PRIMS Full-text transcription (HTML)
Die Zwillinge.
Ein Trauerſpiel in fuͤnf Aufzuͤgen.
Neue Auflage.
Hannover,bei den Gebruͤdern Hahn1796.
[1]

Die Zwillinge.

Ein Trauerſpiel in fuͤnf Aufzuͤgen.

A[2]

Perſonen.

  • Guelfo, Vater.
  • Amalia, Mutter.
    • Ferdinando,
    • Guelfo,
    • Soͤhne.

  • Grimaldi.
  • Graͤſinn Kamilla.
  • Doctor Galbo.
  • Bediente.

Die Scene iſt ein Landgut an der Tiber.

[3]

Erſter Aufzug.

Erſter Auftritt.

(Ein Zimmer.) Guelfo. Grimaldi. (An einem Tiſch mit Weinflaſchen und ein Buch vor ſich aufgeſchlagen.)
Grimaldi.

Guelfo, du biſt auf einmal wieder ſehr wild ernſthaft geworden. Jch bitt Dich, verſcheuch dieſen ſtarren in ſich nagenden Blick mit einigem Laͤcheln, das Deiner großen Miene mehr Zierde giebt.

Guelfo.

Still und trink!

(Geht auf und nieder.)
Grimaldi.

Soll ich weiter leſen in Brutus Leben?

A 2Guelfo. 4
Guelfo.

Nein, ich habs nun ſehr genung. Laß mich das zuſammenrechnen, was ich gehoͤrt habe. Caßius, Grimaldi! Caßius!

Grimaldi.

Du nennſt ihn eben ſo oft, als Du ſonſt eine gewiſſe Donna nannteſt. Gilt der mehr bey Dir, als Brutus?

Guelfo.

Das glaub ich. Was in dem Menſchen lag! Oh! wenn Du mir jeden Tag ei - nen ſolchen Charakter aufſtellteſt, Grimaldi! Du ſollteſt der einzige Menſch ſeyn, den ich liebte.

Grimaldi.

Und ich waͤr der einzige Menſch auf Gottes Boden, der am meiſten litte. Jch zieh mir den Brutus vor.

Guelfo.

Jch fuͤhl den Caßius naͤher. Und Grimaldi, darauf koͤmmts doch an. Wie viel ge - winnt der Mahler, wenn er mir ein Gemaͤhlde hinſtellt, wofuͤr ich den Spiegel in mir habe. Mir gehts in allen Faͤllen ſo. Jch kann eigent - lich den nur recht durchſchauen, ganz meinem Her - zen nachfuͤhlen und beſtimmen, der am meiſten mit mir uͤbereinkoͤmmt; der meine Seele ſo trift, daß ich gleich das Reißblei nehmen moͤchte, ihn lebendig hinzuwerfen. Deßwegen gewinnen bei mir Dichter und Geſchichtſchreiber ſo ſelten. Hu, hagrer Caßius! Mir iſts, als ſtieg er vor mir auf. Jch werd dieſe Nacht unruhig ſchlafen.

Gri -5
Grimaldi.

Jch will Dir mehr leſen.

Guelfo.

Das thu doch! Den Pyrrhus.

Grimaldi.

Wenn Du mich nur nicht ſo bang machteſt! nicht ſo oft im aͤngſtlichen Schlum - mer fuͤrchterlich traͤumteſt und riefſt!

Guelfo.

Wen ruf ich, Grimaldi?

Grimaldi.

Ferdinando wie man einen Todfeind ruft.

Guelfo.

Ha! da! meinen Bruder! Gri - maldi, nimm den Stammbaum, ſtreich ſeinen Na - men durch, und dann reiß ihn hier weg. Trink dem Caßius zu! Jch wollt ihn mahlen, den hag - ren Caßius!

Grimaldi.

Das wollt ich auch.

Guelfo.

Du? wenns Juliette waͤre.

Grimaldi.

Guelfo! nur dieſen Namen nicht, wenn Du meine Augen trocken ſehen willſt.

Guelfo.

Du wollteſt den Caßius mahlen? Wie machteſt Du das?

Grimaldi.

Jch wollte Ferdinando rufen den Guelfo anſehen, feſt, ohne Zittern, das einem Furchtſamen, wie mir, viel koſtet; wollte dieſen Blick nehmen, dieſe Farbe, dieſe lebenden Mus - keln he, Guelfo?

Guelfo. 6
Guelfo.

Willſt Du mich ſtolz machen? Trink, Grimaldi! Wacker!

(trinken)

Jch trink zeither gern. Der Wein iſt doch gut?

Grimaldi.

Sehr gut, wenn Du freundlich ſtehſt.

Guelfo.

O Grimaldi, wenn der Wein nicht waͤre! Ohne ihn haͤtts das wilde, ungeſtuͤme mei - nes Herzens lang mit mir zu Ende gebracht. Jch kanns mit nichts ſo gut unter mich bringen, als wenn ich mich nach und nach in Schlaf trinke. Und Grimaldi, das ſind meine beſten Stunden, die vorhergehen; wenn der ſuͤſſe Geiſt des Weins meine Nerven einſchmeichelt, ſich der milde Geiſt auf mich herablaͤßt, und mich mit ſeinen ſanften balſamiſchen Fittigen deckt. Laß ihn ſprudeln! Unter mich, Teufel!

(trinken.)
Grimaldi.

Es iſt ein herrlicher Trunk; aber, Guelfo, mich macht er duͤſterer und trauri - ger. Nu ſeine Wirkung in Betracht Deiner?

Guelfo.

Recht, Grimaldi. Ja, wenns auch immer ſo bei mir ginge. Aber ſelten, ſel - ten! O es hitzt mein Blut zu oft, und treibt mir die Wuͤrggedanken mit einem Feuer durch die Adern, daß ſie ſchwellen, und mich fuͤr mich ſelbſt bange machen. Wenn mir ſo dies und jens un - ter dem Trinken einfaͤllt, wobei ich denn gewoͤhn -lich7lich ſchneller trinke, endigt ſichs zu oft mit einer Wuth, die Blut heiſcht Laß nur! wir wol - len ihr ſchon noch zur Gnuͤge geben!

Grimaldi.

Steh uns Gott bey! wenn Du ſo biſt. Kaum ſinds acht Tage, ſchmißt Du mich an Boden, daß meine Gebeine zuſammen raſſel - ten. Und das blos, weil Deine verkehrt ſtehende Augen einen andern in mir zu ſehen glaubten. Und wenn ich der Schreckſcene gedenke

Guelfo.

Was iſt das? Eine Schreckſcene? Jch hoͤr gern ſo was.

Grimaldi.

Als Du den Della Forza durch die Lunge ſchoſſeſt, um ſeine Marter zu verlaͤn - gern.

Guelfo.

Sieh da! das haͤtt ich faſt ver - geſſen.

Grimaldi.

Nu, wer auch das vergißt!

Guelfo.

Jch verbitte mir alle Bemerkun - gen. Erzaͤhl mirs, es thut mir gut itzt. Noch ſo weiß ich, wie er die Augen drehte, und ſich in Staub waͤlzte. Was hatt ich doch mit ihm?

Grimaldi.

Das erſte war, daß er Deinen Bruder bei dem Herzog herausſtrich Du wirſt zu ernſthaft.

Guelfo.

Trink und red fort, ohne Dich um mein Geſicht zu kuͤmmern.

Gri -8
Grimaldi.

Daß er Deiner nicht mit einem Worte dachte, ob Du ſchon in der Antichamber ſtandeſt, und alles hoͤren konnteſt.

Guelfo.

Jtzt faͤllt mirs nach und nach wie - der ein. Ha! das hetzte mich grimmig.

Grimaldi.

Das zweite war, daß der Her - zog Deinen Bruder allenthalben zu haben ſuchte, und, noch mehr, ihm die reiche und ſchoͤne Graͤ - finn Kamilla verſchafte, die er nie kriegt haͤtte. Guelfo! Guelfo! faß dich! Kamilla, die der rauhe Guelfo liebte, die der ſuͤſſe, empfindſame, kluge Ferdinando wegſchnappte. Ein herrliches Geſchoͤpf, die Kamilla! Sie ſoll leben!

Guelfo.

O Grimaldi! Grimaldi! Du thuſt meinem Bruder trefliche Dienſte.

(Druͤckt ihm die Hand und umfaßt ihn.)

Erzaͤhle weiter!

Grimaldi.

Nur ſchone mich mit Deinen Liebkoſungen; ich bin zu ſchwach, in Guelfos ſtar - kem Arm zu liegen. Zu Venedig kuͤßte Della Forza Gioconda; Du verbotſt es ihm, er thats doch

Guelfo.

Begegnete mir hoͤhniſch, und ich knallt ihn wieder. Die Geſchichte that mir da - mals ſehr gut. Sie wickelte mir die Galle los, die mich nach und nach erwuͤrgt haͤtte. Trink,Gri -9Grimaldi! Deine Augaͤpfel ziehen ſich ja ſchon maͤchtig in die Laͤnge.

Grimaldi.

Und hier der aufgeworfne Zug an Deinem Munde ſchwillt grimmig. Deine Au - genbraunen ſenken ſich noch tiefer Du wirſt immer mehr Caßius.

Guelfo.

Schwinde immer mehr zuſammen, und mein Bruder reitet auf dem Adler uͤber mich hinaus. Aber herunterreiſſen will ich ihn, will ihn im ſtolzen Schwung haſchen, und nieder - ſchmettern! Kriechen ſoll er bei der Erde, und ich will ſchweben! Zittre, Grimaldi! und ich will Dich packen, duͤrres Geripp! Dich an Boden ſchmettern! Blaß ſollt ihr alle ſtehen, bricht Guelfos Zorn los, der mich binreißt, wie der hohe Sturm. Weg dann! ich bin nichts, nichts! ſchlag auf mein Herz und nichts! Wenn ich ſeine Titel hinſchreibe, ſchmier ich einen Bogen voll. Schreib ich mich gegen uͤber, heißts Ritter Guelfo, mit einem Einkommen von 500 Ducaten. Hoͤrſt Du, Grimaldi! hier die großen Excellenzen, die Gouverneurs, der Herr von des alten Guelfos fetten Guͤtern. Nicht ſo viel Land iſt mein, als ich mit meinem Degen uͤbermeſſen kann. Und warum denn nun? Grimaldi, war -um10um hab ich nichts, und er alles? Suchs in Dei - nem Gehirn auf, bleicher Strudelkopf!

Grimaldi.
(Geht ans Clavier und ſpielt wech - ſelsweiſe einige ſanfte und ſtarke Paſſagen.)
Guelfo.

Dich und Dein Jnſtrument in die Tiber, Schwaͤrmer! Was willſt Du mich locken, daß meine Seele auf dieſen Saiten ſchwebe? Daß ich den Guelfo vergeſſe?

Grimaldi.
(ſpielt wie oben.)
Guelfo.

Grimaldi! ſtarke, dumpfe, raſche Toͤne! Meine Nerven zittern einen Ton, deine Saiten ſpringen, wenn Du ihn anſchlaͤgſt. Hoͤr auf! Wirf mich nicht ſo nieder, Grimaldi!

Grimaldi.
(endigt ſtark.)
Guelfo.

Dieſen Ton verſtund ich.

Grimaldi.

Brutus, du ſchlaͤfſt! Brutus, du ſchlaͤfſt! riefen alle, und trafen Brutus Geiſt, ſchriebens ein mit Feuerflammen. Caßius rief auch: Brutus, du ſchlaͤfſt! Brutus uͤberdachts bei Donner und Blitz, es reifte, Caͤſar lag.

Guelfo.

Ha, mein freundlicher Grimaldi! Dieß iſt die Erklaͤrung Deiner letzten Toͤne? Was ſolls heiſſen?

Grimaldi.

Du verſtehſt mich, Guelfo! es ſoll wenig heiſſen; ſo viel wenn Du doch willſt Guelfo, ich weiß ſelten, was ich ſelbſt will Nun11Nun dann! Nimms ſo! Guelfo, ſchweb auch! es breite ſich Dein ſtarker Geiſt aus, heb ſich uͤber ihn! Jag mit dem Bruder zum blinkenden Ziel! was koͤmmt auch drauf an, wenn Du ihm im Ringrennen ein Bein unterſtellſt, daß Du hoch am Ziel ſchwebeſt! That ers doch auch, und oft, oft! Aber nur die Naſe muß er ſich blutig fallen, Guelfo, mehr nicht; ſonſt waͤrs unbruͤderlich. Mehr nicht, und Du ſchwebſt oben! Ha, mein Guelfo, Du ſchwebſt, der Wein blinkt! Siehſt Du, Guelfo auf mich wollte einſtens ein un - geheurer Berg ſtuͤrzen, ich hatte noch Staͤrke und frohen Muth, ich faßte ihn an der Wurzel, ſchob ihn ein Sandkorn unter. Er ſtund, drohte, und ſtund. Jch hatte Glauben, Guelfo! Wenn Du Glauben haͤtteſt oh! mit der ſchwarzen Me - lancholie und der traurigen Phantaſie, die mich zerarbeitet! Jch ſchwitze und ſchrumpfe zuſam - men Guelfo! Ritter Guelfo!

Guelfo.

Grimaldi, Dein Herz liegt mir uͤber verſchiedene Punkte verdeckt. Aber heraus - reiſſen will ichs, wies in Deinem Jnnern liegt. Aufgedeckt will ich leſen, ob das bloſſe Raketten ſind, die nur manchmal beim Wein aufſteigen, und zerknallen; oder ob das Feſtigkeit, Groͤſſe und Entſchluß iſt? Jtzt ſiehſt Du wieder ſo kleinlaut trink! trink!

Gri -12
Grimaldi.

Guelfo, Dir fehlt nichts, als Glauben an Dich, und Du biſt ein gemachter Mann, der alles mit Gewalt nach ſich zieht. Sieh, ich bin ein zuſammengedruͤckter gewuͤrgter Wurm, der ſich kaum aufwenden kann, ſo haben ihn Menſchen in Koth geſtampft, wohin er ſich wandte. Und das all iſt ſo ſcharf durch meinen ſonſt emporſchwebenden Geiſt gefahren, hat ſo un - edel alle große Triebe verſchlungen, und das Feuer verkaͤltet, daß mit mir nichts anzufangen iſt. O Guelfo! es war eine bluͤhende Zeit ich kann itzt nichts, als mein Herz nach und nach aufrei - ben, und haſſen mich und alles. Fuͤr mich iſt Natur und Leben todt, weil man mir den Sinn dafuͤr unfreundlich toͤdtete. Jn meinem Leben moͤcht ich mich an Einem raͤchen, mich dann in mein Kiſſen huͤllen, und mit Wolluſt ſterben.

(Sieht durchs Fenſter)

Dort koͤmmt eine Chaiſe her!

Guelfo.

Es wird der Doctor Galbo ſeyn, ich ließ ihn rufen.

Grimaldi.

Haſt Du noch nichts entdeckt? Adjeu, Ritter Guelfo! Der traurige Mantel der Melancholie hat ſich um mich geſchlungen, ich will weinen. Adjeu! Gib mir Deine Hand! Adjeu!

Guelfo. 13
Guelfo.

Menſch! Menſch! Du machſt mich raſend mit Deiner Zweideutigkeit. Merk Dir das! Wo ich Dich erwiſche, will ichs aus Dir herausziehen, und hingen die Gedanken mit Hacken in Deiner Seele. Du ſagſt zu viel und zu wenig.

Grimaldi.

Jch ſchlaf die Melancholie weg. Und dann ruf ich dieſe Nacht, wie Caßius Brutus, du ſchlaͤfſt!

(Geht ins Nebenzimmer.)
Guelfo.

Was hilft das nun all, wenn ich mir mit geballter Fauſt vor die Stirne ſchlag und mit den Winden heule droh und lerme, und bei alledem nur Luftſchloͤſſer, Kartenhaͤuſer baue! Der Junge wird gekoſ’t, geleckt, geliebt, von Vater und Mutter, und ich ſteh allenthalben in der Rechnung ein garſtiges Nichts. Guelfo! Guelfo! Nichts lautet naͤrriſcher, als wenn ich mich ſelbſt rufe. Guelfo! He dann, Guelfo!

(ſtampft)

Mein Blut wird heiß, mein Zorn draͤngt ſich hervor.

Zweyter Auftritt.

Doctor Galbo, (klopft an) Guelfo, (her - nach) Grimaldi.
Guelfo.

Naͤher! Naͤher!

Galbo.

Wie befinden ſich Eure Gnaden? Jch bin ſehr erſchrocken uͤber die eilige Botſchaft.

Guelfo. 14
Guelfo.

Zu viel Hitze, lieber Doctor! Zu viel Hitze!

Galbo.
(Fuͤhlt den Puls)

Unruhig, unruhig, ſehr unruhig, gnaͤdiger Herr! Aber iſts Wunder? Hier die Flaſchen, und gewiß erſt von der Jagd?

Guelfo.

Davon mags kommen; ich ver - folgte ein Reh zu haſtig. Setzen Sie ſich doch. Jch hab letzthin uͤber etwas mit Jhnen geſpro - chen Waͤr mir nicht zu Kuͤhlung zu helfen?

Galbo.

Jch will gleich etwas aufſchreiben.

Guelfo.

Gut denn!

Galbo.
(Schreibts und giebts ihm.)
Guelfo.

Doctor, hier nehmen Sie die - ſen Wechſel.

Galbo.

Gnaͤdiger Herr!

Guelfo.

Ohne Umſtaͤnde! Donner! was zaudern Sie? Sie wiſſen, daß ich das Gezier nicht leiden kann. Umſonſt geb ich nichts!

Galbo.

Sanfter, gnaͤdiger Herr! So legt ſich die Hitze nicht.

Guelfo.

Laſſen Sie mich mit dem Ge - ſchwaͤtz! Doctor!

Galbo.

Was befehlen Sie?

Guelfo.

Jch fragte Sie ſchon einigemal, und nun Sie waren bey der Niederkunft mei - ner Mutter; nicht wahr?

Galbo. 15
Galbo.

Das war ich die ſchrecklichſte! Jch glaubte nicht, daß es die gnaͤdige Graͤfinn uͤberleben wuͤrde.

Guelfo.

Denn ſagen Sie mir ſchnell hoͤren Sie? ſo ſchnell, wie ich frage wer von uns beiden erblickte zuerſt das Licht? Guelfo oder Ferdinando?

Galbo.

Das kann ich nicht ſagen.

Guelfo.

Doctor!

Galbo.

Es ging ſo aͤngſtlich, ſo ſchrecklich, und in der Sorge fuͤr die Graͤfinn, fuͤr die Klei - nen, trug ſichs zu

Guelfo.

Heraus mit, oder ich pack Sie an der Bruſt, und druͤck Jhnen das letzte Wort mit dem letzten Hauch heraus! He dann, bei meinem Leben! es wird Licht Fort!

Galbo.

Sie waren beide da, und man wußte nicht, welches der Erſtgebohrne war. Aber aus ſichern Zeichen

Guelfo.

Behalten Sie den Wechſel, und gehn Sie! Fort, Doctor! Weiter brauch ich nichts. Und wenn Sie vor der Hand ein Wort verſtehn Sie mich?

Galbo.
(ab.)
Guelfo.

Grimaldi! Grimaldi! Ha! was ſchuͤttelſt du, Feuer? was reißt du in mir? Haben16Haben ſie? Still! ſtill! Laß mich zu mir kom - men, und treib mich zur Raſerey! Grimaldi! o ich will alles zerreiſſen! Vater! Vater! Mut - ter! ich will euch ausſtreichen! will euch ausſtrei - chen, euch bis aufs letzte Faͤſerchen aus dem Her - zen reiſſen! Grimaldi!

Grimaldi.
(koͤmmt.)
Guelfo.
(faßt ihn an der Bruſt)

Sieh mich an, Grimaldi! Sieh mich an, und haͤng an mei - ner Stirne! Zweifelſt Du, ob ich der Erſtgebohr - ne bin? Zweifelſt Du?

Grimaldi.

Guelfo, ich hab alles gehoͤrt; mich warf ein dumpfes Gefuͤhl herum, daß ich nicht ſchlafen konnte. Donner und Wetter! ſteh da, Guelfo!

(fuͤhrt ihn an den Spiegel)

Dieſer Blick! dieſes Weſen! dieſe ſich ausbreitende Men - ſchenbeugende Gluth im ſchwarzen, groſſen, rol - lenden Auge! Guelfo! Du biſt fuͤr ein Koͤ - nigreich gebohren. Eine weiſſagende Gottheit, mein Genius ſagt mirs. Guelfo! Du biſt Fer - dinandos Bruder nicht. Ha! Wie kamſt Du un - ter das Geſchlecht dieſer Schwachen? Du biſt vertauſcht! O Du biſt ſo nicht gebohren! Sieh Dich an, koͤniglicher Guelfo! Haſt Du nicht den verzehrenden Koͤnigsblick? Schlag mir vor die Stirne, wenn ich luͤge! Mit dieſen Empfindun -gen,17gen, mit dieſem Denken, wie kamſt Du unter ſie? Sich dein Bild! Sieh Dich! Edler! Edler! Guelfo! Guelfo! Guelfo!

Guelfo.

Grimaldi, mich reißt ein Gedanke hin meine Seele ſchwirrt blutig von Vorſatz zu Vorſatz; und der Rachgeiſt laͤßt ſich ſchwarz vor mir nieder, und haſcht mein Herz. Ha! laß mich feſt ſtehen! Laß mich einig werden! Hoͤrteſt Du den Doctor? Man wußte nicht, welcher es waͤre, weil man nicht wiſſen wollte! weil ſeine heuchleriſche, ſanfte Miene ſchon damals der Ael - tern Herz an ſich bannte! Mein ſtarrer Blick riß ſchon damals ihr Herz von mir. Ha dann, Heuchler! ich will dich lehren! Herausgeben ſollſt du mir die Erſtgeburt, herausgeben ſollſt du mir Vater und Mutter, herausgeben ſollſt du mir alles; oder ich will dich wuͤrgen, wie Kain, und verflucht, den Mord auf der Stirne, herumirren.

Grimaldi.

Lieber Guelfo, nicht ſo!

Guelfo.

Mit mir Eſaus Geſchichte zu ſpie - len, noch eh er ſtamlen konnte! Koſ’t den Kna - ben! koſ’t ihn fort! ſchließt ihn in die zaͤrtlichen Arme! Herausreiſſen will ich ihn! Jhr ſtahlt mir alles, und gabt’s ihm, weil ihr meinen Geiſt nicht faſſen konntet. Grimaldi, als Knabe ward ich in Schatten geſtellt, und er ans Licht gezogen;Bihm18ihm alles doppelt gegeben, mir einfach. Fein ging man mit Heuchler Jacob um, und ſtieß den rauhen Eſau weg. Wie denn? warum denn?

Grimaldi.

Was draͤngt ſich auf in Dir?

Guelfo.

Tauſend Bilder des Vergangnen. Wie er alles hatte! Kriegten wir Spielzeug, Zuk - kerbrod, das Beſte hatt er. Und ſo mit allen Dingen, wie wir heran wuchſen. Um ein junges neapolitaniſches Hengſtchen flehte ich einſtens, lag zu des alten Guelfos Fuͤſſen und netzte ſie. Nichts! Ferdinando hatt es, ob er ſich ſchon nicht im Sat - tel halten konnte, und blutig zuruͤckkam. Da wollt er mirs geben; aber nieder ſtieß ich den fluͤchtigen Springer im Grimm. Da kreuzigten ſie ſich. Und nun dann, Grimaldi! alle Guͤter, alle Beſitzthuͤmer ihm! mir 500 Ducaten Apanage das all, weil man nicht wußte, nicht wiſſen wollte

Grimaldi.

Du biſt des alten Guelfos Sohn nicht. Du biſt auſſer dem Bette gezeugt. Hat er einen Zug, ein Faͤſerchen am Leibe, wie Du? Guelfo!

Guelfo.

Nun denn, heraus will ichs ha - ben! Hoͤrſt Du’s bruͤllen? Heraus will ichs ha - ben! Jch will meine Mutter in die Enge treiben, und bekennen ſoll ſie! Ha! wie ſie mich ausſtieſ -ſen,19ſen, auf Reiſen jagten, er mir mittlerweile die - biſch des Vaters Gunſt, Herz und Guͤter ſtahl! Grimaldi, dieſe Nacht will ich wachen, alle Um - ſtaͤnde zuſammen ziehen, will alles deutlich ſehen! Es iſt hell, wie die Wahrheit. Aber reitzen will ich meine Galle, mein Blut jagen, will ſie alle haſſen lernen! O wie mir alles gluͤhend einfaͤllt, daß ſies immer vor hatten! Dieſer Umſtand und dieſer ich wills zuſammenziehen, und der Aus - wurf ſoll blutig ausfallen! Guelfos Erſter ich! Hoͤrſt Du, wie die Wahrheit aus dem Echo zin - gelt: Guelfos Erſter Du! Grimaldi, wie waͤrs moͤglich? Sag nur! red nur!

Grimaldi.

Was weiß ich von! Mich aͤrgert nichts, als daß Dir mitgeſpielt iſt.

Guelfo.

Martre mich nicht! Jch ſehs, wies aus Deinem bleichen Geſicht, aus Deinen ſtieren Augen herausblickt. Haß’ſt Du ihn nicht? und moͤchtſt ihn haben, hinzuſchleudern das Leben Deines Moͤrders?

Grimaldi.

Guelfo! es kan mich einer beleidigt haben, ich kanns ihm vergeben haben. Noch einmal, was mich aͤrgert, iſt, daß Du zur Eiche aufgewachſen warſt, nun da ſtehſt, ein klei - nes duͤrres Baͤumchen am Wege, fuͤr das der Bettler eben ſo wenig Ehrfurcht hat, als derB 2Große,20Große, Dich anſtoͤßt, und jeder ſich ein Sproͤß - chen abbricht, daß Du kahl da ſteheſt. Du allein haͤttſt Dein Haus in vorige Aufnahme gebracht durch Deine Tapferkeit. Und wie viel wuͤrde ge - fehlt haben, wenn Du Kamilla geheurathet haͤt - teſt, Du haͤtteſt Dich mit Deinen und ihren Guͤ - tern zum Herzog aufgeſchwungen; dann brav ge - arbeitet Guelfo! ein Menſch mit dieſem Sinn, mit dieſer Feſtigkeit, mit dieſer niederwer - fenden Gewalt Jch moͤchte raſend werden! Der Welt einen Mann zu ſtehlen, an dem ſie ſich geweidet haͤtte, wie an einer neuen Erſcheinung! Jch muß aufhoͤren; mich faßt eine uͤble Laune, und ich moͤchte Dir rathen, moͤchte was will das auch! Mich friert’s, und ’s laͤuft mir kalt durch die Adern. Jch fuͤrchte krank zu wer - den uͤber mein Elend und dieſe Nachricht. Guel - fo! daß wir ſo hingeſtreckt ſind! Laß mich los! ich rede nichts mehr.

Guelfo.

Und was brauch ich denn alles das? Fuͤhl ich mich nicht, und weiß, wozu ich geſchaffen bin? und weiß, wie man ſich an mir verſuͤndigt hat? Grimaldi, ich wuͤrde mich ſelbſt niederſtoßen, augenblicks, wenn mir das nicht grimmig zublieſe. Was denn? Mein Vater? meine Mutter? Sind ſies? Laß das nur, undſpar21ſpar Dein wenig Othem, daß Du fortlebſt; ich wills ſchon drehen.

Grimaldi.

Nu meintwegen! Wers gut treibt, der hats gut! ſagte mein Vater, und ſchickte mich mit 100 Ducaten in die Welt. Und weit waͤr ich mit kommen Guelfo, wenn Du einmal kalt biſt, will ich Dirs erzaͤhlen.

Guelfo.

Geh nur, ich brauchs nicht. Wenn Du mir begegneſt, laß das die Loſung ſein: Guelfo, du ſchlaͤfſt! Dieſe Nacht will ich viel mit Dir reden.

Grimaldi.

Ein Wort noch! Nimm alles zuſammen! ſieh Dich an! ſieh Dich an, Guelfo, ob Du ſein Sohn biſt? Halts zuſammen, ob ihr Zwillinge ſeid? Mir iſt vieles dunkel noch bei der Geſchichte, und ich bin ſo wenig aufgelegt, klar zu ſehen Der Tod hat ſich laͤngſt um mei - ne Gebeine gehaͤngt; loßreiſſen werd ich ihn dießmal nicht. Und finſtres Denken, mein belei - digtes zerſtoßnes Herz Dieſer Blick iſt gut, Guelfo! Fahr fort! Bei alledem moͤcht ich Fer - dinando kein Haar kruͤmmen. Verfahr gut, habs gut! Jch wollte, die Nacht und alle Naͤchte waͤ - ren um.

Guelfo.

Was ich worden waͤr! was ich worden waͤr! Guelfo, wie hat man ſchon bei dei -ner22ner Geburt gearbeitet, dich zu erſticken! Und wenn ich mich anſeh, anfuͤhl, mein Muth hervor bricht Fieberhafter Grimaldi, Du ſtreichelſt die Tropfen von der Stirn, und mißt mich mit den Augen ſtaunſt, wunderſt Dich, ziehſt die Augenbraunen

Grimaldi.

Einen großen Menſchen in ei - nem kleinen zu ſehn. Man koͤmmt! Guelfo!

(ab.)

Dritter Auftritt.

Amalia. Guelfo.
Amalia.

Guelfo! mein Sohn!

Guelfo.

Mutter, Dein Sohn?

Amalia.

Biſt Du krank, mein Guelfo?

Guelfo.

Nein! nicht!

Amalia.

Jch hoͤrte, Du haͤtteſt den Doctor kommen laſſen, und lief aͤngſtlich nach Dir. Was iſt Dir?

Guelfo.

Nichts! Nichts!

Amalia.

Wie, mein Sohn? Deiner Mut - ter keinen Liebesblick?

Guelfo.

Ha, meine Mutter! Mutter! Mutter und meine Mutter! Jch hab der Liebes - blicke keinen. Kennen Sie den Guelfo? Oh! ich bitte, mit all dem Koſen und Streicheln laſſenSie23Sie mich! Meine Wangen ſind der milden ſanf - ten Hand der Mutter ungewohnt.

Amalia.

So ſollſt Du dieſen Kuß haben! Sollſt ihn aufgedrungen haben von der Mutter Lippen, mein wilder Sohn Guelfo! Wehr dich nicht, Guelfo! und dieſen, und dieſen, mit all der Liebe der Mutter!

Guelfo.

Wie, Mutter? Sie irren ſich. Meine Lippen ſind nicht ſanft, meine Stimme klingt nicht ſuͤß, ich bin nicht weiſe, bin der rau - he Ritter Guelfo.

Amalia.

Und auch der liebe Guelfo. O mein Guelfo, ſieh freundlich, ſieh gut, mach un - ſre Freude laut und vollkommen! Warum laͤßt Du uns ſo unfreundlich?

(faßt ihn an der Hand)

Sieh, Guelfo, ich koͤnnte Dir itzt viele Vorwuͤrfe ma - chen, daß Du uns fliehſt, daß Du immer auſſer Hauſe biſt, und, wenn Du zuruͤck kommſt, Dich einſperrſt: und ich und Dein Vater weinen uͤber Deine rauhe Gemuͤthsart Tag und Nacht. Aber, ich wills nicht thun, mein Guelfo! will das alles dulden, wills muͤtterlich dulden! Du wirſt Dich aͤndern. Nicht wahr, Guelfo? Du wirſt milder?

Guelfo.

Ja denn! ich werde milder! Laſ - ſen Sie mich! Noch einmal, Jhr Koſen iſt mei - nen Wangen unbekannt.

Amalia. 24
Amalia.

Du ſtoͤßt meine Hand weg! Guel - ſo! ſtoͤßt Deine Mutter weg!

Guelfo.

Weine! weine! klage! taumle zu Deinem Ferdinando! He, Mutter?

(faßt ihre Hand.)
Amalia.

Druͤck mich hart, ſtarker Guelfo! Deine Hand iſt maͤnnlich; ſchone der weichen Hand der Mutter nicht, wenns der Druck der Liebe iſt.

Guelfo.

Ja, der Druck der Liebe, und der Druck Was nun, Guelfo?

Amalia.

Da fiel eine dicke, volle Thraͤne herunter. Ha, Guelfo!

Guelfo.

Es iſt meine nicht.

Amalia.

Luͤge nicht, mein Guelfo! Laß ſie Dein ſein! Jch ſah ſie auf Deinem Auge zit - tern. Laß ſie mich wegkuͤſſen! Wenn der Mann, wie Du, weint, fuͤhlt er tief. Nicht, mein Guelfo? Du liebſt Deine Mutter, die Dich ſo ſehr liebt, die Tag und Nacht ſeufzt, und betet, Du moͤchteſt gut ſein, und Liebe erwiedern? Mein ſtarker Guelfo, laß mich an Dir ruhen! Du haſt mir viel Liebes gethan die Stunde, haſt mir viel Liebes gethan Dein Leben durch.

Guelfo.

Mutter was haben Sie mit mir vor?

Ama -25
Amalia.

Lieber Guelfo, wenn meine Liebe Dich nicht ſchuͤtzte o Dein Herz ſchlaͤgt ſtark! Schlaͤgts der Mutter?

Guelfo.

Weiß ich das? wenn mich Jhre Liebe nicht ſchuͤtzte ? nun?

Amalia.

Dein Vater wird jeden Tag mehr aufgebracht. Taͤglich kommen Klagen wegen Dei - ner. Oft wollt er Dich aufſuchen, Dirs vorhal - ten im Grimm. Jch ſchlung mich um ihn, hielt ihn, log heut erſt noch

Guelfo.

Mag er kommen! Guelfo kennt ſich und ſeinen Vater. Weib, Du haͤttſt mich nicht gebaͤren ſollen! Jch war kein Knabe fuͤr Euch, bin kein Mann fuͤr Euch! Erwuͤrgen haͤttſt Du mich ſollen! erdruͤcken in der Wiege, daß ich nicht aufgewachſen waͤre, der Loͤwe Guelfo! Jch hab Muth, Feuer, Geiſt, Staͤrke und habt mich niedergeſchlagen bei der Geburt! Ha! bin ich aus dem Hauſe der Guelfen? Nicht, Weib? Du gebarſt den Ritter Guelfo, daß er Spott ſey? Deine ſanften Haͤnde waͤren damals ſtark genug geweſen, mich zu wuͤrgen. Schling ſie um mich! Du kannſt Guelfos Nacken nicht umſpannen; und doch, wenn Du mir den Dienſt thun willſt, halt ich ſtill.

Amalia. 26
Amalia.

Guelfo! mein Sohn! mein Sohn! erbarm Dich Deiner Mutter!

Guelfo.

Und wer erbarmt ſich meiner, der ich gefoltert werde von boͤſen Geiſtern innig? Wer erbarmte ſich meiner von je? Mir? mir? des Guelfo?

Amalia.

Angſt! Angſt! Dein Va - ter koͤmmt. Berg Dich hinter die Liebe Deiner Mutter, wenn er zuͤrnt.

Guelfo.

Still, Mutter!

Vierter Auftritt.

Alter Guelfo. Vorige. (hernach) ein Bedienter.
Amalia.
(zum Vater)

Guelfo, Dein Sohn iſt gut und ſanft. Jch verſichre Dich, der Rit - ter war nie ſo lieb. Komm, lieber Guelfo, Du ſollſt ſehen, daß man dem Ritter viel Unrecht thut. Er iſt ein herrlicher Junge, unſer Guelfo, ein tapferer Ritter, dem keiner ſteht. Sieh ihn an, Vater! Haſt Du Einen in Jtalien geſehen, der ihm gleicht? Ein bischen wild iſt mein Guelfo; aber das giebt ſich: und Tapferkeit, ſagt man, iſt wild. Nicht, mein Guelfo?

Alter Guelfo.

Das waͤr was! Nun denn, Ritter, wende Dich zu mir! Gib mir Deine ner -vigte27vigte Hand, Sohn! Denk immer, daß Du ein Sohn des beruͤhmten Guelfo biſt, das ich Dir nicht genug ſagen kan! Denk, daß wir viele Feinde haben; Deine Fauſt kann ſie ſchrecken, denn Du biſt fuͤrchterlich beruͤhmt im Streit. O mein Ferdinando! mein Guelfo! zwei ſtarke Pfei - ler meines beneideten Hauſes, auf denen der Alte im Friede ruhen kan, feſt und geſchuͤtzt. Meine Erndte in Krieg und Vertheidigung iſt gethan; ich habe mich hingeſtreckt, traͤume meine Jugend, und ſehe Euch zu. Da ſtehen ſie, Guelfo ein Fel - ſen im Meer, und Ferdinando, der mehr durch Klugheit gewinnt, weil er ſtiller iſt, reifer uͤber - legt, und ſeinen Vortheil abſieht.

Amalia.

Und Guelfo?

Alter Guelfo.

Wenn Du edel biſt, Guelfo, Deine Wildheit zum Guten lenkſt, Deine Tapfer - keit von Ferdinandos Klugheit leiten laͤßt, ſoll un - ſer Haus bald ein Herzogthum bluͤhen. He, Guelfo?

Guelfo.

He, Guelfo! He, Herzog Ferdi - nando! He, Guelfo!

Alter Guelfo.

He, Ritter Guelfo!

Amalia.

He! Freude! Und mein ſtarker Sohn Guelfo noch General! Das muß er wer - den. Hat er ſich nicht rechtſchaffen gehalten, daßihn28ihn alle neiden? Traͤgt er nicht eine große Wun - de unter dem Orden, die ihn mehr ziert, als der Orden? Noch einmal, ein herrlicher Junge, mein Guelfo, wenn er ſeine Mutter liebt, und ſtill iſt!

Alter Guelfo.

Amalia, iſt das des Kind’s Blick? Es kocht was in ihm! Sieh den Drachen - blick! Guelfo!

Amalia.

Geh doch! laß doch! Wer weiß, was dem Guelfo iſt! Er iſt krank.

Alter Guelfo.

Nein doch! Jch muß ſe - hen, wie ſich Leidenſchaften bei meinen Kindern zeichnen. Was beißt er die Zaͤhne? was zieht er die Fauſt zuſammen? was woͤlkt ſich die Stirne? So ſteht man vorm Feinde. Mann, Dein Ge - ſicht gefaͤllt mir nicht.

Guelfo.

Dann gebt mir eine Larve!

Alter Guelfo.

Ha! das iſt die ſchaͤndlich - ſte Larve, die Du itzt traͤgſt.

Amalia.

Er iſt krank, ſag ich, es ſchmerzt ihn was. Geh doch, Guelfo! Reit dem Sohn und der Braut entgegen! Geh doch! ich will ihn ſanft machen, er iſt gar willig, wenn ich allein um ihn bin.

Alter Guelfo.

Nein doch! Guelfo! ſieh Deines Vaters Angeſicht Blickt ich Dichſo29ſo an, Du ſollteſt mich haſſen. Was ſoll ich thun?

Guelfo.

Den Guelfo haſſen, wie Du thuſt.

Alter Guelfo.

War das Guelfos zweiter Sohn?

Guelfo.

Guelfos Narr!

Amalia.

Guelfo, geh doch! Laß es hier - mit! Guelfo wird gut; Du weißt, daß das ſeine Krankheit iſt.

Alter Guelfo.

Fluch Dir, Guelfo! wenn Du ſo ſiehſt.

Guelfo.

Fluch mir! wenn ich anders ſeh.

Amalia.

Segen Guelfo, wenn er noch wilder ſieht. Hinaus, Alter! Will keiner gehen? Beide heiß, wie Feuer! Vater! Sohn! He da! ich ſchwaches Weib will Euch Wuͤthende abhalten. Wart! ich will meine Schnuͤrchen abreißen, und Euch anheften, weit von einander. Jch bin ein ſchwaches Weib, will mich an Dich haͤngen, Al - ter! Keiner ſoll des andern Stirne ſehen. He Guelfo!

(wirft ihm ein Tuch aufs Geſicht)

ich will Dein wildes Geſicht decken, das ihn erzuͤrnt. Blickſt mir doch gut zu, mein Sohn!

Guelfo.

Laßt es! Seid getroſt, Mutter! Jhr ſollt des Guelfos los werden, den Jhr zuGrunde30Grunde gerichtet, den Jhr bei der Geburt zu Grunde gericht habt!

Alter Guelfo.

Ein boͤſer Geiſt redet aus Dir! Du haſt den Wuͤrgteufel, der Vater und Mutter nicht ſchont. Die Sorge fuͤr Dich riß mich von den Feinden, als ich den erfochtenen Sieg nutzen wollte. Du biſt mein Sohn nicht.

Guelfo.

Sagt das noch einmal, ich bin Euer Sohn nicht.

Alter Guelfo.

So nicht.

Guelfo.

Los von Vater! Mutter, bin ich Dein Sohn?

Amalia.

Mein Sohn? Still! ſtill! Jhr endet mit mir!

Guelfo.

Ha dann! von Euch beiden los! entſagt! Haſt Du noch etwas, beruͤhmter Guel - ſo? Jch habs gehoͤrt, und das zittert mir in der Seele Jch bin Guelfos Sohn nicht! Gott, du haſts gehoͤrt! Jch bin Guelfos Sohn nicht. Jch habs gehoͤrt, wie Guelfos Fluch den Baſtard Guelfo traf.

(kniet)

Hier knie ich und ſchwoͤr Dir ab ſchwoͤr Dir ab, ich bin Dein Sohn nicht, grauer Guelfo! bin Dein Sohn nicht, ſanftes Weib! Nun dann! ich ziehe mein Schwerdt, und beginne den Schwur Jch ar - mer Ritter Guelfo laßt Eure Thraͤne nichtum31um mich in Staub fallen! miſcht ſie mit Ferdi - nandos Freudenthraͤnen! Jch armer Ritter und Baſtart

Alter Guelfo.
(indem ſie ihm beide um den Hals fallen)

Du biſt mein Sohn! mein lieber Sohn.

Amalia.

Du ſollſt mein Sohn ſein, und wenn Du mir das Herz noch mehr bluten machtſt! und wenn Du mir den bittern Todeskelch reich - teſt! Du biſt mein Sohn! mein Guelfo! den ich unter meinem Herzen trug, ihm freudig ent - gegen weinte, eh ich ihn ſah! biſt mein Guelfo!

Alter Guelfo.

Tauſend vaͤterlichen Segen fuͤr den zu raſchen Fluch, mein Sohn! Sei Dei - nes Hauſes Zierde!

Guelfo.

Jhr ſpielt mit mir mißbraucht mich! Wohl dann! ich will’s ſein kann ichs ſein.

Amalia.

Laß Du die Thraͤnen fallen vom Aug, alter Guelfo! Sie zieren Dich. Und laß ſie uns miſchen mit Freudenthraͤnen! O Guelfo! ſei der Mutter Luſt! Sagt ich Dir nicht, der Ritter iſt gut; Du kennſt ihn nicht, wie ihn die Mutter kennt. Sieh gut, Sohn!

(Waͤhrend daß Amalia ſpricht, bringt ein Diener dem alten Guelfo einen Brief, er lieſt.)
Alter32
Alter Guelfo.

Erſchrecklich! Jch hab Dir meinen Segen geben, ich hab Dir meine Thraͤ - nen geben und da und da lies! lies! Was zitterſt Du, Weib? Hinans! ich will Dich hinaus ſtoßen und da

Amalia.

Und da iſt mein Sohn, der ſoll mich ſchuͤtzen fuͤr Guelfos Grimm.

Alter Guelfo.

Und er hat den Mann ge - peitſcht, daß er auf den Tod liegt den Mann, der ſeinen vielen Kindern Brod gab. Er hat ſie hingebracht, Hungers zu ſterben! zu laufen in die Wildniß! Jch gab ihm meinen Segen, weinte ihm meine Thraͤnen. Ha! ich will meine Augen ausreißen, weinen ſie noch einmal uͤber Guelfos zweiten Sohn! Haſt Du geleſen?

Guelfo.

Jch thats; ja doch, ich thats. Jch ſchuͤttle mich, und Guelfo nehm ſeinen Segen und trag ihn uͤber Ferdinando! Verdient das Fluch? Jch peitſchte meinen Pachter, weil er mir das Reh ſtahl das ſchoͤnſte Reh im Forſt; peitſch - te ihn, weil er meinen Hund ſtach, daß er ſtarb. Wer will Rechenſchaft?

Amalia.

That er das?

Guelfo.

Ob ers that? Luͤgt Ritter Guelfo? Wart einen Augenblick, alter Guelfo!

(ſucht im Schreibtiſch)

Hier iſt die Abtretung des Guts;und33und ſo zerreiß ich ſie. Nimms nun, gibs dem Erſtgebohrnen! Hier haſt Du Deinen Segen; ge - wirkt hat er noch nichts. Nimms, nimm alles! Hier ſteh ich ohne alle Anſpruͤche. Nimm, daß ich kahl werde! He da! Ritter Guelfo! leg dei - nen Degen an, und zieh gegen die Tuͤrken! Was fehlt dir noch? Du biſt reich mit deinem Herz und Arm.

Alter Guelfo.

Nein! nein! Du ſollſt das Gut behalten, und mehr dazu. Jch will dem Pachter Entſchaͤdigung geben; es wird ſo arg nicht ſein.

Guelfo.

Jch will nichts, ich bin reich.

Amalia.

Nimms doch, Guelfo! Jch will Dir einen praͤchtigen Schmuck geben, fuͤr Deine kuͤnftige Braut.

Guelfo.

Ha, ha, ha! Guelfo, geben Sie mir den Zug Apfelſchimmel zum Erbtheil; und ich gehe, der verfluchte, verlohrne Sohn! Geben Sie mir den Zug Apfelſchimmel; ich will mich reich halten, will mich mit dieſem Muth durch die Welt ſchlagen.

Amalia.

Gib ihm die Schimmel, gib ihm die Pferde all.

Alter Guelfo.

Guelfo, die Schimmel hat Dein Bruder ſchon.

CGuelfo. 34
Guelfo.

Mag er ſie behalten.

Alter Guelfo.

Er koͤmmt in einer halben Stunde mit ſeiner Braut; er gibt ſie Dir. Guel - fo, freu Dich mit uns!

Amalia.

Du ſollſt ſie haben. Komm uns nach!

(ab.)

Fuͤnfter Auftritt.

Guelfo
(allein.)

Niederſchießen will ich ſie und ihn! Jch will ſie nicht, ich mag ſie nicht! Traͤumt ichs doch, wußt ichs doch! Es ſind vortrefliche Pferde, und ſtampfen

(ſtampft)

den Boden, blaſen, werfen die Maͤhne, haben einen Blitz im Aug Hey - da! Ritter Guelfo! kauf dir einen Eſel, und reit zum Tuͤrken! Er hat ſie, hat Segen, Liebe, Her - zogthum und Kamilla! Ha! ich werd raſend! O ich kuͤßte die Fingerſpitzen der Kamilla, und war Wonnetrunken; legte meine Rauhigkeit nie - der, wie der Tieger, der Orpheus Sang hoͤrte. Sie ſang Kamilla! Hu, Caßius!

(Jn ein Nebenkabinet ab.)
Zwei -35

Zweiter Aufzug.

Erſter Auftritt.

(Ein Saal.) Guelfo. Grimaldi.
Guelfo.

Jſt Dirs wieder beſſer, Grimaldi?

Grimaldi.

Wenn mirs am Koͤrper fehlte, lieber Guelfo, ſcheut ich keine Feuerkur. Abloͤſen wollt ich mir das Glied laſſen, wo michs ſchmerz - te, und verſtuͤmmelt ſtandhaft leben. Aber, Guel - fo, tief und peinlich und auch wonniglich liegts in meiner Seele. Einen gebeugten von Menſchen gekraͤnkten Geiſt, ein verwundetes Herz mit ſich herumzuſchleppen, und ſo taͤglich dem oͤden Grabe mit geſenktem Haupte zuzuwallen Sieh, Bru - der! ich falle vom Fleiſch, ſchmachte, ſeh bleich und dieſer morſche Koͤrper bluͤhte einſt in lieb - licher Jugend, ward beſtaunt, geliebt. Trat ich auf, Guelfo, ziſchelten ſich die Maͤdels in die Oh - ren, webten mit Blicken und Bewegungen Ketten und Netze, den Grimaldi zu beſtricken. DasC 2war36war Gedraͤng, Zunicken, Faͤcherrauſchen und An - haͤngen. Wie viele Uneinigkeiten und kleine Zaͤn - kereien verurſachte ich nicht unter Schweſtern, Liebenden und Herzensfreundinnen! Wenn ich eine mit Waͤrme und mehrerer Theilnehmung an - ſah, ſtellte ſich ſchnell ihre Nachbarin in Riß, und ſtahl wenigſtens den Blick auf die Haͤlfte, den ich Hoͤflichkeits wegen nicht kalt zuruͤckziehen konnte. Ja ja!

Guelfo.

Red nur fort, Grimaldi; ich kan hoͤren, und das denken Jch ſeh nur nach der Straße, um meinen Bruder mit den Hengſten im Pomp anfahren zu ſehn. Nu?

Grimaldi.

Wie das nun all liegt, Jngend und Vermoͤgen! Jch ſenke meine Arme, ſenke mein Haupt gefallen bin ich, der raſche Gri - maldi! Und da ich fiel, durch Neid und Verfol - gung von Schwachen, floh Schnellkraft, Zuver - ſicht und Feſtigkeit. Jch zog mich ganz in mich in mein Trauren. Das geſellſchaftliche Leben unter Menſchen, alle heitere Empfindungen, alle Theilnehmung an meinem und andrer Geſchick, alle Sinne verwandelten ſich in meiner gedruͤckten Bruſt in Haß und Widerwillen. Jch ſchwirre nun in Trauergedanken, fuͤhl mich vergehen, fuͤhl mich gerne vergehen Denn was iſt das Leben,mein37mein lieber Guelfo, wenn einem das genommen iſt, was einem Leben giebt, wenn einem noch da - zu der Weg verlegt iſt, den zu gehen man ge - macht iſt?

Guelfo.

Man raͤumts weg, Grimaldi!

Grimaldi.

Denn muß man auch das vo - rige Gefuͤhl wieder in ſich ſammlen koͤnnen. Aber, Guelfo, wenn das nun all niedergeriſſen iſt, was uns damals trieb, wie den jungen Adler, der ſei - ne Schwingen ſtark fuͤhlt, den Weg zur Sonne zu ſchweben wenn das nun nicht mehr aufzu - wecken iſt Lieber Guelfo, ich ſchein mir dem geblendeten Adler zu gleichen, der ſein Leben in den Felſen austrauert. Was huͤlfe mirs nun auch, wenn ich mich wieder aufzutreiben ſuchte, einige Schritte taumelte, und mich doch nicht an der Sonne erquicken koͤnnte, worauf es ankoͤmmt!

Guelfo.

Das koͤmmt all wieder. Man findt ſich, und das andre findt ſich auch.

(unverwandt durchs Fenſter nach der Straſſe.)
Grimaldi.

Ja, es kam einſtens ein Son - nenblick! Guelfo, Du weißt doch auch, wer kam, und mir die Nacht vors goldne Straͤhlchen feindlich ſtellte, daß ich weiter nichts erblickte, als Haß und boͤſen Genius in mir? War das Erquickung fuͤr mein Herz, als mir die Lichtge -ſtalt38ſtalt erſchien! Jch hatt ein Liedchen, das ich da - mals oft ſang

Guelfo.

Sing Grimaldi.

Grimaldi.
(ſingt)
Heiter kehreſt du, o Licht!
Und ein helles Straͤhlchen bricht
Aus der dumpfen Nacht hervor,
Hebt mein leidend Herz empor.
Es erſchien ein Engelskind,
Ruͤhrte meine Seele ſchwind!
Und die Trauer ſchwand dahin,
Selig, ſelig nun ich bin!
Selig, ſelig werd ich ſein,
Wenn die Liebe mich wiegt ein,
Wenn die Lieb den Trauerfinn
Wandelt mir in Freudenſinn!
Glaͤnzt ferner durch die Nacht,
Liebe, ſuͤße Zaubermacht!
Huͤlle mich, o Zauber, ein!
Selig, ſelig werd ich ſein!

O Guelfo, Guelfo! was waren das Stunden!

Guelfo.

Und nun?

Grimaldi.

Guelfo, das wollte der ſchla - fende Genius wieder aufwachen, wollte mich be - leben, und ich ward angeſpornt traͤumte gluͤ - hende Traͤume, wie ich nun mit Rieſenſchritten gehen wollte als ein edler Kerl! Guelfo, ich wardauf39auf die Wagſchaale gelegt, mein Adel zu leicht befunden; mein Werth fiel tief, Guelfo! Die ſuͤßen Augenblicke, die ich lebte, die mich zu allem gemacht haͤtten! Ward ich nicht in Finſterniß zu - ruͤckgeſtoßen, worin ich noch immer tappe?

Guelfo.

Du haſt Recht, Grimaldi. Du warſt damals in einem Gang, gingſt ſo ſchnell nach dem Ziel, daß ich Dir mit Wunder zuſah.

Grimaldi.

Drum ſtieß mich Vetter Ferdi - nando unter; der alte Guelfo haͤtt ſich des Gri - maldi erbarmt. O der Seligkeit der Stunden! o der Seligkeit des Grimaldis! o der Verdam - mung des Grimaldis, die nun um ihn liegt!

Guelfo.

Armer Narr! Haͤtts an mir gele - gen, Du haͤttſt ſie haben ſollen. Jch hatte Dich auch gewogen, Grimaldi! aber ich fand Dich be - waͤhrt. Was nutzte mein Reden all?

Grimaldi.

Jch dank Dir noch, mein lie - ber Bruder. Jch will Dich immer ſo nennen, und nach Othen ſchnappen, wenn ichs denk, und Dich an meine Bruſt druͤcke.

(umarmt ihn)

O wenn ichs worden waͤr! und wenn ichs worden waͤr iſt ſie nicht todt?

Guelfo.

Das herrliche Maͤdchen!

Grimaldi.

Sie ſtarb! ſie ſtarb! und da ſie ſtarb, ſtarb Grimaldi! Alle Hoffnung und Lebenent -40entquoll meinem Herzen mit den blutigen Thraͤ - nen. Bruder! Dir darf ichs ſagen, daß mir jede Nacht ihre blaſſe Todtengeſtalt erſcheint, daß ich ſie ſo kalt in meine Arme feſtdruͤcke, daß ſie mir winkt, und daß ſie mich nach ſich zieht. O Ju - liette! Juliette!

Guelfo.

Geh doch! laß mich!

Grimaldi.

Fuͤhlt ich ihren Tod nicht ſo ſcharf! und wuͤrd ihn ſchaͤrfer fuͤhlen Hab dich Gott, meine Liebe! Grimaldi wallt dir eine duͤſtre Wallfahrt nach. Und gewiß waͤrſt du noch hier; denn ich wollte dich gepflegt haben, wollte dich getragen haben, auf den Fittigen der erquik - kenden Liebe! O Juliette, du waͤrſt noch unter uns!

Guelfo.

Jch bitt Dich, Grimaldi, wieg mich nicht in dieſen ſchwermuͤthigen Ton. Jch brauch Staͤrke; und bin ich nicht im nemlichen Fall?

Grimaldi.

Armer Guelfo!

Guelfo.

Waͤr Kamilla nicht mein worden, und ich haͤtt in den Armen der Liebe den Loͤwen Guelfo abgelegt? waͤr ſtill und friedlich gewor - den? Sie hatte Guelfos ganze Seele.

Grimaldi.

Du ſagteſts ihr?

Guelfo. 41
Guelfo.

Nein! nicht! Jch Beſtohlner, der ich nichts als meinen Degen habe!

Grimaldi.

Und er hat ſie nun, da er mit den ſchweren Titeln kam, mit den reichen Gold - ſaͤcken, von Herzogs Glanz gefuͤhrt? Da buͤckte ſich die Liebe ha! und buͤckte ſich unter, und der tapfere Guelfo ſchwand aus ihrem Herzen. Sterben will ich, ohne an Juliette zu denken, wenn er nicht deine Liebe wußte.

Guelfo.

Mag er! er hat ſich weh mit ge - than; denn fordern will ich auch das von ihm im Grimm. Himmel und Erde! wenn ich der Won - ne denk, in der ich ſchwebte, ihre Geſtalt vor mir ſeh mit aller Glorie der Schoͤnheit! Grimal - di, das war ein Leben! das waren Zuͤckungen! Jch kann Dich verſichern, ich allein kan das Weib an ihr finden, das an ihr iſt, das Weib des tapfern Ritters, dem ſie Siegeskronen mit Liebe windet, koͤmmt er vom Feinde. Jhm iſt ſie nichts. Jch konnte den Schleier heben, und im Heilig - thum der innern Schoͤnheit ihrer Seele leſen. Ha! wie ich einſt nach der Schlacht ihrem Schloſ - ſe zujagte, mit Blut der Feinde beſpritzt! Sie laͤchelte himmliſch von dem Balcon herunter, warf mir ein weißes Tuch zu, rief: Ritter, wiſch das Blut weg! Du ſchreckſt meine Geſpielen. Undich42ich thats mit dem Tuch, legte es auf mein Herz ſiehſt Du’s! hier heilte es, und that gut.

Grimaldi.

Und das Weib hat er?

Guelfo.

Und das Weib hat er!

Grimaldi.

Vor Deinen Augen ſeine Selig - keit, vor Deinen Augen die herrliche Geſtalt, vor Deinen Augen den Himmel! Hoͤlle in mir und Dir! Bruder, laß uns Einſiedler werden, laß uns der Welt abſagen, und uns treu ſterben! Wie kann ichs, wie kannſt. Du’s anſehen? Eine haͤrne Kutte waͤr des armen Grimaldis Sache.

Guelfo.

Guelfos eine ſtaͤhlerne Keule, zu zerbrechen damit das Haupt

Grimaldi.

Gebaͤr den Gedanken nicht! Ha! dort kommen ſie gefahren!

Guelfo.

Will kein Donner nieder? will kein Donner nieder, die ſpringenden baͤumenden Hengſte zu laͤhmen? Ha! wie die Pferde ausgrei - fen! was das hebt! Sieh den Herrn im rothen Kleide mit Gold, wie Herzoglich praͤchtig! Will kein Donner nieder? Siehſt Du ſie? O Grimal - di, im weiſſen Kleide! Sie ſieht heraus, ſtreckt ihre Hand heraus, und wirft dem Bettler was zu die Chaiſe wendet wieder der Stern auf ſeiner Bruſt, wie er blinkt! Sie! Teufel! Teufel!

Gri -43
Grimaldi.
(unverwandt zum Fenſter hinaus)

Wirfſt Du Seifenblaſen hinaus? Sie zerplatzen, eh ſie niederkommen, armer Narr!

Guelfo.

Grimaldi! Grimaldi! Laß mich was thun! Jch will eine Piſtole losſchießen ich muß ſo was hoͤren! Mein Herz heiſchts!

Grimaldi.

Jn die Luft doch?

Guelfo.

Heyda! Wart! nach der Waſ - ſerſeite

(ſchießt zum andern Fenſter hinaus)

Hi! Hi!

Grimaldi.

Raſch in Hof! Eins, zwei ſechs Diener nur vier Laͤufer nur zwei Heiducken nur Es iſt wenig und genug fuͤr einen Herzog.

Guelfo.
(kniet nieder, ſpricht in ſich und ſpringt auf)

Ausgeſprochen, und geſchehn; feſt in meinem Blut ſitzts! ſauſts an den Waͤnden her, und kraͤuſelt ſichs in der Luft! Bei Guelfos Herz! es ſoll nicht zergehen, wie Grimaldis Seifen - blaſen.

Grimaldi.

Was treibſt Du hinter mir.

Guelfo.

Frag nicht! Was ich thu, thu ich!

Grimaldi.

Sie ſteigen aus Vater, Mutter

Guelfo.

Koſ’t ihn, liebt ihn, ſpringt um ihn herum! So! druͤckt ihn noch feſter ans Herz,und44und weint! Fluch mir! Fluch mir! Bei der Ge - burt beſtohlen! Nun dann, bettelarm heute! Brav, Ferdinando! Wollte Gott, du mach - teſt deine Sache anders; aber ſo wieder? hu!

Grimaldi.

Das iſt naͤrriſch. Sieh, dort im Teich, wie der Menſch den Fiſch angelt. Er zuckt ſehr, zuckt ſich los, faͤllt aufs Ufer, er haſcht ihn

Guelfo.

Und er kuͤßt ſie! Ha! vor meinen Augen! denk! vor meinen Augen! ſaß ſo lang bei ihr, hat ſie ſo lang, wird ſie haben, und vor meinen Augenj Grimaldi, will er mich um - bringen?

Grimaldi.

Wie der Kerl den Fiſch zappeln ließ! Pfui!

Guelfo.

Und wie ich zapple! Mit den Kuͤſ - ſen angeln ſie meine Seele, und ich blute. Ka - milla! Kamilla! Jch haͤng an der Angel, zucke mich zu Tode! Sie ſieht nach ihm, und Liebe zit - tert auf ihren Lippen ſieht herauf was denn? Kamilla, was denn? O weh mir!

Grimaldi.

Sie kommen herauf Willſt Du ſie erwarten?

Guelfo.

An der Angel den Tod zu zappeln?

(Beide ab.)
Zwei -45

Zweiter Auftritt.

Alter Guelfo. Amalia. Ferdinando. Kamilla.
Ferdinando.

Nun iſt mir ganz wohl, da ich wieder hier im Hauſe des Vaters bin. Mich kam eine wunderbare Empfindung an, da ich ſo den Hegwald herunter fuhr. Aber da ich in Guelfos Hauſe bin, jedes Bildchen ſeh, jeden Ge - genſtand erkenne, des Vaters Liebe fuͤhl, iſt mir ganz leicht.

Kamilla.

Du haſt mich ſehr erſchreckt, lie - ber Ferdinando. Du wardſt ſo bleich Guel - fo, er ſaß auf einmal ſo ſtill, und zitterte, ich konnt ihn kaum zu ſich bringen. Komm, Ferdi - nando! Deine Stirne iſt noch heiß er ſchwitz - te Angſtſchweiß, Vater! Lieber Ferdinando!

Amalia.

Sohn! Lieber! Mach mir nicht angſt!

Alter Guelfo.

Es koͤmmt vom Fahren. Es iſt heute ſehr heiß geweſen.

Kamilla.

Nein! Jhm fehlt was

Ferdinando.

Es iſt nun wieder voruͤber. Es iſt naͤrriſch! Kamilla, ich wollte Dirs nicht gleich ſagen, aber itzt lach ich ſelbſt druͤber. Guelfo, als wir an die Eichen kamen, ſah ich inder46der Ferne meine Geſtalt aufſteigen, daß ich mich kannte, und wildes Geraͤuſch ſchreckte mein Ohr.

Amalia.

Deine Geſtalt, Ferdinando?

Ferdinando.

Lebendig! Meine Sinne koͤn - nen mich betrogen haben; ich vergeß es ſchon wieder.

Alter Guelfo.

Einbildung, Ferdinando! nichts als Einbildung!

Ferdinando.

So nehm ichs auch. Mir iſts nur leid, daß ich meine Kamilla erſchreckte. Es iſt voruͤber, und war voruͤber, da Du mir mit der Hand uͤber die Stirne fuhrſt, und riefſt. Jch wachte auf, wie aus einem Schrecktraum, und ſchien mir in Himmel uͤber zu gehn. Nun, Vater? Nicht ſo ernſthaft! Kuͤſſen Sie Jhren Sohn noch einmal! Meine Mutter! Laßt mich gluͤcklich ſein! Alles will ichs machen, und alles wird michs machen! Meine Kamilla hat Jhnen ihr Herz geſchenkt, da ſie mirs gab; und ihr Blick giebt Jhnen die Verſicherung. O wir wer - den ein Leben fuͤhren

Amalia.

Mein lieber Ferdinando! Ja! wir werden nun recht freudig ſein zuſammen.

Ferdinando.

O Mutter, Sie ſinds! Die - ſe wenige Worte Sehen Sie mich fort ſo an!

Alter47
Alter Guelfo.

Ruh aus, mein Sohn, Du uͤberlaͤßt Dich zu ſehr dem Gefuͤhl! Ruh aus!

Kamilla.

Jch zaͤhlte alle Stunden, fragte jeden Augenblick: Wie weit ſind wir noch, Fer - dinando? ſo begierig war ich, den alten Guelfo wieder einmal zu ſehen, und meines Ferdinandos Mutter. Und Ferdinando war guͤtig, erzaͤhlte mir viel von Jhnen, von der herrlichen Gegend, und alles find ich ſo. Es iſt ein lieblicher Sitz, ſagt er, beim Vater. Und gewiß iſts ein liebli - cher Sitz. Eine Gegend, ſo ſchoͤn, als eine in Jtalien. O ſo die Tiber hinunter zu ſehen, von der Sonne verguͤldet, den ſuͤſſen Geſang der Voͤ - gel und den Guelfo, die Mutter, meinen Ferdinando Guelfo, wir wollen der Liebe und Freude leben!

(kuͤßt der Alten Haͤnde, Ama - lia kuͤßt ſie.)
Alter Guelfo.

Sie machen mich mein Al - ter vergeſſen. Alles vergnuͤgt, verjuͤngt mich, was ich ſeh und hoͤre. Jhr Kinder beſtuͤrmt des alten Guelfos Herz mit zu viel Liebe; er iſt ihrer ſo wenig gewohnt, daß es ihm Traum ſcheint. Zwar, wenn Ferdinando da iſt, da leb ich immer ſo im Taumel; denn Ferdinando weiß mit Liebe des Alten Herz warm zu halten. Ferdinando! Ferdinando! Geprieſen ſey Gott, daß ich Dichwie -48wieder einmal in meinen Armen halten kan! daß ich die Wonne fuͤhle, das treue Kind feſt an mich zu druͤcken! Laß Dich recht druͤcken, Guel - fos Zierde.

Ferdinando.

Mich nicht allein, mein Vater.

Alter Guelfo.

Ha! Dich allein! Dich al - lein! Biſt Du’s nicht allein, der dem Vater guͤt - lich thut? der des Vaters Wohlthat iſt? der des Guelfos Haus erhebt, daß die Feinde vor Neid vergehen? Ja! ſie werden ſich verzehren in Mar - ter, unſer Haus ſo maͤchtig zu ſehn. Ferdinando! Segen uͤber Dich! Daß Du hoch empor wachſeſt im Lande! Kamilla, ſein Sie nicht ſo bewegt! Ruhen Sie! Wir wollen Euch zuſehn; Jhr ſeid muͤd, und ich moͤcht Euch zuſammen ſitzen ſehn.

Amalia.

Guelfo! vergiß nicht, ich bitte Dich!

(ab.)
Alter Guelfo.

Ferdinando, waͤrſt Du nicht, ich legte mich hin, und ſtuͤrb; denn Guelfo wird ſehr geaͤrgert in ſeinen alten Tagen. Aber nun will ich leben; meine grauen Haare ſollen ſich weiß faͤrben, und meine Jahre hoch ſteigen, von Dir geleitet. Jch muß es erleben, was aus mei - nem Ferdinando wird. Juͤngſt war ſo ein Hof - ſchranze hier, der erzaͤhlte Wunderdinge

(und mochte ihn wohl heimlich hetzen)

was man ausDir49Dir ſo große Dinge machte wie ſchon alle große Haͤuſer aufmerkſam wuͤrden daß Du des Herzogs rechter Arm waͤrſt Ha! dacht ich bei mir ſeht nur auf Guelfos Stamm er ſoll bald Herzog ſein.

Ferdinando.

Gnuͤgſamkeit! Nicht zu hoch geſpannt, Vater, daß die Sehne nicht ſpringt! Es iſt noch Zeit genug; und ich koͤnnte tiefer fallen, je hoͤher.

Alter Guelfo.

Das wollt ich ſehn, ich! Was Gnuͤgſamkeit! Man muß ſteigen, ſo hoch man kann! war immer mein Denken. Und da ich mich ſo weit im Gleichgewicht hielt, Euch ſo weit vorgearbeitet hab Alſo red mir nicht!

Kamilla.

Werden Sie nicht zu ernſthaft!

Alter Guelfo.

Verzeihen Sie mir!

Kamilla.

Nicht doch, Vater! Reden Sie, was Sie wollen, was Jhnen gut thut.

Alter Guelfo.

Das iſt freundlich, Toch - ter! Gott erhalt Dich mir!

Ferdinando.

Wo iſt denn mein Bruder? Jch ſeh lang nach ihm. Wo iſt er?

Kamilla.

Jch dachte, er wuͤrde der erſte ſein, der uns entgegen kaͤme.

Alter Guelfo.

Ja doch, er! Jch ſeh ihn manchmal in einem Monat nicht, den wildenDGuel -50Guelfo. Ferdinando, er wird immer unbaͤndi - ger, ſtolzer. Rachgierig iſt er; ſtoͤßt mich und ſeine Mutter ins Grab im blinden Zorn. Er brennt, wie Feuer, wenn wir ihn beruͤhren. Jch bin zu alt, den Sohn Guelfo zu baͤndigen. Jch muß zittern fuͤr ihn. Heute hab ich ihn einmal wieder geſehen, und faſt brach er mir das Herz. Er liegt immer im Walde, badet ſeine Haͤnde in der armen Thiere Blut. Koͤmmt er einmal, ver - graͤbt er ſich, und weh, der ſich ihm naht!

Ferdinando.

Vater, ich ſagte immer, man muß Guelfo mit Liebe und Nachgeben begegnen, will man ihn gut haben.

Alter Guelfo.

Und thu ichs nicht? und muß ichs thun, ich ſein Vater? Doch thu ichs, halt ihn ſanft, wie Du Deine Braut. Meine Amalia thuts auch. Jch fuͤrcht, unſer Streicheln macht den Wilden unbaͤndiger.

Kamilla.

Der Ritter hat ein edles Herz.

Ferdinando.

Das hat er, Kamilla. Vater, laſſen Sie ihm ſeine Unbaͤndigkeit, all ſein Weſen; wenns Krieg giebt, brauſ’t er aus. Jch will ihn mit meiner Liebe zwingen, mir hold zu ſein.

Alter Guelfo.

Jch kenn ihn auch, und mag nicht reden. Jch wollte, mein Herz hing nicht ſo an ihm.

Ka -51
Kamilla.

Es muß an ihm haͤngen; der Rit - ter verdients.

Ferdinando.

Er iſt die Zierde Jhres Hau - ſes, ein Schrecken der Feinde.

Alter Guelfo.

Das iſt wahr. Nun wir wollen ihn mild zu machen ſuchen. Kamilla hat eine liebliche Stimme, und ſingt in die Laute. Wir wollen taͤglich harmoniſche Muſik machen, und ihn zaͤhmen. Jch wollt, er hing dem Gri - maldi nicht ſo an, der macht ihn traurig dazu mit ſeiner Melancholie; das verdirbt ihn voͤllig. Gri - maldi iſt ein duͤſtrer Menſch, der Nachts im Feld laͤuft, bei Sturm und Wind, und zu den Ster - nen ruft. Der Kirchhof ſoll ſein liebſter Aufent - halt ſein. Jch ſelbſt fand ihn einſtens durch die oͤde Nacht weinen, daß ich erſchrack. Das iſt Guelfos Geſellſchaft.

Dritter Auftritt.

Grimaldi, (tritt auf.) Vorige.
Ferdinando.

O des traurigen Grimaldi! Willkommen, Vetter!

Grimaldi.

O des freudigen Ferdinando! Guten Tag denn allen freudigen Seelen, und mir alle ihre Traurigkeit!

D 2Fer -52
Ferdinando.

Jch dachte gewiß, ich wuͤrde Sie heiterer finden.

Grimaldi.
(legt die Hand aufs Herz.)
Ferdinando.

Sie ſehen noch verſtoͤrter und trauriger. Armer Grimaldi, Sie bluͤhten lieb - lich Jch wollte, Sie hieltens wieder mit dem guten Gefuͤhl.

Grimaldi.

Und ich wollte, Sie waͤren nicht ſo luſtig. Wahrhaftig, ich bin ſo hin, das Laͤcheln eines Menſchen kann mich beleidigen. Jch kan oft meinen Hund nicht ausſtehen, wenn er freudig um mich ſpringt.

Ferdinando.

Winden Sie ſich los.

Grimaldi.

Still, Vetter! Das iſt Jhre Braut! O eine liebe Braut!

(kuͤßt ihr die Hand.)
Ferdinando.

Wuͤnſchen Sie mir nicht Gluͤck?

Kamilla.
(zu Grimaldi)

Jch wollt, ich braͤcht Jhnen Freude mit!

Grimaldi.

O guͤtig! himmliſch Jch wollte armes Herz!

Ferdinando.

Was iſt Jhnen?

Grimaldi.

Nichts! nichts, als daß ich kein Wort reden kan! Gnaͤdige Graͤfinn, Sie ſcheinen keine Tochter der Erde zu ſein. Sie haben Jhre Sanftmuth, und Gott ſei Dank! Siehaben53haben einen melancholiſchen Zug uͤber dem Auge, der mir wohl thut.

Alter Guelfo.

He, Grimaldi! wollen Sie uns alle anſtecken?

Grimaldi.

Guten Tag, Vater! Jch ſah Sie kaum. Behuͤte mich! Jch will Euch Eure Freude laſſen; ich wollt, ich koͤnnte Euch meine vorige dazu geben! Aber, Guelfo, die Graͤfinn!

(ſieht gen Himmel)

Und dort wohnt eine, und hier wohnt ſie!

(die Hand aufs Herz)

Graͤfinn Ka - milla, Sie haben o dieſer Zug, der ſich ſo ſanft, ſo weich hebend in die Lippen verliert und die labende Oefnung des Munds dieſes himmliſche reine Auge dieſes ſuͤſſe Wallen das haben Sie, ja! Sie habens von ihr.

Kamilla.

Mein Herr!

Ferdinando.

Sie ſchwaͤrmen wieder, Gri - maldi! Kommen ſie doch zu ſich.

Alter Guelfo.
(dazwiſchen vor ſich)

Er meint meine Tochter, und hat Recht.

(wiſcht ſich die Augen.)
Grimaldi.

Verſteht kein Menſch den Lei - denden? Jch will gehn, Ferdinando, und Sie nicht weiter ſtoͤren. Vater, vergoͤnnen Sie mir ein Plaͤtzchen im Hauſe mit dem Ritter; ich mach Jhnen denn bald Raum.

Ka -54
Kamilla.

Bleiben Sie bei uns! Jch hab ſo viel Gutes von Jhnen gehoͤrt; ich wuͤnſchte, Sie ſoͤhnten ſich mit der Welt aus.

Grimaldi.

Nicht doch! nicht doch! Jch und die Welt haben gebrochen, und ſo gebrochen, daß mein Herz mitbrach.

Alter Guelfo.

Wo iſt der Ritter?

Grimaldi.

Seine Mutter iſt bei ihm.

Alter Guelfo.

Dacht ichs doch, als ſie wegſchlich! Grimaldi hat uns alle Freude verdor - ben. Haͤngt die Koͤpfe nicht ſo! Gleicht Jhr doch alle dem Schwaͤrmer!

Ferdinando.

Jch moͤchte alles vergnuͤgt ſe - hen, und ich weiß nicht, ich hab heute ſelbſt ei - nen Hang zur Schwermuth.

Grimaldi.

O Ferdinando, ſagen Sie das nicht.

Alter Guelfo.

Morgen ſoll Hochzeit ſein. Sind das Hochzeitgeſichter? Kommt zu Ti - ſche! Grimaldi, ſein Sie munter, oder blei - ben Sie weg.

Grimaldi.

Das letzte, Guelfo! das letzte

Ferdinando.

Nein! kommen Sie!

(die andern gehn.)
Vier -55

Vierter Auftritt.

Grimaldi
(allein.)

Armer, armer Guelfo! Deine Pruͤfung iſt hart! Armer, armer Grimaldi! Du haſt viel von ihr geſehen. O meine Juliette, laß mich nicht ſo lange! nimm mich bald! und ſaß ich nicht hier bei Dir? Kamſt Du nicht an einem ſchoͤnen Fruͤhlingsmorgen hier herein, erſchrocken, und ich hatte Dich in meinen Armen, und Du ſagteſt: Lieber Grimaldi! und ich ſagte: Liebe Ju - liette, was iſt Jhnen? Du ſagteſt, ein Kind ſei in den Hof gefallen, das habe Dich erſchreckt Jch lief, und holte das Kind, und ver - bands; und ich bekam einen Kuß der Liebe und der guten Menſchheit. Ja, meine Juliette! Hier wars, wo ich der Liebe weinte; hier iſts, wo ich der Liebe ſterbe. Ha! und wars nicht hier, wo Dein Ferdinando ſagte, unſre Liebe gel - te nichts? Sagt er ſo? Nein! Du ſollteſt den reichen Grafen heurathen; ſo ſagt er. Aber mein Herz ſagte, Juliette wirds nicht thun! Sie thats auch nicht, und vermaͤhlte ſich mit dem Tode. Ferdinando! Weg Jch muß Rache denken, und mag keine denken. O Ju - liette! Juliette

(geht.)
Fuͤnf -56

Fuͤnfter Auftritt.

(Das Zimmer des erſten Aufzuges.) Kamilla. Ritter Guelfo.
Guelfo.
(vor der Thuͤr)

Jch muß ſie ſehn! muß ſie allein ſehn!

(tritt herein.)
Kamilla.

Ritter Guelfo, noch einmal will - kommen, ſo finſter Sie mich auch vorhin anſahen, als Sie bei uns vorbei eilten, und ſich kaum hal - ten lieſſen! Was machen Sie?

Guelfo.
(kniet)

Legen Sie Jhre willkomm - ne Hand auf mein Haupt, und den Liebesſegen! o allen Segen in dieſem! Jch ſteh nicht auf. Ka - milla. Segen von dieſer Hand dem armen Rit - ter Guelfo! Jhre Hand auf mein Haupt, an mein Herz, an meine Lippen, und mit meinen Lippen verſiegelt den Liebesſegen!

Kamilla.

Ritter!

Guelfo.

Wenden Sie ſich nicht von mir! O Kamilla! Kamilla! dieſen Troſt dem Verfluch - ten, beraubten Guelfo! Sehn Sie mich an! Mit Einem Blick von der Marter mich loszuwin - den, wie wenig koſtet das!

Kamilla.

Guelfo, was iſt Jhnen? Sie ſehn verſtoͤrt

Guelfo. 57
Guelfo.

Mir iſt nichts, gar nichts und wenn ich dieſe Hand habe, und wenn ich dieſe lie - be Hand auf mein geaͤngſtetes Herz lege, gar nichts! Willkommen, meine Schweſter! Tau - ſendmal willkommen, meine Schweſter! Meine Liebe willkommen, meine Kamilla! O ſo ſchwebe vor mir! ſo mache mich lebendig! Laß mich fuͤhlen in dieſem Kuß alles Entzuͤcken der Liebe, und alle Marter! Willkommen, meine Schweſter!

Kamilla.

Sehr willkommen, Ritter! Jch bitte Sie, ſehn Sie anders. Kommen Sie, er - zaͤhlen Sie mir etwas. Jch habe Sie ſo lange nicht geſehen, und gewiß, ich verlangte nach Jhnen.

Guelfo.

Jch moͤchte das glauben, und mit dieſem Glauben mich gegen die Feinde ſtellen! Jſts ſo, meine Schweſter?

Kamilla.

Gewiß! Da ich Sie das letzte - mal ſah, machten Sie mir viele Sorgen.

Guelfo.

Guelfo! hoͤrſt du das? Und es rief mir eine Stimme zu: Habe Glauben! und es rief mir abermal eine Stimme zu: Habe kei - nen Glauben! Denn wenn du das glaubſt Guelfo, wo biſt du? Nun, Kamilla, wie mir iſt? ich kann Jhnen ſagen, Kamilla aber58aber was ich ſagen kann Kamilla, ſehn Sie mich an und was ich ſagen koͤnnte

Kamilla.

Laſſen Sie mich los!

Guelfo.

Nicht, Kamilla und meine Schwe - ſter! Jch ſoll Jhnen ja erzaͤhlen. Und, Kamilla, wenn ich dieſe weiße Hand habe, und wenn ich dieſe Adern ſo blau ſich ſchlaͤngeln ſeh, dieſe Puls - ſchlaͤge lauſche, und Jhnen ins Geſicht ſeh, werd ich Jhnen viel erzaͤhlen koͤnnen. Aber da ich ſo gar wenig reden kan, doch ſo viel zu reden habe das letztemal, da ich Sie ſah, war mirs frei - lich wunderlich. Denn, wenn ich mich noch recht beſinne, ſchickten Sie mir Balſam fuͤr meine auf - gerißnen Haͤnde, die ich kriegte, als die Pferde ſcheu wurden, und mit meiner Kamilla davon ren - nen wollten, das mir denn ſehr ungerecht ſchien. Jch fiel ihnen aber auch brav dafuͤr in die Maͤhne, und hielt ſie, daß ſie ſtunden, wie Laͤmmer.

Kamilla.

Nein, damals wars nicht. Sie ſind irre. Das letztemal ſah ich Sie, als mein Ferdinando kam.

Guelfo.

Jhr Ferdinando? ja doch! Jch ritt nach, ohn es zu wiſſen, daß Jhr Ferdi - nando da war. Wie ich nun kam, und alles nur Ferdinando ſchien, alles um Ferdinando ſchwebte Heida! ſein Sie doch luſtig! Jch weiß nicht,was59was das fuͤr ein Geſpraͤch iſt, das wir zuſammen fuͤhren. Jch ſah Sie noch nicht einmal laͤcheln, und Sie ſtehlen einem doch das Herz weg, wenn Sie laͤcheln. Jch bin ſehr luſtig, lache mehr, als ich weine. Mich wundert nur, daß niemand mit mir lachen will. Ha, ha, ha! Daß Sie nun da ſind! Ha, ha, ha! Daß ich Sie habe, dieſe Hand habe, dieſe liebe Kamilla habe, und alles mich neidet! Ha, ha, ha! Lachen Sie doch!

Kamilla.

Sie ſind fuͤrchterlich mit Jhrem Lachen.

Guelfo.

Daß weiß ich laͤngſt. Sie wollen nicht einmal mit mir lachen? Nicht ein Laͤcheln? Thun Sies doch! Zwingen Sie ſich ein wenig! Um eines Kranken willen! Das Lachen ſoll ja ſo ſympathetiſch ſein, daß gleich alle lachen, wenn einer lacht. Noch nicht, meine Kamilla?

Kamilla.

Ja, Sie ſind wirklich krank. Laſſen Sie mich!

Guelfo.

Sie ſtoßen den Kranken weg! Und wenn ich denn krank bin, einen Troſt, meine Ka - milla! Jch ſah Sie wohl weinen und beſorgt ſein, um eine Jhrer Kammerfraͤulein, die ploͤtz - lich krank ward; ja Sie warteten und pflegten Sie. Jch will nur ein gutes Woͤrtchen. Mir ziehen Sie unbarmherzig Jhre ſeidne Hand zu -ruͤck;60ruͤck; und wenn ich ſie mit meinen Fingerſpitzen beruͤhre, fliehen doch alle Krankheiten, und ich ſteh da, als waͤr ich zur Unſterblichkeit gebohren. Wie, meine Kamilla?

Kamilla.

Jhre Krankheit iſt von einer Art ich will Jhren Bruder rufen.

Guelfo.

Jſt er eiferſuͤchtig? Jſt ers? und ich will ihm Nu meintwegen! rufen Sie Jh - ren Ferdinando! Vernichtet habt ihr mich doch alle! Was willſt Du, Guelfo?

(ſchlaͤgt ſich vor die Stirne)

Jſt er nicht da? Jſt der Braͤutigam noch nicht da?

Kamilla.

Sein Sie gut, Ritter! ſein Sie ſanft! Sie begegnen Jhrem Bruder hart. Er weinte bitterlich, da Sie ſeine Hand wegſtießen, und fiel ſchluchzend dem alten Guelfo in die Arme.

Guelfo.

Das kann er, weinen kann er! Und er weint ſich damit ſehr viel. Seine Thraͤ - nen ha! wenn ich meine Thraͤnen ſo verkau - fen koͤnnte, wenn ich ſie ſo verkaufen moͤchte Alſo, er weinte, und da?

Kamilla.

Jch bitte Sie um Gottes willen, ſein Sie anders! Jch muß den Augenblick weg, wenn Sie nicht Mann ſind.

Guelfo.

Ha! was ruft? Was wallt in die - ſen zarten Adern auf? Was ſchreit dieſe Stim -me,61me, die ſonſt ſo weich und harmoniſch klang? Kamilla, Verzeihung! Jch beuge meine Kniee vor Dir, dem erſten Weib auf Erden Ver - zeihung! Haſt Du ſie gewaͤhrt, ſo blick noch ein - mal auf mich, der ich im Staube zertreten bin ich gehe.

Kamilla.

Stehn Sie auf! Wir koͤnnen uns unmoͤglich ſo wiederſehen, das ich doch wollte.

Guelfo.

Das war Kamilla! Da entquillt ihren Lippen Erquickung, daß ſich Ritter Guelfo aufrichten kann! O Kamilla kan einen aus dem Todesſchlaf wecken, kann einen umwenden mit ei - nem Blick! Nun iſt mir doch gar wohl.

Kamilla.

Und Thraͤnen im Auge?

Guelfo.

Sehn Sie das? Pfui Guelfo! ſei Mann! folg dem Beſcheid!

Kamilla.

Kommen Sie ans Fenſter! Es iſt praͤchtig Abendroth; die Sonne geht herrlich unter. Freuen Sie ſich doch mit mir!

Guelfo.

Die letzten Sonnenſtrahlen durch die Baͤume her Jch moͤchte mich in die Feuer - helle dort ſchwingen, auf jenen Wolken reiten mit vergoldetem Saume! Kamilla!

(faßt ſie an der Hand)

Ach! und ich bin wieder ſo hin ich moͤchte dieſe Feuerwolken zuſammenpacken, Sturm und Wetter erregen, und mich zerſchmet -tert62tert in den Abgrund ſtuͤrzen! Kamilla! Ka - milla! Kamilla!

(kuͤßt ſie heftig.)
Kamilla.

Guelfo! Guelfo! Laſſen Sie mich! He da!

Guelfo.

Schrei nicht! Und noch einen! und noch einen! Ha! ſo der letzte Kampf! Zu Deinen Fuͤßen geſtreckt bleib! bleib! ich geh! Schrei nicht, Kamilla! Ritter Guelfo heult; und wenn er heult, heult Lieb aus ihm.

Kamilla.
(nach der Thuͤr.)
Guelfo.

Wie denn? warum denn?

Sechſter Auftritt.

Ferdinando. Vorige.
Ferdinando.

Wie, mein lieber Bruder?

Guelfo.

He, was?

Ferdinando.

Erſchrocken, Kamilla? Was iſts?

Kamilla.

Nichts, Lieber! gar nichts!

Guelfo.

Glaub ihr nicht! Jch kuͤßte ſie ſieh, da ſtehn meine Kuͤſſe! Vier Kuͤſſe druͤckt ich auf ihre weiche Lippen! Ha, ich kuͤßte ſie ſtark, hielt ſie ſtark, und ſie wand ſich los, und ſchrie.

Ferdinando.

Da thatſt Du recht, Guelfo. Das iſt Deine Schuldigkeit; Du kuͤßteſt ſie nicht zum Willkommen.

Guelfo. 63
Guelfo.

Siehſt Du nicht, wie ich kuͤßte?

Ferdinando.

Und ich kuͤſſe ſie; kuͤſſe des Bruders Kuͤſſe von ihren Lippen, die mir ſelten und deſto theurer ſind.

Guelfo.

Und kuͤßt die Suͤnde vom Heilig - thum, die ich drauf kuͤßte, leidige ſchwarze Suͤn - denkuͤſſe! Bravo! Bravo! und all die Suͤnde haͤngt noch. Bravo! und Du wirſts nicht aus - loͤſchen.

Kamilla.
(ab.)
Guelfo.

Ritter Guelfo empfiehlt ſich. Du haſt meine Suͤnde, trag ſie!

Ferdinando.

Herzlich gern, lieber Bruder. Aber

Guelfo.

Wurmt Dirs? Du ſiehſt roth auf einmal

Ferdinando.

Nicht doch, red freundlich mit Deinem Bruder! Gieb meiner Liebe Raum!

Guelfo.

Noch einmal, ich kuͤßte ſie heiß. Verſtehſt Du mich? Und dieſe Kuͤſſe, Ferdinando, wie Du ſehn ſollſt dieſe Kuͤſſe, wer was da - gegen hat Verſtehſt Du mich?

Ferdinando.

Kuͤß ſie mehr, Bruder!

Guelfo.

Jn Deiner Gegenwart? Wenn ſie mir um den Hals fiel, wenn mirs durch die Seele bebte, das gute Geſchoͤpf in meinen Armenzu64zu haben, wollt ich doch nicht! Nicht, weil ſie Deine Braut iſt, ſondern, weil ich nicht will!

Ferdinando.

Sprich anders, lieber Guelfo!

Guelfo.

Wer iſt der, welcher Guelfo lehren will, wie er ſprechen ſoll? Guelfo hat ausgelernt.

Ferdinando.

Will ich das? will ich das, Guelfo? Jch will nur, Du ſollſt reden, wie man mit ſeinem Bruder ſpricht.

Guelfo.

Und ich will, Du ſollſt gehen!

Ferdinando.

Laß mich meinen Bruder in Dir wieder finden!

Guelfo.

Menſch, geh!

Ferdinando.

Wenn ich Dir verhaßt bin, wenn ich muß Bruder, reit mit mir morgen fruͤh aus; ich hab Dir viel zu ſagen.

Guelfo.

Und ich wenig. Ritter Guelfo kann nicht vorherſagen, was er thun will.

Ferdinando.

Lieber Bruder!

Guelfo.

Was beliebt?

(von verſchiednen Seiten ab.)
Drit -65

Dritter Aufzug.

Erſter Auftritt.

(Es iſt Sturm und Nacht.) Grimaldi, (ſchlaͤft auf einem Sopha.) Guelfo, (tritt auf, ein Licht in der Hand.)
Guelfo.

Ha! verfolgt mich alles? Alle Daͤ - monen und alle Geſpenſter der Nacht? Mein boͤ - ſer Geiſt haͤngt mir auf dem Nacken, er laͤßt mich nicht, ſtiert mich aus allen Winkeln an. Blaſ zu! Vergift mir jedes Faͤſerchen meines Herzens! Wuͤhl giftig in meinem Blut! Hu! was martert den Guelfo? wen will Guelfo martern? Die Glocke ruft dumpf, der Sturm ſaußt uͤber der Tiber. Eine ſchoͤne Nacht! Ferdinando, gib das Weib! Ferdinando, gib die Erſtgeburt! Wer ſchlaͤft um mich, und ich will ihm den Schlaf von den Augen ſtehlen? He, Grimaldi! Kanſt Du ſo ſuͤß ſchlafen? Grimaldi! Grimal - di! gib mir auch Schlaf!

(reißt ihn.)
Grimaldi.

Ha! ha!

EGuelfo. 66
Guelfo.

Gib mir was von dem Schlaf, Du Liebling des Schlafgotts! Theil den Schlaf mit mir, Grimaldi! mit Deinem Guelfo, der Dir alles giebt! Nur ein kleines Mohnkoͤrnchen Schlaf! Gott! daß ich bis morgen ausdaure! Der arme Guelfo wird ſehr verfolgt, und gejagt! Grimaldi! ſchlaf ſchlaf nicht! Grimal - di! gib mir Schlaf!

Grimaldi.

Ach!

Guelfo.

Gib mir Schlaf, oder ich erwuͤr - ge Dich, und haſch den Schlaf im Fluge von Deinen Augen!

Grimaldi.

Laß mich! ich ſchlafe kalten To - desſchlaf Biſt Du’s, Bruder?

Guelfo.

Laß das Wort weg! Wiſch es ewig, ewig aus der Sprache der Lebendigen! Nenn mich anders, ſoll ich antworten!

Grimaldi.

Biſt Du’s, Guelfo?

Guelfo.

Freundlicher Grimaldi, Du machſt mich wieder gut. Wer anders, als Guelfo, wird zur Stunde der Mitternacht herumgetrieben?

Grimaldi.

Guelfo! ſo lange Zeit der erſte Schlummer, und der war fuͤrchterlich!

Guelfo.

Murr nicht! Schlaf kriegſt Du wieder, aber Deinen Guelfo nicht.

Grimaldi.

Sieh nicht ſo ſchrecklich! Was braußt?

Guelfo. 7[67]
Guelfo.

Ha, Schlaͤfer! Hab ich Dich er - tappt? Hoͤrſt Du nicht, wie lieblich die Natur mit Guelfo dahin braußt? O ich hab ſie immer geliebt, dafuͤr wuͤtet ſie jetzt dankbarlich mit mir. Habe Dank, guͤtige Mutter! Du biſt allein mir Vater und Mutter und Ferdinando! Laß mich die Sonne nie wieder ſehen! Schwarze Donner - ſchwangere Wolken haͤngen uͤber der Erde, bis ich fertig bin.

Grimaldi.

Setz Dich her, Guelfo! Du haſt einen boͤſen Tag gehabt, und ich hatt ihrer viele. Uns wirft das Ungluͤck zuſammen, und kettet uns feſt an. Wir wollen uns naͤher ruͤcken. Das Leiden iſt ein feſtes Band; das iſt Freund - ſchaft, derer ich achte. Wo koͤmmſt Du jetzt her, Guelfo!

Guelfo.

Grimaldi, wenn Deine Sinne nicht zerriſſen werden, wie meine, wenn Du mir nicht den tobenden Sturm unterbruͤllen hilfſt Grimaldi! ich muß! ich muß! Das Schickſal ſprach’s aus, ich muß! Blutig ſchwingt der To - desengel das wuͤrgende Schwerdt uͤber mich, und beruͤhrt meine Seele! Entſchluß iſt da, Vollbrin - gen iſt da! Alle gute Geiſter huͤllten ihr Haupt ein, und weinten eine Zaͤhre uͤber den verdamm - ten Guelfo. Jch muß! Grimaldi! wennE 2ich68ich nicht muͤßte Jm Sturme ſauſen boͤſe Gei - ſter; Guelfo, du mußt!

Grimaldi.

Was denn, Guelfo? Um Got - tes willen!

Guelfo.

Nenn ihn nicht!

Grimaldi.

Guelfo! Laß mich ſterben!

Guelfo.

Grimaldi ſoll nicht ſterben. Wenn Du mir ſtirbſt, Grimaldi, ſollſt Du dort Juliette nicht ſehen.

Grimaldi.

Behuͤte, Guelfo! So red doch!

Guelfo.

Jch hab nichts, als ein bischen Wuth. Sieh, wie ausgeſtoßen Guelfo da ſteht! Grimaldi! Morgen Abend iſt Hochzeit; ich ſoll der Knabe ſein, der die Fackel traͤgt Hymen! Hymen! Auch ich rufe! Hymen! Jch will euch ein Hymen poſaunen, daß Todte ſich umwenden daß die Sonne nie mehr wage, mit Heiter - keit aus ihrem goldnen Gezelt zu ſchauen! Denn Guelfo wird ein blutiges Brautlied ſingen! Nicht ſo bleich, Grimaldi! Jch ſchwaͤrme nur. Hoͤrſt du ein Geheimniß? Jch hab den Contrakt er - wiſcht, Ferdinando hat alles. Das Gut, das mir die 500 Ducaten abwarf, noch an Rand ge - ſchrieben. Sag das keinem Menſchen, Grimal - di! Es macht dem alten Guelfo wenig Ehre;und69und der alte Guelfo, ſagen die Leute, haͤlt viel auf Ehre.

Grimaldi.

Du haſt nichts?

Guelfo.

Nichts, nichts! Nicht ſo viel, daß ich mich vergiften koͤnnte! Arm bin ich, wie ein Bettler trug eben alle meine Baarſchaft in die Tiber!

Grimaldi.

Nichts haſt Du?

Guelfo.

Jch las nicht weiter. Unten ſtund eine ſo kleine bettleriſche Zahl, die er mir abge - ben ſollte, daß ich ſie gar nicht wiſſen mochte. So ſtehts nun mit mir! Jch hatte den Abend noch ein Gezerr mit dem alten Guelfo, das alles ent - ſchied. Der reiche uͤbermuͤthige Ferdinando wies mir, glaub ich, die Thuͤre, wenn ich ſo fortfuͤhre der alte Guelfo ſtieß mich wirklich hinaus Kamilla hielt mich Grimaldi! bei den Rachgeiſtern, die dieſe Sturmwolken peitſchen! ſie liebt mich! Sie ſchlung ihre Haͤnde um mich: Guelfo! laß Dir Sanftmuth zuhauchen! und ich bruͤllte: Du hauchſt mir den Teufel mehr zu, ſo ſanft und lieb Du auch biſt! Sie riſſen mich weg, und der alte Guelfo gab mir mit meiner Lanze, die hinter der Thuͤr ſtund, einen Schlag, der mich noch ſchmerzt. Jch ſchwieg, blickt ihn an, und ſah den Augenblick, daß ermein70mein Vater nicht iſt. Ein Vater, Grimaldi, kan den heißen Guelfo nicht ſchlagen. Aber, Alter! ich will auch unfreundlich hinein ſchlagen! Rauf deine grauen Haare! Ha! noch ſchmer - zen mich meine Lenden. Und ſie alle netzten Fer - dinando mit Thraͤnen, ſchrieen, als haͤtt ich ſie an der Gurgel: Einziger, rette uns! Merkſt Du das Wort? Einziger! Wie viel darinnen liegt! Das alles nun kam daher, weil ich ei - nige Kuͤſſe auf Kamillas Lippen druͤckte; die brannten den Buben!

Grimaldi.

Stoß mir deinen Degen durch die Bruſt; ich mags nicht aushoͤren. Was blutſt Du?

Guelfo.

Jch ſchmiß mit der Stirne auf die Steine, indem ſie mich hinaus warfen, glaub ich.

Grimaldi.

Menſchheit! Menſchheit! eine ſeindliche Hand ſchuͤttelte den Loostopf, die Stim - me ſchrie drein: Verflucht fall es auf die beiden! So fiels auf uns, ausgeleert mit Haß. Wir beide ſind vernichtet, ohne Rettung und Troſt. Jn dieſem Augenblick uͤberfaͤllt mich Menſchenhaß, daß meinem Gaumen nach ihnen geluͤſtet. Laß uns die Menſchen anfallen, wenn das Aeltern thun! Laß ſie uns zerreißen! Leg Deinen Degenweg,71weg, und ſchaͤrf Deine Zaͤhne! Ha! ich werd wahnſinnig mit Dir uͤber das Geſchick.

Guelfo.

Mord! Mord! und wenn ichs denke, ſtehn mir die Haare nicht. Grimaldi! rette mich vor meinem Geiſt. Rette, rette mich!

Grimaldi.

Ermanne Dich! und wenn ich ſage, ermanne Dich! ſag ich nichts. Jch waͤlze mich Jahre im Leiden, und kan mich nicht auf - richten.

Guelfo.

Rette mich vor meinem boͤſeu Geiſt! Horch, hoͤrſt Du nicht Trauermuſik? Hoͤrſt Du kein Leichengeheul? Grimaldi! Ha! nichts? nichts? Hoͤrſt Du nicht Wehklagen? Ha!

Grimaldi.

Dein Gehirn iſt zerruͤttet, ar - mer Narr! Weh denen, die Dich ſo weit brachten.

Guelfo.

Wenn das Getoͤs nur voruͤber waͤre!

Grimaldi.

Rache und Weh!

Guelfo.

Horch!

Grimaldi.

Jch halte Dich in meinen Ar - men, und will Dich retten. Guelfo! Laß uns zuſammen ſitzen und abſterben, wie der Fiſch, dem das Waſſer abgeleitet iſt. So iſts nun Nicht zu ſein, Guelfo! nicht zu ſein mehr! in die oͤde Gruft gehuͤllt hier nicht mehr! Wir wollen uͤbergehen, und Deine Schweſter wird uns em -pfan -72pfangen mit Friedenskronen. Komm, ſei ſtill! Laß uns uͤber den Tod reden! Jch bin vertraut mit ihm, und will Dir ſeine Apologie halten, die ganz kurz iſt. Guelfo, er iſt ein guter Freund, heilt ſchnell alles Ungluͤck. Du fuͤhlſt Dich matt, als haͤtteſt Du eine weite beſchwerliche Reiſe ge - than, ſchlummerſt ein, und fuͤhlſt Dich nach und nach nicht ohne Wolluſt ſterben. Er ſchmerzt nicht, Guelfo, nur in der Einbildung; er iſt viel zu freundlich. Er ſchlingt Dir ein Band um den Hals, das nicht ſchmerzt, es iſt mit einer einſchlaͤfernden Suͤßigkeit begabt. Kein Morgen - traum iſt lieblicher. Guelfo, ein herrlicher Ge - danke durchzittert mich nicht zu ſein! Und ſind wir ſo? Jch meine, des Menſchen Be - ſtimmung waͤre, zu handeln, ſich ſeinen Bruͤdern mitzutheilen. Wenn ſie das nicht wollen Guelfo, uͤber das Grab geht der Weg zu Juliet - ten Du giebſt nicht acht!

Guelfo.

Schwaͤrme Du immer, Grimaldi! Mich deucht, man muͤſſe ſich raͤchen, und dann ſterben. Rache iſt Seligkeit, und geh ich dann uͤber, bin ich nicht zwiefach ſelig.

Grimaldi.

Nachdem die Rache iſt auch zwiefach verdammt.

Guelfo. 73
Guelfo.

Hat nicht alles den Stachel zur Rache? Wenn Du den Wurm trittſt, windet er ſich unter Deiner Sohle, und ſucht ſich zu raͤ - chen. Jch haß ihn von der Wiege, haß ihn von der Stunde, als ſeine Eitelkeit uͤber mich hinaus wollte ich haß ihn von ſeinen erſten Stammeln. Ha! nannt er mich nicht einſt beim Spiel kleiner Guelfo! und ich ſchlug ihm vor die Stirne druͤber! Siehſt Du, wie das, was das Kind dachte, der Mann ausfuͤhrte? Seine Klei - der, die er trug, haßt ich. Trug er einen Rock von der Farbe des meinigen, zerriß ich meinen. Weil die Jungens alle meine feſten Tritte gien - gen, wollt ers auch nachmachen; aber ich zerar - beitete meine Kniee ſo lange, bis ſie anders ſchrit - ten; und die Kammeraden riefen: Guelfo, du gehſt anders! Mich deucht manchmal, ich haſſe Kamilla, weil ich ſie an ſeinen Lippen haͤn - gen ſah. Und wenn ich denk, Grimaldi, was das Leben iſt; wie einer, der eine vermoͤgende Seele hat, tief bei der Erde liegt, und ein andrer mit einem ſchwachen, eitlen, ſchmeichleriſchen Geiſt uͤber ihn hinaus ſchreitet und hoch ſitzt! Jch bin nur Guelfo ein Menſch, der wegen ſeiner Thaten ſchrecklich nnter Freunden und Feinden iſt. Da iſt Ferdinando, ein eitles, ſchwaches, elendes,puͤppi -74puͤppiſches Maͤnnchen, der von Empfindſamkeit viel ſchwaͤtzt, nichts als ein bischen Maͤdchenſeele hat. Denn ich weiß noch heute, daß ihm ein Junge eine Puppe nahm, mit der er ſpielte, ſie aus - und anputzte, wie ein kleines Dirnchen. Er heulte, wie ein Maͤdchen, und lief ſchluchzend zur Mutter. Und an eben dieſem Tage zerſchnitt mir einer aus Bosheit die Sehne meines Bogens. Er hatte viele Jahre vor mir; doch faßt ich ihn, ſchmiß ihn den Huͤgel hinunter, wie einen Ballen. Glaubſt Du wohl, daß dieſer nemliche Ferdinan - do von der Abendluft krank wurde? Und er iſt auf dem Weg, mit den mir geſtohlnen Guͤtern, mit der mir geſtohlnen Braut, Herzog zu wer - den; und ich bin auf dem Weg, ein Narr zu wer - den uͤber alles das! Aber abdringen will ich ſie ihm! er ſoll ſie hergeben, oder ſein Leben!

Grimaldi.

Guelfo! ſei arm! ſei elend! Nur mach, daß Du von dieſer Leidenſchaft los - kommſt, die Dich verzehrt!

Guelfo.

Ha, Schwaͤtzer! und haſt Du Dich nicht aufgerieben? Jch bitt Dich, ſteig auf den Balcon, gebeut dem Sturm, er ſoll ſich legen. Faß ihn an der Scheitel, und ruf: Was ſoll das, daß du wider meinen Willen die Ele - mente erregſt, und Verderben anrichtſt! Derbelei -75beleidigte Sturm wird fortbrauſen, Dich hageres Geripp nach der Tiber tragen, Dir ſeine Macht zu erkennen geben, und gerecht fortſauſen.

Grimaldi.

Verflucht! Eine ſolche Leiden - ſchaft zu unterdruͤcken gebieten, die die groͤßte Triebfeder unſers Weſens iſt die alles aus uns heraus windet, was wir werden koͤnnen! Guelfo, verſuch alles! Dring ihn, er ſoll Dir Ka - milla abtreten!

Guelfo.

Grimaldi! ich wollt ihm alles laſſen, alle meine andern Begierden ſollten ſchwei - gen. Aber glaubſt Du wohl? Ha! er muͤß - te der groͤßte Schurke ſein! und er ſolls! Jch ſchwoͤr Dir, er ſolls! Teufel und Hoͤlle! er ſolls Zitterſt Du? Und Du ſollſt ihm nach! Jſt er mein Bruder? Jſt er er ſoll!

Grimaldi.

Denkſt Du das, ſo ziehe Dei - nen Degen, laß mich ſterben!

Guelfo.

Zum Teufel mit Dir! horch!

Grimaldi.

Leiſe Schritte und Seufzer durch den Gang her

Guelfo.

Fort mit Dir! Mein boͤſer Geiſt koͤmmt wieder! Fort mit Dir! Jch will Niemand um mich ſehen. Hinaus!

Grimaldi.

Hoͤrſt Du nicht wimmern?

Guelfo.

Hinaus denn!

Gri -76
Grimaldi.

Guelfo!

Guelfo.

Bei meinem Zorn! ich verderbe Dich.

Grimaldi.

Weh uns! weh allen!

Zweiter Auftritt.

Amalia (vor der Thuͤr). Guelfo.
Amalia.

Mein Sohn, mein Guelfo, biſt Du hier?

Guelfo.

Jch bin hier wollt ich waͤre nicht hier!

Amalia.
(tritt herein und faͤllt ihm um den Hals)

O mein Guelfo, ich kan nicht ſchlafen, ich kan nicht wachen. Laß mich mit Dir reden, laß mich um Dich ſein!

Guelfo.

Mutter, Sie ſind zu einer un - gluͤcklichen Stunde gekommen. O es aus Dei - nem weichen Herzen zu draͤngen Jch bitt Sie, gehn Sie unſanft mit mir um!

Amalia.

Was iſts, mein Guelfo?

Guelfo.

Mutter, ich wollt, Sie waͤren nicht gekommen.

Amalia.

Warum, Guelfo? O ich ſuchte Dich herzlich auf! Unſre Kiſſen ſind mit Thraͤ - nen gebadet. Angſt und Liebe trieb mich vomLager77Lager auf. Jch ſchlich mich weg, mußte Dich ſehen. An weſſen Thuͤr ich voruͤber ging, hoͤrt ich Schluchzen und Weinen. Sohn, laß mich Dich zufrieden ſehn, alles wirds dann. Guelfo, nimm mir die Angſt vom Herzen!

Guelfo.

Noch einmal, waͤrſt Du nicht ge - kommen um Deinetwillen nicht! Guelfos Weib, kehren Sie zu ihm zuruͤck, und werden Sie ruhig! Sie ſind die Einzige auf dieſer wei - ten Erde, fuͤr die mein Herz etwas fuͤhlt. Du wirſt blutige Thraͤnen weinen. Nein! Du ſollſt nicht! ich hoffe, nicht. Geh! geh von mir, wenn Du meine Mutter biſt! Ha! ich be - ſchwoͤre Dich, ſieh nicht blaß und zerſchlagen, wie ein Nachtgeiſt! Ha, Mutter! und auch Ferdi - nandos Mutter!

Amalia.

Deine arme geaͤngſtete Mutter, wie ſeine. Laß mich um Dich! Laß mich bei meinem Sohn! mein Guelfo wird mir freundlich die Angſt vom Herzen nehmen, ſich mit mir aus - ſoͤhnen, wenn er mir zuͤrnt. Du biſt mein innig geliebter Sohn. Keine Mutter kan ihren Sohn mehr lieben, als ich meinen Guelfo. Gib mir Deine Hand, ſei gut! Wie wohl wird mirs dann ſein!

Guelfo. 78
Guelfo.

Schone meiner! ſchone Deiner! Jch bitt Sie, wenns aus mir bricht Blut wird aus Deinem Herzen ſtroͤmen. Mut - ter, komm! ich will Dich wegſchaffen, durch die - ſen Sturm tragen, daß Du Ruhe haſt!

Amalia.

Guelfo! was denkſt Du? Werd ich nicht ſelig um Dich ſein, wenn Du mein Sohn biſt? Weg von Dir? von Ferdinando? Mein Guelfo denkt anders. Ja, wenn Du ſagteſt, Du wollteſt mein Guelfo nicht ſein, mich denn zum Grabe truͤgſt, itzt noch, dann wuͤrdeſt Du mir einen Liebesdienſt thun. Und Guelfo! das iſt doch mein Schickſal, wenn Du nicht beſſer wirſt Aber Du wirſts ſo weit nicht kommen laſſen, Liebſter!

Guelfo.
(faͤllt nieder)

Mutter, noch einmal, ſchone meiner! ſchone Deiner! Du zerdruͤckſt mir das Herz mit dem Blick und den Reden, ver - wirrſt meine Sinne.

Amalia.
(kniet zu ihm)

Guelfo, ich knie zu Dir und flehe, laß Dich die Mutter heilen! Ruh an der bangen Bruſt der Mutter, und hol an ih - rem Herzen Ruh! Dein Herz wird ſtille ſein, und ruhig Deine Sinne.

Guelfo.

Du endeſt dieſe Stunde mit mir. Komm! ich will Dich fragen; antworte mir treu!

Amalia. 79
Amalia.

Das will ich. Der alte Guelfo trauert, Kamilla trauert, Ferdinando trauert.

Guelfo.

Kamilla? und wollt mich alle nie - derweinen? Kamilla ſoll nicht trauern, keiner ſoll trauern!

Amalia.

Dein Vater rauft ſich die grauen Haare uͤber Dich. Er ging hart mit mir um uͤber Dich.

Guelfo.

Laß Dichs nicht wundern, Mutter! Er kan nicht leiden, daß mir jemand gut ſei.

Amalia.

Nicht ſo, Guelfo! Er glaubt, ich ſtaͤrke Dich im Zorn. Er meints treu mit uns. Er bereuts, daß er Dir heut hart begegnet iſt; er bereuts innig.

Guelfo.

Mutter! hier, wo Du Deine Hand niederdruͤckſt, ſchlug der alte Guelfo ſeinen Sohn, daß es noch ſchmerzt.

Amalia.

Jch will meine Hand nicht nieder - druͤcken, Guelfo! will Dir ſanft uͤber den Schmerz ſtreichen! Verzeih mirs!

Guelfo.

Du legſt gluͤhende Kohlen auf meine Wunde.

Amalia.

Jch will ſie mit meinen Lippen kaͤlten und loͤſchen. Der alte Guelfo thats un - gern, ohne Vorſatz.

Guelfo. 80
Guelfo.

Ohne Vorſatz? Nein, nein! Er ſchlug, als wollt er mich in die Erde ſchlagen.

Amalia.

Nicht doch! Sieh, Du ſchoſſeſt nach der Lanze, und er fuͤrchtete

Guelfo.

Was? Was?

Amalia.

Deinen Zorn. Guelfo! es iſt ihm leid.

Guelfo.

Das ſolls nicht! Haͤtt er mich zu Boden geſchlagen, daß ich mich nicht wieder auf - gerichtet haͤtte, dann waͤrs morgen Hochzeitfeſt, und ich brauchte nicht zu ſingen das Brautlied. Jch bin Euch allen ein Abſcheu.

Amalia.

Gott bewahr! Guelfo! gib uns Frieden! gib Dir Frieden!

Guelfo.

Frieden ſollt Jhr haben hab ich ihn!

Amalia.

Auch die Schimmel ſollſt Du ha - ben, ſobald Ferdinando beim Herzog aufgefahren iſt. Ferdinando haͤtt Dir ſie gleich gegeben, aber Guelfo wollte nicht.

Guelfo.

Still, Mutter! oder ich renn in Stall, und ſtech ſie nieder.

Amalia.

Du wirſts nicht thun, wirſt Dei - ner Mutter ſchonen.

Guelfo.

Keines! Wie Jhr meiner ſchont!

Amalia. 81
Amalia.

Guelfo, ich ſchone Deiner, wie ich Deiner ſchonte, da ich Dich als ſchwachen Saͤugling an meine Bruſt druͤckte.

Guelfo.

Mutter! Mutter! und jetzt gehn Sie.

Amalia.

Du wirſt mich nicht wegſtoßen.

Guelfo.

Nun Mutter, ſag mir! ſag, mir! ha!

Amalia.

Dein Auge rollt fuͤrchterlich. Jch will mich hinter Dich verſtecken. Guelfo, berge mich vor Deinem Blick!

Guelfo.

Schau mich an, Guelfo’s Weib! Mach denn meiner Quaal auf Einmal ein Ende! Antwort mir treu!

Amalia.

Wenn ich Dir helfen koͤnnte! Eil! eil! zoͤgre nicht! was ſtockſt Du? Eil doch!

Guelfo.

Weib, wer von deinen Soͤhnen iſt der Erſtgeborne? Erſchrick nicht, oder Deine Furcht beantwortet meine Frage! Wo iſt nun die Huͤlfe, die meine Mutter ſo ſchnell verſprach? Antwort auf dieſe Frage, Mutter! Jch laß Dich nicht weg, und erliegſt Du unter der Angſt! Wer iſt der Erſtgeborne von Deinen Soͤhnen?

Amalia.

Ferdinando.

Guelfo.

Mutter! Auch Du willſt Guelfo durch Luͤgen betruͤgen? Mit dieſer Luͤge ſtirbtFdie82die Mutter aus meinem Herzen, mit dieſer Luͤge ſtirbt alles! Werd nicht ohnmaͤchtig! Und wenn Du ohnmaͤchtig wirſt, will ich Dich auf - bruͤllen, vom Tod auf! Halt Dich aufrecht! Ha denn! Mutter, wer von uns beiden iſt der Erſt - geborne?

Amalia.

Erbarm Dich mein! Erbarm Dich unſer aller, ſchrecklicher Wuͤrger!

Guelfo.

Beluͤgſt Du Deinen Guelfo?

Amalia.

Bei der Angſt, die je eine Mutter wegen ihres Kindes erlitten! ich luͤge nicht.

Guelfo.

Ferdinando waͤrs?

Amalia.

Ferdinando iſts!

Guelfo.

Wie ich Dich ertappe, Weib! und wie ich Dich ertapp auf Deinen Luͤgen! Mutter, Sie haͤtten gehn ſollen; nun iſts zu ſpaͤt! Und Sie meinen, ich wuͤßte den Betrug nicht? Noch einmal, wer iſt der Erſtgeborne?

Amalia.

Ferdinando!

Guelfo.

Hoͤr es, Guelfo! Deine Mutter rief ſich mit dem Namen aus Deinem Herzen. Es iſt Deine Mutter nicht. Jch ſtraf meine Mut - ter keine Luͤge; Guelfo’s Weib log! Weg, was Mutter heißt! Du biſt Guelſo’s Weib! Werd nicht83nicht ohnmaͤchtig, es hilft nichts! Du ſollſt mir ſagen, wie Jhrs machtet, um mich zu beſtehlen.

Amalia.

Guelfo! Guelfo! Die Angſt bei Deiner Geburt war ſo ſchrecklich nicht. Erwuͤrgſt Du Deine Mutter?

Guelfo.

Nein! Gott behuͤte mich vor allem Mord! Aber Sie muͤſſen mirs ſagen, wies zu - ging? wie er der Erſtgeborne geworden iſt? Wir ſind Zwillinge?

Amalia.

Das ſeid Jhr! Laß mich ſterben!

Guelfo.

So nicht! Jch will Dich und Dein Leben feſt in meinen Armen halten. Ob Du mich ſchon halfſt zu Grunde richten und klein machen, da ich unvermoͤgend war, will ich Dir doch ver - geben Dir allein! denn der Tod ſchwebte um Dich.

Amalia.

Du wirſt beſſer.

Guelfo.

Noch nicht, liebe Mutter!

Amalia.

Nenn mich fort ſo! ich hab Hoff - nung.

Guelfo.

O wie gluͤcklich iſt das Weib! ſo ſchnell uͤberzugehen von Angſt zur Freude! Es ſieht auf meinem Geſicht vielleicht ganz ruhig, obs ſchon hier immer tiefer geht. Nun, Mut -F 2ter!84ter! Woran erkennet Jhr, daß Ferdinando der Erſtgeborne iſt.

Amalia.

Jch weiß nicht Dein Vater ſagts. Als ich zu mir kam, hielt ich Euch beide, und vergaß alles. Guelfo der ſtarke muß der zweite ſein, ich litt mehr.

Guelfo.

Sagen Sie das nicht. Sie mach - ten was ſie wollten. Nun iſts gut, daß wir ſo weit ſind. Beruhigen Sie ſich, und gehn Sie zu Bette.

Amalia.

Guelfo! was willſt Du mit dem allen?

Guelfo.

Nichts! nichts, ungluͤckliche Mutter!

Amalia.

O das bin ich! Als Gott den Fluch uͤber Eva ſprach, fiel er ſchwer auf mich, vor al - len ihren Toͤchtern.

Guelfo.

Gott bewahr Dich, Mutter!

(kuͤßt ſie)

Jch wollt nun, Sie gingen! Sa - gen Sie den alten Guelfo nichts von dieſer Unter - redung! er haßt mich, und es wuͤrde aͤrger zwi - ſchen uns. Geh, Mutter! Gott erhalt Dich mir, ſanfte, liebe Mutter!

Amalia.

Er liebt Dich.

Guelfo.

Glaub ihm nicht, wenn ers ſagt! Gott erhalt Dich! Gott bewahr Dich!

(kuͤßt85
(kuͤßt ſie)

Und wenn ich Dich wieder ſeh Mut - ter! wenn ich Dich wieder ſeh Gott geb Dir die Staͤrke, die Du brauchſt!

Amalia.

Er gebe Dir alles, und mir we - nig, mein Sohn! Mein Leben iſt nichts; er gebe Dir alles! Du brichſt mirs Herz.

Guelfo.

Noch nicht! Lebe wohl, Mut - ter! Mutter lebe wohl!

Amalia.

O Guelfo nicht ſo! Morgen fruͤh komme ich zu Dir geſchlichen. Noch wenige Stunden, und die Nacht iſt voruͤber. Jch ſeh Dich.

(geht.)
Guelfo.

Jch bin ruhig, laß mich ſo! Gute Nacht, Mutter! Gute Nacht, herrliche Mutter!

Amalia.
(wendet ſich an der Thuͤr um)

Gute Nacht! Gute Nacht, liebſter Guelfo!

(ab)

Dritter Auftritt.

Guelfo.
(allein)

Mutter! Mutter! Mutter! Mir iſts, ich muͤßte ſie zuruͤckrufen. Eine wunderbare noch nie gefuͤhlte Empfindung durchdringt mich. Ha! noch einmal hat ihre Liebe mein Herz weich gemacht. Mutter! wenn er nicht? wenn ernicht?86nicht? Ha denn, bin ich Guelfo, und weiß nicht, was wird? Gute Nacht, Mutter!

(nach der Thuͤr)

Hoͤrſt Du? Gute Nacht! Gott erhalt Dich! geb Dir, was ich nicht habe gute Nacht! keine mehr fuͤr mich auf dieſer Erde, viel - leicht keine mehr fuͤr Dich! Grimal - di! Schlaf, Trauriger! Jch will Dir nun Dei - nen Schlaf nicht ſtehlen. Du veriaͤßt mich, alles verlaͤßt mich! Wenn Du mich wieder ſiehſt, und ich hab ſie nicht Auch Kamilla trauert! Weh mir! o weh mir! Ferdinando! der haͤßliche Laut zerreißt mir die Nerven! die Erſt - geburt und Kamilla! Wenn Du ſie nicht giebſt

(ſieht durchs Fenſter)

Ha! die blutigen Strahlen durch die Nacht! die erſchrecklichen Ge - ſpenſter! das Heulen und Geſauß! wie die Wol - ken ſchwarz haͤngen, blutig durch! Es ſtuͤrmt er - ſchrecklich fort. Krach! da brachs ein. Hu! Das arme Weib, wie ſie zitternd bekannte! Stuͤrm fort!

(Jns Nebenzimmer ab.)
Vier -87

Vierter Aufzug.

Erſter Auftritt.

(Ein Saal.)
Amalia.

Kamilla.

(mit Kleidern beſchaͤftigt.)
Kamilla.

Nein, dieſes werd ich nicht an - ziehn, Mutter.

Amalia.

Warum?

Kamilla.

Die Farbe iſt mir zu hell. Und ich weiß nicht, mich deucht nach meinem Ge - fuͤhl wuͤrd ich lieber ſchwarz gehen.

Amalia.

Wenn Sie nur viel ſpraͤchen, und nicht ſo oft im Reden einhielten. Jch muß naͤher zu Jhnen ruͤcken. Mir iſt ſo bang, ſo gar aͤngſt - lich, wo ich mich hinwende. Kamilla! ich moͤgte nichts, als weinen. Jch weiß nicht, warum? Laſſen Sie mich nah bei ſich ſitzen ſolche Angſt habe ich nie gefuͤhlt.

Kamilla.

Mutter, wenn ich ſtaͤrker waͤre, wollt ich Sie troͤſten; aber mir faͤhrts mit tau - ſend Stichen durchs Herz, und jetzt Ferdinando!

Amalia. 88
Amalia.

Wie erſchrecken Sie mich! Was iſt Jhnen?

Kamilla.

Nichts, nichts! Es ergriff mich am Herzen, und druͤckte mich, und ’s ward mir etwas dunkel vor den Augen. Mutter ver - zeihen Sie, ich konnte nicht wider mich halten. Wir wollen nun den Brautputz ausſuchen. Wenn wir nur nicht ſo viele Gaͤſte haͤtten Hat der Vater ſo viele bitten laſſen.

Amalia.

Er war nicht abzubringen. Bei ſolchen Gelegenheiten macht ers nicht anders. Es muß praͤchtig bei ihm hergehn an ſolchen Tagen. Wir wollen ihm ſeine Freude laſſen.

Kamilla.

Von Herzen gern, Mutter. Jch will mir Gewalt anthun, luſtig zu ſein; aber wirklich bin ich weit davon.

Amalia.

Horch! Ha! koͤmmt jemand?

Kamilla.

Erſchrecken Sie mich nicht

Amalia.

Mich deucht, es kaͤme jemand ge - ſchlichen nahe zu mir.

Kamilla.

Jch hoͤr ſo oft meinen Namen mit banger Stimme rufen.

Amalia.

Das geſchieht einem oft. Sie machen mich gar traurig.

Kamilla.

Das will ich nicht.

(ſieht hinaus)
Es89

Es iſt ein lieblicher Morgen nach dieſer ſtuͤrmiſchen Nacht. Moͤgt Er ſich ſo aͤndern!

Amalia.

Guelfo! nicht wahr? Sein Sie getroſt, Kamilla! er wird ſich aͤndern. Wir zwei wollen ihn ſchon beſaͤnftigen. Wir wollen im - mer zuſammen ſein; wollen ihn aufſuchen, er mag fluͤchten, wohin er will. O wir wollen den lieben Guelfo mit Liebe verfolgen! Ferdinando thuts auch.

Kamilla.

Jch will alles thun, ich bin ihm ſehr gut. Unſer Leben wird dann erſt Leben ſein.

Amalia.

Gott ſegne Dich, meine Tochter! Was fahren Sie ſchon wieder auf?

Kamilla.

O wenn ein Voͤgelchen von einem Aſt auf dem andern ſtiegt, und nur ein Blaͤttchen rauſcht, rauſcht mirs durchs Herz. Ferdinando! kehre ſchnell zuruͤck!

Amalia.

Um Gottes willen!

Kamilla.

Warum weinte er, als er ging? Warum fiel er mir ſo geaͤngſtet um den Hals, und ſagte ein ſo gepreßtes Lebewohl? Noch fuͤhl ich, wie ſeine heiſſen Thraͤnen meine Wangen herabroll - ten. Nahm er nicht auch ſo von Jhnen Abſchied?

Amalia.

Eben ſo. Aber das macht ſeine Liebe. Jch bitte Sie

Kamilla. 90
Kamilla.

Mußt er den juſt heute ausreiten! Nahm er ein wildes Pferd? Sagen Sie mirs! Wenn er ſtuͤrzte!

Amalia.

Jch weiß nicht.

Kamilla.

Schicken Sie doch Boten nach ihm! Jch kann nicht ruhen; ich laufe nach ihm, wenns laͤnger dauert.

Amalia.

Jch vergeh fuͤr Angſt.

Zweiter Auftritt.

Alter Guelfo. Vorige.
Alter Guelfo.

Guten Morgen! guten Mor - gen! Warum ſeht Jhr ſo blaß?

Amalia.

Und Du ſo zerſtoͤrt?

Alter Guelfo.

Mir iſt doch nichts, als daß ich manchmal furchtſam um mich ſeh. Jch komme, mich bei Euch zu zerſtreuen.

Kamilla.

Jſt Ferdinando noch nicht zuruͤck?

Alter Guelfo.

Er kann nicht lange mehr bleiben. Das war eine ſchreckliche Nacht. Seit - dem ich lebe, hab ichs ſo nicht ſtuͤrmen gehoͤrt. Unſre ganze Orangerie iſt zerſchlagen. Alle Bild - ſaͤulen liegen zerſchmiſſen weit weit von den Fuß - geſtellen .. Ferdinando’s Lieblingsbaum iſt vom Gipfel bis auf die Mitte zerſplittert; wie wird er trauren, koͤmmt er zuruͤck! Wir muͤſſens ihmheute91heute nicht ſagen; hoͤrt Jhrs? Der ſchoͤnſte Baum, der auf viele Meilen zu finden iſt. Weiß Gott, wie ich mit Kummer und Andung die ſchoͤ - nen breiten Aeſte, die uns ſo oft Schatten gaben, zur Erde haͤngen ſah!

Kamilla.

Was ſoll das all noch werden?

Amalia.

Der ſchoͤne Baum, unter dem wir ſo oft mit ihm ſaſſen, und er uns die halben Som - mernaͤchte beim Mondſchein mit der Harfe weg - ſpielte!

Alter Guelfo.

Jch ſuchte Huͤlfe bei Euch, und ihr machts ſchlimmer. Was iſt Jhnen, Toch - ter?

Kamilla.

Nichts, nichts!

Alter Guelfo.

Jch fuͤrchte, Guelfo’s Haus bedroht großes Ungluͤck. Es ſind fuͤrchterliche Zei - chen dieſe Nacht geſchehen. Der Waͤchter will die Todtenglocke von den naͤchſten Kloͤſtern her gehoͤrt haben. Man trug Leichen an ihm vorbei, und ſchwarz verhuͤllte Maͤnner weklagten durch den Sturm.

Amalia.

Still! Kamilla wird bleich und todt.

Alter Guelfo.

Tochter! Tochter! Was wird uns das thun? Daß ichs auch erzaͤhlte! Kom - men Sie zu ſich! Vergeſſen Sies!

Kamilla. 92
Kamilla.

Mir iſt nicht wohl. Er wird ſchon beſſer. Reden Sie was anders, Vater? Hat Ferdinando ein wildes Pferd?

Alter Guelfo.

Nein, nein! O, ſo nah iſts nicht! Jch lege das ganz anders aus. Sein Sie munter! Amalia, ſei munter!

Amalia

Wo iſt der Ritter?

Alter Guelfo.

Er ritt vor Sonnen Aufgang hinaus, der wilde Jaͤger Nimrod, mit Lanz und Schwerd. Gott beßr ihn, oder kehr er nie wieder! Noch ſo eine Begebenheit, wie die geſtri - ge, und ich ſtreich ihn aus! Er bringt uns alle um. Jch hab eine Nacht gelebt wenn ich noch ſo eine leben ſoll, will ich mich lieber auf die Galeeren ſchmieden laſſen. Sein Zorn iſt verflucht.

Amalia.

Fluch Deinem Sohn nicht, Vater!

Kamilla.

Laſſen Sie ſich nicht hinreiſſen! Der Ritter wird ſanft werden und ertraͤglich. Wir nehmens uͤber uns.

Alter Guelfo.

Steh Euch der Himmel bei! Jch ſeh nicht lange mehr zu. Jch hoffte, es ſollte gut gehen. Der Stallknecht ſagte, er habe ſich auf ſeinen tollen Tuͤrken geſchwungen, mit dem Pferde wie mit ſeinem Freunde geſprochen, und die Thraͤnen waͤren dem Thiere auf die Maͤhnen gefallen. Aber gleich kehrte der wilde Guelfo zu -ruͤck.93ruͤck. Er fragt ihn, ob er nichts an mich zu be - ſtellen haͤtte? und er gab dem armen Kerl die Peitſche, daß er noch heult und wimmert.

Amalia.

Denk nicht dran!

Alter Guelfo.

Nu ſtille denn! die Sonne ſoll uns freudig finden an Ferdinando’s Hochzeit - tag. Jch hab große Geſellſchaft bitten laſſen, und keiner ſchlugs dem Guelfo ab. Dieſen Abend will ich Euch Ball geben; und wer mir nicht luſtig iſt, der ſoll dem Guelfo und dem traurigen Grimaldi Geſellſchaft leiſten.

Amalia.

Die werden dabei ſein, Guelfo!

Alter Guelfo.

Jch zweifle.

Kamilla.

Warum?

Dritter Auftritt.

Grimaldi. Vorige. (hernach) Bediente.
Grimaldi.

Jſt Guelfo noch nicht da? Wo iſt Guelfo? Ha, Alter! wo iſt Dein Sohn?

Alter Guelſo.

Wo iſt er? Wo iſt er?

Grimaldi.

Verflucht ſei mein Schlaf! ver - flucht ſei ich! Guelfo! Guelfo! Alter, ich will Dirs abzwingen, das Geheimniß! Wo biſt Du mit dem Ritter hingekommen? Wo haſt Du ihn hingeſchafft?

Alter94
Alter Guelfo.

Wollen Sie die Weibsleute zu Tode aͤngſtigen?

Grimaldi.

Vater! Du haſt den Guelfo ausgeſtoßen! haſt Dein beſtes Kind ausgeſtoßen! Wo iſt er?

Alter Guelfo.

Sie ſind wahnwitzig?

Grimaldi.

Waͤr ichs! von Sinnen und Verſtand voͤllig! Wo iſt Ferdinando?

Alter Guelfo.

Ausgeritten und er aus - geritten.

Grimaldi.
(faͤllt traurig auf einen Stuhl)

O Grimaldi! dein Guelfo! dein Freund!

Alter Guelfo.

Weg von hier! Was? Wol - len Sie uns hier alle den Todten aͤhnlich machen?

Grimaldi.

Guelfo! Guelfo! Du brichſt mirs Herz!

(ab.)
Alter Guelfo.

Er iſt raſend worden.

Kamilla

Wenn ich nur fort koͤnnte!

Amalia.

Horch! horch! ein Pferd!

Kamilla.

Ha! mein Ferdinando! Laßt mich ans Fenſter, daß ich ihm ruf, ihm zuwink!

(ans Fenſter)

Ein Pferd ohne Reuter jagt ſcheu herein. Jſt das Ferdinando’s Pferd? Vater, iſts Deines Sohnes Pferd? O geſchwind! geſchwind!

Amalia.

Jſts Ferdinando’s Pferd? Willſt Du nicht reden?

Alter. 95
Alter Guelfo.
(ohne Antwort.)
Amalia.

Er ſagt nichts Ferdinando! Ferdinando!

Kamilla.

Hinaus! Jch will ihn anfſuchen er iſt geſtuͤrzt, er iſt todt!

Alter Guelfo.

Bleibt ruhig! ich will hin - aus reiten.

(klingelt.)
Bediente.
(kommen.)
Alter Guelfo.

Sattelt Pferde! ſitzt auf!

Bediente.

Unſers Herrn Pferd laͤuft ledig.

Alter Guelfo.

Eilt Euch! Halt’t Euch aufrecht, Weiber! Wer weis, was es iſt?!

Kamilla.

Das Pferd ſieht ſcheu. O Blut! Blut! am Sattel! Guelfo, Deines Sohns Blut!

Amalia.

Gott! Gott! (Sie ſinken beide am Fenſter nieder.)

Alter Guelfo.

Wollt Jhr mich umbringen? Wollt Jhr mir allen Entſchluß nehmen! Wenn Jhrs ſo forttreibt, kann ich nicht aus der Stelle. Der Schreck iſt mir in alle Gieder gefallen. Weiber! Weiber!

(will ſie aufrichten.)

Gott, der Allmaͤchtige, heb Euch auf! ich bin zu ſchwach.

(ab)
Amalia.

Geh! geh! Schick eilends Boten zuruͤck! Komm zu Dir, Tochter! es iſt ihm nichts. Laß mich nicht! O bei Deiner Liebe, bei Deinem Ferdinando, verlaß mich nicht! Kommzu96zu Dir! Erbarm Dich, zartes Maͤdchen! So! ſchlage Deine Augen auf! Wein nicht! O ich danke Dir! Sieh mich an!

Kamilla.

Jſt er noch nicht da?

Amalia.

Ein Pferd!

Kamilla.

Mein Ferdinando!

Amalia.

Ritter Guelfo ſprengt wuͤtend her - ein. Stuͤrz nicht! Ha! Halt Dich! Guelfo, wo iſt Ferdinando?

Kamilla.

Ruſt ihm der Vater zu?

Amalia.

Ja, ja. Er lacht bitter. Was weiß ich! ſagt er.

Kamilla.
(aus dem Fenſter)

Guelfo, wo iſt er! Nicht ſo unfreundlich, Guelfo! Wo iſt Ferdinando? Gib mir das Leben mit einer Antwort!

Amalia.

Noch nicht? Mein Sohn! Er iſt weg.

Kamilla.

Er koͤmmt herauf.

(laufen nach der Thuͤr.)

Vierter Auftritt.

Ritter Guelfo. Kamilla. Amalia.
Guelfo.

Hi! hi! was weiß ich! Bin ich Haͤter Deines Braͤutigams, ſchoͤnes Maͤdchen? Bin97Bin ich Huͤter Deines Sohns? Hi! hi! Komm Kamilla! ſchoͤne Kamilla! ſetz Dich auf mit Ritter Guelfo durch die Welt! He! Ka - milla, ſieh nicht bleich! Weg! ruͤhrt mich nicht an! Wo iſt Ferdinando? Hi! hi!

Kamilla.

Jch laß Sie nicht los.

Amalia.

Halt ihn! wir wollens ihm ab - zwingen.

Guelfo.

Jch weiß nichts. Weg!

Kamilla.

Ritter, ich dachte, Sie waͤren mir gut, und nehmen mir das Leben.

Guelfo.

Gut Dir? Ei ja doch! ei ja doch! lieb, Du ſanfter Engel! Komm ich will Dich druͤcken und herzen! Weg von mir! Tau - ſend Vergebung, ſchoͤne Braut! Gut? Ja doch! ich bin Dir gut.

Kamilla.

Wir wollen hinausfahren, ich halts nicht laͤnger aus. O Ferdinando, Du lebſt! Ein Strahl von Hoffnung durchzittert meine Seele.

(Beide ab.)
Guelfo.
(allein, nach einigem Schweigen.)

Wo bin ich?

(koͤmmt vor dem Spiegel)

Raͤcher! Raͤcher mit flammenden Schwerdt! Haſt du ein - gegraben auf meine Stirne den Mord? haſt du ausgeſprochen uͤber mich, daß die Himmel zitter - ten: Unſtaͤt und fluͤchtig! Haſt du’s? denGFluch98Fluch noch nicht? und er bruͤllt um mich! Raͤcher! hi! hi! ich thats wohl! Koͤmmt er noch nicht mit gluͤhender Hand den Mord einzugraben? Ha! ich kann mich nicht anſehen; Reiß dich aus dir, Guelfo!

(zerſchlaͤgt den Spiegel)

zer - ſchlage dich, Guelfo! Guelfo! Guelfo! geh aus dir! Schaff dich um! Jetzt will ich ſchlafen! O jetzt will ich ſanft ſchlafen! Ferdinan - do ließ mich lange nicht ſchlafen, jetzt wird er mich ſchlafen laſſen. Jch will ſchlafen, Bluti - ger! und wenn tauſend brennende Dolche durch meine Seele giengen. Gute Nacht, Guelfo! hi! hi! gute Nacht, Guelfo!

(wirft ſich auf den Bo - den nieder.)

Fuͤnfter Auftritt.

Grimaldi. Guelfo.
Grimaldi.

Biſt Du da? Gott ſei Dank! Wo iſt Dein Bruder?

Guelfo.
(ſpringt auf und Grimaldi ſinkt zu - ruͤck.)

Was ſtoͤrſt Du mich im Schlaf? Weg! ich will den Schlaf herzaubern. Jch muß, muß ſchlafen. Hinaus!

(faßt ihn an.)
Grimaldi.

Mann mit dieſem Wuͤrgblick, ſchone meiner, daß Du Dein Gewiſſen nicht be - ſchwereſt mit Mord!

Guelfo. 99
Guelfo.

Mord? hi! Steh auf, Grimaldi! Mich deucht, Du biſt’s? Sieh mich an! und wenn Du luͤgſt, hol ich meine Lanze, und ſpieß Dich! Was ſteht auf meiner Stirne?

(wiſcht ſich die Stirne mit Angſt)

Jch wills tilgen! her - ausbrennen!

Grimaldi.

Guelfo!

Guelfo.

Was ſteht auf meiner Stirne, Un - gluͤcklicher?

Grimaldi.

Brudermord!

Guelfo.

Ha! So will ich Dich zerſtieben! die Winde ſollen Deine Aſche davon wehen! Brudermord? Schaͤndlicher Luͤgner!

Grimaldi.

Gott ſei Dank, wenns anders iſt!

Guelfo.

Ha! Du Demuͤthiger! was dankſt Du? Jch ſteh da, traue mein Haupt nicht zu he - ben zum Himmel. Die Sonne wuͤrde mich blen - den, und der Raͤcher aus den Wolken Blitze ſen - den, meine Seele zu vernichten, richtete ich meine Augen zu ſeinem Sitz. Stehts nicht auf meiner Stirne?

Grimaldi.

Gefolterter Geiſt, Wuth und Verzweiflung.

Guelfo.

Schaͤm Dich, Betrunkener, Suͤſ - ſer, ſanfter Schlaf haͤngt auf meinen Augenlie - dern, der mich einwiegte, wenn ihr alle gingt, dieG 2ihr100ihr ſo graͤßlich um mich heult. Mir war nie ſo wohl. Und ich hab ihn doch ermordet, hab ihn erſchlagen, als er mir nicht geben wollte, die Erſt - geburt, als er mir nicht geben wollte das Weib - lein; als er ſagte: Jch bin Herzog, auch Du ſollſt ſteigen! Jch hab ihn geſtreckt in Staub, als er bat um ein Gebet zum Raͤcher! Er winſelte und roͤchelte dumpf aus hohler, langſa - mer Bruſt. Jch habe meinen Feind erlegt, hab der Schlange den Kopf im Staube zertreten! Er liegt! Als er lag, rief ich: Verflucht, die mich gebohren! ſchwung mich auf, und die Sonne ver - kroch ſich. Wolken raubten ihr das Licht, wie ichs dem Feinde ſtahl Jch nahm Staub und warf ihn hinter mich mit ſeinem Gedaͤchtniß! Als er ſchrie: Guelfo! Guelfo! fuhr mir ein Feuer durchs Herz, daß ich aͤchzte. Wo ich hin - ſeh, ziehts blutig um mich, heult und winſelt mir iſt wohl!

Grimaldi.

Du haſt den Bruder ermordet?

Guelfo.

Den Feind! (ſtoͤßt nach ihm), den Dieb der Erſtgeburt! Ha! werden ſie heulen, ihre Haͤnde ſtarr zum Raͤcher erheben: Wehe! Wehe! werden ſie ihn mit Thraͤnen baden, wegſchwemmen ſein Blut rufen: Einziger, ſteh auf! Aber ſtark iſt Guelfos Fauſt. Schreimit!101mit! Jch will meine Ohren zuſtopfen, will mich verſchanzen hier vor Rache und Weh! Wer mir nahe kommt hi!

Grimaldi.

Flieh! flieh! Dein Anblick toͤdtet.

Guelfo.

Nein! Bleiben will ich, und ſie quaͤlen! Jch will ihm nach und nach das Herz zerreiſſen mit Fluchen! Grimaldi! Was faßt Du mich an ſo hart? was druͤckſt Du mich, daß Tro - pfen aus meinen Augen ſpringen?

Grimaldi.

Ach Guelfo!

Guelfo.

Du haͤltſt mich immer feſter Deine Hand wird immer feuriger Haſt Du den Bund mit ihm gemacht? Jſt ſein Geiſt in Dich gefahren? Jch will ihn herausjagen noch einmal. So ſah er aus ſo, ſo! Wie er an die Eiche ſunk rief: Bruder! und wie ich in den Wald lachte, daß es ins Echo pfiff! Laß mich los! was haͤltſt Du mich? Biſt Du nicht Grimaldi, der mir gut war?

Grimaldi.

Guelfo, meine Stunde iſt da. Wo Du ihn erſchlugſt, ſah er geſtern ſeinen Geiſt.

Guelfo.

Der Geiſt log nicht. Jetzt will ich ſchlafen, jetzt will ich mir Guts thun mit Schlafen! So lange nicht geſchlafen werd ich einmal ſchlafen!

(legt ſich nieder)

Ha, Kain! kannſt Du nicht ſchlafen? Wie ſie aͤchzen, denTodten102Todten mit Thraͤnen ſalben, den Einzigen mit Kuͤſſen zum Leben rufen! Heult! heult! heult! Guelfo ſchlaͤft ja. O laß mich ſchlafen, fuͤnf Augenblicke nur! Laß mich ſchlafen einen Au - genblick o denn nur einen halben! Ha, Grimaldi! Er faßte die dicke Eiche, ſchlung ſich drum herum, als wollt er ſein Leben halten und ich riß ihm Eich und Leben aus der Hand, das er feſt hielt! Er ſah nach mir mit einem Blick, der ſo todt, bittend und voll Angſt war ſchrie: Bruder! Bruder! Kamilla! Die rief er zuletzt, und das war gut. Da kriegt er den Schlag! Guelfo! mußt er Kamilla rufen? Ha! Schreckgeiſter! Guelfo ſchlaͤft.

(Der Vorhang faͤllt.)

Fuͤnfter Aufzug.

Erſter Auftritt.

(Ein duͤſteres Zimmer.) Ferdinandos Leichnam liegt auf einem Bette; Amalia und Kamilla netzen ihn mit Thraͤnen, zu ſeinem Haupt ſtehend. Der alte Gnelfo ſteht in einiger Entfernung. Stiller, heftiger Ausdruck des Schmerzes.
Alter Guelfo
(nach einer langen Pauſe.)

Wollt Jhr Leichen auf Leichen haͤufen? Weiber! Weiber! weg! erbarmt Euch!

Ama -103
Amalia.

Leichen auf Leichen, Vater! Jch will mit meinem Ferdinando gehen, das ſoll mir niemand wehren. Jch will mich an ſeine bluti - gen Locken haͤngen, er wird mich mitnehmen. Nimm mir dieſe runde Locken! nimm mir ſie, Alter! Meine Haͤnde ſind an den Todten gewach - ſen. Meiner erbarmt er ſich; nimm mir ihn!

Alter Guelfo.

So haͤuft Leichen auf Lei - chen, und ich ſtehe im oͤden Haus verwaiſt, mei - ne Kronen heruntergeriſſen! Mein graues Haar in ſein Blut getaucht, ſteh ich allein! Ha! ſo uͤberſchwemmt ihn mit Euren Thraͤnen, daß ich den Holden nie mehr erkenne! Weiber! Wei - ber! laßt den ſeligen Geiſt zur Ruh!

Kamilla.

Bring mich hier weg, Vater! Meine Haͤnde ſind warm, meine Liebe heiß, und meine Thraͤnen ſteh auf, mein Ferdinando! Oh! wir Weiber wollen ſein Leben erwaͤrmen! Und ſieh, ſeine blaſſe Wangen leben! Weile nicht, mein Braͤutigam! Weile nicht! die Braut harrt Deiner.

Amalia.

Faß ihn feſt, und letz ihn! Ha! wenn ich ihm uͤber die Stirne ſtreich, wenn ich ſeine blutigen Locken um meine Haͤnde winde, zuckt er nicht, und ſein großes Aug oͤfnet ſich?

Kamilla.

Horch! ich kuͤßte ſeine Lippen horch! rufts nicht?

Ama -104
Amalia.

Schlaͤgt ſein Herz nicht? Die Mutter erwaͤrmts. Horch!

Alter Guelfo.

Wehe! Wehe! Verflucht die Hand, die’s that! Verflucht die Hand, die dem Greis den Sohn, der Braut den Braͤutigam erſchlug! Wehe! Wehe! Jch ſtehe da verwaiſt! Niemand erbarmt ſich meiner, da mein Beſter er - ſchlagen liegt.

Amalia.

Der Liebe liegt nicht erſchlagen. Braut faß ihn! Unſre Liebe wird den Kalten er - wecken. Er hat uns noch kein Lebewohl geſagt ſo geht Ferdinando nicht.

Alter Guelfo.

Wehe! Wehe! Laßt den ſe - ligen Geiſt zum Himmel, daß er den Moͤrder an - klage, rufe Rache und Weh!

Amalia.

Du willſt mich von ihm reiſſen, mich, die ich ihn gebar? Jch gebar ſie mit Angſt; als ich ſie ſchreien hoͤrte, ſchwand alles. Jch hub die Knaͤblein auf, dankte, benedeite ſie mit meinen Thraͤnen. Laß mich nun dieſen bene - deien! meinen Sohn wieder rufen!

Alter Guelfo.

Jch will mich niederlegen, und ſterben. Gott! Du haſt mich zerſchlagen! Du ließt den Einzigen erſchlagen, ließt ihm vom Bruder erſchlagen! Heiliger, rette mich! rette dieſe aus naher Verzweiflung! Vom Bruder er - ſchlagen liegt er!

Ama -105
Amalia.

Vom Bruder nicht erſchlagen! Gott! nein! Ha! Du willſt ſagen, er thats! Du willſt, daß ich die Stunde verfluche, in wel - cher ich zwei ruͤſtige Knaben gebar?

Alter Guelfo.

Du ſollſt die Stunde der Geburt verfluchen, die den Moͤrder brachte. Von ihm erſchlagen liegt er! Kein Menſch auf Erden ſchlaͤgt ſolche Todeswunden als Guelfo.

Amalia.

Nein! nicht! Mein Einziger und jetzt mein Einziger thats nicht! Hat er nicht ſeine Mutter lieb? und ſollt ihr den Geliebten er - ſchlagen?

Alter Guelfo.

Decke die Decke des Todes uͤber ihn! Er ſchlug ihn an der Staͤtte, wo er ſeinen Geiſt aufſteigen ſah. Riß der Hund des Erſchlagenen nicht ein Stuͤck aus dem Gewand des Moͤrders? Jſt ſeine wuͤthende Spur nicht in Boden eingedruͤckt? Decke die Decke des To - des uͤber den Holden! Und nun laß Deinen Guel - fo kommen, den Todten vor der Stirne ſtehen, das Bekenntniß ablegen, den Mord abſchwoͤren, die blutige Locke in der Hand, die Todeswunde betaſten, aus welcher das friedliche Leben quoll, aus welcher des Vaters Leben quoll! Laß ihn kom - men, und das thun.

Ama -106
Amalia.

Er ſoll nicht kommen, den Er - ſchlagenen zu ſehen. Braut, biſt Du dem Braͤutigam gefolgt? laͤßt die Mutter?

Kamilla.

Mutter, leite mich zu ihm, daß ſich an ſeinem Haupt meine Seele loͤſe!

Alter Guelfo.
(deckt den Leichnam zu.)

Guelfo! Rache und Weh!

Amalia.

Heil! Heil meinem Guelfo! mei - nem einzigen Kinde von drei Lieben! Warum willſt Du mir dieſen wegreißen? dieſen hat der Tod ge - freſſen; Du willſt grauſamer ſein, und mir beide aufzehren? Ha! was ſoll der Dolch, der aus Dei - nem Buſen blinkt? Jch will Dir ihn entreißen, und dieſem folgen!

Alter Guelfo.

Weib! Weib! Naͤhm ſich der Herr meiner nicht an, ich ſtieß mir ihn durchs Herz ließ Dich allein verzweifeln! Jch leb wegen Deiner, Weib! Mein Herz iſt mehr zerſtoßen, weil ich nicht dicke Thraͤnen weinen kann, wie Jhr.

Letzter Auftritt.

Ritter Guelfo. Vorige.
Guelfo.

Warum laßt Jhr mich nicht in tie - fem Schlaf liegen? Was ſchreit Jhr, was heult Jhr, die Haͤnde gehoben zum Raͤcher? Was zit -tert107tert Gewinſel durchs Haus, und zerreißt meine Seele?

Alter Guelfo.

Moͤrder! Moͤrder, willſt Du auch uns erſchlagen?

Guelfo.

Moͤrder Jhr! Ha!

Amalia.

Guelfo, flieh! Du biſt nicht Moͤr - der! Deine Hand iſt nicht blutig! Jch haͤng an Deinen Knieen, Du biſt nicht Moͤrder! Du haſt ihn nicht erſchlagen, haſt nicht!

Guelfo.

Wen erſchlagen? Wer liegt er - ſchlagen?

Kamilla.

Du haſt der Braut den Braͤuti - gam erſchlagen.

Guelfo.

Jch habe keinen erſchlagen, weiß von keinem.

Alter Guelfo.

Wo iſt Dein Bruder, Mann mit dem Feuerblick? Du mit dem rollenden Auge der Verzweiflung, wo iſt Dein Bruder?

Guelfo.

Alter! ich hatte keinen Bruder.

Alter Guelfo.

Wo iſt Ferdinando, Dein Bruder? Ha, Giftiger: Schuͤttle Deine ſtarren gehobnen Haare! ſchuͤttle den Mord von Dir! Wo iſt Ferdinando?

Guelfo.

Wer heiſcht von mir Ferdinando zu huͤten? Hat ers verdient um mich? Jch hab ihn nicht geſehn, mag ihn nicht geſehn haben, mag ihn ewig nicht ſehn!

Alter108
Alter Guelfo.

Hoͤrſt Du den Raͤcher, der im Wind daher faͤhrt, Dich wegen Mord und Meineid zu ſtrafen? Meine Kniee zittern

Guelfo.

Komme der Raͤcher! ich weiß nichts.

Alter Guelfo.

Soll ich die Decke des To - des heben? Weh uͤber Dich!

Guelfo.

Hebe die Decke des Todes und der Hoͤlle!

Alter Guelfo.

Tritt herbei! Haſt Du nicht dieſen erſchlagen? (hebt die Decke) Haſt Du nicht Vater, Mutter, Braut erſchlagen mit die - ſem? Lege Deine Haͤnde auf ihn! ſchwoͤr!

Guelfo.

Jch lege meine Haͤnde nicht auf dieſen. Den ich erſchlug, der auf mich blickt mit ſtarrem kalten Auge, der ſeine blutigen Locken ſchuͤttelt und Tod, mit ſtarker Fauſt erſchlug ich ihn an der Eiche. Blick auf mich, Blutiger! Blicke Tod! Ha! ich reiß ihn von mir, und aller Tod auf Dich! Verflucht ſei er und Jhr! Jch erſchlug ihn, daß Jhr ihn mit Eurer Liebe aufwecken moͤgt. Ha! habt Jhr keine Lie - be, den Einzigen zu erwecken? Verflucht Jhr und ich! Jch ſang ihm das Brautlied, kraͤnzte den Braͤutigam, ſang, ſang Fluch Euch!

Amalia.

Erbarmen! Erbarmen! Fluch der Mutter nicht!

Alter109
Alter Guelfo.

Fluchſt Du dem Vater, da Du ihm den Beſten erſchlugſt?

Guelfo.

Er hat mir die Erſtgeburt geſtoh - len, hat mich verdorben und Jhr! Er hat mir dieſe geſtohlen, die bleich da liegt. Jch erſchlug ihn, da er mir das Meinige nicht geben wollte.

Alter Guelfo.

Jch will Dein Gewiſſen nicht foltern mit Entdeckungen Deiner Verblen - dung, von Gott Verfluchter! Geh mit Bruder - mord zur Hoͤlle! Weh uͤber Dich!

Amalia.

Erbarm Dich ſeiner, er mordet uns! Tod blickt aus ihm.

Guelfo.

Ruſet Rache und Weh!

Amalia.

Flieh, Guelfo! flieh! Jch will mich vor Dich ſtellen, Dein Schild ſein.

Alter Guelfo.

Deine Spur ſei ausgetilgt auf Erden! ausgetilgt hier! Verflucht!

Amalia.

Decke die Decke des Todes! Der Bluttge ſteigt auf.

Guelfo.

Steig er auf! Raͤcher! Raͤ - cher! Jch hab ausgeredt.

(verhuͤllt ſich)
Alter Guelfo.

Sang nicht der Schwan ſei - nen Todtenſang? ſah in der Ferne ſeinen Geiſt aufſteigen, wo der Verfluchte den Scheitel des Gerechten ſchmetterte? Horcht er nicht den To - denruf an der Braut Seite und zitterte? Duhaſt110haſt ausgeſungen Dein Lied! Du haſt verlaſſen Vater und Mutter im Jammer! Du liegſt er - ſchlagen vom Bruder der Verdammung! Gott erbarm dich ſeiner! Gezeugt zum Fluch Fluch! Fluch! Erbarm dich ſeiner! Hier ſteht er ver - huͤllt, bebt, Raͤcher, entgegen der Rache!

Amalia.

Raͤcher, ſtrafe die Mutter! ſchone hier und dort!

Alter Guelfo.

Jch ſtehe da, wie Adam, als ihn der Gerechte erſchlagen ward. Eva heult, die Braut klagt, Kain flucht den Alten Rache und Weh! Gott! ich danke dir, daß du mein Gefuͤhl ſtarr machſt, daß du den Er - mordeten jetzt aus meinem Herzen reißt mit dem Moͤrder

(zieht einen Dolch.)
Amalia.

Was willſt Du?

Alter Guelfo.

Weib! wenn er lebt, ſoll ihm der Blutrichter das Haupt abſchlagen vor Deinen Augen? Soll er irren, doppelt verdammt, unſtaͤtt und fluͤchtig? ſterben durch den Hen - ker, Guelfos Sohn? Der Blutige ruft Rache! Raͤchen will ich Vater Guelfos Sohn! erretten von der Schande Guelfos Sohn! leben im Jammer verwaiſt

(ſtoͤßt ihn nieder.)
[111][112][113]

About this transcription

TextDie Zwillinge
Author Friedrich Maximilian von Klinger
Extent119 images; 17611 tokens; 3617 types; 116222 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDie Zwillinge Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen Friedrich Maximilian von Klinger. . XVI, 88 S. HahnHannover1796.

Identification

Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz SBB-PK, 19 ZZ 5655

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Drama; Belletristik; Drama; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:32:11Z
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ShelfmarkSBB-PK, 19 ZZ 5655
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