DIeſe wenige Blaͤtter werden manchen bey den erſten Anblick dergleichen Gedancken verurſa - chen: Abermahl ein neuer Poë - te? Es mangelt gewiß dran? Allein derſelbe beliebe mir mehr Verſtand / und Beſcheidenheit zuzutrauen / als daß eine kindiſche Selbſt-Liebe mich mit andern zu den unzeitigen Ehrgeitz verfuͤhren ſolte / durch we - nige Bogen den Nahmen eines rechtſchaffenen Poëtens zu ambiren / welcher allein durch etli - cher vortreflicher Maͤnner unſterbliche Schrif - ten in eines verſtaͤndigen Gedaͤchtniß gruͤnet. Sondern man glaube vielmehr / daß ich noch allezeit ein lehr-begieriger Schuͤler von ihnen bin / und in dieſer Qualitaͤt das Vertrauen he - ge / es werde mir in den kleinen Wercke viel - leicht noch etwas gerathen ſeyn / ſo einen Platz unter der Mittelgattung der Poëſie verdienet. Denn bloſſe Reimen-Schmiererey / die durch laͤppiſche Einfaͤlle und zerflickte Ausarbeitung ſo ſchmackloß / als ungeſaltzene Speiſen ſind / wuͤrde mich zu meinen eignen Feind ſo wohl) (2alsVorrede.als derer machen / die ihre Zeit unnuͤtzlich da - mit verſchwenden. So aber haben die Bege - benheiten anderer / ihre Ausſchweiffungen / ja Ruhm und tadlens-wuͤrdige Zufaͤlle meiner Feder die Muͤhe gegeben / die muͤſſigen und vergnuͤgteſten Stunden damit zuzubringen / und das Belieben Etlicher / das ſich auch zu - weilen nach etwas Unvollkommenes eꝛſtrecket / hat ſie nicht ſo wol unter die Preſſe genoͤthiget / als einige Bewegungs-Gruͤnde / die auch kein Oedipus in Durchleſung etlicher Gedichte wohl errathen kan.
Nun iſt man zu Erkennung anderer Fehler gemeiniglich ſcharffſichtiger / als bey ſeinen ei - genen / und dahero werden viele bey Lichte mit ſpitzen Augen erſehen / was den Ihrigen zuwei - len ſelber verborgen iſt. Doch wie es eben nicht ruͤhmlich / dasjenige allzuſehr zu tadeln / wel - ches keinen Ruhm verlanget / wenn es ſelbigen gleich meritirte: ſo verhoffe auch deswegen ei - ne guͤtige Cenſur, daß ich meine Vernunfft in Urtheilen uͤber unvergleichliche Leute nicht ver - pachtet / durch deren herrliche Anleitung man erſt ein reiffes Judicium erwerben muß.
Gewiß / es iſt ein ſchlechtes Kennzeichen ei - nes geſunden Verſtandes / dasjenige unge - reimt zu nennen / welches durch die Vollkom - menheit eines hohen Geiſtes bey den KluͤgſtenſichVorrede.ſich vorlaͤngſten wunderwuͤrdig gemacht / zu - mahl von denen / die wie der ſchmierichte Schu - ſter beym Apelles, die Ausbeſſerung Kunſtrei - cher Sinnen-Bilder weiſen wollen / da ſie nicht einmahl den Schatten davon zu entwerffen vermoͤgend ſind. Und alſo kan die Erinnerung einer klugen Feder in der Lob-Schrifft des vor - trefflichen Herrn von Lohenſtein ſeines Armi - nius, auch bey ſeinen Ibrahim anitzo ſehr wol paſſen / wenn ſie ſchreibet:
Doch ſo machet ſich mancher die uͤbermaͤſſi - ge Einbildung / die Sonne wuͤrcke am Durch - dringenſten in ſeinen Verſtande / wenn der heiſ - ſe Suͤd-Stern uͤber ſeinen Wirbel ſtehet / der ihm das Gehirn / wie der Blitz das Marck aus den Knochen / dergeſtalt auszehret / daß er her - nach als taumelnd in gelehrter Leute Spott faͤllt. Und geſetzt / daß man mit praͤchtigen Woͤrtern zur Unzeit geſpielet / ſo iſt doch ſol - ches ſelbſt Verſtaͤndigen zu zeigen die Art un - nuͤtzer Kluͤglinge; ſo aber weiß die kluge Welt am beſten / daß ein Poët nicht eben ſeinen Geiſt mit den wenigen Jahren einer Perſon / von der man ſchreibet / erniedrigen muͤſſe / ſonſten wuͤr - den die Verſe nach unterſchiedenen Zufaͤllen ſo) (3kin -Vorrede.kindiſch heraus kommen / als das Urtheil / daß ſolches ſehr wol gemacht ſey.
Das Abſehen / nach Gewohnheit der Fran - tzoſen / mit critiquen Hinter-Schrifften herzu - gehen / deren hohes Weſen und Geheimnuͤſſe ei - ner nicht gemeinen Seele man nicht einmahl erreichen kan / heiſſet mit aller Hoͤflichkeit ſeine begangene Fehler ſelber anmercken. Doch das Sprichwort muß auch in excellentiori gra - du wahr ſeyn: ars non habet osorem, niſ[i]ignorantem, und was nicht auff unſern Miſte waͤchſt / iſt aller Fortpflantzung unwuͤrdig. Sehr wohl gegeben.
Sonſten werden ſich die teutſchen Poeten wenig uͤber die ſeltzame Verwunderung aͤrgern / daß ſie weiſſe Bruͤſte mit Marmor und Wangen mit Alabaſt ver - gleichen. Knaben in Schulen wiſſen auch / daß ein Menſch vom Fleiſch und nicht Steinern ſey / und wenn ſie der gleichen Sachen leſen / ſollen ſie ohne Kopffbre - chen das Tertium Comparationis; errahten. Doch nach dieſer Phantaſie kan das ſchoͤne Gleichniß der Wangen von Roſen / und Lippen von Purpur ebenfals nicht Statt finden / weil der kuͤhle Morgen-Wind im Fruͤhling keine angenehme Waͤrmde in die Blumen wehet / und der Purpur in Kauffmanns-Gewoͤlbern mehr als bey den Kachel-Ofen lieget. Wie reimen ſich nun dieſe Worte: Wenn ich von Marmor-Bruͤ - ſten und Wangen von Alabaſt hoͤre / ſo ſtelle ich mir ei - ne erblaſte Schoͤnheit im Sarge fuͤr. Wer hat jemahl eine erblaſte Schoͤnheit geſehen? Sapienti lat.
Was der teutſchen Poëten, ihre wolflieſſendeVerſeVorrede.Verſe anbelanget / iſt vor andern Nationen ihr unſtrei - tiger Ruhm / daß ſie darinnen vollkommrn ſind; doch nicht alle / die ſich aus laͤcherlicher Hochmuth dafuͤr aus - geben. Dahero klinget ſehr abgeſchmackt: Wir uͤber - treffen die Auslaͤnder; und wer die harten Eliſiones faſt in jeder Zeilen / die verworffene Conſtruction, die uͤberhuͤpffte Cæſur oder Abſchnitt in langen Verſen / ja die uͤmgetauffte oder neugebohrne Fœminina im Teutſchen. Z. E. daß er eine Affe / vor ein Affe iſt / und dergleichen Poetiſches Auskehricht erblicket / wird die wolflieſſende Lieblichkeit mit funffzehen Laternen nicht zu finden wiſſen. Doch ich rede nur von dem / was ei - nes unteutſchen Versmachers Prahlerey leget / andere gute Gedancken koͤnnen bey Geſcheuten nach Verdienſt ſich einen Beyfall erwerben.
Die Schreib-Art in dieſen wenigen Blaͤttern iſt ſonſten leicht / und wird mich keiner beſchuldigen / daß ich durch dunckele und unverſtaͤndliche Redens-Arten mich jemanden zum Oracul auffdringen wil / der mei - ne Meinung zu faſſen gedencket. Die Satyriſche und Schertzhaffte nun betreffend / ſolches ſind ungeheuchel - te Gedancken uͤber unterſchiedliche Mißgeburthen ei - ner reiffen Vernunfft oder geſchickten Aufffuͤhrung / davon man aus Lobwuͤrdigen Haß uͤber dergleichen Thorheit nicht aber aus Privat-Affecten ſchreiben darff / und ſo der geneigte Leſer manches eben ſo wol er - kennen lernen / wuͤrde ſeine Feder noch ſpitziger als die Meinige geweſen ſeyn. Ich haͤtte ihrer viel noch derer Gattung anbeyfuͤgen koͤnnen; allein die Vorſicht / niemanden durch bekandte Umſtaͤnde zu beleidigen / und eine geheime Uberlegung halten mich vor dißmahl noch ab / der Richt-gierigen Welt ſolche zu communiciren.
MiVorrede.Mit vielen Leichen-Klagen / Hochzeit-Reimen und andern gewoͤhnlichen Lumpenzeuge klugen Ohren verdrießlich zu fallen / iſt mein Abſehen nicht / und Un - paſſionirte wiſſen die Raiſon ſo wol / als ich ſelbe in ei - nen Satyriſchen Gedichte nicht genugſam eroͤffnen koͤnnen. Unter vielen Schwachheiten aber / die ſich un - geſcheut zum Gelaͤchter ins Licht wagen / muß ich eine hieher ſetzen / die ein gewiſſer Studioſus auff den Ge - burths-Tag einer Hertzogin in einer elenden Gratula - tion beginge / und weil ſie unpaͤßlich geweſen / brauchte er nebſt andern Gehirn-loſen Dingen dieſe ſaubere Al - legorie:
In Ubrigen brauche ich keine Entſchuldigung / daß ich eine Ecloga von einer geſchickten Feder hierin - nen entlehnet / weil niemand ſeine Zeit damit verderben / mancher aber mit mir geſteaͤen wird: es koͤnten derer wol mehr ſeyn.
Und ſo ich zu letzt noch eine Gunſt von dem geneig - ten Leſer ſol ausbitten / wird es dieſe ſeyn / daß ſeine Guͤ - te meine Fehler in Tugenden / die Auffrichtigkeit aber was irgends noch mittelmaͤſſig iſt / in keine Fehler keh - ret; denn wie keines Gedancken allezeit gleich ſind / und man einen Lehrbegierigen und der von recht klugen Leu - ten billige Unterweiſung nimmt / durch allzuſcharffe Cen[ſ]ur von ſeiner loͤblichen Bemuͤhung abſchreckt / ſo wuͤrde es auch wider meinen Vorſatz ſeyn / vor deſſen Hoͤfflichkeit allezeit verpflichtet zu bleiben
MenantesENDE.
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