tilget meine Noth / Dein Haſſen bringet mir den Tod.
Jſt dis das ſchoͤne Wild / davon du mir geſagt?
Was ſtoͤſt dich Silvio itzund vor Schrecken an / Haſtu nicht vor einen Hirſchen eine Nymfe dir erjagt?
Jch ſchwere / daß ich dich nicht lieben kan / Dich tolle Luͤgnerin / dich Scheuſal unſrer Zeit / Dich Stoͤhrerin der Ruh / dich Peſt der Liebligkeit.
Jſt dis mein Lohn? Sind dis die ſchoͤnen Gaben? Trag ich denn ſonſten nichts davon? Doch kanſtu deinen Hund und mich zugleiche haben. Jch ſchencke beydes deiner Hand / Nur komm bisweilen auch zuruͤcke / Und ſpeiſe mich mit deiner Sonnen Blicke. Jch ſchwere dir / durch Puͤſche / Graß und Sand / Dich treulich zu begleiten / Und was Lieb und Treu betrifft / mit Melampo ſtets zu ſtreiten. Wenn dich die Muͤdigkeit im Jagen wird beſchleichen / Und dir der Schweiß wird uͤm die Schlaͤffe fluͤſſen /D 2So52Der Andern AbhandlungSo wird dir meine Haud ihn vom Geſichte ſtreichen / Auf meinen Schoß / als einem treuen Kuͤſſen / So wegen deiner Ruh nicht wird zu ruhen wiſſen / Solſtu den ſuͤſſen Schlaff genieſſen. Jch wil dir Wild und Waffen tragen / Und kanſtu denn kein Wild erjagen? So ſtoß den Pfeil Dorinden in die Bruſt. Du kanſt allhier ſtets nach Belieben / Mit hoͤchſter Luſt / Den ſteiffen Bogen uͤben; Jch wil allein Jhn als Magd mit Willen fuͤhren / Und als Wild im Hertzen ſpuͤren / Ja dein Ziel und Koͤcher ſeyn. Wen red ich aber an? Den / der mich wenig acht / Und ſich ietzt auf die Seite macht. Doch fleuch / du fleuchſt vor der / die dir wohl folgen kan. Jch wil dich in den Schlund der Hoͤllen ſtets begleiten / So ja der Hoͤllen Pein Der Qval kan aͤhnlich ſeyn / Damit mich itzt dein Grimm und meine Noth beſtreiten.
CORISCA.
WJe kroͤnet das Gluͤcke mich uͤber Verhoffen / Ja mehr / als ich gedacht / Es irrt nicht / daß es die zu ſeiner Bruſt wil ruffen / Die ſich durch ſteten Fleiß deſſelben wuͤrdig macht. Die Welt hat ſeine Krafft nicht uͤberhin gekennet / Die ſolches lange Zeit die groͤſte Gottheit nennet / Doch muß die Wachſamkeit erwerben ſeine Blicke / Es ſucht geraden Weg / kein Fauler hat Geluͤcke. Haͤtt ich nicht vor vielen Jahren dieſer Freundſchafft mich beworben / So waͤre dieſe ſchoͤne ZeitD 3Gantz54Der Andern AbhandlungGantz ohne Frucht verdorben / Manch ungeſcheuter Geiſt Haͤtte dieſer Nebenbuhlſchafft ſeinen Eifer laſſen wiſſen / Und der Rache feſten Bau allzuzeitlich eingeriſſen. Man kan mit mehrer Sicherheit Fuͤr dieſem ſtehn / der feindlich iſt und heiſt / Als dem der Freundſchafft Schein der Feindſchafft Deckel worden / „ Fuͤr den uͤberſchwemmten Klippen muß manch kluges Schiff zer - ſpalten / „ Und der iſt kein Feind zu ſchelten / der nicht freundlich Zorn kan halten. Was die Coriſca kan / ſoll heute ſich erweiſen. Jch bin itzt nicht in derer Orden / Die ſie als einen Trotz der Liebe wollen preiſen. Mir wil es nicht zu Sinnen / Es glaub es / wer es wil; Mich wird man dis nicht uͤberreden koͤnnen. Jch weiß der Liebe Grund / Krafft / Eigenſchafft und Ziel. Eine Jungfrau / reich an Einfalt / arm an Jahren und Verſtand / Die / wie man ſagt / erſt aus der Schale kreucht / Der die Suͤßigkeit der Liebe ſtetig vor der Naſe reucht / Und nun beſtritten wird von einer ſchoͤnen Hand / Die Kuͤſſe hat gegeben und genommen / Soll die der Liebe Garn entkommen? Der iſt nicht klug / der dieſes glauben kan. Doch / das Verhaͤngnis wil mir ſelbſt die Bahn bereiten. Schau! Amarillis komt heran; Jch muß mit Fleiß itzt auf die Seite ſchreiten.
AMARILLIS. CORISCA.
BEliebter / und mehr als geſegneter Wald / Du Einſamkeit und ſtille Wuͤſteney / Des Friedens und der Ruh gewuͤnſchter Aufenthalt / Ach! ſtuͤnde mir es frey / Mir / der ich dich itzt wieder kan beſchauen / Allhier ein Hauß nach meiner Luſt zu bauen / So wolt ich mich nicht ſchaͤmen / Fuͤr der Eliſer Feld / Da ſich die reine Schaar der Seelen itzt enthaͤlt / Den ſchoͤnen Schatten anzunehmen / Und dieſes ſchnoͤde Gut ein wenig zu ermeſſen. D 4Was56Der Andern Abhandlung„ Was iſt es doch / als nur Verwirrung und Verdruß? „ Der / ſo das Geld beſitzt / iſt offtmals ſelbſt beſeſſen / „ Und unſer Armuth waͤchſt / durch unſern Uberfluß. „ Ob gleich der Jahre Lentz mit tauſend Schoͤnheit pranget; „ Ob Erd und Himmel uns baut Geiſt und Acker an / „ Ob Leib / Gemuͤth und Haus mit tauſend Schaͤtzen pranget: „ Was hilfft es dem / der ſich nicht auch vergnuͤgen kan. O Schaͤferin / wie ſelig iſt dein Leben / Wiewol dich kaum ein ſchlechter Rock umhuͤllet / Der doch die Reinligkeit zu dem Gebrehme fuͤhret / Dein Reichthum kanſtu ſelber ſeyn / Und biſt durch nichts / als die Natur gezieret; Dich hat die ſuͤſſe Duͤrftigkeit Mit Duͤrftigkeit der Freude nicht erfuͤllet / Dich lehret nicht die Zeit / Wie oft aus Gut und Geld Noth / Angſt und Jammer qvillet. Dir iſt alles dis gegeben / So dich der Pein / Mehr zu wuͤntſchen / als du haſt / gantz und gar kan uͤberheben: Und ob dir auch die Kleidung faſt gebricht / So mangelt dir doch die Vergnuͤgung nicht. Mit Geſchencken der Natur mehrſtu der Natur Geſchencke; Durch Milch wird Milch und Blut erweckt. Und daß ich mehr gedencke: Die Suͤſſigkeit / ſo in der Biene ſteckt / Verſuͤſt den Honigſeim von deiner Liebligkeit. Der Brunn / ſo dir Getraͤncke giebt / Wil auch dein Bad und Spiegel ſeyn. Du lebſt vergnuͤgt / du kennſt kein Leid / Der Himmel hat ſich dir zu keiner Zeit getruͤbt / Dir hagelts gar kein mal / es ſchlaͤgt dir auch nicht ein / Und ſtehſtu gleich entbloͤſt / wenn alles knackt und bricht / So mangelt dir doch die Vergnuͤgung nicht; Dein Sorgen iſt nicht ſorgen. Mit Kraͤutern ſpeiſeſtu bald mit dem zarten Morgen Die angenehmen Heerden / Bis in die tieffe Nacht / Und deiner hellen Augen PrachtMuß57Fuͤnfter Auftritt. Muß deines Liebſten Weide werden / Zu dem dich nicht der Menſchen Wort gezwungen / Dem nicht ein Stern dich dienſtbar hat gemacht / Der nicht durch Liebeskrafft in deinen Geiſt gedrungen / Der unter dem Schatten der lieblichen Myrten Betrachtet wird / und auch betracht / Die keine Gluth gedencket zu bewirthen / Die ſie ihm nicht geſchworen hat zu zeigen / Wie ſie denn auch faſt keine Gluth bezwinget / Die nicht / als waͤre ſie ſein eigen / Auch gleichesfalls auff ſeine Seele dringet: Und hat die Hand der Kunſt dein Kleid nicht zugericht / So mangelt dir doch die Vergnuͤgung nicht. Dis iſt das rechte Leben / So uns den Tod nicht vor dem Tode ſchickt; Koͤnt ich mein Leben doch itzt vor das deine geben! Jtzt hab ich die Coriſc’ erblickt: Ach / Coriſca, unſer Himmel kroͤne dich mit ſeinem Scheine!
Rufft man mir! ach! Amarillis, die mein hochgeneigter Geiſt Stets die Seele meiner Seele / und mein ander Auge heiſt / Wo gehſtu hin ſo gar alleine?
Wohin? dahin / da ich dich itzt empfangen: Wie gluͤcklich gieng ich aus / weil ich zu dir gegangen.
Du findeſt die / ſo ſich faſt nimmer von dir trennet. Jch dachte gleich an dich. Jch erwog / iſts Amarillis, die ſich meine Seele nennet / Und wandelt ohne mich? Jch ſchaut auf dieſes Wort dich / meine Seele / kommen; Haſtu denn deiner Coriſca vergeſſen;
Wie dis?
Wie dis? weil ich dich Braut zu ſeyn ver - nommen.
Jch Braut?
Ja Braut / Jſt denn dis ſo tieff geſeſſen? Daß du mir ſolches nicht vertraut.
Wie kan ich dir dis vertrauen / was mir ſelbſt nicht iſt bewuſt?
So leugneſtu noch wie vorhin?
Coriſca hat zum Schertzen Luſt.
Zu Schertzen iſt der Amarillis Sinn.
D 5Amar.So iſt es denn gewiß / daß du davon verſtanden?
Jch ſchwer es dir / du wirſt es wol nicht wiſſen?
Jch weiß von keinen andern Banden / Als daß ich ie verſprochen werden muͤſſen: Doch werd ich nicht ſo zeitlich Hochzeit machen.
Von Ormino meinem Bruder hab ich den Bericht be - kommen. Was vor Beſtuͤrtzung ſtoͤſt dich an? Seyn dis ſo groſſe Sachen?
Groß genug: Dann meine Mutter hat mir ja Bericht ge - than / Daß dieſer Tag uns auf das neu gebiehre.
Ja dis iſt die Geburt zu einem beſſern Leben; Wiewol / wie ich verſpuͤre / Dir dieſes nicht weiß rechten Troſt zu geben. Sey getroſt / laß jenen Armen weinen.
Welchen Armen wilſtu meinen?
Der Arme / deſſen ich gedacht / Jſt Mirtillo, der dich liebt / Und dieſe Zeitung hat ſo wol als ich vernommen. Er war darob ſo ſehr betruͤbt / Daß er bey nah in die gewoͤlckte Nacht Des Todes waͤre kommen. Haͤtt ich nicht durch mein Verſprechen ihn bald wieder aufgericht. Solches war zwar dazumal nur zum Troſt ihm fuͤr gebracht / Doch weiß ich / daß mein Witz leicht dieſe Knoten bricht.
So haſtu wohl ſo groſſe Kunſt und Macht?
Warum wohl nicht?
Wie aber iſt wohl dieſes Werck zu fuͤhren?
Dir wird mir auch zu helffen hier gebuͤhren.
Kan meine Hoffnung nur auf ſteiffen Ancker liegen / Schwert deine Zunge mir Treu und Verſchwiegenheit / So zeig ich dir / was nun ſo lange Zeit Mein Hertze hat verdeckt / und dieſer Mund verſchwiegen.
Wird man ein Wort von dieſen Lippen bringen / So ſoll der Erden Rachen Den verfluchten Leib verſchlingen.
Amar.Dir meinen Kummer kund zu machen / So dencke nur / wie ich kan luſtig leben / Wenn ich mus betrachten / Daß ich dem bin hin gegeben / Der meiner nichts kan achten: Der vor mir fleucht / und mich nur wil verlachen / Der Tag und Nacht auf Jagd und Hunde denckt / Ja vor ein Reh Tauſend Nymfen / ja die Gottheit ſuͤſſer Liebe ſelbſt verſchenckt. Ach Weh! Jch muß die Noth verzweifelt tragen / Und theils den alten Ruhm nicht thoͤricht zu verletzen / Theils die Goͤttin und den Vater nicht in heiſſen Zorn zu ſetzen / So darff ich dieſes nirgends klagen. Kanſtu nun ſolches Joch von meinen Schultern heben / Doch daß die Treu den Glauben und die Ehre / Wie auch des Lebens zarten Faden Jch nicht verſehre / So nenn ich heute dich mein Heil und auch mein Leben.
Jch ſpuͤre deine Noth / damit du biſt beladen. Ach! wie oft hab ich gedacht / ſoll die Perle vor ein Schwein? Ein Eſel kennt nicht Gold und Stein: Doch weiß ich nicht / Was dich bisher zu ſchweigen beweget / Und ob Einfalt oder ja Verſtand Dir deine Zunge bindet / Und daß du nicht vorlaͤngſten haſt bericht / Was vor ein ſtrenges Band Dein reines Hertze traͤget.
Du haſt es noch nicht recht ergruͤndet / Die Scham verhindert mich.
Und ich beklage dich. Die Kranckheit die du traͤgſt / iſt nicht von ſchlechter Pein; Das Wuͤtten / und der Krebs / des Fiebers kaltes Weſen / Kan dieſer Noth an Krafft nicht gleiche ſeyn; Doch iſt ein Rath von dieſem zu geneſen / Reiſt deine Fauſt einmal die ſchwache Taͤmmung ein.
Amar.Die eingepflantzte Scham vertraͤget ja kein Schertzen / Sie laͤufft uns uͤm den Mund / verjaget aus dem Hertzen.
Der allzuklug die Noth zu bergen iſt befliſſen / Der wird ſie endlich doch mit Torheit melden muͤſſen. Ach! haͤtteſt du mir dis in Zeiten kund gethan / So waͤreſtu itzund von aller Qval entbunden / Doch heute geb ich dir zu wiſſen / Was die Coriſca kan / Und wie du Treu und Kunſt in dieſer Fauſt gefunden / Doch wenn du der Verdruͤßligkeit Dieſes Menſchen biſt entriſſen / Wilſtu dich forthin denn nicht auf ein treuer Hertze lencken?
Das giebt die Zeit.
Du muſt aus Pflicht auf den Mirtillo dencken. Wen ſchau ich ihm an Treu / Krafft / Lieb und Schoͤnheit gleichen? Und du verlaͤſt ihn in der Noth? Du wilſt ihm nicht ſo viel Gehoͤre reichen / Daß er dir ſagen kan: Mirtillo der iſt todt. Laß doch einmal ſein Wort zu deinen Ohren gehn.
Es wuͤrde beſſer uͤm ihn ſtehn / Haͤtt er dieſe ſchnoͤde Regung laͤngſt aus Hertz und Geiſt geriſſen / Die ohne dis ohn alle Frucht verdirbt.
So goͤnn ihm dis doch / eh er ſtirbt.
Jch werde dergeſtalt nur Oel ins Feuer gieſſen.
Was geht dich dieſes an / das wird Mirtillo leiden.
Wie geht es aber mir / komt dieſes an das Licht?
Kan ſich dein ſchwacher Geiſt in dieſem nicht beſcheiden?
Schwach / immer ſchwach / wannn nur nicht Ruhm und Ehre bricht.
Wil Amarillis denn in dieſem von mir ſetzen. So ſetz ich auch mit gutem Fug von ihr. Nun gute Nacht!
Nur noch ein Wort: Coriſca bleib alhier.
Es hat ein kaltes Wort dis Werck nicht ausgemacht / Und dein Verſprechen iſt alleine hoch zu ſchaͤtzen.
Hiermit verſprech ich dir ihn willig anzuhoͤren. Doch laß ich mich zu mehrem nicht verbinden.
Du wirſt ſonſt kein Beſchwernis finden.
Amar.Du muſt ihn uͤberreden / als haͤtt ich nichts gewuſt.
Jch wil ihn leicht alſo bethoͤren / Daß er ſonſt nichts alhier / als Zufall wird erkennen.
Und daß ich auch nach meiner Luſt Mich wieder koͤnne von ihm trennen?
Was dir gefaͤllt. Nur hoͤr ihn an.
Daß er mich mit langen Worten nicht zu ſehr zuruͤcke haͤlt.
Es ſoll alles ſeyn gethan /
Daß nach meines Pfeiles Laͤnge er nur moͤge zu mir ſchreiten;
Ach! wie beſchwerlich iſts die Einfalt zu beſtreiten! Jch wil alle ſeine Glieder / auſſerhalb die Zunge binden / So wirſtu dich auf allen Seiten Jn Sicherheit bey ihm befinden. Jſt dir nun ſo / was du gewuͤnſcht / gewaͤhrt?
Was hab ich mehr begehrt?
Wenn denckſtu dis ins Werck zu ſetzen?
Jch wil es nicht verſchieben: Doch werd ich mein Verſprechen nicht verletzen / Wenn ich zuvor nach meinem Belieben Zu Hauſe werde gehn / Zu hoͤren / wie man hat das Hochzeitwerck getrieben / Und alle Sachen ſtehn.
So gehe denn / doch mit Behutſamkeit / Was dis betrifft / ſo wir uns fuͤrgenommen / So kanſtu umb die Mittags-Zeit / Doch ohn alle deine Nymfen / hier in dieſen Schatten kommen / Da wirſtu mich denn auch Bey Aglaur en / und Licoris, bey Neriden und Eliſen, So wegen Witz und Treu ich iederzeit geprieſen / Unfehlbar finden. Da wollen wir nach altem Brauch / Das ſo genante Spiel der Blinden / Uns zu ſpielen unterwinden. Mirtillo wird alsdenn nichts anders dencken koͤnnen /Als62Der Andern AbhandlungAls daß dich nur das Spiel in dieſen Ort gezogen.
Du haſt es wohl erwogen. Doch wil mir dieſes nicht zu Sinnen / Daß die Nymfen den Mirtillo mit mir ſollen reden hoͤren.
Auch dieſes iſt nicht in den Wind zu ſchlagen: Doch laß dir ſolches nicht den guten Fuͤrſatz ſtoͤren. Jch wil ſie wohl mit Liſt auf eine Seite fuͤhren. So gehe denn nach deinem Wohlbehagen / Und gedenck an die Coriſca, ſo dir ewig Treu verſpricht.
Hab ich mein Hertze dir in deine Fauſt gelegt / So kanſtu / wie du wilſt / es zu der Liebe treiben.
Dis iſt ein Weib / die Stein und Ertzt zubricht / Man muß den Felß mit mehrer Krafft beruͤhren / Und hat ſie gleich nicht recht mein ſchwaches Wort bewegt / So wird ſie doch nicht Stahl fuͤr dem Mirtillo bleiben. Woͤrter eines lieben Buhlen koͤnnen leicht ein Hertze zwingen / Und bring ich ſie / dahin ich wil / So bleibt ihr Spiel nicht lang ein Spiel. Jch wil durch ihr eigen Wort tieff in ihre Seele dringen. Kan ich daſſelbe nur wie ich gewuͤnſcht erlangen / Und werde Meiſterin von ihrer Heimligkeit; So hab ich ſie gefangen / Und werde mit der Zeit Sie dergeſtalt zu fuͤhren wiſſen / Daß ſie und iederman Mit ihr wird ſagen muͤſſen: Dieſes hat der Liebe Brunſt / nicht der Feindin Kunſt gethan.
CORISCA. SATIRO.
ACh! ich bin todt.
Und ich bin noch bey Leben.
Komm / komm / Amarillis, ich bin itzt gefangen.
Du muſt dich itzt ergeben / Sie hoͤrt dich nicht / 966 du kanſt nicht Huͤlff erlangen.
Ach Gott / mein Haar!
Jch hab auf dich ſo lange Zeit geziehlet / Bis du mir itzt biſt in das Netze kommen /
So haſtu dir denn mich zu plagen fuͤrgenommen.
Ja dich / die lange Zeit ein falſches Spiel geſpielet / Dich Meiſterin der Luͤgen / Die verfaͤlſchte Woͤrter tichtet /Und64Der Andern AbhandlungUnd derer Blicke ſich ernehren durch Betruͤgen. Die Coriſca, ſo mich ſtets hat beruͤcket und vernichtet.
Daß ich Coriſca bin / das kan ich nicht verneinen: Doch / lieber Satiro, bin ich dieſelbe nicht / So du zuvor gefuͤhrt in Auge / Hertz und Sinnen.
Du laͤſt ja deinen Griff auf allen Seiten ſcheinen / Die Liebe haͤtte ja gar wenig ausgericht / Weil du vor den Coridon mich ſo leichtlich laſſen koͤnnen.
Dich vor andre hingelaſſen?
Das kanſtu / wie es ſcheint / nicht faſſen. Gedenck / als ich / wie du mir anbefohlen / Der Chloris Schleyr / der Daphnis ſchoͤnſtes Kleid / Der Lilla beſten Bogen / Wie auch der Sylvia Stiefeln geſtohlen / Jn Hoffnung / daß du mir nun wuͤrdeſt ſeyn gewogen / Kriegt ein ander Hold und Liebe / und ich hatte Noth und Leid. Erweg / als du den Krantz / den ich dir ſelbſt gegeben / Lieſt uͤm des Niſo Schlaͤfe ſchweben; Und ob du mich / wenn ich bey kalter Nacht Jn der Hoͤle bey den Brunnen Auf dein Befehl mit Wachen zugebracht / Durch das ich doch ſonſt nichts als Hohn und Spott gewonnen / Auch lieber Satiro, zu nennen warſt befliſſen? Jch gebe mich nun eher nicht zur Ruh. Bis daß du nach Verdienſt wirſt buͤſſen.
Du zerreſt mich wie eine wilde Kuh /
Du ſageſt was du biſt: Reiß / reiß nur nach Belieben / Du wirſt mir nicht entreiſſen / Dis iſt ein feſtes Band / Du magſt nur den Betrug auf andre Zeit verſchieben. Laͤſt du den Kopff nur nicht in meiner Hand / So wirſt du ohne Frucht Mir zu entwerden dich befleiſſen.
So goͤnne mir doch endlich ſo viel Zeit / Dis / was mich druckt / recht zu entdecken.
Dir ſey gewaͤhrt / was du geſucht.
Mein Reden iſt uͤmſonſt / bin ich nicht auch befreyt.
Sat.Befreyt?
Jch ſchwere dir von dannen nicht zu weichen.
Was Schwur? O falſches Weib! da Liſt und Bosheit ſtecken / Und Treu und Glaube ſelbſt verbleichen. Jch wil dich itzt in eine Hoͤle fuͤhren / Die weder Menſch noch Vieh / ja ſelbſt das Licht der Welt / Mit ihrem Auge kan beruͤhren. Das andre ſag ich nicht: du witſt es wol verſpuͤren. Da wil ich mir zur Luſt / und dir zu Spott und Hohn / Weil dir ja Spott gefaͤllt / Geben / was dir wird gebuͤhren:
So traͤgt mein ſchoͤnes Haar ſonſt keinen Lohn davon / So dir zuvor dein Hertze hielt gebunden! Kanſtu mein Antlitz itzt ohn alle Wehmuth plagen? Auf das du doch ſo ofte haͤſt geſchworen / Du wolteſt eher ſeyn verlohren / Ehe man die Liebes-Wunden Solt aus deinem Hertzen jagen. O Himmel! O Geluͤck! auf was iſt doch zu tranen?
Wilſin Betruͤgerin mir neue Netze ſtellen?
Ach! lieber Satiro, nicht zeuch mich / wie du thuſt / Mich / die ich dir wil Opffer-Heerde bauen. Was haſtu doch vor Luſt? Du wirſt dich ja nicht ſelbſt den Tiegern zugeſellen? Dein Hertz iſt ja nicht Stahl und Stein; Und ſchauet meine Schuld dir ja zu groß zu ſeyn / Du Abgott meiner Sinnen! So bitt ich dich Wegen dieſer ſtarcken Knie / die forthin auf dieſer Erden Sonſt nichts als ihnen ſelbſt verglichen koͤnnen werden / Und mir die Ehre ſie zu kuͤſſen itzt vergoͤnnen. Wegen deiner Bruſt / die mich Vor kurtzer Zeit Nicht meiden koͤnnen; Wegen dieſer Lieblichkeit / Die dir mein Auge ſtets gewaͤhret / So du itzt des hohen Titels deiner Sternen haſt befreyt / Und in einen Brunn verkehret / Aus welchem tauſend Zaͤhren flieſſen:ELaß66Der Andern AbhandlungLaß mich Genade doch genieſſen /
Deine Schalckheit noͤthigt mich / Und wolt ich mich auf bloſſe Worte gruͤndẽn / So koͤnte mein Erbarmen ſich Gar leichtlich hier betrogen finden. Jch traue nicht / Du ſtirbſt Verraͤtherin; Jch kenne deinen falſchen Sinn / Was immermehr mir itzt dein Mund verſpricht. Coriſca wird Coriſca doch verbleiben.
Ach weh / mein Haupt! Ach! halt ein wenig an / Du wirſt mir noch eine Genade gewaͤhren.
Was Genade meineſtu?
Daß ich doch noch ein Wort mit Friede reden kan / Eh / als dein Grimm mich wil verzehren.
Du denckeſt noch mit viel verſtohlnen Thraͤnen / Und viel ertichteten Sachen / Meine Hand zu hintertreiben.
So iſt dein Wunſch und Sehnen Jn einem kurtzen Nu Mich / hoͤflicher Satiro, nichtig zu machen?
Komm / komm / du wirſts erfahren.
Jſt das Grbarmnis gantz erſtorben?
Wenn haſtu dis erworben?
Und wilſtu denn mit mir ſo wunderlich gebaren?
Jch wil es gar nicht ſparen; Haſtu deinen Zauber-Segen dann noch hier nicht gantz geendet?
Halber Menſch und halber Bok / mehr als Vieh / Spott der Natur / Galgen-Aß / verfluchter Kruͤpel / ſchaue mich doch itzund an: Mein Auge zeiget dir die Spur / So ja dein Geiſt nicht glauben kan / Daß der Coriſca Geiſt ſich gantz von dir gewendet. Was ſolt ich an dir lieben? Den ſchoͤnen Ruͤſſel der dich ziehrt / Und den Bocksbart / welcher Schatten uͤm die duͤrren Backen fuͤhrt? Deine ſchoͤne Ziegen-Ohren Und das geiffer-reiche Maul / So ſtetig faulSich67Sechſter Auftritt. Sich in dem Unluſt hat verlohren / Ja dem kein Zahn mehr uͤbrig blieben?
Geht dieſes denn auf mich?
Auf dich.
Auf mich / du Teufels-Weib?
Auf dich / du fauler Bock.
Hier ſchauſtu meine Hand / Die ſoll die Zunge dir aus deinem Munde reiſſen.
So tritſtu mir denn nu ſo nah itzt auf den Leib?
Ein Weib / ſo ſich befindt in meiner Armen Band / Soll mich / ich weiß nicht wie? zu trotzen ſich befleiſſen? Jch wil dich bald?
Was wilſtu Schlingel machen?
Lebendig zureiſſen!
Haſtu doch keinen Zahn in deinem gantzen Rachen.
Ach Himmel / leid ich dis? Komm / komm es iſt nun Zeit: Du muſt / ſolt ich mich gleich uͤm Haͤnd und Armen bringen.
Nein; ſolte mir der Kopff gleich von dem Rumpfe ſpringen.
Jch wil dich lehren / Ob deines Kopffes Haͤrtigkeit / Und deines Halſes Staͤrcke Sich gleichet meiner Haͤnde Wercke; Was macht die Hand alhier? Sie wird mich nicht verſtoͤren.
Und dis wird durch die Zeit alleine kund gemacht.
Du wirſt mein Ziel mir nicht verſehren.
Satiro zeuch / gute Nacht / Brich den alten Halß in Stuͤcken.
Ach weh! Ach weh; mein Haubt! mein Bein! mein Ruͤcken! Ach! welch ein harter Fall! ich kan mich faſt nicht wenden / Jch ſchane ſie itzt fluͤchtig von mir ſtreichen / Und ihren Kopf behalt ich in den Haͤnden. O Wunder / dem kein Wunder zu vergleichen! Jhr Hirten komt herbey / und hoͤret itzt Bericht: Schaut dieſes Zauberwerck mit euren Augen an / Das iſt des Weibes Kopf / die von mir lauffen kan. Er iſt gantz federleicht / als haͤtt ich nichts zu fuͤhren / Und hat vielleicht auch kein Gehirne nicht: Wie daß ſich doch kein Blut laͤſt ſpuͤren? Was ſchau ich armer doch an Augen und Verſtand! E 2Sie68Schluß-Chor. Sie hat ja Kopffs genug / weil mir hier Kopff gebricht! Jtzt komt es deutlich an das Licht / Warum ſie ſtets verhoͤnt die Kraͤfften meiner Hand. Du falſche Zauberin / es war vor dich zu ſchlecht / Mit Wort / Geſicht und Lachen zu betruͤgen: Es muſten dir auch noch die Haare luͤgen. Jhr Tichter ſchaut doch recht Das hohe Gold / des Ambers reines Weſen / Und was ihr thoͤricht euch zu ruͤhmen auserleſen: Geht / geht nun wieder Mit verblaſtem Angeſicht Durch die weit erſchollnen Lieder / Thut Bericht / Daß dieſes / was durch euren Mund gefloſſen / Durch eines Weibes Zauberkunſt Mehren theiles ſey entſproſſen. Die durch der boͤſen Geiſter Gunſt Der faulen Schaͤdel Haare Entfuͤhret aus der Bahre / Und daſſelbe nun ſo kuͤnſtlich ihrem Haubt hat eingeflickt / Bis daß ſie euch beruͤckt / Daß ihr es durch eure Reimen habt den Sternen beygefuͤhret / Dem doch faſt mehr Graun und Ekel als Meger ens Haar gebuͤhret. Jhr Buhler / ſchaut das Garn / darinn ihr liegt gefangen / Entfaͤrbet Mund und Wangen / Jſt euer Hertz hier noch beſtrickt / Ein ieder kan das ſein itzund erlangen. Was wil ich aber doch noch ihre Schmach verdecken? Dieſes Haar / ſo in dem Himmel wil mit tauſend Sternen prangen / Jſt mit ſo vielen Ruhm und Wuͤrde nicht umhangen / Als vieler Schmach mein Mund dir deines ſoll beflecken.
ACh! welche boͤſe That / hat dieſe doch begangen / O Urſach unſrer Pein! Die durch Betrug und Schein Die Satzung reiner Brunſt zu truͤben angefangen! Dis69Schluß-Chor. Dis hat bey uns entbrennt / Was man den groſſen Zorn der groſſen Goͤtter nennt / Der durch viel Ungemach / durch Blut / durch Thraͤnen-qvillen / Und was man ferner denckt / nicht leichtlich iſt zu ſtillen.
So wird die edle Treu / die Wurtzel reiner Hertzen / Der beſten Seelen-Pracht Auch eben werth geacht: So ſetzt der Goͤtter Hand durch wunderbaͤre Kertzen Die Menſchen in den Brand; Und durch die ſuͤſſe Glut wird dis uns beygeſandt / Wodurch viel Liebligkeit und Freuden-voller Segen Sich in der tieffen Bruſt zu iederzeit bewegen.
Jhr blinden Sterblichen / durch Geld-Durſt angetrieben / Wie kan der goͤldne Kloß / Entfuͤhrt der Erden Schoß / Das Aß / der todte Grauß / euch doch ſo ſehr belieben? Dis iſt ein falſcher Schein / Der Seelen Liebe ſoll die Liebe ſelber ſeyn Denn weil die Seel allein auf Gegenliebe trachtet / So wird die Seel allein der Liebe werth geachtet.
Es wird die Suͤßigkeit zwar nicht dem Kuß entweichen Den wir dem Wang’ entfuͤhren / So ſuͤſſe Zucker-Roſen zieren / Doch wird ein ieder ſich in dem mit mir vergleichen / Daß dieſer Kuß iſt todt zu ſchaͤtzen / Wenn das gekuͤſte nicht kan Kuͤß entgegen ſetzen. Denn dis heiſt recht gekuͤſt / wenn Lipp auf Lippe druͤcket / Und einen naſſen Kuß dem Kuß entgegen ſchicket.
Dis wird ein rechter Kuß inskuͤnfftig heiſſen muͤſſen / Wann der / ſo eifrig liebt / Jn Gleichheit nimt und giebt. Man mag Hand / Stirn und Bruſt zu tauſend malen kuͤſſen: Allhier weiß nichts zu ſtehn / So uns durch einen Kuß entgegen koͤnte gehn / Es weiß der Mund allein die Seelen aufzufuͤhren / Daß ſie durch einen Kuß einander hier beruͤhren.
E 3So70Schluß-Chor.So kriegen Geiſt und Krafft die kuͤſſenden Rubinen / Und der beſeelte Kuß Spracht hier mit Uberfluß / Jn dieſem kleinen Kreiß iſt eine Luſt erſchienen / So man am beſten ſpuͤrt / Wenn eine Seele wird der andern zugefuͤhrt / Denn wenn alſo ein Kuß den andern hat empfangen / So kommet Hertz zu Hertz / und Geiſt zu Geiſt gegangen.
MIRTILLO.
SChoͤner Lentz / des Jahres Jugend / ſchoͤne Mutter / tauſend Kraͤuter / Neuer Blumen / neuer Buhlſchafft / auserwehlter Zeugbe - reuter / Du komſt zwar itzt zuruͤcke / Doch kommen nicht mit dirE 4Des72Der Dritten AbhandlungDes Gluͤckes alte Blicke / Du komſt / du komſt / doch ſchau ich nichts allhier Mit dir zuruͤcke lencken / Als des mir entfuͤhrten Schatzes hochbetruͤbtes Angedencken. Du laͤſt / du laͤſt noch deine hohe Pracht Auf tauſend Blumen leſen. Jch aber bin itzund verworffen und veracht / Und zwey ſchoͤnen Augen nicht / was ich bin zuvor geweſen. Liebes-Zucker! da man ſchauet tauſend Wermuths-Tropffen rinnen / Schwerer iſts / dich zu verlieren / als dich nicht erlangen koͤnnen. Liebe waͤr ein ſchoͤnes Weſen / wenn die Liebe nicht erſtuͤrbe / Oder ja mit dem Verluſt ihr Gedaͤchtnis auch verduͤrbe. Doch / wo mein Hoffen itzt nicht wie ein Glaß zubricht / Und ja mein Wunſch durch fuͤrgebildte Luſt Den Fuͤrſatz nicht zu hoch heiſt gehn / Ey ſo ſeh ich heute noch mein begehrtes Sonnen-Licht; Mein Seufzer wird ſie heiſſen ſtille ſtehn / Und ihres Mundes Pracht wird meiner Sinnen Koſt. Jch hoff / es wird die ſchoͤne Grauſamkeit Auf mich ihr ſtoltzes Auge lencken / Und ob ſie keinen Stral der Freundſchafft von ſich ſtreut / So ſoll mich doch ihr Blitz verderben: Wenn gleich mich nicht ihr freundlich-ſeyn erfreut / So hab ich doch den Ruhm durch ihren Grimm zu ſterben / Und laſſe mich durch ſie in eine Grufft verſencken. O lieber Tag! den ich ſo lange Zeit begehret / Der endlich nun / nach ſo viel truͤben Stunden / Da Noth und Angſt zuſammen war gebunden / Mir das Geluͤcke hat gewehret / Daß ich in ihrer Augen Licht Die Sonne meiner Augen wieder funden. Wie aber hat Ergaſto mich bericht / Daß ich wuͤrde die Coriſca bey der Amarillis finden / Spielende das Spiel der Blinden? Jch ſchaue hier ja keine Blinde nicht / Als meine blinde Brunſt / Die ſich laͤſt andre leiten / Und ſeine Sonne ſucht vergebens und uͤmſonſt. Ach!73Anderer Auftritt. Ach! wer weiß / ob das Verhaͤngnis nicht durch meine Hoffnung bricht / Und das Geluͤcke heiſt aus meinen Graͤntzen ſchreiten; Wie plaget das Verweilen meinen Sinn? Eh’ ein Buhler hat erkieſet des beſtimmten Tages Schein: So beduͤncken wenig Stunden ihn viel tauſend Jahr zu ſeyn. Ja wer weiß es / ob ich nicht allzulangſam kommen bin / Und die Coriſca wird auf mich gewartet haben? Jch wil auch bald dahin; Doch iſt es meine Schuld / ſo muß man mich begraben.
AMARILLIS MIRTILLO. Reyh der Nymfen. CORISCA.
HJer iſt die Blindenn.
Ach Gott! Jch ſchane ſie vor mir.
Tritt man denn nicht herzu?
Schoͤnes Wort! ſo mir verneuert und auch heilet meine
Was macht ihr / ſend ihr nicht alhier? (Wunden / Und Liſette die vor andern ihr ließ dieſes Spiel behagen / Die hoͤret itzt nicht auf die Stunden.
Man kan itzt wohl ſagen: Die Lieb iſt blind / und hat die Augen ihr verbunden.
So hoͤret denn / was meine Meinung ſey: Jhr / die ihr Euch hieher gefunden / Mich auf rechte Bahn zu fuͤhren / So bald ihr werdet koͤnnen Den Reſt von unſren Geſpielen verſpuͤren: So fuͤhrt mich auf die Seite / Und ſtellt mich frey / Auf einen Platz von rechter Weite; Denn ſchlieſt mich mitten ein / So wollen wir das Spiel beginnen.
Was wird mir wol damit geholffen ſeyn? Und meinem Wunſch iſt nicht alſo genug gethan. Und ich kan noch die Coriſca meinen beſten Wind nicht ſpuͤhren / Es nehme ſich der Himmel meiner an. Sie ſind gewiß nicht weit Man hoͤrt wie ſie ſich ruͤhren.
Soll ich euch Naͤrrin denn ſiets ſo geblendet ſtehn? Es iſt nun Zeit: Man mus zum Spiele gehn.
Die Lieb iſt geblendet / O faͤlſchliche Sachen! Dis weiß ich / die Liebe denckt blinde zu machen; Doch ſoll ich nach meinem Befindniſſe ſprechen: Es wird dir mehr Glauben als Auge gebrechen / Du wirſt mich durch Blindheit gewiß nicht verfuͤhren / Jch muſte geblendet die Freyheit verlieren: Jtzt wieder entbunden / dir Glauben zu geben / Das waͤre der Narrheit zu Dienſte zu leben. Lauff / ſchertze und ſpiele nach deinem Belieben / Jch werde nicht ferner ins Netze getrieben / Jch kenne dein Spielen / ich kenne dein Schertzen / Du kuͤtzelſt die Geiſter und toͤdteſt die Hertzen.
Amar.Jhr ſpielt das Spiel zu weit / Und laſſt zu viel Behutſamkeit verſpuͤren; Jhr muͤſt ja allezeit / Eh ihr zu ruͤcke weicht / Mich auch zuvor beruͤhren; Verſpuͤr ich etwas naͤher euch alhier / So glaubet nur / daß ihr Nicht unerhaſcht zuruͤcke ſtreicht.
Was ſchau ich doch ihr groſſen Goͤtter-Hauffen! Ach wo bin ich / ſoll dis Himmel oder ſoll es Erde ſeyn? Soll das weite Himmels-Rad mit ſo ſuͤſſem Thone lauffen / Oder geben deſſen Sterne ſolchen ſchoͤnen Wiederſchein?
O blinde von Augen! O falſche von Hertzen! Du ruffſt mich und lockſt mich mit dir itzt zu ſchertzen; Betrachte / wie ich mich zum Spielen itzt ſchicke / Dich ſchlag ich mit Haͤnden und lauffe zuruͤcke / Jch rupff dich und zupff dich / ich bin dir entgangen; Du trachteſt vergebens mich wieder zu fangen: Verblendete Liebe / vergeben Beginnen / Jch fuͤhre befreyete Geiſter und Sinnen.
Jch dacht ich haͤtte dich / Licoris, nun gefangen / Und kan doch nichts / als dieſen Strauch erlangen? Jch hoͤrte dich wohl lachen.
Ach koͤnt ich mich zu dieſem Strauche machen! Aber blickt dort bey den Straͤuchen die Coriſca nicht herfuͤr? Jch weiß nicht was ſie wil / es ſcheint ſie wincket mir / Jch laſſe mich dis auch vergebens nicht beduͤncken / Jch ſchaue ſie mir deutlich itzund wincken.
Die Freyheit der Sinnen giebt Fluͤgel den Fuͤſſen; Es wird mich dein Netze nicht ferner beſchlieſſen; Du wirſt mich nicht ferner in Dienſtbarkeit ruͤcken / Mit gleiſſenden Worten und ſchmeichlenden Tuͤcken. Doch tret ich dir nahe / ich kan es nicht laſſen / Bald komm ich / bald weich ich: Kanſtu mich nicht faſſen? Verblendete Liebe / vergeben Beginnen! Jch fuͤhre befreyete Geiſter und Sinnen.
Daß doch der verfluchte Strauch nicht fuͤr laͤngſt verderben muͤſſen! Er76Der Dritten AbhandlungEr komt mir ſtetig in die Hand; Wiewol es ſchien / daß ich itzund was anders fand: Mich bedeucht / daß die Eliſa mir vor dismal iſt entriſſen.
Coriſca bleibt mir noch zu wincken ſtets befliſſen: Es ſcheinet ſie erzuͤrnet ſich / Sie draͤuet mir / Und wil vielleicht auch mich Jm Spiele bey den Nymfen wiſſen.
So ſoll ich ewig dann das Spiel mit Straͤuchen treiben?
Jch kan nicht mehr in meinem Vortheil bleiben / Jch muß ihm etwas ſagen; Wie ſtehſtu? greiff ſie kuͤhnlich an / Du Maͤmme / ſoll ſie dir in Haͤnd und Armen jagen? So lauff doch hin / daß ſie dich haſchen kan / Gieb mir den Pfeil / du muſt itzt etwas wagen.
Wie iſt die Kuͤhnheit doch der Luſt ſo weit entlegen! Wie wandelt Muth und Wunſch doch nicht auf gleichen Wegen!
Jch wil das letzte mal mich wagen in den Hauffen. Jch bin itzt Kraft - und Athem loß. Ach! Eure Schuld iſt uͤbergros; Daß ihr mich laſſt ſo lange lauffen.
Du ſiegende Gottheit / die Liebe genennet / Der ieder Verliebter ſich zinßbar bekennet: Wie wirſtu doch dieſes wohl koͤnnen vertragen; Jtzt biſtu gehoͤnet / itzt biſtu geſchlagen / Gleichwie ſich die Eule bey Tage geblendet / Mit Voͤgeln uͤmſchloſſen / verdrehet und wendet: So laͤſtu / O Liebe / dich laͤcherlich ſchmeiſſen; Es kan dich kein Fluͤgel des Schimpffes entreiſſen. Doch pfleget das Spielen auch Seuftzer zu treiben / Manch Vogel beginnet hier kleben zu bleiben / Denn wer ſich der Liebe wil gaͤntzlich entreiſſen / Der muß ſich mit ihr nicht zu ſpielen befleiſſen.
AMARILLIS. CORISCA. MIRTILLO.
AGlaur, itzt hab ich dich! Wilſtu davon? du ſolſt mir nicht entkommen.
Haͤtt ich mir nicht vorgenommen / Jhn mit Macht auf ſie zu ſchieben; So haͤtte warlich ich Mit Bitt ihn nicht dahin getrieben / Und alſo wenig ausgericht.
Ey ſo rede doch einmal / biſtu ſolches oder nicht?
Jtzt halt ich ſeinen Pfeil nicht ferner in der Hand: Jch wil da in dem Gepuͤſche den Verlauff mit Luſt erfahren.
Amar.Jtzt hab ich dich erkant / Ha Coriſca! reich an Laͤnge / und beyneben arm an Haaren / Allein auf dich hab ich gehofft / Du komſt mir / als gerufft: Ey ſo habe dieſen Schlag / den dazu / und dieſen noch. Jſt die Zunge dir gelaͤhmet? Rede doch; Befrey die / ſo du dich zu blenden nicht geſchaͤmet. Jch ſchwere dir / den ſuͤſſen Kuß zu geben / Der ſich iemal uͤm deinen Mund gewittert; Kanſtu vor Muͤdigkeit nicht mehr die Haͤnd’ erheben? Es ſcheint daß alles an dir zittert: Laß deine Zaͤhne doch verrichten / Was nicht der Nagel weiß zu ſchlichten. Du biſt nicht rechter Sinnen / Und weil ich nicht mehr kan in dem Beſchwernis ſchweben: So muß ich beginnen Mich ſelbſt zu entbinden / Ach! wie viel Knoten ſind alhier? Trifft dich das blinde Loß / ich wil dich wieder finden. Ach! Jch bin frey! Ach Gott! Was ſchau ich doch vor mir? Ach! ich bin todt! Verraͤther laß mich eilen.
Mein Leben / ſcheue nicht / ein wenig zu verweilen.
Ach! laß mich / laß mich fort! heiſt dis die Nymfen ehren? Aglaur’, Eliſa, komt herbey; Verraͤtherin / wolt ihr nicht hoͤren? Laß mich frey Und ſicher gehn.
Jch muß aus Pflicht dir zu Gebote ſtehn.
Und dieſes komt von der Coriſca Liſt. Behalt nu dis / was du dir haſt erworben.
Ach Tyrannin / die du biſt / Jtzt muß der Pfeil in meine Bruſt. So ſchaue doch / wodurch ich Armer bin geſtorben.
Ach ſchaue / was du thuſt!
Es ſchmertzt dich / daß es nicht die Amarillis thut.
Amar.Jch muß itzt ſterben!
Und wartet deine Hand auf mein geringes Blut: So ſchaue Bruſt und Eiſen hier.
Du haͤtteſt wohl verdient dein aͤuſſerſtes Verderben. Was aber konte dir Solchen groſſen Muth erregen?
Die Liebe hats gethan.
Was tadelhafftig iſt / richt Liebe niemals an.
Und das Zeugnis meiner Liebe wird mein Glimpff itzt abelegẽ / Haſtu mich erſtlich doch gefangen / Wie ſoll ich denn / der durch Beſcheidenheit Verſtreichen ließ den ſuͤſſen Punet der Zeit / Nichts / als Verweiß dafuͤr erlangen? Als ich ſicher folgen konte heiſſer Liebe Haupt-Geſetzen / So hieß meine Sittſamkeit mich nicht mehr verliebt zu ſchaͤtzen.
So rechne meine Schuld doch meiner Blindheit zu.
Dich lieb’ ich Mehr als du mich / Drum bin ich mehr blind als du.
Das gute Schwert / damit erhitzte Buhler ſtreiten / Muß Bitt und Hoͤfligkeit nicht der Betrug bereiten.
Gleichwie ein wildes Thier / So der heiſſe Hunger jagt / Aus dem Gepuͤſche bricht Und auf die Reiſenden ſich wagt / So ſchaut man eben auch von mir / Der nur zu leben weiß durch deiner Augen Licht / Und dem die ſuͤſſe Koſt / ſo ihm mein Geiſt begehrt Das Verhaͤngnis / oder ja deine Tyranney verwehrt. So nun aus Hunger-reicher Brunſt Jch aus dem Walde bin geruͤckt / Da mich faſt lange Zeit / vergebens und uͤmſonſt Die bleiche Duͤrfftigkeit gedruͤckt / Und mir dis endlich ließ belieben / Dazu mich ſelbſt die Hand der Liebe hat getrieben; Ach! ſo lege dis auf dich / Und nicht auf mich / Weil auch durch beſcheidenes Flehen und BittenKlu -80Der Dritten AbhandlungKluge Buhler ſtreiten ſollen; Und du haſt dis nicht recht erwarten wollen: So zuͤrn auf dich / daß ich nicht recht geſtritten / Denn deine Grauſamkeit erregte dieſe Schuld / Daß meine Hoͤfligkeit nicht that was ſie geſollt.
Du duͤrfftſt der Hoͤfligkeit dich nicht ſo ſehr bemuͤhen / Haͤtteſtu nur mich Jn Frieden laſſen von dir flihen / Fuͤrwahr uͤmſonſt bemuͤhſtu dich / Zu was haſtu dich denn entſchloſſen?
Du ſolſt mich noch einmal vor meinem Todte hoͤren.
Was du begehrſt / das haſtu ſchon genoſſen / So mache denn ein Ende mich zu ſtoͤren
Ach Nymfe / glaube mir / der duͤrfftige Bericht / Kan nur ein Tropffen ſeyn des Meeres melner Zaͤhren / Hoͤrt aus Erbarmnis ja dein kaltes Ohre nicht / So hoͤre denn zur Luſt was mir das Hertze bricht.
Wohlan! ich wil dir dis gewaͤhren / Deinen Jrrthum / und zugleich mein Beſchwernis hinzutreiben: Doch daß Reden und Verweilen moͤg’ in ihren Graͤntzen bleiben.
Wie ſoll ich doch nach Wuͤrden Jn ſolche kleine Buͤrden Meine groſſe Regung binden: Die nichts als nur der menſchliche Verſtand / Denn ſonſten weiß ſich ihm nichts faͤhig mehr zu finden / Jn ſein Behaͤltnis denckt zu bringen. Jch bin in dich in Lieb entbrant / Du biſt mir wehrter als mein Leben. Und wil deine Grauſamkeit mir itzund nicht Beyfall geben / So kanſtu das Gepuͤſche fragen; Das rauhe Wild / die harten Eichen / Die werden mir ein Zeugnis uͤberreichen / Und dir von meiner Liebe ſagen: Die ſteiffen Felſen ſind ſelbſt auf Beweiß bedacht / Die offt mein Klagen hat beſtuͤrtzt und weich gemacht. Und wie ſolte groſſe Schoͤnheit nicht auch groſſe Brunſt erwecken? Betrachte doch des Himmels Pracht / Und was vor Schminck und Glantz die Bruſt der Erden decken /Und81Dritter Auftritt. Und faß in einem Kloß dis alles wohl zuſammen: So ſchaueſtu den Grundzeug meiner Flammen. Wie nun die Krafft des Feuers auſwerts dringt; Das Waſſer abwerts ſinckt; Die Lufft ſtets hin und wieder faͤhrt; Die Erde ruht / der Himmel ſich bewegt: So wird auch mein Geiſt zu dir / als ſein beſtes Gut gekehrt. Wird etwas ihm alhier in Weg gelegt / Und wird ihn einer itzt zu ſtoͤren ſich befleiſſen / Der wird eher Erde / Feuer / Waſſer / Luͤffte / ja die Welt Aus ihrem Lager reiſſen. Und weil dir ja ſo ſehr gefaͤllt / Daß ich mein Wort ſoll auf das kuͤrtzſte ſagen: So ſchwer ich meine Noth / Die wird in kurtzer Zeit mich auch zu Grabe tragen; Und mein Tod Wird deine Grauſamkeit und meine Qval verjagen. Wird aber auch / wenn mich die Erde wird bedecken / Dir meine Pein Barmhertzigkeit erwecken? Schoͤnſte Goͤttin / die vor Jahren Mir erhielt mein junges Leben / Laß doch der edlen Sternen Schein Auch ietzt fuͤr meinen Augen ſchweben; Und hat mein ſchwaches Licht ie ihre Kraͤfft erfahren / Ey! ſo laß ſie vor dem Tode mir ein ſuͤſſes Zeichen geben; Ja es wil ſich faſt gebuͤhren / Daß deiner ſuͤſſen Augen Pracht So meinem Leben hat geſchienen / Mich auch zu Grabe ſolle fuͤhren / Und zeigte ſie / wie ich der Liebe ſolte dienen; So leuchte ſie mir itzt auch in der Todes Nacht / Die den Auffgang meiner Laſt hat als Morgenlicht gezieret / Sey nunmehr / als Abendſtern meines Lebens aufgefuͤhtet. Doch / dich verhaͤrtet nur mein Bitten und mein Weinen; Du hoͤrſt mich ſonder Antwort an / Jch rede nur den harten Marmelſteinen! So ſage mir doch dis: Es ſey uͤm dich gethan;FSo82Der Dritten AbhandlungSo wil ich bald fuͤr deinen Augen ſterben. O falſcher Liebe ſtrenge Noth! Sie wuͤnſchet nichts als mein Verderben / Und weigert mir doch auch den Tod / Mich nicht durch ſolchen Tod zu ehren: Und daß ſie recht ſich an mir raͤche / So laͤſt ſie mich auch nur kein Scheltwort hoͤren / Damit ihr ſchoͤner Mund mir nicht das Hertze breche.
Haͤtt ich Antwort dir zu geben / Wie dich zu hoͤren zugeſagt: So wuͤrd ich billig angeklagt / Du wilſt mir meine Grauſamkeit verheben / Jn Meinung / meinen Geiſt auf deine Bahn zu lencken / Und ſchaueſt nicht / wie deiner Worte Pracht Die mich unverdient zu preiſen / du uͤmſonſt haft angefuͤhret / Mich nicht ſo kraͤfftiglich geruͤhret / Noch mich mit ſolcher Luſt beſchencken / Als meine Grauſamkeit mir Nutzen hat gebracht. Denn warlich Grauſamkeit / ſo ſonſt ein Laſter heiſt / Kan eine Tugend ſeyn in der Verliebten Geiſt; Und was du Grauſamkeit genennt / Wird in einer ſchoͤnen Nymfe nur vor Erbarkeit erkennt / Daß ich nun die Grauſamkeit gleich wie du vor Laſter ſchaͤtze / Wann hat doch ſich Amarillis allzugrauſam dir erzeiget? Da vielleicht als meine Schaͤrffe waͤre Billigkeit geweſen / So hat kein ſtraͤnger Blick ſich doch zu dir geneiget. Ja ich riß dich dazumal aus des Todes bleichem Netze; Jch meyne da / als du durch kuͤhne Brunſt getrieben / Dich in einem Nymfen-Kleide zu der keuſchen Schaar geſellet / Die ich zu meiner Geſellſchafft erleſen; Da unſer Schertz durch dich nicht unbefleckt iſt blieben / Als du bey unſerm kenſchen Kuß Solche befleckete Kuͤſſe geſtellet / Daß ſich auch das Angedencken noch darvon entfaͤrben muß. Der Himmel weiß / daß ich dich damals nicht gekennet / Und daß darauf mich deutlicher Bericht / Jm Zorn hat gegen dich entbrennet. Doch deine Geilheit traff die reinen Geiſter nicht. Jch83Dritter Auftritt. Jch ließ dein ſchnoͤdes Gifft mein Hertze nicht entzuͤnden / Und alhier Wird ſich nichts von dir Als der Lippen Obertheil uͤberhin befleckt befinden. Ein Mund / der einen Kuß im Grimme von ſich ſpeyt / Der hat ſich aller Schmach entbrochen und befreyt. Und haͤtt ich dich alsdenn den Nymfen nun verrathen Was wuͤrde dir der Raub vor Nutzen haben bracht? Der Thraciſch Orpheus ſelber nicht / Der durch die Landsmannin zu ſchanden war gemacht / Wuͤrde nimmermehr ſo grauſam / als wie du ſeyn hingericht. Da mein Erbarmnis nun durch deine Torheit bricht / So haͤlſtu meinen Glimpff vor wuͤterliche Thaten? Mein Glimpf iſt noch zu groß. Erkuͤhnſtu dich ſo viel bey Unbarmhertzigkeit / So riſſe deine Brunſt die ſtaͤrckſten Bande loß / Haͤtt allzugroſſer Glimpff dich aller Furcht befreyt! Jch habe dir ſo viel Erbarmnis ja erwieſen / Als reine Zucht dir nur erweiſen kan; Vergebens ſprichſtu mich itzt um ein mehrers an / Denn Erbarmnis in dem Lieben wird gar ſelten hoch geprieſen; Und wer Barmhertzigkeit auf alle Menſchen wendet / Hat endlich ſelber nicht / was er zuvor verſchwendet. Biſtu verliebt / ſo lieb auch meinen Ehren-Ruhm / Mein Heil und auch mein Leben / Dein Wunſch iſt noch kein Eigenthum / Der Himmel wil darein nicht ſeinen Willen geben / Die Erde ſchauts / der Todt begehrts zu raͤchen. Und was mehr iſt / Zucht und Ehre wollen ſelbſt darwieder ſprechen. Ein Geiſt von guter Art haͤlt ja zu ieder Zeit Fuͤr ſeinen beſten Schirm / Zucht / Ruhm und Erbarkeit. Genung Mirtillo, laß mich bleiben / Wohnt dir noch Witz und Klugheit bey / Und denck auf Ruh und auf dein Leben; Aus Kummer ſich dem Tod ergeben / Jſt ſelten tadelfrey / Und keiner Mannheit zuzuſchreiben. Dann loͤblich iſt dis zu verlaſſen /F 2Was84Der Dritten AbhandlungWas dem Auge wohlgefaͤllt / Wan uns dis ſo wir umfaſſen Zu dem Unfall Netze ſtellt.
Wer iſt der ohne Hertz dem Tode ſich entbricht?
Wer Zucht zu Waffen hat / den zwingt die Regung nicht.
Ach! wo die Liebe ſiegt / hat Zucht nichts ausgericht.
Wer nicht kan / was er wil / der wolle / was er kan.
Der Liebe ſtrenge Noth ſchaut keine Satzung an.
Abweſenheit hat offt ein Pflaſter aufgelegt.
Wer kan dem Pfeil entgehn den man im Hertzen traͤgt.
Doch reiſſet neue Brunſt offt alte Flammen ein.
Es muß ein neues Hertz zu dieſem Wercke ſeyn.
Die groͤſte Liebe weicht doch endlich mit der Zeit.
Eh dis geſchicht / ſo friſſt mich deine Grauſamkeit.
So iſt kein Pflaſter denn vor deine herbe Noth?
Das Pflaſter / ſo mich heilt / bleibt endlich nur der Tod.
Tod? doch laß hier meine Warnung dir zuvor zur Richt - ſchnur werden / Wiewol mir mehr als gar genug bekand / Daß der Buhler Todtenbahre nur auf ihren Lippen ſteht / Und das Wort: Jch mag nicht leben; ihnen nicht von Hertzen geht; Doch wuͤnſcht du dich aus Ernſt tieff in der Schos der Erden. So dencke doch / daß ſich / wirſtu die Augen ſchlieſſen / Auch mein bekanter Ruhm bald wird verlieren muͤſſen. Biſtu in mich in Lieb entbrant / So ſey bedacht zu lieben und zu leben; Geh hin und lerne mich benebens auch zu meiden. Und weiß dein Ungedult / Verſtand und Witz zu leiden / So wird dieſes deiner Klugheit mir ein helles Zeugnis geben / Wenn du mir inkuͤnfftig nicht wirſt fuͤr meinen Augen ſchweben.
Herber Spruch! Soll ohne Leben ich dir noch bey Leben ſeyn? Und / wie ſoll ich ohne Sterben ſchlieſſen meine ſchwere Pein?
Mirtillo, es iſt Zeit / daß man von hinnen geht / Du haſt genug verweilet. Geh / geh / und troͤſte dich / daß der verliebte Hauffen / Die Noth und Jammer plagt / in keiner Zahl beſteht. Dich hat die Noth alleine nicht ereilet; Tauſend muͤſſen in den Thraͤnen / als wie du / itzt faſt erſauffen /Je -85Vierter Auftritt. Jeder Schlag hat ſeinen Schmertzen. Mirtillo dir allein geht dieſes nicht zu Hertzen.
Jch gebe mich itzt nicht vor den Verliebten an / Der in der Welt alleine muͤſte leiden; Alleine muß ich nur ein bleicher Abriß werden / Den Lebenden und Todten dieſer Erden / Daß ich nicht nach Wunſch geneſen / und auch nicht erſterben kan.
Es iſt nun Zeit zu ſcheiden
Ach Scheiden / ſchweres Leiden! Jch ſoll mich von dir wenden / Und nicht mein Leben enden! Doch fuͤhl ich in dem Hertzen Den Tod und ſein Verderben / Das Scheiden wuͤrckt in mir ein leben-reiches Sterben / Und heiſt die Pein / Von meinen Todes-Schmertzen / Ewig und unſterblich ſeyn.
AMARILLIS.
MIrtillo, Mirtillo, mein einiges Leben / Koͤnteſtu nur ein Blick itzt zu derer Hertze ſchicken / Die du die herb Amarillis genennet: So wuͤrdeſtu gewiß erblicken Wie itzt ihr Hertze brennet / Und wie meine Wehmuth wuͤnſchet / ſtets bey deiner Noth zu ſchweben. O du durch Liebe gefolterter Geiſt! Was hilfft es mich geliebt und auch verliebt zu ſeyn? Warum trennſtu / O Verhaͤngnis / die die Lieb ein Paar genennet? Warum pareſtu uns Liebe / weil uns das Verhangnis trennet? Das Wild / ſo hier mein Mund mehr als geluͤcklich heiſt / Lebt auſſer dieſer Pein. Es hat ſonſt kein Gebot im Lieben / als das Lieben; Hergegen ſtellt bey uns ſich ſchaͤrffre Satzung ein / Dieweil der Tod der Liebe Straff iſt blieben. Jſt uns dann das Suͤndigen als ein Zucker in dem Leben / Und von Suͤnden rein zu ſeyn ſcharff und eifrig mit gegeben. Ey! ſo irret die Natur / ſo ſich wider Satzung ſetzet; Oder ja die Satzung ſelbſt / weil ſie die Natur verletzet. Was aber dieſe Lieb iſt / ſchlecht und gar geringe / Die vor das Geliebte ſich wegert zu ſterben? Ach Mirtillo! wolte Gott / Es waͤre nichts als nur der Tod / Durch den die Verliebeten muͤſten verderben; Du heilig Ehre du / du reinſtes aller Dinge / Dir ſey der heiſſe Trieb im Lieben Durch deiner Schaͤrffe Stahl geſchlacht / Als ein unbeflecktes Weſen itzt zum Opffer hingebracht. Mirtillo, aber du / Du Auszug meiner Seelen / Nicht rechne mir doch das Verbrochne zu / Daß ich dich muß durch Haͤrtigkeit betruͤben! Jch bin darum dir unbarmhertzig blieben / Dieweil die Noth mich hieß die Wehmuth zu verhoͤlen. Ach! verzeihe dieſer Schuld / die von auſſen grauſam ſcheint / Und aus ungefaͤrbter Hold es mit dir von Hertzen meint! Doch / wuͤnſcht du dir Dich an mir zu raͤchen? Was87Fuͤnfter Auftritt. Was wird doch mir Schaͤrffer als dein eigen Schmertz / durch mein treues Hertze brechen? Du bleibeſt ja mein Hertze? Du bleibeſts ja / obs alle Welt verdrenſt. Netzſtu die Seuffzer itzt aus allzugroſſem Schmertze? Ey! ſo ſchwer ich / daß mein Blut auch aus deinen Augen fleuſt; Daß gewißlich deine Seufzer nichts als meine Geiſter ſeyn / Ja daß dein getreues Klagen ſich verkehrt in meine Pein.
CORISCA. AMARILLIS.
ACh / Schweſter / was vor ſchlieff / hat itzt die Zeit erweckt!
Jch Aermſte bin entdeckt!
Jch habe zwar genug verſtanden; Sagt ich dir nicht /F 4Du88Der Dritten AbhandlungDu waͤres verliebet / Und truͤgeſt dieſe feſte Banden? Jch foder itzt nicht ferneren Bericht; Doch / was ſchenſtu dich vor dieſer / die dir auch das Hertze giebet? Schweſter / werde doch nicht roth / Lieben iſt gemeine Noth.
Du haſt mich / wie du wilſt / ich muß es nur bekennen.
Du muſt wohl / weil ich ſelbſt die Flamme ſehen brennen.
Ach ja / wann die Liebe gieret / und ſich lenckt auf Lufft und Licht; Alsdann dient ein enges Hertze ihr vor kein Behaͤltnis nicht.
Grauſame / die dem Mirtillo und ihr ſelbſt die Ruh verſtoͤret.
Das iſt keine Grauſamkeit / die uns das Erbarmnis lehret.
Wolffs-Milch auf geſunden Wurtzeln zeiget ſich zu keiner Zeit / Und Erbarmnis / ſo nicht nutzet / gleicht ſich einer Grauſamkeit.
Ach / Ach! Coriſca, Ach!
Das Seuffzen iſt ein Zeichen ſchwacher Hertzen: Du folgeſt ſo den feigen Weibern nach.
Und waͤre dis nicht grauſam ſeyn / Wenn ohn alles Hoffen Jch noch vermehrte ſeine Schmertzen? So zeig ich ihm durch meine Flucht / Daß mich beweget dieſe Pein / So ihn und mich betroffen.
Warum iſt denn das Hoffen ohne Frucht?
Weiſtu dann nicht / Daß mich mein Vater hat dem Silvio verſprochen: Und daß an der / ſo Treu und Glauben bricht / Sich das Geſetze hat mit Glut und Stahl gerochen?
Ach Albere / faͤllt dir itzund nichts beſſers ein? Welches wol von den Geſetzen Wilſtu vor das altſte ſchaͤtzen? Wird es dieſes der Diana oder dis der Liebe ſeyn? Dis komt mit uns zugleich bald in das Tagelicht / Und ſtaͤtckt ſich mit der Zeit: Man lehrt und lernt es nicht / Kein Meiſter hat uns hier die Regeln zugeſandt: Es zeigt ſie die Natur mit ihrer alten Hand. Wo89Fuͤnfter Auftritt. Wo dis Geſetze nun laͤſt ſeine Stimm erſchallen / Da wird der Himmel ſelbſt zu Fuſſe muͤſſen fallen.
Und wenn Diana nun mich ſchmaͤhlich hieſſe ſterben / Wird auch die Liebe mich erretten vom Verderben?
Du ſuchſt ja alles gar zu weit: Haͤt iedes Weib vor dieſem ſo gedacht / Und wolt auch ein’ itzund noch ſo behutſam werden; So ſagt ich gute Zeit Jſt nun vertilget von der Erden. Die Satzung iſt ja nur fuͤr Albere gemacht / Es geht die Witzigen ja keines weges an. Wuͤrd allen Suͤnderinn alſo ihr Recht gethan / So muͤſte dieſes Land bald ohne Weiber ſtehn Daß nun die Thoͤrichten hier ſchmertzlich muͤſſen leiden / So heiſſet das Geſetz die billig Diebſtahl meiden / Die mit dem Stehlen nicht recht wiſſen uͤmzugehn. Und endlich muß die Zucht allein Der Unzucht kluger Mantel ſeyn. Und dis denck ich: Ein anders dencke / was es wil.
Und dieſes Ziel Jſt nicht vor mich. Die groͤſte Klugheit iſt / dis bald zu meiden wiſſen / Was uns unmuͤglich iſt nach Wunſche zu genieſſen.
Wer hat dir dis verwehret? Die Zeit iſt gar zu kurtz / nur einen lieb zu haben: Und die Maͤnner ſind zu karg / Ja wohl vielleicht zu arg / Und zuverkehrt / Uns mit ihrer Gunſt zu laben. Du weiſt ja / wir ſind nur ſo lange Zeit geliebet / So lange noch der Jugend Liebligkeit Uns Anmuth giebet: Sind denn dieſe Fruͤhlings-Roſen durch das Alter abgemeit / So ſieht man uns als einen Bienſtock an / Der nicht mehr Honig giebt / und ferner dienen kan. Die Maͤnner haben gut Zuſagen / Sie duͤrffen ja nicht fuͤr und fuͤr Wie wirF 5Dis90Der Dritten AbhandlungDis Ungemach ertragen. Ein Mann wird wehrter mit der Zeit / Ob in dem Alter ihm die Schoͤnheit gleich verſchneit / Ey / ſo ziert ihn doch dabey des Verſtandes Trefligkeit. Hergegen hat mit unſrer Jahre Pracht / Die offt mit Liebligkeit der Maͤnner Witz beſtricket / Sich aller unſer Werth weit von uns weg gemacht. Ja man hat kein aͤrger Scheuſal / als ein altes Weib erblicket. Ehe dich nun / liebe Schweſter / die gemeine Noth beſchleicht / So lerne deine Hoheit kennen; Kan die zarte Lebens-Zeit durch die gruͤnen Wege rennen / So ſchaue daß ſie nicht das duͤrre Feld erreicht. Was huͤlffe doch dem Leuen ſeine Staͤrcke / Legt er ſie nicht zu ſeinem Beſten an? Es waͤre ja uͤm Witz und uͤm Verſtand gethan / Bemuͤhte man ſich nicht / Jhn auch zu zeigen durch die Wercke. Und eh uns noch der Luſt Gelegenheit gebricht; So ſamle man mit Luſt / was man nur ſamlen kan: Dann zeitlich weicht die Zeit. Der neuen Jahre Frucht Erſetzt zwar / was das Eis gejagt hat in die Flucht / Wird aber nur einmal die Jugend uns verbluͤhen / So wird ſie keine Zeit mit ſich zuruͤcke ziehen. Ach! ſtellen ſich bey uns die grauen Locken ein / So kan man zwar verliebt / doch nicht geliebet ſeyn.
Du redeſt / wie es ſcheint / Mehr mein Gemuͤhte zu ergruͤnden: Als richtig darzu thun / was itzt dein Hertze meint / Und was ich wuͤnſche zu vernehmen. Jch ſchwere / kanſtu nicht ein tauglich Mittel finden / Und deſſen ich mich nicht auch kuͤnfftig muͤſte ſchaͤmen / Dieſer ungereimten Hochzeit mich auf ewig zuentbinden / So ſoll noch eher mich der Erde Schos bedecken / Eh’ als mein Hertze wird der Keuſchheit Ruhm beflecken.
Dis iſt der haͤrtſte Kopff / den ich iemals gefunden. Und weil dein feſter Schluß ſich gantz auf Tugend ſetzet; So ſag / ob deſſen Geiſt / dem du dich haͤltſt verbunden / So hoch die Treu / als du die Ehre ſchaͤtzet?
Amar.du reitzeſt mich zu lachen / Wie Silvio ein Freund der Treu? Und iſt ein Feind der Liebes-Sachen.
Ein Feind der Liebe? Wie / das iſt mir gar zu neu? Jch ſag es ohne Scheu: Jch kenn ihn wohl / er weiß zu ſchweigen und zu machen. Du aber kennſt noch nicht die Schleicher in der Welt: Wer ihnen leichtlich glaubt / wird leichtlich uͤmgefaͤllt. Es wird kein Liebes-Raub in Sicherheit verbracht / Wann nicht die Tugend ſich zu einem Deckel macht. Es liebet Silvio: doch dich O Schweſter nicht!
Was muß dieſe die er liebt / doch vor eine Goͤttin ſeyn? Denn keine Sterbligkeit kan ſeinen Geiſt entbrennen.
Hier ſtellt ſich keine Nymf / auch keine Goͤttin ein.
O ſeltzamer Bericht!
Du wirſt ja wol meine Liſette noch kennen?
Liſette wie? die deine Schafe treibet.
Ja wohl.
Jch weiß faſt nicht / ob ich dir trauen ſoll?
Die iſt es / der ſein Hertze bleibet.
Er kan ſich wohl verſorgen / Heiſt dieſes endlich wehlen?
Jch wil noch mehr erzehlen. Er ſtirbet faſt vor Brunſt; Und unterm Schein der Jagt Bemuͤht er ſich zu ſuchen ihre Gunſt.
Jtzt denck ich gleich / wie alle Morgen Sein verfluchtes Jaͤger-Horn mein getreues Ohre plagt.
Ja uͤm die Mittags-Zeit / Weil die andern fleißig ſeyn / ſtielt er mit Behendigkeit Sich heimlich weg / Und koͤmt durch einen falſchen Steg Zu meinem Obeſt-Garten / Da ſie durch einen Zaum / den dicke Straͤuch uͤmſchlieſſen / Und da ſie ſeiner muß erwarten / Sein Lieben und Seuffzen bekommet zu wiſſen / So ſie mir denn im Lachen erzehlet. Jtzt hoͤre nur was ich mir fuͤrgenommen /Auch92Der Dritten AbhandlungAuch ſchone wegen dein gethan; Du weiſt ja daß ein Mann / der in der Treu verſehlet / Gleichwie ein Weib nicht ungeſtrafft ſeyn kan / Und daß von dem Geſetz auch dieſer Ausſpruch kommen / Daß / wenn ein Braͤut gam ſich in Untreu laͤſt beſchleichen / Die Braut / was auch die Eltern moͤchten ſagen / Wohl mag zuruͤcke weichen / Und Lieb und Gunſt zu einem andern tragen.
Es iſt mir mehr als wohl bekand / So ließ Egle den Licotta, und Armilla den Turingo Von wegen Untreu hin. Und eben ſo War auch der Ligurin Von der Leucipp’ aus Aug und Hand geſetzet: Und dis machte dieſe Nymfen frey / wie ſie vor dieſem waren.
Du wirſt noch mehr erfahren. Liſette hat / weil ich es ſo befunden / Es gleichesfals vor gut geſchaͤtzet / Jhr ihren Silvio zu fodern in die Hoͤle; Dis kuͤtzelt ihm itzt Hertz und Seele / Und wartet nun den Antritt dieſer Stunden. Da wil ich / daß du ihn beſchleicheſt. Jch wil nicht einen Tritt von deiner Seite gehn / Bis daß du deinen Zweck erreicheſt. Jch wil dir Zeuge ſeyn / Damit nur alles moͤg auf gutem Grunde ſtehn. Dann tritſtu / dieſem Joch entbunden / Jn deine Freyheit wieder ein / Und haſt deines Vatern Ehre / und auch deiner Rath gefunden.
Wie haſtu alles wohl bedacht: Was ſoll ich ferner mehr verrichten?
Dis / waß itzund von mir ſoll werden fuͤrgebracht / Du muſt den Rath / der gut iſt / nicht vernichten. Da / wo das Mittel faſt der engen Hoͤlen iſt / So mercklich lang und ziemlich ſchmal / Da wird auf der rechten Seiten / (Nicht weiß ich / obs die Kunſt hat wollen zubereiten / Oder aber die Natur) gar ein enges Loch erkieſt /Von93Fuͤnfter Auftritt. Von Eppigkraut uͤmkleidet uͤberall; Ein enger Ritz der giebet ihm das Licht / Und iſt als ein recht Behaͤltnis zu der Liebe zugericht: Dahin / da muſtu nun vor den Verliebten kommen / Und da verborgen dich enthalten. Dann / laß mich walten / Hab ich mir fuͤrgenommen / Auch die Liſette hinzuſenden; Und gar von weiten Dem Silvio auch nachzuſchreiten. So bald er ſich nun wird recht zu der Hoͤle wenden / So wil ich ihm auch folgen und ihn fangen / Und auf die Liſette ſelbſt / wie ich ihr auch ſchon gedacht / Mit loſen Worten dringen. Du muſt alsdann bald kommen gegangen; Und was Diana dir vor eine Freyheit macht / Dem Silvio friſch in die Ohren ſingen. Denn wollen wir uns zu dem Prieſter kehren / Und alſo wirſt du dich des Joches wohl erwehren.
Sein Vater muß doch auch zu gegen ſeyn.
Es iſt nichts daran gelegen. Bildeſtu dir ein / Daß der Montano wohl des eigen Nutzes wegen / Den allgemeinen ſolte kraͤncken / Und nicht mehr was heilig iſt / als was weltlich iſt bedencken?
Jch wil itzt mein Geſichte ſchlieſſen / Und mich nur dich alleine laſſen fuͤhren
Doch wird man hier auch eilen muͤſſen.
Aber / mir wil in dem Tempel Gott zu ehren vor gebuͤhren. Denn was der Menſch gedenckt / erreichet nicht das Ziel / Dafern es nicht zugleich der Geiſt des Himmels wil.
Jeder Ort kan from̃en Hertzen vor Altar und Tempel dienen / Die rechte Zeit iſt nun erſchienen / Du muſt ſie nicht verlieren.
Wer dieſe treulich ehrt / die ſelbſt der Zeit befehlen / Den wird die Flucht der Zeit mit nichten koͤnnen qvaͤlen.
So geh und ſtelle dich auch zeitlich wieder ein. Mich deucht / itzt hab ich gute Sachen:Doch94Der Dritten AbhandlungDoch wil mir ihr Verweilen Kummer machen. Es kan auch wol mein Vortheil ſeyn; Jch muß mich einer Liſt itzunder unterwinden. Jch muß dem Coridon bald geben zu verſtehn / Daß ich mich wil bey ihm befinden / Jch muß ihn zur Amarillis in die Hoͤle heiſſen gehn: Denn wil ich auf verdeckten Stegen Die Prieſter der Diana heiſſen kommen; Da wird ihr dann / uͤm ihrer Untreu wegen / Das Leben ſeyn genommen. Jſt dann die Nebenbuhlſchafft hin / So wil ich des Mirtillo harten Sinn / Der / wegen ihrer / mich nicht treulich lieben koͤnnen / Leicht zu biegen wiſſen. Er koͤmt itzt gleich herbey: Jch werd ihm itzund ſtellen muͤſſen / Weil Amarillis nicht kan ſtoͤren mein Beginnen. Venus mache / daß die Liebe mir auf Zung und Augen ſey.
MIRTILLO. CORISCA.
JHr heulenden Geiſter der feurigen Hoͤle / Vernehmt itzt eineneue Pein; Und ſchaut / wie eine rauhe Seele Doch von ſich ſpielen laͤſt der Wehmuth falſchen Schein. Mein Lieb / das auch der Hoͤlle wil uͤberlegen ſeyn / Als die mein Tod ſchlechthin nicht wohl beſtillen kan / Befiehlt mir ferner noch zu leben / Weil ſie weiß / daß mir das Leben ſtets den Tod hat angethan / Und in meinem ſchwachen Leben mehr als tauſend Moͤrde ſchweben.
Jch wil mich itzt ſtellen / als ſchaut ich ihn nicht. Was hoͤr ich doch vor Seuffzer uͤm mich? Wer klagt doch / daß der Schmertzen Jhm alle Kraͤffte bricht? Ach mein Mirtillo, ſchau ich dich!
Waͤr ich doch nur nichts als Schatten und ein wenig leich - ter Sand!
Wie war doch deinem Hertzen / Als dein Mund mit deiner Liebſten guten Fug zu reden fand?
Gleichwie ein erdurſter Krancker / der verbotnen Tranck be - gehret / So ihm derſelbe wird gewaͤhret / Zugleiche verzehret den Durſt / und das Leben So geht es itzt auch mir / Dem der duͤrre Liebes-Durſt alle Kraͤffte hat verheret. Denn ich Armer hab alhier / Aus zwey gewuͤnſchten Bronnen Da aus hartem Marmelſtein nichts als kaltes Eiß geronnen / Das Tropffenreiche Gifft genoſſen; So mir mehr mein junges Leben / als die Regung ausgegoſſen.
Mirtillo Lieb und Brunſt hat ſonſten keine Krafft / Als die ſie aus unſerm Hertzen ihr zum Vortheil hat genommen; Und wie der Baͤr den ungeſtalten Jungen Richtige Geſtalt verſchafft / Vermoͤge ſeiner Zungen / Die erſtlich ungeſchickt auf dieſe Welt ſeyn kommen: So giebt der Buhler auch offt einer ſchlechten Luſt / Die man zu erſt hat kuͤmmerlich verſpuͤret / Bey wenigem in ſeiner Bruſt / Krafft / Anſehn und Gewalt /So96Der Dritten AbhandlungSo mit der Zeit die Liebe denn gebuͤhret / Die tritt nun erſtlich auf in kindiſcher Geſtalt / Und weil ſie ſo verbleibt / ſo weiß ſie nur zu ſchertzen / Wird aber ſie nur etwas alt / So plagt ſie uns mit wunderreichen Schmertzen: Daß man endlich eine Liebe / die da hat zu wurtzeln wiſſen / Qval und Noth wird nennen muͤſſen. Dann / wenn in lieblichen Gedancken Die Seele ſich zu ſehr verſtrickt: So faͤllt die Lieb aus ihren Schrancken / Und was ſonſt nichts als Anmuth ſolte ſeyn / Wird endlich durch die Trauerſucht erdruͤckt / Wird zur Wahnſucht / oder wol zu der herben Todes-Pein. Und dieſes iſt ein kluger Mann / Der offt im Lieben wechſeln kan.
Was Wechſel? Ehe ich den Fuͤrſatz wil begeben / So ſoll mein Leben ſich verwechſeln in den Tod / Speiſt Amarillis gleich mich nur mit Angſt und Noth: So bleibt ſie doch mein Leben; Und unſers Leibes Hoͤle Wil nur ein Hertz und eine Seele.
Armer Schaͤfer / ach! du liebeſt mehr als thoͤricht / wie mich deucht / Zu lieben was mich haſſt / Zu ſuchen / was mich fleucht / Viel leichter waͤre mir die ſchwere Todtes-Laſt.
Wie das Gold in Glut und Feuer ſtets erhoͤhet ſeinen Schein; So wil auch in Noth und Leiden unſre Treu gepruͤfet ſeyn. Wilſtu die Beſtaͤndigkeit in der Liebe recht erkennen: So muß Grimm und Haͤrtigkeit ſie in das Geſichte brennen. Ja dieſes iſt mein Troſt / immittelſt Noth und Leiden / Daß / ob mein Hertze gleich verdorret und vergeht: So fleuſt doch alle dieſe Pein / Ob gleich Marter und Verweiſung ihr auf beyden Seiten ſteht / Mir als leichtes Waſſer ein. Ja eher ſoll mein Geiſt / als meine Liebe ſcheiden / Und ich wil eher dieſes Leben / Als die verſprochne Treu begeben.
Cor.O ſchoͤner Schluß! O Buhler ohne gleichen! Du biſt ein harter Felß / und wilder als ein Wild / Die Stahl und Strahl ohn alle Frucht beſtreichen / Fuͤrwahr kein aͤrger Gifft hat unſer Hertz erfuͤllt / Als wann die Treu zugleich bey heiſſer Liebe qvillt. Wer die ertichte nicht ſein Hertze laͤſt beſchleichen / Von dem wird alle Luſt der Liebe muͤſſen weichen / So ſage du armer Verliebter doch mir / Mit der Beſtaͤndigkeit / Die itzt dein Mund zu einer Tugend macht / Was liebſtu wohl in ihr / Die dich veracht? Jſts die Schoͤnheit Die du muſt entbehren? Jſts dann die Luſt / ſo ſie nicht wil gewaͤhren? Jſts Erbarmnis / ſo ſich laͤſt gleichesfals uͤmſonſt begehren? Oder aber iſt es ihre Gunſt / Die du ſo lange Zeit bedienet haſt uͤmſonſt! Du liebeſt nichts / wilſtu es recht betrachten / Als deine Noth / Ja deinen Tod. Und wie kanſtu dieſe lieben / ſo dich dencket zu verachten? Auf / auf / Mirtillo, auf / Und aͤndre deinen Lauff! Ach! lerne dich doch endlich kennen. Kennſtu denn ſonſt kein Hertze nicht / So auch auf Liebe ſey gericht / Und gegen dich vermoͤchte recht zu brennen?
Um der Amarillis wegen Angſt und Jammer leiden muͤſſen / Soll mir allzeit ſuͤſſer ſeyn Als tauſend anderer genuͤſſen / Und ſtieß’ auch der Himmel gleich gaͤntzlich meinen Fuͤrſatz ein / Und wuͤrde der Genuß mir gaͤntzlich weggeriſſen / Solt ich deſſentwegen wohl andere zu lieben wiſſen? Wolt ich gleich / ſo koͤnt ich nicht / Koͤnt ich gleich / ſo wolt ich nicht. Und kan es ſeyn / daß ia zu einer Zeit Mein Wollen dieſes wolte /GMein98Der Dritten AbhandlungMein Koͤnnen dieſes koͤnnen ſolte: So ſey der Himmel doch bereit / Und laſſe mir das Wollen und das Koͤnnen / Wie weiches Wachs zurinnen.
So rennſt du kranckes Hertz denn ſelbſt in deinen Tod?
Wer nicht Erbarmnis hofft / der fuͤhlet keine Noth.
Mirtillo hoͤre doch: kan ja dein Geiſt was faſſen. Daß Amarillis dich nicht treulich lieben wil. Und ſich entſchloſſen dich zu haſſen. Von dieſem hat ſie mir geſaget offt und viel.
Dis ſind verliebte Sieges-Zeichen Meiner Treu. Jtzt kan ich ohne Scheu Den Ehren-Krantz erreichen. Alſo weiß ich Erd und Himmel / ja ihr ſelber obzuſiegen. Noth und Jammer / ja der Tod ſoll zu meinen Fuͤſſen liegen.
Was ſolte dieſer wohl beginnen / Wuͤſt er / daß ihn Amarillis, wie ſie thut / von Hertzen meint? Die Thorheit ſo dich plagt / macht das mein Auge weint. Hat denn auſſer Amarillis keine dich entzuͤnden koͤnnen?
Amarillis hat zum erſten mich geſetzt in Liebes-Pein / Und es ſoll auch Amarillis meine letzte Buhlſchafft ſeyn.
So viel ich mercken kan / So haſtu nichts als Noth und Leid / Jm Lieben noch zur Zeit verſpuͤret. Ach wuͤrde der Genieſſung Suͤſſigkeit Dir kuͤnfftig beygefuͤhret! Verſuche doch einmal / und dencke zu genieſſen / So wird dir kund gethan / Wie man nichts lieblichers wird zu ergruͤnden wiſſen: Als wenn eine ſchoͤne Nymfe / die dich aberglaubiſch liebt / Wie du itzt die Amarillis, ſich dir zu genieſſen giebt. Dis iſt der Zucker dieſer Welt / Wenn man hat was man begehret / Wenn unſer Bitt uns wird gewehret / Und die Gewaͤhrung nicht dem langen Wunſch entfaͤllt; Wann der Liebſten Seufzen ſich reichlich zu dem deinen ſtellt. Kein ſchoͤner Wort iſt ja zu ſpuͤren /Als99Sechſter Auftritt. Als wann du hoͤren kanſt: Mein Liebſter was ich bin / Und alles was ich kan in Hertz und Adern fuͤhren / Das geb ich dir dahin. Jſt etwas ſchoͤnes nur an mir / Wie du vermeinſt zu finden / So iſt es dein alleine; Und dir Werd ich mit des Goldes Scheine / Meine Stirne / meine Bruſt / mich zu zieren unterwinden / Ja mein Hertze / ſo ich dir zur Behauſung zugericht / Das bewirthet itzt dein Hertze beſſer als ſich ſelber nicht / Doch dieſes iſt nur wie ein kleiner Fluß Bey das weite Meer geſetzt / So uns die Liebe laͤſt genieſſen; Doch wer es nicht verſucht / der kan es auch nicht wiſſen.
Und deſſen Gluͤcke wird vor andern hochgeſchaͤtzt / Dem das Geſtirne ſo zu helffen iſt befliſſen.
Nim ſerner nun mein Wort in acht / Jch haͤtte bald geſagt mein Hertze: Eine Nymfe / die ſich dir / wie du ihr / ſich wuͤrdig macht / Die dieſe Waͤlder zieret / Und tauſend Hertzen fuͤhret / Auf die mit uͤberhaͤufftem Schmertze / Die beſten Hirten ſeyn bedacht / Die ehrt dich mehr / als Hertz und Leben / Ja betet dich als ihre Gottheit an. Kan dir nun die Vernunfft noch etwas Kraͤfften geben: So laß doch / was ſie thut / nicht ſeyn uͤmſonſt gethan. Gleichwie den Leib der Schatten muß begleiten: So wird ihr Fuß auch ſtets nach deinem ſchreiten. Dein Wincken / deinen Willen Verehret ſie als Magd: Ja was dir nur behagt / Wird ſie bey Tag und Nacht / und wenn du wilſt erfuͤllen. Laß dis Geluͤcke doch itzt nicht aus deinen Haͤnden; Nichts weiß ſich dieſer Luſt zu gleichen / Da Seufzer / Angſt und Noth nicht den Compaß verruͤckt / Da ohne Muͤh dir ieder Wunſch geluͤckt /G 2Da100Der Dritten AbhandlungDa der Gehorſam ſich nach deiner Brunſt wil wenden / Und die Winde / ſo du hoffſt / ſtets das Segel dir beſtreichen. Kein Auge hat iemals dergleichen Schatz erblickt. Laß nun den falſchen Fuß und ſeine Stapffen fahren / Umfaſſe / was ſich ſehnt nach dir / Es kan ja dein Gebot nach Willen hier gebahren; Ja die / ſo dich begehrt / iſt gar nicht weit von hier / Und dieſe Stunde ſteht ſie dir bereit.
Es acht mein Hertze nicht der Liebe Liebligkeit.
So pruͤfe nur einmal / was dir mein Mund verſpricht / Und kehre dann zu deinen alten Plagen / Damit du doch nur koͤnteſt ſagen / Was der Genuß vor eine Sache ſey.
Ein krancker Gaumen acht des beſten Zuckers nicht.
So mache dieſe doch nur von dem Tode frey / Die nur zu leben weiß durch deiner Augen Licht / Du weiſt was Betteln ſey / und bitter Armuth tragen; Und wuͤnſcheſtu erhoͤrt zu ſeyn / So laß nicht ſelbſt den Nechſten in der Pein.
Wie ſoll ich doch ertheilen was mir itzt ſelbſt gebricht? Mein Schluß iſt / dieſer treu zu bleiben / Die ich ſtets / ſie ſey von Treu / oder ja von Untren voll / Als Goͤttin hoch verehren ſoll
Der Blindheit / die dich druͤckt / iſt dieſes zuzuſchreiben. Wem aber haſtu doch wohl deine Treu verſprochen / Mit Willen wolt ich wol dein Leiden nicht vermehren / Weil aber man ſo viel an dir verbrochen / Und mich / weil du mir lieb / dis ſelbſt ſcheint zu verſehren / So kan ichs ferner nicht verſchweigen. Vermeinſtu / daß aus Gottesfurcht und Ehre / Die Amarillis ſich dir grauſam wil erzeigen / Ach! glaubſtu dis / ſo mangelt dir Verſtand / Dein Hauß iſt itzt in fremder Hand / Ach! ach! Mirtillo hoͤre / Wann der und jener lacht / ſo muſtu es beweinen. Was ſagſtu / biſtu ſtumm / kanſtu mir dis verneinen?
Jch ſchweb itzund immittelſt Tod und Leben: Und weil ich noch nicht eigen kan ergruͤnden /Ob101Sechſter Auftritt. Ob dieſem Glauben ſey zu geben / So laͤſt ſich meine Zunge binden.
Zweiffelſtu an dem Bericht?
Hielt ich es vor gewiß / ſo muͤſt ich ja verderben / Und iſt es wahr / ſo wil ich augenblicklich ſterben;
Ach Armer ſtirb doch nicht / Du muſt zuvor dich raͤchen.
Jch glaube nicht / was deine Zunge ſpricht. Es kan nicht ſeyn.
Du glaubeſt nicht / und ſucheſt doch von mir / Was du dich gruͤndlich fuͤrchtſt zu wiſſen. Was ſoll ich ferner ſprechen / Schauſtu die Hoͤle dort vor dir? Dieſe ſchleuſt der Liebſten Ehre in ihr treu Behaͤltnis ein; Da lacht man deiner Treu / Da wird durch deine Pein / Der Nebenbuhlſchafft Luſt verzuckert werden muͤſſen. Da ſincket itzt / ich ſag es ohne Scheu / Deiner Amarillis Ehre in die groben Bauer-Armen / Das iſt der Lohn der Treu / laß nun die Thraͤnen flieſſen?
Die Goͤtter muͤſſe dis erbarmen! So iſt dann dieſes wahr / und ſoll ich dir itzt trauen?
Du wirſt noch aͤrgers ſchanen / Und heute noch / weil itzt die Stund erſchienen / So zu ihrer Luſt ſoll dienen. Verbirg dich nur in jene Hecken / Dadurch ſich laͤſt hier dieſe Gegend zieren: So wirſtu ſelbſt verſpuͤhren / Wie die Amarillis ſich in die Hoͤle wird verſtecken / Und wie ſie endlich auch den Buhler zu ſich nimt.
So zielt mir denn der Tod ſo zeitlich nach dem Hertzen!
Sie koͤmt itzund heran. Schau / wie ſie den Tempel-Weg ſo behutſam uͤberſchleicht! Schau itzund zu deinem Schmertzen / Wie man auch ein falſches Hertze aus den Fuͤſſen kennen kan. Hier warte nu / Und ſchaue ferner zu / Wie dann die Zeit dir gute Mittel reicht:G 3Dich102Der Dritten AbhandlungDich bin ich bald wieder zu ſchauen befliſſen;
Eh ich den rechten Grund der Sache werde wiſſen: So wird Tod und Leben mir noch im Zweiffel ſchweben muͤſſen.
AMARILLIS.
DHne GOTT ſoll ja der Menſch kein beſonder Werck be - ginnen / Jch gieng mit gantz beſtuͤrtzten Sinnen Zu dem Tempel hin / Von dannen ich itz und getroſt bin wieder kommen: Es war mir Geiſt und Sinn / Auf mein inbruͤnſtig Beten / Durch einen Himmels-Geiſt faſt aller Furcht entnommen /Mich103Siebender Auftritt. Mich deucht / es ſprach mir etwas zu / Gieb dein Gemuͤthe doch zu Ruh / Du kanſt nu wiederum auf deine Wege treten. Mich wolle nun der Himmel ſicher fuͤhren; Die Mutter reiner Brunſt Begleite die auf allen Seiten So ſich verlaͤſt auf ihre Gunſt! Ach Goͤttin / die du wilſt den dritten Zirckel zieren / Erkennſtu / was dein Sohn und ſeine Kertze kan: So nim dich meiner an / Laß mich geluͤcklich ſchreiten / Und verſchaffe / daß den Schaͤfer mag kein Ungemach beruͤhren / Dem meine Treu verbleibet unterthan. Und du geliebte Grufft / die du mich ſolſt umſchlieſſen / Laß dieſe Liebes-Sclavin ein / Und ihren Fuͤrſatz hier wohl ausgefuͤhret ſeyn. Saͤume dich nicht Amarillis, denn kein Auge kan dich ſchauen / Kein Ohre hoͤret dich / Schreit in die Grufft mit freudigem Vertrauen: Ach! koͤnteſtu doch mich Hier mein Mirtillo wiſſen.
MIRTILLO.
DJe Augen gehn mir auf / ich ſchaue nur zu viel: Ach! waͤr ich blind / ja beſſer nicht gebohren; Ach! daß der Himmel mich doch noch erhalten wil / Damit ich nur zum Jammer ſey erkohren / Mirtillo, deine Seele Fuͤhlt groͤſſer Angſt und Pein / Als das verdamte Volck in der erhitzten Hoͤle / Und wilſtu noch nicht glauben? Was ſuchſtu mehr Bericht? Die Ohren lehren dich / und deiner Augen Licht / Daß itzt dein liebſter Schatz in fremder Hand muß ſeyn /Nicht105Achter Auftritt. Nicht zwar durch die Welt-Geſetze / ſo ſie allen Menſchen rauben: Sondern nur durch Liebes-Satzung / ſo ſie dir allein entfuͤhrt. Kanſtu dich denn Amarillis noch nicht recht zu frieden ſtellen / Daß ich mich laſſen muß ins Garn des Todes faͤllen; Du ſpotteſt meiner noch dabey Und daß auch mein Nahmen nicht deiner Luſtgefertin ſey / Der doch dein Ohre hat zuvor mit Luſt beruͤhret / So macheſtu itzt deine Falſchheit kund / Und ſpeiſt / zu meinem Schmertzen / Jhn durch den boͤſen Mund / Daß du ihn ja nicht darffſt behalten in dem Hertzen. Wilſt aber du / Mirtillo, noch verweilen? Die dir das Leben hat gegeben / Hat die es auch genommen / Und iſt durch ihre Hand in fremde Haͤnde kommen. So ſtirbſtu nicht? wie weiſtu noch zu leben? Stirb / ſtirb / Mirtillo, du muſt eilen! Und weil du ja der Luſt muſt abgeſtorben ſeyn / So ſtirb auch ab dem Jammer und der Pein; Todter Mirtillo, ach! dencke zu ſterben: Und biſtu ſchone todt / So ſtirb auch deiner Noth / Die dich doch nur zu deinem Verderben Noch ferner laͤſt im Leben ſchweben. Wie aber ſterben ohne Rache! Der mich itzund ſterben heiſt / muß vor mir das Leben ſchlieſſen / Und ich werde meinen Tod noch ſo lange ſparen muͤſſen / Bis ich zuvor denſelben nieder mache / Und dem das Leben kan benehmen / Der ſich / das Hertze mir zu rauben / nicht darff ſchaͤmen Mein Schmertzen muß itz und der Rache weichen / Und das Erbarmnis muß den Wuͤten / Wie gleichfals auch der Tod dem Leben / Noch Platz und Stelle geben; Ja mein Blut ſoll ohne Rache nicht auf dieſer Spitze kleben / Und ehe ſoll die Hand Erbarmnis nicht beſtreichen / Bis daß ſie vor mit Grimm den Feind wird uͤberſchuͤtten / Wer der auch ſey / der itzt mein Antheil wil genieſſen /G 5Dem106Der Dritten AbhandlungDem reiſt mein Untergang auch ſeinen Wohlſtand ein. Jn dieſe Hecken Da wil ich mich verſtecken: Und wenn du wirſt naͤchſt bey der Hoͤle ſeyn / Dir einen ſcharffen Pfeil in deine Lenden ſchieſſen. Jſt dieſes aber recht / ſo heimlich ſich zu raͤchen? Solt es nicht beſſer ſeyn zu fechten Mann vor Mann? Daß meine Tapfferkeit mit Ehren zeigen kan / Wie mich die geſchaͤrfften Dornen eines edlen Eifers ſtechen. Nein / nein / das Hirten-Volck / das koͤnt uns hier verſtoͤren / Und fragen / was doch deſſen Urſprung ſey: Verſchwieg ichs / ſo waͤr ich nicht alles Tadels frey / Und ließ ich ſie auch was ertichtes hoͤren / So ſenckt ich meinen Ruhm tieff in Betruͤgerey: Bekennt ich denn / warum ich dis gethan Ey! ſo klebt ich meiner Liebſten nichts als Schmach und Flecken an. Wiewol ich nun nicht dieſes weiß zu lieben / Was ich ietzt ſchauen kan: So iſt die Liebe doch zu dieſem uͤbrig blieben / Was ich zuvor gewolt / und ſtetig werde wollen / So lang ich auf der Welt noch werde leben ſollen. Es ſterbe dieſer denn / der dieſes Band zu brochen / Der ihr die Ehr und mir das Leben raubt. Wenn ich mich denn nun dergeſtalt gerochen / Wird durch ſein Blut auch wohl mein Recht behaupt? Was aber fuͤrchtet der die Straff am Leib und Leben / Der ſtets den Tod begehrt? Wird die Urſach aber deſſen klaͤrlich in dem Lichte ſchweben / So iſt mein Ruhm verzehrt / Und ich muß mit Amarillis faſt ein gleiches Schandmal tragen. Mirtillo, du muſt noch was anders wagen / Du muſt dich in der Hoͤlen an ihn machen / Das wird das beſte ſeyn / Jch muß / ſo ſtill ich kan / mich ſchicken in die Sachen. Jch weiß / ſie gieng tieff in die Grufft hinein / Wie ich denn aus ihr ſelbſt vernommen / Darum begehr ich nicht zu tieff hinein zu kommen. Jm107Achter Auftritt. Jm Felſen iſt ein Spalt faſt unten zu zuſpuͤren / Den auf der lincken Hand die Straͤuche reichlich decken: Da wil ich heimlich mich verſtecken / Bis der Himmel dieſen Feind wird in meine Haͤnde fuͤhren; Jſt dann mein Feind erſchlagen / So ſaͤum ich nicht / Jch wil ihn bald zu meiner Feindin tragen / Mich recht an ihr zu raͤchen. Dann ſoll das Schwert auch ſeyn auf mich gericht / Jch wil mich ſelbſt durchſtechen / So brechen dreyer Hertzen / Zwey durch das Schwert / und eines durch den Schmertzen: Da ſchauet ſie dann mehr als nur zu viel / Theils wegen des verjagten / Theils wegen des behagten / Auf dem Schauplatz ihres Grimmes ein beruͤhmtes Trauerſpiel / Und dieſe Hoͤl’ allhier darinnen ſie gehofft Ein Kraͤuterbad der Buhlerey zu haben / (Ach wuͤrde doch nur auch derſelben Schmach begraben!) Wird ſo zu ihrer Grufft. Und ihr / ihr Stapffen ihr / die ihr mich itzund fuͤhret / Der ich euch lange Zeit vergebens nachgegangen / Leitet mich und laſt mich itzt dieſen ſchoͤnen Orth erlangen. Jch ehr und folg euch auch / als wie es mir gebuͤhret. Ach! Coriſca, Ach! Coriſca, hat mir endlich kund gethan / Was ich itzt glauben kan.
SATIRO.
DEr glaubet der Coriſc’ und folget ihren Fuͤſſen / Recht nach der Ericiner Hoͤle; Dis iſt wohl eine ſchlechte Seele / Die nicht das Spiel wird zu errathen wiſſen! Doch’ glaubſtu ihr / So wird ein feſter Band Dich ietzt verſichern muͤſſen / Als da ihr Haar ich mir Um meine Haͤnde band: Doch Band und Pfand genug / wo nicht Geſchencke fehlen. Die Feindin aller Zucht / Die hat nach ihrem Brauch ſich ihm verkaufſen wollen /Und109Neunter Auftritt. Und vor dieſe faule Wahre wird man itzt die Gelder zaͤhlen / Vielleicht hat auch der Himmel dich itzt herfuͤr geſucht / Daß er dich zugleich wird ſtraffen und auch mich wird raͤchen ſollen. Es zeiget ja ſein eigen reden an / Daß er nicht vergebens glaubt; Und die Stapffen ihrer Fuͤſſe Haben ihm genug behaubt / Daß er ſie in der Hoͤle finden kan. So mache / daß man ſie in dieſer Grufft verſchlieſſe. Der ſchwere Stein Wird hierzu dienlich ſeyn: So werden ſie mir nicht entkommen koͤnnen / Dann wil ich ungeſaͤumt hin zu den Prieſtern gehn / Und dieſes Schand beginnen / Jhnn geben zu verſtehn / Sie werden nicht entrinnen / Biß daß er und auch ſie mit Blut und Leben buͤſſe. Jch weiß / ſie iſt dem Coridon verſprochen / Der wil kein Wort verlieren / Dieweil ich meinen Grimm ihm oftmals ließ verſpuͤren: Jtzt tracht ich / wie es moͤcht an beyden ſeyn gerochen; Es iſt nun hohe Zeit / ich wil von jener Eichen Den ſtaͤrckſten Aſt abreiſſen; Der iſt mir gut / er wird gewiß nicht weichen. Wie iſt doch dis ſo eine ſchwere Laſt / Wie hat er mit der Erde ſich verfaſſt. Jch muß den Baum nur kraͤftig unterſchieben / Und dieſen Stein zu wiegen mich befleiſſen. Und dis gelingt noch wohl / Jch hab ihn wohl getrieben / Es ſcheint / daß ich dergleichen Auch hier verrichten ſoll: Wie haͤlt er ſich auf allen Seiten an: Das Werck iſt wichtiger / als ich wol nicht gedacht / Es ſcheinet / daß ich ihn nicht wohl bewegen kan. Steckt dann die gantze Welt darinnen? Hat meine Krafft ſich von mir weggemacht? Was ſtoͤrt doch vor ein Stern mein eifriges Beginnen? So110Schluß-Chor. So wirſtu mir denn weichen muͤſſen / Solt es die verfluchten Sinnen Der Coriſc’, und aller Weiber waͤre mir itzt faſt entriſſen / Gleich nicht vergnuͤgen koͤnnen. Du Vater Pan, der alles kan und iſt / Entzeuch mir itzt nicht deinen Segen; Und haſtu in deinem Leben etwan auch Betrug erkieſt / Ey! ſo ſtraffe die Coriſca doch itzund von deinet wegen! Jtzt ruͤhr ich ihn durch deiner Gottheit Macht: Jch hoffe Huͤlffe zu erlangen / Du haſt ihn und nicht ich / itzt von der Stelle bracht / Der Fuchs liegt nun gefangen / Er ſoll das Feuer lernen kennen: Solt ich alle falſche Weiber nur zuſammen ſchauen brennen.
DJe Liebe muß der gantzen Erden / Ja der Natur zum Wunder werden / Kein rauher Geiſt / ja kein ſo wildes Land Verbleibt von ihr unangerennet / Doch eigentlich die Krafft / dadurch die Flamme brennet / Hat noch kein Buch gelehrt / und auch kein Geiſt erkannt. Vor wem ihr ſchnelles Feuer blitzet / So uns mit heiſſer Brunſt erhitzet / Rufft: Mich betritt ein Geiſt / der endlich ſtirbt; Wer aber gruͤndlich hat verſpuͤret / Wie auch ihr ſtarcker Zug uns zu der Tugend fuͤhret / Rufft: unſre Seele zeucht ein Geiſt / der nicht verdirbt.
Du allergroͤſtes Ebentheuer / Halb Goͤtt-halb Menſchlich Ungeheuer / Bey Torheit klug und blind bey Augenſchein. Voll von Verſtand und truͤber Sinnen / Daraus ſich Regung kan von vieler Art entſpinnen; Doch haſtu dieſen Ruhm darbey erwerben koͤnnen / Daß Erd und Himmel dir muß unterthaͤnig ſeyn.
Doch111Schluß-Chor.Doch kan ich dis auch nicht verſchweigen / Daß ſich noch etwas weiß zu zeigen / So uͤber dich / und dich beſchaͤmet macht. Dann / ob dein Brand die Hertzen zwinget / Und als ein Wuͤtterich tieff in die Seele dringet / So wird es nur gethan durch ſchoͤner Frauen Pracht.
O ſchoͤnes Weib / vom Himmel kommen / Ja aus der groſſen Hand genommen / Die dich noch mehr als jenen hat geſchmuͤckt: Er kan ſich deiner Pracht nicht gleichen / Sein Cyclops - Auge muß vor deiner Schoͤnheit weichen / So offtmals Blendungen vor Strahlen zu uns ſchickt. Der Himmel kan Sturm / Angſt und Schrecken Durch ſeinen rauhen Mund erwecken / Als wie ein Leu der grimmig tobt und bruͤllt / Man zittert wann er ſich recht ruͤhret / Wenn er den Donnerknall aus rothen Lippen fuͤhret / Und ſich durch lange Nacht der Wolcken feſt umhuͤllt.
Du aber kanſt mit ſuͤſſem Blitzen Und Engels-Glantz die Welt erhitzen / Jndem du haſt zwey Sonnen aufgeſteckt Den Seelen / die in Unruh ſchweben / Und mit Verwirrung ſeyn viel lange Zeit uͤmgeben / Denn wird durch ihren Glantz die hoͤchſte Luſt erweckt.
Schall / Zierath / Schertzen und Bewegen Kan eine Gleichheit hier erregen / Die durch das Band der Anmuth alles zwingt: Sie heiſt des Himmels Meinung weichen / So ſelbſt dem Paradis an Schoͤnheit zu vergleichen Daß ſeine Pracht ſo tieff als deine Schoͤnheit dringt.
Das andre Thier / der Mann genennet / Dem alles dienſtbar ſich bekennet / Verfehlet nicht / wann er dich knechtiſch ehrt. Und / ob gleich Kronen / Gut und Leben / Jhm zu beherrſchen ſeyn vom Himmel uͤbergeben / Geſchicht nicht / daß der Frau / das Hefft nicht auch gehoͤrt.
Des112Schluß-Chor.Des Urthels darff ſie ſich nicht ſchaͤmen / Es wird ihr nicht ihr Lob benehmen / Und ihre Hand wird nicht dadurch veracht / Dis alles hat der Himmel ihm geſchencket. Daß er bey ſeiner Macht der Frauen Ruhm bedencket / Weil des Beſiegten Krafft den Sieg noch groͤſſer macht. Wer hier ein Beyſpiel hat begehret / Dem hat Mirtillo dis gewehret / Es reiſſt ein Weib ihm Menſch - und Mannheit ein. Doch war das beſte noch verſtoͤret / Daß man / O edles Weib / dich nicht als Goͤttin ehre[t]/ Weil du die Liebe laͤſt ohn alle Hoffnung ſeyn.
CORISCA.
JCh habe mir die Einfalt zu beruͤcken / So angelegen laſſen ſeyn Daß ich auch an mein Haar / So mir der Schlingel abgerieſſn / Faſt nicht einmal gedacht. Es wolte mir wol bitter ein / Daß ich von meinen beſten StuͤckenHDas114Der Vierten AbhandlungDas liebſte ſolte laſſen muͤſſen / Doch anders kont ich nicht entkommen der Gefahr / Wiewohl ein Blat ihn ſonſten furchtſam macht / Und er ein Haſen-Hertz in ſeinem Leibe traͤget / So hat er mir doch Spott beweiſen koͤnnen. Jch hab ihn ſtets veracht und meiſterlich betrogen; Ja alle Krafft ſo ſich bey ihm gefunden hat Hat ihm die Liebes-Glut nun zimlich ausgezogen. Jtzt klagt er / daß ſich meine Gunſt gelegt / Und dieſes Klagen auch das haͤtte gute ſtatt / Haͤtt ich ihm nur einmal gewiedmet Geiſt und Sinnen. Denn was nicht Liebens werth / das kan man ja nicht lieben / Gleichwie ein Kraut / ſo dem / der es geleſen / Eh als der Safft heraus gedruͤckt / Sehr nutzbar iſt geweſen; Als nunmehr keine Krafft darinnen iſt geblieben / So wird es hingelegt / und nicht mehr angeblickt. Man ſchaut mich eben ſo itz und mit ihm gebahren: Als ich das Beſt an ihm hab ausgepreſſt / So laß ich nun die Huͤlſen fahren / Das Spuͤhl-Schaff und der Schacht behaͤlt den faulen Reſt. Jtzt moͤcht ich doch wol wiſſen / Ob Coridon ſey in die Hoͤle kommen; Was ſchau ich / was iſt dis? Schlaff ich / wach ich / bin ich truncken? Jch weiß ja vor gewiß / Daß noch vor kurtzer Zeit die Hoͤl’ eroͤffnet ſtund / Wer hat ſie denn verſchlieſſen muͤſſen? Wie iſt der Stein ſo bald herab geſuncken? Kein Beben hab ich ja um dieſen Ort vernommen? Doch wuͤſt ich nur den Grund / Ob hier zu der Amarillis ſich der Coridon gefunden? Das andre geht mich nicht beſonders an / Doch hat mir / weiß ich recht / Liſette kund gethan / Daß er ſich faſt vor einer Stunden / Hab auf den Weg gemacht. Er wird vielleicht auch wohl darinnen ſeyn / Und Mirtillo hat gedacht /Sie115Anderer Auftritt. Sie zu verſperren durch den Stein / „ Denn wenn Eiferſucht und Zorn ſich zu Lieb und Brunſt geſellen / „ So vermoͤgen ſie die Welt nicht nur Steine hinzufaͤllen. Verfehlt nicht mein Gedancken: So hat Mirtillo mir mehr Nutzen ſchaffen muͤſſen / Als ich mir nicht gewuͤnſcht von ſolchem zu genieſſen. Saͤß an ſtatt der Amarillis ich in ſeines Hertzens Schrancken! Jch muß den Bergſteg hin recht auf die Hoͤle gehn / Die Warheit und den Grund der Sachen zu verſtehn.
DORIND A. LINCO.
MEin Linco, wie es ſchien / So kanteſtu mich nicht?
Wer haͤtte dich in dieſen alten Huͤllen Doch vor die ſchoͤne Dorinda gehalten. H 3Ach116Der Vierten AbhandlungAch waͤr ich nur ein Hund / wie ich der Linco bin / Jch haͤtt auch wider deinen Willen Dein Angeſicht Genugſam kennen wollen! Was ſchau ich aber doch?
Du ſchaueſt / wie man muß die Liebe laſſen walten / Und wie an derer ſehweres Joch / Mich auf beſonder Art ich habe ſtellen ſollen.
Ein zartes Weibesbild / Voll Zaͤrtligkeit wie du / Die noch vor kurtzer Zeit Jn ihrer Ruh Mit Windeln war uͤmhuͤllt: Und die ich / ſo zu ſagen / Noch geſtern / wie mich deucht / hab auf der Hand getragen. Die / derer Fuͤſſe Zaͤrtligkeit / Dieweil es mir als Diener war vergunt / Jch erſtlich lehren ſchreiten / Und derer Mund Jch zum erſten fuͤrgezeiget wie man Syllben ſoll bereiten; Die vor faſt furchtſamer als eine Hindin war / Eh als die Liebe ſie gedachte zu beſtreiten /[U]nd ſie gebunden fuͤhrte /[d]er ieder Wind / ja iedes Blat /[D]er kleinſte Wurm / den man auf Graß und Kraͤutern ſpuͤrte /[H]at eine Furcht erweekt /[D]ie waget itzt die kuͤhne That /[L]acht der Gefahr /[U]nd wird durch keinen Hund und auch kein Wild geſchreckt.
Ach! dem der Liebes-Pfeil das Hertze recht durchſticht:[d]er fuͤrchtet / glaub es mir / ſonſt keine Wunden nicht.
Dich hat die Liebe treffen muͤſſen /[W]eil du dich in einen Mann / ja in einen Wolff verſtellet.
Ach! koͤnte dein Geſicht[H]ier dieſe Tieffe recht erreichen[S]o ſchauteſtu den Wolff / der ſich alhier enthaͤlt /[D]urch den / als wie ein Schaf mein Hertze wird zuriſſen. (chen?
Was vor Wolff? du wirſt ja nicht / Silvio, den Woͤlffen glei -
Dor.Du ſagſt es / Ach! genug Bericht!
Jſt Silvio ein Wolff / ſo haſtu auch getracht / Dich in die Woͤlffin zu verſtellen; Denn / weil die Menſchen-Art ihn ja nicht dienſtbar macht / Daß doch / was woͤlffiſch iſt / ihn kaͤme hinzufaͤllen. Wo haſtu aber wohl die alten Lumpen funden?
Das wil ich dir itzt ſagen; Gleich mit den erſten Morgenſtunden Nahm ich mir vor zum Berge hinzugehn / Wo Silvio beſchloß das wilde Schwein zu jagen; Jch kam nicht recht aus dem Gepuͤſch herfuͤr / Wo man das Baͤchlein ſchaut aus dem Gebuͤrge flieſſen / So ſchaut ich unverhofft fuͤr mir Den laͤchzenden Melampo ſtehn / Der wegen Durſt in etwas ruhen muͤſſen. Die ich nun / was da nur nach Silvio ſich nennet / Ja die Stapffen von den Fuͤſſen / Und den Schatten / den er macht / Zu ehren bin befliſſen / Geſchweige dann den Hund / den er als Schatz erkennet / War alſo bald bedacht / Jhn mit mir wegzufuͤhren; Der Hund ließ auch nichts wiedriges verſpuͤren / Er ließ ſich meine Haͤnde lencken. Jch hatte mir nun fuͤrgenommen / Dem Silvio dadurch das Hertze zu gewinnen / Jhm ſolchen wiederum zu ſchencken. So ſchaut ich eben ihn von ferne zu mir kommen / Dieweil er ſeinen Hund ſonſt nirgend finden koͤnnen. Dis was ſich unter uns nun ferner zugetragen / Mein Linco, ſind gar wunderliche Sachen: Jch weiß dir alles nicht zu ſagen / Doch wiſſe dis / den Handel kurtz zu machen: Er gieng / nach dem er mich beruͤcket / gantz davon / Er ſtahl mir den Melamp’ und mein verdientes Lohn.
Ach rauher Silvio! was thateſt aber du? Ergrim̃teſt du dich nicht der groſſen Falſchheit wegen?
Ach nein! H 3Ja118Der Vierten AbhandlungJa als wenn der Zornes-heiſſer Schein Mir meine Liebes-Glut mit Kraͤfften ſolt erregen: So lachte da ſein Grimm auch meinem Brande zu: Jch gieng darauf / auf unterſchiedner Bahn / Recht nach der Jagt / als wie ich angefangen: So traff ich den Lupino an / Der kurtz zuvor von mir hinweg gegangen / Da fiel mir ein / Mich in ſeinen Bauer-Rock alſo liſtig zu verkleiden / Daß ich auch moͤcht einem Hirten bey den Huͤrten gleiche ſeyn / Und mein Aug in Sicherheit koͤnt an meinem Liebſten weiden.
Du haſt in Wolffsgeſtalt dich auf die Jagt begeben / Und dich hat doch kein Hund verletzet in dem Leben. Dorinda hat ein groſſes wollen wagen.
Wie ſo? Es kan der Hund daſſelbe nicht verletzen / Was ihm der Herr gedenckt vor ſeinen Raub zu ſchaͤtzen. Jch ſtund nur nach Behagen / Auſſerhalb der Netze Schrancken / Mit Hirten uͤberall uͤmgeben / Und ließ nun Auge und Gedancken Mehr um meinen edlen Jaͤger als um Jagt und Hunde ſchweben; Doch wenn das Schwein begunte ſich zu wuͤttern / So fieng mein Hertz auch an zu zittern / Sah ich den Silvio nur einen Finger ruͤhren / So trieb mein Geiſt empor / ſo ſehr er immer konte: Doch ſchaut ich meine Luſt ſich wiederum verlieren / Nach dem das Schwein zu regen ſich begunte. Das Schwein / ſo wild und ſtarck mit ungeheurer Pracht / Den ausgetretnen Fluͤſſen / So eilends Baͤum und Haͤuſer eingeriſſen / Sich gantz aͤhnlich hat gemacht / Denn eben ſo muſt alles zu der Erden / Menſch / Hund und Spieß / Durch Blut - und Geſcht-gemengten Biß Dahin geriſſen werden / Wie offte ließ ich dieſe Worte gleiten! Koͤnt ich doch vor meines Liebſten Leben Mein eigen Blut hingeben;Bald119Anderer Auftritt. Bald wuͤnſcht ich ſelbſt zu ſtreiten / Seiner Bruſt durch meine Bruſt einen Schutz-Schild zu bereiten. Nicht ſelten ließ ich dieſe Sylben ſtreichen: Ach! wildes Schwein / Stelle doch dein Wuͤtten ein / Und gedencke nicht den Leib meines Liebſten zu erreichen. So klagt ich voller Angſt bey mir / Als er den Hund Der mit ſcharff-geſtaͤhlten Spitzen / wie es Brauch / gewaffnet ſtund / Lief auf das wilde Schwein herfuͤr / So durch viel verwundte Hirten / und durch todter Hunde Schaar Alle Stunden ſtoͤltzer worden / und faſt nicht zu faͤllen war. Jch kan dir nicht den Muth des Hundes recht beſchreiben / Und Silvio thut recht / daß er ihn liebt. Ja eben / wie ein Leu / der aus entbranten Zorn / Des wilden Ochſens Horn / Sich bald laͤſt treiben / Bald ihm auch wiederum genug zu ſchaffen giebt: Wie der / nachdem er nun mit ſeiner ſcharffen Klauen Den Feind hat angetaſt / Jhn dergeſtalt verfaſſt / Daß man ihm nun kan uͤberwunden ſchauen. So ſahe man auch den Melampo ſtreiten / Nachdem er lange Zeit den ungeheuren Zahn / Vor welchem nichts beſtehen kan / Vermieden hat auf allen Seiten / So faſſt er nun das Schwein recht bey den Ohren an: Und als er es genug geſchuͤttelt / Und hin und wieder wohl geruͤttelt / So hielt er es mit ſolcher Macht / Daß es ohn alle Regung ſtund / Und / weil es auch in etwas wund / Leicht konte werden uͤmgebracht. Dann lenckte Silvio ſein Hertz in dieſem Streit Auf die Diana zu / und ſprach: Laß deine Hand Und meinen beſten Pfeil ſeyn auf das Wild gewandt. Des erlegten Schweines Kopff ſchenck ich dir aus Schuldigkeit. H 4Nach120Der Vierten AbhandlungNach dieſem nahm er ſeinen beſten Pfeil Aus des Koͤchers Gold-belegtem Schoß / Und ſchoß in Eil / Nachdem er ſeinen Bogen Bis an das Eiſen angezogen / Auf des Schweines Schultern loß. Weil dann der Pfeil ihm bis zum Hertzen drang / So ſchaute man daß es zu Boden ſanck. Als nun ich den Silvio gaͤntzlich ſchadenloß verſpuͤret / So ſprach ich: Geſegnetes Wild / Dieſe Hand / ſo dich erleget / hat dich auch mit Ruhm erfuͤllt / Weil ſie unvermerckter Art aller Menſchen Hertz entfuͤhret.
Was wird man aber wol mit dieſem Wilde machen?
Von allen dieſen Sachen Weiß ich nichts eigentlichs zu ſagen; Jch machte mich bey zeiten / Aus Furcht erkennt zu werden / auf die Seiten: Doch wird man itzt den Kopff in Tempel tragen.
Was machſtu aber denn / und wann entkleidſtu dich?
Jch bin bereit zu eilen. Doch der Lupino hat noch mein Gewand bey ſich / Und hat mir zugeſagt beym Brunnen zu verweilen. Doch hab ich ihn daſelbſt nicht funden. Mein Linco, liebſtu mich / So wirſtu ihn itzt zu ſuchen / dir nicht vor beſchwerlich ſchaͤtzen / Denn er wird ſich weit zu gehen wohl nicht haben unterwunden. Jch wil mich aus Muͤdigkeit hier in das Gepuͤſche ſetzen / Denn ich mag in dieſen Kleidern nicht bey mir geſchauet ſeyn.
Jch gehe. Warte hier / So bald es moͤglich iſt / ſo ſtell ich mich bey dir Gewißlich wieder ein.
Reyh der Schaͤfer. ERGASTO.
JHr Hirten habt vernommen / Was unſer Halbs-Gott hat gethan / Den Montano einen Sohn ohne Tadel nennen kan / Und der von dem Hercules als ein groſſer Enckel kommen. Dieſer hat das rauhe Wild / So gantz Arcadien mit Schrecken hat erfuͤllt / Durch kuͤhne Fauſt gefchlagen / Und iſt itzund bereit / Was er gelobet hat / den Goͤttern fuͤrzutragen / Schlaͤfft unſre Danckbarkeit? Laſſt uns unſerem Erloͤſer alſo bald entgegen gehn /H 5.Laſſt122Der Vierten AbhandlungLaſſt die Pflicht getreuer Hertzen ihm fuͤr ſeinen Augen ſtehn Ob auch gleich ein hoher Geiſt Ehre nicht Belohnung heiſt / So kan man endlich doch der Tugend in dem Leben Die Ehre nur allein zu der Belohnung geben.
O ſchweres Ungeluͤck! O Zufall / reich an Leid! O Schaden / den kein Pflaſter kan verjagen! O Tag / der taͤglich wird mit Thraͤnen uͤberſtreut!
Wer weinet hier uͤm uns / was hoͤren wir vor Klagen?
Jhr Sternen voller Grimm / ihr zornigen Geſellen / So ſpottet ihr der Treu / und reiſt ſie gaͤntzlich ein! Habt unſer Hoffnung ihr ſo hoch gedacht zu ſtellen / Daß ſie mit Ach und Weh geſtuͤrtzet muͤſte ſeyn.
Es ſcheint / Ergaſto iſt: Er iſt es gar gewiß.
Ach! klage nicht den Trieb des Himmels an / Klag uͤber dich und dis / Was du ſelbſt gethan. Du / du haſt den rechten Zunder unter Stahl und Stein gebracht / Deine Hand hat Feuer hier geſchlagen / Das Holtz herzu getragen / Und die Flamme groß gemacht / So itzt kein Menſch mehr daͤmpſſen kan. O ſchwerer Stand den zwey Verliebten! O Amarillis, reich an Pein! O armer Titiro, der Tochter-loß muß ſeyn! Du trauriger Montan, als Spiegel der Betruͤbten! Ach! ach! O armes Land! noch aͤrmer aber wir! Mit Angſt und Noth uͤmfangen / Auge / Hertz / Gemuͤth und Ohre kan itzt nicht viel anders hier / Als Schrecken / Greul / Verdruß und Ungeluͤck erlangen.
Was muß doch wol dis vor ein Zufall ſeyn? Der unſre Noth heiſt gantz beſammen ſtehn. Laſſt uns doch / ihr lieben Hirten / dem Ergaſt entgegen gehn; Er koͤmt itzt gleich herbey. Stellt ihr denn / ihr groſſen Goͤtter / noch nicht euer Zoͤrnen ein! Sag uns doch / was vor ein Trieb deiner heiſſen Thraͤnen ſey?
Glaubet mir / ihr lieben Freunde / ich beweine dieſe Pein / So des gantzen Landes Auge denckt zu truͤben ihren Schein!
Was ſageſtu?
Der Hoffnungs-Pfeiler liegt!
Rede doch / daß man Verſtand deines groſſen Schmer - tzen kriegt.
Wer kennt des Titiro beruͤhmte Tochter nicht? Jhres Stammes letzten Zweig / ihres Vatern Steck und Stab? Bey welcher man in Angſt und Leid Die ſicherſte Huͤlffe gedachte zu ſuchen / Die durch des Himmels Freundligkeit Dem Sohne des Montano war verſprochen / Die dem lieben Vaterlande groſſe Hoffnung von ſich gab; Die Nymfe / von der Hand des Himmels zugericht / Der Tugend Blum und Licht / Die klug Amarillis, das Muſter der Zucht / Ach die / (mein Wort iſt auf der Flucht) Ach die / (ich fuͤhl itzund / was mir das Hertze bricht.)
Sie todt!
Sie lebet zwar: Doch ſtehet ſie dem Todte ſchon im Rachen.
Was hoͤren wir?
das iſt die ſchlechtſte Noth / Die Schmach wird ihren Todt voll Fleck und Mackel machen
Jſt Amarillis dann nicht ehrlich / iſt es wahr?
Ach ja / ſie war bey dem Verbrecher funden! Und wartet ihr ein wenig noch alhier / So koͤnt ihr ſie verfaſſt in Tempel ſehen fuͤhren. Schwerſte Tugend / und zugleich aller Nymfen beſte Zier / Ach Keuſchheit! die ſich itzt ſo ſelten laͤſt verſpuͤren / Es wird endlich keine Frau wahrer Keuſchheit Titul zieren / Auſſer dieſe / der kein Mann hold zu ſeyn ſich unterwunden / Warlich aller Frauen Ehre reiſſet der Verdacht itzt ein / Weil itzunder faſt die Ehre nicht mehr Ehre weiß zu ſeyn.
Mein Schaͤfer / ſage doch den Grund der gantzen Sachen!
Jch bin bereit euch ſolches kund zu machen: Montan, der Prieſter / kam zu fruͤher Tages-Zeit / Und Titiro mit ihm / der Vater voller Leid /Der124Der Vierten AbhandlungDer Vater / der itzund die Tochter muß verfluchen / Und beyde fuͤhrt ein Trieb den Tempel zu beſuchen / Jhr Seufzer lenckte ſich auf dieſen groſſen Tag / Da ihrer Kinder Eh ſie recht vergnuͤgen mag; O laͤngſt gewuͤnſchte Zeit! Man ſchaut itzt Opffer bringen: Gedaͤrm und Glut verſprach / es ſolte wohl gelingen: Und der Tirenio ſprach freudig / O Montan, Du / ſchauſt den Silvio noch heut als Braͤutgam an! Und Titiro, dein Kind wird heute Braut geheiſſen. Geh eilend in dein Hauß / du muſt dich itzt befleiſſen / Zu dencken auf ein Feſt / das alle luſtig macht; O tumme Prophecey / die billich wird verlacht! Und du verblendter Mann an Augen und an Sinnen / Wann du dem Titiro nur haͤtteſt ſagen koͤnnen / Daß die vermeinte Braut dem Todte ſich vermaͤhlt / So haͤtte ja dein Wort der Warheit nicht verfehlt. Ach Jammer! alles Volck / das ſtant mit Luſt uͤmfangen / Die Freude netzte ſelbſt den Vaͤtern ihre Wangen / Und eh als Titiro nach ſeinem Hauſe kam / So brach ein Schrecken ein / das alle Luſt benahm. Man ſchaute nichts als Angſt der Menſchen Geiſt beſtreichen / Der Tempel war erfuͤllt mit tauſend boͤſen Zeichen / Als Boten eines Grimms / der nach dem Himmel ſchmeckt: Das Zittern und die Furcht / durch ſolches hier erweckt / Laß euch / ihr Hirten / ich itzunder ſelbſt bedencken / Jndem von auſſen ſich die frommen Leute kraͤncken / So beugt die Prieſterſchafft tieff in der Sacriſtie / Als wie das andre Volck / mit Schmertzen ihre Knie: Mit dieſem kam der Schalck der Satiro gegangen / Und zeigte / wie es ſchien / ein ſehnliches Verlangen / Bald bey dem Wuͤrdigſten der Prieſterſchafft zu ſeyn. Weil dann mein Amt befiehlt zu laſſen aus und ein / So fuͤhrt ich ihn dahin / wohin er ihm begehret: Er nun / aus dem nicht viel von guter Zeitung faͤhret / Sprach laut: Ach hoͤret mich ihr lieben Vaͤter an! Daß euer Opffer euch noch nicht vergnuͤgen kan / Daß euer Weyrauch ſtinckt / daß Glut und Flamm erſtirbet / Jſt ja kein Wunderwerck / weil itzt die Zucht verdirbet /Und125Dritter Auftritt. Und einer Nymfe Hand das werthe Band zubricht / So Treu und Satzung hat mit Fleiſſe zugericht. Die Ericener Grufft wird deſſen Zeugnis geben / Da findet ihr ſie noch in geilen Armen ſchweben / Wo ihr mir folgen wolt. Wie legt doch unſer Sinn / Wenn das Verhaͤngnis wil / faſt alle Kraͤfften hin! Wie fehlt uns der Verſtand! Die mehr als frommen Alten / Die Opffer und Altar bisher beſtuͤrtzt gehalten / Die meinen nunmehr recht den Jrrthum zu verſtehn / Nicandro kriegt Befehl zur Hoͤle hinzugehn / Und durch den Satiro die Nymf herbey zu bringen. Weil alle Prieſter nun an ſeiner Seite hiengen / So gieng er nach der Hoͤl auf unbeſuchter Bahn / Die ihm der Satiro verſchlagen kund gethan. Die arme Nymfe nun / uͤmzirckt mit Noth und Steinen / Verlaͤſt / als ſie das Liecht der Fackeln ſiehet ſcheinen / Der Hoͤle tieffe Schoß / und ſteht itzund bedacht / Zu fliehen durch den Orth / vorlaͤngſt ſchon zugemacht Durch Liſt des Satiro.
Was dacht er nun zu machen?
Er dachte ferner nicht auf den Verlauff der Sachen / Und ſtahl ſich heimlich weg / als er uns angefuͤhrt. Wie war durch Schrecken doch der Prieſter Geiſt beruͤhrt / Als man das keuſche Kind des Titiro erblicket! Man hatte ſie nicht recht gefangen und beſtricket / So machte ſich aldar in einer kuͤhnen Eil Mirtillo ſelbſt herfuͤr / und warff den langen Pfeil Auf dem Nicandro zu; Ach haͤtt er / nach Verhoffen / Dahin wo er gezielt / auch kraͤfftig angetroffen / So waͤre wohl gewis der Prieſter ohne Geiſt: Doch / als Mirtillo ihn zu treffen ſich befleiſt / So wich Nicandro aus / daß die erzoͤrnte Spitze Zwar in die Kleidung faͤhrt / doch ihre beſte Hitze Jm Futtertuch erloͤſcht / und nicht die Bruſt beruͤhrt / Da man den Pfeil ſo ſtarck verfaſſet hat geſpuͤrt / Daß / weil Mirtillo denckt ihn wieder zu erlangen / Daruͤber unvermerckt verbleiben muß gefangen.
ReyhWas that man nun mit ihm?
Man fuͤhrt in ei - nem nun Jhn auf den Tempel zu.
Was da mit ihm zu thun?
Die Warheit dieſer That nach Recht zu uͤberlegen: Man wird auch wol gewiß daſſelbe wohl erwegen / Daß er den Prieſter ſich zu ſchimpffen unterſtund. Ach! das mir doch nicht / ihn zu troͤſten / war vergunt!
Wie? nicht vergunt?
Ach nein: der ſchlechten Diener Hauffen Darff warlich nicht ſo frey zu den Beklagten lauffen: Drum wolt ich laͤnger nicht bey der Verſamlung ſtehn / Um deſto freyer itzt zum Tempel hinzugehn / Aldar des Himmels Schluß mit Thraͤnen aufzuſchlieſſen / Und deſſen klaren Strahl in kuͤnfftig zu genieſſen. Jhr Hirten lebet wohl / euch wuͤnſch ich gute Nacht / Nur ſeyd mit beten auch auf unſer Heyl bedacht!
Das ſoll nicht unterlaſſen ſeyn / Nachdem dem Silvio wir unſre Pflicht gethan: Jhr Goͤtter ſtellet doch das lange Zoͤrnen ein / Und ſchauet uns mit Gunſt und nicht mit Eifern an!
CORISCA.
JHr ſiegenden Lorberzweig / ehret die Haar / Auf den’n Triumph und Ehre liegt: Jch hab in dieſem Jahr Jm Liebes-Felde ritterlich gekriegt / Und obgeſiegt. Erd und Himmel / ja Natur und Kunſt / Freund und Feind / Verhaͤngnis und Geluͤcke / Verſchwenden ihre Gunſt / Und ſtreiten itzt vor mich mit hochgeneigtem Blicke: Der falſche Satiro, der mich nicht lieben kan / Der nahm ſich als ein Freund hier ſelber meiner an / Und Mirtillo iſt durch Zufall leichter in die Hoͤle kommen /Als128Der Vierten AbhandlungAls Coridon, den ich auf allen Seiten Mir eifrig fuͤrgenommen Betruͤgeriſch zu leiten. Nur der Amarillis Schuld recht dadurch herauszuſtreichen / Solt auch Mirtillo gleich mit ihr gefangen ſeyn / So darff er doch nicht buͤſſen / Weil nur die Verbrecherin hier wird Straffe leiden muͤſſen. O ſchoͤner Sieg! O werthes Sieges-Zeichen! Jhr buhleriſchen Luͤgen Komt / richtet mir Gedaͤchtnis-Seulen auf / Jhr zieht mit Allmacht bey mir ein / Doch muß Coriſca nicht verziehen: Coriſca, denck auf Flucht und Lauff / Bis die Amarillis wird ihrer Falſchheit Straffe kriegen. Sie doͤrffte ſonſt / dem Unfall zu entfliehen / Auf dich die Schulden binden; Und der Prieſter doͤrffte wol / eh er zu der Straffe ſchritte / Sich auf mein Wort begehren zu gruͤnden. Du muſt itzt zu entweichen dich bemuͤhen; Jch nehme dieſe Warnung mitte; Dem / der nicht wol lauffen kan / Schlaͤgt das Luͤgen oftmals uͤbel an. Jch wil in dieſer Hecken / Bis ich des gewuͤnſchten Schatzes recht genieſſen werde koͤnnen / Mich itzt verſtecken. Coriſca, wer ſchaut ein artiger Beginnen?
NICANDRO. AMARILLIS.
DEr muſt ein Hertz aus Stahl / ja gantz kein Hertze fuͤhren / Der nicht / elende Nymf / itzt dich beklagen ſolte / Und dieſes zwar mit mehrer Pein / Je weniger es der ihm laͤſt empfindlich ſeyn / Dem ſolches ſcheint vor andern zu gebuͤhren. Wann man ſich gleich bemuͤhen wolte / Die Nymfe frey von Wehmuth anzuſchauen / So auch der Himmel ſelbſt bemuͤht war auszuziehren / Ja die zum Opffer ihr die Welt ſchien zu verbinden / Und nun / als Opffer / ſich gebunden laͤſt befinden: So wird man ſich doch dis zu enden nicht getrauen. Wer aber noch bey dieſem ſich befleiſſtJZu130Der Vierten AbhandlungZu dencken / wie du biſt gebohren; Und auch / worzu du biſt erkohren; Daß Titiro dich Tochter heiſt / Und des Montano Schnur gewiedmet biſt zu werden / (Welche Maͤnner nicht nur Hirten: ſondern Vaͤter dieſer Erden) Daß eine Nymf auf der der Schoͤnheit Sternen glaͤntzen Ja der noch die Natur nicht zeigt des Lebens Graͤntzen / Durch Unbedachtſamkeit zu ihren Tode rennt: Der laͤſt billig einen Bach tauſend Trauer-Traͤnen rinnen. Und ſolt er dieſer ſich alhier enthalten koͤnnen / Ey! ſo wird er vor ein Menſch ein verſtelltes Vieh genennt.
Nicandro, waͤr itzund der Unfall meine Schuld / Und thaͤt ich ie der Keuſchheit was zu wider / Als wie es zwar geſchehen ſcheint zu ſeyn; So legt ich mit Gedult Den Halß dem Beile nieder / Und lieſſe durch mein Blut und durch die Todes-Pein Die Schuld gebuͤſt / den Geiſt geſaubert werden / Vergnuͤgte Gott / und auch das Recht der Erden. Jch koͤnte leicht alſo den truͤben Geiſt beſtillen / Und durch vernuͤnfftiges Erwegen / Daß ich die Qval verdient / bezwingen meinen Willen / Ja / ohne Seuffzen mich dem Tode niederlegen / Und durch eine ſtille Bahn Zu dem ſuͤſſen Leben eilen / das kein Unfall ſtoͤren kan.
Jch wolte / daß durch Schmach dich haͤtt ein Menſch verletzet / Und daß ſich nicht dein Geiſt dem Himmel widerſetzet; Dann leichter koͤnten wir dir retten deinen Ruhm / Als recht genugſam thun der Goͤtter Heiligthum. Was dich nun itzt verletzet hat / Das biſtu ſelbſt / wie ich vermeine; Hat man dich nicht betroffen auf der That / Und zwar mit dieſem gantz alleine Mit dem dein leichter Geiſt hat Eh und Treu gebrochen? Wareſtu denn nicht dem Sohne des Montano recht verſprochen? Wie ſoll man dieſes denn nicht klaren Ehbruch nennen? Und meinſtu / daß deine That noch ohn allen Tadel ſey?
Amar.Man mag das Werck vor was man wil erkennen: Kein Geſetz hab ich verletzet / und bin nun der Strafe frey
Die Satzung der Natur zwar haſtu nicht verletzet; Sie ſagt: Komm liebe dis / worzu du biſt geſinnt. Doch haſtu wider die des Himmels dich geſetzet / Die rufft: nicht liebe mehr / als was man dir vergoͤnnt.
Es ſcheint / daß Erd und Himmel auf mein Verderben tracht Jſt es wahr / daß unſer Heil uns von oben wird gebracht / Wie wird der Himmel doch ſein rechtes Ambt verwalten? Wann itzund das Verhaͤngnis macht Daß eine fremde Schuld vor meine wird gehalten.
Ach! Nymfe halt doch innen / Bezwing doch Zung und Ungedult / Der Himmel hat nicht Schuld. Wer wird wol deſſen Thun und heimliches Beginnen Verwegen tadeln koͤnnen? Ach tadle keinen Stern / verklage Geiſt und Sinnen / Von denen gut und boͤſe Faͤlle rinnen.
Jm Himmel klag ich nichts / als mein Verhaͤngnis an: Und uͤber die ſo mir die Schmach gethan.
Klag uͤber dich nur ſelbſt / die du dich haſt betrogen.
Ja ich betrog mich zwar / durch fremde Liſt gezogen.
Dieſe der Betrug gefaͤllt fuͤhlet nicht Betruͤgerey.
So meinſtu / daß ich voll von Brunſt und Unzucht ſey?
Das weiß ich warlich nicht: du kanſt das Werck befragen.
Die Wercke zeugen offt / was nicht die Hertzen ſagen.
Doch ſchaut man nur das Werck / die Hertzen aber nicht.
Der Geiſt iſt vor das Hertz als Auge zugericht.
Doch iſt der Geiſt verblendt / wenn ihn der Sinn nicht fuͤhret.
Ach! fuͤhrt ihn nicht Vernunfft / ſo wird er falſch geſpuͤhret.
Ja die Vernunfft verfehlt in unbekanter That.
So weiß ich daß mein Geiſt hier nicht verfehlet hat.
Wer hat dich denn / als du / gefuͤhret in die Hoͤle.
Die Einfalt / und ſonſt nichts / als eine reine Seele.
Haſtu denn Buhler dann die Seele ſo vertraut?
Der Freundin / auf die ich mehr als zu viel gebaut.
Was Freundin? Ja / du meinſt das Gunſt-geneigte Hertze.
J 2Am.Die Schweſter des Ormins, den Leitſtern zu dem Schmertze.
Wen ſeine Buhlſchafft lockt / der lachet der Gefahr.
Was wuſt ich / ob dahin Mirtillo kommen war?
Was hatteſtu aldar zu thun dir fuͤrgenommen.
Genug / daß ich dahin nicht ſeinet wegen kommen.
Ach weiſtu nichts / als dis / ſo iſts uͤm dich gethan.
Man frag ihn / ob er mich mit Recht was zeihen kan?
Er / den man gleiche Schuld / und gleichen Fleck ſchaut tragen?
Die / ſo mich hat verfuͤhrt / mag mein Verbrechen ſagen.
Der trauen / die dich ſelbſt durch Untreu hat verletzt.
So ſey die Unſchuld denn auf einen Eid geſetzt. Diana ſoll mich ſehn mit gleichen Lippen ſchweren.
Sie kennt den falſchen Eid / ſie wird ihn nicht begehren. Ach! Nymf / ich heuchle nicht! Laß die Gedancken ſchwinden / Und dich doch nicht durch Dunſt und Traͤume binden / Und hoͤre / was dein Freund itzt ohne Falſchheit ſpricht. Zum ſaubern iſt fuͤrwar kein truͤbes Waſſer gut. Es wird kein gutes Wort erzeugt durch falſchen Muth / Wann uns das Werck verklagt / Da hat Entſchuldigung zu keiner Zeit behagt. Du haͤtteſt ja das Kleinod deiner Zucht Den Angen gleiche ſollen ſchaͤtzen / Du wirſt dich nur durch Selbſt-Betrug verletzen / Und findeſt nicht / was du geſucht.
So ſoll ich nun vergehen? Nicandro, ach! was ſtoͤſt mich an! Jſt keiner hier der mich begehrt zu ſchuͤtzen? Ach! ich fuͤhl ohn allen Troſt mir den Tod das Hertze ritzen! Nichts als Wehmuth ohne Krafft / die mir doch nicht helffen kan / Wil / als traurige Geſpielin / itzt an meiner Seite ſtehen.
Ach Nymfe ſtelle dich zur Ruh! Und haſtu deinen Witz befleckt mit falſcher Schuld / So mache / daß dein Todt Nicht ohne Strahlen ſey der muhtigen Gedult. Und iſt dein Stamm gepflantzt durch einen Gott / So lenck auch deinen Geiſt itzund den Himmel zu. „ Die Wurtzel treibt den Baum / den Fluß gebiert das Meer;„ Was133Fuͤnfter Auftritt. „ Was Freud und Leid ſich nennt / das koͤmt von oben her / „ Was hier in dieſer Welt offt unſre Geiſter druͤcket / „ Das hat der gute Qvell von oben zugeſchicket. Der groſſe Jupiter, der alles weiß und kennt / Ja dieſer Goͤttin reines Weſen / Der ich zum Prieſter bin erleſen / Die wiſſen / wie mich itzt dein Unfall hat berennt. Hat mein Geſpraͤche dich verletzet / So folgt ich hier der Aertzte Hand / Die offtermals mit grauſamen Erbarmen Das Eiſen laͤſt in einer Wund’ erwarmen / Und es in die Oerter ſetzt / Wo ſich der groͤſte Schmertzen fandt; Ach ſtelle dich zur Ruh / und laß dir dis belieben Was in dem Himmel iſt geſchrieben.
O rauher Spruch! er komm aus Himmel oder Erden; Doch weiß ich wohl / er koͤmt vom Himmel nicht / Weil ihm ja von meiner Unſchuld itzt nicht Wiſſenſchafft gebricht / Er kennt mich: doch mir kan ſo nicht geholffen werden / Dieweil ich ſterben ſoll. Ach ſchwerer Gang! Ach herber Trunck! Und wilſtu mir / wie du geſagt / noch wohl / So verweile noch ein wenig. Ach! es iſt ja Zeit genug!
Der / ſo nicht gerne ſtirbt / ſchmeckt ſtuͤndlich ſeinen Tod: „ Nicht gerne ſterben iſt die groͤſte Todes-Noth / „ Wer ſterben ſoll und muß / wird zeitlich uͤberwinden / „ Wenn er ſich zeitlich wird zu ſeinem Tode finden.
Vielleichte wird mir wol noch etwan Huͤlffe kommen. Ach Vater! wie verlaͤſtu mich / Bin ich dann nicht dein Kind / Wie biſtu gegen mich geſinnt? Werd ich ohne deinen Kuß in das kalte Reich genommen? Ach Vater dieſer Schlag verletzet mich und dich. Die Wunde / ſo itzund der Tochter wird geriſſen / Heiſt auch des Vatern Blut mit reichen Stroͤhmen flieſſen. Liebſter Vater / ſuͤſtes Wort / dem der Nectar muſte weichen / Wie daß du mich itzund mit Schmertzen ſterben laͤſt? Der meinen Noͤthen ſtets hat wollen Huͤlffe reichen /J 3Be -134Der Vierten AbhandlungBegehrt itzund alſo der Tochter Hochzeit-Feſt? Es ſchauret mir die Haut / es beben mir die Knie / Des Morgens Braut / des Abends Opffer-Vieh.
Ach Nymfe / plage dich und andre nicht uͤmſonſt / Jch muß dich itzt in Tempel fuͤhren. Jch moͤchte ſonſt Genad und Gunſt Der Goͤtter und der Menſchen gantz verlieren.
Nun / ihr Walder / gute Nacht! Nehmt dieſen letzten Seuffzer an / Bis der ungerechte Stahl mich wird haben uͤmgebracht / Und mein Schatten euren Schatten wiederum begruͤſſen kan. „ Dann in die Hoͤle weiß die Unſchuld nicht zu gehn: „ Und die Verzweiffelung kan nicht im Himmel ſtehn. Mirtillo, dieſer Tag troff voller Ungeluͤcke / Als mich dein Ange hat das erſtemal betracht / Und ich das erſtemal empfunden deine Blicke; Soll dann mein Leben / So du noch mehr als das deine geliebet / Nur dir zum Leben ſeyn gegeben / Damit es mich itz und dem bleichen Tode giebet / Und fuͤhret in die lange Nacht? Wer ſolte dieſes dencken. Jch leide Todes-Pein / Dieweil ich aller Schuld und Suͤnde frey zu ſeyn / Dich ſo viel lange Zeit bemuͤhet war zu kraͤncken. Das Fromm ſeyn und der Glimpff verrauchen ohne Frucht / Es mangelt uns Verbrechen oder Flucht / Was hilfft dis aber mich: Jch ſterb itzt ohne Schuld / und auch / ach! ohne dich / Mirtillo, ach! mein Hertze!
Jhr Goͤtter / ach! Sie ſtirbt vor Schmertze! Ach! Komt / und helfft ſie mir doch halten! Ach! ungemeine Noth! Des Mirtillo fuͤſſer Nahmen bringet ihr itzund den Tod / Und verliebte Traurigkeit wil des Beiles Statt verwalten. Du / arme Nymfe / du! doch ſpuͤr ich noch ein Leben / Mich deucht ich fuͤhl ihr Hertze ſchlagen / Helfft mir ſie doch zum nechſten Brunnen tragen;Leicht -135Sechſter Auftritt. Leichtlich wird ein friſcher Tropffen ihr noch etwas Kraͤffte geben. Doch / bey dieſer wird Erbarmnis gar ein ſchlechtes Lob erwerben / Die durch Schmertzen wil vergehn / daß ſie nicht durch Stahl darff ſter - ben. Doch muß man ſie nicht laſſen in der Noth. Was kuͤnfftig iſt / das weiß alleine Gott.
Reyh der Jaͤger. Reyh der Schaͤfer / mit dem SIL VIO.
HAt deine junge Fauſt ſich maͤnnlich wollen wagen / Zu faͤllen dieſes Schwein? So wird der Hercules, der auch ein Schwein ge - ſchlagen / Gewiß dein Anherr ſeyn!
O junger Held / dem Ruhm gebuͤhret / Durch dich fiel Erimantus Wild / So man vor unbezwungen hielt / So tod den Tod noch in ſich fuͤhret. Wer dieſes nicht wohl glauben kan / Der ſchaue hier den Schaͤdel an / Den unſer Halb-Gott abgeſchlagen. Jhr Hirten ſchreibt den Tag in Stahl und Marmel ein / Des Ruhmes Fluͤgel ſoll ihn tragen / Und jaͤhrlich muß er auch von euch gefeyret ſeyn.
Hat deine junge Fauſt ſich maͤnnlich wollen wagen / Zu faͤllen dieſes Schwein / So wird der Hercules, der auch ein Schwein geſchlagen / Gewiß dein Anherr ſeyn!
O junger Held! mit Ruhm uͤmfangen / Der du das Leben ſchlecht geſchaͤtzt / Und kuͤhn vor ander aufgeſetzt; So laͤſt die Ehre ſich erlangen! „ Der Himmel hat in dieſer Welt „ Den Schweiß dem Ruhme zugeſellt / „ Aus Unluſt wird die Luſt gebohren. „ Es hat die duͤrre Ruh / ſo nicht Bewegung liebt / „ Sich unvermerckt auch hin verlohren: „ Die Arbeit pflantzt den Baum / der rechte Fruͤchte giebt.
Hat deine junge Fauſt ſich maͤnnlich wollen wagen / Zu faͤllen dieſes Schwein / So wird der Hercules, der auch ein Schwein geſchlagen / Gewiß dein Anherr ſeyn!
O junger Held! der Ehr erlanget / Durch den das angenehme Feld / So vormals uͤbel war beſtellt / Mit ſeiner alten Krone pranget. Jtzt wird in ſtiller Sicherheit Der ſchwere Samen ausgeſtrent / Der Bauer kan in Hoffnung pfluͤgen / Die Erndte ſtoͤhrt forthin kein ungezaͤhmter Fuß / Es heiſt kein Zahn die Aehren liegen / Und macht / daß guter Fleiß zu nichte werden muß.
ReyhHat deine junge Fauſt ſich maͤnnlich wollen wagen / Zu faͤllen dieſes Schwein / So wird der Hercules, der auch ein Schwein geſchlagen / Gewiß dein Anherr ſeyn!
O junger Held! die hohen Wercke Belacht des Himmels reine Pracht; Dein Schwein war nicht von minder Macht Als das da band des Herculs Staͤrcke. Es haͤtte deine Helden-Hand Es auch gelegt in Kett’ und Band; Doch muſt’ das erſte Meiſter-Zeichen / Nicht wie das dritte ſeyn / ſo Hercules gethan. Die Jugend wil das Wild beſtreichen / Dein hoͤher Alter greifft die Ungeheuer an.
Hat deine junge Fauſt ſich maͤnnlich wollen wagen / Zu faͤllen dieſes Schwein / So wird der Hercules, der auch ein Schwein geſchlagen / Gewiß dein Anherr ſeyn!
O junger Held! dem Ruhm gehoͤret; Wie kan doch Gottesfurcht und Muth Bewegen dieſes junge Blut? Schau! Cynthia, womit dich ehret Dein Jaͤger; Nim den Schaͤdel an / Der hier und da iſt angethan Mit Zaͤhnen / den dein Horn ſich gleichet. Nun Goͤttin! flog der Pfeil vermittelſt deiner Hand / Und hat das rauhe Wild erreichet / So nim itzt auch den Kopff / als wahrer Liebe Pfand.
CORIDON.
WAs mir der Satiro vergangen hat vertraut / Das hab ich erſtlich faſt als Maͤhrlein angeſchaut / Jhm zwar zur Nutzbarkeit und mir zum Schimpff erdacht. Jch ſagt / iſt dis / was mir Liſette fuͤrgebracht / Nicht lauterer Betrug? Wie kan denn dis beſtehen / Daß die Coriſca wird dahin mit andern gehen / Da ſie allein auf mich zu warten ſich entſchloß? Doch dieſer Hoͤle Schlund macht mich des Zweiffels loß / Jch ſchaue ja dafuͤr die Laſt des Steines liegen / Die Sach iſt allzuwar / ich ſpuͤre kein Betruͤgen. Coriſca, ach Coriſc! ich hab es laͤngſt geſagt / Daß auf den falſchen Tritt / der dir bisher behagt /Ein139Siebender Auftritt. Ein ungemeiner Fall noch wuͤrde folgen muͤſſen: Jch haͤtte zwar zuvor und zeitlich koͤnnen ſchlieſſen / Daß Falſchheit uͤbermahlt durch ſchnoͤde Heucheley Des Zufalls / der dich trifft / ein Trieb geweſen ſey / Wann nicht die Liebe mir den Fuͤrhang fuͤrgezogen. Das Gluͤcke hat fuͤrwar noch meiner wohl gepflogen / Es war / als wenn man mir ein Schwerd ins Hertze ſtieß / Als mich der Vater noch zu Hauſe bleiben hieß. Nun ſchau ich / daß ich ſo bin der Gefahr entnommen / Denn waͤr ich etwas fruͤh hin zu der Hoͤle kommen / So ſteckt ich itzt in Noth. Was fang ich aber an / Soll itzt mein Eifer ſeyn durch Rache kund gethan? Nein / nein / mein Eifer wird durch Achtbarkeit verzehret / Und Wehmuth wird allhier / nicht Rach und Zorn begehret. So haſtu denn Gedult / und leideſt den Betrug? Sie fuͤhlt itzund das Schwerd / damit ſie andre ſchlug; Sie wolte meine Treu veraͤchtlich von ihr jagen / Und ließ den Schaͤfer-Knecht vor andern ihr behagen / Der / als ein Fremder / ihr ſtellt mit Betrug und Liſt / Und ſie in kurtzen ſelbſt mit ihrer Ehle miſſt. Wie aber wird man dann die Schuld nicht raͤchen muͤſſen? Soll das Erbarmnis denn hier aus dem Zorn entſprieſſen? Sie hat dich ja verletzt / doch auch zugleich geehrt / Jch halte viel von mir / daß mich ein Weib verſehrt / Die nach gemeinem Brauch / auf ihr Verderben rennet / Was Lieb und Gegenlieb / erfodert nicht erkennet / Die den / der Liebens werth / als leichte Spreuen acht / Und den / der nichts verdient / zu lieben iſt bedacht. Steigt aber dir der Schimpff gleich itzo nicht zu Hertzen / So wird doch der Verluſt nicht bleiben ſonder Schmertzen. Dis / was nicht meine war / das wird mir nicht entwandt / Jch hoͤr itzt auf zu ſeyn ein Sclave fremder Hand. Was iſt doch vor Verluſt bey Schoͤnheit ohne Zucht / Bey Augen / da der Witz vergebens wird geſucht / Bey Leichnam ohne Hertz / bey Hertze ſonder Seele / Und Seele ſonder Treu / ja einer faulen Hoͤle / Da nur ein Schattenwerck und Aaß der Liebe liegt / So morgen durch Geſtanck und Faͤuluis wird bekriegt /So140Der Vierten AbhandlungSo allen Glantz verzehrt. Jſt dis Verluſt zu nennen? Man wird es / irr ich nicht / noch vor Gewinn erkennen. Wird ohne die Coriſc’ an Nymfen Mangel ſeyn? Und ſtellt ſich ohne ſie nichts wehrtes bey mir ein? Sie ſelber wird forthin nicht ſolche Buhler finden / Die ſie mit Lieb und Treu / wie Coridon, verbinden / Sie war nicht ſeiner werth. Ach! ſing ich dieſes Lied / Darzu der Satiro mir ihr zum Schaden rieht Und ſagte / wie ſie Treu und Redligkeit gebrochen / So haͤtt ich mich genug an ihrer Liſt gerochen. Es gieng ihr an den Halß / doch mein geſetzter Geiſt Wil nicht / daß mich ein Weib itzt in Verwirrung reiſſt. Die Bosheit einer Frau war allzuſehr geehret / Wann auch durch dieſes wuͤrd ein reiner Geiſt geſtoͤret / Wenn er ſich raͤchen ſoll. Coriſca mag itzund Verbleiben / was ſie wil / es iſt ihr wohl vergunt. Sie darff ſich wegen mein nicht in den Tod begeben / Sie mag / dafern ſie wil / itzt wegen andrer leben. Jhr Leben ſoll und muß mir kuͤnfftig Rache ſeyn. Sie lebt itzt ihrer Schmach und Buhlſchafft gantz allein / Jhr Zuſtand wehret mir / ihr Feindſchafft zu erzeigen / Jhr Spott / nicht ihre Schuld wird mir zu Hertzen ſteigen.
SIL VIO.
ACh Goͤttin! die du ja nur Goͤttin denckſt zu ſeyn Des Volckes / das man kan falſch / blind und muͤßig ſchauen / So durch verkehrten Sinn ehrt deines Nahmens Schein / Und mit nichtigem Vertrauen Dir Tempel und Altar wil bauen / Sag ich Tempel? Zufluchts-Staͤdte / Schand - und Bosheit-reicher Wercke / Da faͤlſchlich ſich der Titel reiner Pracht / Der faulen Schlipffrigkeit zu einer Decke macht. Und142Der Vierten AbhandlungUnd daß man nicht das Schand-Spiel mercke / So biſtu Goͤttin ſtets bedacht / Dein eigne Schuld durch fremde Schuld zudecken / Wann du deinem Volcke laͤſt frey den Geilheits-Zuͤgel ſchieſſen. Thorheits-Freundin / Diebſtahlſtifftern / Seelenſtoͤrern / Weltbe - trug / Das Meer das hatte guten Fug / Daß es aus ſeiner Schos dich / Tochter / hieß entſprieſſen / Und als ungeheure Mutter dich ließ in der Muſchel ſtecken / Dich / dich / die erſtlich zwar durch linde Hoffnungs-Lufft Jederman berufft; Doch bald darauf in allen Hertzen Nichts anders wirckt / als Ungeſtuͤmm und Schmertzen / Als Angſt und Pein. Daß du beſſer eine Mutter vieler Stuͤrme / Qval und Threnen / Von Wahnwitz und vergebnen Sehnen / Als der Liebe koͤnteſt ſeyn. Betrachte doch itzt das verliebte Paar / So du in Noth haſt wollen ſetzen; Jſt die Allmacht / ſo du ruͤhmeſt / dir itz und nicht gantz verkuͤrtzet / So rette doch der armen Nymfe Leben / So dein uͤberzuckert Gifft itzt hat in den Tod geſtuͤrtzet. O mehr als geluͤckliche Zeit! Da dir meine keuſche Seele / Cynthia, gewiedmet war. Cynthia, die hier mein Geiſt wil vor ſeine Gottheit ſchaͤtzen / Und ihr ewig Opffer geben. Ach! maͤchtige Gottheit / Die unten die trefflichſten Seelen erfreut: Als wie bey den Sternen glaͤntzet deines Feuers Zierligkeit / Wie ſicher kan man doch in deinen Dienſten ſchweben / Da die armen Venus - Knechte nichts betrifft als Noth und Leid / Das Volck / ſo dich verehrt / legt wilde Schweine nieder / Durch Schweine ſind zumalmt der Venus - Knechte Glieder. Hier iſt mein Bogen / der nicht fehlt / Meine Krafft und Luſt; Die Pfeile ſtecken hier / den nichts als Sieg bewuſt;Die143Achter Auftritt. Die Pfeile ſtecken hier / den nichts als Sieg bewuſt; Und derer Flug allzeit zum Ziele rennet / Das kleine Gauckel-Spiel / So man die Liebe nennet / Und ihm die kindiſchen Waffen erwehlet / Komm itzt herbey / und ſtuͤrme wie es wil. Was mach ich aber doch? Jch ehre dich zu viel / Du kleiner Kinder-Schuͤtze / komm / komm / und reitze mich! Jch ruffe dich / ſo ſehr ich kan; Komm doch heran. Die Peitſch iſt nur / weil du ein Kind / vor dich. (VV. Jch Jſt dis der Wiederſchall / ſo in dem Walde blieben? (VV. lieben Die Liebe ruff ich itzt: So biſtu nun alhier. (VV. hier. Hier der Sohn derſelben Gottheit / ſo den Adon ihr er - kieſt. (VV. iſt Jſt es ſo / des Mavors Hure / ſo die Sterne lehret ſcher - tzen. (VV. hertzen Hertzlich klag ich / ſo zu lallen und mit Wind und Lufft zu ſprechen. (VV. raͤchen Raͤchen wil ſich derer Sohn / die ſo mancher Mann be - rennet. (VV. brennet Brennſtu gleich / ſo wird Vulcan dich doch nicht vor Sohn erkennen /(VV. nennen Nennen wird er dich das Weſen / ſo die Hertzen aufge - ſchwellt. (VV. Welt Welt / iſt dieſes dein Pallaſt / daß man hier in Straffe falle. (VV. alle Alle / ſo dich nicht verehren? doch was wird ſie wol verzehren? (VV. Zaͤhren Zaͤhren? Soll ich auch den weinen / denn du ſtets uͤmſonſt berannt? (VV. Brant Brant / wenn komt es / daß der Brandt mir Gemuͤth und Blut erhitzt? (VV. itzt Jtzo bald? Jch weiß es nicht: Kan man denn ſo bald entbrennen? (VV. rennen Rennen ſoll ich zu der Liebe? Ach! ſie bleibet wohl dort - hinden(VV. DorindenDie144Der Vierten AbhandlungDie Dorinde ſoll es ſeyn? Meinſtu dieſes denn alſo? (VV. So So ſoll ich denn Feinde lieben? Sage mir wer zwinget mich? (VV. Jch Jch ſoll itzt durch dich erliegen / und durch deiner Feinde Stich? (VV. dich Durch mich und meinen Pfeil? Was wirſtu endlich ſpre - chen? (VV. brechen Mein zubrochen Pfeil und Bogen ſoll dir nach dem Kopffe fliegen. (VV. luͤgen. So ſchau ich ja / daß du mit Weine biſt gefuͤllet / Lege dich doch auf ein Ohr / Und ſchlaff zuvor. Doch ſage mir doch auch / woraus dein Hochmuth qvillet? Wann aber zeigſtu mir doch deiner Flammen Blitz? (VV. Jtz Jtzt iſt ſchon vorbey / O der lahmen Prophecey! (VV. Ey Wie aber ſchau ich nicht in jener Hecken / Oder komt es mir ſo fuͤr? Sich etwas graues ſtrecken / So ſich einem Wolffe gleicht; Es ſcheint nicht nur / es iſt ein groſſer Wolff alhier. Wer iſt es / der mir itzt nicht an Geluͤcke weicht? O Tag / aus welchem nichs / als Sieg und Ehre qvillt! O Goͤttin / die mich heiſt zu faͤllen doppelt Wild! Wie / daß ich doch verweile / Schaue / Goͤttin / wie ich wil Den beſten meiner Pfeile / Jn deinem Nahmen itzt erkieſen. Ewige Schuͤtzin / damit das Geluͤcke Mir nicht den Schuß verruͤcke / So laß ihn auf das rechte Ziel Durch deine Leitung ſeyn gewieſen! Jn deinem Namen fleucht er itzt aus meiner Hand / Die Haut gelob ich dir / als meiner Liebe Pfand;
O145Neunter Auftrit.O ſchoͤner Schuß! Der Pfeil / der ſteckt aldar / wohin ich ihn gericht! Ach / haͤtt ich meinen Spieß ihn vollends recht zu faͤllen! Bald nimt er aufs Gepuͤſche ſeinen Lauff: Es ſcheinet / daß ich itzt die Stein ergreiffen muß; Doch findet man ihr auch nicht viel an dieſer Stellen. Was aber halt ich mich doch noch vergebens auf? Und ſuche mir Geſchoß? Was mach ich mir Verdrus? Was iſts / das mir gebricht? Hier ſteckt ja noch ein Pfeil / der ſoll den Garaus machen. Ach! was ſchau ich doch vor Sachen! Was haſtu Silvio gethan! Ach! Silvio, du Zweck von aller Noth / Unter einem Wolffes-Kleide ſchuͤſtu einen Hirten nieder! O ſchwerer Fall / den ich nicht wohl vertragen kan! KO Zu -146Der Vierten AbhandlungO Zufall / arger als der Todt! Mich deucht / ich kenne ihn / Der Linco ſteht bey ihm / und haͤlt die matten Glieder! O du verfluchter Pfeil / wie flohſtu ſo dahin? Du toͤdtliches Geluͤbd / und Urſach aller Pein / Die meine Luſt zerſtoͤret! Doch muß die Goͤttin mehr / als dieſes toͤdtlich ſeyn / Die es verſtattet hat und willig angehoͤret. Jch ſtellte mich zuvor / als ein Erloͤſer ein / Und ſparte vor das Volck noch Zeit / noch Blut noch Leben; Jtzo muß ich Moͤrder ſeyn und in Spott und Schanden ſchweben. Wirff / wirff den Bogen hin / du ungeachter Schuͤtze / Er iſt dir nichts mehr nuͤtze. Ach! ſchauet doch den Armen an / Der doch noch nicht ſo arm / als ich itzt werden kan.
LINCO. SILVIO. DORINDA.
ACh! Tochter / hat dich an! Dorinda lehne dich getroſt hier auf die Armen.
Ach! Dorinda, ich bin todt.
Linco, Linco, der als Vater nimmermehr mich laſſen kan!
Jhr Goͤtter / laſſt euch dis erbarmen! Es iſt Dorinda, ja / ach weh der groſſen Noth!
Es ſcheint / daß durch des Himmels Schluß Jhm der Linco de Dorinda ſtets mit Treuen muß verbinden. Er ließ ſich erſtlich bald bey meiner Wiege finden / Jtzt merck ich / daf er mich auch ſterben ſchauen muß / Und der Arm / ſo meiner Kindheit Windel und auch Wiege war / Macht ſich itzt mit hoͤchſter Wehmuth zu der treuen Todtenbahr.
O Tochter / mehr als Tochter geliebet / Verzeihe / daß mein Mund dir itzt nicht Antwort giebet / Zu Thraͤnen wird mein Wort durch uͤberhaͤuffte Pein
O Erdreich / thu dich auf / verſchlinge mich in dich!
Ach! ſtelle dein Eilen und Weinen doch ein. Dann jenes mehrt den Schaden / Damit ich bin beladen; Und dis betruͤbet mich.
Soll nun dieſes / ſchoͤne Nymfe / deiner Gunſt Belohnung ſeyn?
Tochter / ſey nur unverzagt / Vielleicht iſt noch zu deinem Schaden Rath.
Schoͤner Rath / wenn mir der Tod Huͤlff und Leben abgeſagt. Doch / wuͤſt ich doch zuvor wer mich verwundet hat?
Zu Mitteln muß man itzt / und nicht zum Thaͤter eilen: Die Rache weiß die Wunden nicht zu heilen.
Was machſtu aber hier? Und darffſtu noch verweilen? Stehſtu ſo keck fuͤr ihr? Wer legt dir dieſe Kuͤhnheit bey? Ach fleuch die Straffe / ſo dir dreut! Du bleibſt von ihr nicht frey. Schauſtu nicht / wie ſie die Rache itzt aus Aug und Lippen ſtreut Ach Silvio, ach fleuch! Ach / ach! Jch kan ja nicht; Ach! Jch weiß nicht / was vor Regung mir itzt in die Ohren ſpricht / Verzeuch / verzeuch:K 2So148Der Vierten AbhandlungSo muß ich ja verziehen / Wiewol ich ſolte fliehen.
So ſterb ich unbewuſt durch was vor eine Hand?
Silvio hat es gethan.
Silvio, ach! ſage mir / wie man dieſes niſſen kan?
Sein Pfeil iſt mir bekandt.
So ſchließ ich hoͤchſt erfreut der Augen mittes Licht / Weil Silvio mein trenes Hertze bricht.
Da iſt er gleich. Es ſcheint / er klagt ſich ſelber an. Der Himmel ſey gepreiſet / Du biſt in Waͤldern nun ſo lang umher gereiſet / Biß du einen rechten Schuß endlich haſt verrichten muͤſſen: So thue mir doch nun zu wiſſen / Der du wilſt wie Silvio, und nicht wie der Linco leben / Was ich dieſen ſchoͤnen Schuſſe ſoll vor einen Nahmen geben? Du weiſer Menſch / dem nichts zu gleichen / Haͤtteſtu dem alten Jecken nur zu rechter Zeit geglaubet; Denn wird dieſe hier erbleichen / So biſtu aller Luſt beraubet. Jch weiß du wirſt mich itzt berichten / Daß du dir einen Wolff zu treffen haſt gedacht. Vorwar / du wirſt die Sache ſo nicht ſchlichten. Dann heiſt das nicht blind zu ſeyn / alſo thoͤricht hin zu ſchieſſen; Du kenneſt ja der Hirten Tracht / Die ſich ſiets grau zu kleiden ſeyn befliſſen. Bilde dir / Silvio, dieſes nur ein: Wer ihm den gruͤnen Schein der Sinnen laͤſt belieben / Vor den iſt reiffe Fruchtdes Jrrthums auch verblieben / Meinſtu denn / daß dieſes Werck ohngefehr ſo kont entſprieſſen? Ach nein! Was Hertz und Geiſt erſchreckt / Geſchicht nicht ohngefehr; Es wird durch Gott erweckt / Und komt von oben her. Schauftu nicht / Daß dir des Himmels Geiſt / Erzoͤrnt vor uͤbel ſpricht / Daß du dich ohne Lieb und Welt zu ſeyn befleiſt? Die149Neunter Auftritt. Die Goͤtter wollen nicht auf Erden Goͤtter wiſſen / Die Tugend muß allhier auch Hochmuths wegen buͤſſen. Was ſagſtu nun itzund? Wer ſchleuſt dir doch ſo bald den vor beredten Mund?
Ach! Silvio, laß nur den Linco ſagen: Jhm iſt gantz unbekand / Was uͤber mich dein Geiſt vor Herrſchafft hat gefuͤhret / Ja wie mein Geluͤck und Leben bloß in deiner Fauſt beſtand. Muß ich itzt deinen Pfeil in meinem Hertzen iragen / So trag ich dis / was mir gebuͤhret / Ja du beſtreichſt ein Ziel vor dein Geſchoß genacht / Und weil mich albereit dein Augen-Blitz geruͤhrt / So werd ich itzund leicht erlegt durch deine Ha〈…〉〈…〉 Schau dieſe / ſo du ſtets zu haſſen haſt gedacht / Numehr / wie du ſie laͤngſt zu ſchauen haſt begehrt / Zu ſchieſſen haſtu ſie getracht / Es wird dir itzt gewehret: Sie ſolte deine Beute ſeyn / Sie ſtellt ſich auch / als Beute vor dir ein; Du trugſt nach ihrem Todt ein ſehnliches Verlangen. Jtzt findeſtu den Todt auf ihren bleichen Wangen; Was wilſtu mehr von ihr? Nichts mehrers weiß Dorinda dir zu geben. Soll dann ewig / Silvio, Stahl in deinem Hertzen ſchneben? Du kanteſt nicht / was mir Die Liebe wegen dein vor Wunden aufgeriſſen / So ſchau die Wunde hier / gemacht durch dein Geſchoß. Du verachteſt ſtets das Blut / ſo aus meinen Augen floß: So achte nun die Stroͤhme / die aus meiner Seite ſchieſſen? Haſtu aber mit Erbarmnis nicht auch Muth und Hoͤfligkeit / (Die letzten zwey ſind ja mit dir geboren) Jtz gantz verlohren / So verweigere doch nicht Den letzten Todes-Streit / Den letzten Seuffzer / der aus meinem Hertzen beicht / Mit einem Seufzer zu verehren: Suͤſſe wird mein Sterben ſeyn / laͤſtu mich die Woͤrter hoͤren: Reine Seele / fahre wohl!
K 3Silv.Ach! Dorinde, ſag ich meine? ſo ich meine nennen ſoll / Die meine wird / da ſie mir wird entwandt? Ja da ſie ſoll durch meine Hand erkalten / Und dazumal nicht meine war / Als ich ihr noch das Leben kont erhalten: Doch wirſtu mein itzund genant / Und verbleibeſts / was ſich auch immermehr darwieder ſetzet: Und waͤreſtu nicht meine / Als du mich deiner werth geſchaͤtzet / So nennet Silvio Dorirda doch die Seine / Auf der ſchwartzen Toden-Baar. Was du an mir ſchane kanſt / iſt bereit dich itzt zu raͤchen / Mein Pfeil verletzte Dane Bruſt / Du muſt mit meinen Pfeil auch meine Bruſt durchſtechen. Und wie dein Grimn mich itzund muß verklagen: So wuͤnſch ich / da[ß]dein Grimm auch mag mein Hertze brechen. Du konteſt mir vo〈…〉〈…〉 dieſem nicht behagen / Und meine Torhet hat dich bis hieher veracht. Schau / wie meirtreuer Fuß Hier ſich fuͤr dir[b]iegen muß / Und ein Zufall dich zur Goͤttin / und mich dir zum Opffer macht. Um Vergebun[g]ſprech ich dich / doch nicht uͤm mein Leben an. Hier haſtu Pfal und Bogen: Nicht richte / Was ich dir[r]eichen wil / nach Haͤnden und Geſichte / Sie haben[n]ichts gethan; Ein Jrrthum ohne Schuld der hatte ſie betrogen. Verletz[t]dieſe Bruſt / Der Unempfindligkeit verfluchtes Ungeheuer / Der Liebe ſtrenges Ebentheuer: Du irreſt / wo du nicht dem Hertzen Leid anthuſt. Meine nackte Bruſt alhier Die ſchaueſtu fuͤr dir
Soll ich an dieſe Bruſt ein kaltes Eiſen ſetzen? Du darffſt ſie nicht entdecken / Haſtu nur rechte Luſt / daß ich ſie ſoll verletzen. Schoͤner Felß / von Wind und Wellen meiner Seuffzer / meiner Zaͤhren /So151Neunter Auftritt. So offtermals beſtritten und beruͤhret; Jſt es Ernſt / daß dir mein Schmertzen Ein Erbarmnis kan erwecken / Oder geht es nicht von Hertzen. Doch du magſt ein weiches Fleiſch / oder ja ein Marmel ſeyn. So denck ich mich doch zu erwehren / Daß ich nicht verfuͤhret ſey durch den weiſſen Wunderſchein / Wie itzt dein und meinen Herren eines Wolffes Schein verfuͤhret. Die Liebe muͤſſe dich / nicht ich itzund verwunden / An deiner Lieb’ hab ich dich beſte Rache; Hochgelobet ſey der Tag / der mich erſtlich angeſteckt; Geſegnete Seuffzer / geſegnete Zaͤhren / Vor Rache wil ich euch gebuͤhrlich Ruhm gewehren. Ach Silvio, was komt dich an / Daß ſich deine Hoͤfligkeit itzt alhier danieder ſtreckt! Dann / der gehoͤrt nicht zu den Fuͤſſen / Den man vor ſeinem Herren haͤlt. Doch / ſo Silvio ein Knecht der Dorinda werden kan / So ſey ihr auch zu folgen nun beflieſſen / Und ſtehe auf / dieweil es ihr gefaͤllt. Du wirſt mir deiner Treu ja dis zu Pfande geben / Doch dis dabey / daß du begehrſt zu leben / Mir aber werde dis / was oben iſt / geſchrieben / Dann mein Hertze hat in dir gar genugſam Leben funden; Und lebeſtu / ſo bin ich auch bey Leben blieben. Doch / trachteſtu / daß meine Wunden Dem Rechte nach gerochen ſollen ſeyn / So ſey die Ruth auf den / der ſie verdient / gebunden: Der Bogen traͤgt die Schuld / der Bogen leid’ allein / Der Bogen iſt allhier / von dem koͤmt mein Verderben / Er ſoll alleine ſterben.
O rechter und hoͤflicher Spruch!
Du Mord-geneigtes Holtz / du ſolſt alleine buͤſſen / Dich / dich betrifft der Fluch / Und / daß du ja forthin nicht moͤgeſt Menſchen ſchieſſen / So brich hiermit in Stuͤcken / Deine Sehne geh entzwey / Dir ſoll kein Schuß in kuͤnfftig mehr geluͤcken /K 4Und152Der Vierten AbhandlungUnd ſey forthin nichts mehr als ein verachter Span / Jhr Pfeile bleibet auch nicht von der Straffe frey: Jhr Gebruͤder dieſes Pfeiles / der den Schaden hat gethan / Brecht / brecht durch meine Hand; Jhr ſolt forthin nicht Pfeile heiſſen / Die Feder wird nicht mehr das ſpitzig Eiſen zieren / Und auch das Eiſen ſoll nicht mehr die Feder fuͤhren / Von Federn wil ich Stahl / von Stahl die Federn reiſſen / Und werffen auf den Sand. Ach! Liebe / dis haſtu aus jener gruͤner Hecken / Durch einen Wiederſchall mir wohl zuvor geſagt: O Gottheit! derer Macht Sich uͤber Gott und Menſchen wil erſtrecken / Zuvor von mir verlacht / Jtzund aber als ein Herr meiner Seele hoch geacht; So dir ein Hertz aus Stahl zu zwingen hat behaget / Ey ſo ſprich doch auch itzund / Den dir zu binden iſt vergunt / Weil dis / was Dorinda trifft / auch nach meinem Hertzen jaget / Von des Todes Pfeilen frey; Dann wird er ihr durchs Hertze dringen / So ſchauet man den Tod / (Mich deucht / daß dis vor einem Gott Mehr als zu ſchimpflich ſey) Die ſiegende Liebe bezwingen.
So ſeyd ihr beyde wund? O angenehme Pein! Doch wird die Pein ohn alles Ende ſeyn / Wird die Dorinda nicht geſund. Man muß itzund auf Mittel ſeyn bedacht.
Ach! fuͤhret mich doch nicht zu Haus in dieſer Tracht!
Wuͤnſcht Dorinda ſonſt wohin / als zum Silvio zu kehren? Mein Haus das ſchaut dich heut als meine Braut; Dis ſoll dem Silvio auch nicht der Todt erwehren / Der dich auch todt zu lieben ihm getraut.
Wie findet ſich doch dis alſo zu rechter Zeit / Alls Amarillis Hochzeit / Ehr und Leben Von ihr geriſſen ſchaut. O153Neunter Auftritt. O ſchoͤnes Paar! Jhr Goͤtter zeugt den Blick von eurer Freundligkeit / Denn zweyen koͤnnet ihr itzund das Leben geben!
Ach! Silvio wirſtu es nicht gewahr / Wie ich mich kaume kan auf dieſe Seitel encken?
Dein Hertze wolle ſich nicht kraͤncken / Man iſt bemuͤht zu aͤndern alles Leid / Wir wollen Stuͤtze ſeyn / ſey du uns ſuͤſſe Laſt.
Ach Linco, gieb die Hand.
Jch bin dazu bereit.
Halt meine Hand / wie du ſie itz und haſt / Wir wollen ihr ſo einen Seſſel bauen. Dorinda, ſetze dich nur frey: Deine Rechte muß ſich dir uͤm den Halß des Linco ſchlieſſen / Und an meinen wirſtu dich mir der Lincken halten muͤſſen /K 5Ge -154Der Vierten AbhandlungGemach / damit der Schaden dir nicht geruͤhret ſey / Sonſt kanſtu ſicher trauen.
Ach! welch ein Stich!
Setze dich / Wie du vermeinſt / daß ſichs am allerbeſten ſchicke.
Mich deucht ich ſitze wohl.
Ach Linco! ſchreit gemach / daß man nicht etwan ruͤcke.
Schreit du gemach: doch weiſtu ohne mich / Was dir iſt anvertraut / das iſt ein hoͤher Stuͤcke / Als wenn man zum Siegeszeichen einen Schaͤdel tragen ſoll.
Erregt / Dorinda, dir der Pfeil auch etwan Pein?
Er ſticht mich zwar / mein Hertze / Doch / ein Stich in deinen Armen kan mir nicht verdruͤßlich ſeyn / Und ſtuͤrb ich gleich allhier / ſo ſtuͤrb ich ohne Schmertze.
OEdel-goͤldne Zeit / Da Milch die Speiſe war / Und da der Puſch die zarte Welt gewieget: Die Heerde ſtund erfreut / Befreyet von Gefahr / Man war noch nicht durch Schwert und Gifft bekrieget; Der Kummer / der itzt auf uns lieget / Hat uns noch nicht verdecket. Der wahren Sonnen Licht / So uns itzt mehrentheils gebricht / Und in dem Joch der Sinnen ſich verſtecket: Dis zeigt den Trieb / der dis und das begehret / Der fremdes Ufer ſucht / und fremde See befaͤhret. Der Firnis ohne Grund / Der keine Warheit kennt / So ſich mit Liſt und ſchnoͤden Schmeicheln zieret / Und der gemeine Mund / Die Ehre hat genennt /Der155Schluß-Chor. Der hatte noch kein Hertze recht beruͤhret: Vielmehr wie ſichs alhier gebuͤhret / Jn Luſt ohn alle Suͤnden / Bey Puͤſchen und bey Fluß / Zu ſtaͤrcken Hertze / Geiſt und Fuß / War da ihr Thun und reines Unterwinden Der Fuͤrſatz Treu und Ehre zu behalten / Der konte nimmer mehr in ihrer Bruſt erkalten. Jn Puͤſchen und auf Feld / Da ward durch reinen Schertz / Und keuſche Brunſt der Menſchen Geiſt verbunden / Es meint in ſolcher Welt Der Mund gleichwie das Hertz / Es war der Kuß / den man alldar empfunden / Mit Hymens Zucker wohl uͤmwunden / Die Roſen abzuleſen / War nur vor eine Hand / Dem falſche Luſt den Geiſt entbrant / Der wuͤſte hier nicht leichtlich zu geneſen: Dis was ſich Mann und Buhler itzund nennet. War in der erſten Welt nur vor ein Ding erkennet. O Zeit / die uns verdeckt Mit Keuſchheit loſer Luſt / Den reinen Schatz / den unſer Hertze heget! O Zeit / die dis erweckt / Was die verfuͤhrte Bruſt Nur zum Verderb auf geilen Schalcn traͤget / Die auch in Blumen Stricke leget / Die Freyheit hinzufaͤllen / Und Schein der Heiligkeit / Nach Luſt und Orts Gelegenheit Zur Suͤnde wil die loſen Netze ſtellen. Man tadelt nicht / was dort und da geſchiehet / Wann dis was ſchaͤndlich iſt / nur nicht das Auge ſiehet. Du wahres Seelen-Licht / So recht ſich Ehre nennet / Und als ein Schatz den Menſchen iſt gegeben /Ver -156Schluß-Chor. Verſchmaͤh uns Arme nicht / Laß du hier ſeyn entbrennt / Was unſrer Krafft kan ſchaffen neues Leben. Laß uns nicht mehr in duncklen ſchweben Der Troſt ſey nicht benommen / Daß Hoffnung bey uns ſteht; Daß zwar die Sonn offt untergeht / Doch wiederum mit Luſt muß zu uns kommen / Daß offt ihr Glantz mit Wolcken wird bedeckt / Und doch das ſchoͤne Gold bald wieder von ſich ſtreckt.
URANIO. CARINO.
ES find ſich uͤberall ein Ort / der uns gefaͤllt / Der tapffren Leute Land iſt dieſe weite Welt.
Die Warheit pflicht dir bey; Jch hab es ſelbſt er - fahren / Mein Freund Uranio, als ich vor vielen Jahren Der Eltern Haus verließ / und mit getreuer HandDas158Der Fuͤnften AbhandlungDas fremde Vieh gehuͤtt / und fremden Pflug gewandt / Bis daß ich runtzlicht bin dahin zuruͤcke kommen / Wo man mich glatt geſchaut und jung hat angenommen. „ Doch der / den noch beſtrahlt des Witzes Licht / „ Vergiſſt / wie weit er ſey / der erſten Wohnſtadt nicht; „ Man ſpuͤhret doch / wie ſich ein ſtarckes etwas findet / „ Das uns aus Vaterland mit ſuͤſſen Haͤfften bindet / „ Mit Haͤfften / ſo die Zeit nicht zu verfaͤulen weiß / „ Und gleich wie der Magnet / ob ſchon durch Flut und Eiß „ Nach Suden und nach Weſt der kluge Schiffer ſtreichet / „ Nicht eines Punctes weit von ſeinem Norden weichet: „ So geht es gleichfalls dem / der ſeine Vaͤter-Stadt „ Aus Luſt / die Welt zu ſehn / nunmehr geſegnet hat / „ Daß ihn / dafern er gleich muß in der Fremde bleiben / „ Doch ein gewiſſer Zug wird ſtets nach Hauſe treiben. Und du / Arcadien, du aller Laͤnder Pracht / Von mir / als Vaterland / ſtets hoch und wehrt geacht / Dem itzt mein Geiſt ſich neigt / das itzt mein Fuß beruͤhret / Haͤtt auch mich einer blind zu deiner Schos gefuͤhret / So haͤtt ich / Mutter dich / als Kind doch bald erkennt. Jch weiß nicht was vor Trieb der Luſt mich hat berennt / Was vor Empfindligkeit mir meinen Geiſt bezwungen / Daß mir das heiſſe Blut durch iedes Glied gedrungen / Als ich dich nur betrat / und du getreuer Freund / Du haſt es bis hieher ſtets gut mit mir gemeint / Den kein Beſchwernis hat von mir hinweg geriſſen / Du ſolt Gefert auch itzt der Freude werden muͤſſen.
Geferte bin ich itz / du weiſts / doch ohne Frucht / Du haſt nunmehr erlangt dis / was du haſt geſucht / Du kanſt den muͤden Fuß hier freudig niederſetzen / Dem Leibe guͤtlich thun / und dein Gemuͤth ergetzen: Jch aber / der nun gantz von Hauſe / Weib und Kind / Sich abgethan / und hier als Fremder ſich befindt / Kan zwar als dein Gefert itzt meinen Leib erqvicken; Doch dieſer Ketten Laſt / die meine Seele druͤcken / Wann ich erwegen wil den Schatz / den ich verließ / Jſt ohne Linderung; doch glaube vor gewiß / Daß keiner dieſes Haubt / ſo graue Haare zieren /Als159Erſter Auftritt. Als du / in fremde Luſt leicht haͤtte ſollen fuͤhren: Wiewol mir noch zur Zeit nicht eigeutlich bekant / Warum du mich mit dir gebracht in dieſes Land.
Du weiſt es wie mein Sohn / Mirtillo, ach mein Leben! Den mir der Himmel hat als einen Schatz gegeben / Aus Kranckheit in dis Land nach Mitteln kommen ſey; Zwey Monat / und wol mehr / ſeyn albereit vorbey / Daß er nach meinem Wunſch und des Ora kels Willen / (Es ſagt / Arcadi en ſoll deinen Kummer ſtillen /) Von mir ſich weggemacht. Jch / der nun dieſes Pfand Nicht lange ſchauen kan getrennt von meiner Hand / Ließ beym Ora kel mich / gleich wie zuvor belehren / So mich auch ungeſaͤumt ließ dieſe Woͤrter hoͤren: Zeuch in dein Vaterland / das Gluͤcke ruͤſtet ſich / Es liebet deinen Sohn Mirtillo und auch dich; Der Himmel wil dein Kind mit Wunder uͤbergieſſen / Doch laß Arcadi en nur mein Verheiſchen wiſſen. Du aber / treuer Freund / der du zu iederzeit Mich ungefaͤlſcht geliebt / zugleich in Noth und Leid / Laß deinen matten Leib ſich hier zur Ruh begeben: So wird die Ruh auch dann auf meinem Geiſte ſchweben: Mein Gluͤcke / ſtellet ſich daſſelbe bey mir ein / Soll mit Uranio ſtets gleich getheilet ſeyn: Und glaube mir / mich kan nichts Gutes mehr ergoͤtzen / Miſſt es Uranio.
Die Muͤh iſt ſchlecht zu ſchaͤtzen. Nimſtu / was itzt geſchehn / als Freundſchaffts-Zeichen an / So iſt vor alles dis mir gar genug gethan. Was aber hat dich doch in fremde Lufft getrieben?
Ein Geiſt zur Singe-Kunſt: Jch ließ mir nicht belieben Hier in Arcadi en allein gehoͤrt zu ſeyn. Mein liebes Vaterland das ſchien vor mich zu klein / Jch ſucht ein weiter Feld / ich trachte nur nach Ehren / Elid’ und Piſa ließ ich meine Lieder hoͤren / Die Oerter / welch’ ihr viel beruͤhmt und groß gemacht. Der Egon ſaß alhier in Vater Phœbus Pracht Mit Purpur ſtaͤts gezieret / mie Lorber-Laub uͤmfangen / Jhm hab ich Laut und Hertz zu Ehren aufgehangen. Ach! haͤtt ich doch alhier vergnuͤget meinen Geiſt /Jn160Der Fuͤnften AbhandlungJn Oertern / ſo die Ruh ſtets ihre Wohnung heiſt: Jch kam zwar zu dem Zweck / den ich ſo ſehr begehret / Doch weil der Himmel mir Geluͤck allein gewaͤhret / Und nicht zugleich den Griff dem Gluͤcke fuͤrzuſtehn / So fuͤhlt ich einen Trieb von Piſa wegzugehn / Das Argos, und zugleich Micene zu beſchauen. Hier wolt ich ein Altar vor eine Gottheit bauen / Die doch nur irdiſch war. Mit was vor Angſt und Leid Mir meinen Geiſt beſtrickt die ſtrenge Dienſtbarkeit / Erforſche nicht von mir; Jch mehrte meine Plagen / Und machte dir Beſchwer Doch kan ich dieſes ſagen: Man lachte meiner Muͤh / und hoͤhnte meinen Fleiß / Jch ſchrieb / ich weint / ich ſang / ich lag in Froſt und Schweiß / Jch lieff / ich ſtand / ich lied / bald traurig / bald ergetzet / Bald niedrig / bald erhoͤht / bald hoch / bald ſchlecht geſchaͤtzet: Und wie zu Delphos Stahl und Eiſen ſich befand / So heute war gebraucht von einer wehrten Hand / Die groſſe Sachen that / und morgen muſte dienen Zu Wercke ſchlechter Art: So bin ich auch erſchienen / Zu was man nur gewollt. Jch war durch nichts erſchreckt / Jch habe der Gefahr den Halß ſtets dargeſtreckt / Und alles frey gethan: Doch kont ich nichts erhalten / Jch ließ mein Vaterland; ich fieng an zu veralten: Jch aͤnderte Gebrauch / Lufft / Leben / Stand und Haar / Doch nicht mein Ungeluͤck. Jch ward daraus gewahr / Jn was vor boͤſes Garn mein Jrrthum mich getrieben: Jch ließ den alten Stand mir auf das neu belieben / Und gieng von Argos aus / verließ den falſchen Schein Mit der beruͤhmten Laſt / und gieng in Piſa ein / Da durch des Himmels Gunſt ich den Mirtillo funden / Und ſchaͤtzte mich nunmehr von aller Noth entbunden.
Wohl dem / und uͤber wohl / der Hertze / Sinn und Geiſt Durch Zuͤgel der Vernunfft zu zaͤhmen ſich beſleiſſt / Der nicht durch falſche Luſt ihm ſeine Wohlfart ſtoͤret / Und nicht die Blumen mehr / als ihre Frucht verehret.
Wer haͤtte wohl geglaubt / daß man durch Standes Pracht Veraͤchtlich / und durch Gold arm ſolte ſeyn gemacht. Jch161Erſter Auftritt. Jch dachte Freundligkeit muͤſt in den Hoͤfen bluͤhen / Da ſtuͤndlich neue Zierd und Schoͤnheit ſie beziehen / Und die Gelegenheit ihn niemals fehlen kan. Ach / mein Uranio, was traff ich aber an? Ein Volck / das Lieb im Mund / und Haß im Hertzen fuͤhret / Das reich an Eidſchwur iſt / und keinen Finger ruͤhret / Wann du nach Huͤlffe ruffſt. Ein Volck von auſſen her / Voll Sanfftmuth und Gedult / doch wilder als das Meer / Und aͤrger noch / als dis / wilſtu dich ihm vertrauen? Ein Volck / ſo nur die Gunſt laͤſt auf der Stirn ſchauen / So Augen voller Hold / und Sinnene voller Gifft Dir ſtets zu lieffern denckt / und da das aͤrgſte ſtifft / Wenn ſichs am meiſten / dich zu ehren / wird befleiſſen: Was ſonſten Tugend iſt / muß ihm ein Laſter heiſſen. Der Warheit Freund zu ſeyn / bey Eid und Wort zu ſtehn / Nicht wie ein Wetterhan / bald hin / bald her zu gehn; Ein reines Aug und Hertz / ein gleiches Thun und Dencken / Bemuͤht man ſich alhier mit Spott und Hohn zu kraͤncken / Heiſt ſchlechter Koͤpffe Werck / und iſt nur Lachens wehrt: Der aber / dem kein Wort aus Mund und Lippen faͤhrt / Das nicht nach Luͤgen ſchmeckt; Der in Betrug ſich weidet / Der ſeine Dieberey durch falſchen Glantz verkleidet / Der durch der Freunde Fall zu hohen Ehren ſteigt / Wann derer Untergang ihm neue Sonnen zeigt / Das iſt ein Wunderwerck / ſo tauſend Zungen ehren. Kein Ohre wil alhier Verbot und Satzung hoͤren / Verdienſt und Tapfferkeit des Hauptes und der Hand Jſt ihm ein fremdes Werck und gaͤntzlich unbekant. Gemuͤth und auch Gebluͤt weiß keinen hier zu dencken / Es ſchlaͤfft der Danckbarkeit verpflichtes Angedencken. Mit kurtzem: Es iſt nichts ſo heilig / recht und gut / Dem Geld und Ehrgeitz nicht Gewalt und Unrecht thut / Und recht gehaͤſſig iſt. Du kanſt nun leicht ermeſſen / Daß ich in dieſem Ort als Scheuſal ſey geſeſſen; Jch / der die Redligkeit auf Hertz und Stirne traͤgt / Und nicht / was er gedenckt / ie zu verhoͤlen pflegt. Jch hab ein ſchnoͤdes Ziel des Hofes werden muͤſſen / Nach dem ihr falſcher Pfeil zu ſtreichen ſich befliſſen.
LUran.Wer wird geluͤcklich doch auf dieſer Welt erkennt / Nachdem ſich bleicher Neid der Tugend Feindin nennt.
Haͤtt ich zu ſolcher Zeit als ich durch Luſt geruͤhret / Die Muſe von Elid auf Argos zugefuͤhret; Mich in der Lieder-Kunſt ſo wohl begabt gewuſt / Als ich den Trauer-Zug gefuͤhlet in der Bruſt / So haͤtt ich meinen Fuͤrſt nach Schuldigkeit zu ehren / Die Welt ein ſolches Lied gewißlich laſſen hoͤren / Daß er auf den Achill / und den Mæo nſchen Schein / Wie groß er immer iſt / nicht doͤrffte neidiſch ſeyn. Und du mein Vaterland / dich ſolte mein Erthoͤnen Durch einen neuen Krantz als Schwanen-Mutter kroͤnen: O Land / das Schwanen zeugt / beruͤhmt durch Noth und Leid / Wie ſind die Tichter doch gedruckt zu dieſer Zeit! Die Schwanen lieben Ruh und zuckerreiche Speiſen / Sie haſſen dicke Lufft: dem Pindo zuzureiſen / So muß man nicht beſchwert mit ſcharffen Sorgen gehn: Dem das Verhaͤngnis ſtets gedenckt zu widerſtehn / Der wird der Lieder-Kunſt ſich gantz uͤmſonſt bemuͤhen / Und den das Ungemach nur heiſt zu Felde ziehen Dem mangelt Luſt und Klang. Jtzt lockt die Zeit mich an Zu ſchauen / ob ich nicht Mirtillo finden kan / Wiewol ich nun alhier und unter meinen Fuͤſſen Mein ſchoͤn Arcadi en faſt werde ſuchen muͤſſen / So hat es ſich verkehrt; doch komm / und ſcheu dich nicht / Weil dem / der ſprechen kan / der Fuͤhrer nicht gebricht. Es ſcheint / die Muͤdigkeit wil deinen Fuß beſchleichen / Getroſt! wir werden bald ein fuͤglich Hauß erreichen.
TITIRO. der Both.
WAs ſoll ich / Tochter / doch am erſten itzt beklagen? Dein Leben oder deinen Ruhm? Deiner Ehre Haubt-Verluſt heiſt mich groſſen Kummer tragen. Dann / lebt dein Vater gleich vom Tode nicht befreyt / So war die Ehre doch ſein ſtetes Eigenthum: Und an ſtatt der Tochter Leben wil ich meines itzt beweinen / So des Himmels Haͤrtigkeit Mir bis hieher erhalten / Daß der Tochter Ehr und Leben ich zugleiche ſchaut’ erkalten. Montano, ach Montan! wer ſolte doch vermeinen / Daß ein Orakel-Spruch / den du nicht recht gefaſſet / Gewiß nicht recht verſtanden /L 2Und164Der Fuͤnften AbhandlungUnd dein Sohn / der meine Tochter und zugleich die Liebe haſſet / Mich ſehen ſolt in dieſen Jammer-Banden. Ach! das Orakel / ſo ich meine / Jſt viel gewiſſer / als das deine. Des Ehren-Schatzes wird die Buhlſchafft nicht gewahr / Und eine Jungfrau ſchwebt faſt ſtuͤndlich in Gefahr.
Jſt Titiro nicht todt / und wo er mit den Winden Jtzt nicht die Wette fleucht / So ſolt ich ihn alhier ja finden: Dort ſteht er / wie mich deucht; Jch finde dich zu langſam faſt vor mich / Doch allzuzeitlich noch vor dich / Ach! Vater / reich an Pein / was hab ich dir zu ſagen?
Was bringſtu hergetragen? Den Stahl / ſo mir mein Kind hat klaͤglich hingericht!
Es iſt zwar dieſes nicht; Doch meine Zeitung weiß dir auch nicht Troſt zu geben. Hat etwan einer ſonſt Bericht hieher geſandt?
So iſt ſie noch bey Leben?
Ja Leben und auch Todt beſteht in ihrer Hand.
Geſegnet ſey mein Freund / der aus der Todes-Nacht Mich / uͤber hoffen / hat itzt in das Leben bracht. Wie aber / iſt ſie dann nicht der Gefahr entkommen? Weil zu leben und zu ſterben Jhr nunmehr iſt heimgeſtellt?
Dieweil ihr ſolches nicht gefaͤllt.
So hat ſie ihr dann ſteiff zu ſterben fuͤrgenommen / Was noͤthigt ſie dann zu verderben?
Nichts als ein fremder Todt. Und wirſtu ſie / aus dieſer Noth Nicht zu entfuͤhren / dich befleiſſen; So iſts uͤm ſie gethan. Dann den tieffgeſetzten Schluß weiß kein andrer uͤmzureiſſen.
Kom / kom / ich ſaͤume nicht / ich lauffe was ich kan.
Halt an! Der Tempel iſt ja noch nicht aufgemacht / Und wer nicht geiſtlich iſt / darff nicht die Schwelle ruͤhren /Bis165Anderer Auftritt. Bis man das Opffer in herrlicher Pracht Wird aus der Sacriſtie zu dem Altare fuͤhren.
Duͤrfft aber ſie ſich ſelbſt zu toͤdten ſich bemuͤhen;
Es kan nicht ſeyn / ſie wird zu wohl verwacht /
Weil man denn etwas muß verziehen / So ſage den Verlauff der traurigen Geſchichte.
Als deine Tochter nun war fuͤr den Prieſter bracht / O ſchreckliches Geſichte! So ronnen nicht allein der Menſchen heiſſe Zaͤhren; Die Seulen ſelbſt begunten da zu weinen / Das Seufftzen drang aus den verhaͤrten Steinen / Sie kunten ſich des Traurens nicht erwehren. Sie ward / eh als man nicht recht einen Finger ruͤhrt / Verklaget / uͤberzeugt / und in den Tod gefuͤhrt.
Ach aͤrmſte Tochter / ach! doch zeige mir auch an / Warum man denn mit ihr ſo ſchleunig iſt verfahren?
Weil die Ergruͤndungen der Sache groͤſſer waren / Als die Entſchuldigung / ſo ſie darauf gethan; Und eine Nymfe ſelbſt / ſo ihr hier zeugen ſolte / Nicht anzutreffen war / und ſich nicht zeigen wolte. Die ſchrecklichen Zeichen / Die wunderreichen Faͤlle Der heiligen Stelle / Die rufften gleichſam aus: Laſſt nicht die Zeit verſtreichen! Dis / was uns deſto mehr erſchreckte / War / daß man nicht zuvor viel ſolche Noth geſpuͤret: Dann / man wuſte nichts dergleichen / Als da der Himmel das Verbrechen / An des Amintas Verlobten zu raͤchen / So allen Jammer uns alleine zugefuͤhret / Rauch / Donner / Blitz und Wind erweckte. Die Goͤttin ſelbſt begunte Blut zu ſchwitzen / Es fieng die Erd an zu erzittern / Der Schlund voll Heiligkeit begunte ſich zu wittern / Er heult / und bließ mehr Dampff und Schwefel aus / Als das Gifft-gefuͤllte Haus / Da die verdamten Seelen ſitzen. Der Prieſter kam nun gleich / mit vielem Volck uͤmgeben /L 3Dein166Der Fuͤnften AbhandlungDein Kind zu fuͤhren zum Altar: So war Mirtillo dis gewahr / O Wunder / ewig zu verwehren! Und ruͤſte ſich / vor ſie zu laſſen Leib und Leben. Er ließ das Volck die treuen Worte hoͤren: „ Jhr ſchnoͤden Bande fallt von derer ſchoͤnen Haͤnden / „ Die itzt der Cynthia ſoll aufgeopffert ſeyn: „ Jch wil mich itzt vor ſie zu dem Altare wenden / „ Und ſtell / als Opffer / mich der Amarillis ein.
O Spiegel wahrer Treu! O ungemeine That!
Vernim / was ſich itzt mehr mit ihr begeben hat; Der nun zuvor des Todes bleiches Schrecken Verſchloſſen hatte Krafft und Mund / Die ließ itzund vergeſſen aller Schmertzen / Durch des Mirtillo Wort ihr neuen Muth erwecken / Und that mit friſchem Hertzen Jhm ihre Meinung kund. Sie ſprach / wie ſoll dein Todt mir Lebens-Mittel geben / Mir / die ich nur durch dich / Mirtillo, weiß zu leben? O Wunder ohne Krafft! Jhr Prieſter fort / thut / was euch iſt geſchafft: Denn dieſe Wehmuth hier iſt gaͤntzlich nicht vor mich. Mirtillo ließ darauf die ſchwache Worte fahren: Ach! Amarillis endre dich / Du muſt nicht ſo gebahren: Denn dis Erbarmen heiſt nur Unbarmhertzigkeit / Und du verletzt das beſte Theil an mir. Es heiſt die Zeit mich gantz alleine ſterben; Mir / und nicht dir / War der Amarillis Antwort / dreut die Satzung mit Verderben. Man ſchaute ſie ſo ſtarck in dieſem Streite ſchweben / Als waͤre Leben Todt / und Sterben waͤre Leben. O wunderreiches Paar! O wunderreiche Seelen! Es muͤſſe kein Gewoͤlck euch euren Glantz verhoͤlen / Euer Tod und Leben ſey Von allem Tadel frey. Haͤtte mir gleich die Natur ſo viel Zungen mit gegeben / Als im Himmel Sternen ſtehen / und im Meere Fiſche ſchweben:So167Anderer Auftritt. So wuͤrden ſie doch noch zu ſchwach zum Lobe ſeyn. Ja des Himmels reine Tochter / ſo der matten Sterbligkeit / Hochgebrachte Wunderthaten von der Zeiten Biß befreyt / Schreib’ auch eure Treu mit Golde harten Diamanten ein.
Was nahm der Todes-Kampff doch endlich vor ein Ende?
Mirtillo der gewann / O wunderbarer Streit! Der Uberwundne blieb bey Leben / Und der Uberwinder fiel in des Todes bleiche Haͤnde. Der Prieſter ſelber ſprach: Ach! Tochter / ſchweig doch nu / Dann dieſer wird durch dich vom Tode nicht befreyt / Vor die er ſich entſchloß ſein Leben hinzugeben / So rufft uns das Geſetze zu. Nach dieſem hieß er ſie aufs fleißigſte verwahren / Weil gar leichte das Verzweiffeln Ubels aͤrger moͤchte machen. So war der Zuſtand dieſer Sachen / Als mich Montano hat von ſich zu dir geſandt: Ein mehrers hab ich nicht erfahren.
Es iſt der Welt genug bekand / „ Daß man eher einen Fruͤhling ohne Blumen werde ſpuͤren / „ Als die Nymfe / ſo nicht Liebe ſolt in ihrem Hertzen fuͤhren. Doch verbleiben wir alhier / Wie werden wir Die Stunde / wenn man ſoll in Tempel gehen / wiſſen.
Jch weiß nicht / wo man beſſer warten kan: Dann dieſes iſt der Plan / Da der fromme Schaͤfer wird als ein Opffer ſterben muͤſſen.
Wie ſo im Tempel nicht?
Er muß die Straffe leiden / Wo er verbrochen hat.
Wie ſo / daß er die Schuld Nicht in der Hoͤle buͤſt / wo er die That begangen?
Die Satzung hat gewollt / Daß er unter freyem Himmel ſolte ſeinen Streich empfangen.
Von wem haſtu Bericht?
Von dem Aelſten unfrer Prieſter / der mit viel Beteuren ſpricht / Daß Tirenio der alte habe zu verſtehn gegeben / Daß Lucrin und auch Amintas ſo verlohren Geiſt und Leben. Doch iſt es Zeit zu weichen: Schauſtu / wie der heilig Umgang bald die Ebne wird erreichen? L 4Es168Der Fuͤnften AbhandlungEs wird itzund nicht uͤbel ſeyn gethan / Wenn man nun dahin gedenckt / daß man auf entlegnen Stegen / Deiner liebſten Tochter wegen / Jn den Tempel kommen kan.
Reyh der Schäfer. Reyh der Prieſter. MONTANO. MIR TILLO.
JUpiters Tochter / Schweſter der Sonnen / Anderer Phœbus, die du der Welt / Wann ſie die Blindheit der Naͤchte befaͤllt / Jm erſteren Zirckel zu leichten begonnen.
Du / derer linder Strahl die bruͤderlichen Flammen Mit Nutzen etwas kuͤhlt /Und169Dritter Auftritt. Und fuͤhret der Natur Gewalt und Krafft zuſammen / Daß Erde / Lufft und See ſich reichlich ſchwanger fuͤhlt. Kanſtu in anderen die ſtarcke Hitze daͤmpffen; So daͤmpff auch deines Grimmes Brand / Und laß Arcadi en / das abgematte Land / Nicht ſtets mit Angſt und Jammer kaͤmpffen.
Jhr heiligen Prieſter / trett ſchleunig herbey / Schaut / daß doch das Altar bald aufgerichtet ſey; Und ihr / Andachts-volle Schaͤfer / laſſt itzund vor andren allen Unſrer groſſen Gottheit wegen ein verneuet Lob erſchallen.
Jupiters Tochter / Schweſter der Sonnen / Anderer Phœbus, die du der Welt / Wann ſie die Blindheit der Naͤchte befaͤllt / Jm erſteren Zirckel zu leichten begonnen.
Jhr Prieſter und ihr Hirten / auf die Seiten / Komt nicht ungerufft herzu. Und / tapffrer Jungling du / Der itzt andre zu beleben / aus dem Leben denckt zu ſchreiten / Stirb unverzagt; Dencke / daß ein kurtzes Seuffzer / ſo der Poͤbel ſterben heiſt / Und ihn niemals behagt Dich durch Unſterbligkeit dem Tod entreiſt / Und glaube / daß der Zeiten Neid / Der meiſten Namen gantz zerſtreut / Deinen nach viel tauſenden unverletzet wird verwahren. Doch / weil die Satzung ja begehrt / Daß du als Stummer ſolſt verbleichen. So red / eh als dein Knie noch die Erde wird erreichen / Und ſchaue / daß nach dem / dir nicht ein Wort entfehrt.
Vater / Vater muſtu doch itzt von mir genennet werden / Den Leib verlaß ich hier der Erden / Und der Geiſt ſey der geſchenckt / Die mir das Leben weiß zu geben. Doch / wo ſie auch zu ſterben denckt / Wie ſie gedraͤut / So iſt Geiſt und Leib von mir in den Todes-Staub geſtreut. O ſuͤſſer Todt / wann nur was ſterblich iſt darff ſterben / Und nicht der Todt die ſelbſt beſchwingt! L 5Kan170Der Fuͤnften AbhandlungKan dieſer ja Erbarmnis noch erwerben / Dem aus allzuviel Erbarmnis itzt der Todt zum Hertzen dringt / So mach O Vater ſie doch von demſelben frey! Mache daß durch dieſe Hoffnung doch mein End verſuͤſſet ſey. Ach es laſſe das Verhaͤngnis ſich durch meinen Todt beſtillen / Und mein bleicher Untergang vergnuͤge ſeinen Willen. Laß meinen Geiſt / Den itzt der Tod aus mir zu weichen heiſt / Sich in dieſe doch verſchliſſen / Von der Mirtillo ſtets geſondert leben muͤſſen.
Jch kan mich ja des Weinens kaum enthalten: Wie iſt die Menſchligkeit mit Schwachheit ſtets uͤmfangen / Mein Sohn laß mich hier walten / Du ſolſt / was du begehrſt / erlangen. Begehreſtu ein Pfand / So ſchwer ich dir bey Haubt und Hand
Jtzt weiß ich / daß ich freudig ſterben kan: Ach! Amarillis, itzt komm ich zu dir; Nim alhier Des getreuen Schaͤfers Seele treulich zu verwahren an: Dann im Namen Amarillis wuͤnſcht Mirtillo zu beſchlieſſen! Nun ſo wil ich ohne Wort hier auf meinen Knien buͤſſen.
Jhr heiligen Diener / ach ſaͤumet doch nicht / Macht / daß der Balſam itzt die Flammen moͤg erwecken; Und verfuͤgt / daß bey dem Weyrauch / auch der Myrrhen nicht’ gebricht. Streut auf / daß Glut und Rauch ſich zu den Wolcken ſtrecken.
Jupiters Tochter / Schweſter der Sonnen Anderer Phœbus, die du der Welt / Wann ſie die Blindheit der Naͤchte befaͤllt / Jm erſteren Zirckel zu leichten begonnen.
CARINO. URANIO. MONTANO. NICANDRO. MIRTILLO. Reyh der Schaͤfer.
WJrd man irgend weite Haͤuſer weniger bewohnet finden? Doch hoff ich leichtlich zu ergruͤnden / Wodurch dis wird verurſacht ſeyn. Schauſtu wohl / wie dort das Volck ſich zuſammen hat gemacht / Ach! welch ein Schein / Ach welcher Pracht! Man wird wohl gar gewiß ein Opffer dort anzuͤnden.
Nicandro, reiche mir die goͤldne Flaſche her / Jn dem der ſuͤſſe Safft des Bacchus ſich enthaͤlt.
Nic.Auf dem Begehr / Wird ſie dir zugeſtellt.
Alſo ſoll das reine Blut / Goͤttin / deinen Eifer lindern / Wie des Weines edler Safft kan des Feuers Hitze mindern. Nim wieder die goͤldne Flaſche zu dir / Und lange mir / nach Opffer-Brauch / Das ſilberne Gefaͤß herfuͤr:
Da iſt es auch.
Alſo weich auch itzt dein Zorn / den die Untreu hat erreget / Wie die Flamme ſich alhier durch des Waſſers Naͤſſe leget.
Alles iſt zum Opffer fertig / doch das Opffer ſchau ich nicht /
Jtzt iſt alles zugericht. Es mangelt nichts / als nun das Ende: Gieb mir das Beil nun in die Haͤnde.
Schau ich etwas / oder deucht es mich / So ſich von hinten zu recht einem Menſchen gleicht. Es ſcheint / es kniet auf der Erden: Der wird vielleicht geopffert werden / Ach! Aermſter ich beklage dich! Es ruͤhret ſchon ſein Haupt des Prieſters reine Hand: Jſt dann der alte Grimm noch nicht hinweg gewandt / Der nun viel lange Jahr das arme Land durchſtreicht.
Jupiters Tochter / Schweſter der Sonnen / Anderer Phœbus, die du der Welt / Wann ſie die Blindheit der Naͤchte befaͤllt / Jm erſteren Zirckel zu leichten begonnen.
Goͤttin / voller Grimm und Rache / die du einzele Verbre - chen / Mit allgemeinen Streichen / Jn uns beſchloſſen haſt zu raͤchen / Es iſt alſo dein Schluß Der unverruckt beſtehen muß / Daß unſre Noth noch nicht ſoll von uns weichen; Daferne das befleckte Blut / So dir die falſche Lucrina vergoſſen / Noch nicht genugſam thut / Und den ſtrengen Durſt geleſcht / der uns draͤuet zu verzehren: So laß das Blut / ſo hier aus dem ſoll ſeyn gefloſſen /Der173Vierter Auftritt. Der ſo treu als der Amintas ſich fuͤr den Altar geſtellt / Und dir zur Rache niederfaͤllt / Als den Verſoͤhnungs Trang gewaͤhren.
Jupiters Tochter / Schweſter der Sonnen / Anderer Phœbus, die du der Welt / Wann ſie die Blindheit der Naͤchte befaͤllt / Jm erſteren Zirckel zu leichten begonnen.
Wie / wil die Wehmuth mir das Hertz itzund bezwingen? Wie? entſchlaͤfft mir Muth und Geiſt? Jch weiß nicht / was vor Furcht mich ſtille halten heiſt / Daß ich das Beil nicht weiß zu ſchwingen.
Jch moͤchte wol zuvor den armen Menſchen ſchauen / Und dann zuruͤcke weichen: Denn dergleichen Kan ich mir anzuſehn gewißlich nicht getrauen.
Wer weiß / ob nicht der Sonnen klarem Lichte / Wiewol es untergeht / Das menſchlich Opffer ſcheint ein groß Verdruß zu ſeyn: Und dieſes daͤmpfet meinen Muth / Und reiſſet meine Kraͤfften ein. Wende dich / daß dein Geſichte Jenſeits hingekehret ſteht. So iſt es gut.
Ach was ſchau ich! Ach! mein lieber Sohn / Mirtillo, ach! ich armer / ſchau ich dich?
Jtzt kan nun.
Ach! er iſts.
Jch wolt den Streich beginnen.
Ach Diener Gottes halt doch innen.
Und du verfluchter Menſch / was ſtoͤſt dich itz und an / Daß das heilig Eiſen hier Vor deiner Hand nicht unbefleckt ſeyn kan.
Ach! Mirtillo, komt dein Vater in dergleichen Noth zu dir.
Geh zu dem und jenem hin / alter Narr / fort auf die Seiter!
Das haͤtt ich nicht gedacht.
Fort / fort / wilſtu noch ſtreiten. Was den Goͤttern iſt beſtimmt / ſoll kein ſchnoͤder Finger ruͤhren.
Jch bin auch den Goͤttern lieb / die mich haben wollen fuͤhren.
Nicandro, halt noch an / man muß ihn erſtlich hoͤren:Dann174Der Fuͤnften AbhandlungDann iſt es Zeit.
Prieſter voller Freundligkeit / Ehe noch das ſchwere Beil dieſen Juͤngling wird verſehren / So melde doch / was deſſen Urſach iſt; Sag es uͤm der Goͤttin willen / der du Knecht und Prieſter biſt.
Was geht dich dieſes an?
Ach mehr! als man gedenckt.
Weil er ſich vor andrer Leben willig in den Tod verſchenckt:
Soll er denn vor andre ſterben / So ſterb ich ſelbſt fuͤr ihn / Und mein altes Haubt alhier wuͤnſcht durchs Beil itzt zu verderben.
Dis iſt nur Schertz / und nicht dein rechter Sinn.
Wie wird dis mir verwehrt / was er ſo leicht erhielt?
Weil dieſes Recht nicht bey den Feinden gilt.
Wann ich nun nicht fremde waͤre?
Und ſo koͤnt es doch nicht ſeyn: Denn / wer vor andre ſich zum ſterben ſtellet ein / Der kan durch keinen nicht vom Todt errettet werden. So thu mir aber doch Bericht / Biſtu ja kein Fremder nicht / Aus welchem Ort auf dieſer Erden / Du dich haſt zu uns gemacht? Denn / warlich aus der Tracht Wird dich Arcad ien vor Buͤrger nicht erkennen.
Arcadi en das muß mich Kind und Buͤrger nennen.
Mich deucht nicht / daß ich dich vor dieſem ie geſchaut.
Jch nenne mich Carin, und bin allhier gebohren: Mirtillo iſt mein Sohn zum Opffer itzt erkohren.
Du Vater / dieſer Sohn? Wer haͤtte dis getraut? Ach! mache dich davon. Zur Unzeit uns und dir biſtu zum Opffer kommen. Dann / dem Opffer koͤnten leicht / Jndem ſich nichts der Eltern Liebe gleicht / Die Kraͤfften ſeyn genommen.
Ach! wann du Vater warſt?
Jch bin zwar Vater auch? Und eines Sohnes nur alleine / Der auch wuͤrdig iſt zu lieben. Doch175Vierter Auftritt. Doch / wann der Silvio, als wie itzund der deine Auf den Knien laͤg alhier: So getraut ich mir / An ihm getroft / nach Opffers Brauch / Der Goͤttin Willen auszuuͤben. Und der wird mit Prieſter-Schmucke tadelhafftig angethan / Der nicht wegen Eigennutzens freudig ſich entkleiden kan.
Ach! laß mich meinen Sohn bey Leben Doch nur noch einmal kuͤſſen.
Jch weiß auch dis nicht zuzugeben.
Ach! mein liebſtes Fleiſch und Blut / Ach! wie verhaͤrteſtu ſo ſtraͤfflich Geiſt und Muth? Wie laͤſtu dir den bleichen Mund verſchlieſſen.
Ach! Vater / ſtelle doch dein bittres Klagen ein.
Das Opffer iſt entweiht / entheiligt / ach uns Armen! Jhr Goͤtter laſſt euch dis erbarmen.
Wehrter koͤnte ja mein Leben So du mir haſt gegeben / Nicht aufgewendet ſeyn.
Jch dachte wohl / Daß meine Thraͤnen ihn nicht wuͤrden ſchweigen laſſen.
Jch Aermſter / Angſt und Jrrthums voll / Kont ich das Schweigen dann nicht ins Gehirne faſſen.
Auf / auf ihr Prieſter auf / daß man doch nicht verweile / Und alſo bald mit ihm hin in den Tempel eile / Damit er auf das neu frey ſein Geluͤbde thu. Wann ihr zuruͤcke kommt / ſo heiſſet neue Kohlen / Neu Waſſer / neuen Wein / und was benoͤthigt holen / Auf / auf / die Sonne laufft dem Untergange zu.
MONTANO. CARINO. DAMETA.
DU ungeſtuͤmer Alter / Sey itzt bedacht / dem Himmel Danck zu ſagen / Daß du der Vater biſt: Denn ſonſt / (ich ſchwer es dir) Wolt ich dich laſſen wiſſen / Wie ſich mein Zorn hat gegen dir geruͤſt / Dieweil du mich zu ſtoͤren dich beflieſſen. Kennſtu mich nicht / und weiſtu nichts von mir / So wiß / ich bin alhier Des Geiſt - und Weltlichen geweihter Haupſt-Verwalter.
Car. 177Fuͤnfter Auftritt.Es wird mit Genade bitten keiner Herrſchafft Leid gethan.
Du aber greiffeſt mich zu unbeſcheiden an / Und weiſtu nicht / daß ein gerechter Geiſt Des Zornes Grimm zu daͤmpffen ſich befleiſt / Und daß / wenn man zu ſehr deſſelben Glimpff verletzt / Gar offtmals der Verzug mit Wuͤtten wird erſetzt.
Der groſſen Leute Zorn wil nichts von Wuͤtten wiſſen / Man ſchaut aus hohem Trieb ihn als den Wind entſprieſſen / Der auf die Seele blaͤſt / daß ihre Krafft erwacht; Durch Zorn wird ſie geſchickt zur Tapfferkeit gemacht. Kan ich nicht Genad erhalten; So foder ich das Recht / du ſolſt es ja verwalten. Denn wer Geſetze giebt / muß auch Geſetze hoͤren / Und muß man dich alhier als Obrigkeit verehren / So iſt Gehorſam doch nicht minder deine Pflicht / Wann dich die Duͤrfftigkeit uͤm reines Recht beſpricht: Das Recht befiehlet dir / mir dis nicht zu entziehen; Und wilſtu wegen mein dich nicht ſo ſehr bemuͤhen / So ſey itzund auf dich und deinen Ruhm bedacht / Denn durch dis Opffer wirſtu ungerecht gemacht.
Jch / Ungerechtigkeit begehn? Wie ſoll ich dis verſtehn?
Und ſagt’ſtu nicht: Gott kan kein fremdes Opffer lieben.
Jch ſag es / durch den Geiſt des Himmels angetrieben.
Und den du opffern wilſt / der iſt ein fremder Mann.
Wie / fremde / wenn er dich vor Vater halten kan?
Jch ſage ferner nichts / du haſt genug verſtanden.
Vielleichte weil er nicht erzeugt in dieſen Landen.
Dem / der zu viel zu wiſſen hat begehrt / Wird offtermals am wenigſten gewaͤhrt.
Man muß alhier das Blut / und nicht den Orth betrachten.
Den ſo ich nicht erzeugt kan ich vor Fremdling achten.
Haſtu ihm nicht erzeugt / wie iſt er denn dein Sohn?
Weil ich ihn nicht erzeugt / ſo meld ich nichts davon.
Haſtu mir nicht geſagt / er ſey von dir entſproſſen?
Jch nannt ihn Sohn / doch nicht aus Fleiſch und Blut ge - floſſen.
Der Schmertzen ſencket dich in lauter Wahnwitz ein.
MCar.Ach lebt ich ohne Witz / ſo lebt ich ohne Pein!
Es mangelt mir Verſtand / wo nicht / ſo ſeyn es Tuͤcken!
Die Tuͤcken koͤnnen ſich nicht zu der Warheit ſchicken.
Sohn / und nicht Sohn zu ſeyn / das ſchickt ſich nicht zu gut.
Ja Sohn / aus Lieb und Gunſt / doch nicht aus Fleiſch und Blut /
Jſt dieſes nun dein Sohn / wie kan er fremde heiſſen? Und iſt ers nicht / wer heiſt dich ſolchen mir entreiſſen? Schaue wie dein Grundſchluß bricht / Du ſeyſt nun Vater oder nicht.
Offt fehlt die Warheit nicht / wo gleich die Worte fehlen.
Dem Widerſprechen kan ſich Warheit nicht vermaͤhlen.
Du thuſt doch hier nicht recht / dis iſt dir nicht erlaubt.
So komme dis auf mich und meines Sohnes Haubt.
Es wird dich bald gereuen.
Dich / dich / vergiſtu nicht mir viel in Weg zu ſtreuen.
So ruff ich alle Welt / ja Gott / zum Zeugen an.
Gott / den dein falſcher Geiſt nicht recht verehren kan.
Und weil du ja mich nicht zu hoͤren dich befleiſt / So laſſe Himmel und auch Erden Sein Ohre hier zu mir gekehret werden. O groſſe Goͤttin / die ſich laͤſt von uns verehren / Scheue nicht zu hoͤren / Daß es ein Fremder iſt / der ſich Mirtillo heiſt: Und daß dis Opffer falſch.
Der Himmel laſſe mich Von dieſem Menſchen doch einmal befreyet ſchauen! Wer iſt ſein Vater denn?
Das weiß ich warlich nicht / Es ſey genug geſagt! nicht ich.
Ach ſchaue doch / welch dunckeler Bericht! Und kanſtu ihn dein Blut zu nennen dir getrauen?
Ach nein!
Wie daß man ihm dann Sohnes Namen giebt?
Dieweil ich dieſen Menſch / ſo bald ich ihn bekommen / Als einen Sohn mit Freuden aufgenommen; Als Sohn in meinem Haus ernehrt / Und ſtetig bis hieher als meinen Sohn geliebet.
Wer hat ihn dir gewehrt? Haſtu ihn vielleicht gekaufft oder irgend wo entfuͤhret.
Car.Jn Elide hat ein Fremder mir ihn willig hingeſchenckt.
Wie aber / hat er dann dem Fremden zugehoͤret?
Jch hatt ihn ihm verehret.
Jch muſte lachen / ob mich gleich deine tolle Rede kraͤnckt. So haſtu ſein Geſchenck ihm wieder zugewandt?
Jch gab / was ſeine war / und dis / was ihm gebuͤhret / Und er ſchenckt aus Hoͤfligkeit ihn bald wieder meiner Hand.
Wo hatteſtu ihn aber her?
Jch hab ihn ohngefehr / Wo des Alfeus Einfluß iſt / Bey einem Myrtenſtrauch erkieſt / Und wolt ihn eben auch darum Mirtillo heiſſen.
Wie kanſtu doch ſo ſehr des Dichtens dich befleiſſen! Hat euer Puſch kein Wild?
Wie ſo?
und nahm kein Leid?
Es hatt ihn da der Strom an einen Strauch gehangen / Und weil das Eyland ihn in ſeine Schos empfangen / So blieb er der geſtalt von aller Noth befreyt.
Die Luͤgen fuͤhreſtu mit groſſer Zierligkeit. War dann die Flut So treflich gut / Daß ſie ſolchen nicht ertraͤncket? Wie / daß doch euer Fluß So hoͤflich werden muß / Daß er ein Kind ihm zu ernaͤhren dencket?
Jch fand ihn liegen Jn einer Wiegen / Die wie ein Schiff beſcheidentlich bewegt / Sich an das Strauchwerck angelegt.
Jn einer Wiege / wie?
Du weiſt es albereit.
Jn Windeln?
Eben ſo / und voller Liebligkeit.
Vermelde doch die Zeit.
Neunzehn Jahr ſind itzt verfloſſen / als das groſſe Waſſer war. Und dis geſchach daſſelbe Jahr.
Ach! welch ein Schauer ſtoͤſt mich an?
Schaut doch / wie er nicht Worte ſinden kan. Es weiß kein groſſer Geiſt ſich leichtlich zu ergeben; Bezwinget man ihn gleich / ſo wil er widerſtreben. Er meint / weil ſeine Macht das gantze Land bezwingt /M 2Daß180Der Fuͤnften AbhandlungDaß auch ſein hoher Witz durch alle Sachen dringt. Er iſt bezwungen. Und hoͤrt ich recht das Murmeln ſeiner Zungen / So ſucht er etwan einen Schein / Dadurch ſein Fehler recht bemaͤntelt koͤnte ſeyn.
Mit was vor Recht beſaß der Mann denn dieſes Kind? Hut er es als ſeinen Sohn.
Da weiß ich nichts davon.
Und haſtu ſeiner ſonſt gantz keine Kundſchafft nicht?
Sonſt weiß ich nichts: du biſt ja wunderlich geſinnt!
Erinnerſtu dich itzt noch / wie er war geſtalt?
Waͤr er nur hier / ich kennt ihn alſobald / Er iſt ein rauher Mann / nicht minder von Geſicht / Als auch von Tracht; Den die kurtze Leibes-Art / Das ſchwartze Haar und der verwoͤrrte Bart / Neben langen Augen-Wimpern treflich kennlich hat gemacht.
Jhr Knecht und Hirten komt itzt ingeſamt zu mir.
Wir ſind alhier.
Schau itzt die Hirten an / Ob unter dieſen wol dein Auge finden kan / Was dieſem gleicht / von dem du mir gedacht.
Der itz mir dir Geſvraͤche haͤlt / Hat nur nicht etwan einen Schein / Jhm etwas gleich zu ſeyn / Sondern es iſt eben dieſer / der das Kind mir zugeſtellt. Er iſt noch eben ſo geſtalt / Wie er vor zwanzig Jahren war: Er hat kein weiſſes Haar / Und ich bin grau und alt.
Dameta, bleib alhier: Jhr andern tretet abe. Kennſtu dieſen / ſag es recht / daß ich des Gewißheit habe?
Daß ich ihn vor geſchaut / daſſelbe leugn’ ich nicht. Doch wo / und wie / das faͤllt mir itz nicht ein.
Du ſolt alsbald erinnert ſeyn.
Mache dich doch unbeſchwert Ein wenig nur von hinnen. Dann erſtlich wil ich ſelbſt vernehmen / was er ſpricht.
Car.Wohlan wie man begehrt.
Du muſt / Dameta, nun alhier Mir entdecken Geiſt und Sinnen. Nur das kein Unwarheit dir etwan hier entfaͤhrt.
Ach! was! ihr Goͤtter ihr!
Als du mein Kind geſucht / es ſind gleich zwantzig Jahr / So in der Wiege mir hinweg geſchwemmet war. Brachtſtu mir nicht Bericht / du haͤtteſt ohne Frucht / Umb den Alfeus her / es uͤberall geſucht?
Wie komſtu doch auf dis?
Dis haſtu nicht zu fragen: Auf dis / was ich gefragt / ſolſtu mir Antwort ſagen; Ob nehmlich ſich mein Kind denn nirgends wo befand?
Nein / nein.
Was vor ein Kind haſtu mit eigner Hand Dem Fremden / der dich itzt erkant / Jn Elide dann geſchencket.
Meinſtu / daß nach zwantzig Jahren einen Alten dis gedencket.
Wie / daß ſich dieſer dann ſo wohl erinnern kan?
Vielleichte hat er nur zu ſchertzen ſich befliſſen.
Mein Fremder komm heran.
Hier bin ich.
Solt ich dich nur in dem Grabe wiſſen;
Stellte dieſer Hirte hier dir nicht ein Geſchencke zu?
So iſt es.
Und von was Geſchencke redeſtu?
Dir iſt es ja nicht unbekant / Als du des Orakels Mund Bey der Olymp iſchen Gottheit befraget / Allda dein Geiſt dann auch genug Bericht empfand / Daß ich / als dir der Sinn numehr nach Hauſe ſtand / Mich zu dir gelencket / Und deſſen Zeichen wollen wiſſen / Was du zu ſuchen warſt befliſſen / Die du mir auch geſagt. Drauf giengſtu bald mit mir / und fandeſt in der Wiegen Dein Kindlein liegen / So du damals mir williglich geſchencket.
Was iſt nun dis?
Das Kind ſo mir gegeben war / Hab ich / als meinen Sohn / mit hoͤchſtem Fleiß ernehret / Und dis iſt eben der / den hier auf dem Al[t]ar Man aufzuopffern hat begehret.
M 5Dam.Verhaͤngnis / was kanſtu!
Als wuͤſteſtu es nicht / was er itzund gefragt? Sage / traff nicht ſein Bericht mit der Warheit gleiche zu?
Ach! waͤr ich ſo wol todt als er die Warheit ſagt.
Dein Wunſch wird dir gewaͤhrt / hoͤrſtu nicht auf zu luͤgen. Und was konte dich doch lencken Dis was nicht dein eigen war einem Frembden zu verſchencken.
Frag uͤm der Goͤtter willen nicht Von mir itzt mehr Bericht / Laß dich mit dem / was du gehoͤrt / vergnuͤgen!
Jtz reitzeſtu mich recht dis eigentlich zu wiſſen: Verweileſtu / wilſtu den Mund verſchlieſſen? So ſchwer ich / daß ich dich nicht leben laſſen kan.
Weil das Orakel kund gethan: Dem Kinde doͤrffte wohl / ſolt es nach Hauſe kommen / Das Leben durch die Hand des Vatern ſeyn genommen.
Und dis iſt war. Jch kan ſein Zeuge ſeyn.
Die Sach iſt offenbar / Es ſtimt alles mit den Traͤumen / und mit dem Verhaͤngnis ein.
Begehreſtu noch mehr Bericht?
O mehr als klares Licht! Du haſt genug geſagt / Dein Wort ſtoͤrt meine Luſt; Zu viel hab ich gefragt / Du haſt zu viel gewuſt; Carino, ach! ich tret itzund in deinen Orden / Deine Thraͤnen ſind mein eigen / und dein Angſt iſt meine worden, Das iſt mein Sohn / Mir / mir zur Pein erzeugt / und ihm zur Oval geboren. Dich fuͤhrte zwar die Flut mit groſſem Grimm davon / Doch hat ſie dich mit groͤſerm Grimm erhalten / Weil dein Vater nun fuͤr[d]ir ſoll des Moͤrders St[a]tt verwalten / Und dein Blut ſein Vaterland zu befeuchten wird erkohren.
Du ein Vater des Mirtillo, und wiehaſtu ihn verlohren?
Er war mir von[d]er Flut / der du itzund gedacht / Aus dem Geſicht / und ausdem Hauſe bracht. O liebſtes Pfand! Du lebteſt ja zuvor Ohn alle Noth / ob ich dich gleich verlohr /Und183Fuͤnfter Auftritt. Und wirſt mir nun entwandt / Ja ſelbſt durch meine Hand / als ich dich wieder faͤndt.
Jch weiß es nicht / durch was vor Wunder-Rath Die Verſehung ſo viel Faͤlle bis hieher verſchoben hat / Da alles muß zuſammen ſchieſſen. Sie hat etwas Ungeheures zu empfangen ſich beſtiſſen / So man / nach dem es wird durch die Geburt entſprieſſen / Entweder einen Schatz von Frenden / Oder ein Schenſal von vielerley Leiden / Gar gewiß wird nennen muͤſſen /
Dis iſts / was mir der Traum ſo klar zuvor geſagt. O Traum! Ja Spiegel voll Gefahr / Jn dem Guten luͤgenhafftig / in dem Boͤſen allzuwahr. Dieſes war die fremde Wehmuth / So mir durch die Geiſter lieff / Und das Schrecken / ſo mir gleich / als ich nach dem Beile griff / Durch Marck und Blut gejagt / Dann der Natur geht ſolches bitter ein / Daß ich als Vater ſoll des Sohnes Moͤrder ſeyn.
Jch glaube nicht / daß dis Montano thut. Du kanſt / als Vater / nicht dem Opffer Endſchafft geben.
Wer wil mich deſſen uͤberheben?
Wird durch den Vater dann der Sohn itzt hingericht?
Jch muß nur thun / was das Geſetze ſpricht: Alhier nutzet kein Verſchonen / keine treue Vater-Sinnen / Weil der treu Amintas ſelber ſeiner nicht verſchonen koͤnnen.
Verhaͤngnis / ach! wohin haſtu mich doch gebracht?
Sie fuͤhret dich dahin / Wo zweyer Vaͤter Geiſt und allzufrommer Sinn Zu Moͤrdern wird gemacht; Gegen den Mirtillo deiner / Gegen Goͤtter aber meiner; Du meineſt deinen Sohn zu reiſſen aus den Noͤhten / Jndem du ihn nicht Sohn wilſt heiſſen / Und muſt ihn dergeſtalt verlieren: Jch hingegen / ach! der ich mich wil befleiſſen / Den deinigen zu ſuchen und zu toͤdten / Finde meinen / den ich itzt muß dem Tod in Rachen fuͤhren.
M 4Car.Schau doch das grauſam Ungeheuer / So das Verhaͤngnis hier gebieret: Ach! Mirtillo, deſſen Leben auch das meine bey ſich fuͤhret / Wie gewaltig komt die Rede des Orakels mir zu ſteuer? Jſt dieſes des Geluͤckes Krone / So ich im Vaterland empfange von dem Sohne Dieſes armen Alten? Seuffzen muß itzund der Hoffnung hoͤchſtbetruͤbte Statt verwalten.
Carino, weine nicht! denn dis gehoͤrt vor mich / Der ich mein eigen Blut zu toͤdten bin erkohren: Doch werd ich dich mein Blut nicht nennen muͤſſen / Weil ich es ſoll durch meine Hand vergieſſen. Ach armer Sohn! warum erzeugt ich dich / Zu was biſtu doch wol gebohren? Mich bedeucht / daß dich der Strom hat beſchuͤtzt vor Noth und Leid / Daß du endlich ſterben ſolteſt durch des Vaters Haͤrtigkeit. Maͤchtige Gottheit! Die alles weiß / und alles kennt / So weit der Fuß der Zeiten rennt / Und ohne die / im Meer / in Luͤfften / und auf Erden / Kein Strom / kein Wind / kein Blat / Fleuſt / wehet / und Bewegung hat / Wie kanſtu doch auf mich ſo ſehr entruͤſtet werden! Was taſteſtu den Sohn doch vor dem Vater an / Was hab ich doch gethan / Daß der Himmel meinen Samen nicht forthin ertragen kan! Laß mich durch die ſchnelle Glut deines heiſſen Eiſers buͤſſen! O groſſer Jupiter / wilſtu die Keile ſparen / So laß das Eiſen hier mir in das Hertze fahren. Des Amintas Trauerfall werd ich noch erfriſchen muͤſſen / Und eher wird der Sohn den Vater ſehen ſterben / Als durch den Vater wird der liebſte Sohn verderben. So ſ[ti]rb Montano dann / ſtirb / weil du ſolſt noch heute / Der Todt wird deine reiche Beute. Jhr Goͤtter des Himmels / vielleichte der Hoͤllen / Die ihr in heiſſem Schmertze Schme[r]tzt mein verzweiffelt Hertze / Schaut doch / wie ich euer Wuͤtten mir itzt laſſe zugeſellen. Ein185Sechſter Auftritt. Ein toͤdlich Belieben das Leben zu laſſen / Wil mich itzund uͤmfaſſen: Es ſcheint mein Untergang verſuͤſſet meine Noth / Tod! Tod! Tod! Tod!
Ach! lieber Alter / ach! was ſoll ich von dir ſagen! Gleichwie ein groͤſſer Licht Des kleincrn Kraͤffte bricht / So hat die Wehmuth mir / durch deine Noth erreget / Auch meinen Schmertzen hingeleget. Was ſterblich heiſt und iſt / muß deine Noth beklagen.
TIRENIO. MONTANO. CARINO.
FOrt / fort / mein Sohn / doch nim dich auch in acht / Und eile ſo / daß ich dir folgen kan / Damit in dieſen engen Stegen / Meiner Blindheit wegen /M 5Nicht186Der Fuͤnſten AbhandlungNicht etwan ſey ein boͤſer Trit gethan. Du ſolſt numehr mein Auge ſeyn / Gleichwie ich auch deiner Seele bin ein treuer Sonnenſchein Und wann du mich zum Prieſter haſt gebracht / So muſtu ſtille ſtehn.
Jſt dieſes nicht / den ich hieher zu ſchaue gehn / Tirenio voll Wuͤrd und reiner Sitten / Der zwar hier auf Erden nichts / doch im Himmel alles ſieht. Es muß wol was groſſes ſeyn / daß er ſich ſo weit bemuͤht; Denn er iſt in vielen Jahren aus der Zelle nicht geſchritten.
Der Himmel laß ihn dir zu guter Stunde kommen.
Was neues ſchau ich hier? Vater auſſerhalb des Tempels / was haſtu dir fuͤrgenommen?
Nichts / als dir Etwas neues mitzubringen / und was neues auch zu finden.
Bleibt der heilig Umgang dañ numehr gantz und gar dahin - Wie / daß das geheiligt Opffer nicht mit dir zuruͤcke kehrt / (den / Und mir dieſes wird gewaͤhrt / Was die Verzuͤgerung der Opffer hier begehrt?
Wie ſteckt der Augen Fehl doch offtmals Lichter an / Daß man in Blindheit mehr / als ſonſt erkieſen kan. Dann / wann die Seel alſo in ſich verſchloſſen lieget / Und nicht von auſſen her ſtets neue Regung krieget: So ſieht ihr Auge mehr / als ſonſt kein Auge ſieht Daß man ſich doch / Montan, ſo laulicht hier bemuͤht / Die Wunderfaͤlle recht und wuͤrdig zu erwegen? Es wil / was Goͤttlich iſt / ſich auch auf Erden regen / Denn / ob die Goͤtter gleich nicht hier zugegen ſtehn / Und nicht gewohnet ſeyn mit Menſchen uͤmzugehn / Ey ſo verwalten doch viel tauſend Wunderfaͤlle / Derſelben hohe Steile. Dis iſt der Goͤtte[r]Wort / ſo nicht das Ohre ruͤhrt / Und deſſen ſtarck[en]Schall allein ein Hertze ſpuͤrt / Das himmliſch heiſt und iſt. Wohl dem / der es verſtehet / Und dem der reine Spruch recht in die Seele gehet. Nicandro wolte gleich den heilgen Umgang fuͤhren / Vermoͤge des Befehls / den er von dir gehoͤrt / Als er von mir darinnen war verſtoͤrt /Weil187Sechſter Auftritt. Weil ſich gleich ein neuer Zufall in dem Tempel ließ verſpuͤren. Ein Zufall / der mir meinen Geiſt Jn Furcht - und Hoffnungs-Bande reiſſt / Dafern ich ihn zu dieſem halten wil / Der faſt auf eine Zeit dich gleichfals uͤberfiel. Jch ſag es wie es iſt: Mir mangelt hier Verſtand / Je weniger ich auch in dieſem Fall erkant / Je mehr kan ich vom Boͤſen und von Guten Alhier vermuthen.
Was du nicht kanſt verſtehn / Muß ich elender Mann verſtehen und erfahren: Kan man / was heimlich iſt / auch wol vor dir verwahren / Als vor dieſem der da kan / Mit Weißheits-Klarheit angethan / Jn der Verhaͤngnis-Behaltniſſe gehn.
Sohn / Sohn: Wuͤrd’ uns nach Begehr geſchenckt des Prophetſehen Lichtes Schein / Ey ſo wuͤrd es der Natur / nicht des Himmels Gabe ſeyn. Jch weiß nichts eigentlichs davon / Dis ſpuͤret zwar mein dunckler Geiſt / Daß das Verhaͤngnis hier das Licht zuruͤcke haͤlt / Und etwas groſſes uns in das Verborgne ſtellt / Und dieſes iſt / was mich aus meiner Zelle reiſt / Damit ich doch nur moͤchte recht verſtehn / Wer dieſen Juͤngling hat gebohren / [Dafern ich den Nicandro recht verſtand) Der zu dem Tode war erkohren.
Er iſt dir alzuſehr bekand: Und darum wird dir ſein Jammer deſto mehr zu Hertzen gehn.
Jch muß deine Wehmuth preiſen: Es fuͤhrt die Menſchligkeit uns ſelbſt zu dieſem an / Und heiſt dem Durfftigen Erbarmnis zu erweiſen. Ach! mache doch / daß ich bald mit ihm reden kan.
Jtzt ſeh ich ja / daß dir des Himmels Krafft gebricht / Und daß dir iſt verleſcht das Profeceyungs-Licht. Der Vater / den du ſuchſt / der ſieht itzund auf dich / Und den du hoͤren wilſt / Tirenio, bin ich.
Du ſolt deſſen Vater ſeyn /Der188Der Fuͤnften AbhandlungDer hier auf dem Altar die Goͤttin ſoll beſtillen?
Ach ja! du triffſt itzt ein / Jch bin Vater eines Sohnes / der itzt ſtirbt aus freyem Willen.
Deſſen treuen Schaͤfers Vater / der vor andrer Leben ſtirbt?
Deſſen / der vor andrer Leben ungezwungen itzt verdirbt / Und dem verwehrt zu leben / Der ihm das Leben hat gegeben.
Sol ich dir glauben / wie?
Hier wirſtu Zeugen finden.
Er ſagt / was ſich der Warheit nach gebuͤhret.
Wer iſt der / ſo ſich wil zu zeugen unterwinden?
Carino, tritt zum Zeugnis itzt herfuͤr / Von dem bis auf die Stund alhier / Ein ieder hat muͤſſen bekennen / Daß er des Juͤnglings Vater ſey.
Jſt dieſes wol das Kind / ſo dir Der Fluß entfuͤhret?
Tirenio, du ſagſt es frey.
Wilſtu dich dann deſſentwegen einen armen Vater nennen? Wie liegt doch unſer Geiſt in Jrrthums-truͤber Nacht / Wie wird die Seele doch ſo leichtlich blind gemacht / Wann groͤſte Sonne du / die unſer truͤbes Leben Allein erleuchten kan / ihr nicht wilſt Klarheit geben. Das Theil / ſo hier in uns verſtehet / weiß und denckt / Das wird uns aus der Hand von oben her geſchenckt. Es iſt nicht unſer Werck / es iſt des Himmels Stuͤcke / Der giebt es / wenn er wil / und nimt es auch zuruͤcke. Montan, ich bin zwar blind von Augen und Geſichte; Doch biſtu blinder von Gemuͤthe; Welch Geiſt doch / welcher Zauberey Steht dir itzund im Lichte / (Jſt es wahr / daß dieſer Juͤngling dir ein Sohn iſt von Gebluͤte) Daß du nicht kanſt erkieſen / Daß deine Wohlfahrt nun gantz unvergleichlich ſey / Und die Goͤtter keinen Vater mehr Geluͤck / als dir / erwieſen. Schau doch das groſſe Geheimnis itzt an / So nichts als nur ihm ſelbſt ſich recht vergleichen kan / Und das Verhaͤngnis mir bisher verborgen hielt: Schau / ſchau / den groſſen Tag /Den189Sechſter Auftritt. Den man unter Blut und Thraͤnen furchtſam zu vermuthen pflag. Und uns nunmehr den groſſen Jammer ſtillt. Montano, ſchlaffen deine Sinnen? Kehre doch in dich: Biſtu denn der / ſo hier alleine ſich Des beruͤhmten Orakels gaͤntzlich nicht erinnern wil. Wann war es doch / daß dir deſſelben Spruch entfiel? Der Spruch / den ja das gantze Land Stets unverruckt befand / Jn Hertz und Seele ſitzen. Was wilſtu doch beginnen / Weiſtu nichts davon? Wird dich dann nicht das angenehme Blitzen / Damit dich unverhofft beſtrahlt dein lieber Sohn / Des himmliſchen Donners erinneren koͤnnen? Es weichet / ach! die ſuͤſſen Freuden-Zaͤhren / Die wollen mir das Reden faſt erwehren: „ Es weichet eher nicht des Landes ſchwere Laſt / „ Bis daß zwey himmliſche der Liebe Band verfaſſt / „ Bis eines Schaͤfers Treu wird gut zu machen wiſſen / „ Was ſich ein falſches Weib zu ſtoͤren hat befliſſen. So ſage nun Montan, Komt der Schaͤfer nicht / Von welchem Meldung hier geſchicht / Vom Himmel her / weil er von dir gebohren? Jſt nicht auch aus Himmels Zeugen Amarillis zugericht? Wer hat ſie nun verfaſſt und ſo zuſammen bracht: Hat es die Liebe nicht gethan? Silvio war durch der Eltern Macht Der Amarillis zwar zum Braͤutigam erkohren / Doch die Liebe wuſte nicht dieſe Leute zu verfaſſen / Weil ſich niemals Haß und Gunſt eigentlich verknuͤpffen laſſen. Dis / was nun ferner hier vom treuen Schaͤfer ſteht / Befind ſich / daß es klar auf dem Mirtillo geht? Denn wer hat nach dem Amintas irgend eine Treu geſchaut / Die ſich wohl dieſer zu gleichen getraut? Keiner hat / nach dem Amintas, wie Mirtillo, wollen ſterben / Und frey vor die / ſo er geliebt / verderben! Die -190Der Fuͤnften AbhandlungDieſes iſt des Schaͤfers Treu / welche Wuͤrd - und Wunders-voll / Nunmehr der Lucrin en Schuld gantz und gar verleſchen ſoll / Jch weiß / daß dieſe Wunderthat / Mehr als das Menſchen Blut / Des Himmels Grimm gedaͤmpffet hat / Und dem ewiggleichen Rechte / das er ſelber fuͤrgeſchrieben / Und ihr ein Weib zu ſtoͤren ließ belieben / Nunmehr Vergnuͤgung thut. Dannenhero kam es auch / Daß faſt den Augenblick / als er in Tempel trat / Das Geluͤbde zu verneuern / dieſe Zeichen allzumal / Zu verlieren ſich begunten / Und nicht mehr das klare Blut aus der Goͤttin Bildnis qval: Die Erde hoͤret auf ſich ferner zu erſchuͤttern / Es wolte ſich kein fauler Rauch / Als wie vor dieſem wuͤttern / Die Oerter / ſo zuvor von Dampff nicht frey ſeyn konten / Die wolten itz einen ſo edlen Schall Und ein ſo beruͤhmetes Rauchwerck gewaͤhren / Daß man im Himmel auch nichts edlers kan begehren. Ewige Verſehung! Und ihr Herrſcher aller Dinge! Wenn meine Woͤrter gleich itz Seelen koͤnten ſeyn / Und ſtellten alle ſich zu eurem Opffer ein / So waͤr es nicht genug. Doch geb ich / was ich geben kan. Nim es doch / O groſſe Gottheit / Wiewol es ſehr geringe / Meiner treuen Danckbarkeit / Jtzt von mir auf meinen Knien als ein reines Zeichen an. Was ſolt euch Goͤttern ich aus Schuldigkeit nicht geben / Dieweil ich heute noch kan leben? Hundert Jahr von meinem Leben ſeyn mir ſchon hinweg gerennt / Doch hab ich gewiß mein Leben eher nicht / als itzt gekennt; Und ich ſchwere / daß ich ſolches niemals mehr zu loben pflag / Als heute dieſen Tag. Jch werde heute neu gebohren / Und faſt verjuͤngt zum Leben auserkohren;Wie191Sechſter Auftritt. Wie aber ſoll die Zeit mit Worten ſo verſtreichen / Die man mit Nutzen an ſoll legen? Du muſt / mein Sohn / mir itzt die Armen reichen: Denn / anders kan ich nicht / aus Schwachheit mich bewegen.
Tirenio, ich weiß faſt nicht / Wie Verwunderung und Luſt Sich mir uͤm das Hertze flieht; Die Freud erfuͤllet meine Bruſt / Und kan ſie kaum empfinden; Und die Seele weiß die Freude / die nunmehr wil uͤm ſie ſchweben / Nicht an das Licht von ſich zu geben / Weil die Verwirrung ihr wil alle Sinnen binden. O groſſe Wunderthat! So kein Auge hat geſchauet / und kein Geiſt verſtanden hat. Himmliſche Genadens-Blicke / welchen nichts ſich weiß zu gleichen / O du ſuͤſſes Liebes-Gifft! O du rechtes Himmels-Pfand! Und du / Arcadi en / o Wohlfarts-reiches Land! Dir muͤſſen alle Laͤnder weichen! Liebſtes Land / dein Freuden-Stand Wil mich dergeſtalt verſtricken / Daß ich faſt meine Luſt darbey nicht kan erblicken. Jch weiß an meinen Sohn / Den ich zweymal verlohren / Und der mir auch zweymal war auf das neu gebohren / Ja / an mich ſelbſt nicht zugedencken / Der ich / aus ungegruͤndtem Leiden / Jn den Abgrund vieler Freuden Mich ſchauen muß verſencken. Mit kurtzem / meine Luſt verſchwindt und weicht davon / Sie muß den Tropffen gleich verſchwinden / Die in deiner Freuden-See ich nicht wieder weiß zu finden? O edler Traum! was Traum? O goͤttliches Geſichte! Du lieſt mir ja die ſuͤſſen Wort erſchallen: Des Landes Pracht ſo hin gefallen / Wird ſich bald wieder wuͤttern koͤnnen.
Des Himmels Schluß ſteht itzt in offenbarem Lichte. Montano darff kein Blut zum Opffer laſſen rinnen / Du ſchauſt ja / was der Himmel wil /Lieb192Der Fuͤnften AbhandlungLieb und Gunſt / nicht Zorn und Rache wird ſein fuͤrgeſetztes Ziel. Du weiſt ja wohl / Was die Goͤttin hat befohlen / Man darff ihr kein betruͤbtes Opffer holen: Sie befiehlt / daß man ſich freuen und Verlobung halten ſoll / Doch / ſage mir / wie viel mag noch im Tage ſeyn?
Viel mehr als eine Stunde nicht:
So wird die Sonn uns bald entziehen ihren Schein: Hier ſchadet das Verweilen / Man muß zum Tempel eilen / Damit man deinen Sohn / den Spiegel der Verliebten / Mit der Tochter des Betruͤbten Als Braut und Braͤtigam nunmehr zuſammen ſpricht; Dann muß eines auch das ander in der Eltern Wohnung fuͤhren / Das nach Ordnung dieſer Erden / Eh / als die Nacht laͤſſt ihre Herrſchafft ſpuͤren / Zwey Hertzen eines werden. Sohn / fuͤhre mich dahin / Von wann ich kommen bin. Komm / folge mir Montan.
Tirenio, das Werck wil mir nicht recht in Sinn / Wie ſie buͤndlich dem Mirtillo ihre Treu verſprechen kan / Damit ihr Mund nicht etwan das Geſetze Zugleich verletze; Du weiſt / ſie hat ſich ja dem Silvio verſchworen.
Gar recht / ſie war dem Silvio erkohren. Denn von zarter Kindheit an war Mirtill auch ſo genannt / Wo mir dein Knecht hat recht bekant: Er bat mich auch / ich ſolte mich befleiſſen / Vor Silvio Mirtillo ihn zu heiſſen.
Jch muß es ſelbſt bekennen: Und damit mir das Betruͤbnis durch des erſten Todt gemacht / Jn etwas wuͤrd aus dem Gemuͤthe bracht: So wolt ich den anderen eben wie den erſten nennen.
Dein Kummer iſt von Wichtigkeit. Komm / fort / und folge mir.
Komm / kom̄ mein Freund Carin, Zum Tempel hin / So wird zu dieſer ZeitMit193Siebender Auftritt. Mit doppelten Vaͤtern Mirtillo erfreut. Man ſchaut / wie itzt Montan Seinen Sohn uͤmfaſſen kan / Und der Carin trifft einen Bruder an.
Weil man mich ja deinen Bruder / und Mirtillo Vater nennet / So gedencke / daß Carin beyder Knecht zu ſeyn bekennet. Und weil du dich ja mir ſo freundlich haſt erwieſen / So gedenck auch meinen Freund dir zum Freunde zu erkieſen / Ohne welchen ſich vor Freund der Carino ſelbſt nicht haͤlt.
Jch thue dis / was dir gefaͤllt.
Jhr Goͤtter / wie ſind doch die hohen Wunder-Wege / Dadurch ſich eure Gunſt zu unſern Graͤntzen lenckt / Entlegen und entfernt von dieſem krummen Stege / Dadurch ihm unſer Geiſt zu euch zu kommen denckt!
CORISCA. LINCO.
SO ward der Silvio, eh als er es gedacht / Auf Unempfindligkeit mit Liebes-Garn uͤmſponnen. So melde / wie es doch nun der Dorind ergieng?
Sie ward bald in das Haus des Silvio gebracht / Da mit vielen heiſſen Thraͤnen ſeine Mutter ſie empfing. Jch hab es ungewiß geſchaͤtzt / Ob ihr ſolche mehr aus Luſt oder aus Betruͤbnis ronnen. Sie befand ſich zwar ergetzt / Den Sohn verliebt und Braͤutigam zu wiſſen. Doch hieß der Nymfen ſchwere Pein Sie nicht zum laͤngſten froͤlich ſeyn. Dann / als Schwieger zweyer Schnuren muſte ſie zugleiche buͤſſen: Die eine war nach ihrer Meinung todt / Und die andre lag fuͤr ihr angeſprengt durch Todes-Noth.
Die Amarillis lebt ja nicht?
Es lautet der Bericht / Sie ſolte heute ſterben / Und dieſes hieß mich in den Tempel gehn / Damit ich dem Montan bald gebe zu verſtehn / Daß er koͤnt in ſeiner Wohnung eine neue Schnur erwerben.
Dorind iſt dann nicht tod?
Wie todt? ich kan dir ſchweren / Du darffſt nicht mehr als ſie zu leben dir begehren.
Hat ſie dann nicht der Pfeil bis auf den Todt verwundt?
Ein Wehmuth-reiches Wort das machte ſie geſund; Und laͤge ſie dem Todt auch albereit im Rachen / So wuͤſte Silvio ſie lebendig zu machen.
Wie hielt er ſie ſo bald / was brauchet er vor Sachen?
Es iſt mir ſchlechte Muͤh Dir ſolches kund zu thun. Es ſtund numehr uͤm ſie Viel Mann - und Weibes-Volck / erwegend ihren Schmertzen / Mit fertigen Haͤnden und zitternden Hertzen. Doch die Dorinda wolte / Daß der Silvio alleine ihr die Wunde ruͤhren ſolte; Sie ſprach / die ſtarcke Hand / ſo mich mit ſcharffen Pfeilen Bis auf den Todt verletzt / vermag mich auch zu heilen. Es kam darzu / daß endlich ſich Niemand mehr uͤm ſie befand /Als195Siebender Auftritt. Als Silvio, die Mutter / und dann ich: Zwey hulffen ihr mit Rath / und einer mit der Hand / Nachdem der Juͤngling nun das blutige Gewand Von dem nackten Helffenbeine ſaͤuberlich hinweg genommen: So ließ er ihm faſt nichts ſo ſehr ſeyn angelegen / Als daß bald das Geſchoß moͤcht aus der Wunde kommen. Jch weiß nicht / wie durch das Bewegen Sich das Holtz vom Stahle trieb / Und die Spitz ihr in dem Schaden jaͤmmerlich verhafftet blieb: Da ſchaute man die Noth erſt recht beginnen / Man konte hier mit Zaͤnglein und mit Haͤnden Nichts rechtes enden. Es haͤtte ſich zwar noch ein Mittel finden koͤnnen / Zu gelangen zu der Spitzen / Doch haͤtte man das Loch was weiter muͤſſen ritzen: Dis aber war zu ſchwer vor des Verliebten Sinnen / Denn / dis was ſchneiden wil und ſchmertzlich uͤm ſich ſticht / Begehrt der Liebes-Gott zu ſeinen Wunden nicht / Wiewol die Nymfe faſt den Schaden nicht verſpuͤrte / Weil ſie ihr Silvio beruͤhrte: Deswegen ihm dann auch faſt neuer Muth entſtund. Er ſprach: du Stahl / haſt keine Luſt Zu weichen aus der Bruſt / Und wilſtu nicht / ſo ſchwer ich dir / du muſt. Es werde dir nun kund / Daß dieſe Hand / durch die du in die Bruſt geflogen / Dich endlich ohne Muͤh auch hat heraus gezogen: Und daß die Jaͤger-Kunſt / durch die ich hier verſehrt / Mich die Verſehrung auch zu ſtoͤren hat gelehrt. Mir faͤllt itzt gleich ein Kraͤutlein ein / Wornach der ſchnelle Rehbock ſteiget / Durch des Jaͤgers Pfeil verwundt / Jhm hat es die Natur / und er es uns gezeiget / Und weil der Orth nechſt dem Gebuͤrge lag / Da dieſes Kraut zu wachſen pflag / So eilet er / daſſelb alldar zu pfluͤcken / Und bracht uns deſſen ein Gebund / Darauf bemuͤht er ſich den Safft daraus zu druͤcken. N 2Nach -196Der Fuͤnften AbhandlungNachdem er nun die Saat ſo Eiſenkraͤutigt traͤgt / Wie auch tauſend Golden-Wurtzel neben dem hinzu gelegt / So ward ein Pflaſter draus. Als dis den Schuß beruͤhrt / So hat Dorinda bald Verbeſſerung geſpuͤhrt. Das Blut begunte ſich zu ſtillen / Das Eiſen gieng heraus nach unſrem Wunſch und Willen. Und die Warheit recht zu ſagen / ſo war da nicht viel Gefahr / Weil nur durch das bloſſe Fleiſch dieſer Schuß gegangen war.
O Kraut / voll reicher Wunderkrafft! Doch Nymfe / reicher an Geluͤcke.
Die beſten Wunderſtuͤcke Sind hier leichter zu vermuthen / als nach Wuͤrden auszuſprechen / Gewiß / Dorind iſt itzt mit keiner Noth behafft / Sie kan nach Willen und Begehren Sich auf alle Seiten kehren / Und weiß nichts mehr von vorigem Gebrechen. Jch weiß / Coriſca faͤllt mir bey / Daß an mehr als einem Schaden ſie anitzt geheilet ſey. Doch / wie Dorinda muſt an vielen Wunden leiden / So ſind die Waffen auch ſehr unterſcheiden. Denn eine Wunde liegt gefuͤhlt mit eitel Pein / Die ander heiſt die Luſt des Schmertzens Nachbar ſeyn; Die eine laͤſt ſich noch mit vielen Haͤfften heilen / Die andre wird ein Hafft nur mehr von ſammen theilen: Und dieſer ſo mit Treffen und Verwunden / Als er noch Jaͤger war ſich ſtetig hat geuͤbt / Hatt auch itzt als er verliebt Jn der Verletzung noch die beſte Luſt gefunden.
So muß ich ja erfahren / Daß auch bey grauen Haaren Dem Linco nicht der Liebes-Zug gebricht.
Ach! Coriſca, glaub es mir / Linco hat zwar guten Willen / doch die beſten Kraͤffte nicht. Dis ſchwer ich daß alhier / Unter dieſer alten Haut / Die friſche Regung noch zu gruͤnen ihr getraut.
Weil Amarillis nun iſt auf die Seite bracht / So muß ich ſehn was mein Mirtillo macht.
ERGASTO. CORISCA.
TAg voll Wunder! Tag voll Liebe! Tag voll Anmuth! Tag voll Luſt! O Land / dem nichts als Wohlfahrt iſt bewuſt! O Himmel voller Freundligkeit!
Ach ſchau! Ergaſto koͤmt itzt zu gewuͤnſchter Zeit.
Feuer / Waſſer / Lufft und Erden / dieſer groſſen Kugel lacht; Ja ich weiß / daß unſertwegen ſich die Hoͤlle froͤlich macht / Und heute keine Schuld zu ſtraffen iſt bedacht.
Schau / wie er ſich erfreut.
Und du begruͤnte Waͤlder-Pracht / Die du mit Trauer-reichen Brauſen Dich mit den Betruͤbten haſt wollen betruͤben /N 3Laß198Der Fuͤnften AbhandlungLaß itz mit ſuͤſſem Sauſen Dir mit den Verliebten zu ſchertzen belieben. Du muſt deine Zweig itzt in Zungen verkehren / Und zur Geſellſchafft der laͤchelnden Lufft / Die ſie als liſpelnde Schweſtern berufft / Zwey treuen Verliebten ein Brautlied gewaͤhren.
Er wird den Silvio und die Dorinda meinen. Und wer kan ewig weinen? Der bittre Thraͤnen-Qvell wird mit der Zeit geſtillt / Doch bleibt der Freuden-Fluß ſtets reichlich angefuͤllt / Von der todten Amarillis kan ich hier kein Wort verſtehn. Man iſt zu dieſer Zeit Mit den Freudigen erfreut / Und billig / denn der Menſchen Leben Jſt nur zu viel mit Angſt und Noth uͤmgeben / Wo gedenckſtu ſo erfreut mein Ergaſto hinzugehn? Zur Hochzeit wie mich deucht. Erg. Gewiß du irreſt nicht: Hat von der Verliebten Zuſtand Dich dann keiner nicht bericht? Wem iſt dergleichen Werck / als dieſes / wohl bekandt?
Von Linco hab ich dis mit hoͤchſter Luſt vernommen / Und durch dis hat auch mein Schmertzen / So der Todt der Amarillis mir erreget in dem Hertzen / Jn etwas Linderung bekommen.
Jſt Amarillis todt: Wie? du verſtehſt nicht mich / Oder ich nicht dich / Was bildeſtu dir wol hier vor Verliebte ein?
Es wird der Silvio und die Dorinda ſeyn.
Silvio und auch Dorinda kan mir ſchlechte Luſt erregen / Du kenneſt meine Freude nicht. Wiſſe / daß mir dieſer Trieb aus viel edler Wurtzel bricht; Es geſchiehet des Mirtillo und der Amarillis wegen. Dann dieſes ſind warlich die wuͤrdigſten Zwey / Die iemals hat beſtrickt die Laſt der Buhlerey.
Jſt Amarillis dann nicht todt?
Wie todt? ſie lebt vergnuͤgt / als Braut / geſund und roth.
Du ſchertzeſt nur.
Ach nein! du wirſts bald anders wiſſen.
Und ſo weiß ich / daß das Urtheil ihr das Leben abgeſprochen.
Erg.Und ſo weiß ich / daß was hoͤhers dieſes Urtheil hat gebrochen.
Was ſoll ich endlich ſchlieſſen? Traͤumet dir / Oder mir?
Bleibſtu hier ein wenig ſtehn / So ſiheſtu diß edle Paar / Selbſt aus dem Tempel gehn / Da es durch ein ſuͤſſes Band ehlich itzt verlnuͤpffet war. Es wird nicht lange mehr verweilen Zu des Montano Hauß zu eilen / Da es die ſuͤſſe Liebes-Frucht Bis hieher uͤmſonſt geſucht / Mit vollen Freuden ſoll genieſſen. Ach! ſolteſtu die groß’ Ergetzung ſchauen / Ach hoͤrteſtu die lauten Freudens-Zeichen / Die Aug und Ohr itzund beſtreichen! Der Tempel war gedruckt von tauſend tauſend Fuͤſſen; Die Maͤnner bey den Frauen / Die Jungen bey den Alten Die wuſten ſich vor Freude kaum zu halten. Was weltlich war / ſtund bey der Geiſtligkeit; Es ſchien / als wenn durch dieſen Freuden-Streit Der Hauffen waͤr in Aberwitz geriſſen. Ein ieder iſt itzt ausgegangen Das edle Paar gebuͤhrlich zu verehren / Und nach Vermoͤgen zu empfangen. Es ruͤhrt ſich Hand und Mund zu ihrem Wohlgefallen / Der zeucht die Treu / der etwas andres an; Dieſer ſagt / was die Natur / der was ihn ihr Gott gethan. Berg und Thal / Feld und Wald Laͤſt ſeine Freude hoͤren / Und ſo ſehr er kan / Getreuer / getreueter Schaͤfer erſchallen. O verliebter Wunderfall! O ungemeines Spiel der Erden! Soll ein Schaͤfer alſobald Ein Halb-Gott werden? N 4Ein200Der Fuͤnften AbhandlungEin Augenblick der ſetzt dich aus dem Todt ins Leben / Und die verliebte Braut / So du dir nicht zu haben haſt getraut / Wird als ein Eigenthum in deine Fauſt gegeben. Coriſca, dieſes iſt zwar viel / Doch dis iſt mehr / dieſelbe zu erlangen / Vor die er albereit zu ſterben angefangen / Dieſelbe / ſo mit Hertz und Mund Jtz fertig ſtund / Auch gleichesfals vor ihm das Leben hinzulaſſen / Geſchweige dann / als ihrer Liebe Ziel Jhn freundlich zu uͤmfaſſen. Was Suͤſſigkeit iſt dis / auf derer Bruſt zu ſincken / Vor welcher Leben er zu ſterben / Und als ein Opffer zu verderben / Geſchickt zu ſeyn ſich ließ beduͤncken. Ach! dis iſt ein Goluͤck / und eine Libligkeit So kein Gedancken kan erſteigen. Wie daß dich dieſes nicht erfreut? Weiſtu dann der Amarillis wegen / Wie ſie des Mirtillo wegen / dich nicht luſtig zu erzeigen?
Ach ſchau doch! was vor Luſt ſich wil bey mir erregen.
Haͤtteſtu ſie nur als Braut Mit Augen angeſchaut / Als ſie die Hand / Der Treu gewiſſes Pfand / Gab und bekam. Und als der Mirtillo ihr einen ungekoſten Kuß / Aus ſeiner Regung Uberfluß / Dem Scheine nach zwar gab / doch recht zu ſagen / nahm / Du haͤtteſt dir Verluſt zu bleiben kaum getraut. Der Roſen Glantz / des Purpurs Pracht / Die Farben von Natur und Kunſt herfuͤr gebracht / Wurden durch das Praugen Der Nacker-reichen Wangen Schimpflich uͤberwunden. Die Wangen ſo die Scham mit Fleiß alhier bedeckte / Und unter den Schild des Gebluͤtes verſteckte /So201Achter Auftritt. So des Mirtillo Brunſt nur deſto mehr erweckte. Sie ſtellte ſich / nachdem ſie ſeinen Trieb empfunden / Als wenn ſie ihm entweichen wolte / Damit nur deſto mehr der Kuß ſich ſchaͤrffen ſolte / Und keiner war des Zweiffels frey / Ob der Kuß hier mehr geraubet / oder mehr geſchencket ſey. Das hitzig Entziehen / Das faͤlſchlich Entfliehen / War ein Nein / das da begehrte Das halb verſagt / und gantz gewaͤhrte. Ein ſo hoͤfliches Verſagen / Das ſie dieſem mit Behagen / Was ſie verweigerte ſchien eyfrig nachzujagen. Ein Verbot / ſo hieß / Und hier den Rauber ſelbſt zum Rauben drang und riß. Ein Bleiben und ein Fliehen / So ſich geraubt zu ſeyn faſt ſelber wil bemuͤhen. O Zucker-ſuͤſſer Kuß! Coriſc’ ich kan nicht mehr. Die Luſt bezwinget mich ſo ſehr / Daß ich uͤm eine Braut mich itzt bewerben muß. Dann ſoll die Suͤſſigkeit uns recht zu Hertzen gehen / So muß die Lieb uns auch nechſt an der Seite ſtehen.
Jſt dieſes wahr / ſo iſt gewißlich dis der Tag / Da Coriſca ſagen mag / Daß ſie allen Witz verlohren / Oder ja zu mehrem Witz auf das neue ſey gebohren.
Reyh der Schäfer. CORISCA. AMARILLIS. MIRTILLO.
KOmm Hymen, komm / ſteh unſerm Wunſche bey / Erblicke die Verliebten zwey; Laß hier Halb-Gott und Halb-Goͤttin dergeſtalt zuſam̃en binden / Daß keine Zeit ſie mag getrennet finden.
Ach! es iſt nur alzuwahr! Da haſtu nun die Frucht von der Eitelkeit / Und erndteſt ein / gleichwie du ausgeſtreut. O nichtiges Begehren / Vermenget mit Betrug und ſchaͤndlicher Gefahr! Bloß203Neunter Auftritt. Bloß meiner Luſt ein Opſſer zu gewahren / So wuͤnſch ich dieſe todt / die froͤmmer war als ich / O blinde Grauſamkeit! ach wer erleuchtet mich? Jch kan numehr den Greul von meinen Suͤnden ſchauen / Darauf ich mein Geluͤck entſchloſſen war zu bauen.
Komm / Hymen, komm / ſteh unſerm Wunſche bey / Erblicke die Verliebten zwey; Laß hier Halb-Gott und Halb-Goͤttin dergeſtalt zuſammen binden / Daß keine Zeit ſie mag getrennet finden. Getreueſter Schaͤfer verwiſche die Zaͤhren / Betrachte wo du hin biſt kommen / Dis / was der Himmel dir gedachte zu verwehren / Und das Verhaͤngnis dir entwand / Ja durch den Todt nun ſchien zu ſeyn genommen / Was die verſprochne Treu und dein geringer Stand Weit / weit von dir gewieſen / Daß kanſtu hier als deinen Schatz erkieſen. Mirtillo, dieſes Haubt / / dis Auge / dieſe Bruſt / Was du alhier kanſt fuͤhren / ſehn und ſpuͤren / Was dich ſo manchen Seuffzer koſt / Wird dir itzund gebuͤhren; Und kommet dir und deiner Treu itzt zu / Wie ſchweigeſtu?
Wie / ſoll ich meine Zung erheben? Jch zweifle noch an meinem Leben; Und darff mir dieſes recht zu glauben nicht getrauen / Was mich itzund beduͤnckt zu ſpuͤren und zu ſchauen. Die Amarillis, da itzt meine Geiſter ſchweben / Die wird itzund vor mich am beſten Antwort geben.
Komm / Hymen, komm / ſteh unſerm Wunſche bey / Erblicke die Verliebten zwey; Laß hier Halb-Gott und Halb-Goͤttin dergeſtalt zuſammen binden / Daß keine Zeit ſie mag getrennet finden.
Was machſt du aber noch / du ſchnoͤde Zier und Pracht? Du haſt den Leib geſchmuͤckt / die Seel in Schimpff gebracht. Fort / fort / ich mag durch euch nicht mehr verfuͤhret werden / Die ihr von Erde komt / geht wieder zu der Erden /Jhr204Der Fuͤnften AbhandlungJhr waret geiler Brunſt ein Waffen fuͤr der Zeit; Seid itzt als Beut und Raub der Keuſchheit ausgeſtreut.
Komm / Hymen, komm / ſich unſerm Wunſche bey / Erblicke die Verliebten zwey; Laß hier Halb-Gott und Halb-Goͤttin dergeſtalt zuſammen binden / Daß keine Zeit ſie mag getrennet finden.
Coriſca, wilſtu noch verweilen? Jtzt iſt es Zeit / Begehrſtu / daß man dir noch ſoll Genad ertheilen. Laß dich die Furchte nicht uͤmſonſt zuruͤcke treiben; Ach! ſcheue nicht der Straffe Bitterkeit: Dann deine Schuld wird dir die groͤſte Straffe bleiben. Du ſchoͤnſtes und ſeligſtes Paar / Dem der Himmel ie geneiget / und die Erde Freundin war / So aus Krafft des Himmels-Schluſſes dis / was groß iſt in der Welt / Vor euch darnieder faͤllt; So ſinckt auch billig die zu euren edlen Fuͤſſen / Die des Himmels Spruch zu wider / euch zu faͤllen war befliſſen. Ach / Amarillis, dis / (ich muß es nur bekennen) Was du gewuͤnſcht / das hab ich auch begehrt / Und uͤm deiner Jugend halben / ward dir dis vor mir gewehrt. Nichts wehrters / als du haſt / weiß dieſe Welt zu nennen; Und viel keuſchers als Mirtillo hat der Kreiß der Erden nicht. Nicht tadele / was meine Zunge ſpricht. Des einen Treu hat meine Hand gewetzet: Und des andern reiner Keuſchheit mehren Zierath beygeſetzet; Daferne dich nun nicht mein Bitten lencken kan / So ſchau / eh als du zoͤrnſt / doch deinen Braͤutgam an / Da die Urſach der Verzeihung / und auch meiner Miſſethat / Der Himmel eingegraben hat. Kennſtu nun deſſen Macht / die dich ſo ſehr beruͤhrt: Ey ſo verzeih auch mir / dieweil ſie mich verfuͤhrt / Und kanſtu wahrer Lieb erhitzte Brunſt empfinden / So ſtraffe nicht an mir die ſuͤſſen Liebes-Suͤnden.
Auf den Ausſchlag muß ich hier / und nicht auf den Anſchlag ſchauen / Und dis macht / daß ich mir dir zu verzeihen kan vertrauen. Denn205Neunter Auftritt. Denn ob Eiſen / Band und Brand uns gleich Angſt und Schmertzen bringt / Wird es dennoch wehrt geſchaͤtzt / weil es manche Noth verdringt. Du ſeyſt mir ein Freund oder Feindin geweſen / So bin ich doch vergnuͤgt / Weil es der Himmel mir itzund zum beſten fuͤgt / Der dich zur Befoͤrderung meiner Wohlfart hat erleſen. Geluͤcklicher Betrug und Schalckheit ohne Leid! Coriſca, wo es dir gefaͤllt / Und etwas wichtigers dich nicht zuruͤcke haͤlt: So ſchicke dich itzund mit mir zur Froͤligkeit.
Es mangelt mir an Freude nicht / Daferne nur Verzeihung nicht gebricht.
Wolan! So verzeih ich gleichfals dir / alles / was du mir gethan / Auſſer / daß ich wegen deiner nicht alsbald von hinnen kan.
Gute Nacht! Der Himmel ſey itzund auf eure Luſt bedacht!
Komm / Hymen, komm / ſteh unſerm Wunſche b[ei]Erblicke die Verliebten zwey; Laß hier Halb-Gott und Halb-Goͤttin dergeſtalt zuſammen binden / Daß keine Zeit ſie mag getrennet finden.
MIRTILLO. AMARILLIS. Reyh der Schäfer.
WJe bin ich doch gewohnt zu Jammer / Angſt und Pein / Daß ich auch bey meinen Freuden nicht recht froͤlich weiß zu ſeyn / Der Hauffen / der mich itzt faſt ohne Maß verehret / Der haͤtte mich gewiß noch nicht genug geſtoͤret / Wann ſich nicht zu mehr Verweilen auch Coriſc’ herzu gemacht.
Wie biſtu ſo treflich zu eilen bedacht?
Mein Schatz / ich bin noch nicht von aller Furchte frey; Jch zittre noch / und weiß nicht recht zu trauen / Daß Amarillis meine ſey / Bis ich ſie kan zu Haus an meiner Seite ſchauen. Jch207Zehender Auftritt. Jch fuͤrcht all Augenblick / daß nicht mein Aug erwacht / Denn dieſes duͤncket mir nur noch ein Traum zu ſeyn / Den leichtlich ſtoͤren kan der Sonne Morgen-Schein. Es muß ein langes Wachen / Daß meine Luſt kein Traum / mich recht verſichert machen.
ORecht erfreutes Paar / Das Thraͤnen ausgeſtreut / Nun Lachen abgemeit / Vegiß itzt / daß dein Stand voll Noth und Jammer war. Was ſterblich heiſt und iſt / Hat hier genug erkieſt / Wo rechtes Gut und wares Ubel ſteckt / Wie ieder Glantz nicht Gold bedeckt. Dis / dis / heiſt wahre Luſt zu ſeyn / Die auf die Tugend komt nach vieler Noth und Pein.
ENDE.
Socrates den der Abſchied und die Wehmuth der Seinigen / wenig zu Hertzen gieng / ließ ſich die traurigen Geberden ſeiner Frauen nicht ſonderlich anfechten / wie er denn auch alſobald zu den Um - ſtehenden ſagte: Jch bitte euch / fuͤhret mir dieſes Weib nach Hauſe / in welchem ihm unverzuͤglich ei - ner von des Critons Leuten zu gebote ſtand / und ſie in ihre wohnung begleitete.
Denſelben Augenblick als man ihm die Feſſel abgethan / ſo fuhr er mit der Hand uͤber die La - ſchen / ſo ihn vortreflich juckten / wie er nun nicht we - nig Linderung und Anmuth daraus verſpuͤrte / ſo ſagte er:
Wie iſt es doch ſo eine wunderliche Sache / ſprach er ferner / daß dieſe Empfindlichkeit / welche die Menſchen Luſt nennen / ſo eine groſſe Verwand - ſchafft mit der Unluſt / als ſeinem Gegenſpiele zu ha - ben ſcheinet; Dann ſie koͤnnen nicht beyſammen ſtehen / und wir koͤnnen doch auch des einen / ohne Theilhafftigkeit des andern / ſchwerlich genieſſen / ja ſie ruͤhren ſo nahe an einander / daß es faſt das Anſehen hat / als wann ſie mit den Enden an einan - der geknuͤpfft waͤren. Aeſopus haͤtte ſonder Zweif - fel / ſo ihn nur dieſes in Sinn kommen waͤre / etwas artiges / wegen dieſer Gedancken halber / fuͤrgeſtel - let; daß nemlich Gott / weil er zwey ſo widerwaͤrti - ge Sachen unter ſich vereinigen / und aus denſelben eine / welches unmoͤglich iſt / machen wollen / auf das wenigſte ſie bey den Enden vertnuͤpfft haͤtte / das ei - ne dergeſtalt allezeit beginnet / wo die andere auf - hoͤret / welches mich dann die augenſcheinliche Er - fahrung itzund genugſam lehret. Dann die Feſ - ſel / ſo mir in den Schenckeln unausſprechliche Be - ſchwerniſſe verurſachten / ſind ſo balde nicht aufge - ſchloſſen worden / als ich uͤberaus groſſe Luſt und Anmuth daraus empfunden. Darauf fiel ihme einer ſeiner Freunde / mit Namen Cebes / in die Rede / und begehrte zu wiſſen / aus was vor Re - gung er ſich in dem Gefaͤngniß einen Geſang zu ma - chen unterſtanden haͤtte; Dann er haͤtte etwas dergleichen / ſo in ſeinem gantzen Leben vormals nicht geſehen / juͤngſt verwichene Tage aufgeſetzt. Ce - bes aber fragte dieſes nicht aus eigener Begierde /A 5als6Der ſterbendeals auf Begehren eines Richters Evenus genant / der ihm deſſen zu erkundigen hoͤchlich gebeten hatte. Du kanſt dem Evenus nur zur Antwort geben / ſag - te Socrates / daß dieſes was ich etwan aufgeſetzt / weder ihm zu Gefallen / noch die Wette mit ihm zu tichten / welches mir denn allzuſchwer fallen wuͤrde / geſchehen iſt / ſondern allein mein Gemuͤth in et - was zu erledigen / und die Gewißheit eines Trau - mes zu erfahren / der mir ein Lied aufzuſetzen / einge - geben hatte; Denn ein ſolch naͤchtliches Geſichte / ſo ſich bald auf eine / bald auf andere Weiſe geſtel - let / hat mir allezeit eingeblaſen / auf Socrates / auf Socrates / tichte etwas.
Je oͤffter mich nun itzt gedachtes Geſichte zu die - ſer Sache antrieb / ie mehr Vermoͤgen ſpuͤrete ich auch / mich ſolches zu unterwinden.
Weil ich mich dann nun entſchloſſen / dieſer Re - gung Folge zu leiſten / und meinen Geiſt / ehe er aus der Welt ſchiede / auch durch ſolches Mittel recht zu ſaubern / ſo machte ich mich in wehrender feyerli - cher Zeit / ſo die Volziehung des Urtheils noch et - was zuruͤcke hielt / uͤber etliche Reimen / weil ich denn mein Gedichte von dem Apollo / den man damals opfferte / begonnen habe /
Nach dieſem unterſtund ich mich allerhand Schein-Geſchichte / oder Maͤhrlein vor die Hand zu nehmen / in Erwegung / daß ein Tichter ihm ſo - thane Sachen zuſchreiben / mehr als irgend eine andere ſolle angelegen ſeyn laſſen. Weil mir nun etliche derſelben einfielen / ſo habe ich ſie in der Ord - nung / wie ſie mir zu erſt in den Sinn kommen / her - vor gezogen; Es ſeyn Schein-Geſchichte aus dem Aeſopus genommen; Dann was mich betriefft / ſo iſt mein Gemuͤthe nicht geartet / etwas dergleichen zu erdencken. Dieſes iſt alles was du dem Eve - nus antworten kanſt: Gruͤſſe ihn von meinet wegen.
Und8Der ſterbendeDaß er mir dann nachfolge; Es iſt meiner Rich - ter Urtheil und Ausſpruch / daß ich dieſen Abend von hinnen ſcheiden ſoll. Simias der uͤber dieſen Beybringen hochlich beſtuͤrtzt war / ſagte darauf: Mein Socrates / was iſt es / daß du mir dieſem Tichter anzukuͤndigen befiehleſt / wo ich ihn anders recht kenne / ſo zweiffelt mir faſt / daß er dir ſolchen Beyfall geben wird. Warum dann? antwortete Socrates / iſt er nicht gleichfals der Weißheit be - fliſſen? Ja freylich / ließ ſich Simias verlauten; So wird er dann meinen Rath ſchwerlich in den Wind ſchlagen / redete Socrates ferner / wie ich mir dann ſolches von keinem / ſo der Weißheit recht beflieſſen iſt / iemals einbilde; durch welchen ich doch nicht verſtehe / daß man ſich ſelbſt toͤdten ſolle; wie dann wider dergleichen Beginnen ein allgemei - nes Verbot iſt. Darauf ruckte er zu der einen Seite des Bettes / richtete ſich auf / und hielt ferner Geſpraͤch mit uns.
Cebes aber ließ wehrender Zeit dieſe Frage glei - ten; Jch moͤchte wol wiſſen wie du mir dieſes zu - ſammen reimen wolleſt / daß ein Menſch ihm nicht ſelber ein Leid thun / und ein Weiſer Begierde ha - ben ſolle / einem ſterbenden Freunde nachzufol - gen.
So -Habt ihr niemals etwas dergleichen begrieffen / wann ihr mit dem Philolaus eurem vertrauten Freunde geſprachet?
Jn Warheit nichts eigentliches.
Mit mir hat es faſt eben dieſe Beſchaffenheit / denn ich rede nur von Hoͤren ſagen / jedennoch wil ich nicht unterlaſſen / euch alles das jenige zu entde - cken / was mir etwan in dieſer Sache fuͤr Ohren kom̃en; wie es dann auch nicht unfuͤglich ſeyn wird / daß ich in dem letzten Augenblick meines Lebens doch eigentlich betrachte / wie man ſolchen Abſchied anſtellen / und was man von ſolchem Abſchiede recht halten ſolle / dieſes iſt in Warheit das nuͤtzlichſte Fuͤrhaben / ſo ſich von Morgen bis auf den Abend er - ſtrecken ſoll.
Und warum iſt es nicht vergunt ſich ſelber abzu - thun; es iſt wol wahr / daß Philolaus / wie auch an - dere mir offt erwehnet / daß ſolches nicht zulaͤßlich ſey; ſie haben mir aber mit angezogenen Urſachen nicht genug gethan.
So -Jch bitte auf meine Rede genau acht zu haben / in dem euch / wenn ihr mich gleich wol verſtanden zu haben vermeinen werdet / dieſes nicht wenig Ge - dancken verurſachen wird; warum denn ſolches den Menſchen ſo ſehr verboten worden / da wir doch genugſam ſehen / daß es offt einen und den andern beſſer iſt zu ſterben / als laͤnger zu leben.
Cebes ſagte darauf lachende: ha / ha / Jupiter / ſi - he da die Gewonheit der Thebaner; diſes ſcheinet in Warheit (ſprach Socrates) zimlich ungereimt ſeyn / und hat doch wol vielleicht ſeine Gruͤnde. Deñ was von dieſen Sachen in der Stille gehalten wird / daß der Menſch / nemlich in dieſem Leben wie in ei - nem Gefaͤngniſſe ſey / davon ſich entbrechen / und ſelbſt zu beweinen keinem verguͤnſtiget wird / iſt meinem Erachten nach zimlich hoch / und ſehr ſchwerzu11Socrates. zu verſtehen. Doch Cebes du wirſt unfehlbar dar - vor halten / daß die Goͤtter vor uns ſorgen.
Ja freylich.
Und daß die Menſchen unter das Eigenthum der Goͤtter gerechnet werden.
Unfehlbahr.
So betrachte dann Cebes / wann ein Leibeigener / ſo dir zuſtuͤnde / ſich wider deinen Willen entleibete / ob du dich nicht deſſentwegen entruͤſten / und ihn auch nach ſeinem Tode wuͤrdeſt ſtraffen laſſen.
Ohne allen Zweiffel.
So halte ich gleichfals vor recht und billich / daß ſich kein Menſch ſelber entleiben / ſondern vielmehr den Willen der Goͤtter in Gedult erwarten ſolle / wie du dann ſchaueſt / daß ſie mir den Todt durch geſprochenes Urtheil auferleget.
Dieſes alles iſt Sonnenklar. Was ihr aber i - tzund fuͤrgebracht / daß nemlich die Weiſen die Be -Bgier -12Der ſterbendegierde des Todes niemals aus dem Hertzen laſſen / kan nicht wol beſtehen / wann dieſes ſtatt hat / daß GOtt unſer Schoͤpffer / und wir ſein Eigenthum ſeyn; Dann es iſt nimmermehr zu vermuthen / daß die Menſchen / wofern ſie etwas Weißheit in ſich haben / ſich von den Goͤttern / ſo weiſer als ſie / regi - ret zu werden / wuͤrden verdrieſſen laſſen. Denn ein kluger Menſch wird bey ſeiner Freyheit und Wilkuͤhr mehr furchtſam ſeyn / als wenn Gott ihn zu lencken und zu fuͤhren ſelbſt die Muͤhwaltung auf ſich nimmt. Ein Narr aber wuͤrde leicht uͤberre - det werden koͤnnen / ſeinen Herrn zu verlaſſen / ohne einzige Erwegung / daß man allezeit das beſte er - wehlen ſolle; Da ein Verſtaͤndiger hergegen ihm allezeit den ſicherſten Weg zu erkieſen gedencket. So iſt dann nun aus dieſem Leben zu fliehen nichts anders / als ſich der Beobachtung zu entbrechen / darunter uns GOtt haͤlt / und unter welcher allezeit den Weiſen zu verbleiben beliebet / dahero ſolte bil - lich folgen / daß dieſe allezeit mit Verdruß ſterben / die Unweiſen aber alleine im Tode Ergetzung em - pfinden.
Socrates hatte an des Cebes ſeine Scharffſin - nigkeit / ſo aus dieſem Einwurffe mercklich herfuͤr blickte / nicht wenig Vergnuͤgung / wie er ſich denn alſobald zu uns wendete / ſagende: Dieſer Cebes bemuͤhet ſich alles auf das genaueſte zu durchſuchen / wie ihn denn niemand / er ſey auch wer er wolle / leicht etwas ungleiches uͤberreden wird. Und ich / antwortete Simias / halte gaͤntzlich dafuͤr / daßdie -13Socrates. dieſes / was uns Cebes fuͤrgetragen / im geringſten nicht falſch ſey / denn warum wolten die Menſchen / denen es nicht gantz an Verſtand gebricht / die jeni - gen ſo ihnen an Weißheit uͤberlegen / leichtſinnig verlaſſen / und ſich ihrer entbrechen. Darauff ant - wortete Cebes / das gehet dich an Socrates / der du nicht alleine von uns weg eileſt / ſondern dich auch zu - gleich der Goͤtter / welche doch nach deiner Meinung gut / und zu menſchlicher Regirung bequem genung ſind / unachtſamer Weiſe zu entbrechen erkuͤhneſt. Wolan / ſprach Socrates / ſo wolt ihr dann / daß ich mich alhier / als wie fuͤr Gerichte verantworten ſolle. Wie anders / gab Simias darauf zur Ant - wort. Es geſchehe denn / ſagte Socrates wiederum / ich wil noch genauer / als fuͤr keinem Richter / itzund Rede und Antwort geben.
Dieſes iſt es was ich mir feſtiglich einbilde / und welches mir mehr Urſache zur Hoffnung als zur Furcht gibt.
Daß ich nach dieſem Leben eine Geſellſchafft ſo vollkom̃ener Leute antreffen werde / begere ich nicht ſo ſehr heraus zu ſtreichen / aber an dieſem zweiffele ich gar nicht / allmaͤchtige / und allguͤtige Goͤtter al - dar zu finden / welches mir auch niemand in dieſer Welt zweiffelhaftig machen wird.
Wolleſt du dann wol / ſagte Simias / dich mit dieſer Wiſſenſchafft alſo hinweg machen / und uns nichts von derſelben mittheilen; Bevoraus / weil dieſes eine Sache iſt / ſo uns ſo wol als dich angehet. Bilde dir nun nimmer mehr ein / daß du nun genug gethan haſt / und gantz frey biſt / ſo fern du uns nicht auch dieſe Lehre recht erklaͤreſt / und deine Mei - nung recht behaupteſt.
So -Jch wil in dieſem Fall thun ſo viel mir moͤglich iſt; laſt uns aber zuvor vernehmen / was Crito erinnern wil / dann ich habe ihm ſchon lange angemerckt / daß er etwas zu reden im Sinn hat. Jch habe nichts anders zu ſagen / ſprach Crito / als dieſes / was der Nachrichter wol hundert mal gedacht / daß du nem - lich nicht allzuviel reden ſolteſt / weil ſolche Bewe - gung dich vielleicht erhitzen / und die Wirckung des Giffts alſo verhindern doͤrffte / wie er denn zugleich beteuerte / daß man etlichen den Gifft-Trunck zu unterſchiedlichen malen geben muͤſſen.
Laß ihn da / ſagte Socrates / er mag deſſen / was ihm befohlen iſt / abwarten / und das Gifft auf drey / vier oder mehrmal / beliebt es ihm anders zu berei - ten. Jch dachte wol / fing Crito an / daß ich kein ande - re Antwort erlangen wuͤrde / konte mich aber deß Nachrichters Uberlauffens nicht anders entledi - gen.
Laß ihn da. Euch aber / meine Richter / wil ich itzund die Urſache entdecken / warum ein Menſch / der ſeine gantze Zeit in Unterſuchung der Weißheit zugebracht / dem Tode mit Standhafftigkeit unter Augen gehen / und vollkommene Gluͤckſeligkeit nach dieſem Leben erwarten ſolle. Und ſchauet / geliebten Freunde / wie dieſes meinem Erachten nach zuver - ſtehen iſt.
B 3Der16Der ſterbendeEs ſolte einem zimlich bedencklich fuͤrkommen / wann die Weiſen / ſo die gantze Lebens-Zeit dem Tode nachzugehen / ihnen angelegen ſeyn laſſen / endlich wann ſie ihn nun angetroffen / Verdruß ver - ſpuͤren / und uͤber dem / was ſie ſo offt begehret / ſich beklagen ſolten. Simias ſagte laͤchelnde: ich mus wider meinen Willen lachen; denn ihrer viel wuͤr - den Gelegenheit gehabt haben / wann ſie dieſes ge - hoͤret / den Weiſen eines anzuhengen. Unſere A - thenienſer wuͤrden gewiß dafuͤr halten / daß die Weiſen gerne ſterben / weil ihnen nicht unwiſſend iſt / daß ſie den Todt verdienet. Es waͤre nicht ſo ungereimt geredet / meldete Socrates / wann ſie dazuſetzten / wie nemlich den Weiſen nicht unwiſ - ſend waͤre / daß ihnen die Ehre zu ſterben wol ge - buͤhre. Denn was die andern belanget / ſo haben ſie ſolches niemals verſtanden / warum die Weiſen ſo gerne ſterben. Was haben wir aber mit dieſen Leuten zu thun / wir reden vor uns. Jſt dann unſerege -17Socrates. gewiſſe Meinung / daß der Todt etwas ſey. Ohne allen Zweiffel iſt er etwas / ſagte Simias.
Jſt der Todt etwas anders als eine Abſonde - rung der Seelen von dem Leibe? Und iſt nicht todt zu ſeyn / wenn der Leib der Seelen entzogen vor ſich bleibet / und die Seele gleicher maſſen von dem Lei - be geſondert / aus eigener Krafft und Vermoͤgen beſtehet? Jſt der Todt noch etwas anders? Nichts anders / ſagte Simias. Socrates / ſo erwege nun / ob du und ich in dieſer Sache recht einig ſeyn; ſo werden wir unſern Zweck deſto leichter erreichen koͤnnen. Haͤlteſtu davor / daß ein Weiſer ihm die Wolluſt belieben laſſen / und ſeine Gedancken auf Unordnung und Schwelgerey / ſo in Begierlichkeit annehmlicher Speiſen beſtehet / alleine gerichtet ſeyn ſollen?
Dieſe Luſt iſt allzuſchlecht einen Weiſen einzu - nehmen.
Keines Weges / dann ich bin der gaͤntzlichen Meinung / daß einem witzigen Manne dieſe Zaͤrt - ligkeit uͤber die Maſſen uͤbel anſtehe / und daß ein Gemuͤhte / wie geſetzt es immer ſey / dafern es lange von dieſer Schwachheit angefochten wird / endlich in die Gefahr gerathe / ſich gaͤntzlich abzumatten / und zu keiner Zeit wiederum zu rechte zukommen.
Eben ſo wenig / denn ein Weiſer ſol ſeinen Geiſt mit dieſen geringen Sachen nicht beſchweren / noch ſich derſelben weiter / als es des gemeinen Lebens Duͤrfftigkeit erfodert / auf dieſer Welt bedienen.
Euch iſt nicht unbewuſt / daß ein Weiſer ihm nicht die leiblichen Dinge ſolte angelegen ſeyn laſſen / ſon - dern daß er ſich derſelben / den geiſtlichen Sachen deſto mehr obzuliegen / ſo viel immer moͤglich / ent - brechen ſolle.
Jch biß eben dieſer Meinung.
So -Dannenhero erſcheinet es / wie ein Weiſer mehr als iemand anders darob iſt / daß er ſein Gemuͤhte der Seuche und Gemeinſchafft des Leibes entziehen moͤge.
Es iſt die Warheit.
Und unterdeſſen halten die meiſten einen ſolchen Menſchen vor todt / der die fleiſchliche Wolluſt ihm nicht angelegen ſeyn laͤſt.
Dieſes iſt in Warheit faſt ein allgemeiner Jrr - thum auf der Welt.
Jm uͤbrigen ſo darf man nicht gedencken / daß das Gemuͤthe ſich in einigerley wege / zu gruͤndlicher Er - kaͤntniß der Sachen zugelangen / des Leibes bedie - nen koͤnne: Dann die euſſerlichen Sinnen ſind in gemein betruͤglich / und zu ohnmaͤchtig. GeſichteB 5und20Der ſterbendeund Gehoͤre ſind die vornehmſten unter ihnen / weil nun dieſe / wie am Tage iſt / uns offenbarlich betrie - gen / was ſollen wir wol von den andern gewaͤrtig ſeyn. So iſt nun hoͤchſter Nothwendigkeit / daß die Seele ſich auf die Seite mache / und bey ge - ſchloſſenen Augen / und verſtopfften Ohren / ohne ein - zigen Uberlauff der Luſt / oder der Betruͤbniſſe ſich in ſich ſelbſt verwickele / dem Leibe vor ſich ſein Thun haben laſſe / und in ſolcher Beſchaffenheit zu unfehl - barem Erkaͤntniß der Sachen zu kommen ſich be - muͤhe. Daraus dann genugſam zu erſehen iſt / wie eines Weiſen Gemuͤthe den Leib hindan ſetzet / in dem es ſich ſeiner entaͤuſſert / und ſein Leben vor ſich zu fuͤhren bemuͤhet iſt. Wir muͤſſen aber auch daran kommen Simias / ob dieſes / was wir gerecht / gut oder ſchoͤne nennen / etwas oder nichts ſey.
Es iſt ſonder Zweiffel etwas.
Kan man dieſes mit den leiblichen Augen / ne - benſt Geſundheit / Groͤſſe / Staͤrcke und andern Ei - genſchafften erkieſen; das iſt ſo viel zu ſagen / ob man alle Sachen durch das Geſicht ermeſſen koͤn - ne? Warlich keines weges; Dann dieſes iſt eine Wirckung der Gedancken / und ſo von genauer Un - terſuchung der Seelen herkommet. Dahin aber rechtſchaffen zu gelangen / ſo iſt vor allen Dingenhoch21Socrates. hoch vonnoͤthen der Einbildung gaͤntzlich ob zuliegen / ſich alles des jenigen / was uns etwan der Leib fuͤr - ſtellen moͤchte / ſtets zu entaͤuſſern / und tieff in der Seele alles zu uͤberlegen / ohne das geringſte dem Vermoͤgen des Leibes / ſo nur den Geiſt irre macht / und die Warheit verfinſtert / davon anzuvertrauen; Dahero ſchaueſt du / daß die Weiſen auf ihrer Mei - nung verbleiben / und alſo unter ihnen vernuͤnfftig einer Sache nachdencken ſollen. So iſt nun klar und leicht / vermoͤge unſerer euſſerlichen eigenen Sinnen / zu erweiſen / daß es / ſo lange wir einen Leib haben / und unſere Seele durch die Seuche ſo vieles Ubels beſtritten wird / unmoͤglich iſt / den fuͤr - geſetzten Zweck zu erreichen. Dann der Leib gie - bet uns tauſenderley Verhinderungen / ſo von Noth - wendigkeit ſeiner Unterhaltung herruͤhren / und wie waͤre es wol moͤglich / immittelſt ſo vieler Begierden / als Liebe / Furcht / Hoffnung und dergleichen / ſo daß Gehirne mit allerhand Duͤnſten anfuͤllen / zu der eigentlichen Erkaͤntniß der Warheit zu gelangen. Krieg und Aufruhr kom̃t uns allein durch Begierde und Veraͤnderung der Leibesbeſchaffenheit in den Kopf; deñ ſolche Empoͤrung geſchiehet in gemein aus Liebe des Geldes / und man iſt genotdraͤnget aus Zuneigung gegen den Leib / weil dieſes alles zu ſei - ner Nothdurfft von noͤthen iſt / auf Schaͤtze und Vorrath zu gedencken. Solches benimmt nun dem Gemuͤthe ſeine Freiheit / und ſtoͤret es mercklich in ſeinem ruͤhmlichen Vornehmen. Wie es denn faſt unmoͤglich iſt etwas annehmliches und ſchoͤneszu22Der ſterbendezu ſchauen / daß ſich nicht das Gemuͤthe denſelben Augenblick von ſeinem Zweck verleiten laſſe.
Und dergleichen andere Duͤnſte mehr zugeſchwei - gen / ſo in gemein aus dem Leibe ſteigen / das Ge - muͤhte zu verdunckeln / und die Einbildung zu ver - unruhigen.
Weil dann die Seuche des Leibes der algemei - nen Betrachtung uͤber die maſſen zu wider ſeyn ſol / muß notwendig daraus folgen / daß wir / es ſey denn nach dem Tode / nicht vollkom̃en weiſe ſeyn koͤnnen / und in dieſem Leben der Wiſſenſchafft / ſo wir nach dem Tode recht zu erlangen gedencken / deſto naͤher kommen / ie mehr wir uns der Gemeinſchafft des Leibes entbrechen.
Wann23Socrates.Da werden wir dann der rechten Fruͤchte der Weißheit genieſſen / und von uns ſelbſten ohne ein - zige Bemuͤhung / zu der rechten Klugheit und gruͤnd - lichen Erkaͤntniß aller Dinge gelangen / ja unſere reine und unbefleckte Seele / wird von der Gemein - ſchafft des Leibes / und ſeinen Zerruͤttungen entfer - net / in Geſellſchafft anderer gleichfals rein und wei - ſer Geiſter ſich befinden. Dann wie wuͤrden wir von den dicken Duͤnſten / ſo der Leib von der Erden bekommt / angeſteckt und erfuͤllet / der Geſellſchafft der Geiſter / ſo uͤber uns wohnen / wuͤrdig ſeyn koͤnnen.
Die nun rechte Begierde tragen etwas zu erler - nen / muͤſſen ohne allen Zweiffel ſo reden / und glau - ben. So es ſich nun alſo verhaͤlt / ſagte Socrates / ſo muß der jenige / der in der andern Welt / wie ich itzund / hingehet / recht freudig ſeyn. Dann er ge - het dahin / da er verſichert iſt / das jenige / was er allhier bey Lebenszeit ſo ſorgfaͤltig geſuchet / uͤberfluͤſ - ſig anzutreffen.
Und dieſe Sauberung des Gemuͤthes iſt nichts anders / als ſich des Leibes / ſo viel immer moͤglich / zu entbrechen.
Wann ſie ſich nun gedachter Gemeinſchaft gaͤntz - lich entbrochen / ſo erkieſet ſie die Warheit / und fin - det in derſelben groſſe und vollkommene Vergnuͤ - gung. Dieſes iſt der Weiſen Thun und Verrich - tung / die Seele beſagter maſſen zu fuͤhren / ja die - ſes iſt ihre vornehmſte Bemuͤhung / wie man denn auch nicht zweiffeln darff / daß ſelbige / wann ſie ſo weit gelanget / ſonderbare Freude daraus ſchoͤpffen / und daß es ſich keines weges zuſammen reimen wil / daß ſie bey Lebens Zeit ſich ſo ſehr bemuͤhen ſolten / die Seele von dem Leibe abzuſondern / und endlich ihnen den Todt wolten verdrießlich ſeyn laſſen /durch25Socrates. durch welchen der Geiſt nichts anders wird / als was er ihm allezeit zu werden gewuͤnſcht hat / nemlich vollkoͤmmlich erfahren / und von aller Gemeinſchafft des Leibes abgeſondert zu leben; Wie ſie denn auch allezeit demſelben / ſo viel moͤglich / ſich zu entziehen / hoͤchſt bemuͤhet geweſen ſind. Und damit man nicht etwan fuͤr ungereimt halten moͤchte / daß die Weiſen Belieben am Tode tragen / ſo laſt uns er - wegen:
Und iſt alſo gar nicht zu vermuthen / daß ein Wei - ſer / weil er in die rechte Weißheit / die er erſt nach dem Tode genieſſen kan / inbruͤnſtig verliebet iſt / ſich zu ſterben ſolte verdrieſſen laſſen. Wie dann auch hergegen leicht zu ermeſſen iſt / daß die jenigen / ſo das Leben alzuſehr lieben / und ohne groſſes Be - ſchwerniß es nicht verlaſſen koͤnnen / keines weges rechte Weiſe ſeyn koͤnnen.
Der jenige ſo ſich zu ſehr nach dem Leben ſehnet / giebet ſattſamlich zu verſtehen / daß er weniger der Weißheit / als der Liebe / oder des Geld und Ehr - geitzes befliſſen iſt. Jm uͤbrigen ſo gehoͤren die Tu - genden dem Betruͤbniſſe zu widerſtehen / und die Wolluͤſte zu uͤberwinden / unter welchen man die ei - ne Großmuͤhtigkeit / und die andere Maͤßigkeit nen - ner / eigentlich und alleine den Weiſen zu. Dann in andere Leute Gemuͤthe wuͤrde man eben dieſe Tugenden ungereimt und mangelhafft befinden; dieweil ſolche den Tod vor das groͤſte Unheil unter der Sonnen halten / ja wenn ſie ſich etwan demſel - ben mit Gleichmuͤhtigkeit unterwerffen / und ihm ohne Schrecken unter Augen gehen / es mehrenteils aus Argwon eines groͤſſeren Ungemachs herruͤhret / und / ſo zuſagen / einer Nothkuͤnheit aͤhnlich ſiehet. Was27Socrates. Was die Maͤßigkeit betriefft / ſo kan ſolche keines weges recht bey ihnen wohnen / denn die rechte Maͤſ - ſigkeit iſt
Dieſe Tugend iſt niemand anderen als den Wei - ſen gegeben. Denn ob ſich gleich etliche maͤßig zu erſcheinen / einer oder der andern Wolluſt entbre - chen / ſo geſchiehet es nur mehrentheils darum / da - mit ſie ſich zu einer andern deſto geſchickter befinden moͤgen / und uͤberwaͤltigen alſo niemals eine boͤſe Regung / es ſey denn durch Zwang einer aͤrgeren / wie dann ſolche Leute in gemein wegen Unmaͤßig - keit maͤßig ſeyn. Man muß aber wol erwegen / daß dieſes nicht der rechte Weg zur Tugend iſt / Wolluſt mit Wolluſt / Furcht mit Furcht / Schmertzen mit Schmertzen / und das Kleinere gegen das groͤſſere / wie mit dem Gelde zugeſchehen pfleget / zu ver - wechſeln; ſondern daß dieſes alleine die rechte Muͤntze ſey / gegen welche man andere alle ingeſamt verwechſeln koͤnne. Dieſes iſt nun Witz und Ver - ſtand / vor welche und mit welchen alle Sachen ge - kaufft und verkaufft werden; wie denn auch Groß - muͤtig - Maͤßig - und Gerechtigkeit / ja mit einem Worte / die rechte Tugend ſelbſt mit der Weißheit / ohne Abſonderung der Wolluſt oder Furcht / wieCauch28Der ſterbendeauch alle anderer Regungen / ſo neben bey zuzuſchla - gen pflegen. Wenn aber eines gegen das andere ohne Verknuͤpffung der Weißheit / abgewechſelt wird / ſo iſt es nur ein Schatten / und eine knechti - ſche Tugend / ja ein Schein / der in ſich nichts eigent - liches und warhafftiges begreifft / daß nun dergeſtalt die Warheit der Tugend in Reinigung deſſen alles beſtehet / wie dañ Maͤßigkeit / Gerechtigkeit / Groß - mut uñ Weißheit / eine rechte Art der Reinigung iſt.
Wer nun nach dieſem Leben eine gluͤckſelige Wohnſtadt zu erlangen begehret / der muß der Froͤmmigkeit ergeben ſeyn / und ſein Gemuͤthe mit weltlichen Laſtern nicht erfuͤllet haben. Denn es ſeyn nur / wie man ſaget / nicht alles rechte Lands - knechte die lange Spieſſe tragen. Durch die rech - ten Landsknechte verſtehe ich die jenigen / ſo mit Ernſt der Weißheit beflieſſen ſind / unter welchen ich nicht einer von den letzten zu ſeyn verhoffe / wel - ches ich dann / ſo Gott wil / bald erfahren werde / deñ es kan nicht lange mehr Anſtand haben. Da haſt du meine Entſchuldigung Cebes. Was die Be - ſtaͤndigkeit betriefft / welche du mir / weil ich faſt oh - ne Verdruß meine Freunde verlaſſe / aufzurucken vermeineſt / ſo bin ich verſichert / nach meinem Tode in einem andern Orte ſolche wieder anzutreffen / ſo dieſen allhier weit / weit / werden uͤberlegen ſeyn. Mir iſt nicht unbewuſt / daß dieſes allen Leuten nicht in den Kopff wil / ſo aber nur ſolches / was ich in mei - ner Schutzrede fuͤr gebracht / bey euch mehr als bey den Athenienſern gefruchtet / ſo iſt alles gut / und fin - de mich ſatſamlich vergnuͤget.
Dieſes / ſagte Cebes / iſt gar wol abgehandelt / und du haſt mit meinem hoͤchſten Vergnuͤgen dieſer Sachen ihr Recht gethan. Jch muß aber noch ei - ne Frage auf die Bahn bringen / und Gelegenheit davon zu reden geben / was es doch eigentlich um die Seele vor Bewandſchafft habe / denn etliche glau - ben / daß ſie unſterblich iſt / etliche / daß
C 2Die30Der ſterbendeSo laſt uns dann ſehen / ſagte Socrates / was wir wol glaubliches in dieſer Sache befinden wer - den. Es iſt ein hohes Werck / und ich bin nicht der Meinung / daß iemand mein Geſpraͤche unzeitig o - der ungereimt werde heiſſen koͤnnen. Laſt uns a - ber erſtlich betrachten / ob man wol vor gewiß aus - geben koͤnne / daß der Todten Seelen in der Hoͤllen ſeyn oder nicht.
So dieſes ſich nun dergeſtalt verhaͤlt / daß von den Toͤdten wiederum Lebendige werden koͤnten / ſo muͤſten ſich unſere Seelen unfehlbar aldar aufhal - ten: Dann wie ſolten ſie wiederum in das Leben ge - langen / wann ſie nicht irgend wo anzutreffen waͤ - ren. Und dieſes iſt nun ſo eine ſtarcke Muthmaſ - ſung / daß die Seelen irgend wo ſeyn muͤſſen / wo - fern es ſich ſo befindet / daß die lebendigen von nichts als von den Todten koͤnnen herkommen. Dafern es aber nicht alſo bewand iſt / ſo wil uns obliegen nach einen ſtaͤrckeren Beweiß zu trachten. Und deſto fuͤglicher dahin zugelangen / ſo wollen wir nicht allein den Menſchen beſchauen / ſondern auch zu - gleich allerley Arten der Thiere und Pflantzẽ / ja alles was unter der Sonne gezeuget wird / recht betrach - ten / und wollen erwegen / ob es nicht die Warheit ſey / daß alle Dinge von ihrem Gegenſpiele herkom - men / auf daß wenigſte die jenigen / ſo einander der - geſtalt / wie ſchoͤn und greulich / gerecht und unge - recht / zu wider ſind. Laſt uns demnach behertzigen / ob es dann nothwendig / daß alle das jenige / ſo ein Gegenſpiel hat / von ſeinem Gegenſpiel muͤſſe her - ruͤhren; Beſſer zu verſtehen / ob dieſes was groͤſſer wird / nothwendig von dem / was es zuvor geweſen / nemlich von etwas kleinerem groͤſſer worden / wie auch / ob dieſes / was dieſen Augenblick kleiner wor - den / nothwendig kleiner worden / weil es ſich von et -C 3was32Der ſterbendewas groͤſſerem gleichſam entbrochen und abgeſon - dert hat / und ob dieſes was ſtaͤrcker wird von etwas ſchwaͤcherem / diß / was boͤſe von etwas beſſerem / und diß / was langſam von etwas geſchwinderem herkommen. Wie wir nun nicht in Abrede ſeyn koͤnnen / daß alle Dinge von ihrem Gegenſpiele her - ruͤhren / ſo muͤſſen wir auch geſtehen / daß unter die - ſem Gegenſpielen ſich noch ein Mittelding befindet / welches die Erzeug - oder Ziehlung iſt / der Fortgang nemlich / oder Abtritt von einem zu dem andern / wie wir denn ſehen / daß unter den zwey widerwaͤrtigen Sachen Groͤſſer und Kleiner / das Mittelding die Vergroſſung und Verkleinerung iſt / und gleichfals von Hitze und Kaͤlte ſagen / daß ſich das eine erhitzt / und das andere erkaltet / in dem dieſe / wie alle an - dere widerwaͤrtige Sachen / ſich alſo mit einander verwechſeln / und dergeſtalt unterſchieden werden. Und ob ſchon der Name in etlichen Dingen faſt ge - brechen wil / ſo koͤnnen wir doch geſichert ſeyn / daß alles von ſeinem Gegenſpiele herkommet / und ihr Mittelding die Ziehlung oder Geburt iſt / durch wel - ches eines zu dem andern ruͤcket und ſchreitet. Hat nun nicht alles / was nur kan erdacht werden / ſein Widerſpiel / als wachen / hat es nicht ſchlaffen / und leben hat es nicht ſterben zu ſeinem Widrigen? Kommt da nicht / wiewol eine groſſe Widerwaͤrtig - keit entzwiſchen ſtehet / eines von dem andern / und haben ſie nicht / weil es zweyerley Sachen ſeyn / gleichfals zweyerley Forttritte / daß alſo umgewech - ſelter Weiſe eines aus dem andern werden kan? Wie33Socrates. Wie nun Schlaffen und Wachen zwey widerwaͤr - tige Dinge ſeyn / ſo ſeyn Sterben und Leben es gleich - fals / und wie von dem Wachen der Schlaf / und von dem Schlaffe das Wachen herkoͤmmt / ſo wird von dem Leben der Todt / und von dem Tode gleichfals das Leben. Ja weiter zu gehen / wie der Forttritt vom Wachen zum Schlaffen einſchlaffen / und der Forttritt vom Schlaffen zum Wachen auſwa - chen heiſt / ſo heiſſet auch der Forttritt vom Leben zum Tode / ſterben. Wo bleibet aber der Fort - tritt und Wechſel vom Tode zum Leben? Solle die Natur hier alleine mangelhafft und gebrechlich er - funden werden? Das darff man in keinerley Wei - ſe glauben. Sondern wir werden befinden / daß der Forttritt vom Tode zum Leben Auferſtehung ge - nennet wird / und eben ſo / wie die Todten von den Lebendigen / alſo auch die Lebendigen von den Tod - ten herkommen. Und dannenhero iſt unfehlbarlich zu ſchlieſſen / daß der Todten Seelen irgend wo ſeyn muͤſſen / von dannen ſie durch eine Umwechſelung wiederum koͤnnen zuruͤcke tretten. Ohne dieſen veraͤnderlichen Forttrit nun / durch welche alle Sa - chen auf das neue erzeuget werden / und in die Na - tur gleichſam zirckelweiſe wiederum zuruͤcke treten / ſo wuͤrde endlich alles unter einerley Geſtalt bleiben / und nichts zu ſeiner alten Beſchaffenheit kommen koͤnnen / als wann gleichſam alle Sachen in einen tieffen Schlaffe legen / daraus ſie ſich nimmermehr zu wickeln vermoͤchten / und ohne Zweiffel /
C 4Das34Der ſterbendeDann wann alle Ding ſich in einander vermiſch - ten / und dergeſtalt zuſammen geriethen / daß ſie nicht koͤnten von einander geſchieden werden / ſo wuͤrde es endlich auf des Anaxagoras Meinung kommen / daß alle Dinge zu gleich beyſammen waͤren.
Dann dafern dieſes / was da lebet / alſo dahin ſtirbet / und dieſes / was geſtorben iſt / nicht wiede - rum kan lebendig werden / ſo kommt es endlich auf dieſes / daß alles ver gehen muß / und nichts mehr le - ben kan.
Und ob ſchon die Lebendigen andere erzeugen / ſo muͤſſen doch endlich allzuſammen ausgetilget wer - den / wenn ſie ohne Wiedergeburt dergeſtalt fortſter -35Socrates. ſterben. Jch glaube es / ſagte Cebes / und halte nicht vor unfuͤglich dazu zu ſetzen / daß eine Auferſte - hung ſey; durch welche von den Todten wiederum Lebendige herfuͤr kommen / die Seelen von dem To - de befreyet bleiben / und daß nach dieſem Leben die Frommen ein beſſeres / und die Boͤſen ein aͤrgeres werden zu gewarten haben. Bey dieſer Gelegen - heit erinnere ich mich deſſen / was ich offtmals von dir gehoͤret habe / daß nemlich alles unſer Wiſſen und Lernen / nichts als eine Erinnerung und Ange - dencken iſt. So dieſes nun dergeſtalt ſich verhaͤlt / ſo iſt unfehlbar zu ſchlieſſen / daß wir zu einer andern Zeit / ehe wir auf dieſe Welt kommen / alles das je - nige / was uns itzund einfaͤlt / nothwendig muͤſſen gelernet haben.
Welches nimmermehr geſchehen wuͤrde / wann unſere Seelen / ehe ſie dieſe menſchliche Geſtalt an ſich genommen / nicht irgend anderswo geſchwebet haͤtten.
Sey gebeten mein Cebes / ſagte Simias / mir zu entdecken / mit was vor Gruͤnden du dieſe Meinung wol behaupten wolleſt. Schaue deſſen einen ſchoͤ - nen Grund / antwortete Cebes / daß die Menſchen / wann man ſie etwas fraget / ſo fern nur einer ſolches verſtaͤndlicher maſſen fuͤrzutragen weiß / gereimet darauf antworten / und der Sache ein Genuͤgen thun / welches ihnen zu leiſten unmoͤglichen waͤre / wann ihrem Gemuͤthe nicht eine richtige Wiſſen - ſchafft und vollkommene Vernunfft beywohnete / wie man dann auch / wann ſie zu den unterſchiedlichen Satzungen und Formen der Meßkunſt gefuͤhret werden / augenſcheinlich ſehen wird / daß unſere Gemuͤther allbereit einen gewiſſen Vorſchmack haben.
Der Beweiß / welchen Cebes anfuͤhrete / that den Simias genung / und veraͤndert ihm dergeſtalt Sinnen und Gedancken / daß er nunmehr geſtehen muſte / wie unſer Lernen nichts anders als eine Erin - nerung waͤre. Jedennoch trug er Belieben auch denSo -37Socrates. Socrates daruͤber zu vernehmen / welcher folgender Geſtalt davon ſprachete:
So man ſich etwas erinnern ſoll / ſo muß noth - wendig daraus folgen / daß man eher Zeit ſolches gewuſt habe / und wann die Wiſſenſchafft derge - ſtalt beginnet / ſo wird keiner leugnen koͤnnen / daß es nicht eine Erinnerung ſeyn muͤſſe. Auf folgen - de Art und Weiſe; Wann iemand nach dem er et - was geſehen / oder gehoͤret hat / ſich deſſen erinnert / und nicht allein deſſen / ſondern auch zugleich etwas anders / deſſen Erkaͤntniß von dem Erſtgeſehenen gantz unter ſchieden iſt / ſo heiſt die Erinnerung einer entlegenen Sache ein Angedencken: Als das Erkaͤnt - niß eines Menſchen und einer Laute ſind zwey un - terſchiedene Sachen / nichts deſto weniger / wann ein Verliebter die Laute erblicket / darauf er zuvor ſeine Liebſte ſpielen geſehen / ſo dencket er auch zu - gleich an ſeine Liebſte.
Alſo kan man / in den einem etwas von dem Ce - bes einkommet / auch zugleich an den Simias ge - dencken / wie es denn offt zu geſchehen pfleget / daß man ſich Sachen erinnert / ſo die Laͤnge der Zeit / o - der ja die Unachtſamkeit albereit in dem Gedaͤcht - niß ausgetilget. Und begiebet es ſich nicht oft / daß man bey Anſchauung eines gemahleten Pferdes o - der Bettes zugleich an einen Menſchen gedencket / wie auch / daß einem bey Abbildung des Cebes zu - gleich der Simias in Sinn kommet. So ſchauen wir nun dergeſtalt / daß das Angedencken zwar in gemein durch etwas aͤhnliches und gleiches / aber auch offt durch etwas ungleiches erwecket wird.
So man ſich nun beſagter maſſen einer Sache durch etwas gleiches erinnert / ſo muß auch erwogen werden / ob dieſe Eriñerung ſich uͤber dieſe Aehnlich - keit und Gleichheit der Dinge erſtrecket / ſo uns ein -fal -39Socrates. fallen. Man muß alhier genau auf alles Achtung haben. Saget man nicht / daß etwas ſey / ſo man gleiche nennet? Jch verſtehe dieſes nicht von einem Holtze / Steine oder anderer Sache / da eine der an - deren gleiche ſey / ſondern ich rede alhier noch uͤber dieſes von einem Dinge / ſo man gleiche heiſſet: Und iſt nun dieſes gleich etwas? Ohne einigen Zweiffel antwortete Simias / und von dieſer Er - kaͤntniß des gleichen ruͤhret es auch her / daß wir in Anſchauung gleicher Hoͤltzer / Stein oder anderer Sachen / uns dieſes gleiche eingebildet haben / ſo gar etwas anders als Holtz und Stein / iſt / dann eben dieſes Holtz / oder dieſer Stein heiſſet bißweilen nach gewiſſer Beſchaffenheit gleich oder ungleich; Dieſes aber / was man gleiche oder ungleiche Gleich - heit oder Ungleichheit nennet / bleibet ie und alle wege unveraͤnderlich. Aus dieſem ſehen wir nun / daß die gleichen Sachen / und die Gleichheit nicht eines ſey / nichts deſtoweniger ſo ſind wir von dieſen gleichen Sachen / ſo nicht die Gleichheit ſeyn / zu dem Erkaͤntniß der Gleichheit gelanget. Eben ſo iſt es mit dem aͤhnlichen und unaͤhnlichen bewand. Dann wann ihr bey Anſchauung eines Dinges euch etwas anders / es ſey dem Geſehenen aͤhnlich o - der unaͤhnlich / einbildet / ſo folget unfehlbar eine Er - innerung darauf. Laſt uns aber ſehen / wie ſich die - ſes in den Sachen / ſo wir itzund gleiche genennet / als Holtz / Stein und anderen wol verhaͤlt / ſolten wir wol meinen / daß ſie ſo gleiche waͤren / als die Gleichheit ſelber iſt? Es mangelt gar viel daran. Muͤſ -40Der ſterbendeMuͤſſen wir nicht bekennen / daß wañ ein Menſch / ſo eine Sache genauer beſchauet / und betrachtet / welcher etwan / einer andern gemaͤß zu ſeyn begeh - ret / und nun gewiß verſpuͤhret / daß das jenige / ſo er in ſeinem Willen zu ſolcher Beſchaffenheit brin - gen wil / gantz mangelhafft und entfernet iſt / noth - wendig daraus folgen muͤſte / daß er etwan zuvor ei - ne Aehnligkeit dieſer Sache empfunden / zu welcher dieſes was er itzund fuͤr ſich hat / ſeinem Abſehen nach / nicht wol gelangen kan. Dieſes geſchiehet nun gleichfals auch in den gleichen Sachen. Dann es iſt leicht zu ſchlieſſen / daß dieſes / was wir gleiche nennen / und was wir hier durch die gleichen Sa - chen erkennet / ja welches etwas hoͤhers als ſie iſt / und zu dero Vollkommenheit alle Sachen zu kom - men bemuͤhet ſtehen / ohne allen Zweiffel etwas ſeyn muͤſſe / ſo uns zuvor im Geiſte beygewohnet / welches wir aber itzund durch nichts als durch die euſſerli - chen Sinnen / nemlich Geſichte / Gehoͤre und Fuͤhle haben erkennen koͤnnen.
Man muß doch auch ſehen / ob das jenige / deſſen wir itzund gedacht / ſich in allen dergeſtalt verhalte. Und was das Vermoͤgen der euſſerlichen Siñen be - trift / ob alle die Dinge / ſo ihnen unterworffen / nach Gleichheit ſtreben / ob ſie ſchon nicht ſo weit gelangẽ koͤnnen? Es iſt nicht anders / antwortete Socrates / denn ehe wir zu ſehen / zu hoͤren / und uns andererSin -41Socrates. Sinnen zu gebrauchen begonnen / ſo muͤſſen wir not wendig des rechten Gleichen gehabt / und was die Gleichheit ſey / unfehlbar gewuſt haben / weil wir ſo genau die Sachen / ſo den Sinnen uͤbertreffen / da - hin fuͤhren wollen / daß wir auch zu urtheilen wiſſen / wie ſolche zu der Gleichheit zu gelangen bemuͤhet ſind / ob ihnen gleich recht dahin zu kommen gantz unmoͤglich iſt.
So bald wir auf die Welt kommen / ſo werden wir zu ſehen / zu hoͤren / und zu dem Erkaͤntniß des je - nigen / was gleich heiſt / einen Anfang muͤſſen gehabt haben / und muß die Sache allbereit in jener Welt ſchon bekant geweſen ſeyn. Haben wir nun dieſes Erkaͤntniß vor unſerer Geburt gehabt / ſo iſt zu ver - muthen / daß uns dieſes Vermoͤgen in unſerer Ge - burt nicht verlaſſen / und daß wir alſobald nach der - ſelben / diß / was gleich groͤſſer oder kleiner / ſchoͤne / gut / gerecht / geſund / mit einem Worte / alles das jenige / dem wir in Frag und Antwort ein warhaf - tiges Weſen eigentlich beyfuͤgen / muͤſſen gewuſt ha - ben. Wann wir nun / nach dem wir die Wiſ - ſenſchafft erlanget / derſelben niemals vergeſſen / wiees42Der ſterbendees geſchiehet / ſo wuͤrde gewiß daraus folgen / daß wir mit der Wiſſenſchafft gebohren waͤren / und daß wir / weil unſer Lebenslauff waͤret / dieſelbe allezeit in dem Gedaͤchtniß hielten. Denn Vergeſſenheit iſt nichts anders als Verluſt der Wiſſenſchafft. So es aber dann ſo iſt / daß wir nach der Geburt unſere Wiſſenſchafft verliehren / und hernachmals ver - moͤge der Sinnen dieſe Wiſſenſchafft wiederum er - werben / welches wir Lernen heiſſen; iſt es denn nun nicht unſer eigen Wiſſen / ſo uns vor der Geburt beygewohnet / wieder erlangen? Soll man dann dieſe Erſtattung nicht eine Erinnerung nennen? Dann es geſchiehet / wie wir allbereit geſaget ha - ben / daß man bißweilen bey Anſchau - oder Anhoͤ - rung einer Sache / ihm offt eine andere / ſo ſich die - ſer gleichet oder nicht gleichet / einbildet / welches man dann erinnert heiſſet. So muß nun nothwen - dig unter den zweyen eines ſeyn / entweder daß wir die Wiſſenſchafft mit auf die Welt bringen / und dieſelbe ſteiff und feſt behalten / oder daß dieſes / was wir lernen / angedencken heiſſe / und alle unſere Wiſ - ſenſchafft nur eine bloſſe Erinnerung ſey. Und welches unter zweyen getraueſt du dir wol am mei - ſten zu behaupten / daß wir die Wiſſenſchafft mit auf die Welt bringen / oder daß wir uns nachmals des jenigen / was wir zuvor gewuſt / erinnern. Jch weiß nicht / antwortete Simias / welches ich unter dieſen wol erwehlen ſoll / und koͤnteſt du uns dann nicht offenbaren / welches wol das beſte ſeyn moͤge. Wie dann / ſagte Socrates / ſolte ein weiſer Mannnicht43Socrates. nicht ſeiner Wiſſenſchafft Beweiß anfuhren koͤn - nen; Meineſtu daß ein iedweder von dem / was wir itzund abgehandelt / Rechenſchafft zugeben wiſſe? Wolte Gott / ſagte Cebes.
Jch trage groſſe Furcht / daß morgen keiner mehr wird zu finden ſeyn / ſo ſich von dieſer Sache recht zu handeln unterſtuͤnde.
So glaubeſt du dann / daß keiner in der Welt dieſes recht verſtehe?
Das iſt meine gaͤntzliche Meinung.
So muß dann unfehlbar folgen / weil ſie es nicht wiſſen / und doch zuvor gewuſt haben / daß ſolches / wañ ſie es lernen / nur eine Erinnerung ſey. Und wañ iſt es dann geſchehen / daß unſere Seelen dieſe Wiſ - ſenſchafft erlanget haben? Dieſes iſt nicht nach / ſondern vor der Geburt geſchehen. So iſt leicht zu ſchlieſſen / ſagte Simias / daß unſere Seelen / eheDſie44Der ſterbendeſie in dieſe menſchliche Geſtalt geſchritten / irgend wo mit Verſtand und Wiſſenſchafft muͤſſen bega - bet worden ſeyn / ſo wir nicht vielleicht / mein Socra - tes / dieſe Wiſſenſchafft den augenblick in der Ge - burt empfangen haben. Vielleicht / ſagte Socra - tes. So wir es aber zu ſelbiger Zeit empfangen / wo wird dann dieſe Zeit / in welcher wir die Wiſſen - ſchafft verlohren / anzutreffen ſeyu: Weiſt du et - wan eine andere Zeit zu nennen? Jch weis keine an - dere / ſagte Simias / und dieſer Zweiffel / der ſich hier ereignet / iſt nicht viel werth. Uber dieſes alles / re - dete Socrates weiter / dafern dieſes / was wir ſchoͤ - ne und gerecht nennen / wie auch alles andere We - ſen in unſerem Verſtande etwas iſt / und daß wir es durch fleißiges Unterſuchen wiederum begreiffen / ſo kan es auch nicht mangeln / daß unſere Seele vor unſerer Geburt muͤſſe geweſen ſeyn / wie dann nun alſo nicht zu zweiffeln / dafern ſchoͤn / gerecht / gut und ander Weſen etwas iſt / daß die Seele / ehe ſie auf die Welt kommen / ſich gleichfals irgendwo muͤſ - ſe aufgehalten haben. Es iſt ſonnenklar / ant - wortete Simias / niemand wird mehr daran zweif - feln.
So wiſſe dann / daß wir unfehlbar glauben / daß unſere Seele eher als der Leib geweſen / wie es aber kuͤnfftiger Zeit ſeyn wird / ob ſie nach Verweſung der Glieder gleichfals ſeyn und bleiben werde /
Das iſt das noch keiner unter uns recht begrief - fen hat. Dann dieſes kan meines Erachtens noch wol beyſammen ſtehen / daß nemlich die Seele zwar eher als der Leib entſtanden / und in dem menſchli - chen Leibe gewohnet / aber doch in dem Tode zugleich mit dem Leibe aufhoͤre. Wie wir dann in dem / daß die Seele eher als der Leib entſtanden / gaͤntzlich ei - nig ſeyn.
Haben wir doch auch ſchon mehrentheils erwie - ſen / daß ſie nach Untergang des Leibes auch uͤbrig bleibe. Dann dafern von dem Lebendigen das Todte wird / ſo wird unfehlbar auch von den Tod - ten das Lebendige kommen muͤſſen. Und ſo der Geiſt den Leib zu beleben ſich herzugemacht / und aus dem Lande des Todes kommen iſt / ſo zweiffele doch niemand / wann er aus dieſem Leben zeucht / daß er nicht wiederum zu den Todten kehre / von dannen er zu ſeiner Zeit ſich wiederum zuruͤcke machen wird. D 2A -46Der ſterbendeAber / vielleicht fuͤrchtet ihr euch mit den kleinen Kin - dern.
Jch weiß nicht ob etwan einer oder der ander un - ter euch ſich von dieſer kindiſchen Seuche angeſteckt befindet / und euch dieſe Einbildung zu benehmen
Wann du aber nun von uns weg ſeyn wirſt / ſagte Cebes / wo werden wir einen Artzt antreffen / der mit dieſen Huͤlffsmitteln recht umzugehen wiſſe.
Daß wir aber wiederum auf unſere vorige Rede kommen / ſo laſt uns erſtlich erwegen / was doch ei - gentlich dieſem Zertrennen unterworffen ſey / was doch eigentlich dieſem Zufall zu erdulden habe / und welchem Theile es geſchehen muͤſſe. Man muß nachmals genau erwegen / was doch eigentlich die Seele ſey / und ihme / ausgenom̃en wegen der See - len / weder Furcht noch Hofnung erwecken laſſen. Es iſt nur gewiß / daß dieſes / was ſich zuſammen fuͤget / und allbereit zuſammen gefuͤget iſt / nothwen -D 3dig48Der ſterbendedig einer Trennung unter worffen ſeyn muͤſſe; und daß alles das jenige / was nicht zuſammengeſetzt iſt / dieſer Trennung gaͤntzlich uͤberhoben. Was nun ge - gen alle Sachen ſich allezeit gleiche verhaͤlt / das muß ſonder Zweiffel aus ſich ſelbſt beſtehen / und dieſes / was nicht ſo geartet iſt / muß unfehlbar zuſammen geſtuͤcket ſeyn. Was wir Eigenſchafft nennen / deſ - ſen Beſchreibung durch Frag und Antwort uns das rechte Weſen eines Dinges fuͤr Augen ſtellet / blei - bet allezeit / und in allen Sachen in ebenmaͤßiger Verfaſſung / wie wir denn ſchauen / das gleich ſchoͤ - ne und was denen gleiche iſt / allezeit durch ſich ſelbſt und in allen Sachen auf eine Art beſtehet / ohne daß ſolches die geringſte Veraͤnderung leiden duͤrffte. Denn was tauſend andere Dinge betrifft / ſo wir ſchoͤne nennen / als Pferde / Menſchen / Kleider / ſo finden wir darinnen ein merckliches Widerſpiel / deñ alle dieſe ſind theils in Betrachtung ihrer ſelbſt / als anderer beygeſetzter Sachen ſehr veraͤnderlich / ja ſie finden ſich niemals von gleicher Weiſe oder Beſchaffenheit / und koͤnnen uͤber dieſes von den leiblichen Sinnen begriffen werden. Dieſes be - ſtaͤndige und ware Weſen aber kan nichts anders als das Vermoͤgen des Verſtandes erreichen. So wird es denn gar fuͤglich geſchehen / daß wir zweyer - ley Art Sachen ſetzen / deme die erſte ſichtbar / die andere aber unſichtbar / und daß die unſichtbare un - veraͤnderlich / die ſichtbare aber veraͤnderlich iſt. Wie wir nun von zweyen Stuͤcken zuſammen ge - ſetzt ſind / nemlich von Leib und Seele / ſo iſt der Leibſicht -49Socrates. ſichtbar / die Seele aber unſichtbar / aufs wenigſte von dem Menſchen: Dann wir reden hier ſo viel die menſchliche Natur vermag / in Betrachtung welcher die Seele nicht kan erkieſet werden. Wie wir denn auch allbereit zuvor erwehnet haben / daß die Seele / wann ſie ſich des Leibes / etwas zu erken - nen / bedienen wil / in gemein betrogen wird / und al - les unvollkommen betrachtet.
Das iſt die Schwachheit des Leibes / ſo der See - len offtmals Urſach giebet / ſich zu den Sachen zu lencken / ſo in gemein der Enderung unterworffen / und niemals auf eine Art anzutreffen ſind.
Die Geſchickligkeit nun / ſich allezeit an dieſe Sachen / ſo niemals anders als gleiche / und eines ſind / zu halten / nennet man Weißheit. Und wir muͤſſen daraus nothwendig ſchlieſſen / daß das Ge - muͤthe unfehlbar in dieſer Sachen Rey gehoͤre / ſo keiner Aenderung unterworffen / da hergegen / was den Leib belanget / ſich gantz das Widerſpiel ereig - net. Jm uͤbrigen iſt noch zu vermercken
Daraus iſt nun klar genungſam zu erſehen / daß das Vortheil zu fuͤhren und zu befehlen etwas Goͤtt -li -51Socrates. liches ſeyn muͤſſe / und daß aus der Nothwendigkeit zu gehorſamen und zu folgen / die Sterbligkeit und etwas irrdiſches nothwennig zu ſchlieſſen. Und werden alſo aus dem gehabten Geſpraͤche nichts anders erzwingen koͤnnen / als daß die Seele / dem was Goͤttlich / unſterblich / von einer unveraͤnderli - chen Geſtalt unzertrennlich / ja ſtets von einer Be - ſchaffenheit iſt / gaͤntzlich gleich ſey / da der Leib her - gegen allen demjenigen / was ſterblich / menſchlich / in ſeiner Geſtalt veraͤnderlich / zerbrechlich und un - gleicher Beſchaffenheit iſt / uͤber die maſſen und gantz aͤhnlich ſeyn muͤſſe. Weiſt du nun mein Ce - bes etwas anders / oder dem angezogenen Beweiß etwas widriges herfuͤr zu bringen? Nein / ſagte Ce - bes / mein Socrates / weil es ſich denn alſo verhaͤlt / ſo iſt unſchwer zu behaupten / daß der Leib nothwen - dig eine Sache ſeyn muͤſſe / ſo bald vergehe / und nach erfolgter Trennung augenblicklich zu nichts zu werden beginne / da die Seele hergegen unter die Sachen gehoͤre / die entweder gar nicht / oder ja ſchwerlich ausgetilget werden koͤnnen. Jch glaube es / ſagte Cebes ferner.
Erreget dir nun dieſes keinen Zweiffel mein Ce - bes? Dann wir ſagen / daß der Leib als ſterblich / ſichtbar / und unvergaͤnglich alſobald nach dem To - de ſich enden ſolle; Da hergegen die Seele / als un - ſichtbar und unſterblich / alleine unverweßlich ſey / und ſich / ſo bald ſie aus dem Leibe gezogen / in einen treflichen Ort verfuͤge?
Wie das? Sollen wir nun dencken / daß ſie in dieſer ihrer Meinung betrogen werde / und daß / weil wir nach ihrer Abſonderung von dem Leibe / nichts mehr von ihnen ſehen / daraus folgen muͤſſe / daß auchnichts53Socrates. nichts mehr von ihnen uͤbrig. Keines weges / lieben Freunde / ſondern hergegen
Dieſes ſind die Seelen der Gottloſen / ſo allezeit augenſcheinlich geplagt werden / und dergleichen Seuffzer hoͤren laſſen / welche genungſam an den Tag geben / daß ſolche von etwas leibliches herruͤh - ren muͤſſen / wie ſie denn auch viel Fleiſchliches / ſo ſie zuvor ſo inbruͤnſtig geliebet / auch anitzo noch an ſich kleben haben.
So trifft eine iedweder nach ihrer Eigenſchafft ei - nen Leib an / und die Leiber der verſtorbenen Thiere kriegen gleichfals ihr Leben von den Menſchen / ſo ihrer Eigenſchafft gemaͤß ſind.
Dieſe Reinigkeit nun ſo uns zu dem Himmel lei - tet recht zu erreichen / ſo muß man in wehrender Le - bens Zeit der Weißheit beflieſſen ſeyn / und ein Ge - muͤte / ſo ſich aufrichtiger Weiſe einem ſo hohen Ge - ſchaͤffte verlobet / verwirret ſich niemals mit den leib - lichen Bewegungen / und macht ſich der Bekuͤm - merniß / der andere Leute in gemein unterworffen / niemals recht theilhafftig
Die Urſache / warum die Weiſen dem Tode mit mehrem Muthe als die andern entgegen gehen / ruͤhret theils daher / daß ihnen der Ort / wohin ſie nach dieſem irrdiſchen. Leben kommen ſollen / nicht unbekant iſt / theils / daß ihr Geiſt / ſo gantz und gar der Nachforſchung der Weiß - heit ergeben geweſen / nach und nach erlernet hat / daß er in dem Leibe mit zimlich gefaͤhrlichen Ban - den verknuͤpfft / ſo ihm in eigentlicher Erkaͤntniß der Sachen / dahin er ſich zu ſchwingen vermeinet / nicht wenig verhinderlich ſeyn / die Unterſuchung der Weißheit nun entledigt und entbindet ihn / durch einen uñachlaͤßlichen Fleiß von dieſer Zunoͤhtigung / und lehret ihn / daß er wegen der Gemeinſchafft ſo er mit Fleiſch und Blut hat / leicht etwas anfaͤlli - ges fangen moͤchte / ſo der Seelen hoͤchſt nachthei - lig ſeyn koͤnte. Eben dieſes Bedencken / ſo ihm die Befliſſenheit der Weißheit unvermerckt eingiebet / verbindet ihn gleichſam dieſer Vertrauligkeit / ſo viel immer moͤglich / ſich zu enthalten mit ſeinem Wir - the / als mit einen Fremden niemals recht einzuſtim - men / und ſich zu keiner Zeit in Ergruͤndung einigerWiſ -58Der ſterbendeWiſſenſchafft den euſſerlichen Sinnen recht zu ver - trauen. Dann es iſt weder Auge noch Ohre auf - richtig genug zu befinden / irgends von etwas dem Verſtande einen richtigen Bericht zu thun. Wann dann eine Seele der geſtalt ſich in ſich ſelbſt verbir - get / und ſich gleichſam ſelbſt erbauet / ſo gelanget ſie endlich zu dem Erkaͤntniß der Dinge / die ein recht - ſchaffenes Weſen haben / und vor ſich ſelbſt beſtehen; wie ſie dann nichts vor warhafftiges halten ſoll / was ihr / vermoͤge des Leibes / offenbaret wird; Dann dieſes ſind Sachen / ſo nicht von ihm ſelbſt beſtehen / ſondern von etwas anderen herruͤhren / ja empfind - lich und ſichtbar ſind / da hergegen alles das jenige / was dieſelbe vor ſich begreifft / verſtaͤndlich und un - ſichtbar iſt; Ein recht Weißheit-Befliſſener nun / laͤſt ihn / in Erwegung / daß ſein Geiſt ſich nach An - weiſung der Weißheitsgefliſſenheit verhalten muß / vermoͤge ihre Satzung hoͤchſt angelegen ſeyn / aller - hand Wolluſt / Begierde / Furcht und Schmertzẽ ſich zu entbrechen / in Erwegung daß bey Luſt / Begierde / Furcht und Schmertzen / auch noch uͤber die gemeine Ungelegenheiten / als da ſind Verluſt des Geldes / Kranckheit und andere Beſchwerniſſe / ſo ihnen un - aufhoͤrlich anhengen / ſich noch etwas aͤrgeres ereig - net / daß nemlich die Seele dadurch allezeit leidet / uñ niemals recht in ihrem Gewichte verbleibet. Dann ſo bald ſolche ſich Luſt oder Schmertzens annimmt / und das falſche betrigliche Anſehen der ſichtbaren Dinge / vor etwas ſchoͤnes / aufrichtiges uñ warhaf - tiges haͤlt / ſo iſt ſie zweiffels ohne / weil Luſt undSchmer -59Socrates. Schmertzen des Leibes Meiſter ſeyn / in dem Leibe mercklich verſtricket; Und ſo bald ſolche Bewegun - gen der Seele allzu nahe kommen / ſo muß ſie knech - tiſch werden / erfaͤhret allerhand wunderliche Wir - ckungen / verleuret alle Reinigkeit / und zeucht end - lich voller Flecken aus dem Leibe / da ſie dann / et - wan wiederum in einen anderen gefuͤhret / und aldar gleichſam auf das neue gebohren wird / als wann man ſie alſo / von dem Goͤttlichen reinen Weſen ent - fremdet / der geſtalt in das Fleiſch gepflantzt und ge - pfropfft haͤtte. Wie denn die rechten Kunſt-Be - fliſſenen / aus Liebe deſſen / was itzund gemeldet / und nicht aus anderer Regung / wie etwan von gemei - nem Volcke beſchiehet / der Tugend ergeben ſind. Und iſt nun alſo den Weiſen genugſam bekant / daß er / nach dem die Weißheit von den Banden des Leibes befreiet / nicht wiederum in den alten Schlam ſincken / noch etwas dergleichen fuͤrhaben / und wie Penelope das alte Gewircke wieder um fuͤr die Hand nehmen ſoll / ſondern trachtet von allen Bewegun - gen zu ruhen / folget / und ſtehet feſt bey ſeiner Ver - nunfft / und ſchwinget ſich durch unermuͤdetes Uber - legen’ zu dem / was uͤber die allgemeine Meinung und recht Goͤttlich iſt; wie er dann von dieſer hohen Sa - chen gleichſam ernehret / ſein Leben in moͤgligſter Reinigkeit zu fuͤhren hoͤchſt bemuͤhet iſt; in troͤſtli - cher Hoffnung / daß er nach dieſem Leben / nichs der - gleichen mehr wuͤrde beziehen duͤrffen / und nun in E - wigkeit von allem menſchlichen Betruͤbniſſe befreyet ſeyn werde.
EWer60Der ſterbendeNachdem Socrates ſein Geſpraͤche gehoͤrter maſſen alſo vollzogen / ſo begunte die gantze Geſell - ſchafft eine zimliche Weile zu ſchweigen; Ja So - crates hatte ſelbſt das Anſehen / als wann er deme was itzund fuͤr gebracht worden / ferner nachdaͤchte. Cebes und Simias waren von den erſten die zu redẽ anfingen / und nach dem ſie etwas weniges einander in die Ohren geblaſen / ſo ſchaute ſie Socrates ſteiff an / folgender maſſen gegen ſie redende: Und was iſt es / was euch von dem / was wir itzund geſagt / wol beduͤncket? Wiſſet ihr nicht noch etwas / ſo mehr Erklaͤrung von noͤhten haͤtte / dann es koͤnte ſich noch viel Zweiffel ereignen / und allerhand Einwuͤrffe fuͤr - gebraht werden / wenn man dieſes recht ausfuͤhrlich abhandeln wolte. So ihr nun etwas abſonderli - ches mit einander zu ſprechen habet / ſo begehre ich nichts darzu zu ſetzen / ſo es aber etwan eine Schwe - rigkeit betrifft / welche ſich in dem itzund gehaltenen Geſpraͤche ereignet / ſo entdecket es nur ohne Scheu / wo euch etwan beduͤncket / daß eines oder das ande - dere ausfuͤhrlicher Erklaͤrung von noͤhten.
Daß wir nur die Warheit ſagen / Cebes und ich / haben ſchon lange einander ermuntert / dich fer -ner61Socrates. ner zum Reden anzuhalten; Wir befuͤrchteten a - ber unhoͤflich / ja unweißlich zu handeln / in mehrer Erwegung der obhanden ſchwebenden Muͤhſelig - keit / darinnen du dich befindeſt. Socrates laͤchel - te daruͤber / und ſagte: Jch werde warlich Noth haben fremde Leute zu uͤberreden / daß dieſer Zufall mir nicht zu Hertzen ſteige / dieweil ihr ſelbſt ſolches nicht glauben koͤnnet / und meinet / daß ich heute viel ſchwermuͤhtiger als zur anderer Zeit ſeyn muͤſte.
Etliche ſind dieſer Gedancken / daß der Schwan bey nunmehr anruͤckendem Tode aus Betruͤbniß zu ſingen beginne / ich halte es aber nicht fuͤr glaub - lich / in dem kein Vogel zu finden / der bey dem ge - ringſten Ungemach ſingen koͤnte / ja die Nachtigal und Schwalbe machet Hunger und Froſt alſobald ſtumm. Jch bin aber der Gedancken / daß die Schwaͤne vor Freuden ſingen / und weil ſie von dem Gott Apollo / dem ſolche Vogel geheiliget ſind / gleichſam geruͤhret werden / aus Begierde brennen / zeitlich zu ihrem Herrn zu kommen / und alſo deſ - ſentwegen ein Luſt-Lied anſtimmen.
E 2Jch62Der ſterbendeScheuet euch nicht / um alle das jenige / was euch zu erfahren beliebet / mich frey zu fragen / mir derge - ſtalt Gelegenheit zu geben / die kurtze Zeit / ſo mir meine Richter zugelaſſen / wol uñ nuͤtzlich anzulegen. Du erinnerſt gar wol / antwortete Simias. Jch trage kein Bedencken / allen Zweiffel / ſo ſich etwan bey mir ereignen moͤchte / dir frey zuentdecken. Doch bin ich nicht der Gedancken / wie du vielleicht auch nicht / daß man die Warheit in dieſem Leben recht ergruͤnden koͤnne.
Es waͤre in Warheit eine groſſe Nachlaͤſſigkeit von uns / mein Socrates / wann wir uns deiner / weil es noch geſchehen kan / in dieſer Angelegenheit nicht gebrauchen ſolten. Du muſt uns in Warheitdie -63Socrates. dieſen Punct noch einmal erklaͤren / und ſolteſtu auch daruͤber erliegen / damit wir nur dieſer Sache / ſo weit es die menſchliche Schwachheit zulaͤſt / recht ge - wachſen werden. Und ob wir gleich in einem ſo tief - fen Ocean nicht alles nach Wunſch erfahren koͤn - nen / ſo ſollen wir doch / ſo viel immer moͤglich / uns der Gewißheit deſſen befleiſſen.
So befeſtige uns dann / ſo viel als immer moͤg - lich / in dieſer Meinung / daß es nicht etwan einen oder den andern mit der Zeit bereuen moͤge / eine ſo gute Gelegenheit / als richtige Erklaͤrung deſſen zu hoͤren / aus den Haͤnden gelaſſen zu haben. Jch muß nur bekennen / daß ſich bey mir und dem Cebes allerhand Schwerigkeit ereignet. Und vielleicht nicht umſonſt / ſagte Socrates; Darum entdecket mir es / in was euch dann noch nicht gaͤntzlich genug geſchehen. Jn dieſem Punct / ſprach Simias / wo du von dem / was unſichtbar / Goͤttlich und ſchoͤn iſt / welches dann / wie es ſcheinet / eben ſo wol von dem Gethoͤne einer wolgeſtimmten und geſchlagenen Laute kan geſagt werden / geredet haſt. Denn es wird niemand in Abrede ſeyn koͤnnen / daß der Schall dieſer vollkommenen Stimmung / nicht et - was Goͤttliches / reines und unſterbliches iſt / und daß das Holtz zu ſampt den Seiten coͤrperliche Zu -E 3ſam -64Der ſterbendeſammen geſetzte / irdiſche und ſterblicher Art Sachen ſeyn; Daß man nun alſo / wann Holtz und Sei - ten zubrochen und zerriſſen ſind / laut deines Bewei - ſes wird ſagen muͤſſen / daß dieſes / was himmliſch iſt / nemlich der Schall und das Gethoͤne ſich nicht verloren; Dann wer wolte ihm einbilden / daß die Laute / wann die Seiten zuriſſen / etwas nuͤtzliches verbleiben / und daß die Seiten / ſo verweſentlicher Natur ſind / auch beſtehen ſollen / wie gleichfals daß der Schall ſo unſterlich und Goͤttlich iſt / gaͤntzlich verſchwinden / und eher als das Holtz und die Sei - ten ſich verlohren habe; ſondern vielmehr daß der Schall unter deſſen ſich irgendwo aufhielte / ja das Holtz und Seiten eher verfaulen / als dieſer Thon etwas ungleiches leiden wuͤrde. Jch halte nun da - fuͤr mein Socrates / du werdeſt unſere Meinung ge - nugſam verſtanden haben / daß nemlichen unſeren Gedancken nach die Seele einer gleichmaͤßigen Einſtimmung nicht unaͤhnlich / und daß in unſerem Leibe eine gewiſſe Verfaß - und Vermiſchung der Waͤrmde / Kaͤlte / Truckenheit / Naͤſſe und anderer ſothanen Sachen zu finden / ja daß dieſe Vereim - gung / und dannenhero ruͤhrende Gleichheit / nichts anders / als die Seele ſey / welche in dem Leibe / wann beſagte Vermiſchung recht beſchaffen iſt / ihre Wirckung verrichtet. Wo es ſich denn alſo ver - haͤlt / daß unſere Seele nichts als eine richtige Ein - ſtimmung obgemelter Sachen ſey / ſo iſt nothwen - dig daraus zu ſchlieſſen / daß ſie / wann hefftige Ge - muͤts-Bewegungen oder Kranckheiten / die Ord -nung65Socrates. nung dieſer Vermiſchung verruͤcket / oder ihren Werckzeug hemmet / wie Goͤttlich ſie auch immer iſt / eben ſo wol / als andere Gethoͤne der Lauten / o - der anderer Seitenſpiele / ſo die Handwercker zu - bereiten / vergehen muͤſte / und daß der Leib und das ſchwereſte Theil dieſer Dinge ſo lange verbleibe / biß Feuer oder Faulnuͤß es verzehren / und ſie dergeſtalt allem Anſehen nach / vor warhafftiger als die Seele und ſein zarteſtes Theil zu halten. So dencke denn nun / was man dem wol entgegen zu ſetzen / ſo da behauptẽ wolte / daß dieſes nichts an - ders / als eine Vermiſchung der Sachen ſey / ſo in dem Leibe zu finden / und auch nun am eheſten ver - ginge.
Darauf wendete er ſich gegen den Cebes / und noͤhtigte ihn gleichfals ſeinen Zweiffel zu bekennen / wie Simias gethan hatte / mit nachfolgenden Worten:
Mich beduͤncket / antwortete Cebes / daß es mit der Seele / und der Einſtimmung eine gleiche Be - ſchaffenheit habe / dann daß ſie geweſen / ehe ſie in den Leib kommen / begehre ich keines weges zu ver - neinen / und beruffe mich auf das jenige / was du allbereit davon fuͤrgebracht: Daß ſie aber nach un - ſerem Tode uͤbrig bleiben ſoll / kan ich noch nicht recht in meinen Kopff bringen. Wiewol ich nicht von des Simias Meinung bin / der gaͤntzlich darfuͤr halten wil / daß die Seele nichts beſſers und dauer - hafftigers als der Leib ſey; Sondern glaube fuͤr gewiß / daß ſie weit fuͤr trefflicher als dieſer iſt. Undſchaue67Socrates. ſchaue nur wie ich des Simias angefuͤhrte Meinung verſtehe. Jn dem man nach dem Tode eines Menſchen ſchauet / das von dem geringen noch etwas uͤbrig bleibet / wie ſolte man dann nicht ge - ſtehen / daß dieſes / was feſter und beſtaͤndiger iſt / e - ben ſo wol uͤbrig bleiben ſolle. Betrachte nun / von was fuͤr Wichtigkeit die Antwort ſey / welche ich darauf gebe. Jch muß aber beſſeres Verſtandes halber / wie Simias mich eines Gleichniſſes ge - brauchen. Mich beduͤnckt / daß dieſes ſich eben ſo verhaͤlt / als wann man nach dem Tode eines alten Webers ſagen ſolte / dieſer Mann iſt noch / dieweil das Kleid / ſo er hatte / noch uͤbrig iſt / und zu beſſerer Beſtaͤrckung noch dazu thaͤte / daß / weil ein Menſch laͤnger als ein leinen Kleid wehret / ſo muß es noth - wendigfolgen / dafern das Kleid nach des Webers Tode verbleibet / der Weber auch / weil er werhaf - tiger als ſein Kleid iſt / verbleiben muͤſſe. Mich beduͤncket Simias / daß dieſes alles nicht beſtehet / und das wenig Leute mit dem angefuͤhrten Beweiß wuͤrden zu frieden ſeyn. Dann der Weber / ſo viel Kleider wird verſchleiſſen / und viel gewircket ha - ben / iſt nach Verſchleiſſung vieler Kleider / und nur eher als eines unter denſelben geſtorben; Daraus aber erfolget keines weges / daß der Menſch etwas geringers und vergaͤnglichers als ein Kleid ſey. Man kan nun / meinem Erachten nach / zwiſchen der Seele / und dem Leibe / ſo ſchwaͤcher und zubrechli - cher iſt / eine gleichmaͤßige Vergleichung machen / daß nemlich ein iedweder Seele viel lieber verſchleiſtE 5dann68Der ſterbendedann ſo der Leib bey Lebens-Zeit ſich mit wenigem verzehret / und die Seele allezeit / was ſich verloh - ren / erſtattet / und was verſchwunden / wiederum erſetzet / ſo iſt zuletzt / wann ſie gleich ihrer viel uͤber - lebt / dieſer / worin die Seele vergehet / ihr letztes Kleid / und uns nun nach dem Ende der Seele / der Leib / ſo durch nichts kan ergaͤntzet werden / zu Be - zeugung ſeiner Schwachheit verfaulen / und ver - weſen. Aus dieſem allen iſt nicht zu ſchlieſſen / daß die Seele / wann unſer Leib nicht mehr iſt / verblei - ben ſolle / dann geſetzt / daß die Seele eher als der Leib entſtanden / wie gleichfals daß nach der Coͤrper Abſterben / etliche Seelen wiederum in andere Lei - ber kaͤmen / und alſo ab - und zufuͤhren; ſo wird man doch endlich geſtehen muͤſſen / daß die Seele durch ſo offt wieder holte Fortpflantzungen / nach Laͤnge der Zeit ermuͤdet / ebenfals den Todt leide / davon ſie niemals wiederum aufſtehe. Uber dieſes alles / ſo iſt kein Menſch zu finden / ſo recht erkieſen koͤnte / wel - che Trennung der Seele von dem Leibe die letztere ſey und es alſo faſt einer Torheit aͤhnlich ſiehet / ſich im Tode allzugetroſt zu erzeigen / weil man noch nicht recht weiß / ob die Seele unſterblich oder nicht / und hat alſo ein ieder allen Abſehen nach wol Urſache / bey Abzuge der Seelen in Furchten zu ſte - hen / in dem man nicht wol ergruͤndet / ob ſie auf E - wigkeit Abſchied nimmet / und diß die letzte Tren - nung ſeyn moͤge.
Es iſt nicht ohne Urſache Phaͤdon / daß ihr in dieſen Zweiffel und Verwirrung gerahten / denn mir iſt bloß aus deiner Erzehlung ein Mißtrauen des Socrates Vorgeben erwachſen / und weiß auch nicht recht / wie mir ſeine Meinung in Zweiffel zu ziehen in den Sinn kommen. Dieſes aber ſind al - lezeit meine Gedancken geweſen / daß zwiſchen der Seele und vorerwehnter Einſtimmung eine groſſe Verwandſchafft ſey / und dein Geſpraͤche hat mich nicht wenig darinnen beſtaͤtiget / daß man mir alſo nothwendig einen beſſeren Grund zeigen muß / da - fern ich die Seele vor unſterblich halten ſoll. Doch ſey gebeten / mir zugleiche zu entdecken / ob Socra - tes ſich auch wie die andern uͤber dieſen Einwuͤrffen beſtutzt befand / ob er mit etwas Gewiſſen ſeine Mei - nung beſtaͤtigen konte / auf was vor Art er wiede - rum zu teidigen begonnen / wie er ſich darinnen ver - halten.
Wenn nun ſothane Schlacht gehirnte Koͤpffe / die in dieſen widrigen Zufall gerahten / mit mehrerVer -73Socrates. Verſchlagenheit ſich der Leute bedienen koͤnten / ſo wuͤrden ſie die Sache nach ihrer rechten Eigen - ſchafft befinden / daß nemlich wenig Menſchen voll - kommen gut oder boͤſe / ſondern die meiſten mittel - maͤſſig waͤren. Warum bringeſt du mir dieſes auf die Bahn / ſagte ich zu ihm. Eben darum antwor - tete er mir darauf / weil es wie in groſſen und klei - nen Sachen / auch in anderen eine gleiche Ver - wandniß hat; Und ſchaueſt du nicht / daß es ſehr ſeltſam iſt / einen ſehr groſſen oder ſehr kleinen Men - ſchen / Hund / oder andere Ding zu finden.
Du wirſt alle zeit erfahren / daß fortrefliche Sa - chen ungemein / uud mittelmaͤßige hergegen gemein ſeyn. Denn wann gleich Jupiter wegen Veruͤ - bung allerhand Boßheit und Argens / etwan einen Preiß aufſaͤtzen wolte / ſo wuͤrden doch wenig recht hoch darinnen ſteigen / und vollkommen leichtfertig ſeyn.
Jſt das nicht deine Meinung mein Phaͤdon? Wie anders / antwortete ich darauf. Wolan dann / ſagte er wiederum; Doch iſt unter den Beweiß - Gruͤnden und den Menſchen ein mercklicher Unter - ſcheid / in dem ſolche nicht ſo unter ſchiedlich / und un - gemein in ihrer Vortreflichkeit ſind / als wir itzund von den Menſchen gedacht haben. Doch in dieſem allem nach deiner Meinung zu reden; wie nun / daß wir bey unſerem Gleichniß bleiben / und wie wir all - bereit zuvor gedacht haben / ein groſſer Kunſtgrieff iſt / ſich der Menſchen recht zu bedienen / und ſolche / daß man nicht betrogen werde / recht zu erkennen; So iſt es gleichfals eine ausbuͤndige Geſchickligkeit / ſich eines Beweiß-Grundes recht zugebrauchen / und ſeine rechte Eigenſchafft zu wiſſen. Man kan gar leichtlich / wann man etwas vor gewiß haͤlt / und auf einen Beweiß-Grund / ohne richtige Wiſſen -ſchafft75Socrates. ſchafft der Vernunfft-Kunſt bauen wil / hinder gan - gen / verirret / und aus dem Wege gebracht werden. Wann nun eine Meinung falſch zu ſeyn ſcheinet / wie es denn leichte ſeyn / und auch nicht ſeyn kan / daß ſie falſch iſt / ſo geſchiehet es in gemein / daß der Menſch dadurch ſcheue gemacht wird / und derge - ſtalt auf alle Beweiß-Gruͤnde ein ungleiches Ver - trauen wirfft. Dieſer Zufall nun iſt den jemgen vor anderen gemein / die allezeit was wider ſinniges fuͤr zubringen im Brauch haben; Dann du weiſt / daß ſolcher Art Leute in den Gedancken ſtehen / daß ſie alleme gruͤndlich entdecket haben / wie nichts ge - wiſſers oder verſichertes in den Beweiß-Gruͤnden zu finden / ſondern daß alles untereinander wie im Euripus verwirret lieget / ja daß nichts eigentlich anzutreffen / darauf man einen Augenblick lang fuſ - ſen koͤnte / mit einem Worte / alles iſt ihnen ver - daͤchtig und unklar.
Und iſt das nicht / geliebter Phaͤdon / eine ſchaͤnd - und ſchaͤdliche Seuche / daß ein Menſch bey guten uñ ſicheren Gruͤnden / bloß wegen uͤbeler Beſchaffen - heit ſeines Gemuͤhtes / welches die Zanckſucht ſo uͤ - bel zugerichtet und uͤberredet / daß alles in der Welt / bißweilen vor falſch / bißweilen vor recht zu halten ſey / dergeſtalt in Mißtrauen gerahten / und wieFein76Der ſterbendeein Feind aller vernuͤnfftigen Meinungen / nichts an - ders / als ein Krancker / der die Bitterkeit ſeines Ge - ſchmacks den Speiſen zuſchreibet / ſeine Unvollkom - menheit den beſten Beweiß-Gruͤnden beymaͤſſen / ihnen gehaͤßig werden / und ſich allen gewiſſen Er - kaͤntniß der Sachen entziehen ſolte.
Schaue nun / mein Freund / den Nutzen der mir aus dieſem Geſpraͤche erwachſen / daß man nemlich /F 2ſo78Der ſterbendeſo meine fuͤr gebrachte Meinung recht iſt / billich dar - auf verbleiben ſoll / ſo ſie aber falſch / und nach dem Tode nichts von uns uͤbrig bleibet / doch aufs wenig - ſte die kurtze Zeit / in welcher mir zu leben noch ver - gunt iſt / ſo wol von mir als von euch mit Vergnuͤ - gung zugebracht werden moͤchte / doch hoffe ich nicht lange in dieſer Ungewißheit zu ſchweben / ſondern in kurtzen deſſen recht gewiß zu werden. Und nun wol - an Cebes / und Simias / laſt uns zu unſerem Zwiſt ſchreiten; Doch erinnere ich hiemit / daß keiner mehr auf Socratem als auf die Warheit ſehe. So ihr vermeinet / daß ich die Warheit ſage / ſo nehmet es an / wo ihr aber das Gegenſpiel befindet / ſo ver - werfft es / und ſetzet euch dawider / ja ſchauet genau darauf / daß ich mich und euch nicht zugleich betrie - ge / oder wie eine Biene / ſo ihren Stachel ſtecken laͤſſet / von euch Abſchied nehme. Daß wir aber nun zu den gethanen Einwuͤrffen kommen / derer ihr mich / dafern ſie mir nicht bald einfallen / nur ſicher erinnern koͤnnet.
Des Simias Zweiffel / ſo mir recht iſt / war die - ſer: Daß nemlich die Seele / wiewol dem Leibe an Schoͤnheit und goͤttlichen Gaben weit / weit uͤ - berlegen / dennoch eher als der Leib / weil ſolche mit vorgedachter Einſtimmung eine groſſe Gemein - ſchafft hat / vergehen muͤſſe. Cebes geſtand / mei - nes Bedenckens / daß die Seele warhafftiger als der Leib waͤre / doch erwehnte er dabey / daß es zim - lich ungewiß / ob die Seele / nach dem ſie etliche Lei - ber abgenuͤtzt / nich[t]auch endlich ſelbſt verſchwinde /und79Socrates. und alſo dieſe Art des Todes / der Seelen Endſchaft ſey / der Leib aber allezeit ſich verzehre / und zum Tode geſchickt mache. Simias und Cebes ge - ſtunden alſobald / daß ihr Zweiffel darinnen be - ſtuͤnde. Socrates erinnerte ſie darauf zu entde - cken / ob ſie alles oder nur etwas von dem glaubten / was allbereit waͤre fuͤrgebracht worden. Es ſind etliche Sachen / antworteten ſie / ſo uns warhafftig / etliche ſo uns bedencklich zu ſeyn fuͤrkommen. Was beduͤnckt euch aͤber / ſagte Socrates ferner / was ich bald im Anfange von dem Angedencken geſagt ha - be? Glaubet ihr / daß ſolches ſey? Und wo es nun eigendlich iſt / ſeyd ihr der Meinung / daß man dar - aus gewiß ſchlieſſen koͤnne / daß die Seele / ehe ſie in den Leib kommen / ſich irgendwo muͤſſe aufgehalten haben. Was dieſes anlanget / ſagte Cebes / ſo iſt mir das Geſpraͤche von dieſer Sache hoͤchſt annem - lich zu hoͤren geweſt / und bleibe darauf feſt und be - ſtaͤndig. Jch bin gleichesfals / ſagte Simias / die - ſer Gedancken / ja es ſolte mir wunderlich fuͤrkom - men / wann mich iemand davon abwendig machen ſolte. Du wirſt doch / Thebaner / nothwendig an - derer Meinung werden / wo du ungezweiffelt dar - fuͤr haͤlteſt / daß die Einſtimmung etwas zuſammen geſetztes / und die Seele nicht als eine Einſtim - und Vermiſchung des Leibes ſey; Dann du wirſt nicht in Abrede ſeyn koͤnnen / daß die von etwas zuſam - mengeſetzte Einſtimmung muͤſſe langſamer / als daſſelbe etwas von dem es herkommen / geweſen ſeyn: Du weiſt ſchwerlich etwas anders. Nein /F 3ſag -80Der ſterbendeſagte Simias darauf / und ſchaueſt du nicht / daß du unfehlbar etwas anders geſteheſt / wann du ſa - geſt / daß die Seele / eher als der Leib / und doch ei - ne von dem Leibe herruͤhrende Einſtimmung ſey; was iſt nun ferner daraus zu ſchlieſſen / als daß ſie von Sachen herkommet / ſo nicht weſentlich ſind. Wie denn auch die Ein - und Zuſammenſtimmung der Laute / nicht alſo / das iſt eher / als Holtz / Sei - ten und einzele Schlaͤge entſtehen koͤnnen / ja die uͤ - belklingende Schlaͤge kommen eher als die liebliche und vollkommene Einſtimmung / ſo erſt auf jene fol - get / und auch eher vergehet. Schaue nun / wie ſich dieſes zu deiner Meinung gar nicht reimen / und dasjenige / was du wegen der Einſtimmung fuͤrgebracht / gar nicht lauten wil. Ja freylich / ſag - te Simias / dann man muß / wo von der Einſtim - mung gehandelt wird / wol einſtimmende Worte fuͤhren / und die in Ohren nicht uͤbel klingen.
Das iſt ſo viel zu ſagen / Simias / daß ein Wei - ſer ſeine Sachen ſo anſtellen ſoll / damit ſeine Re - den niemals was ungereimtes in ſich haben. Weil die deinigen dann nun in dieſem Spittal zimlich kranck liegen / ſo wird von noͤhten ſeyn / daß du dir von dieſen zweyen etwas erkieſeſt / bey dem du zu ſtehen vermeineſt / entweder die Meinung von der Erinnerung / oder ja dieſe / daß die Seele eine Ein - ſtimmung ſey. Jch wil bey der erſten verbleiben / ſagte er / denn es gedencket mich nicht / daß mir ie - mand recht erwieſen haͤtte / daß die Seele mit einer Einſtimmung eigentlich uͤbereinkaͤme. Jch habe es niemals anders als durch Gleichniſſe bekraͤffti - gen hoͤren / und die Meinungen / ſo ſich auf dieſe Aen - ligkeit gruͤnden / ſind in gemein wie in der Meß - kunſt / als auch in andern Wiſſenſchafften / hoͤchſt betrieglich / der Beweiß aber / ſo auf der Erinne - rung beruhet / iſt weit beſſer gegruͤndet / und bekraͤf - tiget. Dann wir haben geſagt / daß die Seele / e - he ſie den Leib bezeucht / anderswo iſt / der geſtalt / daß ihre Eigenſchafft den Zunahmen eines rechten Weſens hat; Und dieſes iſt die Urſache / daß ich nun nicht glauben kan / daß die Seele eine Einſtim - mung ſeyn koͤnne. Glaubeſt du aber Simias / ſag - te Socrates / daß eine Zuſammenſtimmung / oderF 4ein82Der ſterbendeein zuſammen geſetztes Weſen / was es auch immer ſeyn moͤge / eine der Sachen daraus es gemacht / un - gleiche Beſchaffenheit an ſich haben / oder etwas anders als gemelte Sachen / von denen es gleichſam begehret wird / leiden oder thun koͤnne. Mit nich - ten / ſagte Simias.
Die Einſtimmung / ohne ihren Stimmzeug / da - von ſie herruͤhret / iſt meiner Meinung nach gantz nichts.
So iſt nun nicht vermuthlich / ſagte Socrates / daß die Zuſammenſtimmung zuvor hergehe / und die Sache / von denen ſie zuſammengefuͤgt iſt / hinter ihr nachziehe; ſondern vielmehr / daß ſie ſelbſt nach - folget / und alſo weder Bewegung noch Klang kan ſpuͤren laſſen / ſo ſeinen Theilen nicht gemaͤß ſey. Ohne Zweiffel / ſagte Simias.
So -Und die Einſtimmung iſt nicht ihrer Eigenſchafft nach Einſtimmung / ſondern ſo weit ſie mit etwas vermiſchet iſt. Simias befand dieſes im Anfange etwas dunckel / und ſagte / daß er es nicht recht ver - ſtuͤnde. Jſt es nicht ſo / ſagte Socrates / daß die Einſtimmung / nach dem ſolche mehr oder weniger vermiſchet iſt / mehr oder weniger Einſtimmung ge - nennet wird / und wir ſagen von einem Geſange / nach dem er gut oder boͤſe iſt / daß er mehr oder we - niger Einſtimmung habe / welches man dann von der Seele / ſo weit als Seele / nimmermehr ſagen kan / daß ſie in Entgegenſetzung einer groſſen oder kleineren Sache / mehr oder weniger Seele ſey. Denck ein wenig nach / ſagen wir nicht von der See - le / daß eine mit Witz und Tugend / die andere aber mit Torheit behafftet ſey / und nennen jene gut / die - ſe aber boͤſe / und wuͤrde nun einer / der die Seele vor eine ſolche Einſtimmung haͤlt / allhier ſagen / daß die Seele mit Tugend oder Untugend behafftet / o - der aber / daß an ſtatt der Tugend oder Untugend / eine Seele gut oder uͤbel einſtimme / und daß die gu - te wolſtimmige / ja als eine Einſtimmung ſelbſt / fuͤr ſich Einſtimmungen mit ſich fuͤhre / die boͤſe aber eine Verſtimmung ſey / und doch keine andere Ver - ſtimmung mehr unter ſich habe. Jch weiß nichts mehr darwider einzubringen / ſagte Simias.
F 5So -Du ſchaueſt nun / daß die jenigen / ſo die Seele vor eine Einſtimmung halten / alſo zu antworten pflegen. Wir haben aber allbereit geſtanden / daß eine Seele nicht mehr oder weniger als die andere Seele ſey / noch die eine einen widrigern Grad der Einſtimmung als die andere habe / und die Seele / ſo nicht mehr oder weniger einſtimmig iſt / auch nicht mehr oder weniger als eine andere vermiſcht koͤnne genennet werden. Und ich bitte dich / kan wol eine Seele / ſo nicht mehr oder weniger vermiſcht iſt / der Zuſammenſtimmung / in mehr denn weni - gerem oder gleichem Grad faͤhig ſeyn? Jch glaube / daß ſie gleicher Zuſammenſtimmung faͤhig ſeyn / antwortete Simias.
Weil nun eine Seele nicht mehr oder weniger Seele als die andere iſt / ſo folget unfehlbar daraus / daß eine nicht mehr oder weniger vermiſcht / als die andere ſey. Wann es dann nun ſo iſt / ſo wird ſolche nicht mehr der Zuſammenſtimmung / als der Verſtimmung unter worffen / und dergeſtalt / ſo das Laſter eine Verſtimmung / die Tugend aber eine Einſtimmung iſt / eine Seele nicht mehr Laſters oder Tugenden als die anderen haben koͤnnen. So ſchei - net es / ſagte Simias. Weit gefehlet / ſagte So - crates. Dann die Vernunfft giebet es / daß dieSee -85Socrates. Seele / dafern ſie eine Zuſammenſtimmung iſt / kei - nes Laſters faͤhig ſeyn koͤnne / in dem die rechte Zu - ſammenſtimmung / ſo weit ſie eine Zuſammenſtim - mung iſt / keiner Verſtimmung unterworffen ſeyn kan; Und daraus iſt nun zu ſchlieſſen / daß eine See - le / ſo ſie recht Seele iſt / auch keines Laſters faͤhig iſt / und wuͤrde endlich folgen / daß allerhand Thiere Seelen / weil eines ſo wol Seelen als die andere ſind / zugleich gut ſeyn muͤſten. So ſcheinet es. Es waͤre auch nicht anders / antwortete Socrates / wañ es ſich ſo verhielte / daß die Seele eine Zuſammen - ſtimmung waͤre / und was noch mehr iſt / Simias / haͤlteſtu nicht dafur / daß unter allen Theilen des Menſchen / das jenige / was den Scepter fuͤhret / die Seele ſeyn / und deſſen nothwendige Herrſchafft zu erlangen / dem Leibe wiederſtehen / und ſich deſſel - ben Begierden / im Eſſen / Trincken / Reden und andern Sachen widerſetzen muͤſte? Wie wir denn ſehen / daß die Seele offt den Leib zuruͤcke haͤlt / daß er ſeinen Begierden und Regungen nicht recht nach - zuhengen vermag. Es iſt war / ſagte Simias.
Dieſer Streit nun wuͤrde ſich nimmermehr er - eignen / wann die Seele eine von der Vermiſchung des Leibes zuſammengeſetzte Einſtimmung waͤre; Dann auf dieſe Weiſe wuͤrde ſie verbunden ſeyn / dieſer Vermiſchung unfehlbar nachzufolgen / und ohne die Sachen / ſo auf den ſo genanten fleiſchlichen Sinn beſtehen / nichts thun laſſen / oder ihnen etwas widriges entſpinnen koͤnnen; Da wir hergegen alle Augenblicke ſchauen / daß die Seele ſich in gemein dem Leibe widerſetzet / in dem ſie ihn bißweilen zu verdrießlicher Arbeit noͤhtiget / bald durch Artzney zwinget / und nicht ſelten mit ſcharffen Erinnerun - gen und Straffen ihm zu wider iſt; Wie ſie ihm dann auch offtmals wider Furcht / Schmertzen und boͤſe Zufaͤlle / Troſt zuſpricht.
Betrachte doch einen Ort in dem Homerus / da Ulyſſes etwan von einerley Unruhigung beſtritten / durch Anleitung der Vernunfft ſeiner Hertzhafftig - keit zuſpricht / und wie es ſcheinet / ein Theil der Seelen mit der andern reden laͤſt; wie er dann auf die Bruſt ſchlagende / folgender Geſtalt zu reden beginnet:
Glaubeſt du Simias / daß Homerus / wann er die Seele fuͤr eine Zuſammenſtimmung und ein Weſen / ſo den Regungen des Leibes unterworffen / gehalten / ſo wuͤrde geredet haben / oder daß er ſie vor etwas goͤttlichers und hoͤhers angeſehen. Er meinte ſonder Zweiffel / ſagte Simias / daß die Seele etwas goͤttlichers als eine Einſtimmung ſey; So wuͤrde es uns dann auf daß hoͤchſte fuͤr un - gut gehalten werden / antwortete Socrates / wann wir die Seele vor etwas anders anſehen / und dem Homerus / ja uns ſelbſten dergeſtalt zu wider leben wolten. Es iſt die Warheit / ſagte Simias / ich bin zu frieden.
Du biſt nun alſo vergnuͤget / redete Socrates fer - ner Thebaner / wie wollen wir aber dem Cebes be - gegnen.
Jn Anhoͤrung desjenigen / was du auf des Si - mias Einwuͤrffen entgegen geſetzt / fing Cebes an / ſo dachte ich bald / es wuͤrde auch mir genung zu thun / dir nicht an Mitteln ermangeln / dann ich ſtund erſtlich in denen Gedancken / es waͤre unmoͤg - lich wider itztbeſagte Einwuͤrffe etwas aufzubrin - gen / und kan mich wegen der Beweiß-Gruͤnde / ſo du der Meinung von der Einſtimmung entgegen ge - ſetzt / welche dann den erſten Angrieff keines weges ausſtehen koͤnnen / nicht ſattſam verwundern: daß ich alſo leicht muthmaſſe / es werden die Cadmei - ſchen Gedancken nicht lange beſtehen koͤñen. Nicht zu geſchwinde / ſagte Socrates / und lobe mich nicht vor der Zeit / wer weiß ob man uns das uͤbrige recht zu erklaͤren vergoͤnnen / und ob mir folgendes Ge - ſpraͤche nach Wunſch von ſtatten gehen wird. Doch wird Gott uns auch in dieſem nicht verlaſſen / und weil wir allbereit / wie Homerus ſaget / ſo nahe an - einder gerahten / ſo laſt uns doch ſehen / ob dieſes / was du fuͤrgebracht / etwas oder nichts ſey. Der Einhalt deines Fuͤrtrages beruhet darauf / daß man dir erweiſen ſoll / daß die Seele vom Tode be - freyet / und unſterblich ſey.
Auff89Socrates.Daß alſo ein Weiſer / und der die Zeit ſeines Le - bens dieſes fuͤr die groͤſte Bemuͤhung gehalten / in dem Tode wol fuͤr einen Thoren duͤrffte gehalten werden. Das iſt eben die Gefahr Cebes / darin - nen er / deiner Meinung nach / ſchwebet / weil er noch nicht recht weiß / ob ein Menſch der Unſterbligkeit der Seelen gnugſam verſichert ſeyn kan. Dann du ſageſt / daß es / ob ſie gleich wehrhafftiger und vornehmer als der Leib / und etwas Gottlichen faſt aͤhnlich iſt / wie auch daß ſie eher als der Leib ent - ſtanden / und viel Sachen ohne fremde Huͤlffe / aus eigenem Vermoͤgen erkennet und wircket / doch die - ſes alles noch nicht genugſam ſie darum vor unſterb -lich90Der ſterbendelich zu halten / ja daß eben dieſer Einzug in den menſchlichen Leichnam ihr an ſtatt einer Kranckheit ſey / dardurch ſie ſich gleichſam verzehret / und alſo bey Lebenszeiten des Leibes nichts als Elende an - treffe / und im Tode gleichesfalls ihr Verderben fin - de / ja geſetzt / daß ſie einen oder mehr Leiber beziehe / ſo wuͤrde doch ſolches einem Menſchen in der Todes - ſtunde ſchlechten Troſt geben; Dann es muͤſte gar ein verruͤckter Kopff ſeyn / der denſelben Augenblick ſich nicht entſetzen ſolte / wenn man der Unſterblig - keit noch nicht recht verſichert iſt. Dieſes ſind dei - ne Gedancken Cebes. Jch habe alles mit Fleiß wieder holet / damit du nach deinem Belieben weg - und zuthun koͤnneſt. Es iſt nichts / ſagte Cebes / ſo ich noch zur Zeit / weg - oder dazu zuthun begehrete. Darauf hielt Socrates ein wenig ſtille / und ſagte / nach dem er ſich gleichſam etwas erholet: Dieſes / was du zu wiſſen begehreſt / iſt nicht von ſchlechter Beſchaffenheit. Es ſcheinet nothwendig zu ſeyn / zuvor etwas von der Zeugung und der Zerſtoͤrung zu handeln. Jn Betrachtung deſſen / ſo wil ich / was mir begegnet / hiemit erzehlen; ſo du nun ver - ſpuͤreſt / daß aus dieſem / was ich fuͤrzubringen ge - dencke / etwan ein Beweiß-Grund fuͤr deine Mei - nung zu erzwingen / ſo kanſt du dich deſſelben bedie - nen / hoͤr mir nur zu:
Darauf bemuͤhete ich mich zu erwegen / ob die Wiſſenſchafft uns von Feuer / Lufft oder Blut her - kaͤme / oder ob das Gehirne uns die Kraͤfften zum Gehoͤre / Geſichte und Geruche darſtreckten / und ob aus dieſen euſſerlichen Sinnen / Gedaͤchtniß und Meinung herkaͤmen / wie auch / ob aus Gedaͤchtniß und Meinung / wann ſie zuſammengeſtellet wuͤr - den / die Wiſſenſchafft herruͤhrete. Als ich nun al - ſo die Zerſtoͤrung dieſer Sachen / wie auch diß / was Himmel und Erde in gemein anſtoͤſſet / ſattſamlich betrachtet / ſo hab ich meinen Verſtand allzu unver - moͤgende dazu befunden / und bin endlich eben ſo un - geſchickt davon als dazu kommen. Damit ich euch aber dieſes alles recht fuͤr die Augen lege / ſo muͤſtGihr92Der ſterbendeihr wiſſen / wie dieſe Betrachtung mich dermaſſen verblendet / daß ich nicht alleine nichts neues erler - nen konte / ſondern auch das jenige dabey vergaͤß / was ich mir zuvor wol bekant gemacht / und was ich meiner Meinung nach vortreflich wol wuſte / benent - lich / wie ein Menſch waͤchſt und zunimmet / dann ich dachte es waͤre ſonnenklar / daß Eſſen und Trin - cken einen Menſchen wachſend machten / und wann Fleiſch zu Fleiſch / Bein zu Bein / uñ wie in allen an - dern Dingen / das jenige / was noch ermangelt / zu dem / was einen Mangel leidet / ſich verfuͤget / aus einem kleinen Kloß ein groſſer / und aus einem klei - nen Menſchen ein groſſer nothwendig werden muͤ - ſte. Das war damals meine gaͤntzliche Meinung. Meineſt du nicht daß ich wol damit verfuhr? Jch halte ſie vor koͤſtlich / ſagte Cebes. So erwege dann noch dieſes. Jch meinete / daß ich es fuͤr treflich wol treffe / wann ich etwan einen groſſen Menſchen bey einem kleinern oder ein groſſes Pferd bey einem kleineren ſehe / mir dabey einzubilden / daß der Menſch und das Pferd des Kopfs groͤſſer waͤre / wie auch daß zehen mehr als achte ſeyn muͤſten / weil zwey Zahlen noch dazu kaͤmen / und daß ein Maß von zwey Ellen / nothwendig groͤſſer als das von ei - ner Ellen ſeyn wuͤrde. Jtzund aber / ſagte Cebes / was beduͤncket dich wol davon? Es iſt in War - heit / antwortete Socrates / noch weit gefehlet / daß ich mir einen rechten Verſtand aus dieſem erzwin - gen ſolle / denn es wil noch nicht recht ein / daß / wann man eines zu einem ſetzet / ſelbiges eines ſo dazu ge -ſe -93Socrates. ſetzet wird / wegen der Zuſammenfuͤgung eines zu dem andern / zwey werde; Ja ich wundere mich / wie eines und eines / wann ſie von einander ſtehen / nicht mehr als eines / und mit nichtenz wey ſeyn / warum ſie dann / wann ſolche nun zuſammen geſetzt / durch dieſe Verknuͤpffung koͤnten zwey werden / und kan mir eben ſo wenig einbilden / warum doch / wann man eines theilet / dieſes / was ſich zertheilet / eine Urſache ſolte geweſen ſeyn / daß ihr zwey werden; Denn es geſchiehet hier etwas / ſo dem jenigen / was eben zwey gemacht / ſchnurſtracks zu wider iſt / denn dorte war die Urſache / warum eines zum andern kam / und durch dieſe geſchiehet es / daß eines vom andern genommen wird / wie ich denn auch nicht er - gruͤnden kan / woraus eines entſtehet / noch die rech - te Warheit zu entdecken / was / warum etwas in der Welt vor gehet oder nicht. Jch getraue mir es a - ber keines weges auf dieſe Weiſe zu verſtehen. Doch begehre ich auch keinen anderen Weg zu ſuchen / wiewol ich auf dieſem nicht recht fort kan. Als ich einmal den Anaxagoras aus einem Buche eine Meinung leſen hoͤrete / die er billigte / daß nemlich die Vernunfft eine Urſache aller Sachen waͤre / und das Gebiet uͤber alles haͤtte.
So nun der menſchliche Verſtand nichts ohne Erwegung / wie eines vor dem andern gut ſey / fuͤr ſich nimmt / ſo muß auch der Menſch / weder von ihm noch von andern etwas betrachten / es ſey denn daß es gut und wol beſtellet ſey. Und folget alſo / daß der / ſo das gute ergruͤndet / zu dem Erkaͤntniß des Boͤſen / weil es auch eine Wiſſenſchaft iſt / gleich - fals erlanget. Jn dieſen Gedancken gleichſam verwickelt / ſo erfreuete ich mich nicht wenig / daß ich an dem Anaxagor as einen Meiſter gefunden / ſo mich in dem jenigen darnach ich ſo lange Zeit ge - trachtet / benenntlich die Urſache aller Dinge / recht unterweiſen konte. Und daß er mich erſtlich leh - ret / ob die Rede platt oder rund waͤre / und mir dar - nach den Antrieb und Urſache deſſen recht entdecke - te / das iſt / daß er mir recht dargethan haͤtte / warum es beſſer waͤre / daß ſie ſo waͤre / und warum ſie ei - gentlich in ſolcher Geſtalt ſeyn muͤſte; Und wann er mir nur entdecket / daß die Erde das Mittel der Welt ſey / ſo erwarte ich / daß er mir auch zugleich erweiſe / daß es eben ſo der Rede am beſten waͤre /in95Socrates. in dem Mittel der Welt zu ſeyn / und ich nun / wann dieſes recht erwieſen / keinen Zweiffel mehr fuͤhren / oder mich nach anderen Beweiß-Gruͤnden mehr umſehen duͤrffte.
Jch bildete mir nun gaͤntzlich ein / daß er mir die - ſes alles klar erweiſen / Art und Beſchaffenheit zei - gen / und endlich ſattſamlich darthun wuͤrde / wa - rum es eben beſſer waͤre / daß dieſes oder jenes / in dieſem oder jenem wirckete oder leide. Denn ich haͤtte mir nimmermehr traͤumen laſſen / daß er / nach dem er erſtlich geſaget / daß unſer Gemuͤhte uͤber al - les gebieten koͤnte / nachmals keine andere Urſache den Dingen herfuͤr bringen wuͤrde / auſſerhalb die - ſes / daß es beſſer waͤre / das iſt / daß iedes Ding ſo iſt / weil es / daß es ſo iſt / nothwendig ſeyn muß. Ja ich dachte / daß er in Erwehnung der Urſachen / ie - derm Dinge zu ſeiner Urſache / diß was vor daſſel - be das beſte waͤre / zueignen / und fuͤr die Urſache al -G 3ler96Der ſterbendeler Sachen in gemein / die allgemeine Nutzbarkeit anziehen wuͤrde.
Nachdemich nun ſein Buch durchleſen / welches ich mit hoͤchſter Ungedult zu Ende brachte / ſo ver - droß mich endlich die darauf gewendete Zeit und Muͤhe / denn er zog keine andere Urſache der Din - ge an / als Grillen und unglaubliche Lumpereyen / ja er lehrete einen eben ſo ungereimte Sachen / als wenn man ſagen ſolte / alles was Socrates thut / das thut er wegen ſeines Verſtandes / und wann man nachmals eine Urſach alles deſſen / was ich thue / anziehen ſolte / man ferner fuͤrgebe / daß ich mich erſtlich hier wider geſetzt / weil mein Leib aus Bein und Sehnen zuſammen geflochten iſt / daß die Beine gantz ſind / zwiſchen einem und dem andern aber / wegen des Knorpels ein Unterſcheid zu finden / und daß die Sehnen in unſerem Leibeder -97Socrates. dergeſtalt beſchaffen / daß ſie ſich ausdehnen und zu - ſammenziehen koͤnnen / wie gleichfals / daß ſich die Beine alſo mit Haut und Fleiſch verbinden / daß / wenn die Beine mit ihnen verknuͤpfft ſich herfuͤr ge - ben / und die Sehnen gleichfals auf und nieder zie - hen / nothwendig erfolget / und daß ich ein iedes von meinen Beinen biegen / und alſo auf dieſem Stuhle gebuͤckt ſitzen kan; oder wenn jemand die Urſache dieſer Unterredung / ſo wir allhier gehalten / m[e]- den ſolte / und nichts anders fuͤrbraͤchte / als die Stimme / Lufft / das Gehoͤre / und dergleichen / ohne daß man den rechten eigentlichen Trieb darzu be - naͤnntlich den Willen der Athenienſer / ſo meinen Todt begehren / und dann mich ſelber / der ich mich ſolchem Willen gedultig unterworffen / anziehen ſol - te / und
So iſt nun gar nicht zu erachten / daß man alle dieſe Dinge fuͤr rechte Urſachen halten ſolte; So aber einer ſagte / daß ich ohne Sehnen und Gebei - ne / diß / was ich mir fuͤr genommen / nicht wol thun koͤnte / ſo wuͤrde er auf die rechte Warheit gerathen /G 4wie -98Der ſterbendewiewol es billich fuͤr ungereimt zu halten ſeyn wuͤr - de / wenn ſich einer zu behaupten unterſtuͤnde / daß ich dieſes allein darum thaͤte / und daſſelbe daß ich es ſo nach meinem Kopffe und deshalben thue / da - bey verſchweigen wolte. Dann daraus wuͤrde ei - ner gnugſam blicken laſſen / daß er nicht wol wiſſe / daß ein anders die rechte Haupturſache ſey / ohne welches die Urſache nicht Urſache ſeyn koͤnte / ſo dañ von den Unwiſſenden offtmals faͤlſchlich die Urſache genennet wird.
Darum ſind etliche / ſo uns / wegen Einbildung / daß die Erde allezeit wie in einem Circkel herum lauffe / uͤberreden wollen / daß ſie niemals unter dem Himmel weg weichet / andere / ſo ſie uns / wie einen groſſen Backtrog fuͤr bilden / unterſtehen ſich zu er - weiſen / daß ſie auf der Lufft / wie auf einem Grun - de ſchwebe.
Und es unterſucht weder einer noch der ander die Krafft / durch welches ſie etwas vornehmers er -lan -99Socrates. langet / und dencken niemals / daß ein verborgenes und goͤttliches Vermoͤgen darunter ſtecke.
Und glauben keines weges / daß das der rechte Schoͤne / und das rechte Vollkommene etwas dabey wircke: Jn dieſer Ungewißheit nun / ſo nahm ich zum Lehrer an / wer mir fuͤrkam / gaͤntzlich hoffende / die rechte Urſachen dieſer Dinge gruͤndlich zu erler - nen. Weil ich ſie aber nun keines weges erforſchen / und weder durch eigenes Vermoͤgen / noch durch fremde Huͤlffe er gruͤnden kan / ſo habe ich eine ande - re Schiffart im Wercke / vermittelſt derſelben fuͤg - lich dahin zugelangen / und ſolche alſo einen neuen Weg der techten Urſachen dergeſtalt faͤhig zu wer - den. Wilſt du nun / mein Cebes / daß ich dich auch dahin leite. Von Hertzen gerne / antwortete Cebes.
Als ich nun faſt verdroſſen war / ohne Fortgang dieſe Sache zubetrachten / ſo kam mir etwas an - ders ein /
Mein Gemuͤthe nun von dieſer Verblendung zu entledigen / ſo hielt ich fuͤr das beſte / an ſtatt auf meinen Zweck die Sinnen zu richten / daß ich ſolchen erſtlich / wie in einem Spiegel betrachtete / und auf gewiſſe Beweiß-Satzungen dachte / etwan durch dieſelbe zu der Warheit zugelangen. Doch ſtehet vielleicht unſre Vergleich[un]g nicht feſte genug / dañ ich wil nicht gaͤntzlich zugeben / daß der jenige / ſo die Sachen durch Beweiß-Saͤtze erſuchet / ſie eher im Bildniſſe / als der ſo ſie in den Sachen ſelbſt be - trachtet / ergruͤnden ſolle; Doch habe ich mir dieſe Bahn vor andern erwehlen wollen. Schaue nun wie ich es mache / in dem ich mir eine Beweiſſatzung fuͤrſtelle / ſo ich fuͤr die bewehrteſte halte. Jch hal - te dieſes fuͤr das warhafftigſte / ſo der angezogenen Beweiß-Satzungen am nechſten kommet / und neh - me es fuͤr die eigentliche Urſache der Dinge / heiſſe a - ber hergegen alles falſch / was von dieſer etwas weit abtritt oder abſetzet. Doch bin ich erboͤtig dir das jenige / was ich itzt fuͤr gebracht / etwas deutlicher zu erklaͤren; dann ich glaube nicht / daß du alles eigent - lich verſteheſt. Nicht zum beſten / ſagte Cebes. Jch rede hier nichts neues / fuhr Socrates ferner fort / ſondern allein dieſes / was ich in vorhergegangener Theidigung oͤffters wiederholet habe. Hiemit wil ich nun fortfahren / dir dieſe Art der Urſachen zu ent - decken / davon ſchon unter uns ſo viel gehandeltwor -101Socrates. worden iſt. Jch ſetze nun hiermit zum Grunde / daß etwas in der Welt zu finden / ſo fuͤr ſich ſelbſt ſchoͤne / groß / gut / und dergleichen ſey. So du nun dieſes geſteheſt / ſo hoffe ich dir zu erweiſen / was eigentlich Urſache ſey / und woraus die Unſterbligkeit der See - len zu ſchlieſſen.
Schleuß / wann es dir beliebet. Jch gebe es zu.
Laſt uns aber dann ſehen / was daraus fol - gen wird / ſo du auch dieſer Meinung zu ſeyn be - gehreſt. Dann meine Meinung iſt / das unfehl - bar / wo auſſer der Schoͤnheit etwas ſchoͤnes in der Welt iſt / ſolches ſchoͤne / was es auch immer ſey / nicht ſchoͤne / es ſey denn durch Mittheilung der er - ſten Schoͤnheit / koͤnne genennet werden. Und ſo ur - theile ich auch von anderen Dingen. Glaubeſt du nun / daß es dieſer Urſachen halber geſchehe.
Ja freylich.
Jch mag nicht ferner gehen / und bin nicht faͤhig alle andere fuͤrtrefliche Urſachen zubegreiffen. Wann mich aber iemand fragte / warum dieſes o - der jenes ſchoͤne ſey / ſo ſagte ich / darum daß es ent -we -102Der ſterbendeweder eine hohe Farbe / eine ſchoͤne Geſtalt / oder et - was dergleichen in ſich habe; und wann ich weiter gehen wolte / ſo verwirrete ich mir nur. Dieſes glaube ich nun ſteiff und feſte / wiewol ich / warum es ſey / nicht wol ſagen kan / und nichts anders als daß die Gemeinſchafft der Schoͤnheit eine Sache ſchoͤ - ne mache / und daß alles was ſchoͤn iſt / aus Urſache der Schoͤnheit / ſchoͤne ſeyn muͤſſe. Dieſes iſt nun / was ich mir kuͤhnlich zu behaupten getraue. Jſt ihm nun nicht alſo? Jch zweiffele in wenigſten nicht daran / ſagte Cebes. Wie dann auch / daß eben dieſer Urſachen halber / das Groſſe wegen des Groſſen groß / uñ das Kleine wegen des Kleinen klein ſeyn muͤſſe. Es iſt nicht anders / gab Cebes zur Antwort. So wirſt du dann / redete Socrates fer - ner / es nicht mit dieſen halten / ſo da fuͤrgeben / daß dieſer Menſch des gantzen Kopffes groͤſſer als jener / und jener des gantzen Kopffes kleiner dann dieſer iſt / als wann die Groͤſſe und Klugheit durch den Koͤpff unterſchieden waͤre / und von demſelben ur - theilen ſolte; ſondern du wirſt vielmehr dieſer Mei - nung ſeyn / daß alles / was groß iſt / alleine wegen der Groͤſſe groͤſſer / und diß / was kleine / alleine we - gen der Kleinheit kleiner ſey. Wie du denn auch gar weißlich daran thuſt / in Erwegung / daß / wann du ſagen wolteſt / daß einer des Kopffes groͤſſer oder kleiner werde / man dir nicht dieſen Einwurff thun duͤrffte / daß erſtlich dieſes ein groͤſſers groͤſſer / und ein kleiners kleiner wuͤrde / dafern des Kopffes we - gen der eine kleiner / und einander groͤſſer genennetwird /103Socrates. wird / ja daß es ein ungereimt Ding waͤre / daß die - ſes / was groß iſt / wegen eines kleinern ſolte groͤſſer ſeyn. Scheueſt du dich nicht auch zu ſagen / daß zehen mehr als achte / nicht ſo wol wegen der zwey / als wegen der Vielligkeit mehr waͤren / wie gleich - fals daß ein Maß von zweyen Ellen / mehr wegen der Helffte / als wegen der Groͤſſe ſelber / groͤſſer als ein Maß von einer Ellen ſeyn ſolte. Und haſt du nicht ebener maſſen bedencken zugeſtehen / daß eines zu einem geſetzt / dieſer Zuſatz nothwendig mache / daß es zwey ſeyn muͤſſen / und die Theilung der ein - zelen Zahl / daß ihrer zwey daraus entſtanden / ver - urſachen ſolte. So betheure nun / daß du nichts anders wiſſeſt / wie es eigentlich zuginge / als daß es Krafft der Eigenſchafft / ſo dieſer Zahl gemaͤß iſt / geſchehen muͤſte / und daß dir nicht anders bekannt / warum es alſo / daß zwey werden / als durch Mitthei - lung / ſo zu ſagen / der Zweyheit / wie alles gleich - fals / was zu eines ſolte werden / mit der Einigkeit ei - ne Gemeinſchafft haben muͤſte. Und laß dieſe Zu - ſaͤtze und Theilung / wie auch alle andere Scharff - ſinnigkeiten vermoͤgender Leuten / als du zu / da - mit ſie nach ihren Einfallen darauf antworten moͤch - ten; denn du wirſt allezeit was furchtſam / und allein auf deiner Meinung beruhende dergeſtalt am ſi - cherſten antworten koͤnnen. Wann aber denn ei - ner deine Grundſatzungen recht unterſuchen / und dann ferner auf dich dringen wolte / ſo darffſt du ihm nicht bald darauf antworten / biß du zuvor al - les das jenige / was daraus entſpringen koͤnte / wolund104Der ſterbendeund geuau erwogen. Dann wann du ja Urſache dieſer Urſache geben ſolteſt / ſo wuͤrdeſt du dich zuvor nach anderen Satzungen umſehen / und dieſelben / ſo du etwan von den vorhergehenden fuͤr die beſten haͤlteſt / nothwendig erwehlen muͤſſen: Wie du dañ auch niemals / wie der Zanckſuchtigen Brauch iſt / die Grundſaͤtze / und was von denſelben entſpringet / vermiſchen ſolſt / ſo du ja etwas gewiſſes daraus zu entſpinnen begehreſt. Dann was die Zanckſuͤch - tigen betrifft / ſo haben ſolche weder Sinn noch Ge - dancken / ſo der Sache gewachſen waͤren / wie ſie denn auch aus Mangel der Weißheit ihnen ſelber betruͤglich gefallen / und etwas groſſes / ihrer Ein - bildung nach / zu erlangen gedencken. Du aber Cebes / ſo du unter der Zahl der Weißheit-Befliſſe - nen zu ſeyn begehreſt / ſo wirſtu zweiffels ohne / das jenige / was ich itzund erinnert / ſtets in acht haben.
Cebes und Simias lieſſen ihnen dieſes Fuͤrbrin - gen hoͤchſt wolgefallen.
Sie hatten wol Urſache darauf zuberuhen / dann ich halte darfuͤr / daß auch die allerungeſchickſten nunmehr die Warheit dieſer Meinung werden er - kennen koͤnnen.
Es iſt wol niemand unter uns / deme es nicht leicht zu ſeyn ſchiene.
Echo -Es iſt kein Wunder / weil ich / wiewol ich zuvor abweſende geweſen / es nunmehr bloß und alleine aus gethaner Widerholung zimlich wol verſtehe. Was brachte er aber nach dieſem ferner fuͤr?
Nachdem ſie Socrates auf ihre Meinung bracht / und ein iedweder geſtanden / daß alle Arten der Dinge etwas ſeyn muͤſten / und diß / was Gemein - ſchafft damit haben wil / nothwendig davon ſeinen Nahmen entlehnet / ſo brachte er endlich noch dieſe Frage auf die Bahn.
So es nun dergeſtalt / wie wir erwieſen / bewand iſt / wirſt du denn nicht auch geſtehen muͤſſen / daß / wann Simias groͤſſer iſt als Socrates / und kleiner als Phaͤdon / daß dieſe zwey Sachen ſich in dem Simias befinden / nemlich die Groͤſſe und die Kleinheit?
Wie anders?
Damit wirſt du auch geſtehen / daß Simias groͤſ - ſer als Socrates ſey / nicht zwar dem Buchſtabennach /106Der ſterbendenach / dann du glaubeſt nicht / daß es / vermoͤge der Natur ſo ſeyn koͤnte / daß Simias / als Simias den Socrates uͤbertraͤffe / ſondern Krafft des Maſ - ſes ſeiner Glieder / noch daß Socrates kleiner als Simias ſey / ſo weit als er Socrates iſt / ſondern al - leine in Betrachtung ſeines Leibes Laͤnge / die gegen des Simias ſeine gehalten / um etwas kleiner iſt.
Dieſes iſt eben meine Meinung.
Und gleicher maſſen uͤbertrifft Simias den Si - mias nicht als Phaͤdon / ſondern weil er gegen den Simias groß iſt / der in Vergleichung des Phaͤdons klein iſt.
Es iſt ſo.
Und ſo wird Simias dergeſtalt nach gewiſſem Verſtande groß und klein heiſſen / denn er iſt mittel - maͤßig / in Betrachtung des einen groͤſſer / und in Betrachtung des andern kleiner.
Darauf ſprach er laͤchelnde / mich duͤnckt / daß ich ein wenig zu eifrig uͤber dieſe Meinung halte / doch ver - haͤlt es ſich nicht anders / als ich itzund geſagt habe.
Ce -Es ſcheinet faſt.
Jch habe mich mit Fleiß ein wenig lange allhier aufgehalten / euch deſto klaͤrer zu erkennen zugeben / wie gerne ich euch auf meine Meinung bringen moͤch - te. Meine Meinung nun iſt / daß die Groͤſſe nicht alleine zu einer Zeit nicht wolle groß und kleine ſeyn / ſondern auch / daß die Groͤſſe in uns niemals uͤber - waͤltiget / und etwas kleines / ſondern daß ſolche von zweyen Sachen eines wuͤrde / daß nemlich ſie die Groͤſſe entweder zuruͤcke wiche / wann ihr Gegen - ſpiel als die Kleinheit antritt / oder gaͤntzlich vergin - ge / wann die Kleinheit allbereit angetreten iſt; dañ ſie kan nicht erwarten noch etwas anders werden / wann ſie die Kleinheit annimmt / als was ſie zuvor geweſen. Mich zum Beyſpiel anzuziehen / der ich kleine bin / ſo kan ich / ſo lange ich dis bin / was ich bin / nichts anders als kleine ſeyn. Wie denn auch eine groſſe Sache nicht kleine / und dieſes / was klei - ne in uns iſt / nicht groß / oder etwas wiedrieges wer - den kan. Dann ein Ding / ſo lange es dieſes / was es iſt / verbleibet / kan nimmermehr ſein eigen Ge - genſpiel werden / ſondern es muß alſobald weichen / oder gantz vergehen / ſo bald ſein Widriges antritt.
Das iſt eben meine Meinung.
HPhaͤ -Darauf begunte einer von der Geſellſchafft (ich weiß wol nicht welcher) gantz beſtuͤrtzt zu ſagen: Lie - ben Goͤtter / hat man uns nicht kurtz zuvor / gantz et - was anders / als was itzund fuͤrgebracht wird / ge - ſtanden. Dann man hat ja erweiſen wollen / daß aus dem Kleinern das Groͤſſere / und aus dem Groͤſ - ſeren das Kleinere wuͤrde / uñ unfehlbar etwas Wi - driges aus des Widrigen Gegenſpiel entſtuͤnde. So - crates ruͤckte damals mit ſeinem Kopffe ein wenig herfuͤr / und ſagte: Du haſt fuͤrwar ein gutes Ge - daͤchtniß / der du dieſes behalten haſt. Du weiſt a - ber nicht den Unterſcheid desjenigen / was ich itzund behauptet / und deſſen was ich zuvor fuͤrgebracht; Denn damals haben wir geſagt / daß von etwas Widrigem / wiederum etwas Widriges entſtuͤnde / und hier ſagen wir / daß das Widrige niemals ihme ſelber etwas widriges werden koͤnne. Wir rede - ten erſtlich von Sachen die gewiſſe Gegenſaͤtze ha - ben / uñ bezeichneten ſie mit dem Nahmen ihr es wi - drigen. Jtzund aber reden wir von den Gegenſaͤtzen die aus dieſen kommen / davon ſie den Namen ha - ben / und ſagen / daß niemals ein Gegenſpiel eigend - lich aus ſich ſelber kommen koͤnne. Darauf richte - te er die Augen auf den Cebes / ſagende / kamen dir dieſe Einwuͤrffe, nicht bedencklich fuͤr?
Keines weges.
So -So haben wir dann ſo geſtanden / daß ein Ge - genſpiel niemals aus ſeinem Gegenſpiele wird
Das iſt wahr.
Schaue ob du auch in deme meiner Meinung biſt. Nenneſt du nicht Hitz und Kaͤlte etwas?
Wie anders.
Nenneſt du aber ſchlecht weg Hitz und Kaͤlte / Feuer und Schnee?
Nein warlich.
So ſageſt du dann / daß Hitze etwas anders als Feuer / und Kaͤlte etwas anders als Schnee ſeyn muͤſſe?
Eben ſo.
Du wirſt aber ſonder Zweiffel geſtehen / daß derH 2Schnee110Der ſterbendeSchnee / ſo lange er Schnee iſt / wie wir allbereit erwehnet / keines weges Hitze an ſich nehmen / und Hitz und Kaͤlte nicht beyſammen ſeyn kan / ſondern es muß der Schnee / ſo bald die Hitze koͤmpt / entwe - der weichen oder gantz vergehen / wie denn auch das Feuer / wann die Kaͤlte antritt / ſich gleichfals auf die Seite machen / und verloͤſchen muß / indem Feu - er und Kaͤlte ſich keines weges mit einander vertra - gen koͤnnen.
Du ſageſt die Warheit.
Du muſt wiſſen / daß etliche Dinge zu finden / die ihrer Art Sachen nicht alleine allezeit mit ihrem Namen verehren / ſondern auch bißweilen etwas anders / daß doch in der Warheit nicht dem erſten gleiche iſt / ſondern nur ſo lange es daſſelbe iſt / der - derſelben Geſtalt in ſich hat. Und ſchaue nun wo du dieſes ſonnenklar ſehen wirſt / Ungerade / behaͤlt allzeit den Namen Ungerade. Jſt aber nun uͤber dieſes nichts anders? Dañ dieſes iſt eben die Frage / ob nicht etwas zu finden / ſo in ihm ſelbſt nicht eben dieſes / was ungerade iſt / welches aber doch neben einem andern Namen ſo es hat / dennoch dieſen Na - men Ungerade zu fuͤhren / gleichſam verbunden wird / und ſolches zwar aus Antrieb der Natur / die da wil / daß es allezeit den Namen Ungerade behalte; Dañ ſo iſt es auch mit der Zahl von dreyen bewand /ſo111Socrates. ſo wir die Gedritten heiſſen / dann du wirſt erfahren / daß man ſie allezeit gedritte und ungerade heiſſe. Welches Ungerade doch nicht eben oder eigentlich das jenige / was das gedritte iſt / dann man ſaget ſolches eben ſo wol von fuͤnffen und von ſieben / als von dreyen und anderen Mittel / oder ungleichen Zahlen mehr. Dann ein iedere dieſer Zahlen iſt ſo wol ungerade als gedrittet / und ob ſie gleich nicht eben das Ungerade ſelber ſeyn / ſo ſind ſie doch unge - rade. Wie ebenfals auch zwey und viere / und an - dere gleiche Zahlen / ob ſie gleich nicht eben dieſes / was man gerade nennet / ſeyn / ſo iſt doch ein ieder fuͤr ſich gerade.
Sonder Zweiffel.
Betrachte dann recht meine Frage / daß es nem - lich anders keines weges ſeyn kan / als daß nicht al - leine die unter ſich ſelbſt widrigen Sachen ſich nie - mals in ein ander vermiſchen / ſondern auch die jeni - gen Dinge / ſo zwar nicht recht einander zu wider / ſondern nur etwas der Widerwertigkeit aͤhnliches in ſich haben / niemals diß was ihre Eigenſchafft zu wider / an ſich nehmen. Muͤſſen wir nicht geſte - hen / daß drey eher vergehen / ja eher ich weiß nicht was erdulden wuͤrden / als daß ſie ſo weit drey drey ſind / gerade werden ſolten.
Das iſt die Warheit.
H 3So -Jedennoch iſt zwier dem gedritten nicht zu wider.
Keines weges.
Daß alſo nicht allein die unter ſich widrigen Ar - ten / ſich nicht mit einander vermaͤhlen / ſondern auch daß auſſer gedachte Arten gewiſſe Sachen zu finden / ſo nichts widriges vertragen koͤnnen.
Du ſageſt die Warheit.
Wilſt du dann / daß wir dieſe Sachen / wie ſie eigentlich beſchaffen / ſo viel moͤglich / beſchreiben ſollen?
Jch moͤchte es wol wuͤnſchen.
Werden ſolche Sachen nicht dieſer Art und Beſchaffenheit ſeyn / daß ſie auch immer beruͤhren / es nicht alleine ſein eigen Ebenbild behalten laſſen / ſondern auch noch das Widrige anzunehmen zwin - gen.
Ce -Wie verſteheſt du dieſes?
Wie ich kurtz zuvor gemeldet habe / dann du weiſt daß dieſes / was unter dem Ebenbilde der drey be - grieffen / nicht alleine drey / ſondern auch ungerade ſeyn muß.
Das geſtehe ich.
Zu dem ſagen wir / daß kein Ebenbild / ſo der Ei - genſchafft eines Dinges zu wider iſt / nicht kan ge - geben werden.
Niemals.
Und darum iſt es / daß die Zahl von dreyen nie - mals gerade ſeyn kan.
Das geht richtig.
H 4So -Und erfolget nun daß das Gedritte in der Zahl von dreyen nothwendig muͤſſe ungerade ſeyn.
Jch muß es geſtehen.
So habe ich nun ſo zu umſchreiben begonnen / was nemlich fuͤr Sachen ſind / welche zwar nichts eigentlich zu wider ſind / aber doch auch nichts wi - driges annehmen wollen. Mit dieſem iſt es nun e - ben ſo / wie mit dem Gedritten bewand / welches dann wiewol es dem Geraden nicht ſchnur ſtracks zu wider / es dennoch niemals / weil ſolches ihm allezeit etwas widriges beyfuget / anzunehmen begehret. Eben ſo iſt gleichfals mit der Zahl von zweyen / ge - gen ungerade / mit dem Feuer gegen die Kaͤlte / dem Schnee gegen die Hitze / und vielen anderen dieſer Art Sachen beſchaffen. So ſchaue nun Cebes / ob nicht / deiner Meinung nach / man es ſo umſchreiben koͤnnen / daß nicht alleine das Widrige / ſondern auch dasjenige / was etwas widriges beybringet / niemals eine Geſtalt an ſich nehmen wird / ſo denje - nigen / ſo ſie beygebracht wird / zu wider waͤre. Und betrachte dann / dann es ſchadet niemals dieſe Sa - chen offte zu wiederholen / daß die Zahl von fuͤnffen niemals die Art von geraden / nach zehen ſo gedop -pelt115Socrates. pelt fuͤnffe iſt / die Art von ungeraden an ſich nehmen wird. Dann dieſes / was des anderen Gegenſpiel iſt / nimmt niemals die Art ungerade zu ſeyn an ſich / wie auch in der Art vo[n]zwoͤlffen / die ſechſe / als die Helffte von zwoͤlffen / nehmen niemals Forme eines gantzen an ſich / noch alle andere / die dergeſtalt die Helffte oder Drittelzahl begreiffen / nehmen nie - mals die Geſtalt einer hoͤhern Zahl an ſich / dann wann ſolches geſchehen ſolte / ſo wuͤrden ſie vergehen / und nicht mehr die helffte / oder das Drittel ſeyn koͤn - nen. Verſteheſt du mich / und faſſeſt aus dieſem meine Meinung?
Zur Genuͤge.
Sage mir nun gleichſam vom Anfange / und ant - worte mir / nicht daß ich dich eben frage / ſondern nur zu Nachfolge dieſem / womit ich dir itzund vor - gegangen. Jch meine / daß du mir uͤber dieſe verge - wiſſerte Antwort / ſo wir bald im Anfange gethan / noch eine andere geben ſolleſt / ſo nicht weniger Ge - wißheit habe / und von dieſem / ſo wir itzund geſagt / herruͤhre. Als wann du mich ſo fragen ſolteſt / So - crates / was iſt in dem Leibe ſo da waͤrmet? ſo wol - te ich dir nicht dieſe grobe und rohe Antwort geben / es iſt die Hitze / ſondern eine gereimtere / und dem gehabten Geſpraͤche gemaͤſſere / daß es nemlich das Feuer ſey. Wie gleichesfals / wann du dich erkun -H 5di -116Der ſterbendedigen thaͤteſt / was im Leibe ſey / ſo da kranck mache; ſo wolte ich nicht antworten / die Kranckheit / ſon - dern das Fieber. Und wann du erforſcheſt welches in einer Zahl ungerade mache / ſo wil ich nicht ſagen ungerade / ſondern die Einigkeit / und ſo ferner. Ver - ſteheſt du mich nun?
Gar wol.
So antworte denn / was im Leibe denſelben le - bendig erhalte?
Die Seele.
Und dieſes allezeit.
Wie anders?
So gibt dann die Seele dem / wo ſie ſich nie - derlaͤſt / alſobald das Leben.
Ohne allen Zweiffel.
Jſt dann dem Leben nun nichts zu wider?
Es findet ſich freylich etwas.
So -Und was iſt es dann?
Das iſt der Todt.
Die Seele nimmt nun memals etwas an / ſo dem jenigen / was ſie eingefuͤhret / zu wider iſt / wie wir vor einig worden ſeyn.
So verhaͤlt es ſich.
Und wie nannten wir itzund dieſes / was das E - benbild des geraden nicht faſſen kan?
Ungerade.
Und ſo wir / was der Gerechtigkeit oder der Sin - gekunſt nicht faͤhig iſt / Ungerechtigkeit / und nicht Singekunſt nennen / wie werden wir nun das jeni - ge / ſo des Todes nicht faͤhig iſt / nennen ſollen. Son - der Zweiffel Unſterbligkeit. Die Seele iſt nun dem Tode niemals unterworffen / darum iſt ſie unſterb - lich.
Es muß unfehlbar daraus folgen / daß ſie unſterb - lich ſey.
Und wird die Seele niemals von dem Tode an - gefochten.
Ce -Niemals.
Haben wir nun dieſes klar genug bewieſen?
Ubrig klar und genugſam.
Haͤlteſt du nicht auch dafuͤr / o Cebes / ſo fern un - gerade vom Untergang befreyet werden / daß es drey gleichfals ſeyn wuͤrde / und wo dieſes / was mit faͤhig iſt die Hitze an ſich zu nehmen / nicht verginge / daß der Schnee ohne Zerſchmeltzung bey dem Feu - er bleiben / nicht zergehen noch erhitzt wuͤrde werden koͤnnen?
Jch glaube es.
Daraus folget nun / wo dieſes / was nicht kalt werden kan / nicht vergehet / wenn Kaͤlte gleich dar - ein ſtreichet / daß das Feuer ſich auch nicht deſſent - wegen ausloͤſchen / ſondern ohne Gefahr ſich auf die Seite machen wuͤrde.
Es koͤnte nicht anders ſeyn.
So koͤnnen wir nun gleichfals / was die Unſterb - ligkeit betriefft / einen Schluß machen / daß dafern dieſes was unſterblich iſt nicht ausweichet / es gleich -fals119Socrates. fals unmoͤglich ſey / daß die Seele bey Ankunfft des Todes vergehen ſolte. Dann wie wir zuvor erwie - ſen / ſo kan ſelbige dem Tode nicht unterworffen wer - den; und kan ſo wenig verderben als drey gerade / oder das Feuer wird kalt werden koͤnnen. Doch koͤnte man noch etwas ſagen / ob gleich ungerade niemals gerade wuͤrde / wann ſchon gerade mit da - zu kommet / wie wir allbereit zuvor geſtanden / ſo ſa - gen wir doch / daß noch ungerade / gerade an deſſen ſtatt kom̃et / und wañ uns einer ſagte / daß das Unge - rade vergangen / und nicht mehr zugegen / ſo wollen wir es nicht laͤugnen. Wie wir denn auch keines weges koͤnnen / denn es iſt nicht mit ungerade wie mit einem Weſen ſo unzertrennlich iſt / beſchaffen / und ob es gleiche Beſchaffenheit damit haͤtte / ſo wuͤrden wir erfahren / daß wegen Antritt des Gera - den / weder das Ungerade noch eine gedritte Zahl vergehen wuͤrde / und koͤnten alſo eben dieſes von Feuer / Hitze und anderen Dingen ſchlieſſen. Wuͤr - de es nicht deiner Meinung nach ſo ſeyn?
Wie anders.
Was aber das Unſterbliche betrifft / ſo es ſchei - net / daß es nicht vergehen / ſo erſcheinet es auch / daß die Seele / auſſer dem das ſie unſterblich iſt / auch zu - gleich nicht vergehen koͤnne. Wann dieſes nicht ſchone geſtanden waͤre / ſo muͤſte man einen andern Beweiß-Grund anziehen / es iſt aber nicht von noh -ten120Der ſterbendeten ſich allhier lange aufzuhalten / dannn was wolte doch unzertrennlich ſeyn / wann dieſes / was unſterb - lich und unvergaͤnglich iſt / zertrennlich waͤre.
Weil nun dieſes / was unſterblich iſt / auch zugleich unverweſentlich iſt / wie ſolte nicht die Seele / ſo ſie unſterblich / auch zugleich unverweſentlich ſeyn?
Es kan nichts anders daraus folgen.
Es ſtehet mir nicht das geringſte im Wege / daßich121Socrates. ich deiner Meinung nicht beypflichten ſolte / ſo aber Simias / oder etwan ein ander von der Geſellſchaft etwas dabey zu erinnern hat / ſo kan er es mir frey fuͤrtragen; Dann mich beduͤncket / daß man die Zeit und Gelegenheit ſolche Sachen zu hoͤren / oder davon zu reden / keines weges verſaͤumen ſolle.
Jch habe eben ſo wenig als du wider die ange - fuͤhrte Beweiß-Gruͤnde zugedencken / O Cebes. Jedennoch ſo machet mir die Sache / davon wir handeln / und die menſchliche Schwachheit nicht wenig Mißtrauen.
Es iſt nicht ohne Urſach / und unſere erſte Sa - tzungen / wiewol ſie auch richtig genug zu ſeyn ſchei - net / muͤſſen doch ferner ie mehr und mehr erwogen und unterſuchet werden; So ihr ſie nun einmal un - tadelhafft befindet / ſo koͤnt ihr auf ſolche Beweiß - Gruͤnde ſteiff bauen / und habt nicht Urſache ferner zu fragen.
Es iſt die Warheit.
So -Dieſe ſchnoͤde Seelen nun finden endlich nach langen Umſchweiffen und tauſenderley Jammer in der Welt eine ihren Gedancken gleich geſtalte Be - hauſung / und die Frommen werden hergegen ohne einzige Quaal und Straffe / ſo den Boͤſen auf dem Halſe lieget / nach ihrem Abſterben in eine ſelige Wohnung angewieſen / da ſie ihren loͤblichen und richtigen Fuͤrſatz wol fortſtellen koͤnnen. Wie ſie dann die Goͤtter ſelbſt darzu leiten. Dann die Er - de hat viel und wunderbarliche Oerter / und iſt nicht ſo groß / und von ſolcher Beſchaffenheit / aufs we - nigſte / wie ich vernommen / als man in gemein fuͤr - giebet.
Wie verſteheſt du dieſes? Was mich betrifft / ſo hab ich viel von dem Erdkloſe reden hoͤren / aber nichts richtiges; und moͤchte wol wuͤnſchen / daß du die Muͤhwaltung auf dich nehmen wolteſt / etwas deutlicher davon zu handeln.
Jch halte dafuͤr / daß die Kunſt des Glaucus / nichts eigentliches fuͤrbringe / was dieſes doch fuͤr Sachen ſeyn / und etwas gewiſſes daraus zu er - zwingen / ſcheinet mir faſt unmoͤglich. Ja ich halte mich ſelbſt dieſer Sache vor genug nicht gewachſen / und wann ich gleich vollkommen gelehrt waͤre / ſo wuͤrde die wenige Zeit meines Lebens es nicht ver - ſtatten wollen, Doch wil ich etwas von der Geſtaltdes127Socrates. des Erdbodens ſagen / und dieſe Oerter meiner Art nach beſchreiben.
Jch begehre nichts mehr.
Dann eine Sache / ſo der geſtalt von gleichem Ge - wichte iſt / ſo ſie in der Mitten eines Dinges / das ſich ebener maſſen gleichwichtig befindet / geſtellet wird / kan weder zu einer noch zu der anderen Sei - ten ſincken: Weil es denn in ſolcher Gleichheit ſich befindet / ſo haͤlt es ſich durch Zuneigung und Ver - faſſung eines anderen.
Die Meinung ſcheinet nicht boͤſe zu ſeyn.
Bey dieſer Gelegenheit wil ich euch ein Gedichte erzehlen / ſo ihr es hoͤren wolt / damit ihr das jenige / was ich euch von den Gegenden dieſer treflichen Re - de geſagt / deſto beſſer verſtehen moͤcht.
Es ſoll uns ſehr lieb ſeyn / etwas davon zu ver - nehmen.
Er ſchloß dergeſtalt ſein Gedichte unter dem Ge - ſpraͤche der ewigen Seeligkeit / welche die durch die Weißheit recht geleuterten Geiſter zugewarten haben / und derer Hoheit er ſeinem eigenen Bekaͤnt - niß nach / theils aus Mangel der Zeit / theils aus menſchlicher Unvermoͤgenheit / nicht recht auslegen konte. Darauf ſagte er zu dem Simias / alles die - ſes / wie ich es itzund vorgetragen / iſt vielleicht nicht der Wuͤrdigkeit / daß ein wolbeſchaffenes Gemuͤh - te ihm gaͤntzlich Glauben geben ſolle / iedennoch ſo iſt es nicht ungereimt / weil wir der Seelen Unſterb - ligkeit nunmehr vergewiſſert ſeyn / ihre Art in je - ner Welt zu wohnen / uns dergeſtalt einzubilden / und in der Ungewißheit / darinnen wir in wehren - dem ſterblichen Leben / uns befinden / uns etwas der - gleichen fuͤrſtellen / ja wie die Zauberer ihre Be - ſchwerungs-Segens / ſolches auswendig zu lernen. Und ſolte man auch gleich in einem und dem andern in etwas verfehlen / ſo wird doch dieſe Kuͤnheit ohneK 3Eh -144Der ſterbendeEhre nicht abgehen / ja ich lebe der ungezweiffelten gewiſſen Hoffnung / daß ein wolgemeintes Ver - trauen / das Ungemach derjenigen unſchwer wird erleichtern koͤnnen / ſo allhier die zeitlichen Wolluͤſte gaͤntzlich verachtende / einig und alleine aus Liebe der Edelen Wiſſenſchafft / allen fremden Zierath von ſich ſtoſſen / und ſich nur mit dem reinen Schmu - cke der aus ihnen ſelber kompt / als da iſt Gerechtig - keit / Großmuͤhtigkeit / Freyheit / Maͤßigkeit und Warheit / auszuziehren bemuͤhen. Jmmittelſt die - ſer Tugenden / ſo befind ſich der Weiſe gegen die Anſtoͤſſe des Todes unbeweglich / und iſt die gantze Zeit ſeines Lebens eben ſo fertig zum Abſcheiden / als wann die Stunde nun fuͤr der Thuͤre iſt. Jhr die ihr itzund hier zugegen ſeyd / werdet zweiffels oh - ne ein ieder zu gewiſſer Zeit und Stunde aus dieſer Welt ſcheiden; Mich aber anreichende / ſo iſt es itzund dieſen Augenblick / wie ein Trauerſpiel - Schreiber redet / daß das Verhaͤngniß mich beruf - fet / ja die Stunde iſt allbereit angetreten / daß ich mich nothwendig werde waſchen gehen; Dann ich bin ſinnes / noch ehe ich Gifft trincke meinen Leib recht zu ſaubern / damit ich den Frauen / die mich werden Baden wollen / nicht allzuviel zu ſchaffen mache. Bey dieſer Gelegenheit fragte Criton / ob er nicht etwan / anreichende ſeine Kinder / oder wo - rinnen ihm ſonſt ein Gefallen geſchehen koͤnte / was anzubefehlen begehrete. Jch habe euch nichts neues zuempfehlen / antwortete er hinwiederum / als was ich ſchon offte wiederholet habe. So ihr nun aufeuch145Socrates. euch gute acht habet / ſo werdet ihr euch / und auch dergeſtalt mir einen Dienſt thun / und iſt nicht eben der Nothwendigkeit / daß ihr es mit vielen Worten betheuret / ſo aber das Widerſpiel geſchehen ſolte / und ihr die von mir gebrochene Bahn nicht ſollet in acht nehmen / ſo koͤnte es auch geſchehen / wann ihr mir es gleich weitlaͤufftig beſchwieret. Wir wol - len uns ſolches genugſam angelegen ſeyn laſſen / er - klaͤrte ſich Criton? Wie begehreſt du aber begra - ben zu werden. Nach eurem Belieben / antworte - te Socrates darauf / ſo ihr nur meinen Leib werdet erlangen koͤnnen / und wante ſich laͤchelnde gegen uns. Jch kan den Criton / redet er ferner / keines weges bereden / daß ich der Socrates bin / ſo itzund ſo lange Zeit getheidiget und geſpracht habe; Son - dern er lebet der Gedancken / allbereit dieſes Aaß zu ſehen / ſo bald liegen wird / und hat allbereit gaͤntz - lich aus den Gedancken gelaſſen / was ich unlaͤngſt ſo weitlaͤufftig erwehnet / daß ich / nemlich heute noch / von euch ſcheiden / und zu der ewigen Seelig - keit gelangen werde. So ſeyd denn / lieben Freun - de / Buͤrge fuͤr mich / bey dem Criton / doch gar an - derer Geſtalt / als er fuͤr mich bey den Richtern wor - den iſt: Dann er hat gut geſprochen / daß ich mich wiederum geſtellen wuͤrde / und ihr werdet ihm fuͤr - ſtand thun / ſo es euch beliebet / das ich / nach meinem Tode nicht mehr erſcheinen / ſondern gaͤntzlich von hinnen weichen werde. Verſichert ihn doch deſſen / ſeyd gebeten / damit der Criton ſich nicht zu ſehr da - rob entſetze / und nicht etwan / wann er meinen LeibK 4ver -146Der ſterbendeverbrennen oder verſcharren ſiehet / mich unbeſon - nener Weiſe beklagete / als wenn mir groß Weh geſchehe / oder etwan bey dem Leichbegaͤngniß aus - gebe / daß man den Socrates zu Grabe truͤge und begruͤbe. Du muſt auch wiſſen Criton / daß der / ſo auf dieſe Weiſe redet / nicht allein beſagter maſ - ſen irret / ſondern auch unſeren Geiſtern ungleich thut: Und ſolſt nun nichts anders ſagen / als daß man meinen Leib nach deinem Gefallen begra - ben werde. Als er dieſes geredet / ſo ſtund er auf / und gieng in eine Cammer ſich zu waſchen; Criton begleitet ihn / und bat uns anderen etwas zu verziehen. Wir ſprachen mitlerzeit / und wieder - holten / was wir zuvor mit mehrem vernommen / nicht ohne Erwegung unſers Ungeluͤcks / in dem wir nunmehr unſer aller Vatern verliehren / und alſo gleichſam zu Waͤiſen werden ſolten. Nach dem ſich nun Socrates gewaſchen / ſo brachte man ihm ſeine Soͤhne; Dann er hatte zwey kleinere / und einen zimlich erwachſenen; Es kamen auch etliche Frauen / ſeine Bekanten / ihn zu beſuchen. Als So - crates in Gegenwart des Critons mit ihnen gere - det / und was ſein Belieben angeordnet / ſo befahl er ihnen / wie auch ſeinen Soͤhnen / auf die Seite zu gehen / und kam darauf zu uns / ungefehr mit der Sonnen Untergang; Dann er war zimlich lang in der Cammer geweſen. Als er nun / nach dem er ſich gewaſchen / wiederum zu uns gelanget / ſo ſatzte er ſich / und ehe er noch ein Wort gegen uns aufbrin - gen konte / ſo tratt der Scharffrichter zu ihn mit fol -gen -147Socrates. genden Worten: Jch halte nicht dafuͤr / daß ich bey dir die Beſtuͤrtzung finden werde / ſo ſonſt bey andern ſich ingemein zu ereignen pfleget / dann die meiſten lehnen ſich gegen mich auf / und geben mir loſe Worte / wann ich / aus Befehl des Rahts ihnen den Gifft-Trunck uͤberreiche; Ja bey dir ha - be ich allbereit im Anfange ein groß und geſetztes Gemuͤhte verſpuͤret / und leicht aus deinen Augen ſchlieſſen koͤnnen / daß du einer von den Tugend haft - ſten Leuten ſeyn muͤſteſt / ſo iemals die Schwelle in dieſem Gefaͤngniß uͤberſchritten / und hoffe nun / daß du nicht mir / ſondern denen / ſo die rechte Urſaͤ - cher deines Ungluͤcks ſind / deinen Unfall zuſchreiben werdeſt. Du wirſt nun leicht errahten koͤnnen / was ich dir neues bringe. Sey hiemit den Goͤt - tern empfohlen / und dencke nun das jenige zu erdul - den / was nicht kan hintertrieben werden. Als er nun dieſes alſo fuͤrgebracht / ſo gieng er mit weinen - den Augen auf die Seite. Socrates wandte da - rauf die Augen mit dieſen Worten auf den Scharf - richter: Gehabe dich wol / ich wil mich fertig ma - chen; Sehet / fuhr er weiter fort / welch ein tapffe - rer und hoͤfflicher Mann iſt dieſes; Jch lerne ihn nicht erſt heute kennen / er hat mich allezeit freund - lich gegruͤſt / und iſt offt auf ein Geſpraͤche zu mir kommen; ich halte ihn fuͤr ein aufrichtiges Gemuͤ - the / ſchauet wie er mich beklaget. Luſtig Cri - ton / laſt uns thun wie er geſaget hat / und wo das Gifft zugerichtet iſt / daß man mir es bringe / wo aber nicht / daß man es verfertige. Was? ſagteK 5Cri -148Der ſterbendeCriton / ich halte die Sonne iſt noch nicht untergan - gen / und ich weiß gar wol das andere lange ver - weilen / nach dem ſie Befehl bekommen / das Gifft zu ſich zu nehmen; Ja ſie truͤncken es auch wol offte nicht eher / biß ſie ihre Luſt in dem und je - nem zur Genuͤge gebuͤſſet haben: Derohalben darffſt du nicht eilen / es hat noch gute Zeit. Die - ſer Art Leute / meldete Socrates / haben ihre Urſa - che / dann ſie meinen etwas dadurch zu genieſſen. Und ich habe auch meine Urſache / nicht dergeſtalt zuverfahren / dann ich wuͤrde nur durch dieſes Auf - ſchieben ein Geſpoͤtte verurſachen / als wann ich das Leben allzuſehr liebete / und etwas erſpahren wolte / ſo nicht mehr in meinem Vermoͤgen iſt. Thue mir aber dieſen Gefallen / und verrichte was ich dir geſagt habe. Als Criton ſeinen endlichen Schluß verſtanden / ſo gab er einem Knaben / ſo nicht weit von ihnen ſtand / ein Zeichen. Dieſer Knabe gieng aus der Cammer / und kam mit einem der das Gifft in einem Becher trug / eilfertig wiede - rum zuruͤcke. Als Socrates ihn erſahe / ſo ſag - te er: Mein ſage mir / weil du es am beſten weiſt / wie ich mich nun verhalten ſoll? Du darffſt nichts anders thun / antwortete dieſer / als wann du ge - truncken / auf und niedergehen / biß du eine Muͤ - digkeit in den Schenckeln fuͤhleſt / darauf kanſt du dich niederlegen / und uͤberreichte ihm damit den Becher. Socrates nahm den Becher mit freu - digem Geſichte / ohne eintzige Veraͤnderung der -Far -149Socrates. Farbe / ſahe darauf ſeiner Gewonheit nach / friſch um ſich / und fragte den Scharffrichter: Jſt es nicht vergonnt / an ſtatt eines Opffers etwas zu - vergieſſen. Es iſt nur / antwortete der Scharff - richter / ſo viel als von noͤhten darinnen. Wolan / ſo wird doch aufs wenigſte vergont ſeyn die Goͤt - ter anzuruffen / daß ſie mir dieſen Todt zur See - ligkeit / und dieſe Trennung zu meinem Beſten werden gedeyen laſſen; Dann dieſes iſt mein Wunſch / es geſchehe auch alſo. Als er dieſes aus - geredet / ſo fuͤhrte er das Glaß zu dem Munde / und tranck hurtig. Viel von der Geſellſchafft hatten ſich biß hieher noch des Weinens enthalten / nach dem er aber ſo freudig ausgetruncken / ſo konten wir uns nicht ferner mehr zwingen. Jch zwar war dergeſtait mit Wehmuth beſchwungen / daß mir die Thraͤnen / wie ſehr ich mich auch bemuͤ - hete / haͤuffig aus den Augen ſchoſſen / dann ich dachte nun was ich vor einen Freund hiemit ver - lohren. Critos gleichfals / war ehe er noch zu wei - nen begonnen / aufgeſtanden / und Appollodorus / der den gantzen Tag nichts anders gethan hat - te / fing nun mit vollem Halſe an zuklagen / und betrauerte aller derer ſo zugegen / elenden Zu - ſtand / auſſerhalb des Socrates. Jhr ſeyd in Warheit / ſagte uns Socrates / tapffere Leute / ſchaͤmt ihr euch nicht / ich habe die Frauen dieſer Urſachen halber auf die Seite geſchickt; Dann ich weiß wol daß heulen und ſchreyen ihnen gleich -ſam150Der ſterbendeſam angebohren iſt; Wiſt ihr denn nicht / daß man mit Freuden von hinnen ſcheiden muß. So haltet doch ein wenig inne / und habet Gedult. Dieſer Verweiß machte uns alle roth / und weineten darauf nicht mehr. Er gieng allbereit auff und nieder / und weil er eine Muͤdigkeit in den Schen - ckeln empfand / ſo legte er ſich laut gethaner Erin - nerung des Scharffrichters / etwas nieder / wel - cher dann auch bald herzu tratt / und auf des So - crates Beine genau Achtung gab. Er druckte ihm erſtlich die Fuͤſſe ſtarck / und fragte / ob er nichts fuͤhlete. Nicht das geringſte antwortete Socrates. Darauf ſchloß er ihm die Schenckel zuſammen / und zeigte uns allezeit mit der Hand hoher auffahrende / daß ſie gantz kalt und erſtar - ret waͤren / mit Vermelden: daß es / wenn der Froſt zum Hertzen ſteigen wuͤrde / auch mit ihme gethan ſeyn wuͤrde.
Deſſelben Augenblicks betratt ihn der Froſt. Damit ſtieß Socrates den Rock / darein er ſich gehuͤllet / etwas von ſich / und ſchloß mit dieſen Worten: O Criton / ich bin dem Eßculapius einen Hahn ſchuldig / fuͤhre du ihn ab / und ſchaue daß nichts daran ermangele. Es ſol unfehlbar geſchehen / antwortete Criton. Begehreſt du a - ber uͤber dieſes nichts. Darauf gab Socrates nichts zur Antwort / ſondern zuckte / als er etwas ſtille gelegen / ein wenig / und der Scharffrichter deckte ihn auf / hiemit erſtarreten ihm die Augen /und151Socrates. und verſchied. Criton aber druckte ihn Mund und Augen zu. Schaue Echocrates das Ende unſers guten Freundes / der meiner Meinung nach / einer von den Tugendhaffteſten / weiſeſten und gerechte - ſten Maͤnnern geweſen / ſo iemals die Sonne beſchienen hat.
ENDE.
DAfern dir die Tod - ten nicht gaͤntzlich zu - wieder ſeyn / ſo wolleſt du folgende Briefe etli - cher verliebten Helden und Heldin - nen / die / wie ſie vorlaͤngſt gebrennet / auch ſchone vorlaͤngſt zu Aſchen wor - dẽ ſeyn / und nunmehro alleine dẽ An - gedenckẽ nach leben koͤnnen / von mei - ner Wenigkeit anzunehmẽ geruhen. Jch habe ſolche aus allerhand Ge - ſchichtbuͤchern / dariñen ſie ſich / recht zuſagen / gleichſam verſtecket / her - ausziehen muͤſſen / in dem die Lie - bes Haͤndel bey den Deutſchen ſelten in ſo viel Umſtaͤndẽ / als bey den Aus - laͤndern ſich ſchauen laſſen / und da ſich ja etwan ein und andere Zufaͤlleaer -An den Leſer. ereignen / ſolche mehr untergedruckt / als den Augen der Nachwelt mit - getheilet worden ſeyn. Daferne nicht alle diejenigen / derer in mei - nen Briefen gedacht iſt / in dem Um - kreiſe Deutſchen Reichs auf die Welt kommen / maßen ich dann unterſchie - dene / ſo in Welſchland / Dennemarck und dergleichen Oerthern gebohren worden / allhier aufgefuͤhret / ſo wird doch theils der Nahmen / theils Jhre Eigenſchafft / ſattſamlich aus - weiſen / daß ſie Deutſcher Arth und Herkommens und alſo in die ange - ziehlte Reyhe gar wohl gehoͤren. So auch etwan eine und die andere ge - meine Standsperſohn hier zufin - den / welcher der Titel Held oder Hel - dinnens / dem erſten Anblick nach nicht allzuwohl gebuͤhret / ſo entſchul - dige ich es dergeſtalt / das ich in mei - ner Arbeit nicht ſo wohl die GebluͤthalsAn den Leſer. als Gemuͤths Eigenſchaften angeſe - hen / und mich genugſam zuſeyn be - deucht / wann ich ſolche mit hoͤheren Flammen uͤberſchuͤttert / und durch erlauchte Brunſt gleichſam geleutert gefunden.
Daß ich eben auf verliebte Sa - chen in meiner Poëſie gerathen / iſt nicht zuverwundern / ich weiß gar wohl / das Gedichte in allerhand Be - wegungen des Gemuͤthes / und von allerhand Arthen geſchrieben werden koͤnnen / doch ſcheinet es daß die Poë - ſie uͤberall Frembdling / und in dem Lande der Liebe alleine zu Hauſe iſt / und ſaget ein gelehrter Auslaͤnder nicht ungereimt / daß man der Poëſie mit Entziehung der Liebes Sachen die Hertzwurtzel verſteche / und herge - gen der Liebe durch Entziehung der Poëſie den lieblichſten Blumengar -a 2tenAn den Leſer. ten verſchluͤſſen wuͤrde; daferne auch etliche Allzuſcharfſichtige mich / daß ich nicht einer von den Juͤngſten und Muͤßigſten / dieſer freyen Gedan - cken halber ſcheel anſehen duͤrften / ſo bin ich warlich deſſentwegen in ſchlechten Sorgen. Wer mein Ge - muͤthe kennet oder kennen will / wird nichts ungleiches aus meinen Brie - fen ſchluͤſſen koͤñen / um die anderen / die wegen ihres vergaͤlten Urtheils oder Richtgierigkeit etwas wiedriges daraus zuentſpinnen begehren / be - kuͤmmere ich mich ſo wenig / als um die Hofjunckern des groſſen Mo - gols / oder um die Mohren in den Zuckermuͤhlen / von denen mir ſchwerlich einer viel wird ſchaden koͤn - nen. Warum ich nicht / wie vormahls unterſchieden von mir geſchehen / et - wan ein Werck eines beruͤhmten Auslaͤnders zuuͤberſetzen / fuͤr michgenom -An den Leſer. genommen / geſchiehet darum / daß ich aus erheblichen Urſachen nichts ferner zuverdeutſchen mich entſchloſ - ſen / in dem dieſe dienſtbare Arbeit mehr Muͤhe / als Ruhm mit ſich brin - get / und wann es mit rechten Augen angeſehen / und nach rechter Eigen - ſchaft ausgeſprochen werden ſoll / nichts als eine Abſchrift aus einer frembden in die Mutterſprache zu - nennen iſt; Wann ich die gruͤndliche Urſache / warum ich mir eben Briefe zu meinem Zeitvertreib erwehlet / ent - decken ſoll / ſo muß ich nur ſagen / daß zweyerley mich zu ſolchen bewo - gen: Erſtlich zwar / daß die enge Ver - faſſung eines Briefes / mehr als et - wan was weitlaͤuftigers mit aller - hand artigen Liebligkeiten ange - fuͤllet werden kan / ſich auch etliche / wie wohl wenige von alten und neu - en Auslaͤndern gar gluͤckſelig dieſera 3ArtAn den Leſer. Art gebrauchet. Und dann / daß noch niemahls / ſo viel ich mich erin - nere / etwas dergleichen von unſern Lands Leuten verſuchet worden iſt / ja man bey itzigen Zeiten / da die Waare / wie man ſaget / uͤberfuͤhret / die ſchoͤnſten Bluhmen auch in ge - meinen Kraͤutergaͤrten / und die ſel - zamſten Zeuge faſt in allen Krah - men zufinden ſeyn / auf etwas neues und ungemeines nothwendig zuden - cken hat. Dieſes hoffe ich endlich / daß meine Arbeit wider die Satzung der Tugenden nicht ſuͤndigen werde / und kein Alter oder Stand mir leicht - lich etwas werde weiſen koͤnnen / ſo ihm aͤrgerlich ſeyn moͤchte. Daß bißweilen ein unſchuldiger Schertz mit eingeſtreuet worden / erfordert die Eigenſchaft dieſes Werkes / und ſolte mir etwan uͤber Verhoffen ein zuſchluͤpfriges Wort uͤber dieHandAn den Leſer. Hand geſprungen ſeyn / ſo getroͤſte ich mich doch / daß viel gute Warnun - gen / wie ein und der andere Fall - ſtrick zuvermeiden / viel Beſchreibun - gen / wie die Thorheit oftmahls der Liebe Richtſchnur geweſen / viel An - merckungen / wie in der Schalen der ſuͤſſen Worte nicht ſelten der Wer - muth des Betrugs lieget / viel Er - zehlungen / wie groſſer Herrn Liebes - Regung mehr als allzuoft Jammer und Noth zur Nachfolge gehabt / und unterſchiedene Verzeichnungen / aus welchen erſcheinet / wie die Gemuͤths - Regungen ſo wunderbahre Thiere ſeyn / alles andere / wo ich etwan moͤchte geirret haben / ſattſam wer - de erſetzen koͤnnen. Von meiner Art zuſchreiben begehre ich nicht viel zu - melden / ich habe mir hier einen Weg erkieſet / der gleich gebaͤhnet / und nicht zu praͤchtig iſt. Solte man ineinemAn den Leſer. einem und andern Orte der Schleſi - ſchen Mundart in dem Reimen et - was nachgegangen ſeyn; ſo wird der Geneigte Leſer ſolches entſchuldigen / und ſich erinnern / daß wie Jch nebſt Opizen und andern meinen Lands - Leuten mich der unſrigen / alſo Flem - ming / Riſt / und unzehlich mehr ſich der ihrigen nicht gaͤntzlich entbrechen koͤnnen. Von allzuweit geſuchten / und ſich ſelbſt uͤberſteigenden Be - ſchreibungen / von uͤberfluͤſſiger Ein - fuͤhrung Heydniſcher Goͤtter / und dero Nahmen / ohne welche ihrer viel nicht Poëten zuſeyn ihnen einbilden / iſt mein ſchlechtes Werck ganz entledi - get. Nach dieſem will von meiner Unſchuld ich ſelbſt nichts ungleiches argwohnen / und mir dergeſtalt un - zeitigen Kampf anbieten / wie ich denn der troͤſtlichen Zuverſicht lebe / es werde meine Kuͤhnheit / daß ich etlicherAn den Leſer. licher erlauchten Haͤuſer / die ich un - terthaͤnigſt ehre / auch dafern es nicht wieder Gott were / anzubeten bereit bin / laͤngſtverrauchte Liebes Regun - gen zuerfriſchen mich unterſtanden / nicht allzufeindſeelig angeſehen wer - den. Geneigter Leſer ſtrecke eine guͤnſtige Hand nach meiner Arbeit / und ſchaue / was die Liebe vor unge - heure Spiele in der Welt anrichte. Dencke daß die Blattern uñ verliebt zuſeyn unter die Kranckheiten gehoͤ - re / denen wenig entgehen koͤnnen / und daß etliche ſolches Siechthum mehr als andere empfinden / und man es allen nicht gleiche anſiehet. Jch haͤtte hier Zeug ein paar Bogen mit etwas Anmutigẽ anzufuͤllen / ich ver - ſchiebe es aber zu einer andern Zeit. Ein ieder uͤberlege und leide ſein eigen Anliegen / ich ſagefer -An den Leſer. ferner nichts / und uͤberreiche dir hiermit meine Briefe / ei - nes geneigten Urtheils mich zuverſichtiglich getroͤ - ſtende.
1KEyſer Carl der Groſſe hat - te unter vielen Kindern auch ein Fraͤulein Emma genennet / nicht minder an Leibes als Gemuͤths Gaben von hoͤchſter Vollkom̃en - heit. Nebenſt andern Bedienten enthielt ſich auch in ſeinem Hofe Eginhard / Geheimſchrei - ber des Keyſers / dem er wegen ſonderbahrer Ge - ſchickligkeit mehr als mittelmaͤßig geneiget war. Jch weiß nicht wie dieſer gute Mann in etwas uͤberſichtig ward / und der alleine die Briefe ſei - nes Herren durchſehen ſolte / auch auf die Schoͤn - heit der Tochter ein freyeres Auge warff. Die Frucht diefes Fuͤrwitzes war die Liebe / und die Frucht der Liebe / die Gefahr / ſo in Warheit / wenn er einen ſtrengern Herrn / als Keyſer Carln / an -Agetroffen /2Liebe zwiſchen Eginhardgetroffen / Jhn in Spott und Todt unfehlbahr wuͤrde geſtuͤrtzet haben. Die Ungedult ſeiner Flammen zwang ihn bey der Fraͤulein / mit der er ſonſt niemahl ausfuͤhrlich reden konte / die Genade zu bitten / einmahl alleine bey ihr eingelaſ - ſen zu werden / die dann auch mit nicht minderer Liebe gegen Jhm entzuͤndet / ſein Fuͤhrnehmen billigte / und ihm die Abendtzeit darzu beſtimme - te. Was ſie in ſolcher Zuſammenkunfft mit ein - ander abgeredet / und wie ſie ihre Stunden wohl angewendet werden haben / laß ich einen der ie - mahls recht verliebt geweſen / und in der gleichen Gelegenheit / wie Eginhard und Emma ſich befun - den / urtheilen / ich weiß nichts davon. Diß iſt gewiß / daß ſie beyde unvermercket faſt der ange - hende Morgen uͤberfallen wollen / und das Fraͤu - lein / als ſie ihren lieben Nacht Geferten / weil da - zumahl ein unverhoffter Schnee kommen / auf dem Ruͤcken aus ihrem Zimmer biß zu einem Scheidewege getragen / in Meinung nachmahls die maͤnnlichen Fußſtapffen / ſo wegen der da - mahls uͤblichen ſpitzigen Schuh ſehr kentbahr wa - ren / mit den ihrigen zuverſcharren / von ihrem Herren Vater / der / ich weiß nicht durch was vor einem Zufall / ſich um ſolche ungewoͤhnliche Zeit in ein Fenſter geleget / unter ihrer ſuͤſſen Buͤrde erblicket worden iſt. Der gute Alte kon -te3und Fraͤulein Emma ꝛc. te kaum ſeinen eigenen Augen trauen / muſts aber doch endlich nothwendig vor war halten / was er ſo klar und deutlich geſehen. Er ſchlug ſich etli - che Stunden mit den verwirrteſten Gedancken / ſo in eines Menſchen Sinn kommen koͤnten. Be - truͤbnuͤß / Verwunderung / Zorn / Rache und Er - barmnuͤß hatten bey ihm einen unruhigen Sam - mel Platz / und er wuſte bey dieſer Beſtuͤrtzung nicht eigentlich / zu was er ſich entſchluͤſſen ſolte. Nach weniger Zeit ließ er ſeine Raͤthe erfordern / und begehrete ein Gutachten / was ein Diener wohl verſchuldet / der eines groſſen Herren Toch - ter fleiſchlich zuverfuͤhren / und bey ihr eine gantze Nacht ohne alle andere Geſellſchafft zuzubringen ſich unterſtanden hette. Die Meinungen wa - ren ungleich / dieſer rieth zum Tode / jener zu im - merwaͤhrender Gefaͤngnuͤß / ein ander zu was an - derm. Als nun der Keyſer ſie ſaͤmtlich mit groſ - ſer Gedult angehoͤret / befahl er unverſehens E - ginhard und Emma hereinzufuͤhren ſagende: Hier ſeind die Verurtheilten / ich weiß nicht / zu was ich mich wohl wenden ſoll. Auf der einen Seiten ſtehet die Miſſethat / die mich als Rich - ter haben will / auf der andern die Erbarmnuͤß ſo mir alß einem Vater wehmuͤthig zurufft. Diß iſt am Tage / daß ihr beyde groͤblich geſuͤndiget und wieder Eyd und Blut gehandelt habt. DochA 2muß4Liebe zwiſchen Eginhardmuß ich auch wiederumb gedencken / daß Emma vormahls meine gehorſame Tochter und Egin - hard mein treuer Diener geweſen / und dieſes verbrechen unter diejenigen gehoͤret / welchen die hitzige Jugend / wie hoͤchlich zuwuͤnſchen / nicht allemahl aus den Augen zu treten vermag. Ein anderer wuͤrde die Flecken mit Bluth ausleſchen wollen / ich aber will meine Vaͤterliche Hand da - ruͤber legen. Und hat Emma und Eginharden mit folgenden Worten kuͤrtzlich zuſammen gege - ben: Eginhard hat allhier ſeine traͤgerin / mei - ne Tochter zur Gemahlin / des tragens halben werdet ihr euch hinfort anderwege mit einander vergleichen.
DJe Geſchicht / woraus folgende Briefe entſprungen / ſcheinet einem Gedichte ſo ehnlich / als ein Ey dem andern zu ſeyn / und wann ich ſie nicht in etlichen wahrhafften Schrifften gefundeu / wuͤrde ich ſie vor eine von den groͤſten Auffſchneidereyen von der Welt hal - ten. Sie iſt aber unverfaͤlſcht / und deſſentwe - gen deſto hoͤher zuſchaͤtzen / beſonders weil ſie voll wunderlicher Zufaͤlle und Regungen zubefinden. Ein Schwediſcher Koͤnig Fro / deſſen Leben nichts anders als ein laſterhaffer Zeitvertreib war / fiel ohn alle gegebene Urſach in Norwegen ein / verſtelte alles mit Brandt / Blutt und Unzucht / und weil das Geluͤcke nicht allezeit der Tugend Gefehrte iſt / ſo fuͤgte es das Verhaͤngnuͤß ſo wunderbahr / daß er den Norwegiſchen Koͤnig endlich in offentlicher Schlacht erlegte. Eine gute Anzahl Adelichen Frauenzimmers hatte ſichvor14Liebe zwiſchen Reinier Koͤn. in Denn. vor dieſer unzuͤchtigen Grauſamkeit frey zu ſeyn tieff in das Land gefluͤchtet / und eine unter denſel - ben / ſo neben fuͤrtrefflicher Schoͤnheit auch mit ungemeiner Hertzhafftigkeit begabet war / rieth der gantzen Verſamlung Helm und Schwert zuergreiffen / und weil der Daͤniſche Koͤnig auch albereit im Anzuge war / dieſem Wuͤtterich die Spitze zubitten. Dieſſer Rathſpruch ward von dem gantzen Hauffen zu einem Schluſſe ge - macht. Und dieſes Jungfraͤuliche Heer wuchs dergeſtalt / daß Fro aus Furcht einer ſchimpfli - chen Neurikeit dieſe Voͤlcker durch Geſandten zur Ruh ermahnen ließ / ſo aber zum Zeuͤgnuͤß der groſſen Verbitterung an ſtat erfreuliche Ant - wort zuerlangen / erbaͤrmlich umgebracht worden. Koͤnig Fro brach uͤber dieſer unverhofften Zeitung beſtuͤrtzet / eilend auff / ſeine Oberſten und Knechte auf Gutt und Luſt vertroͤſtende. Und der Daͤ - niſche Koͤnig machte ſich gleichfalls in das Feld / ehe ſich die Schweden deſſen vermutheten. Koͤ - nig Fro ward zur Schlacht genoͤthiget / und dieſe tapfere Heldin / ſo zu dieſen geſtoſſen / thaten das Jhrige ſo wohl / daß die Feinde geſchlagen / und mehr gedachter unzuͤchtiger Koͤnig von Weibli - cher Hand in Stuͤcken gehauen ward. Reinier als ein junger Held wuſte nicht wie er dieſem Jungfraͤulichen Hauffen mit genugſamer Danck -barkeit15und einer Norwegiſch. Heldin ꝛc. barkeit entgegen gehen ſolte; Beſonders erluſtig - te er ſich uͤber das freudige Anſehen der Algerthe / (ſo hieß die fuͤrnehmbſte unter ihnen) welcher der Feinde Blut noch uͤber Bruſt und Armen lieff. Die erhitzeten Geiſter / ſo dazumahl wegen groſſer Bewegung aus ihrem Leibe fuhren / ſteckten den Koͤnig mit Liebes Flammen an / und dieſe muthige Heldin / ſo bey ſich niemahls einem Manne un - terthan zuwerden feſtiglich beſchloſſen / muſte end - lich gleichſam genoͤthiget / ſich mit dem Koͤnige Reinier vermaͤhlen. Doch dieſe Liebe wehre - te nicht lange / wie denn ſolches Feuer ſelten ſo be - ſtaͤndig als hefftig iſt. Nach dem Reinier die - ſer ſchoͤnen Bluͤthe genoſſen / und durch ſattſahme Ergetzung ſeine Regungen ziemlich gekuͤhlet hat - te / begunte er ſeine Augen auf etwas hoͤhers zu wenden. Das Koͤnigliche Fraͤulein aus Schwe - den war das Ziel ſeines Abſehens / und Algerthe / ſo dennoch zu zweyenmahlen Mutter worden / muſte ſich mit einem Scheidebriefe befriedigen. Nach Verlauff etlicher Zeit / als Reinier durch die ſichere Ruh ſeines Reiches verleitet / in Denne - marck und andern Landen wolluͤſtig heruͤm - ſchweiffete / begab es ſich / daß ein gefaͤhrlicher Handel in der Crone ſich ereignete / und Harald ein fuͤrnehmer Herr ſich unverſehens zum Koͤni - ge aufwarff. Reinier bemuͤhte ſich dieſes Feuereilend16Liebe zwiſchen Reinier Koͤn in Daͤnn. eilend auszuleſchen / kehrete beſtuͤrtzt in ſein Reich / brachte einen und den andern Stand auf ſeine Seite und ruffte die verſtoſſene Al - gerthe / um huͤlffe an. Dieſe zu Bezeugung / daß einer rechten Liebe oft eine Beleidigung zu einer Befeſtigung dienet / fuͤhrete in kurtzen ei - ne Flotte von vielen Schiffen zuſammen / und ſatzte / gleich als Reinier mit dem Haraldt in offentlicher Feldſchlacht ſich zu verſuchen begon - nen / gluͤcklich uͤber / da ſie dann nicht verabſaͤu - met zu ihres Koͤniges Voͤlckern / ſo allbereit auszu - reiſſen gedachten / mit ihren Leuten zu ſtoſſen / und durch ihre Tapfferkeit ſoviel auszurichten / daß der Feind in die Flucht gieng / und Reinier Cron und Seepter erhielt. Der Daͤniſche Koͤnig durch dieſe ſcheinbare Danckbarkeit gleichſam aus dem Traume ſeines Jrrhums erwecket / hette faſt die andere Thorheit begangen / und den erſten Fehler auszuloͤſchen die Schwediſche Gemahlin ſitzen laſſen. Algerthe aber dieſes zu verhindern reiſe - te nach Norwegen / allda ſie Regentin wegen ihres Sohnes Friedleben / dem Rei - nier ſolches Land gewidmet / erklaͤret ward.
Alger -17und einer Norwegiſchen Heldin ꝛc.PRzetislaus Fuͤrſt in Boͤhmen einer von den hurtigſten Herren ſeiner Zeit / begunte einmahl ſchertzweiſe unter ſeinen liebſten Hofeleuten von Heyraths Sachen zuſprachen mit beygefuͤgten vermelden / daß er niemahls die - ſes beſchwerliche Joch ihm aufbuͤrden zulaſſen gedaͤchte / es ſey denn / das ihm ein Fraͤulein von ſehr hohen Hauſe / fuͤrtrefflichem Gemuͤthe / und ſonderbahrer Schoͤnheit / ja derer Beſchaffenheit nach dem Abriß ſeiner Gedancken wehren / fuͤr - kommen ſolte. Als nun von gegenwaͤrtiger Ge - ſellſchafft / einer dieſes / ein ander einanders fuͤr - nehmes Fraͤulein nach vermoͤgen heraußſtrich / begunte endlich des Fuͤrſten Hofemeiſter Key - ſer Ottens des II. Fraͤulein Tochter uͤber die maſ - ſen zuruͤhmen / und zugleich zugedencken / daß kei - ne / daferne nur ſolche auß dem Kloſter / dahin ſie gethan worden / zubringen moͤglich / mehr wuͤr - dig / Przetislauens Gemahlin genennet zuwerden. B 5Der26Liebe zwiſchen Przetisl. Fuͤrſt. in Boͤhm. Der Junge Fuͤrſt ließ die ſuͤſſe Beſchreibung ge - dachter Perſon ihme ſo wohl gefallen / und em - pfand eben ſo ſuͤſſe Wuͤrckungen / als weñ derſelb - ten Bildnuͤß ihm vollkommen in das Geſichte ge - ſchienen / und von dannen in das Hertze geſuncken were. Mit einem Worte / er ward in kurtzen ſo verliebet als wenn Auge / Reden und Gebehr - de / dazu langwierige Gelegenheit gegeben hetten. Den Hofemeiſter / als welchem ſolche frembde Begebenheit nicht lange verborgen ſeyn konte / ge - reuete faſt / daß er die gerinſte Meldung darvon gethan / in mehrer Anmerckung / daß ſein Fuͤrſt / weil er ihm dieſer Schoͤnheit / ſo allbereit zum Fe - chel gewidmet / anders nicht habhafft zu werden getrauete / ſolche auch mit Gefahr ſeines Lebens zu entfuͤhren ſich gaͤntzlich entſchloſſen. Was vor weiſe Einwuͤrffe / was vor helle Abbildungen der daraus erwachſenden Gefahr man auch die - ſem hitzigen Herren fuͤr die Augen legte / ſo ward doch alles zu einem Oele die Flammen deſto mehr aufzujagen. Daß auch endlich der Hofemeiſter allerhand ſchaͤdliche Anſchlaͤge zu hintertreiben / ſich mit einem Brief von dem Fuͤrſten / unter dem Schein eines Geiſtlichen Geluͤbdes / nach Re - genſpurg begab / in das Nonnen Kloſter wo ſich die Fraͤulein auf hilt / zukommen Gelegenheit ſuchte / und ihr nebenſt Uberlieferung des Fuͤrſt -lichen27und Fraͤulein Jutta ꝛc. lichen Schreibens und etlicher koſtbahren Klei - nodien / das Fuͤrhaben des Fuͤrſten Prtzetislauens weitlaͤuftig entdeckte. Jch weis nicht durch was vor Verhaͤngnuͤß / dieſe tugenhaffte und ſonſt vorſichtige Fuͤrſtin / der Nahmen / die Beſchrei - bung / und das Begehren Prtzetislauen ſo unver - hofft uͤbermeiſterte / daß ſie die uͤberreichten Ge - ſchencke nicht anders als freudig annahm / ſich auch neben beantwortung gedachten Schreibens / ſei - ne allezeit getreue Freundin zuverbleiben erklaͤ - rete. Erwehnter Hofemeiſter ſaͤumete nicht die - ſen unverhofften Bericht ſeinem Herren zuruͤck zubringen / welcher dann uͤber dieſem Geluͤck gleichſam aus ſich ſelbſten die ſchoͤne Fraͤulein all - bereit in ſeinen Armen zuhaben ſich beduͤncken ließ. Einen Augenblick zuverſchieben / ſchien ihm auf ein gantzes Jahr ſeine Liebes genieſſungen zuverliehren. Eilete deſſentwegen nebenſt ſei - nem getreuen Hofmeiſter und etlich wenigen der witzigſten ſeiner Leuthe nach Regenſpurg / und ließ ihm angelegen ſeyn die meiſten Stiffter daſelb - ſten zubeſichtigen / und zubeſchencken. Der Ruff kam endlich auch in das Kloſter / wo ſich die Kaͤyſerliche Fraͤulein aufhilt / und die gute Abetiſ - ſin / ſo mehr Froͤmmigkeit als Nachdencken hat - te / hofte allbereit auch ihr vertrauetes Geſtiffte durch dieſes Fuͤrſten Freygebigkeit mercklich zu -berei -28Liebe zwiſchen Przetisl. Fuͤrſt. in Boͤhm. bereichern. Przetislaus unterließ nicht dieſen heyligen Orth ſo bald ihm moͤglich zubeſuchen / uñ die Aebtißin empfieng ihn mit Thraͤnen in den Augen vor freuden / in gaͤntzlicher Meinung / daß der Stern ihres Gluͤckes nunmehr recht erſchie - nen wehre. Sie zeigete ihm alle daſelbſt ſich be - findliche Sachen / und fuͤhrete ihn endlich ohne be - dencken der Fraͤulein Haͤnde zukuͤſſen. Beyde verliebten verhoͤleten im Anfang ihre Regungen ſo viel moͤglich / und weil der Hofemeiſter immit - telſt oftgedachte Aebtiſſin mit Geſpraͤche unter - hilt / ſo hatte der Fuͤrſt Gelegenheit / ſeine Liebe bey der Fraͤulein zuerfriſchen. Der Jnnhalt ih - rer Worte iſt zu weitlaͤufftig hier beſchrieben zu werden. Doch iſt dieſes gewiß / daß oft erwehn - te Schoͤne / wohin ſie auch der Fuͤrſt zufuͤhren be - gehret / zu folgen ſich erklaͤhret / und die Reiſe auf folgenden Tag unter ihnen abgeredet worden iſt. Wie nun nach Abrede deſſen Przetislaues gleich umb die Zeit / als die anderen Jungfrauen ſich im Gebethe aufhilten / in das Kloſter kam / al - ſo unterließ die Fraͤulein nicht nebenſt einer alten Nonne / ſo ihr zugegeben war / dem Fuͤrſten ent - gegen zugehen / und nach genommenen Abſchie - de ihn biß fuͤr das Thor zubegleiten. Jn deme nun dieſe einfaͤltige Jungfrau einen Brief aus der Cammer zu holen ſich uͤberreden ließ / laͤſt ſich dieFraͤu -29und Fraͤulein Jutta ꝛc. Fraͤulein ſchleunig zu Pferde ſetzen / und eilet mit ihren Geliebten in Boͤhmen / da ſie dann Chriſt - licher Verordnung nach zuſammen gegeben wor - den ſeyn. Die wunderbahren Zufaͤlle / ſo we - gen dieſer Entfuͤhrung endlich entſtanden / ferner zubeſchreiben / wehre nichts anders / als den An - fang zu einer neuen Geſchicht zumachen / Jch wende mich zu meinen Briefen und hoͤre hier auf.
DAmals als es wegen Regierungs Sachen in Jtalien oder vielmehr in Lombardien ziemlich verworren hergieng / und einer dem andern entweder mit Gewalt oder mit Liſt von dem Throne drang / geſchahe es / daß nach Koͤnigs Berengars Tode / ſo vom Flamberten jaͤmmerlich ermordet worden / Rudolph Koͤnig in Burgundien / wie er albereit einen guten An - fang gemachet / ſich des Reiches anmaſſete. EsC 3lebete38Liebe zwiſchen Rudolphen Koͤn. in Burg. lebete dazumahl eine junge Wittib / eines maͤch - tigen Marckgrafens hinterlaſſene Gemahlin / eine von den anmuthigſten ihrer Zeit / und die ihr hochangelegen ſeyn ließ den Scepter der Liebe und des Regiments zugleich in ihren Haͤnden zu - fuͤhren. Die Großen / gegen die itztgedachte Heldin nicht zu unbarmhertzig war / hielten es vor eine Ehre aus derſelben Munde Geſetze zuem - pfangen / den ſie ſo offt mit Liebligkeit zuvor ge - kuͤſt hatten / und der gemeine Mann billichte das Urtheil der Fuͤrnehmen / wie dann auch mehr ge - dachte Marckgraͤfin ſich allbereit der Hauptſtadt in Lombardi Paviens bemaͤchtiget / und in wenig anderer Beſchaffenheit als Koͤnigin darin Hof hielt. Rudolphen / der wegen hochwichtiger Ge - ſchaͤfte auf etliche Zeit in ſein voriges Koͤnigreich Burgundien gereiſet war / gefiel dieſe gefaͤhrliche Neuerkeit uͤber die maſſen uͤbel / wie er dann auch ſchleunig mit einer ziemlichen Kriegesmacht nach Jtalien ruͤckte / und mit denen Voͤlckern / ſo ihm der Biſchoff von Meilandt zugeſendet / ſich vor Pavie legte / in Meinung die Loͤwin nunmehr in ihren Lager zubeſuchen. Ermegarde / ſo kein Mittel mehr uͤbrig ſahe / ſich gegen dieſen ſtren - gen Feind zuſchuͤtzen / vertrauete endlich die Sa - che der Feder / und ſchrieb an Rudolphen durch ei - ne gewiſſe Perſohn einen Brief / der ihm auch / ichweiß39und einer fuͤrnehmen Marckgraͤfin. weiß nicht durch was verborgene Kraft / dahin trieb / das er die ſeinigen zuverlaſſen / und zu dieſer ſuͤſſen Feindin zufliehen ihm fuͤrnahm. So muß / wann das Verhaͤngnuͤß will / der Harniſch zu ei - nem Hochzeitkleide / und der Wall zu einem Brautbette werden. Rudolph gieng ſelbige Nacht / als er ihm ſeine Flucht fuͤrgenommen / zeitlich ſchlaffen / wenig Stunden hernach mach - te er ſich auff / und flohe nebenſt einen abgeordne - ten / der ihm den Weg zeigte / eilend auf Pavie. Wie ihn alda die hitzige Ermegarde wird empfan - gen haben / gebe ich dieſen zuerwegen / ſo in derglei - chen Sachen nachdencklicher als ich ſeyn. Die - ſes melden die Geſchichtſchreiber / daß ſeine Ober - ſten bey angebrochenen Tage etliche Stunden nicht gewuſt / was ſie wegen ſo langer Ruh ihres Koͤniges ihnen gedencken ſolten / endlich aber aus Argwohn daß er nicht etwa wie ein Holofernes er - mordet ſein moͤchte / die Cammer eroͤffnet und ein leeres Bett angetroffen haben. Da denn auch bald erſchollen / daß Rudolph ſich nach keiner Ju - dith / ſondern einer Helenen umgeſehen / weßwe - gen denn und aus Furcht eines geſchwinden Uber - falles ſich das gantze Laͤger verlauffen / dieſe zwey Liebhabende aber von dieſem Reiche endlich nichts mehr genoſſen / als die liebreiche Hoffnung / das Sie haben regieren wollen.
C 4Erme -40Liebe zwiſchen Rudolphen Koͤn in Burg.NAch Gewohnheit damahliger Zeiten / daß junge Fuͤrſten und Herren / wenn ſie ein wenig zu Kraͤften und Verſtand kom - men / ſich in die Welt machten / und fuͤrnehme Hoͤ - fe beſuchten / begab es ſich gleichfalls / das Aleran eines vornehmen Deutſchen Fuͤrſten Sohn in Keyſer Ottens Hofe angelanget / ſeiner Jugendt eine gute Wiſſenſchafft von allerhand Ritterſpie - len und hoͤheren Tugenden beyzulegen. Sein Fuͤrſatz war nicht ohne gluͤcklichen Fortgang / undſei -49Liebezwiſchen Aleran und Adelheiden ꝛc. ſeine Vollkommenheit wuchs endlich der geſtalt / daß Aleran vor ein Wunderwerck des Hofes / ja vor die Crone der Ritterſchafft von maͤnniglich ge - halten ward. Wie aber alles den veraͤnderli - chen Zufaͤllen unterworffen / ſo ward auch hier das Gluͤck zu einem Springbronn tauſenderley Un - gemachs. Aleran / deſſen Hand nichts wieder - ſtreben konte / vermeinte unvollkommen zu ſeyn / wann er nicht auch ein Meiſter der Gemuͤther / und ein Beherrſcher der ſchoͤnen Adelheide ſeyn ſolte. Seine Blicke waren in nichts ſo ſehr be - muͤhet / als einen freyen Geiſt zubeſtricken / und ſeine Zunge bearbeitete ſich auf das hoͤchſte ein un - gebundenes Hertz in ein ſchluͤpfriges Garn zuver - ſetzen. Der Anſchlag war nicht ohne fuͤrgebilde - ten Außſchlag. Es ging aber dem Aleran wie einem guten Fechter / der oft mit ſeinem Gegen - theile zugleich fallen muß. Aleran uͤberwindet Adelheiden / aber Aleran wird zugleich zu der A - delheiden Knecht gemacht / und beyde ſeuffzen bey ihren Wunden / die nunmehr ohne Rath und Huͤlffe zuſeyn ſchienen. Wie aber das duͤrre Holtz am beſtem zum Kohlen dienet / das gruͤne damit zu entzuͤnden / ſo begiebt es ſich auch offt / daß die verlebteſten Weiber die Jugend durch ihre Liſtigkeit am meiſten anſtecken koͤnnen. Dieſes geſchahe auch eben bey dieſer Gelegenheit. Ei -Dne50Liebe zwiſchen Aleran einẽ deutſch. Fuͤrſt. ne alte Hofmeiſterin leitet den verliebten Fuͤrſten in der Fraͤulein Schlafgemach / wird Zeugin ih - res Ehegeluͤbdnuͤßes / und laͤſt ſolches alſobald auch fleiſchlich verſiegeln. Nach weniger Zeit be - trauerte die Fraͤulein den Verluſt ihres beſten Schatzes / empfindet etliche ihr unbekante Zufaͤlle und verwilliget / wie wohl ſie faſt mit gewiſſer Be - dingung dem damahls regierenden Koͤnig in Ungarn verſprochen war / durch Aleran auß ihres Vatern Landt und Augen gefuͤhret zuwerden. Jhr Weg ging nach Jtalien / ihre Reiſe war voll Ungeluͤckes / ihr Armuth zwang ſie Kohlen in der Wildnuͤs zubrennen / und die Zeit ihrer Pil - gramſchafft wehrete zwantzig Jahr; Da ſie durch einen ihrer Soͤhne / derer ſie unterſchiedliche in dieſem Waldleben gezeuget / der ſich ohngefehr unter das Keyſerliche Heer / ſo damahls in Jtali - en ſtund / begeben / dem Vater entdecket / und mit Freuden wiederumb in ihren vorigen Stand ge - ſetzet worden ſeyn.
FOlgende Geſchicht iſt nicht eine von den juͤngſten / und ich muß nur bekennen / daß ich gar vor einen andern dieſe Stel - le meiner Helden Briefe gewidmet habe. Aber ein Bedencken / und beſonders die richtgierige Zeit / darinnen wir leben / hat mich von meinen erſten Gedancken abgezogen / und dieſes / was im Anfange nicht meine Meinung geweſen / hier auf - zuſetzen angeleitet. Doch will ich von dieſem nichts ferners melden / ſondern die Sache ſo gut ſie iſt zu Pappier bringen. Graf Ludwig von Gleichen brachte etliche Zeit mit ſeiner Gemahlin im Ehe - ſtande zu. Die damahls angeſponnene Tuͤr - cken Kriege noͤtigten auch dieſen Helden ſein Heil unter den Chriſtlichen Fahnen zuverſuchen / aber dieſer Anſchlag gerieth nicht der Seinige Wunſch und ſeinem eigenen Fuͤrſatze nach. Er ward in einen Treffen von dem Alcaixiſchen Sultan ge - fangen. Des Vortheils ſeiner Geburth wardda -60Liebe zwiſchen Graf Ludw. von Gleichẽdamahls gaͤntzlich vergeſſen / an ſtatt der golde - nen Sporn legte man ihm mehrentheils Feſſel an / und ward gezwungen an ſtat der muthigen Pferde / ſo er zuvor beſchritten / die Ochſen zutrei - ben / und dem Pflug zufuͤhren. Waß ingemein geſagt wird / daß ein annehmlich Auge / und ein gerader Leib die beſte Empfehlungs Briefe ſeyn / das ward hier wiederumb aufs neue wahr ge - macht. Eine junge Tochter gemeldeten Sul - tans / ſo ihrer Ergetzung halber auf dem Felde gieng / erblickte auch dieſen Fremdling mit Staub gefaͤrbet / und alten Lumpen uͤberzogen. Sie begunte aus etzlichen Blicken ſeiner Augen / und auch etzlichen Wendungen ſeines Leibes leicht zu - urtheilen / daß etwas wuͤrdigers an ihm were / als daß er zu einem Ochſentreiber gebrauchet werden ſolte. Es zog eine ungewiſſe Kraft ihr Auge auf daß ſeinige / und ſie fuͤhlte eine Regung von Weh - muth und Beluſtigung zuſammen vermenget. Kuͤrtzlich ſie verſpuͤhrte leichtlich / daß hier unver - ſehens eine Perle auf den Miſt kommen / und der Purpur zufaͤlliger weiſe unter Kutzentuch ge - worffen worden. Diß was ſie des Tages er - blickt / erfriſchten ihr die Gedancken / als ſie nach Hauſe gelanget / und die Traͤume / als ſie ſich zur Ruh begeben hatte. Es noͤtigte ſie endlich ein ungedultiger Fuͤrwitz ſich alleine auf das Feld zu -ma -61und einer Mahometanin. machen / und dieſen Frembdling ohne Nebenau - gen zubeſchauen. Der nechſte Tag darauf ward zu dieſer Sache gewidmet; Sie machte ſich durch eine verborgene Tuͤhre aus der Stadt / und erkuͤhnete ſich unſern Grafen um ſeine Geburth / Stand und Gelegenheit zufragen. Die anmu - thige Antwort / ſo er ihr ertheilte / war in den Her - tzen der Mahometanin wie ein Funcke / der auf ei - nen duͤnnen Zunder faͤllet / Sie ließ erſtlich ein paar heiſſe Thraͤnen uͤber die Wangen rollen / ent - deckte mit kurtzen und halb verbiſſenen Worten ihr hohes Mitleiden / uñ verſprach moͤgliche Huͤlf - leiſtung und Rettungs Mittel. Sie unterließ folgende Zeit nicht ſo oft es ſich nur fuͤgte ihren Frembdling heimlich zubeſuchen / und die Ver - trauligkeit kam endlich ſo weit / daß ſie ihn oft mit ihrer Hand ſpeiſete / ihm die Ochſen treiben halff / und den Schweiß mit ihren Fuͤrtuche von ſeiner Stirnen wiſchete. Dieſes alles war nur ein Er - leichterungs - doch kein Heylungs Mittel. Die inbruͤnſtige Liebe zwang ſie endlich / Jhm / dafern er ihr die Ehe zuſagen / und ſie mit ſich in ſein Land fuͤhren wolte / Erloͤſung aus den Banden zuver - ſprechen / auch ihn / als den die Chriſtlichen Ge - ſetze ſchreckten / uͤber vorige Gemahlin noch eine beyzufuͤgen / auf allerhand Arth zu ſolchem Fuͤr - nehmen zu ermuntern. Mit einem Worte derHan -62Liebe zwiſchen Graf Ludw. von GleichenHandel iſt leicht geſchloſſen / wann die Waare ſchoͤn iſt / und Kauffer und Verkauffer einig ſeyn. Ein Handſchlag und ein Kuß verknuͤpften ihre Hertzen / ſie eileten nach den Chriſtlichen Lan - den. Der Graf verſtaͤndigte ſeine Gemahlin ſeiner Erloͤſungs Freundin Ankunfft. Der Pabſt ließ dieſen ungemeinen Fehl ohne Buße ge - ſchehen. Sie kamen gluͤcklichen nach Hauſe / die Gemahlin empfing die Mahometanin freund - lich / und raͤumete ihr Bett und Hertz ein. Ei - nigkeit und Seegen wiewohl ohne Leibes Erben / ſchwebeten uͤber dieſer Liebe / und das Grab zu Er - furth / da ſie alle drey die Aſche unter einem Stein vermiſchet haben / zeiget gnugſam wie edel ihr Feuer hat muͤſſen geweſen ſeyn.
[B]Alduin / ſonſt Eiſern Arm genennet / Graf[o]der nach der Alten Arth / Forſtmeiſterin71Liebe zwiſchen Graf Bald. und Judithin Flandern / war nicht allein wegen ſeiner Leibes - geſtalt / ſondern auch wegen ſeiner Fuͤrtrefflig - keit in Rittermaͤſſigen Ubungen / einer von den Beruͤhmteſten ſeiner Zeiten. Koͤnig Carl in Franckreich / ingemein der kahle geheiſſen / wie auch ſein Sohn Ludovic / bedienten ſich ge - dachten Heldens Tapfferkeit / in dem Kriege ge - gen die Nordmaͤnner; und die Saracenen erfuh - ren / daß er nicht minder wieder Auß-als Jnlaͤn - diſche Gluͤck haͤtte. Bey dieſer Gelegenheit konte er ſich der Liebe nicht erwehren / wiewohl er ſeiner angebohrnen Hohheit nach / Augen und Hertz allezeit nach dem Purpur wendete / und ihm die Koͤnigs Farbe der brennenden Liebe am mei - ſten gefallen lies. Die groͤſte Meiſterin ſeiner Seele war Judith hochgedachten Koͤnigs Carls Tochter. Er liebete ſie als Fraͤulein in ihres Vatern Hofe / wiewol in hoͤchſter Behutſamkeit / konte aber ihrer nicht eher theilhafftig werden / biß Adolph Koͤnig in Engelland ſie zu einer Frau / und der Todt ihres Gemahls ſie zu einer Wittib ge - macht hatte: Da denn die alten Funcken / bey Balduin wieder herfuͤr brachen. Wie er nun ſein Anliegen ſchriftlich erfriſchet / alſo erkuͤhnte er ſich dieſe verwittibte inbruͤnſtig zuerſuchen / ſich mit eheſter Gelegenheit nach ihres Vatern Reich zumachen / da er dann / dafern es ihr nicht gaͤntzlichE 4ent -72Liebe zwiſchen Graf Balduinentgegen / Sie zuentfuͤhren ſich entſchloſſen. Ju - dith beantwortet ſeine Gedancken ziemlich kalt - ſinnig / redet von ungleichen Regungen Balduins und aller Maͤnner / entſchuldiget ſich daß ſie ihm als ihrem alten Freunde beſonders in dieſem Wit - tiben Stande / nicht mit mehrer Hoͤfligkeit entge - gen gehen koͤnte / und gibt / wiewohl in etwas tun - ckeler Arth zuſchreiben / genugſam zuerraten / daß ſie ihm / und ſeinem Vornehmen nicht gaͤntzlich zu wiederſtreben geſonnen / maſſen dann ſie ſich auch bald darauf nach Franckreich aufmacht / und ohne groſſen Wiederſtandt entfuͤhret / und Bal - duin vermaͤhlet worden iſt.
DJe Art der meiſten von meinen bißher aufgeſetzten Briefen und Geſchichten iſt verhoffentlich ſo klar und offenbahr / daß niemand einer Verſtelligung mit recht mich be - ſchuldigen wiſſen wird. Nunmehro aber muß ich aufs neu wieder meinen Willen hinter den Fuͤrhang / und werde gleichſam gezwungen / mich der Maßque auf kurtze Zeit zugebrauchen; Wann alle Welt ſo urtheilen wolte / wie ſie billich ſolte /und81und Roſemunden. und man nicht bißweilen Gemuͤther antreffe / ſo auch aus den beſten Bluhmen Gifft zuſaugen ſich bemuͤheten / wuͤrde ich niemahls von meinem er - ſten Wege abzuweichen mich unterfangen haben. Es ſeyn aber die Laſter der Welt bekannt / und dieſes eben noͤtigt mich etwas verdeckter zuſpielen. Aber zum Zweck! Siegreich einer der fuͤrtreff - lichſten Helden / unſers deutſchen Landes / deſſen Leben ein rechtes Ebenbild Menſchlicher Voll - kommenheit geweſen / befand ſich einmahl in ei - ner fuͤrnehmen Stadt / derer Nahmen allhier auf - zuſetzen unnoͤtig iſt. Etzliche ſchwere Haͤndel verunruhigten ſelbes mahl ſein Gemuͤthe / und die Raͤthe waren hoͤchſtbemuͤhet ihn ſo viel moͤglich davon abzulencken. Durch ſonderbahre Schi - ckung fuͤget es ſich / daß hochgedachter Heldt ohn - gefehr eine Schoͤnheit erblickte / die theils wegen ihrer ſonderbahren Geſtalt / theils wegen ihrer lieblichen Stimme / welche ſie doch mehr zu ihrem eigenen Zeitvertreib als anderer Uppigkeit ge - brauchte / ein Wunderwerck genennet zuwerden wuͤrdig war. Eine gewiſſe Regung noͤtigte die - ſen groſſen Herren Gelegenheit zuſuchen / derſel - ben Stimme zuhoͤren / derer Augen ihm ſo lieb - lich zuſeyn geſchienen; Und dieſe junge Heldin / ſo wir Roſemunden nennen wollen / wird durch ein Schreiben / ſo bald folgen ſoll / nach Hofe gefodert /FSie82Liebe zwiſchen SiegreichSie ſtellet ſich nach vorhergegangener ſchrifftli - cher Beantwortung dienſtſchuldigſt ein. Sieg - reich ſiehet / hoͤret / verliebet ſich / und weil die Ste - ge der Liebe ſchluͤpffrig ſeyn / gleitet er nicht allein in fleiſchliche Gedancken / ſondern auch derglei - chen Wercke / darauß nachmahls ein beruͤhmter Held / durch deſſen Hand ſich das Meer mit Tuͤr - cken Bluth gefaͤrbet / und fuͤr dem die Mohren ſich buͤcken muͤſſen / entſprungen iſt. Erkennet nun iemand durch dieſe dicke Maßqve / was ich verbergen wollen / der entſchuldige meine Kuͤhn - heit / und ich hoffe / es wird mir eine Sache tun - ckel zumelden nicht verarget werden / die albereit in offene Geſchichtbuͤcher kommen / und auch da - rinnen geduldet worden iſt. Der Menſch iſt nur wie der weiſſe Atlas / es muß wunderlich zu - gehen / daß man nicht einen Flecken darinnen ſe - hen ſolte: Wiewohl gedachten hohen Heldens Abtritt ſo bewand iſt / daß er ſeinen hohen Tugen - den / und reinem Leben keine Vertunckelung wird bringen koͤnnen.
HErtzog Tugenand ein Herr wegen gutes Gemuͤthes und Schoͤnheit des Leibes bey maͤnniglich beruͤhmt / hielt ſich eine ziemliche Zeit zu Keyſersburg auf. Mir iſt un - wiſſende / durch was vor Gelegenheit er / unter andern einer ſchoͤnen jungen Geſchlechterin / mit Nahmen Zuchtheimine / anſichtig war / und in ſelb - te / als bey welcher der Grundt der Tugend der Jugend Annehmligkeit nicht wenig vergroͤſſerte / ſich dermaſſen verliebete / daß er ihm ohne ſie Augſpurg zuverlaſſen nicht wohl getrauete. Auf andere Arth als durch zuvorhergehendes Ehever - buͤndnuͤß dieſer Schoͤnheit theilhafftig zuwerden / ließ die Eigenſchafft dieſes groſſen Herrns / und der erbahre Wandel des beruͤhmten ehrlie - benden Geſchlechtes nicht wol zu. Weßwegen er dann auch ordentlich umb ſie anhielt. Wie - wohl nun theils bey der jungen Tochter / theils bey deroſelben lieben Eltern / dieſes unverſehene An - ſuchen allerhand Verdacht nach ſich zog / ſo erfolge -te92Liebe zwiſchen Hertzog Tugenandte doch endlich / in Betrachtung des Hertzogs un - tadelhafften Wandels / ein ſchuldiges Jawort / und oft erwehnte beruͤhmte Geſchlechterin / ward dieſen groſſen Helden / zwar mit Mißbehagen ſei - nes Herrn Vatern verehlichet. Jhre Ehe ward gluͤckſeelig / fruchtbar / und langwierig / wie ſie dann in anmuthiger Einbahrung der Gemuͤther zwantzig Jahr zuſammen gelebet / und unterſchie - dene Kinder gezeuget.
GRaf Friedenheim ward von ſeinem Her - ren Vater ziemlich jung in eines vorneh - men Koͤniges Hof gethan / deſſen hohe Gunſt er alsbald wegen ſeiner Tugend und ſon - derbahren Geſchickligkeit in damahls uͤblichen Ritterſpielen ihm zu eigen machte. Wie nun freudige Gemuͤther der Liebe mehrentheils etwas naͤher / als andere zugraͤntzen pflegen / alſo begab ſich gleichfals / daß Graf Friedenheim ſich in Sit - tenoren des Koͤnigs Fraͤulein Schweſter verlieb - te / die dann auch ziemlich merckliche Gegenge - wogenheit blicken zulaſſen nicht Bedencken trug. Weil denn dazumahl der Koͤnig entſchloſſen / ſich aus ſeinen Erblanden nacher Sicilien ſeiner Re - gierung halben zuerheben / als ſchien Graf Frie - denheim dieſe wenige Trennung / beſonders weil ihm ein abſonderliches Schiff zu ſeiner Reiſe ange -wieſen101und Sittenoren. wieſen worden / unertraͤglich zu ſeyn. Welchen Schmertz dann die unterſchiedlich erſchollenen Reden nicht wenig vermehreten / als wenn hoch - ermeldte Fraͤulein dem verlebten Koͤnig Erimal in Silutanien vermaͤhlet werden ſolte. Wes - wegen dieſer junge Fuͤrſt aus Trieb ſeiner inbruͤn - ſtigen Liebe einen Brief an die Fraͤulein abgehen ließ / darin er ſich uͤber ſein Ungluͤcke beklaget / der Trennung auf der See ſchmertzlich gedencket / vor andern aber ſeinen Eyfer gegen obgedachten Koͤ - nig klar an Tag giebet / mit angehengter Bitte / daß ſie ihren Zuſtand wohl uͤberlegen und reiff - lich erwegen ſolte / ob es nicht thulicher were / mit ihm in Deutſchland zuverbleiben / als ſich der Rei - ſe und viel daraus erwachſenden Ungelegenheit zu unterwerffen. Die Fraͤulein ſo bald ſie den Brief uͤberkommen / ſtecket ſie ihn ſchleunig zwiſchen die Bruͤſte / nichts mehr wuͤnſchende / als eine be - queme Gelegenheit / ſolchen mit guten Nachden - cken zuuͤberleſen. Jch weiß nicht wie ſolches Beginnen eine fuͤrnehme Cammer-Frau / mit Nahmen Theiſa / der ſonſt die Fraͤulein die ge - heimſten Sachen zuvertrauen pflegte / innen wor - den / ſo ſolches alſobald dem Herren von Sifer / unter welchen Koͤnig Carl gaͤntzlich aufgewach - ſen / und dieſer mit vielen Umſtaͤnden / was aus ſo - thaner Vertrauligkeit endlich werden wuͤrde /G 3dem102Liebe zwiſchen Graf Friedenheimdem Koͤnige ſelbſten / als der Fraͤulein Herrn Bruder zuwiſſen machte. Der Koͤnig gehet al - ſobald zu der Fraͤulein Schweſter Zimmer / reiſt ihr den Brief von den Bruͤſten hinweg / uͤberlieſet ihn / und wuͤrde / wenn er nicht mehr Vernunfft / als Eyfer gehabt haͤtte / wunderlich in der erſten Hitze verfahren ſeyn. Nach reiffer Erwegung aber / daß nichts verſaͤngliches in gedachten Schreiben enthalten / und alles in den Schran - cken ehrlicher Liebe geblieben / ward dem Grafen / iedoch mit gutem Glimpf der Abſchied gegeben / das Fraͤulein aber in Spanien gefuͤhret / da ſie ih - res ſo hoch geliebten Grafen vergeſſen / auch erſt - lich dem Koͤnig Erimal / und hernach dem Koͤnig in Ligalen vermaͤhlet worden iſt.
UNter Hertzog Tibalds Frauen Zimmer / mit welchen ſeine Gemahlin zum Uber - fluß verſehen war / befand ſich auch eine A - deliche Jungfrau / mit Nahmen Lettice von Hort; Sie war die Sonne unter den andern / die bloͤde - ſten Augen erkieſeten hier etwas ſonderbahres / und es ſchien / die Natur haͤtte verſuchen wollen / was ihre Hand / wann ſie alle ihre Kraͤften dar - ſtrecket / hervorzubringen vermoͤchte; Der Her - tzog fieng ſelbſt etliche gefaͤhrliche Funcken / und es wehrete nicht lange / daß er ſich mit der hitzigen Kranckheit angeſteckt befand / ſo wir den erfahr - neſten Aertzten und beſten Freunden nicht leicht - lich zuentdecken pflegen. Er eroͤffnete ſein Anlie - gen derjenigen ſo es verurſachete / und es ließ ſich anſehen als wann ſolche allbereit eine Ehre ſuche - te / ihre Hertzogin bey guter Gelegenheit zuver - treten. Fuͤr den Augen des Hofes / beſonders der Gemahlin merckte der Hertzog leicht / das es un - moͤglich ſein wuͤrde / ſonder boͤſen Nachklang / ſei -nen112Liebe zwiſchen Hertzog Tibaldnen Flammen ferner freye Luft zugeben; ſolche a - ber auch in dem engen Behaͤltniß des Hertzens laͤnger zubeſchluͤſſen / war ihm ein wenig ertraͤgli - cher / als die Hoͤllen Pein. Wie ſinnreich iſt aber die Liebe? Auf gutachten des Hertzogs bittet ob - genente Jungfrau Erlaubnuͤs ihre liebe Eltern zu - beſuchen; Pferd und Wagen werden fertig ge - halten. Sie machet ſich auf die Reiſe / wird aber alſobald / ohne iemahls ihrer Eltern Hauß zube - ruͤhren / in ein Fuͤrſtliches Schloß auf dem Lande gebracht. Der Haubtmann ſelbigen Orthes / der ſchone gewiſſen Befehl deſſentwegen uͤberkom - men / empfaͤhet ſie freundlich / und ordnet ihr etzli - che vertraute Frauen zu. Es ward aber kurtz zu - vor aus Schnitz Werck ein Bild zugerichtet / ſo an Augen Hals und Bruſt der krancken vollkom - men aͤhnlich ſahe. Das uͤbrige theil ſo Leib ſeyn ſolte / war nichts anders als ein Hembde mit Wol - le und andern Zeuge kuͤnſtlich ausgeſtopft. Die - ſes Bild ſo ich itzt beſchrieben / wird / als ſich nie - mand fremdes bey der Krancken befindet auf die Erde geleget / und zum Uberfluß bald ein Ge - ſchrey gemacht / Lettice von Hort / welche ſich un - terdeſſen in einem verborgenen Zimmer verſchloſ - ſen / ſey ploͤtzlich verſchieden; Der Schloß Haubt - mann / ſo Meiſter des gantzen Spiels war / befieh - let ſchleunig einen Sarg zubeſtellen / und die ver -mein -113und Lettice von Hort. meinete Leiche als man ſie zuvor wohl geraͤuchert und den Fuͤrwitz zuverjagen / außgeſprenget hat - te / die Todte were in der Peſt geſtorben / wird auf die Bahre gebracht. Jn allen Hertzoglichen Schloͤſſern werden Leichgepraͤnge anſehnlich ge - halten / wie dann auch der Hertzog zuſamt der Ge - mahlin uñ gantzen Hofſtadt ſich in Leidkleidern ſe - hen laſſen. Unterdeſſen / weil dis / was nicht geſtor - ben / zur Erden beſtattet wirdt / beginnet obgemel - te Schoͤne erſt recht zuleben. Jhr Hertzog nimt Gelegenheit ſeiner Geliebten kraͤftiglich die Flam - men zuentdecken / und wiewohl die Gemahlin / wie verborgen auch dieſes Spiel gefuͤhret war / mit Un - willen endlich dieſen Handel verſtanden / hat ſie doch nicht erwehren koͤnnen / daß der Hertzog die vielmahls gedachte Schoͤnheit / mit welcher er nach und nach ſieben Kinder erzeuget / iemahls verlaſſen.
UNgenand eines vornehmen Hertzogs Sohn / ließ in zarter Jugend nebenſt der anmuthigſten Geſtalt / ſo ein Fuͤrſt in ſich haben ſolte / nicht geringe Zeichen ſeines Helden - Muths verſpuͤren. Es begab ſich / ich weiß nicht / durch war vor Schickung / daß hochermelter Herr eines Wund Artztes / oder wie wir ins gemein zuſa - gen pflegen / eines Barbires Tochter / in die Augen faſte / uñ weil Sie uͤber ihre Geburts Art nicht al - lein ſchoͤne / ſondern auch von hohẽ Gemuͤthe war / ſie inbruͤnſtig zu lieben begunte. Seine Gedan - cken waren die Agnes Bernin (ſo war dieſer ge - liebten Nahme) als eine Seele die ihm gleichte / ihm zuvermaͤhlen / und durch offentlich Gepraͤnge der Welt ſeine eyfrige Flammen ſcheinen zulaſ - ſen. Dieſe junge Heldin / ſo dem Gemuͤthe nach vielleicht ſo ruͤhmlich einen Scepter / als ihr Va - ter die Fliette / wuͤrde gefuͤhret haben / ſcheuete nicht allbereit ſich des Fuͤrſten Gemahlin zunen - nen / und begunte ſchon mit Begleitung eines Ade -lichen123und Agnes Bernin. lichen Frauen Zimmers herein zutretten. Der regierende Herr / als Vater / zog dieſes hitzige Be - ginnen ſeines Herren Sohnes / ihm treflich zu Gemuͤthe / und weil er wohl ſchauete / daß dieſes / ſeinen Gedancken nach / ſchimpfliche Feuer in dem erſten Brande auszuleſchen were / ſo eilete er in Abweſenheit des jungen Hertzogs nach Sitten - burg wo ſich gedachte ſchoͤne enthielt / berufte den Rath daſelbſt / und ließ dieſe Sache ſo weit trei - ben / daß dieſe ungluͤckſeeliche Liebhaberin in das Gefaͤngnuͤs geworffen ward. Weil ſie dann nun in der hoͤchſten Noth ihren Helden Muth nicht ſincken ließ / ſondern vielmehr durch unerſchrocke - ne Antwort an Tag geben wolte / daß ſie dem Gei - ſte nach nicht gantz unwuͤrdig ſey eine Hertzogin genennet zuwerden; als ward Sie nach geſproche - nen Urtheil in einen Sack geſtoſſen / und in einem fliſſenden Waſſer ertraͤncket. Jhr Gedaͤchtnis ſchwimmet noch oben / und das ſteinerne Ange - dencken / ſo ihr zu Ehren aufgerichtet worden / iſt noch nicht geſchleift.
DAfern etwan dieſe Blut-traurige Ge - ſchichte iemanden zu untugendhaft ſchei - net ſich unter der Rey etlich ruͤhmlichJ 2ver -132Liebe zwiſchen Graf Holdenreichverliebten finden zulaſſen / der wiſſe / das ich mit Fleiß allerhand Gemuͤther allhier einfuͤhren wol - len / deſto mehr Gelegenheit zuhaben auf unter - ſchiedene Arten meine Gedancken und Erfin - dungen zuveraͤndern. Die ſchoͤne Roſe iſt nicht unwerther ob etwan eine brennende Neſſel unter ihrem Strauch herfuͤrſchuͤſſet / und der edele Wei - tze wird nicht getadelt / ob ſich ſchon ein und das an - dere Unkraut neben ihm zeigen will. Dafern nun in der Welt ſo wohl gute als boͤſe bleiben muͤſſen / und derer uͤbeles verhalten jener Tugend nicht beflecken koͤnnen / ſo wird man ja auch einen und den andern Miſſethaͤter in dieſem kurtzen Begrif - fe verliebter Geſchichte und Briefe leicht vertra - gen. Kuͤrtzlich: ich habe mit der Liebe hier und nicht mit den ſcharfen Sitten-Regeln zuthun / und ich finde die Feder ſo bald unter der Dornhecke / als unter den Lilgenſtaͤngel. Wer aber Geiſt - liges von mir begehret / der ſoll es auch haben / gibt mir Gott Leben und Geſundheit / itzt aber ſchreibe ich nach Eigenſchafft deſſen / was ich unter der Hand habe / und entſchuldige mich nicht weiter. Adelinde ward mit belieben der ihrigen in zarter Jugend Graf Fridebald einem alten / wie es ſchien / etwas verdrieslichen / und ſo viel es die verlebten Kraͤfften verliehen / der Jagt ſehr ergebenen Her - ren vermaͤhlet. Die Gemuͤther wolten wegenunglei -133und Adelinden Gr. Frideb. Gemahl. ungleicher Beſchaffenheit nicht wohl zuſammen ſtimmen / und ihre Liebe war ſo laulicht / daß man nicht viel Eiß bedurffte / ſie gantz kalt zu machen. Bey zufaͤlliger Gelegenheit gerieth die hurtige A - delinde mit Graf Holdenreich / einem tapfern jun - gen Herren in Kundſchafft / und ihre Vertraulig - keit veraͤnderte ſich endlich in eine tadelhaffte Lie - bes Brunſt. Der Zucker / den dieſes geile Weib zu unterſchiedenen mahlen / unter den kraͤftigen Armen gemeldten Liebhabers genoſſen / hatte ihr den Geſchmack dergeſtalt verderbet / das ſie es nu - mehr vor unmuͤglich hielt / den Wermuthſafft ihres alten Herren ferner zuertragen / und weil ſie auf nichts mehr dachte / als ſich / wo moͤglich / die - ſer beſchwerlichen Laſt zuentledigen / ſo foderte ſie endlich zum Zeichen einer ungefaͤlſchten Liebe von dem Grafen ihren Alten auf der Jagt zuer - morden / und ſchlug ihm dieſes grauſame Mittel fuͤr. Sie beniehmete einen Tag / da ſich oftge - dachter Grafe bey Weiſſenburg / wo der alte Grafe Hofhilt / jagende hoͤren laſſen ſolte / ſie ihres theils wolte ihren Alten leicht dahin bewegen / daß er ihm ſolches zuverwehren ſich aufmachte / da er dann wie es die Gelegenheit weiſen wuͤrde / ſeinen Streich wohl verbringen koͤnte. Der Grafe / dem albereit die Liebe den Zuͤge der Vernunfft entwendet / billiget als ein muthiger Herr dieſenJ 3Anſchlag134Liebe zwiſchen Graf HoldenreichAnſchlag / reitet auff beſtimten Tag / gepflogener Abrede noch in das Holtz nechſt dem Schloſſe / und laͤſt ſich mit Horn und Hunden weidlich hoͤren. Die liſtige Adelinde hatte gleich auf ſelbige Zeit ihrem Gemahl ein koſtbar Wannenbad zuge - richtet / und ließ ſeiner / dem ſchein nach / wohl da - rinnen pflegen. So bald nu obgedachtes Jage - zeichen erſchollen / laͤufft ſie eyfrig in das Bad / mit vermelden / das andere ihm in ſein Gehaͤge kaͤmen / er muͤſte ſolchẽ Frevel zu Erhaltung ſeiner Wuͤrde bald abſtraffen; Liß ſich auch benebenſt verlau - tẽ / es wuͤrde zweifels ohne Graf Holdenreich ſeyn / deme er ſonderlich / weil es nicht das erſtemahl wehre / ſolches nicht geſtatten ſolte. Der Graf Friedebald laͤſt ſich dieſe Worte ſchleunig bereden / faͤhret damit auf / wirfft eilends einen Mantel uͤ - ber das Bade Hembde / ſitzt ungewapfnet zu Pfer - de / dieſen kuͤhnen Jaͤger entgegen. So bald er des Grafen anſichtig wird / ſtraft er ihn mit Wortẽ etwas harte / dieſer aber ſchreitet weiter / uñ ſchiebet dem alten Grafen einen Schweinſpieß durch den Leib / das er zu Boden faͤllet / und ſeinen Geiſt auf - giebet. Weil ſich Graf Holdenreich auf die Seiten machet / wird des entleibten Leiche nach dem Schloſſe gefuͤhret / und von der Gemahlin / daß Ehebruch und Mord durch Betrug / (drey ſchoͤne Tugenden) verſiegelt ſein moͤchte / bitter -lich135und Adelind. Gr. Friedeb. Gemahlin. lich beweinet. Wenig Monathe hernach ver - rieth ſich die Unthat ſelber / denn ehe ein Jahr ver - bey / werden Holdenreich und Adelheide mit ein - ander vermaͤhlet. Wiewohl nun nach ange - ſtrengter Klage fuͤr dem damahls regierenden Keyſer der Graf im Stift Magdeburg gefangen genom̃en / uñ auf einem feſten Schloſſe laͤnger als zwey Jahr in Verhafftung gehalten worden iſt / ſo hat er doch endlich / als er ihm durch gewiſſe ver - traute Perſonen etliche fluͤchtige Pferde an einem Ufer beſtellet / durch kuͤhnen Sprung von einem hohen Gebaͤude in den veruͤberfluͤſſenden Strom ſich des Gefaͤngnuͤſſes entlediget. Es hat nach - mals vielgedachter Grafe dieſer Urſachen halber den Zunahmen des Springers uͤberkommen / die Sache iſt durch Vergleich hingeleget worden / und auß der ſo uͤbel angefangenen Ehe ſind unter - ſchiedene groſſe Leute entſproſſen. Alſo ſind die Gerichte Gottes unerforſchlich / und nicht ſelten wird ein gluͤckſeeliges Laſter / den Tugenden an die Seite geleget / und Gifft wird vielmahl uns zu Artzneyen.
J 4Ade -136Liebe zwiſchen Graf HoldenreichPEter Abelard in Franckreich unfern Nan - tes in Britannien / aus einem adelichen Ge - ſchlechte gebohren / verließ das Recht der erſten Geburth ſeinen juͤngern Bruͤdern / den freyen Kuͤnſten deſto ruhiger obzuliegen. Er be - gab ſich erſtlich nach Paris / ſo damahls in Wiſ - ſenſchafften ein ziemliches zuthun begunte / und[v]ertrauete ſich einem fuͤrnehmen Manne Com - pelenſe genannt / ſo in gelehrten Haͤndeln uͤber die maſſen erfahren war; Es wehrete nicht lan - ge ſo wuchs der Schuͤller uͤber ſeinen Meiſter / kriegte einen Anhang von jungen Leuthen / begun - te ſelbſt zu lehren / und weil dieſes Werck ein uͤ - bel Anſehen hatte / und er ihm allerhand Feind - ſchafft damit erweckte / muſte er Paris verlaſſen / und ſich nach Corveil begeben / da er in einer Cro - ne junger Leuthe ſich tapfer hoͤren ließ. Weil dan mitler Zeit ſein alter Lehrmeiſter ein Muͤnch worden / begab ſich Abelard wieder nach Paris / und brachte es dahin / daß der jenige dem gedachterCom -145Peter Abelards und Heloiſſen. Compelenſe ſein Lehr-Ampt vertrauet hatte / es ihm willig uͤberließ / und ſein Zuhoͤrer ward. Welches ihn dann wiederumb bey ſeinen Wie - derwertigen ſo groſſen Neid verurſachete / daß er ſich mit ſeinem Anhange aus Paris / und nach Melun verfuͤgen muſte. Nach dem nun vorge - dachter Compelenſe Biſchof zu Chalon er - wehlet worden / und auch daſelbſt Abelarden zu drucken begunte / ſo wendete er ſich aber mahls zu ruͤcke nach Paris / doch nur in die Vorſtadt / weil ſein voriger Lehr-Platz ſchon von einem andern eingenommen war. Compelenſe treibet end - lich auch aldar Abelarden auf / und noͤthigt Jhn ſich als ein Schuͤller in die Aufſicht Anſelmes eines beruͤhmten Schrifftgelehrtens zu begeben; Aber dieſes Werck bleibet nicht lange in ſeinem Stande und dieſer hochmuͤtige Schuͤler begunte endlich ſeinem Meiſter zu Kopfe zu wachſen / und ihn von ſeiner Stelle zu dringen / welcher Hoch - muth dann eine gefaͤhrliche Rache abgab. Jn dem nun Abelard in ſeinem Qrte Meiſter ſpielete / und ſein Nahme in aller Mund uñ Hertzen war / er auch ſich albereit vor unvergleichlich zu halten anfieng / begab es ſich / daß ein Thum-Herr / mit Nahmen Folbert, eine junge Vetterin aus dem fuͤrnehmen Hauſe Mommoranci in Latein und andern Wiſſenſchaften ziemlich erfahren / bey ſich hatte / und unſern beruͤhmten Abelard dieſer Jgf. Kin146Liebe und Lebens Laufin Sprachen und Wiſſenſchafften eine Stunde zu leſen anſprach. Abelard ſchlug dieſes nicht ab; Sondern nahm dieſe anmutige Schuͤllerin mit Freuden an / und ſie begunte ſich in kurtzen mercklich zu beſſern. Es geſchach endlich / daß dieſer geſchickte Lehr-Meiſter ſeiner untergebe - nen zu tief in die Augen ſchaute / und etzliche ge - faͤhrliche Funcken fuͤhlete / ſo Witz und Buch Jhm aus Gemuͤth und Haͤnden wunden. Er begunte albereit mit ſeiner Schuͤllerin freundli - cher umbzugehen / er gebrauchte ſich ungewoͤhn - licher Arten zu reden / und ein Kuß war die erſte Loſung / daß er forthin etwas mehr als Lehr - meiſter ſeyn wolte. Dieſe junge Tochter merck - te endlich dieſes verborgene Spiel ziemlich deut - lich / und ließ Jhr nicht gaͤntzlich unangenehm ſeyn / / von dem / der an Anmuth und Beredſam - keit wenig ſeines gleichen hatte / bedient zu wer - den; Mit einem Worte ſie waren unfleiſſig auf eine andere Arth fleiſſig zu werden; Abelard fieng nunmehr an ſeine Schuͤllerin bald wegen Jh - rer entzuͤndeten Augen / bald wegen Jhrer weiſſen Haͤnde / bald wegen Jhres roͤthlichen Mundes / bald wegen etwas verborgeners zu rühmen / und was er dieſen Augenblick gelobet / wolte er den andern mit Augen ſchauen; oder mit Haͤnden und Lippen beruͤhren / der Durſt wuchs endlich durch den Trunck / iemehr kleine Frey - heiten unſer verliebter genoß / iemehr er genieſſenwolte /147Peter Abelards und Heloiſſen. wolte / und die Anmuth deſſen / was er allbereit uͤberkommen / ward durch die imbruͤnſtige Be - gierde etwas vollkommenes zu holen gleichſam vergaͤllet. Es gerieth endlich dahin / daß nun - mehr das liebe Latein ſambt andern Wiſſenſchaf - ten gaͤntzlich vergeſſen war / und dieſe zwey ver - liebten in ihrer Mutterſprache ziemlich offen - hertzig zu reden einen Anfang machten. Heloiſſe that dem Anſuchen ihres Liebſten endlich Thuͤr und Angel auf / und der Canari-Zucker gegen - wertiger Zeit / ließ ſie an den Wermuth der kuͤnff - tigen nicht wohl gedencken. Was nur unge - woͤhnlich in der Liebe zu finden / war ſinnreich herfuͤr geſuchet / und ſie meyneten / es were eine Unvollkommenheit / wann ſie allein gelehrt re - den und ſchreiben / und auch nicht zugleich ge - lehrt buhlen ſolten. Sie uͤberſchuͤtteten ſich endlich der geſtalt mit Wolluſt gerichten / daß un - ſre ſchoͤne Jungfrau ſich in kurtzen gegen ihren Liebſten verlauten ließ; Daß ſie dieſen Tag der Stunde wegen Unwillen des Magens nicht ab - warten konte / und wenig Zeit heꝛnach fragte / was es doch wohl bedeutete / wann einem zwey Her - tzen zugleich im Leibe ſchluͤgen; Abelard war die - ſes Uhrwerck / ſo er ſelbſt aufgezogen / nicht unbe - kandt / er verſtaͤndigte ſeine Schoͤne / daß ſie ehe - ſtes ein ſtummer Gaſt verrathen wuͤrde / und entſchloß ſich Spott und Schaden zu vermeiden /K ijendl -148Liebs und Lebens-Laufendlich Heloiſſen aus ihres Vatern Hauſe zu ſeiner Schweſter in das Frantzoͤſiſche Britanni - en zu fuͤhren / da ſie dann einen jungen Sohn / den ſie Aſtrolabe nennen ließ / auf die Welt brach - te. Abelard bemuͤhete ſich darauf ſeinen Schwa - gern / der Zorn-Gluth und Feuer bließ / ſo viel moͤglich zu beſaͤnftigen / verſpricht ſeine Freun - din in der Stille zu ehlichen / doch mit der Bedin - gung / daß es nicht der Welt allzu ſehr lautbar werden moͤchte. Mit welchem Fuͤrſchlage ſich auch gedachter Thum-Herr dem Scheine nach befriedigte / und ſolches mit Kuß und vielen ver - buͤndlichen Worten verſiegelte Abelard begiebt ſich hiermit wiederum zu ſeiner Geliebten / erzeh - lete ihr den Fuͤrſatz der abgeredetẽ Verehligung / wurd aber durch allerhand buͤndige Einwuͤrfe davon abgehalten / ſie ſtellete ihm unter andern von / daß ihres Vettern rachgieriges Gemuͤthe durch nichts dergleichen wuͤrde beſaͤnfftiget wer - den koͤnnen: Sie gab ihm zu erkennen / daß es hoͤchlich zu beklagen were / wenn ein ſo hohes Ge - muͤthe / ſo die Natur zu etwas edelern gewidmet durch Sorgen der Nahrung und andere unver - meindliche Muͤhſeeligkeiten geſchwaͤchet werden ſolte. Sie erinnert ihn / daß ſein und ihr Name / die bißhero vor ein Beyſpiel aller Tugenden ge - halten weren worden / mercklich gekraͤncket / ja der Glantz beyder Ehr und Tugend durch dieſeun -149Peter Abelards und Heloiſſen. ungebundene Haͤndel gantz dunckel werden wuͤr - den mit angeheftem Vermelden / daß es Jhr an - nehmlicher ſeyn ſolte ſeine Freundin als ſeine Ehe - frau genennet zu werden. Nach dem ſie aber ihres geliebten Fuͤrſatz durch dieſe und andere Einwuͤrfe nicht zuruͤcke lencken konte / gab ſie ſich endlich mit dieſen Worten in ſeinen Willen / daß gewiß mit Verderb ihrer beyden / die kom - mende Schmach groͤſſer als die vergangene Freu de ſeyn wuͤrde / ſie uͤber gab darauf den jungen Sohn des Abelards Schweſter / machte ſich auf den Weg und ward in Beyſeyn etzlicher weniger Freunde in Pariß mit dieſem / der neben den Zu - cker der Wiſſenſchafft / ihr auch zugleich die Gal - le der Unkeuſchheit eingefloͤßt / ordentlich ver - maͤhlet. Folbert begunte darauf dieſes Ehe - werck durch die gantze Stadt ruchtbar zumachen Heloiſſe aber ihren ſo hochgeſchaͤtzten bey Ehren zu erhalten / leugnete ſo gut ſie konte / und dieſes Werck gerieth endlich dahin / daß Abelard ge - zwungen war / ſeine Ehegattin nach Argenteil unfern von Pariß gelegen / in ein Kloſter zu ſen - den / und ſie biß auf den Fechel aldar einkleiden zu laſſen. Dieſe Entweichung der Heloiſſe ver - bitterte den Folbert iemehr und mehr / der ſich auch endlich aus Rachgier dahin verleiten ließ / den Abelard / nachdem er zuvor ſeinen Knecht mit Gelde beſtochen / bey naͤchtlicher Zeit ſeines Her -K iijren150Liebe und Lebens Laufren Schlafgemach zu eroͤfnen / durch dazu gleich - falls erkaufte Perſonen in ſeiner Ruh zu uͤber - fallen / und zu entmannen. Dieſe ungewoͤhn - liche That war alſobald durch gantz Paris rucht - bar / und Abelard / dem die angethane Schmach / mehr als der Leibes Schmertz empfindlich war / ſchauete in wehrender Niederlage ſtuͤndlich eine groſſe Anzahl Frembde umb ſich / ſo ihr Mitlei - den / mit Seuftzen / Worten / und Thraͤnen ſchein - bar ſpuͤhren lieſſen. Nach dem nun beſagter ungluͤckſeeliger Zufall unſern Abelard untuͤchtig gemacht / ſeiner Liebſten Heloiſſe nach voriger Arth kuͤnftig beyzuwohnen / ſo entdeckte er der - ſelben / den unvollkommenen Zuſtand ſeines Lei - bes / ſo dann nach Vergieſſung tauſend Thraͤnen / endlich ihr Gemuͤthe / als ein gelehrtes Weib weißlich beſtillete / und ſich voͤllig als Nonne zu Argenteil einkleiden ließ / Abelard aber in den Kloſter des H. Dioniſ. die Muͤnchs Kappe gleich falls anlegte. Den elenden Zuſtandt / darein Abelard in beſagtem Kloſter / wegen eines geiſt - lichen Streites / dazu er wegen ſeines hitzigen Ge - muͤthes ſehr geneigt war / in kurtzen gerieth / were zuverdrießlich hier ausfuͤhrlich zu erzehlen. Die Geiſtlichkeit erhub ſich ingeſambt wider ihn / al - ſo daß er aus Furcht auch in des damahligen Koͤ - nigs in Franckreich Ungenade zu fallen / unter ei - nes Grafen in Champagnien Schutz mit Na -men151Peter Abelards und Heloiſſen. men Thiboult ſich begab / der ſich nicht unge - neigt erzeigte ihn auf allerhand Weiſſe auszuſoͤh - nen / ſo aber keinen andern Ausſchlag gewinnen wolte / als daß er endlich Erlaubniß uͤberkam / ei - nen einſamen Orth zu ſeiner Wohnſtadt ihm zu erkieſen / ſein Leben / doch allezeit unter der Be - ſchaffenheit eines Bruders des Kloſters des H. Dioniſ. daſelbſt zuzubringen. Es ward ihm ein kleiner Platz / als ein Allmoſen / unfern bey dem Flecken Nogent an der Seene angewieſen / all - wo er auf die armſeeligſte Weiſſe ein enges Got - tes Hauß aus gar ſchlechten Zeuge aufbauete / und nebenſt einen duͤrfftigen Geiſtlichen ihm an den Gottesdienſt Handreichung zu leiſten / in ſolcher Einſamkeit ſein Leben zu enden entſchloſſen war. Nach dem aber ſeine vorige Schuͤller aus Liebe ihres Meiſters ſich haͤuffig bey ihm einfunden / und zu ihrem Auffenthalt geringe Zellen baueten / begunten ſeine Wiederſacher theils wegen des Namens / ſo er dem Kloſter gegeben / theils we - gen daß er wiederum̃ aufs neue zu lehren anfieng / ihn zu verfolgen / alſo daß der Fuͤrſt von Nieder - Britannien / weil die Abtey des Kloſters Hil - daſſe ſich entleediget / ſolche Abelard auftrug. Dieſe dë Schein nach geluͤckſeelige Begebenheit verkehrte ſich alſobald in neues Unheil / in dem er durch treue Vorſorge / viel Unordnung / ſo unter den Bruͤdern eingeriſſen / nach und nach vernuͤnff -K ivtig152Liebe und Lebens Lauftig abſtellen wolte / und alſo ihm tauſenderley Verfolgung auf dem Halß zoge. Nachdem nun der Abt zu H. Dioniſ. die geiſtliche Jung - frauen zu Argenteil, ich weiß nicht / unter was vor einen Vorwandt aus dem Kloſter drang / und es mit Muͤnchen beſetzte / reimete Abelard ſein Gottes Hauß Paraclit gedachter Nonnen ein / allwo Heloiſſe als Aebtiſſin ein ſtrenges Leben fuͤhrete / und mit ihrem unbefleckten Wandel es dahin brachte / daß die Biſchoffe ſie vor ihre Tochter / die Abtiſſe ſie vor ihre Schweſter und die weltlichen ſie vor ihre Mutter hielten. Bey welcher Gelegenheit theils die gegen dem Abelard uͤbelgeſinnte / ihm / daß er gegen gedachtem Klo - ſter nicht gnugſam Vorſchub thete / feindſeelig vorruͤckten / andere / weil er dieſes Jungfrau Klo - ſter nicht ſelten zu beſuchen pflegete / ihm / daß er die Fleiſch-Toͤpfe Aegypten / und wegen der in der Natur noch ſteckendẽ Regung ſeiner alten Buhl - ſchaft nicht muͤſſig gehen konte / ungeſchaͤmet auf buͤrdeten. Welches aber der unſchuldig Ver - leumbdete / mit Gedult vertrug / und die Rache / in dem er mit Stahl und Gift von ſeinen Wi - der wertigen verfolget war / Gott allein heimſtel - lete / ſo ihn auch hernach in ſeinem hohen Alter und zwar des 63ſten ſeiner Jahre von Sorgen und Ungemach abgemattet / ausſpannete / nach dem er vor ſeiner letzten Todes Stunde befohlenſeinen153Peter Abelards und Heloiſſen. ſeinen Leib ſeiner geliebten Heloiſſe zu uͤberant - worten / ſo ihn auch mit ihren Thraͤnen wohl be - netzet / in den beſten Orth ihrer Kirchen begraben ließ. Und viel Jahr hernach aus dieſer Welt ſcheidende den geiſtlichen Jungfrauen anbefahl ihren toden Leib gleichfalls unter die Leichen ihres getreuen Abelards zu legen / ſo auch der geſtalt er - folget / und melden die Geſchichtſchreiber ſelbiger Zeit / daß Abelard / als man ſeine geliebte Helo - iſſe (ſo mir in folgenden zweyen Briefen wegen des Reimes Heliſſe zu nennẽ erlaubet ſeyn wird) nach Verlauf vieler Jahre zu ihm in das Grab bracht / mit ausgeſtreckten Arm ſolche umbfaſ - ſet und an die Bruſt gedruckt haben ſolle. Wel - ches mich dann auch bewogen / dieſen ſo wandel - bahren Lebens-Lauf mit folgender Grabſchrifft zu beſchlieſſen.
ENDE.
DJe Einſamkeit / welche ich mir ver - gangenen Fruͤhling / mehr als wohl billich belieben laſſen / und nicht un - fuͤglich ein Begraͤbnuͤs der Lebendigen mag genennet werden / hat meinem Gemuͤthe ich weis nicht was vor eine Regung eingebla - ſen / etwas in allerhand / doch mehrentheils fantaſtiſchen Grabſchrifften zu verſuchen. Ob ich allemahl in dieſem meinem Vorneh - men gleich gluͤckſeelig werde geweſen ſeyn / iſt mir unwiſſende. Getroͤſte mich aber doch / daß aus etzlichen Erfindungen / auch mittel - maͤſſigen Augen / leicht zu erkennen ſeyn wird / daß dieſe wenige Reimen ſchwerlich in einem Gehirne jung worden / ſo gantz und gar einem Kalbs-Kopff zum Meiſter ge - habt hat. Und ſolte ja meine Ungeſchick - ligkeit durch dieſes mein Verſuchen an dena ijTagVorrede. Tag kommen / ſo weiß ich / daß ich mich der Worte / ſo jener beruͤhmter Genueſer uͤber ſeinen Pallaſt ſchreiben ließ / mit gutem Fu - ge werde gebrauchen koͤnnen: Hier iſt nichts geborget es! Dieſe meine Sterbensgedancken nun wil dir bey dieſer Gelegenheit ich uͤber - reichet haben / mit bitte / ſie von dieſem wohl - meynende anzunehmen / der mehr der Freundſchafft / als der Poeterey beflieſſen iſt. Was ich thue / das thue ich Luſt hal - ben. Und ſo in dieſen Grabſchrifften keine groſſe Kunſt vergraben lieget / ſo verſichre ich auch einen ieden / daß ſie nicht nach Schweiß ſtincken / und ſolche Kinder ſind / die ohne Kreiſſen von der Mutter kommen. Gefal - len ſie dir / ſo ſol es mir nicht mißfallen: fin - deſtu aber einen mercklichen Mangel darin - nen / ſo kanſt du dieſelben ungehindert weg werffen. Sey verſichert / es ſol von mir vor keine Beleidigung auffgenommen werden; und ich wil / wie zuvoꝛ / alſo auch nach dieſem / unveraͤndert bleiben /
Liebſter Freund und Bruder / dein Ergebener. Adams.
ENDE.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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