PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Die nach den Rettungſ-Bergen erhabenen Augen /
bey ſolenner Funeration der im HERRN ſeligſt-ruhenden / Wohl-Edel-gebohrnen / Hoch-Ehr-Sitt - und Tugend-reichen Frauen / Fr. Even Marien von Kuͤnemann / auf Biegnitz / des Wohl-Edlen / Veſt - und Hoch-Gelahrten Herrn / Herrn Johann Knorrs / Vornehmen Juris-Consulti und Consulent ens / wie auch ſelbiger Zeit der Freyherꝛlichen Bronniſchen Guͤt - ter Seppau / Groß-Kaur und Mangelwitz / Beſtandes-Jnnhabers / Hoch-geliebten Ehe-Liebſten / am 5ten Julii Anno 1696. in der Evangeliſchen Kirchen fuͤr Groß-Glogau / aus Pſal. 121. v. 1. 2. 3. 4. in einer Chriſtlichen Leichen-Predigt
GOERLJTZ/ gedruckt vonMichael und Jacob Zippern.
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Der ſeligſt-verſtorbenen Frau Knorrin / (cum Tit. deb.) Hoch-betruͤbteſten Ehe-Herrn / als Wittibern / ſeinem Hoch-geehrteſten Herrn Gevatter / Hoch-leid-tragenden Herrn Vater / Hoch-bekuͤmmerten Frau Stiff-Mutter / Schmertzlichſt-mitgekraͤncketen Fr. Schwieger - Mutter / Hoch-klagenden Geſchwiſter / Allzufruͤh verwaͤyſeten einigem Sohn und drey Toͤchtrichen /

uͤbergiebet dieſe Leichen-Predigt mit hertzlichem Anwunſch Goͤttlichen Troſtes / Dero Allerſeits getreuer Fuͤrbitter bey GOTT / M. Samuel Lange.

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DAs walte der GOTT alles Troſtes: welcher uns troͤſtet in allem unſerm Truͤbſal: daß wir auch troͤſten koͤnnen / die da ſind in allerley Truͤbſal / mit dem Troſt / damit wir getroͤſtet werden von GOTT! Der wolle auch itzo und allezeit / durch ſeinen Troſt - Geiſt / troͤſten / was Er hat betruͤbet: aufrichten / was Er niedergeſchlagen: und hertzlich verbinden / was Er ſchmertzlich hat verwundet: auch uns al - lerſeits / zu rechter Zeit / laſſen ſelig ſterben; und durch unſern JESUM den Himmel ererben! Amen.

DU Menſchen-Kind / ſiehe / Jch wil dir deine Augen-Luſt nehmen / durch ei - ne Plage: aber du ſolt nicht klagen / noch weinen / noch eine Thraͤne laſſen. Dis iſt / Jhr meine Geliebten / zum Theil hertz - ſchmertzlich betruͤbte Leydtragende / Zuhoͤrer / in CHRJSTO JESU dem HERRN / der wunderſame Befehl GOTTES / an den Prophe - ten Ezechiel: wie er zu leſen c. 24. v. 16. Die Augen - Luſt war des Propheten Ehe-Frau: wie der ſelbſter -A 2oͤffnet /4Die nach den Rettungs-Bergenoͤffnet / wenn er nachmahls ſpricht: Da ich des Mor - gens fruͤhe zum Volck redete / ſtarb mir mein Weib / v. 18. Weil die GOTT ſelbſt / deſſen Augen allerdings genau und unfehlbar ſchauen / des Propheten Augen-Luſt nen - net: hat man nicht zu zweiffeln / daß ſie ſolche auch gewe - ſen. Denn GOTT ſiehet nicht / wie ein Menſch ſichet: ſondern ſchauet das Hertze an. 1. Sam. 16. v. 7. So ſahe Er auch das / das der Prophete hatte: und wuſte / was an ſelbtem hinge / und ſothane Luſt brachte / daß es auch die Augen darnach richtete. Ach aber dieſe Augen-Luſt ſoll unverhofft vergehen / und doch dero Verluſt den Au - gen keine Unluſt machen. Du ſolt nicht klagen / ꝛc. Contraria ſe mutuò pellunt. Wiederwaͤrtige Dinge treiben ordentlicher Weiſe einander aus / dermaſſen: daß / was das andere verjaget / an deſſen Stelle koͤmmt; wie Licht und Finſterniß / Finſterniß und Licht. Hie aber ſoll / auf das Abſeyn angenehmer Augen-Luſt / keine Un - luſt folgen. Heimlich magſt du ſeuffzen; (womit Er den Propheten nicht ſchlechthin der Menſchligkeit entklei - det: ſondern ihme die gemeine Hertzens-Traurigkeit zu - laͤſſet): aber keine Todten-Klage ſolt du fuͤhren: ſondern du ſolt deinen Schmuck anlegen / und deine Schuh an - ziehen. Du ſolt deinen Mund nicht verhuͤllen / und nicht das Trauer-Brodt eſſen. Wann das Hertze trau - rig iſt / hilfft keine aͤuſſerliche Freude: ſo redet SalomoProv. 5erhabenen Augen. Prov. 14. v. 10. Doch ſoll hie beydes beyſammen ſeyn. Dem auch der theure Knecht des HERRN gehorſam - lich nachkommet: daß er / mit Warheit / ſchreiben kan: Und ich thaͤt des andern Morgens / wie mir befohlen war. Verwundert man ſich uͤber dem Befehl; ſo faſt noch mehr / uͤber dem Gehorſam. Denn GOTTES Wege ſind nicht unſere: und hat derſelbe ſchlechthin Macht zu ſprechen / was Er wil: weil nicht nur alle Menſchen / ſondern alle Creaturen / bloß in ſeiner Hand ſind. Daß aber auch ein Menſch in GOTTES We - ge / die nicht ſeine ſind / ſich gleichwol alſo finden kan: iſt gewiß ſo ſehre zu bewundern / als zu bemercken. Doch war auch der Befehl kein ſolches Joch / als gar nicht zu ertragen iſt. Und konte den Propheten darzu diſponi - ren / daß GOTT ſprach: Jch wils thun / Jch wil deine Augen-Luſt nehmen. Denn dadurch ward er allerdings geſichert: daß GOTT noch groͤſſere Luſt an der Augen-Luſt hatte / denn er ſelbſt: und ſie ſo neh - men wolte: daß er ſie / zu rechter Zeit / in deſto groͤſſerer Liebligkeit und Schoͤnheit / zu des Propheten ungleich - groͤſſerer Augen-Luſt / wiedergeben koͤnte. Was GOTT ſelbſt zu fich nimmt / muß Jhme nicht mißfallen. Was Er nimmet / kommet traun in ſolche Haͤnde: die das nicht ſchlimmern / ſondern beſſern. Die Haͤnde aber duͤrffen nichts vor ſich: drumb ſie ſo nehmen / daß ſieA 3wieder -6Die nach den Rettungs-Bergenwiedergeben koͤnnen: und das voͤlliglich thun werden / ἡμέρᾳ ἀποκαταςάσεως, am Tage der Erqvickung und des Herwiederbringens. Act. 3. v. 21.

Das hat ſeinen / ſo Thraͤnen flieſſenden Augen / als blutigen Hertzen fuͤrzuhalten der Wol-Edle / Veſt und Hoch-Gelehrte Herr / Herr Johann Knorr / vornehmer Juris ſo Conſulente als Conſultus. Maͤnniglich weiß / was Derſelbe ver - lohren hat an der Wol-Edel-gebohrnen / Hoch - Ehr-Sitt - und Tugend-reichen Frauen / Fr. Even Marien von Kuͤnemann / ſeiner / durch unverhoffte Plage / Jhm entnommenen Ehe-Liebſten. Wol eine rechte Augen - und nicht nur Augen - ſondern Hertzens-Luſt! Das Auge ſiehet ſich nicht ſatt / ſagt Sa - lomo. Eccl. 1. v. 8. Solches kan man auch den ſeini - gen anſehen. Denn deshalb flieſſen ſie mit ſo viel Thraͤnen: deswegen ſind ſie ſo niedergeſchlagen: daß ſie ſich nicht ſatt geſehen haben. Er hat zwar wol erfah - ren / was das heiſſe: Laß dich Jhre Liebe allezeit ſaͤtti - gen. Aber je ſatter Er war / je ſatter er werden wolte: und je mehr das Hertz geſaͤttigt ward / welches ſich auf dieſes Hertz verlaſſen konte: je weniger ſahen ſich die Augen ſatt. Er geſtehet gerne und freywillig: daß jelaͤnger7erhabenen Augen. laͤnger Er / mit dieſer Seligen / gelebet; je mehr Er Sie geliebet; je mehr ſey / Tag fuͤr Tag / die Liebe ge - wachſen. Ach! daß es nun doch nicht geheiſſen haͤtte: Du Menſchen-Kind / Jch wil dir deine Au - gen-Luſt nehmen! Aber leider! es hieß ſo. GOTT ſagte es / eher man es meynete. O! ſo ſtelle Er ſich dann ermeldten Propheten fuͤr / und gedencke: Ey GOTT hat es gethan. GOTT ſelbſt hat meinen Augen ihre Luſt genommen / daß Er die Seinen daran weidete; Ge - nommen / aber auf ein Wiedergeben: Genommen / auf ein beſſers Wiedergeben: und goͤnne auf ein Interim den allerhoͤchſten Liebes-Augen ihre Luſt: ja auch der Seligen diejenige / ſo ſie ſelbſt hat: weil Jhre Seele GOTTES Antlitz ſchauet. Und das iſt auch / was Jhren Augen fuͤrzuhalten haben die Geliebteſten und betruͤbteſten Eltern / Kinder / Geſchwi - ſter und ſaͤmtliche vornehme Anverwandten.

Wir aber wollen allerſeits die unſern wenden auf den Text / der der Wolſeligen rechtſchaffene Augen - Luſt in dieſem Leben fuͤrſtellet: und erwegen / wie Sie Jhre aufgehoben zu den Bergen: vorhero aber gen Himmel ſehen / und von Hertzen bethen: Vater Unſer ꝛc.

TEX -8Die nach den Rettungs-Bergen

TEXTUS,

(Pſalm. CXXI. v. 1. 2. 3. 4. )Jch hebe meine Augen auf zu den Bergen / von welchen mir Huͤlffe kommt. Meine Huͤlffe kommt vom Herrn / der Himmel und Erden gemacht hat. Er wird deinen Fuß nicht gleiten laſſen: und der dich behuͤ - tet / ſchlaͤffet nicht. Siehe / der Huͤter Jſrael ſchlaͤffet noch ſchlummert nicht.

EXORDIUM.

Auf dem Berge errette dich. Dies iſt / Jhr meine Geliebte / zum Theil hertzſchmertz - lichſt-betruͤbte Leydtragende Zuhoͤrer / in CHRJSTO JESU / dem HERRN / der Befehl des groſſen GOTTES an den Loth: als Er ihn aus Sodom und Gomorrha fuͤhrete. Gen. 19. v. 17. Die9erhabenen Augen. Die voͤlligen Worte ſind dieſe: Errette deine Seele / und ſiehe nicht hinter dich: auch ſtehe nicht in dieſer gantzen Gegend. Auf dem Berge er - rette dich / daß du nicht umkommeſt. Ehe der HERR Sodoma und Gomorrha verderbete: war ſie waſſer-reich / bis man gen Zoar kommet / als ein Garten des HERRN: ſtehet Gen. 13. v. 10. Sicut Paradiſus DOMINI, das iſt / als ein ſchoͤn und herꝛlich Garten oder Paradieß. Denn / wenn ungemein-groſſe / oder auch ſchoͤne Dinge beſchrieben werden: wird hinzuge - ſetzt / an vielen Orten der Schrifft / des HERRN / oder GOTTES; ſo gar / daß auch ſehr groſſe und ſchoͤne Berge / Cedern und dergleichen / Berge und Cedern GOTTES genennet werden. Wiewol S. Au - guſtinus meinet: daß dieſelbe Gegend gar mit dem Pa - radieß verglichen werde; dem man desfalls nicht eben zu wiederſprechen Urſach hat.

Deine Gerechtigkeit ſtehet / wie die Berge GOTTES. Pſal. 36. v. 8. Berge ſind mit ſeinem Schatten bedeckt / und mit ſeinen Reben die Ce - dern GOTTES. Pſ. 80. v. 11. Nomina DEI, Jehovah, Elo - him, El, adhibentur epitheti locô, pro divinum: qvô ſummum, & excellentiſſimum, ac maximum, & vehe - mentiſſimum ſignificatur. Rabbi Kimchi, in Comment. 1. Sam. 26. Haddabhar Scherozeh lehagdilo ſomech otho le El. h. e. Rem, qvam vult (Scriptura S.) magnificare, eam jungit DEO, h. e. nomini DEI. Et in Pſal. 65. Elo -Bhim10Die nach den Rettungs-Bergenhim hu kinnui ledabhar haggadol vehanniphla, h. e. vox Elohim eſt cognomen rei maximæ & admirabilis. Exempla producuntur iſthæc: Gen. 23. v. 6. Neshi Elo - him, Princeps DEI eſt in medio veſtri, h. e. habemus pro præſtanti & excellenti Principe. Ita Benedictus Ari - as Montanus, in Lib. de Idiotiſm. Hebr. qvi addit: DEI no - mine vocant Hebræi, qvicqvid excellit. Gen. 30. v. 8. Naphtule Elohim, luctationibus DEI, h. e. divinis, ve - hementiſſimis & graviſſimis &c. &c. Pſal. 36. v. 7. Juſtitia tua, ut montes DEI, h. e. maximi, immenſi. Pſal. 65. v. 10. Rivus DEI, h. e. præſtantiſſimus & maximus, ſ. ſu - perabundantiſſimus. Pſal. 80. v. 11. Palmites ejus, ut Ce - dri DEI, h. e. Cedri maximæ & proceriſſimæ. Glaſſius in Philolog. Sacra Lib. 3. Tract. I. p. 62. 63.
Qvod terra Sodomorum & Gomorrhæ, anteqvam dele - retur, comparatur Paradiſo DEI: qvod erat irrigua, ut terra Ægypti, qvam Nilus irrigat: ſatis, ut opinor, oſtenditur: qvomodo debeat intelligi ille Paradiſus: qvem plantavit DEUS, ubi conſtituit Adam. Qvis enim alius intelligatur Paradiſus DEI, non video: & utiqve ſi arbores fructiferæ, in paradiſo, virtutes animi accipi - endæ eſſent, ſicut nonnulli exiſtimant, nullô corporali in terra paradisô inſtitutô: non diceretur de iſta terra: ſicut paradiſus DEI. S. Auguſtinus Qvæſt. ſup. Gen. Lib. I. Qvæſt. 27. Tom. IV. Op. Edit. Pariſ. ()

Die konte allerdings die Augen derer nach ſich ziehen / ſo ſie ſahen: und denſelben eine Luſt und Anmuth ma - chen: weil alles / was koͤſtlich iſt / das Auge gerne ſiehet. Job. 28. v. 10. Das Auge ſiehet gerne / was lieblich und ſchoͤn iſt: aber eine gruͤne Saat lieber / denn die beyde:ſaget11erhabenen Augen. ſaget Sirach. c. 40. v. 22. Ja / eben dieſe Gegend zohe des Loths Augen: und machte ihnen eine Augen-Luſt / oder Begierde / da zu wohnen. Denn es ſtehet auch Gen. 13. v. 10. Da hub Loth ſeine Augen auf / und beſahe die gantze Gegend / am Jordan. Mehr: Da erwehlet ihm Loth die gantze Gegend / am Jordan / und zog ge - gen Morgen. Dieſe Augen-Weide oder Augen-Luſt wolte GOTT verderben: und ſahe mit den Augen ſei - ner Allwiſſenheit: daß Loth daruͤber ein Mitleyden ha - ben / und ſich unterfangen koͤnte; noch einmahl / zu guter letzt / ſeine Augen dran zu weiden / und zuruͤcke zu ſehen. Das aber wolte Er nicht haben: und verboth daher ſehr ernſtlich / das zu thun. Jm Gegentheil aber geboth Er / nach den Bergen zu ſehen und zu gehen: daß er daſelbſt ſeine Seele / das iſt / ſein leibliches Leben (denn das wird hier / durch Seele / angezeigt) erhalten und erretten moͤchte: Errette deine Seele / und ſiehe nicht hinter dich: auch ſtehe nicht in dieſer gantzen Gegend. Auf dem Berge errette dich.

Alle dieſe Befehle des Engels zeigen gnugſam an: wie dem Loth ſey umbs Hertz geweſt: und / was er fuͤr Gedancken gehabt habe. Ungerne gehet er aus der Stadt. Da er aber heraus kommen iſt / wil er nicht weit davon ſeyn: dieweil ihn der Stadt / ſo untergehen und verderben ſolte / hertzlich gejammert. Die Engel aber befehlen ihm: Errette deine Seele. Als wolten ſie zu ihm ſagen: Die Sodomiter ſind unbußfertige Leute: denen weder zu rathen noch zu helffen geweſt iſt. Und nun iſt ihre Stunde kommen. Darumb laß ſie fahren / dieweil ſie ihre Seele oder Leben ſoB 2jaͤmmer -12Die nach den Rettungs-Bergenjaͤmmerlich verachten: und errette deine Seele: daß du nicht auch mit in Noth kommeſt. Denn GOtt hat gewiß bey ſich beſchloſſen: Er wolle dieſe Stadt verderben. Darumb mache dich davon / je ferner / je beſſer / ꝛc. Lutherus in Auslegung des XIX. Cap. Geneſeos. Tom. X. Op. Witteberg.

Da das des Loths Ehe-Weib aus Augen ſetzte: und gegentheils die Leibes-Augen zuruͤcke wandte: wurde ihr daſſelbe ſo verſaltzen: daß ſie gar zur Saltz-Saul wurde. Wer ſeine Hand an den Pflug leget / und ſiehet zuruͤck: der iſt nicht geſchickt zum Reiche GOTTES: ſagt JESUS Luc. 9. v. 62. GOTT fuͤhret auch Loths Familie, oder das Geſchlechte der Gerechten und Glaͤu - bigen / aus Sodom: wenn Er es / von der boͤſen Welt / die in maligno, ja malo igne, lieget / und kuͤnfftig Feuer und Schwefel zu gewarten hat / befreyet: und ſowol / fuͤr Gefahr der Seelen / gnaͤdiglich bewahret; als auch end - lich / durch einen ſanfften und ſeligen Tod / errettet / und freudig ſagen laͤſſet: Wir ſind in Feuer und Waſſer kommen: aber Du haſt uns ausgefuͤhret und erqvicket. Pſal. 66. v. 12. Bey beyden heiſſet es: Siehe nicht hinter dich; Siehe nicht zuruͤck. Dergleichen Pau - lus thaͤt: Jch vergeſſe / was dahinten iſt: und ſtrecke mich zu dem / das dafornen iſt: und jage nach dem fuͤr - geſteckten Ziel. Phil. 3. v. 13. 14. Maͤnniglich hat da zu meinen / daß zu ihm GOTT ſpreche: Siehe nichtzuruͤcke;13erhabenen Augen. zuruͤcke; auch ſtehe nicht in dieſer gantzen Ge - gend. Auf dem Berge errette dich. Auf was fuͤr einem Berge? Joel ſaget es: Auf dem Berge Zion und zu Jeruſalem wird eine Errettung ſeyn: wie der HERR verheiſſen hat: auch bey den andern uͤbrigen / die der HERR dazu beruffen wird. Joel 2. v. 32. Und c. 3. v. 16. 17. Der HERR wird ſeinem Volcke eine Zu - flucht ſeyn / und eine Feſte den Kindern Jſrael: und ihr ſollets erfahren; daß Jch der HERR euer GOTT / zu Zion / auf meinem heiligen Berge / wohne. Die Umb - ſtaͤnde zeugen / daß das zum Theil / von dem Anfange der Kirchen GOTTES / im Neuen Teſtament; zum Theil / von der Zeit des juͤngſten Tages / handele. Da - rumb auch der Errettungs-Berg nicht allein das / zu Zion und Jeruſalem / zuerſt gebauete Zion / oder Haus des lebendigen GOTTES / die Gemeine der Heiligen / 1. Tim. 3. v. 15. ſondern auch das himmliſche Zion iſt. Doch nicht fuͤr ſich: ſondern in ſo fern / als der HERR da wohnet: der eigentlich und ausdruͤcklich die Feſte und Zuflucht genennet wird. Nach dieſem / ſagt der groſſe GOTT / am erſten Ort / wil Jch meinen Geiſt ausgieſſen / uͤber alles Fleiſch: und eure Soͤhne und Toͤchter ſollen weiſſagen: eure Elteſten ſollen Traͤu - me haben: und eure Juͤnglinge ſollen Geſichte ſehen. B 3Auch14Die nach den Rettungs-BergenAuch wil Jch / zur ſelbigen Zeit / beyde uͤber Knechte und Maͤgde / meinen Geiſt ausgiſſen. Und wil Wunder - Zeichen geben / im Himmel und auf Erden; nemlich Blut / Feuer und Rauch-Dampff. Die Sonne ſoll in Finſterniß; und der Mond in Blut verwandelt werden: ehe denn der groſſe und erſchreckliche Tag des HERRN koͤmmt; und ſoll geſchehen / wer des HERRN Nah - men wird anruffen / der ſoll errettet werden. Das fuͤhrt der heilige Hieronymus gewaltig durch / und erweiſet: daß es ſey erfuͤllet worden / wenn JESUS gelitten / geſtorben und auferſtanden iſt; bald aber drauf den Heiligen Geiſt in feuriger Geſtalt / den heiligen Apoſteln / zum Bau der Kirchen Neuen Teſtaments / in der Stadt Jeruſalem / gegeben hat. Wann dann aber GOTT ſelbſt / in naͤchſt-folgenden / durch den Propheten ſpricht: Denn / auf dem Berge Zion und zu Jeruſalem / wird eine Errettung ſeyn: wer wolte zweiffeln / daß nicht ſo wol der Berg Zion / als vielmehr / das auf dieſem Berge neu-gepflantzte Kirch-Zion und geiſtliche Jeruſalem / der Berg ſey: wo die Errettung folgen ſolte? Zumahl da daſſelbe eben der Berg iſt / der gewißlich hoͤher / denn alle Berge / und uͤber alle Huͤgel erhaben werden ſolte. Jeſ. 2. v. 3. ſeq. Mich. 4. v. 12. Am andern Orte ſte - het: Sonn und Mond werden verfinſtern / und die Sterne werden ihren Schein verhalten. Und derHERR15erhabenen Augen. HERR wird aus Zion bruͤllen / und aus Jeruſalem ſeine Stimme laſſen hoͤren: daß Himmel und Erde be - ben wird. Aber der HERR wird ſeinem Volcke eine Zuflucht ſeyn / und eine Feſte den Kindern Jſrael. Und ihr ſollets erfahren / daß Jch der HERR euer GOTT / zu Zion auf meinem heiligen Berge / wohne. Alsdann wird Jeruſalem heilig ſeyn / und kein Fremder durch ſie wandeln. Das mag man ja verſtehen von der Zeit: da Zeichen werden geſchehen / an der Sonnen / Mond und Sternen; und der GOTT / unſer Heyland / wird mit einem Feld-Geſchrey und der Poſaunen GOT - TES / hernieder kommen vom Himmel. Luc. 21. v. 25. Tit. 2. v. 13. 1. Theſſ. 4. v. 16. Ach! wie wird da der Loͤwe vom Stamm Juda bruͤllen: und ſo ſeine / als der ſei - nen Feinde erſchrecken: jene aber / in ſeinen ewigen Schutz und Troſt / ja mit ſich / auf die Himmels-Berge / nehmen; daß ſie ewiglich erkennen; Er ſey der HERR ihr GOTT; und ſie bey Jhm / auf ſeinem heiligen Ber - ge / wohnen: da kein Fremder hinkoͤmmt! Pſal. 15. v. 1. ſeq. Wohin auch Remigius und Hugo de S. Charo, mit ih - ren Auslegungen / zielen; und der ſelbſte Hieronymus ſambt anderen. Wer da nicht errettet wird / wird nim - mermehr errettet werden.

Hunc locum beatus Apoſtolus Petrus impletum tempo - re Dominicæ Paſſionis expoſuit: qvando deſcendit die Pentecoſtes Spiritus S. ſuper credentes &c. &c. Tunc da -bit16Die nach den Rettungs-Bergenbit prodigia DOMINUS, in cœlo & in terra. In cœlo, qvia Sol eſt verſus in tenebras, & Luna in ſangvinem. In terra, qvia tam vehementi & inſolitô motu terra con - tremuit: ut monumenta aperta & faxa disrupta ſint. Qvod autem dicit, ſangvinem & vapores, ſive vaporem fumi: ſangvis ille eſt, de qvo in Pſalmo legitur: ut in - tingatur pes tuus in ſangvinem. Et in Eſaia: Qvam rubicunda ſunt veſtimenta tua? Et qvem, percuſsô la - tere Salvatoris, miſtis aqvis, Romanus miles effudit. Et ignis Spiritus S qvi deſcendit de cœlo, ut in Actibus Apoſtolorum legitur: Apparuerunt illis diſpertitæ lin - gvæ, tanqvam ignis &c. Hic eſt ignis, qvem venit DO - MINUS mittere ſuper terram &c. Ignis naturæ eſt du - plicis: habet lumen credentibus: habet tenebras ſup - pliciaq́; incredulis, qvi appellantur vapores fumi. Iſte fumus eſt amariſſimus, qvi excœcavit oculos Judæo - rum: de qvo in Proverbiis legimus: Sicut fumus noxi - us eſt oculis &c. De hoc fumo & Eſaias in viſione ma - gna loqvitur, in qva prædicebatur cœcitas Judæorum &c. Sol qvoq; eſt verſus in tenebras, qvando penden - tem DOMINUM ſuum videre non auſus eſt: & Luna in ſangvinem. Qvod autem, juxta hiſtoriam, factum eſſe credamus: & ab Evangeliſtis ſilentiô prætermiſſum &c. Aut certè, qvomodo Sol verſus in tenebras eſt? Non, qvod ipſe ſit mutatus in tenebras, ſed tenebras mundo induxerit. Sic & Luna non eſt verſa in ſangvinem, ſed Judæos blaſphemiarum & negationis in CHRISTUM horrore coopertos, æternô teſtimonii ſui ſangvine con - demnavit, dicentes: Sangvis ejus ſuper nos &c. Hæc omnia, priusqvam dies DOMINI veniat magnus & hor - ribilis, futura deſcribit. Dies autem DOMINI magnus &horri -17erhabenen Augen. horribilis, aut reſurrectionis eſſe credendus eſt: aut cer - multa poſt tempora dies judicii, qvi verè magnus & horribilis. Sed qvia ſeqvitur: Et omnis, qvi invoca - verit nomen DOMINI, ſalvus erit: & hoc, qvod Apo - ſtolus Paulus refert ad tempus Dominicæ paſſionis, ma - gis de reſurrectionis die intelligendum eſt. Ait enim ſcribens ad Romanos: Non eſt diſtinctio Judæi & Græ - ci: Idem enim ipſe DOMINUS omnium: dives in omnes, qvi invocant illum. Omnis enim, qvi invoca - verit nomen DOMINI, ſalvus erit &c. &c. &c. Poſtqvam igitur venit dies DOMINI magnus & horribilis: & ſal - vus effectus eſt, qvicunq́; poſt DOMINI reſurrectionem nomen illius invocavit: omnis, qvi fuit in monte Sion & in Jeruſalem, ſalvatus eſt. De Zion enim egreſſa eſt lex, & verbum DOMINI de Hieruſalem &c. Principium ergò eorum, qvi ſalvati ſunt, fuit in Sion & Hieruſalem, in ſpecula & in viſione pacis &c. &c. Omnia, qvæ fa - cta ſunt, ad illa tempora referamus: ad qvæ Petrus & Paulus retulerunt, h. e. qvando paſſus eſt DOMINUS & reſurrexit. Neqve enim fieri poteſt, ut ſuperiora in tempore paſſionis, & qvæ ſeqvuntur intelligamus de die judicii &c. &c. Hieron. Comment. in Joël. Proph. Cap. 2. Tom. V. Op. Edit. Pariſ. Gemina, imò ferè eadem legere licet, apud Hugonem de S. Victore, Tom. I. Op. Edit. Mogunt.
Cum ſolis & lunæ, cunctarumq; ſtellarum ſplendor te - nebris fuerit commutatus, DOMINUS de Zion inſtar le - onis rugiet, ſive clamabit: & tam excelſa vox ejus erit atq; terribilis: ut cœlorum cardines & terrarum funda - menta qvatiantur. Cumq; tam ſeverus in eos fuerit, qvi puniendi ſunt: erit clemens erga populum ſuum, & dabit eis fortitudinem, qvi appellantur filii Iſrael:C(mens18Die nach den Rettungs-Bergen(mens ſc. cernens DEUM &c.) &c. &c. Tunc ſcient & hi, qvi punientur, & illi, qvi aſſumentur in gloriam: qvod DOMINUS habitet in ſpecula ſua, Sion, & in CHRISTO monte ſancto ſuo. Ipſe qvoq; ait Hiero - nymus, Comment. cit. ſed in Cap. 3. Jõelis.
Non de Sion terrena rugiet, neq; de Jeruſalem: ſed de Eccleſia, qvæ conſtabit ex Angelis & hominibus electis. Rugiet, id eſt, terrorem incutiet reprobis, dicens: Ite maledicti in ignem æternum. Electorum autem ſuo - rum erit ipſe ſpes, liberans eos à pœnis inferni, dicens: Venite benedicti Patris mei, percipite regnum, qvod pa - ratum eſt vobis, ab origine mundi. Undè & ſeqvitur: Et ſcietis, inqvit, ô electi: qvia ego DOMINUS veſter habitans in Sion, in monte ſancto meo. Et erit Jeruſa - lem ſancta: non terrena, ſed cœleſtis, conſtans ex An - gelis & hominibus: & alieni, id eſt, diaboli & infideles, maliq; homines, non tranſibunt per eam amplius, i. e. poſt diem judicii extremi. Sancti qvamdiu in terra morantur, mixti ſunt cum malis: converſatione, dico, non opere; & diabolus, alienus à DEO, tranſit per me - dium eorum, circumiens die ac nocte, qværens, qvem devoret, & à tramite rectitudinis deviare facit. Com - pletô autem ultimô examine jam poſtmodùm non mo - rabuntur reprobi, cum electis: neq; impugnabit eos amplius diabolus: qvia traditus erit cum ſatellitibus in - ferni cruciatibus. Remigius Antiſſiodorenſis Expoſit. in Joel. c. 3. Tom. XVI. Biblioth. SS. PP. Edit. Lugdun. ()
Veniente verò lumine omnia luminaria minorari vide - buntur à ſplendore ſuo, Matth. 24. &c. Et hoc, qvia DOMINUS de Sion, i. e. de Eccleſia, conſtante ex An - gelis & hominibus, Rugiet, qvando dicet: Eſurivi, &non19erhabenen Augen. non dediſtis mihi manducare &c. Et de Jeruſalem da - bit vocem ſuam: Ite maledicti &c. Et DOMINUS ſpes populi &c. Ita erit ſeverus malis, ſuis autem clemens erit, & fortitudinem dabit. Et tunc ſcietis, ô vos electi. Qvia ego DOMINUS veſter habitans in Sion, in medio electorum, in culmine virtutum. Et erit Jeruſalem San - cta, Apoc. 21. Non intrabit in eam aliqvid coinqvina - tum. Hugo de S. Charo Tom. V. Comment. Edit. Pariſ. in h. l.

Da mag man CHRJSTJ Wort gebrauchen: Es fliehe auf die Berge. Matth. 24. v. 16. So uns auch der itzt abgeleſene Text fuͤrhalten kan

PROPOSITIO.

die zu den Rettungs-Bergen erhabenen Augen.

  • Wobey dies zweyes
    • (1) Wie ſie ſich erheben? und
    • (2) Was ſie davon haben?
Es helff uns JESUS / unſer Troſt /
Der uns durch ſein Blut hat erloͤſt /
Vons Teuffels Gewalt und ew’ger Pein:
Jhm ſey Lob / Ehr und Preiß allein!
C 2TRA -20Die nach den Rettungs-Bergen

TRACTATIO.

ES ſchauet nach den Bergen. So redet / Jhr meine Geliebte / zum Theil hertz - ſchmertzlichſt betruͤbte Leydtragende / Zuhoͤrer / in CHRJSTO JESU / dem HERRN / der groſſe GOTT zu dem Hiob; wie zu leſen / in ſeinem Buche / am 39 cap. v. 11. von dem Wil - de: welches das Getuͤmmel der Stadt verlachet / und das Pochen des Treibers nicht hoͤret. Es ſchauet nach den Bergen. Koͤnig David hat ſich wol ehe verglichen mit gejagten Hirſchen / Rehen / und derglei - chen Wilde; Pſal. 42. v 2. mit einem Einhorn. Pſal. 92. v. 11. ja gar mit einem geſcheuchten Rebhun / 1. Sam. 26. v. 20. Was Wunder iſt es denn / daß er auch ſpricht: Jch hebe meine Augen auf / zu den Bergen; oder / Jch ſchaue nach den Bergen? Die bloſſe Redens-Art / Jch hebe auf / zeiget an: daß er eine Tieffe ſupponiret / gleich als in dem 130. Pſalm: Aus der Tieffe ruffe ich / HERR / zu dir ꝛc. Oder / wie er ſonſt ſpricht: Du haſt mich in die Grube hinunter gelegt / ins Finſterniß / und in die Tieffe. Pſal. 88. v. 7. Und noch vorher: HERR GOTT / mein Heyland / ich ſchreyeTag21erhabenen Augen. Tag und Nacht fuͤr dir. Laß mein Gebet fuͤr dich kom - men / neige deine Ohren zu meinem Geſchrey. Denn meine Seele iſt voll Jammers / und mein Leben iſt nahe bey der Hoͤllen. Jch bin gleich geachtet denen / die zur Hoͤllen fahren. Oder / wie er vom Meſſia ſinget: Hilff GOTT! das Waſſer gehet mir biß an die Seele. Jch verſincke in tieffem Schlamm / da kein Grund iſt. Jch bin in tieffen Waſſern / und die Fluth wil mich erſaͤuffen. Und nachmahls: Errette mich aus dem Koth / daß ich nicht verſincke: daß ich errettet werde von meinen Haſ - ſern / und aus den tieffen Waſſern. Pſal. 69. v. 2. 3. 15. Das vielfaͤltige Creutz und Ungluͤck / womit er uͤber - ſchwemmet ward; die Noth - und Jammer-Wellen / welche ihn umbzingelten; die vielfaͤltige Lebens-Ge - fahr / darin er zum oͤffteren gerieth; die Fluthen Goͤtt - lichen Zornes / die Angſt des Gewiſſens ꝛc. brachten die - ſen GOTTES-Mann zum oͤfftern in den Stand / daß er ſchreyen muſte: Deine Fluthen rauſchen daher: daß hie eine Tieffe / und da eine Tieffe brauſen. Pſal. 42. v. 8. Wie nun die / ſo in die Meeres-Tieffe kommen / oder ſonſt verſincken wollen / allerdinges ihre Augen in die Hoͤhe heben: ſo thut das auch David / ſprechende: Jch hebe meine Augen auf. Denn wer ſich in der Tieffe mercket: ſchreyet / ſeuffzet / ſuſpiriret /C 3(hebt22Die nach den Rettungs-Bergen(hebt ſeine Seuffzer in die Hoͤhe) biß daß er erret - tet werde / und zu dem komme: welcher uͤber allen Tieffen ſitzet / uͤber Eherubim / und allem / was Er hat geſchaffen / nicht nur leiblich-ſon - dern auch geiſtlichen; biß zu dem die Seele komme / biß von ihm befreyet werde ſein ſelbſt - eigen Bilde / das der Menſch iſt / und in dieſer Tieffe / von den ſteten Wellen / hefftig mitge - nommen wird: ſchreibet S. Auguſtinus, uͤber Pſal. 129. Jn ſolcher merckte ſich gewiß der fromme Koͤnig; daher S. Theodoretus ſeine Worte nicht vergebens ſo umbſchreibet: Jch / von vielen und vielfaͤltigen Calamitaͤten (gantz) umbzingelt / warff meine Augen allenthalben hin und umbher / einige Huͤlffe zu erlangen verlangende. Aber ich weiß / daß ich keine menſchliche Huͤlffe kan er - halten. Drumb iſt mir die Goͤttliche Wohl - wollenheit gnug.

Profundum enim nobis eſt vita iſta mortalis. Qvisqvis ſe in profundo intellexerit: clamat, gemit, ſuſpirat: do - nec de profundo eruatur: & veniat ad eum: qvi ſuper omnes abyſſos ſedet, ſuper Cherubim, ſuper omnia,qvæ23erhabenen Augen. qvæ creavit: non ſolùm corporalia, ſed etiam ſpiritua - lia: donec ad eum veniat anima, donec ab illo liberetur imago ipſius, qvod eſt homo: qvæ in hoc profundo, tanqvam aſſiduis fluctibus, exagitata, detrita eſt &c. S. Auguſt. Enarrat. in Pſal. 129. Tom. VIII. Op. Edit. Pariſ.
A multis variisq; calamitatibus cinctus, undiq; oculos circumferebam, aliqvam opem conſeqvi deſiderans. Ve - rum novi, me nullum humanum auxilium adipiſci poſſe. Satis qvippe eſt mihi DEI benevolentia. B. Theodoretus, Interpret. Pſal. 120. Tom. l. Op. Edit. Colon. ()

Der Selige Lutherus hat gleichmaͤſſige Gedancken - ber gleiche Redens-Art des Koͤnigs Davids in dem 123. Pſalm. Dies iſt ein hefftig Seuffzen eines geaͤngſteten Hertzens; das auf alle Seiten ſich umbſiehet: und Freunde / Goͤnner / Troͤ - ſter und Lobſager ſuchet: aber nirgend finden kan. Darumb ſpricht er: Wo ſoll ich ar - mer und verachteter Menſch Zuflucht hin ha - ben? Jch bin nicht ſo ſtarck / daß ich mich auf - halten koͤnnte. Mir gebricht Weißheit und Anſchlag / unter ſo vielen Wiederwaͤrtigen / die an mich ſetzen. Darumb komm ich zu Dir / mein GOTT: zu Dir heb ich meine Au - gen auf / der Du im Himmel wohneſt. Luth. Tom. 24Die nach den Rettungs-BergenTom. VII. Altenburg. Das aber gehoͤret ſonder - lich zu den Zeichen bruͤnſtigen und Andachts-vollen Bethens: als bey dem Herrn JESU / von wel - chen die Evangeliſten melden: Er ſahe auf gen Him - mel / und dancket. Matth. 14. v. 19. Marc. 6. v. 41. Er ſahe auf gen Himmel und ſeuffzet. Marc. 7. v. 34. Zu dir / mein Herr / kehre ich mein Angeſicht: zu dir hebe ich meine Augen auf und bitte dich: ſaget dort die andaͤchtige Betherin / Sara / Tob. 3. v. 15 Das hatte ſie gewiß der Beth-Kunſt Davids abgelernet: auf den ſie / bey dem Wechſel Ungewitters und der Son - nen / Heulens / Weinens und der Freude / ſich mit ih - ren Worten zu beziehen ſcheinet. Giebt aber auch hie - mit zur Nachricht: daß ſchon / zur Zeit des alten Bun - des / nicht ungemein geweſen iſt: was Clemens Ale - xandrinus von den erſten Chriſten ſchreibet: daß ſie / im bethen (unter andern geſtibus, Gebehrden und Zeichen) ihre Haͤupter und Geſichter in die Hoͤhe gehoben ha - ben. Wann dann auch die Zeichen eines Dinges vor das / ſo damit bezeichnet wird / nicht gar ſelten / in der Schrifft / geſetzet werden: als Herr D. Glaſſius (Philol. S. Lib. V. Tract. l. Cap. 4. de Metonymia Adjuncti, theſi VI. Signum pro Signato ponitur. ) mit ſehr viel Exem - peln darthut: iſt unſchwer zu glauben / was Herr Dauderſtad bemercket: daß dergleichen auch allhier ge -ſchehe:25erhabenen Augen. ſchehe; und das Augen-aufheben / ſtat andaͤchtigen und bruͤnſtigen Gebethes / ſtehe.

Et caput & manus in cœlum extendimus, & pedes ex - citamus, in ultimâ acclamatione orationis, promptitu - dine & alacritate Spiritus aſſeqventes eſſentiam, qvæ ap - prehenditur intelligentiâ; & unà cum verbo corpus à terra abducere conantes, erectam & elevatam animam deſideriô meliorum cogimus in ſancta progredi, magnô animô carnis vinculum deſpicientes, Clemens Alexandr. Strom. Lib. VII. In phraſi, levare oculos, eſt Metony - mia Signi. Cùm enim devotè & ardenter orantes ocu - los ad cœlum attollere ſæpius ament; Pſaltes etiam no - ſter oculis ſurſum elevatis ſeſe orare adſeverat. Vid. Diſpoſit. Pſal. 121. Laborum Pſalterialium Theoretico-Pra - cticorum Dauderſtadii. ()

Darnach bemercket es auch ein glaͤubiges Vertrauen GOTTES / und gewiſſe Hoffnung kuͤnfftiger Erret - tung / und Verſorgung: als Pſalm. 25. v. 15. Meine Augen ſehen ſtets zu dem Herrn: Er wird mei - nen Fuß aus dem Netze ziehen. Und Pſalm. 123. v. 2. 3. Wie die Augen der Knechte auf die Haͤnde ihrer Her - ren ſehen: wie die Augen der Magd auf die Haͤnde ihrer Frauen: alſo ſehen unſere Augen auf den Herrn unſern GOTT: biß er uns gnaͤdig werde. Sey uns gnaͤdig / Herr / ſey uns gnaͤdig! O wieviel vermoͤgen dieſe beyde Reden Davids! Die erſte bloͤſſet dergeſtalt ſein Hertze: daß mans ja ſo feſt an GOTTES Gna -Dde26Die nach den Rettungs-Bergende hangen; als die Augen / von ſtets-waͤhrenden erhe - ben zu den Bergen / daher Huͤlffe kommet / gleichſam ſtarren / ſiehet! Es iſt ja ſo voll / vom zuverſichtlichen Vertrauen / auf die Rettung GOTTES: als dieſe / von der unverruͤckten Luſt / nach dem / der in dem Him - mel wohnet / unablaͤſſiglich zu ſehen. Dann / ſagt er / Er wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen. Er wirds thun / ich bin deß verſichert. Drumb ſehen meine Au - gen ſtets nach Jhm: als ja klaͤrlich gnug die cauſal - particul, Ki, qvoniam, qvia, nam, enim, anzeigt: ſamt dem / was bald anfangs / in dem Pſalme / ſtehet: Nach dir / Herr / verlanget mich. Mein GOTT / ich hoff auf dich: laß mich nicht zu Schanden werden: daß ſich meine Feinde nicht freuen uͤber mich. Denn kei - ner wird zu Schanden / der dein harret. Die andere vergleichet Davids Augen mit der Knecht und Maͤg - de: welche nach den Haͤnden ihrer Herren und Frauen billich ſolcher maſſen ſehen: daß ſie ſelbten nicht nur ih - re Ehr-erbiethigkeit / Aufwartung / Gehorſam und Ge - duld / ſondern auch vertrauens-volle Zuverſicht / auch mit ihren Augen / zu erkennen geben. Denn das iſt / ſchreibt letzt-gemeldeter Theologus (in Pſalmum 123.) rechtſchaffener Knechte Pflicht und Art: daß ſie ihre Herren in Ehren halten: auf derſelbenHaͤnde /27erhabenen Augen. Haͤnde / Gebehrden / Wincke / und dergleichen Anzeig / ſchauen: ſelbten baldigen Gehorſam / durch den Dienſt / zu leiſten: daß ſie Dero Ge - bothen nachleben: das Joch / die Knecht - ſchafft und gemaͤſſigte Zuͤchtigung / geduldig tragen: und ihnen endlich alles gute von ih - nen verſprechen. Denn ſie erwarten doch von ihrer Hand alles / Nahrung / Lohn / Schutz / Schirm / Huͤlffe: welches auch in Urſach iſt: daß ſie Augen haben: ſo auf ihre Haͤnde ſind gerichtet: daß ſie von denſelben entweder was von Wolthat / oder Nahrung und Kleidung / mit der Huͤlffe erlangen. Der H. Auguſtinus erweget ſonderlich den Zuſatz des Pſalmiſten: Biß er uns gnaͤdig werde: hat daruͤber liebliche Ge - dancken / und meint: daß hiemit geſehen werde auf der - gleichen Knecht und Maͤgde: welche / auf Befehl der Herren oder Frauen / geſtrichen werden: die doch ihre Augen / nicht auf die Streiche / oder welcher ſolche giebt: ſondern auf die Haͤnde derer / die da ſagen koͤn - nen / parce, ſchone / laß deine Hand ab / richten.

Qvales ergò ſervos vult intelligi, fratres? Qvi oculosD 2habent28Die nach den Rettungs-Bergenhabent in manus Dominorum ſuorum. Et qvales an - cillas? Qvæ oculos habent in manus Dominæ ſuæ: qvoadusq; miſereatur Domina earum. Qvi ſunt iſti ſer - vi & ancillæ, qvæ ſic habent oculos in manus Domino - rum ſuorum: niſi, qvi jubentur cædi? Oculi noſtri ad DOMINUM DEUM noſtrum, qvoadusq; miſereatur noſtri. Qvomodo? Sicut oculi ſervorum in manus Domi - norum ſuorum, & ſicut oculi ancillæ in manus Domi - ſuæ. Ergò & illi & illæ, qvoadusq; miſereatur vel Dominus, vel Domina. Fac ergò, aliqvem Dominum juſſiſſe ſervum ſuum cædi. Vapulat ſervus, ſentit pla - garum dolores: attendit ad manus Domini ſui, qvoad - usq; dicat: parce. Manum enim ipſam poteſtatem dicit. Ergò qvid dicimus, fratres? Juſſit nos cædi Dominus noſter & Domina noſtra. Sapientia DEI juſſit nos cædi: & in hac vita vapulamus: & tota iſta vita mortalis pla - ga noſtra eſt.

Beydes hat hier ſtat: inmaſſen David ſo nach den Bergen ſiehet: daß er ſich von dannen auch der Huͤlffe verſiehet / und darumb Anſuchung thut. Jch / ſagt er / hebe meine Augen auf / zu den Bergen / von welchen mir Huͤlffe koͤmmet. Was ſind aber das vor Berge? Die / ſo er ſelbſt bemercket / wenn er ſpricht: Meine Huͤlffe kommet von dem HERRN ꝛc. Die Worte brauchen keinen weitlaͤuff - tigen Commentarium: weil ſie klar gnug ſind. Denn woher Davids Huͤlffe koͤmmt / das ſind die Berge / da -hin29erhabenen Augen. hin er die Augen hebet. Die Huͤlffe aber koͤmmt vom HERRN / der Himmel und Erden ge - macht hat. Wer wolte zweiffeln / daß er auch den - ſelbigen verſtehe: wenn er von den Bergen redet? Das ſagt er ſelber / wenn er Pſalm. 123. deutlich ſpricht: Jch hebe meine Augen auf zu dir / der Du im Himmel ſitzeſt. Ferner: Alſo ſehen unſere Augen auf den Herrn: biß er uns gnaͤdig werde. Sey uns gnaͤ - dig / Herr / ſey uns gnaͤdig. Denn wir ſind voll Verachtung. Siehe hier eine Seele / ſchreibet hierob der Goͤlden-Mund / Chryſoſtomus, welche / in viel Ubel verwickelt / ſich nicht kan auswi - ckeln / und den Ausgang finden: die wil Troſt erlangen / indem ſie auf GOTT ſiehet / ad DE - UM reſpiciens. Was Koͤnig David heiſt die Au - gen zu den Bergen heben: das nennet dieſer Va - ter / bey ſeiner Erklaͤrung / auf GOTT ſehen. Und dieweil er in Gedancken ſtehet: daß der Pſalm / im Nahmen der Juͤden / welche kuͤnfftig ins Gefaͤngniß (Babel) / doch auch wiederumb da heraus / nach GOTTES Willen / gehen ſollten / aufgeſetzet ſey: nimmet er daher Gelegenheit / die Chriſten / ſo denſel -D 3ben30Die nach den Rettungs-Bergenben nichts nachgeben / ſondern ſie vielmehr im guten uͤbertreffen ſollen / zu ermahnen: in ihren Noͤthen ſich zu GOTT zu erheben / und zu ſelbigen zu fliehen.

Levavi oculos meos in montes, undè venit auxilium meum. Alius (ſc. vertit): Levo oculos meos in montes, unde venit auxilium meum. Vide rurſus animam: qvæ malis implicita, neqvit ſe expedire & invenire exitum: & vult aſſeqvi ſolatium, ad DEUM reſpiciens Si enim Judæi, qvi ſunt craſſi & terræ affixi, ab afflictione captivitatis adeò boni evadebant, & ad cœlum ita reſpi - ciebant: multò juſtius eſt, ut nos hoc faciamus in no - ſtris calamitatibus, & ad DEUM confugiamus: à qvibus longè major, qvàm ab illis, reqviritur perfectio. Illi enim tunc erant in mediis hoſtibus, & neq; civitatem habebant, nec murum, nec arcem &c. &c. Calamita - tum autem magnitudine oppreſſi ad invictam manum confugiebant, &c. & ideò dicebant: Levavi oculos meos in montes, undè veniet auxilium mihi. Qvæ ab homi - nibus conferri poſſunt, omnia defecerunt, omnia perie - runt, omnia procul receſſerunt. Una, inqvit, ſalus de - inceps relicta eſt, qvæſc. affertur à Domino. S. Chryſoſt. Tom. 1. Op. Homil. in Pſal. 120. Edit. Antverp. ()

Der heilige Auguſtinus ſaget zwar: daß man durch die Berge verſtehen koͤnne die Groſſen und Erleuchte - ten Leute; und ſetzet das anbey: daß man auf ſie ſehen ſolle / wie ſie in der Schrifft beſchrieben werden: damit man auch von GOTT erleuchtet werden moͤge. Wil aber durchaus nicht / daß man ſich auf ſie verlaſſen ſolle:mit31erhabenen Augen. mit ausdruͤcklichem Zuſatz: daß die Huͤlffe / nicht von den Bergen / ſondern von dem ſey: aus deß Fuͤlle wir alle nehmen / und der die Erleuchtung wuͤrcke. So man das umb und umb anſiehet / bleibet doch der liebe GOTT der einige Huͤlffs-Berg.

Qvid eſt: Jam illuminati ſunt montes? jam ortus eſt Sol juſtitiæ, jam ab Apoſtolis prædicatum eſt Evangelium, prædicatæ ſunt Scripturæ, patuerunt omnia Sacramen - ta, conſciſſum eſt velum, patuit ſecretum templi? jam tandem levent oculos ſuos ad montes, unde veniet auxilium illis? Hoc enim præcipit illis iſte Pſalmus, ſe - cundus de his, qvi inſcribuntur Canticum graduum. Sed non rurſus præſumant de montibus: qvia ipſi mon - tes non à ſe lucent: ſed ab illo lucent, de qvo dictum eſt: Erat lumen verum, qvod illuminat omnem homi - nem venientem in hunc mundum. Montes poſſunt in - telligi, homines magni, homines clari. Et qvis major eſt Johanne Baptiſta? Qvalis ille mons erat, de qvo DO - MINUS ipſe dicit: In natis mulierum nemo exurrexit major Johanne Baptiſtâ? Vides certè iſtum magnum montem lucentem, audi confitentem. Qvid confiten - tem? Nos omnes, inqvit, de plenitudine ejus accepimus. De cujus plenitudine ergò acceperunt montes, ab illo eſt tibi auxilium. Non de montibus, in qvos tamen niſi le - vaveris oculos per Scripturas, non admoveberis, ut ab illo illumineris. S. Auguſt. Enarrat. in Pſal. 120. Tom. cit. ()

Wie demnach David ſonſt auf Redens-Art von Ber - gen koͤmmt: wenn er den lieben GOTT beſchreiben wil / Pſalm .. 125. v. 2. Umb Jeruſalem her ſind Berge /aber32Die nach den Rettungs-Bergenaber der Herr iſt umb ſein Volck her. Jngleichen Pſalm. 90. v. 2. 3. Herr GOTT / du biſt unſre Zuflucht fuͤr und fuͤr. Ehe denn die Berge worden / und die Er - de / und die Welt geſchaffen worden / biſt Du GOTT von Ewigkeit zu Ewigkeit. Jn welchen Worten eine ſtille Vergleichung GOTTES mit den Bergen iſt: jedoch alſo / daß GOTT dem Herrn allerhoͤchſter Fuͤrzug fuͤr denſelbigen gelaſſen wird. Wie er GOTT den Herrn / an verſchiedenen Orten / einen Felß / ſei - nen Felß / ſeinen ſtarcken Felß / (einen groſſen und erha - benen Stein-Berg) nennet / ſonderlich Pſal. 18. v. 3. Pſal. 31. v. 3. 4. Pſal. 62. v. 8. Alſo wil er hie denſelben auch alſo fuͤrſtellen / wenn er ſpricht: Jch hebe meine Augen auf zu den Bergen. Und hindert nicht / daß er in der Vielheit redet: da doch nur ein einiger GOTT iſt. Denn ſo wenig der pluralis, Elohim, eine Ver - vielfaͤltigung / oder multiplication des Weſens GOT - TES anzeigt: ſo wenig hat man ſolche auch zu fuͤrch - ten: wenn man durch die Berge / in plurali, GOTT verſtehet. Wie aber gegentheils auch jener pluralis nicht vergebens gebrauchet wird: ſondern die Vielheit und beſonders Dreyheit Goͤttlicher Perſonen anzeigt: ſo auch dieſer. Und das umb ſoviel mehr / als gewiſ - ſer iſt: daß offt ein Berg verſchiedene Huͤgel / oder Gipffel / in ſich ſchleuſt: die ſich beſonders ſehen laſſen:auch33erhabenen Augen. auch wol ihre eigene Nahmen haben: als der Berg Hermon, der auch deshalben Hermonim, in plurali, nach Anzeig des ſeligen Geieri, heiſſet / Pſalm. 42. aber doch deßhalben nicht vervielfaͤltiget wird: ſondern nur ein Berg / oder ein Gebuͤrge / iſt: daß man ſagen kan: Dis iſt ein Berg / jenes iſt ein Berg / und das iſt auch ein Berg: aber es ſind doch nicht drey Berge / ſon - dern es iſt ein Berg. Alſo auch: Pater eſt DEUS, Filius eſt DEUS &c. juxta Symb. Athanaſii: der Va - ter iſt GOTT / der Sohn iſt GOTT / der Heilige Geiſt iſt GOTT: und ſind doch nicht drey Goͤtter / ſondern es iſt ein GOTT. Der Vater iſt Herr / der Sohn iſt Herr / der Heilige Geiſt iſt Herr: und ſind doch nicht drey Herren / ſondern es iſt ein Herr. Wiewol gern geſtehe / daß hie zwiſchen dem Berg - Gleichniß / und damit vergleichten GOTTES-Berge / ja ſo groſſer und noch groͤſſer Unterſcheid ſey: denn ſich / zwiſchen dem Himmel und der Erden / zeiget: und deß - halben jenes nur / vor einen Schatten dieſes Liechts / gehalten haben will: wol wiſſende / wie unmoͤglich es ſey / nach Damaſceni Urtheil: daß / in den Geſchoͤpf - fen / ein vollkommen Bild der Heiligen Dreyfaltigkeit zu finden.

Hermon aliàs deſcribitur à Calovio in Itiner. p. 363. qvòd ſit mons in Trachonitide, ob ſummam altitudinem longè latèq; conſpicuus, ultimus ad Orientem terræ pro -Emiſſæ34Die nach den Rettungs-Bergenmiſſæ terminus, eamqve, â Syria Damaſcena & Arabia deſerta, dividens. A Septentrione Libano ſe copulat, indeq; in Orientem ſe extendens totam Trachonitidem circuit: jungiturq; tandem, poſt longum tractum, Meri - diem verſùs Seiro, dein montibus Gilead. Licet autem pro cacuminum ratione diverſa habeat nomina: unicam tamen montium conſtituit ſeriem: atq; univerſæ Pale - ſtinæ ab Ortu & Meridie pro muro eſt. Colligere hinc licet, cur nomine hìc vocetur plurali idem iſte mons unus, nimirum ob cacuminum pluralitatem: qvomodo & Alpes &c. Geierus Comment. in Pſal. 42. v. 7.
Impoſſibile enim eſt, in creatura coopertam imagi - nem, in ſe ipſa immutabiliter Divinæ Trinitatis modum repræſentare. Joh. Damaſc. Lib. l. de Orthod. Fide, Cap. 9. de Patre & Filio. ()

Ubrigens kan gelten / was der ſelige Lutherus wil: daß dem heiligen Koͤnige gefalle / entweder umb der Ehrerbiethung willen / oder nach Gelegen - heit der verſchiedenen Berge zu Jeruſalem / oder von andern ſich zu entſcheiden / den Pluralem zu brauchen; welches auch der ſelige Calovi - us genehm haͤlt.

Jedoch mags ſeyn / der Prophet gebrauche ſich der vielen Zahl umb der Ehrerbiethung willen: oder darumb / daß in der Stadt Jeruſalem zween Berge waren; der Berg Zion gegen Mittag / und der Berg Morla / auf dem der Tempel ſtund. Wie ich aber vorhin geſagt habe: ſo zeigt die viele Zahl eine Gegen-Anzeigung: als ob er ſagen wolte: Die Ab - goͤttiſchen lauffen zu ihren Bergen: aber ich wil bey meinem Berge bleiben. Tom. VII. Altenburg. in Auslegung Pſal. CXXI. Conf. Calov. Bibl. Illuſtrata, in h. l.
Weil35erhabenen Augen.

Weil aber dieſe Gottheit ſonderlichſt auf den hohen Himmels-Bergen wohnet: und ſich da / von Ange - ſicht zu Angeſicht / ſehen laͤſſet: kan man dero Mei - nung nicht ſchlechthin unbilligen: welche durch die Ber - ge auch den Himmel verſtehen. Pſal. 123. v. 1. Weil auch Jeſaias ſpricht: daß GOTT nicht allein im Himmel / ſondern auch im Heiligthum / wohnet / c. 57. v. 15. iſt nicht zu verwerffen / was die erachten: welche auch den Kirch - Berg GOTTES hie zugleich verſtanden haben wol - len. Nur iſt das zu bedingen / daß keines von den bey - den Koͤnig David fuͤr ſich ſelbſt betrachtet: als dem we - der der Himmel ein Himmel / noch der Tempel ein Tem - pel iſt / wo GOTT nicht darinnen iſt: wie er ſich ſonſt deutlich gnug vernehmen laͤſſet: HERR / wenn ich nur dich habe / ſo frage ich nichts nach Himmel und Erden. Pſal. 73. v. 25. Eins bitte ich vom HERRN / das haͤtte ich gern: daß ich im Hauſe des HERRN bleiben moͤ - ge mein Lebenlang: zu ſchauen die ſchoͤnen GOTTES - Dienſte des HERRN: und ſeinen Tempel zu beſuchen. Pſal. 27. v. 4. Darumb wil er in dem Tempel ſeyn: daß er den Dienſt des HERRN ſchaue / der daſelbſt zuge - gen iſt / und ſich nach ſeinem heiligen Wort und Willen da bedienen laͤſſet. Dahin gehen die Gedancken unſers ſeligen Lutheri, welcher meinet: daß zwar David mit den Worten nicht aus Augen ſetze die beſondern BergeE 2zu36Die nach den Rettungs-Bergenzu Jeruſalem: da / wie GOTTES Luſt zu wohnen / Pſ. 68. v. 17. alſo auch ſein Wille war: daß man zuſammen kaͤme / zu predigen dem Volck Jſrael / und zu dancken dem Nahmen des HERRN / Pſal. 122. v. 4. doch aber ſeine Glaubens-Augen eigentlich auf GOTTES Wort / darinnen er verſprochen hat / an dieſem Ort zu wohnen / und ſich da finden zu laſſen / richte. Der hei - lige Hilarius wil gar: daß es dem heiligen Koͤnige nicht ſo wol darumb zu thun geweſen: daß er ſeine Leibes - Augen heben moͤchte zu dem / was vermoͤge des Geſe - tzes / vom Lauberhuͤtten-Feſt / vom Blut der geopfferten Thiere in dem Tempel / vom Oſter-Lamm und derglei - chen / zu ſehen war: als vielmehr umb das / was mit erleuchteten Augen des Gemuͤths / im Geſetz zu ſehen / gewuͤnſchet ward.

Dieſe und dergleichen Ort gehoͤren fuͤrnemlich in unſere Theologie, die da lehret: Daß GOTT wolle erhoͤren / geehret werden / daß man Sein erwarte / daß er gebeten werde nach ſeinem Wort / und nicht nach unſe - ren Gedancken. Alſo ſagt Er in dem andern Buch Moſe: An welchem Ort Jch das Gedaͤchtniß meines Nahmens verordnen werde / da wil Jch hinkommen und dich ſegnen. Darumb waren alle Juͤden verbun - den / an welchem Ort oder was Lande ſie waren / auch wenn ſie daheim in ihren Haͤuſern beteten: daß ſie ihre Augen gegen den Tempel zu Je - ruſalem / und gegen den Berg Zion wenden ſolten. Alſo hat GOTT Gefallen an dem Gebet der Frommen zu Badel / die weit vom Tempel und Jeruſalem waren: dieweil ſie ſungen und betheten zu dem GOTT / der auf dem Berge Zion ſeine Wohnung gehabt hat; der daſelbſt ſeine Huͤtten hat laſſen aufrichten. Und dis war die Urfach / warumb die Propheten die Opffer und andern Gottes-Dienſt / der an andern Orten aufgerichtet und gehalten ward / verworffen haben. Denn es iſt nichtgnug37erhabenen Augen. gnug geweſt / daß ſie ſagten: O GOTT / der Du dein Volck aus Egy - pten gefuͤhret haſt! Denn alſo nennet Hierobsam auch GOTT / mit wahrem Nahmen GOTTES / und bethet vielleicht mehr und bruͤnſti - ger / denn die zu Jeruſalem und im Tempel waren: wie dann die Gleiß - nerey pflegt zu thun / ꝛc. Jtzund folgt die Auslegung / von welchen Ber - gen David rede: Meine Huͤlffe koͤmmt vom HERRN / der Himmel und Erden gemacht hat. Jch rede von Bergen / nicht die die Augen des Fleiſches ſehen: denn wer wil ſo ſcharff ſehen / oder / wer mag ſo weiſe ſeyn / der mit ſeinen Augen ſehen wolte: daß der Berg Moria ſey ein heiliger Berg? Die Augen ſehen einen Hauffen Erdreich: die Hei - ligkeit aber / die drauf geleget / ſehen ſie nicht: nemlich, daß GOTTES Wort da iſt / daß GOTT geſaget hat / Er wolle da wohnen: daß Er ſeines Nahmens Gedaͤchtniß an dem Ort geordnet hat / ꝛc.
Luth. Tom. ſæp. c. Levat in montes Propheta oculos. Qvos - nam oculos? Nempe de qvibus ſeriptum eſt: Revela oculos meos, & cognoſcam mirabilia de lege tua. Et rurſum: Præceptum DOMINI lucidum, illuminans ocu - los. Nunqvid non iſti oculi noſtri corporali lumine ad contemplandum accenſi ſunt? Nunqvid non naturam videndi ſortiti ſunt? Qvæ illuminatio vel qvæ revelatio erit neceſſaria? Deindè qvæ viſuri mirabilia in lege? Niſi forte in caſis feſta frondium, in templo pecudum ſangvinem, in Paſcha agni victimam, in ſumma religio - ne Sabbati otium, &, ut puto fieri, hæc ab his, qvi ſpe - ctatores aderant, videbantur. Non ergò ad id reve - landi ſunt oculi, qvod cernebatur: ſed ad id, qvod in - telligi optabatur in lege. Mentis ergò oculos Propheta elevavit in montes. Qvosnam montes? Non utiq; in hos, lucis atq; aris profanatos, & conventibus impios, neq; in illos ſylvis horridos, ſaxis nudos, præruptis in - vios, nivibus concretos. Qvid enim in his aut admira - tionis aut ſpei ſitum eſt? Sed montes accipimus Prophe - ticos libros, ex terra in altum elatos: per qvos fit in ſu -E 3perio -38Die nach den Rettungs-Bergenperiora conſcenſus & gradus in æterna. Divus Hilarius Pictav. Enarrat. in Pſal. CXX. Edit. Pariſ.

Die Berge ſind ja noch wol werth / daß man ſeine Au - gen darnach aufhebe. GOTT iſt der rechte Schutz - und Errettungs-Berg: wer auch nur zu den Wurtzeln dieſes Berges ſitzet / iſt ſicher. Wer unter dem Schirm des Hoͤchſten ſitzt / und unter dem Schatten des All - maͤchtigen bleibet: der ſpricht zu dem HERRN: Mei - ne Zuverſicht / und meine Burg / mein GOTT / auf den ich hoffe! Denn Er errettet mich von dem Strick des Jaͤgers. Daher heiſſet er auch ſchlechthin ſein Erret - ter. 2. Sam. 22. v. 2. Pſal. 18. v. 3. Pſal. 40. v. 18. Pſal. 144. v. 2. Es iſt nichts ungemeines / daß man Feſtungen auf hohe Berge bauet. Der Nahme des HERRN iſt ein feſtes Schloß ꝛc. Prov. 18. v. 10. GOTT ſelbſt iſt / welchen Koͤ - nig David hertzlich lieb hat: darumb / daß er ſeine Staͤr - cke / ſein Felß / ſeine Burg / ſein Hort und GOTT / auf den er trauet / iſt. Pſal. 18. v. 2. 3. Er decket mich in ſeiner Huͤtten zur boͤſen Zeit: Er verbirget mich heimlich in ſeinem Gezelt: und erhoͤhet mich auf einen Felſen / Pſal. 27. v. 5. Muß man ſchon mit David klagen: Ach! HERR / wie iſt meiner Feinde ſo viel / und ſetzen ſich ſo viel wieder mich? Viel ſagen von meiner Seele: ſie hat keine Huͤlffe bey GOTT / Sela. Kan man doch auch verſetzen: Aber / Du HERR / biſt der Schild fuͤr mich /und39erhabenen Augen. und der mich zu Ehren ſetzet / und mein Haͤupt aufrich - tet. Jch ruffe an mit meiner Stimme den HERRN: ſo erhoͤret Er mich von ſeinem heiligen Berge. Pſal. 3. v. 1. 2. 3. 4. Das iſt das Gebeth aller Heiligen: der ſuͤſſe Geruch / welcher hinauf ſteiget fuͤr das Angeſicht des HERRN. Denn itzund wird die Kirche erhoͤret / von ſeinem Berge: weil der auch ihr Haupt iſt: oder / von der jenigen Gerechtigkeit des HERRN / durch welche ſeine Auserwehlte errettet / u. ihre Ver - folger geſtrafft werden; ſchreibt S. Auguſtinus uͤber dieſen letzten Ort. Welches er auch nachmahls / auf den Mittler zwiſchen GOTT und den Menſchen / iſt der Menſch JESUS CHRJSTUS / gar nach - druͤcklich appliciret: und nicht weniger von Hierony - mo und Aurelio Caſſiodoro auch geſchiehet. Daß da - her der ſelige Lutherus auch nicht unrecht iſt: wenn er die / ſo ihre Augen zu den Bergen heben / und von dan - nen Huͤlffe ſuchen wollen / ſtat der Berge zu Jeruſalem auf denſelben heiligen Berg GOTTES / weiſet: in dem / wie Erhoͤrung / ſo auch Rettung / zugeſaget iſt.

Et exaltans caput meum. Ipſum ſcilicet, qvi primoge - nitus à mortuis aſcendit in cœlum. Voce mea ad DO - MINUM clamavi: & exaudivit me de monte ſancto ſuo. Hæc40Die nach den Rettungs-BergenHæc eſt oratio omnium Sanctorum, odor ſvavitatis, qvi aſcendit in conſpectum DOMINI. Jam enim exau - ditur Eccleſia de ipſo monte: qvod etiam caput ejus eſt: vel de illa juſtitia DEI, qvâ & liberantur electi ejus, & perſecutores eorum puniuntur Et exaudivit de monte ſancto ſuo. De ipſo, per qvem nobis ſubvenit, & qvô mediatore nos exaudit. S. Auguſt. Enarrat. in Pſal. 3. Exaudivit me de monte &c. Montem ſanctum puto unigenitum eſſe Filium DEI: ad qvem in noviſſi - mis diebus populi confluituri ſunt. D. Hieron. Comment. in Pſal. eundem.
Hìc tamen dictum intelligendum eſt de monte, i. e. de Divinitatis excellentiſſima ſummitate; ſicut & alius Pſal - mus dicit: Juſtitia tua, ſicut montes DEI. Æqvum enim fuerat, ut natura humanitatis aſſumptæ, qvæ in terris ſingulare patientiæ monſtravit exemplum, in cœlis ac - ciperet creaturarum omnium principatum. Caſſiod. Tom. II. Op. Expoſ. in Pſal. 3. Edit. Rotomag. ()
Wir / im Neuen Teſtament / ſind an keinen aͤuſſerlichen Ort gebunden / wie CHRJSTUS ſagt: Es wird die Zeit kommen / daß ſie weder an dieſem Ort / noch auf dieſem Berge / werden anbethen. Nun iſt aber dieſer geiſtliche Ort der HERR CHRJSTUS JESUS. Denn das GOTTES Wille iſt / daß Er nichts wolle erhoͤren: dann durch dieſen CHRJSTUM / wie CHRJSTUS ſagt: Was ihr den Va - ter bitten werdet in meinem Nahmen. Darumb opffern wir / durch dieſen / GOTT die Kaͤlber unſerer Lippen. Denn auſſerhalb CHRJ - STO iſt nichts / das wir glaͤuben / hoffen oder erlangen. Luther. in Auslegung Pſal. 121.

Die Kirche GOTTES iſt / von der auch dieſer Koͤnig ſinget: Der Berg Zion iſt wie ein ſchoͤn Zweiglein / deß ſich das gantze Land troͤſtet. An der Seiten gegen Mit -ternacht41erhabenen Augen. ternacht liegt die Stadt des groſſen Koͤniges. GOTT iſt in ihren Pallaͤſten bekandt / daß Er der Schutz ſey. Pſal. 48. v. 34. Der Berg GOTTES iſt ein frucht - bar Berg / ein groß und fruchtbar Gebirge. Was huͤpf - fet ihr groſſen Gebirge? GOTT hat Luſt auf dieſem Berge zu wohnen: und der HERR bleibt auch immer daſelbſt. Pſal. 68. v. 16. 17. O der angenehmen Worte! Die Stadt auf dem Berge iſt auch ſelbſt ein Berg. Die Kirche GOTTES / die ihr Haupt und HERR ſelbſt eine Berg-Stadt / ſo zu reden / heiſſet / Matth. 5. v. 14. iſt der Berg Zion / das ſchoͤne Zweiglein / deſſen ſich das gantze Land zu troͤſten hat. Aber darumb eigentlich; weil der HERR bey ihr drinnen iſt. Der HERR / der in ihren Pallaͤſten bekandt / und auch ihr Schutz iſt. Der heilige Auguſtinus fuͤhret dieſe Berg-Art einig und allein her von dem Berge: davon GOTT die zu Ihm ruffenden erhoͤret; iſt / als gedacht / der Heyland aller Menſchen / ſonderlich der Glaͤubigen: von dem Er am erſten Ort ſaget; daß umb ſeinet / als des groſſen und zum Berge wordenen Eckſteins / halben / die beyden Berge und Haͤuſer / die Kirche alten und neuen Bun - des / nur ein Berg und ein Haus ſeyn.

Non enim fruſtrà dicitur in alio Pſalmo: Voce mea ad Dominum clamavi, & exaudivit me de monte ſancto ſuo. Adjuvit ergò te mons iſte, ut exaudireris. Nam ſi in eum non aſcenderes, infra jacens clamare poſſes:Fſed42Die nach den Rettungs-Bergenſed exaudiri non poſſes. Sed ſi in aliqva parte terrarum eſt, qvid faciemus? Peregrinabimur de terra noſtra, ut ad illum montem pervenire poſſimus? Imò tunc pere - grinamur, ſi in illo non ſumus. Ipſa eſt enim civitas noſtra: ſi membra Regis ſumus, qvi caput eſt civitatis ipſius. Ubi eſt ergò iſte mons? Si regionem aliqvam tenuit: laborandum eſt, ut dixi, ut ad eum perveniatur. Sed qvid ſatagis? Utinam non ſis piger aſcendere in montem: uti mons non fuit tardus venire ad dormien - tem. Qvis eſt ergò iſte mons, fratres? Magnâ curâ in - qvirendus, magna ſolicitudine inveſtigandus, labore etiam occupandus & aſcendendus. Fuit enim qvidam la - pis contemptibilis, in qvem Judæi offenderunt: præci - ſus eſt de qvodam monte ſine manibus, h. e. de regno Judæorum, veniens ſine manibus: qvia humanum opus non acceſſit ad Mariam, de qva natus eſt CHRISTUS. Sed ſi lapis iſte, ubi in eum offenderunt Judæi, ibi rema - neret: tu, qvò aſcenderes, non haberes. Qvid autem factum eſt? Qvid dicit Prophetia Danielis? Qvid, niſi qvia crevit lapis iſte, & factus eſt mons magnus? Qvàm magnus? Ita ut impleret univerſam faciem terræ. Ergò creſcendô mons iſte & implendô univerſam faciem ter - venit ad nos. Qvid ergò montem, qvaſi abſentem, qværimus: & non in præſentem jam afcendimus: ut ſit in nobis magnus DOMINUS, & laudabilis valde? Deniq; ne iſtum montem non agnoſceres & in hoc Pſal - mo, & in aliqva parte terrarum qværendum exiſtima - res, vide qvid ſeqvitur. Cum dixiſſet, in civitate DEI noſtri, in monte ſancto ejus, qvid addidit? Dilatans exultationes univerſæ terræ montes Sion. Sion unus mons eſt. Qvid ergò montes? An qvia ad Sion perti -nuerunt43erhabenen Augen. nuerunt etiam, qvi de diverſo venerunt: ut ſibi concur - rerent in lapidem angularem: & fierent illi duo parie - tes tanqvam montes: unus ex circumciſione, alter ex præputio: unus ex Judæis, alter ex gentibus: non jam adverſi & diverſi: qvia ex diverſo jam in angulo, nec diverſi? Ipſe eſt enim, inqvit, pax noſtra: qvi fecit utraq; unum. Ipſe ille angularis lapis, qvem reproba - runt ædificantes, factus eſt in caput anguli. Duos jun - xit in ſe mons montes. Una domus & duæ domus. Duæ propter ex diverſo venientes, una propter lapidem an - gularem, in qvo ſibi ambæ copulantur. S. Auguſt. Enarrat. in Pſal. 47.

Was wird nun nicht vor Errettung auf dem Berge ſeyn? Der Erretter iſt ja ſelber da; auch / wenn nur zwey oder drey verſamlet ſind / in ſeinem Nahmen / iſt Er mitten unter ihnen. Matth. 18 v. 20. GOTT hat ſei - nen Koͤnig eingeſetzt / auf ſeinem heiligen Berge Zion. Pſal. 2. v. 6. Solte der nicht ein ſo groß Gehege umb denſelben machen: als Er hiebevor umb den Berg Si - nai forderte? Exod. 19. v. 12. Doch was braucht es deſ - ſen? Umb Jeruſalem her ſind Berge. Und der HERR iſt umb ſein Volck her / von nun an biß in Ewigkeit. Pſal. 125. v. 2. Jch wil / ſagt Er ſelber / eine feurige Mauer umbher ſeyn / und wil drinnen ſeyn / und mich herꝛlich drinnen erzeigen. Zach. 2. v. 2. Der HERR drauſſen und drinnen. Drauſſen / mit ſeinem Schutz / als einer Mauer: welche feurig iſt / daß die / ſo daſelbſt zu Stur -F 2me44Die nach den Rettungs-Bergenme lauffen wollen / ſich nothwendiglich verbrennen muͤſ - ſen. Drinnen / mit ſeinem Schatz und ſonderbaren Herꝛlichkeit: jedoch wie dieſelbe ſich / durchs Wort und Sacramenta / aͤuſſert: und ſo mehr / in Seelen-als Lei - bes-Augen / faͤllet. Herꝛliche Dinge werden in dir ge - prediget / du Stadt GOTTES / Sela! Man wird von Zion ſagen: daß allerley Leute drinnen gebohren werden: und daß Er der Hoͤchſte ſie baue. Der Herr wird predigen laſſen in allerley Sprachen: daß deren etliche auch daſelbſt gebohren werden: ſchreibet Koͤnig David von der Berg-Stadt / oder / auf den Bergen feſt gegruͤndeten Stadt: deren Thore der HERR liebet uͤber alle Wohnungen Jacob. Pſal. 87. v. 3. 5. 6. 1. Was gebohren wird aus Waſſer und Geiſt / iſt auch Geiſt: Joh. 3. v. 6. und ſo ja errettet von der Obrigkeit der Finſterniß: und verſetzet in das Reich des lieben Soh - nes GOTTES: an welchem es hat die Erloͤſung durch ſein Blut / nemlich die Vergebung der Suͤnde. Coloſſ. 1. v. 13. 14. Errettet von der gegenwaͤrtigen argen Welt / nach dem Willen GOTTES und unſers Vaters: wel - chem ſey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Gal. 1. v. 5. Der Himmel iſt das wahre Gegen-Bild des Ber - ges Thabor / da rechtſchaffen gut ſeyn iſt. Matth. 17. v. 4. O des hohen Berges / darauf JESUS ſeine Auser - wehlten fuͤhren wird! Denn Er gehet weit / weit uͤberdieſen45erhabenen Augen. dieſen Thabor: obſchon ſelbter / nach Anshelmi Mei - nung / deſſen Bild iſt. O der ungemeinen Verklaͤ - rung: welche / nach der Aehnligkeit des Leibes JE - SU / Phil. 3. v. 21. auch die Auserwehlten haben werden! O des hellen Lichtes / ſo auf dieſem Berge ſcheinet / und der Gerechten Angeſicht in Sonnen-gleichen Glantz verſetzet! Matth. 13. v. 43. Und was ſoll ich von den Klei - dern ſagen: welche angezogener Lehrer offenbar die Hei - ligen nennet? Sie ſind weiſſer / denn der Schnee. Denn der Himmels-Braut wird gegeben: ſich mit reiner weiſ - ſer Seyden anzuthun. Apoc. 19. v. 8. Und die fuͤr dem Stuhl des Lammes erſcheinen / haben ihre Kleider ge - waſchen. Apoc. 7. v. 14. O wie gut wirds auf dieſem Berge ſeyn: daß man darob nicht nur alles ſeines Ley - des und Leydens / ſondern auch aller Herꝛlichkeit der Welt / ſo hier iſt / ewiglich vergeſſen wird! O welch eine Gluͤckſeligkeit / rufft auch dieſer Vater aus / des Anſchauens GOTTES / unter denen Engel-Choͤren: wenn auch nur die verklaͤrte Menſchheit JESU und zweyer Heiligen (Moſis und Eliæ) Geſellſchafft / auf kuͤrtzeſte Zeit geſehen / ſo ergoͤtzet!

Et ducit illos in montem &c. Significans illos, qvi reſur - recturi ſunt ad gloriam, i. e. in cœlum aſcenſuros. Vel ideòF 3in46Die nach den Rettungs-Bergenin montem: ut doceat omnes, qvi hanc gratiam videre deſiderant, non in infimis jacere voluptatibus; ſed po - tius ad ſuperna erigi: juxta illud: Noſtra converſatio eſt in cœlis. Seorſum illos ideò ducit: ut per hoc ſigni - ficaret: juſtos à malis in judicio ſeparandos. Et trans - figuratus eſt. Non ſubſtantiam carnis amittendô, ſed gloriam futuræ reſurrectionis oſtendendô. Et reſplen - duit facies ejus, ſicut Sol: id eſt, in exemplum futuræ claritatis: qvam juſti recipient ſublatis impiis. Soli fa - ciem ſuam comparavit: qvia clarius in mundo nihil in - veniri potuit. Veſtimenta autem ejus facta ſunt alba, ſicut nix. Veſtimenta CHRISTI Sanctos ſignificant, de qvibus Iſaias: Omnibus his, velut indumentô veſtieris. Veſtimenta nivi comparantur: qvia & candidi erunt virtutibus: & omnis æſtus vitiorum ab eis remotus eſt. Veſtimenta, ſecundùm Marcum, fuerunt ſplendida, ſicut nix: qvalia fullo ſuper terram non poteſt candida face - re: qvia nemo eſt, qvi ſine contagione alicujus peccati vivere poſſit ſupra terram. Sed qvod fullo, i. e. doctor animarum, ſive aliqvis mundator ſui corporis eximius, ſuper terram non poteſt: DOMINUS in cœlo faciet: mundans Eccleſiam, i. e. veſtem ſuam ab omni inqvina - mento hujus carnis & ſpiritus. Et ecce apparuerunt Moyſes & Elias &c. &c. Moyſes & Elias omnes cum CHRISTO regnaturos ſignificant: Moyſes mortuus mortuos: Helias vivus eos omnes, qvi vivi invenien - tur &c. &c. Significant etiam duas regenerationes: qva - rum una in baptiſmate, ubi anima reſuſcitatur; altera eſt in reſurrectione, ubi caro reſuſcitabitur &c. Moyſes, qvi aqvaticus interpretatur, reſurrectionem baptiſmatis ſignificat primam. Helias, qvi Sol interpretatur, (He -lias47erhabenen Augen. lias enim Græcè dicitur Sol) regenerationem ſecundam ſignificat: in qva juſti fulgebunt ſicut Sol &c. Reſpon - dens autem Petrus dixit ad JESUM: DOMINE, bonum eſt &c. Qvia guſtatâ cœleſti dulcedine, vileſcunt infima. Petrus visâ DOMINI & Sanctorum majeſtate, ſolis his perpetuò vult adhærere, dicens: DOMINE, bonum eſt, nos hìc eſſe. O qvanta felicitas eſt viſionis Deitatis inter Angelorum choros: ſi tantum transfigurata CHRISTI humanitas, & duorum Sanctorum ſocietas, ad punctum viſa, delectet! Neſciebat Petrus, ſecun - dùm alium Evangeliſtam, qvid diceret: qvi oblitus eſt, regnum Sanctis à DOMINO non alicubi terrarum, ſed in cœlis eſſe promiſſum &c. D. Anshelm. Enarrat. in Matth. XVII. Edit. Colon.

Er iſt kein Ebal / oder Fluch-Berg: ſondern lauterer Cherizim, oder Griſim und Segens-Berg: denn da - ſelbſt giebt der Herr / Pſalm. 133. v. 3. verheiſſenes Le - ben und Segen immer und ewiglich. Da ſind die Ge - ſegneten des Herrn / und beerben das Reich / das ih - nen bereitet iſt von Anbegin der Welt. Matth. 25. v. 34. Er iſt der Berg Zion / da Johannes das Lamm ſtehen ſiehet / und mit ihm 144000: die den Nahmen ſeines Vaters geſchrieben haben an ihren Stirnen. Apoc. 14. v. 1. Und mit ihm / die aus groſſen Truͤbſalen gekom - men: die ihre Kleider gewaſchen haben / und helle ge - macht im Blut des Lammes: darumb ſie fuͤr dem Stuhl GOTTES ſind: und dienen Jhm in ſeinemTempel48Die nach den Rettungs-BergenTempel. Und der auf dem Stuhl ſitzet / wird uͤber ih - nen wohnen: ſie wird nicht hungern noch durſten: es wird auch nicht auf ſie fallen die Sonne / noch irgend eine Hitze. Denn das Lamm / mitten im Stuhl / wird ſie weiden / und leiten zu den lebendigen Waſſer-Brun - nen. Und GOTT wird abwiſchen alle Thraͤnen von ihren Augen. Apoc. 7. v. 14. 15. 16. 17. GOTT wirds thun / das Lamm wirds thun / mit ſamt den ſieben Gei - ſtern / die da ſind fuͤr dem Stuhl: das iſt / GOTT der Heilige Geiſt / der zwar fuͤr ſich nur ein Geiſt: aber ſeptiformis munere iſt / und deßhalb ſo genennet wird. GOTT / der da iſt / der da war / und der da koͤmmt. Der auf dieſem Berge alles in allen iſt: und darumb auch das / wohin die Augen zu erheben. O eine un - gemeine Errettung / die auf dieſen Bergen iſt! Denn da erloͤſet der Herr von allem Ubel: und hilffet aus zu ſeinem himmliſchen Reich. 2. Tim. 4. v. 18. Da ſind die aus groſſen Truͤbſalen gekommene: und deßwegen darinn nicht gelaſſene / ſondern errettete; Apoc. 7. v. 14. welche aller-erfreulichſt ſagen koͤnnen: GOTT / Du haſt uns verſucht / und gelaͤutert / wie das Silber ge - laͤutert wird. Du haſt uns laſſen in den Thurn werf - fen: Du haſt auf unſere Lenden eine Laſt geleget: Du haſt Menſchen laſſen uͤber unſer Haͤupt fahren: wir ſind in Feuer und Waſſer kommen. Aber Du haſtuns49erhabenen Augen. uns ausgefuͤhret und erqvicket. Pſalm. 66. v. 10. 11. 12. Du / der Du im Himmel ſitzeſt: weßhalben unſere Augen hiebevor dahin geſehen haben. Daher iſt ſol - ches nicht vergebens: und muß nun auch

Vors andere betrachtet werden: was dieſe er - habenen Augen davon haben? Huͤlffe / Si - cherheit / und die ewige Seligkeit.

I. Huͤlffe. Denn ſo heiſts weiter: Meine Huͤlffe koͤmmet vom HERRN / der Him - mel und Erden gemacht hat. Das ſind ei - gentlich des Glaubens Worte / ſchreibet Herr Lutherus. Denn das Fleiſch meinet: der Teuffel ſelbſt / Creutz und allerley Ungluͤck / komme von dieſen Bergen: und darumb nen - net es ſie nicht Huͤlff-Berge: ſondern Ver - laß-Berge / Creutz-Berge ꝛc. Wieder das Urtheil des Fleiſches ſtreitet der Glaube: und urtheilet nicht / nachdem er empfindet und ſiehet: ſondern nach dem Wort / das GOTT redet: welches Wort heiſſet / daß man unſichtbare Dinge glaͤuben ſol: und /Gdaß50Die nach den Rettungs-Bergendaß ich alſo ſage / daß der Menſch unſichtbar werde / alſo: daß du / in Armuth Reich - thum / in Traurigkeit Freude / in Verlaſ - ſung alle Huͤlffe / in Verſtoſſung gantz gewiſſe und ewige Gnade glaͤubeſt: wie David an dieſem Ort thut. Er ſteckt in groſſem Elen - de / und empfindet keine Huͤlffe: doch ſagt er: Jch hebe meine Augen auf / zu den Bergen / von welchen mir Huͤlffe kommet. Darumb muß man die Augen zu GOTT aufheben: und nicht auf das gegenwaͤrtige Elend ſehen. Denn / wenn du dein Elend anſieheſt: ſo fol - geſt du nicht GOTT: ſondern deinen Augen und Ohren: das iſt / deinem Fleiſch / welches dir ohn Unterlaß / vom Zorn GOTTES / von Verlaſſung / von Groͤſſe der Faͤhrligkeit ſinget und ſaget: daraus du dich ſelbſt nicht kanſt erretten. Darumb muß man die Au - gen gegen den Bergen aufheben: und die Ohren zu der Stimm des HERRN ſtre -cken:51erhabenen Augen. cken: welche ſagt und verſpricht: daß von die - ſem Berge ſoll Huͤlffe kommen: welche / ob ſie ſchon eine Zeitlang unſichtbar / ſo iſt ſie doch gantz gewiß verhanden. Die in Reichthum und Herꝛlichkeit leben / die halten ſich nicht an unſichtbare Dinge: darumb ſie ſich gar bald in ihren Hertzen uͤberheben. Aber die Menſchen / welche derer Dinge Mangel haben / und an Leib und Seel elend ſind / die ſollen ihre Augen auf heben: auf daß die Huͤlffe / die unſichtbar iſt / ihnen ſichtbar werde: wie in GOTTES Wort verſprochen iſt. Kommet allerdings mit den Worten Pauli uͤberein / der 2. Cor. 6. v. 8. 9. 10. auch die jenigen / zu welchen GOTT ſpricht; Jch habe dich in der angenehmen Zeit erhoͤret; und habe dir am Tage des Heyls geholffen; ſo beſchreibet: daß ſie ſeyen als die Verfuͤhrer / und doch wahrhafftig: als die unbekand - ten / und doch bekandt: als die ſterbenden / und doch le - bende: als die gezuͤchtigten / und doch nicht ertoͤdtet: als die traurigen / aber allezeit froͤlich: als die armen / aber die doch viel reich machen: als die nichts inne ha - ben / und doch alles haben. Und Rom. 8. v. 37. Jn demG 2allen52Die nach den Rettungs-Bergenallen uͤberwinden wir weit / umb des willen / der uns geliebet hat. Jn dem allen / in dem wir getoͤdtet wer - den den gantzen Tag / und ſind geachtet fuͤr Schlacht - Schaafe / in dem uͤberwinden wir weit. ꝛc. Jſt ja wol ein unſichtbarer Sieg / und doch warhaffter. Ein Sieg / den GOTT giebt. 1. Cor. 15. v. 57. Ein Sieg / dazu GOTT hilffet / der alle Huͤlffe thut / die auf Erden ge - ſchiehet. Pſal. 74. v. 12. Der aber ſelbſt unſichtbar iſt: und ſich offt in ſeinen groͤſten Handlungen verbirget: ſeine Huͤlffe nicht ſehen laͤſſet: aber doch bleibet der GOTT / der da hilfft: und der HERR HERR / der vom Tode errettet. Pſal. 68. v. 21. Das iſt der gluͤck - ſelige Glaube / das iſt die wahre Bekaͤntniß / das iſt die Hoffnung / welche ewig / und der Gaben himmliſchen Segens werth iſt: ſchrei - bet S. Hilarius uͤber dieſe Worte: Meine Huͤlffe koͤmmet vom HERRN. Nicht von Men - ſchen / nicht von Roſſen / nicht von Geldern / nicht von Gehuͤlffen oder Geſellen / nicht von Schloͤſſern / nicht von Feſtungen. Unſere Huͤlffe koͤmmt vom HERRN / commentiret der heilige Chryſoſtomus, mit dem Beyſatze: Dasiſt53erhabenen Augen. iſt die unuͤberwindliche und ungewinnliche / und nicht zu eroͤbernde Huͤlffe. Nicht nur die ungewinnliche: ſondern auch expedite / fertige und leichte. Denn man darff nicht ferne darnach reiſen / nicht den Thuͤrhuͤtern darob ſchmeicheln / nicht Geld drauf wenden / nicht Geſandſchafften abſchicken: ſondern man kan dieſe Huͤlffe auch zu Hauſe an ſich ziehen; ſo man nur ſich ſelbſt von menſchlichen Din - gen abſondert / dieſer Hoffnung anhaͤnget / in die Hoͤhe ſiehet / ſcharffe und durchſichtige Augen hat.

Cum confitendum ſit, undè veniat auxilium: Auxili - um meum eſt à DOMINO, qvi fecit cœlum & terram. Hæc felix fides eſt, hæc vera confeſſio, hæc ſpes æter - na & cœleſtis benedictionis digna muneribus. D. Hila - rius Pictav. Enarrat. in h. Pſal. ()
Non ab hominibus, nec ab eqvis, nec à pecuniis, nec à ſociis, nec ab arcibus, nec à propugnaculis. Auxili - um noſtrum à DOMINO. Hoc auxilium eſt invictum & inexpugnabile. Non ſolùm autem inexpugnabile, ſed etiam expeditum & facile. Neqve enim longè eſt proficiſcendum, non eſt blandiendum janitoribus, non ſunt conſumendæ pecuniæ, non legationes mittendæ: ſed poteſt qvis domi manens hoc ad ſe auxilium attra -G 3here:54Die nach den Rettungs-Bergenhere: ſi tantùm ſe ipſum ſejungens à rebus humanis, il - li ſpei adhæreat & alta reſpiciat, acresqve & perſpicaces oculos habeat. D. Joh. Chryſoſt. Hom. in Pſal. 120.

Sehr wol geredet! Denn der liebe GOTT iſt doch - berall daheime / nicht ferne von einem ieglichen unter uns. Act. 17. v. 27. So Er aber: warumb nicht auch ſeine Huͤlffe? Die ſo ſein iſt / daß Er auch die Huͤlffe ſelbſt iſt. David ſaget nicht nur: Bey dem Herrn findet man Huͤlffe / Pſalm. 3. v. 9. ſondern auch: Du biſt meine Huͤlffe. Pſal. 27. v. 9. Und von ſeinem Volck: Jſrael hoffe auf den Herrn: denn Er iſt ihre Huͤlffe. Pſal. 115. v. 9. O der emphatiſchen Worte! die auch ſonſt hie und da ihres gleichen haben. GOTT iſt nicht nur Helffer / ſondern auch die ſelbſte Huͤlffe. Wer ihn hat / hat auch Huͤlffe: es mag umb ihn ſtehen / wie es will. GOTT iſt unſer Zuverſicht und Staͤrcke / eine Huͤlffe in den groſſen Noͤthen / die uns troffen ha - ben. Darumb fuͤrchten wir uns nicht: wenn gleich die Welt untergienge. Pſal. 47. v. 2. 3. Die Huͤlffe gehet doch nicht unter / ſondern vielmehr auf. GOTT ſen - det Huͤlffe vom Heiligthum / und ſtaͤrcket uns aus Zi - on: nach dem Wunſche Davids Pſal. 20. v. 3. Klagt denn ein Eſrahit: Jch bin ein Mann / der keine Huͤlffe hat; Pſal. 88. v. 5. ſo kan er doch das auch nicht verſchweigen: Herr GOTT / mein Heyland! v. 2. O ein reicher Mangel ſo beklagter Huͤlffe: wenn der Heyland nur inſelben55erhabenen Augen. ſelbem iſt! Der Heyland kan gewiß nicht ohne Heyl ſeyn. Wo dieſes / da auch Huͤlffe: oder man bethet vergebens: Hilff uns GOTT unſer Heyland! Paral. 17. v. 35. Ach! aber was vor einen feſten Grund hat das? Denn das ſind GOTTES Worte: Fuͤrchte dich nicht / du Wuͤrmlein Jacob / und du armer Hauffe Jſ - rael: Jch helffe dir / ſpricht der Herr / und dein Er - loͤſer / der Heilige in Jſrael. Jeſ. 41. v. 14. Das kan er. Denn er iſt der Herr / ſo Himmel und Erden gemacht hat. Woruͤber abermahls angeregter Lutherus nach - druͤcklich ſchreibet. Gegen die Huͤlffe / die die Welt ſuchet / ſtellet David die Huͤlffe des HERRN: welcher ein ſolcher HERR und Helffer iſt: der nicht allein Silber und Gold gemachet hat: der nicht allein Fruͤchte und Waſſer / ſondern Himmel und Erden erſchaffen hat: das iſt / die Engel / die Menſchen und alle Creatur / und uͤber das Vergebung der Suͤn - de / Glaube / Gerechtigkeit / Friede und Freu - de des Hertzens / ſamt dem ewigen Leben. Der iſt / ſagt David / meine Huͤlffe / eine allmaͤch - tige und gewiſſe Huͤlffe: von dem ich nichtzweif -56Die nach den Rettungs-Bergenzweiffeln darff / daß er mich keinen Augen - blick betruͤge. Hiebey erinnern wir uns billich der anderweitigen Worte Davids in Pſalm. 33. v. 15. ſeq. Einem Koͤnige hilffet nicht ſeine groſſe Macht: ein Rieſe wird nicht errettet durch ſeine groſſe Krafft. Roſſe helffen auch nicht / und ihre groſſe Staͤrcke er - rettet nicht. Aber / ſiehe / des Herrn Auge ſiehet auf die / ſo Jhn fuͤrchten / die auf ſeine Guͤte hoffen: daß er ihre Seele errette vom Tode / und ernaͤhre ſie in der Theurung. Unſere Seele harret auf den Herrn / Er iſt unſere Huͤlffe und Schild. Qvi enim verbô hæc condidit, & mihi ferre opem poteſt. Sind Worte des Theodoreti. Der das (Himmel und Erden) durch ſein Wort gemacht / kan mir ja auch helffen. Und wir / ſagt Euthymius, ſo wir unſere Seelen-Augen gen Himmel heben / und ſie von allem irrdiſchen abkehren werden / werden gleicher Maſſen Goͤttliche Huͤlffe erlangen.

Proprium enim DEI eſt, ut omnium creator dicatur: cùm ſolus ſit, qvi poſſet creare. Et nos igitur, ſi ani - oculos in cœlum elevaverimus, eosq; à terrenis re - bus omnibus dimoveamus, divinum ſimili modô conſe - qvemur auxilium. Euthym. Zigaben Tom. XIX. Biblioth. SS. Patrum Edit. Lugdun. ()O begluͤck -57erhabenen Augen.

O begluͤckte Augen / welche nach den Bergen ſchauen! Das Auge GOTTES ſchauet wiederumb nach ihnen. Der Berg / davon Huͤlffe koͤmmet / heiſſet wie dort je - ner / auf dem Abraham ſeinen Sohn opffern ſolte und wolte / Moria, des Herrn Schein und Schauen. Da aͤuſſert ſich das Providenz - und Fuͤrſorg-Auge GOTTES: dabey ſtehet geſchrieben / was dort er - ſchallet: DOMINUS providebit. Gen. 22. v. 8. Was betruͤbſt du dich demnach / meine Seele: und biſt ſo un - ruhig in mir? Harre nur auf GOTT. Denn ich werde Jhm noch dancken: daß Er meines Angeſich - tes Huͤlffe / und mein GOTT iſt. Pſal. 42. v. 12. Wel - che Jhn anſehen und anlauffen / dero Angeſicht wird nicht zu ſchanden. Pſal. 34. v. 6. Das haben die nach den Bergen ſchauende Augen: und auch

II. Sicherheit. Denn ſo ſaget David mehr: Er wird deinen Fuß nicht gleiten laſſen. Da - mit kehret ſich Koͤnig David zu ſeiner Seelen / redet die an / und verſichert ſie der leitenden Augen und Hand GOTTES. Oder / als ſehr wol der heilige Hiero - nymus erinnert / empfaͤhet dieſer heilige Mann / auf ſeine vorige Worte / nach ſeinem Glauben / von dem Heiligen Geiſte eine angenehme Antwort.

Ab ipſo auxilium præſtolor, per qvem Pater cœlum & terram locavit. Hinc jam pro fide ſua vir iſte à Spi -Hritu58Die nach den Rettungs-Bergenritu Sancto reſponſum accipit conſolationis. Comment. in h. textum.

GOTT ſelbſt ſagt ſonſt: Jch wil dich mit meinen Au - gen leiten. Pſal. 32. v. 8. Leitet Er mit den Augen? Wieviel mehr mit ſeinen Haͤnden: wenn Er leitet und gaͤngelt wie die Jugend? Pſalm. 48. v. 15. oder haͤlt mit ſeiner rechten Hand? Pſal. 37. v. 24. Ein ſchwacher Fuß kan leicht gleiten: und das zumahl auf ſchluͤpfri - gen und mit Fallen und Netzen verſtelleten Wegen. Wer iſt ſchwach / und ich werde nicht ſchwach? ſaget auch ein groſſer Apoſtel. 2. Cor. 11. v. 29. Jch haͤtte ſchier geſtrauchelt mit meinen Fuͤſſen / mein Tritt haͤtte beynahe geglitten: ſaget auch unſer Koͤniglicher Pro - phet. Pſal. 73. v. 2. Ja / nicht nur beynahe / ſondern gar: nicht nur geglitten / ſondern auch gefallen: wenn er der Mann des Todes ward. 2. Sam. 12. v. 5. 7. Aber ſo auch der Gerechte faͤllet / wird er darumb nicht weg - geworffen: denn der Herr erhaͤlt ihn bey der Hand. Pſal. 37. v. 24.

Bey dem GleitenWil GOTT leiten.

Was iſt ſchluͤpfriger / denn der Weg / darauf wir ge - hen? Die Erde ſelbſt iſt ja wol feſte genug / und ſtehet unbeweglich. Pſal. 104. v. 5. Aber der hoͤlliſche Croco - dil, welcher uns zu freſſen ſuchet / hat den gantzen Ra - chen voll Waſſers: ſo er auf den Pfad ſpeyet / den wirgehen.59erhabenen Augen. gehen. Der rothe Drache ſcheuſt nach dem mit der Sonne bekleideten Weibe gantze Stroͤme Waſſers: ſo die Erde zwar verſchlinget / Apoc. 12. v. 15. 16. doch ſo / daß ſie davon ſchluͤpfferig wird. Wie leicht kan da ein Fehl-Trit geſchehen? Wie leicht kan der Fuß gleiten? Aber Du leiteſt mich nach deinem Rath: und nimmeſt mich endlich mit Ehren an. Pſal. 73. v. 24. Er wird deinen Fuß nicht gleiten laſſen. Fuß iſt / nach der Deutung Caſſiodori, hier ſoviel / als Gedancken des Hertzens. Jnmaſſen durch Gedancken man zu boͤ - ſen oder guten Wercken alſo wird getragen: wie der Leib von ſeinen Fuͤſſen. Wohin auch der heilige Hila - rius abziehlet.

Pes enim eſt pars ultima corporis noſtri, imperiô men - tis locorum nos permutatione transponens. Ad cujus ſimilitudinem cogitationes qvoqve noſtras pedes voca - mus: per qvas in bonas malasqve partes accedimus. Caſſiod. in h. l. ()
Pes eſt pars corporis, omne corpus in res officiendas agendasqve circumferens. Et qvia Scriptura incorpo - ralia per corporalia docet, & inviſibilia per viſibilia de - monſtrat: ſub pedis nomine motus mentis noſtræ inceſ - ſusqve ſignificat: ut in hoc eodem Propheta: Mei au - tem paulò minùs moti ſunt pedes. Utiqve hi ſemper carnales moventur in corpore. Et qvomodo periculi res eſt, qvod pene ſint moti: qvorum, ut ſemper mo - veantur, proprium officium eſt? Sed & in EvangeliisH 2DOMI -60Die nach den Rettungs-BergenDOMINUS pedes alios ſignificans, dextrum ſcandali - zantem juſſit abſcindere &c. Ergò, ut oculi mentis, ita & pedes, intelligendi ſunt: habentes in ſe & intelligen - tiæ viſum & voluntatis motionem. S. Hilarius ſuper no - ſtrum textum.

Den Fuß wil der liebe GOTT nicht glei - ten laſſen: oder / wie es nach dem Grunde kraͤfftiger lautet; nicht ins gleiten geben: das iſt / nicht bloß laſ - ſen / nicht die Hand abziehen: daß ſodann der ſchwa - che Fuß nothwendig gleiten muͤſſe: und die Urſach die - ſes Gleitens GOTTE zugeſchrieben werden koͤnte. Deñ das waͤre wieder ſeine theure Worte: Jch wil dich nicht verlaſſen noch verſaͤumen: nicht verlaſſen / noch von dir weichen. Hebr. 13. v. 5. Joſ. 1. v. 5. Und ſagt daher zuletzt angeregter Vater ſehr nachdruͤcklich: GOTT uͤber - giebt uns nicht / (verſtehe ins gleiten / denn hievon iſt hier die Rede /): ſondern dieſes folget auf un - ſer abweichen. Denn / ſo wir auf den Fuͤſſen des verderbeten Gemuͤths einher gehen / uͤber - giebet Er uns nicht: ſondern wir fallen durch die Suͤnde von Jhm ab; und weil Er in den Suͤndern nicht wohnet / folget das auf unſer abweichen / ꝛc. Niemanden verlaͤſſet GOTTzu61erhabenen Augen. zu erſt: Er werde dann vorher von ihm ver - verlaſſen. Jſt der Satz S. Auguſtini.

Non ille nos tradit: ſed, cum ab eo abſcedimus, conſe - qvitur. Nam cum pedibus corruptæ mentis invehi - mur, non ille nos tradit: ſed nos ab eo per peccata de - ſciscimus: & cùm in peccatoribus ille non habitet, di - ſceſſionem noſtram ab eo conſeqvitur, & abſceſſio ejus à nobis: qvia nos per peccata diſcedimus, & decedente à nobis, in omnes delictorum foveas incidimus: & per ampliſſimam mortis viam currimus; dominatui - monum ſubditi: qvibus nos DEI abſceſſio derelinqvit. Hilar. l. c. ()Hoc fideliter & firmiter credat dilectio veſtra: qvia nunqvam prius DEUS deſerit hominem: niſi prius ab homine deſeratur. S. Auguſt. Serm. LXXXVIII. de Temp. & qvidem Imô, Edit. ſup. cit. Tom. X. ()

O des treuen GOTTES: der / ſoviel an Jhm iſt / nicht nur ſeine Gnaden-Hand darbiethet: ſondern auch wuͤrcklich damit leitet / fuͤhret / ja hebet und traͤget / und das auch noch kuͤnfftig thun wil. Jch wil / ſagt Er / tragen biß ins Alter / und biß ihr grau werdet; Jch wil heben / tragen und erretten / Jeſ. 46. v. 4. Schlaͤgt man dieſe Hand nicht muthwillig aus: oder dreht ſich aus derſelbigen fuͤrſetzlich: iſt der Fuß vor groben ſchwe - rem Suͤnden-Falle ſicher: obſchon ſonſt der Gerechte ſieben und noch mehrmahl / aus Schwachheit / und durch Ubereilung / nicht nur fehlen; ſondern auch gar inH 3Suͤnde62Die nach den Rettungs-BergenSuͤnde und Ungluͤck / Leibes-und Seelen-Gefahr / fal - len kan. Prov. 24. v. 16. Matth. 18. v. 22. 1. Cor. 10. v. 12. Doch iſt / weder hie noch da / die Hand der allerhoͤchſten Treu verkuͤrtzt und unausgeſtreckt. Jch recke / ſpricht Er ja / meine Haͤnde aus den gantzen Tag / zu einem ungehorſamen Volck: das ſeinen Gedancken nachwan - delt auf einem Wege / der nicht gut iſt. Jeſa. 65. v. 2. Das wil Er Jhm durchaus nicht nachgeſaget wiſſen: daß ſeine Hand zu kurtz ſey; wenn nur der Suͤnder Haͤnde nicht zu blutig ſind / dieſelbige zu faſſen: und dero Fuͤſſe freventlich zum boͤſen lauffen; allzuſchnell unſchuldig Blut zu vergieſſen; oder andere Frevel zu befoͤrdern. Seine Hand iſt bereit / ſo wol denſelben wieder aufzu - helffen / als ſie anzunehmen: daß daher / in Commen - tariis des heiligen Hieronymi, uͤber die Pſalmen / die Worte Davids; Faͤllet er / ſo wird er nicht weggeworf - fen; denn der HERR erhaͤlt ihn bey der rechten Hand; wol alſo umbſchrieben werden: Wann er (der Gefal - lene) Buſſe thut: ſo erbarmet ſich der HERR deſſelben bald.

Cum ceciderit, non collidetur. Qvare? Qvia DOMI - NUS firmat manum ejus: id eſt, opera ejus. Cum ce - ciderit propter infirmitatem carnis: qvia ſepties cadit juſtus & reſurgit; non collidetur: qvia DOMINUS ſup - ponit manum ſuam. Agenti pœnitentiam ſtatim miſe -retur. 63erhabenen Augen. retur. Sic & David & Petrus cognitum lachrymis pur - gaverunt delictum: & à DOMINO confirmati ſunt. D. Hieron. Comment. in Pſal. XXXVI. Edit. cit. Tom. 7.

Die Haͤnde GOTTES haben Augen: und damit / von Ewigkeit / fuͤrher geſehen: welche von gefallenen ſie / mit ihren Gnaden-Gaben / allermeiſtens aber ange - tragenem Glauben an den HERRN JESUM / ent - weder gantz beharꝛlich / oder nur / in der letzten Todes - Stund / zulaſſen wuͤrden. Darumb ſie dieſelben derge - ſtalt umbarmen: daß ſie wenigſtens / zuletzt / endlich / finaliter, nicht entgleiten; ſondern mit Ehren angenom - men werden. Da triumphiret tandem, zuletzt die gute Sache GOTTES: und denen / die GOTT lieben / haben alle Dinge zum beſten rechtſchaffen dienen muͤſ - ſen: die nach GOTTES Fuͤrſatz ſind beruffen wor - den. Rom. 8. v. 28. Die weiſe GOTTES-Hand hat auch die ſchwereſten Faͤlle / nicht zwar gewuͤrcket (denn es waͤre beſſer / ſechshundertmahl begraben zu werden: als daß GOTT dergleichen von uns hoͤre: ſaget ein gottſelig Hertze billich / mit dem H. Chryſoſtomo): noch auch beliebet (maſſen GOTT nicht ein GOTT / dem gottloß Weſen gefaͤllt / Pſ. 5. v. 5.): ſondern ſo zu dirigiren wiſſen: daß ſie nicht zum endli - chen Untergange; ſondern vielmehr dem hochnoͤthigen Erkaͤntniß eigner Schwachheit / und ruhmwuͤrdigenErhal -64Die nach den Rettungs-BergenErhalten und Erretten GOTTES ſich beqvemen muͤſ - ſen: als nicht nur der ſelige Brentius uͤber Davids / oder Aſſaphs / Worte Pſal. 73. angemercket hat: ſondern auch auf Rom. 8. v. 28. ruhet: und dem Ausſpruch des H. Auguſtini, vom Zulaſſen GOTTES / in Anſehn des boͤſen / und anderer / gemaͤß iſt.

Nullus igitur dicat: DEUS nobis eſt author malorum: dum non punit & vindicat &c. Oro & obſecro, ne ſic loqvamini: nullus hanc vocem à nobis emittat. Satiùs fuerit ſexcenties defodi, qvàm DEUM audire talia per nos. S. Chryſoſt. Homil. XXIII. in Acta Apoſt. Tom. III. Op. Edit. ſ. cit. ()
Obſerva igitur: qvô conſiliô DEUS conniveat: ut pii deducantur in tentationes, ac nonnunqvam etiam in graves blaſphemias. Non enim fit illô conſiliô, ut in iis pereant: ſed potius, ut ſibi ipſis noti fiant, & hono - rificè liberentur ac ſerventur. Nam qvemadmodum corporales afflictiones immittuntur piis divinitùs: ut non opprimantur, ſed ut ſubleventur: ita & ſpirituales afflictiones ſ. conſcientiæ tentationes permittuntur: non, ut qvi ſunt pii, inducantur in interitum: ſed ut ex interitu educantur. DOMINUS, inqvit Hanna, Mater Samuelis, deducit ad inferos, & reducit. Vide mihi exempla Jobis & Hieremiæ. Hi in tantam animi indi - gnationem & excandeſcentiam conjiciuntur: ut etiam maledicant diei, in qva nati ſunt. Sed hoc idcircò fa - ctum eſt: ut tàm impietatis, in ſua ipſorum carne, la - tentis conſcii fierent: qvàm honorificè ſervarentur. Qvare etſi blaſphemiæ carnis ſint deteſtandæ: tamen ſiin65erhabenen Augen. in cordibus piorum patefactæ fuerint, magis ibi exube - rat gratia: ſicut Paulus loqvitur, ubi exuberavit pecca - tum? Idqve non peccati ſ. blaſphemiæ meritô: ſed gra - tuitâ DEI clementiâ, cui viſum eſt hôc modô gloriam Nominis ſui illuſtrare. Brentius in Explic. Pſal. LXXIII. Tom. III. Operum.
Neqve omnipotens DEUS, cui ſumma poteſtas eſt, cum ſummè bonus fit, ullô modô ſineret, aliqvid mali eſſe in operibus ſuis: niſi usqve adeò eſſet omnipotens & bonus: ut benefaceret etiam de malo. S. Auguſt. En - chirid. ad Laurent. c. 11. ()Bonitas tua, (ô DEUS!) malis noſtris novit benè uti: ſæpè faciens defectus noſtros, ad augmentum humilita - tis, prodeſſe: ut verum ſit, qvod ſepties in die cadit ju - ſtus, & fortior reſurgat. D. Anshelm. Lib. de Menſura - tione crucis, Tom. III. Op. Edit. Colon. ()Collaudandus autem benigniſſimus & omnipotens DEUS: qvi malis noſtris non ſolùm non vincitur: ſed ex eis operatur bonum noſtrum. Sic enim dicitur, omnia ſub peccato concluſiſſe, ſupple, permiſſivè: ut omnium miſereatur. Peccavit Petrus: humilior, cautior & miſericordior effectus eſt: non actione mali, ſed mi - ſeratione DEI. Peccavit Magdalena: plus poſtea dilexit: qvia multum ſibi dimiſſum eſt, & in exemplar cæteris pœnitentibus ceſſit. Blasphemus fuit Paulus. Confi - tetur humiliatus, qvod non ſit dignus vocari Apoſto - lus: & eſt inter peccatores primus. Deniqve jocun - datur Pater, & exultat in receptione filii prodigi. Et gaudium eſt Angelis DEI ſuper uno peccatore, pœni - tentiam agente. Gerſon Proſa IV. Lib. l. de Conſolatione Theologiæ, Tom. III. Op. Edit. Colon. ()JDas66Die nach den Rettungs-Bergen

Das mag ja heiſſen: Er wird deinen Fuß nicht gleiten laſſen. So auch von Brunone, auf den Glauben ſelbſt / gezogen wird: wann er dieſe Worte vor ein Gebeth anſiehet: als ſolte man ſagen: Er wol - le deinen Fuß nicht gleiten laſſen: der Meinung / daß daſſelbe der Pſalmiſte entweder vor ſich ſelber / oder auch vor einen andern / jedoch mit der Confidenz und Verſicherung / daß der liebe GOTT das gewiß thun werde / bethe.

Non det pedem tuum interiorem in commotionem, i. e. fidem: qvæ eſt pes, per qvem mens ad ſuperiora ten - dit: non permittat commoveri à ſtabilitate Scriptura - rum: ut concidat in errorem &c. Ne verò videatur ex diffidentia oraſſe: enunciat, qvod oravit. Oro, non det in commotionem pedem tuum &c. Et ecce in præ - ſenti erit, qvod oro. Non dormitabit, neqve dormiet, i. e. non permittet, te dormitare in fide, i. e. vacillare, neqve dormire i. e. ex toto commoveri in fide: Ille, qvi per auxilium gratiæ cuſtodit unumqvemqve, qvi eſt Iſ - rael, ne deficiat: DEUS ſcilicet. Bruno, Expoſ. in Pſ. 120. Tom. I. Op. Edit. Colon. ()

Allerdinges hat der liebe GOTT auch dieſen Fuß in ſeinen Augen: weil die nach dem Glauben ſchauen. Jer.[5]. v. 3. Seine Hand kan ja / ſo viel an ihr iſt / dis ihr Werck Joh. 6. v. 29 unmoͤglich laſſen. Pſal. 138. v. 8. Die es angefangen / wird es auch vollfuͤhren. Phil. 1. v. 6. Doch67erhabenen Augen. Doch ſo viel an ihr iſt. Denn ſonſt fehlet es nicht an ſolchen / die auch an dem ſelbſt-eigenen Glauben Schiff - bruch leyden. 1. Tim. 1. v. 19. Aber das durch ihre Schuld / und nicht GOTTES. Hoſ. 13. v. 9. Jndeß iſt das Sicherheits gnug / daß GOTT auch das glim - mende Tocht nicht verloͤſchen / ſondern vielmehr ſtaͤrcken wil. Jeſ. 42. v. 3. Luc. 17. v. 5. 6. Wobey aber man jedoch auch ſelbſt nicht ſchlaffen / noch ſich ſuͤndlich-ſicher zeigen ſoll. Laͤſſet nun der liebe GOTT den Fuß nicht gleiten: was wird Er nicht demſelben thun / den wir auf der Erden fuͤhren: und zuweilen auf gar ungewiſ - ſen Boden ſetzen muͤſſen? JESUS ſagt ja: Trachtet am erſten nach dem Reiche GOTTES: ſo wird euch das andere alles zufallen: und wil ſo gar haben / daß man dafuͤr keine Heyden-maͤßige Fuͤrſorge tragen ſol. Matth. 6. v. 33. Jſt das Leben mehr / denn der Leib; ſo auch die Seele / die das Leben giebt. Der vor mehrers ſorget / wird auch das geringere nicht uͤberſehen. Qvi dedit eſſe, dabit & ad eſſe. Der das Weſen gegeben hat: wird auch das geben / was darzu gehoͤret: viel - mehr / dann dem Graſe auf dem Felde / und den Voͤ - geln unter dem Himmel. Ach! aber ich ſahe (auch) Fuͤrſten zu Fuſſe gehen: ſagt der Prediger Salomo, c. X. v. 8. So gar ungleich iſt das kugel-runde Gluͤck der kugel-gleichen Erde / welche es umbgiebet! DennJ 2dieſe68Die nach den Rettungs-Bergendieſe ſtehet / jenes wendet ſich. Biß daher leyden wir Hunger und Durſt / ſind nacket und werden geſchla - gen / und haben keine bleibende Staͤte (unter unſern Fuͤſſen): muͤſſen auch die heiligen Apoſtel klagen. 1. Cor. 4. v. 11. Die Gottloſen legen mir Stricke: muß auch wol David und manche glaͤubige Seele ſagen / aus Pſal. 119. v. 110. Sie ſtellen mir Fallen an den Weg. Pſal. 148. v. 6. Wie leicht kan man da gefangen werden / oder doch in Ungluͤck fallen? Aber der HERR wird deinen Fuß nicht gleiten laſſen. Non da - bit in commotionem. Er wird deinen Fuß nicht glei - ten; oder / ſo ja gleiten / doch nicht gar ausrencken; uͤber Vermoͤgen nicht verſuchet werden laſſen. 1. Cor. 10. v. 13. Er hat ja ſeinen Engeln befohlen uͤber dir: daß ſie dich auf den Haͤnden tragen: und du deinen Fuß nicht an einen Stein ſtoͤſſeſt. Pſal. 91. v. 11. 12. Er weiß auch aus dem gleiten zu reiſſen: Pſal. 116. v. 8. und auf weiten Raum / ja auf einen Felſen / zu ſtellen. Pſal. 31. v. 9. Pſal. 40. v. 3. Jſt die Welt ſo enge / daß man uͤberall anſtoͤſſet: iſt ſie ſo ſchluͤpfrich / daß man nirgends feſten Fuß zu ſe - tzen hat? O deshalben unverzagt! GOTTES Hand kan wunderlich durchfuͤhren. Pſal. 4. v. 4. Und iſt ſelbſt ein Felſen / mitten unter allen Tieffen: da errettet und verſorget werden / die nichts inne haben / und doch alles haben. 2. Cor. 6. v. 10. Darumb abermahls begluͤckteAugen /69erhabenen Augen. Augen / die nach den Bergen ſchauen! Gehets ihnen faſt wie denen: welche nicht auf das ſehen / was da kreucht: ſondern was da fleucht? Oder / wie man von dem Thales ſagt: daß / da er nach dem Himmel geſchau - et / unverhofft in eine Grube gefallen? Fallen auch die / ſo die Augen zu den Bergen heben / leiblich / in viel Noth und Jammer? Es iſt darumb mit ihnen nicht gar aus. GOTTES Auge ſiehet vor ſie / und ſeine Hand lei - tet ſie. Die haben endlich auch

III. Die Seligkeit. Und / der dich behuͤtet / ſchlaͤfft nicht. Das leget Koͤnig Da - vid / in den folgenden / ſelbſt mit mehren aus: wann er von dem Huͤter Jſrael betheuret: daß Er weder ſchlaffe noch ſchlummere: ſondern zum treulichſten wache und huͤte; ja ein Schatten uͤber der rechten Hand ſey: daß des Tages die Sonne nicht ſte - che / noch der Mond des Nachts. Sagt aber auch end - lich: Der HERR behuͤte dich fuͤr allem Ubel! Er be - huͤte deine Seele! Der HERR behuͤte deinen Aus - gang und Eingang / von nun an biß in Ewigkeit! Eignet damit GOTT dem HERRN ſolche Augen zu: in die gar kein Schlaff noch Schlummer kommet: und die offen ſtehen Tag und Nacht / nicht nur uͤber de - nen Leibern derer / die nach den Bergen ſchauen; ſon -J 3dern70Die nach den Rettungs-Bergendern auch den Seelen / bey dero Aus - und Eingang / von nun an biß in Ewigkeit. Was kan das anders bringen / als die ewige Seligkeit? Darumb auch der heilige Hilarius, bey deſſen Betrachtung / hieher ſeine Augen wendet / alſo ſchreibende: Solte ſich auch jemand unterſtehen / in dieſer Zeit eine ſolche Leibes-Krafft zu hoffen: daß er nicht des Ta - ges oder Nachts was (von Froſt und Hitze) zu leyden haͤtte: da auch der ſelige Patriar - che Jacob / des Nachts von Froſt / und des Tages von Hitze geplaget zu ſeyn klaget / wenn er ſpricht: Des Tages verſchmachtet ich fuͤr Hitze / und des Nachts fuͤr Kaͤlte? Aber itzt weiß der Prophet / oder der Geiſt / durch den Propheten (redend) / die Seligkeit der Zeiten: in welcher von uns alle Veraͤnderung leibli - cher Schwachheit weichen wird. Jn welcher nicht Froſt / nicht Hitze / nicht Nacht und Veraͤnderung / ſondern ein ewiger Tag / und eine ſelige Witterung ſeyn wird: wann die Sonne der Gerechtigkeit uͤber uns herꝛſchen wird.

Non71erhabenen Augen. Non enim manente naturâ corporis noſtri, natura qvo - qve elementorum demutabilis fiet: ut non naturæ ſuæ in naturam noſtram conſvetudine perſeverent. Aut numqvid qvisquam audebit, hanc ſibi in hoc ſeculo fir - mitatem corporis ſperare: ne aduri die & nocte poſſit beatô Patriarchâ Jacob, peruſtum ſe noctis frigore & calore diei, conqverente, cum dicit: Et fui diei peruſtus calore & gelu noctis. Sed Propheta nunc, vel Spiritus per Prophetam, novit illam beatitudinem temporum: in qva à nobis omnis demutatio corporeæ infirmitatis abſcedet: in qva non frigus, non calor, non nox & de - mutatio, ſed æterna dies & beata temperies ſit: juſtitiæ in nobis Sole dominante. Cujus temporis reqviem jam in deſerto DOMINUS præformans, populo ſuo diurnum calorem columnâ nubis, & nocturnum frigus ac tene - bras columnâ ignis temperabat. S. Hilarius in h. l. ()

So wil auch dieſer Vater: daß man die Bewahrung vor allem Ubel kuͤnfftig hoffen ſoll: nachdem er ſonder - lich vom Unterſcheid des wahren Ubels und deß / wel - ches nur ſo ſcheinet / gehandelt hat. Der bewahrte Ausgang iſt dem heiligen Auguſtino und Hieronymo eines Theils der Ausgang aus aller Verſuchung; an - dern Theils / aus dem Leibe; worauf beyde eine ewige Ruhe ſetzen.

Et à qvibus malis cuſtodit DOMINUS? Non opinor ab his, qvæ putantur. Hæc enim ſunt infirmitati & cor - pori noſtro debita, mori, infirmari, egere: qvæ ſi ma - la eſſent, & Abel viveret, nec Job cruciatus eſſet: necPetrus72Die nach den Rettungs-BergenPetrus pecuniâ, qvæ in eleemoſy nam poſcebatur, egu - iſſet. Ergò fidelem animam ab omni malo DOMINUS cuſtodit: id eſt, ne eam diaboli tinea corrumpat, ne fur obrepat, ne canis oblatret, ne lupus laceret, ne ur - ſus deſæviat, ne pardus inſiliat, ne tygris, ne leo vaſtet. Hæc enim nunc ſunt diaboli miniſteria: hæc omnia ejus in tempore ſeculi hujus officia ſunt: Vitiis conſumere, blandimentis ſubrepere, obtrectationibus lacerare, am - bitione inſilire, lasciviis allicere, & tota virtutis ſuæ po - teſtate vaſtare. Ab hoc igitur omni malo DEI expe - ctanda cuſtodia eſt &c. Non enim temporis hujus & ſeculi eſt iſta cuſtodia: non aduri ſole atq; luna, & ab omni malo conſervari: ſed futuri boni expectatio eſt. Hilar.
Cum exierimus ab omni tentatione: jam in æter - nûm nulla nos tentatio terrebit: nulla concupiſcen - tia ſaltem ſollicitabit. S. Auguſt. l. c. Et exitum tuum ex hoc nunc & usqve in ſeculum. Ut, cum à corpore receſſeris, ſuâ cuſtodiâ protegaris: ne in chaos illud præcipiteris, ubi dives conſpicitur ardens: ſed in ſinu Abrahæ, cum Lazaro, ſempiternâ reqvie perfruaris. D. Hieron. in Comment. allegato. ()

Kommet es dann nun / daß ſolche Augen ſamt derſel - ben Leibern auf das Siech-Bette geworffen werden: und Niemanden haben / der bey ihnen wachet: oder doch nicht ſo wachet / daß ſie ſanfft und ruhig ſchlaffen koͤnten: ſo wachet der Waͤchter Jſrael / ſetzt ſich zu dem Krancken-Bette / und laͤſt Jhm keinen Schlaff in die Augen kommen; iſt ſelbſt Schirm und Schatten / wie - der der Sonnen und des Mondes Stechen; daß daskein73erhabenen Augen. kein Stechen / kein Verletzen / kein verdammlich Stechen ſey: ſondern zum beſten diene. Kommet es / daß die Leibes - Augen gebrochen werden / und zum Tode einſchlaffen: ſo ſitzt doch der Waͤchter auch bey dem Grabe / und be - huͤtet ſie vor allem Ubel / bewahret die Gebeine: daß deren nicht eines zerbrochen wird. Pſ. 34. v. 21. Der See - len aber oͤffnet Er die Augen: daß ſie nicht im Tode entſchlaͤffet: ſondern behuͤtet ihren Ausgang aus der Welt / und den Eingang in die andere. Ja Er fuͤhret ſie in der That auf den hohen Himmels-Berg: da ſie von aller Arbeit ruhet: aber nicht von dem Augen - Ampt / von dem Anſchauen GOTTES: das unaus - ſprechliche Freude und Wonne gebiehret. Diverſis modis promittitur divina cuſtodia: qvæ non ſolùm ab adverſis vendicat: ſed etiam beatos facit, & ad cœlorum regna perducit: ſaget billich Caſſiodorus, uͤber dieſen Pſalm. Auf verſchiedene Weiſe wird die Hut GOTTES verheiſſen: welche nicht allein von dem Ubel errettet: ſondern auch ſelig machet / und zu dem Himmel-Reiche fuͤhret. Deren haben ſich alle wahre Glaͤubigen zu troͤſten. Denn die ſind der Jſrael / deß Huͤtter GOTT iſt: als der heilige Auguſtinus, durch beſondere Allu - ſion, auf das Wort / Jſrael / gar lieblich anzeigt: dochKmit74Die nach den Rettungs-Bergenmit dem Vermahnen: Eſto ergò Iſrael. So ſey denn Jſrael. Was iſt Jſrael? Jſrael iſt ſo viel / als ein Menſch / der GOTT ſiehet. Wie aber wird GOTT geſehen? Erſtlich durch den Glauben / darnach durch das Schauen / oder / per ſpeciem, von Angeſicht. Sed, ſi Iſrael per ſpeciem nondum potes, per fidem vide &c. So du noch nicht ein Jſrael von Angeſicht ſeyn kanſt / ſchaue durch den Glauben / ꝛc. Cum credis in hoc, qvod pro te factum eſt verbum, & re - ſurrexit in carne, ne tu de tuâ carne deſperares: effi - ceris Iſrael. Wenn du daran glaͤubeſt; daß vor dich das Wort GOTTES Fleiſch wor - den / und nach dem Fleiſche auferſtanden iſt von den Todten: daß du nicht uͤber deinem Fleiſch verzweiffelſt: wirſt du ein Jſrael. Conf. Enarrationem S. Præſulis in h. l. Solch Jſrael hat ſich ſeines Huͤters ja wol zu erfreuen: voraus / weil der weder ſchlaͤffet noch ſchlummert. Zwar ſcheinet auch der Huͤter offt zu ſchlaffen: wie im Schiff - lein / JESUS / Matth. 8. v. 24. und / in Davids Augen / der gewaltig an Jhm ruͤttelt und ſchuͤttelt Pſ. 44. v. 24. Erwe -75erhabenen Augen. Erwecke Dich HERR / warumb ſchlaͤffeſt Du? Aber es ſcheinet. Non enim in æterna virtute ſomnus eſt. Sind Worte des Hilarii, uͤber dieſen Text. Jn der ewigen Krafft iſt kein Schlaff. Weil aber / ſetzet er nachmahls hinzu / nach unſerem wachen - den oder ſchlaffenden Glauben / die Huͤlffe GOTTES mit uns entweder wachet / oder ſchlaͤffet: wird GOTT ſelbſt gar offt / als wachend oder ſchlaffend / beſchrieben. CHRI - STUS ipſe dormivit, ſed reſurrexit. CHRJ - STUS ſelbſt hat geſchlaffen ꝛc. ſaget wiede - rumb der Hipponenſiſche Biſchoff. Jtzund aber koͤnne Er ſo wenig ſchlaffen / als ſterben: weſſenthalben Er wil / daß man bey Jhm bleiben / und den Huͤter Jſrael nicht unter Menſchen ſuchen ſoll.

Qvid enim ait ipſe in Pſalmo? Ego dormivi & ſo - mnum cepi. Numqvid remanſit in ſomno? Exurrexi, in - qvit, qvoniam DOMINUS ſuſcipiet me &c. Et qvid ait Apoſtolus? Etſi crucifixus eſt ex infirmitate: vivit in virtute DEI. Et iterum ait: CHRISTUS ſurgens â mortuis, jam non moritur: & mors Ei ultra non domi - nabitur. Rectè tibi cantat: Ecce non dormitabit, ne - qve obdormiet: qvi cuſtodit Jſrael. Adhuc fortè qvæ - ris carnali ſenſu: Qvis eſt, qvi non dormitabit, neqve obdormiet? Et cum qværis inter homines, falleris:K 2nun -76Die nach den Rettungs-Bergennunqvam inventurus es. Noli ergò præſumere de qvo - qvam homine. Omnis homo dormit & dormitat. Qvan - do dormitat? Cum portat carnem infirmitatis. Qvan - do dormiet? Cum fuerit mortuus. Noli ergò præſu - mere de homine. Poteſt dormire mortalis; dormit moriens. Enarrat. in hunc Pſalmum.

O des ungemeinen Huͤters! Dem gleicht kein anderer / wenn er auf dem hoͤchſten Berge ſtuͤnde. Denn Er iſt ſelbſt der Berg / von dannen alle Huͤlffe kommet: und wohnet auf den Bergen / da nicht nur Hut und Wache / ſondern auch Errettung iſt. So ſehe dann ein Chri - ſten-Auge nach dieſen Bergen: es wird ihm nun und nimmermehr gereuen: es ſehe dahin / und verſehe ſich zu denſelben alles guten: es ſehe dahin / und ſehe ſich auch fuͤr: daß es nicht ſeinen Augen etwas ſuͤndliches fuͤrſtelle. Und ſo das geſchehen / laſſe es die Augen Thraͤnen-Qvellen werden / ſolches Tag und Nacht zu beweinen.

Schaue dabey JESUM CHRJSTUM an:

Der hat genug davor gethan:

Und iſt der Mitler worden.

So wird man ſagen koͤnnen: Jch weiß / daß mein Er - loͤſer lebet: und Er wird mich hernach aus der Erden auferwecken. Und werde darnach mit dieſer meiner Haut umbgeben werden: und werde in meinem Flei - ſche GOTT ſehen. Denſelben werde ich mir ſehen:und77erhabenen Augen. und meine Augen werden Jhn ſchauen: und kein Frem - der. Job. 19. v. 25. 26. 27.

Das hat gethan die Wol-ſelige Frau KNORRJN / die ſich in Jhrem Leben ſo bezeu - get hat: daß man wol glaͤuben kan: Sie habe es dem Prophetiſchen Koͤnige gewiſſer Maſſe nachgethan / und inniglich mit ihm geſagt: Jch hebe meine Augen auf zu den Bergen. Oder / wie der auch ſagt Pſal. 141. v. 8. Auf Dich / HERR / HERR / ſehen meine Au - gen. Jch traue auf Dich / verſtoſſe meine Seele nicht. Jhr Vertrauen auf den lieben GOTT war ſo groß: daß Sie ſich davon kein Creutz und keine Angſt abreiſ - ſen ließ; ſondern vielmehr durch daſſelbige darin geſtaͤr - cket ward. Sie war gewiß: daß / weil Jhre Augen ſtets auf den HERRN ſahen / Er auch Jhren Fuß aus allem Netze ziehen wuͤrde. Je glaͤſerner und fin - ſterer Jhre Leibes-Augen von mancher Hitze der Truͤb - ſal wurden: je feſter ſtunden Jhre Seelen-Augen zu den Bergen. Zwar ſahe Sie wol auch auf Jhren Ehe - Herrn / auf die lieben Kinder / und auch andere werthe Jhrigen: Jhre Augen ſahen auch nach den Treuen im Lande / nach treuem Geſinde / und denen / ſo Jhr zu gehorchen hatten: aber alles zu dem Ende / SieK 3mit78Die nach den Rettungs-Bergenmit Jhren Augen zu erfreuen / zu leiten / zu verſorgen und zu pflegen. Darumb Sie von dieſen allen deß - halben eigentlich ſo ſehr beweinet und beklaget wird: weil Jhr zukam / was zum Lobe einem tugendhafften Frauenzimmer Salomo beylegt / c. 31. v. 11. ſeq. Jhres Mannes Hertz darff ſich auf ſie verlaſſen: und Nah - rung wird Jhm nicht mangeln. Sie thut Jhm Liebes und kein Leydes ſein Lebenlang. Sie gehet mit Wolle und Flachs umb: und arbeitet gerne mit ihren Haͤn - den. Sie iſt wie ein Kauffmanns-Schiff / das ſeine Nahrung von ferne bringet. Sie ſtehet des Nachts fruͤhe auf / und gibt Futter ihrem Hauſe / und Eſſen ih - ren Dirnen. Haͤtte Sie es Jhrem Ehe-Herrn / und auch Hoch-geliebten Eltern / an den Augen anſehen koͤnnen: wuͤrden Jhre Augen gewincket haben / ſelbiges zu thun. Aber das Gebeths-und Vertrau - ens-Auge ſahe nur auf die Berge / von welchen Huͤlffe kam. Die kam auch / wenn ſie noth war. Man haͤtte es Jhr wol ſo eben nicht anſehen ſollen: daß / bey dem lebhafften Augenſchein / Sie ſo vielen Lei - bes-Schwachheiten unterworffen waͤre: wie Sie war. Die wurden vermehret / durch eilff-mahliges Kinder - Gebaͤhren / und andere Zufaͤlle. Aber GOTT halff immer aus dem allen: denn Jhre Augen ſahennach79erhabenen Augen. nach den Bergen. So erkannte Sie auch Jhre geiſtliche Schwachheiten: und kam deshalben in die Tieffe. Aber GOTT halff auch daraus: denn Jhre Augen ſahen nach den Bergen. Sie kehrete ſich zu GOTT und ſeinem heiligen Worte; da kehrete ſich GOTT zu Jhr mit ſeinen Gnaden-Augen / mit ſei - ner Liebes-Hand: und blickte Sie auch leiblich mit al - lem Segen an. Zuletzt kam Sie in ſehr groſſe Tieffe leiblicher Kranckheit: und muſte ſich des Verſinckens befahren: verſanck auch wuͤrcklich: daß man meinen ſollen: GOTT haͤtte ſein Angeſicht fuͤr Zorn verſchloſ - ſen. Aber weit gefehlet. Das Auge des HERRN erqvickte Sie auf Jhrem Siech-Bette: und machte Sie ſo freudig: daß Sie hertzlich wuͤnſchete / aufgeloͤ - ſet und bey CHRJSTO zu ſeyn. Das geſchahe auch. Der HERR behuͤtet Sie fuͤr allem Ubel: Er be - huͤtet Jhre Seele. Der HERR behuͤtet Jhren Aus - gang und Jhren Eingang / von nun an biß in Ewigkeit. Nachdencklich iſt der Traum / ſo Sie gehabet. Es kam Jhr den 15. Maji, Morgens zwiſchen 5. und ſechs Uh - ren im Schlaffe fuͤr: als ob Sie mit unterſchiedenen bekandt - und unbekandten Leuten durch einen klaren Bach gieng: darin ſeichtes und ſo klares Waſſer war: daß man alle Steine darinn liegen ſahe. Die mit Jhrhin -80Die nach den Rettungs-Bergenhindurch zu gehen ſchienen / trieben viel Muthwillen: und ſprungen luſtig durch: Sie aber empfand gleich - wol groſſe Muͤdigkeit von dem durchwaten. Als Sie endlich auch durch war: beduͤnckte Jhr: als ob Sie auf ſchoͤn-gruͤner Auen waͤre. Ehe aber Sie ſich deß ver - ſahe: war Sie in Moraſt gerathen: darin Sie ſo tieff verfiel: daß Sie ſtecken bliebe: und nicht anders mei - nete: denn daß Sie darinn umbkommen muͤſte. Jn - dem aber ſahe Sie fuͤr Jhren Augen einen hohen Berg: und darauf zween Herren: welchen Sie erbaͤrmlich zu - ſchrie / umb GOttes willen bittende: zu Jhrer Huͤlff zu kommen. Das geſchahe. Dann der eine lieff bald zu / grieff Jhr unter Arme / und hub Sie heraus. Der an - der nahm Sie bey der Hand / und fuͤhrte Sie den Berg herauf. Doch ward Jhr das ſo ſauer: daß / da Sie bald darauf erwachende / es Jhrem Ehe-Herrn erzehlete / zugleich mit bejahete: wie Sie gleichſam an - noch fuͤhlete den ſchweren Gang / in dem aufſteigen. Darauf ward Jhr ſo wol: daß Sie / beym erwachen / es unmoͤglich kont ausſprechen. Daher nur das ſagete: daß Jhr / Zeit Jhres Lebens / nie ſo wol geweſen waͤre: wiewol Sie ſolches alſobald auf Jhren Tod ausdeute - te. Wir machen aus Traͤumen keine Evangelia. Doch / wenn die That ſelbſt die Auslegung an die Hand giebt / und nichts ſonſt dabey iſt / ſo dem Wort des Herrnzuwie -81erhabenen Augen. zuwieder iſt / laſſen wir ſie in den Wuͤrden / ſo ſie ha - ben. Hier trifft wol alles ziemlich ein. Die erſte Kranck - heit / ſo die Selige empfunden / war das Waſſer: da damahls mehrere / denn Sie / durchgiengen / und leicht davon kamen. Sie auch gieng / doch nicht ohne Ent - kraͤfftung / durch: erholete ſich aber auf der gruͤnen Au - en des Interſtitii: ſo das ſeuchte Waſſer / von dem tief - fen Schlamm und Schleim der letztern Kranckheit / der ſich allzuhaͤuffig umb dero Bruſt legete / entſchiede. Da hatte Sie zu bethen: Hilff GOTT / das Waſſer gehet mir biß an die Seele; Jch verſincke im tieffen Schlamm / da kein Grund iſt! Wann dann das ein - traff: und wir Jhr das Recht einer frommen und glaͤu - bigen Seelen / mit keinem Recht / abſprechen koͤnnen: wol - len wir auch an dem letzteren nicht zweiffeln. GOTT der werthe Heilige Geiſt / deß Feſt Sie / in dem Him - mel zu feyern / mit groſſer Freudigkeit / den liebſten Jhrigen / bey / am Pfingſt-Sonnabend / genom - menen Abſchiede / bezeugete; der gute und auf ebner Bahn fuͤhrende Geiſt / war der eine HERR: der Sie aus dem Schlamme hub: und den durch ſeinen Troſt und Beyſtand alſo leichterte: daß Sie ihn nicht fuͤhlete: ja den ſelbſten Tod / vor keinen Tod / ſondern Gewinn / achtete. Der Hertzog des Lebens / der mitLin82Die nach den Rettungs-Bergenin den Tod gehende / und auch da heraus fuͤhrende / Hirt und Ertz-Hirt / CHRJSTUS JESUS / war der andere: ſo Sie den Berg hinauf fuͤhrete: welchen Sie fuͤr Augen ſahe / und wohin Sie Jhre Augen ie - derzeit gehoben hatte. Die Freude / ſo Sie / auf und in demſelbigen / empfindet / iſt uns ſo wenig auszuſpre - chen / dann Jhr ſelber: da Sie nur derſelben Vor - ſchmack in etwas gekoſtet hatte. So groß nun Jhre Freude iſt: ſo ſchaffet Sie dennoch / durch eine actio - nem antiperiſtaticam, rechtſchaffen groſſes Leyd / in den Augen Jhrer Augen / und Sie als ſeine Augen lieben - den Ehe-Herrens. Darumb ſtehen ſie ſo nahe an den Waſſer-Baͤchen: und wil mir allerdings be - duͤncken: daß ſo manche Zaͤhren daher fallen / ſo man - cher Bluts-Tropffe / von dem / durch dieſen Trauer - Fall / zerriſſenen und getheileten Hertzen / faͤllet. Er halte aber Maſſe / und ſpare ſich denen: welcher eini - ges Auge und Fuß Er auf dieſer Welt naͤchſt GOTT iſt. Er hebe auch Seine Augen auf zu den Bergen ꝛc. Er hebe Seine Augen auf / und erfreue Sich doch auch uͤber der Freude: die Sein halbes Hertz darauf genieſſet. Er hat ja ſonſt mit ſelbtem Liebe und Leyd / Gluͤck und Ungluͤck / Freude und Trau - ren / getheilet. So glaube Er dann auch / in HoffnungAntheil83erhabenen Augen. Antheil zu haben an der Freude: die Sein eigen Au - ge / auf den hohen Bergen / geneuſt. Hat Er ſonſt Sich ſo inniglich gefreuet / uͤber deſſen Wolſeyn: als hertzlich Er betruͤbet ward / uͤber dero Ubelſeyn: ſo hoͤre Er doch nun auch nicht im Tode auf / Sich zu freuen mit der Froͤlichen: nachdem Er gnug geweinet hat mit der Weinenden. Jhr aber / liebſten Kin - der der Wol-ſeligen / ſehet auch auf die Berge / und gedencket: daß von dannen Euch auch Huͤlffe kom - men werde. Jhr lieget nun deſto mehr euerm himm - liſchen Vater in den Augen: als ferner Euch die Frau Mutter kommen iſt.

Jhr ſeyd Jhm ſtets fuͤr den Augen /
Jhr liegt Jhm in ſeinem Schoß ꝛc.

Der Leidtragende Jephtha laſſe gnug ſeyn / biß daher geſagt zu haben: Meine Tochter / wie beu - geſt du mich! Er ſeye gutes Muthes / und geden - cke: daß ſeine liebe Tochter nicht auf die Berge gangen / zu weinen: ſondern ſich zu freuen. Die Frau Pflege - und Schwieger-Mutter laſſen Jhnen lieb ſeyn: daß ſo angenehme Ruth / auf dem Gebuͤrge Ephrata, in dem rechten Bethlehem / ſoL 2wol84Abſchieds-ARIE. wol verſorget und vergnuͤget iſt. Das wertheſte Geſchwiſter und andere Anverwandte ſehen auf GOTT: der Sie verwundet:

Der auch zu heilen iſt bereit:

Wenns dient zu Jhrer Seligkeit.

Und der HERR des Himmels gebe Euch und uns allen viel Friede und Freude! Amen! S. D. G.

Der ſeligen Frau Knorrin letzte Abſchieds-Worte / bey gehaltener Leichen-Predigt abgeſungen in nachfolgender ARIE.

1.
NUn ſcheid Jch! Gute Nacht!
Mein treuer JESUS macht
Ein unverhofftes Ende.
Weil Jch Mich aber wende
Zu einem beſſern Leben:
Wil gute Nacht Jch geben.
2. Mein85Abſchieds-ARIE.
2.
Mein Thun war lauter Muͤh /
Die durch den Tod Jch flieh:
Die Luſt gehaͤuffte Sorgen:
Mein Schatz ein bloſſes Borgen:
Ein Trauren meine Freuden /
Bey ſtetem Creutzes-Leiden.
3.
Der Kinder fromme Zucht
Hab eyfrig Jch geſucht.
Mein ander Hertz zu lieben /
Kont Jch nicht ſatt Mich uͤben.
Drumb ſcheint mein ſelig Sterben
Ein trauriges Verterben.
4.
Ach! aber Herꝛlichkeit /
Die JESUS Mir bereit!
Den Berg hab Jch erſtiegen /
Den Jch ſah vor Mir liegen:
Als Jch im Kampffe ſteckte /
Und Muth und Glieder ſtreckte.
L 35. Mein86Abſchieds-ARIE.
5.
Mein JESUS langt die Hand /
Fuͤhrt Mich ins Vater-Land.
Des Heilgen Geiſtes Gaben
Beginnen Mich zu laben.
Jtzt hab Jch uͤberwunden /
Den ſchoͤnſten Pfingſt-Tag funden.
6.
Nun Eh-Schatz gute Nacht!
GOTT habe Seiner Acht!
Lebt wohl geliebten Kinder!
GOTT ſorgt vor Euch nicht minder.
Adieu all meine Lieben /
Die mein Tod wird betruͤben!
7.
Jch geh Euch nur voran:
Jhr folgt auch dieſe Bahn.
Jſts hir gleich bitter ſcheiden:
Sind dort doch tauſend Freuden /
Die wir genuͤſſen werden.
Nun gute Nacht der Erden!
Chriſt -87Lebens-Lauff.

Chriſtlich-gefuͤhrter Lebens-Lauff der ſeligen Frau Knorrin.

EJne Tugendſame Ehe-Frau ruͤhmet der aller - weiſeſte Koͤnig Salomo in dem 31. Capitul ſeiner ſinn-reichen Sprichwoͤrter: daß Sie edler ſey / denn die koͤſtlichen Perlen. Wenn man bedencket / daß Salomo nicht nur geſchrieben habe / ge - trieben von dem Heiligen Geiſt: ſondern es auch nach damahliger / wiewol von GOTT niemals gebilligter / jedoch eine Zeitlang tolerirter Gewohnheit / mit einer zimlichen Menge von Weibern verſucht: wird niemand leichtlich ſeiner Meinung wiederſprechen. Salomo hat - te 700. Weiber zu Frauen / und 300. Kebs-Weiber. Wer wolte nicht præſumiren / daß er vor andern die Weiber habe kennen lernen: und einer vor der andern Jhr gebuͤhrendes Prædicat zu geben gewuſt? Er redet nicht in genere von allen und jeden / ſondern von einer ſolchen Frauen: von der man ſagen kan / daß ſie ſey Mulier Virtutis, ein Tugendſames Weib: derer Eigen - ſchafften in folgenden verſiculn / biß zu Ende des Ca - pituls und Buches / weitlaͤufftig vorgeſtellet werden:und88Lebens-Lauff. und bey welcher dieſelben anzutreffen. Von der ſpricht Er: Longè præ margaritis pretium ejus: die iſt nicht nur den Perlen zu vergleichen; ſondern weit vorzuziehen.

Wenn nun bey der weiland Wohl-Edel - gebohrnen / Hoͤchſt-Sitt-und Tugend-Be - gabten Frauen / Frauen Eva Maria Knorrin / gebohrner von Kuͤnemann / des Wohl-Edlen und Hoch-Gelahrten Herrn / Herrn Johann Knorres / JCti und Vornehmen Rechts-Conſulenten im Leben hertzlich-geliebten Ehe-Liebſten / die Salomoni - ſche Beſchreibung einer tugendſamen Ehe-Frauen ſo punctuel eintrifft: daß es ſcheinet / als haͤtte Er derſel - ben Eigenſchafften allein vor Augen gehabt: werden wir nicht unrecht thun: wenn wir derſelben Vortreff - ligkeit / nicht nach allen Umbſtaͤnden (denn das wuͤrde auch einer gelehrten Feder bey geraumer Zeit auf einem langen Papiere unmoͤglich fallen); ſondern nur etlicher Maſſen / und gleichſam mit einigen Puncten unter dem Bilde der Perlen vorſtellen: nach Art der Geo - graphorum, welche die groͤſſeſten Staͤdte in ihren Land -Taffeln89Lebens-Lauff. Taffeln nur mit kleinen Puncten bezeichnen und an - deuten.

Anfaͤnglich iſt bekant / daß die Perlen einen edlen Urſprung haben: maſſen ſie von dem lieblichen Thau des Himmels in den Perlen-Muſcheln nicht nur genaͤh - ret / ſondern auch generirt werden. Unſere Perle / ich meine die Wohl-ſelige Frau Knorrin / hat durch die Gnade des Allerhoͤchſten ſich eines recht edlen Ur - ſprungs zu erfreuen gehabt. Jhr Herr Vater iſt der Hoch-Edel-gebohrne / Geſtrenge und Hoch-Benahmte Herr Peter von Kuͤne - mann / auf Biegnitz / ꝛc. Koͤnigl. Schwedi - ſcher Regierungs-Rath / und Ampts - Haupt-Mann in Pommern: die Frau Mut - ter war die weiland Hoch-Edle / Hoͤchſt - Sitt-und Tugend-Belobte Frau Eva Margareta Kuͤnemannin / gebohrne Sommerfeldin: weiland (Tit. plen.) Herrn Daniel Sommerfeldes / Vor - nehmen JCti, und viel-meritirten Buͤrger -MMeiſters90Lebens-Lauff. Meiſters zu Schwiebuſſen / mitlere Jungfer Tochter. Dieſen Edlen Eltern / von derer ungemei - nem Lobe / und bekanten vornehmen Ankunfft ruͤhmli - cher zu ſchweigen / als jactanter viel zu erzehlen / hat die Wohl-ſelige Frau Knorrin nechſt GOTT das natuͤrliche Leben zu dancken: aus welchen Sie Anno 1662. den Tag Petri und Pauli zu Rointten im Glogauiſchen Fuͤrſtenthum gebohren. Adler koͤn - nen nichts als Adler zeugen. Jhre ſelige Frau Mutter war nicht nur dem Nahmen nach / ſondern auch nach Jhrem Preiß-wuͤrdigen Wandel eine koͤſtliche Perle: was konte von Perlen anders als Perlen erwartet werden?

Noch edler iſt der Urſprung der Wohl-ſeligen Frau Knorrin nach Jhrem geiſtlichen Leben: da Sie durch Waſſer und Geiſt in Bojanova zu einem Kinde GOTTES / wie der Thau aus der Morgen - Roͤthe / wiedergebohren / und zu einer Mit-Buͤrgerin derſelben Stadt angenommen worden: derer 12. Thore 12. Perlen ſind / ein jedes Thor eine Perle / Apocal. 21.

Die Perlen haben zwar ihr Æſtimium von ihrer Geburth und Generation: doch daß ſie deſto geſchick - ter zum Dienſt und Zierde des Menſchen werden / muͤſ - ſen ſie der Hand eines Kuͤnſtlers anvertrauet werden:der91Lebens-Lauff. der ſie zu beliebigen Gebrauch diſponiret. Der Wohl - ſeligen Frau Knorrin waren die Preiß-wuͤrdi - gen Vorrechte des Ritter-maͤßigen und Tugend-faͤhi - gen Adels von Jhren generoſen Eltern angebohren: allermeiſt aber durch die geiſtliche Wieder-Geburth / die allgemeine Befleckung der Adamiſchen Geburth vol - lends abgethan: daß man Sie in ſolcher Reflexion vor eine heilige / reine und unbefleckte Perle halten muſte: an welcher qvoad imputationem nicht war einiger Flecken / oder des etwas: jedennoch iſt der Menſch zur Geſellſchafft wie die Perlen gebohren. Damit nun die Wohl-ſelige Frau Knorrin zu ſeiner Zeit in menſchlicher Geſellſchafft ein nuͤtzliches Mit-Glied abgeben moͤchte: ward Sie von Jhrer fruͤhzeitig-ver - ſtorbenen Frau Mutter biß ins 12te Jahr / wie die Perle in der Muſchel / foviret: und zu allen Chriſtlichen / dem Frauenzimmer wohl-anſtaͤndigen Tugenden ge - zogen: nachgehends aber Jhrem Herrn Vetter (Tit. plen.) Herrn Kilian von Sommerfeld / auf Wilckau / unter ſeine Freundſchafft-Sorge ver - trauet: allwo Sie vollends formirt und in allerhand Wirthſchaffts-und andern ruͤhmlichen Wiſſenſchafften ausgeuͤbet worden.

M 2Perlen92Lebens-Lauff.

Perlen finden allezeit ihre Liebhaber. Unſer Hey - land ſtellet beym Matthaͤo ein Gleichniß vor von ei - nem Kauff-Manne / der eine koͤſtliche Perle fand: der ging hin / und verkauffte alles / umb dieſer geliebten Per - le theilhafftig zu werden. Unſerer Hoch-geſchaͤtz - ten Perle ward Vor-wohlgedachter Herr Knorr / der itzo den Verluſt Seiner ſo unver - gleichlich-geliebten Ehe-Perle mit 1000. Thraͤ - nen beweinet / innen: und konte ſich nicht eher beruhi - gen / biß Er dieſer Perle habhafft worden. Es koſtet Muͤhe die Perlen aus dem Abgrunde des Meeres her - aus zu fiſchen. Der Grund / in welchem der Herr Knorr ſeine Perle gefunden / war die Tieffe Goͤttlicher Gnade: die Er mit eyfrigem Gebeth; und des Kuͤ - nemanniſchen Hauſes Affection, welche Er mit geziemender Inſinuation geſucht. Sein Suchen war ſo gluͤckſelig: daß Jhm ſeine geliebte Perle den 12. Januarii Anno 1679. ehelich verſprochen / und folgends den 15. Februarii durch Prieſterliche Copu - lation wuͤrcklich uͤbergeben worden. So werth als die Perlen ſind / mangelts ihnen doch an der Gabe der Fruchtbarkeit. Die Wohl-ſelige Frau Knorrin war nicht eine unfruchtbare / ſondern hoͤchſt-fruchtbarePerle:93Lebens-Lauff. Perle: maſſen Sie durch den Segen des groſſen GOT - TES das Knorriſche Haus mit eylff lebendi - gen Kindern vermehret: derer ſieben mit Nahmen Anna Margareta / Johann Caſpar / Eva Ma - ria die erſte / Eva Maria die andere / Johann Gottlob / Johann Gottfried / und die dritte Eva Maria derſelben durch den zeitlichen Tod vorange - gangen: Vier noch lebende / mit Nahmen Peter To - bias / Dorothea Sophia / Barbara Eleonora und Anna Margareta / den gar zu fruͤhen Todes - Fall Jhrer getreueſten Mutter hoͤchſt-ſchmertz - lich beklagen. Von der Tugend und Wuͤrckungen der Perlen wiſſen diejenigen ein mehrers zu melden: die ſich umb die Eigenſchafft der natuͤrlichen Dinge bemuͤhen: wiewohl glaublich iſt / daß noch viel auch in den Perlen verborgen ſtecke: weil doch menſchlicher Verſtand nicht zulanget / die innerſten Kraͤffte / ſo GOTT in die Natur geleget / zu ergruͤnden. Ob wohl die Wohl-ſelige Frau Knorrin Jhren Tugend-Glantz mit der Schale der Demuth verdeckte: wie ſich die Perle in der Muſchel verborgen haͤlt: ſo hat Sie dennoch ſich ſo fer - ne eroͤffnen muͤſſen: daß man Jhre Gottesfurcht / Sanfftmuth / Gelaſſenheit / eheliche Treue und derglei -M 3chen94Lebens-Lauff. chen allem Frauenzimmer zu einem Exempel loͤblicher Imitation vorſtellen kan. Die Sonne am hellen Him - mel / das Licht in einem Zimmer / der Baum auf einem hohen Berge / und die Tugend im Hertzen kommen in dieſem Stuͤck miteinander uͤberein: daß keines aus den - ſelben lange verborgen bleiben kan. Die Wohl-ſeli - ge Frau Knorrin war Jhrem Ehe-Herrn die bewehrteſte Hertz-Staͤrckung und angenehmſter Au - gen-Troſt. Ob die Perlen wieder alle Kranckheiten dienen: iſt nicht bekant. Dieſe Perle aber war dem Herrn Knorr in allen ſeinen von GOTT aufge - legten Schmertzen allezeit das naͤheſte und ſicherſte Re - medium; Sie vertrieb aus ſeinem Hertzen / nach Art der Corallen / die Schreck-Bilder aller Wiederwaͤrtig - keit: und wenn die Perlen und Corallen nach Beſchaf - fenheit der Geſundheit des Menſchen / der ſie traͤget / die Farbe aͤndern: behielt Sie hingegen allezeit einer - ley Farbe / nemlich die Farbe der geſetzten Tugend: und wuſte die ſonſt inſonderheit bey dem ſchwaͤchern Werck - zeuge prævalirenden Affecten dermaſſen zu moderiren: daß Sie Zeit waͤhrender 18jaͤhrigen Ehe Jhren Ehe-Herren nicht einmahl vorſaͤtzlich gekraͤncket: ſondern vorfallende Ungleichheit / deren man im Haus - Weſen in dieſer Unvollkommenheit nicht vollkom̃en ent -uͤbrigt95Lebens-Lauff. uͤbrigt ſeyn kan / mit hoͤchſter Freundligkeit und De - muth declinirt und abgewendet. Die Muſchel weiß ihren bey ſich fuͤhrenden Perlen-Schatz ſo fleißig zu be - wahren: daß ſie bey Annahung einer ſie zu betaſten fertigen Hand ſich zuruͤcke ziehet: ja ſie wohl gar ein - qvetſchet und beſchaͤdiget: wo nicht die groͤſte Vorſich - tigkeit angewendet wird. Mich deucht ich finde hir das Bild der ſonderlichen Vorſorge: welche die Wohl - ſelige Frau Knorrin vor Jhre allerliebſten Kin - der-Schaͤtze getragen: die Sie ſonſten nicht an das Licht der Sonnen geſtellet: als den Himmliſchen Thau heilſamer Lehre und anſtaͤndiger Sitten einzuſaugen: da Sie ſelbte hingegen vor der Welt und ihrer Eytel - keit aufs feſteſte verſchloſſen hielt: und alles dasjenige abwendete / wodurch Jhrer zarten Seele einiges Aerger - niß / oder dem Leibe einiger Schaden zuwachſen moͤchte. Sie erwieß ſich vergnuͤgt: wenn Sie / was zu Jhrer eigenen Beqvemligkeit erogiret werden ſollen / den Kin - dern / wie die Muſchel der Perle ihren Nahrungs - Safft / zueignen konte.

Wiewol die Perlen ungleich ſind an Schoͤnheit und Koſtbarkeit: fuͤhren ſie dennoch deſſenthalben keinen Krieg untereinander. Ein Stern goͤnnet dem andern das Licht / eine Perle der ander ihren Glantz. DieWohl -96Lebens-Lauff. Wohl-ſelige Frau Knorrin meritiret wegen Jhrer Tugenden Vollkommenheit unter die Koſtbar - ſten gerechnet zu werden: unterdeſſen hat Sie doch mit Niemanden umb die Prærogativ geſtritten: ſondern hat - te gelernet / die / ſo hoͤhern Standes / nach Gebuͤhr zu veneriren / Jhres gleichen zu lieben / und die Niedrigen nicht zu verachten. Unter den Perlen ſind ſonderlich / als Wunder der Natur / beruͤhmt / diejenigen beyden: auf welche Cleopatra den Antonium zu Gaſte geladen: davon ſie die eine in Eßig zerlaſſen / und auf Geſund - heit Jhres Gaſtes verſchlucket. Die Wohl-ſelige Frau Knorrin war mit einer gantzen Schnur voll geiſtlicher Perlen aufs herꝛlichſte geſchmuͤckt: de - rer eine jede abſonderlich / denen beyden der Cleopatra zugleich den Vorzug ſtreitig machen kan. Es moͤgen mir andre die Perlen ruͤhmen / wie ſie wollen: an der Wohl-ſeligen iſt dennoch hoͤher zu ruͤhmen Jhre freundliche Guͤttigkeit gegen die Armen / welche ſie reich - lich begabet: Jhre ungemeine Demuth / welche Sie beſtaͤndig geuͤbt: Jhr hertzliches Mitleiden gegen die Betruͤbten / welche Sie nach Vermoͤgen getroͤſtet: Jh - re bereit-willige Sanfftmuth / auch das hoͤchſte Unrecht mit groſſer Geduld zu uͤberwinden: Jhre heilige Ge - laſſenheit / nach welcher Sie auch bey den groͤſtenDrang -97Lebens-Lauff. Drangſalen mit dem heiligen Rath und Willen GOT - TES ſich gaͤntzlich befriedigte / und niemahls uͤber ei - nigen Nothſtand Klage fuͤhrte: Jhr exemplariſches Leben / in welchem Sie ſich Kindern und Geſinde zu ei - nem Muſter loͤblicher Nachfolge darſtellete: Jhre ey - frige Andacht / indem Sie taͤglich zu gewiſſer Stunde mit GOTT Jhre heilige Unterredung gepflogen: Jhr glaͤubiges Vertrauen auf die Guͤte des Hoͤchſten / der Sie in Jhrem / Jhm allein am beſten / und wenigen Freunden etlicher maſſen bekanten Creutze / nicht wuͤr - de laſſen uͤber Vermoͤgen verſucht werden: Jhre muͤh - ſame Haͤußligkeit / in welcher Sie Jhren beſten Zeit - Vertreib geſuchet: in Betrachtung ziehende / daß der Menſch zur Arbeit / wie der Vogel zum fliegen / erſchaf - fen ſey. O ein heiliger Perlen-Schmuck / umb wel - chen ſich billich alles Chriſtliche Frauenzimmer bemuͤ - hen ſolte: derer Schmuck ohne dem nicht in Haar-flech - ten / Geſchmeide und anderer euſerlichen Phantaſey; ſon - dern in dem innerlichen Schmuck der Seelen beſtehen ſoll! Ob man ſolte eine Perle finden / der gantz nichts auszuſetzen? mag dahin geſtellet ſeyn. Darumb koͤn - nen und wollen wir auch nicht die Wohl-ſelige Frau Knorrin gantz vollkommen machen. Wer wil einen reinen finden bey denen / da keiner rein iſt? NJedoch98Lebens-Lauff. Jedoch die Perlen werden von ihrem Schmutz durch des Feuers Hitze / wenn ſie in den Teig geſtoſſen wer - den; oder durch Tauben / wenn ſie von denſelben ver - ſchlucket werden / gereiniget. Die Wohl-ſelige rei - nigte ſich von Jhren Schwachheiten / denen Sie unter - worffen zu ſeyn / gerne zugeſtund / durch wahre Buſſe: nach derer Bezeugung Jhr zum oͤfftern durch das Ampt des Heiligen Geiſtes / der ſich in Tauben-Ge - ſtalt geoffenbaret hat / Vergebung der Suͤnden erthei - let worden: deſſen Sie ſich mit wuͤrdiger Genuͤſſung des heiligen Abendmahles feſter verſichern ließ. Hir - zu kam die Hitze des Creutzes / welche ebenfalls unſere Suͤnden-Schlacken verzehren hilfft: wie bekant iſt / daß auch ſelber das Gold durchs Feuer nicht nur am ſicherſten gepruͤfet / ſondern auch aufs ſauberſte gerei - niget werde.

Die Perlen haben ihren gewiſſen periodum: und pflegen / wann man ſie lange genung gebraucht / endlich den Glantz zu verliehren; und / wie man zu reden pfle - get / abzuſterben. So hat der Menſch ſeine beſtim̃te Zeit: und da die Wohl-ſelige Frau Knorrin anhub zu leben / fieng Sie auch bereits an zu ſterben. Sie iſt von Jugend auf eine valetudinaria, und ſchwacher Con - ſtitution geweſen. Abſonderlich hat ſich ein von denBlat -99Lebens-Lauff. Blattern zuruͤck-gebliebener Bruſt-Fluß bey Jhr ſo feſt geſetzet: daß Zeit Jhrer Ehe Sie davon unterſchie - dene mahl harte Steck-Fluͤſſe bekommen. Zu dem iſt Sie es / als eine Rahels-Schweſter / etliche mahl in der Geburth ſehr hart ankommen / ſo gar: daß Sie einmahl biß in den zehenden Tag kreiſſen muͤſſen: wo - von denn Jhre wenige Kraͤfften ſchier vollends gaͤntz - lich exhauriret worden. Als am Advents-heiligen Abende Jhr ein ſehr artig und hertzlich-lieb-geweſenes Kind geſtorben: hat Sie Zeit deſſen Kranckheit nicht nur durch wachen und kuͤmmern ſich dermaſſen abge - mattet: daß dieſes zu einer Niederlage genung ſeyn koͤnnen: ſondern es iſt auch ein ſtarcker fluxus menſi - um dazu kommen: daß Sie an Jhrer Geneſung ſelbſt zu zweiffeln angefangen. Jedennoch hat (Tit.) Herrn D. Guͤrnths / Raths-Senioris, Phyſici Ordinarii, und beruͤhmten Practici bey der Stadt Groß-Glogau muͤhſame Vorſorge und Cur Sie wieder in ſolchen Stand geſetzet: daß Sie Jhren Beruffs-Verrichtun - gen vorſtehen / und bey zimlicher Conſtitution Jhren Geſchaͤfften obliegen koͤnnen. Noch vor Faſt-Nacht haben Jhre lieben Kinder an Febern zu krancken ange - fangen: welchen / ehender Sie noch voͤllig reſtituiret / die Marter-Woche Jhr liebſter Ehe-Herr gefol -N 2get:100Lebens-Lauff. get: der am Podagra bey 14. Tagen niedergelegen / und bald darauf ein hefftiges Feber bekommen: bey welchen anhaltenden Kranckheiten Sie dermaſſen de - fatigiret worden: daß Sie erſtlich eine Schwaͤche aller Glieder / nachmahls den 13. Maji einen Feber-Anſtoß geklaget. Weil aber wohlgenennter Herr D. Guͤrnth bald mit kraͤfftigen Artzney-Mitteln vorgebauet: iſt das Feber / nachdem es Sie fuͤnffmahl zimlich hart an - gegriffen / weg blieben: bald aber wieder kommen: doch wiederumb am Himmelfarths-Tage und 2. Junii mit dem ordentlichen Paroxyſmo auſſen geblieben. Wie Sie nun hiruͤber die groͤſte Freude gewieſen: alſo hat Sie auch ſich ſelbſt viele Hoffnung gemacht: daß der abermahl mit dem Feber kommende haͤuffige Fluxus menſtruus und Diarrhæa Jhr nicht weiter ſchaden; und die daher entſtehende Mattigkeit vor ſich ſelbſt ceſſiren wuͤrde. Allein da den 3. Junii der gute Tag ſeyn ſolte / uͤberfiel Sie gegen Mittag 11. Uhr ein Froſt: wel - cher in anderthalb Stunden mit einer erſchroͤcklichen Hitze abwechſelte: die gantzer 15. Stunden ohne eini - gen Remiſs anhielt: daß Jhr Ehe-Herr dadurch bewogen worden (Tit.) Hn. D. Schultzen / Abends 9. Uhr aus Beuthen holen zu laſſen / umb aller Gefahr beſt-moͤglichſt vorzubauen: welcher nicht nur febremtertia -101Lebens-Lauff. tertianam duplicem vermuthet: ſondern / als nach 2. Stunden Remiſs der andere Paroxyſmus wieder wuͤrck - lich erfolget / auch mit kraͤfftigen Mitteln demſelben re - ſiſtiret / mit Herrn D. Guͤrnthen / als Jhrem or - dinario, correſpondiret: daß alſo durch beyder Sorg - falt das Feber wieder gehoben worden. Es folgeten aber demſelben allerhand andere Zufaͤlle: eine ſtets ab - wechſelnde groſſe Hitze / Unruhe im Schlaff / eine neue Diarrhæa, und den 7. Junii ein Auswurff: wodurch die Feber-feces zu heben / die Herren Medici gantz ſiche - re Hoffnung gaben. Allein es verwandelte ſich der Auswurff in eine andere Farbe; daraus die Herren Medici argwohneten: daß es alte feces, und ſchwer zu heben ſeyn wuͤrden: welches ſich auch in der That er - wieſen. Allermaſſen / obgleich dieſe gantze Nacht / auch den 8. Junii den gantzen Tag / ſolche haͤuffig fort gingen: die Natur doch dabey geſchwaͤcht wurde: daß Sie mehr ſich zu helffen keine Kraͤffte hatte: und / ungeacht Sie fleißig und viel Medicamenta gebraucht / keinen Effect davon mehr verſpuͤhren konte.

Dannenhero den 9. Junii fruͤhe Sie ſich zu einem ſeligen Ende diſponirte: und / nachdem die Herren Me - dici wieder zu Jhr gebethen / wenig Hoffnung weiter geben konten / anfangs Jhren liebſten Ehe-HerrnN 3und102Lebens-Lauff. und Kinder ſchmertzlich beklagte: daß Sie dieſen als eine getreue Mutter nicht ferner vorſtehen / und die Erziehungs-Sorge abſonderlich bey dem Juͤngſten kaum 10. Monath erreichten Toͤchtrichen durch Jhre Muͤhe Jhrem Liebſten vermindern; Jenem aber nicht weiter warten / und Jhre gantz ungemeine Liebe und Treu erweiſen ſolte. Worauf Sie Jhren be - truͤbten Ehe-Herrn troͤſtete / von Jhme beweglich Abſchied nahm / die Kinder in Demuth und Froͤmmig - keit zu erziehen recommendirte: folglich die Kinder ge - ſegnete / mit Verſicherung: daß GOTT Jhren Wunſch / den Sie Schwachheit halber nicht vollkommen aus - ſprechen konte / dennoch in Gnaden erhoͤren / und an Jhnen erfuͤllen wuͤrde. Allen Anweſenden ſagte Sie mit Darreichung der Hand gute Nacht / bezeugete ei - nen Eckel gegen das Jrꝛdiſche / und hingegen ein bruͤn - ſtiges Verlangen und ſehnliche Begierde bey dem HERRN JESU CHRISTO zu ſeyn: bey wel - chem Sie folgenden Tags einen herꝛlichen Pfingſt-Tag im Himmel zu celebriren mit Freuden verſicherte. Als Sie nun hirauff eine halbe Virtel-Stunde gantz ſtille gelegen / und ſich gleichſam zur Ruhe zu ſchicken ſchiene: iſt Sie ohne alle Empfindligkeit unter hertzlichemSeuff -103Lebens-Lauff. Seuffzen und Thraͤnen derer Anweſenden am heiligen Pfingſt-Abende halb 9. Uhr in wahrem Glauben auf das theure Verdienſt Jhres Erloͤſers ſanfft und ſelig eingeſchlaffen: und als eine koſtbare Perle in den Ring der ſeligen Ewigkeit / die weder Anfang noch Ende hat / verſetzet worden. Die kurtze Zeit Jhres Preiß - wuͤrdigen Lebens hat Sie bracht auf 34. Jahr / weniger 3. Wochen. Jn der Ehe hat Sie ge - lebet 18. Jahr / 14. Wochen und 3. Tage.

Die Perlen im Schlaff oder Traum geſehen / be - deuten Thraͤnen und Bekuͤmmerniß. Ach! welch hertz - liches Bekuͤmmerniß betrifft die ſaͤmtlich Vorneh - me Freunde und hohe Anverwandten: de - rer Thraͤnen in ungemeiner Anzahl den Perlen gleich uͤber die Backen herab rollen! Jedoch Sie vergoͤnnen der Wohl-ſeligen Frauen Jhre Herꝛlichkeit / da - rinnen Sie ſich ietzo befindet. Die Perle der Chriſtlichen Geduld kroͤne dero gekraͤncktes Hertz: daß Sie den Willen des HERRN unſers GOTTES vor den beſten erkennen / und mit Hiob ſagen moͤgen: Wie es demHERRN104Lebens-Lauff. HERRN gefallen / ſo iſts geſchehen: ſein heiliger Nahme ſey gelobet!

Jndeß ſchafft Perlen an / ſchafft Demant / ſchafft
Sapphieren:
Zu unſrer Knorrin Preiß kan nichts zu koͤſt -
lich ſeyn.
Es ziemt ſich Jhre Grufft auf ſolche Art zu zieren.
Drumb ſetzt mit Perlen-Schrifft die Worte auf
den Stein:
Hier ruht / die Perlen gleich Jhr Leben -
lang geſchienen:
Drumb muſten ſie Jhr auch zur Grabes -
Zierde dienen.
[figure]

About this transcription

TextDie nach den Rettungs-Bergen erhabenen Augen
Author Samuel Lange
Extent104 images; 19761 tokens; 5891 types; 132591 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDie nach den Rettungs-Bergen erhabenen Augen bey solenner Funeration der im HERRN seligst-ruhenden/ Wohl-Edel-gebohrnen/ Hoch-Ehr-Sitt- und Tugend-reichen Frauen/ Fr. Even Marien von Künemann Samuel Lange. . 104 S. Michael und Jacob ZippernGörlitz1696.

Identification

Universitätsbibliothek Breslau Universitätsbibliothek Breslau, 4 F 625/1-4 / 509978

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Leichenpredigt; Gebrauchsliteratur; Leichenpredigt; ready; aedit

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Editorial principles

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Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T09:35:50Z
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ShelfmarkUniversitätsbibliothek Breslau, 4 F 625/1-4 / 509978
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