ein Prediger | auf dem Lande.
Predi - ger von einem andern Dorfe.
Liebhaber der Fraͤulein Wilhelmine.
ihr Bruder.
ihre Tochter.
ein philoſophiſcher Liebhaber des Fraͤuleins und ihr geweſener Lehrer.
Muffels Haushaͤlterin.
ſein Hausknecht.
eine alte Conrector - Wittwe, Herr Tempelſtolzens Liebſte.
Der Schauplatz iſt in Muffels Hauſe. Die Handlung iſt an einem Nachmittage vor der Kirchmeſſe.
Heute wirſt du wieder viel Holz anlegen muͤſſen, Cathringen, ſo - gleich wird das ganze Haus voll Fremde ſeyn, welche alle von dem morgen - den Kirchmeßbraten ſatt werden wollen.
Jch glaube, du Tagedieb ſaͤheſt es wohl recht gern, wenn heute Abend noch die ganze Welt her zu Gaſte kaͤme; denn nun kanſt du dich wieder mit dem Herrn beſau - fen. Aber, was ſind denn das fuͤr Frem - de, welche mir heut meine Kuͤche wieder un - rein machen wollen, die ich erſt vor einer halben Stunde aufgeputzt habe?
Jch habe eben nicht Luſt, dir die Frem - den zu nennen, weil du mich einen Tage - dieb geſcholten haſt. Aber ſtill! ich will ſie dir dennoch herrechnen, du wirſt dich dar - uͤber aͤrgern, und mich an dir raͤchen. Aus Birkenhayn koͤmmt die Frau von Birken -A 2hayn,4hayn, welche ihren Prediger, den Paſter Tempelſtolz, und ihre Tochter mitbringt. Aus Roſeneck aber koͤmmt der Hr. von Ro - ſeneck her, und bringt einen jungen Herrn mit, welcher der Frau von Bickenhayn Tochter zum Teufelskinde gemacht hat, wie mein Herr ſagt. Es ſoll ein Magiſter Philoſophi ſeyn, das iſt ſo viel geſagt, ein andrer Magiſter, als der Magiſter geweſen iſt, welcher der Kanzel gegen uͤber mit dem langen Barte abgemahlt ſteht.
Was geht mir dein Magiſterkram an? meinſt du nicht, daß ich was anders als deine Narrenspoſſen im Kopfe habe? Wann du nur heute Abend alle Haͤnde voll zu thun kriegteſt, ſo ſollte dir auch wol an - ders zu Muthe werden. Jch werde mich nicht ſo zum Bierkruge ſetzen koͤnnen, wie du.
Was geht dir mein Trinken an? unſre beyde Paſtoren werden es nicht beſſer ma - chen. Sie werden wohl den Prediger an die Wand henken, und ſich als ein paar lu - ſtige Banerkuechte recht Petermaͤßig be - trincken.
Es laͤßt aber auch recht andaͤchtig von unſerm Herrn, wenn er des Sonntaas die Schenke mit ſolcher Gewalt in die Hoͤlle jagt, daß man es faſt recht eigentlich pol - tern hoͤrt, und ſich doch in der Woche aͤr - ger betrinkt, als die Schenke am Sonn - tage gethan hat.
Je nun! das iſt nur eine menſchliche Schwachheit, wann er ſich volltrinkt. Des Sonntags aber darf er doch Schande hal - ber nicht eher zu reden aufhoͤren, als bis das Stundenglas ausgelaufen iſt; in einer Stunde laͤßt ſich ſchon vieles herſagen. Wo ſoll er aber endlich alles hernehmen? er muß es doch wohl zuletzt von einem Orte herholen, da muß denn freylich zuweilen auch die Schenke und die Hoͤlle dran.
Wann er aber oͤffentlich ſagt, die Saͤuffer kommen alle in die Hoͤlle, ſo ſollte er allzeit dabey ſagen: und euer Seelenſor - ger, meine Vielgeliebten, nemlich ich, ich, des Hrn. P. Muffels Ehrwuͤrden, muß auch hinein.
Das koͤnnte nicht ſchaden, wann er ſelbſt hinein kaͤme. Denn die Leute in der Hoͤlle werden doch wohl keine Heyden ſeyn, ſie werden vermuthlich des Sonntags ſo fleißig in die Kirche gehen, als wir, und folglich werden ſie in der Hoͤlle die Prediger eben ſo wohl noͤthig haben.
Nun! du haſt einen guten Glauben von der Hoͤlle.
Der Henker mag auch wiſſen, was es fuͤr. ein Loch iſt. Jch ſelbſt bin, ſo lang ich lebe, noch nicht drein geweſen, und ob un - ſer Herr gleich alle Tage von der Hoͤlle redt, ſo ſagt er doch niemals, was es fuͤr ein Ding ſeyn ſoll.
Er weiß es vielleicht ſo wenig, als ich und du.
Das waͤre auch unverſchaͤmt gelogen. Er wird doch nicht von Dingen reden, wo - von er ſelbſt nichts weiß. Er ſagt doch mehr, als einmahl, daß eine Hoͤlle in der Welt iſt, und wann er ſie niemals geſehen haͤtte, ſo waͤre er ein rechter Betruͤger. Jch wuͤrde mich zu Tode ſchaͤmen, wann ich oͤffentlich auftreten und ſagen ſolte: Meine Vielgeliebten, in Utopia liegt ein Land, das heiſſet Schlaraffenland, da kom - men einem die gebratne Tauben mit Meſ - ſern und Gabeln ins Maul geflogen. Wie Teuſel kan ich das ſagen? ich bin ſo weit nicht gereiſet, und mein Vater Andreas, der mir es im Spaße erzehlte, iſt auch nicht weiter, als aus unſerm Dorfe bis nach B*** geweſen.
Wie wollten aber die Prieſter in die Hoͤlle kommen? ſie muͤſten denn alle zwey - mahl ſterben?
Wer weiß, was ſie ſich nicht alles auf der Univerſitaͤt verſuchen muͤſſen? ſie moͤ - gen auch wohl darauf ſterben, und Hoͤllen - fahrten halten.
So wuͤrde unſer Herr gewiß mehr von der Hoͤlle zu erzaͤhlen wiſſen.
Er ſagt freylich nicht mehr davon, als daß Pech und Schwefel darinn brennt, und daß die Teufel ſchwarz ausſehn, und Pfer - defuͤſſe haben; aber mich duͤnkt die HerrenGeiſt -7Geiſtlichen ſind liſtige Creaturen. Das beſte behalten ſie fuͤr ſich, und woran nicht viel gelegen iſt, das ſagen ſie den Bauern. Sie moͤgen wohl gar Geheimniſſe haben.
Geheimniſſe? ha! ha! ha! dazu hat unſer Herr wenigſtens keinen Gelaß mehr. Denn in ſeinem Gehirne hat er mehr Schnupftoback als Verſtand. Die auf - ſteigende Duͤnſte von dem vielen Doppel - biere, und der Rauch vom Toback, haben ihm auch viel Platz weggenommen, und endlich verſtopft der Sand und Staub, den er einſchluckt, wenn er hinter dem Pfluge bergeht, alle uͤbrigen Zugaͤnge, durch welche noch was kluges hinein koͤnnte.
O mein gutes Cathringen! ich bin ge - ſcheuter als du. Du haſt den Mantel und den Kragen vergeſſen. Jch ſage dir es im Vertrauen: alle Klugheit, alle Predigten, ſchuͤttelt er aus dem ſchwarzen Kittel. Be - denke nur, wie wunderlich es mir neulich damit gegangen iſt. Wann ich des Abends unſre Pferde zu Hauſe hole, ſo muß ich doch uͤber den Kirchhof reiten?
Das weiß ich.
Vergangnen Dienſtag fuͤhrte mich der Henker in der Schenke zu den Carten. Jch verſpaͤtete mich, und muſte meine Pferde in finſtrer Nacht nach Hauſe holen. Jch hatte freylich wohl etwas getrunken, aber ich war doch nicht voll. Jch gieng nachA 4dem8dem Kirchhof zu, aber mich grauete ſo ſehr, daß ich wieder umkehren muſte.
Du furchtſamer Haſe!
Ja, da war bey mir kein Lachen. Zum Gluͤcke war ich ſo liſtig, daß ich heimlich unſers Herrn Mantel und Kragen aus der Stube nahm, denn er ſchlief eben einen Rauſch aus. Was meinſt du nun? als ich den Mantel umgeſchmiſſen hatte, ward ich auf einmal ſo dreiſte, daß ich mich auch vor tauſend Teufeln auf dem Kirchhofe nicht gefuͤrchtet haͤtte. Ja, es war nicht anders, als wenn ich fuͤr lauter Weißheit haͤtte berſten ſollen. Jch wollte gar zu gern meine Waaren an den Mann brin - gen, aber ich hatte keine Zuhoͤrer. Zum guten Gluͤcke kam ich, ehe ich noch geborſten war, auf die Wieſe zu den Pferden. Jch kan dir nicht ſagen, Cathrine, was ich fuͤr hohe Sachen mit unſerm ſchwarzen Heng - ſte geſprochen habe. Er hoͤrte recht andaͤch - tig zu, und mir floß alles ſo geſchwinde zu, daß ich ſelbſt nicht wuſte, wo alles herkam, Ja, das dauerte von der Wieſe bis in den Stall. Sobald ich aber den Mantel und den Kragen abgelegt hatte, ſo wuſte ich kein Wort mehr zu reden, und wurde ſo muͤde, daß ich mich den Augenblick zu Bette legen muſte. Gelt, die Weißheit und die Be - redſamkeit haben im Mantel geſteckt?
Ha! ha! ha! du wirſt wohl beydes ſchon aus der Schenke mitgebracht haben. Aber9Aber ſage mir, glaubſt du denn im Ernſte, daß die Prediger Geheimniſſe haben, welche ſie fuͤr ſich behalten?
Freylich glaub ichs, und ich glaub es darum, weil unter zehn Worten, die unſer Herr ſagt, ſehr oft neune ſind, aus welchen kein Menſch klug werden kan.
Du haſt Recht, Peter. Die mei - ſten Prediger wollen Geheimniſſe haben; in der That aber haben ſie nur ein einziges, welches darin beſtehet, daß ſie gar nichts wiſſen. Dies iſt ein Geheimniß, welches ſie fuͤr ſich behalten; denn zu andern Leuten ſa - gen ſie, daß ſie ſehr viel wiſſen, und dies ſu - chen ſie durch hohe und leere Worte wahr - ſcheinlich zu machen. Wir arme Leute, die wir unſern gantzen Verſtand dem Kuͤ - ſter zu danken haben, welcher ſich auch ſchon mit unter die Geheimnißvolle Dorfgeiſtlich - keit rechnet, wir muͤſſen ihnen wohl glau - ben. Doch kluͤgere Leute ſehen die Unwiſ - ſenheit und Tyranney unſerer Seelſorger beſſer ein.
Still! da kommt unſer Herr aus dem Garten: Wann er uns hier allein beyſam - men faͤnde, ſo ſolte er wohl gar meinen, daß wir ſchon Verloͤbniß hielten, und da wuͤrde er uns gewiß eine verdrießliche Pre - digt von der Keuſchheit halten.
Sich ſelbſt kan mein Herr zum Muſter der Keuſchheit gewiß nicht aufwerfen. Jch merke es ſchon ſeit einigen Tagen, die Welt werde in einer gewiſſen Zeit ein offenbares Zeugniß von mir bekommen, daß auch die Hrn. Geiſtlichen, und ſonderlich mein Herr Paſtor, Muffel, die aufſteigende Begier - den des alten Adams nicht allein empfinden, ſondern bey Gelegenheit auch wol ſaͤttigen. Jch bekomme einen rechten Abſcheu vor meinem Herrn, wenn ich an die Art und Weiſe gedenke, wie geiſtlich er mich ‒ ‒ ‒ ‒
‒ ‒ ‒ betro - gen hat.
Warum ſend ihr nicht in der Kuͤche bey eurem Berufe, Cathrine? ‒ ‒
Jch habe hier auf Sie gewartet, Herr Paſtor!
Muͤßiggang macht ſaule, unnuͤtze Baͤuche.
Davon iſt mir mein Fett nicht ge - wachſen.
Wenn uns der Satan auſſer dem Be - ruf antrift, ſo hat er noch einmal ſo viel Macht uͤber unſre Seelen, als ſonſten.
So ſind ſie auch wohl nicht in ih - rem Berufe geweſen, als ſie mich ‒ ‒ ‒
Unſre muͤßige Augen verfuͤhret er als - denn, daß ſie nach fremden Greueln ſehen.
Haben ſie auch damals fremde Greuel geſehen, Herr Paſtor, als ſie ‒ ‒ ‒
Unſre Ohren oͤfnet er den Lockungen der Unzucht und der Buhler.
So hat mir der Satan damals die Ohren geoͤfnet, als ſie in meiner Kam - mer ‒ ‒ ‒
Der Satan will euch ‒ ‒ doch davon wollen wir ein andermal weiter ſprechen. Jch habe eben jetzo Salat im Garten ge - ſchnitten. Jhr wißt, daß ich ihn allemal ſelbſt ſchneide, damit ich keinen mit einem unrechten Verdachte beleidigen darf, wann etwa einmal etwas davon geſtolen wuͤrde. Geht in die Kuͤche, verleſet ihn ſauber, und macht ihn huͤoſch ſauer und fett, und be - flecket euer Gewiſſen nicht mit einem Ge - richte fuͤr euch und Petern.
Das Baumoͤl moͤchte mir wohl ei - nen Fleck in die Schuͤrze bringen, aber ins Gewiſſen glaub ich ſchwerlich.
Glaubt, daß euch die geſtohlne Biſſen nicht gedeien.
Und er iſt doch ſelbſt ſo fett davon geworden.
Hoͤ - ren ſie mich doch auf ein Wort, Herr Paſtor.
Nun, was habt ihr denn? haltet mich nicht lange auf; die Fremden ſind unter Wegens, ich muß noch auf den Bewill - kommungsgruß ſtudiren, denn er muß geiſt - lich ſeyn.
Denken ſie nicht mehr an die Abend - betſtunden, die ſie eine Woche lang mit mir gehalten haben? und ſonderlich an die lezte darunter?
O ja mein Kind! wir wollen auch eh - ſtens damit fortfahren.
Die lezte Betſtunde muß dem Maͤdgen doch wohl gefallen haben.
Bleiben ſie doch noch! wiſſen ſie nicht mehr, was unter uns vorgegangen iſt, als ſie hinuntergehen wollten, und an mein Bette kamen?
Hum! iſt mir vielleicht eine ſonderbare geiſtliche Betrachtung da - bey eingefallen? ‒ ‒
O nein! ‒ ‒
Und wollt ihr dieſelbe gern in Uebung bringen?
Ach nein! ſie haben mir ‒ ‒ ‒
Einen geiſtlichen Kraft - und Denk - ſpruch mit zu Bette gegeben?
Nein ſag ich, ſie haben ſich auf dem - ſelben niedergeſetzt. ‒ ‒
Und ‒ ‒?
Und mich zu ſich gerufen.
Und ‒ ‒?
Und wann ſie ſonſt nichts mehr von der ganzen Hiſtorie wiſſen wollen, ſo wer - den ſie doch noch wiſſen, daß ſie wieder da - von aufgeſtanden ſind, und daß ſie ganz an - ders wieder aufgeſtanden ſind, als ſie ſich hingeſetzt haben, und daß ſie mich ‒ ‒ ‒
Cathrine!
Jn einem ganz andern Zuſtande ge - laſſen haben, als ſie mich auf meiner Kam - mer vor der Betſtunde angetroffen hatten.
Cathrine! arme Cathrine! der Satan hat euch ſchrecklich verblendet. Da wer - det ihr euch mit unreinen Gedancken zu Bet - te gelegt haben, da hat euch denn der Sa - tan einen boͤſen Tranm eingegeben, und weil er uns Geiſtlichen, als ſeinen groͤſten Feinden, allen erſinnlichen Schimpf und Tort anzuthun ſucht, ſo hat er mich zu dieſer Unzucht als ein unſchuldiges Werk - zeug gebrauchen wollen, und mich euch deswegen im Traume ſo natuͤrlich vorge - ſtellt, daß ihr alles empfunden habt, was ihr haͤttet empfinden muͤſſen, wann ich in leibhaftiger Geſtalt bey euch geweſen waͤre.
Das muß ſie wohl glauben.
Das war eine rechte Poſtillenmaͤßi - ge Auslegung meines Tertes, Herr Paſtor. Nach meiner Art zu denken ſind ſo wohl die Verblendung als der Traum ein bloſ - ſes Nichts; wie hat nun daraus ein gewiſ -ſes14ſes Etwas werden koͤnnen, welches ihnen vielleicht ganz aͤhnlich ſehen wird.
Was? zum Henker Cathrine, wie habt ihr euch ſo uͤbel vorgeſehn, daß ein Etwas draus geworden iſt? So ſtark kan doch auch keine Verblendung werden. Hum! hum! ‒ ‒ Jch muß doch auch wohl dabey geweſen ſeyn.
Das muß ich am beſten wiſſen.
Es iſt doch mit allem dem ein vertrack - ter Streich! ich hab es eben ſo boͤſe nicht gemeinet. Denn das werdet ihr doch wohl meinem Amte zutrauen, daß ich es nicht werde aus unheiligen Abſichten gethan ha - ben. Jch that es nur blos, meinem Flei - ſche wehe zu thun, damit ich nicht in groͤßre Suͤnden geſtuͤrzet wuͤrde. Aber der Teu - fel hat alle meine gute Abſichten verkehret, und hat euch dadurch zu Falle kommen laſſen.
Ja, ja, der Teufel hat alles gethan. Ee muͤſte nicht die geringſte Erkenntlichkeit beſitzen, wann er den Geiſtlichen ſo feind waͤre, Denn, glauben Sie mir, man wuͤr - de ſeiner gar nicht auf Erden gedenken, man wuͤrde ſeinen Nahmen kaum wiſſen, denn man wuͤrde ſich dazu die Muͤhe nicht neh - men, er wuͤrde nicht die Ehre haben, an ſo vielem Ungluͤcke und an ſo vielen Bos - heiten ſchuld zu ſeyn, wann ſich die Geiſt - lichen nicht recht darauf uͤbten, ihn ihren Gemeinden bey aller Gelegenheit abzumah -len,15len, und wann ſie ihn nicht zu einem maͤch - tigen Tyrannen der Menſchen, und zu ei - nem Leibpaͤchter aller Bosheiten machten. Der Teufel iſt bey den Geiſtlichen ein rech - ter Eulenſpiegel. Wann unſre Knechte ſechs Pfennige in der Carte verliehren, ſo iſt er gewiß dabey geweſen, und hat dem Ver - ſpieler zu dem Verluſte verholfen.
Ums Himmels willen, Cathrine, wer hat eure arme Seele mit ſolcher Vernunfts - ſeuche angeſteckt.
Jch kan es der Frau von Birken - hayn Tochter nicht genug verdanken, daß ſie mich, als ich vor einigen Jahren bey ihrer Frau Mama diente, ein wenig klug aemacht hat.
Ein Teufelskind hat ſie aus euch ge - macht. Jhr gute Cathrine! ach eure blin - de, unſchuldige Seele! die jammert mich. Doch wir haben jetzt etwas wichtigers zu bedenken, ſagt mir nur, wie wir mit Eh - ren aus unſerm Handel kommen?
Ja Herr, ich weiß keinen andern Rath, als daß wir je eher, je lieber, Hoch - zeit mit einander machen.
Nein, Cathrine, nein, ihr wuͤrdet euch nicht in den geiſtlichen Stand ſchicken.
Mir duͤnkt, die Frau Paſtorin ſollte mich ſo gut kleiden, als ſie der Herr Paſtor. Ueberdem werden die Prieſterfrauen doch wohl nicht auch auf die Univerſitaͤt ziehenmuͤſſen.16muͤſſen. Oder bringen die Prediger ihre Frauen von der Univerſitaͤt herunter?
Die Bauern wuͤrden nicht die gehoͤrige Ehrerbietigkeit vor euch haben, die ſie vor einer Prieſterfrau haben muͤſſen. Hoͤrt, Cathrine! ich will euch eures gleichen zum Maune geben, ich will euch die Hochzeit ausrichten, und noch dazu 100. Rthlr. zum Brautſchatze ſchenken. Seyd ihr da - mit nicht zufrieden?
O ja, das iſt mir zehnmal lieber, als Sie, und ihr geiſtlicher Stand. Denn haben ſie mir erſt den Korb gegeben, ſo geb ich ihn Jhnen hiermit wieder. Wenn Sie aber ja jemanden dies Gluͤck goͤnnen wollen, ſo muß es Peter ſeyn. Denn wir haben uns ſchon ſeit einiger Zeit her gegen einander ſo angeſtellet, als wann wir mit der Zeit ein Brautpaar werden wollten.
Da kommt er eben gelaufen, was muß er wollen?
Herr, die Birkenhayniſche und Roſen - eckſche Fremden ſind eben jetzo in zweyen Kutſchen angekommen, und warten auf ihre Bewillkommung.
Der Henker, nun hab ich noch nicht drauf ſtudiret, wie ich ſie bewillkomenmuß.17muß. Ja ich muß ihnen nur entgegen ge - hen.
Herr Paſtor reden ſie doch erſt mit Petern wegen der Sache, die ſie wohl wiſſen, er moͤchte mir nicht glauben.
Ja, Peter, ich habe euch was zu ſa - gen, was nothwendiger iſt, als aller Frem - den Bewillkommung. Hoͤrt, Peter, ‒ ‒ Ja ‒ ‒ Jch muß Morgen um 8. Uhr auf die Canzel, weckt mich ja um 7. Uhr auf, daß ich noch auf die Kirchmeßpredigt ſtudi - ren kan.
Sie laſſen ſich ja ſonſt immer von Ca - thrinen wecken, Herr Paſtor.
Sie haben ja Petern was ganz an - ders zu ſagen, Herr Paſtor.
Es iſt wahr. Ja, Peter, hoͤrt ‒ ‒ Wann mich heut Abend der Satan ver - fuͤhren ſolte, ein Glas zu viel zu trinken, ſo zupft mich nur heimlich am Ermel.
Das werd ich wohl bleiben laſſen, er mag trinken, ſo trink ich mit.
O Herr Muffel, das war ja noch nicht recht, ſagen ſies doch nur heraus, Peter nimmt ihnen ja nichts uͤbel.
Ja hoͤrt nur mein lieber Peter ‒ ‒
Nun wirds kommen, er ſagt ſchon lieber Peter.
Nun, ſo laſt mich ja Morgen die Pre - digt nicht verſchlafen, und ſtoſſet mich am Ermel ‒ ‒
Da kommt ja nichts heraus, Herr Paſtor. Sie duͤrfen ja eben nicht die Um - ſtaͤnde nach der Reihe erzaͤhlen, die dabey vorgegangen ſind, denn das waͤre freylich eine Suͤnde, ob es gleich die That ſelbſt nicht geweſen iſt.
So muß ich denn wohl mit der Sprache heraus. Hoͤrt mir die - ſesmal wohl zu, Peter. Jch habe Cathri - nen ‒ ‒ ‒ doch, das braucht ihr nicht zu wiſſen, es iſt eine Zote. Hoͤrt, ihr ſolt heute Abend mit Cathrinen Verloͤbnis ma - chen. Zu der Hochzeit will ich alle Koſten reichlich herſchieſſen, und Cathrinen 100. Rthlr. zum Brautſchatze geben. Gebt ihr nur gleich die Hand auf mein Wort.
Es waͤre ſuͤndlich, ein ſolches wichtiges Werk, als der Ehſtand iſt, ohne Bedacht vorzunehmen. Jch will erſt ſingen und beten.
Recht Peter, ſingt und betet erſt, aber macht es nicht zu lange.
Jch ſoll Cathrinen noch heute Abend die Ehe verſprechen? eine freye Hoch -zeit?19zeit? 100 Rthlr? das iſt ganz gut. Aber: Jch habe Cathrinen, ‒ ‒ es iſt eine Zote, Jch will ein Schelm ſeyn, das iſt ein Pa - ſtorſtuͤckgen, da ſteckt was anders hinter; ich muß Cathrinen ausfragen.
Nun, Peter, was fehlt dir? was murmelſt du bey dir ſelbſt? Verdrieſt es dich, daß du mich heyrathen ſolſt? oder haſt du dich auf ein Lied bedacht? Jch ſinge gewiß nicht mit, Peter, daß ſag ich dir.
Mein allerliebſtes Cathringen, ich bin vor Freuden auſſer mir. Dich, und 100 Rthlr. dazu? bin ich nicht gluͤcklich? Aber wie iſt denn unſer Herr auf einmahl ſo frey - gebig geworden? heut war ich ſein lieber Peter, ſonſt Flegel und Tagedieb.
Dazu hat er ſeine ganz beſondre Ur - ſachen, er muß wohl.
Du weißt doch wohl, was er fuͤr Urſa - chen dazu hat?
Jch weiß es ſo gut, als er ſelbſt.
So wirſt du ſie mir doch auch offen - bahren.
Warum nicht? aber du muſt war - ten, bis nach der Hochzeit.
Jch bin zu neugierig, ſo lange kan ich unmoͤglich warten.
Die Urſachen ſind aber nicht ſo an - genehm, daß ſie dich erfreuen werden.
Sie moͤgen ſeyn, wie ſie wollen: ich muß ſie wiſſen, Cathringen, oder ich ſterbe vor Ungedult.
Verlange ſie nicht zu wiſſen, ſie wer - den dich verdrieſſen.
Ey zum ‒ ‒ deſto eher muß ich ſie wiſſen.
Deſto weniger kan ich ſie dir aber ſagen.
Jch muͤſte ja ein rechter Pinſel ſeyn, wann ich nicht mit allem Ernſte darnach forſchte.
Und ich muͤſte allen Verſtand verloh - ren haben, wenn ich ſie dir ſagte.
Nun, ſo mag ich dich mit ſamt den Ur - ſachen, und den 100 Thalern nicht wiſſen.
Hertzallerliebſtes Petergen, ich will dir alles ſagen,
aber du muſt auch ja nicht boͤſe daruͤber werden.
Je nun! raſend werd ich doch wohl nicht daruͤber werden.
Du muſt mir auch nicht feind wer - den, Peter.
Nein! ich will gar nichts werden, mache nur einmahl ein Ende aus deinem ewigen Gewaͤſche.
Du wirſt doch noch wohl wiſſen, daß unſer Herr einmahl Abendbetſtunden mit mir auf meiner Kammer gehalten?
Ja, das weis ich.
Jn dieſen Betſtunden iſt er mir ſo gut geworden, daß er mich mit dir zuſam - menbringen, daß er uns eine freye Hochzeit geben, und mir 100 Thaler zum Braut - ſchatze ſchenken will. Aber, Peter, da iſt nun noch ein Umſtand dabey, ich bringenoch21noch etwas anders zu dir, daruͤber du dich wundern wirſt.
Was iſt denn das, Cathringen, kanſt du mir es nicht weiſen?
Nein, das kanſt du nicht eher, als erſt eine Zeit nach unſrer Hochzeit zu ſehen bekommen.
Ey! zum Henker! alles wilſt du mir erſt nach der Hochzeit ſagen, alles wilſt du mir erſt nach der Hochzeit zeigen. Jch will aber alles vor der Hochzeit wiſſen, ich will alles vor der Hochzeit ſehn.
Das kanſt du aber nicht, Peter! laß einmahl recht vernuͤnftig mit dir reden. Geſetzt unſer Herr ſchenkte dir heute noch einen groſſen Butterkuchen von dem fein - ſten Mehle?
Er ſolte bey mir nicht verſchimmeln.
Er haͤtte aber noch einen kleinen But - terkuchen, den du auf ſeine Geſundheit ver - zehren ſolteſt, und davon du ohnfehlbar ein ſtarkes Kopfweh bekaͤmeſt.
Den koͤnnte er fuͤr ſich behalten.
Geſetzt aber, daß du den groſſen ohne den kleinen auf keine Weiſe genieſſen koͤnnteſt?
So ließ ich ihm alle beyde.
Wann er dir aber 100 Rthlr. dabey in die Hand druͤckte.
Der Teufel hohle mich, ich aͤſſe Kuchen, und Kopfweh, und alles hinunter, von dem Kopfweh ſtirbt man ja nicht.
Verſtehſt du mich nun, Peter?
O ja. Jch ſoll heute zwey Kuchen eſſen, einen groſſen und einen kleinen; und wenn ich ſie gegeſſen habe, ſo ſoll ich 100 Thaler und das Kopfweh bekommen.
Einfaͤltiger Tropf! ich habe nur den Fall ſo geſetzt. Der groſſe Butterkuchen iſt ein ganz ander Ding. Der kleine But - terkuchen wird zwar auch wohl Kuchen eſſen lernen, aber ſein Lebestage nicht dazu wer - den. Das Kopfweh iſt auch eine andre Krankheit, aber nur der geſunden.
Hole dich der Henker mit deinem Fallſe - tzen; wenn die Butterkuchen keine rechte Butterkuchen ſind, ſo verſteh ich dich ganz und gar nicht.
Hoͤre, Peter, ich will dir das ganze Raͤtzel mit einem Worte aufloͤſen: wann du mich dann nicht verſtehſt, ſo muſt du warten bis nach unſrer Hochzeit. Jch, ich bin der groſſe Butterkuchen.
Puh! nach gerade werde ich dich verſte - hen lernen. Du biſt der groſſe Butterku - chen und kanſt ſchon Butterkuchen eſſen, und der kleine wird auch Kuchen eſſen ler - nen, und wann ich dich haben will, ſo muß ich den kleinen Butterkuchen auch nehmen. Ach hoͤre doch, Cathringen; hat nicht der Hr. Paſtor Muffel das Mehl zu dem klei - nen Butterkuchen hergegeben?
Recht, Peter, du kanft gut rathen.
Aber mit dem allen begreife ich doch noch nicht, was du mit dem Kopfweh ſa - gen wilſt.
Was werden die Maͤnner, wann ſie andrer Leute Kinder wiegen?
Alſo wird mich der kleine Butterkuchen zum Hahnrey machen?
Das machen die 100 Thaler aber wieder gut. Du kanſt noch wohl unver - ſchaͤmter fordern. Denn ſeine Ehre und ſein Amt zu retten muß er dir alles eingehen.
Aber mit allem dem, ſo iſt doch die ganze Hiſtorie von dem Herrn Paſtor Muffel, und von dem kleinen Butterkuchen, recht luſtig. Jch haͤtte wohl zuſehen moͤgen. Wie machte es denn der Herr Paſtor, als er dir ſeine Liebe antrug? ſah er denn auch ſo geiſtlich dabey aus, als wenn er aus der Sacriſtey auf die Canzel geht?
Freylich, er iſt in ſeiner ganzen Lie - beshiſtorie recht theologiſch verfahren. Ohn - gefehr vier Wochen zuvor, ehe ich ihn ge - nauer kennen lernte, kam er alle Tage zu mir in die Kuͤche, bald, wann ich kochte, bald, wann ich das Eſſen anrichtete, bald, wann ich das Zinn abwuſch, bald, wann ich Holtz klein machte, und zuweilen traf es ſich, daß ich eben Feuer anzuͤndete.
Und dann half er dir das Zinn abwaſchen, und das Holz ‒ ‒ ‒
Das laͤuft ja nicht in die Theologie, du Narr. Nach meinen beſondern ver -B 4ſchiede -24ſchiedenen Arbeiten hielt er mir verſchiedene Erbauungsſtunden. Wann ich eben Erb - ſen beym Feuer hatte, ſo verglich er die ganze Gemeine mit dem einzigen Topfe Erb - ſen, und beſchwerte ſich uͤber die Huͤlſen, welche ſie vor den Ohren haͤtten, weil die - ſelben ſeinen Vermahnungen und Drohun - gen alle Kraft und allen Zugang benaͤhmen. Traf er Schweinefleiſch in den Toͤpfen an, ſo ſeufzete er uͤber die Hartnaͤckigkeit des Juͤdiſchen Volkes. Ach! der Himmel er - barme ſich uͤber dich, du verſtocktes Volk, rief er aus; wann wirſt du einmahl an - fangen Schweinefleiſch zu eſſen? Wann ich Fiſche in der groſſen Schuͤſſel anrichtete, ſo machte er mir die uneinige Einigkeit der Kirche dabey begreiflich. Gleichwie ietzund der Kopf von dem Mittelſtuͤcke und das Mittelſtuͤck von dem Schwanze abgeſondert iſt, und doch alle drey einen Fiſch ausma - chen, eben ſo, ſagte er, iſt der Lehrſtand, der war der Kopf, von dem Wehrſtande, hier wieß er auf das Mittelſtuͤck, und der Wehrſtand von dem Naͤhrſtande, nemlich vom Schwanze abgeſondert, und doch ma - chen alle drey eine Kirche aus. Bey den letz - ten Worten ruͤhrte er mir aus blindem Eyfer alles in der Schuͤſſel unter einander, daß ich Muͤhe hatte, es wieder zuſammen zu finden. War ich bey dem Schauerfaſſe, ſo gab er mir die Ermahnung, daß ich nicht, wie die Phariſaͤer, das aͤuſſre nur rein hal -ten25ten ſollte. Bey dem Holzſpalten predigte er mir von der Zerknirſchung des Herzens, und bey dem Feuerzeuge von dem Feuer der geiſtlichen Liebe vor, wobey ich aber die andre Liebe allezeit aus ſeinen Augen leſen konnte.
Da koͤnnte man ja ein ganzes Buch von der theologiſchen und in Gott andaͤchtigen Koͤchin ſchreiben. Aber warum hat ihn denn der Henker mit ſeinen Predigten nur immer zu dir gefuͤhrt? zu mir iſt er weder in den Pferdeſtall, noch in den Holzſtall, noch auf den Hexelboden, noch auf den Heuboden gekommen, und ich daͤchte, da koͤnnte es ihm auch nicht an Materie und an Gelegenheit zu Erbauungen fehlen. Mir duͤnckt aber, er hat ganz etwas anders, als deine Bekehrung bey dir geſucht.
Du ſagſt die Wahrheit, Peter. Als er auf dieſe Weiſe nicht an mich kommen konnte, ſo verſuchte er es auf eine andere Art. An einem Montagabend, ich weiß mir noch alles ſo vorzuſtellen, als geſchaͤh es eben ietzo, ſaß ich eben auf meiner Lade, welche vor dem Gartenfenſterchen ſteht, und naͤhete mir ein neues Hemde. Jch naͤhete mit aller Macht, weil ich gern bald fertig ſeyn wollte, und war mir eher den Tod, als unſern Herrn vermuthen. Ehr ich michs verſah, hoͤrte ich Pantoffeln auf der Treppe ſcharren, aber ſo leiſe, als wenn es Geiſterpantoffeln geweſen waͤren.
Nun komm ich mein Lebestage nicht wieder auf deine Kammer, das wird gewiß der Magi - ſter geweſen ſeyn mit dem langen Barte. Jn den Pfarrhaͤuſern geht es doch niemals richtig zu.
Du darfſt dir ja nur den Mantel umhaͤngen, ſo grauet dich nicht.
Spotte nur nicht. Was wurde denn aus den Geiſterpantoffeln endlich?
Weil ich ſonſt nichts hoͤrte, ſo naͤ - hete ich weiter fort. Aber kaum eine Mi - nute drauf, hoͤrte ich in der Naͤhe was raſſeln. Jch ſah mich darnach um, und fieng zugleich aus vollem Halſe an zu ſchreyen, weil ich ein langes ſchwarzes Ge - ſpenſt mit einem weiſſen Kopfe auf mich zukommen ſahe.
Es iſt doch wohl nicht was hinter mir.
Aber den Augenblick drauf wurde ich gewahr, daß Herr Muffel mit ſeiner weiſſen Muͤtze das Geſpenſte geweſen war. Mein liebes Kind, fieng er an, wie ſteht es um eure arme Seele? hier griff er mir an den Ort, wo er ſagte, daß das Herz ſaͤſſe. Jhr habt ein boͤſes Gewiſſen, ſuhr er weiter fort, euer Herz ſchlaͤgt ſehr ge - ſchwinde und aͤngſtlich. Ey, ey laſſet eu - re Gewiſſenswunden von mir, eurem See - lenarzte, heilen. Eure Seele iſt mir viel zu lieb, als daß ich ſie ſolte laſſen verloh -ren27ren gehen. Und nach einigen andern der - gleichen geiſtlichen Reden fieng er die erſte Abendbetſtunde mit einem Liede an. Mit dieſen Betſtunden fuhr er bis auf den Sonnabend auf einerley Weiſe fort. Auſſer daß er ſich in jeder Betſtunde eine Freyheit mehr heraus nahm. Jn der er - ſten blieb es dabey, daß er mir ans Herze fuͤhlte. Jn der andern druͤckte er mir die Haͤnde, ſtreichelte mir die Backen, aber immer auf ſolche Art, als wenn es ſein Eyfer fuͤr meine Bekehrung ſo mit ſich braͤchte. Dieſes waͤhrete weiter ſo fort, bis er mich den Donnerſtag kuͤſſen, und ich ihm ſtill halten lernte.
Welchen Tag habt ihr denn fuͤr den kleinen Butterkuchen aufbehalten?
Dazu hatte er den Sonnabend aus - geſetzt.
Den Sonnabend? wie hat er denn da die Zeit uͤbrig gehabt? da hat er ja auf den Sonntag ſtudiren muͤſſen?
Dafuͤr hat er auch die Abendbet - ſtunde mit mir nur halb gehalten. Denn als wir eben niederknien wollten, ſo that er mir ſeinen Liebesantrag, uͤber welchen ich anfaͤnglich nicht wenig erſchrack. Jch ſuchte ihn auch theils durch Bitten, theils durch Anfuͤhrung ſeiner eigenen Worte, davon abzubringen; aber vergebens. Er antwortete ganz trotzig; Ein Geiſtlicher koͤnne nicht ſuͤndigen, ſein Amt mache alleSchand -28Schandthaten heilig. Ueberdem fuhr er fort, ſo haben wir uns ja durch die eine Helfte der Betſtunde zu unſerm Vorhaben geheiliget, und wann ihr meinen Wunſch werdet erfuͤllet haben, ſo wollen wir in der andern Helfte der Betſtunde alles wieder gut machen. Hier wurd ich endlich mehr von meiner Schwaͤche, als von der Staͤrke ſeiner falſchen Beredſamkeit, uͤberwunden, ja hier ‒ ‒ ‒
Hier haͤtt ich nun eben mit einer Runge aus dem Holzwagen ſollen dazu gekommen ſeyn. Mein Herr Muffel haͤtte ſeines Sie - ges nicht froh werden ſollen.
Endlich gieng er ohne ein Wort zu ſagen, die Treppen wieder hinunter, und ließ Betſtunde Betſtunde bleiben. Jch ſelbſt haͤtte die uͤbrige Zeit lieber mit dir, Petergen, zubringen wollen.
Du biſt mir alſo ſehr guͤnſtig, Cathrine, du haͤtteſt mir zum wenigſten doch die Nei - ge gegoͤnnt. Jch bin indeſſen dein gehor - ſamer Diener fuͤr den umſtaͤndlichen Be - richt. Herrn Muffeln wird der Kopf von dem kleinen Butterkuchen nicht weh thun, denn es iſt ſein eigenes Machwerk. Er mag dich und ſeine 100. Rthlr. nur behal - ten, ich bedanke mich dafuͤr.
Ums Himmels willen, liebſter Pe - ter, ſtrafe doch an mir einen Fehler des ganzen weiblichen Geſchlechts nicht. DieVer -29Verſchwiegenheit fehlet uns freylich, aber ich bin einmal zu treuherzig ‒ ‒
Jch mag keine hundert Thaler fuͤr ein ſolches Kopfweh kaufen, welches an den Maͤnnern unheilbar iſt.
Nun, meine lieben Kinder, habt ihr ausgeſungen und ausgebetet? hier bring ich euch zwey goldene Ringe zum Verloͤb - niſſe, welches auf den Abend in Gegenwart aller Fremden vor ſich gehen ſoll.
Ums Him - mels willen, Herr Paſtor, wo ihnen meine arme Seligkeit lieb iſt, ſo verſchieben ſie das Verloͤbnis noch, oder laſſen es nimmermehr vor ſich gehen.
Was ich gethan habe, ſchadet euch ſo wenig als ihr, weil Jch es gethan habe.
Dieſes iſt eben mein Gewiſſensſcrupel, daß ſie es gethan haben, Herr Paſtor. Soll ich den Ort, den ſie und ihre Geiſtlich - keit geheiliget haben, mit meiner weltlichen Jchheit wieder beflecken? davor behuͤte mich der Himmel.
Euer Gewiſſensſcrupel iſt von Wich - tigkeit, Peter, doch wir Prediger wiſſen dergleichen zu heben. Hoͤrt nur, guter Peter, heyrathet ihr Cathrinen immer,was30was ich geweyhet habe, will ich fuͤr mich behalten, und ihr werdet auch wohl gute Herzen antreffen.
Daß muß eine verdammte Poſtille ſeyn, nach welcher er dieſen Gewiſſensſcru - pel aufloͤſet.
Euer Zweifel iſt euch nun gehoben, ſtrecket nur die Hand nach den 100. Rthln. aus.
Ach! um alles in der Welt nicht. Der Herr Paſtor haben Cathrinen vom Haup - te bis zu den Fußſolen zur Heilige gemacht, an mir aber haben ſie nur den Kragen ge - heiligt, als ſie neulich Bruͤderſchaft mit mir trunken. Jch bin ein armer ſuͤndiger Menſch gegen Cathrinen. Jch muß mich vor ihr ſchaͤmen, und mich der Suͤnden fuͤrchten, der Himmel wuͤrde ſie meinet - wegen ſtrafen. Nein, dazu hab ich ſie viel zu lieb.
Be - halten ſie ihre gemuffelte Cathrine fuͤr ſich, und machen ſie keinen fuͤr 100. Rthlr. zum Hahnrey.
Das iſt der leibhaftige Teufel! Gieb mir nun einen Rath, Cathrine.
Den hab ich ſelbſt nicht, ob ich ihn gleich hoͤchſtnoͤthig habe. Daß Peter nun von meiner Heyrath nichts wiſſen will, das hab ich ihnen zu dancken.
Nein euch ſelbſt, Cathrine. Jhr haͤttet verſchwiegener gegen ihn ſeyn ſollen, Jhr wolt ja einen Prediger heyrathen, ſo klug duͤnkt ihr euch, und ſeyd doch ſo offenherzig, und ‒ ‒
Er wolte aber alles mit Gewalt wiſſen.
So haͤttet ihr ihm ſo lange was anders fuͤr die Wahrheit verkaufen ſollen. Nein die Predigerfrauen muͤſſen ſchweigen und luͤgen koͤnnen.
So ſind wir ja beyde verlohren.
Mir faͤlt noch etwas fuͤr euch bey. Es pflegen in der Kirchmeſſe arme Stu - denten bey mir einzukehren. Unter denen wird ſich keiner ein Gewiſſen aus dem bis - gen Hahnreyſchaft machen. Des Herrn von Roſenecks Guth hat keinen Prediger, ich muß verſuchen einen von den Vaganten da anzubringen, und ihr werdet auf die Art doch noch eine Predigerfrau. Wir haben alle beyde dadurch noch mehr Vor - theile. Denn der arme Schelm, den ich zur Pfarre helfe, muß hernach immer mei - ne Parthie halten, und ihr koͤnnet auch mehr Herrſchaft uͤber ihn haben, weil er durch euch zur Pfarre gekommen iſt. Ge -het32het nur immer, und macht zum Abendeſſen Anſtalt.
So wuͤnſch ich nichts mehr, als daß heute Abend ein recht liebenswuͤrdiger Bett - ler ankommen moͤge.
Wo ich das Maͤgdgen nicht mit Ehren zum Manne verhelfe, ſo wird ſie mich um mein Amt und um alles bringen.
Warum kommen ſie denn nicht zur Geſellſchaft, Herr Confrater?
Jch bin eben im Begriffe, zuzuſehen, was meine liebe Gaͤſte machen, und womit ich ihnen aufwarten kan.
Jch warte mit Schmerzen auf ſie, denn wir haben uns ja ſo lange nicht geſe - hen.
Wie ich gehoͤrt habe, ſo ſind ſie in der Stadt geweſen, Herr Confrater, was brin - gen ſie denn aus derſelben neues mit?
Das neueſte und das beſte fuͤr mich iſt, daß ich meinen Proceß mit der alten Brigitte gewinnen werde. Jch habe ihr die Ehe verſprochen, aber mein Advocat wird mich ſchon wieder von ihr loszumachen wiſ - ſen. Wuͤrde mich nicht die ganze Welt auslachen, wenn ich meine beſten Jahrebey33bey einem alten Hausbeſen von 65. Jah - ren verſchwenden wollte.
Das haͤtt ich ihnen ſelbſt verdacht. Aber bedenken ſie hierbey auch ihr Ge - wiſſen? denn ſie haben ihr doch durch das Verſprechen ihrer Ehe meiſt 200. Rthlr. abgeſchwatzt, durch welche ſie die Pfarre bekommen haben; und ſie muͤſten vielleicht dieſe Stunde noch das A, B, C, in der Armenſchule lehren, wann die alte Brigitte nicht geweſen waͤre.
Sie wollen ſelbſt ein Geiſtlicher ſeyn, und reden doch ſo gewiſſenhaft von einer Sache, aus weicher ſich kein Geiſtlicher ein Gewiſſen macht. Die alte Brigitte und die 200. Rthlr. waren der Weg, den mir der Himmel zeigte, in ein Amt zu kom - men, aber das glaub ich nicht, daß es der Brigitte hat ein Weg ſeyn ſollen, ſich in ih - rem Alter zu verheyrathen.
Freylich, der Himmel hat wunderliche, krumme Wege, einen Candidaten in ein Amt zu verhelfen. Aber wie leben denn die Stadtprediger? ſie werden vermuthlich einige beſucht haben.
O! die leben weit ruhiger, als wir auf dem Lande, ſie haben im Amte und in der Haushaltung wenig zu thun. Sie bekommen auch ſolche amtsmaͤſſige Baͤu - che, welche den Gemuͤthern ihrer Zuhoͤrer die groͤſte Ehrfurcht fuͤr ihre Heiligkeit ein - jagen. Meinen erſten Beſuch hab ich beyCdem34dem alten Herrn Hieronymus abgeſtattet; der Mann iſt in ſeinem Amte recht fett ge - worden. Er bleibt noch immer bey ſeinem Jahrgange. Nun iſt er bey nahe 30 Jahr im Amte. Jn den 3 erſten Jahren hat er alle ſeine Predigten von Wort zu Wort ſtudiret, in den folgenden Jahren aber nur beſſer auswendig gelernt; er hat alſo iede Predigt ſchon 10 mahl hergeſagt. Davon iſt er ihrer ſo gelaͤuftig geworden, daß er ietzo weiter nichts thun darf, als des Sonn - abends das Concept hervor ſuchen, des Sonntags Morgens einmahl durchleſen, und dann um 9 Uhr daſſelbe ſeiner Gemeine noch einmahl vorbeten, was er ihr ſchon vor 30 Jahren, und ſeitdem ſchon zehnmahl, in eben dem Thone vorgeſagt hat. Jch werde ihm nach ſeinem Beyſpiele folgen. Drey Jahre werden mir ſauer werden, da werd ich viel auszuſchreiben und auswendig zu lernen haben; doch, dafuͤr kan ich auch 20 oder 30 Jahre lang faullenzen.
Auf dieſe Weiſe muß ja dem Herrn Hieronymus die Zeit erſchrecklich lang wer - den, weil er die gantze Woche hindurch nichts zu thun hat. Oder ſchreibt er viel - leicht Buͤcher?
Er iſt zwar ein grundgelehrter Mann, aber mit dem Buͤcherſchreiben giebet er ſich nicht ab. Er kan ſeine Zeit beſſer und geruhiger hinbringen. Wann er um 9 Uhr aufgeſtanden iſt, bis 10 Uhr Thee getrun -cken35cken, bis 11 Uhr ſich angezogen, bis 2 Uhr geſpeiſet und bis 3 Uhr Mittagsruhe gehal - ten hat; So beſucht er einen frommen und reichen Buͤrger, oder einen andern Vor - nehmen, der ein Cliente von ihm als ſeinem Beichtvater iſt. Dieſe fragt er nach dem Zuſtande ihrer Seelen, und faͤhrt mit ſei - nen theologiſchen Reden ſo lange fort, bis der Coffee oder der Wein auf den Tiſch kommt, oder bis ſie mit ihm in einen Gar - ten fahren, oder das Abendeſſen anrichten. Bey dieſen Gelegenheiten fallen zuweilen genug zeitvertreibende Diſcurſe vor, oder die Geſellſchaft iſt auch an ſich ſchon ange - nehm, zumahl wenn artiges Frauenzimmer darunter iſt. Wann er nicht ausgeht, ſo hat er ſeine Concepte durchzuſehen, welche er ietzund ins reine ſchreiben laͤßt, weil er alle ſeine Predigten heraus geben will.
Das wird eine brave Poſtille werden 3 Predigten uͤber ieden Text! Es wird doch alles in der Welt leichter gemacht. Unſre Nachkommen werden ſchon beſſer predi - gen, als wir, denn ſie bekommen groͤſſere Poſtillen.
Ueberdem von einem ſo gelehrten Manne, der ſchon 20 Jahr im Amte iſt, und ein ganzes Zimmer voll Poſtillen hat.
Aber die Stadtprediger werden doch wohl nicht ſo von ihren Gemeinen beſchenkt, als wir von den Bauern?
Das ſagen ſie nicht, Herr Confra - ter. Sie wiſſen ſchon ihre Rechnung bey den Vornehmen zu machen, ſie wiſſen ih - nen auf die hoͤflichſte Art die Geſchenke ab - zunehmen. Kennen ſie nicht den andaͤchti - gen Mann, den Herrn Tartuͤffe?
Jch habe ja mit ihm auf dem Haͤlli - ſchen Wayſenhauſe ſtudirt.
Der weiß am beſten, wo der Buͤr - ger am barmherzigſten iſt. Er haͤlt woͤ - chentliche Erbauungsſtunden, und merkt ſich in denſelben die reichſten Weibesperſonen; denn dieſe beſuchen ſeine Verſammlungen am haͤufigſten. Jn der Betſtunde ſucht er ſie alle erſt zum Weinen zu bewegen, welches ihm ſehr leicht wird. Wenn er ſie nun recht weichherzig gemacht, und die Stunde geſchloſſen hat, ſo gehet er zuerſt heraus, ſtellt ſich an die Treppe, laͤßt ſie alle vor ſich vorbey gehen, und gruͤßt iede uͤberaus verliebt und geiſtlich. Geht eine vor ihm vorbey, von der er ſich vermuthet, daß ſie reich iſt, und die in der Stunde brav geweint hat, ſo ruft er ſie zuruͤck, und laͤßt ſie ſeitwaͤrts treten. Wenn denn vier oder fuͤnfe auf ihn warten, ſo ruft er eine nach der andern in ſeine Stube, ermahnt ſie ernſtlich, faͤllt mit ihnen auf die Knie, und nimmt endlich auf eine beſondere freundliche Art von ihnen Abſchied. Dieſe einfaͤltige Buͤrgerfrauen verlieben ſich bey dieſer Gelegenheit in ſeine andaͤchtige Mi -nen,37nen, ohne es ſelbſt zu wiſſen. Sie halten dieſe heimliche Liebe fuͤr nichts anders, als fuͤr einen ihnen vom Himmel eingegebenen Trieb, dem Herrn Tartuͤffe Gutes zu thun. Dieſer Trieb wird ſodann ſo raſend, daß ſie alles, was ſie ihren Maͤnnern heimlich entwenden koͤnnen, dem Herrn Tartuͤffe ins Haus bringen.
Daruͤber geraͤth aber der Buͤrger zu - weilen, ohne zu wiſſen wie es zugeht, in die empfindlichſte Armuth?
Was iſt daran gelegen? wenn der Geiſtliche nur reich dadurch wird.
Das iſt endlich wahr, dafuͤr hilft der Prieſter den Buͤrger auch in den Himmel. Aber ſtehen die Herrn Stadtprediger auch in ſolchem Anſehen, als wir bey dem Bauer?
Warum zweifeln ſie daran? der Vornehme laͤßt ſich oͤfters aͤrger betruͤgen als der Bauer. Herr Tartuͤffe nannte mir eine gewiſſe junge Graͤfin, einen Geheimen Rath, und eine der reichſten Buͤrgerfrauen in der Stadt, welche den Augenblick an ihrer Seligkeit verzweifeln wuͤrden, wann ſie eine von ſeinen Predigten verſaͤumten. Der Graͤfin hat er neulich das tauſendjaͤh - rige Reich abgeſchildert, und zugleich die Vorzuͤge beſchrieben, welche darin das un - verheyrathete Frauenzimmer vor dem an - dern haben wuͤrde. Hiedurch hat er eine Heyrath eines vornehmen Kriegesbedienten hintertrieben, weil die Graͤfin mehr als an -C 3dre38dre im tauſendjaͤhrigen Reiche ſeyn wollte. Und dieſe Muͤhe iſt dem Herrn Tartuͤffe mit 50 Piſtolen von einem Hofcavallier bezahlt worden, welcher die Graͤfin gleich - falls liebte. Damit aber der Hofcavallier in ſeiner Liebe gluͤcklich wuͤrde, ſo fieng er wieder ein Geſpraͤch vom tauſendjaͤhrigen Reiche mit ihr an, und ſetzte hinzu, daß die Matronen, welche in ihrer Ehe 7 Soͤh - ne zeugten, noch uͤber dem unverheyrathe - ten Frauenzimmer den Rang haben wuͤr - den; er machte ihr zu 7 Soͤhnen Hofnung, ſie glaubte ihm, und gab dem Hofcavallier die Hand, von welchem Herr Tartuͤffe noch einmahl 50 Piſtolen empfieng.
Der Streich iſt werth, daß er zum ewigem Ruhme des Herrn Tartuͤffe in ei - nem Kirchenbuche aufgezeichnet wird.
Er ſtehet bey den Genannten, und noch einigen andern, in ſolchem Anſehen, daß er die armen und dabey frommen Stu - denten nur mit einem Zeugniſſe an ſie her - um ſchicken darf, wann er ihnen wohlthun will. Sobald dieſe Vornehmen nur ſeine Schrift erblicken, ſo greift auch die Hand ſchon in die Goldboͤrſe, und kehrt niemals ohne einen Ducaten zuruͤck. Auf ſolche Weiſe ſammlet ſich der Student zuweilen 30 bis 40 Rthlr. und der vierte Theil da - von gehoͤrt allemahl dem Hrn. Tartuͤffe.
Auf die Art wuͤrde ich mich auch nicht uͤbel in die Stadt ſchicken, denn ich habeauch39auch auf dem Haͤlliſchen Wayſenhauſe ſtudirt.
Was haben ſie nun aber auf dem Lande in der Zeit fuͤr neues gehabt, da ich in der Stadt geweſen bin?
Jch habe in den vier Wochen nur eine Hochzeit gehabt, Herr Confrater, aber ſie war fett. Jch habe 2 Braten, einen Ku - chen, ein Huhn, und eine Gans mit nach Hauſe gebracht.
Sind ſie auch brav luſtig darauf geweſen?
Daß will ich hoffen, Herr Confrater; die Bauern fuͤrchteten ſich erſt, und wollten vor mir nicht tanzen, aber ich ließ ſelbſt die Muſikanten aus der Schenke holen, und machte mit der Braut den Anfang. Zu den Bauern ſagte ich zwar, daß ich es mei - ner Geſundheit wegen thaͤte, aber im Ern - ſte that ich es der Braut zu gefallen, denn ſie war huͤbſch. Die ſchoͤne Kaͤthe aus ih - rem Dorfe war auch auf dieſer Hochzeit.
Haben ſie denn mit der auch getanzt, Herr Confrater?
Mit ihr? nach der Braut am aller - meiſten.
So wollte ich auch lieber, daß die ſchoͤne Kaͤthe zu Hauſe geblieben waͤre.
Laſſen ſie uns nun auch einmahl zur Geſellſchaft gehen, die wird nicht wiſſen, wo wir uns aufhalten.
Wenn ich die Wahrheit ſagen ſoll, ſo bin ich lieber mit ihnen allein, denn der Herr Wahrmund koͤmmt mir zu klug vor, der kan uns noch wohl gar Haͤndel machen.
Da weiß ich guten Rath fuͤr, wir muͤſ - ſen ſo heilige Minen annehmen, als ob wir ihm die Beichte verhoͤren wollten.
Finden ſie alſo gar kein Vergnuͤgen in der Geſellſchaft der beyden Herren Geiſtli - chen, ſchoͤnſtes Fraͤulein?
Jn ſo fern es eine gewiſſe Art von Zufriedenheit erweckt, wenn man die Thor - heiten der Menſchen belacht, ſo muß einem freylich zwar der Umgang mit den abge - ſchmackteſten Perſonen zum Vergnuͤgen dienen. Aber ſie ſelbſt werden mir zuge - ſtehen, daß ſich bey dieſer Luſt, welche manſich41ſich auf die Koſten ſolcher Thoren macht, allezeit ein billiges Misvergnuͤgen mit ein - ſchleicht. Man murret unter der heimli - chen Freude uͤber den Schandfleck, welchen ein Muffel und ein Tempelſtolz der ganzen menſchlichen Natur anhaͤngen. Der Stolz, der ſcheinheilige Betrug, und die ſchaͤndliche Unwiſſenheit an ihnen, als an Lehrern des unbaͤndigen Poͤbels, ſind um ſo viel ſtrafbarer, weil ſie mehr Ungluͤck in dem Staate anrichten, als die groben Ver - brechen, welche mit dem Tode der Verbre - cher ausgerottet werden.
Bald noͤthigen ſie mich, den Aus - ſpruch zu thun, daß ſie fuͤr ein Frauenzim - mer viel zu ſcharfſinnig ſind. Doch, nein, ich bin anietzt nicht nur vollkommen mit mir ſelbſt zufrieden, da ich ſehe, daß mei - ne wenige Lehrſtunden ſie ſo frey und rich - tig dencken gelehret, ſondern ich kan es auch der Natur nicht genug verdanken, daß ſie nicht alle Schoͤnheiten nur fuͤr die Augen erſchaffen hat. Es iſt ſonſt ein allgemei - ner Fehler der Schoͤnen, daß ſie ziemlich ſcharfſichtig die kleinſten Verſehen der Mannsperſonen einſehen, beurtheilen, und belachen, die groͤſten Fehler der Geiſtlichen aber mit einem ehrerbietigen Stillſchweigen uͤbergehen. Als ich mich neulich meiner Angelegenheiten wegen in B*** aufhalten muſte, hatte ich eines Tages die Ehre in ei - ner vornehmen Geſellſchaft zu ſeyn. NachC 5vielen42vielen aufgeweckten Diſcurſen kamen wir auch auf einen Geiſtlichen zu reden, wel - cher uns Gelegenheit gab, uͤber ſeinen frucht - loſen Eyfer fuͤr das aͤuſſerliche des Gottes - dienſtes zu lachen. Ein gewiſſes Frauenzim - mer, welche in der Geſellſchaft am helle - ſten gelacht hatte, wurde ganz ſchamroth und beſtuͤrzt, da ſie hernachmals erfuhr, daß wir uͤber ihren Beichtvater gelacht hatten. Nein, Schoͤnſte, ſie urtheilen beherzter und beſtaͤndiger, als jene.
Daß muͤſſen ja bloͤde Augen ſeyn, welche ſich durch die ſchwarze Farbe der Geiſtlichen ſo leicht verblenden laſſen. Jch werde das Laſter bey einem Prediger nie - mals Tugend nennen, weil ihm von einem andern vielleicht eben ſo laſterhaften die Haͤnde unter einer andaͤchtigen Verſtellung auf das Haupt geleget worden, oder weil man ihn darum, daß er 2 Jahr in Halle geweſen iſt, mit uralten, hergebrachten Ge - braͤuchen zum Prieſter eingeſegnet hat. Jch faͤlle das Urtheil, daß dieſe Ceremonien ſo wenig im Stande ſind, aus einem Tauge - nichts einen tugendhaften und gelehrten Mann zu machen, als die alberne Poſſen jenes luſtigen Wirthes dem Don Quixott die wahre Tapferkeit eingefloͤßt haben.
Jch ſage nicht zu viel, ſchoͤnſtes Fraͤulein, wenn ich behaupte, daß ſie den Vorzug erlangt haben, von den geheime - ſten Vorurtheilen befreyet zu ſeyn. Haͤttemich43mich nicht das Verlangen nach ihrer mir ſo werthen Geſellſchaft, und das Vergnuͤ - gen an des Herrn von Roſenecks weiſen Geſpraͤchen, ſo ſehr gereitzet, ſo waͤre ich dem leztern nimmermehr hieher gefolget. Denn ich muß es geſtehen, kein Umgang iſt verdrießlicher, als den man mit den Herren Geiſtlichen pfleget. Es iſt nicht anders, als ob man mit Leuten aus einer andern Welt umgehet, wenn man mit den meiſten unter ihnen zu thun hat. Sie haben ſich weder auf eine gruͤndliche, noch auf eine zierliche Gelehrſamkeit geleget, ſie wiſſen weiter nichts, als wie ſie die Po - ſtillen auf eine gelehrte Weiſe beſtehlen ſol - len, und glauben nichts lieber, als daß die Concordanz einem Prediger ein unentbehr - liches Buch iſt. Mit geſitteten Leuten ſind ſie auch niemals umgangen, und ſich um die groſſe Welt bekuͤmmern halten ſie fuͤr eine Todſuͤnde. Wollen ſie eine Geſell - ſchaft unterhalten, ſo fuͤhren ſie die theolo - giſche Reden an, uͤber welche dieſer oder jene Buͤrger ſanft und ſelig eingeſchlafen, oder wann ſie gelehrt heiſſen wollen, ſo loben ſie die beſte ſyriſche oder arabiſche Grammatick. Ueberdem ſind ſie in ihrer Begierde andere zu bekehren ſo unver - ſchaͤmt, daß ſie an Leute, mit welchen ſie zum erſtenmale ſprechen, ihre erſte Frage ſeyn laſſen, ob ſie, nach ihrer Art zu re - den, ſchon zum geiſtlichen Durchbruchegekom -44gekommen. Die Dorfprieſter ſind mir aber vor allen andern unertraͤglich; wenn ſie einem die Trauungen, Kindtaufen, und Begraͤbniſſe aus ihrer Gemeine herrechnen, wenn ſie vom wohlfeilſten Pflugſchaar, und vom beſten Pflugochſen, anfangen, ſo kan man ihnen vor Lachen, und aus Unwiſſen - heit, nicht ein Wort auf ihr langweiliges Geſchwaͤtz antworten.
Jch habe ihre Lebensart ſeit der Zeit, daß ich wieder bey meiner Mama bin, genau kennen, und mich geduldig in dieſelbe ſchicken gelernet. Sie ſtatten fleiſ - ſige Beſuche bey uns ab, weil ſie von mei - ner Mama allemal mit einem fetten Tiſche, und mit einem alten Glaſe Wein, gemaͤſtet werden. Jch habe ſie aus dieſem Umgan - ge ſo genau kennen gelernet, daß ich ihnen einen neuen Begrif von ihnen geben kan, Sie ſind gewiſſe der Welt ſchaͤdliche Ge - ſchoͤpfe, welche, weil ſie nichts anders ge - lernt haben, die Freyheit bekommen, ſich beym Schneider einen Mantel, und bey der Naͤherin einen Kragen, zu beſtellen, damit ſie unter dieſer Maske den Staat um ihren Unterhalt betruͤgen koͤnnen.
So werden ſie auch mit ihrer Frau Mama nicht ganz zufrieden ſeyn, daß ſie dem Herrn Tempelſtolz das Ja - wort auf den Antrag um ihre Perſon gege - ben hat?
Erinnern ſie mich nicht an mein betruͤbtes Schickſal. Es iſt traurig genug, daß mich der Himmel von einer Mutter gebohren werden laſſen, welche in dem mir ſo ſchaͤdlichen Jrrthume ſtehet, daß ich nicht ehrlich und nicht gluͤcklich leben koͤnne, wo ſie mich nicht an einen Geiſt - lichen verheyrathe. Wenn doch einmahl derjenige, welcher mein Herz ſchon ſo lan - ge beſitzet, ohne von mir es erfahren zu ha - ben, ſein Eigenthum erkennte, und es mit mir zu beſchuͤtzen trachtete, ſo ſollte es ihm Herr Tempelſtolz mit allen Geiſtlichen, und mit aller ihrer Politick, nicht entwen - den koͤnnen.
Himmel! liebt ſie einen andern? die Schamhaftigkeit, wel - che ich ihr als meiner Schuͤlerin ſchuldig bin, verbindet mich zum Schweigen.
Darf ich nicht wiſſen, ſchoͤn - ſtes Fraͤulein, wer ſo gluͤcklich iſt, ihr Herz, ein ſo vollkommenes Eigenthum, zu be - ſitzen?
Ach! warum fragen ſie? ohnge - achtet ſie an meinem Geheimniſſe groſſen Theil nehmen wuͤrden, ſo verbietet mir dennoch die Ehrfurcht fuͤr ſie, als meinen Lehrer, ihnen den Nahmen meines Gelieb - ten zu nennen.
Wennich46ich den Nahmen dieſes begluͤckten Sterb - lichen nicht wiſſen darf, ſo uͤberlaſſen ſie mir wenigſtens die Beobachtung ſeiner Pflich - ten. Erlauben ſie mir, ſchoͤnſte Wilhelmi - ne, daß ich mich ihres Herzens wider Tem - pelſtolzen ſo ſehr annehme, als ob ich mein Eigenthum beſchuͤtzen wollte.
Wie großmuͤthig doch die Philoſo - phen ſind! ſo koͤnnen ſie einem Unbekann - ten ſeine Geliebte beſtaͤndig machen, ohne an die Eyferſucht zu gedencken.
Einem Unbekannten? ich habe mein Schickſal errathen. Nein, hier muß der Philoſoph aufhoͤren, ich will als ein beleidigter Liebhaber mit ihr reden. Doch nein, ich muß ſchweigen, ſie iſt ein Fraͤulein.
Jch bin frey - lich in dieſem Stuͤcke vielleicht zu mitleidig; aber ich bedaure einmal den gluͤckſeligen Unbekannten, daß er einen ſo koſtbaren Schatz beſitzet, ohne davon zu wiſſen, viel - leicht darf er gar nicht daran denken; viel - leicht haͤlt ihn ſein Stand zuruͤck; denn wie darf ſich ein Buͤrgerlicher auf das Herz ei - ner Fraͤulein Staat machen?
Woher wiſſen ſie denn, daß mein Geliebter buͤrgerlichen Standes iſt? vielleicht kennen ſie ihn gar zu gut. Haͤtt ich mich aber nach der allgemeinen weibli - chen Unbedachtſamkeit bereits verrathen,ſo47ſo iſt es ein Zeichen, daß ich ſie allein wuͤrdig ſchaͤtze, in mein Herz zu ſehen. Wie kan ſich aber mein Geliebter ſeines buͤrgerlichen Standes vor mir ſchaͤmen? er kennt mein Herz bereits ſo gut, als ich es ſelbſt kenne, er weiß, daß ich die Tugenden des Adels auch an einem Buͤrger ehre, und daß er alles Liebenswuͤrdige hat, was ich liebens - wuͤrdig zu nennen pflege. Die Liebe iſt nicht leicht ohne Argwohn, und ich muth - maſſe, daß er meine Liebe zwar merke, aber ſie ſeiner Gegenliebe gar nicht wuͤrdig achte.
Jch weiß ſelbſt nicht, was ich fuͤr einen geheimen Trieb fuͤhle, fuͤr den be - gluͤckten Liebhaber das Wort zu fuͤhren. Vielleicht liebt er ſie auf das allerzaͤrtlichſte, denn dazu verbinden ihn die Vollkommen - heiten ſeiner Geliebten. Vielleicht ſchreibt ihm aber ein wichtiger Umſtand das harte Geſetz vor: nur geheim zu lieben. Jch will es ihnen in einem Exempel deutlicher machen. Erlauben ſie mir, allerſchoͤnſtes Fraͤulein, daß ich mich an ſeine Stelle ſetze. Geſetzt, ſie liebten mich ‒ ‒ ach! wenn ſie mich liebten, ‒ ‒ ſo wuͤrde ich ſie auf alle Weiſe wieder lieben, wie nur ein zaͤrtlicher Liebhaber liebet, deſſen Liebe auf den ſchoͤnſten, auf den wuͤrdigſten Voll - kommenheiten beruhet ‒ ‒ ‒ ja von dieſer Art iſt meine Liebe ‒ ‒ wuͤrden ſie vor Mitleiden wohl mit mir zuͤrnen koͤnnen,wenn48wenn ich meine Liebe verſchweigen muͤſte? Wuͤrden ſie nicht bey ſich ſelbſt ſagen, er iſt mein Lehrer geweſen, eine gewiſſe Art der Schamhaftigkeit verbindet ihn, behut - ſam mit mir, als ſeiner Schuͤlerin, zu verfahren? Geſtehen ſie nicht, Schoͤnſte, daß ſie eben den Augenblick, da ſie mit mir zuͤrnen wollten, Mitleiden mit mir haben muͤſten?
Ja ich habe Mitleiden mit ihnen.
Erklaͤren ſie ſich deutlicher, lie - benswuͤrdigſte Wilhelmine; auf den Knien werde ich die ſchoͤnen Worte erwarten, daß ſie mich lieben. ‒ ‒ Habe ich fehlen, und ihnen meine Liebe entdecken muͤſſen, ſo folgen ſie mir in dieſem angenehmen, und uns beyden nothwendigen Fehler. Setzen ſie die Ehrfurcht an die Seite, und laſſen ſie ihr Herz reden.
Ja ich liebe ſie.
Dieſe Worte machen mich le - bendig. Jch bewundre dabey unſer Schick - ſal, welches uns an einem ſo verdrießlichen Orte auf unſre ganze Lebenszeit gluͤcklich und vergnuͤgt macht. Doch, ich bedencke vor Freuden nicht, wie viel wir noch an unſerm Gluͤcke zu arbeiten haben. Das erſte ſoll ſeyn, daß ich alle Kraͤfte anwenden will, ihrer Frau Mama die Vorurtheile fuͤr Tempelſtolzen zu benehmen. ‒ ‒.
O! dieſe ſind gar zu tief bey ihr eingewurzelt; ſie wuͤrden daher in dieſerBemuͤ -49Bemuͤhung nicht allzugluͤcklich ſeyn. Sie gelten im Gegentheil bey meinem Oheim, dem Herrn von Roſeneck, viel, ſuchen ſie vielmehr durch ſeine Vermittelung unſre Liebe gluͤcklich zu machen.
Von dieſer Seite wird mir es meinetwegen ſchwerer werden. Es ſcheint, als wollte ſich Fraͤulein, Amalia, ihres Herrn Oheims Tochter, meine Liebe ver - ſprechen, ja es ſcheint, als ob er ſelbſt die Leidenſchaft ſeiner Tochter billige; ſie wiſ - ſen aber, wie ſehr ich ihm verbunden bin, und daß ich durch ſeinen Vorſpruch mei - nen Undank vergroͤſſern wuͤrde. Er iſt zwar ſo wenig eigennuͤtzig, als meine Liebe erkaͤnntlich geweſen iſt, darum duͤrfte ich vielleicht ‒ ‒ ‒
Dort koͤmmt er eben mit meiner Mama gegangen.
Ach! ein Ungluͤck, Herr Bruder, ein Ungluͤck!
Und wo denn Frau Schweſter?
Ach! ein groſſes Ungluͤck! ach! eine himmelſchreyende Suͤnde!
Sagen ſie mir doch geſchwinde, was es fuͤr eine Suͤnde iſt.
Ach meine Tochter! meine Tochter!
Was iſt denn ihrer Tochter?
Ach! ich fuͤrchte mich der Suͤnde, daß ich es nur ſagen ſoll.
Nun, Mama!
Ach! meine Tochter iſt ‒ ‒ Gott verzeyhe mir die Suͤnde, mit dem Herrn Wahrmund allein im Zimmer geweſen.
Jſt das das Ungluͤck, und die him - melſchreyende Suͤnde?
Ach ſie iſt mit einem Philoſophen allein geweſen!
So meynen ſie, daß ein Philoſoph mit keinem Frauenzimmer allein ſeyn darf?
Nein, die Philoſophen ſind Leute, welche kein Gewiſſen haben, und meine Tochter iſt noch gar jung, ich weiß, wie ſchwer es mir in ihrem Alter gefallen, den Mannsperſonen zu wiederſtehen. Wie ich ſage, Herr Bruder, es iſt ein Ungluͤck ge - ſchehen. Geſtehe nur meine Tochter, was du gethan haſt, damit ich dich noch heute mit Ehren an den Herren Tempelſtolzen verheyrathe, und du unſerm Hauſe keine Schande macheſt.
Jch bin ihnen ſowohl fuͤr ihre Toch - ter, als auch fuͤr den Herrn Wahrmund Buͤrge. Ueberdem koͤnnen ſie verſichert ſeyn, daß ich ſie lieber in der Geſellſchaftdes51des Herrn Wahrmunds, als aller ihrer Dorfprieſter, ſehe.
Verſuͤndigen ſie ſich ja an dieſen ehr - wuͤrdigen Maͤnnern nicht. Jch wollte Herrn Muffeln ſowohl, als Herrn Tempel - ſtolzen, eine ganze Nacht mit ihr allein laſ - ſen, und des Morgens fruͤh meiner Toch - ter Ehre dennoch verſichert ſeyn.
Dis waͤre fuͤr die Geiſtlichen eine ſchlechte Ehre, fuͤr die ſie ihnen nicht dan - ken wuͤrden. Jch meines theils wuͤrde es den beyden Geiſtlichen ſowohl, als dem Herrn Wahrmund ungemein verdenken, wann ſie eine ganze Nacht bey einer Schoͤ - nen Kloͤtzer ſeyn koͤnnten, und jedermann wuͤrde ſie einer Faulheit beſchuldigen, wel - che werth waͤre, von allen Schoͤnen aus - geziſcht zu werden.
Was? Herr Bruder, ſie glauben nicht, daß die Froͤmmigkeit ſolche Leute aus uns machen koͤnne, welche gegen alle Reitzungen der Wolluſt unempfindlich bleiben?
Aus frommen Caſtraten, aus ab - gelebten Greiſen, und aus Leuten, welche das ihrige in der Jugend nicht zu Rathe gehalten haben, aus dieſen wird ſie wohl ſolche Unempfindliche machen, aber aus Maͤnnern, welche ihre ganze Natur noch haben, iſt es der Froͤmmigkeit unmoͤglich, Kloͤtzer zu machen.
Behuͤte Gott! ſie reden ganz athei - ſtiſch, Herr Bruder, ſie glauben gar nichts mehr.
So wenig das Geluͤbde der Keuſch - heit einigen Geiſtlichen die Menſchheit aus - zieht, eben ſo wenig verkehret die Froͤmmig - keit die Natur eines Mannes in die Natur eines Caſtraten.
Ach! was ſind das fuͤr Reden? ach weh! ach! das Herze faͤngt mir gewaltig an zu klopfen, ach! ein Herzensſtich! ach! das Gewiſſen beißt mich! ach! der Sa - tan iſt da, und haͤlt mir das ſchwarze Re - giſter vor. Ach! Herr Muffel helfen ſie mir, helfen ſie Herr Tempelſtolz! ach! Ehrwuͤrdige liebe Herren, ich bekenne ‒ ‒ ‒
Jch muß ſie nur allein weggehen laſſen, damit ich nicht bey der Seelencur der Herren Geiſtlichen ſo viel Thorheiten mit anhoͤren darf. Warum aber ſo trau - rig, Fraͤulein Wilhelmine? warum er - muntern ſie nicht ihre Schuͤlerin, Herr Wahrmund?
Ach! eine ungluͤckliche Mutter macht ihr Kind zugleich ungluͤcklich. Wo - zu hilft mir meine wenige Einſicht? zu nichts anders, als daß ich die Schwach -heiten53heiten und den traurigen Zuſtand derjeni - gen deſto deutlicher und empfindlicher ein - ſehe, fuͤr deren Wohlfahrt ich doch die meinige miſſen wollte, wann es moͤglich waͤre. Dankbaren Kindern liegt das Un - gluͤck ihrer Eltern mehr im Sinne, als ihr eigenes Wohlergehen, und die Betruͤb - niß uͤber jenes verhindert ſie, uͤber dieſes ſich zu erfreuen.
Da ich ſie uͤber ſolche Betruͤbniß troͤſten ſollte, ſo muß ich dieſe vielmehr gerecht ſprechen, und fuͤr ein Zeichen eines edlen Gemuͤths annehmen. Dis wundert mich aber, daß ſich der Herr Wahrmund die Verwirrung ſeiner Schuͤlerin ſo ſehr zu Herzen gehen laͤßt. Hat denn die Welt - weißheit ſie auf einmahl verlaſſen? ſind ihnen alle Mittel entfallen, welche dieſe ſonſt an die Hand giebt, die verwirreſten Ge - muͤther wieder zu erheitern?
Sollten ſie die Quelle meiner Beſtuͤrzung wiſſen, Herr von Roſeneck, ſo wuͤrden ſie mich beklagen, und geſtehen, daß ſie allein mich zu frieden und gluͤcklich machen koͤnnten. Verzeihen ſie meiner Unbeſonnenheit dieſe letzten Worte.
Jch daͤchte, daß ihnen meine Freund - ſchaft bekannter waͤre, als daß ſie von mir mit ſolcher Schamhaftigkeit etwas bitten ſollten. Jch bin ihr Freund, Herr Wahrmund, entdecken ſie mir freundſchaftlicher und dreiſter, auf welche Weiſe ich ihre Zufrie -D 3denheit54denheit wieder herſtellen koͤnne, ſo ſollen ſie mich ſogleich mit allen Kraͤften an ih - rem Gluͤcke arbeiten ſehen.
Jch habe es freylich mehr, als ich verdient habe, erfahren, wie ſehr ſie mich ihnen mit ihrer Freundſchaft verpflich - tet, ich ſtatte ihnen auch zugleich den ver - bindlichſten Dank dafuͤr ab. Aber, ach! ich bin jetzt nur noch ungluͤcklicher. Denn, wuͤrde ich ihnen mein Anliegen offenbaren, ſo wuͤrden ſie mir freundſchaftlich beyſte - hen, ſie wuͤrden mich gluͤcklich machen, und wuͤrden durch dieſe Freundſchaftsbe - zeugung bewerkſtelligen, daß ich wieder das heiligſte Geſetz der Freundſchaft mich vergehen, und ſie beleidigen muͤſte, ja ſie wuͤrden mich zum undankbarſten unter der Sonne machen.
Nein, Freund, geſetzt dieſe Huͤlfe, welche ich ihnen leiſten ſoll, waͤre ſo groß, daß ſie mir dieſelbe niemals verdanken koͤnnten, ſo wuͤrde ſelbſt die Unmoͤglichkeit ſie ihrer Pflicht uͤberheben, und ich wuͤr - de nichts unmoͤgliches von ihnen fodern. Laſſen ſie mich nicht erſt ihr Anliegen durch ungegruͤndete Muthmaſſungen errathen.
Weil ſie es denn ſo fuͤr gut be - finden, ſo will ich ihrem Rathe folgen. Aber, ich wage viel dabey. Die Begier - de der Gelehrten ein gutes Buch zu beſitzen, iſt oft ſo raſend und blind, als die Liebe mancher Stutzer immer werden kan. Wann55Wann ich mich nun keiner andern Ver - dienſte wegen den Nahmen eines Ge - lehrten anmaſſen kan, ſo habe ich doch wenigſtens dieſen Fehler von ihnen er - erbet, daß ich oft alles dahingebe, wann ich nur ein gutes Buch dafuͤr bekomme. Jch kenne einen Beſitzer eines Schatzes, welcher ſo koſtbar iſt, daß ich ſeiner Vor - treflichkeit wegen auch den Nahmen bey mir behalte. Dieſer Freund aber, der ihn in Haͤnden hat, und ihn ſelbſt nicht zu gebrauchen weiß, denkt ihn recht eigen zu bewahren, und ſich einen hoͤhern Rang im Himmel dadurch zu verdienen, wann er ihn einem Geiſtlichen verehret. Mei - nen Haͤnden vertrauet er ihn aber gar nicht, und dieſerwegen bleibt er in ſeinem Vor - ſatze beſtaͤndig, und gegen mich unerbittlich. Am meiſten aber reitzet mich dieſes, daß ich ſchon zum voraus ſehe, wie veraͤchtlich der Geiſtliche mit dem Buche umgehen wird. Einige Stunden wird er nachlaͤßig darin hin und her blaͤttern, und ſodann wird er es in einen ſchmutzigen Winkel eines wurmfreßigen Schrankes ſtellen, und von Staub und Wuͤrmern verzehren laſſen. Sie ſind ein naher Freund von dem Beſiz - zer dieſes Schatzes, ihr Vorſpruch wuͤrde vielleicht mehr bey ihm gelten, als all mein Bitten gegolten hat.
Jſt dieſe ganze Rede nicht ein Raͤ - tzel, Hr. Wahrmund?
Erlauben ſie mir, daß ich den Schluß noch daran haͤnge. Jch weiß aber noch ei - nen andern und[vernuͤnftigen] Beſitzer deſ - ſelben Buches, welchem ich die heiligſte Freundſchaft und verbindlichſte Hochach - tung ſchuldig bin. Er wuͤrde mir ſolches auf die erſte Bitte ſchon gewaͤhren, jaͤ ich glau - be gar, daß er es gern in meine Haͤnde wuͤnſchte, weil er es ſelbſt nicht nutzen kan, und bey mir fuͤr wohl aufgehoben haͤlt. Jch weiß aber nicht, ob mich mein Eigenſinn, oder die Koſtbarkeit des erſten, dahin verlei - tet, daß ich dafuͤr lieber mit allen Schwie - rigkeiten kaͤmpfen will, als das andre fuͤr die erſte Bitte, und zwar aus der Hand ei - nes ſo werthen Freundes, annehmen. Jch habe ſchon zu verwegen von ihnen gebeten, darum laſſen ſie mich zeigen, wie weit eine gehemte Begierde in ihren Wuͤnſchen, in ihren Forderungen und in ihrer Verwe - genheit gehet. Sie wuͤrden mich von einer empfindlichen Bekuͤmmerniß heilen, waun ſie mich bey dieſem Freunde vertreten und ihn verſichern wollten, daß ich ſein Ge - ſchenke nach meiner Schuldigkeit hochachte, und daß ich es nicht ausſchlagen wuͤrde, wenn nur mein Herz, welches ſich in dieſem Falle nicht uͤberreden lieſſe, jenes Buch nicht ſo koͤſtbar und ſo liebenswuͤrdig faͤnde.
Wer iſt denn der wun - derliche Beſitzer des erſten Buches, Herr Wahrmund?
Jch habe viel zu viel Ehrfurcht fuͤr ihn, als daß ich ihn wunderlich heiſſen ſoll - te: Die Frau von Birkenhayn beſitzet den ſo koſtbaren Schatz.
Das Raͤthſel wird ſich nun von ſelbſt aufloͤſen.
Wiſſen ſie mir nicht Nachricht von dieſem Buche zu geben? Wiſſen ſie nicht, ob es die Ma - ma zu Hauſe gelaſſen, oder ob es mit auf die Kirchmeſſe gefahren? Aber ich beſinne mich, Hr. Wahrmund ſpricht allegoriſch. Sind ſie vielleicht dieſes gute Buch? ‒ ‒
Jch bin eine ſchlechte Kennerin von Buͤchern, mein Hr. Oheim.
O! ſo muß ich doch in der gelehr - ten Hiſtorie viel beſſer bewandert ſeyn, als ich ſelbſt glaube. Denn ſehen ſie, daß ſie ganz gewiß das Buch des Hrn. Wahr - munds ſeyn, habe ich nach derſelben erra - then. Nun iſt weiter nichts uͤbrig, als daß ſie mir noch den Freund nennen, bey welchem ich ſie vertreten ſoll. Doch, es iſt nicht noͤthig, Hr. Wahrmund; ſie ha - ben ihn durch ihre Wahl gar nicht belei - digt, und ſind alſo bey ihm auſſer Schuld. er laͤßt ſie durch mich verſichern, daß er ihr aufrichtiger Freund iſt.
Sie haben mich durch ihre Geſchwin - digkeit im Vergeben beftuͤrtzt und ſchamroth gemacht.
Jch gebe ihnen mein Wort, daß, wofern ich noch bey meiner Schweſter das mindeſte gelte, die Fraͤulein Wilhelmine nicht dem Geiſtlichen auf nachlaͤßiges Durch - blaͤttern von einigen Stunden, ſondern ihren Armen zu Theil werden ſoll. Rechnen ſie es mir aber nicht zu, wenn es nicht ‒ ‒ ‒
Ach! wo bleibt die bruͤderliche Liebe, Herr Bruder? das iſt ein Zeichen vor dem juͤngſten Tag! Ach! bey den harten An - fechtungen des Satans laſſen ſie mich ſo allein uͤber den Flur gehen? ach! der ganze Flur war voll Teufel, welche ihre feurigen Rachen aufthaten, mich zu verſchlingen.
O! ſo iſt es ja gut, daß ich davon ge - blieben bin, ich waͤre auf der Stelle todt geblieben, wann ich die feurigen Rachen ge - ſehen haͤtte.
Ach! ſie koͤnnen ſie noch nicht ſehen. Wer erſt zum Durchbruche gekommen iſt, der hat nur die Gnade, daß er den Teufel leibhaftig zu ſehen bekommt. Es kommt nicht ein jeder zu der Ehre, die Anfechtungen des Satans zu haben.
Jch dancke dem Himmel, Mama, daß ſie ſo bald wieder davon befreyet worden.
Das iſt recht, meine Tochter, und naͤchſt dem Himmel dem Hrn. Muffel und Hrn. Tempelſtolz, den lieben Maͤnnern.
Ach! was haben ſie nicht fuͤr Muͤ - he an mich gewandt! Der Hr. Muffel ſang mir das ſchoͤne Lied vor: Nun ruhen alle Waͤlder; und der Hr. Tempelſtolz nahm ein Gebetbuch, und betete daraus mit unter das Gebet der Jungfer, welche Ver - loͤbniß halten will. Ach! dis Gebet iſt eine rechte Himmelſtuͤrmende Hertzensleiter der Seele.
Wie reimt ſich aber das Abendlied und das Jungferngebet zu den Anfechtun - gen, welche ſie zu haben vermeinen?
Ach! ſie ſind noch ein kleiner Schuͤ - ler in der Froͤmmigkeit, Herr Bruder; wenn das Abendlied nur eine Nacht aus der Welt waͤre, ſo wuͤrde den Morgen drauf der Teufel die ganze Welt geholt ha - ben. Das Gebet aber einer Jungfer, wel - che Verloͤbniß halten will, ſchickt ſich recht gut fuͤr mich, denn meine Seele iſt noch eine reine Jungfer!
Dem ſey, wie ihm wolle, ſo iſt es recht artig, daß der Hr. Tempelſtolz eben das Gebet einer Jungfer, welche Verloͤbniß halten will, gebetet hat, da wir hier von der - ſelben geſprochen haben.
Das iſt gewiß ein Wunderwerk ge - geweſen, ja, ja ganz gewiß, das wird uns was gutes bedeuten! Ach! dem Himmelſey60ſey Dank, daß ich hoͤre, daß ſie auch Luſt zum Guten kriegen, und ſich durch ſolche geiſtreiche Geſpraͤche erbauen. Dir iſt es ſonderlich noͤthig, meine Tochter, und ihnen auch, Herr Wahrmund.
Jch glaube aber, daß unſer Geſpraͤch mehr gefruchtet hat, und nothwendiger ge - weſen iſt, als das Gebet des Herrn Tempel - ſtolzen.
Ey! wie denn ſo, Herr Bruder?
Es iſt ein Geheimniß dadurch an den Tag gekommen, welches ſie ſehr viel ange - het, Frau Schweſter.
So kommen ſie doch geſchwinde bey Seite, und entdecken mir ſolches.
Jch kan es Jhnen oͤffentlich ſagen, Frau Schweſter.
Ey darf denn meine Tochter und der Herr Wahrmund mein Geheimniß auch wiſſen?
Dieſe haben es eher gewußt, als ich, und mir es erſt ietzo offenbaret.
Ey ums Himmels Willen, Wilhel - mine! wie kommſt du ſchon zu den Geheim - niſſen, welche deine Mutter angehen. Ein junges Maͤgdgen muß die Geheimniſſe der Frauen gar noch nicht wiſſen. Jch will drauf ſchwoͤren, daß die Philoſophie ſolche Dinge offenbahret ‒ ‒ ‒
Jch weiß nicht, wozu ſie endlich noch ihr Haß gegen die Weltweißheit ver - leiten wird?
Jndeſſen glaub ich doch, daß es mir und der Fraͤulein nicht am vortheil - hafteſten ſeyn moͤchte, ihrem Geſpraͤche mit beyzuwohnen, darum erlauben ſie, daß wir auf die Seite gehen.
Wie ſie fuͤr gut befinden.
Sachte! ſachte Herr Wahrmund, daß ſie ſich nicht unterſtehen, meine Tochter ſo dreiſte anzufaſſen! Das ſchmeckt nach der Welt. Geh, Wilhel - mine, waſche dir die Hand, und laß dir Herrn Tempelſtolzen einen Seegen druͤber ſprechen, und dich dein Tage von kei - nem Philoſophen wieder anfaſſen!
Nun ſagen ſie mir das Geheimniß. Wann es aber was boͤſes iſt, ſo ſagen ſie es ja nicht heraus, denn ſonſt krieg ich alle meine geiſtliche Anfechtungen auf einmahl wieder.
Jch will es ihnen in wenig Wor - ten ſagen. Dero Fraͤulein Tochter iſt die Jungfer, welche Verloͤbniß halten will.
O! daß iſt mir bekannt ‒ ‒
Sie bekommen einen Schwieger - ſohn, der vernuͤnftig und tugendhaftig iſt.
Er iſt die Froͤmmigkeit ſelbſt.
Er weiß alles, was ein Mann in ſeinen Jahren wiſſen muß ‒ ‒
Er iſt ein grundgelehrter Mann, dis Lob hat er bey allen Bauren.
Und in einigen Wochen reiſet er in die Stadt, wohin er zum Lehrer der Welt - weißheit berufen worden.
Nun! das ſey Gott geklagt! das iſt ein Zeichen vor dem juͤngſten Tage. Glau - ben ſie, Herr Bruder, der Antichriſt iſt los, gehen ſie, und bereiten ſich zu einem ſeligen Ende. Laͤßt man denn niemanden mehr in Religionsſachen die Gewiſſens - freyheit? Ach! ach! der liebe Herr Tem - pelſtolz ſoll ſeine wahre Religion verlaͤug - nen, und ſoll ein Philoſoph werden? Nein, er wird es nicht thun, er wird ſich lieber in ſiedendem Oele braten laſſen. Und ſollte es ja ſo weit kommen, ſo will ich ſelbſt nach Halle gehen, und mich mit den beyden frommen Herren Profeſſoren vereinigen, welche fuͤr die Ehre Gottes wie - der die Philoſophie eyfern, und welche ſehr viel von ſolchen andaͤchtigen, alten, ehr - baren Matronen, als ich bin, halten ſol - len; ja ich will mich mit ihnen entweder ver - brennen laſſen, oder wir wollen machen, daß alle die philoſophiſche Ketzerhunde aus dem Lande gejagt werden.
Was iſt das fuͤr ein vergebner Ey - fer Frau Schweſter? ſie haben alle ihre geiſtliche Waffen in den Wind geſchoſſen. Herr Tempelſtolz hat nicht eine ſo ſchoͤne Seele von der Natur empfangen, daß ſich die Weltweiſen um ihn reiſſen ſollten. Sie wuͤrden ihm ſelbſt vielmehr rathen, ſich bey dem erſten dem beſten zum Pfluge zu vermiethen, weil er mit ſeinem Koͤrper dem Staate mehr dienen koͤnnte, als mit ſeiner Seele. Meine Rede iſt gar nicht von Hern Tempelſtolzen geweſen, ich habe ei - nen ganz andern Braͤutigam gemeinet.
Was? meine Tochter haͤtte einen andern Braͤutigam, als den ich ihr gege - ben. Nun ſag ich, ſie hat ſonſt keinen, und ſoll auch keinen andern haben.
Aber, Frau Schweſter, warum mißgoͤnnen ſie ihrer Tochter ein Vorrecht der menſchlichen Natur, deſſen ſie ſich ſel - ber bedienen, und deſſen ſie ſich oͤfter be - dienen wuͤrden, wann ſie ſich nicht ihre Handlungen von dem Eigenduͤnkel wahn - witziger Geiſtlichen vorſchreiben lieſſen? Sagen ſie mir doch, haben ſie nicht heute fruͤh, als ſie ihr Kopfzeug aufſetzten, bey ſich berathſchlaget, welches ſie aufſetzen wollten?
Jch bin ſo eitel nicht, Herr Bruder. Jch verfahre in dergleichen Dingen eben ſo, als bey meinem Spruchkaͤſtgen. Was mir zuerſt in die Hand kommt, dasſetz64ſetz ich auf, weil ich alsdenn dasjenige auf - ſetze, was der liebe Gott gewollt hat.
Wenn ſie ein Abendlied ſingen wollen, ſuchen ſie nicht eins aus, welches ihnen am beſten gefaͤllt? waͤhlen ſie nicht unter den Liedern?
Nein, ich ſinge das Lied, welches mir der liebe Gott eingiebt!
So waͤhlen ſie ja doch. Denn, warum ſingen ſie nicht ein ander Lied, als welches ihnen eingegeben wird? warum ſetzen ſie das Kopfzeug auf, welches ſie zuerſt in die Hand kriegen, warum nicht eines von den andern? Doch, ich muß hoͤren, ob ſie in allen Dingen auf eben die Art verfahren? Warum gaben ſie dem Herrn von Reißaus nur 12000 fuͤr ſein Landguth, warum nicht 15000, welche es doch werth war?
Ey nun! in ſolchen Kleinigkeiten laß ich es nicht nach meinem Spruchkaͤſtgen gehen, und vielweniger bemuͤhe ich den lieben Gott damit. Jn ſolchen Dingen thu ich nach meinem Gefallen.
Nun, gut, Frau Schweſter; ei - nen Mann zu nehmen iſt doch wohl nicht unter die wichtigen Dinge zu rechnen, dar - unter das Liederſingen gehoͤret?
Ach bey leibe nicht.
Nun was ſoll ſich denn ihr Spruch - kaͤſtgen und der Himmel darum bemuͤhen? laſſen65laſſen ſie ihre Tochter ſich ſelbſt einen Mann waͤhlen.
Damit ſie ſehen, wie ſehr ich ihnen folge, ſo mag ſie ſich aus den Geiſtlichen einen Mann waͤhlen, welchen ſie will.
Das waͤre nicht anders, als wenn ich keinen Raben haben wollte, und ſie gaͤben mir 100. Raben, und ſagten: ſu - chen ſie ſich einen Vogel darunter aus, welchen ſie haben wollen. Das iſt ſo viel als keine Wahl. Die Wahl ihrer Toch - ter muß ſo frey ſeyn, daß ſie ſich uͤber alle Staͤnde in der Welt erſtrecken. Sie muͤſ - ſen ihr erlauben, einen Edelmann, oder einen Gelehrten, oder einen Geiſtlichen, oder einen Kaufmann zu waͤhlen.
Die Edelleute ſind heut zu Tage zu weltlich, die Gelehrten ſind zu vernuͤnftig, und die Kaufleute ſind zu geitzig. Die Geiſtlichen aber haben alle ſchoͤne Tugen - den an ſich. Sie leben nicht nach der Welt, ſie laſſen alles uͤber ſich hergehen, ſie ſind huͤbſch unvernuͤnftig, ſie ſind keine Philo - ſophen, ſie glauben huͤbſch, was die Alten geglaubt haben, ſie laͤugnen die nothwen - digſten Dinge zur Seligkeit nicht, als da ſind die Geſpenſter, die Hexen, und den Teufel. Jch kan die Tugenden dieſer Maͤnner nicht weiter erzaͤhlen, es ſind ihrer zu viel.
Sie irren ſich ſehr, Frau Schwe - ſter, es giebt auch Edelleute, welche vonEihrer66ihrer Art ſind, nemlich fein aberglaͤubiſch, und wann ihnen mit unvernuͤnftigen Ge - lehrten gedient iſt, ſo glauben ſie, daß es derſelben mehr giebt, als der vernuͤnftigen. Es ſind auch nicht alle Kaufleute geitzig, und ich kenne im Gegentheil auch Geiſtliche, welche die groſſe Welt gut kennen, wenn ſie gleich des Poͤbels wegen nicht immer darin leben koͤnnen, welche nicht alles uͤber ſich hergehen laſſen, welche vernuͤnftig und Philoſophen ſind, und das wenigſte glau - ben, was die Alten geglaubt haben, und welche alle Hirngeſpinſter des Poͤbels laͤug - nen. Man trift aber von dieſer Art Geiſt - lichen bewundernswuͤrdig-wenige an, und darum verehre ich ſie deſto mehr.
Nun ſo mag ſie waͤhlen was ſie will, wann ſie nur keinen Philoſophen und keinen aus einer andern Religion waͤhlt.
Wann ihre Wahl auf einen recht - ſchaffenen Philoſophen faͤllt, ſo kan ſie nicht beſſer und nicht gluͤcklicher gerathen. Doch ich will ſie nicht laͤnger aufhalten, die recht vernuͤnftige Wahl ihrer Fraͤulein Tochter iſt auf den Herrn Wahrmund ge - fallen, ihren ehemaligen Lehrer. Jch billi - ge ſie um deſto mehr, weil er naͤchſtens in ein Amt kommt welches unſerm Geſchlechte Ehre bringen wird.
Nein das geb ich nimmermehr zu. Jch ſollte mein Kind an einen Philoſophenverhey -67verheyrathen? Meine Großmutter iſt lu - theriſch geweſen, meine Mutter iſt auch eyfrig lutheriſch geweſen, ich bin es bis auf dieſe Stunde auch noch, mein Kind iſt lu - theriſch gebohren und erzogen, und ich ſoll - te es an einen Philoſophen verheyrathen? die philoſophiſche Religion hat der Satan gemacht, ſie hegt lauter Ketzereyen, und macht lauter Atheiſten. Ach! wenn ich das zugaͤ - be, ſo wuͤrde der Himmel in der Hochzeit - nacht uͤber meine Tochter ein Gewitter auf - ſteigen, und mich und ſie todtſchlagen laſſen. Ach! ich bin verlohren, meine Tochter iſt verlohren, wir brennen ſchon in der Hoͤlle. Ja, ja, da iſt der Teufel leibhaftig, da ſind die Hoͤrner, da ſind die feurige Au - gen! Ach! ich bin todt! ich bin verlohren!
Jhre Liebeserklaͤrung iſt zu dorfmaͤßig, ich bin keine Schulzentochter.
Nicht ſo hoch - muͤthig, Fraͤulein! ſie muͤſſen wiſſen, daß ich das Jawort ſchon von ihrer Frau Ma -E 2ma68ma habe, was iſt das fuͤr ein Gelaufe, ſie muͤſſen ihren Eltern gehorchen.
Kehren ſie ſich nicht an ſein unhoͤfliches Bezeigen, gnaͤdiges Fraͤulein ‒ ‒
Zanken ſie ſich jetzt nicht, meine Herren; ſehen ſie nicht, daß ihre Patro - nin in den Anfechtungen liegt? ſie hat ſchon wieder uͤber die Erſcheinung des Teu - fels geklagt.
O! dem wollen wir bald die Wege weiſen.
Ach! die liebe Frau! ach! geſchwinde! haben ſie ihr Gebetbuch bey ſich Herr Con - frater?
Ja, Herr Con - frater.
Legen ſie doch die Pfeiffe ſo lange bey Seite, Herr Con - frater.
Nehmen ſie ihre wieder, Herr Col - lege, es iſt beſſer, es hilft.
Nein, Herr College, es iſt eine unhei - lige Beſchaͤftigung!
Herr Confrater, ich ſage ihnen, der Toback iſt gut fuͤr Melancholey.
So machen ſie doch den Streit her - nach aus, jetzt iſt ja keine Zeit davon.
Nein, wir muͤſſen in dieſer Sache kei - nen Gewiſſensſcrupel haben, ich will ge - ſchwinde gehen, und will ſehen, ob manbey69bey dieſer Gelegenheit Toback rauchen muß, oder nicht.
Bleiben ſie nur hier, ich hab es wo geleſen, daß man Toback dabey rauchen muß.
Jch hab es auch geleſen.
O ſie ſind glaubwuͤrdige Leute. So wollen wir denn anfangen.
Quem paſtores laudavere.
Der Abendſegen am Mitt - wochen.
Herr Confrater ſie machen den andern Chor. Nolite vobis ‒ ‒ ‒
Ey zum Teufel! ich leſe ja ſchon den Abendſegen.
Nun ſo muͤſſen wir was anders neh - men.
In dulci jubilo.
Gebet eines Menſchen, der aus der Schwindſucht in die Waſſerſucht verfaͤllt.
Ach! nun bin ich befreyt, ach! das ſchoͤne In dulci jubilo.
Der Tobacksrauch hat wohl die beſte Wirkung gethan?
Ach! Herr Bruder ſie ſpotten, ſie fangen wahrhaftig an, ein Atheiſt zu wer - den. Und du Wilhelmine, du Unkraut, du ſollſt deinen Philoſophen nicht eher heyra - then, als bis ich todt bin.
Ein Prediger wuͤrde ſich weit beſſer fuͤr ſie ſchicken, weil ſie aus einem frommen Geſchlechte iſt.
Recht, Herr Confrater!
Fuͤr dich wird ſie ſich nicht ſchicken.
Ach! wenn ſie erfah - ren haͤtten, wie ſuͤſſe es thut, wenn man von einem Prediger in der Froͤmmigkeit er - bauet wird.
Ach ja!
Hoͤren ſie wohl zu, Fraͤulein.
Wann ich zum Exempel die Ehre haͤtte, ihr Mann zu ſeyn, ſo wollte ich ſie fleiſſig aus Muͤllers Liebeskuſſe erbauen.
Ach! das iſt ein recht erquickendes Buch!
Jch hab es auch, Fraͤulein; bey mir koͤnnen ſie auch drein leſen.
Jch kan ſie verſichern, daß ſie an mir einen recht frommen Mann haben wuͤrden. Jch wuͤrde ſie nicht, wie die andern Dorf - prieſter, im Garten und auf dem Felde ar - beiten laſſen.
Jch glaube, der Kerl will mir meine Liebſte abſpenſtig machen. (zu71
Nun! nun! Herr Confra - ter, ich werde doch wohl wiſſen, was ich mit ihr werde machen muͤſſen, wann ſie meine Frau ſeyn wird.
Jch meyn es ſo boͤſe nicht, Herr Col - lege. Kommen ſie hinein, ich habe mich ganz durſtig geſungen, und der Abendſegen wird ihren Hals auch trucken gemacht ha - ben, wir wollen eins drauf trinken.
Wollen ſie nicht mit uns ein wenig hinein gehen?
Jch trinke mit, Herr Confrater, kommen ſie, kommen ſie!
Jch will auch mit hinein gehen, Herr Wahrmund wird ganz allein drinnen ſeyn.
Nun Wilhelmine, weil wir beyde allein ſeyn, ſo frag ich dich auf dein Ge - wiſſen; haſt du nicht ſchon deine Religion verlaͤugnet, und biſt zu der philoſophiſchen Secte uͤbergegangen? Verſchweige mir nichts. Haſt du nicht Gott, deine Eltern, und die Bruͤſte, die dich geſogen haben, ver - ſchwoͤren muͤſſen?
ach du armes Schaaf! ach deine verlohrne Seele!
Ums Himmels willen, Mama, wie koͤnnen ſie ſolche Gedanken von der edelſten Wiſſenſchaft hegen? die Philoſo - phen moͤgen Heyden, Juden oder Tuͤrken ſeyn, ſo ſchadet es ihnen an der Philoſo - phie nicht das geringſte, und die Philoſo - phie aͤndert weiter nichts an ihren Glau - benslehren, als daß ſie das aberglaͤubiſche davon abſondern, und dieſelben richtiger einſehen lehret. Sie entdecket das ſchein - heilige eines unvernuͤnftigen, und auf die Lehrſaͤtze der Pſaffen gebauten Gottesdien - ſtes, und lehret ein hoͤchſtes Weſen ver - nuͤnftig verehren.
Pfui, ſchaͤme dich, die Vernunft wird von allen Canzeln und Univerſitaͤten verflucht. Ach Wilhelmine! Wilhelmine! bedenke, was du deiner Mutter fuͤr Herze - leid anthuſt, ich werde ewig weinen muͤſſen,
wann ich im Himmel ſeyn, und dich mit der Vernunft und allen Philoſo - phen in der Hoͤlle werde brennen ſehen.
Jch bin ein demuͤthiger Knecht von ihnen, gnaͤ - dige Frau, und von ihnen gleichfalls, gnaͤ - diges Fraͤulein. Warum haben ſie unsnicht73nicht die Ehre gegeben, und ſind mit hin - ein gegangen? Ach! ich mag ſie jetzt nicht gern alleine laſſen, gnaͤdige Frau, weil ſie mit dem geiſtlichen Zufalle als eine ehr - wuͤrdige Creutztraͤgerin behaftet ſind. Jch wollte, daß ich ſie mit meinem Gedete voͤl - lig davon befreyen koͤnnte, ich wollte Tag und Nacht fuͤr ſie auf den Knien liegen.
Ach ſo viel verdient eine arme Suͤn - derin nicht. Doch, wollten ſie es nicht ver - ſuchen, einen ganzen Tag beſtaͤndig fuͤr mich zu beten, Herr Paſtor?
Daß moͤchte ein Schelm aushalten.
O ja, gnaͤdi - ge Frau, ihnen zur Liebe, wohl eine ganze Woche.
Eine ganze Woche wuͤr - de mir zu viel Geld koſten.
Nur einen Tag, und den will ich ihnen recht gut bezahlen, denn ich weiß, daß ihr Koͤrper auch leben will.
O der Madenſack braucht nicht viel! aber mein Gewiſſen treibt mich, ihnen eine Sache zu entdecken, fuͤr der ſie ſich zu huͤ - ten haben. Sie trauen dem Herrn Tem - pelſtolz etwas zu viel zu, er hat noch nicht ſolch ein rechtſchaffenes Herz, als ſie wohl denken, und es ſollte mir leid thun ‒ ‒ ‒
Ey! Ey! was haben ſie auf den Herrn Tempelſtolz zu ſagen? er iſt ein from - mer Mann, er iſt rechtſchaffen, er iſt ein Eyfrer, er iſt mein Beichtvater.
Sie haben recht gnaͤdige Frau. Jch habe nichts an ihm auszuſetzen; ich will nur ſo viel ſagen, daß er gegen Euer Gna - den gnaͤdige Fraͤulein-Tochter nicht die ge - hoͤrige Ehrerbietung bezeiget. Er betrach - tet ihren Stand gar nicht, er bedenkt gar nicht, daß ſie ein Fraͤulein iſt.
Daß haͤtt ich mich nimmer - mehr an dem Herrn Tempelſtolz vermuthet. Er wird doch an das alte Spruͤchwort noch glauben: Ehre, dem Ehre gebuͤhret! Jch bin nicht hochmuͤthig, aber dazu iſt der Adel von Gott einmahl eingeſetzt, daß die andern Staͤnde Ehrfurcht vor ihm haben ſollen.
Sie haben ganz recht, gnaͤdige Frau. Und wann ich, dero gehorſamſter Knecht, der hohen Ehre gewuͤrdigt werden koͤnnte, mich mit dero hochadelichen und gnaͤdigen Fraͤulein-Tochter zu vermaͤhlen, ſo wuͤrde ich nicht unrecht thun, wenn ich mich, ihres Adels wegen, der eingeſetzten maͤnnlichen Herr - ſchaft gaͤnzlich begaͤbe.
Der verdammte Heuch - ler!
Es iſt Schade fuͤr mich ſowohl als De - ro gnaͤdige Fraͤulein-Tochter, daß der Herr Tempelſtolz ſchon Dero Jawort erhalten. Jch wuͤſte ſonſt wohl, was ich auf des Him - mels Eingebung zu thun haͤtte. Vielleicht wuͤrden ſie auch etwas thun, gnaͤdige Frau, wofuͤr ſie der Himmel belohnen wuͤrde.
Das Jawort des Hrn. Tempelſtolzen ſchadet ihnen nicht. Meine Tochter will ohnedem gern waͤhlen, darum ſollen ſie mein Jawort auch haben. ‒ ‒ ‒
Was? Frau v. B. ſie werden ja ihr Jawort nicht an zweye geben? Wiſſen ſie wohl, daß die, deren Worte auf Schrau - ben ſtehen, luͤgen, und daß die Luͤgner des Teufels ſind?
Ach mein Herr Beichtva - ter! ‒ ‒ ‒
Nein, ſie ſind nicht des Teufels, gnaͤ - dige Frau!
Nun werden die Anfechtungen des Satans nimmermehr aufhoͤren.
Ach! Ach! ‒ ‒ ‒
Ja, ſie ſollen eheſtens aufhoͤren.
Lieber Herr Muffel!
Jch ſag es ihnen hiermit, ſie ſollen in die Hoͤlle kommen.
Nein, ich will es nicht haben.
Ach! hab ich mich denn ſo groͤblich verſuͤndigt?
Ja, ja, ja.
Nein, gar nicht.
Jns Teufels Nahmen, iſt denn das Luͤgen keine Suͤnde?
Die gnaͤdige Frau hat der Wahrheit nichts zuwider gethan.
Jch habe nur meine Concordanz nicht bey mir, ſonſt wollt ich es ihnen be - weiſen. Holen ſie nur ihre ſo lange, Herr Confrater.
Sie ſoll gleich hier ſeyn. Doch, ich beſinne mich, ich habe ſie neulich in der Schenke vergeſſen.
Ey! was haben ſie denn in der Schenke zu thun, Herr Muffel?
Der Kruͤger hatte einen Gewiſſens - ſerupel, den muſte ich ihm heben.
Das iſt ein anders! hoͤren ſie meine liebe Herren, ich will den Streit ſo beyle - gen, daß keinem Unrecht geſchehen ſoll. Wie ich merke, ſo iſt meine Tochter unter die Philoſophen gerathen, und hat ſich von der Weltweißheit ganz einnehmen laſſen. Wer ſie nun von ihnen beyden wieder auf den rechten Weg bringen kan, der ſoll ſo - gleich Verloͤbniß mit ihr halten.
O gnaͤdiges Fraͤulein, ſo erlauben ſie mir, daß ich zum Voraus ihre ſchoͤne Hand kuͤſſe, denn ich werde gewiß gewinnen.
Machen ſie ſich nur immer zu unſerm Verloͤbniſſe bereit, Fraͤu - lein, denn ich werde ihnen die Hoͤlle recht heiß machen. Jch weiß am beſten, wie man das philoſophiſche Unkraut daͤmpfen muß, ich will es mit ſammt der Wurtzel ausrotten.
Damit muß ich beſſer umzugehen wiſ - ſen, Herr Confrater. Jch bin zwey Wo - chen eher im Amte, als ſie.
Wie wollen ſie es doch angreifen? Jch bin erſt kuͤrzlich in der Stadt geweſen. Meynen ſie nicht, daß ich was rechts dar - aus mitgebracht habe?
Und wann ſie auch die Stadt ſelbſt mitgebracht haͤtten, ſo muͤſſen ſie wiſſen, daß ich eine Poſtille mehr habe als ſie, ſie haben ohndem daran eine ungerade Zahl.
Reden ſie nur gar nichts mehr, Herr Confrater, mein Dorf iſt ein koͤnigliches Dorf, und ihres gehoͤrt nur einem Edel - manne. Jch habe mehr Macht den Teu - fel zu bannen, als ſie.
Was helfen ihnen dieſe unnoͤthigen Worte, meine Herren? ich werde mich vor dem koͤniglichen Dorfprieſter ſo wenig fuͤrch - ten, als vor dem adelichen.
Wer wird aber den Anſang von ih - nen wachen, meine Herren?
Nun wird es gewiß wieder einen Rang - ſtreit ſetzen.
Weil ich Wirth im Hauſe bin, ſo muß der Herr Tempelſtolz die Ehre haben, der erſte zu ſeyn.
Nein, ſie ſind zwo Wo - chen laͤnger im Amte, ſie muͤſſen anfangen.
Sie kommen erſt aus derStadt,78Stadt, die Stadtleute muͤſſen den Rang haben.
Sie haben eine Poſtille mehr, als ich, Herr Confrater, fangen ſie nur immer an.
Mein Dorf ſteht nur unter einem Edelmanne ‒ ‒ ‒
So laffen ſie es nur auf meinen Aus - ſpruch ankommen, der Herr Tempelſtolz mag ſein Heil zuerſt verſuchen.
Jch fuͤrchte mich gar nicht. Laſſen ſie mich nur erſt wornach in einer Poſtille ſehen.
Das iſt fuͤr ſolchen gelehrten Mann nicht noͤthig.
So verbieten ſie es dem Herrn Muf - fel gleichfalls, ſonſt ‒ ‒ ‒
Die Schande werde ich mir nicht an - thun.
Nun, ſo wollen wir ſie beyde alleine laſſen. Jch werde unterdeſſen fuͤr ſie be - ten, Herr Tempelſtolz; Herr Muffel ſoll mir helfen.
O ja ich will recht eyfrig fuͤr ihn beten,
daß ihn der Teufel holen ſoll.
Und du Wilhelmine folge ja den Vermahnungen des Herrn Tempelſtolz.
Wenn der verzweifelte Kerl nur nicht ſolche Streiche mit ihr macht, als ich mit Cathrinen in der Betſtunde.
Nun, mein Herr Tempelſtolz, ſie wer - den mir viel zu ſagen haben, aber ſie wer - den mir einen Gefallen thun, wann ſie nicht lange damit verziehen. Jch bin ſehr begierig, entweder von ihnen uͤberwunden zu werden, oder ſie in ihren Meynungen ſchamroth zu machen.
Nun, weil ſie denn noch ſo verwe - gen bey ihrem Jrrthume ſeyn, ſo ſollen ſie hiermit wiſſen ‒ ‒ ‒ doch ich will mich noch auf die rechte Art bedenken, wie man ſolche Feinde der Kirche, als die Philoſo - phen ſind, angreifen muß.
Oder ſoll ich den Anfang machen, Herr Tempelſtolz?
Jch will ihr gleich mit Nachdruck und mit der Schaͤrfe ins Ge - wiſſen reden.
Aber Fraͤulein ‒ ‒ ‒ Aber Fraͤulein ‒ ‒ ‒ wollen ſie nicht Gott die Ehre anthun, und mir bekennen, daß die Philoſophie vom Teufel iſt, und daß ſie als eine Anhaͤngerin derſelben verlohren ſind? wollen ſie derſel - ben nicht abſchwoͤren?
Sie haben mich dazu noch nicht uͤber - fuͤhret.
Was? ſie wollen es nicht thun?
Auf ihrem Befehle beruht dieſe wich - tige Sache nicht.
Nun, ſo uͤbergebe ich ſie dem Sata - nas, dem Beelzebub, dem Teufel!
Und nun hat der ganze Proceß ein Ende?
Ja. Jch hab ihnen geſagt, was ich gekonnt habe.
Wer hat denn nun Recht unter uns beyden?
Jch. Denn ein Geiſtlicher muß nie - mals Unrecht haben.
So hoͤren ſie mich nun auch auf ei - nen Augenblick. Jch habe ihnen und al - len ihres gleichen etwas noͤthiges zu ſagen. Unſer Vaterland hat zwar nicht mehr noͤ - thig, ſich von einem einzigen Geiſtlichen alles, was es denken, glauben und laͤugnen ſoll, verſchreiben zu laſſen; es hat aber an des Einen ſtatt eine ganze Menge Paͤbſte bekommen, ſo viele nemlich, als es unver - nuͤnftige Geiſtliche hat. Sie ſelbſt ſind ei - ner von dieſen war ganz kleinen, aber recht großherriſchen Paͤbſtgen. Jch aber gehoͤre nicht unter die Heerde ihrer Layen. Mich duͤnkt, recht und vernuͤnftig zu handeln, wenn ich ihnen nicht das geringſte auf ihrenKragen81Kragen und auf ihre Antrittspredigt glau - be, ſondern, wenn ich allezeit die Vernunft und die Glaubenslehren entſcheiden laſſe. Nach dieſer meiner Meinung kan ich mich mit ihnen gar nicht in einen Streit einlaſ - ſen. Denn, will ich vernuͤnftig mit ihnen handeln, ſo finde ich an ihnen einen Feind der Vernunft, der trotz ſeinem Bisgen Vernunft nicht vernuͤnftig ſeyn will. Kaͤm ich auf die Glaubenslehren, ſo muͤſten ſie mir erſt eine Poſtille holen, und dann wuͤrd ich mit der Poſtille, nicht aber mit ihnen diſputiren.
Die iſt ja ganz beſeſſen von der Phi - loſophie. Es wird Muffeln gewiß nicht beſſer gehen; doch, ich weiß, was ich thun will, ſie ſoll bald anders werden. Jch will den Sonntag in der Kirche vor ſie bitten.
Wann ich wuͤſte, daß ein ſtudirter Bettler drauſſen waͤre, ſo wollt ich ihn bis Morgen fruͤh anklopfen laſſen. Jch weiß nicht, was die Thoren dazu bewegt, daß ſie darum auf die Univerſitaͤt ziehen, damit ſie hernach vor den Thuͤren der Dorfprieſter ihr Brod betteln koͤnnen ‒ ‒ ‒
Der Herr verziehe noch ein wenig, es iſt mir noch nicht gelegen. Jch dachte ſonſt, die Narren ſtudirten nur auf einen Prie - ſter, oder Advocaten, oder Docktor, aber, wie ich nun bey meinem Herrn aus der Erfahrung gelernet habe, ſo muͤſſen ſie auch auf einen Vaganten ſtudiren, denn ſo nennt mein Herr die geſtudirten Bettler ‒ ‒ ‒
Der Kerl muß ſehr hungrig ſeyn, ich muß ihm nur aufmachen, ehe er mir die Thuͤre einſchlaͤgt.
Gott gruͤſſe euch, mein Freund.
Nein, es iſt doch kein Va - gant, wie ich dachte. Vielleicht iſt es aber eine Vagantin, die Kerls werden auch wohl Frauen haben, wie andre Menſchen.
Jſt dieſes nicht des wohlehrwuͤrdigen und hochgelahrten Herrn, Herrn Paſtor Muffels, Behauſung?
Sie ſpricht ſchon in dem Bettlerthone, das hoͤr ich an dem Titul.
Nein, dis Haus gehoͤrt zur Pfarre. Der wohlehrwuͤrdige und hochge - lahrte Herr, Herr Paſtor Muffel, hat im Dorfe kein eigenes.
Jhro Wohlehrwuͤrden wohnen doch aber hier?
Ja, mit Leib und Seele, und mit ſei - nem treufleißigen Hausknechte Petern, das bin ich, und mit der weiland geweſe - nen Jungfer, Jungfer Cathrine, ſeiner Haushaͤlterin.
Alſo beſtehet ſeine ganze Haushal - tung nur aus dreyen Perſonen?
Nein, aus vieren. Jch bin eine Per - ſon, mein Herr iſt auch eine, aber Cathri - nen muß ich gewiſſer Urſachen wegen fuͤr zwey Perſonen rechnen. Aber, mit Er - laubniß, wollen ſie etwan einen Zehrpfen - ning von meinem Herrn auf die Wander - ſchaft, oder haben ſie vielleicht den morgen - den Kirchmeßbraten gerochen?
Ey! ihr ungeſchliffner Flegel, meynt ihr, daß ihr eine gemeine Kuͤſterfrau oderF 2eine84eine Landſtreicherin vor euch habt? denkt ihr, daß ich auf die Kirchmeß betteln gehe? ich bin eine ehrliche, brave Conrecktor - wittwe, und muß in acht Tagen eine Prie - ſterfrau ſeyn.
Nicht ſo boͤſe, Frau Conrecktorwittwe! ich habe allen Reſpeckt vor ihnen, ich wu - ſte nicht, daß ſie ſo hoch tituliret ſind. Sa - gen ſie mir nur in der Guͤte, wie man ſie nennen muß, man kan einem ja ſeinen Ti - tul nicht gleich an der Stirn leſen.
Jetzo heiſſe ich noch die Frau Con - recktorin, und das mit Recht. Denn es hat mir 400. Rthlr. an Praͤſenten geko - ſtet, als mein ſeliger Eheliebſter das Sub - conrecktorat mit dem Conrecktorate verwech - ſelte. Ja ich habe noch uͤberdem bey den Patronen der Schule manche bittre Thraͤ - nen vergieſſen muͤſſen, ehe mein Mann durchdringen konnte.
Jſt denn ein Conrecktor eine ſo groſſe Creatur, daß ſie ihren ſel. Eheliebſten mit 400. Rthlrn. und mit ihren milden Zaͤhren darzu verhelfen muͤſſen?
Allerdings. Ueberdem wollte mein Mann nicht laͤnger den kleinen Jungen die Knipgen mit dem Lineale auszahlen, und ich wollte gern Frau Conrecktorin heiſſen.
Was ſind ſie denn nun aber geworden? ſind ſie eine Excellenz, oder eine gnaͤdige Frau, oder ‒ ‒ ‒
Die Frau Conrecktorin ſchlechtweg, das iſt mehr, als Excellenzen und gnaͤdige Frauen.
Aber, Frau Conrecktorin ſchlechtweg, wollen ſie hineingehen, oder ſoll ich meinen Herrn herausrufen?
Nein, den will ich eben nicht ſpre - chen. Jch habe gehoͤrt, daß mein kuͤnfti - ger Herr Eheliebſter, der wohlehrwuͤrdige und hochgelahrte Herr, Herr Paſtor Tem - pelſtolz, hier ſeyn ſoll.
Er iſt zwar hier, aber nicht als ihr kuͤnf - tiger Herr Eheliebſter, ſondern als der Fraͤulein Wilhelmine von Birkenhayn Braͤutigam.
Was ſagt ihr? was? was hat der Betruͤger? ſich ſchon eine Braut ange - ſchaft? der Heuchler! ich will ihm lehren, was er nicht weiß. Der Spitzbube! hier bring ichs ihm vom Conſiſtorio, daß er mich heyrathen muß. Der Landſtreicher! Jch will gleich hinein, ich will ihm die Augen auskratzen. Weil er macht, daß mir die Galle auſſteigen muß, ſo ſoll er ſie auch recht bitter ſchmecken. Jch bin der Teu - fel ſelbſt, wenn ich anfange; Laßt mich hinein ‒ ‒ ‒
Jch will ihn lieber herausruſen, damit ſie wenigſtens alleine mit ihm ſeyn, wenn ſie ihm die Augen auskratzen, er moͤchte ſich ſchaͤmen, wenn ſie es vor allen Leuten thaͤten, die drinnen ſind.
Du unver - ſchaͤmter Betruͤger, du Heuchler! wenn ich nicht in der Welt geweſen waͤre, ſo ſaͤſſeſt du noch in der Armenſchule, und faſteteſt alle Tage einmahl, war ich dazu - mal nur gut genug, als du mir mein Geld ablogeſt? muß es nun ein Fraͤulein ſeyn, nun ich dich zum Brode verholfen. ‒ ‒
Woruͤber zankt ihr euch, Peter? zanken denn die Leute auch, die bey ſolchen frommen Predigern dienen?
Sie muͤſſen mich und meinen Herrn ja nicht fuͤr Engel anſehen, mein Herr von Roſeneck. Jch habe mein Lebestage bey Bauern und Kruͤgern genug gedient, aber ſo viel hab ich in keinem Hauſe zanken ge - hoͤrt als hier. Ja bey dem Cartenſpiele unſrer betrunkenen Knechte geht es viel friedlicher zu, als wenn ihrer zwey oder drey Geiſtliche bey meinem Herrn zuſam - menkommen. Man ſollte ſchwoͤren, ſie waͤ - ren dazu ins Amt geſetzt, daß ſie ſich in ihrem Leben brav herumzanken ſollten. So viel Geiſtliche in unſerm Hauſe ſind, ſo viel Ketzer ſind auch allemal drein, denn einer macht den andern dazu.
Er hat recht, es iſt kein zankſuͤchtiger Thier in der Welt, als ein Orthodore, ſonderlich auf dem Lande.
Aber wer iſt denn dieſe Ma - trone?
Schimpfen ſie ſie ja nicht fuͤr eine Ma - trone, Herr von Roſeneck, ſonſt ſind ſie ungluͤcklich, ſie heiſt Frau Conrecktorin ſchlechtweg.
Ja, die bin ich, ich ſuche hier einen Betruͤger, einen verlaufnen Schulmeiſter, einen Erzſchelm, einen Spitzbuben, ei - nen ‒ ‒ ‒
Einen wohlehrwuͤrdigen und hochgelahr - ten Herrn, Herrn Paſtor Tempelſtolz.
Ja, ja, der iſts, dem ehrvergeſſenen gewiſſenloſen Landſtreicher will ich die Au - gen auskratzen.
Das ſind ſchoͤne Titul fuͤr einen Geiſtlichen. Aber Frau Conrecktorin, warum geben ſie ihm die heßliche Beynah - men, womit hat er ſie verdienet?
Er hat noch mehr, als dieſe Titul ver - dienet, mein Herr, hoͤren ſie nur den gan - zen Verlauf der Sachen an, ſo werden ſie mir gewiß Recht geben. Jch bin nunmeh - ro, Gottlob! eine Frau von 65 Jahren, und werde ihnen nichts vorluͤgen. Vor zwey Jahren, als mir mein ſeliger Herr Eheliebſter, der Herr Conrecktor, Hr. An - dreas Puncktum abſturb, ach! es war doch ein lieber Mann, Gott laß ihn ſeligF 4ruhen!88ruhen! ſo mußte ich aus der Schule in ein ander Haus ziehen. Es traf ſich eben da - zumahl, daß ich in daſſelbe Haus zog, in welchem der nunmehrige Herr P. Tempel - ſtolz, und damahliger Arme ſchulmeiſter wohnte; und, weil wir alle beyde geiſtliche Perſonen waren, ſo folgte ganz natuͤrlich, daß wir getreue Nachbarſchaft zuſammen hielten. Weil er endlich merkte, daß ich des Wittwenſtandes uͤberdruͤßig war, ſo fieng er an, mich auſſerordentlich liebzu - koſen, und war eben ſo feurig in ſeiner Lie - be, als wenn ich einige 40 Jahr juͤnger ge - weſen waͤre. Jch muß geſtehen, dis ge - fiel mir alles uͤber die Maſſen wohl, denn obgleich meine Natur bereits laͤngſt erſtor - ben war, ſo mogte ich es doch wenigſtens recht gerne leiden, wenn er mir die Haͤnde druͤckte, und die Backen ſo allerliebſt ſtrei - chelte und kuͤßte, das andre aber, woraus ſich die jungen Maͤgdgen ſo viel machen, iſt in meinen Augen nur eitel.
Die Trauben ſind ſauer, ſagte der Fuchs, Weiter, Frau Conrecktorin!
Jch wurde daruͤber ſo treuherzig, daß ich ihm all mein Bisgen Geld ſehen ließ, und ihm zu verſtehen gab, daß ich ihn Luſt zu heyrathen haͤtte, wofern er ſich dadurch einen Dienſt verſchaffen koͤnnte. Auf dieſen An - trag war er vor Freuden ſo auſſer ſich, daß er mich ich weiß nicht wie viel Meilen auf den Haͤnden getragen haͤtte, wofern ich esfordern15[89]fordern wollen. Das Gluͤck fuͤgte es bald darauf, daß er in Erfahrung brachte, die Pfarre in Groſſenhauſen ſey vacant. Jch ſtreckte ihm zweyhundert Thaler vor, fuͤr welche er ſich Patronen erwarb, und bey den Predigern ein gelindes Examen auswirkte.
So haben die Prediger auch gelindes Examen zu verkaufen? da koͤnnen ſie wohl reich werden!
Er verſprach mir hingegen auf das heiligſte, mich zu heyrathen, und wir mach - ten auch ſo gleich Verloͤbnis, als er die Vo - cation empfing. Als er aber die Antritts - predigt gehalten hatte, ſo wolte er nichts mehr von mir wiſſen, und ſchmiß mich, als ich ihn beſuchte, zum Hauſe hinaus, ver - dammte mich auch noch dazu auf ewig, daß ich als eine Frau von ſo viel Jahren noch heyrathen wollte.
Sie ſollten alſo ohne alle Barmherzigkeit in die Hoͤlle?
Allerdings. Weil ich ihm in ſeinem Bette zu alt war, ſo kam es ihm nicht drauf an, mich aus demſelben in die Hoͤlle zu verſtoſſen.
Da haben ſie auch weit zu fallen ge - habt, denn die Hoͤlle muß doch wohl uͤber 100. Meilen von Hrn. Paſtor Tempelſtol - zens Bette ſeyn?
Jhr irret euch, guter Peter, ieder Geiſtliche bauet ſich in ſeinem Gehirne eineF 5Hoͤlle90Hoͤlle, und einen Himmel nach ſeinem Ge - ſchmacke. Der eine bauet ihn fuͤr dieſe Art Leute, und der andere wieder fuͤr eine andre Art, jeder aber bauet die Hoͤlle fuͤr ſeine Feinde, und den Himmel fuͤr ſeine Freunde. Weil aber Herr Tempelſtolz, als ein Mann von ſeinen beſten Jahren, ein junges Maͤgdgen einer alten vorziehet, ſo hat er die Baukunſt ſeines Himmels und ſeiner Hoͤlle alſo eingerichtet, daß ſich jener fuͤr die jungen Maͤgdgens, und dieſe fuͤr die al - ten Weiber paſſet, welche ihn heyrathen wollen. Was iſt aber weiter aus ihrem Streite geworden, Frau Conrecktorin?
Jch habe ihn darauf vor dem Con - ſiſtorio verklagt, und bringe ihn von dem - ſelben den gerechten Spruch mit, daß er mich entweder heyrathen, oder abgeſetzt werden ſoll.
Er wird ſich gewiß nicht abſetzen laſſen, und wann ſie auch zwey mahl 65 Jahr alt waͤren.
Wie ich aber gehoͤrt habe, ſo ſoll er auf die Hofnung den Proceß zu gewinnen, ſich bereits um ein adeliches Fraͤulein be - worben haben. Aber nein, ſein Spitzbu - benſtreich ſoll ihm nicht gelingen. Nein, nein; er muß mich nun durchaus nehmen.
Was wird ihnen dies aber helfen. Fran Conrecktorin? was werden ſie fuͤr gute Tage bey einem gehaͤßigen Ehemanne haben, ſonderlich bey einem Geiſtlichen? Esgiebt91giebt tuͤckiſche Gemuͤther darunter. Er wird ihnen ſo viel im Wege legen, ſo viel unruhige Stunden, ſo viel heimliche Aerger - niß machen, bis er ſich durch ihren Tod von ihnen befreyet.
Das ſoll er wohl bleiben laſſen. Mein Herr, ſie wiſſen noch nicht, was in mir ſteckt, ſie kennen mich noch nicht. Jch bin eine ſogenannte boͤſe Frau, das iſt, ich habe Herz und Macht, einen Mann nach meinem Kopf zu regieren. Jch werde es nicht anders mit ihm machen, als mit dem ſeligen Hrn. Conrecktor. Von dem Gel - de, das ich noch habe, bekommt er keinen Pfennig in ſeine Haͤnde. Sein Einkom - men nehme ich gleichfalls zu mir, und gebe ihm nichts mehr davon, als ich will, und als er durch die ſchoͤnſte Liebkoſungen von mir erbettelt. Wird er Geld von mir ha - ben wollen, ſo wird er mir gewiß die Ba - cken ſtreicheln muͤſſen, und ich werde ſeine liebe Frau, ſein ſchoͤnes Muͤtterchen, ſein Schatz, ſein Brigittchen, ſein Herzgen und ſein Alles ſeyn.
Es moͤgte aber vielleicht etwas hart halten, ehe ſie dieſe Herrſchaft uͤber ihn be - kommen werden?
Dazu hat die Natur mir und allen Weibern die Zunge verliehen. Was uns an Staͤrke abgehet, erſetzen wir durch Schimpfen. Jch will ihm die Ohren und das ganze Haus ſo lange vollſchreyen, ihmam92am Tiſch und im Bette ſo viel Schimpſ - woͤrter und Fluͤche vorbeten, bis er zu Creuze kriechen, und, um Friede zu haben, mir alles eingehen ſoll, was ich haben will.
Jch kan es nicht laͤugnen, ich goͤn - ne Herrn Tempelſtolzen ſolche brave Frau, denn er hat ſie laͤngſt verdient. Kehren ſie ſich daran nicht, daß er ſich hier bereits um eine Braut beworben, er iſt der Fraͤu - lein Wilhemine weit ungelegener mit ſei - ner Liebe gekommen, als ſie ihm nach der Antrittspredigt gekommen ſind. Sie bringen zur gluͤcklichen Stunde ihren Be - fehl vom Conſiſtorio, und befreyen meiner Schweſter Tochter von einem verdrießli - chen Liebhaber. Wann ſie nur den Herrn Muffel auf eben ſolche gute Manier los wuͤrde!
Der koͤnnte ſehr leicht aus dem Sattel gehoben werden, mein Herr von Roſeneck Jch duͤrfte nur reden, den Augenblick ‒ ‒ aber ich wuͤrde mich dadurch nur dienſtlos und ungluͤcklich machen.
Sorget fuͤr nichts, Peter. Wo - fern ihr mir in dieſer Sache eure Dienſte leiſtet, ſo bin ich euch nicht nur fuͤr allen Schaden gut, ſondern ich verſpreche euch auch uͤberdem ‒ ‒ ‒
Wenn ſie mir nur fuͤr allen Schaden Buͤrge ſind, ſo verlange ich weiter nichts. Jch bin eben nicht eigennuͤtzig. Mein Herr hat es noch viel groͤber gemacht alsder93der Paſtor Tempelſtolz. Hoͤren ſie nur! er hat ſich eine Haushaͤlterin gemiethet, um ihr in der Kuͤche was vorpredigen zu koͤnnen ‒ ‒ ‒
Das iſt ja recht ſchoͤn von ihm, Peter.
Durch die Kuͤchenpredigten hat er ſie zu einer Abendbetſtunde vorbereitet, welche er eine Woche lang mit ihr gehalten ‒ ‒ ‒
Ach! das muß ein allerliebſter from - mer Mann ſeyn.
Dieſe Abendbetſtunden hat er darum gehalten, damit ſie ihm eine gewiſſe halbe Stunde nicht verſagen koͤnnte ‒ ‒ ‒
Was fuͤr eine halbe Stunde, Peter?
Aus dieſer halben Stunde aber werden gewiſſe ſechs Wochen werden.
O! wie ich hoͤre, ſo iſt euer Herr eben ein ſolcher Teufelsbraten, als mein Eheliebſter.
Hierauf hat er mir die Catharine, und 100. Thlr. fuͤr das, was er ihr geſtohlen, anſchmieren wollen, aber ich bin mehr ehr - geitzig, als geldgeitzig, ich verlange ſie nicht, ob ich gleich nur ein armer Bau - renknecht bin.
Als Tempelſtolz noch Armenſchul - meiſter war, haͤtte er ſich kein Gewiſſen draus gemacht, eine ſolche Cathrine mit 100. Rthlrn. zu nehmen, er haͤtte ihnengewe -94geweſenen Liebhaber noch groſſen Dank dazu geſagt.
Jhr haͤt - tet mir nichts nuͤtzlichers entdecken koͤnnen, Peter. Wir muͤſſen es dahin bringen, daß ſich Muffel noch eher mit Cathrinen verſprechen muß, ehe die Fraͤulein Wil - helmine von ihrer Mutter ihm die Hand zu geben gezwungen wird. Meine Schwe - ſter muß alſo Nachricht von dieſer heimli - chen Liebesausſchweifung des Herrn Muf - fels bekommen. Jch befuͤrchte aber, daß ihre Vorurtheile fuͤr ihn nicht zulaſſen moͤchten, uns das geringſte zu glauben, wo wir es ihr nicht augenſcheinlich machen.
Laſſen ſie mich nur machen, ich will dieſe Heimlichkeit meines Herrn auf eine Art offenbar machen, welche gewiß in die Au - gen fallen ſoll.
Verſucht es, Peter, und thut euer moͤglichſtes dabey. Die Frau Conreckto - rin will ich auch gebeten haben, ſich nicht eher ſehen zu laſſen, als bis Peter den Herrn Muffel oͤffentlich ſchamroth gemacht hat. Wann ſie ſodann zu rechter Zeit dazu kommen, und ſich dem Herrn Tem - pelſtolz als ſeine verſtoßne, und von hoher Obrigkeit wiedergegebene Braut zeigen, ſo wird meine Schweſter beyde Augen zu - gleich aufthun muͤſſen. Wann ſie uns in dieſer Sache helfen wollen, ſo ſoll es aufmeiner95meiner Seite an einem reichen Hochzeitge - ſchenke nicht fehlen.
O! ich will alles dabey thun, was ich kan.
O! die alten Weiber koͤnnen viel.
Jhr aber, Peter, fuͤhret die Frau Conrecktorin unterdeſſen in ein Zimmer, wo ſie von niemand eher geſehen wird, als es Zeit iſt. Jch werde den Ausgang mit Schmerzen erwarten. Spielet ihr nur eure Rolle gut, Peter, ich will euch zuvor einigen Unterricht darin geben.
Ob ich gleich dumm ausſehe, ſo habe ich doch einen polirten Kopf. Jch habe was recht liſtiges im Sinne.
Sind noch mehr Fremde angekom - men, Herr von Roſeneck? oder wer war dieſe Alte, welche jetzt mit Petern von ih - nen gieng?
Dieſe Frau iſt eben jetzo zu ihrem und der Fraͤulein Wilhelmine Gluͤck hie - her gekommen. Herr Tempelſtolz wird ihnen gar nicht mehr im Wege ſtehen, ſo bald meine Schweſter dieſe Matrone wird geſehen und geſprochen haben.
Dem ohngeachtet werde ich vor wie nach gleich ungluͤcklich bleiben. Geſetzt auch, daß mir weder Tempelſtolz noch Muffel das geringſte in meiner Liebe ſcha - den koͤnnten, ſo iſt doch jetzo der Haß ihrer Frau Schweſter gegen mich ſo unverſoͤha - lich geworden, daß er mir auch noch die wenige Hofnung und das Zutrauen, ſo ich auf ihren vielguͤltigen Vorſpruch geſetzet, geraubet hat, denn ich bin in den Augen der Fr. v. B. nunmehro der abſchenlichſte Boͤſewicht, und darf mich nicht mehr vor ihr ſehen laſſen.
Der Zufall iſt ſonderlich. Jn dem Augenblicke, da mir das Gluͤck Mittel und Wege gezeiget, ſicher zu unſerm Endzwecke zu gelangen, da ich zu meiner groͤſten Be - ruhigung meine Schweſter im Geiſte von ihren Vorurtheilen fuͤr die beyde Geiſtliche gerettet, und ſie mit der Fraͤulein Wil - helmine ſchon verbunden ſahe, in eben dem Augenblicke hat das Gluͤck auf der andern Seite alle Hofnung wieder hingeriſſen? entdecken ſie mir doch den Grund dieſes unvermutheten Uebels.
Sie waren kaum von uns hinausge - gangen, als Tempelſtolz ſo wuͤtend in das Zimmer trat, als ob wir ihm ſeinen gan - zen geiſtlichen Staat mit allen dazu gehoͤ - rigen Spielwerken des Aberglaubens ge - nommen haͤtten.
Ohne Zweifel hat er die Zeit in acht genommen, da er ſie ohne mich hat uͤberſal - len koͤnnen.
Er wuſte freylich mehr als zu wohl, daß uns ihr Schutz fehlte. Denn den Au - genblick, da ich ihn ſahe, war ich ein Ver - fuͤhrer, ein Atheiſt, ein Zauberer, ein Teu - fel, und was er nur abſcheuliches wuſte. Jch hatte die Fraͤulein die Philoſophie ge - lehret, und ſie dadurch zur Atheiſterey ver - fuͤhret, ich muſte ihre Sinnen oder ſeine Predigten bezaubert haben, weil er mit den - ſelben nichts ausrichten konnte. Er that mich in den Bann, er verdammte mich mit Leib und Seele in die Hoͤlle, und mein Gluͤck war, daß er die Macht nicht hatte, ſonſt haͤtte er ſogleich in dem Zimmer einen feu - rigen Backofen und ein Dutzend Teufel er - ſchaffen, und mich ohne alle Gnade hinein ſchieben laſſen.
Wahrheit und Vernunft ſind ſehr gluͤcklich, daß die Geiſtlichen dieſe Macht nicht haben, ſonſt waͤren ſie in einem Tage ansgerottet. Nunmehro aber bin ich ihrer Liebe wegen ganz unbeſorgt. Denn weil der Haß meiner Schweſter gegen ſie nur von Tempelſtolzens Eyfer entzuͤndet worden, ſo wird er eben ſo bald wieder verloͤſchen, als er entglommen.
Wenn ſie etwas wiſſen, welches mir die geringſte Hofnung wieder geben kan, ſoGentdecken98entdecken ſie mir doch ſolches zu meiner Be - ruhigung.
Es ſind die beyden Geiſtlichen mit ihrer Niedertraͤchtigkeit und Boßheit, wel - che ihnen wieder ſich ſelbſt beyſtehen. Die alte Frau, welche ſie den Augenblick erſt von mir gehen ſehen, iſt Tempelſtolzens Braut, durch deren Geld er ſich ins Amt geſtohlen. Er hat ſie hintergehen, und einer 65 jaͤhrigen Frau ein junges Fraͤulein vor - ziehen wollen; ſie hat aber einen Befehl vom Conſiſtorio bey ſich, welcher ihn wieder ſeinen Willen Recht zu thun zwinget. Muf - fel aber hat ſich in ſeine Koͤchin ſo ſtark verliebt gehabt, daß er ihr ſich ſelbſt ohne Zeugen angetrauet hat, und ſie ietzt auch, ohne ſie zu lieben, heyrathen muß.
Mein Erſtaunen uͤber dieſe laſterhafte Auffuͤhrung unſerer Geiſtlichen iſt nicht ge - ringe. Allein in dem ſie durch dieſelbe wie - der ihren Willen mein Gluͤck befoͤrdern, ſo bin ich zufrieden, daß ich zu meinem End - Zwecke gelangen kan, ohne aus Liebe nie - dertraͤchtig zu werden. Kommen ſie, mein wertheſter Hr. von Roſeneck; laſſen ſie uns keine Zeit verſaͤumen, ietzt beruhet es nur darauf, daß ſie die Frau von Birkenhayn davon benachrichtigen, ſo bin ich den Au - genblick gluͤcklich und vergnuͤgt; ich kan den gluͤckſeligen Augenblick kaum erwarten.
Wir wuͤrden uns uͤbereilen, mein Hr. Wahrmund, wenn ich ihrem Rathe folgte. Laſſen99Laſſen ſie uns viel lieber ſo lange verziehen, bis es die Gelegenheit giebt, meiner Schwe - ſter alles auf eine ſo in die Augen leuchtende Art zu entdecken, daß ſie der Wahrheit nicht laͤnger widerſtehen kan. Kein Jrr - thum, kein Vorurtheil, iſt gefaͤhrlicher aus - zurotten, als welches bloͤde Gemuͤther fuͤr das Anſehen der Geiſtlichen gefaßt haben. Jch kan mich uͤberdem noch nicht des Nach - denkens uͤber die Auffuͤhrung dieſer beyden Maͤnner entſchlagen. Es erweckt in mir eine gewiſſe Unterſuchung der Gruͤnde, war - um doch in dem geiſtlichen Stande, wel - chem von dem Poͤbel die groͤſte Ehre erwie - ſen wird, die meiſte Unwiſſenheit, und die groͤſten Laſter herrſchen. Niedertraͤchtig - keit, Stolz, und Betrug ſcheinen am ruhig - ſten bey den Geiſtlichen zu wohnen.
Vielleicht kan ich ihrer Neubegierde genug thun, mein Herr von Roſeneck, weil ich Schulen und Academien, als die Pflanzgaͤrten dieſer Leute, mehr, als ſie, be - ſucht habe. Wir duͤrfen nur die Art un - terſuchen, wie auf Schulen die ſogenann - te Brodſtudia gewaͤhlt werden. Dieſe Wahl kommt entweder auf die Eltern, oder auf die Lehrer, oder auf den Schuͤler, doch auf dieſen am allerſeltenſten, an. Die Eltern waͤhlen allezeit fuͤr ihr Kind nach ihrer Einſicht, und nach ihrem Ei - gennutze. Ein einfaͤltiger Buͤrger hat viel - leicht einen Beichtvater, der reich und ge -G 2ehrt100ehrt iſt, und den die ganze Stadt, und er ſelbſt, fuͤr den froͤmmſten unter der Sonnen haͤlt; ſein Sohn ſoll auch dereinſt reich, geehrt, und fromm werden, darum muß ſein Sohn ein Prediger werden; denn ei - nem Prediger, wie er ſich uͤberredet, kan keines von dieſen fehlen. Der Sohn wird mit der Bedrohung, enterbet zu werden, auf Academien geſchickt, er muß Theologie ſtu - diren, damit er ſich zwey Jahre hernach vom Poͤbel koͤnne verehren laſſen, damit er fromm ſcheine, und damit er eine ſette Pfarre davon tragen koͤnne.
O der Sohn wird ein ſtolzer, un - wiſſender, und geitziger Heuchler werden! aber ſchlaͤgt die Wahl der Lehrer nicht gluͤcklicher aus?
Dieſe Wahl uͤberſchuͤttet den Staat mit den allerſchaͤdlichſten Creaturen. Denn ein Schulmonarch, welcher einem Vater ſeines Kindes wegen rathen ſoll, ſchlieſſet allemal bey ſich ſelbſt nach folgen - den vier Arten. Entweder, Hanns iſt dumm, Hanns muß ein Prediger werden; oder Hanns iſt tuͤckiſch, Hanns muß ein Prediger werden; oder Hanns iſt ein Freund der Schulfuͤchſerey, Hanns muß ein Prediger werden; oder Hanns kan gut ſchreyen, Hanns muß ein Prediger werden. Hierauf wird Hanns trotz der Vernunft, und trotz ſeinem Triebe, ein Prediger, weil ihn der Herr Recktor, oderder101der Herr Conrecktor dazu fuͤr tuͤchtig be - funden.
Dieſe Schluͤſſe ſind in der That ſehr laͤcherlich, aber vielleicht folgen ſie aus den Vorurtheilen, welche die Vernunft - lehre dieſer Leute auszumachen pflegen, ganz natuͤrlich?
O! ſie ſind nach ihrer Auslegung gar nicht zu wiederlegen. Sie wiſſen, daß mit der Dummheit allemal eine gewiſſe Dreiſtigkeit verknuͤpft iſt, die abgeſchmack - teſten Meynungen bis aufs Blut zu be - haupten, und daß dieſe Eigenſchaft ſehr ofte zu den nothwendigſten Eigenſchaften eines Geiſtlichen gezaͤhlet werde. Sie wiſſen, daß der Aberglaube an den tuͤcki - ſchen Gemuͤthern ſeine rechte Grundſtuͤtzen findet, weil ſie die verborgenſten Raͤncke erfinden, durch welche ſie ſein Reich aus - breiten, und ſein Anſehen auch bey den Groſſen dieſer Welt befeſtigen koͤnnen. Sie wiſſen, daß einer, der ſich in ihre Schulfuͤchſereyen vertiefet, alle Luſt und Faͤhigkeit, Wahrheiten einzuſehen, berau - bet wird, und in Hirngeſpinnſten und Fa - beln ſein groͤſtes Vergnuͤgen findet. Wer hecket aber die mehrſten Fabeln und Hirn - geſpinnſte aus, als die ohne Vernunft ſchwaͤrmende Einbildungskraft eines Geiſt - lichen? Wer gut ſchreyen kan, der fuͤllet eine Kirche geſchickt aus, wer eine groſſe Kirche geſchickt ausfuͤllet, der kan gut pre -G 3digen;102digen; ſo ſchlieſſet ja die ganze Welt des Poͤbels.
Meine Verwunderung hat ſich ſchon um ein groſſes gemindert, da ich hoͤre, was fuͤr ſchoͤne Pflanzen zum geiſtlichen Stande erzogen werden.
Dieſe Pflanzen koͤnnen auch nach dem, was von allen Geiſtlichen zu ihrem Stan - de erfordert wird, nicht beſſer ausgeleſen werden. Man ſollte ſich wenigſtens von der freywilligen Wahl des Schuͤlers was Gutes vermuthen ‒ ‒
Jch vermuthe mich auch von derſel - ben geſchickte und tugendhafte Geiſtliche.
Sie werden mir aber gleich zugeben, daß auch dieſelbe fehl ſchlage. Denn auſ - geweckte und muntre Koͤpfe ſehen gar zu deutlich vorher, daß ſie die dazu gehoͤrige Eigenſchaften nicht beſitzen, daß Dumm - heit, Unverſchaͤmtheit, Aberglauben, und Betrug ihre Feinde ſind, welche ſie lieben muͤſten, wann ſie Mantel und Kragen waͤhlten. Ein ſeichtes, ſchlaͤfriges und la - ſterhaftes Gemuͤthe hingegen waͤhlet den geiſtlichen Stand, weil es ſich zu keinem andern ſo brauchbar befindet. Wird ja ein aufgeweckter Kopf zuweilen durch Duͤrftigkeit genoͤthiget, dieſen Stand zu erwaͤhlen, ſo muß er ſchon ein Gluͤcks - kind ſeyn, wenn er ſeinen Vorſatz vollfuͤh - ren will; Denn, weil er nicht heuchelnund103und nicht unverſchaͤmt ſeyn kan, ſo muß er oftmals ſein Vorhaben fahren laſſen, und lieber ein Soldat oder Comoͤdiant, als ein Prediger werden.
Vielleicht findet er auch in dieſen Staͤnden viel eher Gelegenheit, vernuͤnftig zu leben, als in einem ehrwuͤrdigen Amte ‒ ‒ ‒ Aber da kommt Peter, was mag er mit den Buͤchern wollen?
Hier bring ich meines Herren Gelehr - ſamkeit vorangetragen, er ſelbſt wird gleich nachkommen.
Was? eures Herrn Gelehrſamkeit?
Ja freylich, denn ſeine Poſtillen ſind ſei - ne Gelehrſamkeit, ſein Chorrock iſt ſeine Froͤmmigkeit, und ſeine Beſoldung ſein Reichthum.
Jſt denn euer Herr nicht auch gelehrt, wenn er gleich die Poſtillen nicht bey ſich hat?
Eben ſo wenig, als ich und ſein Pflug - ochſe.
Und die Froͤmmigkeit laͤßt er mit dem Chorrocke in der Kirche?
Nicht anders, denn wozu hat er ſie bey ſeiner Koͤchin noͤthig?
Warum habt ihr aber dieſe Buͤcher hieher tragen muͤſſen?
Mein Herr will eine Betſtunde mit derG 4Fraͤu -104Fraͤulein Wilhelmine halten. Er wollte das Fraͤulein erſt in ſeiner Bibliotheck vor - nehmen, aber Tempelſtolz wollte es nicht leiden, daß er ſie mitten in ſeiner Gelehr - ſamkeit vornehmen ſollte, darum habe ich ihm dieſelben heimlich hieher bringen muͤſ - ſen.
Wo mein Herr dis ſaͤhe, ſo waͤr ich ungluͤcklich; er wuͤrde gewiß die arme Poſtille ſo nachdruͤcklich an meinem Puckel raͤchen, daß ich faſt ſelbſt glauben ſollte, ich haͤtte mich an derſelben verſuͤndiget.
Aber habt ihr die Frau Conrecktorin ſchon in ein Zimmer gefuͤhret, wo ſie ſo lange verborgen bleiben kan?
Ja, mein Herr von Roſeneck. Jch habe ihr auch ſchon ein paar Kruͤge Bier ge - bracht, worin ſie tapfer gezogen, weil ſie nicht nur den Durſt ſtillen wollte, ſondern auch glaubte, Tempelſtolzen deſto herzhafter be - gegnen zu koͤnnen. Doch da kommt mein Herr, laſſen ſie ſich beyleibe noch nicht das geringſte gegen ihn merken
O weh! da iſt der Philoſoph, wo mir der die Poſtillen behext, daß ſie mir beyder105der Fraͤulein Wilhelmine verfagen, ſo muß ich mit Schanden beſtehen.
Ey! ey! die lieben Buͤcher! (hebt ſie auf und kuͤßt ſie,) daß ſie der Boͤſewicht nicht ſichrer hingeſetzt hat; ey, ey! mit ſol - chen Heiligthuͤmern muß man behutſam und ehrerbietig umgehen, man kan ſich leicht daran verſuͤndigen.
Was wollen ſie denn mit den vie - len Buͤchern in dieſer Stube machen, Herr Muffel?
Ein ſchuldiger Fuͤrbitter fuͤr ſie, mein Hr. von Roſeneck.
Die Wahr - heit kan ich ihm unmoͤglich ſagen. ‒ ‒ Jch habe ſie aus meiner Bibliotheck ‒ ‒ ‒ welche hinter jenem Zimmer iſt, ‒ ‒ ‒ hieher bringen laſſen, ‒ ‒ weil ich ſie zum ‒ ‒
ja der Teufel! zum Ausſtaͤuben habe hieher bringen laſſen.
Es wird gewiß viel gelehrtes darunter ſeyn, wollen ſie nicht erlauben, daß ich ſie anſehe?
Nichts gelehrtes! Beyleibe nicht! ſie machen ſich die Haͤnde ſchmutzig,
wo er mit ſeinen Haͤnden druͤber geraͤth, ſo macht er ſie mir auf Zeit meines Lebens un - brauchbar. ‒ ‒ Es iſt nichts ſonderliches dar - unter.
Nichts ſonderlichs! nichts gelehrtes ‒ ‒ ſie machen ſich die Haͤnde nur ſchmutzig.
Verſuchen ſie es doch mit ihm, ob ſie ihn nicht in der Guͤte von der Liebe der Fraͤulein Wilhelmine ab - bringen koͤnnen, ſo brauchen wir nicht mit der Schaͤrffe mit ihm zu verfahren, und ihn oͤffentlich zu ſchanden zu machen.
Jhr Feind wuͤrde nicht ſo großmuͤ - thig mit ihnen umgehen! Jch will ihrem Rathe folgen.
Jch haͤtte ſehr was nothwendiges mit ihnen zu reden, Herr Muffel, wollen ſie mir nicht ein wenig zu - hoͤren?
Jch werde ja meine Schuldigkeit zu beobachten wiſſen. Dazu bin ich ja im Amte, daß mir meine Zuhoͤrer ſagen ſollen, was ſie auf dem Herzen haben; und daß ich ihnen die Gewiſſensſcrupel aufloͤſen ſoll; meine wenige geiſtliche Armuth iſt daher auch in dieſen Faͤllen zu ihren Dienſten.
Jch laſſe meine Gewiſſensſcrupel allezeit von der Vernunft aufloͤſen.
Behuͤte mich mein Gott! von der Ver - nunft? ſie verfehlen des rechten Weges mein Hr. von Roſeneck, ſie ſollten zu ihrem Beicht - vater kommen; die Vernunft iſt ein durch - loͤcherter Brunnen, der kein Waſſer haͤlt.
Der Ausſpruch meiner geſunden Vernunft uͤberzeugt mich allemal weit ſtaͤr - ker und lebendiger, als der Ausſpruch ei - ner ganzen theologiſchen Facultaͤt. Doch, davon habe ich mit ihnen nicht ſprechen wol - len. Nicht wahr, Herr Muffel, ſie be -ſtreben107ſtreben ſich fromm und exemplariſch zu leben?
Weh! Weh! Weh! werd ich uͤber ſie ſchreyen muͤſſen, Herr von Roſeneck, wo ſie mich durch dieſe Lobſpruͤche zum geiſtlichen Hochmuthe verleiten, Die Leu - te beſchreyen mich zwar alle als einen from - men, heiligen Mann; aber dis giebt ihnen der Satan ein, er will mich durch dieſe Lockſprache zum geiſtlichen, ſtinkenden Hochmuthe verfuͤhren. Ach! nein, mein Herr von Roſeneck, ich bin ein armer Suͤnder! der groͤſte unter den groͤſten Suͤndern.
Jch hab auch noch nicht geſagt, daß ſie fromm und heilig waͤren. Denn es iſt nicht noͤthig, daß man den Geiſtlichen ſchmei - chelt, ſie glauben ohnedem gern zu viel von ſich. Jch frage ſie nur, ob ſie ſich nicht beſtreben, fromm zu ſeyn.
Jch ringe zwar nach dieſem edlen Klei - nod, aber ich hab es noch nicht errungen.
Verbindet ſie die Froͤmmigkeit nicht auch zur Großmuth?
Die Großmuth iſt eine Tugend aus der Schule des Satans! nein; fein de - muͤthig! fein demuͤthig! denn gleichwie ge - ſchrieben ſtehet ‒ ‒ ‒
Eine Froͤmmigkeit ohne Großmuth? dieſe Froͤmmigkeit will ich gerne ihnen und dem Poͤbel uͤberlaſſen. Sie beſtreben ſich alſo, demuͤthig zu ſeyn?
Ja die Demuth! die Demuth! die iſt eine groſſe Tugend!
Beſtehet es denn mit ihrer Demuth, Herr Muffel, wann ſie ſich eine Gewalt uͤber ein Herz anmaſſen, uͤber welches ſie doch keine haben, welches frey iſt, und zu keiner Gegenliebe gezwungen werden kan?
Ja ‒ ‒ Nein ‒ ‒ Ja es beſtehet ‒ ‒ Nein, wollt ich ſagen, es beſtehet nicht mit derſelben.
Wann es nicht damit beſtehet, ſo werden ſie vermuthlich auch einſehen, daß ſie unrecht thun, wenn ſie ſich uͤber das Herz der Fraͤulein Wilhelmine eine Gewalt an - maſſen, weil ſie keine uͤber daſſelbe haben. Sie wollen es zur Gegenliebe zwingen, aber wiſſen ſie nicht, daß ſie es ſchon verſchenkt hat, und daß Herr Wahrmund der recht - maͤßige Beſitzer davon iſt?
Behuͤte mich mein Gott, daß ich ihr Herz verlangen ſollte. Nein, das begehre ich nicht, das muß allein am Himmliſchen haͤn - gen. Jch will ſie nur zur Frau haben. Lie - ben aber ſoll ſie mich nicht, denn ich bin irr - diſch, und ſie muß nichts Jrrdiſches lieben.
Sie wollen, daß ſie ſie nicht liebe, und doch ihre Frau ſey?
Ja das will ich, und ich will ſie auch nicht lieben, denn ſie iſt auch nichts anders als Staub, Erde und Aſche.
Was fuͤr eine Verwirrung der Be - griffe iſt das?
Jch weiß gewiß, Herr Muffel, daß ihr Herz ganz anders denkt, als die Zunge ſpricht.
Da ſeh ich das Fraͤulein zu mir kom - men. Wollten ſie uns nicht beyde nur auf eine halbe Stunde allein laſſen? ich will ſie nur wegen der Vernunft eines beſſern unter - richten. Sie duͤrfen ſich nichts Boͤſes be - ſorgen. Sie iſt bey mir wohl aufgehoben.
Wann ich der Fraͤulein geſetzte Gemuͤthsart nicht kennte, ſo wollte ich ſie ihnen nicht auf eine halbe Stunde allein anvertrauen, ob ſie gleich nichts Jrrdiſches lieben.
Schoͤnſtes Fraͤulein, laſſen ſie bey dieſer ſeltſamen Unterredung niemals ihren ge - treuen Wahrmund aus den Gedanken.
Jch wuͤnſche ihrer armen Seele viel Gluͤck dazu, daß ſie in meine Schule kom - men, ſchoͤnſtes Fraͤulein. Setzen ſie ſich hier neben mir, damit wir uns deſto beque - mer erbauen koͤnnen.
Was ſuchen ſie in dem Buche, Herr Muffel, ich dachte ſie wollten mich von der Schaͤdlichkeit der Philoſophie uͤberzeugen?
Ja wohl. Denn ihre Seele zu retten bin ich mit dieſen geiſtlichen Waffen hie - her gekommen.
Wann ich nur erſt etwas von der Philoſophie finden koͤnn - te!
Wiſſen ſie denn, was ſie zu thun haben, wenn ſie mich davon uͤberzeugen wollen?
O ja! ich muß ihre arme Seele retten.
Das iſt ja verflucht, ich kan hier keinen Titel von der Philoſophie fin - den. ‒ ‒ Aber ſchoͤnſtes Fraͤulein ſagen ſie mir doch, was denn eigentlich die Welt - weisheit fuͤr eine Seckte iſt, und worin ſie von unſrer Religion abgehet.
Nun, das iſt artig; ſie wollen die Philoſophie verwerfen, mich von derſelben abwendig machen, oder mich mit derſelben verdammen, und kennen ſie nicht? doch ich nehme es ihnen nicht uͤbel, weil ver - ſchiedene, oder viele der groͤſten Helden unter den Theologen, die Weltweisheit be - ſtritten, ohne daß ſie gewuſt haben, was ſie aus ihr machen ſolten.
Sachte! ſachte! mein Fraͤulein; dieſe groſſe Maͤnner, deren Buͤcher ich als den Grund unſrer Religion nicht genug vereh - ren kan, haben die Philoſophie gar wohl gekannt, und haben ſie mich und alle From - men auch kennen gelehret. Sie iſt eine Lehre des Satans und der Vernunft. ‒ ‒
Eine vernuͤnftige Lehre iſt ſie, aberder111der Satan muͤſte nicht ſo ſchwarz ausſehen, als ihn die Geiſtliche abmahlen, wenn ſie ſeine Lehre ſeyn ſollte. Ja ich wollte ihm in meiner Bibliotheck noch heute eine Eh - renſaͤule aufrichten, und alle Philoſophen ſollten ihm ihre Lehrbuͤcher dediciren, wann er der erſte Philoſoph geweſen waͤre.
Ums Himmels willen, machen ſie ja kein Ungluͤck in meinem Hauſe. Sie re - den zu verwegen. Wann er nun eben als ein Philoſoph gekleidet herein traͤte, und ſie aus dem Fenſter mit ſich hinweg fuͤhrte, waͤre das nicht ein erſchreckliches Exempel?
Sie ſind ein Prediger, und fuͤrchten ſich doch ſo ſehr vor ihm? ha! ha! ha! ‒ ‒ Aber wiſſen ſie mir nicht einen Beweis da - von zu fuͤhren, daß die Philoſophie eine Lehre des Satans iſt?
Ja, ja, ich will gleich einen machen. ‒ ‒ Jch habe in einem gelehrten Buche geleſen, der Eſel unſrer Vernunft muͤſſe unten am Berge angebunden werden, wann wir ‒ ‒ das andere hab ich vergeſſen. Genug, daß die Vernunft ein Eſel iſt, die Eſel aber werden nicht ſelig, folglich auch die Ver - nunft nicht, folglich auch die Philoſophie nicht, folglich auch die Philoſophen nicht, folglich auch ſie nicht; folglich iſt die Philo - loſophie eine Lehre des Satans, denn der Satan wird auch nicht ſelig.
Es iſt ihr Gluͤck, daß ſie ſich ſo ge - ſchwinde auf den Eſel beſonnen haben, denn ich glaube, die Poſtillen ſchreiben von der Philoſophie nichts. Aber wiſſen ſie wohl, daß dieſe Schluͤſſe weder uͤberzeu - gend, noch meiner Wiederlegung wuͤrdig ſind?
Nun, nun, ſchoͤnſtes Fraͤulein, ich will es ſo genau mit ihnen auch nicht neh - men, ſie ſind viel zu reitzend, viel zu ſchoͤn, als daß ich mein Herz laͤnger vor ihnen ver - bergen koͤnnte. Wegen der heftigſten Zu - neigung, die ich zu ihnen trage, habe ich niemals im Willen gehabt, ſie in ihrem Glauben zu ſtoͤren. Eben dieſe zaͤrtliche Liebe laͤſt auch nicht zu, daß ich ſie der Philoſophle wegen verdammen ſollte. Jch will ihnen, aus zaͤrtlicher Zuneigung zu ih - nen, einen Rath geben, welchem ſie zur Belohnung meiner Liebe folgen muͤſſen. Stellen ſie ſich nur gegen die Frau Mama als eine Feindin der Philoſophie an, und ſagen ſie dabey, ich haͤtte ſie von ihrem Jrrthume befreyet, ich werde ein gleiches reden, und ſie werden alsdann ihren Die - ner, der ſie ſo bruͤnſtig verehret, mit ihrer Gegenliebe begluͤcken, und ihre Frau Mut - ter wird mich ſodann Tempelſtolzen willig vorziehen. Jch habe ihnen mein Herz entdecket, ſchoͤnſtes Fraͤulein, mein Gluͤck und mein Ungluͤck ſtehet in ihrer ſchoͤnen Hand; wie ich immer gehoͤret habe, ſoſollen113ſollen die Philoſophen auch eine Tugend haben, welche die Großmuth heißt; ſie werden alſo zu großmuͤthig ſeyn, mich, da ich ſie ſo heftig liebe, ungluͤcklich zu machen.
Behuͤte der Himmel! wo gerathen ſie hin, Herr Muffel? von dem Beweiſe von der Schaͤdlichkeit der Philoſophie auf einen Liebesantrag? Den Augenblick ha - ben ſie mich erſt uͤberzeugen wollen, daß die Philoſophie eine Lehre des Satans ſey, und nun ſcheuen ſie ſich ſchon der Suͤnde nicht, eine Philoſophin ſogar zu lieben, und wo es moͤglich waͤre, gar zu heyrathen?
Denken ſie doch ja nichts uͤbels davon, ſchoͤnſtes Fraͤulein. Jch erwache jetzt wie - der, als aus einem tiefen Schlummer; ach! der Verfuͤhrer, der Teufel hat mich ein - ſchlaͤfern wollen. Ach! ach! meine menſch - liche Jchheit iſt noch zu irrdiſch, ſie ſenkt ſich gar zu leicht auf was irrdiſches herunter. Aber, was hoͤr ich? ach! eine ſuͤſſe Stim - me vom Himmel, welche ſie durch mich aus dem Schlamme der Vernunft zu ſich rufet; geben ſie mir ihre ſchoͤne Hand, ich will ſie den Augenblick hinein fuͤhren.
O ſie ſind viel zu verliebt, ein Frauen - zimmer in den Himmel zu fuͤhren, ſie wuͤr - den mir die Hand auf dem Wege zerdruͤ - cken.
Jch kan nimmermehr glauben, daß ihr Herz Ja dazu ſaget, was ihr ſchoͤner Mund ſpricht. Mich duͤnkt, daß dieſe liebreiche Stimme ſchon einen Eindruck in ihr Herz gemacht hat. Erlauben ſie mir, ſchoͤnſtes Fraͤulein, daß ich aus dem Klopf - fen deſſelben den Zuſtand ihrer Seele be - urtheile.
Wann ſie meinen, daß ſie die Krankheiten der See - le nach dem Klopfen des Herzens abmeſſen koͤnnen, wie die Aerzte die leiblichen nach dem Schlage des Pulſes, ſo werden ſie auch in eben ſolche grobe Jrrthuͤmer verfallen, wie dieſe.
Ey, ey laſſen ſie mich nur! Jch irre mich nicht in meiner Meinung, ich kan aus dem Herzklopfen ganz ſicher abnehmen, ob ein Frauenzimmer bekehrt oder unbekehrt, und von was fuͤr einer Religion ſie iſt. Jch wuͤrde auch bey ihnen vielleicht eine gluͤckliche Entdeckung machen, denn ich bin uͤberzeugt, daß meine Ermahnungen nicht fruchtlos bey ihnen angewandt ſeyn.
Sie haben bey mir noch nichts da - mit ausgerichtet, denn ſie haben mir noch nichts, als leere, und auf ihre unreine Liebe abzielende, Worte vorgeplaudert. Wo ſie nicht bald zeigen, daß ihnen unſre vorge - nommene Unterredung ein Ernſt iſt, ſo muß ich ‒ ‒ ‒
Jch arbeite ja mit allem Ernſte an dem Beſten ihrer Seele. Jch will noch ein Mittel verſuchen, ob ich ſie dadurch nicht bewegen kan, von ihrer philoſophiſchen Halsſtarrigkeit abzuſtehen. Erwegen ſie doch, ſchoͤnſtes Fraͤulein, daß, wofern ſie nicht ſo gluͤcklich ſeyn, von mir bekehret zu werden, ſie ſich alles Vergnuͤgens berauben, welches ein geiſtlicher Kuß, ein Kuß eines Seelenſorgers, ein zaͤrtlicher Kuß eines Predigers, verurſachet. Thun ſie es doch zum wenigſten ihrer armen Seele zu Liebe, und laſſen ſie ſich nur einmahl von mir kuͤſſen, damit ſie ſelbſt empfinden, wie ſuͤß meine Kuͤſſe ſchmecken ‒ ‒ ‒
Weil ich ſehe, daß ihre Unverſchaͤmtheit, ſo lange ich bey ihnen bin, nur immer mehr zunimmt, ſo muß ich ſie verlaſſen, damit ſich ihre menſchliche Jchheit, wie ſie es nen - nen, nicht zu geiſtlich vergehet.
Ach! ſie ſollen nicht unbekehrt von mir hinwegkommen. Bleiben ſie nur noch ei - nen Augenblick ſchoͤnſtes Fraͤulein, und thun ſie mir nur den Gefallen, und ſagen mir etwas von dem, was die Philoſophie in ſich begreift. Jch habe zwar gar kei - nen Begriff davon, aber das weiß ich doch, daß ſie ſchaͤdlich und gottlos iſt. Denn das habe ich nicht nur aus dem Munde der groͤßten und glaubwuͤrdigſten TheologenH 2gehoͤrt,116gehoͤrt, ſondern auch in ihren Buͤchern ge - leſen, und ich wollte lieber mein Lebetage nicht heyrathen, als dieſen gelehrten und frommen Maͤnnern nicht glauben.
So will ich blos dem ungemeinen Anſehen dieſer Herren zum Trotze bey ihnen bleiben, und ihnen ſagen, was die Welt - weisheit iſt, damit ſie ſehen, auf was fuͤr ſchlechten Stuͤtzen ihr Vorurtheil beruhet. Jch kan ihnen keinen beſſern Begrif von der Philoſophie beybringen, als wenn ich ihnen beweiſe, daß ſie und alle Feinde der - ſelben, trotz ihrem toͤdtlichen Haſſe dawieder, dennoch ganz kleine Schuͤler in derſelben, nemlich ganz kleine Philoſophen ſind.
Was? ich waͤre ein Philoſoph, wo das die theologiſche Facultaͤt erfuͤhre! ‒ ‒
Fuͤrchten ſie ſich nur nicht, ſie ſind noch ſo ein kleiner Philoſoph, daß man ſie noch nicht ſehen kan, und alſo dafuͤr nicht erkennet.
Was gilts? ſie hat mich angeſteckt.
Geſtehen ſie mir nicht zu, daß ſie wiſſen, daß ſie ein Prediger ſind?
Freylich weiß ich das, ſie werden mir es doch nicht abſtreiten wollen?
Das will ich nicht, aber woher wiſſen ſie denn, das ſie es ſind?
Jch kan ihnen beweiſen, daß ich es bin. Der Herr Pfarrenreich hat mich ſelbſt da - zu eingeſetzt, und ich kan ihnen die Voca - tion vom Conſiſtorio aufweiſen, und ich habe meine Antrittspredigt ſowohl gehalten, als ein ander ‒ ‒ ‒
Gut! ſie haben eine philoſophiſche Erkaͤnntniß davon, daß ſie ein Prediger ſind. Sie und alle Menſchen haben der - gleichen Erkaͤnntniß von tauſend Kleinig - keiten, welche, wann ſie zu mehrern und wichtigern Wahrheiten hinauf ſteigen, die Philoſophie heiſt. Sie koͤnnen alſo von dieſem Uebel, wie ſie es nennen, niemanden befreyen, wo ſie ihn nicht zuvor der Ver - nunft berauben, und ihm die Menſchheit ausziehen.
Nun bin ich auf einmahl klug! nun weiß ich ein ſichres Mittel wieder die Welt - weisheit, ich will mich und ſie im Augen - blicke davon befreyen.
Sehen ſie denn noch nicht ein, daß es unmoͤglich iſt?
Nun iſt es mir gar nicht mehr unmoͤg - lich.
Fahret aus von uns ihr unſaubern Geiſter, Menſch - heit, Vernunft, und insbeſondere du Welt - weisheit. Gehorchet mir alſobald, und packet euch in den Pfuhl, der mit Pech und Schwefel brennet.
Spotten oder raſen ſie Herr Muffel?
Nun bin ich um einen Centner leichter geworden. Ja, ſie ſind von uns ausge - fahren, ich kan es bey mir, der Himmel ſey gelobet, recht eigentlich fuͤhlen. Nun ſchoͤnſtes Fraͤulein ſind ſie gluͤcklich von der Weltweisheit befreyet, ſie ſind keine Phi - loſophin mehr, ſie ſind nicht mehr ver - nuͤnftig, und ſind mir nun in allem gleich worden.
Sie werden mir doch nicht beſſer ſa - gen koͤnnen, was ich bin, als ich ſelbſt.
Jch kan es ihnen bey meinem Amte ſchwoͤren, daß ich unter der Beſchwoͤrung einen rechten dicken Nebel von ihnen auf - ſteigen geſehen, von mir aber haben ſich nur einige feine Duͤnſte getrennet. Jch werde darum ſogleich ihrer Frau Mama dieſe freudenreiche Bottſchaft bringen, und mit ihr dem Himmel auf den Knien Dank dafuͤr ſagen.
Sie werden mich doch nicht einer Veraͤnderung beſchuldigen wollen ‒ ‒ ‒
Jch will auch den naͤchſtkommenden Sonntag in der Kirche fuͤr ſie danken, daß ihnen ſo gluͤcklich von der Beſeſſung der Weltweisheit geholfen worden.
Dergleichen Betruͤger hab ich die Zeit meines Lebens nicht geſehen, ich haͤtte auch nie -mandem119mandem geglaubet, daß ſeines gleichen in der Welt anzutreffen ſey, wann ich ihm nicht ſelbſt darin gefunden haͤtte. Mich wieder die Einſicht meiner Vernunft ſuͤr unvernuͤnftig zu erklaͤren! mich einer Ver - aͤnderung zu beſchuldigen, davon ich nichts empfunden, und die ich an mir ſelbſt nicht genug betrauren wuͤrde! Weil er geſehen, des Tempelſtolzens Anſehen und durch - dringende Stimme an mir nichts vermocht hat, und daß mich ſeine Liebe und ſein Bitten nicht bewegen koͤnnen, ſo hat ihm ſein nie - dertraͤchtiges Herz zum Betruge gerathen, aber ich muß nur dieſe ohnmaͤchtige Raͤnke verlachen. ‒ ‒ ‒ Doch ſollte mich bey na - he die Leichtglaubigkeit meiner Mutter be - kuͤmmern. Sie iſt ſchwach genug, dem Heuchler zu glauben, und mich zu zwingen, ihm meine Hand zu geben. Werde ich nun da ſo ſchwach ſeyn, meiner Mutter den ſchuldigen Gehorſam und die kindliche Ehrfurcht zu entziehen? Nein, meine Pflichten kan ich ohnmoͤglich verletzen. Werd ich aber auch ſtark genug ſeyn, dem Liebenswuͤrdigſten mein Herz zu ent - ziehen, und an einen ſchandbaren Betruͤ - ger zu verſchenken? Nimmermehr ‒ ‒ ‒ Jch darf hier keine weitlaͤuftige Wahl an - ſtellen, mein Schluß iſt gefaſt, ich will aus zweyen Uebeln das kleinfte erwaͤhlen. Jch will ungehorſam ſeyn, damit ich nicht undankvar, treulos, unbeſtaͤndig, und aufH 4meine120meine Lebenszeit ungluͤcklich werde. Ver - laß dich auf meine Treue, liebenswuͤrdiger Wahrmund, ſo lange ich vernuͤnftig, und eine Schuͤlerin deiner Lehrſaͤtze bleibe, wirſt du mich nicht unbeſtaͤndig finden.
Jch habe zwar eine ſeltſame Zei - tung hoͤren muͤſſen, aber ich habe derſelben noch nicht den geringſten Glauben beyge - meſſen, weil ſie von Muffeln gekommen. Dieſer trat eben jetzt ganz triumphirend uͤber ihre Bekehrung in das Zimmer, und brachte die Zeitung, daß Fraͤulein Wilhel - mine nicht mehr vernuͤnftig, und noch viel - weniger eine Philoſophin waͤre.
Der Betruͤger wuſte erſt nicht, auf was fuͤr eine Weiſe er es anfangen ſollte, mich zu hintergehen. Er iſt ſo verliebt da - bey geweſen, daß ich mich ſeiner Haͤnde nicht genug habe erwehren koͤnnen.
Ein ander Frauenzimmer wuͤrde vielleicht nicht ſo viel Herz gehabt haben, ſich vor einem Geiſtlichen zu wehren, ſie wuͤrde es wohl gar fuͤr eine Suͤnde gehal - ten haben.
Als er endlich ſahe, daß er mit der Liebe und mit Bitten bey mir nichts ver - mochte; So wollte er Menſchheit, Ver -nunft121nunft und Weltweisheit nicht anders aus - treiben, als ob er 3. Teufel verbannen ſollte. Jene ſind aber nicht ſo furchtſam vor ſei - nem Geplaͤrre geweſen, als dieſe zu ſeyn pflegen, denn ich kan mich Gott Lob uͤber - zeugen, daß mir alle 3. ſo gut geweſen, und bey mir geblieben ſind. Er beſchwur ſie zugleich, von ihm auch auszufahren, und ob ſie gleich der Wohnung bey ihm ſehr uͤberdruͤßig ſeyn moͤgen, ſo haben ſie doch auf hoͤhern Befehl vermuthlich noch bey ihm aushalten muͤſſen.
Jhre Frau Mutter iſt uͤber dieſe Nachricht, wie ſie vielleicht ſelbſt vermu - then koͤnnen, vor Freuden ganz auſſer ſich, und liegt anjetzt mit Muffeln und Tempel - ſtolzen auf den Knien, dem Himmel fuͤr die Ausfahrung ihrer Vernunft Dank zu ſagen.
Der Heuchler will alſo durch ſein Gebet den Himmel ſogar betruͤgen? Tem - pelſtolz wird ſonderlich ſehr viel Andacht dabey haben; ich will wetten, daß er fuͤr Neid uͤber Muffeln berſten moͤchte. Aber meynen ſie nicht, mein Herr Oheim, daß meiner Mama Leichtglaubigkeit von uͤblen Folgen fuͤr mich und Wahrmund feyn koͤnnte?
Beſorgen ſie nichts von derſelben, ſchoͤnſtes Fraͤulein. Jhre Frau Mama wird ſie nun freylich, Muffeln zu heyra - then, ohne Zweifel zwingen wollen, aber ichH 5habe122habe ſolche Anſtalt vorgekehret, daß ſie nicht mehr koͤnnen gezwungen worden. Jhre Verwunderung und Freude wird ſo dann deſto reicher an vielen Empfindungen werden, je weniger ſie ſich dieſe Anſtalten vermuthen.
Jch hatte ſchon den Entſchluß ge - faſt, dem Herrn Wahrmund getreu und beſtaͤndig zu verbleiben, ihre gemachte Hof - nung aber befeſtiget mich in demſelben. Wiſſen ſie nicht, wo ſich mein Geliebter ſeitdem aufhaͤlt, daß ihn meine Mama aus jhren Augen verjaget?
Er erwartet das vergnuͤgte Ende ſeines Schickſals in dem Garten.
Ach! laß dich umarmen du frommes Kind. Seit dem du dich von der Ver - nunſt und der Weltweisheit befreyen laſ - ſen, hab ich dich aufs neue, wo nicht geboh - ren, doch wieder gefunden. Nun erken - ne ich dich wieder fuͤr meine rechtmaͤßige Tochter.
Wie gluͤcklich machen ſie mich, al - lerliebſte Mama, daß ſie mich die zaͤrtli - che Mutterliebe wieder genieſſen laſſen, welche ſie mir ſeit einigen Jahren zu mei - ner nicht geringen Betruͤbniß verſagt ha -ben!123ben. Aber um wie viel wuͤrden ſie mich gluͤcklicher machen, wann ſie dieſe Liebe aus einem andern Grunde mit mir erneuer - ten! Jch bin nicht, wie ſie meynen, mei - ner Vernunft von Muffeln beraubet wor - den, ich habe auch die Liebe gegen eine Wiſſenſchaft, welche einen groſſen Theil meiner Gluͤckſeligkeit ausmachen, in kei - nen Haß verwandelt, wie ihnen faͤlſchlich be - richtet worden.
Ja, ja, meine Tochter, glaube du, was dir Herr Muffel ſagt. Jſt das nicht betruͤbt? da du ſo gluͤcklich biſt, unvernuͤnf - tig, und eine Feindin der Weltweisheit zu ſeyn, wilſt du es nicht einmal glauben.
Die Fraͤulein wird doch aber beſſer wiſſen, Frau Schweſter, ob ſie vernuͤnf - tig oder unſinnig, und eine Feindin der Philoſophie iſt, als Muffel?
Nein, das muß der Herr Paſtor am beſten wiſſen, der hat ja die Vernunft und die Weltweisheit ausgetrieben, er wuͤrde es ja nicht ſagen, wenns nicht wahr waͤre.
Laß ſie es ihn immerhin ſagen, hat er ja heute doch nicht die erſte Unwahrheit geſprochen.
Er hat aber ja einen dicken Nebel von meiner Tochter bey der Beſchwoͤrung aufſteigen geſehen; der dicke, ſtinkende, giftige Nebel kan ja nichts anders, als die Vernunft geweſen ſeyn.
Warum hat aber ihre Fraͤulein - Tochter den Nebel nicht ſo gut, ja nicht noch beſſer, als der Herr Muffel, ſehen koͤnnen?
Sie iſt ja noch lange nicht ſo erleuch - tet als er. Sie werden doch den Geiſtli - chen ſchaͤrfere Augen des Verſtandes zu - trauen als andern Leuten.
Ja ſie koͤnnen beſſer hoͤren und ſe - hen, als wir, ſie haben freylich recht, Frau Schweſter. Kein Sonntagskind wird die Geſpenſter ſo gut ſehen koͤnnen, als die Geiſtlichen, wann es nur zu ihren Abſichten was beytraͤgt, dieſelben geſehen zu haben. Sie ſehen in Cometen, und an - dern auſſerordentlichen Erſcheinungen, Peſt, Hunger, und Blutvergieſſen vorher, denn ſie erhalten dadurch ihre Gemeine deſto beſſer im Aberglauben, welches ihnen nicht wenig eintraͤgt. Sie ſehen und hoͤren in der Welt mehr Boͤſes, als drinnen iſt, weil ſie zwar gern ſelbſt laſterhaft ſeyn wollen, aber andere Leute doch noch laſter - hafter als ſich wuͤnſchen, damit ſie Mate - rie zu den Predigten behalten ‒ ‒ ‒ Aber, was wird da fuͤr ein Lerm? ha! ha! die beyden frommen Herren zanken ſich; iſt das auch eine Tugend an den Geiſtlichen, Frau Schweſter?
Sie zanken ſich nicht, ſie eyfern nur fuͤr die Ehre des Himmels.
Sie moͤgen ſich entſchuldigen wie ſie wollen, Herr Confrater. Sie haben ſich an den heiligen Kirchengebraͤuchen vergan - gen; ſie haͤtten die Beſchwoͤrung aus dem Buche herleſen ſollen.
Sie beneiden nur meinen ſchoͤnen Sieg, Herr Confrater. Was kan ich dafuͤr, daß ich gluͤcklicher geweſen bin, als ſie.
Jch glaube gar, ſie werden ſich was darauf einbilden. Denken ſie nicht, daß ich ſo gut haͤtte beſchwoͤren koͤnnen, als ſie? meynen ſie, daß ſich die Vernunft und die Weltweisheit vor mir nicht mehr gefuͤrch - tet haͤtten als vor ihnen? ich wollte nur erſt gelindere Mittel verſuchen, ich wollte nur erſt in der Kirche fur ſie bitten. Wer haͤtte ſichs ſollen traͤumen laſſen, daß ſie ſo klug ſeyn, und ſich auf die Beſchwoͤrung be - ſinnen wuͤrden? aber wer weiß auch, wel - cher Teufel ſie ihnen eingegeben hat?
Sie duͤrfen gar nicht ſo neidiſch ſeyn, Herr Tempelſtolz. Herrn Muffels Be - ſchwoͤrung hat ſo wenig geholfen, als ihre Kirchenbitte wuͤrde gefruchtet haben.
Wiederſtehen ſie doch ihrem Gluͤcke nicht vergebens. Genug daß ſie bekehret find, und wollen ſie es nicht glauben, ſo ſind ſie wieder ihren Willen bekehrt.
Jch muß ihm nur bey - ſtehen, damit ich die Hochachtung fuͤr die Beſchwoͤrung und unſer Amt unterſtuͤtze.
Die Beſchwoͤrung hat freylich die gehoͤrige Wuͤrckung gethan, ſie kan dabey nicht ausbleiben, es iſt ohnmoͤg - lich. Sie haben nun keine Vernunft mehr, ſie ſind fuͤr die Weltweisheit nicht mehr eingenommen, und wenn ſie es nicht glau - ben wollen, ſo laſſen ſie es, es wird doch wahr bleiben.
Seyd ihr noch nicht weg, Peter? ihr ſollt noch heute nach Holz fahren, ſag ich euch.
Ja, ich habe ſchon angeſpannt. Jch habe nur an Herrn Tempelſtoltzen zu be - ſtellen, daß ein Bauer aus Großenhauſen da iſt, ihn abzuholen, weil der alte Stef - fen ſterben will, und den Herrn Paſtor noch zu ſprechen verlanget.
Ey was? der alte Schurke kan war - ten bis uͤbermorgen; als er mich neulich in die Stadt fahren ſollte, hatte er keine Zeit; ich habe jetzt auch keine.
Was ſoll ich denn dem Bauer fuͤr Ant - wort bringen, Herr Paſtor?
Jhr habt ja gehoͤrt, was ich geſagt habe.
Ja, ja; der alte Steffen ſoll noch nicht ſterben, er ſoll warten bis uͤbermorgen; er wuͤrde vielleicht gerne warten, wenn der Tod nur warten wollte.
Plaudert nicht lange, Peter, ſondern ſagt dem Bauer, was euch Hr. Tempelſtolz geſagt hat, und fahret den Augenblick ins Holz.
Jnnerhalb einiger Minuten ſollen ſie mich im ganzen Dorfe nicht mehr finden.
Nun iſt es auch Zeit, daß ich mein Wort halte, und dem Hrn. Muffel die gluͤckliche Bekehrung, wie ich verſpro - chen, mit der Ehe meiner Tochter belohne. Komm, Wilhelmine, gieb ihm deine Hand, und ‒ ‒ ‒ ‒
Zwingen ſie mich nicht, Mama, ei - nem Heuchler mein Herz zu geben, welches er mir durch Betruͤgereien entwenden will. Sie wollen es ihm als eine ſchuldige Beloh - nung geben, der Boshaſtige aber nimmt es als einen Raub fuͤr nichts aus ihren Haͤnden.
Nehmen ſie ihr dieſe Reden nicht uͤbel, Frau von Birkenhayn; die Austreibung iſt etwas heftig geweſen, und hat eine kleine Raſerey hinter ſich gelaſſen.
Was? Betruͤger! ‒ ‒ ‒ Was mei - nen ſie, mein Hr. Oheim, bin ich nicht bis -her128her ohne Urſach zu zornig geweſen? ich will viel lieber ganz gelaſſen uͤber dieſe Betruͤge - reyen lachen. Ha! ha! ha! wie artig klei - den ſie doch den Herrn Muffel, den frommen, lieben Mann, den auserleſnen Prediger! Ha! ha! ha! Schade! daß er ſeinen geiſt - lichen Staat nicht dabey angezogen hat, ſo wuͤrden ihn die kleine Politeſſen noch weit artiger kleiden. ha! ha! ha!
Sehn ſie? ſehn ſie? Frau von Bir - kenhayn, daß ich Recht habe, ſie faͤllt aus einer ‒ ‒ ‒ ‒
Ach! Herr Paſtor, es iſt ein aller - liebſter zerriſſener, liederlicher, lumpichter Vagant drauſſen.
Hohlt ihn nur herein, Cathrine.
Den muß ich heyrathen, Herr Pa - ſtor, ach! er hat allerliebſte runde Backen, er muß unterwegens keine Noth gelitten haben.
Laſt ihn herein kommen ‒ ‒
Er hat faſt eben ſolche helle, ſchoͤne Augen in ſeinem Kopfe, als unſer Peter hatte ‒ ‒
Jch werd es ja ſehen, Maͤdgen, macht fort, und ‒ ‒
Herr, nur noch eins; er hat ſolche runde ſchoͤne Waden! ihre Beine ſind nur Stoͤcker dagegen.
Jch ſage ja, ihr ſollt ihn hereinholen.
Ach Herr, er hat ‒ ‒ ich weiß ſelbſt nicht, was er alles hat.
Hochehrwuͤrdige, hoch - gelahrte, wohlweiſe, ehrenfeſte, und in - ſonders hochzuehrende Herren!
Herr, waren das nicht recht gelehrte Complimente? er muß ſehr viel verſtehn.
Jch bin ganz wohl damit zufrieden.
Gleichwie geſchrieben ſtehet, daß ein je - der nur ein Pilgrim auf Erden iſt, alſo habe ich mich auch ganz willig auf die geiſt - liche Wanderſchaft begeben, und bitte mir dieſerwegen einen geiſtlichen und leiblichen Reiſepfennig von ihnen dazu aus; und gleichwie wir in der Welt keine bleibende Staͤtte haben, als hab ich ſie bitten wol - len, mich dieſe Nacht unter ihrem Dache zu beherbergen.
Was duͤnkt ihnen von dem Menſchen, Herr Confrator?
Er ſcheint das ſeinige in der Theolo - gie gethan zu haben.
Wo hat er ſtudirt mein Freund? oh - ne Zweifel in Halle?
Ja, in Halle, ſie habens errathen.
Jch weiß viel, wer ſo heiſt.
Er wird ohne Zweifel die beruͤhmt - ſten Theologen gehoͤrt haben, welche fuͤr das Beſte der Kirche wieder den Einbruch der Philoſophie ſtreiten?
Ja, die hab ich gehoͤrt, und ſonſt nie - manden. Sie werden ſie ohne mich wohl kennen, es wird alſo nicht noͤthig ſeyn, daß ich ihnen erſt ihre beruͤhmte Nahmen nen - ne.
Jch weiß viel, ob ich ſie kurze oder lange nennen ſoll.
O ja; die beruͤhmten Leute kennen wir. Hat er auch ein Exegeticum gehoͤrt?
Ob das auch ein beruͤhmter Profeſſor ſeyn mag? ‒ ‒ Ja, den hab ich ſehr fleißig gehoͤrt.
Das Exegeticum meynt er doch?
Ja, ja, das meyn ich.
Jch wollte ihn wohl draus examiniren, aber ich weiß ſelbſt nicht mehr, was drein vorkommt.
Haben ſie auch die Polemick gehoͤrt?
Das wird gewiß des Herrn Exegeticuiu ſeine Frau ſeyn. ‒ ‒ Ja, die hoͤrte ich ſehr gerne.
Hat er ſich auch aufs Predigen ge - legt?
Jch bin blos des Predigens wegen auf der Univerſitaͤt geweſen.
Hat er ſich auch nach guten Muſtern umgeſehen, denen er es in ſeinen Predigten nachmachen kan?
Ja, ich habe mich nach einem Jnſpeck - tor gerichtet, welcher lange im Amte ge - weſen, und den alle Leute ſehr loben. Jch habe bemerkt, daß ihn ſein fetter Bauch auf der Kanzel uͤberaus anſehnlich und ehr - wuͤrdig macht, daher hab ich in der Ge - wohnheit, meinen Bauch, wann ich pre - dige, auch ſo weit voranzubiegen, als ich nur kan. Er hat eine feine liebliche Stim - me, alle ſeine Zuhoͤrer vergnuͤgen ſich dar - an; darum nehme ich eben ſolche feine Stimme auf der Kanzel an, damit ich lieblich predige. Es laͤſt uͤberaus galant, wenn er ſeinen weiſſen ſeidenen Schnupf - tuch auf der Kanzel neben ſich liegen hat, darum leg ich meinen auch neben mir, ob er gleich nur von Baumwolle iſt. Gegen das Ende der Predigt wird er allemahl hei - ſer. Dis zieret aber die Stimme uͤber die maſſen, darum bin ich auch am Ende alle - mahl heiſer. Daß ſein Weinen uͤberaus erbaulich ſeyn muß, bezeugen alle alte Wei - ber mit ihren Thraͤnen, darum weine ich auch eben ſo andaͤchtig.
Das iſt wahr, auf dieſe Weiſe muß er uͤberaus geſchickt predigen. Was meint er, wollte er wohl die Pilgrimſchaft mit ei - nem guten Amte verwechſeln?
Wo mich der Himmel hin beruft, da geh ich hin, ohne zu murren.
Aber ſeh er auch zugleich meine Koͤchin recht an, gefiele ſie ihm wohl? denn mit dem Bedinge wollt ich ihm eine fette Pfarre verſchaffen, wenn er ſie heyrathete.
Wenn mich der Himmel durch dieſen Weg zur Pfarre verhelfen will, ſo kan ich nichts dawider ſagen.
Seyd ihr mit ihm auch zufrieden, Cathrine?
O ja, ich bin mit allen wohlgewach - ſenen Manns perſonen zufrieden.
Gnaͤdiger Herr; ſie haben eben jetzt ei - nen Prediger in ihrem Dorfe noͤthig, mir duͤnkt, daß ſie unter hunderten keinen beſ - ſern ausleſen koͤnnten.
Du wirſt dich ſehr be - truͤgen. ‒ ‒ ‒ Ja, er mag ſich vom Conſi - ſtorio examiniren laſſen; ich bin mit ihm zufrieden.
Aber, mein Herr Paſtor, ich weiß nicht, ob ihre Koͤchin zu einer Prediger - frau auch geſittet iſt. Warum ſoll denn der gute Menſch eben ihre Koͤchin hey - rathen?
Hier ſteht Peter, der kan ihnen die Urſachen davon am beſten erklaͤren.
Ey, du Galgenvogel! ich denke du biſt ins Holz gefahren?
Ey, das iſt ihr Peter? ich habe ihn niemals ſo genau angeſehen, ſonſt haͤtt ich ihn wohl kennen muͤſſen.
Glauben ſie ihm ja nichts gnaͤdige Frau, ich weiß ſchon, was er ihnen vor - luͤgen will. Es iſt aber die Wahrheit nicht.
Jch muß aber doch hoͤren, was er zu ſagen hat. Was wißt ihr denn fuͤr Urſachen, Peter?
Was hab ich euch denn zuwieder ge - than, allerliebſter Peter, daß ihr mich ſo beluͤgen wollt? beluͤgt mich nicht, Peter; nur dieſesmal nicht, ich will euch auch die 100. Rthlr. umſonſt geben.
Nun ſo weiß ich keine Urſachen, wenn ihr mir die 100. Rthlr. verſprecht. Aber gebt mir eure Hand darauf.
Ach! ich danke euch. Da habt ihr meine Hand, ſagt ja nichts, ihr ſollt das Geld heut Abend noch haben.
Jch weiß keine Urſachen, Fr. von B. Jch wollte ſie nur erdichten. Aber das muß ich ihnen doch ſagen, was das fuͤr hundert Thaler ſind, welche mir jetzt mein Herr fuͤr mein Stillſchweigen ge - ſchenkt hat.
Peter! Peter!
Wer meines Herrn Koͤchin heyrathet, der wird auch im erſten Jahr meines Herrn Kind wiegen muͤſſen. Weil disJ 3aber134aber eine ſaure Arbeit iſt, ſo wollte er ſie mir mit hundert Thalern bezahlen, wenn ich Cathrinen heyrathen wollte. ‒ ‒ ‒
Ach! ich muß mich zu Tode ſchaͤmen, er plaudert alles aus.
Jch habe aber dieſe Arbeit dafuͤr nicht uͤber mich nehmen wollen.
Da habt ihr recht dran gethan. Himmel! wie habe ich mich betruͤgen laſ - ſen! nun gehen mir die Augen erſt auf.
Einen Strick her! ich bin verlohren.
Nein, ich will ſein Leben auch wie - der ſeinen Willen retten. Jch will ihm zu ſeiner Beruhigung ſagen, daß ſeine Schan - de verſchwiegen, und er ungeſtoͤhrt im Amte bleiben ſoll.
Dieſes großmuͤthige Verfahren hat er kaum verdienet.
Nunmehro ſeh ich ein, meine Toch - ter, daß ich dir zu viel gethan habe, ich ſchaͤme mich faſt, daß ich mich ſo hinterge - hen laſſen.
Das iſt gut fuͤr mich, daß Peter geplaudert hat. ‒ ‒ ‒ ‒ Nun aber, gnaͤdige Frau, werden ſie mir ihr Jawort ohne Hinderniß halten koͤnnen. Jch bin des verdrieslichen Nebenbuhlers los. ‒ ‒ ‒
Betruͤger! habt ihr ſo gar euer Verſpre - chen vergeſſen, daß ihr, ohne an mich noch im geringſten zu gedenken, euch ſchon um eine andre Braut bewerbet?
Weib! was wollt ihr, ſeyd ihr ra - ſend? ich kenne euch nicht.
Du kennſt mich nicht, gewiſſenloſer Betruͤger? Hier bring ich dir den gerech - ten Ausſpruch vom Conſiſtorio, daß du mich bey Entſetzung deines Amtes heyrathen ſollſt.
Nun! nun! ſind ſie es, Frau Con - recktorin? ja, ja wir wollen ‒ ‒ ‒
was laͤſſeſt du mich fuͤr Bosheiten an Maͤnnern entdecken, die ich fuͤr die Stuͤtze meines Glaubens aberglaͤu - biſch verehret, und die mich dafuͤr ſo un - dankbar betrogen haben? Komm, Wilhel - mine, ich wiederſtehe dir nicht laͤnger, du ſolſt dich ſogleich mit dem Herrn Wahr - mund verlobet ſehen. Jch lerne nunmehro, daß ich auch die abſcheulichſten Laſter, wenn ich ſie bey Menſchen ſuchen kan, auch gewiß bey den Geiſtlichen finden werde.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
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