PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]
Verbeſſerungen und Zuſaͤtze des Luſtſpieles Die Geiſtlichen auf dem Lande
in zweien Handlungen ſamt deſſen Nachſpiel.
Zu finden in der Frankfurter und Leipziger Michaelmeſſe.1744.
[2]

Perſonen der erſten Handlung.

  • Der Schulze, Gutheiß

    und deſſen Weib

  • Schickdich.
  • Herr Amtmann, Haferſtroh und deſſen Frau
  • Duldeviel
  • Herr Paſtor, Treulieb, und deſſen Frau
  • Tu - gendhold.
  • Herr Amtſchreiber, Jungesblut.
  • Herr Auditor, Horcher.
  • Kalbskopf, ein beklagter Bauer.
  • Rummeldeus, ein Zechbruder.
[3]
Hochwohlgeborner Gnaͤdiger Herr

Jhro Hochwohlgebornen Gnaden, ha - ben bei neulicher Unterredung, uͤber die laͤngſt herausgegebene Schrift: Die Geiſtlichen auf dem Lande, ein ſo richtiges als unpartheiiſches Urtheil gefaͤllet. Jch konte von Jhnen, ſo wie von allen vernuͤnftigen Menſchen, nichts anders erwarten, als daß man wenig Geſchmack an einer Ausfuͤhrung finden werde; an welcher man nichts, als Bit - terkeit und Haß, vermiſchet mit den nie - dertraͤchtigſten Dingen, wahrnehmen kann. Es ſey mir erlaubet dieſe Beur - theilung bekant zu machen, deren EinhaltA 2dieſer4dieſer war: Will man ſo das Unanſtaͤn - dige und Fehlerhafte einer einzelen Per - ſon einem ganzen Stande zur Laſt le - gen; ſo wird man unaufhoͤrlich tadeln koͤnnen. Wie gilt der Schluß von ei - nem auf alle? Man ſolte vielmehr ie anſehnlicher der Vorwurf eines Stan - des, ie noͤthiger und nuͤtzlicher er in der Geſellſchaft der Menſchen iſt; mit deſto groͤſſerer Sorgfalt, die Fehltritte ſeiner einzelen Glieder bedecken. Es verbin - det uns ia dazu die geſunde Vernunft, vielmehr die Offenbarung: ia der Nut - zen oder Schaden, ſo unſere Mitbuͤrger dahero nehmen koͤnnen. Moͤgten in - deß alle Prediger, fuͤr alles, was nieder - traͤchtig, was laͤcherlich iſt, ſich huͤten; und mit mehrerem Ernſt und Heiligkeit ihre Lehre und Amt zieren: man wuͤrde nicht ſo viele Gelegenheit haben, mit ihrem Betragen, ſeine eigene Schande, zu rechtfertigen, und mit dem gar zu kent - lichen Schmutz an ihren Kleidern, eigene Beſu -5 Beſudelungen zu reinigen. Jch ſage Jhnen, Hochwohlgeborner Herr, im Na - men der vernuͤnftigen und geſitteten Welt, fuͤr dieſe Gedanken den verbindlich - ſten Dank. Und Sie ſelbſt haben es fuͤr gut befunden ſolche mit einzuruͤcken, zum Be - weiß, daß ſich auch in ihrem vorzuͤglichen Stande Maͤñer finden, denen es nicht feh - let am Vermoͤgen richtig u. unpartheiiſch zu urtheilen, noch an der Billigkeit der Wahrheit Platz zu geben. Aus eben die - ſer Urſache, eigene ich auch Jhnen dieſe Blaͤtter zu, als wozu Sie mir den mehre - ſten Stoff an die Hand gegeben haben. Jhnen, mir und andern, iſt die Richtigkeit, der darin vorkommenden Handelungen bekant genug. Jndeß habe ich mich ge - huͤtet alles poͤbelhaſte zu vermeiden, wor - an ſie iedoch ſehr reich geweſen ſind. Solte nicht alles ſo ſinnreich eingekleidet ſeyn, wie es wohl haͤtte ſeyn moͤgen, ſo werden dieſelben wenigſtens einen Beweiß daherA 3neh -6nehmen, wie ſehr ich mich bemuͤhe Jhren Verlangen nachzuleben, und zu zeigen wie ich ſey

Hochwohlgeborner meines Gnaͤdigen Herrn zum Gebet und Folge verbundenſter Diener.

Noͤthi -[7]
Noͤthige Erinnerung an den Ver - faſſer des Luſtſpieles. Geehrter Freund.

Sie haben meine Dienſtfertigkeit in der Befoͤrderung des Luſtſpieles, ſehr gemißbrauchet. Mein Scha - de iſt der geringſte, der ihrige dabei der groͤſte; indem das Vertrauen, ſo man bis - hero auf ſie ſetzen moͤgte, und das Anſehen eines verſtaͤndigen, dadurch verlohren geht. Geehrter, warum machten ſie mir nicht den Einhalt der Papiere, ſo ich der Preſſe unerkant uͤbergeben muſte, kund. Gewiß ich wuͤrde Jhnen die groͤſte Freund - ſchaft, in noͤthiger Erſtickung einer ſo ſcheußlichen Bruth, nicht verſaget haben. Sie beklagen ſich gar zu ſpaͤt uͤber die merk - liche Abnahme ihrer Freunde und Ach - tung. Denn wie ſehr haben Sie ſich nicht bemuͤhet niedertraͤchtig zu ſeyn. Sie koͤnnen ſich auch unmoͤglich des Vorwur - fes laͤnger erwehren, einen wiederrechtli - chen Haß gegen den ganzen Orden desA 4geiſt -8geiſtlichen Standes zu hegen; da Sie ſol - chen ſo deutlich, obgleich zum eigenen Nach - theil, entwickelt haben. Jſt es moͤglich, ihren eigenen Stamm und Urſprung ſo zu ſchaͤnden? koͤnnen Sie ohne eigene Be - leidigung ſo vielen rechtſchaffenen Leuten, auf eine ſo gehaͤßige Art, wehe thun, und des Pfluges ſo bald vergeſſen, woran ſie doch ehemals ſelbſt Hand anlegten, und darum verlieſſen, weil Sie ſich zu ſchwach befunden? Dies wuſte ich wohl, daß man wenig daran einbuͤſſen, nicht aber, daß ein allgemeiner Feind dadurch entſtehen werde: Doch wie ungluͤcklich haben Sie ſich gerochen? Jch weiß, Sie ſagen; es iſt nicht alles mein, was im Luſtſpiele ſte - het: und ich bin geneigt zu glauben, daß ſie noch etwas mehr Vernunft beſitzen, als darinn anzutreffen iſt. Thun Sie aber doch dem erſten, mir nicht unbekanten Verfaſſer dieſes Miſchmaſches den Dienſt, und ſtellen ihm fuͤr: wie nachtheilig es ihm und ſeinem Stande ſey, den Herrn von Roſenek mit Monſieur Peter, uͤber Po - ſtillen urtheilen, und die vertrauteſten An - ſchlaͤge ſchmieden zu laſſen. Gewiß dies adeliche Gebluͤt hat ſich ſehr verkrochen, und an der Frau von Birkenhayn, findeich9ich gar keine Ader. Wie ſehr werden ſie mit ſich ſelber zufrieden geweſen ſeyn, als ſie auf eine ſo feine Art, den Exorciſmum, Poſtillen, Strick und Pfannekuchen, ih - rem kunſtvollen Gewebe mit einflechten und einmiſchen konten. Jch leſe Jhre Schrift, ſo wie der Theil der vernuͤnfti - gen von ihrer eigenen Ordnung, mit be - daurender Beluſtigung. Noch eines finde Jhnen noͤthig zu ſagen: man hat uns Hofnung gemacht bald etwas neues aus ihrer fruchtbaren und gelaͤuffigen Fe - der zu ſehen. Es wird geſaget; es ſolle nun uͤber die Schulmeiſter und Kuͤſter hergehen: was werden wir da nicht hoͤ - ren? Sie nehmen meinen Rath nicht an; ſonſt wolte ich bitten, Jhren ſo wohl an Witz als Niedertraͤchtigkeit erſchoͤpften Geiſt, erſt einige Muſſe mildeſt ange - deien zu laſſen. Wir wuͤrden mehreren Nutzen und Vortheile, Sie aber mehr Ehre davon haben. Doch Sie ſind wenig - ſtens ſo zu ſchreiben allemal ſtark genug, und wiſſen ia von keiner Muſſe, auſſer in noͤthigen und nuͤtzlichen Dingen. Und wie ſolte ich es ihnen abrathen, ſobald als im̃er moͤglich, damit herfuͤr zu treten? da meine muͤßige Stunden dieſem von nunA 5an10an gewidmet bleiben, auch ihres Standes ſchuldigſt eingedenk zu ſeyn. Das Tage - buch und die Samlung meines Freundes, genennet: Die Thorheiten und das Laͤ - cherliche einiger Rechtsgelehrten, komt mir hierinnen wohl zu ſtatten. Und vie - leicht komt es ſelbſt, ſo wie es iſt, am Ta - ge: Jhrer wird ruͤhmlichſt darin gedacht werden, ob ſie und ich ſelbſt gleich bishero gar ungewiß ſind, wohin ſie eigentlich gehoͤren. Sie wollen es indeß meinem Unvermoͤgen, oder nach Belieben, ih - rem eigenen Geſchmack beimeſſen und zu gute halten, wo dieſe geringen Blaͤtter ihren erleuchteten Augen nicht ſolten ge - faͤllig ſeyn. Doch gelobe ich Jhnen mich auf alle Art, ſonderlich durch ihren Fleiß und Sorgfalt, dahin zu bemuͤhen, ſo wie ſie ſchreiben zu koͤnnen. Denken aber werde ich niemals ſo, und darum kann ich in Wahrheit ſagen, daß ich unausge - ſetzet bleibe

Jhr ſteter Freund und Nacheiferer.

Der[11]

Der erſten Handlung

Erſter Auftrit.

Der Schulze: Guthheiß und deſſen Weib Schickdich.
Guthheiß.

Wie mag es zugehen, daß meine Frau abermals ſo lange auſſenbleibet? Gewiß ich werde mich genoͤthiget ſehen ſie nicht mehr al - leine auf den Hof*Hof nennet der Schultze, Vogt oder Bauer ſeines Jun - kers oder Amtmanns Haus, es ſehe aus wie es wolle. zu ſenden. Waͤre ich nicht zu ſehr von der Aufrichtigkeit meines Weibes uͤber - zeuget?

Schickdich.

Das mir mitgegebene Herren - geld iſt richtig geweſen. Der Herr Amtmann hat es erſt nachgezaͤhlet und mich damit auf - gehalten.

Guthheiß.

4. Thaler nachzuſehen, ſind dazu 4. Stunden noͤthig? Du ſolteſt dich deines Haus - Standes nur beſſer annehmen. Jch haͤtte das Geld ſchon uͤberbringen wollen.

Schickdich.

Jch arbeite ſchon ſo viel ich kann und noͤthig iſt; und bin auch auſſer meinem Hauſe um unſer ehrliches auskommen bedacht.

Guth -12
Guthheiß.

Auſſer deinem Hauſe? das danke dir der Jch will das lange Ausbleiben nicht wiſſen, und wo du nicht bald ſchweigeſt, ſolt du gar nicht mehr aus, vielweniger nach den Hofe gehen.

Schickdich.

Mann, maͤſſige dich, kann mich der Amtmann wohl entbehren? habe ich doch ſo lange bei ihm mein Brod verdienet; weiß die neue Haushaͤlterin wohl ſchon ſeine Weiſe; und durch wen biſt du denn auch wohl ein ſo angeſehner Mann?

Guthheiß.

Nun, nun denn, ich ſage nur daß du ſo lange ausbleibeſt; das iſt ia nichts boͤſes.

Schickdich.

Durchaus nicht: ich habe erſt einige Betten mit ſtopfen helffen, und einige Spit - zen beſehen muͤſſen, die er fuͤr ſeiner Frauen gekaufet hat, und davon er mir dies Stuͤck zu - warf.

Guthheiß.

Das Zeug, was wilt du damit? haͤtten wir nur das Geld dafuͤr. Morgen ſoll ich zur Stadt fahren, und wird man nicht allenthal - ben ſeine. Bezahlung fordern?

Schickd.

Du muſt den Leuten aus dem Wege gehen.

Guthh.

Damit ſind ſie nicht bezahlet, wir ſind es ia ſchuldig: ich will zu unſern Herrn Paſtor gehen, der ſoll mir leihen.

Schickd.

Nein das will ich nicht, ehe will ich nach den Herrn Amtmann gehen, der mir ſo ofte ausgeholfen hat.

Guthheiß. 13
Guthh.

Das will ich nicht, du biſt ia eben da geweſen: ehe will ich hingehen.

Schickd.

Du weiſt ia wie wenig dir dieſes anſtaͤndig ſey, uͤberlaſſe es mir nur, ich will ſchon Rath ſchaffen.

Guthh.

So gehe denn hin, ich muß wenig - ſtens 20. Rthl. haben.

Schickd.
(raffet eilend ihren Flidderputz[zu]ſammen und flieget davon.)

Zweyter Auftrit.

Amtmann: Haferſtroh und Schickdich.
Schickd.

Guten Abend, mein Herr Amtmann: ich komme noch einmal wieder. Mein Mann will morgen zur Stadt, und fraͤget ob was zu Dienſten ſtehe.

Haferſtroh.

Komme ſie nur ein wenig mit in Garten, es moͤgte mir noch ein und anderes beifallen.

Schickd.

Ach mein Herr Amtmann, wenn ſie es nicht wolten uͤbel nehmen, moͤgte mir wohl 5. Rthl. Vorſchuß ausbitten: mein Alter will ia ſonſt unſerer Schulden halber nicht fort.

Haferſtroh.

5. Rthl. die habe ich ihr ia fuͤr wenige Stunden gegeben.

Schickd.

Ja wie ſolte ich dieſe Guͤte nicht dankbarlichſt erkennen, es iſt aber nicht hinlaͤng - lich. Mein Mann plaget mich Geld zu ſchaffen und meinen Hausſtand abzuwarten.

Hafer -14
Haferſtroh.

Der alte Geck meinet ia wohl, daß ich ihm Hoͤrner aufſetze, und habe ich denn nicht aͤltere Briefe als er?

Schickd.

Sie wollen ſich darum keine Sorge machen. Jch habe mich ia bishero nach meiner Wenigkeit, ſo wie unter die Leute, alſo auch ſon - derlich in ihre Weiſe zu ſehicken gewuſt: werde auch dieſen Alten leichte zu beſaͤnftigen wiſſen.

Haferſtroh.

Ja ich brauche vorraͤthiges Geld ſelbſt, da Jhro Hochwohlgebornen, Herr Ho - neycomb von Kohlſtengel*Dieſer Herr hat mit Wilhelm Honeycomb im Zuſchauer viel aͤhnliches: deſſen Liebesgeſchichte man im 5ten Theile Bl. 228. aus ſeinem eigenen Munde hoͤret, auſſer daß der unſrige niedertraͤchtig iſt. mich naͤchſtens beſuchen wird. Doch da gewiß ich kann es kaum entbehren. Hier ſind dennoch 5. Rthl. Wir wollen uns auf dieſen gruͤnen Anger nieder - laſſen.

Schickd.

Nun, mein Herr Amtmann, was iſt denn noch auſſer dieſem zu Dienſte?

Haferſtroh.

Ei ihr ſeyd eine liſtige fragt meine Frau.

Dritter Auftrit.

Amtmannin: Duldeviel. Hausiungfer und Schickdich.
Duldeviel.

Jſt es moͤglich, daß das freche Weib, ſo ofte, ſo ungeſcheuet, und in ſo ſchaͤnd - lichen Dingen die Schwelle meines Hauſes betre - ten darf? Jch ſehe wohl das liederliche Leben wirdnicht15nicht aufhoͤren: ich ungluͤckſelige, welch ein Schick - ſal hat mich einem ſo Niedertraͤchtigen zugeſellet? Man ſcheuet ſich nicht vor meinen Augen ſolche Dinge zu treiben: und wie lange wird es dauren, daß meine zeitige Haushaͤlterin zu gleicher Schan - de hingeriſſen wird? Der Anfang iſt ia ſchon da - zu gemacht. Welch einen Abſcheu muß ich nicht haben an den, in deſſen Geſellſchaft ich mein Leben enden ſoll? Nur die Vorſehung alleine kann mei - nem Drangſal und dieſen verruchten Dingen Ein - halt thun.

Hausiungf.

Frau Amtmannin, es iſt die Voig - tin Schickdich da, und fraͤget ob ſie auch aus der Stadt etwas verlangen. Jch frage Frau Amtman - nin.

Duldeviel.

Laſſet ſie herein kommen. Habt ihr meinen Mann geſprochen?

Schickdich.

Ja, meine werthe Frau Amtman - nin, ich habe ihn eben den Augenblick um ein glei - ches befraget: er hat mir befohlen zu Jhnen zu ge - hen.

Duldeviel.

Bringet mir doch einige Citronen wo ſie friſch ſind, mit.

Schickdich.

Gar wohl, ich wuͤnſche wohl zu ruhen.

Hausiungf.

Befehlen die Frau Amtmannin noch ſonſt etwas.

Duldeviel.

Setzet eure Kuͤche in Bereitſchaft, wir werden in wenig Tagen Fremde bekommen; und haltet euch alle wege rechtſchaffen.

Hausiungf.

Dahin werde ich mich ſtets bemuͤ -hen;16hen; eine ernſtliche Bitte aber mag ich an meine werthe Frau ergehen laſſen: mir doch in ihren Dienſten, ſo wohl im Hauſe ſelber, als auch fuͤr an - dere ſchaͤndliche Anlaͤufe und Zumuthungen, ſonder - lich des Herrn Amtſchreibers Jungesbluts, Schutz und Beiſtand zu leiſten.

Duldeviel.

Er wird ſchon ſo vernuͤnftig, wo nicht chriſtlich ſeyn, und euch nichts boͤſes zumuthen. Wartet ihr eure Kuͤche ab, denn aus ſolcher ſoll er die Naſe ſchon laſſen.

Hausiungf.

Ja das will ich gerne thun, und iſt auſſer dem meine Schuldigkeit. Jm uͤbrigen aber werde ich mich auf den Beiſtand meiner Frauen, in Erhaltung meiner Ehre verlaſſen; ſie mag ange - fochten werden, von wem ſie wolle.

Duldeviel.

Jhr koͤnnet gewiß glauben, daß ich euch in gerechten Dingen nie entſtehen werde: huͤtet euch aber auch ſelbſt fuͤr alle Gelegenheit zur Ver - fuͤhrung. Saget eurem Herrn ob er ſpeiſen wolle.

Vierter Auftrit.

Haferſtroh. Duldeviel.
Haferſtroh.

Guten Abend mein Kind; iſt ſie ſo emſig im Buͤcherleſen.

Duldeviel.

Das Buch ſo mir unſer Herr Paſtor neulich hat mitgegeben zum Zeitvertreib; hat mich recht eingenommen, und ich finde darin einen artigen Vorrath und Entwurf der nuͤtzlichſten Dinge.

Haverſtroh.

Wie heiſſet es?

Dulde -17
Duldeviel.

Der Freymaͤurer.

Haferſtroh.

Behuͤte! Da wird wohl nicht viel ſonderliches oder nuͤtzliches einſtehen, das ſind ia wunderliche Leute.

Duldeviel.

Laſſen ſie ſich nicht abſchrecken durch den Namen, ſo dieſem Buche darum beigeleget zu ſeyn ſcheinet, um es deſto allgemeiner zu machen. Der Zweck deſſelben iſt die Verbeſſerung der Sit - ten und Maͤſſigung der Leidenſchaften. Jch will ih - nen nur zum Beweiß davon etwas aus dem 22. Stuͤcke vorleſen, ſo ich eben in Haͤnden habe, und mich ſehr vergnuͤget.

(lieſet.)
Haferſtroh.

Ja das iſt artig: aber nun wollen wir eſſen, ich muß noch etwas nachſehen, und ha - be dahero nicht viel Zeit uͤbrig.

Duldeviel.

Warum eilet er ſo; Wenn man langſam ſpeiſet, pfleget es dem menſchlichen Coͤr - per zutraͤglicher zu ſeyn: ſo viel Zeit muß man ſich nehmen. Will er nicht nachhero ein wenig mit mir in den Garten gehen?

Haferſtroh.

Jch bin eben da geweſen, als die Vogtin kam, ſie iſt doch wohl bei ihr geweſen?

Duldeviel.

Ja ich habe ſie abgefertiget. Der Herr Paſtor wird doch auch gebethen werden? kommen ſie denn bald nach.

Haferſtroh.

Jch uͤberlaſſe es ihr, wie ſie es machen will.

Duldeviel.
(alleine im Garten)

Welch eine un - ertraͤgliche Kaltſinnigkeit und Bitterkeit, hat dies unlautere Herz erfuͤllet? Sein ganzes Beſtreben gehet nur dahin, um mich im Guten zu ermuͤden. BJch18Jch werde doch zuletzt der Boßheit Opfer werden und ihr weichen muͤſſen? Wohlan es ſoll geſche - hen, um mich wenigſtens ſelbſt zu bewahren und in Sicherheit und Ruhe zu ſetzen. Dies alleine ſoll mich beruhigen, daß auf meiner Seite nichts zur Trennung, wohl aber alles moͤgliche zur Be - veſtigung, einer ſo feierlichen Verbindung, iſt veranlaſſet oder beigetragen worden. Jhr gruͤ - nen und angenehmen Felder, ihr ſeyd viel zu ſchwach meinen abgedrungenen Schluß, zu hin - tertreiben. Nun folge ich dem laͤngſt verworfe - nen Rath der Meinigen. Gewoͤlbte Bahn, ich nehme keinen Theil an der Schande, die dein unſchuldiges und angenehmes Laub, nur bloß den Augen der Sterblichen hat verbergen koͤnnen.

Fuͤnfter Auftrit.

Prediger: Treulieb, deſſen Frau Tu - gendhold.
Treulieb.

Eben ietzo ſendet man vom Amte, und laͤſſet uns auf uͤbermorgen bitten: wir thun wohl am beſten, wenn wir es fuͤr diesmal abſagen. Du weiſt wie viel Urſache man ietzo hat ſich fuͤr gar zu groſſe Vertraulichkeit und oͤf - teren Umgang Einiger Rechtsgelehrten zu huͤten: die nach ihrem Geſchmack ein Stuͤck Gebratenes und ein Glas Wein, fuͤr die beſte Freundſchaft halten. Es wird ohne dem eine Geſellſchaft dort zuſammen kommen, in welcher ein ieder Biſſenmit19mit dem Salze der Unwiſſenheit und Thorheit pfleget gewuͤrzet oder vielmehr verdorben zu werden.

Tugendhold.

Jch geſtehe es freilich, wir eſ - ſen unſer Brod mit mehrerem Vergnuͤgen zu Hauſe. Aber was wird die gute Frau Amt - mannin dazu ſagen? du weiſt, wie ſehr und auf - richtig ſie uns iuͤngſtens bath, uns ihrer wenig - ſtens nicht gaͤnzlich zu entſchlagen. Sie hoͤret ia ſonſt nichts mehr als den Schall der Glaͤſer, den Preiß des Kornes und die herrlichen Vorzuͤge der Pferde und Hunde.

Treulieb.

Es mag darum ſeyn: wir haben aber Urſache uns wohl zu huͤten, dieſen an nichts - wuͤrdigen Dingen ſo fruchtbaren Koͤpfen kei - nen neuen Stoff der Schmaͤhſucht zuruͤcke zu laſſen. Du magſt es zuſagen, doch will ich zu - vor einen Kranken beſuchen.

Tugendhold.

Es mag da ſeyn, wer da will; wir werden hoffentlich Gelegenheit haben ihnen zu zeigen, wie vergnuͤgt und gluͤcklich man ſeyn koͤnne, durch Ausuͤbung der Tugend und des Chriſtenthums.

Treulieb.

Huͤte dich indeß meine liebe Frau, irgend etwas zu gedenken von unſeren obwalten - den Mißhelligkeiten: es iſt abgeſchmackt einen dritten daran Theil nehmen zu laſſen, und ihm dasienige zu entdecken, oder zu verrathen, was einem doch nur alleine angehet. Du weiſt, die Sache iſt einer hoͤheren Obrigkeit bereits uͤberge - ben worden, und wer wolte ſich derſelben aͤuſ -B 2ſern,20ſern, da ſie nicht mehr in unſerer Gewalt ſteht?

Tugendhold.

Jch werde mich auf das ſorg - faͤltigſte fuͤr allen Ausbruch uns ſonſt natuͤrlicher und anhaͤngender Schwachheiten huͤten.

Sechſter Auftrit.

Amtmann Haferſtroh, Amtſchreiber Jungesblut.
Haferſtroh.

Eben ietzo erhalte ich einen Be - fehl von der Regierung, ihr einen glaub - wuͤrdigeren Bericht abzuſtatten, in Sachen des angegebenen Ehebruchs Hans Kalbskopfs. Ha - be ich es doch bereits gethan, welcher Kukuck, mag etwas dawieder eingewendet und mehreres gemeldet haben? Gewiß niemand anders als un - ſer Paſtor, der dieſem Kerl blos darum gehaͤſſig iſt, weil ſein Weib eine Zeitlang in meine Dien - ſte ſich hat treu bewieſen und gebrauchen laſſen: der iſt es, der dieſe vermeinte Suͤnde will geahndet wiſſen. Ein wunderlicher Mann! Hat er doch in ſeinen bisherigen Predigten genug davon ange - fuͤhret: ſagte er nicht noch neulich, weder die Hurer und die Geſchichte Davids und Bath - ſeba iſt nicht umſonſt angefuͤhret. Wohlan ich will es ſchon berichten.

Jungesblut.

Ja das habe ich auch bemerket, und noch vorigen Sonntag ſprach er, wer ein Weib anſiehet Jch vermuthe es ſelbſt daß ſein Bericht mit dem unſrigen nicht uͤberein kommt.

Hafer. 21
Haferſtroh.

Setzen ſie ſolchen doch einmahl auf, ſo buͤndig und hinlaͤnglich als es immer moͤg - lich iſt. Jch habe die Zeit nicht.

Jungesblut.

Jch habe nicht viele Buͤcher, und getraue mir nicht, ihn ſo vollkommen zu ma - chen: wollen der Herr Amtmann nicht ſelbſt

Haferſtroh.

Jch will ihnen meinen neuen Hermann*Die Deutlichkeit und Sprache dieſes fruchtbaren Schriftſtellers kommt denen ſonderlich zu ſtatten, denen das Lateiniſche entwiſchet iſt, oder unvermoͤgend ſind eine Sache ſelbſt zu entwerffen. ſenden, ſie finden nochwohl etwas darin, aber er muß ihn nicht rein ausſchreiben. Moſern**Jſt ein Rechtsgelehrter vor der Stange, und die Weit - laͤuftigkeit ſeiner Geſchicklichkeit, erſtrecket ſich auch auf Dinge, die ihn nicht angehen, davon er, ohne |ſie einzuſehen, gruͤndlich ſchreibet. will ich ſelbſt nachleſen.

Jungesblut.

Jch habe neulich Hertels poli - tiſche Schnupftobacks-Doſe und Thee-Taſſe er - handelt: ſolte ich wohl darin etwas finden?

Haferſtroh.

Er wird ſchon ſehen wie er zu rechte komme.

(gehet ab)
Jungesblut.
(fuͤr ſich alleine)

Das iſt mir auch eine gar verdriesliche Arbeit: doch ich muß ſie wohl uͤbernehmen, ſo ich dem Schmauſe, bei angenehmen Blicken, beiwohnen will: ſo hat man auch ia einander noͤthig. Aber warum ſoll ich denn eben, eine ſo verworrene Sache, uͤber - nehmen: hat der Amtmann ſie eingefedelt mag er ſie auch ſelbſt fuͤhren? doch ich will es thun: da finde ich eben ein ſchoͤnes Conſilium. Nun willB 3ich22ich auch Durandi ſpeculum und Carpzovii pro - ceſſum*Sind abermals ein paar flattliche Nothhelfer und Ju - riſten-Poſtillen. nachſehen. Haͤtte ich es doch nicht ge - dacht, daß ſich ſo leichte was aufſetzen lieſſe, oh - ne einmal daran zu gedencken? Gewiß, das ſoll mir der Amtmann ſchon vergelten, und unſer Prieſter ſoll ſich wundern, daß ſein Bericht ſo we - nig gefruchtet hat. Solte der in Rechtsſa - chen auch vernuͤnftig ſchreiben? Nein, ich habe ein halbes Jahr ein Relatorium gehoͤret, das muß anders heraus kommen.

(Schreibet bald aus einem bald aus dem andern Buche.)

Siebenter Auftrit.

Treulieb, und der des Ehebruchs beſchul - digte Bauer Kalbskopf.
Kalbskopf.

Der Herr Paſtor hat mich ia fordern laſſen, ſo moͤgte ich wohl hoͤren, was ich ſolte

(ſchiebt den Huth um die Hand)
Treulieb.

Guter Freund, es mag euch nicht unbekant ſeyn, was hier und an andern Orten, fuͤr ein aͤrgerliches und ſchaͤndliches Geruͤchte, von euch und eures Nachbaren Hans Graukopfs Weibe vorlaͤngſt entſtanden iſt. Es iſt mir auf - getragen worden euch in dieſer ergangenen Ankla - ge des Ehebruches zu vernehmen, und gehoͤrigen Ortes davon Bericht abzuſtatten: habe demnach euch deßfalls fordern laſſen.

Kalbs -23
Kalbskopf.

Herr Paſtor es iſt nicht wahr, die Leute liegen: ich habe es gar nicht gethan.

Treulieb.

Mir iſt es nicht moͤglich euer Herz zu beurtheilen; Kalbskopf, koͤnnet ihr es mit gu - tem und freiem Gemuͤthe ſagen, und getrauet ihr euch dies Bekentniß, fuͤr goͤttliche und weltliche Gerichte, zu erhaͤrten und abzulegen?

Kalbskopf.

Herr Paſtor ich ſpreche mit ihm, die Leute liegen, und unſer Amtmann ſaget es auch, es ſey nicht wahr.

Treulieb.

Der Herr Amtmann hat vieleicht eine ſo gute Meinung von euch, und ſo billig er iſt, euch, wo ihr unſchuldig ſeyd, zu unterſtuͤtzen, ſo ſehr werdet ihr euch, im Fall ihr ſchuldig befun - den werdet, an ſein Amt verſuͤndigen und es miß - brauchen: er ſelbſt wird euch alsdenn weder koͤn - nen noch wollen uͤberhelfen. Jhr aber werdet es ia wiſſen, was ich hierunter fuͤr eine Abſicht habe? keine andere als dieſe, um eure Seele zu verwah - ren fuͤr den gerechten Lohn der Verdamten, der denen gewiß iſt, die in offenbaren Laſtern, ſon - derlich eines gedoppelten Ehebruches und Hurerei, zum Verderben eilen.

Kalbskopf.

Ja Herr Paſtor, der Amtmann ſaget, es habe nichts zu bedeuten, ich ſoll es nicht auf mich kommen laſſen, und das will ich auch thun.

Treulieb.

Freund, bedenket was ihr redet, ich will ietzo eure Meinung wiſſen, ſo antwortet mir denn auch ſo, wie es wuͤrklich iſt. Mit Unwahr - heiten werdet ihr nicht fort kommen, wohl aberB 4eure24eure Sache deſto ſchlimmer machen. Sprechet, wollet ihr dereinſt zu den Fuͤſſen des allgemeinen Weltrichters ein gleiches behaupten; wiſſet ihr nicht, daß der einen ieden nach ſeinem eigenen und zwar nach dem verborgenſten ſeines Herzens beur - theilen, und zur Verdamniß oder zur Seligkeit verweiſen wird. Eure Klaͤgerin geſtehet es ja und bleibet dabei.

Kalbskopf.

Hat das Weib es bekant? Ach Herr Paſtor, es iſt leider wahr genug, ich kann es auch nicht leugnen: aber ich bitte er wolle es doch nicht nachſagen.

Treulieb.

Eben eure Ausſage zu berichten, habe ich euch fordern laſſen: ihr muͤſſet euch der Ordnung unterwerfen, ſo euch fuͤrgeſchrieben wird. Laſſet euch ſolche Bezuͤchtigung aber dazu dienen, die Schaͤndlichkeit und Strafbarkeit der That ſelbſt deſto genauer einzuſehen, und euren bishe - rigen ſo ſuͤndlichen und verwerflichen Wandel zu beſſern. Saget aber Freund, warum habt ihr dies Verbrechen mit einem neuen, nemlich ei - nem hartnaͤckigen Luͤgen gehaͤufet und ver - mehret.

Kalbskopf.

Der Amtmann hat meinen be - ſten Fuͤllen bekommen, eine Kuh ſoll er auch ha - ben. Dem Amtſchreiber habe ich auch ſeinen Willen gemacht: ſie haben mir aber auch ver - ſprochen, wenn ich alles ſtandhaft leugnen koͤnte, mich ſchon durchzuhelfen. Ja ſie muͤſſen es auch wohl thun. Hier hat der Herr auch was: aber ſey er auch ſo gut

Treulieb. 25
Treulieb.

Mit allen dieſen Dingen verderbet ihr eure Sache immer mehr: ob das, was ihr ge - ſaget, andem ſey, kann ich nicht beurtheilen. Mich wenigſtens werdet ihr damit nicht zur Unwahrheit erkaufen. Huͤtet euch indeß ſolche Dinge vor ei - ne, etwa uͤber euch kommende Commiſſion, ſo unbedachtſam auszuſprechen.

Kalbskopf.

Commiſſion? ach ich armer Kerl! ich muß noch Haus und Hof verlaſſen, und habe es doch wohl nicht einmal alleine ge - than, des Amtmanns ſein Diener, Peter Folg - nach, wird auch ſchon herauskommen: ich will meine beſte Kuh daran wenden.

Treulieb.

Es wird alsdenn alles aufs genaue - ſte unterſuchet, und nach Recht und Billigkeit be - urtheilet werden. Jndeß werdet ihr es in ku〈…〉〈…〉 em erfahren, faſſet euch bis dahin, und bereuet dieſe gedoppelte Schande. Vor Ausmachung der Sache, und Aufhebung des allgemeinen An - ſtoſſes und Aergerniſſes, kann ich euch nicht zum heiligen Abendmahle annehmen: damit ihr nicht die Heiligthuͤmer des HErrn mit Fuͤſſen tretet und zum Gerichte gebrauchet. Verlaſſet aber dennoch nicht die Verſamlung, Anhoͤrung und den Gebrauch des goͤttlichen Wortes, damit ihr nicht in noch groͤſſere Suͤnden gerathet. Jhr koͤnnet euch meines Rathes allemal bedienen, und zu mir kommen.

B 5Achter26

Achter Auftrit.

Haferſtroh. Jungesblut. Horcher*Horcher iſt, der alles mit groſſer Bewunderung, und er - ſtaunender Aufmerkſamkeit anhoͤret: dergleichen ange - hende Rechtsgelehrten zu ſeyn pflegen. (Auditor) Kalbskopf.
Haferſtroh.

Herr Amtſchreiber, haben ſie einen Bericht verfertiget: ich habe Beklagten vorge - fordert. Er geſtehet noch ietzo, er habe mit Hans Graukopfs Weibe weiter nichts zu ſchaffen ge - habt, als daß er mit ihr in einem Bette gelegen.

Jungesblut.

Jch habe mich aͤuſſerſt bemuͤhet ihn zu vertheidigen, und mit hinlaͤnglichen Gruͤnden dargethan, daß es bloß als ein vel quaſi adulte - rium anzuſehen ſey.

Haferſtroh.

Vel quaſi adulterium, ſie geſte - he[n]s ia, und er ſelbſt leugnet es nicht: das Kind iſt auch ia da. Vielmehr mag es ein adulterium du - plex genennet werden.

Jungesblut.

Jn meinen Buͤchern duͤnkt mich heiſſet es duplicatum.

Haferſtroh.

Ja ia duplicatum oder duplex, es iſt ia einerlei. Beſſer duͤnkt mich waͤre es, wenn man es pro adulterio accepto angaͤbe: ſie hat ia nicht geſchrien, da ſie ſich doch ſeiner haͤtte erwaͤhren koͤnnen.

Jungesblut.

Das mag angehen, zumalen wir fuͤrnemlich mit einem Geiſtlichen zu fechten haben. Von meinem ſeligen Vater habe ich wohl ehedemgehoͤret,27gehoͤret, daß ſie unter ſcandaloſum*Soll heiſſen ſeandalum datum, und iſt ein bloſſer Druck - fehler. datum & ac - ceptum unterſcheiden.

Haferſtroh.

Wir wollen den Kerl nochmal anhoͤren. Herr Horcher, klingen ſie mal, daß er her - ein komme. Sehet da Hans Kalbskopf, da haben wir eurenthalben von neuem einen langen und gruͤndlichen Bericht der Regierung muͤſſen ab - ſtatten. Jhr machet uns viel zu ſchaffen.

Kalbskopf.

Ach ia, Herr Amtmann, ſey er doch ſo gut und helffe mir: die beſte Kuh im Stall

Haferſtroh.

Nun, nun, die gehoͤret nicht in die Amtſtube, was ſoll ich hier damit machen?

Kalbskopf.

Ja ich meine es auch ſo nur, wie der Herr Amtmann wohl weiß.

Haferſtroh.

Ei gehet nur immer hin, ſo viel an uns iſt, und unſere Rechte uns erlauben, wollen wir euch gerne helffen. Habt ihr mit dem Herren Pa - ſtor, ſo wie ich euch ſagte, geredet; was ſaget er?

Kalbskopf.

Ja, Herr Amtmann, ich wolte daß ich da haͤtte wegbleiben koͤnnen: er redete ſo mit mir, daß ich ihm die Wahrheit ſagen muſte. Was konte ich thun? das gottloſe Weib hat es ia alles be - kant und ausgeplaudert. Und ſo wolte er auch nichts annehmen, ob ich ihm gleich ſagte, daß der Herr Amtmann mir davon geſaget haͤtte.

Haferſtroh.

Kerl biſt du wahnſinnig? was ſeyd ihr fuͤr ein einfaͤltiger Schoͤps, habe ich euch nicht deutlich genug davon vorgeprediget, und ausdruͤcklich geſaget, ihr ſolltet euch weiter nichtsmerken28merken laſſen? was machet ihr daraus? auf ſolche Art kann man euch nicht mehr helfen. Was ſoll man mit euch anfangen?

Kalbskopf.

Ja, ich weiß es nicht, der Herr wird es ſchon wiſſen, er hat ia darauf ſtudiret, und mir zu helfen verſprochen. Jſt es nicht ein ſchoͤner Fuͤllen, Herr Amtmann? ia da kann ein rechtes Pferd aus werden?

Haferſtroh.

Fort, gehet nur bald, ihr ſeyd ſo dumm und einfaͤltig, ich mag nichts mehr von euch hoͤren.

Kalbskopf.

Einun, Herr Amtmann, ich bitte ihm darum: ich will es ſchon gut machen: er weiß es ia wohl

(kratzet ſich hinter die Ohren, gehet ab, und ſpricht mit ſich ſelbſt)

Jch armer Kerl muß ſo ankom - men, unſer Paſtor iſt mir boͤſe, nun der Amtmann auch, wo will das hinaus? Meinen beſten Fuͤllen habe ich ſo hingegeben, die Kuh muß auch wohl fol - gen: Aber was tauſend, er hat mir ia auch ver - ſprochen zu helfen, und das muß er auch wohl thun, er mag ſagen was er will

(ſchlaͤget auf ſeine Hoſen)

Und wo alles recht heraus komt, habe ich es noch nicht einmal gethan, der Schurcke Peter Folgnach, des Amtmanns ſein Diener, der hat es gethan: ich ſoll nun alleine die Schuld haben und alle das Meinige ihnen in den Rachen iagen. Das wil ich wohl laſſen. Sagte der Schluͤngel nicht im Kruge, er kaͤme eben aus meines Nachbarn Graukopfs Hau - ſe, ſprach er nicht das waͤre ein ſchoͤnes Weib, ſie moͤgte gerne iunge Kerls leiden: O daß ich mich von ihm habe dazu verleiten laſſen, der Bube hatſich29ſich damit befreien wollen. Ja ia ich habe es unſerm Paſtor wohl geſaget: es ſoll beim Landgerichte oder Commiſſion ſchon heraus kommen; gelt du Vogel, wir fangen dich!

Haferſtroh.

Der Kerl iſt entweder gar dumm oder boßhaft: er meinet mit ſeiner Kuh alles auszu - richten. Jch habe es ihm wohl 20 mal geſaget, er ſoll mir mit der Kuh vom Leibe bleiben, ich will die Sache gar nicht mehr hoͤren noch fuͤhren.

Jungesblut.

Der Bericht muß indeß doch ab - gehen. Sie haben ſie ia angefangen, und wie ſolte es ihnen am Vermoͤgen fehlen ſie auszufuͤhren?

Haferſtroh.

Herr Horcher mache er dieſes denn einmal fertig: an koͤniglicher Regierung. Herr Amtſchreiber, helfen ſie ihm doch zu rechte.

Horcher.

An koͤniglicher Regierung, Herr Amtmann, ſoll es noch heute abgehen?

Haferſtroh.

Ja ohne Verzug, dem Bettel ein Ende zu machen. Sie muͤſſen von allem zuvor Copiam nehmen, und ſauber damit umgehen.

Neunter Auftrit.

Jungesblut. Kalbskopf.
Kalbskopf.

Herr Amtſchreiber, er muß es mir nicht uͤbel nehmen: der Herr Amtmann war ia heute in der Amtſtube ſo boͤſe. Jch weiß nicht wie ich daran bin.

Jungesblut.

Jhr habt euch freilich ſehr dumm und einfaͤltig bewieſen, wie redet ihr ſo dreiſte in denTag30Tag hinein, und alles, was euch ins Maul faͤllet und angegeben iſt, ſchwatzet ihr unbedachtſam fort. Jn - deß wo ihr euer Verſprechen haltet, wird man ſehen, wie man euch noch diesmal uͤberhelfe: ich will das meinige auch gerne dazu beitragen.

Kalbskopf.

Ja es ſoll auch ſein Schade nicht ſeyn: Mein Bruder Niclas wird ihm ia 10 Rthlr. an zwei Dritteln gebracht haben?

Jungesblut.

Ja die habe ich bekommen, aber nicht gewuſt warum, kommen ſie von euch her? ſehet da liegen ſie noch alle bei einander. Jch will thun was in meinen geringen Kraͤften ſtehet, und mein Gewiſſen zulaͤſſet. Gehet nur hin.

Kalbskopf.

Nun guten Tag Herr Amtſchrei - ber, ich verlaſſe mich dazu

(fuͤr ſich)

Ja Gewiſſen daß es GOtt erbarme, ſie nehmen alles an. Jch weiß nicht ob ſich gar eines dabei finden kann, und wenigſtens muß es weit genug ſeyn.

Zehnter Auftrit.

Guthheiß. Rummeldeus (ein Zech Bruder)
Guthheiß.

Guten Tag, meine Herren, wie ſo luſtig mit einander? ich freue mich ihrer Geſundheit.

Rummeldeus.

Willkommen Alter in der Stadt und Zeche: was bringet er gutes mit?

Guthheiß.

Jch bringe eben nicht viel, auſſer etwas Geld ſo ich bezalen muß, fuͤr memer Frauen Kleidung. Die haben ia immer was noͤthig und denken nur beſtaͤndig auf was neues.

Rum -31
Rummeldeus.

Ja die werdet ihr leichte beza - len koͤnnen; ein Mann, der ſo ſtehet und eine ſo gelittene Frau hat, muß ſich das nicht verdrieſſen laſſen.

Guthheiß.

Jhr Herren habt gut ſagen, in der Stadt laͤſſet ſich ſchon was verdienen. Haͤt - te der Amtmann, mir, oder daß ich recht ſage, meiner Frauen, nicht noch was geliehen, ich duͤrfte nicht fuͤr Leute kommen.

Rummeldeus.

Das muß ein braver Mann ſeyn, eure Frau iſt, halte ich, lange Haushaͤlte - rin bey ihm geweſen.

Guthheiß.

Ja ſie muß noch ietzo oͤfters Dien - ſte thun, wenn nemlich was im Hauſe vorfaͤllt, er kann ia ohne ihr nicht zu rechte kommen.

Rummeldeus.

Habt ihr ſchon Kinder?

Guthheiß.

Noch nicht, aber es wird ſchon kommen.

Rummeldeus.

Um Gevattern ſeyd ihr denn wohl nicht bekuͤmmert?

Guthheiß.

Meine Frau will ia gerne den Junker Kohlſtengel, den Amtmann und Amt - ſchreiber dazu bitten, ich aber wolte gerne meinen Vater dazu haben.

Rummeldeus.

Das wird brav Gevattern - geld geben, ihr ſeyd nachhero beſſer gelitten, und koͤnnt ie zu weilen, ein Herr Gevatter mit unter - miſchen. Das klinget ſchoͤn und iſt kraͤftig.

Guthheiß.

Ja ich muß es auch wohl thun, lebet indeß wohl und geſund.

(gehet ab)
Rummeldeus.
(mit anderen Zechbruͤdern)

Derarme32arme Schelm iſt gar darunter durch. Der Amtmann und er haben beide ein Weib: erſterer mag ia ſeine eigene Frau gar nicht leiden, und man ſaget, daß ſie ſich wolle ſcheiden laſſen. Unſers Guthheiß Gluͤck iſt dieſes, daß er Geduld hat, und was thut man nicht ums Geld: ich wuͤrde es anders machen.

Zweite Handelung.

  • Perſonen derſelben ſind die vorigen Neue aber
  • Honevcomb von Kohlſtengel, ein liebesvoller Junker.
  • Wiſchwaſch, eine verwittwete Amtmannin.
  • Eſptitfort, deren Sohn, ein nagel neuer Rechtsgelehrter.
  • Huſa, ein alter Capitain.
  • Friedenlieb, ein Prediger aus der Stadt.
  • Sachwalt, ein alter Rechtsgelehrter.
Erſter33

Erſter Auftrit.

v. Kohlſtengel. Haferſtroh.
v. Kohlſtengel.

Es iſt mir lieb den Herrn Amtmann wohl zu ſehen, ich finde mich denn verſprochenermaſſen ein.

Haferſtroh.

Ev. Hochwohlgebornen bin ſehr verbunden, wenn dieſelben mich, als einen unwuͤrdigen Diener durch ihre Geſellſchaft guͤtigſt beehren wollen.

v. Kohlſtengel.

Ach der Worte, ich meine wir koͤnnen ſolche ſchon ſparen, warum ſoll man ſich daruͤber den Kopf zerbrechen: Fuͤrwahr, Herr Amtmann, ſpreche er anders.

Haferſtroh.

Sie erlauben mir, ihnen die Zei - chen meiner ſchuldigen Achtung alſo zu erkennen zu geben; und zugleich die verbindlichſte Dankſa - gung abzuſtatten fuͤr neulich geſendetes Reitpferd. Jch werde mich iederzeit und nach allen Kraͤften dahin bemuͤhen ihnen meine Erkentlichkeit dafuͤr an den Tag zu legen.

v. Kohlſtengel

Jch zweifele im mindeſten daran nicht, und erwarte davon einen ſicheren Beweis, in Fuͤhrung und Vertheidigung meiner Rechtsſache wieder meinen zeitigen Prediger. Die Sache iſt ihm vieleicht bekant, iedennoch aber will ich ſie wiederholen. Vor eine geraume Zeit, wie ich ihm geſchrieben habe, kam meine Haus - iungfer unvermuthet und ungluͤcklicher Weiſe mitCeinem34einem lebendigen Soͤhnlein darnieder. Jch muſte das Menſch, meiner eigenen Ehre wegen, noth - wendig von mir ſchaffen; ſie ward von meinem Prediger ihrer Umſtaͤnde halben befraget, und das liederliche Weibsbild bekante auf mich. Der Prieſter hat dieſe Auſſage ſan facon dem Conſi - ſtorio gemeldet und berichtet. Was meinen ſie, war das nicht hoͤchſt unbillig? was ging ihm dies an? haͤtte er nicht, wo er ia iſt befraget worden, ſagen koͤnnen, er koͤnte die Sache nicht ausfuͤn - dig machen, hat er doch ſein Taufgeld reichlich dafuͤr bekommen? und denken ſie einmal, ich hatte ihm noch kurz zuvor ein paar feiſte Kaͤlber geſchenket, welch ein Undank und Eigenſinn eines Geiſtlichen?

Haferſtroh.

Ja freilich, man kann ia nicht mehr mit den Leuten auskommen. Jch habe ei - nen aͤhnlichen Fall mit meinem Prediger, in ei - nem vermeinten und angehaͤngeten Ehebruch, welchen das Weib geſtehet, und der Kerl iſt auch ſo dumm, daß er ſich ausfragen laͤſſet. Jch hoffe indeß die Sache ſchon auszufuͤhren.

v. Kohlſtengel.

Dies muſte mich, wie leichte zu erachten, nothwendig in Harniſch iagen: und da ich ſonſt nichts auf ihn bringen konte, ohne er - achtet ich auf das ſorgfaͤltigſte dahin bemuͤhet war, und allenthalben glaubwuͤrdige Nachricht von ihm einzog. Was war zu thun, ich bediente mich des Mittels, ſo ich wohl ehedem von ihm gehoͤret habe, nemlich ſeinen Gegner in eben den, und womoͤglich35moͤglich, groͤſſern Verdacht zu ſetzen, als darin man ſelbſt ſtehet.

Haferſtroh.

Ja Jhro Hochwohlgebornen, das habe ich wohl etwan ehemals

v. Kohlſtengel.

Nun hoͤre er nur weiter. Jch vermogte*Solte iemand meinen, dieſe Sache uͤberſtiege alle Wahrſcheinlichkeit, wie ſie dem erſten Anblicke nach denn thut; dem rathen wir, ſich um die Geſchichte, die vor einigen Jahren in der Gegend Hannover vor - gefallen iſt, zu bekuͤmmern Der Ausgang derſelben wird ihn aber auch belehren, mit welch einer Billig - keit man ſich der Unſchuld angenommen und Recht hat wiederfahren laſſen, ob man ſolche gleich anfangs ſehr kraͤnkete. einen meiner Kerl dazu, daß er ſich auskleidete als ein Prediger, und da er ohne dem in ſeiner Bildung etwas aͤhnliches an ſich hat mit dem Herrn Paſtor, ſein ganzes Weſen annehmen muſte. Er ging darauf in die Schenke, in wel - cher man ſchon Beſcheid wuſte, wo er fertig trin - ken, und mit fremdem Weibsvolke, deſſen An - kunft mir allezeit berichtet wird, vertraut umging. Dieſes habe ich durch kraͤftige und glaͤnzende Mit - tel zum Zeugniß gegen ihm aufgebracht und bewo - gen. Die Sache fand anfangs bei denen Obe - ren ziemlich Glaubwuͤrdigkeit, denn wir leben ia Gott Lob zu einer Zeit, in welcher man denen Prieſtern ſchon was in die Schuhe gieſſen mag, und ſie mit leichter Muͤhe anſchwaͤrzen kann, da ein ieder geneigt iſt, das Schlimmſte von ihnen zu reden, und ſich ſelbſt damit fortzuhelfen. Aber, hoͤren ſie weiter, der Mann hat ſich an koͤniglicheC 2Regie -36Regierung gewendet, die hat die Sache auf ganz andern Fuß geſetzet, und der vermaledeiete Die - ner iſt mir ungetreu worden. Was muß man nicht in der Welt erdulden? Sehen ſie mal dies verzweifelte Ding, ſo mir iſt zugeſendet worden; ich ſoll ſelbſt erſcheinen. Setzen ſie doch einmal eine gruͤndliche Gegenſchrift darwieder auf. Der verzweifelte Handel machet mich noch zu Schanden vor der ganzen Welt.

Haferſtroh.

Ja, mein Herr von Kohlſtengel, wer hat ihnen das gerathen? ich gewiß nicht. Da werden ſie ſchlecht bey fortkommen: das iſt zu viel gewaget.

v. Kohlſtengel.

Ei nun denn, es iſt doch kein Kopf ab, was kann man mehr von mir ſagen, als man bereits thut. Das Ius patronatus werde ich wenigſtens behalten. Man mag dieſem Mann eine ſo gute Stelle, zu ſeiner Befriedigung geben, als man immer will, ſo werde ich ſeiner wenig - ſtens ledig, er ruhet doch nicht, und hat immer vieles zu erinnern. Sey er denn ſo gut, Herr Amtmann, und ſetze was zu Papier, ich wolte es gerne mitnehmen.

Zweyter Auftrit.

v. Kohlſtengel. Haferſtroh. Duldeviel.
v. Kohlſtengel.

Jhr ſchuldiger Diener, Frau Amtmannin, es iſt mir ſehr angenehm ſiewohl37wohl vorzufinden: wie aber ſo verfallen, ſind ſie krank geweſen?

Duldeviel.

Bishero Gottlob eben nicht, mein Herr v. Kohlſtengel, das aͤuſſerliche Anſehen der Menſchen iſt veraͤnderlich.

Haferſtroh.

Die Frauensleute ſind ia man - chen Schwachheiten unterworfen.

v. Kohlſtengel.

Ja meine Waſe, die Frau von Hochmuth, davon ich einen Gruß zu beſtellen habe, befindet ſich ebenermaſſen ſchon ſeit einiger Zeit an einer Verſtopfung kraͤnklich.

Haferſtroh

Erlauben ſie mir denn, meiner Studierſtube einen kurzen Beſuch zu geben.

Duldeviel.

Warum haben ſie denn die gnaͤ - dige Frau von Hochmuth nicht mit gebracht? bei ſolchen Umſtaͤnden, pfleget auch eine geringe Veraͤnderung ſehr nuͤtzlich zu ſeyn.

v. Kohlſtengel.

Sie war es auch gewillet: da aber geſtern der Lieutenant von Haudegen aus der Stadt kam, muſte ſie ihm zur Geſellſchaft zu Hauſe bleiben. Aber, meine liebe Frau Amt - mannin, ſagen ſie mir doch die Urſache einer ſo blaſſen, verfallenen und ungewoͤhnlichen Farbe. Sind ſie etwa nach Kiel geweſen, oder iſt ſonſt was verungluͤckt. Verzeihen ſie mir ſolche Fra - ge, denn ich habe ein ſchoͤnes Mittel wieder

Duldeviel.

Sie werden dies Mittel doch we - der an ſich, noch an ihren Frau Gemahlin, be - waͤhrt gefunden haben: denn ſo viel andere und ich wiſſen, haben ſie niemals geheurathet.

C 3v. Kohl -38
v. Kohlſtengel.

Ach das Mittel machet ſich ſelbſt kraͤftig: und da mir eine genauere Unterſu - chung der menſchlichen Natur, und der ſorgfaͤlti - ge Unterricht meiner ehemaligen getreuen Franzoͤ - ſinnen, ſolches haben gebrauchen und kennen leh - ren; zweifele ich gar nicht, es wuͤrde auch hier die gewuͤnſchte Wuͤrkung thun.

Duldeviel.

Jch verſpreche es ihnen zu glauben, verſuchen aber werde ich es nie. Meine Krankheit iſt nicht erheblich, und meine Natur kann ſolche fremde und unbekante Mittel nicht ver - tragen.

v. Kohlſtengel.

Ha ha, Frau Amtmannin

(kuͤſſet ihr die Hand und will ſie umarmen.)
Duldeviel.

Mein Herr von Kohlſtengel, ver - ſchonen ſie mich mit ſolchen Zumuthungen: ſie ſtehen uns beiden nicht an. Jch haͤtte es nicht ge - glaubet, daß ſie ſo verliebt thun koͤnten: in einer ordentlichen Ehe haben ſie ſolches nicht gelernet. Doch es iſt wahr, ſie haben zuvor der Treue ihrer fleiſſigen Lehrerinnen ruͤhmlichſt gedacht, und die Natur thut auch vieles.

v. Kohlſtengel.

Dies bin ich ſo gewohnet bei allem artigen Frauenzimmer, und ich kan galant mit ihnen umgehen und thun, ohne einmahl an mei - ne Ahnen dabei zuruͤcke zu gedenken. Erlauben ſie mir demnach, ihr Mann

Duldeviel.

Sie haben es weit gebracht ſich her - unter zu laſſen: bedenken ſie aber dabei, was ſie ih - rem Stande vergeben, dem es denn ia gar nichtanſtaͤn -39anſtaͤndig iſt ſich durch eine ungeadelte ob gleich ede - le Artigkeit, reitzen zu laſſen: ſie muͤſſen dabei, wo nicht veraͤchtlich doch wenigſtens unempfindlich ſeyn; wiewohl ſich erſteres am beſten verbergen laͤſſet und ihnen gemeiniglich natuͤrlich iſt.

v. Kohlſtengel.

Da faͤllt mir eben was Denk - wuͤrdiges bei ein: ich habe es einmahl in meiner Jugend gehoͤret oder geleſen, daß alle Artigkeit an denen, ſo nicht unſeres Gebluͤtes ſind, dem Adel eigentlich gehoͤre, und ſolcher es demnach mit Recht ſich koͤnne zu eignen.

Duldeviel.

Und wo bleibt das kriechende und unedele? nun laͤſſet es ſich begreiffen, warum ſie ſo thun koͤnnen. Sie ſind ſehr zu loben, daß ſie al - ſo nach ihrem Vermoͤgen, fuͤr die Verbeſſerung ihres Gebluͤtes bedacht ſind: gewiß eine noͤthige Sorgfalt, da das ſtoltze von in ſo groſſer Verach - tung gerathen iſt, daß doch nie geſchehen wuͤrde, wenn es der erſten Stiftung nach, Vorzuͤgen nicht aber Perſonen und Geburten eigen bliebe. Nun aber bin ich ſehr wohl zu frieden, keinen Theil dar - an zu haben, denn ich und meines gleichen bemuͤ - hen ſich auch ohne Adel edel und vernuͤnftig zu ſeyn.

v. Kohlſtengel.

Ei nun denn, Frau Amt - mannin, ſie reden mir zu hoch, was wollen wir uns darum bekuͤmmern? genug ich liebe ſie.

Duldeviel.

Mich? ſie wollen ſich doch ſo nicht vergeſſen.

v. Kohlſtengel.

Sie iſt eine eigene Frau, und weiß nicht zu leben. Schade, daß ſie keine Fran - zoͤſinnen gehabt hat.

C 4Dulde -40
Duldeviel.

Freilich bin ich meinem Manne eigen und ob ich gleich unter der Anfuͤhrung ge - dachter Perſonen, die Nadel habe fuͤhren lernen, ſo waren doch meine Eltern zu vernuͤnftig, mich ihnen gaͤnzlich zu uͤberlaſſen.

v. Kohlſtengel.

Jch will nichts mehr davon hoͤren, oder reden; was machen ihre Angehoͤ - rigen.

Duldeviel.

Sie thun ſehr wohl daran, und mir ſonderlich einen groſſen Dienſt. Die Meini - gen ſind, GOtt ſey Dank, wohl, und ich hoffe mich bald an ihnen zu laben.

Dritter Auftrit.

Wiſchwaſch. Eſpritfort. Haferſtroh.
Wiſchwaſch.

Jch bitte es mir nicht zu veruͤ - beln, ſo unvermuthet zu kommen: es ge - ſchieht um keine Ungelegenheit zu machen.

Eſpritfort.

Seit dem ich von Academien bin, habe ich ein groſſes Verlangen getragen meinen Geburtsort zu ſehen, und meinen Herrn Amtmann, einen ruͤhmlichen Nachfolger meines ſeligen Vaters, kennen zu lernen.

Haferſtroh.

Sie ſind mir angenehme und willkommene Gaͤſte.

(fuͤhret ſie hinein)
Vier -41

Vierter Auftrit.

v. Kohlſtengel. Haferſtroh. Wiſchwaſch. Eſpritfort.
v. Kohlſtengel.

Jch bin erfreuet, eine alte Bekantin, in ihrer Perſon einmal wie - der zu ſehen, mit der ich ſo viele angenehme Stun - den, vertrauet zugebracht habe Jedoch in allen Ehren. Jſt das der Herr Sohn? er iſt wohl gewachſen.

Wiſchwaſch.

Ach ia, Hochwohlgeborne Exellence, ich erinnere mich noch allezeit des Ver - gnuͤgens, ſo mein ſeliger Mann, ich ſonderlich zu meinem Theil, in Deren angenehmen und galan - ten Umgang, genoſſen habe. Dies iſt freilich mein aͤlteſter Sohn, der unter ſeinen erſten Gluͤckſeligkeiten zu rechnen hat, von ihnen, als ſei - nem hohen Pathen, ein adeliches Gebluͤt angenom - men zu haben.

v. Kohlſtengel.
(fuͤr ſich)

Was adeliches, kann das einem Buͤrgerlichen zu kommen? wenn es noch edel hieß, das iſt ihm genug, und mag meinenthalben ſeyn.

Eſpritfort.

Jch erkenne denn dieſe Gluͤckſe - ligkeit, mit dankbarſtem Gemuͤthe, und in kind - licher Hochachtung, in welcher mich Jhro Hoch - wohlgebornen Exellenc[e]zu empfehlen, mir hie - mit die Ehre und Freiheit will genommen haben.

Haferſtroh.

Sie belieben Platz zu nehmen,C 5die42die heutige Geſellſchaft wird bald beiſammen ſeyn. Unſer Herr Paſtor und ſeine Frau, der Herr Amtſchreiber und Horcher werden ſolche ver - ſtaͤrken.

Eſpritfort.

Der Herr Paſtor? mit dem wer - de ich mich ſonderlich abgeben: ich habe ſchon manchen durch meine Dreiſtigkeit im Scherzen ſchamroth gemachet, daß er ſich nicht einmal mit mir abgeben wolte.

v. Kohlſtengel.

Jch mag gerne mit dieſen Leuten zu ſchaffen haben, und bringe ihnen fleiſſig einen vollen Becher zu: um ſie ſo zu ſehen, wie ich gerne ſeyn mag. Herr Amtmann ſie werden mir heute einen Trunk zu gute halten. Jch hoffe er wird nicht wenig Vergnuͤgen daran finden; ich weiß, wir kommen hierin uͤberein. Denn wie ſolten wir Rechtsverſtaͤndige, Prieſterfreunde ſeyn?

Haferſtroh.

Jhnen ſtehet alles frei und zu Dienſte; ſo viel aber ſage ich ihnen: daß ihre Abſicht ſchwerlich von ſtatten gehen wird.

Fuͤnfter Auftrit.

v. Kohlſtengel. Wiſchwaſch. Treulieb. Duldeviel. Tugendhold. Haferſtroh. Jungesblut, Horcher. Eſpritfort. Tiſchg[e]ſptaͤch.
v. Kohlſtengel.

Wie gehet es ſo ſtille in unſe - rer Geſellſchaft zu: was haben wir gutesneues43neues, Herr Paſtor, in relitteratura*Soll heiſſen litteraria. . Sind die Herren einig, was der Comet bedeute?

Treulieb.

Was er bedeute, kann niemand ſa - gen, und ausfuͤndig machen: ob er wuͤrklich ein Zeichen ſey, kuͤnftiger und zufaͤlliger Veraͤnde - rungen, iſt ſo wenig auszumachen, als man ſol - che ſelbſt beſtimmen kann. Daß aber durch ihn, ſo wie durch andere natuͤrliche Erſcheinungen, et - was koͤnne angezeiget werden, wird eben nie - mand leugnen.

Eſpritfort.

Wer wolte an ſolche Dinge glauben, die den Einfaͤltigen nur ſchuͤchtern, und den Aberglauben ſtaͤrker machen. Es ſind ia na - tuͤrliche Anſcheinungen, und wollen nichts ſagen, ich habe mir nicht einmal die Muͤhe gegeben ihn recht anzuſehen, viel weniger ſeinen Lauf zu be - obachten.

Treulieb.

Sonne, Mond und Sterne, ſind ia auch Zeichen und ſtete Erinnerungen, des Da - ſeyns und der Aufſicht eines unendlichen Weſens, d. i. GOttes. Sollen wir denn blos dieſe Dinge in unſere Sinne fallen laſſen, ohne Ruͤck - denken? einem Vernuͤnftigen komt es zu, ſolche mit Ueberlegung anzuſehen. Und in ſo ferne ſind Co - meten allerdings, ſo wohl ihrer Natur als Lauf und Stellung nach, Zeichen und Bilder eines unendlich erhabenen Weſens.

Eſpritfort.

Aber wie, mein Herr Paſtor, wenn man gar ſagen[woll]e, ein ſolches Weſenſey44ſey nicht vorhanden, und beſtehe bloß in der Ein - bildung der Geiſtlichen und Weltweiſen.

Treulieb.

Sie werden ſich ia ſelber das Da - ſeyn nicht abſprechen koͤnnen; und alle Dinge, die ſie um ſich ſehen, und die ſo wenig als der Menſch ſelbſt, durch ſich entſtehen und beſtehen koͤnnen: muͤſſen ihnen einen hinlaͤnglichen Be - weiß, des allgemeinen Urſprunges und Fortdau - rung, durch dies unendliche Weſen, d. i. GOt - tes, abgeben. Dieſer erſte Beweiß iſt ſo deutlich und triftig, daß ihn niemand in Zweifel kann ziehen, der ſeiner Sinnen Meiſter iſt, und eine vernuͤnftige Ueberlegung damit zu verbinden, Luſt und Faͤhigkeit beſitzet. Dahero denn auch die goͤttliche Offenbarung, die Moͤglichkeit der Er - kentniß GOttes allen Menſchen beilegen kann.

Eſpritfort.

Ja, aber ich ſage nur. Wie? daß ich da ſey, das weiß ich gar zu wohl, die Herren ſehen mich ia, und ich rede ia vernuͤnftig.

(lachet)
Treulieb.

Wir hoͤren und ſehen es freilich.

v. Kohlſtengel.

Allerdings, daß ein GOtt ſey, habe ich in meiner Jugend gelernet, und weiß es auch noch gar zu wohl. Monſieur, wie kann er ſo reden? aber nun wollen wir einmal trinken. Herr Amtmann, wie ſtehet es ſonſt ums Landweſen, was machen ihre Pferde, haben ſie einen guten Karl dabei?

Haferſtroh.

Jch ge[b]rauche ſie ſehr wohl, und bin neulich damit zur Ab[le]gung der Rechnung ge - fahren, alle Stunde eine Meile. Jch habe meineFreude45Freude daran gehabt, man bewunderte ſie allent - halben, mich aber auch.

v. Kohlſtengel.

Jch habe anietzo einen En - gellaͤnder der geht uͤber alles. Wie ich neulich mit einem Kuppel Hunde auf die Jagd ging, kon - te er es ſo gar mit meinem alten Schnellauf aus - halten. Das Herz lachet mir im Leibe, wenn er anſetzet.

Treulieb.

Frau Amtmannin, haben ſie noch die Hofnung die Jhrigen bald bei ſich zu ſehen; als ich neulich im N. war verſicherte mir ſolches ſon - derlich die Frau Schweſter und der Herr Schwa - ger.

Duldeviel.

Ja, mein Herr Paſtor, ich empfing geſtern eine ſchriftliche Beſtaͤtigung und Erneue - rung derſelben: und will ich nicht hoffen, daß es mir gehe wie im vorigen Jahre, da mein Ver - langen, wie es auf das Groͤſſeſte geſtiegen war, auf einmal zernichtet wurde.

Horcher.

Dafuͤr wolte ich wohl Buͤrge ſeyn, denn der Diener, der geſtern daher kam, verſi - cherte, es haͤtte verlauten wollen, als ob die Reiſe noch in dieſer Woche ſolte angetreten wer - den.

Haferſtroh.

So eilig wird es ia nicht ſeyn: im Briefe ſtehet davon nichts, ſie werden uns ia ſo unvermuthet nicht[]berfallen? das Geſinde redet leichte was.

Tugendhold.

Viele[i]cht ſoll dadurch die Hof - nung des Vergnuͤgens befordert werden: denneine46eine kleine Ungewißheit in angenehmen Dingen, vermehret das Verlangen darnach.

Haferſtroh.

Das iſt wahr, es iſt mir deren Ankunft auch allemahl angenehm.

Wiſchwaſch.

Ach ia, wie ſolten einem die Seini - gen nicht angenehm ſeyn: ich weiß dem Herrn Amtmann wird die Zeit ſchon lange werden.

Jungesblut.

Sind der Herr Paſtor neulich in der Stadt geweſen, ſo werden ſie auch den Buchladen ſchwerlich voruͤber gegangen ſeyn.

Treulieb.

Es iſt nicht ohne, es faͤllt einem ſehr ſchwer einen Buͤchervorrath unangeſehen zu laſſen.

Jungesblut.

Es iſt mir noch bekant genug wie ſehr mein ſeliger Vater die Buͤcher liebte, und wie viel Geld er daran wendete. Waͤre es etwas weniger geſchehen, ich und die Meinigen wuͤrden mehreren Nutzen davon gehabt haben.

Treulieb.

Sie werden ſolchen, und das Vergnuͤgen, ſo der ſelige Vater darin gefun - den hat, nicht nach dem ihrigen abmeſſen. Jn der gelehrten Welt fallen iederzeit Veraͤnderungen vor, an welchen man ia billig Theil nimmt. Die Wiſſenſchaften, denen wir obliegen, ſind von mehrerem Umfang und Fruchtbarkeit, und ſich auch darin nur zu erhalten, erfordert beſtaͤndigen Aufwand. Die Herren koͤnnen ehe fertig wer - den.

v. Kohlſtengel.

Jch habe ſo manches Buch in allerhand Sprachen geleſen, und vergnuͤge mich noch daran, ſonderlich wenn merckwuͤrdi -ge47ge Geſchichte darin vorkommen, und wir alſo die Welt*Die Welt kennen lernen, nehmen wir hier in den Verſtand, worin dieſe Redensart beym Zu - ſchauer vorkommt: ſich nemlich in mancherley Streit und Liebeshaͤndel miſchen. kennen lernen. Doch ich leſe die - ſe anietzo nicht mehr mit ſo groſſer Begierde, weil ich ſelbſt zu viele Erfahrung habe, und ge - witziget bin.

Haferſtroh.

So glauben ſie, Herr Paſtor, daß wir mit ſo wenigen koͤnnen abkommen. Es iſt wahr, es giebt Rechtsgelehrte, ſonderlich Beamte, deren ganzen Buͤchervorrath eine mit - telmaͤſſige Staͤrke auf einmal davon tragen kann: ich aber habe noch neulich vor 20. Rthl. von allerhand Art auf einmal erhandelt.

Jungesblut.

Es kommen ietzo ſonderlich vie - le Stachelſchriften heraus: und wir haben endlich die ſo lange gewuͤnſchte Zeit, worin man niemandes ſchonet; auch der Herren Geiſtlichen nicht.

Eſpritfort.

So iſt es, ich habe neulich un - ter denen Buͤchern, ſo mir der Buchfuͤhrer, ge - woͤhnlichermaſſen zuſchicket, ein ſinnreiches Luſt - ſpiel ſehr bewundert, es heiſſet: die Geiſtlichen auf dem Lande.

Treulieb.

Es muͤſſen ſich auch Perſonen, von hoͤherem Stande gefallen laſſen, ihre Han - delungen auf das ſorgfaͤltigſte gehaͤſſig und ver - daͤchtig gemachet zu ſehen. Solche Beurtheilun - gen flieſſen gemeiniglich aus einem neidiſchen undunzu -48unzufriedenen Gemuͤthe her, und bringen ihrem Urheber wenig Nutzen. Was aber vorgedachte Schrift betrift, ſo darf es mir nicht unglaub - lich ſeyn, wenn ſolche den Herrn Eſpritfort in einige Bewunderung hat ſetzen moͤgen: wie ſolte einem die Kuͤhnheit nicht ſelten und wunderbar vorkommen, wenn man darin dieſes Urtheil findet; weſſen dieſer oder iener ſchuldig iſt, das verdienen ſie alle? der ſonſt ſo edelmuͤthig ab - geſchilderte Herr v. Roſeneck, iſt ſo unvorſichtig, und vergißt ſich ſelbſt; indem er ſich mit einem dummen Hausknecht abgiebt, zum Nachtheil eines Standes und einer Perſon, deren Ver - kleinerung ihm allezeit mehr Schande als Ehre bringet. Die edele Frau von Birkenhayn, iſt ſo einfaͤltig, daß ſie die Liebe ihrer Tochter nicht merken kann: man giebt ihr eine gar aber - glaͤubiſche und niedertraͤchtige Rolle zu ſpielen. Das Fraͤulein muß eine weit geſchicktere Perſon vorſtellen als der Weltweiſe. Denen Predigern laͤſſet man kein vernuͤnftig Wort, ſondern ſo reden, wie es alle Wahrſcheinlichkeit und Glaub - wuͤrdigkeit uͤberſteiget. Liebeshaͤndel, Verban - nungen, Poſtillen, und ich weiß nicht was, werden ihnen auf eine Art angedichtet, die der Sache gar nicht zutraͤglich ſind. Jch bewunde - re ſie alſo, mit andern vernuͤnftigen Menſchen ihrer Unvollkommenheit wegen, und darum, daß ſolche dennoch bei ſo vielen Beifall findet. Doch es betrift Prediger, Maͤnner, die das Anſehen der Herrſchaften und Rechtsgelehrten aus demStaube49Staube hervor gezogen und aufrecht erhalten haben: die allemal muͤſſen eigenſinnig und hoch - muͤthig ſeyn, wo ihnen Vernunft und Offen - barung gebiethet, zu wiederſtehen, und ſich ab - zuſondern.

v. Kohlſtengel.

Gewiß, das muß ein einfaͤl - tiger Menſch ſeyn, der dem Adel ſo wenig Vernunft und Weißheit zuſchreibet. Herr Paſter, es leben die Herren Geiſtlichen

(Stoßt mit dem Glaſe an.)
Haferſtroh.

Die Abſicht des Verfaſſers iſt vieleicht ſo ſtrafbar nicht: er ſaget ja ſelbſt, er trage eine billige Hochachtung gegen alle recht - ſchaffene Lehrer. Er will nur das Laͤcherliche an einigen vorſtellen.

Treulieb.

So geneigt ich anfangs war, ſol - ches zu glauben, ſo unmoͤglich wird es mir, da in der ganzen Schrift nichts als Bitterkeit gegen den ganzen Stand herrſchet und hervor leuchtet. Jn ſolchem Eifer mag der Verfaſſer ſich und die gemachten wiederſprechende Dinge vergeſſen ha - ben. Sie koͤnnen es mir, meine Herren, eben nicht leugnen, daß man nicht ſolte in allen Staͤn - den Beiſpiele finden von Perſonen, an welchen man etwas unanſtaͤndiges und laͤcherliches antrift. Wuͤrden ſie es mir aber wohl zu gute halten koͤn - nen, wenn ich ſolches allgemein machete, und ei - nem ieden insbeſondere damit anſchwaͤrzen wolte? Einem vernuͤnftigen, ich will nicht ſagen einem Chriſten, kommt es ja zu; das Fehlerhafte ſeines Naͤchſten zu entkraͤften: beſonders in Staͤnden,Dan50an deren Ehre oder Verachtung dem Staate, und dem wahren Wohl, deſſen Buͤrger ſo ſehr gelegen iſt?

Eſpritfort.

Was mich betrift, ſo glaube ich koͤnne der Staat aller ſolcher Leute entuͤbriget ſeyn, ohne davon einen Schaden befuͤrchten zu duͤrfen.

Treulieb.

Dieſe Meinung habe ich noch eben bei keinem, auch noch ſo groſſem Feinde dieſes Standes angetroffen. Jſt ihnen die Erhaltung der chriſtlichen Sittenlehre zu wenig, duͤnket ih - nen die Unterweiſung zur kuͤnftigen Gluͤckſeligkeit unnoͤthig und gar zu koſtbar zu ſeyn; ſo iſt es doch die Bewahrung des Anſehens der Herrſchaften und der unentbehrlichen Ordnung menſchlicher Geſellſchaften, die ihnen gebiethen fuͤr ſolchen das Wort zu fuͤhren.

Haferſtroh.

Wir haben aber ia zu dem En - de die Offenbarung, daraus ein ieglicher ſeine Pflichten von ſelbſt erſehen kann, und das Recht der Natur giebt uns bereits hinlaͤngliche Masre - geln an die Hand.

Treulieb.

Letzteres lehret uns freilich, was wir zu beobachten haben, in der Erhaltung des allgemeinen, um unſer ſelbſt willen: die Offen - barung beſtaͤtiget nicht alleine dies natuͤrliche und allgemeine Geſetz, ſondern ſetzet ſolches auch in ein weit vollkommneres Licht. Sie giebt denen Bewegungsgruͤnden, ſo ihm eigen ſind, ein ſtaͤr - keres Gewichte; ſie machet ſolche weit triftiger und erhabener. Wie viele ſind aber derer, dieihre51ihre Richtigkeit, und Verbindlichkeit einſehen, oder ſie zu begreiffen, ſich Muͤhe geben? wie we - nige gehorchen nicht der Stimme der Natur? be - darf es hier nicht einer beſtaͤndigen Aufforderung und Unterweiſung? Jedoch die ſelbſt aus der Vernunft begreifliche nothwendige Offenbarung, verbindet mit dieſen Pflichten den allerheiligſten Glauben, und erweitert ſolche, aus dem ſo wei - ſen als vollkommenen Mittel unſerer Begnadi - gung, und der kuͤnftigen Gluͤckſeligkeit, eines vor ſich unſterblich erkenneten Geiſtes. Wie viele Traͤgheit, welch ein Unvermoͤgen der Sterblichen, findet ſich hier nicht, der Stimme und dem Be - fehle GOttes Folge zu leiſten? Jſt es denn wohl dahero nicht unumgaͤnglich nothwendig, iſt es nicht der Muͤhe werth, daß ſich beſondere Glieder, dazu ſuchen tuͤchtig zu machen und verordnet wer - den, die wahre Geſtalt eines ſo vollkommenen und hinlaͤnglichen Mittels, einer dauerhaften Gluͤckſeligkeit, zu zeigen? Andere zu reitzen, ſol - ches zu eigenem Vortheil und Nutzen anzuwen - den? die Pflichten aus einander zu ſetzen, ſo un - umgaͤnglich damit verbunden ſind? und den groſ - ſen Einfluß einer ſo vernuͤnftigen als heiligen Re - ligion und edelmuͤthigen Gottesdienſtes, in unſe - re Handelungen, vor Augen zu legen. Was meinen ſie, meine Herren, wuͤrden ihre Gerichte, und Gefaͤngniſſe, ia, wuͤrde der ihnen gegebene weltliche Arm, wohl ſtark genug ſeyn, alle Ar - ten der groben Ausſchweifungen im Zaume zu halten? Soll demnach ihr Anſehen, ſoll ihr AmtD 2beſte -52beſtehen, ſo koͤnnen ſie es niemals zugeben, daß derienige, in welchem wir leben, gekraͤnket wer - de. So reden wenigſtens vernuͤnftige Rechts - gelehrte um ihrer eigenen Perſon: doch finden ſich allerdings auch unter ihnen viele, die die Rich - tigkeit der angefuͤhrten Dinge begreiffen, und daraus urtheilen.

Duldeviel.

Nach ihrem Begriff, Monſieur Eſpritfort, ſind demnach ia wohl alle Geiſtliche, ganz uͤberfluͤſſige Leute: ſie koͤnnen ia wohl ohne ihnen zu rechte finden?

Eſpritfort.

Frau Amtmannin, das ſage ich eben nicht, nein, daß ſie uͤberfluͤſſig ſind ich meine nur, was der Herr Amtmann meinet.

Duldeviel.

Mein Mann hat ſich vortheilhaft genug fuͤr dieſen Stand erklaͤret: ſie machen es indeß wie ſolche Leute pflegen, die nicht ſtark ge - nug ſind ihre unuͤberlegten Meinungen zu verthei - digen, noch mit ſich ſelbſt eins werden koͤnnen. Frau Paſtorin, wird ihnen nicht bange um die Erhaltung ihres Standes? wollen ſie ſolchen nicht vertheidigen helfen gegen ſo ſtarke Geiſter?

Tugendhold.

Mich duͤnket die Gefahr iſt noch ſo groß nicht, die man uns mit ſtumpfen und veralteten Waffen drohet: ihnen indeß, Frau Amtmannin, bin ich ſehr verbunden, daß ſie uns haben das Wort reden, und einen abermaligen Beweiß ihres edelen Gemuͤthes und guten Ein - ſicht geben wollen. So lange die Vorſehung noch chriſtliche und vernuͤnftige Regenten und Gerichte beſtellet, ich werde nicht zu viel ſagen,ſo53ſo lange es Menſchen giebet, muß ſich dieſer Stand erhalten, und man wird deſſelben nicht entrathen koͤnnen. Herr Amtſchreiber, ſie wer - den, unter andern zureichenden Gruͤnden, auch einen vermeinten Umſturz deſſelben geſetzet haben, wenn ſie demſelben ſind untreu geworden.

Jungesblut.

Frau Paſtorin raͤchen ſie ſich an dieſem Herrn, ich habe kein Theil an ſeiner Meinung.

Tugendhold.

Jch will ihren Worten glau - ben, und mich blos ihrer eigenen Erklaͤrung ge - wiß zu machen, habe ich mich ſo herausgelaſſen. Herr Eſpritfort ſehen, daß das gemachte Staatsgebaͤude wenig Beifall finde. Doch ich wundere mich eben nicht daruͤber, die mehreſten iungen Rechtesgelehrten ſind, wenn ſie von ho - hen Schulen kommen, mit der ietzigen Verfaſ - ſung unzufrieden. Jch weiß, was meine Bruͤ - der fuͤr Hirngeſpenſter mitbrachten, die etwa ein dunkeler und unzufriedener Kopf mogte ausgehe - cket, und ihnen mitgetheilet haben. Das nuͤtz - lichſte iſt dieſes, daß ſolchen Leuten Zeit und Raum gegeben wird, Sinne zu ſammlen, be - vor ihr Wort etwas gilt.

Wiſchwaſch.

Siehe, mein Sohn, das haſt du haben wollen, wie magſt du auch wohl ſo wunderlich reden, du pflegeſt ia ſo nicht zu thun. Meine Herren wollen ſeiner Jugend und der Wuͤrkung des Weines etwas zu gute halten.

Eſpritfort.

Mama, es iſt ia wahr, was ich rede; erlaube ſie mir, ſie kann davon nicht ur -D 3theilen.54theilen. Was Thomaſius und Gundling, was ſeine echten Schuͤler ſagen und beweiſen; das muß ia wohl wahr ſeyn, das kann man ia wohl ſagen?

v. Kohlſtengel.

Das glaube ich nicht, daß dieſe Leute ſo reden, geleſen habe ich ſie nicht, ſie ſchreiben ia lateiniſch. Doch was gehel es uns an. Es leben die beiden groͤſten Feldherren un - ſerer Zeiten, der Koͤnig Georg und der Prinz Carl. Meine Herren, ſie muͤſſen Beſcheid thun, wo noch ein deutſches Blut in ihren Adern ſchlaͤgt.

Treulieb.

Ja freilich, wer wolte den Ruhm dieſer Helden und Erhalter unſerer zwar gekraͤnk - ten doch nie zernichteten Freiheit, nicht nach Ver - moͤgen vermehren. Glauben ſie aber auch, Hochwohlgeborner, daß unſere gefuͤlleten Becher wenig dazu beitragen werden: wir koͤnnen ohne Beleidigung und Abbruch deſſelben, unſere eige - ne Geſundheit erhalten.

Haferſtroh.

Ei was waͤre das vor eine Ver - ehrung, wir koͤnnen ſolche ia ſonſt in nichts an den Tag legen. Ein ſolcher Trunk ſchadet niemals, und feuert unſern Eifer an, fuͤr die Ehre unſeres Mo - narchen alles aufzuopfern.

Sechſter55

Sechſter Auftrit.

Der Coffeetiſch. Duldeviel. Tugendhold. Wiſchwaſch.
Duldeviel

Jſt es gefaͤllig, ſo wollen wir in ein anderes Zimmer treten: die Herren bleiben noch wohl etwas beiſammen.

Tugendhold.

Jch folge ihnen gerne, weil mir ihre Geſellſchaft allezeit angenehm iſt. Frau Amtmannin Wiſchwaſch, machen ſie den An - fang.

Wiſchwaſch.

Gewiß, es wird nicht geſche - hen, ich bin hier im Hauſe laͤnger bekant, als ſie alle beide.

Duldeviel.

Eben darum, bitte ich ſie wollen voran treten.

Wiſchwaſch.

Jch bitte denn um Excuͤſe.

Duldeviel.

Frau Amtmannin, ihnen wird ſonder Zweifel dieſen Winter, an einen ſo ein - ſamen Orte, die Zeit ſehr lange geworden ſeyn.

Wiſchwaſch.

Ach nein, im Hauſe findet ſich ia beſtaͤndig genug zu thun. Jch habe meinen Herrn Sohn auſſer dem zur Geſellſchaft bei mir gehabt. Er hat mir zwar was ehrliches geko - ſtet: ſeit dem er aber zu Hauſe iſt, vergeſſe ich mein Herzeleid bald. Er kann mir noch ietzo manchen luſtigen Handel erzehlen; den er ge - wiß nicht haͤtte beiwohnen koͤnnen, wo ich ihm nicht moͤglichſt unterſtuͤtzet haͤtte: ich bin voͤllig damit bezalet.

D 4Tugend -56
Tugendhold.

So haben ſie doch noch etwas fuͤr ihre Koſten: es iſt zu glauben, daß er ſolche noch beſſer wieder einbringen wird, auf eine Art, die ihm zugleich mit vortheilhaft iſt: ich wuͤnſche es wenigſtens.

Wiſchwaſch.

Daran iſt nicht zu zweifeln, er hat mir allemal gute Hofnung gemacht: noch als ein Kind war er ſehr ſchlim. Er hat den Maͤdgens und ſeiner Amme manchen Poſſen geſpielet.

Duldeviel.

Jch habe mir vieles davon ruͤh - men laſſen, wie ich erſt hieher kam. Wird er noch lange bei ihnen verbleiben?

Wiſchwaſch.

Sie koͤnnen es kaum glauben, wie ſehr man in ihn dringet, auf die Amtſtube zu gehen. Der Herr von N. ſchrieb noch neu - lich deßfals einen ſehr reitzenden Brief: der eine will ihn noch lieber haben, als der an - dere.

Duldeviel.

Das iſt ſehr wohl, und ein Zei - chen, man glaube er habe was gelernet.

Wiſchwaſch.

Ja, das haben wir wohl ge - hoͤret: ich muß mich wundern, wenn er an - faͤnget zu diſputiren, er verſtehet auch ſein Lateiniſch aus dem Grunde: wie manches Wort habe ich nicht von ihm gehoͤret. *Die iungen Herren, pflegen nicht gerne iemanden unwiederſprochen entwiſchen zu laſſen; wenn ſie mit gedrungenem Witz von hohen Schulen ge - hen. Ein Mund voll Latein betaͤubet Unwiſſenden die Ohren gar leichte.

Tugend -57
Tugendhold

Wie hat der Frau Amt - mannin dies Buch gefallen, ſie werden ſich daraus einen ziemlichen Begriff des Lebens des Cardinals Fleury verſchaffet haben.

Duldeviel.

Jch bin vollkommen dadurch in derienigen Meinung beſtaͤrket worden, die ich allemal von ihm und ſeinem Hofe gehabt habe. Mich duͤnket aber, der Verfaſſer ſchreibet gar zu furchtſam; und ich glaube, daß er nur das wenigſte ſeiner Falſchheit mit einem leichten Pinſel beruͤhret hat. Ein anderes aber faͤllt mir eben dabei ein, das mit mehrerer Freiheit abgefaſſet iſt: es iſt das Vorſpiel, ein Buch mit aufgewecktem aber gar zu bitterem Geiſte geſchrieben.

Tugendhold.

Jch habe es mehr als einmal durchgeleſen, und beluſtige mich auch noch, an dem Erhabenen, Sinnreichen und Zierlichen darinn. Mich duͤnket, Frau Amtmannin, ſolche Leute muͤſſen wir auch haben, die dem Hoch - muthe und Eigenſinne etwas Einhalt thun: bedenken ſie, wie weit wuͤrde derſelbe gehen?

Duldeviel.

Jch halte es dem Verfaſſer zu gute, wenn er ſich mit der Madame G. ihrem Baron, und anderen Schwachheiten, etwas zu gute thut. Mich duͤnket aber auch, daß er gar zu viele Liebe fuͤr die bekante Neuberin uͤbrig hat.

Tugendhold.

Letzteres iſt wohl freilich deut - lich genug abzunehmen; aber auſſer dieſem wuͤr -D 5de58de das laͤcherliche an der anderen Seite nicht ſo ſehr in die Augen fallen.

Duldeviel

Jch habe aber auch auſſerdem befuͤrchtet, die ganze Sache moͤge dem Amte, und der bishero doch nicht unnuͤtzlichen Bemuͤ - hung, des Hannibals im Schreiben, gar zu nachtheilig ſeyn. Seine bloͤſſe iſt gar zu ſorg - faͤltig aufgedecket, und er iſt zu klein gemacht, noch etwas gutes fernerhin auszurichten.

Tugendhold.

So viel ich bishero geleſen und gehoͤret habe, iſt die ganze Sache zu ſei - nem und anderer nicht geringem Vortheil gediehen. Der Hochgebruͤſtete hat dadurch Gelegenheit gehabt, ſich ſelbſt etwas genauer kennen zu ler - nen, und mit einer beſſeren Beſcheidenheit von ſich zu ſchreiben; ich meine auch nicht, daß er ſeinen Schwur, er ſchreibe nun nichts wieder, ſo ſorgfaͤltig halte.

Wiſchwaſch.

Jſt das der benachbarte Herr Gigack, davon ſie reden, hat er was verſehen, und mit iemanden Haͤndel?

Duldeviel.

Nein, Frau Amtmannin, wir re - den von entferneten Geſchichten, die in der gelehr - ten Welt vorgefallen ſind.

Wiſchwaſch.

Sie ſagen aber ia von der Ma - dam, warum wollen ſie mir ſolches verhelen? ſie koͤnnen meine Verſchwiegenheit ſicher glauben.

Tugendhold.

Jn der That wir reden von niemand bekanten, ſondern ſolchen Perſonen, die uns nie ſind zu Geſichte gekommen, als in Buͤ -chern;59chern; und deren Gemuͤthsfaſſung wir erſt dahero haben kennen lernen.

Wiſchwaſch.

So ſind ſie ia wohl Gelehrte, leſen ſie auch Buͤcher?

Duldeviel.

Ja, warum das nicht, ſolten wir uns des edlen Vergnuͤgens und Zeitvertreibes ſelbſt berauben? Jch bedaure nur, daß ich nicht allemal ſo viel Zeit daran wenden kann, als ich wuͤnſche. Darum aber ſind wir nicht gelehrt, ſondern wir lernen zu unſerm eigenen Beſten, und beluſtigen uns an anderer Arbeit und Wiſ - ſenſchaften.

Wiſchwaſch.

Ja ich leſe auch, ſo am Mor - gen, als am Abend, zuweilen auch, ſonderlich am Sontag-Nachmittage im Joh. Arndt.

Tugendhold.

Das thun wir ebenmaͤſſig, zu unſerer Erbauung und Belehrung: damit aber kann auch gar wohl das Leſen anderer Buͤcher, von menſchlichen Wiſſenſchaften, beſtehen.

Duldeviel.

Haben denn die Frau Amtman - nin nicht Gelegenheit gehabt, vernuͤnftige Sitten - ſchriften kennen zu lernen: als den Patrioten, Zu - ſchauer, die vernuͤnftige Tadlerinnen und andere dergleichen. Dieſe vertreiben uns die Zeit auf eine gar nuͤtzliche Art: und wir pflegen es ſo zu halten, daß wir uns einander, uns beſonders brauchbare Stuͤcke, vorleſen, und uns daran beluſtigen.

Wiſchwaſch.

Nein, da mache ich nichts von: wenn ich in Geſellſchaft bin, ſolte ich denn leſen? ich mag mich lieber an Geſpraͤche vergnuͤgen. Bin60Bin ich aber zu Hauſe, ſo habe ich genug zu naͤen, zu ſpinnen und zu kochen.

Tugendhold.

Die Verwaltung des Haus - ſtandes bleibet freilich die Hauptpflicht und Be - ſchaͤftigung unſeres Geſchlechtes: ſolche zu ver - ſaͤumen, oder auch nur nachlaͤſſig zu beobachten, iſt demſelben allemal eine groͤſſere Unehre, als alle Scharfſinnigkeit und Gelehrſamkeit erſetzen kann. Ein gelehrtes Frauenzimmer pfleget nicht ſelten eine ganz ungeſchickte Haushaͤlterin zu ſeyn, und ihrem Manne ſchlechte Rechnung zu halten. Dies aber ruͤhret nur von einem Mißbrauch her, und hoͤret auf ſo bald derſelbe vermieden wird.

Wiſchwaſch.

Jch habe aber keine Geduld dazu, und kann auch nicht alles begreiffen, ohne gar beſchwerlichem Kopfbrechen. Schon vor einigen Jahren bekam ich einmal ein Buch in Haͤnden, welches, meinem Beduͤnken nach, der Stundenrufer*Dieſer Stundenrufer kam 1739. in Octav heraus. Es finden ſich aber viele Dinge darin, die man nicht einſehen kann, ohne die Geſchichte zu wiſſen, wohin ſie zielen. zu Ternale, hieß. Jch haͤtte auch den Geſang deſſelben kaum verſtanden, wo mein ſeliger Mann mir ſolchen nicht ausgeleget haͤtte.

Duldeviel.

Die Anmerkungen, ſo man darin findet, ſind ihrer Kleinigkeit halber ganz artig und laͤcherlich genug, und zeigen die Thorheit dererienigen deutlich an, die ein elendes Geſchmiermit61mit gleichen Erleuterungen, wollen anſehnlich und gelehrt machen.

Tugendhold.

Jch habe neulich von unſerer ſo genanneten vernuͤnftigen Wolfianerin ein artiges Schreiben aus der Stadt bekommen, in welchem ſie ſehr beſorget thut, und anfraͤget, ob wir auch noch leſen koͤnnen. Sie preiſet uns dieſe Veraͤn - derung, bei der Ruhe des Landlebens, treflich an; und iſt bange, wir moͤgten entweder faul, oder nie - dertraͤchtig, oder plauderhaft werden. Das gute Kind hat einen aufrichtigen Eifer.

Duldeviel.

Geſchwinde, leſen ſie doch, warum haben ſie mir ſolches ſo lange vorenthalten?

Tugendhold.

Dies iſt es:

Geliebte Schweſter.

Seit dem ihr und die Frau Amtmannin Duldevielen unſere Stadt und Ge - ſellſchaft verlaſſen habet, fehlet es mir und unſeren ſchoͤnen Freundinnen oft an einer Geſellſchaft, ſo wir mit euch gewohnet wa - ren, und die nach unſerem Geſchmack iſt. Jhr koͤnnet leichte gedenken, wie uns dieſes veranlaſſe und noͤthige weit mehr zu leſen, als wir pflegen. Gegenwaͤrtig hat uns der iuͤngſt verloſchene Comet, einen ganz unge - meinen Vorrath zuruͤcke gelaſſen. Jch darf davon nichts reden, ohne die Graͤnzen meiner Schwachheit und Einſicht zu uͤber -ſchrei -62ſchreiten. Nur euch ſage ich es im Ver - trauen, die Meinungen unſerer Gelehrten ſind durch ihn in einer ſo groſſen Unord - nung gerathen, in welcher er ie lauffen mag. Sein gar veraͤnderlicher Schweif machet ihnen am meiſten zu ſchaffen, und iſt ihnen am anſtoͤſſigſten: ich halte, daß ihm viele zu nahe gekommen und gar zu bekant mit ihm geworden ſind. Wie ich aus eurem letzteren Schreiben erſehe, ſo ſeyd ihr ſehr nachlaͤſſig und eckelhaft im Leſen, und wiſ - ſet es mir ſchlechten Dank, daß ich euch alles, was ich nur zur Hand hatte, ohne Wahl habe mitgeſendet; konte ich denn ſol - che euch ſelbſt nicht mehr zutrauen? oder ſeyd ihr auf einmal eine ſo ſorgfaͤltige Haus - mutter worden, die ſich um weiter nichts bekuͤmmert, als was in ihrer Kuͤche und Keller und unter ihrem Gefieder vorfaͤllet? Nehmet es mir nicht uͤbel, wenn ich euch offenherzig geſtehe, daß ich anfange euren Fleiß gar geringe zu achten. Wie kaltſin - nig urtheilet ihr nicht von ſolchen Stuͤcken, die ungemein und buͤndig ſind. Nimmer aber hoffe ich es, daß ihr gar faul gewor - den ſeyd und ſolche nur nachlaͤſſig durch - geblaͤttert habet. Ein gleiches Vertrauen habe ich auch, ihr werdet euch ſelbſt vonallen63allen Dingen enthalten, die eurem Stande, und eurer edlen Seele zuwiedern ſind. Ge - liebte, ihr verfallet ia wohl nicht gar auf eine thoͤrigte oder ſtraͤfliche Waſchhaftigkeit? ich erinnere euch nur der feierlichen Zuſage, als wir ſolcher gaͤnzlich in unſerm Umgange abgeſchworen und Abſchied gaben. Jhr ſehet in welcher Unordnung und Verwir - rung mein Begriff von euch ſtehe, ihr koͤn - net ſolchen nicht anders verbeſſern, als wenn ihr eure Gedanken, uͤber einliegende Stuͤcke, mit gewoͤhnlicher Freimuͤthigkeit und Munterkeit, entdecket. Jch hoffe aber auch mich ſelbſt in kurzen euch zu zeigen, und euch neue Merkmale zu geben, wie ſehr ich ſey

Eure getreu verbundenſte Schweſter.

Duldeviel.

Ei moͤgte das gute Kind doch fein bald kommen, wir werden ſie eines andern beleh - ren. Befordern ſie doch ihre Ueberkunft, und antworten fein bald.

Wiſchwaſch.

Jſt das etwa eines Doctors oder Profeſſors Tochter, daß ſie ſo gelehrt ſchreibet.

Tugendhold.

Dies nicht, Frau Amtman -nin,64nin, ſondern ſie hat von Jugend auf beſonderen Geſchmack und Gefallen am Buͤcherleſen gefun - den. Was ſie dabei verſehen mag, iſt dieſes, daß ſie gar zu viel daran thut, und ihrer Geſund - heit ofte, bei gar zu haͤufigem Leſen, vergiſſet. Jch hoffe, es wird ſich ſolche Hitze ſchon legen, wenn ſie erſt in andere Umſtaͤnde kommt.

Wiſchwaſch.

Ja, das hoffe ich auch. Da kommen unſere Herren Tiſchgenoſſen.

Siebenter Auftrit.

Die Vorhergehenden.
v. Kohlſtengel.

Wie iſt das liebe Frauenzim - mer in ſo tieffer Rede verwickelt. Da wirds was gegeben haben vom Hanpf und Flachs, von Jacobs Frauen und Peters Maͤdgens.

Duldeviel

Erſteres wuͤrde ſich gar wohl fuͤr uns ſchicken, letzteres aber uͤberlaſſen wir billig de - nen, die ſich nicht anders, als zum Nachtheil und auf Koſten eines Abweſenden, unterhalten koͤnnen.

Wiſchwaſch.

Sicher, Hochwohlgeborner Herr, die Frau Paſtorin hat uns ein gelehrtes Schreiben eines Frauenzimmers aus der Stadt mitgetheilet.

v. Kohlſtengel.

Ja, ſo iſt es weit gekommen: ich habe den Kuckuck um aller Gelehrſamkeit.

Tugendhold.

Und ſie haben ſich doch derſel - ben ſo lange gewidmet gehabt: ein ſolches haͤtte mit wenigeren Koſten geſchehen koͤnnen. Doch,mein65mein Herr von Kohlſtengel, ſie werden ganz andere Gedanken dabei haben.

v. Kohlſtengel.

Meine Herren ich will es nur von derienigen verſtehen, ſo man an einem Frauenzimmer findet; was haben die mit Gelehr - ſamkeit zu ſchaffen? die kommt uns nur alleine zu, ob ich gleich ſelbſt wenig daraus mache.

Treulieb.

Wir wollen es demnach dem Frau - enzimmer auch uͤberlaſſen ſich ſelbſt zu ver - theidigen.

Duldeviel.

Wohlan, mein Herr von Kohl - ſtengel, ſie ſind uns zu beweiſen ſchuldig, daß einem Frauenzimmer keine Gelehrſamkeit zu - komme.

v. Kohlſtengel.

Komme ich ſchon wieder mit ihr an? ſie beweiſen es mir erſt, daß ihnen ſol - che zukomt.

Duldeviel.

Der Beweiß iſt leichte zu geben. Nicht ſo? wer Verſtand und Erkentniß, oder das Vermoͤgen, etwas einzuſehen, hat, fuͤr den iſt die Wiſſenſchaft, als die weiter nichts erfordert? Hat denn aber das Frauenzimmer ein Vermoͤ - gen Dinge zu begreiffen, ſo koͤnnen Sie dem - ſelben ia keine Wiſſenſchaften abſprechen?

v. Kohlſtengel

Ja, ia, ſie hat Recht, das Frauenzimmer kann wohl etwas in ſich faſſen und begreiffen, das kann ich nicht leugnen.

Tugendhold.

Geben ſie es denn zu, daß wir ein Recht haben, an menſchliche Wiſſenſchaf - ten? und wollen ſie es von nun an einem Frauen -Ezimmer66zimmer erlauben, ihren Verſtand mit allerhand nuͤtzlichen Warheiten aufzuklaͤren, und die Vorzuͤge der Tugenden kennen zu lernen?

v. Kohlſtengel.

Jch habe ſchon geſaget, ſie moͤgen ſo viel begreiffen, als ſie immer wollen, ich will ihnen auch gerne zu dem Ende mein Recht, ſo ich noch von alten Zeiten daran habe, uͤberlaſſen. Jch aber werde es iederzeit einem Frauenzimmer verdenken, ſich mit Buͤchern den Kopf zu zerbrechen, genug, daß ihre Maͤnner ſolches thun muͤſſen: und ſich oͤfters dadurch auſ - ſer Stand ſetzen, ihnen ſtarke Begriffe vorzu - halten.

Duldeviel.

Wir reden ia von Wiſſenſchaf - ten, und da komt der Fleiß und Einſicht eines ge - lehrten Mannes dem Unvermoͤgen und der Schwachheit unſeres Geſchlechts allemal zu ſtatten. Wie angenehm muß nicht die Geſell - ſchaft ſolcher Ehegatten ſeyn, denen es niemals an geſunden Stoff eines munteren und vergnuͤg - ten Umganges fehlet.

v. Kohlſtengel.

Der Umgang findet ſich ſchon von ſelbſt, man beluſtige ſich mit dieſem, nicht zum Leſen, ſondern zum Vergnuͤgen, er - ſchaffenen Geſchlechte, nach ſeiner Art; das hal - te ich fuͤr das Beſte.

Haferſtroh.

So meine ich es auch, ein ge - lehrtes Frauenzimmer pfleget ſich wenig um den Hausſtand zu bekuͤmmern, und iſt vielfaͤltig gar zu klug.

Tugendhold.

Erſteres muß freilich nichtſtatt67ſtatt finden. Letzteres aber wird allemal ange - nehm; ſonderlich wenn damit eine wahre Aufrich - tigkeit verbunden wird. Dieſe wird auch die damit verknuͤpfte geringe Fehler erſetzen, welche Verzei - hung man ohne dem, einem ſo ſchwachen Werk - zeuge ſchuldig iſt.

Jungesblut.

Jch glaube, daß dieſer Satz ſehr kann gemißbrauchet und gar zu weitlaͤuftig ausgeleget werden.

Tugendhold.

Kann man doch aus einer ieden Warheit unrichtige und falſche Folgen ziehen. Vernunft, Liebe und Billigkeit wird allemal auf beiden Seiten, die gerechteſten Grenzen be - ſtimmen. Wie, Herr Amtſchreiber, wird nicht die Herrſchaft der Maͤnner ofte in eine Grauſamkeit verkehret? und ſehen wir ſolche nicht zuweilen den ungeſchickteſten Haͤnden anver - trauet? wer wird ihnen aber ſolche gaͤnzlich ab - ſprechen?

Jungesblut.

O wie gerne thut man dieſes, und wie viele Ehen findet man nicht, in welcher die Frau den Hut traͤget.

Horcher.

Ja, das iſt wahr, es heiſſet: Mu - lier imperat aut vi aut clam aut precario.

Tugendhold.

Das verſtehe ich nicht Mon - ſieur, ſonder Zweifel aber iſt es was iener Dichter ſaget:

Mit Bitten herrſcht die Frau, und mit Befehl
der Mann,
Die erſte, wenn ſie will, der andre, wenn er
kann.
E 2Und68

Und ſtehet es nicht ofte in einem Hauſe weit beſſer zu, wo eine vernuͤnftige und wach - ſame Frau das Wort fuͤhret, als wo ein unge - ſchickter und verſchwenderiſcher Mann herrſchet.

v. Kohlſtengel.

Mit ihnen beiden komme ich nimmer aus, ſie ziehen an einem Seile: ich will ſchon in meinem Hauſe Herr bleiben. Herr Paſtor, hoͤren ſie nicht, was ihre Frau ſaget, wol - len ſie nicht meiner und aller Maͤnner Sache beitreten?

Treulieb.

Bishero ſehe ich nicht, warum ich mich in ihre Rede mit einmiſchen ſolte, das Frau - enzimmer hat Faͤhigkeiten genug ſich zu verant - worten, ſo finde ich auch nicht, worin man eben zuweit ſolte gegangen ſeyn. Eine vernuͤnftige Frau weiß allemal wie weit ſie gehen ſoll, und beſcheidet ſich ihrer Unterwuͤrffigkeit, da, wo es die Ehre und das Anſehen ihres Mannes erhei - ſchet: ſo wie dieſer allemal, denen Vorſchlaͤgen und Meinungen iener Gehoͤr giebt, ſo ſie gegruͤn - det ſind, und entweder Vortheile oder Verbeſſe - rungen der Haushaltung angeben.

Jungesblut.

Es iſt gar zu gefaͤhrlich, dieſem Geſchlechte ſo vieles einzuraͤumen, in unſern Rech - ten finden wir keinen Grund dazu. So bald man nur von ſeinen Gerechtſamen etwas vergeben hat, pfleget man ſolches gemeiniglich ſehr weit zu ziehen.

Treulieb.

Was ihre Rechte anbetrift, ſo fin - den wir darinnen wohl mehrere Dinge, ſonderlich in dieſer Sache, die nicht allemal aus dem allge -meinen69meinen Geſetze der Natur koͤnnen hergeleitet wer - den: und wie wiſſen ſolche etwas von denen weiteren Folgen, ſo die Offenbarung daraus herleitet.

Eſpritfort.

Wie, gehoͤret die Offenbarung zum weltlichen Rechte? iene hat mit dieſem nichts zu ſchaffen.

Treulieb.

Alle Rechte aber und alle beſonde - re Geſetze und Verfaſſungen muͤſſen ia ihren hin - laͤnglichen Grund, oder wo ihnen dieſes nicht an - ſtehet, ihre Urſachen haben. Nur alleine alsdenn, wenn dieſe richtig ſind, ſind iene guͤltig.

Haferſtroh.

Nur alleine der Wille des Ge - ſetzgebers iſt hinlaͤnglich uns zur Beobachtung zu verbinden. Wer darf ſich unterſtehen ſolche erſt alsdenn anzunehmen, wenn er ihre Uebereinſtim - mung mit dem Rechte der Natur und der Offen - barung begreiffet.

Treulieb.

Dieſer Wille eines Geſetzgebers gruͤndet ſich entweder auf einen richtigen oder auch einen falſchen Grundſatz. Jſt erſteres, ſo ſiehet man ſich nicht alleine verpflichtet, ſeine Handlungen demſelben gemaͤs einzurichten; ſon - dern eine deutliche und richtige Entwickelung, un - ter ſolchen Umſtaͤnden gemachter Verfuͤgungen, kann ſolches auch einem ieden ſo vor Augen legen und begreiflich machen, daß er ſich nothwendig dazu verbunden achtet. Jſt aber letzteres, ſo koͤnnen auch nichts anders als faiſche Folgen dar - aus hergeleitet werden. So bald wir dieſes wahr - nehmen, hoͤret die Ueberzeugung auf, denenſelbenE 3nach -70nachzukommen. Dinge demnach, die aus einem ſtraͤflichen Ehr - oder Geldgeitz entſpringen, muͤſ - ſen nothwendig irrige Regeln unſern Handlungen fuͤrſchreiben. Finden ſich aber nicht viele Anord - nungen in unſerem roͤmiſchen und weltlichen Ge - ſetze, die ſolches gar zu kentlich verrathen. Doch wir kommen von unſerm Zweck, und vertieffen uns in Dinge, ſo in der Hiſtorie der Rechtsge - lahrheit muͤſſen eroͤrtert werden. Jn einer eheli - chen Geſellſchaft ſind die allgemeinen Regeln nie - mals hinlaͤnglich. Ein Vernuͤnftiger, vielmehr ein Chriſt und Nachfolger JEſu, ſetzet ihm frei - lich das natuͤrliche und geoffenbarte Geſetz zum Grunde ſeiner Handlungen: und aus demſelben urtheilet er in beſonderen und uneroͤrterten Faͤllen. Wir wollen davon ein Exempel angeben: Das achte Gebot verbietet alle Arten der Kraͤnkung und Beleidigung der Ehre und des guten Namens un - ſerer Bruͤder. Das allgemeine Geſetz der Na - tur ſtehet hiebei ſchon voraus: mache dich gluͤck - lich; folglich beleidige niemanden; folglich ur - theile nicht ſo von einem andern, daß er dadurch koͤnne beleidiget werden. Jch urtheile aus ſo rich - tigen Saͤtzen weiter: rede dahero niemals wieder die Wahrheit zum Nachtheil deines Mitbruders; vergroͤſſere nicht das Fehlerhafte ſeiner Handlun - gen; verkleinere nicht das Richtige derſelben. Glei - che Schluͤſſe muͤſſen aus dem ſechſten Gebote ge - zogen werden, als in welchem die Pflichten der al - lergenaueſten und innigſten Geſellſchaft der Ehe enthalten find. Soll und will ich mich daringluͤck -71gluͤcklich machen, ſo iſt es ungereimt, wie vielmehr ſuͤndlich den Theil zu beleidigen, durch deſſen Vollkommenheit die Meinige erhalten und ver - mehret wird: und deren Kraͤnkung mich ſelbſt un - vollkommen machet. Aller Haß, Bitterkeit, Mißtrauen, vielmehr aber Bedraͤngung muß gar weit von einem ieglichen Gliede derſelben entfer - ner ſeyn und verhuͤtet werden. Die Vorzuͤge des maͤnnlichen Geſchlechtes muͤſſen in dieſer Geſell - ſchaft ſonderlich kentlich und wuͤrkſam ſeyn: als wodurch das Band derſelben nicht nur kann er - halten, ſondern auch unzertrennlich und anmuthig gemachet werden. Dies fordert die Offenbarung in denen Worten: Jhr Maͤnner wohnet bei eu - ren Weibern mit Vernunft u. ſ. w. Jedoch will ich hiemit auch denen nicht das Wort geredet ha - ben, die von der andern Seite die Schranken der Treue, der Gefaͤlligkeit und des Gehorſams uͤberſchreiten.

Haferſtroh.

Das ſechſte Gebot habe ich laͤngſt mit und ohne Auslegung gewuſt.

Treulieb.

Daran zweifele ich nicht, ſondern glaube vielmehr, daß ihnen das achte und alle ubrigen eben ſowohl bekant ſind: ſie haben mir Beiſpiele abgeben muͤſſen, zu erleutern, wie das Geſetz der Natur theils dabei zum Grunde liege, theils aber auch, daß wir nicht nach dem roͤmi - ſchen Geſetze die Pflichten ſolcher Geſellſchaft be - urtheilen koͤnnen.

Duldeviel.

Herr Amtſchreiber, ihre Ehe wird uns denn noch einmal viel ſonderliches lehren. Huͤ -E 4ten72ten ſie ſich aber, dergleichen Dinge ſich vorher merken zu laſſen; vielweniger duͤrfen ſie ihre Meinung der Eheſtiftung mit einverleiben, ſie moͤgten ſonſt ein ungluͤcklicher Liebhaber werden.

Tugendhold.

Der Herr muß einmal eine Frau haben, die des Rechtes ebenmaͤßig kundig iſt. Dieſe wird alsdenn wiſſen, wie weit ſie ge - gen einen Mann ſich herauslaſſen darf, der in ſeinem Hauſe nicht anders als nach den roͤmiſchen Geſetzen herrſchet. Sie ſelbſt aber wird ſich auch verwahren koͤnnen, fuͤr alles, was ſolchen zuwi - der, oder nicht darin enthalten iſt.

Achter Auftrit.

Treulieb. Duldeviel. Tugendhold.
Duldeviel.

So komme ich denn zu ihnen hie - mit zum letzten male, um mich theils ihrem ferneren Andenken und fernerer Freundſchaft zu empfehlen: theils aber auch fuͤr ſolche, ſo ich bis - hero genoſſen habe, den verpflichteſten Dank abzu - ſtatten. Sie ſind es alleine geweſen, denen ich mich habe offenbaren, und meine Bekuͤmmerniß ausſchuͤtten koͤnnen: ich bin nie ohne Aufrichtung und Ermunterung von ihnen gegangen. Nur mein heutiger Abſchied wird mich ruͤhren.

Treulieb.

Werthe Frau Amtmannin! wir haben billig an ihren Widerwaͤrtigkeiten iederzeit aufrichtig Theil genommen; wen koͤnnen ſolche nicht in Unruhe ſetzen? Sie haben bisdahero der Jh -rigen73rigen und unſern Rath angenommen, und mehr als eine Probe der ſtandhaften Treue bei der groͤ - ſten Kaltſinnigkeit, und einer edlen Gelaſſenheit bei raſender Wuth, abgeleget. Wie elend wird es doch um einem Manne ſtehen, der ſolcher Maͤſ - ſigungen und Beiſpiele entbehren ſoll? koͤnnen ſie ſolches geſchehen laſſen? Jch weiß es, ſie ſind be - reits zu derienigen Staͤrcke des Gemuͤthes gelan - get; die alle Arten der empfindlichſten Beleidigun - gen unerſchrocken kann ausſtehen; ſo laſſen ſie doch dieſen Schluß fahren, und trennen nicht das Band, ſo ſie mit einem Manne verbunden hat, der nur durch die Standhaftigkeit ihrer Tugenden kann erweichet und gebeſſert werden. Jſt es zu glauben, daß ihre, dahin gehende Bemuͤhung ſo gar ohne Nutzen ſeyn werde? erwarten ſie die - ſes nicht von der Hand deſſen, der alles lenket, und zu einem gewuͤnſchten Zweck leitet? Geehrte Freundin, womit werden ſie ſich beruhigen, wenn ihnen was wiedriges fernerhin ſolte zuſtoſſen? werden ſie ſich nicht ſelbſt mit beſchuldigen, wenn ihr bisheriger Ehemann in noch weit ſchaͤndlichere Dinge verfallen ſolte?

Tugendhold.

Ach, liebſte Freundin, wollen ſie uns verlaſſen, und ſich nun uͤberwinden laſſen, da es am noͤthigſten iſt ſtark zu ſeyn? Sie haben ia die Vortheile vor ſich, das iedermann ſie auch darum hoch haͤlt, weil ſie unſchuldig leiden, und keinen Theil haben an der Unordnung ihres Hauſes. Wollen ſie ſich ſolcher begeben, und dieſem durch ihre Entfernung zu allen LaſternE 5Thuͤr74Thuͤr und Thore oͤffnen; was haben ſie mir ver - ſprochen?

Duldeviel.

Glauben ſie, es hat vieles geko - ſtet, mich dazu zu entſchlieſſen, doch da ich ſo lange alles reiflich uͤberleget habe, werden ſie mich von aller Uebereilung und Unbeſonnenheit frei ſprechen. Es iſt der Wille der Meinigen, meines Mannes und mein eigener; iener wuͤnſchet es ſehnlich, ich erwarte es ohne Kraͤnkung einer wahren Liebe und Zufriedenheit.

Treulieb.

Erweiſen ſie ſolche fernerhin in einer ſtandhaften Beharrung in dieſer ehelichen Geſell - ſchaft; ſie wird auſſer derſelben leichte erkalten. Auch dieſes, daß ein Theil die Pflichten derſelben verſaͤumet, machet uns noch nicht gaͤnzlich davon los. Die Gemuͤthsneigung ihres Mannes und ſein Eifer iſt mir freilich, bei ſo ofte angeſtelleten Verſuchen, nicht unbekant: warum aber wollen ſie ihm ietzo eines Wuͤnſchens gewaͤhren, ſo ihm ſchon zu ſeiner Zeit gereuen wird? vergelten ſie doch nicht Boͤſes mit Boͤſem, ſie werden ſich an - noch die Zeit verſprechen koͤnnen, in welcher er es ihnen danken wird.

Duldeviel.

Mein Mann dringet taͤglich dar - auf meine Abreiſe zu beſchleunigen und meiner los zu werden. Er hat mir laͤngſt das Meinige zuruͤ - cke gegeben. Sehen ſie da ſeine Erklaͤrung, ſo er in einem Schreiben an meinen iuͤngſten Bru - der daruͤber hat von ſich geſtellet, hoͤren ſie folgendes:

Seit75

Seit ihres neulichen Beſuchs befinde ich mich ſchon in einer laͤngſt gewuͤnſch - ten Einſamkeit. Meine bisherige Frau, ih - re Schweſter, hat ſich aller haͤuslichen Ge - ſchaͤfte entlediget, und wir ſehen uns einan - der ſelten; auch, wie leichte zu erachten, mit kaltſinnigen Blicken und nicht ohne Be - ſchwerden. Da demnach die Sache durch ihren und der Jhrigen Betrieb ſo weit ge - diehen iſt, daß wir uns von einander ſchei - den muͤſſen, ſo bitte ſolche Bemuͤhung nicht lange mehr fruchtlos ſeyn zu laſſen, ſon - dern mich bald frei zu machen von der Laſt, eine mißtrauiſche und unzufriedene Frau laͤnger in meinem Hauſe zu ſehen. Jch habe ihr laͤngſt das Jhrige wieder er - ſtattet, und was mir ſolte von der Regie - rung zu ihrem ferneren Unterhalt zuerkant werden, ſoll ohne Anſtand iederzeit erfolgen. So wenig ich ſolche Trennung ſelbſt geſu - chet habe, ſo wenig Theil werde ich nehmen an allen daraus zu erwartenden Mißhelligkeiten. Jndeß ſehe ich ihrer verſprochenen Ankunft entgegen, um die Sache voͤllig zu Ende zu bringen, der ich bin ꝛc.

Was meinen ſie nun wohl, mein Herr Paſtor, iſt es noch wohl in meiner Gewalt, geſetzt, daß ich mich dazu entſchlieſſen koͤnnte, zu blei -ben?76ben? Morgen vielmehr erwarte ich meinen Bruder ganz gewiß, und wie ſehr ſehne ich mich darnach.

Tugendhold.

Gedenken ſie ſich denn beſtaͤn - dig bey ihrem Herrn Bruder aufzuhalten? und wollen ſie nicht lieber in der Nachbarſchaft bleiben.

Duldeviel.

Nein, der entlegenſte Ort wird mir der angenehmſte ſeyn, wo mir keine Dinge ſo leichte zu Ohren kommen, die mich kraͤnken koͤnnen. Jndeß bitte ich ſehr, meine geliebte Freundin, unterhalten unſere Verbindung in ei - nem angenehmen Briefwechſel. Dies wird das einzige Angenehme ſeyn, ſo ich von dieſem Ort er - warten kann. Sie werden ſonder Zweifel be - reits unſerer vertrauten Freundin zu N. geant - wortet haben, auf letzteres Schreiben: machen ſie ihr doch auſſerdem meine gaͤnzliche Verſtoſſung und Entfernung bekant. Kuͤnftigen Sommer, ſo mir das Leben gefriſtet wird. Hoffe ich ſie zu beſuchen, da ich ihre Ankunft hier nicht mehr er - warten darf.

Tugendhold.

Jch habe eben die Antwort fertig, und ſo es ihnen nicht beſchwerlich iſt, will ich ih - nen ſolche vorleſen.

Gelehrte Schoͤne und vertraute Schweſter.

Euer Schreiben hat unſerer Frau Amt - mannin und mir viel Vergnuͤgen er -wecket.77wecket. Jhr zeiget darin mit gewoͤhnlicher Zaͤrtlichkeit, wie viel Theil ihr an unſe - rem Wohl nehmet: und wie ſehr ihr wuͤn - ſchet unſere wahre Gluͤckſeligkeit zu erhalten. Wir erkennen ſolches billig mit vieler Dankbarkeit, und unter den aufrichtigſten Wuͤnſchen fuͤr die Eurige. Jch kann es euch aber nicht bergen, wie ſehr die Sor - ge der Haushaltung die Luſt zu leſen unter - breche. Es geſchicht wenigſtens nicht mit ſolcher Aufmerkſamkeit, als wir ſonſt ge - wohnet waren: dies werdet ihr erſt erfah - ren muͤſſen. Geliebte Schweſter, warum ſendet ihr mir lauter ſcherzhafte und verlieb - te Stuͤcke; iſt denn das Bemuͤhen unſerer Gelehrten in ernſthaften Dingen, ſo gar geringe? Jch hoffe es ſey uͤberfluͤſſig euch zu erinnern nicht gar zu eitel zu werden. Die uͤberſendeten*Sind ungereimte anakreontiſche Gedichte, die aus eben der Feder gefloſſen ſind, ſo uns eine Samm - lung gar zu verfuͤhriſeher Hirtengedichte geliefert hat; und von gleichem Stoff und Feuer. ſcherzhaften Lieder erfolgen anbei zuruͤcke, ſie ſind artig genug, ſo viel ich davon urtheilen kann. Sie wuͤrden mir aber weit beſſer gefallen, wenn der Verfaſſer derſelben ſeine Geſchicklichkeit im reimen dabei haͤtte wollen anwenden, undnicht78nicht Wein und Liebe der Anfang und En - de derſelben waͤren. Einige Stuͤcke aber beſtaͤrken mich gaͤnzlich in der Meinung, daß dieſer ſonſt ſtarke Geiſt, von GOtt und der Ewigkeit wenig glaube. Jch uͤberſende euch hiebei ein anderes Gedichte, ſo der buͤndige Hamburgiſche Dichter, der Herr von Hagedorn, zum lobe der herrli - chen Eigenſchaften des unendlichen We - ſens, verfertiget hat. Hieraus werdet ihr ſehen, wie man auch von ernſthaften Dingen, munter, feurig und ruͤhrend ſchrei - ben koͤnne, mich beluſtiget es wenigſtens ſo, daß ich alles andere vergeſſe. Kommet bald, warum unſere Freundin und ich eifrigſt bit - ten, und ſeyd fernerhin gewogen der

Tugendhold.

Duldeviel.

Jch werde ſofort nach meiner Ueberkunft zu N. ein Schreiben an ſie abgehen laſſen, um ihr meine Umſtaͤnde ſelbſt zu melden; ich hoffe ſie zum Mitleiden und Fuͤrſichtigkeit zu bewegen; und ihr mein Exempel vorzuhalten, wie wenig Urſache man habe bei Heurathen ſich nur allein durch aͤuſſerliche Umſtaͤnde blen - den, und die Uebereinſtimmung des Gemuͤthes aus der Acht zu laſſen. Haͤtten meine Vor - muͤnder doch mehrere Ueberlegung und Einſicht gebrauchen moͤgen!

Treu -79
Treulieb.

Sie werden mir meine heimliche Entfernung zu gute halten.

Duldeviel.

Ach Herr Paſtor, ſie ſind bey meinem Manne, und wie ich weiß in guter Ab - ſicht, geweſen: warum bemuͤhen ſie ſich noch wei - ter, in einer Sache, die nicht mehr kann geaͤndert werden? Doch ich weiß ihrer Redlichkeit auch dieſes Dank, und werde nur fuͤr ihre Liebe durch ſtete und aufrichtige Wuͤnſche danken. Jch bedaure es hertzlich, wenn ihnen dieſer Verfall meines Hauſes ſo viele Sorge und Verdruß hat muͤſſen verurſachen. Sie haben alles nur erſinnliche angewendet, und durch ihre Huͤlfe habe ich mein Ungluͤck bishero noch ertragen koͤnnen.

Treulieb.

Jch habe ihn freilich in ſolche Umſtaͤnde und Erbitterung gefunden, die alle meine Muͤhe nicht hat brechen vielweniger be - ſaͤnftigen koͤnnen. Dies war ich noch zuletzt ſchuldig, um meinen beſonderen Pflichten ein Ge - nuͤge zu leiſten.

Duldeviel.

Wir wollen demnach der Sa - che nicht mehr gedenken, ſondern es alleine GOtt und der Gerechtigkeit unſerer Obrigkeit uͤberlaſſen, fernere Verfuͤgungen darin zu machen. Solte ich meine Sachen nicht alle mit koͤnnen fortbringen, werden ſie ſolcher auf eine Zeitlang in ihrem Hauſe einen Platz vergoͤnnen. Mein Mann hat es bereits zu erkennen gegeben, wie er ſie nicht bei ſich laͤnger, als mich ſelbſt, dulden werde. Jndeß bitte ich den Herren Paſtor ſehn -lichſt80lichſt, durch gute Vorſtellungen, ihn fernerhin, wenigſtens bei einem aͤuſſerlich erbaren Leben zu unterhalten: und der unordentlichen Lebensart, mit ſeiner Bekanten ehemalichen Haushaͤlterin, Ein - halt zu thun, und wo moͤglich ſolche verwuͤnſchte Liebe zu ſtoͤhren. Koͤnnte er es erlangen, er wuͤr - de ſich gewiß dieſen Ausbund aller Leichtfertig - keiten zugeſellen laſſen, und ſich ſelbſt voͤllig da - mit zu Grunde richten.

Treulieb.

Jhre Sachen ſollen bey uns wohl verwahret ſeyn; im letzteren aber werde ſo wenig etwas ermangeln laſſen, als es immer mein Amt und Gewiſſen von mir fordern mag. Jn - deſſen ſehe ich wohl, wie wenig ich werde aus - richten, wo das Menſch im Hauſe bleiben darf: ich hoffe aber auch dieſes bald abgeſtellet zu ſehen. Sie aber, Frau Amtmannin, unterſtuͤtzen mein Bemuͤhen, und erweiſen ihm die vieleicht uner - wartete Liebe: durch oͤftere Zuſchriften guten Rath und Lehren zu ertheilen. Dies wird hof - fentlich keinen geringen Eindruck in ſeinem Ge - muͤthe verurſachen; und ſie werden damit zeigen, wie wenigen Haß ſie gegen ſeine Perſon hegen, ob ſie gleich der Sache feind ſind. Er wird ſich ſelbſt muͤſſen anklagen, und ſeine groben Fehltritte wahrnehmen: wenigſtens wird er ſich ſcheuen, von neuen welche zu begehen.

Duldeviel.

Dies wird mir ein leichtes ſeyn, und werde es gerne thun, meinen ſie aber, daß er mei - ne Briefe eroͤffnen und anſehen wird?

Tugendhold.

Die Neugierde wird ihn we -nigſtens81nigſtens dazu antreiben, und dieſe kann Gele - genheit zu vielen Guten geben.

Duldeviel.

Wohlan denn, ich ſcheide von ih - nen. Getreuer Freund und Lehrer! ich ſage ihnen tauſendfachen Dank fuͤr ihre Sorgfalt und Be - muͤhung, die ſie zu meinem Beſten angewendet haben. Der Herr vergelte es ihnen und ihrem Hauſe, nach dem Reichthum ſeiner Gnade. Ha - be ich ihrem Rathe und Unterricht nicht allemal koͤnnen nachleben, ſo verzeihen ſie ſolches mei - ner Schwachheit, und denen harten Umſtaͤn - den, in welchen ich mich bishero verſetzet ſehe. Jch werde mir ſolchen noch iederzeit zu Nutzen machen: bleiben ſie fernerhin mein Freund, und unter - laſſen es nicht meine Wuͤnſche mit den ihrigen zu verbinden. Freundin, die ich laͤngſt als meine Schweſter liebe und ehre, erwarte ſie keine weit - laͤuftige Erzaͤhlung meiner Verpflichtung, fuͤr ſo viele und echte Proben unſerer Vertraulichkeit. Die Wehmuth will mir ſolches nicht erlauben. GOtt erhalte ſie in denen ſo begluͤckten und ver - gnuͤgten Umſtaͤnden, worin ich ſie bishero ſehe, und wofuͤr ich ihm danke. Er laſſe ihrer und der Tage ihres geliebten Mannes viel werden, und vergoͤnne ihnen ein geruhiges und geſegnetes Alter. Bleiben ſie meine Freundin, und gedenken mei - ner

(umarmen ſich.)
Treulieb.

Die Art ihres Abſchiedes, werthe - ſte Freundin, ruͤhret mich um ſo mehr, ie meh - reren Theil ich daran nehme. Sie hat ſolchen nicht geſuchet, noch vorſaͤtzlich etwas dazu beige -Ftragen,82tragen, ob ſie ſich gleich dabei nicht von allen Fehlern frei ſprechen kann. Jch haͤtte es auch gerne geſehen, wenn ihr Herr Bruder mir ehe davon einige Nachricht haͤtte ertheilen koͤnnen: vorietzo kann ich weiter nichts darin thun. Jch ſage ihnen indeſſen herzlichen Dank, ſo wohl fuͤr den aufrichtigen Umgang, ſo wir mit ihnen ge - noſſen haben, als auch fuͤr die Annehmung und Ausrichtung meiner wohlgemeinten Anſchlaͤge: nur Schade, daß ſolche nicht mehr gefruchtet haben. Der Herr, ſehe ihren Ausgang, von ihrem Hauſe nicht im Zorn, ſondern in Gna - den an; und laſſe ihnen dieſe Verſtoſſung dazu dienen, mit deſto groͤſſerem Eifer ſeines Dienſtes zu warten: er erhalte ſie auf ſpaͤte Zeiten bei aller Geſundheit und Zufriedenheit, und gebe, daß ich iederzeit angenehme Nachrichten von ihnen hoͤ - ren moͤge.

Tugendhold.

Jch wuͤnſche ihnen ein gleiches, liebwertheſte Frau Amtmannin, von der ich nie, auſſer durch dieſen Abſchied beleidiget bin: ach, daß ſolcher doch nie erfolget waͤre! GOtt beglei - te ſie iederzeit und erhalte ihnen ferner hin dieie - nige Ruhe des Gemuͤthes, ſo ich bishero an ſie bewundere, und die mir ſtets ein neues Zeichen ihrer Unſchuld geweſen iſt. Er belohne ihre Ge - laſſenheit, und verkehre ihr Leiden in Freude. Erinnern ſie ſich allezeit einer aufrichtigen Die - nerin; und erfuͤllen, was ſie verſprochen haben.

Neunter83

Neunter Auftrit.

Huſa. Friedenlieb. Rechtswalt. Treulieb. Tugendhold.
Friedenlieb.

Die angenehme Witterung hat uns Gelegenheit gegeben eine Landreiſe vor - zunehmen: ihre Freundſchaft aber, Herr Bru - der, zu ihnen zu kommen.

Huſa.

Ha ha, Herr Paſtor, wer haͤtte das gedacht, wie wir im Felde ſtunden, ſie zu lehren, und ich zum Fechten, daß wir ein ander ſo nahe blei - ben wuͤrden. Geliebter Mann, wie iſt es ſo lange er - gangen? Gottlob, daß wir uns ietzo vergnuͤgter unterreden koͤnnnen, als da ſie mich im Lazarethe beſucheten.

Rechtswalt.

Jch hoffe unſere alte Freund - ſchaft wird mich einer weitlaͤuftigen Entſchuldi - gung uͤberheben.

Treulieb.

Es haͤtte mir ſonderlich in meinen gegenwaͤrtigen Umſtaͤnden nichts angenehmers wiederfahren koͤnnen, als dieſes, mich mit Freun - den aufzurichten, deren Herz ich lange kenne, und deren Umgang mich belebet.

Friedenlieb.

Wie? iſt ihnen was wiedriges wiederfahren, ihre liebe Frau ſehen wir ia GOtt lob geſund, was iſt es, das ihr ſonſt geſetztes und munteres Gemuͤthe in Unruhe ſetzet.

Treulieb.

Sie wiſſen es ſaͤmtlich, wie un - gluͤcklich eine unſerer beſten Freundinnen, dasF 2Muſter84Muſter aller weiblichen Schoͤnheiten und Tugen - den, die edele Duldevielen, verheurathet iſt. Vor einigen Tagen iſt ſie von ihrem iuͤngſten Bruder abgeholet worden, da die Grauſamkeit ihres Mannes ſie laͤngſt verſtoſſen hatte. Jhr Abſchied und Verluſt kraͤnket mich nicht ſo ſehr, als die Gefahr, in welcher ihr geweſener Mann dadurch iſt geſetzet, und die boͤſen Folgen, ſo daraus entſtehen werden.

Friedenlieb.

Jſt ſie ſchon abgereiſet, wir ha - ben in der Stadt etwas davon gehoͤret, ich habe aber nie geglaubet, daß die Sache ſo weit kom - men werde.

Tugendhold.

Sie hat lange genug alles ausgehalten, und die Standhaftigkeit ihres Ge - muͤthes iſt nicht ſo wohl uͤberwunden worden / als die Geduld der Jhrigen.

Huſa.

Das muß ein ganz wunderlicher Kerl ſeyn, und wie ich hoͤre, haͤnget er einer ſeiner al - ten Haushaͤlterinnen an, die iedermann fuͤr eine garſtige Perſon und Abſcheu, ſo wohl der Bil - dung als Auffuͤhrung nach haͤlt. Ja, ia, es wird dir ſchon einmal zu Hauſe kommen: der - gleichen Haͤndel bleiben ſelten unbelohnet.

Rechtswalt.

Dies wundert mich, daß ihre Bruͤder die Sache nicht mit mehrerer Strenge treiben: man koͤnte den Mann ia wohl kirre ma - chen, er ſitzet ohne dem nicht veſte im Sattel.

Treulieb.

Bishero hat man ſeiner noch wohl ſeiner Frauen wegen geſchonet, was nun ferner daraus werden wird, muß man erwarten. Wie85Wie ſtehet es ſonſt in der Stadt zu, was ma - chen unſere iuͤngſt gebackene Herren Freymaurer: hat man noch nicht mehr Nachricht von dem Zweck und Verfaſſung einer ſo beruͤchtigten und doch geheimen Geſellſchaft?

Huſa.

Freſſen und Sauſen, Herr Paſtor, wird wohl ihre einzige Abſicht ſeyn, und anders ſehen wir noch nicht vieles von ihnen. Es ſind luſtige Bruͤder, waͤre ich etwas iuͤnger, wer weiß, ob ich nicht ſelbſt die Thorheit beginge, und mich in eine ſo ehrbare Zunft begaͤbe. Es iſt Schade, daß ſie mir nicht vor 20 Jahren be - kannt geweſen iſt, da waͤre es recht meine Sache geweſen.

Treulieb.

Jch weiß es, Herr Hauptmann, ſie ſind kein Menſchenfeind, doch ich glaube es ſchwerlich, daß ſie ſich zu einer Sache wuͤrden entſchloſſen haben, dazu ſie nicht den geringſten Grund gehabt haͤtten. So aber muß man doch verfahren, wenn man ſich in eine Geſellſchaft begeben will, von welcher man weiter nichts weiß, als daß es Menſchen ſind.

Friedenlieb.

Sie glauben indeß nicht, wie ſehr die Zahl derſelben taͤglich anwachſe: man ſiehet faſt keinen artigen Menſchen von dem man nicht ſage, er gehoͤre dahin. So viel ich bemerke, ſind es lauter Mitglieder von gutem Vermoͤgen, auſſer denen, die zur Aufwartung gehoͤren. Dies ſollte mich ſelbſt faſt in der Meinung beſtaͤrken, daß eine gewiſſe Art des Aufwandes darin vor - komme: wozu ſolcher gebrauchet werde, iſt mir,F 3ſo86ſo wie ihre ganze Einrichtung, ein Geheimniß. Dieſes, daß man auch zu weilen der Armuth et - was davon genieſſen laͤſſet, giebt der Sache einen guten Schein. Wir koͤnnen alſo mit Grunde wenig an ihnen tadeln, ſo wenig Urſache wir haben ſie zu loben. Doch geſtehe ich es, daß ich erſteres, der Nebenumſtaͤnde wegen, ie - manden leichter zu gute halten und uͤberſehen muß, als letzteres.

Rechtswalt.

Jhr Urtheil, Herr Paſtor, gefaͤllt mir, darum, weil es mit einer billigen Gelaſſenheit abgefaſſet iſt. Jch ſetze es zum vor - aus, daß ich nicht zu dieſer Zunft gehoͤre, geſte - he aber, daß ich nichts ſtrafbares an derſelben finde. Jch will ihrem eigenen Geſtaͤndniß nicht voͤlligen Glauben beimeſſen, welches ſie mit aͤuſſer - ſten Kraͤften erhaͤrten, daß nemlich ihre Verbindung nichts wieder die Religion und Obrigkeit mit ſich fuͤhre; ſo uͤberzeugen mich doch die vielen Unterſuchungen, ſo man deßfals angeſtellet hat, ſonderlich die in Wien und Lisbon gaͤnzlich davon. Wuͤrde man die ertapten Mitglieder einer auch nur verdaͤchtigen Geſellſchaft wohl geduldet ha - ben? Da ſie aber, ſonderlich am erſteren Orte, gar bald wieder ſind entlaſſen worden, und noch dazu ſo anſehnliche Aemter bekleiden; ſo duͤnket mich kann dieſes alleine ſie rechtfertigen.

Treulieb.

Die Sache iſt uns niemals voͤllig entwickelt, ſondern bald unterdruͤcket worden. Wer weiß, was fuͤr hohe Fuͤrſprache dabei mag eingelaufen ſeyn. Es darf uns dieſes eben nichtwun -87wundern, wo es anders gegruͤndet iſt, daß ſo viele Haͤupter der Welt und Regenten unter ihnen gezaͤhlet werden.

Friedenlieb.

Dies kann ich mir niemals ein - bilden, denn ſo viel ich weiß, ſtehet dieſe Rotte in beſonderer Vertraulichkeit, die allemal ſo hohen Haͤuptern unanſtaͤndig iſt.

Rechtswalt.

Was, Herr Paſtor, nennen ſie dieſe Leute eine Rotte*Es gehoͤret dies Wort mit unter denen, die ihren Begriff verſchlimmert haben: und bedeutet eigent - lich eine beſondere und vertraute Geſellſchaft., und was meinen ſie vor eine Vertraulichkeit?

Friedenlieb.

Jch will dies Wort in keinen boͤſen, ſondern ſeinen urſpruͤnglich guten Ver - ſtande hier genommen haben. Vertraulichkeit aber nenne ich hier die Art des Umganges, ſo man unter Freunden findet, die ſich einander nichts uͤbel nehmen, und ſich frei heraus laſſen. Dies aber hoͤret auf, ſo bald ich in einer Gefell - ſchaft iemanden finde, welchem ich Ehrerbietung und Hochachtung ſchuldig bin: ich gehe mit ihm mit groͤſſerer Sorgfalt und Enthaltung um. Ei - nem Regenten waͤre es unanſtaͤndig, die Vereh - rung, ſo man ihm ſchuldig iſt, ſolcher Gefahr auszuſetzen: oder auch die noͤthige Gerechtigkeit, irgend einer Freundſchaft aufzuopfern. Zu ge - ſchweigen, daß es wieder die Ernſthaftigkeit einer ſo erhabenen Wuͤrde ſtreitet, einer ſo luſtigen Geſellſchaft beizuwohnen, oder ihr auch nur den Namen einer beſondern Beſchuͤtzung herzugeben. F 4Mich88Mich wird alſo niemand leichte uͤberreden, daß dieſer oder iener Prinz dazu gehoͤre. Es iſt liſtig genug ſich damit ein Anſehen zu machen, und an - dere zu fangen.

Treulieb.

Es iſt mir auch allemal bedenklich vorgekommen, und wenn man die Herren fraͤget, ob dieſer oder iener Prinz zu ihrer Zahl gehoͤre, ſo wollen ſie ſolche niemals namhaft machen. Wie gerne ſie ſolches thun worden, wo ſie es mit Grunde behaupten koͤnnten oder duͤrften, ſie - het man daraus, wenn kaum ein bekanter und in Anſehen geſtandener Gelehrter ſtirbet, von dem ſie nicht auf eine feine Art ausbreiten, er ſey ein Freymaurer geweſen.

Rechtswalt.

Wer weiß eben ob ihre Ver - faſſung es erlaubet frei zu geſtehen, dieſer oder ie - ner Prinz oder ein anderer gehoͤre mit dazu. Jhr Name iſt annoch gar zu fremde und verhaſſet, wie kann derſelbe angenehmer und leidlicher ge - macht werden, als wenn man ſolche Mitglieder bekant machet, die in ihrem Leben ihrer Tugenden und Vortreflichkeit wegen ſind geehret worden.

Huſa.

Gewiß, Herr Advocat, er iſt einer da - von, oder wenigſtens hat ers uͤbernommen ſie zu vertheidigen, es wird ein ſtattliches Einkommen damit verbunden ſeyn.

Friedenlieb.

Man behauptet es zwar, es komme in ihrer Verſammlung nichts wider den Gehorſam und die Ehrerbietung, ſo man der Obrigkeit ſchuldig iſt, vor: und dies traue ich ih - rer Vernunft leichte zu. Man ſaget aber auch,nichts89nichts wieder die Religion; ich moͤgte aber wohl wiſſen in welchem Verſtande man dieſe naͤhme. Nimt man ſolche uͤberhaupt fuͤr die Art, das hoͤchſte Weſen zu verehren, ſo mag ich es glau - ben: verſtehet man aber darunter die Art, dieſem unendlichen GOtt nach eigenen Fuͤrſchriften, folglich der Offenbarung, zu dienen, ſo wider - ſprechen ſie ſich ſelbſt. Denn wie koͤnten ſie im letzteren Fall, ohne alles Bedenken, und ohne Abſehen auf die Richtigkeit, oder Unrichtigkeit der Religion, Mitglieder annehmen? Und wie es moͤglich ſey, ſolche zu dulden, die wohl gar von keinem GOtt etwas halten wollen, die ſolchen Begriff wenigſtens durch mancherlei Unordnung und Ausſchweifung, von ſich geben, ſolches ſehe ich gar nicht ab.

Treulieb.

Unter andern iſt mir die Art ihrer Verbindung ſehr verdaͤchtig. Haͤtte man wohl Urſache ſich mit ſo harten und feierlichen Eid - ſchwuͤren, dahin zu verpflichten, wenn dieſe Ge - ſellſchaft ſich blos durch willkuͤhrliche Zeichen von andern Unterſcheide, und weiter nichts als ei - nen erlaubten freimuͤthigen Umgang zum End - zweck haͤtte. Es muͤſſen entweder Dinge unter ihnen vorkommen, die nicht ohne Gefahr koͤnnen bekant gemachet werden, oder der Eid iſt bei ihnen von geringer Guͤltigkeit. Letzteres ſolte man faſt glauben aus dem Betragen einiger, von ihnen ſelbſt angegebenen, anſehnlichen Mitgliedern.

Rechtswalt.

Durch den Eidſchwur, be - hauptet man, werde eine groͤſſere Sorgfalt inF 5der90der Beobachtung der Pflichten gegen einander erreichet: in welchem Anſehen er bei ihnen ſtehe, kann ich nicht wiſſen, und bin ich geneigt ihrer Meinung beizutreten.

Friedenlieb

Mir ſoll verlangen, was dieſe getreuen Bruͤder dem Herrn Profeſſor und Paſtor Simonetti in Goͤttingen werden antworten: ich will nicht hoffen, daß ſie gar ſchweigen.

Huſa.

Herr Paſtor, wiſſen ſie wohl, daß der Herr von B. W. S. vorlaͤngſt ſein Regiment verlohren hat, und ſeit dem auf ſeinen Guͤ - tern wohnet.

Treulieb.

Da iſt mir nichts von zu Ohren kommen, er war ia ſonſt ein tapferer Soldat und ſtund in groſſem Anſehen.

Huſa.

Seit dem er aus Mecklenburg zuruͤcke kam, iſt ſolches gaͤnzlich hingefallen. Durch ſeine Grauſamkeit und uͤbel angebrachte Bra - vur iſt der Name dieſer Voͤlker in ienen Ge - genden in ſolchen Haß und Verachtung gerathen, daß viele rechtſchaffene Leute darunter leiden muͤſſen.

Treulieb.

Was iſt es denn? was hat er ver - ſehen?

Huſa.

Einmal hat er eine uͤber die Maſſen ſchlechte und unordentliche Kriegeszucht gehalten, da er doch war geſendet worden, unter aufge - brachten, zuſammengelauffenen, und mit gar zu groſſem Eifer getreuen Unterthanen, Ordnung und Ruhe zu erhalten. Sodann aber iſt er mit Maͤnnern, die weiter nichts als ihrem Amte einGenuͤge91Genuͤge gethan, und ihrem Prinzen den Gehor - ſam geleiſtet haben; auf eine mehr als menſch - liche und vernuͤnftige Art umgegangen. Wenig - ſtens hat er es zugelaſſen, daß Beamte und Pre - diger, von nichtswuͤrdigen Leuten, ſehr ſind miß - gehandelt worden. Die in der groͤſten Verlegen - heit waren, da ſie bald von dieſem, bald von ei - nem andern, Befehle und Bedrohungen hoͤreten. War es denn wohl ſtrafbar ihrem angebornen Fuͤrſten den Vorzug zu laſſen?

Treulieb.

Das hoͤre ich nicht gerne, ich haͤtte ihm mehr Vernunft und Ueberlegung zu - getrauet.

Friedenlieb.

Es mag freilich zu der Zeit im Lande ſehr unordentlich zugegangen ſeyn, wie es denn noch nicht daran fehlet. Nunmehro aber ſehe ich denn die Urſache ein, warum vorgedach - ter Herr, ſo ploͤtzlich und unvermuthet, ſeines Amtes iſt entſetzet worden. Es iſt mir ſonſt bis - hero unbegreiflich geweſen. Doch eben dieſes be - lehret mich von neuem, wie wenig Gefallen iene Regierung an ſolche Unbilligkeiten und Aus - ſchweiffungen habe.

Huſa.

Ja, die Leute meinen, es ſey eine be - ſondere Tapferkeit, wenn ſie durch Gewalt Grau - ſamkeiten veruͤben koͤnnen. Es komt daher, weil ſie nicht wiſſen worin die wahre Beſchaffenheit derſelben beſtehe: ſie haben kein feindliches Pul - ver ie gerochen, noch ſtarken Gegenſtand gefun - den. Zu dem komt, daß man glaubet, einem Soldaten ſtehe alles, was ſchaͤndlich und un -menſch -92menſchlich iſt, an, und koͤnne ſich nur dadurch her - vor thun. Jch habe nie furchtſamere Leute, als dieſe geſehen, wenn es zum Treffen und zur rech - ten Herzhaftigkeit komt.

Tugendhold.

Die Herren belieben in ienes Zimmer zu treten.

Zehnter Auftrit.

Die vorigen.
Treulieb.

Jſt der Herr Sohn ſchon auf Aca - demien gegangen, und wird er bald wieder herunter kommen?

Huſa.

Waͤre er nicht ſo lange aufgehalten worden, koͤnte es wohl ſeyn, was hat er aber in Schulen gelernet? Gewiß wenig Gelehrſam - keit, und viele Thorheit.

Friedenlieb.

Sie koͤnnen dies der Schule nicht ſo ſchlechthin zur Laſt legen: ſeine eigene Nachlaͤſſigkeit wird es verurſachet haben, daß der Fleiß ſeiner Lehrer umſonſt an ihm iſt gewendet worden.

Huſa.

Glauben ſie meine Herren, wie ich ihn von meinen Freunden, zur Zeit ſeiner beſondern Anweiſung fragen ließ, ward er, nach ihrem eigenen Geſtaͤndniß, weit tuͤchtiger befunden als anietzo. Haͤtte ich das gewuſt, ich wuͤrde das Geld ſchon erſparet, und ihm davor eine Lanze erkaufet haben.

Treulieb.

Wie ſolte das zugehen, es ſind ia doch geſchickte Leute der Schule und Jugend vor - geſetzet, und ſie haben auch ia ſchon viele wackere Leute erzogen?

Huſa. 93
Huſa.

Jch verſtehe es eben nicht, habe mir aber ſagen laſſen, daß dieſe Schulmonarchen in den erſten Jahren ihrer ruhmvollen Regierung, weit ſorgfaͤltiger und fleiſſiger geweſen ſind.

Friedenlieb.

Ei, reden ſie doch nicht ſo von Leuten, die wenigſtens nicht alle von ſolcher Art ſind, und die ſich gewiß genug herumplacken muͤſſen.

Huſa.

Ja, das achte ich nicht, wenn ſie ihre Stuͤndchen, nach hergebrachter Weiſe, gelehret haben, koͤnnen ſie bei der groͤſten Gemaͤchlichkeit ihrer ſelbſt warten. Moͤgten ſie nur ein paar Jah - re mit zu Felde geweſen ſeyn, ſie wuͤrden nicht ſo viel klagen, und die Laſt ihres Amts beſeufzen. Die Leute ſind noch dabei ſo hochmuͤthig, als ich kaum einen General im Felde geſehen habe. Koͤn - nen ſie von andern ſolche Ehre verlangen, als ſie von ihren Schuͤlern erzwingen? wer will ſich an ihre Einbildung kehren?

Friedenlieb.

Wie, Herr Hauptmann, er iſt ia gar Uebel mit dieſen Maͤnnern zufrieden, denen der Staat doch geſchickte Koͤpfe zu danken hat.

Rechtswalt.

Gewiß, ſie koͤnnen ſo nicht von allen urtheilen; es giebt einige die mit allem moͤg - lichen Fleiß ihrem gewiß nicht geringen Amte ſu - chen ein Genuͤge zu thun. Und geſchicht dieſer Haupt - ſache ihr Recht, muß man ihnen, ein heroiſches und erhabenes Geſichte, Centnerpfuͤndige Woͤrter, und ſpaniſche Schritte, verzeihen. Genug ſie ſind von ihnen zum Beſten der Jugend angenommen, und dienen dazu ſich in einem noͤthigen Anſehen zu erhalten. Jch kann ihnen dies weit eher verzeihen,als94als wenn andere, die ſolches vermeiden wollen, mit iungen Leuten als mit Herren umgehen, und ſie in einer natuͤrlichen Einbildung unterhalten.

Huſa.

Dies alles kann man freilich ohne Scha - den ertragen, und ſich deſſen nach eigenem Gefallen befreien. Nimmer aber kann ich es unſerm Herrn Rector zu gute halten, wenn er mir iederzeit die be - ſten Verſicherungen von der Faͤhigkeit und Zuneh - mung meines Sohnes gegeben hat. Von erſterem bin ich einigermaſſen ohne das uͤberfuͤhret: von letzterem aber finde gerade das Gegentheil. Jch darf mich ſicher auf das Urtheil meines Freundes verlaſſen, welches denn auch dem Herrn Paſtor Friedenlieb nicht unbekant iſt.

Treulieb.

Jn Schulen ſind der iungen Leute viel, unter denen nicht alle einerlei Faͤhigkeit be - ſitzen: Dahero komt es wohl freilich, daß man - cher munterer Kopf ſeinem ſchlaͤfrigen Mitſchuͤler zum Beſten verſaͤumet wird. Geſchickte und getreue Schulleute vermeiden dieſes. Sie haͤtten wohl gethan, wenn ſie ihren Sohn, auſſer den oͤffent - lichen Stunden, auch beſonders annoch haͤtten unterweiſen laſſen.

Huſa.

Dies habe ich auch auf Anrathen des Herrn Paſtors gethan, und hoffe ihn dadurch im Stande zu ſetzen, gegen den Winter mit Nutzen die hoͤheren Schulen beſuchen zu koͤnnen. Was meinen ſie iſt er nicht zu munter zur Gottes gelahrheit?

Treulieb.

Zu einer ſolchen Wiſſenſchaft kann er nie munter und faͤhig genung ſeyn: er muß aber beizeiten angewoͤhnet werden, ſein natuͤrliches Feuerdurch95durch Vernunft und Offenbarung zu maͤſſigen und zu verbeſſern. Man hat dieſer ſo erhabenen Wiſſenſchaft, lange genug einfaͤltigen und ſchlaͤf - rigen Koͤpfen aufgeopfert. Unter meinen Kindern ſollen nur dieienigen dem beſonderen Dienſte des HErrn gewidmet ſeyn, die vor andern Verſtand und Mutterwitz von ſich blicken laſſen.

Friedenlieb.

Eben dieſes hat mich bewogen, ihn bei ſeiner erſten Entſchlieſſung zu unterhalten, die er vor einiger Zeit zu verlaſſen ſchiene, weil er ſeiner Meinung nach nicht ſo frei und gluͤcklich bei dieſer Art der Wiſſenſchaft leben koͤnne. Nach - dem er aber deren Vorzuͤge und Vortreflichkeit naͤher kennen lernet, und anfaͤnget zu begreiffen, daß nur dieienige Lebensart wahrhaftig gluͤcklich iſt, die nach den Regeln der Vernunft und Offen - barung eingerichtet iſt, lieget er derſelben mit er - neuertem Fleiſſe ob. Jch hoffe, Herr Hauptmann, ſie ſollen an ihm noch dereinſt einen geliebten Sohn, die Kirche aber einen geſchickten Lehrer haben.

Huſa.

Ja, das gebe GOtt! ſo wuͤrden mir endlich meine Koſten und Verwendungen nicht gereuen.

Rechtswalt.

Jch glaube es ſelber, daß wir eben dahero in ſo kurzer Zeit viele wackere und ſcharf - ſinnige Gottesgelehrten bekommen, weil man ſie - het, daß nur einige dazu geboren werden. Zu mei - ner Zeit, waren ſo wohl die unteren als oberen Schulen ſo ſehr damit angefuͤllet, daß man ganze Laͤnder damit haͤtte beſetzen moͤgen. Man beob - achtet hierin mit recht eine gluͤcklichere Wahl.

Tugend -96
Tugendhold.

Sie werden ihn, als ein ein - ziges Kind, ungerne von ſich laſſen. Wird er lange auf Academien verbleiben?

Huſa.

Der Herr Paſtor meinet ia, daß man ihm Zeit laſſen, und derſelben nicht zu enge Gren - zen ſetzen muͤſſe. Solche ſoll mir auch nicht zu lange waͤhren, wenn er nur was rechtſchaffenes lernet. Was aber erſteres anbetrift, ſo werde ich mir eben nichts daraus machen: er wird ſich ia un - ter goͤttlichem Schutz ſelbſt zu huͤten wiſſen. Frau Paſtorin, ein Soldat iſt ſo zaͤrtlich nicht als das liebe Frauenzimmer, lebte meine Frau noch, ſie wuͤrde bei ſeinem Abſchiede noch wohl einige Thraͤ - nen vergieſſen.

Tugendhold.

Jch glaube dennoch nicht, daß ſolche gaͤnzlich werden nachbleiben, ſie ſind auch tapferen Helden nicht ſo gar unanſtaͤndig.

Treulieb.

Sind der Herr Amtsbruder neulich in N. geweſen, und haben ſie alle Herren Conſi - ſtorial-Raͤthe wohl vorgefunden?

Friedenlieb.

Ja, es ſtehet noch alles auf altem Fuſſe, man kann mit denen mehreſten einen angenehmen Umgang haben.

Rechtswalt.

Es iſt wohl, daß ſie ſagen mit denen mehreſten, ich bin vor einiger Zeit in Rechts - ſachen da geweſen, und habe unter dieſen hochan - ſehnlichen Herren, einen alten Starrkopf gefun - den, deßgleichen ich nie an Grobheit und Ver - drießlichkeit geſehen habe. Dies ſcheinet ein abge - ſagter Menſchenfeind zu ſeyn, ich moͤgte nicht gerne vieles mit ihm zu ſchaffen, vielweniger was bei ihmzu97zu ſuchen haben. Vor meine Perſon, kehrte ich mich wenig an ſein ungereimtes Brummen, und eine ſonſt unertraͤgliche Begegnung: und ſo konten wir denn endlich mit einander fertig werden.

Treulieb.

Man muß es einem alten und mit vie - len Geſchaͤften uͤberhaͤuften Manne in etwas zu gute halten, wenn er nicht allemal die Regeln der Liebe und der Hoͤflichkeit beobachtet.

Rechtswalt.

Jch hoͤre aber noch nicht das ie - mand von ihm mit Sanftmuth und Menſchlichkeit iſt aufgenommen worden. Behuͤte GOtt, was moͤ - gen denn auch wohl ſolche dunkele und ſtoͤrriſche Koͤpfe gedenken? So wie ihnen ein ieder verdrießlich faͤllt, ſo machen ſie ſich bei allen Menſchen verhaſſet. Soll man ſolche Leute in ihrem ſteifen und nichtigen Hochmuth ſtaͤrken? ich halte, daß dies eben ſo wenig erlaubet iſt. Gewiß, haͤtte ich mir ſolche Dinge koͤn - nen nur irgend vorſtellen, wir wuͤrden uns noch beſ - ſer gezanket haben. Jch werde es ihm nicht ſchenken, da ich die Feder gegen ihm in einer bekanten und wichtigen Streitſache fuͤhre, er mag ſeyn, wer er iſt.

Friedenlieb.

Ei, Herr Rechtswalt, wer wolte ſo hitzig ſeyn, es iſt freilich an dem, daß es hoͤchſt un - gereimt und abgeſchmackt iſt, fuͤr einen Mann, der die Welt kennen muß, ſeine Verdrießlichkeiten an - dern empfinden zu laſſen. Sie pflegten ſich denn aber auch noch bald wieder eines beſſern zu beſinnen, und man kann ſodann am beſten mit ihnen auskommen, wenn man ihnen Zeit gelaſſen hat, ihr Betragen ſelbſtGals98als unanſtaͤndig und ſtrafbar zu begreiffen. War - um wollen ſie ſolche Hitze gebrauchen, und ſich da - durch in Gefahr ſetzen, der Vortheile verluſtig zu werden, die die Sanſtmuth und Gelaſſenheit alle - mal mit ſich fuͤhret?

Huſa.

Ja, was gehet dem Herrn Rechtswalt dieſer Mann an? ich wuͤrde es ſelbſt nicht anders machen. Glauben ſie, meine Herren, daß ſolche wun - derliche Koͤpfe eben dadurch ſehr beſtaͤrket und ver - ſchlimmert werden, wenn man ihrer allezeit ſchonen wolte. Leute, die mitihnen was zu ſchaffen haben, han - deln freilich am vernuͤnftigſten daran, wer aber ih - rer nicht bedarf, muß anderen zu gute einmal durchgreiffen, und zeigen, daß nicht alle Welt ih - rem Eigenſinn nachgeben und weichen duͤrfe.

Tugendhold.

Herr Hauptmann, koͤnnen ſie noch ſo eifrig werden, halten ſie es nicht ſelbſt fuͤr vernuͤnftig ſeinen Feind mit Sanftmuth zu uͤber - winden, und ihn durch Guͤte zu entwafnen?

Huſa.

Nicht ſo, Frau Paſtorin, ich bin meinem Feinde niemals was ſchuldig geblieben, er muſte mir fein vom Leder ziehen, er hat noch allezeit einen ſtaͤrkeren Widerſtand an mir gefunden, als er vermuthete. Ein rechtſchaffener Kerl ſtehet und weichet nicht.

Tugendhold.

Ja, dieſe Herren liegen nicht zu Felde, es ſind Wort und - Federkriege, die ohne Blutvergieſſen koͤnnen geſchlichtet, und am erſten durch Sanftmuth gewonnen werden. Herr Haupt -mann,99mann, ich haͤtte nicht gerne mit ihnen Haͤndel haben moͤgen, ſie wuͤrden ſich ſchwerlich mit mir in Guͤ - te verglichen haben.

Huſa.

Doch, Frau Paſtorin, mit Frauenzim - mern habe ich allezeit in Gelegenheit geſehen, und andere Arten der Kriege und Vergleiche gefuͤhret und getroffen. Jch wuͤrde ſonſt nie eine bekommen haben, da ich doch derſelben nunmehro ſchon zwei gehabt habe.

Treulieb.

Seht da, wie kann unſer ehrlicher Kriegsmann ſich ſo gut aus dem Handel mit einer Frauen heraushelffen. Jndeß bitte ich nochmals des vorgedachten Mannes zu ſchonen, es koͤnnen Um - ſtaͤnde kommen, worin er es wieder nachholet und gedenket. Geſetzt aber, daß auch dieſes nicht iſt, war - um wollen ſie ein Gemuͤth noch mehr aufbringen, das ſo ſehr zerſtreuet, und durch gar zu viele Dinge beunruhiget wird; wollen ſie deſſen Unzufriedenheit und Ungluͤck mehren?

Rechtswalt.

Meine Herren, ſie kennen ia mein Gemuͤth, und wie wenig ich geneigt bin, iemanden Verdruß zu machen, und ſeinen Haß auf mich zu la - den. Alleine, wie gedacht, dieſem Manne kann ich gar nicht nachgeben, ohne ihm und meiner Sache zu ſchaden. Jch werde es aber bei weiten nicht ſo arge machen koͤnnen, als er bereits mit mir verfahren iſt. Es ſoll ohne Bitterkeit geſchehen, und ich hoffe da - durch, einen nur bei ſolchen Umſtaͤnden, brauch - baren Weg, zu einer neuen und vernuͤnftigen Freundſchaft zu bahnen.

G 2Treu -100
Treulieb.

Wie fahren ſie denn mit dem Amt - mann zu N. wird die Sache nicht bald zu Ende und einem guͤtlichen Vergleich kommen?

Rechtswalt.

Da wiſſen wir Rechtsgelehrte nicht viel von, der iſt uns allemal nachtheilig, und das letzte Mittel aus dem Handel zu kommen. Jch hoffe dieſem hochſehenden Herrn auch ſchon zu zei - gen, daß er nicht mit ſeinen Bauren, als Hunden und eigenen Unterthanen, nach Gefallen umſpringen darf. Die Leute bilden ſich in ihren Aemtern und kleinen Gerichtsſtuͤbchens mehr ein, als mancher Geheimerrath.

Friedenlieb.

Sind ſie auch in dieſer Sache verwickelt, es iſt mir ia bishero nichts davon bekant geworden? wie ich hoͤre werden ſie die Sache der klagenden Bauren uͤbernommen haben.

Rechtswalt.

So iſt es, und mich verlanget ſehr den Ausgang der Sache zu ſehen. Der Hochgelahrte Herr meinete anfangs, ſie habe wenig auf ſich, ia er glaubte es gar nicht noͤthig zu ſeyn, zur Verantwortung einzukommen. Er hatte ſo gar die ihm ſo nachtheilig gewordene Un - beſonnenheit gehabt, und dieienige, die ſonderlich die Klage gegen ihm eingebracht hatten, einziehen laſſen. Doch wie bald muſte er ſie losgeben, und wie herbe Ausputzer fielen nicht dabei vor? Haͤtte er die Sache, ſo wie er ſie anfing, alleine ausgefuͤhret, wir waͤren ſchon fertig: weil er ſich aber alleine zu ſchwach fand, nahm er einen Gehuͤlffen aus unſerer Stadt an. Wir wer -den101den dadurch nur aufgehalten, und ich habe nicht mehr das Vergnuͤgen, mich an einer fei - nen und eifrigen Schreibart zu beluſtigen.

Treulieb.

Ward nicht der Prediger, ſo wie gewoͤhnlich iſt, mit in den Handel verwickelt, und wie iſt es ausgefallen?

Rechtswalt.

Der wuſte ſich bald heraus - zuhelffen, da er ſich ſorgfaͤltig gehuͤtet hatte zu weit zu gehen. Es kann ſeyn, daß er einiger - maſſen dazu Gelegenheit gegeben hat, daß der ſchlaͤfrige Bauer einmal das Hertz faſſete ſeinem kleinen Tyrannen den Kopf zu biethen. Doch da die Sache ſo fein war angeſponnen worden, war mit ihm wohl nichts anzufangen. Und wer will es mir denn auch wehren, einem Bedrengten zu rathen, den Schutz und Gerechtigkeit ei - ner hoͤhern Obrigkeit anzugehen? Er hat da - hero gar klug gehandelt, wenn er ſich gar nicht einmal hat eingelaſſen.

Treulieb.

Wir ſind in ſolchen Faͤllen ge - wiß nicht wohl daran. Hat der Landmann mit ſeinem Nachbar, Voigt oder Amt - mann irgend einen Handel; es iſt das erſte, daß er ſich zu uns wendet, und ſich bei uns Raths erholet. Bringet man einem die Sa - che noch deutlich vor, und nimt man ſich nur etwas dabei in acht, ſo darf man eben keine wei - tere Folgen, als den gegenſeitigen Haß be - fuͤrchten.

G 3Huſa. 102
Huſa.

Jch beſinne mich noch der Zeit, da ich auf dem Lande wohnete, und der vielen Streitſachen, die meinem damaligen Prediger zu Ohren gebracht und zur Entſcheidung vor - getragen wurden. Dies iſt eine Art mit we - nigen Koſten aus einander zu kommen: ich habe aber auch bereits damals bemerket wie ſcheel der Amtmann und Voigt, oder ſeine Frau vielmehr, dazu ſahen. Dieſe letzte Art der kleinen Dorfregentinnen hat mich ſonder - lich beluſtiget. Es iſt bekant, wie man ge - meiniglich ein wohlgeputztes und dahero beliebtes Kammergeſchirr einem getreu geweſenen Jam - merdiener anſchmiedet. Welch eine artige Haushaltung wird nicht daraus? Dieſe ver - meinte Hofſchranze iſt nicht alleine eine unum - ſchraͤnkte Regentin in ihrem Hauſe, ſie ſuchet es auch in der ganzen Dorfſchaft zu werden. Wie liſtig wiſſen ſie nicht ihren Befehlsha - bern Anſchlaͤge zu geben, wie rachgierig ſind ſie nicht gegen dieienigen, denen ſie ſchaden koͤnnen? Jch habe mir manche Veraͤnderung gemachet, ihnen einen unerwarteten Streich zu ſpielen, und mir war nichts angenehmer als ih - re unreifen und thoͤrichten Anſchlaͤge zu nichte zu machen? Man kann es durchaus nicht lei - den, wenn der Prediger von ſeiner Gemeine ſehr geliebet und geehret wird, und wie neidiſch ſind ſie nicht, wenn ſeiner Kuͤche viele Wohl - thaten zuflieſſen. Der Bauer bittet dahero al -lemal103lemal, ſeine Huͤner oder Gaͤnſe nicht zu Bu - che zu ſchreiben, oder dem Amtmann und Voigt ſeinen Namen bekant zu machen, man noͤthiget ihn ſonſt ein gleiches zu thun.

Friedenlieb.

Meine Herren, es wird Zeit ſeyn, uns auf den Weg zu machen, wir moͤgten uns ſonſt verſpaͤten.

Eilfter Auftrit.

Haferſtroh. Treulieb. Tugendhold.
Haferſtroh.

Herr Paſtor, ihnen kann es nicht unbekant ſeyn, wie meine ehemalige Frau, wenige Zeit nachdem ſie ſich von mir ge - trennet hat von dieſer Welt geſchieden iſt. Jch weiß, was ich in dieſer Ehe belebet habe, und hoffe ſie werde annoch vor ihrem Ende zur Erkentniß gekommen ſeyn: der kurz zuvor an mich abgelaſſene, aber von mir erſt neulich er - brochene Brief, machet mich ſolches glaubend. Jch ſehne mich indeß zu mehrerer Ruhe, und bin entſchloſſen meine bishero in allen Stuͤcken getreu befundene Haushaͤlterin, die Witwe N, zu heurathen, und mit ihr die Tage mei - nes Lebens in einer ordentlichen Ehe zu be - ſchlieſſen.

Treulieb.

Jch bedaure es gar ſehr, daß ihre ſelige Frau, ihnen nicht noch die letztenG 4Zeichen104Zeichen ihrer unveraͤnderlichen Treue und Liebt hat darthun koͤnnen. Sie koͤnnen indeß ſicher glauben, daß ihr aufrichtiges Herz nie aufge - hoͤret hat ihnen alles Wohl anzuwuͤnſchen, und damit an den Tag zu legen, wie weit es von aller Rache und Unverſoͤhnlichkeit entfernet ſey. Hoͤren ſie ihre eigene Worte, worin ſie ſich in ihrem letzten und ſehr beweglichen Schreiben heraus laͤſſet:

Jch werde, allem Anſehen nach, die Welt verlaſſen muͤſſen, und wie ſehr wuͤnſche ich es. Dies einzige kraͤnket mich, daß mein Mann mir nicht geantwortet hat, ich habe ihm wenigſtens einen nochmaligen Abriß meiner aufrichtigen Geſinnung geben wollen. Ach Herr Paſtor, bemuͤhen ſie ſich doch dieſem ſo gar irre und unempfindlich gewordenen Manne zu Huͤlfe zu kommen. Hoͤren ſie nicht auf vor ihn zu beten, ſo wie ich ietzo thue, und mein Ende damit beſchlieſſe[n]werde. Jch hoffe ihm dadurch Gele - genheit zu geben, eine andere Ver - bindung zu treffen, von welcher ich herzlich wuͤnſche, daß ſie ihm zu vie - len Vortheilen und zum wahren Wohlgerei -105gereichen moͤge. Gruͤſſen ſie ihm tau - ſendmal, und meine geliebteſte Freun - din, ihre Frau. Jch empfehle mich ebenmaͤßig ihrem Andenken und ferneren Fuͤrbitte. Der HErr ver - gelte es ihnen in Gnaden und Se - gen ꝛc. ꝛc.

Es iſt nunmehro zu ſpaͤt ihrem Verlangen ein Genuͤge zu thun, und ihr ein gleich ver - ſoͤhnliches Herz zu entdecken. Jhnen ſelbſt mag es am beſten bekant ſeyn, wie vielen Theil ſie an einer ſo ungluͤcklichen und aͤrger - lichen Trennung haben; es ſind geſchehene, und folglich Dinge, die nicht koͤnnen geaͤndert werden. Jhre Entſchlieſſung kann ich uͤber - haupt nicht mißbilligen, warum aber wollen der Herr Amtmann nicht eine Perſon heura - then, die ihnen an Stand und Alter aͤhnlicher iſt, und davon ſie mehr Ehre haben. Es wird ihnen ia nicht daran fehlen.

Haferſtroh.

Jch habe es einmal erfahren, wie ungluͤcklich man ſeyn kann, ietzo weiß ich mich beſſer zu huͤten, ich kenne zuvor gedachte Per - ſon, ſie iſt mir getreu, ſie iſt mir iung und vor - nehm genug.

Tugendhold.

Es iſt aber ja ein groſſer Un - terſcheid, eine Perſon als eine Haushalterin,G 5oder106oder aber als eine Frau zu lieben: mich duͤnket ſie ſetzen ſich dabei einer weit groͤſſeren Gefahr aus, als in welcher ſie geſtanden ſind. Was wird ihre Freundſchaft dabei gedenken? ich wolte ihnen wohl nach einer wahren Aufrich - tigkeit rathen, dieſe ſo wichtige und ihnen haupt - ſaͤchlich angehende Sache mit anderen zu uͤber - legen, von welchen ſie glauben, daß ſie unpar - theiiſch ſind, und nur alleine auf ihr wahres Wohl ſehen.

Haferſtroh.

Ach was habe ich vor Freunde, was koͤnnen mir die in einer Sache rathen, die mir alleine gar zu wohl bekant iſt, und wozu ich mich wohlbedaͤchtlich entſchloſſen habe. Jch hoffe zugleich damit der uͤblen Nachrede abzuhelfen, der ich bishero bin unterworfen geweſen. Kurz ich will ſie heurathen.

Treulieb.

Wenn es denn bereits ſo veſte beſchloſſen iſt, ſo wuͤnſche ich aufrichtig, daß dieſe neue Verbindung mag dauerhafter ſeyn, und auf beiden Seiten vergnuͤgter ausſchlagen.

Tugendhold.

Jch ſetze dieſem Wunſch den Meinigen hinzu.

Haferſtroh.

Jch bedanke mich; und da ich mich bald moͤglichſt in Ruhe und Zufrie - denheit zu verſetzen wuͤnſche, werde ich eben nicht gar langen Anſtand damit nehmen. Es wird zwar auch dabei nicht an Nachrede und uͤbel - geſinneter Auslegung fehlen, doch aber werde ich mich wenig daran kehren.

Das[107]

Das Nachſpiel. Auszug der Commiſſion.

Erſter Auftrit.

Commiſſarii. von Kohlſtengel.
Commiſſarii.

Es muß ihm bereits vollkom - men wiſſend und bekant ſeyn, wie koͤ - nigliche Regierung ſich endlich dazu hat genoͤ - thiget geſehen, uͤber die von ihm gegen ſeinen zeitigen Prediger angebrachte Klage, eine ei - gene Commiſſion gnaͤdigſt zu ernennen und nie - derzuſetzen. Die Sachen ſind ſo verworren, und haben ſich ſo ſehr geaͤndert, daß man Ur - ſache hat ſich zu wundern. Derienigen Anlei - tung zu folge, womit wir verſehen ſind, haben wir ſonderlich folgende Stuͤcke von ihm zu vernehmen. Als: Warum er ſich auf eine ſo unbillige und unerhoͤrte Art unterſtanden hat, ſeinen zeitigen Pre -diger108diger mit ſo harten und ungegruͤndeten Beſchuldigungen anzugehen?

v. Kohlſtengel.

Hochwohlgeborne, Hoch - Edelgeborne, Hochgelahrte Herren Commiſſa - rii, ſie wuͤrden ſich eben nicht hieruͤber ver - wundern koͤnnen, wenn es ihnen ſo vollkom - men bekant als mir waͤre, wie manchen Ver - druß mir dieſer Mann, in eigenen haͤuslichen Sa - chen, gemachet und verurſachet hat. Jch habe dahero durch dieſes Mittel geſuchet, mich da - von fernerhin zu befreyen, und fernerer Un - ordnung Einhalt zu thun.

Commiſſarii.

Er geſtehet dahero ſelbſt, daß die ganze Beſchuldigung und gemachte Ankla - ge bloß ein erdichtetes und ungegruͤndetes Vor - geben ſey?

v. Kohlſtengel.

Jch kann es ihnen nicht leugnen, und bitte nur dieſer verdrießlichen Sache ein baldiges, und meiner Ehre und Rechten nicht gar zu nachtheiliges Ende zu machen.

Commiſſarii.

Wir haben des ferneren zu vernehmen: Wohin das von ſeiner Haus - halterin geborne und auf ihn bekante Kind gekommen ſey, und wir ſollenuns109uns davon ſichere und hinlaͤngliche Zeug - niſſe geben und aufweiſen laſſen.

v. Kohlſtengel.

Es iſt hier einem ieden be - kant, wie es in einem benachbarten Dorfe ei - ner Frauen an die Bruſt iſt gegeben worden. Der Prediger weiß es auch.

Commiſſarii.

Wir ſollen ihn weiter befragen: Was es vor Leute geweſen, die er zu einem ſo ſchaͤndlichen Handel erkaufet hat, und ob ſie alle ſeßhafte Ein - wohner, oder, wie bishero iſt vorge - geben worden, wuͤrkliche Landſtrei - cher ſind?

v. Kohlſtengel.

Einige ſind hier freilich an - geſeſſene Einwohner, die Hauptperſonen aber, die ſich zu dieſer leichtſinnigen Beſchuldigung, und deren Ausbreitung, gebrauchen lieſſen, ſind nirgend zu Hauſe. Sie haben ſich bald aus dem Staube gemachet, nachdem ſie ſelbſt den Ungrund ihres Vorgebens ungeſcheuet ge - ſtanden haben.

Commiſſarii.

Wir ſind weiter belaͤſtiget, uns die Urkunden ſeines Iuris patronatus die - ſer Pfarre einhaͤndigen und uͤberliefern zu laſſen.

v. Kohl -110
v. Kohlſtengel.

Meine Herren, ich werde ia nimmer deſſelben verluſtig werden? und bit - te ich ſehr mich doch dabei zu erhalten. Die Abſchriften ſollen ihnen davon ſo fort zugeſtellet werden. Wie gehet es aber zu, daß mein Ge - gner nicht vorgefordert wird?

Commiſſarii.

Wir ſind nicht dahin ange - wieſen, und er mag eben dieſes als ein ſicheres Zeichen ſeiner bereits erkanten Unſchuld anſe - hen. Er aber wird das Mehreſte dabei einbuͤſ - ſen, ſo gehet es, wenn man goͤttliche und weltliche Geſetze und alle Billigkeit aus den Augen ſetzet.

v. Kohlſtengel.

Ach meine Herren, ſo wie mich dieſe unbeſonnene und ſchon oft bereuete Thorheit um Ehre und Achtung bringet; ſo wird ſie mir noch gar das Leben rauben, wo man ſolcher nicht bald ein Ende machet?

Commiſſarii.

Endlich muͤſſen wir ihm auch deſſen bedeuten, daß er ſich fernerhin bei An - fuͤhrung des Namens ſeines Predigers, nicht des Wortes Ehren zu bedienen hat, ſondern ihm Herr nennen ſoll. Erſteres kommt nur al - leine einem ganzen anſehnlichen Collegio und Su - perioribus, ſenſu ſtrictiori, zu.

v. Kohlſtengel.

Die ordentlichen HerrenKirchen -111Kirchen-Commiſſarii aber pflegen ſich doch zu - weilen deſſelben zu bedienen, wie ich vielfaͤltig bemerket habe.

Commiſſarii.

Sie haben vor ſich kein Recht dazu, und es wird ihnen auch ſonſt nicht zu - geſtanden, als wenn ſie Superiorum & Con - ſiſtorii nomine ſchreiben; wiewohl ſich auch vernuͤnftige und vorſichtige Maͤnner deſſen zu enthalten wiſſen, und niemanden das verſagen, was ihm zukommen kann, vielmehr vermei - den, was irgend eine Gelegenheit des Verſtoſ - ſes geben mag. Sie muͤſſen ſich auch beide vereiniget und unterſchrieben haben, alsdenn man es einigermaſſen als eine vel quaſi re - praeſentationem principis anſehen koͤnte, doch waͤre auch dieſes weit hergeholet. Jhm ha - ben wir obiges vorzuhalten nicht ermangeln ſollen.

v. Kohlſtengel.

Meine Herren wollen denn die Guͤte fuͤr mich uͤbrig haben, und da - hin ſehen, daß meine Rechte und Ehre nicht zu viel leiden.

Commiſſarii.

Die Sache wird nicht auf uns beruhen, ihm wird dasienige wiederfahren, was unſeren Rechten, was uͤberhaupt der Bil - ligkeit und der Ehre unſerer Gerichte gemaͤs und zutraͤglich iſt.

Zwei -112

Zweiter Auftrit.

Commiſſarii. Haferſtroh.
Commiſſarii.

Herr Amtmann, haͤlt er den, des Ehebruchs beſchuldigten Kalbskopf, dieſer Sache unſchuldig?

Haferſtroh.

Jhro Hochwohlgebornen Gna - den und Hoch-Edelgebornen, meine hochgeneig - ten Goͤnner, werden die wahren Umſtaͤnde die - ſer Sache aus eingeſendeten Acten bereits er - ſehen haben.

Commiſſarii.

Daruͤber duͤrfen wir uns vor - ietzo nicht einlaſſen, ſondern wir bleiben bei dem, was uns iſt aufgetragen worden, er ſey ſo gut und gebe uns geziemende Antwort.

Haferſtroh.

So ganz unſchuldig kann ich ihn nunmehro wohl eben nicht halten, der ganze Handel iſt mir erſt neulich vollkommen bekant worden.

Commiſſarii.

So hat er ſich ſo wenig um die Wahrheit einer Sache bekuͤmmert, und ſie vertheidiget, ohne ſie recht inne zu haben? dies erwarteten wir nicht von ihm.

Haferſtroh.

Es iſt mir ja wenig Zeit dazugelaſſen113gelaſſen worden, man forderte einen Bericht nach dem andern: und wie konte ich in einer ſo kuͤtzlichen Sache ſofort alles einſehen.

Commiſſarii.

So haͤtte man ſeine Unſchuld nicht ſo hart vertheidigen ſollen, er weiß es, daß unſer allergnaͤdigſter Herr ſolche, ſo ſchaͤnd - liche als aͤrgerliche, Unordnungen nicht duldet, und daß man endlich noch wohl hinter die Wahr - heit kommen kann.

Haferſtroh.

Jch bin nach meiner Erkentniß dabei verfahren.

Commiſſarii.

Jſt es an dem, weſſen er von Beklagtem iſt beſchuldiget worden, daß er ihm ſo vieles hat abgenommen, unter dem Verſprechen ihn Schaden - und Straflos zu halten? Hat er es ihm angegeben, den zei - tigen Prediger, wo es moͤglich geweſen, zu gleichen Berichten zu vermoͤgen? Sollen wir Beſchuldigten mit ihm zugleich aufſtellen und vernehmen?

Haferſtroh.

Jch leugne es nicht, daß er mir einige Vergeltungen meiner vielen Muͤhe ge - than hat. Mein Verſprechen gruͤndet ſich darauf, daß ich ihm nicht ſo fort ſchuldig hiel - te. Mein Rath hatte dieſes zum Grunde undHdie114die Uebereinſtimmung unſerer Berichte zum Endzweck.

Commiſſarii.

Jſt er nicht vermoͤge ſeines ihm obliegenden Amts dazu verbunden, ſolte eine vermeinte Unſchuld ſo theuer erkaufet wer - den? und geziemet es ſich andere und ſeine Vorgeſetzten mit Unwahrheiten und Liſt zu hin - tergehen?

Haberſtroh.

Verzeihen ſie mir, ich habe hierin nach meiner damaligen Ueberzeugung gehandelt.

Commiſſarii

Wir ſind befehliget, ſeine in dieſem Jahre gefuͤhrte Rechnungen und Protocolle nachzuſehen.

Haferſtroh.

Jch habe ia bis dahin mei - nem allergnaͤdigſten Herrn getreu gedienet, und meiner Rechnungen wegen habe ich niemals Anſprache gehabt. Sie ſind noch nicht zuſam - mengezogen, und mein Protocullbuch iſt unleſer - lich geſchrieben, indeß ſcheue ich mich nicht ihnen beides zu zeigen.

Commiſſarii.

Wir muͤſſen beides ſehen.

Haferſtroh.

Meine Feinde werden mich noch endlich dahin bringen, um eine gnaͤdige Erlaſſung anzuhalten.

Com -115
Commiſſarii.

Mein guter Mann: rede er dieſes nicht zu dreiſte, wir bitten ihm wohl - meinentlich ſich eines beſſeren zu beſinnen, und ſich nicht zu uͤbereilen. Man wird ſich gewiß nicht lange bedenken, denn man findet allenthalben Leute, die dieſes leiſten koͤnnen. Die unanſtaͤn - digen Haͤndel mit ſeiner, als einer tugendhaften bekanten Frauen, und die unbeſonnene Ver - laſſung derſelben, haben ihm gewiß wenig Eh - re und Glauben verurſachet.

Haferſtroh.

Die Sachen ſind geſchehen, und ihre Urſachen mir am beſten bekant.

Commiſſarii.

Aber Herr Amtmann, war - um wollte er denn dieſe Schande nicht mit einer anſtaͤndigeren Verheurathung ausloͤſchen, und wie hat er ſeines Standes ſo gar vergeſſen koͤn - nen? Hoͤret man ietzo wohl etwas beſſeres von ihm?

Haferſtroh.

Jch kann auch hievon nichts anders ſagen, als daß es geſchehene Dinge ſind. Jndeß haͤtte es nimmer geglaubet, daß man mir ſolches ſo ſehr verargen werde, oder koͤnne?

Commiſſarii.

Wir haben ihm noch dieſes zu erinnern, dem oͤffentlichen Gottesdienſte fleiſ - ſiger beizuwohnen; anderen kein ſo groſſes Aer -H 2gerniß116gerniß zu geben, die iura parochialia unange - ſochten zu laſſen, deren Kraͤnkung und Schmaͤ - lerung bishero ſo ſehr eingeriſſen iſt, und wo - mit man ſich faͤlſchlich ſchmeichelt beliebt zu ma - chen. Wir verſichern ihm, daß ſolches durchaus nicht dem Sinne unſeres allergnaͤdigſten Herrn gemaͤs iſt; und den erſten Verdacht, heim - licher Unordnungen erwecket. Und endlich muͤſ - ſen wir ihm dieſes zur Nachricht ſagen, mit mehrerem Glimpf, Klugheit und Anſtaͤndigkeit ſeines Amts zu warten.

Haferſtroh.
(Buͤcket ſich, und ſpricht fuͤr ſich)

Jch will mich den Kuckuck ſo ſcheren laſſen, ich will meine Erlaſſung haben. Das wer - den ſie nicht vermuthen, ſie ſollen es ſehen.

Aus -117

Auszug des Reſcripti, nach gehaltener Commiſſion an den von Kohlſtengel.

Demnach wir endlich in Sachen eu - rer, des von Kohlſtengels, und des Predigers Ehren N. hinlaͤnglich ſind unterrichtet worden, und euer ſchuldiges und wiederrechtliches Ver - fahren, des mehreren erſehen, begrif - fen und erkennet haben; als ſehen wir uns nach goͤttlichen und weltlichen Ge - ſetzen verbunden, folgendes uͤber euch, von Kohlſtengel, darinnen zu erken - nen.

  • 1) Weil ihr euch ſo gar nicht entbloͤ - det habet, ein hohes Collegium mit Unwahrheiten und Erdichtungen zu hintergehen, und eure gottesver - geſſenen Abſichten durch Liſt zu errei - chen, die unerlaubteſten Kunſtgriffe gebrauchet habet, die Unſchuld zu un -H 3ter -118terdruͤcken, und unerhoͤrte Erdichtun - gen fuͤr Wahrheiten zu verkaufen; ſo gebiethen wir euch innerhalb 14. taͤgiger Friſt, unſerem Fiſco 2000, wir ſagen, zweitauſend Reichstha - ler einzuliefern.
  • 2) Und da ihr eurem zeitigen Prediger Ehren N. ſeine Perſon, und ſonder - lich ſein Amt, auf die ſchaͤndlichſte und unbilligſte Art, ohne den geringſten Grund, zu Schande zu machen, und um Ehre und Guth zu bringen ſeyd bemuͤhet geweſen: ſo ſollet ihr nicht alleine bei naͤchſtkommendem Landge - richte ihm hinlaͤngliche Abbitte thun, ſondern auch ſeine Unſchuld auf alle Art und Weiſe bekant und offenbar machen, und da derſelbe es der Ret - tung ſeiner Ehre, und Unſchuld am zutraͤglichſten zu ſeyn vermeinet einige Zeit annoch bei euch und ſeiner Ge -meinde119meinde zu verbleiben, und zu ſolchem Ende eine ihm ſonſt zugedachte beſſere Verſorgung vors erſte verbethen hat; ſo warnen wir euch des ernſtlichen Willens, ihm ungeſtoͤhret ſeines Am - tes bis dahin abwarten zu laſſen.
  • 3) Jm uͤbrigen aber des mehreren zu erwarten, was unſeren Rechten zu Folge euch wird zuerkennet werden, ob nemlich das bishero von euch ſo uͤbel gehandhabte Ius patronatus euch des weiteren koͤnne gelaſſen, oder wie weit es muͤſſe eingeſchraͤnket wer - den.
H 4An120

An den geweſenen Amtmann Haferſtroh.

Auf euer eigenes und ausdruͤckliches un - terthaͤnigſt ergangenes Anſuchen, entlaſſen wir euch in Gnaden eures bis - herigen Amtes, und aller damit verbun - denen Obliegenheiten. Doch ſind fol - gende Stuͤcke annoch zuvor von euch zu befolgen:

  • 1) Eure bisherigen Rechnungen, Pro - tocolle, gemeine und beſondere Uhr - kunden, Nachrichten und andere Schriften, ſie moͤgen Namen haben wie ſie wollen, in ſoferne ſie nemlich zum Amte gehoͤren, unſeren bereits ernenneten Commiſſariis und Bevoll - maͤchtigten innerhalb 4. Wochen, ohne den geringſten Nachſtand, Liſt oder Betruͤglichkeit abzulegen, zu uͤberlie - fern und einzuhaͤndigen.
2) Hin -121
  • 2) Hinlaͤngliche und guͤltige Caution und Sicherheit zu ſtellen fuͤr alles, wofuͤr ihr noch mit Recht zur Ver - antwortung koͤnnet gezogen werden. Sonderlich aber wegen der annoch obwaltenden und bishero unausge - machten Klage und Forderungen, wo - mit ihr euch, von den Erben eurer ſeli - gen Frauen, belaͤſtiget ſehet. Wie wir euch denn hiemit wollen angewie - ſen haben, die annoch von ihr in Haͤn - den habende, und bishero vorenthal - tene Obligationen und Rechnungen, vorgedachter Commiſſion, anzuzei - gen und namhaft zu machen.
  • 3) Die ohne Urſache und alleine auf euer unbilliges Anſtiften in Sachen Hans Kalbskopfes, verwendeten und ange - wachſenen Unkoſten und Procesge - buͤhre, davon euch eine richtige Ab - ſchrift ſoll vorgeleget werden, ſamt al -H 5len122len euch beſonders zugefloſſenen Vor - theilen, ſie moͤgen Namen haben wie ſie wollen, ohne den geringſten Abzug, zum Beſten der damit zu Grunde gerichteten Guͤther, in guͤltiger Muͤnze zu erſetzen, und bei mehr - gemeldeter Commiſſion niederzu - legen.
  • 4) Und da ihr euch ohne dringende und erhebliche Urſachen, eurer Dien - ſte zu entledigen ſuchet, und es gar das Anſehen gewinnen will, uns dadurch in irgend eine Verlegenheit und Schaden zu ſetzen; als kann euch mit fernerer Begnadigung nicht gewillfahret werden. Wir hoffen im uͤbrigen zu euch, euer nicht ſo gar zu vergeſſen, noch dieienige Hoch - achtung gaͤnzlich aus der Acht und den Augen zu ſetzen, die unſerem Stande anklebet, und man uns ſchul -dig123dig iſt: wiedrigen falls man auch ſolche Mittel wird zu gebrauchen wiſſen, die ſtark genug ſind, einem ungegruͤndeten Eigenſinn und einer unanſtaͤndigen Verkleinerung, Ein - halt zu thun.

N. S. So eben laͤuft die betruͤbte Nach - richt ein, daß der Verfaſſer des Luſtſpieles, mein im Leben liebgeweſener Freund, an ei - nem kalten Fieber, geſtorben ſey. Jch hatte mir vorgenommen ſeinen zwar kurzen doch ruhmvollen Lebenswandel, zu ſeiner Zeit und am verſprochenen Orte, weitlaͤuftiger der Nach - welt mitzutheilen, ich habe aber meine Mei - nung durch dieſen unerwarteten Fall geaͤndert, und kann unferer Freundſchaft, wenigſtens ei - nen kurzen, und aus ſeinem Leben einfaͤltig ent - worffenen Auszug, nicht laͤnger verſagen. Er war geboren im Jahre 1712. zu Jacobsburg, und zeigete gleich bei erſterem Unterricht, keine gemeine Faͤhigkeit. Er erwieß ſolche ſonderlichin124in oͤffentlichen Schulen, deren er darum keine geringe Anzahl beſuchte, weil er ſehr begierig war von allen etwas zu lernen, und allent - halben dasienige hurtig begriff, was man ihm lehren konte. Und ſo muſte er auch dahero gar bald zu hoͤheren Dingen fortgehen; er be - ſuchete fruͤhzeitig die Academien. Hier widmete er ſich eifrigſt der Gottesgelarheit, unterließ aber auch nicht die Vernunftlehre noch einmal, wie - wohl nur im Vorbeigehen, zu hoͤren. Die uͤbri - gen Theile der Weltweisheit, hatte er laͤngſt auf dem Gymnaſio weg und inne bekommen. Nach Verflieſſung weniger Jahre, ward er alſo fertig, und kehrete mit einer wichtigen Gelehr - ſamkeit in ſein Vaterland zuruͤcke: denn er brachte alles ordentlich und genau zu Papier, und einen ſolchen Schatz mit, deſſen er ſich erſt ins kuͤnftige bedienen wollte. Er uͤbte ſich im Predigen, und das nicht ohne Beifall, ſon - derlich ſeiner Mutter und Schweſtern: und wuͤrde es gewiß gar weit darin gebracht ha - ben, wo es anders ſeine Geſundheit, ſonderlich die Engbruͤſtigkeit, Seitenſtiche, u. ſ. w. erlau - bet haͤtten. Man wolte ihm zwar den Rath geben, von neuem auf Academien zu gehen,und125und mit fortgeſetztem und mehrerem Fleiſſe der ſich gewidmeten Wiſſenſchaft obzuliegen: man ſuchte ihn gar zu uͤberreden, daß alle dieſe Hin - derniſſe ſodenn wuͤrden von ſelbſt wegfallen; allein mein Freund wuſte am beſten wo es ihn druͤckte und wehe that. Kurz, er ergab ſich von nun an der Rechtsgelarheit, und begriff auch dieſe, ſo wie erſtere, unerhoͤrt geſchwinde. Er wuͤrde bei nahe den Gradum angenommen haben, wenn er nicht, nach ruͤhmlicher Liebe zum Frieden, den Cathederzank iederzeit ver - mieden haͤtte. Nachdem er alſo mit einer neuen Wiſſenſchaft verſehen, zuruͤcke kam, ſchlichtete er manchen zwar nur geringen, doch weitlaͤuftig koͤnnen werdenden Handel. (ſo pflegte er ſich Canzelei - und Acten-maͤßig auszu - drucken) Unter ſo ruͤhmlichen Geſchaͤften hat er bishero ſein Leben zugebracht; doch dieſe waren ihm uͤberlegen und er iſt unter deren Laſt entſeelet. Von ſeinen Schriften kann ich dem G. L. noch keine ſichere Nachricht geben, ſie liegen annoch verborgen. Jndeß hat er ſich, mit Huͤlfe eines Freundes, durch das bekante Luſtſpiel, ein Werk, woran er zwey Jahre unermuͤdet gearbeitet hat, verewiget. Wir bedauren den Verluſt dieſes Mannes,weil126weil wir ſonderlich mit ihm die Hofnung, an - dere artige und kunſtvolle Luſtſpiele zu leſen, einbuͤſſen und aufgeben muͤſſen. Es moͤgte denn ſeyn, daß dieſer Philippiſche Geiſt auf ſeinem getreuen Mitarbeiter ruhe. Mir iſt es ſonder - lich ungelegen, daß mein Freund nicht hat laͤn - ger und beſſer zu leben gewuſt; wer wird mir fernerhin die Zeit vertreiben, und Gelegenheit geben meine Samlungen zu Markte zu bringen? Doch ich mißgoͤnne ihm ſeine Ruhe nicht, und lege meine geſpitzte Feder gerne ſo lange nie - der, bis ein anderer Briontes aufſtehet und hervor trit.

Die eingeſchlichenen Druckfehler wird man guͤtigſt entſchuldigen.

About this transcription

TextVerbesserungen und Zusätze des Lustspieles Die Geistlichen auf dem Lande in zweien Handlungen
Author N. N.
Extent133 images; 22117 tokens; 4433 types; 154732 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationVerbesserungen und Zusätze des Lustspieles Die Geistlichen auf dem Lande in zweien Handlungen samt dessen Nachspiel N. N.. . 126 S. s. e.Frankfurt (Main)Leipzig1744.

Identification

SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 P DRAM III, 1870:Sup

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Drama; Belletristik; Drama; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:33:35Z
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Holding LibrarySUB Göttingen
ShelfmarkSUB Göttingen, 8 P DRAM III, 1870:Sup
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