Vielleicht waͤre es am beſten, das Schickſal des neuen Sylbenmaſſes der Entſcheidung der Welt ſo zu uͤberlaſſen, daß man gar nicht daruͤber ſchriebe. Jch habe dieß bisher geglaubt, und ich wuͤrde meine Meynung auch nicht aͤndern, wenn es nicht Kenner gaͤbe, die zwar die Alten geleſen, aber ſich nicht ſo genau um ihre Versarten bekuͤmmert haben, daß ſie die Nachah - mung derſelben entſcheidend ſollten beurtheilen koͤnnen. Dieſe haben wirklich dem neuen Sylbenmaſſe ſchon ſo viel Gerech - tigkeit wiederfahren laſſen, daß ſie verdienen, veranlaßt zu werden, es ganz beurtheilen zu koͤnnen. Jch darf, ohne mir zu ſehr zu ſchmeicheln, vermuten, daß einige ſo freundſchaft - lich gegen mich geſinnt ſeyn werden, lieber zu wollen, daß ich uͤber dieſe Sache, die ſie vielleicht eine Kleinigkeit nennen, nicht ſchreiben moͤchte. So verbunden ich ihnen fuͤr dieß Urtheil ſeyn muͤßte; ſo wenig halte ich auch die lezten Neben -) (2zuͤgeVon der Nachahmungzuͤge der ſchoͤnen Wiſſenſchaften fuͤr Kleinigkeiten, beſonders, wenn es Kenner der hoͤheren Schoͤnheiten ſind, fuͤr die man ſie aufdeckt.
Bey der Unterſuchung des neuen Sylbenmaſſes ſelbſt koͤmmt es darauf an, daß man erweiſe: Wir koͤnnen den Griechen und Roͤmern in ihren Sylbenmaſſen ſo nahe nach - ahmen, daß dieſe Nachahmung, beſonders groͤſſern Werken, einen Vorzug gebe, den wir, durch unſre gewoͤhnliche Vers - arten, noch nicht haben erreichen koͤnnen. Eine Nebenun - terſuchung wuͤrde ſeyn, eben dieß von lyriſchen Gedichten zu behaupten, denen wir zwar, durch einige unſrer Sylben - maſſe, einen freyeren Schwung, als den groſſen Gedichten, gegeben haben; die aber, weil ſie ſo vieler Schoͤnheiten faͤhig ſind, daß ſie unmittelbar nach dem Trauerſpiele ihren Platz nehmen duͤrfen, noch tonvoller und harmoniſcher zu ſeyn verdienen.
Homers Vers iſt vielleicht der vollkommenſte, der er - funden werden kann. Jch verſtehe unter Homers Verſe nicht Einen Hexameter allein, wiewohl ieder ſeine eigene Harmonie hat, die das Ohr unterhaͤlt, und fuͤllt; ich meine damit das ganze Geheimniß des poetiſchen Perioden, wie er ſich vor das ſtolze Urtheil eines griechiſchen Ohrs wagen durfte, den Strom, den Schwung, das Feuer dieſes Perioden, dem noch dazu eine Sprache zu Huͤlfe kam, die mehr Muſik, als Sprache, war. Homer blieb, auch in Betrachtung des Klangs, ein ſolcher Meiſter ſeiner Sprache, daß er die Griechen verfuͤhrt zu haben ſcheint, ihre Verſe mehr abzuſin - gen, als herzuſagen.
Sein Hexameter hat die angemeſſenſte Laͤnge, das Ohr ganz zu fuͤllen; und er uͤberlaͤßt es den Alcaͤen, ſo die voll - kommenſten lyriſchen Verſe ſind, es, aus andern Abſichten, mit einem kuͤrzern, fallenden Schlage zu erſchuͤttern. Erhatdes griechiſchen Sylbenmaſſes im Deutſchen. hat den groſſen, und der Harmonie weſentlichen Vorzug der Mannichfaltigkeit. Da er aus ſechs verſchiednen Stuͤcken, oder Fuͤſſen, beſteht; ſo kann er ſich immer durch vier, bis - weilen auch durch fuͤnf Veraͤndrungen, von dem vorherge - henden oder nachfolgenden Verſe unterſcheiden. Und da dieſe Fuͤſſe bald zwo bald drey Sylben haben; ſo entſteht da - her eine neue Abwechslung.
Durch das, ſo ich bisher angefuͤhrt habe, und dann durch die gluͤckliche Wahl der Sylbentoͤne, und ihrer Ver - haͤltniſſe gegen einander; und durch den abwechſelnden Ab - ſchnitt des Verſes, bey welchem der Leſer bald laͤngere bald kuͤrzere Zeit innehalten muß, erreicht der homeriſche Vers eine Harmonie, die izt fließt, dann ſtroͤmt, hier ſanft klingt, dort majeſtaͤtiſch toͤnt. Denn dieß alles in dem hoͤchſten Grade des Wohlklangs, und nach den feinſten Grundſaͤtzen deſſelben, hervorzubringen, ſind vorzuͤglich die griechiſche, und dann auch die roͤmiſche Sprache am geſchickteſten. Die Anzahl ihrer Buchſtaben und Toͤne iſt beynahe einander gleich, und iedes einzelne Wort hat daher ſchon viel Wohl - klang, eh es noch durch die Stelle, die es in der Verbin - dung des Verſes bekoͤmmt, wenn ich ſo ſagen darf, in den Strom der Harmonie einfließt, und dadurch ſeinen beſtimm - teſten und vollſten Wohlklang hoͤren laͤßt.
Es koͤmmt uns izt darauf an, zu unterſuchen, wie nahe wir dieſem groſſen Originale kommen koͤnnen? Der weſent - liche Charakter unſrer Sprache, in Abſicht auf ihren Klang, ſcheint mir zu ſeyn, daß ſie voll und maͤnnlich klingt, und mit einer gewiſſen geſetzten Staͤrke ausgeſprochen ſeyn will. Wer ihr Schuld giebt, daß ſie rauh klinge, der hat ſie ent - weder niemals recht ausſprechen gehoͤrt; oder er ſagt es nur, weil es einige ſeiner Nation auch geſagt haben. Mit groͤſ - ſerm Rechte koͤnnte man der franzoͤſiſchen Sprache den Vor -) (3wurfVon der Nachahmungwurf machen, daß ſie wenig vollkoͤnige Woͤrter habe, und noch weniger, wegen ihrer fluͤchtigen und faſt uͤbereilten Aus - ſprache, periodiſch zu werden faͤhig; der italieniſchen, daß ſie zu ſehr von dem geſezten und vollen Accente ihrer Mutter ins Weiche und Wolluͤſtige ausgeartet; und vielleicht der ſtarken Sprache der Englaͤnder, daß ſie zu einſylbigt ſey, und zu oft, ſtatt zu flieſſen, fortſtoſſe, als daß ſie die Fuͤlle des griechiſchen Perioden ſo nahe, wie die deutſche, erreichen koͤnne. Kennern des griechiſchen Wohlklangs glaube ich meine Vorſtellung von dem Klange unſrer Sprache noch deutlicher zu machen, wenn ich ſage, daß ſie mit dem Doriſchen des Pindar Aehnlichkeit habe, zugleich aber den Unterſchied vor - ausſetze, der, zwiſchen dem Doriſchen des Pindar, und der griechiſchen Schaͤferdichter, iſt. Ohne mich in die Entſchei - dung einzulaſſen, welche von unſern Provinzen am beſten deutſch rede? ſo koͤmmt es mir doch als wahr vor, daß ein Sachſe das Hochdeutſche, oder die Sprache der Scribenten, und der guten Geſellſchaften, mit leichterer Muͤhe rein und ganz ausſprechen lernen kann, als einer aus den uͤbrigen Pro - vinzen. Und wie einer von dieſen ſeine Sprache ſpricht, ſo rein, ſo volltoͤnig, ſo ieden Ton und Buchſtaben, den die richtige Rechtſchreibung ſezt, zwar ganz, aber doch nicht ſel - ten, bey der Haͤufung der Buchſtaben, mit unuͤbertriebner Leiſigkeit: dieß iſt die Regel der laͤngern und kuͤrzern Syl - ben, der Art ihrer Laͤnge und Kuͤrze, und alſo auch der Har - monie des Verſes uͤberhaupt. Jch muß geſtehn, es giebt zweifelhafte Aufgaben bey dieſer Regel; und wir waͤren gluͤcklich, wenn wir Eine groſſe Stadt in Deutſchland haͤt - ten, die von der Nation, als Richterinn der rechten Aus - ſprache, angenommen waͤre. Aber wir duͤrfen hierauf wohl izt nicht hoffen, da Berlin eiferſuͤchtiger darauf zu ſeyn ſcheint, den zweyten Platz nach Paris, als den erſten in Deutſchland,zudes griechiſchen Sylbenmaſſes im Deutſchen. zu behaupten. Gleichwohl liebe ich meine Landsleute ſo ſehr, daß ich von ihnen glaube, daß ſie in den Staͤdten, wo es nicht mehr unbekannt iſt, daß Achtung und Sorge fuͤr ein - heimiſche ſchoͤne Wiſſenſchaften eine von den vorzuͤglichſten Ehren einer Nation ſind, ſich bemuͤhen werden, ihre Sprache recht auszuſprechen; und, wofern ſie ſich auch hierinn noch ei - nige Nachlaͤſſigkeit verzeihen wollten, doch, wenn ſie oͤffentlich reden, oder gute Schriften in Geſellſchaften vorleſen, ſich ſelbſt und ihren Scribenten die Ehre erweiſen werden, daß ſie ihre volltoͤnige und maͤchtige Sprache richtig ausſprechen.
Dieſe Ausſprache vorausgeſetzt, ahmen wir dem homeri - ſchen Verſe ſo nach. Wir haben Daktylen, wie die Grie - chen, und ob wir gleich wenige Spondaͤen haben; ſo verliert doch unſer Hexameter dadurch, daß wir ſtatt der Spondaͤen meiſtentheils Trochaͤen brauchen, ſo wenig, daß er vielmehr flieſſender, durch die Trochaͤen, wird; weil in unſern Syl - ben uͤberhaupt mehr Buchſtaben ſind, als bey den Griechen. Es iſt wahr, die Griechen unterſcheiden die Laͤnge und Kuͤrze ihrer Sylben nach einer viel feinern Regel, als wir. Wenn wir unſre Sprache nach ihrer Regel reden wollten, ſo haͤtten wir faſt lauter lange Sylben. Dieſes iſt der Natur des Ge - hoͤrs zuwider, welches eine ungefaͤhr gleiche Abwechslung von langen und kurzen Sylben verlangt. Die Ausſprache hat ſich daher nach den Fordrungen des Ohrs gerichtet. Und dieſes iſt biegſam genug geweſen, ſich an die Kuͤrze eines Vocals zu gewoͤhnen, auf den zween oder auch wohl drey Buchſtaben folgen; und es wird nur alsdann verdrießlich, wenn dieſe Buchſtaben mit einer gewiſſen Ungelenkigkeit der Zunge ausgeſprochen werden. Ob wir nun gleich auf der einen Seite, in Abſicht auf die Feinheit des Wohlklangs ver - lieren; ſo gewinnen wir, in Betrachtung einer ganz neuen Mannichfaltigkeit, welche die Griechen nicht hatten, bey -) (4naheVon der Nachahmungnahe mehr, als uns, durch die genaue Feinheit, entgeht. Zum Beweiſe deſſen waͤhle ich vorzuͤglich den Daktylus, weil er hinter der langen Sylbe zwo kurze hat. Da unſre kurze Sylbe auf zwo Arten, und bisweilen auch auf die dritte, kurz iſt; der Griechen ihre hingegen nur auf Eine und ſelten auf Zwo Arten: ſo entſtehn daher ſo verſchiedne Daktylen, und zugleich ſo viel Mannichfaltigkeit mehr, daß dieſe in Einem Perioden die Harmonie ſchon ungemein erhoͤht, und denn einem ganzen Werke zu einem Vortheile gereicht, der nicht ſorgfaͤltig genung gebraucht werden kann. Dazu koͤmmt, daß uns die Verſchiedenheit der Daktylen auch deßwegen an - genehm ſeyn muß, weil ſie in unſern Hexametern mehr, als in den griechiſchen vorkommen. Dieſer in einigen Faͤllen nothwendige oͤftere Gebrauch der Daktylen, iſt auch wohl Urſach geweſen, warum einige Neuere den ſogenannten ſpon - daͤiſchen Vers, der den Hexameter mit zween Spondaͤen, ſtatt eines Daktyls und Spondaͤen, ſchließt, mit dem Homer oͤf - ters brauchen, ohne deßwegen etwas wider den Virgil zu ha - ben, der die Urſach nicht hatte, und es daher nur ſelten that.
Wenn wir alſo unſern Hexameter, nach der Proſodie un - ſrer Sprache, und nach ſeinen uͤbrigen Regeln, mit Richtig - keit ausarbeiten; wenn wir in der Ausſuchung harmoniſcher Woͤrter ſorgfaͤltig ſind; wenn wir ferner das Verhaͤltniß, das ein Vers gegen den andern in dem Perioden bekoͤmmt, verſtehen; wenn wir endlich die Mannichfaltigkeit auf viele Arten von einander unterſchiedner Perioden nicht nur kennen, ſondern auch dieſe abwechſelnde Perioden, nach Abſichten, zu ordnen wiſſen: dann erſt duͤrfen wir glauben, einen hohen Grad der poetiſchen Harmonie erreicht zu haben. Aber die Gedanken des Gedichts ſind noch beſonders; und der Wohl - klang iſt auch beſonders. Sie haben noch kein anders Ver - haͤltniß unter einander, als daß die Seele zu eben der Zeitdurchdes griechiſchen Sylbenmaſſes im Deutſchen. durch die Empfindungen des Ohrs unterhalten wird, da ſie der Gedanke des Dichters beſchaͤftigt. Wenn die Harmonie der Verſe dem Ohre, auf dieſe Weiſe gefaͤllt, ſo haben wir zwar ſchon viel erreicht; aber noch nicht alles, was wir er - reichen konnten. Es iſt noch ein gewiſſer Wohlklang uͤbrig, der mit den Gedanken verbunden iſt, und der ſie ausdruͤcken hilft. Es iſt aber nichts ſchwerer zu beſtimmen, als dieſe hoͤchſte Feinheit der Harmonie. Die Grammatici haben ſie, „ den lebendigen Ausdruck ‟ genannt, und ihn oft dann nur im Virgil oder Homer gefunden, wenn dieſe ihn etwa uͤber - trieben, und ihm alſo ſeine eigentliche Schoͤnheit, die vorzuͤg - lich in der Feinheit beſteht, genommen; oder in andern Stel - len nicht daran gedacht hatten, daß Scholiaſten kommen, und ihnen hier eine Schoͤnheit von dieſer Art Schuld geben, wuͤrden. Verſchiedne Grade der Langſamkeit oder Geſchwin - digkeit; etwas von ſanften oder heftigen Leidenſchaften; einige feinere Minen von demjenigen, was in einem Gedichte vor - zuͤglich Handlung genannt zu werden verdient, koͤnnen, durch den lebendigen Ausdruck, von ferne nachgeahmt werden. Wenn der Poet dieſes thut; ſo braucht er, oder es gluͤcken ihm vielmehr einige ſeiner zarteſten Kuͤnſte der Ausbildung, die ihm eben ſo leicht mislingen koͤnnen, ſo bald er zu ſehr mit Vorſaz handelt, oder ſeine Einbildungskraft das enge Gebiet dieſer Ne - benzuͤge zu hitzig erweitert, und ſich aus der Harmonie eines Gedichts in die Muſik verſteigt. Jch muß zwar zugeſtehn, daß es Faͤlle giebt, wo der lebendige Ausdruck dasjenige ſtark ſagen muß, was er ſagen will. Aber uͤberhaupt ſollte man die Regel feſt ſetzen, ſich demſelben vielmehr zu naͤhern, als ihn zu erreichen. Und die Anwendung dieſer Regel ſollte man nur bey der Beurtheilung ſeiner Arbeit noͤthig haben. Denn wenn dieſe Art Schoͤnheit recht gelingen ſoll, ſo muß ſie im Feuer der Ausarbeitung faſt unvermerkt entſtehen.
) (5AufVon der NachahmungAuf eine Verbeſſerung der Harmonie von einer ganz an - dern Art, und die nur den Vers an ſich angeht, haben ſich einige unter uns eingelaſſen, da ſie eine Sylbe mehr vor den homeriſchen Hexameter ſezten, um wie es ſcheint, durch einen jambiſchen Anfang das Ohr, wegen der Ungewoͤhn - lichkeit des neuen Verſes, ſchadlos zu halten. Aber ſie ha - ben zween nicht unwichtige Einwuͤrfe wider ſich. Da der Hexameter eben ſo lang iſt, als ihn das Ohr verlangt, wenn es einen merklichen Abſatz einer vollen Harmonie, und nicht mehr auf einmal fordert; ſo dehnen ſie die Laͤnge des Verſes uͤber die Graͤnzen der Natur aus. Weil ſich aber dieſe Graͤnzen nur durch ein gewiſſes Urtheil des Ohrs beſtimmen laſſen; ſo kann ich mich, wegen ſeiner wahrſcheinlichen Rich - tigkeit, nur auf die beſtaͤndigen Muſter der Griechen und Roͤmer berufen, die doch ſonſt ſo abgeneigt nicht waren, neu zu ſeyn, und in ihren theatraliſchen Jamben oft ſo ſehr von einander unterſchieden ſind, daß es eben daher ſo ſchwer wird, dieſe Versart genau zu beſtimmen. Der zweyte Einwurf iſt, daß die, ſo die Sylbe noch hinzuſetzen, nicht ſelten in Gefahr ſind, zween Verſe ſtatt eines zu machen.
Noch eine andre Sorgfalt, dem neuen Verſe eine gute Aufnahme zu verſchaffen, war ein Einfall, der in dieſer Ab - ſicht ſehr gluͤcklich war. So bald man ihn aber zur Regel machen wollte, wuͤrde man ihn uͤbertreiben. Jn einem ly - riſchen Gedichte wurden die Regeln des griechiſchen Sylben - maſſes voͤllig nach der Proſodie der Alten beobachtet. Ohne die Schwierigkeit zu beruͤhren, auch nur einige kleine Stuͤcke in dieſer Art zu verfertigen, ſcheint mir dieſe ganz gebundne Nachahmung, der Natur unſrer Sprache, ihres Hexameters, und ſeiner Harmonie, entgegen zu ſeyn. Man weis, daß Ovidius ſchon huͤpfend wurde, ſtatt den majeſtaͤtiſchen und eigentlichen Wohlklang Virgils zu uͤbertreffen.
Weildes griechiſchen Sylbenmaſſes im Deutſchen.Weil ich mich uͤber das, was ich bisher von dem alten und neuen Hexameter geſagt habe, nicht gern in Exempel aus - breiten moͤgte; ſo will ich nur eins anfuͤhren, die Kenner der Alten an den poetiſchen Perioden zu erinnern. Da zu we - nige ſind, die Homers Sprache bis auf ihr Sylbenmaß ken - nen, ſoll Virgil ſeine Stelle vertreten. Er ſagt vom Salmoneus:
‘Quattuor hic invectus equis, & lampada quaſſans Per Grajûm populos mediæque per Elidis urbem Ibat ovans, divûmque ſibi poſcebat honorem: Demens! qui nimbos & non imitabile fulmen Aer’ & cornipedum curſu ſimularat equorum! At pater omnipotens denſ’ inter nubila telum Contorſit, (non Ille faces nec fumea tædis Lumina!) præcipitemqu’ immani turbin’ adegit! ’ ()Da wir uns dieſem feurigen Klange, dieſer Fuͤlle der Harmonie, durch Nachahmung naͤhern koͤnnen; ſo begreife ich nicht, warum wir es, beſonders in groͤſſern Gedichten, die auch in ieder Nebenausbildung Anſtand und Maͤnnlich - keit erfordern, nicht thun ſollen. Unſre eingefuͤhrten langen Jamben, haben, auſſer der beſtaͤndigen Einfoͤrmigkeit, den nicht weniger weſentlichen Fehler, daß ſie aus zween kleinen Verſen beſtehn, und daß ein gewiſſer Abſchnitt dieſes zu ſel - ten hindern kann. Dazu ſcheint ihnen ohne den Reim et - was weſentliches zu fehlen. Der zehnſylbigte Vers hat viel Vorzuͤge vor dem zwoͤlfſylbigten. Er iſt an ſich ſelbſt klin - gender, und uͤber dieß kann man ſeinen Abſchnitt veraͤndern. Es iſt der Vers der Englaͤnder, der Jtaliener, und auch einiger Franzoſen. Selbſt Milton und Glover haben ihn gebraucht. Er ſcheint aber gleichwohl fuͤr die Epopee zu kurz, und dieß doch nicht ſo ſehr in der engliſchen, als inderVon der Nachahmungder deutſchen Sprache. Wem dieſer Umſtand zu unwichtig vorkoͤmmt, eine Regel daraus zu machen, dem geſtehe ich zu, daß der zehnſylbigte Jambe die Wahl eines epiſchen Dichters verdiente, wenn der Hexameter unnachahmbar waͤre. Der Trochaͤe iſt zu lang, zu ſchleppend, und in groͤſſern Wer - ken noch ſchwerer auszuhalten, als der zwoͤlfſylbigte Jambe. Was ſoll alſo der Verfaſſer einer Epopee waͤhlen? Wenn ich nicht ganz irre; ſo muß er entweder nicht in Verſen ſchreiben, und ſich ſeine Worte wie Demoſthenes, oder Fe - nelon von derjenigen Harmonie, welcher die Proſa faͤhig iſt, zuzaͤhlen laſſen; oder er muß ſich zu dem Verſe der Alten entſchließen.
Aber vielleicht iſt in lyriſchen Werken dieſe Entſchlieſſung nicht ſo nothwendig? Und wir koͤnnen, ohne die Sylben - maſſe der alten Ode, Pindariſch oder Horaziſch ſeyn? Jch gebe zu, daß unſre lyriſchen Verſe einer groͤſſern Mannich - faltigkeit faͤhig ſind, als die andern; daß wir einige gluͤck - liche Arten gefunden haben, wo, durch die Abwechslung der laͤngern und kuͤrzern Zeilen; durch die gute Stellung der Reime; und ſelbſt manchmal durch die Verbindung zwoer Versarten in Einer Strophe, viel Klang in einige unſrer Oden gekommen iſt. Aber daraus folgt nicht, daß ſie die horaziſchen erreicht haben; daß es unſern Jamben oder Tro - chaͤen moͤglich ſey, es der maͤchtigen alcaͤiſchen Strophe, ih - rem Schwunge, ihrer Fuͤlle, ihrem fallenden Schlage gleich zu thun; mit den beyden choriambiſchen zu fliegen; mit der einen im beſtaͤndigen ſchnellen Fluge; mit der andern mitten im Fluge, zu ſchweben, dann auf einmal den Flug wieder fortzuſetzen; dem ſanften Fluſſe der ſapphiſchen, beſonders wenn ſie Sappho ſelbſt gemacht hat, aͤhnlich zu werden; oder die feine Ruͤnde derjenigen Oden im Horaz zu erreichen;diedes griechiſchen Sylbenmaſſes im Deutſchen. die nicht in Strophen getheilt ſind. Horaz iſt ein ſolcher Meiſter in der lyriſchen Harmonie, daß ſeine Versarten ei - nige beſondre Anmerkungen verdienen, um uns recht auf - merkſam auf ihre Schoͤnheit zu machen, eine Schoͤnheit, die in ſeinen meiſten Arten mit einer ſo gluͤcklichen Sorgfalt erreicht iſt, daß ſie verfuͤhren koͤnnte, einige Kleinigkeiten wider ein paar andre Arten bey ihm zu ſagen, welche die feine Wahl der uͤbrigen nicht ganz zeigen. Wenn Horaz am hoͤchſten ſteigen will, ſo waͤhlt er die Alcaͤen; ein Syl - benmaß, welches, ſelbſt fuͤr den Schwung eines Pſalms, noch toͤnend genung waͤre. Er laͤuft da am ofteſten mit dem Gedanken in die andre Strophe hinuͤber, weil es, ſo zu verfahren, dem Enthuſiaſmus des Ohres und der Ein - bildungskraft gemaͤß iſt; da jenes oft noch mehr als den poetiſchen Perioden, der nur in eine Strophe eingeſchloſſen iſt, verlangt, und dieſe den Strom des ſchnellfortgeſetzten Gedanken nicht ſelten fordert. Horaz wuſte entweder den Einwurf nicht, daß, wegen des Singens, die Strophe und der Periode zugleich ſchlieſſen muͤßten, weil ihm die Saͤnger und die lyriſche Muſik ſeiner Zeit denſelben nicht machten; oder er opferte die kleinere Regel der groͤſſern auf. Die eine Choriambe, die aus vier Verſen, und nur Einem ungleichen beſteht, hat viel Feuer, ſanfteres, und heftige - res, wie Horaz will, dazu eine ihr eigne lyriſche Fuͤlle. Aber ſie duͤrfte wohl, wegen der Gleichheit ihrer drey erſten Zeilen, nur ſehr ſelten aus ſo vielen Strophen beſtehen, als die Alcaͤiſche. Die zweyte Choriambe, die der vorigen bis auf den dritten Vers gleicht, welcher ſich, mit einem ſanf - ten Abfalle herunter laͤßt, wuͤrde denjenigen Oden vorzuͤg - lich angemeſſen ſeyn, die ſich von der hohen Ode etwas zu dem Liede herablaſſen. Die Stellung dieſer dritten Zeile allein ſollte uns ſchon abſchrecken, neue Sylbenmaſſe zumachen.Von der Nachahmungmachen. Sappho hat eine Ode erfunden, deren Harmonie, ob wir gleich nicht einmal zwey ganze Stuͤcke von ihr haben, ſie am beſten getroffen hat. Die drey erſten Zeilen ſind in dieſer Strophe einander gleich, und wenn der gewoͤhnliche, an ſich harmoniſche Abſchnitt immer wiederholt wird, ſo verliert die Harmonie des Ganzen; ein kleines Verſehn, das Horaz mehr begangen, als vermieden hat. Es iſt zwar dieß deſto leichter zu verzeihn, ie verfuͤhrender der Ab - ſchnitt an ſich durch ſeinen Wohlklang iſt, und ie weniger man ihm in den erſten zwo Strophen die Eintoͤnigkeit an - ſieht, die er ſchon in der dritten und vierten verurſacht. Jn der Ode an Pettius beſteht die Strophe nur aus drey Zeilen, da eine vierzeiligte einer viel vollern Harmonie und eben der Ruͤnde faͤhig iſt. Die zweyte Zeile iſt vielleicht zu kurz, oder ſchloͤſſe doch beſſer die Strophe. Vielleicht waͤre auch in der Ode an Melpomene, und in den andern von eben dem Sylbenmaſſe, der laͤngere Vers gluͤcklicher der erſte, als daß er der zweyte iſt.
Wenn dieſe Fragmente einer Abhandlung (denn ich kann es keine Abhandlung nennen) einigen Leſern von Ge - ſchmack einen beſtimmtern Begrif von dem Sylbenmaſſe der Alten gemacht haben ſollten, als ſie bisher davon gehabt haben; ſo wird es ihnen vielleicht nicht unangenehm ſeyn, wenn ich noch etwas von der Kunſt, Gedichte zu leſen, hinzuſetze. Es iſt mit Recht der zweyte Wunſch iedes Dichters, der fuͤr denkende Leſer geſchrieben hat, daß ſie dieſe Geſchicklichkeit beſitzen moͤchten; eine Geſchicklichkeit, die Boileau, der ſie beſaß, fuͤr ſo wichtig hielt, daß er dem gluͤcklichen Vorleſer den zweyten Platz nach dem Dich - ter anwies. Zu unſern Zeiten, da man ſo ſehr aufgehoͤrt hat, ſich aus der guten Vorleſung ein Geſchaͤft zu machen,iſtdes griechiſchen Sylbenmaſſes im Deutſchen. iſt es genung, dieß wenige davon zu ſagen. Zuerſt muͤß - ten wir die Biegſamkeit unſrer Stimme, und den Grad ihrer Faͤhigkeit, den Wendungen und dem Schwunge des Gedanken mit dem Tone zu folgen, durch leichte und ſcherz - hafte Proſa, kennen lernen. Hierauf verſuchten wir die poetiſche Erzaͤhlung, und das Lied. Ein Schritt, der ſchwerer iſt, als er ſcheint. Dann giengen wir zu dem Lehrgedichte, oder dem Trauerſpiele fort. Hier wuͤrden wir finden, daß auch die ſorgfaͤltigſte Reinigkeit der Jamben den Fehler der Eintoͤnigkeit nicht erſetzen konnte; und daß ſo gar Jamben von genauerer Ausarbeitung, durch die immer wiederkommende kurze und lange Sylbe unvermerkt verfuͤhrt, von der eigentlichen Ausſprache mehr abwichen, als ſelbſt diejenigen Hexameter, die mit weniger Sorgfalt gearbeitet ſind. Von den Jamben erhuͤben wir uns weiter zu den volleren Perioden der Redner. Wenn wir dieſe leſen koͤnn - ten; ſo fingen wir mit dem Hexameter an. Wir brauchten hierbey ſeine proſodiſche Einrichtung eben nicht zu wiſſen: und da die Geſchicklichkeit, die Redner zu leſen, voraus - geſezt wird; ſo duͤrften wir nur mit der geſezten Maͤnnlich - keit, mit der vollen und ganzen Ausſprache, und, wenn ich ſo ſagen darf, mit dieſer Reife der Stimme, den Hexa - meter leſen, mit der wir die Proſa leſen. Wollten wir die Proſodie des Hexameters noch dazu lernen; ſo wuͤrden wir dem gearbeiteten ſeine voͤllige Gerechtigkeit wiederfahren laſ - ſen; dem weniger ſorgfaͤltigen mehr Zierlichkeit geben; und des rauhen ganze Rauhigkeit aufdecken koͤnnen. Wir wuͤr - den auch durch dieſe Kenntniß beſtimmter wiſſen, wie man den Vers zwar noch anders, als den beſten proſaiſchen Pe - rioden leſen; aber niemals in die ſchuͤlerhafte Verſtuͤmm - lung deſſelben verfallen muͤſſe, durch welche die Stuͤcke des Verſes dem Hoͤrer vorgezaͤhlt; und nicht vorgeleſen werden. ZuleztVon der Nachahm. des griechiſch. Sylbenm. ꝛc. Zulezt koͤnnten wir uns mit den lyriſchen Stuͤcken beſchaͤf - tigen, die dem Alcaͤus, der Sappho, oder dem Horaz ge - folgt ſind. Sollten einige ihrer Strophen, den Perioden des Hexameters, wenn er in ſeiner ganzen Staͤrke iſt, und im vollen Strome fortfließt, auch nicht in Betrachtung der Vollkommenheit der poetiſchen Harmonie uͤberhaupt, gleich kommen; ſo ſind wieder andre Strophen, die dieſem nur ſehr wenig nachgeben, und dann verſchiedne, von einer Ruͤnde, und von ſo zierlichen Feinheiten des Wohlklangs, daß man von der lyriſchen Dichtkunſt uͤberhaupt ſagen kann, daß ſie am naͤchſten an die Muſik graͤnze.
Die Schaar, die in Gethſemane vor Jeſu nieder - faͤllt, weil er geſagt hat: Jch bins! Drey hinterein - ander entfliehen mit großer Aengſtlichkeit; der lezte iſt darinne von den beyden erſten unterſchieden, daß er nicht allein Aengſtlichkeit, ſondern auch Wut in ſeinem Geſichte zeiget.
Die Façade eines antiquen roͤmiſchen Pallaſtes. Vor demſelben das Hochpflaſter. Unten herum eine große Menge Volks. Pilatus auf dem Richter - ſtuhle, dem ein Sclav aus einem antiquen Waſſer -) (gefaͤßErklaͤrung der Kupfergefaͤß Waſſer uͤber die Haͤnde gießt. Auf der rech - ten Seite Pilati ſteht der Meßias mit einer Mine voll erduldender Großmuth; auf der linken Seite der Moͤrder Barrabas, ein wuͤtender Menſch, voll ſtarker Muskeln, mit niedergebuͤcktem Kopf, und ſeitwaͤrts ſehenden Augen. Ueber die Verſammlung des Volks ſchwebet in einer dunkeln Wolke, mehren - theils verhuͤllt, ein Todesengel mit einem Flammen - ſchwerte. Dieſer ſieht mit ernſter Mine auf das Volk herab.
Die Kriegsknechte ſind beſchaͤftiget, das Kreuz vollends aufzurichten. Der Meßias ſteht unten am Kreuz, und haͤlt ſeine rechte Hand uͤber ſeine Augen und Stirn. Unter den vielen Zuſchauern zeigen ſich vorzuͤglich, nebſt einigen betruͤbten Juͤngern, die from - men Weiber, die Jeſu nachgefolget waren, und die ſich izt ihrer Traurigkeit ganz uͤberlaſſen.
Die Gegend iſt wie die vorige, aber dunkel, und mit Wolken bedeckt. Der Meßias am Kreuz zwiſchen den zween Schaͤchern. Der Zeitpunkt iſt der, da er mit dem Haupte ein wenig herunter geneigt, und mit einer ernſtvollen Traurigkeit, die da mit etwas Heiterkeit gemildert iſt, zu der Maria und dem Johannes redete. Die Kriegsknechte, welche Jeſu Kleider theilen.
Die vorige Gegend, aber noch dunkler, und ei - nige Theile derſelben noch mehr durch die Finſterniß verdeckt. Der Meßias iſt todt. Maria und Johan - nes haben ihr Geſichte verhuͤllet. Die Hauptvor - ſtellung der uͤbrigen Zuſchauer beſtehet darinn, daß einige wenige derſelben einen wehmutsvollen Schmerz zeigen; aber die meiſten eine wuͤtende angſtvolle Reue zu erkennen geben.
Jndem ſich Eloa und Gabriel, von dem Leiden des Meßias am Oel - berge, unterreden, koͤmmt Judas und die Schaar, Jeſum ge - fangen zu nehmen. Judas Gedanken bey ſeiner Annaͤherung. Der Angrif der Schaar. Nachdem ſie, auf des Meßias Anrede, wie todt, niedergefallen, und izt wieder aufgeſtanden waren, kuͤßt Judas, wie er verabredet hatte, den Meßias, welcher ſich darauf binden laͤßt, Petrum von fernerer Gegenwehr zuruͤck haͤlt, und die Schaar anredet. Unterdeß war die Verſammlung der Prieſter voller Unruh wegen des Ausgangs. Ein Bote koͤmmt, und erzehlt, daß die Schaar vor Jeſu todt niedergefallen ſey; ein zweyter, die Gefangennehmung des Meſ - ſias, und die Furcht, in welcher die ihn fuͤhrende Schaar noch war; und ein dritter, der von dieſer Furcht nichts mehr weis, daß ſich Je - ſus ſchon dem Palaſte nahe. Da der Meßias gleichwohl noch nicht koͤmmt, weil er unterwegs bey Hannas aufgehalten wurde; ſo geht Philo nebſt einigen dahin, Jeſum zu Kaiphas zu bringen. Johannes Gedanken, als der Meßias zu Kaiphas gefuͤhrt wird. Der Meßias erſcheint vor dem Synedrio. Portia, Pilatus Gemahlinn, war, Je - ſum zu ſehen, in des Hohenprieſters Palaſt gekommen. Philos An - klage des Meßias. Da jener zuletzt dem Meßias fluchen will, haͤlt ihn, durch ein ſchnelles Schrecken, ein Todesengel davon ab. Portia bewundert die Art, mit welcher Jeſus den Philo anhoͤrt. Nun redt Kaiphas. Unterrichtete Zeugen legen ihr Zeugniß ab. Kaiphas Wut, daß Jeſus nichts antwortet. Der Meßias ſagt zulezt, daß er der Sohn Gottes, und der Richter der Welt ſey. Kaiphas, die uͤbrigen, und vor allen Philo, verdammen ihn zum Tode. Die Wache begeht Grau - ſamkeiten an Jeſu. Gabriel und Eloa unterreden ſich daruͤber. Por - tia wird ſo ſehr geruͤhrt, daß ſie ſich entfernt, und ſich, in ihrer Weh - mut, zu dem erſten der Goͤtter, wendet. Petrus war hinaus gegangen, Er entdekt Johanni ſeine Verleugnung, verlaͤßt ihn, und beweint ſeinen Fall.
Der Tag des Todes Jeſu bricht an. Eloa beſingt ihn. Das Sy - nedrium haͤlt eine letzte Berathſchlagung, und fuͤhrt den Meßias zu Pilatus. Kaiphas klagt Jeſum an. Philo thuts auch. Der Meſ - ſias bemerkt ſie kaum. Pilatus nimmt Jeſum ins Richthaus, ihn be - ſonders zu verhoͤren. Jſchariots Tod. Pilatus koͤmmt mit dem Meſ - ſias zuruͤck, und ſagt, daß er ihn Herodes ſenden wolle. Maria koͤmmt, ſieht ihren Sohn, und geht in ihrer Traurigkeit zu Portia, und bit - tet dieſelbe, ihren Gemahl warnen zu laſſen, daß er des Unſchuldigen ſchone. Portia war durch den Traum, den ſie gehabt hatte, ſchon geneigt, deswegen zu Pilatus zu ſchicken. Sie erzaͤhlt der Maria ihren Traum. Der Meßias wird zu Herodes gefuͤhrt. Das Betra - gen einiger Juͤnger und Freunde Jeſu, da er hingefuͤhret wird. He - rodes verlangt ein Wunder vom Meßias, welcher ſchweigt. Kaiphas macht, durch eine Anklage wider Jeſum, Herodes noch erbitterter. Dieſer verſpotter den Meßias, und ſchickt ihn zu Pilatus zuruͤck. Das Volk wird durch neue Haufen, die zum Feſte gekommen waren, ver - mehrt. Philo ſchickt ſeine Vertrauten unter das Volk aus, es wider Jeſum einzunehmen. Unterdeß hatte Pilatus einen beruͤchtigten Moͤr - der, Barrabas, kommen laſſen, ihn, mit Jeſu, dem Volke vorzuſtel - len, damit dieſes um Loslaſſung des Meßias bitten moͤchte. Portia ſendet eine Sclavinn zu Pilatus. Philo entdekt Pilati Abſicht, die er mit der Vorfuͤhrung des Moͤrders hat. Er haͤlt eine Rede ans Volk. Durch dieſe, und durch den Beyfall, den die uͤbrigen Prieſter ſeiner Rede geben, wird das ohnedieß ſchon wieder Jeſum eingenommne Volk dahin gebracht, Barrabam loszubitten. Pilatus bezeigt, durch ein feyerliches Haͤndewaſchen, daß er unſchuldig am Blute des Meßias ſey. Das Volk uͤbernimmt die Schuld der Verurtheilung Jeſu. Der Meßias wird zur Geißlung gefuͤhrt. Pilatus bringt Jeſum, mit Dor - nen gekroͤnt, wieder zum Volk heraus, es gegen ihn zum Mitleiden zu bewegen. Unterdeß daß dieß geſchieht, giebt der Meßias an einige Engel geheime Befehle. Pilatus bemuͤht ſich noch immer, aber ver - gebens, Jeſum zu retten. Jener erſchrikt uͤber die Anklage der Prie - ſter, daß ſich der Meßias zu einem Sohne Gottes gemacht habe. Er nimmt ihn mit ſich in den Palaſt zuruͤck, und befragt ihn hieruͤber. Jeſu Antwort. Pilatus ſucht noch einmal, ihn zu befreyen. Aber nach einem Vorwurfe der Prieſter, daß er auf dieſe Art ſich nicht als einen Freund des Kaiſers zeige, uͤbergiebt Pilatus Jeſum in der Prieſter Gewalt, welche ihn zum Tode fuͤhren.
Eloa koͤmmt vom Throne Gottes herab, und ruft durch die Himmel, daß izt der Verſoͤner zum Tode gefuͤhret werde. Drauf laͤßt er die Engel der Erden einen Kreis uͤber Golgatha ſchlieſſen, ſteigt aus dem - ſelben herunter, und weiht den Huͤgel, im Namen des Dreymalheili - gen, zum Tode des Mittlers ein. Hernach betet er den Meßias, der ſein Kreuz tragend naͤher gekommen war, vom Golgatha an. Der Kreis der Engel wird weiter um Golgatha ausgebreitet. Gabriel fuͤhrt die Seelen der Vaͤter aus der Sonne auf den Oelberg herunter. Adam betrit die Erde zuerſt, und redet ſie an. Satan und Adramelech ſchwe - ben triumphirend uͤber dem Meßias. Eloa gebietet ihnen, im Namen des Verſoͤners, ſich zu entfernen. Sie werden ins todte Meer geſtuͤrzt. Jeſus war an Golgatha gekommen. Er redet die, welche uͤber ihn wei - nen, an. Nun iſt er auf dem Huͤgel. Das Kreuz wird errichtet. Die Erde faͤngt an, in ihren Tiefen zu beben. Noch ſteht der Gottmenſch beym Kreuze. Adam betet zu ihm. Die Kreuziger nahn ſich. Die Sterne hatten denjenigen Punkt ihres Laufs erreicht, welcher, in allen Himmeln die Zeit der Kreuzigung anzuzeigen, beſtimmt war. Nun ſteht die ganze Schoͤpfung ſtill. Der Vater ſieht auf den Sohn herun - ter, und er wird gekreuzigt. Da ſein Blut nun fließt, macht es Eloa durch die ganze Schoͤpfung bekannt. Der Gottmenſch ſieht auf das Volk herab, und bittet den Vater um Gnade fuͤr ſie. Die Bekehrung des einen mitgekreuzigten Miſſethaͤters. Jzt vollfuͤhrt Uriel, was ihm geboten war. Er bringt den Stern, auf welchem die Seelen der Men - ſchen vor der Geburt ſind, vor die Sonne. Die dadurch verurſachte Finſterniß. Das Erdbeben ſteigt nun weiter herauf. Von den Leiden des Verſoͤners am Kreuze. Uriel fuͤhrt die Seelen des zukuͤnftigen menſchlichen Geſchlechts zur Erde. Eva ſieht die Seelen kommen. Sie redet deswegen zu Adam. Der Verſoͤner ſieht die Seelen mit einem Blick ſeiner Liebe an. Deſſelben Leiden am Kreuze. Eine ſtarke Er - ſchuͤttrung des von neuem zunehmenden Erdbebens. Ein Sturm folgt darauf; auf dieſen ein Donnerſchlag ins todte Meer. Eloa entſchließt ſich, zum Throne des Himmels hinauf zu ſteigen, um den Richter von Angeſicht zu ſehn. Jhm begegnen zween Todesengel, die Gott herab - ſchickt. Die Erde war wieder ſtille. Eva iſt ſehr bewegt. Wenn ſie den Anblick des ſterbenden Meßias nicht mehr aushalten kann, ſo ſieht ſie auf Maria. Die beyden Todesengel kommen, und ſchweben ſieben - mal ums Kreuz. Was der Verſoͤner dabey empfindet. Der Eindruck, den die Ankunft der Todesengel auf die Vaͤter, und beſonders auf Eva macht. Jhre Wehmut bricht in einem Gebete aus. Zulezt koͤmmt ſie, durch einen gnadenvollen Blick des Verſoͤners zu der voͤlligen Ruhe des ewigen Lebens zuruͤck.
Eloa koͤmmt vom Throne des Richters zuruͤck, und ſagt den Vaͤtern, daß er ſich demſelben nicht voͤllig habe naͤhern duͤrfen. Von den Leiden des Meßias am Kreuze. Das Betragen der Freunde Jeſu. Jo - hannes und Maria unterm Kreuze. Petri Schmerz wird, auf eine ihm unbekannte Art, durch ſeinen Engel, Jthuriel, ein wenig gelin - dert. Er koͤmmt ſo weit zu ſich ſelbſt, daß er ſich entſchließt, ſeine Freunde aufzuſuchen, und ſich von ihnen troͤſten zu laſſen. Jndem er ſich mit Aufſuchung derſelben beſchaͤftigt, haͤlt ihn ein Geſpraͤch zwi - ſchen einem Fremden, und Samma auf. Samma erkennt Petrum. Petrus findet Lebbaͤum. Lebbaͤus kann ihm nicht antworten. Er fin - det ſeinen Bruder Andreas. Andreas wirft ihm, auf eine gelinde Art, ſeine Verleugnung vor. Petrus trift Joſeph und Nikodemus an, die von ſeiner Verleugnung noch nichts wiſſen. Nun kehrt der trauernde Petrus nach Golgatha zuruͤck. Johannes und Maria. Un - ter den Vaͤtern iſt Abraham noch immer von der Bekehrung des einen Miſſethaͤters voll. Seine Unterredung mit Moſes. Jſaak koͤmmt dazu, und ſezt die Unterredung fort. Abraham betet mit ihm zum Meßias. Jſaak bemerkt, daß ein Cherub Seelen gegen das Kreuz herauffuͤhre. Es waren die Seelen frommer und erſtgeſtorbner Hei - den. Der Cherub redet von dem Meßias zu ihnen. Salem, Johan - nis; und Selith, Mariens Schutzengel, wuͤnſchen, und vermuthen zulezt aus einem Blicke des Meßias, Troͤſtungen fuͤr Maria und Jo - hannes. Der Verſoͤner redet dieſe beyden an. Von den Leiden des Mittlers am Kreuze. Das Erdbeben faͤngt von neuem an. Es dringt bis in eine unterirdiſche Hoͤle, wohin Abbadona vom Oelberg geflohn war. Seine Empfindungen bey dem Erdbeben. Er entſchließt ſich, den Meßias von neuem zu ſuchen. Seine Zweifel, ob er ſich in einen Engel des Lichts verſtellen ſolle? Seine Gedanken, da er herauf koͤmmt, und die verfinſterte Erde ſieht. Endlich nimmt er zitternd die Geſtalt eines guten Engels an. Er hatte Jeruſalem ſchon entdeckt, und izt flieht er auf die Gegend zu, uͤber welche die Nacht am dunkelſten her - abhaͤngt. Bey ſeiner Annaͤherung hoͤrt er Satan und Adramelech im todten Meere. Die Engel erkennen ihn, ſeines angenommenen Schim - mers ungeachtet; aber ſie laſſens ihm zu, daß er ſich weiter naͤhere. Nach einigen Zweifeln erkennt er den in der Mitte Gekreuzigten, fuͤr den Meßias. Was er dabey empfindet. Er ſieht ſeinen ehmaligen Freund Abdiel, und ſo ſehr er ſich bemuͤht, nicht von ihm erkannt zu werden, ſo wird ers doch, und entflieht zuletzt in ſeiner verdunkelten Geſtalt. Der Todesengel Obaddon fuͤhrt die Seele Jſchariots zum Kreuze, und zeigt ihr den ſterbenden Meßias; hierauf den Himmel der Seligen von ferne; darnach bringt er ſie zur Hoͤlle.
Der Vater ſieht von ſeinem Throne auf den Sohn herunter. Der Meßias empfindet, daß Gott noch nicht verſoͤnt ſey. Er fuͤhlt den naͤheren Tod. Er ſieht nach ſeinem Grabe hinunter, und betet ins Geheim fuͤr die Sterbenden. Darauf wendet er ſein Antliz nach dem todten Meere. Satan, Adramelech und die Hoͤlle empfinden ſein Gericht. Jzt blickt der Verſoͤner auf die Schaaren der Heiligen um - her, die das Kreuz umgeben. Er verweilt am laͤngſten bey den See - len des zukuͤnftigen menſchlichen Geſchlechts. Es war izt einer der groſſen Zeitpunkte gekommen, in welchen viel edlere Seelen der Erde gegeben werden. Eh dieſe noch von ihren Schutzengeln mit ihren Lei - bern vereinigt werden, entwickelt eine von denſelben ihre Gedanken uͤber den ſterbenden Verſoͤner. Nun ergeht der Befehl des Meßias. Er ſegnet die Seelen, indem ſie von den Engeln fortgefuͤhrt werden. Die Charaktere dieſer Seelen. Da ihre Engel mit ihnen vor den zwanzig Palmen am Oelberge voruͤber ſchweben, wo der Erloͤſer das erſte Gericht erduldet hatte; ſo ſegnen ihnen die Seelen der Vaͤter, die dort verſammelt ſind, nach. Einige von dieſen Vaͤtern werden ge - nannt. Ein Geſpraͤch zwiſchen Simeon und Johannes dem Taͤufer. Mirjam und Debora klagen den ſterbenden Verſoͤner in einem Liede. Er koͤmmt dem Tode ſichtbar naͤher. Die meiſten Frommen entfernen ſich. Lazarus geht Lebbaͤo nach, ihn zu troͤſten. Lazarus hatte, ſeit der Kreuzigung Jeſu, faſt eben die Empfindungen gehabt, derer er ſich von der Zeit, da er todt geweſen war, erinnerte. Es deucht ihn, als wenn er unter Unſterblichen ſey. Jndem er hiervon mit Lebbaͤus redet, ſchwebt Uriel voruͤber, deſſen weggewendeten Glanz er ſieht. Uriel kuͤndigt der Verſammlung der Heiligen an, daß er den erſten der Todesengel gegen die Erde herkommen, geſehen habe. Der Eindruck, den dieſe Nachricht auf die Vaͤter, und unter dieſen auf Henoch, Abel, Seth, David und Hiob, am vorzuͤglichſten aber, auf unſre erſten El - tern, macht. Dieſe ſchweben zu dem Grabe Jeſu hinab. Sie erin - nern ſich, in einem Gebete an den Meßias, ihres Falls. Sie dan - ken, daß ſie Gnade erlangt haben. Der Verſoͤner ſieht voll Barm - herzigkeit auf ſie herunter. Hierauf beten ſie, fuͤr das menſchliche Ge - ſchlecht. Eloa ruft von der Zinne des Tempels, der Todesengel komme! Dieſer trit auf den Sinai, fleht zum Meßias, um Staͤrke, den Be - fehl Gottes zu vollbringen, ſteht auf, und ſagt, was ihm Jehova geboten hatte. Der Meßias ſtirbt.
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