PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Geſchichte des Erd-Coͤrpers aus ſeinen aͤuſſerlichen und unterirdiſchen Beſchaffenheiten hergeleitet und erwieſen.
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Berlin,1771. Bey Chriſtian Friedrich Himburg.
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Vorrede.

Eine Geſchichte iſt eine glaubwuͤrdi - ge Erzehlung von dem Uhrſprunge und Fortgange einer Sache, oder von denen Veraͤnderungen, ſo ſich mit derſelben zugetragen haben. Es giebt demnach wenig Dinge, ſie moͤgen moraliſche, gei - ſtige oder coͤrperliche Weſen ſeyn, von welchen man nicht eine Geſchichte ſchreiben koͤnnte; ſo bald man nur zuverlaͤßige Nachrichten von ih - rem Uhrſprunge, Fortgange und denen ſich dabey ereigneten Veraͤnderungen hat.

Jn der That iſt auch faſt kein Gegenſtand uͤbrig, von dem man nicht bereits Geſchichts - beſchreibungen geliefert haͤtte. Außer denen Ge - ſchichten aller Voͤlker und Staaten, außer der Kirchen - und Gelehrten-Geſchichte, die man aufa 2alleIVVorrede. alle einzelne Wiſſenſchaften erſtrecket hat; außer der Geſchichte der Natur in allen ihren drey Rei - chen, und in beſondern Theilen eines jeden Na - turreiches hat man den Verſtand, den Witz und das Herz des Menſchen zu Gegenſtaͤnden der Ge - ſchichte erwaͤhlet. Man hat ſo gar von Din - gen Geſchichten verfertiget, von deren Uhrſprun - ge und erlittenen Veraͤnderungen uns wenig oder gar nichts bekannt iſt. Man hat eine Ge - ſchichte des Himmels, eine Geſchichte des Teu - fels, und wer weis was ſonſt noch vor Geſchich - ten geſchrieben.

Es iſt daher um ſo mehr zu verwundern, daß noch niemand darauf gefallen iſt, eine Geſchich - te unſers Erdcoͤrpers zu ſchreiben. Es iſt die - ſes gleichwohl ein angelegentlicher Gegenſtand vor die Wiſſensbegierde der Menſchen. Die - ſer Erdcoͤrper iſt es, deſſen Oberflaͤche wir be - wohnen, auf welchem wir herumwallen, und auf welchem ſo viele große und wichtige Bege - benheiten vorgehen. Dieſer Erdklumpen, die - ſer Planet, auf welchen uns die Vorſehung ge - ſetzet hat, damit ein jeder Menſch als auf ei - nem großen Schauplatze ſeine Rolle auf demſel - ben ſpielen ſolle, iſt aber allerdings ein Ge -genſtand,VVorrede. genſtand, welcher einer vollkommenen Geſchichts - beſchreibung faͤhig iſt; er hat ohngezweifelt ſeinen Uhrſprung und Anfang gehabt; es ſind mit dem - ſelben, wenn man dieſen großen Coͤrper bloß an ſich ſelbſt betrachtet, ohne die auf demſelben vor - gegangenen Begebenheiten zum Vorwurf der Ge - ſchichtserzehlung zu nehmen, als welche zur Ge - ſchichte des Erdcoͤrpers eigentlich nicht gehoͤren, erſtaunliche Veraͤnderungen, Verwuͤſtungen und Umformungen vorgegangen. Von einem Theile dieſer Veraͤnderungen haben wir zuverlaͤßige Nachrichten in der allgemeinen Geſchichte; von dem andern und groͤßern Theile dieſer Veraͤnde - rungen aber finden wir in denen aͤußerlichen und unterirdiſchen Beſchaffenheiten des Erdcoͤrpers ſo viele deutliche Spuhren und Kennzeichen, die eben ſo zuverlaͤßig ſind, als ohngezweifelte Uhr - kunden und Denkmaͤhler. Es iſt wahr, dieſe Spuhren und Merkzeichen von ſo vielen mit un - ſerm Erdcoͤrper vorgegangenen Veraͤnderungen ſind in vielen Schriften zerſtreuet. Allein, das kann vor einen Geſchichtſchreiber keine Hinterniß abgeben. Es iſt allemahl ſeine Pflicht, die zer - ſtreueten Uhrkunden zu ſammeln, die er zu dem Gegenſtande ſeiner Geſchichte noͤthig hat.

a 3JchVIVorrede.

Jch habe mich der Arbeit, eine Geſchichte unſers Erdcoͤrpers zu ſchreiben, unterzogen, in welcher ich noch keinen Vorgaͤnger gehabt habe; und ich lege hiermit der Welt dieſe Geſchichte vor Augen, welche ſowohl in Anſehung ihres Gegenſtandes, als in denen an ſich ſelbſt ſehr richtigen Folgen und Schluͤſſen, die ich aus denen Spuhren und Merkzeichen ſo vieler mit dem Erdcoͤrper vorgegangenen Veraͤnderungen ge - zogen habe, aller vernuͤnftigen Leſer beſondere Aufmerkſamkeit zu erregen faͤhig iſt. Man wird mit Verwunderung, und vielleicht nicht ohne Vergnuͤgen, die erſtaunlichen Veraͤnderungen und Verwuͤſtungen leſen, die unſer ſehr alter Erd - klumpen bereits erlitten hat. Jch habe mich be - muͤhet, alles was ich hier vortrage, außer Zweifel zu ſetzen, und alle Einwuͤrfe zu wider - legen, die man etwan gegen die Folgen und Schluͤſſe machen koͤnnte, die ich aus meinen Uhr - kunden, nehmlich aus denen Spuhren und Merk - zeichen der Verwuͤſtungen des Erdcoͤrpers herge - leitet habe.

Da eine vollſtaͤndige Geſchichte ohnſtreitig erfordert, daß der Anfang und Uhrſprung des - jenigen Gegenſtandes, deſſen Geſchichte man be -ſchreibenVIIVorrede. ſchreiben will, ausfuͤhrlich vorgeſtellet und er - zehlet werde; ſo habe ich meiner Geſchichte des Erdcoͤrpers in der Einleitung ein neues Syſtem von der Schoͤpfung vorausgeſetzet, das nicht allein einen richtigen Zuſammenhang und große Wahrſcheinlichkeit hat; ſondern auch mit der Offenbahrung ſehr wohl uͤbereinſtimmet, wie ich unten im zehenten Abſchnitte umſtaͤndlich gezei - get habe. Jch kann dieſes Syſtem allerdings neu nennen, obgleich einige Theile deſſelben be - reits von beruͤhmten Gelehrten angenommen und gelehret worden ſind.

Der Herr von Leibnitz und andere beruͤhm - te Gelehrte haben bereits in ihren Schriften an - genommen, daß alle Haupt - nnd Nebenplane - ten unſers Sonnenſyſtems losgeriſſene Stuͤcke von dem Sonnenklumpen ſind. Allein, ſie ha - ben dieſes weder genugſam erlaͤutert und auf ei - nige Art wahrſcheinlich gemacht, wie dieſe Los - reißung durch natuͤrliche Erfolge ſich hat erei - gnen koͤnnen; noch haben ſie behauptet, daß auch die Cometen weiter nichts als losgeriſſene Stuͤ - cke von dem Sonnenklumpen waͤren. Man kannte damahls die Cometen noch ſehr wenig, und wußte nicht, was man aus ihrem Schweifea 4machenVIIIVorrede. machen ſollte. Eben ſo wenig getrauete man ſich zu behaupten, daß die Cometen lediglich zu unſerm Sonnenſyſtem gehoͤreten, und um keine andere als unſere Sonne ihren Lauf bewerk - ſtelligten.

Dasjenige, was ich von dem Weſen Gottes in meinem Syſtem angenommen habe, ruͤhret eigentlich von dem großen Newton her. Die - ſer große Geiſt, und alle ſcharfſinnige engliſche Weltweiſen mit ihm, ſind der Meynung gewe - ſen, daß Gott und der Raum ganz einerley ſey, und daß der Raum Gott, oder Gott der Raum ſelbſt ſey; und dieſe Meynung haben ſie mit ſtarken und zureichenden Gruͤnden unterſtuͤtzet. Jndeſſen glaube ich doch in meinem Syſtem noch ganz neue und ſtarke Gruͤnde vor dieſes Lehrge - baͤude hinzugefuͤget zu haben, die weiter keinen Zweifel uͤbrig laſſen, dieſer von vielen einſichts - vollen Gelehrten bereits angenommenen und er - kannten Wahrheit beyzupflichten.

Jch befuͤrchte ſo wenig von allzu eifrigen Geiſtlichen dieſer Meynung halber verketzert zu werden, daß ich vielmehr glaube, es verdiene kein anderes Lehrgebaͤude von vernuͤnftigen GeiſtlichenſelbſtIXVorrede. ſelbſt mehr angeprieſen und befoͤrdert zu werden, als eben dieſes. Nichts iſt ſo faͤhig, das We - ſen Gottes und ſeiner allervollkommenſten Eigen - ſchaften, ſeine Allmachr, ſeine Allwiſſenheit, ſeine Allgegenwart, und die Art und Weiſe, wie ſeine unendliche Macht in die Materie wirken kann, dem menſchlichen Verſtande begreiflich zu machen; und nichts kann dem Menſchen erhabnere Begrif - fe von dem unendlichen Weſen Gottes einfloͤßen, als eben dieſes Syſtem. Kein anderes Lehrge - baͤude iſt auch vermoͤgend, eine ſo wahrhaftige und tiefe Verehrung gegen Gott in dem Men - ſchen zu erregen, als wenn man einmahl uͤber - zeuget iſt, daß Gott nicht etwan aus einer un - erkannten Eigenſchaft deſſelben unſere Handlun - gen nur von weitem betrachtet, ſondern daß er ſelbſt weſentlich allezeit um uns gegenwaͤrtig iſt, und daß alle unſere Handlungen und Schrit - te in ihm ſelbſt und in ſeinem Weſen vor - gehen.

Jch habe viele angeſehene Maͤnner von Ver - dienſt und Einſicht geſprochen, welche auf ih - ren Reiſen den beruͤhmten Newton und Clarke haben perſoͤhnlich kennen lernen. Unter andern kann ich hier den wuͤrdigen im vorigen Jahrea 5ver -XVorrede. verſtorbenen Roͤmiſch-Kaiſerlichen geheimden Rath und Nieder-Oeſterreichiſchen Landmar - ſchall, Herrn Baron von Moſer, benennen, welcher bey ſeinem Aufenthalt in England in ſeinen juͤngern Jahren mit dem beruͤhmten Newton und Clarke eine perſoͤhnliche Bekannt - ſchaft unterhalten hat. Dieſer Herr, ſo wie verſchiedene andere, haben mich verſichert, daß niemand eine ſo große und wahrhaftige Vereh - rung gegen Gott bezeuget habe, als dieſe zween beruͤhmten Englaͤnder. Niemahls haͤtten ſie den Nahmen Gottes ausgeſprochen, ohne eine ganz ausnehmende Ehrfurcht, und in ihrem gan - zen Weſen eine Ruͤhrung ohne Grenzen dabey zu Tage zu legen.

Man ſiehet nicht, daß dieſer Lehre von dem Weſen Gottes gegruͤndete Einwuͤrfe entgegen - geſetzet werden koͤnnten, oder daß daraus Fol - gerungen zu ziehen waͤren, die denen erhaben - ſten Begriffen von der Gottheit nicht vollkom - men gemaͤß erachtet werden koͤnnten. Jch weis zwar wohl, daß einige Bedenken getra - gen haben, bloß deshalb dieſe Meynung anzu - nehmen, weil alsdenn alles Boͤſe, alle Miſſe - thaten und ſo viele Greuel der Bosheit, die inderXIVorrede. der Welt vorgehen, alsdenn in Gott ſelbſt und in ſeinem Weſen geſchehen muͤßten. Jch ſelbſt habe ehedem dieſen Einwurf vor ſtark gehal - ten, und mich dadurch abhalten laſſen, dieſe Meynung des großen Newtons ſchon laͤngſt anzunehmen. Allein, wenn man die Sache genau erwaͤget; ſo iſt dieſer Einwand keineswe - ges ſo wichtig, als er auf den erſten Anblick zu ſeyn ſcheinet.

Gott, als das allerweiſeſte Weſen, kann dieſe Welt nicht zur Wirklichkeit gebracht haben, ohne ſich vorher einen Plan oder Entwurf von allen Reihen und Folgen von Begebenheiten in ſeinem unendlichen Verſtande gemacht zu haben, die in der Welt vorgehen ſollten. Alles Uebel, alles Boͤſe, das in der Welt geſchiehet, iſt demnach in dieſem ſeinem Entwurfe bereits uͤber - dacht und uͤberleget worden. Man kann eben ſo wenig leugnen, daß Gott, als das allerguͤ - tigſte und gerechteſte Weſen, in ſeinem Plan ſo wenig Boͤſes, als nur moͤglich war, zugelaſſen hat, und zwar nur dasjenige, was bey dem eingeſchraͤnkten Weſen der Creaturen unvermeid - lich war. Eben ſo wenig kann man zweifeln, daß Gott aus allem zugelaſſenen Boͤſen ſo vielGutesXIIVorrede. Gutes in dem Zuſammenhange der Welt hat fol - gen laſſen, als ſeine Weisheit nur immer ein - richten konnte. Wenn demnach alles Boͤſe aus Gottes Zulaſſung und weiſer Abſicht ge - ſchiehet; wenn dieſes Boͤſe bereits vor der Exiſtenz der Welt in dem unendlichen Verſtande Gottes uͤberdacht und uͤberleget worden; warum ſollte es denen erhabenſten Eigenſchaften der Gottheit vor nachtheilig erachtet werden koͤnnen, daß die - ſes zugelaſſene Boͤſe in ihm ſelbſt und in ſeinem Weſen vorgehet? So wenig die Zulaſſung des Boͤſen denen Eigenſchaften Gottes nachtheilig iſt, eben ſo wenig kann es denen Begriffen von de - nen vollkommenſten Eigenſchaften Gottes zuwi - der ſeyn, daß dieſes Boͤſe in ihm ſelbſt geſchie - het. Der Verſtand erkennet hier nichts, was mit denen Vollkommenheiten der Gottheit in ei - nigem Widerſtreit ſtehen koͤnnte.

Was meine Geſchichte des Erdcoͤrpers ſelbſt anbetrifft; ſo iſt dieſelbe allenthalben aus un - leugbaren Spuhren und Kennzeichen von unzaͤhl - baren Veraͤnderungen, die in einem unermeßli - chen Zeitlaufe von Jahren mit unſern Planeten vorgegangen ſind, hergeleitet; und ich habe mich bemuͤhet, dieſelbe mit einer Menge von Zeug -niſſenXIIIVorrede. niſſen und Beweiſen zu unterſtuͤtzen. Jch laͤug - ne gar nicht, daß dieſe Beweiſe noch um die Haͤlfte haͤtten vervielfaͤltiget werden koͤnnen, wenn man alle zerſtreuete Nachrichten in denen Schriften der Naturforſcher, in denen Abhand - lungen gelehrter Geſellſchaften, und in denen Journalen haͤtte ſammlen wollen. Allein, die in dieſem Werke beygebrachten Nachrichten koͤn - nen ſchon zureichend ſeyn, die darinnen vorge - tragenen Wahrheiten zu unterſtuͤtzen und zu be - kraͤftigen.

Viele von ſolchen Begebenheiten, welche von denen mit unſerm Erdcoͤrper vorgegangenen Veraͤnderungen die offenbareſten Zeugniſſe able - gen, werden nicht einmahl denen Gelehrten ge - nugſam bekannt; weil es oͤfters an einer Feder fehlet, welche ſich die Muͤhe giebt, ſolche der Welt mitzutheilen. Jch habe bereits nach Verferti - gung dieſer Geſchichte einige Vorfaͤlle erfahren, die ſich in hieſigen Gegenden ereignet haben, und die zu merkwuͤrdig ſind, als daß ich ſie bey dieſer Gelegenheit denen Liebhabern der Naturkunde vorenthalten ſollte.

Als vor ſiebenzehn Jahren das Eiſenhuͤtten - werk Vietze, zwiſchen Cuͤſtrin und Landsberg anderXIVVorrede. der Warthe, angeleget wurde; ſo war der erſte Factor deſſelben, Nahmens Braun, aus dem Braunſchweigiſchen gebuͤrtig, bemuͤhet, die Sand - und Leimenberge zwiſchen Vietze und gedachtem Landsberg unterſuchen zu laſſen, ob ſich nicht et - wan darinnen Eiſenſtein, Fluß zum Eiſenſchmel - zen, oder Sandſteine zu Geſtellen des hohen Ofens vorfinden moͤchten. Jn allen andern Bergen fand ſich nichts, was ſeinen Abſichten gemaͤß war. Allein, in einem Berge bey dem Dorfe Webpritz, eine kleine Meile von Lands - berg an der Warthe abgelegen, wurde eine gelbe Erde entdecket, die nicht allein etwas eiſenhaltig, ſondern auch ſehr leichtfluͤßig war, und mithin als ein Zuſatz zum Fluß gebrauchet werden konn - te. Es wurde demnach in dieſen Berg weiter eingegraben; und als man ohngefehr fuͤnf bis ſechs Lachtern an dem Fuße deſſelben in den Berg fortgegraben hatte; ſo fand man einen verſtei - nerten Hirſch in allen Theilen ſeines Coͤrpers zu - ſammenhaͤngend, mit ſeinen Geweyhen und gan - zen Coͤrper alles verſteinert darinnen. Was aber das Merkwuͤrdigſte war; ſo ſtand dieſer Hirſch auf ſeinen Fuͤßen vollkommen aufrecht, und allenthalben mit gelber Erde umgeben. Der verdienſtvolle Prediger zu Vietze, Herr Hoff -mann,XVVorrede. mann, hat ſelbſt ein Stuͤck von dem verſteiner - ten Geweyhe dieſes Hirſches beſeſſen, welches ihm zur Zeit der Rußiſchen Einfaͤlle in die Neumark von Haͤnden gekommen.

Daß dieſer Hirſch verſteinert auf ſeinen Fuͤſ - ſen noch vollkommen aufrecht geſtanden hat, ver - dienet einige Betrachtung. Es laͤßt ſich dieſer Umſtand auf keine andere Art erklaͤhren, als daß dieſer Hirſch von einer großen Ueberſchwemmung, die viel Erde und Schlamm mit ſich gefuͤhret hat, iſt uͤbereilet, und bald Anfangs mit Erde und Schlamm bedecket worden. Da aber der Hirſch noch gelebet hat; ſo hat er ſich bemuͤhet, ſich wieder aufzuhelfen, und auf ſeine Fuͤße zu gelangen. Es iſt ihm dieſes gelungen, da der Schlamm noch weich geweſen, und ſich noch nicht feſt auf einan - der geſetzet gehabt. Allein, aus einem Berge von Schlamm ſich gaͤnzlich heraus zu arbeiten, iſt ihm ohnmoͤglich geweſen; und da er ſich gaͤnzlich entkraͤftet gehabt und geſtorben; ſo hat ſich indeſ - ſen der Schlamm immer feſter zuſammengeſetzt, ſo, daß er nicht mehr umfallen koͤnnen, ſondern in der aufrechten Stellung, wo er gefunden worden, verbleiben muͤſſen.

NochXVIVorrede.

Noch ein anderes Beyſpiel, welches beweiſet, was vor erſtaunliche Veraͤnderungen mit unſerm Erdcoͤrper vorgegangen ſind, und wie oft deſſen Oberflaͤche bewohnt geweſen, wieder verwuͤſtet, und mit einer Menge von Erdlagen und Schich - ten bedecket worden, iſt folgendes, welches ſich gleichfalls in hieſigen Landen vorgefunden hat. Als man vor ohngefehr vierzehn Jahren in dem Dorfe Braunsberg, unter das Amt Alt-Ruppin gehoͤrig, ſo in der Mittelmark, unweit der Meck - lenburgiſchen Grenze liegt, einen neuen Brunnen verfertigen wollte, und da dieſes Dorf eine etwas hohe Lage hat, zu dem Ende uͤber zweyhundert Fuß tief in die Erde eingraben mußte; ſo fand man ohngefehr hundert und ſechzig Fuß tief un - ter der jetzigen Oberflaͤche des Erdbodens, und un - ter einer Menge von Erd - und Steinlagen, einen großen Haufen eichene Kerbſpaͤhne, die ſaͤmmtlich verſteinert waren. Kerbſpaͤhne heißet man die - jenigen, welche entſtehen, wenn man einen Baum nahe an der Wurzel abhauet. Dieſe verſteiner - ten Kerbſpaͤhne hatten ſaͤmmtlich die Figur ſol - cher Spaͤhne; und waren theils groß, theils mit - telmaͤßig, theils klein, nach der Maaße, wie tief die Axt in den Baum eingetrungen war, und niemand konnte zweifeln, ſo bald man ſie nurbetrach -XVIIVorrede. betrachtete, daß ſie nicht von Eichenholz geweſen waͤren. Was vor einen unermeßlichen Zeitraum muß man nicht vorausſetzen, welcher ſeit der Zeit verfloſſen iſt, da dieſe Spaͤhne auf der Oberflaͤche des Erdbodens gelegen haben, ehe ſie hundert und ſechzig Fuß hoch mit ſo vielen Erd - und Stein - ſchichten bedecket werden koͤnnen. Jedoch, der - gleichen Beyſpiele werden ſich in der gegenwaͤrti - gen Geſchichte viel mehr finden.

Um in dieſer Geſchichte nichts vorbey zu ge - hen, was einigermaßen zu ihrem Gegenſtande ge - rechnet werden kann; ſo habe ich auch in dem letz - tern Abſchnitte von der Dauer der Welt gehan - delt, und ich glaube, daß die Betrachtungen, die ich daſelbſt angeſtellet habe, meinen Leſern zu ei - nigem Vergnuͤgen gereichen werden. Jnſonder - heit habe ich mich bemuͤhet, zu unterſuchen, in wie weit durch natuͤrliche Erfolge in einem Son - nenſyſtem Unordnungen und Zerruͤttungen ent - ſtehen koͤnnen, welche den Untergang deſſelben, oder einzelner Weltcoͤrper zu veruhrſachen im Stande ſeyn moͤchten, oder was ſonſt vor Vor - faͤlle moͤglich ſeyn koͤnnten, welche den Untergang eines Planeten zu bewirken vermoͤgend waͤren. Hier habe ich inſonderheit die eitele und thoͤrichtebFurchtXVIIIVorrede. Furcht vor denen Cometen zu verbannen geſucht. Man wird finden, daß es ſehr wahrſcheinlich iſt, daß endlich jedes Sonnenſyſtem durch natuͤrliche Erfolge ſeinen Untergang finden werde, und daß alsdenn ein zweytes Chaos und eine zweyte Schoͤ - pfung oder gaͤnzliche Umformung eines jeden Sonnenſyſtems in einer viel ſchoͤnern und herrli - chern Geſtalt erfolgen duͤrfte, ſo, wie ich gezei - get habe, daß alles dieſes mit der Offenbahrung vollkommen uͤbereinſtimmet. Geſchrieben zu Cuͤſtrin in der Neumark den 25ſten Maͤrz 1771.

Jnnhalt.

Jnnhalt.

Einleitung. Von der Natur und Weſen des ganzen Weltgebaͤudes und der einzelnen Weltcoͤr - perSeite1 Erſter Abſchnitt. Von dem Unterſchiede und der Beſchaffenheit der Gebtrge auf dem Erdcoͤrper, und wie dar - aus ein ſehr hohes Alterthum geſchloſſen wer - den muͤſſe41Zweyter Abſchnitt. Von denen verſchiedenen Erdlagen oder Schich - ten des Erdcoͤrpers bis zu einer großen Tiefe, und was daraus in Anſehung des Alterthums des Erdcoͤrpers zu folgern ſey77Dritter Abſchnitt. Von denen Spuhren und Kennzeichen, daß un - ſer Erdcoͤrper ehedem im Brande geſtanden,b 2undJnnhalt. und ob man daraus ſchließen muͤſſe, daß er einmahl eine Sonne oder ein brennender Comet geweſenS.100 Vierter Abſchnitt. Erweis, daß in dem Mittelpunct der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt, und daß von demſel - ben die meiſten Felſengebirge uͤber die Ober - flaͤche der Erde empor getrieben werden122Fuͤnfter Abſchnitt. Von der ehemahligen Veraͤnderung der Pole und Himmelsgegenden auf dem Erdcoͤrper, und daß Teutſchland meiſtens ein Land ohnweit der Linie geweſen ſeyn muͤſſe157Sechſter Abſchnitt. Erweis, daß das Meer zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle veraͤndert, und daß dasjenige Meer geweſen iſt, was jetzo das feſte Land ausmacht193Siebender Abſchnitt. Erweis, daß die Oberflaͤche der Erde zu verſchie - denen Mahlen bewohnt geweſen, und durch allgemeine Umformungen und VerwuͤſtungenwiederumJnnhalt. wiederum gaͤnzlich entvoͤlkert worden, ehe noch unſere jetzige Zeitrechnung ihren Anfang ge - nommen hatS.228 Achter Abſchnitt. Von denen Verſteinerungen, ſo unter der Erde gefunden werden, und wie man daraus ein hohes Alterthum des Erdeoͤrpers urtheilen muͤſſe258Neunter Abſchnitt. Widerlegung derjenigen Einwuͤrfe, welche der - gleichen Beſchaffenheiten des Erdcoͤrpers von der Suͤndfluth herleiten wollen276Zehnter Abſchnitt. Wie die in der Bibel beſchriebene Schoͤpfung und Zeitrechnung mit dieſem großen Alterthume des Erdcoͤrpers zu vereinigen ſey296Eilfter Abſchnitt. Von der Dauer der Welt, und ob dem ganzen Weltgebaͤude, oder beſondern Weltcoͤrpern der - einſt der Untergang, oder eine gaͤnzliche Ver - nichtung bevorſtehe323b 3ErſtesJnnhalt. Erſtes Hauptſtuͤck. Jn wie weit in einem Son - nenſyſtem Unordnungen, Zerruͤttungen oder natuͤrliche Erfolge entſtehen koͤnnen, welche den Untergang des Sonnenſyſtems oder einzelner Weltcoͤrper zu bewirken vermoͤgend ſindS.326 Zweytes Hauptſtuͤck. Von der vermuthlichen Abſicht Gottes in Anſehung der Dauer des Weltgebaͤudes, und in wie weit die Unordnun - gen und Zerruͤttungen in andern Sonnenſy - ſtemen auf den Untergang der andern einen Einfluß haben koͤnnen352Drittes Hauptſtuͤck. Von dem Untergange der Welt nach der Offenbahrung, und in wie weit ſolcher mit denen vorhin vorgetragenen Saͤtzen uͤbereinſtimmet373

Geſchichte

Geſchichte des Erd-Coͤrpers.

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Einleitung.

Von der Natur und Weſen des ganzen Weltgebaͤudes und der einzelnen Welt - koͤrper.

Der Menſch denket und empfindet. Folglich iſt er dadurch klar uͤberzeu - get, daß er iſt, oder exiſtiret. Eben die ſinnlichen Werkzeuge verſchaf - fen ihm auch die Ueberzeugung, daß er ſich in einer Welt befindet. Sein Auge erkennet den herrlichen Glanz der Sonne, und bewundert des Nachts den Schimmer des Monden und unzaͤhliger Sterne, die ſich in einem unermeßlichen Raume befinden, aber ſo weit von ihm entfernet ſind, daß ſie ſeinen ſchwa - chen Geſichtspunct unendlich uͤbertreffen.

Hieraus wird er alſo uͤberzeuget, daß er ſich in einem unermeßlich großen Weltgebaͤude befinde. So -Awohl2Einleitung. wohl ſein Auge, als uͤbrige ſinnlichen Werkzeuge, er - kennen, daß ſein Fuß auf einem feſten Koͤrper wan - dele. Sie empfinden die zuweilen angenehmen, zu - weilen aber unangenehmen Wirkungen der Luft, des Regens, der Waͤrme und Kaͤlte. Hieraus wird der - ſelbe gar bald auf den Schluß gelenket, daß das - jenige, wo er ſich aufhaͤlt, ein beſonderer Weltkoͤrper und ein Theil des unermeßlichen Ganzen ſey, in deſſen Betrachtung ſich ſein unzureichendes Auge ver - liehret.

So eingeſchraͤnkt auch der menſchliche Verſtand iſt, ſo iſt er doch geſchickt, immer von einer Erkennt - niß zur andern fortzuſchreiten. Wenn er ſich in den Zeiten ſeiner Einfalt und Kindheit ſehr uͤble, und zu - weilen laͤcherliche Begriffe von denen unzaͤhligen Lich - tern des Himmels machte, die ihm klare Naͤchte in aller ihrer Pracht zeigten, ſo entdeckte er doch, nach und nach, daß unter dieſem unzaͤhligen Heere der Ster - ne ſich einige befaͤnden, welche ihre Stellen veraͤnder - ten, und einen gewiſſen Lauf beobachteten; dahinge - gen die meiſten unbeweglich ihren vorigen Ort des Himmels beſtaͤndig beybehielten. Der Menſch er - kannte bald, daß einige von dieſen beweglichen Ster - nen einen richtigen, ordentlichen, und durch gewiſſe Saͤtze beſtimmten Lauf beobachteten; andre aber in ih - rer Laufbahn nicht eben die Ordnung und das uͤber - einſtimmende Verhaͤltniß an ſich wahrnehmen ließen. Man nennte dieſe Cometen; und den erſtern legte man den Namen der Planeten bey; und man wurde mit der Zeit gewahr, daß ſie ſich nach genauen Ge - ſetzen um eben die Sonne bewegten, der unſer eige -ner3Einleitung. ner Weltkoͤrper ſein Licht und Waͤrme zu danken hat. Der Menſch lernete endlich ſein Auge mit Glaͤſern be - waffnen, und durch dieſe Beyhuͤlfe mit ſeinem Ge - ſicht in eine unermeßlich groͤßere Ferne einzudringen; und er erkannte, daß ſich ſechs Hauptplaneten, und zehen Nebenplaneten, die man Monden nennet, um eine und eben dieſelbe Sonne mit einer großen Ord - nung und Uebereinſtimmung bewegten; und daß hin - gegen die Cometen, in Verhaͤltniß der Planeten, und eben dieſe Sonne, einen ganz widrigen und unordent - lichen Lauf beobachteten. Aus richtigen Schluͤſſen von uͤbereinſtimmenden Verhaͤltniſſen lernte er endlich einſehen, daß das ganze uͤbrige unermeßliche Heer der Sterne, die man Fixſterne nennet, eben dergleichen Sonnen waͤren, als die unſrige, und daß eine jede ſolche Sonne in ihrem Weltſyſtem eben ſolche Plane - ten um ſich haben wuͤrde, als ſich um unſre Sonne be - wegen, die aber nur wegen der unbeſchreiblichen Ent - fernung auch unſern bewaffneten Augen verborgen blie - ben. Man zaͤhlet zwiſchen 20 bis 30000 ſolcher Son - nen oder Fixſterne, und uͤberdies wird ein wohlgeruͤ - ſtetes Auge in der ſogenannten Milchſtraße noch eine unendliche Anzahl ſolcher Sonnen, jedoch wegen der unermeßlichen Entfernung, nur mit geringer Klarheit und Deutlichkeit gewahr.

Der menſchliche Verſtand, ſo ſehr er auch durch Kenntniſſe verbeſſert iſt, ſtehet bey einer ſo unnennba - ren Groͤße des ganzen Weltgebaͤudes gleichſam wie ent - zuͤckt und betaͤubt vor Verwunderung ſtille.

Dieſe Groͤße uͤberſteiget | alles dasjenige unendlich, was er ſich vor Grade und Verhaͤltniſſe an Groͤße,A 2Weite,4Einleitung. Weite, Entfernung und Anzahl auszumeſſen er - dacht hat; indeſſen erholet ſich der menſchliche Ver - ſtand wieder. Die halb betaͤubte Verwunderung wird von ſeiner unerſaͤttlichen Begierde zur Kenntniß und zum Wiſſen vertrieben, und macht ſeiner Forſchbe - gierde Raum, die Natur und das Weſen eines ſo unermeßlichen Weltgebaͤudes naͤher kennen zu lernen. Zwar ſein Verſtand iſt ſo eingeſchraͤnkt, daß er hier wenig mit vollkommener Gewißheit und Ueberzeugung beſtimmen kann. Alles, was er ſich hieruͤber ausden - ken kann, ſind weiter nichts als Wahrſcheinlichkeiten und Hypotheſen. Jndeſſen hat eine dergleichen Hy - potheſe vor der andern immer einen groͤßern Grad der Wahrſcheinlichkeit, und es kann vor die Erweiterung der menſchlichen Einſicht und Kenntniſſe gar nicht gleich - guͤltig ſeyn, wie dieſe Hypotheſen beſchaffen ſind; die - jenige, welche die groͤßte Wahrſcheinlichkeit vor ſich hat, welche mit der Natur und Weſen des Weltge - baͤudes am beſten uͤbereinſtimmet, welche die menſch - liche Vernunft am beſten befriediget, und derſelben keine Widerſpruͤche und Ohnmoͤglichkeiten zu glauben aufbuͤrdet, wird allemal vor denen uͤbrigen den Vor - zug verdienen, und zur Erweiterung der menſchlichen Erkenntniß das Jhrige beytragen. Man darf ſich nicht abhalten laſſen, dergleichen Hypotheſen vorzutra - gen, wenn ſie auch nicht mit der Offenbarung vollkom - men uͤbereinſtimmen ſollten. Die Theologie und die Weltweisheit arbeiten in ganz verſchiedenen Feldern. Die erſte ſuchet die Seele, und die andre den Verſtand der Menſchen zu verbeſſern; und wenn die erſte Be - arbeitung auf Wahrheit und guten Gruͤnden beruhet,ſo5Einleitung. ſo kann ſie durch die letztere Bearbeitung nicht gehin - tert werden. Heut zu Tage ſind auch einſichtige Geiſt - liche von allen drey Hauptreligionen nicht mehr wie zu den Zeiten unſrer Vaͤter mit ſo weniger Vernunft ei - frig, daß ſie deshalb jemanden verketzern ſollten. Noch einmal, es ſind weiter nichts als Hypotheſen, die ein vernuͤnftiger Weltweiſe, welcher die Graͤnzen des menſchlichen Verſtandes mehr als andre Menſchen ken - nen ſoll, nicht vor untruͤgliche Wahrheiten und Ge - wißheiten angeben wird; ob gleich zuweilen Newton, Leibnitz, Wolf, und andre Weltweiſen, in ihren Hy - potheſen von der Natur und Weſen des Weltgebaͤudes oͤfters in ſolchen Ausdruͤcken reden, als wenn ſie von der Wahrheit und Gewißheit ihrer Saͤtze auf das voll - kommenſte uͤberzeuget waͤren. Sie ſetzen dabey alle - mal voraus, daß es eine Hypotheſe iſt, welche ſie vor - tragen, und nach dieſer Vorausſetzung koͤnnen ſie frey - lich von ihren beſondern Saͤtzen als wahr und richtig reden, weil ſie ſolche aus den Reguln der Vernunft und der Erkenntniß annehmen und beweiſen muͤſſen. Jch werde demnach mich gleichfalls nicht abhalten laſſen, in dieſer Einleitung zu der Geſchichte des Weltkoͤrpers eine Hypotheſe von der Natur und Weſen des Welt - gebaͤudes vorauszuſetzen, die mit meiner vorhabenden Geſchichte in ſo naher Verwantſchaft ſtehet; indeſſen wird man ſehen, daß meine Hypotheſe mehr mit der Offenbarung uͤbereinſtimmet, als vielleicht viele andre Lehrgebaͤude von der Natur und Weſen des Weltgebaͤu - des und der Schoͤpfung.

So ſehr anfangs der menſchliche Verſtand uͤber die Unermeßlichkeit des Weltgebaͤudes erſtaunet; ſoA 3darf6Einleitung. darf derſelbe doch nur aufmerkſame Betrachtungen auf dieſen Gegenſtand richten, um gar bald zu entdecken, daß nicht allein die Unermeßlichkeit, ſondern ſogar die Un - endlichkeit, zu den weſentlichen Eigenſchaften des Welt - gebaͤudes gehoͤret; weil ſich ein endliches und durch ge - wiſſe Schranken eingeſchloſſenes Weltgebaͤude gar nicht gedenken laͤßt. So bald man ſich dergleichen Schran - ken vorſtellen will; ſo bald erkennet man auch ihre Ohn - moͤglichkeit. Ein endlicher und eingeſchraͤnkter Geiſt iſt weder durch ſich ſelbſt, noch durch ſeine Macht, im geringſten faͤhig, das Weltgebaͤude einzuſchraͤnken; es muͤßte alſo der ſelbſtſtaͤndige, unendliche und ewige Geiſt ſelbſt ſeyn, welcher das Weltgebaͤude auf irgend oinige Art einſchraͤnke. Allein, durch ſich ſelbſt und durch ſein Weſen kann dieſe Einſchraͤnkung nicht ſtatt finden. Er iſt ſelbſt unendlich; er muͤßte alſo Mate - rien erſchaffen, welche das Weltgebaͤude einſchraͤnkten; allein zu dieſen Materien muͤßte ein Raum vorhanden ſeyn. Materien ohne Raum und Orth laſſen ſich gar nicht gedenken. Folglich wuͤrde bey einer ſolchen Ein - ſchraͤnkung der Raum dennoch immer fortgehen; und womit ſollte die Materie begraͤnzet werden, womit der unendliche Geiſt die Endlichkeit des Weltgebaͤudes be - ſtimmet haͤtte? Man wuͤrde neue Materien zu den Graͤnzen der erſten, und hierzu abermals Raum an - nehmen muͤſſen; und das wuͤrde ſo ohne Ende fortge - hen, ſo, daß der unendliche Geiſt durch Beſtimmung der Graͤnzen des Weltgebaͤudes nichts gethan haben wuͤrde, als immer neue unendliche Weltgebaͤude zu den erſten hinzuzufuͤgen. Hieraus folget alſo unwider - ſprechlich, daß wenigſtens der Raum des Weltgebaͤudes unendlich ſeyn muͤſſe.

Die7Einleitung.

Die tiefſinnigſten Philoſophen in England haben allemal die Unendlichkeit des Weltgebaͤudes behauptet. Der Herr von Leibnitz in ſeinen bekannten Streitſchrif - ten mit dem Doctor Clarke, einem der vornehmſten Freunde und Anhaͤnger des großen Newtons, beſtrite dieſes Lehrgebaͤude; und man haͤtte alſo von dem Herrn von Wolff, als eifrigen Nachfolger und Erklaͤrer der Leibnitziſchen Lehrſaͤtze, vermuthen koͤnnen, daß er eben dieſer Meynung zugethan ſey. Allein, es hat derſel - be in ſeiner teutſchen Metaphyſik gnugſam zu erken - nen gegeben, daß er der Meynung von der Unendlich - keit des Weltgebaͤudes nicht abgeneigt ſey. Er ſaget ausdruͤcklich, daß ſich die Endlichkeit des Weltgebaͤu - des nicht denken laſſe, und erlaͤutert ſolches dadurch, daß, wenn man vorausſetzte, daß jemand an den aͤuſ - ſerſten Graͤnzen des Weltgebaͤudes ſtuͤnde; ſo wuͤrde er entweder ſeinen Arm ausſtrecken koͤnnen, oder nicht. Jn dem erſtern Fall muͤßte uͤber den Graͤnzen des Welt - gebaͤudes noch Raum, und alſo keine Graͤnzen oder Schranken vorhanden ſeyn. Jn dem andern Fall hingegen muͤßte das Ausſtrecken des Arms durch ir - gend eine Materie gehintert werden, und alsdenn koͤnnte daſelbſt das Ende der Welt nicht ſtatt finden. Dieſes ſind ohngefehr die Gedanken des Herrn von Wolff, die er bey dieſem Gegenſtande anfuͤhret; wie - wohl ich das Buch nicht bey der Hand habe, und ſie wollen im Grunde eben dasjenige behaupten, was ich vorhin, meines Erachtens, etwas deutlicher und faßlicher angefuͤhret habe.

Wenn man die Unendlichkeit des Weltgebaͤudes, wenigſtens was den Raum anbetrifft, annehmen muß;A 4ſo8Einleitung. ſo muß man eben dieſes in Anſehung deſſen Ewigkeit behaupten; jedoch bloß und lediglich in Ruͤckſicht auf deſſen Raum. Dieſes ganze Weltgebaͤude, wie es anitzo und in allen vorigen Zeitlaͤuften beſchaffen gewe - ſen iſt, kann nicht an und vor ſich ſelbſt ewig ſeyn. Es muͤßte alsdenn ein ſelbſtſtaͤndiges, urſpruͤngliches, und vollkommenſtes Weſen ſeyn; kurz, es muͤßte ſelbſt Gott ſeyn. Allein ſeine Eigenſchaften und Beſchaf - fenheiten ſind weit von demjenigen entfernet, was man ſich von dem einzigen, ewigen und ſelbſtſtaͤndigen We - ſen vorſtellen muß. Es iſt alſo außer dem ſichtbaren Weltgebaͤude ein ſolches urſpruͤngliches und ſelbſtſtaͤndi - ges Weſen vorhanden, welches von allen Ewigkeiten her exiſtiret hat. Dieſes ewige Weſen hat dem Welt - gebaͤude ſein Daſeyn, ſeine Einrichtung und Geſtalt gegeben.

Die Welt hat alſo ihren Anfang genommen, und hat ihren Urſprung einem unendlich vollkommenen We - ſen zu danken.

Es exiſtirte demnach von allen Ewigkeiten her ein ſelbſtſtaͤndiges und unendliches Weſen. Dieſes We - ſen mußte aber nothwendig irgendwo, oder wenn man ſo ſagen kann, an einem gewiſſen Orte exiſtiren. Eine Exiſtenz laͤßt ſich ſonſt gar nicht gedenken; exiſtiren oder vorhanden ſeyn, und doch nirgends exiſtiren, oder nirgendswo vorhanden ſeyn, iſt ein unlaͤugbarer und offenbarer Widerſpruch; eben ſo gewiß, als wenn man behauptet, daß eine Sache ſey, und auch nicht ſey. Dieſe Begriffe werden nicht vermindert, wenn gleich von der Exiſtenz eines geiſtigen oder einfachenWeſens9Einleitung. Weſens die Rede iſt. Ein ſolches Weſen muß gleich - falls irgendswo, oder uneigentlich zu reden, an einem gewiſſen Orte exiſtiren, und ſelbſt das allervollkom - menſte einfache Weſen muß demnach einen Ort ſeiner Exiſtenz haben. Auf andre Art laͤßt ſich gar keine Exiſtenz gedenken. Der Unterſchied zwiſchen einem endlichen und unendlichen einfachen Weſen kommt le - diglich darauf an, daß das erſte an einem gewiſſen be - ſtimmten Orte exiſtiret, oder gegenwaͤrtig iſt; das andre aber allenthalben exiſtiret oder gegenwaͤrtig iſt. Allein, weder bey dem einen noch bey dem andern kann man ſich eine Exiſtenz vorſtellen, ohne daß ſie irgendwo ſtatt finden muͤſſe, und wenn demnach gar kein Ort und Raum vorhanden war; ſo kann auch keine Exi - ſtenz ſtatt finden.

Das unendliche, ewige und ſelbſtſtaͤndige Weſen konnte demnach ohne Raum nicht exiſtiren. Dieſer Raum aber mußte eben ſo ewig ſeyn, als das ſelbſt - ſtaͤndige Weſen ſelbſt. Denn ſo bald man annehmen wollte, daß das ewige Weſen den Raum in einem ge - wiſſen Zeitpuncte erſchaffen habe, ſo wuͤrden eben die vorigen Widerſpruͤche und Ohnmoͤglichkeiten entſtehen, das ſelbſtſtaͤndige Weſen muͤſſe vor Erſchaffung des Raums nirgendswo exiſtiret haben; das iſt in der That eben das, als wenn man ſagte, daß es vor Erſchaf - fung des Raums gar nicht exiſtiret haͤtte.

Hieraus folget alſo mit vollkommener Ueberzeu - gung, daß der Raum ewig iſt. Da ich nun vorhin erwieſen habe, daß man einen endlichen und einge - ſchraͤnkten Raum des Weltgebaͤudes gar nicht geden -A 5ken10Einleitung. ken kann, und daß derſelbe ſeinem Weſen nach ohne Ende und Schranken ſeyn muß; ſo ergiebt ſich daraus deutlich, daß der Raum des Weltgebaͤudes nicht allein ewig, ſondern auch unendlich ſey.

Zwey ewige, unendliche, urſpruͤngliche und ſelbſt - ſtaͤndige Weſen koͤnnen nicht zugleich und neben einan - der exiſtiren. Wenn eines das andre hervorgebracht hat; ſo ſind ſie beyde nicht zugleich ewig und ſelbſt - ſtaͤndig, und eben ſo kann ein ewiges Weſen nicht von dem andern abhaͤngen. Dieſe Abhaͤngigkeit koͤnnte auf keine andre Art entſtehen, als daß das eine das andre hervorgebracht, oder demſelben an Macht un - endlich uͤberlegen waͤre. Alsdenn aber wuͤrden dieſe beyde Weſen abermals nicht zugleich ewig und ſelbſt - ſtaͤndig ſeyn. Die Einſchraͤnkung der Macht wider - ſtreitet offenbar der Selbſtſtaͤndigkeit eines Weſens. Ueberhaupt aber, wenn man weder eine Einſchraͤnkung an Macht, noch der Ewigkeit vorausſetzte; ſo wuͤrden zwey zugleich ewige und ſelbſtſtaͤndige Weſen einander entgegenwirken, und aus dieſer Entgegenwirkung wuͤr - de eine gaͤnzliche Unthaͤtigkeit beyder Weſen entſtehen, und es wuͤrde eben das ſeyn, als wenn ſie gar nicht vorhanden waͤren. Kurz, die beſten Weltweiſen al - ler nur etwas aufgeklaͤrten Voͤlker haben es als einen der richtigſten und ungezweifelteſten Saͤtze der Ver - nunft angenommen, daß nicht zwey ewige, unendli - che und ſelbſtſtaͤndige Weſen neben einander exiſtiren koͤnnen.

Jndeſſen haben die vorhergehenden ungezweifelten Gruͤnde dargethan und erwieſen, daß der Raum desWelt -11Einleitung. Weltgebaͤudes ewig und unendlich ſey. Eben ſo ge - wiß iſt es, daß ein Gott, ein ewiges, unendli - ches und ſelbſtſtaͤndiges Weſen vorhanden iſt, wel - ches dem ganzen Weltgebaͤude ſeine Geſtalt und Ein - richtung gegeben, und daſſelbe hervorgebracht hat, weil das Weſen des Weltgebaͤudes ſelbſt nicht die ge - ringſten Beſchaffenheiten hat, die man ſich von einem ewigen und ſelbſtſtaͤndigen Weſen vorſtellen muß. Wie ſoll man alſo bey der vorhin klar erwieſenen Exiſtenz zweyer ewigen und unendlichen Weſen weiter ſchließen; die Vernunft hat hier nur einen einzigen Ausweg uͤbrig. Sie muß naͤmlich dieſe beyden ewigen und unendlichen Weſen mit einander vereinigen. Sie muß ſchließen, daß Gott und der Raum ganz einer - ley ſey, daß Gott der Raum, oder der Raum Gott ſey.

Dieſes iſt die Hypotheſe der groͤßten und tiefſin - nigſten engliſchen Weltweiſen geweſen, und ſie iſt ge - wiß die vernuͤnftigſte und wahrſcheinlichſte, welche der menſchliche Verſtand erfinden kann. Es werden da - durch zugleich alle die unendlichen Schwierigkeiten aus dem Wege geraͤumet, welche in der Weltweisheit ent - ſtehen, wenn man ſich den Raum als ein beſonderes Weſen vorſtellet, man mag annehmen, daß er von Gott erſchaffen ſey, oder nicht.

Man weis, daß Carteſius und alle ſeine Nach - folger, wie auch der Herr von Wolff, den Raum vor gar nichts Wirkliches, ſondern nur vor etwas Zu - faͤlliges angeſehen haben. Sie erklaͤrten den Raum als eine Folge oder Ordnung der Dinge auf und nebeneinander,12Einleitung. einander, und daß nur in ſo fern und zufaͤlliger Weiſe Raum vorhanden waͤre, als die Koͤrper und Mate - rien des Weltgebaͤudes ſolches erfoderten. Allein, wenn ſie ſich hierdurch aus einigen Schwierigkeiten wegen des Raums heraushalfen; ſo ſtuͤrzten ſie ſich da - gegen in andre ganz unuͤberwindliche Schwierigkeiten und Zweifel. Eine nothwendige und unvermeidliche Folge ihrer Hypotheſe war, daß ſie gar keinen leeren Raum zugeben durften, ſondern annehmen mußten, daß das ganze Weltgebaͤude allenthalben mit Mate - rien erfuͤllet ſey, und daraus beſtehe. Dieſes ſtimm - te mit der Unendlichkeit des Weltgebaͤudes vielweniger uͤberein, und verurſachte große Schwierigkeiten in An - ſehung richtiger und ungezweifelter Grundſaͤtze bey der Bewegung der Koͤrper. Sie verantworteten ſich ſchlecht, wenn man ihnen entgegenſetzte, daß man leere Raͤume durch die Luftpumpe darſtellen koͤnnte. Sie ſagten, daß dieſes keine leeren Raͤume, ſondern noch immer mit Aether erfuͤllet waͤren. Sie ſetzten alſo dasjenige voraus, was ſie beweiſen ſollten, denn dieſen Aether laͤugnete man ihnen, und das iſt gewiß die ſchlechteſte Art zu erweiſen, weil man eben dasje - nige ſchon vorausſetzet, was doch erſt zu erweiſen iſt. Jch wuͤrde mich hier allzuweit von meinem Gegenſtan - de entfernen, wenn ich alle die unuͤberwindlichen Schwierigkeiten in der Weltweisheit in Anſehung des Raums vortragen wollte, die dadurch auf einmal ge - hoben werden, wenn man annimmt, daß Gott und der Raum ganz einerley ſey.

Zugleich werden auch durch dieſes Lehrgebaͤude die hauptſaͤchlichſten Eigenſchaften, die eine geſunde Ver -nunft13Einleitung. nunft dem ewigen und ſelbſtſtaͤndigen Weſen beylegen muß, viel begreiflicher. Man ſiehet leicht, wie Gott allmaͤchtig, allwiſſend, allgegenwaͤrtig ſeyn kann, weil alle Weltſyſteme, alle Weltkoͤrper, alle Arten von Creaturen, und kurz, das ganze Weltgebaͤude in ihm ſelbſt und in ſeinem Weſen ſind, und exiſtiren. Und alles, was geſchiehet, in ihm ſelbſt und durch ihn vor - gehet.

Es werden auch dadurch viele andre unuͤberwind - liche Schwierigkeiten in der Weltweisheit aus dem Wege geraͤumet und aufgeklaͤret. Z. E. Die Welt - weisheit hat es zeither ohnmoͤglich auf einige Art be - greiflich machen koͤnnen, wie ein Geiſt, er ſey endlich oder unendlich, in die Materie wirken koͤnne. Car - teſius erfand, um ſich aus dieſen Schwierigkeiten her - auszuwickeln, den Lehrſatz von denen gelegentlichen Urſachen; eine Erfindung, aus welcher viele unge - reimte Folgen abfloſſen, und der Herr von Wolff bruͤtete zu dem Ende das in vielem Betracht laͤcherliche Lehrgebaͤude von der Harmonia praeſtabilita, oder der vorher beſtimmten Uebereinſtimmung aus. Allein, wenn das ganze Weltgebaͤude ſich in dem unendlichen Geiſte ſelbſt, und gleichſam in ſeinem Weſen befindet; ſo bleibet gar keine Schwierigkeit uͤbrig, ſich begreif - lich zu machen, wie derſelbe in die Materie wir - ken kann.

Dieſes Lehrgebaͤude ſtimmet auch mehr mit der Offenbarung uͤberein, als vielleicht alle andre. Es ſind unzaͤhlige Stellen in der Bibel, in welchen auf das deutlichſte enthalten, und auf das nachdruͤcklichſtevorge -14Einleitung. vorgeſtellet wird, daß alles in Gott ſey; daß alles in ihm und durch ihn geſchehe; daß alles aus ihm fließe, daß wir in Gott leben, weben und ſind, und wie der - gleichen andere eben dieſen Sinn und Meynung deutlich in ſich enthaltende, Ausdruͤcke mehr lauten. Alles die - ſes kann nur ſehr uneigentlich verſtanden werden, wenn man andre Lehrgebaͤude annimmt. Allein, dieſe Aus - druͤcke und Ausſpruͤche der Bibel ſind in ihrer eigentli - chen Bedeutung richtig, wenn Gott und der Raum einerley ſind.

Faſt alle gruͤndliche Weltweiſen unter denen geſit - teten und erleuchteten Voͤlkern des Alterthums haben es als eine der erſten Grundſaͤtze der menſchlichen Ver - nunft und Erkenntniß angeſehen, daß aus nichts auch nichts werden koͤnne. Ex nihilo nihil fit. Jn der That ſcheinet es der Vernunft widerſtreitend, daß aus nichts etwas werden koͤnne. Nichts und etwas, nicht ſeyn, und ſeyn, nicht exiſtiren, und exiſtiren, ſind offen - bar widerſtreitende Begriffe, die einen unlaͤugbaren Widerſpruch in ſich enthalten. Ob nun gleich die al - ten Weltweiſen glaubten, daß eine Gottheit, oder ihr hoͤchſter und oberſter Gott, das ſichtbare Weltgebaͤude erſchaffen und hervorgebracht haͤtte; ſo konnten ſie ſich doch nicht uͤberreden, einer Gottheit die Macht bey - zumeſſen, daß ſie widerſprechende, und mithin ohn - moͤgliche Dinge ausrichten koͤnnte. Sie nahmen dan - nenhero an, daß von allen Ewigkeiten her in dem un - endlichen Raume des Weltgebaͤudes gewiſſe Atomen, oder die erſten uranfaͤnglichen Theile der Materie, die ſo fein waren, daß ſie an ſich ſelbſt ganz untheilbar wa - ren, vorhanden geweſen waͤren. Aus dieſem ewigenUrſtoffe15Einleitung. Urſtoffe der Materie hatte demnach die Gottheit, wie ſie glaubten, das ſichtbare Weltgebaͤude gebildet und zu Stande gebracht.

Selbſt unter denen chriſtlichen Weltweiſen hat es viele gegeben, welche dieſe Atomen als den erſten Ur - ſtoff der Materie und des Weltgebaͤudes angenommen haben; und die Herren von Leibnitz und Wolff ſa - hen einen erſten Urſtoff der Materie vor oder bey Er - ſchaffung der Welt ſo nothwendig an, daß ſie deshalb die Monaden erfanden; eine Erfindung, welche die Atomen der Alten nicht allein wenig verbeſſerte, ſon - dern auch viele ungereimte Folgen und offenbare Wi - derſpruͤche in ſich enthielte; weil man annahm, daß dieſe Monaden, die doch den Urſtoff der Materie aus - machen ſollten, ſelbſt nichts weniger als Materie, ſon - dern bloß einfache Dinge, oder kurz zu ſagen, geiſti - ge Weſen waͤren. Es iſt aber ſo ungereimt, als wi - derſprechend und ohnmoͤglich, daß geiſtige oder einfache Weſen den erſten Grundſtoff zu dem Daſeyn der Koͤr - per ausmachen ſollen.

Diejenigen Weltweiſen, welche dem unendlichen und ſelbſtſtaͤndigen Weſen eine Macht beygeleget ha - ben, alles, und ſo gar auch ohnmoͤgliche Dinge zu Stande zu bringen, haben geglaubt, deſſen Allmacht und unendliche Vollkommenheiten dadurch zu vergroͤſ - ſern. Allein ſie irren ſich. Keine Macht, ſo ſelbſt - ſtaͤndig und uneingeſchraͤnkt ſie auch iſt, kann das We - ſen der Dinge veraͤndern, kann das Ohnmoͤgliche moͤg - lich und wirklich machen, und verurſachen, daß ein Ding zugleich iſt, und auch nicht iſt. Jch will michnicht16Einleitung. nicht einlaſſen zu unterſuchen, ob es eben dieſe Be - ſchaffenheit habe, wenn aus nichts etwas werden ſoll, wie die alten Weltweiſen geglaubet haben. So viel iſt aber gewiß, daß es der Vernunft allemal ſchwehr, und faſt ohnmoͤglich zu begreifen ſeyn wird, daß aus nichts etwas werden koͤnne.

Wenn die alten Weltweiſen in der Annehmung ihrer Atomen geſehlet haben, ſo geſchah es darinn, daß ſie denen Atomen eine beſondere Ewigkeit beymaſ - ſen, die von dem Weſen der Gottheit unterſchieden war. Kurz, daß ſie das ſelbſtſtaͤndige Weſen, wel - ches die Welt aus denen Atomen bildete, und die Ato - men ſelbſt, als zweyerley verſchiedene, jedoch ewige Weſen betrachteten. Jch habe aber oben genugſam dargethan, daß die geſunde Vernunft dergleichen kei - nesweges zugeben kann.

Es wuͤrde einer vernuͤnftigen Hypotheſe vielmehr gemaͤß ſeyn, wenn man annehme, daß die Atomen zu dem Weſen der Gottheit, oder welches einerley iſt, des Raumes gehoͤreten, und mit demſelben nothwen - dig weſentlich und von Ewigkeit her vereinigt geweſen waͤren. Auf dieſe Art wuͤrden ſowohl zweyerley be - ſondere und verſchiedene ewige Weſen, als die Schwie - rigkeit der Vernunft wegfallen, die ſich kaum uͤber - reden laſſen kann, daß aus nichts etwas werden koͤnne. Dieſe Atomen wuͤrden den unendlichen und ewigen Raum erfuͤllen, vermoͤge ſeiner ewigen Natur wuͤrde ein jedes Atomen vor ſich ſeine Thaͤtigkeit haben, und ſich um ſeine Axe bewegen, dadurch aber deſto geſchick - ter werden, den Grundſtoff der Materie und aller Welt - koͤrper abzugeben.

Diejeni -17Einleitung.

Diejenigen Weltweiſen, welche die Ewigkeit der Atomen, oder des materiellen Weltgebaͤudes uͤberhaupt verworfen haben, ſind hierzu hauptſaͤchlich aus der Uhr - ſache bewogen worden, weil ſie an einem materiellen Weſen allzu viel Veraͤnderlichkeit und Umformungen gewahr zu werden geglaubt, als daß ſolches mit dem Weſen ewiger Dinge beſtehen koͤnnte. Allein eine ganz andere Beſchaffenheit hat es hierinnen mit dem erſten uhranfaͤnglichen Grundſtoff der Materie, deſſen allerfeinſte Theilchen gleichſam ganz einfach, und wei - ter nicht theilbar ſind, in Vergleichung der groͤbern Materie, die allerley Veraͤnderungen und Umformun - gen unterworfen iſt. Die Vernunft entſiehet ſich mit Recht, der letztern etwas von einer Ewigkeit beyzumeſ - ſen. Sie findet aber keine Schwierigkeit, ſolches dem erſten Grundſtoff der Materie, und denen ganz un - theilbaren, mithin der Veraͤnderung nicht unterworfe - nen Atomen zuzugeſtehen.

Jndeſſen wuͤrde es bey dem gegenwaͤrtigen Lehr - gebaͤude faſt gleichguͤltig ſeyn, wenn man auch anneh - men wollte, daß das ewige, unendliche und ſelbſtſtaͤn - dige Weſen die Atomen zu einer gewiſſen Zeit, vor der Bildung der Welt erſchaffen, und den unendlichen Raum oder ſein eignes Weſen damit angefuͤllet habe. Nur muͤſſe man dabey vorausſetzen, daß Gott dieſen Atomen einen weſentlichen Grund der Thaͤtigkeit bey - geleget, und ihnen inſonderheit die Bewegung um ih - re Axe, als ihre weſentliche Eigenſchaft, mitgetheilet habe. Dieſe kleine Veraͤnderung in der gegenwaͤrti - gen Hypotheſe wuͤrde vornaͤmlich denenjenigen zu ſtat - ten kommen, die es mit einem leichten Verſtande ohneBMuͤhe18Einleitung. Muͤhe begreifen koͤnnen, daß ein ſelbſtſtaͤndiges We - ſen auch aus nichts etwas machen koͤnne, ohne einmahl den Uhrſtoff ſeiner Werke aus ſich ſelbſt zu nehmen, welches doch der Vernunft die Sache einigermaßen be - greiflicher machen koͤnnte. Auch denenjenigen wuͤrde dieſe Veraͤnderung vielleicht gefallen, die ſich daran ſtoſ - ſen moͤchten, daß die Atomen ewig ſeyn ſollten, ob man ſie gleich mit dem Weſen der Gottheit auf das genaueſte und nothwendig verbunden annimmt.

Wir ſind nunmehro in unſerm Lehrgebaͤude auf den Zeitpunct gekommen, daß das ſichtbare Weltgebaͤu - de ſeinen Anfang nehmen kann. Es exiſtiret ein ewi - ges, unendliches und ſelbſtſtaͤndiges Weſen, welches die Macht, und wie man aus der Wirkung ſchließen muß, auch den Willen gehabt hat, eine Welt hervorzubrin - gen. Jn dem Weſen dieſer Gottheit iſt der unendli - che Raum zu dem Weltgebaͤude gleichfalls vorhanden, und dieſer Raum iſt mit Atomen erfuͤllet, die einen ewigen oder weſentlichen Grund der Thaͤtigkeit in ſich haben, und ſich um ihre eigne Axe bewegen. Laſſet uns nunmehro ſehen, was vorgehen wird, wenn das ſichtbare Weltgebaͤude zum Vorſchein kommen ſoll.

Der Entſchluß, der Wille und der Wink dieſes ſelbſtſtaͤndigen Weſens, oder mit der Bibel nach menſchlichen Begriffen von ihm zu reden, ein Hauch ſeines Mundes, wird alle diejenigen Atomen aus ei - nem ſolchen Raume, der ein kuͤnftiges Sonnenſyſtem ausmachen ſoll, in die Enge zuſammen treiben, und zwar dergeſtalt, daß nunmehro ein jedes Atomen, wie vorhero, die Bewegung um ſeine eigne Axe nicht fort -ſetzen19Einleitung. ſetzen kann, ohne die um und neben ſich befindlichen andern Atomen zu beruͤhren; ſondern ſie werden ſo dicht aneinander getrieben, daß, da ſie gleichwohl den ewigen oder weſentlichen Grund ihrer Thaͤtigkeit fortſetzen, und ſich um ihre eigne Axe bewegen wol - len, ſie ſich aneinander anhaͤngen, in einen Klum - pen zuſammenfuͤgen, und dennoch alſobald in einer Maſſe vereiniget, die ihnen alle weſentliche Thaͤ - tigkeit, die Bewegung um ihre eigne Axe, nicht unter - laſſen koͤnnen. Das, was ich hier ſage, iſt eine na - tuͤrliche Folge aus der vorausgeſetzten weſentlichen Ei - genſchaft der Atomen. Alle Dinge und Materien, wenn ſie nur gleichartig, oder homogen ſind, haͤn - gen ſich durch einerley fortgeſetzte Bewegung aneinan - der an, ſo bald ſie nur dicht genug beyſammen ſind. Man ſiehet dieſes an der Vergroͤßerung eines um ſeine Axe fortrollenden Schneeballes und allen andern ho - mogenen Materien, die durch eine ſchnelle Bewegung um ihre Axe immer mehr von denen gleichartigen Ma - terien, die ſie beruͤhren, an ſich anhaͤufen, und ihre Maſſe vergroͤßern. Daß aber dieſer ungeheure Klum - pen von aneinander angehaͤngten Atomen dennoch im - mer die Bewegung um ſeine Axe fortſetzen mußte, das kann wohl nicht leicht beſtritten werden. Eine Bewe - gung, welche einem jeden zarteſten Theilchen von Ewig - keit, oder doch weſentlich eigen iſt, kann durch die Zu - ſammenhaͤufung nicht gehintert werden. Die Zuſam - menhaͤufung muß vielmehr wirken, daß dieſer weſent - liche Grund der Thaͤtigkeit vermehret wird.

Ein ſolcher zuſammengehaͤufter Klumpen von al - len Atomen, die in dem Raume eines SonnenſyſtemsB 2vorhero20Einleitung. vorhero vorhanden geweſen waren, wurde hernach hauptſaͤchlich zu demjenigen Coͤrper, den man die Son - ne in einem jeden beſondern Weltſyſtem nennet. Je - doch, ehe die Sonne alle ihre nachherigen Eigenſchaf - ten erlangen konnte; ſo mußten vorhero verſchiedene Wirkungen und Erzeugungen in ihr vorgehen. So bald naͤmlich die Atomen in einen Klumpen zuſam - mengehaͤuft und vereiniget waren; ſo mußte durch die Bewegung dieſes Klumpens um ſeine Axe gar bald eine Waͤrme in denſelben entſtehen. Dieſes iſt die natuͤrliche Folge einer jeden Materie, die in einer ſchnellen und heftigen Bewegung unaufhoͤrlich begrif - fen iſt; wie die Erfahrung bey allen und jeden Vor - faͤllen genugſam beweiſet. Durch die unaufhoͤrlich fortgeſetzte Bewegung des Sonnenklumpens um ſeine Axe wurde auch ſeine innerliche Waͤrme immer mehr vergroͤßert, dadurch gieng dieſer ungeheure Klumpen in eine Art von Gaͤhrung, und es wurden in demſel - ben aus denen zuſammengehaͤuften Atomen hauptſaͤch - lich viererley Dinge erzeuget, die kuͤnftig zu denen Grundmaterien und zu denen Triebfedern der Thaͤtigkeit aller Coͤrper dienen ſollten. Dieſe vier Dinge waren Erde, Queckſilber, oder der Grundſtoff der Metalle, Oehl, oder brennliches Weſen, und Waſſer.

Wenn die vorhin einzelnen Atomen durch die Be - wegung um ihre Axe keinen merklichen Grad der Waͤr - me, keine Gaͤhrung, und keine neuen Erzeugungen hervorbringen konnten; ſo muß man die Uhrſache hier - von lediglich in ihrer unausſprechlichen Feinheit und Untheilbarkeit ſuchen. Die Bewegung, die daraus entſtehende Gaͤhrung und fernere Erzeugungen koͤn -nen21Einleitung. nen nur in den allerkleinſten Theilchen der Materie vorgehen. Ein einzelnes Atomen hatte aber keine Theile, und war folglich hierzu gar nicht geſchickt. Allein, durch die Zuſammenhaͤufung einer unendli - chen Menge von Atomen entſtand Materie, die ihrer Natur nach aus einer unbeſchreiblichen Menge von Theilen beſtand. Folglich konnte in dieſem materiel - len Klumpen alles dasjenige vorgehen, was wir noch jetzo als eine unvermeidliche Folge einer ſchnellen und heſtigen Bewegung an der Materie wahrnehmen.

Als die Erzeugung der vorhin erwaͤhnten vierer - ley Materien in dem Sonnenklumpen geſchehen war, und dennoch die ſchnelle Bewegung deſſelben um ſeine eigne Axe noch immer fortdauerte, ſo erfolgte endlich dasjenige, was bey einer immer fortgeſetzten Bewe - gung der Materie in ihren kleinſten Theilen allemahl gewiß und unausbleiblich geſchehen wird. Dieſer un - geheure Klumpen gerieth naͤmlich in Brand, und das vorhin erzeugte Oehl, oder brennliche Weſen, gab zu Unterhaltung dieſes Brandes genugſame Nahrung. Hieraus mußten natuͤrlicher Weiſe große und erſtaun - liche Wirkungen in dem Sonnenklumpen entſtehen. Da der Brand ſich in ſeinem Mittelpuncte angefan - gen, und nach und nach immer mehr um ſich gegrif - fen hatte; ſo wurden nicht allein die Waſſer nach ſei - ner Oberflaͤche getrieben, wie das Feuer allemahl zu thun pfleget, ſondern es entſtanden auch große Riſſe und Spalten in dem Sonnencoͤrper. Hierdurch wur - de veruhrſacht, daß verſchiedene kleinere Theile des Sonnenklumpens bey der Bewegung um ſeine Axe ſichB 3von22Einleitung. von dieſem ungeheuren Coͤrper losriſſen, und in den unermeßlichen Raum ſeines Sonnenſyſtems ſtuͤrzten. Dieſes ſind die Planeten und Cometen, die ſich in ei - nem jeden Sonnenſyſtem um die Sonne bewegen. Denn ob ſich gleich dieſe Stuͤcke von dem unermeßli - chen Sonnencoͤrper losgeriſſen hatten; ſo veruhrſachte doch die anziehende Kraft der Sonne, daß dieſe Stuͤ - cke in dieſem Sonnenſyſtem bleiben mußten, und ſich nicht weiter in den unendlichen Raum ſtuͤrzen konnten. Diejenigen losgeriſſenen Stuͤcke, welche nur einen maͤßigen und proportionirlichen Antheil von Waſſer bey ſich und auf ihrer Oberflaͤche hatten, wurden zu Planeten, die vermittelſt der anziehenden Kraft der Sonnen und der bey jedem abgeriſſenen Klumpen noch immer fortdaurenden Bewegung um ſeine eigne Axe einen regulmaͤßigen Lauf um die Sonne beobachteten; weil das in ihrem Klumpen allenthalben hervorragen - de Erdreich ſie deſto geſchickter machte, daß die anzie - hende Kraft der Sonnen auf ſie wirken konnte. Dieje - nigen losgeriſſenen Stuͤcke aber, die allzu viel Waſſer bey ſich hatten, und damit ganz bedeckt waren, wur - den zu Cometen. Worauf die anziehende Kraft der Sonnen ungleich weniger wirken konnte, und die ſich mithin in dem Raume des Sonnenſyſtems hin und wieder bewegten, ohne einen vollkommenen regulmaͤſ - ſigen Lauf nach der Richtung der vorigen losgeriſſenen Stuͤcke zu beobachten.

Ob gleich alles dieſes aus natuͤrlichen Uhrſachen und Wirkungen erfolgte; ſo muß man doch hierbey die Weisheit der Gottheit bewundern und verehren, die hauptſaͤchlich darauf ankommt, daß ſie durch na -tuͤrliche23Einleitung. tuͤrliche Wirkungen und Erfolge, ohne Wunder zu thun, ihre weiſen Abſichten erreichet. Als die Pla - neten und Cometen ſich von der Sonne losriſſen, ſo geſchah dieſes zu einer Zeit, als die innerliche Entzuͤn - dung des Sonnenklumpens ſchon einen hohen Grad er - reichet, und die vorhin durch die Waͤrme erzeugten und abgeſchiedenen Waſſer, theils durch Duͤnſte, theils durch den natuͤrlichen Erfolg, daß ſich das Waſſer von dem Feuer entfernet, auf die Oberflaͤche getrieben hat - te. Die losgeriſſenen Stuͤcke, die hernach zu Plane - ten und Cometen wurden, nahmen alſo das Waſſer faſt gaͤnzlich mit ſich. Haͤtte ſich die Losreißung die - ſer Stuͤcke eher ereignet, ehe das Waſſer des Sonnen - klumpens auf die Oberflaͤche getrieben war; ſo wuͤr - den dieſe Coͤrper zu ihren weiſen Endzwecken nicht ſo geſchickt geworden ſeyn. Der von Waſſer nicht be - freyte Sonnenklumpen haͤtte an demſelben eine große Hinterniß gefunden, ohne Aufhoͤren und mit ſolchem Glanze zu brennen, als es noͤthig war, um denen kuͤnftigen Bewohnern der Planeten und denen darauf wachſenden Pflanzengewaͤchſen Waͤrme, Nahrung und Gedeihen zu geben. Haͤtten die Planeten und Come - ten nicht ſo viel Waſſer bey ſich gehabt; ſo wuͤrde ſich die bereits angefangene Entzuͤndung des Sonnenklum - pens auf dieſe losgeriſſene Stuͤcke erſtrecket haben, die ſich durch die Bewegung um ihre eigne Axe vermeh - ret haben wuͤrde. Sie wuͤrden gleichfalls Sonnen geworden ſeyn, aber das ihnen dennoch zum Theil beygemiſchte Waſſer wuͤrde ihrem Sonnenzuſtande kei - ne lange Dauer geſtattet haben; und ſie wuͤrden da - durch vermuthlich zu ihren nachherigen EndzweckenB 4deſto24Einleitung. deſto weniger geſchickt geworden ſeyn. Allein, der reichliche Antheil von Waſſer, und ein weit geringe - rer Theil von Queckſilber oder Uhrſtoff der Metalle, und von Oehl und brennlichem Weſen, den ſie bey ihrer Losreißung von dem Sonnenklumpen noch bey ſich hat - ten, machte die Planeten zu ihren Endzwecken deſto faͤhiger. Queckſilber, Oehl und Waſſer ſind die drey unveraͤnderlichen Hauptfluͤßigkeiten, welche durch ihre Thaͤtigkeit, Bewegung und Creislauf aus der Er - de, die ſich nur leidend verhaͤlt, alles erzeugen, bil - den, umformen und hervorbringen. Ehe ich aber dieſes zeige, ſo muͤſſen wir vorher die von dem Son - nenklumpen losgeriſſene Stuͤcke, oder die Planeten, noch naͤher betrachten, und ſie in ihrer Geſchichte bis zu demjenigen Zuſtande begleiten, in welchem ſie ſich anitzo befinden.

Als ſich die geſpaltenen Stuͤcke von der Sonne losgeriſſen; ſo geſchah ſolches bey jedem Planeten bis zu einer ſolchen Entfernung von der Sonne, als es der Groͤße ihrer Coͤrper und ihrer Beſchaffenheit an Waſſer gemaͤß war. Die kleinſten dieſer Weltcoͤrper blieben am naͤchſten bey der Sonne, ſowohl, weil ſie wegen ihrer geringeren Schwehre nicht weit ſtuͤrzen konnten, als weil die anziehende Kraft der Sonne deſto leichter vermoͤgend war, ſie an ſich zu halten. Wir ſehen dannenhero den Mercurium und die Venus am naͤchſten bey der Sonne; die groͤßten Weltcoͤrper aber, als der Saturn und der Jupiter, ſtuͤrzten am weiteſten, ſo wie hingegen die mittlern, als der Mars und unſere Erde, auch in einer mittlern Entfernung verblieben. Wenn die Entfernung der Planeten vonder25Einleitung. der Sonne ſich nicht genau nach dem Verhaͤltniß der Groͤße ihrer Coͤrper richtet; wie denn in der That bey einigen eine Ausnahme zu machen noͤthig ſeyn wuͤrde, wenn anders die Beſtimmungen ihrer Groͤße von den neuern beſten Mathematikern richtig ſind; ſo wuͤrde ſolches auf die Beſchaffenheit des Waſſers auf derglei - chen Weltcoͤrpern ankommen. Ein Planet, der ſich naͤher bey der Sonne befindet, als es nach dem Ver - haͤltniß ſeiner Groͤße mit andern Weltcoͤrpern ſtatt fin - den ſollte, wird wahrſcheinlich weit weniger Waſſer auf ſeiner Oberflaͤche haben, als ein etwas kleinerer Planet, der ſich weiter, als er, von der Sonne ent - fernet befindet.

So bald als die Planeten und Cometen in Stuͤ - cken von den Sonnenklumpen abgeriſſen waren, und das Sonnenfeuer dadurch mittelſt Verliehrung dieſer Rinde genugſame Luft bekommen hatte, in volle Flam - men auszubrechen; ſo waren die Planeten durch ihren Sturz und durch die Gegenwirkung der anziehenden Kraft der Sonne, nicht ſo bald in die Laufbahnen ihrer jetzigen Bewegung um die Sonne gekommen, als ſich ein Dunſtcreis um jeden Planetencoͤrper zu formi - ren anfieng. Dieſes war abermahls eine ganz natuͤrliche Folge und Wirkung von der neu hervorgebrochenen Sonne. Jhre waͤrmenden Strahlen beſchienen dieſe Planetencoͤrper, und da dieſelben groͤßtentheils mit Waſſer bedecket waren; ſo zertheilte ſich ein Theil die - ſes Waſſers in Duͤnſte und Luft, und bildete dadurch einen Dunſtcreis um jeden Planeten. Die Luft iſt nichts anders, als ein achthundertmahl verduͤnntes Waſ - ſer; und das Waſer iſt bloß eine achthundertmahl ver -B 5dickte26Einleitung. dickte Luft. Die Luft entſtehet lediglich aus dem Waſ - ſer, und durch ihre Verdickung veraͤndert ſie ſich in Duͤnſte, die in dem Regen herunter fallen, und wie - der Waſſer werden. Jch habe dieſes in meinen phi - loſophiſchen Schriften in einer beſondern Abhandlung gezeiget. Keine Wirkung war alſo natuͤrlicher, als daß die zu ſcheinen angefangene Sonne durch die Wir - kung ihrer Strahlen um die mit Waſſer bedeckten neuen Planetencoͤrper einen Dunſtcreis hervorbringen mußte.

Alle dieſe natuͤrlichen Erfolge, die ich bis hieher beſchrieben habe, und noch kuͤnftig vorſtellen werde, ſtimmen auf eine ganz ausnehmende und deutliche Art mit denen in der Bibel beſchriebenen Schoͤpfungsta - gen uͤberein, wenn man nur annimmt, daß dieſe ſo - genannten Tage Jahre geweſen ſind. Es wuͤrde dieſe Einleitung gar zu ſehr verlaͤngern, wenn ich dieſe Ue - bereinſtimmung umſtaͤndlich und ausfuͤhrlich vor Au - gen legen wollte. Jch werde dieſes aber in dem letz - ten Abſchnitte leiſten, welcher eigentlich dazu beſtim - met iſt, die Einwuͤrfe zu widerlegen, die meinem Lehr - gebaͤude und meiner gegenwaͤrtigen Geſchichte aus der Bibel entgegen geſetzet werden koͤnnten.

Als die aͤußern Stuͤcke von denen auf vielerley Art geſpaltenen Sonnenklumpen ſich losriſſen, und zu Pla - neten wurden, die ſich um die Sonne bewegten; ſo hieng zwar ein jedes ſolches abgeriſſenes Stuͤck noch zuſammen, ob gleich verſchiedene darunter noch ſo große Riſſe und Spalten hatten, daß dadurch aber - mahls ein Abſturz von großen Stuͤcken dieſer neuen Pla - neten voraus zu ſehen war. Dieſer Abſturz erfolgteauch27Einleitung. auch wirklich; wahrſcheinlich, nachdem die neuen Pla - neten kaum zwey - oder dreymahl ihren Creislauf um die Sonne vollendet hatten. Es ſtuͤrzte von unſerm Erdcoͤrper ein großes Stuͤck ab, welches mehr als die Haͤlfte von ſeiner jetzigen Groͤße ausmachte. Von dem Jupiter ſtuͤrzten vier dergleichen Stuͤcke, von dem Saturnus aber fuͤnfe ab, die bey jedem dieſer Plane - ten von ſehr verſchiedener Groͤße waren.

Die anziehende Kraft der Sonne verhinterte, daß ſich dieſe abgeriſſene Stuͤcke nicht in den unendlichen Raum ſtuͤrzen konnten; und die bereits vollkommen formirten Dunſtcreiſe der Planeten veruhrſachten noch mehr, daß ſich dieſe abgeriſſenen Stuͤcke nicht weit von ihren Planeten entſernen konnten. Ein jeder ſolcher Luftcreis machte einen Wirbel um ihn herum, riß das abgebrochene Stuͤck mit ſich fort, und noͤthigte daſſel - be, einen beſtaͤndigen Umlauf um den Hauptplaneten zu halten, von welchem es ehedem ein Theil geweſen war. Auf dieſe Art entſtanden die Monden, oder Nebenplaneten, die man auch die Trabanten des Hauptplaneten nennet, und davon unſer Erdcoͤrper ei - nen, Jupiter viere, und Saturn fuͤnfe, beſtaͤndig um ſich herumlaufen haben.

Jch bin weit entfernet, die Carteſianiſchen Wir - bel in Anſehung der Sonnenſyſteme anzunehmen; und das Newtonianiſche Lehrgebaͤude, in Anſehung der anziehenden Kraft der Sonne, ſcheinet mir hierin - nen der Natur der Sache und der Bewegung der Planeten viel gemaͤßer zu ſeyn. Allein, was die Ne - benplaneten, oder die Monden betrifft, die einenHaupt -28Einleitung. Hauptplaneten beſtaͤndig begleiten; ſo bin ich ſehr uͤberzeugt, daß ſie ſich in ſeinem Wirbel, oder in deſ - ſen Luftcreiſe befinden, und eben dadurch genoͤthiget werden, einen unaufhoͤrlichen Umlauf um denſelben fortzuſetzen. Die geſchickteſten Phyſickundigen haben zwar angenommen, daß ſich unſer Luftcreis nur vier Meilen hoch rund um unſere Oberflaͤche erſtrecke; da - hingegen es gewiß iſt, daß ſich unſer Mond wenig - ſtens 48000 Meilen weit von uns entfernet befindet. Allein, dieſe vier Meilen koͤnnen ſich ohne Zweifel nur von etwas groͤberer Luft verſtehen. Die allerzarteſte und feinſte Luft muß ſich bis an den Luftcreis des Mon - den erſtrecken. Dieſe beyden Luftcreiſe muͤſſen ſich auf ihren Oberflaͤchen dergeſtalt mit einander vereinigen, daß unſer Luftcreis den von dem Monde beruͤhret, denſelben mit ſich fortreißt, und ihn dadurch noͤthiget, einen unaufhoͤrlichen Creislauf um uns zu verrichten. Dieſes beweiſen die ungezweifelten Wirkungen des Monden auf die Oberflaͤche des Erdcoͤrpers. Dieſe Wirkungen ſind nicht allein dadurch klar, daß der Mond eine offenbahre Wirkung auf die Ebbe und Fluth in denen Meeren hat, und dadurch einen gewiſſen Druck auf unſern Luftcreis veroffenbahret; ſondern auch durch den Einfluß, den der Mond auf die Witterung unſers Erdcoͤrpers ungezweifelt zu Tage leget. Der Herr Profeſſor Kratzenſtein, einer der artigſten und geſittetſten gelehrten Maͤnner unſers Zeitalters, der mir ehemahls auf einer Reiſe nach Coppenhagen viele Hoͤflichkeit erzeiget, hat in verwichener Leipziger Oſter - meſſe eine Schrift von dem Einfluſſe des Monden auf die Witterung mitgetheilet. Ob ich nun zwar dieſeSchrift,29Einleitung. Schrift, aus Mangel eines Buchladens, an dem Or - the meines jetzigen Aufenthalts nicht habe durchgehen koͤnnen; ſo bin ich doch durch meine eigene zweyjaͤhri - ge Beobachtungen von eben dieſem Einfluſſe auf das vollkommenſte uͤberzeuget. Seit zwey Jahren habe ich bemerket, daß allemahl mit dem Eintritt des neuen Monden ſich eine helle und klare Witterung, und in denen Wintermonathen unausbleiblich Froſt ereignet. Dieſe Witterung dauret bis zu dem Eintritt des erſten Viertels; alsdenn faͤllt allemahl truͤbe, regneriſche oder gelinde Witterung ein. Bey dem Eintritt des vollen Monden ſiehet man abermahls eine helle, klare, und im Winter mit Froſt begleitete Witterung, die ſich bis auf den Eintritt des letzten Viertheils, oder bis den Tag vorher erſtrecket; da denn mit dem Eintritt des neuen Monden wieder Froſt einfaͤllt. So hat ſich die Witterung ſeit zwey Jahren uͤberaus gleichfoͤrmig bezeiget, und ſeit dem 1ſten Nov. des 1770ſten Jahres hat ſie eben alſo wieder angefangen. Jch werde dieſe ausfuͤhrliche Beobachtungen der koͤniglichen Academie der Wiſſenſchaften zu Frankfurth an der Oder mit - theilen.

Jch habe oben angenommen, daß denen Atomen, als dem Uhrſtoff der Himmelscoͤrper, die Bewegung um ihre Axe ewig oder weſentlich eigen war, und daß dan - nenhero ſowohl die Sonne als die Planeten eine glei - che Bewegung um ihre Axe erhalten haben. Jndeſ - ſen ſind wir von unſerm Nebenplaneten, dem Monde, genugſam verſichert, daß derſelbe keine Bewegung umſeine30Einleitung. ſeine Axe habe; und von einigen Nebenplaneten, des Jupiters und Saturns, iſt es wenigſtens zweifelhaf - tig, ob man ihnen eine dergleichen Bewegung bey - meſſen kann. Doch dieſes laͤßt ſich aus dem gegen - waͤrtigen Lehrgebaͤude ſehr wohl erlaͤutern. Die Stuͤ - cke, welche ſich, vermoͤge der in dem Sonnenklumpen ſchon vorhin entſtandenen Spalten, hernach von ihrem Hauptplaneten, mit welchem ſie noch etwas zuſammen - gehangen hatten, losriſſen, waren nicht alle ſo beſchaf - fen, daß ſich ein runder oder an den Polen etwas platt eingedruckter Coͤrper daraus bilden konnte. Es wa - ren ſtarke Scheiben, deren Durchmeſſer vielleicht noch mehr als einmahl ſo groß als ihre Dicke war. Ein ſolcher Coͤrper war zur Bewegung um ſeine Axe ohne - dem nicht ſehr geſchickt, und uͤberdies ſetzten ſich ſei - nem ihm weſentlich eignen Bemuͤhen, ſich um ſei - ne Axe zu bewegen, zwey große Hinterniſſe ent - gegen. Das eine war die anziehende Kraft der Son - ne; und das andere war die Gewalt, mit welcher ihm der Wirbel unſers Hauptplaneten, in welchem er ſich befindet, mit ſich fortreißet; und folglich konn - te keine Bewegung um ſeine Axe bey ihm ſtatt finden.

Auf eben die Art laͤßt ſich auch erklaͤhren, was der Ring des Saturnus iſt, welcher denen Sternſehern zu viel zu ſchaffen gemacht hat. Vermuthlich iſt es ein Stuͤck von einer ſchmahlen Rinde, welches ſich, ver - moͤge der ſchon in dem Sonnenklumpen entſtandenen Spalten hernach von | dem Hauptplaneten Saturnlosge -31Einleitung. losgeriſſen hat. Und da es ſich noch in dem Wirbel des Saturns befindet, eine Art der Bewegung um ihn zu verrichten genoͤthiget wird.

Wenn man einmahl in einem Falle von denen End - zwecken Gottes und der Natur ſichtbar uͤberzeuget iſt; ſo kann man mehr als wahrſcheinlich ſchließen, daß ſie in allen andern aͤhnlichen Faͤllen eben dieſe Endzwecke gehabt haben. Wir ſehen, daß der Planet, den wir bewohnen, zu dem Aufenthalt einer unzaͤhligen Men - ge von Creaturen beſtimmt, und von der weiſen Hand der Natur zu dieſen Endzwecken eingerichtet worden iſt. Wir koͤnnen demnach auf eine gegruͤndete Art ſchließen, daß auch die uͤbrigen Planeten eben ſo von einer Menge Creaturen bewohnet und hierzu geſchickt gemacht ſind. Jndeſſen befinden ſich Mercurius und Venus allzu nahe bey der Sonne, und Jupiter und Saturn in einer ſo weiten Entfernung von derſelben, daß die erſteren wegen allzu großer Hitze, und die letz - teren wegen einer allzu uͤbermaͤßigen Kaͤlte zur Be - wohnung gar nicht faͤhig zu ſeyn ſcheinen. Wenn man naͤmlich die Hitze und Kaͤlte in dieſem Planeten, nach dem Verhaͤltniß auf unſern Erdcoͤrper, und nach ſeinem Abſtande von der Sonne zum voraus ſetzet, und die Hitze und Kaͤlte in jenen Planeten nach ihrer Naͤhe und Entfernung von der Sonne berechnet. Ei - nige Naturkuͤndiger haben nach dieſer Berechnung fin - den wollen, daß die Hitze in dem Mercurio, und zum Theil auch in der Venus, ſo erſtaunlich groß ſeyn muͤſſe, daß auch alle Metalle in beſtaͤndigem Fluſſe da -ſelbſt32Einleitung. ſelbſt ſtehen wuͤrden. Jn dem Jupiter und Saturn hingegen, inſonderheit in dem letztern, muͤßte die Kaͤlte ſo groß ſeyn, daß unter ſeiner Linie mitten im Sommer ein ewiges und niemahls ſchmelzendes Eis ſeyn wuͤrde. Dieſe Beſchaffenheiten wuͤrden alle dieſe Planeten zur Bewohnung gaͤnzlich unfaͤhig machen. Man muͤßte denn annehmen, daß ſie von Creaturen ganz anderer Art, welche eben ſo wenig zarte Empfin - dungen haben, als Metall und Stein, bewohnet wuͤr - den. Zwar dieſe Art zu ſchließen, und die Hitze und Kaͤlte zu berechnen, trifft nicht allemahl ein. Die Al - ten ſchloſſen und berechneten auf eben die Art, wenn ſie behaupteten, daß der heiße Erdguͤrtel oder die Laͤn - der unter der Linie auf unſerm Weltcoͤrper wegen der großen Hitze gaͤnzlich unbewohnet waͤren. Dieſes iſt aber in neuern Zeiten offenbahr falſch befunden worden, weil in denen Laͤndern unter der Linie gewiſſe Umſtaͤn - de, inſonderheit in Anſehung der Winde, vorwalten, welche die Hitze ſehr maͤßigen. Dieſe Umſtaͤnde aber waren denen Alten unbekannt. Eben dergleichen, und andere Umſtaͤnde, koͤnnten auch in gedachten Plane - ten ſtatt finden, die wir einzuſehen ohnmoͤglich im Stan - de ſind.

Jndeſſen koͤnnte es noch auf eine andere Art moͤg - lich ſeyn, daß dieſe erwaͤhnten Planeten, ohngeachtet ihrer großen Naͤhe oder Entfernung bey der Sonne, dennoch einen gemaͤßigten Grad der Hitze oder Kaͤlte haͤtten. Wie waͤre es, wenn der Dunſtcreis oder die Atmoſphaͤre eines jeden Planeten eine Art von Brenn -ſpiegel33Einleitung. ſpiegel ausmachte. Je kleiner alsdenn der Planet waͤre, je kleiner wuͤrde auch alsdenn ſein Brennpunct, und folglich die Hitze, ohngeachtet ſeiner Naͤhe bey der Sonne ganz gemaͤßiget ſeyn. Je groͤßer aber der Planet iſt, einen deſto groͤßeren Brennpunct muͤſſe auch ſeine Atmoſphaͤre werfen, und ohngeachtet ſeiner großen Entfernung von der Sonne muͤßte dennoch ein zureichender Grad der Waͤrme entſtehen. Auf dieſe Art wuͤrden Mercurius und Venus, da ſie die kleinſten Planeten ſind, ohngeachtet ihrer Naͤhe bey der Sonne, dennoch einen ertraͤglichen Grad der Hi - tze haben, und zu Bewohnung eben ſolcher Creatu - ren, als auf unſern Planeten ſind, geſchickt ſeyn. Da - hingegen Jupiter und Saturn ungeheuer große Welt - coͤrper ſind, und alſo auch eine ſehr große Athmoſphaͤre haben; ſo wuͤrde dennoch, ohngeachtet ihrer großen Ent - fernung von der Sonne, eine zureichende Waͤrme da - ſelbſt ſtatt finden koͤnnen, um von eben ſolchen Crea - turen bewohnet zu werden. Da ein gefrohrnes Waſſer zu Brennſpiegeln geſchickt iſt, die Luft aber v[o]r wei - ter nichts, als vor ein ſehr verduͤnntes Waſſer ange - ſehen werden kann; ſo ſcheinen dieſer Hypotheſe keine unuͤberwindlichen Schwierigkeiten entgegen zu ſtehen. Jndeſſen werde ich mich allemahl eines Beſſern beleh - ren laſſen, wenn mir jemand gruͤndlich zeigen ſollte, daß dieſe Hypotheſe nicht ſtatt finden koͤnne.

Wir wollen nunmehro die uͤbrigen Planeten un - ſers Sonnenſyſtems verlaſſen, und unſere Betrachtun - gen allein auf die uͤbrige Bildung unſers ErdcoͤrpersCbey34Einleitung. bey ſeiner Entſtehung oder Schoͤpfung richten. Nach - dem in ſeinem zweyten oder dritten Umlauf um die Sonne dasjenige Stuͤck von demſelben losgebrochen war, was itzo unſern Mond ausmachet; ſo fieng derſelbe an, ſich als eine ziemlich runde, an den Polen etwas einge - druckte Kugel zu bilden. Hierzu war weiter nichts noͤthig, als ſeine taͤgliche Bewegung um ſeine Axe. Unſer Erdcoͤrper beſtand damahls noch nicht aus einer ſehr feſten Materie; denn die Steinwerdung iſt erſt eine Wirkung viel ſpaͤterer Zeiten. Er beſtand da - mahls aus weiter nichts als weicher Erde und Waſſer, benebſt einem viel geringerem Antheil von oͤhlichten und mercurialiſchen Weſen, denn das meiſte von de - nen letztern war in dem Sonnenklumpen zuruͤckge - blieben.

Es iſt aber bekannt, daß ein Stuͤck Thon oder Leimen, der noch nicht ganz verhaͤrtet iſt, ſich durch eine ſchnelle Bewegung um ſeine Axe von ſelbſt zu ei - ner Kugel, wiewohl vielleicht mit einigen kleinen Un - ebenen bildet, die an den Polen etwas platt einge - druͤcket iſt.

So wie ſich unſere Erdkugel formiret, ſo breitete ſich auch das Waſſer faſt allenthalben auf dem Erdbo - den aus, ſo, daß nichts als einige Unebenen oder Ungleichheiten ſeiner Oberflaͤche, die wahrſcheinlich kaum den ſiebenten oder achten Theil ihres Umfan - ges ausmachten, aus dem Waſſer hervorragten. Das Waſſer, als eine ungleich leichtere Materie als die Er -de,35Einleitung. de, mußten natuͤrlicher Weiſe die Oberflaͤche einneh - men, außer demjenigen Waſſer, was in die klei - nen Riſſe und Spalten des Erdcoͤrpers eingetrun - gen war, deren dieſer Coͤrper noch von dem Sonnen - klumpen her wahrſcheinlich ſehr viel hatte, und die zum Theil ſehr tief in ſein Jnneres giengen, ob ſie gleich nicht ſtark genug waren, eine abermahlige Ab - ſonderung eines Stuͤckes von demſelben zu veranlaſ - ſen. Zu gleicher Zeit dauerte die Formirung ſeines Dunſtcreiſes oder ſeiner Atmoſphaͤre durch die Wir - kung der Sonne noch immer fort, wodurch ſich das Waſſer auf dem Erdboden noch etwas vermin - derte, und da die Erhebung der Duͤnſte aus dem Waſſer, und ihre Umformung in Luft, nur nach und nach geſchehen konnte, weil es Zeit erfoderte, daß die feinſten Duͤnſte ſich hoch genug erheben, und zu der feinſten und zarteſten Luft werden konnten; ſo war es noch beſtaͤndig truͤbe auf dem Erdbo - den, und der Schein der Sonne konnte noch nicht ge - ſehen werden.

Jn denen ewigen Begriffen der unendlich wei - ſen Gottheit waren die Jdeen aller Creaturen und Geſchoͤpfe, kurz, alle moͤgliche Dinge enthalten. Da nun die Materie aus ſeinem Weſen hervorge - kommen war; ſo mußte dieſe Materie noch die Kraft haben, alle moͤglichen Dinge hervorzubringen. Jch bin ſehr uͤberzeuget, daß alle moͤglichen Dinge auch wirklich ſind. Denn wenn etwas in der Wirklich - keit fehlete, und dasjenige, was moͤglich waͤre, nichtC 2in36Einleitung. in irgend einem Sonnenſyſtem oder auf irgend ei - nem Weltcoͤrper wirklich vorhanden waͤre; ſo wuͤr - de der Welt etwas an ihrer Vollkommenheit feh - len. Jn der That kann man faſt keine Art eines Thieres oder eines Pflanzengewaͤchſes ſich vorſtel - len; wenn nur dieſe Frucht der Einbildungskraft nicht widerſprechend und ungeheuer iſt, daß ſich ſol - ches Ding nicht ſchon auf unſern Weltcoͤrper, wo nicht in dem einen Welttheile, doch in dem andern wirklich vorhanden ſeyn ſollte. Jch habe mir zuwei - len zum Vergnuͤgen dergleichen Vorſtellungen von annoch moͤglichen Thieren und Pflanzen gemacht, und faſt allemahl habe ich mit der Zeit in Reiſebeſchrei - bungen gefunden, daß dergleichen Thiere und Pflanzengewaͤchſe in andern Welttheilen wirklich exiſtiren.

Da das Waſſer faſt den ganzen Erdboden bedeck - te; ſo mußten natuͤrlicher Weiſe die Fiſche die erſten Thiere ſeyn, welche hervorgebracht wurden. Die Vermiſchung des Waſſers mit dem oͤhlichten Weſen, das noch faſt allenthalben, wiewohl in geringerer Maaße, auf der Oberflaͤche befindlich war, muß als die wirkende und erzeugende Uhrſache dieſer Geſchoͤpfe angeſehen werden, deren Natur auch hiermit uͤber - einſtimmet; indem man bey der Diſtillation der Fiſche, nach Verduͤnſtung der Waͤßrigkeiten, allemahl einen betraͤchtlichen Antheil von oͤhlichtem Weſen erlan - get. Zu gleicher Zeit kamen auf dem wenigen trock - nen Lande allerley Grasarten und Kraͤuter hervor. Dieſes37Einleitung. Dieſes feſte Land hatte einen weit geringeren Antheil von oͤhlichtem Weſen auf ſeiner Oberflaͤche behalten, indem das meiſte davon von dem Waſſer mit in die wenigen Vertiefungen geſpuͤhlet war, welche damahls das Meer ausmachten; weshalb auch die Kraͤuter, Grasarten und Pflanzengewaͤchſe, einen zehenmahl geringern Antheil von oͤhlichtem Weſen haben, als die Fiſche.

Nachdem unſer Erdcoͤrper dreymahl ſeinen Creis - lauf um die Sonne vollendet hatte, ſo war ſeine At - moſphaͤre vollkommen gebildet. Die Duͤnſte waren hoch genug aufgeſtiegen, und hatten ſich genugſam erheitert, daß nunmehro die Sonne ihre vollkomme - ne Wirkung auf der Oberflaͤche der Erde leiſten, und dieſelbe ſowohl, als der Mond, wie auch die Fix - ſterne oder die Sonne, der uͤbrigen unzaͤhligen Welt - ſyſtemen in dem unendlichen Raume auf Erden haͤt - ten geſehen werden koͤnnen. Es waren auf dem tro - ckenen Lande des Erdbodens eine große Menge Stel - len uͤbrig geblieben, in welchen ein viel groͤßerer An - theil von oͤhlichtem Weſen vorhanden war, als auf der uͤbrigen Oberflaͤche, die Kraͤuter und Pflanzen - gewaͤchſe hervorgebracht hatte. Dieſe Stellen, durch die Wirkung der Sonne mehr belebt, erzeugten Voͤ - gel, Thiere und Gewuͤrme von allerley Arten, die groͤß - tentheils eine feſtere Conſiſtenz hatten, als die Fiſche, weil die erſteren aus Erde und Oehl, die letzteren aber aus Oehl und Waſſer hervorgekommen waren; wie denn die Thiere in der Diſtillation faſt eben einen ſo be - traͤchtlichen Antheil von oͤhlichtem Weſen von ſich ge - ben, als die Fiſche.

C 3Hiermit38Einleitung.

Hiermit endigten ſich die erſten Erzeugungen der Jungen, und vermoͤge ihres Stoffs und Uhrſprungs annoch thaͤtigen Erde; und einer jeden Art von ihren Geburthen wurde, vermoͤge ihrer weſentlichen Beſchaf - fenheit und Einrichtung, die Kraft beygeleget, ſich durch ihren Saamen ſelbſt fortzupflanzen, und gleich - ſam ihr Daſeyn unaufhoͤrlich zu erneuren. Jndeſſen hatten die Hervorbringungen des Erdcoͤrpers nur in Anſehung der Thiere und Pflanzen ihre Endſchaft er - reichet. Jn allen uͤbrigen Erzeugungen giengen ſie noch beſtaͤndig fort. Waſſer, Oehl und Queckſilber, als die erſten uhrſpruͤnglichen Fluͤßigkeiten, die aus denen Atomen erzeuget waren, blieben immer thaͤtige Weſen, wirkten auf die leidende Erde, und bildeten, erzeugten und formten aus derſelben unaufhoͤrlich neue Dinge. Jedoch, dieſe Hervorbringungen geſchahen nur langſam, und es wurden Jahrtauſende dazu er - fodert. Das Waſſer durch Zuruͤcklaſſung ſeiner fein - ſten Theilchen machte aus der erſten uhrſpruͤnglichen Erdart vielerley Sorten von Erden, und nach und nach formirte daſſelbe aus dieſen Erdarten Steine. Aus Erden und Steinen wurden von dem Waſſer die Sal - ze erzeuget, und wenn ſich dieſe verſchiedenen Arten von Salzen mit dem brennlichen Weſen vereinigten; ſo wurden dadurch allerley Arten von Foßilien hervor - gebracht. Aus dem oͤhlichten Weſen und dem Queck - ſilber, oder dem Grundſtoff der Metalle, wurden die Metalle und Halbmetalle erzeuget. Kurz! dieſe drey uhrſpruͤnglichen Fluͤßigkeiten, welche in ihren Grund - theilen hoͤchſt homogen, einfach und unveraͤnderlich ſind, in Duͤnſte aufſteigen, Luft aus ſich erzeugen,ſich39Einleitung. ſich wieder verdicken, und in ihrer erſten Geſtalt in Tropfen wieder herabfallen, ſich mithin in einem be - ſtaͤndigen Creislaufe befinden, ſind die wirkenden Uhrſachen von allen Veraͤnderungen und Umformun - gen, die ſich hernach in und auf dem Erdcoͤrper er - eignet haben, und werden dieſe ihre Wirkungen noch beſtaͤndig fortſetzen. Sie ſind die drey Hauptprinci - pia oder wirkende Uhrſachen in jedem von denen drey Naturreichen, naͤmlich das Waſſer in dem Pflan - zenreiche, Oehl oder Fettigkeit, mit| Beyhuͤlfe des Waſſers, in dem Thierreiche, und Queckſilber, mit Beyhuͤlfe des Oehls oder brennlichen Weſens, in dem Mineralreiche. Jch habe dieſes alles in einer beſon - dern Abhandlung ausgefuͤhret, die ich bey der koͤnig - lichen Großbritanniſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaf - ten zu Goͤttingen vorgeleſen habe, und wovon auch in meinen chymiſchen Schriften ein Auszug zu fin - den iſt. Hier iſt aber nicht der Orth, wo ich mich in eine ausfuͤhrliche Vorſtellung dieſer Sache einlaſſen kann, ſondern ich werde dieſes vielleicht in einem be - ſondern Syſtem leiſten.

Durch die unaufhoͤrlich fortgeſetzte Bewegung des Erdcoͤrpers um ſeine eigene Axe mußte endlich natuͤr - licher Weiſe ein Feuer in dem Mittelpuncte des Erd - coͤrpers entſtehen.

Das Feuer iſt nichts anders, als eine ſehr hefti - ge Bewegung der Materie in ihren kleinſten Theilen, und da die Schwehre aller Coͤrper nach dem Mittel - puncte zudruͤckte, ſo mußte daſelbſt das Reiben und die Bewegung in den kleinſten Theilen der MaterieC 4am40Einleitung. am heftigſten ſeyn. Dieſes Feuer fand durch das noch von der Schoͤpfung herruͤhrende brennliche Weſen Nahrung, und nach Beſchaffenheit dieſer Nahrung naͤherte es ſich immer mehr der Oberflaͤche. Anfangs fand es Luft durch die noch in dem Sonnenklumpen entſtandenen kleinen Spalten. So wie dieſe Spal - ten groͤßtentheils nach und nach verſchlemmet, oder mit Erz angefuͤllet waren; ſo ſuchte es ſich mit Ge - walt Ausbruch zu verſchaffen. Es trieb nach und nach, und in Jahr tauſenden Berge in die Hoͤhe, und machte ſich durch viele derſelben Vulcane, oder Feuer - ſchluͤnde, bis zur obern Luft. Jedoch, dieſes iſt es, was ich in der gegenwaͤrtigen Geſchichte ſelbſt vorzutragen habe, ſo, daß ich dieſe Einleitung hiermit beſchließen kann.

Erſter41

Erſter Abſchnitt.

Von dem Unterſchiede und der Beſchaf - fenheit der Gebirge auf dem Erdcoͤrper, und wie daraus ein ſehr hohes Alterthum geſchloſſen werden muͤſſe.

Der Erdcoͤrper, deſſen Geſchichte wir hier aus ſeinen aͤußerlichen und unterirrdiſchen Be - ſchaffenheiten herzuleiten und vorzutragen ent - ſchloſſen ſind, iſt einer von denen ſechs Hauptplane - ten, die ſich um unſere Sonne bewegen, alle vier und zwanzig Stunden beweget ſich derſelbe um ſeine eigene Axe, welchen Zeitpunct wir Tag und Nacht nennen. Zugleich verrichtet derſelbe einen elliptiſchen Creislauf um die Sonne, den er in dreyhundert und fuͤnf und ſechzig Tagen, ſechs Stunden, und etlichen Minuten und Secunden vollendet. Dieſe ſeine Bewegung um die Sonne iſt ſo ſchnell und heftig, daß derſelbe nach denen Ausrechnungen der neuern Mathematiker in ei - ner Minute zweyhundert und funfzig Meilen fort - ſchießet.

Dieſer Erdklumpen, ob er gleich in Vergleichung anderer Planeten nur eine ſehr mittelmaͤßige Groͤße hat, enthaͤlt dennoch auf ſeiner Oberflaͤche im Um - creiſe, nach denen gemeinen Meynungen, fuͤnftau - ſend vierhundert Meilen; und ſein Durchmeſſer, nach eben dieſer Richtung, betraͤgt achtzehnhundert Mei -C 5len.42I. Abſchn. Von der Beſchaffenheitlen. Da aber unſere Erdkugel an beyden Polen et - was platt eingedruckt iſt; ſo kann man ſowohl ſeinen Umfang als ſeinen Durchmeſſer von einem Pole zum andern nicht eben ſo hoch annehmen; ſondern ſein Um - fang nach dieſer Richtung wird ohngefaͤhr viertauſend achthundert Meilen, und ſein Durchmeſſer ſechzehn - hundert Meilen betragen. Der Herr Profeſſor Berg - manna)Herrn Profeſſor Bergmanns phyſicaliſche Beſchrei - bung der Erdkugel, 1ſte Abtheilung. hat nach denen vorhandenen Berechnungen angezeiget, wie viel Quadratmeilen die ganze Ober - flaͤche der Erdkugel in ſich enthalten wuͤrde, wenn man annehmen wollte, daß ſie eine vollkommene ebene Ku - gel ohne alle Gebirge ſey. Allein, da dieſe Voraus - ſetzung ſo ſehr fehlet, und da dieſe Ausrechnung ohne - dem wegen der platt eingedruckten Figur ſeiner Pole keine vollkommene Richtigkeit haben kann; ſo wollen wir uns dabey nicht aufhalten, ſondern uns vielmehr zu weſentlichern Umſtaͤnden wenden.

Das erſte und hauptſaͤchlichſte, was uns auf un - ſerer Erdkugel in das Geſichte faͤllt, ſind eine unend - liche Menge von Gebirgen, die uͤber die ebene Ober - flaͤche der Erdkugel hervorragen, und davon verſchie - dene zu einer großen Hoͤhe anſteigen. Es iſt gewiß, daß durch dieſe Gebirge die Oberflaͤche der Erdkugel uͤberaus vermehret wird. Eben diejenige Oberflaͤche, welche in einer Ebene nur zwey Quadratmeilen betra - gen wuͤrde, wenn ſich darauf ein Gebirge befindet, das anderthalb Meilen hoch iſt, und einen dohnlegig - ten Abfall hat, wird dadurch zu einer Oberflaͤche vonſechs43der Gebirge auf dem Erdcoͤrper. ſechs Meilen vergroͤßert. Dieſe vermehrte Oberflaͤche hat zwar ihren Nutzen in Anſehung der Bergwerke, und daß dieſelbe wenigſtens mit Waldungen bewach - ſen ſeyn kann. Allein, ſie leiſtet zum Unterhalte und Aufenthalte der Menſchen viel weniger Vortheil und Bequehmlichkeit. Der daraus erwachſene Nutzen oder Nachtheil wuͤrde ſich demnach in einem ziemlichen Gleichgewichte erhalten, wenn man beyde gegen ein - ander berechnen ſollte; und es iſt folglich wenig Grund vorhanden, daraus zu ſchließen, daß es der Weisheit des Schoͤpfers gemaͤß geweſen ſey, des groͤſ - ſern Vortheils halber die Gebirge zugleich bey der Schoͤpfung mit zu erſchaffen. Die beſondere Be - ſchaffenheit der Gebirge, da ihr Jnnerſtes faſt ledig - lich aus ungeheuren Felſen beſtehet, laͤſſet auch gar nicht vermuthen, daß ſie vom Anfange an in eben die - ſem Zuſtande mit erſchaffen worden ſind. Vernuͤnfti - ger Weiſe muß man annehmen, daß in der Schoͤ - pfung nur homogene und gleichartige Materien ent - ſtanden ſind, und daß die Steinwerdung und die Ent - ſtehung ungeheurer Felſen nur Wirkungen und Folgen viel ſpaͤterer Zeiten ſind. Dasjenige, was ich in der Einleitung von der Schoͤpfung und Entſtehung unſe - rer Erdkugel und der uͤbrigen Planeten vorgetragen habe, hat ſo viel Wahrſcheinlichkeit vor ſich, und ſe - tzet uͤberzeugend voraus, daß bey Entſtehung des Erd - coͤrpers noch keine Gebirge auf demſelben ſtatt gefun - den haben, daß ſich vernuͤnftige Leſer dabey beruhigen koͤnnen, bis jemand mit Ueberzeugung darthun wird, daß es der Weisheit des Schoͤpfers und der nothwen - digen Beſchaffenheit des Erdcoͤrpers gemaͤß geweſenſey,44I. Abſchn. Von der Beſchaffenheitſey, gleich vom Anfange an die Gebirge mit zu er - ſchaffen. Es wuͤrde zur Sache wenig dienen, wenn wir hier die Vergleichung verſchiedener Schriftſteller annehmen wollten, welche die Gebirge als Kennzei - chen des Alterthums unſers Erdcoͤrpers anſehen, und uns dieſelben als Knochen und Geribbe vorſtellen woll - ten, die an einem veralteten Coͤrper allenthalben her - vorragen.

Die Gebirge ſind allenthalben auf dem Erdboden vorhanden, dergeſtalt, daß man mit Zuverlaͤßigkeit behaupten kann, daß zweymahl mehr Gebirge als ebene Oberflaͤchen auf dem Erdboden befindlich ſind. Man darf nur Teutſchland etwas genauer betrachten; ſo wird man finden, daß außer der Mark Branden - burg, die doch ſehr mit Sand und Floͤtzgebirgen er - fuͤllet iſt, außer denen Ebenen bey Leipzig und Mag - deburg, außer einigen Ebenen in dem Churfuͤrſten - thum Hannover, Mecklenburg und Hollſtein, außer dem Churfuͤrſtenthum Bayern, und einigen andern wenigen Ebenen, das ganze uͤbrige Teutſchland voller Gebirge iſt, zwiſchen welchen nur Thaͤler von weni - gen Meilen breit vorhanden ſind. Eben dergleichen Beſchaffenheiten haben faſt alle andere Laͤnder von Eu - ropa; und in andern Welttheilen finden wir eben die - ſen Zuſtand, ſo, daß es faſt noch zu wenig zu ſeyn ſcheinet, wenn man zwey Drittheile an Gebirgen, und nur einen Drittheil an ebenem Lande annimmt. Jn dem Grunde des Meeres befindet ſich eben dieſes Verhaͤltniß. Die meiſten Meere auf dem Erdboden ſind voller Jnſuln. Man weis aber, daß die Jn - ſuln nichts anders als Gebirge ſind, die aus demGrunde45der Gebirge auf dem Erdcoͤrper. Grunde des Meeres hervorragen. Nur einige Meere, z. E. das Atlantiſche, haben wenige, oder gar keine Jnſuln. Allein, deshalb iſt noch nicht ausgemacht, daß dieſe Meere einen ebenen Grund des Meeres ha - ben. Die in dieſem Grunde vorhandenen Berge koͤn - nen nur wegen der erſtaunlichen Tiefe nicht ſo hoch ſeyn, daß ſie als Felſenſpitzen, Sandbaͤnke, oder Jn - ſuln uͤber die Oberflaͤche des Meeres hervorragen, oder bey der Schifffahrt bemerket werden koͤnnen; zumahl da dieſe Meere eine außerordentliche Tiefe haben, und man inſonderheit in dem Atlantiſchen Meere durch ein Senkbley von vierhundert Klaftern an den meiſten Orthen noch keinen Grund entdecket.

Es hat Schriftſteller gegeben, welche ſich bemuͤ - het haben, unter denen Gebirgen auf dem Erdcoͤrper allenthalben einen Zuſammenhang zu entdecken. Der Herr Profeſſor Bergmannb)Jn der vorigen angefuͤhrten Beſchreibung der Erdkugel in der 2ten Abtheilung. nimmt nur ſehr wenig Hauptgebirge auf dem Erdboden an, und ſiehet alle andere Gebirge als Aeſte und Zweige von dieſen Haupt - gebirgen an. Die Schwediſchen und Norwegiſchen Gebirge laͤßt er durch Rußland bis nach Siberien fort - laufen. Jn Aſien nimmt er faſt nur ein einziges großes Gebirge an, und ſtellet ſich alle andere große Gebirge dieſes Welttheiles nur als Aeſte und Zweige von demſelben vor. Was aber noch mehr iſt, er laͤßt dergleichen Gebirge durch die Meere fortlaufen, ob - gleich einige hundert Meilen Meer zwiſchen der Endi - gung des Gebirges und dem darauf folgenden feſtenLande46I. Abſchn. Von der BeſchaffenheitLande ſich befindet. Man ſiehet nicht, daß derglei - chen weit ausgedehnte Vorſtellung einigen Nutzen ha - be, noch weniger aber, daß ſie mit der Natur der Sache uͤbereinſtimmet; die Gebirge ſind ſo haͤufig auf dem Erdboden befindlich, daß man dieſe Vorſtellung nur noch etwas erweitern duͤrfte, um nur ein einziges großes Gebirge auf dem Erdboden anzunehmen. Denn was wollen die Ebenen auf der Oberflaͤche der Erdku - gel von etwa zwanzig bis dreyßig Meilen alsdenn wei - ter ſagen, wenn man einmahl annimmt, daß ein Ge - birge auch im Grunde des Meeres einige hundert Meilen weit noch immer fortlaufen und eben denſel - ben Nahmen behalten kann.

Wenn man mit denen Gebirgen auf dem Erdcoͤr - per eine genugſame Bekanntſchaft hat; ſo muß man ſie ihrer Natur und Beſchaffenheit nach in zwey Hauptarten von einander abtheilen, naͤmlich in Fel - ſengebirge und in Floͤtzgebirge. Man kann auch die Felſengebirge alte Gebirge, hingegen aber die Floͤtz - gebirge neue Gebirge benennen. Dieſer Nahme gruͤn - det ſich gleichfalls auf die Natur und Beſchaffenheit der Sache, und auf die Entſtehungsart der Gebir - ge; wie ich bald mit mehrerm zu zeigen bemuͤhet ſeyn werde.

Felſen - oder alte Gebirge ſind diejenigen, die aus ungeheuren Felſenſtuͤcken von allerley Steinarten, in - ſonderheit aber von Hornſtein, feinem Sandſtein, Gneiß, Jaſpisarten, und zuweilen auch aus feinen Kalkſteinen beſtehen; dieſe Felſenſtuͤcken laufen oͤfters viele hundert Fuß hoch und breit in einem einzigenStuͤcke47der Gebirge auf dem Erdcoͤrper. Stuͤcke fort, ohne daß man die geringſte Zuſammen - fuͤgung, Lage oder Schicht, oder ſonſt den geringſten Unterſchied daran wahrnehmen kann; und deshalb un - terſcheiden ſie ſich eben von denen Floͤtzgebirgen, wel - che allemahl in Steinarten beſtehen, die ſchichtweiſe oder in Lagen von wenigen Fuß dicke auf einander lie - gen. Die Felſengebirge ſind uͤberdies allemahl die hoͤchſten auf dem Erdboden, die meiſten ſind wenig - ſtens auf dieſer oder jener Seite von aller Dammerde entbloͤßet, ſind oͤfters ſenkrecht abgeſchnitten, und ma - chen jaͤhe oder tiefe Abgruͤnde, die ſich nicht ſelten auf eine Tiefe von vielen hundert Klaftern erſtrecken. Wenigſtens raget der Gipfel ſolcher Felſengebirge ge - meiniglich in ungeheuren Felſenſtuͤcken aus der Damm - erde hervor; und auf dieſer oder jener Seite erblicket man gleichfalls dergleichen hervorragende Felſenſtuͤ - cken, die von aller Dammerde befreyet ſind. Eine große Menge von Gebirgen haben dieſe Beſchaffen - heit. So ſehen die Alpengebirge, die Pyrenaͤiſchen Gebirge, die Schweizergebirge, die Gebirge in Nie - deroͤſterreich, Steyermark, Kaͤrnthen, Crain, ein Theil des Rieſengebirges, zum Theil die Gebirge zwi - ſchen Boͤhmen und Franken, wie auch zwiſchen Boͤh - men und Sachſen, die meiſten Gebirge in Norwegen und Schweden, und faſt alle andere hohe Gebirge auf unſerm Erdboden aus.

Die Floͤtz - oder neuen Gebirge ſind von denen vor - hergehenden, ſowohl in ihrer aͤußerlichen Geſtalt, als in ihrer innern Zuſammenfuͤgung gaͤnzlich unterſchie - den. Sie ſind bey weitem nicht ſo hoch, als die Fel - ſengebirge, allenthalben mit Dammerde bedecket, undſteigen48I. Abſchn. Von der Beſchaffenheitſteigen von allen Seiten ſanft auf. Jn ihrer innern Zuſammenfuͤgung beſtehen ſie allemahl aus einer Men - ge von verſchiedenen Steinlagen oder Schichten, da - von eine jede Lage von zwey bis vier Fuß mehr oder weniger leicht von einander zu unterſcheiden, und an den Orth ihrer Zuſammenfuͤgung ohne Muͤhe von ein - ander abzuſondern iſt. Nicht ſelten beſtehen auch der - gleichen Berge aus nichts, als Sand und Leim, wie zum Exempel in der Neumark und in Pommern, wie auch im Mecklenburgiſchen und im Hollſteiniſchen. Die Steinarten, welche allemahl in ſolchen Floͤtzge - birgen angetroffen werden, ſind groͤbere Sandſteine, Kalkſteine, ſchlechte Marmorarten, Spatharten, und inſonderheit allerley Arten von Schiefern. Daß die - ſe Gebirge neu ſind, und ihren Uhrſprung von Ueber - ſchwemmungen haben, die lange nach der Exiſtenz des Erdcoͤrpers vorgefallen ſind, beweiſen nicht allein ihre verſchiedenen Lagen oder Schichten von Stein - arten, ſondern auch die Verſteinerungen aus dem Thier - oder Pflanzenreiche, die ſo haͤufig in dieſen Floͤtzgebirgen gefunden werden, und wodurch mithin klar vor Augen liegt, daß ſie erſt in ſolchen Zeiten entſtanden ſind, als die Erde ſchon lange vorher Thie - re und Pflanzengewaͤchſe hervorgebracht hatte.

Es iſt in der verwichenen Leipziger Michaelis - meſſe des 1770ſten Jahres eine kleine Schrift zum Vorſchein gekommenc)Abhandlung von dem Uhrſprunge der Gebirge und der darinnen befindlichen Erzadern., worinnen der Verfaſſer den Uhrſprung und den Unterſchied der Gebirge in einemſeiner49der Gebirge auf dem Erdcoͤrper. ſeiner Meynung nach ganz neuen Syſtem hat mitthei - len wollen. Dieſer Verfaſſer theilet die Gebirge auf dem Erdcoͤrper in das hohe oder Felſengebirge, und in das Mittel - und Vorgebirge ein. Was das hohe oder Felſengebirge anbetrifft; ſo glaubet der Verfaſ - ſer, daß ſolches bey der Schoͤpfung der Welt von Gott alſo mit erſchaffen worden; die Mittel - und Vorge - birge aber waͤren durch nachfolgende Ueberſchwemmun - gen entſtanden; indem ſich die Fluthen an dem hohen oder Felſengebirge gebrochen haͤtten, die ſonſt außer dem Daſeyn ſolcher erſchaffenen hohen Gebirge ſanft fortgerollet ſeyn, und ihren mit ſich fuͤhrenden Stein - ſchlamm und Erden allenthalben gleich auf der ebenen Oberflaͤche abgeſetzet haben wuͤrden.

Allein, da ſie ſich eben an dieſen hohen oder Fel - ſengebirgen gebrochen haͤtten; ſo waͤren dadurch die Mittel - und Vorgebirge entſtanden, woran die Flu - then ihre mit ſich gefuͤhrten Steine und Erden nach Verhaͤltniß ihrer Schwehre abgeſetzet haͤtten.

Die Eintheilung eines Gebirges in das hohe, Mit - tel - und Vorgebirge, iſt allen Bergverſtaͤndigen gar ſehr bekannt. Dieſe Eintheilung macht man nur in Abſicht auf das Schuͤrſen und auf die Ausfindung der Erzgaͤnge und Kluͤfte; und es iſt allemahl bey ſolcher Eintheilung nur von dieſem oder jenem einzelnen Ge - birge die Rede. Allein, daraus eine allgemeine Ein - theilung aller Gebirge auf dem Erdboden zu machen, das hat ſich wohl noch niemand einfallen laſſen, der Verſtand und Einſicht gehabt hat. Der Verfaſſer prahlet ſehr mit ſeiner Erfahrung in Bergwerksſachen. DMan50I. Abſchn. Von der BeſchaffenheitMan will ihm dieſes nicht beſtreiten. Allein, er giebt ſelbſt durch ſeine Schrift genugſam zu erkennen, daß er weiter nichts als ein handwerksmaͤßiger Bergver - ſtaͤndiger iſt; und er haͤtte ſich wohl nicht einfallen laſ - ſen ſollen, ſich an die Schmiedung oder Erfindung neuer Lehrgebaͤude in der Naturkunde zu wagen, wel - ches ſeine Kraͤfte ganz augenſcheinlich weit uͤberſtei - get; dieſe Schrift eines Ungenannten iſt zwar nicht von der Betraͤchtlichkeit, daß dieſes vermeynte neue Lehrgebaͤude eine ausfuͤhrliche Widerlegung verdiente. Allein, da ich dadurch Gelegenheit erlange, die Na - tur und Beſchaffenheit unſers Erdcoͤrpers deſto mehr aufzuklaͤren; ſo will ich mich dieſer Arbeit unterziehen, und uͤberzeugend vor Augen legen, wie ſchwach alles dasjenige iſt, was der Verfaſſer zu Behauptung ſei - nes angeblichen Lehrgebaͤudes anfuͤhret.

Der Verfaſſer glaubet, daß das hohe oder Fel - ſengebirge allemahl aus einem feinen Kalkſteine be - ſtehe. Es kann ſeyn, daß dieſes von dem Theil des Carpathiſchen Gebirges, woran die Schweizer Berg - werke liegen, und von denen Gebirgen in dem Ban - nat und Siebenbuͤrgen, woſelbſt der Verfaſſer gut be - kannt zu ſeyn ſcheinet, ganz richtig iſt. Allein, daß alle hohe Gebirge auf dem Erdcoͤrper aus dergleichen feinen Kalkſteinen beſtehen ſollten, das iſt ſo offen - bahr falſch und unrichtig, daß eben der Verfaſſer da - durch zu erkennen giebt, daß er weiter nichts als die Gebirge in jetztgedachter Gegend kennet, und ſich we - der durch Buͤcher, noch durch Correſpondenz eine er - weiterte Kenntniß von der Beſchaffenheit der hohenund51der Gebirge auf dem Erdcoͤrper. und Felſengebirge auf dem Erdboden zu erwerben ge - ſuchet habed)Es iſt nicht leicht ein Beyſpiel von einem Verfaſſer vor - handen, welcher die angeſehenſten Gelehrten mit ſolcher Kuͤhnheit tadelt, ihnen den Mangel der Erfahrung vor - wirft, und ihre Begierde, ohne dieſe Erfahrung in ih - ren Studierſtuben Lehrgebaͤude zu machen, ungereimt vorzuſtellen ſucht, als hier in dieſer kleinen Schrift ge - ſchiehet, ohne daß der Verfaſſer diejenigen Gelehrten einmahl recht zu kennen ſcheinet, die er angreift. Der ſel. Bergrath Lehmann, nachheriger rußiſch-kaiſer - licher Etaatsrath, war gewiß ein eben ſo erfahrner und practiſcher Bergmann, als der Verfaſſer; allein, er hatte gewiß zehenmahl mehr Beleſenheit und Einſicht, als dieſer letztere, deſſen bergmaͤnniſche Erfahrung, wie auf allen Blaͤttern ſeiner kleinen Schrift hervorleuchtet, weiter auf nichts, als auf die im Verhaͤltniſſe der Groͤße |des Weltcoͤrpers ſehr kleine Gegend von Sie - benbuͤrgen, den Bannat und einen Theil des Carpathi - ſchen Gebirges ſich erſtrecket. Mit dieſer ſehr geringen Kenntniß unterſtehet ſich der Verfaſſer Lehrgebaͤude zu machen, darauf zu trotzen und zu pochen, und andere anſehnliche Gelehrte neben ſich zu verachten, die doch, wenn ſie auch nicht alle Erfahrung in Bergwerksſachen haͤtten, doch wegen ihrer großen Beleſenheit und Ein - ſichten viel geſchickter ſeyn wuͤrden, allgemeine Lehrge - baͤude zu machen, als ein Mann, der weiter nichts als die Gebirge in einem ſehr kleinen Bezirke der Welt ken - net. Wenn ein Knabe, der in einer mittelmaͤßigen Ebene gebohren iſt, und noch keine Reiſe als etwa in die benachbarten Doͤrfer gethan hat, die Sonne auf de - nen kaum einige Meilen um ihn herumliegenden Gebir - gen auf - und niedergehen ſiehet, und ſich einbildet, daß die kleine Ebene, in welcher er gebohren iſt, die ganze Welt ausmachet, und daß der Weltcreis auf denen Ge - birgen, die ſein ſchwaches Auge in einer Entfernung von wenigen Meilen erblicket, und wo er die Sonne ſo augenſcheinlich auf - untergehen ſiehet, ſeine Endſchaft habe; ſo kann man dieſe Einbildung und vermeyntesLehr -. Die allermeiſten hohen und Felſen -D 2gebirge52I. Abſchn. Von der Beſchaffenheitgebirge auf dem Erdboden beſtehen, aus Horn - Stein - und Jaſpisarten, aus Gneiß, aus einem ſehr feinen Sandſtein, und zuweilen wohl gar aus Porphyr und Granit. Man darf nur die vornehmſten Bergwerke in Europa befahren, oder ſich aus Buͤchern oder Schriften eine Kenntniß davon erworben haben, um davon auf das vollkommenſte uͤberzeuget zu ſeyn. Das beruͤhmte Gebirge zu Koͤnigsberg in Norwegen, in welchem ſo viel gediegenes Silber gegraben wird, be - ſtehet bis in ſeinen Gipfel und in den hervorragen - den Felſen aus dem allerfeinſten Hornſtein in der Welt, an welchem der Bergbohrer Stunden lang ar - beitet, ohne daß man einmahl die Stelle ſiehet, wo er gearbeitet hat, ſo, daß man dieſen Hornſtein mit Feuer brennen und muͤrbe machen muß, damit der Bergbohrer nur einigermaaßen darauf haften und ein - tringen koͤnne. Die Gebirge auf dem Harz, worin - nen ſich die daſigen Bergwerke befinden, haben faſt allenthalben keine andere Steinart, als einen ſchwaͤrz - lichen Hornſtein, der aber viel weicher iſt, als der zu Koͤnigsberg. Die Meißniſchen anſehnlichen Berg - werke arbeiten faſt allenthalben in einem ſogenannten Gneiß; und ſo darf man nur die hohen und Felſen -gebirged)Lehrgebaͤude dieſem Knaben zu gute halten. Man kann ihm ſo gar ein kleines Lob ertheilen, daß er doch den Anfang machet, zu denken. Allein, wenn eben dieſer Knabe auf ſein kleines Lehrgebaͤude trotzet und pochet, angeſehene und erfahrene Perſohnen, welche ihm ſagen, daß die Welt auf denen Gebirgen, die er ſiehet, keines - weges ihre Endſchaft erreichet habe, verachtet und ſchimpfet; ſo verdienet er die Ruthe und Zuͤchtigung ſeines Lehrmeiſters.53der Gebirge auf dem Erdcoͤrper. gebirge theils aus denen Bergwerksnachrichten, theils durch die Reiſebeſchreiber kennen; ſo kann man gewiß nicht zweifeln, daß die allerwenigſten hohen und Fel - ſengebirge keinesweges aus einem feinen Kalkſteine, ſondern groͤßtentheils und faſt allenthalben aus viel fe - ſtern Steinarten beſtehen; dahero auch das Lehrge - baͤude des Verfaſſers von Erzeugung der Erzadern in denen Gebirgen, das ſich lediglich auf die Vorausſe - tzung von Kalkſteingebirgene)Des Verfaſſers Syſtem von Erzeugung der Erzgaͤnge und Kluͤfte kommt darauf an, daß dieſe Gebirge an - fangs weich geweſen, und bey der Austrocknung Riſſe und Spalten bekommen, welche dann hernach durch die Durchſeigerung des Waſſers mit Erz angefuͤllet worden. Dieſes Lehrgebaͤude hat ſo viel Widerſinniges und of - fenbahr Widerſprechendes an ſich, daß man ſich billig wundern muß, wie der Verfaſſer ſolches ſelbſt nicht habe einſehen koͤnnen. Es wuͤrde mich hier allzuweit von meinem Endzwecke entfernen, wenn ich dieſes hier ausfuͤhrlich zeigen wollte. Jch werde aber ſolches bey einem herauszugebenden andern Werke leiſten. gruͤndet, von ſelbſt wegfaͤllt.

Eben ſo giebt dieſer Verfaſſer genugſam zu erken - nen, daß derſelbe nur von dem geringen Theil der Ge - birge in ſeiner Gegend einige Kenntniß habe; wenn er bey allen Gebirgen einen Ruͤcken oder Kern an - nimmt, welches eben das hohe oder Felſengebirge ſeyn ſoll, und an welches die Mittel - und Vorgebirge nach dem ebenen Lande zu durch die Fluthen nur angeſchwemmet ſeyn ſollen. Es iſt weit gefehlet, daß alle Gebirge auf dem Erdcoͤrper eine ſolche Beſchaffenheit haben ſollten. Wenn der Verfaſſer nur eine Reiſe nach Ma -D 3rienzell54I. Abſchn. Von der Beſchaffenheitrienzell in Steyermark gethan haͤtte; ſo wuͤrde er von der Unrichtigkeit ſeines Lehrgebaͤudes auf das ſinn - lichſte uͤberzeuget worden ſeyn. Wenn man von Wien aus nach dieſem beruͤhmten Waͤllfarthsorthe reiſet; ſo findet man auf dem Wege nichts als ſteile von aller Dammerde entbloͤßte und wie Mauern in die Wolken ſteigende Felſen, die allenthalben faſt ſenkrecht abge - ſchnitten ſind. Die Thaͤler, in welchen die Landſtraße hingehet, ſind ſo enge, daß ſie an den meiſten Orthen kaum hundert bis dreyhundert Schritte breit ſind; und die erſtaunlich jaͤhen und hohen Felſen ſcheinen denen Reiſenden uͤber dem Kopfe einſtuͤrzen zu wollen; wie denn bereits heruntergeſtuͤrzte Felſenſtuͤcke zuweilen von vielen hundert