MAn zweiffelt nicht / es weꝛde das gegen - waͤrtige Leben des groſſen Armini - us / als des ſeeligen Herꝛns von Lohen - ſtein vollkommen - ſtes Meiſterſtuͤck / bey gelehrter Welt in der ſonderbaren Hochachtung jederzeit bleiben / die es lange zu - vor nach ſeinem Verdienſt erlangt hat / ehe es noch durch den Druck ans oͤffentliche Tages - Liecht gekommen iſt. Jedennoch doͤrffte man - chem vielleicht beſchwerlich ſeyn / daß die Ein - fuͤhrung unterſchiedener ſeltzam-benennter oder ungenennter Perſonen dieſes Werck hier und dar dunckel gemacht / und waͤre dem - nach kein Wunder / wenn ſelbiger der Luſt und Nutzens / ſo er aus Leſung der deutlichen Oer - ter dieſes ſonſt ſo hochverlangten Buches ſchoͤpf - fen koͤnte / lieber entbehren / als zugleich uͤber der Auslegung der verdeckten Geſchichte ſich den Kopff zerbrechen wolte. Denn die Sinne de - rer Menſchen ſind ja ſo ungleich untereinander / als ihre Geſichter / und ſuchen viel die groͤſteVergnuͤgung in denen unverſtaͤndlichſten Buͤ - chern / umb (zum wenigſten in ihren Gewiſſen) die Ehre zu haben / daß ſie etwas bey dem Liecht ihres guten Verſtandes leichtlich ſehen koͤnnen / was andern Leuten lauter Aegyptiſche Finſter - niß iſt. Andere aber werden einer ſo muͤhſamen Luſt ja ſo bald uͤberdruͤßig / als des Schachſpiels / welches nicht wenig kluge Koͤpffe viel ehe unter die ſchwerſte Arbeit / als unter Ergetzungen des Gemuͤthes / zu rechnen pflegen. Nun laͤſſet man zwar einen jeglichen gar gern bey ſeiner Mei - nung / hoffet aber doch / jene werden ſich unſere Anmerckungen uͤber den Arminius nicht zu - wider ſeyn laſſen / nachdem ſie nicht an Rand bey - gedruckt / ſondern an dieſen abgelegenen Ort ver - wieſen worden / und alſo ihnen nicht hinderlich ſeyn koͤnnen / im eigenen Nachſinnen ſich zu uͤben. Dieſe hingegen werden ſonder Zweiffel unſer Vorhaben zum vergnuͤglichen Gebrauch dieſes Buchs hoͤchſtnoͤthig befinden. Und obwohl gegenwaͤrtige Schrifft ihre groſſen Un - vollkommenheiten hat; wird man dennoch vielleicht noch eben ſo wohl damit zu frieden ſeyn koͤnnen / als etwan mit einem unfoͤrmlichen Grentzſteine / der einem Reiſenden / wo nicht voͤlligen Bericht vom Wege / doch gnugſamen[a 2]Anlaß4AllgemeineAnlaß giebt / den rechten ſonſt unbekanten Weg / welchen auch der blinde und lebloſe Stein nicht ſehen und betreten kan / durch eigenen Fleiß zu finden und zu gehen.
MAn kan niemahls ein ſinnreiches Buch mit groͤſſerer Luſt und Nutzen leſen / als wenn man deſſelben Abſe - hen wol inne hat. Jch zweiffele dem - nach nicht / es werde vor allẽ Dingen nach zuden - cken noͤthig ſeyn / was das eigentliche Voꝛhaben des ſeligen Herrns von Lohenſtein bey Ver - fertigung gegenwaͤrtigen Werckes geweſen.
Daß es eine Liebes-Geſchichte ſeyn ſoll / giebt die aͤußerliche Geſtalt leichtlich zu erken - nen; und weil in dergleichen Schrifften die Haupt-Perſon an Tugenden und Helden - Thaten / nicht weniger als treuer Liebe / voll - kommen ſeyn muß / als hat der um unſere uralte Voreltern hochverdiente Arminius mit allem Rechte zum Grund der Lohenſteiniſchen die - nen koͤnnen. Denn wer wolte demſelben den Ruhm eines gantz ungemeinen Heldens ſtreitig machen / nachdem die Warheit ſelbſt den klugen Tacitus(a)Annal. II. 88. genoͤthiget hat / dieſem Feldherrn der Teutſchen und Ertzfeind der Roͤmer den Preiß eines unuͤberwindlichen Erhalters ſeines Vaterlands zu geben. Solten wir das Gluͤck gehabt haben / die Geſaͤnge der alten Barden von ihm zu hoͤren / oder gar ſeine Tha - ten zu ſehen / wuͤrden wir dieſen theuren Helden uns weit anſehnlicher in unſern Gedancken ab - bilden / als insgemein zu geſchehen pfleget; in -dem dasjenige / was Griechen und Roͤmer von ihm melden / ein unvollkommenes und viel ehe nach ſeinem Todteu-Gerippe / als nach dem Le - ben entworffenes Bild zu nennen iſt. Jnzwi - ſchen muß dennoch der Fleiß des Georg Spa - latinus /(b)Bey dem Schardio T. l. Rerum German. p. 259. -298. Ulrichs von Huͤtten /(c)Bey eben demſelben p. 214. Jo - hann Heinrich Hagelganſens(d)Gedruckt zu Nuͤrnberg 1640. in 12. und Con - rad Samuel Schurtzfleiſchens(e)Seine Diſputation hiervon iſt gehalten zu Witten - berg 1670. geruͤhmet werden / ſo daſſelbe zuſammen geleſen und in ge - hoͤriger Ordnung aufgezeichnet / was Strabo / Florus / Paterculus / Tacitus / Dio und andere / von ihm uns zu wiſſen gemachet ha - ben. Aus dieſen wenigen Nachrichten aber erhellet gleichwohl ſo viel / daß / daferne auch eine und andere ruhmwuͤrdige Dinge dem Armini - us von unſern Lohenſtein zugeſchrieben woꝛden / von denen man keinen Grund in denen Ge - ſchicht-Buͤchern der Alten findet / dieſes weder dem Lohenſtein zu verargen / noch dem Arminius mißzugoͤnnen ſey: nachdem die bekanten Tha - ten dieſes letzteꝛn ſchon erhaͤrten / er habe / wo nicht eben die in dieſem Buch beſchriebene / dennoch dergleichen und vielleicht noch groͤſſere Thaten thun koͤnnen / und ſey nur zu beklagen / daß deſſen Wiſſenſchafft mit der Zeit / durch den Neid der Roͤmer und die Nachlaͤßigkeit unſerer Vorfah - ren / untergegangen; maſſen man auch aus ei - ner eintzigen Klaue eines Loͤwen deſſen Groͤſſe / und aus dem bemooßten Mauerwerck die Fuͤr - treffligkeit eines zerſtoͤrten Triumphbogens er - maͤſſen kan.
Wiewohl nun aber Arminius der Mittel - punct iſt / auf welchen alle Linien / ſo in dem Um - kreiß dieſes weitlaͤufftigen Buchs befindlich ſeynd / ſich beziehen; ſo wird man doch allent - halben gar vielerley merckwuͤrdige Dinge ein - gemiſcht befinden / ſo Teutſche und von Teut - ſchen entſprungene Voͤlcker / vor und nach Ar - minius Zeiten in der Welt verrichtet / alſo gar / daß es ſcheinet / die Geſchichte vom Arminiusſey5Anmerckungen. ſey bey nahe nur ein Vorwand / die allgemei - ne teutſche Geſchichte aber der rechte Zweck unſers Lohenſteins und habe ſich dieſer mit der Feder um die zu allerzeit lebende Teutſchen ja ſo hoch / als Arminius mit dem Degen um die nur zu ſeiner Zeit lebenden verdient machen wollen. Zu dem Ende ſiehet man in dieſem Ehren-Tempel der teutſchen Helden nicht nur die vor dem Arminius beruͤhmten(f)I. Theils VI. und VII. Buch. Bello - veſus / Lingo / Brennus / Bojorich / Catu - mand / Teutobach / Aembrich / oder auch die / ſo(g)Arminius hin undwieder. an des Arminius Begebniſſen ſelbſt Theil gehabt / unter welchen Jngviomer / Arpus / Flavius / Jubil / Marbod / Gottwald / Melo / Ganaſch / die vornehmſten ſind; ſon - dern(h)I. Theils II. und VII. Buch. auch alle aus dem allerdurchlaͤuchtig - ſten Oeſterreichiſchen Hauß entſproſſene Roͤmi - ſche-Teutſche Kaͤyſer; Alſo daß man unſern Arminius nicht weniger aus ſeiner Geſell - ſchafft / als aus ſeinen Thaten vor einen der groͤ - ſten Helden erkennen muß. Eben dieſe Be - gierde / die Ehre ſeiner Lands-Leute zu befoͤr - dern / hat unſern Lohenſtein vermocht / denen alten ungenanten Verfechtern der teutſchen Freyheit / aus denen noch heute zu Tage bluͤ - henden Hochfuͤrſtl. -Graͤflich-Freyherrlich - und Adelichen Haͤuſern Nahmen zu erborgen / ob ſchon manche unter dieſen vor ſechshundert / geſchweige vor ſechzehen-hundert Jahren / die Hoheit und Wuͤrde vermuthlich noch nicht ge - habt / welche dero preißwuͤrdige Ahnen nach der Zeit auf ihre ietzige Nachkommen mit dem Gebluͤt fortgepflantzet haben.
Aus eben der Urſache ſind die vornehmſten Gaben / womit die Natur und Kunſt unſer Vaterland begabet / ſo weitlaͤufftig ausgefuͤh - ret. Denn weil daſſelbe mit ſeinen unerſchoͤpff - lichen Bergwercken / Fiſch - und Schiff-reichen Fluͤſſen / geſunden Brunnen / Gehoͤltze / Jag -ten / Weinwachs / Schleſiſcher Leinwad / Agtſtein und dergleichen vor andern Land - ſchafften ſich beruͤhmt und beliebt macht; als wird iederman unſerm Lohenſtein recht geben / daß er alle dieſe zum Ruhm ſeines Vaterlandes dienende Sachen nicht obenhin beruͤhren wol - len. Ja dieſes gute Abſehen wird gar leichtlich vor dem Richterſtuhl der Billigkeit entſchuldi - gen koͤnnen / daß die Teutſchen faſt in alle be - kante Welt-Haͤndel eingemenget worden / ſo daß / daferne man dieſe Helden-Geſchicht vor die Richtſchnur der Hiſtoriſchen Warheit halten muͤſte / niemand zweiffeln duͤrffte / daß die Roͤ - mer / inſonderheit aber Caͤſar / Pompejus / Antonius / Auguſtus / nicht weniger die Griechen / voꝛnemlich Alexander der Groſſe / ingleichen der ſieghaffte Hannibal mit ſeinen Mohren / die Amazonen / Samniter / Lu - ſitanier und faſt die gantze Welt nichts wichti - ges ohne der Teutſchen Rath und Huͤlffe ausge - fuͤhret haͤtten / und alſo die Dienſte der tapfferen Teutſchen gleichſam allenthalben das Poſte - ment geweſen waͤren / auf welchen die beruͤhm - teſten Europaͤer / Aſiaten und Africaner ihre Siege gegruͤndet haͤtten und darauf aus mit - telmaͤßigen Zwaͤrgen zu ungeheuren Rieſen er - wachſen waͤren. Um deß willen muß die Ur - heberin der Amazonen(i)I. Theil / V. Buch. des Teutſchen Koͤ - niges Alemans Tochter ſeyn: Annibal(k)I. Theil / VI. Buch p. 820. bekoͤmmt Clotilden aus Gallien zur Ehe / und damit Gelegenheit / die Teutſchen zu ſeinen vornehmſten Huͤlffs-Voͤlckern und Werckzeu - gen aller ſeiner Siege zu machen. Der be - ruͤhmte Heerfuͤhrer der Luſitanier Viriath waͤ - re wohl von rechtswegen nichts mehr als eines ehrlichen Spaniſchen Viehhirtens Sohn. Al - lein / damit ſein wunders-wuͤrdiger Helden - muth und Kriegs-Erfahrenheit denen Teut - ſchen zum Ruhm gereichte / hat unſer Lohen -a 3ſtein6Allgemeineſtein(*)I. Theil p. 888. Wege und Mittel ausgeſonnen / ihn vor einen Teutſchen und zwar des Celtiſchen Fuͤr - ſten Olonichs Sohn / wahꝛſcheinlich auszugeben. Des Arminius Bruder Flavius(l)I. Theil IV. Buch. muß dem Koͤnig Juba in Numidien mit der Roͤmi - ſchen Flotte zu Huͤlffe ziehen / und derjenige Segimer /(m)I. Theil VII. Buch. der mit einigen Volck dem Craſſus wider die Parthen in Aſien beygeſtan - den / ein Teutſcher Feldherr und der Vater des Arminius ſeyn; damit Africa und Aſia / nicht weniger als Europa / den klugen Rath und tapffere Fauſt der Teutſchen zu bewundern An - laß bekaͤme. Ja unſer Verfaſſer hat denen Roͤmern ihr Kunſtſtuͤck wohl abgelernet /(n)I. Theil p. 753. b. 754. a. da ſie nemlich ihrer Widerſacher Siege und ihre eigene Niederlagen zu verkleinern oder alſo zu beſchꝛeiben gewuſt / daß die Ubeꝛwundenen mehr Ehre aus der Niederlage / als die Sieger aus ihrem Triumph haben moͤchten. Deñ eben alſo iſt der Rabe / ſo dem Marcus Valerius Cor - vinus(o)I. Theil p. 758. b. 759. a. den Sieg im Zweykampff zuwege bringt / lauter Zauberey und macht demnach die Uberwindung des Tentſchen Udalrich mehr ſchimpf-als ruͤhmlich; Und Titus Manlius Torqvatus hat von ſeinem Obſieg wenig Eh - re /(p)I. Theil p. 755. weil ſein Widerpart eine verkleidete un - gewaffnete Weibs-Perſon iſt. Da hingegen des Ruͤhmens von denen Siegen des Corvinus und Torqvatus bey denen Roͤmiſchen Geſchicht - Schreibern kein Ziel noch Ende iſt.
Dergleichen Freyheit koͤnte man nun zwar einem Hiſtorien Schreiber uͤbel ſprechen / nicht aber dem Verfaſſer eines ſo genanten Ro - mans / als welcher / eben ſo wohl als Mahler und Poeten / Macht hat / aus ſchwartz weiß / und aus weiß ſchwartz zu machen / nach dem ein - oder andere Farbe erfordert wird / ſeinem Werck das rechte Liecht und Schatten zu ertheilen. Man hat daher niemahls gnug ſich wundernkoͤnnen uͤber den unvergleichlichen Verſtand des Durchlaͤuchtigſten Verfaſſers der Roͤ - miſchen Octavia / indem er aus der ehrloſen Meſſalina die keuſcheſte Dame / aus der Zau - berin und Gifftmiſcherin Locuſta die unſchul - digſte Perſon / aus der liederlichen Acte eine gottfuͤrchtige Chriſtin mit uͤberaus-groſſer Wahrſcheinlichkeit macht; auf welchen Schlag denn auch der Herr von Lohenſtein bemuͤht ge - weſen / denen wahren Geſchichten derer alten Teutſchen durch ſinnreich erdichtete Umſtaͤnde eine andere und beſſere Geſtalt und Anſehn zu geben; ſo daß wenn Arioviſt / Arminius / Thußnelda / Arpus / Marbod / Jubil und andere von ihm beſchriebene / ihre eigene Ge - ſchichte in dieſem Buche ſuchen ſolten / wuͤr - den ſie ſich vielleicht mit groſſer Muͤhe daſelbſt finden und in hoͤchliche Verwunderung gera - then / daß ihre dicke Barbarey zu einen Muſter aller nach heutiger Welt-Art eingerichteten Sitten / und ſie / durch den Ovidius unſerer Zeiten / nicht aus Menſchen in Vieh / ſondern aus halben Vieh in vollkommene Menſchen verwandelt woꝛden.
Daß nun alles bißher geſagte nicht unge - reimet ſey / wird niemand leicht in Zweiffel zie - hen; doch iſt noch viel in dieſem Buch begrif - fen / das weder zur Liebes-Geſchichte vom Arminius / noch Lobe der Teutſchen noͤthig iſt / und dahero noch ein ander Abſehen haben muß / welches denn der ſelige Herr Verfaſſer die kluͤgliche Anwendung ſeiner ſo weitlaͤuf - tigen Gelehrſamkeit ſeyn laſſen. Denn bloß-erdichtete Dinge zu ſchreiben war vor ihn eine allzu ſchlechte Bemuͤhung. Vielmehr muſten dieſe Gedichte ein Blendwerck noth - wendiger und ernſthaffter Wiſſenſchafften ſeyn / um die jenigen auch wider ihren Vorſatz gelehrt / klug und tugendhafft zu machen / welche daſelbſtnichts /7Anmerckungen. nichts / als verliebte Eitelkeiten / ſuchen wuͤrden. Dannenhero ſchweifft er in ſeinen, Unterre - dungen aus / bald auf den Urſprung / Glau - ben und Gebraͤuche aller frembder Voͤlcker / bald auf die Geſchichte unterſchiedener beſchrie - hener Weltweiſen / bald auf die Beſchreibung aller Tugenden / Laſter und Gemuͤths-Re - gungen des Menſchen / bald auf wichtige Staats-Haͤndel und die hieruͤber entſtanden - ne Streit-Fragen / bald auf die groͤſten Wun - der der Naturkuͤndiger und neuen Aertzte; ſo gar / daß der jenige ſehr verwoͤhnten Ge - ſchmackes ſeyn muß / den eine ſo groſſe Ver - aͤnderung und Vermiſchung luſtiger und ernſt - haffter Dinge zu vergnuͤgen unfaͤhig waͤre. Gewiß iſts / daß gleich wie der grundgelehrte Lohenſtein eine lebendige Bibliothec geweſen / alſo dieſes Buch ein rechter Kern und Auszug ſeiner gantzen lebloſen Bibliothec mit allem Rechte heiſſen kan.
DJe Art zu ſchreiben / derer der Herr von Lohenſtein ſich in dieſem Werck gebraucht / iſt zwar hoch / doch nicht unverſtaͤndlich / hierbey ungezwun - gen / durchgehends gleichfoͤrmig / und um deß willen deſto angenehmer und wunderbarer. Denn wenn gleich einer in einer ordentlich-nie - drigen oder mittelmaͤßigen Schreib-Art denn und wenn hohe Reden und ungemeine Gedan - cken einmiſcht / ſiehets doch nicht viel beſſer aus / als ein Tuch-Kleid / das mit etlichen Sammt - Flecken geflicket iſt; da man hingegen unſerm Lohenſtein den Preiß laſſen muß / deſſen Ver - ſtand ſo viel ſinnreiche Spruͤche / deſſen Gedaͤcht - niß ſo viel merckwuͤrdige Exempel / deſſen Ein - bildung ſo viel artige Gleichniſſe iederzeit imVorrath gehabt / daß alle Stuͤcke dieſes Wercks mit unterſchiedenen Zierathen auf einerley Art verſetzet und denen wohlangelegten Gar - ten-Beeten aͤhnlich ſind / die einander alle gleich / und doch alle mit ihrem eigenen Reichthum verſorget ſeyn muͤſſen.
Wahr iſts / es moͤchten nicht wenig Leſer meynen / Lohenſtein habe der Sachen allzu viel gethan / und / (da er hin und wieder auf die uͤber - wuͤrtzten Speiſen ſo uͤbel zu ſprechen iſt /) ſeine Schrifften mit ſolchen koͤſtlichen Spruͤchen / Gleichniſſen und Exempeln uͤberwuͤrtzet: Es ſcheinet ja faſt / der unſaͤglich beleſene Mann habe alle ſeine redende Perſonen vom groͤſten biß zum kleinſten / vom Feldherrn biß auf den geringſten Soldaten / nach ſeinem eigenen Maaß abge - meſſen / und mit ſeinem eigenen Geiſte beſeelet / weil iedweder ohne Nachdencken im freyen Felde aus dem Kopffe ſo viel Geſchichten auf alle Faͤlle herzuſagen weiß / als mancher Halb - gelehrter in wer weiß wie viel Wochen aus etli - chen dutzent Troͤſtern vergeblich zuſammen ſu - chen ſolte. Allein gleich wie Plato ſein ge - meines Weſen entwoꝛffen / nicht wie es ſeyn kan / ſondern wie es ſeyn ſolte: Alſo machen ſolche Helden-Gedichte allezeit die Perſonen kluͤger und tugendhaffter / als ſie vermuthlich geweſen / damit ſie deſto eher dem Leſer zum Muſter vorge - ſtellet zu werden verdienen moͤchten. Und warum wolte man zu Lohenſteins Guͤtigkeit ſcheel ſehen / der ſeinen Leſer lieber mit vernuͤnff - tigen Dingen als mit eiteln Geſchwaͤtz unter - halten / und lieber ſeine eigene vollkommene Ge - dancken ſeinen Helden und Heldinnen in den Mund legen wollen / ehe daß er ſie etwas reden lieſſe / ſo zwar ihrer wahrhafften natuͤrlichen Faͤ - higkeit gemaͤß / nicht aber einen nach vollkom - menern Dingen begierigen Leſer voͤllige Gnuͤ - ge zu leiſten tuͤchtig waͤre?
Ubrigens iſt die Redens-Art unſers Lohen - ſteins rein-Hochteutſch / und weder mit La - teiniſchen oder andern frembden Woͤrtern ohnedie8Allgemeinedie hoͤchſte(a)Gleichwie alſo die Brahmaniſchen Ramma und Kriſt - na / das Griechiſche ΑΡΤΗΣΗ, das Lateiniſche Phalaur / Legionen / und etliche andere in ſehr gerin - ger Anzahl / ohne Dunckelheit der Rede / nicht haben koͤnnen vermieden werden. Noth / noch mit neugemachten Teutſchen vermenget. Und ob wohl ein und andere Arten zu reden da und dort(b)Zum Exempel / die Sonne geht zu Golde vor die Sonne geht unter; Kreilen der Vo - gel vor Krallen; Angewehren vor an - wenden / anwerden; Enthengen vor zulaſ - ſen / verſtatten; Zufroͤmen vor zuwenden / ſchencken; ſamb vor gleich als ob; die Saͤ -bel vor der Saͤbel; eine Krauſe vor ein Krug; warnigen vor warnen. vorkom - men / ſo vielleicht in Schleſien gebraͤuchlicher als in Meiſſen ſeyn; ſo wuͤrde es doch eben ſo groſſe Thorheit ſeyn / den ſeligen Herrn von Lo - henſtein deßwegen zu tadeln / als etwa den Li - vius und Gvicciardini / weil ihre Redens - Arten einiger maſſen verrathen ſollen / daß(c)Beſiehe Dan. Georg Morhoffs Buch de Patavinitate Liviana gedruckt zu Kiel 1684. in 4. jener von Padua / dieſer von Florentz(d)Hiervon iſt wohl zu leſen Tomaſo Porcacchi in ſeinem Giudicio dalla hiſtoria d’ Italia di M. Franceſco Gvicciardini (ſo vor der Venetianiſchen Edition von A. 1599. zu finden /) p. 13. b. buͤr - tig geweſen; denn diß alles wird nimmermehr hindern / daß nicht gelehrte Leute des Livius La - tein / das Jtaliaͤniſche des Gvicciardini und des Lohenſteins Teutſches fuͤr rein und untadelhafft halten.
Damit aber Lohenſtein ſein Teutſch von al - lem Lateiniſchen Beyſatz deſto mehr ſauberte / hat er (nach Art Johann Ludwig Gottfrieds in den vier Monarchien) die in den Lateiniſch - und Griechiſchen Geſchicht-Schreibern gefun - dene und mit Lateiniſch - und Griechiſchen En - dungen / Ausſprache und Schreib-Art unkaͤnt - lich gemachte Alt-Teutſche oder Galliſche Nahmen geaͤndert / wie ſie vermuthlich von denen Teutſchen und Galliern ehemahls ſelbſt ausgeſprochen worden; welches zu dem Ende mit unterſchiedenen Exempeln zu beſtaͤtigen iſt / damit man deſto ehe den Polybius / Appianus / Livius / Tacitus / Florus / Dio und andere Ge - ſchicht-Schreiber gegen unſern Lohenſtein ver - hoͤren koͤnne. Solchergeſtalt iſt
DJe Perſonen / derer im Arminius gedacht wird / haben entweder Nah - men oder nicht; Auf den letztern Fall ſinds mehrentheils Leute / die nach Arminius Tode gelebet / und dahero ihre Nahmen ihme ohne Prophetiſchen Geiſt nicht haben bekant ſeyn koͤnnen. Weil aber dennoch nichts neues unter der Sonnen geſchieht / hat Lohenſtein(a)Beſiehe zur Probe unſere abſonderlichen Anmerckun - gen uͤber I. Theil p. 91. b. 94. a. 118. a. 167. a. 169. a. 270. a. u. ſ. w. ſeine Leute als vor ihrer Zeit ge - ſchehene Dinge erzehlẽ laſſen / was doch erſt nach ſeiner Zeit geſchehen iſt. Dieſe weder mit wah -ren9Anmerckungen. ren / noch erdichteten Nahmen benennte wahr - haffte Perſonen zu errathen / duͤrffte manchem ſchwer genug gefallen ſeyn; weßwegen dem - ſelben nicht unangenehm ſeyn wird / daß man in denen bald folgenden abſonderlichen An - merckungen / ſolche Muͤhe ihm zu erſparen / an gehoͤrigen Oertern gefliſſen geweſen iſt.
Die ausdruͤcklich-angefuͤhrten Nahmen aber ſind dreyerley Art / und haben entweder nirgends / oder allenthalben / oder nur da und dort eine verdeckte Bedeutung. Zur erſten Art gehoͤren die meiſten Haupt-Per - ſonen(b)Zum Exempel: Thußnelda / Asblaſte / Arpus / Ga - naſch / Melo / Jſmene / Leitholde / Arngrim / Erato / Auguſtus / Tiberius / Germanicus / Rhemetalces / Zeno / Flavius / u. ſ. w. und die ihnen bekant und bedient geweſen /(c)Adgandeſter / Salonine / Slawata / Schweinitz / die Graͤfin von der Lippe / und dergleichen. deßgleichen alle /(d)Alexander der Groſſe / Scipio / Hannſbal / Marius / Bojorich / Plato / Ariſtoreles / Heroſtratus / u. a. m. derer Nah - men ietztbeſagten Alters halben haben bewuſt ſeyn / und daher in ihren Geſpraͤchen gemeldet werden koͤnnen. Und von dieſen allen iſt un - noͤthig geweſen in denen abſonderlichen An - merckungen etwas zu gedencken; weil entwe - der ſolche dem Leſer bekant ſeyn / oder doch aus des Hoffmanns / Lloyds / Stephani und anderen Lexicis leichtlich bekant werden koͤnnen. Dan - nenhero / wenn der geneigte Leſer uͤber den und jenen Nahmen am gehoͤrigen Blate in offt-ge - dachten abſondeꝛlichen Anmeꝛckungen nichts angemerckt finden ſolte / ſoll er wiſſen / daß er ſolchen Nahmen zu dieſer erſten Gattung rech - nen muͤſſe. Wolte man nun auch dieſen Per -ſonen eine geheime Bedeutung aufdichten und alſo aus der Liebes-Geſchichte ein bloſſes Raͤtzel machen / wuͤrde man des Verfaſſers Abſehen eben ſo groſſe Gewalt thun / als jener dem Gva - rini / der deſſen Paſtor Fido, der vor ſeine Liebſte ſich aufopffern laſſen will / auf den vor ſeine ge - liebte Gemeine ſterbenden Chriſtus gedeutet / oder andere dem Virgilius / die ſeine vierdte Eclogam auf Chriſti Geburt gezogen; Aller - ſeits nicht ohne Nachſinnen / ſchwerlich aber nach des Guarini oder Virgilius eigenen Sinn und Meynung.
Zur andern Gattung gehoͤren lauter ſol - che Perſonen / von denen in deren abſonderli - chen Anmerckungen ein genugſamer Bericht erſtattet worden; Zum Exempel: Valuſce - nes /(e)Das iſt: Wenceslaus / Boͤhmiſcher Erb-Printz. Mars /(f)Das iſt: Rudolph / wie auch Albrecht von Oeſterreich / Kaͤyſer Rudolph des I. Soͤhne. Facſarif /(g)Fairfax. Sekkes /(h)Eſſex. Tirchanis /(i)Chriſtina Koͤnigin in Schweden. Aſteloth /(k)Der Graf von Athol (oder Atholes.) Gotart /(l)Guſtav Adolph / Koͤnig in Schweden. Gunholm(m)Guſtav Horn. / und ſo weiter.
Die zur dritten Art gehoͤrigen hat man in denen Anmerckungen mit Fleiß uͤbergan - gen / wenn kein geheimer Verſtand darunter ſteckt; Hingegen aber erklaͤret / wenn unter ſol - chen alten Nahmen etwas neues verborgen liegt. Wie beym Maꝛbod /(n)So ferne er wider Briton ſeinen Herrn einen Aufruhr erwecket / iſt er Olivier Cromwell; ſo ferne er den Bojen-Koͤnig Critaſir vertreibet / iſt er Carl Gu - ſtav Koͤnig in Schweden; ſo ferne er aber mit de - nen Roͤmern / Cheruſcern / Gothonen / Semno - nern zu ſtreiten hat / iſt er nichts mehr / als der Maro - boduus beym Cornelius Tacitus. Caꝛiovalda /(o)Dieſer iſt I. Theil p. 365. der Printz von Uranien / (nun - mehr Koͤnig von Engeland) Wilhelm Heinrich; ſonſt nichts mehr / als der bey dem Tacitus erwehnete Fuͤrſt der Bataver Cariovalda. Aembrich(p)So ferne er mit dem Julius Caͤſar Haͤndel hat und Catti - volck ſein Bruder / Jngviomer ſein Sohn / Asbla - ſte ſeine Schwieger-Tochter / Herrmann ſein Enckel iſt / iſt er der alte beym Caͤſar gedachte Ambtorir / Hertzog derer Lande / ſo heute zu Tage Braunſchweig und Luͤneburg heiſſen / ſo ferne er aber den Loͤwen - muth zum Sohn und die Teutſche Feldherrſchafft hat / auch mit Arabarn / Briton und Gotarten krie - get / ſo ferne iſt er Ferdmand II. Roͤmiſcher Kaͤyſer. und dergleichen zu ſehen ſeyn wird.
bHier -10AllgemeineHierbey iſt zu mercken / daß ſolche falſche Nahmen mehrentheils durch Verſetzung der Buchſtaben unkentlich gemacht worden; off - ters auch wohl wahrhafft ſeyn / aber aus beyſte - henden falſchẽ Namen gleichfalls fuͤr falſch muͤſ - ſen erkant werden. Zum Exempel: Jm I. Theil II. Buch / koͤnte Hermion wohl von einem Un - verſtaͤndigen vor einen rechten alten Teutſchen gehalten werden / weil wahrhafftig unter den alten Teutſchen ein Fuͤrſt mit Nahmen Her - mion geweſen. Allein daß es Rudolph von Habsburg / erſter Roͤmiſcher Kaͤyſer aus dem Hauß Oeſterreich ſey / giebt unter andern der ſeltzame Nahme ſeines Schwieger-Sohns Va - luſcenes zu erkennen / aus welchem duꝛch Buch - ſtaben-Verſetzung Venceslaus heraus koͤm̃t. Gleicher geſtalt wuͤrde beym Oriſmanes(a)I. Theil p. 304. wol niemand an den Marechal de Biron geden - cken / wenn nicht dabey des Treboſſerex (das iſt / Robert Eſſex /) zugleich Meldung geſchaͤhe.
So iſt auch nicht aus der acht zu laſſen / daß oͤffters ein einiger Nahme mehr als eine Perſon bedeute. Zum Exempel: Divitiac iſt im I. Theil p. 982. D. Martin Luther / p. 985. aber Heinrich IV, Koͤnig in Franckreich; Liſ - ſudaval iſt p. 132. col. a. Vladislaus Si - gismundus Koͤnig in Pohlen / und doch eben daſelbſt col. b. Vladislaus Koͤnig in Ungarn / Kaͤyſer Ferdinand I. Schwaͤher-Vater. Ge - gentheils hat eine einige wahrhaffte Perſon un - terſchiedene erdichtete Nahmen an unterſchie - denen Oertern. Zum Exempel / die Koͤnigin Chriſtina in Schweden heiſt Caniſtria /(b)I. Theil p. 229. Thinacris(c)I. Theil p. 142. Tirchanis /(d)I. Theil p. 1328. Vocione(e)II. Theil p. 522.; die Koͤnigin Eliſabeth von Engeland wird Te - lesbia(f)I. Theil p. 229. / Boudicea(g)I. Theil p. 1016. / und Antiope(h)I. Theil p. 304. ge - nennet. Koͤnig Heinrich der IV. in Franck -reich wird durch den vierdten Jnduciomarer(i)I. Theil p. 226. / Rubonor Fuͤrſt der Bigerrionen(k)I. Theil p. 984. / Di - vitiac Koͤnig der Sueſſoner(l)I. Theil p. 985. und Ambiorich(m)II. Theil p. 1268. angedeutet. Wenn bey Einmiſchung ei - ner kleinen Geſchichte geſagt wird / diß oder je - nes ſey vor wenig Jahren / neulichſt / nechſt - hin / und ſo weiter geſchehen / ſo iſts gewiß und faſt allezeit eine Geſchichte / die Lohenſteins Zeit weit naͤher als der Zeit des Arminius koͤmmt; wenn aber etwas vorlaͤngſt ſoll geſchehen ſeyn / ſo iſts eine Geſchichte / die nicht lange nach Armi - nius / lange aber vor unſer Zeit geſchehen. Man beſehe zum Exempel I. Theil p. 142 / allwo Thi - nacris Koͤnigin Chriſtina in Schweden / Ra - kimis Koͤnig Johann Caſimir in Pohlen / Hee - rulk Valer. Maximianus Herculeus / Nido - tical Diocletianus iſt. Jngleichen wenn ei - ne Jahrzahl ausdruͤcklich gemeldet wird / iſt ge - wiß eine neue Geſchichte angedeutet worden; wovon Exempel zu finden in denen abſonderli - chen Anmeꝛckungen zum I. Theil p. 125. b. 674. a.
WEil Geſchlecht-Regiſter einer Ge - ſchicht ein groſſes Licht geben und verhindern koͤnnen / daß man nicht unterſchiedene Perſonen von einer - ley Nahmen unter einander vermenge / hat man vor gut befunden / einige zu beſſeꝛer Verſtaͤndniß des Lohenſteiniſchen Werckes dienliche hieher zu ſetzen:
Num. I. 11Anmerckungen.DEro Nahmen ſind oͤffters entweder mit Fleiß verſchwiegen / oder ver - drehet / oder zwar wahrhafftig / aber doch dem zugelegt / dem ſie nicht ge - hoͤren; welches denn geſchieht / wenn neue Ge - ſchichte erzehlet und dennoch fuͤr alte ausgegeben werden. Und dieſe hat man auf alle drey Faͤlle in denen abſonderlichen Anmerckungen zu erklaͤren geſucht. Deñ weil viel von denen heuti - gen Koͤnigreichen / vor und zu Arminius Zeiten / nur Roͤmiſcher Botmaͤßigkeit unterworffene Laͤnder waren / ſo konte Arminius und ſeine Sprachgenoſſen keiner Koͤnige gedencken / die an ſolchen Orten einen freyen Scepter gefuͤhrt; beſondern ſie muſten an ſtatt Oeſterreichs / (ſo mit zum Noricum gehoͤrete /) die Cherusker / (d. i. die Hertzoge zu Braunſchweig und Luͤneburg /) an ſtatt Hiſpaniens Britannien oder Celtibe - rien / an ſtatt Portugal die gluͤckſeligen Ey - lande / an ſtatt Franckreich die Sueſſoner / an ſtatt Boͤhmen die Marckmaͤnner nennen. (Beſiehe z. e. Anmerckungen uͤber I. Theil p. 118. a. 149. a. 232. a.) Gleichergeſtalt hat man zu Arminius Zeiten von keinem Pabſt / ja auch nicht von einem Haupte der Druiden zu Rom etwas gewuſt. Wenn demnach des Sitzes des Haupts der Druiden oder des Roͤ - miſchen Paͤbſtlichen Stuhls in einer verdeckten Geſchicht ſoll gedacht werden / ſo muß / an ſtatt Rom / entweder Carnutum (in Gallien) oder Cantium (in England) genennt werden / als allwo der teutſche Druiden-Orden in Anſehen war. (Beſiehe Anmerckungen uͤber I. Theil p. 971. 562.) Hingegen weil die Koͤnigin Chri -ſtina von Schweden als eine Cimbriſche ge - heiligte Jungfrau eingefuͤhrt wird / ihre Reiſe nach Rom anzudeuten; (I. Theil IX. Buch /) als hat auch Rom ſelbſt mit ſeinen eigenen Nah - men fuͤr den Ort ihres Auffenthalts angegeben werden koͤnnen.
Doch gnug von dieſer Art Nahmen; weil die obgedachten abſonderlichen Anmerckun - gen hieruͤber gnugſamen Bericht verhoffentlich erſtatten werden.
Hernachmahls iſts bekant / daß die Nah - men der Laͤnder / Voͤlcker / Staͤdte / Waͤlder / Berge / Fluͤſſe zu Arminius Zeiten gar anders gelautet als heute zu Tage; z. e. Bacharach ward (Bacchi Ara) das Altar des Bacchus / Muͤnchen Jſiniſca / u. ſ. w. genennet. Weil nun dieſe offt-vorkommende alte Lateiniſche Nahmen derer Teutſchen und anderer Weſt - und Nord-Laͤnder nicht iedermann bekant ſeynd / hat man nachfolgendes Regiſter nach dem A. B. C. verfertigt. Solte darinnen ein und anderer Nahme fehlen / wird er entweder von keiner Wichtigkeit / oder leicht aus dem darbey von Lohenſtein genennten wohlbekanten Berg und Fluß zu erkennen / oder auch vielleicht in denen abſonderlichen Anmerckungen uͤber ſelbiges Blat / erklaͤret worden ſeyn; umb welcher und andeꝛer Urſachen willen der geneig - te Leſer ſolche Anmerckungen unter Leſung des Hauptwercks bey der Hand allzeit wolle liegen haben. Man hat ſonſt in Verdeutſchung die - ſer Lateiniſchen Nahmen dem Cluverius faſt durchgehends gefolget / weil es geſchienen / daß auch der Herꝛ von Lohenſtein uns hierinnen vor - gegangen. Will inzwiſchen iemand noch ei - gentlicher davon berichtet ſeyn / der bediene ſich hierzu des ſehr muͤhſamen Lexici, des gelehr - ten Baſelſchen Profeſſors Johann Jacob Hoffmanns / da er die Meynungen des Clu - verius / Rhenanus / Junius / Valeſius / Baudrands und anderer / uͤber ieden Nah - men beyſammen antreffen wird.
17Anmerckungen.JCh begehre nicht / denen Romanen ins - gemein das Wort zu reden / von denen manche mit ſo aͤrgerlichen oder doch gantz unnuͤtzen Geſchwaͤtze angefuͤllet ſind / daß Chriſtlich-geſinnete und tugendhaffte Leute davor billig Abſcheu tragen / und den Ver - faſſer und Leſer hoͤchlich betauren / die umb einer Handvoll vergaͤnglicher Beluſtigung eine ſo ſchwere Verantwortung von dem gerechten GOtt auf ſich laden. Doch giebt es auch ſol - che / die dem Leſer eine Luſt / aber ohne Suͤnde / ja nicht ohne mercklichen Nutzen und Beyhuͤlffe zur Erkennung der Sitten derer Menſchen im gemeinen Leben / auch zu Schaͤrffung des Ver - ſtandes in allerley ſinnreichen Erfindungen / zu - wege bringen; welche man dahero / ohne Hind - anſetzung ſeiner ordentlichen Verrichtungen / unter dem Abſehen / das Gemuͤth durch ſolchen unſchuldigen / doch vergnuͤglichen Zeitvertreib zu ergetzen und zu inſtehender ernſthaffterer Ar - beit deſto williger zu machen / mit ja ſo guten Gewiſſen gebrauchen darf / als wie etwa z. e. Jagen / Muſic und allerhand Spiele lieben / weltliche warhaffte Hiſtorien leſen / Verſe ma - chen / von allen vergoͤnnet wird / die von Gewiſ - ſens-Faͤllen geſchrieben haben. Denn alle ſol - che Dinge ſind zwar nicht eben ſchlechter dings noͤthig / jedoch auch keines Weges ſchlechter Din - ge verboten. Daher nicht nur ein Haupt derDruiden(a)Pabſt Pius der andere; Beſiehe des Biſchoffs zu Soiſſons, Petr. Daniel Huët Buch de origine fabularum Roma - nenſium p. 118. von des Eurialus und Lucretia Liebes-Haͤndeln ein eigen Buch geſchrieben / ſondern auch (welches hoͤher zu verwundern) ein wohlbekanter Cheruskiſcher Barde(b)Andreas Henrich Buchholtz / ehemahls Profeſſor zu Rinteln / nachmahls Superintendent zu Braunſchweig. Beſiehe Memorias Theologorum Henningi à Witten, dec. XIII. p. 1712. 1714. ſich nicht geſcheuet / die Helden-Geſchichten des deutſchen Herkules und Herkuliſcus zu verfer - tigen / welches ihn auch nicht gereuet hat / nachdem andere ſeine Glaubens-Genoſſen je - nen mit Unverſtand eifernden Biſchoͤffen / die den Biſchof zu Triccaͤ in Theſſalien Heliodo - rus / weil er ſeine in der Jugend geſchriebene Liebes-Geſchichte nicht verbrennen wollen / ſei - nes Biſthums entſetzet(c)Daß der Biſchoff Heliodorus eine Aethiopiſche Liebes-Ge - ſchichte geſchrieben / iſt aus des Socrates Kirchen-Hiſtorien lib. V. c. 22. gewiß genug. Und daß er deßwegen abgeſetzt /worden / ſagt Nicephorus aus; welchem aber Valeſius in ſeinen Anmerckungen uͤber den Socrates keinen Glauben bey - meſſen will. Gewiß iſts / daß der groſſe Patriarch Photius, dieſe Liebes-Geſchicht zu leſen in ſeinem Myriobiblo Cod. 72. einen langen extract daraus zu machen / auch es ſonderbar zu ruͤhmen / ſich kein Gewiſſen genommen. Dahingegen er den leichtfertigen Romun des Achilles Tatius zwar geleſen / aber demſelben gar ein ſchlecht Lob ertheilet hat. haben / nachzueifern und zu folgen fuͤr unnoͤthig erachtet / vielmehr(d)Sonderlich hat Johann Riſt in der Vorrede uͤber einen Theil ſeiner Lieder ſolches uͤberaus weitlaͤufftig gethan. den Verfaſſer des Herkules dermaſſen ge - ruͤhmet haben / daß er von allen ſeinen ernſthaff - ten geiſtlichen und weltlichen Schrifften nicht mehrern Ruhm erwarten duͤrffen.
Allein nichts iſt ſo gut / das nicht mißbraucht werden koͤnte; und alſo ſteht vielleicht bey dem unvergleichlichen Werck des Herrn von Lohen - ſtein auch zweyerley zu beſorgen.
Vor eins moͤchte ein und anderer die er - dichteten Umbſtaͤnde von denen warhaff - ten / in denen unter die Gedichte eingemiſchten Geſchichten nicht unterſcheiden koͤnnen. Und erinnere ich mich hierbey / daß der kluge Herr Petrus Bayle in ſeinen Nouvelles de la Repub - liqve des lettres ſehr uͤbel auf die jenigen zu ſprechen geweſen / die warhaffte Geſchichte zum Jnhalt ihrer Gedichte erwehleten / weil hier - durch mit der Zeit verurſachet werden duͤrffte / daß man in Hiſtorien / weder was wahr / nochwas21Anmerckungen. was erdichtet / wuͤrde wiſſen und unterſcheiden koͤnnen. Allein ich befuͤrchte das ſo ſehr nicht; nachdem iederzeit ſo viel wahre Hiſtorien - Schreiber in der Welt ſeyn werden / daß man leicht bey ihnen wird erkundigen koͤnnen / ob diß oder jenes wahr oder unwahr ſey. Maſſen denn ihre ausdruͤckliche Bejahung ein Zeichen des erſten / ihre ausdruͤckliche Verneinung oder allgemeines Stillſchweigen ein Zeichen des letz - tern ſeyn wird. Mir koͤmmt die Sache vor wie mit denen Zeitungen: die lieſt die gantze Welt / obgleich offters kaum die Helffte daran wahr iſt. Jnzwiſchen ſchadet ſolches der Hiſto - riſchen Warheit wenig oder nichts / weil doch immerzu und uͤberall gelehrte Leute ſeynd / die aus denen Archiven der Koͤnige und Fuͤrſten ſol - che Hiſtorien heraus geben / die wird ein Pruͤfe - Stein anderer Erzehlungen ſeyn koͤnnen. Das iſt zwar unleidlich / wenn Varillas und andere Hiſtorien-Schreiber von dergleichen Schrot und Korn den Leſer unter dem Nahmen und aͤußerlichen Schein warhaffter Hiſtorien mit Fabeln betriegen; Aber diß iſt von dem nicht zu befuͤrchten / der niemals ſeine ſiñreiche Fabeln vorbloſſe Warheit ausgeben hat.
Die andere Sorge betrifft die allzu deut - liche Beſchreibung der Hurerey und Ehe - bruchs / ſo ſonderlich I. Theil / III. Buch / und II. Theil / I. Buch / zu finden. Allein es iſt der - ſelben in dem Vorbericht an den Leſer uͤber den erſten Theil des Arminius / ſehr wohl ab - geholffen worden. Uberdiß glaube ich / daß la - ſterhaffte Leute die Gedult nicht haben werden / dieſen unſchuldigen Zunder ihrer verdammten geilen Brunſt unter ſo viel ihnen beſchwerlichen Tugend-Lehren zu ſuchen; viel weniger wer - den Kinder und andere Einfaͤltige ein ſo tiefſin - nig Buch leſen oder verſtehen / daher ſie denn ſich ſo wenig daraus aͤrgern als beſſern werden. Tugendhaffte aber werden von ſich ſelbſt ſchon / was gut und boͤſe iſt / und jenes zu erwehlen / die -ſes zu verwerffen wiſſen. Zum wenigſten bin ich deß gewiß / daß alles vom Lohenſtein geſagte ſo leicht zu entſchuldigen iſt / als was obgenanter Verfaſſer des Herkules von ſeiner ehebrecheri - ſchen Statira geſchrieben hat. Gegentheils aber wird niemand / als der diß Werck nicht ge - leſen / leugnen / daß man daraus in Staats - Sachen / in der Sitten-Lehre / in der Hiſtorie aller Weltweiſen / in der Welt-Beſchrei - bung / Beredſamkeit / Poeſie / ſehr viel gute Dinge leꝛnen koͤnne / gleich wie wir oben(e)Allgem. Anmerckungen p. 6. b. 7. a. hieꝛ - von zuꝛ Gnuͤge gehandelt / und dem veꝛſtaͤndigem Leſer mehr hiervon zu ſagen Bedencken tragen / damit es nicht ſcheine / daß man demſelben eini - gen Zweiffel zutraute / als ob nicht ſchon der bloße beruͤhmte Nahme des Verfaſſers ein gnugſames Zeugniß von der Guͤte und Nutz - barkeit dieſes Wercks ſeyn koͤnne. Jedoch und zum Beſchluß wollen wir ein und anders an - noch kuͤrtzlich anmercken.
Anfaͤnglich / ſo laͤſt der Herr von Lohenſtein manchmal ſeine Heydniſche Sprach-Genoſ - ſen diß und jenes reden / nicht ſolches alles gut zu heiſſen / ſondern nur zu erzehlen / was ſie ge - glaubet und gelehret. Da ſich denn niemand beſchweren wird / daß er ſelbſt den deutlichen Ausſchlag zu geben unterlaſſen; Nachdem er von ſeinem Leſer gnugſamen Verſtand vermu - thet / ſelbſt zu urtheilen / was unter ſolchen Mei - nungen gut oder boͤſe / denen natuͤrlichen Rech - ten gemaͤß oder nicht gemaͤß ſey. Und hat er hierinnen eben ſo wohl gethan / als Matthaͤus Polus / der in ſeiner Critiſchen Bibel die Meynungen derer Gelehrten getreulich erzeh - let und das Urtheil hieruͤber dem Nachſinnen des klugen Leſers uͤberlaſſen hat.
Nachmahls / ſo kan man auch die koſtbaren Aegyptiſchen Gefaͤß denen Heyden entwenden / und zum Heiligthum gebrauchen; wenn man deſſen zum Exempel / was der Jndianiſche Zarmar von(f)I. Theil p. 712. u. f. ſeinem Selbſtmord zu Beſtaͤ -c 3tigung22Allgemeinetigung ſeiner Lehre redet / bey Beſchreibung des Todes eines Chriſtlichen Maͤrtyrers ſich be - dienen wolte. Man koͤnte die ſchoͤnen Gleich - nuͤſſe / die ein Dꝛuys von der bey denen(g)II. Theil p. 352. b. Heyd - niſchen Teutſchen gebraͤuchlichen Eintau - chung der neugebohrnen Kinder in fließendes Waſſer vorbringt / groͤſten theils in einer Rede von unſerer Geheimniß-vollen Chriſtlichen Tauffe ſehr wohl anwerden.
Sonſten iſts wohl am beſten / wenn man ein Buch leſen will / daß man es von Anfang biß zu Ende leſe / und ehe nicht urtheile / als biß man aus dem Beſchluß den voͤlligen Verſtand und Abſehen derer vorhergehenden Dinge wohl begriffen habe. Jedennoch aber wenn iemand anderer Meinung waͤre / und erſt ein Stuͤck aus dem Buch leſen wolte / welches ſeinem Sinn gleichfoͤrmig waͤre / und ihn / in Hoffnung der - gleichen mehr zu finden / das gantze Buch durch - zuleſen noͤthigen koͤnte / ſo kan demſelben auch gerathen werden.
Wolte zum Exempel einer eine wohl aus - geſoñene kurtze Geſchicht / die mit dem Haupt - werck nicht vermiſcht iſt / haben / ſo leſe er die uͤberaus-artige Begebnuͤſſe des Thraciſchen Koͤnigs Sadal /(h)II. Theil p. 40. — 65. da die ungegruͤndete Ey - ferſucht eines Ehemanns gegen ſeine unſchuldi - ge Ehegattin mit recht-ſeltzamen Umſtaͤnden beſchrieben wird.
Wer an verbluͤmten Reden ſich beluſti - get / dem kan nicht uͤbel gefallen die wunderwuͤr - dige Abbildung der Herrſchens-Kunſt durch einen(i)II. Theil p. 751. — 759. und p. 765. b. — 784. b. Blumen-Garten.
Verlangte man Exempel ſinnreicher Uber - ſchrifften / ſo duͤrffte man nur den dem Auguſt zu Ehren damit ausgezieꝛten(k)I. Theil p. 354. b. — 358. b. Lugduniſchen Tempel betrachten. Von netten Verſen koͤn - te die Probe aus dem(l)I. Theil p. 2127. — 1131. a. Aufzug derer Mar - ſingiſchen Edelleute bey des Ritters SchafBeylager genommen werden. Einem Lieb - haber von natuͤrlichen Wiſſenſchafften wuͤr - de vielleicht nicht uͤbel anſtehen / was von Fort - pflantzung der Kranckheiten aus Menſchen in Baͤume von einem Wurtzelmann(m)II. Theil p. 4796. — 483. a. lin. 3. und dem Cornelius Celſus voꝛgebracht wird. Wem mit einer tiefſinnigern Weißheit gedienet iſt / der leſe die ſchoͤne Rede der Princeßin Jſmene(n)II. Theil p. 544. — 545. a. von Unſterbligkeit der Seelen.
Ferner wer etwas aufs erſtemahl nicht ver - ſtehet / der leſe es zum andern und drittenmahl / es wird verſichert die Muͤhe des Nachſinnens durch den merckwuͤrdigen Verſtand ſchon be - zahlet werden.
Endlich iſt zu mercken / daß in denen erſten ſiebenzehen Buͤchern nichts als Lohenſteins Arbeit zu finden / das letzte Buch aber von einer andern Hand hinzugethan ſey.
Und hierauf hindert uns nichts mehr die ab - ſondeꝛlichen Anmerckungen anzufahen; woꝛ - innen zwar manchmahl ein verdeckter Nahme auf einerley Art an zweyen oder mehr unter - ſchiedenen Orten erklaͤꝛet wird / doch nur darum / damit der Leſer bey einem von den letztern Oer - tern nicht Muͤhe habe / die Erklaͤrung allzu weit zu ſuchen. So ſind auch die zugleich an - gefuͤhrten Geſchicht-Schreiber / womit wir unſere Auslegung bewieſen / nicht eben die rare - ſten / jedennoch um ſo vielmehr von iedermann zu bekommen und nachzuleſen. Wo man aber auf niemand ſich bezogen hat / hat man es um deß willen vor unnoͤthig erachtet / weil alle Le - bens Beſchreibungen dieſer oder jener bloß hin beniemten Perſonen die vom Lohenſtein angedeutete Geſchichte angemercket haben / und alſo ein Geſchicht-Schreiber vor einem an - dern in ſolchem Fall genennt zu werden nicht verdienet.
Wobey zu mercken: Daß die erſte Ziffer den Theil; die andere das Buch; die dritte das Blat; und der dabey gefuͤgte Buchſtabe a die erſte Seite; das b aber die an - dere des Blates anzeige.
ENDE.
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Fraktur
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