PRIMS Full-text transcription (HTML)
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I. N. J. Den ſich ſelbſt / und die ihn hoͤren / ſeelig zu machen bemuͤheten Schul-Lehrer /
Stellete bey Beerdigung (TIT.) HERRN / Hn. M. Gottfried Hoffmanns / Hochverdiendten RECTORIS des Gymnaſii in Zittau / Als derſelbe den 1. Octob. des 1712. Jahres im HErrn JESU ſeelig entſchlaffen / und deßen entſeelter Coͤrper den 7. Ejusd. zu ſeiner Ruhe-Staͤte / in der Kirche St. Johan - nis gebracht wurde / Aus deſſen Leichen-Texte (1. Joh. II, 1. 2.)Ob jemand ſuͤndiget / ſo haben wir einen Fuͤrſprecher ꝛc.fuͤr / und uͤberließ auf Begehren zum Drucke
Budißin/ beyJohann George Huͤneln.
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Denen Hinterlaſſenen Hochbekuͤmmerten Tit. FRAUEN Chriſtianen gebohrner Schoͤnfeldin / als Frauen Witwen / Tit. HERRN Chriſtian Gottfried) Hoffman - und Tit. HERRN) nen / Chriſtian Gottlieb) J. U. C. als erſter Ehe Herren Soͤhnen / Wie auch Geſamten Jungfer Toͤchtern und Soh - ne anderer Ehe /

Ubergiebet auf Anſuchen / die Jhrem ſeeligen theils Ehe-Herrn / theils Hrn. Vater gehaltene Leichen-Predigt / nebſt anerwuͤnſchten Goͤttlichen Troſt und Gnade / Dero Gebet-und Dienſt-Ergebenſter M. Auguſtus Poßelt.

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J. N. J.

O HERR der du durch dein Leiden
Uns von Suͤnd erloͤſet haſt /
Laß uns nicht ſeyn abgeſcheiden
Von Dir Ancker / Steur und Maſt /
Wir zwar kleben ſtets an Suͤnden /
Aber laß uns Gnade finden;
Deine treuſte Lieb allein
Schaffe / daß wir ſeelig ſeyn.

ER hat unſer Volck lieb / und die Schule hat er uns erbauet. Das waren derer Elteſten der Juden ihre Worte womit ſie JEſum bewegen wolten / daß er des Hauptmanns zu Capernaum Knechte huͤlffe / Luc. VII, 5. Jhre Bitte / Er iſt ſein werth daß du ihm das erzeigeſt / ware in dieſen Motiven allem Anſehen nach / genung gegruͤndet. Liebe und Nutzen ſind zwey Dinge / die ſtarck in die Augen fallen.

Er hat unſer Volck lieb: War von einem Roͤmiſchen und alſo heydniſchen Hauptmanne viel geſaget. Es iſt nicht noth zu unterſuchen / wie gewogen die Roͤmer denen Juͤden zu denſelben Zeiten ſeyn koͤnnen. ManAſiehets2Der ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenſiehets wohl / wenn frembde Voͤlcker im Lande liegen / die Einwohner im Zaum zu halten. Jndeſſen war bey dieſem Hauptmanne ein gutes Hertz gegen das Juͤdiſche Volck. Die Elteſten ſagen: Er hat unſer Volck lieb. Es iſt alſo nicht durchgehends wahr / was der Poet ſagt: Nulla fides, pietas - que Viris qui caſtra ſeqvuntur. Bey Soldaten iſt weder Treu noch Froͤm - migkeit. Es kamen doch gleichwohl auch die Kriegsknechte zu Johanne dem Taͤuffer und fragten: Was ſollen wir thun? Luc. III, 14. Es iſt ja der fromme Hauptmann zu Caͤſarien / Apoſtel-Geſchicht am X. Es findet ſich ja unter den Roͤmiſchen Soldaten / die Chriſtum am Creutze bewachten / der Hauptmann / der eine Furcht vor GOtt ſpuͤren ließ / Matth. XXVII, 54. Unſer Hauptmann hat in dieſen Worten das Lob / Er habe das Volck lieb. Nun kan man leicht erachten warum es ihm zu thun geweſen. Gewiß nicht daß man ihn wacker beſchencket / tractir et zugedackt etc. wie es nunmehro gehen muß / wo man einige Gnade und Verſchonen bey ſolchen Leuten er - halten will. Nein! Die Elteſten ſagen ein anders: Er hat uns dieſe Schule erbauet. Womit ſie klar die Urſache ſeiner Liebe an den Tag legen. Der Gottesdienſt hat ihm gefallen / und denſelben zu befoͤrdern / hat er ihnen die Schule erbauet. Der Juden ihre Schulen waren der Ort ihrer Zuſam - menkunfft / da ſie ihren Gottesdienſt am Sabbath / und ſonſt ihre Betſtunden taͤglich verichteten. Weil es eine Unmoͤgligkeit / woͤchentlich zu dem einigen Tempel zu Jeruſalem zu kommen / und den Gottesdienſte obzuliegen / ge - ſchweige taͤglich zu denen Betſtunden / ſo muſten in denen Staͤdten / ja auch auf dem Lande oder Doͤrffern ſolche Orte ſeyn / da ſie Sabbaths ihren Got - tesdienſt / und taͤglich ihre Betſtunden halten konten. Und haben die Gelehr - ten es laͤngſt ausgemacht / daß / wo nur zehen freye Menſchen zuſammen ge - wohnet / man daſelbſt eine Synagoge oder Schule erbauet. 1.)Non eſt hujus loci prolixius oſtendere, Decem illos qui〈…〉〈…〉 vocabantur non prout Lightfoot vult, præciſe Literatos & ex profeſſo Legis Studioſos fuiſſe (vid. ejus Hor. Hebr. Talm. in Matth. IV, 23) Jacobus enim Rhenferd Franeccus L. S. Profeſſ. hanc Lightfooti ſententiam prolixe proſtravit in Diſ - ſertationibus de decem Otioſis Synagogæ. Hoc interim certum numerum do - narium requiri. p. m. 232. Vid. Campegius Vitringa de Synagoga veteri L. 1. pt. 1. c. 12. cit. Rhenferd. inde Decem Otioſis paſſim Joh. Nicol. in Annotat. ad Carol. Sigon. Rep. Hebr. L. 2. c. 8. p. m. 193.

Es3ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer.

Es hat alſo in der beruͤhmten Stadt Capernaum an dergleichen nicht gemangelt. Ob aber der Hauptmann ihnen eine gantz neue / oder die bau - faͤllige Schule ihnen auffs neue gebauet / laͤſſet man an ſeinem Orte. Dis moͤchte vielmehr jemanden wunderlich vorkommen / daß ein Heyde denen Juden den Ort zum Gottesdienſt ſolte gebauet haben / dann wie ſchicke ſich das? Aber es haben die Gelehrten in denen Rabbiniſchen Schrifften vielfaͤl - tige Anweiſung / daß Privat - Perſonen ſolches thun koͤnnen und moͤgen. (2Recte quidem modo laudatus Vitringa Lightfootum ſibi præeuntem citat, ita ſcribens ceu jam ante nos obſervatum a Lightfooto I. c. p. 252. Interim nonſolns Lightf. ſed & alii ante & poſt ipſum id aſtruxerunt. vid. Carol. Sigon. Lib. 2. c. 8. de Rep. Hebr. p. m. Edit. citatæ 195. S. Mareſius in Syllog. aliquot Diſpp. Select. Thefibus de Synagoga p. m. 713. poſtquam noſtrum Centurio - nem qui Judæis Synagogum extruxerit citaſſet, ſcribit; Id enim tam licebat Gentilibus in honorem & cultum ſummi Dei, quam ſua donaria & anathema - ta Templo Hieroſolymitano conſecrare, ut factum ab Auguſto Tiberio, & aliis. Aus unſerm Orte ſetzt man vollend darzu / daß auch Heyden es vergoͤnnet worden aus ihrem Vetmoͤgen dergleichen zu thun. Und berufft ſich Light - foot in dieſer Sache auf den Tempel-Bau Herodis, mit der raiſon: Die Heiligkeit des Ortes beſtehe nicht ſowohl in dem Bau / als in der Heiligung und Beſtimmung oder Einweihung zu dem heiligen Brauche. Ja er ſetzet noch weiter gar ſeine etwas hinzu / was zu unſerm Zwecke dienlich: Es habe ſich dieſer Hauptmann alſo gegen das Juͤdiſche Volck auffgefuͤhret / daß Sie an ſeiner Freygebigkeit und Devotion nicht zweiffeln durfften. Haben dem - nach die Elteſten der Juden dieſen Hauptmann nicht nur gegen JEſum we - gen ſeiner Liebe gegen das Volck / und Freygebigkeit in Erbauung der Schu - len geruͤhmet; ſondern auch ihre Bitte: Er ſey der Huͤlffe werth / mit ſattſa - men Gruͤnden bewehret. Jch habe bey dieſer Gelegenheit nicht einen Hauptmann uͤber leibliche Soldaten fuͤr mir / wohl aber einen geweſenen Hauptmann uͤber das Junge Studierende Volck / ſo wieder den Teuffel / Welt / eigene Affect en und Begierden / wider Ignoranz und Unwiſſenheit / wider Ungezogenheit und Unſittſamkeit / wider Suͤnde und Laſter insgemein und infonderheit / zum Streite aufzuſuͤhren. Der vor Augen ſtehende einge -A 2ſargete4Der ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenſargete Coͤrper iſt / des cum Tit. Hon. Deb. Herrn M. Gottfried Hoff - manns / geweſenen Hochverdiendten Rectoris unſers Gymnaſii. Wenn ich von demſelben fage: Er hatte unſer Volck lieb / und hat uns dieſe Schule gebauet / ſo rede ich mit Grunde der Warheit. Von ſeiner Liebe gegen unſer Volck / da er vor Zwoͤlff Jahren eine Gehuͤlffin / (ſo den Verluſt ſeiner erſten Ehegenoßin erſetzte /) aus unſrer Stadt ſich ausſahe / will ich nichts ſagen / nur von der Liebe zu unſerm jungen Studierenden Volcke / daß Er ſein geliebtes Lauban und ſein voriges Ambt verließ / und zu uns in ſol - che Arbeit und Unruhe kam / und ſeine Kraͤffte / Leben / auch Mittel und Vermoͤgen zuſatzte. Zeiget das nicht von Liebe? Eigen-Liebe / die man in allen Staͤnden ſiehet / ſpricht: Wer will ſich aus der Ruhe in Unruhe ſetzen? Wer will ſich zu Tode arbeiten und eifern? Du muſt den Deinigen zu gute noch laͤnger leben. Wer will das Seinige wegwerffen? Man brauchets vor ſich und die Seinigen ſelbſt. Die Eigen-Liebe ſucht ſich und das ſeinige nicht nur zuerſt / ſondern auch leyder vielmehr als den Neben-Menſchen und was deſſelben iſt. Man ſiehet auch bey Lehrern das non propter, ſed propter. Wie haͤlt mancher zuruͤck / bis ihm die Hand verſilbert und vergoldet iſt. A - ber unſer lieber Seeliger Herr Rector Hoffmann hat aus Liebe zu der Studierenden Jugend viel anders gefahren; Unruhe und Arbeit nicht ge - ſcheuet / Kraͤffte und Leben ſelbſt / geſchweige denn Mittel und Vermoͤgen in Wind geſchlagen. Was Hertzog Magnus Julius von Braunſchweig auf Thaler und andere Sorten / praͤgen ließ / da der wilde Mann eine Lampe haͤlt / mit der Beyſchrifft: aliis inſerviendo conſumor, Jndem ich andern leuchte oder diene / werde ich ſelbſt verzehret / iſt von unſerm Herrn Rectore allzuwahr und zu bekanndt. Haͤtte er nicht aus Sorge ſeinem Amte recht vorzuſtehen / und der Jugend zu dienen / mit unzeitigen Studieren und Nacht - Sitzen ſeine Kraͤffte / und aus goͤttlichen Eyfer denen eingeriſſenen Laſtern zu wiederſtehen / ſeine Geſundheit ruini ret / ſo haͤtte er noch lange leben koͤnnen. Wie er dasSeinige / ſowohl vorhin ſchon in Lauban / als auch bey uns / an die Studierende Jugend verwandt / brauchet keines Wortes / die ſo viele in - und auswaͤrtig lebende Zeugen moͤgen davon reden. Was in dem Leben Bel - larmini erzehlet wird / daß er einſten einem / da er nicht Geld bey der Handgehabt /5ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. habt / ſein ſilbern Tintefaß zu verſetzen / einem andern den Ring vom Finger / gegeben / das moͤgen die dem ſeel. Herrn Hoffmann nachſagen / die das ſilberne Balſam-Buͤchſel und dergleichen hingeben ſehen.

Jhr an unſermOrte vor ietzt lebend; ſonderlich ihr / die nicht vonMit - teln / ſeyd deſſen / gleichergeſtalt Zeugen. Nicht allein Euch zu gute war er bemühet Hoſpitia, freye Tiſche / und Patronen zu ſchaffen / nicht allein ei - nen Schul-Fiſcum zu ſtifften / ſondern auch aus ſeinem eigenen Einkommen hat Er mehr gethan / als wohl dem aͤuſerlichen und erſten Anſehen nach gutt und dienlich ſchiene; Und wiſſen die / ſo mit ihm in vertraulichem Umgange waren / ſein dabey gefuͤhrtes gewoͤhnliches Wort / wie auch Tr oſt derer Sei - nigen halber; welches GOtt auch nicht wird ermangeln laſſen / ſondern treu - lich halten / und ein gnaͤdiger Vergelter ſeyn. Liebe Jugend / unter hundert ja tauſend findeſt du wohl kaum einen / der das thut / was der Seelige Herr Re - ctor Hoffmann gethan. Denn von ſeiner Gelehrſamkeit / guter Methode, rechtſchaffenen dexteritæt, Froͤmmigkeit und exempla riſchen Wandel will ich nichts ſagen; nur das / das Seinige ſohin / und gleichſam wegwerf - fen / iſt ein großes / darzu gehoͤret mehr Glaube und Vertrauen zu GOTT / mehr Verlaͤugnung ſein ſelbſt und der Seinigen / mehr Verachtung des Zeitlichen / als man wohl meynet. Jch muß aber weiter gehen / und ſa - ge: Die Schule hat er uns gebauet. Zwar ſieht ein jeder wohl / daß ich nicht von der Stifftung und erſten Aufferbauung des Schul-Gebaͤudes re - de / denn das ſtehet nun / nachdem es der letzte Commendator als ſeinen Wohn - Platz kaufflich an den damahls lebenden Buͤrgermeiſter und Rath uͤberlaſſen / nun eine geraume Zeit und bald anderthalbhundert Jahr alſo geſtanden. 3)Qui ortum & Progreſſum Scholæ, præſertim etiam ædificii Scholaſtici noſtri noſſe vult conſulat B. WeiſiiOrationem ſecularem de ortu & Progreſſu Schola - rum per LuſatiamSuperiorem in Jubilæo Gymn. Zittau: dictam ad 1686.

Aber was die Anzahl und große Frequenz der Studierenden Jugend anbelanget / ſage ich wohl recht / daß Er dieſelbige gebauet; weil der Nu - merus diſcentium in Zittau wohl niemahl ſo hoch geſtiegen / als unter dem nunmehro ſeeligen Herrn Rector Hoffmannen. Der zu ſeiner Zeit / zu - mahlen da Er in ſeinen beſten Jahren von Weiſſenfels nach Zittau kam / weitA 3und6Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenund breit hochberuͤhmte Weiſe hatte anfangs ſonderlich auch ſehr großen Zu - lauff / znmahlen von vornehmen und von der Nobleſſe, doch iſt vermuthlich der Numerus in dem erſten Auditorio nicht ſo hoch geſtiegen.

Gebauet weiter mit rechtſchaffenen Lehren. Wie Er ein Mann der von Kindes-Beinen an / bey und unter und mit informi ren auffgewach - ſen und groß worden / ſo wuſte Er auch was zu ſeiner Profeſſion geboͤrete, und wie jedweden inſonderheit zu begegnen. Es war hier Wiſſenſchafft und Leh - r[e]/ welche die Dexteritæt ſecundir te / und der unverdroßne Fleiß perfe - ctionir te. So floͤßete Er der lieben Jugend das was ihr noͤthig ein / und ſahe dabey allermeiſt auf die Diſciplin und wahre Gottesfurcht / daß Er die Jugend nicht nur gelehrt / ſondern auch fromm machen moͤchte. Seine ge - druckte Buͤcher und Denck-Zettel / Seine gehaltene Sonntags-Collegia nach der Nach-Mittags-Predigt / uud andere Bemuͤhungen / die Jugend von der Eitelkeit ab / und zur wahren Gottesfurcht und Heiligung des Sab - baths anzuhalten / moͤgen Zeugen ſeyn.

Gebauet mit erbaulichen Leben. Er wuſte wohl daß ein Lehrer der anders lebet als lehret / mit zwey Haͤnden niederreiſſe / was er mit einer gebau - et. Er war der Laſter Feind und hingegen der wahren auffrichtigen Froͤm - migkeit ihr Freund / ein Liebhaber des Goͤttlichen Wortes und der Diener deſſelben. (4Zu Liebe des Miniſterii hat Er in Lauban die Hrn. Paſtores beſchrieben. Uns der Zeit lebende und GOtt noch lebende / ohne meinen ſeel. Schwaͤher Herrn M. Scholtzen.Alſo fuͤhrete Er einen gottſeeligen Wandel / daß Seine Un - tergebene in dieſem Spiegel ſich ſtets beſchauen / und ſeinen Fußſtapffen nach - folgen konten.

Gebauet mitLiebe und erbaltener Einigkeit zwiſchenSich undSei - nen Herren Colleg en. Wenn das Haupt die andern Glieder nicht halten will / ſondern fallen laͤßt / kan man leicht erachten / was vor Erbauung folgen werde. Seine Demuth und auffrichtige Froͤmmigkeit raͤumete alles aus dem Weege was die Harmonie ſtoͤren konte. Bey ſolchem Zuſtande nun / ſolten wir nicht mit denen Elteſten der Juden unſerm JEſu auch zugeruffen haben: Er iſt ſein werth / daß du ihm das erzeigeſt. Das iſt: noch lan - ge beym Leben und in Geſundheit erhalteſt? O daß wir das zu erbitten ver -moͤdend7ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. moͤgend geweſen / ſo waͤre nicht theils ſo große Conſternation und Leidweſen / ſowohl bey der Hochbekuͤmmerten Frauen Wittwen / Tit. Pl. Frn. Chri - ſtianen / gebohrnen Schoͤnfeldin / welche die liebreiche Vergnuͤgung ſo Sie in nur Zwoͤlff Jahr waͤhrendem Eheſtande mit Jhrem nunmehro ſee - ligen Ehe-Herrn genoßen / deſto ſchmertzlicher beweinet und beklaget; als bey denen ſaͤmmtlich hinterlaßenen Kindern / ſowohl Herren Soͤhnen erſter Ehe / theils abweſenden / theils gegenwaͤrtigen / als die den ſo ſorgfaͤltigen und guͤtigen Herrn Vater mitAengſten nachſehen / als auch Jungfer Toͤchtern und Soͤhnchen itziger anderer Ehe / als die den Geliebten Vater und Verſor - ger viel zu fruͤhzeitig verliehren muͤſſen. Wie nicht weniger leiderſo zu reden / abermahl verwaiſeten Jungfer Schweſter des ſeeligen Herrn Rectoris, als die ihren andern Vater und Verſorger verlohren / und fuͤr Kummer ſich kaum begreiffen kan. Jch will der beyden vornehmen Famili en aus welcher der ſeel. Herr Rector ſeiner Augen-Luſt und Ehegenoßinnen hatte / nicht ge - dencken / wiewohl der Schmertz zumahlen bey der letztern deſto empfindlicher je naͤher das Hinterlaßene iſt. Auch waͤre unter denen Hrn. Hrn. Collegis die ihr treues wohlmeinendes Haupt bey der Jugend verlohren / nicht Bekuͤm - mernis bey Einem Hochloͤblichen Magiſtrate nicht Kummer wegen gedeyli - cher Erſetzung / bey gantzer Stadt / ja ſo vielen auswaͤrtigen / die ihre Kinder ſeiner Auffſicht anvertrauet / ſo viele Sorgen wegen kuͤnfftiger Auff - erziehung. Ja wohl werth / weil er unſer Volck lieb hatte / und uns die Schule gebauet. Aber es hat dem Herrn JEſu gefallen / Jhn weg zu - nehmen: es war ihm eine kurtze Zeit im Goͤttlichen Rathe beſtimmet bey uns zu bauen. Das ſeeligſte daß Er an ſich und denen Hinterlaßenen nunmehr ſo aͤngſtlich ſeufftzenden Geliebten Seinigen / allermeiſt auch an der Studie - renden Jugend alſo gebauet / daß Er Sie und ſich ſeelig machete / welches bey deßen hochanſehnlicher Beerdigung unſere fernere Arbeit ſeyn wird / wenn wir nur zuvorhero um den kraͤfftigen Beyſtand des Heiligen Geiſtes in einem andaͤchtigen und auf Chriſti Verdienſt gegruͤndetem Vater-Unſer wer - den gebetet haben.

Textus. 8Der ſich ſelbſt und die ihn hoͤren

Textus

(1. Joh. II, 1. 2.)
Ob jemand ſuͤndiget / ſo haben wir einen Fuͤrſprecher bey dem Vater / Jeſum Chriſt / der gerecht iſt / derſelbe iſt die Verſoͤhnung fuͤr unſere Suͤnde / nicht allein aber fuͤr die unſere / ſondern auch fuͤr der gantzen Welt Suͤnde.

Eingang.

WO du ſolches thuſt / ſo wirſt du dich ſelbſt ſeelig machen / und die dich hoͤren. Das iſt die Verſicherung des theuren Lehrers gegen ſeinen lieben Juͤnger Timotheum, die er in der erſten an ihn geſchriebenen Epiſtel im IV. Cap. v. 16. fuͤhret / gewiße Bedingung und da[r]aus fließenden ſo ſeeligen Nutzen ſetzende

I. Die Condition und Bedingung: So du ſolches thuſt. Er hatte ihm vorher befohlen: Habe acht auf dich ſelbſt und auff die Lehre / beharre in dieſen Stuͤcken / nun ſetzt er hinzu: ſo du ſolches thuſt / ſoll alſo Acht haben / und zwar I. Auf ſich ſelbſt. Was die Erkaͤntniß ſein ſelbſt vor eine heilſame Sache / erkanten auch die Heyden; Solon ſagte: γνῶϑι σε αυτόν, erkenne dich ſelbſt. Aber nicht genug ſich ſelbſt erkennen; die Wahr - nehmung ſein ſelbſt / muß darzu kommen; ſo viel die Application in einer Sache mehr iſt als das Wiſſen / und Verſtehen / was die Sache ſey / ſo viel - mehr iſt das wahrnehmen ſein ſelbſt / oder acht haben auf ſich ſelbſt / als die Er - kentniß ſein ſelbſt. Die Erkentniß iſt die Theoria, das Acht haben / die Praxis. Unſer Chriſtenthum iſt nicht ein bloßes Wiſſen / ſondern ein ſteti - ges Thun und Verrichtung deſſen / was wir wißen.

Timotheus ſoll alſo nicht nur ſich ſelbſt erkennen / ſondern auch ſtets acht auf ſich haben. Lehrer tragen ihren Schatz in irrdiſchen Gefaͤßen / ſie ſind nicht Engel / und Satan ſchleicht ihnen am allermeiſten nach / o wie muͤſſen ſie ſich fuͤrſehen / darzu ſieht jedermann auf ſie. So viel ein Thurm hoͤher als andere Haͤuſer / ſo vielmehr ſieht man denſelben weit und breit. Soviel9ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. viel die Lehrer vor den Gemeinden als Waͤchter derſelben empor ragen / ſo vielmehr ſieht man ihr Thun / und wo es nicht richtig / giebt es Anſtoß; da - hero Lehrer allen Fleiß anzuwenden / daß nicht etwa was anſtoͤßiges an ihnen und ihrem Leben ſey. Timotheus ſoll das auch thun / er ſoll auff ſich acht haben / und zwar gantz genau und mit allem Fleiße / wie das Griechiſche Wort / ſo hier ſtehet andeutet. Επέχε, welches ſo viel als: προσέχε ſcil. τόν νοῦν(5)Complura exempla integræ phraſeos έπέχειν τὸν νοῦν collecta ex Ariſtophane, Æſchine, Platone vid. in Lex. Ελληνο Ρωμαικώ ſub voce ἐπέχειν. Habe deine Gedancken auff die Sache wie Grotius(6)Vid. Annot. Grotii in h. l. vel Calovii Bibl. Illuſtr. h. l. Item Eraſm. Schmi - dii Annot. in h. l. Poli Synopſ. Bibl. Critic. hl. Dieterici Antiquit. N. T. ſub voce ἐπέχειν. Quamvis forte quis non male fecerit, ſi ad locum Act. lll. 5. reſpiciens, ὁδε πε῀ιχεν ἀυτο῀ις i.e. ἐπέιχεν τοῦς ὀϕϑαλμούς, Er hatte / Er richte - te ſeine Augen auf Sie. Lutherus in prioribus Editionibus No. ab anno 1522. ſeqq. reddiderat, Er aber hielt ſich gegen Sie / ſicut etiam Tigurinæ hanc Lutheri verſionem ſequntur & retinuerunt niſi quod loco ſie repoſuerint gegen Jhm Anno vero 1534. quo integra Biblia edebat, mutavit, Er ſahe ſie an. Et recte quidem, eſt enim ἐπε῀ιχεν idem ac ὲπεῖχεν τοῦς[ὀφϑαλημούς] intendebat oculos vid. Paſor. Dreter. l. c. Beza h. l. in Annot. ſi quis inquam ad h. l. re - ſpiciens verba Pauli ἐπέχε σεαυτῶ interpretetur, oculos intende oculos, ſc. ani - mi & corporis, thue die Leibes - und Gemuͤths-Augen auf / und ſiebe recht genau auf. Alſo auch Timotheus ſeine Gedancken genau auf ſich ſelbſt richten und auf alle ſein Thun genau Achtung geben ſolle. aus dem Eu - ſtachio bemercket. Wie nun das προσέχειν ein Wort von Nachdruck / daß man mit großem Fleiße ſolle zuſehn / acht haben / wie Apoſtel-Geſch. XX, 28. So habt nun acht auf euch ſelbſt und auf die Heerde. Und vor - her c. V, 35. da Gamaliel im Rathe wegen der Apoſtel ſagte: προσ έχετε εαυ - το῀ις ὲπὶ το῀ις ανϑρώποις τούτοις τι μὲ λλετε πράσσειν. Jhr Maͤnner von Jſra - el nehmet euer ſelbſt wahr an dieſen Menſchen / was ihr thun wollet. (7)vid. Er. Schmid. l. c. qui vocabulum ϖροσεχετε ad Matth. X. 17. non ſolum de diligenti cura §. V. expoſuit, ſed & locum poſteriorem ſic interpetatus eſt. Se - het wohl zu wegen dieſer Leute / was ihr vornehmet. Minus Germa - nice Reizius nova ſua Verſione N. T. Habt euch in acht an dieſen Men -ſchen. BAlſo10Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenAlſo ſoll Timotheus mit allem Fleiße auf ſich acht haben / aber nicht allein auf ſich / ſondern auch

II. Auf die Lehre / habe acht auff dich ſelbſt und auf die Lehre. Beydes verbindet der Apoſtel ſehr wohl mit einander / denn es ſoll bey einem Lehrer eins nicht ohne das andere ſeyn. Waͤre die Lehre gut / das Leben aber boͤſe / ſo rieße er mit der andern Hand wieder nieder / was er mit der einen vor - hero gebauet. Waͤre das Leben zwar fromm ſtille und einfaͤltig / aber die Lehre nicht in rechter Gruͤndligkeit / wie wolte er die Seelen recht verſorgen / denen Woͤlffen wiederſtehen / und was ſie wieder den Grund des Glaubens einſtreuen / recht hintertreiben und abkehren. Und iſt Wunder / daß man faſt allein auf das fromme Leben ſehen will / obs eben mit der Gelehrſamkeit nicht ſo ſonderbahr. Wie ſoll er denn acht geben auf die Lehre / darinnen er recht wohl und gruͤndlich erfahren. Wer nicht Profeſſion von einer Sa - che machet / und ſie gruͤndlich verſtehet / wird gar leichte etwas uͤberſehen. Jch kan von Diamanten und andern Edelgeſteinen nicht urtheilen. Der Bildhauer oder Mahler8)Prolixe hanc rem Theodoretus T. 2. Op. Serm. 1. de Curatione Græcarum Af - fectionum proſequitur. Edit. Col. 1617. pag. 349. Earum vero rerum peritia non eſt omnium, ſed eorum duntaxat qui illarum artium ſcientiam, teneant. Ita - que ſi exempli cauſa probatum aurum dignoſcere à crudo velimus, minime nox quidem id probationi ſubjicimus, ſed explorari ab eo curamus, qui ſit hu - jusmodi probationis peritus. Is vero aut indici ad motum, aut igni excoctum, vel legitimum eſſe aurum vel adulterinum decernit. Ita & cum pretioſos, lapil - los emimus, nequaquam nobis in eorum diſcretione ac delectu credendum puta - mus, ſed iis potius Inſtitoribus, quibus temporis diuturnitate, experientiaque hujus rei judicium invexit. Si quis præterea ſericam ſibi Veſtem picturamque aut inter textam auro comparare inſumit, a peritis textoribus æſtimari eam jubet. Ille etiam qui ſcire avet quot pondo cenſenda ſunt vel aurea vaſa, vel ar - gentea, vel nova ſmata quæpiam, pendenda ea libratoribus defert, ab illisque pondus illorum gravitatemque per docetur &c. kan leichte was an einer Statue oder Gemaͤhldebe -(7)ſchen. Trillerus vero confundens diverſos ſignificatus vocis ſibi cavere & ſingulari diligentia proſpicere (ut bene Er. Schmid. l. c. diſtinxit) l. c. Sehet euch ſelbſt vor. 11ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. bemercken / das eben mir nicht in die Augen faͤllt. Wie Nicoſtratus das einem ſagte. Denn als dieſer ſonſt beruͤhmte Mahler die von Zeuxe ver - fertigte Helene / alſo genau betrachtete / daß man wohl mercken konte / daß er ſich uͤber das Mahlwerck verwundere; und ihm einer anredete / was er denn daran ſo ſehr bewundere / antwortete er? Wenn du meine Augen haͤt - teſt / ſo fragteſt du mich nicht;9)Ex Ælian. l. 14. Var. Hiſt. citantem vide Zvvingerum Theatr. V. it. Vol. 1. L. 2. p. m. 156. b. (Edit. Locupl. de anno 1604. Baſ. ) iterum Vol. XX. l. 1. pag. 3644. a. Als wolte er ſagen / wenn du es ſo wohl ver - ſtuͤndeſt / als ich / ſo wuͤrdeſt du ebener geſtalt dich verwundern / und verſte - hen / was an dieſem Bilde ſo kuͤnſtlich. Gruͤndliche Wiſſenſchafft muß da ſeyn / wo man im Lehr-Ambte uͤberall recht fortkommen will. Dahero der unten am Ende des Blattes angefuͤhrte Theodoretus daſelbſt / endlich ſpricht: Haud itaque cunctis mortalibus docere alios convenit, ſed eis duntaxat, qui & diuturnitate temporis & experientia doctrinam ſunt aſſecuti. Demnechſt kommts nicht allen Menſchen zu / daß ſie leh - ren / ſondern denen allein / der beydes durch lange Zeit und Erfahrung die Wiſſenſchafft erlanget. Das heiſt gruͤndliche Wiſſenſchafft haben. Timo - theo fehlte es an ſelber nicht / wie Paulus ſelber in der andern an ihn geſchrie - benen Epiſtel Cap. 3. v. 15. ſpricht: Weil du von Jugend auf die Hei - lige Schrifft weißeſt. Ja Paulus hatte ihn uͤber das noch treulich un - terrichtet / wie in eben dieſer andern Epiſtel 1. 13. ſtehet. Halt an dem Fuͤrbild der heilſamen Wort / die du von mir gehoͤret haſt / von Glauben und von der Liebe in Chriſto JESU. Er ſoll demnach fleiſ - ſig Acht haben auf das was er gelernet / weil Lehrer Menſchen ſind und blei - ben / und alſo auch aus Wiederwillen was entfahren kan / ſo ſoll Timotheus Acht haben. Aber auch

B) Beharren / beharre in dieſen Stuͤcken. Grotius wolte uns lieber uͤberreden / das hier ſtehende ἐπιμένει ἀυτοῖς ſolle ſo viel heiſſen / als: Bleibe bey ihnen / nehmlich denen Epheſern. Allein ich ſehe nicht warum dieſelben der Grotius anfuͤhret / da es auch alſo gebrauchet werde / ſehe anB 2wer12Der ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenwer da will / es iſt in ſeiner alſo wie hier. 10)Vel n. ſimpliciter ἐπιμένειν ἡμέραςτινάς ut Act X. 48. Ἡμέρας πλέιους Act. 21. 4. τρεῖς Act. 28. 12. Vel αὐτού ἡμερας ἑπτα Act. 21. 4. Non ἀυτοῖς, αυτ〈…〉〈…〉 pro ὧδε vel εκεῖ ibi illi c. Pronomen enim relativum αὐτού ſæpe Adverbii Topi - ci aut localis ſignificationem ſuſtinet. vid. Matth. 26. 36. Act. 15. 34. vid. No - tas Exegetico Criticas in N. T. D. Joh. Mihaelis ad Act. 21. 4. pag. 5. vel tan dem cumPræpoſitione ἐπὶ Act. 28. 14. ἐπ᾽ ἀυτοις ἐπιμεῖναι aut ἐν & ϖρὸς 1. Cor. 16. v. 6. & 8. ϖρὸς ὑμᾶς apud vos ἐν Εφέσιω, quarum adjectio rem declarat. Ut proinde Grotius fruſtra adduxerit iſtius modi loca. Auch hat Grotius ſonſten kei - ne Urſachen angefuͤhret / die uns in ſeine Meynung ziehen / und daß Pau - lus zu Epheſo bleiben ſolte / zu glauben bewegen konten. Vielmehr ſolte Timotheus auch andern Kirchen dienen. Wo ja etwa Grotius den Timo - theum als einen beſtalten Biſchoff der Kirchen zu Epheſus uns aufdringen wolte / wuͤrden wir ihm kurtzen Beſcheid geben / davon ſey erſt die Frage:11)vid. Calov. Bibl. illuſtr. h. l. pag. 989. Demnach ἐπιμένειν τινί iſt in einer Sache bleiben / beharren oder druͤber blei - ben. Das ἐπὶ in dieſen ἐπιμένειν weiſet an / daß man daruͤber bleiben / und ſich davon nicht ſolle laſſen abwendig machen / e. g. Rom. VI. 1. ἑπιμενοῦμεν τῆ ἁμαρτία. Sollen wir denn in der Suͤnde beharren? Alſo hier in dieſen Stuͤcken beharren oder druͤber bleiben. Nur fraget ſichs unter denen Aus - legern / was der Apoſtel durch dieſe Stuͤcke / darinnen Timotheus behar - ren ſolle / zu verſtehen ſey? Und meynen einige / daß er alle das vorherge - hende damit wolle begriffen haben. Andere aber12)Gerhard. in Annot. quidam referunt in genere ad omnia præcedentia. bleiben nur bey dem unmittelbahr vorhergehenden / auf ſich ſelbſt und auf die Lehre Acht haben. Und wenn man der Sache ein wenig genauer nachdencket / ſo wird es wohl am beſten ſeyn / daß man bey dieſen letzten Stuͤcken / ſo unmittelbahr vor - her gegangen / bleibe. Denn in dieſen beyden / wo er beharret / auf ſich ſelbſt und ſein Leben acht zu haben auf die Lehre / ſo wird gewiß alles das was vorher in gantzen Capitel geſaget / darinnen beſchloſſen ſeyn.

Er ſoll beharren. Anfangen iſt nicht genug / fortſetzen und behar - ren muß man. Wer beharret bis ans Ende / ſagt der Heyland Matth. X und Luc. IX. 62. Wer ſeine Hand an den Pflug legt / und ſiehet zu -ruͤcke /13ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. ruͤcke / der iſt nicht geſchickt zum Reiche GOttes. Daß Loths Weib anfieng / war nicht gnug / daß ſie nicht fortgienge / ſondern zuruͤck ſahe / war ihr Verderben. 14)L. cit. ex Bernh. in Allegor. & Tropol. Godofr. Tilmannus ſuper Matth. 10. pag. 407. b. Bernhardus ſagt: Perſever antia ſola meretur viris gloriam, coronam virtutibus; Prorſus absque perſeverantia, nec qui pugnat victoriam nec palmam victor conſequitur. Vigor vi - rium virtutis conſummatio eſt, nutrix ad meritum, medintrix ad præmium, ſoror eſt patientiæ, conſtantiæ filia, amica pacis, amici - tiarum modus, unanimitatis vinculum, propugnaculum ſanctitatis. Tolle Perſeverantiam, nec obſequium mercedem habet, nec benefici - um gratiam, nec laudem fortitudo. Denique non eſt qui cœperit, ſed qui perſeveraverit, usque in finem ſalvus erit. Saul dum eſſet par - vulus in oculis ſuis, Rex eſt ſuper Iſrael conſtitutus: non perſeve - rans in humilitate & regnum amiſit & vitam. Si cautelas Samſonis, ſi Salomonis devotio perſeverantiam retinuiſſent, nec is ſapientia pri - varetur, nec ille viribus. Die einige Beharrung verdienet oder erwirbet den Maͤnnern Ehre / den Tugenden die Krone. Ohne die Beharrung oder Aushalten / erlanget weder der da ſtreitet den Sieg / noch der Uberwinder den Sieges-Krantz. Die Beharrung iſt die Vollkommenheit der Tugend - Kraͤffte / die Saͤug-Amme zum Verdienſt / die Mittlerin zur Belohnung / die Schweſter der Gedult / eine Tochter der Beſtaͤndigkeit / eine Freundin des Friedens / die Verknuͤpffung der Freundſchafft / das Band der Einig - keit / ein Pollwerck der Heiligkeit. Hebe auf die Beharrung / ſo hat der Ge - horſam keinen Lohn / noch die Wohlthat eine Annehmligkeit / noch die Tapfferkeit das Lob. Ja endlich nicht der angefangen / ſondern der behar - ret bis ans Ende / ſoll ſeelig werden. Da Saul klein und demuͤthig war in ſeinen Augen / wurde er zum Koͤnige uͤber Jſrael geſetzet / da er aber in der Demuth nicht beharrete / hat er ſowohl das Koͤnigreich als das Leben verloh - ren. So Simſon in der Vorſichtigkeit / und Salomon in der Andacht beharret / waͤre dieſer nicht ſeiner Weißheit / jener ſeiner Kruͤffte beraubetB 3worden.13)Gerh. l. c. Rectius refertur ad partem proxime præcedentem. 14Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenworden. Beſtaͤndigkeit / Beharrung machts aus. Dahero man ſolche Leute / die ſich von Jugend auf des Guten beflieſſen / und darinnen beſtaͤn - dig fortfahren / ſo / daß ſie auch im Alter nicht auffhoͤren / mit denen Bie - nen vergleichet /15)Picinell. Mund. Symbol. l. 8. §. 45. p m. welche / ob ſie wohl alt worden / dennoch noch immer Honig eintragen / und nicht in Faulheit verfallen / mit der Beyſchrifft: Nec vetuſtate pigreſcit: Sie wird auch im Alter nicht faul. Oder mit dem Kamehl / das unter ſeiner ſchweren Laſt immer fortgehet / und weder durch den beſchwerlichen langwierigen Weg / noch durch Waſſer-Mangel und Durſt ermuͤdet. 16)Scaligeri Exercit. 209. n. 2. Vid. Geſnerum de Quadrup. Viviparum l. 1. p. m. 165.Timotheus ſoll alſo auch nicht nachlaſſen oder muͤde werden / ſondern beharren / ſowohl in ſein ſelbſt Wahrnehmung / als der rei - nen Lehre Fortpflantzung; Denn in beyden beſtehet eines rechtſchaffenen Lehrers ſein Gewiſſen und ſeiner Zuhoͤrer Wohlfahrt / da / wo eins von andern wancket / nichts anders als der Hoͤchſte Schade daraus erwachſen kan.

II. Nun verheißet denn der Apoſtel eine liebliche Frucht fuͤr ſeine Bemuͤhung: ſo wirſt du dich ſelbſt ſeelig machen / und die dich hoͤren. Da ſonſten das hier ſtehende Griechiſche Wort σώζειν17.)Σώζειν non tantum ſervare, ſalvare, ſed & liberare ſignificat, præſertim cum Præpoſitione ἀπο vel ἐκ vid. Er. Schmid. Not. pag. 22. Ridicule ſatis Cornelius a Lapide ad Philip. 3. 20. pag. m. 60. poſt verba, ſalvare eſt proprie remaniſſam aut perditam recuperare, ſcribit, unde Græcum σωζειν deducitur ἀπὸ τοῦ σὸς σὴ σὸν. Ut dicere σώζωσε idem ſit quod te tibi reddo atque reſti - tuo. Sic Chriſtus dicitur Σωτὴρ, quia nos nobis puta primævæ noſtræ inte - gritati ſpei ſaluti & felicitati reſtituit. Bene res ſe haberet fi σώζειν per O, σόζειν ſcriberetur, aſt cum per ω ſcribatur σώζειν bonus Corn. a Lapide fallit & fallitur. ſowohl die leibli - che als geiſtliche Erhaltung bedeutet / wird man ſich leicht beſcheiden / daß hier nicht das leibliche / ſondern das beſſere und ewige zu verſtehen.

Wie Paulus vorher 1. Tim. l, 15. es gebraucht / das iſt je gewißlich wahr /und15ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. und ein theuer werthes Wort / daß JEſus Chriſtus kommen iſt in die Welt die Suͤnder ſeelig zu machen. Solches ſeelig machen wird in der H. Schrifft bald ſchlechthin / oder alleine / bald mit dem Zuſatz / wovon angefuͤhret. Wie was das letztere anlanget / der Engel ſagte: Denn er wird ſein Volck ſeelig machen von ihren Suͤnden / Matth. l, v. 21. Und der Sohn GOttes ehe er noch Fleiſch und Blut annahm / Jch will ſie erloͤſen aus der Hoͤllen / und vom Tode erretten / Hoſ. XIII, 14. Da alſo auch zugleich das Elend mit angezeiget iſt / aus welchem der arme Menſch herausgeriſſen und erhalten wird. Denn weil die Suͤnde den Menſchen in das Elend und Verdamnis hinein geſtuͤrtzet / ſo muß freylich der Menſch von den Suͤnden befreyet / und aus der Gruben der Hoͤllen heraus gezogen werden / wo ihm ſoll geholffen / er errettet und ſeelig gemacht ſeyn; demnach dem Heiligen Geiſt gefallen / denn und wenn / an dieſem und jenem Orte das Elend und die Noth abſonderlich zu nennen. Weil aber ſolches Seeligmachen ein Werck des Erloͤſers JE - ſu Chriſti iſt / ſo fragt man billig / wie der Apoſtel dem Timotheo es zuſchrei - ben koͤnne? Unter und bey denen Paͤpſtiſchen Auslegern / hat es eine und die andere Erklaͤrung herausgetrieben / die mit der Warheit nicht uͤberein - ſtimmen. Eſtius ſchreibet uͤber unſerm Ort /(18)Gvil. Eſtius Comment. in h. l. p. m. 799. b in ſine. Hier bemercke / daß der Apoſtel der droben geſagt: GOtt ſey ein Heyland aller Menſchen / allermeiſt der Glaͤubigen / es nunmehro dem Menſchen zuſchreibe / daß er ſich ſelbſt und andere ſeelig mache / nemlich daß wir ſollen er - kennen und verſtehen lernen die Krafft des freyen Willens in dem Menſchen und die wuͤrckende Krafft. (19)Verba ipſius propria: Nimirum ut intelligamus liberi arb itrii in homine fa - cultatem & vim operatricem. Dahero auch in der Schrifft vom Menſchen geſaget wird / daß er ſich ſelbſt oder ſeine See - le heilige / gerecht mache / keuſch mache / reinige. Es mache ſich aber der Menſch ſeelig / nicht daß er ſich das ewige Leben gebe / ſondern daß er daſſelbige durch gute Wercke verdiene. Aber Gnade GOTT / wo es auf die Kraͤffte des freyen Willens / und auf Verdienſt der Wercke an - kommen ſoll. Was fuͤr Kraͤffte wir haben / mag der Apoſtel ausreden:Nicht16Der ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenNicht daß wir tuͤchtig ſind von uns ſelber etwas zu dencken (geſchwei - ge denn zu thun / als von uns ſelber / ſondern daß wir tuͤchtig ſind iſt von GOtt / 2. Cor. 3. 5. Was aber das Verdienſt der Wercke anbelan - get / hat Chriſtus ſelbſt den Beſcheid gegeben: Wenn ihr alles gethan habt / was euch befohlen iſt / ſo ſprecht: Wir ſind unnuͤtze Knechte / wir haben gethan was wir zu thun ſchuldig waren / Luc. XVII. 10. Paulus ſchreyet mit vollem Halſe: Nicht um der Wercke willen der Gerechtigkeit / die wir gethan haben / ſondern aus Gnaden machet er uns ſeelig / Tit. III, 5. Aus Gnaden ſeyd ihr ſeelig worden durch den Glauben / und daſſelbe nicht aus euch / GOttes Gabe iſt es / nicht aus den Wercken / daß ſich nicht jemand ruͤhme / Epheſ. II, 13. Daß alſo Estii ſeine Erklaͤrung ſehr ſchlecht / und hilfft auch nichts / wenn gleich die Paͤbſtiſchen Lehrer ſagen: Paulus rede von den Wercken vor derGnade / vor der Wiedergeburth. Dann es iſt offenbar falſch Denn man ſehe Eph. II. da ſteht vorher v. 5. Da wir todt waren in Suͤnden / hat er uns ſambt Chriſto lebendig gemacht. Was wollen denn die guten Wercke auch nach der Gnade / nach der Wiedergeburt und Rechtfertigung / ſie ſind auch alsdenn nicht verdienſtlich / wie unſere Theolog en ſo viel tauſendmahl gewieſen. Andere unter denen Papiſten reden von der Juſtitia infuſa, in - hærente. (20)Vid. Brükner Vindic. ad h. l. p. 665. a & ad Eph. II. p. 5.Alleine wie ich das denen Gelehrten uͤberlaſſe / da dem ge - meinen Manne mit dieſer eingegoßenen Gerechtigkeit wenig gedienet / ſo ſage auch um deſſelben willen hier nur / daß der Apoſtel von keiner eingegoſ - ſenen Gerechtigkeit rede / ſondern von einer Seeligkeit die Timotheus hinein prediget (21) dabey muß es bleiben. Cornelius Cornelii a Lapide bricht hier los: Siehe / hier nennt Paulus den Timotheum und ſeines glei - chen / ſein und anderer Seeligmacher / wie Obadia v. 21. auch ſaget: Und werden Heylande herauff kommen auff den Berg Zion. Und ſo geſchiehet Chriſto kein Unrecht / wenn wir die Heiligen unſere Sal - vatores Seeligmacher und Advocaten nennen / und die Jungfrau Maria Dominam, Patronam, Spem. Dergleichen auch Eſtius uͤber die - ſen Ort / und andere mehr / geſchrieben haben. Aber was das erſtere ausdem17ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. dem Obadia anlanget / iſt ſelber Ort eben wie unſer / und alſo aus dem noch nichts vor die Papiſten. Das andere aber hat weder Cornelius noch Eſtius, noch jemand anders erwieſen. Wenn ſie ihre Heiligen eben in der Art / wie hier Paulus ſeinen Thimotheum beſchreibet / als Werckzeuge die durch pre - digen zur Seeligkeit zu bereiten auffuͤhren / iſt zwiſchen uns und ihnen kein Streit; Aber da liegt der Hund begraben. Viel anders ſieht es mit ihrer Lehre von den Heiligen und Jungfer Maria aus. Wir unſeres Ortes / wenn Paulus vom Seeligmachen redet / erklaͤren es nicht vom verdienſtlichen ſee - ligmachen / welches JEſu CHriſto allein zukommt / ſondern daß Timo - theus als ein Werckzeug JEſu CHriſti das Evangelium predigende / welches iſt eine Krafft GOttes ſeelig zu machen alle die daran glaͤuben / Rom. I. 16. ſeelig mache / nicht aus ſich und ſeinem Vermoͤgen / ſondern durch das gepredigte Wort. Lehrer ſind Haußhalter uͤber GOttes Geheimniſſe 1. Cor. IV. 1. Wenn ſie nun das Wort vortragen / und es die Menſchen an - nehmen / glauben und alſo ſeelig werden / haben ſie wohl organicè als Werck - zeuge GOttes gehandelt / aber aus eigenen Kraͤfften ſelbſt es nicht gethan. Paulus ſagt demnach von ſolcher Weiſe / Timotheus werde ſeelig machen / und zwar

2) Sich ſelbſt und die Jhn hoͤren. Sich ſelbſt. Denn indem Timotbeus das Wort vor ſich ſelbſt glaͤubig ergriff / ſich daran hielte und be - harrete / ſo wurde er ſeelig; Die ſeeligmachende Krafft des Goͤttlichen Wortes fande ſich bey ihm / denn indem er ſich das Wort applicir te und zu eigen machte / brachte es ſolche ſeelige Frucht. Aber auch bey denen die ihn hoͤreten. Denn weil auch ſie das von Timotheo gepredigte Wort hoͤreten / es annahmen / und ſich deſſen troͤſteten / ſo wurden auch ſie dadurch aus dem ſũndlichen Elend und Verdammnis heraus geriſſen und hingegen der See - ligkeit theilhafftig / wie Jacobus c. I. 21. ſagt: Nehmet das Wort an mit Sanfftmuth / das in euch gepflantzet iſt / welches kan eure Seelen ſee - lig machen. Und Chriſtus ſelbſt Luc. Xl. 28. Seelig ſind die GOttes Wort hoͤren und bewahren. O iſt das nicht ſeelige Frucht? iſt das nicht ſonderbahre Verheiſſung / welche alle Lehrer und Zuhoͤrer reitzen und lo - cken ſolte? Und dieſe hat auch unſern ſeeligen Herrn Rector HoffmannenCange -18Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenangetrieben / ſeiner ſelbſt und die ihn hoͤreten wahrzunehmen. Denn was Paulus ſeinem Timotheo / und uns / die wir im Lehr-Ambt an denen Ge - meinden ſtehen / hiermit anzeiget / daß gehet auch in ſeiner Maße die in de - nen Schulen Lehrende an; in dem was wir an denen geſambten Zuhoͤrern aus allen Staͤnden / Geſchlechte und Alter thun muͤſſen / ſie inſonderheit an der Jugend zu verrichten haben. Gewiß genug ſollen ſie dieſelbe nicht allein zu Wiſſenſchafften anfuͤhren / ſondern auch und allermeiſt zu lebendiger Got - tesſurcht und gottſeeligem Wandel. Lautets in denen Schul-Legibus un - ter andern: Qui proficit in literis & deficit in moribus, plus deficit quam proficit. Wer zunimmt in Wiſſenſchafften / und abnimmt an guten Sitten / der nimmt mehr ab als daß er zunehme: ſo muß die liebe Jugend wohl allermeiſt zu gottſeeligen Sitten und Wandel angefuͤhret werden / da - mit ſie nicht allein hier wohl lebe / ſondern auch dereinſt ewig ſeelig werde. Schul-Lehrer muͤſſen demnach darauf bedacht ſeyn. Unſer ſeeliger Herr Rector Hoffmann hat / wie ſchon vorhin angefuͤhret / ruͤhmlichen Fleiß an - gewendet / daß Er die die ſtudierende Jugend nicht nur gelehrt / ſondern auch fromm und ſeelig machte. Demnach hatte Er Acht auf ſich und ſeine Lehre; Acht auf ſeine Untergebene / die ihn hoͤreten. Dahin gieng ſein Gebeth und Flehen zu GOtt / dahin ſeine Arbeit und Bemuͤhung / das bezeugete Er ge - gen uns Diener GOttes / und andere / daruͤber ſatzte Er ſeine Kraͤffte und endlich ſein Leben zu. Dencket ihr / die ihr ihn vorher / und doch zu guter letzt kaum 48. Stunden vor ſeinem ſeeligen Ende / am Tage da ihr des A - bendmahls theilhafftig worden / am lieben Michaels-Feſte / nach der Nach - mittags-Predigt / zu guter letzt / gegen Abend / von Jhm gehoͤret: Denn das waren ſeine letzten Worte an euch. Jch meines Orts habe demnach ſeinen Leichen-Text, nicht wie ich wohl billich geſolt / als ſein Cordial, hertzlichen Troſt / Freude und Beruhigung ſeiner Seelen / ſondern nach Gelegenheit unſererWorte vielmehr unter dieſem Vortrage euch fuͤr Augen legen wollen Den / Sich und die Jhn hoͤren / ſeelig zu machen bemuͤheten Schul-Lehrer.

Da19ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer.

Da wir I. Die Perſonen welche II. Die Lehre mit welcher III. Die Application durch welche

  • Nun hilff uns HErr den Dienern dein / die mit deinem theuren Blut erloͤſet ſeyn / laß uns im Himmel haben Theil / mit den Hei - ligen im ewigen Heyl. Hilff deinem Volck HErr JESU CHRJST / und ſeegne / was dein Erbtheil iſt. Wart und pfleg ihr zu aller Zeit / und heb ſie hoch in Ewigkeit.

1. WEr ſind die Perſonen / ſo ſeelig zu machenMuͤhe angewendet wird? Schul-Lehrer und ihre Un - tergebene Jugend habe ich vor mir / die ich aber nicht ih - rem eigentlichen Zuſtande nach / ſonſten ich viel von Schul - Lehrern und der Studierenden Jugend zu ſagen haͤtte / ſon - dern nach Gelegenheit des Textes als ſuͤndigende / und die zur Seeligkeit zubereitet werden ſollen / zu beſchreiben habe. Ob jemand ſuͤndiget ſagt St[.]Johannes. Was ſuͤndigen ſey iſt wohl bekannt genung dem Verſtande nach / obwohl der Herleitung und dem Buchſtaben nach es eben ſo verſtaͤnd - lich nicht iſt / wie es in unſer deutſchen Sprache gehet. Jm Griechiſchen ſteht ἁμαρτάνει, welches Wort man aus dem Hebraͤiſchen(22)vid. Martin. Lex. Philol. ſub voce Pecco ſcribentis, Grecum αμαρτάνω (ex inuſitato ἁμαρτέω) ducamus ex〈…〉〈…〉 ſic Paſor in Lex. herleiten will / und ein rebelli ren / Auffwieglerey nach dem〈…〉〈…〉 draus machet / wie denn die Suͤnde wohl ſreylich nichts anders als eine Rebellerey gegen GOtt / ſowohl in unſern erſten Eltern / als in uns allen: Theils aus dem Griechi - ſch[e]n / und entweder ein abirren von dem Zwecke /(23)Vid. Leigh Critic. S. qui. in margine ad vocem in ἁμαρτάνω. Componitur e parti - cula privativa a & verbo μαρϖτειν ſcopum præfixum eſſe qui & attingere. Hinc Theologi Metaphoricè (eſt enim Metaphora deſumpta a ſclopetariis ad ſcopum col - limantibus) utuntur ea voce pro eo quod fit contra Legem DEi. Alſted in Lexic. Theol. wie denn allerdings dieC 2Suͤnde20Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenSuͤnde eine Abirrung von dem was GOtt vorgeſchrieben. Sie iſt ἀνομια ohne das ja wider das Geſetze / 1. Joh. III, 4. oder ein rechtes ſchicken in die Zeit und Ort /(24)ab ἄμα & ἄρω non peccant homines niſi apto loco & opportuno tempore vid. Schrevelin Lex. ſub ἁμαρτὰνω. denn ſo machts der Suͤnder / er weiß ſich gar ſeine in alles zu ſchicken. Die Perſonen ſiehet und findet er bald / und Satan weiß ſie demſelben bald an die Hand zu fuͤhren / den Ort und Zeit weiß er auch wohl in acht zu nehmen. Es iſt finſter um mich / und die Waͤnde ver - bergen mich / daß mich niemand ſiehet / Sir. XXIII, 27. Wenn wir die Heilige Schrifft anſehen / wird es von allerley Suͤnden gebrauchet. (25.)vid. Leigh CriticaS. loco cit. ſub ἁμαρτάνω.Hier an dieſem Orte kan man in Abſicht der Conne xion oder Zuſammenhen - gung des Textes gar leichte mercken welcherley Suͤnde Johannes meyne. Er ſagte im vorhergehenden: Meine Kindlein ſolches ſchreibe ich Euch / daß ihr nicht ſuͤndiget / und ob jemand / ſetzt er in unſerm Worten dazu /) ſuͤndiget / etc. Da denn von denen Auslegern(26)Vide Eſtium vel potius Continuatorem Eſtii, Bartholom. Petri (qui teſte Va - lerio Andrea Deſſelt IC in Bibliotheca Belgica, ea propter quod Eſtius labori immortuus, Auctarium in Epiſtolas Canon. Joh. adjecit) in argumento Epi - ſtolæ p. m. 1246. it. S. Schmid Commentar. in 1. Joh. p. 125. &c. recht bemercket wird / Johannes habe dieſe Epiſtel zu der Zeit geſchrieben / da die Ebioniten und Cerinthianer / und andere / ſo denen Novatianern den Weeg ge - bahnet / die Kirche Chriſti verunruhiget. Weil nun unter denenfuͤr - nehmſten Jrrlehren dieſer Leute auch dieſe war: Das Geſetz koͤnne nicht allein / ſondern muͤſſe auch von denen Wiedergebohrnen erfuͤl - let werden / alſo / daß ſie gantz heilig ſeyn / und wo einer ſuͤndige / er keine Vergebung zu gewarten habe / womit denn zugleich auch CHriſti Verdienſt von ihnen zernichtet wurde / ſo wolle der Apoſtel Johannes die Leute von ſolcher Leute Gemeinſchafft abhalten / und die etwa mit ihnen in ſol - cher Einbildung zu ſuͤndigen angefangen / zuruͤcke ruffen / und zugleich den Troſt einſprechen / daß wo ſie etwa alſo geſuͤndiget / deswegen nicht verzagen folten / weil wir ja einen Fuͤrbitter bey GOtt / der fuͤr unſere und der gantzen Welt Suͤnde bezahlet und genung gethan habe / wo wir nur unſere Suͤndebe -21ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. bekennen / und zu ihm uns wenden wollen. Jch will es mit den Worten des theuren Sebaſt. Schmidts / und zwar wie ſie in Deutſcher Uberſetzung lauten / ausreden: Meine Kindlein / ſolches / von der Reinigung unſerer Suͤnden durch das Blut Chriſti / derer wir alle beduͤrffen / und wel - che wir bey der ernſtlichen Bekaͤntnis unſerer Suͤnden erlangen / ſchreibe ich Euch / auff das ihr nicht groͤblich ſuͤndiget wider Chriſtum / und ſein Verdienſt / mit den verfuͤhriſchen Menſchen die da ſagen: daß wir nach der Tauffe gar keine Suͤnde mehr haben; ja auch / ſo wir nach der Tauffe von neuen ſuͤndigen / ſey keine Ver - gebung weiter zu erlangen: Und ſo jemand unter Euch etwa alſo bis - her / oder hernach ſuͤndiget / entweder daß er ſich ſelbſt hierinn hat betrogen / oder aber von falſchen Lehrern verfuͤhret iſt / den ermah - ne ich / daß er ſeinen Jrrthum erkenne und bekenne / damit er ihm ver - vergeben werde / welches wohl geſchehen kan / denn zufoͤrderſt wir wiedergebohren / haben einen Fuͤrſprecher / etc. Dieſe Bemerckung aber von welcherley Suͤnden Johannes hier rede / iſt uns gar noͤthig; denn es hat Piſcator(27)Sic enim in Comment. in N. T. Edit. in fol. p. 769. Per Prolepſin contra la - pſus quotidianos ex infirmitate oriri ſolitos, ipſos conſolatur a Patrocinio Chriſti Melius Cornelii a Lapide qui h. l. poſtquam ſcripſerat, quid facietis qui ex humana fragilitate in peccatum aliquod lapſus eſt, ſtatim addit, præſertim enorme vid. p. 440. und einige andere / durchs ſuͤndigen an dieſem Orte / die taͤglichen und Schwachheits-Suͤnden verſtehen wollen; da ſie aber gar unrecht daran ſind. Denn weil durch die Connexion und Zuſammenhen - gung des Textes erwieſen / daß Johannes ſolche Suͤnden anfuͤhre / die nicht etwa geringe / ſondern grob / die nicht aus Schwachheit / ſondern aus gro - ben Stoltze (zum wenigſten bey den meiſten / wo man ja noch zugeben wolte / welches doch ſchwer / daß einige aus Ubereilung und Uberredung in ſolche ſtoltze Einbildung gerathen / als koͤnne man das Geſetz erfuͤllen / und nach der Tauffe ohne grobe Suͤnde leben / ſonſten keine Vergebung zu gewarten) ſo iſt ja Piſcatoris und anderer / die es blos von Schwachheits-Suͤnden ver - ſtanden / ihr Vorgeben nichts; folglich weil Johannes grobe Suͤnden an - gefuͤhret / wir auch im Worte ſuͤndigen allerley Suͤnden / ſie heiſſen / wie ſieC 3wollen /22Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenwollen / ſo gar auch grobe muthwillige Suͤnden verſtehen koͤnnen / als von denen auch insgeſambt der Apoſtel in vorhergehenden erſten Capitel geredet hatte v. 7. Das Blut JEſu CHriſti macht uns rein von allen Suͤn - den / und v. 9. So wir unſere Suͤnde bekennen / daß alſo kein Suͤnder zu verzagen / wo er nur ſeine Suͤnde bekennen / und zum Blute JEſu Chri - ſti ſich halten will / welches aber muthwilligen Suͤndern nicht Thuͤr und Thor auffmachen heiſt. Denn man redet hier nicht von dem was einer kuͤnſt - lich thun will / ſondern was er gethan hat / und was er in der Suͤnden-Noth und Angſt fuͤr Weg und Mittel ergreiffen ſoll. Wie es denn im Griechi - ſchen auch lautet / und ſo jemand geſuͤndiget ἐαν τις ἁμάρτη ſiquis peccaverit. Wiewohl wir gleichwohl dabey niemanden wegen des Kuͤnſtlichen ausſchlieſ - ſen doͤrffen / ſondern es dabey bleibet / ſo jemand geſuͤndiget hat / oder noch hinkuͤnfftig ſuͤndigen moͤchte. 28)vid. Spener uͤber I. Epiſt. St. Joh. h. l. p. 52.Wie nun alle Menſchen Suͤnder ſind und ſuͤndigen / ſo ſind Schul-Lehrer und ihre Zuhoͤrer der ſtudierenden Ju - gend freylich auch in dieſer Zahl. Was Paulus ſagt: Wir ſind allzu - mahl Suͤnder Rom. III. 21. Ja Chriſtus ſelbſt / was von Fleiſch geboh - ren wird / das iſt Fleiſch Joh. lll. Davon koͤnnen ſie ſich nicht ausſchlieſ - ſen. Præceptores oder Schul-Lehrer lehren wohl das zarte Alter Excipe ab hac regula. Aber von der allgemeinen Propoſition, Omnis homo eſt peccator, koͤnnen ſie weder ſich ſelbſt noch ihre untergebene Jugend ausneh - men. O ein groſſer Jammer / den Lehrer wohl erkennen / o daß nur die ſtu - dierende Jugend es erkennen wolte / als die mehrentheils zu nichts ſchwerers zu bringen / als zur Erkaͤntnis der Suͤnden. Und ich weiß nicht wohin ich dieſe Worte ziehe / oder wem ich ſie zuſchreiben ſolle. Das allzugroſſe Verderbnis iſt wohl da. Jch halte aber / daß Eltern und Lehrer ihr Un - fleiß vieles dabey zutrage / als die nicht mit ſteter Vorſtellung derer Maͤngel und Suͤnden die Ohren / Augen und Hertz eroͤffnen / alſo die Suͤnde nicht nur da ſeyn / ſondern auch noch immer weiter wachſen und bekleiben laſſen. Es iſt wohl nicht ein Acker / auf welchen nicht Unkraut wachſen ſolte / aber der Hauß-Vater und Hauß-Mutter thun nicht als ſeben ſie nichts / ſondern laſ - ſen das Unkraut aus dem Weitzen / Flachs und andern ausjaͤten. Dasſuͤndliche23ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. ſuͤndliche Unkraut ſolte nicht verſchonet / ſondern heraus geriſſen werden. Es ſolten demnach Lehrer / ſo ihre Untergebene ſeelig machen wollen / ſtetige Vorſtellungen von den Suͤnden thun. Was Bernhardus ſaget: Parum eſt ſemel putaſſe, ſæpe putandum eſt, imo ſi fieri poteſt ſemper, quia ſemper quod putari oporteat, ſi non diſſimiles invenias. Einmahl beſchneiden iſt gar wenig / man muß offters beſchneiden, ja / ſo es moͤg - lich iſt / weil immer was zu heſchneiden da iſt / wo wirs nur nicht ver - heelen wollen. Das iſt in Wahrheit von Vorſtellung der Suͤnden wahr. Jmmer muß erinnert werden / was vor Elend / Gebrechen / Maͤngel / Suͤnde uns anklebe / wie ſo leicht es geſchehen / das wir ſuͤndigen koͤnten; ja ſtetige Vorſtellung / daß wir ſo viele wuͤrckliche Suͤnden und Gebrechen an uns haben. Denn iſt die Erkaͤntnis der Suͤnden der Anfang zurGnade / Jerem. lll. 12. 13. Kehre wieder du abtruͤnnigs Jſrael / ſo will ich mein Angeſicht nicht gegen dir verſtellen. Denn ich bin barmhertzig / ſpricht der HERR / und will nicht ewiglich zuͤrnen / allein NB. erkenne deine Miſſethat / daß du wieder den HERREN deinen GOtt geſuͤndiget haſt; und Bernhardus: Cognitio Peccati primus eſt ad Pœnitentiam Gradus. Die Erkaͤntnis der Suͤnden iſt die erſte Stuffe zur Buſſe. Wie die Erkaͤntnis der Kranckheit die erſte Stuffe iſt zur Geſundheit zu gelangen. So muß denn fleißige Vor - ſtellung geſchehen / die Jugend ſolche willig und gerne annehmen. Was Jacobus c. I. ſagt: Nehmet das Wort an mit Sanfimuth / das ge - hoͤret auch hieher / denn: Wer ſich gerne ſtraffen laͤſſet / der wird klug werden / Sprichw. Salomon. XII. 1.

Unſer ſeeliger Herr Rector Hoffmann wie er in ſeinemGeiſte nicht ſo hoffaͤrtig war / daß Er ſeinen angebohrnen Jammer / und die daher ruͤh - rende wuͤrckliche Suͤnden nicht haͤtte erkennen ſollen? O nein. O wie mit ſchmertzlicher Betruͤbnis erkandte Er / was Adams Fall und Miſſethat auf uns alle geerbet. Er brach mit Auguſtino(29)Lib. 50. Hom. 43. Tom. X. wehemuͤthig loß / Pecca - tor ſum vobiscum pectus tundo, vobiscum veniam rogo, vobiscum DEum propitium ſpero. Jch bin ein Suͤnder / mit Euch ſchlage ich anmeine24Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenmeine Bruſt / mit Euch bitte ich um Vergebung der Suͤnden / mit Euch hoffe ich einen gnaͤdigen verſoͤhnten GOtt; Alſo hat Er auch ſeine unterge - bene Jugend zur Erkaͤntnis ihres ſuͤndlichen Elends zu bringen ſich eifrigſt laſſen angelegen ſeyn. Er hatte ſein Ambt kaum angetreten / und ſolte nebſt ſeinen Herren Collegen mit der Studierenden Jugend ſich des Heil. Abend - mahls gebrauchen / und vorher im Beichtſtuhl erſcheinen: Was thate der liebe ſeelige Mann? Seine erſte Arbeit bey der Zubereitung zur Buſſe / war ein Denck-Zettel / darinnen wie auch in denen folgenden / Er auf die Suͤn - den gienge / da Er nun das in oͤffentlichem Drucke thate / kan man leichte ſein Hertz und Arbeit erkennen. Das Hertz und die Meynung war: Die Jugend von den Suͤnden abzuhalten / die Arbeit demnach dieſelbe kraͤfftig gnung vorſtellig zu machen / ſowohl in der Erkaͤntniß als in der Vermeidung.

O daß die Jugend Jhm gefolget / es ſaͤhe mit manches ſeinem Wolh - ſtande beßer aus. Von der Seeligkeit kan ich itzt nicht ſagen / ſoll auch nicht richten / geſchweige denn unzeitiger weiſe richten. Allein es bleibet doch da - bey: Wer ſich nicht erkennt iſt verdorben. Sowohl der Krancke / der es nicht wiſſen will daß er kranck / und alſo das Ubel allmaͤhlig laͤſſet uͤberhand nehmen daß hernach kein Rath mehr iſt / ſondern der Todt Ober-Hand behaͤlt; als auch der Suͤnder / der es nicht wiſſen noch erkennen will / gebet dahin / wie Salomon im Spruͤchen XXVIII, 13. Wer ſeine Miſſethat laͤugnet dem wirds nicht gelingen. Und David bekennet / daß es ihm nicht an - ders wuͤrde gangen ſeyn / der Anfang habe ſich ſchon geaͤuſert. Da ichs wolte verſchweigen / verſchmachteten mir meine Gebeine durch mein taͤglich heulen / denn deine Hand war Tag und Nacht ſchwer auf mir / daß mein Safft vertrocknete / wie es im Sommer duͤrre wird / Se - la. Darum bekenne ich dir meine Suͤnde / und verheele meine Miſ - ſethat nicht. Demnach wohl denen die Jhm gefolget / da Er ihnen das ſuͤndliche Elend vorgeſtellet / ſie zur Erkaͤntnis ihrer ſelbſt / nnd alſo zur Seeligkeit zu lencken / bemuͤhet geweſen.

Sie / Hochbekuͤmmerte Frau Wittwe / mit denen ſchmertzlich be - truͤbten geliebten Kindern / wolte ich lieber mit Stillſchweigen uͤbergehen / denn mich deucht Sie ſehe ohne dem mehr als zu traurig in dieſes ſuͤndlicheElend25ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. Elend / mich bedeucht Sie mache ſich ohne dem ſchon mehr als zu ſchwere Gedancken uͤber dieſem Worte: Ob jemand ſuͤndiget. Hat mein Ge - liebter Ehe-Herr / (heiſt es ſonder Zweiffel /) gleich ſeine Suͤnden gnung er - kannt / und in ſeinem Ambte mit denen Untergebenen gewiſſenhafftig gnug verfahren / ſo habe doch Jch und meine Kinder / und wir Leidtragende aller - ſeits / uns theils an GOTT viel und ſchwer vergriffen / theils dieſe unſere Suͤnden vielleicht nicht gnungſam erkannt / bekannt / und Gnade geſuchet / ſo / daß dahero der liebe GOtt im Zorne uͤber unſere Suͤnden uns den lieben ſeeligen Ehe-Herrn und liebreichen Herrn Vater entriſſen / und zwar vor der Zeit / da Er uns zu Troſt und Freude noch laͤnger haͤtte leben koͤnnen / le - ben ſollen: Wir alſo ſo geſchwinde zu Witwen und Wayſen worden / die wir aus dem Leben des ſeeligen Herrn noch Suͤßigkeit und Vergnuͤgung / noch Verſorgung / und ſowohl eheliche als vaͤterliche Liebe und Gewogen - heit haͤtten genießen ſollen. Es iſt dis freylich ein kuͤmmerlicher Scrupel, den ſich unſer Fleiſch und Blut / zumahlen bey eingebildeten fruͤhzeitigem Tode machet. Aber wir muͤſſen nicht das Eingeben unſers verderbten Flei - ſches und Blutes hoͤren / ſondern das Wort GOttes. Das weiſet ja / daß nicht allein Fromme / fondern auch den Frommen die Jhrigen ſterben / ja manchmahl ihrer Einbildung nach / fruͤhzeitig wegſterben. Heilige Leute werden auffgerafft / und niemand achtet darauf / denn die Gerech - ten werden weggerafft fuͤr dem Ungluͤck / und die richtig fuͤr ſich ge - wandelt haben kommen zum Friede. Eſ. LVII, 2.

So ſterben ja auch denen Frommen die Jhrigen / dem gerechten A - braham ſeine Sarah / dem Ezechiel ſeiner Augen Luſt / der Wittwen zu Nain ihr Sohn / etc. Und zwar der Einbildung nach viel zu fruͤhzeitig / wie der Meiſter des Buchs der Weißheit c. IV, 1. ſpricht: Der Gerechte / ob er gleich zu zeitlich ſtirbt / alſo dem Jacob ſeine geliebte Rahel viel zu fruͤhzei - tig / dem Jacob ſein Sohn Joſeph / der Uberredung nach: Als habe ihn ein wildes Thier zerriſſen und gefreßen. Da nun hier keines / welches etwa um Gottloſigkeit willen waͤre dahingeriſſen worden / denn ob ſie wohl nicht ohne Suͤnden / waren ſie doch nicht in groben unerkannten Suͤnden / undDdoch26Der ſich ſelbſt und die ihn hoͤrendoch GOtt ſterben laſſen / und durch den Todt betruͤbet / warum wollenSie ſich / Hochbetruͤbte Frau Wittwe mit denen Jhrigen in ſolchen unzeitigen Gedancken verwickeln. Wir erkennen unſere Suͤnde / wiſſen aber / daß da wir in hertzlicher Buße unſere Suͤnde bekennen / wir Gnade haben in Chri - ſto JEſu / welches im Leichen-Texte die Lehre iſt / die wir nunmehro vor uns zu nehmen: Sintemahlen nicht genug iſt / das Elend und Suͤnde zu ſelbſt erkennen / und ſich darzu anleiten laßen / es muß auch darwider gebuͤh - rende Anweiſung geſchehen / wie man aus denſelben heraus kommen moͤge. Alſo bleiben Lehrer nicht auf der erſten Stuffe ſtehen / ſondern gehen fort ſich / und die ſo ſie hoͤren / ſeelig zu machen. Und da iſt demnach

II. Die Lehre / mit welcher ſie es verrichten. Nun haben Schul-Lehrer mancherley ihrer untergebenen Jugend fuͤrzutragen / allein wenn es auf die Seeligkeit ankommt / ſo iſt da wohl keine andere / als die von Chriſto JEſu. Denn weil der liebe Petrus ſagt: Es iſt in keinem an - dern Heyl / iſt auch kein anderer Nahme den Menſchen gegeben / dar - innen ſie ſollen ſeelig werden / Apoſtel-Geſch 4. 11. 12. JEſus ſelber: Das iſt das ewige Leben / daß ſie dich / daß du allen wahrer GOtt biſt / und JEſum Chriſtum erkennen / Joh. XVII. 3. So muͤſſen wohlSchul - Lehrer bey dieſer Lehre bleiben / und ihre untergebene Jugend in derſelben un - terrichten zur Seeligkeit. Wie nun in Heiliger Schrifft bald das / bald je - nes Stuͤck von Chriſto JEſu vorgetragen wird / alſo hat Johannes an die - ſem Orthe ſonderlich die beyden Stuͤcke ſeines Mittler-Ambts die Fuͤrbitte und Verſoͤhnung. Die Verſoͤhnung zuletzt ſetzende / ob ſie wohl der Grund der Fuͤrbitte / und alſo vorher ſtehen ſolte / worinnen / weil es ſeine Abſicht alſo mitbrachte / wer ihm ſolgen wollen / ohne nur / daß wir die Perſon / ſo in der Mitten ſteht / zuerſt anſehen. Demnach

A) Wer iſts von dem gelehret hier und geredet wird? CHriſtus JEſus / der gerecht iſt. So haben wir einen Fuͤrſprecher bey dem Vater / JEſum Chriſtum / der gerecht iſt. 1) Die Nahmen ſind JEſus Chriſt / bey denen wir uns wohl nicht aufzuhalten. Denn es iſt oh - ne dem bekant / daß JESUS einen Seeligmacher bedeute / nach des En -gels27ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. gels Erklaͤrung / des Nahmen ſolt du JEſus heiſſen / denn er wird ſein Volck ſeelig machen von ihren Suͤnden / Matth. I. 21. Chriſtus aber ſo viel heiſſe als einen Geſalbten / daß er geſalbet worden zu unſern Lehrer / zu unſern Hohenprieſter und Koͤnige; worinnen ſein dreyſaches Ambt beſte - het / davon anderwerts geredet wird. Wir / um beliebter Kuͤrtze willen / uns damit nicht aufhalten.

2) Darnach ſagt Johannes: Der gerecht iſt. Einige haben das hier ſtehende Wort δικαιος fromm gegeben / weil es von denen beyden Joſeph gebraucht wird / von Joſeph dem Braͤutigam Maria: Joſeph aber ihr Mann / dieweil er fromm war / Matth. I. 19. Von Joſeph dem Raths - Herrn / Luc. XXIII. 50. Und ſiehe / ein Mann mit Nahmen Joſeph / ein Raths-Herr / der war gut und fromm. Aber warum ſolten wir hier die gewoͤhnliche Bedeutung / da es einen Gerechten bedeutet / an die Seite ſetzen / da es uns die ſchoͤnſte Erklaͤrung giebt; Als da der liebe HErr JEſus Chriſtus uns beſchrieben wird / der nicht nur an ſich ſelbſt und ſeiner Natur nach gerecht / ſondern auch uns zu gute / unſere Gerechtigkeit / ja auch als ein gerechter Fuͤrſprecher und Advocat, der mit ſeiner Gerechtigkeit uns bey dem Vater ausſoͤhnet /30)vid. S. Schmid hl. p. 131 in fine. wie hier der Paͤbſtliche Commentator Juſtinianus gar wohl angemercket. 31)Verba ejus vid. ap. S. Schmid. lc. Es ware allerdings Noth / daß er nicht alleine fromm / ſondern auch gerecht / ja die Gerechtigkeit ſelber / da er uns bey dem Vater ausſoͤhnen wolte / und unſerthalben als Fuͤrſprecher vor denſelben treten. Wer ſelber arm und ein Bettler / wie ſoll er vor andere bezahlen; oder wer ſelber laſterhafft / wie mag er Ubelthaͤter ausſoͤhnen und vertreten. Drum ſagt Eſaias von unſerm JEſu / wenn er ſein Leyden be - ſchreibet: Wiewohl er niemand unrecht gethan hat / noch Betrug in ſeinem Munde geweſen iſt. c. Llll. 10. Nechſt dieſen nun muͤſſen wir

B) Auf dieſes Mittlers ſein Thun ſehen / da ſagt Johannes: Wir haben einen Fuͤrſprecher an dem Vater / welcher / ſo die Verſoͤh - nung ꝛc. 1) Einen Fuͤrſprecher. Das hier ſtehende Griechiſche Wort παράκλητος hat Lutherus anderwerts / wenn es von dem Heiligen GeiſteD 2vier28Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenviermahl nach einander gebrauchet ſtehet / Troͤſter / hier aber Fuͤrſprecher / gegegeben / worinnen er die Ausleger faſt durchgehends fuͤr ſich und ihm gleichſtimmig hat / ohne daß der Griechiſche Lehrer Gregorius Nazianzenus32)Verba ejus vid. ap. Eſtium p. 1254. it. S. Schmid. h. l. Das Wort παράκλητος von einem Ermahnen hat erklaͤren wollen / wor - an man ſich hier nicht kehret / indem die Sache viel anders ausſiehet / als daß man mit einem Monitore oder Exhortatore Erinner / Ermahner fortkom - men ſolte / Richt-Sprecher oder Advocat. 33)vid. Er. Schmid. l. c. ad Marc. l 40. ubi verbi παρακαλε῀ιν diverſos ſignifica - tus prolixe exponit, & poſtquam ibi primo loco adduxerat, ſignificare idem ac ad me voco, zu ſich ruffen / zu ſich fordern. Act. 28, 20. pergit ſecundo, in pa - trocinium advoco, patrocinium imploro, patrocinium expeto. Æſchin. Δημοσ ϑένη παρακαλεῖ, Demoſthenis patrocinium exoret. Quod ſignificatum (addens) etfi〈…〉〈…〉 n N. T. non reperitur, Verbale tamen inde deductum aliquo - ties datur, &c. Denn weil πᾶρακαλε῀ ιν ſo viel als einen zu ſeinen Beyſtand und Fuͤrſprecher erbitten heiſt / ſo iſt παρά - κλητος wohl ein ſolcher Fuͤrbitter / Fuͤrſprecher / und wie wir insgemein re - den Advocat, der ſich eines fuͤr Gerichten annimmt / und ihm ſeine Sache fuͤhret34)Walæus equidem Comment. in Nov. Teſt. p. m. 956. b occaſione loci, Joh. XIV, 16. ubi Spiritus S. παράκλητος dicitur, contra Doctiſſ. Interpretem diſputans negat ταρά κλητον proprie Advocatum denotare ſcribens; παρακλητος eſt vox Attica, qua ſignificantur illi, quos in periculo accerſimus, ut nobis adſint conſilio, qui iidem Advocati propterea dicuntur Latine, etiamſi non litigent inforo noſtro nomine. Itaque παράκλητος Lingua Græca, & Ad - vocatus Latina, non ſignificant proprie Deprecatorem, ſed eum cujus conſilium requirimus in re difficili. Quam ejus ſententiam ſuo relinquimus loco, cum ſatis nobis ſit ipſum Bald. Walæum eodem loco ſtatim ſubjicere: Verum qui - dem illud eſt, quod per Accidens idem Advocatus & Deprecator eſt, quomodo Chriſtus Dominus noſter dicitur παράκλητος 1. Joh. II, 1. Sic n. ipſe concedit Chriſtum eſſe noſtrum deprecatorem. Interim ſi cui volupe eſt communis ſententiæ quod παράκλητος proprie Advocatum ſignificet, teſtimonia ex AA. & DDb. c. GræcisLatinis Hebræis in hanc rem collecta legere adeat Olear. Diſp. Theol. in h. l. de Advocatione Chriſti &c. nec non Carpz. Svic. Theſ. quos citat M. Burger in Con〈…〉〈…〉. lugebri Dn. Blumbergs Conſul Nivemontan. 137. Eines ſolchen aber haͤtten wir noͤthig.

Unſere29ſeelig zu machen bemuͤhete Schul Lehrer.

Unſere Sache war ſehr ſchlimm. Wie boͤſe wir uns verhalten / und weſch ein ſchlecht Urtheil darauf gehoͤret haͤtte / zeiget Johannes ſelbſt genug - ſam an / wenn er ſaget: Ob jemand ſuͤndiget / und zwar wie geſaget / nicht etwa aus Schwachheit / ſondern durch ſolche falſche Einbildung / und ſo hoch - muͤthig / wie vorhin aus der Connexion gewieſen / folglich ſonſten mit gro - ben Suͤnden ſich an GOtt vergriffen; Worauff denn wohl freylich kein an - der Urtheil folgen konte / als zu dem wir uns ſelbſt in unſerm Catechiſmo be - kennen; Was haft du mit deinen Suͤnden bey GOtt verdienet? Ant - wort. Seinen Zorn und Ungnade / zeitlichen Tod und ewige Ver - dammniß. Hier war nun ein Fuͤrſprecher und Advocat noͤthig / wo es nicht uͤbel ablauffen ſolte. Den zeiget uns aber Johannes an dem HErrn JEſu Chriſto. Wir haben einen Fuͤrſprecher / alſo einen der ſich unſer annehme / und bey dem himmliſchen Vater uns vertrete / fuͤr uns bitte. Da - bey fraget ſichs nun unter den Theologen, wie denn der HErr JEſus uns bey dem Vater vertrete? Einige ſind dahin verfallen / daß ſie gelehret / es geſchehe nicht eigentlich durch Bitte / ſondern allein durch Vorſtellung ſeines Verdienſtes / da er dem himmliſchen Vater ſein Verdienſt uns zu gute vor - halte. Alleine da der Buchſtabe ſo klar / nicht alleine an unſern Orthe: Wir haben einen Fuͤrſprecher; ſondern auch zum Roͤmern am 8. 34. Er iſt zur Rechten GOttes / und vertritt uns / und Hebr VII. 24. 25. Dieſer aber darum / das er bleibet ewiglich / hat er ein unvergaͤnglich Prieſter thum / daher er auch ſeelig machen kan immerdar / die durch ihn zu GOtt kommen / und lebet immerdar / und bittet fuͤr ſie. Warum ſolten wir denn den Buch - ſtaben in Zweiffel ziehen. Die unzeitige Furcht / als gienge dieſe eigentliche Fuͤrbitte dem Stande der Erhoͤhung zu nahe / und ſey ihm verkleinerlich / iſt vergebens. Denn man bilde ſich dieſelbe nur recht ein: Nicht etwan als ei - nes der die Knie beuget / die Haͤnde auffbebet / und mit erbaͤrmlicher Stim - me bittet und flehet; Dergleichen JEſus unſer Heyland im Stande der Erniedrigung unſertwegen gethan / da er / ich will des vorhergehendenLe - bens nicht gedencken / ſondern nur bey ſeinem Leyden bleiben / niederkniet und betet / Luc. XXII. 4. oder wie Marcus XIV. 34. fiel auf die Erden und betet / oder wie Matth. XXVI. 39. fiel nieder auf ſein Angeſicht und betet. D 3Davon30Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenDavon auch Paulus Hebr V. 7. ſagt: Und er hat am Tage ſeines Fleiſches Gebeth und Flehen mit ſtarckem Geſchrey und Thraͤnen geopffert / (welches wir in ſeinem Leben vorher alſo ſonderlich auch in ſeinem Leiden ge - ſchehen /35)Licet enim quidam de tempore paſſionis id explicent, certiori tamen funda - mento nititur explicatio, qua totum Exinantionis tempus ſub diebus carnis in - telligit vid. S. Schmid. Comm. in Hebr. p. 570. Gerhardi Comm. hl. p. 105. Calov. Bibl. Illuſtr. p. 1225. al. ) zu dem der ihm von den Todten konte aushelffen. Sol - che Erniedrigung / die ihm im Stande der Erhoͤhung nicht zukommet / auch nicht noͤhtig iſt. Denn er iſt durch ſein eigen Blut einmahl in das Heilige eingegangen / und hat eine ewige Erloͤſung erfunden, Hebr. IX. 13. Laſſe man weg / im uͤbrigen aber / weil die Apoſtel alle beyde ſo klar und deutlich reden / ja Paulus Hebr. IX. 24. noch dazu ſagt / nun NB. nun zu erſcheinen fuͤr dem Angeſichte GOttes fuͤr uns / weil es eine Erſchei - nung zur Fuͤrbitte anzeiget /36)vid. S. Schmid. hl. pag. 75. alios. ſo hatte man es fuͤr ein wahrbaftiges vertre - ten und bitten fuͤr uns. Koͤnnen wir die eigentlichen Worte in dieſer Schwach - heit nicht wiſſen / je genug / daß wir die Sache in deutlichen Worten haben / nehmlich / da er nicht nur ſein Verdienſt dem himmliſchen Vater fũrhaͤlt / ſondern auch ſeine Fuͤrbitte dabey fuͤr uns einleget / und uns Gnade zuwege bringet. Und ſolches vertreten / bitten und Fuͤrſpruch thun / iſt ſeinem Stande der Erhoͤhung nicht zuwieder oder ſchmertzlich. Denn da es im gemeinen Leben nicht nur vielmahl geſchicht / daß ein groſſer Herr eineFuͤr - bitte fuͤr einen bey einem andern einlegt / ſondern auch wohl der Groͤſſere bey einem der geringer iſt denn er / und ihm doch das keineSchande oder ſei - ner Hoheit verringerlich iſt: Je fo wird es Chriſto der zur rechten Hand GOttes ſitzet / keine Schande / noch ſeinem Stande der Erhoͤhung verklei - nerlich ſeyn / daß er ſeinen Vater unſertwegen bitte.

β) Und dieſen Vater nennet Johannes: Wir haben einen Fuͤr - ſprecher bey dem Vater. Da nicht Noth / iſt zu ſagen / daß Johannes per - ſonaliter rede / und durch den Vater die erſte Perſon der Gottheit meyne / ſondern nur anzumercken / daß weil der Vater ihn ſelbſt dazu von Ewigkeitalſo31ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. erſehen / ihn auch fuͤr uns dahin gegeben / damit Er uns in Jhm koͤnne gnaͤdig ſeyn / wie Paulus Rom. VIII, 32. ſaget: GOtt hat ſeines eigenen Soh - nes nicht verſchonet / ſondern ihn fuͤr uns alle dahin gegeben / wie ſolt Er uns mit Jhm nicht alles ſchencken? Er nunmehro denſelben gerne hoͤre / wenn er fuͤr uns bittet. Rechſt der Fuͤrbitte ſuͤhret Johannes auch

2) Das andere Stuͤcke an / nemlich die Verſoͤhnung / ſprechend: Und derſelbige iſt die Verſoͤhnung fuͤr unſere Suͤnde / nicht allein aber fuͤr die unſere / ſondern auch fuͤr der gantzen Welt.

O troͤſtliche Lehre! wie ſie denn auch der liebe Johnnnes hier zum aller hoͤchſten Troſte anfuͤhret / denn da jemand etwa ſeine ſchwere Suͤnden haͤtte vorwenden wollen / begegnet Er ihm mit dieſen Worten: welches das Woͤrtlein Und anzeiget / und derſelbige iſt die Verſoͤhnung / als wolte er ſagen: Ob etwa ein Suͤnder ſagen wolte: Ach ich hoͤre das wohl / daß wir einen Fuͤrſprecher bey dem Vater haben / aber meine Suͤnden ſind zu ſchwer / ſo antwortet ihm Johannes / o nein / daran habe ſich kein Suͤnder zu ſtoßen / denn dieſer Fuͤrſprecher ſey die Verſoͤhnung fuͤr unſere und der gantzen Welt Suͤnde(37)vid. Seb. Schmid. hl. p. 134. O wer nun ſowohl Vermoͤgen als Raum haͤtte / denn wo es an einem Orte / ſo mags hier heißen: Si mihi ſint linguæ Centum ſint or aque centum. Doch ich muß in der Enge darein ich geſchloßen bin / von ſo wichtigen Wer - cke wenig ſagen / in der Verſicherung / wenn ich gleich vieles ſagen koͤnnte ſo haͤtte ich doch nur noch das wenigſte beruͤhret. Dort werden wir erſt recht verſtehen / recht reden und preiſen.

1) Derſelbe iſt die Verſoͤhnung fuͤr unſere Suͤnde. Er fuͤh - ret uns nicht einen andern herfuͤr / ach nein / eben derſelbe iſts / der Fuͤrbit - ter iſt der Verfuͤh[r]er. Und es iſt mercklich / daß er nicht ſaget / Verſoͤhner / ſondern gar die Verſoͤhnung / weil er ſich ſelbſt zur Verſoͤhnung dahin gege - ben. Jm Alten Teſtamente muſte der Hoheprieſter am Verſoͤhnungs-Tage mit dem Blute des Verſoͤhn-Opffers in das allerheiligſte eingehen / und ſie[-]benmahl mit ſeinem Fingern vom Blut gegen den Gnadenſtuhl ſprengen / undalſo32Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenalſo das Volck verſoͤhnen / wie 3. Buch Moſe XVI, nach der Laͤnge gewieſen wird. Das war ein Vorbild auf Chriſtum / der mit ſeinem Blut eingehen ſolte in das Allerheiligſte. Jener mit Viehe-Blut / dieſer mit ſeinem eige - nen / wie Paulus ſeinen Hebræern dieſes weitlaͤufftig im 9 und 10. Capitel weiſet. Er muſte ſich alſo GOTT ſelbſt auffopffern / wie Epheſ V, 2. Chriſtus hat uns geliebet / und ſich ſelbſt dargegeben fuͤr uns zur Ga - be und Opffer / GOtt zu einem ſuͤßen Geruch. Und alſo hat er durch ſein Leiden / Blut und Todt uns ausgeſoͤhnet / Eſai LIII, 6. Er iſt um unſer Miſſethat willen verwundet / und um unſrer Suͤnde willen zuſchlagen / die Straffe liegt auf ihn / auff daß wir Friede NB. haͤt - ten / und durch ſeine Wunden ſind wir geheilet. Und da iſt Er nun / Johannes ſagt nicht er iſt geweſen / ſondern Er iſt / damit der / ſo von Suͤn - den geqvaͤlet wird / feſte Verſicherung habe / Er ſey es itzt / Er ſey es ihm / denn Er habe eine ewige Erloͤſung / die immer waͤhret / erfunden / daß / wer nur rechtſchaffen zu ihm trete / finde was er beduͤrffe.

Er kan erretten
Alle die zu Jhm treten

b) Nicht allein aber fuͤr die unſere / ſondern auch der gantzen Welt / nemlich Suͤnden. O erfreuliches Wort! denn wolte eine geaͤng - ſtete Seele ihre Suͤnden vorſchuͤtzen / ſo ſagt Johannes: Er ſey die Verſoͤh - nung fuͤr der gantzen Welt Suͤnde. Je / wo Er denn fuͤr der gantzen Welt Suͤnde genung gethan / ſo hat Er ja fuͤr eines jeden inſonderheit genung ge - than / und darff alſo niemand verzagen / es gehet die Glaͤubigen nicht allein an / ſondern die gantze Welt / wie Johannes der Taͤuffer auch ſagte: Siehe das iſt GOttes Lamm / welches der Welt Suͤnde traͤgt. Joh. I, 29.

Und dieſe weitlaͤufftige Lection von CHriſto JEſu / inſonderheit von ſeiner Fuͤrbitte und Verſoͤhnung / iſt die Lehre / in welcher ein Schul-Lehrer nicht nur fuͤr ſich ſelbſt feſte ſtehen muß / daß Er ſich gegen ſeine Suͤnde damit troͤſte / und alſo ſeelig werde; ſondern auch darzu ſeine Zuhoͤrer anweiſe:Es33ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. Es iſt der Artickel von Chriſto freylich das Hauptſtuͤck unſrer Chriſtlichen Re - ligion / in dem unſere Seeligkeit beſtehet / wie vor beym Anfange dieſes an - dern Stuͤckes aus Chriſti Munde und Petri Nachfolge gewieſen. Muͤſſen demnach Lehrer dieſen JEſum Chriſt den Nahmen und den Wohlthaten nach ihren Zuhoͤrern bekannt machen / inſonderheit deſſen Verſoͤhnung ihnen wohl einfloͤßen / daß ſie erkennen lernen / wie der HErr JEſus fuͤr der gantzen Welt ihre Suͤnden gelitten / ſein Blut vergoßen und geſtorben / wir alſo in Chriſto haben die Erloͤſung durch ſein Blut / nemlich die Verge - bung der Suͤnden / Col. I, v. 14. Und weil die Suͤnde uns immer anklebet / und uns zum Guten traͤge macht. Hebr. XII, 1. Ja wuͤrck - liche / hie und da wohl gar grobe Suͤnden ſich finden / ſo muß die Fuͤrbitte JEſu Chriſti den zarten Hertzen wohl beygebracht werden / damit ſie die Suͤnde hernach nicht uͤberwaͤltige / doch gleichwohl dieſe Lehre mit hertzlicher Verwarnung / daß man nicht auff Gnade ſuͤndigen ſolle / weil wir einen ſolchen Fuͤrſprecher haben / vorgetragen werden / damit man nicht an ſtat eines Lehrers zur Seeligkeit / ein Lehrer der Sicherheit und ewigen Ver - dammnis werde.

Unſer ſeeliger Herr Rector, wenn Er nicht nur in den uͤbrigen Glaubens-Artickeln / ſondern auch abſonderlich in dieſem von JEſu Chri - ſto gelehret war / alſo hat er zu ſeiner Erqvickung / Freude und Troſt / dieſe Worte Johannis ſich erſehen / an denſelben ſich wieder alle Suͤnden-Angſt und Noth gehalten / ſich darmit auffgerichtet: Aber nicht ſich allein / ſon - dern auch die Seinigen / ſonderlich Seine Jhm untergebene Jugend. Wie Er die geſambte Lehre von Chriſto ihnen beyzubringen bemuͤhet geweſen / al - ſo auch dieſen unſern Spruch oder ſeinen Leichen-Text wie denn deßen Æ - rarium Biblicum p. 489. da Er dieſen Spruch nicht nur als hochnoͤthig anfuͤhret / ſondern auch mit geſchickter Erklaͤrung erleutert / Zeuge iſt / daß Er als ein treuer Lehrer vivá voce & litera ſcripta, die Seinigen dar - zu angefuͤhret / und alſo nichts unterlaſſen / was zu ihrer Seeligkeit noͤthig und dienlich.

Sie / hertzlich Leidtragende Frau Witwe / wie auch Sie allerſei -Etige34Der ſich ſelbſt und die ihn hoͤrentige ſchmertzlich betruͤbte Kinder Hr. Sohn / Jungfer Tochter und Jungfer Schweſter / als deren Lehrer / und noch darzu unwuͤrdiger Beicht-Vater ich bin / und ſie alſo ohne dem mit dieſer Troſt vollen Lehre / wie andere / in oͤffentlicher Gemeinde zur Seeligkeit anweiſen muß / werde bey dieſem ſpe - ciöſ en caſu und ſo großen Leidweſen zu keiner andern Lehre leiten und fahren koͤnnen. Denn obwohl die Abſicht des Textes geiſtlich / Jhr Anliegen aber leiblich / ſo muß dennoch die Traurigkeit / ſo der Todt ihres geliebten Ehe - Herrn / Herrn Vaters und Herrn Bruders verurſachet / und ihre Seelen druͤcket / mit dem troͤſtlichen Artickel von JEſu Chriſto ſeiner Verſoͤhnung und Fuͤrbitte zu verſuͤſſen bemuͤhet ſeyn. Sie machten ſich ſonſt thren GOtt mit Hiob als einen der Jhnen verwandelt in einen grauſamen / und der an Sie gelauffen wie ein Gewaltiger / und ſo ferner einbilden / wo nicht die ſuͤßen Worte: Ob jemand ſuͤndiget / ſo haben wir einen Fuͤrſprecher bey dem Vater / welcher iſt die Verſoͤhnung fuͤr unſere und der gan - tzen Welt Suͤnde / Jhnen dieſes aͤngſtliche Sorgen benaͤhme / und lebendi - gen Troſt / auch in ihren leiblichen Aengſten zum Troſt / Schild / ihr in die Haͤn - de gaͤbe. Wollen ihnen bey dieſrn ſchweren Verhaͤngnißt GOttes kuͤm - merliche Gedancken / ihrer Suͤnden halber / beyfallen / und ſie qvaͤlen / ey / dencken Sie an den der die Verſoͤhnung iſt / wie fuͤr der gantzen Welt / alſo auch fuͤr ihre Sunden. Will das große Leid ſie zu Boden werffen / ach ſe - hen ſie doch die Fuͤrbitte JEſu Chriſti inniglich an. Ach der fur uns bittet im Geiſtlichen als dem Groͤſten / wird ja im Gerinſtgen / im leiblichen nicht auffhoͤren zu bitten.

III. Jſt noch uͤbrig zu betrachten die Application, durch welche Sie ſich und die Sie hoͤren ſeelig zu machen ſuchen. Das Remedium oder die Artzney iſt / daß ſie muß applici ret und gebrauchet werden. Wenn ſie lange auf dem Tiſche oder Fenſter ſtehet / ſo wird der Patient dadurch nicht geſund / gebrauchet muß ſie werden. Die heilſame Lehre von Chriſto / in dem wir Vergebung der Suͤnden / Leben und Seeligkeit erlangen koͤnnen / der wie er ſich fuͤr uns zur Verſoͤhnung dahin gegeben / auch gerne den himmliſchen Vater fuͤr uns bitten / und unſer ſich annehmen will / iſt da / ſie muß appli -cir et35ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. cir et werden / ein jeglicher der ſeelig werden will / muß mit glaͤubiger Zuver - ſicht ſich dieſelbe zu eigen machen. Er iſt mein JEſus und Seeligmacher / Er iſt mir von GOtt zum Mittler gemacht / Er iſt die Verſoͤhnung fuͤr mei - ne Suͤnde / habe ich geſuͤndiget / Er mein JEſus / der meine Suͤnde mit ſeinem Blute ausgeſoͤhnet / wird mich beym himmliſchen Vater vertreten. Jch erkenne / ich bekenne meine Suͤnde / ich nehme zu ihm / meinen Fuͤr - ſprecher meine Zuflucht / wie das der ſeeligmachende Glaube / der / was GOtt allen verheißen / was Chriſtus allen erworhen / ſich ſelbſt glaͤubig zu - eignet / GOTT will / daß allen Menſchen geholffen werde / und ſo will Er auch / daß mir ſolle geholffen werden. Chriſtus hat alle erloͤſet / und ſo hat er auch mich erloͤſet / ich will das glaͤuben / feſte halten.

Mein Glaube ſieht JEſum CHriſtum an /
Der hat gnung fuͤr mich und alle meine Suͤnde gethan /
Er iſt der Mitler worden.

So muß denn auch ein jeglicher / der ſeelig werden will / ſolchen glaͤu - ben. Denn das iſt der Wille des der mich geſandt hat / daß wer den Sohn ſiehet / und glaͤubet an ihm / habe das ewige Leben / ſagt der liebe Heyland Joh. VI, 40. Und bald darauff v. 47. Warlich warlich ich ſage euch: Wer an mich glaͤubet der hat das ewige Leben. Und vorher c. V, v. 24. Warlich / warlich ich ſage euch: Wer mein Wort hoͤret / und glaͤubet dem / der mich geſandt hat / der hat das ewige Leben / und koͤmmt nicht in das Gerichte / ſondern er iſt vom Tode zum Leben hin - durch gedrungen.

Jm Leichen-Texte ſtehet dieſe Application gar ſchoͤn ausgedruckt in dem Worte: Wir haben. Ob jemand ſuͤndiget ſo haben wir einen Fuͤr - ſprecher / JEſum Chriſtum / der gerecht iſt / etc. Das haben iſt ein Beſi - tzen. Was wir haben / duͤrffen wir nicht erſt lange ſuchen / uns anſchaffen / er - werben / etc. Was ich habe / das iſt in meiner Gewalt. Der Glaube hat alſo zugegriffen; denn er iſt die Hand. Der Glaube hat / denn er hat esE 2er -36Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenergriffen; Der Glaube haͤlt / und zwar feſte / denn die Glaubens-Hand ſchleuſt ſich zu und ſpricht: Jch laße dich nicht. Der Mann der mit Jacob rang / ſprach: Laß mich gehen. Er aber antwortete: Jch laße dich nicht. 1. Buch Moſe XXXII, 26. ſequ. Alſo der Glaube:

Meinen JEſum laß ich nicht
Weil Er ſich fuͤr mich gegeben /
So erfordert meine Pflicht
Kletten-weiß an ihm zu kleben /
Er iſt meines Lebens Licht /
Meinen JEſum laß ich nicht.

Demnach wie der Glaube ergreiffet / hat und haͤlt den Mittler JE - ſum Chriſtum / alſo hat er auch in ihm die ewige Seeligkeit.

Wie nun wir Lehrer in der Kirchen zu ſolchem Glauben / zu ſolchem haben und halten / insgemein alle unſere Zuhoͤrer bereiten und anfuͤhren; alſo muͤſſen das Schul-Lehrer inſonderheit an der ihr untergebenen Jugend thun. Der Glaube zwar an ihm ſelber iſt eine Gabe des Heiligen Geiſtes / aber weil er wie Paulus Rom. X. ſagt / aus der Predigt kommt / ſo muͤſſen Lehrer in der Schulen / denen Kindern und Untergebenen ſolch Wort des Evan - gelii von Chriſto vorhalten / daß dadurch der Glaube in ihnen entzuͤndet wer - de. Thun Lehrer in Kirchen und Schulen das Jhrige mit allem Fleiß und redlicher Abſicht / ſo wird ihre Arbeit / wie in andern / alſo auch in dieſem Stuͤcke / nicht vergebens / ſondern geſeegnet / ſeyn.

Unſer Seeliger Herr Rector, wie er fuͤr ſich ſelbſt hatte / hatte JE - ſum Chriſtum den Fuͤrſprecher und Verſoͤhner / deſſen Er ſich in dieſem ſei - nem auserwehlten Spruche hertzlich troͤſtete / glaͤubig damit aufrichtete / und wieder alle Suͤnden-Aengſten / ja wieder alle Anlaͤuffe des Teuffels und der Hoͤllen ſtaͤrckete und befeſtigte: Alſo hat Er auch ſeine Untergebene Jugend dazu treulich angefuͤhret / ihnen deutlich CHriſtum JEſum nicht nur vorge - tragen / ſondern auch / wie ſie denſelben ſich ſelbſt zueignen / und in wahrenGlauben37ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. Glauben haben halten und behalten muͤſſen / gezeiget. Wie denn auch ſei - ne Arbeit Jhm wohl gelungen / und ob mans nicht von allen ſagen kan / doch noch von vielen / vielleicht denen meiſten / da indeſſen GOtt denen noch ihr Hertz lencken wolle / die in Unglauben und Suͤnden hingegangen / und noch zum theil dahin gehen. Er / der ſeelige Herr Rector, hat indeſſen auch bey ſeinem daſeyn in Zittau ſeinen und den andern durch einen ſeeligen Tode ſehen eingehen zu ſolcher Seeligkeit / zu welcher er ſie angewieſen und zubereitet / biß Jhn ſein JEſus / nachdem Er Jhn eine kleine Zeit / ja kaum zwey Tag und Nacht kranck ſeyn laſſen / ſeelig nachhohlete / und zu ſolcher Seeligkeit einfuͤhrete / darinn Er ſich in ſeinem JEſu als Fuͤrſprecher und Verſoͤhner getroͤſtet / die Er im Glauben gehalten und ſich nicht rauben laſſen / nun - mehro der Seelen nachgereiſt / und was er hier im Glauben hatte / nun - mehro vollkommen beſitzet / und ewig haben und behalten wird.

Sie hochbekuͤmmerte Frau Witwe / und allerſeits ſchmertzlich Leid - tragende Herren Soͤhne und Jungfer Toͤchter / ſehe ich in einem viel an - dern haben. Sie wuͤnſchen ein haben / ſie beſeuffzen ein haben. Jhr wuͤnſchen iſt / daß wir den noch haͤtten / den wir hatten. Ach Jch / klaget das gantz niedergeſchlagene Hertz / habe wohl vergnuͤgen gehabt / aber ach wie bald verlohren Ach! haͤtte ich mein ander Hertze noch. Die ſo aͤngſt - lich ſeuffzende Kinder: Ach haͤtten wir den noch / der ſein liebreiches Vater - Hertz gegen uns zugleich ja ſtuͤndlich in ſo vielfaͤltigen Bezeugungen dar - legte fuͤr unſere Aufferziehung und Wohlfahrt wachete / und zu allen Guten uns anfuͤhrete.

Jhr beſeuffzen / iſt eine erbaͤrmliche Klage uͤber den Witwen - und Wayſen-Stand / und daß dar aus flieſſende ſo viele Elend / ſo ſie nun haben. Hatten ſie vorher einen liebreichen Ehe-Herrn und guͤtigſten Vater / ſo ſeuffzen Sie: Jch bin eine Witwe / ein Weib das Leyde traͤgt / und mein Mann iſt mir geſtorben. Wir ſind Kinder / die keinen Vater ha - ben. Die uͤber dem Tode ihres lieben Herrn Bruders hertzlich weinende Jungfer Hoffmannin ſtimmet ihr Trauer-Lied mit an. Jch habe einen treuen Bruder ja Vater gehabt / aber Er iſt hin. Jch will von denen Vor - nehmen Anverwandten / Herren Collegen, treu geſinnten und Jhn hertz -E 3lich38Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤrenlich liebenden Untergebenen / die Jhres treuen Lehrers Tod mit haͤuffigen Thraͤnen beklagen / ja uns allen / die wir ſeinen ſo fruͤhzeitigen Tod zu Hertzen nehmen geſchweigen. Jndeßen Hochleidtragende Frau Recto rin / wie auch Hr. Sohn und Jungfer Tochter / muß ich Sie doch auf das Ha - ben / welches Johannes treibet / anweiſen. Wir haben einen Fuͤrſprecher bey dem Vater. Ach wie ſich der unſer im Geiſtlichen annimmt / ſo ver - giſſet er des leiblichen auch nicht. Jhre geaͤngſtete Seelen ſehen doch auff Jhn und ſeine ſo kraͤfftige Fuͤrbitte / die fuͤr Sie zum himmli - ſchen Vater ergehet daß Er Mann und Vater ſeyn / und das was Er genommen mit ſeiner Vaͤterlichen Guͤte und Liebe erſetzen wolle. Welche Fuͤrbitte ja ſo durchdringend iſt / daß ſie der Vater erhoͤret / denn der Vater hat den Sohn lieb. Wolte Jhr Hertz ſich den Kummer machen / ach wer weiß ob er nicht unſerSuͤnden halber ſo ſchwerlich zoͤrnet / ſo haͤlt ja ihnen Johannes fuͤr / ihr Fuͤrbitter ſey zugleich die Verſoͤhnung fuͤr ihre Suͤnde / alſo da GOtt derer ihre Suͤnde ausgeſoͤhnet / und ſie ſich deſſen getroͤſten / ſo ſey nicht ein zorniger Richter / ſondern ein liebreicher Vater / der zwar zuͤchti - ge / ja ſtaͤupe / aber es dennoch damit hertzlich meyne und alſo auch mit Jhnen machen werde / wie Paulus ſagt: Denen die GOtt lieben / muͤſſen alle Dinge zum beſten gereichen / und das wird der liebreiche JEſus mit ſeiner hertzlichen Fuͤrbitte auch zuwege bringen / haben / halten und behalten Sie nur denſelben und laſſen ſich denſelben nichts rauben.

Gebrauch.

WJr insgemein geliebte Zuhoͤrer / ſolten nunmehro auch uns des ſee - ligen Herrn Rectoris Leichen-Text zu Nutze machen / und daraus unſere Seeligkeit lernen. Einmahl ſind wir wohl allzumahl Suͤnder / und bedoͤrffen der Seeligkeit / davon wohl keines Wortes noͤthig / zumahlen bey meinen ſchon uͤberſchrittenen Raum und Schrancken. Dar - nach ſo iſt die Lehre von Chriſto JEſu wohl uns unverſaget. Denn wie die Evangeliſche Gnaden-Lehre und inſonderheit das Stuͤcke von Chriſto JE - ſu / allgemein iſt. Wie der Heyland allen gegeben: Alſo hat GOtt die Welt geliebet / daß er ſeinen eingebohrnen Sohn gab / auf daß alledie39ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. die an ihn glaͤuben nicht verlohren werden / ſondern das ewige Leben haben / Joh. III. 16. So haben ja auch wir wohl antheil an ſelben / wo wir uns nun deſſen theilhafftig machen wollen. Kommts demnach darauff an / daß da dieſe ſeelige Lehre uns armen Suͤndern auch genug vorgetragen wird / wir das haben / oder die Application und Zueignung auf uns ſelbſt machen. Wir machen es wie die / denen was angeboten wird / ſo ſein hurtig zugreiffen; Auch wir den HErrn JEſum Chriſtum den Seeligmacher der von GOtt zum Mitler / der uns verſoͤhnen und vertreten ſolte / geſalbet / ergreiffen. Denn auf dieſe Weiſe werden auch wir / die wir ſolches hoͤren / ſeelig werden.

Je nu / lieber Menſch / du ſeyſt wer du wolleſt / richte dich darnach. Sollen alle die ihre Suͤnden bekennen Gnade haben / ſo dencke doch du auch ſeine nach / geh doch nicht uͤber deine Suͤnde weg / ſondern ſiehe den Jammer fein genau und ernſtlich an / damit du dein Hertze recht ausſchuͤtteſt. Denn wer ſeine Miſſethat leugnet / dem wirds nicht gelingen / wer ſie aber bekennet und laͤſſet / der wird Barmhertzigkeit erlangen / Spruͤchwoͤrt. XXIIX. 13. Weil dir aber das troͤſtliche Wort von JEſu CHriſto deinem Fuͤrſprecher und Verſoͤhner vorgehalten wird / ſo glaͤube / und ſprich: Jch habe auch einen Mittler. Ob ich geſuͤndiget / ſo habe ich einen Fuͤrſprecher bey dem Vater JEſum CHriſtum / welcher iſt die Verſoͤhnung fuͤr meine Suͤnde:

Drum ob mich ſchon meine Suͤnd anficht
Dennoch will ich verzagen nicht /
Jch weiß das mein getreuer GOtt
Fuͤr mich in Todt /
Seinen lieben Sohn gegeben hat.
Derſelbe mein HErr JEſu Chriſt /
Fuͤr mich und alle meine Suͤnde geſtorben iſt /
Und aufferſtanden mir zu gut /
Der Hoͤllen-Gluth
Geloͤſcht mit ſeinem theuren Blut.

Und habe alſo deinen JEſum feſte / daß du ihn nicht fahren laſſeſt. Ju - ſtinnus gedencket in dem Kriege der Athenienſer mit der Perſon des Cy -negiri40Der ſich ſelbſt und die ihn hoͤrennegiri,38)vid. Juſtin. lib. 2. c. 9. welchen andere39)Berneggeri notas in Juſtini l. c. p. m. 49. Callimachum nennen eines Athenien ſi - ſchen Soldaten / daß nachdem die uͤberwundenen Perſier auf ihre Schiffe geflohen / dieſer ein wohl belaſtigt Schiff mit der rechten Hand ergriffen / und nicht gelaſſen / und ob ihn wohl die rechte Hand abgehauen worden / habe ers doch mit der Lincken gehalten / und da auch die ihm abgehauen / er das Schiff mit ſeinen Zaͤhnen gefaſſet / und ſich daruͤber alſo toͤdten laſſen. Jſts wahr / ſo ſey du auch mit deinem Glauben alſo; Halte was du haſt / daß dir niemand deine Krone raube. Ob wohl Suͤnde / Teuffel / Tod und Hoͤlle wieder dich / du dich doch deiner Suͤnden Menge und Schwere nicht laͤſſeſt verzagt ma - chen / ſondern halteſt den / der da iſt die Verſoͤhnung fuͤr der gantzen Welt Suͤnde / alſo demnach ja gewiß genug auch fuͤr die deine: Der Teuffel / Tod und Hoͤllen-Anlauff verachteſt / weil JEſus Chriſtus bey dir / und du ihn im Glauben haſt und halteſt / alſo ſie dir nichts anhaben werden. Und darum bitten wir zum Beſchluſſe:

O HErr der du durch dein Leyden /
Uns von Suͤnd erloͤſet haſt /
Laß uns nicht ſein abgeſcheiden
Von dir Ancker / Steur und Maſt.
Wir zwar kleben ſtets an Suͤnden /
Aber laß uns Gnade finden /
Deine treuſte Lieb allein /
Schaffe / daß wir ſeelig ſeyn.
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Lebens -41

Lebens-Lauff.

NUn wird noch uͤbrig ſeyn / daß Chriſtloͤblichen Gebrau - che nach von des Wohlſeeligen Herrn Rectoris leibli - chen Geburth / ruͤhmlich gefuͤhrten Lebens-Wandel und ſeeligen Abſterben auch in oͤffentlicher Gemeine ei - nige Meldung geſchiehet. Gleichwie er aber in ſeinen wichtigen Aembtern alle Verrichtungen M it G Ot - tes H uͤlffe weißlich angefangen und gluͤcklich ausgefuͤhret hat / und deswegen nach dem initial - Buchſtaben ſeines Nahmens zum Symbo - lo annahm: Mit GOttes Huͤlffe. Alſo wollen wir ſeine Lebens - Geſchichte dergeſtalt vortragen / daß wir die Huͤlffe GOttes erken - nen / die ſich in denen vornehmſten Begebenheiten ſeines Lebens an Jhm ſehr mercklich hat ſpuͤhren laſſen. Er wurde demnach Mit GOttes Huͤ[l]ffe / welche bald beym Eingange in die Welt uns den er - ſten und beſten Beyſtand leiſten muß / von ehrlichen und Chriſtlichen Eltern Anno 1658. am andern Advent - Sonntage gebohren. Sein lieber Vater war Caſpar Hoffmann / anfangs Braͤuer bey dem Freyherrn von Schaaffgotſch in Plackwitz unweit Lemberg in Schle - ſien. Hernach beym Herrn Landes-Elteſten Doͤbſchuͤtz in Lichtenau bey Lauban. Die liebe Mutter aber Frau Maria Hoffmannin / gebohrne Wincklerin. Dieſe liebe Eltern fiengen deſſen Erziehung /FLeute42Lebens-Lauff. wiewohl unter vielen Drangſaale derer Papiſten Mit GOttes Huͤlffe in Schleſien / bis in ſein 8. Jahr an / weil Er aber ein faͤhiges und zum Studieren geſchicktes Ingenium von ſich wieſe: ſo reſolvirten die guten Leute ihrem Sohne zu gefallen das Vaterland zu verlaſſen / und ſich nach Sachſen zuwenden / allwo ſie Gelegenheit zum Studieren zu finden hofften / und auch die Huͤlffe GOttes ſo bald verſpuͤreten / als Sie nur uͤber die Saͤchſiſche Graͤntze waren. Denn da fuͤhrte Jhn GOtt zu den Patrone der Jhn nachgehends befoͤrdern halff. Es war ſolcher wie oben gedacht / der Herr von Doͤbſchuͤtz / auff Lichte - nau / welcher ſeine Eltern auffnahm / und dem Wohlſeeligen Herrn Rector als einen ſittſamen und geſchickten Knaben mit der Adelichen Jugend informi ret zu werden verſtattete. Jn dieſer erſten Schulen nun uͤbertraff Er alle ſeine Commilitones ſowohl an Gaben des Ge - muͤthes / als auch an denen Profectibus, und weil Er ſein herrliches Ingenium durch einen beſtaͤndigen Fleiß ſecundir te / auch jedermann durch willigen Gehorſam und freundliche Dienſtleiſtung zurLiebe ge - gen ſich verband / ſo konte man ſchon ſehen / daß Jhn die goͤttliche Pro - videnz zu großen Dingen auserſehen hatte. Man gab deswegen ſei - nen Eltern den Rath / daß Sie ihn in eine oͤffentliche Schule thun ſol - ten / allein ihre große Armuth legte ihnen die groͤſten Hinderungen in den Weeg / und waren ſie zufrieden / daß der damahlige Herr Re - ctor Seidemann in Lauban ihren Sohn in die Current - Schule auff - nahm. Vielleicht ließ GOtt dieſes darum geſchehen / weil dieſer ar - me Schuͤler ein Vater und Verſorger vieler andern Kinder werden ſolte. Mit GOttes Huͤlffe gieng er durch alle Claſſ en / und brachte es in Prima ſo weit / daß Er zur Academie reiff genung ſchien. Doch weil Er nicht allein in der Claſſe, darinne er bisher als ein Lernen - der geſeßen / mit der Zeit einen Lehrer abgeben / ſvndern auch der lieben Stadt Zittau dienen ſolte / ſo beſchloß Er durch goͤttliche Dire - ction 1681. in hieſiges Gymnaſium zu ziehen / und von der Lehre des Hochberuͤhmten Herrn Rector Weiſens zu profiti ren. Die erſteLei -43Lebens-Lauff. Leibes-Verpflegung reichte ihm gleich beym Eintritte in dieſe Stadt die nunmehro ſeelige Frau Mayerin / welcher Er off - ter mahls allen Seegen angewuͤnſchet. Doch durch ſeine gute Auffuͤhrung und geſchickte Specimina erweckte er den ſeeligen Herrn Rector Weiſen zu ſolcher Gunſt gegen ſeine Perſon / daß er ihn in kur - tzer Zeit zu ſeinem Amanuenſem machte / und ihm die Hand-Grieffe vortheilhafftig zu informi ren und eine Schule zu dirigi ren / in vielen Regeln / und durch ſein lebendiges Exempel zeigete. Er kam auch durch dieſe oͤffentliche und Privat-Information in allen Wiſſenſchaff - ten und Sprachen ſo weit / daß er 1685. den 17. April unter dem Præ - ſidio ſeines theureſten Præceptoris loco Speciminis Valedictorii eine Diſputation de Elegantiis realibus halten / und Mit GOttes Huͤlffe auf die Univerſit aͤt Leipzig ziehen konte / als auff welcher er ſie augenſchein - lich verſpuͤret hat. Denn GOtt ſeegnete ſeine Studia welche er unter der treuen Anfuͤhrung ſeiner Herren Profeſſorum, als Herrn L. Otto Nauckens in Moralibus, Herrn Profeſſor Fellers in Litterariis, Herrn D. Rechenbergs und Franckenſteins in Hiſtoricis, Herrn D. Carpzovii, Olearii, Ittigii in Theologicis mit ſo gluͤcklichem Succeſſe trieb / daß er 1688. den 26. Januar. den Gradum Magiſterialem erhielt. Uber dieſes warff ihm der Verſorger und Erhalter ſeines Lebens auch ſo viel Mittel zu / als zu ſeiner nothduͤrfftigen Verpfle - gung erfordert ward / und zwar genoß er dieſen Seegen vor die treue Information, ſo er theils an den jungen Herrn Grafen von Worm - brand / theils an die liebe Jugend des Herrn D. Baudiſii wandte. Und wie er auf Schulen ſeine meiſte Zeit mit informi ren zubrachte; alſo wieſe ihm GOtt noch daſſelbe Jahr / daß er ſeine gantze Lebens - Zeit auff die Unterweiſung der auffwachſenden Jugend wenden ſol - te. Denn als er ſich pro honoribus Academicis den Drey - und Zwantzigſten May durch eine Diſputation de Artificio E - piſtolarum habiliti ret hatte / wiederfuhr ihm die Ehre / daß Er nach einer ordentlich erhaltenen Vocation eines Edlen / Wohl -F 2weiſen44Lebens-Lauff. weiſen Raths der Churfuͤrſtlichen Saͤchſiſchen Sechs-Stadt Lau - ban ein gantz neues Amt bekleiden / und bey damahliger Reſtauri rung der loͤblichen Stadt-Schule unter dem Herrn Rector Wenden das Con-Rectorat uͤbernehmen muſte / welches Amt er Mit Gottes Huͤlf - fe ſieben Jahr zu groſſen Nutzen der ſtudierenden Jugend verwaltet hat. Mittlerweile und zwar 1689. den 24. Maͤy trat er das erſte mahl in den Stand der Heiligen Ehe mit damahls Jungfer Mar - tha Guͤntherin / Tit. plen. Herrn Joachim Guͤnthers / hochver - dienden Buͤrgermeiſters in Lauban / geliebten Jungfer Tochter / welche Ehe Mit Gottes Huͤlffe ſieben Jahr in hoͤchſter Vergnuͤgung gefuͤhret / und von GOtt mit drey lieben Kindern erfreuet ward / als einem Toͤchtergen / die aber GOtt bald zu ſich in ſein Reich nahm / und zwey Soͤhnen / von welchen der aͤlteſte ſeine Studia juridica Mi / Gottes Huͤlffe in Leipzig gluͤcklich fortſetzet / der juͤngſte aber ſeinem ſeeligen Herrn Vater / als eine Vater-und Mutterloſe Wayſe das Geleite zu ſeiner Ruhe-Staͤte / unter vielen Thraͤnen giebet. Es ſchickte es aber Gott / daß ſein damahliger Rector der Herr M. Wen - de die Vocation zum Rectorat in Thoren bekam / und da fiel alsbald die einhellige Wahl derer Herren Patron en auf ihn / als ſie wegen des vocir enden Rectoris ihre Deliberationes vor ſich nahmen. Jn dieſem hochwichtigen Amte nun / welches er in der Stadt Lauban 13. Jahr verwaltete / hat er ſich auch Mit Gottes Huͤlffe als ein kluger Rector und vollkommener guter Schul-Mann aufgefuͤhret / ſo / daß ſein Ruhm weit ausgebreitet / und er wegen ſeiner Froͤmmig - keit / geſchickten und leichten Lehr-Ar[t] h / wegen ſeines Eyfers in der Diſciplin, und guten Manier bey adelicher und unadelicher Ju - gend / Furcht und Liebe zu erhalten / von Freunden und Feinden geehret und geliebet wurde. Er hatte auch das Gluͤcke / daß ihm von vornehmen Orthen Vocationes angebothen wurden / welche Eh - re er aber allemahl / mit groſſer Beſcheidenheit und Demuth vor GOtt declinir te. Von vielen Hauß-Creutze ward er verſchonet /doch45Lebens-Lauff. doch muſte er einmahl auch in die Creutz-Schule gehen / indem ihm GOtt ſeine erſte Ehe-Liebſte Anno 1696. den 18. Junii durch den zeitlichen Tod entrieß / welches ſeinem eigenen Bekaͤntnuͤße nach / das eintzige Ungluͤck geweſen iſt / das er in der Welt erfahren hat. Er lebte hierauf bey nahe zwey Jahr im Wittwer-Stande / biß ihm GOtt Anno 1698. den 18. Junii damahls Jungfer Chriſtiana Schoͤnfel derin / Tit. plen. Herrn M. George Schoͤnfelders / Hochverdienten Dienſtags-Prediger allhier in der St. Johannis - Kirche / Jungfer Tochter / zur andern Gehuͤlffin und Lebens-Freun - din zufuͤhrte / welche itzo ſeine hoͤchſtbetruͤbte und ſchmertzlich Leid - tragende hinterlaſſene Frau Wittib iſt / und ſich nebſt ihren ſieben unerzogenen / und groͤſten Theils ſehr zarten Waͤyſelein dem grund - guͤtigen Gotte / und Vater aller Vater-loſen Kinder / zu ſeiner Vor - ſorge uͤberlaſſen muß. Sonſt hat ſich der Wohlſeelige Herr Rector uͤber ſeine andere nicht minder hoͤchſtvergnuͤgte und geſeegnete Ehe zu vielen mahlen ſehr erfreuet / weil er ſeiner hertzvertrauteſten Ehe - Gattin nachruͤhmen muſte / daß ſie ihn durch ihre Demuth / Gedult und Gelaſſenheit / durch ihre eheliche Liebe und Treue / durch den frommen Fleiß und unverdroſſene Muͤhe ſein Hauß zu verſorgen / und durch viele Pfaͤnder der ehelichen Liebe vergnuͤget haͤtte. Denn GOTT ſchenckte ihm durch die ſechs liebe Toͤchter und einen Sohn / welche allerſeits das ſchoͤne Tugend-Bild ihrer hertz - liebſten Eltern von ſich weiſen / und ſie durch kindliche Gegen - Liebe bißher zu vergnuͤgen geſuchet haben / auch hat GOtt ihnen insgeſambt biß hieher das Leben erhalten / vor welches er / als der himmliſche Vater / auch Sorge tragen wolle. Als Anno 1708. ſein theureſter Lehrer und anderer Vater der hochberuͤhmte Herr Rector Weiſe, wegen Abnehmen der Lebens-Kraͤffte / ſein all - hier in die 30. Jahr gefuͤhrtes Rectorat niederlegte / ſo ward unſer Wohlſeeliger Herr Rector Hoffmann nicht allein von ſeinem Anteceſ - ſore, als der wuͤrdigſte Succeſſor vorgeſchlagen / ſondern auch vonEinem46Lebens-LauffEinem Hoch-Edlen und Hochweiſen Rathe dieſer Stadt einhellig in das erledigte Ambt beruffen. Er trug zwar groſſes Bedencken / ſolche ſchwere Buͤrde auf ſeine Schultern zu nehmen / doch unter - zog er ſich endlich dieſer Laſt / und hat / Mit GOttes Huͤlffe / dem lange florir enden Gymnaſio, obwohl nur vier Jahr / doch mit ſolchen Eifer und geſeegneten Wachsthume / vorgeſtanden / daß alle Patro - n en / die er in groſſen Werthe hielt / und wieder von ihrer ſonder - bahren Guͤtte wuͤrdig geſchaͤtzet ward / ihr Vergnuͤgen daruͤber ſpuͤren / die gantze Stadt ihre Freude ſehen ließ / und viele ſowohl frembde als einheimiſche Kinder ihre Schul-Studia begluͤckt fortſe - tzen konten. So ſehr ſich aber jedermann uͤber ſeine Ambts-Treue und Redligkeit gegen GOtt und Menſchen bißher erfreuet hat / ſo beſtuͤrtzt und betruͤbt iſt auch ein jeder uͤber ſeinen unverhofften Tod. Was ſein Chriſtenthum betrifft / ſo iſt er mit allem Rechte ein Theo - logus practicus und vir pie eruditus zu nennen. Mit ſeines GOt - tes Huͤlffe wandelte er allezeit vor dieſem allmaͤchtigen HERRN / und empfand aus den Worten / die GOTT zu Abraham ſagte: Wandele vor mir und ſey fromm / auf ſeinem Sterbe-Bette einen ſolchen Vorſchmack der ſuͤſſen Ewigkeit / daß er den Schmertz ſeines Leibes nicht mehr fuͤhlete. Er war ein groſſer Liebhaber des Wor - tes GOttes / und diſting vir te ſich eben hierdurch von vielen andern / daß Er ſeine Untergebene nicht nur gelehrt und hoͤfflich / ſondern auch fromm und nuͤtzlich machte. Sein herrliches Talent konte ihn zu keiner Hoffarth und Verachtung ſeines Neben-Chriſtens verlei - ten / ſondern die Demuth blickte in allen ſeinen Geſchaͤfften immerhervor.47Lebens-Lauff. hervor. Jnſonderheit war er aus wahren Glauben und hertzlichen Vertrauen zu den grundguͤtigen Gotte / der auch einen Trunck Waſ - ſers zu vergelten verſprochen hat / ſo liberal gegen arme Scholar en / daß er ihnen nicht nur aus der von ihm aufgerichteten Armen-Caſſa, ſondern auch von den Seinigen ein reichliches Allmoſen reichte / und mit einem Worte: Er befleißigte ſich eines gegen GOtt und Men - ſchen unſtraͤflichen und unbefleckten Wandels. Seine Kranckheit anlangende / ſo iſt er eine geraume Zeit her mit allerhand Magen - und andern Beſchwerungen incommodi ret geweſen / welche in den Crayß-Gedaͤrmen und mit verbundenen viſceribus ihr ungluͤckſeeli - ges Lager geſucht. Hieraus entſtand verwichene Oſtern ein ſchmertz - haffter Zufall in der lincken Seite und dem Ober-Theil des Ma - gens / und aͤuſerte ſich der Gegend des Miltzes / wie nicht weniger auch um die Hertz-Grube eine ziemliche Haͤrte. Darwieder wur - den alle moͤgliche Mittel gebrauchet / und kluger Aertzte Conſilia eingehohlet / aber nichts ausgerichtet / biß ſich endlich am verwiche - nen 29. Sept. am Tage Michaelis Abends gegen 7. Uhr / durch einen hefftigen Froſt und darauf folgende Hitze / mit ſtarcken Schmertzen im Creutze / der Anfall eines Fiebers mercken ließ. Ob nun wohl auch dieſer Paroxysmus ſich nach adhibir ten Mitteln verlohr / ſo fand er ſich doch am folgenden Tage nach 10. Uhr vor Mittage wieder ein / die Kraͤffte nahmen ab / und aͤuſerte ſich eine wahrhaffte Staſis inflammatoria, aus welcher eine Unordnung im Gebluͤte entſtand / und wegen des innern Brandes das Lebens-Ende herbey nahete. Alſo erwartete der Wohlſeelige mit einer ſonderbahren und Chriſt - lichen Gelaſſenheit / ſeinen ihm von Gott beſtimmten Abſchied / undmachte48Lebens-Lauff. machte ſich bey vollkommenen Verſtande unter troͤſtlichen Zuſpru - che ſeines Herrn Beicht-Vaters und andaͤchtigen Gebethe vieler Umſtehenden mit innigſter Jnnbrunſt darzu geſchickt / biß ſein Gott am verſtrichenen Sonnabende / bald nach 5. Uhren / durch eine gantz ſanffte Aufloͤſung die geheiligte Seele von ihren Leibe trenne - te. Und ſo hat der Wohlſeelige auch Mit Gottes Huͤlffe ſeinen Lauff im Seegen / groſſen Ehren und vollen Flore ſeiner Schule gluͤcklich vollendet / die Todes-Angſt / welche ihm GOtt ſehr leichte machte / ſtandhafft uͤberwunden / und nach einer zwey taͤgigen Nie - derlage / da man ſich ſonſt eines langwierigen ſiechen Lebens / oder ei - ner ſchmertzhafften langen Kranckheit beſorgete / das Ende ſeines Glaubens / welches iſt der Seelen Seeligkeit / erreicht / nachdem er ſeinem Schoͤpffer zu Ruhm und Preiße gelebet 53. Jahr und 9. Monathe.

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Trauer -[49]
Trauer-Rede /
Welche Bey dem anſehnlichen Leichen-Begaͤngniß Des (TIT.) Hn. M. Gottfꝛied Hoffmanns / Hochverdiendten RECTORIS des Zittaui - ſchen GYMNASII, Jn der Haupt-Kirchen St. Johannis Den 7. Octobr. Anno MDCC XII. Als er zuvor den 1. hujus Jn dem HERRN ſanfft und ſeelig verſchied.
BUDJSSJN /Gedruckt beyGottfried Gottlob Richtern.
Trauer-Rede.

Hochgeehrteſte und Hochbetruͤbte Anweſende!

SO muß unſer werthes Gymnaſium einen ſolchen Mann vermiſſen / deſſen getreue Lehre / ungemeiner Verſtand / ſonderbahre Dexteri taͤt und unermuͤdeter Fleiß nicht allein denen geliebten Einwohnern dieſer Stadt bekant / ſondern auch von denen Frembden hoͤchſt geruͤhmet wird. So ſtehen unſere Muſen - Soͤhne betruͤbt / und ſind gleich denen verlaſſenen Schaafen / welche ihren Hirten verlohren / und denſelben vergebens durch ihr wehmuͤthiges Schreyen wieder fuchen. Es gehet nun mit dem Ausgang dieſes Monaths das vierdte Jahr zum Ende / da ich dem ſeeligen Herrn Weiſen / Hoch-meritir ten Rectori, um das beruͤhmte hieſige Gymnaſi - um, bey einer ſolennen Trauer-Verſammlung / eben auf dieſem Platz / den letzten Ehren-und Liebes-Dienſt / in einer kurtzen und geringen Rede ab - ſtatten muſte. Nun gieng der inbruͤnſtige Wunſch dazumahl dahin / es wolle der groſſe GOTT ſeinem allbereit beruffenen Succeſſori diejenigen Jahre in ſeinem Lehr-Ambte beylegen / welche der wohlgedachte Herr Re - ctor Weiſe mit hoͤchſten Ruhm erfuͤllet. Allein ich habe mehr gewuͤnſchet / als der verborgene GOtt in ſeinem heiligen Rathe beſchloſſen hatte. Denn da der ſeelige Herr Weiſe in ſeinem Lehr-Amt 30. Jahr zugebracht / und alſo alle ſeine Anteceſſores an der Zahl der Jahre uͤbertroffen; So hat un - ſer Hochverdienter Herr Hoffmann hingegen unter allen die wenigſten Jahre in ſeiner Rechnung / und kan leider! das vierte Jahr ſeines loͤblich verwalteten Rectorats nicht zu den erwuͤnſchten Ende bringen. Doch was ſoll ich bey dem ungemeinen Verluſt eines ſo unvergleichlichen Man - nes ſagen? Vergebens iſt es mit vielfaͤltigen Klagen den groſſen Schmer -tzen51Trauer-Rede. tzen zu vermehren / welcher allbereit vielen an die Seele dringet. Ver - gebens iſt es auch / ſeinen Ruhm in einer geringen Rede zu vermehren / als welcher ſich ſowohl durch ſeine getreue Lehre / als durch die gelehrte Feder an allen Orthen beſtaͤndig ausgebreitet. Soll ich aber meiner auffgetragenen Function eine Gnuͤge erweiſen; ſo will ich von unſern ſeeligen Herrn Re - ctor drey Memoranda oder denckwuͤrdige Sachen auf die Bahn bringen. Jch will uͤber die denckwuͤrdige Sachen ſeiner Jugend ſchreiben: Manus Dei me ex altavit. Jch will die denckwuͤrdigen Sachen ſeiner von GOtt aufgetragenen Function mit dieſem Lemmate bezeichnen: Ma - nus Dei exaltatum conſervavit. Jch will uͤber ſeinen ſeeligen Hintrit aus dieſer Zeitligkeit dieſe Worte ſetzen: Manus Dei conſervatum glori - ficavit. Wollen wir nun die denckwuͤrdigen Sachen ſeiner geliebten Ju - gend kuͤrtzlich einſchlieſſen; ſo mag ſolches in folgenden Worten beſtehen: Manus Dei me potenter exaltavit. Oder wie es in unſerer Mutter - Sprache kan ausgedrucket werden:

GOtt nahm ſich meiner an / ich nahm den Ruff in acht;
Drum ward ich nach und nach zu groͤſſern Heil gebracht.

Ach ja! der ſeelige Herr Rector hat von Kindes-Beinen an / die all - maͤchtige Hand GOttes mercklich geſpuͤhret / indem er ihn nicht allein wun - detlich in die Schule gebracht / ſondern auch reichlich darinne verſorget. GOtt fuͤhrte ihn Anfangs in das benachbarte Lyceum zu Lauban / und er - weckete ihn bey ſeinen Armuth groſſe Patron en und Wohlthaͤter / daß er gleichſam als ein Tyro von unten auf dienen / und alle Claſſen durchgehen ſolte. Er kam aus ſolcher Schule in unſer liebwerthes Gymnaſium, und hielt dieſes fuͤr ſeine groͤſte Gluͤckſeeligkeit / daß er dazumahl unter des beruͤhm - ten Weiſens / als ſeines getreuen Gamalielis, Fuͤſſen ſitzen konte. Sein kluges Naturell, unmuͤde Begierde zu lernen / und andere Tugenden ver - urſacheten / daß ietztgedachter Herr Weiſe eine ſonderbahre Gunſt und Wohlgewogenheit auf dieſen Untergebenen warff / und keinen andern A -G 2ma -52Trauer-Rede. Amanuenſem, als eben dieſen / etliche Jahre um ſich haben wolte. Er brachte ihm auch ſolche Kunſt-Grieffe bey in dem hohen Informations - Wer - cke / daß er ſich ſeines Meiſters niemahls ſchaͤmen duͤrffen / ſondern dieſel - ben mit der Zeit bey ſeinen Untergebenen mit hoͤchſtem Ruhme der gelehrten Welt gluͤcklich angebracht. Er recommendi rete ihn hernach auf die weit - beruͤhmte Univerſitaͤt Leipzig / und erweckte bey unterſchiedenen beruͤhmten Profeſſoribus, als Hrn. D. Oleario, Lehmanno, Carpzovio, Günthe - ro, Alberti, Rechenbergio, Friderici, Schmidio, und andern mehr / eine ungemeine Gunſt gegen dieſen Studioſum. Und dieſe Wohlgewogenheit nahm deſto mehr zu / je groͤſſere Specimina dieſer ungemeine Mann / ſo wohl publice als privatim, mit hoͤchſtem Ruhme ablegete. Was iſt aber denckwuͤrdiger / als daß dieſe beyde Officin en / in welcher er unter Anfuͤh - rung beruͤhmter und treufleißiger Maͤnner den feſten Grund zur Weißheit geleget / ihn mit der Zeit als einen Rectorem veneri ren muͤſſen. Hatte ihm das geliebte Lauban den erſten Grund in der Pie taͤt / wie auch andern Kuͤnſten / beygebracht / ſo hatte es auch die Ehre / daß es mit der Zeit dieſen getreuen Lehrer bald als einen Sub-Rectorem, bald als einen Rectorem an - ſchauen konte. Ward unſer ſeeliger Herr Rector aus dem Laubaniſchen Lyceo in unſer beruͤhmtes Gymnaſium gebracht; ſo hatte der groſſe GOtt allbereit in ſeinem heiligen Rath beſchloſſen / daß er mit der Zeit nach ſeines Gamalielis Tode folte ſuccedi ren / und daſſelbe / was der ſeelige Herr Weiſe gluͤcklich angefangen / mit aller Menſchen Verwunderung gluͤcklich ausfuͤh - ren. Und wer weiß was das weltberuͤhmte Leipzig / als ſeine dritte Officin, aus dieſem unvergleichlichen Manne wuͤrde gemachet haben / wenn ihn nicht der goͤttliche Beruff in dieſe zwey Schulen wunderlich gebracht haͤtte. Gewiß wir ſchauen hierinn die ſonderbahre Weißheit und Providen tz des groſſen GOttes mit groſſer Verwunderung an. Er gehet mit den jenigen Men - ſchen per Oppoſita, und erhoͤhet die Niedrigen aus dem Staub / welche er zuvor als theure Ruͤſt-Zeuge ſeiner Ehre ausgeſehen. Ein frommer Jo - ſeph wird bald von ſeinen Bruͤdern verkauffet / bald wegen ſeiner Unſchuldin53Trauer-Rede. in ein hartes Gefaͤngnis geworffen / ehe ihn der groſſe GOtt erhoͤhet / und zu einen groſſen Miniſter des Koͤniges in Egypten / ja zu einen Herrn uͤber ſeinen Vater und Bruͤder machet. Ein unſchuldiger David muß des Koͤ - nigs Sauls verkehrten Neid lange erdulten / und ſtehet viel Verfolgun - gen aus / daß er von einem Orthe zum andern fliehen muß. Allein der groſſe GOtt weiß ſchon die rechte Zeit ſeiner Erhoͤhung / und laͤſſet den David das Jſraelitiſche Reich beſceptern / welches er denen Nachkommen des Koͤnigs Sauls entwendet. Eben dieſe Gewonheit nimmet der große GOTT noch heutiges Tages in acht / und machet aus denen geringſten Kindern / ſowohl in dem Geiſtlichen als Weltlichen Stande / die beruͤhm - teſten Maͤnner / die ſeine Ehre treulich befoͤrdern / und vor die gemeine Wohlfahrt eine unmuͤndige Sorge tragen. Jſt eben dasjenige / was der Apoſtel Paulus 1. Cor. I, 28. vortraͤget / wenn er ſaget: Was thoͤricht iſt vor der Welt / das hat GOtt erwehlet / daß er die Weiſen zuſchanden mach - te. An vielfaͤltigen Exempeln fehlet es nicht. Wer war der theure Mann GOttes Lutherus? Eines elenden BergmannsSohn in Eisleben / welcher ſich von ſeinen Eltern keine Wohlthat verſprechen konte / ſondern in hoͤch - ſter Armuth ſich bald in der Schulen zu Magdeburg / bald zu Eiſenach kuͤm - merlich durchbringen muſte. Doch machete GOtt einen ſo theuren Werck - zeug ſeiner Ehre aus ihm / daß er des Pabſtes grauſame Tyranney uͤbern Hauffen warff / und das helle Licht des ſeeligmachenden Evangelii nach lan - ger Finſterniß wiederum hervor brachte. Wer war der theure Lehrer un - ſerer Kirchen / D. Martinus Chemnitius? Eines armen Tuchmachers zu Brietzen in der Marck verlaſſener Sohn / welcher in dem vierzehenden Jah - re ſeines Alters / nachdem ſeine Eltern mit fruͤhzeitigen Tode abgangen / auf das Handwerck kam. Allein die Wunder-Guͤtte GOttes ſchickte es alſo / daß er die Schule zu Magdeburg beſuchete / und mit der Zeit ein ſo groſſes Licht in der Evangeliſchen Kirche wurde / daß die Paͤbſtler ſelbſten bekennen: Prior Martinus non ſtetiſſet, niſi alter veniſſet. d. i. Die Lehre des H. Evangelii wuͤrde durch die Patres des Concilii Tridentini entweder ver - dunckelt / oder wohl gar verderbet ſeyn / wenn nicht Martinus Chemnitiusgekom -54Trauer-Rede. gekommen waͤre / und in ſeinem herrlichen Examine Concilii Tridentini der Welt angezeiget / die Paͤbſtliche Finſterniß dem ſeeligmachenden Lichte der Evangeliſchen Wahrheit in allen Sachen nachgeben muͤſte. Wer war Jacobus Wellerus? Eines elenden Mannes Sohn aus dem Marck - Flecken Neunkirchen in Voigtlande / welcher damahls bey denen bekuͤm - merten Krieges-Zeiten unſers geliebten Deutſchlandes ſein Brod vor den Thuͤren ſuchen muſte. Der groſſe GOtt hatte einen Kauffmann erwecket / daß er ſich an dieſes Knaben Stimme ergoͤtzete / denſelben aufnahm als ei - nen Lauff-Jungen / und ihn darbey in die Schule ſchickete. Der groſſe GOtt ſeegnete alſo ſeine Arbeit / daß ihn bald die weit beruͤhmte Univerſitaͤt Wittenberg als einen Profeſſorem Extraordinarium Theologiæ vene - rir te; Bald Braunſchweig als einen General-Superintendentem an - nahm; Bald Dreßden / als einen Ober-Hof-Prediger des Johannis Geor - gii II. glorwuͤrdigſten Andenckens / Confeſſionarium und Kirchen-Rath / eine geraume Zeit ehrete. Und was haben wir frembder Exempel vonnoͤ - then? Es wird ja der ſtudierenden Jugend jaͤhrlich in einer ſonderbahren Oration angezeiget / wie wunderlich der grundguͤtige GOtt den Hn. Chri - ſtianum Keimann, vormahls um das hieſige Gymnaſium hoch-meritir - ten Rectorem, gefuͤhret. Er hat in ſeiner Jugend / als ein Vater-und Mutter-loſer Wayſe / die Zufluche in dieſe Stadt genommen. Es gieng mit ſeinen Studiis deſto ſchwerer her; jemehr der langwierige Krieg des verzehrten Deutſchlandes die Liberali taͤt vieler Buͤrger denen Armen und Nothleidenden entzog. Doch ſchickete es GOtt ſo wunderlich / daß er mit der Zeit als ein Rector dem hieſigen Gymnaſio mit hoͤchſten Ruhm vorſte - hen kunte / in welchen er vormahls die Fundamenta der Pie taͤt und guten Kuͤnſte geleget. Was wundern wir uns nun / daß der allein weiſe GOtt eben dieſe Gewohnheit inacht genommen in unſern ſeeligen Herrn Rectore, und ſeinen Glauben von Jugend auf durch Armuth und andere Zufaͤlle de - ſto mehr gepreiſet; je groͤſſere Treue er hernach GOtt und ſeinem Naͤchſten in dem Lehr-Amte leiſten ſolte.

Gehen wir fort und betrachten die denckwuͤrdigen Sachen in ſeinemruͤhmlich55Trauer-Rede. ruͤhmlich gefuͤhrten Lehr-Amte; ſo bezeichnen wir ſolche mit folgenden Lem - mate:

Manus DEI exaltatum conſervavit. d. i.

Der Hoͤchſte hielt mich feſt. Drum war die Zuver -
ſicht /
Jn allen meinen Thun auf dieſen Schutz gericht.

Denckwuͤrdig war ſeine ſonderbahre Autori taͤt. Denckwuͤrdig ſei - ne hohe Pruden tz. Denckwuͤrdig ſeine ruͤhmliche Liberali taͤt und guͤttige Freygebigkeit. Die hohe und ſonderbahre Autori taͤt kam von niemand an - ders her / als allein von dem / welcher die Menſchen mit ſonderbahrer Au - tori taͤt ausruͤſten kan. Denn weil der ſeelige Herr Rector GOtt immer - dar in ſeinem eifrigen Gebeth ehrete / ſo bekam er von ihm dieſe Macht allen denjenigen ein Schrecken einzujagen / welche ſich entweder dem wahrhaff - tigen Glauben oder honnetten Leben wiederſetzen wolten. Ließ jener ge - lehrte Mann in einem ſinnreichen Emblemate der Sonnen gegen uͤber ei - nen Mond mahlen / welcher deroſelben Strahlen annahm / und ſie nieder auf die Erde leitete / mit dieſen Worten: Aſpicio ut aſpiciar. Jch ſehe die Sonne an / daß ich von der Erden angeſchauet werde / wenn ich durch ihr Licht erleuch - tet werde; ſo moͤchte man ſolches wohl von unſerm ſeeligen Rectore wiederho - len: Er ſahe mit unverruͤckten Glaubens-Augen an die Gnaden-Sonne Chriſtum JEſum / drum wurde er mit denen Strahlen ſeiner Guͤte und Barmhertzigkeit dergeſtalt erfuͤllet / daß jedermann ſeine Augen gerne auff ſein geliebtes Thun richtete. Und dieſe Autoritæt wuſte er ſowohl durch Liebe als Furcht ruͤhmlichſt zu unterhalten. Er begegnete ſeinen Unterge - benen mit treuer Vater-Liebe / ſo lange dieſelben auf den Tugend-Wegen wandelten / und dieſen getreuen Lehrer bey ſeiner ſorgfaͤltigen Information nicht beſchaͤmeten. Er verſetzete ihre Gemuͤther in eine kindliche Furcht / wenn ſie von den Tugend-Wegen abirren wolten. Doch war die Liebe in dem Hertzen beſtaͤndig / obgleich ſein GOtt ergebenes Amt zuweilen ſeinen Mund zu einem Buß-Prediger machete.

Es56Trauer-Rede.

Es gedencket der beruͤhmte Kaͤyſerl. Hiſtoricus, Jacobus Typotius in ſeinem Symbol. das Petrus II. Koͤnig in Arragoni en / auf eine Muͤntze einen Adler praͤgen laſſen / und daruͤber dieſe Worte geſchrieben: Sub um - bra alarum tuarum. Unter dem Schatten deiner Fluͤgel. Wohin die - ſer Großmaͤchtige Monarch mit dieſem Emblemate gezielet / begehre ich jetzund nicht zu entwerffen. Genung / daß unſere Muſen-Soͤhne unter denen ausgebreiteteu Fluͤgeln des ſeeligen Herrn Rectoris zu ruhen kein Be - dencken getragen. Es ſchaͤtzeten ſich gluͤckſeelig die Einheimiſchen / und hielten ſich zu dieſem Adler / daß ſie unter ſeinen ausgebreiteten Fluͤgeln ſi - chern Schatten haben konten. Es ſucheten ſolchen die Auslaͤndiſchen / und kamen in ungemeiner Menge in das hieſige Gymnaſium, daß ſie ebenfalls dieſer Gluͤckſeeligkeit theilhafftig wuͤrden. Mit der ſonderbaren Authori - t unſers getreuen Lehrers war gleichſam in einem Bande verknuͤpffet die hohe Prudenz, welche ſowohl in einem genauen Erkaͤntniß / als auch in ei - ner ungemeinen Application beruhete. Dieſes war ſeine erſte Sorge bey denen geliebten Untergebenen / daß er ihre Ingenia recht erkennen lernete. Er wuſte anders denen langſamen Ingeniis auffzuhelffen / und ſchrieb ihnen gleichſam dieſe Regul vor: Non multa, Sed multum. Er nahm einen andern Proceſſ vor mit denen mediocribus ingeniis, und wuſte / daß bey denenſelben das gute Judicium gemeiniglich erſetzete / was dem ſchwachen Gedaͤchtnis nicht gegeben war. Er wuſte / daß die Ingenia Heroica aus einem innerlichen Trieb niemahls ruhig ſeyn / ſondern immerfort eine gewiſ - ſe Materiam haben wollen / in welcher ſie ihre vires exerci ren koͤnnen. Er begegnete dieſen mit ſonderbarer Auffmunterung / und brachte ſie deſto weiter; je mehr ſie fortgehen wolten. Er erforſchete in allerhand ſchoͤnen Exercitiis wohin einen jeden ſein Naturell trieb / und war dieſen zuwieder welche auf etwas boͤſes ihr Abſehen hatten. Begegnete aber denen andern mit ſonderbahrer Dexteritæt und unermuͤdetem Fleiß / welche was gutes unternahmen / und darinne beſtaͤndig fortgiengen. Er wuſte wie die Lehre auf den ſtatum idealem: die Experienz aber auf den Statum poſſibilem gieng / und war denenjenigen Schul-Feinden hoͤchſt[z]uwieder / welche indem57Trauer-Rede. dem Informations - Werck ihre Augen bloß auf die aͤuſſerlichen Schaalen richten / den Kern aber verwerffen. Oder daß ich deutlicher rede / welche bloß auf das aͤuſſerliche Anſehen bauen / aber die Krafft der Weißheit gaͤntz - lich verlaſſen. Jch erinnere mich hierbey / daß der wohlbekannte Mene - trier in Philoſophia Imaginum Tom. 1. Embl. 34. pag. 13 erzehlet / daß man einem gewiſſen Miniſter / der ſich in alle Sachen / wegen ſeiner hohen Klugheit wohl finden koͤnnen / zu Ehren eine Sonne gemahlet / welche auff die Gipffel der Berge ihre Strahlen geworffen / und dieſelben erleuchtet / mit dieſen Worten: Mihi ſumma patent. Jch werde dem ſeeligen Man - ne nicht unrecht thun / wenn ich ſage: Er ſey eine Sonne geweſen in dem Schul-Himmel / die manche Berge mit ihren hellen Strahlen erfuͤllet; Oder / daß ich deutlicher rede / der die Strahlen ſeiner ſonderbahren Weiß - heit und hohen Verſtandes auff die Gemuͤther der untergebenen Jugend ruͤhmlichſt geworffen / und dieſelbe mit ſeinem hellen Glantz erleuchtet. Wie - viel ſitzen ietzund in denen hohen Ehren-Aemtern / welche als die hohen Ber - ge GOttes den ſonderbahren Glantz ihrer hohen Weißheit von dieſem Man - ne bekommen / und damit manches Land und Stadt in eine ſonderbahre Gluͤckſeeligkeit verſetzen? Wie viel leben auf Univerſitaͤten / welche ſich gluͤckſeelig ſchaͤtzen / daß ſie von einem ſo werthen Manne zu dem edlen Glan - tze der rechtſchaffenen Weißheit gefuͤhret worden. Und Schade / ja! ewig Schade / daß unſere werthen Muſen-Soͤhne den hellen Schein dieſes Leh - rers nicht laͤnger genieſſen koͤnnen. Denckwuͤrdig war auch ſeine ſonder - derbare Freygebigkeit gegen die Armen und Nothleidenden. Er war gleich einem fruchtbaren Baume / der ſeine vielfaͤltige Fruͤchte reichlich dargab de - nen vorbeygehenden / welche ſolcher genieſſen wolten. Er war gleich ei - nem Canal / welcher das Waſſer das er annimmt / wiederum in andere Oerter leitet. Er war gleich der Lufft / welche den Regen / der ſich in ihr zeuget / wiederum auf die Erden ſchicket / dieſelbe fruchtbar zu machen. Als Pabſt Clemens der achte dieſes Nahmens ſeiner ſonderbahren Guͤtigkeit wegen an allen Orthen geruͤhmet ward / und einer fragete / was in ſolcher Tugend am ruͤhmlichſten waͤre; ſo gab er zur Antwort: Ut alii commodum ex ſuis in -Hcom -58Trauer-Rede -commodis haberent. Er wolte mit ſeinem Schaden anderer Leute Nutzen befoͤrdern. Aldobrandinus Apophth. Tit. X. n. 1. Gewiß / die gantze Stadt muß dem ſeeligen Herrn Rectori einhellig Zeugnis geben / daß er offtmahls ſein aͤuſerſtes gethan / nur daß er der Armen und Nothleidenden Nutzen befoͤrdern koͤnnen. Sagte der glorwuͤrdigſte Kaͤyſer Titus Veſpa - ſianus, wenn ein Tag vorbey gegangen / in welchen er andern Leuten nicht wohlgethan: Amici diem perdidi. So koͤnnen wir ſolche Worte wahr - hafftig von dieſem ſeel. Manne wiederholen. Er nahm von keinem Armen einen Heller / er trug vielmehr ein großes bey aus ſeinem Vermoͤgen / daß ſie ihren nothwendigen Unterhalt funden. Ach! was vor Klagen ließen die Armen von ſich hoͤren / als ſie den unvermutheten Todes-Fall dieſes unver - gleichlichen Mannes hoͤreten. Jhr Gemuͤth war deſto mehr beſtuͤrtzet / je - weniger es ihnen an einigem Unterhalt gefehlet bey ſeinen Lebens-Zeiten; nunmehro aber nicht wuſten / wie ſie ihren duͤrfftigen Leib durchbringen ſol - ten. Wenn wir endlich auf die Memorabilia oder denckwuͤrdige Sachen kommen / welche ſich bey des ſeel. Herrn Rectoris unverhofften Abſchied aus dieſer Zeitligkeit zugetragen / ſo moͤgen wir ſie wohl mit dieſem Lemma - te bezeichnen: Manus Dei exaltatum glorificavit:

GOtt nimmt mich aus der Welt / ich ſchau den Himmel an.
Wohl mir! daß ich ihn nun auf ewig ſchauen kan.

Gewiß wir haben zwey denckwuͤrdige Sachen an ſeinem Tode zu preiſen. Nachdencklich war der Schwanen-Geſang / welchen er ſich gleich - ſam vor ſeinem Ende ſelbſt geſungen. Er hielt in dem verwichenen Michael - Feſte ſeine gewoͤhnliche Andacht mit ſeinen Untergebenen / und ermunter - te dieſelbigen durch eine treuhertzige Paræneſin zu einen neuen Gehorſam / zeigete auch darbey wie ſie ſich hinfuͤhro gegen GOtt / gegen den Nechſten / und gegen ſich ſelbſten auffuͤhren ſolten. Er betruͤbete darbey vieler Zuhoͤrer Gemuͤther / da er gleichſam als aus einem Prophetiſchen Gemuͤthe ſagete; dieſes wuͤrde die letzte Paræneſis ſeyn; Er wuͤrde hinfort in dieſem Audito - rio nicht ſeine Lectiones ſacras haben. Es geſchabe auch / daß er noch eben dieſen Abend gegen 7. Uhr mit einem hefftigen Froſte uͤberfallen wurde /welcher59Trauer-Rede. welcher eine ungemeine Hitze nach ſich zog / als einen unfehlbaren Vorbo - then des herannahenden Todes. Nachdencklich war es auch / was ſich bey ſeinem Siech-Bette zugetragen. Er lag einsmahls eine geraume Zeit ſtille / daß es ſchiene / als wolten ſich die abgematteten Kraͤffte etwas durch eine angenehme Ruhe erholen. Als er wieder zu ſich kam / und gefraget wur - de / wie es um ihn ſtuͤnde; Gab er zur Antwort: Er haͤtte ſeine Medita - tiones mit GOtt uͤber die Worte gehalten / die er zu den Patriarchen Abra - ham Gen. XVII, 1. geſaget: Wandele fuͤr mir und ſey fromm. Ja frey - lich ſoll dieſer fromme Lehrer nunmehr vor GOTTES Throne wandeln. Denn gleichwie er ihm in dieſen Leben fromm und unſtraͤfflich gedienet; ſo ſolte er nunmehro in ſeinem Lichte wandeln / und vor den Thron des Lam - mes in ewiger Zufriedenheit den himmliſchen Vater preiſen. Und dieſes wurde noch eher an ihm erfuͤllet / als der ſeelige Herr Rector des Todes Bit - terkeit empfunden. Hatte er ſich bey dem Heiligen Abendmahle ſeinem GOtt ergeben / ſo kam er auch in die Freyheit der Kinder GOttes / und ſchauete den von Angeſicht bis zu Angeſicht / welchen er allhie in ſeinem Glau - ben feſt gefaſſet. Doch Schade! daß ein ſolcher Mann ſo bald eingehen ſoll / welcher durch ſeine hohe Merit en Stadt und Land gluͤcklich gemachet. Al - leine wir koͤnnen der Goͤttlichen Weißheit keine Geſetze vorſchreiben / als welche verborgene Sachen thut / die wir Menſchen nicht verſtehen / viel - weniger in ein unreiffes Judicium ziehen koͤnnen. Es hat dieſes geliebte Zittau allbereit ſolche von GOTT zugeſchickte Trauer-Faͤlle verſchmertzen muͤſſen. Jch gedencke allein an dem ſeeligen Herrn M. Melchior Gerla - chen / Hoch-meritir ten Rectorem des hieſigen Gymnaſii, als welcher in vielen Sachen unſerm ſeel. Herrn Hoffmann gleich geweſen. Dieſer ward nach Budißin in die Evangeliſche Schule beruffen / als er noch nicht voͤlligdas60Trauer-Rede. das dreyßigſte Jahr zu Ende gebracht. Und in eben dieſem Jahre ward unſer ſeeliger Herr Rector nach Lauben / als Sub-Rector voci ret. Jener brachte es in ſeinem Schul-Ambte in Budißin und Zittau auf 24. Jahre. Dieſer fuͤhrete in ſeiner Amts-Arbeit eben ſo viel Jahre in ſeiner Rechnung / doch iſt dieſes zu beklagen / daß / da jener in die 14. Jahr dem hieſigen Gy - mnaſio vorgeſtanden / dieſer noch nicht das 4te zum erwuͤnſchten Ende brin - genkoͤnnen. Unterdeſſen muſte Zittau nicht allein den ſeeligen Gerlachen in ſeinem 54. Jahre des Alters vermuͤſſen / ſondern eben unſern Herrn Hoff - mann in dieſem Alter der Ewigkeit uͤberlaſſen. Ja die ungemeine Liebe / welche der ſeel. Herr Rector gegen ſeine Untergebene gehabt / muſte eben - falls dieſe geliebte Stadt bey des Herrn Gerlachs beweinen. Jch beſinne mich hierbey / daß / nachdem Willhelmus Neſenus, des Lutheri und Phi - lippi Melanchthonis Hertzens-Freund auf der Elbe nach Wittenberg ver - ungluͤcket / und Lutherus ſeinen verblichenen Leichnam angeſchauet / er mit vielen Thraͤnen und wehmuͤthiger Stimme ſoll geſaget haben: Mein Bruder / ſo mir GOtt haͤtte die Gabe gegeben / die Todten auffzuwecken / ſo wolte ich an dir meine erſte Kunſt beweiſen. Wiewohl etliche Paͤbſtler mit der Zeit dieſe Worte ſchaͤndlicher weiſe verkehret / und vorgegeben: Lu - therus habe dieſen Neſenum von den Todten aufferwecken wollen / waͤre a - ber in ſeiner Kunſt betrogen worden. Geliebtes Zittau / ich weiß / daß nie - mand in dieſer volckreichen Verſammlung / ja ich wolte ſagen / in der Stadt und Land gefunden werde / welcher nicht dem ſeel. Mann GOttes Luthero ſeinen Wunſch mit mir abborgete / und ſagete: Wenn mir GOtt haͤtte die Macht gegeben / dieſen werthen Mann von den Todten aufzuwecken / ſo wolte ich die erſte Kunſt an ihm erweiſen. Denn alſo haͤtten die armen Schaaffe ihren Hirten / die Nothleidenden ihren Verſorger / die Verlaſſe -nen61Trauer-Rede. nen ihren Vater / ja alle und jedwede einen ſolchen Mann / welcher noch einen unbeſchreiblichen Nutzen in der Schule ſchaffen könte; Allein dieſe Wünſche ſind vergebens und umſonſt. Wir müſſen uns allein an ſein Ge - dächtniß halten / und den großen GOtt preiſen / daß er ſo groſſe Sachen durch ihn verrichtet hat. Als Käyſer Maximilianus I. vor das Grab E - berhardi Barbati des erſten Hertzogs zu Wirtenberg kam / ſagte er nicht ohne ſonderbare Gemüths-Beſtürtzung: Hier liegt der weiſeſte Fürſt unſers Reiches. Gewiß ein ſchöner Ehren-Ruhm / welcher von einem ſo groß - mächtigſten Potentaten dieſem Hertzog zugeeignet / und nicht eher vergehen wird / bis die Welt ſelbſten vergehet. Halte mir es zu gut / geliebtes Zit - tau / wenn ich dieſem großmächtigſten Käyſer ſeine Worte abborge / und bey der Grufft des ſeel. Rectoris ſage: Hier lieget der Weiſeſte unter den Leh - rern / welcher ſeine ſonderbare Klugheit von der himmliſchen Weißheit be - kommen / und dieſelbe wiederum zu ſeiner Ehre angewendet. Hier wer - den ſeine abgematteten Gebeine dem Schooß der Erden einverleibet. Hier ſollen ſie nach langer Unruhe ihre erwünſchte Ruhe haben / bis ſie am Jüng - ſten Tage der Erlöſer wiederum mit der Seelen vereinigen wird. Hier ſoll die Hochbetrübte Frau Wittib und geliebteſten Kinder ihren Troſt hohlen / daß ſie der große GOtt mit deſto erwünſchterer Glückſeeligkeit heimſuchen werde / jemehr der ſeel. Herr durch ſein eifriges Gebeth ihnen lauter Seegen von GOtt allbereit erhalten hat. Er hat indeſſen einen guten Kampff ge - kämpffet / er hat Glauben gehalten / und ſiehet / daß ihm die Krone der Ge - rechtigkeit von ſeinem JEſu beygeleget worden. Und das heiſſet recht was ich im Anfang meiner Rede von Jhm ſagte: Manus DEI me exaltavit. Manus DEi exaltatum conſervavit; Manus DEi exaltatumglorifi -ca -62Trauer-Rede. cavit. Jm übrigen ſoll ich auch meine Pflicht und Schuldigkeit gegen die hochgeneigten Anweſenden in acht nehmen. Es bedancken ſich die hochbe - kümmerte Frau Wittib / hochbeſtürtzten Kinder / und andere vornehme Anverwandten / daß dieſelben dem ſeel. Herrn Rectori den letzten Ehren - und Liebes-Dienſt in ſo großer und anſehnlicher Frequenz abſtatten wollen. Sie ſind bereit und willig / ſolche hohe Gunſt und Wohlgewogenheit mit al - len gehührenden Ehren-Dienſten zu verſchulden / und ſuchen darbey nur bequeme Gelegenheit / wiewohl in einem frölichern Zuſtande / ihr danck - begieriges Gemüthe möglichſter maſſen an das Tage-Licht zu legen. Und weil die beſte Vergeltung von dem großen / GOtt zu erwarten iſt / ſo geht ihr inbrünſtiger Wunſch dahin / es wolle der grundgütige GOtt dergleichen Trauer-Fälle von ihren geehrteſten Familien in allen Gnaden abwenden / hingegen mit allen vergnügten Wohler gehen dieſelben beſtändigſt erfreuen.

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TextI. N. J. Den sich selbst/ und die ihn hören/ seelig zu machen bemüheten Schul-Lehrer
Author August Posselt
Extent64 images; 19235 tokens; 5342 types; 132171 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationI. N. J. Den sich selbst/ und die ihn hören/ seelig zu machen bemüheten Schul-Lehrer Stellete bey Beerdigung (TIT.) HERRN/ Hn. M. Gottfried Hoffmanns/ Hochverdiendten Rectoris des Gymnasii in Zittau August Posselt. . 64 Johann George HünelnBautzen1712.

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Universitätsbibliothek Breslau Universitätsbibliothek Breslau, 4 F 841a / 360149

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGelegenheitsschrift; Leichenpredigt; Gebrauchsliteratur; Leichenpredigt; ready; aedit

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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ImprintBerlin 2019-12-10T09:35:33Z
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