PRIMS Full-text transcription (HTML)
Traur - und Troſt-Zeilen Uber Dem ploͤtzlich-und ſchmertzlich-iedoch ſeeligen Ableiben
Der Hoch Wohl-Edel-gebohrnen / HoherEhren - und Tugend-reichen Frauen / Frauen Anna Helena / gebohrner Schweinitzin / Des Hoch-Wohl-Edel-gebohrnen / Geſtrengen / Hoch-und Wohlbenahmten Herrn / Herrn Hanß Siegmunds von Feſtenberg / Pakiſch genant / Auf Wieſenthal / Ludwigsdorff / Johnsdorff / Friedersdorff / Guͤßhuͤbel / Vogelsdorff / und Neu-Warnßdorff
Ehlich Geliebten /
Druckts inZittauJohann Caſpar Dehn/ im1672ſten Jahr.
BEtruͤbte Poſt / ſo mir Beſtuͤrtzung-reiches Trauren
Des Hauſes Friedersdorff hoͤchſt-ſchmertzhaft beygebracht!
Ach daß dis Hertzeleyd man koͤnte zu den Mauren
verſenden! Clotho / ach! die du in ſchwartze Tracht
Dis Hohe Haus geſteckt / Wie? konteſtu nicht ſchonen?
Ergetzet denn ſo ſehr dich Schleyer / Boy und Flor?
Was gieng dir ab / ſo du Vergnuͤgung lieſſeſt wohnen
Daſelbſt? Hertzkraͤnckerin / was fehlte dir zuvor?
War dir ſo viel gedient drey Bretern einzuſchlieſſen
Ein morſches Adams-Kind? Es zeigten ſolche ſich
Die Freunde ſelbſten gern im Sarge moͤchten wiſſen /
Warumb rieb die nicht auf der grimme Stahles Stich?
Doch was? Wie iſt mir? halt! Wo ſtraucheln irrdſche Sinnen?
Mit wem hab ich zu thun? Wer hat nicht recht gethan?
Was nehm ich vor? Was iſt mein pochendes Beginnen?
Was / Clotho? Fehlt mir Witz? Was reitzet mich vor Wahn?
Ach leyder! Ach! geirrt! Erkuͤhnet ſich zu rechten
Ein ſproͤder Erden-Klos mit ſeinem Schoͤpfer? ach!
Ach blinder Aberwitz! Wer wil Jhm wiederfechten?
Von Selben ruͤhret her beſtuͤrtzt-erwehnte Sach.
Er hat die Edle Frau mit Bleyfarb angeſtrichen /
Vons Himmels ernſtem Schluß iſt dieſer Trauer-Fall
Die Urſach heiſſet Gott / wenn Menſchen ſo erblichen /
Der Hoͤchſte giebet an verſtim̃ten Seufzer-Schall!
Er / der dem Menſchen giebt das Leben / deſſen Guͤtte
Sein koſtbares Geſchoͤpf auf dieſem Rund erhaͤlt /
Der reiſſet wieder ein des Leibes muͤrbe Huͤtte /
Der fodert wieder ab aus dieſer untern Welt.
Der iſts / der ſo betruͤbt / und die / ſo hinterbleiben
Jn herbes Weh verſetzt / wenn Er von ihnen reißt
Durch
Durch ſtrengen Rath und That / ſo nicht zu hintertreiben /
Die man geliebt / und Sie zum meiſten wandern heißt.
So iſts. Und dieſem darff kein Menſch nicht wiederſprechen /
Was Jhm gefaͤllig iſt / muß gutt und weißlich ſeyn /
Druͤm muß traun nur Gedult des Leydes Kraͤffte ſchwaͤchen /
Gedult / die lindern kan unaͤnderliche Pein.
Zwar wahr iſts / es iſt ſchwer ſich bald zu frieden ſtellen /
Es preſt / es ſchmertzt / es qvaͤlt / es kraͤncket Muth und Sinn;
Es pfleget alles wohl und Freude zu vergaͤllen /
Wenn Freunde ſterben ab / Das Dencken ſteht dahin /
Wie ihre Gegenwart Vergnuͤgung konte geben /
Was vor Ergetzlichkeit von ihnen ruͤhrte her /
Die ſchaut man iederzeit ſich vor den Augen ſchweben /
Der Mangel reichet ach / das weg-ſeyn bringt Beſchwer.
Alleine weil die Macht des Hoͤchſten ohne Schrancken /
Sein unerforſchlich Rath nicht unſerm Willen gleicht /
So faßt ein Edler Muth großmuͤthige Gedancken
giebt dem Verhaͤngnuͤs nach / das Flehen nicht erweicht.
Er denckt / daß man zwar ſol Verſchiedene beklagen /
Und ihnen billich ſo die letzte Pflicht ertheilt;
Jedoch lernt Er / daß auch mit Sittſamkeit zu tragen /
Was Gott uns auferlegt / Der Wunden ſchlaͤgt und heilt /
Zumahl iſt Er getroſt erwegend / wie der Hoͤle
Nur Schaum wird einverleibt / das Fleiſch / die Bein - und Haut /
Hingegen aufwerts ſteigt der Kern / die reine Seele /
Die keinen Todt empfindt / nicht die Verweſung ſchaut /
Die freudig und getroſt ſchwebt uͤber allen Sternen /
Wo Jhr die Sonne ſcheint ohn alles Untergehn /
Wo Sie das Firmament ſieht unter ſich von Fernen /
Wo haͤuffig umb Sie her die Seraphinen ſtehn /
Wo
Wo ſtatt der Drangſaal Luſt und ſeelge Wonne glaͤntzet /
Wo Jhren Jeſus Sie getroſt umbarmen kan /
Wo Sie der Ewigkeit beruͤhmter Strahl umbkraͤntzet /
Wo uͤber Suͤnd und Hoͤll ſie ſchwingt die Sieges-Fahn
Dis dencken wird bey Dir den Schmertzen auch bekaͤmpfen
HochAdelichs Geſchlecht / daß du itzt Leyde traͤgſt /
Es wird das Jammer-Ach vermoͤgen dir zu daͤmpfen /
Wenn Gottes Willen du / der Seelgen Stand erwegſt /
Ob ſchon die Wehmuth dich und heiſſe Liebe dringen /
Daß beyder Augen Qvell die ZaͤhrenLauge kocht.
Dis Dencken wird das Leyd vermoͤgen zu bezwingen /
Geſetzt / das matte Hertz in ſchweren Aengſten pocht.
Und traun es iſt nichts boͤſ / obs alſo gleich mag ſcheinen /
Was Gott mit uns nim̃t vor. Zu dem was iſt vor Luſt
Allhier? Der erſte Gruß des Menſchen iſt ja Weinen /
Wenn er das Liecht erkieſt. Wer lebt / dem nicht bewuſt /
Wie Leben auf der Welt ſey Sorg und Kummer ſpuͤren?
Hingegen wenn der Leib ein ſeelges End aufloͤſt /
Kan keine Qvaal uns mehr / kein arges Drangſaal ruͤhren /
Man lachet Zeitliches / lebt aller Noth entbloͤſt.
Dis iſt der ſeelge Stand der ſeeligen Matrone /
Den keiner Zeiten Sturm / kein Unfall mehr verletzt /
Die herrlich ausgeziehrt prangt mit der EhrenCrone /
Die ſelbſt die Ewigkeit zuſammen hat geſetzt.
Denn weil Sie in der Welt untadelhaft gelebet /
Der Ahnen graues Lob durch ihres gruͤn gemacht /
Dem Gutten nachgefolgt / dem Boͤſen wiederſtrebet /
Und allzeit mit Vernunft der Sachen Zweck bedacht /
Weil Sie das reine Gold des Glaubens hat geſchmuͤkket /
So lebt der reine Geiſt in ewig-ſuͤſſer Ruh /
Der
Der Bahre wird hier Ruhm von Jedem zugeſchikket /
Dis iſt der Tugend-Sold / die ſendet den Jhr zu.
Ja dieſes was alhier in duͤſtrer Gruft zerfaͤllet /
Wird dermahl eines noch den Engeln gleiche ſeyn /
Wann mit der Seelen es wird wieder vergeſellet
im Paradieſe ſtehn. Druͤm geh geduldig ein
Des Hoͤchſten Schluß / leg ab die Wehmuth deiner Sinnen.
Man rufft ja ſonſt / Gluͤck zu / dem / der erreicht das Ziel:
Und du laͤſt ferner noch des Jammers Zeugen rinnen?
Du haſt die Pflicht ertheilt / thu weiter nicht zu viel /
Weil du verſichert biſt / daß Gott dich wird erfreuen
Auf dieſen Schmertz / wenn du triffſt in der Seeligkeit
Die Seelige / wo denn die Luſt ſich wird verneuen /
Die derer Gegenwartt gebahr hier in der Zeit.
Du aber groſſer Gott / der du dis Leyd erreget /
Verſchone gnaͤdiglich dis Adeliche Haus /
Laß dieſes ferner nicht mit gleichem ſeyn beleget /
Theil Jhm nach deiner Guͤtt Erſprießligkeiten aus!

G. B.

Letzte Troſt-Rede Der ſeeligſt-Verſtorbenen / An den HochAdelichen Leydtragenden Herren Wittiber / Und Schmertzlich-klagenden Hoch-Adel. Herrn Eydam / Frau und Jungfrau Toͤchtern.

WAs iſt das in der Welt / ſo wir am hoͤchſten ſchaͤtzen?
Nichts / als ein bloſſer Schein / der eh mans merckt / vergeht /
Und unvermercklichen verſchwind und nicht beſteht.
Was iſt das Loͤblich ſeyn? Ein nichtiges Ergetzen.
Wie bald muß alles Fleiſch vors Todes-Macht verbleichen /
Ja alles was ſonſt ſchoͤn und herrlich hat gebluͤht /
Wird ofters / eh mans merckt / wie ſehr man ſich bemuͤht
Jn einem Augenblick zu einer blaſſen Leichen
Was iſt es / daß uns ſchoͤn auf dieſer Erden ziehret?
Was iſt es daß uns hier der Welt zum Wunder macht?
Nichts iſt es / wenn der Geiſt bey uns in Angſt verſchmacht /
Und wenn der grimme Todt ſein Recht mit Ernſt anfuͤhret.
Wem hilfft ſein Weiſe ſeyn? Wem hilfft ſein vieles Wiſſen /
Wenn das Verhaͤngnuͤs-Spiel mit Macht bey Jhm bricht ein?
Nichts; Alle muͤſſen fort: Es muß geſtorben ſeyn!
Der muß ſo wohl als Du und Jch die Augen ſchlieſſen.
Das Leben iſt ein Ball / ein truͤbes Ungewitter /
Der wie ein Zweig ſchoͤn gruͤnt / verleuret ſeine Krafft /
Der Tod vertrucknet ihm dem gruͤnen Lebens-Safft /
Er wirft ihn / wie der Nord / dem Baum von Stam̃ / in Splitter.
Was iſt wohl fluͤchtiger als Knall und Wetterleuchten?
Was iſt vergenglicher als Dunſt in reger Lufft?
Was gleicht dem Echo wohl / ſo bey dem Thaͤlern rufft?
Und was der Stuͤrme Flucht ſo uns ein Nichts-ſeyn deuchten;
Sie alle fluͤchtig ſind. Doch mehr der Menſchen Leben /
Und wie die ob erwehnt faſt alle nichtes ſeyn /
So iſt doch unſer Thun und Leben / derer Schein /
Und mehr als irgends was alhier der Flucht ergeben.
Schau mich zum Beyſpiel an / muß ichs nicht auch erfahren?
Wie fluͤchtig unſer Thun / wenn uns des Todes Macht
Jn einem ſchlechtem Nu hat auf die Bahr gebracht.
Jch lebete ja gleich in meinem beſten Jahren.
Haͤtt dieſes was vermocht die hohen Ahmen zehlen
Zu daͤmpfen dieſem Pfeil / zu mindern ſeine Liſt /
Wormit der grimme Todt all Menſchen-Kinder frißt;
Ja ſeinen hohen Stam̃ mit Tugenden vermaͤhlen /
So haͤtte ſolches auch bey mir was koͤnnen gelten
Fuͤr deſſen grimmen Pfeil, Wer ruͤhmt nicht meinem Stand
Auch wohl gelebte Zeit? Und doch muß dieſer Sand
Des Coͤrpers Wohnung ſeyn. Wer ſchuͤtzt ſich vor Gewaͤlten?
Es waͤre Plato nie / und jener groſſe Sieger /
Der alle Welt bezwang: Der Kunſt erfahrne Mann
Callicrates, waͤr nie den Tod gegangen an /
Und noch viel andere der weiten Welt Bekrieger.
Es waͤre Livia noch niemahls nie geſtorben /
Es haͤtt Lucretien die eigne Rach verlacht /
Wenn ſie unſterblich haͤtt der Keuſchheits Ruhm gemacht /
Es waͤre ihr Gebein noch niemahls nie verdorben.
Und die hat alleſambt der Tod hinweg geriſſen /
Der Weißheit / Krafft und Kunſt / der Tugend ungeacht /
Er hat Sie unverſehns in eine Grufft gebracht:
Sie muſten dieſem Sand / mit vieler Thraͤnen / kuͤſſen.
Und
Und drumb was wollet Jhr nun Euch daruͤber kraͤncken
Daß man auch meinem Leib in das gemachte Grab /
(Wohin ein ieder muß) hinein geleget hab.
Wiſcht Eure Thraͤnen ab / und laſſet Euch nichts kraͤncken.
Lebt werther Schatz / leb wohl! leb / Der du mir verbunden
Hier warſt in dieſer Welt / Auf Prieſterliche Hand
Du warſt mir recht getreu / Dich hat nichts abgewand
Als nur des TodesMacht. Gott heil Dir dieſe Wunden.
Herr Eydam / lebet wohl! zu Tanſend-Tauſend-mahlen;
Gott kroͤhne Euer Haupt! Er ſegne Euer Thun /
Bis Er mit meinem Kind / Euch auch / wie mich / laß
ruhn.
Er laſſe Euer Haus viel Tauſend Gluͤck beſtrahlen.
Jhr Toͤchter / lebet wohl / Jhr Mutter-loſe Waͤiſen!
Denckt daß mich Gott geliebt / und mich darumb zu Jhn
in ſein beſterntes Feld hat wollen reiſſen hin /
Auf daß durch Mich der Weg Euch werde JHM zu
preiſen.
Johann Caſpar Dehn.

About this transcription

TextTraur- und Trost- Zeilen Uber Dem plötzlich- und schmertzlich- iedoch seeligen Ableiben Der Hoch Wohl-Edel gebohrnen/ HoherEhren- und Tugend-reichen Frauen/ Frauen Anna Helena/ gebohrner Schweinitzin
Author Gottfried Böttner
Extent8 images; 1571 tokens; 845 types; 10376 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationTraur- und Trost- Zeilen Uber Dem plötzlich- und schmertzlich- iedoch seeligen Ableiben Der Hoch Wohl-Edel gebohrnen/ HoherEhren- und Tugend-reichen Frauen/ Frauen Anna Helena/ gebohrner Schweinitzin Gottfried Böttner. . 8 Johann Caspar DehnZittau1672.

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Universitätsbibliothek Breslau Universitätsbibliothek Breslau, 4 E 291/26 / 354514

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Leichenpredigt; Gebrauchsliteratur; Leichenpredigt; ready; aedit

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T09:35:29Z
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Holding LibraryUniversitätsbibliothek Breslau
ShelfmarkUniversitätsbibliothek Breslau, 4 E 291/26 / 354514
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