PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]
DER FRÜHLING.
EIN GEDICHT.
BERLIN,1749.
[2][3]
An den Leſer.

Gegenwärtiges Gedicht iſt nicht ſo wohl eine ausführliche Beſchreibung des Frühlings, ſeiner Abwechſelungen und Wir - kungen auf die Thiere, Gewächſe, u. d. gl. als vielmehr eine Abbildung der Geſtalt und der Bewohner der Erde wie ſie ſich an einem Frühlingstage des Verfaſſers Augen darge - bothen. Er hat dieſen Weg zu erwehlen nöthig gehalten, um was neues zu ſagen, denn auf erſtere weiſe haben ſchon viele, und zwar Thomſon unnachahmbar, dieſeA 2Jahrs -[4]Jahrszeit beſungen. Uebrigens ver - ſpricht ſich der Verfaſſer keinen allgemeinen Beyfall und verlangt ihn auch nicht. Er ſagt:

Lobt G*** und B*** nur mein neues Saytenſpiel
Der ganze Helicon mag bleiben wer er will.

Diejenigen denen die Versart nicht ge - fällt werden erſucht zu vergeſſen daß es Verſe ſind, und das Gedicht wie Proſe zu leſen.

DER
[5]
DER FRÜHLING.
Empfangt mich heilige Schatten! ihr Wohnungen ſüſſer Entzückung
Ihr hohen Gewölbe voll Laub und dunkler ſchlafen - der Lüfte!
Die ihr oft einſahmen Dichtern der Zukunft Fürhang zerriſſen
A 3Oſt6Der Frühling.
Oſt ihnen des heitern Olymps azurne Thoren eröfnet
Und Helden und Götter gezeigt; Empfangt mich füllet die Seele
Mit holder Wehmuth und Ruh! O daß mein Lebensbach endlich
Von Klippen da er entſprang in euren Gründen verflöſſe!
Führt mich in Gängen voll Nacht zum glänzenden Throne der Tugend
Der um ſich die Schatten erhellt. Lehrt mich den Wiederhall reitzen
Zum Ruhm der verjüngten Natur. Und ihr, ihr lachenden Wieſen!
Ihr Labyrinthe der Bäche, bethaute Thäler voll Roſen!
Ich will die Wolluſt in mich mit eurem Balſamhauch ziehen
Und wenn Aurora euch weckt mit ihren Stralen ſie trinken.
Geſtreckt im Schatten will ich in güldne Sayten die Freude
Die in euch wohnet beſingen. Reitzt und begeiſtert die Sinnen
Daß meine Thöne die Gegend wie Zeſirs Liſpelu erfüllen
Der jetzt durchs Veilchen-Thal fleucht, und wie die rieſelnden Bäche.
Auf7Der Frühling.
Auf roſenfarbnem Gewölk bekränzt mich Tulpen und Lilien
Sank jüngſt der Frühling vom Himmel. Aus ſeinen Buſen ergoß ſich
Die Milch der Erden in Ströhmen. Schnell glitt von murmeln - den Klippen
Der Schnee in Bergen herab; Des Winters Gräber die Flüſſe,
Worin Felshügel von Eis mit hohlem Getöſe ſich ſtieſſen,
Empfingen ihn, blähten ſich auf voll ungeduldiger Hoffnung
Durchriſſen nagend die Dämme, verſchlangen fräſſig das Ufer
Wald, Feld und Wieſe ward Meer. Kaum ſahn die Wipfel der Weiden
Im Thal draus wankend herfür. Gefleckte Täucher und Enten
Verſchwanden, ſchoſſen herauf, und irrten zwiſchen den Zweigen
Wo ſonſt für Schmerzen der Liebe im Laub die Nachtigall ſeufzte.
Der Hirſch von Wellen verfolgt ſtreift auf unwirthbare Felſen
Die traurig die Fluth überſahn. Ergriffene Bären durch ſtürzten
Das anfangs ſeichte Gewäſſer voll Wuth, ſie ſchüttelten brummend
Die8Der Frühling.
Die um ſich gieſſenden Zoten. Bald ſank der treuloſe Boden
Sie ſchnoben, ſchwammen zum Wald, umſchlangen Tannen und Eichen
Und huben ſich träufelnd empor. Hier hingen ſie ängſtlich im Wipfel
Von reiſſenden Winden, vom Heulen der Flüſſe-ſpeyenden Klippen
Und untern Tiefe geſcheucht. Der Büſche verſamlete Sänger
Betrachteten traurig und ſtumm von dürren Armen der Linden
Das vormals glückliche Thal, wo ſie den flehenden Jungen
Im Dornſtrauch Speiſe vertheilt. Die angekommene Lerche
Sich aufwerts ſchwingend, beſchaute die Waſſerwüſte von oben
Und ſuchte verlaſſne Gefilde. Es floſſen Schäuren und Wände
Und Dächer und Hütten herum. Aus Giebeln und gleitenden Kähnen
Verſah der troſtloſe Hirt ſich einer Sündfluth, die vormals
Die Welt umrollte, daß Gemſen in ſchlagenden Wogen verſan - ken.
Der9Der Frühling.
Der Boden trank endlich die Fluth. Von eilenden Dünſten und Wolken
Flohn junge Schatten umher. Den blauen Umfang des Himmels
Durchbrach ein blitzendes Gold. Zwar ſtreute der weichende Winter
Noch oft bey nächtlicher Umkehr von dengeſchüttelten Schwingen
Reif, Eis und Schaure von Schnee; Noch lieſſen wütriſche Stürme
Die rauhe dumpfigte Stimm aus Jslands Gegend erthönen
Durchſtreiften klagende Klüfte, verheerten taumelnde Wälder
Und blieſen Schrecken herum, und Ueberſchwemmung von Kälte;
Bald aber ſiegte der vor noch ungeſicherte Frühling.
Die Luft ward ſänſter; Ein Teppich geſchmückt mit Ranken und Laubwerk.
Von Büſchen, Blumen und Klee, wallt auf Gefilden und Auen,
Die Schatten wurden belaubt, ein ſanft Gethöne erwachte,
Und floh und wirbelt umher im Hayn voll grünlicher Dämm - rung
BDie10Der Frühling.
Die Bäche färbten ſich ſilbern, im Luftr aum floſſen Gerüche
Und Echo höret im Grunde die frühe Flöte des Hirten.
Ihr! derenzweiſelbaft Leben gleich trüben Tagen des Winters
Ohn Licht und Freude verflieſſt, die ihr in Höhlen des Elends
Die finſtere Stunden verſeufzt, betrachtet die Jugend des Jahres!
Dreht jetzt die Augen umher, laſſt tauſend farbigte Scenen
Die ſchwarzen Bilder verfärben! Es mag die niedrige Ruhmſucht
Die ſchwache Rachgier, der Geiz und ſeufzender Blutdurſt ſich härmen
Ihr ſeyd zur Freude geſchaffen, der Schmerz ſchimpft Tugend und Unſchuld.
Saugt Luſt und Anmuth in euch! ſchaut her! ſie gleitet im Luft - Kreis
Und grünt und rieſelt im Thal. Und ihr, ihr Bilder des Früh - lings
Ihr blühenden Schönen! flieht jetzt den athemraubenden Aushauch
Von11Der Frühling.
Von güldnen Kerkern der Städte. Komt! komt! in winkende Felder
Komt! überlaſſet dem Zefir zum Spiel die Wellen der Locken,
Seht euch in Seen und Bächen gleich jungen Blumen des Ufers
Pflückt Morgentulpen voll Thau, und ziert den wallenden Buſen.
Hier wo zur Linken der Fels mit Strauch und Tannen be - wachſen
Zur helfte den bläulichen Strohm, ſich drüber neigend, beſchattet,
Will ich ins grüne mich ſetzen an weinende ſteinichte Höhen
Und Thal und Ebne beſchauen. O welch ein frohes Gewühle
Belebt das ſtreifichte Land! wie lichlich lächelt die Anmuth
Aus Wald und Büſchen herfür! Ein Zaun von blühenden Dornen
Umſchlieſſt und röthet ringsum die ſich verlierende Weite
Vom niedrigen Himmel gedrückt. Von bunten Moonblumen laufen
Mit grünen Weitzen verſetzt, ſich ſchmälernde Beeten ins ferne
Durchkreutzt von blühenden Flachs. Feldroſen-Hecken und Schlee - ſtrauch
B 2In12Der Frühling.
In Blüthen gleichſam gebüllt, umkränzen die Spiegel der Teiche
Und ſebn ſich drinnen. Zur Seiten blitzt aus dem grünlichen Meere
Ein Meer voll güldener Strahlen, durch Phöbus glänzenden Anblick,
Es ſchimmert ſein gelbes Geſtade von Muſcheln und farbigten Steinen
Und Lieb und Freude durchtaumelt in kleiner Fiſche Geſchwadern
Und in den Rieſen des Waſſers die unabſehbare Fläche.
Auf fernen Wieſen am See ſtehn majeſtätiſche Röſſe,
Sie werfen den Nacken empor und fliehn und wiehern für Wolluſt
Daß Hayn und Felſen erſchallt. Gefleckte Kühe durchwaten,
Geführt vom ernſthaften Stier, des Meyerhofs büſchichte Sümpfe
Der finſtre Linden durchſieht. Ein Gang von Eſpen und Ulmen
Führt zu ihm, durch welchen ein Bach ſich zeigt, in Binſen ſich windend,
Von hellen Schwänen bewohnt. Gebürge die Brüſte der Reben
Stebn frölich um ihn herum; Sie ragen über den Buchwald
Des13Der Frühling.
Des Hügels Krone, davon ein Theil im Sonnenſchein lächelt
Und glänzt, der andere traurt im Flor vom Schatten der Wolken.
Die Lerche ſteigt in die Luſt, ſieht unter ſich Klippen und Thäler;
Entzückung thönet aus ihr. Der Klang des wirbelnden Liedes
Ergötzt den ackernden Landmann. Er horcht eine Weile; Denn lehnt er
Sich auf den gleitenden Pſlug, zieht braune Wellen im Erdreich
Verfolgt von Krähen und Elſtern. Der Säemann ſchreitet ge - meſſen,
Gieſſt güldne Tropfen ihm nach; Die zackichte Egde bewälzt ſie
Mit einer ebenen Decke. O daß der mühſame Landwirth
Für ſich den Seegen nur ſtreute! daß ihn die Weinſtöcke tränkten
Und in den Wieſen für ihn nur bunte Wogen ſich wälzten!
Allein der fräſſige Krieg von zähnebleckenden Hunger
Und wilden Schaaren begleitet, verheeret oſt Arbeit und Hoffnung;
Gleich Hagelgüſſen und Sturm zerbricht er nährende Halmen
Reiſſt Stab und Reben zu Boden, entzündet Dörfer und Wälder
B 3Für14Der Frühling.
Für ſich zum flammenden Luſtſpiel. Denn fliegt ein mördriſch Gethöne
Und Tod und Jammer herum. Die Thäler blitzen von Waffen,
Es wälzen ſich Wolken voll Feur aus tiefen Schlünden der Stücke
Und füllen die Gegend mit Donner, mit Gluth und Saaten von Leichen.
Das Feld voll blutiger Furchen gleicht einen wallenden Blutmeer;
Ein Heer der furchtbarſten Thiere durch laufende Flammen ge - ängstigt
Stürzt ſich mit hohlen Gebrüll in Uferfliehende Ströhme
Der Wiederhall ſelber erſchrickt und klagt; Es zittern für Grauen
Die wilden Felſen und heulen. Des Himmels leuchtendes Auge
Schlieſſt ſich die Grauſamkeit ſcheuend; Mit blauer Finſterniß füllen
Sich aufwerts drehende Dämpfe gleich dickem Nebel den Luftkreis
Der oft vom Wiederſchein blitzt. Wie, wann der Rachen des Etna
Mit15Der Frühling.
Mit ängſtlich wildem Geſchrey, daß Meer und Klippen es hören,
Umlegne Dörfer und Städte, vom untern Donner zerrüttet,
Mit Schrecken und Tod überſpeyt und einer flammenden Sünd - fluth.
Ihr! denen zwangloſe Völker das Steur der Herrſchaft vertrauen
Führt ihr durch Flammen und Blut ſie zur Glückſeligkeit Hafen?
Was wünſcht ihr Väter der Menſchen noch mehrere Kinder! Iſts wenig
Viel Millionen beglücken? Erfordert: wenige Mühe?
O mehrt derjenigen Heil die eure Fittige ſuchen!
Deckt ſie gleich brütenden Adlern; Verwandelt die Schwerdter in Sicheln,
Belohnt mit Ehren und Gunſt die, deren nächtliche Lampe
Den ganzen Erdball erleuchtet; Setzt Gärtner zur Baumſchul der Menſchen
Laſſt16Der Frühling.
Laſſt güldne Wogen im Meer, fürs Land, durch Schiffarth ſich thürmen,
Erhebt die Weisheit im Kittel, und trocknet die Zähren der Tugend.
Wohin verführt mich der Schmerz; Weicht, weicht, ihr traurigen Bilder,
Kom Muſe! laß uns die Wohnung und häusliche Wirthſchaft des Landmanns
Und viehzucht und Gärte betrachten. Hier ſteigt kein Marmor aus Bergen
Und zeuget Kämpfer, kein Taxus ſpitzt ſich vor Schlöſſern, kein Waſſer
Folgt hier dem Zuruf der Kunſt. Verſchränkte wölkichte Wipſel
Von hohen Linden, beſchatten ein Haus von Reben umkrochen
Durch Dorn und Hecken beveſtigt. Ein Teich glänzt mitten in Hoſe
Mit grünem Flos-Kraut beſtreut, wodurch aus ſcheinbarer Tiefe
Des17Der Frühling.
Des Himmels Ebenbild blinkt. Er wimmelt von zahmen Bewohnern.
Die Henne jammert ums Ufer, und ruft die gleitenden Entchen
Die ſie gebrütet; Sie fliehn der Stiefmutter Stimme, durch plät - ſchern
Die Fluth, und nagen am Schilff. Mit vorgebogenen Hälſen
und ziſchernd, treiben die Gänſe fern von der Luſtbahn der Jungen
Den ſchwimmenden Schießhund. Denn ſpielen die haarigten Kin - der, ſie tauchen
Den Kopf ins Waſſer und ſchnattern, ſie hängen im Gleichgewicht abwerts
Und zeigen die rudernden Füſſe. Hier lockt das Mägdchen die Hüner
Zum Hüner-Korbe, ſie eilen, durchſchlupfen die Sproſſen des Tiſch - ſaals
Und fordern Nahrung. Die Wirthin ſich drüber neigend, be - gieſſt ſie
Mit einem Regen von Korn, und ſieht ſie picken und zanken.
CDort18Der Frühling.
Dort lauſcht das weiſſe Kaninchen in dunkler Höhle; Es drehet
Die rothen Augen herum, ſpringt endlich ſurchtſahm zum Zaune
Und reiſſt an ſtaudichten Pappeln. Aus ſeines Wohnhauſes Fenſter
Sieht ſich das Lachtäubchen um, kratzt den roth-ſilbernen Nacken
Und fliegt zum Liebling aufs Dach. Er zürnt ob deſſen Verweilen
Und dreht ſich um ſich und ſchilt; Bald rührt ihn das Schmei - cheln der Schönen
Viel Küſſe werden verſchwendet, bis ſie mit ſchnellen Gefieder
Die Luft durchliſpeln, und aufwerts ſich zu Geſpielen geſellen
Die blitzend im Sonnenglanz ſchwärmen. Von blühenden Frucht - bäumen ſchimmert
Der Garten, die kreutzende Gänge mit rother Dunkelheit füllen
Und Zefir gaukelt umher, treibt Wolken von Blüthen zur Höhe
Die ſich ergieſſen und regnen. Zwar hat hier Wolluſt und Hoch - muth
Nicht Nahrung von Mohren entlehnt und ſie gepflanzet; Nicht Myrthen
Nicht19Der Frühling.
Nicht Aloen blicken durch Fenſter. Das nutzbare Schöne ver - gnüget
Den Landmann, und etwan ein Kranz. Durch lange Gewölbe von Nuß-Strauch
Zeigt ſich voll laufender Wolken der Himmel und ferne Gefilde
Voll Seen und büſchichter Thäler umringt mit blauen Gebürgen.
Das Auge durchirret den Auftrit bis ihn ein näherer ſchlieſſet.
Die Fürſtin der Blumen die Lilie erhebt die Krone zur Seiten
Hoch über ſtreifichte Tulpen. Seht! wie die Kinder des Früh - lings
Liebkoſend winken; Wie glänzt der Grund von lebenden Stoffen!
Die holde Mayblume drengt die Silberglöckchen durch Blätter
Und manche Roſe durchbricht ſchon ungeduldig die Knoſpe.
Es ſteigt unſehbarer Regen von lieblichen Düften zur Höhe
Und füllt die Lüfte mit Balſam. Die Nacht-Viole läſſt immer
Die ſtölzere Blumen den Duft verhauchen; Voll Edelmuth ſchlieſſt ſie
C 2Ihn20Der Frühling.
Ihn ein, im Vorſatz den Abend noch über den Tag zu verſchönern.
Ein Bildniß groſſer Gemüther, die nicht gleich prahlriſchen Käm - pfern
Der Kreis von Zuſchauern reitzt, die tugendhaft wegen der Tu - gend
In der Verborgenheit Schatten Gerüche der Wohlthaten ſtreuen.
Seht hin! wie brüſtet der Pfau ſich dort am farbigten Beete
Voll Eifer ſucht über dic Kleidung der frölichen Blumen ſtolzirt er,
Kreibt rauſchend den grünlichen Schweif voll Regenbögen, und wendet
Den farbenwechſelnden Hals. Die Schmetterlinge ſich jagend
Umwälzen ſich über den Bäumen mit bunten Flügeln; voll Liebe
Und unentſchloſſen im wählen beſchauen ſie Knoſpen und Blüte.
Indeſſen impfet der Herr des Gartens Zweige von Kirſchen
Durchſägten Schlee ſtämmen ein, die künftig über die Kinder
Die ſie geſäuget erſtaunen. Das Bild der Anmuth die Haus - frau
Sitzt21Der Frühling.
Sitzt in der Laube von Reben, pflanzt Stauden und Blumen auf Leinwand,
Die Freude lächelt aus ihr. Ein Kind der Gratien Liebling
Stört ſie durch Plappern, am Hals mit zarten Armen ihr hangend,
Ein andres tändelt in Klee, ſinnt nach, und ſtammlet Gedanken.
O dreymal ſeliges Volk das ohne Stürme des Unglücks
Das Meer des Lebens durchſchifft, dem einſahm in Gründen die Tage
Wie ſanfte Weſte verpfliegen! Laß andre, dem wimmelnden Pöbel
Der Bäum und Dächer erſteigt zur Schau, in Siegswägen gleiſſen
Von Elephanten gezogen; Laß ſie der Wellen Gebürge
Mit Wolken von Seegeln bedecken, und Japan in Weſten ver - ſetzen,
Der iſt ein Günſtling des Himmels, den, fern von Foltern der Laſter
Die Ruh an Quellen umſchlingt. Auf ihn blickt immer die Sonne
Von oben lieblich herab, ihm brauſt kein Unglück in Wogen
C 3Er22Der Frühling.
Er ſeufzt nicht thörichte Wünſche, ihn micht die Höhe nicht ſchwindelnd,
Die Arbeit würzt ihm die Koſt, ſein Blut iſt leicht wie der Ether
Sein Schlaf verfliegt mit der Dämmrung, ein Morgenlüftchen verweht ihn.
Ach! wär auch mir es vergönnt in euch, ihr holden Gefilde
Beſtürmter Tugenden Häfen! ihr ſtillen Häuſer des Friedens!
Geſtreckt in wankende Schatten am Ufer ſchwatzhafter Bäche
Hinfort mir ſelber zu leben, und Leid und niedrige Sorgen
Vorüberrauſchender Luft einſt zuzuſtreuen! Ach möchte
Doch Doris die Thränen in euch von dieſen Wangen verwiſchen
Und bald Geſpräche mit Freunden in euch mein Leiden verſüſſen,
Bald redende Todte mich lehren, bald tiefe Bäche der Weisheit
Des Geiſtes Wiſſensdurſt ſtillen! Denn gönnt ich Berge von Demant
Und goldne Klüfte dem Mogol, denn möchten kriegriſche Zwerge
Fels-hohe Bilder ſich hauen, die ſteinerne Ströhme vergöſſen,
Ich23Der Frühling.
Ich würde ſie nimmer beneiden. Du Meer der Liebe, o Himmel!
Du ewger Brunnen des Heils! ſoll nie dein Ausfluß mich tränken?
ſoll meine Blume des Lebens erſtickt von Unkraut verblühen?
Nein, du beſeligſt dein Werk. Es liſpelt ruhige Hoffnung
Mir Troſt und Labſal zum Herzen; Die Dämmrung flieht vor Auroren,
Die finſtre Decke der Zukunſt wird aufgezogen, ich ſehe
Ganz andre Scenen der Dinge und unbekannte Gefilde.
Ich ſehe dich himmliſche Doris! du komſt aus Roſengebüſchen
In meine Schatten, voll Glanz und majeſtätiſchem Liebreitz;
So trit die Tugend einher, ſo iſt die Anmuth geſtaltet.
Du ſingſt zur Cyther und Phöbus bricht ſchnell durch die Gewölke
Die Stürme ſchweigen; Olymp merkt auf; Das Bildniß der Lieder
Thönt ſanft in fernen Gebürgen, und Zefir weht mirs herüber.
Und du mein redlicher Gleim du ſteigſt vom Gipfel des Homus
Und rührſt die Tejiſchen Sayten voll Luſt. Die Thore des Him - mels
Gehn24Der Frühling.
Gehn auf, es laſſen ſich Cypris und Huldgöttinnen und Amor
Voll Glanz auf funkelnden Wolken in blauen Lüften hernieder,
Und ſingen lieblich darein. Der Sternen weites Gewölbe
Erſchallt vom frohen Concert. Kom bald in meine Reviere
Kom! bring die Freude zu mir, beblüme Triften und Anger
O Paar! Zweck meiner Begierden, du milde Gabe der Gottheit.
Doch wie, erwach ich vom Schlaf? wo ſind die himmliſchen Bilder?
Welch ein anmuthiger Traum betrog die wachenden Sinnen?
Er flieht von dannen, ich ſeufze. Zuviel, zuviel vom Verhängniß
Im Durchgang des Lebens gefodert! Solch Heil gewährt nur die Hoffnung
Sein Schatten macht ſchon beglückt, ſelbſt wird michs nimmer er - freuen.
Allein was quält mich die Zukunft; Weg ihr vergeblichen Sorgen,
Laß mich der Wolluſt genieſſen die jetzt der Himmel mir gönnet,
Laß25Der Frühling.
Laß mich das fröliche Landvolk in dicke Haynen verfolgen
Und mit der Nachtigall ſingen, und mich beym ſeufzenden Gies - bach
An Zefirs Thönen ergötzen. Ihr dichten Lauben, von Händen
Der Mutter der Dinge geflochten! ihr dunkeln einſahmen Gänge
Die ihr das Denken erhellt, Irrgärten voller Entzückung
Und Freude, ſeyd mir gegrüſſt! Was für ein angenehm Leiden
Und Ruh und ſanftes Gefühl durchdringet in euch die Seele!
Durchs hohe Laubdach der Schatten das ſtreichende Lüfte bewe - gen,
Worunter ein ſichtbares Kühl in grünen Wogen ſich wälzet,
Blickt hin und wieder die Sonne, und übergüldet die Blätter,
Die holde Dämmrung durchgleiten Gerüche von Blüthen der He - cken
Die Flügel der Weſtwinde duften. In überirrdiſcher Höhle
Von krauſen Sträuchen gezeugt, ſitzt zwiſchen Blumen der Geiß - hirt
DBläſt26Der Frühling.
Bläſt auf der hellen Schalmey, hält ein, und höret die Lieder
Hier laut in Buchen erthönen, dort ſchwach, und endlich verlohren,
Bläſt, und hält wiederum ein. Tief unter ihn klettern die Ziegen
Am jähen Abſturz der Kluft, ſie reiſſen an bittern Geſtäude,
Theils irren ſie oben im Klee des Thals; Ihr bärtiger Ehmann
Er ſteigt die über den Teich ſich neigende Weide, beraubt ſie
Der blänlichen Blätter und ſchaut von oben ernſthaft herunter.
Mit leichten Läuften ſtreicht jetzt ein Heer gefleckter Hindinnen
Und Hirſche mit Æſten gekrönt durch grüne rauſchende Büſche
Setzt über Klüfte, Gewäſſer und Rohr. Moräſte vermiſſen
Die Spur der fliegenden Laſt. Gereitzt vom Frühling zur Liebe
Durchſtreichen muthige Röſſe den Wald mit flatternden Mähnen,
Der Boden zittert und thönt, es ſtrotzen die Zweige der Adern,
Ihr Schweif empört ſich verwildert, ſie ſchnauben Wolluſt und Hitze
Und brechen, vom Ufer ſich ſtürzend, die Fluth der Ströme zur Kühlung.
Dann27Der Frühling.
Dann ſetzen ſie über das Thal auf hohe Felſen und ſchauen
Fern über den niedrigen Hayn aufs Feld durchſeegelnde Dünſte
Und wiehern aus Wolken herab. Jetzt eilen Stiere vorüber,
Aus ihrer Naſen raucht Brunſt, ſie ſpalten mit Hörnern das Erd - reich
Und toben im Nebel von Staub. Verſchiedne taumeln in Höhlen
Und brüllen dumpficht heraus, verſchiedne ſtürzen von Klippen.
Aus ausgehöltem Gebürge fällt dort mit wilden Getümmel
Ein Fluß ins büſchichte Thal reiſſt mit ſich Stücke von Felſen
Durchrauſcht entblöſſete Wurzeln der untergrabenen Bäume
Die über flieſſende Hügel von Schaum ſich bücken und wanken;
Des Waldes Laubgrotten thönen umher, und klagen darüber.
Es ſtutzt ob ſolchem Getöſe das Wild und eilet von dannen,
Sich nahende Vögel verlaſſen, im Singen gehindert, die Gegend
Und ſuchen ruhige Stellen, wo ſie den Gatten die Fühlung
Verliebter Schmerzen entdecken in pyramidnem Geſträuche
Und ſtreiten gegen einander mit Liedern von Zweigen der Buchen.
D 2Dort28Der Frühling.
Dort will ich lauſchen und ſie ſich freun und liebkoſen hören.
Fließ ſanft o gläſernes Flüßchen! ſtill! ächzende Zefirs im Laube
Schwächt nicht ihr buhlriſches Fliſtern. Schlagt laut Bewohner der Wipfel
Schlagt, lehrt mich euren Geſang! Sie ſchlagen; Symphoniſche Thöne
Durchfliehn von Eichen und Dorn des weiten Schattenſaals Kam - mern
Die ganze Gegend wird Schall. Der Fink, der röthliche Hänfling
Pfeift hell aus Buchen. Ein Heer von tulpenfarbgen Stieglitzen
Hüpft hin und wieder auf Strauch, beſchaut die blühende Diſtel,
Ihr Lied hüpft frölich wie ſie. Der Zeiſig klaget der Schönen
Sein Leiden aus Zellen vom Laub. Vom Ulmbaum flötet die Amſel
In hohlen Thönen den Baß. Nur die geflügelte Stimme
Die kleine Nachtigall weicht aus Ruhmſucht in einſahme Gründe
Durch dicke Wipfel umwölbt, der Traurigkeit ewige Wohnung,
(Worinn aus Lüſten und Feld der Nacht verbreitete Schatten
Sich29Der Frühling.
Sich ſcheinen verenget zu haben, als ſie Auroren entwichen)
Und macht die ſchreckbare Wüſte zum Luftgefilde des Waldes.
Dort tränkt ein finſterer Teich ringsum ſich Weidengebüſche
Auf Æſten wiegt ſie ſich da, lockt laut und ſchmettert und wirbelt
Daß Grund und Einöde klingt. So raſen Chöre von Sayten.
Jetzt girrt ſie ſänſter, und läuft durch tauſend zärtliche Thöne
Jetzt ſchlägt ſie wieder mit Macht. Oft wenn ihr Liebling durch Vorwitz
Sich in belaubten Gebaur des grauſamen Voglers gefangen
Der fern im Lindenbuſch laurt; Denn ruhn der Luſtlieder Fugen
Den fliegt ſie ängſtlich umher, ruft ihrer Wonne des Lebens
Durch Klüſte, Felſen und Wald, ſeufzt unaufhörlich und jammert
Bis ſie für Wehmuth zuletzt halbtodt zum Hecken herabfällt
Wor auf ſie gleitet und wankt mit niederſinkenden Haupte.
Da klaget um ſie der Schatten des todten Lieblings, da dünkt ihr
Ihn wund und blutig zu ſehn. Bald thönt ihr Jammerlied wieder
Sie ſetzt es Nächte lang fort und ſcheint bey jeglichen Seufzer
D 3Aus30Der Frühling.
Aus ſich ihr Leben zu ſeufzen. Die nahen ſträuchichten Hügel
Hier durch zum Mitleid bewogen, erheben ein zärtlich Gewinſel.
Allein was kollert und girrt mir hier zur Seiten vom Eichſtamm
Der halb vermodert und zweiglos von keinem Geflügel bewohnt wird?
Teuſcht mich der Einbildung Spiel? Sieh! plötzlich flattert ein Täubchen
Aus einen Aſtloch empor mit wandelbaren Gefieder,
Dieß zeugte den dumpfichten Schall im Bauch der Eichen. Es gleitet
Mit ausgeſpreiteten Flügeln ins Thal, ſucht nickend im Schatten
Und ſchaut ſich vorſichtig um mit dürren Reiſern im Munde.
Wer lehrt die Bürger der Zweige voll Kunſt ſich Neſter zu wölben
Und ſie für Vorwitz und Raub, voll ſüſſen Kummers, zu ſichern?
Welch ein verborgener Hauch füllt ihre Herzen mit Liebe?
Durch dich iſt alles was gut iſt, unendlich wunderbar Weſen
Beherſcher und Vater der Welt! Du biſt ſo herrlich im Vogel
Der31Der Frühling.
Der niedrig in Dornſtauden hüpft, als in der Veſte des Himmels,
In eincr kriechenden Raupe, wie in den flammenden Cherub.
See ſonder Ufer und Grund! aus dir quillt alles, du ſelber
Haſt keinen Zufluß in dich. Die Feuermeere der Sternen
Sind Wiederſcheine von Tropfen des Lichts in welchem du leuch - teſt.
Dein Wagen ſind gleitende Wolken, dein Herold geflügelte Winde
Sie eilen und melden dich an in Thönen voll heiligen Grauens.
Aurora dient dir zum Stuhl. Die Himmel unzehlbarer Sphären
Mit güldnem Schimmer durchbrochen, ſind deiner Sääle Tapeten.
Du drohſt den Stürmen, ſie ſchweigen, berührſt die Berge, ſie rau - chen,
Das Heulen aufrühriſcher Meere die zwiſchen wäſſernen Felſen
Den Sand des Grundes entblöſſen, iſt deiner Herrlichkeit Loblied.
Der Donner mit Flammen beflügelt verkündigt mit brüllender Stimme
Die hohen Thaten von dir. Für Ehrfurcht zittern die Hayne
Und32Der Frühling.
Und wiederhallen dein Lob. Heerſcharen funkelnder Wächter
Der blauen Lüſte, verbreiten in tauſend harmoniſchen Thönen
Die Gröſſe deiner Gewalt und Huld von Pole zu Pole.
Doch wer berechnet die Menge von deinen Wundern! wer ſchwingt ſich
Durch deine Tiefe o Schöpfer! Vertraut euch Flügeln der Winde
Ruht auf den Pfeilen des Blitzes, durchſtreicht den Glanzvollen Abgrund
Der Gottheit, ihr endlichen Geiſter! durch tauſend Alter des Weltbaus.
Ihr werdet dennoch zuletzt kein Pünktchen näher dem Grunde
Als bey dem Ausfluge ſeyn. Verſtummt denn bebende Sayten!
So preiſt ihr würdger den HERRN.
Ein Fluß von lieblichem Duft den Zefir mit ſäuſelnden Schwingen
Von nahgelegener Wieſe herbeyweht, nöthigt mich zu ihr.
Da33Der Frühling.
Da will ich an ſchwirrendem Rohr in ihrer Blumenſchooß ruhend
Mit ſtarken Zügen ihn einziehn. Kom zu mir Liebling Miner - vens
Mein treuſter ---- durch den jüngſthin der Winter mir grünte
Von deſſen Lippen die Freude zu meinem Buſen herabſtröhmt,
Kom! leg dich zu mir und mach die Gegend zur himmliſchen Woh - nung.
Laß uns der Kinder der Flora Geſtalt und Liebe bewundern
Und ſpotten mit ihnen geſchmückt des hohen Pöbels im Purpur.
Beſing die Schönheit der Tugend; Laß deines Mundes Geſpräche
Mir ſüſſer als Roſenduft ſeyn. Hier iſt der Gratien Luſtplatz
Kunſtloſe Gärte durchirrt hier die Ruh, hier rieſelt Entzückung
Mit hellen Bächen heran. Den grünen Kleeboden ſchmücken
Zerſtreute Wälder von Blumen. Ein Meer von holden Gerüchen
Wallt unſichtbar über der Flur in groſſen taumelnden Wogen
Von lauen Winden durchwühlt. Es iſt durch tauſend Bewohner
Die bunte Gegend belebt. Hochbeinigt watet im Waſſer
EDort34Der Frühling.
Dort zwiſchen Kräutern der Storch, und blickt begierig nach Nahrung,
Dort gaukelt der Kiwitz und ſchreyt ums Haupt des müſſigen Knaben
Der ſeinem Neſte ſich naht. Jetzt trabt er vor ihm zum Ufer
Als hätt er das Fliegen vergeſſen, reitzt ihn durch Hinken zur Folge
Und lockt ihn endlich ins Feld. Unzehlbare ſchimmernde Würm - chen
Umflattern freudig den Schilf, theils laufen ſie unten im Graſe
Durch Labyrinthe von Blumen in rothen und güldenen Schatten
Und glauben im Haynen zu irren. Zerſtreute Heere von Bienen
Durchſäuſeln die Lüfte, ſie fallen auf Klee und blühende Stauden
Und hängen glänzend dar an wie Thau vom Mondſchein vergüldet;
Denn eilen ſie wieder zur Stadt die ihnen im Winkel des Angers
Der[Landmann] aus Körben erbaut. Rechtſchaffner Weltweiſen Bildniſs
Die35Der Frühling.
Die ſich der Heymath entziehn, der Menſchheit Gefilde durchſu - chen,
Und denn heimkehren zur Zelle mit ſüſſer Beute beladen
Und liefern uns Honig der Weisheit. Ein See voll fliehender Wellen
Rauſcht in der Mitte der Au, draus ſteigt ein Eiland zur Höhe
Mit Bäumen und Hecken gekrönt, das wie vom Boden entriſſen
Scheint gegen die Fluthen zu ſchwimmen. In einer holden Ver - wirrung
Prangt drauf der Hanbuttenſtrauch voll feuriger Sternchen, der Quitzbaum,
Holunder, raucher Wacholder, und ſich umarmende Palmen.
Das Geißblat ſchmiegt ſich an Zweige der wilden Roſengebüſche,
Aus Wolluſt küſſen einander die jungen Blüthen, und hauchen
Mit ſüſſen Athem ſich an. Um bunte Kränze des Erdreichs
Schleicht Brombeer langſahm im Klee, zieht grüne Netze dazwi - ſchen
E 2Mit36Der Frühling.
Mit ſich durchkreutzenden Ranken. Der blühnde Hagdorn am Ufer
Bückt ſich hinüber aus Stolz und ſieht verwundernd im Waſſer
Den weiſſen und röthlichen Schmuck. O Schauplatz der du die Freude
Ins Herzens innerſtes mahlſt, ach! daß die Wärme die annoch
Seitdem der Winter von uns entflohn, kein Regen gemildert
Dich ſamt Gefilden und Gärten die nach Erfriſchung ſich ſehnen
Doch nicht der Zierde beraubte und ſeiner Hoffnung den Land - mann!
Er quick ſie gnädiger Himmel und über ſchütte von oben
Mit deiner Güte die Erde. --- Er komt! er komt! in den Wolken
Der Seegen, dort taumelt er her, und wird ſich in Ströhmen er - gieſſen.
Schon ſtreicht der Weſtwind voran, ſchwärmt in den Blättern der Bäume
Und37Der Frühling.
Und wirbelt die Saaten wie Strudel. Die Sonn eilt hinter den Fürhang
Von Baumwoll ähnlichem Dunſt; Es ſtirbt der Schimmer des Him - mels
Und eine Decke von Schatten läuft über Thäler und Hügel.
Gekrauſt durch ſilberne Zirkel die ſich vergröſſernd verſchwinden
Verräth die Fläche des Waſſers den noch nicht ſichtbaren Regen. ---
Jetzt fällt er häuffiger nieder ſich wie Gewebe durchkreutzend,
Kaum ſchützt des Erlenbaums Zelt mich für den rauſchenden Güſſen.
Der Wind umwälzt ſich in ihm und treibt ihn vor ſich wie Seegel
Er macht die Lüfte voll Tropfen zur See voll wallender Fluthen.
Das Volk das kürzlich aus Wolken die Gegend mit Liedern erfüllte
Schweigt und verbirgt ſich in Büſche. Im Lindenthal drengt ſich in Kreiſen
Vom Dach der Zweige bedeckt die Wollenheerde um Stämme,
Feld, Luft und Hohen ſ[i]nd öde nur Sehwalben ſchieſſen in Schaaren
E 3Im38Der Frühling.
Im Regen, die Teiche beſchauend. --- Die Augenlieder die jetzo
Das Auge des Weltkreiſes deckten, die Dünſt erheben ſich plötzlich
Nun funkelt die Bühne des Himmels, nun ſieht man hangende Meero
In hellen Tropfen zerrinnen und aus den Lûften verſchwinden,
Es lachen die Gründe voll Blumen, und alles freut ſich ob flöſſe
Der Himmel ſelber zur Erden. Jedoch ſchon ſchiffen von neuem
Beladne Wolken vom Abend und hemmen wieder das Licht
Sie ſchütten Seen herab, und ſäugen die Felder wie Brüſte. ---
Auch die vergieſſen ſich endlich. Ein güldner Regen von Strahlen
Füllt jetzo wieder die Luft; Der grüne Hauptſchmuck der Felſen,
Voll von den Saaten der Wolken, ſpielt blendend gegen der Sonne;
Verjüngt, voll Schimmer und lächelnd, voll Lichter Streifen und Kränze
Sehn die Gefilde mich an. Tauch in die Farben Aurorens
Mahl mir die Landſchaft, o du! aus deſſen ewigen Liedern
Der39Der Frühling.
Der Aare Ufer mir duften und vor den Angeſicht prangen,
Der ſich die Pfeiler des Himmels die Alpen die er beſungen
Zu Ehrenſäulen gemacht. Wie blitzt die ſtreifichte Wieſe
Von Demant ähnlichen Tropfen! wie lieblich regnen ſie ſeitwerts
Von farbigten Blumengebüſchen und blühenden Kronen der Sträuche.
Die Kräuter ſind wieder erfriſcht und hauchen ſtärkre Gerüche,
Der ganze Himmel iſt Duft. Getränkte Halmen erheben
Froh ihre Häupter, und ſcheinen die Huld des Himmels zu preiſen.
Grünt nun ihr holden Gefilde! ihr Wieſen und Schlöſſer vom Laube!
Grünt, ſeyd die Freude des Volks! Dient meiner Unſchuld hin - führo
Zum Schirm, wenn Boßheit und Stolz aus Schlöſſern und Städten mich treiben.
Mir wehe Zefir aus euch durch Blumen und Hecken noch öfter
Ruh und Erquickung ins Herz. Laſſt mich in euren Revieren
Den40Der Frühling.
Den HErrn und Vater der Welt, der Seegen über euch breitet
Im Strahlenkreiſe der Sonnen, im Thau und träuſelnden Wolken,
Noch ferner auf Flügeln der Winde mit Augen des Geiſtes erbli - cken
Und melden voll heiliger Regung ſein Lob antwortenden Sternen.
Und wenn nach ſeinem Geheiß mein Ziel des Lebens herannaht,
Denn ſey mir endlich in euch die letzte Ruhe verſtattet.
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About this transcription

TextDer Frühling
Author Ewald Christian von Kleist
Extent45 images; 4588 tokens; 2098 types; 31223 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDer Frühling Ein Gedicht Ewald Christian von Kleist. . 40 S. N. N.Berlin1749.

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SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 P GERM III, 5679 RARA

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Antiqua

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Belletristik; Lyrik; core; ready; china

Editorial statement

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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ImprintBerlin 2019-12-09T17:32:09Z
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ShelfmarkSUB Göttingen, 8 P GERM III, 5679 RARA
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