Dem Wol Edel / Geſtrengen und Veſten Herrn Johan Jobſten Schmidmayern / von und auf Schwartzenbruck / u. d. g. Der freyen Kuͤnſte Tugendeifrigen und viel - moͤgenden Befoͤrderern.
ALs Solon / Solonſag ich / der weiſe Geſetzgeber / auf ſeinem Todbette / der Vmſtehenden / von einer wichtigen Streitfrage / heimliche Vnterredung (damit ſie dem Kranken nicht verdruͤßlich weren) hoͤrete / richtete er ſich auf / bittend / ſie moͤchten etwas lauter reden / denn er koͤnte kein ſaͤnfters Ende nemen / als wann er im letzten Abdrukken gelehrter wuͤrde.
Was war damals an dir / O du Zier der Kuͤnſte / uͤbrig / als der abgefleiſchte Leib / das von Haut und Beinen zuſam - mengeflikte Gerippe / geaͤderte Arme / gebrochene Augen / ein - gefallene Wangen / die gehemmete Zunge / und zerſtimlete Worte?
Jedoch wolte die Seele / die allbereit unter der Zungen / und zum Abzuge fertig / in dem letzten Athmen / ſich mit Kunſt / als einer Hertzſterkung / laben.
Werthe Zuhoͤrer: Die Geſetzgeberin der Voͤlker / un - ſer in letzten Zuͤgenligendes Teutſchland / unſer durch die zer - gliederung des Reiches gelaͤhmtes Teutſchland / unſer durch die blutigen Mordwaffen ausgemergeltes Teutſch - land / ruffet uns / ſeinen Hertzgeliebten / zu: Redet / Redet / Redet / daß ich gelehrter abſterbe.
BJn2LobredeJn Anſehen deſſen hat unlaͤngſt etliche hohe aufgewekte Geiſter / aus natuͤrlicher angeborner Teutſcher Liebe / eine re - gende Luſt angefriſchet / daß nunmehr durch ihre Lehrſchriff - ten das roͤchlende Teutſchland taͤglich lernet.
Ob nun zwar bisanhero / auf juͤngſtaufgerichtetem Lehrſtule / die hochheilige Sprachmutter die Ebraeiſche / de - ro Tochter die Syriſche / die verſuͤſſete Griechiſche / und die Dolmetſcherin der Welt / die Lateiniſche Sprache / der Ju - gend treueiferigſt eingetreufelt worden / ſo habe ich der we - nigſte / unter den Teuſchen Mutterſoͤhnen / je und je unſere Wunderkraͤfftige / Wortmaͤchtige und Qwelreiche Sprache geliebet. Hat Vlyſſes ſein armes / rauhes und gleichſam wie ein Schwalbenneſt an die Steinklippen ange - haͤngtes Vaterland / Jthaca / derer jhm angebotenẽ Vnſterb - lichkeit vorgezogen: Wieviel mehr ſollen wir Teutſchen ent - brennen und uns euſſerſt bemuͤhen unſere Mutterſprache zu erheben / in Anſehen deſſen habe ich juͤngſthin etzliche heilige Gedichte darinnen abgefaſſet / mehr verſtaͤndiger Beſſerung und Schaͤtzung wolmeinend untergeben.
Anjetzo aber bin ich auf Gutachten deſſen / dem ich zu gehorſamen verpflichtet / und ein groſſes Theil meiner weni - gen Wiſſenſchafft zu danken / aufgetretten / etwas von der Liebwuͤrdigſten Poeterey der Teutſchen abzuhandeln.
Werthe Zuhoͤrer: Dieſes verhoffentlich fruchtendes Vnternemen wollen ſie anjetzo / wie vormals / an - und abzu - hoͤren vielguͤnſtig geruhen.
Ja /3der Teutſchen Poetery.Ach ja / von der Teutſchen Poeterey: was unterwinde ich mich a - ber / die von den Griechen und Lateinern erbettelte Verſkunſt / un - geſaltzene / ſteltzende und hinkende Krippelreimen herauszuſtreichen / ſolte das Muͤhwuͤrdig ſeyn?
Wuͤrde nicht Heinſius den Eſel / Pirkamer den Zipperlein / Cardan den Kaͤiſer Nero / Scaliger die Gans / Aldrovandus die Spin - ne / Melanchthon den Kaͤs / Majoragius den Koht / Stroza den Haa - ſen / Putean das Ey / Leuſchner den Lortſch / und andere was anders zu loben Bedenken tragen.
Aber nichts dergleichen / Ach Lieb - und Lobwuͤrdigſte Kunſt / Schweſter der Natur / Suͤſſigkeit der Vnſterblichen / Buͤrgerin des Himmels / du biſt es / die meinen Sinn / Gemuͤt und Gedanken mit einer uͤberirdiſchen Liebe deromaſſen bezaubert / daß ich nicht weis / was ich wegen der voͤlligen Lobsmenge zuerſt oder zuletzt ſagen ſoll!
Goͤttliche Kunſt / was hilfft es dich aber / daß ich dich liebe und lobe? Da hingegen jhrer viel dein hervorbrechendes wollautendes Wundervermoͤgen / mit ungegruͤndetem Zweifel und hoͤniſchẽ Kopf - ſchuͤtteln / vernichten / als wereſt du eine neugebakkene / unwuͤrdige / guͤltloſe / undienliche Zeitmoͤrder in / gemeine Dirne / und Peſt der Jugend.
Wie aber ſonſt nichts ſo vollkommen / daß der Verleumdung entuͤ - briget / alſo iſt auch der Name der Poeten ſo gar veraͤchtlich / daß wañ man jemand beſchimpffen wil / einen Poeten nennet / gleich als koͤnte keiner einen guten Vers machen / er muͤſſe dann ein boͤſer Menſch und viſierlicher Kautz ſeyn.
Eines aber und das ander muß zuzeiten dieſer Kunſt Ergebenen nachgeſehen werden / weil ſie mit ihren Gedanken etwas freyer und ſicherer gehen: Maſſen die Verrichtung anderer Geſchaͤffte die Poe -B ijtiſchen4Lobredetiſchen Gedanken hintertreibet / wie ein truͤbes Waſſer des Angeſichts Bildung nicht rein und eigentlich vorweiſen kan. Dahero allezeit darvorgehalten worden / daß der / ſo bey ihm ſelbſt / uͤmſonſt an der Muſen Thuͤr klopfe: Das iſt / es muͤſſe ein guter Poet von einer hoͤ - hern Gewalt angetrieben werden / Goͤttliche Regungen und himmli - ſche Einfluͤſſe haben / wie ſie denn ſingen:
Dieſe geiſtliche. Entzuͤkkung wallete in dem heiligen Hertzen Mo - ſis Deborae / Judith / ſie flammete ſich auf / und brach in das volle Lob Gottes nach Begebenheit mit ſolcher Zierlichkeit heraus / daß ſie ſo weit uͤber alle Weltliche Gedicht geſtiegen / ſo weit die himmliſchen Dinge alle irdiſche Eitelkeiten uͤbertreffen.
David / der Koͤntgliche Poet / deſſen Parnaſſus Sion geweſen / Salomon / deſſen Muſen die Toͤchter der Weiſheit / lieſſen ſich / durch dieſen Geiſt getrieben / in ein tiefes Geſpraͤche mit GOTT ein.
Vnd weiln ein ſolcher Poetiſcher Geiſt / von anmutigen Sinn - reichen Einfaͤllen / kekkes Vnternemens unnachfoͤlgig ſteiget / ſich mit Goͤttlicher Vernunfft fluͤgelt / die Alttagsgedanken uͤbertrifft / als iſt ihnen der Name / ſo der hoͤheſten Majeſtaͤt alleinzuſtaͤndig / gegeben worden.
Dann gleichwie Gott / der dieſes ſichtbare Weltgebaͤu / mit al - lem / was in demſelben begriffen / bloß aus ſeiner unermeßlichen Krafft und Weiſheit erbauet / allein ein Dichter / dieſe aber / die / aus einem vorhergehenden Zeuge / etwas verfertiget / zum Vnterſcheid / Meiſter benamet worden: Alſo hat man Anfangs die Poeten hoch und herr - lich / ja Gott faſt ſelbſt gleich / geachtet / in dem man geargwohnet / ſie haͤtten eine heimliche Zuſam̃enkunft und Verbuͤndniß mit den Goͤt - tern / weil ſie / was niemaln geweſen / als wer es geweſen / fuͤrgeſtellet. Bey[5]der Teutſchen Poeterey. Bey den Roͤmern iſt Virgil in ſolchem Anſehen geweſen / daß / wann man ſeine Verſe oͤffentlich verleſen / das gantze Volk / aus ſonderlicher Wuͤrdigung / aufgeſtanden / und ihm / wann er gegenwaͤrtig ge - weſen / ſolche Ehre / als Kaͤiſer Auguſto ſelbſten / wiederfahren / wie Quintilian bezeuget.
Die jenigen hingegen / die etwas / wie es an ihm ſelber / abgehan - delt / ſind Saͤnger oder Verſmacher genennet worden.
Solche Meinung zu behaubten / verſtaͤrket uns jener Knecht bey dem Schauſpielſchreiber Plautus / wann er ſaget:
Niemand muß ihm aber die Meinung ſchoͤpfen / als ob die Poeterey mit lauter Vnwarheiten uͤmgienge / und beſtuͤnde bloß in ihr ſelber / da ſie doch alle andere Kuͤnſte und Wiſſenſchafften in ſich haͤlt.
Es muß ein Poet ein vielwiſſender / in den Sprachen durch trie - bener und allerdinge erfahrner Mann ſeyn: Er hebet die Laſt ſeines Leibes von der Erden / er durch wandert mit ſeinen Gedanken die Laͤn - der der Himmel / die Straſſen der Kreiſe / die Sitze der Planeten / die Grentzen der Sterne / die Staͤnde der Elementen. Ja er ſchwinget die Fluͤgel ſeiner Sinne / und fleucht an die Stellen / da es regnet und ſchneiet / nebelt und hagelt / ſtuͤrmet und ſtreitet. Er durch kreucht den Bauch der Erden / er durch waͤdet die Tiefen / ſchoͤpffet ſcharffe Ge - danken / geziemende zierliche Worte lebendige Beſchreibungen / nach - ſinnige Erfindungen / wolklingende Bindarten / ungezwurgene Ein - faͤlle / meiſterliche Ausſchmuͤkkungen / ſeltene Lieblichkeiten / und ver - nuͤnfftige Neurungen.
Wie bey den Lateinern / Griech halt mirs zu gut / daß ich dich mitB iijStil -6LobredeStilſchweigenuͤbergehe / Lucretius ein Sinnreicher Naturkuͤndiger / Manilius ein Sternſeher / Macer ein Artzt wider den Schlangen - gifft / Virgilius ein Ackermann / Columella ein Gaͤrtner / Oppianus ein Fiſch - oder Jaͤgermeiſter / und dieſer und jener der Weltweißheit O - briſter geweſen.
Jovianus Pontanus hat uns ein Gedicht von denen Dingen / ſo in der Lufft geſchehen / Buchananus von den Kugeln der Sternen / Douſa von him̃liſchen Dingen / Heinſius von Verachtung deß Todes und der Seelen Vnſterblichkeit / Grotius von der Warheit der Chriſt - lichen Religion hinterlaſſen. Fracaſtorius hat ſchoͤn beſchrieben die heßliche Krankheit / die wir nur nicht gerne nennen / Vida den Sei - denwurm / Thuanus die Falknerey und das Peitzen. Kan alſo die Po - terey nicht enger eingeſchrenket werden / als die Welt und die Natur ſelbſten / ja ſie iſt die Kunſt / die alle andere erkuͤndiget und begreiffet.
Von der Beſchaffenheit aber iſt hier nichts zu melden.
Der Ebraeer Verſkunſt hat unlaͤngſt ein gelehrter Niderlaͤn - der Gomarus heraus gegeben / Plato / Ariſtoteles / der Griechen / Fa - bricius / Sabinus und andere der Lateiner: Bevorab der Fuͤrſtliche Scaliger / deſſen Buͤcher niemand / ohne hoͤchſte Verwunderung des unvergleichlichen / angebornen Verſtandes / des ſcharffen Vrtheils und vielfaͤltiger Kunſt / die darinnẽ herfuͤrleuchtet / leſen mag / alſo gar / daß es ſcheinet / als wann die Natur an dieſem Manne verſuchen wol - len / wie weit ſich des Menſchen Kraͤffte in der Geſchikklichkeit erſtrek - keten.
Vnd nun / nun iſt es an dem / daß ich mich uͤber die krumgebuͤk - ten Seelen hinausbegebe / eine liebliche / luſtreiche Ebene durchſpatzie - re / die ſo genanten Muſenjungfraͤulein begleite / ſie in ihren hertzer - freulichen Stellen / die ſie unter unſerm Himmel aufgeſchlagen / be - ſuche.
Es iſt die Teutſche Poeterey nicht ein neues / geſtern oder vorge - ſtern ausgeſonnenes / oder von den Frantzoſen und Welſchen her ge -ſpon -7der Teutſchen Poeterey. geſponnenes Weſen: Sondern es haben ſchon / vor ungefehr ein vier - tauſend Jahren / die Teutſchen in ihrer Haubtſprache ihre Geſetze in Reimen verſetzet / und in gebundenen Reden ihren Gottesdienſt ver - richtet. Dann / aus Vbereinſtimmung Goͤttlicher und Weltlicher Geſchichten / auch der Gelehrten faſt durchgehenden Meinung / merkwuͤrdig: Daß / nachdem den ſtoltzen Thurnbauern zu Babel / durch Verwirrung der Sprachen / das Handwerk geleget worden / iſt Aſcenas / des Ertzvaters Noe Nef / durch klein Aſien in Europen gezogen / ſich daſelbſt nidergelaſſen / die Laͤnder angebauet / getheilet / bewohnet / und ein Vater aller Celtiſchen Voͤlker worden: Nemlich der Voͤlker / welche hernach gewohnet in denen Laͤndern / die wir je - tzund Teutſchland / Frankreich / Spanien / Engeland / Schotland / Norwegen / Schweden und Dennemark heiſſen.
Bey dieſen Voͤlkern nun hat albereit zu Abrahams Zeiten / wie Aventinus ſchreibet / Koͤnig Bard die Singkunſt aufgebracht / Feyer - und Tantztage bey den alten Teutſchen angeſtifftet.
Mitlerzeit iſt die Teutſche Verſkunſt durch die Barden / ſo Dich - ter / und Druiden / welche Prieſter geweſen / ohne ſchrifftliche Hinter - laſſung fortgepflantzet worden / damit / durch die Gemeinmachung / der Geheimniſſe heiliges Anſehen nicht geringert wuͤrde.
Haben alſo an Stat der Zeitbuͤcher nur Lieder gehabt / darin - nen ſie Gott und die dapferen Thaten ihrer Helden auf die Nachkom - men gebracht.
Gehe nun einer hin und ſage / es haͤtten die Teutſchen ihre Dich t - kunſt von den Lateinern und Griechen / ihren aͤrgſten Feinden / erler - net: Da doch beweislichen / daß die alten Weltweiſen in Griechen - land von den Ebraeern und ihren Nachkommen / denen Celten / unter - richtet worden.
Woraus dann zu ſchlieſſen / daß die Celtiſchen Woͤrter zu den Griechen folgends auf die Lateiner kommen / da dann aus der alten Celtiſchen / das iſt / Teutſchen / und der Griechiſchen Sprachen dasLatein8Lobrede. Latein aus geputzet worden / durch den uͤbertrefflichen Roͤmer Varro. Ja / es haben die Roͤmer nicht allein der Teutſchen Woͤrter / Gebraͤu - che und Sitten / ſondern auch ihre Buchſtaben / mit Hindanſetzung der Griechiſchen / angenommen.
Gehe einer hin und ſage / es weren die Teutſchen Buchſtaben etwan vor ein 300. Jahr ausgebruͤtet worden. Aventinus bezeuget / daß unſere Vorfahren denen Perſiſchen Geſandten an dero Koͤnig Darius einen Brief mitgegeben / dieſes Jnhalts: Die Teutſchen wuͤn - ſchen dem Kaͤiſer aus Perſien nichts dann Weinen / Trauren und al - les Vngluͤk / und wollen ihm den Teufel und die Peſtilentz auf den Kopf geben.
Ja / es ſchreiben die beyden Bruͤder Johannes und Olaus die Groſſen / daß ſchon vor langer Zeit / do der Maͤſſel und Hammer Fe - der und Dinten geweſen / ehe die Lateiniſche Sprache geboren wordẽ / in dem Mitternaͤchtiſchen Teutſchen Reiche das Schreibweſen im Schwang gangen / wie ſolches die Klippen und Felſen annoch der Or - ten bezeugen. Vnd dieſes koͤnte die erſte Denkzeit der Teutſchen Poe - terey ſeyn.
Wie nun durch Kaͤiſer Karln den Groſſen das Kaͤiſerthum auf die Teutſchen gebracht / und in einer richtigen Kaͤiſerordnung / bis auf gegenwaͤrtige Zeit / erhalten worden: Alſo vermeine ich / ſey keine Poe - terey (ausgenommen die Ebraeiſche / ſo allein vor der Babyloniſchen Verwirrung gebraͤuchlich) aͤlter / als welche Karl der Groſſe geliebet.
Vnd wie ins gemein die Dichtkunſt von den hoͤchſten Haͤub - tern der Welt geehret / die denen Poeten / mit Mildigkeit / Guͤte und Gnade / allen merklichen Vorſchub gethan: Alſo hat die Teutſche Poeterey den Halbgoͤttlichen Welthelden Karln den Groſſen ihren Schutzherrn und Vater erlebet / maſſen dieſer Chriſtliche Kaͤiſer / un - geacht der ſchweren Kriege / die er alle wegen der Ehre Gottes gefuͤh - ret / ſich ſeiner Mutterſprache treulich angenommen / eine Sprachkunſt derſelben mit eigener Hand aus gefertiget / ſelber Verſe geſchrieben / diealten9der Teutſchen Poeterey. alten Reime ſamlen laſſen / der Winde und Monaten Namen wieder hervorgeſucht / und alſo denen Teutſchen einen Weg gebahnet / ihre Geſchichte vor dem Vntergange zu ſichern.
Wie dann damaln drey gelehrte Maͤnner die H. Schrifft in die Teutſche Sprache verſetzet / welches doch lange Zeit zuvor auch ein Biſchof ſol gethan haben.
Zu ſeines Sohnes Zeiten / Kaͤiſer Ludwigs / hat der Moͤnch Otfried die Evangelia in Teutſche Reimen gebracht / ſo annoch vor - handen / nebenſt der Schrifft / ſo er an den Ertzbiſchof zu Maintz abge - hen laſſen.
Solte und wolte einer in den alten Kloͤſtern nachſuchen / wuͤrde man lehrreiche Gedichte der Wittodien und Gravionẽ / die noch vor Karln den Groſſen gelebet / finden / welche an Zier aht und Kunſt man - chen Lateiniſchen Poeten beſchaͤmeten / maſſen damals ſowol Adels - als hoͤhere Standsperſonen / ja manchmals Fuͤrſten / Koͤnige und Kaͤiſer ſelbſt / offt Poetiſche Kaͤmpf zu halten gepflegt / bey welchen nicht weniger / als bey den Thurnieren / auch das Adeliche Frauenzim - mer den Dank unter den Obſiegern ausgetheilet. Doch hat der ge - lehrte und der Teutſchen Haͤndel wolerfahrne Goldaſt ein gutes Theil ſolcher Geſaͤnge der mottenfreſſigen Zeit beraubet / und aus der Churpfaͤlziſchen Cantzeley an Tag gegeben.
Darinnen ehrenermeldter Eiferer der Teutſchen unter andern mit Namen Albrechts Grafen von Heigerlohe / Kunrads Grafen von Kirchberg / Eberhards und Heinrichs Freyherrn von Sax / Friederichs Grafen von Leiningen / Krafftẽ Grafens von Toggen - burg / Rudolfs Grafen von Neuenburg / Rudolfs Freyherrn von Rotenburg / Vlrichs Freyherrn von Gutenberg / Werners Freyherrn von Tuͤfen / Heinrichs Hertzogen von Breslau / Ottens Margrafen von Brandenburg / Heinrichs Marggrafẽ von Meiſ - ſen / eines Hertzogen von Aſcanien / und Margrafens von Hoch - burg / ja Kaͤiſers Heinrichs und Kunrads Roͤmiſchen Koͤnigs Ge -Cdichte10Lobrededichte (unzehlich Teutſcher von Adel zu geſchweigen) haͤuffig ange - zogen und gedacht worden.
Jſt alſo unſere Poeterey nicht aus dem Schulſtaube hergeflo - gen nach welcher ſie / wie etliche unbeſonnene meinen / noch ſtinket / ſondern ſie iſt zu Hofe / nebenſt andern Ritterlichen Vbungen / Thur - nieren und Fechten / in vollem Schwang gangen. Wird auch / ob Gott wil / dermaleins wideruͤm von hohen Haͤubtern angenommen und geliebet werden.
Es iſt bekand / daß Hiarmes von den Daͤnnemaͤrkern zum Koͤ - nige erkieſet worden / weil er dem vorigen Koͤnige zu Ehren ein Grab - gedichte gemacht / das vor allen andern den Preiß erhalten: Obwoln / vor Kaͤiſer Rudolf / wenig Teutſcher Briefe zu finden / auſſer daß Gottfried der Moͤnch des H. Pantaleons ſchreibt / daß im Jahr 1235 ein Reichshof zu Maintz gehalten / und daſelbſt ein Reichsordnung in Teutſcher Sprache abgefaſſet worden.
Jſt demnach Ruhmes wuͤrdig Kaͤiſer Rudolf der Erſte / hochloͤb - lichſter Gedaͤchtniß der allhier zu Nuͤrnberg einen eigenen Reichstag abſonderlich / wegen der Teutſchen Sprache / im Jahr nach Chriſti Geburt 1273. gehalten / darinnen er geſchloſſen / daß man hinfort in Teutſcher Sprache alle Gerichtsſachen vorbringen / handeln und ver - abſchieden ſolte. Es iſt auch hierbey / zu dieſer Statt unſterblichem Nachruhm / zu gedenken / daß Chytraeus in den Saͤchſiſchen Zeit - buͤchern / auß alten Briefen / meldet: Die Cantzley zu Nuͤrnberg haͤtte auf erſtbeſagtem Reichstag groſſe Ehre eingeleget / und wolvernemlich geteutſchet / was andere Chur - und Fuͤrſtliche Geſandten auszureden fuͤr unmuͤglich gehalten.
Zu deſſen Fusſtapfen iſt getretten Maximilian der Erſte / welcher auf dem Reichstage zu Coͤln / im Jahr nach Chriſti Geburt 1512. be - ſtaͤtiget und bekraͤfftiget / was Kaͤiſer Rudolf zuvor verordnet. Es hat auch dieſer Kaͤiſer auf der hohen Schule zu Wien nebenſt den vier Haubtwiſſenſchafften die fuͤnfte / die Poeterey / zu lehren befohlen /und /11der Teutſchen Poeterey. und / die darinnen andere uͤbertroffen / mit dem Lorbeerkrantze und hoͤchſtem Ehrenſtande begnadet. Wie auch Cunrad Celtes vom Fride - rich dem Dritten ſelbſten gekroͤnet worden / und hat Ferdinand der Erſte ſolche Befreyungen erneuert.
Lange Zeit zuvor ſind die Heydniſchen Geſetz - und Grabreimen in Chriſtliche Gedichte verſetzet worden / daher die Meiſtergeſaͤnge / Thurnier - und Heldenlieder ihren Anfang genommen / welcher unaus - gearbeitete / ſchlaͤfrige und harte Bindungen dem damals ungnaͤdi - gen Verhaͤngniß des Himmels zuzumeſſen. So ſchreibet Tertullia - nus / daß zu ſeiner Zeit die Eheleute daheim in Haͤuſern ſich geuͤbet und befliſſen immer eines beſſer zu ſingen / und einen beſſern Pſalmen zu dichten / als das andere. Vnd dieſes koͤnte die andere Denkzeit der Teutſchen Poeterey ſeyn.
Mit hereinbrechendem Liechte des heiligen Evangelii hat-Lu - therus S. G. alle Lieblichkeit / Wuͤrde und Beweglichkeit in unſere Sprache gepflantzet / alle rauhe knarrende Woͤrter ausgemuſtert / hingegen dero Vermoͤgen mit allerhand anmutigen Geſaͤngen und geiſtreichen Liedern bereichert / viel fromme Hertzen dadurch erreget und beweget / daß ſie dem aberglaubiſchen Papſtthum gute Nacht ge - geben / und ſich zu der Evangeliſchen Warheit bekennet / maſſen unſere Widerſacher ſolches / wider einigen ihren Dank / nicht in Abrede ſeyn koͤnnen.
Welchem ruͤhmliche Folge geleiſtet Jobſt Jonas / Paulus E - ber / Spangenberg / D. Bekker / D. Nicolai / H. Saubert / H. Dilherꝛ / und viel andere.
Offt und vielmal hat auch der uͤm die Kirche Gottes wolver - diente Gottsgelehrte D. Gerhard gewuͤnſchet / daß auf der hohen Schule zu Jena die teutſche Sprache und Poeterey getrieben wuͤr - de. Dieſes koͤnte alſo die dritte Denkzeit der Teutſchen Poeterey heiſ - ſen.
Vornemlich aber iſt unſer hochherrlichſte / allerreichſte / voll -C ijkom -12Lobredekommene Dichtkunſt auf ihren Ehrenthron eingeſetzet worden / in dem die guͤldene Staffeln hierzu geleget die Durchleuchtigen / Hochge - bornẽ Fuͤrſten und Herren / Herren / Fuͤrſt Ludwig zu Anhalt / Her - tzog Auguſtus zu Braunſchweig und Luͤneburg / Hertzog Wil - helm / und Hertzog Ernſt zu Weimar / als hochvermoͤgende Schutz - herren / Lobwuͤrdigſte Pflantzer und Pflegherren des Weltberuͤhmten Kunſtgewaͤchſes der Fruchtbringenden Geſellſchaft / durch deren unverdroſſenen Fleiß / ernſtlichen geſamten Handbietung / mit Zuthun H. Werders / Opitzẽs / Hortleders / Buchners / Harsdoͤrfers / Schot - tels / Gweintzens / und bey 400. anderer Teutſchgelehrten / Sprach - liebenden Maͤnner / die Teutſche Verſkunſt von dem fremddruͤkkendẽ Joche erlediget / verbeſſert und ausgearbeitet wird / daß die Verſe nun - mehr gaͤnger / fertiger und lieblicher daherflieſſen: Alſo / daß / wenn ſich die Poeten auf einem Rechtplatze verſamlen ſolten / daſelbſtuͤm die Eh - re zu kaͤmpfen / wuͤrden gewiß / vor andern / die Teutſchen den Dank darvontragen. Dieſes nun koͤnte die vierte Denkzeit oftbeſagter Teut - ſchen Poeterey ſeyn.
Vnd iſt das gar ein nichtiges / kahl - und kaltes Begehren / daß man vorweiſen ſol / ob auch die Teutſchen vor 200. oder 300. Jahren ſo Pindariſiret / Opitziret und Buchneriſiret.
Dann gleichwie heute zu Tage Teutſchland eben das jenige Teutſchland / welches es vor etzlich tauſend Jahren geweſen / ob es gleich anjetzo beſſer bebauet / herrlicher ausgezieret / mit maͤchtigen Staͤdten / unuͤberwindlichen Feſtungen / Fuͤrſtlichen Schloͤſſern / Ade - lichen Haͤuſern / und hohen Schulẽ angefuͤllet iſt / auch von dem Haubt der Chriſtenheit beherrſchet wird: Alſo iſt gleichsfals unſere jetzige Teutſche Sprache eben die uralte Celtiſche Weltweite Sprache / die ſie von Anfang geweſen / ob ſie gleich anjetzo zierlicher bekleidet / und mit ausbuͤndiger kuͤndiger Vollkommenheit angethan / einher - tritt.
Angeſehen / daß die Poeten allemal die erſten geweſen / die / durchmilde13der Teutſchen Poeterey. milde Himmels gunſt / ihre angeborne Sprache aus dem Staube er - hoben / und den irdiſchen Goͤttern an die Seite geſetzet.
Wie denn bis anhero in unſerer Sprache / die reich an Worten / reich an Guͤte / reich an Zieraht / dero Lachen und Weinen / liebliche Haͤrte / maͤnnliches Gelaute und flieſſende Suͤſſigkeit / niemand in Acht genommen / als die Poeten.
Eben wie die Teutſche Kriegs-alſo iſt auch die Verſkunſt viel hoͤ - her geſtiegen.
Ferner / wie ſonſt ein Ding je aͤlter / je edler es auch iſt / alldieweil / aus Langwuͤrigkeit des Vergaͤnglichen / ein Abbild der unendlichen E - wigkeit vorgeſtellet wird: Als wolt ich mir keine Gedanken machen / in dem die Teutſche Poeterey die Jahre uͤberſtrebet / die Gewalt der Zeiten durchbrochen / zu ſagen: Es muͤſſe etwas Goͤttliches und ewig - waͤrendes darinnen verborgen ſeyn / dadurch wir naͤher zu GOtt dem Anfang aller Dinge ſchreiten.
Allhier nun / Werthe Zuhoͤrer / wolt ich euch gern beybringen die Beweglichkeit der Teutſchen Verſkunſt: Denn das man hinten zwey Reime aneinander bakken kan / iſt das geringſte / ſondern es muß das Gedicht voller Kern / Geiſt und Feuer ſeyn / daher dann unſer Dicht - und Verſkunſt viel hefftiger der Menſchen Sinn und Gemuͤt durch -C iijdrin -14Lobrededringet als einig andere / weil kein Wort in Teutſcher Sprache iſt / das nicht das jenige / was es bedeute / worvon es handele / oder was es begehre / durch ein ſonderliches Geheimniß außdruͤkke: alſo daß man ſich uͤber die unausdenkige Kunſt / die Gott unſerer Sprachen verlie - hen / wundern muß.
Es bemerke einer die Dinge / ſo er ausſprechen wil / halte ſelbe ſei - nen Gedanken mit Nachſinnen vor / beobachte darneben den Hall und Schall der Woͤrter / ob ſie ſelben nicht artlich auß - und abbilden.
Zum Beweißthum etzliche Exempel aus den fuͤrnemſten heutiges Tages beruͤhmten Poeten anzufuͤhren.
Der Niderlaͤnder unvergleicher Apollo Heinſius ſtellet uns den Brennenberg Etna folgends vor:
Wer vernimmet hier nicht / aus den knallenden / prallenden / zu - ſammengeſetzten Woͤrtern / das Rauchen und Schmauchen des Ber - ges Etnae?
Wollet ihr ein ſchleiniges Gewitter und Wetterleuchten anhoͤ - ren / ſo ſinget Opitz im Jonas:
Vnſer edler Spielender beſinget die Kummerwenderin / die Laute / wunderſchoͤn:
Auguſtus Buchner in einer Aufmahnung / man ſolle ſich der Zeit gebrauchen / weil ſie noch verhanden / mahlet uns derſelben Fluͤchtig - keit mit fluͤchtigen Verſen vor:
Die ungluͤckliche Schlacht bey Luͤtzen und Koͤniglicher Maje - ſtaͤt in Schweden obſiegenden Todesfall beſchreibt der Holſteiniſche Poet Riſt alſo:
Der16LobredeSo beſchreibet Freinßheim den unſaͤglichen und unertraͤglichen Hunger in der alten Roͤmerfeſtung Briſach:
Den unſterblichen Helden / den Weimariſchen Bernhard / fuͤh - ret er in einem Treffen bey Briſach alſo ein:
Wie17der Teutſchen Poeterey.D. Flemming in der Reiſe nach Perſien erzehlet einen Schiff - bruch nicht ſonder Mitleiden:
Der Schleſiſche Poet Tſcherning hat ein luſtiges und poſſirli - ches Huͤndlein alſo beſungen:
Vnd wie er etwan ferner ſchertzet.
Woraus die Meinung der Auslaͤnder zu nichte gemachet wird / in dem ſie ihnen eingebildet / ſie haͤtten die Leiteren / durch welche ſie auf die Parnaſſiſche Spitze geſtiegen / nach ſich gezogen / daß ihnen nie - mand folgen koͤnte.
Es haben ſich die grauſamen Roͤmer treflich mauſig gemacht / daß ſie in ihrer Sprache die Stimmen der Thiere nachahmen koͤn - nen.
Laſſet uns aber hierbey auch unſer Teutſches in Acht nemen / und beſinnen / mit was kraͤftig kurtzer Ausrede / nach Geheiß der innerlichen Eigenſchaft / die Teutſche Sprache ſich hoͤren laͤſt / Sie blitzet erhitzet / ſie pralet und ſtralet / ſie ſauſet und brauſet / ſie raſſelt und praſſelt / ſie ſchloſſet erboſſet / ſie wittert und zittert / ſie ſchuͤttert zerſplittert / ſie bruͤllet und ruͤllet / ſie gurret und murret / ſie qwaket und kaket / ſie da - dert und ſchnadert / ſie girret und kirret / ſie ſchwirret und ſchmirret / ſie zitſchert und zwitſchert / ſie liſpelt und wiſpelt / ſie ziſchet und knirſchet / ſie klatſchert und platſchert / und tauſend anderen Stimmen der Natur weis ſie meiſterlich nachzuahmen.
Ja / es verſichere ſich ein jeglicher gewiß / daß er in den Teutſchen Stammwoͤrtern vernemen wird die Haͤrte und Gelinde / die Eile und den Verzug / das Hohe und das Nidrige / ja das Sterben und das Le - ben / die Luſt und Vnluſt / die darein gegruͤndet iſt.
Es ruͤhret aber ſolche Reinigkeit / ſolche Zier und PrachtTeut -19der Teutſchen Poeterey. Teutſchen Sprache vornemlich daher / weil ſie noch eine reine unbe - flekte Jungfrau iſt: denn Teutſchland von frembder Macht unbe - zwungen / und von frembden Sprachen unverworren blieben / wie ſolches der fuͤrtrefliche Roͤmer Tacitus ſchon vor mehr als 1500. Jah - ren bezeuget.
Dieſes zu bejahen ſolte unſchwer fallen / wenn wir nicht alge - mach uns nach dem Schluß uͤmſehen muͤſten.
Denn daher koͤmt es / daß in gantz Europa die Teutſche Spra - che noch uͤblichen / ob ſie woln an unterſchiedenen Orten unterſchiedlich ausgeſprochen wird.
Es durchreiſe einer Engelland / Schotland / Norwegen / Denne - mark / Niderland / Preuſſen / Liefland / Kurland / Littau / Boͤhmen / Siebenbuͤrgen / Wallachen / Vngarn / und andere Laͤnder / er wird ſich nirgend des befahren duͤrfen / was jenem Frantzoſen bey uns in dem Wirthshauſe begegnet / welcher / als ihn gehungert / auf die Zaͤhne gedeutet / da denn der Wirth / der Sprachen unkuͤndig / nach den Bar - bierer geſchikket / uͤm den Gaſt die Zaͤhne außzubrechen / und ihm an Statt des Hungers den Schmertzen zu ſtillen.
Ja / was denk - und merkwuͤrdig iſt / ſo hat der Reiſerfahrne Bus - beqwius zu Conſtantinopel von zweyen Scythiſchen Geſandten in der That erfahren / daß in einen groſſen Theil ihres Landes die Teut - ſche Sprache uͤblichen ſey.
Gleichwie aber das Eiſen vom Magnet zwar gezogen wird / kein Menſch aber weis die ſtumme Krafft: Alſo wird die Dicht - und Reimkunſt nicht durch Menſchliche Wirkungen / ſondern durch ſon - derbare Himmelsgnade eingegoſſen: ſie wird nicht von dem Meiſter / ſondern aus den ſuͤſſen Vorgeſchwaͤtze und Geſaͤuſſel der Ammen / er - lernet: nicht in den Schulen aus dem Munde der Lehrer gefaſſet / ſondern aus den Muͤtterlichen Milchbruͤnlein eingeſogen. Wie denn die Sonne und Saltz der Poeten Taubman geſaget:
D ijZu20LobredeWeil nun die Poeterey des Hoͤheſten Tochter / als verkuͤndiget ſie jederzeit ſeine Wunder.
Sie iſt der Breñſpiegel / der die Laſtſchiffe der Sorgenkummer Hertzen vom Himmel anzuͤndet.
Sie iſt der Moͤrſer / in welchem die Machtworte / als das einge - zwaͤngte Pulver / mit einem durchdringendẽ Nachdruk herausfeuren.
Sie iſt ein lebendiges von treflicher Meiſterhand / nach nur er - ſinlicher Kunſt / ausgefertigtes Gemaͤhld / das uns aus dem Papyr zuſpricht. Sie iſt die Beluſtigung der hohen Potentaten / wie Kaͤi - ſers Auguſti Hof ein Auffenthalt aller Poeten geweſen.
Die Vrſache war vornemlich die Begierd der Vnſterblichkeit. Es wuſte der groſſe Weltherr / desgleichen die Soñe nicht beſchienen / ſehr wol / daß ſeine ritterliche Thaten wuͤrden verſchwiegen bleiben / wann ſie nicht / durch ſinnreiches Zuthun der hohen Seelen der Poeten / in das Regiſter der Ewigkeit eingetragen wuͤrden.
Dann weil Fuͤrſten / Herren und beguͤterte Leute / keinen Buͤrgen fuͤr den Tod haben / ſondern muͤſſen ebenmaͤſſig wie andere Leute die Schuld der Natur abſtatten / als koͤnnen ſie ſich wegen ihrer vielfaͤtigẽ Wolthaͤtigkeit / vermittelſt der Poeten / unſterblich machen. Socrates / der Weltweiſeſte der Menſchen / lernte vor ſeinem Ende noch Verſe machen / weil er vermeinte / er koͤnte die Vnſterblichkeit ſeiner Seelen nicht ehe empfinden / als wann er durch die Poeterey / als nechſter Staf - fel derſelben / dahin gelangete.
Das haben nun nicht allein die Griechen und Roͤmmer ſtatlich in das Werk geſetzet / ihre Kunſtliebende freygebige Poetenfreunde leben noch in ihren Schrifften: Sondern es vermoͤgẽ auch ſolche die Teut - ſchen / wie denn H. Opitzens ſein Hannibal / Freinßheims ſein Hertzog Bernhard leben / ſo lange man Buͤcher ſchreiben und leſen wird.
Es21der Teutſchen Poeterey.Es ſollen ihnen die jungen Studenten die Poeterey einbilden als eine wunderſchoͤne bluͤhende Jungfer / welche gantz verzuͤkket mit un - eingeflochtenen fliegen den Haaren / lieblichen Augenblikken in eine Laute ſinget / und mit maͤnniglichs Verwunderung aller Augen und Hertzen gewinnet / ſo die Lobbegierige Juͤnglinge bey der Hand faſ - ſet / durch die Blumreichſten Auen der Wiſſenſchafften fuͤhret / in den wunderkuͤnſtlichen Naturgarten erluſtiret / in den moſichten Hoͤlen abkuͤhlet / in den begraſeten halbbeſchatteten Gruͤnden erqwikket.
Sie traͤget ſie auf den Goͤttlichen Huͤgel der Weißheit / labet ſie aus den Cryſtallinen Goͤtterbrunnen / von welches Qwelwaſſer nie - mand genetzet wird / als der mit dieſen liebſeligſten Nymfen treflich wol daran iſt.
Dapfer und unverzagte Kriegshelden ſtellen ihnen die Poeterey vor als eine großmuͤtige Fuͤrſtentochter / derer Haubt mit einem guͤlde - nen Helmen ſtaffieret / auf welchem ein von den Muſen gewundener und gebundener Lorbeerkrantz gruͤnet / ihre Ruͤſtung ſtralet von dem Glantz der Sonnen / wann ſie ihre ſchimmernde Lantzẽ aufſchwingt / und die Rede aus ihrem Munde loßbricht / verhaͤrtet ſie den weichen Menſchen in einen rauhen Felſen / daß er keine Gefahr mehr ſcheuet.
Es redets die Erfahrung / daß / was das Brummen der Paukken / das Schallen der Trompeten / das Verſprechen der Beutẽ / das Ver - troͤſten der Belohnungen / das Prachten der Siege nicht vermag / das thut die dapfere Verſkunſt. Wie dann unſere Heldenvorfahren ihr Lermenuͤmſchlagen und Stuͤrmen Geſangsweiſe mit ſchreklichdrin - genden Tone herausgeſtoſſen: Daher ſagt unſere Haubtſprache beym Suchenden ſelber:
Johan Lang / Kaͤiſer Ferdinand des erſten Raht / hatte ei - nen Spanier Petrus Royzius zu Gaſte / dieſer / als er des Langen Diener vor dem Tiſch Teutſch reden hoͤrete / und ihm die Sprach / deren er unkuͤndig / ſchwer und rauh vorkam / ſagte druͤber: Die Teut - ſchen redeten nicht / ſondern donnerten / er glaube / daß Gott der HErr unſern erſten Eltern / Adam und Even / als er ſie aus dem Paradiß ver - ſtoſſen / ihr Vrtheil in dieſer grauſamlaut enden Sprache geſprochen habe. Wormit dieſer Spanier zu verſtehen geben / daß bloß der Hall und Schall der Teutſchen Sprache dem Menſchen eine Furcht einja - gen koͤnte. Vnd wie ſonſt gemeiniglich die Siegsfuͤrſten mehr mit ihren gelehrten Lippen als ſcharfen Schwertern erhalten / geſtalt dann ein Griechiſcher Poet Tirteus / der Lacedaemonier Feldherr / ge - than / der war drey mal aus dem Felde geſchlagen worden / und als es nun an dem / daß er zum vierdten male treffen ſolte / und die Regimen - ter in voller Schlachtordnung hielten / trat er auf und ſagete vor dem gantzen Kriegsheer ſeine wolausgemachte Verſe her / durch welche er die Soldaten ſo behertzet gemacht / daß ſie nicht mehr uͤm ihr Leben / ſondern ſich uͤm ihre Graͤber bekuͤm̃ertẽ / auch in einer blutigẽ Schlacht den Sieg erhielten. Es haben auch nachmaln die Griechiſchen Feldo - briſten ihren Soldaten / eh ſie ins Treffen gangen / dieſe Vermahnung zur Dapferkeit vorgeleſen / wie Juſtinus im 3. Buch ſeiner Geſchichte bezeuget. So meldet Tacitus zu Ende des andern Buches / daß nach Armins Tode die Teutſchen von deſſelben Lob und Thaten Lieder gehabt und die geſungen / wenn ſie in Streit gezogen / daß alſo / vermit - telſt der Goͤttlichen Dichtkunſt / das Roͤmiſche Kaͤiſerthum auf die Teutſchen gebracht worden.
Jns23der Teutſchen Poeterey.Jns gemein ſoll ein jeder gedenken / es ſey die Poeſis ein Bild / heller als ein Hiacynth / roͤhtlicher denn ein Rubin / gruͤner als ein Smaragd / etc. Eine Nymfe / die da beſitze einen unzehlbaren Reich - thum der Wolredenheit / einen uͤberſchwenglichen Schatz von Ge - daͤchtnisſpruͤchen.
Die / weñ ſie mit ihꝛen jungfꝛaͤulichẽ Geber den ihre Gedankẽ an Tag gibt / einen jeden bezwinget zu glaͤuben / was er vor verneinet / zu lieben / was er angefeindet / zu loben / was er verachtet / die wann ſie die Helden - thaten entwirfft / gebieret eine ziemende Hoffart / ja ſie iſt eine Vberwin - derin der Seelen / und Meiſterin der Sinnen.
Nun ſo beſinnet euch doch einmals ihr Edlen Teutſchen eines beſſern / rettet und errettet eure Heldenſprache von dem Außlaͤndiſchen Joche / wollet ihr euch dann nicht einmal uͤber die Sprache erbarmen / die ſich ſo mildiglich euer erbarmet / und uns mit beyden Haͤnden Zwangsweiſe / die ſelbe eivrig zu lieben / nach ſich zeihet?
Was hat man doch vor Luſt an dem Geliſpel der Jtaliaͤner / an dem Flik - und Stikwerk der Frantzoſen / an dem Sprachenſchaum der Engellaͤnder. Noch dennoch kan kein Gruß zum theurſten abgeleget werden / es muß / zu groſſem Schimpf - und Nachtheil des gantzen Teutſchen Geſchlechts / etwas fremdes miteingemenget werdẽ: Wel - cher Meinung H. Opitz in ſeiner Hechelſchrifft von einem ſolchen ge - welſchten Teutſchen erzehlet / daß er geſagt: Der Monſieur alsein bra - ver Cavallier erzeige mir die Plaiſirs, ich bin des H. Serviteure, recom - mandire mich in ſeine Favor; und von einem andern meldet / er habe die Jungfrau gebeten / ſie wolle das τὸ πρέπον obſerviren.
Eben dergleichen Sinnes iſt auch geweſen Abraham Kolbin - ger / ein Augſpurger: Als mit dem Kriegsweſen die fremden Woͤrter eingeſchlichen / Marchiren vor Aufbrechen oder Fortziehen / Bataille vor Schlachtordnung / Corporal vor Rotmeiſter / Sergeant vor Feldwe - bel / Parapet vor Bruſtwehr / ſagte obengedachter: Ob das nicht eine algemeine Schande were / daß wir von den Fremden die Woͤrterlernen24Lobredelernen und entlehnen ſollen / die von uns das Werk gelernet? Vor - zeiten hatten die Teutſchen / die von Anfang hero Kriegsleute gewe - ſen / eine ſchoͤne groſſe Reuterfahne gefuͤhret / jetzo henget man ein Schnuptuͤchel an eine Stange / und das muͤſſe ein Cornet heiſſen. V - ber welchen Gebrauch / als ob wir mit der alten Teutſchen Tugend auch unſereꝛ Teutſchen Spꝛach algemach muͤde wuͤrdẽ / ſehr ſchoͤn kla - get der hochgelehrte und weitberuͤhmte H. Matthias Bernegger in ſeinem Svetonianiſchen Fuͤeſtenſpiegel / da er ſpricht: Obſchon un - ſere Teuſche Sprache an der Menge auserleſener Woͤrter / an Vol - kommenheit anſehnlich begriffener und weitlaͤufftig ausgefuͤhrter Vmkreiſe / auch gantzer Reden Zierlichkeit einiger anderer Sprache nicht weichet / ſo ſetzen wir ſie doch ſelbſten hindennach / geſtalt ins gemein faſt alles Jnheimiſche pflegt unwerth zu ſeyn: Ja wir legen auch nicht allein keinen Fleiß darauf / ſie auszuzieren und zu ſchmuͤk - ken / ſondern beſchmeiſſen ſie im Widerſpiel mit fremder Woͤrter (wie wir meinẽ /) Zierraht / ſo aber im Werk vielmehr grobe Schãd - flekken ſeyn / alſo / daß man mit gutem Fugſagen moͤchte / es werde dieſe unſere Mutterſprach vor lauterem Alter zu einer Grundſup - pen / darein aller anderer Sprachen Vnart / gleichſam als mit einem ungeſtuͤm̃en Regenbach / zuſammengefloͤſſet werde. Bald entlehnen wir vom Lateiniſchen / bald vom Frantzoͤſiſchen / ja gar vom Spa - niſchen und Jtaliaͤniſchen das jenige / was uns zu Hauſe vielſchoͤner und beſſer waͤchſet.
Der Edel-Hochgelehrte Geſchichtſchreiber Lehman in ſeiner Spey - riſchen Chronik zu End deß 107. Cap. gedenket dieſes: Gleichwie die Roͤmer zu ihrem Wolſtand allein die Lateiniſche Sprache gefuͤh - ret / und ihrem Anſehen und Hochheit verkleinerlich ermeſſen / ſo je - mand in offenen Schrifften auß der Griechiſchen Sprache ein ei - niges Wort eingemiſchet / Gleichergeſtalt haben die alten Teutſchen vor unziemlich er achtet / wann man in Schrifften / ſo vor Obrikeitẽ oder vor Gerichten ausgefertiget / Latein eingemiſcht / die allgemei -ne25der Teutſchen Poeterey. ne Sprach mit fremden Woͤrtern verbraͤmet / und nicht Teutſch und verſtaͤndlich gehandelt.
Faſt gleichmaͤſſige Klage fuͤhret H. Fabrizius / beſtelter Artzt der Stadt Bern / ſagend: Vnſere Teutſche Sprach iſt nicht dergeſtalt ſo gar arm und baufaͤllig / wie ſie etliche Naſenweiſe machen / die ſie mit Frantzoͤſiſchẽ und Jtaliaͤniſchen Pletzen alſo flikken / daß ſie auch nit ein kleines Brieflein verſchikken / es ſey dann mit andern Sprachen dermaſſen durchſpikket / daß einer / der es wolte verſtehen / faſt alle Sprachen der Chriſten beduͤrffte.
Daß auch dieſe Sprachverirrung und Verwirrung nicht ohne groſſe Gefahr ſey / meldet obbelobter Fabrizius in einem beſondern Schreiben an H. D. Zincgraͤfen / Jnhalts: Wie er vor etlichen Jahrẽ in einer vornemen Zuſammenkunft gehoͤret / daß als ein ſolcher geflik - ter Brief aus einer Fuͤrſtlichen Cantzeley an einen Landſchuldheiſſen were geſchikket wordẽ / einen zwar guten alten und ehrlieben den Teut - ſchen Mann / der aber im uͤbrigen dieſer Nagelneuen Art zu ſchreiben noch unerfahren und ungewachſen ware / und alſo des Fuͤrſten Mei - nung widerſins verſtunde / er einen feindlich Verklagten / jedoch Vn - ſchuldigen / hatte zum Tode verdammen und hinrichten laſſen. Daher der Poet Cruͤger ſchoͤn ſinget:
Betrachtet mit mir die Verfaſſung der Natur / wie ſie die Laͤn - der mit Meeren und hohen Gebirgen abgetheilet / nur die Wahren und Guͤter zu verwechſeln und uͤberzutragen / nicht aber die Sprachen zu vermengen.
ENoch26LobredeNoch dennoch bauẽ wir jetzo ein neues Babel von Welſchen Stei - nen und Frantzoͤſiſchem Holtzwerk auf den teutſchen Bodem / daß zu befuͤrchten / ob kuͤnftig jemand in Teutſchland leben moͤchte / der uns das Teutſche verteutſchete. Ja es iſt dieſe Gewonheit leider albereit ſo weit eingeriſſen / daß ſie fuͤr ein gutes Geſetz gehalten wird / und die Teutſche Freyheit mit der Lateiniſchen Libertaͤt benamet wird. Wie H. Luth. ſchon zu ſeiner Zeit daruͤber in Tiſchreden hin und wider ge - klaget.
Die Nachwelt wird uns anſpeien / daß wir in der edlen Verſkunſt ſo laͤſſig geweſen: Dann / die Warheit zu bekennen / iſt hierinnen das wenigſte geſchehen / in Erachtung deſſen / was noch zu thun iſt / und ge - wißlich beſchehen wird. Vnſere Sprache iſt zwar in etwas geſtiegen / aber noch nicht zu ihrer Vollkommenheit gelanget / geſtalt hierzu von - noͤhten aller Fuͤrſten / Herren und Oberen gnaͤdige Handbietung / al - ler Gelehrten / Verſtaͤndigen und Welterfahrnen vertreulich Samt - huͤlffe / aller Teutſchliebenden / Lehrbegierigen und Kunſtergebenen be - harrliche Sorgfalt und muͤhſames Nachgruͤnden. Durch ſolche Hel - den / Pfleg - und Schutzherren moͤchte dermaleins die Teutſche Spra - che ihre Siegsbogen uͤber alle andere erhoͤhen und erheben.
Der Tuͤrke ſuchet ſeines Kaͤiſerthumbs Majeſtaͤt darinnen / daß er keinen Botſchaffter anderſt als in Tuͤrkiſcher Sprache anhoͤret und beantwortet: Vnd wir / wir / die wir Teutſchen ſeyn und hetſſen ſchla - gen das in Wind / was von Gott und Rechts wegen billich / unſere Vater - und Mutterſprache zu erheben. Ey / ſo ermannet euch doch jetzo ihr Tugendeiferige Teutſchen / mißgoͤnnet euren Nachkommen nicht / was Gott durch eure Vorfahren auf euch gebracht. Es thu ein jeder ein Stuͤk ſeines Fleiſſes darzu / daß dieſe unſere Sprache bey un - ſerer Dapferkeit / worinn wir alle Welt uͤbertreffen / die ruͤhmliche O - berſtelle erhalten moͤge. Allermaſſen / weil ſie iſt die Sprache / die da ſchreibet in den Cantzeleyen / unter den Rahtsherren / die da ſchwebet un - ter dem Himmel uͤber die Buͤrger / die da redet unter dem Gottesdienſt bey den Prieſtern.
Weil27der Teutſchen Poeterey.Weil ſie iſt die jenige Sprache / ſo die Gerichte beſetzet / die Raht - ſchlaͤge regiret / die Botſchafften abfertiget / die Regimenter ordnet / die Kriege fuͤhret / die Boͤſen ſtraffet / die Frommen belohnet / die Canzeln erfuͤllet / die Verzagtẽ aufmuntert und die Ruchloſen erſchrekket. Mit einem Worte: Sie iſt es / die uns allen unſer Brod und Lebensmit - tel verdienen muß.
Jch hab es geſagt.
VOn der Alten Teutſchen Poeterey koͤnte man nicht nur eine Rede / ſondern ein groſſes Buch ſchreiben / wann ſol - che Arbeit heut zu Tag ſo hoch geachtet were / als zu Kaͤi - ſer Maximilians, Chriſtloͤblichen Angedenckens / Zeiten / vo @oelchem Beat. Rhenanus alſo ſchreibet: Solebat olim Maximi - lianus Cæſar propoſita mercede ſuos provocare ad quærenda vel Diplomata vel Carmina, quæ ante quingentos, & quot ex - cedit, annos eſſent conſcripta, & qui monſtravit vetuſtum Codicem, nunquã indonatus abivit: fuitenim Princeps libera liſſimus. t. 2. f. 113. Goldaſt / der in Teutſchen Sachen wolerfahr - ne und uͤm unſere Sprache wolverdiente Mann meldet Anfangs Con - ſtitutionum Imperialium, Tuiſcon habe unter andern Satzun - gen gebotten: Man ſoll die dapfferen Thaten den Nachkommen zur Tugendfolge Geſangsweis verfaſſen. Nach Erſchaffung der Welt 1910. daß ſolches geſchehen / bezeuget Tacitus de moribus German. Celebrant, ſagt er / carminibusantiquis (quod unum apudillos memoriæ & annalium genus eſt) Tuisconem, & fi - lium ejus Mannum &c. Vnd an einem andern Ort (An. l. 2. c. 88. n. 5.) ſchreibter / daß Armins / der Teutſchen Feldherꝛn Lob geſungen wordẽ noch zu ſeiner Zeit / als er nemlich unter dem Keiſer Tiberio in Teutſch - land ein Soldat geweſen. Der Barden gedenket Beroſus der Elte - ſten Chaldæiſchen Scribenten einer. Sext. Pomp. Feſtus lit. B. n. 15. Bardusgallicè Cantor appellatur, qui virorum fortium laudes canit à gente Bardorum, de quibus Lucanus:
Am Marcellinus l. 15. ſagt: Bardi fortia virorum illuſtrium facta, Heroicis verſibus compoſita, cum dulcibus Lyræ modulis can - titârunt. Sie wurden alſo genennet von den Baͤrten / welche ſie laͤn - ger als andere Leute zu tragen pflegen / (Bart / ſagt Becanus, werde ge - ſagt / wie behart) oder von dem Wehrt die Wehrten oder Wuͤrdigen. Hiervon iſt zu leſen Maibomius in Comment. de Bardovic. in no - tis f. 4. Von den Druiden iſt viel zu leſen bey Pomp. Mela. l. 4. Cæ -ſare[29]ſare de bello Gall. l. 6. Poſſidon. Laërt. l. 1. Plin. l. 6. c. 3. Strabo - ne. l. 4. Marſil. Ficin. lib. de Religione Chriſtian. c. 10. Cluver. Jornande, Althammero, Aventino, Lazio, Goropio, Becan. und andern. Dieſe ſind Prieſter Dichter und zuzeiten auch Singer geweſen / wie aus Lucano zu ſchlieſſen / wann er ſagt:
Wo dieſes Wort Druid / Druthin / Druden herkommet / ſind die Gelehrten nicht einerley Meinung / etliche wollen es von den Grie - chiſchen δρῦς hernemen / und ziehen an / daß Plin. l. 16. c. 44. ſchrei - bet / daß ſie jhren Goͤtzendienſt unter den Eichenbaumen verꝛichtet. Non aſſentior (ſagt Cauſabonus,) Plinio conjicienti, Druidas vel Druydes à voce græca eſſe appellatos. Quin potius Strabo - nis prudentiſſimum Conſilium ſequor, negantis in appellatio - nibus gentium Græcas ecymologias eſſe quærendas, &c. Etliche wollen / es komme dieſes Wort von Drau / treu / und Deut / oder Duit / Gott; und heiſſe einen Vertrauten / oder Verlobten Gottes. Bec - man. f. 318. Drithen oder Truthin iſt Gott genennet worden / nem - lich der treue Gott / der uns alles gutes thut. Bey Otfrido iſt unter - ſchiedlich zu leſen Druhtins Hauß / fuͤr die Kirche / Druhtins Scalk / Gottes Knecht / Truhtintige Tag dies dominica. Von dieſem Wort iſt auch noch uͤbrig der Namen Drutenheim / da ſie vor alters gewoh - net / und Drud / Druͤdner ein Zauberer oder Hexenmeiſter: Dann nach dem Klodovin / Clovis, oder Clodoveus der Franken Koͤnig / durch ſeine Gemahlin Klotilde (des Burgundiſchen Koͤnigs Hilpe - richs Tochter) nach erhaltenem Sieg wider die Tuͤringer / und ande - re Teutſchen Voͤlcker ſich / zu Rems / mit dreytauſend von den vornem - ſten Franken / tauffen laſſen / (wie zu leſen bey Trithemio im Bogen H.) haben die Chriſtlichen Philoſophi nicht mehr Druiden / ſondern Witdoden wollen genennet ſeyen / zum Vnterſcheid derer / welche mit den Namen in der Heidenſchaft beharꝛet. Daher das Ehrenwort ei - nen gantz widrtgen Verſtand bekommen / als bey den Lateineren Ma - gus, Sophiſta, Tyrannus &c. Weil nun dieſe Witdoden der Drui -den[30]den Amtsfolgere / gelehrte und verſtaͤndige Leute geweſen / ſind ſie wie zuvor in ſtrittigen Sachen zu Grafen / oder Richteren aufgeworffen worden: geſtalt das Wort Graf (wie Paulus Diaconus l. 5. Hiſt. Lon - gob. wil) ſoviel iſt als ein Schiedsmann oder Richter; daher Mark - graf ein Richter der Markungen Judex limitum benamet worden: ſol von der Ebreer @ gebar / ſuperavit, prædominatus eſt, aliis virtute, potentia & autoritate ſuperior fuit; vel à γηραιὸς ſeu γε - ραιὸς, i. e. Senex, canis venerabilis annis, Vir annis meritisq́; gra - vis, ſagt Helvigius in Origin. German. l. G. f. 145. Man findet auch in den alten Schrifften Wittod / Witdod / welches alles eins iſt / maſſen die Ebreer und Teutſchen die Buchſtaben / ſo mit den Lippen aus geſprochen werden / als b / p / w / f / v / wie auch die Buchſtaben / wel - che zwiſchen den Zaͤhnen / als d / t / th / ſz / ausgeredet werden / offtmals verwechſeln / wie deſſen viel Exempel zu ſehen in Nomenclatore, oder dem Wortregiſter Aventini, ſeinem Jahrbuͤcheren (Annalibus) vorgefuͤget. So ſchreibt man Teutſch und Deutſch / Tichten und Dichten / Tantzen und Dantzen. Was alſo den Alten iſt das T / oder th geweſen / iſt uns heut zu Tag das D. Otfrod der Moͤnich ſchreibt
ſeine Degen waren in mancherley Zahlen / verſtehend ſeine Helden: eben wie @ 1. Sam. 23. die Helden oder Starcken Davids. So ſagt auch vorbelobter Goldaſt / das Wort Held komme von Chelten, Celten, durch Wandlung deß T in D. und Hinwegwerffung deß c. in dedic. Conſtitution. Imperial. ad Jacobum Regem Britan. Bo - din. ſagt: Celtæ Ebræis ſunt Equites, c. ult. method. Hiſt. f. 497. Strabo l. 4. Celtæ in Galliâ, à ſui æſtimatione adepti hoc Nomen nimirum vom Gelten Jun. in Batav. c. 22. von Witt hat Wittenberg den Namen / weil es nechſt Weiſſen Bergen liget: Witikind / oder we - tekind / das Weiſe Kind; Wittib / ein weiſes Weib / wie die Frantzo - ſen die Hebammen / nach der uͤbertrefflichkeit (καθ᾽ἐξοχὴν,) nennen les ſages femmes. Jſt alſo aus witt / wit / weit worden wiß / wis / weis / und aus Dod / tod / vod / bod / wod; auß witdod / weiwod / Weiivvoda, wie aus Gertraud / Geritruda, aus Ehrtraud / Ari -truda[31]truda bey Waſero in Mithritad. Es ſind aber die Weiiwoden Richter / Pfleger und Ambtleute bey den Vngern noch heut zu Tage. Winterturn in der Schweitz / zu latein Vitodurum genannt / bey Clu - ver. l. 2. Antiq. Germ. f. 19. n. 30. ſoll von den Witdoden den Namẽ ha - ben / und von alters genennet wordẽ ſeyn / der Witdoden Turn / Schloß oder Statt / wie Soloturn / Solodurum, der Soldner Turn. Beatus Rhenanus hat in ſeinen Teutſchen Haͤndeln / an vorbeſagtem Ort / eines ſolchen Witdoden Geſang / welches er zu Freiſingẽ in einem Kloſter gefunden / und / wie er ſchreibt / ſoll gemacht ſeyn worden 485. Jahre / nach unſers Seligmachers Geburt / als nemlich die Franken zu dem Chriſtlichen Glauben kommen / und das Evangelium in Teut - ſche Reimen zu uͤberſetzen angefangen. Die Vorrede lautet von Wort zu wort alſo:
Vnd bald hernach redet er alſo von den Teutſchen:
Nachdem aber unter Keiſer Karln den Groſſen das Chriſten - thum zugenommen / hat er ſolche Gedichte ſamlen laſſen / Avent. l. 4. f. 253. [32]f. 253. n. 30. welche damals mit Laͤteiniſchen Buchſtaben ſehr undeut - lich / oder ſchwach und unverſtaͤndig / wie Stumpf in der Schweitzer Chronica l. 4. c. 31. meldet / geſchrieben worden. Scudi in deſcript. Rhetiæ c. 36. ſagt: Antiqua & prima Germanorum Scriptura jam vix poteſt intelligi, non quod lingua ipſa adeo ſit mutata: Sed quod majores noſtri, qui primùm linguam Germanicam ſcribere tentaverunt, ægré & eum magnâ difficultate potuerint quasdam voces & perplexas ſyllabas literis comprehendere, quæ veram & genuinam exprimerent prolationem, pro cujus - vis dialectu utapud Græcos variantem. Duritiem hancmollia Gallorum labia mitigare conantia paulatim ea ita corruperunt, ut vix acne vix quidem pro Teutonicis hodie recognoſci poſ - ſint, quæ verè talia ab initio fuerunt &c. Daß alſo kein Wunder iſt / wann man ſich wegen der Rechtſchreibung / (Orthographia,) wel - che kein weſentliches Stuck der Sprache heiſt / nicht vergleichen kan. Nach oftbeſagtem Wort Witdod (Philoſophus,) kan man ſagen Wortdod (Philologus,) Witdodſchaft (Philoſophia) wie man ſagt Wiſſenſchaft / Bruͤderſchaft / Geſellſchaft und dergleichẽ: Wort - dodſchaft: (Philologia) Aber dieſer Woͤrter Angenemhaltung ſtehet bey kuͤnfftig beliebtem Gebrauch.
Zum Beſchluß wollen wir hier anfuͤgen die Keiſerliche Rede Karls deß Groſſen / mit welchen er die jungen vom Adel in der Schulen ange - ſprochẽ / und zu leſen iſt bey Goldaſt. Conſil. Imperial. f. 149. Vos, ſag te er / macti virtute eſtorefilioli pientiſſimi, qui noſtro imperio gnaviter defuncti eſtis. Veſtra erunt Sacerdotia locupletiſſima. Ego vos in Aulam adſciſcam; ex vobis Senatores cooptabo; vos in album Prætorum adlegam. Atvos comatuli & delica - tuli, freti opibus & ſplendore Parentum, Noſtram Majeſtatem ſpernitis, dum otia, luxum, & inertiam bonis literis virtuti - busq́; præfertis. Jubeo, & Deum immortalem teſtor, nihil penitus vobis commodi, honoris, & ne obulus quidem ab Im - peratore veſtro expectandus. Faxim, ut omnibusmortali - bus ludibrio vivatis.
ENDE.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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