PRIMS Full-text transcription (HTML)
Johannis Micraelij
Ander Buch
Deß Alten Wendiſchen Pommerlandes /
Darin erzehlet wird / Wie nach dem Außzugk der Alten Teutſchen in frembde Laͤnder / die Wendiſche Na - tion mit den hintergebliebenen Einwohnern zu ei - nerley Sprache / Sitten vnd Rechte ſich vermi - ſchet / vnd endlich den Chriſtlichen Glau - ben angenommen habe.
[figure]
Gedruckt zuAlten Stetin/ Bey vnd in VorlegungGeorg Rheten /Anno M. DC. XXXIX.

Denen Edlen / Wol Ehrenveſten / Groß Acht - bahrn / Hoch - vnd Wolgelahrten / auch Hoch - vnd Wolweiſen Herꝛen / Buͤrgermeiſteren / Syndicis, Caͤm - merern vnd Rahtsverwandten / der beyden vornehmen Vor Pommeriſchen Hanſee Staͤdte / Greifswald Vnd Ancklam / Meinen inſonders großguͤnſtigen / hochge - ehreten Herꝛen vnd Goͤnnern.

EDle / Wol Ehrnveſte / Groß Achtbahre / Hoch - vnd Wol - gelarte / Hoch - vnd Wolweiſe / inſonders großguͤnſtige hochgeehr - te Herꝛen / Ob einer ſchon moͤchte zugeben / wie es auch wegen vieler ſtarcken Gruͤnde muß zugegeben werden / das vnſer Va - terland weyland von den maͤchtigen Gothen / Sueviern / Wan - daliern vnd Rugianern ſey bewohnet geweſen / ſo werden doch viele gefunden / die in der Meinung beſtehen / das alle dieſe Voͤlcker nicht Teutſch / ſondern Wendiſch oder Sarmatiſch geredet / vnd das dannen - her keine Teutſche ehe dieſes Land betreten / biß endlich es dem Roͤmiſchen Reiche iſt auffgetragen / vnd von demſelben zur Lehen durch Bogislaum vnd Caſimirum / des Nahmens den Erſten / empfangen worden. Dieſe Meinung iſt vielen vornehmen Leuten / ſo woll vorzeiten / als zu vnſer Zeit beygebracht worden. Vnd es ſind wenig / die zwiſchen denen weit außgebreiteten Voͤlckern / den Getis vnd Gothis / einen vnter -ſcheidVorꝛedeſcheid machen koͤnnen / da doch ſie weit von ein ander ſind geſcheiden geweſen. Denn jene ſind ſchon zu Taciti Zeiten vnter die Thracier gerechnet / vnd haben das Land auff beiden ſeiten der Donaw bewohnet / da man jetzund die Bulgarey vnd Moldow findet / vnd von jhnen find die Daci oder Davi entſproſſen / die in der Walachey / Siebenbuͤrgen vnd einem theil Hungern zu Auguſti Zeiten wohneten. Dieſe aber werden mit duͤrren Wor - ten den Dacis beym Tacito, Dione, vnd andern entgegen geſetzet. Doch haben endlich die Gothen der Getarum vnd Dacorum Landſchafft bey vnd vmb die Donaw eingenom - men / vnd damit iſt den Scriptoribus, vnd vnter jhnen Jornandi, Procopio vnd Oroſio ſelbſten / der falſche Wahn auffgebuͤrdet / das die Gothen Getæ ſeyn. Ja es ſind etliche / vnd vnter jhnen der bey der Hiſtorien hochverdiente Mann Reinerus Reinneccius ſo weit in den Diſcurs gerathen / das ſie die Thracier vnd Myſer ſelbſt vnter die Teutſche ge - rechnet. Dann weil vnleugbar / das die Gothen Teutſche ſein / ſie aber die Thraciſche vnd Myſiſche Getas fuͤr Teutſche Gothen hielten / als koͤnten ſie nicht anders ſchlieſſen / als das alles von den Gothen muͤſte verſtanden werden / was von den Geten gele - ſen wird. Dannenher ſind bey jhnen ſchon die Gothen viele hundert Jahr vmb die Do - naw geſetzet / vnd die Zeit des Gothiſchen Zuges / der erſtlich nach Chriſti Geburt vorge - nommen ward / ſehr weit / auch fuͤr Alexandri M. Cyri, Priami vnd Vexoris Zeiten / hin - auß verruͤcket worden. Ohne iſt es zwar nicht / das auch vor Chriſti Geburt Leute in der Thracier vnd Myſier Land vnd daherumb gewohnet / ſo Teutſch geredet / aber das ſind entweder die Edle Baſtarner vñ Peuciner geweſen / oder / ſo auch eben die Geten / Thra - cier vnd Myſier Teutſch geredet / wie Reineccius meinet / ſo iſt denneſt noch darumb der Gothiſche Zugk / vom Balthiſchen Meere nach Chriſti Geburt geſchehen / nicht in zwei - fel zu ziehen. So es auch war iſt / das die Meißner / Francken vnd etliche andere Nati - ones, auß Myſia vnd vom Donawſtrom / an die Elbe vnd den Rein ſich niedergelaſſen haben / wie etliche weitleufftig außzufuͤhren ſich vnterſtehen / ſo ſind ſie nicht von den Go - then geweſen / welche vom Balthiſchen Meer mit Filimer / Dorpaneo / Gapten vñ ande - ren fortgezogen ſeyn / ſondern entweder von beſagten Baſtarnern vnd Peucinern / die Plutarchus vnd Polybius ſtreitbahr vñ reuteriſch / ſtarck von Leibe / tapffer in Gefahr / vnd maͤchtig wegen jhrer menge nennet / oder von denen Geten geweſen / ſo zwar Teutſch ge - redet / aber gar andere / als die Gothen ſein. Wer aber wil ſagen / das die Gothen nicht Teutſch geredet haben / vnd dazu das Exempel der Thraciſchen Geten auff die Bahne bringet / derer Sprache Er vermeinet Vnteutſch zu ſeyn / der kombt nicht fort mit ſeinem Beweißthumb. Wer aber mit hindanſetzung der Thraciſchen Geten die tapffere Go - then / ſo die mechtigeſte Kriege mit den Roͤmern gefuͤhret / vnd jhnen nicht allein viele Provincien, ſondern auch endlich die Stadt Rom ſelbſten abgeſtricket / vnd hin vnd her maͤchtige Koͤnigreiche angerichtet haben / fuͤr Teutſche Voͤlcker helt vnd erkennet / der iſt auff rechtem Wege / vnd kan mit vnzehlig vielen Gruͤnden ſolches behaupten. Man ſehe nur die beyde Geſchlechte jhrer Koͤnige an / derer etliche / als die Oſtgothen / mit einem ge -* ijmeinenVorꝛedemeinen Zunahmen Amali / die andere / als die Weſtgothen / Walthi ſind geneñet worden. Die Amali haben vieleicht in jhrem Wapen einen Hammel oder ein Lamb gefuͤhret / eben wie jhre Gothen einen gefluͤgelten geſchwaͤntzeten Drachen. So ſage nun / wer da wil / ob es Sarmater vnd Thracier / oder Tentſche geweſen / die den Zunahmen gefuͤhret / das ſie Amali oder Hamele ſind genennet worden. Auch der allgemeine Nahme der Weſtgothen / damit man ſie Balthos hieß / was bedeutet er anders / als Walthere / gewal - tige / waltende Herꝛen? Alſo beſehe man ferner die abſonderliche Nahmen eines jedweden Gothiſchen Koͤniges. Da wird man finden Dietrich / Segerich / Adalrich / Amalarich / Aiſtulff / Ricard / Theobald. So nun war iſt / was die Teutſche Critici ſagen / das alle Nomina propria, ſo in Rich / Vlf / Rad vnd Wald außgehen / Teutſche Nahmen ſein / ſo ſind obgeſagte Woͤrter nichts anders / als Deutrich / das iſt Gottreich (dann Deud oder Duͤd oder Tuit iſt den alten Teutſchen ſo viele als Gott / davon ſie ſich auch Deudſche / Teutſche oder Duͤdiſche heißen) Siegreich / Edelreich / Haſthuͤlff / Reichrath oder Recke - rath (Conſul gigantum) Gottwald. Ja der Nahme der Gothen ſelbſt / den ſie vom Guten oder von Gotte fuͤhren / welchen die alte Longobarder vnd Wandali Gwodan oder Godan nenneten / zeiget an / das ſie Teutſche ſein / vnd nicht Wenden / welche Bog ſagen / wenn ſie Gott nennen. Dieſer Grund auß der Koͤnige Nahmen gefuͤhret / kan auch die Wandalier / Longobarder / Heruler vnd Rugianer von aller Einrede deroſelben ent - freyen / die ſie vnter die Wenden vnd Sarmater / vnd nicht vnter die Teutſche ſchetzen wollen. Was inſonderheit die Wandalier anbelanget / ſtreiten dannenher alle vorige Gruͤnde fuͤr ſie / weil ſie von Procopio, Nicephoro, Urſpergenſi, vnd vielen anderen mit den Gothen / fuͤr ein Volck geſchetzet werden. Dann ſo ſagt Procopius in lib. 1. de bello Vandilico: Gothicæ gentes multæ quidem, & aliæ prius fuere, quam nunc. Omnium autem maximæ ac potentiſſimæ Gothi, & Vandali, & Viſigothi, & Gepides: qui omnes nominibus quidem inter ſe differunt, cætero conveniunt. Nam & albi ſunt omnes cor - pore, flavi coma, proceri quoq́; & adſpectu probo, legibus etiam iisdem utuntur, ſimili - ter & Arianæ omnes opinionis, Voce Una, Gothica Appellata, utentes, & ut mihi vi - detur, ex una omnes gente procreati, nomina poſtea à ſuis ducibus varia ſortiti. Vnd ob wol Procopius in dem falſchen wahn iſt / das dieſe ſaͤmptliche Voͤlcker Sarmatiſch ſein / auch die Gothen vnd Getas nicht vnterſcheidet / ſo benimbt doch ſolche ſeine bloſſe Aſſertion, als eines Griechen / der weder Gothiſch noch Sarmatiſch reden koͤnte / vnſeren ſtarck gefuͤhreten Gruͤnden weniger dann nichtes. Folgends kan kein Nahme auß den alten Hiſtorien dieſer Voͤlcker vorgebracht werden / daran man nicht die Teutſche Wuͤrtzel ſiehet. Man betrachte nur etliche wenige. Genſerich iſt Gantzreich / Thraſi - mundus Trotzmund / Hildericus Huldrich / Hunericus Heinrich / Godagis Goͤdeke / Gu - dabundus Guterbund / Gulimer Guͤlden Meer / Fußias Fuchs oder Voß / Stillico Stille / Rodolphus Rathuͤlf / Ludolphus Leutehuͤlf / Luitbrandus Leutbrenn (Galea ſ. tu - tor hominum) Aißbrand Haußbrenn (tutor domus) Alaricus Alreich / AthalaricusEdel -VorꝛedeEdelreich / Totila Dezel / von Deut oder Gott / Attila Ezelvon Atta oder Hatto / das iſt Vater / Vitigis Wittig oder Witzig / Grimald Grimwald / Garibaldus Garwald / Al - boinus Allgewinn / Andoinus Handwinn / Aripertus Ehrenwert / Gunibertus Kuͤhne - wert / Odacker oͤde Acker / Aliuth Allguth / Fidimut Vielgemuth. Aber wer will alle her beybringen? Jch ſchlieſſe kuͤhnlich hierauß / das vnſer Pommerland / in welchem ob - geſagte Voͤlcker zu finden geweſen / von Herodoti Zeiten her / vñ folgend / biß etliche hun - dert Jahr nach Chriſti Geburt / nicht mit Wenden / ſondern Teutſchen ſey bewohnet ge - weſen. Vnd ſo war iſt / was die Geographi ſagen / das die Nahmen der Fluͤſſe / den ſie einmahl bekommen / laͤnger beybehalten werden / wie ſolches dan auch die Erfahrenheit bezeuget / ſo gehe man alle vnd jede Fluͤſſe durch / die in vnſerem Pommeren fließen / da wird man faſt keinen / der in die Wendiſche Sprache ſich ſchicket / finden / wiewol ſie alle ſchon den Nahmen eben zu der Zeit gehabt / da die Wenden drinnen maͤchtig waren. Die Ader (denn ſo nennen wir Pommern den reichen Oderfluß / vnd ſolches kombt auch mit dem Jader vnd Viader der Alten beſſer vberein) was iſt es anders als Vena aqua - rum decurrens? Divenaw / der eine Außfluß der Oder / was zeiget er anders / als / eine Duͤpe oder Tieffe? Der ander Außfluß / die Swyne / zeiget jhren Vater Suevum / vnd deſſen Nachbaren vnd Accolas die Suidiner. Der Nahme des Gellens / da auch zuvor ein Arm hingegangen / kan leichtlich erkuͤndiget werden / wann man nur bedencket / was Quellen / oder eine Kelle / oder auch woll Gellen iſt. Plinius heiſt die Oder Guttalum. Jſt das nicht eine Anzeigunge / das der Gothiſche Nahme ſchon daßmahl hoͤher herauff geſtiegen iſt? Die Peene / ſo ſich in die Oder ergeuſſet / kan leichtlich jhren Nahmen von der Pyne oder Peine erlanget haben / da etwa ein Volck eine Niederlage vorzeiten er - litten hat. Woher die Barthe vnd jhre Stadt jhren Nahmen hat / zeiget der Bar - thiſchen Wapen an. Die Trebel / daran Tribbeſees lieget / hat jhren Nahmen von trei - ben / vnd dannenher heiſſen vnſere Fiſcher den Kahn / darein die Fiſche gehalten vnd fort - gebracht werden / einen Trebel. Den Pommern iſt auch derſelb ein Drefel / der nur im - mer herumb gehet / vnd nimmer ſtille iſt. Tollenſee giebt als fort an die Hand / das allda ein Toll oder Zoll genommen iſt. Rekenitze ſcheinet woll wegen der lezten Sillaben / das es mochte Polniſch ſein / die des lezten Buchſtaben im Alphabet gerne zum Außgang der Woͤrter gebrauchen. Aber dagegen ſind viele Teutſche Woͤrter / die auch alſo außge - hen / als eine Rize / Spruͤze / Schlize / Stegelize / Egedizze oder Eydachs / Finſternizze: dann ſo haben die alten Teutſchen außgeſprochen / was wir Finſternuͤſſe heiſſen / wie aus dem Ortino zu ſehen. So hette nun die Rekenizze / von den Recken / das iſt den Riſen / oder einer Reige / oder von Reegen / das iſt excitare, oder auch wol vom Regen / das iſt / Pluvia, den Nahmen / eben wie von einem dieſer Woͤrter auch die Rega / daran Greiffen - berg vnd Treptow lieget / den Nahmen hat. Doch moͤgen auch woll die Ruͤgen dieſen beyden Fluͤſſen jhren Nahmen ertheilet haben. Die Randow ſcheinet den Nahmen vom Rennen; die Vcker vom Ocken oder Ockern zu haben. Jenes iſt vnſeren Pomme -riſchenVorꝛederiſchen Bawren bekand / wenn ſie die außgeleerte Schuͤſſeln wieder auffoͤcken oder fuͤl - len; Dieſes / wenn einer Vrſach an den andern zu zancken ſuchet. Die Jhna iſt gewiß Teutſch / weil auch ſolch ein Fluß in Ober Teutſchland gefunden wird / der Engedin von der Graffſchafft Tyroll theilet / vnd davon Jnsbruck den Nahmen hat. Die Nah - men der anderen Fluͤſſe weren auch leichtlich auß dem Teutſchen zu derivieren / als die Grabow vom̃ Graben oder Grawen / die Perſant von einem Pers oder Barſe / die Wip - per vom Wippen / die Lupow vom Lopen oder Lauffen / die Leba vom Leben oder Laben. Die Stolpa legen etliche auß dem Polniſchen auß / als eines Koͤniges Siz / vñ Jch wol - te folches auch guth heiſſen / wenn man Stolpan ſagete. Aber das geſchicht nicht / ſon - dern die Pohlen heiſſen die Stadt vnd den Fluß Slup. Wie wenn dann alle Staͤdte / ſo den Nahmen Stolpa haben / vnd hin vnd her / wie auch in Vor Pom̃ern das Kloſter Stolpa an der Peene / gefunden werden / als eine Stuͤlpe / dz iſt / ein Deckel / vnd Schutz der Orter / daran ſie liegen / genant wuͤrden? Nebenſt den Teutſchen Nahmen der Fluͤſſe ſehe man auch die Staͤdte in Pommern an. Dann ob ſie ſchon nicht alle zun Zeiten der Wenden bemauret geweſen / ſo haben ſie doch faſt alle ſchon jhren Nahmen vor jhren Mawren gehabt / vnd ſind / wo nicht Urbes, dennoch Civitates vnd Communen geweſen. Sund / Greiffswald / Greiffenberg / Greiffenhagen / Damm / Daͤmmin / Ruͤgenwalde / Berwalde / Freyenwalde / Grimmen / Lebenburg / Richtenberg / Vkermuͤnde / Barth / ſind Teutſche Nahmen / wie jederman ſiehet. Collberg wollen die Polen durch Colo - brega zum Polniſchen bringen. Aber Dithmarus hat es ſchon fuͤr ſechshundert Jahren Chollenberg geheiſſen. Berg iſt ja Teutſch: Ob aber die erſte Syllaba herkombt von Kohlen / oder vom Holm / das ein feſt Land bedeutet / wie dann dannenher Jornandes ſchon die Vlm Ruͤger kennet / laß ich einen jeden bedencken. Alſo wollen etliche Stargard / Newgard / Belgard Polniſch machen / als wenn dieſe drey Staͤdte ſo viele heiſſen / als Alt-New - vnd Weiſſe Schloß. Jſt denn aber Garte nicht mehr ein Teutſch Wort / das man mus von Stargard Stargrad machen? wer weiß nicht / das man nicht allein einen Blumengarten / ſondern auch eine Wohnung vnd den Ort / da gerichte gehalten wird / einen Garten nennet? Dannenher auch vor Zeiten Gardingi in der alten Gothi - ſchen Sprache ein Nahm einer Graͤfflichen dignitât geweſen / wie Garſias in Notis ad Concilium Toletanum VIII. auß den alten Weſtgothiſchen Geſetzen ſolches vermeldet / vnd Tomo 11. Conciliorũ Binij befindlich iſt. Alſo machet Cromerus aus Stetin Scie - cinum / Aus Wolgaſt Vologaſt / auß Stralſund Strasmyda / aus Swerin Bachibo - rum / auß Brandenburg Sgorelecia / aus Luͤbeck Bucoveria / aus Magdeburg Mezibo - cum. Vnd damit giebt er ſelbſt zu verſtehen / das die rechte Nahmen aller dieſer Staͤd - te nicht Polniſch ſein / ſondern anders muͤſſen außgeredet werden / wo ſie ſollen Polniſch werden. Ancklam habe Jch bey jhme nicht gefunden. Vnd das iſt auch ein Vhraltes rechtes Teutſches Wort / vnd zeiget das alter dieſer Stadt an / vnd von jhm hat auch En - gelland / Jngelſtadt / Jngelheim / Engelburg vnd dergleichen jhren Nahmen. Aventi -nusVorꝛedenus fuͤhret es her vom Angel / daran ein ding haftet / henget aber drin gehet / vnd ſcharff an - zuſehen iſt / vnd von ſich ſticht. Aber es iſt beſſer / das man es herſuͤhret von Ancke / dz iſt / ein Jungling / davon Enckel oder Nepos, wie auch Ancken / das iſt / pfropffen / oder inſere - re arbores, herkombt. Vnd die ſtarcke junge Leute / ſo den Acker pfluͤgen vnd begaten / werden an etlichen Ortern noch Enckle geheiſſen. Die Francken nach jhrem Nahmen ſind auch nichtes anders / als die Freye Ancken. So iſt nun Ancklamb oder Anckelheim der Ancken oder Enckel heimath / da die alten Angli, die ſich hernach in Engern / vnd wei - ter in Engelland / auff gemachet haben / zu Hauſe gehoͤren. Alſo wird mein Vaterland Cuͤßlin vom Cromero Cuſſinum geheiſſen: Die alte Briefe aber / ſchon vor fuͤnff hun - dert Jahr geſchrieben / heiſſen es Cuſſalin / das kan man leichtlich von Kuͤſſen / ſive ſigni - ficet oſculari, ſive pulvinar, oder Kozen / quibus notantur Coloni, & exteriora veſtium indumenta, oder von einem Keſſel hergebracht werden. Loytz wolten die Scribenten auch gerne Polniſch haben / vnd ſagen / es ſolle ſo viele als ſtarck heiſſen. Aber / da Jch die / ſo der Polniſchen Sprache kuͤndig ſein / gefraget / haben ſie mir davon keine Antwort geben koͤnnen. Ehe aber die Wenden ins Land gekommen / iſt ſchon zu Ptolomæi Zei - ten Laciburgum / das iſt Loicenburg / in der gegend / da ſich die Edle Loycer hernach auff ge - halten / gefunden. Loͤſen / Laſſen / Lazen ſind ja Teutſche Woͤrter / von dero einem die Loy - zer oder Lutitij jhren Nahmen fuͤhren koͤnnen. Die uͤbrige Staͤdte mag ein jeder auff ſolche weiſe betrachten / ſo wird er mehr Teutſch / als Wendiſch / an jhren Nahmen fin - den. Cammin heiſſet Polniſch ein Stein: Bey vns heiſſet es einen Fewerherd in einer Stuben. Es hat mehr Vrſach / warumb es dieſe bedeutung vnd nicht jene habe. Ca - minick / ſagen etliche / ſoll ein Kaulbars auff Polniſch heiſſen / davon doch die Pohlen / ſo Jch gefraget / nicht wiſſen. Was aber auff Teutſch ein Kam̃ / ein Camentichen / einen Hamen bedeutet / weiß Jedermann. Was iſt es nun noͤtig / das Jch auß Polen derivire / was ich in Pommern habe? Wie wann man dann Althameri ſcholion in Taciti Ger - maniam gelten lieſſe? Chamani, ſagt er / quos dicit Tacitus cum Angrivariis Bructero - rum agros occupaſſe, inter Amiſiam & Luppiam, Camino nomen reliquiſſe videntur. Zanow / ſpricht Cromerus Suanovum auß / das iſt Teutſch / vom Schwan oder den al - ten Suevis her. Coͤrlin leſſet ſich vom Kerl / Golnow von einer guͤldenen Awe / Bub - litz vom bawen / Pyritz vom Biere / Gartz vom Garten / Buͤtow von Buͤten der Bienen gar wol herholen. Laß eine oder andere Stadt in Pommern / als Slava / einen Pol - niſchen Nahmen haben: Dann das leugne ich nicht: wiewol wir auch wiſſen / das Schlawe Leut genennet werden / die verſchmitzt / klug / vnd nicht leichtlich zu betriegen ſein / ſo bleibet doch mein voriger ſchluß / das nicht allein die Nahmen der Fluͤſſe / ſondern auch der Staͤdte in dieſem Lande die Alten vnd Erſten Einwohner zeigen. Ja das Wort Pommern ſelbſt iſt nicht Polniſch / ſondern Teutſch. Auff Polniſch ſprechen ſie Pomorſwa / das iſt Pom̃ern / vnd Pomorsky / das iſt / ein Pommer. So iſt nun Pom - meru nicht ein Polniſch Wort. Po aber ſagen ſie / ſoll Bey heiſſen / das Pommern ſovielVorꝛedeviel ſey / als beym Meer. Jch laſſe mir aber ſagen / das ein Pole muͤſte ſprechen v marz - ſe / wenn es ſolte heiſſen Beym Meer / vnd das Po Auff / vnd nicht Bey heiſſe. Pommern aber lieget nicht auff / ſondern am Meere. Darumb were noch wol vermuthlicher / das Pommern in zwey Teutſche Woͤrter zutheilen ſey: Beim Meer. Jch komme a - ber noch in andere Gedancken / wenn Jch den Nahmen der Dithmarſer / Stormarſer / Wißmarſchen / Collmarſchen betrachte. Dann Marſer ſind Einwohner eines Moh - res oder Landes. Alſo ſind nun die Pommern oder Pommarer auff ſolche art auch Vorzeiten genant. Fragſtu wannenher? Wenn man die vielfeltige Waͤlder vnd Baͤu - me / ſo einem reiſenden in der Golnowiſchen vnd Vckermuͤndiſchen Heyde vnd allenthal - ben vorkommen / anſiehet / ſo mag man noch woll ſagen: Das ſind rechte Bohmmahrer oder Bohmmarſer / vnd darauß kan Pommeren geworden ſein. Aber dieſes ſind Muth - maſſungen. Vnterdeßen habe E. E. W. vnd G. Hochgeehrte Herꝛen / Jch dieſes Buch von dem Wendiſchen Pommerlande offeriren vnd zueignen wollen / vnd deſſen habe Jch billige Vrſache / theils das Jch weiß / wie ſie nebenſt mir jhres Vaterlandes Liebhaber ſein / vnd deſſen Ornamenta gerne befordert wiſſen vnd ſehen wollen / theils / das von E. E. W. vnd G. mir ſonderbahre Zeichen Jhres favoris ſcheinbar gegeben ſein. Dann da Jch vor etlichen Jahren zu Greiffswald eine geraume Zeit mein Theologiſch vnd Phi - loſophiſch Studium trieb / iſt mir nicht allein von vielen jhres Mittels in dieſer Stadt groſſe Gunſt vnd geneigter Wille erzeiget / ſondern auch Gradus in Philoſophia ſum - mus auff jhrem Rathhauſe in jhrem Beyſein vnd gemeinem applauſu ertheilet worden. Vnd kurtz fuͤr ſolcher Zeit hat mich die Stadt Ancklam gewuͤrdiget / einen oͤrdentlichen Beruff an jhre Schule durch jhren Rectorem aufftragen zu laſſen / welchen aber an - zunehmen / theils meine Jugend / theils andere Wege mir von Gott gezeiget verhindert haben. Jch aber bin aller dieſer Wolthat noch von Hertzen eingedenck / bedancke mich dafuͤr vnterdienſtlich / vnd zum beweiß ſolches meinen danckbaren Gemuͤtes vberreiche E. E. W. vnd G. Jch dieſe meine / ob wol geringfuͤgige / dennoch wolgemeinete Arbeit / mit bitte / dieſelbe in Goͤnſten anzunehmen / wieder vnguͤnſtige Hertzen zuſchuͤtzen / vnd mir mit beharꝛlicher affection zugethan zu verbleiben / wie Jch ſie dann in geſambt vnd ſonders dem groſſen Gotte zu ſtetiger proſperität vnd Auffnehmen jhrer Anſehnlichen Communen einbruͤnſtig befehle.

E. E. W. vnd G. Dienſtgefliſſener M. JOHANNES MICRÆLIUS Rector Scholæ Senatoriæ Stetinenſis.

Johan. 129

Johannis Micrælij Altes Pommerland. Das Ander Buch / Vom Alten Wendiſchen Pom̃erlande:

JM vorigen Buche iſt aus den Alten1. Vom alten Teutſchen Pommerlande wenden wir vns zum alten Wendiſchen Pommerlande. Schrifften vmbſtaͤndlich / doch kuͤrtz - lich / dargethan / das vnſere Alte Pom - meren von Aßkenetz oder Tuiskon / Go - mers Sohn vnd Japhets Enckel / ent - ſproſſen / vnd von den aͤltiſten Griechi - ſchen vnd Lateiniſchen Scribenten vnter die Scy - then / Celten / Celtoſcythen / Nomader / Hyperbo - rier oder Nordlaͤnder gerechnet ſeyn: Jmgleichen daß / da aus Aßkenezes Geſchlechte viele Helden entſtuͤnden / Svevus einer von den Vornembſten ge - weſen ſey / deſſen Nachkommen das gantze Land von der Elbe biß an den euſſerſten Theil Europæ durch Dennemarck / Schweden vnd Norwegen erfuͤllet haben: Jnſonderheit das Vandalus / Svevi Sohn / daß Land ſich habe belieben laſſen / daß zwiſchen der Trave / Weyſſel vnd dem Meere lieget. Weßwegen wir Pommeren beydes vnter die Suevos vnd vnter die Wandalier vorzeiten gerechnet ſind. Weiter iſt vermeldet / das da die Wandalier in viele Nationen ſich theileten / in vnſerem Pommerland die Gothen / Teutonier / Cariner / Lemovier / Rugianer / Sidiner /A aRuti -130Das Ander Buch /Ruticlier / vnd Angler ſich vhrſpruͤnglich auffgehal - ten haben / vnd das aus dieſen Laͤndern die maͤchtige Koͤnigreiche / Schweden / Dennemarck / vnd Nor - wegen ſeyn bewohnet worden: Wie auch das die ge - waltige Heereszuͤge der Gothen / Wandalier / Bur - gundier / Rugianer / Longobarter / Hernler / Scyrer / Turcilinger / vnd anderer Teutſchen Voͤlcker / in die Roͤmiſche Provincien / vnd alle drey Theile der Welt / entweder aus dieſem Lande erſtlich ſeyn angeſtren - get / oder ja durch daſſelbe geſchehen / vnd mit der Einwohner mercklichem Beyſtand geſtaͤrcket wor - den. Drauff wollen wir nun weiter vernehmen / wie ſich allgemach die Wenden / als dieß Land ziemlich durch ſo viele Zuͤge außgeleeret war / herein gemachet vnd ſich deſſen eine lange Zeit bemaͤchtiget haben.

2. Wenden kom̃en von Riphat / Aßkenezes Bru - der / her / vnd ſind allezeit der Teut - ſchen Nachbaw - ren geweſt / vnd werden Sauro - matæ vnd Slavi von der Hoheit / Rhumb vnd Ehre genennet.

So haben wir ſchon droben erwehnet / wie Ri - phat der ander Sohn Gomers / vnſers vhralten Teutſchen Vaters / des Tuiſconis oder Askenetzes Bruder / ein Vater aller derſelben maͤchtigen Voͤlcker geworden ſey / die ſich der Sarmatiſchen oder Sla - voniſchen Sprache gebrauchen / vnd ſich allgemach aus der Sarmatey in daß groſſe Germanien hinein gedrungen / vnd jmmer den Teutſchen in den Ferſen gelegen haben / alſo daß ſie den Ort / aus welchem dieſelbe herauß zogen / alsfort wieder beſetzeten.

Sie ſind Sauromatæ oder Sarmatæ / als Fuͤr - ſten der Hoheit genant: Wie auch Slavi oder Sla -Jornand. c. 29. Cromer. l. 2. Rer. Po[l.]Cluver. l. 3. Germ. antiq. c. 44. vonier / welcher Nahme von dem Polniſchen Woͤrt - lein Slava herkompt / dz bey jhnen Rhumb vnd Ehre bedeutet. Jns gemeine hat man ſie Henedos / Ve - nedos / Winidos oder Wenden geheiſſen: WelchenNah -131Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. Nahmen etliche auch von Rhumb vnd Ehre / wie Jornandes; Andere / wie Cromerus vnd Cluverius / von dem Worte Weda oder Wenda / daß auff Pol - niſch einen Hamen bedeutet / herholen.

Sonſt ſehen wir ſchon aus dem Tacito / daß3. Schon zu Taci - ti Zeiten haben ſich etliche Teut - ſche vnd Sar - matiſche Voͤl - cker ſo nahe zu - ſammen gethan / dz man ſie kaum hat vnterſchei - den koͤnnen / vnd ſind die Wen - den biß ans Balthiſche Meer gekom̃en. dieſe Sarmatiſche Voͤlcker / zu ſeinen Zeiten ſich nahe zu etlichen Teutſchen / als inſonderheit den Baſtar - nern oder Peucinern / gethan / vnd ſich mit jhnen durch Heurath vnd andere Geberden dermaſſen vermiſchet haben / daß man kaum einen Peuciner von einem Sarmater hat vnterſcheiden koͤnnen. Ja die Venedi oder Wenden ſind zeitig biß an das Balthi - ſche Meer durchgekommen / deme ſie auch den Nah - men gegeben haben / daß es das Wendiſche Meer geheiſſen ward. Bey dieſem Meere haben bey Taci - ti Zeiten von der Weiſſel / biß an Lyfland die Edlen Teutſchen Eſten oder Oſten vnd Oſtwohners ge -Tac. lib. de mo - rib. Germ. & in vita Agric. wohnet / welche Sveviſche Sitten vnd Kleyder het - ten / aber eine ſolche Teutſche Sprache redeten / die der alten Britanniſchen oder Galliſchen Sprache / (dann Tacitus helt ſie fuͤr eins) gar nahe kam. Dar -A. C. 100. auß kan man abnehmen / daß ſie etwa vom Rein - ſtrom / da die Jſtævones / oder Jſtiæi oder Eſten zu - vor mit den Gallis grentzeten / vnd derſelben Spra - che ſich angewehneten / ſich ans Meer zuwohnen be - geben haben. Doch iſt aus dem Ptolomæo befind -A. C. 170. lich / daß eben an dem Orte / am Preuſſiſchen vnd Lyflaͤndiſchen Vfer / da die Eſten vnd vnter jhnen die Hirri vñ Scyri wohneten / die Wenden bald Meiſter geſpielet / vnd die Eſten theils hinauff hinter Lyff - land vertrieben / da ſie noch heutiges Tages wohnen /A a ijtheils132Das Ander Buch /theils vber die Weyſſel gebracht haben / da ſie ſich mit den Gothen zuſammen gethan / vnd mit jhnen in die Roͤmiſche Provincien gerucket ſeyn. Alſo ſeyn wehrlich die Wenden auch zu Ptolomæi Zeiten an dem Preuſſiſchen Vfer maͤchtig geweſen.

4. Die Sarmati - ſche Nation dringet allge - mach auff allen Ecken ein / in - ſonderheit / da durch die groſ - ſe Heereszuͤge das Land ent - bloͤſſet iſt.

Nachmahls drang die gantze Nation auff allen Ecken ein / vnd inſonderheit ſtand vnſer Pom̃erland jhnen offen / da es ſo ſehr vnd maͤrcklich durch die vn - glaͤnbliche Heereszuͤge von ſeinen Einwohnern ent - bloͤſſet war. Doch iſts vns nicht allein wiederfah - ren: Dann wir wiſſen / daß die Sarmatiſche Nation allgemach ſo maͤchtlich geworden ſey / daß ſie nicht al - lein daß groſſe vnd kleine Reuſſen / ſondern auch daß alte Burgundier Land / da anjetzo die Pohlen woh - nen / vnd ferner die Walachey / Bulgarey / Servey / Podollien / Littawen / Croatiam / Dalmatiam / Boͤh - men / Meeren / Schleſien vnd die gantze Windiſche Marck mit jhrer Sprache / Kleidung vnd Sitten er - fuͤlleten. Ja ſie ſind ſchon Homero im Trojaniſchen Kriege / Herodoto / Plinio vnd Livio vnter dem Nah - men der Heneter bekandt. Vnd kan man nicht leug - nen / dz ſie auch in Griechenland vberhand genom̃en haben / vnd allda maͤchtig geworden ſeyn / wie dann noch heutiges Tages die Wendiſche Sprache allda allenthalben / vnd inſonderheit an der Ottomaniſchen Pforte im gebrauch ſein ſolle.

5. Der Sarmati - ſchen Voͤlcker Freyheit / Wan - del vnd Sitt - ſamkeit hat ſich anderen Voͤlcke -ren

Auß allen Vmbſtaͤnden aber iſt abzunehmen / daß da die Sarmatiſche Nation aus dem groſſen Reuſſiſchen Lande beſagter maſſen in die Teutſche Laͤnder gieng / ſie als freye vngebundene Leute keinen allgemeinen Koͤnig vber ſich gehabt / vnd deſſenwe -gen133Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. gen ſich in ſo mannigerley Voͤlcker getheilet haben. ren angenehm gemacht / inſon - derheit in Pom - meren vnd an - deren oͤrtern / mit denen ſie graͤntzeten.Vnd weil ſie deſſen Lob haben / das ſie ſittſame / vnd gewiſſenhaffte Leute ſein / wie die Henetos alſo Phi - lippus Melanchthon nennet / ſo hat ſich jhre Wandel ſelbſt andern Voͤlckern angenehm gemacht / vnd iſt jhre Sprache bald weit außgebrochen / vnd alſo auch in vnſer Pommerland / vnd benachbarete oͤrter / biß an die Trave hinauff gekom̃en. Sonſten iſt bekandt / wie an den Grentzen / da zweyerley Voͤlcker / ſo vnter - ſchiedliche Sprachen haben / zuſammen ſtoſſen / eine Vermaͤngung der Nationen leichtlich entſtehen kan / inſonderheit wenn die eine vnter jhnen mehr das Frembde / als das Eygene ſich belieben laͤſſet. Alſo werden bey den Scribenten Gepidæ vnd Bulgari / Gethæ vnd Gothen / Baſtarner vnd Sarmater ohne vnterſcheid fuͤr ein Volck genommen / da doch jene Teutſche / dieſe Wendiſch vrſpruͤnglich ſein / aber we - gen vermiſchung der Zungen / Kleyder vnd Gebaͤr - den endlich in einander gewachſen ſein. Alſo auch / da an vnſeren Pommeriſchen Graͤntzen die Wenden zu wohnen anfiengen / hat Jederman ſo begierig jhre Sprache vnd Kleyder ſich belieben laſſen / daß inwe - nig Jahren faſt alles iſt Wendiſch geworden / vnd das deſto mehr / weil den Wenden das Gluͤcke ſo wol wolte / daß ſie in den erwehnten Laͤnderen / nach jhrem Gefallen / ſchalten vnd walten koͤnten.

Daß ſie aber dennoch Wie derſtand gefunden /6. Die Sarmati - ſche Nation fin - det bey den Teutſchen Wie - derſtand. Jornand. c. 23. iſt aus der Hiſtoria des maͤchtigen Oſt Gothiſchen Koͤniges / Ermenreichs bekand / welcher / wie im er - ſten Buche außgefuͤhret iſt / von der Donaw ab / ſich biß an das Balthiſche Meer gegeben / vnd neben denA a iijTeut -134Das Ander Buch /Teutſchen Voͤlckern / ſo er fuͤr ſich fand / auch die Wen - den / Slaven vnd Reuſſen / die ſich jhme mit groſſen hauffen wiederſetzeten / vnter ſein Gebiete gebracht hat. Aber ſie haben ſich allgemach nach ſeinem Tod -A. C. 377. te / welcher ins ccclxxvij. Jahr faͤllet / wieder loß ge - wircket / vnd ſich hin vnd her außgebreitet.

7 Vmbs Jahr Chriſti 540. zu Jornandis Zei - ten ſind in Pom - meren vermi - ſchete Voͤlcker aus Teutſchen vnd Wenden geweſen. Jorn. c. 5. & 17.

Jornandes, der vmbs Jahr Chriſti dxl. ſeine Gothiſche Hiſtory beſchrieben / ſagt / daß zu ſeiner Zeit die Wenden / ſo er Winidos / Slavinos vnd An - tes nennet / in viele Familien vnd Nationes ſein ver - theilet geweſen / vnd vom Balthiſchen Meere / die Weyſſel hinab / biß an das Pontiſche Meer ſich er - ſtrecket haben. Am Außfluß aber der Weyſſel ſetzet er die Vidiorios / oder wie er ſie hernach nennet / die Viridarios / nemblich die Werderſchen / die im Wer - der vnd in der Naͤring wohnen / vnd ſaget / das ſie aus vnterſchiedlichen Nationen ſind vermiſchet geweſen. Ein ebenmaͤſſiges Gluͤck haben die Pomriſchen Laͤn - der gehabt / daß bey jhnen alles endlich iſt vermiſchet worden. Dann ſo iſt die Wendiſche Sprache in diß Land gekommen / daß die Teutſche niemaln gantz drauß gehoben iſt / wie wir dann wiſſen / daß die Wendiſche Seeſtaͤdte / wie man ſie nennet / zu jeder - zeit den Gebrauch der Wendiſchen Sprache alſo ge - habt / daß ſie die Teutſche nicht gantz niederlegeten. Alſo leſen wir auch in vnſeren Pom̃eriſchen Geſchich - ten / daß da Stettin zum Chriſtlichen Glauben be - kehret ward / daſelbſt ein vornehmer Buͤrger Dubs - laff ein Saͤchſiſch Weib gehabt / die jhre Kinder auch mitten in der Heydniſchen Abgoͤtterey hat be - ten gelehret. Ja ich kan nirgends finden / das die Wandaliſche Staͤte an der See jemahln gantz Sla -voniſch135Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. voniſch oder Wendiſch geweſen ſeyn / vnd nicht den Gebrauch der Teutſchen Sprache beybehalten ha - ben. Jmgleichen wiſſen wir / daß lange Zeit zuvor / ehe der Chriſtliche Glaube in dieſe Laͤnder gepflan - tzet ward / die Fuͤrſten des Landes ſich mit Teutſchen Fuͤrſten befreundet / auch mit jhnen auff Turniere vnd ſonſten in jhre Kriege ſich mit begeben haben / welches warlich nicht ohne der Teutſchen Sprache gebrauch hat geſchehen koͤnnen.

Helmoldus / welcher ein Prieſter zu Buͤtzow im8. Vmbs Jahr Chriſti 1072. vnd hundert Jahr hernach zu M. Adamt vnd Helmodt Zeiten haben zwiſchen der Oder vñ Weyſ - ſel / Pommern; Zwiſchen der Oder vnd Me - chelenburg Wil - zer gewohnet. Luͤbeckiſchen Diſtrict geweſen iſt / vnd vmbs Jahr Chriſti mclxviij. ein außfuͤhrliches Slavoniſches Chronicon geſchrieben / vnd Adamus Bremenſis der hundert Jahr fuͤr jhm gelebet hat / ſetzen vnter die Slavonier erſtlich die Reuſſen / hernach die Polen / weiters die Preuſſen / die Kaͤrnter / die Boͤhmen. Die Slavonier aber / die ſich in den Laͤndern / da zuvor die Teutſche Wandalier wohneten / befunden / nennen ſie mit einem Nahmen Winitos oder Winulos / das iſt / die Wenden. Vnter jhnen ſetzen ſie erſtlich die Pom̃e - ren auff der Nordſeiten der Oder / die Wiltzer auff der Weſtſeiten derſelben: Zwiſchen der Elbe vñ OderHelm. l. 1. c. 2. Chron. Slav. Ad. Brem. l. 2. c. 10. hiſtor. Eccl. & l. 3. c. 24. & l. 4. c. 46. die Hernler oder Havelder: An der Havel die Lebu - ſer / davon noch das Maͤrckiſche Biſthumb genennet wird / die Wiliner / Stoderaner vnd Brizaner vmb Berlin / Brandenburg vnd Britzen: Auff diſſeit der Peene / Suͤdwerts / die Tholenſer vnd Redarier / vnd jhre beruͤmbte Stadt Rethre / darin ſie den guͤldenen Abgot Redegaſt verehreten. Von derſelbigen ſagen ſie / das ſie neun Pforten gehabt habe / vnd mitten im Waſſer vier Tagereyſe von Hamburg ſey gelegen ge - weſen / vnd das man vber eine Bruͤcke in den Tempel des Abgottes habe gehen muͤſſen.

Dith -136Das Ander Buch /
9. Die beruͤmbte Stadt Rethre an der Peene / vnd jhre Abgott Redegaſt iſt Dithmaro vmbs Jahr Chriſti 1000. bekand geweſen. Dithm. l. 6. Chron.

Dithmarns der Biſchoff von Merßburg / Kaͤy - ſer Lotharij Bruder Sohn / der im Tauſenden Jah - re nach Chriſti Geburt gelebet / gedencket im ſechſten Buch ſeiner Chronicken einer Stadt Riedegaſt / vnd ſaget / daß ſie in der Redarier Gebiet / da die Luͤizici oder Loyzer wohneten / in einer dreyeckigten Form drey Pforten oder Thoͤre gehabt habe / vnd mit ei - nem gehegeten heiligen Walde beſchloſſen geweſen ſey. Jn zwey Thoͤren / ſaget er / hat man aus vnd ein gehen moͤgen. Aber das dritte Thor nach dem Mor - gen / hatte einen engen Fußſteig nach dem Meere / vnd daſelbſt ſtand ein Hoͤltzerner / aber kuͤnſtlich erbawe - ter Tempel / deſſen Fundament war auff lautern Hoͤr - nern von allerley Thieren erbawet. An demſelben waren außwendig mannigerley Bilder der Heyd - niſchen Goͤtter eingeſchnitzet; Jnwendig aber ſtan - den viele Seulen in geſtalt gewapneter Goͤtter / vnter welchen der vornembſte Luaraſici genennet ward. Ob nun dieſes Riedegaſt des Dithmari / eben des Helmoldi vnd Adami Rethre ſey / darin der Abgott Riedegaſt iſt verehret worden / daß alſo Rethre von ſeinem Abgott auch iſt Riede gaſt genennet worden / daß laſſe ich dahin ſtehen. Sonſt bezeuget gemeld - ter Dithmarus ſelbſt / dz die Luizici oder Loyzer vber - all viele Heydniſche Tempel gehabt / vnd jede Stadt oder Landſchafft mit jhrem eignen Abgott vnd Tem / pel gepralet habe.

10. Die Wilzi oder Loyzer auff bey - den ſeiten der Peene ſind in vier Voͤlcker alsTho -

Daß wir aber wiederumb auff Helmoldi Ab - theilung der Wendiſchen Laͤnder kommen / ſo haben / wie er ſaget / die Pom̃ern auff der Oſtſeiten der Oder; die Heruler vnd Havelder / wie auch die Lebuſer /Wiliner137Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. Wiliner / Stoderaner vnd Brizaner zwiſchen der O -Tholenſer / Re - darier / Circipa - ner vnd Kiziner getheilet gewe - ſen. der vnd Elbe; die Tholenſer vnd Redarier an dem ei - nen Vfer der Peene / vnd diſſeit Demmin; (Dann die - ſe Stadt nennet Helmoldus.) Die Circipaner aber vnd Kyziner an dem anderen Vfer der Peene / gewoh - net. Dieſe vier Voͤlcker / als die Tholenſer / Redarier / Circipaner vnd Kitziner / ſind mit einem Nahmen Wilzi oder Lutici (daß ſind eben die Leuzici beym Dithmaro oder die Loyzer) genennet worden. Hin - ter jhnen ſind zu finden geweſen die Warnower bey Roſtock; Die Obotriter oder Rereger bey der alten nunmehr verſtoͤhreten Stadt Mechelburg; Die Po - laber im Stifft Razeburg; Die Lingoner oder Liner im Hertzogthumb Luͤnenburg. Die Hollſteiner aber auff jenſeit der Trave nennen Helmoldus vnd Adamus Wagrios / vnd jhre vorncmbſte Stadt iſt Altenburg an der See geweſen.

Es nennet auch Helmoldus zwo Slavoniſche11. Die Rugianer allein haben vn - ter den Slaven einen Erb Koͤ - nig vber ſich. Jnſulen / als Femeren / gerade gegen Altenburg vber / vnd Ruͤgen / gerade bey den Wilzern oder Loyzern / darin / wie er ſaget / das tapferſte Volck vnter den Sla - ven / die Raner / wie er ſie nennet / oder Rugianer / woh - neten / die alleine vnter den Wenden vnd Slaven ei - nen Koͤnig hatten / vnd wegen embſiger Ehrerbie - tung der Goͤtter in daß anſehen geriehten / das die ſamptliche Slaven in dieſer jegend ohne jhr Einrah - ten vnd bedencken nichtes in wichtigen Sachen vor - nahmen. Dieſes daß die Slaven oder Wenden / vñ inſonderheit die Lutitier oder Loyzer von alters her keinen Koͤnig oder Fuͤrſten vber ſich gehabt haben / verſtehe / auff den das Reich vnd Herꝛſchafft geerbetB bwird /138Das Ander Buch /wird / vnd nicht nur durch eine Wahl in vorfallender Noth kommet / bezeuget auch Procopius / der vieleProcop. lib. 3. de bell. Goib. hundert Jahr fuͤr Helmoldo gelebet hat / vnd ſaget / daß die Slavoniſche Voͤlcker nicht von einem allein regieret werden / ſondern das ſie nach altem herge - brachten Gebrauch in allgemeiner Freyheit ſitzen / vnd alle Sachen / die den gemeinen Nutzen betreffen / oder ſonſt eine Schwerheit auff ſich haben / zu ge - meinem Rathe bringen. Solches bekraͤfftiget auchCoſmas Pragenſ. l. 1. rer. Bohem. f. 3. Coſmas Pragenſis võ den Boͤhmiſchen Slaven / von welchen er meldet / das kein oͤrdentlicher Richter oder Fuͤrſt anfaͤnglich bey jhnen geweſen / ſondern ein je - der verſtaͤndiger Mann ſolch Ampt verrichtet habe. Dithmarus imgleichen ſaget / daß die Pommeriſche Slaven mit gemeiner beliebung alles geſchloſſen / vnd angeordnet haben: Welchem Schluſſe ſo ſich einer wie derlegen wollen / iſt derſelbe zur Staupe ge - ſchlagen / vnd ſo er hat wollen eine Auffruhr anrich - ten / iſt jhm das ſeinige mit Fewr vnd Brand verder - bet / vnd er alſo zum Gehorſam gebracht worden. Hiebey iſt gleichwol in acht zunehmen / daß / wenn Helmoldus ſaget / die Slaven haben keinen Koͤnig vber ſich gehabt / ſolches nicht alſo zuverſtehen ſey / als wenn gar keine Fuͤrſten oder vornehme Herren vnter jhnen geweſen ſeyn. Dann das gegentheil er - ſcheinet aus den Hiſtorien / da hin vnd her vnter - ſchiedliche Fuͤrſten der Slaven in Pom̃eren vnd Me - chelenburg genennet werden: Solche Herren aber warden zur zeit eines vorſtehenden Krieges zu Fuͤr - ſten vnd Koͤnigen erwehlet / auch allgemach erbete der Vater die Hoheit auff den Sohn: Doch dasdamit139Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. damit der gemeinen Freyheit nichtes benom̃en ward / vnd das ſie anderen vornehmen Herren jhre Anſe - hen / Freyheit vnd Gerechtigkeit lieſſen.

Aus deme nun / was geſaget / iſt zuſchlieſſen / daß gantz Pommerland zu der Wenden Zeiten in zwey Theil iſt vnterſcheiden worden. Dann die auff der einen Seiten zwiſchen der Oder vnd Weyſſelwohne - ten / ſind eigentlich Pommeren genandt; Die aber zwiſchen der Oder vnd Mechelnburg ſaſſen / ſind Wiltzen oder Loyer geweſen / vnd haben ſich in vier Nationen zertheilet. Neben dieſen Pommeren vnd Wiltzen ſind zum dritten die alten Rugianer mit jhrem Koͤnige in den Pommeriſchen Jnſulen vnd daher - umb maͤchtig geweſen / vnd weil ſie noch jhren Koͤ - nig behielten / auch jhnen daß groſſe Anſehen / wegen der Heiligkeit jhres Ortes / vnd vermeinten Gottes - dienſtes / eben zu der Zeit / da die Slaven in dieſem Lande zum maͤchtigſten waren / vnverrucket blieb / ſo wil es ſich gaͤntzlich anſehen laſſen / das ob wol mitten vnter den Wenden die Rugianer ſich auch der Wendiſchen Sprache zu gebrauchen anfiengen / ſie dennoch das Regiment nicht auff Wendiſch / ſon - dern auff alt Wandaliſch verwaltet / vnd jhren Koͤ - nig jmmer beybehalten haben.

Wann man aber vnter deſſen fraget / zu welcher12. Es kan keine ge - wiſſe Zeit gege - ben werden / wann die Sla - ven in das Pom - meriſche Land gekommen ſein / weil ſie nicht mit gewalt hinein gebrochen ha - ben. Zeit doch eigentlich die Wenden in diß Land gekom - men ſeyn / ſo antworte ich / daß keine gewiſſe Zeit / dar - in ſolches geſchehen iſt / koͤnne gegeben werden / weil die Wenden nicht eben mit gewalt herein brachen / ſondern allgemach ſich mit den Pommeren vermi - ſcheten / eben wie ſie mit den Preuſſen gethan haben. B b ijVnd140Das Ander Buch /Vnd inſonderheit da dieſe Laͤnder von Einwohnern ſehr leer waren / haben ſie guth machen gehabt / vnd iſt eine Slavoniſche vnd Wendiſche Familie nach der andern herein gegangen / biß ſie dz gantze Land vñ die benachbarte oͤrter biß in Hoͤlſtein hinein erfuͤlleten.

A. C. 540.

Zu Jornandis Zeiten / der im dxxxx. Jahr / wie ge - ſagt / gelebet / iſt der Slaven Sitz geweſen / das groſſe Land zwiſchen dem Balthiſchen vnd Euxiniſchẽ Mee - re: Beym Außfluß der Weyſſel hat ſich ein vermen - get Volck / das halb Teutſch / halb Wendiſch ſich ge - berdete / auffgehalten. Alſo iſt vnſer Pom̃erland erſt - lich nach Jornandis Zeiten Wendiſch geworden.

13. Was man von den Wandaliern beym Crantzio vnd anderen in den alten Zeiten lieſet / mus man nicht von den Wenden alsfort verſtehen / wie etliche Scriben - ten zu vnſer zeit thun.

Doch mus ich bekennen / daß gemeinlich die Scribenten / vnd inſonderheit Crantzins / Wendiſch vnd Wandaliſch nicht vnterſcheiden. Das Land zwiſchen der Weyſſel vnd Trave / vnd alſo zwiſchen Dantzig vnd Luͤbeck / iſt das rechte alte Wandalia: Vnd die Staͤdte / ſo darin gelegen / ſind auch ſchon die Wandaliſche Staͤdte geheiſſen / ehe die Wenden hin - ein kamen. Die aber zwiſchen den Wenden vnd Wandaliern nicht einen vnterſcheid machen koͤnnen / wenn ſie hoͤren / das Wandalier ſchon vor Chriſti-Ge - burt / in Pommern / Mechelnburg vnd Holſtein ge - wohnet haben / meinen / das anfaͤnglich dieſe Laͤnder Wendiſch geweſen ſeyn. Ein anders aber iſt ſchon erwieſen: Dann die Wandaliſche Nation war ein maͤchtig Teutſches Volck / welches endlich mit der meiſten Jungen Mannſchafft / vom Balthiſchen Meere ſich erhoben / vnd in die Roͤmiſche Laͤnder mit macht Bahne gemachet hat.

Drumb jrren die Polniſchen Scribenten / vnd vnter jhnen Vapovius vnd Cromerusſebſten / daß /wenn141Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. wenn ſie bey Saxone vnd Crantzio leſen; Ein Wan -Saxon in Dan. l. 8. Crantz. in Vand. daliſcher Fuͤrſte Wiſſimirns habe ſich zu Schiffe ge - ſetzet / Siwardum den Koͤnig der Daͤhnen vberwun - den / vnd erſchlagen / vñ die Stadt Wißmar erbawet; ſie alsfort meinen / dieſer Wandaliſche Fuͤrſt ſey ein Pole oder Wend geweſen / vnd zwar aus Lechi Ge - ſchlechte. Diß iſt ſo vngereimet / das auch Neuge - bawerus / ein ander Polniſcher Scribent / es nicht guth heiſſen kan. Dann dieſer Wiſſimirus oder Wiß - mar hat vmbs Jahr Chriſti cccxl. Koͤnig Sigwar -A. C. 340. dum in einer Schlacht zu Waſſer erleget / Lechus aber der Wendiſche Fuͤrſt / iſt erſtlich in Polen zum Regi - ment vmbs Jahr Chriſti dl. gekom̃en. Etliche ſetzen ſeine Zeit wol gar ins dcxliv. Jahr hinein. Wie kanA. C. 644. denn Wiſſimirus / der zwey oder drey hundert Jahr fuͤr Lecho gelebet / aus Lechi Familie einer ſeyn? Jch halte faſt dafuͤr / dz eben dieſer Wiſſimirus des Wan -Lib. 1. de Pom. ant. Germ. c. 3. daliſchen oder Aſtingiſchen Koͤniges Wißmari Sohn oder Vetter ſey / der / wie im erſten Buche vermeldet ward / ſich mit den Wandaliern vom Balthiſchen Meere erhoben hat / vnd an der Donaw von der Oſt - Gothen Koͤnige Geberich zun Zeiten Conſtantini iſt erſchlagen worden. Wann man derowegen etwas von den Wandalis entweder beym Crantzio oder bey andern lieſet / mus man nicht alsfort von den Wen - den verſtehen. Alſo zehlet Crantzius / Helmol - dus / vnd andere die Ruͤgianer / Heruler / Stetiner / vnd andere / vnter die Wenden vnd Slaven. Wie ich nun wol gerne zugebe / das die Wendiſche Sprache / Sitten vnd Kleidunge bey dieſen Wan - daliſchen Voͤlckern / die noch heutiges Tages eyl - fertig auff eine Alamoda / wie ſie es jetzt heiſſen /B b iijoder142Das Ander Buch /oder auff eine newe Tracht fallen / vnd mit der Zeit endlich gar die alte Saͤchſiſche Sprache verlieren / vnd gar Meißniſch werden wollen / vberall zufinden geweſen ſey / alſo wird mich keiner dahin bereden koͤnnen / das ich die Rugianer / Heruler vnd Stetiner / die alte Teutſche Sveviſche Wandalier / vor Wenden achte / ob ſie gleich Wendiſch geredet / vnd welches doch noch nicht erwieſen / gar die Teutſche Sprache verlohren haben.

14. Bey der ver - mengung der Wandalier vnd Wenden hat ſich Pommerland mercklich ver - beſſert.

Bey gemelter Vermengung aber der Wanda - lier vnd Wenden in dieſem vnſerm Pom̃erlande / hat ſich daſſelbe mercklich verbeſſert / vnd in Staͤdten / Ge - werben vnd Handelungen vber die maſſen ſehr zuge - nommen / wie daß inſonderheit aus den zuvor ſehr ſchoͤnen vnd maͤchtigen / aber nunmehr verſtoͤhre - ten vnd verderbeten Staͤdten / Wineta / Julin / Arckon / Carentz / Großweyn vnd dergleichen abzunehmen iſt.

15. Wineta iſt eine von den groͤſſe - ſten Staͤdten in Europa gewe - ſen / vnd endlich durch Vneinig - keit der Buͤrger / vnd ergieſſung des Meeres vntergangen Helm. l. 1. Chron Slav. c. 2. Cranz. l. Vand cap. 19. & 20.

Wineta / wie Helmoldus vnd Crantzius zeugen / iſt eine von den groͤſſeſten Staͤdten in gantz Europa geweſen / vnd haben drinnen die Slaven / mit andern Voͤlckern vermiſchet / gelebet. Den Sachſen auch / ward vergunſtiget / drinnen zu wohnen / vnd Han - del vnd Wandel zutreiben / wann ſie nur jhre Religi - on / oder vielmehr Aberglauben / vnangefochten lieſ - ſen. Sonſten waren die Buͤrger Gaſtfreye vnd ſitt - ſame Leute / vnd hetten wegen jhres erbahren guten Wandels bey Jederman groſſen Rhumb. Die Griechiſche / oder vielmehr Reuſſiſche / vnd andere frembde Kaufleute haben ſich auch zu jhnen gethan / vnd dadurch die Stadt mit vber die maſſen groſſemReich -143Vom alten Teutſchen Pommerlande. Reichthumb erfuͤllet / alſo das jhre Stadt Thor / wie man ſaget / von Ertz vnd Glockenguth bereitet / vnd das Silber ſo[g]emein geworden iſt / das man es zu ge - mein en vnd vngeachteten Sachen verbrauchet hat. Dieſe Stadt Wineta iſt im Lande zu Vſedom / zwo Meilen von Wolgaſt / beym Außfluß der Peene / gele - gen geweſen / vnd ſiehet man noch heutiges Tages bey ſtillem Wetter mitten im Meere jegen Damerow vber / eine halbt Weyle weges vom Vfer / wie die Gaſ - ſen in einer ſchoͤnen Ordnung liegen / vnd das Theil alleine dieſer Stadt / das man vnter dem Waſſer ſehen kan / iſt groͤſſer / als der begriff der Stadt Luͤbeck / an - zuſehen. Dieſe maͤchtige Stadt ſol endlich / wie Crantzius ſaget / in groſſe Buͤrgerliche Vneinigkeit gerathen ſein. Dann weil Wenden / Wandalier vnd Sachſen drinnen wohneten / hat ein jeglicher den Vorzug haben wollen / vnd die Wandalier haben Haraldum den Koͤnig von Schweden vnd Hem - ming den Koͤnig von Dennemarck / zun zeiten CaroliA. C. 796. circiter. des Groſſen / zu huͤlffe wider die Wenden geruffen: Welche dann auch ſich auffgemachet / vnd die ſchoͤne Stadt Winetam ſollen zerſtoͤret haben. Doch hat wol dz Meer den groͤſſeſten Schaden dabey gethan: Dann daſſelbige iſt anßgeriſſen / hat ein groß Theil von den Pommeriſchen Laͤndern verſencket / vnd zu - gleich der Stadt Winetæ den Garauß gemachet. Durch ſolche maͤchtige Fluten vnd Ergieſſung des Meeres / haben vnſere Pommeriſche Laͤnder vnter - ſchiedliche mahl groſſen ſchaden gelitten. Vnd halt ich dafuͤr / daß da jetzund der Pommeriſche Boden voll Waſſer lieget / zwiſchen Ruͤgen vñ der GaroiſchenSee /144Das Ander Buch /See / wol vorzeiten ſchoͤne Landſchafften geweſen ſeyn; Jnſonderheit weil Ptolomæus noch zu ſeiner Zeit von keiner kruͤmme des Pommeriſchen Meeres gewuſt. Alſo da jetzund das groſſe Haff mit Schif - fen beſiegelt wird / iſt zuvor Land geweſen / vnd hat man darauff gepfluͤget vnd geſeet. Vnd es wiſſens die / ſo an ſolchem groſſen vnd friſchen Hafe woh - nen / daß noch jmmerfort das Land ſich mehr vnd mehr wegſpuͤlet / vnd das Waſſer weiter vmb ſich friſſet. Die Schifleute bekennens auch / das der Bo - den eine Anzeigung des verſunckenen Landes von ſich gebe.

16. Julinum eine groſſe reiche Stadt iſt durchs Fewr aus der Lufft vnd durch Krieg verſtoͤret.

Von Julino haben wir ſchon etwas Nachrich - tung im vorigen Buche gegeben / vnd iſt dieſelbe in - ſonderheit nach Winetæ vntergang eine beruͤmbte / ja die groͤſſeſte Stadt in gantz Europa geworden / wie Adamus Bremenſis ſaget. Dann aller Handel / der zuvor bey Wineta war / ward theils nach Wißbuy inAdam. Brem. l. 2. biſt. Eccleſ. c. 12. Gothland / theils nach Julin geleget. Vnd iſt Julin ſo maͤchtig geworden / das ſie groſſe Kriege gefuͤhret / vnd Svenottonem den Koͤnig aus Dennemarck wol drey mahl gefangen davon gebracht hat. Wie Volck - reich ſie geweſen / erhellet darauß / das da Biſchoff Otto ſie endlich zum Chriſtlichen Glauben beredete / ſich bey xxij. tanſent Menſchen zur Tauffe angegeben haben. Aber kurtz nach Biſchoff Ottonis Abſcheid / ſind die Jnliniſchen wiederumb vom Chriſtlichen Glauben abgefallen / vnd da ſie im anfang des Som - mers alter Gewohnheit nach ein Heydniſch Feſt mit Freſſen vnd Sauffen feyreten / vnd einen alten verle - genen Goͤtzen wiederumb herfuͤr ſucheten / vnd den -ſelben145Vom alten Wendiſchen Pommerlande. ſelben mit groſſem Frolocken in der Stadt herumb truͤgen / vnd dabey Chriſtum auffs hefftigſte verlaͤ - ſterten / iſt / wie die Pommeriſche Chronicken vermel - den / Fewr aus der Lufft in die Stadt gefallen / hat ſie angezuͤndet / vnd in grund verbrandt / daß ſie gantz zu nichte geworden iſt. Vnd ob ſie wol wieder dar - an baweten / iſt ſie doch nie zu vorigen kraͤfften gekom - men / ſondern Gottes Hand iſt ſchwer vber ſie jm̃er - fort geblieben / biß auch endlich im Jahr mclxx. Wal - demar Koͤnig in Dennemarck durch die DivenowA. C. 1170. mit einer anſehnlichen Schiffarmee auff ſie zugieng / ſie vnverſehens vberfiel / pluͤnderte / vnd auffs newe verbrandte. Vnd iſt nachmahln eine geringe Stadt Wollin / da kaum zwey oder drey hundert Buͤrger anjetzo wohnen moͤgen / nicht weit von dem vorigen beruͤmbten Julin / erbawet worden / die in der Ord - nung der Staͤdte erſtlich nach Schlaw / Golnow vnd Gartze geſetzet wird / vnd in der Folge noch nicht ſo viele Mannſchafft / als Regenwalde vnd Belgard / herauß geben / vnd in den Stewren nicht ſo viele / als Greiffenhagen / vnd Lawenburg auffbringen kan.

Alſo auch die Stadt Arcona / die auff Wittow17. Arcona vnd Ca - rentz in Ruͤgen vnd andere vor - nehme Staͤdte in Pommeren ſind zu grunde gegangen. im Lande zu Ruͤgen auff einem ſehr hohen Berge iſt gelegen geweſen / vnd auff einer ſeyten das Meer / auff der andern einen Wall von funfftzig Elen hoch gehabt hat / deſſen vnterſte halbe Theil von Leim vnd tichter Erden; Das oberſte von geſchurtzeten Plancken vnd Stacketen / mit vielen ſtarcken Block - baͤuſern verwahret war / iſt / da ſie noch in tieffer Fin - ſternus des Heydenthumbs ſteckete / von bemeltem Waldemar Koͤnig von Dennemarck / mit huͤlffe derC cFuͤrſten146Das Ander Buch /Fuͤrſten von Pommern Bogislaff vnd Caſimir / des Nahmens den Erſten / zwey Jahr fuͤr der VerſtoͤrungA. C. 1168. der Stadt Julin / auch eingenommen / vnd der be - ruͤmbte Tempel des Suantevits / welchem ſie den Ze - henden von allem Einkom̃en gaben / vnd jhme noch darzu ccc. Pferde hielten / vnd alles / was ſie darmit raubeten / vnd erwuͤrben / in ſeine Kammer brachten / drinnen verbrand worden. Vnd da ſich der Fuͤrſte zu Ruͤgen drauff wider die Fuͤrſten von Pommern feindſelig bezeigete / ſind ſie mit einem Kriegesheer in Ruͤgen gefallen / vnd haben die herꝛliche Stadt in grund zerbrochen vnd zu nichte gemachet / das man heutiges Tages da nichtes find / als bloſſen Acker / ſo gepfluͤget wird. Neben Arcona iſt noch eine Stadt im Lande zu Ruͤgen mit Nahmen Carentz geweſen / welche zu einer Zeit eben das Vngluͤck auch gehabt hat. Jn derſelben als ſie gemelter Koͤnig von Den - nemarck belagerte / ſind ſieben tauſent Mann gefun - den worden. Sie iſt aber ebener maſſen von den Fuͤrſten von Pommern zerſtoͤret / weil ſie ſich zu Den - nemarck mehr als zu Pommern halten wolte / vnd kan man jhre Staͤdte kaum an jetzo finden.

17. Arcona vnd Ca - rentz in Ruͤgen vnd andere vor - nehme Staͤdte in Pommeren find zu grunde gegangen.

Weiters waren noch mehr Staͤdte / die theils durch Krieg / theils ich weis nicht durch was Vn - gluͤck / in vnſerm Pommerlande / gantz ſind zu grunde gegangen / als: Großwyn / ſo an der Peene gelegen / nicht ferne von Ancklam; Dodona / zwiſchen der Jna vnd Rega; Zezina / zwiſchen der Perſante vnd Bra; Mircho / bey anfang der Lebe; Lepzky bey der Leben Außflus; Vnd inſonderheit die Haupt Stadt der Loyzer Rethre vnd Redegaſt / von der wir kurtz zuvor meldung gethan haben.

Aus147Vom Alten Wendiſchen Pommerlande.

Aus dieſem allem erſcheinet klaͤrlich / das zur Zeit der Wendiſchen vnd Teutſchen vermiſchung / da nun - mehr die Wendiſche Sprache / Sitten / vnd Gewohn - heiten alles vberſchwemmeten / dieſe Pommeriſche Laͤnder an Staͤdten vnd Gewerben ſehr zugenom - men haben.

Vnd wolte Gott / das alles / was vorgegangen iſt / moͤchte auffgezeichnet ſeyn / ſo wuͤrde man zweiffels ohn befinden / das die Pommeriſche Ge - muͤhter durch die Wendiſche Sprache jhre ange - bohrne Tapferheit nicht verringert / ſondern ver - mehret haben. Doch muͤſſen wir mit deme zufrie - den ſein / was wir hin vnd her bey den Scribenten / vnd aus wenig andern Nachrichtungen haben koͤn - nen.

So iſt zuerſt zumercken / was man beym Trithe -18. Teutſchland iſt nach Conſtanti - ni Magni Zei - ten nicht allein wegen der vielen Heereszuͤge / die von den Teut - ſchen in fremb - de Laͤnder vor - genommen wuͤr - den / ſondern auch inſonder - heit wegen in - nerlicher viel - faltiger Vnei - nigkeit / vnd das die Francken es auff der einen ſeyten in dienſt - barkeit ſetzeten / vnd die Slavenauff mio lieſet / das / als zun zeiten Conſtantini Magni vier maͤchtige Teutſche Nationen / als Suevi oder Schwa - ben / Thuͤringer / Francken / vnd Sachſen ſich wider die Roͤmer zuſam̃en verbunden / vnd dieſelbe mit zu - ſammen geſetzeter Macht von jhren Graͤntzen zuruͤcke hielten / endlich die Schwaben vnd Thuͤringer mit einander in die Haare darumb gerathen ſein / weil Adelbrecht einer von den Schwaben / Guͤnther den Thuͤringer beſchuͤldigete / das er etwas heimlich aus der Beute an die ſeyte gebracht vnd entwand hette / vnd jhn auch deßwegen in einem oͤffentlichen Kampf erlegete. Vmb deſſentwillen haben die Thuͤringer der Francken oder Frantzoſen Koͤnig Clodomirum V. ſo dasmahl am Ausfluß des Reins ſeinen Sitz hette / dahin beredet / das ſein Bruder mit xxx. tauſend Fran -C c ijcken148Das Ander Buch /auff der anderen feiten ſich maͤch - tig ſtercketen / ſehr geſehwaͤchet worden.cken ſich auffmachete / vnd ſich bey Wuͤrtzburg zwi - ſchen den Schwaben vnd Thuͤringen / vnd alſo zwi - ſchen der Necker vnd Sala / in der Mitte niederließ / vnd ſolcher maſſen Friede ſchaffete. Alſo iſt dasA. C. 320. Hertzogthumb Francken erſtmahls geſtifftet wor - den. Die Koͤnige aber der anderen Francken in Franckreich ſind allgemach ſo maͤchtig geworden / daß Clodius vmbs Jahr Chriſti ccccxxxiv. die Thuͤ -A. C. 434. ringer mit einer groſſen Macht anfiel / vnd / als er ſieSiffrid. Presb. Miſn. l. 1. Epit. ad ann. 493. Hiſtor. Erphes - ford. anonymi de Landgr. Thu - ring. cap. 3. & 5. Trithem. lib. 1. annal. pag. 14. 36. 38. vnd jhren Koͤnig Vincentz ſeinem Willen vnterworf - fen / ſich auch an die andere Teutſchen machete / vnd jhnen ein Joch anff buͤrdete. Darauß aber wickelten ſie ſich bald beſter maſſen / vnd die Thuͤringer inſon - derheit blieben ein maͤchtig Volck vnter jhrem Koͤnig / vnd beſaſſen ein groß Land von der Elbe bey Magde - burg / biß an das Balthiſche Meer hinan / wie Sif - fridus in ſeinem Chronico / vnd die alte Erffurtiſche Hiſtoria bezeuget. Drumb auch als Hilderich ge - melten Clodij Neffe wegen boͤſer Verwaltung des Reichs aus Franckreich verjaget ward / vnd an ſeine ſtatt Aegidius drey Jahr lang regierete / begab er ſich in der Flucht zu Baſano dem Thuͤringiſchen Koͤ - ge / vnd ſuchete bey jhme dreyjaͤhrigen Vnterhalt. A. 459. & 462.Solche Wolthat aber vergalt er mit groſſem Vn - danck: Dann da er wiederumb in ſein VaͤterlicheP. Diacon. lib. 3. de geſtis Longob. c. 3. Reich erhoben ward / ſchewete er ſich nicht des woll - verdieneten Baſani Eheweib Baſinam / mit dero er heimliche Bullſchafft bißher getrieben hatte / zu ſich zu nehmen / vnd ſie von jhrem Koͤnige abzuſpannen. Aus dieſer boͤſen Ehe iſt gleichwol ein guter Zweig entſproſſen / nemlich Clodoveus oder der groſſe Lu -dewig /149Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. dewig / welcher groſſe Kriege wider die Schwaben vnd andere Teutſchen gefuͤhret hat / vnd druͤber ein Monarch des gantzen Franckreiches / vñ eines Theils Teutſchlandes geworden iſt. Sein Weib Clotildis war eines Chriſtlichen Koͤnigs aus Burgundien Tochter / vnd durch deroſelben guten Wandel ward er auch dahin gebracht / das er ſich zum Chriſtlichen Glauben bekante / vnd der erſte Chriſtliche Koͤnig in Franckreich ward. Seine Tochter Nuilbertam gab er Ermenfrieden / dem Koͤnige aus Thuͤringen: Vnd als er ſtarb / theileten ſeine vier Soͤhne das Koͤnigreich vnter ſich in vier gleiche Theil. Nuilberta aber / die Crantzius ſonſt Amelbergam nennet / war ein vppigCranz. lib. 1. Sax. cap. 26. 27. 28. frech Weib / vñ reizete Koͤnig Ermenfried jhren Her - ren an / das er nicht allein ſeine beyde Bruͤder / Ber - tharum vnd Balderich ermordete / ſondern auch das Band des Friedens mit den Francken brach / vnd mit Dieterich / Clodovei Sohn / dem Koͤnige zu Mez / ſei -VVitetbindus lib. 1. Trithem. lib. 1. annal. Abbas Uſperg. in C bron. Saxo. l. 1. Sax. c. 26. Adam Brem. l. 1. c. 4. nem Schwager / vnnoͤtigen Krieg anfieng. Alſo ward ein blutiges dreytagiges Treffen beym Runenberg auff den Thuͤringiſchen Graͤntzen gehalten: Darin zog Ermenfried den kuͤrtzern / brachte doch ſein Le - ben auff der Flucht davon / vnd ward drauff in der Stadt Schiedingen an der Vnſtrut hart belagert. Weil es aber Koͤnig Dieterichen ſchwer ward / ſol - chen Ort zugewinnen / vnd ſich gantz ſeiner Feinde zuverſicheren / rieff er die Sachſen zu huͤlffe / vnd verheiſch jhnen das gantze Land der Thuͤringer / ſo ſie es jhme huͤlffen gewinnen vnd einnehmen. Die ſind auch nicht ſeumig / vnd ſenden ein groß Volck vnter Neun / oder / wie etliche ſagen / VierzehenC c iijFuͤrſten150Das Ander Buch /Fuͤrſten den Francken wider die Thuͤringer zu huͤlffe: Von welchen auch den Belagerten ſo ſtarck zugeſetzet iſt / daß ſie zu Koͤnig Dieterich ſchicken / vnd vmb Gna - de bitten muͤſten. Die wiederfuhr jhnen nun nicht allein / ſondern die Francken macheten auch mit den Thuͤringern einen heimlichen Anſchlag wider die Sachſen / als fuͤr die ſich beyde Nationen ins kuͤnffti - ge fuͤrchten muͤſten / vnd wolten ſie vnverſehens uͤber - fallen vnd zu grunde verderben. Solches aber be - kamen die Sachſen wunderbarlich zu wiſſen. Dann da ſchon der Schluß gemachet war / entflog einem von den Thuͤringern ein Falcke oder Habicht vber den Fluß zu der Sachſen Lager / vnd ward allda von einem auffgegriffen. Das aber der Thuͤringer ſein Federſpiel moͤchte wieder erlangen / entdeckete er dem Sachſen den heimlich gemacheten Anſchlag. Dar - uͤber warden die Sachſen aus rath eines alten Fuͤr - ſten Hadagati rege / fielen die Thuͤringer / da ſie ſichs im wenigſten verſahen / an / vnd gewunnen jhre Feld - lager. Ob nun wol Koͤnig Ermenfried abermahl davon kam / ſo iſt er doch aus geheiß Koͤnig Diete - richs mit ſeinen Kindern erſchlagen / vnd das gantze Land an der Elbe den Sachſen hinfort zubewohnen eingereumet / die allda eine feſte Stadt / die Sachſen - burg genennet / erbawet haben.

A. C. 568.

Da ſie aber daſelbſt auff allen Ecken mit Fein - den vmbgeben waren / vnd jmmerfort ſich mit ge - walt erwehren muͤſten / gefiel es jhnen im Jahr dlxviij. an einem andern Ort das Gluͤcke zuverſuchen. Vnd weil eben zu der Zeit der Longobarder Zug in Jtalien fuͤrgieng / geſelleten ſie ſich zu jhnen / vnd zogenmit151Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. mit jhnen fort: Aber als auch allda die Longobardi vber ſie herꝛſchen wolten / ſahen ſie nach xij. Jahren nach jhrer alten Wohnung in Weſtphalen / welchesA. C. 582. Land vnter deſſen von den Suevis oder Schwaben aus vergoͤnſtigung der Francken eingenommen war / ſich wieder vmb / vnd macheten ſich mit Weib vnd Kind aus Jtalien durch Franckreich herunter. Mummulus Koͤnig Guntrami Obriſter verwehrete zwar / das ſie durch ſeines Herren Land nicht durch - kommen konten: Aber ſie erhielten den Durchzug mit bitte an Sigebertum / Guntrami Bruder / durch einen andern Weg. Kamen alſo an jhre Vaterland / vnd wolten von dannen die Suevier oder Schwa - ben / ſo ſie darinnen funden / mit gewalt haben. Die - ſelbige erboten ſich zur guͤtlichen Handlung: Wolten etwas Landes behalten / vnd jhnen auch etwas ein - reumen. Aber die Sachſen wolten mit der Guͤte nichtes bey ſich erheben laſſen / vnd begehreten jhnen nicht einen Fußbreit des Landes zulaſſen. DrumbG. Fabrie. lib. 1. rer. Sax. A. C. 584. ſetzeten ſich die Suevi zur wehre vnd erſchlugen jhrer in dem erſten Treffen cccclxxx. Doch muſten ſie nur endlich das Land reumen / weil den Sachſen / derer ſonſt nur xxvj. tauſent bewehrter Mann waren / die Benachbarten zu huͤlffe kamen. Vnd iſt dieſer Haß zwiſchen den Sachſen vnd Schwaben forthin der - maſſen verwurtzelt / das auch die Sachſen ein Geſetz anrichteten / darin die / ſo ein Schwaͤbiſch Weib heu - rathen wuͤrden / fuͤr vnehrlich mit jhren Kindern er -A. C. 6[1]0. klaͤret ſeyn. Doch waren ſie ſelbſt auch damit nicht frey. Dann der Koͤnig aus Franckreich Lotharius bekriegete ſie durch ſeinen Sohn Dagobertum / er -ſchlug152Das Ander Buch /ſchlug jhren Koͤnig Bartholdum / vnd legete jhnen zum Jaͤhrlichen Tribut d. oder wie etliche meden dc. Ochſen auff.

Durch dieſe Vneinigkeit der Teutſchen[iſ]t auſſer allem zweifel jhre Land / das ſchon an vielen Oertern durch die groſſe Feldzuͤge erleeret war / noch mehr geſchwechet / vnd haben ſich viele geſehnet / an fremb - den Oertern zu leben / dz ſie nur der Vnruhe in jhrem Vaterlande muͤſſig gehen moͤchten / wie wir daſſelbe nicht alleine an den Sachſen / derer auch zuvorn ge - dacht iſt / ſondern auch an den Anglis zuſehen haben. Dieſelbe wohneten anfaͤnglich zun zeiten Taciti vmb vnd an der Jnſul Ruͤgen / etwa an dem Orte / da an - noch Angklam / eine feine Stadt / lieget. Hernach haben ſie ſich in Schleßwig gezogen / ſind der Sach - ſen Nachbawren geworden / vñ haben ſich mit jhnenAdam Bremenſ. biſt. Eccleſ. cap. 3. ex Oroſie l. 7. c. 32 & Gregerie. Beda lib. 1. bi - ſtor. gentis Anglor. c. 15. Buchan. lib. 4. de veb. Scoticis. biß an den Rein vnd in Franckreich gewaget. End - lich theileten ſie ſich / vnd giengen etliche in Thuͤrin - gen; Etliche / da ſie von den Britanniern wider die Picten vnd Schotten zuhuͤlffe geruffen wurden / ſeu - meten ſich nicht lange / ſondern ſetzeten ſich mit Weib vnd Kind zu Schiffe / vnd bekamen in Britannien ein new Vaterland / das von jhnen annoch Anglia vnd Engelland genennet wird. Damit aber hette es die - ſe gelegenheit. Als die Schotten / ſo aus Spanien jhren Vrſprung haben ſollen / noch vor Chriſti Ge - burt in Hibernia vnd andern kleinen Nord Jnſulen an Britannien wohneten / die man ſonſten Hebrides oder Hebudas nennet / warden etliche von den Teut - ſchen Voͤlckern / durch den Wind dahin in etlichen Schiffen verſchlagen / vnd dieſelbe hielten bey denSchot -153Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. Schotten vmb einen Ort Landes an / darin ſie / weil ſie nichtes von der langen Reyſe vberig hetten / als nur jhre Woffen / jhre Leben erhalten moͤchten. Es ward jhren von den Schotten Rath vnd Huͤlffe er - theilet / daß ſie in die naͤhiſte groſſe Jnſel der Britan - nier am Nordſtrande einen feſten Fuß ſetzeten / vnd daſelbſt binfort Picti geheiſſen wurden. Dieſe Picti nun lebeten lange Zeit mit den Schotten in guter Freundſchafft / befreundeten ſich mit jhnen / nahmen ſehr zu / vnd wuchſen zu einem groſſen Volcke. End - lich aber / da ſich auch der Schotten ſehr viele an eben denſelbigen Ort / den die Teutſchen Picti eingenom - men hetten / ſetzeten / entſtand zwiſchen dieſen beyden Nationen ein Vnwille / vnd forchtete ſich eine fuͤr der anderen. Doch ward endlich dieſer Vertrag getrof - fen / das die Schotten / als gute Jaͤger vnd der Viehe - zucht gewohnete Leute / das Gebirge einnehmen / die Picti aber ſich auff das ebene flache Land nach dem Teutſchen Meere gelegen ſetzen / vnd ſie beyde alſo einmuͤtiglich die alte Einwohner / nemlich die Bri - tannier / auffs euſſerſte verfolgen wolten. Dieſelbe koͤnten ſich deſto weniger wehren / weil auch endlich die Roͤmer ſich an ſie macheten / vnnd ſie alſo in Schutz nahmen / das ſie jhnen jhre Joch / nach jhrer Gewohnheit / auff den Halß wurffen. Als aber auch der Roͤmer Macht allenthalben / vnd alſo auch in Britannien / abnahm / vnd die Schotten vnd Picti mit Gewalt auffs newe in die Britannier ſetzeten / fer - tigeten ſie jhre Botſchafften in Teutſchland ab / vnd begehreten Huͤlffe von den Sachſen vnd Anglis / die nunmehr fuͤr ein Volck gerechnet wuͤrden. Dann esD dſetzet154Das Ander Buch /ſetzet ſich Hengſt oder Hengiſtus ein Fuͤrſt der Sachſen / Angler / vnd der Juͤtlaͤnder / die man ſon -Beda l. 1. hiſt. Angl. A. C. 409. Calviſ. ex Ma - melsb. A. C. 449. ſten Vitas von alters nennete / mit ſeinem Bruder Horſte / zu Schiffe / kam vmbs Jahr Chriſti cdix. wie Beda meinet / oder wie Calviſius richtiger rech - net / im Jahr cdxlix. in Britannien anfaͤnglich mit drey Schiffen / ließ xvj. dar auff folgen / vnd fand ſolch ein Gluͤcke fuͤr ſich / das ſeine Leute in wenig Jahren ſieben Fuͤrſtenthuͤmer daſelbſt ſtiffteten / vnd endlich gar ein Koͤnigreich anrichteten / vnd das gantze Land / daß ſie wider die Schotten vnd Picten verthedigten / Angliam oder Engelland nenneten.

Auff ſolche weyſe iſt nun Teutſchland vber all leer gemachet / vnd ſehr geſchwechet worden. Dann erſtlich ward es ſehr oͤde durch die groſſe Heereszuͤ - ge / die ſie in weit abgelegene oͤrter vornahmen: Her - nach zergiengen jhre Kraͤffte durch die jnnerliche Vn - einigkeiten / da die Thuͤringer / Sachſen / Schwaben vnd Francken ſich einander in den Haaren lagen / vnd die Francken endlich Meiſter zuſpielen anfiengen. Endlich ward die Thuͤr dadurch gar weit den Sla - ven vnd Wenden / oder der Sarmatiſchen Nation / auffgethan / vnd aus denſelbigen ſetzeten ſich die Wil - zen vnd Lutitier oder Loyzer in Pommern vnd Marck; Die Soraber oder Sirfen in Meiſſen vnd Boͤhmen; Die Obotriter in Mechelenburg; Andere Slavonier in andere Laͤnder.

19. Slaven bekom - men allenthal - ben in Teutſch - land widerſtand. Kommen deſſenvnge -

Wider ſolche Slaven aber ward gleichwol das Schwerd zu jederzeit gezuͤcket. Alſo leſen wir / das Thaßilo der Beyer Koͤnig im Jahr dxcv. wider die Sirfiſche Slaven in Boͤhmen einen groſſen Sieger - halten habe. Sie aber achteten ſolches wenig / lieſſenſich155Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. ſich bey Chagano dem maͤchtigen Koͤnig in Hunge -vngeachtet in Welſchland: Muͤſſen den Francken Tri - but geben: Vnd nehmen ſich der Sachſen an / die nicht wolten Chriſtiſch wer - den. ren in Dienſt ein / durchzogen mit jhme viele Laͤnder / vnd fielen endlich gar in Jtalien hinein. Daruͤber ward Giſulphus der Friauliſche Longobardiſche Fuͤrſte erſchlagen / viele oͤrter hefftig verwuͤſtet / vnd die Sarmatiſche Nation ſetzete ſich in der Lombardey zimlich feſte. Ja ſie haben ſich an Thaßilonis Sohn Garibald auch woll gerochen / jhn bey Maynz in die Flucht gejaget / vnd in Beyern einen maͤchtigen Ein -A. C. 595. Trith. lib. 1. ann. pag. 47. P. Diac. lib. 4. pag. 12. & 14. A. C. 626. Aimon. lib. 4. cap. 9. fall gethan. Auch haben ſie ſich endlich im Jahr nach Chriſti Geburt dcxxvj. wie wir aus Aimonio wiſſen / durch einen Kauffman / mit nahmen Samo / aus der Stadt der Senonum in Franckreich / der ſich jhnen zum Heerfuͤhrer antrng / von der Hunnen Dienſt - barkeit loß geriſſen / vnd des gemelten Samo Nach - kommen ſind biß ins vierdte Glied beym Koͤnigreiche vber die Slaven geblieben.

Wider Dagobertum aber den groſſen Koͤnig in Franckreich hat es jhnen alſo nicht gelingen wollen. A. C. 642.Dann derſelbige zog im Jahr dcxlij. mit huͤlffe der Sachſen vnd jhres Fuͤrſten Beringers aus Anhalt wider die Wenden / ſo an der Havel vnd Oder nun - mehr wohneten / vnd in Thuͤringen eingefallen wa -Trith. lib. 1. ann. pag. 53. ren / wie Trithemius / Cranzius vnd Georgius Fabri - cius zeugen / vnd brachte ſie zum Tribut. Vnd zur ver - geltung des Reuterdienſtes / den jhme die SachſenCranz. lib. 1. Sax. cap. 32. in dieſem Zuge leiſteten / erließ er jhnen den Ochſen - Tribut / den ſie etliche Jahr hetten geben muͤſſen. C. Fabr. lib. 1. Sax ad ann. 642.Bey denſelben ward hinfort Siphard ein tapfer Held Wittekindi Elter Vater maͤchtig / von deme ſich alle Saͤchſiſche Fuͤrſten / vnd annoch regierendePetr. Alb. m. Hiſt. Sax. p. 99. Chur Fuͤrſten her rechnen koͤnnen.

D d ijFolgends156Das Ander Buch /
A. C. 766. Sebafnaburg. in Chron.

Folgends ſind die Slaven im Jahr dcclxvj. bey Weidahburg / wie Schaffnaburgenſis ſage[t]/ von den Frantzoſen geſchlagen / vnd nachmals / als die grawſame Kriege der newen Fraͤnckiſchen Koͤnige / Pipini vnd Caroli des Groſſen / wider die Sachſen / ſie zum Chriſtlichen Glauben zubringen / viele Jahr lang gefuͤhret warden / ſaſſen die Slaven an der Ha - vel / Oder vnd Elbe / vnd da herumb / in zimlicherA. C. 779. Ruhe / vnd die Sachſen / ſo von Carolo dem Groſſen im Jahr dcclxxix. bey Oßnabruͤck geſchlagen waren / vnd ſich zur Chriſtlichen Religion nicht verſtehen wolten / begaben ſich zu den Wenden / vnd wardenGeorg. Fabric. Cbemn. l. 1 rer. memor. Saxon. ad ann. 780. hinfort Oſtphalen genennet: Etliche ſetzeten ſich gar an das Balthiſche Meer / vnd lieſſen ſich daſelbſt nie - der / mit geſambter Hand jhren Aberglauben / mit den Wenden / wider die hereinbrechende Francken zu - vertheidigen: Wie dann auch die Wenden / ſo zw[i]- ſchen der Sale vnd Elbe wohneten / bald darauff einen Streiff vnd Einfall in Thuͤringen vnd Sachſen vornahmen / vnd als Koͤnig Carolus drey Feld Ober - ſten wider ſie außſchickete / griff Wittekind der Sach - ſen Koͤnig ſie vnverſehens an / vnd erſchlug Adelgieß vnd Geilon die beyde Koͤnigliche Oberſten mit vielem Volcke; Der dritte Volhard kam mit groſſer Noth auff der Flucht darvon. Dieſe Niderlage erſetzete Koͤnig Carolus bald / vnd brachte es endlich dahin /A. C. 787. dz Wittekind der Sachſen Koͤnig im Jahr dcclxxxvij. ſich taufen ließ / vnd dem Aberglaubiſchen Heyden - thumb entſagete. Alſo ward nun endlich alle Macht der Francken vnd Sachſen wider die Slaven gewen - det / wie wir hernach vermelden wollen.

Vnter -157Vom alten Wendiſchen Pommerlande.

Vnter deſſen / daß die Teutſchen / Frantzoſen / ja20. Zech ein Cros - tier richtet in Boͤhmen ein Reich vnter den Slaven an / eben wie ſein Bruder Lech in Polen thete. Doch wird in der Hiſtoria dieſer beyden Bruͤder vnglei - cher Bericht gegeben. auch die Jtaliener ſelbſten / mit den Slaven zuthun hetten / iſt Zech in Boͤhmen / vnd Lech in Polen / zu Koͤniglicher Wuͤrde erhoben worden / von welchen die Boͤhmiſche vnd Polniſche Chronicken viele zuſa - gen wiſſen / aber mit ſehr vngleichem Bericht. Sie vermelden / daß ſie Bruͤder geweſen / aus Croatia oder der Crabater Land buͤrtig / vnd das ſie von dan - nen durch Hungern vnd Maͤhren in Boͤhmen kom - men ſeyn: Da dann Zech ein new Reich angerichtet / vnd von ſeinem Nahmen ſeine Leute die Ziecher / daß ſind die Boͤhmen / genennet habe. Lechus aber ſeyCromerus, Du - brav. Hagec. Vapov. Guagniu. Neugeb avv. in Hiſt. & Avnal. Polon. weiter gegangen / vnd habe an vnd vber der Weyſſel ſich geſetzet / vnd allda auch ein Koͤnigreich geſtifftet / von deme die Polacken / als die des Lachen oder Le - chen Nachkoͤmlinge ſeyen / jhren Nahmen ſollen ent - pfangen haben. Weßwegen dann auch die Muß - kowiter vnd Hungern ſie nicht / wie wir Polacken / ſondern Lacſer / oder Lengel / oder Lechel nennen / wie Cromerus meldet. Sonſten nennet man ſie Polen / von der ebene jhres Landes / die auff Slavoniſch Po - le heiſſet / eben wie wir Pommern von jhnen Pomorſi / als die beym Meer liegen / genennet werden.

Wie aber gemelter Zechus vñ Lechus aus Cro - atien gekommen ſeyn / iſt bey den Polen ſo wol / als bey den Boͤhmen noch im Streite. Etliche meinen / ſie ſeyn aus jhrem Vaterland fluͤchtig geweſen / weil ſie einen Mord begangen / vnd deſſentwegen / die Straf - fe zuvermeiden / ſich aus dem Staube gemachet ha - ben. Aber da reiten ſie auff zweyen hauffen: Etliche ſagen / ſie haben ein maͤchtig Volck mit herauß ge -D d iijfuͤhret:158Das Ander Buch /fuͤhret: Andere meinen / das fluͤchtigen Leuten nicht viele Volckes folgen pflege. Wiederumb ſind ande - re / die haltens dafuͤr / ſie ſeyen auff Anfoͤrderung der Boͤhmen vnd Polen herauß gegangen. Noch ande - re / als Dubravius / meinen / daß da ſie in Boͤhmen gekom̃en waren / vnd ſahen / daß das Land gar nicht bewohnet / ſondern wegen der vielen Teutſchen Zuͤge erleeret / vnd die Slaven / mit denen ſie einerley Spra - che redeten / drinnen mit guten Geſetzen nicht gefaſſet weren / ſie die hin vnd her verſtreweten Leutlein mit guten gelinden Worten beruffen / vnd ſie beredet ha - ben / das ſie / wie andere Voͤlcker / einen Fuͤrſten oder Koͤnig vber ſich erwehlen ſolten. Woruͤber denn Ze - chus / wie ſie ſagen / Koͤnigliche Ehre erlanget hat / vnd iſt ſeinem Bruder Lecho behuͤlflich geweſen / das er mit gleicher Manier in Polen die Leute ſich vnterthan machete. Vnd ſolches / ſaget Vapovius / ſey geſche - hen ſechſtehalb hundert Jahr nach Chriſti Geburt. A. C. 550Hagecus aber meinet / es falle ins ſiebendhalb hun - derſte Jahr.

Dubravij vñ Hageci Meinung iſt wol die beſte. Dann es laͤſſet ſich aus allen Vmbſtaͤnden anſehen /A. C. 640. au[t]. 650. das erſtlich im Jahr dexl. oder del. Boͤhmen vnd Po - len einen Fuͤrſten oder Koͤnig angenommen haben. Zuvor / wie aus den Alten Scribenten dargethan iſt / hat die Slavoniſche Nation / als ein Frey Volck / kei - nen Koͤnig vber ſich gehabt. Nur die Rugianer allein / haben nach Teutſcher Manier mehr die Monarchey vnd Regiment / ſo von einem verwaltet wird / als die Ariſtocratey oder Democratey / da viele / oder wol das gantze Volck ins gemein regieret / beliebet.

Durch158[159]Vom Alten Wendiſchen Pommerlande.

Durch ſolche gar zu groſſe Freyheit aber der Sla - voniſchen Nation iſt viele Vnordnung vnd Vnweſen eingeriſſen: Vnd haben Zechus vnd Lechus / da ſie / als verſtaͤndige Herren ſolches den Boͤhmen vnd Polen vnter Augen ſetzeten / leichtlich die Gemuͤter dahin bringen koͤnnen / daß ſie mit gewiſſen Geſetzen ſich faſſen vnd binden lieſſen.

Das aber Lechus vnd Zechus ein ſolch groß21. Pommern iſt nie vnter Lecht Gebiet gekom - men. Land beherꝛſchet habe / als jetzund die Cron Polen / vnd dz Koͤnigreich Boͤhmen / in ſich begreiffen / wird Niemand meines erachtens ſagen koͤnnen. Vnd ob wol etliche der Polniſchen Scribenten vorgeben / das Lechus auch vber die Pom̃eren vnd Mechelburger ein Herꝛ ſey geweſen / ſo iſt doch das durch keinen einigen Grund zubeweiſen / ſondern iſt vielmehr alle demſel - bigen zuwider / was wir zuvor vermeldet haben / vnd wz wir noch vermelden werden. Ja es ſagen die Po - len ſelbſt / dz / als Lechus geſtorben iſt / kein Koͤnig jhme in der Regierung gefolget ſey / ſondern dz xij. Palatini oder Waywoden erwehlet ſeyn / denen die Verwal - tung des Regiments iſt anvertrawet worden. Vnd dieſe Regierung der xij. Woywoden hat gewehret biß ans dcc. Jahr Chriſti / vnd haben vnſere PommerenA. C. 700. mit jhnen gar nichtes zuthun gehabt / ſondern fuͤr ſich jhre Dinge verwaltet / vnd bey jhnen giengen die Wil - zen oder Loytzer allgemach fort / vnd kamen in die Marcke biß an die Havel vnd Elbe / vnd waren da - ſelbſt bey Wilſenach biß zun zeiten Caroli des Groſſen ſehr maͤchtig.

Vnter deß kompt in Polen ein newer Fuͤrſt auff /22. Ein Teutſcher PommeriſcherFuͤrſt mit Nahmen Cracus / von welchem die Stadt Cra -kow160Das Ander Buch /Fuͤrſt Rutiger buhlet vmb das Polniſche Fraͤw - lein Venda. Kommen aber beyde druͤber pmbs Leben.kow ſol gebawet ſeyn. Dieſer ließ zweene Soͤhne Cracum vnd Lechum / vnd eine Tochter Vendam nach ſich. Der Juͤngſte Bruder Lechus wil dem Elteſten das Fuͤrſtenthumb nicht goͤnnen / vnd bringet jhn auff der Jagt meuchelmoͤrdiſcher weyſe vmb / der meinunge / dadurch die Regierũg auff ſich zu bringen. Aber die Polen wollen keinen Brudermoͤrder vber ſich haben / vnd geben das Regiment Venda / dem Fuͤrſtlichen Fraͤwlein. Vmb dieſelbe bulete ein Teut - ſcher Fuͤrſt in der Nachbarſchafft / mit Nahmen Ru - diger / oder wie Cromerus jhn nennet / Rotigar. Aber ſie wolte lieber Princeſſin alleine ſein / als eines Prin - tzen Weib genant werden / ſchlug jhme die Ehe abe / vnd ließ die Legaten / ſo er an ſie ſpedieret / mit ſolcher Antwort von ſich. Daruͤber ergrimmet der tapfere Held Rudiger / bringet ein anſehnlich Heer auff die Beine / vnd faͤllet in Polen ein. Venda das Fraͤwlein zeucht jhme entgegen / vnd hatte heimlich dieſes Ge - luͤbde gethan / ſo ſie obſiegen wuͤrde / das ſie ſich jhren Goͤttern zun Ehren in jhrer Jungfrawſchafft auff - opffern wolte. Als aber beyde Heer in der Ord - nung gegen einander hielten / duͤncket es den Teut - ſchen ſchimpflich zu ſein / wider ein Weib vmb Liebe willen das Schwerd zuzucken / vnd halten bey jhrem Fuͤrſten Rudiger an / er moͤge ſich eines beſſern be - dencken. Aber Zorne vnd Liebe ſind ſo vngehalten bey jhme / das er ſein eigenes Schwerd ergreiffet / vnd daſſelbe ſich ins Hertze drucket. Alſo ziehen die Teutſchen vnd Polen von einander / vnd machen ei - nen newen Bund vnter ſich. Venda aber iſt einge - denck jhres Geluͤbdes / vnd da ſie anheimb kompt / vndgleich -161Vom alten Wendiſchen Pommerlande. gleichſam im Triumpff von den Jhrigen begleitet wird / ſpringet ſie von der Bruͤcken in die Weyfſel / vnd begehret nicht zu leben / nach deme fich jhrent - halben ein tapffer Held vmbs Leben gebracht hette. Vnd alſo kompt das Regiment in Polen abermahlen auff die xij. Waywoden oder Palatinos.

Wenn ich bey dieſer Hiſtorien meines Hertzen grund ſagen ſol / ſo beduͤncket mich / das gemelter Ru - diger ein Wandaliſcher oder Rugianiſcher Pommer - ſcher Fuͤrſte geweſen ſey / vielleicht aus der alten Ruti - clier Geſchlechte. Dann wo waren ſonſt daß mahl Teutſche Fuͤrſten / die Nachbawren der Polen waren? Die Schwaben / Francken / Sachſen / Thuͤringen / Beyern / ſaſſen mitten in Teutſchland / vnd konten ſchwerlich ein Heer durchbringen / daß ſie in Po - len fuͤhreten. Marck / Mechelnburg / vnd ein groß Theil der Pommeren war mit den Wenden beſetzet. Aber allein die Rugianer hatten einen Koͤnig vber ſich / ſaget Helmoldus; Das waren aber alte Wan -Helm. lib. 1. Chron. Slav. daliſche Pommeren / vnd hetten nur nicht allein die Jnſul Ruͤgen ein / ſondern jhre Gewalt erſtreckete ſich auch in ein groß Theil des feſten Landes. Vnd vn - ter ſolchen Ruͤgianiſchen Fuͤrſten / wird Ratzlaff in - ſonderheit zu dieſer Zeit genennet / welcher im Jahr dcclxxviij. ſeine Tochter Weyßlaff / oder wie ſie etlicheA. Ch. 77〈…〉〈…〉. nennen / Gunhildam / Warnecken einem Saͤchſiſchen Hertzog zur Ehe gegeben hat. Hierauß vermer - cken wir / das auch daßmahl die Rugianer Teutſche Nahmen beybehalten haben / vnd mit der andern Teutſchen Nation in gutem Vertrawen geſtanden ſeyn.

E eMitler162Das Ander Buch /
23. Die Polen er - wehlen Primis - laffen aus ei - nem geringen Stande zum Fuͤrſten vber ſich. Aber der hat nichtes mit den Pommern zuſchaffen. Neugenbavv. l. 2. hiſt. Polon. A. C. 760.

Mitlerweile warden die Polen abermahlen des Waywodiſchen Regiments vberdruͤßig / vnd erweh - leten auffs newe im Jahr dcclx. Primißlaffen / einen Goldſchmid / einen vernunfftigen klugen Mann / zum Fuͤrſten / weil ſie durch ſein Angeben die Hungern vnd Maͤhren / die jhnen ins Land gefallen wahren / vberwunden / vnd zuruͤcke getrieben hetten. Dann er hatte viele Helme vnd Schilde gemachet / vnd ſie alſo an die Baͤume geſtellet / das ſie einen Schein ei - nes groſſen Heeres von ſich gaben: Woruͤber die Feinde erſchrocken / die Flucht gegeben / vnd der Po - len Land gereumet haben. Das war nun die Vrſa - che / warumb ſie aus einem geringen Stande den Pri - mißlaff zum Fuͤrſtenthumb erhoben / vnd jhn hin - fort nicht Primißlaff / ſondern Leſcum geheiſſen ha - ben. Das er aber vber Pommern regieret habe / das findet man nirgends.

24. Carolus Ma - gnus fuͤhret wi - der die Pomme - riſche Wilzen an der Elbe Kriege / nimbt Brandenburg ein / verjaget die vnglaubige Sachſen / ſtret - tet wider Den - nemarck: Kan aber weil die Pommerſche Wilzen Gott - friden dem Koͤ - nige aus Den - nemarck beyſte - hen / nichtes außrichten.

Sonſten findet man beym Cranzio vnd ande - ren / das Carolus der Grofſe / ehe er iſt Roͤmiſcher Kaͤyſer geworden / vmbs Jahr Chriſti dcclxxxix. als er Wittekindum / der Sachſen Koͤnig / mit groſſen Kriegen zur Tauffe gebracht / vnterſchiedliche Zuͤge mit ſeinen Francken oder Frantzoſen wider die Pom - meriſche Wilzen / ſo ſich nunmehr an die Elbe mache - ten / vnd allenthalben vnter Koͤnig Ariberto oder Ehrenbrecht groſſen Schaden thaten / fuͤrgenom - men habe. Er hat zwo Bruͤcken vber die Elbe ge - ſchlagen / vnd die Wilzen / vnd vnter jhnen die Aiſten oder Oſten / ſo noch dasmahl am Balthiſchen Mee - re wohneten / hefftig verfolget. Jn dieſem Wilzi - ſchen Wendiſchen Kriege ſtuͤnden die Obotriter oderMeche -163Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. Mechelenbuͤrger / denen Koͤnig Carolus ein Theil vonGranz. lib. 2. Vand. c. 23. Annal. Fuldenſ. & Franc. Regino lib. 2. Eginhardi vita Carol M. Urſperg. & B. Rbenan. in vita Carol. Hollſtein verehret hette / auff der Francken ſeyten. Drumb drang Koͤnig Carolus durch / vberwand in einer Feldſchlacht Wilzam / oder wie jhn andere nen - nen / Wizand der Wilzen Fuͤrſten / namb die Stadt Brandenburg hinweg / vnd gab ſie den Harlungern ein / welche aus einem vornehmen Geſchlechte aus Elſas oder Brißgaw waren / vnd davon noch anjetzo der Harlungerberg vor Brandenburg den Nah - men behelt. Vnd dieſe haben bemelte Stadt bey hundert Jahren innen gehabt / ehe ſie von den Sla - ven haben wiederumb daraus koͤnnen gehoben wer -A. C. 789. den. Weil aber die Obotriter oder Mechelnburger es in dieſen Kriegen mit den Francken hielten / als ha - ben ſich die Sachſen / ſo den Chriſtlichen Glauben entweder verworffen / oder nie angenommen hetten /Sigebert. in Chrõ. ad ann. 796. G. Fabric. l. 1. Sax. ad an. 795. 796. 797. vnter Draſicone einem newauffgeworffenen Obri - ſten / wider ſie ſehr geſtaͤrcket / ſie in jhrem Lande vberfallen / vnd im Jahr dccxcv. Willung jhren Koͤ - nig / oder wie jhn Schaffnaburgenſis nennet / Wi - thar erſchlagen. Derowegen machete ſich Koͤnig Carolus alsfort mit einem maͤchtigen Heere noch eins auff die Beine / trieb die vnruhige Heydniſche Sachſen gewaltig ein / vnd welche jhren Nahmen nicht wolten Chriſto geben / oder ſich tauffen laſſen / die ließ er ſich davon machen / vnd innerhalb Mon - des friſt das Land reumen.

Nach ſolchen Saͤchſiſchen / Maͤrckiſchen / vnd Pommeriſchen Kriegen / hat Carolus der Groſſe ſichA. C. 810. wider die Daͤhnen zu Felde begeben: Aber Koͤnig Gottfried verwehrete es / das er nichts ſonderlichesE e ijaus -164Das Ander Buch /Erici Reg. Dan. & Duc. Pom. biſtor. narr at. Pontan. l. 4. hiſt. rer. Dan. p. 93. Chron. Alberts Abb. Stad. ausrichtete / ſondern wieder zu ruͤcke ſich begeben mu - ſte / ſprach auch folgendes die Schweden / Daͤhnen vnd Norwegen mit ſich auff / fiel im Jahr dcccx. mit einer groſſen Schiffs Armee in Frießland / vnd ſetze - te daſſelbe in Contribution / verwuͤſtete das gantze Sachſen Land / vnd inſonderheit Hamburg / das - mahl Hohenburg genant / an der Elbe / kam auch biß an Mechelenburg / nam davon ein groß Theil hinweg / verjagete Traſchonem der Obotriter Fuͤr - ſten / vnd Gottlieben / einen andern Fuͤrſten / bekam er mit Liſte in ſeine Gewalt / vnd ließ jhn erhencken / vnd warff ein groß Theil Mechelenburg vnter ſich. Obge - dachter Traſcho hat zwar mit huͤlffe der Sachſen ſein Land wiederumb erobern wollen / vnd iſt in der Wil - tzen oder Pommern Land gekommen / vnd hat Sa - melding eine groſſe Stadt gewonnen. Aber er iſt druͤber Koͤnig Gottfrieden aus Dennemarck in die Haͤnde gerathen / vnd von jhme erſchlagen worden. Vnd die Wiltzen giengen weit biß an die Elbe hinan / erſtiegen Hochbock die Stadt / da Fraͤnckiſche Be - ſatzunge innen war. Vnd Koͤnig Gottfriede war gar entſchloſſen / weil er ſie auff ſeiner Seyten hette / mit Carolo dem Groſſen ein Treffen zu wagen. Aber er ward von ſeinem Diener / oder / wie Eginhartus ſa - get / von ſeinem eigenen Sohne ermordet / vnd iſt alſo Carolus / laut ſeines eigenen Bekentnuſſes / eines groſſen Feindes entlediget geworden. Nach Gott - frieden regierete in Dennemarck Koͤning Hemming oder Henning. Derſelbige machete mit Carolo Frie - de / vnd trat jhme die abgenommene Orter gutwillig ab. Darumb machete ſich Carolus auffs newe an die Wiltzen / vnd brachte ſie zum Gehorſamb.

Als165Vom Alten Wendiſchen Pommerlande.

Als Carolus Magnus im Jahr dcccxiv. ver -25. Ratibor vñ M[i -]roslaff zweene Pommeriſche Fuͤrſten zaucken fich vmb die Re - gierung vnd er - wehlen Kaͤyſer Ludovicum 1. zum Scheides - Mann. Granz. lib. 2. Vand. c. 24. Uſperg. & Sige - bert. & Abbas Stadenſ. ad ann. 823. Mich. Ritius in vita Ludovici. Gaſſar. in Epit. hiſt. & Chron. Sext. æc. A. C. 814. ſtarb / vnd ſein Sohn Ludewig der fromme / der her - nach das Ertz Biſchoffthumb Hamburg ſtifftete / welches endlich nach Bremen verleget iſt / zum Kaͤy - ſerthumb gelangete / ſind zween Wendiſche vnd Wil - tziſche Fuͤrſten der Sidiner / Miroßlaff vnd Ratibor / die andere / als Abbas Stadenſis / Milegaſt vnd Ce - leadrog nennen / des Luͤbiths Soͤhne / welcher ein Fuͤrſt der Wiltzen / zun zeiten Caroli des Groſſen / ge - weſen iſt / wegen der Regierung mit einander vneins geworden. Solche ſtelleten ſich beyde zu Franck - furt / da dasmahl ein Reichstag gehalten ward / bey Kaͤyſer Ludewig vor Gericht / vnd nahmen jhn zum Scheides Wañ an. Derſelbe machete auch den Auß - ſpruch / ob ſchon der Vater dem Elteren die Regie - rung in ſeinem letzten Willen anvertrawet hette / das dennoch / weil die Vnterthanen wegen des Elteſten Vntuͤchtigkeit lieber den Jungen begehreten / der Eltere Miroßlaff dem Juͤngeren Ratiborn weichen / vnd mit einem gewiſſen Orte des Landes zufrieden ſein ſolte: Vnd ließ ſie alſo mit Geſchencken von ſich.

Hiebey hat auch Kaͤyſer Ludewig Gelegenheit26. Evangelium wird in Ruͤgen zun Zeiten Lu - dovici 1. des Kaͤyſers gepre - diget. bekom̃en / das Evangelium vnd den Chriſtenthumb vnter die Pommeren / vnd inſonderheit vnter die Ru - gianer / zubringen. Vnd hat etliche Muͤnche auffs dem Cloſter zu Corvey / das er an dem Weſerſtrom geſtifftet hatte / biß in die Jnſul Ruͤgen abgeferti - get / die allda einen guten Anfang des ChriſtlichenHelm. l. 1. Slav. Chron. c. 2. & l. 2. c. 12. Glaubens gemachet / vnd eine Kirche zun Ehren Sanct Viti / welchem Heiligen das CorveyiſcheE e iijCloͤſter166Das Ander Buch /Crantz l. 2. Vand. c. 25.Cloͤſter zum Patronen hat / weil er da begraben lieget / erbawet haben. Als dieſen guten Fortgang des Ev - angelij Kaͤyſer Ludewig vernam / hat er den Rugia - nern den zuvor aufferlegeten Tribut erlaſſen / mit dem bedinge / das ſie denſelben S. Vito / vnd dem Cloſter zu Corvey liefern ſolten.

27. Geſtimulus ein Fuͤrſt der Ru - gianer wird von Lothario 1. dem Kaͤyſer erſchla - gen / vnd die Jnſul Ruͤgen S. Vito vereh - ret / darin her - nach Suantovit an ſtat des le - bendigen Got - tes iſt verehret worden.

Aber das die Rugianer ſich wenig daran gekeh - ret / ſiehet man aus einer Verſchreibung / ſo zu Aach im Jahr dcccxliv. den xx. Martij auff gerichtet iſt / dar - in Kaͤyſer Lotharius Ludovici Sohn die Jnſul Ruͤ - gen dem Cloͤſter zu Corvey zu Gottes vnd vnſers Er - loͤſers / vnd S. Stephani Ehren verehret. Jn ſol - chem Briefe iſt zufinden / das / als er in einem harten Streite wider die Rugianer vnd jhren Fuͤrſten Geſti - mulum ſich befunden / vnd ſehr bedrenget geweſen / er S. Vito ein Geluͤbd gethan habe / ſo er ſiegen wuͤr - de / das er alles / was er damit erſtreiten wuͤrde / jhme geben vnd zueigenen wolte. Weil er derowegen in dem harten Treffen Geſtimulum mit vielen andern vornehmen Officierern erſchlagen / vnd alle feſte Or -A. C. 844. ter der Jnſul Ruͤgen einbekommen hette / als hat er dieſelbige dem Abt / vnd ſeinen Succeſſoren in dem Cloſter zu Corvey geſchencket vnd verehret.

Hiebey mercke man nun / was es fuͤr eine Er - gernus vnd vnchriſtlich Werck ſey / wenn man neben dem wahren Gotte auch andere Patronen auffwirfft. Denn die Rugianer / denen nebenſt Chriſto S. Vitus geprediget war / verlaſſen endlich den HErren / vnd behalten den Diener: Fallen vom Chriſtlichen Glau - ben wieder ab / jagen die Prieſter aus dem Lande / vnd behalten das Gedaͤchtnus S. Viti bey / vnd nennendenſel -167Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. denſelben hinfort Svantovitum: Achten jhn bey ccl. Jahr fuͤr den Obriſten GOtt / der alles regieret / opfern jhme nicht allein Rinder vnd Schaffe / ſon - dern auch Chriſtenblut / vnd bringen dieſen newen Abgott in ſolchen beruff / daß die gantze WendiſcheHelm. l. 2. Chrõ - Slav. c. 12. Nation biß an Holſtein hinein jhme Jaͤhrlichen Tri - but vnd Zinß zuſandte / wie Helmoldus zeuget.

Ehe dieſes alles geſchahe / haben ſich auch die28. Die Mechelbur - ger vnd andere Wenden wehren ſich tapffer wi - der die Sachſen / vnd wider Lude - wig den Koͤnig in Germanien. Aventinus in annal. Boj〈…〉〈…〉 Obotriti oder Mechelenburger vom Kaͤyſer Ludo - vico Pio / deme ſie bißher gehorſamet / loßgeriſſen / vnd ſich zun Normaͤnnern geſchlagen / die das Reich daßmahl anfiengen anzufallen. Jhre Fuͤrſten ſind geweſen Celeadrogus vnd Slaomir. Celeadrogus iſt bald verſtorben. Slaomir aber ſein Bruder hat ſich tapfer gewehret / biß er durch die Sachſen / die dieſen Mechelburgiſchen Krieg zufuͤhren auff ſich nahmen / iſt gefangen / vnd zum Kaͤyſer nach Aach ge - fuͤhret worden. Gleichwol lieſſen die Mechelnburger nicht nach / ſondern wehreten ſich lange / inſonderheit weil die andere Wenden jhnen beyſprungen / biß endlich Ludovicus / Kaͤyſer Lotharij Bruder / der das Koͤnigreiche in Germania fuͤhrete / ſie erſtlich ſelber mit einem Heere vberzog / hernach auch Ludewig ſei - nen Sohn / wider ſie vnd die ſaͤmptliche Slavonier oder Wenden / die ſich zuſammen thaten / außſandte. Jn dieſen Kriegen wird Raſtitz der Slaven Koͤnig oder Fuͤrſte genant / welchen gemelter Koͤnig in Ger - manien Ludewig hat gefangen bekom̃en / vnd jhme beyde Augen außſtechen laſſen / weil er den mit jhme zuvor auffgerichteten Bund verlaſſen hette. Son - ſten finde ich zu dieſer Zeit einen Maͤhriſchen Koͤnigoder168Das Ander Buch /oder Fuͤrſten Ratißlaff / welcher auch von Koͤnig Lu - dewig iſt gefangen / geblendet / vnd in ein Kloſter ge - ſtoſſen worden. Ob einer nun wol meinen moͤchte / das Raſtitz der Slaven Fuͤrſte / eben dieſer Maͤhri - ſche Ratißlaff ſey / ſo ſind es doch vnterſchiedliche Nahmen / vnd wird Raſtitz ein Koͤnig der Slaven / die an der Elbe Oſtwerths wohnen; Ratißlaff aber / ein Koͤnig vber die Maͤhren genennet.

29. Die Polniſche Scribenten ha - ben wenig Grũd wann ſie ſagen / daß das gantze Land von der Weyſſel biß an die Elbe vor 900. Jahren jhren Koͤnigen ſey vnterworf - fen geweſen / vnd dz die Fuͤr - ſten in Mecheln - burg vnd Pom - mern ſollen von Vnechten Kebs - weibern Popieli gezeuget ſeyn.

Da nun alſo die Vor Pommeriſche nebenſt den Mechelenburgern mit den Roͤmiſchen Kaͤyſern vnd Teutſchen Koͤnigen zuthun haben / finden die Hin - ter Pommeriſche Caſſuben auch newe Feinde in Po - len. Welches ehe ich außfuͤhrlich darthue / mus ich mich vber etliche Polniſche Scribenten hoͤchlich ver - wundern / die jhren Fuͤrſten / ſo von Primißlaffen / oder Leßco dem Erſten biß an Piaſtum bey lxxx. Jah - ren regieret haben / ſchon ſolche Macht zuſchreiben / als wenn ſie vber gantz Pommeren / Ruͤgen / Marck / Mechelenburg / Laußnitz / Sorabiam oder Meiſſen / biß an Magdeburg hinan / zugebieten gehabt hetten. Dann ſie vermelden / das Leſcus der Dritte aus ſei - nem Ehelichen Weibe Popielum / vnd aus Vnechten Kebsweibern xx. andere Soͤhne gezeuget habe. Po - pielo ſagen ſie / habe er im Jahr dcccxv. nach ſich die Crone in Polen beſcheiden. Aber den anderen ha - be er die andere gemelte Laͤnder außgetheilet / mit dem bedinge / das ſie Popielo den Huldigungs Eyd leiſten ſolten. Vnd alſo ſey Boleßlaff / Barnim / Bog -A. C. 815. dal vber Pommeren geſetzet; Vratißlaff vber das Land zu Ruͤgen / welches ſie aus Vnwiſſenheit Meiſ - ſen nennen. Caſimir vnd Vladißlaff vber Caſſuben:Otam /169Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. Otam / Pribislaff / Ziſemar / habe die Laußnitz bekom - men: Jaxan vnd Semian / Sorabiam: Ziemovitus vnd Ziemovislus die Marck Brandenburg: Vißi - mirus / Mechelenburg: Vitzlaff Magdeburg: So - bißlaff Dalenburg. Vnd von dieſen ſollen nach jhrer Meinung nicht allein die Pommeriſche Fuͤrſten / ſon - dern auch Pribißlaff / der Stam̃ jetziger Hertzogen aus Mechelenburg / herkommen ſeyn. Aber alle die - ſem Vorgeben widerſprechen alle Hiſtorien / welche von keiner Gewalt der Polen wiſſen / die ſich vmb die Zeit biß an die Elbe vñ Havel erſtrecket habe. Dann ob wol die Slavoniſche vnd Wen diſche Nation ſich weit ausbreitete / vnd nicht alleine biß an die Elbe vnd Havel / ſondern auch gar biß an die Sale gelan - gete / ſo ſind doch ſolche Wenden / die ſich in Teutſch - land niederlieſſen / niemahln vnter Polniſch Gebiet gekom̃en. Ja da ſie ſchon eines Theiles mit der Zeit Fuͤrſten vber ſich zuſetzen anfiengen / waren ſie nich - tes minder freye Leute / wuſten von keinem allgemei - nen Koͤnige / wie wir zuvor aus Helmoldo angezogen haben / vnd geſtunden den Polniſchen Fuͤrſten oder Koͤnigen keine Bottmeßigkeit. Das iſt vnleugbar / das die Ruͤgianer vnd Mechelenburger / wie auch zum Theil die Stetiniſche Pommeren / ſchon zu die - ſen Zeiten Fuͤrſten vber ſich gehabt haben / derer etli - che von vns droben genennet ſeyn. Wie hat den Le - ſcus dieſelbige abſetzen / vnd ſeine Baſtarten an jhre Statt bringen koͤnnen? Sind dann die tapfere Ru - gianer nebenſt den Edelen Wiltzen vnd Loytzern / vnd den andern Nationen fort ſo willig geweſen / das ſie eben vnaͤchte Baſtarten zu Regenten annahmen? F fWelche170Das Ander Buch /Welche ſich Kaͤyſern vnd Koͤnigen widerſetzen doͤrf - ten / haben die nicht eins wieder ſolches anmuthen Leſci vnd Popieli mucken muͤſſen? Carolus der Groſ - ſe hat eben zu der zeit / da Leſcus der dritte lebete / mit den Daͤhnen ſich vmb Mechelenburg vnd Pom̃eren geſchlagen / vnd ſind die Kriege drin vorgegangen / die wir droben erzehlet haben. Wie hat denn Le - ſcus ſolche Laͤnder vnd andere Provincien / da er nie - mahln einen Fuß hinein geſetzet hat / verſchencken vnd vergeben koͤnnen? Doch diß wollen wir alles hin - dan ſetzen / vnd nur hoͤren / was Cromerus / vnd an - dere Polniſche Geſchichtſchreiber / weiter von den xxj. Baſtarten jhres Koͤniges Leſci vorbringen.

Crom. Neuge - bavv. Guagni - nus & alii Hiſt. Polon. A. C. 830.

Als Popielus Leſci Sohn nach xv. Jahren ſei - ner Regierung verſtarb / iſt Popielus des Nahmens der Ander im Jahr dcccxxx. zur Regierung gekom - men / vnd weil er ein Vnkeuſcher / Geyler / Gottloſer Menſch war / hat er aus anregung ſeines Weibes al - le ſeine Vater Bruͤdere / derer xx. ſollen geweſen ſein / zu ſich erfordert / ſie mit Gifft getoͤdtet / vnd iſt druͤber von GOtt dermaſſen geſtraffet worden / das er mit ſeinem Weibe vnd zweyen Soͤhnen von den Maͤuſen im Schloß Crußvitz iſt gefreſſen worden. Vnd drauff iſt ein geringer / doch frommer Buͤrgersman zu Crußvitz / mit Nahmen Piaſtus / zum Regiment erhoben worden. Haben dann die ſaͤmptliche Nach - kommen Popieli des Elteren / welche die Marck / Pom - meren / Mechelenburg / Laußnitz vnd ein groß Theil von Sachſen eingehabt / wie ſie ſagen / dieſem Buͤr - gersman alsfort gehuͤldiget? Oder ſo die Polen ſie / weil ſie aus Baſtarten gebohren waren / nicht anneh -men171Vom Alten Wendiſchen Pommerlande. men wolten / wie Neugenbawerus ſaget / haben dann dieſelbige / ſo maͤchtige Fuͤrſten waren / alſo leichtlich einem geringen Manne einen Huldigungs Eyd ge - leiſtet? Mir kompt alles in dieſem Dinge verdaͤch - tich vnd vngereimbt fuͤr. Doch wolte ich ſolches nicht hieher ſetzen / wenn nicht etliche Polniſche Scri - benten / vnd vnter jhnen Gnagninus vnd Cromerus / die loͤbliche Fuͤrſten von Pommeren von den ver - meineten xx. vnaͤchten Soͤhnen des Popieli herfuͤh - reten.

Sonſten gebe ich wol nach / das / wie Cromerus30. Ziemovi Piaſti Sohn krieget wider die Hin - ter Pommeren: Richtet aber nichts aus. Vnd hernach bleiben die Pommeren lange Zeit von den Polen vn - angefochten. ſaget / gemeltes Piaſti Sohn Zimovitus / als er nach dem Vater zum Regiment gekommen iſt / wider die Caſſuben vnd Hinter Pommeren einen Krieg ange - fangen habe. Aber wie derſelbe ſey abgelauffen / iſt beym Cromero vnd Neugenbawero befindlich. Er hette / ſagen ſie / die Pommeriſche vnd Caſſubiſche Fuͤrſten / Popieli Neffen / ſo von ſeinem Vater abge - fallen waren / vnd ſich mehr mit des Landes Gele - genheit / als mit Kraͤfften ſchuͤtzeten / wie jhnen zu re - den geliebet / endlich bezwungen / wann er nicht ver -A. C. 870. ſtorben were. Woher wiſſen ſie das aber / das es wuͤrde geſchehen ſeyn? Wie / wann es dann nicht geſchehen were? Vnd warumb lieſſen die folgende Fuͤrſten in Polen / als Leſcus ix: Ziemonißlaus / vnd Micißlaus die Pommeren / die geringe in jhren Au - gen waren / in jhrer Freyheit bleiben / wann ſie zu jhrem Gebiete gehoͤreten?

F f ijOb172Das Ander Buch /
11. Die Pom̃eren / wie auch andere Slavonier / neh - men nunmehr / da ſie von den Teutſchen Kaͤy - ſern angefoch - ten werden / Fuͤrſten vber ſich.

Ob nun wol alſo / wie gemeldet / in Hinter Pom - meren ſich auch Polniſche Kriege wider die Pomme - ren anſtrengeten / ſo ſind ſie doch fuͤr dißmahl bald geſtillet worden. Dann die Slavoniſche Wendiſche Nation in der Marck / Mechelenburg / Maͤhren / Meiſ - ſen / Pommeren / Schleſien / Polen / Boͤhmen ſahe / wie die Roͤmiſche Kaͤyſer vnd die Teutſche Voͤlcker auff ſie herein drungen. Derowegen war es jhnen nicht rathſamb / daß ſie ſich einander verfolgeten. Ja was die Roͤmiſche Kaͤyſer den Slaven in Mechelen - burg / Marck vnd Pommeren anmutheten / das jhnen nemlich