PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Schlaf wohl! Erblaßte Theodore, Schlaf Auserwehlte BOETTNERIN,
Und nimm von meinem Dichter-Rohre Dis bange Trauer-Lied noch hin. Schlaf wohl, Mein treu und keuſches Lamm,
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LAUBANim Jahr1733Gedruckt beyNicolao Schillen.
Die andere Auflage.
[2][3]
OVID. TE loqvor abſentem: TE vox mea nomînat unam, Nulla venit ſine TE nox mihi, nulla dies. Dividor haud aliter, qvam ſi mea membra relinqvam. Et pars abrumpi corpore viſa ſuo eſt. ()
JHr Zaͤhren, die ihr mich in Geiſt und Einfall hemmt,
Jhr Zaͤhren, die ihr mir ſo Krafft, als Kunſt verſchwemmt,
Seit meine Boͤttnerin,
(a)Es war dieſe bey GOtt und Menſchen beliebte, und von ihrem Braͤu - tigam uͤber alles hochgeſchaͤtzte Perſon, Jungfer Chriſtiana Theodo - ra Boͤttnerin, des ſo gruͤndlich-als nuͤtzlich-gelehrten Schul-Man - nes, Herrn M. Gottfried Boͤttners, des hieſigen Lycei beruͤhmten Rectoris, und Franen Chriſtianen Eliſabeth geb. Jungin, geliebte - ſte, und von ſieben Kindern noch allein uͤbrig gebliebene Jungfer Tochter.
(a) mein Gluͤck, mein Hertz,
mein Leben,
Mir mit dem letzten Kuß den Scheide-Brief gegeben,
Der dem, was ich gehofft, das Ziel ſo kurtz geſtellt;
Jhr Zaͤhren, die ihr noch faſt taͤglich ſtaͤrker qvellt,
Und mir, ſo offt die Pflicht der Seuffzer Abtrag zollet,
Mit ungedaͤmmter Fluth von Aug und Wangen rollet;
O laßt mir doch einmahl nur wenig Stunden Friſt,
Biß dieſes Trauer-Lied zu Stande kommen iſt,
Biß ich den innren Schmertz durch dieſen Reim geluͤfftet,
Und meiner Freundin Werth ein Ehren-Mahl geſtifftet.
A 2Alsdenn[4]
Alsdenn brecht wieder loß, und ſammlet euch vor Sie,
Vor meine Boͤttnerin, die holde Taube die,
Denn fließt, ſo lang ihr koͤnnt, fließt, biß ich einſt verſtiebe:
Jhr ſeyd und bleibt auch mir die Luſt beſtuͤrtzter Liebe.
Nur itzt, nur dieſes mahl laßt Aug und Hertz in Ruh!
Doch du, mein ſtiller Harm, du ſtumme Wehmuth du,
Gieb gleichwohl Rath zu dem, was ich in Reime bringe,
Damit mein Jammerthon nur nach dem Hertzen klinge,
Das weiter nichts enthaͤlt, als ein verwirrt Geſchrey,
So, gleich dem Wiederhall der oͤden Wuͤſteney,
Der ſich im Augenblick offt hundertfach vermehret,
Den Geiſt in Schrecken ſetzt, und Geiſt und Sinn bethoͤret.
O druͤcke ja den Schmertz um dieſes Todten-Haus,
So, wie er wuͤrklich iſt, genau und lebhafft aus,
Entwirff das edle Bild der trauten Theodoren;
Doch mit der Schrifft daran: Gewuͤnſcht, erlangt, verlohren!
Und alles diß zugleich in gar zu kurtzer Zeit:
Je ſchneller der Verluſt; ie ſchmertzlicher mein Leid!
Mein GOTT! wie gar zu ſtark hilfft dis den Harm erweitern:
Sein Schiff im Haafen ſehn; und noch im Haafen ſcheitern.
Doch hilff auch du zugleich, die du mich ſo gebeugt,
O Liebe, die du dich ſo hart fuͤr mich bezeigt,
Und laß mich noch einmahl nach deiner Leitung fragen;
Haſt du mich erſt erf[r] eut, ſo hilff mir itzt auch klagen.
Floͤß meinem Geiſte Krafft, den Worten Nachdruck ein,
Dann wird mein Leichen-Lied erſt rein und zaͤrtlich ſeyn,
Dann iſt es ja ſo ſchoͤn und unverfaͤlſcht zu leſen,
Als meiner Boͤttnerin getreues Hertz geweſen.
Setz alle Kunſt bey Seit, und nichts ſonſt aufs Papier,
Als den der Wahrheit ſelbſt bekannten Ruhm von Jhr,
An deſſen Glantze ſich die Tugend hier beſpiegelt,
Und deſſen Werth nun gar die Ewigkeit beſiegelt.
Beſchleunige den Zweck der matten Dichterey:
Zwoͤlff Wochen ſchlaͤfft bereits das Muſter keuſcher Treu,
Zwoͤlff Wochen fehlt mir ſchon die Helffte meines Lebens;
Und gleichwohl heiſcht die Pflicht noch immerfort vergebens,
Was[5]
Was ſonſt die Redlichkeit in ſolchem Fall begehrt,
Und was mein Lauten-Spiel auch Fremden offt gewaͤhrt,
Da mich kein eigner Schmertz, kein Hoffen und kein Lieben;
Was denn? Das Mitleid bloß zum Dichten angetrieben.
Jtzt, da mein eigner Wunſch mit Bluth und Frucht verdirbt,
Da Theodore mir noch alle Stunden ſtirbt,
Da ſollt ich ſtille ſeyn, da ſollt ich ſprachloß liegen?
Nein: Liebe rechter Art muß auch den Schmertz beſiegen,
Der ihren Ausbruch hemmt. Auf Muſe, komm, ich muß
Doch wie? Koͤmmt nicht bereits ein neuer Zaͤhren-Guß?
Koͤmmt nicht mein alter Schmertz mit neuem Anfall wieder.
Hier wirfft das Hertz den Muth; die Hand den Kiel darnieder.
Doch nein: Erhohle dich, du, mein verſcheuchter Geiſt,
Vollfuͤhre, was dich ſelbſt die Treue leiſten heißt:
Denn eher mußt du gar mit Blut und Thraͤnen ſchreiben,
Als meiner Boͤttnerin dis Denkmahl ſchuldig bleiben.
Wohlan! So tret ich denn an Deinen Aſchen-Krug,
Du, Die mein Hertz vordem in Jhrem Hertzen trug,
O du mein Hertze ſelbſt, ja Du, nach GOTT, mein Alles!
Schau her, wie tieff mich hier der Nachdruck Deines Falles
Zugleich in Staub gedruͤckt: Schau, Freundin, Deinen Freund,
Mit dem Du Geiſt und Sinn, und Hand und Mund vereint,
Jm ſtrengſten Ungemach, als unter Sturm und Blitzen,
Bekuͤmmert und bethraͤnt an Deinem Grabe ſitzen.
Schau her, wie ſich mein Geiſt in ſeinen Banden qvaͤlt,
Wie ſehr er um Dich ſeuffzt, was er von Dir erzehlt,
Und wie ſo jaͤmmerlich er ſtets zuruͤcke denket,
Was ihm Dein Tod entwandt, was man mit Dir verſenket.
Wie gluͤcklich war ich doch! Wie lieblich fiel mein Loos!
Jch ſaß bereits dem Gluͤck; das Gluͤcke mir im Schooß,
Seit dem des Himmels Hand mir, ohne mein Beſtreben,
Jn Lauban Amt und Brodt nach eignem Wunſch gegeben.
Jch armer Fremdling kam, ich kam, und fand hierbey
Der Goͤnner Mild und Huld, der Muſen Lieb und Treu,
Der Buͤrger werthe Gunſt, des Himmels Schutz und Seegen,
Dis fand ich insgeſammt, dis fand ich allerwegen.
A 3Wie[6]
Wie wallte mir das Hertz, ſo offt die Stunde ſchlug,
Jn welcher mich der Fuß auf unſern Lehr-Stuhl trug,
Worauf wir das Bemuͤhn von ſo viel edlen Soͤhnen
Zur Tugend, Wiſſenſchafft und Wahrheit angewoͤhnen.
Die Laſt ward mir zur Luſt, der Schweiß zum ſanfften Thau,
Kein Kummer vor mein Haus ſchien mir zu hart und rauh,
Die Goͤnner machten ihn mit iedem Tage ſchwaͤcher:
Jch von Jhrem Brodt, ich trank von Jhrem Becher.
Ach, ſprach ich bey mir ſelbſt: Mein GOTT! wie ſchoͤn iſt das!
Ja! ſagte die Vernunfft: Es fehlt dir gleichwohl was:
Es fehlt, zu deinem Wohl, noch einer Gattin Hertze,
Die dir auch kuͤnfftig hin in Wohlergehn und Schmertze,
Vergnuͤgt zur Seite ſteh: weil doch der Schulen Laſt
Sich ſchwerer tragen laͤßt, als man ſie aufgefaßt,
Und auch wohl leichter Staub und Federn von Beſchwerden,
So ſchwach ſie einzeln ſind, gehaͤufft zu Centnern werden.
Geſetzt, dein Wunſch iſt itzt an Ruh und Vortheil reich;
Der Fortgang iſt ja nicht dem Anfang immer gleich,
Der Mittag gleicht nicht ſtets dem aufgeklaͤrten Morgen.
Schwaͤcht dich die Schule nicht; ſo koͤnnen andre Sorgen
Und Krankheit und Verdruß dir deine Ruh beſchreyn.
Zudem, erweg es doch, ſollt es nicht ſtraffbar ſeyn,
Der Goͤnner Guͤtigkeit ſo lange zu beſchweren?
Bau deinen eignen Heerd, dich ſelber zu ernaͤhren,
Und ſuche dir ein Hertz, ein treues Hertz darzu,
Auf dem das gantze Theil der Nahrungs-Sorgen ruh;
Allein, und einſam ſeyn iſt an ſich ſelbſt ein Leiden:
Bau deinen eignen Herd, ſo kanſt du das vermeiden.
Du kennſt die Boͤttnerin, das fromm und ſchoͤne Kind,
Die taͤglich holder wird, und groͤßren Ruhm gewinnt,
Du weißt es, was Jhr Haus vor Lob und Beyfall ziere.
So aͤcht der Eltern Werth; ſo aͤcht iſt auch der Jhre.
Die reinſte Gottesfurcht, ſo keinen Anſtrich weiß,
Hat immerfort an Jhr den angenehmſten Preiß,
Hat ihren Aufenthalt in Jhrem gantzen Weſen,
Hat ihr gewiſſes Werck in Bethen, Singen, Leſen.
Hieraus[7]
Hieraus entſpringt zugleich der Nymphen groͤßte Zier,
Die GOtt-geweyhte Zucht und Freundlichkeit an Jhr,
Der Trieb, die Chriſten-Pflicht recht ſorgſam zu verwalten,
Die Kunſt, von andern mehr, als von ſich ſelbſt zu halten.
Kein Tand, kein Stoltz, kein Falſch hat Jhren Geiſt befleckt,
Den Geiſt, der ſich allein nach ſeinem Urſprung ſtreckt,
Den Geiſt, in deſſen Ruhm ſich Schein und Seyn vereinet:
Sie ſcheint das, was Sie iſt; und iſts auch, was Sie ſcheinet;
Das heißt, das edelſte von dem, was Tugend liebt.
Die Wahrheit, die Jhr ſelbſt das reinſte Zeugniß giebt,
Nennt Sie fuͤr vielen ſonſt, Jhr Wandel ſetzt es feſte,
Die Liebens-wuͤrdigſte, die Zuͤchtigſte, die Beſte.
Jhr ſittſam-freyer Blick, Jhr redlich-kluges Hertz,
Jhr reiffer Schertz im Ernſt, Jhr ſanffter Ernſt im Schertz,
Jhr Himmel-voller Sinn, Jhr unbeſcholtnes Leben,
Was kan das nicht fuͤr Stoff zu Jhrem Lobe geben!
Der Glieder netter Bau, des Geiſtes Munterkeit,
Der Haͤnde nuͤtzer Fleiß und Unverdroſſenheit,
Kurtz, ein: ich weiß nicht was! an Jhrem gantzen Weſen,
Heißt, wenn du lieben willſt, dir Die zur Braut erleſen.
Geh hin, geh nur getroſt, und mit beſcheidnem Schritt,
Ni[m]m Treu und Redlichkeit dir zur Begleitern mit,
Und[ſt]reb aus eyfrigem und treu-bemuͤhtem Triebe,
Nach Jhrer Eltern Huld, nach dieſer Schoͤnen Liebe.
Entdecke deinen Wunſch, den Ehr und Tugend treibt,
Und, wo ſich Scheu und Furcht an deiner Hoffnung reibt,
So darffſt du dich nicht gleich zu kuͤmmerlich geberden:
Biſt du Jhr itzt nicht werth; ſo fuch es noch zu werden.
So rieth mir die Vernunfft, und rieth es mir mit Recht;
Doch, weil die Liebe ſonſt uns leicht im Urtheil ſchwaͤcht,
So kam die Andacht ſelbſt mit unverſtelltem Bethen,
Den angeflammten Wunſch dort oben zu vertreten;
Dort oben, wo noch itzt ein ewig Auge wacht,
Das, weil es ſchaͤrffer ſieht, als die Vernunfft gedacht,
Jtzt ſo, itzt anders lenkt, was unſer Trieb erwehlet,
Und offt die Fremdeſten am gluͤcklichſten vermaͤhlet.
Hier[8]
Hier ſchien auch meine Bruſt mit ihrem Wunſch erhoͤrt.
Mein Abſehn ſchien erfuͤllt, der Zweiffel ward geſtoͤhrt,
Und niemand konnte leicht was tadelhafftes leſen;
Es waͤre denn der Neid, des Gluͤckes Alp, geweſen.
Ein Woͤrtgen machte mich von allem Kummer qvitt.
Die Eltern ſagten Ja! und Theodore mit,
(b)Und zwar den 3 Mertz des itzigen 1733 Jahres.
(b)
Und Theodore ſprach, von Lieb und Treu befraget,
Was itzt mein Mund erklaͤrt, hat auch das Hertz geſaget.
So gleich gerieth mein Geiſt fuͤr Freuden auſſer ſich.
Mein Engel! Ach wie hoch, wie hoch erfreutſt Du mich!
Wie lichte loderten die bruͤnſtig-keuſchen Flammen,
Wie ſchmeltzten ſie bey uns die Hertzen ſelbſt zuſammen!
Wir liebten uns; doch wie? Nur bloß um uns allein,
Entfernt von Eitelkeit, bey der man insgemein
Die Hertzen mehr verkaufft, als tugendhafft vertauſchet,
Biß mit der Hand voll Wind die Liebe ſelbſt verrauſchet.
Was fandeſt Du um mich, das Deiner wuͤrdig war?
Nichts, als ein gutes Hertz, mein Reichthum gantz und gar;
Und dennoch konnte das die Gunſt zu mir belohnen,
Und dennoch galt Dir dis weit uͤber Millionen.
Was fandeſt Du / Mein Licht, doch ſonſt fuͤr Gluͤck bey mir?
Nichts, als die zaͤrtlichſte, die bruͤnſtigſte Begier,
Dir ſtets gefaͤlliger, Dir mehr beliebt zu werden;
Und dennoch hieß ich ſtets Dein liebſtes Gluͤck auf Erden.
Mein Seidel, war Dein Wort: Du kennſt mein Hertz noch nicht,
Und was es Dir verheißt, und ſich von Dir verſpricht.
Jch liebe Dich, wie mich, und, daß ich nichts verhoͤhle,
Jch bin mit Dir ein Hertz; ein Hertz und eine Seele.
Zudem, was fehlt denn wohl an meinem Liebes-Loos?
Dem Braͤutigam im Arm; den Eltern auf dem Schooß!
Jſt das nicht ſchoͤn genug? Wie will der Wunſch verderben?
So lebt ſichs angenehm, ſo laͤßt ſichs ſuͤſſe ſterben!
O ſterben! fiel ich ein: dis muß nach mir geſchehn.
Die Vorſicht laſſe mich Dein Scheiden ja nicht ſehn;
Wohl[9]
Wohl aber gegenfalls, auf meinem Sterbe-Kuͤſſen,
Sich unter Deiner Hand mein brechend Auge ſchluͤſſen!
So ſchertzten wir gar offt aus baͤnglich-froher Bruſt,
Und allzeit blieb ein Kuß das Siegel keuſcher Luſt;
Doch vielmahl ſtund Dir gar das Auge voller Zaͤhren,
Als ſagte mir Dein Hertz: Wie lange wird es waͤhren?
So nimmt mich Dir der Tod, ſo wird das Band getrennt,
Das die Zufriedenheit ihr hoͤchſtes Gut genennt.
Ach, ſprachſt Du: Gluͤck und Luſt ſind leichte Spinne-Weben:
Wer weiß, laͤßt mich der Tod mein Hochzeit-Feſt erleben?
(c)So ſagte die Wohlſeelige inſonderheit, da Sie am erſten Oſter - Feyertage ſich zwar zu klagen anfieng, gleichwohl aber Jhr neu verfer - tigtes Braut-Kleid zum erſten mahl anzog. Denn da Sie von etli - chen der Umſtehenden, die uͤber Vermuthen einige Thraͤnen an Jhr merkten, gefraget wurde, warum Sie weinte, und warum Sie ſich nicht vielmehr als eine Braut auf Jhr Hochzeit-Feſt freuete? ſprach Sie mit hertzlicher Wehmuth: Wer weiß, ob ich meine Hochzeit erlebe?
(c)
Wie gieng mir das durchs Hertz? Doch faßte ſich mein Geiſt,
Und wenn die Liebe ſonſt was Bitter-Suͤſſes heißt:
So glaubt auch ich zugleich, mein bittres Mißvergnuͤgen
Jn ſtiller Suͤßigkeit der Hoffnung zu beſiegen.
Ein Kuß, ein Blick von Dir riß alle Furcht dahin,
Du meine Luſt im Harm, Du meine Boͤttnerin,
Jch blieb bey meinem Troſt, ich ſtuͤtzte mein Vertrauen,
Durch Dich mir auf der Welt ein Himmelreich zu bauen.
Wie offt vergaß ich mein, ſo bald ich Dein gedacht!
So ſtark war gegen Dich der Liebe reine Macht:
Drum wurden Furcht und Gram zu Hoffnung, Ruh und Gluͤcke,
Die Tage Stunden gleich, die Stunden Augenblicke.
So offt mein Tage-Werk vergnuͤgt zu Ende gieng,
So flog mein froher Fuß, daß Dich mein Arm umfieng,
So ſchien ſich Wunſch und Luſt beſtaͤndig zu verneuern,
Als haͤtt ich ſtets bey Dir ein Freuden-Feſt zu feyern.
BWie[10]
Wie fand ich Dich ſodann? O ſtets in allem dem,
Was Nymphen Deiner Art beliebt und angenehm,
Was Tugend edler macht, was fromme Toͤchter zieret,
Was meinen Wunſch vergnuͤgt, was mich mir ſelbſt entfuͤhret.
Das Hertze lachte mir, ſobald ich Dich erblickt.
Wie liebreich, wie vergnuͤgt, wie kluͤglich, wie geſchickt,
Erklaͤrten Aug und Mund, was Lieb und Treu vermoͤgen,
Kam mir Dein Gruß zuvor, kam mir Dein Arm entgegen.
Das Hertze lachte mir, ſo offt es auch geſchah,
Daß ich Dich aͤmſig ſeyn, und Wirthſchafft treiben ſah:
Wie klug, wie ſchnell, wie ſchoͤn, ſah ich Dich alle Pflichten
Der nuͤtzen Haͤuslichkeit um Kuͤch und Tiſch verrichten.
So, wie ein muntres Reh der Mutter Schritte merkt,
Und ſich in Weid und Lauff durch ihren Vorgang ſtaͤrkt:
So gabſt auch Du, mein Schatz, ſo fort mit Aug und Ohren
Auf Der Jhr Beyſpiel acht, Die Dich zur Welt gebohren.
Von erſter Milch-Koſt an, erkannteſt Du an Jhr
Der Tugend wahren Werth, und auch den Lohn dafuͤr;
Und ſo vermiedeſt Du der Thorheit ſchlaue Netze.
Dein Spiegel Jhre Zucht; Jhr Wandel Dein Geſetze!
Verehrte Sie vordem auch Jhrer Mutter Treu,
Ehrt Jhre Dank-Pflicht noch mit iedem Tag aufs neu
Die Bruſt, die Sie geſaͤugt, den Leid, der Sie getragen;
So laͤßt ſich gleicher Ruhm von Deiner Neigung ſagen,
Womit ſich Dein Bemuͤhn den Eltern ſo erwieß,
Als muͤſteſt Du das Gluͤck, das ſchon Dein eigen hieß,
Da Dich Geburth und Huld zu Jhrem Kleynod machten,
Durch Ehrfurcht, Treu und Fleiß noch erſt zu finden trachten.
Dis hoͤrt und ſah ich ſtets mit ſtillem Lobſpruch an,
Biß daß, ſobald Dein Fleiß der Abſicht gnug gethan,
Du Deine Raſt ſodann in meinem Umgang fandeſt,
Dich mir noch mehr ergabſt, Dir mich noch mehr verbandeſt.
Doch nie trieb unſre Luſt die Tugend hinterwerts:
Kein uͤppig-freyes Wort, kein geil und ſchnoͤder Schertz
Beſchimpft und hemmte wo mit fauler Hoͤllen-Lauge
Des Himmels Gnaden-Blick, der Engel keuſches Auge.
Die[11]
Die Unſchuld blieb bey Dir auch ſchertzend in der Hoͤh,
Blieb wie ein reines Lamm, das durch verjuͤngten Klee,
Durch Roſen voller Thau, durch friſche Matten lecket,
Und doch ſein Kleid ſtets mehr verſchoͤnert, als beflecket.
Wie ſchwatzten wir ſodann aus unverſtellter Bruſt!
O welch unnennbahre, welch unbeſcholtne Luſt
Trieb unſre Seelen an, uns ſtets in dem zu uͤben,
Was die gemeßne Zucht der Freyheit fuͤrgeſchrieben!
Wie ward ich nicht geruͤhrt, ſo offt Dein Lied erklang,
Wenn Geiſt und Kunſt bey Dir die reinen Seyten zwang,
Die den gelaßnen Sinn offt aus ſich ſelber brachten,
Und Blut und Hertz in mir fuͤr Freuden huͤpfend machten.
Auch in der Einſamkeit, auch wenn ich Dich nicht ſprach,
Zog dennoch Trieb und Hertz nur Dir, mein Leitſtern, nach.
Kein Reim entwirfft voritzt, wie wohl mir ſtets geſchahe,
Wenn ich Dich dann und wann auch nur von weitem ſahe.
So freudig macht wohl nie der Dioſcuren Licht,
Nach Sturm und Ungeſtuͤm der Schiffer Angeſicht,
Als mich dergleichen Blick faſt aus mir ſelber ſetzte,
Als mich Dein holdes Bild von ferne ſchon ergoͤtzte.
Auch wenn ich Dich nicht ſah, und hoͤrte nur von Dir,
So ſtellten doch alsbald ſo Roͤth als Mienen fuͤr,
Du ſeyſt es, was mein Trieb ſich ſtets ins Hertze praͤge,
Du ſeyſt es, was mein Hertz in ſeinem Jnnren hege,
Du ſeyſt es nur allein: Kein Umſtand ſonſt um Dich,
Kein Vortheil, als Du ſelbſt, Mein Engel, reitzte mich.
Du ſelber wurdeſt mir zur Nahrung keuſcher Triebe,
Zum Luſtreitz edler Huld, zum Antrieb frommer Liebe.
Ja! haͤtte mir das Gluͤck, das mich durch Dich erfreut,
Das Recht zur Liebes-Wahl gleich tauſendmahl verneut;
So haͤtte, nach dem Ziel von meinem Wunſch und Hoffen,
Doch alle tauſendmahl das Loos nur Dich getroffen.
Wo ſonſt die Duͤrfftigkeit die Huͤtten traurig macht,
Da haͤtt ich doch bey Dir den Croͤſus ausgelacht.
Bey Dir verſprach ich mir, auch ſchon bey Till und Kuͤmmel,
Ein Eden voller Luſt, kurtz, auf der Welt den Himmel.
B 2Bey[12]
Bey Dir befuͤrchtet ich auch nur bey Saltz und Brodt
Nichts, was der Mangel ſonſt fuͤr Harm und Sorgen droht:
Jch hatte GOTT und Dich, ſo hatt ich Huͤll und Fuͤlle.
Ach war ich nicht begluͤckt, ach war ich nicht fein ſtille!
Ach aber welch ein Schwall von Angſt und Ungemach
Folgt meinem Wohlergehn itzt auf dem Fuſſe nach!
Welch ungeheurer Sturm hemmt meine Freuden-Fackeln,
Und zwingt den morſchen Kahn auf einmahl abzudackeln!
Wir armen Sterblichen! Was ſind wir doch? Ein Schaum.
Was iſt die Luſt um uns? Ein Schatten-voller Traum.
Wir bauen in die Lufft; doch ſind die Zinnen alle,
So ſtuͤrtzen ſie und wir mit deſto tieferm Falle.
Jch aͤrmſter bin hiervon ein aͤngſtlicher Beweiß:
Wie lange waͤhrt mein Gluͤck, und deſſen Flor und Preiß?
Wie lange kan die Luſt auf ihre Dauer pochen?
Ach Himmel! leyder! nur ſechs ſchnell verflogne Wochen;
So bin ich ſchon beym Schluß, ſo iſt die Wohlfarth aus,
So knallt, ſo bricht, ſo ſinkt der Hoffnung leimern Hans.
Auf jenen Abend-Wind entſteht ein Sturm aus Norden,
Und ich muß Wittber ſeyn, eh ich ein Eh-Mann worden.
Dis wuͤrkt Dein fruͤher Tod, Du trautes Engels-Kind,
Was Du und ich gehofft verfleugt, verwelkt, zerrinnt,
Wie Spreu fuͤrm Winde ſonſt, wie weg geworffne Raſen,
Und wie ein Regen-Bach voll duͤnner Waſſer-Blaſen.
Was hab ich doch nunmehr von meinem erſten Gluͤck?
Nichts, als den matteſten, den jaͤmmerlichſten Blick
Auf Deine Grabes-Ruh, auf Deine Leichen-Grube,
Nichts, als Dein todtes Bild auf meiner oͤden Stube.
Da ſterb ich itzo faſt fuͤr banger Einſamkeit,
Weil mich kein Blick von Dir, wie ehedem, erfreut
Jtzt ſcheint mir ohne Dich, fuͤr aͤngſtlichem Gedraͤnge,
Der engſte Raum zu weit, das weiſte Feld zu enge.
Jtzt denk, itzt fuͤhl ich erſt, wie lieb wir uns gehabt,
Da mir die Schickung nimmt, womit ſie mich begabt,
Jtzt hab ich Tag und Nacht mit neuer Angſt zu fechten,
Jtzt girr ich, Tauben gleich, die in betruͤbten Naͤchten
Den[13]
Den Gatten, den nunmehr ein ſchneller Pfeil geruͤhrt,
Den Gatten, den der Raub von Agar und Weyh entfuͤhrt,
Durch Straͤucher, Feld und Fels, in Hoͤhen, Hoͤhl und Gruͤnden
Zwar lange gnug geſucht; doch nirgends wieder finden.
Jtzt zeigt der blaſſe Mund, wie meine Seele girrt,
Da Liebe, Wunſch und Angſt, als unter ſich verirrt,
Sich nach dem erſten Gluͤck von Deinen Blicken ſehnen;
Und doch nichts anders ſehn, als tauſend tauſend Thraͤnen,
Worzu ich Dir voraus Zeit Lebens zinsbar bin.
Ach Du im Tode ſelbſt noch meine Boͤttnerin,
Jſt das die Feſtigkeit von unſerm Liebes-Bunde?
Ach koͤmmt das Ende ſchon, koͤmmt ſchon die letzte Stunde?
Wird die Verlobungs-Luſt ſo jaͤmmerlich vergaͤllt?
Wird, ſtatt des Braut-Geraͤths, Dein Leichen-Bret beſtellt?
Wird aus dem Hochzeit-Mahl ein mattes Trauer-Eſſen?
Und heißt mein Trauungs-Lied: Der HErr hat mein vergeſſen?
O Schickung! Siehe da, wie ſtreng und hart du biſt,
O wie betruͤbt mir nun dein erſter Luſt-Reitz iſt!
Du winkſt, und lehrſt mich ſelbſt, ſo Luſt, als Leben ſchoͤpfen:
Jch folg; und finde doch nunmehr den Tod im Toͤpfen.
Jch hofft ein Paradieß; und recht, ich hofft es nur:
Denn bey dem letzten Schritt entziehſt Du mir die Spur.
Du ſelber fuͤhrteſt mich mit manchem Seegens-Blicke;
Doch an der Schwelle ſelbſt ſtoͤßt mich dein Grimm zuruͤcke.
Du ruͤhmſt mir einen Kuß, den Treu und Tugend wuͤrtzt;
Und machſt doch, daß der Tod mir den Genutz verkuͤrtzt.
Was hilfft nun eine Braut von allen Tugend-Gaben,
Wenn das ſo ſchroͤcklich iſt, Sie nur gehabt zu haben?
Was hilfft die Liebe ſelbſt mit aller Luſt und Macht;
Ja wohl! Sie hoͤhnt uns nur, ie freundlicher ſie lacht.
Sie giebt mit einer Hand; und nimmt iedoch mit beyden:
Viel beſſer, nie geliebt, als lieben, und ſich ſcheiden!
So wimmern Mund und Hertz, da dieſer Riß geſchehn.
Wie ſchwer iſts Fleiſch und Blut, nur etwas einzuſehn,
Warum des Himmels Hand, die ſonſt der Tugend lohnet,
Nach Anemonen graſt; und doch der Diſteln ſchonet?
B 3War -[14]
Warum die Gottesfurcht, die doch zu allem nuͤtzt,
Nicht Dich, Mein Kind, zugleich fuͤr fruͤhem Sterben ſchuͤtzt,
Und, da der Wunſch vor Dich wohl Ein und achzig ſchreibet,
Die Ziffer umgekehrt mit Achtzehn ſtocken bleibet?
(d)Die Wohlſeelige war den 23 May des Jahres 1715 gebohren; und ſtarb am 18 April im Jahr 1733, daß Sie alſo das achtzehende Jahr nicht einmahl voͤllig zuruͤcke geleget.
(d)
Ach, denkt die Wehmuth nach: Wie viele leben doch,
Zum Nachtheil ihrer ſelbſt, und andern recht zum Joch;
Und dennoch leben ſie, und ſuchen mehr zu leben:
Koͤnnt uns nicht deren Tod des Deinen uͤberheben?
Muß denn Dein Kranken-Pfuͤhl ſo hart und ſchmertzlich ſeyn?
Muß Dich der heiſſe Schmertz mit Blattern uͤberſtreun?
Da doch die Tugend ſelbſt ſonſt keine Pocken-Narbe
Der Unart an Dir fand? Weicht Krafft, Geſtalt und Farbe
Der ſchleichend-reiſſenden, der ploͤtzlichen Gefahr?
Mein Leben, me[i]ne Luſt, ach ſinkſt, ach ſtirbſt Du gar?
Verhaͤngniß, ſchone doch, und gieb Sie mir, mein Gluͤcke,
Gieb Sie mir gleich verſtellt; nur lebend noch zuruͤcke!
Jedoch, Mein Augen-Troſt, der Himmel ſelbſt ſpricht nein!
Du warſt mir nur gelehnt; Du warſt nicht voͤllig mein.
Du warſt mir freylich lieb; iedoch dem Hoͤchſten lieber,
Drum zieht Dich der zu ſich, drum gehſt Du hier voruͤber,
Nachdem Du Dich hierzu bedaͤchtiger geſchickt,
Als eine Braut ſich kaum auf ihre Trauung ſchmuͤckt;
Doch alſo, daß Du ſtets fuͤr meinem Harm verhoͤhlet,
Wie nah die Stunde ſey, die Dich nunmehr entſeelet.
Jch weiß, Du liebteſt mich; iedoch den Himmel mehr,
Drum gabſt Du deſſen Wink; nicht meiner Angſt Gehoͤr,
Und ſprachſt vergnuͤgt zu mir: O faſſe dich, mein Leben,
Vielleicht will GOttes Huld mich dir noch wieder geben.
Geh hin, und bethe nur, geh bethe nur fuͤr mich.
Vielleicht erhoͤrt dich GOTT, vielleicht erbarmt er ſich,
Vielleicht probirt er nur durch dieſes Angſt-Betruͤben,
Wie ſehr, und ob wir Jhn mehr, als uns ſelber lieben?
Sollt[15]
Sollt aber ja ſein Schluß nicht wie der unſre ſeyn.
So faſſe dich in Jhm, ſo gieb dich willig drein:
Sein Nahme ſey von uns auch dafuͤr ſchon geprieſen,
Daß uns ſein weiſer Rath einander nur gewieſen.
Hier haſt du noch einmahl die Hand zu Druck und Kuß;
Sollt es das letzte ſeyn, ſo kuͤſſe GOttes Schluß,
Und glaube, wie ich dich bißher geliebet habe,
So meyn und lieb ich dich noch biß zu meinem Grabe.
(e)Alles dieſes, und ſonderlich der letztere Ausdruck ſind meiſtens meiner Seeligen Braut eigene Worte, womit Sie, bey meiner verſpuͤhrten innigſten Wehmuth, ihre gantze Krankheit uͤber, und beſonders den Tag vor ihrem Ende mit dem zaͤrtlichſten und liebreichſten Bezeigen mich aufzurichten ſuchete.
(e)
Dis war, Geliebtes Hertz, Dein letztes Wort zu mir.
Mein GOTT! wie brachen da Gebeth und Flehn herfuͤr,
Wie rang ich nicht die Nacht, die Nacht vor Deinem Ende,
Die gantze Nacht hindurch die faſt gelaͤhmten Haͤnde.
Kaum hieſſen Licht und Tag die letzten Schatten fliehn,
So war ich ſchon bey Dir; doch wieß Dein Othen-Ziehn,
Nun ſey es aus mit dem, worauf mein Bethen drunge,
Nun ſtehe ſchon Dein Geiſt wie gleichſam auf dem Sprunge
Nach jener Ewigkeit. Da zehlte man mir her,
Bey was fuͤr Schmertz und Troſt die Nacht verſtrichen waͤr,
Wie Du die gantze Zeit Dich im Gebeth vergnuͤget,
Wie Du die Todes-Furcht iu Hoffnung ſchon beſieget,
Wie ſchoͤn Dein Glaube ſich nur darnach umgeſehn,
Was Welt, und Suͤnd und Tod, und ihre Macht verſchmaͤhn,
Und was den wahren Weg zum Himmel finden lehret,
Wie keine Schwachheit Dir des Geiſtes Krafft geſtoͤhret,
Wie Du den Kronen-Schmuck ſchon zum Voraus erblickt,
Mir welchem Dich nunmehr des Lammes Hochzeit ſchmuͤckt,
Wie Du Dein Haus beſtellt, wie Du getroſt geweſen,
Den Sarg-Habit erkieſt, den Leichen-Spruch erleſen.
(f)Offenbahr. II. 10. Sey getreu biß ꝛc.
(f)
Ach aber, welch ein Schmertz durchſchnitt mir Mark und Bein,
Weil alles, alles rieff: Es muß geſchieden ſeyn.
Wie[16]
Wie ſo? Dein Todes-Schweiß brach ſchon in kalte Tropfen,
Es kam die letzte Noth mit Roͤcheln, Zittern, Klopfen.
Gedanken, Sprach und Licht, Empfindung, Geiſt und Sinn,
Verſtoben, loͤſchten aus, entwichen, fielen hin.
Du ſtarbſt! Du ſtarbſt mit Luſt und ſiegendem Vergnuͤgen:
Ach koͤnnt ich meinen Schmertz, wie Du den Todt, beſiegen!
Allein ſo hat mich der auf einmahl uͤbermannt.
Der Jammer uͤber Dich haͤlt keinem Troſte Stand,
Und weicht, und kriecht fuͤr ihm in einſam-bange Winkel,
Und hoͤrt und ſieht auf nichts, als ſeinen eignen Duͤnkel.
Jhr, die ihr ie geſchmeckt, was keuſche Liebe ſey,
Ach habt Geduld mit mir, und dieſem Angſt-Geſchrey,
Womit ich mir nunmehr die lange Zeit vertreibe.
Jch weiß kaum, was ich thu, ich weiß kaum, was ich ſchreibe.
Mich duͤnkt, als koͤnnt ich Dich, vom Todes-Kampfe matt,
Mein Engel, itzo noch auf jener Lagerſtatt
Jm letzten Athmen ſehn, im letzten Stehnen hoͤren,
Als koͤnnt und muͤßt ich Dich im letzten Abſchied ſtoͤhren.
Mich duͤnkt, als wenn mein Mund noch an dem Deinen hieng,
Den Geiſt, der allgemach ſchon an zuweichen fieng,
Jn Deiner Sterbens-Noth, und mitten im Erkalten,
Wo nicht in ſich zu ziehn; doch gleichſam aufzuhalten.
Jch fuͤhl es itzo noch, wie man mich von Dir riß,
Und was fuͤr Seelen-Angſt mich da darnieder ſchmiß,
Als ich von ferne ſtund, und mit verſtohlnen Blicken
Den Banden-freyen Geiſt zuletzt in ſanfftem Zuͤcken,
Als unter GOttes Kuß, die Heimfarth halten ſah.
Noch itzo fuͤhl ich es, wie weh mir da geſchah,
Als man Dich, ſchon entſeelt, auf kalte Breter ſtreckte,
Und Mund und Hand und Leib mit weiſſen Leinen deckte,
Dem Zeichen reiner Zucht, Die Du, auch noch erblaßt,
Doch gleichwohl immerfort zum ſchoͤnſten Ausputz haſt;
Noch itzo ſeh ich Dich auf Baar und Sarg erhoͤhen,
Und Dir den Leichen-Krantz noch auf der Scheitel ſtehen,
Den ich, voll Lieb und Dank Dir noch zu guter Letzt,
Der Treue zum Triumph, ſelbſt ſterbend aufgeſetzt,
Damit[17]
Damit die Hand indeß nur etwas zeigen moͤchte,
Daß Dir das Hertz in mir auf ewig Kraͤntze flechte.
Noch itzo ſeh ich Dich mit Blumen faſt bedeckt,
So die Geſpielinnen um Deinen Sarg geſteckt,
Zum Zeichen, daß ihr Hertz mit Dir zu Grabe ziehe,
Zum Zeichen, daß Dein Werth in ihren Hertzen bluͤht.
So offt die Glocke klingt, ſo gaͤllt mir noch das Ohr,
So ſtell ich mir noch itzt Dein Leich-Gelaͤute vor,
Und ieder Tritt und Schritt an meinem Trauer-Stabe
Scheint mir fuͤr bloͤder Angſt, der Zug zu Deinem Grabe,
(g)Die Beerdigung geſchahe den 21 April, dieſes Jahres zum Creutz Chriſti allhier.
(g)
Der Zug, fuͤr welchem mir noch ſtets das Hertze bebt,
Und auſſer welchem ich nichts ſchrecklichers erlebt,
Daß ich, ſo offt ich auch im Geiſte dran gedenke,
Noch gleichſam Geiſt und Hertz mit Dir ins Grab verſenke.
Geſellſchafft, Freunde, Buch, Spazieren, Arbeit, Raſt,
Dis alles wird mir nun zu Thraͤnen und zur Laſt.
Jch , ich trink, ich ruh, ich ſitz, ich geh und ſtehe;
So fuͤhl ich dennoch ſtets ein unumſchraͤnktes Wehe,
So denk ich dennoch ſtets an Dich, o Meine Zier,
Und vielmahl koͤmmſt Du gar mir noch im Traume fuͤr,
Da ſeh und hoͤr ich Dich, da ſpielen unſre Flammen
Mit neuer Nahrung fort, mit neuer Krafft zuſammen:
Doch iſt der Schlaff vorbey, ſo weicht zugleich Dein Bild,
So werd ich deſto mehr mit neuer Angſt erfuͤllt.
So faͤngt die Zaͤhren-Fluth vom neuen an zu qvellen,
So ſieht die Kuͤmmerniß nach den gewohnten Stellen,
Wo Dich die Liebe ſonſt voll innrer Luſt erblickt:
Hier ſtund Sie, (ſeuffz ich dann,) Die mich vordem erqvickt,
Hier hab ich Sie, mein Licht, bevor ich Sie vermiſſet,
Geſucht, erblickt, begruͤßt, geſprochen und gekuͤſſet:
Nun ſeh, und ſprech und kuͤß, ich Sie nicht mehr allhier.
O ſchmertzlicher Verluſt! Spatt ja den Troſt an mir,
Jhr, die ihr deſſen Grund auf andrer Beyſpiel richtet:
Durch andrer Hertze-Leid wird meines nicht geſchlichtet.
CZudem[18]
Zudem ſo ſeh ich zwar, wie mancher Wittber weint;
Doch daß ein Braͤutigam im Trauer-Flohr erſcheint,
Das koͤmmt ſo offt nicht vor; ie rarer dis zu finden:
Je ſtaͤrker fuͤhl ich itzt, was Mark und Hertz empfinden.
Jch ſehe da und dort ein frohes Braut-Paar gehn,
Und ihre Liebes-Luſt voll friſcher Myrten ſtehn;
Doch macht ihr Laͤchel-Blick, daß ich fuͤr Jammer weine,
Weil mich das Schickſal hoͤhnt: Schau her, Du nur alleine
Wirſt unter Tauſenden empfindlich ausgethan,
Triffſt in dem erſten Wunſch ein naſſes Nachſehn an,
Mußt Deinen Hochzeit-Vers aus Leichen-Steinen leſen,
Biſt zwar ein Braͤutigam; ach aber nur geweſen.
Man ſpricht mir freylich zu, ich weiß auch, was man ſpricht;
Doch ſtoͤhrt der Schmertz den Muth, die Wehmuth hoͤrt es nicht,
Aufs mindſte ſcheinen ihr der Großmuth ſtaͤrkſten Gruͤnde,
Noch immerfort zu ſchwach, zu ſeichte, zu gelinde.
Geſetzt, ich wollte ſelbſt dem Troſt entgegen gehn,
So bleibt die Kuͤmmerniß doch ſtets vom neuen ſtehn,
Und hoͤrt der gantzen Stadt mit Lob vermiſchtes Klagen,
Womit ſie Dich, Mein Hertz, beſtuͤrtzt zur Grufft getragen.
Nachdem ſie lange Zeit kein ſolches Grab erlebt,
Worein man auf einmahl nur gar zu viel begraͤbt,
Als wie das Deinige, zu deſſen duͤſtren Bogen,
Dir ein durchgaͤngiges Betruͤbniß nachgezogen.
Was Thraͤnen wuͤrkte doch Dein fruͤhes Leichen-Tuch!
Doch ieder Wangen-Guß ſchien mir ein Wolken-Bruch,
Der, was der Troſt in mir der Angſt entgegen daͤmmte,
Beym erſten Sturm durchbrach, beym Durchbruch gar verſchwe〈…〉〈…〉
Dis fuͤhl ich itzo noch, dis ſtoͤhrt mir Geiſt und Bruſt.
Kein Zaͤhrgen iſt ſo klein; es zeigt mir den Verluſt:
Denn, weyht ein fremdes Hertz Dir noch ein naſſes Auge;
O wer verargt wohl dem der Zaͤhren ſcharffe Lauge,
Dem ſo ein edles Guth ſchon eigenthuͤmlich war?
Wer giebt mir alſo Troſt? Vielleicht das Theure Paar,
Von welchem ehedem naͤchſt GOTT Dein Seyn entſproſſen?
O GOTT! Sie ſelbſt ſind faſt fuͤr Thraͤnen ſchon zerfloſſen.
Und[19]
Und zwar Du weinſt mit Recht, Mein Boͤttner, Werthes Haupt,
Das ſeiner Pfaͤnder Tod faſt ſeiner ſelbſt beraubt.
Sollſt Du, o welch ein Fall! Dein letztes Kind verliehreu,
Die Sorge deſto mehr vor fremde fort zufuͤhren?
So Kirch, als Republik, Catheder und Altar,
Hoff, Krieg, und Stadt und Land macht Deine Treue klar,
Die hundert Soͤhne ſchon von Deiner Hand erheben;
Und dennoch laͤßt Dir GOtt nicht eine Tochter ſchen.
Auch nicht die eintzige, die letzte nicht einmahl
Erſetzt der uͤbrigen ſchon abgeſtorbne Zahl:
Auch Sie, der beſte Lohn vor alle Deine Treue,
Auch Theodore ſtirbt! So ſterben Dir aufs neue,
Die Kinder insgeſammt, die ſonſt Dein Wunſch verlohr:
Was dorten eintzeln war, kam hier vereint empor.
Verliehrſt Du alſo nicht mit innigſtem Betruͤben
Jn dieſer uͤbrigen noch einmahl alle Sieben?
Und o wie girrſt doch Du nach gleichem Troſt im Schmertz,
Du noch der letzte Troſt vor Deines Mannes Hertz!
Wie tieff ſchreibt Dich der Tod in der Betruͤbten Orden!
O ſollt es alſo gehn, was biſt Du Mutter worden?
Hier ſiehſt Du, edles Weib, was Wunſch und Hoffnung ſind;
Dein Kind, Dein eintziges, Dein wohlgerathnes Kind
Eilt in dem ſchoͤnſten Lauff der Tugend und der Jahre,
Dem Braͤutgam zwar in Arm; doch auch zugleich zur Baare,
Verlaͤßt uns insgeſammt, und unſern Wunſch zugleich,
Und macht inſonderheit auch Die beſtuͤrtzt und bleich,
Die Deine Redlichkeit als fromme Mutter ehret,
Und Der der Wittben-Stand ſchon alle Ruh geſtoͤhret.
(h)Nehmlich die noch lebende Frau Groß-Mutter der Wohlſeeligen, Frau Anna Martha, geb. Hermannin, Herr M. Chriſtian Jun - gens, weyland treu-verdienten Seel-Sorgers in Eybau, hinterlaſſene Frau Wittib.
(h)
Ach fehlte dieſes noch zu Deinem Hertzeleid,
Du, an der Gottesfurcht ſo, wie an Einſamkeit
Vollkommnes Ebenbild der redlich-ſtillen Hannen?
Wie viel, wie gar zu viel weicht Dir mit Der von dannen,
C 2Die[20]
Die Du ſo, wie Dich ſelbſt, Die Dich wie ſich geliebt,
Und Dich zum erſtenmahl, indem Sie ſtirbt, betruͤbt,
Kurtz: Die, bevor Jhr Tod Dein letztes Gluͤck geſtuͤrtzet,
Dein Alter zwar verjuͤngt; nun aber auch verkuͤrtzet.
Des Guten iſt zuviel, was Aug und Hertz vermißt.
Drum weint, was Boͤttneriſch, das heißt, was redlich iſt,
Und noͤthigt mich zugleich, an ſtatt, mich aufzurichten,
Zu ſtuͤndlich zaͤrtlichern und baͤngern Zaͤhren-Pflichten.
Wir troknen uns ja wohl die Wangen manchmahl ab;
Doch liegt der Rath darzu beſtaͤndig ſchmahl und knapp,
Doch bleibt die Angſt in uns ein immer neues Fieber,
Doch gehn uns ſelbſt im Troſt die Augen wieder uͤber.
Mein Schoͤpfer, deſſen Schluß uns Ziel und Stunde ſetzt,
Mein Schoͤpfer, der du mich nur gar zu hart verletzt,
Geuß ſelbſt ein ſanfftes Oehl in die geſchlagnen Wunden,
Verbinde du mich ſelbſt; ſonſt bleib ich unverbunden.
Brich du mit deinem Glantz durch meinen Trauer-Flohr,
Durchklaͤre meinen Harm, zeuch mein Gemuͤth empor,
Und laß ſich doch einmahl, im Troſt an deinem Willen,
Das Brauſen meiner Angſt und ihre Stuͤrme ſtillen.
Laß mich durch einen Blick des ſtillen Geiſtes ſehn,
Wie fruchtlos unſer Schmertz, und was mit Der geſchehn,
Die, da die Bangigkeit an Jhrem Sarge hanget,
Doch dort im Hochzeit-Schmuck der Ewigkeiten pranget.
Gieb ſelbſt, wenn ſich das Hertz zu unbedachtſam qvaͤlt,
Was Hoffnung und Geduld mit neuen Kraͤfften ſtaͤhlt,
Und ſprich, wenn ſich der Geiſt um meine Braut betruͤbet,
Daß du Sie eh als ich, und mehr als ich, geliebet.
Ja bleib ich noch darbey, mir ſey zu weh geſchehn,
So troͤſte mich zuletzt mit jenem Wiederſehn,
Das, wenn mein Geiſt einſt ſelbſt die Sterblichkeit bezwinget,
Mir Theodorens Blick auf ewig wieder bringet.
Verſiegle dis zugleich in Meines Boͤttners Bruſt,
Verſiegte dis zugleich in Boͤttners Augen-Luſt,
Und laß, zu meinem Troſt, nach ſo viel Thraͤnen-Guͤſſen,
Sie Beyde deiner Huld; mich Beyder Gunſt genuͤſſen!
Das[21]
Das iſt es, was mein Hertz an Deinem Grabe ſpricht,
Du in der Todes-Nacht noch mein geliebtes Licht,
Du meine Boͤttnerin, was kan ich weiter ſagen?
O nichts; ich fienge denn vom neuen an zu klagen.
Doch dis verwehrſt Du ſelbſt. Wohlan, ſo nimm zum Schluß,
Den Dir im Hertzen noch geweyhten Abſchieds-Kuß;
Ja, nimm das Hertze ſelbſt, der Liebe beſte Gabe,
Hier ſenkt es ſich zu Dir, hier liegts in Deinem Grabe.
Schlaff wohl, ſchlaff ungeſtoͤhrt, und nimm zuletzt von mir
Den unvergeßlichen und treuen Dank dafuͤr,
Daß, da mein reiner Wunſch um Deine Gunſt geflehet,
Du weder deſſen Trieb noch mich zugleich verſchmaͤhet,
Und daß Du redlich, keuſch, und biß in Tod geliebt.
Was hat die Dank-Begier, daß ſie dargegen giebt?
Sonſt nichts, als dieſen Harm bey Deinem Leichen-Steine,
Sonſt nichts, durchaus ſonſt nichts, als was ich ſchreib und weine.
Gehab Dich ewig wohl, Mein Auserwehltes Hertz!
Kein Scheiden treibt in mir die Neigung hinterwerts:
Die Liebe gegen Dich trotzt auch des Todes Raube.
Gehab Dich ewig wohl, Du treu und keuſche Taube!
Noch einmahl gute Nacht! und tauſendmahl darzu!
So lang ich Othen zieh, zieht Deine Grabes-Ruh,
Zieht Dein Gedaͤchtniß mich zu Deiner Leichen-Hoͤhle.
Noch einmahl gute Nacht! Du Helffte meiner Seele!
Kans ſeyn, ſo ſiehe noch
Doch wo gerath ich hin?
Wie? Seh ich Dich nicht ſelbſt? Dich, Meine Boͤttnerin?
Ach nein! Doch ja! Du biſts. O wie Du mich vergnuͤgeſt!
Du lebſt, Du winkſt, Du koͤmmſt, Du lachſt, Du bluͤhſt, Du ſiegeſt.
Kein Schnee, kein Liljen-Schmuck, kein Licht, kein Sternen-Glantz
Gleicht Deinem Braut-Habit, glaͤntzt wie Dein Ehren-Krantz,
Womit die Ewigkeit den frohen Geiſt geſchmuͤcket,
Der, taͤuſcht mich nicht ein Traum, noch laͤchelnd nach mir blicket,
Noch laͤchelnd zu mir ſpricht: Mein Seidel, faſſe dich;
Was hilfft dich aller Schmertz? Jch weiß, du liebteſt mich.
C 3Jſt[22]
Jſt das, ſo mußt du ja mein Gluͤcke nicht beneiden;
Und Liebe mit Vernunfft begreifft ſich auch im Scheiden.
Wie lange waͤhrt es noch? So ſtillt ſich die Begier,
So hohl ich dich mir nach, ſo iſt dein Geiſt bey mir,
So ſtoͤhrt kein Fall noch Tod die GOtt-geweyhten Flammen,
So bleiben ich und du in Ewigkeit beyſammen.
So, duͤnkt mich, ruffſt Du mir aus Salems ſtoltzer Ruh;
Doch in dem Augenblick zieht ſich der Schau-Platz zu.
Jch bin noch, wo ich war. Das Traum-Bild weicht von hinnen,
Nun werd ich ſonſten nichts, als nur Dein Grabmahl innen.
Hier find ich mich noch itzt verlaſſen und betruͤbt;
Doch, da dis Schatten-Bild mir zu bedenken giebt,
Wieviel Du itzt erlangt; wie wenig Du verlaſſen,
So lernt die Bloͤdigkeit zwar wohl ein Hertze faſſen;
Doch laͤßt der treue Schmertz durchaus nicht voͤllig nach.
Drum ſeuffzen Blut und Hertz fuͤr ſtillem Ungemach,
Biß zu dem letzten Schritt nach jenem Engel-Chore:
Ach Meine Boͤttnerin! Ach Meine Theodore!
OVID. Heu mihi, non magnas qvod habent mea carmina vires! Noſtraqve ſunt meritis ora minora Tuis. ()

About this transcription

TextSchlaf wohl!
Author Samuel Seidel
Extent22 images; 6100 tokens; 2060 types; 38775 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationSchlaf wohl! Erblaßte Theodore, Schlaf Auserwehlte Boettnerin Samuel Seidel. Andere Auflage. 22 S. Nicolaus SchillLauban1733.

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Universitätsbibliothek Breslau Universitätsbibliothek Breslau, 4 W 2677/6-7 / 542452

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Leichenpredigt; Gebrauchsliteratur; Leichenpredigt; ready; aedit

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Editorial principles

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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