PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]
J. N. J. Reichthum Goͤttlicher Guͤte /
Den das brechende Hertz eines ſterbenden Chriſten zuſuchen / ſelig aber nunmehr mit allen Außerwehl - ten gefunden hat Der Ehrenveſte / und Ehren Wohlgeachte Herr Johann Fleiſcher, geweſener Handels-Bedienter
Welcher / nachdem Er in dieſer Sterbligkeit die Goͤttliche Guͤt[e]in Geiſt - und Leiblichen Wohlthaten in ſeiner vier-und[-]zwantzig-jaͤhrigen L[e -]bens-Friſt gekoſtet / durch einen ſanfft und ſeligen Abſchied von ſeinem Hei - land zu voͤlliger Genieß - und Beſitzung ſolcher ewigen Gottes - Guͤte / zu Dreßden am 8. Jun. 1675. aufgenom - men wurde / Am Tage ſeines letzten Ehren-Dienſts / und Chriſtlichen Leichbegaͤngniſſes Aus dem erwehlten Leichen Text Pſ. 25. v. 17. 18. in der Kir - chen zu S. Marien daſelbſt gewieſen / und auf inſtaͤn - diges Begehren zum Druck uͤbergeben /
Dreßden/ gedruckt beyChriſtoph Baumann.
[2]

Dem Wohl-Ehrenveſten / Vor-Achtbarn und Wohl - fuͤrnehmen Herrn Albrecht Fleiſchern / Beruͤhmten Handels-Wann zu S. Annenberg / Seinem Großguͤnſtigen Herrn / und fuͤrnehmen ſehr werthen Freunde / Wie auch deſſen Hertzgeliebteſten Hauß-Ehren / Der Wohl-Erbaren / Viel Ehr - und Tugendreichen Frauen Catharinen Fleiſcherin / gebohrnen Genſelin / Seiner in Gebuͤhr vielgeehrten Frauen / und Ehren-geneigte Goͤnnerin / als des ſel. Herrn Johann Fleiſchers liebwertheſten Eltern Ubergiebet auf dero Verlangen und Erſuchen dieſe ihrem in GOtt ruhenden Herrn Sohne gehaltene Leich-Predigt / mit hertzlichem Wunſch des ſuͤſſeſten Tro - ſtes / treueſten Beyſtandes / und reichen Segens des Allmaͤchtigen

M. Joh. Heinrich Kuͤhn.

3Reichthum Goͤttlicher Guͤte.

Die Hertzliche Gnade Got - tes des Vaters / die allergetreueſte Liebe Gottes des Sohnes / unſers Seligma - chers / Jeſu Chriſti / und der kraͤfftigſte Hertzens-Troſt Gottes des Heiligen Gei - ſtes / ſey und bleibe bey uns allen ietzt und Ewig / Amen!

KOmmet / denn es iſt al - les bereit. Das iſt / Gel. die Stim - me unſers mildreicheſten GOttes / ſo Er aus dem Mund ſeines Dieners / des Einladers zum groſſen Abendmahl im ehegeſterigen Sonntags-Evangelio hoͤ -Luc. 14, 17. ren laͤſſet / Luc. 14. Wir ſollen kommen. Ach! wir arme Menſchen gehen immer hin / wie irrende Schafe / ein ieg - licher ſihet auf ſeinen Weg; ja wir machen des AbweichensEſa. 53, 7. c. 1, 5. kein Ende. Doch kan GOTT dem Jammer und Verder - ben nicht zuſehen. Er wil / daß allen Menſchen geholffen werde / und zur Erkaͤntnuͤs der Warheit kommen. Drum1. Tim. 2, 4 ſollen ſie doch nur kommen. Kehre wieder / kehre wieder / O Sulamith / kehre wieder / kehre wieder / daß wir dichCant. 6, 12 ſchauen. Kehre wieder / du abtruͤnnige Jſrael / ſpricht der Herr / ſo wil ich mein Antlitz nicht gegen euch verſtellen. Denn ich bin barmhertzig / ſpricht der Herr / und wil nicht ewiglich zuͤrnen; Allein erkenne deine Miſſethat / daß du wi - der den Herrn deinen GOTT geſuͤndiget haſt / und hinJer. 3, 12. 13. und wieder gelauffen / ꝛc. Diß Kom̃en nun muß nicht nurA 2aus4Reichthum Goͤttlicher Guͤte. aus Furcht und Schrecken / mit Zittern und Beben geſche - hen. Das iſt keine Gewohnheit zum Gaſtmahl zukommen; dazu koͤm̃t man vielmehr mit hertzlichen guten Vertrauen. Ein glaͤubiges / froͤhliches Kom̃en begehret auch der Herr. Ebr. 11, 6.Wer zu GOtt kommen wil / muß glaͤuben. Wann Jeſus der gute Hirt das abgewichene Schaf / Thomam wil heiſ -Joh. 20, 27 ſen wieder kommen / ſo ſagt Er: Sey nicht unglaͤubig / ſon - dern glaͤubig. Wozu wilſtu aber groſſer GOTT uns kommen laſſen? Vielleicht zur Straffe? Ach! die hätten unſere Suͤnden leider wohl verdienet. Aber nein / ſprichtEzech. 33. v 11. GOtt der Herr: Jch habe nicht Luſt am Tode des Suͤn - ders. Jch wil nicht mit euch handeln nach euren Suͤnden /Pſal. 103, v. 10. noch euch vergelten nach eurer Miſſethat. Sondern kom - met / kommet / denn es iſt alles bereit; Alles bereit / was zur Seligkeit in meinem Reich von noͤthen iſt. Bereit iſt meine Gnade. Wie wil ich dir ſo wohl thun Ephraim? Wie wil ich dir ſo wohl thun Juda? Denn die Gnade / ſo ich euch er -Hoſ 6. 4. zeigen wil / wird ſeyn / wie eine Thauwolcken des Morgens / und wie ein Thau / der fruͤhe Morgens ſich ausbreitet. Be -1. Pet. 1. 19. Jer. 23, 6. Eſa. 53. 12. reit eure Erloͤſung mit dem thenren Blut Chriſti / als eines unſchu[l]digen / und unbefleckten Lammes. Bereit eure Ge - rechtigkeit / in dem Herrn / der eure Gerechtigkeit iſt / der durch ſein Erkaͤntnis viel gerecht machen wird. Bereit dieMatth. 8, v. 11. Him̃liſche Lebens Taffel / daran ihr mit Abraham / Jſaac und Jacob zu Tiſche ſitzen / und truncken werden ſollet von den reichen Guͤtern meines Hauſes / da ich euch traͤnckenPſal 36, 9. wil mit Wohlluſt / als mit einem Strom. Bereit die Mit - tel / zu ſolcher feligen Bereitſchafft zugelangen. MeinPſ 119, 105 Rom. 1, 16. Tit. 3, 5. Wort iſt eures Fuſſes Leuchte / und ein Liecht auf eurem Wege. Es iſt meine Krafft / die da ſelig macht alle / die daran glaͤuben. Das heilſame Tauf-Bad macht euchſelig:5Reichthum Goͤttlicher Guͤte. ſelig: Selig ſind auch die zum Abendmahl des Lammes be -Apoc. 19, v. 9. ruffen ſind. Und alſo alles / alles bereit. Jch wil kein gu - tes mangeln laſſen den Frommen. Ja Herr Zebaoth /Pſalm. 84, v 12. 13. wohl dem Menſchen / der ſich auf dich verlaͤſſet! Das iſt die huldreiche Einladung Gottes zu Seinem Mahl. Un - ſere Pflicht iſt willige Folge und Gehorſam. Kommt doch /Hoſ. 6, 1. kommt doch / wir wollen zum Herrn. Laſſet uns dochPſal. 34, 9. ſchmecken / und ſehen wie freundlich der Herr iſt? Seine Guͤte und Freundligkeit / M. L. gibt er zwar in dem geiſtli - lichen Gnaden-Mahl / ſo Er hier in ſeinem Kirchen Hauß anſtellet / unſerm Glauben troͤſtlich zuſchmecken / und zuge - nieſſen; Doch iſts gewiß / das es noch nicht erſchienen iſt / was wir ſeyn werden? Wir wiſſen aber / wenn es erſcheinen wird / daß wir Jhm gleich ſeyn werden / denn wir werden1. Joh. 3, 2. Jhn ſehen / wie Er iſt. Wir wallenden Jſraeliten haben zwar die Verheiſſung des Landes der Lebendigen / aber dochEbr. 13, 14. ſuchen wir noch dieſelbe zukuͤnfftige bleibende Statt: Wer - den indeſſen mit dem Manna des Goͤttlichen Worts erhal - ten / und mit dem Troſtwaſſer aus dem Felſen des Heils er - quicket / womit uns GOtt hier ſeinen Tiſch in der Wuͤſten bereitet. Aber wie ſelig / wie froͤhlich / wie herrlich ſind wir / wenn wir kommen zum Himmliſchen Freuden-Pancket / da alles / alles bereitet iſt / da Gott das hoͤchſte Gut / ſelbſt alles in allem iſt? So ſelig iſt der Seelen nach nunmehro worden1. Cor. 15, v. 28. der Ehrenveſte / und Ehrenwohlgeachte Herr Johann Fleiſcher / Handelsbedienter / von S. Annenberg buͤrtig / welcher heut vor 8. Tagen / den 8. dieſes Monats (Junij) von ſeinem GOtt die liebli - che / ſeligmachende Freuden-Stimme angehoͤret: Komm / kom̃ / mein Auserwehlter / komm / dir iſt alles bereit. A 3Komm6Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Matth. 〈…〉〈…〉5, v 34. v〈…〉〈…〉 1.Komm du Geſegneter des Herrn / ererbe das Reich / das dir bereitet iſt von anbeginn der Welt. Komm / und gehe ein zu deines Herrn Freude. Auf dieſer ſuͤſſen Himmel -Pſa. 34, 11. Aue hat Er nun keinen Mangel an irgend einem Gut. Wann der anweſende hochbetruͤbte / und hertzlich-Leidtra - ge de Herr Vater / der Wohl-Ehrenveſte / Vor - achtbare und Wohlbenahmte Herr Albrecht Fleiſcher / fuͤrnehmer Handelsmann zu S. An - nenberg / und die abweſende hochbekuͤmmerte Frau Mutter / wie auch ſaͤmtliches Geſchwiſter / dieſes ſelige Kommen und Uberkommen ihres liebgeweſenen juͤng - ſten Sohnes und treueſten Bruders wohl erwaͤgen / ſo wer - den ſie daraus keinen Zorn / ſondern eine hertzliche Liebe Gottes gegen ſich ſchlieſſen / und GOtt ihrem Herrn mit willigem und gedultigen Hertzen folgen laſſen / was Er ſo freundlich zu ſich geruffen / und ſo ſelig aufgenommen. Es gehet zwar ohne Schmertzen und bluthige Wunden nicht ab / wenn lieb-verbundene Eltern - und Kinder-Hertzen ſcheiden / und von einander geriſſen werden ſollen. Doch / was zu thun? Es iſt des Herrn Wille. Der HerrJob. 1, 21. hats gegeben / der Herr hats genommen. Der Name des Herrn ſey gelobet. Wir ſind in dieſem Klag-Hauſe verſamlet / unſerm ſeligen Herrn Mitbruder das letzte Ehren-Gedaͤchtnuͤs zuhalten / uns zu einer ſeligen Nach - fahrt zubereiten / fuͤrnehmlich aber die Goͤttliche Ehre un - ſers Him̃liſchen Wohlthaͤters zubefoͤrdern. Daß nun al - les zu ſolchem gewuͤnſchten Ende gedeyen moͤge / wollenwir in bußfertiger Erkaͤntnuͤs unſerer ſuͤndlichen Unvermoͤgen - heit / und glaͤubigen Vertrauen auf Chriſti Verdienſt uͤmb des. H. Geiſtes Krafft und troͤſtlichen Beyſtand ein andaͤch - tiges Vater unſer beten.

Tex -7Reichthum Goͤttlicher Guͤte.
TEXTUS aus Pſal. 25, v. 17. 18. Die Angſt meines Her - tzens iſt groſz / fuͤhre mich aus meinen Noͤthen. Siehe an meinen Jammer und Elend / und vergib mir alle meine Suͤnde.

Eingang.

VErachteſtu den Reichthum der Guͤte GOTTES? Dis haͤtte moͤgen einem ieden der ſchaͤndlichen Veraͤchter des groſſen Abendmahls im gedachten neuli - chen Evangelio mit Paulo Rom. 2.Rom. 2, 14. geſaget werden. Hier wolte GOtt alle ſeine Guͤte gehen und ſehen laſſen. Aber niemand iſt da / der ſie annehmen und genieſſen wil. Die Veraͤchter moͤ - gen hinfahren; GOTT laſſe ſie nur unter uns keine ihres gleichen nach ſich ziehen. Wir wollen ietzt unſere Luſt und Andacht aus Pauli Worten an dem Reichthum der Goͤtt - lichen Guͤte haben. Reichthum / wer ſihet das nicht gernean /8Reichthum Goͤttlicher Guͤte. an / ja wer hats nicht lieber? Liebe Seele / es iſt kein groͤſſer / als der Reichthum der Guͤte Gottes. Du Herr biſt vonPſ. 86, 5. 15 groſſer Guͤte / ſagt David Pſalm. 86. Zeitlich Reichthum vergeht mit der Zeit. Wo iſt Salomons Silber hin / das er ſo viel machte / als Steine auf der Gaſſen / das mans1 Reg. 10, 21, 27. nicht achtete? Wo ſind des Crœſi Schaͤtze? Es iſt alles da - hin gefahren / wie ein Schatten / bekennen die eiteln Welt -Sap. 5, 9. kinder felbſten im Buch der Weißheit am 5. Aber GottesPſ. 52, 2. Guͤte waͤret noch taͤglich. Ja ſeine Guͤte iſt ewig. Dan -Pſ. 138, 8. cket dem Herrn / denn er iſt freundlich / und ſeine GuͤtePſ. 136, 1. ſeqq. waͤhret ewiglich. Welcher ſterbliche Menſch hat iemahls ſein Hauß / oder Stadt und Land mit lauter ReichthumPſ. 33, 5. 104, 24. 119, 64. angefuͤllet? Aber die Erde iſt voll der Guͤte des Herrn. Deine Guͤte / groſſer GOtt / reichet ſo weit der Himmel iſt. Deine Guͤte iſt ſo weit der Himmel iſt. GOttesPſ. 36, 4. Barmhertzigkeit (und Guͤte) gehet uͤber alle Welt. Sie iſtPſ. 57, 11. ſo groß als er ſelber iſt. Vergaͤnglich Reichthum iſt einSir. 18, 2. cap. 2, 23. Strick / der ſeinem Beſitzer die Haͤnde bindet / und ihn ſo leicht zu einem froͤhlichen Geber nicht werden laͤſſet. Von dem hoͤchſten Gut aber kanſtu / liebes Hertz / ruͤhmen; GottPſ. 59, 11. erzeigt mir reichlich ſeine Guͤte. Ein ſchlechter Troſt /Job. 31, 24. wenn der Geitzhals ſagt zu ſeinem Goldklumpen: Du biſtPſ. 69, 17. mein Troſt! Aber Herr / deine Guͤte iſt troͤſtlich. Nie -Luc. 12, 15. mand lebt davon / daß er viel Guͤter hat. Allein deine Guͤ -Pſ. 63, 4. te / mein GOtt / iſt beſſer denn Leben. Vergeblich iſts / auf Reichthum zupochen und zu bauen. Silber und Gold kan doch nicht erretten am Tage des Zorns des Herrn. Ezech. 7. v. 19.Aber wohl dem / der mit David von gantzen Hertzen ſagen kan: Jch verlaſſe mich auf Gottes Guͤte immer und ewig -Pſ. 52, 9. lich; Denn der Herr hat gefallen an denen / die auf SeinePſ. 147, 11. Guͤte hoffen. Alles auf einmahl zuſagen; Alles rechtſchaf -fene /9Reichthum Goͤttlicher Guͤte. fene / wahre / ſelige / ewige Gut iſt eine Frucht und Gabe der Guͤte Gottes. Wer wolte doch nun daruͤber nicht jauchzen / und mit dem Koͤnigl. Propheten ausbrechen: Jch bin froͤ -Pſ. 31, 8. lich uͤber deiner Guͤte. Recht - und ewig-froͤhlich iſt daruͤber ietzt unſer ſeliger Herr Johann Fleiſcher. Hat die Guͤte Gottes ſich Jhm hier reichlich erwieſen in ſeiner Be - wahr-Erhalt - und Fuͤhrung / in geiſt - und leiblicher Ver - pflegung? Gewiß ſo hat Er nun zuſchauen / und zuge - nieſſen den voͤlligen Reichthum der Guͤte Gottes. Wie theuer iſt deine Guͤte / Gott / daß ſeine Seele unter dem ſuͤſſen Schatten deiner Heils-Fluͤgel trauet? GOtt breitet ſeine Guͤte uͤber Jhn / als der Jhn gekennet / und ſeine Gerechtig - keit uͤber dieſen Frommen. Welche Guͤte er auch in ſeinemPſ. 36, 8. 11. angehoͤrten Leichen-Text mit dem H. Koͤnige gar ſchoͤn und herrlich preiſet / uñ uns Anlaß giebet in unſererAndacht zu - verharren / und aus demſelben nicht unfuͤglich zubehertzigen den Reichthum Goͤttlicher Guͤte / ſo das brechen - de Hertz eines ſterbenden Chriſten zuſuchen / ſelig aber nun - mehr mit allen Auserwehlten gefunden hat unſer in Chriſto ruhender Herr Mitbruder. Dieſe Arbeit im Herrn wolle die Goͤttliche Guͤte mit Krafft aus der Hoͤhe reichlich ſegnen / und zu ihren Ehren / und unſerm heilſamen Nutz laſ - ſen gereichen / uͤmb der kraͤfftigſten Vorbitte Jeſu Chriſti willen / Amen!

Abhandlung.

KOmmet / denn es iſt alles bereit / alles bereit inJn dem Reichthum Goͤttlicher Guͤte findet ſich anGott dem Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Jn dieſem erkennet und ſchauet nach Anleitung des Textes an GOTT

B1. Ein10Reichthum Goͤttlicher Guͤte.
  • 1. Ein williges Ohr /
  • 2. Ein maͤchtige Hand /
  • 3. Ein mitleidiges Auge.
  • 4. Ein gnaͤdiges Hertz.

Das ſind die Stuͤcke / damit der Allerhoͤheſte aller Men - ſchen Reichthum uͤbertrifft / dadurch auch wir von ihm an Seel und Leib zeitlich und ewig reich gemacht und beſeliget werden.

I. Ein willi - ges Ohr.

Das unſer GOtt in dem Reichthum ſeiner Guͤte I. Ein williges Ohr habe (auf Menſchliche Art und Weiſe in dieſen und folgenden Gleichnis-Namen von ſeiner unbegreiflichen Majeſtaͤt zulallen) wil uns David / und mit ihm unſer ſel. Herr Mitbruder zuerkennen geben / mit der Klage im Anfang des Texts; Die Angſt mei - nes Hertzens iſt groß. Die Klage thut David nicht Menſchen / als von denen er wohl weiß / daß Menſchen -Pſa. 60, 13. Huͤlffe hier kein nuͤtze; Und ob ſie offters helffen / oder ra - then koͤnten / doch ihre Ohren verſtopffen fuͤr dem SchreyenProv. 21, 13 des Armen; Weniger thut er die Klage den nichtigenPſ. 115, 6. Goͤtzen / die zwar Ohren haben / aber nicht hoͤren; Son - dern dem / von dem er anderweit ſpricht: Der das Ohr ge -Pſ. 94, 9. pflantzet hat / ſolt der nicht hoͤren? Seinem einigen Troͤ - ſter / Retter und Helffer in aller Angſt / zu dem er ſonſt fle - het; Aus der Tieffen ruff ich Herr zu dir / Herr / hoͤrePſ. 130, 1. 2. meine Stimme / laß deine Ohren mercken auf die Stim - me meines Flehens. Er bekennet mit der Kirchen ſelbiger Zeit: Jch wil auf den Herrn ſchauen / und des GottesMich. 7, 7. DemDavid klaget ſeine Angſt. meines Heils erwarten / mein GOtt wird mich erhoͤren. Deſſen willigem Ohr legt er eine bittere Klage / undtraͤgt11Reichthum Goͤttlicher Guͤte. traͤgt darinnen eine haͤuffige / hertzliche / und hefftige Angſt fuͤr.

Eine haͤuffige Angſt. Die Angſt / ſagt er /Die 1. haͤu - fig. meines Hertzens iſt groß. Laͤſſets auch dabey nicht bewenden / ſondern gibt ſolcher Angſt / und deren vielfälti - gen Plage und Qual ferner unterſchiedliche Namen / nen - net ſie Noͤthen / Jammer / Elend / endlich auch Suͤnde / al - les daruͤm / daß er zuerkennen gebe / wie haͤuffig ſeine Angſt ſey? Und eben dis wil er bald anfänglich andeuten / wann er die Angſt im Grund-Text〈…〉〈…〉 ודצ, Aengſte nennet. Das〈…〉〈…〉 דצ von דוצ heiſſet freylich Angſt / dadurch ein Menſch ins enge gebracht wird / daß er nicht allein aller Freyheit ietzt beraubet iſt / ſondern auch gantz keine Gele - genheit und Mittel zuentkommen / oder ihm ſelbſt zuhelffen ſihet / weiß und gebrauchen kan. Jn dergleichen Angſt ſind verſchloſſen die Belagerten / die mit Hißkia zuklagen ha - ben: Das iſt ein Tag der Noth / (〈…〉〈…〉דצ Angſt) und2. Reg. 19, v. 3. Scheltens und Laͤſterns. Die Kinder ſind kommen an die Geburt / und iſt keine Krafft da zugebaͤren. Der ProphetZeph. 1, 15. Zephanias nennet die Zeit der Belaͤgerung Jeruſalem von den Babyloniern auch einen Tag des Grimmes / einen Tag der Truͤbſal (〈…〉〈…〉דצ) und Angſt / u. ſ. f. Wie häuf - fig und vielfaͤltig nun die Angſt ſolcher elenden / verſperre - ten Leute ſey / was dabey fuͤr Unruhe / Arbeit / Furcht / Schrecken / und immerwaͤhrende Todes-Noth entſtehe / laſſe ſich der Unerfahrne andere alſo geaͤngſtete Hertzen predigen. Wie ſonſt das Hebreiſche Wort דוצ auch ſo viel / als bin - den / zuſammen ziehen / druͤcken / preſſen / quetſchen / und aufs feindſeligſte tractiren heißt / ſo wil David damit die man - nigfaltige Grauſamkeit ſeiner Angſt angemercket haben / wie er denn kein fuͤglicher Wort zufinden weiß / als eben dasB 2hieſi -12Reichthum Goͤttlicher Guͤte. hieſige / damit alles Ungemach und Leiden ſo ihm in ſeinem bittern / und langwierigen Exilio zugeſtoſſen / zubezeichnen;1. Sam. 26, v. 24. Der HERR / wuͤnſchet er fuͤr des Sauls Ohren / der HERR errette mich von allem Truͤbſahl. Der H. Geiſt benahmet mit eben dem Wort die Angſt der Gebaͤrerin / dievid Magn D D Gei - er. in Pſal. IX, 10. in ſchweren Kindesnoͤthen lieget. So wehmuͤthig bekla - get Babels Ungluͤck Eſaias am 21. cap. Meine Lenden ſind voll Schmertzens / und Angſt hat mich ergriffen / wie eine Gebärerin / ich kruͤmme mich / wenn ichs hoͤre / und erſchre -Eſa. 21, 3. cke / wenn ichs anſehe. Dem ſtimmet Jerem. im 4. c. bey /Jer. 4, 31. conf c. 30, 6. 7. 6. 49, 24. den Jammer Zions alſo beſeuffzende: Jch hoͤre ein Ge - ſchrey / als einer Gebaͤrerin / eine Angſt / als einer / die in den erſtenKindesnoͤthen iſt / ein Geſchrey der Tochter Zion / die da klaget / und die Haͤnde auswirfft; Ach wehe mir / ich muß ſchier vergehen fuͤr dem Wuͤrgen / u. f. w. Dergleichen haͤuffige Angſt klaget David hier ſeinem GOtt. Nicht ohn Urſach. Wer des H. Mannes Lebenslauff iemahls gehoͤret oder geleſen / wirds ihm glåuben / daß er die Angſt - Klage von Hertzen gemeinet habe.

2. Hertzlich.

Wie er es denn ferner eine hertzliche Angſt nen - net. Die Angſt meines Hertzens. Jſt das Hertz an der Angſt Schuld und Urſach mit ſeinen ſuͤndlichen ſtraffwuͤr - digen Einfaͤllen / Anſchlaͤgen / Gedancken / Reg - und Be - wegungen / ach ſo muß es ſich auch wohl am hefftigſten von der Angſtpeinigen laſſen. Hertzens-Angſt die aͤrgſte. Jn aͤuſſerlicher Verfolgung / im aͤuſſerlichen Schmertz und der - gleichen / kan das Hertz zuweilen noch getroſt / und froͤhlich ſeyn. Wenn es aber ſelbſt von der Angſt angegriffen wird / ſo faͤllt Muth / Freude / Luſt und alles hin. Jnnerliche Un - ruhe und Aufruhr iſt viel aͤrger als aͤuſſerlicher Krieg. Jn -nerliche13Reichthum Goͤttlicher Guͤte. nerliche Leibes-Hitze iſt viel gefaͤhrlicher / als die ſchon aus - geſchlagen. Jnnerliche Feuer unter der Erden ſind ihren Laͤndern und Oertern ſchådlicher / als offenbahre / wie von den Vulcanis und Feuerſpeienden Bergen bekant. So iſtSir. 25, 18. kein Wehe ſo groß / als Hertzleid / bezeuget Sirach.

Denn beſchreibet der Prophetiſche Koͤnig die Angſt3. Hefftig. auch als eine hefftige Angſt. Die Angſt meines Hertzens iſt groß. וכיחרה יככל〈…〉〈…〉 ורצ, die Aengſte meines Hertzens haben ſich weit aufgethan / eben wie ein ungeheuer grimmig Thier ſeinen Rachen aufſperret / ſeinen Raub zu - verſchlingen / wie in dem Verſtand David von ſeinen Ver - folgern redet: Sie ſperren ihr Maul weit auf widerPſal. 35, 27. mich / und ſprechen; Da / da / das ſehen wir gerne. Oder wie die Hoͤlle die Seele weit aufgeſperret / und den Ra - chen aufgethan ohn alle maſſen / daß hinunter fahren beydeEſa. 5, 14. ihre Herrlichen und Poͤbel / beyde ihre Reichen / und Froͤh - lichen; So hat mich / wil der fromme Angſt Mann ſagen / die Angſt gleich gar verſchlungen wie Jonam der Wallfiſch. Man mags auch wohl mit dem Gleichnis von einem ge - waltig-wachſenden / und zunehmenden Waſſer erlaͤutern. Selbiges breitet ſich aus / und uͤberlaͤufft / uͤberſchwemmet und verderbet alles. So thut die groſſe und hefftige Her - tzens-Angſt. Gleich wie ſonſt das Hertz das Leben und alle Krafft vermittelſt des Gebluͤts dem Leibe mittheilet / ſo fleuſt nun aus dem Hertzen der Angſt-Strohm / und nimmet den gantzen Leib ein. Alle Gliedmaſſen / ja auch al - le Seelen-Kraͤffte und Sinne ſind voller Angſt. Die ſie - bentzig Griechiſchen Uberſetzer der H. Schrifft altes Teſta - ments habens hier (fuͤr ἐπληϑύνθησαν ſie haben fich ausge -Quan - quam le - ctiones varient. breitet) gegeben ἐπλατύνθηταν, ſie ſind gemehret / vielfaͤltig gemacht worden. Eine Angſt gebiehret immer die andere /B 3ſum -14Reichthum Goͤttlicher Guͤte. ſumma / ſie iſt recht groß. Groß und ſchwer im Gewichte. Sie liegt auf mir / wie eine ſchwere Laſt. Wenn man mei - nen Jammer wåge / und mein Leiden zuſammen in eine Wage legte / ſo wuͤrde es ſchwerer ſeyn / denn Sand amJob. 6, 2. 3. Meer. Groß iſt ſie und lang am Maſſe. Sie breitet ſich ſo weit aus / das ich ihr kein Ende ſehen kan / ſie iſt aller Or - then bey mir zugegen. Wenn ich mich lege / ſpreche ich (fuͤr Angſt) wenn werd ich aufſtehen? Und darnach rechne ichJob. 7, 4. Muis & Sthindl. in Lex. multæ ſunt, red - dunt. (fuͤr Angſt) wenns Abend wil werden. Sie iſt groß / und viel an der Zahl. Es hat mich umbgeben Leiden ohne zahl / es haben mich meine Suͤnde ergriffen / daß ich nicht ſehen kan / ihr iſt mehr / denn Haar auf meinem Haupt / und mein Hertz hat mich verlaſſen. Sihe / das iſt die Angſt / die hier geklaget wird.

Pſ. 40, 13. Vrſachen ſolcher Angſt.

Dergleichen entſtehet gemeiniglich aus der Reue und Bedaurung des Vergangenen / aus der betruͤblichen / und ſchmertzlichen Empfindung des Gegenwaͤrtigen / und dann aus der furchtſamen / und erſchreckenden Sorge und Er - wartung des Zukuͤnfftigen. Wenn ein Hertz bedencket die Suͤnden / Miſſethaten / und Unrecht / ſo es gethan / damit das ſchwartze Schuld-Regiſter Gottes ſehr angefuͤllet / und nichts als Fluch / Zorn / und Tod verdienet / ſo beginnet es unter der grauſamen Angſt-Laſt zu winſeln: Mein GOtt / ich ſchaͤme mich / und ſcheue mich / meine Augen aufzuheben zu dir / mein GOtt / denn meine Miſſethat iſt uͤber mein Haupt gewachſen / und meine Schuld iſt groß biß in denEſr. 9, 6. Himmel. Groſſe Angſt befaͤllet es / wenn es bedencket den Verluſt der edlen Zeit / ſeiner unnuͤtzlich durch gebrach - ten Guͤter / der vor-genoſſenen und ietzt verlohrnen Ehre / Freude / Geſundheit / Vermoͤgens und dergleichen. Ein Angſt-Lied davon haͤtte man jenen verlohrnen Sohn koͤn -nen15Reichthum Goͤttlicher Guͤte. nen ſingen hoͤren. Angſt koͤmmt das Hertz an / wenn es ihmLuc. 15, 17. zu Sinne nimmt den traurigen Hingang und Todesfall der lieben Seinigen / der Kinder / an denen man ſchon alle Ehre / Freude / Troſt / Schutz und Huͤlffe erlebet / oder ja zu - erleben hoffete; der Eltern / wann die den armen Kindern ſo geſchwind entriſſen werden / und ſie als unerzogene / unver - ſorgete und recht elende Waiſelein hinter ſich laſſen muͤſſen; Der Ehegatten / da ein betruͤbter Wittwer ſeine Haus - Sonne muß laſſen untergehen / und ſein allertreueſtes Hertz mit heiſſenThraͤnen von ſich reiſſen; Die arme Wittwe aber2. Sam. 14, v. 5. klagt: Ach ich bin ein elendes Weib / das Leide traͤgt / und mein Mann iſt geſtorben / mein Troſt iſt verſchwunden / mein Schutz iſt gefallen / mein Schatz iſt verlohren. u. ſ. w. Angſt entſtehet einem frommen Hertzen / wenns das gegen - waͤrtige Ubel / Noth und Elend anſihet / wanns zu ſeinem verdruͤßlichſten Leidweſen anſchauen muß / daß der Men - ſchen Boßheit auf Erden in dieſer letzten Grundſuppe ſoGen. 6, 5. gar groß werde. Hugo de S. Victore hat dis uͤber vorhabendeHugo de S. Victore tom 1. Op. fol. m. 42. b. col. 2. Worte ſchoͤn angemercket: Boni, cum inter malos, quos de - clinare non poſſunt, converſantur, ex illorum pravâ con - verſatione quotidianâ quâdam perſecutione vita eorum affligitur. Quos ita tolerare neceſſe eſt, ut nec propter i - niquitatem eorum odio habeamus homines; nec propter amorem hominum iniquitatis efficiamur conſortes. Das iſt: Die Frommen / weil ſie unter den Boͤſen leben muͤſſen / die ſie nicht gäntzlich meiden koͤnnen / werden durch ſolche boͤſe Beywohnung als durch eine taͤgliche Verfol - gung geplaget. Und muß man mit denſelben alſo umgehen / daß man die Menſchen ſelbſt / wegen ihrer Boßheit nicht h[a]ſſe / noch den Leuten zu Liebe ſich mit in dieſelbe verwicke - le. Wie offt muß man David nachklagen: Wehe mir / daßich16Reichthum GoͤttlicherGuͤte. ich ein Frembdling bin unter Meſech! Jch muß wohnenPſal. 120, v. 6. 7. unter den Huͤtten Kedar. Es wird meiner Seelen lang zu - wohnen bey denen / die den Frieden haſſen. Angſt uͤber - faͤllt das Hertz / wenn GOtt eine Land-Plage nach der an - dern herein brechen läſſet / wenn es von nichts / als Krieg und Kriegs-Geſchrey hoͤren muß; ſonderlich aber wenn Gott ein Creutz-Ungewitter nach dem andern uͤber ſelbiges ſelbſt herblitzen und donnern laͤſſet / wenn hie eine Truͤb - ſahls-Welle / dort wieder eine herein ſchlaͤget / und alle Waſſerwogen Gottes mit aller Gewalt zuſtuͤrmen / da es gleich zu Leiden gemacht iſt / und immer ein Ungluͤck nach dem andern annehmen muß. Dazu iſt doch geweihet ein Chriſten-Hertz und Hauß / Ungluͤck geht drinnen ein und aus. Laß dir Hiob ein Liedlein davon ſingen aus ſeines Buchs erſten und andern capp. Fuͤrnehmlich iſt das Angſt / wenn man dabey in die zagenden Gedancken faͤllet / als habe GOtt ſein Angeſicht fuͤr unſerer Noth verborgen / und uns aus ſeiner Gnade und Sorge fallen laſſen; WennLuc. 2, 48. Maria ihren verlohrnen Jeſum mit Schmertzen ſuchet; Wenn Zion klagt / der Herr hat mich verlaſſen / der HerrEſa. 49, 14 hat mein vergeſſen; und Aſſaph: Wird denn der Herr ewiglich verſtoſſen / und keine Gnade mehr erzeigen? Jſts denn gantz und gar aus mit ſeiner Guͤte / und hat die Ver - heiſſung ein Ende? Hat denn Gott vergeſſen / gnädig zu -Pſ. 77, 8. 9. 10. ſeyn / und ſeine Barmhertzigkeit fuͤr Zorn verſchloſſen. Endlich macht das Angſt / wenn man bedencket / was doch kuͤnfftig fuͤr gemein und ſonderbahres Ungluͤck zuerwarten / und noch zuerleben ſey? Wie man in ſchweren / boͤſen Zei - ten ſich mit den Seinigen hinbringen und erhalten? wie man die lieben Kinder wohl erziehen und verſorgen? Sum - ma / was man fuͤr Noth / Muͤhe / Trangſahl und Elendnoch17Reichthum GoͤttlicherGuͤte. noch werde auszuſtehen haben? Jnſonderheit aber / wie bit - ter einmahl der letzte Feind / der Tod ſeyn werde? Der eben / der iſt der rechte Angſt Gaſt unſers Hertzens. Was dievid. inter alios Bux - torf Lex. Talm. col. 1181. nec non Syna - gog. c. 49. p. m. 712. Sir. 41, 1. Juͤden vom〈…〉〈…〉 ומח ראלמ, dem Engel des Todes und ſei - nen gifftigen Gallen-Tropffen dichten / damit moͤgen ſie ſich ſelbſt beluſtigen. Der Tod iſt freylich bitter / wie Si - rach von den Unbereiteten anmercket. Wenn das Hertz im Sterben mit Stoͤckfluͤſſen und allen Zufaͤllen berennet wird / das Gebluͤth und alle Lebens-Geiſterlein neh - men ihre letzte Retirade dahin / ſo hat der Tod recht ſei - ne Belagerung des Hertzens angeſtellet / biß er endlich mit Macht einbricht / und den Garaus machet. Angſt erhebt ſich dabey / wenn wir die lieben unſerigen vor uns ſehen heu - len / weinen / klagen / und uns damit das Hertz muͤſſen bre -Act. 21, 13. chen laſſen. Da / da geht die Angſt erſt an / weñ die Seele die erſchreckliche Stimme hoͤren muß: Veni ad judicium, kom̃ fuͤr Gericht. Da wacht das Huͤndlein unter der lincken Bruſt auf / und ſchneffelt alle laͤngſt vergeſſene oder verbor - gene Miſſethaten aus. Da koͤmmt Satan mit der groſſen Suͤnden-Rolle / und klagt hefftig an. O anima, quis erit ille pavor, cum tibi occurrentia catervatim illa teterri -Bernhar - dus. ma monſtra videbis? ſagt Bernhardus an einem Orthe. O Seele / was wird das fuͤr ein Schrecken ſeyn / wenn du dieſelbigen abſcheulichen Hoͤllen-Thiere und Ungeheuer dir wirſt mit Hauffen entgegen kom̃en ſehen? Da wirfft Moſe aus ſeinem feurigen Geſetz lauter Donnerkeule. Da erſchre - cket der entbrandte Zorn Gottes. Da ſteht der rauchende und Feuer-ſpeiende Hoͤllen-Rachen offen. Da mag Angſt ſeyn / da mags heiſſen: Stricke des Todes haben mich uͤm - fangen / und Angſt der Hoͤllen hat mich troffen / ich kommePſal. 116, 3. in Jammer und Noth. Nun wie da zuthun? Je wie Da - vid ferner daſelbſt fortfaͤhret; Aber ich rieff an den NamenCdes18Reichthum Goͤttlicher Guͤte. des Herrn; O Herr / errette meine Seele: und wie erv. 4. hier thut. Er klagts dem Herrn / und ſeuffzet: Die Angſt meines Hertzens iſt groß. Wohl gethan! Denn der Herr hat ein williges Ohr / die Klage zuhoͤren / und anzu - nehmen. Du / O GOtt / hoͤreſt Gebet / daruͤm koͤmmetPſ. 65, 3. alles Fleiſch zu dir. Sihe des Herrn Ohren ſind nichtEſa. 59, 1. dicke worden / daß er nicht hoͤre. Ja das Verlangen der Elenden hoͤreſtu / Herr / ihr Hertz iſt gewiß / daß dein OhrPſ. 10, 17. drauff mercket. Baal zwar laͤſt ſeine Pfaffen von Morgen biß an Mittag vergebens ſchreyen; Baal / erhoͤre uns. Bey ihm aber iſt keine Stimme noch Antwort / er dichtet / er hat zuſchaffen / er iſt uͤber Feld / oder ſchlåfft etwan / wie Elias1. Reg. 18, 26. 27. ihrer ſpottete. Jn Jtalien hatte ſich einſt eine Stadt an die Frantzoſen ergeben. Die Beſatzung die hinein zog / wolte einen erfahrnen Kriegs-Officirer bereden / daß er ſich mit hinein begeben moͤchte. Er aber fragte ſie: Meine Freunde / wenn der rechtmaͤßige Erbherr dieſer Stadt uns wird wieder belagern / wer wird uns Schutz und Entſatz gewaͤhren? Sie antworteten; Der Koͤnig in Franckreich mit ſeiner Macht. Darauf ſtieg dieſer kluge Soldat auf einen hohen Berg / und rieff mit heller Stimme dem Koͤni - ge in Franckreich dreymahl zu. Wie aber ſelbiger ſo weit entfernet / weder hoͤren kunte / noch antworten wolte / ſprachErnſt B. H. 2. Theil. p. 517. er: Jch laſſe mich in keine Stadt einſchlieſſen / darinnen der jenige / ſo mir helffen ſol / mich nicht einmahl hoͤren kan. So nicht unſer GOtt / von dem koͤnnen wir ruͤhmen: Wo iſt ſo ein herrlich Volck / zu dem Goͤtter alſo nahe ſich thun /Devt. 4, 7. als der Herr unſer GOtt / ſo offt wir ihn anruffen? Der Herr iſt doch nahe allen / die ihn anruffen / allen / die ihn mit Ernſt anruffen. Er thut was die Gottfuͤrchtigen be -Pſal. 145, 18. 19. gehren / und hoͤret ihr Schreyen / und hilfft ihnen.

So19Reichthum Goͤttlicher Guͤte.

So mercke doch nun / mein Hertz / was in Angſt / ſon -USUS. Widerle - gung. derlich aber in Todes-Angſt und Noth zuthun ſey? Zu dem willigen Ohr deines Gottes ſolſtu mit deiner Angſtklage dich wenden / und mit David bekennen: Wenn mir Angſt iſt / ſo ruffe ich den Herrn an / und ſchreye zu meinem GOtt / ſo erhoͤret er meine Stimme von ſeinem Tempel / und mein Geſchrey koͤmmt fuͤr ihm zu ſeinen Ohren. Pſa. 18, 7.Dem ſolſtu deine Klage fuͤrtragen; Die Angſt meines Her - tzens iſt groß. Mit nichten aber wende dich abgoͤttiſcher weiſe zu den verſtorbenen Heiligen / wie man im Pabſthum thut. Daſelbſt hat man ein ſonderlichGebet alſo lautende: O Domina mea, ſancta Maria, me in tuam benedictam fidem ac ſingularem cuſtodiam, & in ſinum miſericordiæ tuæ, hodiè & quotidiè, & in horâ exitus mei, & animam meam & corpus meum tibi commendo, omnem ſpem meam, omnem conſolationem meam, omnes anguſtias & miſerias meas, vitam & finem vitæ meæ tibi commit -Pia & Chriſtia - na Inſtit. part. 3 p. 262. to, &c. zu teutſch: O meine Frau / du H. Maria / in deine gebenedeiete Treue / und ſonderlichen Schutz / und in den Schos deiner Barmhertzigkeit / befehle ich heut und taͤglich / und in der Stunde meines Abſchieds mich / meine Seele / und meinen Leib; Dir befehle ich alle meine Hoffnung / alle meinen Troſt / alle meine Angſt und Elend / mein Leben und das Ende meines Lebens. Das wanckende Rohr / der ſonſt hochgelehrte Lipſius ſol / wie Drexelius anfuͤhret / ſichDrexel. Conſider. 4. de Æ - ternit. fin. t. 1. Op. f. 18. a. an ſeinem Ende auch zur H. Jungfrau Maria gewendet / und geſeuffzet haben: O Mater Dei, adſis famulo tuo cum totâ æternitate decertanti, & non me deſeras in hâc horà, à quá pendet animæ ſalus æterna; O Mutter Gottes / ſte - he deinem Diener bey / der mit der geſammten Ewigkeit ſtrei - tet / und verlaß mich nicht in dieſer Stunde / an der der See -C 2len20Reichthum Goͤttlicher Guͤte. len ewige Seligkeit hanget. Andere dergleichen aberglaͤu - biſche Gebethe / Seuffzer und Litaneien wollen wir nicht anfuͤhren. Wie ſie aber der hochgelobten Jungfraͤulichen Mutter ſolche gar unziemliche Ehre beweiſen / ſo muͤſſen auch andere / auch wohl erdichtete Heiligen dieſelbige haben / und hat ietzt genannter gantz abgoͤttiſcher Jeſuit im Triſme -Idem Tris - meg. lib. 2. c. 6. §. 2. t. I. fol. 697. b. giſto Chriſtiano dis laͤſterliche Gebet aufgezeichnet: O beati Apoſtoli, Philippe & Jacobe, (aut) ò beate Georgi mar - tyr, (aut) ô beate Johannes Baptiſta, per hunc ipſum Do - minum, quem linguâ gero, ardentiſſimè te precor, adſis mihi morienti, & à bonôDeô hanc unam pro me gratiam impetra, ut in obitu meô cum Deo ſim in gratiâ, das iſt: O ihr ſeligen Apoſtel / Philippe und Jacobe / (oder) O du ſeliger Maͤrtyrer George / (oder) O du ſeliger Taͤuffer Jo - hannes / ich bitte dich hertzinbruͤnſtig uͤm des Herrn willen / den ich auf der Zungen fuͤhre / ſtehe mir Sterbenden doch bey / und erlange mir von dem frommen Gott dieſe Gnade / daß ich in meinem Tode bey GOtt in Gnaden ſey. Wenn dergleichen Worte von einem blinden Heiden vergoſſen wuͤrden / waͤre es zwar nicht zuverwundern. Aber wie koͤm - mets / daß die / die Gottes Volck heiſſen wollen / eine zwie - fache Suͤnde thun? Jhn / die lebendige Quelle verlaſſen ſie / und machen ihnen hie und da ausgehauene Brunnen /Jer. 2, 13. die doch loͤchericht ſind / und kein Waſſer geben? AllenHei - ligen mangelts / wo nicht am willigen / doch uns in Klagen hoͤrenden Ohre. Abraham weiß von uns nicht / und Jſ -Eſa. 64, 16 rael kennet uns nicht. Du aber Herr biſt unſer Vater / und unſer Erloͤſer / von Alters her iſt das dein Name. Es iſt ſonſt kein GOtt / ſpricht der Herr / ohne ich / ein gerech - ter GOtt und Heiland / und keiner iſt / ohn ich. Wendet euch zu mir / ſo werdet ihr ſelig aller Welt Ende / denn ichEſa. 45, 21. 22. bin GOtt / und keiner mehr.

Zu21Reichthum Goͤtlicher Guͤte.

Zu dem wuſte ſich unſer ſeliger Herr Mitbruder ſon - derlich in ſeiner letzten groſſen Hertzens-Angſt zuwenden / deſſen williges Ohr war Jhm bewuſt / davon er auch mit ſeinem Jeſu bekennen kunte; Vater / ich weiß / daß du mich allezeit hoͤreſt. Nun aber preiſet die auserwehlte SeeleJoh. 12, 42. dieſes willige Ohr / und ſagt mit ihrem Heiland ferner: Vater / ich dancke dir / daß du mich erhoͤret haſt. Seinev. 41. Angſt-Klage ſchwung ſich mit den Fluͤgeln des Glaubens / und Andacht Himmel an / drung durch die Wolcken / und ließ nicht ab / biß ſie hinzu kame / und hoͤrete nicht auf / biß der Hoͤheſte drein ſahe. Numehro iſt er aus aller ſeinerSir. 35, 21. Angſt genommen. Wer wil ſeines Lebens Laͤnge ausre - den. Solche ſelige Erhoͤrung ihres Hertz-liebgeweſenenEſa. 53, 9. Herrn Sohns und Bruders haben die Hochbetruͤbten / der anweſende Herr Vater / abweſende Frau Mutter / und ſaͤmtliches Geſchwiſter / zu ihrem ſonderbahren Troſt anzu - nehmen / zu dem willigen Ohr ihres reicheſten Gottes ha - ben auch ſie ſich zuwenden mit der aͤngſtlichen Klage ihrer Betruͤbnis / der gewiſſen Zuverſicht / daß er auch ſie werde willigſt erhoͤren / Krafft ſeiner theuren Zuſage: Die Elen - den und Armen (die betruͤbten Hertzen) ſuchen (Troſt -) Waſſer und iſt nichts da; ihre Zunge verdorret fuͤr Durſt: Aber ich / der Herr / wil ſie erhoͤren / ich der GOtt Jſrael wil ſie nicht verlaſſen. Zu dem finde dich mit ihnen liebesEſa. 41, 17. Angſt-Hertz ins gemein und ſeuffze:

Dein gnaͤdig Ohr neig / HErr zu mir /
Erhoͤr mein Bitt / thu dich herfuͤr /
Eil bald mich zuerretten /
Jn Augſt und Weh /
Jch lie[g]oder ſteh /
Hilff mir aus meinen Noͤthen.
C 3Es22Reichthum Goͤttlicher Guͤte.
II. Eine maͤchtige Hand.

Es findet ſich (2) in dem Reichthum Goͤttlicher Guͤte eine maͤchtige Hand bey GOtt. Maͤchtige Hände haben Potentaten und Herren der Welt / aber gemeiniglich mehr zur Straffe / als Belohnung und Beſchenckung / mehr zum Verderben / als Errettung und Huͤlffe. GOtt hat eine maͤchtige Hand / und zwar auch zuretten und zu - helffen. Durch maͤchtige Hand / und ausgerecktenPſ. 136, 12. Arm rettete / und fuͤhrete er Jſrael aus Aegypten. Deſſen ſich Nehemia recht troͤſtlich in ſeinem Gebeth gegen GOtt zuerinnern wuſte / und ſeuffzete; Sie ſind doch ja deine Knechte / und dein Volck / die du erloͤſet haſt durchNeh. 1, 10. deine groſſe Krafft / und maͤchtige Hand. Und noch ruͤh - met David von ihr; Seine Rechte Hand hilffet gewal -Pſ. 20, 7. tiglich. Dieſer uͤbergiebt er auch in Text alle ſeine Noͤthen; Fuͤhre mich aus meinen Noͤthen. Ergreiff mich auch mit deiner maͤchtigen Hand / reiß mich heraus / errette mich / und laß mich nicht gar in meinen Noͤthen vergehen. Errette mich aus dem Koth / daß ich nicht verſincke / daß ich errettet werde von meinen Haſſern / und aus dem tieffen Waſſer. Daß mich die Waſſerfluth nicht erſaͤuffe / und die Tieffe nicht verſchlinge / und das Loch der Gruben nichtPſ. 69, 16. 17. uͤber mir zuſammen gehe. Die Noͤthen heiſſen in der heili - gen Sprache〈…〉〈…〉 וקוצמ (von קוצ, daher etzliche unſere Teutſche Woͤrter zwacken / zucken deriviren) welches moͤgte gegeben werden Druͤckungen / Preſſungen / und dann auch Qual / Plagen und Aengſtigungen / wie das Stam̃-Wort von der untreuen Delila des Simſons gebraucht wird imJudic. 16, 16. B. der Richter am 16. cap. Da ſie ihn aber treib (〈…〉〈…〉קוצה, ſie brachte ihn ins Aenge) mit ihren Worten / und zuplaget jhn / ward ſeine Seele matt / biß an den Tod. GOtt derHerr23Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Herr bildet mit dem Wort ſeinem Volch die Noth fuͤr / ſo ihm von ſeinen Feinden wiederfahren ſolte; Wie ein Nachts-Geſicht im Traum / ſagt er / ſo ſoll ſeyn die Menge aller Heiden / ſo wider Ariel ſtreiten / ſamt alle ihrem Heer und Bollwerck / und die ihn aͤngſten. Hatte zuvor ge -Eſa. 29, 7. drohet; Jch will den Ariel aͤngſten / daß er traurig und jaͤmmerig ſey / und ſoll mir ein rechter Ariel ſeyn. Derv. 2. hundert und ſiebende Pſalm brauchets von der Noth der Verirreten in der Wuͤſten; von der Angſt und Plage derPſ. 107, 6. Gefangenen; von der Gefahr der Seefahrenden imSturmv. 13. und Ungewitter / oder beym Schiffbruch. Eliphas vonv. 28. Theman ſucht eben dis Wort herfuͤr / wann er das Ungluͤck eines Gottloſen / ſo der gerechte Richter aller Welt uͤber ihn ergehen laͤſſet / beſchreiben will. Der Gottloſe / ſagt er / be - bet ſein Lebelang / und dem Tyrannen iſt die Zahl ſeiner Jahre verborgen. Was er hoͤret / das ſchrecket ihn / und wenns gleich Friede iſt / fuͤrcht er ſich der Verderber komme / glaͤubet nicht / daß er moͤge dem Ungluͤck entrinnen / und verſiehet ſich immer des Schwerdts. Er zeucht hin und her nach Brod / und duͤncket ihn immer / die Zeit ſeines Un - gluͤcks ſey fuͤrhanden. Angſt und〈…〉〈…〉 קוצמ Noth ſchrecken ihn / und ſchlagen ihn nieder / als ein Koͤnig mit einem Heer. Job. 15, 20. ſeqq. Nun ware zwar David kein ſolcher Gottloſer und unbuß - fertiger Suͤnder / ſondern do ers gleich groͤblich verſahe / be - kante er doch ſeine Suͤnde / und verhoͤlete ſeine Miſſethat nicht. Jch ſprach / lauten ſeine Worte / ich will dem Herrn meine Ubertrettung bekennen / da vergabeſtu mir die Miſſe -Pſ. 32, 5. that meiner Suͤnde. Hat doch aber auch uͤber ſeine Noͤ - then zuklagen. Aber was verſtehet er hier durch dieſelbi - gen? Die Heiligen Gregorius und Augnſtinus wollensApud Lo - rinum t. 1. f. 446. col. 1. D. ausgeleget haben de neceſſitatibus peccandi, von denNoth -24Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Aug. lib. de Per - fect. justi - tiæ c. 4. t. VII. col. 1420. B. Nothwendigkeiten zu ſuͤndigen. Und ſchreibet letztbeſag - ter Kirchen-Lehrer; Per arbitrii libertatem factum, ut eſſet homo cum peccato: ſed jam pœnalis vitioſitas ſub - ſecuta ex libertate facit neceſſitatem. Unde ad DEUM fides clamat; De neceſſitatibus educ me, ſub quibus po - ſiti, vel non poſſumus, quod volumus, intelligere, vel quod intellexerimus, volumus, nec valemus implere. Das iſt; Es iſt durch die Freyheit des Willens (oder viel - mehr derſelben Misbrauch) geſchehen / daß der Menſch in der Suͤnden ſtecket: Nunmehro aber hat die zur Straffe erfolgte ſuͤndhaffte Neigung aus der Freyheit eine Noth - wendigkeit gemacht. Daher der Glaube zu Gott ſchreyet; Fuͤhre mich aus meinen Noͤthen / unter welchen wir gehal - ten / entweder nicht koͤnnen / was wir zwar wollen / verſte - hen / oder wenn wirs gleich verſtanden haben / auch wollen / doch nicht koͤnnen ins Werck ſetzen und vollbringen. Fuͤh - ret drauf weiter fein troͤſtlich an / wie uns in der Dienſtbar - keit dieſer Noth die Freyheit von Chriſto JEſu / der die Warheit iſt / verſprochen werde / wann Er dort zu den Juͤ - den ſagte; So ihr bleiben werdet an meiner Rede / ſo ſeid ihr meine rechte Juͤnger / und werdet die Warheit erkennen /Job. 8, 31, 32. und die Warheit wird euch frey machen. Solche Noth fand ſich anfänglich bey dem gerechten und gluͤckſeligen A - dam nicht / cui nihil aliud fuit, non peccare, quàm nolle,Proſper l. 3. de vi - con - templ. c. 2. wie Proſper redet / bey dem das / daß er nicht ſuͤndigte / nichts anders ware / als daß er nicht ſuͤndigen wolte. Jetzt aber in dieſem elenden Suͤnden Noth-Stall muß auch der wieder - gebohrne Menſch mit Paulo klaͤglich geſtehen; Jch bin fleiſchlich unter die Suͤnde verkauffet: Denn ich weiß nicht / was ich thue / denn ich thue nicht / das ich will / ſondern dasRom. 7, 14. 15. ich haſſe / das thue ich. Jtem; Jch weiß / das in mir / dasiſt /25Reichthum Goͤttlicher Guͤte. iſt / in meinem Fleiſche wohnet nichts gutes. Wollen habe ich wohl / aber vollbringen das Gute / finde ich nicht. Denn das Gute / das ich wil / das thue ich nicht / ſondern das Boͤ - ſe / das ich nicht wil / das thue ich. So ich aber thue / das ich nicht wil / ſo thue ich daſſelbige nicht / ſondern die Suͤn - de / die in mir wohnet. So finde ich mir nun ein Geſetz / der ich wil das Gute thun / das mir das boͤſe anhanget. Denn ich habe Luſt an Gottes Geſetz nach dem inwendigenMen - ſchen; Jch ſehe aber ein ander Geſetz in meinen Gliedern / das da widerſtreitet dem Geſetz in meinem Gemuͤthe / und nimmet mich gefangen in der Suͤnden Geſetz / welches iſt in meinen Gliedern. Was aber dieſe Meinung der from -Rom. 7, 18. ſeqq. men Vaͤter betrifft / ſo iſt kein Zweiffel / daß David auch die endliche ſelige Rechtfertigung von der Suͤnden in wah - rem Glauben gewuͤnſchet habe / wie aus manchem Hertzens - Seufzer in ſeinem Pſalterbuch koͤnte erwieſen werden: Doch weil dem Geiſtreichen Propheten nicht verborgen ge - weſen / daß kein Menſch auf Erden ſey / der nicht ſuͤndige /Cohel. 7, 21. und wir des innerlichen Feindes / der Suͤnde / ſo lange un - ſere Wallfahrt allhier waͤhret / nicht koͤnnen loß werden; Er auch nachgehends im vierdten Stuͤck unſerer Predigt abſonderlich ſeiner Suͤnden-Noth erwaͤhnen wird / ſo ſchei - net dem Text die Auslegung naͤher zukommen / die dieſe Noͤthen von den klaͤglichen und widerwaͤrtigen Fruͤchten der Suͤnden erklaͤret. Suͤnde iſt freilich die ungluͤckſelige Buͤchſe Pandoræ, (das wir den Heiden das Licht in ihrer Finſternis weiſen) daraus alles Ungluͤck / Truͤbſal / Jam - mer und alle und iede Noͤthen heraus gezogen / und wie ein gifftiger Dampff alle Welt uͤberzogen und angeſtecket ha - ben. Man examinire Davids Ungluͤcks Faͤlle / und for - ſche nach deren Urſach auf ſeiner Seiten / ſo wird er ſelbſtDbald26Reichthum Goͤttlicher Guͤte. bald antworten und ausbrechen: Ach! ich erkenne meinePſ. 51, 5. Miſſethat / und meine Suͤnde iſt immer fuͤr mir. Es iſtPſ. 38. 5. 6. kein Friede in meinen Gebeinen fuͤr meiner Suͤnde. Mei - ne Wunden ſtincken / und eitern fuͤr meiner Thorheit. Und iſt kein Menſch ſo unſchuldig in ſeinem Leiden / und ſo rein und lauter in dem Truͤbſahls-Feuer / daß GOtt mit dem - ſelbigen gar keine Schlacken abzufegen an ihn finden ſolte. Es iſt deinerBoßheitSchuld / daß du ſo geſtäupet wirſt / und deines Ungehorſams / daß du ſo geſtraffet wirſt. Alſo mu - ſtu innen werden / und erfahren / was fuͤr Jammer und Hertzeleid bringet / den Herrn deinen GOtt verlaſſen /Jer. 2, 19. und ihn nicht fuͤrchten / ſpricht der Herr Herr Zebaoth. Pſ. 40, 13.Da kan uns nun uͤmbgeben Leiden ohne Zahl. Wie die Tropffen im Regen / ſo ſind unſere Noͤthen / wenn das Un - gewitter herein ſtuͤrmet / nicht zuzaͤhlen. Unſer Leben iſt wie ein Schiff auf dem ungeſtuͤmen Meer / da rauſchen die Flu - then Gottes daher / daß hie eine Tieffe / und da eine TieffePſ. 42, 8. brauſſen. Es iſt ein elend jaͤmmerlich Ding uͤm aller Men - ſchen Leben / von Mutter Leibe an / biß ſie in die Erde be - graben werden / die unſer aller Mutter iſt. Da iſt immer Sorge / Furcht / Hoffnung / und zuletzt der Tod / ſo wohl bey dem / der in hohen Ehren ſitzt / als bey den Geringſten auf Erden / ſo wohl bey dem / der Seiden und Krohn traͤgt /Sir. 40, 1. 2. 3 4. als bey dem / der einen groben Kittel an hat. Da ſtecken wir in gemeinen / da liegen wir auch in ſonderbahren Noͤ - then. Sie ſind geiſtlich und leiblich. Noth macht Sa - tan / der umher gehet / wie ein bruͤllender Loͤwe / und ſuchet /1. Pet. 9, 8. welchen er verſchlinge. Der uns verklaget Tag undApoc. 12, 10. Nacht fuͤr GOtt. Der unſer begehret / daß er uns ſichten moͤge / wie den Weitzen. Daruͤber der NothleidendeLuc. 22, 31. Menſch winſelt und klaget: Der Feind verfolget meineSeele /27Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Seele / und zuſchlaͤget mein Leben zu boden / Er leget mich ins Finſter / wie die Toden in der Welt / und mein Geiſt iſt in mir geaͤngſtet / mein Hertz iſt mir in meinem Leibe ver -Pſ. 143, 4. 5 zehret. Noth macht die Welt / die boͤſe Welt / die im Argen lieget / und mit Liſt und Trutz auch fromme Hertzen mit ſich zuverderben trachtet. Die Welt voll Liſt und Tuͤcke / legt1. Joh. 5, 19 heimlich ihre Stricke / bey Tag und Nacht zu iederzeit. Sie iſt das liſtige Weib im Huren-Schmuck / ſo manchen när - riſchen Juͤngling erwiſcht / unverſchaͤmt kuͤſſet / und mit ſich hinfuͤhret / wie einen Ochſen zur Schlachtbanck / und wie zum Feſſel / da man die Narren zuͤchtiget. Ja ihr Hauß ſind Wege zur Hoͤllen / da man hinunter faͤhret in des To - des Kammer. Und mag wohl von einem glaͤubigen Chri -Cohel. 7, 10 ſeqq. ſten-Hertz geſprochen werden / was der HErr dort ſagt zu ſeinem Propheten Ezechiel; Es ſind wohl widerſpenſtige / und ſtachliche Dornen bey dir / und du wohneſt unter den Scorpionen. Noth macht unſer eigen ſuͤndlich-verderb -Ezech. 2, 6. tes / und nur zum Boͤſen geneigtes Fleiſch und Blut. Ein innerlicher Feind / der den groͤſten Schaden thut / und des wir gleichwohl in dieſem Lebens-Streit nicht koͤnnen loß werden. Dieſe Otter hegen und pflegen wir in unſerm eignen Buſen. Dieſe Philiſter (die ihrem Namen nach /Judic. 3. unſer doppelter / zeitlicher und ewiger Fall und Untergang ſind) wohnen unter Jſrael / und verurſachen ſteten Krieg und Kampff / da geluͤſtet das Fleiſch wider den Geiſt / und den Geiſt wider das Fleiſch / und dieſelbigen ſind allzeit wie - der einander. Und iemehr wir uns in und mit zeitlichen undGal. 5, 17. irrdiſchen Dingen zu gute thun / iemehr nehren und mehren wir ſolchen argen Feind / gleich denen Waſſerſuͤchtigen / die iemehr ſie mit unmaͤßigen Sauffen den Durſt zuſtillen trachten / iemehr ſie denſelben erwecken / und ihre beſchwer -D 2liche28Reichthum Goͤttlicher Guͤte. liche und gefaͤhrliche Kranckheit mehren. Jn deſſen Sorge ließ ſich der fromme Abt / Bernhardus zur Mahlzeit / wie zur Marter fuͤhren. War eine wohlgemeinte Einfalt. Des Leibes muß man warten / doch alſo / daß er nicht geilRom. 13, 14. werde / damit man auch zum Faſten / und zum beten Muſſe habe. Den Opffer-Tauben wurde nur der Kopff zerkni -1. Cor. 7, 5. cket / nicht gar abgeriſſen. Maſſe iſt gut. Wenn unſereLevit. 5, 8. Bauchdiener zumUberfluß und Unmaͤßigkeit / wie zurMar - ter ſich ſchleppen lieſſen / ſo wuͤrden ſie mancheNoth bey ihnẽ und andern verhuͤten. Zwiſchen ihnen und glaͤubigen Chri - ſten iſt dis der Unterſcheid / daß dieſe des Fleiſches Einge - ben / Rath und Trieb fuͤr einen toͤdlichen Gifft / und die ge - faͤhrlichſte Noth halten / jene aber ſolchen Gifft ihnen laſſen ſuͤſſe ſchmecken / und die Luͤſte des Fleiſches mit Luſt vollbrin - gen. Ein rechtſchaffener Chriſt exclamiret uͤber ſolche Noth mit Paulo: Jch elender Menſch / wer wird mich er -Rom. 7, 24. loͤſen von dem Leibe dieſes Todes! Lieber einmahl tod / als laͤnger und immer in ſolcher Noth / die aͤrger iſt als derTod. Noth hat ein ieder in ſeinem Stand / Amt und Beruff. Der Apoſtel Paulus ruffet noch heut treuen Lehrern und Predigern zu; Jn allen Dingen laſſet uns beweiſen / als die Diener Gottes / in groſſer Gedult / in Truͤbſalen / in Nöthen / in Aengſten / in Schlaͤgen / in Gefaͤngnuͤſſen /2. Cor. 6, 4. 5. in Aufruhren / in Arbeit / in Wachen / in Faſten / u. ſ. w. Das Geiſtliche Kirchen-Ambt mag wegen ſeiner Muͤhe / ſchweren Verantwortung / Gefahr / Undanck / bittern Haß und Verfolgung des Satans uñ ſeiner Schuppen wohl ein onus vel Angelicis humeris tremendum, wie jener wohl redete / eine Laſt genennet werden / dafuͤr auch Engliſche Schultern erzittern moͤgten. Jſt das Regiment und Stand der Obrigkeit ſonſt hoch geehret / ſo iſt er doch nicht von derNoth29Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Noth befreyet. Die Herrſchafft iſt gleich einer verguͤlde - ten Pille. Jhr Glantz und Herrligkeit locket manchen be - gierigen Liebhaber zu ſich / und macht ihm / nachdem ſie an - genommen / und mit Ernſt und Fleiß der Pflicht und dem Gewiſſen nach verwaltet wird / ſo viel zuſchaffen / daß man die beſchwerliche Ehre in leichte Ruhe verwandelt wuͤnſchet. Wann ein Bauer wuͤſte die Gefahr / Sorge und Muͤhe ei - nes Fuͤrſten / wuͤrde er GOtt nicht gnug wiſſen zudancken / daß er ihn haͤtte laſſen einen Bauer werden / pflegte unſerZinck - gräf. A - pophtheg. part 1. p. m. 221. ſel. Vater Lutherus zuſagen. Jn einer Vorrede uͤber den Propheten Daniel / die er an den theuren Fuͤrſten Johann Friedrichen zu Sachſen Anno 1530. verfertiget / ſchreibet er von der Noth und Gefahr der Obrigkeit folgendes: Eine iegliche Herrſchafft hat ihre Fuͤrſten aus der Hoͤlle. Je groͤſſere Heerſchafft / ie groͤſſer und aͤrgere Teufel / die denen Koͤnigen und Herren alle Plage anlegen mit Hindern / mit Reitzen zum Zorn / Streit / Mord / Stoltz / Unzucht und al - len Laſtern / daß GOtt wiederum muß auch guteEngel und Fuͤrſten aus dem Himmel bey den Koͤnigen und Herren wi - der die Teufel halten / wie wir hie im Daniel leſen. JmDan. 10, 13. Hauß - und gemeinen Stand mangelts auch nicht an Noth. Luth. t. 5.Mit Kummer muß ein ieder ſich naͤhren / und ſeinen biſſenAltenb. f 2. a. fin. Brodt ſuchen. Welche Gefahr / Muͤhe / Sorge und Ver -Gen. 3, 17. druͤßligkeit muß doch / zum Exempel / ein chrlicher Kauff - mann auf ſeinen Reiſen und in der Handlung ſelbſt ange - hen / und ausſtehen? zugeſchweigen / das / wie ein Nagel in der Mauer zwiſchen zween Steinen ſteckt / alſo die Suͤnde zwiſchen Kaͤuffer und Verkaͤuffer ſtecke. Es fuͤhlet einSir. 27, 2. 3. probirter Chriſt ſeine Noth an der Seelen / da iſt Sorge / Furcht und Kummer von Leib - und Geiſtlichen Leid herruͤh -Sir. 40, 2. rend. Er klagt mit Aſſaph: Mein Geiſt muß forſchen;D 3Wird30Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Wird denn der Herr ewiglich verftoſſen / ꝛc. Und mit ſei -Pſ. 77, 7. ſeqq. nem Jeſu: Meine Seele iſt betruͤbet biß an den Tod. Matth. 26. 38.Noth am Leibe / den GOtt mit Kranckheit beleget / daß ihm eckelt fuͤr aller Speiſe / das der abgemattete Siechling wohlPſ. 107, 18. gantze Monden vergeblich arbeitet / und elender NaͤchteJob. 7, 3. ihm viel werden / daß man Hißkiæ Schmertz-Liedlein an - ſtimmen hoͤret: Jch winſele wie ein Kranich und Schwal - be / und girre / wie eine Taube / meine Augen wollen mir bre -Eſa. 38, 14. then. Herr / ich leide Noth / lindere mirs: Oder GOtt laͤſt ihn mit Armuth heimgeſuchet werden / oder in Leibes - und Lebens-Gefahr fallen. Summa die liebe Noth / iſtJob. 10, 17. unſer täglich Brodt. Es zuplagt mich eins uͤber das an - der mit Hauffen / muß man mit Hiob ſeuffzen. Es iſt all - hie ein Jammerthal / Angſt / Noth und Truͤbſahl uͤberall. Wenn nun auch der bittere Kelch ziemlich aus und geleeret iſt / ſo folgen noch die Hefen; Auf alle andere ſchwere / groſ - ſe / tauſendfache Noth koͤmmet die letzte / die hefftigſte / ſchrecklichſte und gefaͤhrlichſte / die Todes-Noth. Wie wir von Gott anfänglich zu einem im̃erwährenden Leben waren erſchaffen worden / ſo haben wir von natur einAbſcheu fuͤrm Tode / und verurſachet der bey uns recht ängſtliche Noth. Dieſer unbarmhertzige Feind fodert von uns nicht nur das rechte Auge / wie dort der Ammonitiſche Bluthund / der1. Sam. 11, 2. Nahas von den Leuten zu Gabes in Gilead. Er heiſcht nicht nur unſer Silber und Gold / und was uns lieblich iſt / wie der Syriſche Tyrann Benhadad vom Jſraelitiſchen Koͤni -1. Reg. 20, 6. ge Ahab; Sondern das liebſte / das groͤſte / das beſte / unſer Leben ſol und muß ſeine Beuthe und Raub ſeyn / dafuͤr manJob. 2, 4. ſonſt alle andere Haut / und was man hat / hinlaͤſſet.

Jn aller dieſer und anderer Noth haſtu nun / from - mes Hertz / zu deinem Troſt / Schutz / Huͤlffe und Rettungzuge -31Reichthum Goͤttlicher Guͤte. zugebrauchen aus dem Reichthum Goͤttlicher Guͤte / die Maͤchtige Hand deines Gottes / und mit David zuflehen; Fuͤhre mich aus meinen Noͤthen / יכאיצוה laß mich herausgehen / oder zeuch du mich heraus. Es iſt eine Glaubens-volle Bitte. Das nothleidende Hertz weiß und erkennet nicht allein / daß es GOTT ſelbſt habe laſſen hinein in ſeine Noth-Grube gehen und fallen / ſondern daß Er auch Macht und Gewalt habe / es wiederuͤm aus allen ſeinen Noͤthen zufuͤhren / und zuerretten / ja das er wolle und werde ſich ſeiner annehmen / und in den Noͤthen nicht gantz erliegen und verderben laſ - ſen. Es haͤlt ſich aber gleichſam beſtaͤndig an ſeines GOt - tes und Retters maͤchtige Hand / die ſoll retten / helffen und ausfuͤhren. Braucht gar fein das bequeme und gewoͤhnli - che Wort〈…〉〈…〉 צי, ſo nicht nur eine iede Auslaſſung aus Gefahr und Noth bedeut / als wann GOTT dem Noah nach ausgeſtandener Noth in der Suͤndfluth befiehlet; Gehe aus dem Kaſten du / und dein Weib / deine Soͤhne / und deiner Soͤhne Weiber mit dir. Allerley Thier / das bey dir iſt / von allerley Fleiſch / an Voͤgeln an Vieh / und an allerley Gewuͤrm / das auf Erden kreucht / das gehe her -Gen. 8, 16. 17. aus mit dir / (〈…〉〈…〉צוה fuͤhre es heraus;) ſondern auch eine ſolche Herausbringung / die mit der Hand geſchehen muß. Wie es Moſe ſagt von dem freygebigen Wohlthaͤter des Abrahams nach ſeiner Schlacht; Melchiſedech / der Koͤ -Gen. 14, 18. nig von Salem / trug Brod und Wein herfuͤr. Hiob brauchts / wenn er von der Huͤlffe GOttes / und deſſen maͤchtiger Hand in ſeiner Geburth reden will / und fraget; Waruͤm haſtu mich aus Mutterleibe kommen laſſen? Job. 10, 18.Sonderlich wird die heilſame Ausfuͤhrung des Loths von den beyden Engeln aus dem Verderben Sodoms mit ebendem32Reichthum Goͤttlicher Guͤte. dem Wort beſchrieben; Da er aber verzog / ſagt Moſe / er - griffen die Maͤnner ihn / und ſein Weib / und ſeine zwo Toͤchter bey der Hand / daruͤm / daß der Herr ſein ver -Gen. 19, 16. ſchonet / und fuͤhreten ihn hinaus; So wil nun das hier ſo andåchtig-vertraulich-und demuͤthig-betende Hertz auch von GOtt mit ſeiner måchtigen Hand aus dem Kercker / Grube / und Verderben ſeiner Noͤthen ausgefuͤhret ſeyn. Und zwar ſchlaͤgt es mit ſeinem Gebeth nicht uͤbel an. Gott ſelbſt erfoderts mit Verſprechen ſeiner Errettung; Ruffe mich an in der Noth / ſo will ich dich erretten / ſo ſoltu michPſ. 50, 15. preiſen. Wo anders hin kan und will man ſich auch wen - den / als zu dem / der uns nicht will verlaſſen / nicht verſaͤu -Joſ. 1, 5. men / nicht von uns weichen? Je groͤſſer Noth / ie naͤher GOtt. Jch bin bey ihm in der Noth / ich will ihn herausEbr. 13, 5. reiſſen / vertroͤſtet Er. Und abermahls; Fuͤrchte dich nicht /Pſ. 91, 15, ich bin mit dir. Weiche nicht / denn ich bin dein GOtt / ich ſtaͤrcke dich / ich helffe dir auch / ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit. So fuͤrchte dich nicht / du Wuͤrmlein Jacob / ihr armer Hauffe Jſrael. Jch helffe dir ſpricht der Herr / und dein Erloͤſer / der Heilige inEſa. 41, 10. 14. Jſrael. Ja fuͤrchte dich nicht / denn ich habe dich erloͤſet / ich habe dich bey deinem Namen geruffen / du biſt mein. Denn ſo du durchs Waſſer geheſt / will ich bey dir ſeyn / daß dich die Stroͤme nicht ſollen erſaͤuffen / und ſo du ins Feuer geheſt / ſoltu nicht brennen / und die Flamme ſoll dich nicht anzuͤnden / denn ich bin der Herr dein GOtt / der HeiligeEſa. 43, 1. 2. 3. in Jſrael / dein Heiland. Unſerm Ungluͤck iſt er mit ſeiner Macht gnug gewachſen. Seine rechte Hand kan alles aͤn -Pſ. 77, 11. dern. Seine Hand iſt nicht zu kurtz / daß Er nicht helffenEſa. 59, 1. koͤnne. Aus ſechs Truͤbſalen wird Er dich erretten / und in der ſiebenden wird dich kein Ubel ruͤhren. Jn der Theu -rung33Reichthum GoͤttlicherGuͤte. rung wird er dich vom Tod erloͤſen / und im Kriege von des Schwerdts Hand. Er wird dich verbergen fuͤr der Geiſſel der Zungen / daß du dich nicht fuͤrchteſt fuͤr dem Verderben / wenn es koͤmmt. Jm Verderben und Hunger wirſtu la - chen / und dich fuͤr den wildenThieren im Lande nicht fuͤrch - ten / wie Eliphas von Theman die Huͤlffe und SchutzJob. 5, 19. ſeqq. GOttes dem lieben Hiob prieſe. So verſtrickt und ver - wickelt ſind wir offt in dem Netz und Banden unſrer Noth / daß wir weder hinter noch vor uns koͤnnen / wir ſchauen zur Rechten / und ſiehe / da wil uns niemand koͤnnen / wir koͤn - nen nicht entfliehen / niemand nimmt ſich unſerer SeelenPſ. 142, 5. an. Alle Menſchliche Huͤlffe / Kunſt / und Krafft iſt bey uns umſonſt und verlohren. Solte aber da die Goͤttliche Weisheit keinen Rath wiſſen? Solte dem HErrn da was unmoͤglich ſeyn? Er hat exitus in morte, Ausgaͤnge in und von dem Tode / er weiß aus aller Noth / auch endlich vom Tode zuerretten. Uber dis ſo verſichert uns ſeine lieb -Pſ. 68, 21. treue Verheiſſung / die wir ſchon vernommen / auch ſeines guten und geneigten Willens / uns beyzuſpringen. Solte GOtt nicht retten ſeine Außerwehlten / die zu Jhm Tag und Nacht ruffen / und ſolte Gedult daruͤber haben. Jch ſage / ſpricht JEſus / die Warheit / er wird ſie erretten in ei - ner Kuͤrtze. Das laß dir / mein Hertz / bezeugen alle Heili -Luc. 18, 7. 8 gen des HErren / die die maͤchtige Hand GOttes in ihren Noͤthen gar heilſamlich geſpuͤret / und nunmehro ewig ruͤh - men und preiſen. Wer fuͤhrete Noah aus ſeinen Noͤthen / da er ein gantzes Jahr unter dem abſcheulichen bruͤllen und heulen der verſperreten Thiere auf den wuͤtenden Wellen der unergruͤndlichen Suͤndfluth in hoͤchſter Gefahr ſchwe - ben muſte? GOtt der Herr / der ihn in dieſe ſchwache Breter-Veſtung verſtecket / und verſchloſſen / auch darin -Enen34Reichthum Goͤttlicher Guͤte. nen bewahret / und ietzo herauszugehen befehlichte / wie wirGen. 8, 16. nur hoͤreten. Wer fuͤhrete den exulirenden Jacob aus ſo vielen Noͤthen / Truͤb-und Muͤhſeligkeiten? GOtt den erGen. 48, 16. ſeinen Engel nennet / der ihn erloͤſet habe von allem Ubel. Wer fuͤhrete Joſeph aus ſeinen Noͤthen / und errettete ihn von der Hand ſeiner Bruͤder / von ſeinem Dienſt-Zwang / und harten Gefaͤngniß? GOtt / der es in allen mit ihm gutGen. 50, 20. zumachen gedachte. Wer fuͤhrete den uͤber alle Menſchen auf Erden geplagten Moſen aus ſeinen Noͤthen? Wer riß ihn gewaltig aus des Wuͤterichs Pharao Klauen / aus der Tieffe des Meers / aus dem Trutz und Drohen der Auf - ruͤhriſchen Rotte? GOtt / der ihm verſprach: Jch wil mitExod. 3, 12. dir ſeyn. Hoͤre doch von unſern lieben David ſelbſt. Wer errettet ihn von Loͤwen und Baͤren / von Goliath / Saul / Abſalom und dergleichen Feinden / ſamt andern unzehlichen Noͤthen und Gefahren? GOtt ſeine Staͤrcke der Herr / ſein Felß / ſeine Burg / ſein Erretter / ſein GOtt / ſein Hort / auf den er trauete / ſein Schild und Horn ſeines Heils / undPſ. 18, 2. 3. ſein Schutz / wie er ſolche troͤſtliche Namen dem treuen Gott zulegte in dem Loblied / ſo er abſange / da ihn der Herr er - rettet hatte von der Hand ſeiner Feinde / und von der Handv. 1. Saul. Wer fuͤhrete Daniel aus ſeinen Noͤthen / da er im Loͤwengraben dem Tode ſchon im Rachen ſtack? Der eben / den er hertzlich bekennete und ſagte: MeinGOtt hat ſeinen Engel geſand / der den Loͤwen den Rachen zugehalten hat /Dan. 6, 22. daß ſie mir kein Leid gethan haben; Und den der Mediſche Monarch Darius ſo herrlich fuͤr ſeinem Volck prieß; Er iſt ein Erloͤſer und Nothhelffer / und er thut Zeichen und Wun -v. 27. der / beyde im Himmel und auf Erden / der hat Daniel von den Loͤwen erloͤſet. Wer fuͤhrte Jonam aus ſeinen Noͤthen / aus dem Bauche der Hoͤllen (wie er ſein abſcheulichesQuar -35Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Quartier / den Bauch des Wallfiſches nennete?) Der ſtar -Jon. 2, 3. cke Helffer / den er lobet / ſagende: Du haſt mein Leben aus demVerderben gefuͤhret / Herr mein GOtt. Der Herr /v. 7. der zum Fiſche ſprach / und derſelbigeJonam ausſpeiete ansv. 11. Land. Eben das wuͤrden uns mit Engliſchen Jauchzen al - le Heiligen Gottes / die hier durchs Jammerthal gegangen / und in manchen Nothſtall geſtecket haben / ruͤhmen. Wir erinnern uns fuͤglich eines frommen Kauffmanns / von dem Michael Sachs aus dem Sigm. Suevo eine merckwuͤrdigeSachſen[s]Keyſer - Chron. part. 4. pag. 374. Erzehlung mit folgenden Worten beybringet: Umb das Jahr 1550. wohnete ein Kauffmann zu Revel in Lieffland / Peter Perſeval genannt / ein frommer / ehrlicher Mann. Als der zu Luͤbeck allerley Wahr eingekaufft / und auf einem groſſen geladenen Schiff von Luͤbeck nach Revel inLieffland fahren wolte / kam er zwiſchen Schweden und Gutt-oder Gottland in groſſe Noth und Gefahr; Denn das Schiff ſtieß an verborgene Felſen / und zerbrach in viel Stuͤcke / alſo das alles / was von Menſchen und Guͤtern darinnen war / unterging / erſoff / verſunck und verdarb. Er allein erwiſch - te ein Stuͤck Brets / und ſchwamm darauf mit groſſer Ge - fahr und Arbeit ſo lange / biß er einen hohen Felſen im Meer herfuͤrgehend erreichte / darauf ſteig er mit Muͤhe / Gefahr und Arbeit / und ſaß darauf mit Furcht und Zittern drey Tage und Nacht / ehe er einiges Schiff / oder Menſchen ſe - hen kunte / rieff ohn unterlaß zu GOtt / umb Erhaltung / Beyſtand / und Errettung. Und ſihe / GOtt / der keinen verlaͤſſet / der auf ihn trauet / verſchaffet es wunderlich / daß gegen den erſten Abend zwo Tonnen aus dem Schiff vom Winde zu dem Felſen / darauf er ſaß / getrieben wurden / die zog er zu ſich / ſchloß ſie auf / fand in einer Betten / damit er ſich decken und waͤrmen kunte / in der andern Aepffel / damitE 2er36Reichthum GoͤttlicherGuͤte. er Hunger und Durſt leſchete / und ſich alſo die drey Tage erhielt. Am vierdten Tage ſihet er ein kleines Schifflein / ſo man Schwediſche Schutten nennet / von ferne kom - men / die im Schiff ſehen ihn auch wohl auf der Klippen ſi - tzen / dencken aber nicht / daß es ein Menſch ſey / ſondern ſehen es fuͤr ein Geſpenſt an / und fahren im̃er fort: Er aber rufft / ſo laut er kan / und wincket mit den Haͤnden / daß ſie zu ihm kommen / und ihm helffen wolten! Darum ſie zum Felſen ſich gewendet / zuſehen und hoͤren / was und wer da waͤre? Da ſie nun gruͤndlichen Bericht von ihm eingenommen / ſeines Schiffbruchs und wunderbahren Erhaltung / haben ſie ſich ſeiner erbarmet / ihn in ihr Schiff genommen / und gen Revel gefuͤhret. Damit nun dieſe Wunder-Geſchicht iedermann kund wuͤrde / und zu Gottes Ehren / und vieler Troſte / in ſtetem Gedaͤchtnuͤs bliebe / hat er daſſelbe abmah - len / und an einer groſſen Taffel vor dem Thore / da man zu Schiffe gehet / an einer hohen Seule aufhaͤngen laſſen. Nun eben dieſe maͤchtige Hand iſt noch ausgeſtrecket zuhelf - fen. Seine Hand zuhelffen hat kein Ziel / wie groß auch ſey der Schade.

USUS Warnung.

Jn die lege und ergib dich / mein Hertz / in allen / ſon - derlich in den letzten Todes-Noͤthen. Eile nicht einem an -Pſ. 16, 4. dern nach / denn das bringet groß Hertzeleid. Menſchen / Fuͤrſten / und Potentaten haben die maͤchtige Hand nicht / die dich aus deinen Noͤthen fuͤhren kan. Verlaſſet euch nicht auf Fuͤrſten / ſie ſind Menſchen / die koͤnnen ja nicht helffen. Denn des Menſchen Geiſt muß davon / und er muß wieder zur Erden werden / alsdenn ſind verlohren allePſ. 146, 3. 4. ſeine Anſchlaͤge. Wie der Wind im Walde ſo wohl die groſſen und ſtarcken / als kleinen und ſchwachen Baͤume anfaͤllet / ja bey jenen wohl ſchaͤdlicher hauſet / ſo ſchonetdie37Reichthum Goͤttlicher Guͤte. die Noth / wann ſie anſetzt / weder Gewaltige noch ſonſt Elende. Und muß mancher Großmaͤchtiger alsdenn ſeine Krafftloſigkeit erkennen / und mit dem Koͤnige Joram den Huͤlffſchreyenden abweiſen; Hilfft dir der Herr nicht / woher ſol ich dir helffen? von der Tennen / oder von der2. Reg. 6, 27. Kelter? Jſt auch gleich manchem Menſchen die Hand zu helffen uñ zuretten nicht gebunden / ſo wil ihm doch der lieb - loſe Unwille und Mißgunſt ſolches nicht geſtatten. Es ſihet der Reiche ſeinen Bruder darben / und ſchleuſt doch ſein Hertz fuͤr ihm zu. Der unbarmhertzige Prieſter und Levit1. Joh. 3, 17. koͤnnen eher den armen Verwundeten in ſeinem Blut erſti - cken laſſen / als ihm eine behuͤlffliche Hand bieten. DaherLuc. 10. gar nicht gut / auf Menſchen ſich verlaſſen. So offt diePſ. 118, 8. Jſraeliten vom Herrn ihrem GOtt ablaſſen / und Bey - ſtand bey Menſchen / bey benachbarten Koͤnigen und Voͤl - ckern ſuchen / laͤſſet ſie GOtt allezeit aus ſeiner maͤchtigen Huͤlffs-Hand fallen. Wann der ſonſt fromme Koͤnig Aſſa in ſeiner Kranckheit nicht den Herrn / ſondern die Aertzte ſuchet / ſo hilfft ihm das nicht allein gantz nichts / ſondern GOtt laͤſſets ihm auch zu unaufhoͤrlicher Schande in ſei - nem Wort nachſchreiben. Ja ſo ſpricht der Herr: Ver -2. Chron. 16, 12. flucht iſt der Mann / der ſich auf Menſchen verlaͤſt / und haͤlt Fleiſch fuͤr ſeinen Arm / und mit ſeinem Hertzen vom Herrn weicht. Der wird ſeyn wie die Heide in der Wuͤſten / und wird nicht ſehen den zukuͤnfftigen Troſt / ſondern wird blei - ben in der Duͤrre / in der Wuͤſten / in einem unfruchtbaren Lande / da niemand wohnet. Noch weniger wende dichJer. 17, 5. 6. Hertz in deinen Noͤthen zu dem Satan / und ſeinen Werck - zeugen / wie Saul der abtruͤnnige Koͤnig / da GOtt von ihm gewichen war / ſich wendete zu der Zauberin zu Endor / und fragte den verkappten Teufel umb Rath; Oder wie1. Sam. 7, 8.E 3Aha -38Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Ahasja / Koͤnig in Jſrael Bothen hin ſandte / und Baal Sebub den Abgott zu Ekron wolte fragen laſſen; Ob er2. Reg. 1, 2. von ſeiner Kranckheit geneſen werde? Mit der Hand / da unſer Seelen-Feind aus zeitlichen Noͤthen auszufuͤhren ſcheinet / ſtuͤrtzet er in ewigen Jammer und Verderben. Druͤmb allein in deine Hand uns geben wir / O GOtt / du lieber Vater / denn unſer Wandel iſt bey dir / hie wird uns nicht gerathen. Das iſt die Hand / in die wir das theure Kleinoth unſererSeelen im Sterben am ſicherſten einlegen und uͤbergeben koͤnnen / und mit unſerm Jeſu ſeuffzen; Va -Luc. 23, 46 ter / ich befchle meinen Geiſt in deine Haͤnde.

Hierinnen folgete ſeinem Erloͤſer unſer ſel. HerrCant. 2, 6. cap. 8, 3. Mitbruder. Wie dieſe ſuͤſſeſte Liebes-Hand ihn gekuͤſſet / wie ſie ihn von Jugend auf gefuͤhret / geleitet / getragen; al - ſo muſte auch ſie ihm ietzo der feſte Schatz-Kaſten ſeyn / da - rein er andaͤchtig und vertraulich das liebe Pfand ſeiner Seelen einlegte / und mit David ausbrach; Jn deine Hände befehl ich meinen Geiſt / du haſt mich erloͤſet / HErrPſ. 31, 6. du treuer GOtt. Nun iſt auch die gerechte Seele in Got -Sap. 3, 1. tes Hand / und keine Quaal ruͤhret ſie an. Ja ſie hat em - pfangen ein herrliches Reich / und eine ſchoͤne Krone ebenSap. 5, 17. von dieſer Hand des Herrn. Den verblaßten Leichnam wird auch dieſe maͤchtige Hand in ſeiner ſanfften Erden -Pſ. 34, 21. Ruhe mit allen ſeinen Gebeinen bewahren / daß der nicht ei - nes zerbrochen werde / und an jenem groſſen Tage wird ſie ſelbſt ſein Grab aufdecken / und auch ihn zur Freud erwe - cken. Solche maͤchtige Hand GOttes haben bey dieſem Trauerfall anzuſehen die damit betruͤbten Hertzen. Sie hatte ihnen gegeben / was ſie genom̃en / genom̃en und gefuͤh - ret aus allen Noͤthen. Es iſt die Vaͤterliche Liebes-Hand / die ſie verletzet / doch wieder wird verbinden / die ſie geſchla -gen39Reichthum Goͤttlicher Guͤte. geſchlagen doch wieder wird heilen / uñ auch aus dieſen ihren Noͤthen ausfuͤhren. Der biß und bleib auch du / ô frommerJob. 5, 18. Chriſt / ergeben wie in allen / alſo fuͤrnehmlich in den letzten Todes-Noͤthen / und ſeuffze von Hertzen;

HErr / meinen Geiſt befehl ich dir /
Mein GOtt / mein GOtt / weich nicht von mir /
Nim mich in deine Haͤnde /
O wahrer GOtt /
Aus aller Noth
Hilff mir am letzten Ende! Und;
Wann du an jenem Tag die Toden wirſt auf -
wecken /
So thu auch deine Hand zu meinem Grab aus -
ſtrecken /
Laß hören deine Stimm / und meinen Leib
weck auf /
Vnd fuͤhr ihn ſchoͤn-verklaͤrt zum Auſzer -
wehlten Hauff!

Bey dem Herrn unſern Gott habẽ wir in dem ReichhumIII Ein mitleidiges Auge. ſeiner Guͤte (3) zufinden ein mitleidiges Auge. Nach dem wendet ſich mit David unſer ſeliger Herr Mit - bruder / und ſeuffzet: Siehe an meinen Jam̃er und Elend. Ein leibliches Auge (wie auch Ohr / Hand und Hertz) bilde man ſich bey GOtt / der ein Geiſt iſt / nicht ein. Jedoch wird Jhm in ſeinem Wort gar offt auch das Auge zugeleget / und damit ſeine Allgegenwart / Providentz und Regierung / Allwiſſenheit / Majeſtaͤt / Zorn / und dann auch wohl ſeine troͤſtliche Erbarmung / uñ gleichſam ein Lieb - und huͤlff-reiches Mitleiden angemercket. Der H. AuguſtinusAuguſtinꝰ hat in Erwegung deſſen an einem Orth geſchrieben; Deus2. Chron. 16, 9. totus oculus eſt, Gott iſt lauter Auge. Des Herrn Au -gen40Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Job. 34, 21.gen ſchauen alle Land. Seine Augen ſehen auf eines iegli - chen Wege / und Er ſchauet alle ihre Gänge. Die Augen des Herrn ſchauen an allen Orthen beyde die Boͤſen undPro. 15, 3. Frommen. Ja die Augen des Herrn ſind viel heller / denn die Sonne / und ſehen alles / was die Menſchen thun / uñ ſchauen auch in die heimlichen Winckel. Alle Dinge ſindSir. 23, 28. ſeqq. Jhm bekant / ehe ſie geſchaffen ſind. Meineſtu / daß ſich ie - mand ſo heimlich verbergen koͤnne / daß ich ihn nicht ſehe /Jer. 23, 24. ſpricht der Herr. Das erkennet David / und ſagt; Wo ſoll ich hingehen fuͤr deinem Geiſt / und wo ſoll ich hinflie -Pſ. 139, 7. hen fuͤr deinem Angeſicht? Dahin ſahen auch die ſinnrei -teſte B. Ur - ſino Anal. v. 2. l. 6. cap. 18. chen Aegyptier / welche GOtt mit einem Auge aufm Scep - ter abzubilden pflegten. Wie ſonſt mit den Augen am er - ſten und leichteſten ein entruͤſtetes Gemuͤth ſich verräth; alſo wird auch das Auge zum Zeichen des Goͤttlichen Zorns / Rache und Straffe in H. Schrifft gebrauchet. Da dort der bekuͤmmerte Koͤnig Hiskia die laͤſterlichen Briefe vom Sanherib empfangen hatte / breitete er dieſelben aus fuͤr dem Herrn / und rieff deſſen gerechte Augen uͤm Rache an / betete; Herr / neige deine Ohren / und hoͤre / thue dei - ne Augen auf / und ſiehe / und hoͤre die Wort Sanherib /2. Reg. 19, 16. der her geſand hat / Hohn zu ſprechen dem lebendigen GOtt. Und der niedriget auch mit ſeinen Augen die Ho -2, Sam. 22, 28. hen. Siehe die Augen des Herr ſehen auf ein ſuͤndiges Koͤnigreich / daß ichs vom Erdboden gantz vertilge / ſprichtAmos. 9, 8. der Herr abermahls. Wehe! wem Er / wie dem abtruͤn - nigen Jſrael drohet; Mein Auge ſoll dein nicht ſchonen /Ezech. 5, 11. und will nicht gnaͤdig ſeyn. Mit den Augen kan man aber auch freundliche angenehme Liebes-Blicke geben / und ſo will uns auch der allein-gute GOtt ſeine Lieb - und Huld - Huͤlff - und Segen-reiche Neigung mit dem Namen zuer -kennen41Reichthum Goͤttlicher Guͤte. kennen geben laſſen. So lobet Moſe ſeinem Volck das geſegnete Land Canaan; Auf welch Land der Herr dein GOtt acht hat / und die Augen des Herrn deines Gottes immerdar darauf ſehen / von Anfang des Jahrs / biß ans Ende. Salomo bath den Herrn bey der herrlichen Ein -Deut. 11, 12 weihung ſeines Tempels / daß doch ſeine Augen moͤchten offen ſtehen uͤber diß Hauß Tag und Nacht. Und GOtt1. Reg. 8, v. 29. c. 9, 3. verſprachs ihm bald drauff: Meine Augen / und mein Hertz ſollen da ſeyn allewege. Elihu ruͤhmet von GOtt: Er wendet ſeine Augen nicht von dem Gerechten. SiheJoh. 36, 7. des Herrn Auge ſihet auf die / ſo ihn fuͤrchten / die auf ſei - ne Guͤte hoffen / daß er ihre Seele errette vom Tode / und er -Pſalm. 33, v. 18. 19. nehre ſie in der Theurung. Von den Augen des Herrn verſtoſſen ſeyn / heiſſet in der Schrifft / von GOTT ohne Troſt / Huͤlffe / Rettung und Beyſtand gelaſſen werden. Mit ſolchen ſeinem gnaͤdigen Auge ſihet nun der Hoͤchſte nicht nur unſer Gluͤck / und erfreulichen Wohlſtand / ſon - dern auch unſer Jammer und Elend an. Betruͤbte und jaͤmmerliche Sachen ſind uns Menſchen gemeiniglich ver - druͤßlich an zuſehen. Seit Eva den luſtigen Baum im Pa -Gen. 3, 6. radieß mit ſuͤndlich-begierigen Augen angeſchauet / ſind unſere Augen dermaſſen verwoͤhnet / daß ſie lieber auf den reichen Mann in ſeiner Pracht und Wohlleben / als auf den lieben Lazarum in ſeiner Armuth und Schweren ge - richtet ſind. Ja wenn wir offt unſere Augen dem elenden Nechſten goͤnnen / ſo geſchichts doch etwan ohne Mitleiden / wie Joſephs Bruͤder die Angſt ſeiner Seelen ſahen / da er ihnen flehet / und ſie wolten ihn doch nicht erhoͤren; OderGen. 42, v. 21. wir haben gar ὀφϑαλμὸν ϖονηρὸν, ein Schalcks-Auge / und ſehen des Nechſten Leid mit Freud und Ergoͤtzung an / undPſalm. 35, v. 21. 25. ſagen: Da da / das ſehen wir gerne / das wolten wir. DerFgrund -42Reichthum Goͤttlicher Guͤte. grundguͤtige GOtt aber ſihet gerne / ſihet mitleidig / ſihet zu unſerm heilſamen Nutz unſer Elend und Jammer an. Er ſelbſt verſichert deſſen / wann Er ſpricht: Jch ſehe an den Elenden / und der zerbꝛochenesGeiſtes iſt / und der ſich fuͤrch -Eſa. 66, 2. tet fuͤr meinem Wort. Und das iſt ſein Lob biß an der Welt Ende / das ihm der zehende Pſalm giebet; Du ſiheſt ja / denn du ſchaueſt das Elend und Jammer / es ſtehet in deinen Haͤnden / die Armen befehlens dir / du biſt der Wai -Pſa. 10, 14. ſen Helffer. Darum denn David auch hier / und mit ihm ein iedes in gleicher Noth ſteckendes Hertz zu ihm ſeine Zu - flucht nehmen / und umb ein mitleidiges Auge ſeuffzen mag. Umb daſſelbe rieff den Herrn in ihrer Bedrängniß an die Kirche Altes Teſtaments / durch ihren Vorſänger / den Aſſaph: GOtt Zebaoth / war ihr Beth-Lied / wende dich doch / ſchau vom Himmel / und ſihe an / und ſuche heim die - ſen Weinſtock / und halt ihn im Bau / den deine Rechte ge - pflantzet hat / und den du dir feſtiglich erwehlet haſt. Sihe drein / und ſchilt / daß des Brennens und Reiſſens ein Ende werde. Deine Hand ſchuͤtze das Volck deiner Rechten /Pſal. 80, 15. ſeqq. die Leute / die du dir feſtiglich erwehlet haſt. Das erſeuffzete auch Daniel / da er in ſeinem Hertzeifferigen Gebet klagte: Und nun / unſer GOtt / hoͤre das Gebet deines Knechts / und ſein Flehen / und ſihe gnaͤdiglich an dein Heiligthum / das verſtoͤret iſt / uͤmb des Herrn willen. Neige deine Ohren / mein GOtt und hoͤre / thue deine Augen auf / undDan. 9, 17. 18. ſihe / wie wir verſtoͤret ſind / und die Stadt / die nach deinem Namen genennet iſt.

Jammer.

Hie wil David gerne von GOTT angeſehen haben ſeinen Jammer. Nennet den in ſeiner Sprache יגע, ſo ſonſt Plage / Quaal und Armuth heiſſet / als wenn Joſeph ſeinen erſten Jammerſtand in Egypten wil beſchreiben / ſonen -43Reichthum Goͤttlicher Guͤte. nennet er daſſelbe das Land ſeines Elends ויגע, darinnenGen. 41, 52. er Armuth / Qual und Pein gnug ausſtehen muſte. Kein Menſch / er ſey ſo gluͤckſelig / als er kan / mag allerdings von ſolchem Jammer befreyet ſeyn. Solche unſelige Muͤhe / זינ〈…〉〈…〉 hat GOtt den Menſchen Kindern gegeben / daß ſie ſich drinnen muͤſſen quaͤlen. Wie die ſiebentzig GriechiſchenCobel. 1, v. 13. Dolmetſcher es gegeben haben ταπείνωσιν, ſo hats auch der gemeine Lateiner vertiret; humilitatem, Niedrigkeit. Und wil Euthymius ſolches erklaͤren / de cordis contritione acapud Lo - rinum h. l. humilitate, von des Hertzens Reue und Demuth / uͤber dis auch de ſpontaneâ corporis afflictatione, propter quas pe - tit ſibi peccata ignoſci; von einer freywilligen Plage und Marter des Leibes / uͤmb derer willen David bitte / daß ihm die Suͤnden moͤgten verziehen werden. Wie aber der Geiſtreiche Mann Gottes David von der Paͤbſtiſchen fla - gellation, Geiſſelung / und von andern dergleichen ſelbſter - wehlten Leibes-Peinigungen / auch ſonſt von keiner eigenen ſatisfaction und Bezahlung ſeiner Miſſethaten und Suͤn - den-Schulden wuſte / alſo wird ihm dieſer irrige Sinn gantz vergebens angedichtet: Und iſt auch daher der Papi - ſten Muͤhe umſonſt / wann ſie aus dieſem Glaubens-Seuf - zer des H. Propheten ihren Lehr-Satz erweiſen wollen; Daß uns GOtt unſere Suͤnde in Anſehung unſerer buß - fertigen Demuth erlaſſe: Denn dieſe laͤſterliche Meinung ſtreitet mit dem gantzen 25. Pſalm / nnd deſſen Zweck / als in welchem David dem groſſen GOtt nicht ſeine ſelbſteigne Verdienſte / ſondern deſſelben einige Gnade in dem Herrn Meßia fuͤrhaͤlt / und betet unter andern: Gedencke nicht der Suͤnde meiner Jugend / und meiner Ubertretung / ge - dencke aber mein nach deiner Barmhertzigkeit / umb deiner Guͤte willen. Jtem: Umb deines Namens willen / (das iſt /verſ. 7.F 2wie44Reichthum Goͤttlicher Guͤte. wie es etzliche nicht ungegruͤndet erklaͤren / umb des Meſ -verſ. 11. ſiæ willen / der gleichen Namen / als wahrer GOtt / mit dir traͤget /) ſey gnädig meiner Miſſethat / die da groß iſt. Es iſt das Vorgeben der Paͤbſtler zuwider dem demuͤthigen Gebet des Davids. Wann man mit Demuth / oder eige - nen Wercken und Leiden / Gnade und Vergebung der Suͤn - den bey GOtt erwerben koͤnte / ſo waͤre Gott ſchuldig und verbunden / uns ſolche wiederfahren zulaſſen / und als einen gebuͤhrenden Lohn unſeres Verdienſtes abzuſtatten / und waͤre alſo nicht von noͤthen ſeine Erbarmung zu implori - ren / und ſolche Gaben ihm abzubetteln. So aber heiſt es:Pſalm. 32, 5. 6. Dafuͤr (vernimm umb die Vergebung der Miſſethat ihrer Suͤnde) werden dich alle Heiligen bitten zur rechten Zeit. Gedachter Jrrthum iſt ſo hefftig dem allertheureſten und vollkommenen Verdienſt unſers Herrn Jeſu Chriſti entgegen / daß er auch daſſelbe ſchnur ſtracks mit alle ſeiner Krafft und Wuͤrckung laͤugnet und aufhebet. Haͤtteſtu dir was kunt erwerben / was darff Chriſtus fuͤr dich ſterben? Und alſo widerſpricht derſelbe auch der gantzen heiligen Schrifft / derer Jnhalt dieſer iſt: Nicht umb der Wercke willen / die wir gethan hatten / ſondern nach ſeiner Barm - hertzigkeit machet uns Gott ſelig / durch unſern HerrnTit. 3, 5. 6. Jeſum Chriſtum. Daher der eifferige Vorfechter desin h. l. Roͤmiſchen Glaubens / der Cardinal Bellarminus ſelbſt ſich hier eines beſſern beſinnet / und ſchreibet: Non intelligit humilitatem, virtutem, ſed abjectionem & vilitatem; David verſtehet hier nicht die Demuth / die Tugend / ſon -vid. B. Gerh. C. C. lib. 2. ſpec. part. 3. art. 16. c. 5. p. 102. dern ſeine Verachtung und Wenigkeit. Dem ſtimmet Gene - brardus bey: Vide, ſagt er / humilitatem, hoc eſt, miſeri - am meam; Sihe an meine Demuth / das iſt / mein Elend. Welche Erklaͤrung auch dem Jeſuiten Lorino behaget. Es45Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Es wollen aber etzliche durch dieſen Jammer die verderbte Schwachheit und Unvermoͤgenheit im Guten / und ſuͤndli - che Neigung zum Boͤſen angedeutet haben / wie wir denn allzumahl in ſolchem Jammer ſtecken / und ſind elend / und jaͤmmerlich / arm / blind und bloß; Unſers HertzensApoc. 3, 17. dichten und trachten iſt nur boͤſe von Jugend auf / und im -Gen. 6, 5. c. 8, 21. merdar. Was wir aber oben von den Noͤthen erinnert ha - ben / daß nicht allein der boͤſe Baum / ſondern auch die boͤſe Frucht damit gemeinet werde / eben das mag auch hier von dem Jammer angenommen werden.

Das fromme Hertz Davids flehet ferner / daß derElend. Allerguͤtigſte GOtt an ihm den Reichthum ſeiner Guͤte er - zeigen wolle / und anſehen ſeinElend; Sihe an meinen Jammer und Elend. Dieſes heiſt in der H. Sprache〈…〉〈…〉 מע (davon das Lateiniſche / mola, und Teutſche / Mah - len kommen ſol) Arbeit und Beſchwerung. Und wird da - mit (wie auch mit dem zuvor genenneten Jammer) nicht gemeinet wie etliche wollen; Chriſti humilitas & labor in paſſione, propter quæ dimitti velit membrorum peccata, des Herrn Chriſti Erniedrigung und Arbeit in ſeinem ſchweren und bittern Leiden / umb derer willen Er ſeinen Gliedmaſſen die Suͤnden wolle erlaſſen haben. Es giebet dieſer Pſalm keine Anzeigung / daß er inſonderheit auf un - ſern Heiland wolle gezogen / und von ihm erklaͤret ſeyn. So iſt auch die Auslegung der Lateiner beym Lorino allzuſehr eingeſchrencket / als die fuͤrgeben / die Kirche habe dieſen Jammer und Elend / humiliter tolerando intra ſe pravos, patienter ferendo perſecutores externos, indem ſie mit Demuth die Boͤſen in ihr vertrage / und die auswaͤrtigen Verfolgere mit Gedult leide. Wie Jammer alles das je - nige iſt / ſo uns zu Hertzen gehet / und Leid und BetruͤbnisF 3erre -46Reichthum Goͤttlicher Guͤte. erreget / alſo heiſt hier Elend alles Ungluͤck (mit welchem Wort der Herr Lutherus ſonſt das〈…〉〈…〉 מע gibet) darinnen wir in dieſer Muͤhſeligkeit ſtets arbeiten muͤſſen. Der Menſch wird doch zu Ungluͤck gebohren / wie die VogelJoh. 5, 7. ſchweben empor zufliehen. Wir wollen nicht ſagen von der Suͤnden-Arbeit / darinnen ſichs manches Weltkind ſauer genug werden laͤſſet / die Hoͤlle damit zuverdienen / wie Sa - lomo auch anmercket / und in ſeinem Beichtbuch ſaget: DieCohel. 10, v. 15. Arbeit der Narren wird ihnen ſauer. DesGottloſen Zun - ge richtet (mit der falſchen Lehre) Muͤhe und Arbeit an. Pſal. 10, 7.Sihe der hat Boͤſes im Sinn / mit Ungluͤck iſt er ſchwan - ger. Er wird aber einen Fehl gebaͤhren. Er hat eine Gru - be gegraben / und ausgefuͤhret / und iſt in die Grube gefal -Pſal. 7, 15. ſeq. len / die er gemacht hat. Sein Ungluͤck wird auf ſeinen Kopf kommen / und ſein Frevel auf ſeine Scheitel fallen. Es iſtCoh. 6, 7. ſonſt einem ieglichen Menſchen Arbeit aufgelegt nach ſei - ner Maſſe. Wir haben unſer gemeine Chriſten-Arbeit / dazu Paulus vermahnet: Meine lieben Bruͤder / ſeyd feſte / unbeweglich / und nehmet immer zu in dem Wercke des Herrn / ſintemahl ihr wiſſet / daß euer Arbeit nicht ver -1. Cor. 15, v. 58. geblich iſt in dem Herrn. Jſt eben die Arbeit in die auch Petrus uns wil verbunden haben. So wendet allen euren Fleiß daran / ſagt er / und reichet dar in eurem Glauben Tu - gend / und in der Tugend Beſcheidenheit / und in der Be - ſcheidenheit Maͤßigkeit / und in der Maͤßigkeit Gedult / und in der Gedult Gottſeligkeit / und in der GottſeligkeitBruͤ - derliche Liebe / und in der Bruͤderlichen Liebe gemeineLiebe; Denn wo ſolches reichlich bey euch iſt / wirds euch nicht faul noch unfruchtbar ſeyn laſſen in der Erkaͤntnuͤs unſers Herrn Jeſu Chriſti. Welcher aber ſolches nicht hat / der iſt blind / und tappet mit der Hand / und vergiſſet der Rei -nigung47Reichthum Goͤttlicher Guͤte. nigung ſeiner vorigen Suͤnde. Darum / lieben Bruͤder / thut deſto mehr Fleiß / euren Beruff und Erwehlung feſt zu - machen: Denn wo ihr ſolches thut / werdet ihr nicht ſtrau - cheln / und alſo wird euch reichlich dargereichet werden der Eingang zu dem ewigen Reich unſers Herrn und Hei - landes Jeſu Chriſti. Jn ſolcher Arbeit haben wir / wegen2. Pet. 1, 5. ſeqq. der ſchweren Anfechtung und Hindernis unſer Geiſtlichen Feinde / eine gute Ritterſchafft zuuͤben / und nur dahin zu - trachten / daß wir den Glauben und gut Gewiſſen behalten /1. Tim. 1, v. 18. 19. und ja nicht daran Schiffbruch erleiden. Nebſt dieſen a - ber hat ein ieder auch ſeine ſonderbahre leibliche Beruffs - Arbeit / in und bey der er keine Sorge / Muͤhe / Fleiß undSir. 3, 22. Treue ſparen ſol. Was dir GOtt befohlen hat / deß nim̃ dich ſtets an / und alles / was dir fuͤr handen koͤmmt zuthun /Cohel. 9, v. 0. 1 das thue friſch. Und alſo iſts gewiß / daß unſer gantzes Le - ben / wenns noch ſo koͤſtlich / doch nur Muͤhe und Arbeit iſt. Pſal. 90, v. 11.Dabey kans nun in dieſer boͤſen Zeit an Ungluͤck / an Elend nicht fehlen. Wie aber ſol man ſich denn bey deſſen Er - fahr - und Empfindung helffen? Am beſten / wenn man mit troͤſtlichen und andaͤchtigen Seuffzen ſeine Hertzens-Au - gen in dem Reichthum Goͤttlicher Guͤte auch auf das mitleidige Auge des treueſten Gottes richtet / und be - tet: Sihe an meinen Jammer und Elend. Quid eſt; Vide? fragt Auguſtinus, was iſt das; Sihe an? undAuguſtin. tract. 49. in Joh. t. 9. col. 364. C. antwortet ihm ſelbſt; Miſerere: Videt enim Dominus, quando miſeretur, Es iſt ſo viel / als / Erbarme dich / denn da ſihet der Herr an / wenn er ſich erbarmet. Da - her auch Hugo dazu ſetzet: Reſpice me oculis miſericordiæ,Hugo. Sihe mich an mit den Augen der Barmhertzigkeit. Got - tes Anſehen iſt nicht eine bloſſe und Krafftloſe Erblickungund48Reichthum Goͤttlicher Guͤte. und Betrachtung eines Dinges / ſondern wie die Sonne / was ſie beſcheinet / auch mit erleuchtet und erwaͤrmet / ſo wirfft der Vater aller Guͤte aus ſeinen Augen lauter Gna - den-Troſts - und Huͤlffsblicke auf unſern Jammer und Elend. Mit ſolchen Augen ſahe Er an die fluͤchtige Ha - gar / und ſie hieß den Namen des Herrn / der mit ihr re - det; Du GOtt ſiheſt mich / denn ſie ſprach: Gewißlich ha -Gen. 16, v. 13. be ich hie geſehen den / der mich hernach angeſehen hat. So ward von ihm der ſo hochgekraͤnckte Vater Abraham / und der in aͤuſſerſter Lebens-Gefahr ſchwebende Sohn Jſaac angeſehen / da jener dieſem das Leben / ſo er ihm gegeben / oh - ne Urſach wieder zunehmen befehliget ware von GOtt / derGen. 22, v. 14. c. 31, 1 z. es aber ſelbſt hinderteund gnaͤdig abwendete / und Abraham hieß die Staͤte; Der Herr ſihet. Daher man noch heutiges Tages ſaget: Auf dem Berge / da der Herr ſihet. Eben der HErr ſagte dort zum Jacob: Jch habe alles geſehen / was dir Laban thut. Von den gepreſſeten Jſraeliten in AegyptenExod. 3, 9. ſagt er zu Moſe: Jch habe geſehen ihre Angſt / wie ſie die Aegypter ängſten. Davon auch Moſe ſeinem Volck offt - mahls predigte / und ſprach: Die Aegypter handelten uns uͤbel / und zwungen uns / und legten einen harten Dienſt auf uns. Da ſchrien wir zu dem Herrn / dem GOTT unſer Vaͤter / und der Herr erhoͤret unſer Schreien / undDeut. 26, v. 6. 7. ſahe unſer Elend / Angſt und Noth. Wann GOtt der Niniviten Wercke ſihet / daß ſie ſich bekehren von ihrem boͤ -Jon. 3, 10. ſen Wege / reuet ihn des Ubels / das er geredt hatte / ihnen zuthun / und thats nicht. GOtt laͤſt Hißkiam troͤſten: Jch habe dein Gebet gehoͤret / und deine Thraͤnen geſehen. Si -Eſa. 38, 5. he / ich wil deinen Tagen noch funffzehen Jahr zulegen. Wann der liebſte Jeſus die aͤngſtlich-Leidklagende Witt - we zu Nain anſihet / jammert ihn derſelbigen / und ſprichtzu49Reichthum Goͤttlicher Guͤte. zu ihr: Weine nicht: Ja ſchenckt ihr ihren Sohn lebendigLuc. 7, 13. wieder. Da er das blutfluͤßige Weib ſahe / kriegte ſie bald den erfreulichen Troſt: Sey getroſt / meine Tochter / dein Glaube hat dir geholffen / und ward geſund zu derſelbigen Stunde. Wars nicht ein kraͤfftiges Anſehen / damit er denMatt. 9, 22. untreuen Verläugner Petrum bekehrete / und von ſeiner gefaͤhrlichen Suͤnden-Noth errettete? Eben ſo / wenn erLuc. 22, 61. noch heut zu Tage unſern Jammer und Elend anſihet / muß alle daſſelbe weichen / wie / wenn die Sonne aufgehet / alle wilde Thiere ſich davon heben / und in ihre Loͤcher legen. Pſ. 104, 22.Da gehet unſerm Hertz die Troſt - und Huͤlffs-Sonne auf nach dem Ungewitter / und nach dem Heulen und Weinen wird es uͤberſchuͤttet mit Freuden / daß es ausbricht: VonTob. 3, 23. GOtt koͤmmt mir ein Freuden-Schein / wenn du mit dei - nen Aeugelein mich freundlich thuſt anblicken.

Wilſtu aber / liebe Seele / von deinem GOtt in dei -USUS. Vermah - nung. nem Jammer und Elend alſo angeſehen ſeyn / ſo muſt auch du ein vertrauliches / williges / gehorſames / und gedultiges Auge auf ihn richten. Jch hebe meine Augen auf zu dir / der du im Himmel ſitzeſt. Sihe wie die Augen der Knechte auf die Haͤnde ihrer Herren ſehen / und die Augen der Magd auf die Hände ihrer Frauen ſehen; Alſo ſehen un - ſere Augen auf den Herrn unſern GOTT / biß Er uns gnaͤdig werde. Es geſchicht offt / daß GOtt im Augen -Pſ. 123, 1. 2. 3. 4. blick des Zorns ſein Angeſicht ein wenig von dir zuverber - gen ſcheinet / druͤm iſt Gedult von noͤthen / daß du den Wil -Eſa. 54, 8. len GOttes erkenneſt / demſelben dich willig unterwerffeſt /Ebr. 10, 36. und Jhm / ſo lange er will / ſtille halteſt. Faſſet eure SeeleLuc. 21, 19. mit Gedult / iſt des Herrn JEſu Regul. Jn der Zuͤch - tigung hat man nicht ſo wohl auf die Ruthe / als auf die Hand zuſehen / welche jene fuͤhret / und damit zuſchlägt. GDein50Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Hoſ. 6, 1.Dein Jammer und Elend koͤmmt von Gott; Der zureiſſt / der ſchlaͤgt. Jſt auch ein Ungluͤck in der Stadt / daß derAmos. 3, 6. Herr nicht thue? Wer darff denn ſagen / daß ſolches ge - ſchehe ohne des HerrnBefehl? Und daß weder boͤſes nochThren. 3, 37. 38. gutes komme aus dem Munde des Allerhoͤchſten? Jch bin der Herr ſpricht Er / der ich das Licht mache / und ſchaffe die Finſternis / der ich Friede gebe / und ſchaffe das Ubel. JchEſa. 45, 7. bin der Herr / der ſolches alles thut. Was ein Vater ſeinem Kinde widerfahren ſihet / ſo er hindern oder gar ab - wenden koͤnte / und doch zulaͤſſet / das kan nicht ohne und wider ſeinen Willen geſchehen. Es muß ja Gottes WilleThren. 3, v. 33. ſeyn / dich in Jammer und Elend zuſehen. Nicht zwar / als wenn Er ſeine Luſt an deinem Ungluͤcke haͤtte. Nein! Nicht von Hertzen plagt und betruͤbtEr die Menſchen. Ein guͤtiger Richter hat kein Wohlgefallen an der Straffe der Schuldi - gen. Einem Vater iſts nicht eben lieb / wenn er die Kinder hart halten muß. Der allerweiſeſte Himmels-Vater hat ſeine wichtige Urſachen. Jſts nicht eben eine Straffe / wenn er zuͤchtiget / ſo iſts doch eine nuͤtzliche Pruͤfung / und noͤthige Bewahrung fuͤr ſchweren Suͤndenfaͤllen.

Kinder / die der Vater ſol /
Ziehn zu allen guten /
Die gerathen ſelten wohl
Ohne Zucht und Ruthen
Bin ich denn nun Gottes Kind /
Waruͤm wil ich fliehen /
Wenn Er mich von meiner Suͤnd /
Auf was guts wil ziehen?

Doch ſol auch dein Jammer und Elend nicht umſonſt er -2. Cor. 4, v. 17. lidten werden. Deine Truͤbſal / die zeitlich und leicht iſt / ſol dir ſchaffen eine ewige und uͤber alle Maß wichtige Herr -lig -51Reichthum Goͤttlicher Guͤte. ligkeit. Dulteſtu mit / ſo wirſtu mit herrſchen. Seyd froͤ -2. Tim. 2, 12. lich und getroſt / ſagt der Herr Jeſus / es wird euch im Himmel wohl belohnet werden. Solche ſtattliche Gna -Matt. 5. 2 den-Belohnung mag ja deiner Gedult werth ſeyn. Jſt eine Tugend / die GOtt in ſeinem Wort anbefehlen laͤſſet / ſo iſts gewiß die liebe Gedult. Seid gedultig in Truͤbſal / ge - beut Paulus ſeinen Roͤmern cap. 12. Gedult / ſagt erRom 12, 12 zun Ebreern / Gedult iſt euch Noth / daß ihr den Willen Gottes thut / und die Verheiſſung empfahet. Das ſolte derEbr. 10, 36. Troſt ſeyn / den die Jſraelitiſche Kirch-Mutter ihren ge - gefangenen Kindern zuſprach beym Baruch: Jhr Kinder /Bar. 4, 25. leidet gedultiglich den Zorn / der von GOtt uͤber euch koͤm - met. Sirach gibt auch davon eine ſchoͤne Regul: MeinSir. 2. 1 ſeq. Kind / wiltu Gottes Diener ſeyn / ſo ſchicke dich zur Anfech - tung. Halt feſte / und leide dich / und wancke nicht / wenn man dich davon locket. Halt dich an GOtt und weiche nicht / auf daß du immer ſtaͤrcker werdeſt. Alles / was dir widerfaͤhret / das leide / und ſey gedultig in allerley Truͤb - ſal. Denn gleich wie das Gold durchs Feuer / alſo werden die / ſo Gott gefallen / durchs Feuer der Truͤbſahl bewaͤhret. Wo der Heilige Geiſt in einem Hertzen wohnet / da laͤſſet er ſich auch durch den lieblichenGlantz der Gedult ſehen. Sie heiſſet / und iſt eine Frucht des Geiſtes. Er giebet ZeugnisGal. 5, 22. unſern Geiſt / daß / in dem wir mit leiden / wir auch GOttes Kinder / Gottes Erben / und Mit-Erben Chriſti ſind. WerRom, 8. 16. 17. kan ſich denn des wahren Glaubens ruͤhmen / wenn er im Leiden nicht Gedult beweiſen will? Wiſſet / daß euer Glau - be / ſo er rechtſchaffen iſt / Gedult wircket. Die Gedult aber ſoll feſte bleiben / biß ans Ende / auf daß ihr ſeid vollkom̃en / und gantz / und keinen Mangel habt; ſagt S. Jacob. DieJac. 1, 3. 4. Schrifft bindet auch ſonſt dieſelbe Frucht an ihren Baum /G 2und52Reichthum Goͤttlicher Guͤte. und ſetzt ſie beyde zuſammen. Wir ruͤhmen uns / bekennet Paulus ſeinen Theſſalonichern / unter den Gemeinen Got - tes von eurer Gedult und Glauben / in allen euren Verfol -2. Theſ. 1, 4 gungen und Truͤbſalen / die ihr dultet. Von der Zeit der Antichriſtiſchen Verfolgung erinnert Johannes; Hie iſt Gedult der Heiligen. Hie ſind die da halten die Geboth /Apoc. 14, 12. und den Glauben an JEſu. Soll das Saamkoͤrnlein des WortsFrucht bringen / ſo muß es auch geſchehen in Gedult. Luc. 8, 15.Dieſe edle Tugend iſt ein groß und herrlich Stuͤck der Chriſtlichen Weisheit. Eſſe vis ſapiens, ſis patiens. Wer gedultig iſt / der iſt weiſe / wer aber ungedultig iſt / der offen -Prov. 14, 29. bahret ſeine Thorheit / iſt ein Spruch des weiſeſten Koͤniges. GOtt und Menſchen ſind Gedultigen huld / und erbarmen ſich ihrer. Was auch dieſe Artzney in allem Schmertz fuͤr treflichen Nutzen ſchaffe / erfaͤhret und empfindet das Hertz / ſo ſie willig gebrauchet / am beſten. So ſpricht der Herr Herr / der Heilige in Jſrael; Wenn ihr ſtille bliebet / ſo wuͤr -Eſa. 30, 15. de euch geholffen: Durch ſtille ſeyn / und Hoffen wuͤrdet ihr ſtarck ſeyn. Gedult iſt doch die eiſerne Mauer / daran alle Ungluͤcks-Pfeile muͤſſen ſtumpff werden / und alle Fein - de die Koͤpffe zerbrechen. Gedult uͤberwindet alles. Was iſt aber im Gegentheil Ungedult / Unwilligkeit / und Wider - ſpenſtigkeit im und zum Creutz-Joch fuͤr ein ſchaͤnd - und ſchaͤdliches Laſter? Ein Hund beiſſet in den Stein / der ihn trifft / und verderbet damit ſeine eignen Zahn - Waffen. Was hilffts dem Ochſen / der nicht willig ziehen will? Er muß / mit Schlaͤgen. Ungedult befreyet keinen der Angſt und Pein / ſondern mehret ſie vielmehr. Jm - patiente Patienten haͤuffen ihre Schmertzen. In omnibusTertullia - nuſ. patiens ero alioqui cruciabor impatientiâ meâ, ſagte Ter - tullianus. Jn allen Dingen will ich immer gedultig ſeyn /denn53Reichthum Goͤtlicher Guͤte. denn mit Ungedult quaͤle ich mich nur ſelbſt. Verſtunden diß doch die Heiden / und ſchreibt der Poet Horatius; Levi -Horatius, us ſit patientià, quicquid corrigere eſt nefas. Mach dir leicht mit Leiden / was du nicht ſolſt meiden. Und was will ſich die elende Erde und Aſche / der Menſch / der Wurm / die Made wider den Herrn / den Allmächtigen erheben / und wider ihn murren? Die mit dem Herrn haddern / muͤſſen zu Grunde gehen / uͤber ihnen wird er donnern im Himmel. 1. Sam. 2. v. 10.Da ſich das Volck in der Wuͤſten ungedultig machet / ge - fiel es uͤbel fuͤr den Ohren des Herrn / und als der Herr hoͤrete / ergrimmete ſein Zorn / und zuͤndet das Feuer des Herrn unter ihnen an / das verzehret die aͤuſerſten Lager. Num. 11, 1Ja die ewig[e]ungedultige Verzagung wird eine Eigenſchaft aller Verdamten ſeyn. So thut demnach ein Ungedultiger wohl naͤrriſch / wie Salomo anmercket. Folge doch liebesProv. 14, v. 17. Creutz-Hertz deinem GOtt / der ſelbſt den Ehren-Titul des Gedultigen ihm geben laͤſſet. Herr / Herr Gott / barmhertzig und gnaͤdig / und gedultig und von groſſer Gnade und Treue / ſo preiſet ihn Moſe. David ſtimmetExod. 34, v. 6. offtmahls bey / und ſinget; Barmhertzig und gnaͤdig iſt der Herr / gedultig / und von groſſer Guͤte. Paulus neñet ihnPſal. 103, v. 8. den GOtt der Gedult / zun Roͤm. am 15. Der allerguͤtig -145, 8. & c. ſie GOtt beweiſet auch ſolchen ſeinen troͤſtlichen NamenRom. 15, 5. ſelbſt / wenn er die wohlverdiente Straffe zuruͤcke haͤlt / und gleich mit Verlangen auf der Menſchen Beſſerung wartet. So hatte er Gedult zu den Zeiten Noe; Hat auch noch ietzt1. Pet. 3. 20. Gedult mit uns / und wil nicht / daß iemand verlohren wer - de / ſondern daß ſich iedermann zur Buſſe kehre. Daher du2. Pet. 3, 9. den Reichthum ſolcher ſeiner Gedult und Langmuͤthig - keit nicht verachten ſolſt / dabey auch in ſeine heilige Fuß -Rom. 2, 4. ſtapffen treten / und Gedult mit ihm haben / wie er mit dir. G 3Ja54Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Ja ſihe an das allerunſchuldigſte und geduldigſte Gottes - Laͤmmlein / deinen Jeſum / der bey ſeinem ſo groſſen LeidenEſa. 53, 8. verſtum̃te / und ſeinen Mund nicht aufthat. Von ihm lerne / ihm folge. Deine Gedult ſol auch ihren Lohn bey der Goͤtt - lichenGuͤte finden. Siehet Gott deinen Jam̃er undElend / ach! gewiß ſo wird er auch deine Gedult dabey anſehen und ihm wohlgefallen laſſen. Jch weiß deine Gedult / laͤſſet Jeſus dort dem Engel oder Biſchoff zu Epheſo ſchreiben / du vertraͤgeſt / und haſt Gedult / und uͤm meines NamensApoc. 2, 2. 3 willen arbeiteſtu / und biſt nicht muͤde worden. So ſeyd nun auch gedultig / lieben Bruͤder / biß auf die Zukunfft des Herrn. Sihe ein Ackermann wartet auf die koͤſtli -Jac. 5, 7. 8. che Frucht der Erden / und iſt gedultig daruͤber / biß er empfa - he den Morgenregen und Abendregen. Seyd ihr auch ge - dultig / und ſtaͤrcket eure Hertzen / denn die Zukunfft des Herrn iſt nahe. Nehmet meine lieben Bruͤder / zum Exempel des Leidens und der Gedult die Propheten / die zu euch geredt haben / in dem Namen des Herrn. Sihe wir preiſen ſelig / die erdultet haben. Die Gedult Hiob habt ihr gehoͤret / und das Ende des Herrn habt ihr geſehen / dennv. 10 11. der Herr iſt barmhertzig und ein Erbarmer. Solche Gedult wohnet in einem ſtillen und ruhigen Gemuͤth. Das meinet auch David / wenn er ſich reſolviret: Jch wil ſchwei - gen / und meinen Mund nicht aufthun / du (GOtt) wirſtsPſal. 39, 11. wohl machen. Ein ſolch Gemuͤth demuͤthiget ſich fuͤr GOtt / kuͤſſet ſeine Vater-Ruthe / und nimmt alles an / was er zuſchicket / traͤgt alles / was er auflegt / ſagende: Jch wil des Herrn Zorn tragen / denn ich habe wider ihn geſuͤn - diget / biß Er mir meine Sache ausfuͤhre / und mir Recht ſchaffe: Er wird mich ans Licht bringen / daß ich meine LuſtMich. 6, 9. an ſeiner Gnade ſehe. Ja das gedultige Hertz dancket GOTT wie fuͤr die Freud / alſo auch fuͤrs Leid. Es lobetGOtt /55Reichthum Goͤttlicher Guͤte. GOtt / wenn er hertzet und ſchmertzet / wenn er giebet / und wenn er nim̃t. Der Herr / ſagts mit Hiob / hats gegeben / der Herr hats genommen / der Name des Herrn ſey ge -Job, 1, 21. c. 2, 10. lobet. Haben wir guts empfangen von GOtt / und ſolten das Boͤſe nicht auch annehmen? Nochmehr / es erfreuet ſich uͤber ſeiner Traurigkeit und Truͤbſal / wie die Apoſtel Jeſu Chriſti froͤhlich nach ihrer Staͤupung von des Raths Angeſicht gingen / daß ſie wuͤrdig geweſen waren / umb ſei - nes Namens willen Schmach zuleiden. Es iſt in ſeinemAct. 5, 41. feſten Vertrauen verſichert / daß es der GOtt alles Troſtes auch ſeine ſuͤſſe Verheiſſung werde genieſſen laſſen / da er zugeſaget: Jch wil ihr Trauren in Freude verkehren / undJer. 31, 13. ſie troͤſten / und ſie erfreuen nach ihrem Betruͤbnis. Endlich aber / welches das groͤſte iſt / ſo ruͤhmet ſichs gar der Truͤbſal. Rom. 5, 3.Wann die Welt ihr Gluͤck / Ehre / Freude und Wohlleben heraus ſtreicht / ſo iſt das ſein Freudenreichſter Ruhm / daß es mit Chriſto leide / auf daß es auch mit ihm zur Herrlig - keit erhaben werde. Zu ſolcher Gedult zugelangen / iſtRom. 8, 17. hoͤchſtnoͤthig / daß man das ſonſt unruhige und unwillige Fleiſch mit dem Herrn Jeſu ans Creutz ſchlage / und deſ - ſelben Begierden zaͤhme und zuruͤck halte. Es iſt von noͤ - then / daß man nicht ſo wohl auf ſeine Quaal / als auf Gott / der ſie zuſchickt / ſehe. Er iſt doch der Herr / er thue / was1. Sam. 3, 18 ihm wohlgefaͤllt. Sic fata volunt, ſo wils GOtt haben / ſchnitt die fromme Koͤnigin Jſabella / Koͤnigs Johannis in Ungarn Wittwe / in einen Baum im Walde / durch den ſie ging / als ſie aus dem Lande muſte. Die Waffen der Gedult aber ſind zunehmen aus dem Ruͤſt-Haus Gottes / ſeinem ſtarcken und maͤchtigen Wort. Wann das nicht unſer Troſt waͤre / ſo muͤſten wir freylich vergehen in unſermPſ. 119, 92. v. 50. Elend. Das iſt unſer Troſt in unſerm Elend / denn ſeinWort56Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Wort erquicket uns. Es weiſet uns ja / zu unſerer Hoff - nung und Erquickung / an ſo viel Beyſpielen / daß uns Gott unmoͤglich verlaſſen / und vergeſſen koͤnne. Sehet an die Exempel der Alten / und mercket ſie; Wer iſt iemahls zu - ſchanden worden / der auf ihn gehoffet hat? Wer iſt iemals verlaſſen / der ihn angeruffen hat? Denn der HErr iſt gnä -Sir. 2, 11. 12. 13. dig / und barmhertzig / und vergibt Suͤnde / und hilfft in der Noth. Druͤm ruffe du / mein Hertz / ihn umb die heilſame Gabe andaͤchtig an:

Gib HErr Gedult /
Vergiß der Schuld /
Verleih ein gehorſams Hertze:
Laß mich nur nicht /
(wies oft geſchicht)
Mein Heil murrend verſchertzen.

Gewiß ſein gnaͤdiges Huͤlffs-Auge wird auch alle deinen Jammer und Elend anſehen / und dem ein gewuͤnſchtes / ja ſeliges Ende machen.

Das hat an ſeinem Theil nunmehr ewig vergnuͤgt empfunden / unſer ſeliger Herr Fleiſcher. Wie ſehnlich ſahen ſeine Kindlichen Vertrauens-Augen auf das liebrei - che mitleidige Gottes-Auge? Von dem nahm er Troſt in ſeiner letzten Angſt / dem uͤbergab er alles / was ihn betruͤb - te / und ſchmertzete / wohl wiſſende / daß GOtt ſein frommer Vater ihm ſeinem Kinde nicht mehr auflegen / nicht härter belaͤſtigen werde / als in ſeiner Schwachheit er ertragen koͤn - ne. Er war verſichert der Treue ſeines GOttes / der ihn nicht wuͤrde laſſen verſuchen uͤber ſein Vermoͤgen / ſondern1. Cor. 10, v. 13. machen / daß die Verſuchung ſo ein Ende gewinne / daß ers koͤnne ertragen. Hielt daher demſelben in williger Gedult ſtille / und ergab ſich gaͤntzlich deſſen heiligen Wohlgefallen /beken -57Reichthum Goͤttlicher Guͤte. bekennende mit Paulo: Lebe ich / ſo lebe ich dem Herrn / ſterbe ich / ſo ſterbe ich dem HErrn / darumb ich lebe / oder ſter - be / ſo bin ich des HErrn / denn dazu iſt Chriſtus auch ge - ſtorben / und auferſtanden / und wieder lebendig worden / daß er uͤber mich im Tod und Leben HErr ſey. Wie erRom. 14, v. 8. 9. nun ſein gedultiges Hertzens-Auge auf das Mitleidige Auge ſeines Gottes richtete / ſo hat ihn das treueſte Va - ter-Hertz des Hoͤchſten auch mit Gnaden - und hoͤchſterfreu - enden Huͤlffsblicken angeſehen / und ſelig mit ſeinen Au - gen dahin geleitet / da er in ſeiner Maſſe ſingen kan; Jch habe den HErrn allezeit fuͤr Augen / denn er iſt mir zur Rech - ten / darumb werde ich wohl bleiben. Darum freuet ſich mein Hertz / und meine Ehre iſt froͤhlich / auch mein FleiſchPſa. 16, 8. 9 wird ſicher liegen. Du thuſt mir kund den Weg zum Le - ben. Fuͤr dir iſt Freude die Fuͤlle / und lieblich Weſen zu deiner Rechten ewiglich. Der Huͤter Jſrael / der weder ſchlaͤffet noch ſchlummert / wird auch uͤber ſeinem Gebeine und Aſche mit ſeinem Auge Wacht halten / daß nichts da - von verlohren werde / und dann nach der ſanfften Todes - Ruhe ſeine verſchloſſene Augen wieder aufthun und erleuch - ten / daß er damit ihn / den Drey-Einigen GOtt / Vater /1. Joh. 3, 2. Sohn und H. Geiſt unverruͤckt anſchaue / wie er iſt. Da - von ſoll ſeine Seele nun voͤllig geneſen / weil ewige Freu - de wird uͤber ſeinem Haupte ſeyn / Freude und Wonne ihnEſa. 35, 10. ergreiffen / und Schmertz und Seuffzen weg muͤſſen. Das iſt die Herrligkeit der ſeligen Himmels-Erben / die ſie von dem Auge ihres Gottes haben. Wen die Sonne anſchei - net / den erleuchtet / erwaͤrmet / und erfreuet ſie. GOtt diePſ. 84, 12. ewige Sonne gibt mit Seinem Heils-Schein Leben / undJoh. 10, 11. volle Gnuͤge. Eben auf dieſes Troſt-Auge ihres Himm - liſchen Vaters haben auch ihre thraͤnenden Augen dieHhertz -58Reichthum Goͤttlicher Guͤte. hertzbekuͤmmerten Eltern undGeſchwiſter unſers ſeligen Himmels-Buͤrgers zuwenden. Es ſcheinet daſſelbe ihnen ietzo einen unfreundlichen Blick gegeben zu -Thren. 3, v. 44. haben / ja es ſcheinet als habe es ſich fuͤr ihnen verborgen / und mit der ſchwartzen Trauer-Wolcken verdecket. AlleinEſa. 55, 8, das ſind unſere Gedancken / nicht aber Gottes Gedancken. Wie kan Er es boͤſe mit uns meinen / wann er die / die wir lieben / in ihrem ſeligen Hinnehmen ſo gnaͤdig anſihet / daß er ihnen giebet ihres Hertzens Wunſch / und wegert nicht / was ihr Mund bittet / daß er ſie uͤberſchuͤttet mit gutem Se - gen / und ſetzet eine guͤldene Krohne auf ihr Haupt / gibet ih - nen langes Leben immer und ewiglich / daß ſie groſſe Ehre an ſeiner Huͤlffe haben / und er Lob und Schmuck auf ſie le - get / und ſetzet ſie zum Segen ewiglich / und erfreuet ſie mitPſal. 21, 3. ſeq. Freuden ſeines Antlitzes. Warum ſol denn ihre Freud unſer Leid ſeyn? Warum wollen denn wir in den Jammer und Elend fallen / daraus das Auge des HErrn unſere Se - ligen geleitet und heraus gefuͤhret? Sind aber gleich die be - truͤbten Hertzen aus unſer aller unvermeidlichen Schwach - heit auch darein gerathen / ſihe ſo wird Sie doch das Mit - leidige Ange Gottes darinnen troͤſtlich anſehen / und al - le dem / was ſie kraͤncket / wiſſen wieder ein gewuͤnſchtesEn - de zugeben. Den Gerechten muß doch das Licht immerPſal. 97, 8. wieder aufgehen / und Freude den frommen Hertzen. Jn - deſſen aber haben ſie Gedult: Denn es iſt koͤſtlich Ding / gedultig ſeyn / und auf die Huͤlffe des Herrn hoffen. Denn der Herr verſtoͤſſet nicht ewiglich / ſondern Er be - truͤbet wohl / und erbarmet ſich wieder nach ſeiner groſſenThren. 3, 26, 31 ſeq. Guͤte / denn er nicht von Hertzen die Menſchen plagt und betruͤbet. Und dieſe heilſame Artz[n]ey laß dir / O Chriſten - Hertz in alle deinem Jammer und Elend anbefohlen ſeyn / wie du auch troͤſtlich ſingeſt:

Al -59Reichthum Goͤttlicher Guͤte.
Allein ichs GOTT heimſtelle /
Er machs / wies ihm gefaͤllt /
Zu Nutz mein’r armen Seele.
Jn dieſer argen Welt
Jſt doch nur Creutz und Leiden /
Vnd muß auch alſo ſeyn;
Denn die zeitliche Freuden
Bringt uns ewige Pein.
Treulich wil ich GOTT bitten /
Vnd nehmen zum Beyſtand /
Jn allen meinen Noͤthen /
Jhm beß’r als mir bekant /
Vmb Gedult wil ich ſtets bitten /
Jn all’m Anliegen mein;
Er wird mich wohl behuͤten /
Vnd mein Nothhelffer ſeyn.
All Gluͤck und Vngeluͤcke
Das koͤmmt allein von GOTT;
Jch weiche nicht zuruͤcke /
Vnd ſteh in meiner Noth.
Wie kan er mich denn haſſen /
Der treu Nothhelffer mein?
Ja wenn die Noth am groͤſſten /
So wil Er bey mir ſeyn.

ENd lich und zum (4) laſſet uns bey dem Herrn un -IV. Ein gnaͤdi - ges Hertz. ſern GOTT in dem Reichthum ſeiner Guͤte auch ſuchen ein gnaͤdiges Hertz. Das erkennet mit dem Manne nach dem Hertzen Gottes bey ihm auch unſer ſelig verſchiedener Herr Fleiſcher / darum Er im Text daſſelbige anflehet / und von demſelben Befreyung von al -H 2len60Reichthum Goͤttlicher Guͤte. len ſeinen Suͤnden bittet / ſeuffzende: Und vergib mir alle meine Suͤnde. Der liebreiche Vater der Barm - hertzigkeit / wenn Er uns den troͤſtlichen Schatz ſeiner Huld und Gnade zeigen und entdecken will / ſo eignet Er ihm ſelbſt in ſeinem Wort ein Hertz zu. Jch will nichts melden von der dreyeckigten Geſtalt des Hertzens / an der ihnen manche das unvergleichliche Geheimnuͤs der allerheiligſten Drei-Einigkeit einbilden wollen; will mich auch ietzo nicht bemuͤhen / eine weitlaͤufftige Vergleichung der Goͤttlichen Eigenſchafften und Wercke mit den Gaben und Vermoͤ - gen unſeres Hertzens anzuſtellen; ſondern nur die Zeug - niſſe des Herrn ſelbſt von ſolchem ſeinem gnädigen Her - tzen hoͤren laſſen. Mit ſuͤſſen Troſt-Worten verſichert Er ſein Volck ſeiner Guͤte / nach der Straffe / im Jerem.Jer. 32, 41. am 32. Cap. Es ſoll meine Luſt ſeyn / daß ich ihnen Guts thun ſoll. Und ich will ſie in dieſem Lande pflantzen / treu - lich von gantzem Hertzen / und von gantzer Seelen. Wann Er den weiſeſten Koͤnig Salomo ſeiner Gnadenrei - chen Gegenwart in dem neuerbaueten Tempel zu Jeruſa - lem verſichern will / ſo giebt Er ihm die ſchon oben vernom -1. Reg. 9, 3. mene Verheiſſung; Meine Augen / und mein Hertz ſol - len da ſeyn allewege. Als David von ihm die herrliche Ver - ſprechung und Verſicherung von dem Meßia / ſeinem Sohn nach dem Fleiſth / und deſſen ewigen Koͤnigreiche em - pfangen hatte / ſchrieb er ſolches alles dem gnaͤdigen Her - tzen Gottes zu / und ſagte; Herr / Herr / uͤm deines Wortes willen / und nach deinen Hertzen haſtu ſolche groſſe Dinge alle gethan / daß du ſie deinem Knecht kund2. Sam. 7, 21, thaͤteſt. Wie koͤnte GOtt lieblicher / und troͤſtlicher von ſeinem Hertzen reden / als wenn er ſpricht, Was ſoll ich aus dir machen Ephraim? Soll ich dich ſchuͤtzen Jſrael? Soll61Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Soll ich nicht billig ein Adama aus dir machen / und dich wie Zeboim zu richten? Aber mein Hertz iſt anders Sin - nes / meine Barmhertzigkeit iſt zu bruͤnſtig / daß ich nicht thun will nach meinem grimmigen Zorn / noch mich kehren / Ephraim gar zuverderben / denn ich bin GOtt / und nichtHoſ. 11, 8. 9 ein Menſch / und bin der Heilige unter dir. Freylich laͤßet Er uns ſein Gnaden-Hertz ſehen / wenn er nicht mit unsPſal. 103, v. 10. handelt nach unſern Suͤnden / und vergilt uns nicht nach unſer Miſſethat: Wenn er uns die Suͤnde vergibt / und1. Joh. 1, 9. reiniget uns von aller Untugend. Worum hier David be - tet; Und vergib mir alle meine Suͤnde. Mit dem Binde - Woͤrtlein; Vnd / wil er die verdienende Urſach ſeiner vor - hin geklagten Angſt / Noͤthen / Jammers und Elends an - deuten / und gleich ſo viel ſagen: Ach! frommer / barmher - tziger GOtt und Vater / wann ich meine viele und ſchwere Suͤnden bedencke / ſo muß ich allerdings geſtehen / daß ich billich in meiner groſſen Hertzens-Angſt ſtecke / und empfa - he / was meine Thaten werth ſind. Ja wenn du aus dei -Luc. 23, 41. nem gerechteſten Gericht meine Suͤnden wolteſt anſehen / nnd heimſuchen / ſo duͤrffteſtu mich aus meinen Noͤthen nimmermehr ausfuͤhren / nimmermehr meinen Jammer und Elend anſehen. Aber daß dein Ohr ja meine Angſt - Klage hoͤre / deine Hand mich rette / dein Auge mich auch beobachte / ach! ſo ſchleuß doch dein Liebwallendes Hertz auf gegen mich / und vergib mir alle meine Suͤnde. Alſo hoͤ -Suͤnde. ren wir in dieſen Worten eine willige / bußfertige Suͤnden - Bekaͤntnis und Beichte. Er verſchweigt und verhoͤlet ſeinePſal. 32, 5. Miſſethat nicht. Er iſt nicht wie ein unbeſonnener Patient / der einen heimlichen gefaͤhrlichen Schaden an ſich hat / und niemand davon was wil wiſſen laſſen / aber zu ſeinem eignen Unheil und verderben. Mit Hiob bricht erH 3aus62Reichthum Goͤttlicher Guͤte. aus: Jch erkenne / daß du / groſſer GOTT alles vermagſt / und kein Gedancken iſt dir verborgen. Es iſt ein un be - ſonnen Mann / der ſeinen Rath meint zuverbergen. Dar -Joh. 42, 2. 3. 6. um ſchuldige ich mich / und thue Buſſe in Staub und A - ſchen. Wie der verlohrne Sohn / ſchreyet er gen Himmel:Luc. 15, 18. Vater ich habe geſuͤndiget im Himmel / fuͤr dir. Oder / wiePſ. 38, 19. er anderweit ſelbſt redet: Jch zeige meine Miſſethat an / und ſorge fuͤr meine Suͤnde. Er bekennet Suͤnde. 〈…〉〈…〉ואטח viee Suͤnden / nehmlich die angebornen und ſelbſtbegange - nen. Wie denn das〈…〉〈…〉 אטח oder auch〈…〉〈…〉 טח Suͤnde ins gemein / beydes Erb - und Wuͤrckliche andeutet. VonPſ. 51, 7. jener brauchts unſer Prophetiſcher Koͤnig im 51. Pſalm: Sihe / ich bin aus ſuͤndlichen Saamen gezeuget / und meine Mutter hat mich in Suͤnden (〈…〉〈…〉טחכ) das iſt ſuͤndlich / empfangen. Obs nicht alſo zugleich von ſolcher angebor - nen Erbſuͤnde die Toͤchter Zelaphehad moͤgen adhibiret ha - ben / da ſie zu Moſe ſagten: Unſer Vater iſt geſtorben / in der Wuͤſten / und war nicht unter der Gemeine / die ſich wi - der den Herrn empoͤreten in der Rotten Korah / ſondernNum. 27, 3 iſt (ואטחכ) an ſeiner Suͤnde geſtorben / laſſen wir die Ge - lehrten bedencken. Die ſiebentzig Uberſetzer der Ebreiſchen Bibel in die Griechiſche Sprache nennen die Suͤnden all - hier ἁμαρτίας, welchen Namen auch der H. Apoſtel Pau - lus dem Erbuͤbel giebt / wenn er ſchreibet; Wie durch einen Menſchen die Suͤnde ἁμαρτία iſt kommen in die Welt / und der Tod durch die Suͤnde / und iſt alſo der Tod zu allenRom. 5, 12. Menſchen durchgedrungen / dieweil ſie alle geſuͤndiget ha - ben. Sonſt aber wird mit dem Wort allerley veruͤbte Suͤnde in der H. Schrifft bezeichnet. Das bußfertige Hertz Davids zeiget mit dem Stam̃wort ſeinen Ehebruch mit der Bathſeba / und ſeinen Mord an ihrem Mann / demUria /63Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Uria / an / dem Nathan beichtende; Jch habe geſuͤndiget ותאטח wieder den Herrn. Und Nathan troͤſtet ihn; So2. Sam. 12, v. 13. hat auch der Herr deine Suͤnde רתאטח weggenommen / du wirſt nicht ſterben. Seiner Hoffart und Ubermuth / da er das Volck hatte zehlen laſſen / wolte er auch keinen an - dern Namen geben / ſondern flehete eben ſo zu GOtt; Sie - he ich habe geſuͤndiget / ich habe die Miſſethat gethan. Was2. Sam. 24, v. 17. haben dieſe Schafe gethan? Laß deine Hand wider mich / und meines Vaters Hauſe ſeyn? Summa alle und iede ſeine Suͤnden faſſet er in dis Wort / wenn er GOTT uͤm gnaͤdige Erlaſſung derſelben anruffet; Gott ſey mir gnaͤdig nach deiner Guͤte / und tilge meine Suͤnde nach deiner groſ - ſen Barmhertzigkeit. Waſche mich wohl von meiner Miſ - ſethat / und reinige mich von meiner Suͤnde. Denn ich erkenne meine Miſſethat / und meine Suͤnde iſt immer fuͤrPſal 51, 3. ſeq. mir. Und alſo wil er hier keine Ubertrettung / keine Gebre - chen / keine Fehler / keine ſuͤndliche Maͤngel ausgeſchloſſen haben. Alle / alle Suͤnde / oͤffentliche und heimliche / vor - ſetzliche / und unverſehene / groſſe und kleine / klagt und bekennet er GOtt von Hertzen. Nennet ſie nicht frembde / ſondern ſeine eigene Suͤnden. Jhm ſelbſt gibt er derſel - ben Schuld. Ob gleich Satan ihm eingegeben / daß er2. Par. 22, v. 1. Jſrael hatte zehlen laſſen / ob gleich mancher Fehler durch Reitz - und Verfuͤhrung der Welt und ihrer Boͤſewichter moͤgte ſein begangen worden / ſo waͤltzet ers doch nicht al - lein dieſen Urſachen auf / ſondern greifft in ſeinen Buſen / zeucht den alten Adam herfuͤr / wirfft den fuͤr GottesRicht - ſtuhl / und klaget alſo zugleich uͤber ſelbſteigene / freywillige / wohlbedachte und muthwillige Suͤnden. So muß man ſich zu dem gnaͤdigen Hertzen Gottes wenden. Zwar dem hellen Licht ſeiner Allwiſſenheit iſt nichts verborgen. Esiſt64Reichthum Goͤttlicher Guͤte. iſt kein Gedancke in unſerm Hertzen / kein Wort auf unſe - rer Zungen / keine That kan in einem ſo heimlichen Winckel geſchehen / daß er nicht alles ſehe / ja zuvor wiſſe / und offt gar verkuͤndige; Unſere Miſſethat ſtellet er vor ſich / unſerePſa. 90, 9. unerkante Suͤnde ins Licht vor ſeinem Angeſicht. Daß man alſo zu ſeiner Nachricht und Erkaͤntnis ihm / was man gethan und unterlaſſen / nicht entdecken darff / gleich wie et - wann Menſchliche Richter ſolcher inquiſition und Nach -Joſ. 7, 19. forſchung von noͤthen / und mit Joſua dem Beklagten ins Gewiſſen zureden haben; Gib dem Herrn / dem GOtt Jſrael / die Ehre / und gib ihm das Lob / und ſage mir an: was haſtu gethan? Und laͤugne mir nichts. Doch wil er auch in dem die Warheit von Hertzen geredet / und mit Verbergung / heuchleriſcher Verſtellung / Entſchuldigung und Vermaͤntelung der Suͤnden / den Augen ſeiner Ma -Hilar. in Pſalm. CXXXVII Op. fol. m. 692. p. jeſtaͤt nicht widerſtrebet wiſſen. Welches Hilarius mit fol - genden Worten bekraͤfftiget: Non tanquam ignorans, qui ſcrutatur corda & renes, Deus eſſet, ad ſcientiam ſuam confeſſione tuâ indiget: cui promtum eſt, non ſolum co - gitata, ſed cogitanda perſpicere. Confeſſio autem pecca - ti ea eſt, ut id, quod à te geſtum eſt, per cognitionem pec - cati confitearis eſſe peccatum. Gott / der Hertzen und Nie - ren pruͤfet / bedarff nicht / als ein Unwiſſender / deiner Be - kaͤntnis zu ſeiner Wiſſenſchafft. Es iſt ihm leicht / nicht nur was ſchon gedacht worden / ſondern auch was noch gedacht werden ſol / zuerkennen. Das heiſt aber eine Beichte und Bekaͤntnis der Suͤnden / daß du das / was du gethan haſt / als Suͤnde beichteſt / weil du es ſelber fuͤr Suͤnde haͤlteſt und achteſt. Und das wil GOtt haben. Seinen BefehlNumer. 5, v. 6. 7. fuͤhren die Juͤden an aus ihrem Geſetz / der alſo lautet: Wenn ein Mann oder Weib irgend eine Suͤnde wider ei -nen65Reichthum Goͤttlicher Guͤte. nen Menſchen thut / und ſich an den Herrn damit verſuͤndi -Num. 5, 6. 7. get / ſo hat die Seele eine Schuld auf ihr. Und ſie ſollen ih - re Suͤnde bekennen / die ſie gethan haben. Das meinete auch die Goͤttliche Weißheit mit ihrem angeordneten Schuld-Opffer / davon ſie ſaget: Wenns nun ge - ſchicht / daß er (der Jſraelit) ſich an etwas verſchul - det / und erkennet ſich / daß er daran geſuͤndiget hat / ſo ſol er fuͤr ſeine Schuld dieſer ſeiner Suͤnden / die er gethan hat / dem Herrn bringen von der Heerde ein Schaf oder Zie - genmutter zum Slindopffer / ſo ſol ihm der Prieſter ſeine Suͤnde verſoͤhnen. Wobey nach der Rabbinen Anmer -Levit. 5, 5. adnotante P. Fagio in l. c. conf. Bibl. Crit. Angl. tom. 1. col. 739. l. 57. ckung ſie ihre Haͤnde auf des Opffers Haupt zulegen / und zuſagen pflegten: Ach! ich bitte O Herr / ich habe geſuͤn - diget / ich habe unrecht gethan / und vor dir uͤbertreten / ſo und ſo habe ich gehandelt. Sihe es reuet mich / ich ſchaͤme mich meines Thuns / ich wil dergleichen nicht mehr vorneh - men. Wie wir denn auch ſonſt viel andächtige Beichten betruͤbter Hertzen in dem Goͤttlichen Wort leſen. So de - muͤthigte ſich der liebe David / und legte manche ſchoͤne Beicht mit Thraͤnen ab / wie wir ſchon zum theil vernom - men. Jm 32. Pſalm ſagt er gar nachdencklich: Da ichs wolte verſchweigen / verſchmachten meine Gebeine / durch mein taͤglich heulen. Denn deine Hand war Tag und Nacht ſchwer auf mir / daß mein Safft verdrocknete / wie es im Sommer duͤrre wird / Sela. Darum bekenne ich dir meine Sünde / und verhele meine Miſſethat nicht. Jch ſprach: Jch wil dem Herrn meine Ubertretung beken -Pſ. 32. 5 ſeq nen / da vergabſtu mir die Miſſethat meiner Suͤnde. Das war gleichſam ein gemein Kirchen-Formular, das im 106. Pſalm ſtehet; Wir haben geſuͤndiget ſamt unſern Vaͤtern /Pſ. 116, 6. wir haben mißhandelt / und ſind Gottloß geweſen. Oder /Jwie66Reichthum Goͤtlicher Guͤte. wie es Jeremias anführet: Herr / wir erkennen unſer Gottloß Weſen / und unſer Vaͤter Miſſethat; denn wir haben wider dich geſuͤndiget. Wie hertzlich betete undDan. 9, 5. beichtete Daniel ſeinem GOtt; Wir haben geſündiget / unrecht gethan / ſind Gottloß geweſen / und abtruͤnnig wor - den / wir ſind von deinen Gebothen und Rechten gewichen. Kurtz / aber kraͤfftig ware des Zoͤllners Beichte im Tempel;Luc. 18, 13. GOtt ſey mir Suͤnder gnaͤdig. Denen haſtu O Menſch / O Suͤnder / nachzufolgen. Hinaus mit der Gewiſſens - Quaal / mit dem Hertzens-Schmertz und Seelen-Marter. Wann dir frey ſtuͤnde / die ſchwere Laſt / die dich ietzt zu bo - den druͤcken / und dir die Glieder zerbrechen und zermalmen wuͤrde / abzuwerffen / wie bald wuͤrdeſtu die fallen laſſen? Ach! bedencke deiner Seelen Gefahr unter der grauſamen Sünden-Laſt Schaͤme dich nicht dem Artzte die Wunde zuweiſen / und die Beſchwerung zuentdencken / deinem Gott / dem Herrn deinem Artzt deinen verzweiffelt boͤſen Scha -Jer. 30, 12. den / und deine ſonſt unheilbare Wunde anzuzeigen. Cur vereris, Domino indicare, quod veritus non es, ipsôChryſoſt. præſente committere, ſagt Chryſoſtomus: Was ſcheueſtu dich / dem Herrn zugeſtehen / was du vor ihm ungeſcheut haſt dürffen begehen? Auch mit dem kanſtu ihm ſeine erfo - derte und gebuͤhrende Ehre und Lob geben / wann du in de - muͤthiger Suͤnden-Bekäntnis ihn als den gerechten Rich - ter und Raͤcher derſelben anſiheſt / und doch dabey ſeinem gnaͤdigen Vater-Hertzen vertraueſt. Willige und fleißige Suͤnden-Entdeckung bringt ein Abſcheu fuͤr derſelben: Da hingegen ihre Verhaltung ſie nur mehret / und unſer boͤß-geneigtes Hertz in Sicherheit ſtuͤrtzet / die denn derRom. 6, 23. Suͤnden Sold / den ewigen Tod / leicht erlanget. WerProv. 28, v. 13. ſie aber bekennet / und laͤſſet / der wird Barmhertzigkeit er -lan -67Reichthum Goͤttlicher Guͤte. langen. So wir ſagen; Wir haben keine Suͤnde / ſo ver - fuͤhren wir uns ſelbſt / und die Warheit iſt nicht in uns. So wir aber unſere Suͤnde bekennen / ſo iſt GOtt treu und ge - recht / daß er uns die Suͤnde vergibt. Solche Bekäntnis1. Joh. 1, 8. 9. aber muß nicht nur mit dem Maul / oder nach Heuchler Art zum aͤuſſerlchen Schein geſchehen / wie auf ſolchen Schlag / durch aͤuſſerlicheStraffe / oder innerlichen Gewiſſenszwang getrieben / auch ein unbekehrlicher Pharao ſagen kan: DerExod. 9, 27. Herr iſt gerecht / ich aber / und mein Volck ſind Gottlo - ſen; Oder ein unbeſtaͤndiger Saul: Jch habe geſuͤndiget /1. Sam. 15, v. 24. daß ich des Herrn Befehl uͤbergangen. Dem rechtſchaf - fenen Bekenner / dem David / ſchlaͤgt das Hertz / wenn er ausbricht: Jch habe ſchwerlich geſuͤndiget / daß ich das ge - than habe. Und nun Herr / nimm weg die Miſſethat dei - nes Knechts / denn ich habe ſehr thoͤrlich gethan. Und ſo2. Sam. 24, 10. ſols auch bey uns heiſſen: Laſſet uns unſer Hertz ſamt den Haͤnden aufheben zu GOtt im Himmel. Wir / wir ha - ben geſuͤndiget / und ſind ungehorſam geweſt. Keine Suͤn -Thren. 3, 41. 42. de / ſie beduͤncke uns noch ſo geringe zuſeyn / ſollen wir ſo verachten / daß wir ihrer muthwillig vor GOtt vergeſſen wolten. Der H. Auguſtinus iſt deswegen nicht AuslachensAug. Con - fesſ. l. 2. c. 2 & 4. tom. 1. col 75. & 77. werth / daß er ſein gantzes Leben von zarter Kindheit an wie - der durchlauffen / uñ aufs genaueſte im Alter erforſchet / auch mit manchen ſchoͤnen Beichten der veruͤbten Suͤnden / gan - tzer dreyzehen Buͤcher erfuͤllet / darinnen er unter andern blinde Liebe / Fleiſchesluſt / und dergleichen Begierden ſei - ner noch ungezaͤhmten Jugend bereuet / ſonderlich aber ei - nen Diebſtahl an Birnen ins Nachbars Weinberge / ihm laͤſſet hertzlich leid ſeyn. Der fromme Maͤrtyrer / Johan - nes Huß klagt in einem Schreiben / ſo er aus dem Gefaͤng - nis abgeſendet / daß er in ſeiner Jugend dem Ball-SpielenJ 2allzu68Reichthum Göttlicher Guͤte. allzuſehr ergeben geweſen. Alſo muß dieſe Bekaͤntnis nicht aus bloſſer Gewohnheit / ſondern aus ſchmertzlicher Be - truͤbnis uͤber das getriebene Unrecht / und dann mit hertzli - cher Demuͤthigung / wie auch Verabſcheunng und Haß des ſtraffwuͤrdigen Ubels geſchehen. Es muß fuͤrnehmlich auch ein ernſter und beſtaͤndiger Fuͤrſatz dabey ſeyn / nach der2. Pet. 2, 22. Schwemme nicht wieder in Suͤnden-Koth zurennen / den ausgezogenen Schand-Rock nicht wieder anzuziehen / undCant. 5, 3. Hilar. locô antè alleg. den abgelegten Schlangen-Gifft nicht wieder einzuſauffen. Confeſſio peccati eſt profeſſio deſinendi, ſchreibet aber - mahls Hilari[uſ], der Suͤnden Ausſage iſt auch derſelben Ab - ſage / und der Beſſerung Zuſage. Nun eine ſolche Suͤn - den-Bekäntnis thut David in dieſen Worten dem gnädi - gen Hertz Gottes: Nebſt der aber ferner eine gantz vertrau - liche und gläubige Anruffung; Und vergib mir alle meineVergeden. Suͤnde. Ruffet den allein an / der alleine Suͤnde vergeben kan / von dem er ſonſt troͤſtlich ruͤhmet: Bey dir iſt die Ver - gebung / daß man dich fuͤrchte. Jſrael hoffe auf den Herrn / denn bey dem Herrn iſt die Gnade / und viel Erloͤſung bey ihm / und er wird Jſrael erloͤſen aus allen ſeinen Suͤn -Pſ. 130, 4. 7. 8. den. Wo iſt auch ſolch ein Gott / wie du (unſer GOTT) biſt? der die Suͤnde vergibet / und erläſſet die Miſſethat den uͤbrigen ſeines Erbtheils / der ſeinen Zorn nicht ewiglich be - haͤlt / denn er iſt barmhertzig. Er wird ſich unſer wieder er - barmen / unſere Miſſethat daͤmpffen / und alle unſere Suͤn -Mich. 7, 18 19. de in die Tieffe des Meers werffen. Die gebetene Ver - gebung deutet er an mit dem Wort〈…〉〈…〉 ש von〈…〉〈…〉 שנDiligen - tisſimè, quod ſolet, de - ducit B. Förſt. Dict. welches insgemein aufheben / wegnehmen / wegtragen be - deutet / bißweilen auch vertragen / erdulten und verſchonen. Daher es Hieron. gegeben: porta, trage; Pagninus; par - ce, verſchone / Piſcator: tolle omnibus peccatis meis,ſcil. 69Reichthum Goͤttlicher Guͤte. ſcil. reatum, nimm (die Schuld von) allen meinen Suͤn -Hebr. f. 520. ſeqq. den weg. Ainsvvorthus folgt Hieron. und zeucht hieher dieAp Polũ. in Syn. Redens-Arth des Moſe im 4. Buch am 31. cap. (v. 31.) von dem Weibe / ſo der Mann im Eiffer in verdacht zeucht /Crit. tom. 2. col. 712, lib. 20. und deſſen uͤberfuͤhren laͤſſet; Das Weib ſol ihre Miſſethat tragen / das iſt / ſie ſol ſchuldig gehalten / und mit gebuͤhren - der Straffe angeſehen werde. Die Griechiſche Bibel hat; ἄφες, ſo die Lateiniſche mit dimitte, erlaß / erklaͤret. Gar offt wird dieſes Wort von der Suͤnden Erlaß - und Vergebung gebrauchet. Damit kommen die Bruͤder des Joſephs de - muͤthig gnug fuͤr ihm aufgezogen / und ſagen: Lieber vergib deinen Bruͤdern die Miſſethat / und ihre Suͤnde / daß ſie ſo uͤbel an dir gethan haben. Dem vorerwehnten Aegypti -Gen. 50, 17. ſchen Wuͤterich zwungen die Heuſchrecken folgende Wor - te aus: Jch habe mich verſuͤndiget an dem Herrn euren GOtt / und an euch. Vergebt mir meine Suͤnde dis mahl auch / und bittet den Herrn euren GOtt / daß er doch nur dieſen Tod von mir wegnehme. Hiob redet mit GOtt;Exod. 10, 16. 17. Warumb vergibſt mir meine Miſſethat nicht / und nimmſt nicht weg meine Suͤnde. Jn ſolchem Verſtand lautet dieJoh. 7, 21. Bitte allhier; Vergib / nimm weg / entledige / befreye mich meiner Suͤnde. Dieſe Vergebung ſtellet GOtt ſo an / daß Er unſere Suͤnde vergiſſet / und derſelben zur Rache und Beſtraffung nicht mehr gedencket / wie er ſelbſt bezeuget: Jch / Jch tilge deine Ubertretung umb meinet willen / undEſ. 43, 24. gedencke deiner Suͤnde nicht. Jch vertilge deine Miſſethat / wie eine Wolcken / und deine Suͤnde / wie den Nebel. Keh - re dich zu mir / denn ich erloͤſe dich. Jch wil gnaͤdig ſeyn ih -c. 44, 22. rer Untugend / und ihren Suͤnden / und ihrer Ungerechtig -Ebr. 8, 12〈…〉〈…〉 keit wil ich nicht mehr gedencken. Er wirfft ſie hinter ſichJer. 7, 34. zuruͤcke / und in die Tieffe des Meers. Er bedecket ſie. ErEſ 38, 17.J 3waͤſchetPſ. 32, 2.70Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Pſ. 51, 4.waͤſchet uns wohl von unſerer Miſſethat / und reiniget uns von unſerer Suͤnde. Es heiſſet aber ſonſt〈…〉〈…〉 שנ auch ſo viel / als auf ſich nehmen / oder einem andern aufiegen / und ihn tragen laſſen / wie dort GOtt zu ſeinem Propheten / den er dem Juͤdiſchen Volck zum Schauſpiel und Fuͤrbild ihrer kuͤnfftigen Straffe machte / redete: Du ſolt dich auf deine lincke Seite legen / und die Miſſethat des Hauſes Jſrael auf dieſelbigen legen. So viel Tage du drauff liegeſt / ſoEzech. 4, 4. lange ſoltu auch ihre Miſſethat tragen. Jn dem Verſtand wirds geſagt von dem vortrefflichen Fuͤrbild des Suͤnden - tilgers / und Schuldtraͤgers aller Welt / des Herrn Meſ - ſiæ, nehmlich den Verſuͤhn-Bock / dem der Hoheprieſter ſeine beyde Haͤnde muſte aufs Haupt legen / und bekennen auf ihn alle Miſſethat der Kinder Jſrael / und alle ihre Uber - tretung in allen ihren Suͤnden / und ihn durch einen MannNum. 16, 21. 22. in die Wuͤſten lauffen laſſen / daß alſo der Bock alle ihre Miſſethat auf ihm in eine Wildnis truge. Ja ſo prediget der Evangeliſt Altes Teſtaments von unſerm Heilande: Fuͤrwahr Er trug unſere Kranckheit / und lud auf ſich un - ſer Schmertzen. Wir aber hilten ihn fuͤr den / der geplaget / und von Gott geſchlagen und gemartert waͤre. Aber er iſt umb unſerer Miſſethat willen verwundet / und umb unſer Suͤnde willen zuſchlagen. Die Straffe liegt auf ihn / auf daß wir Friede haͤtten / und durch ſeine Wunden ſind wir geheilet. Wir gingen alle in der Jrre / wie Schafe / ein ieg -Eſ. 53, 5, 6. 7. licher ſahe auf ſeinen Weg: Aber der Herr warff unſer aller Suͤnde auf ihn. Solte David / der ja von dem Meſ -2. Sam. 23, 1. ſia des Gottes Jacob verſichert ware / nicht auf denſelben in dieſem unſern Hertzens-Seuffzerlein ſein glaͤubiges Ab - ſehen gerichtet haben? Wer kan in Betrachtung des hohen Prophetiſchen Geiſtes / und der herrlichen Glaubens -Zeug -71Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Zeugniſſe dieſes Mannes hieran zweiffeln? Unmoͤglich iſt es ohne dem ſelig zuwerden / und Heil zuerlangen; Ver -Act. 4, 12 geblich / auſſer ihm Vergebung der Suͤnden zuhoffen. Wer nicht mit und in dem koͤmmt zu dem gnaͤdigen HertzenGot - tes / der findet es zugeſchloſſen / und von ihm abgewandt. Den allein hat uns GOtt fuͤrgeſtellet zu einem Gnaden - ſtuhl durch den Glauben in ſeinem Blut / damit er die Ge - rechtigkeit / die fuͤr ihm gilt / darbiete / indem daß Er Suͤn - de vergibt. Er hat unſere Suͤnde ſelbſt geopffert an ſeinemRom. 3, 25. Leibe / auf dem Holtz / auf daß wir der Suͤnde abgeſtorben / der Gerechtigkeit leben / durch welches Wunden ihr ſeyd heil worden. Den / der von keiner Suͤnde wuſte / hat Gott1. Pet 2, 24. fuͤr uns zur Suͤnde gemacht / auf daß wir wuͤrden in ihm die Gerechtigkeit / die fuͤr GOtt gilt. Ja ſihe / der iſt Gottes2 Cor. 5, 21. Lamm / welches der Welt Suͤnde traͤgt. Die ſchwere LaſtJoh. 1, 29. (〈…〉〈…〉שמ) unſerer Suͤnden / die uns uͤber unſer Haupt gin -Pſ. 38, 5. ge / und viel zuſchwer war / hätte uns allenſammt zum hoͤlli - ſchen Feuer-Pfuhl hinab gedruͤcket. Unter der kunte kein Menſch fuͤr dem ſtrengen Gericht Gottes ſtehen. Und gleich - wohl iſts da mit unſer eignen Huͤlffe gantz verlohren. Haͤuf - fen koͤnnen wir mehr / als zuleicht / unſere Miſſethat / dieſelbe aber wegzunehmen / beruhet nicht in Menſchen-Kraͤfften / ſondern iſt ein Werck Goͤttlicher Allmacht / die das Gna - den-Hertz Gottes uns auch hierinnen gantz guͤtig ſehen laſ - ſen: Denn

Es jammert GOtt in Ewigkeit
Vnſer Elend uͤber die maſſen:
Er dacht an ſein Barmhertzigkeit
Er wolt uns helffen laſſen.
Er wandt zu uns ſein Vater-Hertz
Es war bey ihm fuͤr war kein Schertz
Er ließ ſein beſtes koſten.
Er72Reichthum Goͤttlicher Guͤte.

Er ſande ſeinen Sohn in der Geſtalt des ſuͤndlichen Flei -Rom. 8, 3. ſches / und verdammet die Suͤnde im Fleiſch durch Suͤnde. Ebr. 7, 26.Dem lieben / wohlgefaͤlligen Sohn / der ſonſt heilig / un - ſchuldig / unbefleckt / und von den Suͤndern abgeſondertJoh. 8, 46. war / den niemand kunte einer Suͤnde zeihen / dem buͤrdete der Vater alle Suͤnde auf. Er muſte die Laſt / die ſonſt un -Pſal. 69, 6. ablegliche Schuld tragen / er muſte bezahlen / was er nicht geraubet. Unſere Straffe erdultete er / gab ſein Leben zum Schuldopffer / und ward aus dem Lande der LebendigenEſa. 53, 9. 11. weggeriſſen / da Er um die Miſſethat ſeines Volcks geplagt war. Alſo iſt Chriſtus einmahl geopffert / wegzunehmen vieler Suͤnde / und durch ſein eigen Blut einmahl in dasEbr. 9, 28. 12. Heilige eingegangen / und hat eine ewige Erloͤſung erfun - den. Sihe alſo hat dieſer unſer treueſter Erloͤſer von uns genommen das unſere / unſere Suͤnde / Schuld / und Straf - fe / und ihm ſelbſt zugeeignet / ſchencket uns dargegen das Seinige / ſein Verdienſt und Gehorſam / ſeine Gerechtig - keit / ſein erworben Recht zum Himmel und ewigen Leben. 1. Joh. 1, 7.Sein Blut macht uns rein von aller Suͤnde. Nur wird von uns erfodert ein wahrer / rechtſchaffener und beſtaͤndiger Glaube / der ſeine Suͤnden-Laſt auf dieſes liebtreueſteGot - tes-Laͤmmlein waͤltze / und dargegen die theuren Schaͤtze deſſelben ihm ſelbſt in hertzlicher Zuverſicht und Troſt-froͤh - lichen Vertrauen annehme / zueigne und gebrauche. Mit dem iſt ein Menſch / der fuͤr ſich in Suͤnden tod / in Chriſto lebendig / und kan jauchzen: Jch lebe / doch nicht ich / ſon - dern Chriſtus lebet in mir: Denn was ich ietzt lebe im Fleiſch / das lebe ich in dem Glauben des Sohnes Gottes /Gal. 2, 20. der mich geliebet hat / und ſich ſelbſt fuͤr mich dargegeben. Und da er ſonſt unter der Centner-Laſt ſeiner UbertretungenLuc. 18, 13. die Augen nicht einmahl durffte aufheben gen Himmel / ichge -73Reichthum Goͤttlicher Guͤte. geſchweige / ſich Hoffnung machen / einmahl dahin ſelig zu - kommen / ſo hebt Er nun ſeine Augen getroſt auf / ſihet den Himmel offen / und Jeſum ſtehen zur Rechten Gottes /Act. 7, 56. ruffet ſuͤſſer Freuden voll: Jch weiß an welchen ich glaͤube / und bin gewiß / daß er kan mir meine Beylage bewahren /2. Tim. 1, 12. biß an jenen Tag.

Die Suͤnd kan mir nicht ſchaden /
Erloͤſt bin ich aus Gnaden /
Umſonſt durch Chriſti Blut.
Kein Werck koͤm̃t mir zu Frommen:
Drum wil ich zu ihm kommen
Allein durch wahren Glauben gut.

Daraus ſiheſtu / frommer Chriſt / womit du in der Bitte umb der Suͤnden-Vergebung vor Gottes gnaͤdiges Hertz treten ſolſt? Nicht wie der Phariſeer mit der Pralerei dei - ner groſſen Thaten. Die Gnaden - und Lebens-Krohne iſt koſtbahrer / als daß man ſie mit demſelb[en]Scherff - und Staͤublein bezahlen kan. GOTT iſt ein GOTT / der nicht einen ſolchen werckheiligen Wanſt / ſondern denGott - loſen (der ſich bekehret) gerecht macht. Wer vor ihm ge -Rom. 4, 5. recht ſeyn wil / kan nicht anders / als ſeines Glaubens leben. Wann der ſonſt heilige Prophet Daniel Ver -Hab. 2, 4. gebung der Suͤnden / und Abwendung der langwie - rigen Straffen erbitten wil / ſo heiſſet er alle ſeine gute Wercke beyſeit und zuruͤcke treten / und ſeuffzet: Wir lie - gen fuͤr dir mit unſerm Gebet / nicht auf unſere Gerechtig - keit / ſondern auf deine groſſe Barmhertzigkeit. Ach! HerrDan. 9, 18. 19. hoͤre / ach! Herr ſey gnaͤdig / ach! Herr mercke auf / undKthue74Reichthum Goͤttlicher Guͤte. thue es / und verzeuch nicht / umb dein ſelbſt willen / mein GOTT. Des demuͤthigen / und glaͤubigen Sinnes iſt auch hier unſer frommer David / und nicht wie ihm ſeine unächtige Geſchlechts-Freunde R. Kimchi und Raſche andichten / als habe er beten wollen: Sint mala quæ patior, criminum meorum expiatio. Das boͤſe / das ich leide / laß (O Gott) meiner Suͤnden Ausſoͤhnung und Bezah - lung ſeyn. Wie kan die zeitliche und leichte Truͤbſahl ſo wir ſterbliche Menſchen leiden / aufheben und gut machen das groſſe Unrecht / ſo der unendliche GOTT muß von uns leiden? Beylaͤufftig laſſet uns hier mercken / daß GOTT in dem Reichthum ſeiner Guͤte ſchon im Alten Teſtament den Seinigen dieſes gnaͤdige Hertz erzeiget / und ihnen Vergebung der Suͤnden verheiſſen hat / welches derVid. Soci - nian. con - fut. Horn - beck tom. 2. pag. 331. ſeqq. laͤſterliche Schwarm-geiſt der Socinianer laͤugnen wil. Worauf aber haͤtte ſich doch David in dieſen ſeinem Gebet gruͤnden koͤnnen / wann er nicht der Verheiſſung derſelben waͤre verſichert geweſen. Der Gottloſe laſſe nur von ſei - nem Wege / und der Ubelthaͤter ſeine Gedancken / und be -Eſ. 55, 7. kehre ſich zum Herrn / ſo wird er ſich ſein erbarmen / und zu unſerm GOtt / denn bey Jhm iſt viel Vergebung / lau - tet die klare Goͤttliche Verheiſſung. Die Gnade desAct. 15, 11. Herrn Jeſu Chriſti / durch die wir glaͤuben / ſelig zuwer - den / gleicherweiſe / wie auch ſie / die Väter im Alten Te - ſtament / beſtehet in Vergebung der Suͤnden. Wo die iſt / da iſt auch Leben und Seligkeit. Weil denn nun bußfer - tige Suͤnder mit ihrem Gebet umb Gnade und Ablaß bey dem Vater-Hertzen GOttes allezeit vor - und ankommen koͤnnen / ſo mags wohl ein verdammlicher Jrrthum gewe - ſen ſeyn / den vorzeiten die Novatianer, oder Cathari, dieRei -75Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Reinen / wie ſie wolten genennet ſeyn / geheget haben / vor - gebende: Unam eſſe pœnitentiam. Poſt lavacrum au - tem non ampliùs poſſe miſericordiam aſſequi lapſum, wie Epiphanius ihren verkehrten Sinn entdecket: Es ſey nurEpiphan. Panar. hær. LIX, f. m. 161. fin. eine Buſſe. Nach der Tauffe aber koͤnne keiner / der in Suͤnde gefallen / weiter Barmhertzigkeit erlangen; Jn welche Unwarheit auch etlicher maſſen die ietztgenandten Socinianer der Luͤgen-geiſt verfuͤhret hat / daß ſie denen / die aus einem habitu und ſteter Gewohnheit / und wohlbe -conf. D. D. Calov. So - cin. pro - flig. p. 748. dachter Boßheit ſündigen / die ordentliche Vergebung ab - ſchneiden / und verſagen. Jſt zubejammern / daß derglei - chen ſchaͤdliche Jrrgaͤnge auch noch andere wandeln / und lehren wollen; Die groſſe Buſſe werde von wahren Kin - dern Gottes ſo offt nicht wiederholet / als manche ſich ein - bilden / ſondern ſie beduͤrfften entweder derſelben groſſenconſul. Max. Rev. Fac. The - ol. Jen. Buſſe nicht / oder doch ja nicht zum andern / geſchweige zum dritten / oder zum zehenden / hunderten mahl. Wann aber dem ſo waͤre / wie haͤtteſtu holdſeligſter Menſchen-Freund /Gr. Bericht von Sten - gers Lehre. p. 651. ſeq. JEſu CHriſte / doch dem verſtockten Jeruſalem zuruffen koͤnnen; Wie offt habe ich deine Kinder verſamlen wollen; wie eine Henne verſammlet ihre Kuͤchlein unter ihre Fluͤ - gel? Und ihr habt nicht gewollt. Wie koͤnte der huldreicheMatt. 23, 37. Himmels-Vater ſein ſo offt abtruͤnniges Volck ſo hertzlich locken; Du haſt mit vielen Buhlern gehuret / doch komm wieder zu mir / ſpricht der Herr. Solche Troſtloſe LehreJer. 2, (3,) 1. verdammet nicht nur alle Menſchen / ſondern reiſſet auch gleichſam GOTT dem Herrn ſelbſt ſein gnaͤdiges Hertz aus. Daß daher der H. Cyprianus den Novatianum derCyprian. l. 1. Epiſt. 1. ad Corn. Papam. Op. m. vol. 1. pag. 4. Urſachen wegen wohl mag deſertorem Eccleſiæ, miſeri - cordiæ hoſtem, interfectorem pœnitentiæ, einen Kir -K 2chen -76Reichthum Goͤtlicher Guͤte. chen-Verlaſſer / einen Gnadenfeind / und einen Bußmoͤr - der heiſſen. Wir wiſſen durch den Himmelfeſten und hertz - lieblichen Troſt der Schrifft / daß unſer GOTT vonEph. 2. 4. groſſer Guͤte und Treue / und reich von Barmhertzigkeit iſt. Wie er uns der Sehuld unſerer Suͤnden in dem ſelig - machenden Tauffbad der Wiedergeburht erläſſet / und mit1. Pet. 3, 31. uns den Bund eines guten Gewiſſens aufrichtet / Krafft deſſen an uns nichts mehr verdamliches iſt / dieweil wir inRom. 8, 1. Chriſto Jeſu ſind; Alſo befreyet er uns in unſerer taͤgli - chen Erneuerung von der tyranniſchen und ſchaͤndlichen Herrſchafft der Suͤnden. Lehret uns thun nach ſei -Pſ. 143, 11. nem Wohlgefallen / ſein guter Geiſt fuͤhret uns auf ebener Bahn. Er ſtaͤrcket unſern Geiſt / daß wir nach denſelben wandeln / und die Suͤnde nicht laſſen herrſchen in unſerm ſterblichen Leibe / ihr Gehorſam zu leiſten in ihren Luͤſten / auch unſere Glieder nicht begeben der Suͤnden zu Waffen der Ungerechtigkeit / ſondern daß wir uns ſelbſt GOtte be - geben / als die aus den Toden lebendig ſind / und unſere Glieder GOTT zu Waffen der Gerechtigkeit / daß alſoRom. 6, 12. 13. 14. die Suͤnde nicht herrſchen kan uͤber uns. Welche Huͤlffe GOttes wir auch nicht ausſchlagen / ſondern willig und ge - bührend brauchen / und ja nicht in die verdammliche Ver - fuͤhrung gerathen ſollen / daß wir des ſuͤſſen Honigs / wie die Spinnen / zum Gifft / ich ſage / der Gnade Gottes zur Sicherheit gebrauchen / und auf dieſelbige frech loß ſuͤndi - gen wolten. Dencke nicht / O Suͤnder / ich habe wohl mehr geſuͤndiget / und iſt mir nichts boͤſes wiederfahren: Denn der Herr iſt wohl gedultig / aber Er wird dich nicht unge - ſtrafft laſſen. Er kan bald alſo zornig werden / als gnaͤdigSir. 5, 4. 7. er iſt / und ſein Zorn uͤber die Gottloſen / hat kein Aufhoͤren. Zeit -77Reichthum Goͤttlicher Guͤte. Zeitliche Suͤnden-Bande bringen ewige Hoͤllen-Bande. Wie ſol GOTT aus dem Suͤnden-Kercker fuͤhren / wenn man ſelbſt nicht Luſt hat / daraus zugehen? Alſo haben wir auch dem Exempel unſers Himmliſchen Vaters / als treue Nachfolger / uns gleich zumachen / und der Vermahnung Pauli zugehorſamen; Alle Bitterkeit / und Grimm / und Zorn / und Geſchrey / und Laͤſterung ſey ferne von euch / ſammt aller Boßheit. Seyd aber unter einander freund - lich / hertzlich / und vergebet einer dem andern / gleich wie GOTT euch vergeben hat in Chriſto. So ziehet nun an /Eph. 4, 31. 32, als die Außerwehlten Gottes / Heiligen und Geliebten / hertzliches Erbarmen / Freundligkeit / Demuth / Sanfft - muth / Gedult / und vertrage einer den andern / und verge - bet euch unter einander / ſo iemand Klage hat wider den an -Col. 3, 12. 13. dern / gleich wie Chriſtus euch vergeben hat / alſo auch ihr. Wie wir denn GOTT dem Herrn die Condition ſelbſt fuͤrſchlagen und beten: Vergib uns unſere Schuld / wieMatth. 6, v. 12. wir unſern Schuldigern vergeben. Wollen wir nun nicht bey andern / ſo wil GOTT auch bey uns nicht. Alſo wird euch mein Himmliſcher Vater auch thun / ſagt der Herr Jeſus / ſo ihr nicht vergebt von euren Hertzen / ein ieglicher ſeinem Bruder ſeine Fehle. Muͤſſen ſich aber im Gegen -Matth. 18, v. 35. theil fromme Hertzen wider Willen zu ihrem ſchmertzlichen Leid mit der anhangenden Suͤnde zeit ihres Lebens tragen / wie ein Gaͤrtner ſo fleißig er jaͤtet / doch das Unkraut nicht gaͤntzlich aus ſeinem Garten bringen kan / ſo wil der treueſte GOTT ſie an ihrem Ende und ſeligen Abſchied gewiß aus dieſem irrdiſchen Suͤnden-Schlam̃ heraus ziehen / und ſie durch den Tod von aller fernern Empfindung und Re - gung der verderbtenUnart befreyen / denn wer geſtorben iſt /K 3der78Reichthum Goͤttlicher Guͤte. der iſt gerechtfertiget von der Suͤnden / die ihm nun nichts mehr thun kan. Und wann wir denn durch unſer von dem bluthigen Sterben Chriſti gefaͤrbtes rothes Todes-Meer hindurch ſeyn / ſo ſind wir loß und vollkoͤm̃lich frey von dem Aengſtiger und Peiniger / dem hoͤlliſchen Pharao / der Suͤn - den nehmlich / und alle ihres Heers. Alsdenn ſollen wir dermahleins auferſtehen nicht in ſuͤndlicher Unehre / ſon - dern in Herrligkeit / nicht in verderbter Schwachheit / ſon - dern in Krafft / nicht der ferner anklebenden Suͤnden wegen1. Cor. 15, v. 42. 43. verweßlich / ſondern unverweßlich. Unſere Kleider / ja un - ſer Seel und Leib / werden da gewaſchen / und hell gemacht ſeyn in dem Blute des Lammes / wenn wir fuͤr den StuhlApoc. 7, v. 14. Gottes treten / und ihm Tag und Nacht dienen werden in ſeinem Tempel.

USUS, Troſt.

Da ſihe / liebe Seele / was du fuͤr einen herrlichen / und gantz unſchaͤtzbaren Schatz in dem Reichthum Goͤttli - cher Giite an dem gnaͤdigen Hertzen Gottes habeſt? Jſt Suͤndigen ein Elend uͤber alles Elend / ſo iſt doch der Mangel der gnaͤdigen Vergebung noch uͤber dieſes Elend. Wehe / wenn Cain von dieſem Hertz ausgehet / an ſeinerGen. 4, 13. Erbarmung verzaget / und ſpricht: Meine Sünde iſt groͤſ - ſer / denn daß ſie mir vergeben werden moͤge. Dagegen wohl und ewig wohl dem Menſchen /〈…〉〈…〉 דא ידשא lauter Heil / Wohlfahrt und Seligkeit um / in und an den Men - ſchen / dem die Ubertretung vergeben ſind / dem die Suͤnde bedeckt iſt. Wohl dem Menſchen / dem der Herr diePſ. 32. 1. 2. Eph. 2, 3, Pſ. 103, 17. Miſſethat nicht zurechnet. Jſt er ſonſt von Natur ein Kind des Zorns / ſo waltet und waͤhret nunmehr die Gnade des Herrn uͤber ihn in Ewigkeit. Die Gnade damit ihn Gottes Hertz beſeliget / iſt wie eine Thauwolcken des Mor -gens /79Reichthum Goͤttlicher Guͤte. gens / und wie ein Thau / der fruͤhe Morgens ſich ausbrei -Hoſ. 6, 4. tet. Jſt ein Menſch in Suͤnden ein Knecht / ein Leibeig - ner / ein Gefangener? So iſt er recht frey / wann ihn derJoh. 8, 36. Sohn Gottes / durch derſelben Erlaſſung / frey machet. Streitet ein Suͤnder mit ſeinem boͤſen Thun wider GOtt / und iſt ſeln hoͤchſtverhaſſter Feind? So erlangt er mit der kraͤfftigen Suͤnden-Vergebung Friede mit GOtt durch ſeinen Herrn Jeſum Chriſtum. GOtt hat GedanckenRom 5, 1. des Friedes / und nicht des Leides uͤber ihn / daß er ihm gebe das Ende / des er wartet. War er zuvor in und wegen derJer. 29, 11. Suͤnden ein verworffener Hoͤllen-Brand / ſo triumphi - ret er nun als ein Erloͤſeter aus der Hoͤllen; Tod / wo iſt dein Stachel / (die Sünde) Hoͤlle / wo iſt dein Sieg? GOTT ſey Danck / der mir den Sieg gegeben hat / durch1. Cor. 15, 55. 56. 57. meinen Herrn Jeſum Chriſtum. Wer wil mich Auß - erwehlten Gottes beſchuldigen? GOTT iſt hie / der mich gerecht macht. Wer wil mich verdammen? Chriſtus iſt hie / der geſtorben iſt / ja vielmehr / der auch auferwecket iſt / welcher iſt zur Rechten Gottes / und vertritt mich. Dar -Rom. 8, 33. 34. um / hab ich geſuͤndiget / ſo habe ich einen Fuͤrſprecher bey dem Vater / Jeſum Chriſt / der gerecht iſt / und derſelbige iſt die Verſoͤhnung fuͤr meine / und aller Welt Suͤnde. Ein1. Joh. 2, v. 1. 2. gereinigtes Hertz von Suͤnden nimmt der Hoͤchſte zu ſeiner beliebten Wohnung ein / es wird ein heiliger Tempel des Herrn / Summa es iſt ein irrdiſcher Himmel / ein froͤh - ches Paradis / ein Geiſtliches Jeruſalem / daß Gott Vater / Sohn und H. Geiſt liebet / troͤſtet / erfreuet / heiliget / ſchuͤ - tzet / erhaͤlt / und mit Him̃liſchen Guͤtern in Chriſto ſegnet / und ewig beſeligen wird. O Reichthum Goͤttlicher Guͤte! O gnaͤdiges Hertz GOttes! Das laß doch / frommerChriſt deinen Troſt / Schutz und Zuflucht ſeyn fuͤr allen deinengeiſt -80Reichthum Goͤttlicher Guͤte. geiſtlichen Feinden. Klagſtu aus Gewiſſens-Angſt; Mei -Ezech. 33,〈…〉〈…〉 10. c. 16, 6. ne Suͤnde und Miſſethat ligen auf mir / daß ich darunter vergehe / wie kan ich denn leben? Ey ſo wiſſe / daß der Herr alle deine Suͤnde wegnehmen will / du ſolt leben. So war als ich lebe / ſpricht der Herr Herr (ſtracks auf ietzt-an - gehoͤrte Klag-Worte) Jch habe keinen Gefallen am Tode des Gottloſen / ſondern daß ſich der Gottloſe bekehre vonc. 33. 11. ſeinem Weſen und lebe. Ficht dich Satan an wegen der uͤbermachten Groͤſſe deiner Suͤnden? Halt ihm fuͤr zu dei - nem Schild GOttes Hertz / welches / wo deine Suͤnde iſt maͤchtig worden / bey dir ſeine Gnade wil laſſen viel maͤch -Rom. 5, 20. tiger ſeyn. Drum

Schuͤttle deinen Kopff und ſprich;
Fleuch du alte Schlange.
Was erneurſtu deinen Stich /
Machſt mir Angſt und bange?
Jſt dir doch der Kopff zerknickt /
Und ich bin durchs Leiden
MeinesHeylands dir entzuͤckt
Jn den Saal der Freuden.
Hab ich was nicht recht gethan?
Jſt mirs leid von Hertzen.
Dahingegen nehm ich an
ChriſtiTod und Schmertzen.
Denn das iſt die Rantzion
Meiner Miſſethaten:
Bring ich das fuͤr GOttes Thron /
Jſt mir ſchon gerathen.
Und

About this transcription

TextJ. N. J. Reichthum Göttlicher Güte/ Den das brechende Hertz eines sterbenden Christen zusuchen/ selig aber nunmehr mit allen Außerwehlten gefunden hat Der Ehrenveste/ und Ehren Wohlgeachte Herr Johann Fleischer
Author Johann Heinrich Kühn
Extent80 images; 22347 tokens; 5476 types; 146297 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationJ. N. J. Reichthum Göttlicher Güte/ Den das brechende Hertz eines sterbenden Christen zusuchen/ selig aber nunmehr mit allen Außerwehlten gefunden hat Der Ehrenveste/ und Ehren Wohlgeachte Herr Johann Fleischer Johann Heinrich Kühn. . 80 Christoph BaumannDresden1675.

Identification

Universitätsbibliothek Breslau Universitätsbibliothek Breslau, 4 O 143/5 / 508612

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Leichenpredigt; Gebrauchsliteratur; Leichenpredigt; ready; aedit

Editorial statement

Editorial principles

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T09:35:46Z
Identifiers
Availability

Dieses Werk steht unter der „Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz“ (CC BY-SA).

Holding LibraryUniversitätsbibliothek Breslau
ShelfmarkUniversitätsbibliothek Breslau, 4 O 143/5 / 508612
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.