PRIMS Full-text transcription (HTML)
Der Meſſias.
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Dritter Band.
Mit Koͤnigl. Preußiſchen und Churf. Saͤchſiſchen allergnaͤdigſten und gnaͤdigſten Privilegien.
Halle, im Magdeburgiſchen. Verlegt vonCarl Hermann Hemmerde,1769.

Vom Deutſchen Hexameter, aus einer Abhandlung vom Sylbenmaaſſe.

Selmer.

Die Regel unſers Hexameters iſt, den Daktylus oͤfter, als den Trochaͤus, und dieſen, als den Spondeus zu ſetzen. Wir duͤrfen den Daktylus nicht ſo oft, als die Griechen, brauchen, weil der Trochaͤus nicht ſo langſam als der Spondeus iſt, und weil dieſer, als der dritte Fuß der Versart, zu ſelten vorkommt, dem oͤfter wieder hohlten Daktylus das Gleichgewicht zu halten. Sie werden mir zugeſtehen, daß unſer epiſcher Vers mannichfalti - ger, als der homeriſche ſey: Jch nenne den Hexameter der Alten ſo, weil ihn Homerus ſchoͤner gemacht hat, als irgend* 2einVom deutſchen Hexameter,ein Grieche oder Roͤmer; aber Sie werden mir vermuthlich Partheylichkeit Schuld geben, wenn ich auch den Rhythmus unſers Hexameters vorziehe.

Werthing.

Jch laͤugne es Jhnen nicht, daß Sie mir partheyiſch vorkommen.

Selmer.

Und warum komme ich Jhnen ſo vor?

Werthing.

Weil ich mehr Wohlklang in dem griechi - ſchen, als in dem deutſchen Hexameter hoͤre.

Selmer.

Jch ſehe wohl, ich werde Sie beſchuldigen muͤſſen, daß Sie dießmal den Klang der Worte und ihr Zeitmaaß mit einander verwechſelt haben.

Werthing.

Es iſt wahr, ich hatte jetzt dieſen Unterſchied nicht gemacht.

Selmer.

Jch ziehe unſern epiſchen Vers dem griechi - ſchen, in Abſicht auf den Rhythmus, aus zwey Urſachen vor. Die erſte iſt, weil ſich der Daktylus und der Trochaͤus aͤhnlich ſind, und der Spondeus kein naͤheres Verhaͤltniß zu dem Daktylus hat, als zu allen andern Fuͤſſen, den Moloß ausge - nommen. Dieſe Uebereinſtimmung der beyden vornehmſten Fuͤſſe unſers Hexameters gefiel den Griechen ſo ſehr, daß ſie dieſen Doppelfuß: - , - den muſikaliſchen nannten. Ob nun gleich der Vers viel oͤfter aus Wortfuͤſſen, als aus den Fuͤſſen der Regel beſtehn muß, ſo duͤrfen doch dieſe manch - mal einen Theil deſſelben bilden. Jn dieſer Betrachtung kann uns das genauere Verhaͤltniß nicht gleichguͤltig ſeyn. Die zweyte Urſache, warum ich unſerm Verſe den Vorzug gebe, iſt, weil die Rhythmen, durch die er mannichfaltiger,alsaus einer Abhandlung vom Sylbenmaaſſe. als der homeriſche wird, einen ſchoͤnen metriſchen Ausdruck haben. Jch glaube, Sie machen mir jetzt den Vorwurf der Partheylichkeit nicht mehr. Gleichwohl will ich Jhnen meine Unpartheylichkeit noch mehr zeigen. Jch behaupte es naͤm - lich als einen Vorzug des homeriſchen Verſes, daß er die Schnelligkeit des Daktylus mehr durch ſeinen Spondeus, als der unſrige durch ſeinen Trochaͤus aufhaͤlt. Unſere Dich - ter koͤnnen dieſen Vorzug vermindern, wenn ſie ſich bemuͤhen wollen, theils Gebrauch von den nicht zu wenigen Spondeen zu machen, die wir vornehmlich durch Huͤlfe unſrer einſylbi - gen Worte haben koͤnnen; und theils oft ſolche Trochaͤen waͤhlen, die nach der griechiſchen Ausſprache Spondeen ſeyn wuͤrden, und bey uns den Schein derſelben haben.

Minna.

Aber was hilft uns das, da wir Deutſche ſind, und an dieſe Vergleichung nicht denken? Denn was gehet uns uͤbrige der zwanzigſte unter den wenigen Leſern des Homer an, der ſo gar ſein Sylbenmaaß verſteht?

Selmer.

Sie haben ſo ſehr recht, als man nur haben kann: Allein, auch ohne Vergleichung, bleibt doch auch fuͤr uns ein Unterſchied. Sie hoͤren naͤmlich andre Trochaͤen, wenn Sie ſpondeenaͤhnliche hoͤren. Man koͤnnte vielleicht ſagen, geben Sie mir einmal den Homer her, Werthing, daß die Griechen auch ſolche Trochaͤen haͤtten.

Doch ich ſehe jetzt die Sache nicht mehr in dem Geſichts - punkte an, daß wir durch dieſe Trochaͤen den Gang des Ver - ſes etwas ſpondeiſch machen wollen. Jch vergleiche nur die Quantitaͤt der Griechen mit unſrer. Um die Sache mehr* 3zuVom deutſchen Hexameter,zu uͤberſehen, wollen wir alle Arten der griechiſchen Trochaͤen nehmen, und ſie mit unſern vergleichen.

Sphooe, Ophra, Naͤi, Steuto. Wir haben nur ſolche, wie Sphooe. Spondeenaͤhnliche ſind bey ihnen, da naͤmlich, wo ſie dieſe und aͤhnliche Worte als Trochaͤen brauchen:

Diphru, Esthloo, Jſaͤ, Phainei, Nuͤmphai, Huͤoi. Alle dieſe Endigungen haben wir nicht.

Jn beyden Sprachen ſind eine große Anzahl Trochaͤen, die ſich mit Einem Conſonanten endigen. Jch will nur einige anfuͤhren:

Ballen, werfen, Phootes, Mannes, haͤnich, menſchlich, Soiſin, Freundinn.

Viele unſrer Trochaͤen endigen ſich mit zwey Conſonanten, auch wohl mit dreyen. Dieſe haben die Griechen nicht. Unterdeß iſt vielleicht unſer: Wandeln, ein beſſerer Trochaͤus, als das griechiſche: Bainei, Bildend, als Moiſai, und Va - ters, als Kaloi. Sie muͤſſen nicht etwa glauben, Heiners, daß ſolche Worte ſelten als Trochaͤen geſetzet werden.

Heiners.

Wuͤrde es Jhnen bey den Daktylen eben ſo gut gehen, wenn Sie noch ein wenig blaͤttern wollten?

Selmer.

Laſſen Sie uns ſehen.

Leuſſete, dichtete: Deidechat, heiliget. Auch der Schluß des Daktyls mit dem einſylbigen Worte:

Pheuge mal, fliehe denn; Cherſin huͤph, wandte ſich; Doomat es, hoͤret es; Entha phil, Schrecken will; Avtar hoth, toͤnte vor; Auch drey einſylbige Worte:

Aeaus einer Abhandlung vom Sylbenmaaſſe.

Ae ge meg, Floͤh er doch; Ei de ſuͤ, Flog in der; Too ke tach, Zog ſie ſich; Taͤn de kat, Todt ſie hat; Ae gar ap, Wenn ſie von; Hoi men ar, Sing ich, er; Kadd ar ep, Stand er im; Hos rha t ap, Wirf ſie an. Doch, Minna, Sie wollen wohl, daß ich hier aufhoͤre.

Minna.

Nein, ganz und gar nicht. Jch mag wohl, daß Sie bisweilen auch ein wenig umſtaͤndlich mit unſerm Freunde Heiners reden.

Selmer.

Uranu, eben dieß doriſch: Ooranoo, Wande - rers, Ae epei, Ewigkeit; Eiſetai, Antioi, Ek domu, Heiligung.

Minna.

Die Sache iſt doch wirklich mit der griechi - ſchen Quantitaͤt viel anders, als ich ſie mir bisher vorgeſtellt hatte. Hoͤren Sie, Heiners, ich habe Luſt, Jhnen ganz leiſe ins Ohr anzuvertrauen, daß viele von denen, die ich bisher allerley von Homers Verſe habe reden hoͤren, vielleicht nicht ſehr bekannt mit demſelben geweſen ſind.

Heiners.

Es moͤgen dieß wohl wenige Stellen ſeyn, die Selmer zu ſeinem Vortheile ausgeſucht hat.

Selmer.

Schlagen Sie auf, wo Sie wollen, ſo werden Sie finden, daß die angefuͤhrten langen Vocale und Diph - thongen nicht allzuſelten als kurz vorkommen.

Minna.

Das muͤſſen Sie wirklich thun. Da haben Sie den Homer. Warum wollen Sie nicht?

Werthing.

Jch will Jhnen die Muͤhe abnehmen. Doch erſt noch ein Wort mit Selmer. Homer iſt mir zwar eben nicht unbekannt; aber ich hatte doch die Daktylen, die aus drey Worten beſtehn, nicht ſo bemerkt. Blaͤttern Sie* 4nochVom deutſchen Hexameter,noch ein wenig. Moloſſen von drey Worten koͤnnen Jhnen, wegen ihrer Anmerkung, die Sie vorher machten, nicht gleichguͤltig ſeyn.

Selmer.

Es ſcheint, daß Minna nichts dawider haben wird. Sie hat mir eben ein wenig Umſtaͤndlichkeit empfohlen.

Enth avt all, Meer, brauſ auf; All ei daͤ, Berg, ſink ein; Has ut an, Komm, ſtuͤrz hin; Too nuͤn maͤt, Wut rief laut; Ei gar nuͤn, Stand bang ſtill; Tu men gar, Hoͤrt’s, blieb ſtumm; Hoos ho prosth, Nacht kam ſchon; U man avt, Pfeil fleug, trif; Hoi ton ge, Bleich ſank ſie; All u laͤth, Schwert, blink her; Toon per tis, Luft, weh ſanft; Ei per gar, Ach blick auf.

Doch genung. Sie hoͤrten wohl, daß es nur Artikel und Conjunctionen ſind, die Homer in Moloſſen verbindet. Der Fuß ſcheint mir zu ſtark fuͤr Partikeln zu ſeyn. Homer hatte uͤbrigens viel Worte, die Moloſſen waren, und die er oft braucht. Dieſe fehlen uns beynah ganz, und wir koͤnnen unſre einſylbigen langen Worte, vor allen die von ſtarker Bedeutung, nicht beſſer brauchen, als wenn wir ſie in Spondeen, Baccheen, und Moloſſen zuſammendraͤn - gen, und ſie auf dieſe Art zu einem ſcheinbaren Ganzen machen.

Werthing.

Welche Seite wollen Sie von dieſen bey - den, Heiners? Dieſe alſo. Sie hat dreyßig Verſe.

Haͤră, te kăi, ei maͤ̆, otruͤnai͝, meſſatoo͝, einai͝, axioĭ, aͤdaͤ̆.
Sehenaus einer Abhandlung vom Sylbenmaaſſe.

Sehen Sie hier. Dieß ſind nur ſieben Verſe.

Toiaͤde kai͝, cheeĭ, gignetaĭ, phuͤei͝, daaͤmenai͝, muͤchoŏ.

Und was ſagen Sie von dieſem Verſe:

Plazomai͝ hood epei͝ u moi͝ ep ommaſi naͤdimos huͤpnos.

Man wuͤrde Jhnen, glaub ich, den Einwurf machen, Selmer, ob ich ihn gleich nicht mache, daß auf dieſe laͤngere Kuͤrzen ein Vocal folge. Aber man haͤtte deswegen Unrecht, es zu thun, weil ſie hier nicht in dem Geſichtspunkte ange - ſehen werden, daß der Anfang des folgenden Worts ſie noch laͤnger macht. Jn dieſer Betrachtung iſt fuͤr uns, daß ſo gar die Roͤmer den anfangenden Conſonanten des folgenden Worts die Wirkung nicht zugeſtanden, welche ſie in der grie - chiſchen Quantitaͤt hatten. Gleichwohl laͤugne ich nicht, daß ich lieber hoͤre: Des Wanderers Eilen, als: Des Wande - rers Fortgang. Unterdeß kann es wohl ſeyn, daß ein Deut - ſcher, der mit den Griechen nicht bekannt iſt, dieſen Unter - ſchied nicht bemerkt.

Noch Eins, Selmer, moͤgen Sie die laͤngere Kuͤrze, oder die kuͤrzere Laͤnge lieber hoͤren?

Selmer.

Viel lieber die erſte. Jn der letzten iſt eine gezwungne Dehnung.

Heiners.

Aber dem griechiſchen Ohre war ſie ange - nehm.

Selmer.

Vielleicht. Wenn in:

Haͤ̅roo̅oo̅n to̅iſin̅ te͝
* 5dieVom deutſchen Hexameter,

die erſten vier Laͤngen ihm vorzuͤglich gefielen, ſo konnte ihm die fuͤnfte wenigſtens nicht in gleichem Grade gefallen. Sollte das angefuͤhrte den Griechen viel anders geklungen haben, als uns klingen wuͤrde:

He̅erſcha̅ar, ſtei̅g Fe̅lſen̅gĕbirg hinauf

Weil wir keine Poſition haben, kann eine Sylbe wie hier: Sen, niemals lang bey uns ſeyn. Homer dehnt ſo gar, und nicht ſelten, die Kuͤrzen, die es nach ſeiner Regel ſind, und das in einer Sprache, die uͤber die Haͤlfte weniger Schwie - rigkeit hat, den Vers zu machen, als unſre. Viel erlaubter ſcheint es mir zu ſeyn, ein einſylbiges Wort, uͤber deſſen Quan - titaͤt ein Ohr, das feine Zweifel hat, nicht voͤllig zur Richtig - keit kommen kann, wenigſtens da, wo keine, oder wenig Leidenſchaft auszudruͤcken iſt, als gleichguͤltig anzuſehn.

Moͤchten Sie, Minna, dieſen Vers:

Toͤ̅nĕndĕr ſa̅ngĕn vĕrbo̅rgĕn vŏn Buͤ̅ſchĕn mĭt lie̅bĕndĕr Kla̅gĕ Nachtigallen

lieber ſo hoͤren:

Toͤ̅ne̅nde̅r ſ̅ange̅n ve̅rbo̅rge̅n vo̅n Buͤ̅ſche̅n mi̅t liebe̅nde̅r Kla̅gĕ Nachtigallen

Oder wollen Sie die Poſition der Griechen ferner entbehren, und es geduldig anhoͤren, wenn die Deutſchen ſelbſt fortfah - ren, es ihrer Sprache vorzuwerfen, daß ſie beynah ohne alle wahre Quantitaͤt ſey, weil ſie die Regel der Poſition nicht hat.

Nochaus einer Abhandlung vom Sylbenmaaſſe.

Noch einige wenige Anmerkungen werden zureichen, Jhnen, ohne daß ich weitlaͤuftig ſeyn darf, einen vollſtaͤndigen Be - griff von unſerm Hexameter zu machen.

Wir haben in demſelben, oder koͤnnen wenigſtens durch Huͤlfe unſerer Spondeen alle Wortfuͤſſe der Griechen haben. Aber wir haben noch fuͤnfe von gutem Ausdrucke, welche den Griechen fehlen, naͤmlich:

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Die Wortfuͤſſe, die wir mit den Griechen haben, ſind:

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Der letzte kommt in unſerer Sprache oft vor. Wir muͤſſen gegen ſeinen zu wiederholten Gebrauch auf der Hut ſeyn, da - mit der Vers nicht weich werde.

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Sie ſehen, wie viel unſer Hexameter ausdruͤcken kann. Sie denken ſich das, was ihn unterſcheidet, am beſtimmte - ſten, wenn ſie ſich ſeine neuen rhythmiſchen Schoͤnheiten vor - ſtellen, die durch die Verbindung unſrer Wortfuͤſſe mit den griechiſchen entſtehn. Dieſe Doppelfuͤſſe, oder dieſe merkli - cheren Abſaͤtze des metriſchen Ausdrucks geben Jhnen den meiſten Anlaß auszumachen, ob das Urtheil ihres Ohrs ein wenig ſtolz ſeyn duͤrfe.

Ueberhaupt koͤmmt es bey dem metriſchen Ausdrucke vor - naͤmlich, auf die Wahl guter Wortfuͤſſe, und ihre Stel - lung, an.

JchVom deutſchen Hexameter,

Jch will nur einige aus den ſehr mannichfaltigen Zu - ſammenſetzungen derſelben herausnehmen, von welchen ich glaube, daß ſie dem Verſe einen vorzuͤglich ſchoͤnen Rhythmus geben. Jch laſſe andere bekanntere weg, die auch ihre Schoͤnheit haben. Langſamere, oder ſchnellere Declamation, entſcheidet oft die Theilung in einfache oder doppelte Wortfuͤſſe.

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Eile dahin, wo der Tod, und das Grab, und die Nacht dich erwarten.
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Wende dich weg, wehmuͤthiger Blick, von der Angſt des Erdulders.
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Nenne ſie, Klageſtimme des Nachhalls, ihrem Geliebten.
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Streit, und komm zu dem Miterbtheile des ewigen Lebens.
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Freudig ſtieg ihr Genoß zu dem Lichterbtheile des Heils auf.
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Schreckliche Todesangſt, graunvolle Verzweiflungsſtimmen.
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Furchtbarer Wehausruf, der hinab in das Thal aus der Kluft ſcholl.
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Ewiges Anſchaun deß, der im Lichtreich Dulder belohnet.
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Bebend erſchollſt, Nachtthal, und zuruͤckgabſt deine Verweſten.

Jch kenne keinen Hexameter, der einen ſtaͤrkeren metri - ſchen Ausdruck haͤtte, als folgender. Jch wuͤrde Jhnen ſehr danken, Werthing, wenn Sie ihn mir im Homer faͤnden, und mich wundern, wenn ihn derjenige Dichter, der dengeizig -aus einer Abhandlung vom Sylbenmaaſſe. geizigſten Foderungen ihres Ohrs genung that, nicht ge - macht haͤtte.

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Drohend erſcholl der gefluͤgelte Donnergeſang in der Heerſchaar.
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Aber da nun in der Nacht Wehklage vom Grab aufrufte.
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Ruͤhmt und preiſt, gluͤckſelige Mitgenoſſen der Wonne.
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Ach wie liebt ich ihn ſonſt, ich einſt Schutzgeiſt des Verworſnen.
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Als der Erdkreis Gott vernahm, Gott nieder vom Paran
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Strom, ſteh ſtill! der Poſaunhall ruft, und das Volk des Herrn kommt.
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Jeder, dem jetzt am Tage des Herrn das Gericht Weh zurief.
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Ach es vernahm von dem Thron den Gerichtsausſpruch die Verſammlung.
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Aber da nun des Gerichts Ausſpruch vom gefuͤrchteten Thron ſcholl.
Minna.

Sie fuͤhrten uns vorhin gewoͤhnlich den lang - ſamſten, den ſchnellſten, und den ſchoͤnſten Vers von jeder Versart an.

Selmer.

Der langſamſte, den wir aber ſehr ſelten wer - den machen koͤnnen, waͤre dieſer:

Wuth, Wehklag, Angſtausruf, ſtieg laut auf von dem Schlachtfeld. Den andern langſamſten, der viel leichter iſt, haben Sie ſchon gehoͤrt:

Als der Erdkreis Gott vernahm, Gott nieder vom Paran.

Wer -Vom deutſchen Hexameter,
Werthing.

Und den ſchnellſten auch, Minna. Wenn ich nicht irre, ſo war es dieſer:

Eile dahin, wo der Tod, und das Grab! und die Nacht dich erwarten.

Jch will Jhnen, Selmer, denjenigen, den ich nicht allein fuͤr den ſtaͤrkſten, ſondern auch fuͤr den ſchoͤnſten halte, im Homer aufſuchen.

Sie brauchen den ſpondeiſchen Ausgang weit oͤfter, als Virgil.

Selmer.

Wenn von Anſehn die Rede iſt, ſo gilt mir Homers Beyſpiel mehr, als Virgils. Aber, auch ohne das Exempel des Griechen, wuͤrde mir die Regel der Mannich - faltigkeit, und der Rhythmus des trochaͤiſchen Ausgangs, laſſen Sie uns ihn kuͤnftig ſo nennen, weil unſer Hexameter nicht den Spondeus, ſondern den Trochaͤus, zum zweyten Fuß angenommen hat, ich ſage, die Regel der Mannichfal - tigkeit, und der bedeutende Rhythmus des trochaͤiſchen Aus - gangs wuͤrden mir es auflegen, durch ihn den daktyliſchen nicht ſelten zu unterbrechen.

Heiners.

Nach ihrer Meynung iſt es freylich ein Vor - zug des deutſchen Hexameters vor dem griechiſchen, daß er, ſtatt zweyer kuͤnſtlicher Fuͤſſe, drey zur Regel annimmt.

Selmer.

Es iſt einer, wenn anders Mannichfaltigkeit, deren Graͤnzen nicht allein beſtimmt, ſondern auch weder zu ſehr eingeſchraͤnkt, noch zu ſehr erweitert ſind, mit zur Schoͤn - heit gehoͤrt.

Heiners.aus einer Abhandlung vom Sylbenmaaſſe.
Heiners.

Aber Sie muͤſſen mir beweiſen, daß Sie den rechten Mittelweg zwiſchen der zu genauen Einſchraͤnkung, und der zu freyen Erweiterung getroffen haben.

Selmer.

Geben Sie mir einige hundert Hexameter, die ich Jhnen als gut gearbeitet zugeſtehn muß; ſo will ich ſie Jhnen vorleſen. Wenn ich Sie dadurch nicht uͤberzeugen kann; ſo habe ich wenig Neigung, es durch einen Erweis zu thun, und wenig Hofnung, es zu koͤnnen. Jch verſtehe aber durch gute Hexameter ſolche, die mit ſchoͤnen Rhythmen oft abwechſeln, die dieſe Rhythmen dem Jnhalt anmeſſen, und deren Jnhalt dieſer ganzen metriſchen Ausbildung werth iſt.

Heiners.

Gut denn, dieſe neue, ungriechiſche, hexa - metriſche Versart mag ihre Schoͤnheiten, und recht viele ha - ben; allein Sie muͤſſen mir erlauben, daß ich zu dieſer Fra - ge noch einmal zuruͤck komme, ſchickt ſich unſre Sprache dazu?

Selmer.

Sie ſchickt ſich, in ihrem ganzen Umfange genommen, und wenn ſie der Dichter verſteht, beſſer zum Hexameter, als zu Opizens Verſe. Jch nehme dieſen ſo, wie wir ihn gewoͤhnlich machen, da wir oft auf den Kuͤrzen halten, und mit den Laͤngen forteilen; denn unſre Abſicht iſt ja nicht, Spondeen einzumiſchen. Wollten Sie hier genauere Beobachtung der Quantitaͤt von dem Dichter fodern, ſo wuͤrden Sie ihm zu denken verbieten, und er koͤnnte dann mit Recht behaupten, daß ſich unſre Sprache zu dieſer Vers - art gar nicht ſchicke. Sie erinnern ſich, was wir im An -fangeVom deutſchen Hexameter. fange unſrer Unterredung uͤber die Declamation des jambi - ſchen Verſes anmerkten. Auch der kuͤrzeſte Beweis meiner Antwort waͤre fuͤr Werthing und Minna zu lang. Sie koͤn - nen alſo nichts dawider haben, daß ich ihn weglaſſe.

Der Hexameter, wie ihn Kleiſt machte, iſt ein ſchoͤner ana - paͤſtiſcher Vers, der im Fruͤhling noch ſchoͤner ſeyn wuͤrde, wenn der Jambus den Anapaͤſt oͤfter unterbraͤche. Es wuͤr - de einer der gluͤcklichſten Gedanken einiger unſer Dichter ge - weſen ſeyn, dieſen Vers zum lyriſchen aufgenommen zu ha - ben, wenn er nicht, ſeltne Ausnahmen zugeſtanden, fuͤr die Ode zu lang waͤre.

Der mehr homeriſche Hexameter hat, außer dem, was ich ſchon angefuͤhrt habe, noch dieſes, daß ſein erſter Fuß beſtaͤndig mit einer langen Sylbe anfaͤngt, ein Gang, der demjenigen Verſe angemeſſen iſt, welcher dem epiſchen Gedicht vornaͤm - lich zugehoͤrt. Dem Hexameter, ſagt Ariſtides, ein neuerer Grieche, aber der dieſe Sachen verſtand, geben Schoͤnheit und Wuͤrde ſein weiter Umfang, ſein Anfang mit der Laͤnge, und ſein volltoͤniger Schluß.

Der[1]

Der Meſſias. Elfter Geſang.

III Band. A[2]

Jnhalt des elften Geſanges.

Die Herrlichkeit des Meſſias ſchwebt von Golgatha ins Allerheilig - ſte des Tempels. Die Erde bebet unter ihr, und der Vorhang des Allerheiligſten zerreiſt. Gabriel ſagt den Heiligen, daß ſich jeder zu ſeinem Grabe begeben ſolle. Der Meſſias verlaͤßt den Tempel und weckt die Heiligen vom Tode auf. Die Auferſtehenden ſind Adam, Eva, Abel, Seth, Enos, Mahlaleel, Jared, Kenan, Lamech, Methuſala; Noa, Japhet, Sem, Abraham, Jſak, Sara, Re - becca, Jacob, Rahel, Lea, einige ihrer Soͤhne, Benjamin, Jo - ſeph, Melchiſedek, Aſarja, Miſael, Hananja, Habacuc, Jeſaias, Daniel, Jeremias, Amos, Hiob. Der bekehrte Schaͤcher ſtirbt, Noch ſtehen vom Tode auf: Moſes, David, Aſſa, Joſaphat, Uſia, Jotham, Joſia, Hiskia, Jonathan, Gideon, Eliſa, Debora, Mirjam, Heſekiel, Asnath, Joſua, Jephta’s Tochter, die Mutter und ihre ſieben Soͤhne, Heman, Chalkol, Darda, Ethan, Hanna, Benoni, Simeon, und Johannes der Taͤufer.

[3]

Der Meſſias. Elfter Geſang.

Wenn ich nicht zu ſinkend den Flug der Religion flog,
Wenn ich Empfindung ins Herz der Erloͤſten ſtroͤmte; ſo
hat mich
Gottes Leitung getragen auf Adlersfluͤgeln! es hat mich,
Offenbarung, von deinen Hoͤhn die Empfindung beſeligt!
Wer an dem reinen kryſtallenen Strom, der unter des Lebens
Baͤumen vom Throne fleußt, nicht weilte mit heiliger Ehrfurcht,
Deß Beyfall erreiche, verweht vom Winde, mein Ohr nicht!
Unverweht, befleck er mein Herz nicht! Ach, unten am Staube
Muͤßte bleiben mein Lied, wenn jener lebende Strom nicht
Durch die neue Jeruſalem, Gottes Stadt, ſich ergoͤſſe,
Und zu ihm mich hinauf der Vorſicht Rechte nicht fuͤhrte.
Leite mich ferner, du Unſichtbare, du Fuͤhrerinn, leite
Meinen bebenden Gang! Des Sohnes Erniedrigung ſang ich;
A 2Bring4Der Meſſias.
Bring mich hoͤher hinauf, auch ſeine Wonne zu ſingen!
Aber darf ich mich auch des Vollenders Freuden zu ſingen
Unterwinden? von Auferſtehungen rauſchend die Hoͤhen
Und die Thale? des Siegers Triumph, da vom Tod er aufſtand?
Und die Erhebung des Sohns von dem Staub hinauf zu dem Himmel
Aller Himmel, empor zu dem Throne des ewigen Vaters?
Die mich hoͤren, und mir, hilf, Himmelerhobner, uns tragen
Ach, uns armen Gluͤcklichen deiner Herrlichkeit Schrecken!
Ewig nun Erbarmer der Menſchen, ſchaut auf des Todten
Leichnam der Ausgeſoͤhnte. Der Sohn, der Herrliche Gottes,
Er von Ewigkeit, Gott, der Hochgelobte der Himmel,
Chriſtus ſah zu dem Vater empor. Wer iſt der Erſchaffne,
Der zu empfinden vermag, mit welcher Wonne der Gottheit,
Welcher Liebe, ſie ſchauten? Da, wo herunter vom Throne,
Wo von der heiligen Erde, ſich ihres goͤttlichen Anſchauns
Seligkeit ſenkt, und erhub, auf dieſem ſtrahlenden Wege
Fing jetzt wieder die ſtehende Schoͤpfung den kreiſenden Lauf an,
Hier zuerſt; dann floß von des Ewigen Throne die Nacht weg,
Dann von der Sonne der deckende Stern. Nun bebten die Pole
Aller Welten, den Flug, den Gott ſie lehrte, zu fliegen.
Schon begannen ſie ihn, und donnerten weit durch die Himmel
Jenes Flehen, mit dem ſie zu ſeiner Schoͤpfung Erhalter
Rufen, es wolle von ihnen der Allmacht Arme nicht abziehn
Gott, und ſie laſſen auf ewig von ſeiner Herrlichkeit zeugen!
Und mit Eile drehten die Sonnen ſich, folgten die Erden,
Bis ſie von neuem den Weg der erſten Kreiſe betraten.
Jeſus Chriſtus, der Miterhalter der Welten, ſchwebte
Ueber5Elfter Geſang.
Ueber dem Kreuz, und ſah auf ſeinen Leichnam herunter,
Wie der blutig, und bleich, und ſtumm zu der Erd hinabhing!
Jetzo wandte der Ueberwinder des Todes ſich. Schauernd
Bebte die Erde vor ihm, als er ſich wandte. Nun ſchwebt er
Nach dem Tempel, und unter des Eilenden Schwunge zerſpalten,
Sinken, ſtuͤrzen, mit himmelſteigendem Staub und Getoͤſe,
Rings die Felſen. Schnell erfuͤllet die heiligen Hallen
Chriſtus Herrlichkeit, ſchnell das Allerheiligſte Gottes.
Und es zerriß, indem ſie ins Allerheiligſte ſchwebte,
Von des Gewoͤlbes fernen Hoͤh, aus der er hinabhing,
Bis zu dem liegenden Saum, der geheimnißverhuͤllende Vorhang.
Und es verſchwand dein Schatten vor dir, vollbrachte Verſoͤhnung!
Hier ſprach Jeſus Chriſtus mit ſeinem Vater, mit Gott, Gott,
Von der ganzen Erloͤſung Vollendung, bis er zu des Vaters
Rechte ſich huͤbe! Denn nicht allein der getoͤdtete Gottmenſch,
Auch der auferſtandne, und himmelerhobne Gottmenſch
Jſt das Heil der Suͤnder, und ihres Glaubens Entzuͤckung.
Nur wovon der Vater und Sohn, nicht wie ſie es ſprachen,
Kannſt du, Sionitinn, erzaͤhlen. Denn, dieſes zu denken,
Hat die Seele kein Bild, es zu ſagen, nicht Worte die Sprache.
Siehe, wie Nacht ſich in ewiges Licht aufklaͤrt! wie des Sohns Heil
Keinem nicht Labyrinth mehr iſt! war ihres Geſpraͤches
Jnhalt. Dann das Volk, deß Soͤhnungsaltaͤr aufhoͤrten
Bilder des ewigen Opfers zu ſeyn! deß Tempel nun Truͤmmer
Bald nun Staub iſt! Jhr thraͤnenvoll Schickſal, wie ſie geſaͤt ſind
Unter die Nationen! und dieſes Schickſals Entwicklung!
Ging vor dem ſchauenden Auge des Vaters und Sohnes voruͤber.
A 3Auch6Der Meſſias.
Auch die Religion verbreitet unter den Schaaren
Zahlloſer Voͤlker, wie ſie mit viel Jahrhunderten fortſtroͤmt,
Oft verdunkelt, entſtellt! von der Menſchen Laſtern und Unſinn
Wie mit Naͤchten bedeckt, nie ganz vertilgt von der Erde!
Jedes Geretteten Auferſtehung vom Tode der Seele!
Jeder Kampf des Streitenden! jeder Sieg des Geſtaͤrkten!
Seine Leiden! ſein fernes Gefuͤhl des Himmels! ſein Ende!
Ging vor dem Ausgeſoͤhnten, und vor dem Verſoͤhner veruͤber!
Da ſo gegen einander der Vater und Sohn ſich verklaͤrten,
Waͤlzte, ſo brauſen Meere! ſich durch die hoͤrenden Himmel
Eine Stimme; die ſprach: Bey dem, der von Ewigkeit Gott iſt,
Menſch, und erwuͤrgt ward! auferſtehn, und zur Rechte des Vaters
Sich wird ſetzen! ihr Ungefallen, auch euch wirds Wonne
Wirds in jauchzenden Ewigkeiten Entzuͤckung und Heil ſeyn,
Daß der ewige Hoheprieſter die Suͤnde verſoͤhnt hat,
Und mit euch die wiedergeheiligten Sterblichen Gott ſchaun!
Eure Bruͤder, wie ihr geſchaffen zur Ewigkeit, Gott ſchaun!
Fallet nieder, und dankt! Auf ſeines Todes Altare
Ruht noch ſein heiliger Leichnam, allein vollendet, vollendet
Hat das Opfer der Ewigkeit Er! Bald iſt die Erloͤſung
Ganz vollbracht! Jhr werdet den Ueberwinder, die Klarheit
Seiner Gottheit um ihn nun bald auf des Ewigen Thron ſehn!
Gott, von Ewigkeit Gott, und bedeckt mit ſtrahlenden Wunden!
Alſo erſcholl die Stimm in den Himmeln Eloa’s Stimme.
Auch erhub ſich uͤber der Erde mit freudigem Beben
Eine Stimme; die ſprach: Der Gottverheißne, der Treue,
Jeſus Chriſtus, der Dulder, der Gnadenvolle, die Liebe
Nun,7Elfter Geſang.
Nun, nun iſt er den Tod fuͤr die Abgefallnen geſtorben
Seinen verſoͤhnenden Tod! Du Zweig an Adams Stamme
Klag, und verdorre nicht mehr! bluͤh auf zu dem ewigen Leben!
Die gebohren werden, nun jauchzen ſie, daß ſie es werden!
Denn es iſt, in der Sterblichkeit ſchon, ihr Licht der Verſoͤhner,
Jhre Leuchte das Lamm, das auf dem Huͤgel erwuͤrgt ward!
Die vor Gott ſie verklagte, die todverlangende Suͤnde
Jſt vertilget! Gericht, du gehſt vor den Reinen voruͤber,
Die mit des Gottgeopferten Blute ſich glaubend bezeichnen.
Hebet euer Haupt gen Himmel, und glaubt! Der Erbarmer
Gab euch ſeinen Eingebohrnen! Ein beſſeres Leben
Nimmt euch auf; habt ihr des Todes Schlummer geſchlummert.
Prieſter ſeyd ihr, und Koͤnige, ſeyd in Blute gewaſchen,
Hell im Blute des Lammes, das auf dem Huͤgel erwuͤrgt ward.
Alſo erſcholl auf der Erde die Stimme des erſten Gefallnen.
Jeſus war noch im Allerheiligſten. Keinem der Engel
Offenbaret er ſich jetzt ſichtbar, keinem der Vaͤter.
Seine Gegenwart kuͤndeten zwar, da hinuͤber zum Tempel
Er vom truͤben Golgatha ſchwebte, wehendes Rauſchen
Jhnen an, und, Erde, du, die dem Goͤttlichen bebte.
Aber ſie ſahn die Herrlichkeit nicht, vor welcher die Wolken
Rauſchten, die Erd erſchrak. Sie beteten nur von fern an;
Jetzo gegen die Hoͤhe Moria, denn immer erbebte
Noch das Allerheiligſte! Bilder vom Tode des Mittlers
Fuͤllten zwar noch die Seelen der Vaͤter; allein wie kein Engel
Jhnen ſie nachzuempfinden vermag, ergreifet, durchſtroͤmt ſie
Wonne mit jenem jetzt ſuͤſſerm Gedanken von deinem Tode,
A 4Gott -8Der Meſſias.
Gottverſoͤhner, vermiſcht, die ſanſteſte Ruhe des Himmels!
Ruh, und Friede Gottes, und Liebe Chriſtus, die jeden
Jhrer Gedanken erleuchtete, jedes Gefuͤhl entflammte!
Denn ſie empfanden, es ſey der Erſchaffung zur Ewigkeit letzter
Seligſter Zweck, die Liebe zu Jeſus Chriſtus dem Mittler
Zwiſchen Gott und Menſchen! Jn dieſer ſanften Entzuͤckung
Sahn die Seelen der Heiligen jede die andre verloren.
Nach und nach war ihnen ihr Glanz, ihr ſtrahlendes Leben
Wieder gekommen. So ſahen ſie ſich. Die himmliſche Liebe,
Welche ſie gegen einander empfanden, erhub ſie noch hoͤher
Zu der Seligkeit, dich, o ihr Verſoͤhner, zu lieben,
Eine Seele ſie alle, ſie all Ein Tempel des Mittlers!
Gabriel eilte zu ihnen vom Todeshuͤgel heruͤber,
Und trat unter ſie hin. Noch konnt er vor Wonne nicht reden.
Alſo hatte der Lichtanblick der Ewigerloͤſten
Jhm ſein Jnnres bewegt. Wie Harfen toͤnt ihm die Stimme:
Meine Bruͤder! Unſterbliche! kaum darf ich Bruͤder euch nennen!
Chriſtus Vaͤter! ich fuͤhrt euch herab von der Sonne zur Erde;
Vaͤter! noch Ein Befehl iſt mir am Throne geworden;
Alſo gebeut er: Geht zu euren Graͤbern, Erloͤſte!
Schnell verbreiteten ſich der Heiligen Schaaren, und eilten
Jeder zu ſeinem Grabe. Noch war von jenem Altare,
Bey dem Abel entſchlief, ein bemooſter Felſen uͤbrig.
Adam ward, und viele der Seinen an dieſem Altare,
Den faſt ganz der Waſſer Gericht wegwaͤlzte, begraben.
Adam eilte mit wenigen Frommen, ſie dort zu verſammeln.
Und ſie ſahen, da ſie den Graͤbern ſich nahten, die Engel
Jhre9Elfter Geſang.
Jhre Beſchuͤtzer im ſterblichem Leben nah an der Graͤber
Truͤmmern ſchweben. Es ſchien, als ob die Engel der Schoͤpfung
Kleinere Wunder, die Welten des Staubes, und ihre Bewohner,
Unter den Truͤmmern betrachteten. Als die heiligen Seelen
Mehr ſich nahten, verließen die Engel der Graͤber Gefilde.
Triumphirend erhuben ſie ſich. Die Seelen der Todten:
Wußten es nicht, warum in Triumph ſich die Engel erhuͤben.
Henoch blieb und Elias am Todeshuͤgel. Sie blickten
Wundernd den Heiligen nach, die zu ihrer Gebeine Ruhſtat
Jn der Zeit der Vollendung, der Zeit der Herrlichkeit, jetzo,
Auf des Ausgeſoͤhnten Befehl herunter ſtiegen!
Noa ließ ſich mit Japhet und Sem hinab zu dem Grabe,
Das ihn an jenem Berge begrub, auf welchem die Arche,
Gottes Retterinn, uͤber der waldumſtuͤrzenden Meere
Dumpfem Geraͤuſch, ſtillſtand! und wo den dankenden Altar
Noa baut, und opfert, und dich, du Bogen des Bundes,
Den Gott ſelber mit Gnade betrachtete, betend erblickte.
Abraham eilte mit ſeinen Geliebten zur Todeshoͤle
Gegen uͤber dem Hain, in dem er den goͤttlichen Dulder
Schon wie einen Menſchen geſtaltet ſah, und nicht wußte,
Wer der Wanderer ſey, der mit ihm in dem Schatten ſich labte.
Moſes ereilte ſein einſames Grab am Nebo, wo Gott ihn
Unter Felſen begrub. Er ſtarb vor des Ewigen Anſchaun,
Der ihm, eh er entſchlief, vom Nebo Canaan zeigte.
Vor dem Schrecken der Gegenwart Gottes zerriſſen die Felſen
Unter dem Todten. Er ſank hinunter; noch bebende Felſen
Stuͤrzten ihm nach. So lag er von Gottes Rechte begraben.
A 5Nicht10Der Meſſias.
Nicht ſo ferne von Golgatha kamen zu ihren Graͤbern
Jene Juͤnger Moſes, die, mit der Beredtſamkeit Donner,
Und prophetiſchen Pſalmen vom kuͤnftigen Heile geruͤſtet,
Abrahams Enkel dem eiſernen Arme der Goͤtzen entriſſen.
Graun umgab die Gefilde der heiligen Graͤber, und ſchreckte
Jedes noch Sterblichen Fuß zuruͤck, der ihnen ſich nahte.
Aber, als ob bey den Heiligen ſie nur weilen wollten,
Kamen wieder zu ihnen herab von der Wolke die Engel.
Adam hatte ſein Grab mit ſeinen Geliebten betreten.
Alſo entriß er ſich ſeinem Erſtaunen: Jhr fuͤhltet, ich ſah es,
Wie ich heiligen Schrecken empfand, als Gottes Befehl kam,
Aber freut euch mit mir! Wir ſind gewuͤrdiget worden,
Dieſe Zeit, da im Tode des Goͤttlichen Leichnam ſchlummert,
Mit dem Schlummernden bis zu dem Grab erniedret zu werden.
Selig, daß wir es wurden: wie freudig iſt dieſer Gedanke,
Mit dem ewigen Sohne des Vaters erniedert zu werden.
Und noch Einer entzuͤckt mich: Jch werde jenen Gerichtstag,
Wenn er, zum Eden die Erde nun umzuſchaffen, herabkoͤmmt,
Und ihr, meine Kinder, mit mir wir werden vom Tode
Hier erwachen! erwachen bis hin ans Ende der Erde
Alle die liegen, und ſchlafen, zu Ewigkeiten erwachen!
Alle meine zahlloſe Kinder der erſten Erſchaffung
Leiber, verherrlichte, ſeelenaͤhnliche Leiber empfangen.
Ach! zu welcher Seligkeit ſchuf uns Jehova! Wie haſt du,
Tod des Verſoͤhnenden, uns, und zu welchen Freuden, erhoben[!]
Henoch, und du, Elias, ihr zeigts, wie werth des Verlangens
Eines Unſterblichen ſey die Auferſtehung vom Tode.
Saͤume11Elfter Geſang.
Saͤume nicht, letzter der Tage, daß wir nicht laͤnger verlangen!
Saͤume, ſaͤume vielmehr, daß noch zahlloſer die Schaar ſey
Derer, die einſt zu dem ewigen Leben aus Graͤbern hervorgehn!
So ſprach Adam mit ſeliger Ruh, und ſeine Gefaͤhrten
Dachten mit ihm dem frohen Gedanken von der Erniedrung
Mit dem Verſoͤhner, und von dem letzten Tage der Erde
Wonnevoll nach. So ſtanden ſie jeder an ſeinem Grabe.
Von dem Fuße des Bergs bis hinauf zu der Zinne des Tempels,
Bebt itzt fuͤrchterlicher Moria. Schreckende Wolken
Waͤlzten ſich aus dem Allerheiligſten, ſtroͤmten heruͤber
Durch die Hallen des Heiligen, dann in des Tempels Vorhof,
Dann gen Himmel. Wohin die ſchreckenden Wolken ſich wandten;
Bebte die Erd, und ſpalteten Felſen, und huben ſich Stroͤme.
Jetzo ſtanden die Wolken gebreitet uͤber die Graͤber
Leuchtender ſtill, und ein Sturmwind brauſt auf die Graͤber herunter;
Aber des ewigen Sohns Allmacht war nicht in dem Sturmwind!
Und die Erde bebt um die Graͤber; allein des Verſoͤhners
Allmacht war in der bebenden Erde nicht! Es entſtroͤmten
Flammen den Wolken; allein der Herr war nicht in den Flammen!
Jetzo kam von dem Himmel ſanftes Saͤuſeln hernieder,
Und des ewigen Sohnes Allmacht war in dem Saͤuſeln.
Ach! die Vaͤter befiel, gleich einem Schlummer in Schatten,
Suͤße Betaͤubung! Sie wußten es nicht, wie ihnen geſchahe,
Aber ihr dunkles Gefuͤhl war: Naͤhe Gottes, und daß es
Um ſie ſaͤuſelte. Freudig, mit bruͤderlicher Entzuͤckung,
Schauten die Engel umher im Gefilde der Auferſtehung!
Jetzt12Der Meſſias.
Jetzt daucht’s Adam, als rief er: Jch werde geſchaffen! geſchaffen!
Und er ſtrebte ſich aufzurichten. Noch kniet er im Staube.
Harfen toͤnten ihm zu! ihm ſang der Seraph, und Cherub:
Werde von neuem, und nun auf ewig, geſchaffen! auf ewig!
Siehe, du ſtarbſt, an dem dunkelſten deiner Tage, des Todes,
Adam! O Heil dir Erſtem! erwach! und lebe nun Leben!
Seliges, Adam! wie du, nach deiner Schoͤpfung, nicht lebteſt!
Ach, nun ſtirbſt du des Todes nicht mehr! Noch kniet er im Staube,
Sah noch dunkel. Es ward mit dem auferſtehenden Leibe
Sein aͤtheriſcher Leib, der ſeit dem Tod ihn umhuͤllte,
Jetzo vereint. Der wurde des Umgeſchaffnen Verklaͤrung.
Schnell erhub er ſich, ſtand, und ſtreckte die Arme gen Himmel:
Wonne mir! du haſt mich von neuem aus Staube gerufen!
Ja, nun weis ichs wahrhaftig! du haſt mich wieder, Verſoͤhner!
Herrlicher mich, wie in Eden erſchaffen! O daß ich dich faͤnde,
Gottverſoͤhner, daß ich den Allmaͤchtigen faͤnde! wie wollt ich
Niederfallen vor ihm! wie ihn anbeten! Du biſt uns
Nahe, zwar nicht geſehn, doch biſt du uns nahe, Verſoͤhner!
Ja, dieß himmliſche Saͤuſeln iſt deiner Gegenwart Stimme!
Und auch ſie erwachen um mich! Schaut nieder, ihr Engel!
Um den Vater der Menſchen erwachen die heiligen Kinder!
Eva begann ſich empor zu heben. Wer bin ich geworden?
Bin ich in Eden? Wo bin ich? Jch lebe wieder im Leibe
Meiner erſten Erſchaffung? O dort iſt Adam! Wie glaͤnzt er!
Und wie glaͤnz ich! O du, deß Wunden einſt ſtralen, wo biſt du,
Daß ich eil, und dir danke, du Wiederbringer der Unſchuld!
Adam13Elfter Geſang.
Adam eilte zu ihr, ſie eilte zu Adam; doch konnten
Sie nicht reden, da ſie ſich in ihrer Entzuͤckung umarmten,
Nur den Namen des Todtenerweckers konnten ſie ſtammeln.
Abel, Abel! mein Sohn! rief Adam Abel entgegen,
Denn der ſchwebte daher, wie ein Fruͤhlingsmorgen, in Purpur
Und in Schimmer gekleidet! mein Sohn, wie hat uns der Mittler
Mit Barmherzigkeiten, mit Huld, mit Gnade beſeligt!
Erde wurden wir, als wir entſchliefen; was ſind wir geworden!
Ueber alles, was wir verſtanden, und was wir baten,
Hat er uͤberſchwenglich gethan, der, o Vater, verſoͤhnt hat
Unſere Suͤnd, und die Suͤnde der Welt! O Ruhe der Himmel!
Alle ſie werden wie wir der Tage letzten erwachen.
Enos fand ſich bey Seth, bey dem Mahlaleel, Jared,
Kenan, und Noa’s Vater, bey dem Methuſala wieder.
Unter Stralen, fanden ſie, auf zitternden Graͤbern,
Sich mit des neuen Lebens Gefuͤhl, in himmliſchem Leibe,
Der, ein beßrer Gefaͤhrt der erloͤſten unſterblichen Seele,
Faſt mit ihr denkt, und empfindet, in dem die ewige Gott ſchaut!
Wie, nach ihrer Geburt, ſich die Morgenſterne des Daſeyns
Freuten, und dich, o Schaffender, feyrend ſangen, ſo ſchwebten
Adams Soͤhne daher, und riefen Jubel und Wonne,
Neue Wonne ſich zu! Der Auferſtehung Gefilde
Hallten von der Entzuͤckung der wiederkommenden Todten!
Noa, der zweyte Vater der Menſchen, fuͤhlt’s, daß er wurde,
Und in ſanfterem Wehn der Abenddaͤmrung erwachte.
Roͤthlicher Duft entfloß des Unſterblichen Schulter, indem er
Schnell ſich erhub. Er rief: Jhr Engel, ſagt mir, ihr Engel,
Jſt14Der Meſſias.
Jſt mir ein Leib wie Adam im Paradieſe geſchaffen?
Ach, wo ſind wir? am Throne des Ewigen? oder am Grabe?
Und wo betet ihr an? wo iſt er, o der mich umſchuff?
Daß ich niederfalle mit euch! mit euch anbete!
Japhet! Sem! er ſahe vor ſich die beyden erwachen,
Ach! wo iſt, ihr Soͤhne! der uns vom Tode geweckt hat?
Daß wir eilen, und niederfallen, und ihn anbeten?
Nein! nicht Noa’s, der auch es iſt, der Auferſtehung
Soͤhne, wo iſt, der ſie mit Feuer vom Himmel entflammt hat,
Daß wir knieen, und niederfallen, und Jubel ihm ſtammeln!
Wie der Fromme, der Gott, Gott! ſeinen Schoͤpfer! in Allem
Sucht, und findet, in fruͤhem erfriſchendem Walde die Sonne
Hinter duftenden Baͤumen in ihrer Schoͤne die Sonne
Aufgehn ſleht, Entzuͤckung und ſanfter Schauer befaͤllt ihn!
Denn ſie iſt ſchoͤn! ein maͤchtiger Zeuge der Herrlichkeit Gottes!
So ſah Abrahams Engel den Vater der glaubenden Nachwelt
Selig, verklaͤrt, unſterblich aus ſeinem Grabmal hervorgehn.
Abraham legte die Hand auf den Mund, und blickte gen Himmel;
Endlich redt er, noch in ſich gekehrt, noch vertieft in Erſtaunen:
Umgeſchaffen bin ich? Wie wunderbar, du Verſoͤhner,
Sind die Folgen deiner Verſoͤhnung! wie gnadevoll ſind ſie!
Ach, dieß neue Leben, das du aus Staube mir ſchufeſt,
Gott! Verſoͤhner! es iſt auch deinen Wunden entquollen!
Dieſen unverweslichen Leib, den edlern Genoſſen
Meiner Seele, den haſt du mir, vor dem Tage der Tage,
Vor der Wandlung der Erde, gegeben! Wer bin ich! wer bin ich,
Daß du mit dieſem Heile mich, Liebender, uͤberſchuͤtteſt!
Alſo15Elfter Geſang.
Alſo rief er, und weint, entflammt von Dank und von Wonne.
Jſak kam; und Abraham daucht’s, als waͤre der Juͤngling
Einer der Seraphim! Alſo war mit dem feſtlichen Schimmer
Und mit der laͤchelnden Morgenroͤthe der Himmelsbewohner
Jſak geſchmuͤckt. Und Abraham rief: O ſahſt du mich werden,
Leuchtender Engel? Er iſt fuͤr Adams Soͤhne geſtorben!
Er hat meinem verweſten Gebein dieß Leben geboten!
Abraham! Vater! du glaubteſt zu Gott, ich wuͤrd aus der Aſche,
Haͤtte mich nun des pruͤfenden Altars Flamme geopfert,
Wieder erwachen. Jetzt bin ich erwacht! O beſter der Vaͤter,
Wunderbar iſt des Verſoͤhnenden Gnade! Sein heiliger Leichnam
Ruht noch am Kreuz, und wir erſtehn zu dieſer Entzuͤckung!
Wie im Schlummer ſank ich dahin, und himmliſche Luͤfte
Wehten um mich, und ich fand in hellen Wolken mich wieder.
Voller Entzuͤckungen kamen Sara, und Bethuels Tochter
Zu den Geliebten. Auf ſie, und gen Himmel, die Augen gerichtet
Standen der Vater, der Sohn, und fuͤhlten die Auferſtehung.
Lange ſtanden ſie ſprachlos; allein in der innerſten Seele
Gluͤhten ewiger Dank, und werdende Jubelgeſaͤnge.
Jſrael trat in Triumphe daher! und Thraͤnen voll Seele,
Dankende Thraͤnen entſtuͤrzten dem Auge des Auferſtandnen:
Halleluja dem Ueberwinder des Todes! dem Mittler
Zwiſchen dem Richter, und mir! du haſt geblutet! du haſt es
Alles vollendet! du haſt aus des Todes Thal mich gerufen!
Und die Seraphim hielten ſich nicht, und ſtroͤmten ihr Loblied
Hin in den Wonnausruf des auferſtandnen Gerechten:
Preis16Der Meſſias.
Preis und Ehre dem Todtenerwecker! dem goͤttlichen Geber
Dieſes jauchzenden ewigen Lebens, das jetzt aus den Graͤbern
Aufbluͤht! Freue deiner Bewohner, die kommen ſollen,
Himmel, dich! Es wehen, es wehen mit leiſem Liſpel
Dieſe fruͤhen Halme, dem Rauſchen der großen Erndte,
Sieh, es ſinget ihr Lied dem Rufen der Erndter: Jhr Todten,
Kommt! dem Poſaunenhall: Gieb, Meer, ſie wieder, und Erde!
Ach dem Jubelgeſchrey des letzten Tages entgegen!
Jſrael wandte von ihnen ſein Auge nach Golgatha’s Grabe:
Laut in allen Himmeln mit allen ewigen Choͤren
Will ich danken, wenn du aus deinem Grabe dich aufſchwingſt,
Wenn der Geliebte den Liebenden ſchaut auf der Herrlichkeit Throne,
Jn dem Glanze, der dein vom Anbeginne der Welt war!
Seyd ihr, Engel, was ich bin? Jhr ſeyds nicht! Jhr ſtarbt nicht, wie ich ſtarb
Glaubend an ihn! der Auferſtehung maͤchtige Freuden
Fuͤhltet ihr nicht! Er iſt, wie Menſchen ſterben, geſtorben;
Und wie Menſchen, wird er in das neue Leben heraufgehn!
Selig, betet ihr an! Wir beten, ſelig mit euch, an;
Aber wir lieben des Ewigen und der Sterblichen Sohn mehr!
Ach, wo ſind, die mit mir in dem erſten Leben ihn liebten?
Zwar nur fern und dunkel ihn ſahn den Retter der Menſchen,
Aber in ſeiner Goͤttlichkeit doch! Er wendet vom Himmel
Nach der Erde ſein Aug, und erblickt, und umarmt die Geliebten,
Joſeph, und Rahel noch nicht. Bey dem Grabe der Mutter Benoni
War ihr Engel. Sie ſtand an dem Hange des offenen Felſen,
Auf der Hoͤhe der Engel. Mit Blicken der innigſten Freundſchaft,
Sah17Elfter Geſang.
Sah ſie zu ihm hinauf; mit Blicken der innigſten Freundſchaft
Sah er auf ſie herunter. Mein Grab iſt einſam, o Seraph!
Rahel, das Grab, in welchem nun bald der Goͤttliche ruhn wird,
Jſt auch einſam! Unſterblicher, ach wie hat er gelitten,
Deſſen Leichnam bald das Grab an Golgatha einſchließt.
Ach, was hat ſein verſohnender Tod uns erworben! Jch werde
Einſt erwachen! wo mein Gebein in Staube verweſte,
Hier! Auch Auferſtehung hat mir der Verſoͤhner erworben!
Als ſie noch redet, erhub ſich um ihren Fuß von dem Grabe
Sanftaufwallender Duft, ein Woͤlkchen, wie etwa die Roſe
Oder ein Fruͤhlingslaub einhuͤllt, das Silber herabtraͤuft.
Rahels Schimmer umzog den ſchwimmenden Duft mit Golde,
Wie die Sonne den Saum der Abendwolke vergoldet.
Und ihr Auge begleitet des Duftes Wallen. Sie ſieht ihn,
Anders um ſich, und wieder anders gebildet, herumziehn,
Steigen, ſinken, zuletzt ſtets mehr ſich nahen, und ſchimmern.
Und ſie bewundert den Tiefſinn der immeraͤndernden Schoͤpfung,
Unergruͤndlich in Großem, und unergruͤndlich in Kleinem,
Ohne zu wiſſen, wie nah der ſchwebende Duft ihr verwandt ſey,
Und wozu ihn bald des Allmaͤchtigen Stimme, Verſoͤhner,
Deine Stimme nun bald erſchaffen werde! Sie neigt ſich
Ueber ihn, und betrachtet ihn, ſtets mit froherem Blicke.
Mit gefalteten Haͤnden, voll ſuͤßer namloſer Freuden,
Stand ihr Engel, und ſah’s. Jetzt ſcholl des Allmaͤchtigen Stimme!
Rahel ſank. Jhr daucht es, als ob ſie in Thraͤnen zerfloͤſſe,
Sanft in Freudenthraͤnen; hinab in ſchattende Thale
Quoͤlle; ſich uͤber ein wehendes, blumenvolles Geſtade
III Band. BLeicht18Der Meſſias.
Leicht erhuͤbe; dann neugeſchaffen unter den Blumen
Dieſes Geſtades, und ſeiner Duͤfte Geruͤchen ſich faͤnde.
Jetzt erwachte ſie ganz! Sie fuͤhlte ſich, ſahe ſich, wußt es,
Daß ein neuer, unſterblicher Leib ſie umgab. Mit Entzuͤckung
Sieht ſie gen Himmel, und dankt dem, der vom Tode ſie aufrief.
Nun verſtummt ſie nicht laͤnger: Du, mein Verſoͤhner, mein Bruder!
Jeſus Chriſtus, mein Herr, und mein Gott! dein Namen erſchalle
Jmmer von meinen Lippen zuerſt! Dann eurer, Geliebte,
Jſrael, Joſeph, und Benjamin, Benjamin! Jſrael! Joſeph!
Jeſus Chriſtus! mein Herr, und mein Gott! Wo find ich ſie? Fuͤhre,
Fuͤhre mich, Seraph, daß ich den Angebeteten ſehe,
Jſrael, meine Kinder! Jn ihrem Jnnerſten durſtet
Meine Seele nach ihnen! Vor ihrem Antlitz, mit ihnen
Will ich mich meines Heils der Auferſtehung mich freuen.
Jſrael fand ſie und Lea, und dieſer Soͤhne. Die waren
Aus den Gefilden Aegyptus herauf vom Strome gekommen,
Benjamin auch, nur Joſeph noch nicht. Der himmliſche Joſeph
Schwebte noch um ſein Grab zu Sichem. Einer der Knaben,
Die der Mittler einſt kuͤßt, und ſegnet, und unter das Volk ſie
Stellte: Werdet wie ſie; ſonſt koͤnnt ihr das Leben nicht erben!
Einer von dieſen war jetzt geſtorben. Sein leitender Engel
Fuͤhrt ihn in Haͤmons Auen daher, und da ſie die Seele
An dem Todtengewoͤlb erblickten, blieben ſie ſchweben.
Samed fragte den Engel, indem er des Unbekannten
Herrlichkeit ſah: Wer iſt, o du mein himmliſcher Fuͤhrer,
Dieſe Stralengeſtalt ſo voll von Hoheit und Einfalt?
Und19Elfter Geſang.
Und mit Laͤcheln und milderem Glanz antwortete Joſeph:
Blume, die nun in dem Schatten der Lebensbaͤume wird wachſen,
Und am Schall des kryſtallenen Stroms, der herunter vom Thron fleußt,
Wer ich bin? Jch war im Leben, dem du entflohn biſt,
Erſt ein gluͤcklicher Knabe, dann durch Verfolgungen elend,
Sehr gluͤckſelig darauf! Denn vieler Voͤlker Vater
Ward ich, und meines Vaters! Erkennſt du nun, Fruͤhentflohner,
Rahels und Jſraels Sohn? Und Samed ſprach zu dem Engel:
O du Unſterblicher! Jſraels Sohn und Rahels, von dem mir,
Ach von Joſeph! mein Vater die wunderbare Geſchichte
Oft vor Freude weinend erzaͤhlte. Noch milder, o Joſeph,
Glaͤnze noch milder, ſo wag ich mit dir, o Joſeph, zu reden.
Dich zu ſehn, das allein verdiente die Leiden des Todes;
Jhn erduldet ich gern um deinetwillen noch einmal,
Ja noch einmal den Kampf des vollen Lebens im Aufbluͤhn,
Und der innigen Liebe zu dieſem bluͤhenden Leben,
Mit dem Tode, mit dieſer Empfindung, als ob wir vergiengen,
Dieſem Traume von ewiger Nacht, dem Schrecken der Schrecken!
Kaum erſt bin ich entronnen! Mein Engel ſagte mirs, mußte
Oft mirs ſagen: ich lebte! So hatte der Schein der Vernichtung
Meine Seele geſchreckt! Fruͤhgluͤckliche Seele, du mußteſt
Auch von den Leiden des Lebens ein wenig dulden. Wie lohnt dichs
Jetzo, daß du ſo bald ein Genoß der Erben des Heils wardſt,
Derer auch, die hoͤher, als ich, auf der Seligkeit Stufe
Stehn. O Jſraels Sohn, kaum halt ich, Joſeph, dein Glaͤnzen,
Das du milderteſt, aus! Du wirſt ſchnell lernen, o Samed,
Wirſt bald Abraham ſehn. Entlaſtet vom Leibe der Erde
B 2Lernen20Der Meſſias.
Lernen die Seligen ſchnell. Gern will ich lernen. O lehre
Du mich, Jſraels Sohn. Auch in dem irdiſchen Leben
Sind bisweilen Stunden des Himmels. Wie war dir in jener
Stunde des Himmels, als du dich nun nicht halten mehr konnteſt,
Riefſt, laut weinteſt, daß die entfernten Aegypter es hoͤrten,
Jch bin Joſeph! Lebet mein Vater noch? als der Bruͤder
Aug, und des juͤngſten der Bruͤder, als deines Benjamins, Auge
Jetzo reden dich ſah! Verkuͤndiget meinem Vater
Meine Herrlichkeit in Aegyptus! du dann um den Hals fielſt
Benjamin deinem Bruder, und weinteſt! in deiner Umarmung
Benjamin auch die Thraͤnen der fruͤhen Seligkeit wurden!
Denn in jener Stunde, da du erfuhreſt: Vernommen
Hab es dein Vater! da habe das Herz des ſtaunenden Greiſes
Gar viel anders gedacht, es nicht geglaubt! bis er endlich
Deine Rede gehoͤrt, und Pharaons Wagen geſehen,
Da, da waͤre ſein Geiſt lebendig geworden: Jch habe
Nun genung, daß Joſeph mein Sohn noch lebt! Hin will ich
Und ihn ſehn, eh ich ſterbe! da er dich wirklich nun ſahe!
Du um den Hals ihm fielſt, und lang in ſeiner Umarmung
Weinteſt! da zu dir ſelbſt dein Vater ſagte: Nun will ich
Gerne ſterben, ich habe geſehen dein Angeſicht, Joſeph,
Daß du noch lebſt! wie war dir in dieſen Stunden des Himmels?
Komm, auch Jſraels Sohn, und auch mein Bruder, und juͤnger,
Als mein Benjamin war, komm und umarme mich Samed
Zittert herzu, und umarmt ihn. Sie weinten lange des Himmels
Thraͤnen Wie, Samed, mir war, das haſt du ſelber empfunden,
Als du von jenen Thraͤnen auf Erden die frohe Geſchichte
Mir21Elfter Geſang.
Mir zuruͤckriefſt, als du dadurch die Freuden des Himmels
Mir vermehrteſt, ſo ſehr vermehrteſt, daß ich dem Geber
Jener Seligkeit wieder mit neuem Danke, mit ſtaͤrkerm,
Als ich auf Erden zu bringen vermocht, anbetete. Danken
Will ich, Joſeph, von dir auch lernen, aber o ſage:
Warum iſt es ein Grab, wo du weilſt? Unſterblicher, weis er
Schon des Goͤttlichen Tod? Der Seraph wollte jetzt reden,
Aber ſchnell rief Samed: Jch weis, ich weis des Verſoͤhners
Tod! So weiſt du denn auch, daß uns von ihm ein Befehl ward,
Uns, die das Kreuz umgaben, hinab zu den Graͤbern zu wallen.
Zeugen ſeiner Erduldungen waren wir, bis ihm ſein Haupt ſank,
Und er ſtarb. Dieß wußt ich noch nicht. Von dem Todten zu ſprechen
Bin ich noch nicht ſelig genung. So bald ich ſo hoch mich
Heb, und nicht mehr verſtummen muß; iſts Joſeph, mit dem ich
Von dem Goͤttlichen rede. Jetzt, Benjamins Bruder, und meiner,
Sage mir, weſſen Gebein deckt dieſes Grab? Das meine,
Samed. Sollte denn jeder zu ſeinem Grabe ſich wenden?
Oder haſt du deins nur gewaͤhlt? Des Engels Botſchaft
War: Wir ſollten uns jeder zu ſeinem Grabe ſich wenden.
Was iſt dieſes, mein Huͤter, und Joſeph, ihr Engel Gottes?
Und der niemals Sterbliche laͤchelt, und Joſeph erwiedert:
Dieſes vielleicht: Wir ſollen uns mit dem todten Meſſias
Bis zu dem Grab erniedrigen; und, wovon er uns frey macht,
Unter Gebeinen mit ſtillen Betrachtungen uͤberdenken.
Denn, daß er ſtarb, und auferſteht, das freyt uns vom Tode,
Das erweckt uns dereinſt am letzten Tage der Erde.
B 3Hier22Der Meſſias.
Hier wird alſo Joſeph erwachen. O truͤgen die Meinen
Meine Truͤmmer hierher, ſo wuͤrd ich bey Joſeph erwachen.
Laß hinein in das Grab uns ſchweben, und ſehen, was uͤbrig
Jſt von der Huͤlle, die ſonſt dich umgab, im Staube geblieben,
Sehen, was auferſteht! Dieß kleideten Jſraels Soͤhne
Ju balſamiſches Todtengewand bey Pharaos Strome.
Drum iſt vielleicht dein Staub von dem Staube der Erde geſondert,
Und wir koͤnnen noch ſehen, was kuͤnftig der Ewigkeit aufbluͤht.
Komm denn, Samed. Er ſprachs, und fuͤhrt ihn hinab in das Grabmaal.
Und ſie fanden, wo in dem Gewoͤlbe die dunkelſte Nacht war,
Joſephs Engel, dem der Erwartung Freuden und Unruh
Aus dem Angeſicht ſtrahlten. Jch ſeh, o Seraph, du freuſt dich
Deß, der bald nun erwacht. Jch freue mich ſeiner Erhoͤhung,
Joſeph, die immer herrlicher wird, und die die Erwartung
Stets mit neuer Entzuͤckung belohnt. Wenn du ein Gefilde
Voll von Fruͤhling liebteſt, und, wo du wandelteſt, immer
Neue Blumen vor dir entſproͤſſen; doch die du am meiſten
Unter den Blumen liebteſt, die Eine ſchlief noch im Schooſſe
Dieſes frohen Gefildes: du wuͤrdeſt, Joſeph, die Eine
Mit unruhiger Freud erwarten. Welche der Gnaden
Meynſt du, Seraph? O du Unſterblicher, und noch Todter,
Welche der Gnaden ich meyne? Sieh hin! Da wallte von ſelber
Erde wie Wolken empor, und ſank an des Felſengewoͤlbes
Seiten nieder, allein wo der Engel des Heiligen ſchwebte,
Blieb ein wenig wallender Staub. Mit Schnelligkeit woͤlkt er
Auf ſich und nieder; und ſchimmernd wars im gebaͤhrendem Staube.
Schwebe23Elfter Geſang.
Schwebe naͤher, und ſieh, rief Joſephs Engel, wie herrlich
Hier in der Erde die erſten Funken des Lebens beginnen.
Und ein ſanftes Saͤufeln entſtand in dem Todtengewoͤlbe;
Samed wehten die goldenen Locken, und Jſraels Sohne
Saͤuſelt es nach, da er ſeiner Gebeine Truͤmmer ſich nahte.
Aber nun kam mit Eile die neue Schoͤpfung der Engol
Blicke zuvor, und Sameds zuvor. Sie ſahn das Geſchehne,
Und das Geſchehende nicht, den Staub verwandelt, und Rahels
Sohn erſtanden! Er rief: Des Bundes Engel, o der ſie
Flammend die Nacht und am Tag in der hohen Wolke ſie fuͤhrte,
Weg aus Aegyptus Grabe durchs Meer der Schilfe, nach Canan,
Daß der Peiniger ſank! jetzt ſinkt der groͤßre, der Tod ſinkt!
Aber Jſrael iſt in Ephrons Auen, und Rahel,
Abraham, Abraham auch! Er riefs, und ſtrahlt aus dem Grabmaal,
Und vor Freude verſtummt begleiten die Engel und Samed
Seinen wehenden Flug. Schon entſchwebt er dem heiligen Haine
Mamres in ſeiner Vaͤter und ſeiner Bruͤder Verſammlung.
O wer hoͤrte genung von himmliſcher Harfen Nachhall,
Toͤnen zu laſſen, wie ſich zu dem zweytenmale der Vater
Und der Sohn empfingen, die Bruͤder den Bruder erkannten,
Was die Mutter empfand, da ſie ihren Erſtling erblickte!
Herrlich hatt ihn die zweyte Schoͤpfung erſchaffen. Sein Traum ging
Bis in das ewige Leben. Vor ſeiner helleren Klarheit
Neigten ſich ſeine Bruͤder, jetzt nicht nur neidlos, mit Freuden
Neigten ſie ſich, und dankten dem Geber der hoͤheren Gnaden.
Salems Prieſter und Koͤnig begrub bey der Quelle Phiala,
Wo er den Heiligen fand, ein Wanderer. Nicht aus Mitleid,
B 4Nicht24Der Meſſias.
Nicht aus Menſchlichkeit nur, begrub ihn der ſtaunende Fremdling,
Auch aus Ehrfurcht. Er fand ihn auf ſeinem Angeſicht liegen
Mit gefalteten Haͤnden. So lag, ein himmliſcher Anblick
Fuͤr der Engel Auge, der Prieſter Gottes im Tode!
Lange ſah ihn der Wanderer an, und werth, zu begraben
Dieſen Todten, erhub er mit freudigſchauerndem Danke
Seine Haͤnde gen Himmel, dann ſchlung er ſie um den Entſchlafnen,
Faßt ihn, und nahm aus dem Staub ihn auf, und begrub ihn betend.
Dieſes Grab umſchwebte Melchiſedek. Rauſchend ergoß ſich
Von Phiala der werdende Jordan hinab an des Grabes
Kuͤhlem Mooſe. Des Quells melodiſches, ſanftes Getoͤne
Ueberſtroͤmte des Heiligen Seele mit freudigem Tiefſinn.
Und ihr deucht es, ſie hoͤr, Allmaͤchtiger, deine Stimme
Durch der Himmel Jeruſalem ſanft mit des Thrones Kryſtallſtrom
Rauſchen, und durch die Wipfel der Lebensbaͤume ſie wehen.
Und Melchiſedek ſank ſtets tiefer in dieſer Entzuͤckung
Suͤße Ruh. Nun vergingen um ihn die Erd und der Himmel,
Gott nur, und er vergingen nicht. Umgeſchaffen erhub er
Aus dem Staube ſich, ſtand, ſank wieder aufs Angeſicht nieder,
Und verſtummte; doch nannten ſein Auge voll bebender Thraͤnen
Jeſus! ſeine gefalteten Haͤnde Jeſus, den Mittler!
Auf der Ebne, wo ſie durch deinen Boten, o Allmacht!
Aus der gluͤhenden Tiefe gefuͤhrt herauf in das Leben
Kamen, allen ein Anblick des Schreckens und Grauns und Entſetzens,
Die, wenn nun die Aſoor, der Geſang, die Floͤten, der Pſalter,
Wenn die Cymbale, dein Jauchzen, Drommete! Poſaune! dein Donner
Raſten, die dann vor dem glaͤnzenden Bilde zur Erde ſich ſtuͤrzten,
Auf25Elfter Geſang.
Auf der Ebne hatten ihr Grab die Frommen, Aſarja,
Miſael, und Hananja in Einen Felſen gehauen.
Von dem Grabe der goͤttlichglaubenden Helden nicht fern lag
Eine große Truͤmmer, das Bild! Einſt hatt es der Koͤnig,
Welchen hinab zu den Thieren der Herr von Babylons Hoͤhn ſtieß,
Unter die Wolken geſtellt, wie er in dem Traum es erblickte.
Koͤnigreiche, des Bildes Bedeutung, verworfne, zerſtoͤrte
Koͤnigreiche, noch liegen ſie, Eine große Truͤmmer!
Miſael, und Hananja begruben Aſarja, und freuten
Sich der Auferſtehung, als ſie den Geliebten begruben.
Dich, Hananja, begrub der einſame Miſael troſtvoll,
Und erquicket von dem Gedanken des naͤheren Todes.
Jetzo ſuchte ſein Aug in ihrem Grabe der Todten
Staub; doch ſelbſt des Unſterblichen Auge ſuchte vergebens.
Und er ſchwung ſich voll vom Gefuͤhle der freudigſten Hoffnung
Ueber die hohen Graͤber empor, und ſang, in der Wonne
Seiner Seele, nach ſeinen Geliebten hinab, und gen Himmel,
Sang mit dem wehenden Rauſchen Euphrates. Nicht wie der Menſchen
Unbeſeelteres Ohr es vernimmt, wie es Himmliſche hoͤren,
Wenn ein fliegender Strom an ſeinen Ufern hinabhallt,
Hoͤrten die Beyden die Stimme des Stroms und Miſaels Stimme.
Dennoch werden wir einſt aus dieſen Graͤbern hervorgehn!
Ja wie weit, o Verweſung, du auch in die Tiefen der Schoͤpfung
Unſern Staub zerſtreuteſt; in deinen donnernden Strudeln,
Ocean, dort fließ er! in deinen Stralen, o Sonne,
Schweb er! ihn ſchuf einſt Gott! unſterbliche Seelen bewohnten
Dieſen Staub! ihn wird, ihn wird der Allmaͤchtige ſammeln!
B 5Ueber26Der Meſſias.
Ueber ihm ſtehn, und ihm das neue Leben gebieten!
Erde nahm der Allmaͤchtige, ſprach zu der bebenden Erde:
Werd ein Leib des Menſchen! er wards! Den Staub der Verweſung
Wird der Allmaͤchtige nehmen, ihm Leib zu werden gebieten!
Halleluja! dann wird der Staub der Verweſung erwachen!
Rauſchen werden die Stroͤme! die Stuͤrme brauſen! die Meere
Bruͤllen! erbeben die Erde! der Himmel donnern, und Nacht ſeyn!
Maͤchtiger, als das fliegende grauenvolle Getoͤſe
Wird die Poſaune rufen, die Todtenweckerinn rufen!
Auferſtehen werden alsdann, die liegen, und ſchlafen!
Leiſer toͤneten ihm die letzten Laute. Vom Tode
Stand er auf! vom Tode bey ihm die himmliſchen Freunde!
Der, wie ſchnelle Parden, wie Adler im Fluge zum Aaſe,
Deine Roſſe, Chaldaͤa, erblickte; die eilenden Reuter
Rafften Gefangne zuſammen, als Sand! ſie lachten der Fuͤrſten
Und der Koͤnige ſpotteten ſie! Jhr Fuͤhrer war trunken
Erſt von ſeinem Grimme, gleich unerſaͤttlich dem Grabe,
Dann von dem Taumelkelche des Raͤchers! der auch den Raͤcher
Jn der ſchreckenden Herrlichkeit ſah, mit der er von Paran
Kam! die Peſt gieng vor dem Gefuͤrchteten her, wo er hintrat,
Elend! Er maß das Land, wie weit die Zerſtoͤrerinn wuͤten,
Wo ſie ſtillſtehn ſollte! Die Huͤgel mußten ſich neigen,
Da der Herrliche ging! bang ward den Bergen! der Strom fuhr
Eilend dahin! Da buͤckte die Tiefe ſich, und die Hoͤhe
Hub die Haͤnd auf! Sonn, und Mond, ihr ſtandet! da fuhren
Seine Pfeile mit Glaͤnzen dahin, mit Blicken des Blitzes
Seine Speere! der ſo den großen Helfer in Juda
Siehe27Elfter Geſang.
Siehe den Wiedervergelter in ſeiner Herrlichkeit ſahe,
Deſſen Kraft war auch jetzo der Herr! Der Rettende fuͤhrt ihn
Aus dem Grab in die Hoͤh! Und Habaeuc pries den Erwecker!
Sanft ertoͤnte ſein Saitenſpiel an dem offenen Grabe:
Nicht der Feigenbaum nur gruͤnt, der freudige Weinſtock
Nicht allein, und die Arbeit am Oelbaum weit in den Thalen!
Auch die unſterbliche Saat ſteht hoch, der Ewigkeit Erndte!
Schimmernd reifte ſie auf im frohen Garbengefilde!
Voll iſt deiner Preiſe der Himmel, Sela! die Erde
Deiner Ehren! Du dachteſt an uns, Barmherziger, als wir
Bis zu dem Hefen getrunken hatten den Kelch des Todes!
Ganz die Verweſung geſehn! Drum freu ich dein mich, Erretter!
Und bin froͤhlich in Gott, der mir in Ewigkeit Heil iſt.
Wie, wenn rings umher in Wolken der Himmel gehuͤllt iſt,
Und ſtets ernſter der forſchende Blick der Erwartung emporſchaut,
Wie auf Einmal ſich dann die Flamme des Herrn aus den Wolken
Stuͤrzt, und im Donnerſturme den Preis des Allmaͤchtigen ausruft:
Alſo entriß Jeſaias der Nacht des Todes ſich, ſtrahlte
Ueber dem Grabe! ſo rief er Dank dem Erſchaffer aus Staube!
Unter den Truͤmmern und Graun der großen Babylon, die ſich
Nebucadnezar, zu ſeiner Herrlichkeit Ehren, erbaute;
Aber in der die Stimme des heiligen Waͤchters auch toͤnte:
Weggenommen iſt dir dein Reich, und hinab zu den Thieren
Biſt du verſtoßen! unter dieſen veroͤdeten Truͤmmern
Lag deß Aſche, dem Gott mit ſehr viel Zukunft ſtrahlte,
Daniels. Und er ſuchte ſein Grab. Wo find ich, o Seraph,
Jn der großen Zerſtoͤrung mein Grab? Sie ſchwebten voruͤber
Neben28Der Meſſias.
Neben naͤchtlicher Voͤgel Geſchrey, und Ziſchen der Drachen,
Und geſunknen Palaͤſten. So gar der Araber hatte
Keine Huͤtten hier, ſein Sclav hier keine Gehege.
Jetzo fand der Engel das Grab. Mit Waſſer und Schilfe
War es bedeckt. Ein mooſiger Grabſtein ragte daruͤber
Unter wehenden Schilfen hervor. Und Daniels Seele
Dacht an das Schickſal Vieler zuruͤck, die lange ſchon ſchliefen,
Jenes zuruͤck, der hoch gen Himmel mit ſtolzem Wipfel
Stand, ein großer Schatten der Muͤden, und ſchnell hinſtuͤrzte,
Als es: Hauet ihn um! vom Himmel erſcholl. Der lernte!
Aber der andere nicht, ſein Sohn. Der Stolzere wollt es
Niemals lernen, daß Gott der Koͤnigreiche Gewalt hat,
Und, wie er will, die Koͤnige ſtuͤrzt. Drum ging die Hand auch
Gegen den goldenen Leuchter hervor, drum ſchrieb ſie den Tod auch:
Koͤnig! die Jahre deiner Gewalt ſind gezaͤhlt, und vollendet!
Siehe, gewogen hat dich auf ſeiner Wage der Richter!
Und zu leicht dich gefunden! dein Reich iſt getheilt, und dem Meder
Und dem Perſer gegeben! Den Stolzen, und ſeine Genoſſen
Huͤgel, die mit dem Berge zur Zeit der Zerſtoͤrung verſanken!
Ließ, wie erſcheinende Schatten, vor ſich des Heiligen Seele
Schnell vorbeygehn. Aber itzt war das Ende der Tage
Auch fuͤr Daniel da. Der Liebling Gottes erwachte,
Schwebt, und ſtrahlt auf Babylons liegende Truͤmmern herunter,
Wie von dem einſamen Himmel der Stern der Daͤmmrung herabſtrahlt.
Thraͤnen ſaͤet er einſt, und erndtete Freuden Hilkias
Zaͤrtlicher Sohn, als er mit des neuen Lebens Empfindung
Ueber dem Grabe ſtand, und ganz unſterblich ſich fuͤhlte.
Und29Elfter Geſang.
Und der Hirt zu Thekoa, der unter den Huͤtten der Einfalt
Den doch kannte, der hoch am Himmel gemacht den Arktur hat
Und den Orion! er ſah die Auen jammervoll liegen;
Und den Karmel oben verdorrt! und Kirioths Feſten
Von dem dampfenden Fluge der Flamme verzehrt! im Getuͤmmel
Moab, Kirioth ſank! im Geſchrey und Poſaunhall ſterben!
Sah der Truͤmmern und Tode noch mehr in Judas Gefilden,
Bethels Altar, und der Herrſcher Palaͤſte ſinken! der Theurung
Wuͤtende Qual, und eiſern, und ohne Regen den Himmel,
Ach nur Wolken des Staubs! drey Staͤdte zu Einer um Waſſer
Ziehen, und duͤrftig ſich letzen! das Schwert die Juͤnglinge freſſen
Und die Tode der Peſt! Von dieſen Geſichten des Elends
Hingeſtuͤrzt, ging Amos, hinauf zu den Freuden der Todten,
Gern von Lebenden weg, die ſchon die Erfuͤllung ereilte.
Jetzo erwacht er, zu ſehen das Heil des Suͤndeverſoͤhners
Jn der Unſterblichkeit Leibe, den Himmel eiſern dem Durſte
Derer nicht mehr, die nach der Erkenntniß des Heiligen lechzten.
Hiob hatte ſein Grab mit kuͤhlen Schatten umpflanzet,
Und er ſchwebt in dem wehenden Hain. Jtzt ſchienen die Felſen
Seines thuͤrmenden Grabes vor ihm ſich nieder zu ſenken,
Jetzo ſanken ſie! Schnell entſtiegen den ruhenden Felſen
Wolken wallenden Staubs, doch blitzte Glanz aus dem Staube,
Anderer Staub, und anderer Glanz, wie er je noch geſehen!
Da er ſich freute der neuen Erſcheinung mit frohem Tiefſinn,
Sank er entzuͤckt in den ſtrahlenden Staub! Jhn ſahe ſein Engel,
Wie er unter der Hand des Allmaͤchtigen wurde! der Seraph
Hielt ſich nicht, rief gen Himmel, in ſeiner Wonne gen Himmel,
Daß30Der Meſſias.
Daß vor des Rufenden Stimme der Hain und die Felſen erbebten!
Hiob empfand es! Er war, nun war er von neuem erſchaffen!
Hielt ſich nicht, rief gen Himmel mit ſtuͤrzenden Thraͤnen gen Himmel,
Daß vor des Rufenden Stimme der Hain, und die Felſen erbebten:
Heilig! Heilig! Heilig iſt der, der ſeyn wird, und ſeyn wird!
Truͤbe war noch der Himmel um Golgatha. Naͤchtliche Wolken
Ueberwoͤlkten die Thaͤler und Hoͤhn, des geſchlachteten Opfers
Ganzen Schauplatz, ſo weit das Auge der Menſchen den Huͤgel,
Wo das Kreuz des Getoͤdteten ſtand, zu ſehen vermochte.
Starr, mit tiefgeſunkenem Haupte, die heilige Schlaͤfe
Mit der Krone der Schmach bedeckt, im Blute, das auch ſtarr
Stillſtand, aufgehoͤrt hatte, dem Richter zu rufen um Gnade!
Jn die Himmel der Himmel hinauf, um Gnade des Vaters!
Hing dein Leichnam, o haͤtt ich Namen, dich wuͤrdig zu nennen,
Hing dein Leichnam, nicht Thraͤnen, und nicht des Bebenden Stimme
Nennt dich! hing am hohen Kreuze dein Leichnam herunter.
Auch der leiſeſte Laut der Luͤfte verſtummt um den Todten,
Himmel und Erde verſtummten. Von Menſchen verlaſſen, einſam
Lag der Huͤgel. So liegt ein Schlachtfeld von der Erſchlagnen
Nun begnadigten oder gerichteten Seelen verlaſſen.
Unverwendet blickte der mitgekreuzigte Juͤngling
Auf den Todten, obgleich in ſchwerem Schlummer ſein Auge
Dunkel zu werden begann Du biſt geſtorben! geſtorben!
Du, den meine Seele ſo ſehr ſie zu lieben vermag, liebt!
Und nun bin ich allein in dieſem Tode der Marter!
Ach, gern will ich es leiden, will alles, alles erdulden,
Denn du haſt vielmehr gelitten, vielmehr, wie ich leide,
Aber31Elfter Geſang.
Aber verlaß du mich nicht, wie dein Gott dich verließ! Jch vertiefe
Mich vergebens in dieſen Gedanken, durchforſche vergebens:
Gott, dein Gott verließ dich! Erſtaunungsvoller, als alles,
Was mich jemals erſchreckt, iſt dieſer zu ernſter Gedanke!
Koͤnnt ich nur noch ſtammeln; ihr treuen Wenigen, wuͤrdet
Mirs antworten, ob ihr ihn ſahet, als er es zu Gott rief?
Ob ihr ſahet ſein Haupt empor ihn richten? ſein Auge
Nach dem Himmel ſtarren? des Rufenden Angeſicht ſahet?
Seine donnernde Stimme, mit der er rufte, vernahmt ihr!
Koͤnnt ichs euch ſtammeln! Um mich vergingen Himmel und Erde!
Und es entſtroͤmte mir heiſſeres Blut! ich glaubt, ich ſtuͤrbe!
Ach! ſie ſehn mitleidig mich an! Jhr Sanften! ihr Frommen!
Weinen kann mein Auge nicht mehr; es wuͤrd euch beweinen!
Dich vor allen, o Mutter! Verlaß ſie nicht, wie dein Vater
Dich verließ! Ach mich, verlaß mich ſo nicht, Erbarmer!
Alſo dacht er, und rang mit dem Tode. Gottes Erleuchtung
Ueberſtrahlt ihn jetzt heller. Den Zweck des goͤttlichen Opfers,
Daß des Geopferten Blut, in das ewige Leben gequollen!
Gott verſoͤhnt ſey! lehrt ihn der Geiſt des Vaters und Sohnes!
Und er erſtaunte, wie nur zu erſtaunen vermag, wen Gott lehrt.
Von Pilatus, ihn hatten die Hohenprieſter gebeten,
Nicht, bis die Uebelthaͤter den Tod der Kreuzigung ſtuͤrben,
Nicht zu warten, ſie jetzt zu toͤdten! ſie jetzt zu begraben!
Daß der Verfluchten Gebein des Paſſa Feſt nicht entweihte,
Drum koͤmmt jetzt von Pilatus ein Sclav, und eilet, und redet
Mit dem Hauptmann. Dieſer gebeut. Schnell faſſet der naͤchſte
Eine Keule voll Bluts von vieler Gekreuzigten Tode,
Naht32Der Meſſias.
Naht ſich eilend, und ſchon begleiten ihn ſeine Genoſſen,
Haͤlt ſie mit dem nervichten Arm hoch uͤber dem Haupte:
Stirb! und ſchmettert nieder, da brach das Gebein des Verbrechers
Da erſcholl von der Wurzel das Kreuz bis hinauf zu dem Wipfel.
Und der begnadigte Juͤngling vernahm des erſchuͤtterten Kreuzes
Dumpfen Schall, den Verkuͤndiger ſeines nahenden Todes.
Sanft klang ihm die prophetiſche Stimme des nahenden Todes!
Und ſchon wandte der Roͤmer ſich, ging mit zitterndem Schrecken
Vor dem Kreuz in der Mitte voruͤber. Denn Goͤtter der Rache
Schwebten, ſo daucht es ihm, ſchwebten um dieſes Kreuz in der Mitte!
Und er kam zu dem Juͤngling, der blickte voll Ruh auf ihn nieder.
Und der Kreuziger, ſchnell des Juͤnglings Qualen zu enden,
Stuͤrzte mit allen Kraͤften, die ihm der haͤrtende Krieg gab,
Auf ſein muͤdes Gebein die blutige, triefende Keule
Aechzend nieder, da brachs, und ſchuͤttert, und blutet, es hallte
Laut das Kreuz! herauf von der Wurzel ſtaͤubte die Erde,
Und ringsum erbebten der Hingerichteten Schaͤdel.
Jetzo ging er noch Einmal, allein mit ſaͤumendem Fuße,
Nach dem Kreuz in der Mitten, und ſtand, und ſah auf den Leichnam,
Rufte dem Hauptmann zu, der unten am Huͤgel voll Tiefſinus
Langſam ging, er rief: Bey den Goͤttern! er iſt geſtorben!
Jhm antwortet der Hauptmann: Jch weis, daß er todt iſt, doch nim du
Einen Speer, und durchſtoß ihm das Herz! So ſagt er, und wandte
Wieder ſich weg, und blickte mit truͤberem Ernſt auf die Erde.
Schon erhub ſich der blinkende Speer, ſchon zuckt er zuruͤcke,
Schneller vorwaͤrts, und drang in die Seite des goͤttlichen Leichnams!
Waſſer entquoll und Blut der Seite des goͤttlichen Leichnams.
Jetzo33Elfter Geſang.
Jetzo ſahn die verloͤſchenden Augen des ſterbenden Juͤnglings,
Aber nur ferne, ſo daucht es ihm, nur in truͤbender Daͤmmrung,
Noch dieß Blut aus dem Leichnam des heiligen Dulders rinnen.
Und es brach ihm ſein Herz. Jndem der Leib und die Seele,
Nicht zu ſcheiden, dir nicht, o Tod! zu weichen, noch ringen,
Eh des ſtarken Bands der Natur unerforſchte Gewebe
Alle zerriſſen, empfindet des Sterbenden Geiſt ſo, denkt ſo,
Oder iſt ſich bewußt; doch Worte menſchlicher Sprachen
Streben umſonſt, zu beſchreiben, wie Seelen der Sterbenden handeln.
Nun, nun ach, auch meiner erbarme dich! deines Blutes
Um des Todes willen, den du fuͤr Alle! verließ dich
Gott! Gott! Gott verließ dich! Erbarme dich Aller! meiner!
Ja, um deiner Geburt, um deiner Leiden willen
Jn dem Gericht! um deines verſoͤhnenden Todes am Kreuze!
Deiner Auferſtehung! und deiner Erhebung zum Vater!
Deines Todes und Lebens willen! du biſt es! du biſt es!
Amen! Amen! du biſt der Vollender! und eingegangen,
Hoherprieſter, ins Allerheiligſte! deine Verſoͤhnung,
Gottverſoͤhner, iſt ewig! Wie duͤrſtete Jeſus Chriſtus!
Suͤnde gemacht und Fluch, wie duͤrſtete Jeſus Chriſtus!
Hoͤr ich: Es iſt vollendet! allmaͤchtige Stimme dich wieder?
Todeshuͤgel, mein Grab, du warſt ſein Altar! O freu dich
Deiner Verweſung, zermalmtes Gebein! Hier wirſt du verweſen!
Als er ſo in der Tiefe der Seele flehte, da nahte
Abdiel ſich, und ſchwebt um ihn mit leiſerem Fluge,
Blickt ihn an. Schnell ward des Unſterblichen Angeſicht heller,
Alſo ſegnet er ihn zu dem Tod ein: Quelle des Lebens!
III Band. CUnaus -34Der Meſſias.
Unausſprechlicherer Barmherzigkeit, hoͤherer Gnaden
Geber, als je der Menſch und der Engel verſtanden und baten,
O des Richters der Welten Verſoͤhner mit denen, die fielen!
Sey die Stunde mit ihm, vor der ſelbſt Engel erbebten,
Wenn durch dieſe gefuͤrchtete Nacht ſie zum Ewigen giengen,
Wandl in dem finſtern Thale mit ihm, und laß ihn die Wonne
Deines Lebens von fern, und ſeiner Vollendung erblicken!
Abdiel ſegnet ihn ſo. Noch flehte des Sterbenden Seele:
Gott! du Liebe! du ewige Liebe! Gerettete Seele,
Stamml es nicht! du ringeſt vergebens, noch hier zu danken.
Herr! Herr! Gott! barmherzig, und gnaͤdig, und treu, und geduldig!
Gott! Verzeiher der Miſſethat, Uebertretung und Suͤnde!
Herr! in deine Haͤnde Ach, Schaaren des Paradieſe!
Und im hellem Gewande! Wie wehn die Palmen der Sieger!
Herr! Herr! Gott! barmherzig, und gnaͤdig, und treu, und geduldig!
Gott, Verzeiher der Miſſethat, Uebertretung und Suͤnde!
Herr! in deine Haͤnde befehl ich ach jetzo nicht laͤnger!
Laͤnger nicht weilen, verſoͤhnte, gerechte, begnadigte Seele!
Mittler! in deine Haͤnde befehl ich Er ſtarb. Da verlieſſen
Mit der Seele die feinſten noch uͤbrigen Leben die Leiche,
Jetzt die Huͤlle der Seele zu werden, dereinſt die Verklaͤrung
Jhres verflogenen Staubs, wenn ihm das nahe Gericht ruft.
Alſo dachte die Seele: War dieß der Tod? O ſanfte,
Schnelle Trennung, wie ſoll ich die nennen? Tod nicht! Es heiſſe
Tod dein Name nicht mehr! und du, du ſelbſt, der Verweſung
Fuͤrchterlicher Gedanke! wie ſchnell biſt du Freude geworden!
Schlummre35Elfter Geſang.
Schlummre denn mein Gefaͤhrt im erſten Leben! verweſe,
Saat von Gott geſaͤt, dem Tage der Garben zu reifen!
Ja, verweſe! Wie viel, und welche Leben empfind ich!
Dieſe koͤnnen nicht ſterben! die neuen Leben nicht ſterben!
Abdiel hielt ſich nicht mehr. Er hatte die Seele des Juͤnglings,
Wie ſie mit himmliſchem Glanze bekleidet wurde, geſehen.
Und er kam ihr, ſtrahlend vor Wonne der innigſten Liebe,
Strahlend vor hoͤherer Wonne, daß ſie erloͤſt ſey! entgegen.
Thraͤnen rannen vom Auge des Himmliſchen, als ihm der Suͤnder
Welcher Buße gethan, und Gott ſich geheiliget hatte,
Auch entgegen eilte. So ſprach zu dem Engel die Seele:
Knecht des Hoͤchſten! denn du biſt einer der Seligen Gottes,
Deine Hoheit und Ruh, die aus deinem Angeſicht leuchten,
Sagen es mir! als dich mein werdendes Auge von fern ſah,
Deines ſchwebenden, toͤnenden Ganges melodiſches Rauſchen
Dort mir ſcholl, erſchrak ich freudig! du ſieheſt, ich bebe
Noch vor dir, allein Entzuͤckung iſt, Seraph, mein Beben!
Und in die Zukunft tief verloren ſagte der Engel:
Komm, du erſter Todter, den Chriſtus Opfer verſoͤhnet,
Du, der ſpaͤt zu Gott, erſt in dem Gefaͤngniß, ſich wandte!
Gnad am Altare ſelber empfing! du, kuͤnftiger Suͤnder
Weisheitverlaſſene Hoffnung! und nach dem Tod ihr Entſetzen!
Komm, was dir der Mittler verhieß, wird jetzo erfuͤllet!
Denn ich fuͤhre dich hin zu den Freuden des Paradieſes.
Alſo ſprach er, und eilte. Die Seele folgte dem Seraph.
Er, deß Antlitz ſtrahlte, da er von des Ewigen Anſchaun
Nieder am Sinai kam, ſo ſtrahlte, daß er dem Volke
C 2Sich36Der Meſſias.
Sich verhuͤllen mußte; der weil er nur Einmal nicht glaubte,
Als nicht ſchnell in dem naͤchtlichen Augenblicke der Fels quoll,
Canaan auch von fern vom Nebo nur Canaan ſahe,
Moſes ſchwebt itzt allein an ſeinem einſamen Grabe,
Und kein Engel um ihn. Er hatt in dem Leben der Pruͤfung
Keinen gehabt. So groß war der, der ohne zu ſterben,
Gottes Herrlichkeit nachſah. Er ſchwebte vertieft. Vor ihm flohſt du,
Wie ein erſcheinender Schatten, ſein Leben am Staube, voruͤber.
Pharao, Pharao, lange ſind von deinem Gebein ſchon
Und von deiner Heere die Schilfgeſtade nicht weiß mehr.
O wie ſtuͤrzten die Mauern des Meers! Wie rauſchte der Sturmwind
Aus der himmelſtuͤtzenden Flammenſaͤule geſendet!
Und wie ſank Aegyptus zum Tod hinab! wie begrub ſie
Gott! Auch dort, und da, und dieſſeits und uͤber den Huͤgeln
Fuͤhrten uns ſeine Wolken und ſeine Feuer. Da ſchlug Gott
Amalek dich, ſo lange ſie mir die Arme gen Himmel
Hielten, und Jſrael, ſanken ſie mir. Dort brannte der Buſch mir!
Heilig, Staͤte, biſt du! Ach langſam wurdeſt du Quelle,
Fels! Wie war dir, Abiram, und Dathan, und Korah, wie war euch
Als die Erd euch verſchlang? da bruͤllte die Hoͤlle Triumph auf!
Ja, er iſt es! du biſt des Donnerhalls, der Poſaunen
Berg! biſt Sinai! Groß biſt du, o Wuͤſte, biſt Aller,
Welche vom blutigen Strome durchs Meer der Maͤchtige fuͤhrte,
Großes Grab! Und Nebo iſt meins! Ach ſtrahlt nicht Garizims
Hoͤh aus Canaan her? und Golgatha’s ewiger Altar?
Golgatha’s blutiger heilerfuͤllter ewiger Altar!
Sangen am Nebo die Engel herauf, durch die des Geſetzes
Bund37Elfter Geſang.
Bund der Ewige ſandte, ſie glaͤnzten wie Orionen,
Kamen, umſchwebten das Grab, und hielten die goldnen Harfen
Hoch gen Himmel, und toͤnten, und ſangen: Die Seegen Garizims
Haben wir nicht, nicht Leben der Zeit, des Golgatha Seegen
Haben wir! Moſes, Aarons Gott, was ſaͤumet dein Leichnam?
Staub, du ruhſt, ſteh auf ins Leben, dir ruft der Verſoͤhner!
Und in leiſem und ſanftem, in himmliſchem Harfengeliſpel
Schlummert er hin; und erwacht in Poſaunenhall! Es erbebte
Nebo von jeder Todtenweckerinn, wenn ſie ins Grab ſcholl.
Feyerlich beugte ſein Knie, und ſank der Herrliche nieder,
Anzubeten, und lang erhub ſein Wonnegebet ſich,
Lange ſein Preiſen, ihm hielt kein Engel die Arme gen Himmel.
Auch der Koͤnige Grab bewegte ſich. David erwachte,
Ach gluͤckſeligkeitſatt, und nach dem herrlichen Bilde
Siehe des Unverweſenden, deſſen der Auferſtehung
Hoher Triumph auch harrte, des Erſtlings unter den Todten!
Als in dem dunkeln Gewoͤlbe der Sohn Jſai daherging,
Und bey ihrem Gebeine die Seele Salomo’s ſahe,
Blieb er bey ihr, wie er ſchimmerte, ſtehn. Der Sohn erſtaunte,
Ueber den Auferſtandnen, der Unerwachte. Da eilten
Engel zu ihnen ins Grab, und Auferſtandne. Sie riefen:
O ſie erwachten vom Tode! Ja wir erwachten vom Tode!
Unſer duͤrres Gebein, rief Abraham in der Entzuͤckung,
Hoͤrte die Stimme des Herrn, wir erwachten, ihn zu empfangen,
Ganz unſterblich, wie er, wenn er nun ſelber heraufſtrahlt.
Vater des goͤttlichen Todten, auch du biſt, David, erkohren,
Um die Ceder Gottes ein Fruͤhlingsbaͤumchen zu gruͤnen,
C 5Und38Der Meſſias.
Und zu liſpeln im Hauche des ſanften Sauͤſelns vom Himmel,
Wenn ſie nun ihren Wipfel bis in die Wolken emporhebt.
Aber, Gabriel ſprachs, o Seele Salomo’s, weine,
Du Begnadigte, nicht, dich wird dein Staub nicht bekleiden,
Wenn die Ceder Gottes des Fruͤhlings Erſtlingen ſchattet.
Weinen? den er mit ſo viel Gnade der Himmel bekroͤnt, ich,
Der aus ſolchen Jrren herauf zu der Rettung gefuͤhrt ward!
Ruhe bis zu dem Tage der groͤßern Erndte des Lebens,
Mein verweſend Gebein, und wenn dieß Todtengewoͤlbe
Dich nicht mehr zu halten vermag, ſo wehe zerſtreuet
Jn den Luͤften ein Duft, in der ſanften Kuͤhlung am Abend
Unter dem ſchimmernden Monde, ſo lang er Sterblichen leuchtet.
Auch den kuͤnftigen Chriſten wirſt du, antwortet der Engel,
Nicht erſcheinen. Denn nur die Auferweckten erſcheinen.
Aber ich ſeh die Erſcheinungen doch, und freue mit denen,
Die erſcheinen, und welchen die hohen Erſcheinungen ſtralen,
Mich der Freuden des Himmels! Die warten, Seliger, deiner!
Endigte Gabriel, und ſie verließen der Koͤnige Graͤber,
Mamre zu ſehn, und die Auferweckten im Schatten des Haines.
Aber noch ſtand Hiskia nicht auf. Der Bezwinger des Serah
Durch die Schrecken des Herrn, ob ſein Heer gleich zahllos heraufzog,
Aſſa erwacht; auch der dem Volke zu predigen, zweymal
Durch Judaͤa von Berſeba zog bis Ephraim, alle
Seine Fuͤrſten mit ihm, und Prieſter Gottes, und dem dann
Heil, wie keiner empfing, Gott gab! Denn Joſaphat fuͤhrte
Gegen die Feinde ſein Heer mit Loben in heiligem Schmucke,
Und mit Pſalmen, und Preiſen, und großem Geſchrey gen Himmel,
Nicht39Elfter Geſang.
Nicht zu ſchlagen! ſchon jetzt zu danken dem Retter, der bald nun
Kommen wuͤrde, zu ſiegen, und gegen die Wuͤſte mit Haufen
Todter Feinde, da war kein Entrinnen! die Erde zu decken!
Auch Uſia erwacht in ſeinem einſamen Grabe;
Und in der Koͤnige Graͤbern ſein Sohn, mit dieſem der ernſte,
Fromme Juͤngling, der eifernde Goͤtzenzerſtoͤrer Joſia!
Auch barmherzig war er! Die Saͤngerinnen und Saͤnger
Weineten ihn, der Benjaminit, deß Thraͤn auch auf Salems
Truͤmmer fiel, am herzlichſten! ach, ſie weinten, den Necho’s
Bogen trafen! in ſanftem in daurendem Liede voll Klage!
Denn es ſangen noch Enkelinnen! Die fuͤnf erſtanden
All auf Einmal, und ſchnell, fuͤnf himmelfallende Blitze!
Aber noch ſtand Hiskia nicht auf. Ein Engel des Abgrunds
Nisroch, ein Goͤtze vordem, und Sanheribs Schatten entſchwebten
Langſam jetzo Libanons Hoͤhn. Den Eroberer mußte
Nisroch herauf von der Hoͤlle zum Grabe der Koͤnige Juda
Fuͤhren Wer zwingt uns hinauf? ſprach ſchnell zu dem Goͤtzen der Wuͤrger.
Sanherib, haͤtt ich gehorcht, waͤrs nicht ein Engel des Todes,
Der den Befehl uns brachte, geweſen? Du hoͤrteſt ihn ſprechen.
War ſie nicht eiſern die Stimme der Donner, mit der er redte?
Schnell wie Blitze? Mehr Tod iſt der Tod, daß dieſe ſo furchtbar
Sind, ſo unwiderſtehlicher Macht. Du Schwacher, dem Opfer
Bluteten! haben denn je dem furchtbaren Engel des Todes
Opfer geblutet? .. Du Schwaͤcherer, der dem Gehorcher gehorchen,
Fliehn muß, wenn er gebeut! fleuch, hochgeſchwollner Erobrer!
C 4Fleuch,40Der Meſſias.
Fleuch, und bete den Staub der todten Koͤnige Juda’s,
Sanherib, an! Hohnſprecher des Maͤchtigen, der um die Naſe
Ringe dir, in dein Maul Gebiſſe dir legt, und des Weges,
Den du verwuͤſtet hatteſt, zuruͤck dich fuͤhrte, du kenneſt
Alſo ſeinen Engel nicht mehr, dem ich heute gehorche?
Kenneſt den Furchtbaren nicht, der deine Heer in den Schlummer
Stuͤrzt, und weit umher das Gefild mit Leichnamen deckte,
Daß mit dem Wehn der kommenden Sonne gefluͤgelt Geſchrey ſchrie,
Und der trunkene Blick der Adler Libanons flammte!
Den nicht? Goͤtterbezwinger zu Hamath, und Arpad! wo ſind ſie
Nun die Goͤtter zu Haran? und Rezeph? und zu Thalaſſar?
Wo die Goͤtter zu Sepharvaim? Sie ſind in der Hoͤlle,
Dein zu ſpotten! Jch neide dein Gluͤck dir, daß du dem Hohne
Dieſer Bezwungnen entronnen, und nur des todten Hiskia
Staub zu kuͤſſen, herauf geſandt biſt? Sanherib eilte
Und die beyden Schatten des Abgrunds traten ins Grabmaal,
Wo Hiskias allein mit ſeinem Engel noch ſchwebte,
Langſam herein? Warum entheiligen dieſe Verworfne,
Engel Gottes, mein Grab? wer ſind ſie? .. Sanheribs Schatten,
Und ſein Goͤtze. Gleich wirſt du, warum ſie kamen, erfahren.
Sanherib! kenneſt du dieſen verklaͤrten Schatten? .. Wie kenn ich,
Jch Ungluͤcklicher alle Soͤhne des gluͤcklichen Schickſals?
Ungluͤckſeliger, weil du ein Boͤſer wareſt, er iſt es,
Der in den Staub vor ihm ſich buͤckte, welchem du Hohn ſprachſt!
Der auf Gott ſich verließ, da deine Schaaren, wie Stroͤme,
Kamen! Du kennſt die Gerichte, die ſchon auf der Erde dich trafen!
Denn die folgten! und nun folgt dieß: Den, der dir ſo klein ſchien,
Daß41Elfter Geſang.
Daß du ihn kaum verachteteſt, mehr dem Maͤchtigen Hohn ſprachſt,
Auf deß Rettung allein der erhabnere Koͤnig ſich ſtuͤtzte,
Sanherib! den ſollſt du in neuer Herrlichkeit ſehen.
Hab er ſeine Herrlichkeit doch, die alt, und die neue!
Laß mich in meine Tiefe nur fliehn! Was geht mich Hiskias,
Oder das ewige Licht, was mich, den Genoſſen der Nacht, an?
Laß mich, Tyrann des Himmels, entfliehn! Nah gehn die Gerichte
Gottes dich an, du Stolzer! Hier ruhet ſein Staub, der deine
Liegt von Ninive’s Truͤmmer belaſtet. Auch er wird erwachen,
Aber dunkel, und jammervoll, anders, als den du nun ſehn wirſt!
Schrecken und Wuth ergriffen den blutigen Voͤlkerbezwinger,
Als ſich auf einmal das Grab des erhabenen Hiskia bewegte,
Und er eben ſo ſchnell in neuer Herrlichkeit daſtand.
Fleuch nun, Laͤſterer! fleuch, Hohnſprecher des Todtenerweckers!
Rufte mit blitzenden Strahlen bewaſfnet Hiskia, was ſaͤumſt du?
Fleuch in deine Tiefen hinab! du haſt mich geſehen!
Aber Sanherib war in des Grabmaals Felſen gewurzelt,
Konnte vor Wuth nicht entfliehn. Da rief Hiskias heruͤber:
Siehe, noch anderer Spott, als der vor der Flucht in den Tempel
Nisroch, wo deiner Soͤhne gezuͤckte Schwerter dein harrten,
Anderer Spott lohnt jetzo dich! Sions Tochter im Himmel
Sie mit der goldenen Krone des Heils verachtet dich, Todter!
Und die hohe Jeruſalem droben ſchuͤttelt ihr Haupt dir,
Niedergeſtuͤrzter Verderber, nach! Denn wen, o du Stolzer!
Haſt du geſchmaͤht? dein Aug erhoben und deine Stimme
Wider wen?. Und Sanherib floh, und ſein Goͤtze zur Hoͤlle.
C 5David42Der Meſſias.
David eilte zu Kis Grabmaal in Zela Benoni,
Denn ſo nannt ihn Rahel, als ihr den Tod der Geliebte,
Sie das Leben ihm gab; zu ſeinem Jonathan eilt er.
Ach du biſt es doch ſelber? du biſt es, mein David, doch ſelber?
Siehe, ſo ſind nur Henoch und nur Elia! wer biſt du,
Vater des großen Todten, geworden! Der Staub in dem Grabmaal
Meiner Kinder und meinem bewegte ſich, ſiehe, da bin ich
Auferſtanden! Du Vater des Gottgeopferten, Heil dir
Auch zu dieſer Herrlichkeit! Du mein Jonathan, wirſt auch
Aufſtehn Jch? bin ich der Vaͤter des Goͤttlichen Einer?
Adam erſtand, und Noah und Abraham! Sind ſie nicht alle
Vaͤter des Mittlers? .. Auch Moſes entſtand! .. Wer kañ ſich mit Moſes
Jhm vergleichen, der Aarons Gott war? .. Auch ich bin erſtanden.
Haft du geſuͤndigt wie ich? .. Das nicht, doch war ich ſo edel,
Und ſo fromm als, David, du warſt? und uͤber das alles
Stammet denn nicht der Meſſias von dir? Wie wenig verdient ich,
Und wie dank ich dafuͤr, daß ich gewuͤrdiget wurde,
Mit vom Himmel herunter zu kommen, und Jeſus zu ſehen.
David! ich habe genung! ich hab ihn ſterben geſehen!
Und mein Auge wird auch zum Triumphe des Herrlichen aufſchaun!
Auch dadurch bin ich ſelig, daß du, mein David, zu mir koͤmmſt.
Wehmuth haͤtte mich faſt bey dieſem Grab ergriffen;
Denn hier bin ich allein, und keiner von meinen Vaͤtern
Jſt mit mir, und keiner von meinen Bruͤdern; die meiſten
Sind zwar ſelig, allein ach ruht nicht hier ſein Gebein auch,
Sauls? .. Du klageſt doch nicht, o du mein Jonathan? .. David,
Lieber wollt ich vergehn! Jch klagen? machte mich Gott nicht
Auch43Elfter Geſang.
Auch zum Erben des Lichts? Auf meines Vaters Gebein ließ,
Ohne Klag, ich nur die Eine Thraͤne noch rinnen.
Rein ſind ſelber die hohen Engel vor Gott nicht, und ſelber
Unſre Seligkeit kann ein Woͤlkchen Wehmuth umſchatten.
Jetzo, mein Jonathan, darf nicht Wehmuth truͤben, denn Chriſtus
Jſt nun todt! Als er noch litt, traf mehr wie nur Wehmuth
Unſre Herzen! und ſieh, es erwachen die Erſten der Zeugen
Seines Todes und Lebens! .. Jndem rief Jonathans Engel:
Trockne die Eine Thraͤne, die dir ſo ſpaͤt noch geronnen,
Trockn auch ſie! .. Er hatt’s, mit der Stimme der Halleluja,
Kaum gerufen, als Jonathan ſchnell in Schlummer dahinſank,
Eben ſo ſchnell vor David, nun ganz ein Unſterblicher, daſtand!
Wer am Throne dereinſt die hohen Jubelgeſaͤnge
Davids und Jonathans hoͤrt, der wird auch hoͤren, was damals
Sie ſich ſagten, und was ſie ſich nicht zu ſagen vermochten.
Gideon, der die Krone nicht nahm, die Juda ihm brachte,
Schwebt in dem Glanz der Unſterblichkeit auf. So werden nicht glaͤnzen,
Wenn das Rufen des ernſten Gerichts am Throne des Sohns ruft,
Die aus dem Blut der Bezwungnen empor die ſchreckliche Krone
Huben, und ſie auf ihr Haupt mit dem Recht der Tyrannen ſetzten,
Oder, beßre Beſitzer, in jener Schlacht ſie entweihten,
Die nicht Schuldloſe rettet, und gern ſich dem Richter verbuͤrge!
Aber Er hat ihres Blutes Geſchrey vernommen,
Und wird ihm, wenn er kommt, laut anzuklagen gebieten!
Jetzo erwachte ſein ſtaͤubend Gebein, des Todtenerweckers,
Eh er ſelber verweſt war, Eliſa verließ, ſo verlaſſen
Frommer Seelen den Leib, ſein deckendes Grabmaal, und eilte
Purpur -44Der Meſſias.
Purpurſtrahlend hervor, er allein ein Morgen des Fruͤhlings.
Einſt, da weiß zu werden des Sehers Gebeine begannen,
Trugen ſie einen Todten hinaus, und legten ihn nieder
Jn ſein Grab, ein jugendlich Weib, die Wonne des Mannes,
Welchem ſie einen Sohn der Schmerzen entſchlummernd geboren.
Lange hatten ſie ſich geliebt, und beſaßen ſich endlich;
Doch ſie ſtarb! Er weint ihr nicht nach. Jn ſtummer Betaͤubung
Ging er voran in dem Todtengefolge. Der Klagenden Eine
Trug der Gebaͤhrerinn Tod, den Knaben, der, ſchoͤn wie der Roſen
Fruͤhe Knoſpe, zu bluͤhen begann. Jetzt legten die Traͤger
Auf Eliſa Gebein die Mutter des laͤchelnden Knabens.
Schleunig entſtand ein Rufen des Freudenſchreckens, und bleicher
Ward auf Einmal der Weinenden Antlitz, und ſchneller ihr Athem!
Denn die Mutter erhub ſich, ſprang hin, und riß aus den Armen
Jener Fremden ihr Kind, und bracht es bebend dem Vater.
Und ſie, deren Wange, da ſie ins Leben zuruͤckkam,
Gluͤhete, ward jetzt auch vor Entzuͤckungen bleich. Jhr Geliebter,
Der Erſcheinungen ſah, und in den Armen des Schattens
Seines Kindes Geſtalt, betrachtete laͤchelnd die beyden,
Mehr gluͤckſelig als je! Jch folg, ihr winket, ich folge!
Aber da ſie nun wirklich es war, die Zeugen es riefen,
Und ſie ſelber es rief, wards um ſein Angeſicht dunkel!
Und ſie reichte das Kind den Weibern, und fuͤhrt ihn zur Huͤtte
Wie, ſo freuet er ſich, ihn Daͤmmrung des Todes umſchwebte.
Und an dem Grabe Debora bewegten auf Einmal die Palmen
Jhre Wipfel, und ſchnell ſtand unter den rauſchenden Palmen
Auferweckt die Prophetinn, und pries des Lebens Erſchaffer!
Mirjam45Elfter Geſang.
Mirjam trat im Triumphe daher aus dem Staube der Erde.
Freudeglaͤnzend erhub ſie ihr hohes Auge gen Himmel,
Suchte mit feurigen Blicken umher in den weiten Gefilden,
Aber ſie fand den Unſterblichen nicht, der vom Tod in das Leben
Schnell ſie gebracht, dazu an der Allmacht Throne geruͤſtet.
Engel der Auferſtehung, wo weilſt du, o Erndter? Wo decken
Heilige Schatten dein ſtrahlendes Haupt? Jn welchen Gebirgen
Jſt der Ruf der Poſaune verhallt, mit dem du mich weckteſt?
Ach, wo ruheſt du aus von deinem Werk, in Erſtaunen
Selbſt verloren, daß Gott zu dieſem Wunder dich ſandte?
Volk, das Heſekiel ſah aus ſeiner Gefaͤngniſſe Graͤbern
Kommen, wenn wirſt du, Volk des Gerichts, das zweytemal aufſtehn?
Deine Rettung nicht nur, der Sterbenden froͤhliche Hoffnung
Auch zu lernen, erblickte er die Auferſtehung der Todten,
Sieh, ein ernſtes Geſicht! Er ſtand weiſſagend, da rauſcht es,
Und da regt es ſich, und die Gebeine kamen zuſammen,
Jedes zu ſeinem Gebein. Er ſah, es wuchſen daruͤber
Adern und Fleiſch, und mit Haut bekleidete Gott ſie; allein noch
War kein Odem in ihnen. Und er weiſſagete von neuem,
Da kam Odem in ſie, ſie wurden lebend, und ſtanden
Aufgerichtet, ein zahllos Heer! .. Dieß himmliſche Bild war
Jhm von dem Chebar uͤbrig geblieben, und lichter durch Strahlen
Seiner Seligkeit, hatt es ihn nicht im Himmel verlaſſen.
Jetzt, da die Auferſtehung des goͤttlichen Todten ſich nahte,
Er bey ſeinem Staube der großen Entwicklung ſich freute,
Ging es von neuem ihm auf, ein Strahlenmorgen des Fruͤhlings,
Und ſein Engel begann: Jch hoͤr in den Fernen ein Saͤuſeln
Als46Der Meſſias.
Als der Gegenwart Gottes! Von allen Seiten der Erde
Wehet es her! Wenn einer von ſeinen Hauchen den Staub hier
Unter uns ruͤhrte? Nun ſchlummern ſie wieder die athmenden Luͤfte,
Ach, nun erwachen ſie wieder. Er ſprachs, und es weht in des Engels
Goldner Locke. Heſekiel! rief der hellere Seraph,
Doch ſchon hoͤrt er nicht mehr, ſchon rauſcht, und regte ſein Staub ſich,
Schon kam Odem in ihn, ein Hauch zu dem ewigen Leben!
Und der Unſterbliche trat auf ſeine Fuͤße, zu freudig,
Auszuſprechen, was er empfand, doch hub er gefaltet
Seine Haͤnde gen Himmel, und nun umarmt er den Engel.
Und ſie ſchwebten, gefuͤhrt von dem Saͤuſeln der Gegenwart Gottes,
Nach den andern Todten, ſie auch erwachen zu ſehen.
Asnath ſchien in Schlummer zu ſinken. So ſchwebt in der Aue
Leicht ein werdender Duft, den der Mond in Silber wandelt.
Wie ſie mit zweifelndem Schweben den Staub des Grabes beruͤhrte.
Ach, mein Huͤter, was iſts, das ſo mich umdaͤmmert? was gleiten
Mir vor Bilder vorbey, die ich ſonſt nicht kannte? Was fuͤhl ich
Neues in mir? Jch habe fuͤr dieſe neue Gefuͤhle
Keine Namen, allein ſie gleichen, doch ferne nur, denen,
Die ich im erſten Leben empfand, da der Tod mich wegrief.
Sterb ich, Engel Gottes, noch Einmal? Mich deucht, die Stimme
Bebt mir! und ach zum leiſen, ſchwachen, unhoͤrbaren Laute
Wird ihr Silberton. Jch ſterbe wieder, du Engel
Gottes! Jn ſanftem Geraͤuſch, als rauſchten Quellen Edens,
Seraph, in lieblichem Wehen des ſchattenden Paradieſes,
Schlummer ich hin So entſanken Asnath die letzten Laute.
Aber, umgeben von lichten Gedanken, als waͤrens des Aufgangs
Roͤthen,47Elfter Geſang.
Roͤthen, durchdrungen von inniger Freuden ſchnellem Gefuͤhle,
Schwebte ſie auf, war ganz der Unſterblichkeit Erbinn geworden!
Jn der Entzuͤckung, als weit um ihn her das Todesgefilde
Rauſchte von Auferſtehung, da blies die hohe Poſaune
Einer der Engel. Mit ihrem erſchuͤtternden Donnerhalle,
Trat der Held, den Gott zur Bezwingung Canaans ſandte,
Aus den Schatten des Todes herauf. So leuchten aus Naͤchten
Blitze, ſo ſah auf Dothans beſtrahlten Bergen Eliſa
Flammende Wagen der Engel, die ihn mit Rettung umgaben.
Wie ein Erſtling der Fruͤhlingsblumen in duftigen Thaͤlern
Aufbluͤht, alſo erwachte zum Leben der Leben, nicht wieder
Wegzuwelken, die Tochter Jephtha. Zum Silbergetoͤne
Ward es, wovon die Lippe der Preiſenden bebet! Jhr Engel
Toͤnt’s mit der goldenen Harf ihr nach, und erhub es auf Fluͤgeln
Frohbegeiſterter Harmonieen noch hoͤher gen Himmel.
Nah an Jeruſalem hatte die Mutter der ſieben Soͤhne
Mit den Soͤhnen ein Frommer in einer Hoͤle begraben.
Herzhaft grub er die Heiligen ein, entſchloſſen, dem Wuͤtrich,
Der ſie erwuͤrgte, die That zu bekennen, und ſelber zu ſterben!
Oft war dieſe Hoͤle die Ruhſtat muͤder Wandrer;
Oft beſchatteten ihre Gewoͤlbe des einſamen Beters
Heiſſe Thraͤnen. Sie fuͤllte mit ernſtem Tiefſinn die Seele
Aller, welche vor ihr voruͤber gingen. Denn alle
Hatten gehoͤrt, welch heilig Gebein die Hoͤle begruͤbe!
Jetzo knieten in ihr um ihre Mutter die Soͤhne
Maͤrtyrer neben der Maͤrtyrerinn, voll dankender Wonne,
Daß ſie, als ſeine Zeugen, der Mittler ſterben zu laſſen
Sie48Der Meſſias.
Sie gewuͤrdigt, da ihn ſein erſtes Geſetz noch verhuͤllte;
Da er in bildenden Schatten ſich nur dem Forſchenden zeigte,
Und ihn Tabor noch nicht, noch Golgatha nicht verklaͤrten!
Als von ihrem Grabe zu Gott ihr dankend Gebet ſtieg,
Kamen uͤber den Bach, der neben der Hoͤle vorbey floß,
Semida, und ein Bethlehemit, der dich in der Huͤtte,
Wo du das erſtemal weinteſt, Erloͤſer, von Engeln gefuͤhrt ſah.
Und ſie ſetzen, lange von ihren Schmerzen ermuͤdet,
Am Eingange des Grabes ſich gegen einander, und weinen.
Semida! doch ich ſchweige von ihm. Wenn ſpraͤch ich es ganz aus,
Was ich uͤber den Tod des Menſchenfreundes empfinde!
Aber ſag, o ſage mir, was dieß fuͤr ein Gefuͤhl iſt,
Das, ſeit dem mich die Schatten des heiligen Grabmaals umgeben,
Mich mit ſanften noch niemals empfundnen Schrecken erſchuͤttert?
Doch jetzt denk ich zuruͤck. So war mir es, als ſich die Engel,
Die uns ſeine Geburt verkuͤndeten, ferne nur nahten,
Gleich der Daͤmmrung, und noch im Glanze der Himmel nicht ſtrahlten.
Heilig iſt, Jethro, ihr Grab. Jch empfinde, was du empfindeſt!
Laß uns eilen. Denn Engel, Geliebter, oder Entſchlafne
Weihen jetzo dieß Grab zum Heiligthume. Drum laß uns,
Laß uns eilen. Der Schauer, der aus den Tiefen der Hoͤle
Uns erſchreckt, iſt ein Wink, uns ſchnell zu entfernen. Sie wollen
Einſam, und mit dem, den ſie anbeten, allein ſeyn!
Semida ſprachs. Allein eh er ſich wendete, ging er
Einige Schritte tiefer, und ruft in die naͤchtliche Halle:
Jhr, o Unſterbliche, betet mit uns den Todten des Herrn an!
Goͤttlich hat er gelebt! und goͤttlich iſt er geſtorben
Jeſus49Elfter Geſang.
Jeſus Chriſtus! Vor ſeiner Geburt ſchon nannten die Engel
Seinen Namen. Jhr kennt den heiligſten aller Namen
Jeſus Chriſtus des Todten! Vom Tode wird er erwachen!
Jhr, ob eure Gegenwart gleich mit Schauer uns ſchreckte,
Seyd Erſchaffne, wie wir! Jhr ſeyd unſterblich! Unſterblich
Sind auch wir! O laſſet mit ſuͤßen menſchlichen Namen
Laſſet Bruͤder euch nennen! Ach ihr ſeyd unſere Bruͤder!
Dieſes Grab der Maͤrtyrer ſey, wenn wir einſt zu euch kommen,
Unſer Zeuge, daß wir, ſchon auf der entheiligten Erde,
Noch in der Huͤlle der Sterblichkeit, unſre Bruͤder euch nannten.
Euch erinnre dieß Grab der Maͤrtyrer, daß, wenn wir kommen,
Jhr die erſten im Himmel als eure Bruͤder uns aufnehmt!
Thirza und ihre Soͤhne vernahmen den Juͤngling. Sie ſahen
Jhn und ſeinen Gefaͤhrten, indem mit melodiſcher Stimme
Semida redete, beyde mit freudig ſtaunenden Blicken
Unverwendet auf ſie, ſo daucht es ihnen, hinabſchaun.
Als er endete, wandte zu ihren Soͤhnen ſich Thirza:
Moͤchten ſie weilen, ich liebe ſie. Einfalt und Unſchuld der Seele
Schmuͤckt ſie; allein vielleicht, daß der Schauer, welcher ſie ſchreckte,
Von dem Ewigen kam! Geht hin in Frieden! Der Herr ſey
Euer Gott! und leit euch zu unſerm ewigen Leben!
Ja bey unſerm Staube, der einſt der Unſterblichkeit aufwacht,
Ja, wir kommen, entſchlummert ihr, euch von dem Himmel entgegen.
Jethro und Semida wendeten ſich, und verließen die Hoͤle.
Als der beyden Sterblichen Bild noch um Thirza’s Seele
Schwebte, verdrang es auf Einmal ein Anblick voller Erſtaunen!
Jhre Soͤhne, ſo wie ſie vom Leben der Himmliſchen ſtrahlen,
III Band. DSinken50Der Meſſias.
Sinken um ſie in Schlummer! doch daucht ſie, zweene von ihnen
Sind vielmehr in Entzuͤckungen, als in Schlummer geſunken.
Denn es leuchtet ihr Angeſicht heller, als vormals. Sie redten;
Wonne waren ihre Gedanken, und Harfen die Stimme.
Voll von Seligkeit rief der dritte der Bruͤder, Beninu:
Steigſt du ſchon, o ſchoͤnſter der Morgen, du ſeliger Morgen
Seiner Auferſtehung herauf? Ja Morgen der Wonne,
Siehe, du biſt gekommen! es bebt das Grabmaal! es beben
Golgatha, und das Kreuz! du biſt, o Morgen, gekommen!
Alſo rief er, und ſank, wie ſeine Bruͤder in Schlummer.
Voll von Seligkeit rief der juͤngſte der Bruͤder, Jedidoth:
O ihr Engel, wo bin ich? Hat Er zu dem Throne des Vaters
Schon ſich erhoben? Ach himmliſch, Jeruſalem, ſchimmerſt du! himmliſch
Glaͤnzeſt du, Thron des Siegers! allein wie ſtrahlen, wie ſtrahlen
Seine Wunden! Er riefs, und ſank, wie ſeine Bruͤder.
Thirza erſtaunte noch immer. Vor ihrem Angeſicht lagen
Sieben Unſterbliche, welche, wie Menſchen, Schlummer umwoͤlkte,
Suͤß zwar war der Liegenden Anblick; das Antlitz der Mutter
Hing mit ſtillen Betrachtungen uͤber dem Antlitz der Soͤhne!
Aber die Schlummernden waren Unſterbliche! Sollen, ſo dachte
Jhre Mutter, ſo lange das Grab der Leichnam des Mittlers
Heiligt, auch ſie die feſtlichen, menſchentroͤſtenden Stunden,
Zwar im Tode nicht, aber doch ſchlummern? Sie dacht es. Jndem ſchloß
Sich ihr Auge. Sie ſahe ſich nicht, ſie fuͤhlte ſich ſinken.
Umgeſchaffen erhub ſie ſich jetzt! Jhr Engel, wie ward ihr,
Als ſie in ihrer neuen verklaͤrten Geſtalt ſich erblickte!
Danken,51Elfter Geſang.
Danken, danken will ich! ſie riefs mit zitternder Stimme,
Ewig danken! Ach mehr, als die frohſte Hoffnung entzuͤcket,
Haſt du mir Freuden gegeben! auch ſie erwachen, du Geber
Unausſprechlicher Wonne! du Geber des ewigen Lebens!
Und ſie kniete nieder, und ſah, mit gefalteten Haͤnden,
Und mit lautem Weinen, um ſich die Kinder erwachen!
Sah ſie werden! ſo ſchnell, als der Glut ſich Flammen entſchwingen,
Sah ſie aus ihrem wehenden Staube ſich Engel erheben!
Und den aͤtheriſchen Leib den neugeſchaffnen verklaͤren!
Sah ihr erſtes Laͤcheln, es laͤchelte nicht der Mutter!
Sah ihr werdendes Auge gen Himmel ſich oͤffnen, und ſchimmern,
Hoͤrt ihr erſtes Stammeln zu Gott! die ſeligſte Mutter!
Neben einander begrub Ein Grab vier Freunde. Dem Huͤgel
War das Felſengewoͤlbe, worunter die Leichname ruhten,
Jm Erdbeben entſtuͤrzt. Sie ſahen ihre Gebeine
Ueber ihrer Verweſungen eingeſunkenen Aſche
Liegen, und ſegneten dieſe zerſtreuten Truͤmmern des Lebens,
Mit dem Wunſche nach Auferſtehung; aber ſie hofften
Jetzo des freudigen Wunſches Erfuͤllung noch nicht. Der Entſchlafnen
Letzter, der Ethan, und Chalkol, und Heman zur Ruhe begleitet,
Dann noch ein wenig auf Erden, ihr Uebriger, hatte gewandelt,
Darda ſprach zu ſeinen Geliebten: Wie waren wir immer
So gluͤckſelig, ihr Freunde. Das Leben am Grabe vereint uns,
Dann das Grab, die Ewigkeit auch! zwar ſahen wir Ethan
Sterben, und weinten ihm nach; dein Gebein iſt weiſſer, o Ethan!
Heman ſah ich, und Chalkol des Todes Weg zwar ziehen,
Aber zu Ethan hinauf, und weinten ſanfter. Darauf ſchlief
D 2Chalkol52Der Meſſias.
Chalkol in meinen Armen auch ein, und ich blieb uͤbrig!
Noch zu dem Leben ſo reif nicht, als ihr. Wie war mir Verlaßnen,
Als ich, o Chalkol, das Grab dir ſchloß! Doch maͤchtiger ſtaͤrkte
Gott, den Weinenden, gab mir Ermannung, gen Himmel zu ſchauen!
Bald hernach ſtarb Salomo auch, und wurde verſammelt
Neben Davids Gebein. Kurz war mein uͤbriges Leben;
Wenige Naͤchte, da kam mit dem Todesſchlafe die letzte.
Siehe, da liegt nun unſer Gebein, und harret des Rufes,
Welcher ihn aufzuſtehen gebeut. Wie entzuͤckt das Verlangen,
Auferſtehung, nach dir! wie wirſt du ſelber entzuͤcken,
Auferſtehung! Wie wirſt du, mit himmliſchen Harmonieen
Sang es Heman, o du Erwachen zum Leben, entzuͤcken!
Du Erwachen nicht mehr zu entfliehenden Tagen! Vergoͤnne,
Geber der Seligkeit, mir, der Wuͤnſche froͤmmſten zu wagen,
Der zu Hoffnung beynah in meine Seele gereift iſt,
Dieſen, mit dir zu erwachen! Denn du wirſt nicht verweſen!
Jeſus Chriſtus, wie koͤnnte dein Gott verweſen dich laſſen!
Hier von meinem Leibe, deß Erde lange ſchon hinſank,
Fleh ich zu dir hinauf, weit uͤber den Huͤgel des Kreuzes,
Jn die Himmel der Himmel hinauf: Laß, großer Beginner
Deiner Erndte, den Keim in dem Staube, den ſchlummernden Leichnam,
Unter deinen Schatten, du Aehre der Aehren, erwachſen!
Ach, ſie ſchattet noch nicht, rief Chalkol heftig, und Heman
Bluͤht ſchon auf! Seht ihr den Todten, ihr Bruͤder, erwachen?
Seht ihr ihn glaͤnzender werden? .. Er riefs, und verſtummt, und erwachte
Mit dem Erwachenden. Darda, auch dir, und, Ethan, euch wurde
Keine Zeit zum Erſtaunen gelaſſen. Der Todten Gebeine
Rauſchten,53Elfter Geſang.
Rauſchten, und regten ſich mit, und wurden mit Lichte bekleidet!
So, wie ſie ſtrahlten, erhuben ſie ſich, vereinbarte Schimmer,
Hand in Hand in die Wolken empor, und ſangen dem Mittler!
Nah an Jeruſalem ſchlief die Prophetinn Hanna, vor vielen
Jhrer Tage gluͤcklich. Sie ſah in dem Tempel den Knaben
Bethlems, und wußte, wer dieſer Sproͤßling aus Juda’s Stamm ſey!
Er entrann in Aegyptus, und ſie ins Grab. Sie erwachte
Jetzt zu der Herrlichkeit. Als ſie herauf aus dem kuͤhlen Gewoͤlbe
Jhres Grabes trat, und jetzt die Augen, die niemals
Wieder ſich ſchlieſſen ſollten, eroͤffnete, ſah ſie des Todten
Leichnam gegen ſich uͤber am Kreuz. Ja dennoch, du Todter,
Biſt du mein Auferwecker! Du biſt es, du haſt mir den neuen
Mir den unſterblichen Leib vor dem Tage der Tage gegeben!
Ach wie trieft er von heiligem Blut! Ach laut in des Himmels
Fernen Hallen vernahm, und erhoͤrte der ewige Richter
Dieſes Blutes Rufen um Gnade! Sie ſprachs, und verſtummte
Voller Wonne, vertieft in die Folgen dieſer Erhoͤrung!
Joel, Samma’s erſter, nun einziger, hatte den Vater
Und den Todeshuͤgel verlaſſen, und war zu des Oelbergs
Thale niedergeirrt, Gethſemane durch, zu dem Grabe
Seines Bruders. Er ſucht es mit ſchwerem Schritte. Der Stein war
Schon mit ſtillem Mooſe bedeckt. Er ſank bey dem Steine
Kraftlos nieder mit ſtarrem und blutendem Auge von Thraͤnen
Ueber Jeſus! und uͤber Benoni! Du haſt in der Kinder
Und der Saͤuglinge Munde dir Lob bereitet; in meinem
D 3Jammer!54Der Meſſias.
Jammer! Jch hatt um Benoni den Schmerz zu ſtillen begonnen,
Aber darauf ich mag den goͤttlichen Namen nicht nennen,
Mit dem Namen des Todes! Und ach nun ſtill ich mein Jammern
Um Benoni nicht mehr. Er iſt mir noch Einmal geſtorben!
Jener große Todte, kaum wag ich es, ihn zu weinen,
Jſt ein Bruder der Engel; ihn duͤrfen Engel nur weinen.
Aber Benoni, Benoni, dich darf, dich will ich ewig
Weinen! Er ſtuͤtzte ſein ſinkendes Haupt am Steine mit truͤbem
Bangem Auge, mit bleichen und ſanftgeoͤffneten Lippen,
Seines Bruders, und ſeines Engels Wehmuth und Wonne.
Denn ſein Engel, und du, vollendete Seele Benoni,
Wart heruntergekommen zur heiligen Stille der Graͤber.
Joel wußte das nicht. So kennt ein duldender Frommer
Hier im Leiden die helfende Hand nicht, die ihm ſo nah iſt,
Nicht entfernter, als jenes Luͤftchen, welches ſchon ſaͤuſelt,
Jhn mit ſtiller Kuͤhlung ins Grab hinunter zu wehen.
Denn ſchon hat ihn der Herr des Lebens und Todes zum Sterben
Eingeſegnet. Jch lebe mehr, als er lebet, o Seraph,
Aber wie weint er den Todten, und denkt nicht hinauf an mein Leben!
Hingegangen biſt du, und haſt allein mich gelaſſen,
Mein Benoni! Du Blume von ſchnellem Sturme gebrochen,
Duftende Morgenblume, des Thales Saron die ſchoͤnſte!
Hingegangen, mein Joel, mein Bruder Joel, zu wachſen
Hoch im Himmel ein Schatten empor am Strome des Lebens.
Unſer Vater iſt alt! Dein Tod, dein Tod, o Benoni,
Wird auch ihn mir nehmen, und ach hinab in die Grube
Bringen mit Herzeleid ſein graues Haar! Jch der Waiſe,
Und55Elfter Geſang.
Und der Bruderloſe wie werd ich ſchmachten, und duͤrſten
Nach des Todes Kelche, der andern bitter, mir ſuͤß iſt!
Seraph, des Knabens Schmerz geht mir durch die Seele! Trockn ihm
Seine Thraͤnen, ach trockne die unaushaltbaren Thraͤnen!
Gott, Gott nimmt ſie von ihm, iſt ſeine Stunde gekommen.
Weißt du nicht, daß wir im Himmel zu fruͤh die Thraͤne nicht trocknen?
Schlummere ſanft, du Jnniggeliebter! Doch Lazarus kam ja
Aus der Verweſung. Allein da lebte der Goͤttliche ſelbſt noch!
Aber nun hat Er Vollendung am Kreuze gerufen.
Wird er lange noch leben, o du ſein Engel? Das weis nur
Der, wenn er ſterben ſoll, mir gebeut, ihn gen Himmel zu fuͤhren.
Lehre mich den Betruͤbten, den Bruderloſen, o Vater
Aller Vaͤter, die Weisheit, die uns durch die Wuͤſte des Lebens
Jn das Land der Verheißungen leitet. Du ſiehſt ja, du Vater
Aller Vaͤter und Kinder, die innige bittre Betruͤbniß
Meines ſchmachtenden Herzen. Jch fuͤhle die wachſenden Kraͤfte
Meiner Jugend, und ſehe vor mir ein Leben ohn Ende,
Ohne Benoni, bald ohne Vater, und ach! ohn Ende!
Seraph, der innige Schmerz wird der ſein Leben nicht kuͤrzen?
Tage deuchten ihm Jahre; nur Tage wird er noch leben.
Seele meines vollendeten Bruders, ach wenn du hier waͤrſt
Um dein Grab, und deinen verlaſſenen Joel noch kennteſt;
O ſo wuͤrdeſt du auch ein kurzes Leben mir wuͤnſchen.
Weniger nicht gehoͤret dazu, o Seraph, des Knabens
Kuͤmmerniſſe zu ſehen, und ruhig ſie auszuhalten,
Als der Beſitz des ewigen Lebens! Du warſt, o ſein Engel,
Stets ein Unſterblicher, ließeſt in jenen Huͤtten des Elends
D 4Keinen56Der Meſſias.
Keinen Bruder zuruͤck! Doch empfind ich dir nach, o Benoni,
Was du empfindeſt! So oft wir von unſern Geliebten uns trennen,
Und um neue Befehle zum Thron des Ewigen ſteigen,
Laſſen wir Bruͤder zuruͤck. Was iſt es, mein himmliſcher Bruder,
Daß mein Grab ſich bewegt? ach daß vom erſchuͤtterten Steine
Joel aufſpringt? daß es um mich wie Daͤmmrungen herſchwimmt?
Daß ich, o Gott, wo bin ich? o Geber des ewigen Lebens,
Du erhaͤltſt doch, o du vernichteſt mich nicht, du Geber?
Alſo ſtammelt er ſanft, wie ſich Wiederhalle verlieren.
Und mit dem neuen Leibe der Auferſtehung verherrlicht,
Rief er: O du erhaͤltſt mich nicht nur, du unendlicher Geber,
Du bekleideſt mich auch mit dieſem unſterblichen Leibe!
Preis dir, Herrlicher, Herrlicher, welcher der Gaben ſo viel hat!
Nun, mein Bruder, wenn einſt dein Leichnam auch verweſt iſt,
Weckt dein Schoͤpfer ihn auch, er, der der Gaben ſo viel hat!
Wacht ich? oder hatte der Schmerz ſein fuͤrchterlich Schlummern
Ueber mich ausgebreitet? Empfind ich in meiner Kindheit.
Schon, was Samma empfand, wenn er in ſtarrer Betaͤubung
Niederſenkte ſein Haupt, dann auf Einmal aufſprang, und rufte:
Kind, Benoni, mein Kind, am blutigen Felſen zerſchmettert!
War ich alſo betaͤubt? ach oder bewegte der Stein ſich
Wirklich? Jhr ruht doch ſanft, ihr meines Bruders Gebeine?
Bebte die Erde noch nach? Da kommt mein Vater, und ſucht mich.
Siehe mein Vater, o Seraph! Ach weine, du redlicher Alter,
Nicht bey meinem Grabmaal! Jch bin ja ſo ſelig, und leer iſt
Meines Staubes der Staub, den dieſer ruhende Stein deckt.
Lange57Elfter Geſang.
Lange ſucht ich dich, Joel, nun find ich dich endlich. O laß uns
Dieſem Grauen der Graͤber entfliehn! Jſt das nicht Benoni’s?
Komm, mein Joel! Jſt das nicht Benoni’s? Auf laß uns entfliehen!
Komm, mein Uebriger. Gott, Gott ſegne dich, Joel. Sie gingen.
Gott, Gott ſegne dich bald, ſprach, da ſie ſich wandten, Benoni,
Mit dem ewigen Leben, du duldender redlicher Vater!
Simeon, als er geſehen hatte den Heiland Gottes,
Jhn, das Licht, zu erleuchten die Voͤlker, den Herrlichen Juda’s,
Und den innigſten Dank nun uͤber ihn ausgeweinet,
Saͤumte nicht lange, ſein ſilbernes Haupt zur Ruhe zu legen.
Simeon machte ſich auf, ward ſterbend Licht, denn ſein Licht war
Druͤben am Grabe noch heller, und du, o Herrlichkeit Gottes,
Gingſt dort leuchtender uͤber ihm auf. Sein Verwesliches war jetzt
Schon zu Staube zuſammengeſunken. Der Geiſt des Propheten
Schwebt an der deckenden Gruft, wo ſeines Leichnames Saat lag,
Schnell, er wußte das nicht, zum hohen Halme zu wachſen,
Vor dem Tage der großen Erndte, mit wenigen Halmen
Ueber die Saat der Todten empor, die von Anfang entſchliefen,
Ueber das Menſchengeſchlecht, das hinab bis an das Gericht ſtirbt.
Und im roͤthlichen Wege, der durch das Rauſchen des Kidren
Von Jeruſalem ſich an des Oelbergs Fuß herumzog,
Und mit ſeinen Kruͤmmungen dicht an Simeons Grab kam,
Wandelten langſam ein Greis, mit ihm ein fuͤhrender Knabe,
Simeons Bruder, und Enkel. Das Auge des Alten umhuͤllte
Blindheit, die fruͤhere Nacht des Todes, eh noch der Tod ſelbſt.
D 5Jn58Der Meſſias.
Jn das dunkle Thal uns fuͤhret. Jhn troͤſtete kindlich
Boa, der Knabe, des Gleitenden Stab. O trockne dein Auge
Endlich wieder, du redlicher Vater, und weine nicht immer.
Lang ſchon ſah mein Auge nicht mehr; ſo laß es denn das thun,
Was es allein noch vermag. Jch werde den ſaͤumenden Tod doch
Endlich erweinen, und nieder aus dieſer Nacht des Lebens,
Jn die beſſere Nacht, mich neigen. Doch ſage mir, Boa:
Sind wir von dem Gebein des heiligen Alten noch ferne?
Nein, nicht ferne, mein Vater .. Jſt ſchon mit Mooſe der Grabſtein
Wie mit ihrem Epheu die oͤde Truͤmmer, bewachſen?
Zeuget ſchon der geſunkene Stein von des frommen Entſchlafnen
Langen Ruh? Ha bluͤhender Knabe, mein ſtarrendes Herz fliegt
Freudig empor, wenn ich, ihr alternden Graͤber, wie ruͤhrend,
Wie ehrwuͤrdig ihr ſeyd, mir denke. Mein Simeon legte
Sich in ſein Grab ſo lange nun ſchon! Zwar lang iſt mein Grab auch
Jn den Felſen gehaun; doch ſtets noch fehlt ihm der Todte!
Alſo ſagt er, und ſtand, und lehnt in der bitteren Wehmuth
Sich auf Boa. Mein Sohn, fuͤr den die Sonne nicht ausloſch,
Deſſen Auge der Sommernacht ſanftſchimmerndes Licht ſieht,
Jſt der Himmel heiter? Mir wehte liebliche Kuͤhle,
Und erfriſchte den Muͤden Die Luft iſt heiter, mein Vater,
Und verſchoͤnt den ſproſſenden Fruͤhling im weiten Gefilde.
Waͤr er auch in Wolken gehuͤllt, und dunkel von Wettern,
Boa, mein Sohn; ſoll doch der Tag, an welchem ich ſterbe,
Mir wie ein Tag des Fruͤhlinges ſeyn! .. Er duͤrſtet zu ſterben
Sagte Simeons Seele zu ihrem Begleiter, dem Engel,
Weil er den truͤben Gedanken von Jeſus Tode nicht aushaͤlt.
Simeon,59Elfter Geſang.
Simeon, ach den weis er noch nicht. Sie haben dem Greiſe,
Daß er lebe, die ſchreckenvolle Geſchichte verborgen.
Siehe ſo ſtirbt er, o Seraph, ſo bald er ſie hoͤrt. Doch ich ſagte
Ja auch ihm, es wuͤrde dieß Schwert durch die Seele der Mutter
Gehen! .. Jndem ſie ſo redeten, ſetzte ſich Simeons Bruder
Mit dem Knaben ans Grab. Die aſchebedeckten Gebeine
Simeons ſonderte jetzt der Engel vom Staube der Erde
Zu der Unſterblichkeit ab. Sie rauſchten, und regten ſich, ſichtbar
Nur fuͤr Engel, nur hoͤrbar fuͤr euch, die fern in den Himmeln
Preiſe der Sterne vernehmen. Jndem ſein Schimmer, des neuen
Werdenden Leibes Verklaͤrung, auf dieſen wallend herabſank,
Daucht es der hohen Seele, daß ihre Gedanken ſich ferne,
Wie auf Fluͤgeln entzuͤckender Harmonieen getragen,
Jmmer ferner verloͤren. Doch kamen ſie eilend zuruͤcke,
Da der unſterbliche Leib der neuen Schoͤpfung vollendet,
Und die Seele des Todten mit jeder innigen Freude
Seiner Auferſtehung erfuͤllt war. Ein Pilger des Feſtes
Lief im Wege daher, und eilte nach Bethlehems Huͤtten.
Warum eileſt du ſo, du Pilger? Sollt ich nicht eilen,
Und die bange Geſchichte des Todes den Meinen erzaͤhlen?
Welches Todes? ſo rief der Bruder des Auferſtandnen.
Biſt du der einige, der nicht wiſſe, daß unſre Beherrſcher
Jeſus, den goͤttlichen Mann, am Kreuze toͤdteten? Sprachlos
Sank der Alte zuruͤck. Nach langem Muͤhen brachten
Endlich der Pilger und Boa den Leidenden uͤber den Kidron
Weg von den Graͤbern. Er flehte zuruͤckgeleitet zu werden;
Aber umſonſt, ſie leiteten ihn zu Jeruſalems Thoren.
Wollen60Der Meſſias.
Wollen wir neben ihm wallen, und ſeinem Geiſte begegnen,
Wenn er, o Seraph, die Huͤtte verlaͤßt, die jetzt ihn belaſtet?
Denn der Morgen wird ſie in Truͤmmern finden Er ſtirbt nicht,
Simeon, denn ſein Engel iſt ja um ihn nicht zugegen,
Und er wird noch ſo gar in jenem Leben der Freuden
Viel empfahen. Denn du, mein Simeon, wirſt ihm erſcheinen,
Und von der Auferſtehung des Herrn mit dem Leidenden reden!
Lieg, und ruh, ſo dachte bey ſeinem Leichnam Johannes,
Bis an jenen gefuͤrchteten Tag, den großen Entſcheider:
Weſſen Suͤnde du trugſt, Lamm Gottes! Wir ſollen hier weilen;
Laͤnger wohl nicht, als Nacht den Leib des Getoͤdteten einhuͤllt,
Als du ſchlummerſt, o Lamm, deß Altar von Blute noch rauchet.
Du verſammelſt uns dann, wenn du ein Sieger hervorgehſt,
Wieder um dich, daß wir auch deine Herrlichkeit ſehen!
Dann verlaß ich dich, Staub, dem einſt Poſaunen ertoͤnen!
Jetzo ſaͤum ich gerne bey dir. Was werdet ihr ſelbſt ſeyn,
Freuden der Auferſtehung, da eure Hoffnung ſo froh macht!
Was vor ein Traum umſchwebt, vor ein hocherhebender Wunſch mich,
Bald zu erwachen? auf deinen Tag nicht, Richter, zu warten?
Sieh ein Wunſch, den Hoffnung die Himmel noch hoͤher hinauftraͤgt!
Wunderbar ſind die Gnaden des Herrn, unzaͤhlbar, und neue
Duͤrfen wir ſtets erwarten. So dacht er, und ſahe Benoni,
Einen Schimmer, daher in der Abenddaͤmmerung kommen.
Welcher Engel entſchwebt dem hangenden Felſen, o Seraph?
Sagte zu ſeinem Huͤter Johannes. Jeder Entzuͤckung
Fruͤhlings -61Elfter Geſang.
Fruͤhlingsſchoͤnheit umgiebt den himmliſchen Juͤngling. Jch kenn ihn!
Hoͤre ſein Schweben! Er gleicht Benoni. Er iſt Benoni’s
Schuͤtzender Engel. Wer iſt er? o Seraph, wer iſt er? ich kenn ihn
Nun nicht mehr. Er iſt kein Engel, iſt keine der Seelen
Jn dem Gewande des Lichts. Doch gleicht er Benoni. Erſtanden?
Ach vom Tode waͤrſt du, du himmliſcher Juͤngling, erſtanden?
Komm, befluͤgle den Schwung, den Harfenklang, den du ſchwebeſt,
Wer du auch biſt. Vielleicht ein Benoni vor kurzem geſtorben
Druͤben am Ocean, auferſtanden, heruͤbergeſendet,
Jrgend ein neues Wunder des großen Erbarmers zu lehren,
Oder ſelber zu ſeyn. Jetzt hatte dem Harfenklange
Fluͤgel Benoni gegeben, und war leichtſchwebend gekommen.
Groͤßter von denen, die Weiber gebahren, von Ewigkeit ſegne
Dich der Vater der Weſen zu Ewigkeit! Himmliſche Bothſchaft
Bring ich: Siehe der heilige Staub, die Todten, erwachen!
Taͤufer des Herrn, das ganze Gefilde bewegt ſich, und rauſchet,
Rauſchet von Auferſtehung! die Todten Gottes erwachen!
Juͤngling, wen ſahſt du, wen ſahſt du? .. Jch ſah den Vater der Menſchen!
Henoch, und Elias erſtaunten! und Abraham glaͤnzte,
Wie die Heere des Himmels! Auch kam in Purpurgewoͤlke
Jſak. Jch ſah, es dankt ihr Auge gen Himmel erhoben,
Moſes und Hiob! ich ſah die Sieben, die Maͤrtyrer, kommen,
Und verlor mich in meiner Entzuͤckung. Von Ewigkeit ſegne
Dich zu Ewigkeit Gott! Auch dich, Johannes, ſah ich,
Aber noch nicht erſtanden. Bereite dich, Groͤßter von Adam,
Deiner62Der Meſſias. Elfter Geſang.
Deiner Auferſtehung! Johannes ſahe verwundernd
Seinen Leichnam ſich regen, ſich ihn aufrichten, und leben;
Aber noch nicht verklaͤrt, noch nur aus Erde geſchaffen.
Schnell verlor die erhabene Seele die letzten Gedanken
Ueber das Wunder, das letzte Gefuͤhl der frohen Erwartung;
Denn ſie vereinigte ſich! Nun war das Wunder vollendet,
Und der Heilige pries in verklaͤrtem Leibe den Mittler.
Dieſer Erſtandenen Namen erſchollen mir laut, bey der Palmen
Wipfel verwehten die andern; allein in Stunden der Weihe
Kommt die Sionitinn, und nennt mir die himmliſchen Namen.
Der[63]

Der Meſſias. Zwoͤlfter Geſang.

[64]

Jnhalt des zwoͤlften Geſangs.

Joſeph erhaͤlt von Pilatus die Erlaubniß, den Leichnam Jeſu zu begraben. Er, und Nikodemus ſalben, und begraben ihn. Choͤre der Auferſtandnen und Engel ſingen dabey. Die Juͤnger, viele von den Siebzigen, Maria, und einige der frommen Weiber verſammlen ſich in Johannes Hauſe. Joſeph und Nikodemus kommen auch zu ihnen. Dieſer bringt die Krone, die er bey dem Begraͤbniſſe von Jeſu genommen hatte. Maria, Lazarus Schweſter, ſtirbt. Er, Lebbaͤus, Nathanael und Martha ſind bey ihrem Tode zugegen. Lazarus koͤmmt in die Verſammlung der Frommen zuruͤck, und bemuͤht ſich, ſie zu troͤſten. Salem, Johannes Engel, ſtaͤrket ihn durch einen Traum.

[65]

Der Meſſias. Zwoͤlfter Geſang.

Truͤb iſt, und bang in ihren verborgenſten Tiefen die Seele,
Wenn ſie fuͤrchtet, daß Gott ſie aus ihrem himmliſchen Erbe
Stoßen werde. Verirrt in dem Labyrinthe der Vorſicht
Wenden ſich weg von weiterem Forſchen alle Gedanken;
Jede von ihren Empfindungen treffen die Fluͤche vom Sina,
Und vom Ebal, noch mehr des hohen Golgatha Schrecken.
Ach! nun wird ſie das weiße Gewand der Sieger nicht kleiden!
Jhr die Palme der Ueberwinder im Himmel nicht werden!
Und die Krone nicht ſtrahlen! Sie liegt zerſchmettert im Staube,
Und ſie wuͤrde vergehn, wenn ſie Ein Gedanke nicht hielte,
Er ihr Retter nicht waͤr, ihr Engel vom Himmel geſendet,
Dieſer große: Sich Gott in Allem zu unterwerfen!
So voll Jammers, und ſo von jeder Hoffnung verlaſſen
III Band. EWar66Der Meſſias.
War der kleine Haufe der Wenigen unter den Menſchen,
Die den Verſoͤhner des Ewigen kannten, da ihn ihr Auge
Starr, und todt auf Golgatha ſah, und um ihn nun alles
Oed und verſtummt; und ſo war’s der von Arimathaͤa,
Er der Eine, daß ſie nicht ganz dem Jammer erlagen.
Dich zu begraben, o Todter Gottes, entſchloß ſich Joſeph,
Muthiger jetzt, und Raͤcher an ſeiner vorigen Kleinmuth.
Laut ruft er auf Golgatha, daß es der Hauptmann der Roͤmer,
Und, wie ſehr auch Angſt ſie betaͤubte, die Zeugen es hoͤrten:
Jch begrabe den Todten des Herrn! Dort, gegen uns uͤber
Jſt ſein Grabmaal, und meins. Nein! ich will nur bey des Felſen
Eingang liegen. Auf, Nikodemus, und alle Myrrhen,
Alles, was du von der Aloe brachſt, das nimm, und erwarte
Mich bey dem Kreuz. Jch geh, und ich komme vom Fuͤrſten der Roͤmer
Schnell zuruͤck; auch bring ich die Leinwand zu dem Begraͤbniß.
Und er eilte. So eilt der Entſchluß, das Leben zu aͤndern,
Wenn er wahr iſt, und jeder Entſchluß der Suͤnde vergebens
Gegen ihn den blinkenden Dolchſtoß wuͤtend emporhebt,
Oder umſonſt Einſchlaͤfrungen ihm, und Seligkeit zuſingt,
Alſo eilt er zur That! Der Arimathaͤer erreichte
Bald den Palaſt des Heiden, und fand ihn umgeben von Unruh,
Sahe Portia bleich, und truͤbe von Jammer ihr Auge.
Was begehrſt du von mir? Des Todten Leichnam, Pilatus,
Den du nicht kannteſt, und den du, von meinem Volke verleitet,
Heut auf Golgatha kreuzigen ließeſt. Jch will ihn begraben.
Aber was geht der Todte dich an? Sehr viel, o Pilatus,
Und nur weniger, als den Richter droben, der Goͤtter
Gott!67Zwoͤlfter Geſang.
Gott! Am Cocytus, und nicht im Himmel, richten die Goͤtter!
Er nicht, den du voll Stolz den Gott der Goͤtter itzt nannteſt,
Jſraelit! Rhadamantus, und Minos, und Aeakus richten!
Ob die Goͤtter der Roͤmer, und ob am Cocytus ſie richten,
Laß uns dann, o Pilatus, entſcheiden, wenn unſere Leichen
Urne fuͤllen und Grab. Jetzt fleh ich, o unſer Beherrſcher,
Auch der Moͤrder Beherrſcher, die Gottes Propheten erwuͤrgten,
Jnnig dich an: Gieb mir, gieb wenigen Frommen den Leichnam
Dieſes goͤttlichen Manns! So waͤr er ſo ſchnell denn geſtorben?
Sag, iſt er wirklich todt? Jetzt hielt es Portia’s Wehmuth
Laͤnger nicht aus. Gieb dieſem redlichen Manne den Todten,
Oder begrabe mich ſelbſt! Sie ſprachs, und die Thraͤne ſtuͤrzte.
Sende zum Hauptmann am Kreuz! Pilatus ſagt es zu Joſeph,
Und wenn er kommt, ſo fuͤhr ihn zu mir. Er ſandte. Der Hauptmann
Kam. Sie traten herein. Jſt, den ſie vor Barrabas waͤhlten,
Jetzt ſchon todt? Todt war er. Jhm wollte keiner die Beine
Brechen, bis einer zuletzt die Lanze tief ihm ins Herz ſtieß.
Und Pilatus erwiederte: Gieb dem Manne den Leichnam,
Daß er ihn, wo er will, begrabe. Wo haſt du beſchloſſen
Jhn zu begraben? An Golgatha’s Huͤgel in meinem Grabe.
Alſo ſagt er, und ging, und kam zu dem Huͤgel des Todes.
Chriſtus Mutter erblickte zuerſt den Treuen, und ſah es,
Daß er das Sterbegewand zu ihres Sohnes Begraͤbniß
Trug, und weinte vor inniger Wehmuth; Doch ohne Sprache
Blieb ſie noch ſtets, ſtumm immer noch, mit dem Schwert in der Seele.
Und ſo bebte zum erſtenmale die Lippe Johannes:
E 2O Maria,68Der Meſſias.
O Maria, uns armen Leidenden iſt es doch Lindrung,
Daß ihn Joſeph begraͤbt. Allein, indem er es ſagte,
Wandt er gleichwohl ſein Auge vom Grabe. Die Mutter des Todten
Und des Juͤngers antwortete nichts. Der fromme Joſeph
Eilte zum Kreuz, und ihm kam Nikodemus entgegen.
Wer von den Zeugen ſich ihnen nahte, dem riefen ſie Beyde
Freudig zu: Wir duͤrfen den Todten Gottes begraben!
Aber die Leidenden traten zuruͤck, und blieben von fern ſtehn:
Doch die Zeugen im Himmel nicht auch, die Erſtandnen und Engel.
Dieſe ſchwebten naͤher hinzu. Und ſchon, doch unhoͤrbar
Menſchlichem Ohre, begann der Harfe Klage; der Stimme
Klage noch nicht. Haͤtt Einer der Sterblichen dieß vernommen,
Einer von denen, die bang in bitterem Schmerze verſanken,
Nicht auf Erden, er waͤr im Himmel vor Freude geweſen!
Oder der Engelharfe Wehmuth haͤtt ihn getoͤdtet!
Jetzt trat Joſeph herzu, und Nikodemus, und legten
Der das Sterbegewand, und der die Geruͤche der Myrrhe
Jn den Staub. Dann nahmen ſie von dem Kreuze den Leichnam.
Und ſie ließen ihn ſanft auf Golgatha’s Huͤgel herunter
Sinken! Nun ruht er am Kreuz. Sie eilten, und gaben der Staude
Leben dem Leichengewand, und wollten, der einſt mit Poſaunen
Auferſtehung gebeut, ſo vor der Verweſung ſchuͤtzen.
Aber Eva ſchwebt auf ihn zu, und neigt ihr Antlitz
Ueber das Antlitz des todten Meſſias. Jhr goldenes Haar floß
Sanft auf ſeine Wunden, und Eine Thraͤne des Himmels
Auf die ruhende Bruſt. Wie ſchoͤn ſind deine Wunden!
Liſpelt ſie leiſ ihm zu, noch ungebohrner Erloͤſter!
Ganzer69Zwoͤlfter Geſang.
Ganzer Aeonen Seligkeit ſtroͤmt aus jeder herunter!
Sohn! mein Mittler, wie deckt dein Antlitz die Blaͤſſe des Todes!
Dein geſchloßner ſchweigender Mund, dein ſtummes Auge
Reden dennoch ewiges Leben! Ein bluͤhender Seraph,
Stuͤrb er, alſo laͤg er im Tode. Noch laͤchelſt du Liebe!
Und in deinem Geſicht redt jede Gebehrde noch Gnade!
Alſo ſagte die gluͤckliche Mutter zum liegenden Todten.
Aber die andere ſtand verhuͤllt, und konnte zum Leichnam
Nicht hinblicken. Und Joſeph und Nikodemus umwanden
Jetzt den Todten. Allein, als unter der Bebenden Haͤnden
Nun das Sterbegewand zu Blute ward, da hieltens
Laͤnger nicht aus die vollendeten Frommen, die Vaͤter des Mittlers,
Und es begann ihr Todtengeſang, die Klage des Himmels.
Eins der Choͤre begann, und Thraͤnen der Seligen floſſen.
Wer iſt der, der vom Golgatha koͤmmt im roͤthlichen Kleide?
Wer mit Blutgewande geſchmuͤckt herunter vom Altar?
Wer, deß goͤttliche Macht verborgen, und ewiges Heil iſt?
Jhm antwortet ein anderes Chor, und Thraͤnen floſſen,
Und der Poſaunen des Weltgerichts toͤnt Ein in dem Chore.
Jch bins, der Gerechtigkeit lehrt, ein Meiſter zu helfen!
Dem erwiedert das Chor, das zuerſt in Thraͤnen hinfloß.
Warum iſt dein Gewand ſo roͤthlich gefaͤrbt? und wie eines,
Der die Kelter getreten, dein Kleid? Trat Jch die Kelter
Nicht allein? und war mit mir der Endlichen Einer?
Die ſich empoͤrten, die hab ich in meinem Zorne gekeltert,
Sie zertreten in meinem Grimm! und all ihr Vermoͤgen
Jſt auf meine Kleider geſpruͤtzt. Jn dieſer Arbeit
E 3Hab70Der Meſſias.
Hab ich meine Gewande mit Blute gefaͤrbt! Der Rache
Tag iſt, es iſt das Jahr der großen Erloͤſung gekommen!
Als ich begann zu erloͤſen, da ſah ich mich um, und kein Helfer
War um mich! Da ſchreckte mich Gott! und keiner erhielt mich,
Keiner im Himmel, und keiner auf Erden! Da mußte mein Arm mir
Helfen! und gegen die ſtolzen Empoͤrer mein Zorn mich erhalten!
Siehe, der Schlange zertrat ich den Kopf! Sie ſtach in die Ferſe!
All Empoͤrer hab ich in meinem Zorne zertreten,
Habe ſie trunken zum Tode gemacht in meinem Grimme!
Alſo hab ich all ihr Vermoͤgen zu Boden geſtoßen!
Dieſes ſangen die Choͤr, und miſchten Triumph in die Wehmuth.
Joſeph nahm die blutige Krone vom Haupte des Todten,
Gab ſie ſeinem Gefaͤhrten, und huͤllte das goͤttliche Haupt ein.
Aber nicht wie Maria, und nicht wie die Juͤnger, verſtummten
Jene ſeligen Zeugen, die uͤber Golgatha ſchwebten:
Denn von neuem begannen der Sterbegeſang, und die Thraͤnen.
Haͤtten dir jetzt die Harfen getoͤnet, die du, auch ſterblich
Noch, auf Patmos vernahmſt, wie ſelig waͤrſt du geweſen,
Juͤnger des Todten, und Sohn der jammervollſten der Muͤtter!
Alſo ſang ein Chor der Erſtandnen, und blickt auf den Leichnam.
Sieh, es rauſchte der Bach Kidrona, der Bach von dem Tempel,
Engel, der Bach Kidrona! Trit auf den Stolzen, o Seele,
Auf die liegende Schlange! Die wenigen einſamen Palmen
Rauſchten durch Gethſemane, da begann er zu ſterben!
Einem anderen Chor entſtroͤmten Halle des Donners:
Hoͤret er nicht tief unten rauſchen die Fluthen des Abgrunds,
Wuthausruf der Gerichteten drohn, und begann zu ſterben?
Bebt71Zwoͤlfter Geſang.
Bebt in die Wolke nicht Tabor hinauf? Da kam Eleoa
Aus dem Dunkel einher, der Nacht des richtenden Vaters,
Schwebt, und ſang ihm Triumphe! Da begann er zu ſterben!
Als ſie ſchwiegen, erſcholl die ſanfte Stimme der Klage:
Und geſtorben iſt er! er iſt geſtorben, ihr Engel!
Alſo ſangen ſie. Joſeph, und Nikodemus erhuben
Von der Erde den heiligen Leichnam, und trugen langſam
Jhn von Golgatha’s Hoͤh, der Laſt von Gott gewuͤrdigt.
Und aus einem der Choͤre geleitet ein Hall ſie hinunter:
Ach er hielt es nicht Raub, Gott gleichen! und dennoch, du Schoͤnſter
Unter den Menſchen und Engeln, erniederteſt du bis zum Tode
Dich, bis zum Tod am Kreuz! und Knechte ſuͤndiger Goͤtzen
Warfen um ſeine Gewande das Loos! Ach Eſſig und Galle
Gaben ſie ihm in ſeinem entflammten Durſte zu trinken,
Und vom bitteren Kelche des Spottes der Seele des Dulders!
Jetzo erhub ein flammendes Chor die Stimme gen Himmel:
Ach Jeruſalem, ach! Weh dir, Jeruſalem! Wehe
Deinen Soͤhnen, Jeruſalem! Jene zu ſchreckliche Stimme,
Ach dein Rufen ums Blut des Mittlers, wie hat es der Feldherrn
Rufen, du Stadt des Todes, erhoͤrt! Wie haben die Adler
Sich verſammlet ums Aas! Die Harfen entſanken den Vaͤtern,
Aber es rief die Poſaune fort das Rufen der Feldherrn.
Auch den Haͤnden des Manns, der Aarons Gott war, entſanken
Seine Saiten; allein, da Eloa’s Donnerpoſaune
Weh ausrief, entſchwebt er der Heiligen weinenden Choͤren,
Trat dann dicht bey dem Engel heran zu dem blutigen Leichnam.
Alſo ſang er, und alſo erſcholl die Poſaune des Seraphs:
E 4Lange72Der Meſſias.
Lange wird Er mit euch, die dieſen Abel erwuͤrgten,
Siehe der Eine, der ewig iſt, rechten; Jhr Kain, ich kenn euch!
Weis, wo ihr ſeyd! Schrie gegen euch nicht zu mir in den Himmel
Eures Bruders Blut? Nicht um Rache rief mirs, es rief mir,
Bis in des Allerheiligſten innerſte Nacht, um Gnade!
Aber ihr wolltet nicht Gnade! So wird die Stimme des Raͤchers,
Von dem hohen Golgatha bis in die unterſte Hoͤlle,
Viel Aeonen ertoͤnen! Nun waͤhlt, ihr Moͤrder des Mittlers,
Eure Wahl denn, und ſterbt! Doch jetzo entſank die Poſaune
Selber Eloa, auch ſchwieg der Geſang des ernſten Propheten.
Und ſie ſahen dem Leichname nach. Jhn trugen die Frommen
Nieder zum Grabe, das gegen dem hohen Golgatha uͤber
Einſam unter alternden Baͤumen in Felſen gehaun lag.
Und ſie entwaͤlzten den deckenden Stein der Oeffnung des Grabes.
Joſephs Aug erkohr in ſeiner Tiefe die Staͤte
Fuͤr den Entſchlafnen, und alſo zerfloß des Traurenden Seele.
Endlich hat des Lebens, ach endlich des Todes Dulder,
Wo er ſein Haupt hinlege! Sie nahmen den heiligen Leichnam
Und ſie ſenkten ihn ſanft in die Tiefe des Grabes und wandten
Oft von dem liegenden Todten weg ihr weinendes Auge,
Bis ſie zuletzt den Felſen mit muͤdem Arm aufhuben,
Seine dumpfe Laſt in des Grabes Oeffnung ſinken
Ließen, und Nacht ausbreiteten uͤber den Leichnam des Mittlers.
Als die Nacht den Todten umgab, ertoͤnten die Choͤre
Seiner himmliſchen Leichengefaͤhrten. Sie ſahn in des Grabes
Nacht ſchon daͤmmern die Morgenroͤthe der Auferſtehung.
Selbſt73Zwoͤlfter Geſang.
Selbſt du wurdeſt geſaͤ’t, doch entſproſſeſt du der Verweſung
Nicht! Kaum ſchatten dir, Sohn, die Todesſchatten, ſo regt ſich
Schon das neue Leben um dich! ſo rauſch’ts im Gefilde
Golgatha ſchon von Auferſtehung! am blutigen Altar
Laut von der Auferſtehung des Groͤßten unter den Todten!
Toͤnet, Poſaunen der erſten der Engel, der Erndter am Tage
Seines Lohns, der Himmelrufer, wenn nun an des Thrones
Strome die neuen Namen der Sieger melodiſch heraufwehn.
Toͤnet der nahenden Auferſtehung des Sohnes entgegen!
Liſpelt, Harfen, der ſchoͤnſten der Morgenroͤthen, dem Schimmer
Seines Erwachens, dem ſtrahlendem Schweben des Siegers entgegen!
Ach uns ſchlummert er nicht in der Nacht des Schreckens! Er ſchlummert
Uns in Palmenſchatten, der Ueberwinder des Todes!
Klaget, klaget ihm nach, ihr ſeine Geliebten, die ſterblich
Noch im Staube wandeln, ihr weint bald andere Thraͤnen,
Thraͤnen, wie wir nicht weinen koͤnnen, die euer Elend
Nicht empfanden, wie ihr, nicht weinten aus blutendem Herzen!
Stille verbreitete ſich um das Grab. Die Engel verlieſſens
Und die Menſchen. Es ſchwieg der Harfen Stimm und der Thraͤnen,
Mittler Gottes, um dich, der endlich am blutigen Altar
Ruhe fand, entriſſen den Leiden des Opfertodes.
Und Johannes wandte ſein Antlitz, und ſprach zu Maria:
Meine Mutter, nun deckt ihn die Nacht. Ach laß uns den Huͤgel
Nun verlaſſen. Jch will dich zu meiner Huͤtte geleiten.
Ganz aus ihrer Seele, die Seele der Mutter des Mittlers
War erhaben! mit truͤbem, und thraͤnenblutendem Auge
Sprach ſie, und endete ſo ihr langes Todtenverſtummen!
E 5Deine74Der Meſſias.
Deine Mutter? Entzuͤckung der Himmel kann es mir einſt ſeyn,
Ach daß Er der Gebende war! die letzte der Freuden
Auch nicht, o ſein Juͤnger, daß du der gegebne Sohn warſt:
Aber Jammer, und Tod, und Grab, und alles Entſetzen
Jſts, daß Er mein Sohn nicht mehr iſt! Da verſtummte ſie wieder,
Und verhuͤllte ſich. Bleich, wie die jammervollſte der Muͤtter,
Fuͤhrte der Sohn am Todeshuͤgel ſie langſam hinunter.
Abgeſondert von andern, von dichten Palmen umgeben,
Und in dem Schatten des Tempels, gelehnt an Jeruſalems Mauer,
Lag ein unbekannt Haus, das Johannes, des goͤttlichen Lehrers
Lieblingsjuͤnger, bewohnte. Da bracht er vom Kreuze Maria
Traurend hinab. Er ſelbſt ſank faſt vor innigem Schmerz hin.
Wen er, indem ſie herab von dem Huͤgel ſtiegen, erblickte
Von den Zwoͤlfen, den Siebzigen, oder den heiligen Weibern,
Bat er zu ſeiner Mutter zu kommen, und waͤr es ihm moͤglich,
Jhr die tiefe Wunde zu heilen, die Wund in der Seele,
Zwar nicht ganz, das koͤnnte kein Menſch, das koͤnnte der Herr nur!
Gabriel kann es, nicht wir, wenn ihn noch Einmal vom Himmel
Gott, daß ſie ihn von neuem erhebe, der Leidenden ſendet,
Daß ſich freue von neuem ihr Geiſt, Gott ihres Erretters!
Bald verſammelten ſich in dieſem Hauſe die Juͤnger,
Und der Siebzige viel, und viele der heiligen Weiber.
An der Mauer hinab, gedeckt von dem forderſten Hauſe,
Zog ſich ein andres. Jn dieſem war der Saal der Verſammlung.
Ueber dem Saal erhub ſich der Soͤller, erreichte der Mauer
Hoͤh, und oͤffnet ein weites und reiches Gefilde dem Auge.
Singe75Zwoͤlfter Geſang.
Singe, mein Lied, die Thraͤnen der Liebenden um den Geliebten,
Ach der traurenden Freundſchaft Klage. Wie Jſraels Wehmuth
Auf den blutigen Rock des Sohnes Rahel, Joſephs,
Joſephs floß, ſo flieſſe mein Lied voll Empfindung und Einfalt.
Langſam, weinend, mit ſchwerem Athem, erreichte Maria
Endlich die Huͤtt an dem Tempel, und trat in den Saal der Verſammlung,
Wo ſie den Heiligen, den ſie gebohren, und der jetzt todt war,
Oft vordem geſehen, und oft die Thraͤne der Freude
Weggewendet, und eingehuͤllt in den Schleyer ſich hatte.
Als ſie, wo er geſeſſen, und wo er himmliſch geſprochen,
Und geſegnet ſie hatte, die leeren Stellen, auf immer
Leer nun, erblickte, da weinte ſie laut, und ſank bey einer
Nieder, und neigte die Stirne darauf. So fand ſie Maria
Magdale liegen, und noch die Mutter der Zebedaͤiden.
Auch Nathanael kam, und fand ſie noch alſo, bis endlich
Sie es Magdale, und der Mutter Johannes erlaubte,
Sie in die Hoͤhe zu heben. Nun ſaß ſie verhuͤllt, wie am Kreuze:
Und mit ihr verſtummten die andern. Simon Petrus
Trat herein, und als er bey Jeſus die Mutter erblickte,
Weint er laut, und rief: Er iſt begraben! Jch hoff es,
Ja, ich hoff es zu Gott, wir alle werden um ihn bald
Auch begraben liegen! Mir ſoll es Joſeph verheißen,
Soll es mit einem heiligen Eide gen Himmel mir ſchwoͤren,
Daß er neben ihn mich dicht an den Felſen des Todten
Legen will! Und mich in den Felſen! ſagte Maria.
Hand in Hand, kam Simon der Kananit, und Matthaͤus,
Kam76Der Meſſias.
Kam Philippus, und kam der Alphaͤide Jakobus;
Aber Lebbaͤus allein. Er wollte reden, doch ſetzt er
Sich in die dunkelſte Ferne des Saals, und verhuͤllte ſein Antlitz.
Und Jakobus der Zebedaͤide, der Sohn des Donners,
Trat herein, und erhub die Haͤnd und die Augen zum Himmel:
Todt! er iſt todt! und nichts iſt alle menſchliche Groͤße,
Auch die wirkliche ſelbſt, ſie, die zu glaͤnzen verachtet,
Und nur handelt, iſt nichts! Denn uͤber ihn haben Verruchte,
Haben Tyrannen geſiegt! So ſprach der Zebedaͤide,
Ging dann wieder hinaus, und kuͤhlte ſich unter den Palmen.
Bartholomaͤus, mit ihm der Bruder Simons, Andreas,
Kam, und Kleophas, und Matthias, und Semida kamen,
Alle troſtlos, und jammervoller, als jeder des andern
Schmerzen ſah. Die Lippe verſtummte, die Stimme des Weinens
Scholl nur dumpf im daͤmmernden Saal. Jhn hatte Maria
Magdalena mit einer truͤben Todtenlampe
Sparſam erhellt. So lag in verloͤſchendem Schimmer des Altars
Abel mit ſtummen Lippen, und ſeines Blutes Stimme
Jammerte nur. Jetzt kamen noch heilige Weiber, und trugen
Sterbetuͤcher, und trugen noch Salben fuͤr den Entſchlafnen.
Auch Unſterbliche ſchwebten herein, die Engel der Juͤnger
Und der andern Weinenden Engel. Allſehendes Auge,
Deins, deß Tod ſie beweinten, auch du, mitleidiges Auge,
Blickteſt in dieſe Verſammlung! Und Magdale’s Engel erhebt ihr
Jhre Seele ſo weit aus ihrer Traurigkeit Abgrund,
Daß ſie zu klagen vermag. So klagte die Hoͤrerinn Jeſus:
Wie77Zwoͤlfter Geſang.
Wie viel anders, wie ſehr viel anders iſt es mit uns nun,
Da er Mutter, ſtirb du nicht auch, damit wir nicht vollends
Gar vergehn! Nun empfind ich es erſt, nun lern ich es weinen,
Was der Bethlehemit einſt uͤber Jeruſalem weinte,
Ueber der einſamen Witwe, die Fuͤrſtinn unter den Heiden,
Und der Laͤnder Koͤniginn war! Wir waren geringe,
Lebten duͤrftig im Staub, und dennoch waren wir gluͤcklich!
Denn er war ein goͤttlicher Mann, der todt iſt! Allein jetzt
Ach was ſind wir geworden! geſtuͤrzt in welches Elend!
Und was werden wir ſeyn! Und welche Naͤchte voll Jammers
Werden wir weinen! O moͤchten der Jammernaͤchte nicht viel ſeyn!
Und die letzte des ewigen Schlafs bald kommen, des Schlummers
Jn dem beſſeren Lager, als unſer Lager voll Thraͤnen.
Unſere Feinde ſchweben empor, und ſpotten der Armen,
Die den goͤttlichen Mann verehrten in ihrer Einfalt.
Auch ſein ſpotteten ſie, und gaben, als er im Durſte
Rufte, nicht Galle nur ihm, ſie gaben die unterſten Hefen
Jhres Hohnes ihm auch in ſeinen Qualen! O Richter!
Geuß auch ihnen, Vergelter! der Rache Taumelkelch voll!
Laß ſie bis zu den Hefen hinab ihn trinken, und ſterben!
Und ſie ſchwieg. Zu ihr ſprach Jeſus Mutter, und weinte,
Daß ſie vor innigem Schmerz die gebrochnen Worte kaum ausſprach:
Ueberlaß du es ganz dem Richter, o Magdale! Rief denn
Nicht in ſeinem Blute mein Sohn von dem Kreuz herunter:
Vater, ſie wiſſen es nicht, was ſie thun; erbarme dich ihrer!
Und Bewundrung ergriff und unausſprechliche Wehmuth
Aller Herzen, ein Kampf der erhabenſten Freud und der truͤbſten
Bitterſten78Der Meſſias.
Bitterſten Schmerzen; allein die Schmerzen ſiegten, und bald ward
Aller Seele von neuem zur Nacht! Jetzt ſagte Lebbaͤus:
Ja, erbarme dich ihrer, o Richter, und Vater! doch unſer,
Unſer erbarme dich auch! und laß uns ſterben! Was koͤnnen
Wir auf der Erde noch thun? Was ſind wir ohne den Todten?
Ach ſein Vater! er ſagt es uns einſt, in deinem Hauſe
Sind der Wohnungen viel! O laß nur an deines Hauſes
Schwellen uns liegen, und nicht in des Elends Huͤtten uns bleiben!
Keiner komm, und wag es, und wolle mich troͤſten. Jch kenne
Keinen Troſt, als allein den Tod! den lieb ich, und der kann
Nur mich troͤſten, der oft des Todes Namen mir ausſpricht.
Sieh, er iſt mir ein lieblicher Schall zu der Blumenzeit! iſt mir
Tempelgeſang! Mich gruͤße kein Gruß vom Leben! und unſer
Liebſtes Geſpraͤch ſey deren Hinuͤberwallen, die jetzt ſchon
Gluͤckliche ſind! ſey Grab, und Todtengeſang, und Erde
Niedergeſchuͤttet auf Erde! Wie leichte Wanderer laßt uns
Fertig ſtehn, den Stab in der Hand! Jch liebe nicht mich nur:
Ach ich liebe, wie mich, und ſegn euch mit eben dem Segen,
Wie der iſt, um welchen ich, meine Geliebten, euch flehte:
Sterbt! .. Und Kephas rufte: Sterben! ja ſterben! Jm Grab iſts
Nun gut ſeyn! Die Huͤtten laß uns, o Erbarmer, einander
Baun! Kaum hatt ers geſagt, ſo trat der leidende Thomas
Auch herein. Sein wankender Fuß verweilt an der Schwelle.
Welcher Anblick drang in die Seele des Zoͤgernden: Menſchen
Fromm, wie wenige waren, und ſeine Freunde, verlaſſen
Von dem Helfer im Himmel, und von dem Helfer auf Erden,
Jeſus,79Zwoͤlfter Geſang.
Jeſus, und mitten in dieſem Leiden verlaſſen! Ein Grabmaal
Wurd ihm der daͤmmernde Saal, ſie Todtenbilder, die weinend
Rings um ihn her verſtummten. Wenn ihr es noch ſeyd, die des Einzugs
Lautes Hoſanna vernahmen, was ſaͤumt ihr, wirklich zu ſterben?
Warum bleibt ihr ſo lang in dieſem Kampfe des Todes?
Jch, ich fuͤhle den nahenden Tod, und glaubte bey euch hier
Schon die gluͤcklicher waͤren, zu finden, einige, die wir
Auch begraben koͤnnten! Er iſt begraben, der lebend
Auf dem Meere ging, und Lazarus auferweckte!
Und, dort weineſt du ja, dich, Semida! Didymus hatt es
Kaum geſprochen, als er auf einen der Sitze dahin ſank.
Jetzo trat mit traurendem Ernſt in die ſtumme Verſammlung
Joſeph von Arimatha. Jhr Bruͤder Chriſtus, und meine,
Nikodemus, mein Freund, kam auch, und wartet zitternd,
Ob ihm hereinzutreten vergoͤnnt ſey? Er traͤgt Ach Joſeph,
Beſter Mann, was traͤgt er? was traͤgt er, Joſeph? Jch ſeh es,
Ja, ihr leidet zu viel! und ach was wuͤrdet ihr leiden!
Nein! er muß ſich wenden, und fliehn! Was traͤgt er? was iſt es?
Joſeph, was traͤgt er? Jhr danket mirs noch. Jch geh, und ich bitt ihn,
Daß er ſich wend, und entflieh! Er bringt die blutige Krone!
Jammernd rufte die Mutter: Die blutige Krone! Der Mutter
Lautes Rufen durchdrang der felſenſtarren Verſammlung
Mark und Gebein! Sie hatt es kaum gen Himmel gerufen,
Als die Kron in der Hand der Zeuge des Todten hereintrat.
Und ſie entriß ſich der Haltenden Arm, nahm bleicher den Schleyer
Von dem Geſicht, und deckte damit die toͤdtende Krone!
Rung die Haͤnd, und wankt, und ſtuͤrzte zur Erde. Sie hielten,
Wie80Der Meſſias.
Wie ſie konnten, die Mutter, und ſanken mit ihr! Verſtumme!
Denn du vermagſt nicht, o du der wehmuthtoͤnenden Harfe
Leiſeſter Laut, das erſte Stammeln der Mutter zu weinen,
Da ſie nun wieder emporgerichtet ſtand, und die Arme
Nach der Huͤlfe des Herrn ausbreitete! Nieder vom Himmel
Blickt auf ſie der liebende Sohn, und bereitet ihr Wonne.
Aber die war ihr verborgen, und bleich, wie Sterbende, fuhr ſie
Alſo fort zu klagen: Noch Einmal ſie ſehen? warum! ach
Brachtet ihr ſie? Jch ſah ſie von ſeinem Blute ſtarrend
Lang um ſein Haupt! Allein der im Himmel wohnt, hat furchtbar
Seinen Bogen auf mich geſpannt, und toͤdtlich Geſchoß drauf,
Weh mir Armen! gelegt! Jch bin ſein Ziel! zum Verderben
Richtet er zu den flammenden Pfeil. Jſt unter den Himmeln
Jrgendwo noch, gebahr noch Eine der Muͤtter, die ſterben
Einen Sohn ſah, welcher dem heiligen Todten am Kreuz glich?
Alſo jammerte ſie. Doch Lazarus Schweſter, Maria,
Lag zu ſterben. Es kuͤndeten ihr ſchon kaͤltere Schweiſſe,
Und in Arbeit ihr Herz, zu leben ſich muͤhend, den Tod an.
Ueber ſie ſenkte ſich ſchon der ſchwere Schlummer, der Fuͤhrer
Jenes ewigen Schlafs im Schooſſe der ſtummen Verweſung.
Jetzo erhub ſie noch aus den Tiefen, in die ſie der Schlummer
Niederdruͤckt, ihr Haupt, und ſuchte mit truͤbem Blicke
Martha’s Auge voll muͤden Schmerzes. Das war zu Thraͤnen
Ueber dem langen Weinen vertrocknet. Die Sterbende ſagte:
Schweſter, ich ſchwieg; nun kann ich nicht mehr. Noch verlaſſen mich Alle,
Lazarus, und Nathanael ſelber! und ſieh, ich ſterbe!
Ach! ich lebte mit ihnen; und ohne ſie ſoll ich ſterben?
Klage81Zwoͤlfter Geſang.
Klage die Treuen nicht an. Sie hat der goͤttliche Lehrer
Jrgend in eine der Wuͤſten gefuͤhrt, damit ſie es ſehen,
Wie er die Hungrigen ſpeiſt, und labt die Seele der Muͤden!
Klagt ich ſie an? Das wollt ich nicht, Martha. Ach! die ich liebe
Klagt ich ſie jemals in meinem Leben denn an? Jhr Geliebten,
Hab ichs gethan, ſo verzeiht mirs, und alle meine Gebrechen,
Die bekannt, und verborgen mir ſind! Ach, was ſich mir jetzt zeigt,
Huͤllet alles die Seele mir ein in Schwermuth! Entreiſſe
Dieſer gruͤbelnden Aengſtlichkeit dich, mit der du dich quaͤleſt!
Koͤmmt die Nacht denn zuruͤck, die dein ſonſt heiteres Leben
Unterweilen mit Trauren umzog, zuruͤck im Tode?
Nenne die Fuͤhrung Gottes nicht Nacht! Jch beſchwoͤre bey dem dich,
Der uns richtet, der mich zu unſern Vaͤtern jetzt ſammelt,
Nenne ſeine Fuͤhrung nicht Nacht! Und, hab ich gelitten;
Hab ich der Freuden nicht viel auch gehabt? nicht Freunde, wie du biſt?
Nicht die Wonne der Engel erlebt, die Entzuͤckung der Himmel
Auf dem Wege zum Grabe, nicht Jeſus Chriſtus geſehen?
Seine Wunder geſehen? und ſeine Weisheit gehoͤret?
Laß mich danken fuͤr alle mein Elend! fuͤr alle die Ruhe,
Welche mir ward! fuͤr jeden Labetrunk, der im Durſte,
Jeden Schatten, der mich in der Hitze des Kummers erfriſchte!
Und vor allem, daß ich den Freund der Menſchen geſehen,
Jeſus, den Auferwecker der Todten! Martha, verlaß mich,
Geh, bereite das Grab! Wo Lazarus ſchlief, will ich ſchlafen!
Schlafen, wo Lazarus ſchlief! und auferſtehen, Maria,
Durch die Stimme des Todtenerweckers! Du gluͤckliche Martha!
Welche ſuͤße Traͤume der Hoffnung! Bereite das Grab mir!
III Band. FGeh,82Der Meſſias.
Geh, ich will allein ſeyn mit Gott! Zu des Heiligen Fuͤßen
Saß ich, da lehrt er mich: Eins iſt noth! Nun iſt es das Eine,
Daß ich allein ſey mit Gott! Den beſten Theil will ich jetzo
Auch erwaͤhlen! Jch ſoll dich in deinem Tode verlaſſen?
Jch verlaſſe dich nicht, Maria! Sey ruhig, ich helfe
Dir nur leiblich. Du biſt mit Gott alleine, Maria!
Amen! Mit dir ſey Abrahams Gott, und Jſaks, und Jakobs!
Bleib denn! Es ſey mit mir, der alle Himmel erfuͤllet,
Der allmaͤchtig gebeut: Kommt wieder, Kinder von Adam!
Jeſu, Jeſu, und Abrahams Gott, und Jſaks, und Jakobs!
Alſo ſprach ſie, und flehte darauf in der Tiefe der Seele
Zu dem Suͤndevergeber: Erhoͤr, o erhoͤr, und gehe
Nicht ins Gericht mit mir Armen! Wer aller Lebenden koͤnnte,
Wollteſt du richten, vor dir beſtehn! Erſchaffe mir Ruhe,
Gott, im ſterbenden Herzen, und mache die Seele der Muͤden
Deines Heiles gewiß! Du Herr des Todes, verwirf mich
Nicht von deinem Antlitz! und troͤſte mich wieder, o Vater!
Troͤſte mich wieder! und dir erhalte dein freudiger Geiſt mich!
Du, der Hiob erhoͤrte, da er, von Jammer umgeben,
Strebt, arbeitet, und rang zu glauben, und dennoch nicht glaubte,
Daß du ihn, Vater, erhoͤrteſt, vernimm mein Flehen, und hilf mir!
Alſo betete ſie. Dann redte ſie wieder zu Martha.
Meynſt du, Martha, daß Jeſus fuͤr mich jetzt bete? du weiſt es,
Daß er weinte, da wir zu dem Grabe Lazarus kamen.
Sollt er ſich meiner nicht auch erbarmen? O ſage, du Theure,
Koͤnnen wir wohl, ohn Jhn, zu dem, der ihn ſendete, kommen?
Gnade durch Jhn zu empfahn, die Hoffnung labte mich, wenn mich
Jener83Zwoͤlfter Geſang.
Jener Gedanke mit ſeinem Entſetzen ergriff: Verflucht ſey,
Wer nicht, was ich gebiete, das alles erfuͤllt! Ach, Gott redt!
Waͤre Nathanael nur, und Lazarus hier, die wuͤrden
Dir es ſagen. Jch weis nur das Eine gewiß, du Verlaßne:
Jeſus betet fuͤr dich! Jch waͤre verlaſſen, Geliebte?
Und der allgegenwaͤrtige Herr des Lebens und Todes
Jſt um mich! und es betet fuͤr mich der Helfer in Juda!
Alſo ſprach ſie, und ſank in ſchwere Schlummer. Jhr Herz hing,
Aber zitternd, an Gott! Sie ſchlummern zu ſehen, erhub ſich
Martha, und ſtand bey dem Lager, und athmete kaum, nicht zu wecken
Die ſie herzlicher liebt, als ſich ſelber! die nun zu den Vaͤtern
Hinging, fern von ihr weg, die Wege des finſtern Thales,
Und ſie allein ließ! Da die Wehmuth das Herz ihr durchſtroͤmte,
Stuͤrzt ihr eine Thraͤne die Wang herab; doch des Weinens
Stimme hielt ſie, und bald auch wieder den ſchnelleren Athem.
Alſo ſtand ſie verſtummt in daͤmmerndem Saale. Denn dichte,
Dunkle Huͤllen bedeckten der Nacht Gefaͤhrtinn, die Flamme,
Welche nun oft ſchon erſt mit dem Morgen erloſch. So findet
Jener gluͤckliche Wanderer, dem des Todes Erinnrung
Freud iſt, wenn er in ſchweigenden duͤrſtenden Wuͤſten die Kuͤhlung
Eines Felſen ereilt, er findet ein Grab in dem Felſen,
Ueber dem Grabe das Bild des liegenden Todten. Ein andrer
Starrender Marmor, der Freund, ſteht neben der Leiche. Die Hoͤle
Nimmt nur wenig truͤberen Tag in ihre Gewoͤlb auf.
Voll von deſſen Trauren, der ſtarb, und deſſen, der nachblieb,
Sieht ſie der Wanderet an. So fand dein Engel, Maria,
Martha bey dir, als er zu deinem Lager herantrat.
F 2Neben84Der Meſſias.
Neben den Fuͤßen der Sterbenden, mit verloͤſchender Schoͤne,
Stand der himmliſche Juͤngling. Den Engeln iſt Schoͤne gegeben,
Die auf den Stufen der Geiſter die naͤchſten den Seelen der Menſchen
Stehen, und denen Herrlichkeit, deren erhabnere Stufen
Throne ſind. Doch gegen die Herrlichkeit deß, der zur Rechte
Seines Vaters ſtieg, iſt ihre Herrlichkeit Schatten.
O du, der in Triumph empor, in Triumph, in Triumphe,
Stieg in die Himmel der Himmel empor, und herrſchet, wo Gott herrſcht,
Mein Fuͤrbitter, laß mich, laß zahlloſe Schaaren Erloͤſte,
Meine Bruͤder den Tod der Gerechten ſterben! ſo moͤgen
Leiden uns noch, die letzten der Pruͤfungen, oder des Himmels
Vorempfindungen uns umgeben, laß, o Verſoͤhner,
Laß, Geopferter, nur den Tod der Gerechten uns ſterben!
Chebar ſtand zu den Fuͤßen der Bethanaitinn, und fuͤhlte
Seiner Schoͤnheit gluͤhende Schimmer in Daͤmmrung erloͤſchen.
Seinem Antlitz entfloh der roͤthliche Morgen, die Strahlen
Seinen Augen. Jhm ſanken wie Schatten die Fluͤgel herunter,
Ohne zu toͤnen, und ohne zu duften des ewigen Fruͤhlings
Suͤße Geruͤche, nicht mehr mit des Himmels Blaͤue beſtroͤmet,
Triefend nicht mehr von goldenen Tropfen. Jetzt nahm er vom Haupte
Seinen vordem weitglaͤnzenden Kranz, und hielt ihn vor Wehmuth
Kaum in der ſinkenden Hand. Er wußt es, er durft ihr nicht helfen,
Eher nicht, bis bey ihr, wenn ihr Herz im Tode nun braͤche,
Lazarus beten, und weinen der Juͤnger Elims, und Martha,
Und Nathanael weinen wuͤrden. Lazarus war noch
Mit den andern in Salem. Er trat zu der Mutter des Todten:
Siehe85Zwoͤlfter Geſang.
Siehe ſchon naht ſich die Mitternacht, Maria, und als ich
Aus Bethania ging, ſchien meine Schweſter dem Tode
Nahe zu ſeyn. Ach wenn ſie nur nicht ſchon todt iſt! Jch gehe
Daß ich ſie todt ſeh, oder noch lebend. Hat ihr nur keiner
Golgatha’s bange Geſchichte geſagt; ſo kann ſie noch leben.
Wuͤßte ſie ſie, und lebte ſie noch, was wuͤrd ihr der Anblick
Eines der Juͤnger des Goͤttlichen ſeyn, welch Labſal im Tode!
Und Lebbaͤus erhub ſich: Jch gehe mit dir! Da umarmt ihn
Schnell Nathanael: Komm, du Geliebteſter unter den Lieben!
O wie dankt dir mein Herz! Jetzt ſtanden ſie fertig zu gehen
Von der Mutter des Todten. O ſeine Mutter, ich mag nicht,
Sagte Lazarus, jetzo den Namen nennen, den Engel
Nannten, denn ach! ſo oft wir ihn nennen, blutet dein Auge.
Er, der deine Thraͤnen geſehen, gezaͤhlet, der Vater
Deſſen, den ſie begruben, der, daß er ſtuͤrbe, gewollt hat,
Sey mit dir! mit dir ſey Gott! Du hoͤrteſt ihn beten:
Vater! in deine Haͤnde befehl ich meine Seele.
Deine Seele ſey auch in Gottes Haͤnde befohlen,
Aber lebe! Nun ging er mit Eile von ihr, und die beyden
Folgten mit eben der Schnelligkeit nach. Mit ernſtem Schweigen,
An der zitternden Hand der Ungewißheit geleitet,
Gingen ſie nebeneinander, und kamen zum Hauſe, des Grabes
Vorhof, wo die Sterbende war. Sie ſtanden mit Martha
Schon um ihr Lager, als nun Maria ihr Haupt aus dem Schlummer
Endlich erhub. Sie rief: O Dank dir, Geber des Lebens,
Und des Todes, ſie ſind gekommen, mit ihnen Lebbaͤus.
F 3Lazarus86Der Meſſias.
Lazarus ſprach: Wie hat dir bisher, Maria, des Lebens
Und des Todes Geber geholfen? Mit Gnade! Denn alles,
Was er thut, iſt Erbarmen; wie qualvoll uns es auch ſcheine!
Ach was hat mein Herz nicht gelitten! und ſiehe, nun ſterb ich!
Wo iſt Jeſus, mein Bruder? Er weis es gewiß, wie ich leide!
Hat er fuͤr mich gebetet? Jch kenne dein Leiden, Maria,
Wenn es Nacht um dich wird; doch ſage, was leideſt du jetzo?
Nicht von jenem Bilde der fuͤrchterlichen Verweſung
Leid ich, noch von dem truͤben Gedanken, euch zu verlaſſen;
Ach ich leide, daß mir der Zweifel die blutende Seele
Jmmer tiefer verwundet: Ob der auf Horeb mein Gott ſey?
Ach mein Bruder, wie war dir, als du den Donner: Verflucht iſt;
Wer nicht alles erfuͤllt! im ſterbenden Herzen vernahmeſt?
Aber betete Jeſus fuͤr mich? Wenn fuͤr mich der Gerechte
Betete, ſiehe ſo geh ich gern hinab in das dunkle
Naͤchtliche Thal, zu dem ewigen Schlafe mich niederzulegen.
Huͤter! iſt ſie nun bald, die Nacht der Erde, voruͤber?
Jſt ſie nun bald, o Huͤter, voruͤber? Sie ſchweigen, Martha;
Auch Nathanael ſchweigt! Er hat fuͤr mich nicht gebetet!
Nun ſo gehe denn ganz durch meine Seele, hier bin ich,
Schwert des Herrn! Dein Wille geſcheh! dein Will iſt der beſte!
Hoch empor hub Lazarus ſeine gefalteten Haͤnde:
Wie ſich ihres Kindes ein Weib erbarmt, ſo erbarmſt du
Unſer dich, El Schaddai! und ob ſich ihres Kindes
Auch das Weib nicht erbarmt, ſo wirſt du dich dennoch erbarmen!
Du biſt Gott, du haſt uns in deine Haͤnde gezeichnet!
Lazarus87Zwoͤlfter Geſang.
Lazarus weint’s. Da richtete ſie ihr geſunkenes Haupt auf:
Sage, mein himmliſcher Bruder, was geht von beyden nun mich an:
Jener Fluch von Sinai? oder die Liebe der Mutter?
Waͤr es die Liebe; Triumph, o Triumph, und Jubelgeſaͤnge,
Heiſſer herzlicher Dank dem Geber ewiger Gnaden,
Der ſich nicht, wie Menſchen, erbarmt, dem Erbarmer, der Gott iſt!
Aber wie kann ich es wiſſen, daß er mit der Liebe der Mutter
Mein ſich erbarmt? Ach rede doch: Hat das Gebet des Gerechten
Meinen Richter erweicht? und ſieht er, mit jener Erſchuͤttrung
Seines Jnnerſten, jener heftigen Wehmuth der Mutter,
Jenem Auge voll unausſprechlicher Unruh und Huͤlfe,
Nieder auf mich? Jch lieg, und weine voll Jammers, und ringe
Meine Haͤnde gen Himmel, und rufe nach Rettung, und kenne,
Wer mir helfen wird, nicht, nicht die mich gebahr! Erbarmer!
Flehte Nathanael, biſt du ihr Mutter, ſo laß dein Antlitz
Voll von unausſprechlicher Unruh und Huͤlfe ſie ſehen:
Herr, verbirg dich nicht laͤnger! Erdulde ſie gerne die Leiden,
Lazarus ſprachs, die ſo nah an die großen Vollendungen graͤnzen.
Wuͤßteſt du, welcher Geduld und welcher Gottesergebung
Beyſpiel wir haben, und wem in die Himmel der Himmel wir nachſehn!
Auferſtanden bin ich, und wuͤnſchte mit dir zu entſchlummern,
Meine Schweſter! Wenn ſie mir rieſe die Stimme des Todes;
O ſie wuͤrde melodiſcher mir, wie des Tempels Geſang ſeyn
An dem dankendem Tage des großen Halleluja!
Freud ergreiſt mein Herz, und Entſetzen! Was iſt es, mein Bruder,
Das du ſagſt? Hat es Gott nicht gethan? Jch will es ihr ſagen,
Meine Geliebten! Laßt uns die Wege des Herrn nicht verſchweigen,
F 4Auch88Der Meſſias.
Auch wenn ſie fuͤrchterlich ſind! Maria, der beſte der Menſchen,
Unſer goͤttliche Freund, der große Helfer in Elend,
Jeſus Chriſtus, der Suͤndevergeber, der Todtenerwecker,
Jſt mit Muth und Geduld der Engel am Kreuze geſtorben!
Jſt am Kreuze ſo ſtammelte ſie erbebend, indem es
Nacht um ſie ward, am Kreuze geſtorben? Jhr Haupt ſank nieder;
Er, ihr Engel, geſtorben? Jhr brachen die Augen am Kreuze?
Wirklich geſtorben? Du der dieß zuließ, ich preiſ, ich preiſe
Deinen herrlichen Namen fuͤr alle mein Leiden! und folge
Deinem Getoͤdteten nach! Jhr erſtarrte die Zung, und die Blaͤſſe
Und die Ruhe des Todes bedeckt ihr auf Einmal das Antlitz.
Lazarus legte die Hand in ihrer kalten Stirne
Todesſchweiß. So ſchlummre denn bald in Frieden hinuͤber
Zu den Todten Gottes, Vollendete deines Erbarmers!
Werde dem Tage des Lichts gebohren, dem ewigen Leben!
Sieh, es haͤnget an deinem Herzen mein Herz, doch laß ich
Deine Huͤtte dich gern abbrechen, und dich nach Canan
Hinziehn. Sey du ihr Stab im dunkeln Thale der Wuͤſte,
Huͤter Jſrael, bring ſie Selbſt in das Land der Erquickung,
Wo die Thraͤnen du all abtrockneſt, wo keine Klage
Keines Jammers Geſchrey den Dank der Jubel entweihet.
Erdenſonne, verloͤſch ihr, und letzter Schlummer des Todes,
Komm, und thu dich ihr ſanft, o Ruhſtatt ihres Gebeins, auf!
Nimm ſie, Verweſung, daß auch ihr Leib zu dem Leben erwachſe.
Saat, dich ſaͤet der Herr dem großen Tage der Erndte,
Wenn die Schnitter rufen, und wenn die Poſaunen erſchallen!
Wenn die Erd, und das Meer mit lauteren Wehen gebaͤhren,
Als89Zwoͤlfter Geſang.
Als einſt Eden gebahr! wenn oben, und unten die Himmel
Aller Himmel vom Preiſe des Einen, der richtet, ertoͤnen.
Und ſie wandte mit Himmelsgefuͤhl von Ruh und Errettung
Sich nach Lazarus um, und ſah den freudigen Bruder
Freudiger an, indem er den Segen zum ewigen Leben
Jhr mit Worten im Strome, mit ſuͤßen Entzuͤckungen zurief.
Chebar ſah den ſiegenden Tod in der Sterbenden wuͤten,
Und erbebte vor Wonne ſo laut, daß liſpelndes Saͤuſeln
Wie aus tiefer Ferne von ſeinen Fluͤgeln wehte.
Und ſie vernahmens umher, und wußten nicht, was ſie vernahmen.
Aber der Seraph ergriff das ſeelenvolle Gewebe
Seiner Saiten, und noch in den ſuͤßen Qualen der Freude,
Jrrt er mit wankender Hand die ſtrahlenden Saiten herunter.
Und die Sterbende hoͤret etwas, als toͤn es vom Himmel;
Und ſie richtet ſich feyerlich auf, und hoͤrt in die Hoͤhe.
Lazarus hielt ſie, mit ihm Nathanael. Aber der Seraph
Bebte nicht mehr, und entlockte der ſanfterſchuͤtternden Harfe
Unausſprechliche Toͤne. Von Gottes hoͤherem Frieden
Sang ein Laut dem anderen Laute, der leiſer es nachſang.
Amen er iſt viel hoͤher! Und in der Hoͤrerinn Seele
Wachten Empfindungen auf, wie ſie noch niemals empfunden,
Neue große Gedanken, wie aus dem Staube, zum Leben.
Alſo war es einſt dir, du Seher der Auferſtehung,
Da es ſich regt um dich her, und es rauſcht und die Todten erwachten.
Und des Unſterblichen Harfe die Himmelsruferinn toͤnte
Jmmer noch fort, und goß in die faſt entkoͤrperte Seele
Eine Ruhe, die keiner empfaͤht, wer ins Leben zuruͤckkehrt;
F 5Wenn90Der Meſſias.
Wenn auch, wie es ihm daucht, ſchon uͤber ihm ſchallen die dumpfen,
Losgeſchaufelten, niedergeſchmetterten Erdeklumpen,
Und der Todtengeſang! Die Himmelsruferinn toͤnte
Jmmer noch fort, jetzt lauter, und nun noch lauter, als rauſchten
Stuͤrme mit ihr, wenn ſie toͤnt, als ſaͤnken dahin vor ihr Berge.
Denn der Unſterbliche, hingeriſſen von ſeiner Begeiſtrung,
Sang jetzt in der Harfe gefluͤgelten Ungeſtuͤm: Heilig,
Heilig, heilig iſt er, der uͤber der Schaͤdelſtaͤte
Blutete, bis die Suͤnde der Todeserben verſoͤhnt war!
Faſt ſchon Leichnam, vermochte die Sterbende nicht die Entzuͤckung,
Die in ihr brechendes Herz die Stimme des Himmliſchen ſtroͤmte,
Auszuhalten. Sie ſtarb Nicht lange, ſo ſank ihr Bruder
Neben ihr nieder und nahm die kalte Hand der Todten
Zwiſchen ſeine gefalteten Haͤnde, trocknete muthig
Seine Thraͤnen, und betete: Preis dem Geber des Lebens
Durch den errettenden Tod, Anbetung dem goͤttlichen Geber!
Siehe, du biſt in den Huͤtten des Friedens, doch deine Seele
Bleibt nicht immer allein! Auch dieß Verwesliche wird ſich
Einſt in Unverweslichkeit wandeln, die Blume, die hinſank,
Schnell im Sturme gebrochen, wie herrlich wird ſie erwachſen,
Jenen feſtlichen Fruͤhlingsmorgen der Auferſtehung!
Tragt ſie hinaus, den heiligen Staub zu dem Staube der Erde
Tragt ſie noch nicht hinaus, daß wir mit frommem Erſtaunen
Noch betrachten, die fiel dem Donner des Todes, und aufſtehn
Wird dem lauterem Hall der Auferſtehungspoſaune.
Sieh er wartet, und laͤßt Jahrhunderte reifen, und wird noch
Andre91Zwoͤlfter Geſang.
Andre Jahrhunderte reifen laſſen! Alles iſt Wunder
Jn des Ewigen tiefem Entwurf, ſtets neues Erſtaunen.
Wenn ich ſeine Wege betrachte, ſo ſind ſie alle
Dunkel vor mir, doch daͤmmert es drinn, und ich weine vor Freude,
Wenn, die Verkuͤndigerinn des Morgens, die Daͤmmrung mich leitet.
Jhr iſt es Morgen geworden! Sey mir noch Einmal geſegnet,
Wenn du mich hoͤreſt, und wenn, wer unten am Grabe noch weilet,
Dich zu ſegnen vermag, du Hoͤrerinn deſſen, der uns nun,
Nicht den Engeln, verſtummt, dich ſegn er der goͤttliche Todte!
Sieh es hatte ſie ſchon der goͤttliche Todte geſegnet.
Als jetzt werdend der himmliſche Leib um die Seele Maria
Noch arbeitete, ganz noch nicht zu Lichte gereift war,
Als er unter der maͤchtigen Hand der bildenden Schoͤpfung
Zittert, und ſchwebt, und ſank, und ſich ſchwung, ganz him̃liſch zu werden,
Dachte von dieſer Wonne Stroͤmen umringet, die Seele
An den Leichnam, den ſie zuruͤckgelaſſen, und daß ſie
Von dem Staube der Erde getrennt ſey, und ſeinen Laſten.
Dieß war ihr erſtes Gefuͤhl; ihr zweytes, als ſie vollendet
Sich empor in die Wolken hub, ein maͤchtig Bewußtſeyn
Jhrer Seligkeit Tod! du Schlummer, du Segen der Segen!
Du! Jſts moͤglich, ihr Engel, ihr Himmelserben, iſts moͤglich,
Jch bin ſelig? Sie riefs mit feſtgefalteten Haͤnden,
Und verſtummt, und ſchwebte nicht mehr, dann ſchwung ſie ſich wieder,
Daß ſie ſchimmert, und rief: Jhr Erſtgebohrnen der Wonne,
Soͤhne des ewigen Lichts, ihr Heiligen Gottes, iſts moͤglich,
Selig bin ich? O du, deß alles, was ich vordem litt,
Suͤße92Der Meſſias.
Suͤße Vergeſſenheit komm, geuß deiner Ruhen Gefuͤhle,
Deine Seligkeit uͤber mich aus! Komm nicht! Denn Entzuͤckung
Jſts, zu vergleichen, die Leiden des erſten geflohenen Lebens,
Mit dem ewigen Troſte, mit dieſer Fuͤlle der Ruhe!
Die Gluͤckſeligkeit fehlt euch, ihr Ungefallnen, zu meſſen,
Gegen die Wonne des ewigen Lebens, das Elend der Suͤnde!
Euer iſt nur des Mitleids Antheil; aber ihr weintet
Jene Thraͤnen nicht, die von unſern Wangen jetzt trocknet
Jeſus, der Gott der Liebe! Prophetiſch Gefuͤhl, das mich oftmals
Jn dem tiefften Kummer ergriff: Jch wuͤrde noch danken!
Schnell mich ergriff, und Hoffnung im Himmel der Himmel mir zeigte,
Danken fuͤrs Elend, fuͤr alle mein Leiden wuͤrd ich noch danken!
Siehe, nun wirſt du erfuͤllt! Aus meinen Tagen ward Abend,
Wieder Abend, und wieder, und dann der Letzte des Letzten,
Dann die Nacht des Todes! Wie eilend ging ſie voruͤber!
Und ach nun der Morgen des Lebens, zu dem ich erwacht bin!
Traum, der mit Weinen begann, und ſchloß mit dem Weinen des Todes!
Traum des Lebens, nun biſt du getraͤumt, und ich bin erwachet!
Werde noch Einmal erwachen, wenn Unverweslichkeit anzieht
Mein verweſender Leib, und werther des goͤttlichen Hauches
Dieſer Seele, die ewig iſt, ſtrahlt, wie der Leib des Erweckers,
Der auch ſtarb, begraben wird werden, und auferſtehen!
Und die Vollendete ſchwebt empor, ein Morgenſchimmer
Leichter, wie Luͤfte, geſchwinder, als Winde, ſchnell wie Gedanken;
Hoͤrte die Schoͤpfung wandeln von lauterem Jubel begleitet;
Sahe ſie viel weiter eroͤffnet, aber unendlich.
Welche93Zwoͤlfter Geſang.
Welche Leben waren in ihr erſchaffen! wie ſtieg ſie! Nicht Eine,
Tauſend Stufen, bin ich zum Weſen der Weſen erhoben!
Werd ich einſt an dem Tage der Tage verklaͤret, dieß weißagt
Mir mein Gefuͤhl, dann werd ich noch uͤber Tauſend mich ſchwingen!
Werd ich, in der Huͤlle mir dann viel ſchoͤnere Welten,
Werd ich, ohne der Welten Huͤlle, den Ewigen ſchauen!
Lazarus, reich an großen Todesgedanken, ereilte
Bald die Huͤtte wieder, in der die Heiligen weinten.
Als er ihr ſich nahet, umarmt ihn einer der Siebzig,
Und erzaͤhlt ihm mit Flammenworten, wie wunderbar Gott ſey.
Siehe, mein Ohr vernahms nicht, es hats mein Auge geſehen!
Lazarus kam ein ſanftes Geraͤuſch des Weinens entgegen
Durch den daͤmmernden Saal. Jhm rannen nur Thraͤnen des Mitleids.
Gott der Goͤtter! (er hub die Hand, und das Auge gen Himmel,)
Lohn’s ihm ferner, wie du es ihm zu lohnen beginneſt,
Daß er, weil du es wollteſt, hinab bis zum Tode des Kreuzes
Jſt gegangen! Was decket der Schleyer die Krone des Todten?
Laßt mich, ich will ſie ſehen in ihrem Blute! Der Engel
Kronen leuchten, ich kenn ihr fernes Schimmern, des Todten
Blutige Kron iſt mir viel mehr! Denn lohnt es nicht Gott ihm
Wunderbarer, als wir, als du es wagteſt zu hoffen,
Seine Mutter? Erhebe dein Antlitz aus dieſes Jammers
Abgrund, Mutter des goͤttlichen Manns, und hoͤre. Die Erde
Bebte, da er entſchlief, dich hat ihr Beben erſchuͤttert!
Nacht, du haſt ihr Schrecken geſehn! umhuͤllte die Erde!
Aber noch weißt du nicht ganz, wie der im Himmel von ihm zeugt.
Sieh, in des Tempels Vorhof flammte das Abendopfer;
Furchtbar94Der Meſſias.
Furchtbar wehte die Flamm in der Nacht, die Maria bedeckte.
Bey den Altaͤren ſtanden die Opferer, ſchaurten vom Schrecken
Dieſer Nacht, und blickten hinein durch des Heiligen Thore
Nach dem Allerheiligſten. Prieſter knieten im Tempel,
Dankten dem Raͤcher, daß nun am Kreuze der Leidende blute!
Wagtens, bey dieſem Dank, ihr gluͤhendes Auge zu wenden
Nach dem Allerheiligſten! Da, da raͤchte der Raͤcher!
Denn, von dem hohen Gewoͤlbe, bis hin zu dem liegenden Saume,
Riß des Allerheiligſten Vorhang! Schrecken des Todes
Stuͤrzten die Betenden tiefer, und ſpaͤt erſt konnten ſie fliehen.
Denn mit gewaltigem Arm ergreift ſie Entſetzen, Entſetzen
Folgt den Verſtummten nach, da ſie endlich dem Tod entrinnen!
O des Troſtes vom Himmel, daß der des Todten gedenket,
Der, da am Kreuz er ſtarb, in Nacht die Erde verhuͤllte,
Beben hieß die Felſen, und Augen der Sterblichen aufthat
Seiner furchtbaren Herrlichkeit Staͤte Die Hoͤrenden ſchwiegen
Voll Erſtaunen, allein nur wenig lindernde Troͤſtung
Drang in ihre Seele. Sie waren zu tief verwundet!
Alſo ſieht, wer ſchwindelnd herab an der hangenden Klippe
Wandelt, im bluͤhenden Thal die Schoͤne des heiteren Tags nicht.
Durch den helleren Wald verbreitet ſein Schimmer umſonſt ſich,
Wallet umſonſt mit dem Strome dahin. Des fuͤrchtenden Wandrers
Aug iſt rings um ihn her des Fruͤhlings Wonne verſchwunden.
Lazarus ſah ihr unentwoͤlktes Leiden, und ſagte:
Troͤſtet euchs nicht, daß Gott von dem Todten durch Wunder zeuget;
O ſo ſey es euch Troſt, es ſey euch Labſal in Durſte,
Schatten gegen den brennenden Strahl, daß die zu dem Todten
Hinging,95Zwoͤlfter Geſang.
Hinging, die ihr liebtet, und die der Goͤttliche lehrte,
Daß Maria nicht mehr mit euch weint. Jhm nahte mit Eile
Magdale ſich, und ſah ihn mit thraͤnenloſem Aug an,
Gluͤcklicher jetzt, als folgte ſie ſchon der entſchlafenen Freundinn:
Ach du redeteſt Worte der Engel mit uns! Ja in Durſte,
Lazarus! gegen den brennenden Strahl! So wehet die Kuͤhlung
An der Quelle! Sie iſt hinuͤber zu Chriſtus gegangen
Deine himmliſche Schweſter? O haſt du der Worte der Engel
Keine mehr? nicht Weißagungen von unſerem Tode?
Siehe, du wandelteſt ja einſt unter den Todten; vernahmſt du
Nicht von deinen Freunden, ob ſie gewuͤrdiget werden,
Bald zu ihnen zu kommen? O red, und verbirg es nicht laͤnger,
Wenn du es weißt, ob uns Verlaßnen dieß Wonneloos fiel?
Chriſtus Mutter! er ſchweigt! So laß denn, Richter im Himmel,
Weil wir leben muͤſſen, o furchtbarer Richter im Himmel!
Uns es erleben, daß die den Unſchuldsvollen erwuͤrgten,
Jmmer tiefer ſtuͤrzen, und niemals, niemals entfliehen!
Daß ſie Entſetzen ergreife mit eiſernem Arm, Entſetzen
Sie umringe, wenn nun mit dem Taumelkelche der Rache
Gott kommt, und, bis zum Hefen hinab, ſie ihn trinken, und ſterben!
Jetzo hatte ſich ſchon die Mitternacht auf die Erde
Niedergeſenkt. Den jammerbelaſteten Freunden des Mittlers
Sank ſie mit Schatten des Todes, und Graun der Graͤber herunter,
Ach einſt ihnen ſchoͤner, als Fruͤhlingstage, wenn Chriſtus
Sie durchwacht in Gebet, und ſchrecklicher jetzo, wie jemals,
Weil96Der Meſſias.
Weil die Himmelsſtimme des goͤttlichen Beters verſtummt war.
Nach und nach verlor ſich der Klage Laut, und der Thraͤne
Linderung floß nicht mehr. Die furchtbare Kaͤlte des Leidens
Lag auf ihrer Seele, wie unbewegliche Felſen.
Und die Engel ſtanden um ſie in truͤberem Glanze
Mitleidsvoll, und ſahns, wie Chriſtus Begnadete litten.
Salem, Johannes Engel, und Selith, der Engel Maria’s
Sprachen alſo unter einander: Wir wiſſen, o Salem,
Daß es herrlich endigen wird, und dennoch, mein Bruder,
Leiden wir faſt, wie ſie! Wie ſie? Sehr vieles empfinden
Wir den Armen nicht nach. Wir koͤnnen, wie ſie, nicht leiden!
Sie ſind Menſchen, und wiſſen es nicht, mein himmliſcher Bruder,
Daß es herrlich endigen wird! Statt dieſes Ausgangs
Aus den Labyrinthen, der ihnen taͤuſchender Traum waͤr,
Wenn du auch von den Strahlen des Himmels glaͤnzend, ihn zeigteſt,
Sehen ſie immer des Jammers mehr, in der Labyrinthe
Dunkleren Pfaden Jch ſchwindl an den Tiefen, in die ſie hinabſehn!
Und ich blicke mit Ruh in die Tiefen des goͤttlichen Rathes:
Ach das Mitleid ſchmelzt dich zu ſehr. Nun geſteh ich, du litteſt,
Selith, wie ſie. Denn nur von Leiden der Menſchen durchdrungen,
Konnteſt du denken, wie Menſchen denken! voll ihrer Leiden,
Nur vergeſſen, es ſey der Zweck des goͤttlichen Rathes,
Sie durch Elend zu beſſern, und ſeliger ſie zu machen,
Als ſie zu ſeyn vermoͤchten, wenn ihre Seele des Elends
Kelch nie haͤtte getrunken, und wenn, zu der Zeit der Erquickung,
Da von den Stroͤmen des Lebens umſonſt die Gluͤcklichen trinken,
Sie zuruͤck an den bittern Kelch dort unten nicht daͤchten!
Himm -97Zwoͤlfter Geſang.
Himmliſcher Freund, der Schmerz, der die Seele der Mutter zerreiſſet,
Hat zu ſehr mich umwoͤlkt. Verzeih es, Salem, es war ja
Chriſtus Mutter, und unter dem Kreuze ſah ich ſie leiden!
Breitete nur wohlthaͤtiger Schlummer ſich uͤber ihr Haupt aus;
O ſo wollt ich mit heiteren Traͤumen die Seel ihr umſchweben,
Und den bang aufſchreckenden Anfall neuer Leiden,
Ach den Jammer der Schuellerwachten, durch die Erinnrung
Dieſer Traͤume, beſaͤnftigen. Aber Ruhe vom Elend
Kommt auf ſie nicht! Ach der Erquickung, dem himmliſchen Labſal
Gottes wird ſie, ſie denket dem Tod, entgegen wachen!
Als ſie ſo mit einander ſich unterredeten, goß ſich
Kurzer Schlaf auf den Thraͤnenblick Johannes, und Salem
Schwebte mit Eil herzu; und ſchon entflammet des Juͤngers
Lautes Herz ein Traum mit neuem Lebensgefuͤhle.
Libanon wars, auf Libanon, unter rauſchenden Cedern,
Ging er, als floͤg er Fluͤge daher. Der Morgen mit Purpur,
Keinen ſah er erwachen wie den, und mit Golde bekleidet,
Schimmerte durch die Wipfel des thauenden Haines. Die Baͤche
Toͤnten ins Thal, wie Tempelgeſang. Bald toͤnten ihm lauter,
Viel entzuͤckender noch, beſeelte Harfen, und Stimmen
Unter den Harfen, die ſangen: O Sohn der himmliſchen Mutter!
Trockn, o Sohn der himmliſchen Mutter, die Thraͤne der Wehmuth.
Aber ihm deucht es, als ob er dennoch die Thraͤne nicht trockne.
Dieſes Gefuͤhl vermochte noch nicht des maͤchtigen Seraphs
Traum zu tilgen. So floß auch im Schlafe der bittere Quell noch.
Und der roͤthliche leuchtende Morgen bewoͤlkte den Schimmer,
Und in unabhoͤrbarer Fern erſtarb der Harfe
III Band. GTon,98Der Meſſias. Zwoͤlfter Geſang.
Ton, erſtarb der Ton der himmliſchen Stimmen. Doch fuͤhrt ihn
Eine ſchneller noch, wie zuerſt er eilt, in dem Hain fort.
Denn der Unſterbliche ſtrebt, und ließ nicht ab. Und der Juͤnger
Sahe, da hauten Maͤnner, mit gluͤhender Wut in dem Blicke,
Eine der Cedern um, daß dumpf von ihrem Umſturz
Libanon ſcholl! Sie hauten die Ceder zum Kreuze. Das hub ſich,
Schattete furchtbar! allein auf Einmal entſproſten dem Kreuze
Palmen! Da war der Juͤnger nicht mehr in Libanons Haine.
Ach, er war in Eden, und ſah von dem Himmel glaͤnzen
Mehr, als Purpur und Gold, und vernahm erhabnere Choͤre;
Und ihm ſchlug ſein Herz vom vollem Gefuͤhle der Wonne.
Der[99]

Der Meſſias. Dreyzehnter Geſang.

G 2[100]

Jnhalt des dreyzehnten Geſanges.

Gabriel verſammelt die Engel, und die Auferſtandnen um das Grab. Sie erwarten, unter Anbetungen, die Auferſtehung des Meſſias. Die Zweifel eines roͤmiſchen Hauptmanns, Cneus, der die Wache beym Grabe hat. Die Seele Mariens, der Schweſter Lazarus, kommt in die Verſammlung der Heiligen. Der Todesengel Obaddon ruft Satan, und Adramelech aus dem todten Meere hervor, und gebietet ihnen, entweder jetzt zur Hoͤlle zu fliehn, oder zum Grabe zu kommen. Satan entſchließt ſich zu dieſem, und Adramelech zu jenem. Adrame - lech darf ſeinen geaͤnderten Entſchluß nicht ausfuͤhren. Der Todes - engel uͤberlaͤßt es Abbadona, ob er zum Grabe kommen will, oder nicht. Die Herrlichkeit des Meſſias naht ſich vom Himmel. Adam betet ihn an, nach ihm Eva. Der Meſſias ſteht vom Tode auf. Engel, und Auferſtandne rufen ihm ihre Freude zu. Thirza’s Soͤhne, die ſieben Maͤrtyrer, ſingen ihm ein Triumphlied. Einige der Heiligen ſchweben zu ihm aus den Wolken herab. Zuletzt rufen ihm Abraham, und Adam zu. Die Seele eines Heiden wird vor ihn gebracht. Er richtet den Todten, und verſchwindet. Gabriel gebietet Satan, zur Hoͤlle zu fliehn. Einige Roͤmer von der Wache, auch Cneus kommen in die Verſammlung der Prieſter. Philo bringt ſich um. Obaddon begegnet ſeiner Seele in Gehenna, und fuͤhrt ſie zur Hoͤlle.

[101]

Der Meſſias. Dreyzehnter Geſang.

Jeſus Vaͤter freueten ſich der Auferſtehung
Jn der Graͤber Gefilde, wo ſie vor kurzem noch ſchliefen.
Aber die Engel umwallten die Erde, die Menſchen zu ſehen,
Die der Verſoͤhner dem Schoͤpfer von neuem geheiliget hatte.
Ach, die Freude der Zeugen verdrang oft Wehmut; eilend
Schwangen ſie oft die Purpurfluͤgel, daß ihnen der Erde
Luͤfte, wie Staub, den vom Fuß der Bote ſchuͤttelt, entwehten.
Gabriel war noch am Grab: auf einer der Sonnen, von denen,
Die den Himmel umgeben, Eloa. Dort wartet Eloa,
Daß herunter ſtiege die Herrlichkeit Jeſus. Des Grabes
Engel ſchwebt in die Schoͤpfung empor, der Auferſtehung
Himmliſches Zeichen zu ſehn. Auf einen der Orionen
G 3Hatt102Der Meſſias.
Hatt er lange ſein Auge geheftet. Jetzt geht der Orion
Flammend bey einem andern in einer Wendung voruͤber,
Deren Anblick auf Einmal das Auge des wartenden Seraphs
Stꝛalendeꝛ macht Schon wandt er ſich. Stuꝛm waꝛ ſein Schweben u. Blitze
Seine Schwuͤnge! Der Seraph eilt zu den Graͤbern, und rufet,
Gleich dem Wetter, vor dem der niedergeſchmetterte Wald dampft:
Kommt zu dem Grabe! Da eilten die Engel herzu, und die Vaͤter.
Und der lange Triumph umringte das Grab des Groͤßten
Unter den Todten. Gabriel ſaß in der Mitte des Kreiſes
Auf dem Grab, als ſaͤß er auf einer goldenen Wolke,
Die vollendete Seelen ins Leben der Ewigkeit truͤge.
Aber der Todesengel, der Jeſus im Namen Jehova
Seinen nahenden Tod verkuͤndiget hatte, ſchwebt itzt
Langſam hin zu dem Grab, und ſank in Gabriels Arme:
Nacht noch iſt es rings um mich Nacht! noch bebt mir die Erde!
Dunkler, als alle Finſterniß, iſt noch der Huͤgel des Todes!
Niemals haben meiner Unſterblichkeit Kraͤfte Gerichten,
Die Jehova mir gab, erlegen! dem letzten erlag ich!
Und erlieg ihm! Staͤrke mich wieder, du Strahl der Allmacht,
Der, aus dieſem Grabe nun bald zu leuchten, der Rechte,
Gottes enteilt. Der Unſterbliche ſprachs, und lehnte mit Staunen
Sich an den Felſen, in dem des Geopferten Leichnam ruhte.
Aber die Vaͤter und Seraphim fragten einander, und ſprachen:
Wird die Sonne mit ihm erwachen? der ſichtbare Fruͤhling
Dann ein Schatten der Herrlichkeit ſeyn, womit er hervorgeht?
Oder wird noch gewandt von der Sonne Schimmer die Erde
Schlummern, indem der Todte, der ewig lebet, hervorgeht?
Wird,103Dreyzehnter Geſang.
Wird, vor dem Herrlichen, Staub ſein Grab, und ein Spiel der Luft ſeyn
Jener hangende Fels, von dem Angeſichte der Erde
Weggewehet, indem ſein Haupt der Sieger emporhebt?
Werden wir ſeiner Herrlichkeit Glanz zu ertragen vermoͤgen?
Ach, kaum fafſet mein Herz den Gedanken des ſuͤßen Verlangens,
Abraham riefs, den himmelvollen, den Wonnegedanken:
Jch, ich ſelber, werde das ſehn! kein Fremder, ich ſelber,
Daß der Geopferte Gottes, ein Ueberwinder des Todes,
Jenes Todes, den Er geſtorben! ins Leben heraufſteigt!
Halleluja! das werd ich ſehn! Er riefs, und der Mond ging
Wieder hervor. Nicht lange, ſo deckten ihn truͤbende Wolken.
Hundert ermuͤdete Wanderer, Maͤnner, und Muͤtter, und Kinder
Kamen. Sie gingen gefuͤhrt von dem Monde ſchneller, er nun ſchon
Wieder langſam, und waren jetzt in der Heiligen Kreiſe.
Schrecken ergriff ſie auf Einmal. Sie wußten nicht, was ſie erſchreckte,
Aber ſie flohn. Ein rufendes Kind verirrte ſich. Eilend
Trat ein Engel herzu, und brachte den bebenden Knaben
Seiner Mutter. Sie wollte dem lieben treuen Gefaͤhrten
Danken; allein er war in die Nacht hinuͤber gegangen.
Nahe bey David hatte der Engel geſtanden. Er kam jetzt
Zu dem Geliebten zuruͤck, und David ſprach zu dem Engel:
Alſo fuͤhrt, der bald nun erſtehn, und die Voͤlker der Erde
Sich verſammeln wird, durch das erſte Leben die Menſchen!
Ach, wie freuet ſich meine Seele des Herrn! und wie werd ich
Seiner mich freun, wenn er aus dem Felſen des Schlummers erwacht iſt!
Jhr, vollendete Fromme, doch deren Leiber noch Staub ſind,
Und ihr Frommen, die nie der Verweſung Schrecken durchbebte,
G 4Jhr104Der Meſſias.
Jhr vermoͤgt nicht der Auferſtehung unnennbare Freuden
Ganz uns nachzuempfinden! Wie wird ſie Jeſus empfinden,
Er, des Ewigen Sohn, der ſeiner Sterblichkeit Leiden,
Und des Todes Furchtbarkeit mehr, wie die Menſchen, gefuͤhlt hat!
Aſſaph! er eilt in Aſſaphs Umarmung, des Kreuzes, des Todes
Goͤttlicher Dulder, er wird nun bald, mein Bruder, erwachen!
Und er blickte mit inniger Wonne nach ſeines Erloͤſers
Grabe. So blickt ein noch ſterblicher Frommer ſehnlich gen Himmel,
Wuͤrdiget ihn der Eine, der richtet, deß zu erinnern,
Jenes ewigſtroͤmenden Urquels ewiger Wonne,
Daß Er, bis zu dem Tode gehorſam, die Seinen geliebt hat,
Bis zu dem Tod am Kreuz! Und Aſſaph ſah den Propheten,
Ward von Seligkeit trunken, wie er. Die Schimmer im Antlitz
Davids wurden, ſo freut er ſich! Glanz, die Bewegung, der Athem
Harmonieen! Er ſchwebt und erklang! Nun beſeelt er die Harfe,
Wort erſchollen noch nicht; doch ergoß die goldene Harfe
Jubel! Allein nun ergriff ihn der himmliſchen Pſalmen Begeiſtrung
Ganz! Ein Strom ertoͤnte der Saite Geſang und der Stimme:
Alſo ſieht der Seher der Offenbarung auf Sion
Einſt in dem Himmel ein Lamm mit ſchimmernden Wunden bedeckt ſtehn,
Und mit ſchoͤnem Blute des Heils. Dann ſtehn um den Huͤgel
Zahlloſe feyrende Schaaren, ſie Alle Verſoͤhnte! die haben
Hell an ihrer Stirne des Vaters Namen geſchrieben.
Und wie Meere, wie Stimmen der Donner, erklingen die Harfen
Jn der beſeelenden Hand der feyrenden Schaaren um Sion!
Denn, dem Sohne, ſie ſingen dem Sohne! denn ewiges Leben
Stroͤmt von den ſchimmernden Wunden des Lamms in die Seelen herunter.
Alſo105Dreyzehnter Geſang.
Alſo ſtarb er! So ſahen wir ihn! O Leichnam, du ſchlummerſt,
Leichnam des Unerſchaffnen! Noch wart ihr nicht, Engel, da warf er
Auch dieß Licht, wir ſahens wie Daͤmmrung vordem! auf der Schoͤpfung
Urgeſtalt, die Strahlen, als er der langen Aeonen
Reihen dachte; Sterbliche ſollten entſchlummern! Er ſelber!
Dann erwachen! Verkuͤndets in allen Himmeln, ihr Zeugen
Seines Todes! erzaͤhlts in jeder Huͤtte des Friedens!
Keiner wuͤrdige ſie, von allen Seligen keiner!
Sagts der Hoͤlle nicht an! doch, wenn ihr ſie wuͤrdiget, donnert
Schreckende Halleluja hinab, daß ſie weiter hinuͤber
Weiler vom Himmel ins Unermeßliche fliehe! Der Gottmenſch
Wird erwachen! nun bald hoch uͤber dem Staube des Grabes
Stehen! und Herrlichkeit ſeyn! und Herrlichkeit! Halleluja!
Kommt, kommt eilend zu uns, ihr ſeine Zeugen auf Erden,
Schon ſind Huͤtten der Ruhe fuͤr euch geoͤffnet! die Palme
Winket euch ſchon! Bald habt ihr euer Zeugniß gezeuget,
Bald geblutet, wie Er! Du Blut der Maͤrtyrer, rufe
Nicht der Rache, der Rache! wie Abels, rufe der Krone!
Stephanus! und Jakobus! ihr Erſten! die Morgenroͤthe
Seines verkuͤndigten Heils kaum bricht ſie hervor, und ihr ſiegt ſchon!
Stephanus! und Jakobus! verlaßt denn Kanaan! Joſeph
Kann ſich laͤnger nicht halten! nun laͤnger nicht! Halleluja!
David ſangs, und erlag der Entzuͤckung. Das Halleluja
Konnt er kaum vollenden. Die lispelnde Harf entſank ihm.
Und in ſeines Lichtes Gewande, die Palme weht ihm
Jn der Rechten, ihm wehte ſein goldenes Haar, ſang Joſeph
Gegen den Bruder, der einſt in ſeinen Umarmungen weinte:
G 5O der106Der Meſſias.
O der Entzuͤckungen Ungeſtuͤm, der das Herz mir erſchuͤttert,
Denk ich an jene Stunde zuruͤck, in welcher der Vater
Jedes Schickſals, ihr Bruͤder, mich euch zu entdecken, erlaubte.
Suͤßeſte meiner Stunden im erſten Leben, du wirſt mir,
Alſo wiedergedacht, der Stunden des ewigen Lebens
Eine! Wie war mir, als ich, vollendete Bruͤder, euch zurief:
Jch bin Joſeph! Lebet mein Vater noch? Du, der im Grabe
Schlummert, du Bruder erloͤſter unzaͤhlbarer Bruͤder, du Erſtling
Unter den Erben des Lichts, o laß die Huͤlle des Blutes
Und des Staubes von deinem Antlitz fallen, und zeige
Dich in deiner Herrlichkeit wieder! Zwar niemals verkannten
Wir in deiner Niedrigkeit dich; doch duͤrſten wir, duͤrſten,
Dich mit Wunden, die ſtrahlen, zu ſehn, den Sieger des Todes
Jenes nicht nur, der liegt, und verweſt, des ewigen Todes
Sieger! Auch derer, die einſt, o du, der ewigen Gnade
Ewiger Quell, nach dir, weil ſie dich verkennen, nicht duͤrſten,
Derer erbarme dich auch, und gieb ihm Fluͤgel zu eilen
Jenem Tage der letzten Enthuͤllung der Herrlichkeit Gottes!
Wardſt du nicht allenthalben verſucht, um Mitleid zu haben,
Ueberwinder, verſucht, wie der Sterblichen keiner verſucht ward?
Der geſchaffen das Aug hat, ſieht! geſchaffen das Ohr, hoͤrt!
Der dich geſchaffen hat, Herz! ach ſollte ſich der nicht erbarmen
Biſt du nicht eingegangen, mit deiner Verſoͤhnung Blute,
Hoherprieſter, ins Allerheiligſte? Jſt ſie nicht ewig
Deine Verſoͤhnung, die du, der Gerechteſte, ſelbſt erfandeſt?
Selbſt vollbrachteſt! Wenn ſie nun koͤmmt die Stunde der Wonne
Auch den Himmeln verborgen, verborgner der Erde, die Stunde,
Die107Dreyzehnter Geſang.
Die zu dem Retter Abrahams Kinder und Jſaks und Jakobs
Ach zum Gekreuzigten bringt; wenn nun der Voͤlker Fuͤll iſt
Eingegangen, nun Jſrael auch eingehet, und Jeſus
Sich nicht halten mehr kann, und laut zu weinen beginnet:
Jch bin Jeſus! ihm dann die Geliebteren weinend am Halſe
Hangen, er Feyerkleider der Unſchuld Allen austheilt,
Jedem ein helles Gewand mit Blute beſprengt, und Kronen,
Ach den Geliebteren, daß, vor ihrer Belohnungen Groͤße,
Freudig die Thronen erſchrecken! wenn Er dieß Alles vollendet;
O wie werden die himmliſchen Boten von Sternen zu Sternen
Eilen, verkuͤndigen, was vor ein Licht aus der Tiefe der Weisheit,
Was vor ein Strahl aus der Nacht des goͤttlichen Rathes hervorbrach!
Und wie werden alsdann ihr Antlitz die Aeltſten am Throne
Neigen, und niederwerfen die Kronen, und feyren, und danken,
Danken dem Einen, der ewig iſt, und der Vater der Tage!
Siehe, du haſt es vollendet! und wirſt noch mehr es vollenden!
Vater! Erſter! du Einer, der ewig iſt! o dem Namen
Deiner Herrlichkeit Preis! von Aeonen Preis in Aeonen!
Mit des feyrenden Liedes Strome, liſpelt und hallte
Harf und Poſaune. Wie er in ſeinen Geſtaden einherfloß,
(Gleich dem ſterbenden Widerhalle ſang ihn mein Lied nach)
Sanfter itzt floß, und fliegender jetzt, ſo ſchwebte der Harfe
Liſpel auf ihm, und der Hall der Poſaune, mit Harmonieen,
Die der Seligen Ohr nur hoͤrt. Die Geſaͤnge der Himmel
Sind nicht Kinder der langſamen, oft entſeelten Begeiſtrnng,
Sind der Urbegeiſtrung entzuͤckte Soͤhne, der Wonne
Erſtgebohrne! Wir kennen ſie nicht. Bisweilen nur hoͤrt ſie
Einer108Der Meſſias.
Einer, der ſtirbt, und mit ihnen das ewige Leben beginnet.
Nur der Prophet des verſtummenden Lamms Jeſaia vernahm ſie
Von dem geoͤffneten Grabe noch fern, da die Engel ihr Antlitz
Deckten, und gegen einander flogen, und ſangen: Heilig,
Heilig iſt, heilig der Herr der Geſchaffnen! und alle Lande
Sind der Herrlichkeit Gottes Zebaoth voll! daß erbebten
Vor der Rufenden Stimme die Ueberſchwellen des Tempels.
Voll von dem ſuͤßen Erwarten der Auferſtehung des Mittlers
Fuhren die Heiligen fort, ſich, was ſie empfanden, zu ſagen
Jetzt mit Stimmen, mit Saiten alsdann, und dem feyrlichen Halle,
Oft mit beyden. Denn noch war nicht das Schweigen der Freude,
Nicht das Verſtummen der Wonne gekommen. Der goͤttliche Todte
Schlummerte noch Heſekiel ſtieg auf ein Grabmaal am Oelberg
Aus den Wolken herunter, und ſang: Verdorrte Gebeine
Sah ich um mich, und wurde des großen Befehles gewuͤrdigt,
Jhnen zu rufen: Verdorrte Gebeine, hoͤret des Herrn Wort!
Als ich rief den Befehl, da rauſchte das weite Gefilde!
Siehe da regt es ſich, als ich den großen Befehl um mich ausrief,
Und die Gebeine kamen zuſammen, jedes Gebeine
Kam zu dem ſeinen, und Leben kam mit den fliegenden Winden
Jn die Todten. Nun ſtanden ſie all auf dem weiten Gefilde,
Sieh ein unzaͤhlbares Heer! Das wurd ich zu ſehen gewuͤrdigt!
Noch entzuͤckt mich das Bild von dieſer Rettung Geſichte;
Aber wie war mir, als ich auch ſelber ins Leben herauf kam,
Jch verdorrtes Gebein! O Dank, Dank meinem Erwecker,
Deſſen Leichnam noch ſchlummert, und der doch Todten erwecket!
Er109Dreyzehnter Geſang.
Er verweſt nicht, wie wir. Das war der Wille des Vaters,
Sterben ſollt er, am Kreuze ſterben! aber verweſen
Sollte ſein Heiliger nicht! O Erndte viel groͤßer, als jene,
Die ich ſah, viel groͤßer, als die, zu welcher wir kommen,
Wenn die Schnitter rufen, und wenn die Poſaunen erſchallen!
Zwar nur Eine Aehre; doch iſt die Erndte viel groͤßer,
Als der unzaͤhlbaren Aehren unuͤberſehliche Fluten,
Als das ganze Gefilde der Auferſtehung voll Garben!
Wuͤchſe die Eine nicht auf; ſo wuͤrden die Schnitter nicht rufen,
Nicht die Poſaunen erſchallen! O Heil dir, du Eine! Die Himmel
Aller Himmel werden ſich unter deinen Schatten
Einſt verſammeln! der Tod, der furchtbare Tod, der letzte
Aller Feinde, wird dieſes Schattens allmaͤchtiges Labſal
Nicht zu ertragen vermoͤgen! vergehn! dann wirſt du die Herrſchaft
Uebergeben dem Vater, daß Gott ſey Alles in Allen!
Halleluja! dem Vater, daß Er ſey Alles in Allen!
Und die Schnitter am Tage der Erndte ſahn dem Propheten
Freudig ins Antlitz. Auch wandte vom Grabe des goͤttlichen Todten,
Schnell, wie ein Wink, nicht laͤnger, dahin, wo Heſekiel feyrte,
Gabriel ſich. Jndeß erſcholls gleich Stimmen der Meere:
Halleluja, daß Gott, daß Gott ſey Alles in Allen!
Amos Sohn verließ die Verſammlung der Heiligen, ſchwebte
Nieder auf Golgatha, ſtand an dem Kreuze des goͤttlichen Todten.
Auch du ließeſt der frommen Verſammlung, und ſchwebteſt herunter,
Daniel, Gottes Geliebter, und ſtandeſt am Kreuze des Todten.
Und ſie ergriffen die Pſalter, und ſangen gegen einander:
Hier, hier trug Er unſere Krankheit, unſere Schmerzen
Lud110Der Meſſias.
Lud er hier auf ſich. Die Menſchen waͤhnten, er wuͤrde,
Weil er geſuͤndiget haͤtte, von Gott geſchlagen! gemartert!
Ach, um unſertwillen iſt Er verwundet! geſchlagen
Wegen unſerer Suͤnden! Auf ihn ward Strafe geworfen,
Daß wir Frieden haͤtten! Uns heilen die Wunden des Dulders!
Seinen Mund eroͤffnet er nicht, da die Wuͤter ihn quaͤlten!
Da er gefuͤhret ward gleich einem Lamme zur Schlachtbank!
Aus der Angſt und aus dem Gericht iſt Jeſus genommen!
Bald wird er in das Leben erwachen! Wer iſt auf der Erde,
Wer in den Himmeln, der die Laͤnge der Ewigkeiten
Auszuſprechen vermag, die Jeſus, der Todte, dann lebt?
Denn geſtorben iſt er, indem er die Suͤnden der Erde
Alle trug, er iſt gleich einem Verbrecher geſtorben!
Ach vollendet iſt nun vollendet ſein goͤttliches Opfer
Fuͤr die Suͤnden! Jhm werden nun gleich dem Thaue der Morgen
Seine Kinder geboren! und Ewigkeit iſt ſein Leben!
Ewigkeit! denn wie hat, in unausſprechlicher Arbeit,
Seine Seele gerungen! dafuͤr iſt Wonne dein Erbe!
Gottes Knecht, der Gerechte, durch ſeine himmliſche Weisheit
Wird er viel zu Gerechten, und Erben der Herrlichkeit machen!
Denn die Suͤnde, die Suͤnde der Welt hat Er getragen!
Siehe, wer kam von dem Kidron herauf aus des erſten Gerichts Nacht?
Wer in der Staͤrke goͤttlicher Kraft, die Suͤnde zu tragen?
Wer mit Jammer belaſtet, mit tiefem Leiden der Seele?
Chriſtus wars, der Gerechtigkeit lehrte, zu helfen ein Starker!
Weſſen Wunden troffen auf dieſen Huͤgel des Todes?
Himmel der Himmel! o weſſen Blut rann hin auf den ernſten
Suͤhn -111Dreyzehnter Geſang.
Suͤhnaltar? Sein Blut! ſein Blut, vor welchen ſich Aller
Knie einſt beuget! vor dem einſt Aller Zunge bekennet,
Daß er Herrſcher ſey zu der Ehre Gottes des Vaters!
Nun, nun iſt der Uebertretung gewehrt! und die Suͤnde
Zugeſiegelt! verſoͤhnet die Miſſethat! und geworden
Ewiges Heil, Gerechtigkeit! zugeſiegelt der Seher
Offenbarung! nun iſt, Preis ſey dem großen Vollender!
Preis ihm, er iſt geſalbet! auf dieſem Huͤgel des Todes
Jſt geſalbet der Allerheiligſte! Halleluja!
Hingeriſſen vom Bilde des gottgeopferten Mittlers
Wiederhohlten, den Luͤften gleich, die in Baͤumen des Lebens
Saͤuſeln, die Heiligen: Ja, auf dieſem Huͤgel des Todes
Jſt geſalbet der Allerheiligſte! Halleluja!
Und die Wache des Grabs ging ab. Die kommende Wache
Fuͤhrte der Hauptmann, der Jeſus auf Golgatha ſterben, den Huͤgel
Unter ihm hatte beben, und ſtuͤrzen die Felſen geſehen.
Und am verſiegelten Stein, dem Bewahrer des Leichnames, blieben
Wundernd die Roͤmer ſtehen, und unter ihnen ihr Hauptmann.
Cneus, ſo hieß ſein Name, vertiefte ſich bald in die Zweifel
Seiner Gedanken. Die Stille der Nacht, und des wandelnden Mondes
Sanfte Schimmer luden ihn ein, ſich weiter und weiter
Jns Labyrinth zu verlieren, aus dem kein Leiter ihn fuͤhrte.
Und er lehnete ſich an den Felſen. Ein Goͤtterſohn denn?
Aber welches Gottes? des Gottes der Jſraeliten?
Dieſes? O warum zweifl ich an unſers Jupiters Groͤße;
Denk ich an den, den Jehovah dieß leichtbezwungene Volk nennt,
Den es nicht zu kennen verdient? wie niedrig, und ſclaviſch
Jſt112Der Meſſias.
Jſt es! wie klein durch ſich ſelber, wie groß durch Jehovah, der Goͤtter
Gott! So nennt er ſich ſelbſt, und nennt ſich nicht nur; er zeigt ſich
So durch Thaten! denn waͤr die Geſchichte der Wunder Jehovah
Zweifelhaft; ſo waͤr die Erzaͤhlung von Jupiters Thaten
Mehr, als zweifelhaft! doch ein Sohn des großen Jehovah;
Und doch ſterblich? Und, wenn nur ein Menſch, wie koͤnnt er ſo groß ſeyn?
Alſo dacht er, indem ihn ein Bote, den Portia ſandte,
Seinem Gruͤbeln entriß. Mich ſendet Portia, Cneus,
Dich zu fragen: Ob Ruh am Grabe geweſen? und ob ſich
Keiner dem Todten nahe? Sie war erſt ſelber entſchloſſen,
Herzueilen, allein ſie entſchloß ſich anders Hier herrſchet,
Sage Portia dieß, die Stille der Graͤber, und keiner
Naht ſich dem Todten. Er eilete. Wart, und ſag ihr auch dieſes,
Sag ihr: Er komme wieder ins Leben; er komme nicht wieder;
Beydes verwirre mich! geh! Sie quaͤlet, wie mich, die Entwicklung
Dieſer verborgnen Geſchichte des unterliegenden Frommen.
Denn dieß war er gewiß! Ein frommer Sterblicher war er;
War er kein Sohn des Gottes der Goͤtter! Des Gottes der Goͤtter?
Alſo verlaͤugn ich Jupiter? ſetz ihn unter Jehovah,
Den ich nicht kenne? den ich viel mehr, als Jupiter, kenne!
Denn viel mehr iſt Wahrheit in dem, das Jehovah gethan hat,
Als in dem, das der Donnerer that! Nur mehr? Jſt nicht Alles
Wahrheit? O haͤtten des liegenden Jſraels Ueberwinder
Jupiter angebetet; ſo waͤre das Bild des Gottes,
Wie das Bild des Dagon, in ſtumme Truͤmmern zerfallen,
Ja, aus der Hand des Schwachen, in ſtumme Truͤmmern die Donner!
Ha! was hab ich gedacht! was dringt mich, Zevs zu verlaͤugnen?
Jhn113Dreyzehnter Geſang.
Jhn dem Unbekannten, dem ſchrecklichen Unbekannten
Aufzuopfern? und weß iſt die Stimm in der innerſten Seele,
Der ich zu widerſtehn nicht vermag? Wenn du, Jupiter, mehr biſt,
Als der Gott der Goͤtter; ſo donnr in den Abgrund mich nieder:
Ach, wo bin ich? O Wut der furchtbaren Ungewißheit!
Nein! nicht Ungewißheit! So haͤtt ich Jehova beleidigt!
Bey dem Strome Cocytus, bey dem nur, Jupiter, du ſchwoͤrſt,
Fleh ich: Donnre mich nieder! O du, nach deſſen Erkenntniß
Jch mit dieſer entflammten Begier verlange, Jehova,
Offenbare dich mir! bin ichs werth? kanns ein Sterblicher werth ſeyn?
Offenbare dich mir! Er dacht es gen Himmel, und ſenkte
Dann ſein Haupt auf die Bruſt. Ach, warum ſah ich den Frommen
Seine Wunder nicht thun? und warum ſaͤumt ich, zu hoͤren,
Was er, von Gott, und von ſich, und den Menſchen ſagte; ſo kennt ich
Nun die Menſchen, und ihn, und Gott! Die am meiſten ihn horten,
Waren Maͤnner voll Einfalt. Ach beſſer, als waͤren ſie Weiſe,
Die ſo ſelten ſich nicht verirren, und Gruͤbler geweſen!
Aber wo ſuch ich ſie? Er iſt todt, und wird mich nicht lehren!
Und ſie find ich nicht! Doch in jenem beſſerem Leben,
Wo er jetzt iſt, wird er mich lehren! Jm beſſeren Leben?
Jſt denn ein kuͤnftiges? wirds, wenn es iſt, denn beſſer fuͤr mich ſeyn?
Da, der ſo unſchuldig geweſen, ſo vieles gelitten;
Ach, was wird der Schuldige leiden! Du Unbekannter!
O du Unbekannter! ja meine Seele verirrt ſich
Jn dem Forſchen nach dir! O koͤnnt ich deiner Propheten
Offenbarung und Lehren verſtehn, aufdecken die Huͤlle,
Welche ſie meinem Auge verbirgt! So gar noch am Kreuze
III Band. HHaͤtt114Der Meſſias.
Haͤtt ich ihn fragen koͤnnen! Nun iſt er verſtummt! Auf ewig?
Der nur weis es, der ihn geſandt hat! Koͤnnen die Todten
Auferſtehen? Der Heilige Todte dort hat den Seinen,
Wieder ins Leben zu kommen, verheiſſen! Das ſagen ja ſelber
Seine Verfolger, und darum bewachen wir ſeinen Leichnam.
Kommt er nun nicht zuruͤck; ſo verwirren mich ſeine Geſchichte,
Die mich, weiter erforſcht, von Gott mehr haͤtte gelehret,
Seine Wunder, ſein Leiden noch mehr! Zu welchem Kummer
Jſt mein Leben gemacht? und warum ſchonten die Schlachten
Meiner immer? der fallende Pfeil, und der zuckende Wurfſpieß!
Warum hoͤrt ich nicht lange den letzten ſchmetternden Bogen
Toͤnen? Ha Brutus, als du zuletzt an der Tugend Belohnung
Zweifelteſt, nahmſt du dein Schwert! Und ich ſeh groͤßere Tugend
Unbelohnter, und ſaͤume? Was haͤlt mich? Nicht Furcht vor dem Tode!
Denn ihn hab ich zu oft in blutigem Felde geſehen!
Bin ihm entgegen unter ſinkenden Adlern, gegangen!
Nein! ihn fuͤrcht ich nicht! Doch was iſt es denn, das mich aufhaͤlt?
Warum entſetz ich mich, wenn ich mich nun dem ernſten Entſchluſſs
Voͤllig nahe? Beleidigt ich etwa den Unbekannten?
Und iſt Warnung vielleicht die geheime Gewalt, die mich feſſelt?
Wenn mein Tod ihn beleidigt; ſo muͤſſe meinem Entſchluſſe
Jmmer etwas zur Reife fehlen! Wie aber ergruͤnd ich:
Ob ich dadurch ihn beleidige? Sollte die bebende Frage:
Ob ich ihn beleidige? Furcht des Todes in mir ſeyn?
Furcht ſo tief verborgen? O wuͤßt ichs, wie wollt ich des Lebens
Weiche Liebe ſtrafen, und dir zum Opfer ſie bringen,
Ted! So verlor ſich Cneus auf ſeinem finſteren Wege
Nach115Dreyzehnter Geſang.
Nach der Gottheit, indem noch nicht die Rechte des Helfers
Seine Fuͤhrerinn ward, ihn, nach der Hoͤhe der Weisheit,
Auf den ſchmalen Weg, durch die enge Pforte, zu leiten.
Hinter ihr war die Pforte zur Hoͤhe, der ſchmale Weg war
Hinter ihr ſchon! die ſchoͤne Seele bracht itzt ihr Engel,
Chebar in die erhabne Verſammlung der Auferſtandnen.
Sie empfing Benoni, ein Silberlaut, da er hinglitt
Von der leichten Wolke. Du haſt ihn nicht ſterben geſehen;
Dort, dort ſtarb er! allein du ſiehſt ihn erwachen, Maria!
Jhm antwortet Maria: Jch hab ihn nicht ſterben geſehen;
Ach dort ſtarb er! allein ich ſeh ihn, Benoni, erwachen!
Ueberwunden haſt du, durch das Blut des Lammes, Maria!
Nimm den Pſalter, und ſey auch eine Saͤngerinn Gottes!
Darf ich wagen, mich unter die Choͤre der Sieger zu miſchen,
Welche ſchon Jahrhunderte Palmen tragen, und Kronen?
Sing du dem Herrn! Jch lehre dich, was ich lernte. Verweſen
Soll der Heilige nicht! O Erndte viel groͤßer, als jene,
Die Heſekiel ſah, als jene, zu welcher wir kommen,
Wenn die Schnitter rufen, und wenn die Poſaunen erſchallen!
Zwar nur Eine Aehre; doch iſt die Erndte viel groͤßer,
Als der unzaͤhlbaren Aehren unuͤberſehliche Fluten,
Als voll Garben, voll Garben der Auferſtehung Gefilde!
Wuͤchſe die Eine nicht auf; ſo wuͤrden die Schnitter nicht rufen,
Nicht die Poſaunen erſchallen! O Heil dir, du Eine! die Himmel
Aller Himmel werden ſich unter deinen Schatten
Einſt verſammeln! der Tod, der furchtbare Tod, der letzte
Aller Feinde wird dieſes Schattens allmaͤchtiges Labſal
H 2Nicht116Der Meſſias.
Nicht zu ertragen vermoͤgen! vergehn! dann wirſt du die Herrſchaft
Uebergeben dem Vater, daß Gott ſey Alles in Allen!
Halleluja dem Vater, daß Er ſey Alles in Allen!
Und die Hoͤrerinn hoͤrt entzuͤckt nach der Stimme Benoni,
Ach Benoni, wie ſelig bin ich! Mit welcher Erbarmung
Hat der gnaͤdige Geber des Lebens und Todes die Stunde
Meines Todes gewaͤhlt. Den Verſoͤhner erwachen zu ſehen,
Und in dieſer Verſammlung! Jhr Heiligen Gottes, ihr Bruͤder
Chriſtus, und meine Bruͤder, ihr nun auf ewig Geliebte,
Nehmt mich unter euch auf! Mich hat der Erbarmer geſendet,
Euer Erbarmer, und meiner! O du der Himmel Gemeine,
Du des Braͤutigams Braut, welch großer Lohn iſt dein Erbe!
Wie genieſſen wir Alle vorher nicht empfundene Ruhen,
Freuden nicht einmal von fern, und dunkel vermuthet, wie trinken
Wir die Stroͤme des Lebens umſonſt! Was gabſt du vor Gaben,
Seligkeiten zu fuͤhlen, den Seelen, die du zu dem Erbe
Deiner Herrlichkeit riefſt, du unerſchoͤpflicher Geber!
Welche Seligkeiten, zu dieſen Gaben! Jhr Dauern
Machteſt du ewig, allmaͤchtiger Geber! Mit dir, den wir lieben,
Ewig zu ſeyn, mit dir! Wer haͤlt den Wonnegedanken,
Die Entzuͤckungen aus, wer dieſer Ewigkeit Ausſicht?
Jch verliere mich, Gott! O Geber! Erfinder! Vollender
Alles dieſes! Jch war nicht, und nicht der Himmel der Himmel;
Da entwarfſt du es, Gott! Wir wurden, wir leben, und ſteigen
All auf unzaͤhlbaren Stufen, auf einer anderen jeder,
Jmmer auf neuen Stufen der Seligkeit, von der Aeone
Zu der Aeon, empor, und hoͤren nicht auf zu ſteigen!
Denn117Dreyzehnter Geſang.
Denn ein unendlicher Geber biſt du! ein unendlicher! Bebend
Schwieg ſie, und ſchon auf ihrer jetzigen Stufe zu ſtehen,
Wonnevoll. Sie entzuͤckte den Kreis der Erben des Lebens,
Und ſie ſangen ihr zu, und Donner wurde das Zittern
Jhrer Harfen: Unendlich iſt Er! unendlich der Geber!
Jſt unendlich! Und wir ſind endlich! Gefuͤhl voll Entzuͤckung
Von dem großen Geber, dem Vater der Weſen, der Liebe,
Gnad um Gnade zu nehmen! du Durſt, der ewig geſtillt wird!
Ach, eh werden in Nacht die neuen Erden, in Daͤmmrung
Eh der neue Himmel verloͤſchen, eh deiner Erbarmung
Unverſiegender, ewiger Strom die Duͤrſtenden leer laͤßt!
Sieh, am Fuße des Throns entſpringet ſein Quell, ein Weltmeer,
Rauſchet, und faͤllt, in Gefilden der Nacht, in Gefilden des Tages,
Faͤllt von Erde zu Erde, zu Sonne von Sonne die Himmel
Aller Himmel herab! Der durch Sich Selige hoͤret
Seines Rauſchens Getoͤn! Jhn hoͤren die Soͤhne des Lebens
Durch die Welten umher, und kommen, und ſchoͤpfen Entzuͤckung!
Ach erloͤſtes Geſchlecht, ihr Bruͤder des Todten, und unſre,
Saͤumet nicht, kommt zu dem Strome des Heils. Das wankende Straucheln
Eures Fußes leitet ein Starker! ein Helfer voll Huͤlfe!
Der, obwohl ſein Herz ſchon brach, mit maͤchtigem Rufen
Rief: Es iſt vollendet! Wie nach viel Schweiſſen ein Muͤder
Jn der Abenddaͤmmerung ſchlaͤft, ſo ſchlaͤft nur der Starke
Jetzt im Grabe. Der Loͤw auch Juda ſchlummert in Schatten.
Weniger trunken, o Hoͤlle, vom Taumelkelche der Rache,
Wuͤrdeſt du verſtummen, damit der ſchlafende Starke
Aus dem Schlummer ſich nicht, und aus den Schatten erhuͤbe.
H 3Aber118Der Meſſias.
Aber er wird ſich erheben, und eh er, in ſeiner Erhoͤhung,
Bis zu der Rechte des Vaters, der hoͤchſten Herrlichkeit, fortſteigt;
Wird Ein Schritt des Eilenden, Hoͤll, auf dich treten, des Loͤwen,
Oder, vernimms, du Ueberwundne! des Lammes im Zorne!
Deine Wuͤſte wird oͤder, und deine Tiefen verſinken
Tiefer dann, vor dem ſchreckenden Schritte des Lammes im Zorne!
Mit den Worten verließ der Todesengel Obaddon
Jeſus Grab, und der Heiligen Kreis. So war ihm geboten:
Wenn die Verſammlung der Fommen der Hoͤlle nahes Gericht droht,
Eil du dann zu Satan und Adramelech im Meere!
Und er huͤllte ſich ein in Nacht, und ſtand am Geſtade,
Rufte die Ewigtodten herauf. Mit thuͤrmender Woge,
Kamen ſie, traten vor ihn. Der Todesengel enthuͤllte
Aus der Nacht ſich. An ſeiner Stirne nur ſaͤumte noch Dunkel
Einer Donnerwolke, die ſich, von ihm weg, am Meer hin
Langſam zog. Jetzt rufte die niedergeſchmetterten Kraͤfte
Satan in ſich zuſammen, und ſprach zu dem Engel des Todes:
Gluͤcklicher, faſt allmaͤchtiger Sclav, was bringſt du vor Botſchaft?
Auf dein Schmaͤhn antwortet ich dir ſeit Aeonen nicht! werd ich
Heut dir darauf antworten? Vernehmt Befehle! Der Todte,
Welcher auferſtehet, gebeut: Entweder entfliehet
Gleich in den Abgrund! oder begleitet mich jetzt zu dem Huͤgel,
Wo er gekreuziget ward! Er ſteht bey dem Huͤgel vom Tod auf.
Dieſen Flammenſchwung, den ich ſchwinge mein Schwert, und nicht laͤnger,
Sollt ihr ihn ſehn! Dann ſtuͤrzet ihr hin auf die Stirn! Ergrimmet,
Suͤnder, nicht alſo! Daß Er euch anzubeten geboͤte,
Wuͤrdiget Er euch nicht! Euch ſtuͤrzt der Allmaͤchtige nieder,
Und119Dreyzehnter Geſang.
Und ihr betet nicht an. Das koͤnnt ihr nicht! Wenn ihr mir folget;
Bleibt ihr noch hier! und folget ihr nicht; ſo entflieht ihr zur Hoͤlle!
Ziſchender Spott, und bruͤllendes Hohngelaͤchter erwarten
Euch in der Hoͤlle. Denn viele der eurigen ſahns, wie ihr flohet,
Als euch Flucht Eloa gebot! Waͤhlt jetzo, Empoͤrer!
Satan blickte mit Grimm auf ihn her; doch blieb er entfernt ſtehn.
Denn dem furchtbaren Schwerte des Todesengels entſtroͤmten
Flammen, wiewohl es ruhte. Der Haſſer Gottes und Satans
Riß vom Geſtad ein Felſenſtuͤck, und zermalmts an der Stirne,
Stampft auf die fallende Truͤmmer, und wollte den Ewigen laͤſtern;
Aber er ſchwieg! Waͤhlt! rufte der Engel des Todes, und huͤllte
Seines Schwertes drohende Strahlen in Wolken, die dampften.
Aber ſie zweifelten noch. Jetzt nahte ſich Abbadona,
Blickt, indem er voruͤberging, Adramelech und Satan
Ohn ihr Wuͤten zu fuͤrchten, und ohne raͤchenden Stolz an.
Denn er war nicht ihr Richter. Doch trat er zum himmliſchen Seraph
Naͤher, als ſie vor ihm ſtanden, und ſprach: Ein Bote der Rache
Biſt du, aber du kennſt auch, o Engel Gottes, das Mitleid!
Darf ich nicht auch, da die beyden Empoͤrer duͤrfen, den Gottmenſch,
Sehn, wenn er auferſteht? Wie koͤnnt ich es wagen zu waͤhnen,
Daß ich ihn anzubeten vermoͤge? Willkommen, willkommen
Ungeſehne Hand, die mit ihnen auch mich in den Staub ſtuͤrzt,
Hand des Allmaͤchtigen! Ach! daß ich ihn nur ſeh, wenn er aufſteht
Aus dem Grabe, der Suͤndeverſoͤhner, der Ueberwinder!
Satan hoͤrt ihn, und rief ihm entflammt mit ſtammlendem Grimm zu:
Sclav, nicht Gottes, der Hoͤll! elendeſter unter den Sclaven!
H 4Doch120Der Meſſias.
Doch ſchon unterbrach ihn der ſchreckende Todesengel:
Satan, verſtumme vor mir! Jch habe keine Befehle,
Abdiel Abbadona, fuͤr dich. Jch weis nicht, wie lange
Dir auf der Erde zu bleiben, und, ob dir, den goͤttlichen Todten,
Wenn er erwacht, zu ſehen vergoͤnnt ſey. Jch kann dir nur ſagen,
Daß der Huͤgel von Schaaren der auferſtandnen Gerechten,
Und von Schaaren der Engel umringt iſt. Dieſe Verworfne
Sehn ihn, wenn ſie dieß waͤhlen, damit des Erwachten Triumphe
Sie zu ſtrafen beginnen, fuͤr jenen Entſchluß, den Gefallnen
Jhren Erloͤſer zu nehmen! du hatteſt an dieſem Entſchluſſe,
Abbadona, kein Theil! Jhn aber mit meiner Entzuͤckung,
Mit der Wonne der auferſtandnen Erloͤſten zu ſehen,
Abdiel, koͤnnteſt du dich mit dieſem Wunſche wohl taͤuſchen?
Feurig, mit Ungeſtuͤm, ſprach Abdiel: Nicht, mit Entzuͤckung
Ach! mit Wonne nicht! allein nur ſehen, nur ſehen!
Ha! du Niedrigſter! ruft ihm Adramelech entgegen,
Ja, du warſt es! du nannteſt den Namen Eloa der Hoͤlle!
Engel des Todes! ich geh zu der Hoͤlle! Wehe dem Stolzen,
Der mein ſpottet! den ſollen geſchleuderte Felſen begraben!
Warum folgſt du mir nicht, verworfenſter unter den Engeln?
Doch kein Engel nicht mehr, nur eine Seele! Du fuͤrchteſt,
Und du taͤuſcheſt dich nicht, daß ich an die unterſten Stufen
Meiner Throne mit diamantnen Ketten dich feßle,
Und, indem ich in große Gedanken vertieft, auf den Hoͤhen
Meiner Throne ſitze, den Fuß auf deinem Nacken
Ausruhn laſſe! Doch werde zuvor an dem Huͤgel ein Opfer
Deiner Kriechſucht! Schauernd, mit zuͤrnender Traurigkeit ſchuͤttelt
Abba -121Dreyzehnter Geſang.
Abbadona ſein Haupt: Nicht deine flammenden Worte
Schrecken, Wuͤtender, mich! die gerechten Engel und Seelen
Schrecken mich, und Jehovah mein Feind! Er wandte ſein Antlitz.
Adramelech verließ ſie. Jch folge dir! ſtammelte Satan
Wuͤtend zum Todesengel. Die Stirne voll Donnernarben
Wurd ihm dunkler, indem er folgte. Sie ſchwebten. Voll Zweifels
Stand noch Abdiel. Ungeſtuͤm wandt itzt Adramelech
Wieder ſich um. Er waͤlzt in dem raſenden Felſenherzen
Eine Laͤſtrung, ſchwarz, wie die Nacht der unterſten Hoͤlle.
Und entſchloſſen, herauszuſtroͤmen das Ungeheuer
Jn der Verſammlung der Heiligen, ſchrie er: Jch folge dir, Engel!
Wende dich! rief mit des Donners Ruf der Verderber, die Schoͤpfung
Sollſt du nicht ſehn! Dein Auge wird Blindheit ſchlagen! dich fuͤhren,
Beb ihm nach! ein Geheul! .. Schon ſtarrte ſein Aug ihm in Nacht hin,
Und ſchon rauſcht es um ihn, und heult in dem fuͤhrenden Sturme.
Jammernd Geheul, er folgte; das mußt er! jetzt fernerſterbend,
Dann erſchuͤtternd nah, war in dem gefluͤgelten Sturme.
Schnelles, unwiderſtehliches, unnennbares Entſetzen
Faßt ihn, wenn das Geheul, wie Gerichtspoſaunen, ihm zurief:
Weh dir! Weh! Weh dir! und es dann ihm dauchte, Gebirge
Naher Sterne wankten dann, und ſchmetterten krachend
Nieder auf ihn, und waͤlzten ihn fort in dampfenden Truͤmmern!
Aber die Vaͤter und Seraphim hoͤrten fern in den Himmeln
Aus den Sonnenwegen herab ein Wetter Jehova’s
Kommen! Die Harmonieen der wandelnden Welten verſtummten
Wenn der Donner, ein neues Erſtaunen ihrer Bewohner,
Redete! Denn ſchon war zu dem tiefen Tabor des Vaters
H 5Herrlich -122Der Meſſias.
Herrlichkeit niedergeſtiegen; ſie hatten ihn wandeln geſehen!
Schon aus ſeinen Schranken ein Stern zu der Sonne geeilet;
Still war ſchon die ganze Schoͤpfung geſtanden! Die Vaͤter
Hoͤrten das Wetter fliegen, und huben freudig ihr Haupt auf,
Hoͤrten hinauf in die Himmel der Himmel. Es nahte ſich eilend,
Schnell, wie Gedanken. Sie hoͤrten es jetzt durch die Ruhſtatt Gottes
Schweben, und, als von Bergen zu Bergen, wider von Sternen
Hallen zu Sternen. Es nahte der Erde. Mit gluͤhender Stirne,
Schimmernden Augen, entzuͤckt von jeder Wonne des Himmels,
Eine Flamme des Herrn, den Sonnen gleich, da ſie Gottes
Schaffender Hand entzitterten, uͤber Erden zu herrſchen,
Strahlt Eloa hinab in der Auferſtandnen Verſammlung,
Rufte: Die Stund iſt gekommen, der Herrlichkeit Stund iſt gekommen!
Mit der Morgendaͤmmerung wird der Verſoͤhner der Suͤnde
Seinen Leichnam erwecken! Jhr hoͤrt den Goͤttlichen wandeln!
Und er ſchwebt hinunter zum Grabe. Das maͤchtige Wetter,
Jn den Himmeln ein Zeuge des Ewiglebenden, mildert
Jetzo ſeine Gewalt, daß die Erde vor ihm nicht entfliehe.
Seine Donner hielt es zuruͤck. Sturmwinde nur rauſchten,
Daß von Libanon an vor ihnen die Waͤlder Judaͤa
Gegen das Grab ſich beugten! Die Erde ward nur erſchuͤttert,
Daß, von Seirs Gebirge, der Phasga, der Arnon, der Hermon
Bis zu den oberſten Wipfeln und Wolken des Libanon bebten!
Daß, von Seirs Gebirge, das Waſſer Aegyptus, das Weltmeer,
Und der Carmel, und wieder des Libanon Hoͤhen erſchracken,
Und der wankendſtroͤmende Jordan hinauf bis zur Quelle
Und Amana! Allein noch bebte das Grab nicht. Der Fels lag
Unbewegt,123Dreyzehnter Geſang.
Unbewegt, wie er hingewaͤlzt vor das offene Grab war.
Gabriel ſah mit Entzuͤckung hinab auf den liegenden Felſen,
Denn: Du waͤlzeſt ihn weg! war ihm von dem Todten verheißen.
Aber die Himmliſchen, ſie, die lauter die Stroͤm, und das Weltmeer
Rauſchen hoͤrten, die Waͤlder erſchallen, lauter die Berge
Beben, als ſie ein menſchliches Ohr zu hoͤren vermochte,
Freudig ſanken die Engel aufs Antlitz und die Erſtandnen
Vor der gegenwaͤrtigen Gottheit des Suͤndeverſoͤhners.
Adam betete laut wie im Jubelgeſang. So erſchallen
Mit dem Getoͤne der wandelnden Welten der Engel Poſaunen,
Wenn ſie die großen Thaten des Allerheiligſten feyern;
Wie des Seligen Stimme vermiſcht mit den wehenden Luͤften,
Und mit den rauſchenden Palmen, den Wiederhallen der Berge!
Und, ſie ſtuͤrzten, und flohn, mit den Stroͤmeu erſcholl. Unerſchaffner!
Dann ein weinendes Kind, ein weiſer Knabe, die Wonne
Gottes, und derer, die ſuͤndigten! dann ein himmliſcher Lehrer,
Und mitleidiger, menſchenfreundlicher Wunderthaͤter!
Dann ein Hoherprieſter, der ſelbſt ſich opfert, und einging
Jn das Allerheiligſte, Fluch und Suͤnde fuͤr Suͤnder!
Ach! ein Gekreuzigter! und ein Todter! wie koͤnnen wir wuͤrdig,
Gott, du Liebe! dich preiſen fuͤr das, ſo du thateſt, und thun wirſt!
O du fuͤhlbar Naher, nun wirſt du es thun, und erwachen!
Siehe des Todes Schmach, die Schmach des Kreuzes ſie liegt dann
Unter deinen Fuͤßen! allgegenwaͤrtiger Mittler!
Aber uns offenbarter Allgegenwaͤrtiger, Heil uns,
Daß wir, dich erwachen zu ſehn, gewuͤrdiget werden;
Ach, wir haben dich ſterben geſehn! Erwachen, erwachen
Wird124Der Meſſias.
Wird der große Todte nun bald, der Schlummernde Gottes!
Wie du kameſt, als du aus der Nacht die Sonnen hervorriefſt,
Siehe, ſo kommſt du, mit tauſendmal tauſend Leben umſtroͤmet,
Und vor dir beſeelender Sturm her! Himmliſches Saͤuſeln
Wird von dem Sturme nun bald ſich ſondern, und deinen Leichnam
Wecken, du Ewiglebender! Seht ihr die aͤußerſten Schimmer
Seiner Herrlichkeit? die dort neben den Sternen herabſtrahlt?
Und die roͤthlichen Morgen vor ihm, die ſeiner Gottheit
Strahlen mildern! O daß vor Jhm die Geſchaffenen alle
Beugen ihre Knie! vor ihm, vor ihm der Begnadigten Kronen
Alle ſinken! Er koͤmmt, das Gefaͤngniß gefangen zu fuͤhren!
Gaben der Ewigkeit denen zu geben, die er verſoͤhnt hat!
Saͤusle, beſeelende Kraft, Hauch Gottes, und wecke den Leichnam,
Deſſen Wunden zur Rechte des Vaters mehr, wie die Sonnen,
Mehr, wie der erſtgeborne des Lichts, der Himmel der Gottheit,
Strahlen werden! Und du, verſtummende Wonne, lege
Deine Hand auf den Mund, und wart anbetend der Stunde,
Die er auferſteht! O ihr noch Soͤhne des Staubes,
Meine Kinder, vor allen, ihr wenigen, die er gewaͤhlt hat,
Seiner Auferſtehung, in allen Landen der Graͤber,
Zeugen zu ſeyn, ihr deren Auge noch Thraͤnen der Wehmuth
Weinet, die ihr den unterliegenden Todten nur kennet;
Seine Herrlichkeit nicht, noch die, mit welcher er lohnet!
Mit dem ganzen, dem goͤttlichen, unausſprechlichen Segen
Seiner Auferſtehung, mit dieſer Fuͤlle der Fuͤlle,
Aller dieſer Ueberſchwenglichkeit, ſegn ich, o Kinder,
Euch zu dem ewigen Leben! Geſegnet ſey euer Leiden,
Jeder125Dreyzehnter Geſang.
Jeder Kampf der Streitenden, jeder Sieg der Geſtaͤrkten!
Euer Schweiß in der Arbeit des Heiligen, der euch die Kraft giebt!
Jeder Tropfen der Angſt, der Thraͤnen, oder des Blutes,
So wie der ſie zaͤhlt, es beſchleußt! geſegnet die Weisheit
Eurer Rede! die Heiligkeit eures Wandels! im Himmel
Sey er! geſegnet die Wunder, womit des Vaters und Sohnes
Geiſt euch ruͤſtet! Jhr ſollt die kleineren Segen nicht haben,
Die vergehen; allein in dem Namen Jeſus Chriſtus,
Heißt aufſtehn, und wandeln, die Sterbenden, und die Todten!
Seyd, wenn einſt ihr ſelber entſchlafet, o dann vor allen
Unausſprechlich geſegnet! Euch werd, am Ende der Laufbahn,
Nach der Geburt in das ewige Leben, die Krone der Sieger,
Und der Aelteſten Thron, die Geſchlechte der Menſchen zu richten!
Sie, die neben ihm ſtrahlender ward, indem ſie ihr Auge
Nach der Herrlichkeit wendete, die in den Himmeln herabkam,
Und den Segen vernahm, den der Auferſtehende gebe,
Eva ſtreckte die Hand auch nach des Goͤttlichen Grab aus:
Fleuß, fleuß, ewiger Quell! zerreiß den Felſen, und ſtroͤme,
Siehe, du ruhſt noch in Nacht, brich durch den Felſen, und ſtroͤme,
Ewiger Quell des ewigen Lebens, und labe die Seelen
Aller Durſtenden, aller, die gleich dem brennenden Rehe
Schreyen nach dir! O Strom, der in die beſſere Welt ſtroͤmt,
Nimm in deiner Geſtade beſeelenden Hauch, in die Kuͤhle
Deiner Schatten, den Waller nach Kanaan auf, daß ihm Labſal
Werd, und Staͤrkung zur weiteren Pilgerſchaft, daß ihn Hoffnung
Seiner eigenen Auferſtehung maͤchtig erquicke!
Hoffnung, himmliſches Licht in des Sterbenden brechendem Auge,
Ja,126Der Meſſias.
Ja, du Hoffnung, auch zu erwachen, mit Chriſtus zu leben!
Geuß du deine Freuden auf die, die in Chriſtus entſchlafen,
Gnadevoll aus, damit ſie das Graun der Verweſung nicht ſchrecke!
Selige Stunde, welche nun bald, zu entzuͤcken, hervorbricht,
Eine nicht zaͤhlbare Zahl unſterblicher Leben, aller,
Welche, jenſeits der Graͤber, die Kinder Adams einſt leben,
Liegen, o Stunde ſeines Erwachens, in dir verborgen!
Welche Leben! und welche Beſitzer der Leben ohn Ende!
Meine Kinder ſeyd ihr! Zerreiß den Felſen, und ſtroͤme,
Ewiger Quell der ewigen Leben! zu großen Waſſern
Wirſt du werden, o Quell, zu Gottes Ocean! ſtroͤme!
Alſo betete ſie. Der Engel am Grabe des Todten
Schwebt in die Wolken hinauf der Herrlichkeit Chriſtus entgegen.
Wie es den tauſendmal tauſend der Todten Gottes einſt ſeyn wird,
Hat das große Wehe vom Falle bis an den Gerichtstag
Ausgeklagt; ſteigt nicht mit jedem Tropfen der Zeit mehr,
Der hintraͤuft in das Meer der Vergaͤnglichkeit, eines Gebohrnen
Weinen, oder eines Sterbenden Roͤcheln gen Himmel
Unter die Preisgeſaͤnge der Unentweihten vom Tode,
Wie es ihnen wird ſeyn, wenn mit des letzten der Tage
Morgendaͤmmerung nun das lange Wehe des Weinens,
Und des Roͤchelns auf ewig verſtummt; ſie werden vor Wonne
Freudig erſchrecken! aus ihrem erhobnen dankendem Auge
Thraͤnen der Seligkeit ſtuͤrzen! und ihrer Jubel Triumphlied
Wird mit jener Poſaune, der Todtenweckerinn, ſtreiten,
Streiten, und uͤberwinden! wie dann es wird der Gerechten
Tauſendmal Tauſend ſeyn, ſo war es der kleineren Schaar jetzt,
Die127Dreyzehnter Geſang.
Die am Grabe des Herrn, vor Hoffen, und vor Erwarten
Deß, das kommen ſollte, verſchmachtet war, da die Wolken
Riſſen! da Gabriel dort, eine Flamme Gottes, herabfuhr!
Da er von Bethlehem, uͤber die Schaͤdelſtaͤte, zum Grabe
Flog! da von Ephratas Huͤtte, bis hin zu dem Kreuze, vom Kreuze,
Bis hinunter ins Grab die Erde bebte! da Satan,
Wie ein Gebirge dahin, des Leichnams Huͤter, wie Huͤgel,
Stuͤrzten! da weg von dem Grabe den Fels der Unſterbliche waͤlzte!
Da mit Freuden Gottes, Jehovah ſich freute! da Jeſus
Auferſtand!
Auszuſprechen was jetzo geſchah! mit dem Liede von fern nur
Dieſer Hoͤhe zu nahn! davon, wie der leiſere Nachhall,
Nur zu ſtammeln, von jener Wonne, Erſtandner, von deiner!
Und von deren Freude, die jetzt dich ſahen! zu kuͤhn iſt
Dieſer feurige Wunſch, und, indem ich vergebens gen Himmel
Strebe mit ihm, vergebens! ein maͤchtiger Ueberzeuger,
Daß ich am Grabe noch walle, noch nicht der Erndte geſaͤt bin,
Welche die große Folge der Auferſtehung des Herrn iſt.
Stille war erſt am verlaſſenen Grabe. Nicht lange, ſo wurde
Deiner Begnadeten Kreis vor Seligkeit heller, und jauchzte,
Wie die Morgenſterne, die Erſtgebohrnen der Schoͤpfung.
Denn ſie ſahen den Sohn nach ſeinen Todeskaͤmpfen,
Auferſtanden! .. nicht mehr, wie am Kreuze, mit ſinkendem Haupte
Herrlich ſchwebteſt du uͤber dem Felſen des offenen Grabes,
Goͤttlich, unausſprechlich geſchmuͤckt mit Siege, mit Siege,
Halleluja, mit Siege, des ewigen Todes Triumphe,
Du der maͤchtig iſt, du, deß Namen heilig iſt! dem ſich
Aller128Der Meſſias.
Aller Kniee beugen, im Himmel Aller, auf Erden
Aller, und unter der Erde! den Ephrata Bethlem gebohren,
Den Gethſemane, den die Schaͤdelſtaͤte getoͤdtet,
Den uns wiedergegeben das Grab hat! Neige dich, Tiefe,
Vor dem Sieger, und hebe vor ihm, o Hoͤhe, die Haͤnd auf!
Hebt, Erzengel, die Harfen vor ihm, ihr Erſten der Thronen,
Jn die Himmel der Himmel empor! und, Stimmen des Menſchen,
Meine ſchwache mit euch, ſeufzt ihr aus dem Staube die Freude,
Daß er lebet, empor! Vor des Ewiglebenden Throne
Werdet ihr einſt, die jetzt die beklommne Freude nur ſeufzen,
Unausſprechliche Wonne dem großen Begnadiger ſingen,
Jhm, der uns, als Bruͤder, der euch, als Bruͤder, nicht aufnahm,
Engel! dem Fleiſch und Gebein von Adams Fleiſch und Gebeine.
Du, der maͤchtig iſt! riefen mit lauterem Jubel die Seelen,
Als die Engel, o du, deß Namen heilig iſt! dem ſich
Unſre Kniee beugen, dem unſer geheimſtes Gefuͤhle
Jn die Tiefe der Tiefen ſich wirft, den Namen nicht nennen,
Auch dein heiliger nicht, und hocherhabner vor allen,
Großer Beginner, und großer Vollender, getoͤdtet vom Anfang,
Und fuͤr ewig! fuͤr ewig erwacht, und vom Anbeginne!
Doch dein Schlummer ſelber war kurz, nachdem du nun wirklich
Jn der neunten, der dunkelſten Todesſtunde, ſie war ſonſt
Keine Stunde der Nacht, entſchlafen warſt, zu erwachen
Schnell, wie du ſchufſt, da, gerufen von deiner Stimme, die Sonnen
Rollten, um ſie die gehorchenden Erden, du goͤttlicher Erſter,
Und du gnaͤdiger, gnaͤdiger Letzter, der Alles verneuet,
Alles himmliſcher macht! Auch wir ſind Letzte. Wir leben,
Sind129Dreyzehnter Geſang.
Sind unſterblich durch dich, und bleiben in jeder Aeone,
Durch der Ewigkeit ganze Fuͤlle, ſo lange du Gott biſt,
Gott, bey dir! Sie verſtummten. Denn ſeines goͤttlichen Anblicks
Wuͤrdigte ſie der Auferſtandne. Von dieſer Entzuͤckung
Seligkeit niedergeſtuͤrzt, verſtummten ſie alle. So rauſchen
Dann Gefilde der Erndte nicht mehr, und ſenken ſich erdwaͤrts,
Hat ſein Wetter auf ſie ein ganzer Himmel ergoſſen.
Wenige Halme nur heben etwa die Aehre, die zittert,
Dennoch auf. So ſchwungen ſich jetzt in der Heiligen Kreiſe
Neben der Mutter die ſieben Soͤhne, Maͤrtyrer alle,
Bebend empor, und verſtummten nicht mehr, und feyrten, und ſangen:
Mache dich auf, und jauchze, du wurdeſt, o Erde, gewuͤrdigt,
Jeſus Chriſtus Gebein in deine geoͤffneten Tiefen,
Als in Mutterarme, zu faſſen. Nun iſt er erſtanden
Hoch von dem zitternden Staube der Erſtgebohrne der Todten.
Alle Himmel ſahen dich kommen. Vom Fuße des Siegers
Ging Erdbeben, vom Golgatha, bis zu dem hohen Moria.
Mit den Bergen erbebte das Kreuz, und die Zinne des Tempels.
Mach in deiner Schoͤne dich auf, o Erde! dein Licht kommt,
Und die Herrlichkeit Chriſtus, du juͤngſtgebohrne der Schoͤpfung,
Gehet uͤber dir auf. Man wird dich Koͤniginn nennen,
Und die Geſegnete deß, der dich ſchuf. Du wareſt ſo ſchoͤn nicht,
Nicht ſo bemerkt, ſo nicht durch alle Himmel beſungen,
Als, nach deiner Geburt, du am erſten Morgen heraufſtiegſt.
Deiner Soͤhne ſind viel, ſehr viel Gerechte. Du wirſt ſie,
Mutter unſterblicher Kinder, in alle Himmel verſenden;
Daß ſie im Feyerkleide der Unſchuld den Sieger, mit neuen
III Band. JFeſtlichen130Der Meſſias.
Feſtlichen Namen genannt, den, der ſie errettete, ſingen.
Jauchzet, Huͤgel der Todten, vor allen Huͤgeln der Erde!
Freut euch, Graͤber, vor Gottes Gebirgen! die Schlummernde liegen
Unter euch, daß ſie erwachen. Du hebſt dann! Erde, den letzten
Aller Tage, dich aus dem Staube des Weltgerichts auf,
Durch des Sohns Allmacht, den deine Tiefen bedeckten,
Deine nun offenen Tiefen, zur neuen Erde geſchaffen.
Dañ wiꝛd die Soñe nicht Heꝛꝛſcheꝛiñ mehꝛ, noch deꝛ Mond dein Gefaͤhꝛt ſeyn,
Dir, die Gerechte bewohnen, wird Gottes Herrlichkeit leuchten,
Und dein Licht ſeyn, Er, deß Blut auf Golgatha traͤufte!
Alſo ſangen die fruͤheren Maͤrtyrer, welche ſchon Palmen
Trugen, da Stephanus den, wie in dunkler Ferne, kaum kannte,
Deſſen Triumph er mit ſeinem Blute, der Maͤrtyrer Erſtling
Unter den Chriſten, zu zeugen erwaͤhlt war. Allein wie nahe
Warſt du gleichwohl, o Stephanus, deiner Palme! wie kurz war,
Ueberwinder, dein Lauf, von deiner Berufung zum Himmel,
Bis in den Himmel. Jhn ſaheſt du offen, und Jeſus zur Rechte
Gottes! da rann von ſchmetternden Steinen dein Blut, da entſchliefſt du.
Aber Jedidoth, der juͤngſte der Maͤrtyrer, und Benoni,
Und Maria entriſſen ſich jetzt dem Staunen der Freude,
Faßten bey ihren Palmen einander, und ſchwebten hinunter
Aus den Wolken ans Grab, und knieten leiſ an den Fels hin,
Der ach nun nicht mehr das Grab bedeckte. Sie blickten
Nach dem Erſtandnen hinauf, mit einer Liebe dem Herzen
Und der Zunge des Menſchen zu hoch, und unausſprechlich.
Wenn ich in jenem erſten Leben noch lebte, Maria
Sprachs zu den Mitgenoſſen des beſten Theiles, und wenn auch
Meine131Dreyzehnter Geſang.
Meine Jahre die fruͤhere Bluͤhte noch bluͤhten; ſo waͤr mir
Jeder Augenblick doch ſelbſt dieſer innigen Liebe,
Dieſer Begnadung Tod! Siehſt du, Benoni? Jedidoth,
Siehſt du den Herrlichen? ſeine ſanft gemilderte Schimmer?
Uns, den zarten Blumen im himmliſchen Saron gemildert?
Und fuͤr jene Ceder zwar auch gemildert, denn endlich
Schuf er Eloa! doch iſt er gewiß ein Anderer dieſem
Großen Erwaͤhlten! Ein Anderer, rief Eloa, indem er
Freudig kam, und neben ſie hinſank, jedem ein Andrer!
So vollkommen iſt er. Euch, Hiob, Daniel, Moſes,
Abraham! dir, du erſter der Todesengel, dir, Salem,
Denn auch dieſe waren herab zu ihnen gekommen,
Dir, Maria, und mir, und euch, Benoni, Jedidoth,
Jedem der Eine, den wir vor Allen am innigſten lieben,
Jedem, nach ſeinem Verlangen, ein unerſchoͤpflicher Geber,
Jedem der Beſte, der Beſte, der Liebenswuͤrdigſte jedem!
Und auch dieſer erhabne, nie ganz durchſchaute Gedanke
Trag auf ſeinem Flug euch empor! des ewigen Vaters
Eingebohrner, geliebter, die Ewigkeiten geliebter,
Ewigliebender Sohn! Hier, hier verlieren ſich alle
Unſre Gedanken, und ſchwindeln an ihrer Endlichkeit Graͤnze!
Hoher Engel Gottes, du Fruͤhgebohrner der Schoͤpfung,
Meine verlieren ſich gern in dieſer Entzuͤckung; wie weit auch
Jch von deiner Endlichkeit Schrauken, mir ſind ſie nicht Schranken!
An den meinen ſchwindle. So ſprachen die Seel, und der Engel.
Und ſtets kamen der Seligen mehr zu dem Felſen herunter;
Nah umgaben ſie dich, du ihr Erloͤſer, und Bruder!
J 2Freuten132Der Meſſias.
Freuten ſich anderer Freuden, als dieſe Welt hat, und als ſie
Der zu wuͤnſchen vermag, der hier in den Naͤchten noch wandelt.
Abraham faltete hoch die Haͤnde gen Himmel, und rufte:
Sohn Jehova’s! und ſingt mir es nach, ihr feyrenden Harfen
Meiner Kinder um mich mit Wonnelauten! und meiner!
Sohn! wie begann der Vater der Weſen, dir zu belohnen
Deine That! Du kameſt aus deinen Himmeln herunter,
Stiegeſt von deinem Thron, und ſtarbſt! Jn den Welten allen
Jſt ſeit ihrer Erſchaffung, und wird die Aeonen der Zukunft
Keine That, wie deine, geſchehen! Wir ſehn des Verſoͤhners
Gottesthat, von der Sonnenheere Schimmer umleuchtet;
Freut euch der Freuden des Seraphs, ihr Mitanbeter, ach ſeiner
Jubel! ſie ſieht, umſtrahlt von dem Glanze des Himmels, Eloa!
Endlich erhub aus ſeiner Entzuͤckungen Meere ſich Adam,
Aus den Stroͤmen des Lichts, in denen er ſank. Die Gedanken
Waren zu tauſenden ſchon ihm durch die Seele geflogen,
Schnell wie die Schwuͤnge des Blitzes, indem er dem Auge vorauseilt,
Und er ſchwebte zum Todeshuͤgel herab von den Wolken,
Stand bey dem Kreuz, und ſtreckte die Arme nach Jeſus, des Todes
Sieger, aus: Jch ſchwoͤre bey dir, der ewig lebet!
Daß nun Tod nicht mehr der Tod iſt, und daß an dem Tage
Deiner großen Vollendung ſie Alle, die ſchlafen, erwachen!
Jeſus Chriſtus Erhoͤhung begann mit ſeinem Erwachen
Von dem Tod am Kreuz; ſie ſtieg auf Stufen zum Throne,
Dort hinauf zu des Vaters Rechte, wo Preis und Ehre
Dem es lohnen ſollte, der frey ſich erniedriget hatte,
Ach von dort herab in den Staub der Schaͤdelſtaͤte.
Selber133Dreyzehnter Geſang.
Selber Eloa erhuͤb umſonſt mit der Harfe der Feyer
Sich im Pſalme, der Pſalm entſtroͤmte vergebens des Geiſtes
Jnnerſtem, dieſen Preis, die Gottesehren zu ſingen.
Lehre mich, Sionitinn, nur einige Laute von jener
Großen Erhoͤhung, die neben den Huͤtten ſterblicher Suͤnder,
Doch nun auch verſoͤhnter begann, und immer ſich weiter
Auf ſtets hoͤheren Stufen erhub, o lehre von fern mich
Nachſchaun ihm, der hinauf zu dem Thron den Lichtweg wandelt.
Liebend ſahe der Mittler herab auf Adam, indem winkt
Er dem Engel; der brachte die Seele. Sie ſprach zu dem Fuͤhrer:
Wer, o du ſtrahlender Unbekannter, iſt jener erhabne
Furchtbare Mann auf dem Felſenhuͤgel? Und blickeſt du, Seele,
Denn nicht auch auf die Schaaren um ihn, die leuchtender ſchimmern?
Ach ich kann nicht wenden von dem mein Auge, zu dem du
Hin mich fuͤhreſt. Er iſt in dieſer Goͤtterverſammlung,
Auf, und bete mit an! der oberſte Gott! Und dein Richter!
Weh mir! Jupiter! Jupiter! du, der herrſcht im Olympus!
Groͤßter! Herrlichſter! O mein Fuͤhrer! was blicket dein Auge
Mir vor Schrecken zu? Jſts Minos furchtbare Gottheit?
Oeffnet irgendwo hier die Erde Thore des Abgrunds?
Rauſcht hier nah der Cocytus? und donnern uͤber dem Strome
Jupiters Eide? Zu grauſamer Fuͤhrer, noch immer verſtummſt du
Meinen bebenden Fragen? Ach hat er den letzten geſchworen,
Als ich ſtarb? und ſtuͤrzet mich der in Phlegetons Tiefe?
Jetzo ſprach zu dem Todten der Mittler: Jupiter, Minos
Sind nicht; aber es ſchreyet laut von dem ſchmachtenden Lande,
Herrſcher, zu mir das Volk! Er ſprachs, und nannte des Todten
J 3Kuͤnftige134Der Meſſias.
Kuͤnftige Staͤte dem Engel So ſtieg die Erhebung des Sohnes
Einen leiſen Tritt, wie große Thaten beginnen.
Jeſus ſprach zu den Zeugen: Eh ich zu dem Vater gehe,
Weil ich auf Tabor oft, der iſt der Ort der Verſammlung.
Und ſie ſahn ihn nicht mehr, und ſchwebten nach Tabor hinuͤber.
Wie er niederſtuͤrzte, ſo ſinnlos lag an des Grabmaals
Felſen Satan noch, von des Auferſtehenden Anblick.
Gabriel hoͤrt er gegen ſich her, wie Wetter, kommen;
Endlich ſah er ihn auch, indem er, mit ſchwerer Arbeit,
Sich aufrichtete. Stuͤrze, ſo ſagt ihm der Engel des Siegers,
Dich in deine Tiefen hinab! Was ſaͤumſt du auf Erden?
Wenn du lernen koͤnnteſt; ſo wuͤrdeſt du einmal lernen,
Daß der Streit des Endlichen mit dem Unendlichen Quaal iſt
Fuͤr den immer Beſiegten, und immer wieder Empoͤrten!
Aber du lernſt es nie. So fleuch denn hinunter, und kruͤmme
Dich in neuen Entwuͤrfen herum zur neuen Empoͤrung.
Aber wiſſe Doch laß mich die neuen Donner der Rache
Nicht ausſprechen, und fleuch. Er floh, doch zoͤgert er wieder
Jn der Einoͤd, hielt ſich an einem thuͤrmenden Felſen,
Blickte von da mit ſtarrendem Aug hinaus in die Wuͤſte.
Schrecken Gottes, ereilet ihn! rief, indem er in Sturm ihm
Nachkam, Gabriel. Satan entſank dem Felſen, und rauſchte
Durch die Schoͤpfung hinab zu der Hoͤlle. Doch, eh er hinein trat,
Weilet er der belaſtenden Tage viel an der Pforte.
Schon zwo Mitternaͤchte war nun der Prieſter Verſammlung
Bey einander im Hauſe des Hohenprieſters geweſen.
Und ſie begannen, des Schlafes beraubt, den werdenden Morgen
Wieder135Dreyzehnter Geſang.
Wieder zu ſehn. Sie ſaßen verſtummt, und dachten den Ausgang.
Jener beſiegelte Stein, der Roͤmer Wache, der Todte!
Waren das bleibende Bild vor ihren zerruͤtteten Seelen.
Ungewißheit! du warfſt ſie mit jeder gewaltigen Unruh,
Welche du haſt, mit deinen gethuͤrmten Wogen, mit allen
Deinen Stuͤrmen herum. Der dritte furchtbare Tag kam!
An dem Grabe des Herrn begann die Wache der Roͤmer
Zu ſich ſelber zu kommen, und einer ſprach zu dem andern:
Ach! wie geſchah dir? Jch hoͤrte die Erde beben, da ſtuͤrzt ich
Schnell in den Staub. Sein Genoß antwortet ihm: Alſo geſchah es.
Und ein Anderer ſprach, indem er auf ſeinen Gefaͤhrten
Bang ſich lehnte: Wie wars? Die Erde bebte mir, warf mich
An den Felſen. Der Andere ſprach: Jch glaubte zu ſterben,
Da der Sturmwind wirbelt, und heult, und den Felſen zermalmte.
Nein, er iſt nicht zermalmt; doch liegt er nicht mehr vor dem Grabe.
Jetzo rufte gefuͤhrt von einem der Wache der Hauptmann:
Lebt ihr, ſo nennet mir eure Namen. Sie nannten die Namen.
Cneus ging in das Grab, und ſah es leer, und den Felſen
Weg von dem Grabe gewaͤlzt. Das that auch wundernd die Wache.
Geht aus einander. Er ſprachs; drauf nahm er einen, und ſagt ihm:
Geh du voran zum Palaſt des Prieſters, und bring mir Nachricht,
Ob bey ihm Verſammlungen ſind? Jch komme den Weg auch.
Sage, wo geheſt du hin? befragten den Boten die Andern.
Nach der Prieſter Palaſt. Er eilte weiter. Sie folgten.
Wie, von keinem andern erregt, ein ſchneller Gedanke
Denen, die in der Nacht des melancholiſchen Gruͤbelns
Weit verloren, umirren, die Seel auf Einmal erſchuͤttert,
J 4Unver -136Der Meſſias.
Unvermuthet kam, und mit athemloſen Entſetzen,
So in die ſtumme Verſammlung der Bote. Beym Grabe zu wachen,
Sandtet ihr uns; doch umſonſt! Die Erde bebt, und der Fels ſprang
Weg von dem Grab, und leer iſt es nun! Er riefs, und verließ ſie.
Und ſie taumelten auf von ihren Sitzen, und ſtanden
Starr, Denkmaale des Schreckens. Drey Roͤmer folgten dem erſten,
Eilten den offenen Saal hinein, und riefen zuſammen:
Seht ihr nun zu, weg ſtuͤrzte der Fels! was ihr thut! und die Erde
Hub ſich empor! Das Grab, ein Sturmwind wirbelt und heulte,
Sahen wir leer! Erſt fielen wir hin, wie Todte, ja leer ſahn
Wir das Grab hernach. Schnell niederfallende Donner
War den Prieſtern ihr Zeugniß! Da traf ſie der letzt, und der ſtaͤrkſte.
Denn ein fuͤrchterliches Gelaͤchter erhub, in des Schreckens
Unſinn, Philo. So ſchweiget der Tod, ſo ſchwiegen die Prieſter;
Und auch Philo wieder. Doch Kaiphas hatte ſich endlich
Wieder ermannt. Schnell ließ er die Aelteſten rufen. Die kamen,
Eilten gefluͤgelt herzu. Auch kamen noch Andre der Wache.
Und ſie traten herein. Wir ſehns, ihr habts ſchon vernommen!
Dank, den Goͤttern Dank, wir leben! Warum erkuͤhntet
Jhr euch, Prieſter! den Sohn des Donnergottes zu toͤdten?
Siehe, ſein Grab iſt leer. Kaum ſind wir lebend entronnen!
Und der Hoheprieſter erhub ſich, und ſprach zu der Wache:
Geht zu den Meinen hinab, ihr Roͤmer, und waͤrmt euch am Feuer.
War auch euer Hauptmann bey euch? Das war er, und ſtuͤrzte
Nieder mit uns, und ſahe, wie wir, das geoͤffnete Grabmaal.
Und er fuͤhrte ſie weg, und gebot den Seinen, mit Speiſe
Dieſe Maͤnner zu laben, und mit der Staͤrkung der Traube.
Und137Dreyzehnter Geſang.
Und die Seinen leiteten ihn zuruͤck, er ſetzte
Wankend ſich nieder, und ſprach: Wir muͤſſen die Roͤmer erkaufen;
Oder Juda empoͤrt ſich! Allein was iſt mir das Leben
Nun, da ich faſt, o Saddok, an deiner Lehre verzweifle?
Aber taͤuſchte die Angſt die Erſchrockenen nicht? Erdbeben
Jſt geweſen. Allein ob ſie das Grab auch wohl leer ſahn?
Als er noch redete, kam der Hauptmann der Wache. Sie ſtanden
Schnell vor ihm auf, und traten zuruͤck. Jhr kennt mich. Jch ſah ihn
Auch am Kreuz, und glaubte ſchon damals, ein Sohn der Goͤtter
Stuͤrbe! Jhr wißt nun auch, was am Grabe geſchah! Jn dem trat
Philo’s Engel, der fuͤnfte Verderber am Throne des Richters,
Ephod Obaddon herein. Von dem hohen, treffenden Auge
Stroͤmt er Rache; ſein Haar fiel ihm in Locken, der Nacht gleich,
Auf die Schulter; ſein Fuß ſtand wie ein ruhender Fels da.
Und er blickt auf Philo herab; doch ließ er nicht rauſchen
Seiner Schrecken Stimme, nicht ihre Todestoͤne.
Schwarze, blutende Stunde, du Todesſtunde, befluͤgle
Deiner Schritte letzten! Sey, Thal Benhinnon, gegruͤſſet,
Sey mir gegruͤſſet, Benhinnon! Jndem er dieß in ſich ſelber
Sprach, enteilten ihm ſiebenfaͤltige Schrecken, die ſtuͤrzten
All auf Philo. Der ging, mit fuͤrchterlich lachender Ruhe,
Gegen Cneus, und fragte mit dumpfer langſamer Stimm ihn:
Offen das Grab? und ohne den Todten? Ja, ohne den Todten!
Roͤmer! bezeugſt du bey Jupiter dieß? Bey Jupiter, zeugt ichs
Nicht! bey Jehova, den ich anbete, beſchwuͤr ichs, wofern ich
Mich’s zu beſchwoͤren entſchloͤß, und dir, Elender, mein Wort nicht,
Eidlos, gelten muͤßte! Da rief mit Ungeſtuͤm Philo:
J 5Ha!138Der Meſſias. Dreyzehnter Geſang.
Ha! vernahmt ihrs? Er ſah es offen, und ohne den Todten!
Und er ſchwur nicht! Du haſt mehr als geſchworen, o Roͤmer!
Rufts, u. reißt dem Hauptmañ ſein Schweꝛt von den Huͤften, u. ſtoͤßt ſichs
Wuͤtend ins Eingeweide mit beyden Armen hinunter,
Schleudert es weit von ſich weg, und taumelt nieder zu ſterben!
Als er ſich waͤlzt in rauchendem Blute, riß er die Wund auf,
Spritzte Blut gen Himmel: Ha Nazaraͤer! ſo rief er,
Starb! Und Cneus ergriff ſein liegendes Schwert, und nahte
Sich dem Todten, und ließ es auf ihn, wie es blutete, fallen.
Schrecken, euch, und, ewige Nacht, und dir, o Verzweiflung,
Weih ich dieß Schweꝛt! .. Da wandt er ſich ſchnell, u. verließ die Verſam̃lung.
Auch die entruͤſtete Seele des Todten entfloh ihr, und mußte
Einem Schatten folgen, der ſie durch Finſterniß fuͤhrte.
Aber nun war der Engel des Todes im Thale Benhinnon,
Und da wandt er auf Einmal ſich um, da erblickt ihn die Seele.
Wer vermag das furchtbare Schaun des richtenden Engels,
Wer zu beſchreiben die Donnerſtimme, mit welcher er rufte?
Ephod Obaddon, ſo heißt der ſiebenfaͤltigen Rache
Namen, und mein Namen! Jch bin der Verderber Einer!
Bins, der die Erſtgeburt an dem Strome ſchlug. Von Gehenna,
Blick umher, du biſt in Gehenna! bring ich dich weiter,
Jn die Tiefe der Tiefen hinab! Sie entſchwebten dem Thale.
Der[139]

Der Meſſias. Vierzehnter Geſang.

[140]

Jnhalt des vierzehnten Geſangs.

Jeſus erſcheint Maria Magdalena, neun andern frommen Wel - bern, und Petrus. Dieſe erzaͤhlen es der Verſammlung. Thomas Zweifel. Jeſus entdecket ſich Matthias, und Kleophas in Emaus. Thomas geht in ein Grab am Oelberge, klagt, und betet dort. Ein Auferſtandner, den er nicht erkennt, redet mit ihm. Matthias, und Kleophas kommen zuruͤck. Auch Leb - baͤus wird noch nicht uͤberzeugt. Jeſus erſcheint der Verſammlung.

[141]

Der Meſſias. Vierzehnter Geſang.

Jmmer noch in ihr Leiden verſenkt, und ſchmachtend nach Troſte
War in der Huͤtt am Tempel die jammervolle Verſammlung,
Wie an der glanzverbergenden Decke der naͤheren Zukunft
Oft Schnellſterbende dicht ſchon wandeln, und dennoch weinen!
Und die heiligen Weiber vermiſchten mit Oele, der Wuͤrze
Blume, zur Salbung des Mittlers, und Thraͤnen rannen darunter.
Wie die weiſen Begleiterinnen des Braͤutigams wachſam
Waren, und aͤmſig, die Flamme der Lampe zu naͤhren, damit ſie
Jhm entgegen kaͤmen, ſo bald er erſchiene; ſo wart ihr
Auch, Nachfolgerinnen des Mittlers, bereit bey der Daͤmmrung
Erſtem Winke zu ſeyn, mit eilender Sorge beſchaͤfftigt.
Doch ſie erwarteten nicht der Morgendaͤmmerung Ankunft;
Nacht noch war es beynah, da ſie die Juͤnger verlieſſen.
Die aus Magdala’s Huͤtten, und Kleophas Weib, Maria,
Und142Der Meſſias.
Und Johanna, mit ihr die Schweſter der leidenden Mutter,
Salome, dann die zu zaͤrtliche Mutter der Zebedaͤiden
Waren Fuͤhrerinnen Jhr Lieben, ihr ſeht ihn noch Einmal,
Sprach bey dem Abſchied die Mutter, ich aber ſeh ihn nicht wieder.
Geht denn hin im Namen des Herrn. Sie ſchwiegen, und gingen.
Und der Morgen athmete kalt. Sie eilten, und ſprachen:
Aber wer waͤlzet den Stein vom Grabe? Doch dieſer Kummer
Hielt ſie nicht auf. Wir thun, ſprach Magdalena Maria,
Was wir koͤnnen, und ſchuͤtzen, ſo lange das Salben vermoͤgen,
Jhn vor der grauenvollen Verweſung. So ſprach ſie, und eilte.
Gabriel ſaß auf dem weggewaͤlzten Felſen, und ſagte
Zu Eloa, und Abdiel, welche neben ihm ſchwebten:
Ach kaum, daß ich vermag zu erſcheinen, ſo beb ich vor Freuden!
Seht ihr die Zeuginnen kommen? Jch will als Juͤngling erſcheinen,
Sonſt ergriffe die armen Gluͤcklichen, ſchreckte zu maͤchtig
Meiner Herrlichkeit Schrecken. Erſcheint ihr ihnen als Maͤnner,
Wenn ſie mehr der Unſterblichen Glanz zu tragen vermoͤgen.
Aber der Mittler ſchaut, aus ſeiner Verborgenheit Huͤllen,
Auf die Engel herab, und auf die kommenden Menſchen,
Freute ſich jene goͤttlichen Freuden, die Blut ihm erkaufte!
Und die Bewohnerinn Magdala’s kam, ſah offen das Grabmaal,
Weggewaͤlzet den Fels, floh, riefs den Andern entgegen,
Eilte zuruͤck nach Jeruſalem. Aber die Kommenden lieſſen
Sich nicht ſchrecken, und gingen heran. Da erblickten ſie ſchleunig
Auf dem Felſen, der weggewaͤlzt an der Oeffnung des Grabs lag,
Einen Juͤngling, der ſchimmerte. Seine Geſtalt war dem Blitze,
Gleich dem Schnee ſein Gewand. Er ſprach mit der Stimme der Wonne:
Fuͤrchtet143Vierzehnter Geſang.
Fuͤrchtet euch nicht! Jch weis, daß ihr den Gekreuzigten ſuchet,
Jeſus! Er iſt nicht hier! Er iſt von den Todten erſtanden,
Wie er verkuͤndiget hat. Kommt her, und ſehet die Staͤte,
Wo der Goͤttliche ruhte. Da fuͤhrt er ſie in das Grabmaal.
Gehet eilend nun hin, und ſagt es den Juͤngern, und ſagt es
Kephas: Er ſey von den Todten auferſtanden. Und ſiehe,
Jeſus gehet hinab nach Galilaͤa. Da werdet
Jhr ihn ſehn. Nun eilt, und verkuͤndets den Zwoͤlfen. Sie blieben
Unentſchloſſen, und zitterten ſaͤumend. Jn Strahlengewanden
Traten noch zween der Engel herein. Sie erſchracken, und ſchlugen
Zu der Erd ihr Angeſicht nieder. Was ſucht ihr, ſo ſprachen
Dieſe Maͤnner, unter den Todten, den Lebenden? Hier iſt
Jeſus nicht. Erſtanden iſt er. Gedenkt, was er ſagte,
Als er in Galilaͤa noch war. Jn die Haͤnde der Suͤnder
Muß der Sohn des Menſchen gegeben werden, gekreuzigt
Muß er werden, erwachen am dritten Tage vom Tode!
Jetzo eileten ſie mit Beben, und großer Freude,
Liefen, es nun den Juͤngern des Herrn zu verkuͤndigen. Petrus
Und Johannes kamen indeß mit Magdale wieder.
Als ſie aus Jeruſalem gingen, ſagte Johannes
Seinen Gefaͤhrten: Der Weg an jenen Straͤuchen hinunter
Jſt ein ſchnellerer Weg. Er fuͤhrt, ihm folgten die Andern.
Wo einander am meiſten die beyden Wege ſich nahten,
Sondert ein Huͤgel ſie nur. Von dieſem Huͤgel geſchieden,
Gingen ſich, ohn einander zu ſehn, die heiligen Weiber,
Und die Juͤnger voruͤber. So nahn oft Pilger nach Salem,
Deren Seelen ſich gleich, und fuͤr einander gemacht ſind,
Sich144Der Meſſias.
Sich in dieſem Leben, und fehlen ſich dennoch. Jn Salem
Sehn ſie ſich erſt, verwundernd, daß ſie ſich hier nicht fanden.
Kephas ſprach zur Gefaͤhrtinn, indem ſie dem Fuͤhrer mit Muͤhe
Und von ferne nur folgte: Genommen waͤre der Leichnam?
Von den Prieſtern? Allein die haben, ſagt man, den Grabſtein
Ja verſiegelt! So haben ihn denn Elende genommen,
Jhn des Todtengewands zu berauben. Er ſprachs, und Johannes
War dem Grabe ſchon nah. Gelegt erblickt er die Leinen,
Aber er ging, voll unentſchloſſenen Kummers und Ehrfurcht,
Nicht hinein. Nun kam auch athemlos Petrus, und eilte
So wie er kam, in das Grab. Er ſahe das Tuch, das des Todten
Haupt umwand, beſonders gelegt, und nicht bey den Leinen,
Fand es zuſammengewickelt. Jhm folgte Johannes ins Grabmaal,
Sahs, und uͤberzeugte ſich ganz von Magdale’s Botſchaft.
Aber davon, daß, nach der Propheten Geſichte, der Mittler
Aufſtehn muͤſſe, wußten ſie nichts. Sie lieſſen das Grabmaal,
Und Maria. Wofern, ſprach Petrus im Gehn zu Johannes,
Sich die Prieſter anders entſchloſſen, und ihrer Verſieglung
Nicht gnung trauten, gewiß ihn zu haben; ſo nahmen die Wuͤter
Jhm das Todtengewand, um ſeine Wunden noch Einmal,
Heiß vom Durſte der Rache, zu ſehn. Sie gingen verſtummt fort.
Magdale ſtand vor dem Grab, und blickt, und wiſchte die Thraͤnen
Schnell mit Heftigkeit weg, um zu ſehen, ſie blickt, und ſtarrte
Aengſtlich hinunter ins Grab. Zwar waren Engel im Grabe,
Und die erſchienen ihr; doch kaum ſah ſie die Engel. Denn Jeſus
Sahe ſie nicht! nicht Jeſus! So ſucht, mit lechzender Zunge,
Nur145Vierzehnter Geſang.
Nur die Quelle das ſchreyende Reh; die Sonne, die aufgeht,
Sieht es nicht, es fuͤhlt nicht die wehenden Schatten des Waldes.
Weib, was weineſt du? ſprachen zu ihr die Boten der Wonne.
Ach, ſie haben, den meine Seele liebet, genommen,
Und ich weis nicht, wohin ſie ihn legten? So ſprach ſie, und wandte
Sich von dem Grabe. Da ſieht ſie Jeſus ſtehen, und weis nicht.
Daß es Jeſus iſt. Was weineſt du, Weib? wen ſuchſt du?
Doch dieß ſprach er noch nicht mit der Stimme des ewigen Lebens!
Und ſie erwiedert dem Gaͤrtner, ſie meinte, ſie ſaͤhe den Gaͤrtner;
Haſt du ihn weggenommen; wohin haſt du ihn getragen?
Ach in welche Finſterniß, daß ich eil, und ihn ſuche.
Nahe, wie ſie, der unausſprechlichſten Seligkeit, weint ſo
Selbſt ein Geliebter des Herrn, wenn ſeiner Sterblichkeit letztes,
Aber ſtaͤrkſtes Gefuͤhl die ganze Seel ihm erſchuͤttert.
Ach er liegt, und ringt mit dem Tod, und duͤrſtet nach Huͤlfe!
Weint zu Chriſtus, und kennt, ſo ſchreckt ihn der Pruͤfungen letzte!
Kennt den Liebenden kaum; ſieht nur den Richter der Welten!
Doch zwo Thraͤnen nur nach; und welche Wonn iſt die ſeine!
Selber von dem, mit dem ſie von Jeſus redete, wendet,
Jn der Traurigkeit ihrer Seele, Maria ihr Antlitz,
Aber wie Harfen am Throne, wie Jubel der Ueberwinder,
Singen ſie, ganz in Liebe zerfloſſen, das Lamm, das erwuͤrgt ward,
Nicht wie Harfen der Ueberwinder, und Jubel am Throne,
Jnniger, herzlicher, liebevoller, erſcholl des Erſtandnen,
Jeſus Stimme der Weinenden, Jeſus Stimme: Maria!
Und ſie hoͤrt, und erkannte die Stimme des Herrn, und indem ſie
Kaum ſich ihrer bewußt, in der Angſt der Freude hinſank,
III Band. KBebend,146Der Meſſias.
Bebend, und bleich in den Staub hinſank zu den Fuͤßen Chriſtus,
Strebte ſie, was ſie empfand, dem Erſtandenen zuzurufen,
Aber ſie ſtammelt, und athmete kaum, und blickte den Herrn an,
Weint, und ſtammelte nur mit leiſem Erſtaunen: Rabbuni!
Und ſie hielt mit wankender Hand des Goͤttlichen Fuͤſſe.
Liebend, und ganz Barmherzigkeit, ſah ſie der Herr an, und ſagte:
Halt mich nicht alſo! Noch bleib ich bey euch. Du ſiehſt mich noch wieder!
Und noch hab ich mich nicht zu meinem Vater erhoben!
Geh zu unſern Bruͤdern, und ſage zu ihnen: Die Stunde
Meiner Herrlichkeit naht ſich. Jch gehe zu meinem Vater,
Und zu eurem Vater, zu meinem Gott, und zu eurem!
Jeſus verſchwand, und ſie ging mit der Botſchaft der Wonne belaſtet.
Salome naht ſich mit ihren Begleiterinnen dem Thore.
Aber, der Maria verſchwand, begegnet den Andern
Jn der duftenden Kuͤhle des werdenden roͤthlichen Tages,
Mit der Sonne, die kam, und Gottes Herrlichkeit ſtrahlte,
Und er war es gleich Selbſt! Sie erkannten ihn Alle, der nun nicht
Unter den Todten mehr war. Seyd mir gegruͤſſet! ſo ſagte
Jeſus Chriſtus. Sie ſanken vor ihm mit Beben zur Erde,
Hielten ihm ſeine Fuͤſſe. Seyd nicht erſchrocken, und gehet
Und verkuͤndigt es meinen Bruͤdern. Jn Galilaͤa
Sollen ſie gehn. Dort ſehen ſie mich. Er verſchwand mit den Worten.
Und die Zeuginnen huben einander mit ſprachloſer Freud auf,
Gingen eilend nach Salem, die Botſchaft der Wonne zu bringen.
Petrus war vor ihnen zuruͤck und Johannes gekommen,
Hatten uͤber die ganze Verſammlung traurige Wolken
Ausgebreitet. Da kamen die Zeuginnen deſſen, der lebte!
Hoͤrt147Vierzehnter Geſang.
Hoͤrt uns, ihr weint, o hoͤrt uns! Wir haben ihn lebend geſehen,
Und auch Engel zuvor! Erſt Einen Engel am Grabe;
Und denn zweene mit dieſem darinn, die ſprachen, was ſagten
Sie, o Salome? denn ich war zu erſchrocken, der Boten
Himmliſche Stimme recht zu verſtehn. Jhr wart zu erſchrocken,
Trat jetzt Thomas hervor, zu verſtehn, was ihr hoͤrtet? Vielleicht auch
Recht zu ſehn, was ihr ſaht? Ach Juͤnger Jeſus, erſchreck du
Uns mit deinen Zweifeln nicht mehr, wir ſind, vor Freuden,
Ohne dich, noch erſchrocken genung. Der Lebende ſagt uns:
Fuͤrchtet euch nicht! und du, ſein Juͤnger, erſchreckſt uns von neuen.
Ach ich wollte das nicht, Geliebte. Doch laßt mich euch fragen,
Und ſeyd ruhig, indem ich genau die Wahrheit erforſche.
Einen Engel ſaht ihr zuerſt? Wie war er geſtaltet?
Sieh ein Juͤngling! ſein Antlitz dem Blitze, dem Schnee ſein Gewand gleich! ..
Der war Gabriel! rief die Mutter des Lebenden. War denn,
Sprach drauf Thomas, die Sonne ſchon da? Du haſt nicht vernommen,
Salome, daß ein roͤmiſcher Hauptmann mit einer Wache,
Auf Pilatus Befehl, erfleht von den wuͤtenden Prieſtern,
Geſtern das Grab des Todten umringte. Die Nuͤſtung der Roͤmer
Glaͤnzet taͤuſchend, indem darauf der Schimmer des Tags faͤllt.
Aber euch taͤuſchte ja ſchon der Schrecken genung, und ihr brauchtet
Keines Glanzes in Fernen, um Engelgeſtalten zu ſehen.
Aber es war erſt Daͤmmerung, o Didymus, und der Juͤngling
War kein Roͤmer. Sein Antlitz, nicht ſeine Ruͤſtung, er hatte
Keine Ruͤſtung, ſchimmerte! Was den Unſterblichen deckte,
War ein weißes Gewand. Wohlan, was ſagt er zu euch denn,
Dieſer Unſterbliche? Fuͤrchten ſollten wir uns nicht, er wuͤßte,
K 2Daß148Der Meſſias.
Daß wir Jeſus von Nazareth ſuchten, der waͤr von den Todten
Auferſtanden, nicht hier! Kommt her, und ſehet die Staͤte,
Wo er lag. So ſprach er, und fuͤhrt uns hinein in das Grabmaal.
Eilt nun, ſprach er darauf, und ſagt es den Juͤngern, und ſagt es
Kephas, er ſey von den Todten auferſtanden! Da rufte
Petrus innig geruͤhrt: Er nennte, vor Aller Namen,
Meinen Namen? ein Engel, des Suͤnders? Ach himmliſche Troͤſtung
Haͤtteſt du, Bote des Herrn, waͤrſt du wahrhaftig erſchienen,
Mir dem Leidenden zugerufen! Allein daß er mich nur
Und Maria nicht nennt, und nicht Johannes, das ſelber
Stuͤrzt mich in Zweifel. Und Didymus ſtand nachdenkend, und fragte
Endlich wieder: Das wars, das der Engel euch ſagte? Noch ſprach er:
Jeſus geht vor euch hin in Galilaͤa, da werdet
Jhr ihn ſehen. Die uͤbrigen Engel, erwiederte Thomas,
Waren geſtaltet, wie der? Sie waren noch himmliſcher, riefen
Zwo von ihnen, allein wir ſahen Jeſus auch ſelber!
Mit den Engeln? Sie ſprachen: Die Engel waren verſchwunden,
Als wir am Thor ihn ſahn, wie er uns begegnend daherkam,
So geſtaltet wie ſonſt, in ſeinen Gewanden. Doch hatt er
Jn der Gebehrde was Himmliſches. Bey der Erſcheinung auf Tabor
Sahn ſie ihn alſo vielleicht. Seyd mir gegruͤſſet! ſo ſagt er.
Und wir ſanken vor ihm mit Beben nieder, und hielten
Seine Fuͤſſe. Seyd nicht erſchrocken, und geht, und verkuͤndets
Meinen Bruͤdern. Jn Galilaͤa ſollen ſie gehen.
Dort erſchein ich ihnen. Er ſprachs, und verſchwand mit den Worten.
Jhn, ihn ſelber habt ihr geſehn? ihr Alle? ſo ſagte
Thomas, und blieb mit gruͤbelnder Stirn und ernſtem Auge
Stehn.149Vierzehnter Geſang.
Stehn. Es war des Todten Geſtalt, und Gewand, die Stimm auch?
Aber er ſchwieg jetzt, und immer weiter im Strome der Zweifel
Fortgeriſſen, begann er von neuen: Jetzt ſeyd ihr zu lebhaft
Durch das alles getaͤuſcht, was ihr erzaͤhlet. Jch will euch,
Wenn ihr es erſt zu tragen vermoͤgt, der Zweifel Urſach,
Die mir anders zu denken gebieten, offen entdecken,
Nichts verſchweigen! Jhr glaubt, ihr Juͤnger Jeſus, die Maͤhrlein,
Die ſie erzaͤhlen, doch nicht? Er ſprachs, und ſetzte ſich wieder.
Und der ſtuͤrzenden Freudenthraͤne der Zeuginnen folgte
Nun des Mitleids ſanftzerrinnende Thraͤne. Sie ſchwiegen.
Muͤde vor Angſt der Freude, voll Schweiß die Stirne, die Wange
Bleich, mit bebenden Lippen, mit ſtarrer lechzender Zunge,
Trat Maria Magdala, unter die Weinenden, ſtrebte
Jhre Haͤnde gen Himmel zu heben, ſie ſanken ihr nieder,
Und ſie faltet ſie feſt. Er iſt erſtanden! erſtanden!
Alſo ruft ſie mit einer Stimme des freudigen Schreckens,
Die nicht Harfen der Seraphim, nicht ihr Geſang ausdruͤckte,
Dunkel wird es um ſie. Sie ſucht nach Stuͤtzen. Johannes
Haͤlt ſie, ſie lehnt ſich an ihn. Als er zu reden vermochte,
Sprach Lebbaͤus: So haſt auch du die Engel geſehen?
Sanfter ſchlug itzt ihr Herz. Sie ſprach mit himmliſchem Laͤcheln:
Ach nicht Engel nur, Jhn! Da huben Alle die Augen
Still gen Himmel; nur Didymus nicht. Er nahte ſich, ſagte
Kalt, mit truͤbem Ernſte: Wer ſo ſich taͤuſcht, daß ſein Auge
Engel erblickt, der kann auch waͤhnen, ihn ſelber zu ſehen.
Didymus ach! was haben wir dir, was hat dir, Geliebter,
Jeſus Chriſtus gethan? antwortete Magdale ruhig.
K 3Dieß150Der Meſſias.
Dieß mein Auge ſah ihn! am Fuſſe des Auferſtandnen
Weinete dieß mein Auge! Jakobus blickte mit Ehrfurcht
Und mit Staunen auf ſie: Hatt er die Klarheit der Himmel?
Waren Strahlen ſein Kleid? Er war ein Menſch, doch erblickt ich
Gnaden in ſeinem Antlitz, die ich noch niemals geſehen,
Selbſt nicht an ihm. Jetzt naht ſich auch Simon Petrus. Unzaͤhlbar
Waren die Zweifel, die ihn betaͤubten; ihr Ungeſtuͤm ließ
Endlich ihn reden. Er fragt, und bebte, die Antwort zu hoͤren.
Haſt du auch ſeine Stimme gehoͤrt? Ja, Simon Johanna,
Seine Stimme, des Goͤttlichen Stimme, des Auferſtandnen!
Ach! was ſagt er zu dir? . Jch fuͤhl es, nein, ich vermag nicht
Auszuſprechen, wie voll von Gnade die Stimme des Herrn war.
Jener glich ſie, womit er in ſeinem Blute zu Gott rief:
Vater, ſie wiſſen es nicht, was ſie thun, erbarme dich ihrer!
Ach noch ſanfter, noch liebevoller ſprach er: Maria!
Und ich erkannt ihn. Mir wars, als waͤr ich im Himmel! Rabbuni!
Stammelt ich; hielt mit wankender Hand des Goͤttlichen Fuͤſſe,
Liebend, und ganz Barmherzigkeit ſah mich der Herr an, und ſagte:
Halt mich nicht alſo. Noch bleib ich bey euch. Du ſiehſt mich noch wieder,
Und noch hab ich mich nicht zu meinem Vater erhoben!
Geh zu unſern Bruͤdern, und ſage zu ihnen: Die Stunde
Meiner Herrlichkeit naht ſich. Jch gehe zu meinem Vater,
Und zu eurem Vater, zu meinem Gott, und zu eurem!
Chriſtus Mutter hatte bisher mit ſinkendem Haupte
Niedergeſehn. Sie erhub ihr helleres Aug, und blickte
Sanft auf Magdale, ſtand dann muͤhſam auf, und hielt ſich,
Und ſie leiteten ſie. Sie gieng zu Magdale, reicht ihr
Jhre151Vierzehnter Geſang.
Jhre Hand, und hielt die Hand der Geliebten, und ſah ſie
Wieder mit innigem Blick an, und ſagte mit leiſem Laute;
Du haſt Chriſtus geſehn, und ſeine Stimme gehoͤret?
Meinen Sohn? Doch darf ich, (hier ſah ſie mit himmliſcher Demuth
Forſchend ſich um,) darf ich noch Sohn ihn nennen? Geliebte,
Euer Auge ſagt mirs, ich darf ihn ſo nennen? Du ſagteſt,
Daß mein Sohn ein Menſch war! O Magdale, hatt er auch Male
Seiner Wunden? Sie wandte ſich weg, und weinte, doch hielt ſie
Noch die Hand der Geliebten. O Mutter des groͤßten der Soͤhne,
Weine nicht. Er iſt von dem Tod erſtanden. Jch weis nicht,
Ob ich Male der Wunden ſah. Von Freuden erſchuͤttert,
Sah ich beynah nur allein ſein Antlitz, und himmliſche Gnaden
Jn des Goͤttlichen Antlitz, und unausſprechliche Gnaden!
Siehe ſo ſtand er umgeben von Duft, und Schimmern der Daͤmmrung.
Chriſtus Mutter weinte nicht mehr. Sie faßt die Geliebte
Jetzt bey beyden Haͤnden, und ſieht gen Himmel. Sie ließ ihr
Nun die Haͤnde ſinken, und trat tiefdenkend zuruͤcke,
Sah mit Bewundrung ſie an, und ſagte: Begnadigte, Chriſtus
Haſt du erſtanden geſehn, und ſeine Stimme gehoͤret?
Und die zuerſt mit ihr gingen, die fruͤheren Zeuginnen traten
Freudig um ſie herum, und erzaͤhlten ihr, welcher Erſcheinung
Sie erſt Engel, und dann der Herr gewuͤrdiget haͤtte.
Aber Didymus kam: Sahſt du auch Engel, Maria
Magdale? Kaum erblickt ich die Engel. Mein Auge war finſter
Von Betruͤbniß. Jch wandte mich ſchnell. Denn eines dem Gaͤrtner
Gleichenden wurd ich gewahr. Jch erkannt ihn ſogleich nicht, erkannt ihn
Erſt, als er bey dem Namen, mit ſeiner Stimme, mich nannte.
K 4Alſo152Der Meſſias.
Alſo ſahſt du die kaum, die du doch Unſterbliche nenneſt?
Jhn erkannteſt du auch nicht gleich, und hielteſt zuerſt ihn,
Fuͤr den Gaͤrtner Die andern erzaͤhlen, er waͤre bekleidet
Wie vordem geweſen. So war des Gaͤrtners Gewand denn
Wie das ſeine ſonſt war? Wie viel der Unſterblichen warens,
Magdale, die du ſahſt? Zween ſah ich Die andern erblickten
Einen erſt, dann noch Zween. Er ſagt es, und wandte ſein Antlitz.
Magdalena erhub ihr hohes Auge gen Himmel:
Wenn er euch nur nicht irrt, o du, des Lebenden Mutter,
Und ihr, Juͤnger des Herrn! Laß meiner Seligkeit jetzt mich,
Thomas. Jch will dir hernach antworten. Da nahm ſie die Mutter
Jeſus, und fuͤhrte ſie weg, mehr Wonnegeſpraͤche zu halten.
Kephas, dem Zweifel ſein Herz zerriſſen, und dem es noch immer
Scholl, und zu Thraͤnen ihn zwang: Den Juͤngern ſagt es, und ſagt es
Petrus! ihm wurde Salem zu eng; er ließ die Verſammlung,
Eilt hinaus. Bald waͤhlt er, um ſich in trauriges Gruͤbeln
Ganz zu vertiefen, die fernſte der Wuͤſten; dann Galilaͤa;
Dann das Grab. Jetzt hatt er den Weg der Wuͤſte genommen,
Aber er kam auf den Weg, der zum Grab ihn fuͤhrte, zuruͤcke.
Und er ſtand, von der Stille der ſanfterwachenden Erde,
Und der fruͤhen Erfriſchung des werdenden Schimmers umgeben,
An dem Hange des Todtenhuͤgels. Er blickt in das offne,
Leere Grab hinunter; und dieſe Kummer empoͤrten
Seine Seele: Zu ſchreckliche That! Sie haͤtten ihn alſo
Weggenommen, damit ſie ihn hier bey den Schaͤdeln begruͤben?
Bey der Verfluchten Gebein? Du ſchwarze Rache, der tiefſten
Unterſten Hoͤlle Rache, dir waͤrs gelungen, und Joſeph
Haͤtte153Vierzehnter Geſang.
Haͤtte vergebens den Heiden erfleht? Wir haͤtten vergebens,
Unter die Thraͤnen unſers Jammers einige Zaͤhren
Truͤber Freude gemiſcht? Denn ach, wie kann ich es glauben:
Auferſtanden ſey er? erſchienen ſo gar? das glauben?
Baͤngſter unter den Schmerzen, du haſt die blutenden Seelen
Ueberſtroͤmt, ſie dahin in deinen Fluthen geriſſen,
Und ſie haben, getaͤuſcht von der Angſt, ihn erſtanden geſehen!
Auferſtanden! erſchienen! und ich waͤr dieſer Wonne
Nicht erlegen? noch nicht, ach, unter dieſer Entzuͤckung,
Dieſem Gefuͤhle des ewigen Lebens, noch nicht verſunken?
Kreuz des Todten! (er hub ſein truͤbes Auge zum Kreuz auf,)
Kreuz des Todten! du zeugeſt zu laut, und Himmel und Erde
Haben dein furchtbares Zeugniß gehoͤrt! Geſtorben, geſtorben,
Ja, geſtorben iſt er! Da gieng ein Schwert durch die Seele
Seiner Mutter! ein toͤdtender Schwert durch ſeine Seele!
Wiederſehen? ach das werd ich einſt wahrhaftig, ich werd ihn
Wiederſehen! allein am Throne des Ewigen! hier nicht.
Warum zitterſt du, meine Seele, vor dieſer Ruhe,
Deiner einzigen Ruhe zuruͤck? Ja, zittre vor ihr nur,
Meine Seele, zuruͤck! Zwar biſt du erhoͤrt, und dein Richter
Hat die Reue, mit der du buͤßteſt, erbarmend geſehen;
Aber du darfſt dich nicht freun! Noch ſteht der furchtbare Zeuge
Seines Todes, das Kreuz! Noch liegen die Berge, die Felſen,
Und die Graͤber, wie ſie der Allmacht Rechte zermalmte!
Nein, du darfſt dich nicht freun! So dacht, und ſtammelt, und rief er,
Starrte wieder ins offene Grab. Nicht ferne vom Grabe
Sah er Magdale, die gen Himmel weinend kniete,
K 5Und154Der Meſſias.
Und in den Staub mit der Rechte ſich ſtuͤtzte. Maria, Maria
Magdale! rief der geruͤhrte Juͤnger. Endlich erkennt ſie
Seine Stimm, und kommt. Gluͤckſelige! glaubſt du noch immer,
Daß du ihn erſtanden geſehn? Mit der Linken, o Simon,
Hielt ich, du ſahſt es, ein ſproſſendes Reis, bey welchem ſein Fuß ſtand!
Meine Rechte ruht in dem Staube, worinn ſein Fuß ſtand!
Heb, o Maria, dein Aug auf, ſchau zu dem Kreuze! da ſtarb er!
Und erſtanden iſt er, erſtanden, o Simon, vom Tode!
Beym lebendigen Gott beſchwoͤr ich dich: Hat ihn dein Auge,
Dieß dein Auge, Maria, geſehn, das vor dir mich ſtehn ſieht?
Ob mein Aug ihn ſah? O bey deß Wahrhaftigkeit, Kephas,
Welcher ewig iſt, hat die Herrlichkeit Jeſus Chriſtus
Dieß mein Auge geſehn! die Stimme des Sohnes Gottes
Hat mein Ohr vernommen! und Wonne der Himmel empfand ich!
Sprachlos blieb ſie ſtehen, auch Petrus. Jetzt redet er wieder
Wende dich weg, o zu Gluͤckſelige, laß mich in Stillem
Meine Traurigkeit weinen. O haͤtt ein freudig Geſicht mich,
Wie es dich taͤuſchte, getaͤuſcht, und meine Seele gelindert!
Ach, ich glaube dir nicht! So glaube denn auch nicht, du habeſt
Auf dem Meer ihn wandeln geſehn! Auf Tabors Gebirge
Von des Vaters Herrlichkeit ihn umleuchtet geſehen!
Sie verließen einander. Ach koͤnnt ich ihr glauben! ſo dacht er
Bey ſich ſelber, indem ſie von ihm zu dem Grabe zuruͤck ging,
Zu Gluͤckſelige! Ja, ſie glaubt es aus ganzer Seele.
Wie voll Zuverſicht iſt ſie, und Wonne! wie breitet
Ruh und Hoheit uͤber ſie aus, die feſte Gewißheit!
Grab und Verweſung erſchuͤttern ſie nicht! Sie laͤchelt dem Sturme,
Der155Vierzehnter Geſang.
Der in der naͤchtlichen Tiefe der Todesthale daherrauſcht!
Und ach warum glaub ich ihr nicht? Kann der nicht erwachen,
Der auf dem Meere ging? und mich hielt auf der wuͤtenden Woge?
Ja, du Todter Gottes, vergieb, vergieb es dem Trauren,
Meiner Seele Jammer, wofern du lebſt! Ach, du hieltſt mich,
Als ich vor der kommenden Woge zweifelnd dahinſank;
Rett auch jetzt mich! Jch bin, das weißt du, viel baͤnger, als damals,
Und du hilfſt mir nicht, Herr, und reichſt mir nicht deine Rechte,
Deine goͤttliche Rechte! Bey deiner erbarmenden Liebe,
Bey dem Blicke voll Gnade, voll Gnade, womit du mich anſahſt,
Als nun meiner Verleugnung zu ſchwere Laſt auf mich ſtuͤrzte!
Ach bey der Barmherzigkeit, fleh ich dich an: O erbarm dich
Meiner Angſt! und erſchein auch mir, wofern du erſcheineſt.
Nein, ich bitte zu viel. Geht, ſagts den Juͤngern, und Petrus!
Sprach der Engel. War dieſes nicht ſchon unausſprechliche Gnade?
Herr, ach ſollteſt du mir, der dich verleugnet, erſcheinen?
Mir? und biſt nicht Lebbaͤus, und nicht Jakobus erſchienen,
Nicht Johannes, nicht ihr der liebevollſten der Muͤtter!
Aber auch Magdale hat geſuͤndigt! Wenn hat ſie geſuͤndigt?
Eh ſie ihn kannte! Und hab ich geliebt, wie Magdale liebte?
Alſo dacht er, und ſtieg mit ſchwerem Schritte den Huͤgel
Langſam hinauf, und ſank auf ſeine Knie zu beten,
Schaute nieder, und flehte zu Gott. Da er aufſah, erblickt er
Chriſtus unter dem Kreuz! Wer faßt das Erſtaunen, die Wonne
Seiner Seele, da er vor ſich den Lebenden ſtehn ſah!
Und ihm reichte, mit goͤttlicher Huld, der Suͤndeverſoͤhner
Seine156Der Meſſias.
Seine Rechte. Doch Petrus vermag nicht aufzuſtehen,
Strebt, und ſucht mit der anderen Hand nach Chriſtus Arme,
Feſt ſich daran zu halten; allein ſie ſank in den Staub ihm.
Jetzt erhub er ſich wieder, umſchlang mit beyden Armen
Jeſus Rechte, bebte daran, und druͤckte ſie innig
An ſein Herz, und ſenkte die Stirn auf den Arm des Erſtandnen.
Erde, ſo daucht es ihm, wollten um ihn, und Himmel vergehen!
Endlich ſchaut er hinauf in des Goͤttlichen Antlitz, begann denn
Mit der ſtammelnden Stimme der erſten Freude zu rufen:
Herr, Herr Gott, barmherzig und gnaͤdig! und blickt und ſchaute
Auf den Lebenden. Herr, Herr Gott barmherzig, und gnaͤdig!
Ruft er noch einmal, und bebte nicht mehr, und empfand des Erſtandnen
Ueberſchwenglichtroͤſtenden, unausſprechlichen Anblick.
Seine Huͤter Jthuriel, und Orion umſchwebten
Golgatha; und Jthuriel hielt ſich nicht mehr: Ach Orion,
Welche Stunde meiner Unſterblichkeit! Jubel der Wonne
Werden ihn oft uns wiederhohlen, ihn feyrend beſingen!
Auferſtanden erſcheinet der Herr dem geretteten Suͤnder,
Chriſtus Kephas! Du fuͤhlſt, was ich empfinde, Geliebter,
Unſerem Juͤnger! O komm, und freu dich in meiner Umarmung
Deiner, und meiner Wonne! Geſuͤndigt haben, iſt furchtbar,
Voll von Entſetzen, Jthuriel; und, an dem Suͤndeverſoͤhner,
Und, zu der Zeit der Verſoͤhnung, und, als ein begnadigter Juͤnger!
Koͤnnen wir uns kaum denken; allein die erweinte Vergebung
So erlangen! O Seraph, wie ſelig ſind die Verſoͤhnten!
Mit den Worten des Engels verließ der Erſtandne den Huͤgel.
Petrus ſah, und betet ihm nach mit gefalteten Haͤnden,
Bis157Vierzehnter Geſang.
Bis in dem Schatten des uͤberhangenden Grabes ſein Aug ihn
Schnell verlor. Und Petrus erhub die verbreiteten Arme
Freudig gen Himmel: O Dank, Dank dir, Sohn Gottes, Erſtandner,
Jnniger, ewiger Dank, der meine Seele gelabt hat
Mit mehr Troͤſtung, als ſie, in ihrem Durſte nach Ruhe,
Sich zu denken, zu wuͤnſchen vermochte. So wollſt du im Tod einſt,
Herr, mich troͤſten! Wer bin ich? ach, meine furchtbare Suͤnde
Buͤßt ich zwar, die Verleugnung deiner, aber wer bin ich,
Daß du mit dieſen Gnaden dich mein, Sohn Gottes, erbarmt haſt!
Jeſus Chriſtus Herrlichkeit hat mein Auge geſehen,
Jhn in das Leben erwacht, ſo hat ihn mein Auge geſehen!
Fleuß auf ewig, mein Dank, aus meiner innerſten Seele,
Heiſſer, herzlicher Dank! Die Gnaden der Himmel alle,
Ja die ganze Fuͤlle der Wonne, die ſelige Fuͤlle
Aller deiner Erbarmungen, hoff ich nun! Das Geheimniß
Deines Todes, wirſt du mir, Sohn des Vaters, enthuͤllen.
Nicht das Heer ohne Zahl, die Maͤchte, die Schaaren, die Thronen,
Nicht Erzengel koͤnnen von dem, deß Antlitz ſie ſchauen,
Mehr empfahn, wie ich nun von ihm hoffe! Den ſah ich lebend,
Der des Ewigen Sohn iſt, und der an dem Kreuze des Todes
Starb, ihn lebend! Gedanke voll tiefer Ruhe, du Reichthum
Aller Erbarmung, mir wird auch dein Geheimniß enthuͤllen
Der auf ewig nun lebt! Jch hab ihn lebend geſehen
Jeſus Chriſtus! O ſagts an dem ewigen Throne, verkuͤndets
Allen Himmeln! Er lebt! ſingts laut in Jubelgeſaͤngen,
Soͤhne des Lichts! Er ſchwieg, und ſchaute lange gen Himmel.
Schnell ſtand er auf. Auch ihr ſollt ſchoͤpfen, o meine Bruͤder,
Aus158Der Meſſias.
Aus der Quelle des Troſtes, auch eure blutenden Wunden
Sollen heilen. Er dachts, und eilte. Schon hatt er die Mauren
Salems erreicht; ſchon naht er ſich ſeiner Bruͤder Verſammlung,
Die voll Erwartungen war, und Zweifel und Freud und Erſtaunen.
Und er trat mit gefalteten Haͤnden in die Verſammlung:
Lob, und Preis, und Ehre ſey, Anbetung, und Dank ſey
Gottes Sohne, der uns mit einer Liebe geliebt hat,
Die ein Jubelgeſang, im Leben, und Tod uns ſeyn wird!
Jhm, der des wunderbaren Todes geſtorben, erſtanden
Jſt, und erſchienen! Auch mir iſt Chriſtus erſchienen! Am Kreuze
Stand er, da ſah ihn mein Auge, da ſah ich des Goͤttlichen Antlitz.
Und ſie nahen ſich ihm, bewundern ihn, preiſen ihn ſelig,
Und erſtaunen uͤber den Herrn, der vom Tode des Kreuzes
Auferſtand! Und tiefanbetendes Schweigen feſſelt
Aller Zungen. Endlich umgeben ſie naͤher den neuen,
Seligen Zeugen des Auferſtandnen, umarmen voll Wonn ihn,
Druͤcken ihn an ihr Herz, und weinen. Des Lebenden Mutter
Hielt ihn bey der Rechten, und Magdale bey der Linken.
Siehe, nun haſt du ihn auch, o Simon Johanna, geſehen!
Magdale ſprachs. Dann ſagte mit himmliſchem Laͤcheln die Mutter:
Gottes Sohn, und meinen! Lebbaͤus ſtammelt, und wandte
Sich zu Maria! Vor Trauren nicht mehr, vor Entzuͤckung, o Mutter,
Glaub ich es kaum. Du Blutender, ach du Wundenvoller,
Biſt erſtanden! Er ſank an die Bruſt Johannes, der druͤckt ihn
Jnnig ans Herz, und ſagt ihm leiſe! Er iſt erſtanden!
Ließ ihn, und ging zu Maria: O du des Goͤttlichen Mutter,
Freu dich wieder! Nun geht durch deine Seele kein Schwert mehr,
Deine159Vierzehnter Geſang.
Deine blutende Seele nicht mehr! Mi[t]Freuden der Himmel
Freu ich mich, Sohn. Ach auferſtanden iſt Jeſus Chriſtus!
Auferſtanden! Auch mir wird Jeſus Chriſtus erſcheinen.
Das verhieß mir dein Blick, mit dem du vom Kreuze mich anſahſt.
Bartholomaͤus ergriff die Hand des Juͤngers, des Zeugen,
Sagte mit ſanfter Wehmuth: O Simon, mein graues Haupt wird
Eher nicht in die Grube ſich neigen, als auch mein Auge
Unſern goͤttlichen Meiſter vom Tod erſtanden geſehn hat.
Kephas hielt ihm die Hand, und ſah ihn mit glaubendem Muth an:
Ja, du Theurer, er wird ſich unſer Aller erbarmen.
Wie an heiterem Himmel ſich eine Wolk heraufzieht,
Einſam, und truͤb, und ernſt, ſo nahte ſich Didymus Kepha.
Selber Simon! ja wenn es moͤglich waͤre, ſo glaubt ich
Dir, o Simon! Er wandte mit innigem Grame ſein Antlitz.
Wende dich, Thomas, und danke mit uns! Der Herr iſt erſtanden!
Ja Anbetung, und Ehr und Preis, und Jubel, und Dank ſey
Jhm, der wunderbar ſtarb, vom Tode wunderbar aufſtand,
Und erſcheint! Er wird ſich unſer Aller erbarmen!
Mit den Worten entſinkt die Mutter Chriſtus des Zeugen
Bebendem Arme. Sie liegt auf ihren Knien, und breitet
Freudig die Arme gen Himmel, und ruft mit der Stimme der Wonne;
Meine Seel erhebet den Herrn! Mein Jnnerſtes freut ſich
Gottes meines Erloͤſers! Du haſt die Thraͤnen der Mutter,
Deiner traurenden Magd, von deinem Kreuze geſehen!
Haſt ſie all erbarmend gezaͤhlt! Die Enkel der Enkel
Werden mich ſelig preiſen! Wie wunderbar iſt er, wie groß iſt
Alle ſein Thun, der maͤchtiger, als der Tod iſt! Ach heilig
Jſt160Der Meſſias.
Jſt ſein Name, heilig! und ewig iſt er Erbarmer!
Allmacht iſt ſein Arm! Er ſtuͤrzt blutduͤrſtende Stolze!
Maͤchtige ſtoͤßt er vom Thron, und erhebt die niedrige Demuth.
Die nach Heile duͤrſten, erquickt er; die ſelbſt ſich genung ſind,
Laͤßt er leer! Ach ewig iſt Er Barmherzigkeit! troͤſtet
Die ihn lieben! Abraham hat er, und Abrahams Kindern
Diß geſchworen. Er haͤlt den theuren Eid der Erbarmung!
Ja Anbethung, und Lob, und Preis, und Jubel, und Dank ſey
Jeſus Chriſtus, der lebt, der maͤchtiger, als der Tod iſt!
Didymus war auf den Soͤller gegangen. Jhm folgten die Andern,
Durch die Schoͤne des Tags, und das lebende Wehen der Luͤfte
Sich zu erquicken, und durch der gotterfuͤllten Schoͤpfung
Anblick, deß ſich zu freun, der ſo ſie begnadiget hatte.
Und ſie kamen zu Thomas, und weckten ihn aus der Betaͤubung
Seines Tiefſinns. Er bebte vor ihnen zuruͤck, da er aufſah,
Und auf Einmal um ſich die ganze Verſammlung erblickte.
Und er eilt hinunter zu ſteigen. O, flieh du Geliebter,
Flieh uns nicht, rief Petrus, der Herr wird auch dein ſich erbarmen!
Auch ich zweifelte, Thomas, wie hat er mein ſich erbarmet!
Doch wer wandelt in jener Ferne? Truͤgt mich mein Blick nicht,
Siehe ſo iſt es Matthias, und Kleophas. Theure, Geliebte,
Waͤrt ihr noch hier; ach unausſprechlich, wie unſere Seele,
Wuͤrd auch eure Seele ſich freun! Die maͤchtigen Freuden
Ja ſie warten eurer, die Freuden des ewigen Lebens.
Aber wer kommt zu ihnen aus jenen Schatten heruͤber?
Nein! ich kenn ihn nicht. Voll Hoheit ſcheint mir das Anſehn
Dieſes Fremdlings. Kennſt du ihn, Thomas? Sie gruͤſſen mit Ehrfurcht
Jhren161Vierzehnter Geſang.
Jhren Gefaͤhrten, er ſpricht ſchon mit ihnen. Jch kenn ihn nicht, Simon.
Aber lange hab ich ſo viele Hoheit, und Einfalt
Nicht vereinet geſehn. Und Petrus erwiederte: Moͤcht ihn
Bald ſein Weg nach Jeruſalem fuͤhren. Sie kehrten zugleich um.
Denn ſie gehen doch nur, um ihre Seele zu lindern.
Seht den Weg, der ſich kruͤmmt, bringt jetzt ſie uns naͤher, doch werden
Jene Palmen ſie bald vor unſerem Auge verbergen.
Seht ihr ihren Begleiter, mit welcher Wuͤrd und Ernſte,
Welcher Hoheit, die ſanftere Menſchlichkeit mildert, er anhoͤrt,
Was ſie ihm traurig erzaͤhlen; vielleicht die Geſchichte vom Tode
Deſſen, den ſie am Kreuze, noch nicht erſtanden geſehen.
Jſt er Einer der Engel, die ihr bey dem Grabe geſehn habt?
Wie ihr euch taͤuſcht! rief Thomas. Er iſt ein Menſch! doch ſein Anſehn
Jſt erhabner, als anderer Menſchen. Du kenneſt der Freude
Suͤße Vermuthungen nicht, o Thomas. Jch hab es empfunden,
Was du fuͤhlſt! Was erwartet ich minder, als Jeſus zu ſehen,
Noch in jener Angſt, als ich zu dem Kreuze mein Auge
Muͤd erhub, und auf Einmal vor mir den Lebenden ſtehn ſah.
Sieh, o Thomas, mich taͤuſchte nicht Fꝛeude .. So taͤuſchte dein Schmeꝛz dich!
Rief der Zweifelnde feurig. Der Herr wird dein ſich erbarmen!
Sagte mit Ruh der begnadete Zeuge des Auferſtandnen.
Gott, ja Gott wird mein ſich erbarmen! allein der Meſſias
Ach der goͤttliche Mann hat gelitten, was alle Propheten
Einſt auch litten, und iſt geſtorben! Er weint, und verſtummte.
Weine nicht, Juͤnger des Herrn! Er iſt wahrhaftig erſtanden!
Aber ihn troͤſtete Petrus umſonſt; er weint und verſtummte.
Kleophas hatt indeß, und Matthias mit ihrem Gefaͤhrten
III Band. LSchon162Der Meſſias.
Schon die Schatten der Palmen erreicht. Da die Beyden aus Salems
Mauren gingen, und noch bey ihnen nicht ihr Gefaͤhrt war,
Sprachen ſie unter einander: Wie kann ich irren, Matthias,
O du kennſt ja die Wuth, die heiſſe Rache der Prieſter,
Wie ſie ergrimmten, als ſie es nun nicht zu wehren vermochten,
Daß ihn Joſeph begruͤbe. Sie haben den Hauptmann gewonnen,
Haben den Todten geraubt! und wollen ihn doch auf dem Huͤgel
Bey der Verfluchten Gebeine begraben! Vielleicht, o du Beſter!
Heiligſter! deckt ſchon Golgatha deinen ſtarrenden Leichnam!
Aber die Engel am Grab, o Kleophas? Hat ſie denn Alle
Truͤbes Trauren getaͤuſcht? Und kann denn Traurigkeit wirken,
Daß wir Engel ſehen? Warum nicht bange Geſtalten?
Nacht? der Gerichteten Schatten vielmehr? Jſchariots Seele?
Kleophas bebte zuruͤck, darauf antwortet er: Loͤſe
Mir nur Einen Zweifel, Geliebter: Warum erſcheinet
Unſer Meiſter nicht ſelbſt? Wie kenn ich Engel? Wie weis ich,
Kennt ich ſie auch, ob ſie der Ewige ſendet? Ach, Theurer!
Wuͤrd er uns nicht erſcheinen, waͤr er von den Todten erſtanden?
Jhn, ihn kennen wir! Aber, o Kleophas, glaubte Maria
Gabriel nicht? Und kannte ſie denn die Engel? und koͤnnen
Gottes hoͤhere Geiſter was anders ſagen, als Wahrheit?
Und verdienen wir denn, daß er uns erſcheine? Wir waͤren
Wie die Zwoͤlfe geflohn, da laut von den ſtuͤrmenden Schaaren,
Jhrem Grimm, und Wuth, und Geſchrey, Gethſemane ſchallte!
Ferne nur, ferne nahten wir uns, da ſein Todesurtheil
Schrecklich vom Richtſtuhl ſcholl! ach, ferne des Sterbenden Kreuze!
Kleophas163Vierzehnter Geſang.
Kleophas ſprach: Jch bewein es mit dir! Doch koͤnnen wir jemals,
Daß er uns erſcheine, verdienen? Jſt er erſtanden;
Und erſcheint er: ach, ſo erſcheint er allein aus Erbarmung,
Weil ihn unſeres Elends jammert, und weil er zaͤhlet
Unſere Thraͤnen, wie er auf unſerem Haupte die Haare
Alle gezaͤhlt hat! O Kleophas! und du zweifelſt? Du zweifelſt
Alſo nicht, Matthias? Du weiſt, daß ich immer Alles,
Was ich dacht und empfand, dir ganz, o Kleophas, ſagte.
Wenn ich mit ſtiller Betrachtung es uͤberdenke; ſo glaub ich!
Aber wenn mich die Angſt der Hoffnung, und Furcht, und Erwartung,
Wenn die Freud ihn wiederzuſehn, das iſt Freude der Himmel!
Ungeſtuͤm mich ergreifen, und meine Seele durchbeben,
Wenn ſie in mir der Wahrheit Stimme betaͤuben; ſo zweifl ich!
Kleophas blickt ihn zaͤrtlicher an, und ſagte: Du Lieber!
Aber wenn wir wirklich ihn ſaͤhn, dann wuͤrde der Himmel
Freude, Freude der Erde nicht! des ewigen Lebens
Wonne wuͤrde, kaum ſind ich Worte! wenn wir ihn ſaͤhen,
O das wuͤrd uns noch mehr, noch maͤchtiger uͤberzeugen,
Als der ſtillen Betrachtung Licht, das die Seele mit Wahrheit
Ueberſtroͤmt! Matthias erwiederte: Moͤcht er erſcheinen!
Unſere blutende Seele durch ſeine Gegenwart heilen!
Kleophas ſprach: Wir wuͤnſchten zu viel, du Geliebter! Der Freuden
Unausſprechlichſte, hoͤchſte, wer kann ſie, wuͤnſcht er ſie, hoffen?
Freude, wie die, iſt nicht fuͤr dieſes Leben, Geliebter!
Und ſie waren durch eines heruͤberhangenden Huͤgels
Schatten gegangen. Des Weges gewandte Kruͤmmungen zeigten
Seitwaͤrts jetzo den ſchattenden Hang. Dort ſahen ſie langſam
L 2Einen164Der Meſſias.
Einen Wanderer kommen. Erhabnen, maͤnnlichen Anſehns
War der Fremdling, und ſchien in ernſte Gedanken verloren.
Laß uns langſamer gehn, Matthias. Vielleicht, daß der Fremdling
Unſer Gefaͤhrt wird, und uns das traurende Herz mit Geſpraͤchen
Seiner Weisheit erquickt. Denn weiſe ſcheint er, und edel.
Was, o Kleophas, hilft uns ſeine Weisheit, wofern er
Nicht von Jeſus mit uns ſich unterredet? Jndem kommt
Jhnen der Wanderer nah, und gruͤßt ſie mit Liebe. Mit Ehrfurcht
Gruͤßen ſie ihn. Wo gehet ihr hin? Nach Emaus. Darf ich
Euer Gefaͤhrt ſeyn? Jch gehe durch Emaus. Sey, o du Theurer!
Sey, wir bitten dich, unſer Gefaͤhrt. Was ſpracht ihr ſo feurig
Unter einander? Jch ſahs, ganz hingen an dieſen Geſpraͤchen
Eure Seelen, und waren voll Traurigkeit. Kleophas ſagte:
Ach, was konnten wir ſprechen? Biſt du es allein, der nicht wiſſe,
Was in Jeruſalem dieſe Tage des Traurens geſchehn iſt?
Was geſchah denn? O Fremdling! du kenneſt alſo, du kenneſt
Jeſus von Nazareth nicht? den Propheten Gottes? der maͤchtig
Vor dem Herrn, und dem Volke, durch Wunder, und himmliſche Weisheit,
Der ein goͤttlicher Mann war? Allein ach, unſre Beherrſcher
Haben, entflammt von dem Grimme, der Wuth der unterſten Hoͤlle,
Jhn gegriffen, und ihn dem Heiden Pilatus zum Tode
Uebergeben! Der hat geſprochen ſein Todesurtheil!
Hat, o duͤrft ich die Art des furchtbaren Todes nicht nennen!
Jhn gekreuzigt! Ach, fodre nicht, daß ich wieder die Wunden
Meiner Seel aufreiſſe, dir ſeinen Tod zu beſchreiben,
Wie er am Kreuze ſchwebt! und wie der Huͤgel ſein Blut trank!
Wie er bleich und erſtarrt um Huͤlf, um Huͤlfe! zu Gott rief!
Ach,165Vierzehnter Geſang.
Ach, wir hofften auf ihn, und hielten ihn fuͤr den Meſſias!
Jſrael, hofften wir, ſollt er erloͤſen! Und uͤber das alles
Brach der dritte der Tage ſchon an, ſeit dieſes geſchehn iſt.
Und Matthias begann: Auch haben die Weiber der Unſern
Uns erſchreckt. Heut gingen ſie in der Fruͤhe zum Grabe.
Seinen Leichnam fanden ſie nicht. Sie kamen mit Zittern,
Hatten Geſichte der Engel geſehn, die ſagten, Er lebe!
Ach, wir vermochten uns nicht zu freuen! Einige gingen
Auch zu dem Grab, und fanden es offen, und ohne den Todten!
Jetzo kamen ſie unter umſchattende Palmen. Der Wandrer
Sah ſie mit der Erhabenheit an, die Groͤße der Seele,
Und nicht Stolz iſt, und ſprach mit der maͤchtigen Stimme der Wahrheit:
Jhr Unweiſen! und langſamen, harten Herzen zu glauben,
Dem zu glauben, was euch die Propheten verkuͤndiget haben!
Mußte nicht dieß der Meſſias leiden? und, nach der Vollendung
Seiner Leiden, erſt dann zu ſeiner Herrlichkeit eingehn?
Mit Erſtaunen ſahn ſie ſich an; mit bebender Ehrfurcht,
Jhn! Gern haͤtten ſie ihn, doch nur Augenblicke, verlaſſen,
Und von ihm mit einander geſprochen. Jhr truͤbes Auge
Wurde Licht, und begegnete ſich mit feurigen Fragen:
O, wer iſt er, wer iſt, der unſre Seele mit Ehrfurcht
Und mit Staunen erfuͤllt? Doch hatt er nur angefangen
Ueber ſie durch die Gewalt der ſiegenden Wahrheit zu herrſchen.
Wie ein Sturm, der beginnt, mit gehaltner Staͤrke noch wehet,
Noch den kuͤhleren Wald nicht ganz fuͤllt; Stille ruhet
Noch in ſeinen Thalen, noch liegen blaͤſſere Schatten,
Ganz iſt die Sonne noch nicht von des Sturmes Wolken umnachtet!
L 3Alſo166Der Meſſias.
Alſo begann ihr erhabner Gefaͤhrt. Nicht lange, ſo fuͤhrt er
Sie in die Tiefen der Offenbarung hinab. Den Meſſias
Zeigt er ihnen, ein Redner Gottes, in jeder der Tiefen.
Und ſie vermochten nicht mehr zu widerſtehen. So reißt ſich
Durch den Wald der ſtaͤrkere Sturm. Die Baͤume des Waldes
Zittern, rauſchen mit Ungeſtuͤm alle, beugen ſich alle,
Vor dem herrſchenden Sturme, den Donnerwolken, und Fluten
Himmelſtuͤrzender Meere, von Berge begleiten zu Berge!
Und ſie ſtanden ermattet, und baten um Ruh, und wiſchten
Sich den Schweiß von der gluͤhenden Stirn! Mañ Gottes! wir keñen
Zwar dich nicht; doch biſt du, o den wir mit Ehrfurcht anſchaun,
Wahrlich ein goͤttlicher Mann! Bleib, ach! und laß an der Kuͤhle
Dieſes Brunnen uns ruhn! Sie ſetzten ſich neben einander,
Gegen ſie uͤber der goͤttliche Fremdling. Er redet itzt ſanfter,
Redete von der Liebe des Sohns zu den Menſchen; der Liebe
Seiner Menſchen zu ihm. Sie dachten des großen Hirten
Tod, mit heiterer Seele, gelabt von inniger Ruhe.
Wie nach einem ſtrahlenden Tage, die Abenddaͤmmrung
Luftiger uͤber die Muͤden ſich geußt; ſo goß er Erquickung
Jn ihr Herz. Und liebt ihr ihn auch? Dieß fragt er ſie jetzo.
Sollten wir ihn nicht lieben? Sie ſprachens mit eilender Stimme.
Habt ihr ihn immer geliebt? Wir verließen ihn, als ſie zum Tod ihn
Fuͤhrten, hinauf zum Kreuz! das verſtummende Lamm, zum Altare!
Da verließen wir ihn! Doch jetzo, da ihr es wiſſet,
Daß er um eurentwillen geſtorben iſt! wolltet ihr jetzo,
Auch um ſeinentwillen, wenn er es foderte, ſterben?
O du167Vierzehnter Geſang.
O du Theurer! wir hoffen zu Gott, der Liebende wuͤrd uns
Staͤrken, daß wir es koͤnnten! Allein, o zuͤrne, mit Ehrfurcht
Fragen wir, zuͤrne nicht! Jſt er auferſtanden? du weißt ja
Alles von ihm, und duͤrfen wir uns, Mann Gottes, des Heils freun,
Jeſus Chriſtus wiederzuſehn? Der Wanderer ſagte:
Joſephs Bruͤder erkannten ihn nicht! Doch der Wonn und des Weinens
Selige Stunde kam, und Joſeph vermochte nicht laͤnger
Sich zu halten, und weinete laut! Er ſagt es, erhub ſich,
Ging. Sie folgten ihm freudig erſchrocken, in Zweifel verloren,
Was ſie glauben? nicht glauben ſollten? Er wars ja doch Selbſt nicht!
Aber ein Engel vielleicht? Sie ſtanden wieder. Ach, duͤrfen
Wir noch Einmal, o du, den wir nicht kennen, dich fragen?
Zwar nicht kennen, doch den wir unausſprechlich verehren,
Unausſprechlicher lieben! wer biſt du? o ſage, wer biſt du?
Aber wir duͤrfen dich nicht umarmen! O ſag es uns: Biſt du
Einer der Engel vielleicht, die am Grab erſchienen? Umarmt mich!
Und ſie umarmten ihn lang, und weinten an ſeinem Halſe.
Jetzo nahten ſie Emaus. Meine Bruͤder, ich gehe
Nun zu den Meinen. So ſprach ihr Begleiter. Jhr ſehet, mein Weg zieht
Hier durch Emaus ſich. O bleib bey uns, du Geliebter!
Sieh, es will Abend werden. Der Tag hat ſchon ſich geneiget.
Und ſie hielten ihn zitternd bey beyden Haͤnden, und baten.
Laßt mich! die Meinen ſind fern. Sie warten meiner mit Schmerze.
Sie, Mann Gottes, haben dich immer. Du ſiehſt ja, wie herzlich
Wir dich lieben. O bleib! Und warum wollteſt du, Theurer!
Dich in der Nacht Gefahren begeben? Auch mußt du von Jeſus
Noch mit uns reden! O bleib bey uns! So will ich denn bleiben,
L 4Meine168Der Meſſias.
Meine Bruͤder. Kleophas dankte, mit Freud in den Blicken,
Nicht mit Worten, und eilte voran, ein Mahl zu bereiten.
Kleophas hat, ſo heißt mein Gefaͤhrt der redliche Juͤngling,
Seine Huͤtt in Emaus, deren Eingang der Schatten
Dichter Baͤume bedeckt. Ein reiner labender Quell rinnt,
Wo der Schatten am luftigſten kuͤhlt. Er eilte, das ſah ich,
Etwas Speiſe fuͤr uns zu bereiten, und unſere Herzen
Mit dem Wenigen, das er hat, zu erquicken. O ſtiller
Heiterer Abend, nach dieſen Tagen der Angſt und des Traurens!
Und, o Dank dir, goͤttlicher Mann! du wuͤrdigſt uns, kehreſt
Ein bey uns, verachteſt die niedrige Huͤtte der Einfalt
Und der Duͤrftigkeit nicht. Da Jeſus Chriſtus noch lebte,
War er, wie du, ein Menſchenfreund, der zur Demuth in Staube
Nieder ſich ließ, und gern mit ſeiner Weisheit uns labte.
Doch ich ſchweige von ihm. Denn uͤber das alles erhaben,
Was ich von ihm zu ſagen vermag, war Jeſus Chriſtus!
Engel dieneten ihm. Doch ſeiner Niedrigkeit Urſach
Scheint mir erſtaunlicher, als mir ſeine Niedrigkeit ſelbſt ſchien.
Aber alſo geſchah des Ewigen Wille. Den Vaͤtern
Hat er ſchon die Tiefen des kuͤnftigen Wunders eroͤffnet.
Moͤcht ich mein Leben mit dir, Mann Gottes, leben! und moͤchteſt
Du mich lehren, wie ich es dem himmliſchen Suͤndeverſoͤhner,
Recht nach meiner Seele Verlangen, heiligen koͤnnte!
Denn ach, daurenden Dank, den innigſten, liebevollſten,
Herzlichſten Dank verdienet von uns, der unſere Suͤnde
Alſo verſoͤhnt, und, bis zu dieſem Tode, geliebt hat.
Und169Vierzehnter Geſang.
Und ſchon nahten ſie Kleophas Huͤtte. Sie ſahn, er entſchoͤpfte
Waſſer zum Trinken der Muͤndung des Quells, dann ſetzt er es eilend
Bey ſich nieder, und wuſch balſamiſche duftende Kraͤuter.
Seine Hand umfloſſen mit abgeriſſene Blumen;
Einige glitten hinab mit des werdenden Baches Gelispel;
Aber er ſah Matthias, und ſah den goͤttlichen Fremdling
Nahen, und ſchnell ſprang er auf! Sey mir, Mann Gottes, willkommen!
Alle dein Segen, mit dem der Herr dich ſegnete, gehe,
Du Mann Gottes, mit dir in meine Huͤtte! Matthias
Folgt, und trug das Gefaͤß, und darinn die lebende Quelle,
Mit der traͤufelnden Kraͤuter Erfriſchung. Kleophas hatte
Schon den unbelaſteten Tiſch mit dem ganzen Reichthum
Seiner Huͤtte beſetzt, mit Milch, und Honig, und Feigen,
Und mit ſtaͤrkendem Brodt, und herzerfreuendem Weine;
Hatte die Teppiche ſchon umhergebreitet. Sie legten
Sich zu dem Mahle, der Fremdling allein, ſie gegen ihn uͤber.
Und der Fremdling begann auf ſie ſein Auge zu richten
Ernſt, und freudig. Mit Ruhe, mit Dank, mit feyrlichem Anſtand,
Hielt er das Brodt; ſo pflegt es Jeſus zu halten! und blickte
Still gen Himmel; ſo pflegte gen Himmel Jeſus zu blicken!
Und ſie ſtarrten ſich an, und ihn. Er betete. Jeſus
War die Stimme des Betenden! und, auf Einmal, das Antlitz
Jeſus Chriſtus des Betenden Antlitz! Er betet alſo:
Unſer Vater im Himmel ſey fuͤr die Gabe geprieſen,
Die er mild uns giebt, den duͤrftigen Leib zu erhalten.
Vielen ſcheint ſie gering; doch hat, mit eben der Allmacht,
Welche die Himmel erſchuf, ſie unſer Vater bereitet.
L 5Ach!170Der Meſſias.
Ach! auch ſeine Worte ſo gar! Und bleich vor Freude
Sanken ſie hin, mit anzubeten. Er redete wieder:
Preis ſey ihm! Er rief der Sonn, uns zu leuchten, dem Monde,
Von der Stirne der Muͤden den Schweiß zu trocknen. Er ſchuf uns
Unſer taͤgliches Brodt. Preis ſey ihm, und Anbetung!
Jetzo brach er das Brodt, und gab es ihnen. Sie nahmens
Bleicher vor Freuden, und blickten ihn an, und wollten reden;
Konnten nicht reden! Er ſah ſie noch Einmal mit ſegnender Huld an,
Und verließ ſie. Da ſprangen ſie auf, und folgten ihm, eilten,
Suchten, und fanden ihn nicht. Sie kamen mit Ruhe zuruͤcke.
Ja, wir ſehn ihn noch wieder! Jch bin im Himmel, Geliebter,
Nicht auf der Erd, im Himmel! ach, Kleophas! Kleophas ſank ihm
An ſein Herz, und ſchwieg. Darauf umarmt er ihn feurig,
Hielt ihn lang, und umarmt ihn von neuem. Matthias, o brannte
Unſer Herz nicht in uns, da er auf dem Wege von Gott ſprach?
Da er die Offenbarung uns aufſchloß? Aber wir ſaͤumen?
Schon ergriff er den Stab. Auch thats Matthias. Sie gingen.
Unterdeß da die Beyden von Emaus eilten, beſprachen
Petrus, und Didymus ſich. Verbirgs denn ihnen, o Thomas!
Ach, betruͤbe nicht ſo, die glauben wollen, und loͤſche
Dieſen ſchwachen Funken in ihnen nicht aus! Gen Himmel
Koͤnnt er flammen; du loͤſcheſt ihn aus. So ſoll ich denn, Simon,
Unſern Freunden nicht mehr, was ich denke, ſagen? verſchweigen
Meiner Traurigkeit Angſt? Was hilft es ihnen, zu waͤhnen,
Und von dem freudigen Wahne mit deſto groͤßerem Trauren
Aufzuwachen, je froher der ſuͤßbetaͤubende Wahn war?
Nenn171Vierzehnter Geſang.
Nenn es nicht Wahn, mein Bruder! Bey dem, der ewig lebet!
Ach bey Jeſus, der todt war, und ewig lebet! beſchwoͤr ich
Dich, mein Bruder, nenne nicht Wahn, was die Rechte Jehova
That! nicht dieſer erſtaunlichen Herrlichkeit Offenbarung!
Heilig iſt jene Staͤte, wo ich ihn ſahe. Da brannte
Mir der Buſch! da ſah ich im Buſche die Herrlichkeit Gottes!
Da, da war die Pforte des offnen Himmels! Hier ſtehn wir!
Schau die Zeugen um dich! hier ſtehn wir Alle, die Neune!
Magdale dann! dann ich! Wir haben den Goͤttlichen lebend,
Lebend haben wir ihn, nicht todt mehr, alle geſehen!
Meine Seele bewegt ſich in mir vor Wehmut, indem ich
Deine Traurigkeit ſeh, ſprach Magdalena Maria,
Deiner gruͤbelnden Zweifel zu qualenvolle Gedanken.
Habe Mitleid mit ihm, mit deinem Juͤnger, Erſtandner,
Mitleid! Er zweifelt aus Angſt dein Juͤnger, aus Jammer der Seele;
Nicht aus boͤſem Herzen. Zerſtoß das zerſtoſſene Rohr nicht.
Loͤſche den glimmenden Tocht nicht aus. Erbarme, Rabbuni,
Seiner dich, wie du dich meiner erbarmteſt! Ach Thomas,
Meinſt du, daß ein Engel im Himmel mit dieſer Stimme,
Dieſer Wonneſtimme des ewigen Lebens, die Choͤre
Himmliſcher Pſalmen ertoͤnen nicht ſo! zu reden vermoͤge?
Wie der Todtenerwecker, der Auferſtandne, beym Namen
Mich, ich lechzte wie du, ihn zu ſehn, beym Namen mich nannte!
Eurer Entzuͤckungen Ungeſtuͤm ſtuͤrzt mich Verlaßnen noch tiefer
Jn die Tiefen der Angſt, die meine Seele verſchlingen!
Blendete ſich die Heftigkeit nicht, mit welcher ihr redet?
Thomas172Der Meſſias.
Thomas ſprachs mit innigem Grame, der Thraͤnen zuruͤckhielt.
Simon rang die gefalteten Haͤnde, ward ernſter, und ſagte:
Deine blendet ſich nur, mit der du zweifelſt! Wir ſahen!
Und wir wurden entzuͤckt! Wer iſt im Himmel, und flammet
Nicht in Entzuͤckungen auf? Du ſiehſt nichts! ſchaffeſt dir Schatten,
Bange Bilder von Graͤbern und Nacht, erſchreckende Zweifel!
Redeſt entflammter davon, als wir von dem Auferſtandnen,
Den wir ſahen, und hoͤrten, und deſſen Leib wir beruͤhrten!
Der mit aller ſeiner Erbarmung, die wir an ihm kannten,
Sich uns offenbarte, die du vordem an ihm kannteſt.
Geh zu den Sadducaͤern zuruͤck, und glaube mit ihnen,
Daß kein Engel, noch Geiſt ſey, noch Auferſtehung vom Tode!
Mit den Worten entſtuͤrzten dem Auge Didymus Thraͤnen.
Salome ſah es, und wollt ihn troͤſten. Jndem ſie zu reden
Anfing, ſagte der Juͤnger: Verſtoß mich ſo nicht, Geliebter!
Ach, ich liebe, wie du, den gekreuzigten, goͤttlichen Todten,
Simon Petrus. Jtzt redete Salome. Lindert, ihr Lieben,
Seinen Schmerz. Jhr ſehet, wie viel der Geaͤngſtete leidet.
Thomas, mein Bruder, den du den goͤttlichen Todten nannteſt,
Sollt aus dieſer Jrre nicht er dir die Seele zu fuͤhren,
Nicht aus dieſem Jammer das Herz zu reiſſen vermoͤgen?
Er, deß Todesmut an dem Kreuze von eben der Hoheit
Zeugte, von der die Unſterblichkeit zeugt, dieß Leben der Engel,
Dem er auferſtand! Ja, dieſes Leben der Engel!
Sprachen ihre Begleiterinnen. Unſterblichkeit war es,
Dieſe ſahn wir an ihm. Zwar, nicht wie Gabriel, ſtrahlt er,
Nicht wie die Engel bey ſeiner Geburt um Bethlehems Huͤtte;
Aber173Vierzehnter Geſang.
Aber was anders, als da er mit uns in dem Leben am Grabe
Unſer Erbarmer lebte, war nun in des Goͤttlichen Antlitz!
Euch nur erſchiene der Herr? nicht mir? von mir will ich ſchweigen!
Nicht der weinenden Mutter? nicht ihrem Sohne Johannes?
Dem nicht, den er der heiligen Mutter am Kreuze zum Sohne,
Der nicht, die er dem Sohne zur Mutter in ſeinem Blut gab?
Alſo ſprachen ſie untereinander. Die Hoͤrenden riſſen
Maͤchtige Zweifel itzt fort, dann wieder ſiegender Glaube.
Beyde wechſelten oft, und durchflammten die Seele. Wenn Petrus,
Wenn die freudigen Zeuginnen redten, wenn Magdale redte;
Gingen ſie auf dem Meere! wenn Didymus redte, ſanken
Sie vor der kommenden Woge. Der zweifelnde Juͤnger verließ ſie
Und Jeruſalem, ging zu den fernſten Graͤbern des Oelbergs,
Sich im Einſamen dort in ſeiner Traurigkeit Quaalen
Tiefer zu ſtuͤrzen. Er wollte das nicht; er wollte die muͤde,
Tiefverwundete Seele durch Ruh der Einſamkeit lindern.
Einen Becher der Freuden hat in der Rechten; der Linken
Einen wuͤtenden Dolch die Einſamkeit, reicht dem Begluͤckten
Jhren Becher; dem Leidenden reicht ſie den wuͤtenden Dolch hin!
Jn der naͤchtlichſten eines der fernen Todtengewoͤlbe
War jetzt Thomas gekommen; und ſeiner Traurigkeit Laſten
Wurden ſchwerer auf ihm, die Gedanken ſchwaͤrzer, des Herzens
Quaalen troſtbeduͤrftiger. Seine Seel arbeitet,
Sich aus dieſen Tiefen, die ſtets mehr ſanken, zu heben;
Und arbeitet umſonſt. Haͤtt er nicht zu Gott ſich gewendet,
Zu der einzigen Stuͤtze des Muͤden; er waͤr erlegen!
Zu dem einzigen Stabe, wenn wir in Finſterniß wandeln,
Und,174Der Meſſias.
Und, an das weichende Rohr nur unſerer Troͤſtung, uns lehnen.
Thomas empfands. So wendet er ſich zu dem, der allein hilft:
Gott! Verborgner! zu dir, wie ſehr auch Dunkel die Tiefen
Deines Rathes bedeckt, zu dir nur kann, in dem Zagen
Jhrer Traurigkeit, meine verwundete Seele ſich wenden!
Nacht ſind ſeine Pfade; der Weg, den ich wandl, iſt noch mehr Nacht,
Als die Pfade des Todes! Unauszuforſchender Herrſcher
Deſſen, was iſt, und was ſeyn wird! ach ſchau herunter ins Elend,
Schau auf mich, der ein Wurm in Mitternaͤchten ſich windet.
Haͤtt ich dich nicht, und ſtarrte mein huͤlfeverlangendes Auge,
Einziger Fels, nach dir nicht empor; die gerungnen, die matten,
Ausgebreiteten Haͤnde nach dir nicht empor; ſo waͤr ich
Lange der Angſt der wuͤtenden Zweifel erlegen! ich waͤre
Schon vergangen! Wie ſie, die um ihn jetzt blutet, ihn liebte
Meine Seele, wie ſie an ihm hieng, das weiſt du, Jehova!
Weiſt, Er war mir Alles! Du hatteſt ihn, Vater, mit jeder
Deiner Gnaden zu uns geſendet, mit jeder Erbarmung!
Alles war er mir! den haſt du kreuzigen laſſen,
Sterben! Ach, er iſt todt! mir mehr, wie den Uebrigen allen
Todt! O Mitternacht, die ihn auf der Schaͤdelhoͤh deckt,
Oder in einer noch dunkleren Gruft, die der Erd Erſchuͤttrung
Nicht zerruͤttete, moͤchteſt bey ihm auch mich du decken!
Moͤcht ich liegen bey ihm, und ſchlummern, muͤde von Wunden
Meiner Seele! So bin ich ohn ihn denn? Jch leb, und ich ſterbe,
Ach ohn ihn? du ſchreckliche Nacht, die mich ringsum einſchließt,
Wehe mir! ohn ihn! auf Gebirgen, Gebirg, und Abgrund
Dicht175Vierzehnter Geſang.
Dicht an Abgrund, ſchreckliche Nacht! Mein dunkles Gefuͤhl, ach!
Warum quaͤleſt auch du mich: Er wuͤrde mir einſt noch mehr ſeyn,
Als er mir war? warum durchgraͤbſt auch du mir die Seele?
Biſt du unſterblich, o Seel in mir, o fallt mich entflohne,
Schwarze Zweifel, mit eurem Grimme nicht an, und wuͤtet,
Wuͤtet nicht wieder! o die du in mir unſterblich biſt, Seele,
Tief, zu tief, zu jammervoll iſt dein Elend! zerrißne,
Wundenvolle, du biſt ohn ihn! So haͤttſt du an ihm denn
Keinen Theil, elende, ſo lang ich im Staube mich kruͤmme?
Aber vielleicht iſt er auch todt mein Helfer? Wie kenn ich
Ueber dem Grabe die dunkleren Labyrinthe, die baͤngern
Schwermutsvolleren Pfade, zu denen des Todes Thal fuͤhrt,
Da ich die truͤben Wege des Lebens im Staube nicht kenne?
Gott auf Ebal! auf Sinai Gott! im Donner! im Sturme!
Vater! wo iſt dein Sohn? Wo ſaͤumte dein Donner? wo ſchliefen
Deine Wetter? als nun das hohe Kreuz ſich emporhub!
Zwar ſie zitterte laut in ihrem Entſetzen die Erde,
Warf die Felſen von ſich, daß die Himmel erſchollen, und Aller
Zagende Seele vom Schrecken vor dem, das geſchah, zermalmt ward;
Aber da war er todt! Kein Fels erreichte die Wuͤrger,
Keine Kluft verſchlang ihr Gebein! Allmaͤchtiger Vater!
Gott durch des Engels Gericht, der die Erſtgebohrnen Aegyptus
Schlug, doch die blutbeſprengten Huͤtten in Ramſes vorbeyging!
Gott im Strome, der ſtand, daß Jſrael wunderbar durchzog!
Dann um Jericho Gott, daß deiner Heere Poſaunen
Daß ſie die hohe thuͤrmende Stadt in das Palmthal ſtuͤrzten!
Herr, Herr! Gott, barmherzig, und gnaͤdig, daß Moſes Gebeine
Nicht176Der Meſſias.
Nicht zu Staube wurden, als er, in die Hoͤle verborgen,
Mit Anbetung von fern, Gott! deiner Herrlichkeit nachſah.
Gott mit deinem Sohne, daß er auf dem Meere daher ging,
Hoch auf der offenen Woge, mit ihm ſein glaubender Juͤnger!
Blinden das Aug aufthat, daß die Schoͤpfung es ſah, und ihn ſah,
Ach zu dem erſtenmale! Den todten Geliebten erweckt er,
Jhn, der ſchon zu verweſen begann! Der weinenden Mutter
Gab er dich, mein Semida, wieder. Da weinte ſie Freude!
Gott mit deinem Sohne, daß er, mit himmliſcher Ruhe,
Dieſer Unterwerfung, die fuͤrchterlichſten der Leiden
Aushielt, Schmach, auf Schmach, ach Wunden, auf Wunden! auf Tod, Tod!
Gott Weltrichter, wo iſt dein Sohn? Erbarmender, wirſt du?
Oder wird er mich wecken von dieſer Traurigkeit Tode?
Dieſem Graun, den Finſterniſſen der quaͤlenden Zweifel?
Wo? wo wend ich mich hin? Er liegt, und verweſet! und, Gott, du,
Ach, du ſchweigſt mir! Jch duͤrſte, kaum bin ich noch! lechze nach Huͤlfe!
Auferſtanden waͤr er? An dieſem ſinkenden Halme
Soll ich mich halten, Verborgner! da alle deine Fluten
Ueber die Seele mir gehn? So ſtammelt er noch, verſtummte,
Faltete feſter die Haͤnd, und rang ſie. Ach, moͤcht ich ruhen
Hier in einem der Graͤber! Er wuͤrde mich nun nicht erwecken.
Und wie moͤcht ich zuruͤck in ein Leben kommen, in welchem
Er nicht iſt! Gluͤckſelige Todte, die neben mir ſchlummern,
Kanntet ihr Jeſus Chriſtus? Wenn ihr den Goͤttlichen kanntet,
Viel gluͤckſeliger noch! Wenn ihr ihn kanntet, und liebtet;
Ach ſo ſeyd ihr bey ihm! Allein ihr verſtummt mir, ach alles
Jſt mir verſtummt! Verdorrtes Gebein, das hier um mich Staub wird,
Wenn177Vierzehnter Geſang.
Wenn du dereinſt die Stimme des Herrn vernimmſt, und erwacheſt;
Geht der Tag der Herrlichkeit auf, an welchem Jehova,
Dir zu rufen, dich wuͤrdigt: Jch will dich mit Odem des Lebens
Wieder beſeelen! ach dann erwach ich mit dir! es erwachen
Seine Gebeine, die zwar der Kreuziger Wut nicht zermalmte;
Aber die doch in dem Schooſſe der Nacht und der Erde verweſten!
Dann! O welche Reihen, vielleicht von Ewigkeiten,
Eh ich erwache! doch bis zu dem Tod iſt nicht lange! Des Lebens
Zeit iſt fluͤchtig und kurz, ein Traum, ein Flug, ein Gedanke!
Doch nur wenn es voruͤbergeeilt iſt! Liegt auf der Schulter
Seine Laſt uns noch, wie langſamtraͤg iſt das Leben!
Und ein Leben, wie meins, gelebt ohn ihn! O vernimmſt du
Hier aus der Mitternacht o du, der das Ohr gemacht hat,
Eines Lebenden Jammern, der nach dem Tode duͤrſtet?
Seyd mir geſegnet, ihr uͤbrigen Freunde des Todten am Kreuze,
Seyd mir zu eurer Ruhe geſegnet! Jhr waͤhnt ihn erſtanden.
Und ihr freut euch nicht minder, obwohl ein Traum euch getaͤuſcht hat,
Ach ein ſeliger Traum, wie die Seele Jakobs erquickte,
Zw ar ſo wahr nicht; allein der euch mit Wonne, wie ihn, labt!
Nein, ich will nicht weinen! O du, der das Auge gemacht hat,
Und den Jammer erblickt, der mir in dem Jnnerſten wuͤtet!
Daß ich mich freute, wie ſie, war nicht dein goͤttlicher Wille.
Jch Verlaßner, wie wuͤrd ich mich freun! Ach, wenn ich ihn ſaͤhe;
Sterben, nicht leben wuͤrd ich! Mit erſchuͤtternder Stimme der Wonne
Wuͤrd ich entgegen ihm rufen, in Rufe verſtummen, und ſterben!
Aber ich werde ja doch bald ſterben! Durch meine Seele
Gingſt du ja auch, o Schwert, das durch die Seele der Mutter
III Band. MGing!178Der Meſſias.
Ging! Geheilt wird die Wunde der Mutter; meine blutet!
Ach ſo erſcheine mir denn, wofern du erſcheineſt. Erſcheine?
Welche Bitte! zuruͤck von dieſem blendenden Wahne,
Meine Seele! Was ſteigſt du empor, um tiefer zu ſinken?
Ja, er kann es, er kann aus den Schatten des Todes heraufgehn;
Wenn er will! Wie kann er es wollen? Zu ſterben, um Stunden
Todt zu ſeyn? nur wenige Stunden? Er waͤre vom Kreuze,
Haͤtt er leben gewollt, triumphirend herunter geſtiegen!
Wuͤrdeſt du mir nicht erſcheinen, wofern du lebteſt? wer ſchmachtet
So nach Ueberzeugung, als ich? du wuͤrdeſt! du lebſt nicht!
Wenn ich dich ſehe, ſo glaub ich! Ja, wenn ich in deine Wunden
Meine Rechte lege; doch hat ein Erſtandner Wunden?
Wenn ich mit bebendem Arm um deine Fuͤſſe mich winde,
Und ſie halte; dann will ich glauben! Jch werde nicht glauben!
Denn ich werde mich, Herr, um deine Fuͤſſe nicht winden,
Und ſie halten! denn, ach, du biſt geſtorben, und lebſt nicht!
Nur erſt einige Stunden, da war er mit uns noch am Kidron,
Dann wie ſchnell iſt die Zeit bis zum Kreuze voruͤbergegangen!
Und, wie iſt mir? da ſtarb er! wie ſchnell! Ach iſt er geſtorben?
Ja, er iſt geſtorben! er iſt begraben! und nun ſchon
Wieder in einer anderen Hoͤle des Todes begraben!
Ach, verlaß mich nicht ganz, o Chriſtus Vater, und meiner!
Jch vergehe vor Angſt! Er rufts mit gebrochnen Worten,
Schwankt, und hielt an ein Felsſtuͤck ſich, das von einem der Graͤber
Stuͤrzt, als der Vorhang riß, und der Staub der bebenden Erde
Ueber Jeruſalem zog, und ihrer Mauren Gebirge
Jn Entſetzen verhuͤllte. Der Traurende hielt an dem Felſen
Sich179Vierzehnter Geſang.
Sich mit ermuͤdetem Arme noch, da der Finſterniß Stille
Eine Stimme durchſcholl, die immer naͤher heraufkam.
Weſſen iſt dieſe Klage, die aus den Graͤbern hervorſchallt?
Hat dich ein Moͤrder verwundet? und kann ich dir helfen, o Fremdling?
Rede! wo biſt du? Jch will dir deine Wunde verbinden.
Didymus redete nicht. Wo biſt du? Jch hoͤrte die Stimme
Deiner Angſt, und bin, daß ich dir helfe, gekommen.
Fremdling, ich bin kein Moͤrder! Jch hoͤrte fern in dem Thale,
Daß du jammerteſt! Sieh, ich bin dein Retter, wofern dich
Menſchen zu retten vermoͤgen! Jch freue mich, ſagte Thomas,
Wer du auch ſeyſt, daß du, o Wandrer, ein redliches Herz haſt.
Sey geſegnet, und geh, wohin dich dein naͤchtlicher Weg ruft.
Zarte, bluͤhende Kinder, und ihre liebende Mutter
Warten deiner vielleicht. Du kannſt mir nicht helfen. Die Wunden
Ueber die du mich jammern gehoͤrt, ſind Wunden der Seele!
Wunden der Seele, mein Bruder? antwortet die naͤhere Stimme,
Strecke die Hand nach mir aus, daß ich dich finde, Geliebter!
Dich umarme! Didymus thats. Sie umarmten einander.
Biſt du ein Jſraelit, o Wanderer? einer der Maͤnner,
Die zu dem Feſt von den Jnſeln herauf nach Jeruſalem kommen?
Und wie heiſſet dein Namen? Jch bin der Soͤhne von Jakob
Einer. Jch komm aus fernen, ſehr fernen Landen. Mein Nam iſt
Joſeph; und deiner, mein Bruder? Mein Name, Joſeph, iſt Thomas.
Aber was weilen wir hier im Schauer der Nacht und der Graͤber,
Thomas? O komm, laß uns aus dieſer dunkleren Nacht gehn.
Dieſe Stille, die Dunkelheit wirft noch ſchwaͤrzere Schatten
Auf die Bilder der Angſt, die deine Seele bewoͤlken.
M 2Dieſe180Der Meſſias.
Dieſe Still, o Joſeph, und dieſe noch ſchwaͤrzeren Schatten,
Dieſe Bilder der Angſt, die meine Seele bewoͤlken,
Dieſe lieb ich, liebe noch mehr den Tod und die Graͤber!
Haͤtte die Erde mich nur in ihre Huͤtten des Friedens
Aufgenommen; ſo waͤr ich nicht mehr der Soͤhne des Elends
Letzter! laͤg ich nicht mehr, in des Jammers Tiefen, der tiefſte!
Thomas, mein Bruder, o heb aus dieſem Staube dein Haupt auf,
Schau gen Himmel, und lerne mit Furcht und Zittern klagen!
Freuen ſollen wir uns mit Furcht und Zittern, ſo ſollen
Wir auch klagen! Wer iſt es, der das Elend zuließ?
Jſt es nicht der, der uns zu dem ewigen Leben gemacht hat?
Sinn ihm nach, wenn jetzt zu des Allerheiligſten Ohre
Deiner Klagen Geſchrey mit ihrem Ungeſtuͤme
Kaͤm, und ſich unter die Choͤre der Dankenden miſcht, und die Wonne
Jhrer Freudenthraͤnen und Halleluja entweihte!
Kann denn Gott nicht erretten? und will denn Gott nicht erretten?
Lerne mit Furcht, ich ſag es noch Einmal, lerne mit Zittern
Trauren! Es iſt der ſtets Anbetungswuͤrdige, der uns
Elend ſendet. Verehre, mein Bruder, den goͤttlichen Boten!
Joſeph, du biſt ein Mann nach meinem Herzen. Jndem du
Von dem Ewigen ſprichſt, wird deine Seele zur Flamme!
Werde mit Freude von Gott, und werde mit Schmerze geſegnet,
Aber mit keinem Schmerze, wie meiner iſt! Ach du erlaͤgeſt
Dann, wie ich erliege! So rede denn, nenne die Laſten,
Welche dich niederſtuͤrzen! Ja, welche mich niederſtuͤrzen!
Kannteſt du ihn? Doch was ſag ich zuerſt? was zuletzt? O du kannteſt
Jeſus, den Goͤttlichen, nicht! Wie lange verweilſt du in Juda?
Wenige181Vierzehnter Geſang.
Wenige Tage nur erſt. Doch ſind ſtets Boten aus Juda
Nach den Huͤtten der Freude gekommen, in welchen ich wohne.
Und die haben mit uns von Jeſus, dem Sohne Jehova,
Viel geredet. Zuletzt ſind wir herunter gekommen,
Jeſus ſterben zu ſehn, und auferſtehen vom Tode!
Auferſtehen vom Tode? Wer biſt du, Joſeph? Auch hatt ich,
Didymus, einen vertrauteren Freund in Juda, von dem ich
Lange getrennt war, er trennte ſich ſchon im Lande des Nilus.
Den gab mir der Goͤttliche wieder, indem er, in Schrecken
Und Erdbeben nicht mehr, noch Finſterniſſen daherging;
Juͤnger, indem er vom Kidron in ſanftem Saͤuſeln heraufkam,
Gab er mir meinen vertrauteren Freund, den lange verlornen,
Und nun ewigen Freund. Doch ich muß dich jetzo verlaſſen;
Aber ich komme zuruͤck, mein Bruder, und ſehe dich wieder.
Joſeph, bleib! Wo biſt du, o Joſeph? wo biſt du? Ach, haben
Dieſen Namen auch Engel? den ſuͤſſen Namen des Lieblings
Seines Vaters, und Gottes? Nur Einen Laut noch, o Joſeph,
Deiner himmliſchen Stimme nur Einen! Allein du ſchweigſt mir!
Darf ich, wie du mich nannteſt, dich nennen? mein Bruder! du ſchweigſt mir!
Wo, wo geheſt du hin? wo biſt du? Ach, ohne Mitleid,
Faͤhreſt du fort, mich nicht zu hoͤren! Er iſt kein Engel!
Koͤnnte ſo hart ein Engel ſeyn? das koͤnnen nur Menſchen!
Aber er wohnt in Huͤtten der Freude! Die Boten aus Juda,
Die von dem Goͤttlichen ſprachen! Wer ſind die Boten aus Juda?
Sandte ſie Gott? Gewiß, der Herr kann Engel aus Juda
Zu den Himmliſchen ſenden. Er kam herunter. Vom Himmel?
Jeſus ſterben zu ſehn! So wußten die Boten aus Juda
M 3Was182Der Meſſias.
Was geſchahe vorher? Und auferſtehen vom Tode!
Aber dieſes geſchahe ja nicht! Wer kann ihn begreifen?
Juͤnger nennet er mich? und dann iſt Jeſus vom Kidron
Jm Erdbeben nicht mehr, iſt in ſanftem Saͤuſeln, gekommen,
Einen vertrauteren Freund auf immer ihm wieder zu geben?
Aber wenn? eh er ſtarb? Warum denn in ſanftem Saͤuſeln?
Auch da faͤuſelt es ſanft, und die Woge ſchwieg, da von neuem
Unſer Leben Er uns gab, und jeden dem andern,
Doch Erdbeben iſt nur nach ſeinem Tode geweſen.
Alſo haͤtt er ihm erſt den lange verlornen, und jetzo
Ewigen Freund, nach ſeinem Tode, wieder gegeben?
Und ſo thaͤt er, auch todt, der Gnade Wunder, und huͤlfe?
Aber warum denn todt? Sah ihn nicht Joſeph erſtanden?
Nein, ich begreif ihn nicht! Waͤr Jeſus erſtanden; wie wuͤßt es
Selbſt ein Engel vorher? Auch Gottes geheimſtes Geheimniß
Wuͤßten die Engel? Es haͤtte vor ihnen der Unerforſchte
Nichts verborgnes? Je weiter ich forſche, je tiefer verſink ich!
Aber wacht ich auch wirklich? Ermattet ich nicht an dem Felſen,
Da ich mich hielt, und beynahe nicht mehr mir meiner bewußt war?
Ja, ich bin niedergeſunken, und eingeſchlummert, und habe
Dieſen Fremdling im Traume geſehn! Er war ja voll Mitleid;
Warum waͤr er auf Einmal geflohn? So entfliehen nur Traͤume,
Aber kein redlicher Freund, Menſch, oder Engel! Nun ſeh ichs,
Nun erfahr ich es ſelbſt, was tiefe Traurigkeit wirket,
Und wie die Andern ſich taͤuſchen, wenn ſie Erſcheinungen ſehen.
Gluͤckliche! die ihr euch taͤuſcht, und eure troͤſtenden Schatten
Wandelt in wahre Geſtalt! Doch ich gehe den Weg, den mich Gott fuͤhrt!
Sind183Vierzehnter Geſang.
Sind nur meine Betaͤubung, und ihre Qualen voruͤber;
O ſo geh ich den Weg mit Ruhe, den Gott mich leitet.
Finſterniß ſey er, und Dunkel und Nacht! Er fuͤhret! ich gehe!
Alſo entſchloß ſich Thomas, und horchte nach dem Geraͤuſche
Kidrons, hinunter zu gehn, und zu ruhn in Gethſemane’s Huͤtten.
Hinter ihm hatte, da er der Juͤnger Verſammlung verlaſſen,
Einer die Thuͤre geſchloſſen. Als dieſer wieder zuruͤckkam,
Sagt er zu der Verſammlung: Jch habe die Thuͤre geſchloſſen,
Daß wir entrinnen, wofern die Prieſter ſenden. Denn glaubt nicht,
Daß ihr wuͤtender Durſt mit Jeſus Blute geſtillt ſey.
Da ſprach Kephas: Jch will nicht, daß ihr die Thuͤre verſchlieſſet.
Moͤgen ſie ihre Schaaren doch ſenden. Der Herr iſt erſtanden!
Aber ſie haben ja ſelbſt den nun Erſtandnen getoͤdtet!
Nun ſo will ich ſterben, wofern es ſein goͤttlicher Will iſt!
Schließt die Thuͤre nicht! Kleinmut, wie die, entehrt den Erſtandnen!
Muͤſſen wir ſterben, o Simon, ſo helfen geſchloſſene Thuͤren
Uns ja nicht. Allein daß zu kuͤhn in Gefahr wir uns wagen,
Jſt der Wille des Herrn nicht; und Rettung uͤber die Mauer
Jſt in unſrer Gewalt, wenn die Thuͤre die Wuͤtenden aufhaͤlt!
Jſt in unſrer Gewalt, wenn der Herr die Wuͤtenden aufhaͤlt!
Sagte Petrus feuriger, ließ die Thuͤre ſie ſchlieſſen.
Aber nicht lange, ſo ſcholl das Haus von eiligem Klopfen.
Und ſie erſchracken. Da ſcholls von neuem. Jakobus erhub ſich,
Eilt hinunter, und fragte. Matthias, und Kleophas warens.
Und er ließ ſie herein die gluͤcklichen Beyden. Sie ſanken
Faſt vor Muͤdigkeit, athmeten, ſtanden, gingen langſam,
Trockneten ſich die Stirne. Wen floht ihr? ſagte Jakobus.
M 4Und184Der Meſſias.
Und ſie laͤchelten ſanft, ermannten ſich, eilten, und ſtiegen
Mit Jakobus hinauf, und traten in die Verſammlung.
Und des Lebenden Mutter, und Magdalena Maria
Kamen, mit ihnen der Glaubenden mehr, den Beyden entgegen,
Traten um ſie, und riefen mit freudeſtrahlendem Auge,
Riefen: Der Herr iſt wahrhaftig erſtanden, und Simon erſchienen
Kleophas hub die Haͤnde mit Staunen gen Himmel, und ſagte:
Heil uns! Er iſt erſtanden! er iſt erſtanden! Auch wir ſind
Seine Zeugen! Auch uns iſt Jeſus Chriſtus erſchienen!
Petrus nahte ſich ſchnell: O Chriſtus Bruͤder, und meine!
Simon, er hat uns alſo genennt! er nennet uns Bruͤder!
Petrus redete weiter: Auch dieſe, die euch umgeben,
Haben ihn lebend geſehn, nur nicht Maria. Er wird dir,
Hoff es freudig zu ihm, du ſeine Mutter, erſcheinen!
Magdale ſah ihn zuerſt, und allein, dann ſahn ihn die Neune,
Wie ihr zweifelnd vernahmt, als ihr die Verſammlung verlieſſet,
Dann erſchien er auch mir. Ach namenlos iſt die Entzuͤckung,
Die das Herz uns erſchuͤtterte, da wir nun ſahn, daß er lebte!
Aber, o ſehet um uns die Traurenden. Unſere Bruͤder
Trauren, indem wir uns freun. Schon fingen ſie an uns zu glauben;
Aber ach Thomas, wie elend iſt er, wie in Jammer verſunken!
Thomas hat ſie verwirrt! Der beweinenswuͤrdige Juͤnger
Jſt noch ohne Jeſus! er hat ſie verwirrt! O ſie freuten
Schon mit unſern Freuden ſich. Herr, erbarme dich ihrer!
Und vor allen des gruͤbelnden, tiefverwundeten Thomas!
Aber Johannes erhub ſich, und trat zu ihnen, und ſagte;
Mich verwirrte Didymus nicht. Jch traure nur, Simon,
Daß185Vierzehnter Geſang.
Daß der Lebende mir nicht erſcheint! Er iſt ja, du Theurer,
Seiner und deiner Mutter ſo gar noch nicht erſchienen!
Sagts denn, erzaͤhlts den Betruͤbten, o Chriſtus Bruͤder, und meine,
Daß ihr lebend, lebend ihn ſaht! Geliebte, wir gingen
Traurend und angſtvoll, ach ihr ſeyds noch! nach Emaus; wollten
Durch des offnen Gefilds Anblick uns erfriſchen, den Kummer
Unſrer Seele lindern; da kam ein Fremdling gegangen,
Den wir lieben mußten, ſo bald wir ihn ſahen, und hoͤrten!
Der o was ſag ich zuerſt? was zuletzt? der uns der Propheten
Tiefen eroͤffnete! der des Meſſias furchtbare Leiden,
Seine Leiden, er wars, ach er war es ſelber! uns zeigte,
Wie ſie der Vater vorhergeſehn, und verkuͤndiget hatte,
Seines Todes ganzes Geheimniß! Noch kannten wir ihn nicht;
Fremd war ſeine Geſtalt, und verhuͤllt ihn uns. Jetzo erreichten
Wir die Huͤtt in Emaus. Alles, was er uns ſagte,
Weis ich, und kanns nicht erzaͤhlen. Wie kann ich ſprechen, wie er ſprach?
Seine Rede war Sturm! war Flamme! Wir flehten. Er ließ ſich
Endlich erweichen, und blieb. Jch hatt aus der Quelle geſchoͤpfet,
Hatte Speiſe gebracht. Nun ach, noch ſeh ich das Brodt ihn
Halten, noch hoͤr ich ihn beten. Da, als er betete, war es
Jeſus Stimme, die betete, warens die feyerlichen Worte
Seines Segens ſo gar! da wars des Goͤttlichen Antlitz!
Jn der Wonne ſanken wir nieder, mit anzubeten.
Und er brach, und reicht uns das Brodt, und blickte noch Einmal
Liebend uns an, und verließ uns. Wir folgten ihm, ſuchten ihn, konnten
Jhn nicht finden. Wir ſaͤumten nicht lang, und gingen, und eilten,
Euch die Bothſchaft der Wonne zu bringen. Lebbaͤus von Thomas
M 5Mehr,186Der Meſſias.
Mehr, wie die Andern, erſchuͤttert, und noch in Zweifel verloren,
Saß mit hangendem Haupt, und blickte ſtarr auf den Boden.
Er, deß Seele ſo viel, ſo ſtark zu empfinden vermochte,
Hatte die frohe Geſchichte mit gruͤbelnder Kaͤlte vernommen.
Jetzt verſtummt er nicht mehr, er ſprach: Jch glaub euch, Geliebte,
Ja, ich glaube, daß ihr, mit einem Manne voll Weisheit,
Oder wohl gar mit einem der Engel nach Emaus ginget.
Sahn die Weiber, und ſaht ihr Engel; ſo ſandte der Herr ſie,
Unſre Traurigkeit uͤber den Tod des Meſſias zu lindern,
Unſre Traurigkeit, daß uns ſogar ſein Leichnam geraubt iſt!
Gott, der unſerer Qual ſich erbarmt hat, ſendet uns Engel,
Daß uns ihr himmliſcher Anblick troͤſte, maͤchtig erinnre,
Jeſus Seele ſey nun im Schooße der ewigen Ruhe!
Alſo leugn ich euch nicht, der mit euch redte, den habe
Gott geſendet, euch aufzurichten; er ſey nun ein Engel,
Oder ein Weiſer geweſen. Jch leugn es euch nicht, er ſehe
Tiefer, als wir, in die Offenbarung, und die Propheten
Haben uns verkuͤndigt: es ſey der Wille der Vaters
Und des Richters der Welt, daß, ach den Groͤßten der Menſchen,
Siehe, den Unſchuldsvollſten der Tod auf Golgatha toͤdte!
Seht, ihr Theuren, das glaub ich mit euch. Doch daß er es endlich
Selbſt ward, da ers vorher doch nicht war, das kann ich nicht glauben!
Sagt, wie konnt es geſchehn, daß ihr ihn zuerſt nicht erkanntet?
Eine fremde Geſtalt zu ſehen glaubtet? Die Freude
Hat euch verfuͤhrt. Jhr ſaht, indem der Fremdling das Brodt hielt,
Etwas Aehnliches mit der Erhabenheit Jeſus, womit er
Sonſt, eh wir aſſen, das Brodt gen Himmel dankend emporhielt,
Dieß187Vierzehnter Geſang.
Dieß nur ſaht ihr, und glaubtet zu ſchnell, ihn ſelber zu ſehen.
Und nun wurd es euch leicht, auch Jeſus Stimme zu hoͤren,
Als der Fremdling betete. Truͤbe, verfinſternde Zweifel
Ließ in den Seelen, die ſchon verwundet waren, Lebbaͤus
Traurige Rede zuruͤck. Und Kleophas ſah ihn mit Wehmuth,
Und mit Zaͤrtlichkeit an. Matthias umarmt ihn, und ſagte:
Juͤnger des Auferſtandnen, als wir noch ihn nicht erkannten,
Und ihn fragten, ob Jeſus lebe? und, ob wir des Heils uns
Freuen duͤrften, ihn wiederzuſehn? da ſprach der Erſtandne:
Joſephs Bruͤder erkannten ihn nicht. Doch der Wonn u. des Weinens
Selige Stunde kam, und Joſeph vermochte nicht laͤnger
Sich zu halten, und weinete laut! Mit himmliſcher Ruhe
Sprachs Matthias. O Jeſus, wofern du lebteſt, du koͤnnteſt
Gegen mich dich nicht halten! Lebbaͤus riefs, und verhuͤllte
Schnell ſein bleicheres Antlitz. Jhn ſahe Petrus, und wurde
Doch nicht traurig. Er konnte nicht trauren! Er fragte die Beyden:
Als ihr den hangenden Felſen verließt, wir ſahn euch vom Soͤller,
Und zu den Palmen hinuͤbereiltet, kam der Erſtandne
Da zu euch? Sie ſprachen: Er kam, der Goͤttliche kam ſchon
Bey dem Felſen zu uns! Und Petrus rief in der Wonne:
Meine Bruͤder, ihr habt den Erſtandnen Alle geſehen!
Hoͤrt ihr die Zeugen? Jhr habt ſchon Jeſus Chriſtus geſehen!
Thomas auch. Ach, waͤr er bey uns! Des Lebenden Mutter
Rief mit gefalteten Haͤnden, und ſuͤßer Verwundrung: Jch habe
Meinen Sohn lebendig geſehn! lebendig, nicht todt mehr!
Wie ein einſamer Uebriger, der durch den Tod den letzten
Seiner Freunde verlor, von aͤngſtlichen Traͤumen, in denen
Er188Der Meſſias.
Er ihn lebend erblickt, und nicht zu erreichen vermochte,
Halberwachend, das dunklere Bild des Freundes noch ſuchet,
Klagt, nicht weis, ob er ſchlafe, nicht, ob er wache, das Herz ſchlaͤgt
Hoch ihm empor, und Flammen durchſtroͤmen ihm die Gebeine,
Alſo waren noch Viele der thraͤnenvollen Verſammlung.
Aber der Seraphim, die zu ihnen eilten, der Vaͤter,
Die mit den jauchzenden Engeln zu ihnen eileten, wurden
Jmmer mehr! Und Simon Johanna blickt die Verſammlung
Liebend an. Da ſieht er es ſchimmern! Er hielt vor Entzuͤckung
Eine beginnende Thraͤne zuruͤck, und betete ſchweigend:
O du Verborgner, und doch ſtets Gnaͤdiger, ewig, und ewig
Gnaͤdiger! nun, o mein Erbarmer, erbarmſt du dich ihrer!
Kephas dankt, und betete noch, da trat der Gottmenſch
Jn die Verſammlung. Wie Felſen, Ein Erſtaunen, ſtanden,
Starrten ſie All um ihn. Der Auferſtandene ſagte:
Friede ſey mit euch! Sie ſahn ihn, und ſahn ihn nicht, ſtanden,
Blickten ihn an. Von Stroͤmen zu vieler Gedanken ergriffen,
Wie in Meeren des Lichts, in denen Unſterbliche ſaͤnken,
Sanken ſie, konnten ſich nicht herausarbeiten, und waͤhnten,
Einen Engel zu ſehn! Mit der Liebe Stimme, mit ſeiner,
Sprach der Erſtandne: Vor mir ſeyd ihr erſchrocken, ihr Lieben?
Warum kommen dieſe Gedanken in eure Herzen?
Sehet meine Haͤnde, und meine Fuͤſſe, Geliebte!
Denn kein Engel hat Fleiſch und Gebein, wie ihr ſeht, daß ich habe.
Und ſie bebten herzu. Maria ſank vor ihm nieder,
Hielt die Fuͤſſe des Auferſtandnen, und ſahe die Wunden,
Faßt ihn bey der Rechten, und ſah die Wunde der Rechten,
Dann189Vierzehnter Geſang.
Dann der Linken. Und nun vermochte ſie auch in des Sohnes
Antlitz hinaufzuſchaun. Wie das Angeſicht eines Engels
Wurd ihr Angeſicht, als ſie hinaufſah. Meine Mutter,
Hier auch wurd ich durchſtochen. Er zeigt ihr das Maal der Wunde,
Aus der Waſſer herab und Blut floß, als ihn des Todes
Nacht ſchon umgab. Jhr ward, wie das Angeſicht eines Engels
Wieder ihr Angeſicht. Schon umknieten die Meiſten ihn, ſahen
Seine Wunden, und reichten ihm die Haͤnde. Die nahmſt du,
Sohn des Vaters, und hielteſt, und ließeſt ſie ſinken, der Andern
Ausgeſtreckte, zitternde Haͤnde zu nehmen, Erbarmer!
Und, ein Jubelgeſang dem Auferſtandnen, erhub ſich,
Mit gebrochenen Worten, die Stimme des ſanften Weinens.
Ueber die Wange des Goͤttlichen rann jetzt eine Thraͤne.
Lange hielt Johannes die Rechte des Liebenden, lange
Sah er mit glaͤnzendem Aug hinauf in ſein Antlitz, und wollt ihn
Fragen, und fragt ihn nicht! ihm ſagen, wie innig, wie herzlich
Er ihm dankte, wie tief er ihn anbetet, und thats nicht!
Jetzo begann er, und ſchnell verſtummt er noch mehr. Deñ der Gottmenſch
Redet ihn an. Du ſtandeſt am Kreuz, und bliebſt bis zum Tode!
Aber wo iſt Lebbaͤus? Lebbaͤus lag auf der Erde,
Hielt, und kuͤßte den Saum an des Mittlers Gewande. Da ſtand er
Eilend auf, da die Stimme des Herrn bey dem Namen ihn nannte,
Nahte ſich, bleich, wie ein Todter, vor Freude. Der Goͤttliche ſagte:
Hier iſt meine Rechte, Lebbaͤus. Und reicht ihm die Rechte.
Und Lebbaͤus ſtreckte verſtummend die Hand nach dem Herrn aus!
Aber ſie ſank ihm nieder. Da beugte Jeſus ſich vorwaͤrts
Nach dem Juͤngling, ergriff die Hand des Sinkenden, hielt ſie
Lange190Der Meſſias.
Lange mit Liebe. Die Seele des Freudigerſchrocknen, ſein Mund nicht,
Stammelte: Gnade du biſt ganz Gnade! Der Kananite
Simon, Jakobus der Alpheid umarmten einander,
Freuten des Herrn ſich, blickten umher, ſahn ſich, und den Herrn an,
Auch die Andern begannen vom Herrn auf einander zu blicken,
Und ſich zu freuen, daß er ſie Alle begnadiget hatte!
Und, ein Jubelgeſang dem Erſtandnen, erhub ſich von neuem,
Mit gebrochenen Worten die Stimme des ſanften Weinens.
Um ſie knieten die fruͤheren Zeugen, Petrus, Matthias,
Kleophas, und die begnadigten Weiber, die Heldenſeelen,
Sie, die bis zu dem Kreuz hinauf dem Leidenden folgten!
Unter ihnen ſtehet der Ueberwinder des Todes,
Hebt die Augen mit aller ſeiner Hoheit, und breitet
Seine Haͤnde gen Himmel. Noch ſtrahlete zwar die Verklaͤrung
Nicht von ihm; doch war, in ſeinem Antlitz voll Gnade,
Mehr als jemals Goͤttlichkeit. Und ſie vermochten nicht laͤnger
Jhm in das Antlitz zu ſchaun. Jakobus neigte ſich tiefer
Gegen die Erd, und wagt es, und rief mit flehender Stimme:
Herr, Herr Gott, noch erhebe dich nicht zu deinem Vater!
Ach, erhoͤre. Der Goͤttliche ſprach: Jch bleibe bey euch noch,
Kindlein, Er ſprachs, und jetzt ergriffen zu maͤchtige Freuden
Jhre Seelen. Sie wußten es kaum, was ſie dachten, und ſagten.
Ach iſts moͤglich, daß Jeſus es ſelbſt iſt? ihr Engel! iſts moͤglich?
Rief der eine, der andere rief: O ſind wir im Himmel?
Oder auf Erden? Jſt Jeſus es ſelbſt? Ach biſt du es ſelber,
Der auf Golgatha blutete? Biſt du es ſelber, Erbarmer?
Sehn wir? oder verlieren wir uns in ſuͤſſen Geſichten?
Jeſus191Vierzehnter Geſang.
Jeſus wendete ſich, ging hin zu dem Tiſch, und legte
Auf die verbreiteten Teppiche ſich, und ſagte zu ihnen:
Habt ihr etwas Speiſe fuͤr mich? Sie erhuben ſich eilend,
Traten herzu, und waren beſchaͤfftigt, ihm Speiſe zu bringen.
Aber Johannes drang ſich hervor vor den Andern, und brachte
Honigſeims, und geroͤſteten Fiſches, und ſetzte die Speiſe
Vor den Herrn. Mit ſchweigender Ehrfurcht trat er zuruͤcke.
Voll von ſanfter Vertraulichkeit ſagte der Auferſtandne:
Nahe dich mir, Geliebter, wie ſonſt! Jhr meine Geliebte,
Nahet euch auch, und ruhet um mich auf den Teppichen. Komm denn,
Meine Mutter, und ruh bey deinem Sohne. Da kam ſie,
Und da kamen die Andern. Er . Und uͤber dem Anblick
Seiner vertraulichen Liebe, daß ſie, an Einem Tiſche
Mit dem Goͤttlichen ruhten, und er vor ihnen, wie ſonſt, ,
Legte ſich ihrer Entzuͤckungen Ungeſtuͤm. Stillere Freuden
Kamen in ihre beſaͤnftigten Herzen, und voͤlliger Glaube!
Da er ihre Herzen geſtillt ſah, ſprach der Erbarmer:
Seht, den Zeugen glaubtet ihr nicht, die euch ſagten, Jch lebte!
Mich, mich haͤtt ihr Auge vom Tod erſtanden geſehen!
Jhnen, denen ihr ſonſt in allen trautet, und deren
Redlichkeit ihr ja kanntet, o warum glaubtet ihr hier nur
Jhnen nicht? Unbiegſam, Geliebte, war eure Seele.
Weint nicht, Kindlein! Jch habe ja euer doch mich erbarmet.
Aber lernt, wie das Herz des Sterblichen ohne mich ſey!
Hatt ich es euch nicht geſagt, oft wiederhohlet: Gekreuzigt
Wuͤrd ich werden! vom Tode, der Tage dritten, erwachen!
Hat dieß Moſes nicht auch geſagt? die Propheten, die Pſalmen
Nicht192Der Meſſias.
Nicht verkuͤndet? und hub ich euch nicht die Huͤlle der Schrift auf?
Was ich ſagte, das ſagten auch dieſe Zeugen. Getoͤdtet
Muͤßt ich werden! vom Tod erſtehn! Jn Jeruſalem ſollen
Meine Zeugen beginnen, von hier zu der Erde Voͤlkern
Gehn, und ihnen die beyden erhabenſten Seligkeiten:
Wiederkehr zu dem, der ſie ſchuff, und den ſie verlieſſen;
Und Vergebung der Suͤnde, des ewigen Lebens Anfang,
Predigen. Bruͤder des Mittlers, ihr ſeyd die Zeugen. Jhr ſollt mich
Auf der Erde verkuͤndigen. Siehe des Vaters Verheiſſung
Will ich euch ſenden. Jhr ſollt, bin ich zu dem Vater gegangen,
Jn Jeruſalem bleiben, bis ihr mit Kraft aus der Hoͤhe
Angethan, hinwandelt, und lehrt: Wer glaubt, und getauft wird,
Der wird ſelig! verdammt, wer nicht glaubt! Der Glaubenden Viele
Sollen Wunder begleiten. Jn meinem Namen vertreiben
Sie den Satan aus den Beſeſſnen; und reden in Sprachen,
Die ſie nicht lernten. Auch Schlangen vertreiben ſie. Ohne zu ſterben,
Trinken ſie toͤdtlichen Trank! Sie legen die Haͤnd auf die Kranken,
Und die Kranken geneſen. Der Mittler erhub ſich mit Wonne,
Ging dann vorwaͤrts in die Verſammlung. Sie drangen um ihn ſich
Freudig herum, ganz nah ihn zu ſehn. Der Liebende ſagte:
Naht euch, meine Juͤnger! Die Andern traten zuruͤcke,
Nicht nur neidlos; ſie freueten ſich, wie vollendete Fromme
Sich im Himmel des Heils der Mehrbegnadeten freuen,
Ueber die Gnade, die Jeſus gab den Erſterkohrnen.
Und der Goͤttliche ſtand, um ihn die hohen Apoſtel.
Auch ſie ſollten bluten! Er ſah im Geiſte ſie bluten.
Und, erſchuͤttert von inniger Liebe, ſprach er zu ihnen:
Friede193Vierzehnter Geſang.
Friede ſey mit euch! So ſprach des Goͤttlichen Stimme.
Und wie einer, deß Seele der Freuden zu viel belaſten,
Athmet er tiefer herauf, und blies ſie an, und ſagte:
Jetzt ſchon empfaht den heiligen Geiſt! Jn reicherer Fuͤlle
Werdet ihr bald ihn empfahn. Wem ihr die Suͤnden erlaſſet,
Sind ſie erlaſſen. Wem ihr ſie behaltet, ſind ſie behalten!
Und ſie vernahmen den großen Befehl mit Erſtaunen, und Demut.
Jetzo daucht es ihnen, als wollte ſie Jeſus verlaſſen.
Und ſie ſtanden um ihn, und wagten es nicht zu bitten,
Daß er bliebe; doch zitterten ſie, doch fleht ihm ihr Auge.
Petrus gefaßt von Gedanken, die ſeine Seele wie Flammen
Ueberſtroͤmeten, warf zu den Fuͤſſen Jeſus ſich nieder,
Hielt ſie, kuͤßte ſie, rief: Jch kann auf der Erden nicht danken!
Herr! im Himmel will ich dir danken! Jch weis es, Erbarmer;
Denn ſo ſprach dein Geſendeter: Sagts den Juͤngern, und Petrus!
Denn du erſchienſt mir! und du erſcheinſt mir! ich weis es, Erbarmer,
Goͤttlicher Suͤndeverſoͤhner, du haſt mir meine Verleugnung,
Mein Erretter, und aller Gefallnen Erretter, vergeben;
Aber laß ſie, du Liebe, mich dir noch Einmal bekennen,
Herr, bekennen vor deinem Antlitz, beweinen! der Gnade
Stimme mich hoͤren! Vergebung aus deinem goͤttlichen Munde,
Deine Himmelsſtimme, daß du in das Leben mich aufnimmſt,
Hoͤren, eh ich von dir, zu denen, die du verſoͤhnt haſt,
Geh, und in deinem Namen den Suͤndern Suͤnde vergebe!
Und er ſahe mit vollem Vertraun, und inniger Demut
Jn des Liebenden Antlitz. Da ſprach der Geopferte Gottes:
III Band. NSiehe,194Der Meſſias. Vierzehnter Geſang.
Siehe, das weiſt du, ich habe fuͤr deine Seele gebeten,
Daß ihr Glaube nicht ganz ſie verlieſſe. Mich hoͤrte mein Vater.
Simon, ſteh auf! Es iſt dir deine Suͤnde vergeben!
Alſo ſprach der Geopferte Gottes mit einer Stimme,
Die ihr Mark und Gebein durchdrang, und die innerſte Seele,
Und ſie ſahn ihn nicht mehr. Da rief der begnadete Petrus:
Herr! wir folgen dir nach in Galilaͤa! Des Grabes
Engel erſchien. Noch ſeht ihr den Herrn in Jeruſalem wieder,
Hoͤret von ihm, wenn ihr in Galilaͤa ihn ſehn ſollt.
Und der Engel verſchwand mit langſam verloͤſchendem Schimmer.
Der[195]

Der Meſſias. Funfzehnter Geſang.

[196]

Jnhalt des funfzehnten Geſangs.

Einige der Auferſtandnen erſcheinen. Erſcheinungen ſehen: Neph - thoa, einer der Knaben, die Jeſus unter das Volk ſtellte; Di - lean; Tabitha, die Petrus auferweckte; Cidli; Stephanus; Bar - nabas Joſes, der Levit aus Cypern; Portia; Beor, der Blindge - bohrne, den Jeſus ſehend machte; Abraham, und Moſes wollen Saulo erſcheinen, Gabriel verbietet es ihnen; Samma, Joel, El - kanan, Simeons Bruder, und Boa zugleich; Maria, die Mutter Jeſu; Cidli, Jairus Tochter, und Semida, der Juͤngling von Nain.

[197]

Der Meſſias. Funfzehnter Geſang.

Komm, die meine Seele mir oft, mit ſanfterer Wehmut,
Und mit ihrer großen Erwartungen Schauer erfuͤllte,
Komm, Betrachtung der kuͤnftigen Welt. Die kuͤnftige Welt war
Auf der Erde, da das, wovon ich ſinge, geſchahe.
Denn die Todten erſchienen den erſten Chriſten, zum Himmel
Sie zu berufen, zu weihn die Bruͤder zum ewigen Leben.
Klein war nur die ſelige Schaar; doch aus dieſer Wurzel
Wuchs, ein Schatten verbreitet in allen Himmeln, ein Baum auf,
Voll von dichten Zweigen: Die Hundert und vierzig Tauſend,
Alle Verſoͤhnte! Das Heer ohne Zahl am kryſtallenen Meere,
Alle Verſoͤhnte! Die Schaar der Hundert und vierzig Tauſend
Sangen, als ſie der Himmliſche ſah, der bis ans Gericht blieb
Ueber das Schauthal, ſangen das neue Lied vor dem Throne,
Welches keiner zu lernen vermag. Sie waren erkaufte
N 3Von198Der Meſſias.
Von der Erde, von keiner Liebe des Eiteln beflecket,
Folger des Lamms, wohin es auch ging, die Erſtlinge Gottes,
Und des Lamms, unſtraͤflich vor Gott, in Worten, und Thaten!
Siehe das Heer ohne Zahl, da der Zeuge des Herrn es erblickte,
Rief, wie es war, aus allen Geſchlechten, und Sprachen, und Voͤlkern,
An dem Throne verſammelt, in weißem Gewand, in den Haͤnden
Palmen, es rief mit der Stimme des lauten Jubels: Dem Herrſcher
Auf dem Throne ſey Heil! Heil unſerm Gott, und dem Lamme!
Und da fielen aufs Antlitz die Engel, und Aelteſten nieder,
Und da rauſchte das Meer, da wehten die Palmen der Sieger.
Denn gen Himmel hinauf, aus großer Truͤbſal gen Himmel,
Sind ſie gekommen, ſie haben gewaſchen ihre Gewande,
Hell ſie gemacht im Blute des Lamms, die ſeligen Dulder!
Aber itzt war die kleinere Schaar, die Wurzel des Baumes,
Noch nicht einmal berufen. Sie ſchliefen noch unter den Huͤllen
Jhres Geſetzes. Es ſollten zum erſtenmal ſie Erſtandne
Wecken, dann Kephas in ſeiner Rede der Salbung von Chriſtus!
Und zu deren Gemeine, die ſelig wurden, hinzuthun
Sie dreytauſend auf Einmal. Noch ſchlummerten ſelbſt, die von ihnen
Sollten Erſtlinge werden, verſtanden noch nichts von dem neuen
Ewigen Liede der Wonne; Noch ſchliefen die anderen Sieger,
Ohne Palmen, und hellgemachte Kleider im Blute.
Ach! noch ſchlafen wir Letzten der Erde! Werden wir Armen
Auch erwachen vom Schlafe, damit uns Chriſtus erleuchte?
Siehe! das Werk des Erſtandnen begann. Die verklaͤrten Gerechten
Schwebten Tabor hinab, zu erſcheinen den kuͤnftigen Chriſten.
Aber eh noch der Erſcheinungen Schaar nach Salem hinabſtieg,
Sam -199Funfzehnter Geſang.
Sammelt um ſich ſie herum der Auferſtandnen, der Todten,
Und der Sterblichen Vater, und ſprach: Nun ſind ſie gekommen,
Freut euch, Kinder, nun ſind des Heiles Stunden gekommen,
Da wir gewuͤrdiget werden, die erſten Winke zu winken,
Nach dem ſchmalen Wege! den erſten Durſt zu entzuͤnden,
Nach der Quelle des Lebens! Der Stifter der himmliſchen Kindſchaft
Hat es eurem Gefuͤhl, und Erforſchungen uͤberlaſſen
Auszuwaͤhlen, wie es euch duͤnkt. Jhr waͤhlet, die Kinder
Werden, und Erben! ihr waͤhlt der Vorbereitungen Weiſe.
Doch nicht allein, die ihr der hohen Erſcheinungen wuͤrdigt,
Sind zu dem Heile berufen. Und wenn ihr beriefet, die Gott nicht
Auch berufet; ſo wuͤrden der Thronen Engel euch warnen.
Eilt denn, genießt den Wonnegedanken, euch Bruͤder zu waͤhlen
Zu dem Erbe des Lichts! Jch ſeh, die werdet ihr waͤhlen,
Welch in ihrer Finſterniß ſchon, die Gnaden empfingen,
Daß ſie, wiewohl mit Straucheln, den Wandel im Himmel begangen;
Und ihr werdet ſie kennen, die dieſe Gnaden empfingen.
Tiefſinn war in der Seele des Knabens geblieben, den Jeſus
Unter die Hoͤrer geſtellt, und geſegnet hatte. Nephthoa
Nach der Quelle genannt an Ephrons Graͤnzengebirge,
Liebte minder ſeitdem die Geſpielen, und Einſamkeit war ihm
Suͤßer, als alle Freuden der frohen Jahre geworden.
Bluͤte trug er, und Frucht, in beginnendem Lenze des Lebens
Reif wie Juͤnglinge, voll Verſtandes, und goͤttlicher Gnade.
Sieben Jahr entflohen ihm erſt, und er hatte das letzte
Betend verlaͤngert, ein Jahr voll reicher Saaten, unkennbar
Denen, die kleine Dinge, verwebt in das Eitle, nur dachten;
N 4Aber200Der Meſſias.
Aber mit Segen von Gott zu der Ewigkeit Erndte geſegnet.
Auch in dem achten ſaͤte Nephthoa der Erndte. Das hatt er
Mit dem ſtrahlenden Tage der Auferſtehung begonnen.
Und er betete jetzt in der Abenddaͤmmrung, geſunken
Auf ſein Knie in den Staub, in einem Winkel des Hauſes,
Wo er wußte, daß keiner ihn faͤnde. So flehte der Knabe:
Herr, du hoͤrſt mich gewiß, ob ich es gleich nicht erfahre,
Daß du mich hoͤrſt. Stets komm ich von neuem, und flehe von neuem,
Daß du mich hoͤren moͤgeſt, o aller Kinder im Himmel
Vater, und aller auf Erden! Vor deinem leuchtenden Throne
Knien wir Alle: wir Armen auf Erden, denen ihr Erbe
Thraͤnen ſind, wir knien in Staube; die ausgeweinet
Haben, auf ſchimmernden Wolken; und jene, die niemals weinten,
Jn den Strahlen der Sterne, die ungefallnen Engel.
Alle flehen von dir mehr Seligkeit; aber mit Ruhe
Flehen ſie jene dort oben. Denn ſie labt Fuͤlle der Freuden.
Wir, wir flehen weinend dich an, um Erloͤſung vom Boͤſen,
Ach Erloͤſung vom Elend, und Segen zum ewigen Leben.
Unvollendet kann der nicht bleiben, den uͤber mich ausſprach
Dein erhabner Prophet in jener ſeligſten Stunde
Meines Lebens, als er in die große Verſammlung mich ſtellte.
Wuͤrd er vollendet, wenn er vergaͤngliche Dinge nur gaͤbe?
Nur Verſorgung des Lebens, das ſchnell, wie die Blume verbluͤhet!
Nein, du ſteigeſt hinauf in die Ewigkeit, himmliſcher Segen
Deſſen, den Gott nicht nur, die Kranken zu heilen, geſandt hat;
Auch zu heilen die Suͤnder, hat ihn der Erbarmer geſendet.
Ach ich kenn ihn noch nicht den Segen zum ewigen Leben,
Weis201Funfzehnter Geſang.
Weis es noch nicht, wie mich, der einſt mich ſegnete, leiten,
Welchen Weg er zu gehn, mir gebieten wird. Aber ich will mich
Doch auf Gott verlaſſen. Dein Wille, nicht meiner, geſchehe!
Ach, noch iſt mir kein Tag in meiner Seele geworden
Jener großen Erkenntniß des Ewigen! Aber ich will mich
Dennoch verlaſſen auf dich! Herr, Herr dein Wille geſchehe!
Lieſſeſt du leuchten auf mich, Gott, deines Antlitzes Freuden;
O ſo truͤg ich leichter die Laſt des Jrrens im Dunkeln:
Aber ich will mich dennoch auf dich, auf dich verlaſſen!
Ach das kurze, das fliehende Leben, die Knoſpe, die aufbluͤht,
Wegzuwelken! Wenn welkt, mit wenig Erde beworfen,
Und verborgen zu werden, auch meins? Was treibt mich vor Unruh,
Jmmer Erkenntniß, und Freude, durch Gott zu ſuchen? Jch ſollte
Still erwarten, bis ich mich niederſenkte, zu welken,
Und verpflanzt ins Gefilde des Lichts und der Ruhe zu werden;
Hier iſt doch kein Erkenntniß, und keine Rettung ins Helle,
Aus der deckenden Nacht, die unſre Seelen umhuͤllet.
Sind ſie nicht zahllos die Dinge, die ich nicht kenne? Sie werden
Noch unzaͤhlbarer ſeyn, wenn erſt mein Geiſt ſich erweitert,
Und ins Hoͤhere ſchwingt, von reiferem Alter erhoben.
Doch ſey ruhig, mein Herz! Den Durſt nach ſeiner Erkenntniß
Stillet gewiß, der dich hat mit dieſem Durſte geſchaffen.
Wenn ich, vergoͤnnſt du es mir, der mich zu dem Ernſte geweckt hat,
Und dem Blicke des Knabens nur ſanftes Laͤcheln gelaſſen?
Wenn ich zuruͤck zu meinen Geſpielen kehrte? mit ihnen
Bluͤhte, wie Roſen? mit ihnen von leichten Dingen nur ſpraͤche?
Nicht von der kuͤnftigen Welt, und jener großen Erkenntniß?
N 5Und202Der Meſſias.
Und ſo wartete, bis mit Weisheit von oben der Vater
Alles Lichts mich erleuchtete? Jeſus fand mich ja alſo,
Da er mich in die Verſammlungen rief, und ſegnend mich aufnahm.
Alſo betet Nephthoa. Sein Engel, der neben ihm ſchwebte,
Hoͤrt ihn beten, und ſchrieb mit unausloͤſchlichen Zuͤgen,
Flammenſchrift in ſein Buch, ein Buch des Lebens, das alles,
Was mit Gnade vernahm der große Hoͤrer des Himmels
Jn des Knabens Gebet. Jndem die ſchimmernde Schrift flog
Mit der Hand des Unſterblichen, kam Benoni, und nahte
Sich dem Beter, und ihm. Willſt du ihm erſcheinen, Benoni?
Rief mit Entzuͤckung der Engel, und reicht ihm das wehende Buch hin.
Und der Erſtandne las. Der Jmmerunſterbliche haͤlt ſich
Jn der Freude nicht mehr, und umarmt den himmliſchen Juͤngling.
Ach Erhoͤrung, Erhoͤrung, von Gottes Throne geſendet,
Rief der freudige Seraph, du biſt ſchon heute gekommen!
Und Benoni nahete mehr. Noch kniete Nephthoa
Und begann von neuem zu beten. Mit herzlicher Frende,
Junigem, ewigem Dank ſeyſt du, o Vater, geprieſen,
Der der Gnaden ſo viele mir gab. Wie haſt du mit Huld mich
Ueberſchuͤttet! Du warſt es, du haſt mir des groſſen Propheten
Segen, du Vater der Ewigkeit, zugeſendet, du Vater
Aller Kinder im Himmel, und aller Kinder auf Erden!
Wer beginnet, und wer vollendet, genung dich zu preiſen,
Herr der Herrlichkeit, dem ich dieß Auge voll Thraͤnen erhebe?
Jn der Saͤuglinge Munde ſo gar haſt du dir bereitet,
Herr, dein goͤttliches Lob. Jch will, wills nicht verſchweigen.
Denn du haſt dir auch Lob in der Kinder Munde bereitet.
Erſt203Funfzehnter Geſang.
Erſt wollt ihm Benoni, wie einer der Pilgerknaben,
Die zu dem Feſte wallten, erſcheinen. Doch als er des Preiſes
Freudenthraͤnen erblickte, vermocht er ſich ſo nicht zu halten,
Und er erſchien Nephthoa in ſeiner Herrlichkeit. Strahlend
Stand er vor ihm, gekleidet in Morgenwolken des Fruͤhlings.
Und Nephthoa erſchrack nicht. So war die Seele des Knabens
An die Bilder gewoͤhnt, die ihm von dem Himmel kamen,
Oft in Traͤumen, und oft in faſt erwachendem Schlummer.
Und er lockte das Haar des himmliſchen Juͤnglings, und redte
Mit ſchnellfliegenden Worten. Dich hat der Prophet mir geſendet!
Salems Juͤngling, wo ſchwebeſt du her? dich hat mir geſendet
Jeſus! Du biſt ein Bote des Segens, des Friedens, der Wonne!
Rede, ſings in die ſchimmernde Harfe, worauf du dich lehneſt,
Sage, wo ſchwebeſt du her! Erzaͤhl, erzaͤhle von Gott mir,
Sohn des Lichts! erzaͤhle von meinen Todten mir, Erbe
Jhrer Freuden, von meiner entſchlummerten Schweſter voll Unſchuld,
Die mir bey Roſen entſchlief, in der Morgendaͤmmerung Duften,
Eine Bluͤthe ſie ſelbſt, da ſie nun lange ſchon todt war.
Bringſt du mir keinen himmliſchen Gruß von Dimna Kedemoth?
Oder wie ſonſt im Himmel ihr neuer Namen jetzt heiſſet;
Und was ſagte ſie dir? Vielleicht: Der Herr ſey geprieſen,
Daß ich todt bin, und daß auch mein Nephthoa wird ſterben?
Nimm mich mit dir zu Dimna Kedemoth. Verzeih, du Bewohner
Jener Huͤtten, daß ich es wagte, ſo lange zu reden.
Ach, du ſchweigſt mir, Bote von Gott! Jetzt redte Benoni.
Daß ich, Nephthoa, dich ſeh, und deiner Freuden Entzuͤckung
Hat mich ſchweigen gemacht. Der Herr hat dir mich geſendet.
Jeſus204Der Meſſias.
Jeſus war todt, das wußteſt du nicht! und iſt ſchon erſtanden
Aus dem Grabe. Bald wird er hinauf in die Herrlichkeit gehen!
Seine Geliebten werden alsdann in Jeruſalem zeugen,
Von dem Tode, der Auferſtehung, und von der Erhebung
Jeſus Chriſtus! Die hoͤre. Sie werden von Gott dir erzaͤhlen,
Was, als einem Sterblichen dir, zu wiſſen, vergoͤnnt iſt.
Deine Schweſter empfaͤngt dich dereinſt in der Lebensbaͤume
Duftenden Schatten! Doch, nun muß ich Nephthoa verlaſſen.
Ach noch nicht, du Himmliſcher, bleib noch, du Fremdling aus Salem,
Wende noch nicht von dem Sterblichen weg dein ſchimmerndes Auge,
Dieſe Morgenroͤthe der Wangen, dieß Laͤcheln der Wonne.
Aber Benoni verſchwand. Nephthoa blieb mit Entzuͤckung
Stehn, und mit ausgebreiteten Armen, das Bild zu umfaſſen
Seines himmliſchen Freundes, das zwar von Schimmer entkleidet,
Aber vor ihm, ſo dacht er, noch ſtand. Auch dieſes verſchwand ihm,
Und ihm ſanken die Arme nieder. Da faltet er betend
Seine Haͤnd, und blickte gen Himmel, und laͤchelte weinend,
Nicht ſo einſam, wie es ihm dauchte. Noch hatt ihn ſein Engel
Nicht verlaſſen, noch nicht der unſichtbare Benoni.
Und ſie hoͤrten den Knaben den Namen des Gnaͤdigen preiſen,
Jhn aus inniger Seele dem Allbarmherzigen danken,
Der die Erſcheinung ihm gab, und die Hofnung der groſſen Erkenntniß.
Dilean war der einzige Freund, den er hatte, geſtorben,
Und die Geliebte dazu. Er kannte Gottes Propheten,
War, mit brennendem Durſte, gewiß zu werden, in Salem
Lange geirrt, und hatte geforſcht: Ob Jeſus erwacht ſey?
Oder noch todt? Die Nacht hing uͤber ſein Haupt, die Stroͤme
Gingen205Funfzehnter Geſang.
Gingen ihm bis an die Seele. Beruhigung ſucht er, und fand ſie
Auch nicht auf den Gefilden voll Fruͤhling. Jtzt kehrt er verſpaͤtet
Zwiſchen den Graͤbern am Oelberg um. Verirrendes Dunkel
War ſein Fuͤhrer. Er ging in den tiefen Kruͤmmen, und ſuchte.
Jſt das Kidrons Geraͤuſch? und jenes Wehen, der Palmen
Jn Gethſemane? Nein! das iſt ein Brauſen in Kluͤften.
Sind das Menſchenſtimmen? Jndem erblickt er ein Schimmern,
Das beynahe verloſch, geweht vom Winde. Dem folgt er.
Und er kam an ein Todtengewoͤlb, aus welchen ſie Leichen
Trugen. Ein Reicher erkaufte den Felſen von einem Armen.
Und ſie trugen ein ganzes Geſchlecht, des duͤrftigen Vaͤter
Aus dem Gewoͤlbe. Dilean blieb an der Oeffnung des Grabmaals.
Und ſie gingen mit aͤchzendem Schritt heraus, mit verdroßnem
Langſam wieder hinein, bewundne Gebeine zu hohlen.
Gluͤckliche ſinds, die ihr tragt! Gebt mir der Todtenfackeln
Eine, damit dort hinten ich ſie bey den Leichen euch halte.
Und ſie gaben ihm eine, da ging er hinter ins Grabmaal.
Und er hielt die Flamme, gelehnt an den Felſen, und dachte:
Gluͤckliche, gluͤckliche Todte! Die ſeyd ihr auch, ihr Geliebten,
Die mich verlieſſen. Wenn erſt auch eure Leichengewande
Einſt veralten, wie dieſer, ſo bin ich, wie ihr, auch gluͤcklich!
Aber nun Euch hab ich Verlaßner verloren, ihr Lieben,
Meine Seligkeit hier! und, meine Seligkeit kuͤnftig,
Gottes Propheten, verlor ich auch! Jſt eine nun kuͤnftig,
Da er Tyrannen erlag? Sorgt Gott, ſie ewig zu machen,
Ach fuͤr die, bey denen die Beſten den Schlimmſten erliegen?
Bin ich ewig? oder verſtaͤub ich? Erſtand er? verweſt er?
Dieſe206Der Meſſias.
Dieſe ſind die bebenden Fragen, die Keiner mir aufloͤſt,
Auch, ihr Stummen da, nicht! Jhr muͤſſet es koͤnnen, wofern es
Jrgend ein Endlicher kann. Nicht dieſe Gebeine vermoͤchtens;
Aber der Geiſt! Wo ſeyd ihr, ihr abgeſchiednen Genoſſen
Dieſer Leichen? Jſt euch des Lichtes Wohnung der Freude
Wohnung zugleich, wenn Einer auch nur von eurem Geſchlechte
Sich mit dieſen Zweifeln die Seele martert? Er dacht es.
Und nun war von Leichen das Grab und von Todtengraͤbern
Leer! Kaum merkt er es. Endlich erweckt ihn die tiefe Stille.
Siehe, nun bin ich allein! Jhr abgeſchiednen Genoſſen
Eurer Leichen, wer ſeyd ihr? Eliſa Gebein erweckte
Einen Todten. So war ja bey dieſem Gebeine die Seele!
Denn der Staub erweckte doch nicht! Wenn auch Eine nur hier iſt:
Komm, du Eine! damit ich lerne, was kuͤnftig mein Loos ſey!
Komm, ich will mich vor dir nicht, Seele des Todten, entſetzen.
Auf! ich beſchwoͤre dich, Seele, bey deinem letzten Erſeufzen,
Als du rangſt mit dem Tode! bey deiner Hofnung, unſterblich,
Oder bey deiner erſchuͤtternden Angſt, vernichtet zu werden,
Als du rangſt mit dem Tode! So rief er, und ſah in das Grabmaal.
Thirza war ſchon um ihn, der ſieben Maͤrtyrer Mutter,
Mit den Seelen des Freundes, und ſeiner Geliebten geweſen.
Dieſe hatten ihn ſchon durch das Thal der Graͤber begleitet
Bis zu dem Felſen, in welchem er war. Darf ich ihm erſcheinen?
Fragte die treue Geliebte. Doch wuͤrd er ſich nicht entſetzen,
Wenn er mich ſaͤh? Jch will ihm erſcheinen! erwiederte Thirza.
Ohne Hofnung, zu ſehn, wornach er verlangte, bemuͤhte
Dilean ſich zu ſchlummern, und alſo ſich zu entlaſten
Von207Funfzehnter Geſang.
Von den truͤben Gedanken, die ihn, wie Wolken, bedeckten.
Aber er ſucht umſonſt die kurze Ruhe vom Elend.
Wehmuth fuͤllte von neuem ſein Herz. Euch hab ich verloren,
Meine Freunde! dich auch, mein Freund in weiblicher Bildung!
Ach ihr ließt mich zuruͤck. Nun bin ich allein auf der Erde!
Bin Wer tritt da herein? Wer biſt du, der ſich mir naͤhert?
Und er ging der dunkeln Geſtalt entgegen. Auf Einmal
Ward zur Unſterblichen Thirza aus einer Sterblichen. Schauernd
Stund er. So ſchnell iſt der Wink, ſo ſchnell ermannt er ſich wieder,
Ging, und betrachtete ſchweigend die Strahlengeſtalt, und redte
Bald ſie an. Wirſt du mein Danken, Erſcheinung, verſtehen?
Oder biſt du ein Dunſt der Nacht, den Flammen beſeelen?
Oder ein Bild in meinem Gehirn? Jhm laͤchelte Thirza
Sanft mit der Himmelsgebehrde, mit ſo viel Seel in dem Auge,
Daß er den flammenden Dunſt vergaß, und das Bild im Gehirne.
Laut, mit Schnelligkeit, rief er: Erſcheinung, Erſcheinung, wer biſt du?
Und melodiſch erſcholls in dem wiederhallenden Felſen:
Wer ich ſey, vernimmſt du hernach. Jetzt lerne, Begluͤckter!
Halt dich nicht vollkommner, als Andre, weil du die Gnade
Dieſer Erſcheinung empfaͤhſt. Nicht unvollkommner, als Andre,
War der Blinde von ſeiner Geburt, dem Jeſus den Tag gab.
Daß er ein Zeuge der Herrlichkeit Jeſus wuͤrde, bedeckt ihn
Blindheit lange! Daß du, wie er, zu zeugen vermoͤchteſt,
Sandte mich Jeſus zu dir, der Auferſtandne vom Tode.
Nicht, weil du mir riefſt, dich zum Zeugen zu machen! erſchein ich!
Waͤre dir ohne dein Rufen erſchienen! Dein Zweifeln verdiente
Zwar208Der Meſſias.
Zwar Vergebung, allein Belohnung nicht! Und Belohnung
Waͤr ich, Dilean, dir, waͤrſt du nicht zum Zeugen erkohren.
Was geſchehn ſoll, geſchieht; ihr zweifelt! oder ihr leugnet!
Zweifelte gleich das ganze Geſchlecht der ſterblichen Suͤnder
An der kuͤnftigen Welt; ſie wuͤrden dennoch erfahren,
Daß geſchieht, was geſchehn ſoll! erfahren, daß uͤber den Graͤbern
Leben wohnt; wie verwundernd ſie auch die Erfahrung erfuͤhren.
Bleich ſtand Dilean, als die Erſcheinung endete. Nein, ich
Unterwinde mich nicht, noch mehr zu fragen? Jch beuge
Mich im Staube vor dem, der dich mir geſandt hat, Erſcheinung!
Und er kniete nieder, und wandte ſich weg von Thirza.
Herr der Herrlichkeit, du, der erſtand! vergieb mir mein Zweifeln!
Meine Thraͤnen dazu! Du wuͤrdeſt, Goͤttlicher, wiſſen,
Was ich bete; vernaͤhms auch dein Bote nicht! den du mir ſandteſt!
Herr der Herrlichkeit, laß das große Ziel mich erreichen,
Das du durch dieſe Sendung mir zeigſt; ſo wall ich in Frieden,
Wenn ich ſterbe, zu dir hinauf und den Meinen im Himmel!
Und er richtet ſich auf. Noch ſchwebte vor ihm die Erſcheinung.
Alſo floß mit lieblichem Wehn der Unſterblichen Stimme:
Siehe, du unterwandeſt dich nicht zu fragen! ich aber
Will antworten. Jch bin der ſieben Maͤrtyrer Mutter,
Thirza. Bey dieſem Felſen ſchwebt die gluͤckliche Seele
Deiner Geliebten, an jenem des Freundes, die liebend dein warten.
Aber vernimm der Seligkeit mehr. Der Meſſias erſcheinet,
Eh er zum Throne ſich ſchwingt, in Galilaͤa den Schaaren
Von fuͤnfhundert Bruͤdern auf Einmal. Da wirſt du ihn ſehen!
Mit209Funfzehnter Geſang.
Mit dem Worte verſchwand die erhabne Thirza. Jhm deucht es,
Als ob er dreyer Unſterblichen Rauſchen von ferne vernaͤhme.
Und er kam der Sonne, die jetzt aufging, aus der Hoͤhle
Freudeweinend, entgegen. Noch blieb er dankend am Eingang,
Daß du ihm Fuͤlle der Herrlichkeit gabſt, und des Himmels Vorſchmack,
Ewiger Quell des ewigen Lichts, da er durſtet im Elend!
Daß du ihm halfſt, da ihm Menſchen nicht mehr zu helfen vermochten.
Mit nachahmender Hand Gemaͤlde von Seide zu ſticken,
Saß an einem tyriſchen Purpurteppich erfindend
Tabitha. Fruͤhwegbluͤhende Mutter Benoni’s, dein Grabmaal
War ihr ernſter Geſchaͤfft, als ſonſt vielfarbige Faden
Unter weiblicher Hand. Sie dachte beym Spiele der Nadel.
Auf dem Grabe ruhte die bleiche Rahel. Benoni
Kniete bey ihr, und ſtieß mit weggewendetem Auge
Einen Dolch ihr ins Herz. Jetzt eben rannen am Dolche
Blutige Tropfen herab, da vom Purpur Tabitha aufſprang,
Eilet, und, die Ermattete lief zu empfangen, die ankam.
Jn dem Gewande der Leichengefolge, mit blaͤſſerer Wange,
Trat die Unbekannte zu ihr. Doch die Leiden der Freundſchaft
Hatten nicht jede Schoͤnheit der jugendlichen Debora
Auszuloͤſchen vermocht. Gleich einem truͤben Morgen
War ſie, doch einem Morgen des Fruͤhlings. Jch komme, ſo ſagte
Sie zu Tabitha, hier von dem ſchweren Gange zu ruhen;
Denn ich vermochte nicht weiter zu gehn. Ach meine Geliebte
Ruht nun beſſer, als ich, die Geliebteſte meiner Geliebten.
Bleib du bey deinem Geſchaͤfft; laß mich nur ruhen, und weinen.
III Band. OUnd210Der Meſſias.
Und ſie ſaß, und lehnte ſich ſanft auf eine Harfe,
Der ein weinender Laut entklang, indem ſich Debora
Auf ſie lehnt. Umſonſt ward Tabitha dieſer Betruͤbten
Troͤſterinn. Laß mich allein, und jene Wunde da bluten!
Meine blute fuͤr ſich. Und Tabitha ging zu den Schmerzen,
Die ſie nun weniger ruͤhrten, zuruͤck, und verſuchte zu ſticken.
Aber jetzo ergriff die Unbekannte die Harfe,
Und wie ein fernherweinender Bach, wenn vor dem Gewitter
Todesſtille die Waͤlder beherrſcht, erklangs in den Saiten
Und die ſinkende Hand der grabverlangenden Freundinn.
Tabitha hoͤrete nur, und vergaß der Leidenden Thraͤnen,
Als ihr Geſang, die Seele der Saiten, mit ihnen ertoͤnte.
Gott der Goͤtter, belohne du nun die vollendete Todte.
Doch ſind Leiden der Zeit der Herrlichkeit wuͤrdig, zu der du
Gott, Belohner erhebſt? Sie ſtarb in der Bluͤte des Lebens!
Aber was iſt die Blume, die ſank von Sturme gebrochen,
Gegen die Ceder Gottes, die oben auf Golgatha ſtuͤrzte?
Die vom Himmel herab des Allmaͤchtigen Wetter zermalmte,
Daß die Felſen umher, und die Graͤber der Todten erbebten?
Wie von dem Bilde geſchreckt, verſtummte Debora. Nur einzle,
Starke Schuͤttrungen rauſcheten noch durch die Nerven der Harfe
Weit herunter, bis endlich, die hohe Seele der Saiten,
Bis der Geſang, von neuem begann. Das Leichengefolge
Deß, der auf Golgatha ſtarb, war ein kleiner weinender Haufe
Sterbliche; waren, verloſchen an Schimmer, Himmelsbewohner!
Und der Todtengeſang der unſichtbaren Begleiter
Scholl, wie der Storbenden Weinen am ſiebenarmigen Strome,
Als211Funfzehnter Geſang.
Als von der niedrigſten Huͤtte der Wuͤrger hinauf zu dem Thron ſtieg!
Ach, Ein Schlag des Verderbers! alsdann Ein Seufzer! der Tod dann!
Hoͤrerinn ihres Geſangs war nicht die Erde; die Sterne
Waren Hoͤrer! Orion und du, des Richtenden Wage!
Die vernahmen ſie nur. Da ſchloß ein gewaͤlzter Felſen
Dumpferſchuͤtternd ſein Grab! da ſtieg mit des ſinkenden Felſen
Dumpfem Schall gen Himmel Staub. Da ruhte der Todte.
Schneller eiltet ihr fort, ihr Sterne Gottes. Der Todte
Schlief nicht lange. Mit Herrlichkeit, Halleluja, erwacht er!
Halleluja, mit Herrlichkeit! Einige Schritte nur wart ihr,
Du Orion, und du, des Richtenden Wage, geſtiegen,
Als er erſtand! O feyerts in allen Himmeln, ihr Zeugen,
Daß er erſtand! Und die auf dem einſamen Grab hier blutet,
War auch Zeuginn, und Zeuge, der ihr den Dolch in das Herz ſtoͤßt.
Waͤhneſt du, Sterbliche, daß der Schlaf der Verweſenden ewig,
Daß auf immer daure der Schlummer im Schooſſe der Erde?
Tabitha ſah zur Prophetinn hinauf, und verſtummte zu fragen.
Jrr und wundernd hielt ſie ſich an dem Rahmen des Teppichs!
Aufſtehn wollte ſie, wollt hingehn zur Prophetinn; vermochts nicht!
Und Debora ſtuͤtzete ſich auf die Harfe. So ſprach ſie:
Lerne! Denn viel mußt du von der Auferſtehung der Todten
Lernen! Du brauchſt viel Troſt des Todes, denn, Tabitha, zweymal
Jſt dir zu ſterben geſetzt. Der Erſtgebohrne der Todten
War, und iſt dereinſt der Entſchlafnen allmaͤchtiger Wecker.
Nur mit leiſer Klage, daß du zu der Erde zuruͤckkehrſt,
Und mit ſuͤſſem Erwarten der zweyten Schoͤpfung aus Staube,
Mußt du nieder dich legen, und ſterben. Den ſchreckt nicht des Grabes
O 2Offne212Der Meſſias.
Offne Nacht, nicht Erd auf den Leichnam mit dumpfem Getoͤſe
Niedergeworfen, nicht Stille verlaßner einſamer Graͤber,
Noch der Verweſung Bild wer, wenn dieß alles ſein wartet,
Weis, daß Gott ihn dereinſt in ſeinen Himmel hinaufruft,
An dem Tage der groſſen Geburt in das Leben der Engel.
Alſo ſagte Debora, und nahm die Harfe von neuem,
Und ſanftlispelnder Laut, und unſterbliche Stimmen entfloſſen
Jhrer fliegenden Hand, und ihrem laͤchelndem Antlitz.
Was empfand ich, als nun das neue Leben mich aufhub
Aus der blumigen Gruft! mein Staub Unſterblichkeit wurde!
Aus den Choͤren der Engel zu mir die Verklaͤrung herabſtieg!
Wie erbebt ich! (Sie bebte von neuem, und wurde zu Schimmer.)
Welcher Seligkeit Schauer durchſtroͤmte mein innerſtes Leben!
Welcher Glanz war mein Glanz! Jn welcher Herrlichkeit Lichte
Wohnte mein ewiger Geiſt! Jch wandte mein Antlitz, und ſuchte
Deſſen Thron, der von neuem mich ſchuf. Er war mir nicht ſichtbar.
Leiſes Wehn nur, und Saͤuſeln der Gegenwart Gottes umgab mich.
Jhre Himmelsſtimme verlor ſtets ſanfter dem Ohre
Sich, dem Auge der Schimmer. Da blieb voll Blaͤſſe der Freude
Tabitha ſtehen; und nun ſchwieg auch der Harfe Nachlaut.
Gedor von ſanftem Herzen, und gleich empfindlich der Freude
Und der Traurigkeit, aber auch feſten Entſchluſſes, dem Geber,
Ruhe gaͤb er ihm, oder Schmerz, ſich zu unterwerfen;
Gedor lebte verborgen, und gluͤcklich mit der Gefaͤhrtinn
Dieſes Lebens nicht nur, auch jenes ewigen Lebens.
Wie ſie ſich liebten, wußten nur ſie, und wenige Freunde.
Weggewandt von dem Leben am Staube, beſprachen ſie oft ſich
Von213Funfzehnter Geſang.
Von der kuͤnftigen Welt, und von der naͤheren Trennung,
Oder noch fernen, auf ihrer Reiſe zur Heimath im Himmel.
Liebend wuͤnſchten ſie ſich; doch wagten ſie das nicht zu hoffen,
Was ſo wenigen ward, mit einander hinuͤber zu wallen.
Herr! ihn hattſt du erſehn, zu des dunkeln Thales Eingang
Sie zu geleiten. Sie lag zu ſterben. Das glaubt er zu ſehen;
Aber er wußte, daß du aus groſſen Gefahren erretten,
Toͤdten koͤnnteſt in kleinen. Jetzt kam, der eilende Tod kam
Naͤher, und wurde gewiß. Sie richtet von Gedor gen Himmel
Ernſt ihr Auge, dann wieder auf ihn vom Himmel herunter,
Wieder gen Himmel von ihm. So erhub ſie zweymal ihr Auge.
Niemals ſah er Blicke, wie dieſe, nie wurden ihm Blicke,
Wie die ihrigen waren, beſchrieben, voll feyrlichen Ernſtes,
Und der innigſten Wehmut, und maͤchtiger Ueberzengung
Jenes ewigen Lebens. Jch ſterbe! verlaſſe dich! gehe
Zu der namloſen Ruh! wars, was ſie redeten! wars nicht!
Staͤrker wars, unausſprechlich! Hier mußt er der Menſchheit erliegen,
Oder ihn mußte mit maͤchtigem Arme der Helfer erheben.
Und der Erbarmende thats. Der ſchwache Sterbliche fuͤhlte
Sich der Erde gewaltig entriſſen, und nahe dem Eingang
Zu der Herrlichkeit, welcher ſich ſeiner Cidli ſchon aufthat.
Und er trat zu ihr hin mit mehr als Ruhe, mit Freude;
Legt auf ihre Stirne die Hand, und begann ſie zu ſegnen:
Wandl hinuͤber im Namen des Herrn, der Abrahams Gott war,
Jſaks, und Jakobs, im Namen des angebeteten Helfers!
Ja ſein Wille geſcheh, es geſcheh ſein gnaͤdiger Wille!
O 3Und214Der Meſſias.
Und ſie ſprach mit der Stimme der Zuverſicht, und der Freude:
Ja, Er mach es, wie Er es beſchloß! Gut wird Ers machen!
Gedor hielt ihr die Hand: Wie ein Engel haſt du geduldet!
Gott iſt mit dir geweſen! Mit dir wird Gott ſeyn! Geweſen
Jſt mit dir der Allbarmherzige! Dank ſey, und Preis ſey
Seinem herrlichen Namen! Er wird dir helfen! Ach waͤr ich
Elend genung, ihm nicht zu dienen; ſo dient ich ihm heute.
Sey mein Engel; laͤßt Gott es dir zu! Du wareſt der meine!
Sagte Cidli Sey nun, du Himmelserbinn, mein Engel,
Laͤßt der Herr dir es zu. Und liebend erwiederte Cidli:
Gedor, wer wollt es nicht ſeyn? Voll Mitleid, mit freudigem Tiefſinn,
Schwebte Rahel um ſie, die Geliebte des Pilgers aus Kanan,
Und die Mutter des Sohns der Schmerzen. Noch war ſie dir, Cidli,
Unſichtbar. Doch als nun dein Haupt zu dem Tode dahinſank,
Sahe dein laͤchelndbrechender Blick die Unſterbliche ſtehen;
Und du machteſt dich auf, zu deiner Geſpielinn zu kommen.
Doch mir ſinket die Hand, die Geſchichte der Wehmut zu enden!
Spaͤte Thraͤne, die heute noch floß, zerrinn mit den andern
Tauſenden, welch ich weinte. Du aber, Geſang von dem Mittler,
Bleib, und ſtroͤme die Kluͤfte vorbey, wo ſich viele verlieren,
Sieger der Zeiten, Geſang, unſterblich durch deinen Jnhalt,
Eile vorbey, und zeuch in deinem fliegenden Strome
Dieſen Kranz, den ich dort am Grabmaal von der Cypreſſe
Thraͤnend wand, in die hellen Gefilde der kuͤnftigen Zeit fort.
Unter den Schatten Moria erhub ein ſchallendes Haus ſich
Ueber die andern empor, einſt fuͤrchterlicher zu ſtuͤrzen,
Jenen verkuͤndeten Tag der groſſen Adlerverſammlung!
Auf215Funfzehnter Geſang.
Auf den ſtilleren Soͤller war jetzt der reichen Bewohner
Einziger Sohn geſtiegen. Er war in der Blume des Lebens,
Aber ein Juͤngling voll Ernſt, die Freude ſeiner Geſpielen,
Seiner Mutter Entzuͤckung! Der Mond, enthuͤllt vom Gewoͤlke,
Ging jetzt uͤber der hohen Jeruſalem, und Moria
Ruhig einher, und ſchimmerte ſanfte Gedanken herunter
Denen, die noch in Schlafe, dem taͤglichen Tode, nicht lagen,
Dir vor allen, o Stephanus, Juͤngling voll Tiefſinn. Er wallte
Leiſ in den Labyrinthen herum, die des Sehers Geſchichte,
Welchen Bethlem gebar, um ſeine Seele, je mehr ſie
Forſchte, je groͤſſer, und unausgaͤnglicher herzog.
Lockicht lag ſein dunkleres Haar auf dem leichten Gewande,
Das ihn umfloß, und auf der gedankenſtuͤtzenden Rechte.
Als er ſo nachſann, trat ein Fremdling herauf: Sie haben
Mir die Quelle geſchoͤpft, mich geſalbt, (Arabiens Stauden
Duftet er) haben mich ſchon durch leichte Speiſen erfriſchet.
Keiner Erquickungen mehr, nur dieſes heiteren Abends,
Dieſer Ruhe bedarf ich noch. Sey mir, o Pilger, geſegnet!
Unſrer Huͤtte Friede ſey dein! .... Geliebterer Aeltern
Einziger Sohn, ich bin heruͤber vom Meere gekommen,
Habe vieles erlitten. Eh du mir, redlicher Fremdling,
Was du litteſt, erzaͤhlſt, muß ich dich fragen: Vernahmſt du
Schon von Jeruſalems groſſen Propheten die ernſte Geſchichte?
Jhm antwortet Jedidoth mit ſchneller gefluͤgelter Stimme:
Ach von Jefus dem Dulder, der wegen der Wahrheit geſtorben,
Wegen der hoͤheren Wahrheit, die Er, nicht Moſes, uns lehrte.
O 4Der,216Der Meſſias.
Der, denn eilender ſtets verbreitet in Salem der Ruf ſich!
Von den Todten erſtand, noch maͤchtiger ſie zu beweiſen!
Fremdling, Erſtaunen befaͤllt mich bey deiner Rede. Der Wahrheit
Maͤrtyrer waͤr er geſtorben? Das ſagſt du, und kommſt doch von fern her,
Kommſt ein Waller des Meers. Wurd euch denn, was er uns lehrte,
Auf den Jnſeln erzaͤhlt? Wo, was er lehrt, uns erzaͤhlt ward,
Sag ich hernach. Jetzt laß mich dich auch, o Stephanus, fragen:
Wenn du nun wuͤßteſt, daß er, nicht nur ein Zeuge der Wahrheit,
Daß er, ein Groͤſſerer noch, ein Verſoͤhner der Menſchen, geſtorben,
Und von dem Tod erweckt ſey; o wuͤrde dein bluͤhendes Leben
Dann zu theuer dir ſeyn, die groſſe Wahrheit zu zeugen?
Wuͤrdeſt du, bis an den Tod, wenn unſre ſilbernen Haͤupter,
Durch die leiſe Hand der Natur, zum Grabe ſich neigen,
Wuͤrdeſt du dieß dein Leben, ſo lang, o Stephanus, lieben?
Oder es fruͤher, fuͤr den, der zuerſt geſtorben war, geben?
Was ich thaͤte, weis Gott! was ich aus innigſter Seele,
Und mit jedem entflammten Verlangen, wuͤnſche, das weis ich!
Und was wuͤnſcheſt du denn, du edler Juͤngling? O nenne
Mich, den ſchwachen und ſuͤndigen Juͤngling, nicht edel, du Pilger,
Der ſo erhabne Dinge mich fragt: Wie ich den Erretter
Lieben wolle? wie ich entſchloſſen ſey, zu beginnen
Jenes ewige Leben? Ach der mein Herz mir erſchuͤttert,
Meine Seele beſeelt, du Wunſch voll ſuͤſſer Entzuͤckung,
Wuͤrdeſt du mir gewaͤhrt; ſo ſtroͤmte, von Jeſus zu zeugen,
Dieß mein jugendlich Blut aus allen Quellen des Lebens!
Nicht dich mehr zu entflammen, ach, dich zu belohnen, du lieber,
Kuͤnftiger Maͤrtyrer, hoͤre des ſiebenten Juͤnglings Geſchichte.
Jhn,217Funfzehnter Geſang.
Jhn, ihn lockt Epiphan, mit jedes Gluͤckes Verheiſſung,
Mit den Groͤſſen der Welt, umſonſt! Er ſandte vergebens
Seine Mutter, die Heldinn, zu ihm. Die ſprach zu dem Sohne:
Ach! du Lieber, du Juͤngſter, du einziger Uebriger, den ich
Unter meinem Herzen getragen, geſaͤugt drey Jahre,
Muͤtterlich muͤhſam erzogen, mein Sohn, erbarme dich meiner!
Und, o ſchau gen Himmel empor, herab auf die Erde!
Alles dieß hat der Herr, er hat den Menſchen geſchaffen!
Darum erbarme dich meiner, und ſtirb! Entſchloſſen zum Tode
Rief er, als ſeine Mutter noch redte: Was harret ihr, Wuͤter?
Und, Epiphan, du entſetzlicher Mann! wirſt du dem Gerichte,
Du dem Allmaͤchtigen denn entkommen? Das ewige Leben
Haben meine Bruͤder nun ſchon, die kurz, und wenig
Litten! Er ſtarb. Dem Erzaͤhlenden waren ſein Angeſicht Schimmer,
Strahlen die Augen geworden! Und Stephanus zittert, und weinte.
Werth ſind deine Thraͤnen mir, Juͤngling! Jch zaͤhlte ſie alle!
Eines Suͤnders Thraͤnen? ſo rief der Juͤngling, und bebte.
Eines Suͤnders, allein den Jeſus Opfer entſuͤndigt,
Und in das Allerheiligſte fuͤhrt. Jetzt blickt auf die Beyden
Jeſus, der Auferſtandne, vom hohen Tabor herunter,
Sah den Sterblichen ſtehn im Schimmer des Mondes, im eignen
Dich, Unſterblicher. Schnell, als Stephanus ſinken wollte,
Und der Erſcheinung erlag, rief noch Jedidoth heruͤber:
Himmliſcher Bruder, ich wars, der ſich der Mutter erbarmte.
Dort, (ſchon ſchwebt er empor,) dort lernt ich, was Jeſus euch lehrte.
Und er ſtieg gen Himmel hinauf, und verſchwand in den Wolken.
Barnabas Joſes, ein Levi von Cyprus fernem Geſtade,
O 5Ging218Der Meſſias.
Ging zu dem Jordan hinab, den Acker, den dort er hatte,
Anzuſehen, wie weit den Keim der Fruͤhling getrieben;
Welcher Fruchtbarkeit Hofnung die ſchwellenden Saaten ihm gaͤben.
Und er wallet allein. Nicht lange, ſo kamen Sapphira
Und Ananias zu ihm, und wurden ſeine Gefaͤhrten.
Auch ſie rief die keimende Saat in des Jordans Gefilde.
Und ſie kamen zum Cedernbache. Die ſchoͤne Sapphira
Setzet ihren verſuchenden Stab mit wankenden Haͤnden
Oft an die glatten Kieſel, eh ſie hinuͤber zu gehn wagt.
Und ſchon ruhet ſie aus, auf einem Stein an dem Bache.
Neben ihr ſaß Ananias auf einem andern, und Joſes
Stand vor ihnen. Sie ſaſſen an ihren kuͤnftigen Graͤbern.
Ach, ihr wußtet es nicht, daß bald nun auf dieſen Steinen
Eurer Leichname Traͤger, erſchrockne Juͤnglinge, ruhen,
Weggehn wuͤrden, ohn euch zu der Auferſtehung zu ſegnen.
Aber er wußt es, der jetzt, mit dem groſſen Taͤufer des Mittlers,
Schwebend neben euch trat, Eliſa. Er ſtand ungeſehen
Mit Johannes bey ihnen. O waͤr, im Wehen des Kidron,
Seine Stimme gekommen, und haͤtte die Armen gewarnet;
Haͤtt er die Donnerworte des hohen Apoſtels gerufen:
Menſchen habt ihr nicht, Gott habt ihr gelogen! ſo waͤre
Hier vielleicht ihr Grab nicht geweſen! Doch, Huͤlle der Zukunft,
Siehe du haͤngeſt herab, und dich hebet einſt das Gericht nur.
Ruhend brach Sapphira von ihrem Grabe, des Fruͤhlings
Erſte Blumen, und gab ſie dem erndteſinnenden Manne.
Und ſie kamen hinab zu ihrer Saat. Ananias
Sprach von der Fuͤlle der Aehren, und ihrer Fruchtbarkeit Werthe.
Joſes219Funfzehnter Geſang.
Joſes freuete ſich der Erndter Freuden, wenn ihnen
Endlich der Abend laͤchelt, und ſie in der Kuͤhlung ſich letzen,
Wenn ſie mit blauen Kraͤnzen, die unter dem wankenden Halme
Wachſen, bekraͤnzt, in mutigem Reihn, beſchattet vom Oelbaum,
Jauchzen, daß ſie die Laſt, und des Tages Hitze getragen;
Und Johannes begann: Auf, laß uns ihnen erſcheinen!
Jhm antwortet Eliſa: Wem willſt du erſcheinen? Der groſſen
Felder Beſitzer? oder des ſchmalen ſteinigen Ackers?
Beyden! Und ich, antwortet Eliſa, erſcheine nur Joſes,
Dem in bergigtem Acker die Saat der Kieſel erdruͤcket.
Wird Ananias ein Chriſt? das frag ich dich, theurer Eliſa.
Ja das wird er! Wohlan, laß uns dem Chriſten erſcheinen!
Denkt er weniger gut; ſo bedarf er, geleitet zu werden,
Mehr, als Joſes , Jch ſah: Er wurde gewogen! und ſahe
Seine Waagſchal fuͤrchterlich ſinken. Wir wuͤrden ihm haͤufen
Seine Gerichte, zum groͤſſeren Zorne Gottes ihm werden,
An dem Tage der ſchreibenden Hand; wenn wir ihm erſchienen!
Wuͤrden wir ihn nicht erretten? erwiederte leiſe Johannes.
Komm denn, ſprach Eliſa, und laß uns den Chriſten erſcheinen;
Aber nicht, als Erſtandne des Herrn. Sie ſchwebten nach Salem.
Und Ananias und Joſes, und ihre Begleiterinn gingen
Auch nach Salem zuruͤck. Da ſahn ſie nah an dem Tempel
Einen Blinden, und Lahmen in ſtiller Traurigkeit ſitzen.
Und die Armen redten ſie an, zwar voll von Wehmut,
Aber nicht mit Ungeſtuͤm, mit Wuͤrd in der Bitte.
Sanft gab Joſes, und ließ die Gabe die Linke nicht wiſſen;
Mehr Ananias, und weniger doch. Das Mindere warf er
Noch220Der Meſſias.
Noch dazu mit Verdruß vor den Fuß der leidenden Armen.
Und ſie waren voruͤber gegangen. Du ſiehſt nun, ſo ſagte
Zu dem Lahmen der Blinde, daß er der Erſcheinung nicht werth iſt.
Und der Groͤßte von denen, die Weiber gebahren, der Groͤßte,
Weil er der Menſchlichſte war, als er Eliſa vernommen,
Schwieg! Jetzt hatt er vollendet des furchtbaren Schweigens Urtheil,
Und er ſprach zu Eliſa: Du ſahſt ihn waͤgen! was ſahſt du?
Chriſten ſah ich verſammelt, und Kephas unter den Chriſten.
Jeder der himmelnahen Verſammlung verkaufte ſein Erbe,
Gab es zu Aller Gebrauch. Und Joſes war einer von ihnen.
Und er verkaufte den Acker, den wir geſehen, und legte
Zu der Apoſtel Fuͤſſen das Silber. Auch kam Ananias;
Aber er brachte nicht Alles. Da ſprach, zu dem Taͤuſchenden, Kephas:
Warum erfuͤllte Satan dein Herz, Ananias, dem Geiſte
Gottes zu luͤgen? und etwas vom Silber des Ackers zu nehmen?
Dein war er, und du haͤttſt ihn behalten koͤnnen; verkauft war
Auch das Silber noch dein. Warum erkuͤhnte dein Herz ſich
Dieſer That? Nicht Menſchen haſt du, Gott haſt du gelogen!
Als Ananias von Petrus die Donnerworte vernommen,
Stuͤrzt er nieder, und ſtarb. Und Schrecken befiel, die es ſahen.
Juͤnglinge nahmen ihn auf, und trugen ihn weg zum Begraben.
Wenige Stunden, da kam das Weib Ananias, Sapphira;
Und ſie hatte von dem nicht gehoͤrt, was vor kurzem geſchehn war.
Petrus befragte ſie: Habt ihr das Feld ſo theuer verkaufet?
Ja ſo theuer! erwiederte ſie. Da ſprach zu ihr Kephas:
Warum verbandet ihr euch, den Geiſt des Herrn zu verſuchen?
Siehe,221Funfzehnter Geſang.
Siehe, der Juͤnglinge Fuͤſſe, die deinen Mann begruben,
Sind vor der Thuͤr, und bereit, auch dich zum Grabe zu tragen.
Sterbend ſank ſie vor Kephas nieder. Die Juͤnglinge kamen,
Fanden ſie todt, und trugen ſie weg, daß ſie neben dem Manne
Sie begruͤben. Entſetzen befiel die ganze Gemeine,
Und wem ſonſt die Geſchichte der ernſten Gerechtigkeit kund ward.
Joſes hatte ſich jetzt von ſeinen Gefaͤhrten geſondert.
Und er eilte zuruͤck nach ſeinem Hauſe. Johannes
Kam in Gehen zu ihm. Woher bringt, Joſes, dein Weg dich?
Von den Saaten am Jordan. Jch habe dort Acker. Sie traten
Mit den Worten ins Haus, Und an des kommenden Vaters
Halſ und Armen hingen die Kinder. Auf, ſegne die Meinen!
Sprach der Vater zum Fremdling, und bracht ihm die freudigen Knaben.
Dieſer wendete ſich zu den Knaben mit einer Hoheit,
Die mit Bewundrung das Herz des ernſten Vaters erfuͤllte.
Seyd auch Zeugen des Herrn, ihr Kinder Joſes! Dein Acker
Wird von jetzt noch weniger Garben der Erndte dir geben!
Wird mich der Herr denn verlaſſen? und dieſe Waiſen verlaſſen? ..
Das iſt ferne von Gott, der mehr, wie das ſterbliche Leben
Nur erhaͤlt. Er giebt, und nimmt von dem Jrdiſchen! nimmt nicht,
Ewiger Theil, von dir. Der Taͤufer ſprachs, und erhabner
Wurde ſtets ſein Anſehn. Joſes hatte noch Blicke
Nie, wie dieſe, geſehn, noch keine Stimme vernommen,
Die mit dieſer Feyerlichkeit von Gott ſprach. Schweigend
Hoͤrt er ihn reden. Und alſo begann von neuem Johannes:
Der, du kannteſt ihn doch? zu deſſen Fuͤſſen Maria,
Lazarus Schweſter, den beſſeren Theil, die Ewigkeit waͤhlte!
Der222Der Meſſias.
Der Jairus Tochter, im Tode ſchlief ſie! der Nains
Todten Juͤngling, und dann der ewigkeitwaͤhlenden Schweſter
Himmliſchen Bruder erweckte, der iſt nun ſelbſt von den Todten
Auferſtanden! Sein Zeuge bin ich! Sein Zeuge ſollſt du nun
Bald auch werden! Er ſprachs mit Hoheit, die zur Verklaͤrung
Sich zu erheben begann. Schon bin ich ſein Zeuge geweſen,
Als er hinab in den Strom, auf ihn vom Himmel der Geiſt ſtieg!
Als von ihm die Stimme des Vaters ſcholl in den Wolken!
Und er ſprach die Worte mit einem ſo himmliſchen Anſchaun,
Daß ihm ein kurzer Uebergang zur Verklaͤrung nur fehlte.
Eilend wandt er ſich um, und ging, und von dem Gewandten
Kamen Schimmer, die wurden blaͤſſer, entfernten ſich, ſchwommen
Wie in Daͤmmrung dahin. Jetzt war die Erſcheinung verſchwunden.
Vater, riefen die Knaben, es blitzte! da ſank an den Stufen
Daͤmmrung hinab! Wo aber iſt der, mit dem du hereinkamſt?
Und der fuͤnfte nach dir, du Morgen der Auferſtehung,
Stieg, des ſchoͤnſten Tages Verkuͤndiger, uͤber die Huͤgel
Juda, roͤthlich empor, und Portia wachte mit ihm auf,
Mehr von Traͤumen, als Schlafe. Sie ging hinab zu der Blumen
Fruͤhen Geruͤchen; allein ſie dufteten ihr vergebens.
Wieder ein Morgen erlebt, ein Tag der Erde! Doch truͤb iſts
Jmmer in meiner Seele noch, immer noch Nacht, da erwachet,
Geber des Lebens, kein Tag! Jch traͤume noch immer in Dunkeln,
Lieg, und ſchmachte, dich zu erkennen, und den zu erkennen,
Den wir in ſeinem Grabe nicht finden. Ach wenn die letzte
Meiner Sonnen nun kommt, wirds Nacht auch dann noch in mir ſeyn?
Tag erſt, wenn ſie hinab in die Oceane ſich ſenket?
Oder223Funfzehnter Geſang.
Oder gar noch truͤbere Nacht? Das Volk der Erwaͤhlung
Nennet den Weg zu dem Grabe, vor dem auch ſie ſich entſetzen,
Einen Weg durch ein finſteres Thal. So tragen denn Alle
Jhre Laſten, die Gott erleuchtet, und die er ſich ſelbſt laͤßt?
Aber laß mich nicht mir, und erleuchte mich! Schrecken des Todes
Schrecken mich nicht, wenn du mit deinem Lichte mir leuchteſt.
Nun du Fels in Meer, in tiefem Meere der Zweifel,
Du Gedanke: Der Wille des Erſten der Weſen geſchehe!
Sey auch jetzt, wie du oft ſchon warſt, mir Geaͤngſteten Zuflucht!
Werde denn ſanft, zu verlangende Seele! Heitert mich, Duͤfte,
Und, ihr Farben des Fruͤhlings, mich auf! Doch neben dem Grabe
Deſſen, welcher vielleicht nicht unter den Todten mehr ſchlummert,
Laͤchelt der Fruͤhling ja auch. Was ſaͤum ich, mich dort zu erfriſchen,
Wo ein wenig Schimmer von fern der Fragenden etwa
Einer, der dort um ihn weinete, zeigt. So denkt ſie, und winket,
Jhr von weitem zu folgen. Sie ging ſchon gegen das Grabmaal
Aus der thuͤrmenden Stadt. Sie ſahen heruͤber zum Felſen
Rahel kommen, und Jemina, Hiob des Ausgepruͤften,
Und des Wiedergeſegneten Tochter. Die Seligen ſprachen
Untereinander: Sie kommt, auf die wir warteten, Rahel,
Die gen Himmel hinauf aus ihrer Nacht arbeitet!
Laß ſie uns leiten. Dein fuͤhrender Engel, Portia, ſah ſie,
Menſchen werden, wie wir, zwo Pilgerinnen des Feſtes.
Griechinnen ſchienen ſie, und waren heruͤber gekommen
Von den Jnſeln, der Toͤchter des Archipelagos Einer.
Und ſie kamen einher, mit leichten Staͤben, und Purpur
Flocht ihr ruhendes Haar. Sie gingen die Roͤmerinn langſam,
Und224Der Meſſias.
Und in Gedanken vertieft, voruͤber. Doch Portia wandte
Sich nach ihnen herum, und ſprach: Verweilt, wenn ihr duͤrftet,
Pilgerinnen. Jhr irrtet an dieſem Grabe mit Tiefſinn.
Kanntet ihr, den es vor wenigen Tagen noch deckte? Wer biſt du,
Die du uns fragſt? Du ſcheinſt mir der Jſraelitinnen keine.
Biſt du vom Kapitol, dem ſchrecklichſten Huͤgel der ſieben,
Eine der Herrſcherinnen, ſo laß uns, und ſpotte nicht unſer,
Roͤmerinn! Deſſen ſpotte der Hocherhabne des Himmels,
Welcher ſich unterwindet zu ſpotten der redlichen Unſchuld!
Kennt mich mehr! Zwar bin ich Pilatus Vermaͤhlte, doch wuͤrd ich,
Tief erniedrigt mich ſehn, wenn ich euer zu ſpotten vermoͤchte.
Seyd ihr nicht, anzubeten, von fernem Meere gekommen?
Und ich ſollte, mit kriechendem Spott, die Froͤmmigkeit lohnen?
Redet mit mir, damit ihr mich kennt. Dieß Grab des Todten,
Ueber eure Vermuthungen, iſt mir es theuer, und heilig!
Kam der Ruf auch zu euch: Er ſey erſtanden vom Tode,
Den es deckte? Du denkſt von Jeſus, Jemina redte,
Als wir keine von euch, die Goͤtter glauben, noch fanden!
Und verdieneſt von uns, daß wir, mit der offenſten Einfalt
Zu dir reden, und ruhig erwarten, wie du es urtheilſt.
Mehr noch kam, wie nur Ruf, zu uns. Und meine Gefaͤhrtinn
Hier hat Eine der Frommen geſehn, der war er erſchienen.
Red, o Gluͤckliche, welche die mehr noch gluͤckliche Fromme,
Seine Begnadete, ſah. Jſt ſie noch im Leben des Elends?
Hat er ſie nicht hinuͤber ins beſſere Leben genommen?
Magdalena Maria, ſo heißt der Begnadigten Name,
Lebet noch hier. Sie ſucht ihn im offenen Grabe vergebens,
Jrrt,225Funfzehnter Geſang.
Jrrt, und weint, und erblickte, wie ihr es dauchte, den Gaͤrtner,
Denn die werdende Morgendaͤmmrung bedeckte die Baͤume.
Aber, wie kann ich die freudigen Schrecken der Frommen beſchreiben?
Sieh, er wandte ſich um, und nennte mit himmliſcher Stimme
Sie, bey ihrem Namen, mit ſeiner Stimme: Maria!
Nieder ſank ſie zur Erde, Rabbuni! bebte ſie ihm zu,
Lag, und hielt mit Thraͤnen, und kuͤßte des Goͤttlichen Fuͤſſe,
Und er gab ihr Befehl. Hoͤr auf, mir werden der Freuden
Sonſt auf Einmal zu viel, und ich unterliege! Du ſieheſt,
Rahel, ſie bebt, hoͤr auf! Jſt der dein Name, Geliebte?
Rahel, ſo heiſſeſt du? Rahel, wie haſt du mein Elend gelindert!
Ach erſchienen! Maria bey ihrem Namen genennet,
Und mit himmliſcher Stimme, die Auserwaͤhlte der Wonne!
Wer empfindet ihr nach, wie ſelig er ſie gemacht hat!
Bringt ſie mir her, damit ich zu ihr, aus meinem Schmerze,
Mein ermuͤdetes Haupt erheb, und ſie weinend bewundre,
Weinend! Denn von der Quelle der Ruh, die uͤber ſie ſtroͤmte,
Wird kein Tropfen mich kuͤhlen! Zu Abrahams Volke gehoͤr ich
Heidniſche Roͤmerinn nicht, viel minder zu jenen Geliebten
Unter den Toͤchtern Jeruſalems, denen der Sieger erſcheinet,
Siehe der groſſe Sieger des Todes! O warum belohnt ihn
Kein Triumph? kein hoher Triumph, daß Jeruſalem halle!
Daß der Sion davon, und des Tempels Woͤlbungen beben!
Warum tragen ſie nicht vor ihm her die Bilder der Vaͤter?
Ganz Judaͤa, auf goldenen Staͤben, Abrahams Bildniß,
Daniels, Hiobs, und Moſes, und deins, der Juͤnglinge Kuͤhnſter,
Der zu der Erde den Rieſen, vom Nacken der Seinen, das Joch warf!
III Band. PWarum226Der Meſſias.
Warum weint ihm nicht nach, wer lahm war, und gehet? wer taub war,
Hoͤret? blind war, und ſieht? dem Wunderthaͤter, wer todt war,
Und nun lebet? daß nie ein Triumph, wie der Seine geſehn ſey!
Keiner, der ſtolz die ſiegenden Huͤgel umzog, und den Lorbeer
Nieder im Capitol, bey dem Donner Jupiters, legte!
Doch wo verlier ich mich hin? Sein Reich, das hoͤrt ich ja ſelber,
Jſt von dieſer Welt nicht. Entſunken dem ſchwellenden Wunſche
Nach Triumphen, wie jenen die Blutvergieſſer belohnten
Schwung ſie ſich auf, in erhabnere Hoͤhn, und ſchwieg, voll Betrachtung
Eines Reiches der kuͤnftigen Welt. Da ſie Jemina ſahe,
Wie ſie in dieſe Betrachtung verſank, mit des freudigen Ernſtes
Hellen Gebehrde; vergaß ſie beynah in ihrer Entzuͤckung,
Daß ſie, bey einer Sterblichen, eine Sterbliche ſtuͤnde.
Denn die Schoͤne der Abendroͤthe glaͤnzt auf der Wang ihr,
Und ihr Laͤcheln im Blick. Doch als ſich Portia wandte,
Und ſie zu ſehen begann, verließ ſie der Schimmer, ſie wurde
Schnell zur Pilgerinn wieder, und lehnte ſich ruhebeduͤrftig,
Auf den ſtuͤtzenden Stab. Doch ließ die himmliſche Wonne,
Aus der ſie in Muͤdigkeit ſank, in Portia’s Seele,
Ein Erſtaunen zuruͤck, daß ſie zu fragen verſtummte,
Sanftes Erſtaunen, und Zittern, und ſchnelleres Athmen, und Tiefſinn,
Und noch redte ſie nicht. Wie freut ich mich deiner Betrachtung
Ueber das Reich der kuͤnftigen Welt, und daß dir Triumphe
Dieſer Erde zu klein, fuͤr den Herrn der Herrlichkeit, waren!
Du, die traurig nicht mehr, nicht mehr ein Spiel der Verirrung
Seyn, die ſich freuen ſollte, daß wir dir ſagen, der Todte
Sey227Funfzehnter Geſang.
Sey erſtanden! und dir vielleicht die Zeuginnen ſelber
Sagen werden, ſie haͤtten den Herrn des Todes geſehen!
Jemina ſprachs, und ſah ihr mit glaͤnzendem Laͤcheln ins Antlitz.
Mir? So athmete Portia ſanft, mit leiſerem Laute.
Weichet, Zweifel, von ihr! Der Ewigkeiten Beherrſcher,
Der von Anbeginne das Reich der Himmel beſeligt,
Sey dein Gott! Er, der dich geſchaffen hat, ſey dein Erbarmer!
Denn du brachſt mir mein Herz, Jehova ſey dein Erbarmer!
Thraͤnen ſtuͤrzten, daß ihr die Stimm erſtarb, von ihr nieder,
Als ihr auf die Stirne die Hand die Unſterbliche legte,
Und ſie ſegnete. Portia ſprach, da die Stimm ihr zuruͤck kam:
Leite mich, wer du auch biſt, der begnadeten Sterblichen Eine,
Oder Eine der Himmliſchen, welche den Menſchen erſcheinen,
Leite, was ſoll ich thun? o fuͤhre du mich zu Gott hin!
Hoͤrteſt du, Portia, ſchon, daß Todte mit Jeſus erſtanden?
Fragte Rahel mit ruhiger Stimme, mit ſchneller die Heidinn:
Ach was ſageſt du mir? Erſtanden Todte mit Jeſus?
Ja, der Ruf beginnt zu erſchallen, es haͤtten, mit Jeſus,
Todte die Graͤber verlaſſen, und die erſchienen den Frommen,
Die den Goͤttlichen liebten. O laßt mich meinem Erſtaunen
Mich entreiſſen, und mich beſinnen! Zu viel der Entzuͤckung
Schwindelt um mich! Erſtanden iſt er? erſtanden noch Todte?
Er erſcheinet, und ſie? O Tag des Lebens, an dem ich
Dieſe Wunder Gottes erfahre. Wir wollen dich leiten,
Portia. Suche ſie nicht, die Chriſtus ſehen, du findeſt
Doch ſie nicht auf. Er wird, wen er dir ſenden will, ſenden,
Daß ſie dir zeugen von ihm! Jn Galilaͤa erſcheint er,
P 2Auſſer228Der Meſſias.
Auſſer den Erſten der Zeugen, noch andern; in Salem nur ihnen.
Dieſe geheiligten Erſtlinge werden in allen Landen,
Was er that, und lehrte, verkuͤndigen, werden ihr Zeugniß
Freudig mit ihrem Blute beſtaͤtigen, dann der Treue
Ewigen Lohn an dem Throne des groſſen Belohners empfangen!
Eile nach Galilaͤa. Wenn du ihn ſelber nicht ſieheſt,
Wird er dir doch, von denen, die er begnadete, ſenden!
Und nun muͤſſen wir dich, (ſie laͤchelten Liebe,) verlaſſen.
Jch beſchwoͤr euch bey Gott, der auch mich begnadete, bleibt noch,
Ach verlaßt mich noch nicht, und ſagt, o ſaget: Wer ſeyd ihr?
Zwar ein Gefuͤhl, wie keins mir noch ward, erfuͤllt mich mit Ahndung,
Hebt mich empor, umgiebt mich mit ſuͤſſer Vermutungen Schimmer,
Daß ihr Unſterbliche ſeyd! Allein ach ſagt mir es ſelber,
Daß ihr es ſeyd! damit auch nicht Ein Woͤlkchen mir bleibe,
Welches den werdenden Tag in meiner Seele verdunkle.
Gott belohn euch dafuͤr, mit ſeines Himmels Gewißheit!
Und ſie blickten vor Freude ſich an, und blieben. Wir wollen
Beten dich lehren! und knieten mit ihr an das Grab des Erſtandnen.
Unſer Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt.
Zu uns komme dein Reich! Jn dem Himmel geſchehe dein Wille,
Und auf der Erde! Verleih uns unſere taͤgliche Nahrung!
Wie dem Schuldiger wir vergeben, vergieb uns die Schulden.
Fuͤhr uns nicht in Verſuchungen, ſondern erloͤſ uns vom Boͤſen!
Denn das Reich iſt dein, und die Macht, und die Herrlichkeit. Amen!
Als ſie endeten, und: Dein iſt die Herrlichkeit! riefen,
Und dabey die gefalteten Haͤnde gen Himmel erhuben,
Wurden ſie ſchnell in Schimmer gehuͤllt, und entſchwebten dem Grabe,
Leicht229Funfzehnter Geſang.
Leicht in den Schatten der Baͤume dahin. Sie ſahen mit Laͤcheln,
Oft ſich noch um nach Portia, wonnevoll uͤber der Heidinn
Sprachloſen Freude. Sie blieb im Staube knieen, und ſtreckte,
Unvermoͤgend ſich aufzurichten, nach ihnen die Arm aus.
Jemina war, und zuletzt auch Rahel verſchwunden. Vom Auge
Portia rann die Freude nun uͤber die roͤthere Wange,
Und ſie erhub ſich, leicht wie ein Laub, das Athmen der Luft hebt.
Vater, das Reich iſt dein, und die Macht, und die Herrlichkeit! Amen.
Alſo eilte ſie betend hinab zu Jeruſalems Thoren.
Eine der ſchmermuthsvolleren, und zu empfindlichen Seelen,
Die, des Guten, das ſie empfingen, ſchnelle Vergeſſer,
Und Vergroͤſſerer, oder auch gar Erſchaffer des Elends,
Dieß nur denken, in dieß, mit gruͤbelndem Ernſt, ſich vertiefen,
Beor hatte ſich von den Menſchen geſondert, und lebte
Jn der Einſamkeit. Wie der Freudiggeſchaͤftige gerne
Mit dem kommenden Tag aufwacht, ſo ſcheucht er den Schlummer
Gern um Mitternacht. An der Huͤtte fernen Eingang
Naͤhrt er ein wenig Schimmer, wie Todtenlampen in Graͤbern.
Jetzo hatt er ſein Brodt gegeſſen, ſein Waſſer getrunken,
Sich zu dem Gruͤbeln geſtaͤrkt! So komm dahin denn wieder,
Wo du ſo oft ſchon wareſt, hinab, zerruͤttete Seele!
Muß nicht Elend ſeyn? und muͤſſens nicht Einige tragen?
Ja, es muß, weil es iſt! Und muͤßtens die Himmel nicht tragen!
Laͤgs nicht auf uns? Denn da muß es ſeyn; ſonſt waͤrs nicht geworden!
Aber warum? So oft ich frag, antwortet mir keiner,
Weder im Himmel, und weder auf Erden; und ſo verſchwindet
Mir der Troſt, daß es ſeyn muß! Allein bey dem wankenden Troſte
P 3Darf230Der Meſſias.
Darf mein belaſtetes Herz doch ringen nach dieſer Antwort:
Warum ſondert es einige Menſchen ſich aus, und faßt ſie
Eiſern an, und hebet ſie hoch aus dem Strom, und trift ſie
Mit zermalmendem Arm? mich, mit zermalmendem Arme?
Ward ich nicht blind gebohren? und lebt, ein Blinder, ſo lange?
Zwar gab Er dem Auge den Tag, auch meiner Seele
Einige Daͤmmrung von ſich; doch Nacht iſt dieſe geworden,
Denn er iſt todt! entſetzliche Nacht! Was hilft mir des Auges
Kurzer Tag, da in Dunklerem wallt, als ſelber des Todes
Thal iſt, meine Seele? Des Auges Blindheit, o kehre
Du nur wieder! Jch kann mich nicht mehr des Anblicks der Schoͤpfung,
Nicht des Strahls mehr freuen, der Sarons Blume beſeelet,
Und die Ceder Gottes! Die Abenddaͤmmrung verſenkt mich
Nicht in Empfindungen mehr, die ſanft, wie ſie ſelber waren.
Der bin ich geworden, obwohl aus dem naͤchtlichen Grabe
Meiner Blindheit erwecket? Ja, der bin ich geworden!
Denn umnachtet iſt mir die noch viel blindere Seele,
Als mein Auge ſonſt war! Denn ach, ihr Engel! (verdankt es
Unſerm Geſchlechte, daß wir die Ungluͤckſeligen wurden!)
Denn, ihr Engel! iſt Er nicht todt? Ein ermuͤdeter Greis trat
Zu dem Klager herein. Gib mir, o Beor, den Becher.
Jch bin aͤlter, als du, und litt viel groͤſſere Leiden!
Groͤſſere Leiden, als ich? Viel aͤlter biſt du. Da nimm dir
Meinen Becher. Jch kann zur Quelle leichter mich buͤcken.
Haſt du auch Speiſe fuͤr mich, mein ſchwaches Alter zu laben?
Nimm den Broſam, und . Du biſt, deß freu ich mich, Beor,
Gegen Andre nicht hart; nur gegen dich ſelber verhaͤrteſt
Du231Funfzehnter Geſang.
Du dein Herz, und willſt dich nicht troͤſten! Dich ja nicht zu troͤſten,
Forſcht dein Verſtand, und ſtrebet dein Herz. Jch kenne dich, Beor,
War zugegen, als du die Schoͤpfung das erſtemal ſaheſt.
Weñ du mich keñſt, ſo keñſt du den Schwermuthsvollſten der Menſchen!
Deſto ſchwermuthsvoller, je mehr die Kraft mir verſagt iſt,
Das in mir zu beherrſchen, was mich zu der Traurigkeit hinreißt.
Aber waͤhne nur nicht, daß mirs an des Traurens Urſach
Mangle. Den Heiterſten ſtuͤrzt ein Elend, wie meins, zu der Erde!
War ich nicht blind ſeit meiner Geburt, und lang, und des Lebens
Beſte Zeit? Bin ich nicht an Einſicht blinder, den groſſen
Goͤttlichen Mann zu erkennen, der Wunder zu wirken, von Gott kam?
Und wird etwa ſein Tod, zu neuem Erkenntniß mir Licht ſeyn?
Kenneſt du nun ein Elend, wie meins iſt? und muͤſſen nicht fuͤrchten,
Jmmer elend zu ſeyn, Elende von ihrer Geburt an?
Jſt nicht unablaſſende Pein der kuͤnftigen Bote?
Ach beſtraft der Gerechte nicht mehr, als Anderer Suͤnden,
Meine Suͤnden? Jch fluche dem Tage meiner Geburt nicht,
Aber ich wuͤnſche beynah, nicht zu ſeyn! Hier endete Beor.
That er dir nicht auf Einmal, als du es am wenigſten hofteſt,
Seines Allerheiligſten Vorhof, die herrliche Welt, auf?
Jhre Fuͤlle der Segen, von ſeiner Sonne beſtrahlet?
Freuden hatteſt du da, wie der Jmmerſehenden keiner
Jemals empfand! Und oͤfnet er dir in die kuͤnftige Welt nicht
Einen Blick, als er ſich den Sohn des Ewigen nannte?
War dieß, Beor, auch Elend? auch Strafe der Suͤnde? Die Suͤnde
Straft er an dir nicht mehr, wie an Andern. Die Herrlichkeit Gottes
Wollte ſtrahlend an dir, du Elendbeſeligter, Jeſus
P 4Offen -232Der Meſſias.
Offenbaren. Du warſt, ihr Zeuge zu werden, erkohren
Schon vor deiner Geburt. So dachte der Ewige deiner!
Beor rief: Du verfuͤhrſt mich in neue Tiefen des Gruͤbelns!
Laß mich! da, wo ich lieg, iſt es tief genung! mein Abgrund
Tief genung! Ha waͤrſt du ein Engel des Lichts, und ſpraͤcheſt,
Wie du ſprichſt; doch fragt ich dich: Wie, was Gott im Geheimſten
Seiner Verborgenheit thut, du, obgleich ein Unſterblicher, wuͤßteſt?
Denn erſinne mir etwas, das weiter aus dem Geſichtskreis
Aller Erforſchungen laͤge, das mehr der Herrſcher verbuͤrge,
Als: Elende zu machen, um herrlich durch ſie zu werden!
Und wie weißt, du Sterblicher, denn, des Ewigen Rath ſey
So zu handeln? Wofern ein Engel mirs ſagte, ſo glaubt ichs:
Aber, er ſchau hinab in die ganze Tiefe! das wuͤrde
Selbſt ein Engel umſonſt mir ſagen! Jetzt redte der Alte:
Jſt denn kein ewiger Lohn, du Zweifler? und ſind denn nicht Stufen
Dieſes ewigen Lohn, die hinauf in die Himmel der Himmel
Steigen? Und kann, wen Er um ſeinetwillen betruͤbte,
Den denn Gott nicht belohnen? der unerſchoͤpfliche Geber
Aller Seligkeit, nicht auch den? Du ſteheſt am Meere;
Sieh Ein Tropfen kann dich, du Staub, mit Fuͤlle beſtroͤmen!
Du erquickeſt mein Herz, ehrwuͤrdiger Alter. Doch wenn auch
Gott ſo handelt; wie darf ſo hoch ich waͤhnen, ich waͤre
Der Gluͤckſeligen Einer, die Gott mit Elend belaſtet,
Sich zu verherrlichen! ſie mit ewigem Lohn zu belohnen!
Einer von dieſen biſt du! Das weis ich. Mit Ueberzeugung
Wirſt auch du nun bald es erfahren. Denn Tag in der Seele
Wirds dir, freue dich, werden! Der Morgenroͤthe des ſchoͤnen,
Lichtvollen233Funfzehnter Geſang.
Lichtvollen Tages, ich ſeh ſchon ihre Schimmer von ferne.
Laß, eh er kommt, uns beten, damit er betend dich finde,
Gottes Tag Sie ſanken hin, und knieten in Staube,
Hiob vorwaͤrts an Beor. Und Beor ſtammelte weinend:
Herr, Herr / Gott, barmherzig, und gnaͤdig, bin ich der Erkohrne,
Elend zu ſeyn, damit du noch mehr dich meiner erbarmeſt:
So erheb ich mein Haupt, mit Danke, mit Danke gen Himmel,
Daß du dem Auge Blindheit, und Nacht der Seele voll Schwermuth,
Dieß, Erbarmender, gabſt, mit ewigem Danke! denn ewig
Soll mein Jubel erſchallen, daß Gott, Gott ſo ſich erbarmt hat!
Huͤter des Menſchen, iſt ſie nun bald voruͤber der Seele
Nacht? O Hofnung, du neue, du himmelerhebende Hofnung,
Dich empfang ich vom Herrn! Geprieſen, mein Vater, geprieſen
Sey dein herrlicher Name, des Gnadenvollen Erbarmung,
Dieſe Mutter des huͤlfloſen Kindes! Und wenn ſich des Sohnes
Auch das Weib nicht erbarmte, ſo wird doch Gott ſich erbarmen!
Herr, Herr, Gott barmherzig, und gnaͤdig, geprieſen auf ewig
Sey dein herrlicher Name, daß du mir von der Geburt an,
Blind zu ſeyn geboteſt! daß du mir Leiden die Fuͤlle
Gabſt, und Thraͤnen, und deinen goͤttlichen Boten, das Elend,
Mich zu lehren, mir ſandteſt! mir Zweifel, und Schwermuth der Seele
Sandteſt, damit ich, wie ſehr ich deiner Huͤlfe beduͤrfe,
Tief ins Leben hinein, in meinem Jnnerſten, fuͤhlte!
Aber ſoll ich nicht dir auch danken, Geſendeter Gottes,
Helfer in Juda? Allein (hier wurde die Stimm ihm ſchwaͤcher)
Er iſt todt! Er lebt! Es ruft’s mit gewendetem Haupte,
Und mit ſtrahlendem Angeſicht, Hiob, er lebt! und mit Eile
P 5Stand234Der Meſſias.
Stand er auf, und war ganz Herrlichkeit jenes Lebens.
Sieh, er iſt nicht todt mehr, er lebt! uud Einer der Zeugen,
Daß er lebe, bin ich, den er vom Tode geweckt hat,
Hiob! Jch litt, das glaubſt du doch nun? viel groͤſſere Leiden,
Als du litteſt! allein wie hat er auch mein ſich erbarmet!
Beor wollte die Haͤnde gen Himmel falten, vermochts nicht.
Wie ſie Moſes, am Tage der Schlacht, die Haͤnde gen Himmel
Hielten, geſunken brachten ſie Tod! und Leben! erhoben;
Alſo hielt ſie ihm Hiob empor. Jetzt ſchied er mit Wonne
Von dem Erſtaunenden, welcher ihn blaß und ſprachlos anſah.
Siehe, der Todte, der ewig lebt, und bald nun hinaufſteigt
Jn die Hoͤhe der Hoͤhn, (Er wies mit der glaͤnzenden Rechte
Feyrlich gen Himmel) er ſelbſt hats uͤber dich ausgeſprochen:
Nicht der Blinde, noch die ihn gebahr, noch der, der ihn zeugte,
Haben geſuͤndigt! Er iſt ein Zeuge der Herrlichkeit Gottes!
Alſo verließ er Beor, der kaum den Abſchied aushielt.
Abraham ſchweben und Moſes am hohen Tempelgewoͤlbe,
Schaun auf des Feſtes Feyrer hinab, und forſchen betrachtend,
Einen darunter zu finden, der ihrer Erſcheinungen werth ſey;
Und ſie ſuchen lange vergebens. Endlich erblicken
Sie, an einem der palmenbewundenen Pfeiler! voll Ernſtes
Einen Juͤngling, und voll der tiefanbetenden Andacht.
Feuer ſtroͤmt ihm herab aus jedem Blicke, gewidmet
Dem, deß groſſen Namen die hohe Poſaune jetzt hallte,
Sie der Schlacht, des Triumphs, und der Halleluja Gefaͤhrtinn.
Milder wurde ſein Blick, und von werdenden Thraͤnen beſchimmert,
Als ihr Donner ſchwieg, und nun mit ſanftem Gelispel
Korahs235Funfzehnter Geſang.
Korahs Githith erklang, und Davids Geſpielinn, die Harfe,
Und die Stimme des Menſchen, vor allen Saiten und Erzten
Unerſchoͤpflich, die maͤchtigſte Herrſcherinn uͤber die Herzen.
Alſo ſcholl es hinauf in den himmelſteigenden Tempel:
Auf den heiligen Bergen iſt ſie die feſte gegruͤndet!
Sions Thore vielmehr, als alle Wohnungen Jakob,
Liebt ſie der Herr! Jn dir, du Stadt des Allmaͤchtigen, werden
Herrliche Dinge verkuͤndet! verkuͤndet herrliche Dinge!
Mit anhaltender Andacht Ernſt, erhoben zum Geber
Aller Gaben, zu dem, der ewig lebet, und herrſchet,
Kniete Saulus. Und, aus der groſſen gedraͤngten Verſammlung,
Kohr ihn Moſes ſich aus, und Abraham, ihm zu erſcheinen.
Als der Jubel ſchwieg, und die Feyrer des Feſtes zerſtroͤmten,
Schwebten ſie, ihn zu geleiten, ihm nach. Mit Eile, die ſtrahlte,
Kam, da ſie folgten, herab von Tabors wolkiger Hoͤhe,
Gabriel ihnen entgegen, und ſchnell erflog er ihr Schweben.
Vaͤter, erſcheinet ihm nicht, der Herr will ihm ſelber erſcheinen!
Bote Gottes! wer iſt der erhabne Sterbliche, dem wir
Nicht erſcheinen duͤrfen, dem Jeſus ſelber erſcheinet?
Dort erblickt ihr Damaskon. Er eilt in dieſen Gefilden
Dein entflammter Verfolger, Gemeine Gottes. Er wuͤtet,
Sammelt Schaaren um ſich, die wuͤten wie er, und morden!
Aber ploͤtzlich umſtrahlt ihn ein Licht von dem Himmel, zur Erde
Faͤlt er nieder, und hoͤrt in der hohen Wolke die Stimme:
Saulus, was verfolgſt du mich, Saulus? Da ruft er gen Himmel:
Herr, wer biſt du? und ihm antwortet die ſchreckliche Stimme:
Jch236Der Meſſias.
Jch bin Jeſus, den du verfolgſt! Schwer wird dir es werden,
Wider den Stachel zu lecken! Er ſpricht mit Zittern und Zagen:
Herr, was gebeutſt du, was ſoll ich thun? Der Wecker vom Himmel
Jeſus, der Thronende zu der Rechte des ewigen Vaters,
Giebt ihm Befehle. Die thut er, obgleich geſchlagen von Blindheit.
Sieh! ihn leiten ſeine Gefaͤhrten, die neben ihm zagen,
Nach Damaskon zum Seher. Ein auserwaͤhltes Ruͤſtzeug
Jſt er dem Herrn! Verkuͤndigen ſoll er des Goͤttlichen Namen
Unter den Heiden, und ihren Beherrſchern, und Jſraels Soͤhnen!
Zeigen will ihm der Herr, wie viel er um Seinetwillen
Leiden ſoll! Er empfaͤht den heiligen Geiſt, und die Blindheit
Laͤßt ihn. Er wird getauft, und predigt den Namen des Mittlers,
Daß der ſey des Ewigen Sohn, der todte Meſſias,
Der erſtandne, verherrlichte, himmelerhabne Meſſias!
Gabriel ſchwieg. Und Abraham rief mit gefalteten Haͤnden:
Daß du biſt der Vollender vom Anbeginne der Welten!
Daß ſich beugen ſollen, in deinem Namen, die Kniee
Aller im Himmel, und Aller auf Erden, und unter der Erde!
Aller Zungen bekennen, des Erſten am ewigen Throne,
Und des Letzten am Grabe: Du ſeyſt zu der Ehre des Vaters
Herr! du Eingebohrner zur Herrlichkeit, Halleluja!
Und ſie ſchwiegen lange vor inniger Wonne. Zuletzt ſprach
Moſes, und weihete ſo den ernſten Juͤngling: Die Liebe
Chriſtus dringe dich, und der Bruͤder! Sey denn geruͤſtet,
Niederzuſtuͤrzen die Hoͤhn, die gegen den Herrn ſich erheben!
Lehr ihn, ein Redner, wie Menſchen, und lehr ihn, ein Redner, wie Engel;
Aber habe die Liebe zugleich, die Liebe Chriſtus,
Die237Funfzehnter Geſang.
Die den Geliebten der engen, der dunkeln Wiſſenſchaft vorzieht,
Und der Bruͤder Liebe, die freundliche, duldende, ſanfte,
Die nicht eifert, nicht ſpottet, von keinem Stolze ſich aufblaͤht,
Die kein Zorn entſtellt, die nicht das ihrige ſuchet.
Nie zu erbittern, trachtet ſie nie, dem Bruder zu ſchaden.
Ungerechtigkeit freuet ſie nicht, ſie freuet die Wahrheit!
Alles glaubt ſie, ertraͤgt ſie, und hoffet alles, und duldet
Alles! iſt nie zu ermuͤden! ſie dauert ins ewige Leben!
Dieſe Liebe ſey dein, du Juͤngſtgebohrner der Gnade
Unter den heiligen Boten, dem Jeſus ſelber erſcheinet!
Denn die, welche du liebſt, ſind Glieder der hohen Gemeine;
Und ohne Flecken, und Tadel iſt die hohe Gemeine,
Jſt des Braͤutigams Braut, und in ſeinem Blute gewaſchen,
Jenem, das lauter rufet, als Abels, und nicht um Rache!
Heil euch! und lauter, als rief, von dem Berge des Schreckengeheges,
Sina, der Donner, der Chernbim Schaar, die Poſaun, und um Fluch nicht!
Hinter Stephanus, ging von dieſer Weihe begleitet,
Saulus hinab. Die Heiligen ſchwebten nach Tabor hinuͤber.
Simeons Bruder Elkanan, mit ihm ſein kindlicher Leiter,
Waren zu Samma hinein den traurigen Abend gegangen,
Da ſie das alternde Grab voll ſtillen Mooſes verlieſſen.
Samma hielt ſie bey ſich, ſuͤßuͤberredend, ein heitrer
Freundlicher Wirth, obwohl viel Schmerz die Seel ihm bewoͤlkte,
Jetzt der neue, todt ſey Chriſtus, und ſeines Erwachens
Ruf bezeuge noch keiner! Das klagt auch Elkanan, und Boa,
Joel, mit dir. Sie ſandten umher, und konnten die Juͤnger
Deß, der leben ſollte, nicht finden. Sie ſaſſen in Joels
Duften -238Der Meſſias.
Duftender Laube, die ihm ſein Vater im Garten gegeben.
Nur der wandelnde Mond war, wie ſie glaubten, der Hoͤrer
Jhrer Klagen; allein auf einer ſilbernen Wolke,
Die ihn leiſe bedeckte, verſammeln ſich andere Hoͤrer,
Andere Zeugen, wenn ihr Geſpraͤch in Schmerze verſtummte,
Simeon, und Benoni, und du, vollendete Fromme,
Lazarus Schweſter, Maria. Nun kann ich mich laͤnger nicht halten!
Muß mich meinem Vater, mich meinem Bruder entdecken!
Sag es, Simeon, ſelbſt: Sind ach nicht genung des Jammers
Thraͤnen geweinet? genung der bittern Kelche getrunken
Jhrer Leiden? Jſt nicht die Pruͤfung am Ziele der Laufbahn?
Wollen wir ihnen die Krone nicht bringen? Wir wollen, Benoni.
Folg unſichtbar uns nach, und geneuß der Wonne, Maria,
Jhre Freuden zu ſehn! Und du, Benoni, enthuͤlle
Dich in der Ferne mit milderem Glanze, daß ſie der Erſcheinung
Nicht erliegen. Sie ſchwebten hinab. Bey meines Benoni’s
Grabe war ich, bey Simeons du, ach! waͤren wir Armen
Auch bey Jeſus Grabe geweſen; ſo haͤtten wir ihn dort
Auferſtehn vielleicht, iſt er auferſtanden, geſehen!
Haͤtten O Gott der Goͤtter! was ſchimmert in jener Ferne!
Samma ſank, rief: Herr, Herr Gott, barmherzig und gnaͤdig!
Sieh, ein Bote des Himmels! Was ſahſt du, Knabe? was ſahſt du,
Samma? Fuͤhret mich hin, daß ich der Erſcheinung begegne,
Mit ihr rede. Wir beben, Elkanan, und koͤnnen nicht fuͤhren!
Fuͤhrt mich! Boa, was ſiehſt du? Auf, fuͤhre du mich! Der Knabe
Hielt ſich erſtarrt an der Huͤtte! So redet denn, ſaget: Was ſeht ihr?
Eine239Funfzehnter Geſang.
Eine lichte Juͤnglingsgeſtalt, die unter Benoni’s
Baͤumen wandelt, und gegen uns laͤchelt! Erſcheinung, Erſcheinung!
Rief Elkanan, wer biſt du? Melodiſch erſcholls in der Laube:
Einer Seligkeit Bote, die groͤſſer, als ihr vermuthet,
Viel entzuͤckender iſt. Ach! weſſen Stimm iſt die Stimme?
Rief jetzt Joel, und weſſen Antlitz des Nahenden Antlitz?
Gott der Goͤtter! Benoni! Er ſank. Schon hielt ihn Benoni’s
Helfender Arm, und richtet ihn auf. Mein Bruder! Benoni
Riefs in der Wonne. Mein himmliſcher Bruder! ſtammelte Joel.
Sam̃a mein Vater! und ſank ihm ans Herz, und erhielt ihm das Leben,
Daß der Greis in der ſtuͤrmiſchen unnennbaren Empfindung
Nicht entſchlummerte, nicht in der thraͤnenloſen Entzuͤckung
Jn die Nacht des Todes ſein Aug hinſtarrte. Nun leitet
Er den verſtummenden Alten zu einem mooſigem Sitze.
Bring Elkanan zu mir, ſprach er zu Boa, damit er
Naͤher mich hoͤre. Nun wall ich hinab mit Ruhe zum Grabe!
Sprach Elkanan, denn ob mein Auge dich gleich nicht geſehn hat,
Hat dich mein Ohr doch gehoͤrt, Unſterblicher! Rede denn, lehr uns,
Bote von Gott! Euch wird ein Groͤſſerer lehren, ſo bald ihr
Ruhiger ſeyd, und zu tragen vermoͤgt des Erſcheinenden Ankunft!
Joel hatt, indeß da er ſprach, ſich ſtille genaͤhert,
Blumen gekuͤßt, und ſie in des Bruders Tritte geſtreuet.
Sagt, vermoͤgt ihr (er ſah mit dankenden Blicken auf Joel)
Auszuhalten, daß Simeon komme? Simeons Seele,
Rief Elkanan, ſchwebet um mich? ach! laß ſie erſcheinen,
Bote der Wonne! Seyd ſtark, du, Samma, und Joel, und Boa,
Hindert ſie nicht. Schon hoͤrt dir mein Ohr, mein Bruder, entgegen.
Simeon,240Der Meſſias.
Simeon, Simeon, komm! Mein Auge wird dich nicht ſehen,
Theurer Bruder, allein nicht lange, ſo werd ich dich ſehen,
Wenn die Nacht des finſteren Thals zu dem Lichte mich aufweckt.
Simeon kam in Schimmer des Mondes, mit himmliſchem Glanze
Ueberkleidet, einhergegangen. Mit ſanfterem Schrecken,
Als Benoni’s unangekuͤndetes Schimmern, erblickten
Sie die Strahlengeſtalt; allein mit groͤſſerem Staunen.
Alſo floß von der Lippe des hohen Engels die Stimme:
Jeſus Chriſtus iſt auferſtanden! Viele der Frommen
Haben, auf ſeiner Allmacht Wink, die Graͤber verlaſſen!
Er erſcheinet, und wir erſcheinen. Jhn ſehn nur die Zeugen,
Die er zu lehren beruft, und Wunder zu thun, und zu bluten!
Derer die Kronen der Erſtlinge warten, und Palmen im Himmel!
Und ein Thron im Gericht! Doch eh der Mittler zu Gott geht,
Eh mit Jauchzen, und heller Poſaune, gen Himmel er auffaͤhrt,
Werden auf Einmal ihn noch fuͤnfhundert Glaubende ſehen.
Jeſus ſegn euch, und nenne, mit dieſer Begnadeten Namen,
Eure Namen! Ja ſegne ſie, Herr, mit dieſer Erbarmung!
Simeon, auferſtanden biſt du vor dem Tage der Tage?
Ach! wie duͤrſtet mein Herz, dich zu ſehn! doch ich wuͤrde ja Jeſus
Selber nicht ſehn! Nie hat mich ſchwerer die Blindheit belaſtet!
Schmerz, verſtumm du! die heilige Stunde, da Simeon mich ſieht,
Jch ihn reden hoͤre, ſoll keine Klage bewoͤlken,
Da er von Jeſus mit mir und ſeiner Herrlichkeit, redet!
Ach! fuͤnfhundert auf Einmal! Wofern ich zu ihnen gehoͤrte,
Wuͤrd ich dennoch mich freun! Sie wuͤrden Entzuͤckungen reden!
Darfſt du von eurem Himmel, und ſeinen Geheimniſſen ſprechen,
Simeon?241Funfzehnter Geſang.
Simeon? Nicht zu Bewohnern des Staubes! So hat es geordnet,
Der auf Stufen erhoͤht, und nach der Pruͤfung, belohnet!
Der die Welten geſondert von Welten, und dennoch vereint hat!
Der, in ſeinem unendlichen Plane der Seligkeit Aller,
Alle Grenzen, und Arten der Seligkeiten vereint hat!
Gegen dich, lichtheller Entwurf des Gluͤckes der Geiſter,
Jſt die ſinnliche Schoͤpfung nur Schatten. Er bauet auf Elend
Freuden empor, die keiner der Jmmergluͤcklichen kennet.
Lernet noch dieß: Nichts Groͤſſeres haben die Ewigkeiten,
Nichts, das unerforſchlicher, unempfindbarer waͤre,
Als, daß eine der Hoͤhn der groſſen Erhebung des Mittlers,
Auf der Erniedrigung, ſteht! Der ernſte Gedanke vertieft euch.
Sinnt ihm zu eifrig nicht nach. Er iſt ſelbſt Engeln Erſtaunen!
Kennet eure Seligkeit ganz, die hier ſchon euch Gott gab!
Nicht nur wir ſind um euch; die ſchoͤne Seele Maria,
Lazarus Schweſter, iſt auch in dieſer heiligen Huͤtte.
Siehe, ſie freuet ſich eurer Freuden! Da riefen ſie alle:
Lazar us Schweſter iſt todt? Und freut ſich unſerer Freuden!
Setzte Samma hinzu, Wir freun uns der deinen, Maria!
Ach! wie trockneſt du meine Thraͤnen, o Vater des Schickſals!
Meinen Benoni ſendeſt du mir; Elkanan den Bruder
Und auch Joel den Bruder! ſo ſprach der zaͤrtliche Joel.
Gott! wie haſt du mein Schickſal geendet! Wie konnt ich es wagen,
Das zu hoffen, als meine verfinſternde Schmermut, dieß Elend
Ueber alles Elend, begann, ich mir mein noch bewußt war!
Und nur Naͤcht erblickt um mich her, Labyrinth, und Abgrund!
Nichts im Kuͤnftigen ſah, als ſchwarze Schrecken! Nun wich mir
III Band. QMeine242Der Meſſias.
Meine Vernunft! ich zermalmte dich, Sohn, an dem blutigen Felſen,
Ach, zu durchweinen, ſo dacht ich bis heut, mein uͤbriges Leben!
Und dieß alles endiget ſich, mit Wonne der Himmel!
Mit dem ſuͤſſeſten Wiederſehen, das jemals erlebt ward!
Sohn, Benoni, mein Sohn, an dem blutigen Felſen zerſchmettert,
Wie hat der dich begnadet, der mein, durch dich ſich erbarmt hat!
Sieh, ich weis es, du geheſt von mir; doch ſoll mirs kein Abſchied,
Geheſt du, ſeyn! Jch werde vor mir dich immer erblicken,
Wie du, ein Erbe des Himmels, in deiner Herrlichkeit daſtandſt!
Kaum, daß es Wiederſehen genannt darf werden, wenn druͤben
Ueber den Graͤbern ich dich in deiner Herrlichkeit ſehe.
Eins noch bitt ich dich: Gieb mir deinen Segen, Benoni,
Eh du dich wendeſt. Jch, Samma, dich ſegnen? der Sohn den Vater?
Und dein juͤngſter? Mein Erſtling nun! und aͤlter, als ich bin!
Alt an Tagen der Ewigkeit! Sie iſt wirkliches Leben!
Dieſes Leben iſt Schlaf, aus dem ein letzter uns aufweckt!
Und Benoni erhub die feſtgefalteten Haͤnde,
Ward, indem er redete, ſtrahlenvoller, und ſagte:
Bald denn komme dein letzter, und ſanft, wie Simeons Tod kam,
Theurer Vater! So ſegnet er ihn. Jetzt redete Joel.
Ach! ich baͤte dich auch um deinen Segen; allein ich
Fuͤrchte, Benoni, daß du mit langem Leben mich ſegneſt.
Juͤngling, du fuͤrchteſt groͤſſeren Lohn! Je tiefer des Guten
Leben hier wurzelt, je hoͤher erwaͤchſt ſein Wipfel im Himmel,
Und je ausgebreiteter ſchatten die volleren Zweige.
Soll ich nun, mein Bruder, mein Joel, dich ſegnen? Da kniete
Joel nieder vor ihm. Benoni legte die Hand ihm
Auf243Funfzehnter Geſang.
Auf die gluͤhende Stirn. Nimm hin den Segen der Segen,
Und das ewige Leben! Der Gott, der Jeſus erweckt hat,
Fuͤhre zu Jeſus dich! Sie verſchwanden der Betenden Auge.
Schnell rief Boa: Sie ſind verſchwunden, Elkanan! und Joel
Richtet ſich auf, und ſagt mit dem ſanften Laute der Freude:
Wenn du hier noch verweilſt, du ſchoͤne Seele Maria,
O ſo bringe du ihnen von uns, den ſtaͤrkſten, den beſten,
Feurigſten Dank, daß ſie der Erſcheinung gewuͤrdigt uns haben,
Jhrer Geſpraͤche von Gott, und ihrer himmliſchen Segen!
Alſo ſagte der Juͤngling, und ſank in die Arme des Vaters.
Chriſtus Mutter ſaß auf dem hohen Soͤller. Die Sonne
War geſunken; der Abendſtern entſtrahlte dem Himmel.
Neben ihr ruhte die Tempelharfe. Sie ſahe, das daucht ihr,
Ueber den Bach der Pilgerinnen eine, nicht gehen,
Sah ſie ſchweben, und werden, indem heruͤber ſie ſchwebte,
Himmelsgeſtalt. Alſo wird That ein groſſer Gedanke!
Und ſchon ſtand die lichte Geſtalt bey ihr auf dem Soͤller.
Chriſtus Mutter ſtaunte nicht mehr. Es war ein Erſtandner,
Oder ein Engel. Sie hatt erſtanden vom Tode geſehen
Jhren Sohn! Jch verhuͤlle vor dir mich, Mutter des Herrn, nicht.
Warum ſollt ich? Du ſtrahleſt mit mir nun bald an dem Throne!
Mirjam, auch ich bin Mutter! Vielleicht des gehorſamen Opfrers?
Oder deß, der das Grab nicht kannte, des himmliſchen Henochs?
Abrahams auch, und Henochs! Jch bin, o die der Unſchuld
Wiederbringer gebahr, ich bin die Mutter der Menſchen!
Dich, dich ſeh ich! O Wonne des offnen Himmels! die Mutter
Abels ſeh ich! Auch Kains. Jch bin heruͤbergekommen,
Q 2Daß244Der Meſſias.
Daß ich mit dir den Sohn, den Mann Jehova, o Mirjam,
Preiſe mit dir! Wohlan, laß unſre Harfen beginnen!
Jch mit dir, der Unſterblichen! ich mit der Mutter der Menſchen,
Die ich ſterblich noch bin? Allein wir ſingen dem Mittler!
Eva, beginn, und lehre mich dem Erhabenen ſingen!
Zweymal ward ich geſchaffen! Er rief mich zweymal ins Leben,
Den du, Mirjam, gebahrſt! O Mutter, er wurde gebohren,
Der dich ſchuf, und mich, der alle Himmel gemacht hat!
Der die Sonne, den Mond, der alle Sterne gemacht hat!
Der dich ſchuf, und mich, er wurd, o Eva, gebohren!
Haſt du den hohen Geſang der Engel Gottes vernommen,
Die ihn ſangen, als er gebohren ward in der Huͤtte?
Da nach Sion zuruͤck des Preisgeſanges Triumph kam,
Bebten vor ſeinem Donner die Wipfel der Lebensbaͤume!
Sanken, wo er toͤnte, die Himmliſchen vor dem Gebohrnen!
Und er weinet in Bethlehems Krippe. Doch hatten ſchon Engel,
Eh er weinte, den Namen des Wiederbringers genennet!
Jeſus! hatte die Ceder, die Palme, Jeſus! gehoͤret,
Jeſus! Tabor, Jeſus! Jeſus! ach Golgatha, Jeſus!
Nennen hoͤrte den Gottesgeſalbten der Thron, von dem er
Niederſtieg, die Heere des Himmels, den Gottesgeſalbten!
Haſt du ihn ſterben geſehen? Jch hab ihn ſterben geſehen!
Haſt du die blutige Krone der Schmach um die Schlaͤfe des Mittlers
Triefen, o Mutter Abels, geſehen? Jch ſahe die Krone
Um ſein Haupt! und ſah in Daͤmmrung erloͤſchen der Engel
Antlitz, in truͤbere derer Antlitz, die er verſoͤhnte!
Haſt245Funfzehnter Geſang.
Haſt du die Todesſtimme des Gottverſoͤhners vernommen?
Jene, da Chriſtus rief: Es iſt vollendet! und jene:
Vater, in deine Haͤnde befehl ich meine Seele!
Ach, ich habe vernommen die Worte des ewigen Lebens,
Habe wie Pſalme gehoͤrt der Harfenſpieler, wie Choͤre,
Als ob ſie an dem Throne dem Hocherhabenen ſaͤngen,
Da er ſein Haupt emporhub, rief: Es iſt vollendet!
Da ſein Auge ſchaute mit Gottesblicken gen Himmel:
Vater, in deine Haͤnde befehl ich meine Seele!
Und doch litt ich, die Sterbliche, wie die Mutter Abels
Niemals litt! Allein Preis ſey dem Sohne, des Leidens
Geber! denn ach! wie erhoͤhet mir nun die naͤchtliche Stunde,
Siehe, die Stunde der Angſt, die Stunde des Schwerts in der Seele,
Meine Wonne! Jch habe, wie du nicht gelitten, ob Abel
Gleich zu der Erde geſtuͤrzt, ich liegen ſahe, der Todten
Erſten, und meinen Sohn! die Stirn ihm zerſchmettert, des Fluches
Fruͤhes Opfer! in Blut! und meinen Sohn! Es vergingen
Erd und Himmel um mich! ſo ſchreckte der Todte die Mutter!
Arm des Allmaͤchtigen! du, ja du nur hielteſt mich, Gottes
Arm! da hinaus in die Nacht vom Gerichtsaltare der Sohn rief:
Mein Gott! Mein Gott! warum haſt du mich verlaſſen?
Mutter Chriſtus, ich hoͤrts den Geopferten rufen! Jch ſah dich
Nun nicht mehr! Heil dir, o Mutter der Menſchen, du wareſt
Da bey dem Kreuz, als Chriſtus das tiefe Geheimniß zu Gott rief.
Selig bin ich! Jch habe den Mittler Gottes gebohren!
Selig auch du! Du biſt die Mutter ſeiner Verſoͤhnten.
Q 3Selig246Der Meſſias.
Selig bin ich! Es ſchuf mich aus Adams Gebeine der Schoͤpfer
Jn dem Paradieſe! mich ſchuf aus Verweſungsſtaube
Tief in des Paradieſes Truͤmmern der Auferwecker.
Heil mir, ich bin die Mutter ſeiner Verſoͤhnten, und, Mirjam,
Deine Mutter. O du, die Eden zweymal gebohren!
Tochter der Schoͤpfung, (ihr Leben verging!) der Auferſtehung
Tochter zum ewigen Leben! ach Eva, er ſtammet von dir auch
Der von Ewigkeit iſt! und den die ſterbliche Mirjam
Jn der Huͤtte gebahr! O du der Gebaͤhrerinn Mutter,
Himmelsfreuden ſind die Freuden, die uͤber mich kommen,
Und die dennoch, wie tief ſie auch oft in dieſes Lichtes
Stroͤmen verſinkt, zu empfinden vermag die ſterbliche Mirjam.
Segne zum ewigen Leben, ich bin des Bundes Erloͤſte,
Eva, ſegne die Himmelserbinn zum ewigen Leben.
Zwar biſt du noch ſterblich, und ich unſterblich, doch kann ich
Dich nicht ſegnen! Es hat dich ſchon der Stifter des Bundes,
Siehe das Todesopfer auf Golgatha’s blutigem Altar,
Seine Mutter, zum ewigen Heil, der Vollender geſegnet!
Eh am Throne mein Lied von dem Segen des Liebenden ausſtroͤmt,
Werd ich noch Einmal ihn ſehn hier in der Graͤber Gefilden!
Gabriel ſtand, und ſtrahlt, und verhieß, wir ſollten noch Einmal
Chriſtus ſehn! O ſinge mir Abrahams Mutter, und meine,
Von der Auferſtehung des Sohns, da am hohen Kreuze
Nun nicht mehr in die Nacht ſein Haupt ſich ſenkte, die Augen
Jhm nicht mehr verloſchen, nicht mehr die Krone von Blute
Ueber ſein Antlitz trof! da den Donnergang der Entſcheidung
Gott ging! Alſo ſcholls: Es werde Licht! und das Licht ward!
Alſo247Funfzehnter Geſang.
Alſo erſtand er! Uns ſanken die Harfen! die Palmen ſanken!
Jubel ruften wir aus! So ſingen die Lieder am Thron nicht,
Meere rauſchen, wie wir das Halleluja dem Mittler
Gottes ruften. Doch ſchnell ward Alles ſtaunende Stille!
Himmel und Erde ſchwiegen, und wir, bis endlich Triumphe
Maͤrtyrer ſangen, bis endlich zum Mittler Adam herabkam,
Laut ausrief: Jch ſchwoͤre bey dir, der ewig lebet,
Daß nun Tod nicht mehr der Tod iſt, und daß an dem Tage
Deiner groſſen Vollendung ſie Alle, die ſchlafen, erwachen!
Ach ſein Wonnausruf durchdringet die Mitgenoſſinn
Seines Erbes! Beſtreuet mein Grab mit Blumen der Erndte.
Saat, dich ſaͤte der Herr! Jch hoͤr, ich hoͤre das Rauſchen
Deiner Aehren! Jch hoͤre vom Himmel das Rufen der Erndter!
Lege bald zu dem Schlafe des Todes, o Mirjam, dich nieder,
Daß ich die Mutter des Herrn im Thale des Friedens empfange.
Daß wir ſingen dort in dem Thale des Friedens dem Sohne,
Wenn er nun an dem Thron die Thraͤnen der Chriſten trocknet,
Und zu verſtummen gebeut der ſanften Klage der Wehmut.
Siehe, der trug die Suͤnde der Welt, iſt die Liebe! der Adams
Laſten nahm, und hinauf nach Golgatha ging, iſt die Liebe!
Der die Liebe, der nicht gekennet, ach ungeliebet,
Sich, da die Himmel der Himmel ſchwiegen, erkohr, ſich hingab
Dieſem ſchrecklichen Tode zum Opfer! Zum Opfer, zum Opfer
Fuͤr die Suͤnde! da ſelbſt Erzengel verſtummten, die Hoͤlle
Laut anklagt, und zu wandeln, den eiſernen Tritt der Gericht hub!
Alſo ſang ſie, und wendete ſich. Jhr ſahe Maria
Lange nach, da ſie ſchwebt im Himmelsglanze gen Tabor.
Q 4Jetzo248Der Meſſias.
Jetzo begann der Heiligen Schaar zuruͤckzukehren
Nach der Verklaͤrung Gebirge, ſich dort mit einander der Freuden,
Die ſie den Auserkohrnen erſcheinend gaben, zu freuen.
Und ſie ſtrahlten herauf von Jeruſalem. Viele der Wonne
Voll, die ſie hatten gegeben, und viele der kuͤnftigen Wonne,
Die, noch verborgen im bruderliebenden Herzen, itzt keimte,
Trieb, arbeitet, und wuchs, zum Schatten der Ruhe zu werden,
Ueber der Wanderer Haupt im heiſſen Pfade des Elends.
Wie ein Stern, und noch einer, und wieder einer hervorgeht
Aus der graͤnzloſen Tiefe der ſchauererfuͤllenden Schoͤpfung,
Wenn der kommenden Nacht die Abenddaͤmmerung weichet:
Alſo verſammelten ſich die Erſcheinenden Gottes auf Tabor;
Wenige Spaͤtere nur empfing noch der heilige Berg nicht.
Cidli, die Tochter Jairus, ſaß vor der Laube des Soͤllers,
Jn dem Schimmer der Morgenroͤthe. Sie ſah den Geliebten,
Seit er zu ſeinem Grabe von ihr in der Traurigkeit eilte,
Jhren Semida nicht. O Liebe voll Unſchuld! ich darf dich,
Meine Liebe, ſo nennen! wenn wirſt du mich endlich verlaſſen?
Wenn wegrufen den Schmerz, der alles in truͤbe Bilder,
Alles um mich in Thraͤnen verwandelt! Gehoͤr ich der Erde
Viel zu wenig, ihr ſterbliche Soͤhne zu geben; erſtand ich,
Gott mich auf dieſe Weiſe zu widmen; was weileſt du, Liebe,
Zwar mir bitterer Schmerz, doch Liebe voll Unſchuld, was weilſt du
Unnachlaſſend in mir? Doch wenn dein Weilen mir zeigte,
Daß ich, alſo dem Herrn mich zu widmen, vom Tode nicht aufſtand?
Ach wer fuͤhrt mich heraus aus dieſer Tiefe des Schmerzes?
Dieſer Jrre des Gruͤbelns heraus? Zwar bin ich erſtanden;
Aber249Funfzehnter Geſang.
Aber ſterblich bin ich! Jch leb, und leide, wie Andre!
Leide viel mehr, wie Andre, die ſo voll Unſchuld nicht lieben!
Waͤr ich nur ſterblicher auch! Du Klage, wareſt zu heftig!
Sterblicher will ich nicht ſeyn! Sie erhebt ſich, und trocknet mit Eile
Jhre Wange. Da ſtieg der Pilgerinnen des Feſtes
Eine den Soͤller herauf, von Cidli’s Mutter begleitet.
Lange wallt ich umher, Jairus Tochter zu ſehen;
Endlich find ich dich auf. Du haſt doch von deines Erweckers
Hohem Triumphe gehoͤrt? Jch habe von meines Erweckers
Hohem Triumphe gehoͤrt; doch ſeiner Herrlichkeit Zeugen
Hab ich noch nicht geſehen. Maria, Lazarus Schweſter,
Denn ihn kennſt du wohl auch, da du mich zu ſuchen herumwallſt?
Jſt entſchlafen! und ob die Mutter des Goͤttlichen lebe?
Weis ich auch nicht. Sie lebt, und hat den Erſtandnen geſehen!
Hat ein Engel dich mir, o Pilgerinn, zugeſendet,
Daß du mir dieſe Botſchaft von Jeſus Herrlichkeit braͤchteſt,
Und den Freuden der Mutter? Jch ſuchte der Auferſtandnen
Eine, von denen eine, die Jeſus Herrlichkeit zeugten,
Als er noch in der Niedrigkeit war. Vernahmeſt du, Cidli,
Nichts von den neuen Zeugen, und Zeuginnen, nun, da er herrſchet
Maͤchtiger uͤber den Tod, als da er den Bruder Maria,
Und den Vaterloſen aus Nain, und dich erweckte?
Kam der Ruf nicht zu dir: Viel Heilige waͤren erſtanden,
Als er am Kreuz entſchlief, und die erſchienen den Frommen,
Die ihn liebten? Jch lieb ihn, ich lieb ihn, o Pilgerinn! rede,
Jſt der Ruf denn gewiß? Nicht lange, ſo wird es ſich zeigen.
Viel erzaͤhlen, daß ſich die auferſtandnen Gerechten
Q 5Auf250Der Meſſias.
Auf der Verklaͤrung Gebirge verſammlen. Auf Tabor zu ſteigen,
Jſt daher mein Entſchluß. Doch in einer Erſtandnen Begleitung
Wallt ich lieber dahin, als allein, zu den neuen Erſtandnen.
Pilgerinn, zwar bin ich auferweckt von dem Tode, doch bin ich
Sterblich, wie du. Die Erſtandenen ſind vollendete Fromme,
Wenn ſie erſcheinen. Doch geh ich mit dir, wofern du mich leiteſt,
Und die Sinkende haͤltſt, wenn wir Erſcheinungen ſehen.
Und ſie machten ſich auf, nach Tabor zu gehen, die Mutter,
Und, mit Cidli, die Pilgerinn. Aber der Juͤngling aus Nain,
Semida hatte ſo viel von deinem Erwachen, Verſoͤhner,
Endlich erforſcht, daß er ſein Herz beruhigen konnte,
Glauben konnte, du ſeyſt wahrhaftig vom Tod erſtanden!
Nun erwachten von neuem mit tiefverwundender Wehmuth
Seiner Liebe Schmerzen in ihm. Noch war fuͤr ihn immer
Cidli geſchaffen. Das fuͤhlt er zu maͤchtig! Unuͤberwindlich
War der Sieger, dieß ſtarke Gefuͤhl, in dem innerſten Herzen.
Nacht vor mir! wer fuͤhrt mich durch dich? wer hindurch zur Gewißheit,
Ob, die ich mir fuͤr die Ewigkeit waͤhlte, wieder mich liebe?
Oder auch nicht? Wer bringt mich hinauf in die Hoͤhen der Freude?
Oder hinab in das ſinkende Thal der bitterſten Schmerzen?
Auferſtanden bin ich, doch nicht unſterblich geworden!
Waͤren wir dieß; ſo waͤren wir lang hinuͤbergegangen
Jn der Ruhe Gefilde, wo nichts die Liebenden trennet!
Und dort liebte mich Cidli gewiß! O Cidli, Gewaͤhlte,
Die ich liebe, wie wenige nur zu lieben vermoͤgen!
Doch verſtumme du, Schmerz! Noch ſterblicher machſt du mich, truͤber
Bitterer Schmerz. Wie, ſonderbar iſt mein Schickſal! Ein Juͤngling
Munter,251Funfzehnter Geſang.
Munter, und freudig, der war ich, und ſtarb! und kam aus Gefilden
Dunkler Empfindungen, aber die Freude waren, zuruͤcke!
Wurde, was wurd ich? mich dauchts bey dem Wiederkommen, ich waͤre
Nun ein Unſterblicher; aber wie bald empfand ich, ich waͤre
Wieder ſterblich, und was ich vor meinem Tode noch nicht war,
Elend! Elend dadurch vor allen, daß ich die Wonne
Meines Lebens, die Weisheit deß, der todt war, und lebet,
Nicht, wie ich ſollte, genung mir machte zur Saat fuͤr die Zukunft,
Dann zu erndten, wenn nun das erſte Leben entflohn iſt!
Herr! von dem Tod Erſtandner! eh du zu dem Vater hingehſt,
Rufe zu dir mich, damit ich von dir, das Eine, das noth iſt,
Mehr noch lerne! So dacht er, und ſchwieg mit gefalteten Haͤnden.
Und zu ihm trat ein Fremdling herein. Du kannſt mir, o Juͤngling,
Helfen, wofern du willſt. An dem Fuſſe von Tabors Gebirge,
Liegt ein verwundeter Mann, den haben Moͤrder verwundet!
Auf dem Wege zu dem, ſitzt einer, der blind iſt, und durſtet.
Keine Quelle war da. Er wußte mir keine zu nennen.
Sieh, er durſtet, und ruft nach Huͤlfe, die ihm verſagt wird.
Auf dem Wege zu ihm, wehklagt ein ermatteter Alter
An die Felſen geſunken. Jch konnt ihn nicht fuͤhren, und laben
Konnt ich ihn auch nicht. Jch ſelber ach! bin duͤrftig und kraftlos.
Semida rief mit Schnelligkeit: Nimm, und ſtaͤrke dich, nimm dann
Dieſes fuͤr ſie, und dieſes. Jch nehme das andre. Sie gingen,
Kamen zum Greiſe. Geh du voraus mit dieſem zum Blinden.
Nimm, mein Vater, und , und trink dieß Labſal der Traube!
Sprachs, und kam dem Pilger zuvor, und fruͤher zum Blinden.
Den252Der Meſſias.
Den die Sonne nur waͤrmt, o nimm die Staͤrkung, ich komme
Wieder zuruͤck, dann gehſt du mit mir nach Jeruſalem. Eilend
Ging er weiter. Die Sonne begann, ſeitdem ſie die Thore
Salems verlieſſen, das erſtemal uͤber die Berge zu ſteigen.
Und ſie eilten dahin, wie der Athem der kuͤhlenden Fruͤhe
Leicht. Da ſie Tabor ſich nahten, erblickte Semida Cidli
Zwiſchen der Pilgerinn, und der Mutter. Schrecken der Freude
Stuͤrzten auf ihn, allein er blieb bey dem fuͤhrenden Fremdling.
Und ſie kamen zum Manne, der bleich, als ſtuͤrb er, in Blute
Lag. Sie verbanden ihm ſorgſam die Wunden, und legten ihn ſchonend
Auf ſanftkuͤhlendes Moos. Da wandte ſich Semida endlich,
Und ſah Cidli herum an dem Berge kommen, doch ferne.
Jetzo kamen ſie naͤher, und ſahns, und ſtanden erſchrocken.
Aber als ſie erkannten, daß jenem Verwundeten Huͤlfe
Durch die Maͤnner geſchaͤhe, ſo wagten ſie, weiter zu gehen.
Semida ſaͤumte nicht lang. Er lief mit zitternder Eile
Cidli entgegen. Doch nah verſtummten ſie beyde vor Freude,
Und vor Wehmut. Die Pilgerinn bat, nicht lange zu weilen!
Denn ſonſt wuͤrd an dem Berge ſie noch der Strahl des Mittags
Treffen. So nehm ich von dir ſchon wieder Abſchied! auf immer,
Meine Cidli? Sie weint, und folgte der fuͤhrenden Fremden.
Semida blieb bey dem Kranken mit ſeinen Gefaͤhrten, und ſtaͤrkt ihn.
Als ſie ſich unterredten, wohin ſie ihn braͤchten, erreichten
Sie zween Maͤnner. Die waren des armen Leidenden Bruͤder.
Und nun ſchieden die Fuͤnfe mit Dank, und Ruh von einander.
Wenn du mich uͤber Tabor begleiteſt; ſagte der Fremdling,
Gehet dort ein kuͤrzerer Weg, als jene ſich waͤhlten,
Und253Funfzehnter Geſang.
Und wir kommen zu ihnen, ſo bald ſie den Gipfel erreichen,
Denn der kleinere Weg fließt mit dem groſſen zuſammen.
Ja, ich bin dein Gefaͤhrt; doch kehrſt du mit mir zuruͤcke.
Nicht zuruͤcke mit dir. Welch iſt die Heimath, o Pilger,
Die dein wartet? Mein warten in meiner gluͤcklichen Heimath
Himmliſche Freunde. So biſt du nicht arm, wenn redliche Freunde
Dir dein Leben erheitern. O nenne mir ihre Namen.
Jhre Namen? Du wuͤrdeſt erſtaunen, daß ihrer ſo viel ſind.
Viele Freunde! das macht mich erſtaunen; doch nenne ſie. Freudig
Sah der Pilger ihn an, und begann die Namen zu nennen.
David! Abraham! Noa! Melchiſedek! Jſaak! Hiob!
Rahel! Joſeph! Debora! und Semida ſah ihn erſtaunt an.
Doch bald ſtaunt er noch mehr. Des Pilgers Angeſicht wurde
Roͤthlich, und ſchimmernd, doch wars erſt wenig Daͤmmrung von Schim̃er.
Auch ſchien Jonathan ſchwebend zu gehn. Je heller er wurde,
Deſto blaͤſſer vor Freud und vor Furcht ward Semida’s Antlitz.
Aber ihn ſtaͤrkte ſein Freund, und fuͤhrte den Bebenden weiter.
Auf dem anderen Wege ſtand auf Einmal der Reiſe
Frohe Gefaͤhrtinn, die Pilgerinn, ſtill, und ſprach zu der Mutter:
Weiter folge du nicht. Die Auferweckte des Mittlers
Sieht die hoͤhern Erſcheinungen nur. Sie glaͤnzte verwandelt.
Nimm jetzt Abſchied. Sie ſagt es der ſinkenden Mutter, und hielt ſie.
Abſchied von meiner Cidli, von der ich niemals mich trennte?
Komm bald wieder, o himmliſche Tochter, und ſage mir Armen,
Was du ſahſt. Gott ſegne zu dieſer Erſcheinungen Heil dich!
Geh nach Salem hinab, ſo ſprach zu der Mutter Megiddo,
Denn du ſieheſt ſo bald die gluͤckliche Cidli nicht wieder!
Meine254Der Meſſias. Funfzehnter Geſang.
Meine Mutter! der Herr geleite dich, melne Mutter!
Himmliſche Freundinn, laß bald mich wieder die Mutter umarmen!
Und ſie verlieſſen die Arme, die weinend ihnen nachſah.
Als ſie die Hoͤhen erſtiegen, und Cidli vor Staunen kaum fragte,
Sahe ſie fern in den Cederſchatten Semida kommen
Mit dem Pilger, der nun in ſeinem Schimmer auch glaͤnzte.
Semida ſah auch ſie. Die beyden Sterblichen ſtanden,
Gingen, und bebten, und ruhten. Auf jeder Seite begannen
Strahlengeſtalten um ſie zu ſchweben, und ihnen zu laͤcheln.
O wie glaͤnzten, noch Unerkannte, der Greis, und der Blinde,
Und der verwundete Mann, und ſeine kommenden Bruͤder!
Jmmer wurden der Himmliſchen mehr, und leuchtender immer.
Wer vermag die Entzuͤckungen alle mit Namen zu nennen,
Welche die beyden ergriffen. Wie ſie mit gefalteten Haͤnden,
Staunend ſich umſahn, wieder den Blick zu der Erde ſenkten!
Fragen wollten, und in der bebenden Frage verſtummten!
Wie von den Strahlen umgeben der nahen Unſterblichen, wie ſie
Dann von dem Schimmer, und ſanftzulispelndem Segnen umgeben,
Freudig waren, und bang! Sie kamen ſich naͤher. Da ſchwanden
Jhre Gedanken! und ſie, die beyden Gluͤcklichen wurden
Schnell verklaͤrt! Sie ſchwebten daher, und umarmten einander,
Ach das erſtemal dort, und nicht in den Huͤtten der Trennung.
Wiederſehen, o du der Liebenden Wiederſehen,
Wenn bey dem Staube des Einen nun auch des Anderen Staub ruht,
Selbſt der Gedank an dich iſt nur ein Traum von Cidli’s
Freuden, nun weinten ſie andere Thraͤnen, und Semida’s Freuden!
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About this transcription

TextDer Messias
Author Friedrich Gottlieb Klopstock
Extent271 images; 63671 tokens; 8972 types; 414708 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDer Messias Dritter Band Friedrich Gottlieb Klopstock. . [8] Bl., 254 S. HemmerdeHalle1769.

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SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 P GERM IV, 308:3

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Belletristik; Lyrik; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:32:12Z
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Holding LibrarySUB Göttingen
ShelfmarkSUB Göttingen, 8 P GERM IV, 308:3
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