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Oſnabruͤckiſche Geſchichte
allgemeine Einleitung
Oſnabruͤck1768Zu finden in der Schmidiſchen Buchhandlung.

Vorrede.

Der Vorſatz eine Geſchichte meines Vaterlandes zu ſchreiben, iſt bey mir ſehr ſpaͤt entſtanden; und ſeit - dem ich mich daran gewagt habe, oft unterbrochen worden. Der ſeelige Profeſſor Lodman, mein Freund von der erſten Kindheit an, hatte, wie ich glaube, von der Natur einen Trieb dazu empfangen. Denn ſchon im zehnten Jahre ſeines Alters fieng er an damit zu ſpielen; und ich theilte ihm nachher das - jenige gern mit, was ich zufaͤlliger Weiſe fand. Al - lein der Tod hat ihn mir und ſeinem Vorſatze zu fruͤh entriſſen. Seine Monumenta Oſnabrugenſia er - ſchienen noch fuͤr ſeinem Ende; und ſeine Geſchichte, ſo weit ſolche fertig geworden iſt, beruhet bey ſeinen Erben. Meine Abſicht war anfangs mir ſolche aus - zubitten und gemein zu machen; hiernaͤchſt aber die* 2Ge -Vorrede. Geſchichte der letzten Jahrhunderte wovon ich in der Folge beſſere Nachrichten erhielt, als ihm das Gluͤck gegoͤnnet hatte, ſelbſt auszuarbeiten. Und in dieſer Abſicht wandte ich zuerſt, nachdem ich bereits zwan - zig Jahre mit Arbeiten von ganz andrer Art beladen geweſen, einige erſparete Stunden darauf, um die noͤthigen Auszuͤge zu machen. Bey der Arbeit aber fuͤhlte ich bald, daß die neuern Zeiten durchaus das Licht der alten noͤthig haͤtten. Jch ward daher zuerſt genoͤthiget bis zu der Epoche des mit Herzog Hein - rich dem Loͤwen geſprengten Großherzogthums Sach - ſen zuruͤck zu gehen. Wie ich hier war, muſte ich die Verfaſſung unter Carln dem Groſſen haben, und endlich um ſolche recht anzulegen in die aͤlteſten Zeiten hinauf gehen.

Hier waͤre mir die Arbeit meines Freundes beſon - ders noͤthig geweſen; und ich wuͤnſche noch immer, daß ſolche von ſeinem geſchickten Vettern, der ſich be - reits durch gluͤckliche Proben zeigt, der Welt bekannt werden moͤge. Denn ich habe vieles uͤbergangen, was nicht zu meiner Abſicht gehoͤrte; und unſer beyder Geſichtspunkt iſt ſehr von einander unterſchieden ge - weſen; indem ich vorzuͤglich die Geſchichte unſrer Rech - te, Sitten und Gewohnheiten zu entwickeln mich be - muͤhet, und die Begebenheiten ziemlich nach dieſer Abſicht geordnet habe; er aber mit aller ihm eignen Genauigkeit die Vorfaͤlle, ohne ſolchen eine gewiſſe Richtung zu dieſem oder jenem Ziele zu geben erzaͤhlet und beſchrieben hat. Mein Freund wuͤrde Fehler ver -mie -Vorrede. mieden haben; ich aber habe nothwendig ſehr oft ge - fehlt, indem man ſich gegen das funfzigſte Jahr ſeines Alters nicht ungeſtraft in ein Feld wagt, worin man in ſeinen Lehrjahren voͤllig unbekannt geweſen; ich kann ſelbſt einiges davon anfuͤhren.

Da meine Zeit zu kurz war: ſo gieng ich uͤberall unmittelbar zu den Quellen; und meine wenige Be - kanntſchaft mit ihnen machte, daß ich alles neu zu ent - decken glaubte. Das Vergnuͤgen, welches ich dabey empfand, verfuͤhrte mich zu unzaͤhligen Ausſchweifun - gen; wovon ich mit ziemlicher Strenge eine unge - heure Menge nachwaͤrts verworfen, doch aber nach dem mir vorgeſteckten kleinen Ziel, noch viel zu viel beybehalten habe.

Ein ander Fehler iſt, daß ich den Anfang zum ſchreiben auf Reiſen waͤhrend dem letzten Kriege ge - macht, und mir erſt jede Sache nach ihrer Moͤglich - keit vorgeſtellet, und ſolche hernach zu Hauſe vielleicht nicht mit genugſamer Unpartheylichkeit gegen die Be - weiſe gepruͤfet habe. Daher kann einiges einen ſchein - baren Hang nach der Hypotheſe behalten haben. Denn dieſe pflegt ihren erſten Liebhaber doch noch im - mer heimlich und unſichtbar zu verfolgen. Manches aber iſt ſicher, wie ich jetzt ſehe, zu weit ausgeholet; und ich haͤtte verſchiednes weit naͤher aus der Reichs - Vogteylichen Verfaſſung haben koͤnnen, was ich aus den aͤltern Zeiten zu weit geſucht habe. Jndeſſen glaube ich doch eben dadurch, daß ich auf eine ſonder - bare Art verfahren, und nicht ſofort den gewoͤhnlich -* 3ſtenVorrede. ſten Weg eingeſchlagen bin, manches auf eine neue Art gewandt und viele hiſtoriſche Wahrheiten moͤgli - licher und wahrſcheinlicher erzaͤhlet zu haben, als an - dre, welche entweder mit Sammlen den Anfang ma - chen, und dann mit ermuͤdetem Geiſte die Feder an - ſetzen, oder nur blos ein ſchlechtes Gebaͤude verbeſſern.

Vielleicht habe ich auch darin gefehlet, daß ich die Charakter der vorkommenden Perſonen niemals in ei - nem beſondern Gemaͤhlde entworfen, und nur ſehr ſel - ten einige Betrachtungen mit eingeſtreuet habe. Jch bin aber gewiß, daß die erſtern ſehr viel von meiner eignen Erfindung behalten haben wuͤrden, und halte in Anſehung der letztern dafuͤr, daß in der Geſchichte, ſo wie auf einem Gemaͤhlde blos die Thaten reden, und Eindruck, Betrachtung und Urthel jedem Zu - ſchauer eigen bleiben muͤſſen. Jm Alter, und faſt in jeder Periode des Lebens ſehen wir die Begebenheiten von einer ganz andern Seite an, machen ganz neue Betrachtungen daruͤber, und vertragen diejenigen nicht mehr, welche uns in juͤngern Jahren die praͤch - tigſten ſchienen. Daher thut in der Geſchichte die Handlung, wenn ſie moraliſch vorgeſtellet oder mit ihren Urſachen und Folgen erzaͤhlet wird, und ſchnell und ſtark fortgehet eben das was ſie auf der Schau - buͤhne thut. Sie erweckt, naͤhrt und fuͤllet die Auf - merkſamkeit der Zuſchauer mehr als alle dabey ange - brachte Sittenlehre; die oft zur Unzeit eine Thraͤne von demjenigen fordert, der uͤber die Handlung lachen muß.

Jch habe mir auch wohl nicht wenig geſchadet, daßichVorrede. ich dieſe meine Einleitung (welche eigentlich zu einer hiſtoriſchen Logic dienen, und daher vielleicht nicht Erzaͤhlungsweiſe geſchrieben ſeyn ſollte,) nicht erſt ganz entworfen, ſondern ſolche immer ſo, wie ein Bogen fertig wurde, in die Preſſe geſchickt habe. Da ich unter ſehr vielen Zerſtreuungen ſchrieb, und niemals glaubte, daß ich ſo viel als ein Alphabet auf einmal zu Stande bringen wuͤrde: ſo ſuchte ich mir gewiſſer maßen meine eigne Arbeit zu ſtehlen; und wenigſtens alle Monat einen Bogen in die Druckerey zu liefern. Je weiter ich kam je mehr lernte ich. Allein da die Bogen immer abgedruckt waren: ſo konnte ich nicht wieder einlenken; und muß mich jetzt begnuͤgen, wenn die Geſchichte meiner Fehler andre fuͤrſichtiger macht. Faſt hatte ich mich entſchloſſen den Abdruck ganz wie - der zu unterdruͤcken; oder ihn doch erſt blos als ein Manuſcript guten Freunden zur Verbeſſerung auszu - theilen; es ſind auch wuͤrklich bereits uͤber zwey Jahr, daß ſolcher geruhet hat. Endlich aber wage ich es doch ihn mit dieſer Vorrede noch zu begleiten und ihn als einen bloſſen Verſuch dem guͤtigen Leſer zu em - pfehlen.

Was ich am mehrſten fuͤhlte, war dieſes, daß un - fre Sprache eine Verraͤtherin der edlen Freyheit ge - worden war, und den Ausdruck verlohren hatte, welcher ſich zu meinen Begriffen paßte. Die aͤlteſten Geſchichtsſchreiber von Deutſchland haben nicht in unſer Sprache geſchrieben, und dem ſtarken deutſchen Koͤrper ein ganz fremdes Colorit gegeben. Wie man aber anfieng unſre Mutterſprache zu gebrauchen: ſo hatte die Lehnsverfaſſung die gemeine Freyheit ſchon* 4gefeſ -Vorrede. gefeſſelt, und die Sprache der vorherigen Verfaſſung theils verdunkelt, theils zu einem andern Verſtande umgebildet, und theils unverſtaͤndlich gemacht. Oft hat daher meine Empfindung mit den Worten ge - kaͤmpft, und ich bin nicht ſelten in der Verſuchung geweſen auf die Geſchichte einzelner Worte, welche immer von Jahrhundert zu Jahrhundert einen andern Sinn erhalten haben, auszuſchweifen. Da ich aber in manchen Anmerkungen ſchon bis ans rothe Meer gekommen war: ſo konnte ich meiner eignen Critik nicht weiter entwiſchen. Doch bin ich noch ſo weit nicht bekehrt, um eine Vorrede ohne Ausſchweifung ſchlieſſen zu koͤnnen.

Die Geſchichte von Deutſchland hat meines Ermeſ - ſens eine ganz neue Wendung zu hoffen, wenn wir die gemeinen Landeigenthuͤmer, als die wahren Be - ſtandtheile der Nation durch alle ihre Veraͤnderungen verfolgen; aus ihnen den Koͤrper bilden und die groſ - ſen und kleinen Bediente dieſer Nation als boͤſe oder gute Zufaͤlle des Koͤrpers betrachten. Wir koͤnnen ſo denn dieſer Geſchichte nicht allein die Einheit, den Gang und die Macht der Epopee geben, worin die Territorialhoheit, und der Deſpotiſmus, zuletzt die Stelle einer gluͤcklichen oder ungluͤcklichen Aufloͤſung vertritt; ſondern auch den Urſprung, den Fortgang und das unterſchiedliche Verhaͤltnis des Nationalcha - rakters unter allen Veraͤnderungen mit weit mehrer Ordnung und Deutlichkeit entwickeln, als wenn wir blos das Leben und die Bemuͤhungen der Aerzte be - ſchreiben, ohne des kranken Koͤrpers zu gedenken. Der Einfluß, welchen Geſetze und Gewohnheiten,Tugen -Vorrede. Tugenden und Fehler der Regenten, falſche oder gute Maaßregeln, Handel, Geld, Staͤdte, Dienſt, Adel, Sprachen, Meynungen, Kriege und Verbin - dungen auf jenen Koͤrper und auf deſſen Ehre und Ei - genthum gehabt; die Wendungen, welche die Geſetz - gebende Macht oder die Staatseinrichtung uͤberhaupt bey dieſen Einfluͤſſen von Zeit zu Zeit genommen; die Art, wie ſich Menſchen, Rechte und Begriffe allmaͤh - lich gebildet; die wunderbaren Engen und Kruͤm - mungen, wodurch der menſchliche Hang die Territo - rialhoheit empor getrieben und die gluͤckliche Maͤßi - gung, welche das Chriſtenthum, das deutſche Herz, und eine der Freyheit guͤnſtige Sittenlehre gewuͤrket hat, wuͤrde ſich wie ich glaube, ſolchergeſtalt in ein vollkommenes fortgehendes Gemaͤhlde bringen laſſen und dieſem eine ſolche Fuͤllung geben, daß der Hiſto - rienmahler alle uͤberfluͤßige Groupen entbehren koͤnnte.

Dieſe Geſchichte wuͤrde vier Hauptperioden haben. Jn der erſten und guͤldnen war noch mehrentheils jeder deutſcher Ackerhof mit einem Eigenthuͤmer oder Weh - ren beſetzt; kein Knecht oder Leut auf dem Heerbanns - gute gefeſtet; alle Freyheit, als eine ſchimpfliche Ausnahme von der gemeinſamen Vertheidigung ver - haßt; nichts als hohe und gemeine Ehre in der Na - tion bekannt; niemand, auſſer dem Leut oder Knech - te einem Herrn zu folgen verbunden; und der gemeine Vorſteher ein erwaͤhlter Richter, welcher blos die Urtheile beſtaͤtigte, ſo ihm von ſeinen Rechtsgenoſſen zugewieſen wurden. Dieſe guͤldne Zeit daurete noch guten Theils, wiewohl mit einer auf den Hauptzweck ſchaͤrfer anziehenden Einrichtung unter Carln dem* 5Groſ -Vorrede. Groſſen. Carl war aber auch der einzige Kopf zu die - ſen antiken Rumpfe.

Die zweyte Periode gieng allmaͤlig unter Ludewig dem frommen und ſchwachen an. Jhm und den un - ter ihm entſtandenen Partheyen war zu wenig mit Bannaliſten, die blos ihren Heerd und ihr Vaterland bey eigner Koſt und ohne Sold vertheidigen wollten, gedienet. Er opferte aus Einfalt, Andacht, Noth und falſcher Politik ſeine Gemeinen den Geiſt - lichen, Bedienten und Reichsvoͤgten auf. Der Bi - ſchof, welcher vorhin nur zwey Heermaͤnner ad latus behalten durfte, und der Graf oder Oberſte, der ihrer viere zum Schutze ſeines Amts und ſeiner Familie be - urlauben konnte, verfuhren mit den Reichsgute nach Gefallen, beſetzten die erledigten manſos mit Leuten und Knechten, und noͤthigten die Wehren ſich auf gleiche Bedingungen zu ergeben. Henrich der Vogler ſuchte zwar bey der damaligen allgemeinen Noth das Reichs-eigenthum wieder auf; und ſtellete den Heer - bann mit einigen Veraͤnderungen wieder her. Allein Otto der Groſſe ſchlug einen ganz andern Weg ein und gab das gemeine Gut denjenigen Preis, die ihm zu ſeinen answaͤrtigen Kriegen einige glaͤnzende und wohlgeuͤbte Dienſtleute zufuͤhrten. Jhm war ein Ritter, der mit ihm uͤber die Alpen zog lieber als tau - ſend Wehren, die keine Auflagen bezahlten, und keine andre Dienſtpflicht als die Landes-vertheidigung kannten. Seine Groͤſſe, das damalige Anſehn des Reichs und der Ton ſeiner Zeiten machten ihn ſicher genug zu glauben daß das deutſche Reich ſeines Heer -bannsVorrede. banns niemals weiter noͤthig haben wuͤrde. Und ſo wurde derſelbe voͤllig verachtet, gedruckt und verdun - kelt. Der Miſſus oder Heerbanns-commiſſarius welcher unter Carln dem Groſſen allein die Urlaubs - paͤſſe fuͤr die Heermaͤnner zu ertheilen hatte, verlohr ſein Amt und Controlle, Commiſſariat und Commando kam zum groͤſten Nachtheil der Land-eigenthuͤmer und der erſten Reichs-matrikel in eine Hand.

Jn der dritten Periode, welche hierauf folgte iſt faſt alle gemeine Ehre verſchwunden. Sehr wenige ehrnhaften Gemeine haben noch einiges Reichs-gut in dominio quiritario. Man verlieret ſo gar den Na - men und den wahren Begrif des Eigenthums, und der ganze Reichsboden verwandelt ſich uͤberall in Lehn - Pacht-Zins - und Bauer-gut, ſo wie es dem Reichs - oberhaupte, und ſeinen Dienſtleuten gefaͤllt. Alle Ehre iſt im Dienſt; und der ſchwaͤbiſche Friederich bemuͤhet ſich vergeblich der kayſerlichen Krone, wor - in ehedem jeder gemeiner Land-eigenthuͤmer ein Kleinod war, durch bloſſe Dienſtleute ihren alten Glanz wieder zu geben. Die verbundene Staͤdte und ihre Pfal-buͤrger geben zwar der Nation Hofnung zu einem neuen gemeinen Eigenthum. Allein die Haͤnde der Kayſer ſind zu ſchwach und ſchluͤpfrich, und an ſtatt dieſe Bundes-genoſſen mit einer magna charta zu begnadigen, und ſich aus allen Buͤrgen und Staͤd - ten ein Unterhaus zu erſchaffen welches auf ſichere Weiſe den Untergang der ehmaligen Land-eigenthuͤ - mer wieder erſetzt haben wuͤrde, muͤſſen ſie gegen ſol - che Verbindungen und alle Pfalbuͤrgerſchaft ein Reichsgeſetze uͤbers andre machen. Rudolph vonHabs -Vorrede. Habsburg ſieht dieſen groſſen Staatsfehler wohl ein, und iſt mehr als einmal darauf bedacht, ihn zu ver - beſſern. Allein Carl der IV. arbeitet nach einem den vorigen ganz entgegen geſetzten Plan, indem er die mittlere Gewalt im Staat wieder beguͤnſtigt, und Wenzels groſſe Abſichten, welche den Reichsfuͤrſten nicht umſonſt verhaßt waren, werden nie mit gehoͤ - riger Vorſicht oft durch gehaͤßige Mittel und insge - mein nur halb ausgefuͤhrt. Alle ſind nur darauf be - dacht die Dienſtleute durch Dienſtleute zu bezaͤhmen, und waͤhrender Zeit in Daͤnnemark der Landeigen - thum ſich wieder unter die Krone fuͤget; in Spanien der neue Heerbann, oder die Hermandad der mittlern Gewalt mit Huͤlfe der klugen Jſabelle das Gleichge - wichte abgewinnt; und in der Schweiz drey Bauern gemeine Ehre und Eigenthum wiederherſtellen, wurde die Abſicht des Bundſchuhes und andrer nicht undeutlich bezeichneter Bewegungen von den Kayſern kaum em - pfunden. Sigiſmund thut etwas, beſonders fuͤr die Frieſen; und Maximilian ſucht mit allen ſeinen guten und groſſen Anſtalten wohl nichts weniger, als die Gemeinen unter der mittlern Gewalt wieder hervor - und naͤher an ſich zu ziehen. Allein ſo fein und neu auch die Mittel ſind, deren er ſich bedient: ſo ſcheinet doch bey der Ausfuͤhrung nicht allemal der Geiſt zu wachen, der den Entwurf eingegeben hatte.

Mehr als einmal erforderte es in dieſer Periode die allgemeine Noth, alles Lehn-Pacht-Zins - und Bau - er-weſen von Reichswegen wieder aufzuheben, und von jedem Manſo den Eigenthuͤmer zur Reichsverthei - digung aufzumahnen. Denn nachdem die Lehne erb -lichVorrede. lich geworden, fielen ſolche immer mehr und mehr zu - ſammen. Der Kriegsleute wurden alſo weniger. Sie waren zum Theil erſchoͤpft; und wie die aus - waͤrtigen Monarchien ſich auf die gemeine Huͤlfe er - hoben, nicht im Stande ihr Vaterland dagegen al - lein zu vertheidigen. Allein eine ſo groſſe Revolution waͤre das Werk eines Bundſchuhes geweſen. Man muſte alſo auf einem fehlerhaften Plan fortgehen, und die Zahl der Dienſtleute mit unbelehnten, unbe - guͤterten und zum Theil ſchlechten Leuten vermehren, allerhand Schaaren von Knechten errichten, und den Weg einſchlagen, worauf man nachgehends zu den ſtehenden Heeren gekommen iſt. Eine Zeitlang reich - ten die Cammerguͤter der Fuͤrſten, welche ihre Macht auf dieſe Art vermehrten, zu den Unkoſten hin. Man wuſte von keinen gemeinen Steuren; und in der That waren auch keine ſteuerbare Unterthanen vorhanden, weil der Bauer als Paͤchter ſich lediglich an ſeinen Contrakt hielt, und ſein Herr frey war, wenn er als Gutsherr fuͤrs Vaterland, und als Vaſall fuͤr ſeinen Lehnsherrn den Degen zog. Die Cammerguͤter wur - den aber bald erſchoͤpft, verpfaͤndet oder verkauft. Und man muſte nunmehr ſeine Zuflucht zu den Lehn - leuten und Gutsherrn nehmen, um ſich von ihnen eine auſſerordentliche Beyhuͤlfe zu erbitten; und weil dieſe wohl einſahen, daß es ihre Sicherheit erfordere, ſich unter einander und mit einem Hauptherrn zu verbin - den: ſo entſtanden endlich Landſtaͤnde und Landſchaf - ten; wozu man die Staͤdte, welche damals das Hauptweſen ausmachten, auf alle Weiſe gern zog.

Alle noch uͤbrige Geſetze aus der guͤldnen Zeit,worinVorrede. worin die Reichsmanſi mit Eigenthuͤmern beſetzt ge - weſen waren verſchwanden in dieſer Periode gaͤnz - lich; wozu die Staͤdte, dieſe anomaliſchen Koͤrper, welche die Sachſen ſo lange nicht hatten dulden wol - len, nicht wenig beytrugen, indem ſie die Be - griffe von Ehre und Eigenthum, worauf ſich die ſaͤch - ſiſche Geſetzgebung ehedem gegruͤndet hatte, verwirre - ten und verdunkelten. Die Ehre verlohr ſo gleich ih - ren aͤuſſerlichen Werth, ſo bald der Geldreichthum das Landeigenthum uͤberwog; und wie die Handlung der Staͤdte unſichtbare heimliche Reichthuͤmer ein - fuͤhrte, konnte die Wehrung der Menſchen nicht mehr nach Gelde geſchehen. Es muſten alſo Leib - und Le - bensſtrafen eingefuͤhrt, und der obrigkeitlichen Will - kuͤhr verſchiedene Faͤlle zu ahnden uͤberlaſſen werden, worauf ſich die alten Rechte nicht mehr anwenden, und bey einer unſichtbaren Verhaͤltnis keine neue fin - den laſſen wollten. Die Freyheit litt dardurch unge - mein, und der ganze Staat arbeitete einer neuen Ver - faſſung entgegen, worin allmaͤhlig jeder Menſch eben wie unter den ſpaͤtern roͤmiſchen Kayſern, zum Buͤr - ger oder Rechtsgenoſſen aufgenommen, und ſeine Ver - bindlichkeit und Pflicht auf der bloſſen Eigenſchaft von Unterthanen gegruͤndet werden ſollte. Eine Ver - faſſung wobey Deutſchland haͤtte gluͤcklich werden koͤnnen, wenn es ſeine Groͤſſe immerfort auf die Handlung gegruͤndet, dieſe zu ſeinem Hauptintereſſe gemacht und dem perſoͤnlichen Fleiſſe und baaren Ver - moͤgen in beſtimmten Verhaͤltniſſen gleiche Ehre mit dem Landeigenthum gegeben haͤtte, indem als - dann die damals verbundene und maͤchtige StaͤdtedasVorrede. das Nationalintereſſe auf dem Reichstage mehren - theils allein entſchieden, Schiffe, Volk und Steuren bewilligt, und die Zerreiſſung in ſo viele kleine Terri - torien, deren eins immer ſeinen privat Vortheil zum Nachtheil des andern ſucht, wohl verhindert haben wuͤrden.

Der vierten Periode haben wir die gluͤckliche Lan - deshoheit oder vielmehr nur ihre Vollkommenheit zu danken. Jhr erſter Grund lag in der Reichsvogtey, welche ſich nach dem Maaſſe erhob und ausdehnte, als die Carolingiſche Grafſchaft, wovon uns keine ein - zige uͤbrig geblieben, ihre Einrichtung, Befungnis und Unterſtuͤtzung verlohr. Aus einzelnen Reichsvogteyen waren edle Herrlichkeiten erwachſen. Wo ein edler Herr ihrer mehrere zuſammen gebracht und vereiniget hatte, war es ihm leicht gelungen, dieſe Sammlung zu einer neuen Grafſchaft erheben zu laſſen und ſich damit die Obergerichte in ſeinen Vogteyen zu erwer - ben. Fuͤrnemlich aber hatten Biſchoͤfe, Herzoge, Pfalzgrafen und andre kayſerliche Repreſentanten in den Provinzien die in ihren Sprengeln gelegne Vog - teyen an ſich gebracht, und ſich daruͤber mit dem Grafenbann, und auch wohl um alle fremde Gerichts - barkeit abzuwenden, mit dem Freyherzogthum und der Freygrafſchaft belehnen laſſen. Der Adel, die Kloͤſter und die Staͤdte, welche nicht unter der Vog - tey geſtanden, hatten ſich zum Theil gutwillig den kay - ſerlichen Repreſentanten unterworfen, und der Kayſer hatte zu einer Zeit da noch keine Generalpacht erlaubt und bekannt war, ſich ein Vergnuͤgen daraus ge - macht, die mit vielen Beſchwerden und mit wenigemVor -Vorrede. Vortheil begleitete Ausuͤbung der Regalien, wozu er ſonſt eigne Localbeamte haͤtte beſtellen muͤſſen, den hoͤchſten Obrigkeiten jedes Landes zu uͤberlaſſen, und ſolchergeſtalt ſein eignes Gewiſſen zu beruhigen. Hie - zu war die Reformation gekommen und hatte allen Landesherrn oͤftere Gelegenheit gegeben diejenigen Rechte, welche ſich aus obigen leicht folgern lieſſen, in ihrer voͤlligen Staͤrke auszuuͤben, insbeſondre aber die Schranken welche ihnen ihrer Laͤnder eigne von der kayſerlichen Gnade unabhaͤngige Verfaſſung entgegen geſetzt hatte ziemlich zu erweitern, indem ſie die Voll - macht dazu theils von der Noth entlehnten, theils von dem Haſſe der ſtreitenden Religionspartheyen gutwil - lig erhielten. Und ſo war es endlich kein Wunder, wann beym weſtphaͤliſchen Frieden, nachdem alles lange genug in Verwirrung geweſen, diejenigen Reichsſtaͤnde, welche nach und nach die Vogtey, den Grafenbann, das Freyherzogthum und die ganze Vollmacht des miſſi in ihren Landen erlangt hatten, die Beſtaͤtigung einer vollkommenen Landeshoheit; andre hingegen, welche nur die Vogtey gehabt, je - doch ſich der hoͤhern Reichsbeamte erwehret hatten, die Unmittelbarkeit und in Religionsſachen eine noth - wendige Unabhaͤngigkeit erhielten.

Wenn man auf die Anlage der deutſchen Verfaſ - ſung zuruͤck gehet: ſo zeigen ſich vier Hauptwendun - gen, welche ſie haͤtte nehmen koͤnnen. Entweder waͤre die erſte Controlle der Reichsbeamte per miſſos ge - blieben. Oder aber jede Provinz haͤtte einen auf Le - benszeit ſtehenden Statthalter zum Controlleur undOber -Vorrede. Oberaufſeher aller Reichsbeamten erhalten. Oder ein neues Reichsunterhaus haͤtte den Kronbedienten die Wage halten muͤſſen; wenn man den vierten Fall nemlich die Territorialhoheit nicht haͤtte zulaſſen wol - len. Die erſte Wendung wuͤrde uns reiſende und pluͤndernde Baſſen zugezogen haben, oder alle Kayſer haͤtten das Genie von Carln dem Groſſem zu einem beſtaͤndigen Erbtheil haben muͤſſen. Jn der andern wuͤrden wir mit der Zeit wie die Franzoſen das Opfer einer ungeheuren Menge von Reichs-Generalpaͤchtern geworden ſeyn. Schwerlich wuͤrden auch unſre Schul - tern die dritte ertragen haben, oder die verbundnen Handelsſtaͤdte in Ober - und Niederdeutſchland haͤtten uns zugleich die Handlung durch die ganze Welt, ſo wie ſie ſolche hatten, behaupten und das ganze Reichs - Krieges - und Steuer-weſen unter ihrer Bewilligung haben muͤſſen. Und ſo iſt die letztere, worin jeder Lan - desfuͤrſt, die ihm anvertraueten Reichsgemeinen als die ſeinigen betrachtet, ſein Gluͤck in dem ihrigen fin - det und wenigſtens ſeinem Hauſe zu gefallen nicht al - les auf einmal verzehrt, allenfals aber an dem aller - hoͤchſten Reichsoberhaupte noch einigen Wiederſtand hat, gewiß die beſte geweſen, nachdem einmal groſſe Reiche entſtehen, und die Landeigenthuͤmer in jedem kleinen Striche, Staͤdte und Feſtungen unter ſich dulden, geldreiche Leute an der Geſetzgebung Theil nehmen laſſen und nicht mehr befugt bleiben ſollten ſich ſelbſt einen Richter zu ſetzen und Recht zu geben.

Dabey war es ein Gluͤck ſo wohl fuͤr die catholi - ſchen als evangeliſchen Reichsfuͤrſten, daß der Kayſer**ſichVorrede. ſich der Reformation nicht ſo bedienet hatte, wie es wohl waͤre moͤglich geweſen. Luthers Lehre war der gemeinen Freyheit guͤnſtig. Eine unvorſichtige Anwen - dung derſelben haͤtte hundert Thomas Muͤnzers erwek - ken, und dem Kayſer die vollkommenſte Monarchie zuwenden koͤnnen, wenn er die erſte Bewegung recht genutzt, alles Pacht-Lehn - und Zins-weſen im Reiche geſprengt, die Bauern zu Landeigenthuͤmern gemacht, und ſich ihres wohlgemeinten Wahns gegen ihre Lan - des-Gerichts - und Guts-herrn bedienet haͤtte. Allein er dachte zu gros dazu; und eine ſolche Unternehmung wuͤrde nachdem der Ausſchlag geweſen waͤre, die groͤßte oder treuloſeſte geweſen ſeyn.

Jndeſſen verlohr ſich in dieſer Periode der alte Be - grif des Eigenthums voͤllig; man fuͤhlte es kaum mehr, daß einer Rechtsgenos ſeyn muͤſſe, um ein echtes Eigen - thum zu haben. Eben ſo gieng es ſo wohl der hohen als gemeinen Ehre. Erſtere verwandelte ſich faſt durch - gehends in Freyheit; und von der letztern: honore qui - ritario: haben wir kaum noch Vermuthungen, ohner - achtet ſie der Geiſt der deutſchen Verfaſſung geweſen, und ewig bleiben ſollen. Religion und Wiſſenſchaf - ten hoben immer mehr den Menſchen uͤber den Buͤr - ger, die Rechte der Menſchheit ſiegten uͤber alle be - dungene und verglichene Rechte. Eine bequeme Phi - loſophie unterſtuͤtzte die Folgerungen aus allgemeinen Grundſaͤtzen beſſer als diejenigen, welche nicht ohne Gelehrſamkeit und Einſicht gemacht werden konnten. Und die Menſchenliebe ward mit Huͤlfe der chriſtlichen Religion eine Tugend, gleich der Buͤrgerliebe, der -ge -Vorrede. geſtalt, daß es wenig fehlte oder die Reichsgeſetze ſelbſt haͤtten die ehrloſeſten Leute aus chriſtlicher Liebe ehrenhaft und zunftfaͤhig erklaͤrt.

Die Schickſale des Reichsgutes waren noch ſonder - barer. Erſt hatte jeder Manſus ſeinen Eigenthuͤmer zu Felde geſchickt; hernach einen Bauer aufgenom - men, der den Dienſtmann ernaͤhrte; und zuletzt auch ſeinen Bauer unter die Vogelſtange geſtellet. Jetzt aber muſte es zu dieſen Laſten auch noch einen Soͤld - ner ſtellen, und zu deſſen Unterhaltung eine Landſteuer uͤbernehmen, indem die Territorialhoheit zu ihrer Er - haltung ſtaͤrkere Nerven, und das Reich zu ſeiner Vertheidigung groͤſſere Anſtalten erforderte, nachdem Frankreich ſich nicht wie Deutſchland in einer Menge von Territorien aufgeloͤſet, ſondern unter unruhigen Herrn vereiniget hatte. Von nun an ward es zu ei - ner allgemeinen Politik das Reichseigenthum ſo viel moͤglich wieder aufzuſuchen, und zur gemeinen Huͤlfe zu bringen. Der Kayſer unterſtuͤtzte in dieſem Plan die Fuͤrſten. Dieſe unterſuchten die Rechte der Dienſt - leute, der Geiſtlichen und der Staͤdte in Anſehung des Reichseigenthums; und bemuͤheten ſich ſo viel moͤglich ſolches auf eine oder andre Art wieder zum Reichs-Land-kataſter zu bringen. Der Rechtsgelehr - ſamkeit fehlte es an genugſamer Kenntnis der alten Verfaſſung, und vielleicht auch an Kuͤhnheit, die Grundſaͤtze wieder einzufuͤhren, nach welcher wie in England von dem ganzen Reichsboden eine gemeine Huͤlfe gefordert werden mogte. Das Steuerweſen gieng alſo durch unendliche Kruͤmmungen und quere** 2Pro -Vorrede. Proceſſe in ſeinem Laufe fort. Geiſtliche, Edelleute und Staͤdte verlohren vieles von demjenigen was ſie in der mittlern Zeit und bey andern Vertheidigungs - anſtalten wohl erworben und verdienet hatten. Der Landesherr ward durch die Nutzung des gemeinen Reichseigenthums maͤchtiger. Ehrgeiz, Eyferſucht und Fantaſie verfuͤhrten ihn zu ſtehenden Herren; und die Noth erforderte ſie anfaͤnglich. Der Kayſer ſahe ſie aus dem groſſen Geſichtspunkte der allgemeinen Reichsvertheidigung gern, erſt ohne ſie nach einem ſichern Verhaͤltnis beſtimmen zu wollen, und bald ohne es zu koͤnnen.

Jedoch ein aufmerkſamer Kenner der deutſchen Ge - ſchichte wird dieſes alles fruchtbarer einſehen, und leicht erkennen, daß wir nur alsdenn erſt eine brauch - bare und pragmatiſche Geſchichte unſers Vaterlandes erhalten werden, wenn es einem Manne von gehoͤriger Einſicht gelingen wird, ſich auf eine ſolche Hoͤhe zu ſetzen, wovon er alle dieſe Veraͤnderungen, welche den Reichsboden und ſeine Eigenthuͤmer betroffen, mit ihren Urſachen und Folgen in den einzelnen Thei - len des deutſchen Reiches uͤberſehen, ſolche zu einem einzigen Hauptwerke vereinigen, und dieſes in ſeiner ganzen Groͤſſe ungemahlt und ungeſchnitzt, aber ſtark und rein aufſtellen kann. Wie vieles wird aber auch ein Gatterer noch mit Recht fordern, ehe ein Ge - ſchichtſchreiber jene Hoͤhe beſteigen und ſein ganzes Feld im vollkommenſten Lichte uͤberſehen kann.

Jndeſ -Vorrede.

Jndeſſen bleibt ein ſolches Werk dem deutſchen Ge - nie und Fleiſſe noch immer angemeſſen, und belohnt ihm die Muͤhe. Der maͤchtige und reiſſende Hang groſſer Voͤlkervereinigungen zur Monarchie und die unſaͤgliche Arbeit der Ehre oder nach unſer Art zu re - den der Freyheit, womit ſie jenem Hange begegnen, oder ihrer jetzt fallenden Saͤule einen bequemen Fall hat verſchaffen wollen, iſt das praͤchtigſte Schauſpiel was dem Menſchen zur Bewunderung und zur Lehre gegeben werden kann; die Berechnung der auf beyden Seiten wuͤrkenden Kraͤfte und ihre Reſultate ſind fuͤr den Philoſophen die erheblichſten Wahrheiten: Und ſo viele groſſe Bewegungsgruͤnde muͤſſen uns aufmun - tern unſre Nation dieſe Ehre zu erwerben. Sie muͤſ - ſen einem jeden reizen ſeine Provinz zu erleuchten, um ſie dem groſſen Geſchichtſchreiber in dem wahren Lichte zu zeigen. Das Coſtume der Zeiten, der Stil jeder Verfaſſung, jedes Geſetzes und ich moͤgte ſagen jedes antiken Worts muß den Kunſtliebenden vergnuͤgen. Die Geſchichte der Religion, der Rechtsgelehrſam - keit, der Philoſophie der Kuͤnſte und ſchoͤnen Wiſſen - ſchaften iſt auf ſichere Weiſe von der Staatsgeſchichte unzertrennlich und wuͤrde ſich mit obigen Plan vorzuͤg - lich gut verbinden laſſen. Von Meiſterhaͤnden ver - ſteht ſich. Der Stil aller Kuͤnſte ja ſelbſt der De - peſchen und Liebesbriefe eines Herzogs von Richelieu ſteht gegeneinander in einigem Verhaͤltnis. Jeder Krieg hat ſeinen eigenen Ton und die Staatshand -** 3lun -Vorrede. lungen haben ihr Colorit, ihr Coſtume und ihre Ma - nier in Verbindung mit der Religion und den Wiſ - ſenſchaften. Rußland giebt uns davon taͤglich Bey - ſpiele; und das franzoͤſiſche eilfertige Genie zeigt ſich in Staatshandlungen wie im Roman. Man kann es ſo gar unter der Erde an der Linie kennen, wo - mit es einen reichen Erzgang verfolgt und ſich zu - wuͤhlt. Der Geſchichtsſchreiber wird dieſes fuͤhlen, und allemal ſo viel von der Geſchichte der Kuͤnſte und Wiſſenſchaften mitnehmen, als er ge - braucht, von den Veraͤnderungen der Staatsmo - den Rechenſchaft zu geben.

Zur Geſchichte des weſtphaͤliſchen Friedens ge - hoͤrt eine groſſe Kenntnis der Grundſaͤtze, welche ſeine Verfaſſer hegten. Man wird von einer ſpaͤ - tern Wendung in den oͤffentlichen Handlungen keine Rechenſchaft geben koͤnnen, ohne einen Thomaſius zu nennen; und ohne zu wiſſen, wie unvorſichtig er ſeine Zeiten zum raiſonniren gefuͤhret habe. Der Stil des letztern Krieges iſt daran kenntbar, daß alle Partheyen ſich wenig auf den Grotius beru - fen, ſondern ſich immer an eine bequeme Philoſo - phie, welche kurz vorher in der gelehrten Welt herrſchte, gehalten haben. Die neue Wendung welche ein Strube der deutſchen Denkungsart da - durch giebt, daß er wie Grotius Geſchichtskunde, Gelehrſamkeit und Philoſophie maͤchtig verknuͤpft,iſtVorrede. iſt auch an verſchiedenen Staatshandlungen merk - lich. Das oͤffentliche Vertrauen der Hoͤfe beruhet auf ſolchen Grundſaͤtzen und ſolchen Maͤnnern. Und ihr Name mag wohl mit den Namen der groͤſten Feldherrn genannt werden. Brechen end - lich Religionsmeinungen in buͤrgerliche Kriege aus: ſo wird ihre Geſchichte dem Staate vollends erheb - lich. Die Eigenliebe opfert Ehre und Eigenthum fuͤr ihre Rechthabung auf. Der Sieger gewinnt allezeit zu viel; er feſſelt wie in Frankreich zuletzt Catholiken und Reformirte an ſeinen Wagen ...... Aber wehe dem Geſchichtsſchreiber, dem ſich der - gleichen Einmiſchungen nicht in die Haͤnde draͤngen; und bey dem ſie nicht das Reſultat wohlgenaͤhrter Kraͤfte ſind.

Doch es iſt Zeit, daß ich von meiner Aus - ſchweifung zuruͤckkehre. Jch habe meinem Leſer nur noch zu ſagen, wie ich, wenn mir GOtt Le - ben und Geſundheit verleihet, den erſten Theil meiner Geſchichte, welcher bis dahin gehet, daß unſre Biſchoͤfe die Beſtaͤtigung ſaͤmtlicher nach und nach an ſich gebrachten Reichsvogteyen, und die Grafenbaͤnne daruͤber vom Kayſer erhalten haben, bald zu liefern gedenke. Man wird alsdann ſchon den Block, woraus die Landeshoheit gebildet wird, aus dem rauhen gearbeitet, und die Zuͤge erſchei - nen ſehen, welche ihre kuͤnftige Geſtalt verrathen. Jch hoffe uͤbrigens meine Goͤnner und Freunde, de -nenVorrede. nen ich die Geſchichte unſers Vaterlandes hiemit zu uͤbergeben anfange, werden ſolche mit einigen Vergnuͤgen leſen. Eine Familie nimmt insgemein Antheil an den Zufaͤllen der ihrigen, und die Ge - ſchichte unſers kleinen Staats iſt die Erzaͤhlung der Begebenheiten unſerer naͤchſten Angehoͤrigen. Der Zirkel, fuͤr welchen ſolche einige Wichtigkeit haben, wird zwar ſehr klein ſeyn. Allein ich ent - ſage mit Freuden der Begierde in einer groſſen Geſellſchafft zu glaͤnzen, wenn ich ihnen ein haͤusli - ches Vergnuͤgen als das edelſte und noͤthigſte unter allen verſchaffen kann. Die Erkenntlichkeit ſo ich meinem Vaterlande ſchuldig bin, macht mir dieſe Selbſtverleugnung nicht ſchwer; und wenn der - maleinſt ein deutſcher Livius aus dergleichen Fami - liennachrichten eine vollſtaͤndige Reichsgeſchichte ziehen wird: ſo werde ich nicht fuͤr den kleinſten Plan gearbeitet haben.

Erſter
[1]

Erſter Abſchnitt Kurze Einleitung in die aͤlteſte Verfaſſung.

§. 1. Die heutigen Namen verſchiedener Staaten ſind nicht alt.

Das Stift Oſnabruͤck hat gleich andern Spren - geln den Namen von dem Orte ſeiner Biſchoͤf - lichen Kirche bekommen. Vorhin und ehe dieſe Stiftung geſchehen, iſt alſo wol ein Ort, aber kein Staat oder Land gleiches Namens vorhanden ge - weſen. Allein auch dieſer Ort kann kein groſſes Al - terthum haben, indem die Einwohner Deutſchlandes lange keine Staͤdte und Doͤrfer duldeten. (a)Eine gleiche Vorſtellung kann man ſich von allen benach - barten Stiftern und Grafſchaften machen. Sie ſind nach einem Staͤdtgen, Schloſſe oder Dorfe benannt. Und wenn man uͤber ihren bekannten Urſprung hin - ausgeht: ſo verlieren ſich ihre heutigen Namen und Graͤnzen, und alles vermiſcht ſich in einer dunklen Ferne, ſo bald man in die Zeiten ſteigt, worinn die Deutſchen noch keine Kriege mit den Roͤmern fuͤhr - ten. Es laſſen ſich alſo von der Herkunft unſrerAVor -2Oſnabruͤckſche GeſchichteVorfahren, und von ihren erſten Einrichtungen und Kriegen nur allgemeine Vermuthungen wagen. Viel - leicht haben ſie eben ſo gut als andre Voͤlker ihre Helden und Dichter gehabt, und ſind beydes Thaten und Lieder vergeſſen.

(a)Nullos Germanorum populis urbes habitari, ſatis notum eſt; ne pati quidem inter ſe junctas ſedes. TACIT. G. 16.
(a)

§. 2. Die wahren Landes-Einwohner woh - nen noch einzeln.

Etwas merkwuͤrdiges aber iſt es wol, daß die wah - ren Landes-Einwohner insgeſamt noch einzeln auf ab - geſonderten und insgemein rings umher aufgeworfenen Hoͤfen wohnen, welche kein allgemeines Maaß(a) oder Verhaͤltniß zu einander haben: Ein Erb-Kotte deren bald drey bald vier auf ein Voll-Erbe gerech - net werden, iſt oft groͤſſer als dieſes; und zwiſchen Erbe(b) und Erbe, beſonders auf der Heide, iſt der groͤſte Unterſcheid. Jeder ſcheinet ſich im Anfange ſo viel genommen zu haben, als er hat noͤthig gehabt und gewinnen koͤnnen, da wo ihm ein Bach, Gehoͤlz oder Feld gefallen. (c)Und ſo iſt gemeiniglich die erſte Anlage der Natur.

(a)Jn keiner Urkunde und in keinem Lehn-Briefe findet man eine Hube oder einen Acker oder ein Vorling Landes. Morgen trift man nur vor Staͤdten oder in Eſchen an. Der Bauer beſitzet Stuͤcken Landes, Kaͤmpe, und andre Plaͤtze, welche das Gepraͤge ei - ner alten Maaße nicht an ſich haben, und jetzt nach Scheffel-ſaat uͤberſchlagen werden.
(a)(b) Er -3erſter Abſchnitt.
(b)Erbe, ganze und halbe wie auch Erb Kotten ſcheinen die erſten Pflanzungen zu ſeyn; und ruͤhrt es wol daher, daß ſolche allein in der Bauerſchaft zur Krie - ges-Runde und in der Mark, zur Mannzahl gehoͤren. Mark-Kotten hingegen deren jetzt 6 und 8, auch wol 16 auf ein Erbe gehen, ſind dem Anſehen nach ein ſpaͤter Anflug, und haben weder Echt-Wort oder Wahre, noch Stimme in der Gemeinheit, mithin die Regel wider ſich, und nicht mehr Recht, als ihnen er - weißlich zugeſtanden worden. Sie ſind als geringe arme Leute ſchwerlich zu gemeinen Laſten und Vortheilen ge - zogen; bis man ihnen endlich etwas gegoͤnnet und auf - gelegt, mithin einige Gemeinſchaft zugeſtanden hat. Kott oder Kotte bedeutet noch jetzt ein bedecktes Loch, eine Huͤtte tugurium von Kotten tegere. S. WACH - TER v. Kott. Man ſagt auch Koͤtterey, wie im Franzoͤſiſchen Cotterie, Cotteraux, Cotarellus; alles aus einer Quelle. S. MENAGE v. Cotterie; Cotte d’armes, Cottillon. Doch ſind die Franzoͤfiſchen Cotterets eher eine Art von Hausgenoſſen oder Hof-hoͤrigen Leuten.
(b)
(c)Colunt diſcreti ac diverſi ut ſons ut nemus ut campus placuit. Suam quisque domum ſpatio circumdat. TACIT. l. c.
(c)

§. 3. Und haben ſich ſchwerlich als Colonien angebauet.

Unſre Gegenden ſind daher auch wol ſchwerlich durch einen allgemeinen Voͤlker-Zug angebauet wor - den. Denn unter ſolchem giebt es gemeiniglich kleine Verbindungen und Freundſchaften, welche ſich gern zuſammen halten, und nicht ſo ungleich theilen. Die Doͤrfer,(a) welche auf ſolche Art angebauet zu ſeyn ſcheinen, ſind wol zuerſt mit und bey den Kirchen undA 2hoͤch -4Oſnabruͤckſche Geſchichtehoͤchſtens bey den Bruͤcken und Muͤhlen entſtanden. Denn faſt keines hat eine gerechte Feldmark, und viele muͤſſen ihre Aecker von den benachbarten Hoͤfen pach - ten, auch wol einen Grundzins dahin entrichten; zum Zeichen daß ſie auf einem fremden Grunde, und zwar zu einer Zeit angeleget worden, wo ſie ſich ſchon nicht mehr nach Nothdurft ausdehnen konnten. Jn keinem Lehnbriefe findet ſich ein Zehnte mit dem Ausdruck: in oder vor dem Dorfe. Die Dorf-Geſeſſene be - ſitzen auch ordentlich keine Hoͤfe, thun daher keine Krieges-oder Landes-Fuhren, und ſind nicht Leib - eigen, ſondern Wirthe, Kraͤmer, Handwerker und dergleichen neu angezogene Leute.

(a)Dorf nennet man hier blos den Ort, wo die Einwohner zuſammen wohnen, und ein Diſtrikt einzelner Wohner heißt die Bur, oder auch die Bauerſchaft.
(a)

§. 4. Die Staͤdte ſind auch keine Colonien.

Eben das laͤßt ſich von den Landſtaͤdten ſagen. Jhre Lage auf den Stifts-Graͤnzen zeiget ihre Be - ſtimmung, wie ihren neuern Urſprung. Die Ge - ſchichte kennet ihren Anfang und Wachsthum noch. Und uͤberhaupt werden ſich in allen Staͤdten, wenig - ſtens in Niederdeutſchland, Spuren nnd Nachrichten von allgemeinen Grund-Zinſen und Word-Geldern finden, welche deutlich beurkunden, daß uͤberall der Boden, worauf Buͤrger und verſammlete Leute woh - nen, ſchon vor ihnen einen Herrn gehabt habe, folg - lich nicht urſpruͤnglich durch eine erobernde(a) Colo -nie5erſter Abſchnitt. nie gewonnen ſey; doch ſcheinen unſre Staͤdte und Doͤrfer mehr im Schutz als auf Herrlichkeit ent - ſtanden zu ſeyn. (b)

(a)Dergleichen findet man in Griechenland und Jtalien. Wenigſtens hat dort jede Stadt ihren Urſprung gern einer erobernden Colonie, und ihren Namen einem an - fuͤhrenden Helden zugeſchrieben. Dies war das dortige Coſtume, nach welchem unſre griechiſchen und lateini - ſchen Gelehrten des XV und XVI Jahr-hunderts die deutſche Geſchichte mit Fabeln beluden.
(a)
(b)Es wird dieſes deutlicher unten gezeiget werden, wenn ich von den Freyen handle.
(b)

§. 5. Die erſten Einwohner haben ſich ver - muthlich in aller Freyheit nieder - gelaſſen.

Menſchen welche ſich ſolchergeſtalt einzeln, mit aller Bequemlichkeit und Sicherheit anbaueten, darf man auch wol die natuͤrliche Vermuthung der Freyheit zu ſtatten kommen laſſen. Wenigſtens zeigt ſich hier in kei - nem einzigen Dorfe ein urſpruͤnglicher Edelhof, mit eini - ger Gerichtsbarkeit uͤber daſſelbe. Die Edelhoͤfe lie - gen vielmehr gleich den Erben einzeln und abgeſondert, zum Theil ohne geſchloſſene Hofmarken, oder, wie man ſolche hier nennet, Frechten,(a) Wellen,(b) Boͤrden(c) und Aroden,(d) ohne Muͤhlen-Brau - und Back-Zwang. (e)Jhre Leibeigne ſind bis auf einige ſehr wenige, insgeſamt Goͤdings-pflichtig, und keiner jetzt ihrer Gerichtsbarkeit unterworfen. Und ob man wol deutliche Spuren findet, es auch alsA 3noth -6Oſnabruͤckſche Geſchichtenothwendig annehmen muß, daß dem Adel alle Ge - richtsbarkeit in wahren Boͤrden und Wellen und uͤber diejenige von ihren Leibeignen, ſo nicht in der Gogra - fen(f) Folge ſtehen, ehedem zugeſtanden habe: ſo laͤßt ſich daher doch keine weitere Folge auf andre ziehen.

(a)Frechte iſt wol von Friede auf Weſtphaͤliſch Frehe. Denn man nennt noch alle Abſonderungen des Eigen - thums von der Gemeinheit, als dem natuͤrlichen Zu - ſtande des Krieges, Befriedigungen.
(a)
(b)Welle koͤmmt nicht von Wall oder Wald; ſondern bedeutet einen Bezirk einen Kreis. Daher iſt Welle eine Axe, wellen, Kugeln werfen, wie das Waſſer thut wenns kocht; welzen, walzen, Welt orbis, und das Engliſche hweel ein Rad. Auf aͤhnliche Art nennt man oft einen Garten ums Haus, den Um - gang, den Umlauf. Wellner ſind die Eingeſeſſe - ne ſolcher Wellen.
(b)
(c)Borde ſignifie un ancien domaine. MENAG. h. v. Bortland eſt dominicum, quod quis habet ad menſam ſuam; ſive terra dominicalis, adliche Laͤnderey. BRACTON. IV. tract. 3. c. 9. n. 5. Bordarii ſind Leute ſo in der Boͤrde wohnen. SPELLMAN. v. Bordarius. Bördevogt prae - fectus bordatiorum. Alles von Bord, ein Rand; und Boͤrde iſt alſo eine abgeſetzete eine bezirkte Sache und ϰατ̕ εξοχην, ein adlicher oder herrlicher Befang. Viele von Adel haben hier im Stifte einen an ſich Schatz-pflichtigen Leibeignen unter dem Tittel eines Boͤrde-Vogts im Jahr 1667, als der Land-Schatz eingefuͤhret wurde, frey erhalten. Doch iſt mir das Wort Boͤrde in aͤltern einheimiſchen Urkunden nie vorgekommen, auch ſonſt hier ſo ſehr nicht im Gebrauche.
(c)
(d)Arode wird eigentlich nur im Muͤnſteriſchen gebraucht; und iſt von Ar - und ode, Edel-gut: Aroͤder find diejenigen ſo auf der Arode wohnen.
(d)(c) Al -7erſter Abſchnitt.
(e)Der Muͤhlen-Brau - und Back-Zwang dieſſeits der Weſer, iſt, wo er ſich findet, faſt noch bey Menſchen - Gedenken eingefuͤhrt; jedoch war in der Carolingiſchen Verfaſſung die Anlage dazu gemacht.
(e)
(f)Jch werde in der Folge zeigen, daß in der Gografen - Folge, als dem alten Heer-Bann, zur Zeit wie ſie noch ihre Ehre hatte, kein Leibeigener ſeyn koͤnnen; und alle unſere Goͤdings-pflichtige Leibeigene ſich ſpaͤter ſalvo nexu jurisdictionis Gogravialis in Herren-Dienſt begeben haben.
(f)

§. 6. Daher findet ſich wenig von Herr - lichkeiten u. d. gl.

Von alten Befaͤngen, Begriffen, Baͤnnen, Cantons, Baronien, Herrſchaften und andern der - gleichen Herrlichen(a) Bezirken findet ſich auch kei - ne genugſame Nachricht. Schloͤſſer, und was da - bey vertheidigt wird, reichen wol nur in die mittlern Zeiten und Freye Hagen(b) nicht hoͤher. Die Luft macht(c) nirgends eigen, wie ſie wol in ſtrengen Be - faͤngen thut; und die Dienſte Goͤdings-pflichtiger Leibeigenen ſind faſt durchgehends gemeſſen. Die Worte Cent,(d) Centbarkeit, Frais, Fraisliche und Malefixiſche Obrigkeit, hoͤrt man in unſer gan - zen Gegend nicht. Es giebt wenige Gehaͤge, und die Jagd(e) ſcheinet vor Carln dem Groſſen mit dem echten(f) Land-Eigenthume verknuͤpft geweſen zu ſeyn. Meyer-Hoͤfe(g) findet man viele und faſt in jeder Bauerſchaft einen, bald mit bald ohne Zeichen beſondrer Vorzuͤge; bisweilen auch noch mit einiger Jagd berechtiget.

A 4(a) Bey8Oſnabruͤckſche Geſchichte
(a)Bey der einzigen alten Burg zu Holte wird Herrlich - keit verliehen. Jedoch von aller Herrlichkeit, welche ehedem mit dergleichen Reichs-vogtey darauf haftete, entbloͤſſet.
(a)
(b)Freye Hagen ſind Bezirke welche ſpaͤter von der Gogra - fen-Folge, oder dem Heer-Bann befreyet worden.
(b)
(c)S. §. 43.
(c)
(d)MEINDERS hat ein ganzes Werk de judiciis centenariis Francorum & Saxonum geſchrieben, aber zum Ungluͤck keine Cent in Weſtphalen gefunden. Die Gowge - richte haben mit den Sueviſchen Centen wenig ge - mein. GRVPE in obſ. rer. Germ. 27. ſcheinet nicht un - deutlich zu erkennen, daß dergleichen in ganz Sachſen nicht geweſen ſeyn koͤnnen; wovon der Grund in dem Unterſchiede der Sueviſchen und Saͤchſiſchen Verfaſ - ſung zu ſuchen. Jch beruͤhre hier noch nicht die Unter - abtheilungen der Gowen, welche Carl der Groſſe noth - wendig hat machen muͤſſen.
(d)
(e)Jm Nieder-Stift Muͤnſter und zwar daſelbſt im Sa - terlande, welches man weder zu Wagen noch zu Pferde durchreiſen kann, und wohin vielleicht der Ban - nus regius ſuper foreſto nicht mit Nachdruck hat reichen koͤnnen, jagt noch jetzt der Bauer, und laͤßt keinen Edel - mann zu. Jn der Provinz Groͤningen jagen die Land - Eigenthuͤmer nach dem Maaſſe ihrer Laͤnderey, 12 Mo - nat, 6 Monat und 3 Monat. Doch iſt letztere Ein - richtung erſt kuͤrzlich gemacht worden; indem ſie vorhin ohne Unterſchied jagten. Und man ſieht leicht zum vor - aus, daß diejenigen, ſo nur 3 Monat jagen duͤrfen, in kurzer Zeit keine Hunde und bald darauf auch keineJagd9erſter Abſchnitt. Jagd weiter haben werden. Die Feuer Roͤhre, welche ſich der eine geſchwinder als der andre anſchafte, ma - chen hier ſchon einen groſſen Unterſchied in der Jagd, indem ſehr viele Bauren mit Schneppen-Fluchten und Strick-Jagden berechtiget ſind, welche ſich aber nicht mit Feuer-Roͤhren wagen duͤrfen. Fiſchereyen in ofnen Fluͤſſen haben noch viele Bauren, ſo weit ihre Gruͤnde reichen; auch ſelbſt im Duͤmmer-See.
(e)
(f)Blos einige Buͤrgmaͤnner haben verliehene Jagden, vermuthlich aus der Urſache, weil ſie nicht von eignem Lande, ſondern aus ihrer Beſtallung jagen.
(f)
(g)Es wird ſich dieſes unten naͤher erlaͤutern.
(g)

§. 7. Die jetzigen Abtheilungen ſchlagen darauf nicht ein.

Die jetzige Abtheilung in Kirchſpiele iſt nicht aͤlter als die Kirchen; und die Gow-Gerichte wor - in das Stift vertheilet iſt, ſind hoͤchſtens von der Zeit Carls des Groſſen. Die Aemter(a) mit ihren Unter-abtheilungen den Vogteyen(b) werden wir noch ſpaͤter aus den Reichs-Vogteyen entſtehen, und durch die Regalien anwachſen ſehen. Die Bauerſchaften, ſind wol nur Unter-abtheilungen der Gow-Gerichte, doch wiederum ohne ſcheinbare Verhaͤltniß zu einander. Die Erbe allein, und ihre Namen welche ſich mit ihren Beſitzern nicht veraͤn -A 5dern,10Oſnabruͤckſche Geſchichtedern,(c) koͤnnen ein wahres Alterthum haben. Und ſolchergeſtalt fuͤhren alle Spuren dahin zuruͤck, daß die erſten Bewohner dieſer Gegend keine Herrlichkeit uͤber ſich erkannt, ſondern bey ihrer Ankunft ſich einzeln, erbar,(d) und unverbunden niedergelaſſen haben moͤgen.

(a)Zuerſt war blos Reichs-Droſt im Stifte; und darin waren die Grafen Oberſten. Nachher iſt Land-Droſt aufgekommen; und unſre jetzigen Droſten ſind Ober - ſten uͤber die Land-Folge. Und hierinn gruͤndet ſich auch der Tittel: Ober-Hauptmann. Droſt heißt zwar im lateinſchen Dapifer. Das beweiſt aber nur, daß der zeitige Dapifer zugleich das Commando uͤber die Biſchoͤfliche eigne Folge gehabt habe. Droſte koͤmmt von truſtis fidelis. Die truſtes und antruſtio - nes ſind in dem Fraͤnkiſchen Stil zu bekannt um ihrer hier zu erwehnen. Truſtees ſind noch Vorſteher in England. Truſtis heißt auch ein Diſtrikt worinn fide - les wohnen. v. du FRESNE v. truſtis und SOMNER. in dict. A. S. v. Truth; Reichs-Droſt iſt protectio Cae - ſarea in docum. beym SENKENB. de judicio Cam. hod. adj. XX. p. 128.
(a)
(b)Man muß die jetzigen Voͤgte von den alten Reichs - oder Edel-Voͤgten advocatis wohl unterſcheiden. Dieſe waren Hauptleute im Reichs-Heer-bann; jene ſind Hauptleute in der Land-Folge.
(b)
(c)Es iſt der alte nom de guerre, welcher bey einzelnen Wohnern billig feſter ſteht, als bey andern, die zu - ſammen, und ihrem Hauptmann unter Augen woh - nen.
(c)(d) Jch11erſter Abſchnitt.
(d)Jch bediene mich des Worts erbar im aͤlteſten Ver - ſtande, weil frey allezeit verdaͤchtig; niemand aber er - bar iſt, als der ein eignes Haupt in republica hat, und keinem andern angehoͤrig iſt. Adel iſt honor eminens; Ehre aber honor communis. Erſter macht optimum; letztere aber virum bonum. Und obgleich nichts veraͤnder - licher iſt, als die Curialien; und viri boni & optimi gar bald auch in der Zahl angehoͤriger Leute erblickt werden; ſo glaube ich doch nicht zu viel zu wagen, wenn ich vorausſetze, daß erbar in den aͤlteſten Zeiten einem unabhaͤngigen Manne zugekommen ſey. Spaͤter, wie ſchon alles diente, wurde erbar ein Tittel des Adels, und jetzt wird nicht leicht eine Fuͤrſtliche Regierung ih - ren guͤnſtigen guten Freunden oder lieben Getreuen, Ehre geben, das iſt erbar oder erſam ſchreiben, falls ſie nicht eine Wuͤrde haben, oder von Adel ſind.
(d)

§. 8. Jenſeits der Weſer ſind die Sputen anders.

Eine ganz andre Einrichtung findet man in den Ge - genden jenſeits der Weſer,(a) und vielleicht jenſeits der Linie welche vorher die Herzogthuͤmer Oſtphalen und Engern von Weſtphalen geſchieden hat. Dort beſtehen die Doͤrfer aus Bauerhoͤfen und Anſpaͤn - nern, welche zuſammen geruͤckt ſind und ihre gemein - ſchaftliche Feld-Flur haben. Was ein jeder beſitzt ſcheinet Maaß und Verhaͤltnis zu einander; und die Hand einer ordnenden Macht oder Kunſt zu ver - rathen. Die Gerichtsbarkeit, welche hier der Gow - grafe hat, iſt dort bey den Aemtern; oder es hat ſie der Edelmann. Der Gowgrafe, wo er ſich noch findet, iſt ein verdunkelter und ſchlechter Bedienter. GanzeDoͤr -12Oſnabruͤckſche GeſchichteDoͤrfer; Zehnten vor Doͤrfern; Jagden und Ge - richtsbarkeiten gehen dort zu Lehen, und der Edelhof liegt vielfaͤltig im Dorfe, oder nahe daran. Statt der Leibeignen zeigen ſich Erb-Zins-Leute;(b) und man findet Muͤhlen-Brau - und Back-Zwang. Die Bauerhoͤfe werden nach ihren Beſitzern genannt; und ihre Pflichten ſind einfoͤrmiger und von andrer Art. Man ſpricht von Ober - und Untergerichten; ge - ſchloſſenen und ungeſchloſſenen Gerichten, Dinaſtien welche gemeinen Edelhoͤfen entgegen geſetzt werden; vom Jagd-Regal und ſehr vielen andren Rechten und Gewohnheiten wovon man in Weſtphalen und in unſerm Stifte keine Spur findet.

(a)Jch ſetze die Weſer als eine groſſe Haupt-Linie, wuͤnſch - te aber doch, daß jemand die wahre Graͤnze wo der Leibeigenthum verſchwindet, und die Anſpaͤnner in Doͤr - fern zu wohnen anfangen u. f. w. genauer beſtimmen moͤgte. Die Graͤnz-Zeichen habe ich angegeben. Die Urſachen welche THOMAS. in d. de hom. prop. &c. §. 8. NOLTEN in d. de Sing. præd. ruſt. Br. p. 48. GOEBEL de jure & jud. ruſt. l. 22. von dem jenſeits der Weſer er - loſchenen Leib-eigenthum angeben, reichen nicht zu.
(a)
(b)Der Erb-Zins-Meyer wird gleich dem Leib-eignen pro conductore perpetuo gehalten. Jch bin auch voͤllig ver - ſichert, daß die jetzigen dergleichen ſind, nachdem die erſten Beſitzer laͤngſt abgeſtorben ſind. Es iſt doch aber immer eine gewaltige Hypotheſe, daß einige wenige Perſonen, Grund-Herrn ſo vieler Bauerhoͤfe geweſen, und ſolche gegen Erb-Zins verliehen haben. Jch wuͤrde die Zins-Fruͤchte, die Dienſte und andre Leiſtungen der Erb-Zins-Meyer, allemal eher als eine gemeine alte Auflage anſehen, welche der gemeine Heerbann, zur Zeit wie man ihn nicht mehr gebrauchen konnte, dem - oder den jenigen entrichtet, welche fuͤr ihm zu Felde zie - hen muſten. Der Heerbann iſt dem Lehn-Dienſt; und der Lehn-Dienſt den Soldaten gewichen.
(b)
§. 9.13erſter Abſchnitt.

§. 9. Vielleicht aber auch nur aus einer zufaͤlligen Urſache.

Ein ſo merklicher Unterſcheid ſetzt groſſe und wichti - ge Veraͤnderungen voraus. Vielleicht hat die lang - wierige Gefahr vor den Normaͤnnern, Sklaven, Wenden, Hunnen und andern Voͤlkern in jenen Ge - genden eine ſtrengere Krieges-Verfaſſung und einen beſtaͤndigen Feldherrn erfordert, welcher die einzel - nen Wohner in Rotte zuſammen ruͤcken laſſen, um ſie mit mehrer Bequemlichkeit zu uͤben; und allezeit marſchfertig zu haben. Und vielleicht hat ein ſolcher, durch die allgemeine Noth berechtiget, Hauptleute uͤber ſie geſetzet, welche die Kriegesrolle oder den Heerbann vollzaͤhlig gehalten, und den Leibeigenthum verhindert haben. Denn jeder Goͤdingspflichtiger Leib - eigener iſt ein Ausreiſſer. (a)Wenigſtens zeugen die vielen verliehenen Gerichtsbarkeiten, Jagden und Doͤrfer von einer alten Beſtallung. Und Niederge - richte, welche faſt nur auf die nothwendige Zucht der Krieges-Leute gehen, ſcheinen den alten Hauptmann im Heerbann zu verrathen. Die Menge dieſer Hauptleute, welche alles ihrige nur aus einer Be - ſtallung hatten, mogte dem Adel auf Allode leicht Gelegenheit geben ſich hoͤher zu halten; indem wol anfaͤnglich ein Hauptmann nur nach ſeinem perſoͤnli - chen Verdienſte angeſetzet wurde. Der Muͤhlen - Brau - und Back-Zwang(b) kann zu dem Gehalt des Hauptmanns gehoͤret; und eine beſſere Krieges - Einrichtung die alte Gografſchaft geſprenget |haben. Jch entſcheide dieſes alles nicht; ſondern bemerke nur,daß14Oſnabruͤckſche Geſchichtedaß ſich von allen dieſen Merkmalen, welche zu ſol - chen Vermuthungen zuruͤck fuͤhren, nichts in unſerm Stifte und nichts dieſſeits der angenommenen Linie findet. Der Streit uͤber die Regalitaͤt der Jagden in Weſtphalen iſt daher auch lange unerhoͤrt geweſen, und eine Folge der Umſtaͤnde, die ſich in jenen Gegen - den darbieten.

(a)Jch werde den Beweiß hievon vollfuͤhren, wenn ich die muͤhſeligen Anſtalten Carls des Groſſen zur Erhaltung der Kriegesrolle gegen den Leibeigenthum, beybringen werde. Carl der Groſſe iſt nur gar zu lange als der Stifter des Leibeigenthums in Weſtphalen angeklaget worden, er, der alles gethan, was moͤglich geweſen, um ihn zu verhindern.
(a)
(b)Der Muͤhlen-Brau - und Back-Zwang uͤber Untertha - nen die nicht ſub dominio ſondern ſub imperio ſtehen, kann nur eine gemeine Auflage und keines weges ein Herrn-Recht ſeyn. Und Goͤdings pflichtige Unterthanen ſtehen ſub imperio und nicht ſub dominio principis.
(b)

§. 10. Und noch verſchiedner unter den Sueven.

Noch weiter entfernt ſich die alte Sueviſche Ver - faſſung von der unſrigen. Caͤſar ſagt. (a) Unter den Germaniern beſitzt keiner gewiſſe Aecker oder Bezirke zum Eigenthum, ſondern ihre Obern und Vorſteher weiſen nach ihrem Gutachten den Voͤl - kern und Familien, welche ſich zuſammen gethan haben, das noͤthige Land an, welches ſie beſaͤen und das folgende Jahr wieder verlaſſen muͤſſen. Sie meinen, ohne dieſe Vorſorge, wuͤrden die Leute ſich zu ſehr an ihr Eigenthum gewoͤhnen und daruͤber dieLuſt15erſter Abſchnitt. Luſt und den Geiſt des Krieges verlieren; oder eine Begierde nach groͤſſern Beſitzungen bekommen und die Schwaͤchern verſchlingen; ſich auch nach und nach bequemlicher anbauen und verzaͤrteln, oder wol gar Reichthuͤmer erwerben und ſich nach einer natuͤrlichen Folge beneiden und zanken. Es diene auch endlich nicht wenig dazu, das gemeine Volk bey gutem Willen zu erhalten, wenn es ſehe, daß der Vornehme es nicht beſſer habe, als der Gemei - ne und Beyde ſich mit gleicher Nothdurft befriedi - gen.

(a)Dies ſind die Worte CAESARIS de B. G. VI. und TA - CITVS groupirt ihm nach, wenn er ſagt, arva quotannis mutant, & ſupereſt ager. Denn ſonſt lehrte ihm eine andre Erfahrung, ſuam quemque domum ſpatio circum. dare, welches ſich von Leuten nicht ſagen laͤßt, die keine Bezirke zum Eigenthum beſitzen ſollen.
(a)

§. 11. Dieſe ſcheint das Werk der Kunſt.

Allein dieſe ganze Beſchreibung ſchließt auf unſre Gegenden nicht. Hier haben ſich keine Familien zu - ſammen gethan. Heide, Sand, Mohr und Gebuͤrge, woraus unſer Stift groͤſtentheils beſteht, erfordern eine vieljaͤhrige Zubereitung, anhaltenden Bau und keine ſolche Veraͤnderung. Die Natur liebt Eigen - thum; und der Plan, welchen Caͤſar angiebet, hat ein kriegeriſches Genie zum Urheber, das den Staat in ſeine Abſichten gezwungen hat. Dies war ohn - ſtreitig bey den Sueven(a) vorher gegangen; und Caͤſar kannte keine andere Germanier. Jn dem Sueviſchen Plan verliert der groſſe Beſitzer und derAdel;16Oſnabruͤckſche GeſchichteAdel; und die Kriegeslaſt, ſo anderwaͤrts mit dem Land-Erbe verknuͤpft war, faͤllt[auf] jeden Kopf, wel - ches irgend eine Revolution verraͤth, die mit Huͤlfe des groſſen Haufens, oder in der groͤſten Noth iſt vorgenommen worden.

(a)Caͤſar hatte zwar zweymal eine Erſcheinung dieſſeits des Niederrheins gewagt. Allein er war doch nur haupt - ſaͤchlich von der Sueviſchen Einrichtung belehrt. Der Sueven ihre Abtheilung in hundert Land-Regimenter; (centum pagos) ihre 10000 Mann leichte Grenadier; (quos ex omni juventute delectos ante aciem ponebant) ihre 10000 leichte Dragoner; die Abrichtung ihrer Pferde, welche in ihrer Ordnung blieben, wenn gleich der Dragoner abſtieg und zu Fuſſe focht; ihre koͤnig - liche Regierung; ihre groſſe Politik, ſich lieber mit klei - nen einheimiſchen Pferden zu behelfen, als von einem fremden Markte abzuhangen; das Anſehen, welches ſie ſich uͤberall erwurben; nam Suevis ne quidem Deos im - mortales pares eſſe, ſatebantur Tencteri & Vbii beym CAES. de B. G. VI. 7. und mehrere andre Umſtaͤnde beweiſen augenſcheinlich, daß bey ihnen eine groſſe Veraͤnderung in der natuͤrlichen Anlage vorgegangen ſey. Jch uͤber - laſſe es den Gelehrten, die groſſe Urſache einer ſo wich - tigen und ausnehmend ſtarken Kriegs-Verfaſſung anzu - geben. Arioviſt war zwar ein Genie, wie man ſchon daraus erkennt, daß er gleich ſein Lager nur eine Meile vom Roͤmiſchen nahm; den Caͤſar des andern Tages tournirte; ihm damit die Zufuhr abſchnitt; darauf ein Haupttreffen vermied; die Roͤmer mit Scharmuͤtzeln, weil er ihnen in der Anzahl leichter Truppen uͤberlegen war, aufzureiben ſuchte; in der Schlacht ſelbſt aber, durch eine der ſchnelleſten Wendungen, den Roͤmern ihre Artillerie unbrauchbar machte, gleich ihren linken Fluͤ - gel uͤber den Haufen warf ---- Allein Arioviſt war nicht der Schoͤpfer ſeines Volks. Denn eben die Reu - terey, welche Caͤſar (de B. G. VI) bewunderte und als die einzige beſchreibt, fand ſich ſchon einige hundert Jahrvor -17erſter Abſchnitt. vorher auf einem Zuge in Jllyrien. Veniebant decem mil - lia equitum, pat numerus peditum & ipſorum jungentium curſum equis & in vicem prolapſorum equitum vacuos ca - pientium ad pugna equos. LIV. XXXXIV. 26. Sie wird zwar hier aus dem Munde und nach der Gewohnheit der Griechen, die Galliſche Reuterey genannt, eben wie PLUTARCH in Aem. Paulo und LIVIVS. IV. 57. & Epit. Lib. LVI. Die Baſtarnen an der Donau Gal - lier nennen. Sie iſt aber kenntbar genug, und die Grie - chen nannten alle Voͤlker von dieſer Seite Gallier, wie CLVVER. in Germ. ant. l. 2. 3 ſattſam erwieſen, ob er gleich auf dieſe Reuterey nicht verfallen. ARISTOTEL. ſcheint die Sueviſche Verfaſſung gekannt zu haben, und beurtheilt ſie gruͤndlich. Πολιτ. II. 5.
(a)

§. 12. Schluß und Uebergang.

Jn einer ſolchen Anlage als die Sueviſche war lie - gen Keime zu ganz andern Entwickelungen, welchen wir hier nicht weiter nachgehn duͤrfen. Das Schwaben - Recht muſte ſich in der Folge ganz anders bilden als Sachſen-Recht, und Maͤnner auf Weſtphaͤliſcher Erde gebohren, muſten ſich groͤſſer duͤnken, als die - jenigen welche jenſeits der Weſer in ein Dorf und unter der Zucht eines Hauptmanns zuſammen gezogen waren. (a)Anlaß genug zu einem gegenſeitigen Wi - derwillen,(b) welcher noch jetzt nicht voͤllig erſtickt und nach der Carolinger(c) Zeit entſtanden iſt. Doch auch Weſtphalen hat ſich nicht durchgehends gleich bleiben koͤnnen. Die Gegenden nach dem Nieder - rhein haben wie alle Graͤnzen kriegeriſcher Nationen leicht von ihrer urſpruͤnglichen Verfaſſung etwas verlohren, nachdem ſie lange Zeit den Roͤmern und Franken zum Kampf-Platze dienen muͤſſen. DieBUnſri -18Oſnabruͤckſche GeſchichteUnſrigen hingegen haben den Einfluß ſo groſſer Urſa - chen weniger empfinden, und ſo wie bey ihren einzel - nen Wohnungen alſo auch bey manchem alten Rechte bleiben koͤnnen. Man mag alſo bey ihnen den Plan der Natur wol verfolgen, beſonders da die Geſchichte ſich auf denſelben beſtaͤndig zuruͤckzieht.

(a)Es iſt beſonders daß dasjenige was einige Voͤlker An - fangs erniedriget hat, gerade das Mittel ihrer groͤſſern perſoͤnlichen Freyheit geworden. Die Hauptmannſchaf - ten jenſeits der Weſer, welche faſt alles Erbe in Heuer - gut; und die Mannors, welche in England vieles in Cop - pyhold verwandelt haben, waren in ihrem Urſprunge ſchimpfliche Ketten; und find in der Folge oͤffentliche Wehren gegen den Leib-eigenthum geworden. Doch ha - ben Erſtere auch ſehr oft zu Herrſchaften, Herr - lichkeiten und andern den Staat verſchlingenden Uebeln die erſte Gelegenheit gegeben.
(a)
(b)Man findet in den ſpaͤtern Zeiten, daß ſich die Weſtphaͤ - linger bey ihren Nachbaren verhaßt gemacht haben; und die Urſache davon ſcheinet in einem Stolze der Erſten, welcher ſich auf eine beſondre Freyheit gruͤndete, ge - legen zu haben. Wenn zu einem Frey-Schoͤpfen die Geburt auf Weſtphaliſcher Erde erfordert wur - de: ſo ſcheinet der Nachdruck dieſer Forderung darinn zu ruhen, daß er ein Freeholder ſeyn, oder Erb-Gut beſitzen muſte; und daß jenſeits der Weſer ſich damals alles bereits ad colonatum geneiget hatte.
(b)
(c)Wenigſtens findet man davon keine Spur vor Henrich dem Vogler; und die Spruͤchwoͤrter: daß der Teu - fel die Weſtphaͤlinger aus dem Sacke ge - ſchuͤttet habe; imgleichen, daß ſie ohne Treu und Glauben waͤren, charakteriſiren Leute, die zer - ſtreuet wohnten, und deren man vor einem ordentlichen Richter nicht recht maͤchtig werden konnte. Ein Vor - wurf der diejenigen nicht traf, welche in geſchloſſenenHaupt -19erſter Abſchnitt. Hauptmannſchaften lebten, folglich geſchwind belangt und zu Erfuͤllung ihrer Verbindungen angehalten werden konnten.
(c)

§. 13. Die erſte Anlage der Natur.

Solche einzelne Wohner waren Prieſter(a) und Koͤnige(b) in ihren Haͤuſern und Hofmarken. Sie richteten uͤber das Leben(c) ihrer Familie und Knech - te, ohne einander Rechenſchaft(d) zu geben. Jeder Hof war gleichſam ein unabhaͤngiger Staat, der ſich von ſeinem Nachbaren mit Krieg oder Friede ſchied. Jeder Hausvater handhabete ſeinen eignen Hausfrie - den; und wie ſie ſich mehrer Sicherheit halber enger verbanden, ward dieſe Befugnis nicht aufgehoben. Keine Obrigkeit,(e) und vielleicht nicht einmal eine gemeine(f) Gottheit erſtreckte ſich in eines Mannes Wehre. (g)Das gemeine Recht kam wie billig dem Hausrechte(h) nur zu Huͤlfe.

(a)Si publice conſulatur Sacerdos civitatis; ſin privatim ipſe paterfamilias precatus Deos. TAC. in G. c. 10.
(a)
(b)Man ſagte daher paterna majeſtas. S. MARCIL. Int. L L. XII. Tabb. c. 24. und uͤberhaupt iſt die Koͤnigliche Gewalt des Vaters in ſeinem Hauſe der Natur ſo gemaͤs, ARIST. Πολ. l. 2. daß das Gegentheil erwieſen werden muß; zu verſtehn bey einzelnen Wohnern. Denn die Buͤrger - liche Geſellſchaft hat ſchon mehrere Ketten, wie mehrere Abſichten. Die Roͤmer merkten dieſen groſſen Unter - ſchied ſo bald nicht; und brachten zuerſt viele laͤndliche Jdeen in die Stadt. Das verſchiedene Alter dieſer Re - publick lieſſe ſich faſt nach der allmaͤhligen Ausartung ih - res Bauer-Rechts in Buͤrger-Recht berechnen. Jhre erſte Anlage kann ſchwerlich von ſolchen Leuten gemacht ſeyn, die bereits nach einem Griechiſchen Stadt Rechte gelebet hatten.
(b)B 2(c) GE -20Oſnabruͤckſche Geſchichte
(c)GEBAVER in diſſ. de patr. pot. 2. glaubt, daß ſolches zu Rom nicht ohne eine Art von Hausgerichte geſchehen koͤnnen; und die von ihm angefuͤhrten Exempel beweiſen auch, daß es ſo geſchehen ſey. Bey den Deutſchen aber findet ſich blos, daß der Mann, wenn er uͤber ſeine Frau Gericht gehalten, ihre naͤchſte Anverwandten dazu gezo - gen habe. Acciſis crinibus nudatam coram propinquis ex - pellit domo maritus ac per omnem vicum verbere agit. TAC. in G. c. 19.
(c)
(d)Jn der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſind domeſtica zuerſt ad rem publicam gezogen.
(d)
(e)Das Haus eines Mannes iſt bey allen Voͤlkern ſein Hei - ligthum geweſen. Und ſo lange aus demſelben der ge - meine Friede nicht gebrochen wird, hat eine bloſſe Obrigkeit, welche nemlich ohne Herrlichkeit iſt, kein Recht ſich ſolches eroͤfnen zu laſſen. Gegen einen Frie - debrecher aber wird jure belli nicht jure imperii verfahren. Die Regel iſt allemal dieſe: Quid eſt ſanctius quid omni religione munitius quam domus unius cujusque civium? hic aræ ſunt, hic foci; hic dii penates, hic ſacra, religiones ce - rimoniæ continentur; hoc perfugium ita ſanctum omnibus, ut inde abripi neminem fas ſit. CIC. pro domo 41. l. 21. 28. ff. de in jus voc.
(e)
(f)Jch kann daher mir auch gar nicht vorſtellen, daß die Macht einer gemeinen oder oͤffentlichen Gottheit, aus deren Vollmacht die Obrigkeit in theokratiſchen Ver - faſſungen handelte, ſich ins Haus erſtrecket habe. Es waͤre ein crimen læſæ paternæ majeſtatis geweſen, wenn die Familie im Hauſe den oͤffentlichen Gott anbeten wol - len. Denn auſſer dem, daß dadurch Kinder und Knechte mit ihrem Herrn in communionem ſacrorum publicorum gekommen waͤren: ſo haͤtten nach dem alten Coſtume, wo diejenigen, welche Jſraels Gott anbeteten auch Jſraels Unterthanen waren, Knechte und Kinder aus der vaͤter - lichen Gewalt ohne Mittel unter die Obrigkeitliche tre - ten muͤſſen.
(f)
(g)Wehre heißt bey uns des Bauren Haus und innerer Hofraum. Wehrfeſter iſt der Hauswirth. Jch findenicht21erſter Abſchnitt. nicht daß ein Haus in der Stadt oder im Dorfe jemals die Wehre genennt worden. Auch ein Mark-Kotter hat keine Wehre; es liegt alſo noch ein ſenſus eminens darinn; alſo daß keiner Wehre gehabt, als wer im Heerbann geſtanden. Quisque a duodecimo ætatis anno ſit in hundredo & decima & plegio liberali qui VVera vel Witte vel jure liberi dignus curat æſtimari L L. Henrici I. c. 8. beym WILK. p. 241. Jnsgemein bedeutet Wehre ſo viel als Obhut, S. GRVPE in obſ. rer. & ant Germ. 24. Und ein Wehr iſt der Mann der in ſeiner eignen und keiner fremden Obhut geſtanden hat. Denn Wehr bedeutet auch Virum.
(g)
(h)Es hat dieſer Satz noch ſeinen Nutzen in einer vollſtaͤn - digen Erklaͤrung des juris aperturæ; des juris aſylorum; und der Frage: ob eine Landes Obrigkeit das Recht habe, ſich das Haus eines Edelmanns eroͤfnen zu laſſen, wenn kein caſus fractæ pacis publicæ vorhanden? Der - gleichen Sachen werden jetzt alle philoſophiſch entſchie - den, und das iſt ſehr bequem.
(h)

§. 14. Erſte wahrſcheinliche Vereinigung in Marken.

Die gemeinſchaftliche Nutzung eines Waldes, Wei - degrundes, Mohrs, oder Gebuͤrges, wovon ein jeder ſeinen noͤthigen Antheil nicht im Zaune haben konnte, vereinigte dem Anſchein nach zuerſt ihrer einige in unſern Gegenden. Wir nennen dergleichen gemein - ſchaftliche Reviere Marken; und Markgenoſſen waren vielleicht die erſten Voͤlker da wo man ſich ein - zeln anbauete. Unſer ganzes Stift iſt in Marken, worin Doͤrfer und einzelne Wohnungen zerſtreuet lie - gen, vertheilet, und die Graͤnzen derſelben treffen mit keiner Landes-Amts-Gerichts-Kirchſpiels - oderB 3Bauer -22Oſnabruͤckſche GeſchichteBauerſchafts-Graͤnze zuſammen. (a)Natur und Be - duͤrfnis ſcheinen allein die Eintheilung gemacht zu ha - ben; und man ſchließt daher daß ſie aͤlter als alle uͤbrigen ſind. Dem gemeinen Grunde und was dar - auf war, muſten ſie nothwendig einen Frieden(b) wuͤrken, ſich wegen einer beſtimmten Nutzung und ge - wiſſer Rechte und Bruch-Faͤlle(c) vergleichen, Auf - ſeher und Richter erwaͤhlen, und gewiſſe Tage zur all - gemeinen Verſammlung haben.

(a)Eine Land Charte nach Marken wuͤrde vielleicht die beſte Nachweiſung in der alten Geographie ſeyn.
(a)
(b)Die Mark liegt immer in Friede; das iſt: kein Ge - noſſe darf ſich ſeines Antheils nach Willkuͤhr gebrauchen, ohne den Frieden zu brechen, und Bruch-faͤllig zu wer - den. Beym Schluß eines jeden Holz Gerichts wird der Mark-Friede gemeiniglich ausdruͤcklich erneuert, oder auch nur auf das Holz und den Graß Anger erſtreckt; indem man in groſſen Marken, wo viel Heide iſt, die willkuͤhrliche Abnutzung der Letztern frey laͤßt, und in den Frieden nicht mit einſchließt. Die Markgenoſſen bewilligen den Frieden; und nur alsdenn, wenn ſie dar - uͤber nicht eins werden koͤnnen, tritt das Holzrichterliche Amt ein. Solches muß allemal zum Frieden und nicht zum Unfrieden gehn.
(b)
(c)Bruͤche heiſſen die Strafen freyer Leute. Ein Knecht kann geſtrafet; ein freyer Mann aber nur gebruͤch - tet werden. Auch dieſes iſt eine aus der alten deutſchen Verfaſſung bey uns uͤbrig gebliebene Redens-Art; und man heißt die Straf - oder Land-Gerichte Bruͤchten - Gerichte. Der Bruch aber iſt unterſchieden, ſo wie einer am Land-Dorf-Kirchen-Schloß-Mark - Religions - oder Profan-Frieden gebrochen.
(c)
§. 15.23erſter Abſchnitt.

§. 15. Jhre jetzige Verfaſſung iſt noch wie die aͤlteſte.

So iſt noch jetzt unſre Mark-Verfaſſung. (a)Die wahren Genoſſen ſetzen ſich ſelbſt ihr Recht. Der Mark-Richter, Ober-Erb-Exe oder Holzgraf, wie er jetzt insgemein heißt, erkennet darnach in oͤffentlicher Verſammlung, unter freyem Himmel;(b) vollſtreckt das Urtheil mit gemeiner Huͤlfe;(c) durch Pfandung auf ofner(d) Mark; und ſchließt den Uebertreter zu - letzt von der Gemeinſchaft(e) aus, wenn er ſich nicht bequemen will; ohne ſich an ſeine Perſon(f) und Guͤter vergreifen zu duͤrfen. Jeder Genoſſe ohne Un - terſcheid des Standes folgt dem Markgerichte, das er mit bekleidet;(g) dem Richter welchen er ſich erwaͤh - let, und der Abrede die er mit bewilliget hat.

(a)PIPER vom Marken-Recht in Weſtph. im I und II Ab - ſchn. hat zuerſt gelehret, daß jeder Markgenoſſe vordem ein Leibeigner des Holzgrafen; und die ganze Mark ihm als Grund-Herrn zuſtaͤndig geweſen ſey. Jch laſſe dieſes als moͤglich zu, wo ſaͤmtliche Markgenoſſen dem Holzgrafen zur Urkunde ein Grund-Word - oder Weide-Geld entrichten. Sonſt aber, und hier im Stifte iſt die Vermuthung fuͤr die Genoſſen. Die Heringhaͤuſer waͤhlen noch jetzt ihren Holzgrafen. Und Graf iſt Beamter aber kein Herr. Einige Marken haben erſt in dieſem Jahr hundert von der Landes-Obrigkeit der Ordnung wegen einen Holzgra - fen bekommen. Vorhin ſtraften ſich die Genoſſen jaͤhr - lich unter einander bey der Bank; und an einigen Orten geſchieht dieſes noch, eben wie in Gilden und Zuͤnften.
(a)B 4(b) Jſt24Oſnabruͤckſche Geſchichte
(b)Jſt kein Zeichen einer Herrlichkeit; Herrliche Gerichte wurden vor dem im Hofe oder im Hauſe gehalten.
(b)
(c)Waͤre der Holzgrafe Markherr: ſo wuͤrde die Pfandung durch einen Frohnen geſchehn. Sie geſchieht aber durch die Mahl-Leute, welches gemeine Maͤnner ſind; Jn etlichen Marken, geht jedoch auch ein Holzgrafen Die - ner mit. Die Pfande werden unter gemeine Ver - wahrung geſtellt.
(c)
(d)Die Pfandung wuͤrde den Leibeignen bis an ſeinen Heerd verfolgen, wenn der Holzgrafe ein Herr aller Genoſſen geweſen waͤre. Zwar pfandet der Holzgrafe jetzt auch oft im Hauſe. Allein blos mit gutem Willen des Be - ſitzers, und zu ſeinem beſten; um ihm kein lebendig Pfand von der Mark zu nehmen; oder ihm viele Koſten zu machen. Jeder Schuldner kann ſeinen Glaͤubiger, und ſo auch der ſchuldge Genoſſe, dem Holzgrafen ein Pfand folgen laſſen. So wenig der Glaͤubiger als der Holz - grafe ſind aber befugt, ihn mit Gewalt im Hauſe zu pfanden.
(d)
(e)Man ſoll ihm ſeinen Brunnen fuͤllen, ſeinen Backofen einſchlagen (beydes zu verſtehen auf gemeiner Mark) und ihn von aller Gemeinſchaft ausſchlieſſen. S. die Juͤlichſche Policey-Ordn. und die Auszuͤge beym PIPER l. c. n. 2. 3. in app.
(e)
(f)Der Adel und die Geiſtlichen koͤnnten ſonſt dem Holz - gerichte nicht folgen. Zwar haben beyde, obſchon der Holzgraf uͤber Leib und Eigenthum nicht zu gebieten hat, bisweilen nicht folgen wollen. Allein mit Unrecht. Man findet die Exempel des Gegentheils beym PIPER l. c. in app. n. 3. p 180. 184. Und in Sachen des Paſtors Cruſen zu Engter, gegen die Mahileute wurde den 29. Jan. 1718. bey der Canzley zu Recht erkannt, daß der Paſtor als ein Markgenoſſe ſich in marcalibus nach Holzgraͤflicher jurisdiction zu richten und folglich den ihm angeſetzten Holz-Bruͤchten zu erlegen und dadurch das ihm abge - pfandete Fuder Heu zu redimiren ſchuldig ſey. S. LODTMAN in pof. Jur. Marc. Oſn. th. 2. Auf eine An -frage25erſter Abſchnitt. frage des Abten zu Jburg haben die Stifts-Staͤnde ein - mal Gutachtlich dafuͤr gehalten, daß der Holzgrafe ei - nen Verbrecher zum ehrlichen Pfahl verdammen koͤnne. Allein noch zur Zeit iſt ſolches niemals in einer Mark fuͤr Recht gewieſen; in keiner Mark iſt ein Pfahl oder Gefaͤngniß, welches ſich nothwendig finden muͤſte, wenn die Genoſſen Leibeigne des Holzgrafen geweſen waͤren. Und ſo bald der Holzgrafe jene Befugnis gegen einen Genoſſen haͤtte: ſo koͤnnte der Adel dem Gerichte nicht folgen. Es finden ſich zwar die grauſamſten und laͤcherlich - ſten Leibesſtrafen in den Holtings-Urtheilen; PIPER l. c. und KRESS vom Archid. Weſen in app. p. 140. Allein nie gegen einen Genoſſen; ſondern allezeit ge - gen einen Unberechtigten oder Ausmaͤrker. Und hoͤchſtens gegen einen der den heiligen Schnat-Baum faͤllet, und ſolchergeſtalt nicht den Mark-Frieden ſon - dern den Gottes Frieden bricht. Und man hat dieſe Strafen gar nicht feſt ſetzen, ſondern nur damit anzeigen wollen, daß ein Ausmaͤrker nicht des Mark - Friedens und der pœnæ conventionalis genoͤſſe, ſondern als ein Feind der Gnade und Willkuͤhr ſeines Ueber - winders leben muͤſſe. Dies iſt der eſprit de loi. Und das beruͤhmte Roͤmiſche Geſetze de Sectione debitoris in partes hat wol ebeu den Sinn; und ſoll ſo viel bedeu - ten, daß der unvermoͤgende Schuldner ſeiner Glaͤubiger Gnade leben muͤſſe; weil der Richter beyden nicht wei - ter helfen koͤnnen.
(f)
(g)Das Gerichte geht an, wenn der Holzgraf oder Unter - holzgraf die Bank ſpannet, das iſt, mit der Hand eine Spanne auf dem gemeinen Tiſch, wobey man ſich ſetzt, gemeſſen, und dabey Hand und Mund verboten hat. S. MASCOV. in notit. jur. Oſn. VII. §. 6. Dieſe Feyerlichkeit, welche nur noch an einigen Orten, als zu Alfhauſen ꝛc. beachtet wird, hat die Wirkung, daß von dieſem Augenblick an, der Gerichts-Friede zu dem Mark-Frieden tritt. Denn ſo bald wie die Span - nung geſchehn, gehoͤren Schlaͤgerey und Scheitwort, welche bey der Bank vorfallen, zur Ahndung des Holz -B 5gra -26Oſnabruͤckſche Geſchichtegrafen; vorher und nach aufgehobnem Gericht, wenn ſich die Markgenoſſen auch an den Holzgrafen vergriffen, wuͤrde nicht er, ſondern das Amt die Beſtrafung haben.
(g)

§. 16. Es ſind mehrere dergleichen Jnnun - gen und Gerichte.

Alle Arten von Gemeinſchaften erforderten auf gleiche Weiſe einen Richter oder Schiedsmann; und die Mannigfaltigkeit der deutſchen Gerichte ruͤhrt eben daher, daß jede Genoſſenſchaft, eben wie jetzt unſre Jnnungen, ihre beſondre Richter und Vorſteher hat - te, welche mit den Genoſſen nothduͤrftiges Recht fan - den. Daher kam es, daß oft einer drey Fuß uͤber der Erde,(a) und ein ander darunter richtete, wenn die Genoſſen verſchieden, und ein Theil derſelben z. E. Blumwarig.(b) der andre aber bloß Duſtwarig(c) war. Denn die Geſellſchaft zur Maſt(d) konnte mit ihrem Richter nicht uͤber die Geſellſchaft zum Brandholze richten. Wir haben mit unſern Begrif - fen von Grundherrlichkeiten(e) und Erbgerichtsbar - keiten alle dieſe ſo begreiflichen Anlagen verdorben. Ein Grundherr richtet uͤber die Wurzel wie uͤber den Stamm, und laͤßt ſich nicht drey Fuß uͤber die Erde weiſen.

(a)Jn einem extr. prot. conf. cum Teckl. vom 8. Apr. 1652 heißt es: Canzler Lohhauſen verſetzte es waͤre ein groſ - ſer Unterſcheid zwiſchen dem Holzgrafen zu Liene und im Hagiſchen; maſſen Tecklenburgenſes in dieſem nichts weiter als den Holzhieb drey Fuß uͤber der Erden zu beſtrafen, und zu Maſtzeiten das Recht haͤtten, eine ſichere Anzahl Schweine zu treiben; uͤbrige exceſſus ge - hoͤrten zur cognition der Jburgiſchen Beamte; die auch des -27erſter Abſchnitt. desfalls in continua poſſeſſione beſtanden ꝛc. wie durch Exempel erwieſen wirb. Jch koͤnnte mehrere dergleichen Faͤlle anfuͤhren.
(a)
(b)Eichen und Buͤchen werden Blumenholz genannt; und die in einem Walde zu Zimmer Holz und zur Maſt be - rechtiget ſind, heiſſen Blumwarige oder vollwa - rige Genoſſen. S. die Rechtsweiſung vom Speller - walde in der Anl. n. I. beym PIPER l. c. in app. Wahre iſt der Theil, den ein Voller Genoſſe in der Gemeinheit zu wahren hat. Manches Erbe hat zwey Wahren; und manches adliches Haus ſechs und meh - rere Wahren Eine echte Wahre oder ein Echt - Wort wird oft derjenigen Befugnis entgegen geſetzt, die ein ander, etwan jure ſervitutis in einer Mark erlangt hat; oft aber auch fuͤr die Advocatie oder Gutsherrlich - keit ſelbſt genommen. Und zwar alſo, daß alle Guts - herrn Echt-Wort; ihre Coloni aber gleichſam Unecht - Wort; oder aber bloß die Adlichen Echt-Wort ha - ben, indem ſie ihre Guͤter vollkommen und nicht bloß zum Bau beſitzen. Vermuthlich iſt es mit der Erb-exen - ſchaft eben ſo; indem in einigen Marken alle Guts - herrn in andern aber gewiſſe Adliche| nur Erb-exen heiſſen. Erb-exe ſcheinet mir nicht von Erb - axt; ſondern von Erb-echt herzukommen, und dem unechten Erben, nemlich dem Colono entgegen zu ſtehen.
(b)
(c)Duſt iſt Unterholz; bey den Englaͤndern Staub.
(c)
(d)Eben ſo wenig als eine Gaͤrber-Gilde uͤber die Schuſter - Gilde urtheilen kann, ohnerachtet ſie beyde mit Leder zu ſchaffen haben.
(d)
(e)HEINEC. de orig. & ind. jurisd. patr. hat insbeſondre die alte Herrlichkeit uͤber die Knechte zur Quelle der Grund - Gerichte gemacht. Jch wende gegen ſeine Theſin nichts ein. Sie muß aber ſehr vorſichtig angewandt werden. Und die Anwendung, die er davon gemacht hat, iſt ſo mager daß ſie ſeinen Nahmen nicht verdienet.
(e)
§. 17.28Oſnabruͤckſche Geſchichte

§. 17. Einige Beyſpiele davon.

Jch finde es unnoͤthig die verſchiedenen Arten dieſer Gemeinſchaften und Rechtsfindungen zu beruͤhren. Jhre Einrichtung war eben ſo, wie die in den Marken; und der Gegenſtand nur verſchieden. Genoſſen eines Eſches;(a) einer Koppel;(b) einer Heimſchnat,(c) eines Kirchen-Friedens, einer Weiſung,(d) eines Lohes,(e) eines Mohres(f) und andrer gemeinen Sachen, hatten andre Vortheile und andre Rechte. Niemand als ein Genoſſe konnte ſolche erkennen und weiſen; und der Richter mogte ſo wenig als der Amts-Meiſter ſich einer beſondern Grund-Herrſchaft anmaſſen. Jetzt hat der Landes-Herr verſchiedene Bruchfaͤlle dieſer Art zu ſtrafen; und ſeit dem alle ſolche kleine Gemeinſchaften in einen Staat erwachſen, koͤmmt es ihm zu, dafuͤr zu ſorgen, daß ſie ihren Vor - theil nicht zum Nachtheil des Ganzen ſuchen. Allein dieſes bey Seite geſetzt, iſt er in ſolchen Faͤllen bloß Richter und nicht Landes-Herr, und der Verluſt ſei - ner Bruch-Faͤlle(g) darf ihm kein Recht geben, ſich den loͤblichen Abſichten einer ſolchen Jnnung zu wi - derſetzen. Wenn die ganze Gemeinde eins iſt hat er nichts zu ſcheiden. Gemeiniglich fuͤhren dergleichen Junungs-Abſchiede, den Nahmen von Sprachen oder Abreden, und ſind die Bauer-ſprachen, Bauer-gerichte, Hecken-ſprachen und andre be - kannt.

(a)Eſch iſt ein gemeines Feld, das mehrere zuſammen bauen. Hier erkennen die Genoſſen uͤber die Land - oder Wannen-Wege, uͤber die Betreibung der Stoppeln,uͤber29erſter Abſchnitt. uͤber Pflug art, uͤber die Befriedigung und alles was zum Beſten des Eſches iſt. Dies heißt vielfaͤltig die Bauerſprache, welche jaͤhrlich gleich dem Holzge - richte abgehalten wird. Bisweilen iſt auch der Holz - grafe zugleich im Eſche Richter entweder weil der Eſch aus der Mark genommen, und ihm das Richt amt ge - laſſen, oder aber weil er als ein zufaͤlliger Genoſſe dazu erwaͤhlet iſt.
(a)
(b)Koppel kann eben das bedeuten, weil es jede Gemein - ſchaft anzeigt; wird aber eher fuͤr eine gemeinſchaftliche Weide genommen. Vor die Koppelſprache wuͤrde alſo Trifft und Uebertrifft gehoͤren.
(b)
(c)Heimſchnaet iſt insgemein in der gemeinen Mark ein Strich, welcher zwar zur Viehweide allen Genoſſen offen iſt, zum Plaggenmatt aber einem Dorfe oder einer Bauerſchaft allein gehoͤret. Erſter wird auch wol der Kirchen-Friede, weil die Kirche im Dorfe liegt, genannt; hat aber ſonſt kein Heiligthum von der Kirche. Die Genoſſen einer Heimſchnaet, finden alſo ihr eigen Recht uͤber Plaggenmatt, und was dazu gehoͤret; aber nicht uͤber Zuſchlaͤge, Viehtrifft ꝛc. dieſes gehoͤret fuͤr alle Markgenoſſen.
(c)
(d)Eine Weiſung iſt eben das; begreift aber auch wol Holztheil.
(d)
(e)Loh wird mehr vom Holze gebrauchet, welches ein oder mehrere Genoſſen zur Holznutzung vor ſich, im uͤbrigen aber gemein haben. Loh begreift mehr als Dußtheil. Letzters iſt nur ein privativer Unterholz - theil in der ofnen Mark. Wer bloß Recht zum Dußtheil hat, darf keine Eichen und Buͤchen darinn ſetzen, weil er ſonſt mit der Zeit den Eichel-Fall behaupten, und die Markgenoſſen zwingen wuͤrde, zur Maſt-Zeit dafuͤr zu huͤten.
(e)
(f)Wenn die Mohr-Genoſſen ein winklichtes Mohr haben, muͤſſen ſie nothwendig ſich einer gewiſſen Linie verglei - chen; damit einer den andern nicht abſticht. Vor dieMohr -30Oſnabruͤckſche GeſchichteMohr-ſprache gehoͤren alſo die Bruch Faͤlle, wenn jemand auſſer dem Winkel ſticht; oder die Mohr-Wege nicht breit genug laͤßt ꝛc. Alle dieſe Sprachen ſind nun zwar mit dem Holzgerichte vereiniget, um der Rich - ter nicht zu viel zu machen. Jnzwiſchen koͤnnen ſie doch davon unterſchieden ſeyn; und es hat ſeinen Nutzen die - ſes zu wiſſen. Wo ſich ein groſſes Mohr findet, iſt der Verkauf des Torfes auſſerhalb der Mark, nicht ſo leicht verboten; und es ſtechen die Koͤtter und Heuerleute gleich den Voll-Erben, weil Ueberfluß da iſt. So wie aber dieſe Rechte bloß den Reichthum zum Grunde ha - ben: ſo muß auch der Mangel andre hervorbringen koͤnnen.
(f)
(g)Wenn z. E. in einem Eſche bisher Recht geweſen iſt, daß keiner vor einen gewiſſen Tag, um der Stoppel - weide willen, ſeinen Morgen pfluͤgen duͤrfen, und der Richter davon den Bruͤchten genoſſen: jetzt aber ſaͤmt - liche Genoſſen jenes Geſetz auf heben: ſo kann der Rich - ter ſich dieſer Verordnung nicht widerſetzen. Wo der Landes-Herr Stoppel-Richter iſt, muß er ſich lediglich nach der Vereinbarung der Genoſſen richten. Von die - ſen haͤngt es ab, ob ſie die Stoppeln vor oder nach Bar - tholomaͤi, gehuͤtet oder ungehuͤtet, betreiben wollen. Der Bruchfall gehoͤret hernach dem Landes-Herrn als Richtern. Eben ſo auch in der Mark. Wenn ſaͤmtliche Genoſſen uͤber die Theilung eins ſind: ſo kann der Holz - graf, weil er ſeine Bruchfaͤlle dabey verlieret, ſich der Theilung nicht widerſetzen.
(g)

§. 18. Andre Vereinigung wegen Leib und Erbe.

Durch alle dieſe kleinen Frieden in beſchloſſenen und unbeſchloſſenen Gemeinſchaften war aber noch keines Mannes Leib und Erbe geſichert. Hieruͤber konnten alle dieſe verſchiedenen Genoſſen kein Rechtwei -31erſter Abſchnitt. weiſen; und der Hausvater der auf ſeinem Hofe als Koͤnig herrſchte, hatte ſeinem Nachbaren nichts zu befehlen. Sie muſten alſo noch einen beſondern Frieden(a) errichten, wodurch ſie ſich einander Leib und Eigenthum gewaͤhreten. (b)Aller Wahrſchein - lichkeit nach haben ſie ſolchen nach dem Mark-Frieden gebildet;(c) und ſchwerlich koͤnnen Menſchen einen ed - lern Plan ihrer Vereinigung erwaͤhlen, als ſich alle Nordiſche einzelne Wohner im Anfange erwaͤhlet haben.

(a)Friede iſt der bequemſte und gluͤcklichſte Ausdruck, deſ - ſen man ſich in dieſem Falle bedienen konnte; und ehe ein Fuͤrſt den bannum einführte, war alles fredum; und aller Bann-Bruch Friede-Bruch.
(a)
(b)Dies iſt die hoͤchſte Gerichtsbarkeit; welche entweder ex dominio oder ex directorio yel imperio fließt. Letztere iſt jetzt die regalis; und um zu wiſſen, von welcher Art eine Gerichtsbarkeit ſey; muß man unterſuchen ob die dar - unter ſtehende Leute, ehedem zum gemeinen Heerbann, oder zu eines Herrn Hofe gehoͤret haben. Und da iſt meine Meinung, daß wo die Gerichts-geſeſſene zur ge - meinen Landfolge kommen; es ſey nun, daß ſie durch den Gerichts-Herrn oder durch das Amt beſtellet wer - den, die Vermuthung pro regali jurisdictione; und wo ſie im Gegentheil nicht folgen, die Vermuthung pro patri - moniali ſey. Die Gruͤnde wird man in der Folge ſehen.
(b)
(c)Und das macht auch, daß der Adel jenen Gemeinheits - Gerichten folgen kann, weil dort keine Frage von Leib und Gut war.
(c)

§. 19. Formul dieſer andern Vereinigung.

Es muſte ihnen nothwendig ſeltſam vorkommen, daß ein Nachbar den andern zum Tode oder zu einerLei -32Oſnabruͤckſche GeſchichteLeibes-Strafe verdammen ſollte. Ein ſchlimmer Looß hatte keiner von ſeinem Feinde im Unfrieden zu beſor - gen; und es verlohnte ſich nicht der Muͤhe einen ge - meinen Frieden zu errichten, um Leib, Ehre und Gut durch Urtheil zu verliehren. (a)Jhre Vereinigung gieng alſo lediglich auf Rettung und Erhaltung. (b)Auf dieſen groſſen und vielleicht noch uͤberdem ge - heiligten Grundſatz baueten ſie ihre Verfaſſung, und man wird faſt im ganzen Norden kein Volk finden, welches ihn nicht zum Eckſtein genommen habe. Wo ein Geſetzgeber davon abgegangen iſt, hat er ſeine Vollmacht dazu von einer Gottheit entlehnt. Jeder Verbrecher und ſelbſt der Moͤrder(c) konnte daher ſein Blut und ſeinen Leib loͤſen.

(a)Aufmerkſamen Leſern der Geſchichte wird dieſes nicht entgehn. Alle Leib-und Lebens-Strafen ſind zuerſt in curia Domini zu Rechte gewieſen. Den Deutſchen kam dieſes ſeltſam vor. Vt primum togas & ſeveriora armis jura viderunt, arma duce Arminio corripiunt. FLOR. IV. 12. Bey ihnen hieß es: Cæterum neque animadvertere, neque vincire neque verberare quidem niſi Sacerdotibus permiſſum; non quaſi in pœnam nec dutis juſſu, ſed velut Deo imperante, quem adeſſe bellantibus credunt. TAC. in G. 7. Und dieſes galt bloß, wie man ſieht, im Heere, wo eine ſtrengere Krieges-Zucht nothwendig war. Silen - tium per Sacerdotes quibus tum & coercendi jus eſt impe - rntur. ib. c. 11. Auſſer dem Heere hatte alſo der Prieſter keinen goͤttlichen Beruf zum ſchlagen. Eben ſo uͤbergiebt das Parlement in England, cui tum (und nicht anders) coercendi jus eſt, die Gewalt uͤber Leben und Tod dem Feldherrn zur Krieges-Zeit. Die Roͤmiſchen Buͤrger hatten gleiche Rechte. Das ganze Volk konnte keinem Buͤrger ein Haar kraͤnken. Aqua & ignis war alles was es ihm nehmen konnte; und dies iſt die Ausſchlieſſungeines33erſter Abſchnitt. eines Mitgliedes aus der Geſellſchaft, welche jeder Bund von Rechtswegen hat. Denn aqua & ignis iſt von gemei - nem Waſſer und Brandholze zu nehmen. Der ſervus - gab zwar hernach eine Wendung gegen jenen Grundſatz ab. Oder es hies: vitæ necisque poteſtatem ſibi vindicarun: primum in plebejos obſcuros. AMM. MARC. XXIII. Allein die Regel blieb; und in Gallien opferte man die Uebelthaͤ - ter den Goͤttern, was vor eine feine Wendung der Geſetzge - benden Macht! weil man ſie nicht an Leib und Leben ſtrafen konnte. CAES. de B. G. VI. Auch noch wird ein Edel - mann ſeines Adels, und ein jeder ſeiner Wuͤrde beraubt, ehe er an ſeinem Leibe leiden kann. Dieſe Wuͤrde ſchei - net jeder Haus-Herr in den alten Verfaſſungen gehabt zu haben, und die Jſraeliten welche Moſes aus Egypten fuͤhrte, und die, weil ſie lange zu Haufen und zum Heere verſammlet blieben, eine ſtrenge Krieges-Zucht noͤthig hatten, ſchienen ſich um des willen bey den uͤbrigen Voͤl - kern eine ſo allgemeine Verachtung zugezogen zu haben; weil ſie auf Befehl Gottes viele Leib-und Lebens-Stra - fen, anbey lauter Geſetze und wenige Willkuͤhren, Sprachen, Abſchiede, oder populiſcita und plebi - ſcita hatten.
(a)
(b)Die Strafen hieſſen daher compoſitiones; oder compoſi - tiones legales; S. du FRESNE h. v.
(b)
(c)Luitur etiam homicidium certo armentorum ac pecorum nu - mero TAC. G. 21. It. LL. BAI. T. I. 7. 3. II. 1. 4. Es hieß daher aber vielleicht auch oftmal bey der vitioſiori progenie: magnas mihi debes referre gratias eo quod paren - tes tuos interfecerim, de quibus accepta compoſitione au - rum & argentum ſuperabundant in domo tua. GREG. TVR. IX. 19.
(c)

§. 20. Mit Huͤlfe des Wehrgeldes.

Zu einer ſolchen Einrichtung gehoͤrte nothwendig, daß ein jeder ſeine gewiſſe feſt-ſtehende Taxe(a) oder Wehrung empfieng; damit der beleidigte Theil ſeineCFor -34Oſnabruͤckſche GeſchichteForderung nicht uͤbertreiben konnte: und daß ſolche im voraus verglichen und beſtimmet wurde, damit der Schuldige nach ſeiner eignen Bewilligung ver - urtheilet werden konnte. Denn dieſe, und nicht ein willkuͤhrliches Geſetze nach der That, worinn die Partheyen ohnedem ſchwerlich uͤbereingekommen ſeyn wuͤrden, mogte ihn verbinden. Man hies ſolche ins - gemein das Wehr-geld(b) Je hoͤher ein Preis war den einer auf ſeine Perſon erhielt, je mehr war er ge - ſichert. Und der Unterſchied(c) des Wehrgeldes konnte die Klaſſen der Menſchen; ihren verſchiedenen Rang; und die Verhaͤltnis in allen Genugthuungen uͤberaus wohl beſtimmen. Wer das Wehrgeld, wie es verglichen war, nicht bezahlen wollte, genos des gemeinen Friedens nicht weiter,(d) und mogte ſeine Gefahr ſtehen. Er nahm und gab in der oͤffentlichen Verſammlung weiter kein Recht; und keiner durfte ihm helfen, ohne ebenfalls von der Geſellſchaft aus - geſchloſſen zu werden.

(a)Die leibeigne Magd hat jetzt ihre Wehrung noch; wel - che dem Gutsherrn unter dem Nahmen von Bette - mund bezahlet wird, wenn ſie geſchwaͤcht iſt; und der Gutsherr wuͤrde auf gleiche Art fuͤr einen erſchlagenen Knecht noch jetzt das Wehrgeld haben, wenn es nicht abgeſchaffet waͤre.
(a)
(b)Wehre iſt hier valor. Man ſagt Geld und Geldes-ge - wehr. Wehrgeld iſt alſo valoris valor. WACHTER v. Wehrgeld giebt eine andre Ableitung. Jene vom SPELLMAN. v. VVergeld iſt wohl die beſte. Der Koͤnig Eduard uͤberſetzt: VVere quod ſit redemtionis ſuæ pretium in LL. tit. 12. beym WILK. p. 199.
(b)
(c)Unter den Angelſachſen war das Wehrgeld des Koͤnigs 30000 Thrymſe; des Erzbiſchofen 15000; des Biſchofenund35erſter Abſchnitt. und Aldermanns 8000; des Generals 4000; des Prie - ſters und Thans 2000 ꝛc. Die Englaͤnder wiſſen aber nicht recht mehr was ſie aus den Thrymſen machen ſollen. S. SPELLMAN h. v. WILKINS in gloſſ. ad LL. Angl. v. Manca und SELDEN. tit. hon ed. l. p. 204. Die Rech - nung ſcheinet aber ſo ſchwer nicht. Thrymſe hat den Nahmen de tribus tremiſſibus, welche bey den Sachſen den ſchweren Solidum ausmachten. v. L L Sax. §. 17. beym LINDENB. p. 478. Und nun angenommen daß dieſer ſchwere Solidus, gegen einen andern noch ſchwerern, welchen die Mercier hatten, ſich wie unſer courant zur ſpecie verhalten habe: ſo iſt die Stelle in jud civit. Lond. beym WILK. p. 71., wo 266⅔ Thrymſe gegen 200 Soli - dos Mercios gerechnet werden, nicht irrig wie SPELL - MAN und andre davor gehalten haben.
(c)
(d)Parentibus occiſi fiat emendatio aut guerra eorum portetur LL. Edw. conf. §. 12. Eine richtige Folge ihres Grund - ſatzes.
(d)

§. 21. Und einer Geſamt-Buͤrgſchaft.

Es wurde weiter dazu erfordert, daß man ſich ein - ander dieſe Wehrung verſicherte, und ſich dafuͤr mit geſamter Hand verbuͤrgte. (a)Dieſe Buͤrgſchaft mogte gleichſam die Stelle der obrigkeitlichen Obhut vertre - ten, und der Grund ſeyn, warum an einigen Orten ein Theil des Wehrgeldes der Gemeinheit,(b) an andern aber dem Koͤnige entrichtet werden mußte. Durch jede Erhoͤhung des Wehrgeldes wurde die ge - meine Buͤrgſchaft ſchwerer. Sie muſte alſo wohl mit gemeiner Bewilligung geſchehen, und der vornehmſte Privat-Dienſt mogte daher eines Menſchen oͤffentliche Wehrung nicht erhoͤhen. Vielleicht zeigt dieſes eini - ger maſſen den Grund(c) warum der Kayſer dieC 2Quelle36Oſnabruͤckſche GeſchichteQuelle alles Adels iſt. Ohne Zweifel heiligte ein Prieſter dieſe Geſamt-Buͤrgſchaft zum Gottes-Frie - den. Denn auch dieſer hatte Antheil am Wehr - gelde. (d)Jn den ſpaͤtern Zeiten ſtand blos der Koͤ - nig in des Volkes(e) und das Volk in des Koͤnigs Obhut. Benachbarte Voͤlker(f) vereinigten ſich gern miteinander uͤber das Wehrgeld, damit ſie ſich darnach einander Genug thun und einen Krieg ab - wenden konnten.

(a)Noch in den ſpaͤtern Zeiten waren dieſe Buͤrgſchaften im Gebrauch. S. L L. Edowardi §. 20. beym WILK. p. 202. und dies war zu einer Zeit, wo man noch kein Geld hatte noch nothwendiger. Die Eingeſeſſene eines Ge - richts waren die einzigen welche ihres Mitgenoſſen Hof und Land an ſich nehmen, und ihre Buͤrgſchaft tod ſaͤen konnten.
(a)
(b)Pars mulctæ regi vel civitati, pars ipſi qui vindicatur vel propinquis ejus exſolvitur. TAC. G. 12.
(b)
(c)Das Roͤmiſche Reich iſt aus der Geſamt Buͤrgſchaft ver - pflichtet, jedem Reichsgenoſſen zu ſeinem Rechte zu ver - helfen. Das Recht eines Mannes mißt ſich nach ſeinem Stande. Und kein einzelner Reichs-Stand, ſondern nur derjenige, der die allgemeine Vollmacht hat, kann die Geſamt-Buͤrgſchaft mit einer Standes-Erhoͤhung be - ſchweren. Dies iſt der Kayſer; und er ſorgt fuͤr die Ruͤck-Buͤrgſchaft dadurch, daß er nur hinlaͤnglich An - geſeſſene erhoͤhet.
(c)
(d)STRABO L. IV. p. 197. Ed. par. de 1620. Maxime judicia de cæde Druidis commiſſa ſunt, quorum multus eſt proventus.
(d)
(e)Von den 30000 Thrymſen (S. §. 20. n. c.) bekam 15000 das Volk; und das uͤbrige der Verwandte. S. jud. civ. Lond. beym WILK. p. 71.
(e)
(f)Man wird dieſes zu ſeiner Zeit bey den Franken und Sachſen ſehen.
(f)
§. 22.37erſter Abſchnitt.

§. 22. Wie weit ſich dieſe Buͤrgſchaft erſtreckt.

Endlich folgte es von ſelbſt daß jeder Hausvater(a) fuͤr ſeine Kinder, Geſinde und andre, die er auf ſeine Gruͤnde nahm, nothwendiger Buͤrge werden und bis auf ihre Wehrung haften mußte. Blos einen Gaſt konnte er drey Tage(b) beherbergen ohne fuͤr ihn einzuſtehen; und jeder Fremde war ein nothwendiger Feind,(c) ſo lange er keinen Buͤrgen hatte. Denn keiner war befugt auf die Rechnung der gemeinen Buͤrgſchaft unſichere Leute aufzunehmen und zu hegen. Und der Fremden Schutz, die Geleits-Gerechtigkeit, das Recht Fremde ohne Buͤrgſchaft zu herbergen, oder ein Wirthshaus zu halten, mußte in der Folge zu den Obrigkeitlichen Befugniſſen gehoͤren. (d)Der Wild - fang oder wie es bey uns heißt, der Bieſter-Freyen Sterbfall iſt damit verknuͤpft. Und man findet leicht den Grund warum alle Fremde anfaͤnglich als Knechte angeſehen wurden. Mit ihrer Haut konnten ſie da - mals noch wenig bezahlen, und man borgte ihnen dar - auf das Geleit nicht wie jetzt.

(a)Deswegen wird der Hausherr propriæ familiæ fidejuſſor genannt in LL. Cnuti II. 8. Dieſe Buͤrgſchaft liegt auch ſchon in dem Syſtem einzelner Wohner. Wie denn uͤberhaupt die Lehre von dem Wehrgelde ganz ſyſtema - tiſch, und von dem groͤßten Einfluß in die deutſche Rechtsgelehrſamkeit iſt. So wenig einer ſchaͤdlich Vieh auf die Gemeinheit laufen laſſen darf, ohne den Scha - den zu bezahlen; eben ſo wenig kann er unſichere Leute hegen, ohne fuͤr ſie einzuſtehen, und ſie wenigſtens dem Beſchaͤdigten darzuſtellen, noxæ dare. Quilibet homo habeat ſuam fidejuſſionem & fidejuſſor illum ad quodlibetC 3jus38Oſnabruͤckſche Geſchichtejus ducat & cuſtodiat. LL. Edgari II. 6. Qui voluerit ſe teneri pro libero, ſit in plegio. Guil. Conq. L. 64.
(a)
(b)Si quis hoſpitaverit privatum, poterit eum habere noctibus duabus tanquam lioſpitem --- quem ſi tertia nocte hoſpi - tatus ſuerit, habeat eum ad rectum tanquam de propria fa. milia. LL. Edovardi c. 27. beym WILK. p. 202. Und da - hin zielet auch das deutſche Sprichwort: Ein dreytaͤgi - ger Gaſt iſt jedem eine Laſt. Dieſes Geſetz that eine ſeltſame Wirkung auf die Hoͤflichkeit der Deutſchen. Wenn ein Gaſt von ihnen gieng: ſo wurden ſie mon - ſtratores proximi hoſpitii & comites. TAC. G. 21. Denn wenn der Fremde unter dem Wege zum naͤchſten Nacht - Lager etwas verbrochen haͤtte: ſo wuͤrde der erſte Wirth fuͤr ihn haben bezahlen muͤſſen.
(b)
(c)Und dies iſt vermuthlich die Urſache warum der Gaſt hoſtis hies. Wie der Fremde endlich in den Koͤnigs - Schutz kam: genoß der Koͤnig des Wehrgeldes; und da folglich der Koͤnig faſt ſein ganzes Haupt hatte: ſo beerbte er ihn auch als Knecht.
(c)
(d)Weil keiner als derjenige, der die gemeine Vollmacht hatte, die gemeine Buͤrgſchaft beſchweren konnte. Und in dieſer Hinſicht gehoͤret der Juden-Schutz ad regalia; Die Regalitaͤt des Geleits, des Schutzes ꝛc. beruhet darin, daß ein Fremder auf gemeine Rechnung ohne Buͤrgſchaft geduldet wird. Und wer haͤtte ein Wirthshaus halten wollen; wenn er dem Staat vor alle aufgenommene Gaͤſte haften muͤſſen?
(d)

§. 23. Einige Folgen hieraus.

Das eigentliche Wehrgeld(a) eines Erſchlagenen gehoͤrte aber deſſen naͤchſten Verwandten,(b) wenn er keinem Herrn angehoͤrig geweſen war. Dieſe wa - ren aber auch dagegen verbunden fuͤr ihn zu haften;(c) alſo daß der Gemeinheit eigentlich nur die Waͤhr -Buͤrg -39erſter Abſchnitt. Buͤrgſchaft gegen Benachbarte oblag. Vermuthlich liegt hierinn der Grund des Mit-Eigenthums, welches eine Familie zuſammen an allen Guͤtern hatte; und warum ein Herr ohne ihre Bewilligung ſolche nicht veraͤuſſern, vermachen und beſchweren konnte. Denn ihre Buͤrgſchaft wuͤrde ſehr gefaͤhrlich geweſen ſeyn, wenn ſie nicht gleichſam ein geſetzmaͤßiges Unterpfand, oder jenes Mit-Eigenthum daran gehabt; oder wenn auch nur die Vormundſchaften eine ander Linie als die Erbfolgen gehalten haͤtten. Die Entlaſſung aus der Vaͤterlichen oder Herrlichen Gewalt, war gewiſſer maſſen die Aufkuͤndigung der bisherigen Buͤrgſchaft. Sie muſte daher oͤffentlich geſchehen; und eine Ver - aͤnderung(d) in der eingefuͤhrten Erb-Folge ſehr ſchwer, und ohne eine allgemeine Einwilligung nicht vorzunehmen ſeyn weil die Ordnung der Buͤrgſchaft dadurch verruͤcket wurde. Wie die Leibes-Strafen aufkamen, und Hof-Recht Voͤlker-Recht wurde, mogte dieſe Noth-Haft der Verwandten mit Recht das grauſame(e) Geſetz der Sachſen heiſſen.

(a)Was der Prieſter bekam, konnte die Verſoͤhnung oder Suͤhnde; das was der Koͤnig oder der Staat bekam, ein Bruͤchte; und was die Verwandte be - kamen Wehrgeld heiſſen. Allein die Schriftſteller nennen eins durchs ander Werigeldum, und man ſieht leicht, wie ſich dieſe verſchiedene Begriffe verwechſeln koͤnnen; da im Grunde alles von der Wehrung kam.
(a)
(b)Suſcipere tam inimicitias ſeu patris ſeu propinqui quam a - micitias neceſſe eſt. Nec implacabiles durant. Luitur enim etiam homicidium certo armentorum vel pecorum numero. Recipitque ſatisfactionem (i. e. Werigeldum) univerſa do - mus. TAC. G. 21.
(b)C 4(c)40Oſnabruͤckſche Geſchichte
(c)HOFMAN in Obſ. Iur. Germ. l. 3. und andre finden dieſes Geſetz hart, weil ſolchergeſtalt die Unſchuldigen fuͤr den Schuldigen beſtraft wurden. Allein einmal hatte die Buͤrgſchaft durch das Wehrgeld ſeine beſtimmte Graͤn - zen, und war in den mehrſten Faͤllen geſichert. Es ver - pflichtete den Vater zur guten Kinderzucht; und den Herrn zur Wahl eines guten Geſindes; verknuͤpfte die Verwandſchaften; verhinderte die Hegung unſicherer Leute, womit jetzt oft ein Land beladen wird; und der Staat haftete mit Recht in ſubſidium, wenn er Land - ſtreicher ohne Buͤrgen duldete. Uebergab er einer Gott - heit; oder einer Obrigkeit die Vollmacht, auf die ge - meine Buͤrgſchaft Geleit zu geben: ſo war dieſes ſeine Schuld. Kurz die Ungerechtigkeit dieſer Verfaſſung ent - ſtand nicht eher, als bis gewaltige Herren Laͤnder er - oberten; die urſpruͤnglichen Contrahenten in Untertha - nen verwandelten; und Leute fuͤr einander haften laſſen wollten, die dazu ihren Willen nicht gegeben hatten. Mit der Monarchie muſte alſo dieſes Geſetz nicht lange beſtehen koͤnnen.
(c)
(d)Heredes ſucceſſoresque ſui cuique liberi; & nullum teſta - mentum. Si liberi non ſunt proximus gradus in ſucceſſione fratres; patrui; avunculi. TAC. G. 20. Nullus heredem ſuum exheredem faciat. LL. Saxon. 54. beym LIN - DENBR. p. 478. Jn Daͤnnemark wird noch jetzt des Koͤnigs Erlaubnis zu einem guͤltigen Teſtament erfor - dert. Beylaͤuffig muß ich hier erinnern, daß ich die vorangezogene LL Sax. fuͤr eine ſpaͤtere und unſichere Rapſodie halte. Das oͤftere: morte moriatur; iſt im Moſaiſchen Styl; der zwar oft von Koͤnigen aber nie von Voͤlkern affectiret worden; und die æſtimationes vul - nerum ſind ausſchweifend. z. E. ambo teſticuli 1440. Schilling: d. i. nach damaliger Wehrung in l. fin. ib. 86400 Scheffel Haber.
(d)
(e)Der lex crudeliſſima Saxonum, welchen K. Ludewig der Fromme aufhob, iſt bekannt; man ſtreitet aber uͤber deſſen Jnhalt. Jch vermuthe daß die Aufhebung in beſſern Latein, ſonſt aber in terminis Childeberti II. reg. Franc. 41erſter Abſchnitt. Franc. gefaßt geweſen: De homicidio ita juſſimus obſerva - ri ut quieunque auſu temerario alium ſine cauſa occiderit, vitæ periculum feriatur; & nullo pretio redemtionis ſe re - dimat aut componat. Et ſi forſitan convenerit, ut ad ſo - lutionem quisque deſcendat, nullus de parentibus & amicis ei adjuvat. Niſi qui præſumſerit ei aliquid adjuvare ſuum Werigeldum omnino componat. Quia juſtum eſt ut qui injuſte novit occidere diſcat juſte morire. Cap I. 18. beym BALVZ. In LL. Edmundi §. f. wird den Verwandten das beneficium derelinquendi homicidam unter dem Be - dinge geſtattet, daß ſie ihm kein Eſſen und Trinken rei - chen und auch an ſeinem Wehrgelde keinen Antheil ha - ben ſollten. Jm Stift Oſnabruͤck verlohr ſich das Wehr - geld im XV Sæc. wovon zu ſeiner Zeit. Jm Daͤniſchen wurden im Jahr 1540 die Verwandte von der Mithaft befreyt. S. HEIMERICH in der Nordfreſ. Chronick III. 5. p. 246.
(e)

§. 24. Nebſt der Nothwendigkeit die Bruͤch - ten-Taxen feſtzuſetzen.

Die Richterliche ſchwankende Willkuͤhr wurde zu - gleich durch das Wehrgeld ungemein verhindert; und um derſelben endlich auch nicht den geringſten moͤgli - chen Raum zu geben: ſo wurden alle Wunden nach der Maaſſe berechnet, alle Glieder auf das ſorgfaͤltig - ſte gezaͤhlet; und jedes zu einem beſondern Anſchlag gebracht. Der Richter behielt nicht die Macht von dem linken Zaͤhe auf den rechten zu ſchlieſſen. (a)Sein Amt war die Gemeine zu fragen;(b) und dieſer ihre Pflicht, Recht nach der Abrede zu weiſen. Aus einem hartnaͤckigen Triebe zur Freyheit verbann - ten ſie alle moraliſche Bewegungs-Gruͤnde,(c) weil Einbildung und Laune zu viel dabey wuͤrken. SieC 5dul -42Oſnabruͤckſche Geſchichteduldeten keine geſchriebene Geſetze, und uͤberall wo dergleichen eingefuͤhret wurden, geſchahe es von O - brigkeiten welche die Geſetzgebende Macht des Volks untergraben wollten. (d)Denn ſo bald ein Richter die Geſetze und nachwaͤrts die Rechtweiſungen und Auslegungen in einem Buche hatte: ſo fragte er nicht das Volk, ſondern ſein Buch und zuletzt fremde Ausleger und Rechte. Das Archiv der Geſetze war in dem Gedaͤchtnis aller Maͤnner. (e)Die Markge - noſſen haben ſich allein bey dieſem Rechte erhalten; weil das Maͤrker-Recht nie beſchrieben und durch das Roͤmiſche nicht iſt erſetzet worden.

(a)Die ganze alte Rechtsgelehrſamkeit ſchien keinen wichti - gern Gegenſtaud zu haben. Si pollex abſcindatur XX Sol. Si pollicis unguis abſcindatur III Solidis emendetur. Si quis indicem digitum VIII Sol. &c. LL. Aethelſt. beym WILK. p. 5. Und man findet dergleichen faſt in jeder alten Dorf-Ordnung. S. LL. Burg. tit. XI. §. 48. LL. Baj. tit. 3. c. I. LL. Rip. tit. 1. 2. LL. Friſ. tit. 22. L. Sal. tit. 19. &c. Man lacht jetzt uͤber dergleichen alte Geſetze; und laͤßt ſich dafuͤr von jeder Obrigkeit als ein Knecht nach Willkuͤhr ſtrafen. Es wird aber kein Land ſeyn, worinn ſich nicht noch eine gewiſſe Bruͤchten-Taxe fin - det; ſo daß z. E. eine Ohrfeige, ein Schlag ꝛc. ſeine gewiſſe feſtſtehende Geldſtrafe hat; welche ein Beamter nicht verhoͤhen ſoll. S. von ungewoͤhnlichen Bruͤchten in den Biſchofl. Oſn. Capit. beym KRESS. in app. p. 3. Ss. Das Geſchichtgen von der Ohrfeigen - Taxe zu Rom, da einer fuͤr 25 Aſſes allen Leuten ins Geſichte ſchlug, beweiſet das Alterthum dieſer Taxe; und auch wiederum dieſes, daß dasjenige was bey ein - zelnen Wohnern gut iſt, ſich in der buͤrgerlichen Geſell - ſchaft nicht ſchickt.
(a)
(b)Der Schatten des damaligen Richterlichen Amts zeigtſich43erſter Abſchnitt. ſich noch in dem Pfandſpiel. Der Richter fraͤgt: was ſoll der thun dem das Pfand gehoͤrt?
(b)
(c)Man ſiehet daß ein Genie das Wehrgeld erfunden habe; und man wuͤrde die Alten fuͤr ſehr dumm anſehen, wenn man glaubte, daß ſie quantitatem actionum moralium nicht gekannt haͤtten. Allein in ihren Rechtsweiſungen haben ſie nicht leicht darauf zuruͤckgeſehen; und die Ge - fahr hat ihnen geahndet, welche die Freyheit dadurch erlitten hat, daß man dem Richterlichen Arbitrio hierin ſo viel nachgegeben hat.
(c)
(d)Alle geſchriebene Geſetze der Longobarden, Franken, Sachſen, Gothen, Burgundier ꝛc. ſind von Obrigkei - ten, die ihre Herrſchaft feſt-ſetzen wollen, befoͤrdert wor - den; wie der Augenſchein zeiget. Es iſt ſonſt merkwuͤr - dig daß die Angelſachſen auch nicht einmal die Straf - Faſten der Biſchoͤflichen Willkuͤhr uͤberlaſſen wollten. S. den modum imponendi pœnitentiam inter LL. Eadgari beym WILK. p. 89. oder WHELOC. p. 71. Die Faſten ſind darinn auf jedes Verbrechen bey Jahren, Wochen und Tagen zu Recht gewieſen. Und MONTESQ. im Eſpr. de Loix XI. 6. bemerkt mit Recht, daß die Angelſachſen dieſen Geiſt der Freyheit aus den deutſchen Waͤldern mit gebracht haͤtten.
(d)
(e)Daher war es unmoͤglich einen Mann auſſerhalb ſeiner Heymath zu Recht zu ſtellen. Man muß aber auch vor - ausſetzen, daß er auf ein frey Geleit reiſete und nicht als Knecht verurtheilet werden konnte. Nicht blos Ge - ſandten, ſondern alle geleitete Perſonen genieſſen billig dieſes Rechts; und im H. R. R. alle oͤffentliche Bediente. Blos als Knecht kann einer auſſerhalb ſeinem Vaterlan - de verdammet werden; und in deſſen Ruͤckſicht heißt es: Peregrina judicia generali ſanctione prohibemus. Quia in - dignum eſt ut ab externis judicetur, qui provinciales & a ſe electos debet habere judices. S. ANSEGISI. Coll. Ca - pit. Caroli M. & Lud. P. VII. 230.
(e)
§. 25.44Oſnabruͤckſche Geſchichte

§. 25. Von den eigentlichen Genoſſen der zweyten Vereinigung.

Es iſt nicht ganz unwahrſcheinlich, daß man dieſe Vereinigung eine Manie,(a) und deren Eingeſeſſe - ne Maͤnner(b) genannt habe. Jch muß(c) mich wenigſtens dieſer Ausdruͤcke bedienen; und in der Mark nennt man noch jetzt die gewahreten Genoſſen Maͤnner oder Erb-Maͤnner. Es iſt weiter faſt nothwendig, daß einzelne Wohner, welche ſich wegen Leib und Gut vereinigen und verbuͤrgen, aus ihrer Vertheidigung eine Hof-oder Erbe-Laſt(d) machen; indem es ſehr unbillig ſein wuͤrde, jeden Kopf mit gleicher Laſt zu beſchweren. Jch kann dieſe Erb-Laſt mit Recht die Wehre(e) heiſſen; Und alſo war der wahre Genoſſe dieſer Vereinigung ein Mann der eine Wehre oder Civil-Wort-Staͤtte beſas. Das Ge - gentheil von dieſem waren Leute. (f)Und der Leut iſt derjenige, der keine eigne Wehre beſitzet, ſondern einem andern angehoͤret. Man wird auch leicht ein - ſehen, daß ſo wie die gemeine Obhut, welche aus der Geſamt-Buͤrgſchaft entſtand, eine Vollmacht der Obrigkeit wurde; und die Obrigkeit in eine Herrlich - keit und Landes-Hoheit ausartete, alle Maͤnner zu Leuten(g) werden muſten. Und daß man endlich in den neuern Zeiten nur eines Schluſſes noͤthig gehabt habe um Kayſer und Koͤnige zu ſo genannten Grund - und Territorial-Herrn zu machen. Denn der Leut beſitzt kein echtes Eigenthum.

(a)Jn den Woͤrtern Germania, Ingermania, Caramania &c. ver -45erſter Abſchnitt. vertritt Mania unſer heutiges Reich. Und der Unter - ſcheid zwiſchen beyden iſt wol; daß jenes einen freyen; dieſes einen bedeckten Waffen-Verein anzeiget. Jn je - nem ladet der erwaͤhlte Koͤnig oder Heerfuͤhrer die Maͤn - ner zur Heer-Verſamlung ein, und dieſe Einladung heißt Mannitio. Libertatis autem vitium eſt, ut juſſi non conveniunt. TAC. G. 11. Jn dieſem iſt Aufbot, ban - nus. Das Wort Mannia erhielt ſich eine Zeitlang; und man ſagte noch unter den Fraͤnkiſchen Koͤnigen: Comes cum Arimannia; an ſtatt comes cum comitatu vel banno ſuo. Man ſieht dieſes am deutlichſten in Capit. ap. BA - LVZ. T. I. p. 207. wo es noch in rubro nach dem alten Stil heißt: de mannitione in hoſtem; in nigro aber ſteht: ſimiliter & qui juſſionem regiam in hoſte bannitus irruperit. HINCMAR ad Ep. Franc. cit. PYTH. v. Mannire in gloſſ. ad Cap. beym BALVZ T. II. giebt uns den Schluͤſſel da - von in folgenden: Prius per manninas veniebant, excogita - verunt quidam ut per bannos venirent ad placita; quaſi propterea melius eſſet, ne ipſas manninas alterutrum ſolve - rent. Hoc ideo facientes ut ipſi bannum acciperent. Das heißt auf gut deutſch: die Amts-Bruͤder vertagten ſich bis dahin bey Strafe einer Viertel-Tonne Biers, welche ſie unter ſich vertrunken. Der Gildemeiſter aber ließ ſie nun bey Strafe des Bann-Bruchs aufbieten, damit er das Geld allein behielte. Dergleichen Veraͤnderungen erlebet man noch dieſe Stunde bey den Holzgerichten. An einigen Orten werden noch jetzt die Edelleute blos aviſirt und nicht citirt. S. Deſignation etlicher Perſo - nen ſo durch die Biſchoͤfe von Wuͤrzburg mit aviſamen - ten ꝛc. in STRUVERS Reichs-Archiv. T. III. p. 330.
(a)
(b)Spaͤter hieſſen ſie Arimanni, liberi Erimanni. S. DU FRESNE v. Arimanni.
(b)
(c)Das Wort Gow deſſen ſich hier etliche bedienen ſchei - net mir unbequem, weil es eben wie Reich einen be - deckten Verein anzeigt.
(c)
(d)Wenn z. E. hundert Hoͤfe an einem austretenden Fluſſe liegen: ſo wird jeder Hof; aber nicht jeder Kopf, zurUnter -46Oſnabruͤckſche GeſchichteUnterhaltung des Deiches verpflichtet ſeye. Natur und Billigkeit bringen dieſes mit ſich. Ein anders iſt bey ziehenden Voͤlkern; wo keine Hoͤfe; ſondern Leiber zu verthaidigen ſind. Die Sueven ſtanden auf ziehenden Fuß, weil ſie mit ziehenden Voͤlkern zu kriegen hatten; und daher ihre Wehre verſtaͤrken muſten, wovon unten.
(d)
(e)Wehre iſt allezeit tutela & defenſio; dieſe giebt das ca - put civile; und ſie macht valorem. Kinder und Knechte ſind non valeurs in oͤffentlichen Laſten. Ein Mann hieß daher auch Vir. Wehr. Angloſ. VVaer. Goth. VVair &c. alles zu verſtehen von dem Manne capite civili præditus. Wir haben dieſe Begriffe mit der Freyheit verlohren; und man fuͤhlet es auch bey dem erſten Buche der Inſti - tutionum Iuſtin. daß die lateiniſche Sprache einen glei - chen Verluſt erlitten, und keine Worte hatte, jene unter - ſchiedene Verhaͤltniſſe in ſtatu politico auszudruͤcken. Vir ward ſchon wie unſer Mann von jedem Menſchen maͤnnlichs Geſchlechts gebraucht; die Begriffe des Tri - bonians kaͤmpfen vielfaͤltig mit ſeinen Worten. Er kann ſeinen Plan de his qui ſui vel alieni juris ſunt, aus Man - gel des Ausdrucks ſo wenig erſchoͤpfen als gehoͤrig ver - binden.
(e)
(f)Wenn Wehre caput iſt; wie denn Bar noch jetzt dafuͤr gebrauchet wird. S. PELLETIER v. Bar. So ſind Let und Lit membra und der Ausdruck iſt ganz paſſend. Wo der Koͤnig caput omnium iſt, verwandelt ſich alles in Leute; und dieſes ſcheinet mir der Grund zu ſeyn, warum bey zunehmender Koͤniglichen Gewalt das VVere - geld ſich in Leutegeld verwandelte.
(f)
(g)Die erſten Leute mogten kein eignes Wehrgeld ha - ben. Wie aber alle Maͤnner Leute wurden; ſo be - hielten ſie ein eignes Leutegeld.
(g)

§. 26. Von ihrer Krieges-Verfaſſung.

Jn Ruͤckſicht auf den Krieg war die Mannie eineHeer -47erſter Abſchnitt. Heermannie(a) oder ein Heerbann. (b)Und weil dazu niemand einen Knecht an ſeinen Platz ſchicken mogte:(c) ſo war der Stand eines Mannes(d) oder Heer-Mannes nothwendig ein Ehrenſtand. Wenn ſie auszogen geſchahe es unter der Fahne Got - tes;(e) und nicht unter der Fahne eines Herrn. Jhr erwaͤhlter Richter zu Hauſe war ihr Oberſter im Fel - de. Sie dienten, wenn man es einen Dienſt nennen kann, ohne Eid und ohne Sold; und fochten fuͤr ihren eignen Heerd; Bruder bey Bruder, Nachbar bey Nachbar. (f)Der Richter mahnte ſie auf, ohne Ge - bot;(g) und der Prieſter war im Nahmen Gottes der General-Gewaltiger. (h)

(a)S. §. 25. die n. a. b.
(a)
(b)Das bannire folgte dem mannire; der Heribannus der Arimania; und der Bannaliſi dem Mann.
(b)
(c)Wenn es erlaubt geweſen waͤre einen Knecht an ſeinen Platz zu ſchicken: ſo wuͤrde des Richters Knecht bald die Stelle des Oberſten vertreten haben. Der Wehr oder Mann muſte alſo ſelbſt kommen; und der Krieges - Stand ein nothwendiger Ehren-Stand werden.
(c)
(d)Mann muſte auch daher ein Ehrenwort ſeyn; weil es in der zweyten Periode, wie der Lehn-Dienſt den Heer - bann verdrungen hatte, dem Lehnmanne gegeben wurde. Gleiches Schickſal hatte Bar oder Baro, unter den Franken, indem es in eben dieſer Periode, dem Koͤnigs-Leut beygelegt wurde.
(d)
(e)Effigies & ſigna quædam detracta lucis in prælium ferunt. TAC. G. 7. Hinc veteranarum cohortium ſigna; inde de - promtæ ſylvis lucisque ferarum imagines, ut cuique gent[i]inire prœlium mos eſt --- obſtupefecerant obſeſſos. Hiſt. IV. 22.
(e)
(f)Non caſus nec fortuita conglobatio turmam aut cuneum fa - cit, ſed familiæ & propinquitates. TAC. G. 7. Bey dieſerVor -48Oſnabruͤckſche GeſchichteVorausſetzung muſten z. E. alle Piqueniers, alle Lanz - Knechte, alle Dragoner in einem Bezirk zuſammen woh - nen. Jch vermuthe aber doch, daß dieſes nur in der Sueviſchen Verfaſſung (S. §. 10.) Statt haben koͤnnen. Und in dieſer mogten auf ſolche Art die Longobarden insgeſamt einige Cantons Lanzen-Traͤger ausmachen. Denn Longobardus iſt Λογχοφόϱος und Λαγϰια eine Lan - ze iſt ein uraltes Gewehr der Celten. DIOD. SIC. V. GELL. XV. 20. Weil die Macht der Infanterie damals auf der Lanze beruhete: ſo mogten ſich die Longobarden leicht in Anſehen ſetzen. TAC. G. 40.
(f)
(g)S. §. 25. n. a.
(g)
(h)S. §. 19. n. a.
(h)

§. 27. Und Aehnlichkeit mit den Mark - Genoſſen.

Die Mannie mogte im uͤbrigen nach der Mark gebildet ſeyn. Die Verſammlung geſchahe unter offenen Himmel; der Richter wurde erwaͤhlt;(a) das Recht von den Maͤnnern gewieſen; und das Ur - theil mit gemeiner Huͤlfe vollzogen; die Ausſchlieſſung aus der Geſellſchaft war ihre letzte Befugnis; und der Mann blieb in ſeinem Hauſe Anfangs noch immer ſicher. (b)Weil aber nicht alle Sachen vor den jaͤhr - lichen feſt-ſtehenden Verſammlungen abgethan wer - den konnten: ſo ſchoͤpften ſie einige weiſe Maͤnner aus ihrem Mittel, mit welchen ſich der Richter oͤfter verſammlen, und die Streitigkeiteu entſcheiden konnte. Man hieß dieſen engern Ausſchuß Schoͤpfen Da dieſe nicht anders als aus ihrem Mittel genommen werden konnten: ſo muſte ein Schoͤpfe nothwendig ein Mann und kein Leut ſeyn; und ſeine vollkomme - ne Wehre beſitzen. Da weiter keine Buchſtaben imGe -49erſter Abſchnitt. Gebrauch waren: ſo mußten alle guͤltige Handlungen vor Gerichte oder doch vor einigen Schoͤpfen(c) ge - ſchehen; und in Ewigkeit richtig ſeyn, wenn ſie uͤber aller Maͤnner(d) Gedenken nicht anders geweſen wa - ren. Es mußte lediglich derjenige Zeugniß geben koͤnnen, welcher dem Gerichte beywohnen konnte, folglich ſeine Wehre beſaß. Und wie endlich der Ge - brauch aufkam, ſich zu gewiſſen Sachen einen Rich - ter zu waͤhlen: ſo muſten in der That die dabey be - findliche Zeugen erwaͤhlte(e) Schoͤpfen; und die deutſchen Zeugen von den chriſtlichen Zeugen gar ſehr unterſchieden ſeyn.

(a)Eliguntur in iisdem conciliis & principes (Vorſteher) qui jura per pagos vicosque reddunt. Centeni ſingulis ex plebe comites conſilium & authoritas adſunt. TAC. G. 12. Die Urſache warum dieſe Wahl in conciliis majoribus geſchahe, mogte dieſe ſeyn, weil die ganze Nation wiſſen muſte, wie die gemeine Botſchaft, welche von einem Vorſteher zum andern gieng, das Jahr durch laufen ſollte. Auf gleiche Art muß jetzt der Beamte wiſſen, wer das Jahr Bauer Richter ſey. Denn an dieſen werden die Befehle geſandt. Der numerus centenarius ſcheint ſich, auf die enregimentirten Sueven eher als auf andre zu beziehn. Dieſe centeni comites ſind keine Schoͤpfen, ſondern der ganze Gerichts-Umſtand. So bald alles verſammlet iſt; hoͤret die Vollmacht des Ausſchuſſes auf. Am Goͤdinge, am Holt-dinge ꝛc. giebt es keine Schoͤpfen, weil es jaͤhr - liche ungebotene Dinge ſind, wobey jeder erſcheinen muß. Ein anders iſt beym Bottinge; beym Gow-gerichte ꝛc. vor welchen bloß verbotete oder verabladete Perſonen er - ſcheinen. BRVMMER de Scabinis hat die Sache nur verworren. Und eben ſo geht es andern mit der Lehre de Sagi-Baronibus, Racimburgis, Heimburgis, Senatori - bus, Sapientibus &c. Man unterſcheidet den Scabinum in libero populo nicht genug von den Sages barons in cu -Dria50Oſnabruͤckſche Geſchichteria regis; und von den Rath-buͤrgern in curia municipali. Jus curiæ & jus populi iſt unterſchieden. Seit dem aber die Wehren ſich in Leute verwandelt; iſt der Schoͤpfe auch zu Hofe gegangen; und der Rath-buͤrger oder weiſe Mann in curia, Schoͤpfe titulirt worden.
(a)
(b)Die Noth brachte endlich ein Geſetze hervor, daß man bey den Sachſen einem Contumaci das Haus anzuͤnden, und ihn auf ſolche Art heraus bringen konnte. Allein man durfte ihn nicht heraus hohlen.
(b)
(c)S. LL. Hlotar. & Eadrici §. 16. &c. STIERNHELM de jure Sueon. c. 5.
(c)
(d)Dies iſt die deutſche Verjaͤhrung ultra hominum, i. e. Dingpflichtiger Maͤnner memoriam. Man ſieht daher auch leicht den Grund, warum keiner Zeuge ſeyn konn - te, als wer zu demſelben Dinge, wofuͤr die Sache ge - hoͤrte, pflichtig war; und warum folglich jeder Zeuge eine Wehre oder Erb-Echt (Orf-acht. ) eigen Gut be - ſitzen muſte, weil er ſonſt kein Dinapflichtiger ſeyn konn - te; und warum dieſe Art der Verjaͤhrung bey den Roͤ - mern, welche Buchſtaben hatten, und in den Zeiten, worinn man Gerichts-Scheine nahm, minder erfordert wurde. DREYER in tr. de ceſpitalit. requiſ. in teſtibus hat noch einen andern Geſichts-punkt erwaͤhlet. Die chriſtliche Religion, welche das Zeugniß des Menſchen dem Zeugniß des Wehren gleich gemacht; und die Lan - des-Hoheit welche alles in Leute umgeſchmolzen, con - traſtirt beſonders mit dieſem Theile der deutſchen Rechts - gelehrſamkeit.
(d)
(e)Der deutſche Zeuge iſt ein Scabinus electus. Und ein er - waͤhlter Richter mit dreyen ſolchen Zeugen, gab eiu gerichtliches Document, nachdem judex cum tribus ſcabinis ad figuram judicii genug war. Daher iſt das Teſtamentum coram parocho & tribus teſtibus; und das In - ſtrumentum coram Notario & tribus teſtibus, einem gericht - lichen gleich geachtet worden. Parochus & Notarius ſind hier electi judices; und die Zeugen ſcabini electi. Es hat dieſes noch ſeinen taͤglichen Nutzen und beſonders inadli -51erſter Abſchnitt. adlichen Familien Vertraͤgen, welche nach dieſen Grund - ſaͤtzen nicht gleich als inſtrumenta privata zu betrachten ſind.
(e)

§. 28. Noch einige allgemeine Anmerkungen daruͤber.

Jn Sachen welche nicht durch die ordentliche Verſammlung, durchs Geſchrey,(a) oder durch ſchoͤpfenbare Maͤnner erwieſen oder entſchieden werden konnten, muſten ſie ihre Zuflucht zur Gottes-Probe und zum Gottes-Urtheil nehmen. Und vielleicht fuh - ren ſie damit ſicherer als wir mit unſerm Reinigungs - Eyde. (b)Auch darinn zeigt ſich der Geiſt der Frey - heit, daß ſie zweifelhafte Sachen lieber durchs Loß,(c) durchs Wiehern eines Pferdes und durch das Ge - ſchrey der Voͤgel, als durch Macht und Willkuͤhr entſcheiden laſſen wollten. Oeffentliche(d) Ver - brechen kannte man nicht; und oͤffentliche Anklaͤ - ger(e) noch weniger. Dagegen aber war der belei - digte Theil zur Klage oder zur Fehde verbunden;(f) eine kluge Wendung,(g) um den Folgen vorzubeu - gen welche aus ihrem Grundſatze: Wo kein Klaͤger iſt da iſt auch kein Richter, entſtehen konnten. Wer eine Beleidigung einſteckte, wurde wie der Schuldige verbannt.

(a)Die ordentliche Verſamlung geſchiehet ſtato die & tem - pore. Das Geſchrey aber iſt die auſſerordentlich zu - ſammen gerufene oder zuſammen geſchriene Verſam - lung. Eben ſo iſt ein Goͤding von dem Schrey - Goͤding unterſchieden. Wir ſprechen jetzt noch: der Glockenſchlag fuͤr die Eingepfarrete.
(a)D 2(b) Die52Oſnabruͤckſche Geſchichte
(b)Die Alten creditirten nicht ſo viel auf Gottes Langmuth als wir beym Eyde thun. Wir fuͤhlen dies in der War - nung fuͤr den Mein-Eyd, worin man die zeitlichen Strafen geſchwinder kommen laͤßt. Der Menſch will den Meineydigen bey lebendigem Leibe ſchwinden ſehen.
(b)
(c)Auſpicia ſortesque ut qui maxime obſervant. Proprium quoque gentis equorum præſagia & hinnitus obſervare. TAC. G. 9. 10. Dieſen Glauben naͤhret die Freyheit. Ein Caͤſar laͤßt die heiligen Voͤgel vertrinken wenn ſie nicht freſſen wollen. Mit Chriſti Geburt ſollen alle Orakel aufgehoͤret haben. Allein Chriſti Geburt faͤllt in die erſte Zeit der Roͤmiſchen Monarchie.
(c)
(d)Jn angehenden Staaten iſt erſt alles delictum privatum. Dieſes haͤngt dem neuen Buͤrger aus dem Zuſtande, worin er einzeln wohnte, noch lange nach. Bald wenn das Band des Staats zu ſeiner Vollkommenheit gediehen, wird alles als eine Beleidigung der oͤffentlichen Ruhe betrachtet, und delictum publicum; zuletzt aber crimen læſæ majeſtatis. Sylla machte ſchon viele quæſtiones pub - licas und Caͤſar muſte ſolche nothwendig vermehren. l. 2. §. 32. ff. de O. I. Jene Gradation zeiget ſich in der Geſchichte aller Staats-Verfaſſungen.
(d)
(e)Der accuſator publicus und die actiones populares entſte - hen gemeiniglich am Ende der erſten Periode einer buͤr - gerlichen Verfaſſung; der proceſſus inquiſitorius aber zu Anfang der letztern, wenn der Deſpotiſmus Wurzeln faſſen will; und Hofrecht gemeines Recht werden ſoll.
(e)
(f)Inimicitias ſuſcipere neceſſe eſt. TAC. G. 12.
(f)
(g)Jn England hat der Koͤnig actionem de ſubdito amiſſo, wenn ſein Unterthan ermordet und keiner von den Ver - wandten Klaͤger iſt. Dieſe Action gruͤndet ſich in der koͤniglichen Obhut, wodurch die Maͤnner zu Leuten ge - worden. Einen Leut kann ſein Herr raͤchen. Der Mann aber kennt eigentlich keinen Herrn; ſondern nur einen Rectorem ſocietatis, regem oder Koͤnig. Denn Koͤnig iſt von koͤnnen, wie la podeſta von poſſe. Ein officium fiſci, welches ſich ihm zum Champion auf -drin -53erſter Abſchnitt. dringen wollte, wuͤrde ihm ſchimpflich ſcheinen; und ein Geſetz de non tranſigendo ſuper futto ſeltſam. Bey den Holzgerichten heißt es jetzt ſogar: Fiſcus klagt. Allein ein ſolcher gefaͤhrlicher Mißbrauch verdiente Ahn - dung.
(g)
(h)So gar ein Vater-mord haͤtte koͤnnen ungerochen blei - ben; wenn nur ein einziger Sohn und Thaͤter vorhan - den geweſen waͤre. Daher mußte der naͤchſte Ver - wandte zur Rache verbunden werden. Dies iſt der alte geſetzmaͤſſige Grund des Duells, welches jetzt den Leuten im Hofrecht verboten iſt.
(h)

§. 29. Von dem Wehr-Gute.

Dies mag genug ſeyn von den Rechten der Weh - ren, Maͤnner, oder Erben Wehr-Gut(a) oder Erbe, ſo dunkel es auch jetzt iſt,(b) wird nach dem was ich angefuͤhrt leicht erkannt, und von un - wehrigen Gute unterſchieden werden koͤnnen. Man wird einſehen, warum letzters kein Erb-Echt-Eigen - thum(c) verleihen koͤnnen; und wie beydes von der bloſſen Feſte,(d) nach welcher unſre jetzigen mehrſten Bauren das Erbe unter haben(e) unterſchieden ſey. Es iſt dieſes noͤthig zu wiſſen, weil mit der eigentlichen Civil-Wehre, die wir jetzt Gutsherrlichkeit nennen, noch faſt alle die alten Rechte der Wehren verknuͤpft ſind, und ohne den Begrif derſelben deutlich feſt zu ſetzen, die Entſtehung unſer Land-Staͤnde nicht wohl beſchrieben werden kann. Jch will nur noch hinzu fuͤ - gen, daß nothwendig eines jeden Perſon von ſeinem Gute habe mit abhangen;(f) und ein Wehr oder Mann, der ſich auf ein unwehrig Gut geſetzt, oder ein Wehrgut von andern gehalten, ſeinen Stand verlie - ren muͤſſen. Eine gleiche Nothwendigkeit zeigt ſichD 3dar -54Oſnabruͤckſche Geſchichtedarin; daß niemand zu einem wahren eignen Haupte gelangen koͤnnen; ohne das Eigenthum einer Wehre zu haben.

(a)Der Unterſchied zwiſchen wehrigen und unwehrigen Gute; hat ſich wie der inter res mancipi & nec mancipi verlohren. Und zwar aus gleichen Urſachen, wie ſie denn auch wohl von einerley Beſchaffenheit ſind. Auf dem Jtaliaͤniſchen Grunde und dem Hofgewehr haftete eine Zeitlang das onus defenſionis publicæ allein; und keiner als ein wehriger Mann, civis Romanus, konnte ſolchen beſitzen, weil alle andre Haͤnde manus mortuæ waren. So bald man aber anfieng den modum defenſionis publi - & contributionis zu veraͤndern; verlohr ſich der Unter - ſcheid inter res mancipi & nec mancipi. Und dies iſt auch der Fall in Deutſchland, nachdem der Koͤtter wie der Erbe ad defenſionem publicam ſteuret; und der miles per - pctuus fuͤr den Wehren ficht.
(a)
(b)Es giebt zweyerley Haupt-Erden; als die edle alleu noble und gemeine alleu roturier. Von der erſtern im folgenden. Die letztere iſt ſehr verdunkelt. Doch findet man noch verſchiedene Landmaͤnner, welche das ihrige in franco tenemento haben. Jn Engelland iſt dieſes Freehold; BRACTON glaubt es waͤren villani privilegia - ti; Allein der Chief juſtice Holt bemerkt mit Recht, daß ſie ihre Freyheit nicht ex privilegio haben. They are coæ - val with the Government or at leaſt as ancient as any eſta - tes or Tenures what ſo ever. 1. Salk. 57. beym NELSON of Copyho’d oder de lege maneriorum tit. ancient. De - meſne §. 10. p. 28. Von vielen Bauerhoͤfen, deren Be - fitzer keine Gutsherrn ſondern eigne Wehre haben, laͤßt ſich ein gleiches ſagen. S. GRVPE in Obſ. for. von Dienſten c. II. §. 10. 11. 14.
(b)
(c)Koͤtter, Brinkliger ꝛc. ſind unwehrige Leute, weil ihre geringe Laͤnderey, ob ſie ſolche gleich eigenthuͤmlich be - ſitzen, keine Civil-Wehre hat. Es iſt dies kein ſo ge - nanntes Erb echt-Gut, welches wie ein Wehrgut, ſeinenEigen -55erſter Abſchnitt. Eigenthuͤmer zum Free-Holder und zum Gutsherrn macht. Der freye Koͤtter muß daher in die Hode gehn; und Hode hebt noch jetzt allen Free-Hold alles echte Eigenthum auf. Wovon unten.
(c)
(d)Der contractus colonarius, ſollte die Feſte firma la ferme heiſſen; ſo wie der colonus noch der Wehr-feſter genannt wird. Die lateiniſche Ueberſetzung dieſes Worts: veſtitura und inveſtitura &c. haͤtte unſrer Sprache dieſen guten Ausdruck bewahren ſollen. Es hies ſonſt: cum terra cœpiſſet veſtiri & a cultoribus coli. S. notit. de 993. beym MARTENE in Coll. ampl. T. I. col 349.
(d)
(c)Der Wehrfeſter wird jetzt noch auf dem Erbe befeſtiget mit den Worten: dat he dat bowen en telen möge. Te - len iſt pflanzen; wovon noch Telge eine junge Eiche. Einer Vertheidigung, Vermannung oder Verdienung wird dabey gar nicht erwehnt.
(c)
(f)Jch bemerke dieſes nur gegen diejenige welche den alten ſtatum ingenuitatis lediglich nach der Geburt abmeſſen. Jn Staͤdten und z. E. zu Rom konnten cmancipati ma - numiſſi latini und deditii zeitiger das Buͤrger Recht er - langen. Die Art in Staͤdten zu wohnen, zu leben, ſich zu bereichern, und onera civica zu tragen, iſt aber ſehr von der Art einzelner Wohner unterſchieden. Und ich ſehe noch nicht, wie bey letztern der Sohn eines ingenui, wenn er nicht auf der Wehre geblieben, ſein Geſchlecht in Ehren fortpflanzen koͤnnen; oder warum er die ge - meine Landes-Vertheidigung tragen ſollen; falls er keine Wort-Staͤtte beſaß. Ehre und Wehre, honos & onus koͤnnen nicht wohl getrennet ſeyn.
(f)

§. 30. Dritte Vereinigung zu gemeinſamen Staaten.

Wie ſich mehrere dergleichen kleine VerbindungenD 4oder56Oſnabruͤckſche Geſchichteoder Mannien ihrer Sicherheit wegen zuſammen thaten, und einen Staat bildeten, verfolgten ſie faſt denſelben Plan. Eine Maunie hatte ſo wenig der andern als ein Hausvater dem andern zu gebieten. (a)So viele Mannien, ſo viele unterſchiedene Verſam - lungen, Rechts-findungen und Rechte; eben wie noch jetzt in unſern Marken, welche zwar zuſammen in einer Staats-Verbindung ſtehen, ihre Mark-Ver - ſamlungen aber nicht gemein haben. Die von ihnen bisweilen erwaͤhlete Koͤnige, ſo lange ſie nicht geſal - bet waren, hatten nichts mehr im Groſſen als die Richter im Kleinen. Ehre, Leib und Erbe eines Mannes waren ihrer Erkenntnis nicht unterworfen. (b)Auch ſelbſt im Heerzuge nicht. Die Verbannung(c) war auch hier alles, und jeder Staat war oder hielt ſich nicht weiter berechtiget.

(a)In pace nullus communis magiſtratus. CAES. de B. G. VI.
(a)
(b)Weil die Strafe, ſo der Prieſter im Heerzuge auszuuͤben hatte, nicht ducis juſſu fed velut Deo imperante geſchahe. TAC. G. c. 7. Die Salbung ſcheinet mir der actus ſym - bolicus zu ſeyn, wodurch die prieſterliche Gewalt den Koͤnigen mit Bewilligung des Volkes uͤbertragen wor - den. Vollkommene Koͤnige waren Prieſter und Koͤ - nige zugleich. Rex Ancus rex idem hominum phœbique ſacerdos. VIRG. Aen. III. Wobey SERVIVS anmerkt: majorum erat hæc conſuetudo ut rex etiam eſſet ſacerdos vel pontifex. Von dieſer Art war auch Melchiſedeck. Wie die Roͤmer ihre Kuͤnige vertrieben: ſo machten ſie gleich regem ſacrificulum, um jene gedoppelte Macht zu trennen. Und wie ſie ihre Freyheit wieder aufgaben: ſo uͤbertrugen ſie dem Octa - vio pontificatum maximum, welches vermuthlich zu demTittel57erſter Abſchnitt. Tittel Auguſtus Heilig Anlaß gab, da die Roͤmiſchen Schriftſteller keine rechte Urſache davon anzugeben wiſſen. GESLER in ſeiner Rethorik Strasb. 1493. unterſchei - det noch ſpaͤt geſalbte und gemeine Koͤnige. Der impetus quaſi divinus, welcher den Prieſter zur Strafe berechtigen muſte, ſcheinet einen gleichen Grund mit un - ſerm Dei gratia zu haben. Denn ob zwar LVDEWIG in Comm. ad aur. bullam. T. 1. p. 8. ſolches fuͤr eine Erfin - dung der Pfaffen haͤlt: ſo iſt es doch weit wahrſchein - licher, daß es die nota characteriſtica imperii vel cujusli - bet alterius ſupremi directorii ſey; und daß der Herr, der ſolches aus ſeinem Tittel laͤßt, titulum poſſeſſionis ſuæ veraͤndere. Denn die Herrſchaft uͤber Knechte oder das dominium hat keine gratiam Dei zum Grunde. Die Maͤnner oder Wehren ſtehn lediglich unter einem Herrn von Gottes Gnaden, der ſie impetu quaſi divino verurtheilet und beſtraft; anſtatt daß Knechte a Dominis proprio impetu & ira impune TAC. G. 25. getoͤdtet wer - den koͤnnen. Dieſer Unterſcheid giebt hiernaͤchſt den wahren Charakter der Territorial-Hoheit. Ein Herr von ganz Europa wuͤrde kein Koͤnig ſeyn; nicht geſalbt, nicht gekroͤnt, und nicht gehuldigt werden. Die Unter - laſſung der Kroͤnung verwandelt regnum in Dominium.
(b)
(c)Ein Reichs-Fuͤrſt kann noch jetzt auf dem Reichstage bloß aus der Gemeinſchaft des Reichs-Friedens geſetzet werden. Wenn man ihn hiernaͤchſt weiter verfolget: ſo geſchiehet es jure belli vel curiæ.
(c)

§. 31. Vom Adel.

Jn dieſer dritten Vereinigung zeigen ſich Edle und Maͤnner. Die Rechte der Letztern haben wir bisher geſehen. Allein es haͤlt ſchwer den Urſprung der Er - ſtern anzugeben. Jnsgemein macht man alles zu Herrn und Knechten, um einen bequemen Plan zu haben; oder man glaubt der Krieges-Stand habeD 5ge -58Oſnabruͤckſche Geſchichtegewiſſe Menſchen geadelt. Erſters iſt falſch; und Letzters unbeſtimmt. Es giebt kriegeriſche Nationen ohne Adel; und in Deutſchland hat der Wehr(a) zu Fuſſe und zu Pferde gedient. Das Wahrſchein - lichſte iſt, daß man auſſer dem gemeinen Heerbann, worin alle Wehren die Waffen ergriffen, gleich Anfangs annoch einige beſondre und beſtaͤndige Reuter erwaͤhlt und ſolche gegen dieſe vorzuͤgliche Laſt fuͤr ihre Perſonen von gemeinen Dienſten; und fuͤr ihr Wehrgut von der gemeinen Reihe-Laſt befreyet, dieſes auch wohl merklich vergroͤſſert habe. Auf dieſe Art glaube ich daß unter den freyen nordiſchen Natio - nen Adel und Allode zuerſt entſtanden; und der be - ſtaͤndige Reuter(b) zu dem Nahmen und zu der Ehre gelanget ſey, womit er noch jetzund pranget. Wenigſtens wuͤrde er in Weſtphalen noch jetzt auf dieſe Art entſtehen koͤnnen; wenn er noch nicht vor - handen waͤre. Denn das ordentliche Mittel jeman - den zur Uebernahme einer vorzuͤglichen Beſchwerde zu vermoͤgen, iſt die Anweiſung einiger Gruͤnde aus der gemeinen Mark. Und die Allode kann zuerſt aus ei - ner ſolchen Anweiſung und deren Befreyung entſtan - den ſeyn.

(a)Jn der Sueviſchen Verfaſſung iſt dieſes wohl auſſer Zweifel; und ein vernuͤnftiger Mann wird die 10000 Reuter in der Sueviſchen Avantgarde (S. §. 11.) wohl nicht zu einer Art von heutigen Edel-Leuten machen. Und zur Zeit wie die Roͤmer mit 100000 Mann uͤber den Nieder-Rhein ruͤckten, und nicht etwan allen Deut - ſchen, ſondern lediglich den Voͤlkern in einem Theil von Weſtphalen und Nieder-Sachſen, die blutigſten Schlach - ten lieferten; wurde etwas mehr, als eine kleine beſtaͤn -dige59erſter Abſchnitt. dige Reuterey erfordert; um die Roͤmiſche Cavallerie ad certamen ambiguum zu bringen. TAC. Ann. II. 21. Zu Rom waren equites ϰατ̕ ἐξοχην; und ein gemeiner equitatus, oder ein Buͤrger-Bann zu Pferde. Dieſen Unterſcheid nehme ich auch in Deutſchland an, und ver - pflichte mich ihn zu erweiſen. Hier aber iſt der Ort dazu nicht.
(a)
(b)Mit dem Worte Soldat iſt es faſt eben ſo. Wenn jetzt in einem verzweifelten Falle der Arrier-Bann auf - geboten wuͤrde: ſo muͤßten ohnſtreitig alle Bauren, wel - che nach einen gemeinen Vogel ſchieſſen oder ehedem geſchoſſen haben, d. i. die ganze Amts - oder Gografen - Folge gegen den Feind ziehen. Man wuͤrde aber dieſe ſehr uneigentlich Soldaten oder Beſoldete nennen. Der Adel mogte in der erſten Periode der eigentliche be - ſtaͤndige Soldat zu Pferde ſeyn; in der zweyten waren es die Lehn-Leute; und in der dritten die Geworbenen. Jn allen dreyen Perioden aber iſt der Heer-Bann bald mehr bald weniger gebraucht, geuͤbt, verachtet, und auf - geboten worden; ſo wie es Noth und Umſtaͤnde erfordert haben. Das onus defenſionis liegt von Natur den Land - Eigenthuͤmern auf, ob ſie gleich bald mit Ausweiſungen einiger Alloden; bald mit einigen Koru-Fruͤchten; und zuletzt mit Gelde andre fuͤr ſich gedungen und in den Be - ſitz eines beſtaͤndigen Ehren-Standes geſetzet haben.
(b)

§. 32. Und ſeinen Rechten.

Vermuthlich war zuerſt nur ein Adel;(a) und dieſer nothwendig mit dem Eigenthume einer Allode verknuͤpft. Da er aus der gemeinen Reihe geſetzt war: ſo erſchien er daheim in keiner Verſamlung der gemeinen Maͤnner;(b) nahm und gab daſelbſt kein Recht, ſondern ſchied ſich von andern mit Krieg und Frieden. So lange man keinen beſondern Gottes -oder60Oſnabruͤckſche Geſchichteoder Land-Frieden(c) errichtete und einen Koͤnig; oder die allgemeine National-Verſamlung zu deſſen Handhabung erwaͤhlete. Hier unterwarf er ſich dem National-Abſchiede welchen er mit bewilligt hatte; fiel in den Unfrieden, wenn er ſich der verabredeten Genugthuung wegerte; und der Richter der Nation oder der Koͤnig verfuhr gegen ihn, wie der Richter einer Mannie gegen den Mann oder Wehren. Die geringe Anzahl der Edlen und ihre Entfernung(d) aus einander machte beſondre jaͤhrliche feſt-ſtehende edle Verſamlungen zum Recht-weiſen unnoͤthig. Sie konnten alſo nicht anders als bey der allgemeinen National -(e) Verſamlung; und bey dieſer lediglich uͤber den Bruch eines Gottes - Koͤnigs - oder Land - Friedens beſprochen werden. Daher mogten ſie ſich in den uͤbrigen Faͤllen(f) durch die Waffen und durch Austraͤge ſcheiden; und endlich mit dem Ein - lager diejenige Unſicherheit heben, welche aus dem Mangel eines Obrigkeitlichen Zwangs nothwendig entſtehen muſte.

(a)Beym TACIT. in G. 13. koͤmmt zwar ſchon eine inſigni[ſ]nobilitas vor. Allein jeder Nobilis haͤtte allezeit nur einen Sohn und Nachfolger haben muͤſſen; wenn nicht ſo gleich im dritten und vierten Glied der Beſitzer der Allode ei - nen groſſen Vorzug vor ſeinen irrenden Vettern erhalten ſollen. In Gallia eorum hominum qui aliquo ſunt numero atque honore genera ſunt duo alterum eſt Druidum alterum cſt equitum. CAES. de B. G. VI. Aus dieſen beyden Quellen muß ſo wohl der hohe als niedre Adel entſprungen ſeyn.
(a)
(b)Es iſt dieſes eine nothwendige und unentbehrliche Hypo - theſe; die nachfolgende Carolingiſche Regiments-Rolle iſt gerade die Mannliſte in der aͤltern Mannie geweſen. Und ich werde zeigen, daß der Adel von Carl dem Groſſen nicht entollirt wurde.
(b)(c) Das61erſter Abſchnitt.
(c)Das weſentliche Stuͤck des Adels, der auſſer Dienſt lebt, iſt, daß er keinem Kayſer, Koͤnige, Fuͤrſten oder Herrn anders als aus dem gemeinen Reichs - oder Land-Frie - den verhaftet ſey. Eadwardum regem in pacis defenſorem to mundboren petebant. CHRON. SAX. ad ann. 921. Die Befugniß der Reichs-Gerichte und der Canzleyen gruͤn - det ſich in Anſehung ihrer auf dem Reichs - und Land - Friedebruch; Und es iſt kein Fuͤrſtenthum in Nieder - Sachſen und Weſtphalen, worin der Adel nicht den Bi - ſchof, Herzog oder Grafen zum Land-Friedens-Handhaber erwaͤhlet habe. Jch werde ſolches bey der Geſchichte des XIV. und XV. Sæc. naͤher zeigen. Dies iſt der Grund des diſparis nexus ſubdititii, welchen die Vertheidiger der Reichs-Ritterſchaften verfehlet haben. Der Abgang der Fraͤnkiſchen und Schwaͤbiſchen Herzoge hat die Reichs - Ritterſchaft nicht unmittelbar gemacht. Sie war es vorher. Er iſt nur die Urſache; daß es dem dortigen Adel an Gelegenheit gefehlet, den Reichs General in de - fenſorem pacis ferner zu erwaͤhlen. Daher iſt der Reichs - Adel urſpruͤnglich nicht beſſer als der Adel in den jetzt geſchloſſenen Landen.
(c)
(d)Man rechne auf jede Quadrat-Meile vier Edle; und dies iſt faſt die heutige Proportion: ſo wird es ſich nicht der Muͤhe verlohnen einen ſeparatum conventum nobilium zum Urthel und Recht-finden anzunehmen; zumahl da ihre Graͤnzen und Guͤter ſich nicht beruͤhrten.
(d)
(e)Hiehin rechne ich das. Licet apud concilium accuſare quo - que & diſcrimen capitis intendere. TAC. G. 13. zu verſte - hen von dem Heer-Lager; wo man im Gottes-Frieden verſamlet war, nam Deum adeſſe bellantibus credebant, ib. c. 7. und der Prieſter den Gottes-Frieden hand - habete.
(e)
(f)Kann man einen andern Grund, als dieſen angeben, warum das jus belli privati das jus auſtregarum und ob - ſtagii bloß dem Adel zugeſtanden habe? Und wuͤrden jetzt Souverains aus Mangel eines gemeinſchaftlichen Rich - ters, andre Rechtsmittel gegen einander haben?
(f)
§. 33.62Oſnabruͤckſche Geſchichte

§. 33. Von dem Gefolge oder dem aͤlteſten Dienſt-Adel.

Da ſich der Adel von der Allode nicht trennen laͤßt, wofern man nicht annehmen will, daß ein Staat Herrnloſe unangeſeſſene Reuter geduldet; oder jedem Reuter erlaubt habe, ein gemeines Wehrgut von der Reihe-Laſt zu befreyen: ſo konnte es nicht fehlen; oder die juͤngern Soͤhne der Edlen muſten bey ihren Vaͤtern bleiben; oder ſich bey ihren Verwandten in Dienſte geben. Es blieb auſſer dem geiſtlichen Stand(a) gar keine andre moͤgliche Verſorgung fuͤr ſie uͤbrig; und ſo entſtand etwas, was man Gefol - ge(b) oder Begleitung nannte; woraus der Dienſt - Adel ſeinen Urſprung genommen zu haben ſcheinet. Auf einer Seite war es eine unendliche Beſchwerde fuͤr den Beſitzer der Allode, der einen ſolchen Schwarm von Verwandten und nothwendigen Muͤßiggaͤngern um ſich haben, kleiden und ernaͤhren muſte. (c)Auf der andern Seite aber gab ihm ein groſſes Gefolge der edelſten Juͤnglinge Gewicht und Anſehen;(d) Und der gemeine Heerbann, welcher allezeit mit Muͤhe in Bewegung(e) geſetzt wird, und deſſen Heerzuͤge mit den groͤſten Schwierigkeiten ver - knuͤpft ſind, bediente ſich oft der Gelegenheit, denje - nigen der das groͤſte Gefolge hatte,(f) fuͤr Korn und Fruͤchte(g) zu dingen, daß er einen Krieg, welcher eine allgemeine Aufſitzung erfordert haͤtte, allein uͤber - nahm. Auf ſolche Weiſe mogte es geſchehen, daß oft in einem ganzen Jahr-hundert, der gemeine Heer - bann nicht aufgeboten, folglich ungeuͤbt und von dembe -63erſter Abſchnitt. beſtaͤndigen Reuter verachtet wurde. Auf eine gleiche Weiſe(h) konnte es geſchehen, daß zuletzt der gemeine Heerbann, da man ihn nicht leicht brauchen konnte, zur gemeinen Vertheidigung nichts als Korn lieferte, und die Fuhren verſchafte.

(a)Die Druiden in Gallien waren insgeſamt von Adel; CAES. de B. G. VI. und vermuthlich Cadets de famille; die mit allgemeiner Bewilligung Gott zu ihrem Haupte und Buͤrgen hatten, um nicht entweder bey ihren Ver - wandten zu dienen; oder als Herrn-loſe Geſchoͤpfe be - handelt zu werden.
(a)
(b)So lange man den Heerbann oder die National-Militz nicht von dem comitatu nobilium unterſcheidet; iſt es nicht moͤglich den Begrif von der deutſchen Krieges - Verfaſſung in Ordnung zu bringen. TACIT. G. 13. 14. 15. redet bloß von dieſem comitatu; nachdem er vorher c. 5 -- 13. die ordentliche National-Militz beſchrieben.
(b)
(c)Magnum comitatum non niſi vi belloque tuentur. Exigunt enim principis ſu[r]liberalitate illum bellatorem equum, il - lam cruentam victricemque frameam. Nam epulæ quan - quam incompti, largi tamen apparatus pro ſtipendio cedunt; materia munificentiæ per bella & raptus. Nec arare terram aut exſpectare annum tam facile perſuaſeris quam vocare hoſtes ac vulnera mereti. TAC. G. 14. Hieraus machen viele einen Schluß auf die ganze Nation.
(c)
(d)Hæc dignitas, vires magno ſemper electorum juvenum globo circumdari; in pace decus in bello præſidium. ib. c. 13.
(d)
(e)Da im Heerbann jeder bey ſeiner eignen Koſt diente: ſo giengen Weiber und Kinder mit zu Felde. ib. c. 7. und es muſte ein gewaltiger Troß ſeyn.
(e)
(f)Ipſa plerumque fama bellum profligant. ib. c. 13. Divitiacus hatte ein Gefolge von 10-000 Mann. CAES. de B. G. I.
(f)
(g)Mos eſt civitatibus ultro ac viritim conferre principibus vel armentorum vel frugum, quod pro honore acceptum etiamne -64Oſnabruͤckſche Geſchichteneceſſitatibus ſubvenit. ib. c. 15. Dies ſind die Wehren, welche den Edlen nicht als ihren Guts-Herrn, ſondern ultro ſubſidia verwilligten; und ſie pfluͤgten und ſaͤeten, ſo wol wie unſre Bauren.
(g)
(h)Jſt es nicht mit unſern Beeden und don gratuits eben ſo gegangen?
(h)

§. 34. Einrichtung des Dienſt-Adels im Gefolge.

Die edlen Gefolge hingegen blieben in beſtaͤndiger Uebung und Ehre. (a)Jhre Einrichtung war von dem gemeinen Heerbann voͤllig unterſchieden. Es diente darin niemand von einem Wehrgute; ſondern fuͤr Koſt, Kleidung und Beute, und auf ſeines Herrn Pferde. (b)Hier war die Fahne eines Herrn; Eyd;(c) Verpflichtung; Aufbot; und Hof-Kriegs - Recht, welches zwar auch von Dienſt-Leuten ge - wieſen(d) wurde; aber auf dem Hofe ihres Herrn; unter ſeiner Oberrichterlichen Beſtaͤtigung. Nachdem das Hof-Recht war, konnte einer Leib, Ehre und Le - ben verwuͤrken; und die Geſetze muſten an einem ſol - chen beſtaͤndigen Hof-Lager, und bey ſo vielen taͤglich verſamleten muͤßigen Leuten unendlich ſtrenger(e) werden; als fuͤr einzelne Wohner. Der Herr des Gefolges Hatte auch den Sterbfall;(f) und man ſchien keine andre Art der Unterwuͤrfigkeit als die Knechtſchaft(g) zu kennen. Dies blickt aus allen Anſtalten der Alten hervor.

(a)Si civitas in qua orti ſunt longa pace & otio torpeat pleti - que nobilium adoleſcentium petunt ultro eas nationes, quæ tum bellum aliquod gerunt. TAC. G. 14. Es iſt die Ge - ſchichte unſer ehmaligen Partiſans; die ein Corps errich -teten,65erſter Abſchnitt. teten, und damit von einem Herrn zum andern zogen.
(a)
(b)S. §. 33. n. c.
(b)
(c)Cum ventum in aciem turpe principi virtute vinci; turpe comitatui virtutem principis non adæquare. Iam vero in - fame in omnem vitam ac probroſum ſuperſtitem principi ſuo ex acie receſſiſſe. Illum defendere, tueri ſua quoque ſortia facta gloriæ ejus aſſignare, præcipuum ſacramentum eſt. Principes pro victoria pugnant; comites pro principe. TAC. G. 15. Man vergleiche dieſe Einrichtung mit der Beſchreibung des Heerbanns: da heißt es, tertius dies cunctatione coeuntium abſumitur. c. 11.
(c)
(d)Dies geſchieht noch in jedem Krieges-Recht; und werden Gemeine mit zugezogen.
(d)
(e)Das Krieges-Recht iſt allemal ſtrenger als Voͤlker-Recht. Der Herr auf der Allode wuͤrde Muͤhe gehabt haben ſeine Toͤchter gegen eine ſolche Menge haͤußlicher und edler Aufwaͤrter zu verſichern, wann er nicht ſtrenge Strafen gegen ihre Verheyrathung mit ihnen im Hof - Rechte weiſen laſſen. Ein Nachbar gegen den andern verſchließt nur ſeine Thuͤr.
(e)
(f)Dies war die damalige Art zu denken; und von allen unſern Reichs-Beamten hat der Kayſer ehedem den Sterbfall gezogen. Jn Engelland und Frankreich hat - ten die Koͤnige ein gleiches; und der einzige Tuͤrkiſche Kayſer iſt dabey geblieben. Auch noch wuͤrde ein Reichs - Fuͤrſt, der als Officier dient, und im Felde bleibt, ſei - nem General das beſte Pferd laſſen; und den Abſchied oder ſeinen Frey-Brief loͤſen muͤſſen. Die Gegner des Dienſt-Adels ziehen aus dergleichen Zeit-Gebraͤuchen ſeltſame Folgen; und wenn ſie denſelben in Livrée fin - den: ſo vergeſſen ſie, daß viele Reichs-Fuͤrſten ſich in ihrer Mit-Fuͤrſten Uniforme kleiden; und die Worte: Sterbfall, Freybrief, Livrée &c. nur ihren alten aͤuſſerlichen Wehrt verlohren haben.
(f)
(g)Die deutſche Knechtſchaft ſollte billig wie die diminutio capitis in maximam mediam und minimam unterſchieden; auch ein jus poſtliminii angenommen werden. Es iſtEſonſt66Oſnabruͤckſche Geſchichteſonſt nicht moͤglich die Lehre davon in ihr rechtes Liecht zu ſetzen. Es muß eine Knechtſchaft, wie z. E. unſer heutiger Leibeigenthum, geweſen ſeyn, welche den Adel peremtorie aufhob, ſo daß er durch den Freybrief gar nicht wieder hergeſtellet wurde. Es muß eine andre Knechtſchaft geweſen ſeyn, welche ihn nur ſo lange als die Dienſt-Zeit waͤhrete, aufhob; ſo daß durch den Frey - brief der Adel quaſi jure poſtliminii wieder auflebte.
(g)

§. 35. Von der Krieges-Zunft im Gefolge.

Allem Anſehen nach ward im Gefolge der Krieg Zunft-maͤßig(a) gelernet. Und muſte ſelbſt der Sohn eines Koͤnigs oder Fuͤrſten ſeine Dienſt-Jahre aushalten,(b) und erſt Junge und Knape(c) wer - den, ehe man ihn zum Meiſter oder Ritter machte. Dieſes erhob den Dienſt ſehr. Und diejenige irren welche dem Dienſt-Adel aus ſeinem Jungen - und Knapen-Stande jetzt einen Vorwurf machen. Rit - terſchaft und Knapſchaft machen den Edelmann nicht; wohl aber zu gewiſſen Zeiten eine Vermuthung fuͤr ſeine edle Geburt. Als Knape erhielt er zuerſt mit gewiſſen Feyerlichkeiten Schild und Pfriemen;(d) Wenn er ſeine Lehr-Jahre ausgehalten hatte, reiſete er vermuthlich auf Ebentheuer, oder aufs Krieges - Handwerk; und wenn er ſich darinn mit Ruhm ver - halten, dann erhielt er als Ritter, oder auch oft als licentiirter Knape(e) den Degen, wenn er die Rit - terliche Wuͤrde, welche ihn zu einen groͤſſern Auf - wand verpflichtete, nicht verlangte. Jn beyden Faͤl - len hatte er Meiſter-Recht; und er konnte ſich nun aus dem Gefolge begeben; und ſelbſt Zunft-maͤßige Knapen halten. Jn eignem Dienſte, wenn er eineAllo -67erſter Abſchnitt. Allode beſas; in fremden Dienſte; wenn er, um nicht Herrenloß zu ſeyn, einen Buͤrgen oder Herrn haben muſte.

(a)Jch wage hier eine Hypotheſe; deren Wahrſcheinlichkeit ein jeder, der die Verwirrung in der Geſchichte des deutſchen Krieges-Weſens kennet, ſo fort empfinden wird. Jch habe ſehr viele Gruͤnde dafuͤr; welche mir aber der Raum nicht geſtattet hier auszufuͤhren.
(a)
(b)Nec rubor nobilibus adoleſcentulis & principibus inter co - mites aſpici. TAC. G. 13. Exempel von Koͤnigen und Herrn die ſich zu Rittern ſchlagen laſſen ſind bekannt;
(b)
(c)Quin etiam gradus & ipſe comitatus habet judicio ejus quem ſectantur; ib. Wie der groſſe Czar Peter, Junge und Geſelle wurde; bewunderte man ihn; und man er - fordert aus einem aͤhnlichen Grund-Satze noch, daß je - der von der Pike an dienen muͤſſe.
(c)
(d)TAC. G. 13. Knapen und Ritter ſind in ihrer Art Licen - tiati und Doctores. Fuͤrſten, Edle und Gemeine ſind Doctores geweſen. Die Wuͤrde veraͤndert aber ihren Stand nicht.
(d)
(e)HENRJCH GESLER, Syndicus des groſſen Raths zu Strasburg unterſcheidet in ſeiner Rhetorik von 1493 dreyerley Ritter; als Edle, Bur und Buͤrger. Strenge ſind ſie alle drey. Allein der erſte iſt edel ſtrenge; der andre ſtreng und veſt; der dritte aber bloß ſtrenge. Jn den Reichs-Geſetzen heißt es auch oft: Fuͤrſten, Grafen, Landherrn, Ritter, Knechte edle und unedle. Jetzt ſind dergleichen Ritter faſt nur noch im Oeſterreichſchen, und unter den Reichs - Hofraths Agenten. Jn England iſt aber dieſer Eſquire deſto haͤufiger. Jch merke dieſes um des willen an, weil LVDEWIG und andre groſſe Gelehrte aus dem Tittel RJTTERSCHAFT, welchen jetzt eine adliche Landſchaft fuͤhret, ein Vaſallagium miniſteriale, und andre gefaͤhrliche Folgen erzwingen wollen. Das corpus no - bilium iſt mit dem Ritterſchafts-Tittel auf eben die ArtE 2be -68Oſnabruͤckſche Geſchichtebeehret worden, als man von den Gelehrten ſagt: Die Herrn Doctoren, wenn auch keiner den Gradum hat. Der Kunſtgrif, wie mittelſt des quaſi vaſallagii, die Landes-Verſamlungen in Collegia miniſterialium verwan - delt worden, gehoͤrt unter die ſpaͤtern arcana politica; und iſt jetzt ſo dunkel, daß man den quaſi vaſallum jure homagii; und den verum jure miniſteriali gar nicht mehr unterſcheidet. Der Landes-Herr, welcher einen Krieg anfangen will, muß die Einwilligung des vaſalli jure ho - magii haben; er braucht aber nur conſilium miniſterialis. Erſtere dienen auf eigene Koſt; letztere nicht. Und auf dieſe Art glaube ich, laſſen ſich die unterſchiedenen Mei - nungen vereinigen. S. STRUBENS Nebenſt. T. I. Obſ. 4. §. 2. Das homagium oder Leudeſamium iſt die Verpflichtung, wodurch ſich Edle und Wehren dem Lan - des-Herrn als Land-Friederichtern zur Handhabung deſ - ſelben verpflichten. Die Folge wird zeigen, wie Letz - tere dazu gezwungen; erſtere aber dazu nach und nach gekoͤrnet worden. Die krumſtaͤbiſchen Lehne ſind dem Adel ziemlich aufgedrungen worden; und man hat gar nicht noͤthig ad feuda oblata ſeine einzige Zuflucht zu nehmen, um dieſes oder jenes phænomenon zu erklaͤ - ren. Eben das laͤßt ſich von den Reichs-Lehnen behaup - ten. Man gab manchem Herrn noch gute Worte zu, daß er eine Grafſchaft annahm, und ſein Allodium zur Caution verpflichtete.
(e)

§. 36. Unterſchied der Gefolge.

Unter den Gefolgen ſelbſt muſte ſich aber bald ein wichtiger Unterſcheid zeigen. Wann einer von Adel das Gluͤck hatte zum Koͤnig erwaͤhlet zu werden: ſo mogte ſich der Glanz dieſer Wuͤrde leicht auf ſein Ge - folge verbreiten. Des Koͤnigs Schalk war nun um einen Grad hoͤher als der Schalks-Knecht.(a) Unddie69erſter Abſchnitt. die Geſchichte des Menſchen laͤßt nicht zweifeln, daß Macht(b) und Wuͤrde nicht gar fruͤhzeitig darauf bedacht geweſen ſeyn ſollten, ihr Gefolge immer mehr aus edlern Theilen zu beſetzen. Noth und Umſtaͤnde erforderten aber auch oftmals mindere Zaͤrtlichkeit; und nicht alle Zunftmaͤßige Krieger waren von edler Geburt. (c)Mit dem Wort Adel verknuͤpfte man lange Zeit den Begrif der Durchleuchtigkeit;(d) und verſagte daher einem, ſo lange er im Dienſte oder von einem Haupte beſchattet war, den Tittel eines Edlen. Dieſes ſetzte ſie in die Verlegenheit ſich Edel-gebohrn zu ſchreiben; um ſich von andern im Gefolge, die nicht Edel-gebohrn waren, zu unterſcheiden. Jn - zwiſchen und da eigentlich nur ein Adel moͤglich iſt; und dieſer ſo bald er die Decke oder den Dienſt ver - laͤßt, in ſeinen angebohrnen Stand zuruͤck tritt, wel - ches aber nicht anders als durch die Erwerbung einer Allode geſchehen kann; ſcheinet es nicht, daß der Dienſt eine beſtaͤndige Ungleichheit des Standes(e) wirken ſollte.

(a)Zuerſt wohl nur in ordine militari; ſo wie die Garde oder la maiſon du Roy einen Vorzug vor andern Regi - mentern hat. S. ESTOR de min. §. 289.
(a)
(b)Es heißt zwar: Liberti non multum ſupra ſervos ſunt; raro aliquod momentum in domo, nunquam in civitate ex - ceptis dumtaxat iis gentibus quæ regnantur. Ibi enim & ſuper ingenuos & ſuper nobiles aſcendunt. TAC. G. c. 25. Und die Wahrheit wird durch unſre Zeiten beſtaͤtiget. Jnzwiſchen hat Monteſquiou wohl gefuͤhlt, daß der Adel die Stuͤtze der Monarchie ſey, ob er gleich den Grund davon nicht entdeckt; welcher darinn liegt, daß der Adel ſich ins Gefolge locken laſſen, und die Wehren unterdruͤcken helfen. Ein Koͤnig der ſein Gefolge alſoE 3nicht70Oſnabruͤckſche Geſchichtenicht edel, praͤchtig und wehrt gehalten haͤtte; wuͤrde gegen ſein eignes Jntereſſe gehandelt; und den Adel nicht auf ſeine Seite gezogen haben. Was damals das Gefolge that, erſetzt jetzt der miles perpetuus, und dieſer iſt die Urſache, daß man jetzt in Frankreich Vorſchlaͤge zu voͤlliger Abſchaffung des Adels wagen darf. Die Monarchie hat dieſer Stuͤtze jetzt ſo ſehr noͤthig nicht. Sie darf nur den Militair-Stand wie vordem den Adel heben.
(b)
(c)CRAMER de jur. & prærog. nob. avit. II. 8. n. 6. haͤlt diejenigen, welche ſo gar den militem agrarium wovon Henrich der Vogler den neunten Mann zur Beſatzung in die Staͤdte legte, nicht pro ingenuis & equeſtris ordi - nis hominibus halten, riſu & ſibilo dignos. Jch behaupte aber dem ungeachtet, daß dieſe milites agrarii, ruſtici ob - gleich keine coloni geweſen; Es waren Maͤnner die eigne Wehre; und unſre jetzigen Bauerhoͤfe in franco tenemento hatten. Man muͤſte ſonſt eine grauſame Menge von Edelhoͤfen annehmen, um eine einzige Beſatzung her - aus zubringen.
(c)
(d)Durchlaucht, ſerenus illuſtris koͤmmt dem Unbeſchatte - ten zu. Serenare aliquem heißt einen unmittelbar machen. S. KVCHENB. in Ann. Haſſ. Col. I. p. 138. Wer ſich von ſeiner Geburt Hochgebohrn ſchreiben muß, beurkun - det damit, daß er actu ſub umbra ſey. Ohne dieſe Er - klaͤrung zu kennen, haben alle Reichs-Fuͤrſten ihr altes gebohren jetzt weg geworfen und die Grafen heben ſich mit gleichem Rechte nach. Die Geſchichte des Worts: gebohrn iſt die controlle der Dienſt-Zeit; und ſie verdiente eine eigne Ausfuͤhrung. Jn den Laͤndern wo man gar keine Gebohrne hat; iſt der Dienſt ſchon uralt.
(d)
(e)Weil aber der Dienſt-Adel nicht durchgehnds edlen Ur - ſprungs iſt; und er daher durch eine widrige Vermu - thung gedruͤckt wird: ſo wuͤrde ſolches nur von ſolchen Geſchlechtern gelten, die nobilitatis originariæ ſind; und woher dieſer Beweiß? Daher daß man ihm die Ver - muthung zu ſtatten kommen lieſſe bis das Gegentheil er - wieſen wuͤrde.
(e)
§. 37.71erſter Abſchnitt.

§. 37. Noch einige Anmerkungen nebſt dem Schluß.

Dieſes Meiſter-Recht ſcheinet zugleich den Sohn von der vaͤterlichen Gewalt befreyet;(a) und ihm die Stimm-Gerechtigkeit in der oͤffentlichen Ver - ſamlung erworben zu haben; wenn er zugleich zu dem Eigenthum einer Allode gelangte. Daher es oͤffent - lich(b) ertheilet werden muſte. Unſre heutigen Rit - ter-Orden ſind eine Nachahmung davon. Der Novitiat ſtellet die Lehr-Jahre fuͤr; und die drey Feld-Zuͤge ſind die alten Ebentheuer. Jch darf aber dieſes nicht weiter verfolgen. Zu meinem Endzweck iſt es genug den gemeinen Heerbann von dem Gefolge der Edlen; und in dieſem Gefolge wiederum die Ritterliche Zunft von der eigentlichen Dienſtfolge unterſchieden zu ha - ben. Es konnte einer dienen ohne Ritter zu ſeyn; und es konnte einer Ritter ſeyn und doch noch im Ver - bunde oder Dienſte beharren, nachdem es ſeine Um - ſtaͤnde zulieſſen.

(a)Die Verordnung des Romulus, wodurch einem Vater erlaubt wurde ſeinen Sohn dreymal zu verkaufen. S. DION. HAL. XI. 28. mag hieraus erlaͤutert werden. BYNKERSH. de jure occ. lib. c. 1 T. II. opp. fuͤhlt die Nothwendigkeit einer Hypotheſe, daß dieſer Verkauf nur auf gewiſſe Zeit gegolten haben muͤſſe. Allein dies iſt nicht genug zu jener allgemeinen Verordnung. Man nehme aber an, daß insgemein ein jeder Vater ſein Kind erſt als Jungen; und dann als Geſellen; einem Herrn uͤbergeben habe; ſo iſt dies ein zweymali - ger Verkauf; und mit Ablauf der beſtimmten Jahre fiel der Sohn in die vaͤterliche Gewalt nothwendig zuruͤck. E 4Nun72Oſnabruͤckſche GeſchichteNun aber konnte ein Vater ſich nicht mehr als noch ein - mal ſeines Rechts bedienen. Das war der dritte Ver - kauf. Si pater filium ter venumduit, liber eſto.
(a)
(b)In ipſo concilio vel principum aliquis vel pater vel propin - quus ſeuto ſrameaque juvenem ornat. TAC. G. 13. Bey den Longobarden konnte der Vater ſeinen Sohn nicht ſelbſt in die Lehre nehmen und zum Meiſter machen; wie aus der Stelle beym PAVLO DIAC. de geſt. Long. I. 23. wo des Koͤnigs Sohn, von einem auswaͤrtigen Koͤnige zum Ritter gemacht werden muſte, zu ſchlieſſen iſt. Bey den Franken aber konnte es der Vater thun.
(b)

§. 38. Von der National-Verſamlung.

Edle und Wehren oder Gemeine waren alſo zwey neben einander ſtehende, und von einander unabhaͤn - gige Staͤnde. Letztere machten eigentlich den Koͤrper der Nation aus;(a) und auf ihrer Bewilligung be - ruhete alles. Sie waren erſtern zu Nichts verpflich - tet. (b)Und es iſt eine bewunderns-wuͤrdige Sache, daß ſie ſich in Sachſen bis auf Carln den Groſſen(c) in dieſer vollkommenen Unabhaͤngigkeit, gegen die Macht(d) der Gefolge haben erhalten koͤnnen, da ſie kein Geſetz(e) gehabt zu haben ſcheinen, wodurch die Gefolge auf gewiſſe Weiſe waͤren eingeſchraͤnket wor - den; und der Adel auch damals ſchon Schloͤſſer und Veſtungen(f) beſaß. Jn der National-Verſamlung erſchienen beyde Staͤnde zuſammen. Der Prieſter und keine andre Obrigkeit handhabete darin die Ord - nung. Es redete wer das Anſehen und die Geſchick - lichkeit dazu(g) hatte. Der Anfuͤhrer ward aus den Tapferſten(h) erwaͤhlt; und mit dem Kriege hatte ſein Amt ein Ende. (i)

(a) Sie73erſter Abſchnitt.
(a)Sie heiſſen plebs, vulgus, multitudo, turba &c. bey den Schriftſtellern. De minoribus rebus principes conſultant; de majoribus omnes. Ita tamen ut ea quoque quorum pe - nes plebem arbitrium eſt, apud principes pertractentur. ---- Vt turbæ placuit conſidunt armati. TAC. G. 11.
(a)
(b)Quia ultro principibus conferre ſolebant, quod pro honore accipiebatur. Ib. 15. Die Fuͤrnehmſten oder Edlen hatten ſuadendi poteſtatem. Validiore apud eos Arminio quando bellum ſuadebat. ---- Arminio ſinerent --- ſuadente; atro - ciora Inguimero & læta barbaris Id. Ann. I. Mox rex vel princeps ---- authoritate ſuadendi magis quam jubendi po - teſtate. Id. G. 11. Ex plebe conſilium & authoritas. ib. c. 12.
(b)
(c)S. die Note i.
(c)
(d)Die Macht der Gefolge ſtuͤrzte die Roͤmiſche Freyheit. Wie bey den Buͤrger-Kriegen die Haͤupter der Partheyen eigne Truppen zu unterhalten ſich heraus nahmen; und Auguſt z. E. allmaͤlig 30000 Mann eigner Haus-Trup - pen auf den Beinen hatte, muſte nothwendig die Frey - heit erliegen. Wie Caͤſar in Gallien ankam, ſteckte dieſe ganze Nation ſchon in den Privat-Gefolgen einiger we - nigen Fuͤrſten; und STRABO IV. 197. bemerkt nur noch, antiquitus multitudinem unum belli ducem in Gallia dele - giſſe. Daher ſagte CAES. de B. G. VI. In Gallia plebs fere ſervorum loco habetur. Das war die Schuld der Ge - folge; und die Geſchichte wird zeigen wie der plebs Saxo - nica auf eben die Art in ſervorum locum gekommen.
(d)
(e)Das Geſetz wodurch ein gar zu maͤchtiger und geliebter Buͤrger aus dem Staat gewieſen wurde, konnte einzel - nen Wohnern nicht ſo leicht einfallen; und die Mannie, oder Arimannie, erhielt ſich, bis ſie unter dem Tittel eines comitatus, eines honoris regni, oder einer Arman - diæ den Fuͤrſten zu Lehn gegeben wurde.
(e)
(f)Segeſt wurde vom Armin in ſeinem Schloſſe belagert; und es muſte ſchon eine ziemlich geraume Veſtung ſeyn. TAC. Ann. I. 57.
(f)
(g)Silentium per ſacerdotes --- mox rex vel princeps, proutE 5ætas74Oſnabruͤckſche Geſchichteætas cuique prout nobilitas, prout decus, prout facundia eft, audiuntur. TAC. G. 11.
(g)
(h)Reges ex nobilitate; duces ex virtute ſumunt --- & duces exemplo potius quam imperio, ſi promti ſi conſpicui; ſi ante aciem agant admiratione præſunt. TAC. G. 7.
(h)
(i)Non habebant regem iidem antiqui Saxones, ſed ſatrapas plurimos ſuæ genti præpoſitos, qui ingruente belli articulo, mittunt æqualiter ſortes & quemcunque ſors oſtenderit, hunc tempore belli ducem (Heretogan) omnes ſequuntur & huic obtemperant. Peracto autem bello rurſum æqualis potentiæ omnes fiunt ſatrapæ. Thonne that Gefecht and that Gewin geended war; thonne wæron hi eft efenrice and wæron alle ealdormen. BEDA hiſt. eccl. V. 11. Der Grund, worauf Carl der Groſſe bauete, wird hiernechſt zeigen, daß dieſe Satrapæ oder Ealdermans noch die alten Judices electi, deren TAC. in G. 12. gedenket, und keine Erb-Gerichtsherrn geweſen.
(i)

§. 39. Von dem Prieſter als National - Beamten.

Der Prieſter war es uͤbrigens welcher mehrere Manien zuſammen; und Edle und Gemeinen im Gleichgewichte erhielt. Erſtere waren durch die Menge leicht uͤberſtimmt; Allein der Prieſter durfte ein Zeichen uͤbel deuten,(a) wenn er merkte daß die Menge fehlen wuͤrde; und damit war die Verſam - lung vor dasmal aufgehoben. Vermuthlich geſchahe dieſes ſo oft als es die Klugheit der Wenigern erfor - derte. Da das uͤbel gedeutete Zeichen allein die Ehre davon hatte: ſo ſchien dieſe Macht der Freyheit un - ſchaͤdlich. Der Prieſter allein hatte das Recht je - manden in der Verſamlung ein Stillſchweigen(b) aufzulegen; und man wuͤrde ihm dieſes nicht uͤber -laſſen75erſter Abſchnitt. laſſen haben, wenn man haͤtte ein Himmels-Zeichen dazu gebrauchen koͤnnen. Der Prieſter war noth - wendig Edel. (c)Denn wenn er zu einer Mannie o - der zu einer gemeinen Verſamlung gehoͤret haͤtte: ſo wuͤrde ſich eine andre von ihm nichts haben vorſchrei - ben laſſen. Man muß ihn deswegen als einen unab - haͤngigen geheiligten National-Beamten anſehn, der gleich dem Adel zwiſchen den Jnnungen geſtanden, ohne zu einer einzigen ins beſondre zu gehoͤren. (d)Jhr Kirchen-Bann war erſchrecklich. (e)

(a)Si Dii prohibuerunt, nulla de eadem re in eundem diem conſultatio. TAC. G. 10. Man weiß, daß durch eben dieſes Kunſt-Stuͤck der Rath zu Rom ſich gegen die Macht der Menge erhielt. Ein Zeichen konnte aber nur vorher uͤbel gedeutet werden. Wenn das Volk ein - mal ſeinen Schluß gefaßt; wuͤrde es zu ſpaͤt und auch zu viel geweſen ſeyn einen foͤrmlichen Schluß vernich - tigen zu duͤrfen. Die Stimme des Volks war alsdenn die Stimme Gottes, und dagegen muſte der Prieſter ſchweigen. Dergleichen Zeichen-Deutungen fehlen uns jetzt oft. Wenn bey den Roͤmern ein General ſich zu - ruͤck ziehen, oder nicht zur Schlacht ausruͤcken wollte: ſo war ein geſehener Bienen-Schwarm; oder ein Neu - Mond, Urſache genug. Und die Armee glaubte des - wegen nicht, daß der Feind zu ſtark; oder ein ander Mangel vorhanden waͤre. Jn Ermanglung ſolcher Zei - chen muß jetzt oft ein General die wahre Urſache bloß geben, wenn ihn ein Vorwand der mangelnden Subſi - ſtenz nicht rettet.
(a)
(b)Silentium per ſacerdotes. TAC. G. 11.
(b)
(c)Von den Galliern ſagt CAES. de B. G. VI. dieſes aus - druͤcklich; und es folgt von ſelbſt. Als Wehr haͤtte er einer gemeinen Verſamlung; und im Gefolge ei - nem Herrn angehoͤrt; niedriger kann man ihn nicht ſetzen; und alſo bleibt nichts als der Hoͤchſte - oder Adels -Stand76Oſnabruͤckſche GeſchichteStand uͤbrig; welcher ihm auch allein das noͤthige An - ſehen zum wahren National-Beamten geben konnte.
(c)
(d)In Arimannia ſed non de Arimannia.
(d)
(e)Saerificiis interdicunt. Hæe pœna apud eos graviſſima. Quibus ita interdictum eſt ii numero impiorum ac ſcelera - torum habentur; ab iis omnes decedunt; auditum eorum ſermonemque deſugiunt, ne quid ex contagione incommo - di accipiant; neque his petentibus jus redditur neque honos ullus communicatur. CAES. de B. G. VI. Die Macht der Prieſter gieng alſo ebenfalls nur auf die Ausſchlieſſung aus der Gemeinheit; und keine National-Verſamlung vergoß Blut.
(e)

§. 40. Und ſeinem oͤffentlichen Unterhalt.

Was wir jetzt Regalien heiſſen, wogte dero Zeit Gottes-Recht ſeyn; und zu dem Unterhalt des Prie - ſters dienen. Wenigſtens waren faſt alle oͤffentliche Sachen, als Stroͤme, Salz-Quellen, Waͤlder und Thaͤler geheiligt(a) und vermuthlich hatte der Prie - ſter dem Wilde darinn einen Frieden gewuͤrket. Da die Eiche ein beſonders Heiligthum hatte: ſo mogte das Brandholz gemein; das Bauholz aber geheiliget ſeyn; und der Prieſter in groſſen National-Waͤldern die Mahl-Axt(b) fuͤhren. Wenigſtens konnte in ſol - chen wozu mehrere Mannien gehoͤrten, dieſe keinem andern ohne Gefahr vertrauet werden. Er war zu - gleich der geheiligte Mittler und Schieds-Richter zwiſchen ſtreitigen Edlen wie auch ganzen Mannien und Marken;(c) und hatte das gluͤckliche Recht die ſtreitigen Graͤnzen zu heiligen. Ein Recht welches man ſpaͤter aus einem Mißverſtande auf hob; ſich aber noch jetzt in unſerm Stifte erhaͤlt. (d)Da eruͤber -77erſter Abſchnitt. uͤberhaupt den Gottes-Frieden handhabete; ſo mogte er auch die Bruchfaͤlle davon, oder das Suͤhn-Opfer und Suͤhnde-Geld(e) haben. Und ſolchergeſtalt konnte ſein Unterhalt auf mancherley Art beſtimmet ſeyn, ohne daß er eine Allode oder ein Wehrgut be - ſitzen mogte.

(a)Lucos & nemora conſecrant. TAC. G. c. 9. Arborum illis cultus & amnium colliumque & vallium. AGATH. hiſt. L. I. S. KEYSLER in ant. Sept. p. 62. Es iſt nicht ganz un - wahrſcheinlich, daß man ſpaͤter dieſe Gottes-Rechte folgen - der geſtalt in Regalien verwandelt habe: Reges ante Clo - doveum ſibi ſylvarum atque aquarum, avium beſtiarumque & aliorum quoque elementorum finxiſſe formas, ipſasque ut Deum coluiſſe, eisque ſacrifieia delibare conſuetos. GREG. TVR. II. 10. Die Heiligung erſetzte ſolcher geſtalt den bannum regium ſuper foreſto. Von den Salz-Quellen ſagt TAC. Ann. XIII. 57. Religione inſita eos maxime locos pro - pinquare cœlo, precesque mortalium a deis nuſquam propius auditi. Inde indulgentia numinum illo in amne, illisque ſylvis ſalem provenire --
(a)
(b)Dieſes ſcheinet mir der erſte und wahre Grund zu ſeyn, welcher zu mehrer Heiligkeit mit vielen Ceremonien ver - huͤllet wurde. Man koͤnnte die Stelle des CLAVD. in laud. Stil. I. v. 228, wenn er das uͤberwundene Deutſch - land ſo vorſtellet,
Vt procul Hercyniæ per vaſta ſilentia lunæ
Venati tuto liceat; lucosque vetuſta
Relligione truces, & robora numinis inſtar
Barbarici noſtræ ferìant impune bipennes.
gar artig dahin deuten, als wenn der Wild-Friede nun aufgehoben; und die Mahl-Axt nicht mehr abzuwarten waͤre. Doch iſt der wahre Sinn wohl anders.
(b)
(c)De omnibus fere controverſiis publicis privatisque Druidæ conſtituunt --- Si de hereditate ſi de finibus controverſia eſt decernunt. --- CAES. de B. G. VI. Dies gilt nun zwar bloß von den Galliern, und Caͤſar konnte mit Recht ſa -gen,78Oſnabruͤckſche Geſchichtegen, daß die Druiden daſelbſt de hereditate & finibus rich - teten, nach dem der plebs daſelbſt in ſervorum locum ge - diehen war; und bereits in curia domini Recht nahm; mithin bloß von adlichen Erbſchaften, wobey ſie die Stelle der Austraͤge vertreten mogten, die Rede ſeyn konnte. Von Sachſen aber gilt dieſes nur mit gehoͤri - riger Ermaͤſſigung.
(c)
(d)Jn dem bekannten Indiculo paganiarum Synod. Lipt. v. 742 heißt es: de incertis locis quæ colunt pro ſanctis. Man deutet dieſes gemeiniglich auf Unſtede. S. ECKHARD. in Comm. de R. Fr. or. T. I. p. 426. Allein wenn jetzt zwey Marken wegen ihrer Graͤnzen in Streit ſind; ſo macht man den Raum, woruͤber beyde Theile nicht eins werden koͤnnen, zur Streit-Mark. Beyde Theile muͤſſen ſich deſſen mit Holzhauen und Plaggen-ſchaufeln enthalten. Das beyderſeitige Vieh aber kann das was darauf waͤchſt mit dem Munde theilen. Und dies ſcheint mir obiges weit beſſer zu erlaͤutern; denn hier werden incerta loca geheiligt. Vermuthlich geſchahe dieſes aber ehedem mit mehrer Ceremonie und von dem Prieſter; weil ein Theil dem andern die Heiligung nicht geſtattet haben wuͤrde. Von den Wild-Frieden in groſſen Waͤl - dern muß ich noch anmerkeu, daß ſolcher ſchwerlich ad jus regium gekommen ſeyn wuͤrde, falls er nicht vorher ad jura ſacerdotis gehoͤret. Den ordentlichen Lauf der Sache nach, haͤtte das Wild in den Mark-Frieden ge - hoͤren, und der Holzgraf ſolches unter ſein Verbot neh - men muͤſſen. Weil aber ſolches nur eine Mark um - ſchlieſſen kann; und bey der Wildbahn in weitlaͤufigen Gegenden und groſſen Waͤldern mehrere Marken und Jnnungen intereſſirt waren: ſo muſte ein hoͤherer Friede, welchen alle zu verehren ſchuldig waren eintreten. Carl der Groſſe und die Chriſtliche Religion ſprengten den Gottes-Frieden; und ſo war es begreiflich, daß der ban - nus regius in locum vacuum trat, und absque violatione juris privatorum, eintreten konnte.
(d)
(e)S. §. 21. n. d. Wenn ein Verbannter wieder in denFrie -79erſter Abſchnitt. Frieden aufgenommen wurde: ſo muſte er der Parthey, dem Richter, und dem Prieſter genug thun. Die letz - tere Genugthuung iſt von der chriſtlichen Kirche in die Kirchen-Buſſe verwandelt worden; wie aus der Folge zu erſehen ſeyn wird.
(e)

§. 41. Von der Religion des Staats und deſſen Gottheit.

Jch muß hier zugleich der Religion gedenken, in fo fern ſie ein Band des Staats(a) war. Man ver - ehrte ein allgemeines unſichtbares Weſen; und glaubte nicht, daß ſich ſolches durch ein Bild vor - ſtellen oder in Tempel(b) einſperren lieſſe. Der Grund dieſes Glaubens lag aller Wahrſcheinlichkeit nach darinn, daß das Bild und der Tempel eines National-Gottes auf der Erde keinen Platz haben konnte. Denn die Mark, worin Gott ſeinen Tem - pel hat, erhaͤlt bald einen Vorzug und leicht die Herrſchaft uͤber andre, wie die Erfahrung(c) bey allen Voͤlkern zeiget. Jm Heer-Lager war ein be - wegliches(d) Goͤtter-Bild moͤglich und vielleicht noͤthig; um unter dem Schutz deſſelben, einer ver - ſamleten unabhaͤngigen Menge kraͤftiger zu gebieten und den Prieſter ſichtbar zu unterſtuͤtzen.

(a)ROVSSEAV in ſeinen contract ſocial beſchuldigt die Chriſt - liche Religion, daß ſie dieſe Abſicht zu ſehr verlaſſe. Al - lein Chriſtus iſt auch der einzige von allen Religions - Stiftern der kein Reich von dieſer Welt hat errichten wollen.
(a)
(b)Cæterum neque cohibere parietibus deos, neque in ullam humani oris ſpeciem aſſimilare ex magnitudine cœleſtium atbitrantur. Lucos & nemora conſecrant; deorumque no -mini -80Oſnabruͤckſche Geſchichteminibus appellant ſecretum illud quod ſola reverentia vident, TAC. G. 9.
(b)
(c)Es wuͤrde zu weitlaͤufig ſeyn dieſes hier auszufuͤhren. Die Cathedrale beherrſcht immer die uͤbrigen Pfarr - kirchen; und nothwendig muſten verſchiedene Nationen ſich zu einem Sprengel vereinigen; ſo bald ſie ſich zu einer irgendwo feſt-ſtehenden Gottheit halten wollten. Vbi regnator omnium Deus; ibi cætera ſubjecta & paren - tia. TAC. G. 39. Der Tempel im Stamm Juda ver - ſicherte dieſem die Herrſchaft; und ihn bauete der erſte ruhige Monarch aus dieſem Stamm. Bey einigen Na - tionen waren ein Haupt-Gott; und viele kleine Goͤtter um ihn. Letztere ſtelleten vermuthlich die kleinern Jn - nungen vor, welche ſich dem Haupt-Gott unterworfen hatten. Die Cathedralen wurden ſo gar eine Zeitlang bloß Heiligen vom erſten Range geweiht; und den dar - unter ſtehenden Kirchen nur Heilige vom zweyten Rang erlaubt.
(c)
(d)Das Bild der Jſis bey den Sueven ſaß auf einem Renn - Schiff; und TACIT. G. 9. ſchließt daraus advectam eſſe religionem. Es koͤnnte dieſes aber auch eben ſo ſruͤh, und zumal bey einem ziehenden Volke, eine reiſige Gottheit anzeigen. Die Bundes-Lade bey den Juden war beweglich; und wurde zuerſt von einem Koͤnige auf eine beſtaͤndige Stelle gebracht. Genug, daß eine allgemeine National-Gottheit nicht Erd - und Nagel-feſt ſeyn konnte, ohne einer Provinz vor der andern einen Vorzug zu geben.
(d)

§. 42. Von beſondern Gottheiten.

Deswegen aber konnte der beſondere Gott einer Haushaltung, einer Jnnung, oder einer Mark, gar wohl ſein Bild und ſeinen Tempel an einem verab - redeten oͤffentlichen Orte haben. (a)Der Hausgott, er mogte nun aus einer ſeltenen Wurzel oder auseinem81erſter Abſchnitt. einem andern Dinge,(b) wovor die Einbildung ſich beugen wollte, beſtehen, war dem Hausvater unent - behrlich um ſeine Perſon gegen ein zahlreiches Ge - ſinde nothduͤrftig zu heiligen, und ſich gleichſam eine Freyſtatt in ſeinem eignen Hauſe zu geben. Jn der Mark waren Graͤnz-Goͤtter, wie jetzt Kreutze und heilige Schnat-Baͤume gegen den Eingrif der Nach - baren auch von gutem Nutzen; weil deren Verletzung ſo fort den Gottes-Frieden ſtoͤren, und den Prieſter zu deſſen Handhabung erwecken muſte. Man trug auch einige Mark-Goͤtter(c) bey einer jaͤhrlichen Verſamlung auf den Graͤnzen der Mark herum; und im Chriſtenthum kam die Heiligen-Tracht an ihre Stelle. Die Mannie, da ſie ſich an keinen Baum oder Stein, ſondern auf die Koͤpfe der Maͤn - ner ſchloß,(d) und folglich nicht leicht einige Graͤnz - Streitigkeiten veranlaſſete, haͤtte in ihrer innern Verfaſſung am allererſten einer beſondern Gottheit entbehren koͤnnen. Denn die einheimiſchen Streitig - keiten derſelben konnten nach der Abrede leicht geſchie - den werden, und hoͤchſtens bey der Gottes-Probe und dem Gottes-Urtheile beſondre Gottheiten noͤthig ſeyn. Doch laſſen die ſo genannten Teufel-Gil - den(e) auch einer andern Vermuthung Raum.

(a)Jch habe in einer Diſſ. de vet. Gallorum & Germ. theo - log. myſtica ehedem angenommen, daß man eine oͤffent - liche und heimliche Goͤtter-Lehre gehabt haͤtte; um die Widerſpruͤche der Geſchichtſchreiber in Anſehung der ſichtbaren und unſichtbaren deutſchen Gottheiten zu ver - einigen; glaube aber nunmehr daß ſich alles auf obige Art beſſer erklaͤren laſſe.
(a)
(b)Jch gehe hier nicht ad ſpecies, und alles was von derFDeut -82Oſnabruͤckſche GeſchichteDeutſchen Goͤtter-Lehre gruͤndlichs geſagt werden kann, hat GRVPE in Obſ. rer. & ant. Germ. X. und es waͤre zu wuͤnſchen, daß KEYSLERI Germania Gentilis, ſo wie es in deſſen ant. Septent. p. 207. angezeigt iſt, vollſtaͤn - dig heraus gegeben wuͤrde.
(b)
(c)Jn dem Indiculo paganiarum heißt es dieſer-wegen: de ſi - mulacre quod per campos portant. Und aus dem Leben der H. Mareſvidis fuͤhret ECKHARD in Comm. de R. Franc. Or. T. I. L. XXIII. §. 51 eine Stelle an, worin ausdruͤcklich geboten wird, ut patronum eccleſiæ, pro gentilico ambarvali, in parochia longo ambitu circumfe - rant. Die Ambarvalia, oder Umdrachten hatten nun zwar noch einen andern Endzweck. Jnzwiſchen wird man doch nicht leicht eine Urkunde in unſerm Stifte aus dem XVten Jahrhundert finden, worin eine Mark - Schnaet beſchrieben iſt, ohne daß man der Hetligen - Tracht dabey erwehnet hat. Und wohin die Heili - gen-Tracht gieng; dahin gieng auch die Mark-Graͤnze. Jn einigen Marken haben noch die jaͤhrlichen May - Gaͤnge etwas aͤhnliches damit. Von der Zeit eines May Ganges faͤngt der oͤffentliche Beſitz an. Was ein Mark-Genoſſe das ganze Jahr vorher eingezaͤunet hat, kann bey dem May-Gange ob vitium clandeſtinitatis ſo - fort wiederum eingeriſſen werden.
(c)
(d)So ſchließt ein Regiments-Canton lediglich auf ſeine en - rollirte. Jch werde mich dieſes Satzes ſehr oft bey un - ſern heutigen Territorial Graͤnz-Streitigkeiten bedienen. Eine Mark oder ein Dominium graͤnzt an Stein und Baum. Ein Amt aber ſchließt auf ſeine Eingeſeſſene, fals nicht zufaͤllige Graͤnzen von Fluͤſſen und Bergen vor - handen ſind.
(d)
(e)Die heidniſchen Sachſen muſten bekannter maſſen bey der Taufe allen Teufel-Gilden entſagen. Und jedes Kirchſpiel trat dagegen unter ſeinem Schutz Heiligen in eine Chriſten-Gilde. Daher heiſſen jetzt die Kirchen - Vorſteher auf dem Lande Gildemeiſter.
(e)
§. 43.83erſter Abſchnitt.

§. 43. Von der geheiligten Redlichkeit.

Da die Gewalt des Prieſters auf keiner weltlichen Macht; ſondern lediglich auf der Ehrfurcht der Men - ſchen beruhete: ſo war die Religion auſſerordentlich verſtaͤrkt; und bisweilen grauſam;(a) auſſerdem aber die Redlichkeit mehr als eine gemeine Tugend; und gleichſam geheiliget. (b)So daß jedes Verſprechen die Kraft eines Ehren-Wortes und jede Treuloſigkeit den Haß eines Meineydes mit ſich fuͤhren mogte. Dieſes trug ſehr viel zur Erhaltung ihrer Verfaſſung bey. Und der Adel(c) insbeſondre wuͤrde mit einer gemeinen Redlichkeit ſich nicht erhalten haben; weil er faſt durch nichts, als ſein Wort verbunden werden konnte. Doch waren Schimpf(d) und Ehre ihre einzigen Mittel; und man bauete weniger auf kuͤnftige Strafen(e) und Belohnungen.

(a)Dies beweiſen die ſchrecklichen Ceremonien. Arcanus hinc terror, ſanctaque ignorantia, quid ſit idud quod tantum perituri vident. TAC. G. 40.
(a)
(b)So wie wir jetzt die moraliſche Tugend zur Chriſtlichen erheben. Man ſieht dieſes aus verſchiedenen Stellen; wovon ich nur eine wegen der Spiel-ſchulden anfuͤhren will: Victus voluntariam ſervitutem adit --- ea eſt in re prava pervicacia; ipſi ſidem vocant. TAC. G. 24.
(b)
(c)Wenn die Fuͤrſten ſich jetzt nicht aus ihrer Parole eine Religion machten; wo wuͤrden ſie Credit finden? Auf die Hofnung, ſie durch die Reichs-Gerichte zur Zahlung zu zwingen, borgte man ihnen gewiß nichts. Eben ſo war es mit dem Adel. Sein Credit beruhete auf ſeinem Worte. Der fides mercatorum hat etwas aͤhnliches da - mit. Der ganze Handel faͤllt: ſo bald die Sicherheit bloß durch Furcht fuͤr richterlichen Zwang und nicht durch einen ſoy oder ton de corps gewirket wird.
(c)F 2(d) Nec84Oſnabruͤckſche Geſchichte
(d)Nec aut ſacris adeſſe aut conſilium inire ignominioſo fas; TAC. G. 6. So kann ein Mann, der ſich zum Einlager verſchrieben hat; und nicht einreitet; bey keiner adli - chen Verſamlung erſcheinen. An Orten wo Wechſel - Recht iſt; und man dem Edelmann, wenn er nicht be - zahlt, ſo gleich den Land-Reuter zuſchickt, iſt aber jene Redlichkeit unnoͤthig. Eben ſo unnoͤthig war ſie in der Stadt, wo der Buͤrgemeiſter den Buͤrger geſchwind zur Zahlung anhalten konnte. Und dies iſt auch die Urſache, warum man nur eine adliche und keine buͤrgerliche Pa - role hat; und warum zu unſern Zeiten, nachdem die ter - ritoria ſich geſchloſſen, die adliche Parole minder in Be - trachtung koͤmmt weil ein jeder Glaͤubiger ſich mehr auf das Hypotheken-Buch als des Schuldners Wort verlaͤßt. Zur Zeit aber, wie der Adel bloß einen Land-Friede - Richter und keinen Schuld-Richter erkannte; muſte er alles in der Welt thun, um ſein Wort zu heiligen, wo - fern er nicht ſeinen Credit verlieren wollte. Jn Spiel - Schulden gilt noch die Parole, bloß aus der Urſache, weil kein Richter da iſt. Die Parole iſt alſo auch eine Urkunde der alten Unabhaͤngigkeit des Adels. Jetzt kennt man faſt nur noch ein Fuͤrſtliches Wort.
(d)
(e)Die Chriſtliche Religion ſcheinet den Begrif von Ehre etwas zu ſehr geſchwaͤcht zu haben. Doch ſieht man an den Quaͤkern und Herrnhuͤtern wie es ihr nicht an an - dern ſtaͤrkern Banden mangle, wenn ſie nur gehoͤrig an - geſtrenget werden. So viel aber iſt gewiß, daß kuͤnfti - ge Strafen und Belohnungen, beſonders nachdem die Vergebung der Suͤnden oft zu ſehr erleichtert wird, das nicht wuͤrken, was ein gegenwaͤrtiger Schimpf wuͤrken kann. Die Hoͤlle macht keinen ſo lebhaften Eindruck als eine oͤffentliche Kirchen-Buſſe.
(e)

§. 44. Von Knechten und angehoͤrigen Leuten.

So viel von den Edlen, Maͤnnern und Prieſtern,wel -85erſter Abſchnitt. welche zur National-Verſamlung kamen. Alles was einem Herrn angehoͤrte, oder unter irgend einer Ge - walt, Hut, Pflege und Schutz ſtand, konnte darin unmoͤglich erſcheinen, ſo lange die gemeine Vertheidi - gung dem Grunde anklebete. Oder Feſte und Eigen - thum haͤtten gleiche Laſten tragen; und einerley Guͤter gleichſam mehrmalen verſteuret werden muͤſſen. Ein Mann haͤtte auch ſeine Knechte, Kinder und Freygelaſſe - ne, welche ihm zu Dienſt und Dankbarkeit verpflichtet waren, fuͤr ſeine Richter erkennen; und ſeine Wohl - fahrt der Mehrheit knechtiſcher Stimmen unterwerfen muͤſſen; eine Unanſtaͤndigkeit wovor alle freye Voͤlker jederzeit einen Abſcheu(a) geheget haben.

(a)Ehe die Roͤmer Geld hatten und jeder Buͤrger noch von ſeiner Wort-Staͤtte dienen muſte; war es etwas groſſes Buͤrger zu ſeyn. So bald man Sold ausgeben konnte und Leute noͤthig hatte; wurde es leichter Buͤrger zu werden; und man gab den Freyen Wachszinſi - gen und Hode-Leuten, libertinis latinis & dedititiis, bald Stadt-Recht; Wie zuletzt die ganze Armee aus Soͤldnern beſtand; wurde die Wort-Staͤtte ganz ver - dunkelt; und alles was man noͤthig hatte mit dem Buͤr - ger Recht beſchenkt. Eben ſo geht es uns mit unſern Soldaten. Fuͤr Sold gehn zehn Soͤhne von einem Ho - fe in den Krieg. Wenn ſie aber vom Hofe dienen muͤſten: ſo wuͤrde ein Vater vieler Kinder der ungluͤck - lichſte ſeyn. Der Gebrauch des Geldes; und die Ver - wandlung des Natural-Heer-Dienſtes in Geld-Steuren, hat unſer ganzes Syſtem veraͤndert.
(a)

§. 45. Wahrſcheinliche Urſachen des aͤlteſten Leib-Eigenthums.

Die erſten Knechte(a) ſind wol im Hauſe geboh -F 3ren;86Oſnabruͤckſche Geſchichteren; und um getreues Geſinde zu haben, mogte das - jenige was ein Sohn oder Knecht erworben hatte, nach ſeinem Tode nicht aus dem Hauſe gefuͤhret wer - den duͤrfen. Wie der Hausvater aufing ſeine Kinder und Knechte neben ſich in eine beſondre Huͤtte zu ſetzen, verfolgte er leicht einen gleichen Grundſatz. Wenig - ſtens muſte er ſie gleichſam decken und vertreten, wo - fern er nicht ſeine Erb-Gruͤnde mit einer doppelten Pflicht beladen wollte. Da der Knecht unter dieſem Schutze von aller oͤffentlichen Laſt befreyet blieb, ſo verzieh er ſich vielleicht auch gern der Ehre; und jeder geringer Neubauer, gieng vermuthlich leicht unter ein ſolches oder ein andres Dach, um eine aͤhnliche Frey - heit, um Schutz und Buͤrgen zu erhalten. Die Edlen welche groſſe Alloden hatten, und den Ackerbau ver - achteten, hatten keinen bequemern Weg ihr Land zu bauen als durch leibeigne Knechte; und man kann ſa - gen daß es faſt der einzige war; weil ein Wehr die Allode leicht in die gemeine Reihe gebracht, oder bey dem Mangel der Buchſtaben,(b) durch Verjaͤh - rung in ſein Eigenthum verwandelt haben wuͤrde. Jhre Leute muſten ihnen alſo angehoͤrig bleiben; und die Luft auf der Allode muſte eigen machen, um aller Verſplitterung zu begegnen. Die Furcht ein Wild - fang(c) zu werden, zwang den Knecht zu bleiben; und machte jede Heymath angenehm, ehe und bevor Staͤdte eine Zuflucht der Fluͤchtlinge wurden, und Menſchen ohne Acker und Pflug ernaͤhrten. Auf dieſe Art konnte ſich ſchon eine groſſe Menge leibeige - ner Leute in dem alten Deutſchlande befinden.

(a)Es ſind einige, wie POTTGIESSER de ſtatu ſerv. II. 2. wel -87erſter Abſchnitt. welche den Leib-Eigenthum von den Krieges Gefangenen herleiten. Allein das iſt ſehr unwahrſcheinlich; und es iſt nicht leicht einem fluͤchtigen Kriegesgefangenen ſo gut gegangen, daß man ihm einen Hof anvertrauet hat. Mehrere und wichtigere Gegen-Gruͤnde hat de SEL - CHOW. in Comm. de Stat. ing. I. 10. Andre glauben die Leute haͤtten ſich zu Leib-eignen geſpielt, weil TACIT. G. 24. ſagt: Aleam ſobrii inter ſeria exercent, tanta lucrandi perdendive temeritate, ut cum omnia defe - cerunt, extremo ac noviſſimo jactu de libertate & corpore contendant. Sie muͤſſen aber die Sache gar nicht uͤber - dacht haben. Das Spiel iſt kein Laſter einzelner Woh - ner; aber wol der muͤſſigen Cadets im Gefolge. S. §. 33. Und wenn dieſe ihre Perſon verſpielten: ſo muſte ſie der Herr nach unſer Art zu reden von ſeiner Tafel hinterm Stuhl weiſen. Dieſerwegen fuͤgt Tacitus hin - zu: Servos conditionis hujus per commercia tradunt, ut ſe pudore victoriæ exſolvant. Haͤtte ein einzelner Wehr ſich mit ſeinem Wehrgute aus der gemeinen Reihe, in den Leib-eigenthum ſpielen koͤnnen: ſo wuͤrde ihn der Gewinner ſicher nicht verkauft haben: ut pudore ſe vi - ctoriæ exſolveret.
(a)
(b)Bey dem Mangel der Buchſtaben, war zum ſichern Be - weiſe, nichts als das Gedaͤchtniß der Verſamlung uͤbrig. So bald nun ein Stuͤck Allode einem Wehren zur Heuer oder zum Bau waͤre untergeben worden: ſo haͤtte er nothwendig auf der Allode zu Hofe gehn; und dort der jaͤhrlichen Urkunde und Verſamlung beywohnen; oder aber das Zeugniß Hof hoͤriger Leute gegen ſich gelten laſſen muͤſſen. Beydes litte der damalige Gebrauch nicht.
(b)
(c)Die Liebe zum Vaterlande iſt in einem Zeitpunkt be - ruͤhmt geworden, wo man in der Fremde ohne Geleit nichts als Wildfang oder Knecht ſeyn konnte.
(c)
F 4§. 46.88Oſnabruͤckſche Geſchichte

§. 46. Eine andre Urſache des Weſtphaͤli - ſchen Leib-Eigenthums.

Allein dieſer Plan, welchen die Natur darbietet, iſt der Grund des Weftphaͤliſchen Leibeigeuthums nicht. Denn da unſre Leibeigne insgeſamt in der gemeinen Reihe ſind; Steuer und Schatz unmittelbar geben; dem Goͤdinge folgen, oder davon befreyet(a) ſind; folglich in der alten Krieges-Rolle geſtanden haben: ſo ſind ſie nicht von Anfang leibeigen geweſen. Caͤ - ſar(b) giebt die groſſe Urſache einer gleichen Ver - wandlung in Gallien an: Hier, ſagt er, ſind die Wehren in die Knechtſchaft verſunken, nachdem ſie ſich durch lange Kriege und die dazu erfor - derlichen Ausgaben, erſchoͤpft, verſchuldet, und Preis gegeben hatten. Dies noͤthigte ſie in die Hode und Dienſtbarkeit der Maͤchtigern zu fluͤch - ten. Und dies iſt auch die wahrſcheinlichſte Urſache des Weſtphaͤhſchen Leibeigenthums. Schulden(c) machen noch alle Tage aus Wehren Leibeigne, und dieſem hin - reiſſenden Strome wiederſteht in Jahrhunderten kein einzelner Wohner, wofern er nicht wie jenſeits der We - ſer geſchehn, unter einer maͤchtigen Hand in Rollen und Gerichtszwaͤngen gehalten wird. Die Wuͤrkungen der Hofrollen werden wir gleich ſehen; und wir koͤnnen daher vermuthen, daß die Goͤdings-rollen eine gleiche Kraft gehabt haben wuͤrden, wenn ſie bey dem Verfall des Heerbanns in einer aufmerkſamen Hand(d) waͤ - ren gehalten worden. Jndeſſen geht hieraus die Urſache herfuͤr, warum kein einziger Gutsherr ſeine Leibeigne in einem Bezirke beſitzt und einige Ge -richts -89erſter Abſchnitt. richtsbarkeit hat. Die Wehren konnten bey den Verfall des Heerbanns ihre Perſonen der Rolle; aber nicht dem Oberſten oder Gografen(e) ſeine Gerichtsbarkeit und Sporteln entziehen. Und ſo lan - ge er die behielt, verhinderte er das Verlaufen oder den Leibeigenthum nicht.

(a)Dies iſt kein Wiederſpruch. Goͤdings-Freyheit iſt nur ein beſtaͤndiger Urlaubs-Paß von dem jaͤhrlichen Muſter Platze oder den ordentlichen Auszuͤgen, wor - unter auch die Halsgerichts-folge gehoͤret. Ein Goͤdings - freyer iſt im uͤbrigen dem Schrey-Goͤding (S. §. 28.) und daher auch jetzt dem Gow-gericht noch unterworfen und von der Werbung zur Landes-Vertheidigung, den Krieges-Fuhren und dergleichen auſſerordentlichen Vor - faͤllen nicht befreyet, wie man wol bisweilen behaupten wollen. Der Goͤdings-pflichtige muß noch jetzt am Goͤdinge jaͤhrlich erſcheinen, oder ſich mit 3 pf. oder einer andern Erkenntlichkeit entſchuldigen. Sonſt faͤllt er in den Grafen Bann-Bruch von 20 ß.
(a)
(b)De B. G. VI. Plerique ex plebe cum aut ære alieno, aut magnitudine tributorum aut injuria potentiorum premuntur ſeſe in ſervitutem dicant nobilibus. In has eadem omnia ſunt jura quæ dominis in ſervos. Es iſt zu bewundern, daß man dieſe handgreifliche Urſache der Knechtſchaft habe verfehlen koͤnnen; beſonders da Caͤſar den Zuſtand in Gallien, und wie dort alles in drey oder vier Par - theyen, quæ plebem per læta per adverſa afflictabant, ge - theilet war, ſo deutlich abmahlet. Die Freyheit in Gallien lebte aber wieder auf, wie maͤchtige Koͤnige eine Zeitlang die Gemeinen gegen den Adel brauchten.
(b)
(c)Wenn ein freyer Bauer ſich jetzt verſchuldet haͤtte: ſo wuͤrden ihn ſeine Glaͤubiger vom Erbe jagen. Um nun wenigſtens die Feſte daran zu behalten, ſucht er einen Gutsherrn, der ſeine Glaͤubiger bezahlt, und ihn mit ſeinem Hofe zuſammen uͤbernimmt. Er verliert ſeineF 5Frey -90Oſnabruͤckſche GeſchichteFreyheit; nutzt ſie aber indirecte als ein Capital wenn das Zins-korn was er uͤbernimmt nur die Haͤlfte der Zinſen ausmacht, welche er ſeinen ordentlichen Glaͤubigern haͤt - te bezahlen muͤſſen.
(c)
(d)S. §. 9.
(d)
(e)Der Gografe iſt eigentlich nur Colonel Commendant, o - der Vice-Comes im Heerbann geweſen.
(e)

§. 47. Von den Eigenhoͤrigen nach Haus - genoſſen Recht.

Es giebt zweyerley Haupt-Claſſen von Eigenbehoͤ - rigen;(a) Einige leben nach Hausgenoſſen - andre nach Ritter -(b) oder Gutsherrn - Recht; und dieſe uͤbertreffen jene weit an der Zahl. Die Hausgenoſſen ſind nach der Regel(c) Perſonen-frey; jedoch in ei - ner Zwang-Hode, und die naͤchſten Schwerd-Ma - gen in der Hode erben. Jn allen ihren Rollen wird eines Heergeweddes(d) und darunter eines Pferdes mit Sattel und Zaum, imgleichen der Sporn und Stiefeln mit allem uͤbrigen Feld-Geraͤthe gedacht. Bald vererbt ſolches frey bey der Wehr, bald muß es geloͤſet werden; der Gutsherr zieht hiernaͤchſt den vier - ten Fuß;(e) oder auch wol nur das beſte Pfand von der Verlaſſenſchaft ſeines Hausgenoſſen. Dem Anſehen nach haben alle Rollen zuerſt der Kirchen, und Nahmens derſelben dem zeitigen Biſchofe gehoͤ - ret. Das Domcapittel hat auch einige; und eine das Capittel zu St. Johan, welche unter den zeitigen Proͤbſten ſtehen; und zwar vermuthlich aus der alten Theilung. Einzelne Hausgenoſſen gehoͤren wol ei - nem Edelmann; durch Tauſch oder Kauf, wenn ſiein91erſter Abſchnitt. in eine Rolle gehoͤren; durch eine urſpruͤngliche Be - dingung,(f) wenn ſie ſich in keiner Hofrolle befinden.

(a)Einenbehoͤrig bezieht ſich auf die Gruͤnde, und ein Guts - Herr iſt nicht gleich Hals-Herr.
(a)
(b)Ritter - und Gutsherrn-Recht koͤmmt oft ſynonimice vor; weil in dem 16 Sæc. beſonders die Ritterliche Wuͤrde ſehr ſtark Mode war. Jn dem Edicto Abbatis Corbej. v. 1348; ſo BOEHMER. in præf. ad Strodtmanni jus cur. lit. beygebracht, wird es uͤberſetzt: mos militarium ſive miniſterialium.
(b)
(c)Dies iſt wenigſtens die Regel. Wenn aber ein ſolcher Hof erledigt wird mag es leicht geſchehen, daß der Gutsherr ihn mit einer Blut-eignen Perſon wieder be - ſetzt; daher denn einzelne Ausnahmen. Jn dem Hof - Rechte der Kirchſpiele Venne und Hunteburg aber heißt es: So dar ein Mann is welker dem gnaͤdigſten Land - Foͤrſten des Stiffts Oßnabruͤck, einem ehrwoͤrdigen Domcapittel oder ſonſt jemand anders egengehoͤrig tho kuͤmpt und ſtervet: ſo unſem gnaͤdigſten Land - Foͤrſten oder we der Gutsherr , verſcheden dat Her - wedde. et aber ein frey Mann: ſo koͤmmt et dem negeſten Blode to, de ſick mit Rechte de negeſte darto bekuͤnden kann. Waͤre dieſe Regel richtig, wie ich glaube, da ſich eben dieſes wegen des Hammiſchen Heer - gewedes bey v. STEJNEN l. c. p. 1808 befindet, auch in dem Reckenbergiſchen Hof-Recht §. 13. auf die Ver - ſaͤumung des Hof-Rechts (wodurch einer ſonſt nach ſei - nem Tode bellmuͤndig d. i. als ein Leibeigner beerbthei - let wird) der Verluſt des Heergeweddes geſetzt iſt: ſo koͤnnte man umgekehrt ſchlieſſen, daß uͤberall wo der Gutsherr das Heergewedde nicht zieht, die Bluts - Freyheit zu vermuthen ſey. Nach den Rollen des Amt - hauſes zum Reckenberge beym KRESS vom Archid. Weſen in app. p. 150; des Meyerhofes zu Wetter beym LVDOLF in Obſ. T. I. 155; der Meyerhoͤfe zu Schledehauſen, zu Belm, zu Diſſen, zu Stockum, zu Gerden, (Amts Groͤnenberg) zu Backum, zu Rimsloh,zu92Oſnabruͤckſche Geſchichtezu Wellingholzhauſen, zu Bramſche, zu Nortrup, zu Starten, zu Brickwedde, zu Weſterholt, zu Berafeld und zu Wedel, imgleichen der Schulzenhoͤfe zu Ankum, zu Ruͤſſel und zu Neuenkirchen, bleibt das Hergewedde frey bey der Wehr. Jn den Rollen der Meyerhoͤfe zu Eſſen, zu Weſtram, zu Narbergen und zu Uphauſen hin - gegen wird dem Gutsherrn das Heergewedde zuerkannt; und iſt es merkwuͤrdig daß die drey erſtern davon dem Domcapittel, und die vierte dem Capittel zu St. Johan gehoͤrt; folglich jene als Biſchoͤfliche Rollen in dieſem Stuͤck etwas beſonders haben. Die Verſamlung der an das Amt Voͤrden gehoͤrigen Hausgenoſſen iſt im Jahr 1535 mit ihrer Bewilligung, doch ohne Nachtheil ihres Rechts aufgehoben; und habe ich davon, wie von mehrern keine Rollen geſehen. Es ſind oft uͤber der - gleichen Rechte, und beſonders daruͤber ob ein Hausge - noſſe den Zwangdienſt verrichten und den Frey-Brief loͤſen muͤſſe, viele Jrrungen entſtanden. Und man hat dabey erſtlich nicht eingeſehn daß die Hof-Rolle zugleich eine Zwang-Hode, mithin nicht allein die Guͤter in der Hof hoͤrigkeit; ſondern auch die darauf ſitzende Freye im Schutze wahre; zweytens daß eine Hode ehedem kei - ne Erbſchaft ausfolgen laſſen; und drittens daß die Er - gebung in eine Zwang-Hode oft eine Eigengebung ge - nannt werde. Der Mangel dieſer Kenntnis iſt Schuld, daß in den daruͤber an die Reichs-Gerichte gediehenen Proceſſen, von beyden Theilen gefehlet worden.
(c)
(d)Woher kommt dieſes Heergewedde bey Leuten, die zum Theil leibeigen ſind und mit der Miſtgabel dienen, wenn ſie keine verdunkelte Wehren ſind?
(d)
(e)Dies iſt der Sterbfall; welchen in England der Lord of the manner in ſeinen Bezirk oft von Leuten zieht, die als Deputirte im Unterhauſe ſitzen. Er iſt dort auch, wie bey uns, auf den vierten Fuß oder auf das beſte Pfand; the beſt Beaſt wich the Tenant hath at his Death and in ſome Mannors the beſt piece of Plate. S. NELSON de Lege Maner. p. 113. v. Heriot. Coſtum, gefallen; nachdem der des Krieges-Dienſtes entlaſſene Hausgenoſſe, ver -muth -93erſter Abſchnitt. muthlich ſein Feld Geraͤthe nicht wieder anſchaffete, wie es einmal weggezogen war.
(e)
(f)Man findet davon Exempel, daß einzelne Eigenbehoͤrige ſich bey ihrer Ergebung, oder in den Auflas-Briefen, Hausgenoſſen-Recht bedungen haben. Weil ſie aber keine Hof ſprachen haben; und alſo ihr Recht nicht in beſtaͤndigen Gedaͤchtniß erhalten koͤnnen: ſo wird es bald verdunkelt.
(f)

§. 48. Und ihrer Einrichtung.

Jhre Hoͤfe heiſſen insgemein Rede-Hoͤfe;(a) und ihre Vorſteher Redemeyer. Sie wohnen aber in keinem Bezirk;(b) ſondern einzeln, und mit den Ei - genbehoͤrigen nach Ritter-Recht vermiſchet. Sie be - ſtehen aus Erben, Halberben und Koͤttern. Jhre Goͤdings -(c) Send - und Halsgerichts-Freyheit iſt nur eine Ermaͤßigung der Regel; indem ſie im uͤbri - gen dem Amt und Gowgericht folgen, Schatzung entrichten, und ihrem Gutsherrn gleich andern mit dem Spanne und der Hand dienen. So daß man faſt gewiß behaupten kann, ihr Grund ſey urſpruͤng - lich kein andrer als derjenige, worauf Leibeigne ſitzen; ihre beyderſeitige Feſte aber unterſchieden. Sie verſamlen ſich jaͤhrlich an gewiſſen Pflicht-Tagen, auf dem Hofe ihres Meyers(d) oder Schulzen, und halten die Hof-ſprache. Der Meyer muß ſie auf gewiſſe Weiſe verbitten(e) und vertreten, und ſie wollen auch wol zuerſt von ihm gemahnet ſeyn. Er mahnt aber nur bey 3 ß, als dem gemeinen Jnnungs - Bruch. Die Hausgenoſſen erkennen ihn mit einer jaͤhrlichen Urkunde;(f) thun ihm auch wol einige Beyhuͤlfe, und er giebt ihnen dafuͤr eine freye Zeh -rung,94Oſnabruͤckſche Geſchichterung, wenn ſie ſich verſamlen, und verbittet und ver - tritt ſie zu Rechte. Aus dem allen aber zeigt ſich kei - ne Spur einer alten Gerichtsbarkeit; und der Meyer iſt dem Guts - oder Hofes-Herrn nach einerley Grundſaͤtzen-verpflichtet.

(a)Daher, ſagt man, weil ſie allezeit bereit, auf Weſt - phaͤliſch, rede ſeyn muſten. Allein von einer ſolchen ungemeſſenen Dienſt-Folge findet ſich in ihren Hof-Rol - len keine Spur, und eher das Gegentheil. Man koͤnn - te eher ſagen, es waͤren Reit - oder Sattel-Hoͤfe, weil ſich Sattel und Zeug in ihrer Erbſchaft befindet; gleich wie ſie denn auch bey dem Abteylich-Werdenſchen Hofe zu Berkhofen Sadelhoͤfer genannt werden. S. das Hofrecht bey v. STEJNEN in der Weſtph. Geſch. im VI St n. 14, und ſie vielleicht um deswillen von dem Goͤding befreyet geweſen, weil ſich dahin blos das Fußvolk verſamlet. Alsdenn aber muͤſte man annehmen, daß ſie gemeine Reuter im Heerbann und nicht in der Biſchoͤflichen eignen Folge geweſen, weil der Biſchof wenn er den Sterbfall zieht, das Heergewedde frey vor - ab bey der Wehr laſſen muß. Und weiter; daß die Reuterey ihre beſondre Rolle, jedoch unter dem Befehl des Gografen gehabt, und ſich bey dem Verfall des Heer - banns, dem heiligen Peter oder dem Biſchofe unzer - trennt uͤbergeben habe. Daraus wuͤrde denn auch fol - gen, daß diejenigen Hausgenoſſen, wovon der Biſchof, oder das Domcapittel das Heergewedde zieht, ehedem Reuter in der eignen Kirchen-Folge ſub advocatis ec - cleſiæ geweſen. Jn der Vredenſchen Hofrolle beym STRODTMAN de jure curiali litonico p. 86. imgleichen in der Aſpelſchen bey v. STEJNEN l. c. p. 1779. kommt gerede und ungerede Gut vor; Unter letz - ten wird erworbener (allodial) Grund verſtanden. Jm - gleichen heißt in der St. Pauls Hof-Rolle ib. p. 6. Die mobiliar Erbſchaft auf einem Rede-Hofe; Rietſchap. Und da Letzters vielleicht ehedem von der Heer-Geraͤth -ſchaft95erſter Abſchnitt. ſchaft genommen worden: ſo kann ein Rede-Hof auch davon ſeinen Namen bekommen haben.
(a)
(b)So wohnen z. E. die zum Reichshof Weſthofen gehoͤrige Leute in einer beſchloſſenen Graͤnze, und ſie ziehen daher ihre Freyheit auf den Grund, indem ſie ſich Kluh - ten-frey nennen. S. v. STEJNEN in ſeiner Weſtph. Geſch. im VI St. p. 1550 und 1719. Dieſer ihr freyer Kluhte iſt vermuthlich eine alte Deutſche Land-Wehr, deren Eingeſeſſene gegen eine uͤbernomme - ne Graͤnz Vertheidigung, von gemeinem Reichs-Dienſte befreyet worden. Allein in unſerm Stifte waren der - gleichen Reichs-Land-Wehren, unnoͤthig; Doch weil die Schloͤſſer vordem Haͤuſer genannt wurden; koͤnnen Hausgenoſſen zur Beſatzung verpflichtet geweſen ſeyn, und um deswillen die Freyheit von dem gemeinen Aus - zuge erlangt haben.
(b)
(c)S. §. 46. n. a.
(c)
(d)Man moͤgte den Meyer daher majorem nennen, und ihn als Anfuͤhrern betrachten. S. §. 6. Denn wenigſtens heißt allezeit der Hausgenoſſen Vorſteher Meyer oder Schulze. Allein unter einem Meyer gehoͤren oft ande - re Meyer; und die Umſtaͤnde erlauben doch nicht zu glauben, daß letztere bloß Titular-Meyer ſind; derglei - chen es ſonſt auch giebt.
(d)
(e)Jch beziehe mich hier auf ſaͤmtliche Hof-Rollen, welche ſich weyland Jhro Koͤnigl. Hoheit Ernſt Auguſt II. im Jahr 1721 von den Hausgenoſſen einſchicken laſſen.
(e)
(f)Urkunde iſt bey den Bauren quælibet recognitio, und hier der Freyen Schilling ein Bekenntniß der Anhoͤ - rung. So beurkundet z. E. der Duſt-Schilling, daß ein Bauer in der einen Mark wohne, und ſein Duſt - holz in einer andern habe, worinn er ſonſt kein Mark - Genoſſe iſt. Plaggen - und Weide-Schillinge beurkunden, daß jemand das jus ceſpitandi & paſcendi nicht jure condominii ſondern jure ſervitutis habe. Der - gleichen Urkunden verdienten geſamlet und von Regie -rungs96Oſnabruͤckſche Geſchichterungs wegen berichtiget zu werden, weil uͤber ihren wahren Verſtand viele Proceſſe ſind.
(f)

§. 49. Noch von einigen vermuthlichen Haus - genoſſen.

Von einer gleichen Art moͤgen(a) auch die Ra - vensbergiſchen, Tecklenburgiſchen, Lingiſchen und andre Freyen in unſerm Stifte ſeyn; indem zur Zeit, als die Laͤnder noch nicht geſchloſſen waren, und jedes Amt bloß auf den Koͤpfen ſeiner Angehoͤrigen ruhete, dergleichen Pflegen, Hegungen und Hoden aus ei - nem Lande ins andre, nichts ungewoͤhnliches waren und ſich auch viele Oſnabruͤckiſche Freyen in den be - nachbarten Laͤndern befanden; welche aber ſo, wie die Aemter in Territorien verwandelt werden ſollten, nach und nach ausgekauft und ausgetauſchet wurden. Die Geßmoldiſchen Freyen wohnen in einem Ha - gen und moͤgen, weil ſie Goͤdings-frey ſind, aus der gemeinen Reihe geſetzet ſeyn, um als eine beſtaͤndige Beſatzung(b) auf dem Hauſe Geßmel zu dienen; daher dann auch eine alte Burggraͤfliche(c) Gerichts - barkeit dabey geweſen zu ſeyn ſcheinet. Auch zu Glandorf iſt noch ein verdunkelter freyer(d) Hag e; und moͤgen dergleichen mehr geweſen ſeyn. Die Wetter Freyen, welche ehedem an das Kloſter Heer - ſe(e) im Stifte Paderborn gehoͤret, und unter dem Grafen von Ravenſperg, als edlem Vogte dieſes Kloſters, geſtanden, ſcheinen ihre Rechte am be - ſten(f) erhalten zu haben.

(a)Jch rechne ſie mit einigen Zweifel zu den Hausgenoſſen, weil zu der Zeit, als die ſaͤmtliche Beamte, die Haus -genoſ -97erſter Abſchnitt. genoſſen-Rechte an den Biſchof eingeſchickt (S. §. 48. n. e.) ihrer gar nicht erwehnt wird. Jm Gegentheil aber wurden die Tecklenburgiſchen Freyen, als der Car - dinal und Biſchof Frauz Wilhelm im Jahr 1659 eine Nachricht von ſaͤmtlichen Hoden einzog, blos unter die Hodegenoſſen gerechnet; ohnerachtet in dem Fuͤrſte - nauiſchen Amts-Berichte ſteht, daß ein freyes Hode - Gericht vom Grafen zu Tecklenburg gekauft waͤre; und der Frey-richter oder Ding-graͤfe von den Freyen jaͤhrlich am Freyen-ſtuhl zu Ankum erwaͤhlet wuͤrde; woſelbſt auch die Freyen 1. pf. zur Urkunde bezahlten, Sie fuͤgen hinzu: der Landesherr zoͤge von ihnen das Heergewedde und die Gerade, wenn keine Erben vor - handen waͤren; und der erwaͤhlte Ding-graͤfe hielte die Erbtaͤge. Dieſes aber ſchließt auf keine bloſſe Hode - genoſſen. Vielmehr iſt es hoͤchſt wahrſcheinlich, daß die Tecklenburgiſchen Freyen gleichſam unmittelbare Haus - genoſſen des Grafen geweſen, weil ſie ihren Unter-rich - ter waͤhlten, folglich an keinen gewiſſen Hof im Stifte hoͤrig waren.
(a)
(b)Dieſe Art der Beſatzung geht vor dem Lehn-Dienſt her. Wie letzter auf kam: entſtanden Burgmaͤnner.
(b)
(c)Herman von Amelunxen wurde belehnt mit dem Hagen und Halsgerichte und Gerechtigkeiten meri & mixti im - perii in der Freyheit Geßmelde uͤber alle derſelben Frey - heit Jnwohner und Unterthanen freyen und eignen Leu - ten ſo weit der freye Hage ſich erſtreckte. S. das Lehn - Protocoll v. 1561. Dies Lehn iſt aber nachher aufge - hoben, wie Geßmold an den zeitigen Biſchof gekommen, und von ihm wieder vertauſchet worden.
(c)
(d)Die Hagen haben feſter geſchloſſen als die Rollen, und keinen in fremden Leibeigenthum fallen laſſen; auch oft die Schrey-Goͤdings-Folge, wozu die andern Goͤdings - Freyen verpflichtet ſind, verhindert.
(d)
(e)Das Kloſter Heerſe uͤberließ ſein Recht den 21 Nov. 1613 an den Biſchof Philip Sigiſmund; und bey dem allgemeinen Vergleich mit dem Churfuͤrſien von Bran - denburg als Grafen zu Ravenſperg vom 13 May 1664Ggieng98Oſnabruͤckſche Geſchichtegieng auch die edle Vogtey in ſo weit an unſer Stift - ber. Wie das Kloſier an das Amt Wetter (ſo wird es in den Briefen deſſelben aber nicht anderwaͤrts ge - nannt) gekommen, iſt nicht bekannt; Es muß aber ſicher aus einer Biſchoͤflichen oder Graͤflichen Schenkung her - ruͤhren.
(e)
(f)Jhre Privilegien ſind, wie ſie beym LVDOLF in Obſ. Cam. T. 1. obl. 155. ſiehen, von den zeitigen Biſchoͤfen beſtaͤtiget. Jch fuͤge denſelben noch aus einer von ihnen in actis copeylich beygebrachten alten Hof-ſprache v. 7 Jan. 1393 hinzu. Nos, ſagen ſie nulli domino de jure ſumus aſtricti niſi glorioſæ Virgini Mariæ Reginæ cœli & venera - bilibus Dominabus noſtris Abbatiſſæ & Capitulo ſecularis eccleſiæ Heriſienſis ---- aliqui noſtrum tenentur eccleſiæ Hereſienſi prædictæ annuatim dare de bonis cjuſdem eccle - ſiæ quæ poſſidemus integra debita vulgariter Vull-ſchuld, aliqui noſtrorum tenentur eidem eccleſiæ annuatim dare di - midia debita vulgariter Half-ſchuld. Nach ihren Rollen haben ſie teſtamenti factionem privilegiatam; doch kann dieſes nur eine Auswahl unter gleich nahen huldi - gen und hoͤrigen Erbfolgern ſeyn; S. Stift Eſſen - ſches Hofrecht bey v. STEJNEN l. c. p. 1764. Der - gleichen teſtamenti factio findet ſich in den andern Hof - rollen nicht. Es iſt aber doch nichts ungewoͤhnliches; wie die Vrediſchen und Lohnſchen Hofrollen beym STROD. MAN l. c. zeigen. Bey dem Hofe zu Diſſen, welchen Kayſer Ludewig der Fromme curtem ſuam in Tiſſene nennt. S. LODTM. in mon. Oſn. p. 80. muß ein gleiches herge - bracht ſeyn. weil der Hof-meyer oder Richter das Recht hat Teſtamenta aufzunehmen; dergleichen er wol zuerſt bloß von Hof hoͤrigen aufnehmen koͤnnen. S. MASCOV. in not. jur. Oſn. p. 213.
(f)

§. 50. Von den Eigenbehoͤrigen nach Ritter - recht.

Die Eigenbehoͤrigen nach Gutsherrn - oder Ritter -recht99erſter Abſchnitt. recht ſind der Regel nach leib-eigen. Jhre Kinder muͤſſen daher den Zwang-Dienſt thun; ſich frey kau - fen; und verwechſeln laſſen. Wer eine Leibeigne ſchwaͤchet, muß dem Gutsherrn ihre Wehrung oder den Bettemund(a) bezahlen. Sie haben keinen Ort zur Verſamlung; keine Rolle; und kein Hof - recht. Der Gutsherr erbt nach ihrem Tode alles; und den Kindern bleibt nur Erb-recht am Hofe ſo lange ſie nicht freygelaſſen ſind. (b)Sie beerbten auch ehedem(c) ihre freyen Verwandte ſo wenig als dieſe von ihnen erbten; und daher iſt auch der Guts - herr ihr Vormund. Nach dieſer Grundlage kann man annehmen, daß der erſte Leibeigne nach Ritter - recht, der uralte deutſche Leibeigene geweſen. Allein diejenige von unſern Eigenbehoͤrigen, welche ſich in der gemeinen Reihe befinden, dem Amte und Goͤ - dinge folgen; zu gemeinen Beſchwerden unmittelbar ſteuren; und folglich aller Vermuthung nach ehedem als Wehren im Heerbann geſtanden haben, betrach - tet man nicht als alte Leibeigne; ſondern ſetzt gleich - ſam voraus, daß ein jeder ſeine beſondern Bedingun - gen gemacht habe, und ſieht deswegen darauf, wie es jeder Gutsherr hergebracht hat. Und dieſes iſt auch der Grund, warum Land-folge vor Herrn - Dienſt; und gemeine Laſt(d) vor Gutsherrliche Pacht geht, und der Landesherr als Handhaber der gemeinen Reihe und weil er die Goͤdings-rolle unter den Regalien(e) zu Lehn traͤgt, dem Gutsherrn nicht geſtattet, neue Pflicht auf ſeinen Hof zu legen; oder denſelben unbeſetzt zu laſſen. Wo aber der Leibeigne Schatz-frey iſt, und auf Allode ſitzt, kommen ihm alle dieſe Vermuthungen nicht zu ſtatten.

G 2(a) S.100Oſnabruͤckſche Geſchichte
(a)S. §. 20. n. a. Alles dieſes ſind eigentliche criteria des Leib-Eigenthums; wovon man in der bloſſen Hode nichts weiß. Es iſt uͤbrigens beſonders, da in vielen Laͤndern das jus primæ noctis ſo beruͤhmt iſt, und zu allerhand bon mots Gelegenheit gegeben hat, ſo gar daß in England eine Comoͤdie, the coſtum in the mannor genannt, dar - auf gebauet und noch im Jahr 1764 vor geſtellt iſt, daß dennoch in Weſtphalen auch nicht einmal eine Anſpie - lung auf dieſes Recht zu finden ſey; weswegen ich ver - muthe, daß man nur diejenigen Gutsherrn, welche zu - gleich Gerichtsherrn geweſen, dazu berechtiget gehalten; und da ſich dergleichen in Weſtphalen nicht finden, eben deswegen auch keine Spur davon habe. Es iſt ſonſt ein vollkommen richtiger Schluß, daß derjenige der die Magd hat, auch dasjenige habe was ſie in der erſten Braut - Nacht verlieren kann. Gleichwie man aber einen Knecht impune toͤdten konnte, und es nicht that; mithin die freye Macht ſeinen Knecht zu martern und zu toͤdten, nur als eine Urkunde des vollkommenſten Eigenthums-Rechts anfuͤhrte: alſo glaube ich auch, daß der Anſpruch eines Gutsherrn auf die erſte Nacht, weiter nichts als eine wohl ausgedruͤckte Urkunde ſeiner vollkommenen Hals - Herrlichkeit geweſen, und zum Sprichwort geworden ſey. Ob ein Gutsherr den Bettemund zum andernmal fordern koͤnne, iſt einigemal gefraget worden. Da es keine Strafe, ſondern eine bloſſe Wehrung iſt: ſo ſchei - net mit dem erſtenmal dem Gutsherrn alles bezahlt zu ſeyn. Jndem aber die Wehrung zugleich fuͤr den Bette - mund, das iſt, pro violata lecti tutela, entrichtet wird; und jeder neuer Vorfall eine turbatio tutelæ iſt: ſo iſt, wiewol aus ganz ſeltſamen Gruͤnden pro affirmativa ge - ſprochen worden.
(a)
(b)Eben wie zu Rom. Der filius emancipatus erbte nicht weiter; weil die vaͤterliche Wort-ſtaͤtte, ſo wenig als ein weſtphaͤliſcher Bauer-Hof unter mehrern Kindern ge - theilet werden konnte, und das Haus-gewehr, worin zu - erſt die Mobiliar-Erbſchaft beſtand, bey der Wehr blei - ben muſte. So wie aber Geld, und mit dieſem dasMit -101erſter Abſchnitt. Mittel ankam, ein Wehr-gut in ſeinem pretio repræſen - tativo zu theilen: kam auch der emancipatus zur Erb - ſchaft zuruͤck. Und in Weſtphalen fehlt ſchon nicht viel mehr, daß die Kinder das Gutsherrliche Erbe nicht in pretio repræſentirt und gleich getheilet haben wollen.
(b)
(c)In praxi iſt ſolches jetzt weggefallen, nachdem die vorſitzen - de Staͤnde, welche viele Eigenbehoͤrige haben, derſelben Erbrecht an freyen Guͤtern den 7 Mart. 1711. und den 4 May 1712 atteſtirt; und den dritten Stand, welcher fuͤr freye Buͤrger ſprach, uͤberſtimmet haben. Erſters iſt den veraͤnderten Sitten und Zeiten gemaͤß; wie denn auch zu Rom allmaͤhlig ein Knecht ex fideicommiſſo er - ben konnte. Allein letztere Meinung iſt mehr nach dem Syſtem. Eben dieſes kann man de ſervo teſte ſagen; welchen DE CRAMER in ſeinen Wetzlariſchen Neben - ſtunden T. II. n. 2. obgleich gegen die Reichs-geſetze, pro teſte habili in teſtamento erklaͤret. Es machen aber dergleichen obgleich vernuͤnftige Abweichungen a ſyſte - mate, die Rechte unſicher.
(c)
(d)Jch verſtehe darunter Reichs-Crais-Landes-Kirchſpiels - und Bauerſchafts-Beſchwerden, zu deren Behuf vor - dem allein Auflagen gemacht wurden. Unſre jetzigen Schatzungen enthalten aber ein mehrers und ſind eigent - lich Bewilligungen; daher ſolche, den Gutsherrlichen Paͤchten nicht ſchlechterdings vor -; ſondern weil ſie mix - ti generis ſind mit denſelben pari paſſu gehn.
(d)
(e)Man hat lange nach einem Rechtsgrunde gefragt, war - um ein Gutsherr mit Bewilligung ſeines Leibeignen, ein Erbe nicht theilen, beſchweren, und einziehen koͤnn - te, wenn er die oͤffentlichen Abgaben davon entrichtete. Jch vermeine aber, daß das wahre principium in obigen zu ſuchen ſey.
(e)

§. 51. Von den Freyen.

Nun ſind noch die eigentlich ſo genannten FreyenG 3uͤbrig;102Oſnabruͤckſche Geſchichteuͤbrig; welche faſt geringer als Knechte(a) geachtet werden, ſo ſehr auch die Knechtſchaft mit der Freyheit zu ſtreiten ſcheinet. Sie ſtehen wie die Hausgenoſſen in einer Hode; nur daß ſie nicht wie dieſe von ihren Gruͤnden an eine gewiſſe Hode gebunden,(b) ſon - dern ihrer Wahl uͤberlaſſen, oder, wie es heißt, Chur - muͤndig(c) ſind. Sie beſitzen aber auch nur geringe Gruͤnde; und ſind mehrentheils Mark-koͤtter; woran man leicht abnimmt, daß ſie urſpruͤnglich auf un - wehrigen Gute geſeſſen, daher zu keiner Rolle ge - hoͤrt, und als geringe arme Wohner die Freyheit ge - habt haben, ſich einen Schutz-Heiligen nach eignen Gefallen zu waͤhlen, und demſelben zur freyen Urkun - de jaͤhrlich ein Pfund Wachs, einen Pfennig, oder ei - nen Schilling zu bringen; wie ſie denn auch insge - mein mit den Wachs-zinſigen(d) Leuten zuſammen geſetzet werden. Jn ſo weit ſind ſie alſo bloſſe Hode - und keine Haus-genoſſen. Sie haben keine Ver - ſamlung und keinen eignen Richter, ſondern laſſen ſich mit Erlegung einer Erkenntlichkeit ein - und aus-ſchrei - ben, und ſchicken jaͤhrlich ihren Freyen-Schilling oder ihr Pfund Wachs dem Hodener. Wenn ſie dieſes verabſaͤumen, werden ſie Bieſter-frey,(e) und nach ihrem Tode von dem Landesherrn als Wildfaͤnge(f) beerbt. Die Hodener haben bisweilen auch von den Freyen das beſte Kleid fordern, und wenn ſie ſich an der jaͤhrlichen Urkunde verſaͤumt, ſie als |Leibeigne be - handeln wollen. (g)Allein weil ein jeder die Wahl der Hode und derjenige Hodener die mehrſten Kun - den hat, welcher die beſten Bedingungen giebt: ſo hat es damit nicht gelingen wollen.

(a) Das103erſter Abſchnitt.
(a)Das Wort freye moͤgte ſich zwar jetzt wegern dieſen Begrif fuͤr den ſeinigen zu erkennen. Und TACIT. G. 25 wenn er ſagt: liberti non multum ſupra ſervos ſunt, ſcheinet ſchon aus einer gleichen Verlegenheit, weil er das Wort liber nicht brauchen wollte, dieſe Freyen libertos genannt zu haben. Denn liberti in ſolo reſpectu ad manumiſſionem haben ſchwerlich ein genus hominum bey einzelnen Wohnern ausgemacht. Allein man muß nur zur Regel annehmen, daß frey ſich bey den Deut - ſchen ſelten auf libertatem perſonalem beziehe. Frey hieß insgemein was auf unwehrigen Gruͤnden ſaß, und da - her nicht zur gemeinen Vertheidigung auszog. Daher ſind Freye bey uns ſchlechter als Leibeigne, die auf Er - ben, Halb Erben und Erb-Kotten ſitzen; und ein ſolcher Leib eigner wuͤrde ſeine Tochter nicht leicht an einen ſol - chen Freyen geben. Schon in dem diplomate Carolino Oſnabr. kommen die liberi poſt ſervos. Es iſt beſonders, daß die Roͤmer ſagen muͤſſen: ingenuus eſt qui ſtatim ut natus eſt, liber eſt; und daß wir jetzt die Definition eben ſo machen wuͤrden, nachdem die Territorial-Hoheit eben den Einfluß auf unſre Sprache gehabt hat, welchen die Roͤmiſche Monarchie auf die Lateiniſche gehabt hatte.
(a)
(b)So lange ſie nemlich auf dem Rede-Gute bleiben. Denn ſonſt ſind ſie nicht gezwungen. Sie koͤnnen aber doch ihre Hode, wenn ſie abziehen, mit jaͤhrlicher Einſendung der Urkunde, fortſetzen; und ſich dann, wie es in der Wetter-freyen Hofſprache heißt, in alle vier Theile der Welt wenden, ohne Bieſter-frey zu werden. Ein gleiches behauptet die Hofſprache des freyen Reichshofes zu Weſt - hofen. Zu dergleichen Behauptung aber muͤſte man ein Kayſerlich Privilegium, wie letztere thut, vorausſetzen. Auf eine gleiche Weiſe bewahrt die Reichs-Hode des Pfalzgrafen, die Keſſel-fuͤhrer fuͤr alle Bieſter-freyheit; Gleiche Wuͤrkung hat ein Kayſerliches Buͤrgerrecht ꝛc. ꝛc.
(b)
(c)Jn dem Aſpelſchen Hof-recht beym von STEJNEN in der Weſtph. Geſch. n. 6. p. 1778. wird es ſo ausge - druckt: Kormuͤndig oder Waß-tinſig.
(c)G 4(d) Frye104Oſnabruͤckſche Geſchichte
(d)Frye unde Waßtinſige Luͤde moͤgen ſitten ſunder yenige unſer unde unſer Amtluͤde Schattinge, Denſte und Bede. v. Capit. Conradi Ep. de anno 1482. beym KRESS vom Archid. Weſen in app. p. 9. Wie haͤtte ein ſolcher Mark - Koͤtter auf eigne Koſten mit ausziehen koͤnnen? S. §. 26.
(d)
(e)S. SCHELVER in Diſſ. von den Oſnabr. Bieſterfreyen §. 2.
(e)
(f)Die Haußgenoſſen werden nie Bieſter-frey; ſondern nur Bellmuͤndig. Erſtern hat der Landesherr; Letz - tern behaͤlt der Gutsherr; der des todten Bellmuͤndigen Sterbfall nach Ritter-recht zieht, wenn er in drey Jah - ren der Hof-ſprache nicht beygewohnt, und ſich bey le - bendigen Leibe nicht gebuͤhrend entſchuldiget hat. S. Oetmarſches Hof-recht beym STRODTMAN de jur. cur. litt. n. 4. Bellmund iſt reclamatio mundii i. e. mor - tuus absque tutela. Von bellen clamare. Eine gleiche Strafe findet ſich in allen unſern Hofrechten fuͤr dieje - nige ſo es verſaͤumen, doch haben wir das Wort bell - muͤndig darinn nicht.
(f)
(g)Das Capittel zu St. Johan aͤuſſerte im Jahr 1608 die - ſen Grundſatz; fand aber keinen Beyfall; und wuͤrde auch bald ſeine Hode-genoſſen verlohren haben, wenn es darauf beharret waͤre. Haͤtte es eine Zwang-Hode ge - habt: ſo koͤnute es auch Bell-mund fordern.
(g)

§. 52. Von den Noth-Freyen.

Ein anders iſt bey den Noth-Freyen,(a) welche urſpruͤnglich ihre ebenfalls unwehrigen Gruͤnde aus einer Landesherrlichen Mark uͤberkommen, und ſich dabey verpflichtet haben moͤgen, beſtaͤndig in der Lan - desherrlichen Hode zu bleiben. Dieſe koͤnnen nach einer nothwendigen Folge, als Bellmuͤndige(b) oder als Wildfaͤnge von dem Hode - und Landes-Herrnbeer -105erſter Abſchnitt. beerbet werden, ſo bald ſie ſich an der Freyen-Urkun - de verſaͤumet haben und ſterben. Auſſer dem aber genieſſen ſie fuͤr ihre Perſonen einer gleichen Freyheit mit allen uͤbrigen Hode-genoſſen. Wegen ihrer Gruͤnde aber haben ſie Anfechtung. (c)Hode raubt einem das edle und Wehr-Haupt;(d) und ohne Haupt iſt kein wahres Eigenthum. (e)Dieſem Schluß zu Folge, verwandelt alle Zwang-Hode das Eigenthum ſo gleich in eine bloſſe Feſte; und wenn es in den Wahl-Hoden nicht geſchieht: ſo iſt dieſes die Folge einer geſunden Politik. Jene Verwand - lung iſt eine Folge des Einfluſſes welchen eine Spra - che auf die Meinungen der Menſchen hat. Der Hausgenoſſe iſt vermuthlich durch einen gleichen Schluß verwandelt worden. Denn dieſer und der Nothfreye haben das mit einander gemein, daß ſie von ihren Gruͤnden an eine gewiſſe Hode gebunden ſind.

(a)Sie heiſſen in den Amts-Regiſtern neceſſair-Freye, da - her, weil ſie in die St. Peters Hode, die ſonſt gar kei - nen Zwang hat, gehen muͤſſen; und ſind eigentlich nur in dem einzigen Amte Jburg.
(a)
(b)Weil hier Landes - und Hode-Herr nur eine Perſon iſt.
(b)
(c)Es iſt daruͤber viele Jrrung, indem der Landesherr die Nothfreyen gleich den Leibeignen ihrer unterhabenden Koͤttereyen entſetzen zu moͤgen behauptet, wenn ſie ſolche mit Schulden beſchweren. Die nemliche Frage iſt bey den Wetter-Freyen und bey dem Reichs-Cammergericht anhaͤngig. S. LVDOLF in Obſ. Cam. T. 1. Obſ. 158. und Beyde naͤhern ſich einander in dieſen Punkt gar ſehr. Nach dem feinem Syſtem der Alten muͤſte ein Nothfreyer ſeinen Kotten in der Hode frey veraͤuſſern; ſolchen mit Erkenntniß der Hode-genoſſen in ſeinenG 5Noth -106Oſnabruͤckſche GeſchichteNothfaͤllen verſchulden; und ſeine Geſchwiſter nach Hof - recht daraus beſtatten koͤnnen; und dieſes unter Autho - ritaͤt des Hodevogts oder der Landesherrlichen Beamten. Allein die neuern Einrichtungen haben das Feine und Gemaͤſſigte nicht. Und dieſe Unvollkommenheit erweckt jenen Streit. Dies iſt auch der Fehler der Erb Winn - Kotten. Haͤtten ſie ſich Hof ſprache und Erb - oder Dinge - Tage bedungen, ſo wuͤrde ihnen gewiß der Winn nicht geſteigert werden. Jetzt ſtehn ſie einzeln als Sonder - leute unter einem verſchloſſenen Winn-Regiſter.
(c)
(d)Jus quiritium.
(d)
(e)Eigenthum hat einen ſehr ſtraͤubigen Begrif. Die Roͤmer um es auszudrucken muſten ſchon ſagen, quod noſtrum eſt jure quiritium. Und der Kayſer Friederich der Andre ſahe ſich genoͤthiget: proprium quod vocatur eigen zu ſchreiben. S. Dipl. Erect. Duc. Brunſv. in MOSERS Hiſt. Bel. V. 6. n. 4. p. 109. Zum Zeichen, daß nicht alles quod noſtrum proprium eſt, auch unſer eigen ſey. Offenbar wird, ſo wie ad juſtas nuptias civis Romanus, alſo auch zum Eigenthum Rex, nobilis dominus Quiris, civis Romanus oder ein Wehr erfordert. Wenn die Sprache zur Zeit Friederich des andern alles Eigen - thum ſchon ſo weit in Lehn und Feſte umgeſchmolzen hatte, daß bloß noch nobile dominium eigen hieß: ſo iſt dieſes eine Probe, wie ſehr Obrigkeitlicher Schutz, Hode, Pflege, Amt, und andre Bedeckungen das jus quiritium und mit dieſem das Eigenthum ſchmaͤlern, und zuletzt alles in Feſte verwandeln. Die deutſche Sprache hat dazu geholfen, indem ſie kein gluͤckliches Mittel-wort zwiſchen Eigen und Feſte, und eines, welches ſie noch hatte, nemlich das Orbar mit der Freyheit ver - lohren hat. Denn Orbar iſt ein proprium quod non vocatur Eigen. Anders kann ich es nicht ausdruͤcken; Die Arten des Orbaren findet man beym HALTHAVS v. Orbar. Und die Gewalt welche das Wort Eigenthum ausgeuͤbet hat, da es ſich zu jedem proprio nicht beque - met, und zuletzt nach einem ganz richtigen Schluß ledig -lich107erſter Abſchnitt. lich den Monarchen in den einzigen Beſitz alles wahren Eigenthums geſetzt hat, wuͤrde unglaublich ſeyn wenn ſie nicht wahr waͤre. Zu unſern Zeiten hat die gluͤckliche Territorial-Hoheit ein Eigenthum wieder hergeſtellet; und man nennet jedes proprium eigen.
(e)

§. 53. Grund und Veraͤnderung dieſer Freyheit.

Die allgemeine Regel war,(a) daß ein jeder, der frey ſeyn wollte, entweder in der Goͤdings-rolle oder in der Hode ſtehen muͤßte, und da Erſtere alles in ſich faßte, was ſich ehedem gegen die gemeinen Laſten wehren mußte: ſo iſt das Schatz-regiſter(b) an die Stelle der Goͤdings-rolle getreten; und ſchließt man mit Recht, daß alles was zu gemeinen Laſten ſteuret, nicht verbieſtern koͤnne. Und wie durch die Ankunft des Geldes, und die hiernach eingefuͤhrte neue Art zu ſteuren, aller Unterſchied zwiſchen wehrigen und un - wehrigen Gut aufgehoben: ſo ſollte auch ein Schatz - pflichtiger Mark-koͤtter ſeine Freyheit ohne Hode er - halten koͤnnen. Man kommt aber von dergleichen Grundſaͤtzen ſo leicht nicht zuruͤck. (c)

(a)Aut in Hundredo, aut in plegio S. §. 22. n. a. Hundre - dum iſt bey uns ganz unſtreitig die Goͤdings-Rolle; und plegium die Hode. Erſtere giebt Wehre; und letztere Witte, oder macht hominem legalem. Die Hode iſt nun entweder cum vel ſine fidejuſſione. Erſtern Falls iſt es plegium juris privati, welches jeder Hausvater hat; letztern Falls aber iſt es ein Recht der Landes-Obrig - keit; ſie mag ſolches einer Gottheit uͤbertragen, oder ſelbſt bey ihren Amte behalten. S. §. 22. n. d.
(a)
(b)Auf dieſen Grundſatz bezieht ſich folgendes Reſcriptum: Auf108Oſnabruͤckſche Geſchichte Auf von euch eingeſandten caſum und daruͤber geſtel - lete Anfrage antworten wir erſtlich, daß eben kein auf Erben und Kotten geſeſſener Unterthan nothwendig in einer Hode oder Schutz ſeyn muͤſſe; ſondern ſind dieſelben genug immatriculirt welche Schatz und Steuer geben, dergeſtalt auf Schatzregiſter befindlich und billig Landesfuͤrſtl. Schutz und Schirm genieſſen; ſo wird auch die von euch angezogene K. M. ander - geſtalt nicht, denn von ihren Kindern als rechten na - tuͤrlichen Erben geerbtheilet werden koͤnnen. Ein an - ders iſt wenn ledige Leute, ſo irgendwo zur Heuer wohnen oder ſitzen, verſterben und keine Kinder ver - laſſen und anders beym Leben nicht diſponiren, da als - denn der Fiſcus ſuccedirt, wornach ihr euch in dieſem und ſonſt zu achten. Oßnabr. den 13. Mart. 1680. Fuͤrſtl. Oßn. z. Canzley heimgel. Raͤthe Philip von dem Buſſche. Ein anders Reſcriptum Cancell. ſagt: Auf der Wittwen St. K. beſchehenes Suchen und eure Anfrage bey uns, wegen jetztbeſagten K. Verlaſſenſchafft ohnverhalten wir euch antwortlich, daß derjenige, welcher in dieſem Stiffte verſtirbt und lebendige eheliche Leibes-Erben hinterlaͤßt ob er gleich keiner Hode einverleibt, den - noch dergeſtalt nicht fuͤr alſo genannt Bieſter-frey zu achten ſey, daß deſſen Verlaſſenſchafft dem Fiſco ver - falle ſondern den Kindern, ein oder mehrern billig ge - buͤhre und von denſelben geerbet werde ꝛc. ad Supp. der Wittwen Kuhlmans vom 26 Febr. 1684. Dies iſt die Stimme der Territorial-Hoheit. Alle kleine Stricke dehnen ſich endlich in dieſes groſſe gluͤcklicher Weiſe aus; und das jus Wildfangiatus wird hier in theſi Cancellariæ nur noch als ein jus occupandi bona vacantia betrachtet; jedoch in vorkommenden Faͤllen nicht allemal ſo ausgeuͤbt. Alles Abzugs-Recht gruͤndet ſich darin, daß eine der Hode gleichſam verhaftete Erbſchaft dar - aus und in eine andre gefuͤhret wird.
(b)
(c)Jch will hier zum Schluß noch einen Hode-Brief bey -fuͤgen:109erſter Abſchnitt. fuͤgen: Jch Benedickt Korf Thum-Dechant der Kir - chen zu Oßnabruͤck bezeuge Kraft dieſes vor mich und meine Nachfolger an der Thum-Dechaney, daß ich G. G. und ihre zween Soͤhne M. und H. im K. Mer - ſen, als freyen Standes Perſonen, dieſelbige in ihren rechtmaͤſſigen Sachen zu verbitten und zu vertreten unter meinen Schutz und Defenſion genommen habe. Dagegen ſollen und wollen ſie mir und meinen Nach - folgern alle Jahr auf St. Michael zur Urkunde geben 18 pf. Oßnabr. bey Verluſt dieſer Hode und ſo lange ihnen wie auch mir dieſes geluͤſtet und wohlgefaͤllig. Und da ſie in dieſe Hode verſterben wuͤrden, ſollten ſie wegen ihres beſten Kleides, wie gebraͤuchlich ſich bey mir oder meine Nachfolger der Gebuͤhr nach abfinden. Deſſen zu Urkund ꝛc. den 18. Febr. 1615. Es konnte nicht fehlen oder ein roͤmiſcher Geſchichtſchreiber muſte in einer ſolchen Anlage Patronum & Libertum erkennen. Allein dieſe deutſchen Liberti ſind eigentlich keine Frey - gelaſſene. Die Koͤniginn von Pohlen Richezza eine ge - bohrne Pfalzgraͤfinn beym Rhein, muſte ſich wie ſie zu Coͤlln wohnen wollte, in die Hode der heiligen Jungfrauen begeben, ihren jaͤhrlichen Wachs-Zins uͤber - nehmen, und ihr beſtes Kleid der Hode verſchreiben S. LVNIG in ſpec. eccl. cont. 1. p. 324, und ſo gieng es mehrern. GEBAVER in comm. de libertin. §. 3. muth - maſſet, daß die Freygelaſſene bey den Deutſchen auch das Buͤrger-recht erhalten haͤtten. Dies muß aber blos auf diejenigen, welche das Gluͤck gehabt auf ein Wehr - gut zu kommen, eingeſchraͤnkt werden.
(c)

§. 54. Von den Hoden, und dem Schutze ohne Hode.

Die aͤlteſte Hode(a) im Stifte iſt wol diejenige,wel -110Oſnabruͤckſche Geſchichtewelche ein zeitiger Biſchof mit dem H. Peter(b) hat. Der Dom-Probſt, Dom-Dechant und Dom - Kuͤſter ſchuͤtzen mit den heiligen Criſpinus und Criſpi - nianus; der Probſt zu St. Johan mit dem H. Jo - hannes; der Abt zu Jburg mit dem H. Clemens; die Stadt Oſnabruͤck mit dem H. Geiſte, dem H. Anton, der H. Eliſabeth und der H. Marie, als Schutz-Heiligen zweyer ihnen gehoͤriger Hof-Haͤuſer; der Land-Droſt aber vermuthlich von Amts-wegen. Dann ſchuͤtzt ein jeder Edelmann auf ſeinen Frech - ten,(c) jedes Kloſter auf ſeinem Orbaren, ein jeder Herr ſein Geſinde, jeder Gutsherr ſeine Leibeigne, jedes Buͤrger-und Weichbild -(d) Recht ſeine darunter ſtehende Einwohner, und jedes Kreutz(e) auf der Kirchen diejenige ſo am Kirch-hofe wohnen. Solche ſind alſo mit einander keiner Bieſter -(f) Freyheit ausgeſetzt. Wenn man dieſes, und daß eine gleiche Art zu denken ſich durch ganz Europa ehedem verbreitet habe, in Erwegung zieht: ſo iſt es ſehr glaublich, daß man in den aͤlteſten Zeiten et - was aͤhnliches gehabt, und folglich Urſache habe zu behaupten, daß Hausgenoſſen, Leibeigne, und Freye,(g) ſie moͤgen nun in der Hode eines Goͤtzen, oder oͤffentlichen Amts geſtanden haben, lange vor - handen geweſen, und vielleicht ſo gar Edle und Weh - ren, an ihren Haus-Goͤttern eigne(h) Hodener ge - habt haben.

(a)Hode kann von Hut, Obhut; aber auch von halten, houden tenere abſtammen. Von letztern iſt bey uns Ho - dener poſſeſſor beneficii ſ. uſufructuarius, un tenant. Und nach dieſem Begrif waͤre Hode capitis tenentia vel manu -tenen -111erſter Abſchnitt. tenentia. Nach dem erſten aber waͤren ſie gehuͤtete und gehegte Leute und mit den Hyen-Maͤnnern zu vergleichen, wovon PVFFENDORF Obſ. jur. Vol. III. p. 89. und HALTHAVS v. Hyeman.
(a)
(b)Die Freyen erſcheinen ſchon in den Stiftungs-Briefen Carls des Groſſen. Dieſes ſind nothwendig die St. Pe - ters-Freyen und in allen Oſnabr. Capitulationen heißt es deswegen, daß des Domprobſtes Freyen ꝛc. ꝛc. den St. Peters-Freyen ſollen gleich geachtet werden.
(b)
(c)Hievon heißt es in den Oſnabr. Capit. als Contadi de Retberg de 1482. & ß. De Brygen de up malkes Gu - den ſitten dat ſe de moͤgen hebben beſchermen unde vorde - gedingen gelick eren egenen Luͤden. Beym KRESS vom Archid. Weſen in app. p. 7. 14. 22. Malk iſt ſo viel als eines jeden; Kreſſ ſcheint im Regiſter etwas beſondres daraus zu machen.
(c)
(d)Dies Wort, uͤber deſſen Ableitung man ſich ſo ſehr quaͤlt, iſt ganz offenbar von Wich ein Dorf, und Bild contour. Denn bilden iſt von bolen vertere tourner. Und bilden iſt durch Umris oder Abzirkeln eine Figur heraus bringen. Weichbild iſt folglich ein bezitktes Dorf, welches Beſchluß - Bezirk - oder Bann-Kreuze hat. Jn Spanien heißt daher ein Bezirk bloß crux. S. DV FRESNE v. Cruceſ. Der Stadt Oſnabruͤck ihre ehmalt - gen Bann-Kreuze ſtehn noch aus allen Thoren. Man ſieht ſie aber nicht mehr dafuͤr an.
(d)
(e)Jn Portugal durfte einer nur ein Kreuz auf ſeine Gruͤn - de errichten: ſo hatte er eigne Hode und verbieſterte nicht. Auf dieſen Gebrauch wird auch in Stat. 2. Weſt. Monaſt. c. 37. gezielt, wenn es heißt: Quia mulci tenen - tes erigunt cruces in tenementis ſuis, aut erigi permittunt in præjudicium dominorum ſuorum ut tenentes per privi - legia templariorum tueri ſe poſſent contra capitales domi - nos &c.
(e)
(f)Verbieſtern ſagt man in Weſtphalen fuͤr verwildern; und Beiſt iſt eigentlich ein wildes Thier, ob es gleich auch jetzt von zahmen gebraucht wird.
(f)(g) Nicht112Oſnabruͤckſche Geſchichte
(g)Nicht vollſtaͤndiger und deutlicher trifft man die Ein - theilung aller angehoͤrigen Menſchen an, als in der Urkunde des Stifts zu Buͤcken, welche BOEHMER in præf. ad Strodtmanni jus curiale lit. liefert. Dat Stichte van Buͤcken, heißt es daſelbſt, hefft drigerley Echte: de erſte hetet Godes-Hus Luͤde; dat ſind de Hoͤff - nere de in de ſeven Meigerhoͤfe gehoͤret. De andre Echte dat ſind Sunderluͤde, de werdet geboren unde beſadet uppe Sunder-gute, dar en is nen Voge - die an, noch in Luͤden noch in Guͤden; de richtet ſick na den Heren, de de Hove under ſick hebbet. Wann de verſtervet ſo mag de Here des Hofes ſick richten na alle oͤrem nalaten Gude. De derde Echte dat ſind vrige Godes Luͤde, und dat ſind inkommende unde vrigge Luͤde, de gevet ſick in Suͤnte Maternians Echte. Unde wann die ſtervet: ſo gevet ſe in ſuͤnte Maternians Ehre oͤre beſte oͤverſte Kleed, und oͤre beſte Hovet Quekes. Unde de gevet ſick daruͤm in de Echte, dat de unde oͤre Kinder der Heren des Landes nicht willet egen weſen. Dies iſt das voll - kommenſte Syſtem in dieſer Materie, welchem ich auch gefolget bin. Und wenn wir dieſes auf unſer Stift anwenden: ſo ſind dieſe drey Echten ſchon in dem erſten Stiftungs-Briefe unſer Kirchen. Die erſte Echte enthaͤlt Litos & Litones; Rhedemeyer und Haus - genoſſen; die zweyte Servos oder Eigenhoͤrige nach Rit - ter-Recht; und die dritte Liberos oder vorerwehnte Freyen. Sunderleute haben ihren Nahmen davon weil ſie keine Klops-Leute ſind. Ein Klops-mann gehoͤret zu einer Hof-Verſamlung S. Aſpelſches Hof - recht bey von STEJNEN n. 6. p. 1774. womit das Engliſche Club Clwppa eine Verſamlung, einſtimmt. Ein Sundermann hingegen iſt einzeln und abgeſondert ohne Hof ſprache ſeinem Herrn unterworfen. Was die Engellaͤnder club nennen, heiſſen die Franzoſen cotterie; und darum werden ihre Hausgenoſſen cotterets genannt. S. §. 2. n. b.
(g)
(h)Das jus penatium hatte niemand als der ein eignesHaupt113erſter Abſchnitt. Haupt hatte; und alſo ſcheinet es, als wenn ein jeder ſein Haupt von ſeiner eignen, und nicht von einer ge - meinen Gottheit halten wollen.
(h)

§. 55. Anzeige wohin dieſe Einleitung fuͤhre?

Was ich bis dahin angefuͤhrt habe, wird zu mei - nem Endzwecke hinreichen. Die Beſtaͤtigung einiger Vermuthungen muß man von der Geſchichte erwar - ten. Edle und Gemeine haben groſſe Veraͤnderun - gen erlitten; und um ſolche recht zu empfinden, habe ich ihren erſten Zuſtand nach der Natur angelegt. Man kann Erſtere nicht aus dem Dienſte; und Letzte - re nicht aus dem Leibeigenthum entſpringen laſſen, ohne alles Eigenthum einem hoͤchſten Haupte zuzu - ſchreiben, und hiernaͤchſt den Urſprung der Reichs - und Landes-Staͤnde aus bloſſen Gnaden-Briefen und Verleihungen wieder herzuleiten. Saͤtze welche mit der Wahrſcheinlichkeit und einem beſſern Gefuͤhl ſtrei - ten und den Geſchichtſchreiber bey jedem Schritt zu Ausnahmen zwingen. So wol die eigentlichen Reichs - als Landes-Verſamlungen ſind noch Ver - ſamlungen der Edlen und Gemeinen; uͤberall wo ſie zu willigen; aber nicht wo ſie gleichſam als Raͤthe ihr Gutachten abzugeben haben. Unſre Reichs - Fuͤrſten erſcheinen darinn als Edle Herrn;(a) und in ſo fern ſie ein Reichs-Amt beſitzen, als Repraͤſentanten der Gemeinen. (b)Auf rechten Landtagen ſind es verliehene, angekaufte, geſchenkte, oder eigne Civil - Wehren, wofuͤr der Geiſtliche, der Adel und die Staͤdte ihre Stimmen fuͤhren.

H(a) So114Oſnabruͤckſche Geſchichte
(a)So oft es comitia populi ſind S. §. 35. n. e. & ſuaden - di poteſtate.
(a)
(b)Jn allen gemeinen Beſchwerden quo rum arbitrium peneſ plebem erat, antiqua concludendi & decidendi poteſtate. Die Reichs-Staͤnde kommen darinn mit den Land-Staͤn - den uͤberein. Sie bewilligen in einigen; und geben ihr Gutachten in andern Stuͤcken. Erſtres iſt die Befugniß der Repraͤſentanten oder der Gemeinen; und letzters die Handlung der miniſterialium qua talium. S. §. 50. Der Kayſer auf dem Reichstage, und der Lan - des-Herr auf dem Landtage uͤben dabey das alte Prieſter - liche Recht: Si Dii prohibuerunt, nulla de eadem re in eundem diem conſultatio. S. §. 39. n. a. Doch war die alte Einrichtung feiner. Man muß dieſe Gemeinen nicht mit den Engliſchen verwechſeln. Dieſe ſind urſpruͤngliche Freye und Hodeleute nach dem von mir §. 51. an - gegebenen Charakter. Sie ſind neu, obgleich HVME Hiſt. of Engl. T. II. app. 2. ihren Urſprung nicht ange - ben kann, und haben ſich gleich unſern Deutſchen Staͤd - ten durch die Decke gebohret, wovon in der Folge. Der wahre Engliſche Gemeine ſitzt im Mannor und wird durch den Lord repraͤſentirt, nachdem Wilhelm der Eroberer ihn mit eben dem Fraͤnkiſchen Netze bezogen hat, womit Carl der Groſſe die ſaͤchſiſchen Gemeinen befieng.
(b)

§. 56. Wird fortgeſetzt.

Jn unſerm Stifte ſteht der Biſchof mit ſeinem Domcapittel in einem beſondern Verhaͤltniß; in einem andern mit ſeinen Dienſtleuten;(a) in einem andern mit ſeinen Reichs-Dienſtleuten;(b) in einem andern mit den Edlen welche ſich mit ihm zur Handhabung des Landfriedens verbunden, und ſich in der Folge zum Theil an Dienſt-Manns-ſtatt(c) verpflichtet ha - ben, wie ſolches aus der Geſchichte herfuͤr gehen wird. Allein115erſter Abſchnitt. Allein alle dieſe beſondern Beziehungen machen die gemeine(d) Landes-Verſamlung nicht aus, welche der Biſchof als beliehener Richter oder Herzog der Gemeinen beruft, und deren wahrer Gegenſtand nicht das Kirchen-Orbar,(e) nicht die Allode, nicht das Lehn, ſondern das gemeine Wehr-gut, und deſſen Vertheidigung in den oͤffentlichen Laſten iſt. Daß die Wehre jetzt vielfaͤltig von dem Hofe getrennet iſt, und einem geiſtlichen, adlichen oder buͤrgerlichen Gutsherrn gehoͤret; und daß jene Neben-Verbindun - gen in der allgemeinen Verſamlung drey Staͤnde veranlaſſet haben; ſind wol eben ſo zufaͤllige Umſtaͤn - de, als daß die Edelleute Ritter; und bloß gewiſſe Haͤuſer(f) Landtags-faͤhig geworden ſind. Jene drey Staͤnde ſind zwar lange geweſen und lange hat jeder ſeinen beſondern Zirkel gehabt. Jn der gemeinen Verſamlung aber ſind ſie wie in der Mark bloß als Gutsherrn fuͤr ihre Wehren erſchienen; und dieſen Leitfaden werde ich in der Geſchichte folgen.

(a)Jch verſtehe darunter diejenige ſo von dem Kirchen-Or - bar ihr Lehn bekommen haben. Dieſe ſind auch natuͤr - licher Weiſe die aͤlteſten; und nach ihrem Nahmen wer - den ſie jetzt alle Ritterliche Dienſtleute der Kir - chen genannt.
(a)
(b)Denen er von den Regalien wiederum etwas verliehen.
(b)
(c)Lehne an Dienſtmanns-ſtatt, dergleichen von den Os - nabruͤckiſchen ſind, wird es nur wie mich duͤnkt, dies - ſeits der Weſer geben. Denn jenſeits ſpricht mehren - theils der Edelmann auf dem Landtage fuͤr ganze verlie - hene Rollen oder Gerichts-Doͤrfer; an ſtatt daß er hier fuͤr einzelne eigne Wehren ſpricht, worunter oft von funfzigen nur ein einziger Lehn, und gleichſam die Pen - ſion iſt, womit man ihn, ehe die Landes-Hoheit bekanntH 2war,116Oſnabruͤckſche Geſchichtewar, zum Miniſterial Cirkel gezogen hat. Die Gemei - nen jenſeits ſprechen auf dem Landtage per-impoſitos ju - dices, an ſtatt daß dieſſeits die Eigner reden, welche ad modum impoſitorum judicum oder an Dienſtmanns - ſtatt angeholet worden. Jenes mag die Folge der ſtren - gern Krieges-Ordnung ſeyn. S. §. 9.
(c)
(d)Dieſe Verſamlungen waren zwar ſo haͤufig nicht, weil ſie insgemein nur durch eine auf dem Reichstag bewil - ligte Steuer veranlaſſet wurden. Da denn, falls der modus collectandi nicht zugleich feſtgeſetzet war, zu Hauſe mit Zuziehung der Gutsherrn das weitere regulirt wur - de. Allein ſie werden ſich doch in der Geſchichte zeigen; obwol bey weiten nicht ſo oft, als die Dom Capitular - Miniſterial und andre Verſamlungen, welche wir jetzt, da der groͤßte Theil der Gutsherrn in einem von dieſen Collegiis ſitzet, mit jenen fuͤr eins nehmen.
(d)
(e)Das Kirchen-Orbar gehoͤrt vor das Domcapittel; und wenn andre mit dazu gezogen werden: ſo liegt der Grund davon in formula ſpeciali miniſterialitatis vel fœderum. Das Kirchen-Lehn gehoͤrt vor den Lehn-Hof; und das Domcapittel koͤmmt dazu nicht tanquam par curiæ, ſon - dern als pars integrans Epiſcopi. Die echte Allode fuͤhret fuͤr ſich in die Land-Friedens-Verſamlung, nicht aber ins Capittel, oder in das Collegium miniſterialium. Der Adel als Adel folget nicht einmal in die Reichs-Ver - ſamlung, ſo lange dieſe curia Cæſaris iſt. Und was iſt der jetzige Reichstag? Jſt er curia cæſaris? oder ſind es comitia? Hat er ſich nicht eben wie der Landtag veraͤn - dert? und haben nicht auch dort collegia officialium & curialium, populum verdrungen? Und wie viel fehlſame Schluͤſſe werden nicht aus der Verwechſelung dieſer Be - griffe gezogen?
(e)
(f)S. STRUBENS Rechtl. Bed. T. II. 26.
(f)

§. 57. Und beſchloſſen.

Die erſte Periode der Geſchichte werde ich bis zudem117erſter Abſchnitt. dem groſſen Zeit-Punkt fortfuͤhren, worinn die Sach - ſen das Wahl-Recht ihrer Mannie-Richter verloh - ren;(a) und die Mannien ſich in Grafſchaften und Thron-Lehne verwandelt haben. Dieſe wichtige Veraͤnderung, welche ſich ſo weit uͤber Europa er - ſtreckt, als die Franken(b) ſich ausgedehnet haben, legt den Grund zu jeder Saͤchſiſchen(c) Landes - Verfaſſung; und alſo auch zur unſrigen. Es wuͤrde eine ganz andre(d) aber vielleicht auch nicht ſo ruhige Verfaſſung in Deutſchland ſeyn, wenn die Gemeinen das Recht behalten haͤtten ihren Richter zu erwaͤhlen und ſie als Landboten zu den Reichs-Verſamlungen abzuordnen; als es jetzt iſt, nachdem der Kayſer den Repraͤſentanten ehedem angeſetzt, und dieſer ſich erblich gemacht hat. Den Fraͤnkiſchen Kayſern wa - ren die Gemeinen Sachſen dieſes Recht geſtaͤndig. Nach dem Ausgange der Fraͤnkiſchen Linie haͤtten ſie zur Landboten-Wahl ſchreiten koͤnnen. Sie goͤn - neten aber ihre Vollmacht denjenigen Repraͤſentanten welche dazu von den Fraͤnkiſchen Kayſern einmal an - geſetzt, und auch wol nicht mehr zu verdringen waren. Wie dieſe ſich nachher andre Kayſer erwaͤhlten; war ihre freye Wahl nothwendig ein feyerlicher Auftrag ihrer vorhin empfangenen Lehne. (e)Die Ver - faſſung aͤnderte ſich dadurch etwas. Der Grund aber blieb und bleibt allemal daß die Quelle der aller - hoͤchſten Reichs-Obermacht, keine Grund-Herrſchaft, ſondern eine Vollmacht der gemeinen Wehren ſey, welche ihr vom Kayſer angeordneter Repraͤſentant in den Provinzen unter den Nahmen von Staͤnden noch jetzt zuſammen rufen laͤßt.

H 3(a) Tum118Oſnabruͤckſche Geſchichte
(a)Tum ſub judicibus quos rex IMPONERET ipſis. Poet. Sax. ad ann. 804. Dies imponere war der Grund eines ganz neuen Syſtems.
(a)
(b)Die Grundſaͤtze welche Carl der Groſſe hatte, waren die - ſelben, womit Wilhelm der Eroberer, England feſſelte. Sie verdienten verglichen, und in ihren beyderſeitigen Wuͤrkungen berechnet zu werden. Die letzten hat MA - DOX in Baronia Anglica, und in ſeiner Hiſtory of the Ex - chequer, ſehr gut angefangen.
(b)
(c)Jch ſchraͤnke es auf die Saͤchſiſchen ein, weilen die andern Reichs Laͤnder vorher unendliche Veraͤnderungen erlitten hatten.
(c)
(d)Dies iſt der Fall von Schweden und Pohlen; und wuͤr - de auch der von Daͤnnemark ſeyn, wenn die Gemeinen, wie ſie die mittlere Gewalt ſprengten und ihrem Koͤnige die Souverainite uͤbertrugen, Zeit genug gehabt haͤtten ſich zu bilden.
(d)
(e)Man ſieht daß ich weder den Cæſarinis noch Furſtneriis beypflichte, ſondern eine dritte Hypotheſe waͤhle, welche meines Ermeſſens mehrere Schwierigkeiten hebt, als eine von den andren. Die Rechte des allerhoͤchſten Reichs - Oberhaupts haben ein groſſes Gewicht gegen diejenigen welche ſich als Reichs-Vaſallen erkennen. Es ſind zwar manche feuda oblata im H. R. Reich. Aber ſchwerlich ſind dieſe oblationes etwas anders als dominia geweſen; worunter man niemals ein jetzt alſo genanntes territo - rium verſtehen, oder ſich ein regale, cum res mea mihi non ſerviat, gedenken kann. Durch die Lehre de feudis oblatis laͤßt ſich alſo wenig heben. Allein wenn die Reichs - Fuͤrſten als Repraͤſentanten ihrer Gemeinen betrachtet werden muͤſſen; und wenn die Gemeinen eine urſpruͤng - liche Stimme haben, welche ihr allerhoͤchſtes Oberhaupt hoͤren muß, immaſſen er ihnen denn auch noch in allen Reichs-Abſchieden ſeinen gnaͤdigſten Gruß vermeldet: ſo thut es ſo viel nicht zu der Sache, welche die Cæſarini und Furſtnerii unter einander haben, ob dieſe Stimme durch gewaͤhlte Landboten, oder durch belehnte Reichs Fuͤrſten gefuͤhret werde.
(e)
Zwey -119(o)

Zweyter Abſchnitt / Kurze Nachricht von der natuͤrlichen Beſchaffenheit des Landes.

§. 58. Die Kenntniß derſelben iſt in der Geſchichte unentbehrlich.

Die Einrichtung eines Landes haͤngt gar ſehr von der Natur ſeines Bodens und ſeiner Lage ab. Viele Beduͤrfniſſe der Menſchen werden allein da - durch erweckt und befriediget. Sitten, Geſetze und Religion muͤſſen ſich nach dieſen Beduͤrfniſſen richten. Die Mark-Rechte eines Landes(a) veraͤndern ſich mit ſeinem Boden; die Policey-Verordnungen mit ſei - ner Fruchtbarkeit;(b) und die Sitten vielfaͤltig mit ſeiner Lage;(c) Die Religion eines Bergmanns(d) unterſcheidet ſich von dem Glauben des Hirten; und der Feldbauer iſt nicht ſo kriegeriſch(e) als ein Volk das von der Jagd lebt. Der aufmerkſame Geſetzge - ber nimmt ſeine Wendungen nach allen dieſen Um - ſtaͤnden. Und alſo gehoͤrt die Kenntniß der natuͤrlichen Vortheile und Maͤngel eines Landes auch mit zu ſei - ner politiſchen Geſchichte. Jch werde etwas davon beruͤhren ohne jedoch ein Naturforſcher zu werden.

(a)Eine Mark z. E. worin der Boden ſteinigt iſt, verſtattet die Plaggen zu ſchaufeln. Jn andern aber muͤſſen ſie mit der Segede (einer hauenden Senſe) gemaͤhet wer - den; weil dadurch mindre Narbe verſchwendet wird. Wo der Graß-Anger ſparſam; und die Heide haͤufiger iſt, liegt der erſte in Frieden; oder es ſind daſelbſt feſtge - ſetzte Tage zur Nutzung verordnet, damit die gehoͤrigeH 4Maſſe120Oſnabruͤckſche GeſchichteMaſſe gehalten werde. Die Zahl der Segede iſt nach den Wahren beſtimmt; Eine Wahre darf daſelbſt nicht verliehen oder zur Haͤlfte verſetzet werden. Man bedingt ſich, daß neue Gruͤnde nur zum Holzwachs genutzet werden ſollen, damit ihr Duͤnger nicht der Mark zur Laſt falle. Wo mit Plaggen geduͤnget wird, kennt man faſt gar keine Brache; ſaͤet Rocken nach Rocken; achtet we - nig auf Winter - oder Sommer-feld, und hat folglich andre Wirthſchaft, Contrakte und Rechte.
(a)
(b)Vinum ad ſe importari non ſinunt quod ea re ad laborem ferendum remolleſcere homines atque effœminari arbitran - tur. CAES. de B. G. IV. 2. Vielleicht haͤtte die Einfuhr des Weins eine Ausfuhr des Korns erfordert. Es ſey aber dieſe oder jene Urſache: ſo ſieht man daraus, daß ſie nach groſſen Grundſaͤtzen verfahren.
(b)
(c)Die Kuͤſten-Bewohner verfallen in Verſuchungen, Feh - ter und Laſter, worinn kein Mittellaͤnder verfaͤllt. Von dieſen heißt es: in eadem inopia egeſtate & patientia per - manent qua Germani, eodem victu & cultu utuntur. Gal - lis autem propinquitas & tranſmarinarum rerum notitia multa ad copiam atque uſus largitur. CAES. de B. G. VI. S. auch MONTESQ. Eſprit. de Loix. XVIII. 4.
(c)
(d)Jn des Bergmanns Religion iſt es eine weit groͤſſere Suͤnde fuͤr einen Pfennig Erz, als fuͤr einen Thaler Wolle zu entwenden; Den Unterſcheid der Religion nach ſolchen Umſtaͤnden zeigt am beſten MAX. TYR. diſſ. 38.
(d)
(e)Siehe auch hier MAX. TYR. diſſ. 13 und 14; wo er zwar als ein Sophiſt den Satz und Gegenſatz behauptet; aber doch viel ſchoͤnes und wahres vorbringt.
(e)

§. 59. Aelteſte Beſchaffenheit des Landes.

Die Gegend unſers Stifts uͤberhaupt hat ihren erſten Gaͤſten wol nichts als die Feurung und einige Nahrung fuͤr ihr Vieh geboten. Denn das mehrſte beſteht aus Heide, Sand, Mohr und Gebuͤrgen,wor -121zweyter Abſchnitt. woraus der Acker nach und nach gewonnen und ſpaͤ - ter angebauet worden. Von den edlen Holz-Arten haben ſie dem Anſehen nach allein die einheimiſche Eiche und Buͤche gekannt, und von frucht-tragenden Baͤumen als Fremdlingen(a) wol wenige Arten vor - gefunden. Jn den Mohren(b) und beſonders in den ſchwarzen entdeckt man zwar noch viele Fuhren und Fichten, welche jetzt fremd und durch einen noch vorzuͤglich herrſchenden Nord-weſtlichen Wind(c) ehedem umgeſtuͤrzt zu ſeyn ſcheinen. Man kann aber den Zeit-punkt(d) worinn ſolches geſchehn, und wann die Seemuſcheln(e) welche man noch hie und da fin - det, verſteinert worden, nicht angeben. Die Mei - nung(f) daß Weſtphalen und alles was darinn Seewaͤrts gelegen, vordem mit Waſſer bedeckt ge - weſen ſey, ehe die Weſer durch die Oefnung bey Haußberge ihren Lauf gewonnen, beruhet auf der - gleichen Muthmaſſungen.

(a)TACIT. in G. c. 5. ſagt uͤberhaupt von Deutſchland, quod frugiferarum arborum impatiens ſit.
(a)
(b)Eben dieſes zeigt ſich auch anderwaͤrts. S. LEIBN. in protog. §. 47.
(b)
(c)Sie liegen anderwaͤrts auch wol von Nord-oſt nach Suͤd - weſt. S. LAPPENB. Grundris ꝛc. in den vermiſchten Abhandl. von Bremen ꝛc. T. I. p. 298.
(c)
(d)Quis conſeripſit origines Alpium aut Caucaſi aut montium lunæ natales? BVRNET. in theoria ſacra telluris I. 10.
(d)
(e)Man findet hier dergleichen von verſchiedner Art: Die in der Kritbecke Amts Wittlage ſind ſchwarz und hart. Die aus der Mergel-Grube bey Aſtrup ſind gleichſam nur in Mergel abgeformt. An der Graͤnze des Amts Hunteburg, in dem Steinwerder - jetzt Stemmer-Berge, welcher aus einem weichen Sandſteine beſteht, findetH 5man122Oſnabruͤckſche Geſchichteman zwanzig und mehr Klafter tief verſteinerte Muſcheln, Schnecken, Auſtern und andre Schalen von gleicher Art mit den Steinen. Mehrer hier nicht zu gedenken. Die Kohlengruben liefern ſchoͤne Rizolithes, Lithocalamos, Li - thophylla, Phytotypolites; Die Kalkbruͤche ſchoͤne Belem - nites, Trochites, Entrochites; und uͤberhaupt findet man Cornua ammonis, Strombites, Eterites, Myſites, Oſtracites, Myites, Rhomboites & lapides Megaricos, oder ganze Klum - pen von zuſammen gebackenen Schalen. S. GOETZII diſſ. de nummis XX. §. 60. p. 408. und LODTMANNI monum. Oſnabr. p. 135. Die Muthmaſſungen daruͤber ſind bekannt. Nur vielleicht die Erfahrung von Royer de la Sauvagere nicht, welcher zu Chinon en Tourraine die embrions der Muſchel-ſchalen zuerſt durch ein Vergroͤſſe - rungs-Glaß in einem auf dem Boden des dortigen Spring - waſſers ſich formenden Schleime entdecket haben will. Sie ſollen hiernechſt in der ſteinernen Kruſte, welche ſich uͤber dieſen Schleim anſetzt, zu allerhand Groͤſſen wach - ſen; und ihren Saamen aus dem Waſſer haben; indem ſonſt in der ganzen Gegend keine Muſcheln anzutreffen waͤren. S. The Gentlem. Mag. May 1764. p 221.
(e)
(f)Viſurgim mutaſſe curſum in Mindenſi tractu, atque olim ſe infudiſſe paludibus a mari illuc uſque porrectis & ab oceano aditum admittentibus, anchoramque etiam magnæ navis ibi repertam incolæ tradunt; ſed rupto monte fluvium dextror - ſum poſtea iter feciſſe; quod & chronica quædam Minden - ſia confirmant, quorum tamen authoritate in remotiſſimis parum tribuerim, niſi præſenti aſpectu firmentur. LEIBN. l. c. §. 40.
(f)

§. 60. Von den Mohren.

Wir haben ſehr viel und mancherley Mohr; beſon - ders nach der See zu, wo die Mohre immer haͤufiger werden. Sie wachſen, ſo viel man merkt, nirgends wieder, und ruhen vier bis acht Fuß tief auf Sand - beten ohne Abfluß. Man theilt ſie gemeiniglich inſchwar -123zweyter Abſchnitt. ſchwarze und graue, und iſt in der Verſuchung zu glauben, daß erſtere ihre ſchwarzen und fetten Thei - le(a) aus den umgeſtuͤrzten Fichten-Waͤldern einge - ſogen haben, wovon ſich der harzigte Geruch im Waſſer hat verlieren koͤnnen. Glaublicher aber iſt es daß alle Mohre in den aͤlteſten Zeiten eine Zeitlang geſchwommen,(b) und ſich durch die untergetretene See erhoben haben; da denn andre Urſachen ihrer Brennbarkeit angegeben werden koͤnnen. Man hat dergleichen Gegenden ſicher Kuak -(c) oder Bebe - Land genannt. Und da die ehmaligen Kuaken(d) oder Kauchen ohnſtreitig auf einer ſolchen zitternden Land-Kruſte wohnten; ſich aber in den Zeiten, wo - von wir Nachricht haben, nicht mehr in unſer Stift erſtreckten: ſo moͤgen die Sandbaͤnke, wodurch alle Mohre eingefaßt ſind, die unſrigen gar fruͤhzeitig ab - geſondert und zu feſtem Lande gemachet haben. Dieſer Sand traͤgt in unſerm Stifte uͤberall die Merkmale der Anſpuͤhlung. Auf Bergen findet man hier keine Mohre; und wo ſich dergleichen ander - waͤrts darauf finden, moͤgen ſie eben wie die See - Muſcheln dahin gekommen ſeyn. Einige halten Schwefel; andre gar keinen. Der Torf welcher daraus auf verſchiedene Weiſe gemacht wird, koͤmmt den Einwohnern ſehr zu ſtatten.

(a)Man findet auch in grauen Mohren, doch ſeltner, Fuh - ren oder Fichten. An einigen Orten ſoll eine Art Theer aus der Erde quillen. Faͤnde dieſe Quelle ein graues Mohr, welches dieſelbe einſoͤge: ſo wuͤrde daraus ein ſchwarzes werden. Und vielleicht entſtehen ſolche Quel - len aus umgeſtuͤrzten Waͤldern. Jn dem grauen Mohr zeigen ſich Heide-Gewaͤchſe in ihrer vollſtaͤndigen Figur,oft124Oſnabruͤckſche Geſchichteoft anderthalb Fuß hoch aufrecht und als verſchlemmt. Bey dem ſchwarzen Torf, der an den Raͤnden ſitzt, und mehr gelaͤutert iſt, laͤßt ſich beſſer als bey Stein-Kohlen ſchmieden.
(a)
(b)Das Mohr iſt leicht; und aller Sand ſeigert durch. Es hebt ſich nach, und das Regenwaſſer, welches auf dem feſten Sand-boden ſtehen bleibt, tritt unter die leichtere Kruſte; gleich denn auch ein guter Sand-freyer Torf leichter iſt als das Waſſer.
(b)
(c)Cuacian hieß bey den Angel-Sachſen tremere contremi - ſcere. S. SKINNER h. v. und jetzt to Quake eben das. S. JOHNSON. Earth quake iſt daher Erdbeben; Qua - ker trembleur; und das Weſtphaͤliſche Quakler ein fre - quentativum davon; andrer Worte nicht zu gedenken. Die Griechen, welche eine Niederſaͤchſiſche Mundart hatten, ſprachen durchgehends Καυχο͂ι; die Lateiner aber bald Chauci, bald Cauchi, bald Caici, eben wie wir Kaͤuch - ler ſprechen; wo die Oberſachſen Gauckler ſagen. Ein Weſtphaͤlinger fuͤhlet leicht, daß es beyden Nationen un - moͤglich geweſen den wahren Ton des Worts anzugeben; weil ſie nicht einmal den rechten Vocal, der nach Schwe - diſcher Art ein a mit einem daruͤber ſtehenden u ſeyn muß, dazu hatten. Jn der Ausſprache des Worts Kake braucht der Weſtphaͤlinger ein u, ohne daß man unterſcheiden kann, ob es vor oder nach dem a ſtehet. Spaͤter hat man ſich mit dem Qu, welches die Grie - chen und Deutſchen nicht hatten, geholfen.
(c)
(d)Ehe die Daͤmme Friesland einfaßten, trat die noch jetzt hoͤhere See unter die Kruſte; und hob ſie. Noch jetzt giebt es dergleichen ſchwimmende Aecker an der Weſer, wo man mit Menſchen pfluͤgen muß, weil die Pferde durch die Kruſte fallen. Das Land bebt auch in Oſt - friesland noch dergeſtalt, daß wenn man im Sommer bey trocknen Wetter daruͤber faͤhret, die Baͤume an den We - ge, von dem Getoͤſe des Wagens zittern. Die Hollaͤn - der kennen ebenfalls noch Beveland. Aus dieſem Ge - ſichts-punkt wird folgende Beſchreibung deutlich: LittoraChau -125zweyter Abſchnitt. Chaueorum obtinent quercus ſuffoſſæque fluctibus aut pro - pulſæ flatibus vaſtas complexu radicum inſulas ſecum aufe - runt &c. PLIN. in hiſt. nat. XVI. 1. Vielleicht nennt TAC. Ann. II. 23. in gleicher Abſicht die dortige Kuͤſte: tumidas germaniæ terras. Hiedurch muß ſich obige Ab - leitung auf das vollkommenſte rechtfertigen. Ueber die Kuaken-Bruͤcke, wobey ſpaͤter eine Stadt gleiches Nah - mens in unſerm Stifte entſtanden iſt, geht kenntlich die groſſe Deutſche Heer-ſtraſſe in das jetzige Fries - und eh - malige Kuak-Land. Und Bruͤcken und Thore werden insgemein nach den Gegenden benannt wohin ſie fuͤhren.
(d)

§. 61. Von der Heide.

Die Heide macht ihre Bewohner fleißig;(a) und diente vordem mehr zur Schaaf - und Bienen-zucht als jetzt. (b)Sie wird an einigen Orten, beſonders wo Mohr darunter liegt, angezuͤndet;(c) und man ſaͤet mit groſſen Vortheil Buchweitzen in die ſalzigte Aſche. Jnsgemein aber dient ihre Narbe oder Plag - ge zum Duͤnger; welcher im Sande und bey duͤrren Zeiten beſſer, als eine andre Art von Duͤnger dauret. Man faͤhrt dieſe Narbe in Haufen zuſammen; laͤßt ſie mit andern Miſt durchbrennen; und bringt ſie hiernaͤchſt aufs Land. (d)Sie wird auf eine beſondre Art gemaͤhet; und dazu wird viel Uebung erfordert. Die Graßnarbe, wo ſie zu haben iſt, wird ihr vor - gezogen. Da durch den fortgehenden Anbau der Acker taͤglich zunimmt, folglich des Duͤngers mehr erfordert und der Heide weniger wird; ſo iſt man beſorgt, daß dieſe Quelle endlich gar verſiegen moͤge. Einige glauben, daß man ſie entbehren; und durch eine groͤſſere Viehzucht erſetzen koͤnne. Andre aber behaupten daß kein groſſer Vortheil dabey ſeyn wuͤrde,wenn126Oſnabruͤckſche Geſchichtewenn man dagegen viel Brach-felder haben; und ſolche fuͤr das Vieh beſtellen muͤſte. Der Land-wirth folgt einer langen Erfahrung oder einem ehrwuͤrdigen Vorurtheile; und es iſt gefaͤhrlich ihn zu ſtoͤren. An einigen Orten, wo Torf und Holz mangelt, brennt man auch eine Torf-artige Heidraſe, welche Sudde genannt wird.

(a)DAVENANT Diſc. on Trade II. p. 75. macht eben dieſe Anmerkung, welche die Erfahrung uͤberall beſtaͤtiget; und im Schatzweſen findet man, daß alle Heide-Doͤrfer geſchwinder bezahlen; als andre. Die Urſache iſt auch begreiflich. Der auf der Heide ſucht aus vierzig Quel - len, was der andre aus einer nimmt. Jenen raubt ein Ungluͤck zur Zeit nur 2 von 40; dieſen ein Mißwachs alles. Jenen kann der Steuer-Einnehmer nicht aus - meſſen; der Gutsherr nicht ergruͤnden; und der Kraͤmer nicht verfuͤhren, weil er bey Pfennigen einnimmt, und alſo auch den Wehrt eines jeden Pfennigs kennet. Die - ſer hingegen aͤrndtet, ißt und trinkt im Groſſen; ver - achtet die Allmoſen der Natur; und wird leicht ſtolz und faul. Jn unſerm Stifte iſt es ſichtbar: Auf keinem gu - ten Boden faͤllt ein Stuͤck Linnen.
(a)
(b)Jch werde zu ſeiner Zeit aus den Viehſchatz-Regiſtern zeigen, daß die jetzige Schaafzucht gegen die alte, in den ſo genannten Barbariſchen Zeiten, wo der Handel bluͤ - hete, und noch keine Buͤcher fuͤr die Schaͤfer geſchrieben wurden, wie 1. zu 8. ſtehe; woran 1) der Verfall der Hanſeatiſchen Handlung S. HASTFER von der Zucht und Wartung der Schaafe in der Vorrede p 6. 2 ) Der Verfall der Schaͤfer-Kunſt (Ahlſtroͤm nennt es mit Recht hemliga Konſter) 3) Das daher erfolgte oͤftere Sterben ꝛc. ꝛc. mehr Schuld haben, als 4) die Ab - nahme der Heiden und 5) die Bepflanzung der Berge. Denn es giebt die groͤßten Schaͤfereyen in Laͤndern ohne Gemeinheiten, ohne Heide und ohne Berge.
(b)
(c)Dies Anzuͤnden wurde durch eine Landes-Verordnungvom127zweyter Abſchnitt. vom 29. April 1720 verboten: Nachdem, heißt es darin, ſeit einigen Jahren wahrgenommen worden, daß in dieſem unſern Fuͤrſtenthume ſo wohl als den benachbarten Landen die Heiden und Torf-Vennen um etwa Buchweitzen darin zu ſaͤen oder ſonſt, im Fruͤh - jahr von den Unterthanen angezuͤndet werden; und dann -- Geſtank Rauch Menſchen und Vieh auch Frucht und Obſt-Baͤumen, insbeſondre dem Eich - baume ſehr ſchaͤdlich ſeyn ſoll. Als ꝛc. ꝛc. Der au - genſcheinliche Nutze ſtraͤubte ſich aber gegen das Geſetz. Der Bauer bezahlte die Strafe und brannte. Und die Strafe hat ſich in eine jaͤhrliche Abgift unvermerkt ver - wandelt. Der Marquis de Turbilly in ſeinem Memoire ſur les defrichemens ſagt davon: Quant a la facon de deſri - cher les marais, la plus convenable eſt ſans doute pour quelque production qu on les deſtine, de les ſaire ecobuer & bruler; l operation du feu parlaquelle ils ont encore plus beſoin de paſſer que les autres terres, les rend d une fertilité ſurprenante. Je l ai experimenté dans ceux que j ai mis en valeur de cette maniere; il y aurait bien de choſes a dire ſur cet article des marais. S. Recueil de memoires concernant l economie rurale. T. I. 4. p. 925. Obige Verordnung zeigt, daß das Anzuͤnden damals erſt neuerlich angefangen und ſich geſchwind ausgebrei - tet habe. Jch bemerke dabey daß der Bauer nuͤtzliche Neuerungen geſchwind genug faſſe; und daß man mit Unrecht uͤber ihn klage, wenn er langjaͤhrige Erfahrun - gen unſichern Vorſchlaͤgen vorziehet. Die nuͤtzlichen Kar - tuffeln haben ſich geſchwinder ausgebreitet, als die Maulbeerbaͤume; und ſo lange ihm das Flachs bauen gutes Brod giebt; wird er nicht wuͤnſchen Seide zu bauen um Caſtanien zu eſſen.
(c)
(d)Die Ubier ſcheinen wol nicht mit Plaggen, ſondern mit Mergel geduͤngt zu haben. Vbios gentium ſolos novi - mus, qui fertiliſſimum agrum quacunque terra infra tres pe - des effoſſa & pedali craſſitudine injecta lætificent. PLIN. in hiſt. nat. XVII. 8. Doch da Plinius ſchwerlich recht zu geſehen, wenn er pedalem craſſitudinem, und quam -cun -128Oſnabruͤckſche Geſchichtecunque terram angiebt, ſo koͤnnen es auch Plaggen gewe - ſen ſeyn. Und alſo waͤre dieſe Mode ſehr alt.
(d)

§. 62. Von den Bergen.

Die Berge enthalten Kohlen,(a) Marmor,(b) rothe, gelbe und ſchwarze Kreite, vielerley gute Stei - ne, auch Silber(c) und Eiſen,(d) welches man eine Zeitlang gluͤcklich entbehrte, und jetzt bey dem Mangel des Holzes nicht mit Vortheil gewinnen kann. Auf der Oberflaͤche findet man ſchoͤne und harte Criſtalle,(e) welche ſich an Steine und Marmor haͤngen, abfallen und uͤberall auf dem Sande blinken. Auf gleiche Art bilden ſich einige Kieſe; und beſonders ein artiger Wuͤrfel-Kies. (f)Der Braunſtein(g) ſchießt auch hier und da ſo an. Sonſt giebt es vielerley Thon; braunen und weiſſen Mergel; Leimen, Gips,(h) Gieß - Erde,(i) Schiefer und Kalkſtein. Die Schichte in den Steinbruͤchen ſcheinen horizontal gelegen; und ſich aus dieſer Lage durch einen untern Druck in der Mitte erhoben zu haben. Einige derſelben zeigen durchgaͤngig Dendriten. (k)Beſonders aber diejeni - gen, woran ſich der Braunſtein haͤngt. Vordem waren die Berge reich an Holze; und da wo ſie nun - mehr getheilet ſind, zeichnen ſie ſich bereits wiederum auf eine angenehme Art vor den uͤbrigen aus, welche die ſchaͤdliche Gemeinſchaft bisher verwuͤſtet und ver - nachlaͤßiget hat. Nach der Suͤd - und Nord-See zu ſind faſt gar keine Berge. Jenſeits denen welche unſer Stift von der Seite des Niederrheins decken, finden ſich minder einzelne Wohner, und mehr Staͤdte, wor -inn129zweyter Abſchnitt. in auch ſchon Ackerhoͤfe liegen und Anſpaͤnner woh - nen; zum Zeichen, daß jene Gegenden mehrern An - faͤllen als die unſrigen ausgeſetzt geweſen.

(a)Die Stadt Oſnabruͤck hat eine Kohlen-Grube auf dem Piesberge; aber bloß zu ihrem Kalk-Ofen. Der Lan - des Herr hat eine zu Borgloh, welche hauptſaͤchlich dem Salzwerke dienet. Das Kloſter Oeſede und einige Bauren haben noch dergleichen, und ſind mehrere im Stifte, wenn ſie nur geſucht und gebauet wuͤrden. Die Stein - kohlen fuͤr Oefen und Camine werden aus der Graf - ſchaft Tecklenburg gezogen. Wir koͤnnten ſie aber wol ſo gut und naͤher finden.
(a)
(b)J. K. H. Ernſt Auguſt II. lieſſen einen ſehr derben und feſten ſchwarzen Marmor mit weiſſen Adern verarbei - ten. Weiſſen oder grauen trift man am Duͤſtrupper - Berge; ſchwarzen im Kirchſpiel Buer; und wilden - berall an. Wie auch Sand-Kieſel-Horn-Duch - und vielerley Kalk-ſtein.
(b)
(c)Mit einer Silbergrube auf dem Hoyel und Stertebrinke iſt das Stift im Jahr 1035 von dem Roͤmiſchen Koͤnig Henrich beliehen; wovon zu ſeiner Zeit. Es ſind keine Gang-ſondern nur Floͤtz-Gebuͤrge.
(c)
(d)Eiſenſteine findet man; und ſtand vordem noch eine Ei - ſen-Huͤtte auf der Graͤnze zum Heſſeldieck.
(d)
(e)Spat - und Quarz-Kriſtallen, theils in der Mutter theils bloß, giebt es auf dem Schinkel-berge, auf der Kluß, dem Penter-Knap, zu Gaſte und an andern Orten.
(e)
(f)Es ſcheint der ſo genannte lapis quadratus Sinenſium zu ſeyn; man findet ihn auf dem Schinkelberge, Glimmer und allerley Stuͤcken von Felß ſteinen uͤberall.
(f)
(g)Dergleichen Steinſpiele und Phytomorphi ſind vorzuͤglich in der Scheplers Steingrube bey der Stadt Oſnabruͤck, und bey dem Kalkofen daſelbſt.
(g)
(h)Bey dem adlichen Hauſe Bruche.
(h)
(i)Am Spiegel-berge bey der Stadt Oſnabruͤck.
(i)J(k) Von130Oſnabruͤckſche Geſchichte
(k)Von allen dieſen einheimiſchen Naturalien ſieht man die beſte Sammlung bey dem Herrn Stadt Secretair Meu - ſchen.
(k)

§. 63. Von Quellen und Fluͤſſen.

Es giebt auch einige Salzquellen worunter die zum Rothenfelde(a) das Werk noch ziemlich belohnet. Von mineraliſchen Waſſern weiß man nichts. Un - ter den Fluͤſſen nehmen ſich die Haſe und Hunte vor den uͤbrigen aus. Erſtere entſpringt an dem nordli - chen Ende des Diſſener Berges, und faͤllt bey Haſe - luͤnne in die Ems. Letztere lauft durch den Duͤmmer - ſee in die Weſer, und entſteht an der Nordſeite des Kellenberges im Kirchſpiel Buer. Beyde koͤnnten be - fahren werden; erſtere von Haſeluͤnne(b) bis Qua - kenbruͤck, und letztere aus der Weſer bis Eſſen,(c) wenn nur einige Bruͤcken erhoͤhet, und einige wenige Untiefen verbeſſert wuͤrden. Kleinere Fluͤſſe als die Elſe, Duͤte, Nette, Dalke, Heſſel, Werau, Bever und andre dienen nur zum fiſchen; und man hat faſt alle Arten von guten Fiſchen,(d) doch mehr in Weihern als in Fluͤſſen. Der Duͤmmer-ſee beruͤhrt unſer Stift und iſt auch ſehr fiſchreich.

(a)Jſt von J. K. H. Ernſt Auguſt II. 1724. zuerſt mit ei - nem Werke belegt worden. Nach ſeinem Tode wollte man es gern als ein regale beym Stifte behalten; weil aber der Ort von J. K. H. angekauft; und das Werk auf eigne Koſten angelegt war: ſo wurde endlich ver - glichen, daß der Funfzehnte jedesmal an die Biſchoͤf - liche Cammer davon geliefert werden ſollte. S. JVNG. de jure Salin. III. §. 16. n c p. 149. Jetzt alſo gehoͤrt es dem Hauſe Braunſchweig-Luͤneburg. Zu Laer hatteeben131zweyter Abſchnitt. eben gedachter Biſchof eine ſchwaͤchere Quelle gefunden und verlaſſen. Die Herrn von Buſſche zu Huͤnnefeld haben auch ſeit 1447. eine Salzſuͤtte auf dem Eſſener - Berge, in ihrem Kaufbriefe.
(a)
(b)Die Kauffardey-Schiffe aus Frankreich und England fahren die Emſe hinauf bis Leer; auch wol bis Eider. Von dannen wird jetzt ihre Ladung in Boͤten bis nach Haſeluͤnne oder dem Ellerbruche, wohin ein Buſem aus der Emſe geht, gefuͤhrt, und weiter auf der Achſe ins Stift gebracht; da ſie doch wenn man nur zwey Bruͤcken bey Loͤningen im Muͤnſteriſchen erhoͤhete, bis nach Quakenbruͤck zu Waſſer gebracht werden koͤnnte. Beſonders aber koͤnnte die Haſe genutzet werden, wenn ſie durch das ſo genannte weiſſe oder weite Feld, einer wuͤſten Gegend von etlichen Stunden im Amte Voͤrden geleitet wuͤrde. Zwiſchen dem Orte wo ſie her - ein - und heraus-gefuͤhret werden koͤnnte, lieget und lei - det keine Muͤhle.
(b)
(c)Die Farth auf der Hunte iſt offen, und vordem das Luͤneburger Salz von Delmenhorſt auf Diepholz, und ſo weiter bis in die Hunteburg gefuͤhret worden, wo ein zeitiger Biſchof noch ſeinen eignen Salz-ſchiffer wohnen hat, der die Freyheit dafuͤr genießt. Allein man will dieſe Farth nicht beguͤnſtigen; und ſo hat ſich der Korn - Handel, welcher ſonſt den Zoll zu Diepholz betraͤchtlich machte, voͤllig nach andern Seiten gewandt.
(c)
(d)Der Lachs ſteigt bis Quakenbruͤck und bisweilen noch weiter. Jm Jahr 1764 ſtieg er bis an die Stadt Os - nabruͤck, welches ſeit Menſchen Gedenken nicht geſchehn.
(d)

§. 64. Von der Viehzucht und dem Wilde.

Der Boden traͤgt insgemein Rocken, Haber und Buchweitzen zur Nothdurft des Landes; an wenigern Stellen aber Gaͤrſten und Weitzen. Man zieht, dar - auf auch viel, aber mittelmaͤßiges Flachs und einigenJ 2Hanf.132Oſnabruͤckſche GeſchichteHanf. Die Weiden ſind nicht die fetteſten, und das Vieh von der mittlern Art. Das beſſere wird aus Oſtfriesland(a) eingefuͤhrt; ſo wie Gaͤrſte und Weitzen aus dem Schaumburgiſchen und Mindiſchen. Die Garten-Fruͤchte des Bauren ſind Kohl, Ruͤben, Erbſen, Bohnen, Fitzbohnen(b) und Kartuffeln. Aus ſeiner eignen Zucht hat er in einiger Menge nichts zu verkaufen als Schweine und Gaͤnſe; die Pferde ſind auf der Heide und dem Sande wie billig(c) klein; auf ſchwerern Boden aber beſſer und bisweilen ſchoͤn. Hohes Wildpret hat man vordem nothduͤrftig gehabt; und die Wolfs-Jagden ſind eine groſſe Beſchwerde der Einwohner geweſen. Nun aber gluͤcklicher(d) Weiſe nicht mehr, nachdem das Holz abgenommen und das Wild zu wenig Schutz gehabt hat. An kleinem Wilde(e) iſt kein Mangel und auch kein Ueberfluß. Sonſt bringt das Land zur Ausfuhr faſt wenig oder nichts hervor; deſtomehr aber gewinnet der Fleiß der Einwohner an Garn und Linnen.

(a)Wir haben faſt kein ander Rindfleiſch als aus dieſem Lande. Aller gemeiner Kaͤſe und viele Butter koͤmmt daher, oder aus Jrrland.
(a)
(b)Faſeoli, Fiſoli, Fiſohlen, Feſeln oder Fiſe-bohnen, wie es in Welſch - und Teutſchland unterſchiedlich geſprochen wird.
(b)
(c)Eine Landes-Regierung ſorgt oft dafuͤr, daß die Pferde ihrer Unterthanen von einer groſſen Art belegt werden; und bisweilen erſtreckt ſich auch dergleichen Vorſorge auf Sand - und Heide-Laͤnder, gegen die Local-Vernunft. Auf der Heide braucht ein Pferd nicht ſchaͤrfer als ein Zug-Ochſe gefuͤttert zu werden; oder die Haushaltung wuͤrde ſchlecht beſtehn. Sand-Land iſt leicht zu pfluͤgen; aber muͤhſam zu bereiten und zu verarbeiten.
(c)(d) Die133zweyter Abſchnitt.
(d)Die Hegung des Wildes iſt ein groſſes Ungluͤck fuͤr die Unterthanen; und Rouſſeau haͤtte es den Wiſſenſchaften anrechnen koͤnnen, daß ſie die edle Jagd-Luſt verdrungen haben. So wie das Holz wieder zunimmt; finden ſich auch die wilden Schweine haͤufiger an.
(d)
(e)Als Haſen, Feld-und Birk-Huͤnern, Holz-und Waſſer - Schnepfen, Hortolans, Krammets-Voͤgeln ꝛc. ꝛc.
(e)

§. 65. Vom Linnen.

Dieſes Linnen oder Lawend welches uͤber England, Spanien, Portugall und Holland nach beyden Jn - dien und in die Laͤnder gefuͤhret wird, wo die Hitze(a) alles wollene Zeug beſchwerlich macht, wird von den Einwohnern nach verrichteter Feld - und Haus-Ar - beit, im Hauſe bereitet, entweder von Flachs oder von Hanf. (b)Mann, Frau, Kinder und Geſinde wenden die Zwiſchenraͤume ihrer Arbeit zum Spinnen an. Der Stuhl beym Rade iſt gleichſam die Ruhe - ſtaͤtte von andrer Arbeit; und Flachs kann mit kal - ten(c) Fingern geſponnen werden. Jeder hat ſeinen Webeſtuhl im Hauſe; und die Magd webt. Der Vorzug dieſer Art Manufactur iſt, daß ſie lange mit Verluſt(d) fortgehen und doch beſtehen kann; weil die Zeit, ſo darauf gewandt wird, ohnedem verlohren, und vielleicht uͤbel angewandt geweſen ſeyn wuͤrde. Hiernechſt gehoͤrt ein National-Ton dazu, um Maͤn - ner ohne Schimpf ans Rad zu bringen; und dieſen zwingt der Geſetzgeber in andern Gegenden nicht. Hierinn beſteht das ganze Geheimnis,(e) welches die Englaͤnder ſuchen; und leichter finden als nutzen wer - den. Das Garn iſt oft theurer(f) als das Linnen,J 3und134Oſnabruͤckſche Geſchichteund man webt doch fort, um ſich zwey Wege zur Ausfuhr zu verſichern. Mit dieſem Linnen muͤſſen alle Ausgaben des Landes beſtritten werden; und das gluͤcklichſte iſt, daß das Geld dafuͤr in die kleinſten Adern des Staats zuruͤck fließt, und nicht bloß einige Glieder belebt. Auf gleiche Art werden auch halb wollen und halb linnene Zeuge unter dem Nahmen von Wollacken im Hauſe verfertiget; aber alles grob und fuͤr die Noth. Fuͤr Wolluſt und Be - quemlichkeit zu arbeiten wuͤrde nicht ſo ſicher; fuͤr den Bauren im Hauſe unmoͤglich; und auf andre Art fuͤr das allgemeine Beſte minder nuͤtzlich ſeyn.

(a)Jch habe in der Hiſtoire generale de voiages irgendwo ge - leſen, daß es die Mohren in dem innerſten Africa mit Nahmen gefordert haͤtten.
(a)
(b)Das Haͤnfene iſt faſt glaͤnzender und ſchoͤner; und 22 Faden von Hanf breiten ſich ſo gut als 24 von Flachs. Wel - ches um deswillen zu wiſſen noͤthig, damit der Geſetzge - ber, die Anzahl der Faden nicht uͤbereins beſtimme; und damit koſtbare Veraͤnderungen der Weber-Kaͤmme veranlaſſe. So befiehlt er bisweilen eine Verlaͤngerung der Wagen-Achſen, ohne an die engen Thuͤren, Berg - Holz - und Heide-Wege zu gedenken.
(b)
(c)Dies haͤlt mit der Wolle ſchwer; und das Stuben-ſitzen iſt dem Landmanne ſo wenig vortheilhaft als geſund. Der Gebrauch des Oels bey der Wolle macht auch die Haͤnde der Wollen-Spinner zu verſchiedenen Haus-Ar - beiten unbequem.
(c)
(d)Wenn einige Jahre nach einander aller Hand-Lohn und alle Zeit dabey verlohren gienge: ſo wuͤrde der Land - mann doch nicht leicht von einer Gewohnheit ab - und ſein Geſinde, das er ohnedem halten muß, in den Zwi - ſchen-Zeiten muͤſſig gehn laſſen. Und gegen dieſen Vor - zug dauret keine Fabrick in der Welt. Drey Jahre Mißwachs ſchrecken den Landmann nicht ab. Aber dreyJah -135zweyter Abſchnitt. Jahre haͤlt ſich keine Fabrick, ohne Abſatz, und mit Schaden.
(d)
(e)Unter den premium’s offered by the Society at London for the encouragement of Arts Manufactures and Commerce 8. London 1763. ſind p. 54. n. 254 demjenigen 100 St. verſprochen der eine ſichere Menge Oſnabruͤckiſch Linnen eben ſo gut und eben ſo wohlfeil in England, als hier im Lande liefern wuͤrde: To the perſon who ſhall reveal to this Society, the cheapeſt and moſt effectual method of cleanſing or Whitening the Flax, for making that Kind of British or Irish Linnen called Brovvn Oſnabrucks, ſo as to be of the ſame colour as the foreign Brown Oſnabrugs one hundred pownds.
(e)
(f)Das Garn geht ſonderlich in die Band-Fabriken; ins Pfaͤlziſche, Coͤllniſche, Cleviſche ꝛc. und kann, wie leicht begreiflich, in einer Fabrik zur Wolluſt theurer genutzet werden, als in einer zur bloſſen Nothdurft. Daher mißlung der Verſuch einiger Englaͤnder, welche 1763 das Garn aus Weſtphalen kommen lieſſen, um das We - ber-Lohn zu gewinnen. Das Garn ſteigt bisweilen hoͤ - her als das Linnen, wenn es ſtark geſucht wird. So wie aber mehr Hemder als Baͤnder erfordert werden: ſo wuͤrde es ſehr unſicher ſeyn, den Weber-ſtuhl zu ver - laſſen.
(f)

§. 66. Wird fortgeſetzt.

Dieſes Linnen iſt der wichtigſte(a) Gegenſtand der oͤffentlichen Vorſorge; und es verdient die Aufmerk - ſamkeit derjenigen welche Geſetze zu geben, und Steu - ren anzulegen haben; nicht um die Leute durch Preiſe zu ermuntern, und ihnen Vorſchriften zu geben: ſon - dern nur um es nicht mit Auflagen(b) zu beſchweren und die Freyheit zu hemmen,(c) womit es von Aus - waͤrtigen und Einheimiſchen angekauft wird. Die Sorge daß guter aufrichtiger Lein verkauft, dasJ 4Garn136Oſnabruͤckſche GeſchichteGarn richtig gehaſpelt, das Linnen nach jedes Orts Regel vollzaͤhlig gewoben; und in allen redlich verfah - ren werde, ſind die Grundſaͤtze, welche die Policey zu beachten hat. Durch einen einzigen Fehler kann ſich der Linnen-Handel unwiederbringlich verliehren; da er auch ohne dieſem in Gefahr(d) ſteht.

(a)Es ſcheinet viel, aber es iſt nach einer ziemlich genauen Rechnung wahr, daß ſeit 1730 ſiebzig Millionen Thaler aus Weſtphalen allein in die entfernten Hofcaſſen jen - ſeits des Rheins und der Weſer gefloſſen, wovon nichts zuruͤck gekommen iſt. Was wir uͤberdem an Nothwen - digkeiten und Ueberfluß aus der Fremde gezogen haben, muß ſich kenntlich auf eine weit groͤſſere Summe belau - fen; da wir nun beynahe nichts ausfuͤhren: ſo muͤſſen dieſe Gelder mehrentheils vor Linnen eingegangen ſeyn.
(a)
(b)Es liegt auf den Meſſe-oder Lege-Tiſchen eine geringe Pflicht; und man hat auch wol in auſſerordentlichen Faͤllen davon etwas beytragen laſſen. Zu wuͤnſchen aber iſt es, daß ſie jederzeit frey bleiben moͤgen.
(b)
(c)Man will oft den Ankauf bloß einheimiſchen Kaufleuten geſtatten. Allein ſo bald ſich ein Handel auf wenige Perſonen concentrirt, entſteht leicht Zwang und nur eine Art des Abſatzes; da denn ein Stoß, ein Fehler, ein Erdbeben von Liſſabon, die ganze unerfahrne Men - ge, um ihre Augen bringt.
(c)
(d)Jn England bezahlt es bey ſeiner Ankunft 40 p. C. und 35 wurden ehedem auf dasjenige wieder gut gethan, was nach den Engliſchen Colonien ausgefuͤhret wurde; ſo lange die Franzoſen noch in Canada waren. Seit dem ſich aber dieſe Concurrenten dort verlohren, werden faſt nur noch 30 gut gethan; und man war waͤhrend der Parlaments-Sitzung vom Jahr 1764 ſtark darauf be - dacht die 40 p. C. ganz einzubehalten, und ſolchergeſtalt die Wilden, welche das Linnen gebrauchen, und dem Staat ſonſt keine Abgaben entrichten, indirecte zu dem Unterhalt der Amerikaniſchen Etabliſſements beytragenzu137zweyter Abſchnitt. zu laſſen; oder ihnen das Schottiſch - und Jrriſche Lin - nen, welches eben ſo theuer und ſchlechter iſt, ange - nehmer zu machen. Folgende Gruͤnde waren dagegen: 1) Das Verbot des Cammertuchs ꝛc. habe den ehmali - gen ſtarken Abſatz der Engliſchen Waaren in Flandern hintertrieben; weil man auf die Dauer keinen Handel nach einem Lande fuͤhren koͤnnte, woher man nichts zu - ruͤck naͤhme. S. MVNN in Engl. treaſure. c. 15. Und dieſes Schickſal haͤtte England in Deutſchland auch zu fuͤrchten, ſo bald es keine Schleſiſche und Weſtphaͤliſche Linnen mehr naͤhme. 2) Wuͤrden zwar auf dasjenige, was aus England uͤber Lißbonn und Cadir nach Jndien gienge die 40 p. C. faſt ganz wieder gut gethan; Allein da die Regiſter-Schiffe ihre groſſe Beſchwerde haͤtten, und die Verſuchung zum unmittelbaren Handel nach den Spaniſchen Colonien aus Nordamerika gar zu ſtark machten: ſo waͤre es bedenklich eine gar zu groſſe Be - ſchwerde auf das Linnen zu legen, was nach den Engli - ſchen Colonien gienge. Der Schleich-Handel nach den Spaniſchen Jndien ſey zwar verboten. Allein dies Ver - bot koͤnne nicht beſtehen, ſo lange die Hollaͤnder Cni - raſſeau haͤtten. Denn dieſe, welche keine 40 p. C. zu entrichten haͤtten, wuͤrden es bald von dorther heimlich den Spaniern zufuͤhren, ohne ſich der Regiſter-Schiffe zu bedienen. 3) Sey Englands Jntereſſe in dieſem Stuͤck von dem Vortheil der Stadt London, welche den groͤßten Einfluß in ſolche Entſchlieſſungen hat, zu ſehr unterſchieden. Letztere wuͤrde dabey verliehren, wenn Schottiſch und Jrriſch Linnen unmittelbar nach den Colonien gienge. Sie gewoͤnne aber, ſo lange das Lin - nen uͤber Bremen und Hamburg zu ihr kaͤme, und keine andre Haͤfen ſuchte; letzteres geſchaͤhe ſo leicht nicht, weil man dahin keine Stuͤck-Frachten haben koͤnnte ſon - dern eigne Schiffe ſenden muͤßte. 4) Moͤgte den Hol - laͤndern der Umſatz mit Spanien erleichtert werden, und was jetzt an Spaniſchen Producten zum auswaͤrtigen Handel zuruͤck kaͤme, auf Holland gehen. 5) Moͤgten auch endlich die Deutſchen Fuͤrſten alle Engliſche Manu -J 5factu -138Oſnabruͤckſche Geſchichtefacturen zum Vortheil der einheimiſchen beſchweren; und ſolche uͤberdem von ſelbſt 6) theurer in Deutſchland werden, wenn man kein Linnen daher zuruͤck nehmen, und folglich die ganze Fracht auf eignes Gut rechnen muͤßte.
(d)

§. 67. Von den Gewinn durch Beywohner.

Auſſerdem gehet jaͤhrlich eine Menge Beywohner nach Holland, welche daſelbſt im Sommer ein Hand - Lohn(a) verdienet; und den Winter uͤber zu Hauſe ſitzt und ſpinnet. Dieſe Leute ſind frey; und ihr groͤßter Ehrgeitz iſt ſo viel zu erwerben, daß ihre Kin - der einmal leibeigen werden koͤnnen. Denn da der Leib-eigenthum erblich Haus und Hof giebt: ſo iſt er beliebter und angeſehener als die Freyheit ſolcher Fluͤchtlinge. Dieſe erhaͤlt man noch wol umſonſt; jenen aber nicht ohne ſchwere(b) Koſten. Man ſcho - net aber dieſe Leute billig ſo viel moͤglich in allen Auflagen; damit ſie aus Holland und Jndien, in eine gemiethete Huͤtte zuruͤck-kehren; dem Lande worin ſie nichts eignes haben, getreu bleiben; durch ihre Men - ge Aecker und Fruͤchte(c) im Preiſe halten; und ihr Erworbenes endlich in den Leib-eigenthum bringen. Der wahre Bauer findet bey ihnen allezeit und faſt nur zu leicht Geld und Huͤlfe. Sie ſelbſt aber ſind mit fuͤnfzig Jahren alt, und von vieler Arbeit(d) kuͤmmerlich; wodurch aber dem Staat nichts abgeht, weil ſie fruͤher heyrathen als Landbeſitzer, und ſich um ſo viel geſchwinder vermehren, als ſie abſterben.

(a)Mit Torf-ſtechen, Graben-Auswerfen, Maͤhen, und andrer Feld - und Garten-Arbeit; ſie gehen auch in dieBrau -139zweyter Abſchnitt. Brauereyen, Thran - und Zucker-Siedereyen, imgleichen auf den Herings - und Wallfiſch-Fang. Es iſt wunder - bar, daß die Tyroler in Weſtphalen; die Weſtphaͤlinger in Holland; die Flaͤminger in Frankreich; die Franzo - ſen in Spanien ꝛc. auf dieſe Art ihr Brod erwerben. Le calcul le plus moderé fait monter à 20 000 le nombre des François, qui paſſent en Eſpagne au tems de la moiſſon, & à 8 Piſtolles du Roiaume, la ſomme que chacun d eux emporte après la moiſſon faite. MAVBERT dans le teſt. polit. du Card. Alberoni ch. 2. p. 27. Man rechnet aber in Weſtphalen nicht hoͤher als 30 60 Guͤlden welche ein Mann zuruͤck bringt.
(a)
(b)Es wird Fremden unwahrſcheinlich vorkommen, daß es Faͤlle gebe, wo man ſich mit zehntauſend Thaler in den Leib-eigenthum kaufe. Jndeſſen ſind ſie doch vorhanden, und keiner wird leibeigen umſonſt. Hierin nimmt ſich der Weſtphaͤliſche Leib-eigenthum merklich vor dem Meck - lenburgiſchen aus; und die Rechtsgelehrten irren unge - mein, welche zwiſchen beyden auch nur die geringſte Ver - gleichung anſtellen. Der Mecklenburger iſt ein leib - eigner Heuermann, der hieſige aber ein leibeigner Erb - Zinsmeyer. Jener wird von ſeinem Herrn in die Lan - des - und Kriegs-Fuhr geſchickt, als ein gemietheter Knecht; dieſer wird aufgeboten als ein Unterthan des Staats; jenen ſtraft, pfandet, verſteuret, beſtellt, und richtet ſein Herr, und er wird als ein Geſinde ange - nommen und entlaſſen; dieſen ſtraft, beſtellt und richtet das Amt, und er verſteuret ſein Gut ſelbſt. Jener iſt ein uͤberwundener Mann, dieſer ein Contrahent. Jm Mecklenburgiſchen haftet der Bezirk, worin der Leibeigne ſitzt, dem Staat, und adliche Guͤter werden daher zu 4 bis 5 p. C. verkauft. Jn Weſtphalen haftet das Edel - gut nicht, und man kauft es daher zu 2 bis 3 p. C. auch wol darunter.
(b)
(c)Was ein Landbauer uͤbrig hat; kann er mehrentheils, ohne zu Markte zu gehn, an ſeine Beywohner abſetzen.
(c)
(d)Sie arbeiten nicht fuͤr Taglohn ſondern in Verding; und daruͤber greifen ſie ſich bey einer elenden Koſt, undeinem140Oſnabruͤckſche Geſchichteeinem ſchlechten Lager, ſo geitzig an, daß ſie es nicht lange aushalten.
(d)

§. 68. Von den Vortheilen durch den Leib - eigenthum.

Der Leib-eigenthum bringt andre Vortheile. Die Landſtaͤnde ſind Gutsherrn, und durch ihre eigne Wohlfahrt verpflichtet fuͤr den leibeignen Unterthan zu ſorgen, und ihn nicht erſchoͤpfen zu laſſen. Sie haben gleiche Bewegungs-Gruͤnde zur Gelindigkeit, weil ein guͤtiger Gutsherr von den reichſten Freyen geſucht wird. Der von aller Amts-Gerichtsbarkeit befreyete Gutsherr iſt zugleich ein natuͤrlicher Feind des Amts, welchem anderwaͤrts die Unterthanen gar zu ſehr bloß geſtellet ſind; und er deckt und vertritt ſie mit ſeinem Anſehn, wie mit ſeinem Einfluß in die Landes-Geſchaͤfte. Jm Gegentheil haͤlt die Gerichts - barkeit des Amts, und die Aufmerkſamkeit der Re - gierung dem Gutsherrn das Gewichte. Und dieſer widerſeitige Gegenſtand macht, daß der Bauer die Frucht ſeiner Arbeit ſo ruhig als irgendwo genießt. Jhre groͤſte Wohlthat aber iſt, daß der Juͤngſte den Hof erbt, und der Gutsherr die Abſteuer der Ge - ſchwiſter beſtimmt; anſtatt daß auf freyen Hoͤfen ins - gemein der aͤlteſte Erbe, und nach dem zu feinem groͤſten Schaden eingeſchlichenen Roͤmiſchen Rechte, angehalten wird, mit ſeinen Geſchwiſtern gleich zu theilen. (a)Die Fortpflanzung des Geſchlechts geht alſo bey ihnen um ein drittel geſchwinder, die Erb - theilungen kommen ſo viel oͤfterer, und der Beſitzer hat mehrentheils ſeine juͤngern Geſchwiſter und ſeineeigne141zweyter Abſchnitt. eigne Kinder zu ernaͤhren. Daher koͤmmt ſelten ein freyer Hof auf den vierten Erben.

(a)Dies iſt ein wahres Ungluͤck welches den Land-eigenthuͤ - mer, wie den Edelmann zu Grunde richtet. Noch vor zweyhundert Jahren wuſte man bey den einem ſo wenig als bey dem andern, etwas von Gleich-theilungen, Pflicht-theilen und dergleichen. Jn Sachen Gerdrut v. d. Buſſche Wittwen von Cracht, contra weyland Cla - mor v. d. Buſſche nachgel. Wittwe und Kinder ſind 1593, 170 Muͤnſteriſche, Oſnabruͤckiſche und benachbarte Dom - capitularen, Edelleute, Edelfrauen und Richter uͤber die Gewohnheit der adlichen Abſteuern von der Fuͤrſtl. Ge - neral Commiſſion eidlich vernommen worden, welche al - le ſagen: 600 bis 1000 Goldguͤlden waͤren ſo zu ihrer Zeit die groͤſte Abſteuer einer adlichen Tochter geweſen; deren Verbeſſerung die Eltern niemals durch Teſtamen - te verordnet haͤtten, weil ſie dergleichen nicht gemacht, und dem Land-Rechte ſeinen Lauf gelaſſen haͤtten, wenn Kinder vorhanden geweſen waͤren. Daß man jetzt andre Meinungen, Moden, Pflicht-theile und Teſtamente hat, iſt zum Theil die Folge einer entdeckten neuen Welt. Denn von der Zeit an, da man viel Geld beſitzen und auch vieles ſchuldig ſeyn konnte, datirt ſich die Unbillig - keit worinn abgehende juͤngere Soͤhne und Toͤchter ihre Forderung, oder Eltern ihre Befugniß ihnen ein meh - rers zuzulegen gruͤnden. Manches Roͤmiſche Recht in Anſehung der Erbſchaften entſtand erſt bey der Zunahme des baaren Reichthums; und ſollte nicht gelten, wo liegendes Vermoͤgen die ganze Erbſchaft ausmacht. Das gemeine Beſte erfordert, daß der Land-eigenthuͤmer im Stande bleibe; und die Gerichts-Hoͤfe ſollten die Auslobungen abgehender Kinder, ſo wie jetzt geſchieht, nicht beguͤnſtigen; am allerwenigſten aber freye Guͤter gegen den hoͤchſten Bot anſchlagen, und unter Kindern darnach theilen laſſen. Der Krieg von 1758 bis 1762 hat gewieſen wie wenig das durch die Auslobungen ent - kraͤftete liegende Gut, den oͤffentlichen Laſten gewachſenwar;142Oſnabruͤckſche Geſchichtewar; und waͤhrender Zeit dieſes alle Beſchwerden trug; fluͤchtete der Abgefundene in Holland, oder ſaß ſtill zur Heuer.
(a)

§. 69. Von den Vortheilen durch einzelne Wohnungen uͤberhaupt.

Die einzelnen Wohner haben Vortheile und Rech - te welche man anderwaͤrts erkennet und jetzt wieder einzufuͤhren wuͤnſchet. Sie haben ihre Aecker, Wie - ſen und Gehoͤlze insgemein rings um ihre Haͤuſer, beſtellen ihr Land nach eignem Gefallen, und finden zur Zeit der Noth noch immer etwas in ihren Bezir - ken, woraus ſie eine Beyhuͤlfe ziehen koͤnnen. Brand(a) und Seuchen verbreiten ſich bey ihnen ſo leicht nicht; im Kriege liegen ſie verſteckt, und wenden auch im Frieden nicht zu viel auf glaͤnzende Sachen um keine Raͤuber zu locken. Jhre Entfernung von einander und von der Dorf-ſchenke, verhindert uͤber - dem manche Verſuchung, Begierde und Gelegenheit. Und da ein jeder von ihnen ſeine Nebenhaͤuſer(b) und Beywohner hat, ſo fehlt es ihnen auch nicht an Huͤlfe.

(a)Adverſus caſus ignis remedium TAC. G. 16. Es war bey Errichtung der hieſigen Brand-Caſſe die Frage ob man die einzelnen Wohner nicht in eine beſondre Klaſſe brin - gen, oder den Beytrag der Stadt - und Dorfgeſeſſenen, jedesmal um ein drittel verhoͤhen wollte. Man glaubte aber, daß die gute Anſtalt und geſchwindere Huͤlfe, wel - che letztere bey einer Feuersbrunſt haͤtten, gegen die groͤſſere Gefahr, der ſie unterworfen waͤren, aufgerechnet werden koͤnnten.
(a)
(b)Die mehrſten haben zwey, viele vier, und einige acht Nebenhaͤuſer, worinn insgemein zwey, auch wol vierFami -143zweyter Abſchnitt. Familien wohnen, wenn das Haus in der Quer durch - geſetzt, an beyden Enden offen, und jeder Familie eine Seite angewieſen iſt.
(b)

§. 70. Von den Vortheilen aus den Doͤrfern.

Nichts iſt zweydeutiger als der Nutzen unſer Doͤr - fer, welche mit einer uͤbermaͤßigen Menge von Kraͤ - mern, Weinſchenken, Apothekern(a) und dergleichen Leuten beladen ſind, die dem einzelnen Wohner Netze ſtellen, ihn verſuchen und verderben, und den Ge - ſchmack an fremden Sachen in die kleinſten Huͤtten verbreiten. Ein Feind welcher allezeit der Heerſtraſſe oder dem Kirchthurme folgt, findet ſie leicht, haͤlt ſich bey ihnen auf,(b) und beurtheilt das Vermoͤgen ei - nes Landes nach der Menge ſeiner Kraͤmer. An ſtatt daß der einzelne Wohner die Heer-ſtraſſe flieht,(c) ſich in Gehoͤlzen verbirgt, damit ein leeres Land zeigt, einen einzelnen Feind nicht fuͤrchtet, von einer Menge mit Muͤhe und Gefahr aufgeſucht, und hoͤchſtens an dem entbehrlichſten Theile ſeines Vermoͤgens beſchaͤ - diget werden kann; wenn ſein Vieh in den Holzun - gen ſteckt, und ſeine Wohnung ungeſchmuͤckt iſt. Jn - zwiſchen tragen doch auch dieſe Doͤrfer zu dem hohen Land-preiſe vieles bey, und eine kluge mit der Frey - heit beſtehende Policey mag das uͤbrige verbeſſern.

(a)Nichts iſt leichter als den Handel auf dem platten Lande zu verbieten oder ihn einzuſchraͤnken. Erſters geht aber hier nicht wol an, weil man dadurch den Handel der Hauptſtadt zuwenden wuͤrde, die zu gemeinen Landes - Ausgaben gewoͤhnlich nichts beytraͤgt. Letzters aber iſt der Weg zu Privilegien, Monopolien und Verpachtun - gen.
(a)(b) Auf144Oſnabruͤckſche Geſchichte
(b)Auf manchen Doͤrfern finden ſich 2 Apotheker und 10. 12 bis 16 Weinſchenken. Dies verfuͤhrt im Kriege die Soldaten ihre Wirthe in Unkoſten zu ſtuͤrzen; und das Herzogl. Braunſchw. ſo genannte Tuͤrken-Corps genoß 1763 an einem Tage fuͤr mehr als tauſend Thaler Cham - pagne Wein, weil er im Dorfe feil war.
(b)
(c)Man wird nicht leicht ein Bauren-Haus, nemlich ein Erb-Wohn Haus an der Heer-ſtraſſe ſehen; und man ſollte keinem der daran bauete einen Krieges-Schaden verguͤten. Der Gewinn von der Heer-ſtraſſe im Frie - den ſollte ihn wegen ſeines Verluſtes im Kriege ſchad - loß halten. Es waͤre in einem Kriege den einzelnen Wohnern, welchen als Land-Eigenthuͤmern die Laſt auf - liegt, nicht zu verdenken, wenn ſie alle Doͤrfer in Brand ſteckten. Das ne pati quidem inter ſe junctas ſedes war die Maxime eines Volks, das keine Veſtungen und kei - ne Neſter fuͤr ſeine Feinde bauen; ſondern bey ſeiner Ankunft ſich in die Gebuͤrge begeben, und ſeinen Vor - theil ablauren wollte. Das war auch das einzige und gluͤckliche Mittel, wodurch ſie es den Roͤmern ſo ſauer machten.
(c)

§. 71. Von ſeiner Bevoͤlkerung.

Das Stift iſt volkreicher als die daran ſtoſſende Laͤnder, und erhaͤlt jaͤhrlich mehr Einwohner; wozu die vollkommenſte(a) Freyheit in allen Arten von Handel und Nahrung, der gluͤckliche(b) Mangel einer eignen Krieges-Macht, die leidliche Regierungs - Form, die gute Gelegenheit nach Holland zu gehen, die groͤſſern Beſchwerden in den angraͤnzenden Laͤn - dern, und beſonders die Gemeinheiten zu deren unent - geltlichen Mitgenuß die Beywohner leicht gelangen, ſehr vieles beytragen. Denn ſonſt waͤre es unbe - greiflich, warum ſich die Einwohner in einem ebennicht145zweyter Abſchnitt. nicht ergiebigen Lande, wo die Feuerung, und faſt alles theurer iſt als in andern, und wo einer dem an - dern den Acker zum hoͤchſten(c) Preiſe entreißt, ſtark vermehren ſollten. Es iſt faſt kein groſſer Land-Ei - genthuͤmer im Stifte, der nicht ſeine Guͤter in einzel - nen Stuͤcken(d) an eine Menge kleiner Beywohner vortheilhafter verheuret haͤtte, als er ſolche im Ganzen mit einem ſo genannten groſſen Haushalt nutzen kann. Von dieſem findet man kein Beyſpiel weder auf ei - nem Amte noch auf einem Edelhofe. Der Bauer naͤhert ſich allmaͤhlich einer gleichen Regel; und faͤhrt nicht uͤbel dabey. Ein verſchuldeter Bauerhof wird oft durch die Ausheurung an den Meiſtbietenden, woraus man ſich ſonſt, weil der Acker den geringen Beywohnern unentbehrlich iſt, ein Gewiſſen macht, gerettet. Der Beywohner erwirbet mit ſaurer Muͤhe das Geld in Holland, was er im Acker wieder ver - liert.

(a)Ein Kaufmann auf dem Lande bezahlt keinen Waaren - Zoll, kein Licent, keine Acciſe, ſondern bloß 1 Thaler Trafiken-Geld und einen geringen Wagen-Zoll.
(a)
(b)Es iſt zu wuͤnſchen, daß das Stift nie einige eigne Trup - pen halten moͤge. Ein zeitiger Biſchof hat an derglei - chen dem gemeinen Weſen in die Futterung gegebenen Leuten keine ſonderliche Freude; und haͤlt lieber eine eigne Garde oder ein eignes Regiment. Da denn oft der unnoͤthige Unterhalt des erſtern die Urſache iſt, daß man ihm das Vergnuͤgen von letztern nicht hinlaͤnglich verſchaffen kann.
(b)
(c)Bey der Eſſener Mark-Theilung im Jahr 1758, wur - den 56 Ruthen, oder ein Scheffel-Saat, ſo wie es noch wild da lag, fuͤr 100 Thaler angeſchlagen und uͤberlaſ - ſen, weil man nicht haben wollte, daß die Leute ſich beyKdem146Oſnabruͤckſche Geſchichtedem hoͤchſten Bot das Land einander uͤbertheuren ſollten. Vor hundert Thaler kauft man anderwaͤrts faſt doppelt ſo viel Acker-Land.
(c)
(d)Erfahrene Wirthe ſagen, daß der Scheffel-ſaat von hie - ſigem Mittel-Lande nicht hoͤher als zu ein oder hoͤchſtens anderthalb Thaler genutzet werden koͤnne; und das Gar - ten-Land wird allemal doppelt ſo hoch gerechnet. Gleich - wol wurden die Feld-Laͤndereyen eines Bauerhofes an der Bomter Heide zu 3 Rthlr. 22 Mgr. fuͤr 56 Ruthen, im Jahr 1763 meiſtbietend verheuret; und noch uͤber - dem Winn-Gelder bezahlt.
(d)

§. 72. Von ihren politiſchen Sitten.

Die Einwohner ſind nicht unbillig ſchlechte Sol - daten fuͤr gemeinen Sold; ſo lange ihnen die Aus - flucht nach Holland mehrere Freyheit, manches Eben - theuer, ein beſſers Auskommen, und den gluͤckli - chen(a) Muth giebt, ohne aͤngſtliche Ueberlegung zu heyrathen. (b)Sie ſind auch daher nicht das beſte und allezeit theures Geſinde; wogegen die Policey vergeblich vielleicht auch ohne Noth(c) eifert. Jn ihrem Betragen und in der Sprache ahmen ſie gern den Hollaͤndern nach und ſind hierinn gluͤcklicher, als diejenigen welche den Staͤdter(d) dieſe mißlungene Copey einer Nation die beynahe das Gegentheil von der unſrigen iſt, ſich zum Muſter erwaͤhlen. Der Ehrgeitz des Bauren ſollte ſeyn, oder wenigſtens da - hin gelenket werden, das Nothwendige in ſeiner Vollkommenheit zu haben. Allein dieſen Ton hat der deutſche(e) Bauer uͤberall verfehlet; und er wird es nie zu einer eignen National-Groͤſſe bringen. Von ihren uͤbrigen Sitten laͤßt ſich nichts beſonders ſagen.

(a) Es147zweyter Abſchnitt.
(a)Es iſt dieſes der Geſichts-Punkt woraus die Landes - Ordnungen, welche wol ehe zum Vortheil der Werbung die Hollaͤndiſchen Zuͤge ganz verboten, oder diejenigen ſo dahin gehen mit beſondern Steuern beleget haben, betrachtet werden muͤſſen. Jhro Koͤnigl. Majeſtaͤt von Preuſſen haben Dero, den Hollaͤndiſchen Staaten zu nahe gelegne Provinzien, gegen ein gewiſſes Geld, von aller Werbung befreyet.
(a)
(b)HVME in ſeinen Eſſays nimmt eine beſondre goͤttliche Vorſehung darin an, daß die geringen Leute ſich ſo un - bedachtſam verheyrathen.
(b)
(c)Daß die Fabriken dem Pflug zu viel Haͤnde rauben iſt der Text des Marquis von Mirabeau in ſeinem Ami des hommes. Allein ohne Fabriken wuͤrde auch der Land - mann weniger zu pfluͤgen, zu verkaufen und zu verſor - gen haben. Jn den Zeiten, wo er keine Geldſteuren bezahlte, und alles mit Naturalien verrichtete, konnte es ihm gleichguͤltig ſeyn, ob auſſer ihm noch mehrere Leute vorhanden waren. Er machte ſich in allen ſelbſt fertig. Allein ſeitdem der Staat Geld fuͤr Dienſte und Naturalien fordert, und eine gewiſſe Figur im politi - ſchen Syſtem macht, hat er mehr Jntereſſe an einem guten Markt, und an der Bevoͤlkerung, als er ſich ein - bildet. Wo das Geſinde ſich mit geringem Lohn befrie - diget, muß die Gelegenheit zum Heyrathen, und zum Erwerb auſſer Dienſt ſehr rar, und die Fortpflanzung ungleich langſamer ſeyn. Dies kann nun zwar dem Haus - vater der alles auf ſich ziehet, ſehr angenehm ſeyn. Al - lein der heutige Staat wuͤrde ſehr dabey leiden. Wenn Holland uns die Zug-Leute dergeſtalt entzoͤge, daß ſie ge - gen den Winter nicht wieder zuruͤckkaͤmen: ſo waͤre es ein beſtaͤndiger Verluſt fuͤr uns. Jetzt aber da wir hoͤchſtens nur 10 von 100 verlieren, gereicht es dem Lande zum Vortheil, und da wir kein Exempel haben, daß ein einziger Menſch aus dem Stifte, ſich als Colo - niſt nach Amerika begeben hat; obgleich ſehr viele eine Reiſe nach Oſtindien thun: ſo iſt der Zug nach Holland zugleich ein Mittel jenes gaͤnzliche verlaufen der LeuteK 2wel -148Oſnabruͤckſche Geſchichtewelches ſonſt nach unſerer Lage auf einem nicht ergiebi - gen Boden ſehr zu beſorgen waͤre, zu verhindern. Ueber - haupt aber ſieht man, daß alle Laͤnder, worin der Hand - Lohn theurer iſt, die mehrſten Leute an ſich locken.
(c)
(d)Der Deutſche will alles ſeyn, und goͤnnt es den ſo ſehr geprieſenen Nationen nicht, ihn mit Saͤngern, Tanz - meiſtern und Comoͤdianten ꝛc. ꝛc. zu verſorgen. Die Natur ſcheint ihm gleichwol eine anſtaͤndigere Rolle an - gewieſen zu haben; und man ſieht taͤglich, daß von hun - dert gehorſamen Dienern, keiner die Wuͤrde und die Zuverſicht eines Bauren habe, der wie ein Quaker guten Tag ſagt, und mit den vornehmſten Herrn ohne Verle - genheit ſpricht. Man kann die Verbeugungen von einer gleichen Anzahl Leuten in Holland und Deutſchland wie 1 zu 50 rechnen.
(d)
(e)Von dem Engliſchen und Hollaͤndiſchen Landmanne kann man ſagen, daß er der Bauer in ſeiner Groͤſſe ſey.
(e)

§. 73. Von ihrer vermeintlichen Neigung zu proceſſen.

Jhre Neigung zu Proceſſen(a) iſt zum Theil ein nothwendiges Uebel, zum Theil aber auch ein Fehler unſrer Art ihre ſtreitigen Sachen zu entſcheiden. Jhre einzelnen Hoͤfe haben viele Graͤnze und auſſer denſel - ben faſt uͤberall Gemeinſchaft, wovon ein jeder gern etwas erhalten, oder doch nicht verlieren mogte. (b)Die Gemeinheiten oder Marken liegen gegen einan - der offen, und faſt uͤberall iſt Local-Recht,(c) ja oft gar keines. Die Gerichts-Hoͤfe kennen ſolches nicht immer, und beruhigen die Partheyen nicht, die naͤher und beſſer urtheilen. Der groͤſte Fehler aber iſt, daß man faſt alle Frieden,(d) und ihre Rechts - Weiſungen geſprengt, die Klops-Leute(e) in Sun -der -149zweyter Abſchnitt. der-Leute verwandelt, jedem Frieden oder jeder Jn - nung ihren eignen Schultheiſſen(f) genommen; die Gerichts-Zwaͤnge zu ſehr erweitert, und was vielleicht unglaublich ſcheinen moͤgte,(g) Weisheit fuͤr Recht erkannt habe. Die neuern Einrichtungen der Ge - richtsbarkeiten, arbeiten immerfort gegen den groſſen Plan der alten, welcher darin beſtand, daß Abrede, Schrae oder Vergleich, nicht aber Gelehrſamkeit oder Weisheit eine ſtreitige Sache unter Klops-Leu - ten entſcheiden muͤſſe. Die Gerichtsbarkeit eines Reichs-Gerichtes ſollte bloß durch einen Reichs-Frie - debruch, und die Gerichtsbarkeit einer Landes-Obrig - keit durch einen Land-Friedenbruch gegruͤndet; nie - mals aber von der Rechts-Weiſung eines Klops, ei - ner Mark, oder einer Jnnung abgegangen werden.

(a)Dieſer Vorwurf wird den Weſtphaͤlingern nun einmal uͤberhaupt gemacht; ich glaube aber nicht daß in Weſt - phalen mehr als anderwaͤrts uͤber Schuld - und Erb - Sachen geſtritten werde.
(a)
(b)Die Beſorgniß, daß ein Nachbar vor dem andern ſich in der Gemeinheit mehr ausdehnen moͤge, verfuͤhret auch den ehrlichſten Mann zu einigen Gegenanſtalten; wor - unter eine Verhaͤltnißmaͤſſige gleiche Ausdehnung un - ſtreitig die ſicherſte iſt. Man kann jeden Bauer nicht zwingen eine Mauer oder eine lebendige Hecke um ſeine Gruͤnde zu halten, und eine todte Hecke, oder ein Gra - be ruͤckt leicht unvermerkt fort. Einige verſuchten es ſo gar, die Thuͤrpfoſten nicht in die Erde ſondern gleich - ſam auf Schlitten zu ſtellen, welche in einer Nacht fort - geruͤcket werden koͤnnen. Dies iſt nun zwar verboten. Allein die todte Hecke iſt ſo lange beweglich als noch Raum zu Eroberungen vorhanden; und nie hat ein Bauer gegen die Gemeinheit ſeine Graͤnzen in gerader Linie.
(b)K 3(c) S.150Oſnabruͤckſche Geſchichte
(c)S. §. 58. n. a.
(c)
(d)Jn der alten Verfaſſung gieng alles nach Frieden, und es iſt ganz natuͤrlich, daß diejenigen ſo zu einer Gilde oder Geſellſchaft gehoͤren, ihre Verbindung und Wohl - farth am beſten kennen, und allezeit bedenken werden, daß dasjenige was dem einen Recht iſt, ihnen ſelbſt der - maleinſt kein Unrecht ſeyn werde. Die Landes Obrig - keiten ſollten daher die Frieden oder Gilden nur gegen einander erhalten, ſie in modo procedendi dirigiren, und dahin ſehen, daß ſie nicht incompetenter urtheilten: ſo wuͤrden viele Proceſſe bald wegfallen.
(d)
(e)Jetzt iſt faſt kein Unterſcheid unter Klops-Leuten und Sunder-leuten mehr. S. §. 58. n. d. Beyde ſind auf gleiche Weiſe der Weisheit oder der Willkuͤhr eines Herrn unterworfen; da doch erſtere nur nach ihrer eignen Abrede gerichtet werden koͤnnen.
(e)
(f)Es iſt unſtreitig ſehr viel Klugheit darin, daß die Alten den Schultheiſſen von dem Richter getrennet haben. Und warum hat nicht noch jede Jnnung, jeder Friede ſeinen beſondern Boten, Pfaͤnder oder Schultheiſſen? Ein Mitglied der Geſellſchaft, wenn es Schulden macht, unterwirft ſich ſeiner Verbindung. Die Erfuͤllung der - ſelben erfordert keinen Richter, ſondern nur den Nach - druck des Schultheiſſen.
(f)
(g)Die Weisheit des Herrn verbindet ſeinen Knecht und Sundermann. Der Grund aber, warum der Ausſpruch eines Richters, einen Klopsmann verbinden ſolle, iſt nicht zu finden. Die Geſellſchaft, oder ihre erwaͤhlte Schoͤpfen, haben ihre Befugniß ex pacto; und ihr Ur - theil gilt nicht als Vernunft, ſondern als ein Zeugniß der Abrede. Jn den mehrſten alten Abreden ſteht: Wenn die Schoͤpfen die Streit-Sache nicht verſtehen, ſo moͤgen ſie ſich des Rechts bey N. N. belehren. Hier iſt wiederum eine Verbindlichkeit ex pacto, worin ſich auch die Appellationes von einer Stadt an die andre gruͤn - deten. Unbegreiflich iſt es daher auch warum nicht Par - theyen, ganze Gemeinheiten und Laͤnder der Appellationan151zweyter Abſchnitt. an die Reichs-Gerichte ſollten entſagen koͤnnen? Dies Recht hat jede Geſellſchaft; und bloß in caſu fractæ pacis vel denegatæ aut protractæ juſtitiæ tritt das Amt der Reichs - und Landes-Obrigkeiten ein. Einige Reichs - Staͤnde haben ein Privilegium de non appellando vom Kayſer genommen; dies waͤre aber nicht noͤthig geweſen, wenn alle ihre Unterthanen einmuͤthig darin gewilli - get haͤtten. Wie weit der Kayſer die Einwilligung der - ſelben ex plenitudine erſetzen koͤnnen, iſt hier nicht zu un - terſuchen. Vor 300 Jahren iſt von keinem Holtings - oder Goͤdings-Spruch in dem heutigen Verſtande appel - lirt worden. Alle Obrigkeit ſteht wie der Prieſter S. §. 39 bloß zwiſchen den Jnnungen.
(g)

§. 74. Von ihren Wohnungen.

Die Wohnung eines gemeinen Bauren iſt in ihren Plan ſo vollkommen, daß ſolche gar keiner Verbeſſe - rung faͤhig iſt, und zum Muſter dienen kann. Der Heerd iſt faſt in der Mitte des Hauſes, und ſo an - gelegt, daß die Frau welche bey demſelben ſitzt, zu gleicher Zeit alles uͤberſehen kann. Ein ſo groſſer und bequemer Geſichts-punkt iſt in keiner andern Art von Gebaͤuden. Ohne von ihrem Stuhle aufzuſtehen, uͤberſieht ſie zu gleicher Zeit drey Thuͤren, dankt de - nen die hereinkommen, heißt ſolche bey ſich nieder - ſitzen, behaͤlt ihre Kinder und Geſinde, ihre Pferde und Kuͤhe im Augc, huͤtet Keller und Kammer, ſpin - net immerfort, und kocht dabey. Jhre Schlaf-ſtelle iſt hinter dieſem Feuer, und ſie behaͤlt aus derſelben eben dieſe groſſe Ausſicht, ſieht ihr Geſinde zur Ar - beit aufſtehn, und ſich niederlegen, das Feuer ver - loͤſchen und anbrennen, und alle Thuͤren auf - und zu - gehen, hoͤret ihr Vieh freſſen, und beachtet KellerK 4und152Oſnabruͤckſche Geſchichteund Kammer. Jede zufaͤllige Arbeit bleibt in der Kette der uͤbrigen. So wie das Vieh gefuͤttert, und die Dreſche gewandt iſt, ruht ſie wieder hinter ihrem Spinnrade. Dieſe vereinigten Vortheile machen, daß die Bauern lieber beym Heerde als in der Stube ſitzen. (a)Ein rings herum niedrig abhangendes Stroh-Dach ſchuͤtzt die allzeit ſchwachen Waͤnde, waͤrmt Haus und Vieh, und wird mit leichter Muͤhe von ihnen ſelbſt ausgebeſſert. Ein groſſes Vordach ſchuͤtzt das Haus nach Weſten, und deckt zugleich den Schwein-koben. Und um endlich nichts zu verlieren liegt der Miſtfahl vor der Ausfarth, wo angeſpannet wird. Jch erwehne dieſer Vortheile mit Fleiß, um die Ueppigkeit abzuhalten, ſich bequemer anzubauen, und jene wichtige Vortheile zu verfehlen. Die bloſſe Abſonderung des Heerdes(b) worauf man leicht ver - faͤllt, wirft alle dieſe groſſen Abſichten und Geſetze zu Boden. Bey einem Bauern muß die Nothdurft der Zierde vorgehen.

(a)Jn manchen Laͤndern hat ein Bauren-Haus gegen alle vier Winde weitlaͤufige Waͤnde, viele Daͤcher, Staͤlle und Scheuren, und der Wirth nebſt einem Scheuren - Vogt reichen oft nicht hin die Aufſicht an allen Orten zu thun. Die Wirthin ſitzt in einer Stube, und muß bey jeder Eroͤfnung der Thuͤr ihren Stuhl verlaſſen. Des Abends koͤmmt das Geſinde aus der Luft in die Stube, und ſchlaͤft nach einer nothwendigen Folge beym Ofen ein.
(a)
(b)Man wollte ſolche unlaͤngſt durch eine allgemeine Ver - ordnung einfuͤhren, um die Gefahr vor Feuer zu ver - meiden. Schwerlich aber iſt ein Exempel anzugeben, daß die Diele vom Heerde Feuer gefangen habe, und wenn auch jaͤhrlich eine Feuersbrunſt daher entſtuͤnde: ſo wuͤrde dieſes Ungluͤck in Vergleichung jener Vortheile keine Ruͤckſicht verdienen.
(b)
Drit -153

Dritter Abſchnitt / Von der erſten Entdeckung der hieſigen Laͤnder durch die Roͤmer bis auf Carln den Groſſen.

§. 75. Dieſe Entdeckung iſt ſpaͤt geſchehen.

Die Einwohner Deutſchlandes zeigen ſich gleich in ihrer voͤlligen Staͤrke und machen ſich durch Ueberſchwemmung ihrer Nachbaren bekannt. Man merkt ihren Anfang und Anwachs nicht. Jhre ein - heimiſchen Verbindungen und Nahmen bleiben dun - kel. Den Griechen war alles Celten(a) was in Jlly - rien, Deutſchland, Frankreich, Spanien und Eng - land wohnte. Jhre weiteſte Ausſicht gieng an einen Orciniſchen(b) Wald, und wie ſich nach und nach eine Menge Deutſcher Voͤlker in Aſien ergoß, nann - ten ſie ſolche Gallier. (c)Die Roͤmer dehnten ſich erſt unter Caͤſarn in Europa aus. Auch ſie mogten Anfangs alles Gallier heiſſen was uͤber ein ander ori - ciniſches Gebuͤrge, die Alpen, zu ihnen kam. Sie lernten erſt ſpaͤt Cimbern,(d) Teutonen und Tiguri - nen unterſcheiden, welche vielleicht nicht aus dem heu - tigen Deutſchlande, ſondern aus den Gegenden ka - men, woraus ſpaͤter die Gothen, Wandalen und Hunnen hervorbrachen.

(a)S. CLVVER in G. A. I. 2. 3.
(a)
(b)Germaniæ loca circum Hercyniam ſylvam, quam Eratoſthe - ni & quibusdam Græcis fama notam eſſe video, quam illi Orciniam appellant, Volcæ Tectoſages occuparunt atque ibi conſiderunt. CAES. de B. G. VI. Beylaͤufig bemerkeK 5ich154Oſnabruͤckſche Geſchichteich hier, daß dieſe Volcæ Tectoſages, welche in der Folge Hochlaͤnder oder Chatten genannt wurden, bloß nach griechiſchen Begriffen, welchen Caͤſar hier folgt, aus Gallien geholet werden. Denn allem Anſehn nach mu - ſten die alten Bewohner der Oriciniſchen Gebuͤrge, die nachherigen Uſipeter, Tenkterer und Batavier, den Vol - cis Tectoſagis, welche ſich in den Schwaͤbiſchen Bund ein - lieſſen, weichen; und dieſe Bundsgenoſſen waren den Griechen lange Zeit Gallier. Was aber die Orciniſchen Gebuͤrge anlangt: ſo bedeutet ar er ir or ur in allen Sprachen die ich kenne, quodlibet extremum; ſo wol im eigentlichen als figuͤrlichen Verſtande, und folglich das Hoͤchſte und Niedrigſte, Anfang und Ende, Ehre und Schimpf, roth und ſchwarz ꝛc. Alſo iſt z. E. Ar-arat die Hoͤhe aller Hoͤhen; Ara das Hoͤchſte; jeder Nahme in ar, wie Arſaces, Arſinoe ein Fuͤrſtlicher Nahme; A - riſta die Spitze, Aur-ora prima primæ diei, Aurum pri - mum metallum &c. Era der Anfang, Ehre honor, Erde materia prima, Herr ſummus, Orbis, Urbs Erbſe quidquid undique terminatur; Erbe, Orbar quod originarie & non derivative poſſidetur, Orcus, erebus ultimum, oriri entſtehn, Orcinia entweder das hohe oder das aͤuſſerſte Gebuͤrge, Ora die Kuͤſte, Ohr extremitas capitis, Ohrband das aͤuſſerſte Band, Oriflamma die hoͤchſte oder Reichs-Fahne, Urſache cauſa prima &c. ich koͤnnte noch tauſende von Woͤrtern anfuͤhren, worin dieſes handgreiflich iſt, beſonders auch aus den Hebraͤi - ſchen und Griechiſchen. Da das r. ſich leicht in t, l. und s verwandelt: ſo geht dieſes noch weiter; allein nicht mit gleichen Vortheil, weil ſich zuletzt zeigt, daß, ſo wie alle unſre Jdeen von der Figur der Dinge entlehnt ſind, alſo auch faſt alle radices vocum in allen moͤglichen Spra - chen, auf Laͤnge, Breite, Hoͤhe und Tiefe hinausgehen muͤſſen. Die ſeltſamſten Fehler entſtehn aus der Ver - wechſelung der eigentlichen und figuͤrlichen Bedeutung. So bedeutet z. E. roth, hort, ort oder ἐϱιϑ: zu - gleich das aͤuſſerſte, und auch die hoͤchſte Farbe. Daherwird155dritter Abſchnitt. wird quodlibet mare extremum, mit Recht rothes Meer genannt, dabey aber nicht auf die Farbe gezielet. Gentes extremæ ſind Ruſſi; und rothe Reuſſen ſind Ruſſorum ultimi; wenn gleich hinter dieſen ſpaͤter noch roͤthere Voͤlker entdecket worden. Die Jnſul Ε̕ϱύϑϵια, woraus Herkules des Gerions Ochſen wegfuͤhrte, war zu der Zeit ein ultima Thule wie Archangel portus ultimus. Und ſelbſt Herkules heißt auf gut deutſch ein Jndien - Fahrer, extremos qui currit ad Indos. Die Schrift - ſteller brauchen es auch ſo, wenn ſie ſagen, ſi quis alius Hercules &c. ſi quis antiquior Hercules &c. und Herculis Columnæ ſind die aͤuſſerſten Gegenden. BOCHART. in Geogr. Sac. I. 37. tadelt den Tzetzes mit Unrecht, daß er die Heſperiſchen Jnſeln zu den Orcaden rechnet. Denn ſie waren allerdings ſo lange Orcaden, als ſie die aͤuſſer - ſten waren, und wie hinter ihnen neue entdeckt wurden, waren dieſe Orcaden. Wenn er ib. III. 13. die Ruſſen von dem Hebr: שאר Rhos oder Orhs caput ableitet; ſo haͤtte er leicht ſehen koͤnnen; daß Rhos nicht bloß ſum - mitatem ſondern quamlibet extremitatem; und ſo wol ini - tium wie 1 Par. 14. 15; als finem anzeigen koͤnne. Ro - mulus und Remus oder Ormulus und Ermus ſind Anfaͤnger oder Stifter, und Roma iſt ſumma aut prima ſive metro - polis. Der Beweiß iſt faſt a priori zu fuͤhren. Denn bey den Hebraͤern iſt der Koͤnig Erithra, Edom, und Rom wird Edom genannt. Die Rabbinen nennen ſo gar den Pabſt Idumæum d. i. ſummum Metropolitanum. Roma iſt per metath. Orma, und Ormus iſt eine Hauptſtadt, wie Orosmade und Arosmade bey den Perſern das Hoͤchſte und Niedrigſte.
(b)
(c)POLYAEN Strat. VII. 35. POLYB. L. I. p. 5. Ed. Pariſ. 1609. f. PAVSAN. in Phoc. p. 643. Ed. Han. 1613.
(c)
(d)Wenn TAC. G. 37. ſagt: Cimbri, parva nunc civitas, ſed gloria ingens veterisque famæ late veſtigia manent: ſo ſchreibe ich dieſe der Cimbern damalige Geringheit den Barrieren zu, wodurch ſie der Schwaͤbiſche Bund, oder die Germanier in engere Schranken gezwungen hatten. S. §. 77.
(d)
§. 76.156Oſnabruͤckſche Geſchichte

§. 76. Von den Germaniern.

Der Nahme Germanien(a) war zu dieſer Zeit noch nicht uͤblich, und bezeichnet leicht eine groſſe Heermannie,(b) oder eine Verbindung mehrer Staaten zu ihrer gemeinſamen Vertheidigung, wel - che alſo nach dem Cimbriſchen Einbruche erfolgte. Die Abſicht dieſer Vereinigung erraͤth man leicht aus der groſſen Markomannie,(c) welche ſie an der Elbe hatten, und wofuͤr ſie in der Folge mehr als einmal erzittern(d) muſten. Dieſes iſt die aͤlteſte Urkunde ihres Plans,(e) dem zu Folge auch die Longobarden an der Elbe hinunter mit dazu gehoͤren muſten, weil man wohl ſiehet, daß die ganze Anſtalt in der Abſicht gemacht worden, um den Voͤlkern, welche aus dem heutigen Ungarn, Schleſien, Pohlen und uͤberelbiſchen Laͤndern einbrechen konnten, eine genugſame Macht entgegen zu ſetzen. Die Sueven deren Sicherheit hauptſaͤchlich davon abhieng, brach - ten dies wichtige Werk zu Stande. Daher kann man Germanien als den aͤlteſten Schwaͤbiſchen Bund betrachten, und zugleich den Grund finden, warum die Germanier oft Sueven, und warum die Sueven in der Folge allein Allemannier heiſſen. Denn Ger - manien(f) und Allemanien iſt nur der Ausſprache nach unterſchieden.

(a)Cæterum Germaniæ vocabulum recens & nuper additum; quoniam qui primi Rheni tranſgreſſi Gallos expulerint, ac nunc Tungri tunc Germani vocati ſunt. TAC. de M. G. 2. Jch begreife nicht wie das Letztere den Gelehrten habe undeutlich ſcheinen koͤnnen. Tacitus ſagt: die jetzigenTun -157dritter Abſchnitt. Tungern hieſſen ehe ſie uͤber den Rhein ſetzten, Reichs - genoſſen oder Germanier. Dies iſt ganz begreiflich. Nur kam dem Tacitus dieſe Veraͤnderung fremd vor; weil er die Bedeutung des Worts Germanier nicht ein - ſehen, und ſich in der Urſache irren mogte.
(a)
(b)Die Spanier ſagen noch jetzt Herimanni, ſo wie in den aͤlteſten Zeiten. Anno IX Juſtini Imp. habens ſecum gen - tes fortiſſimas quæ barbaro ſermone Herman nuncupantur. S. IOH. ABB. Bicl. Chron. beym CANIS. T. I. p. 338. Ed. Baſn. Man ſprach aber Cherman, wie Chatten, Chennen, Chlodowig, michi, nichil. Es iſt alſo nicht Germania oder Chermania ſondern Herimannia das rechte Wort. Die Bedeutung des Worts Mania iſt oben §. 25 feſtgeſetzt, und Herimania iſt ohnſtreitig Heribannus wie ebend. erwieſen iſt, und allenfalls durch die Stelle in l. 5. feudorum. Regalia autem ſunt Armanniæ, viæ publicæ flumina, auſſer Streit geſetzt wird, indem hier Ariman - nia pro Heribanno gebraucht iſt. Germania iſt folglich Heribannus ϰατ ἐξοχην und Germani ſind Bannaliſten.
(b)
(c)Ein jeder kennt die Abſicht unſer Markgrafſchaften, und daß man zu der Zeit, wie die Grafſchaft noch unbekannt war, Marko-mannie ſagen muſte, iſt deutlich. S. §. 25 n. a.
(c)
(d)Sie muſten die Markomannie ſo ſtark machen, daß ſie dem erſten Anlauf wiederſtehen konnte. Und die zahl - reichen obgleich ſpaͤtern Durchbruͤche der Gothen, Hun - nen ꝛc. ꝛc. zu deren Vorfahren oder Bundesgenoſſen ich die Cimbern und Teutonen mitrechne, zeigen die Noth - wendigkeit einer Markomannie, worin zum wenigſten funfzigtauſend Mann allezeit fertig ſeyn muſten. Ohn - ſtreitig muſte dieſe Macht einem einzigen und beſtaͤndi - gen Feld-Koͤnige, Markgrafen oder Markboten (legato ad Marcam, ſive Maraboduo) anvertrauet werden. Dieſe Macht muſte eine der geſchwindeſten und ſtrengſten ſeyn, weil ſie den Bund, oder die Germanie gegen ſtarke, ploͤtzliche und nicht vorgeſehene Anfaͤlle jener ziehenden Voͤlker decken ſollte. Und dies gab ohnſtreitig den Koͤ -nigen158Oſnabruͤckſche Geſchichtenigen der Markomanner die oͤftere Gelegenheit ihren Bundesgenoſſen Geſetze zu geben. Wenigſtens laſſen ſich alle Kriege der Sueven und Markomannen hieraus er - klaͤren, welche in die Zeit fallen, worin die Roͤmer durch Dacien und Pannonien jenen ziehenden Voͤlkern zu ſchaf - fen machten, und folglich den Markomannen Zeit und Weile gaben, ſich gegen ihre alten Freunde zu wenden. Es iſt uͤbrigens nicht das letzte mal, daß das Reich vor ſeinem Markgrafen erzittern muͤſſen. Man ſieht auch zugleich den Grund warum die Germanier ihren Fein - den in Pohlen und Ungarn gegen die Roͤmer lange Zeit nicht beytraten. Und wie es endlich unter dem Antoni - no Phil. geſchahe, ward es als etwas auſſerordentliches bemerkt. S. JVL. CAPIT. in Ant. Phil. int. Script. hiſt. Aug. Ed. Pariſ. fol. 1620. p. 31.
(d)
(e)Sie lag da: ubi Germania a Dacis Sarmatisque mutuo me - tu aut montibus ſeparabatur. TAC. G. l. Waͤre ſie gegen den Rhein angelegt worden: ſo muͤſte man einen Anfall aus Gallien zur Haupt-Abſicht der Vereinigung machen. So aber war auf dieſer Seite bloß Hermund, und nach dem Plan von Louvois, eine Wuͤſieney angelegt. S. CAES. de B. G. IV. 3. DIO. LXXI. 15. 16. LIPS. ad Tac. G. c. 29. n. 82.
(e)
(f)Eben wie man Hallebarde fuͤr Heerbarte; Hellweg fuͤr Heerweg; Albergo fuͤr Herberge; Alfarda (welches DEL MOLINO in repert. v. Alfarda fuͤr ein Arabiſches Wort haͤlt, und daher den Tittel de Alfardis in for. Arragon. von Juden - und Mohren-Zoll erklaͤrt) fuͤr Heerfarth oder Krieges-fuhr; Allode fuͤr Arode, Hallimota fuͤr Heermoͤte in Monaſt. Angl. T. II. p. 140 &c. zu ſagen pflegt; hat man auch Allemannia fuͤr Armannia oder Heermannie ſprechen koͤnnen. Die Roͤmer ſahen ſpaͤt, daß die Alle - manni von andern Deutſchen unterſchieden waren, und machten nun ein beſonders Volk daraus, nachdem ſie aus einem bey der erſten Entdeckung ganz gewoͤhnlichen Jr - thum, allen und jeden den Nahmen Germanier beygelegt hatten. Daher ſchrieb ſich Caracalla Allemannicus & Ger - manicus. Die ſpaͤtern Schriftſteller, welchen die innernVer -159dritter Abſchnitt. Verbindungen und Abtheilungen naͤher bekannt wurden, druͤcken ſich aber weit genauer aus. Trans Rhenum poſt Celtas populos, orientem verſus ſita loca Germani incolunt. STRABO. VIII. und XIPH. in excerpt. ſive DIO LXXI. 3. ed. Reim. ſagt:〈…〉〈…〉〈…〉〈…〉. CLVV. in Germ. ant. III. 4. und andre laſſen ſich durch die Stelle des AGATH. L. I. 〈…〉〈…〉verfuͤhren zu glauben, Alamannos ex leviſſimis Gallorum qui inopia audaces dubiæ poſſeſſionis ſolum occupaverant, fuiſſe; da doch Agathias gar fuͤglich auf die Worte des TAC. G. 38. Suevorum non unam eſſe gentem ut Catto - rum, zuruͤckgeſehen haben kann. Ueberhaupt aber iſt es die allergroͤſte Unwahrſcheinlichkeit, daß ein zuſammen - gefloſſenes Geſindel ſo fort den ganzen Ton der Suevi - ſchen Nation erreichet habe. Wenn es heißt: Caracalla Alamannos gentem populoſam ex equo mirifice pugnantem prope Mœnum amnem devicit AVREL. XXI. 2. ſo erblickt man gleich die Reuterey, welche Caͤſar bewunderte. S. §. 11. n a. Und AVSON. in epigr. de vict. Augg. nennt mit Recht die Allemannier Sueven. Man darf alſo die Allemannier nicht vom ſchwarzen Meere, dieſer qualitate occulta der Geſchichtſchreiber, herfuͤhren. Jetzt da die Sachſen mit den Schwaben in einem gemeinſchaftlichen Heerbann ſtehen, ſind wir zuſammen Allemands.
(f)

§. 77. Und ihrer beſondern Verfaſſung.

Dieſe groſſe und wichtige Vereinigung ſcheint zu - gleich den Zeitpunkt zu beſtimmen, worin zuerſt ein Theil der Einwohner Deutſchlandes ſich zu einem Reiche(a) bildet, und vielleicht enthaͤlt ſie die erſte Anlage unſers heutigen Deutſchen Reichs. Die auſſerordentlich ſtarke Verfaſſung(b) dieſer Bundes - genoſſen, welche nun ihre ganze Einrichtung kriegeriſchmach -160Oſnabruͤckſche Geſchichtemachten, weiſet dahin zuruͤck. Vorher wurden ſie von den Galliern(c) jenſeits des Rheins oft heimge - ſucht. Nun aber ſetzten ſie alle ihre Nachbaren in Furcht und Schrecken;(d) und man ſieht eine Men - ge damals vorgegangener Veraͤnderungen durchſchei - nen. Die Nahmen der Voͤlker, welche ſich unter dieſem Bund gaben, verwandeln ſich in Bundes - Nahmen;(e) und ein ſtarker Heer-mund(f) ent - ſteht auf allen ihren Graͤnzen. Sie verdraͤngen die Voͤlker,(g) welche ſich mit ihnen nicht vereinigen wollen. Und da die Feinde, womit ſie im Anfang zu kriegen hatten, ziehende Voͤlker waren, wogegen ſie ſich mit einem Heere, welches aus Land-Eigenthuͤ - mern beſtand, nicht hinlaͤnglich wehren konnten: ſo mogte dieſes zu jenem groſſen Geſetze,(h) wodurch aller Land-Eigenthum aufgehoben wurde, den wahr - ſcheinlichen Anlaß geben. Der Verfall dieſes Bun - des oͤfnete lange nachher den Gothen, Hunnen und Wandalen ihre alten(i) Wege; und Henrich der Vogler handelte nach den Grundſaͤtzen,(k) welche mehr als tauſend Jahr vor ihm dieſer erſte Schwaͤ - biſche Bund gefaßt hatte. So wahrſcheinlich iſt es, daß Germanien ein Waffen-Verein ſey, welcher ge - gen die Scythen oder ein ander maͤchtiges Volk von jener Seite errichtet worden.

(a)Jch bin durch ſehr genaue Beobachtungen in der Ge - ſchichte, wovon ich hier keine Rechenſchaft geben kann, ſo vollkommen uͤberzeugt, daß die Germanie ein alter Schwaͤbiſcher Bund, und dieſer der Anfang unſers heu - tigen Reichs ſey; daß ich ſchon wuͤnſche, man moͤge ei - nen neuen Plan zur Geſchichte Germaniens, welches jetzt ſchlechthin das Reich, wie damals der Heer -bann161dritter Abſchnitt. bann genennet wird, erwaͤhlen, und von jenem Ver - ein, deſſen Zeit-punkt ſich ungefehr herausbringen laͤßt, den Anfang machen. Der Vortheil welchen dieſer Plan in Erzaͤhlung der aͤlteſten Geſchichte giebt, iſt ſehr groß. Man ſieht ein ganz neues Staats Jntereſſe; man ent - deckt viele verworrene Begebenheiten; und die dunkle Geſchichte des dritten, vierten und fuͤnften Jahrhun - derts erhaͤlt dadurch Deutlichkeit, Einheit, und Leben. Nur iſt dabey vorauszuſetzen, daß noch ein ander Ver - ein, wozu unter dem Antonino Philoſopho, die Victova - len, Soſiben, Sicoboten, Roxolanen, Baſtarnen, Ala - nen, Peucinen und Koſtoboken ꝛc. S. JVL. CAPIT. in Ant. Phil. l. c. gerechnet wurden, weiter nach Norden beſtanden habe; daß dieſer Verein der Rival des deut - ſchen geweſen; daß ſolcher einigemal, und beſonders nachdem die Roͤmiſche Macht in Dacien und Pannonien ſchwach geworden, die Oberhand erhalten, und unter den Nahmen von Hunnen, Alanen, Wandalen, Go - then ꝛc. ꝛc. zum Durchbruch gekommen ſey, und ganz Europa uͤberſchwemmet habe. Mehrers kann ich hier nicht davon anfuͤhren. Allein wer die deutſche Ge - ſchichte aus dieſem Geſichts-punkt anſieht, wird noch einige neue Entdeckungen machen koͤnnen.
(a)
(b)S. §. 10. 11.
(b)
(c)Hiehin rechne ich die Anmerkung CAES. de B. G. VI. fuit antea tempus quum Germanos Galli virtute ſuperarent & ultro bella inferrent
(c)
(d)Vbii graviter a Suevis premebantur CAES. de B. G. IV. 16. Die Tenkterer und Uſipeter ſagten aus einer traurigen Erfahrung: Id. IV. 4. Suevis ne quidem Deos immorta - les pares eſſe. Id. de B. G. VI. 7. und man merkt uͤberall den Reſpekt, worin der groſſe Verein ſeine Nachbaren hielt.
(d)
(e)Quidam autem licentia vetuſtatis plures deo ortos, plures - que gentis appellationes Marſos, Gambrivios, Suevos, Van - dalios affirmant. Eaque vera & antiqua nomina. TAC. de M. G. 2. Weil die Boier durch eine Folge des Ver -Leins,162Oſnabruͤckſche Geſchichteeins, Maͤrker, oder Markmaͤnner, d. i. defenſores limi - tum novæ Germaniæ ſive confœderationis wurden: ſo ſchließt TAC. de G. 42. Præcipua Marcomanorum gloria viresque atque ipſa etiam ſedes, pulſis olim Boiis, virtute parta. So kann man ſagen: die Magdeburger ſind von den Brandenburgern, und die Brandenburger von den Preuſſen vertrieben; da doch nur ein Nahme vor den andern die Oberhand gewonnen hat.
(e)
(f)Mich duͤnkt das Wort Heer-mund iſt ſo klar, und bezeichnet den tutorem exercitus ſo deutlich, daß CLV. VER in G. lll. 28. nicht noͤthig gehabt ſich ſo viele Muͤhe zu geben, um einer beſondern Nation dieſes Nahmens ihren Platz anzuweiſen. Wenn die Einwohner der Barriere-Staͤdte in den Niederlanden Barrieriſten ge - nennet wuͤrden: ſo koͤnnte man vielleicht uͤber hundert Jahr verlegen ſeyn, das Land zu finden worin ein be - ſonders Volk dieſes Nahmens gewohnt haͤtte; Und eben die Beſchaffenheit hat es mit den Hermunduren, die ſich auf allen Seiten dieſes Vereins in Rhetia, ad Rhenum, ad fontem Albis &c. finden. Sie verſchwinden ſo wie das ſyſtema militare ſich aͤndert; und zum Theil verwan - deln ſie ſich in Burgundiones nachdem der Heermund in Veſtungen oder Burgen geſucht wird. Die Heſſen ſtritten zuerſt mit den Hermunduren, wegen einer Salz - quelle S. TAC. Ann. VIII. 37. Spaͤter kriegten ſie des - fals mit den Burgundiern. S. AMM. XXVIII. Die Roͤmer hatten auf gleiche Art milites præſentes, riparen - ſes, limitaneos, auch zwey Regimenter defenſores; S. Notit. Imp. Und der Unterſcheid iſt nur, daß die Roͤ - miſchen Regimenter garniſonirten; die Hermunduren aber defenſores und Land-bauer zugleich waren, folglich einen Landſtrich bewohnten. Und auf dieſe Art konnte einer Boier, Markmann, und Hermundur zugleich ſeyn; erſters von ſeiner Nation; das andre weil er im Graͤnz - Bann ſtand; und das dritte weil er im Graͤnz-Bann den beſtaͤndigen Vorpoſten hatte. Dieſe ganz natuͤrliche Anlage hebet alle Schwierigkeit, womit ſich Cluver und andre quaͤlen.
(f)(g) Hie -163dritter Abſchnitt.
(g)Hiehin rechne ich die Flucht der Ubier und der Tenkte - rer. CAES. de B. G. IV. 3. Jmgleichen die Flucht der Batavier aus Heſſen. Batavi-Cattorum quondam popu - lus & ſeditione domeſtica in eas ſedes transgreſſus, in qui - bus pars Romani Imperii fierent. TAC. de M. G. 29.
(g)
(h)S. §. 10.
(h)
(i)Es iſt merkwuͤrdig, daß der Marſch der Cimbern, Teu - tonen und Tiguriner, die Belgier nicht beruͤhrte. Bel - ſoli fuerunt, qui patrum noſtrorum memoria omni Gal - lia vexata Teutonos Cimbrosque intra fines ſuos ingredi prohibuerunt. CAES. de B. G. II 4; und daß wie einige hundert Jahr nachher die Nachkommen jener Cimbern und Teutonen, nemlich die Gothen mit den Hunnen in Gallien drangen, ſie ebenfals vor den Franken, welche damals in dem alten Belgien ſaſſen, wiederkehren, und ſich aufwaͤrts wenden muſten.
(i)
(k)Jch ſehe alle dieſe Durchbruͤche als ſucceſſige Unterneh - mungen des andern groſſen Vereins an, deſſen ich in der Note a. erwehnet habe. Die groſſen Vorkehrungen wel - che Henrich der Vogler machte, ſind zwar nicht mit je - nen von einerley Art; aber ſicher von einerley Groͤſſe.
(k)

§. 78. Unſre Vorfahren ſind keine Germa - nier geweſen.

Es iſt nicht wol glaublich(a) daß ſich die Voͤlker zwiſchen der Weſer und dem Rhein, nebſt denjeni - gen welche hinter ihnen wohnten, in jenen groſſen Bund oder das damalige Sueviſche Reich eingelaſſen haben ſollten; und die Geſchichte zeigt, daß ſie ſehr ſelten einen gemeinſchaftlichen Krieg gefuͤhret haben. Jener Bund kehrte vor Heſſen oder die damaligen Catten wieder; und dieſe ſcheinen oft freye aber keine untergeordnete Bundsgenoſſen der Sueven geweſenL 2zu164Oſnabruͤckſche Geſchichtezu ſeyn; jedoch nur ſo wie es die Umſtaͤnde haben verſtatten wollen. Unſre Vorfahren ſind alſo wol keine Germanier geweſen, ob ſie gleich von den Roͤ - mern im Anfang ſo genannt wurden, und jetzt Alle - mands heiſſen. Wenigſtens muß man dieſes voraus ſetzen, um das Staats-Jntereſſe der Voͤlker zwiſchen der Weſer und dem Rhein bis auf Carln den Groſſen zu kennen. Bis auf ihn ſieht man eine ſchwebende Li - nie(b) Deutſchland theilen. Der Herciniſche Wald dient erſt jenen Germaniern gegen die Cherusker, und bald den Allemanniern und Franken gegen die Sach - ſen zur natuͤrlichen Vormauer.

(a)Mir iſt noch jetzt keine formula fœderis germanici bekannt, wodurch alle Reichs-Staͤnde zu einer verhaͤltnis-maͤſſigen gleichen Vertheidigung verbunden waͤren, wenn ſie nicht auf dem Reichs-Tage darin willigen; und wuͤrde es eine Frage ſeyn, ob durch die Mehrheit der Stim - men, welche die Staͤnde in Oberdeutſchland leicht ma - chen, ein entfernter Stand in Niederdeutſchland zu ei - ner Huͤlfe gegen den Tuͤrken verbunden werden konnte, wenn derſelbe zum Reichs-Feinde erklaͤret wuͤrde. Daß bey der Kayſerwahl die Mehrheit der Stimmen ent - ſcheide, beſaget der Churfuͤrſtliche Verein vom Jahr 1338. beym SCHILTER in jur. publ. T. II. tit. 17. p. 122. In materia defenſionis aber duͤrfte aus den Land-frieden ſo viel nicht zu erzwingen ſeyn.
(a)
(b)Sylva Bacenis pro nativo muro objecta Cheruſcos a Suevis; & Suevos a Cheruſcis, injuriis incurſionibusque prohibet. CAES. de B. G. VI. Dieſe Anmerkung wuͤrde einmal dem Caͤſar nicht entfallen ſeyn, wenn nicht ſchon damals die Sachſen und Schwaben bekannte Feinde geweſen waͤren; und hiernechſt bleibt dieſe groſſe Scheidung zwi - ſchen den Sueven (worunter man in dieſem Augenblick ihre Bundesgenoſſen die Chatten mit begreifen muß) in der Folge zwiſchen den Sachſen und Allemanniern un -ver -165dritter Abſchnitt. verruͤckt; und wie die Chatten, welche dieſe Schwaͤbiſche Reichs-Landwehr bewohnten nachwaͤrts Franken wurden, hieß es mit Recht: Inter Saxones & Alamannos gens eſt non tam lata quam valida; apud hiſtoricos Germania, nunc Francia vocatur. Vita S. Hilar. Erem. beym BOVQVET T. I. p. 743. Man muß aber ſylvam Bacenim infinitæ ma - gnitudinis. CAES. de B. G. VI. fuͤr alles nehmen, wofuͤr er genommen werden kann; und ſich vorſtellen, daß man oft von einer Seite alles Schwarz-wald, und von der andern Seite alles Harz-wald nenne. Die Chatten, quos ſaltus Hercynius proſequebatur & deponebat. TAC. G. 30. muſten es ihrer Lage wegen mit den Sueven oder mit den Sachſen halten. Sie waͤhlten das erſtere als das ſicherſte, und waren daher geſchworne Feinde der Cheruskiſchen Sachſen, als welche niemals zu den Sue - ven kommen konnten, ohne die Chatten im Laufe mit zu - nehmen. Es iſt ferner klar, daß vor eine fremde Armee keine beſſere Stellung in Deutſchland ſeyn konnte, als auf dieſer groſſen Scheidung; hier hatte ſie immer von der Rechten oder Linken gewiſſe Huͤlfe, und konnte nach beyden Seiten mit gleicher Fertigkeit ſchlagen. Dies war die vornehmſte Operations-Linie der Roͤmer und Franken; hieraus begreift man auch wie die Chatten und Thuͤringer unter den Nahmen der Franken ſich auf dieſer Linie formiren, erhalten, und erſt die rechte mit Huͤlfe der linken, und zuletzt die linke mit Huͤlfe der rechten unter ſich bringen konnten. Die Roͤmer fuͤhrten bisweilen mit Ober - und Nieder-Deutſchland zugleich Kriege; und beyde Laͤnder wurden incidenter Socii; da es denn wol hieß: fuerat animus Cheruſcis juvare Cattos. TAC. Ann. I. 56. Allein es werden allezeit Suevi & Si - cambri als potiores zweyer Nationen unterſchieden. Sic Sicambros in deditionem acceptos; ſic Suevos & regem Maroboduum pace obſtrictum. TAC. Ann. II. 36. Ille genus Suevos acre indomitosque Sicambros contudit. PEDO ALBIN. de Druſo.
(b)
L 3§. 79.166Oſnabruͤckſche Geſchichte

§. 79. Sondern Saſſen.

Die Land-Eigenthuͤmer, welche in Niederdeutſch - land auf ihren Hoͤfen ſitzen blieben; vor wie nach von ihrer Wort-ſtaͤtte dienten, und ſich unter kein Reich, Amt oder Herrſchaft begaben, waren unſtrei - tige Saſſen;(a) ob ſie gleich dieſen Nahmen noch nicht fuͤhrten. Die Germanier mogten es nicht rathſam achten, ſich mit ihnen zu vereinigen, weil ſie ſich ſonſt des Vortheils, welchen ihnen die Schei - dungs-Gebuͤrge gaben, verzeihen, ihre Graͤnzen aus - dehnen, und nach einer nothwendigen Folge ſchwaͤ - chen muſten. Jene Saſſen blieben alſo vor ſich; eiferſuͤchtig auf die Macht der Germanier, und na - tuͤrliche Feinde derſelben. Sie hatten ihr eignes Staats-Jntereſſe; und vornehmlich dieſes, die Ger - manier auf alle moͤgliche Weiſe zu ſchwaͤchen. Da - her erhob ſich ſchon in den erſten Zeiten eine Feind - ſchaft zwiſchen ihnen; welche ſich endlich dahin endig - te, daß ſie zuletzt beyde von den Franken uͤberwunden wurden.

(a)Die Geſchichte von der Ankunft der Sachſen iſt ein ſelt - ſames Maͤhrgen, und man muͤſte einige Wunderwerke annehmen um ſie moͤglich zu machen. Sie ſind in allen den Brucktern, Cheruskern und Angrivariern ſo aͤhnlich; es findet ſich in ihrer Regierungs-Form ſo wenig von dem eſprit de conquette; die Linie wo ſie ſich von den Schwaben ſcheiden bleibt ſo einfoͤrmig; der Abſatz zwi - ſchen deu Cheruskern und Kuaken bleibt wie der zwi - ſchen den Sachſen und Frieſen ſo ſichtbar; und der Na - tional-Ton der die Cherusker und Sachſen in ihrem Haſſe gegen eine beſchloſſene Reichs-Verfaſſung; in ih - rer Liebe zur Freyheit, und in ihren Verbindungen mitihren167dritter Abſchnitt. ihren Nachbaren characteriſirt, iſt ſo wenig von einan - der unterſchieden, daß man ſie nothwendig fuͤr ein Volk nehmen muß. Wenn die Sachſen als Eroberer in dieſe Gegenden gekommen waͤren, haͤtten ſie ganz andre Ge - ſetze und Rechte haben muͤſſen. Die Cherusker, Bruk - terer und Angrivarier waren keine Reichs - Land - Schrift - Amt - Frey - Unter - Hinter - Kott - Berg - oder Hol-Saſ - ſen; ſondern Saſſen uͤberhaupt in Gegenſatz von jenen ſub Suevorum imperio befangenen Voͤlkern. Man konnte ſie ganz bequem ſo nennen, wie man andre Voͤlker Ro - maden ꝛc. genannt hat.
(a)

§. 80. Und zwar Cheruskiſche / Bruckteriſche und Angrivariſche Saſſen.

Dieſe Saſſen zeigten ſich zuerſt unter dem Nahmen von Cheruskern, Brucktern und Angrivariern; ſpaͤter unter dem von Oſt - und Weſtphaͤlern und Engern; und beydes(a) wie es ſcheinet nach ihrer verſchiedenen Lage; wenn man engere durch mittlere uͤberſetzt. Sie hatten wol ihre Scheidung(b) in unſerm Stifte, ſo daß die jetzigen Aemter Fuͤrſtenau und Voͤrden zu den Brucktern; Jburg, Groͤnenberg und Reckenberg zu dem Engern, und Wittlage nebſt Hunteburg zu den Cheruskern gerechnet werden mog - ten. Doch kann man die Graͤnzen nicht genau ange - ben; wie denn uͤberhaupt die Linie welche ſie geſchie - den hat, veraͤnderlich geweſen zu ſeyn ſcheinet, nach - dem die unter jenen Nahmen begriffene Voͤlkerſchaf - ten, ſich in dieſe oder jene Verbindungen eingelaſſen haben. Denn ſie ſtanden in keinem beſtaͤndigen(c) Reichs-Verein wie die Germanier; ſondern verban - den ſich nach ihrem Gutduͤnken; doch ſehr ſelten mitL 4den168Oſnabruͤckſche Geſchichteden Kauchiſchen und Frieſiſchen Saſſen, als welche mehrentheils vor ſich blieben, und ſehr oft eine Freundſchaft mit den Germaniern unterhielten, um die in der Mitte geſeſſene Cherusker von beyden Sei - ten in einer Spannung zu halten.

(a)Her kann Oſten orientem, und Herusker Oſt-Saſſen S. §. 75. n. b. ſo wie Bruckter einen Abend - oder Nieder-Laͤnder bedeuten. Die Enge iſt aber im - mer eine Mitte. Dann waͤre Oſt - und Weſt-falen eben das; und etwan ein Fraͤnkiſcher Ausdruck. Falen aber iſt wie plaga, (auf Weſtphaͤliſch eine Flage) juxta NON. MARC. ex Varrone, cœli vel terræ immenſum ſpa - tium. An ſtatt daß regiones, tractus, regna, provinciæ beſonders bey den autoribus limitum und nach der Con - ſtantiniſchen Eintheilung, menſa ſpatia waren. Daher iſt Fehlen absque menſura & limite vagari. S. auch PEL - LETIER dict. Breton. v. Fall. Man ſagte nie regio vel regnum aut provincia; ſondern terra Saxonum Sachſen - land, um das ſpatium absque menſura auszudruͤcken. Eben ſo hat man Weſtfalen ſagen muͤſſen. So wie aber die Oſt - und Weſtfaͤlinger, Saſſen, und jetzt unter den Nahmen Weſtfaͤlinger: Oſnabruͤcker, Emßlaͤnder, Ravenſperger ꝛc. verſtanden ſind; eben ſo iſt es auch wol mit den Cheruskern und Brucktern geweſen.
(a)
(b)S. LODTMAN in monum. Oſn. I. §. 3. Ob die Ge - gend von Brochter-becke, im Tecklenburgiſchen, und die von Angelbecke in dem Amte Wittlage, wovon die Freygrafſchaft wie auch die Mark Angelbecke ihren Nahmen hat, einige Beziehung auf dieſe Graͤnzen habe, iſt ungewiß. Doch treffen beyde ungemein nahe mit der vermuthlichen Lage uͤberein.
(b)
(c)Die Angrivarier z. E. ſtanden mit den Cheruskern nicht in Verbindung, wie dieſe vom Germanikus bekrieget wurden. Sie machten auch ihren beſondern Frieden mit den Roͤmern. TAC. Ann. II. 8. 24. Conciti per hocnon169dritter Abſchnitt. non modo Cheruſci ſed conterminæ gentes tractusque in partes Inquiomerus Arminii patruus -- unde major Cæſari metus, ne bellum una mole ingrueret. TAC. I. 60. Hier - aus fieht man auch, daß ſie nicht allezeit una mole krieg - ten; und ſchließt leicht, daß ſie ihre Verbindungen nach dem Maſſe ihrer Gefahr genommen haben. Und uͤber - haupt kann man annehmen, daß wenn z. E. die Sicam - ber am Niederrhein, als ein vorliegendes und der groͤ - ſten Gefahr ausgeſetztes Volk, die Waffen gegen die Roͤmer ergreifen duͤrfen, alle hinter ihnen geſeſſene Voͤl - ker gemeinſchaftliche Sache gemacht haben, und den Roͤmern Sicambern geſchienen. Auf gleiche Art ſchie - nen die Bruckter ſo lange Franken, als dieſe ſich gegen Gallien bewegten. So wie letztere ſich aber umkehrten, und ihren allmaͤlig beſchwerlichen Freunden die Spitze boten, ſchien das mehrſte hierunter ſich wieder in Saſſen zu verwandeln, und das Reich zu fliehen, welches die eigentlichen Franken zu ihrer nothwendigen Vertheidi - gung unter ſich aufrichten muſten.
(c)

§. 81. Erſte Entdeckung der Roͤmer unter Caͤſarn.

Caͤſar war der erſte welcher unſre Gegenden den Roͤmern gleichſam entdeckte. (a)Vor ihm war kein roͤmiſches Heer uͤber den Niederrhein gekommen; er aber hielt es noͤthig auch daſelbſt die roͤmiſche Macht zu zeigen. (b)Er fand die dortigen Nationen in kei - ner Verbindung(c) mit den Sueven. Und obgleich ſein unvermutheter Sieg; ſeine ſchnelle Eroberung Galliens; ſein uͤbermuͤthiger Verſuch auf Britannien; und dieſe ſeine feindliche Erſcheinung uͤber den Rhein; einen allgemeinen Waffen-Verein der Deutſchen Voͤl - ker haͤtte hervorbringen koͤnnen: ſo waren ſie doch zum Theil vielmehr froh daruͤber, daß er den ſueviſchenL 5Stolz170Oſnabruͤckſche GeſchichteStolz einmal gezuͤchtiget hatte. Die Gallier waren indes ſehr unzufrieden mit dem Roͤmiſchen Joche; und ihre Verſuche ſich wieder in Freyheit zu ſetzen, vermehrten die Gelegenheiten,(d) wodurch die Nie - derrheiniſchen Voͤlker(e) von nun an oͤfterer uͤber den Rhein gelocket wurden, und ſich als Freunde der einen, und als Feinde der andern Parthey zeigten.

(a)Die Kriege der Sachſen mit den Gothen, welche ſich ei - nige hundert Jahr vor Chriſti Geburt zugetragen haben ſollen, uͤberlaſſe ich dem PONTOPPID. in geſt. & veſt. Dan. extra Daniam T. III. p. 21.
(a)
(b)CAES. de B. G. IV. 16.
(b)
(c)Es erhellet dieſes aus allen Umſtaͤnden, und die Ubier berichteten ihn auch nachwaͤrts: Ne omnium Germanorum, qui eſſent citra Rhenum, cauſſam eſſe unam judicaret. CAES. de B. G. VI.
(c)
(d)S. DIO. LIV. 11.
(d)
(e)Aus den Folgen laͤßt ſich ſchlieſſen daß die Voͤlker aus hieſigen Gegenden und von der Weſer mit dabey gewe - ſen. DIO. LIV. 32. OROS. VI. 21. Caͤſar ſoll damals 400-000 Menſchen ſo wol bewafnete als unbewafnete ſei - nen Abſichten aufgeopfert haben. APPIAN. de B. Gall. in fin.
(e)

§. 82. Feldzuͤge und Abſichten Auguſtus.

Die einheimiſchen Kriege der Roͤmer beguͤnſtigten eine Zeitlang dieſe Unternehmungen. Wie aber Au - guſt die ganze Roͤmiſche Macht zu ſeinem Dienſte, und einen maͤchtigen Feind noͤthig hatte, um ſeiner Regierung Anſehn, ſeiner Familie Lorbern, und eini - gen unruhigen Koͤpfen einen ruͤhmlichen Untergang zu verſchaffen, gewann es bald ein ganz ander Anſehn. Gleichwol gieng ſeine Abſicht von dem erſten Augen -blick171dritter Abſchnitt. blick(a) an einzig und allein auf Oberdeutſchland oder Germanien, deſſen Eroberung dem Roͤmiſchen Reiche die ſchoͤnſte Feſtigkeit, Rundung und Ge - maͤchlichkeit geben konnte. Die Voͤlker am Nieder - rhein, welche eben wieder einen Einfall in Gallien ge - wagt hatten, kamen alſo noch gut genug davon. (b)Wie ſie ſich ihm aber aufs neue zunoͤthigten, gieng er ihnen mit Macht zu Leibe, unterwarf ſich die Si - camber,(c) wies die Chatten in gewiſſe Schranken, noͤthigte die Cherusker Bedingungen anzunehmen, uͤberwaͤltigte an der See-kuͤſte die Frieſen, drang bis zu den Kauchen und eroͤfnete damit auf einmal und bis an dieſelbe einen ganz neuen Schauplatz. Doch mehr um ſich freye Haͤnde als neue Laͤnder zu erwer - ben. Die hieſigen konnten verheert oder beruhigt, leichter entbehrt als erhalten werden. Zu dieſem Ende wurden nun auch einige Veſtungen(d) an der Lippe angelegt; und man kann ſagen daß damals unſer Land von dem Kayſer Auguſt abgehangen habe; ob es wol ſeiner Lage wegen von keinen Roͤmiſchen Voͤlkern beruͤhrt ſeyn mogte. Denn ihre vornehmſten Bewe - gungen geſchahen lange nachher noch immer die Lippe hinauf, oder die Seekuͤſte hinunter, weil Nachfuhr und Vorſicht keine andre Wege ſo leicht geſtatteten.

(a)Jch ſchlieſſe dieſes aus dem was nachher geſchahe. DIO LV. 28. Vernunft und Umſtaͤnde S. FLOR. IV. 12. 3. brachten dieſes Syſtem hervor. Auguſt gieng mit 12 Legionen gegen die Germanier, TAC. Ann. XII. 46. und machte ſich dieſelben verbindlich; weswegen Armin den Marbod proditorem patriæ & ſatellitem Cæſaris nennt. ib. 45.
(a)
(b)Obſidibus datis pacem acceperunt. DIO. l. c. Man mußwuͤrk -172Oſnabruͤckſche Geſchichtewuͤrklich ſehr groſſe Urſachen annehmen, warum Auguſt die Niederlage des Lollius und die dabey vorgefallene Grauſamkeiten nicht gerochen.
(b)
(c)DIO. LIV. 36.
(c)
(d)Wo ſich die Elſe (ὲλίσον DIO. LIV. 32.) mit der Lippe vereinigt. Der Biſchof FERDJNAND in monum. Pad. I. 10. macht die Alme daraus, welches aber nicht wahrſcheinlich iſt; wie GRVPE in Orig. Germ. obſ. III. bewieſen.
(d)

§. 83. Deren Folgen.

Die hieſigeu Voͤlker trauten allmaͤlig dieſem Plan und lieſſen ſich die roͤmiſche Freundſchaft, eine be - ſcheidne Art von Herrſchaft,(a) gefallen; ſtelleten die in Gefolge derſelben ihnen obliegende Huͤlfs-Voͤl - ker; und erkannten, daß die Freundſchaft mit den Roͤmern[ihnen] die ganze Welt oͤfnen, ihre Feindſchaft aber nichts als Nachtheil bringen koͤnnte. Die Statthalter am Niederrhein unterhielten ſie mit aller Klugheit bey dieſen vernuͤnftigen Gedanken; und ihr gutes Vernehmen wuͤrde die angenehmſten Folgen(b) gehabt haben; wenn nicht Quintilius Varus(c) die Beſorgung der Roͤmiſchen Angelegenheiten erhalten, und ein ander Syſtem gefaßt haͤtte. Dieſer Mann welcher bisher Syrien regiert und erſchoͤpft hatte, kam an die Stelle des Sentius Saturninus, dem ſein aufrichtiges und angenehmes Weſen ein allge - meines Vertrauen erworben hatte. Er vergaß ſo - gleich den Unterſchied zwiſchen Freunden und Unter - thanen, und behandelte das Land bis uͤber die Weſer ſchlechterdings auf den Fuß einer uͤberwundenen Pro - vinz. (d)Hierdurch erbitterte er alles gegen ſich. Man173dritter Abſchnitt. Man durfte ſich aber nicht gegen ihn ruͤhren, weil er mit einem ſtarken Heere in einer vortheilhaften Stel - lung am Niederrheine ſtund, und die ganze Gegend in Furcht hielt. Endlich lockten(e) ſie ihn doch uͤber die Lippe gegen die Weſer, wo er ſich in Sicherheit ausbreitete. Allein auch in dieſer Stellung, wo er einige Veſtungen im Ruͤcken und eine maͤchtige Re - ſerve unter dem Aſprenas am Rhein hatte, ſchien er ihnen noch zu furchtbar. Sie muſten ihn noch tiefer ins Land und aus ſeinem Vortheil bringen.

(a)Sibi non tributa ſed virtutem & viros indici, proximum id libertati. TAC. Ann. V. 25. Hierin beſtand die Pflicht der Freunde; und Armin fuͤhrte das Cheruskiſche Freun - des-Contingent in dem Roͤmiſchen Heer. TAC. Ann. II. 10. war auch Roͤmiſcher Buͤrger und Ritter. VELL. II. 118. ſein Bruder Flavius aber gieng conſenſu gentis ſuæ in Roͤmiſche Dienſte. TAC. XI. 17.
(a)
(b)Die Folgen in Abſicht auf den Handel und die Sitten, bemerkt DIO LIV.
(b)
(c)Die Roͤmiſchen Schriftſteller, en ſtile de glorieux battu, wiſſen den Varus nicht genug zu beſchuldigen. Allein die Liebe und das Vertrauen, welches er gegen den jun - gen Armin aͤuſſerte, und die Wohlthaten die er ihm (vermuthlich in ſeinen Haͤndeln mit dem Segeſt) erwie - ſen hatte, zeugen von ſeinem beſſern Charakter. Negat ſe credere, ſpemque in ſe benevolentiæ ex merito æſtimare profitetur. VELL. II. 118. Man liebt insgemein diejeni - gen, ſo man gluͤcklich gemacht; und Varus konnte die gehaͤſſigen Nachrichten des Segeſtes leicht als Verlaͤum - dungen verachten.
(c)
(d)DIO l. c. Inter Albim & Rhenum virgas ſecures & togam viderant. TAC. 1. 59.
(d)
(e)Es iſt nicht leicht ein Plan gluͤcklicher entworfen und ausgefuͤhret worden als dieſer. Jeder Schritt war ab -ge -174Oſnabruͤckſche Geſchichtegemeſſen; wie DIO l. c. ſolches umſtaͤndlich angiebt, da - her ich nicht begreife wie LA BARRE dans l hiſt. d Allem. T. I. dieſe ganze Begebenheit ſo ſchlecht habe er - zaͤhlen koͤnnen.
(e)

§. 84. Die Niederlage des Varus.

Zu dieſem Ende war ein Zug der Roͤmer nach der Emſe aus dem Lippiſchen unſtreitig der Weg, um ſie am beſten zu verwickeln, und von aller Huͤlfe abzu - ſchneiden. Man bewog alſo ein entferntes Volk(a) zum Aufſtande; und es iſt glaublich, daß ſich die Emslaͤnder(b) dazu haben gebrauchen laſſen. Der Weg dahin war ungebahnt. Varus aber ließ ihn muͤhſam oͤfnen;(c) und Bruͤcken ſchlagen. Um das Maaß ſeiner Unvorſichtigkeit voll zu machen, befahl er den deutſchen Huͤlfs-Voͤlkern welche Armin an - fuͤhrte, ihm zu folgen, und das war eigentlich wor - auf man gerechnet hatte. Denn kaum war er auf - gebrochen: ſo zog Armin alles unter dieſem Vor - wande zuſammen, raͤumte was von Roͤmern zuruͤck - geblieben war, in der Geſchwindigkeit aus den We - ge, und folgte ihnen als Freund, mittlerweile andre den in vollkommenſter Sicherheit und ohne alle Ord - nung fortruͤckenden Roͤmern, durch Berg und Thal beyde Seiten abgewonnen hatten. Jetzt legten ſie auf einmal die Maske ab; und fielen von allen Sei - ten auf ihre Feinde, welche drey Tage unter be - ſtaͤndigem Gefechte, und unter den groͤſten Beſchwer - lichkeiten, vermuthlich mit einer vernuͤnftigen Wen - dung nach dem Niederrhein fortzogen, endlich aber insgeſamt aufgerieben oder gefangen wurden. Diesmogte175dritter Abſchnitt. mogte das erſtemal ſeyn, daß ein Roͤmiſches Heer aus Noth unſer Land beruͤhrte. Denn alle dieſe Um - ſtaͤnde laſſen vermuthen, daß Varus bey Hervord uͤber die Werre(d) und ſo weiter in unſer Land ge - gangen ſey.

(a)Waͤre dieſes Volk, wovon DIO LVI. 19. bloß ſagt:〈…〉〈…〉, mit Nah - men genannt, ſo haͤtte man die Marſchroute der Roͤmer.
(a)
(b)Aderat Amſibariis clarus per illas gentes & nobis quoque fidus, Boiocalus vinctum ſe rebellione illa Cheruſca juſſu Arminii referens. TAC. Ann. XIII. 15.
(b)
(c)Die uͤbrigen Umſtaͤnde ſind alle genau aus dem DIO. LVI. 19. 20. 21. wobey ich nur noch anmerke daß diejeni - gen, welche das Schlachtfeld ins Lippiſche ſetzen, vor - dem, und ehe zu unſern Zeiten Reimarus den Text des Dio aus dem Zonaras ergaͤnzt hat, durch die aͤltern Ausgaben leicht auf einen andern Weg verfuͤhret werden koͤnnen, weil in dieſen geſagt wird, daß Aſprenas durch eine Bewegung vom Niederrhein den Reſt des geſchlagenen Varianiſchen Heers gerettet haͤtte; da doch aus dem Zona - ras klar iſt, daß dieſes der Reſt der Beſatzung von Aliſo geweſen, die Arminius lange nach der Schlacht und nach - dem er ſich bereits aller uͤbrigen Veſtungen bemeiſtert, belagert hatte.
(c)
(d)Dieſes war der natuͤrlichſte Weg; den Carl der Groſſe aller Vermuthung nach auch nahm, wie er mit dem Saͤchſiſchen Heerfuͤhrer Widekind ebenfals zuerſt im Lippiſchen und hernach an der Haſe ſchlug. Jch nehme an, daß Varus eben dieſen Weg genommen, ſich auf dem Haarſchen Berg zwiſchen Wulften und Haaren, worauf ſich ein altes verſchanztes Lager, nebſt einem heid - niſch-deutſchen Denkmale an ſeinem Walle, befindet, geſetzt und zuletzt unterm Duͤſtrupper Berge an der Ha - ſe, wo ſich die Menge Deutſcher Grabmaͤhler zeigt, den letzten Stoß empfangen habe. Dieſes Schlachtfeld, wird durch den Fluß Haſe von dem Teufelsbruche am Gret -eſche176Oſnabruͤckſche Geſchichteeſche geſchieden, worin ſich noch jetzt zwey groſſe unver - ſehrte heidniſche Altaͤre, und die Spuren von vielen zer - ſtoͤrten finden; welche LODTMAN in Monum. Oſnabr. XII. beſchreibt. Bey dem Schlachtfelde aber waren der - gleichen. Lucis propinquis barbaræ erant aræ, apud quas tribunos ac primorum ordinum centuriones mactaverant - TAC. Ann. l. 61. Jene Altaͤre heiſſen insgemein die Gred-eſcher Steine, und GOETZE in Progr. de duobus nobiliſſ. agri Oſn. monum. Honenſi & Krödeſcenſi (Oſn. 1726. 4. ) macht daraus Crodonis aram; da doch Great - eſch offenbar der groſſe Eſch iſt, hinter welchem dieſe Altaͤre oder Denkmaͤler liegen. So viel bleibt allezeit glaublich, daß jenes verſchanzte Lager, wegen des an dem Wall deſſelben liegenden deutſchen Denkmals, ein er - obertes; und aͤlter als Carl der Groſſe ſey. Das Schlachtfeld an der Haſe, iſt auch das bequemſte was eine Armee nehmen kann. Es hat Waſſer, eine ſchoͤne Ebne, Berge und Defilés vor ſich, und lag in conſpectu Deorum gentilium. FEJN in ſeiner Preiß-Schrift uͤber die Frage: wie weit die Roͤmer in Deutſchland ge - drungen ꝛc. ſagt 1) das entfernte Volk muͤſte am Rhein gewohnt haben. Jſt es aber glaublich daß ſich zwiſchen der Haupt-armee und der Reſerve ein Volk am Rhein, das ſo gleich gezuͤchtiget werden konnte, bey einem ſo unſichern Ausgange, durch Empoͤrung bloß geſtellet ha - be? Er ſagt 2) die Niederlage ſey auf dem Ruͤkmarſche des Varus aus dem Lippiſchen vorgefallen; wer kann ſich aber vorſtellen, daß man die Roͤmer gegen ihre eigne Reſerve und auf ihre eigne Veſtungen gelockt, und ih - nen auf dieſem Wege drey Maͤrſche voraus gelaſſen ha - be? konnten hier, wo die Communication nothwendig offen war, Wege zn bahnen, Waͤlder durchzuhauen und Bruͤcken zu ſchlagen ſeyn, wie Dio ausfuͤhrlich be - ſchreibt? Er nimmt 3) das Schlachtfeld im Lippiſchen an, wo er doch ſein Stand-Quartier gehabt hatte. Er hatte aber gewiß ſchon drey Maͤrſche, welche ich wegen der ſchlimmen Wege nur auf drey Meile rechnen will, ohnerachtet ſonſt ein roͤmiſches Heer taͤglich 7 Stundenmar -177dritter Abſchnitt. marſchirte, VEGET. de re mil: I. 9., gethan, ehe es zum erſten Angrif kam; und er zog ſich noch drey Tage fechtend fort. Waͤre er nun aus dem Lippiſchen nach der Lippe marſchiret: ſo muͤſte die letzte Niederlage faſt jenſeits der Lippe erfolget ſeyn. Und wenn dieſes: ſo iſt es ſehr unwahrſcheinlich, daß Germanicus, welcher 6 Jahr nachher in die Emſe lief, und das Schlachtfeld beſah, von dort aber noch weiter vordrang, ſeinen Ruͤck - marſch von der Lippe wieder nach der Emſe genommen haben ſollte. Feins etymologiſche Beweiſe ſind noch ſchlechter; wie GRVPE in Orig. Germ. p. I. obſ. IV. zur vollkommenſten Gnuͤge erwieſen; Varenhoͤlzer giebt es in allen Laͤndern und wir haben ſo gar ein Varen - winkel in dipiomate Carolino, wenn auf dergleichen Din - ge etwas zu bauen, oder auch nur der geringſte Schein vorhanden waͤre, daß man das Schlacht-feld nach dem Nahmen eines roͤmiſchen Feldherrn benannt haͤtte. Der Teutoburgiſche Wald gilt fuͤr ganz Weſtphalen und der Nahme eines Teuto-meyers im Lippiſchen iſt vollends aͤngſtlich und kein Exempel, daß die Lateiner einen Doppellauter mit den Weſtphaͤlingern gemein haben. Der Saltus Teutoburgenſis hat alſo unſtreitig Duͤteburger Wald geheiſſen und es iſt eher moͤglich daß der Duͤte - fluß, welcher zwiſchen der Grafſchaft Tecklenburg und unſerm Stifte fließt, als jener Teutomeyer fuͤr einige Gebuͤrge gleiches Nahmens rede. Die montes crebris convallibus interupti, worauf Varus traf, finden ſich - berall in den Oſnabruͤckiſchen Aemtern die nach der We - ſer liegen, und verlieren ſich nach der Emſe zu; ſo daß im Amte Fuͤrſtenau nichts mehr davon angetroffen wird. GRVPE am angefuͤhrten Orte hat uͤbrigens alles erſchoͤpft und wird den kuͤnftigen Nachforſchern zum getreuen Wegweiſer dienen.
(d)

§. 85. Die Folgen derſelben.

Das Land wurde dadurch eine Zeitlang von der Roͤmiſchen Freundſchaft befreyet, aber auch ſehr aufMdie178Oſnabruͤckſche Geſchichtedie Spitze geſtellt. Die Roͤmer durften ein ſo kuͤhnes Unrecht nicht ungerochen laſſen, und die Cherusker, Bruckter und Angrivarier muſten in beſtaͤndiger Furcht leben; oder groſſe Vereinigungen errichten, und ſich in einer voͤlligen Kriegs-Verfaſſung erhalten. Armin bediente ſich dieſer Umſtaͤnde. Noth und Dankbarkeit machten ihn zum Feldherrn. Die Ge - meinen liebten ihn, ſo ſehr als er von den Edlen, welche die Folgen ſeiner Unternehmungen gar zu gut einſahen, gehaſſet wurde. Hiedurch entſtand zuerſt ein einheimiſcher Krieg, welcher den Roͤmern Zeit ließ ſich von ihrem Schrecken zu erhohlen, und bald dar - auf mit einem Heer von hundert-tauſend Mann einzu - brechen, und ganz Weſtphalen(a) mit Feuer und Schwerd zu verheeren. Der roͤmiſche Feldherr Ger - manicus zerſtoͤrte bey dieſer Gelegenheit auch den be - ruͤhmten Tempel Tanfans,(b) und gieng damit um, die Voͤlker zwiſchen dem Rheine und der Weſer dergeſtalt zu entkraͤften,(c) daß ſie fernerhin die roͤ - miſchen Graͤnzen am Niederrhein unangefochten laſſen ſollten. Jn dieſer Abſicht that er verſchiedne Feldzuͤ - ge, lief zu zween malen in die Emſe ein, und drang von dorther durch unſre Gegenden gegen die Weſer, und uͤber dieſelbe; ohne jedoch ſeine voͤllige Abſicht zu er - reichen, indem er einigemal gar uͤbel heimgefuͤhrt,(d) und anch durch ſeine Vortheile nicht verbeſſert wurde, weil ein Sieg insgemein nichts mehr entſchied, als daß der eine fluͤchten, und der andre zuruͤckgehen muſte.

(a)Quinquaginta millium ſpatium ferro flammisque pervaſtat: non ſexus non ætas miſerationem attulit; profana ſimul &ſacra,179dritter Abſchnitt. ſacra, & eeleberrimum illis templum, quod Tanfanæ vo - cabant, ſolo æquantur; ſine vulnere milites, qui ſemiſomnos inermes aut palantes ceciderant. TAC. Ann. I. 51. Ger - manicus gieng per Sylvam Cæſiam, wovon Coesfeld ſei - nen Nahmen haben ſoll.
(a)
(b)Dieſer Tempel lag nach aller Wahrſcheinlichkeit im Stift Muͤnſter worin die Marſer wohnten.
(b)
(c)Germanicus ſagte: non opus eſſe captivis, ſolam interne - cionem gentis finem bello fore. TAC. Ann. II. 21.
(c)
(d)Armin hatte die Gewohnheit ſeinem Feinde das centrum zu bieten, wenn dieſer darauf eingieng ſich damit zu - ruͤck zu ziehen, und ihm hiernechſt mit zween verſteckten Fluͤgeln in die Flanken zu fallen. Dies gerieth ihm das erſtemal, wovon die Roͤmer ſagten manibus æquis ab - ſceſſum. TAC. Ann. I. 63. Die beyden folgendenmale aber, da er mit dem Germanicus ſchlug, gieng dieſer das centrum vorbey und fiel ihm in die Flanken ſeines Fluͤgels.
(d)

§. 86. Beſchluß der erſten Periode roͤmiſcher Kriege.

Tiber machte zuerſt dieſen unnuͤtzen und koſtbaren Kriegen aus einem Mißtrauen gegen den Germanicus ein Ende. (a)Was dieſſeits der Weſer(b) war, blieb mehrentheils in der Roͤmer Freundſchaft; und die jenſeitigen Cherusker(c) wurden ihrem unruhigen Willen uͤberlaſſen. Armin gieng mit denſelben den Sueven gegen ihre Markomannen zu Huͤlfe,(d) vielleicht um ſeine Feldherrſchaft durch den Krieg zu verlaͤngern, oder auch in der groſſen Abſicht eine gefaͤhrliche Souverainite in Germanien zu verhindern. Er fochte nicht ungluͤcklich, ward aber endlich da er wie Caͤſar, mit welchem er viel aͤhnliches hatte, einM 2eignes180Oſnabruͤckſche Geſchichteeignes Reich zu errichten gedachte, auch wie dieſer von ſeinen Freunden und Verwandten ermordet. (e)Die Roͤmer ſahen dieſe einheimiſchen Unruhen der Deutſchen gern, und Tiber hielt es fuͤr das ſicherſte und bequemſte ſie |auf dieſe Art gegen einander zu reitzen; wiewol er dadurch den roͤmiſchen Nahmen zuletzt faſt in Verachtung brachte;(f) bis endlich Claudius ſolchen wiederherſtellete, und die Sachen am Niederrhein zu ihrem vorigen Glanze erhob, aber auch zugleich ploͤtzlich mitten unter dem Fortgange derſelben(g) alle Eroberungen auf dieſer Seite weißlich verachtete. (h)Dieſer Entſchluß, welcher von einem Kayſer kam, der die Herrſchaft der Roͤmer uͤber Britannien feſtſetzte, endigte die groͤſte Periode der roͤmiſchen Kriege in unſern Gegenden.

(a)TAC. Ann. II. 26.
(a)
(b)Es iſt dieſes wahrſcheinlich, quia Angrivarii nuper in fi - dem accepti redemtos ab interioribus captivos reddebant - ib. 25. Doch kann man es auch nicht uͤberhaupt ſagen, weil er bey ſeinem Abzuge den Marſern noch eins ver - ſetzte.
(b)
(c)lb. 26.
(c)
(d)lb. 46.
(d)
(e)Nachdem er ſein 37tes Jahr, und das zwoͤlfte ſeiner Feldherrſchaft erreichet hatte. TAC. Ann. ll. 88.
(e)
(f)Gallias a Germanis vaſtari neglexit. SVET. in Tib. c. 41.
(f)
(g)Galba gieng wider die Chatten und drang dort uͤber die Weſer. Gabinius ſchlug die Marſer und Kauchen. Corbulo war in ſeinen Gedanken ſchon uͤber der Emſe, und jeder von dieſen Generalen ſuchte mit Fleiß Urſache zu neuen Kriegen. DIO. LX. 30. TAC. XI. 18. 19.
(g)
(h)Claudius adeo novam in Germanias vim prohibuit, ut referri præſidia cis Rhenum juberet. TAC. Ann. XI. 19. Auguſtund181dritter Abſchnitt. und Tiber hatten dieſen Gedanken lange gehabt. DIO. LVI. 33. TAC. Ann. I. 11.
(h)

§. 87. Denkwuͤrdigkeiten derſelben.

Bis dahin erforderten die Kriege die Aufmahnung aller Gemeinen. (a)Die Edlen(b) hielten es darin mehrentheils mit den Roͤmern, und die Gemeinen waren ſicher(c) gegen alle Herrſchaft; obwohl nicht gegen ein Reich, welches aus den verlaͤngerten Feld - herrſchaften haͤtte entſtehen koͤnnen. Es iſt dabey merkwuͤrdig, daß die Roͤmer von jenem ſchwaͤbiſchen Bunde eine foͤrmliche Huͤlfe gegen die Cheruskiſchen und andre Saſſen erwarteten, und wiederum der Markomanniſche Koͤnig auf den Beyſtand der Roͤmer rechnete;(d) imgleichen daß die Voͤlker an der See - kuͤſte und beſonders die Kauchen leicht der Roͤmer Parthey nahmen, und eine roͤmiſche Beſatzung an der Emſe duldeten. (e)Da die Gegenden zwiſchen dem Rhein, der Emſe und der Weſer ſich ſolcherge - ſtalt zur Noth-freundſchaft(f) bequemen muſten; ſo konnten ſie nicht wohl ohne Haͤupter oder gemei - ne(g) Koͤnige bleiben; weil die einzelnen Wohner einen Haupt-Buͤrgen noͤthig hatten, womit die Roͤ - mer etwas gewiſſes ſchlieſſen konnten. Ein ſolcher Koͤnig hatte eine nothwendige Stuͤtze(h) an den Roͤ - mern, ſo lange er ſein Volk nicht unterdruͤckte; und einen natuͤrlichen Feind an den Adel, ehe man Lehne kannte und ſolche ohne Schimpf annahm. Bis da - hin erhielten ſich die Gemeinen durch ihn; und er durch die Gemeinen. (i)

M 3(a) Da182Oſnabruͤckſche Geſchichte
(a)Da die Roͤmer mit Heeren von 40 bis 100 000 einbrachen: ſo reichten keine edle Gefolge zu, um ihnen Widerſtand zu leiſten. Germanicus ſagt ausdruͤcklich: non loricam Germano, non galeam, ne ſcuta quidem ferro nervove firmata -- primam utcunque aciem haſtatam; cæteris præ - uſta aut brevia tela -- ſine pudore flagitii ſine cura du - cum abire fugere. TAC. Ann. II. 14. Die letztern Worte ſind ein Gemaͤhlde des Arriere Ban nach dem Leben; ob - gleich der Cheruskiſche eine Ausnahme von der Regel war. Man vergleiche damit die Beſchreibung des Ge - folges. TAC. G. 13. 14. 15.
(a)
(b)Zu verſtehen von den Alten, welche den Satz behaupte - ten: Germanis Romanisque idem conducere. TAC. Ann. I. 58; nicht aber von den Jungen, wovon es hieß: no - ſtra furit juventus. VELL II. 107. Jn dem Triumph wel - chen Germanicus hielt, waren faſt lauter Soͤhne leben - der Vaͤter. STRABO VII; und jene ſchienen damals im Gefolge Armins gedient zu haben. Merkwuͤrdig war es, daß Malevendus Dux Marſorum (vermuthlich fuͤhrte er nur noch dieſen Tittel) die roͤmiſche Parthey mitten in dem Kriege ſeiner Nation halten durfte. TAC. Ann. I. 71. Sonſt hieß es: Segeſtes ex quo a Divo Au - guſto civitate donatus erat, amicos inimicosque ex eorum utilitate delegerat. TAC. Ann. I. 58. Inguiomerus Armi - nii patruus veteri apud Romanos authoritate. Ib. 60. Boio - calus 50 annorum obſequio. XIII. 35. Segimer in deditio - nem acceptus. II. 25. &c. uͤberhaupt ſchien Auguſt jener Cheruskiſchen Familie uͤberaus groſſe Merkmale ſeiner Freundſchaft gegeben zu haben. Die Vaͤter konnten es nie vergeſſen. I. 58.
(b)
(c)Weil ſie nicht einzeln verſchlungen werden konnten, ſo lange ſie gemeine Sache unter einem Haupte machten. Jetzt unterſcheidet man Reich und Herrſchaft, im - perium & dominium ſo genau nicht mehr. Bey den Roͤ - mern verwandelte ſich ebenfals imperium in dominatio - nem, bis man endlich mit dem imperio einen andern Begrif verband. Jetzt iſt alles Territorial-Hoheit; ein Mittelwort zwiſchen Reich und Herrſchaft. Die Unter -druͤ -183dritter Abſchnitt. druͤckung der Gemeinen in Europa datirt ſich von der Zeit, da ein Koͤnig die Beute mit den Edlen theilte und erſtere den letztern verlieh.
(c)
(d)Reſponſum Maraboduo, non jure eum adverſus Cheruſcos arma Romana invocare, qui pugnantes in eundem hoſtem Romanos nulla ope juviſſet. TAC. Ann. II. 46.
(d)
(e)In Chaucis præſidium agitantes vexillarii diſcordium legio - num. TAC. Ann. l. 38.
(e)
(f)S. §. 83. n. a.
(f)
(g)Ungeſalbte. S. §. 30. n. b.
(g)
(h)Man ſieht dieſes aus der roͤmiſchen Politik gegen alle benachbarte Voͤlker. Sic Rex Artaxias Armeniis a Germa - nico datus. Sie regnum Thracum Rheſcuporidi & Cotyi ab Auguſto, autore utriusque regni, permiſſum. TAC. Ann. II. 64. Sic regem (Bructerorum) vi & armis induxit in regnum. PLIN. II. ep. 7. Sic Chariomer (rex Cheruſco - rum) ob amicitiam Romanorum expulſus. DIO. LXVII. 3. Sic vis & potentia regibus authoritate Romana. TAC. G. 42. Jtalus ward den Cheruskern auf die verbindlichfte Art von Rom geſchickt. TAC. XI. 16. Segeſt und Jn - guiomer waren nicht umſonſt Amici Romani; und ſolche deutſche Haͤupter hatten dero Zeit ſchon eben die Politik, welche ehedem verſchiedene Reichs-Fuͤrſten hatten, die es mit dem kayſerlichen Hofe hielten, um ihre einhei - miſchen Staͤnde zu unterdruͤcken. Man ließ ſie aber auch ſinken, wenn ſie zu maͤchtig werden wollten; Vt fracto regi Maroboduo (amico Romano) uſque in exitium inſiſteretur. TAC. Ann. II. 62; und alsdenn hiengen ſich die Edlen, wie jetzt die Land-Staͤnde, an die damaligen Kayſer. Dies war der Fall unter dem Armin; das ſchoͤnſte Exempel jener roͤmiſchen Politik, war Vannius Suevis a Druſo Cæſare impoſitus. TAC. XII. 29.
(h)
(i)Dieſer Koͤnig Vannius hatte propriam manum pedites & equites e Sarmatis Jazygibus. Id. ib Sonſt hatte ein Koͤnig zwar wohl ſein groſſes edles Gefolge, aber nicht leicht die Macht ſich damit gegen den Adel und den Heer - bann zu erhalten.
(i)
M 4§. 88.184Oſnabruͤckſche Geſchichte

§. 88. Vermuthungen uͤber die damaligen Heerwege der Roͤmer in hieſigen Gegenden.

Die Zuͤge der Roͤmer von der Emſe nach dieſer Seite muſten entweder dieſen Fluß hinauf uͤber das heutige Meppen bis Rheine laufen, und von dort mit einer Wendung zur Linken den Teutoburger Wald erreichen; oder aber mit einer fruͤhern Einlen - kung uͤber Kloppenburg und die Kuackenbruͤck durch unſer Stift gehn. Andre Heerwege ſind noch jetzt nicht vorhanden, und wegen der vielen Mohre und tiefen Gegenden nicht fuͤglich anzunehmen. Erſtern ſcheint Germanicus erwaͤhlet zu haben, wie er in einer Richtung gegen die Lippe, durch die Gegend der Bruckter vordrang, und ſeine Rechte durch die leichten Truppen verwuͤſten ließ,(b) zum Zeichen daß er mit der Haupt-Armee auf die Linke, wo er den Teutoburger Wald traf, gehn wollte. Die Gebuͤrge und Waldungen mit untermiſchten Ebnen, deren oft erwehnt wird, nehmen bey Jppenbuͤren ihren Anfang, und gehen in einer maͤchtigen Kette durch unſer Stift und die Grafſchaft Tecklenburg ins Lippiſche und an die Weſer. Germanicus verfolgte damals den Armin, der ſich immer tiefer ins Land zog, auf ſeinen Ab - wegen,(c) und nahm allem Anſehen nach, von dem Varianiſchen Schlachtfelde, worauf er die zerſtreue - ten Gebeine ſamlen und begraben ließ, eben den Weg, welchen der ungluͤckliche roͤmiſche Feldherr zu - erſt gebahnet hatte; nicht ohne Gefahr ein gleiches Schickſal zu erfahren. Denn er that einen ſehr un -gluͤck -185dritter Abſchnitt. gluͤcklichen Angrif,(d) und gieng wiederum den vori - gen Weg nach der Emſe. (e)

(a)Der Weg von der Suͤder-ſee, oder von Zwolle nach Braunſchweig und Leipzig koͤmmt hiebey nicht in Be - tracht und iſt in ſo weit er uͤber die Fuͤrſtenau geht neu.
(a)
(b)Ductum inde agmen ad ultimos Bructerorum, quantumque Amiſiam & Luppiam amnes inter vaſtatum. TAC. Ann. I. 60. Waͤre Germanicus damit zuruͤckgegangen: ſo wuͤr - de man ihm keine andre Abſicht beylegen koͤnnen. Nun aber da er weiter gieng, ſo kann man ſicher glauben, daß die Verwuͤſtung auf der Rechte zwiſchen der Lippe und der Emſe blos durch die leichten Truppen, und in der Abſicht geſchehen, die rechte Flanke zu reinigen, um mit aller Sicherheit und Macht nach der Linken zu mar - ſchiren, und ſich in die Gebuͤrge zu vertiefen.
(b)
(c)Sed Germanicus cedentem in avia Arminium ſecutus. Ib. 63.
(c)
(d)Es heißt zwar in der Roͤmiſchen Erzaͤhlung: Manibus æquis obſceſſum. Ib. Man verſteht aber dieſe Sprache, und die Folgen ſind immer die beſten Zeugen.
(d)
(e)Germanicus gieng nach der Emſe und Cecinna nach dem Niederrhein zuruͤck. Der Punkt ihrer Trennung aber kann vor eine aus dem Lippiſchen (mit der Jdee ſich z. E. nach Emden und Weſel zu theilen) retirirende Ar - mee nicht anders geſuchet werden, als daß man ſie bis Rheine und hoͤchſtens bis Bentheim zuruͤck gehen und dort ſich theilen laͤßt. Waͤre Germanicus uͤber die Qua - kenbruͤgge als den andern Weg nach der Emſe gegan - gen: ſo haͤtte er den Cecinna gleich von ſich laſſen und ihn muthwillig aufopfern muͤſſen, der ohnedem noch auf der beſten Route alle Gefahr lief, da er von einem Corps, das ihm gerade aus dem Lippiſchen den Rhein abgelaufen hatte, coupirt und auf die aͤuſſerſte Spitze geſtellet wurde. Ib. 64. Germanicus ſchickte die ſchwere Reuterey von der Emſe an der Hollaͤndiſchen Kuͤſte fort; und man erraͤth daraus leicht, warum Cecinna auf ihrer gefaͤhrlichen Flanke marſchiren muͤſſen.
(e)
M 5§. 89.186Oſnabruͤckſche Geſchichte

§. 89. Werden fortgeſetzt.

Jn dem zweyten Zuge von der Emſe, worin Ger - manicus das Jdeſtaviſiſche Feld jenſeits der Weſer behauptete, mogte er den andern Weg uͤber die Kuakenbruͤcke und ſo weiter uͤber Voͤrden nehmen. (a)Dieſer iſt der einzige; und Voͤrden(b) ſind uralte Anlagen aͤlter als Straſſen. Man hat nicht weit davon ein Grabmal roͤmiſcher Kaufleute(c) entdeckt, welche ſich leicht aus dem alten Emden durch dieſen Weg ausbreiten konnten. Der Sieg den Germa - nicus damals auf dem Ruͤckwege an dem Damme erfochte, welcher die Angrivarier und Cherusker ſchied, ſoll zu Damme(d) nahe bey dieſem Voͤrden vorge - fallen ſeyn; und man hat in den dortigen Gegenden verſchiedene roͤmiſche Muͤnzen gefunden. (e)Wenn die Roͤmer vom Niederrheine kamen, mogte der Zug ihrer Armeen nicht leicht in unſer Stift fallen. We - nigſtens haben alle Kriegesheere, welche in den ſpaͤ - tern Zeiten vom Rheine gegen die Weſer gezogen ſind, ſich eher auf die Rechte gewandt, und hoͤchſtens zu ihrer Sicherheit Jburg mit ihren leichten Truppen be - ruͤhrt. Eine Heerſtraſſe von dieſer Seite iſt auch uͤberhaupt nicht wohl zu beſtimmen, weil dorther mehrere Wege zuſammentreffen.

(a)Man weiß nur, daß Germanicus ſeine Flotte an dem linken und ſicherſten Ufer der Ems, wo das alte Emden oder Amiſia lag, S. ALTING in Germ. inf. I. p. 3. II. 48. ſſ. gelaſſen habe; daß er hierauf ohne die Bruckter zu beruͤhren, und von den Kauchen geſichert, den Weg etwa nach der Gegend von Minden genommen, und wie er vor der Weſer geſtanden, die Angrivarier imRuͤcken187dritter Abſchnitt. Ruͤcken gehabt habe. Schwerlich hat er dero Zeit jen - ſeits des Duͤmmer-ſees marſchiren koͤnnen, wo der Weg jetzt viel uͤber Daͤmme lauft, die das Werk langwieriger Bemuͤhungen ſind; und ſo bald er dieſſeits des Duͤm - mers blieb, hatte er keinen andern Weg.
(a)
(b)Voͤrden ſind Wege, die zuerſt mit Holz belegt gewe - ſen; und unſer jetziges Flecken Voͤrden iſt ein alter Graͤnz-Paß.
(b)
(c)Es fand ſich darin ein roͤmiſcher Merkur; und um den - ſelben verſchiedene Aſchentoͤpfe. Er wurde unter der Regierung Ernſt Auguſt des Andern, bey Gelegenheit der Dammiſchen Graͤnz Streitigkeiten entdeckt, und von dem Muͤnſteriſchen Commiſſarius, dem General Corfey mitgenommen, wie ich berichtet bin.
(c)
(d)S. LODTMAN in monum. Oſn. II. p. 21 wo dieſe Mei - nung mit mehrern behauptet wird; wobey aber GRVPE in Orig. Germ. Obſ. VI. p. 254. noch einige naͤhere Er - laͤuterungen fordert.
(d)
(e)Davon befindet ſich ein guter Theil bey dem Herrn Gra - fen von Bar zur Barenau; die Bauren finden derglei - chen noch beym Plaggen-maͤhen; keine von dieſen Muͤn - zen uͤberſteigt das Zeitalter dieſer Periode; ich habe ſie desfals durchgeſehn und LODTMAN l. c. beruft ſich auf mein Zeugniß.
(e)
(f)Jch werde dieſes auch in den Zuͤgen Carls des Groſſen zu ſeiner Zeit bemerken.
(f)

§. 90. Allgemeiner Zuſtand am Ende dieſer Periode.

Die Ruhe von auſſen war ſolchergeſtalt wieder - hergeſtellet, die Beſatzung von der Lippe abgefuͤhrt, und ein groſſer Strich Landes am Rhein zur Schei - dung wuͤſte(a) gelegt; die innerliche Ruhe aber nach einem ſo ſchweren Kriege, wodurch zuletzt alles krie -geriſch188Oſnabruͤckſche Geſchichtegeriſch und jeder ander Stand veraͤchtlich werden muſte, ſchwer zu erhalten. Der Cheruskiſche Adel, deſſen Gefolge nothwendig ſtark vermehrt war,(b) hatte ſich bereits unter einander aufgerie - ben,(c) und die Nation(d) dahin gebracht, des Ar - minius Brudern Sohn Jtalus, der in Jtalien geboh - ren und erzogen war,(e) von Rom als ihren Koͤnig zu berufen. So angenehm er aber den Gemeinen Anfangs geweſen war: ſo ſehr ward er zuletzt den Edlen, und der ganzen Nation verhaßt, da er nach roͤmiſchen Grundſaͤtzen regieren wollte. Die Bruckter und Angrivarier mogten unter dem Einfluß der naͤ - hern roͤmiſchen Macht, der Ruhe genieſſen welche ih - nen Claudius geſtattete. Man ſieht ein, daß dieſe drey Nationen damals nicht vereinigt waren, ob ſie ſchon, ehe und bevor Claudius ſeinen groſſen Ent - ſchluß vollfuͤhrte, Galba die Chatten und Gabinius die Marſer und Kauchen ſchlug, Corbulo aber mit ſeinen Entwuͤrfen uͤber die Emſe war,(f) ein ge - meinſchaftliches Syſtem(g) behaupteten und ſich dieſer ihrer Nachbaren nicht annahmen.

(a)Vacui agri militum uſui ſepoſiti ---- vaſtitatem & ſolitudi - nem malebant quam amicos populos. TAC. XIII. 54. 56. Es ſcheint, daß Claudius dieſe Politik gefaßt habe; in - dem ſich ſolche, ſo lange man noch auf Eroberungen dachte, nicht wohl ſchickte.
(a)
(b)S. §. 33. n. c.
(b)
(c)Amiſſis per interna bella nobilibus regem Roma petierunt, uno reliquo ſtirpis regiæ, qui apud urbem habebatur nomi - ne Italus. Id. XI. 16.
(c)
(d)Adſtrepebat huic alacre vulgus. TAC. XI. 17.
(d)(e) Ita -189dritter Abſchnitt.
(e)Jtalus hieß er weil er in Jtalien gebohren war. SVIDAS in Ιταλια.
(e)
(f)S. §. 86. n. g.
(f)
(g)Man merkt faſt ein gleiches auf dem Zuge des Tiberius. Jn dem erſten Feldzuge unterwarfen ſich ihm die Bruck - ter und Cherusker; den Kauchen aber gieng er in dem folgenden zu Leibe, und drang durch ihr Land, da er die Cherusker und Bruckter nicht fuͤrchten durfte, zu den Longobarden. VELL. II. 105. 106. zur ſichern Folge, daß erſtere ihr eigen Syſtem, und mit den Kauchen auch da - mals keine Verbindung hatten; gleichwie denn auch Ga - binius den Nahmen Chaucicus erhielt, zur Vermuthung, daß Letztere ihren eignen Verein hatten.
(g)

§. 91. Wird fortgeſetzt.

Dieſe Ruhe erhielt ſich eine Zeitlang auſſer daß die Chatten ſich ruͤhrten, und den Cheruskiſchen Saſſen nicht traueten. (a)Nero hatte inzwiſchen das Ver - gnuͤgen eine frieſiſche Geſandſchaft(b) in Rom zu empfangen; und ein ſehr anſtaͤndiges Verfahren bey den niederrheiniſchen Voͤlkern zu bemerken. Die Amſibarier oder Emslaͤnder wurden von den Kauchen welche ſich alſo damals bis an Kuakenbruͤck ausdeh - nen konnten, vertrieben,(c) und dieſe vielleicht durch eine groſſe Waſſerfluth(d) dazu gezwungen. Denn die uͤbrigen Saſſen, welche ſich ſonſt der Amſibarier annahmen, und ihnen die von den Roͤmern am Rhei - ne wuͤſtgelegte Gegenden zuwenden wollten, wieder - ſetzten ſich dieſer gewaltſamen Ausdehnung nicht. Die Roͤmer aber waren noch ſtark genug, die Saſſen an der Ausfuͤhrung ihrer mitleidigen Ab - ſichten zu verhindern. (e)Es ſchien als wenn dieBruck -190Oſnabruͤckſche GeſchichteBruckter damals unter den weſtfaliſchen Saſſen den Reihen fuͤhrten. Velleda(f) eine edle Bruckterin ſo ihren Sitz auf einem Schloſſe oder erhabenen Thurme an der Lippe hatte, regierte wenigſtens ihrer viele, und fuͤhrte das Wort fuͤr alle. (g)Sie wur - de als eine Perſon verehrt, welche aus goͤttlicher Ein - gebung handelte; und dieſes iſt insgemein die hoͤchſte und feinſte Wendung der menſchlichen Politik, wenn ſie den Wehrt und die Nothwendigkeit einer Mo - narchie erkennet, die Vortheile derſelben aber nur von einer geheiligten und ſchwachen Hand empfangen will. Unſre Vorfahren gehorchten alſo dero Zeit einer geheiligten Jungfrauen, in ſo weit ſie zu ge - horchen gewohnet waren;(h) und ſie hatten ſchon in den alten Zeiten ein gleiches Haupt an der Aurinie(i) gehabt.

(a)Catti metu ne hinc Romanus inde Cheruſci, cum quibus æternum diſcordant, circumgrederentur, legatos in urbem & obſides miſere. TAC. XII. 28. Der Haß auf dieſer Scheidung (§. 78. n. b.) dauerte alſo noch fort.
(a)
(b)SVET. in Claudio TAC. XIII. 54. Erſter nennt es eine Germaniſche Geſandſchaft, und ſetzt ſie unter den Clau - dius.
(b)
(c)TAC. XIII. 55. S. auch §. 60. n. d.
(c)
(d)Denn die Kauchen waren keine Eroberer. Chauci po - pulus inter Germanos nobiliſſimus magnitudinem ſuam ju - ſtitia tuentur, ſine cupiditate, ſine impotentia, quieti ſecre - tique nulla provocant bella, nullis raptibus aut latrociniis populantur. TAC. G. 35. Es waren Chaucorum diverſæ nationes; und ich vermuthe, nach dem was ich oben §. 60. n. b. bereits angefuͤhrt, daß alle Voͤlker, welche Hol-Lander oder Hol-Saten waren, von den Galliern Frieſen oder Freſen (frigere, frieren, auf Weſtphaͤliſch freſen iſt ſo viel als zittern) und von denDeut -191dritter Abſchnitt. Deutſchen Voͤlkern Kuaken genennet wurden. Die Sache ſelbſt, daß nemlich Menſchen auf einer ſchwim - menden Erd-Kruſte wohnten, kam allen die es ſahen gar zu ſeltſam vor. Regio (ut cum verbi periculo loquar) pœne terra non eſt. Ita penitus aqua permaduit, ut non - ſolum qua maniſeſte paluſtris eſt, cedat ad nixum & hau - riat preſſa veſtigium, ſed etiam ubi paulo videtur firmior pedum pulſu tentata, quattatur & ſentire ſe procul mota pondus teſtatur. Ita ut res eſt ſubjacentibus innatat, & ſuſpenſa late vacillat ut merito quis dixerit, exercendum fuiſſe tali ſolo militem ad navale certamen. EVMEN. pa - neg Conſt. 8. Und bey dieſer Vorausſetzung war Taci - tus gar nicht unrecht berichtet, wenn er ſagte: Chauco - rum gens incipit a Friſiis & omnium quas expoſui gentium lateribus obtenditur, donec in Cattos usque ſinuetur. Denn dieſes hohle Land mogte ſich, ehe man es mit Daͤm - men befeſtigte, ſehr weit erſtrecken.
(d)
(e)Metu exterriti Bructeri. TAC. XIII. 56.
(e)
(f)Velleda virgo nationis Bructeræ late imperitabat, vetere apud Germanos more, quo plerasque fœminarum fatidicas & augeſcente ſuperſtitione arbitrantur Deas. TAC. hiſt. IV. 61. Die Regierung der Vellede muſte von der Art ſeyn, daß ſie uͤber die koͤnigliche gieng, und gleichſam als Kayſerin die regulos der verſchiedenen Nationen|, zum Throne der Einigkeit verſamlete. Jhr wurden die Sieges-Zeichen, als der gefangene General Lupercus und das eroberte Admiral-Schif zugeſchickt; und die Deutſchen verglichen ihre Regierung mit der Roͤmiſchen, worunter ebenfals noch Koͤnige ſtanden, wenn ſie ſag - ten: Si dominorum electio ſit honeſtius principes Romano - rum, quam Germanorum fœminas tolerari. Id. V. 25.
(f)
(g)Die Niderrheinſchen Voͤlker machten in dem folgenden Kriege einen Haupt Theil aus; und wie der Roͤmiſche General ſie davon abmahnen ließ, ſo wandte er ſich bloß an die Vellede und ihre Verwandte. Id. V. 24. Sie entſchied auch die Sache wegen Coͤlln. Ib. IV. 65.
(g)
(h)Tacitus ſpricht zwar nie von einer Deutſchen Regie - rung; ohne ganz bedaͤchtig hinzuzuſetzen, in quantumGer -192Oſnabruͤckſche GeſchichteGermani regnantur. Denn das Wort regnare und rex im lateiniſchen Verſtande, druckte die obrigkeitliche Vollmacht bey den Deutſchen gar nicht aus; von den Brucktern dero Zeit aber ſagte man doch noch insbe - ſondre: eos non juberi non regi ſed cuncta ex libidine agere. Id. IV. 76; wiewol ich glaube daß dieſes nur von den edlen Partiſans galt, welche damals auf Ebentheuer zu dem Claudius Civilis zogen. Ueberhaupt aber hatte das regnum uͤber Leute, die in lauter Gilden ſtehen, und ſo lange ſie unter ſich zu thun haben, competentiam ſuperioris nicht erkennen, ſo vieles nicht auf ſich als jetzt, wo die Obrigkeit ohne Mittel den Kopf eines jeden Unterthanen befaßt. S. §. 73. n. d.
(h)
(i)Sed & olim Auriniam & complures alias venerati ſunt. TAC. G. c. 8. und KEYSLER in Ant. Sept. p. 369.
(i)

§. 92. Zweyte Periode der roͤmiſchen Kriege.

Die deutſche Zwietracht hatte bisher den Roͤmern gedient; nun aber ſollte auch einmal die roͤmiſche den Deutſchen zu ſtatten kommen. Nero war geſtorben mit ihm die regierende Familie erloſchen und kein Senat mehr vorhanden, welcher den Armeen Befehle ertheilen konnte. Galba und Otto waren nur eben erſchienen und Vitellius fand bald an dem Veſpa - ſian einen Gegner, welcher ihm keine lange Ruhe verſprach; als Claudius Civilis ein edler Bataver den kuͤhnen Entſchluß faßte fuͤr Letztern zu fechten, und fuͤr ſich zu gewinnen. (a)Er brachte alſo zuerſt ſeine Bataver, welche damals Gallien ruͤhrten, in die Wafen. Die Voͤlker hinter ihnen folgten ihrem Exempel. Was am Oberrhein war ruͤſtete ſich, und die Niederrheinſchen Voͤlker richteten ſich nach einer goͤttlichen Eingebung ihrer Velleda,(b) welche Ci -vilis193dritter Abſchnitt. vilis gewonnen hatte. Von andern Seiten ſtand das roͤmiſche Reich gleichfals in Gefahr, und Gallien er - wartete nur den Ausgang um ſich oͤffentlich zu erklaͤ - ren. So viele guͤnſtige Umſtaͤnde muſten nothwen - dig die beſte Hofnung geben. Der Krieg ward auch anfaͤnglich mit ziemlichen, bald darauf aber mit ab - wechſelnden Gluͤcke einige Jahr nach einander fort - gefuͤhrt, jedoch zuletzt durch Liſt und Unterhandlung ſolchergeſtalt, wie es ſcheinet, geendiget, daß Civilis ſeine Bedingungen(c) fuͤr ſich machte, und Velleden, welche nicht lange nachher als eine roͤmiſche Gefangne erſcheinet(d) ihrer eignen Gefahr uͤberließ.

(a)Veſpaſiani amicitiam ſtudiumque partium prætendit ---- dum alii Veſpaſianum alii Vitellium foveant patere locum adverſus utrumque. TAC. hiſt. IV. 13. 17.
(a)
(b)Tunc Velledæ autoritas adolevit. Nam proſperas Germanis, & excidium legionum prædixerat. lb. 61.
(b)
(c)Man weiß zwar den eigentlichen Schluß nicht, weil die Erzaͤhlung des Tacitus mitten in der Unterredung des Civilis und Cerealis abbricht. Es iſt aber klar, daß Civilis den Vorſatz hatte ſeinen Frieden mit Aufopfe - rung ſeiner Freunde, die ihn vielleicht auch auf gleiche Art zu hintergehen gedachten, zu erkaufen. Non fefellit Civilem ea inclinatio, & prævenire ſtatuit. V. 26.
(c)
(d)Alle davon uͤbrige Nachrichten beſtehn in folgenden: Vi - dimus ſub Veſpaſiano Velledam. TAC. G. 8. Captivæque preces Velledæ. STAT. Sylv. l. 4. v. 90.
(d)

§. 93. Vermuthlich entſtehn darin die Franken.

Die Unternehmung des Claudius Civilis ſetzte ganz Deutſchland in Erſtaunen,(a) und die VerbundeneNmog -194Oſnabruͤckſche Geſchichtemogten nach ihrer Befreyung von dem roͤmiſchen Joche, zuerſt Franken genannt werden, in der Folge aber dieſen Nahmen denjenigen von ihren Bundsge - noſſen laſſen, welche ihre Freyheit zuletzt behaupteten. Der Urſprung der Franken kann wenigſtens fuͤglich in dieſe Zeit geſetzt werden, obgleich die Roͤmer ihnen die Freyheit und den Nahmen davon nicht eher zugeſtehn konnten, bis die Zeit deſſen Urſprung verdunkelt hatte. Bey dem groͤſten Fortgange ihrer Waffen ſchickten die niederrheiniſchen Voͤlker eine Botſchaft nach Coͤlln, deſſen ſich die Roͤmer ſeit langer Zeit zu ihrem Waffenplatze hier unten bedienten, um dieſer Stadt Gluͤck zu wuͤnſchen, daß ſie nunmehr frank unter franken Voͤlkern ſeyn koͤnnte; zugleich aber auch, um die Niederreiſſung ihrer Stadt-Mauren zu fordern, damit ein ehrlicher Deutſcher, ohne ſeine Waffen abzulegen, wie auch ohne Zoll und ohne Wache uͤber den Rhein gehen koͤnnte. Man erkeunet daraus un - gefehr ihre weiteſten Abſichten, und wird durch die Folge uͤberzeugt, daß die Gefangenſchaft der Vellede keine ſchlimme Veraͤnderung in unſern Gegenden und dem bisherigen Syſtem hervorgebracht habe.

(a)Magna per Germanias Galliasque fama, libertatis autores celebrabantur. TAC. hiſt. IV. 17. Man kann dieſes - berſetzen: ſie wurden als Franken geprieſen. Jch weiß zwar wol daß der Nahme der Franken zuerſt beym VO - PISCO in Aurel. c. 7. und ums Jahr 253 oder 255 vor - koͤmmt. Allein da unter demſelben ganz unſtreitig die Chatten, Sicamber, Tenkter und andre benachbarte Voͤlker verſtanden ſind, wie GRVPE in obſ. de primis Francor. ſedibus. 1. §. 2. auſſer allen Zweifel geſtellt, mit - hin ein Zeitpunkt angenommen werden muß, worin dieſe Voͤlker als liberati ſive exemti (denn frank undfrey195dritter Abſchnitt. frey bezeichnet keinen liberum originarium S. §. 6. n. b. und §. 51. n a) haben erſcheinen koͤnnen: ſo finde ich in der Geſchichte keinen bequemern als dieſen, deſſen Entfernung hinreicht jene Voͤlker in den ruhigen Beſitz dieſes Nahmens zu ſetzen. Denn ſo wenig die Spanier Freye Niederlaͤnder kennen wollten, eben ſo wenig mogten die Roͤmer in den naͤchſten Provinzien am Nie - derrhein Franken wiſſen wollen. Es gehoͤrte einige Zeit dazu, um ihnen dieſe Benennung gelaͤufig zu ma - chen, und wenn ſie beym Vopiſcus zuerſt vorkommen, erſcheinen ſie ſchon mit allem Ruhme der freyen Nieder - laͤnder, und man kann von jenen alten wie von dieſen neuen Franken ſagen: gens eſt non tam lata quam vali - da. §. 78. n. b. Man erkennet auch ſchon ihren Ton in ihrer Anrede an die Stadt Coͤlln: liberi inter liberos eri - tis. TAC. hiſt. IV. 64.
(a)

§. 94. Und behaupten ſich die Chatten als Franken.

Die Chatten ſchienen zuerſt den Nahmen der Fran - ken zu behaupten. (a)Sie fielen auf die Cherusker, und verjagten deren Koͤnig Chariomer(b) weil er zu maͤchtig und mit der Zeit ein gefaͤhrlicher Nachbar werden konnte. Chariomer kam zwar einigemal wieder empor,(c) und Domitian unterſtuͤtzte ihn als einen roͤmiſchen Freund mit Gelde; machte auch ſelbſt einige Bewegungen gegen die Chatten; allein ohne Nutzen, und es ſcheinet, daß die Cherusker ſich von ſolcher Zeit an der Ehre, ſich unter einem eignen Feldkoͤnige verbunden und gefuͤrchtet zu ſehen, bege - ben muſten. (d)Die Brukter hingegen erhielten ſich noch mit Macht, und ihre damalige heilige Beherr - ſcherin Ganna,(e) welche nach Velledens Zeit ver -N 2ehret196Oſnabruͤckſche Geſchichteehret wurde, beſuchte den Kayſer Domitian in Rom. Die Roͤmer gewannen an Vertrauen nach dem Maſſe, wie ſie ihren Nachbarn weniger gefaͤhrlich wurden, und ihre Freundſchaft wurde den Brukteriſchen Saſſen im - mer noͤthiger, da die Germanier unter den ſchwachen Kayſern ſich ihrer alten Groͤſſe naͤherten, den Koͤnig welchen ihnen die Roͤmer gegeben hatten, verjagten, und im Begrif ſtanden Gallien zu verheeren; die Chatten aber den Domitian nicht fuͤrchteten, und die Markomannen nebſt den Quaden dem roͤmiſchen Reiche den Untergang droheten.

(a)Die Chatten zeigten dem Domitian daß ſie wuͤrklich Franken waren. Es heißt zwar. De Cattis Dacisque poſt varia prælia duplicem triumphum egit. SVET in Do - mit. 6 und DIO LXVII. erklaͤret dieſes dahin, daß er in Deutſchland keinen Feind geſehn haͤtte; wobey TAC. in Agr. 39. die Anmerkung macht: deriſui fuiſſe falſum e Germania triumphum emtis per commercia, quorum habi - tus & crines in captivorum ſpeciem formarentur. Allein die Wahrheit lautet alſo: Ergo (Catti &c.) ſuſtulerant animos & jugum excuſſerant (ils s etoient affranchis) nec jam nobiſcum de ſua libertate ſed de noſtra ſervitute certa - bant: ac ne inducias quidem niſi æquis conditionibus ini. bant: legesque ut acciperent, dabant. PLIN. in Traj II. und die Roͤmer hatten das dieſſeitige Ufer des Rheins gewiß verlohren, wie MART Ep. X. 7. nicht undeutlich anzeigt: S. SCHATEN in hiſt Weſtph. ll. ad ann. 84. und aus der groſſen Verlegenheit, worin ſich Domitian nach der Markomanniſchen Niederlage befand, leicht zu ſchlieſſen iſt. Unter jenen affranchis oder Franken ſind nach allen Umſtaͤnden die Chatten, Uſipeter, Tenkter und Sicamber zu verſtehn. S. SIDON. APOLL. in paneg. Aviti. Wie ſie denn auch 170 Jahr ſpaͤter den Nahmen der Franken von den Roͤmern erhielten.
(a)
(b)Chariomer rex Cheruſcorum, a Chattis imperio ſuo propterami -197dritter Abſchnitt. amicitiam, quam cum Romanis colebat, ejectus. DIO. LXVII.
(b)
(c)Ib.
(c)
(d)Qui olim boni æquique Cheruſci, nunc inertes ac ſtulti vo - cantur: Cattis victoribus fortuna in ſapientiam ceſſit TAC. G. 36. Aus den letzten Worten ſollte man muthmaſſen, daß es den Chatten zur Verwegenheit angerechnet wor - den, wie ſie ſich an die Cherusker gewagt. Tacitus zog aber vielleicht die Bilanz nach ihrem beyderſeitigen al - ten Ruhm, und nicht nach dem Uebergewicht, welches die Chatten durch ihre neuen Verbindungen, excuſſo jugo Romanorum, erhalten hatten.
(d)
(e)Maſyus rex Semnorum & Ganna virgo (ea poſt Velledam in Celtica vates oracula reddebat) Domitianum adierunts & honorifice ab eo tractati domum rediernnt. DIO. l. c.
(e)

§. 95. Groſſe Niederlage der Brukter.

Trajan zuͤchtigte(a) endlich der Roͤmer und Saſ - ſen gemeinſchaftliche Feinde die Chatten und andre Franken, und brachte dadurch die Sachen am Nie - derrhein wieder auf einen ſolchen Fuß, daß er in der Folge ſich mit der ganzen roͤmiſchen Macht gegen die Donau und die Morgenlaͤnder wenden konnte. Die Freundſchaft der Roͤmer und die Schwaͤche der Chatten diente aber den Saſſen, und beſonders den Bruktern nur ſich ihrer Macht zu uͤberheben. Dieſe waren eine Zeitlang dasjenige unter den Saſſen in Weſtphalen geweſen, was die Sueven unter den Germaniern waren, und die Sicamber unter den Franken wurden. (b)Sie waren gleichſam die ausſchreibende, und mit der Zeit gewiß die herrſchende Nation. Denn Vellede und Ganne waren Brukter - ſcher Herkunft, und hatten ihr Amt ſchon weit genugN 3aus -198Oſnabruͤckſche Geſchichteausgedehnt. Auf einmal thaten ſich dahero ihre Nachbarn und beſonders die Angrivarier und Cha - maver zuſammen(c) griffen die Brukter an, und erſchlugen ihrer am Rhein in einem Treffen uͤber ſech - zig tauſend Mann. Es iſt wahrſcheinlich, daß dieſe Niederlage den Brukteriſchen Heerbann betroffen, und der Adel es mit den Angrivariern und Chama - vern gehalten habe. Denn der Brukteriſche Koͤnig fluͤchtete gleich vielen andern Koͤnigen, die dem Adel beſchwerlich wurden, nicht lange hernach zu den Roͤ - mern, welche ſich der Koͤnige, als ihrer Lehnleute an - nahmen.

(a)PLIN. in Traj. XI.
(a)
(b)S. §. 78. n. b.
(b)
(c)Juxta Tencteros Bructeri olim occurrebant: nunc Chama - vos & Angrivarios immigraſſe narratur, pulſis Bructeris ac penitus exciſis, vicinorum conſenſu nationum, ſeu ſuper - biæ odio, ſeu prædæ dulcedine, ſeu favore erga nos Deo - rum. Namneſpectaculo quidem prælii invidere. Super LX millia non armis telisque Romanis, ſed quod magnificentius eſt, oblectationi oculisque ceciderunt. TAC. G. 33.
(c)

§. 96. Jhre Folgen.

Die Folgen dieſer groſſen Niederlage koͤnnen zwar nicht ſo betraͤchtlich geweſen ſeyn, als man vermuthen ſollte. Denn Spurinna kam den Bruktern noch zei - tig zu ſtatten,(a) befeſtigte ihren Koͤnig, und erhielt desfals zu Rom die Ehre des Triumphs. Es iſt aber doch glaublich, daß viele kleine Voͤlker, und beſonders diejenigen welche damals in unſern Gegenden ſaſſen, ſich von den Bruktern getrennt und zu den Angrwa -riern199dritter Abſchnitt. riern geſchlagen haben. Vielleicht blieb wohl gar der Brukteriſche Nahme blos denjenigen Bundes-genoſ - ſen, welche vorhin jenſeits der Lippe(b) zu ihnen gehoͤ - ret und daher ihren Nahmen gefuͤhret hatten. Dann die Brukter zeigten ſich bald darauf am Rhein, und zuletzt im fraͤnkiſchen Bunde, mit deſſen Huͤlfe ſie ſich der Angrivarier erwehren konnten. Eine ſolche Ver - aͤnderung ſchadete dero Zeit der gemeinen Freyheit ſo leicht nicht. Ein uͤberwundenes Volk trat gleichſam nur in den Bund der Sieger, ohne im uͤbrigen ſeine Verfaſſung zu verlieren, es mogte denn ſeyn, daß man es voͤllig vertilgte oder verjagte. Denn man kannte das Mittel noch nicht, Laͤnder durch Beſatzungen zu erhalten; und ließ einem Feldherrn ſchwerlich das Recht aus einem gemeinen Gewinn ſein Eigenthum zu machen, ſolchen ſeinem Gefolge zu verleihen, und der Nation gefaͤhrlich zu werden. Auſſer dieſem aber hat - ten die Sieger keinen andern Weg ſich der Ueberwun - denen zu verſichern, als ſie mit ſich ſelbſt in eine gemeine Reihe zu bringen, und ihnen ihre eigne Ehre mitzutheilen; oder ſie ganz zu vertreiben, und ihre Hoͤfe mit Siegern zu beſetzen, welche denn ihr Recht noch weniger verlohren.

(a)Spurinna Bructerorum regem vi & armis induxit in regnum oſtentatoque bello ferociſſimam gentem terrore perdomuit. PLIN. II. ep. 7. Es ſind einige welche die Niederlage der Brukter auf die Unternehmung des Spurinna folgen laſſen.
(a)
(b)Die Peutingeriſche Charte nach der Ausgabe des von Scheib, zeigt ſie daſelbſt Segm. II Allein da es bloß eine Reiſecharte iſt, worauf der Rhein in gerader Linie laͤuft, und das Wort: Boructuarii nur in derN 4Per -200Oſnabruͤckſche GeſchichtePerſpective zu ſtehn ſcheint: ſo wuͤrde darauf ſo viel nicht zu bauen ſeyn, wann nicht andre Umſtaͤnde hinzu - kaͤmen.
(b)

§. 97. Die Saſſen genieſſen endlich roͤmiſche Subſidien.

Das Anſehn wozu Trajan die roͤmiſche Macht wieder erhoben hatte, erhielt ſich unter ſeinem Nach - folger,(a) und wie der Kayſer Marc Aurel mit dem groſſen ſchwaͤbiſchen Bunde, worinn dero Zeit die Markomannen die Oberhand hatten, und mit dem andern groſſen Waffenverein jenſeits der Elbe(b) zu gleicher Zeit Krieg fuͤhren muſte: ſo zogen die Saſſen Subſidien(c) von den Roͤmern, und halfen ihnen gegen ihre alten Feinde die Sueven. Dieſes Sy - ſtem ſchien ſich eine gute Weile zu erhalten, obgleich die frieſiſchen und kauchiſchen Saſſen, welche man mit den Bruktern und Angrivariern gar ſelten in Ge - meinſchaft findet, ſich als Feinde zeigten. Wenig - ſtens fuhr der Kayſer Commodus fort die Subſi - dien(d) zu bezahlen; und Caracalla ſchlug ver - muthlich auch mit ihrer Huͤlfe die Germanier, welche damals zum erſtenmal von den Roͤmern Alleman - nier(e) genannt und damit von den Niederrheiniſchen Voͤlkern deutlich unterſchieden wurden. Dieſe mog - ten ihm aber gegen die Kauchen, Frieſen und Anglen nicht dienen wollen, weil er denſelben fuͤr baares Geld das Recht abkaufte, uͤber ſie triumphiren zu duͤrfen; ein Recht welches ihm zuletzt alle Voͤlker verkaufen wollten.

(a)Es heißt vom Hadrian bloß: Germanis regem conſtituit. SPART. 201dritter Abſchnitt. SPART. in Adr. p. 6. ed. Pariſ. fol. 1620.; und vom An - tonin: Germanos & Dacas -- contudit per præſides. CA - PIT. in Ant. p. 19 ib. Unter dieſem Germanien aber iſt Oberdeutſchland zu verſtehn. Die Chatten fielen un - ter dem Marc Aurel zwar in Gallien und Rhetien; es ſcheinet aber daß ſie nachwaͤrts mit den Germaniern kei - ne gemeinſchaftliche Sache gemacht, weil beym CAPIT. in Ant. Phil p. 31. ſo ſorgfaͤltig die Nahmen der ſchwaͤ - biſchen Bundesgenoſſen erzaͤhlet, und die Chatten dar - unter nicht genannt werdea.
(a)
(b)S. §. 77. n. a.
(b)
(c)Emit Germanorum auxilia contra Germanos CAPIT. l. c. Darunter ſind unſtreitig die Voͤlker in Niederdeutſch - land zu verſtehen, weil ganz Oberdeutſchland mit den Roͤmern im Kriege war. HERODIAN. in fine Marci. Doch will ich zugeben, daß nicht bloß die Saſſen, ſon - dern auch die Voͤlker, welche nachwaͤrts Franken hieſſen, ſich davon bereichert haben.
(c)
(d)HEROD. in Commodo.
(d)
(e)S. §. 76. n. f.
(e)

§. 98. Dritte Periode der Kriege mit den Roͤmern.

Schon damals als Sever und Albin ſich einander das Reich ſtreitig machten, und Albin Gallien vor ſich hatte, ſchienen die Niederrheinſchen Voͤlker es mit den Galliern zu halten und damit den Grund zu neuen Kriegen mit den Roͤmern zu legen. Sie er - fuhren wenigſtens die Rache der Roͤmer, und der grauſame Maximin ruͤhmte ſich nachher viermal hun - dert tauſend Doͤrfer(a) in Niederdeutſchland(b) ver - heeret zu haben. Wie aber der groſſe ſchwaͤbiſche Bund, oder die nunmehrigen Allemannier auf JtalienN 5und202Oſnabruͤckſche Geſchichteund Spanien fielen; der andre Bund an der Do - nau in Pannonien einbrach, folglich Gallien oder vielmehr das alte Belgien ſich ſelbſt erhalten muſte, aͤnderte ſich die Verfaſſung. Die niederrheinſchen Voͤlker unterſtuͤtzten die von den Galliern erwaͤhlte beſondern Kayſer,(c) und beguͤnſtigten eine Tren - nung, wovon ſie unter dem Aurelian und Probus(d) das Opfer wurden. Die roͤmiſchen Kayſer ſuchten ihre Freundſchaft ſo bald nicht wieder; ſondern be - handelten ſie als maͤchtige feindliche Nachbaren,(e) ſo gut ſie konnten, ohne jedoch einige Eroberungen dieſſeits des Rheins zu machen.

(a)Non poſſumus tantum P. C. loqui quantum fecimus. Pet CCCC millia Germanorum vicos incendimus, greges ab - duximus, captivos abſtraximus armatos occidimus, in pa - lude pugnavimus. Perveniſſemus ad ſylvas niſi altitudo palu - dum nos tranſire non permiſiſſet. So ſchreibt Maximin ſelbſt an den Senat. Beym CAPIT. p 142. In MSto Palatino ſteht per 40 50 millia und Salmaſius in not. ad Capit. begnuͤgt ſich auch mit 40 bis 50-000 Doͤrfern ꝛc.
(a)
(b)Alle Nachrichten reden fuͤr Niederdeutſchland. Sonſt koͤnnten die Winterquartiere in Pannonien einer andern Vermuthung Raum geben. Multisque enim captivis atque ingenti præda abacta, inſtante hyeme in annoniam rever - ſus eſt --- ibique vernam expeditionem præparabat HE - RODIAN. in Maxim. p. 149. Edit. Steph. de 1581.
(b)
(c)EVTROP. ſub Gallieno. TREB. POLLIO in Poſtumio & Lolliano.
(c)
(d)Der Kayſer Probus ſagt zwar in ſeinem Schreiben an den Senat zu Rom: Subacta eſt omnis qua late tenditur Germania, novem reges gentium diverſarum ad meos pe - des immo ad veſtros ſupplices ſtratique jacuerunt. VO - PISC. in Probo. p 239. Allein er lenkt doch ziemlich ein, wenn er hernach ſchreibt: Omnes penitus Galliæ liberatæ ---- voluerimus Germaniæ novem præſidem facere, ſed hæcad203dritter Abſchnitt. ad pleniora vota diſtulimus. Ib. Die Wahrheit iſt wohl, daß ganz Gallien von den niederrheiniſchen Voͤlkern uͤber - ſchwemmet war, und Probus 60 Staͤdte wieder er - oberte.
(d)
(e)Aus der ganzen Periode der Kriege welche Maximian, Conſtantius, Conſtantin der Groſſe und Julian ꝛc. mit ihnen fuͤhrten, ſind uns faſt nichts als uͤbertriebene Er - zaͤhlungen von einer Menge zu ihrem Nachtheil vorge - fallener Schlachten uͤbrig geblieben, welche beym SCHA - TEN in hiſt. Weſtph. IV. V. nachgeleſen werden koͤnnen. Und die ſchuͤlerhaften Panegiriſten der damaligen Zeit verdienen nicht, daß man ihnen nachſchreibe.
(e)

§. 99. Die Saſſen zeigen ſich nun auch dem Nahmen nach.

Jnzwiſchen waren unter dem Diocletian(a) die Saſſen nun auch dem Nahmen nach beruͤhmt ge - worden; es ſey nun daß ihnen derſelbe in einer ge - wiſſen Beziehung, oder zum beſondern Unterſchiede ge - geben wurde, nachdem andre welche ihren beſondern Bund hatten ſich unter dem Nahmen von Franken nicht lange vorher bekannt gemacht hatten. Der Ruhm dieſes Nahmens faͤllt in die Zeit, da ihnen die Franken gegen die Roͤmer vorarbeiteten, die Germa - nier aber den einbrechenden Gothen, und die thuͤrin - giſchen Chatten den Wandalen und Gepiden zu ſteuren, folglich alle ihre alten Feinde vor ſich zu thun hatten. Sie hatten alſo dero Zeit gleichſam die Wahl der Ebentheuer, und pluͤnderten die galliſchen und ſpaniſchen Kuͤſten, mit eben dem Geiſte womit ſie nachwaͤrts in Britannien(b) uͤbergiengen. Dieſe ihre Unternehmungen in Geſellſchaft, und mehrentheils unter dem Nahmen der Franken, waͤhreten bis aufdie204Oſnabruͤckſche Geſchichtedie Zeiten Julians, da die Saſſen und beſonders die kauchiſchen,(c) weil ſie vor den Roͤmern zu Hauſe ſicherer als die Franken waren, ohne Unterlaß die galliſchen Kuͤſten beſuchten, und ſich zur See fuͤrch - terlich machten. Die fraͤnkiſche und ſaßiſche Freund - ſchaft trennete ſich oͤfterer(d) weil jene insgemein die Schlaͤge empfingen welche letztere verdienten. Und ſelbſt die Franken muſten ſich bisweilen gegen ihre Freunde von den Roͤmern gebrauchen laſſen.

(a)EVTROP. IX. 18. Doch erwehnet ihrer auch ſchon PTOLOM. in Geogr. II. 11. und man ſpuͤret in dem Fortgange der Geſchichte, daß ſich alles, was nicht zum fraͤnkiſchen Bunde gehoͤrte, in Saſſen verwandelt habe; und dieſer allgemeine Nahme, vielen Voͤlkern, die man einzeln nicht allemal erzaͤhlen, weder Deutſche noch Germanier nennen, und doch gern ſub uno nomine col - lectivo haben wollte, gegeben worden. Es hieß alſo in der Folge: Chauci Saxonum pars. ZOSIM III. Obſchon die erſtern ſich als ein eignes beſonders Volk erhielten, und noch zu Carls des Groſſen Zeiten unter dem Nah, men der Frieſen von den Saſſen unterſchieden wurden.
(a)
(b)S GRVPEN in obſ. rer. & ant. Germ. VI. Jch erweh - ne dieſer Unternehmung nur beylaͤufig, weil ſie mir nicht das Werk der Nation, ſondern einiger Privatge - folge geweſen zu ſeyn ſcheinet. Ob jemals Angeln nach Engelland gekommen; und ob nicht Angel-ſex nur ſo viel als Mittel-ſex (S. §. 80. n. a.) mithin die Ge - ſchichte von den Angeln eine ſpaͤtere Fabel ſey, lieſſe ſich noch unterſuchen, und, falls es zu verneinen, be - haupten, daß weil die Koͤnige der mittlern - oder Angel - Saſſen zur allgemeinen Herrſchaft gekommen, der Nah - me Angelland eben daher auch der allgemeine geworden.
(b)
(c)Dieſe wurden nun aus einem Mißverſtande Quaden genannt; nachdem das Wort kauke mit vollerm Mun -de205dritter Abſchnitt. de von den Franken Quake ausgeſprochen werden mogte. S. §. 60. n c. Der Kayſer Julian ſtellete die Sachen am Niederrhein mit auſſerordentlicher Muͤhe wieder her. S. AMM. MARCELL. XVII. 8. ad ann. 358. JVLIANVM in ep. ad Ath. p. 279. ſs.
(c)
(d)Alsdenn hieß es: Saxones a Francis prohibiti Rhenum tranſire. ZOSIM. III. 6.
(d)

§. 100. Jn den ehmaligen Graͤnzen der Che - rusker ꝛc.

Solchergeſtalt zeigten ſich nunmehr drey Haupt - Voͤlker in Deutſchland, die Allemannier, Franken und Saſſen, welche zwar wohl bisweilen zufaͤlliger Weiſe, aber allezeit als drey unterſchiedene Nationeu mit den Roͤmern und Galliern kriegten; ſehr oft ge - gen einander fochten, und kein gemeinſchaftliches Reich erkannten. Man ſah noch ſehr oft die Fran - ken und bisweilen auch die Saſſen mit den Roͤmern gegen die Allemannier(a) und ihre Bundesgenoſſen fechten, beſonders unter dem Gratian und Theodo - ſius. Wie aber endlich der uͤberelbiſche groſſe Waffenverein,(b) oder die Wandalen, Gothen, Quaden und andre Voͤlker, nachdem ſie von den Roͤmern an der Donau nicht weiter beunruhiget wurden, in Deutſchland einbrachen, die durch unauf - hoͤrliche Kriege erſchoͤpften Sueven mit ſich fortriſſen, und Gallien ſolchergeſtalt uͤberſchwemmeten, daß ſie zwiſchen die Roͤmer und Franken zu ſtehen kamen, behaupteten letztere mit Huͤlfe der Saſſen ihre Be - ſitzungen. (c)Jene dehnten ſich daher nach Jtalien und Spanien aus, gaben aber auch bald, da ſie ſichim206Oſnabruͤckſche Geſchichteim Ruͤcken ſchwaͤchten, den Franken und Saſſen Gelegenheit, ihnen einen Theil ihrer Eroberungen wieder zu entreiſſen, woruͤber ſich die Roͤmer ver - geblich beklagten. Nunmehr fieng die fraͤnkiſche Macht an in Gallien eine Geſtalt zu gewinnen, und den Roͤmern noͤthiger(d) als jemals zu werden. Das fraͤnkiſche Reich dehnte ſich darauf unter dem groſſen Chlodowig durch Oberdeutſchland aus, und ſchloß ſich nach der Niederlage der thuͤringiſchen Chatten, gegen die Saſſen an eben den Gebuͤr - gen,(e) welche ehedem den Sueven gegen die Che - rusker zur Vormauer gedienet hatten.

(a)Nach dem Conſtantio Presbytero Lugd. in vita S. Germ. beym VALES. L. IV. rer. Franc. p. 161. hat aber Aetius die Allemannen auch, eben wie vorhin Tiber die Mar - komannen, gegen die Franken und ihre Freunde die Saſſen gebraucht.
(a)
(b)S. §. 77. n a.
(b)
(c)Die Erzaͤhlung HIERONYMI in epift. ad Ageruchiam tom I. opp. edit F ancof. p. 60 wirft alles durcheinander. Quicquid inter Alpes & Pyrenæum eſt, quod Occano & Rheno ineluditur, Quadus, Vandalus, Sarmata, Alani, Gepides, Heruli, Saxones, Burgundiones, Alemanni & ho - ſtes Pannonii vaſtarunt. Man ſollte daraus ſchlieſſen, als wenn alle dieſe Voͤlker gemeinſchaftlich gegen die Roͤmer gekrieget haͤtten. Allein die Umſtaͤnde ergeben daß die Franken und Saſſen, eben wie ehedem die Belgier, S. §. 77. n. i. ſich dem Strome entgegen geſetzet haben. Man bemerkt ein gleiches bey dem Einbruch der Hun - nen, wovon SIDON. carm. 7. v. 319 ſs. eine gleiche Nach - richt giebt; die Franken und Saſſen ſequeſtrirten nur die roͤmiſchen Provinzien. Daß ſie aber ſolche nachwaͤrts nicht wieder zuruͤckgegeben haben, daran war der Roͤmer Ungluͤck Schuld.
(c)(d)207dritter Abſchnitt.
(d)Das roͤmiſche und fraͤnkiſche Jntereſſe vereinigte ſich nun aus Noth gegen die Allemannier und andre Voͤlker, ſo ihnen aus Deutſchland und Pannonien uͤber den Hals kamen; und es konnte nicht eher ruhig werden, als bis die Franken und Allemannier in ein Reich zuſammen traten und das alte Germanien gegen die Donau wieder in Anſehn brachten.
(d)
(e)Es iſt beſonders daß die fraͤnkiſchen Eroberungen der Linie nachgiengen, welche das alte Germanien eingefaßt hatte; und man ſollte in dem Conſulat des erſten fraͤn - kiſchen Monarchen Chlodoveus, welches er noch von dem Kayſer Anaſtaſius annahm, nachdem Juſtinian den Franken Gallien ſchon abgetreten hatte, S. DV BOS hiſt. crit. de la Mon. Fr. III. 6. c. 12., faſt einen Tittel ſuchen, wodurch er ſich gerade zu dieſer und keiner an - dern Eroberung berechtigen konnte. Denn unter dem Vorwand dieſes Conſulats konnte er die von Conſtantin dem Groſſen gemachte groſſe galliſche Praͤfectur wieder - herſtellen, und damit Oberdeutſchland a titre de reunion an ſich reiſſen. Eben ſo hatte der Comes Syagrius der ſich vom Kayſer Mauritius zum roͤmiſchen Patritius machen ließ S. FREDEG. Chron. ad ann. 587. c. 6. ſicher die Abſicht den Koͤnig Guntram unter ſeinen Be - fehl zu ſetzen.
(e)

§. 101. Die Macht der Franken veraͤndert ihr Syſtem.

Die Saſſen waren bisher ohne Reich wie ohne Syſtem geblieben, und uͤberall nur dem Kriege nach - gezogen, wohin es ihnen am beſten gefallen hatte, ohne an ihre gemeinſchaftliche Sicherheit zu geden - ken. Nun aber merkten ſie ihren Fehler, und es war als wenn ihnen bey dem Fall der Thuͤringer, welchen ſie noch gemeinſchaftlich mit den Franken befoͤr - derten,(a) ihr eigner ahndete. Sie zogen alſodie -208Oſnabruͤckſche Geſchichtedieſen nunmehr wider die Franken zu Huͤlfe; aber zu ihren Schaden. Denn dieſe hatten jetzt den Mittel - punkt ihrer Staͤrke da, wohin ſich die Roͤmer kaum ausgedehnt hatten; und eine ſo vollkommen ge - ſchloſſene Einrichtung, daß die Saſſen dagegen nicht leicht aufkommen(b) mogten. Die Roͤmer hatten es bey ihrem Verzicht auf alle Eroberungen dieſſeits des Rheins, nicht rathſam geachtet, die niederrhein - ſchen Voͤlker mit einem Tribut zu beſchweren und zu reitzen. Die Franken brauchten ſo viele Maͤßigung nicht; und der aͤltere Hlotar(c) trug gar kein Be - denken, den geſchlagenen Saſſen einen Tribut von 500 Rindern aufzulegen. Doch iſt es wahrſchein - lich, daß ſich zu ſolchem Tribut nur einige vorlie - gende Gemeinden verpflichtet haben. (d)Jmmittelſt wurde dadurch der alte Haß wieder rege, und an der groſſen Scheidung, wo vordem die Sueven und Cherusker eine ewige Feindſchaft hatten, bekriegten ſich jetzt nach veraͤnderten Nahmen die Franken und Saſſen.

(a)Es beruht dieſes auf der Erzaͤhlung Widekinds von Cor - vey. Jn dem vorigen Kriege, wovon es heißt: Poſt innumeras cædes, poſt populi totius diminutionem, poſt patriæ devaſtationem reſiduos tandem qui vitam fuga pro - texerant, redire præcepit, & eos Francis tributarios fecit. S. RORICO. ad ann. 491. wird der Saſſen ſonſt nicht gedacht; und im Jahr 553 hielten ſie es ſchon mit den Thuͤringern. Hlotharius ipſe Saxones rebellantes juxta Wiſeram fluvium magna cæde domuit & Thuringiam per - vaſam devaſtavit. RORICO ad ann. 553. Und noch deut - licher: Eo anno rebellantibus Saxombus Chlotacharius rex commoto contra eos exercitu, maximam corum partem delevit, pervagans totam Turingiam, pro co quod Saxoni -bus209dritter Abſchnitt. bus ſolatium præbuiſſent. GREG. TVR. IV. 10. MARII Epiſc. Chron. ad ann. 555. beym BOVQVET T. II. p. 16. Die Thuͤringer und Saſſen waren alſo damals Freun - de und fielen bald wieder in Franken. S. App. ad MARCELLINI Com. Chron. ad ann. 556. ib. p. 21.
(a)
(b)LIBANIVS in orat. 3. ſeu Baſilico giebt von ihnen einen feinen Zug. Quietem otiumque omnino judicant morbum. Quapropter ab omni ævo ſuperiore, qui proquinquum illis regnum fortiti ſunt, neque rationes invenerunt quibus per - ſuaderent, neque tantam in armis vim habuerunt ut quie - ſcere cogerent.
(b)
(c)S. GREG. TVRON. IV. 14. und FREDEGAR. in Chron. c. 74. ad ann. 681. und iſt der Styl bey den fraͤnkiſchen Schriftſtellern allemal dieſer: Saxones pacem petentes juri Franc. ſeſe, ut antiquitus mos fuerat, ſubdiderunt & ea tributa quæ Chlotario quondam præſtiterant, pleniſſima ſolutione ab co tempore deinceps eſſe ſe reddituros pro - miſerunt. ANN. PYTH ad ann. 747. Der Tribut be - ſtand einmal aus 500 Pacht-rindern, vaccis inferendali - bus, und einmal aus 300 Pferden, vermuthlich war das letztere minder ſchimpflich als das erſte, wodurch ſie fraͤnkiſchen Domanial-Eigenbehoͤrigen gleich geſetzt wa - ren.
(c)
(d)Bisweilen moͤgte es ſcheinen, daß es bloß Saxones, qui Nordſuavi vocabantur, geweſen, weil es in ANN. MET. ad ann. 748 heißt: centum mille Saxones, qui Nordſuavi vocantur, ſub ſuam ditionem ſubactos, contritosque ſube - git; woraus man zuruͤckſchlieſſen muͤſte, daß ein Theil von Sachſen ehedem ſchon zur Sueviſchen Provinz ge - macht worden; welches vielleicht damals geſchehn, als der Zug mit den Longobarden nach Jtalien geſchahe; wovon WARNEFRID. III. 5. ſs. Hiernaͤchſt heißt es auch oft Saxones qui ſuo regno adfines eſſe videbantur fe - liciter acquiſivit. THOROM. VI. ad ann. 744. beym CANIS. T. II. p. 215. Ed. Baln.
(d)
O§ 102.210Oſnabruͤckſche Geſchichte

§. 102. Sie unterſcheiden ſich in Oſt - und Weſt-faͤlinger ꝛc.

Jn dieſen Umſtaͤnden mogten ſich zuerſt die Saſſen, zu ihrer beſſern Vertheidigung, in drey Hauptkreiſe unterſcheiden; oder doch von den Franken in oͤſtliche, weſtliche und mittlere(a) unterſchieden werden; wenn man vermuthen will, daß eine gleiche Abtheilung unter andern Nahmen ſchon vorher(b) ſey beliebet worden. Der groͤſte Theil unſers Stifts gehoͤrte unſtreitig zu dem weſtlichen, oder zu Weſtfalen, und vermuthlich das jetzige Amt Groͤnenberg nebſt Wittlage zu Engern. Der gemeinſchaftliche Sam - melplatz der Saſſen ſoll zu Markloh(c) an der Weſer geweſen ſeyn; und er muß wol allemal an der Weſer angenommen werden, weil bey einem Anfalle vom Niederrhein oder durch Heſſen, ihre Vereini - gung in der Mitte am ſicherſten und bequemſten war. Die Kriege mit den Franken wurden lange an der Ober-weſer gefuͤhrt; es ſey nun daß die Oſtfaͤler noch immer ein cheruskiſches Herz gegen die Chatten, oder eine vorzuͤglich kriegeriſche Verfaſſung, oder auch wegen des einigen unter ihnen auferlegten Tri - buts, mehrere Urſache hatten, die Franken zu haſſen. Dieſe hatten uͤberdem, auf mehrere Faͤlle,(d) ihre groͤſte Macht in Oberdeutſchland; und folglich auch die Wahl des Kampf-platzes. Jn Weſtfalen ſchien es wenigſtens die erſte Zeit ruhig.

(a)S. §. 80. n. a. Die Meinung TRITHEMII in lib. de ſcript. eccl. c. 3. welche HERT. de vett. Germ. pop. III. 3. p. 135. opp. ſo geſchwind annimmt; daß nemlichWeſt -211dritter Abſchnitt. Weſtvalus ſo viel als Weſtgallus, und jener Nahme als - denn erſt entſtanden ſey, wie gegen die nach Frankreich gefuͤhrte Sachſen, Gallier wieder nach Weſtphalen ge - ſchickt worden, ſcheint wohl ein Spielwerk.
(a)
(b)Ebend.
(b)
(c)ROLEVING. in ant. Sax. II. 1. p. 52.
(c)
(d)S. §. 78. n. b.
(d)

§. 103. Jhre erſten Kriege mit den Franken.

Die Franken ſchlugen oft mit ihnen, und erfochten nach dem Bericht ihrer Geſchichtsſchreiber groſſe Siege, ohne einige Eroberungen auſſerhalb den Graͤnzen Germaniens zu machen. (a)Eine Ver - wuͤſtung uͤber die Oberweſer war oft die ganze Folge eines gluͤcklichen Treffens. Chlotar ſchlug ſie in Geſellſchaft der Thuͤringer,(b) und wurde von ihnen wieder geſchlagen, doch ward ein Theil der Oſtfaͤler ihm zinsbar. Die Heldenthaten Dagoberts(d) gegen den oſtfaͤliſchen Heerfuͤhrer Berthold ſind wohl nur ein fraͤnkiſcher Roman; wie denn uͤberhaupt damals auf die Rechnung der Saſſen gut dichten war. Jhr Erbie - ten(e) die Vertheidigung der Reichs-Graͤnzen gegen die Wenden, welche zu den uͤberelbiſchen Waffen - verein gehoͤrten, zu uͤbernehmen, wenn ihnen der Tribut erlaſſen wuͤrde, koͤnnte ihnen als die erſte Verbindlichkeit gegen die Hermanie oder das Reich angerechnet werden, wenn es durch den Erfolg ge - nugſam bewieſen waͤre. Man merket aber leicht daß ſie immer noch die Einbruͤche des uͤberelbiſchen Ver - eins beguͤnſtiget haben, um den Franken in ihren neuen Eroberungen keine Ruhe zu laſſen. Jene Ein -O 2bruͤche212Oſnabruͤckſche Geſchichtebruͤche trafen damals(f) nicht leicht die Sachſen. Vielmehr ſahe man dieſe ſich verſchiedentlich mit den Hunnen, Daͤnen, Wenden und Sklaven gegen die Franken verbinden.

(a)Die Eroberungen waren damals uͤberhaupt ſehr ſchwer, weil man keine Soͤldner zu Beſatzungen hatte, und alſo ſein eigen Erbe verlaſſen muſte, um ein fremdes zu bauen und zu ſchuͤtzen. Daher war eine Eroberung zugleich eine Wanderung.
(a)
(b)S. §. 101. n. a.
(b)
(c)RORICO ad ann. 526. GREG. TVR. IV. 16. ſs. AIMON. II. 27. ſs.
(c)
(d)Dagobertus rex Saxonibus bello occurrit cui pater Lotharius accurrens, interfecto Bertoldo Saxonum duce victoriam ob - tinuit, & nullum omnino Saxonem menſuram gladii ſui excedentem dimiſit viventem. AIMON. de geſt. Fr. IV. 14. HAINVLF I. 3. SIG. GEMBL. ad ann. 630. ADO ad ann 528. Dieſe Leute ſchreiben das einander ſo nach; und VALES. I. 18. rer. Franc. p. 59. haͤlt es mit Recht fuͤr eine Ritter-geſchichte ob Fredegarii aliorumque gra - viſſimorum autorum ſilentium. Chlotar ritt durch die Weſer, und erſtach Bertholden wie ein Ritter den Drachen. Geſta Dagob. c. 14. Berthold ſoll damals ge - ſagt haben: Conſilio meorum tractandum eſt, bella cum quibus agendo erunt. Vita S. FARONIS e. 71. in act. SS. Ord. Bened. Sæc. ll. p. 610.
(d)
(e)Anno X. regni Dagoberti --- Saxones Winidis reſiſtere ſpondent -- Exinde jam Saxones tributa, quæ reddere con - ſueverant --- habent indultum. Quingentas vaccas inferen - dales annis ſingulis a Chlotario Seniore cenſiti ſolvebant. CHRON. MOISS. ad ann. 631.
(e)
(f)Wenn die Saſſen zu maͤchtig wurden, traten jedoch die Sklaven auf die Seite der Franken. S. ANN. MET. ad ann. 748.
(f)
§. 104.213dritter Abſchnitt.

§. 104. Sie behaupten ihre Freyheit.

Bey allen dieſen Kriegen hatten die Saſſen ihre eigne Verfaſſung noch immer mit Macht behauptet. Wie Dagobert ſtarb, waren ſie noch ſtark genug Heſſen(a) zu verheeren und den Franken die Spitze zu bieten. Die Frieſen ſtreiften unter ihrem Koͤnig Radbot nach Koͤlln,(b) und unſre Gegenden waren nothwendig ruhig. Der fraͤnkiſche Majordome ſchlug zwar die Frieſen,(c) befreyete Heſſen und verwuͤſtete das Land der Saſſen ſo weit er konnte, doch ohne Folgen. Und die Frieſen ſo wohl als die Saſſen drungen nachher noch mehrmals an den Rhein,(d) ſo oft und ſo gluͤcklich er auch nach dem Berichte der fraͤnkiſchen Schriftſteller mit ihnen ſchlug. Wie er aber ſaͤmtliche Feldherrſchaften der fraͤnkiſchen Mo - narchie an ſich gebracht,(e) und ſein Sohn Pipin die Krone auf den Degen geſetzt hatte,(f) zeigte ſich ſchon von ferne das Netz, welches unter Carln dem Groſſen die Saſſen befangen wuͤrde. Vorher waren ſie oft geſchlagen, uͤberzogen und zum Tribut gezwungen, ihr Land aber war nie zu einer ordentlichen Provinz gemacht und durch fraͤnkiſche Stadthalter, oder verpflichtete Koͤnige regieret worden. Und dieſes laͤßt zugleich vermuthen, daß ſie auch unter ſich in keiner Reichs-verfaſſung lebten. Denn wenn die Fran - ken einen Herzog oder Koͤnig von Bayern, Thuͤringen und Allemannien uͤberwanden: ſo folgte die Provinz dem Schickſal ihres Koͤnigs. Nie aber folgte das Land der Saſſen dem Ueberwinder ihres Heerfuͤhrers. Ward dieſer geſchlagen: ſo wurde ihr Land ver -O 3heert,214Oſnabruͤckſche Geſchichteheert,(g) aber nicht zum Reiche gezogen. Sie ent - richteten ihren Tribut als Nachbaren, welche die fraͤnkiſche Macht fuͤrchteten und erkannten,(h) in ih - rer innern Landes-verfaſſung aber nicht geſtoͤret wur - den.

(a)Dagobertus rex mortuus eſt & Saxones terram Hattuario - rum ſive Hazzuariorum devaſtarunt. Chron. Font. & ann, Petav. ad ann. 715. beym BOVQVET T. ll.
(a)
(b)Ann. Pet. Til. Naz. ad ann. 716. ib.
(b)
(c)Ann. alleg. und Chron. breve beym DV CHESNE T. III. p. 125. Chron. Fonten. 715. Ado. 719. Ann. Met. 718.
(c)
(d)Die Kriege mit den Saſſen fiengen immer von neuen wieder an. Man ſieht daß Carl 718. 720. 722. 728. wieder ſie gezogen; 729 einen gleichen Zug vorgehabt und 738 heißt es. Karolus introivit in Saxoniam & eos tributarios fecit. Ann. Laurich. beym BOVQVET. T. II. Herm Contr. ad ann 737. SIGEB. GEMBL. ad ann. 740. Lamb. Schafn. ad ann. 739.
(d)
(e)Die fraͤnkiſchen Herzoge wegerten ſich unter dem Major - dom zu ſtehen, und behaupteten mit Recht, daß der Koͤnig ſie in Perſon anfuͤhren muͤſte. Illis temporibus ac deinceps Gotefredus Dux Alemannorum ceterique circum - quaque duces noluerunt obtemporare ducibus Francorum, eo quod non potuerint regibus ſervire ſicut antea ſoliti fuerant. ERCHAMBERT. in breviario regum & majorum Domus. v. HERT. in not. regni vet. Franc. V. 21. p. 403. opp. Alleiu der Majordom nahm daher einen Vorwand ſie in Nahmen des Koͤnigs zu unterdruͤcken, und alle Kron-feldherrſchaften mit ſeinem Hof-dienſt zu vereini - gen.
(e)
(f)Wenn jetzt im deutſchen Reich der Reichs-marſchall die allgemeine Feldherrſchaft behauptete, und unter dieſem Vorwande allen Reichsfuͤrſten das Herzogthum in ihren Laͤndern entriſſe: ſo wuͤrde dem Kayſer bald nichts als der Titel uͤbrig bleiben. Dies war der damalige Fall. Die Pohlen haben ſich beſtaͤndig gewegert, die Kron -feld -215dritter Abſchnitt. feldherrſchaften und die koͤnigliche Wuͤrde auf ein Haupt kommen zu laſſen; und die Deutſchen hatten einerley Grundſaͤtze, quando duces ex virtute reges ex nobilitate ſumebant.
(f)
(g)Die haͤufigen Kriege mit den Franken, ſchienen mehr die Unternehmungen einiger Gefolge, als Land-folgen ge - weſen zu ſeyn; indem erſtere zu ſtark angewachſen ſeyn mogten. S. §. 38. n. d Denn es iſt nicht zu begreifen, warum der Heerbann, welcher den Ackerbau treibt, ſich in ſolche verderbliche Kriege einlaſſen ſollen. Derglei - chen Gefolge ex ſervulis & vernaculis waren oft ſehr ſtark; wie das Beyſpiel von Dydimus und Virianus beweißt. S. PAUL. DIAC. XIII. 30.
(g)
(h)Die Saſſen verpflichteten ſich oft ad honorem in placito regis præſtandum. S. THOROM. VI. 1. ap. CANIS. T. II. p. II. p. 220. Und dies iſt Beweiß genug, daß ſie die fraͤnkiſche Herrſchaft foͤrmlich erkannten. Allein es geſchah wohl nur von uͤberwundenen Edlen, welche kei - nesweges als Repraͤſentanten der Gemeinen, oder als ordentliche Obrigkeiten angeſehen werden moͤgen.
(h)

§. 105. Pipin dringt in unſre Gegend.

Die Zuͤge der Franken kamen mehrentheils aus Heſſen und Thuͤringen(a) und nur ſelten vom Nie - derrheine,(b) und wenn ſie auch von letzterm Orte kamen: ſo wandten ſie ſich auf Paderborn,(c) um dasjenige, was ſie von oben gebrauchten an ſich zu ziehen. Dies konnten ſie thun, wenn ſie nur die Lippe beſetzt hatten. Pipin gieng tiefer in Weſtphalen und auf Rheme. Hier muſte er Meiſter von der Ems und einigen Veſtungen auf ſeiner Linken ſeyn, ehe er ſich nach Rheme vertiefen konnte. Er hatte alſo nothwendig Jburg(d) in unſerm Stifte beſetzt, und der Erzbiſchof Hildeger von Coͤlln ward dort erſchla -O 4gen.216Oſnabruͤckſche Geſchichtegen. (e)Pipin verwuͤſtete alles, was er nnr er - reichen konnte, ſiegte nach dem Berichte ſeiner Leute in manchen blutigen Schlachten, eroberte Hochſe - burg, und zwang einen Theil der Sachſen zu einem jaͤhrlichen Tribut von dreyhundert Pferden. Doch kam er auch oftmals in groſſe Gefahr, und die ſpaͤtern Unternehmungen der Sachſen zeugen von einer Macht, welche die Erzaͤhlung fruchtloſer Siege eini - ger maſſen verdaͤchtig macht. Ein ſaͤchſiſcher Fuͤrſt Nahmens Dieterich,(f) welcher in Hochſeburg(g) gefangen wurde, machte ſich in dieſen Kriegen vor zuͤglich beruͤhmt. Es ſcheint aber, daß er blos ein eignes Gefolge, nicht aber den National Heerbann gegen die Franken gefuͤhret habe. Diejenigen welche aus obigen Hochſeburg unſer Oſnabruͤck machen, ſetzen ihn auch zu unſern Fuͤrſten. Er war aber aller Vermuthung nach ein edler Oſtfaͤler, und Hochſe - burg iſt jenſeits der Weſer zu ſuchen.

(a)Die Urſache davon iſt oben angezogen S. §. 101. und Pipin muſte wegen der Vorfaͤlle in Bayern und Ober - deutſchland ſeine Hauptarmee in einer Stellung halten, woraus er mit gleicher Fertigkeit die Sachſen, Skla - ven, Bayern und andre unruhige Voͤlker erreichen konn - te. Daher heißt es insgemein: Per Thuringiam pervenit in Saxoniam ANN. TIL. ad ann. 747. ANN. MET. ad ann. 748
(a)
(b)Nur damals wie die Franken ihre Armee oͤfterer gegen die Frieſen gebrauchen muſten, zogen ſie vom Nieder - rheine mehr gegen die Emſe.
(b)
(c)Carl der Groſſe nahm insbeſondre dieſen Weg, und die franzoͤſiſchen Armeen im Jahr 1760 und 1761 arbeite - ten nach einem gleichen Plan. Es giebt gewiſſe allge - meine Vortheile beſonders zur Subfiſtenz der Armeen,welche217dritter Abſchnitt. welche in allen Zeitaltern erkannt werden. Der Herzog Ferdinand von Braunſchweig machte damals Warburg zu dem Punkte um welchen er ſich wandte; und vermuth - lich war eben dieſer Ort der fraͤnkiſche Wende-punkt ge - gen die Sachſen. Der roͤmiſche Operations-plan ſcheint mehrmals eben dahin abgezielt zu haben. Carl der Groſſe wollte Eresburg oder Stadtberge auf gleiche Art gebrauchen; und die Sachſen erkannten daß dieſer Ort ihnen gerade der ſchaͤdlichſte waͤre. Daher ſie ihn auch durchaus nicht in der Franken Haͤnde laſſen wollten.
(c)
(d)Et pervenit ad locum qui dicitur Rime. Ann. Franc. juxta MS. Loiſel. ap. CANIS. T. II. p. II. p. 49. Fd. Baſn. & ap. REUBERUM ad ann. 753. Die groſſe Heerſtraſſe geht uͤber Bilefeld, Herford und Reme. Es gieng auch die franzoͤſiſche Armee unter dem Marſchall d Etrees im Jahr 1757 eben daher, und beſetzte Jburg auf ihrer linken Flanke.
(d)
(e)Man ſtreitet uͤber das Jahr. S. SCHATEN in hiſt. Weſtph. L. VI. Vorangezogene Annales Franc. ſetzen es ad ann. 753. mit der Anmerkung daß gleichwohl Pi - pin ſieghaft zuruͤck gekommen ſey. Man kann aber das letztere in Zweifel ziehen. Denn der Erzbiſchof war vermuthlich am ſicherſten Orte, wo er und die Franken nichts befuͤrchten zu duͤrfen glaubten. Dieſer iſt allezeit im Ruͤcken einer Armee, und alſo war Jburg den Franken, die uͤber Reme nach der Weſer giengen, im Ruͤcken, oder doch wenigſtens auf ihrer linken Flanke. Verlohren ſie alſo dieſen: ſo waren ſie in der groͤſten Gefahr. Womit auch der Erfolg als der beſte Zeuge uͤbereinſtimmt. Der Ort heißt in Ann. cit. Viberg, und Viburg, beym ADO in æt. 6ta Vitburg. Es iſt aber un - ſer Jburg, wo in den aͤlteſten Zeiten eine Burg geweſen. Und Joh. de Eſſendia beym SCHEID in bibl. Gotting. p. 28 erzaͤhlt die Geſchichte ganz recht, wenn er ſchreibt: Pipinus rex ducit in Saxoniam & ibi acerrime pugnatum eſt & Pipinus rex deo autore victor extitit. Et tamen Hil - degarius Epiſc. Col. occiſus eſt a Saxonibus in caſtro dictoO 5Iber. 218Oſnabruͤckſche GeſchichteIber. Hervordia (ſoll ſeyn Henrich von Herford ein be - kannter obgleich ungedruckter Geſchichtſchreiber) dicit quod ſit in monte dicto Yborch. Nunc in diœceſi Oſnabr. caſtrum ibidem eſt. Bellum autem commiſſum eſt ſecun - dum Gregorium (Turonenſem in libro deperdito) in loco qui dicitur Rimie. Dieſer Johannes de Eſlendia ſchreibt ſich in einem auf dem Hauſe Schelenburg noch befindli - chen und Johanni de Scheelen ſamulo & Netzen ejusque uxori ſub dato Oſnabr. 1453. d. 19 Sept. ertheilten beſtaͤn - digen Ablaſſe: Frater Sacræ Theologiæ humilis Profeſſor arque per Provinciam Saxoniæ ordinis Prædicatorum im - meritus Prior provincialis.
(e)
(f)Dieſer Theodorieus hat die ganze Aufmerkſamkeit der Schriftſteller ſeiner Zeit erhalten, und wurde dreymal hinter einander, als primarius loci Hochſiburg, genoͤthiget ſich zu unterwerfen, wie ex Ann. Franc ad ann. 743 & 745 zu erſehen. Doch iſt das was einige beym Jahr 743 erzaͤhlen, auf das Jahr 744 zu ziehen.
(f)
(g)Saochſeburg ANN. TIL. & NAZ. Heſeburg HERM. CONTR. ad ann. 745. Hoſeaburg SIG. GEMBL. ad ann. 743. Orſeburg ANN. LAVRISH 745. Ocſioburg ANN. MET. 743. Ohſeburg. ANN. FVLD. 745. Hochſeburg ADO 743. Ochſenbrug beym REGINO. II. Dieſe Veſtung verſetzt LODTMAN in mon. Oſn. III. auf den Gertrudenberg bey der Stadt Oßnabruͤck, anſtatt daß ECCARD in Comm. de R. F. O. I. p. 457. ſie an der Eder ſetzt. Meines Ermeſſens koͤmmt es auf den Gleichlaut der Worte nicht an, und da man ziemlich deutlich zeigen kann, daß Hochſeoburg den Fran - ken auf dem Wege aus Thuͤringen in Sachſen aufge - ſtoſſen ſey: ſo wollen alle andre Gruͤnde nichts erheben. Die Stelle beym THOROM. VI. ad ann. 744. ſagt deutlich: Evoluto triennio Carolomannus confinium Saxo - num ipſis rebellantibus cum exercitu irrupit, ibique captis habitatoribus, qui ſuo regno adfines eſſe credebantur, abs - que belli diſerimine acquiſivit. Hier wird zwar ſo wenig eines Dieterichs als Ochſiburgs gedacht Allein ohn - ſtreitig iſt hier die Rede von dem erſten Feldzuge 744,wel -219dritter Abſchnitt. welchen die Ann. Til. Naz. &c. irrig ins Jahr 743 ſetzen, worin Carlmann ſich aus Bayern gegen Sachſen wand - te, Ochſeburg einnahm und Dietrichen zur Ueberaabe noͤthigte. Folglich lag es in confinio Franciæ orientalis.
(g)

§. 106. Zuſtand bey der Ankunft Carls des Groſſen.

Endlich erſchien Carl der Groſſe und mit ihm der groſſe Zeitpunkt, worin das Land der Saſſen zum erſtenmal eine Provinz des fraͤnkiſchen Reichs wer - den ſollte. Die Stiftung unſers Biſchofthums macht ihn zugleich merkwuͤrdig, und da unſre ganze Verfaſſung ſich dahin zuruͤck zieht: ſo verdient er die genaueſte Betrachtung. Die bisher erzaͤhlten allgemeinen Begebenheiten haben es nur einiger maſſen wahrſcheinlich machen ſollen, daß unſre Vor - fahren ſo wenig von den Roͤmern als Allemanniern und Franken in ihren unbeſchloſſenen Verfaſſungen geſtoͤret worden. Sie waren alſo nach dieſer Vor - ausſetzung noch immer die alten einzelnen Wohner oder Saſſen, welche ihre Oberſten und Richter ſelbſt waͤhlten, unter der Fahne Gottes auszogen, und ſo wenig eine Herrſchaft als ein Reich erkannten,(a) wann ſie ſich gleich bisweilen ungeſalbte Koͤnige oder Haͤupter erwaͤhlten, und im Kriege dem Tapfer - ſten folgten. Die Gefolge konnten bey den langen und oͤftern Kriegen zugenommen(b) haben; Es konnte mancher Wehr ſich einem maͤchtigern in Schutz und Hode uͤbergeben;(c) und ſich ihm zu Dienſte verpflichtet haben; Die Edlen(d) konnten durch ihre oͤftere Vertheidigung zu dem Beſitz einesjaͤhr -220Oſnabruͤckſche Geſchichtejaͤhrlichen Beytrages von den Gemeinen gelanget ſeyn;(e) Jhre anſehnlichen Gefolge konnten ihnen gedient haben, das Amt eines gemeinen Vorſtehers in ihren Familien ſo gut als erblich zu machen. Allein ihr richterliches Amt war noch das alte; ſie hatten keine Gerichtsbarkeit uͤber die Gemeinen; und das Recht uͤber Leben und Tod war auſſer dem Hofrecht unbekannt. Der Adel war noch erleuch - tet;(f) und die prieſterliche Gewalt das Band des Staats.

(a)S §. 38. n. i. Beda nennt ihre Vorſteher Satrapas, weil ihm ein anders Wort fehlte. Der Poeta Saxo nennt ſie Duces: Quæ nec rege fuit ſaltem ſociata ſub uno Sed variis diviſa modis plebs omnis habebat Quot pagos tot pene duces. Und es iſt nach dem Ausſpruch Taciti: Duces ex virtu - te ſumunt, nicht zu zweifeln, daß dieſes erwaͤhlte Vor - ſteher geweſen. Wo nicht: ſo haͤtte Carl bey Einfuͤh - rung der Grafen, die ganze ſaſſiſche Verfaſſung ſpren - gen, wenigſtens tauſend Satrapas um ihre Erb-gerichts - barkeit bringen, das ganze Volk nicht bey ihrer Frey - heit laſſen, ſondern ſelbiges darin neuerlich ſetzen, mit - hin auch nicht ſagen muͤſſen, daß er es bey ſeinem alten Rechte gelaſſen haͤtte. Es iſt eine gewaltige Veraͤnde - rung, wenn eine ganze Nation unter Erbgerichtsbar - keiten ſteht, dieſe mit einander aufgehoben, und alle re - gierende Fuͤrſten abgeſchaffet werden ſollen. Wie das Parlament von Großbritannien die Claus der Schotti - ſchen Herrn ſprengte, und ihre Unterthanen zu unmit - telbaren Reichs-unterthanen machte, geſchahe ſolches nicht ohne maͤchtige Bewegungen; und nirgends zeigt ſich auch nur eine Spur, daß Carl dergleichen unter - nommen haͤtte.
(a)
(b)Dies iſt die Folge aller langen Kriege. S. §. 33. n. c.
(b)(c) §.221dritter Abſchnitt.
(c)§. 46. n. b.
(c)
(d)§. 38. n. b.
(d)
(e)Die damalige Eintheilung der Saſſen war nach dem NITHARDO hiſt. l. 4. folgende: Sunt inter illos qui Ethilingi, ſunt qui Frilingi, ſunt qui Lazzi eorum lingua dicuntur; latina vero lingua hoc ſunt: Nobiles, ingenuiles atque ſerviles, oder Edle, Wehren und Leute. Diejeni - gen welche nach dem ADAMO BREM. I. 5. ap. LEIBN. T. I. p. 46: die Eintheilung machen, und quatuor diffe. rentias nobilium & liberorum, libertorum atque ſervorum annehmen, ſehen die Sache aus einem philoſophiſchen Geſichts-punkt an, und reden nicht von den Claſſen der Nation ſondern der Menſchen bey den Saſſen. Zur er - ſtern gehoͤren die Servi nicht; und wenn Nithard die Leute dazu rechnet: ſo that er ſolches vermuthlich we - gen der vielen Leute im Gefolge. Daß ſonſt Adam von Bremen diejenigen liberos nennt, welche Nithard inge - nuiles heißt, koͤmmt von dem unterſchiednen Coſtume ih - rer Zeiten, indem erſter im 12ten und dieſer im 9ten Sæc. lebte. Das Wort liber wurde ſpaͤter ein Ehren - wort, und ſo gar den edlen Herrn gegeben. Nithard aber fuͤhlte noch, daß er ingenuiles ſagen muſte, und er war ein Schriftſteller von weit feinerm Geſchmack als Adam. Lazzi aber iſt ſo viel als Letti oder Leute. Bar - bari S. in T. commutant DIO hiſt. LXVIII. 26. und die Franken ſagten zuerſt Hazzi fuͤr Chatti. ANN. PETAV. ad ann. 715 beym BOUQ. T. II. mithin Lazzi fuͤr Latti oder Letti. Die Oberſachſen verwandeln jedes tt der Weſt - phaͤlinger in ſl. Es iſt leicht zu beweiſen, daß in ganz Deutſchland plattdeutſch geredet worden, ehe die Skla - ven und Franken eine andre Mundart eingefuͤhret ha - ben.
(e)
(f)S. §. 36. n. d. Die Metapher durchleuchtig illuſtris iſt uͤberaus wohl gewaͤhlt, weil niemand eigentlich leuchtet, als den die Sonne beſcheinet; und dieſe erleuchtet kei - nen Mann, der von einem andern beſchattet wird. So lange der Kayſer beſchattete, war kein Reichsbedienter erleuchtet.
(f)
§. 107.222Oſnabruͤckſche Geſchichte

§. 107. Solcher iſt dem Chriſtenthum nicht guͤnſtig.

Dieſe ihre ganze Anlage und Einrichtung ſtund der fraͤnkiſchen Verfaſſung und der chriſtlichen Religion, welche beyde zugleich eingefuͤhret werden ſollten, ſchnurgerade entgegen. Laͤngſt hatte ſich letztere durch die Laͤnder ausgebreitet, worin die Wehren ſich mehr in Leute,(a) und Voͤlker-rechte in Hof-rechte verwandelt hatten. Sie war gerade der Linie(b) gefolgt, welche ehedem die Cherusker von den Chat - ten, oder die Reichsgenoſſen, von den unbeſchloſſenen Saſſen geſchieden hatte. Ganz Germanien war ge - wonnen; die Niederlaͤndiſche Seekuͤſte, ſo weit ſie beherrſcht wurde, hatte ſie mit Freuden aufgenom - men. Allein den Saſſen konnte(c) keine Religion gefallen, nach welcher ein geſalbter Koͤnig das Recht uͤber Leben und Tod, Gehorſam, Gedult und Zehn - ten fordern konnte. Es kam ihnen unertraͤglich vor, daß ein Mann einen Schimpf nicht ſelbſt raͤchen, und ein Held nicht ſeinen beſondern Himmel haben ſollte. Sie muſten erſt durch die Macht der Waffen um ihre politiſche Verfaſſung gebracht werden, ehe das Chriſtenthum auch nur einige Verhaͤltnis zu ihrem Staat gewinnen konnte. Dies war die Urſache ihrer hartnaͤckigen Widerſetzung, welche Carl der Groſſe ganzer drey und dreyßig Jahr mit unermuͤde - tem Eyfer bekaͤmpfte, oft unterdruͤckte aber nie er - ſtickte. Jhr Aberglauben war der ſtaͤrkſte,(d) wel - chen je ein Volk gehabt, und die politiſche Ver -faſſung223dritter Abſchnitt. faſſung hatte ſich dermaſſen(e) darauf gelehnet, daß Freyheit und Religion zugleich angegriffen werden muſten.

(a)Ein Leut der einmal angehoͤrig, und folglich ſchon ei - nem Herrn und Hofrechte unterworfen iſt, S. §. 25. n. f. nimmt eine Religion mit Freuden an, welcher die Rechte des Herrn auf alle Weiſe maͤſſiget. Ein Wehr hingegen, der nur einen directorem ſocietatis kennet, und dieſem genugſam gewachſen iſt, wird nicht ſo leicht eine Religion annehmen, wodurch die Vollmacht des Dire - ctoris ohne ſeine Einwilligung erweitert wird.
(a)
(b)Die Kirchengeſchichte dieſer Zeit bewaͤhrt es aufs ge - naueſte, daß die Bemuͤhungen des H. Bonifacius dies - ſeits des Saltus hercynii qui Chattos proſequebatur & de - ponebat. TAC. G. 30 nicht fruchtbar geweſen. Was ROLEVING de laud. Weſt. II. von dem Aufenthalt der Gebruͤder Ewald zu Laer; MARCELL. in vita Suiberti c. 15. 17. von der Ankunft dieſes Heiligen zu Muͤnſter und Bilefeld ꝛc. ꝛc. melden, iſt zu neu um als ein gutes Zeugnis zu gelten; und wenn es auch ſeine Richtigkeit haͤtte: ſo wuͤrde es doch von keinem Gewicht ſeyn, weil die Bekehrung einzelner Dorfgeſeſſenen Freyen, die bey Veraͤnderung der National-verfaſſung eher gewonnen als litten, dagegen nichts erhebt, indem ich blos von National-bekehrungen, dergleichen jenſeits des hercini - ſchen Waldes vorgefallen waren, rede.
(b)
(c)Wie hartnaͤckig ſich die Saſſen gegen alle Arten von Herrſchaft ſtraͤubeten, zeigt ſich auch an denjenigen wel - che mit den Longobarden nach Jtalien gezogen waren, und unter tauſend Gefaͤhrlichkeiten mit Weib und Kin - dern durch Frankreich zuruͤckkehrten. Certum autem eſt ideo hos Saxones ad Italiam perveniſſe ut in ea habitare deberent. Sed quantum datur intelligi noluerunt Longo - bardorum Imperio ſubjacere. Sed neque eis a Longobar - dis permiſſum eſt in proprio jure ſubſiſtere, ideoque æſti - mantur ad patriam ſuam repedaſſe WARNEFR. de geſtis Long. III. 6. Jhre bittre Neigung gegen die Schwa -ben224Oſnabruͤckſche Geſchichteben aͤuſſerte ſich beſonders bey dieſem Ruͤckzuge. ib. c. 7. Jnzwiſchen mogten die Longobarden vetuli Saxonum a - mici, die Grundſaͤtze der Saſſen nicht mißbilligen, in - dem ſie ſich damals nach dem Tode Alboins 12 Feld - herrn, wovon jeder nur ein Jahr regierte, erwaͤhlteu. FREDEG. Chron. c. 45. MON. FLOR. III. 17. H. CONTRACT. ad ann. 576.
(c)
(d)Sie werden daher allezeit paganiſſimi & pervicaciſſimi ge - nannt.
(d)
(e)Es iſt hier der Ort nicht um den Geiſt des alten Aber - glaubens zu zeigen. Es dient auch dermalen zu nichts, da unſre Geſetzgeber die groſſe Kunſt verſtehen, die Ehr - lichkeit bey Strafe des Zucht hauſes und Veſtungs - baues zu befehlen; und die Landesverordnungen in eben dem Ton zu faſſen welchen ein Herr gegen ſeine Knechte gebrauchen kann. Sonſt lieſſe ſich eine vortrefliche Pa - rallele zwiſchen den Mitteln, wodurch die Alten freye Menſchen zum gemeinen Wohl leiteten, und den neuern, wodurch alle Empfindung der Ehre niedergeſchlagen wird, entwerfen, und zeigen daß das Kind welches die Schaͤrfe ſeines Meſſers den Engeln zu gefallen auf die Seite legt, edler gefuͤhret werde, als dasjenige, welches mit Schlaͤgen dazu angehalten wird. Der Aberglaube der Saſſen war auf dieſe Art in die politiſche Verfaſ - ſung geflochten, wie ich ein andermal zeigen werde.
(e)

§. 108. Carls Groͤſſe und Abſichten.

Carl durfte wohl wuͤnſchen ſein Reich bis an die Elbe zu erweitern. Dieſe Ausdehnung ergaͤnzte den Zirkel, in deſſen Mittelpunkt er ohnedem ſeine Haupt - macht(a) halten muſte. Er war alſo großmuͤthig an der Weſer und grauſam an der Elbe,(b) weil er dort erobern, und hier zerſtoͤren wollte. Ob ſeine Unternehmungen gerecht oder ungerecht geweſen, iſtnach225dritter Abſchnitt. nach dem Siege eine vergebliche Unterſuchung. Gluͤck und Groͤſſe uͤberheben ihn einer gemeinen Rechenſchaft. Er diente der Religion, und dieſe ihm, da er den Schos der Kirche und ſeines Reichs zu - gleich erweiterte, und den Grund zu Deutſchlands Groͤſſe legte. Wedekind ein edler Herr, fuͤhrte die Weſtphaͤlinger gegen ihn an; Albin die Oſtphaͤler, und Bruno die Engern. Sie handelten im Anfang nicht gemeinſchaftlich, weil jede Nation ſich beſon - ders verglich. (c)Es kann aber auch ſeyn, daß Carl ihnen nicht die Zeit ließ, ſich zu vereinigen, und ploͤtzlich mit einer unerwarteten Macht in ihr Land gieng. Der Koͤnig hatte das Gluͤck an dem Pabſt Adrian(d) einen Freund und Fuͤhrer zu finden; und beyde arbeiteten mit gleichem Eyfer an der Ausbrei - tung ihrer Macht in den Abendlaͤndern, worinn nur ein Reich und eine Kirche ſeyn ſollte.

(a)S. §. 78. n. b.
(a)
(b)An der Aller ließ er 4500 Saſſen enthaupten. An der Elbe fuͤhrte er eine Menge von Einwohnern mit Weib und Kindern nach Frankreich ꝛc.
(b)
(c)Eben ſo machten es die Angrivarier und andre mit den Roͤmern. S. §. 90. n. g.
(c)
(d)Die Klugheit womit dieſer Pabſt den Helden leitete, ohne daß er es merkte, verdiente eine eigne Ausfuͤhrung.
(d)

§. 109. Krieg mit den Sachſen.

Der Koͤnig riß zuerſt ſeines verſtorbenen Bruders Reich an ſich; verjagte deſſen Wittwe und Kin - der, und zog darauf ploͤtzlich wieder die Sachſen,772 welche ihn nicht erwarteten und leicht uͤberwaͤl -Ptiget226Oſnabruͤckſche Geſchichtetiget wurden. Er eroberte(a) Eresburg und zerſtoͤrte den Ort worin die Jrmenſaͤule(b) von ihnen ver - ehret wurde. Kaum aber hatte er ſich nach Jtalien gewendet, um ſeinen Schwiegervater zu ſtuͤr -773 zen: ſo ruͤhrten ſich die Saſſen, eroberten Eres - burg und Sigisburg und verwuͤſteten Heſſen; jedoch nur zu ihrem Ungluͤck. Denn Carl774 kam zuruͤck, verheerte ihr Land, und noͤthigte775 erſt die Oſtphaͤler, hernach die Engern und zu - letzt die Weſtphaͤler, welche indeſſen ſein Lager an der Weſer uͤberfallen und erobert hatten, ihm Geiſſel zu geben, und Frieden zu geloben. Er war aber noch nicht wieder uͤber die Alpen, als die776 Saſſen ſich ſchon von neuen ruͤhrten, Eresburg wieder zerſtoͤrten, Siegesburg belagerten, und ſich auch aufs neue wieder unterwarfen, nachdem Carl auf das ſchleunigſte und mit der groͤſten Macht wieder ſie anzog, Eresburg herſtellete, noch eine Ve - ſtung an der Lippe ihnen ins Geſicht ſetzte und mit Ernſt darauf dachte das ganze Weſen auf einen beſſern und ſicherern Fuß als bisher zu ſetzen. Zu dieſem Ende berief er ſeine Franken wie auch die777 Saſſen nach Paderborn, und richtete alles ſo wohl ein, daß er im folgenden Jahre ruhig und unbeſorgt uͤber die pyrenaͤiſchen Gebuͤrge nach Spa - nien ziehen konnte. Die Saſſen gelobten einen be - ſtaͤndigen Frieden, und lieſſen ſich in Menge taufen. Wedekind aber fluͤchtete uͤber die Elbe. Vermuth - lich ließ Carl damals bey der neugetauften Heerde einige Hirten zuruͤck, welche ſie in einer Religion er - halten ſollten, wovon faſt die ganze Sicherheit derVer -227dritter Abſchnitt. Vereinigung abhangen muſte; und es iſt wohl rich - tig,(c) daß er auch nach Oſnabruͤck eine Kirche ver - ordnen konnte, nachdem dieſſeits der Elbe alles be - ruhigt war. Vielleicht wurde alſo ſchon damals der Grund zu unſerer Kirche gelegt.

(a)Jch folge in der Erzaͤhlung den Annal. Franc. Eginh. beym REUBER in collect. Rer. Germ. als den beſten und ſicherſten; die mehrſten fraͤnkiſchen Annaliſten haben es entweder hieraus, oder aus einerley Hof-zeitung ge - ſchrieben und vieles boͤßlich veraͤndert. Z. E. Jn den Annalibus Eginhardi heißt es: ad ann. 775. Interea pars exercitus quam ad Wiſeram dimiſit, in loco qui Hludbecki vocatur, caſtris poſitis, incaute agens, Saxonum fraude circumventa & decepta eſt --- und es wird hinzugeſetzt: & ex pacto, quod inter cos ex tali neceſſitate fieri pote - rat, Saxones diſceſſerunt. Quod cum regi fuiſſet allatum, quanta potuit celeritate accurrens ---- Dieſen empfindli - chen Streich verſchweigen die Annales Nazariani, Tilia - ni, Petaviani, Fuldenſes &c. und die Ann. I oiſelliani, Metenſes, Bertiniani, imgleichen der autor vitæ Caroli M. ex bibl. Thuani, der Monachus Egoliſm. und andre fraͤn - kiſche Schriftſteller, ohnerachtet ſie offenbar nur einerley Zeitung copiirt, kehren es gerade um, und ſagen: & Deo volente Franci victoriam habuerunt. Aldenn aber fahren ſie fort: Hac victoria audita Domnus Carlus rex iterum ſuper Saxones irruens non minorem ſtragem ex eis fecit. Da man doch offenbar fuͤhlt und ſieht; daß der Kayſer audita clade und nicht audita victoria den Saſſen, welche das ganze Lager erobert und gepluͤndert hatten, nachzueilen bewogen worden. Eine ſolche Falſchheit macht alle fraͤnkiſche Erzaͤhlungen verdaͤchtig, und zeigt zugleich den Wehrt der annalium Eginhardi.
(a)
(b)Die Meinungen der Gelehrten von der Jrmenſaͤul hat geſamlet und gepruͤft GRUPE in obſ. rer. & ant. Germ. X. Wenn man nur allein bedenkt, daß die Nahmen Jrmen-fried, Jrmen-olf, Jrmenhold, Jrmenhart, Jr -P 2men -228Oſnabruͤckſche Geſchichtemengard, Jrmentrut ꝛc. wie Gott-fried, Gotthelf, Gott - hold, Gotthard, Mariengard und Engeltrud gebildet ſind: ſo ſieht man leicht, daß Jrmen eine vorzuͤgliche Provincial-Gottheit geweſen. Jr-men kann den er - ſten oder Neu-mond bedeuten. Deorum enim numero ducebant lunam. CAES. de B. G. VI.
(b)
(c)Dies leugnen Eccard und viele andre aus der Urſache, weil vor dem Jahr 800 keine Ruhe und Sicherheit in Weſtphalen geweſen.
(c)

§. 110. Fortſetzung.

778

Auf ſeinem Ruͤckzuge aus Spanien ward Carl aufs Haupt geſchlagen, und alſo auch der Friede von den Saſſen wieder gebrochen. Sie fielen mit Macht an den Rhein, verheerten alles was ſie konnten, und ſchonten gewiß der Altaͤre nicht. Ohnfehlbar ward alſo auch der unſrige, wenn er bereits erbauet war, zerſtoͤrt. Carl ließ ſo gleich eine ſtarke Bewegung aus Oberdeutſchland gegen ſie779 vornehmen, er ſelbſt aber gieng nachdem er ſich wieder erhohlt hatte, uͤber den Niederrhein au die Lippe, ſchlug bey Bucholz und drang in unſre Gegenden, wo ſich ihm alles unterwerfen muſte. Damals konnte unſtreitig die Stiftung unſer Kirche mit aller Sicherheit geſchehen. Denn Carl780 bauete nun ſchon Veſtungen an der Elbe, und781 rechnete auf die Saſſen als Reichs-voͤlker. Deſto empfindlicher fiel es ihm alſo daß ſie bey einem Einfalle der Slaven in Thuͤringen, wel -782 chen Widekind unfehlbar veranlaſſet hatte, anſtatt ihm zu helfen, ſich mit jenen Reichs-fein - den verſtanden, und ihm ein anſehnliches Heer aufdem229dritter Abſchnitt. dem Suͤntel abſchlugen. (a)Dies erbitterte ihn ſo ſehr, daß er ſelbſt mit ſeiner ganzen Macht den Saſſen ins Land gieng, und an die viertauſend fuͤnf - hundert Gemeine(b) bey Verden an der Aller ent - haupten ließ.

(a)Von dieſem Verluſte ſagt der Pocta Saxo ad ann. 782. Francorumque truci Proceres ſunt cæde necati Regis legati & præclari quattuor illic Exſtincti comites, cum viginti venerandis Nobilibusque viris hac clade peremtis. At reliquis belli populus conſumtus in illo Cenſeri numero nequit.
(a)
(b)S. Ann. Eginhardi. Es iſt gar nicht wahrſcheinlich, daß Carl dieſe Rache gegen Lente im Gefolge ansgeuͤbet habe, welche ihrem edlen Herrn dienten, und ihre Schuldigkeit thaten. Denn dieſe waren ſo wenig ſtraf - dar, als es unſre Soldaten ſind, wenn fie ihrer Fahne folgen. Es iſt daher kein Zweifel, daß dieſe 4500 Ge - fangene, welche Carl enthaupten ließ, gemeine Wehren geweſen, welche ſich ohne Dienſt-pflicht auf Wedekinds Seite gewandt hatten; und ein General wuͤrde noch jetzt eben ſo handeln, wenn Buͤrger oder Bauren die Waſſen ergriffen. Die Folge beſtaͤtigt dieſe Vermuthung. Denn nach dieſer Rache, und nicht vorher, zeigten ſich ganze ſaͤchſiſche Armeen im Felde, mit welchen Carl ſich in ordentlche Schlachten einlaſſen muſte, anſtatt daß vor - her der Krieg mehr mit Wedekinds Gefolge, wobey die Gemeinen ſich ruhig halten mogten, gefuͤhret wurde. Die fraͤnkiſchen Schriftſteller bemerken es auch, daß der Kayſer nach dieſen Dato beſtaͤndig verheert habe, wel - ches insgemein geſchieht, wenn man gegen Bauren kriegt.
(b)

§. 111. Allgemeiner Aufſtand der Saſſen.

Die Saſſen geriethen uͤber dieſes grauſame Ver -P 3fah -230Oſnabruͤckſche Geſchichtefahren voͤllig in Wuth. Der ganze Heerbann zog ſich unter Wedekinden bey Detmold zuſammen, und beyde Nationen lieferten ſich einander eines der783 blutigſten Treffen, ohne etwas zu entſcheiden,(a) indem Carl um neue Huͤlfs-voͤlker an ſich zu ziehen, nach Paderborn; Wedekind aber an die Haſe in unſer Stift zuruͤckgieng, wo es gleich darauf zu einem neuen Treffen(b) kam, in welchem die Saſſen endlich das Feld raͤumen muſten. (c)Carl behielt aber noch keinen feſten Fuß im Lande, erhielt auch diesmal keine Geiſſeln, ſondern ſahe ſich wieder Willen genoͤthiget mit Verwuͤſtungen fortzu -784 fahren. Er zog alſo im folgenden Jahre von neuen mit Feuer und Schwerd durch Weſt - phalen uͤber die Weſer an die Elbe; jedoch ohne den Frieden zu erzwingen. Denn die Saſſen unter - warfen ſich nicht, ſondern giengen vielmehr ſeinem Sohn, welchen er mit einem beſondern Heer in der Gegend von Drente an der Lippe gelaſſen hatte, zu Leibe(d) und noͤthigten den Koͤnig noch einen Win - terzug zu thun. Dieſer gieng alſo mit ſeinem Heer an die Emmer, ſtreifte bis Reme, und hielt den gan - zen Winter uͤber von Eresburg aus die Saſſen785 in beſtaͤndiger Unruhe. Gegen das Fruͤhjahr verſamlete er die fraͤnkiſche Reichs-folge zu Pa - derborn, machte ſich von dem groͤſten Theil des Lan - des Meiſter und gieng wieder an die Elbe, wo er ſich endlich mit Wedekinden in foͤrmliche Unterhandlun - gen einließ,(e) ihm durch ſeine Geſandten frey Ge - leit und Geiſſeln uͤberſchickte, und dieſen Herrn dahin brachte, daß er dem Koͤnige nach Ettnach folgte und ſich durch die Taufe mit GOtt und ihm verſoͤhnte.

(a) Denn231dritter Abſchnitt.
(a)Denn es heißt: Carolus de loco prælii Paderbrunnum ſe recepit, atque ibi caſtris poſitis partem exercitus, quæ ad - huc de Francia venire debebat, openebatur. ANN. EGIN - HARD. ad ann. 783.
(a)
(b)Es ſollte einen billig wundern, daß in einem ſo langen Kriege nur zwey Haupt Treffen, und zwar beyde in ei - nem Jahre vorgefallen waͤren. Denn EGINHARD. in vita Caroli M. c. 8 ſagt ausdruͤcklich: Hoc bellum licet per multum temporis ſpatium traheretur, ipſe non amplius cum hoſte quam bis in acie conflixit, ſemel juxta montem, qui Oſneggi dicitur, in loco Thietmelle nominato & ite - rum apud Aſam fluvium & hoc uno menſe, paucis quo - que interpoſitis diebus. Allein bey der Vorausſetzung, daß Wedekind und ſeine Freunde bis ins Jahr 781. mit ihren Privat gefolgen den Krieg gegon die Franken ge - fuͤhrt haben; und daß im Jahr 782. zuerſt der Heer - bann aufgewiegelt worden (S. §. 110. n. b.) laͤßt ſich dieſes fuͤglich begreifen, und auch zugleich einſehen, wie allerdings gar fruͤhzeitig einige Kirchen in dem Lande der Saſſen angeleget werden koͤnnen. Denn wenn der Heerbann ſtille ſaß; ſo waren alle Zaͤune, Haͤuſer und Kirchen ſicher. Die ritterlichen Gefolge vergriffen ſich daran nicht. Dieſe zogen der Landſtraſſe und dem Eben - theuer nach, ohne den Pflug zu hemmen oder den ge - meinen Mann zu ſtoͤren. So bald ſie ſich daran gewagt haͤtten; wuͤrden ſie Gefahr gelaufen ſeyn von den Weh - ren erſchlagen zu werden.
(b)
(c)Von dem Orte dieſes Treffens S. §. 84. n. d. Einige nehmen das jetzt ſo genannte Kerls-feld dazu an; dieſes iſt aber zu weit von der Haſe. Einer andern alten Sa - ge zu folge, ſoll die Schlacht auf der Wiſſinger Heide vorgefallen ſeyn, welches mit der Lage und den Umſtaͤn - den wohl beſtehen kann. Wegen dieſes Sieaes verord - nete der Pabſt Adrian eine dreytaͤgige Litaney auf den 23. 26. und 28. Jun. S. Epiſt. Hadriani Pontif. in coll. Conc. LABBEI T. VI. p. 1775. Und vielleicht war an dieſen dreyen Tagen der Sieg erfochten, weil EginhardP 4ſagt,232Oſnabruͤckſche Geſchichteſagt, daß alles uno menſe paucis quoque interjectis diebus geſchehen.
(c)
(d)Hier hat die fraͤnkiſche Hofzeitung abermals eine falſche Nachricht verbreitet, indem alle Annaliſten darinn uͤber - einkommen, daß der junge Held an der Lippe gefiegt habe. Da aber der Koͤnig den Feldzug in Saſſen be - reits geſchloſſen und ſeine Winterquartiere hinterm Rhein genommen hatte: ſo muͤſte ſolches entweder aus einer auſſerordentlichen Krieges-liſt, welche aber ganz unnoͤ - thig war, geſchehen ſeyn, oder der Prinz hatte eine ge - waltige Schlappe empfangen, die den Vater noͤthigte mitten im Winter aus Frankreich in Weſtphalen vorzu - ruͤcken, und ſeine ganze Armee cantonniren zu laſſen.
(d)
(e)Damals war der Heerbann ſchon wieder beruhigt. Denn wenn Carl bloß mit der Nation zu thun hatte, brauchte er Widekinden keine gute Worte zu geben; hatte er aber mit ihm, als einen Partiſan zu thun, der immer uͤber die Elbe auswich, und dann wieder ein - brach: ſo war nichts uͤbrig, als ihn durch Guͤte zu ge - winnen.
(e)

§. 112. Von ihrem Heerfuͤhrer Widekind.

Vermuthlich konnte dieſer Held nicht eher wieder zum ruhigen Beſitz ſeiner Weſtphaͤliſchen Guͤter ge - langen, ohne ſich mit den Franken auszuſoͤhnen; und der Koͤnig mogte nicht wohl auf einige Sicherheit an der Elbe rechnen, ſo lange Widekind mit ſeinem Gefolge, und einiger nordiſchen Huͤlfe, ſolche be - unruhigen, und die allezeit ſchwankende Saſſen zu neuen Unternehmungen bereden oder noͤthigen konnte. Beyden war alſo mit einer Unterhandlung gedient, und der Koͤnig hatte Urſache den erſten Schritt zu thun, weil er nicht immer eine genugſame fraͤnkiſcheMacht233dritter Abſchnitt. Macht an der Elbe halten konnte, ſondern die Saſ - ſen ſelbſt zur Vertheidigung ihrer Graͤnzen gegen die uͤberelbiſchen Voͤlker auf die eine oder andere Weiſe bewegen muſte. Der Erfolg zeigte zwar erſt ſpaͤt die Richtigkeit ſeiner Maaßregeln. Jnzwiſchen mag doch durch den Schritt welchen Widekind that, das Land dieſſeits der Weſer in ziemliche Ruhe gebracht ſeyn. Ohnfehlbar gelangte auch Wedekind wieder zu ſeinen Guͤtern, wovon vielleicht ein Theil in unſern Gegen - den belegen(a) war: allein ſeine Feldherrſchaft hoͤrte von ſelbſt auf, und er war nunmehr ein Edler ohne ein oͤffentliches Amt zu fuͤhren. Wenigſtens handeln diejenigen, welche ihm ein Koͤnigreich, ein Herzog - thum(b) oder eine Grafſchaft geben, ohne Grund wie ohne Schein, und gegen die Sitte der damaligen Zeiten.

(a)Ob er Guͤter im Stifte Oſnabruͤck gehabt, iſt aus gleichzeitigen Zeugniſſen nicht zu erweiſen. Was CRV - SIVS in vita Widek. c. 4. FALKE in trad. Corb. p. II. §. 104. nota u. und andre davon geſagt, will ich nicht ausſchreiben. Nach einem ſichern Zeugniſſe MEGIN - HARDI in translat. S. Alex. beym SCHEID. in bibl. Göt - ting. n. I. 5. 6. lag Wildeshauſen in ſeinem Vaterlande; und eine alte Sage ſchenkt ihm einige Guͤter in der Ge - gend von Rulle und Wallenhorſt. S. SCHATEN in hiſt. Weſtph. VII. p. 486. Die heutiges Tages ſo genannte Wieks-burg bey dem Kloſter Rulle, wovon GOETZE in progr. de Widekindi quatuor caſtris eine Abbildung und Beſchreibung giebt, gehoͤrt zu dieſer Sage, imglei - chen eine Wieks-burg im Gehne zu Bramſche. Es ſind aber unſtreitig mehrere Widekinde geweſen, und nicht jede Widekinds-burg hat dieſen Helden zum Urheber. Die Sage hat ihn bereits vor einigen hundert Jahren, beym Rolevink, Cranz, Hamelman, Winkelman ꝛc. zu Belm getauft, und zu Engern begraben; und an beydenP 5Orten234Oſnabruͤckſche GeſchichteOrten ſind wuͤrklich noch jetzt dieſe Handlungen durch praͤchtige Monumente verewigt. Erſters aber iſt wider das einſtimmige Zeugniß aller Schriftſteller; und letz - ters noch eben ſo zweifelhaft, obſchon Kayſer Carl der IV, als er im Jahr 1377. zu Bilefeld war, ſo berichtet wurde. Wenigſtens verraͤth die Jnſchrift auf dem En - geriſchen Monument: Monumentum Witechindi, Warne - chini filu, Angrivatiorum regis, XII. Saxoniæ procerum du - cis fortiflimi, beym CRVSIO in Witich. poſt præf. und FAI K. l. c einen ehr unverſtaͤndigen Verfaſſer. Man muß dergleichen Dinge auf die Rechnung eines Zeital - ters ſetzen, worin es Mode war ſeine Stiftungen durch Fabeln zu ſchmuͤcken. Nach CRANZIO in Sax. II. 24. ſoll er in einem Treffen gegen den ſchwaͤbiſchen Herzog Gerold geblieben ſeyn. Und FALKE l. c. not. †††. hat ihm die letzte Ehre mit einer Stammtafel erwieſen. Jch uͤbergehe aber dergleichen Familien-umſtaͤnde in einer oͤffentlichen Geſchichte. Mann kann desfals GO - BELIN. in Coſm. æt. 6. c. 38. HAMELMAN. l. c. WINKELM in notit. Saxo Weſtf. IV. 3. CRVS. l. c. LODTMAN. in monum. Oſn. p. 56. 71. und andre nach - leſen.
(a)
(b)Die ſpaͤtern Schriftſteller wogegen SCHVRZFLEISCH in diſſ. de Widekindo M. die Feder ergriffen nennen den Wedekind einen Koͤnig; oder machen ihn zum Herzog; auch wohl gar, wie HAMELMAN in opp. p. 679, zum Guvernoͤr von Oßnabruͤck. Allein die Annales Fran - corum heiſſen ihn bloß: unum e primoribus Weſtfalo - rum, und ſelbſt Rolving nennt ihn: virum nobilem. Jn ſo fern er ſeine Landesleute angefuͤhret hat, iſt er Dux, und ſo nennt ihn auch WITECH. Ann. I. p. 10. imgleichen Carl in einem Briefe an den Koͤnig der Mer - cier Offa, welchen Balutz irrig aus dem Jahr 774 da - tirt, wenn er ſchreibt: Duces Saxoniæ, quos noſtris nuti - bus inclinavimus Withimundus & Albion cum fere omnibus incolis Saxoniæ, baptiſmi ſuſceperunt Sacramentum. ap. BALUZ T. I. p. 194. Allein dux iſt hier weiter nichts als ductor, nicht aber dux cum ducatu im heutigen Ver -ſtande.235dritter Abſchnitt. ſtande. Auch ducatus zeigt eben wie comitatus oft nur ein Gefolge, und kein Herzogthum oder Grafſchaft an.
(b)

§. 113. Der Krieg geht von neuen an.

Die Auſſoͤhnung Wedekinds und ſeine Bekehrung laſſen glauben, daß er ſeine Feldherrſchaft niederge - legt habe. Die Geſchichte vermißt ihn ganz(a) und Carl liebte keine ſtehende Feldherrn in Saſſen. Eine tiefe Stille folgte auf die bisherigen Verwuͤ - ſtungen. Doch ſcheint es nicht, daß der Kayſer be - reits damals die innere Einrichtung des Landes zu Stande gebracht habe. Denn er nahm noch ſpaͤter Geiſſeln, und dieſe nimmt man in jenem Falle ſo leicht nicht. Beyde Nationen zogen jedoch als gemeinſchaftliche Reichsgenoſſen gegen die Hun -791 nen; aber auch vielleicht ungern. Denn die Saſſen konnten ſich unmoͤglich mit gutem Willen an der Donau(b) gebrauchen laſſen. Vermuthlich war dieſes auch die Urſache ihres neuen Ver - falls. Die Saſſen fiengen wenigſtens ihre793 Feindſeeligkeiten von neuen damit an, daß ſie den Auf bot von Frieſen und Saſſen, welcher an die Donau gehen ſollte, auseinander jagten,(c) und jene Zeit dazu waͤhlten worinn der Koͤnig ſeinen Schmerz verbergen, und ſich der Hunnen erwehren muſte. Jhr Gluͤck waͤhrete nicht lange. Carl uͤber - zog ſie mit zween Heeren von oben und unten, und diejenigen welche ihm auf dem Sintfelde(d)794 zur Schlacht entgegen geruͤckt waren, muſten ſich von neuen unterwerfen. Die Triebfedern dieſer Unternehmung ſchienen jenſeits der Weſer zu lie -gen.236Oſnabruͤckſche Geſchichtegen. (e)Daher ſ[u] chte Carl vornehmlich die795 dortigen Voͤlker heim,(f) verwuͤſtete jene Ge -797 genden, blieb einen Winter zu Herſtall an der Weſer, und verlegte ſeine ganze Armee dort in die Quartiere, um ihnen das Krieges-Ungemach ſo viel mehr empfinden zu laſſen.

(a)Nach dem ALBERTO STAD. ad ann. 886 zu urtheilen, ſollte man glauben, Widekindus ex Germania profugus haͤtte in Frankreich geheyrathet, und ſich dort in der Folge aufgehalten. Und es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß Carl ihn durch Huͤlfe der Liebe in einer ehrbaren Geiſſelſchaft bewahret. Die Gelehrten ſind daruͤber un - eins, ob Wedekind ſeines Herzogthums beraubet worden oder nicht? Man muß aber erſt beweiſen, daß er der - gleichen im heutigen Verſtande gehabt habe. Carl raubte ihm wahrſcheinlicher Weiſe nichts. Allein ſein Commando hoͤrte mit dem Kriege von ſelbſt auf, und er blieb nun als Edler auf ſeinen Guͤtern, der weiter nicht in Betracht kam. S. §. 38. n. i. In Actis SS. ad d. 7. Jan. divorum faſtis memoratur Witichindus. Doch ſetzen die Verfaſſer §. 7. hinzu: Se haud comperiſſe, ſit - ne publicum Romanæ eccleſiæ vel privata aliorum autha - ritate cælitibus adſcriptus.
(a)
(b)S. §. 78.
(b)
(c)Man ſchließt dieſes leicht ex Ann. Frane. EGINH. ad an〈…〉〈…〉 791. und 793.
(c)
(d)S. MONVM. PAD. XIV.
(d)
(e)Der Friedebruch war in pago Rhiuſtri juxta Wiſoram ge - ſchehn. Ann. Eginh. l. c.
(e)
(f)Carl nahm den dritten Mann von denen, welche ihm auf dem Sintfelde entgegen gekommen waren, und zer - ſtreuete ihn in Frankreich; und nach ſeiner Politik mogte dieſes hauptſaͤchlich die Frieſen betreffen; wie - wohl ich noch zweifle, ob es mit dieſer translatione tertii hominis ſeine Richtigkeit habe, da die Annales Eginhardi nichts davon erwehnen, und bloß Annales Fuld. & ap. Pythæ -237dritter Abſchnitt. Pythæum derſelben gedenken. Daß aber die Urſachen dieſer ſpaͤtern Kriege an der See zwiſchen der Elbe und Weſer lagen, zeigt ſich aus den Worten in Ann. Eginh. ad ann. 797. Rex Saxoniam vaſtaturus intravit. Nec prius deſtitit quam omnes terminos ejus peragraſſet. Nam uſque ad ultimos fines ejus, qua inter Albim & Wiſiram Oceano abluitur acceſſit; und weiter ad ann. 798. Quibus acceptis rex graviter commotus, congregato exercitu in loco cui Munda nomen, ſuper Wiſiram caſtra poſuit ac quicquid Saxoniæ inter Albiam & VViſeram interjacet, totum ferro & igne vaſtavit. Vielleicht iſt nach der Ausſoͤh - nung Widekinds weiter gar kein Streit mit den Weſt - phaͤlingern, und die ſaͤchſiſche Armee auf dem Sintfelde ein vorgeruͤcktes Corps von Engern, Oſtphaͤlern und Frieſen geweſen.
(f)

§. 114. Vorſchlaͤge zum Frieden.

Allein Carl mogte ihr Land verwuͤſten, und ſo un - gluͤcklich machen als er nur wollte; er mogte ſo viele Eydſchwuͤre und Geiſſeln von ihnen erzwingen als ihm die Obermacht ſeiner Waffen erlaubte; ihr Herz ge - wann er nie; und dem fraͤnkiſchen Heerbann muſte es auſſerordentlich beſchwerlich fallen Winter und Sommer zu Felde zu liegen, ſich als Beſatzungen in fremden Laͤndern gebrauchen zu laſſen, und bey dem geringſten Umſchlag der Sachen in Ungarn, Spa - nien oder Jtalien, einen ſichern Feind an den Saſ - ſen zu fuͤrchten. Dies bewog ihn endlich ſeine Ab - ſicht auf eine edle freye Vereinigung beyder Natio - nen zu richten. Er ſetzte alſo den Saſſen einen Tag nach Seltz, und ſchlug ihnen vor, ob ſie ſich als Chriſten in ein gemeinſchaftliches Reich mit den Franken einlaſſen; ihn ſo wie dieſe fuͤr ihr gemeinſa -mes238Oſnabruͤckſche Geſchichtemes Oberhaupt erkennen, diejenigen welche er an ſei - ne Statt ſchicken wuͤrde, gebuͤhrend aufnehmen, be - ſonders aber den Biſchoͤfen und Grafen, als ihren geiſt - und weltlichen Vorgeſetzten gehoͤrige Folge lei - ſten, und ihnen dasjenige entrichten wollten, was ih - nen bey den Franken gegeben wuͤrde. (a)Auf dieſen Fall ſollten ſie mit dieſen einerley Wehrung,(b) Vorzuͤge und Gnade genieſſen; von allem Tribut befreyet, und ſo wie dieſe, auch nicht anders als in ihrer Heymath, von ihres gleichen, und nach ihrem eignen Rechte gerichtet werden.

(a)Ea conditione a rege propoſita & ab illis ſuſcepta tractura per tot annos bellum conſtat eſſe finitum ut abjecto dæmo - num cultu & relictis patriis cærimoniis chriſtianæ fidei at - que religionis Sacramenta ſuſciperent, & Francis adunati unus cum iis populus efficerentur. EGINH. in vita G. M. c. 7. Ausfuͤhrlicher hat der Poeta Anon. beym LEIB - NITZ T. I. p. 153. die Bedingungen aufgeſchrieben. --- has pacis leges inierunt, Ut 1) toto penitus ritu cultuque relicto Gentili, quem dæmoniaca prius atte colebant Decepti, poſt hæc fidei ſe ſubdere vellent Catholicæ, Chriſtoque ſervire per ævum. At vero 2) cenſum Francorum regibus ullum Solvere nec penitus deberent neque tributum, Cunctorum pariter ſtatuit ſententia concors: Sed tantum 3) decimas divina lege ſtatutas Offerrent ac 4) præſulibus parere ſtuderent. --- Tum 5) ſub judicibus quos rex imponeret ipſis 6) Legatisque ſuis permiſſi 7) legibus uti Saxones patriis & 8) libertatis honore Hoc ſunt 9) poſtremo ſociati fœdere Francis Ut gens & populus fieret concorditer unus, Et ſemper regi parens æqualiter uni. Hac igitur pacis ſub conditione fidelesSe239dritter Abſchnitt. Se Carolo natisque ſuis ſtirpique nepotum Ipſius, juraverunt per ſæcula ſuturos.
(a)
(b)Der Heerbann-bruch war bereits auf der Reichs-ver - ſammlung zu Aachen im Jahr 797; wo die Sachſen tain de Weſtfalis & Angrariis quam Oſtſalis gegenwaͤrtig waren, ausgeglichen. S. Capit. Sax. an. 97. V. Kal. Nov. beym BALUZ T. I. p. 275. Nur wurde dabey Art. 3. ausgemacht, daß wo die Franken XII. zahlten, ſollten die edlern Sachſen eben ſo viel, die Wehren nur V. und die Leute IV. bezahlen. Auf ſolche Art waͤre ein jeder gemeiner Franke dem edlen Saſſen gleich geſetzt worden. Man kann aber auch denken, daß das Ver - moͤgen der Saſſen und Franken ſehr unterſchteden, folg - lich in der That die Verhaͤltniß gleich geweſen, wie man dann an den Angelſachſiſchen Wehrungen ſchon ſieht, daß man in England laͤngſt mehr Geld als in Deutſch - land gehabt habe. Beylaͤufig beruͤhre ich hier die Fol - ge, welche DU BOS dans l hiſt. crit. T. III. L. VI. p. 316 daraus zieht, daß nemlich unter den Franken nur ein Stand geweſen, wowieder MONTE Q. Eſprit. d Loix XXX. 25. ſo ſehr eifert, und halte dafuͤr daß ſie beyde unrecht geſchloſſen; indem allerdings damals in populo Francorum nur ein gemeiner Stand, folglich auch in po - puliſcito nur eine gemeine Wehrung geweſen; indem der Adel ſeine Ehre dem Koͤnige aufgeopfer hatte, oder nach dem damaligen Styl zu reden, honores corum rex donatos habebat; S. Epiſt. ad Francos & Aquitanos, beym BALUZ T. II. p. 87. da denn ſeine Wehrung ſchon nicht mehr in populiſcito ſondern in cuna regis & jure curiali zu Recht geweſen werden mogte.
(b)

§. 115. Groſſe Bedenklichkeiten der Sachſen.

Die Vorſchlaͤge waren von der aͤuſſerſten Wich - tigkeit, und nach drey und dreyßig-jaͤhrigen Unruhen wohl zu uͤberlegen. Die Vereinigung beyder Natio -nen240Oſnabruͤckſche Geſchichtenen zu einer Zeit, wo die Reichs-vertheidigung nicht etwan einigen Dienſtleuten oder Soͤldnern, ſondern dem gemeinen Heerbann oblag, war vor die Saſſen um ſo viel bedenklicher, je weitlaͤufiger die fraͤnkiſchen Graͤnzen auseinander lagen. Ein ſo groſſes Reich, konnten ſie mit Recht ſagen, mache die Sklaverey nothwendig oder die Freyheit doch ſo theuer, daß die Koſten den Vortheil uͤberwoͤgen. Das Wohl einzelner Wehren komme darinn niemals, und das von ganzen Provinzien nur bey ihrer Aufopferung in Betracht. Die Saſſen wuͤrden mit den Fran - ken bald uͤber die Alpen(a) und bald uͤber die Pyrenaͤen ziehen muͤſſen, wenn es die Noth oder der Koͤnig erforderte; und ſo wie das fraͤnkiſche Reich oder die Herrſchſucht ſeines Oberhaupts ſich ausdehnte, wuͤrden ſich auch ihre Heerzuͤge aus - dehnen und vermehren. Bisher haͤtten ſie alle Eroberungen verachtet, weil ſolche einzelnen Woh - nern, die keine Soͤldner darauf halten wollten, nur zur Laſt kaͤmen; ſie haͤtten niemals im Herrn-dienſt ſondern fuͤr ihren eigenen Heerd geſieget; und kei - nen Tropfen Bluts fuͤr Sold oder Lehn aufge - opfert. Kuͤnftig aber wuͤrden ſie fuͤr einen Mo - narchen erobern, und ihren Acker verlaſſen muͤſſen. Der Koͤnig ſey großmuͤthig genug zu erkennen, daß ein ehrlicher Mann ſo wenig von ſeiner Perſon als von ſeinen Gruͤnden einem Oberhaupte Zins geben koͤnne. Allein ein ewiger Heerzug, werde ſie bald in die aͤuſſerſte Armuth, und zuletzt in die Noth - wendigkeit ſtuͤrzen, ſich als Knechte zu retten. (b)

(a)Der Kayſer milderte dieſe Furcht; indem er den ganzenſaͤch -241dritter Abſchnitt. ſaͤchſiſchen Heerbann zur Vertheidigung der Elbe; den dritten Mann zur Vertheidigung in Boͤhmen; und nur den ſechſten nach Spanien forderte, wenn ein Aufbot noͤthig war. Capit. anni 801. §. 5. beym BALUZ T. I. p. 460. Unſre jetzige Reichs-Matrikel macht keinen Un - terſcheid ob es gegen Jtalien, oder gegen Ungarn geht. Sie gilt aber auch nicht weiter, als ſie jedesmal bewil - liget worden. Hier moͤgte man auch wohl fragen, wie LAMBERT. SCHAFN. ad ann. 1075. ſagen koͤnnen: an - tiquis jam diebus lege latum eſſe ut in omni expeditione re - gis Teutonici Suevi exercitum præcedere, & primi com - mittere debeant? denn nothwendig hatten die Sachſen in einem Kriege gegen die Nieder elbe den Rang, wenn vice verſa die Schwaben dahin nur den dritten Mann ſchickten.
(a)
(b)S. §. 46. n. b.
(b)

§. 116. Beſonders wegen des Reichstages.

Eine allgemeine Verſamlung falle in einem ſo groſſen Reiche von ſelbſt weg, diene auch zu nichts, da ſo viele unnatuͤrlich verbundene Staaten ein gar zu verſchiedenes Jntereſſe haͤtten. Man werde alſo gleich nur Dietinen halten koͤnnen; und dieſe gehen bald in eine bloſſe Ceremonie uͤber, wofern man nicht einer jeden(a) das gefaͤhrliche Recht einraͤu - men wolle, den Schluß der mehrſten zu vereitlen. Dadurch aber werde der Grund zu neuen Unruhen gelegt, und der Staͤrkere folge ſeinem Willen mit Recht, wenn es der Schwaͤchere thun duͤrfe. Jn beyden Faͤllen ſey den Saſſen nicht ſonderlich ge - rathen, und uͤberdem der Schluß einer Dietine in ſehr bedenklichen Haͤnden, wenn der Koͤnig ſich da - von bloß durch ſeinen Geſandten unterrichten, undQ ihnen242Oſnabruͤckſche Geſchichte ihnen nicht ihren eignen Land-boten und erwaͤhlten Stimmvertreter in der allgemeinen Reichs-verſam - lung verſtatten wolle. Dieſe werde ſolchergeſtalt nicht lange unter einem freyen Himmel beſtehen,(b) ſondern bald zu Hofe unter Dach gehen. Der Geſandte werde ihnen allezeit mit ſeinem Unter - halte, und leicht mit Neben-forderungen zur Laſt fallen,(c) denen man um ſo weniger ausweichen duͤrfe je noͤthiger man ſeine Gunſt haben werde.

(a)Unſtreitig hat ehedem jeder einzelner Wiederſpruch, nicht wie in Pohlen den Schluß der Verſammlung auf - gehalten, ſondern dem Wiederſprechenden zu ſeiner Entſchuldigung gedienet. Er muſte aber auch ſo dann ſeine Gefahr ſtehen, indem der ſtaͤrkere Theil ſich ſelbſt helfen konnte. S. LUDEWIG ad A. B. XXX. §. 3.
(a)
(b)Wie bald ſich die placita generalia in curias Imperiales verwandelt, iſt unnoͤthig anzufuͤhren. Es konnte auch faſt nicht anders ſeyn, ſo bald die Repraͤſentation in der National-verſammlung nicht durch erwaͤhlte Landboten, ſondern durch Kayferliche Bediente, welche nach Hof folgen muſten, geſchahe. Die Verſammlungen unter freyen Himmel hoͤrten alſo auch bald auf, und es war leicht regnigt Wetter. S. CAPIT. Caroli Calvi XXXIX. 12. Jn unſerm Stifte mag es aber noch ſo viel regnen: ſo laſſen verſchiedene Marken das Holzgericht in freyer Luft und nicht unterm Dache eroͤfnen. Nach der Er - oͤfnung aber folgen ſie gern zu Hofe.
(b)
(c)Es iſt bekannt daß in Frankreich denjenigen welche Nah - mens des Koͤnigs die Etats eroͤfnen, ein ſichers von den Staͤnden bewilliget werde. On a demande trois mil - lions. Nous avons oftert ſans chicaner deux millions cinq cens mille livres; & voila qui eſt fait. Du reſto Mr. le Gouverneur aura 50.000 ecus, M. de Lavardin 80.000 francs, le reſte des Officiers à proportion le tout pour deux ans. Die Frau von Sevigne ſchreibt dies T. I. 74. und243dritter Abſchnitt. und aͤuſſert dabey in ihrem vorigen, daß ſie glaube der Gonverneur habe dergleichen Praͤſente zuerſt erſchlichen. Jch werde aber im Folgenden zeigen, daß ſie ihm als miſſo dominico loco tractatoriæ mit Recht zukomme; und unfehlbar wuͤrden alle deutſche Fuͤrſten dergleichen aus ihren Aemtern gezogen haben, wann der Kayſer das Salutaticum behalten haͤtte.
(c)

§. 117. Und der Anſetzung koͤniglicher Richter.

Das ſchrecklichſte unter allen aber ſey, daß der Koͤnig ihnen ihre Richter ſetzen,(a) und ſolche in Grafen(b) verwandeln wolle. Bisher haͤtten ſie es als ein heiliges Geſetz von der Natur empfangen, ſich ihren Richter ſelbſt waͤhlen, und kein ander Recht erkennen zu duͤrfen, als was ſie uͤber ſich be - williget haͤtten. Der Richter waͤre als ein Ge - meins-mann in der gemeinen Verſammlung zur Rede und Antwort verbunden geweſen, und haͤtte ſein Amt beym Schluß eines Jahres allezeit, oder doch als eine Laſt gern niedergelegt, wenn die Ge - meine mit ihm nicht zufrieden geweſen waͤre. Kuͤnftig aber wenn der Koͤnig ihn auf ſeine Lebens - zeit ſetze, ſchuͤtze und beſolde, werde er ein ſtolzer Bedienter und ſeine Entlaſſung ſchimpflich(c) ſeyn. Die Befugniß wie die Macht ihn zur Rechenſchaft zu ziehen falle von ſelbſt weg. Jhnen bleibe nichts als das traurige Recht uͤbrig ihn bey Hofe zu ver - klagen, und ehe ſie damit zu dem entfernten Throne durchdraͤngen, moͤgte der Unſchuldige leicht unter - druͤcket ſeyn. Die Kinder des koͤniglichen Richters wuͤrden leicht zu groſſen Hofnungen erzogen, zuQ 2 Vor -244Oſnabruͤckſche Geſchichte Vorzuͤgen gewoͤhnt, und verfuͤhrt werden das Rich - ter-amt erblich(d) zu machen, anſtatt daß ſolches, ſo lange es wie bisher eine jaͤhrliche Reihe-laſt bliebe, keinem einfallen koͤnnte. Der Koͤnig ſaͤhe an ſeinen Franken, zu welcher Macht es bereits die Richter gebracht haͤtten; und die Saſſen wuͤrden bald ſo viele Erb-richter(e) und Oberherrn haben, als ihnen jetzt Grafen vorgeſetzt wuͤrden, wenn er bey dem Vorſchlage beharrete, den Mannien die freye Wahl ihres Richters zu nehmen.

(a)Der Vers Tum ſub judicibus quos rex imponeret ipſis beweiſet dieſes klar; ob aber nicht die Gemeinen ein jus præſentandi Comitem behalten? iſt eine andre Frage; und moͤgte es ſcheinen, da nach der L L. Baj II. 1. n. 1. electio ducis angenommen wird, daß auch eine electio comitis, ſub titulo præſentationis vel commendationis, moͤglich geblieben ſey. Allein es wuͤrde dieſes gegen die Politik, und das Jntereſſe des Adels, welchen Carl ge - winnen wollte, geweſen ſeyn; und die Geſchichte zeigt ein anders.
(a)
(b)Jch nehme Grafen und Bedienten fuͤr eins. Die roͤmiſchen Kayſer nannten aus einer angenehmen Be - ſcheidenheit anfangs ihre Kron - und nachher auch ihre Haus-Officier Comites Gefaͤhrten, wie ein General ſeine Leute bisweilen Compagnons nennt. Das Wort Bediente, miniſter iſt als ein gothiſcher ungeſchickter Ausdruck erſt ſpaͤt geadelt worden.
(b)
(c)Sie zielten auf den Fall. Duces præficiebantur civitati - bus ac dum videretur dimittebantur. Deinde inveteravit conſuetudo ut non niſi ſceleris convicti abire imperio co. gerentur. AEMIL. hiſt. Franc. V. p. 21. I. F. 1 §. 1. Denn vorher hatten die Saſſen quotannis judicem erwaͤhlt, und es damit, wie die Buͤrger in einigen Staͤdten mit ihren Rathsgliedern gehalten, welche ſie am Ende desJahrs245dritter Abſchnitt. Jahrs nicht abſetzen, ſondern nur aufs neue nicht wie - der waͤhlen. Zum erſten Verfahren werden Urſachen erfordert; zum letztern aber nicht, weil ihr Amt mit dem Jahre von ſelbſt ausacht, und es auf den freyen Willen der Buͤrgerſchaft ankommt, ob ſie ihn von neuem waͤhlen wolle.
(c)
(d)Dominion firſt was gain ’d by lawleſs might The claim of long hereditary Right Succccded. WOODHULL The equality of mankind p. 3. Es iſt aber doch faſt natuͤrlich, daß alle Bediente welche nicht in Gelde, ſondern mit Natural-Einkuͤnften beſol - det werden, und eine bloſſe Amts-Wohnung haben, ſich endlich erblich machen. Denn wie hart iſt es nicht vor Wittwe und Kinder dieſe Wohnung zu verlaſſen? Wie groß die Verſuchung darinn zu bleiben? Wie leicht kommt das Verdienſt der Vaͤter den Kindern zu ſtatten? Wie ſchwer, wenn man einmal der Sohn eines Beherr - ſchers geweſen, nun wieder andern zu gehorchen? Wie maͤchtig wird eine Familie durch ein langjaͤhriges Amt? Wie viele Gelegenheit ſich andre zu verpflichten? Wie viel erworbene Mittel den noͤthigen Staat zu fuͤhren? Wie viel Amts-Nachrichten haben die Erben nicht in Haͤnden? Wie viel Zank wird nicht vermieden? --- Kurz alles macht eine gewiſſe Oberherrſchaft uͤber die Menſchen leicht und billig erblich. Dieſe Gruͤnde er - zeugten gewiß das CAPIT. 43. Caroli C. c. 3.
(d)
(e)Da unſre Reichsfuͤrſten ihre Aemter in Territorien ver - wandelt haben: ſo iſt ihre Furcht nicht ungegruͤndet ge - weſen.
(e)

§. 118. Jmgleichen der Beſtaͤtigung der Schoͤpfen.

Zwar moͤge es ſcheinen, daß man dem Kayſer die Ernennung des Richters als eine Kron-ehre gar wohl goͤnnen koͤnne, weil er keine Urtheile zu weiſen,Q 3 ſon -246Oſnabruͤckſche Geſchichte ſondern nur die Weißthuͤmer eingebohrner redlicher und weiſer Maͤnner zu beſtaͤtigen habe; daher und ſo lange ihnen dieſes Recht bliebe; ſo lange der Kayſer jeder Gemeinheit die Wahl ihrer Urthels - finder oder Schoͤpfen lieſſe,(a) ein Saſſe den Richter nicht ſonderlich fuͤrchten duͤrfe. Allein er verlange auch die Beſtaͤtigung der Schoͤpfen, und behaupte das Recht, Leute die es nicht waͤren ſchoͤp - penbar zu machen; dies erwecke groſſes Nachden - ken;(b) und wenn der Kayſer gleich keinen ſchoͤp - penbar mache, der nicht wenigſtens hinlaͤngliche Guͤter beſitze, und alſo in ſeiner Reihe eben das Recht wieder ſich gelten laſſen muͤſſe, was er andern weiſe; auch keinen zum Schoͤpfen in ſeinem Volke beſtaͤtige, der nicht Gerichts-genoß ſey: ſo ſey die - ſes doch eine Billigkeit, welche ſeine Nachfolger am Throne leicht vergeſſen koͤnnten. Dann aber ſey eine Menge von Geſetzen der nothwendige Fehler groſſer Verfaſſungen. Dazu wuͤrden in Jtalien ſchon eigne Leute erfordert, welche die Erlernung derſelben ihr ganzes Geſchaͤfte ſeyn lieſſen; und der Wehr ſey gewiß der letzte, welcher ſeinen Hof ver - laſſen und ſich dieſe Geſchicklichkeit erwerben wuͤrde. Daher ſey es ſehr zu befuͤrchten,(c) daß das Amt der Schoͤpfen bald ſolchen unangeſeſſenen und wohl gar mit der Zeit fremden Gelehrten zu Theil wer - den, und Ehre, Leib und Leben eines Mannes von der rechtlichen Meinung eines Miethlings abhangen wuͤrde.

(a)Jch bin nicht der Meinung daß Carl den Gemeinen die Wahl der Schoͤpfen genommen habe, wie BRUMMERVII. 247dritter Abſchnitt. VII. 2. behauptet. Der Stilus Capitularium: ut miſſi no - ſtri Scabinos per ſingula loca eligant iſt ein Canzley-ton; und Ludovicus pius druͤckt ſich deutlicher aus; ut miſſi noſtri cum totius populi conſenſu in locum malorum Sca - binorum bonos eligant. Der Miſſus derief und dirigirte bloß die Wahl-verſammlung.
(a)
(b)Wie achtſam Carl hierauf geweſen, zeigt die feine Wen - dung, da er die Schoͤpfen nicht durch die Richter oder Grafen, ſondern durch ſeinen beſondern Geſandten be - ſtaͤttgen ließ, um die Schoͤpfen nicht in die Abhaͤngig - keit des Richters zu ſetzen. S. Capit. cit.
(b)
(c)Die wahre Freyheit leidet nicht, ſich durch andre, als ſeine eigne gewillkuͤhrte Mitgenoſſen in vorkommenden Faͤllen verurtheilen und taxiren zu laſſen. Daß eine Nation dieſes Recht verliere iſt wohl mehr geſchehn; daß ſie es aber verliere ohne es zu fuͤhlen und ohne dar - uͤber einen Seufzer auszuſtoſſen, dieſes iſt zu bewundern und gleichwohl in Frankreich wie in Deutſchland ge - ſchehen; bloß weil eine Bologneſer Cravate den alten Halstuch beſiegt, und fremdes Necht ſtolze Gelehrte und einheimiſche Stuͤmper veranlaſſet hat? Was vor eine Aufmerkſamkeit iſt nicht in den Capitularien der Wahl rechtſchaffener Schoͤpfen geordnet? Das Wohl der ganzen Nation wurde gleichſam darauf geſetzt. Und nun ſpricht der Richter, der doch Bediemer iſt, das Urtheil; und Hofraͤthe lehren gemeines Recht. Fuͤrſten und Gelehrte haben einander allezeit wohl ge - dient.
(c)

§. 119. Jmgleichen des Heergeweddes.

Auſſerdem ſey es ein anſtoͤßiger Gebrauch(a) unter den Franken, daß der Oberſte wo nicht den ganzen Sterbfall, doch allemal einen Theil der Verlaſſenſchaft ſeines Gemeinen zoͤge. (b)Die Saſſen kennten dieſen Gebrauch nur im Hof-recht; und als eine Urkunde des Dienſtes; nicht aber imQ 4Heer -248Oſnabruͤckſche Geſchichte Heerbann. (c)So bald nun der Oberſte oder Graf ſeine Bedienung erblich machte, wuͤrde er die ihm anvertrauete Gemeinen leicht als ſeine Knechte betrachten, und dermaleinſt die Nachkommen zu ſchimpflichen Vermuthungen fuͤhren. Jetzt ſey zwar dieſer Gebrauch noch ſo nachdenklich nicht, indem alle Herzoge, Grafen und andre Reichs-bediente ſich dieſem Hof-recht unterwerfen muͤſten. Die Zeit werde aber bald kommen, wo die Groſſen ſich einen Schimpf(d) daraus machen, und den Ge - ringern darunter verlaſſen wuͤrden. Die Folge da - von zeige ſich unter den Franken zur Gnuͤge; der Dienſt werde bey denſelben ſchon zur Ehre, und die gemeine Wehrſchaft ſchimpflich. Alles floͤge bey denſelben zu Schutze und zu Hofe, und der Thuͤrhuͤter im glaͤnzenden Kleide hebe ſich uͤber den ehrbaren Mann. (e)Eine ſolche Verfaſſung, wor - in der Dienſt adle, ſey die ſchrecklichſte von allen, und eine unvermeidliche Sklaverey.

(a)Die Folgen welche verſchiedene Doctores juris Germ. dar - aus contra antiquam libertatem ruſticorum ziehen, liegen vor Augen, und man beobachtet ſo gar in der Sprache keinen Unterſchied mehr inter ruſticum & colonum. S. §. 25. n. c.
(a)
(b)Es ſind zweyerley Heergewedde; eins welches jeder Lehn-mann ſeinem Herrn; und eins welches jeder Heer - bannaliſt ſeinem Oberſten folgen laͤßt. Ein Unterſcheid welchen CRAGIUS ſeud. I. p. 30. nicht bemerkt, und SPELLMAN Reliq. p. 33. gegen ihn nicht ausgefuͤhrt. Erſters wird bey allen Lehn-hoͤfen bekannt ſeyn; und letzters iſt verdunkelt. Jn den Rollen der Hausgenoſſen S. §. 47. n. c. wird es noch ſo genannt; heißt auch oft das beſte Theil, das beſte Kleid, oder beſte Haupt - Der Graf von Lippe Schaumburg hat von allen ſeinenſchatz -249dritter Abſchnitt. ſchatzbaren Hofgeſeſſenen Unterthanen den Sterbfall, und man nennt ſie desfalls Leibeigen, da es doch wohl nur die Folge einer Zwang-hode oder Zwang-rolle S. §. 52. iſt. Oft wird das Heergewedde auch Lehn-wahre genannt, und ſo dann mit dem relevio verwechſelt. E g. In L L. Canuti regis: niſi quantum ad juſtam relevatio - nem pertinet, quæ Anglice vocatur Hereget. S. DU FRESNE v. Hereotum. Auf gleiche Art iſt es auch im Domesdaybuch: S. COKE Inſt. P. 1. fol. 76. a. imgleichen in L. L. Henrici I. beym WILKINS p. 244. verwechſelt. Jch fuͤhre dieſes an, weil aus einer gleichen Verwechſelung den Oſnabruͤckiſchen Vaſallen das Heer - gewedde bey jeder Belehnung, unter dem Nahmen von Lehn-wahre abgefordert wird, da ſie es doch nur einmal, nemlich beym Ableben des vorigen Lehn-manns, nicht aber bey Veraͤnderung des Lehns-herrn zahlen ſollten. Deswegen heißt es in Capit. Conradi Epiſc. de 1482. beym KRESS in app. p. 9. Wer eins ſyn Gud vorherwe - det hadde dat darna nicht en darf voherwedden, oſt wal eyn ander Her queme, dewile de Perſon dat vorherweddet hadde levet. Sunder he ſal dat ane Herweddinge entfaen. Hier iſt alſo Heergewedde der Sterbfall des letztern Vaſallen. Aber ſo wie man jetzt unter Auffahrt oft den Sterbfall mit begreift: ſo iſt es mit dem Heergewed - de umgekehrt gegangen. Die Geiſtlichen empfangen ihr Lehn mit lediger Hand. Warum? weil ihr Sterbfall einen andern Weg geht. Waͤre die Lehnwahre bey uns relevium: ſo muͤſten ſie ſolche auch zahlen.
(b)
(c)Es iſt dieſes ſehr glaublich; ich kann es aber nicht er - weiſen.
(c)
(d)Dieſe Furcht iſt durch die Folge ſattſam gerechtfertiget worden. Kayſer und Koͤnige hatten den Sterbfall von allen ihren Bedienten, und ſelbſt von den Biſchoͤfen, wenigſtens von denjenigen, welche ſie zu ernennen hat - ten. S. PRINN. Hiſt. Coll. T. II. p. 834. Die Biſchoͤ - fe, Herzoge, Grafen ꝛc. hatten ihn wieder von ihren Dienſtleuten u. ſ. w. Die Vornehmſten aber haben ſich mit der Zeit davon frey gemacht, und iſt der Arme undQ 5Ge -250Oſnabruͤckſche GeſchichteGeringere darinn ſtecken geblieben. An Hoͤfen, und beſonders am Franzoͤſiſchen verheyrathen ſich die vom erſten Range nicht ohne des Koͤnigs Erlaubnis. Dies iſt noch die einzige Urkunde des alten Freybriefs.
(d)
(e)Dies iſt die Politik aller unſer heutigen Monarchien, und anderer monarchiſirenden Fuͤrſtenthuͤmer. Der Edel - mann auf dem Lande gilt nichts, und der Faͤhndrich im Dienſte wird erhoben. Aller Rang wird faſt nach dem Dienſte ausgemeſſen. Wie weit ein Fuͤrſt berechtiget ſey, Rang-ordnungen zu machen, iſt noch nicht deutlich beſtimmt. Jm Hofe gilt unſtreitig ſein Reglement; Allein auſſer Hofes kam es vordem auf die gemeine vom Volke beſtimmte Waͤhrung, und ſpaͤter auf die vom Kayſer ertheilte gemeine Wuͤrde, nicht aber auf die Dienſtwuͤrde an. Jn den angelſaͤchſiſchen Geſetzen iſt der Landbeſitz bey der Wehrung und dem Range mit in Betracht gezogen worden.
(e)

§. 120. Und der Zehnten.

Die Wahrheit der chriſtlichen Religion verbinde niemanden ſie anzunehmen; ſie ſey darum nicht gleich allgemein, vor alle Volker und Verfaſſungen. Eine jede derſelben habe ihren eignen Zweck; und folglich auch ihre eigne Wahrheit. Die ihrige ſey Freyheit; und damit ſtimme die chriſtliche Religion nicht allerdings uͤberein. Ein Saſſe laſſe ſich durch Ehre; und ein Chriſt durch Liebe verbinden. Dieſe fuͤhre aber den Menſchen nicht ſo ſicher als jene. Doch das Hauptwerk ſeyn die Zehnten(a) welche der Koͤnig zum Unterhalt der Prieſter fordere. Wenn jemals ein Volk in der Welt geweſen, welches ſeinen Hals mit dieſem Joche beladen haͤtte: ſo muͤſte es aus der Sklaverey entſprungen,(b) o - der251dritter Abſchnitt. der aus ganz beſondern Urſachen dazu gebracht ſeyn. Jhnen ſey es ſchlechterdings unertraͤglich; da ihr Acker die darauf gewandte Muͤhe und Einſaat ſehr ſparſam vergoͤlte. Der Koͤnig ſelbſt(c) muͤſſe von eignen Mitteln leben; und erhielte von keinem Heermanne unter den Franken einen Zuſchuß. Dieſer ihre einzige Auflage ſey die gemeine Ber - theidigung; und ſolche habe eine Zeit hero mehr er - fordert, als ihre Hoͤfe aufgebracht haͤtten. Durch die Vereinigung mit den Franken wuͤrden ſich die oͤffentlichen Laſten eher vermehren als vermindern. Ein Theil(d) ihrer Erndte ſtehe ſo ſchon unter gemeinem Kriegs-rechte. Der Unterhalt aller rei - ſenden und ſtehenden oͤffentlichen Beamten liege ihnen ob. Alles was von Hofe kaͤme,(e) erſchliche Spann - und Atzungs-befehle; anſtatt mit kayſer - lichen Kammer-ſpannen zu reiſen, und auf den Kammer-hoͤfen zu zehren. Die Geiſtlichen, wenn man ihre Anzahl nicht unnoͤthig vermehrte, wuͤrden auch die Zehnten von allen nicht verzehren koͤnnen, und es ſey hart dem Wehren die Nothdurft zu nehmen, um Unwehrige in Ueberflus zu ſetzen. Die Saſſen haͤtten auf andre Art vor den Unterhalt ih - rer Prieſter geſorgt, und ſich unter dem Nahmen der Gottheit keinen Menſchen pflichtig oder zinsbar machen wollen. Knechten legte man Pflicht auf, aber keinen Edlen und Wehren, und ihr Abſcheu dagegen ſey um ſo viel gerechter, da bey den Fran - ken die Veraͤuſſerung und Verleihung einer Menge von Zehnten, aus Gottes Knechten Menſchen Knech - te gemacht haͤtte.

(a) Es252Oſnabruͤckſche Geſchichte
(a)Es ſchreibt daher ALCUIN. in ep. 1. ad Arnonem beym PEZ. in Theſ. nov. anecd. p. II. p. 4. Tu vero patet ſanctiſſime --- eſto prædicator pietatis, non vero decima - rum exactor ---- Decimæ ut dicitur Saxonum ſubverterunt fidem. Quid imponendum eſt jugum cervicibus idiotarum quod neque nos neque fratres noſtri ſufferre potuerunt. Dieſer Aleuin war Carls des Groſſen Lehrmeiſter.
(a)
(b)Die Juden kamen unſtreitig aus der Sklaverey; gleich - wohl entrichteten ſie den Zehnten in der Maſſe nicht, als ihn die Franken forderten, ſondern verzehrten ihn mit den Prieſtern in ihren Thoren oder in der Haupt - ſtadt; und das Zehnt-feſt war eine Erndte-feyer. Man weiß nicht wann zuerſt unſre heutige Art von Zehnten entſtanden. S. BARON. Ann. 57. n. 74. Die mehr - ſten gehn auf die Conſtit. Gen. Lhotarii c. 11. und das Concilium Matiſcon. ann. 585. zuruͤck.
(b)
(c)Es war ein Schimpf, und die Urkunde des Dienſtes, einige Auflage von ſeiner Perſon oder ſeinen Gruͤnden zu bezahlen. Der Koͤnig lebte von ſeinen Domainen und Regalien; empfieng auch wohl ein jaͤhrliches Ge - ſchenk; aber nie einige Schatzung, wie denn auch jetzt die letztere noch in den gemeinen Seckel faͤllt, woruͤber der Koͤnig nur die Aufſicht hat. Der Abt DU BOS T. I. dans l hiſt. crit. de la mon. françoiſe iſt zwar andrer Meinung; aber vom BOUQUET dans le Droit public de la France T. I. p. II. art. 3. p. 36. genugſam wiederlegt worden; obwohl letzterer auch verſchiedene unſichere Hy - potheſen ohne Noth zu Huͤlfe nimmt.
(c)
(d)Man kann dieſes aus verſchiedenen fraͤnkiſchen Befehlen, worinn ein Theil der Fruͤchte zu Magazin-korn erklaͤ - ret wird, ſchlieſſen. Unusquiſque comes duas partes de herba in ſuo comitatu defendat ad opus iſtius hoſtis, Cap. II. Ann. 813. §. 10. Und hatte es damit eben die Bewandniß, wie mit den Artillerie-Pferden, wel - che den Bauren aus ſeinem Spanne genommen wer - den. Jnzwiſchen mogte doch die Aufbewahrung eines Theils zum Magazin-korn nicht laͤnger als von einerErndte253dritter Abſchnitt. Erndte zur andern waͤhren; und nicht leicht in eine beſtaͤndige Contribution ausarten. Dahero es wohl beſſer geweſen waͤre den ſchuldigen Theil ſeiner Fruͤch - te unter koͤniglichen Reſervat in ſeinem Hauſe, als in einer Landes-Caſſe niederzulegen. Die beſtaͤndigen Landes-Caſſen ſind von der neueſten Erfindung.
(d)
(e)Die Klage hieruͤber ließt man auf allen Blaͤttern bey den damaligen Schriftſtellern, und ſind dagegen unzaͤh - lige Verordnungen vorhanden, wodurch der Gebrauch der gemeinen Runde und Quartiere auf den oͤffentlichen Dienſt von Carln den Groſſen eingeſchraͤnkt wird. S. Cap. V. ann. 813. §. 26. beym BALUZ. T. I.
(e)

§. 121. Des Kayſers Betragen dagegen.

Carl fand ihre Beſorgniß nicht ohne Grund, und ſeine Verordnungen werden ſo gleich zeigen, wie er ſich mit allem Fleiſſe um ihre Beruhigung bemuͤhet habe. Jndeſſen blieb der Hauptpunkt nemlich die Vereinigung mit den Franken feſtgeſtellt; und beyde Nationen traten unter das neue abendlaͤndiſche Kay - ſerthum. Nunmehr waren die Saſſen Reichs-ſaſ - ſen. (a)Der bisherige Gottes - oder Prieſter-friede machte dem Koͤnigs-banne Raum; und die Reichs - fahne wehete da, wo vorhin die Gottes-fahne(b) geſtanden hatte. Carl war geſalbt(c) und Auguſt, mithin kein gemeines Oberhaupt. Sie traten alſo unter eine vollkommene Decke, welche die Wehren leicht in Leute(d) verwandelte. Die Mahnung(e) hoͤre - te auf; und ſie bewilligten dafuͤr dem Kayſer ſechzig Schillinge(f) zur hoͤchſten Strafe, welche er jedoch nie, ohne ihrem Willen verdoppeln ſollte. Dieſeswar254Oſnabruͤckſche Geſchichtewar das Ende der ſaͤchſiſchen gemeinen Freyheit, wel - che nach einem drey und dreyßig jaͤhrigen Kriege nur wenige noch kennen, und mehrere aus Ermuͤdung(g) und Armuth mit Frenden gegen eine gluͤckliche Herr - ſchaft vertauſchen mogten.

(a)Die Sachſen ſind meiner Meinung nach nicht in die Krone der fraͤnkiſchen Koͤnige, ſondern der fraͤnkiſchen Kayſer geflochten worden.
(a)
(b)Signa lucis depromta. S. §. 26.
(b)
(c)Von der Salbung wird zwar ſo viel ich mich erinnere nichts gemeldet; ſondern bloß vom Tittel Auguſt. EGINH. de vita Caroli M. c. 28. Sie iſt aber wohl un - ſtreitig und ich ziehe daher die Folge, wovon ich bereits §. 30. n. b. geredet habe. Ueber die Kraft der Sal - bung iſt vielfaͤltig geſtritten. S. CONRINGII iteratam diſſ. de jure coronandi T. I. opp. p. 689. und der Pabſt hat ſich daher ein jus conferendi imperium zugeſchrieben, weil es ihm als dem erſten Biſchofe der abendlaͤndiſchen Chriſtenheit unſtreitig allein zuſteht die Salbung eines Kayſers, als des weltlichen Oberhaupts eben dieſer Chriſtenheit zu verrichten; da jeder erſter Reichs-biſchof nur den Koͤnig ſeines Reichs ſalben kann. Allein da die collatio juris divini bloß adminiſtratorio nomine ge - ſchehen kann: ſo folgt daraus nicht mehr als noͤthig iſt; und wenn die Deutſchen, mit Ausſchluß der uͤbrigen abendlaͤndiſchen Chriſtenheit einen wuͤrklichen Kayſer waͤhlen koͤnnen: ſo haͤtten ſie immerhin dem Pabſte ſein Recht laſſen, und ihn bitten ſollen, die uͤbrigen Koͤnige zu ihrer Schuldigkeit anzuhalten.
(c)
(d)§. 25. n. f.
(d)
(e)§. 25. n. a.
(e)
(f)S. Cap. ann. 797. att. 9. beym BALVZ. T. I. 277. Es iſt dieſes, daß der Kayſer, absque conſenſu populi nicht uͤber 60. ß. ſtraffen konnte, um ſo viel merkwuͤrdiger, weil jeder Gerichts-verwalter jetzt oft nach Gefallenbruͤch -255(o)bruͤchtet, und die Bruͤchten in Brandſchatzungen ver - wandelt. Dieſe 60. ß. machten hoͤchſtens 1200. Scheffel Rocken aus. S. CAPIT. cit. art. 10.
(f)
(g)Cuncta diſcordiis civilibus feſſa Auguſtus nomine principis ſub imperium accepit ----- juniores poſt activam victoriam etiam ſenes plerique inter bella civium nati. Quotusquisque reliquus qui rempublicam vidiſſet? TAC. Ann. I. 1. 3.
(g)

Vierte Abtheilunge / Von den Anſtalten Carls des Groſſen in hieſigen Gegenden.

§. 122. Von deren Wichtigkeit uͤberhaupt.

Die Einrichtungen Carls des Groſſen verdienen aus mehr als einer Urſache die groͤßte Aufmerkſam - keit; nicht bloß weil ſie von einem Herrn kommen, der alle glaͤnzende Eigenſchaften eines Monarchen, eine groſſe Arbeitſamkeit des Geiſtes und ſehr viele politiſche Guͤte beſaß; ſondern weil ſich vieles von unſern Rechten und Gewohnheiten ohne eine genaue Kenntnis derſelben nicht wohl verſtehen laͤßt. Wo - hin die Franken ſich ausgebreitet, haben alle Staats - verfaſſungen eine ganz neue Wendung genommen; die allgemeine Reichs-verfaſſung neigt ſich noch gegen den Punkt,(a) woraus Carl der Groſſe einen guten Theil von Europa beherrſchte. Und er ſelbſt machte aus dem Lande der Saſſen einen ganz neuen Staat. Er iſt der erſte der den Geiſtlichen - und Krieges - ſtand, oder den Biſchof und Grafen daſelbſt neben einander beſtellete; beyde mit einem General-depar - tement umfaßte und damit die drey Maͤchte ſchuf, welche ſich zuletzt unter dem Nahmen der Territorial -Ho -256Oſnabruͤckſche GeſchichteHoheit vereiniget haben. Die Kriege welche dieſe drey Maͤchte bis auf den weſtphaͤliſchen Frieden mit einander gefuͤhrt, ſind in allen Laͤndern wahre Staats - begebenheiten, indem ſich durch dieſelben der ganze National-zuſtand veraͤndert, edles und gemeines Ei - genthum verlohren, das Wort Adel in ſeinem Begrif verſchlimmert, und hoͤchſtens eine Freyheit, welche noch das Gepraͤge der Gnade mit ſich fuͤhret, wieder eingeſtellet hat. Hier uͤberwand der Biſchof den Grafen; dort der Graf den Biſchofen; und Beyde zertruͤmmerten(b) mit der Zeit das General-departe - ment. Letzters ward eine Beute der Wachſamen. Das mehrſte ſammleten Biſchoͤfe und Grafen, vieles die Staͤdte, und einiges auch der Adel davon auf.

(a)Man muß ſeinen Stand zwiſchen den dreyen Erzbiſchof - thuͤmern am Rhein nehmen, und daraus das uͤbrige Deutſchland uͤberſehen. Wie viel Stimmen liegen dort im Klumpen? und unter einem fremden Einfluſſe? Die drey erſten Churfuͤrſten in einem einzigen Kreiſe?
(a)
(b)Jch finde nicht anders, als daß das miſſaticum erloſchen, und ein jeder darauf fleiſſig geweſen ſey ſich vor ſeinen Theil frey zu machen. Ducatus, Comitatus, libera judicia ſind den Fuͤrſten univerſaliter verliehen; keinem einzigen aber ſo viel ich weiß perpetua plenipotentia miſſi Cæſarei. Vielmehr zeigen die in den diplomatibus Sæc. IX. X. XI. XII. XIII. von den Kayſern ſo haͤufig noch ertheilte Frey - heiten ab onere reficiendorum pontium publicorum, quo - rum cura ad miſſum ſpectabat, daß die Fuͤrſten das mis - ſaticum nicht erlangt, weil ſie ſonſt ihren Hof - und Klo - ſter-dienſten leicht ſelbſt dieſe kleine Freyheit ertheilen koͤnnen. Jnzwiſchen und da das miſſaticum der Grund - ſatz iſt, worin alle Landesherrn ſich gegen ihre Staͤdte gruͤnden: ſo will ich es zur weitern Beurtheilung aus - ſtellen.
(b)
§. 123.257dierte Abtheilunge.

§. 123. Allgemeine Abtheilung.

Carl theilte das Land in Biſchofthuͤmer(a) und Grafſchaften ein. Letztere lagen wie unſere heutigen Aemter im erſtern, nur mit dem Unterſchiede, daß ſie unmittelbar vom Kayſer abhiengen, und bloß der geiſtlichen Aufſicht des Biſchofen empfohlen wurden. Eine Geſandſchaft(b) oder ein General-departe - ments-diſtrickt faßte mehrere Biſchofthuͤmer und Graf - ſchaften in ſich; und Weſtphalen oder der nachherige Erzſtifts-coͤllniſche(c) Sprengel gehoͤrte vermuthlich zu einer einzigen Geſandſchaft; ſo wie noch jetzt zu einer Nuntiatur. Die kayſerliche Cammer machte unter der beſondern Aufſicht des Geſandten ein eignes Departement aus. Sprengel Grafſchaft und Cam - mer(d) deckten in ſolcher Maaſſe, daß der Biſchof ſeine Geiſtlichkeit, der Graf ſeine Landfolge, und die kayſerliche Cammer ihre Mund - und Mahl-leute, auch Cammerknechte zu mittelbaren Reichs-unter - thanen machte. Der Geſandte hingegen repraͤſen - tirte(e) den Kayſer; und Biſchoͤfe, Grafen und Edle verlohren ihre Unmittelbarkeit nicht,(f) wenn ſie gleich in manchen Stuͤcken ſeiner Direktion folgen mußten.

(a)Einige ziehen dieſes in Zweifel. S. die BRAUNSCHW. ANZEJGEN v. J. 1748. N. 67. 68. 70. und halten das Zeugniß AEGIL. in vita Sturmionis, nach welchem der Kayſer die ganze Provinz in parochias Epiſcopales vertheilet, nicht hinlaͤnglich. Allein da der Oſnabr. Biſchof Egilmar in querimonia ſua. vom Jahr 888. S. die Beylage N. 2. ſchon ſagt: quod Karolus --- Synoda - les atque canonici juris conſultis ſingulos ejusdem provin -Rciæ258Oſnabruͤckſche Geſchichteciæ epiſcopatus ex decimarum ſtipendio conſtituiſſet; die Sache an ſich ſelbſt auch ſo lange bis man in neuern Zeiten andre Hypotheſen noͤthig gehabt, auſſer Streit geweſen: ſo ſcheinet mir die Meinung daß Carl zuerſt jedem benachbarten Biſchofe einen Theil von Sachſen angewieſen haben ſolle, weit zweifelhafter.
(a)
(b)Miſſaticum, Legations-diſtrikt. Eigentlich war der Miſſus, von deſſen Diſtrikt ich hier rede, General-lieutenant in der Provinz, welcher von andern miſſis und beſonders von dem General-lieutenant der Armee, oder dem mis - ſo ſuper exercitum conſtituto S. CAP. I. ann. 812. §. 8. wohl zu unterſcheiden. FR. DE ROYE de miſſis domi - nicis c. XV. hat den miſſum ſuper exercitum ganz ver - geſſen.
(b)
(c)Unter den Nominibus locorum in quibus miſſi dominici legatione fungebantur. S. CAP. ann. 823. beym BA - LUZ. T. I. p. 639. heißt es nur: In Colonia Hadobol - dus Archiep. & Eemundus comes.
(c)
(d)Dies iſt eine nothwendige Hypotheſe; denn wenn die kayſerliche Cammer niemanden beſchlos: ſo waͤren die Juden und andre Cammer-knechte unmittelbar geweſen.
(d)
(e)Miſſos noſtros ad vicem noſtram mittimus. CAP. I. ann. 809. art. 36. ib. p. 468.
(e)
(f)Ut Epiſcopi, Abbates & potentiores quique, ſi cauſam inter ſe habuerint ac ſe pacificare noluerint, ad noſtram jubeantur venire præſentiam, neque illorum contentio ali - bi finiatur. CAPIT. III. ann. 812. §. 2. Eben ſo wenig durfte ſich auch der Pfalz-graf einer Erkenntniß uͤber ſie anmaſſen. Es war ſonſt, wie es mir ſcheinet, fuͤr jedes miſſaticum ein Pfalzgraf, Referendarius; und der co - mes Palatinus Saxoniæ, nach unſerm Styl: Miniſtre au departement de la Saxe. Alle Sachen aus dem Departe - ment, geiſtliche ausgenommen, kamen ihm alſo zuerſt in die Hand; HINCMAR. Ep. III. c. 21. und er hatte Vollmacht verſchiedene fuͤr ſich abzuthun. Doch hieß es: Neque ullus comes Palatii noſtri potentiorum cauſas fine noſtra juſſione finire præſumat, ſed tantum ad pau -perum259vierte Abtheilunge. perum & minus potentium juſtitias faciendas ſibi ſciat eſſe vacandum. CAPIT. L. III. c. 77. Vielleicht ruͤhrt es noch daher, daß der Reichs-hofrath in obigen Faͤllen, votum ad imperatorem erſtatten muß.
(f)

§. 124. Von den Biſchoͤfen und ihren Sprengeln.

Der Biſchof(a) war durch ſein Amt nothwendi - ger Edler oder Reichs-fuͤrſt(b) und das Kir - chen-orbar(c) gleichſam eine Reichs-allode. Der kayſerliche Geſandte ſtand gegen ihn;(d) Uebrige Reichs-beamte aber, als Herzoge, Grafen(e) und andre, hatten auſſer dem Fall,(f) wenn ſie darum begehret wurden, uͤber keinen Geiſtlichen, auch uͤber kein Orbar und Weihgut etwas zu ſagen. Die Voll - macht des kayſerlichen Geſandten gegen den Biſchof gieng aber bloß auf die Erhaltung des Reichs-frie - dens; und in ſolcher Maaſſe konnte er dem Biſchofe wiederſtehen, und ſich im Nothfall ſeiner Perſon(g) verſichern; aber nicht uͤber ihn erkennen. (h)Dies gehoͤrte vor den Kayſer und die Reichs-verſam - lung. (i)Jeder Biſchof ward mit Vorbehalt ſeiner Ehre,(k) des Heerzuges erlaſſen; jedoch wurde ihm vergoͤnnt ſeine Leute zu ſchicken. Wo die Natur nicht durch Fluͤſſe oder auf andre Art ſelbſt Graͤnzen ſetzte, ſchienen die biſchoͤflichen Sprengel dergleichen nicht zu empfangen,(l) ſondern ſich auf eine Mannzahl zu ſchlieſſen. Der Oßnabruͤckiſche mogte Anfangs ſich dieſſeits der Emſe bis ans Meer ausdehnen ſollen. Wenigſtens war bey der erſten Anlage kein Grund vorhanden, um ihm von dieſer Seite Graͤnzen zu geben.

R 2(a) Jch260Oſnabruͤckſche Geſchichte
(a)Jch gedenke hier gar keine Beſchreibung von dem Amte eines Biſchofen zu geben, ſondern gleichſam nur einige Begriffe feſtzuſetzen, deren ich mich in der Folge bedie - nen muß. Dieſe Anmerkung gilt von allem, was ich von der Caroliniſchen Verfaſſung zu ſagen habe.
(a)
(b)Es wird dieſes von einigen in Zweifel gezogen, welche ex HELMOLDO l. 4. behaupten: Ludovicum pium co - optaſſe epiſcopos in principes imperii; Allein ich habe keinen Begrif von Reichs-fuͤrſten, wenn es die Biſchoͤfe nicht eben ſo gut als Herzoge und Grafen geweſen. Ei - ne beſondre Verordnung iſt daruͤber nicht vorhanden; Allein alle Kennzeichen treffen uͤberein. Beyde Theile ſcheinen ſich nur nicht verſtehen zu wollen. Die Gegner ſagen: Ducatus, comitatus Vrigraviatus & diverſa regalia waͤren den Biſchoͤfen weit ſpaͤter verliehen. Ganz recht; Carl der Groſſe hat dergleichen keinem verlieben. Allein nun bringe man ein einziges Exempel vor, wo einem Biſchofe regalis jurisdictio ſuper ſuos Littos & Littones ſpaͤter verliehen ſey. Man zeige die Moͤglich - keit, daß dieſe unter der graͤflichen Krieges-Canzley ſte - hen koͤnnen; und verwechſele nur regalem jurisdictionem Epiſcopi nicht mit der regali jurisdictione comitis, als welche beyde erſt ſpaͤter vereiniget worden: ſo iſt aller Wiederſpruch gehoben. Jn der Appellations-inſtanz waren die Biſchoflichen Litones zuerſt dem Miſſo unter - worfen; in der erſten Jnſtanz aber dem Biſchoͤflichen Kirchen-Vogte.
(b)
(c)S. §. 52. n. e.
(c)
(d)Er controllirte ſeine Handlungen und berichtete davon an den Kayſer. FR. DE ROYE. p. I. c. 10.
(d)
(e)Dieſes findet ſich beſtaͤndig in allen Urkunden. Jhr Verhaͤltniß gegen einander zeigen die bekannten Ver - ordnungen: Ut Epiſcopi cum Comitibus ſtent, & comites cum epiſcopis, ut uterque pleniter miniſterium facere poſſit. CAPIT. IV. ann. 806. §. 4. Sie boten einander die Hand. Und es heißt auch wohl: Ut honor & adju - torium Epiſcopis a comitibus & aliis judicibus præſtetur. S. Edi -261vierte Abtheilunge. S. Edictum Dominicum de ann. 800. beym HEINECC. in Corp. juris Germ. p. 606. Sie werden ſehr oft zur Einigkeit vermahnet: quia partem regalis miniſterii ha - berent. CAP. ann. 823. §. 11.
(e)
(f)Eben daſelbſt heißt es: quod comites negligerent pres - byteros epiſcopis præſentari; und die Grafen werden oft daran erinnert, ut Presbyteros ac cæteros Canonicos, quos comites ſuis in miniſteriis habent, Epiſcopo ſub - jectos exhibeant. CAPIT. I. ann. 792. art. 21. beym BA - LUZ. T. I. p. 369. dies iſt die Huͤlfe des weltlichen Arms, ad requiſitionem epiſcopi, gegen ungehorſame, oder eingeſchlichene fremde Prieſter; und iſt dabey nur zu merken, daß der Biſchof den Angrif nicht durch ſeinen eignen Schirm-vogt verrichten laſſen konnte.
(f)
(g)DE ROYE. l. c. Der Geſandte konnte ihn zur Reichs - Dietine einladen; wenn er aber ausblieb, nicht gegen ihn verfahren. Epiſcopi abbates ad placitum miſſi venire debent; ſi non, tunc eorum nomina annotentur & nobis ad generale placitum (zum Reichstage) mittantur. CAP. VI. ann. 793. art. 5.
(g)
(h)S. §. 124. n. f.
(h)
(i)Der Erzbiſchof Ebbo von Rheims provocirte ad Syno - dum tanquam forum competens. S. FR. DE ROYE. l. c.
(i)
(k)Dieſe Freyheit erhielten ſie vor ihre Perſonen im Jahr 803. S. BALUZ. T. I. p. 407. doch mit dem Anhange, ut ſuos homines bene armatos nobiſcum aut cum quibus juſſerimus (das iſt entweder unmittelbar zum Kayſer oder demjenigen der ſpeciale mandatum dazu hatte, folg - lich nicht cum duce vel comite) dirigant. CAPIT. in - certi ann. ib. p. 401. Dieſe Erklaͤrung war zum Vor - theil der Biſchoͤfe. Denn durch die Freyheit vom Heer - zuge liefen ſie Gefahr ihre Fuͤrſten-Ehre und ihr Fuͤr - ſten-gut zu verliehren; daher ſie auch ausdruͤcklich ſalvo honore & ſalvis bonis ertheilet wurde. S. CAP. cit. & CAP. incerti anni ib. p. 523. Und wenn der Kirchen - vogt mit ſeinen Leuten auch zuruͤckgeblieben waͤre: ſo wuͤrde die Kirche manus mortua, und damit unfaͤhigR 3gewor -262Oſnabruͤckſche Geſchichtegeworden ſeyn Reichsguͤter zu beſitzen; anſtatt daß wenn der Kirchen-vogt mit auszog, die erworbene Guͤter nicht aus der Reichs-Heerbanns-Matrikul, ſondern nur aus der Grafen-folge in die Folge der Schirm-voͤgte traten, und alſo nur ihr Regiment veraͤnderten, wel - ches mit kayſerlicher Erlaubniß geſchehen konnte. CA - PIT. III. ann. 805. in f. Von ihren Zehnten, und dem dote eccleſiæ erfolgte aber die Krieges-pflicht nicht, wie man leicht einſehen wird. Unieuique eccleſiæ manſus integer attribuatur absque ullo ſervitio. Et ſi aliquid am - plius habuerint inde ſenioribus ſuis debitum ſervitium præſtent. CAPIT. Caroli M. L. I. c. 85. Man muß ſich auch nicht vorſtellen daß die Kirche damals Lehn verdie - net habe; indem der Auszug unter dem Vogte kein Dienſt ſondern die natuͤrliche Vertheidigung des Eigen - thums war. S. §. 26.
(k)
(l)Nicht ſo wohl wegen des Bremiſchen Diploms, worin man dem Kayſer ſagen laͤßt: quia caſus præteritorum nos cautos faciunt in futurum --- certo eam limite feci - mus terminari. S. BALUZ T. II. p. 247; ſondern wen es am natuͤrlichſten war, die Haͤuſer und ihre Einwoh - ner, nicht aber weitlaͤufige und bis jetzt noch ofne und aus einem Lande ins andre fortlaufende Marken, Moh - re und Berge zum Sprengel zu ſchlagen. Es hat die - ſes ſeinen Einfluß in die ſpaͤtern Graͤnzſtreitigkeiten.
(l)

§. 125. Vom Archidiacon und Kirchenvogt.

Jn ſeinen auswaͤrtigen geiſtlichen Amtsverrichtun - gen hatte der Biſchof vielleicht ſeinen Archidiacon(a) zum Gehuͤlfen. Seiner wird aber in den einheimi - ſchen ſaͤchſichen Urkunden der erſten Zeit nicht gedacht. Zu den weltlichen Sachen erhielt er ſeinen Vogt,(b) welcher, eben wie der Graf in ſeinem Amte, den kayſerlichen Bann, wodurch das Orbar der Kirchenge -263vierte Abtheilunge. gegen alle Gewalt befeſtiget wurde handhaben, die Bannbruͤche davon aufheben und der kayſerlichen Cammer einſchicken;(c) insbeſondre aber alle Leute, welche der Kirchen angehoͤreten, und Klopps - oder Hof-recht(d) hatten, zu Hofe verſamlen, ihre Weis - thuͤmer annehmen, ſolche als kayſerlicher Richter be - ſtaͤtigen, das Schwerdt uͤber ſie zucken, ſie als un - mittelbarer Reichs-obriſter ausfuͤhren, gegen alle Herzoge, Grafen und ſelbſt vor dem kayſerlichen Ge - ſandten zu Rechte und zu Kampfe vertreten, und uͤberhaupt der beſtaͤndige Gewalthaber der Kirchen zu allen weltlichen Haͤndeln ſeyn ſollte. Die Reichs - verfaſſung erforderte aber, daß dieſer Vogt edel, oder ohne Mittel dem Kayſer unterworfen ſein muſte, weil er als ein bloſſer biſchoͤflicher Amtmann in ſehr vielen Faͤllen nicht die noͤthige Ehre gehabt haben wuͤrde den Biſchof und die Kirche zu vertreten. Die - ſer Umſtand machte ſie aus Voͤgten zu Herrn und oft zu Tyrannen der Biſchoͤfe und ihrer Kirchen, zu deren Behuef und in deren Nahmen, ſie doch den Bann vom Kayſer empfangen und zu handhaben hat - ten. (e)

(a)Aus dem CAPIT. incerti anni, art. 12. welches insgemein ins Jahr 744 geſetzt wird, laͤßt ſich ihr Einfluß in die biſchoͤflichen Angelegenheiten am erſten abnehmen.
(a)
(b)Die Wahl ihrer Voͤgte wurde den Kirchen ſpaͤter zuge - ſtanden. Daher ſteht in der Urkunde welche Carl der Oßnabr. Kirche im Jahr 803 ertheilte, ſchlechtweg: per advocatum ſuum; in dem Paderb. Diplom v. J. 822 aber ſchon dabey: quem ipſi elegerint.
(b)
(c)Der Kayſer Ludewig der Fromme ſchenkte faſt allen Kirchen quicquid fiſcus exinde ſperare poterat; wie manR 4aus264Oſnabruͤckſche Geſchichteaus einer Menge von Urkunden beym BALUZ. T. II. p. 1408 ſs. erſehen kann. Auch die Paderbornſche Kir - che erhielt dieſe Gnade von ihm. S. Dipl. Ludovici P. de 822. in app. monum. Paderb. Dies waren die Bann - bruͤche aus der Kirchen-voͤgtey, welche nicht viel mehr betragen mogten, da der Heerbann ſeltner auszog, und die Bruͤche ſchon in Muͤnze, die bereits gefallen war, entrichtet wurden.
(c)
(d)S. §. 54. n. g.
(d)
(e)Da den Kirchen aus guten Urſachen geboten war, ut centenarium comitis in advocatum non eligant. CAP. V. ann. 819. §. 19. weil aus dem Gegentheil viele Ver - wirrungen entſtehen konnten: ſo kann man fragen: ob ſie auch wohl den Grafen oder Oberſten des Amts, worin die Kirche gelegen war, zum Schirm-vogte er - waͤhlen konnten? ich beantworte dieſelbe mit Nein; in - dem ſonſt die Kirchen folge leicht unter die Grafen-folge gerathen koͤnnen; und halte uͤberhaupt dafuͤr, daß nach der erſten Jdee kein Oberſter aus dem Heerbann Kir - chen-vogt werden ſollen. Es wuͤrde hieraus folgen, daß die Grafen von Tecklenburg als advocati eccleſiæ Oſn. anfaͤnglich noch edle Herrn geweſen waͤren; und ſpaͤter den Grafen-tittel erhalten haͤtten; falls der erſte Advo - cat aus dieſem Hauſe genommen worden. Das Diplo - ma Trutmanno comiti datum, iſt eine plenipotentia miſſi, und advocatia generalis; und wenn gleich in Synodo vom J. 742. art. 5. beym BALUZ. T. I. p. 147 geſetzt wird: ut Epiſcopus adjuvante Graphione ſive comite, qui defen - ſor eccleſiæ iſtius eſt &c. ſo muß dieſes ſpaͤter geaͤndert, oder an vielen Orten der Kirchen-vogt als Chef der Kirchen-folge, ebenfalls Graf genannt worden ſeyn; in - dem verſchiedene Kirchen-folgen ſo ſtark waren, daß un - ter dem Vogte, noch ein vice-dominus & centenarii ſtun - den. S. CAPIT. I. v. J. 802. §. 13. Dergleichen gab es aber ſchwerlich in Sachſen; ſondern nur in ſolchen Reichen, wo die Kirchen bereits mehr Gelegenheit ge - habt hatten, ihre Folgen zu vergroͤſſern.
(e)
§. 126.265vierte Abtheilunge.

§. 126. Von den Zehnten und Zehntpfunden.

Mit dieſer Einrichtung wurde der Kayſer leicht fertig; ſie folgte beynahe von ſelbſt. Jetzt aber kam es auf die Verſorgung der Biſchoͤfe und ihrer Geiſt - lichkeit an; und dazu wollte ein Hof(a) und einige Dienſte(b) nicht viel helfen, welche jeder Kirche zu - gelegt wurden. Der Zehnte muſte alſo eingefuͤhret werden, und der Kayſer, welcher nicht ohne Be - willigung der Sachſen einige Hauptſtuͤcke der chriſt - lichen Lehre eingefuͤhrt hatte, verordnete ploͤtzlich(c) daß nach Gottes Befehl Edle, Wehren und Leute den Zehnten von allen was ſie haͤtten, geben ſollten. Die Verordnung iſt klar; ihre Befolgung aber nicht; es ſey nun daß der Kayſer nach dem vernuͤnftigen Rath ſeines Lehrmeiſters(d) mit den Sachſen uͤber - haupt Gedult hatte; oder aber die erſten Biſchoͤfe(e) ſich von ſelbſt maͤßigten, und vielleicht auch bey den Weſtphaͤlingern als einzelnen Mohr - und Heide - wohnern nicht die Bequemlichkeit ordentlicher Zehnt - fluren fanden. Wenigſtens zeigt ſich in Weſtphalen mancher Sack - oder bedungener Zehnte; uͤberaus viel Zehntfrey Land; und nicht leicht ein Zug-zehnte, welcher vor zweyhundert Jahren wuͤrklich waͤre gezo - gen worden. Vermuthlich hat auch das Zehnt - pfund(f) und der Zehntſchilling ſeinen Urſprung aus einem uralten Vergleiche.

(a)S. §. 124. n. k. Daher in der Folge auch: Curia Oſſenbrugge ſich zeigt.
(a)
(b)S. CAPIT. I. v. J. 812. §. 5. beym BALUZ. T. I. p. 491.
(b)R 5(c) Der266Oſnabruͤckſche Geſchichte
(c)Der Styl des Capitulars de partibus Sax. iſt merkwuͤr - dig. Zuerſt heißt es in demſelben: de majoribus capitu - lis hoc placuit omnibus &c. Hernach kommt: §. 15. de minoribus capitulis conſenſerunt omnes. Dann ſteht §. 16. & hoc placuit. Hierauf aber §. 17: ſimiliter ſeaun - dum Dei mandatum præcipimus ut omnes decimam par - tem ſubſtantiæ & laboris ſui eccleſiæ & ſacerdotibus do - nent, tam nobiles quam ingenui ſimiliter & liti. Der Zehnte ward alſo durch Befehl; und ein Theil der zehn Gebote, welcher ſub Capitulis majoribus enthalten war, durch Bewilligung eingefuͤhrt.
(c)
(d)S. §. 120. n. a.
(d)
(e)Die Worte: De decimis, quas populus dare non vult niſi quolibet modo ab eo redimantur. v. CAPIT. ann. 829. §. 7. beym BALUZ T. I. p. 665. beweiſen zur Gnuͤge, daß man im Anfange die Zehnten mit groſſen Glimpf eingefuͤhrt habe. Der Oßnab. Biſch. Philipp zielt eben dahin, wenn er in decreto Synod. v. J. 1160 ſagt: Cum quædam fratrum curia ſecundum antiquam inſtitutio - nem pro decima ſua quatuor ſolidos denariorum ſexaginta annis & amplius perſolviſſet & prolixitas temporis attu - liſſet firmum titulum poſſeſſionis, quidam Menwordus in ſynodum noſtram veniens jure beneficiali prædictæ curiæ decimam in manipulis exegit. Sed ille tandem juſtitiæ re - gulis arctatus in plena Synodo profeſſus eſt quod pro de - cima ejusdem curiæ -- non niſi IV. Sol. denariorum --- de jure eſſet accepturus. Das Reichs-Cammer-gericht urtheilt anders als dieſer Biſchof. S. v. CRAMERS Nebenſt. T. XV. p. 155.
(e)
(f)Jn den Oßnab. Urkunden des XI. XII und XIII Sæc. iſt alles was die Kirche zu Lehn reicht, libra vel ſolidus decimationis; Nur eine davon anzufuͤhren: ſo heißt es in traditione bonorum a liberto Werinbertho facta de 1049. inſuper decimæ libras duas & de ſervitio quod ſibi debet annuatim in circuitione ſua de bonis Abbatis Cor - bienſis farris item ſegalis hordei avenæ & braſii libras duas nec non per ſingulos annos vini Karradas duas; ſiautem267vierte Abtheilunge. autem vinum deficeret, quod ſæpe continglt, pro vino marcas duas ſive argenti ſive farris. Jch ſchlieſſe hieraus daß man Zehnt-pfunde und Zehnt-ſchillinge gehabt habe; ſo daß z. E. 20 Malter Rocken, oder 30 Malter Gaͤr - ſten, oder 40 Malter Haber, oder - Centner Mehl, oder - Bund Flachs, ein Zehnt-pfund ausgemacht; und die Zehnt-ſchuldner die Wahl gehabt haben ob ſie ihr Pfund in einem oder andern, oder in allen Sorten zu, ſammen, nachdem es ihre Erndte mit ſich gebracht, be - zahlen wollen. Ohne dieſe Hypotheſe wuͤrden marca ar - genti & farris keinen Begrif geben. So wohl Du Freſne als die Benedictiner haben ſolches bey Erklaͤrung der haͤufig vorkommenden libraru〈…〉〈…〉 terræ verfehlt. Wir ſagen jetzt: ein Gut von tauſend Thaler Einkuͤnften; und das Gut bringt doch kein Geld ſondern Korn, Dienſte, Huͤner und Eyer hervor. Nun ſetze man vor - aus, daß alle dieſe Sachen einen geſetzten oder herge - brachten Anſchlag gehabt haben: ſo wird man leicht ſehen, was libra terræ geweſen, und wie dieſelbe, wenn der Anſchlag einige hundert Jahre unveraͤndert geblie - ben, bald ſchwerer als libra denariorum werden muͤſſen. Die obangezogene Urkunden werden im zweyten Theile dieſer Geſchichte erſcheinen.
(f)

§. 127. Von den Grafen und Grafſchaften.

Herzoge,(a) Grafen(b) und Hauptleute waren im Heerbann, was Erzbiſchoͤfe, Biſchoͤfe und Pfar - rer(c) in der geiſtlichen Reihe waren. Allein Carl verordnete keine Herzoge uͤber die Sachſen;(d) und machte noch weniger Herzogthuͤmer. Der Heerbann ward bloß in Cantons oder Grafſchaften abgetheilt; und wann er ausziehen muſte, durch einen General, welchen der Kayſer ſchickte, gefuͤhrt. Der Graf oder Oberſte ward auch ihr Richter; indem Landbeſitzerwel -268Oſnabruͤckſche Geſchichtewelche zugleich im Felde dienen, nicht wohl unter - ſchiedenen Gerichtsbarkeiten unterworfen werden konn - ten. Er richtete aber unter des Kayſers Bann,(e) wie der Edelvogt der Kirchen. Jedoch nicht anders als nach dem Weißthume der Schoͤpfen. Die Grafſchaft war wie der Sprengel ein Amt und kein Territorial-diſtrikt. Daher man nicht ſagen konnte, was in der Grafſchaft wohnet ſteht auch unter dem Grafen. Der kayſerliche Geſandte, welcher zugleich Provincial-General(f) und an der Spitze des Kriegs-Commiſſariats war, hielt die Mann-liſte der Grafſchaft,(g) und beobachtete den Grafen ſehr genau, ohne jedoch ſein Richter(h) zu ſeyn. Jhm wurden nicht mehr als vier Beurlaubte gut gethan;(i) und kaum die Aufhebung und Berechnung der Bann - bruͤche zur kayſerlichen Cammer geſtattet;(k) um alle Unterſchleife(l) zu vermeiden.

(a)Das Wort Herzog hat alles erlitten, was ein Tittel erleiden kann. Es iſt damit eben, wie mit dem Gene - ral, und General-Lieutenant, dem Feldmarſchall und Feldmarſchall-Lieutenant ergangen; welche anfaͤnglich die hoͤchſte Vollmacht, bald aber auch nur den Tittel davon hatten. Oft wurde der Graf der in der Armee etwa Brigadiers Dienſte vertreten, oder ſonſt ein groͤſ - ſers Commando gefuͤhrt, Herzog genannt, ohne den Tittel ſo fort aus der Canzley zu erhalten. Oft hieß ei - ner Graf und Herzog zugleich, eben wie man ſagt Co - lonel d un regiment & General &c. und da man dieſe Begriffe nicht genug unterſchieden, ſind daraus viele falſche Folgen gezogen worden. Wenn ich in dieſer Ge - ſchichte die Kirchen-voͤgte und Edlen dem herzoge ent - ziehe: ſo verſtehe ich einen Herzog absque ſpeciali man - dato oder ohne Feldmarſchalls Vollmacht. S. §. 125. n. k.
(a)(b) Jch269vierte Abtheilunge.
(b)Jch ſetze den Grafen durchgehends fuͤr den Oberſten eines Regiments, und nicht fuͤr jeden Commendanten, dergleichen die comites minores mediocres et civitatum waren.
(b)
(c)Duces Metropolitanis, Comites Epiſcopis, Centenarii vel Vicarii parochis ſive plebanis comparantur WALAFR STRABO. de reb. eccl. c. 31.
(c)
(d)Es findet ſich wenigſtens nichts davon, und man kann nicht vermuthen, daß der Kayſer, welcher die Graf - ſchaften nicht recht groß machte, die ganze ſaͤchſiſche Macht zweyen oder dreyen Herzogen untergeben habe. Ein wahres Herzogthum aber waͤre vollends ein Schni - tzer in der Politik geweſen. Zwanzig Grafſchaften koͤnn - ten einen Herzog haben; es blieben aber immer zwanzig Grafſchaften und zwanzig Grafen. Um aber ein Her - zogthum zu machen, haͤtten ſie in einander geſtoſſen, und alle Grafen oder Comites in Vice-comites & Vicarios verwandelt werden muͤſſen. Wenn ein heutiger Ge - neral, Chef aller Regimenter und Compagnien waͤre, und lauter Colonels & Capitaines commendans unter ſich haͤtte: ſo wuͤrde ſeine Armee in ihrer Art dasjenige ſeyn, was ein Herzogthum geweſen ſeyn wuͤrde. Die Markgrafſchaften waren aus beſondern Urſachen nach dieſen Plan angelegt; und verſchiedene Provinzien in Oberdeutſchland, als Bayern ꝛc. aus gleichen Urſachen und durch die Laͤnge der Zeit in Herzogthuͤmer erwach - ſen; ſo daß Carl ſie absque injuria ducis nicht wieder in unmittelbare Grafſchaften zerreiſſen konnte.
(d)
(e)Regale miniſterium. S. §. 125. n. e.
(e)
(f)Jch bediene mich dieſes neuern Ausdrucks, um den Ge - neral-Reviſer aller Truppen in der Provinz zu bezeich - nen.
(f)
(g)CAPIT. ann. 812. §. 5.
(g)
(h)S. §. 123. n. f.
(h)
(i)Duo cum uxore & duo in quolibet miniſterio. CAP. I. ann. 812. §. 4. CAPIT. VI. ej. ann. §. 3. ſs. Den Bi - ſchoͤfen und Aebten, wurden nur zwey Beurlaudte inihrer270Oſnabruͤckſche Geſchichteihrer Vogts-folge paſſirt. §. 5. ib. Jch fuͤhre dieſen gerin - gen Umſtand um deswillen an, weil er meiner Mey - nung nach, der Vorgang unſer Land Erb-aͤmter geweſen. Das Recht vier Beurlaubte bey jedem Regimente zu haben, fuͤhrete ſpaͤter, wie man ſtatt der Land-folge eine Lehn-folge brauchte, leicht dahin, auf gleiche Art vier Lehmaͤnner unter dem Tittel von Schenken-Marſchal - len ꝛc. zuruͤck zu behalten, und es iſt kein Zweifel, daß nicht bey einem Zuge uͤber die Alpen oder nach Jeruſa - lem, manche Edelfrau ihrem Manne dieſes beneficium a latere werde gern ausgewuͤrket haben; der ſonſt viel - leicht kein Schenke geworden waͤre, und vielleicht wohl niemals eingeſchenkt hat.
(i)
(k)Wenn der Graf die Heerbann-bruͤche ſelbſt eingehoben haͤtte: ſo wuͤrde es ihm um ſo viel leichter geworden ſeyn, Unterſchleife zu machen. Daher hieß es: Ut co - mes non pro aliqua occaſione, nec Wacta nec de Scara, nec pro heribergare, nec pro alio banno heribannum ex - actare præſumat niſi miſſus noſter prius heribannum ad partem noſtram recipiat & ei ſuam tertiam exinde per juſ - ſionem noſtram donet. Capit. II. ann. 812. §. 2.
(k)
(l)Von den vielen Unterſchleifen der Grafen, zeigen die gegen ſie gemachte Verordnungen. Beſonders das CA - PIT. ann. 812. §. 5. 6.
(l)

§. 128. Von den Hauptmannſchaften oder Edelvogteyen.

Da man in Weſtphalen nichts von Centen, Hundteden und Toufen;(a) in der Folge aber deſto mehr von Edelvoͤgteyen oder Advocatien findet: ſo ſcheinet(b) es, daß der Kayſer anſtatt der Centena - tien, und Tiuphaden;(c) lauter Edelvoͤgte verord - net habe, welche alſo die Stelle der Hauptleute ver - traten, auf Hoͤfen(d) ſaſſen, und nicht vom Grafenſon -271vierte Abtheilunge. ſondern vom Kayſer oder ſeinem Geſandten angeſetzt wurden;(e) daher ſie auch vor jenem nicht zu Rechte ſtanden. Sie ſelbſt aber richteten nicht unter Kay - ſers-bann;(f) doch hatten ſie Gebot und Verbot, vermuthlich aber nicht hoͤher als auf 3 ß.(g) weil der Grafe ſelbſt nur bey 12 ß. gebieten konnte. Die Folge macht es ziemlich wahrſcheinlich, daß verſchie - dene ſolche Voigts-hoͤfe ſpaͤter mit Schloͤſſern(h) beſetzt, viele aber auch von den Edelvoͤgten verkauft, und als gemeines Gut in die biſchoͤfliche Kirchen-fol - ge(i) gerathen ſind.

(a)S. §. 6.
(a)
(b)Jch getraue mir dieſes nicht zu entſcheiden, theils weil Carl der Groſſe bereits curias cum muniburde, oder Gilden mit einem erwaͤhlten Vorſteher, welche Beda Satrapas und ſein Ueberſetzer Altermanns nennt; S. §. 38. n. i. und §. 106. n. a. vorgefunden und beybehal - ten haben kann, wie ich ſolches ſehr wahrſcheinlich fin - de; theils auch weil ſie ſich etwas ſpaͤter formirt haben koͤnnen. Jndeſſen iſt ſo viel gewiß, daß die Vogtey o - der Hauptmannſchaft nicht erblich geweſen, weil Carl faſt in allen Capitularien darauf dringt ut miſſi noſtri bonos advocatos eligant & malos ejiciant. Sie konnte alſo auch vor ſeiner Zeit nicht erblich geweſen ſeyn, oder Carl haͤtte alle Erbvogteyen ſprengen muͤſſen. S. §. 106. n. a. Sie hieſſen advocati vel judices comitum. CAPIT. III. ann. 805. §. 14.
(b)
(c)Man hatte einen Zopf, welcher die Vereinigung meh - rer Leute zu einer Compagnie nicht uͤbel vorſtellete, ſtatt der Fahne. S. DU FRESNE v. Tufa & τȣ͂φα. Die Tuͤrken haben noch ſo ihren Roß-ſchweif. Und ſo wie man ehedem ein faͤhnlein fuͤr Compagnie, und bey den Roͤmern, manipulus fuͤr einen Haufen Soldaten gebrauchte, quando Pertica ſuſpenſos portabat longa maniplos. eben272Oſnabruͤckſche Geſchichteeben ſo ſagte man auch Touf dafuͤr, wie ſich ſolches bey den deutſchen Dichtern des XII und XIII. Sæc. fin - det. Und davon iſt meiner Meinung nach auch Touf - haupt oder der Tiuph-had, deſſen in LL. Wiſigotho - rum oft gedacht iſt, entſtanden.
(c)
(d)Jetzt ſpricht man zwar von Bauerhoͤfen; nachdem das Wort Hof einen weitern Begrif erhalten hat. Wobey man doch noch anfaͤnglich ſagte: domos vel manſiones quas abuſive curtes vocamus. HERIMAN. de reſtaur. S. Mart. Torn. c. 71; und uͤberhaupt fuͤhlt man die Ver - legenheit der Lateiner des neunten und zehnten Jahr - hunderts einen Bauerhof in ihrer Sprache auszudru - cken. Curia, curtis, prædium, heredium &c. hatten an - dre Bedeutungen. Daher wurde eine Zeitlang manſus und manſio dafuͤr gebraucht. Bald darauf ſagte man domus; wie denn in den hieſigen Urkunden des XII und XIII Jahrhunderts decima trium vel quatuor domorum oft vorkommt; welches jetzt oft den Zehntpflichtigen Ge - legenheit giebt, decimam prædialem in Abrede zu ſtellen.
(d)
(e)Der Verfaſſer des hiſtoriſchen Berichts von der Reichs - Landvogtey in Schwaben S. II. §. 3. glaubt die Gow - grafen haͤtten dergleichen Voͤgte ſelbſt verordnen koͤnnen. Allein es gehoͤrte dieſes dem miſſo oder kayſerlichen Re - praͤſentanten. CAPIT. III. ann. 805. §. 14; und man kann jenen Satz nicht behaupten ohne den Reichs-haupt - mann in einen graͤflichen Diener zu verwandeln. Es hat dieſes ſeinen groſſen Einfluß auf die ſpaͤtern kayſer - lichen Erklaͤrungen, daß die miniſteriales principum den miniſterialibus imperii gleich ſeyn ſollten. Dieſe Erklaͤ - rung geſchahe zur Zeit, als die Reichs-Hauptleute durch die Vererbung der Herzogthuͤmer und Grafſchaften in fuͤrſtliche Dienſte geriethen; und war eine Salvatio juris miniſterialium, nicht aber ein neues privilegium.
(e)
(f)Der Kirchen-vogt richtete unter Kayſers-bann; ver - muthlich auch viele andre Voͤgte, welche ein groſſes Amt en chef erhalten hatten, welches ſich nicht fuͤglich zerreiſſen laſſen wollte. S. §. 127. n. d. wie denn HEI - DER in ſeinem Bericht von Reichs-vogteyen p. 828. der -273vierte Abtheilunge. dergleichen anfuͤhrt. Allein in Sachſen hat es ſchwer - lich dergleichen geben koͤnnen, weil daſelbſt vor Carln keine groſſe Bezirke waren, die ohne Nachtheil ihrer alten Beſitzer nicht getrennet werden konnten.
(f)
(g)Wir haben dieſe Art die Gerichtsbarkeit zu beſtimmen verlohren, ohnerachtet ſie mit vieler Feinheit ausgedacht iſt. Die groſſe Verwirrung in der hohen, mittlern und niedern Gerichtsbarkeit ruͤhrt guten Theils daher, daß man jetzt nach einer andern Methode rechnet, als vor Zeiten. Die Gelegenheit dazu gab der Muͤnz-verfall, wodurch die Straf-taxen ihr Verhaͤltniß zu den Ver - brechen verlohren; und nachdem jeder Landesherr ſol - che vor ſich S. §. 121. n. f. nach Willkuͤhr verhoͤhen will, haben die Nieder-gerichtsbarkeiten auch ihren Maaß-ſtab verlohren.
(g)
(h)Jch werde Gelegenheit haben dieſes in der Folge zu bemerken.
(h)
(i)Es geſchahe dieſes in den erſten heiligen Kriegen, und eine Menge von Exempeln wird es zu ſeiner Zeit be - ſtaͤtigen; daß viele Meyer - und Rede-hoͤfe von den Edelvoͤgten verlaſſen und bald ledig, bald aber mit ei - nem Leut, bald auch mit einen bloſſen Leibeignem be - ſetzt, der Kirche uͤbergeben worden. Daher die Formel: Curiam in Berge cum omnibus appendiciis ſuis exceptis manſis & litonibus curie, præter colonum curie & uxo - rem & liberos ejus ſi curie attinet, ſi vero colonus curie lito non eſt, de colonis curie lito cum uxore dabitur, ſi cultor datus uxorem & liberos habet, curiam ſequantur. v. litt. Compoſit. inter Arnoldum Ep. Oſn. & Symonem C. de Tekenb. de 1186.
(i)

§. 129. Von den Edelvogts-Hoͤfen.

Jn den erſten dreyen Jahr-hunderten zeigen ſich biele Hoͤfe welche von Edlen Herrn(a) dem Heil. Peter oder andern Heiligen uͤbergeben werden; undSunter274Oſnabruͤckſche Geſchichteunter dem Zubehoͤr dieſer Hoͤfe iſt insgemein Fiſche - rey und Jagd(b) begriffen. Jhrer iſt keine geringe Menge in den Urkunden aufbehalten; und alle dieſe(c) Hoͤfe ſind jetzt keine Edel-guͤter ſondern Meyer - Schulzen - oder Rede-hoͤfe. Die Wehr dieſer Hoͤfe oder die vorhin daraus gegangene Vogtey hat alſo der Biſchof da der Heerbann bereits verfallen war, zuruͤck behalten und den Hof einem Leut(d) unter - geben. Daraus wird glaublich, daß der Edel-vogt zuerſt aus der Reihe der Wehren(e) erwaͤhlet, und vom Kayſer zum Hauptmann beſtellet worden. Es wird weiter daraus wahrſcheinlich, daß die Jagd mit der Wehr(f) verknuͤpft geweſen, und fuͤr diejenigen verlohren gegangen ſey, welche unter die Voͤgtey ge - rathen. Man ſiehet den Grund durchſcheinen, war - um die jetzigen Rede-hoͤfe dem Biſchofe, als der - maligen Beſitzern ihrer Edelvoͤgtey, zu verſchiedenen beſondern Jagd-dienſten(g) verpflichtet; andre aber noch mit einiger Jagd berechtiget(h) ſind. Man begreift daß die Markgenoſſen in der Wahl ihres Holzgrafen ſchwerlich den Edelvogt vorbey gehen koͤnnen; und alſo zur Zeit Carls des Groſſen der Edelvogt auch Holzgrafe(i) geweſen; wovon hier - nechſt die vielen Unterholzgrafſchaften bey den Meyer - und Rede-hoͤfen erblich verblieben. Man ſchließt endlich, daß der Edelvogt vorzuͤglich Patron der Kirche(k) werden muſte, welche die Vogts-leute erbauen halfen.

(a)So uͤbergab Volchard nobilis 1070 curtem ſuam in Hel - vern, Gyſla nobilis fœmina 1085 curiam in Drebber, De - minus Giſelbertus & Demina Cuniza 1086 curiam Venne&275vierte Abtheilunge. & Bomwedde, Everhardus nobilis homo & ſummus eccleſiæ advucatus 1091 curiam in Holthuſen, Luidgardis nobilis fœmina 1096 curiam in Waldenbrug; Hildeſwith nobilis fœmina 1097 curtem in Berlere; Wal nobilis homo cur - tem in Riſenbeck; Henricus Comes 1150 curtem in Wer - ſen; Folker nobilis 1186 curtem in Venne &c. &c. wie ſolches aus den Urkunden, ſo dem zweyten Theil dieſer Geſchichte beygeleget werden ſollen, erhellen wird. Die - ſe nobiles waren Edelvoͤgte; und wenn man einwenden wollte, daß ſie jene Hoͤfe als heutige Gutsherrn beſeſſen und verkauft: ſo wiederſpricht ſolchem nicht allein die Urkunde, ſondern die ganze Zubehoͤr des Hofes worun - ter die Jagd mit genannt iſt. Ein einziger quidam We - rinbraht libertus & miles qui 1049 curtim unam in loco Riesforti epiſcopo Alberico tradidit, iſt mir jedoch auch vorgekommen. Wahrſcheinlich hieß dieſer libertus, weil er entweder die Edelvogtey aus ſeinem Hofe ausgekauft, oder doch ſonſt davon war befreyet worden; er war alſo libertus ex ſtatu litonico und nicht ex ſtatu mancipii. Die - ſer Werinbraht uͤbergab ſeinen Hof erſt in precariam; und in einer andern Urkunde heiſt es: deinceps vero poſt breve tempus, propter amorem ac dilectionem ejus - dem Epiſcopi ſe ipſum cum omni bono ſuo quod tunc ha - buit & poſt hæc adepturus erat, ad eandem tradidit eccle - ſiam & cum ſacramento, ſicut proprius lito merito debuit, eidem eccleſiæ & epiſcopo fidelitatem fecit.
(a)
(b)Die Formel iſt insgemein: Curia cum omnibus utilitati - bus ad ipſam pertinentibus, ædificiis mancipiis, arvis tam cultis quam incultis, pratis nemoribus ſylvis ſaltibus pa - ſcuis, venationibus, piſcationibus exitibus redditibus &c.
(b)
(c)Nemlich die in den mir bekannten Urkunden benannte, und jetzt noch mit ihrem alten Nahmen auch ſehr merk - lichen Kennzeichen vorhandene Meyer-hoͤfe. Es muß hieraus dasjenige was ich §. 6 geſagt, erlaͤutert werden, weil ich als jenes abgedruckt wurde, dieſe Urkunden noch nicht erhalten hatte.
(c)
(d)Der H. Peter oder der Biſchof konnte ſolchen mit kei - nen Leib-eignen beſetzen, weil dieſer den uͤbrigen Hof -S 2hoͤri -276Oſnabruͤckſche Geſchichtehoͤrigen Leuten nicht ebenbuͤrtig geweſen ſeyn wuͤrde. Es heißt daher auch noch in den Hof-rollen, daß ſie kei - nen Leib-eignen unter ſich dulden wollen; doch iſt ſpaͤter, da die Hof-verſamlungen ins Stecken gerathen; mithin das Klopps-recht verdunkelt worden, vielfaͤltig ein an - ders facto geſchehn. S. §. 47. n. c.
(d)
(e)Es waͤre eine unwahrſcheinliche Hypotheſe, wenn man annehmen wollte, daß Carl der Groſſe in jeder Edel - voͤgtey einen Beſitzer von ſeinem Hofe vertrieben, und ſtatt ſeiner einen aus dem alten Stamme der Edlen dar - auf geſetzt haͤtte: oder daß die Edel-voͤgte zuerſt unan - geſeſſene Hauptleute geweſen, und jene Hoͤfe an ſich ge - bracht haͤtten. Erſters koͤnnte ſo ſcheinen, weil der Kay - ſer Ludovicus pius curtem in Tiſſene ſuam nennt; S. §. 49. n. f. und letzters weil die advocati, wenn ſie nicht gut waren, vom Kayſer ab - und andre an ihre Stelle geſetzt werden konnten. Allein jenes kann fuͤglich einen andern Sinn haben, indem eine curia imperii auch curia imperatoris genannt werden kann; und dieſes beweißt eigentlich nur, daß es mehrere Hoͤfe gegeben, wovon der Eigenthuͤmer Edelvogt werden koͤnnen.
(e)
(f)Jn dem Jagd-Protocoll v. J. 1652 rechnen diejenigen, welche ſich allgemeiner Gruͤnde bedienen, die Jagd zu den Rechten des Adels und der Gutsherrlichkeit, indem ſie ſo weit jagen zu duͤrfen behaupten, als ſie Eigenbe - hoͤrige liegen haben. Dieſer Grundſatz wird faſt durch - gehends gebraucht; und gleicht einer allgemeinen Sage. Weil nun die jetzt ſo genannte adliche Gutsherrlichkeit eigentlich dasjenige iſt, was ich die Wehr nenne, indem ſie ſich von andern Gutsherrlichkeiten, als z. E. wenn der Leut einen After-leut hatte S. LEX FRIS. tit. XI. unterſcheidet; ſo halte ich es ſehr wahrſcheinlich, daß die Jagd uͤberall mit der Wehr verknuͤpft geweſen. S. §. 6.
(f)
(g)Die Rhedemeyer im Amte Fuͤrſtenau ſind insgemein verpflichtet dem Biſchoͤflichen Jaͤger die Atzung zu ge - ben; junge Hunde von der Hof-jagd zu fuͤttern ꝛc. wel - ches meiner Meinung nach daher ruͤhrt, daß der Biſchofdie277vierte Abtheilunge. die Edelvogtey dieſer Hoͤfe an ſich gebracht; und der Edelvogt ehmals ſolches Recht als er einen Leut an ſei - ne Stelle auf den Hof ſetzte, ſich von demſelben bedun - gen hat; im Fall es, wie in andern Laͤndern, wo viel - leicht gemeine Jagd von der Hof-jagd nicht genug unter - ſchieden worden, behauptet wird, keine gemeine Jagd - frohne geweſen.
(g)
(h)Jch ſehe es als eine Folge der auf den Meyerhoͤfen zu Riemsloh, Bramſche, Wetter, Schletbruͤggen, Schle - dehauſen, Ocdingberg, Backum, Stockum und Eſſen, gehafteten und von dem Biſchofe an ſich gebrachten al - ten Vogteyen an, daß ſich dieſe und kein ſonſtiger gemei - ner Unterthan im Jagd-Protocoll v. J. 1652 als Jagd - berechtigte angegeben haben. Denn es war ſehr natuͤr - lich, daß wie die Edelvogtey dieſer Hoͤfe an die Oſna - bruͤckiſche Kirche kam, man dem darauf bleibenden Leut einige Jagd vergoͤnnete; welche ſonſt eigentlich nur der - jenige, ſo die Wehr davon hatte, ausuͤben konnte.
(h)
(i)Dies war beynahe nicht anders moͤglich; und wenn PI - PER in ſeinem Marken-recht S. §. 15. n. a. dieſen Grund genommen haͤtte, wuͤrde er beſſer gefahren ſeyn.
(i)
(k)Daher die allgemeinen Geſetze: de eccleſiis quæ ab inge - nuis hominibus conſtruuntur, licet eas vendere, tantum - modo ut eccleſia non deſtruatur ſed ſerventur cottidie ho - nores CAPIT. de 794. §. 52. und die Verfuͤgung des Oßn. Biſchofen Philips v. J. 1149: addimus etiam & autoritate noſtra firmamus ut quemcunque ſacerdotem do - minus curiæ (zu Latbergen in der Grafſchaft Tecklenburg) idoneum parochianis aſſentientibus elegerit ad accipien - dam curam Altaris Epo libere producat.
(k)

§. 130. Vermuthungen uͤber den Urſprung der heutigen Edelhoͤfe.

Solche Hoͤfe wovon der Eigenthuͤmer in der Folge die Wehr nicht uͤbergab, blieben vermuthlich Edel -S 3hoͤfe;278Oſnabruͤckſche Geſchichtehoͤfe;(a) und mit der Jagd berechtiget. Auch die Holzgrafſchaft konnte ihnen ſchwerlich entgehen;(b) Wo noch einige die Wroge und die Beſtrafung der Blut-ronnen(c) dabey haben, da mag auch eine alte Hof-rolle dabey geblieben, ſonſt aber der Vogt - ſitz einzeln(d) ohne Rolle verkauft oder verliehen ſeyn. Die Vogts-jagd war nur eine niedre Jagd. Es finden ſich wenigſtens Beyſpiele,(e) daß einem der bereits mit der Vogts-jagd berechtiget geweſen, gewiſſe Stuͤcke grob Wild zu faͤllen erlaubet worden. Spaͤter wie die gemeine Noth die Anlegung einiger Schloͤſſer auf ſolchen Hoͤfen erforderte,(f) mogte die grobe Jagd Anfangs vom Schloſſe(g) gehen. Doch iſt dieſes eine bloſſe Vermuthung. Allein in den Urkunden der erſten Zeit erſcheinet kein Schloß; und die Sachſen konnten dergleichen ſchwerlich an - ders als auf der Graͤnze geduldet haben. Schloͤſſer wurden der ſpaͤtern und ſchwaͤchern Lehn-militz wich - tig. Der Heerbann und die gemeine Freyheit dul - deten ſie nicht. Die Klagen uͤber die vielen Raub - ſchloͤſſer erhoben ſich gegen das Ende der Lehn-militz und den Anfang der Landes-knechte.

(a)Sie werden auch noch oft curiæ genannt: als curia Wulften ꝛc.
(a)
(b)Man erwaͤhlt immer gern in ſolchen Faͤllen potentiores; und ſchwerlich konnte ein Leut zum Richter uͤber ſeinen Edelvogt beſtellet werden. Jn einer Mark aber worin mehrere Edelvoͤgte, oder gar keine waren, konnte ſich das Wahl-recht erhalten.
(b)
(c)An der curia Wulften, imgleichen bey Geßmold, wel - ches vermuthlich ebenfals eine curia geweſen, ſind noch dergleichen Rechte. Zu Mimmelage, wo die curia ver - dunkelt ſeyn muß, beſtraft der Holzgraf die Blut-runnen. Von279vierte Abtheilunge. Von den andern Hoͤfen, ſo viel deren jetzt noch Hof-rol - len und Hausgenoſſen haben, hat der Biſchof oder das Dom-capittel S. §. 47. n. c. die Edelvogtey; und iſt daher vermuthlich compendii gratia die Beſtrafung der Blut-runnen und die Wroge mit dem Amte verknuͤpft worden.
(c)
(d)Jch will gleich ein Exempel hievon anfuͤhren. Jn dem Vertrag zwiſchen dem Biſchof Arnold und Grafen Si - mon von Tecklenburg v. J. 1186 heißt es: Oppignora - vit curiam in Berge cum omnibus appendiciis ſuis, exceptis manſis & litonibus curiæ, Hier trennt der Graf den Mey - erhof zu Berge von allen ſeinen Hausgenoſſen, uͤbergiebt erſtern der Oſn. Kirche und behaͤlt die letztere, welches oft geſchehn. Daher denn in der Folge faſt alle Kauf - briefe de advocatiis ſingularum domorum ſprechen; als welche auf ſolche Art vereinzelt, zerſtreut, und oft zu Sunderleuten S. §. 54. n. g. gemacht wurden.
(d)
(e)Jch will hier nicht das Exempel des §. 129. n. a. ge - dachten Werinbrahts, wovon es ſonſt in der Urkunde von 1049 heißt: & annuatim duas feras id eſt cervam & cervam unam aut ipſe capiat aut ad capiendos det cuicun - que ſibi placeat; ſondern das von dem Domino Giſelber - to und der Domina Cuniza ibid. anfuͤhren, welche ihren Hof zu Venne und Bomte, wobey ſicher die kleine Jagd war, dem Biſchofe uͤbergaben, ſolchen in precariam zu - ruͤck - und von dem Biſchofe zur Dankbarkeit das Recht erhielten, jaͤhrlich 2 Schweine und 2 Hirſche erlegen zu duͤrfen. Wie auch die eben daſelbſt bemerkte Gyſela 1085 ihren Hof zu Drebber mit aller Jagd und Fiſche - rey uͤbergab; trat ſie auſſerdem ab: foreſtum in tribus ſylvis Dyvbroick, Thybur-brock & Stroden, in porcis vi - delicet ſylvaticis, cervis, capreolis, caſtoribus, leporibus, piſcibus omnique venatione quæ ſub banno uſuali ad fo - reſtum deputatur; Waͤre nun bey der Curia Drebber die grobe Jagd geweſen: ſo wuͤrde ſie ſolche vermuthlich auf gleiche Art ausgedruckt haben.
(e)S 4(f) S.280Oſnabruͤckſche Geſchichte
(f)S. L. B. de KNIGGEN de caſtris II. §. 32. wo er zeigt daß insgemein die Schloͤſſer auf ſolchen Hoͤfen errichtet worden, zu welchen bereits andre kaͤyſerliche Freyheiten gehoͤret haben.
(f)
(g)Zu der groben Jagd haben ſich zum Protocoll von 1652 als Berechtigte angegeben die Haͤuſer Barenau, Har - kotten, Huͤnnefeld, Huntemuͤhlen, Jppenburg, Ovel - guͤnne, Scheventorf, Suthauſen, Wulften, der Land - droſt, und der Erbjaͤgermeiſter. Doch ſind vermuthlich mehrere, die ſich nicht angegeben, vorhanden.
(g)

§. 131. Vom Adel.

Durch die neue Einrichtung ward der Adel ſehr vermehrt, indem die Grafſchaften ihm alle Gelegen - heit gaben, ſich in mehrere Zweige auszubreiten; auch die Edelvoͤgte ſich mit ihm vermiſchten. Anfangs mogte nicht ein jeder Edler ſich dazu bequemen;(a) und manche Grafſchaft einem verdienten Wehren(b) zu Theil werden. Es gab ſich aber bald und die juͤn - gern Soͤhne der Edlen nahmen vermuthlich gern Reichs-dienſte, da ihnen die Gelegenheit ſich kuͤnftig in privat Gefolgen(c) zu erhalten, benommen, und dem alten Adel das bisherige Recht der Gefolge(d) mit groſſen Bedacht abgeſchnitten wurde. Dieſer behielt nur die Wahl ob er in des Kayſers Dienſte glaͤnzen, oder mit ſeiner Familie ruhig auf ſeiner Allode bleiben wollte. Er ſtand daſelbſt unter keinem Herzoge(e) oder Grafen; zog wenn er ſeine Allode vertheidigen muſte, unmittelbar zum Kayſer, oder demjenigen,(f) der des Kayſers beſondre Vollmachthatte;281vierte Abtheilunge. hatte; erhielt die Befehle dazu durch den Geſand - ten;(g) und kam zur Reichs-Dietine, und zur Bi - ſchoͤflichen Synode, aber zn keinem Grafen-dinge. Ohne Erlaubnis des Geſandten durfte er auch keine Verſamlungen halten;(h) und noch weniger wie vordem(i) ſo gleich zum Degen greifen.

(a)Man erkennt dieſes noch an dem Ton des Welfo. S. Mon. Weringart. beym LEIBNITZ T. I. p. 798; und manche heutige Grafen ſchrieben ſich vor Alters liebet Edle Herrn.
(a)
(b)Die Politik des Kayſers zeigt ſich in folgenden Verſen: His ubi primores donis illexerat omnes Subjectos ſibimet reliquos contriverat armis. POET. SAX. ad ann. 803. Dieſer zufolge iſt es ſehr ver - nuͤnftig und wahrſcheinlich: Carolum conſtituiſſe ſuper cos ex nobiliſſimis Saxones genere comites. Chron. Nibel. ad ann. 782 beym DU CHESNE T. II. p. 22. S. MET - TINGH de milit. Germ. S. III. p. 132. Allein folgendes Geſetz: Si quis comes in ſuo comitatu occiſus fuerit in tres Werigeldos, ſicut ſua nativitas eſt, componere fa - ciat. CAPIT. II. ad ann. 813. §. 10. zeigt, daß es comi - tes diverſæ nativitatis gegeben. Daher auch der Muͤnch von St. Gallen de geſtis Carol. M. I. 5. ap. CANIS. T. II. p. 3. p. 58 nicht unrecht hat, wenn er ſagt: Carolum ſæpe juvenculos & pauperes in Epiſcopos ſublimaſſe & ſcientiam nobilitati prætuliſſe; und die Exempel ſo er c. 6. und 8. davon anfuͤhrt ſcheinen nicht erdichtet zu ſeyn. Juvenculus ſteht hier pro juniore junioris. Junior aber iſt ein Leut; oder auch Vaſall, wie man leicht er - rathen wird.
(b)
(c)S. §. 34.
(c)
(d)So wenig einem Edelmann jetzt verſtattet wird, eigne Truppen zu halten; eben ſo wenig mogte es dero Zeit den Edlen, ſo keine Dienſte oder Commiſſion vom Kay - ſer nahmen, geſtattet werden, eigne Gefolge zu behal - ten. Die Verordnung: Ut unusquisque liber homo inS 5noſtro282Oſnabruͤckſche Geſchichtenoſtro regno Seniorem quem voluerit in nobis & in noſtris fidelibus accipiat. ſcheint dieſes vorauszuſetzen; und es iſt vermuthlich eine Folge davon, daß in den Landfrieden oder Reichs abſchieden v. 1235. 1287 ꝛc. denjenigen die nicht beſonders vom Kayſer dazu privilegirt ſind, verbo - ten iſt: Mundleute zu halten. Wie die Landmilitz in Verfall kam; ſahe man ſo genau nicht darauf, und die oſnabruͤckiſchen Edelleute bedungen ſich den Schutz ihrer Heuerleute. S. §. 54. n. c.
(d)
(e)Dieſer iſt immer nur General im Heerbann; er ſey ein gefuͤrſteter Herzog oder nicht. Die ſpaͤtern Groß-herzo - ge aber hatten ohne Zweifel Feld[-]marſchalls Vollmacht.
(e)
(f)Die Kayſer giengen als Imperatores in Perſon zu Felde; und ſo dann war kein Feldmarſchall in der Armee. S. Conſtant. Porphyr. 〈…〉〈…〉. c. 1. beym BANDUR in imp. or. T. I. p. 11. Wie ſie zu Hauſe blieben weger - ten ſich andre auch zu dienen. S. §. 104. n. e.
(f)
(g)Ideo nolunt obedire quod nos nequaquam illis hanc cau - ſam ad notitiam per noſmet ipſos condictam habeamus. Ep. Caroli ad Pipinum beym BALUZ T. I. p. 462. Dicunt quod contra miſſos D. Imperatoris non vero contra comi - tem pro heribanno debeant rationem reddere CAP. III. ann. 811. ib. p. 486.
(g)
(h)Interdicimus ut omnes Saxones generaliter conventus publicos nec faciant, niſi forte miſſus noſter de verbo no - ſtro eos congregare fecerit. CAPIT. de part. Sax. c. 33. Es fraͤgt ſich hier: ob eine Ritterſchaft ſich absque ver - bo principis verſamlen koͤnne? wovon zu ſeiner Zeit.
(h)
(i)S. §. 32. Doch wie Carl ſtarb, und ſeine Nachfolger den Reichs-Land-frieden nicht mit gleicher Macht be - haupteten, trat der Adel wieder in ſein altes Recht; bis er durch die beſondern Landfrieden wieder eingeſchraͤnkt wurde.
(i)
§. 132.283vierte Abtheilunge.

§. 132. Von den Gemeinen.

Die Gemeinen verlohren bey der neuen Einrich - runge das meiſte. (a)Man kann nach dem Plan des Kayſers annehmen, daß ſie in Vogteyen vertheilet, den Edelvoͤgten als Hauptleuten, und den Grafen als Oberſten untergeben wurden. Der Vogt ward alſo ihr kriegeriſcher Vormund oder ihr Advocat,(b) zu Gerichte und zu Felde. Sie wurden Leute und er zog ihr Heergewedde. Unſre Hausgenoſſen,(c) ſo viel deren noch uͤbrig, ſind die Ueberbleibſel dieſer Ein - richtung. Jndeſſen erhielten ſie durch jene Vogtey ſo viel, daß ſie nicht voͤllig aus ihren alten Jnnungen(d) zerſtreuet; und alſo auch nicht einzeln vor Gericht gezogen werden konnten. Denn alle diejenigen ſo zu einer Voͤgtey gehoͤrten ſtunden, wie vordem die Mannie, fuͤr einen Mann; hafteten fuͤr einander, und wurden daher Biergelden(e) genannt. Sie vertheidigten wo es noͤthig war ihr Recht nicht anders als durch ihren gemeinſchaftlichen Advocaten oder den Edelvogt. Welches denn ebenfals zur Erhaltung ihrer Geſamt-rechte vieles beytragen muſte.

(a)Ueberhaupt ſorgte der Kayſer ſehr fuͤr ſie, indem er mehrmalen verordnete: ut liberi homines nullum obſe - quium faciant comitibus (den Beamten keine Hand - oder Spann-dienſte zu thun) neque in prato neque in meſſe (weder Heuel - noch Binder dienſte) nec in aratura aut vinea (weder Pfluͤgel - noch Winzer-dienſte) & conjectum (Collecten) vel reſiduum iis ſolvant, excepto ſervitio quod ad regem pertinet & ad heribannatores vel his qui legationem |ducunt. CAPIT. V. ann. 803. c. 17. S. DU FRESNE v. Erimanni.
(a)(b) Jn284Oſnabruͤckſche Geſchichte
(b)Jn Ungarn iſt noch der Advocat ein Edelmann; und in ganz Deutſchland muſte er ehedem Wehr ſeyn: das iſt propriam capitis ſui defenſionem haben; und der Wehr war ein ſchoͤppenbarer Mann. Es waren aber zweyerley advocati, neceſſarii & voluntarii oder zugelaſſe - ne Fuͤrſprachen. Erſtere waren vom Kayſer geſetzt: und ſie hatten die Wehr oder die Vertheidigung ihrer Klopps leute. Andre aber, die in keinem Klopp ſtan - den, wenn ſie ſich nicht ſelbſt vor Gerichte wehren konn - ten, muſten einen guten Mann ſchicken, und vor dem - ſelben erſt die Erlaubniß von Richter und Schoͤpfen ſu - chen, welche zuvor unterſuchten, ob er der Gegenparthen ebenbuͤrtiig war, und ihr zu Kampfe wie zu Gerichte entgegen geſetzt werden mogte.
(b)
(c)Jch habe hievon bereits §. 47. gehandelt, weil ich ver - muthet, daß es vor den Edelvogteyen ſchon Gilden un - ter einer local-Gottheit, oder wie die Chriſten ſich aus - drucken, unter dem Teufel gegeben habe. Jch ſuͤge jetzt nur noch hinzu, daß die Hausgenoſſen in England Hus - kerles S. SPELLMAN h. v. SOMNER. h. v. genannt werden; jedoch mit der Ermaͤſſigung welche der Um - ſtand §. 136. n. d. von ſelbſt an Hand giebt. Bey den Englaͤndern heiſſen aber ſo wohl die Hof-hoͤrigen des Koͤnigs als des Grafen und Thans Haus-kerls; wie aus den Exempeln beym Spellman zu erſehen.
(c)
(d)Das Klopps-recht S. §. 73. iſt von auſſerordentlichen Nutzen. Ein Kloppsmann kann keinen Eyd de - oder re-feriren absque ſpeciali mandato des Klopps; ja er iſt nicht befugt ſeine Defenſion anders als per advocatum communem ſocietatis zu fuͤhren, damit keine præjudicia contra ſingulos entſtehen, welche hernach dem ganzen Klopp ſchaden. Alle Vaſallen ſind in ihrer Maaſſe Klopps-leute; ſie ſind membra unius curiæ. Wie vieles iſt aber nicht ſingulis membris aufgedrungen worden, was die Alten per advocatum communem in curia plena zu verhindern wuſten? Jetzt weiß man von dieſer Art der Vertheidigung nichts. Jeder proceſſet fuͤr ſich; ver - liert er heute ein Recht durch Verſaͤumniß oder Unwiſ -ſen -285vierte Abtheilunge. ſenheit: ſo wird ſolches morgen als ein Praͤjuditz gegen andre angefuͤhrt. Singuli vincuntur.
(d)
(e)So heißt es in traditione Everhardi advocati de 1090. -- Inſuper fuerunt ibi omnes illi Biergeldon de illo placito ubi hæc facta ſunt; & Siverc fuit ibi cum omnibus Bier - geldon de Sliduſon & Alfger & Hemmic cum omnibus Biergeldon qui in comitatu eorum manent. Ex ſervienti - bus autem eccleſiæ affuerunt Huno &c. Jmgleichen in donatioue curiæ in Nortfelden de 1096. Præſentibus teſti - bus ex nobilibus Everhardo Calvo --- ex liberis autem Formund Waldmar & omnes Bergildi ad prædictum placi - tum (Folcmari comitis in Holthus) pertinentes. Dieſe Biergelden haben ihren Nahmen von Wehr - oder Wahr - gilden, und ſind ſo viel als fidejuſſores legales, welche Carl der Groſſe mit einiger Einſchraͤnkung beſtaͤtiget hatte; ibi ſolito more ipſi pagenſes Solidos XII. pro War - gilda quæ juxta conſuetudinem corum ſolebant facere, hoc conceſſum habeant. CAPIT. Sax. c. 4. Ohne dieſe Vor - ausſetzung verſteht man nicht was das ſo haͤufig in den Urkunden, und beſonders auch in den Oſnabruͤckiſchen vorkommende: fidejuſſores tollere bedeute. So bald ei - ner von den Wahrbuͤrgen etwas verbrochen hatte, und gefluͤchtet war, hielt man ſich an ſeine Cammeraden. Es hatte dieſes auch den Vortheil, daß man einem Verbre - cher nicht gefaͤnglich einzuziehen gebrauchte; und ihn durch ſeine Wahrbuͤrgen zwingen konnte, uͤberall zu er - ſcheinen. S. §. 21. ſs. -- Die alten Teufel-gilden waren vermuthlich auch Wehrgilden. Carl ſchaffte ſie aber ab, weil der Teufel als Edelvogt den Eyd der Treue nicht ablegen mogte. Seine Vorſicht gieng hierin ſo weit, daß er auch ſo gar die Aſſecuranz-Societaͤten we - gen Feuer und Schifbruch einſchraͤnkte: De Sacramentis pro Gildonia invicem conjurantibus ut nemo facere præ - ſumat. Alio vero modo de eorum elecmoſynis aut de in - cendio aut de naufragio, quamvis convenientiam faciant, nemo in hoc jurare præſumat. CAPIT. ann. 779. §. 16.
(e)
§. 133.286Oſnabruͤckſche Geſchichte

§. 133. Und den Schoͤpfen.

Das Beſte aber war, daß ſie ihre Schoͤpfen und die Wahl(a) derſelben behielten. Der Kayſer wollte daß niemals unter ſieben(b) ein Gerichte be - ſtehen ſollte. Sie muſten auf die Rechte des Volks und deren Erhaltung geſchworen haben. (c)Der Schoͤpfe am Gowgericht wurde vermuthlich, wie jetzt, Churgenoſſe(d) genannt; und der Tittel Schoͤpfe nur denjenigen gegeben die im Obergericht vor dem Geſandten ſaſſen, und ſpaͤter Freyſchoͤpfen genannt wurden. Daher ein ſchoͤppenbarer Mann ſicher unter keinem Vogt und auch wohl unter kei - nem Grafen ſtehen mogte. (e)Wie ſo viele Land - eigenthuͤmer zu Leuten herabſunken, ward die Wehr und die damit verknuͤpfte Schoͤppenbarkeit eine vor - zuͤgliche Ehre; welche ſich ſo lange erhielt, bis der Kayſer die Schoͤppenbarkeit allerhand Leuten und da - mit den alten Geſchlechtern Urſache gab, ſich dagegen zu wahren. Die Schoͤpfen hatten aber nicht bloß auf einen vorgetragenen Fall Recht zu weiſen, ſon - dern auch die Unterſuchung(f) der Sache.

(a)S. §. 118. n. a.
(a)
(b)CAPIT. C. M. III. 40. Die ungleiche Zahl laͤßt ver - muthen, daß der Richter als Praͤſident keine Stimme gehabt habe. S. §. 24.
(b)
(c)S. BRUMMER. de Scab. VII. §. 9.
(c)
(d)Die Lateiner hatten kein ander Wort als: Scabini: und ſie mogten den Unterſchied deſſen ich §. 27. n. a. erwehnt, nicht fuͤglich in ihrer Sprache ausdrucken. Jn den aͤlteſten hieſigen deutſchen Urkunden erſcheinet aber der Gowgraf mit Kornuten, oder Chur-genoſſen, undohne287vierte Abtheilunge. ohne dieſelben beſteht kein Gericht. Jetzt werden die Churgenoſſen nur zu gewiſſen Handlungen gezogen; und die Urtheile entweder vom Richter allein, oder von aus - waͤrtigen Schoͤpfen geſprochen; welches anfaͤnglich wohl nicht anders als mit Bewilligung der Partheyen und alſo ex compromiſſo geſchehen iſt. Die Frage: Ob ein Landesherr ſeinen Unterthanen das beneficium trans - miſſionis actorum nehmen koͤnne? muß darnach beant - wortet werden; und da halte ich dafuͤr, daß derſelbe ſie nicht zwingen koͤnne von ſeinen Bedienten Recht zu nehmen; ſondern ihnen entweder einheimiſche Schoͤpfen erlauben, oder aber das beneficium tranſmiſſionis geſtat - ten muͤſſe. Die Raͤthe in den hoͤchſten Gerichten, ſo von den Reichs-fuͤrſten oder den Land-ſtaͤnden praͤſentirt ſind, muͤſſen aber nicht als Bediente ſondern als erwaͤhl - te und beſtaͤtigte Schoͤpfen angeſehen werden. Chur - genoſſe oder Kornote bedeutet eigentlich nur einen er - waͤhlten ebenbuͤrtigen Mann. Daher das Wort auch andre Anwendungen erlitten hat; und bey den Weſt - phaͤlingern einen auserwaͤhlten gleichen Freund bezeichnet.
(d)
(e)Da der Geſandte oder doch wenigſtens deſſen Bevoll - maͤchtigter der Schoͤpfen-wahl beywohnte. S. §. 118. n. a. Da er ihre Nahmen dem Kayſer einſchickte; und ſie auf den Fall ubi propter munera male judicaverant ad præſentiam miſſi non vero comitis kommen muſten. S. BRUMMER. l. c.: ſo ſiehet man leicht ein, daß ſie we - nigſtens ratione officii nicht unter dem Grafen geſtanden, und wie die Caroliniſche Einrichtung untergieng, alle Gelegenheit gehabt haben, ſich eine vorzuͤgliche Ehre zu geben. Haͤtten die Schoͤpfen von dem Richter abgehan - gen: ſo waͤre gar ſchlecht fuͤr die Freyheit geſorgt wor - den.
(e)
(f)Ut in omni comitatu hi qui meliores & veraciores inveni - ri poſſunt, eligantur a miſſis noſtris ad inquiſitiones fa - ciendas & rei veritatem dicendam. Capit. Lud. P. addit. 4. c. 74. beym LINDENBR. p. 1189. Ob bey der Inqui - ſition auch der Richter gegenwaͤrtig ſeyn muͤſſe, daruͤber wird zwiſchen dem Oſnabruͤckiſchen Magiſtrat als Schoͤ -pfen288Oſnabruͤckſche Geſchichtepfen und dem Obergografen als ehmaligen kayſerlichen Richter geſtritten. Die Schoͤpfen wurden ehedem von dem kayſerlichen Miſſo beſtaͤtiget. Ob die Beſtaͤtigung der Raths glieder als Schoͤpfen dermalen von dem Lan - des herrn geſchehen muͤſſe? Haͤngt von der Vorfrage ab: ob der Landesherr die Stelle des miſſi cæſarei uͤberall vertrete? S. §. 122. n. b. Und ob die Staͤdte allen - falls eher die Freyheit vom Kayſer erhalten, als das miſſaticum an die Landesherrn gekommen?
(f)

§. 134. Ob alle Gemeinen in Vogts-leute ver - wandelt worden?

Ob die Grafſchaft und Edelvogtey alle(a) Weh - ren unter ſich begriffen habe, iſt nicht mit Gewisheit zu entſcheiden. Einigen und zwar angeſeſſenen(b) Freyen erlaubte der Kayſer ſich in ſeine Dienſte zu empfehlen, dieſe waren alſo nicht in der graͤflichen(c) Rolle, auch keine arme Freye. Der Vogts-leut mogte Churgenoſſe vor dem Grafen, aber ſchwerlich Schoͤpfe vor dem Geſandten ſeyn. Es muſten folg - lich noch Wehren bleiben, woraus Schoͤpfen und ſelbſt Voͤgte erwaͤhlt werden konnten; oder man muß annehmen daß entweder unangeſeſſene Freye oder bloß Edelvoͤgte Schoͤpfen ſeyn koͤnnen. Beydes iſt ſehr unwahrſcheinlich. Es iſt weiter glaublich daß der Graf noch viele Gemeine ausgefuͤhret habe, wel - che eben nicht in einer Vogts-rolle geſtanden, und daß dieſe noch mehrere Freyheit behalten haben. Der Senior(d) aber, deſſen in den Caroliniſchen Geſetzen bisweilen gedacht wird, war im Grunde ein Edelvogt und vielleicht nur unter den Franken. Jn Doͤrfern und Staͤdten, wenn ſie vorhanden waren, konnten ſolan -289vierte Abtheilunge. lange nur unwehrige Gruͤnde dabey waren,(e) und ſo lange ihnen nicht durch Vorrechte und Begnadi - gungen ſolche Vortheile(f) verſchaffet wurden, wo - von ſie mit Recht zur Ehre gezogen werden konnten, kein eigentlicher Wehr wohnen. (g)Ohne Sold konnten auch unangeſeſſene Freye nicht zur gemeinen Vertheidigung gezwungen werden; Jm Heerbann war aber kein Sold. Solche Freye ſtanden ohne - dem in Schutz oder in Gefolgen; und in beyden diente man nicht vom Wehrgute, ſondern auf fremde Koſten. Carl mogte alſo wohl nicht die Gelegenheit haben alle Gemeinen in eine Claſſe und unter einen Edelvogt ihres Mittels zu ſetzen.

(a)Man ſollte glauben, daß es geſchehen ſey, weil der Kay - ſer ſonſt der in CAPIT. III. §. 7. ann. 811. vorkommen - den Ausflucht Thuͤr und Thor geoͤfnet haben wuͤrde: Sunt enim qui dicunt ſe eſſe homines Pipini & Chludevici & tunc profitentur ſe ire ad ſervitium dominorum ſuo - rum quando alii pagenſes in hoſtem pergere debent. Al - lein es ſtreitet mehrers dagegen, als ich hier anfuͤhren kann.
(a)
(b)Die Charta diviſionis inter filios Caroli M., beweiſet zur Gnuͤge, daß es angeſeſſene Freye gegeben, welche non obſtante ducatu vel comitatu, ſich in des Kayſers Dienſte empfehlen duͤrfen, und an die Grafen-rolle nicht ver - bunden geweſen. Es kann aber auch ſeyn, daß ſich viele Grafen-leute, weil der Heerbann ſo oft nicht aufgebo - ten wurde, interimiſtice in des Kayſers und andrer Fuͤr - ſten Gefolge begeben und hernach eben durch dieſe ihre Dienſte Gelegenheit gefunden haben, den graͤflichen avocatoriis exceptionem ſervitii regalis entgegen zu ſetzen.
(b)
(c)Der Klagen uͤber diejenige welche insgemein ſagten: Se bannum Imperatoris ſub comite adimplere nolle, quia non niſi contra miſſos de heribanno reſpondere deberent;Twa -290Oſnabruͤckſche Geſchichtewaren zu viel, um ſie alle vom Adel zu verſtehen; und der Graf klagte oft heftig, daß wenn er ſie hundertmal aufbieten lieſſe, ſie ſich nichts daran ſtoͤrten; CAP. III. ann. 811. §. 6.
(c)
(d)Jn den Capitularien koͤmmt nicht ſelten vor: aut cum comite aut cum ſeniore ſuo in hoſtem pergat. Man kann annehmen daß dieſe Seniors Kirchen - und Edel - voͤgte, oder auch alte erwaͤhlte Dynaſten geweſen, welche vom Kayſer in ihrem Amte en chef beſtaͤtiget worden. Sie fuͤhrten aber Gemeine, und keine Leibeigne an, weil ihre Leute dem Kayſer ſo gut als andre Gemeine ſchworen. CAPIT. IV. ann. 805. §. 9. Mit dem Worte Senior, Sennor oder Seigneur verbindet man insgemein den Begrif des Alters. Allein Al und El bedeutet wie Ar und Or S. §. 75. n. b. jede Hoͤhe, ſo wohl an Jah - ren als an Stande; und altus bey den Lateinern iſt hoch; wie El das hoͤchſte und niedrigſte; daher heiſſen die Edlen bey den alten Deutſchen Dichtern Elende, und Elend-thier iſt Edel-thier. Senior iſt folglich optimas, und Aldermanne ſind optimates; in den Staͤdten aber primores populi. Aus einem gleichen Mißverſtaͤndniſſe ſind die Grafen zu grauen alten Maͤnnern gemacht; welchenfals ſie doch im Niederſaͤchſiſchen nicht Grefen ſondern grue oder griſe genannt werden muͤßten. Jn - deſſen wurden doch die Unter-officier eines Senioris ju - niores genannt. S. CAPIT. I. d. 802. §. 25. Oft wer - den auch nur Gemeine darunter verſtanden. So wird in den Oſnabr. Urkunden bisweilen diſcipulus gebraucht. Als z. E. in einer Urkunde von 1118, worin die Dro - per Markgenoſſen dem Kloſter zu Jburg gewiſſe Rechte einraͤumen: Teſtes & principes horum Marchionum qui ſua collaudatione hæc confirmarunt ſunt hi. Ex parte Epiſcopi Heico villicus de Oſnabrugge cum ſuo diſcipulo Wernhardo; ex parte comitis Eicelin & ſuus diſcipulus Lewizo; ex parte clericorum Rothart & ejus diſcipulus Theithart. Jenes junior iſt erſt durch Juͤnger und der Juͤnger durch diſcipulus uͤberſetzt.
(d)
(e)Das Weichbild oder der Stadt bann befieng daher inder291vierte Abtheilunge. der erſten Zeit nur eine ſehr kleine Flur; und den Buͤr - gern mogte der Ackerbau nicht leicht geſtattet werden, weil der Natural-dienſt zur gemeinen Vertheidigung auf dem Grunde haftete.
(e)
(f)So bald man die Staͤdte zur Landes Vertheidigung be - quem fand, und ihnen dieſe Laſt anmuthete; muſte ihren Buͤrgern, welche zuſammen nicht ſo viel wehriges Land unter haben mogten, daß davon ein Mann zum Heer - bann ausziehen konnte, durch anſehnliche Privilegien ge - holfen werden. Die Krieges-laſt ward auf ihren Fleiß, ſo wie bey dem Landmanne auf den Acker gelegt; und dies iſt vermuthlich der erſte Grund, de opifice in pagis exule. Wie die Buͤrger ſolchergeſtalt zur gemeinen Lan - des-wehr kamen, erhielten ſie auch gemeine Ehre; ihre Rathen-buͤrger S. §. 27. n. a. wurden Schoͤpfen; ihre Schoͤpfen kamen zur Dietine, und ſpaͤter zum Landtage. Und wenn man die improportion der Wehr betrachtet, da ſolchergeſtalt auf zehn Morgen buͤrgerlichen Grundes mehr Beſchwerde lag, als auf tauſend zur gemeinen Vertheidigung ſonſt verpflichteten Morgen: ſo wird man ſich nicht daruͤber wundern, daß die Staͤdte es in jener Zeit, wo eine neue Sicherheit hinter Wall und Mauren geſucht wurde, gar ſchnell und titulo maxime oneroſo ſo hoch gebracht haben.
(f)
(g)Wenn Carl de ingenuis in villis ſuis commanentibus ſpricht: S. CAPIT. de villis §. 52. oder auch befiehlt ſeine Meyer und Schulzen nicht ex potentioribus ſed ex mediocribus qui fideles ſunt, zu nehmen ib. §. 60: ſo muß man dieſe Ausdruͤcke nach ihrer Beziehung ermaͤſſigen.
(g)

§. 135. Von den neuen Vogts-Leuten ins - beſondre.

Unter den Germaniern oder den alten Sueven und ihren Bundes-genoſſen iſt der Leut unbekannt ge - weſen;(a) welches eine Folge des unter ihnen auf -T 2geho -292Oſnabruͤckſche Geſchichtegehobenen Land-eigenthums ſeyn mogte,(b) weil man ihn gerade auſſer ihren Graͤnzen,(c) bey den Franken, beſonders aber bey den Sachſen und Frie - ſen findet; und vermuthlich iſt er mit den Sachſen nach Engelland uͤbergegangen. Bey den Weſtphaͤ - lingern hat er ſich am laͤngſten(d) in ſeiner eignen Verfaſſung(e) erhalten. Als Geiſſel,(f) als Zehnt - pflichtiger(g) und als ein Menſch, der unter keiner Leibes-ſtrafe ſtund,(h) wiederſpricht er einem knech - tiſchen(i) Urſprunge, ob er gleich gar fruͤhzeitig mit Leib und Gut in eine Gilde, Echte oder Vogts-rolle gerathen, und ſolchergeſtalt von einem Vogt geſchuͤtzt, vertreten und aufgeboten worden. Er leiſtete auch den Leut-eid der Treue,(k) zog im Heerbann zu Felde, ſtand unter dem Heergewedde,(l) heyrathete wo er wollte,(m) gab aber keine Kinder aus ohne Freybrief des Edelvogts. Der Lehnhof ward ſpaͤter nach dem Vogts-hofe gebildet;(n) und der Unter - ſchied der Hoͤfe machte billig einen Unterſchied der Leute. (o)

(a)Man darf nur die Geſetze der Allemannier, Bayern, Burgundier, Wiſigothen, Anglier und Weriner auf - merkſam durchleſen, und ſolche mit den Saliſchen, Saͤchſiſchen und Frieſiſchen vergleichen, um ſich davon zu uͤberzeugen. Jn den erſtern wird keines Leuts haupt - ſaͤchlich gedacht, in letztern aber heißt es immer: Nobi - les, ingenui & liti. Man fieht aber aus allen Spuren, daß die ſaͤchſiſche Erfindung des nexus litonici Beyfall ge - funden, und die Kayſer mit ihren fiſcalinis aldionibus &c. ſich jenen zum Muſter vorgeſtellet haben. Daher kamen Liti in Jtalien, wie Hollaͤndereyen in Deutſchland. Die Ausfuͤhrung hievon iſt zu weitlaͤufig. Sonſt koͤnnte man es auch ex LL. feud. Long. wahrſcheinlich machen,daß293vierte Abtheilunge. daß die Longobarden nach den Grundſaͤtzen des ſaͤchſi - ſchen Leut-rechts ihre italiaͤniſchen Eroberungen einge - richtet haͤtten.
(a)
(b)S. §. 10. 11. 77.
(b)
(c)Blos aus dem Umſtande, daß die Geſetze der Anglier und Weriner nichts von Leuten enthalten wuͤrde ich ſchlieſſen, daß dieſe Voͤlker nie dieſſeits der Linie, welche Germanien einfaßte S. §. 78. n. b. geſeſſen geweſen.
(c)
(d)Daher heißt es in precaria Werinbrahti de 1049 --- tra - didit curtim unam --- & inſuper ſeptem familias id eſt ſeptem hobas juxta illius provinciæ morem poſſeſſas ac cenſum ſolventes in locis ſubnotatis --- & mancipia utrius - que ſexus per totum XL. hæc nomina habentia ----. Was hier analogice, familia & hoba genannt wird, hies §. 130. n. d. manſus & lito. Dieſe Stelle hat uͤbrigens ei - nige Schwierigkeit. Man weiß, daß die Sachſen nul - lo cenſu beſchweret wurden; und daß der Zins nach da - maliger Sitte, die Perſon welche ihn gab, ſehr ernic - drigte, weswegen es mir bedenklich geſchienen, alle Ge - meinen ſo gleich unter die Edelvogtey zu verſetzen, S. §. 134. und bin ich geneigter geweſen anzunehmen, daß die Edelvogtey nicht eine gemeine, ſondern eine beſon - dere Hauptmannſchaft geweſen. Wenn ich aber bedach - te, daß die Vogts-leute ihrem Edelvogte nothwendig eine Urkunde entrichten muſten, um ihre Anhaͤngigkeit zu beweiſen; daß der Zins jener ſeptem hobarum in duo - bus denariis ad altare eccleſiæ ab eis annuatim ſolvendis beſtand; welcher den groͤßten Schein einer bloſſen Ange - hoͤrungs-Urkunde mit ſich fuͤhrt, und daß endlich dem Vogten loco honorarii etwas entrichtet werden mußte, indem der Kayſer einen Advocaten im Heerbann zu be - ſolden nicht ſchuldig, dieſer aber eine ſolche Ehre und Wehre fuͤr andre zu uͤbernehmen von ſeinem Hofe nicht verpflichtet war: ſo bin ich wiederum auf die andre Seite getreten, und uͤberlaſſe dem Leſer das Urtheil.
(d)
(e)Die Hofrechte welche ich in not. ad §. 47 angefuͤhret habe, enthalten vorerwehnten morem provinciæ Weſt. T 3pha -294Oſnabruͤckſche Geſchichtephalicæ, und iſt es darin zwar nur eine Sage, daß ſie von Carln dem Groſſen den Hofhoͤrigen ertheilet wor - den. Dieſe Sage aber, da ſie ſich in ſo vielen verſchie - denen Hofrechten findet, und durch die groſſe Aehnlich - keit der Hofrechte untereinander unterſtuͤtzet wird, ver - dienet alle Aufmerkſamkeit, beſonders da auch die Ca - pitularien aͤhnliche Stellen mit den Hofrechten haben.
(e)
(f)Saxones omnes ſe tradiderunt illi & omnium accepit obſi - des tam ingenuos quam litos. ANN. PETAV. & MOISS. ad ann. 780. Dies beweißt daß die Leute in ihrem Va - terlande Erbtheile gehabt haben, ob ſie gleich ihre Wehr und mit dieſer ihr Gut einer local-Gottheit uͤbergeben haben konnten, wie ſie in die Teufel-gilde getreten wa - ren. Denn Carl nahm vermuthlich keine Leute zu Geiſ - ſeln, die auf fremden Gute ſaſſen und nichts eignes hatten.
(f)
(g)Quicquid ſervus acquirit; acquirit domino. Daher mog - te den Leibeignen und ihren Gutsherrn nicht zu gleicher Zeit der Zehnte abgefordert werden. Und der Kayſer ſchraͤnkte ſich in der Zehnt-ordnung auf nobiles, inge - nuos & litos ein, ohne der bloſſen colonorum vel manci - piorum zu gedenken. S. §. 126. n. c. Die Liti muſten alſo quandam proprietatem haben. Der Styl aͤnderte ſich aber in dieſem Stuͤck pro diverſitate locorum & ne - xus ſervitialis bald. Jetzt wuͤrde man ſchon ſagen: den Zehnten ſollen geben ſo wohl Freye als Leibeigne.
(g)
(h)Man ſehe die frieſiſchen und ſaͤchſiſchen Geſetze.
(h)
(i)Dieſes laͤßt ſich meiner Meynung nach uͤberhaupt ver - muthen. Es hindert aber nicht, daß es nicht uſu lo - quendi, und ex pacto ſehr viele andre Leute gegeben. S. DU FRESNE v. litus. Nur ſehe ich keinen Grund mit TESCHENM. in ann. Cliv. p. I. p. 74. ſo fort anzu - nehmen, apud Saxones Lazzen, apud Sicambros Lathen, apud Friſeos Liten dictos, juxta vocabuli etymon, primo captos & poſtea ex commiſeratione in agris relictus fuiſſe. Dergleichen etymologiſchen Schluͤſſen wiederſprechen die ſaͤchfiſchen und frieſiſchen Geſetze.
(i)(k) Fide -295vierte Abtheilunge.
(k)Fidelitatem ut proprius lito merito debuit, juravit qui - dam Werenbraht libertus & miles. S. §. 129. n. a. Die - ſer Eyd hieß Leudeſamium Litemonium S. DU FRESNE. h. v. und iſt von dem Mann-eyd homagio unterſchieden.
(k)
(l)S. §. 47. n. d.
(l)
(m)Lito regis liceat uxorem ſuam emere ubicunque voluerit ſed non liceat ullam fœminam vendere. LL. SAX. tit. 18. Jn Anſehung ſeiner Guͤter heißt es ib. tit. 17. Liber homo qui ſub tutela nobilis cujuslibet erat, qui jure in exilium miſſus eſt, ſi hereditatem ſuam, neceſſitate coactus vendere voluerit, offerat eam primo proximo ſuo; ſi ille emere noluerit, offerat tutori ſuo, vel ei cui tunc a Rege ſuper ipſas res conſtitutus eſt. Si nec ille voluerit, vendat eam cuicunque voluerit. Eben dieſes befindet ſich im Hofrechte. S. §. 49. n. f. und §. 52. n. c. Nur muſten die Guͤter Hofhoͤrig bleiben, und ſpaͤter geſchahe der Verkauf cum clauſula de relinquendo bona to Burgerich - te & to Holtgerichte. S. NUNNING in mon. Monaſt. p. 84.
(m)
(n)Eine Vergleichung wuͤrde hier zu weitlaͤufig ſeyn; be - ſonders da ſich noch niemand die Muͤhe gegeben das Lehn-recht aus dem Hof-rechte zu erlaͤutern.
(n)
(o)Ein Hof kam oft auf den andern. Nothwendig ſtand z. E. in curia Epiſcopali ſpeciali Oſſenbrugge, curia Epi - ſcopalis generalis. Und die Haußgenoſſen des biſchofli - chen Meyerhofes waren von den Haußgenoſſen der Hof - ſtatt unterſchieden, ob ſie gleich beyde miniſteriales hieſ - ſen.
(o)

§. 136. Von den damaligen Leibeignen.

Da die Biſchoͤfe nicht mehr als zwey Leute aus der gemeinen Reihe zu Hauſe behalten durften:(a) und der Kayſer beſtaͤndig die genaueſte Liſte von der Mannzahl hatte:(b) ſo iſt leicht zu ermeſſen, daß ſehr wenige Gutsherrn(c) in unſerm heutigen StylT 3vor -296Oſnabruͤckſche Geſchichtevorhanden ſeyn konnten. Oder man muͤſte glauben, daß ein Gutsherr fuͤr jedes eigenbehoͤrige Erbe einen Soͤldner(d) geſtellet haͤtte; weil er ſeinen Leibeignen nicht in die gemeine Reihe ſchicken durfte, und ſchwerlich haͤtten die andern mit einem Soͤldner ge - dienet. Damals waren alſo unſre mehrſten Bauer - hoͤfe, in ſo fern die Wehr davon getrennet wurde, Vogts-guͤter(e) und ihre Beſitzer Vogts-leute. Um deswillen fehlte es aber nicht an Leibeignen. Es war deren vielmehr eine groͤſſere Anzahl als jetzt. (f)Unſre heutige Gutsherrlichkeit aber iſt Vogtey am Gute(g) und Eigenthum an dem der es bauet. Erſters befindet ſich alſo von ſeinem erſten Urſprung an in der gemeinen Reihe; und letzter iſt als Vicar(h) hinein gekommen, wie der Heerbann zu Anfang der Lehn-militz ſeine Ehre verlohr; und der Krieges-dienſt auf eine Krieger-fuhr hinaus lief. Der Kayſer aber liebte den Krieges-ſtaat zu ſehr, um nicht dem Leibeigenthum unter den Landbeſitzern, als einem unſtreitigen Ausfall aus der Reichs-matrikel auf alle moͤgliche Art zu ſteuren.

(a)S. §. 127. n. i.
(a)
(b)Ut miſſi noſtri diligenter inquirant & deſcribere faciant unusquisque in miſſatico quod homines caſatos unusquis - que in beneficio habeat. CAP. III. ann. 812. §. 5.
(b)
(c)Jch habe jeden Gutsherrn einen Wehr genannt, ſo lan - ge er noch ſeinen Hof in Perſon vertheidigte; der Be - grif von Gutsherrlichkeit entſtand alsdann erſt, wie der Wehr aus ſeinem Leibeignen einen ordentlichen Hinter - ſaſſen machte; und ſolchergeſtalt in reſpectu hujus ein Herr wurde. Wie die Lehn-militz in Uniforme mit Gold und Silber vermuthlich auch mit anderm Gewehr und andern Uebungen erſchien, muſte es den Stroh -weh -297vierte Abtheilunge. wehren, die gegen ſolche beſſer bewafnete und geuͤbte Leute nicht gebraucht werden konnten, uͤberaus empfind - lich vorkommen, auf ihren Hoͤfen in dem nunmehr ver - achteten Heerbann zu bleiben. Sie verlieſſen alſo ihre Hoͤfe; hoben ſich im Lehn-dienſte; und ſetzten ihre Leib - eigne in den unbrauchbaren Heerbann. Andre wurden aus Noth und Andacht ſelbſt Leibeigne. Der Graf nahm auch Lehn-leute an und uͤberließ oder verlieh die gemeine Reihe einem Obriſt-lieutenant, welches der jetztge Gowgraf iſt, dem es nunmehr gleichguͤltig wurde, ob der Wehr in Perſon oder durch einen Vicar am Goͤ - ding oder auf dem alten Muſter - und Gerichts-platze er - ſchien. Doch iſt beym Obergogericht das Goͤding der Freyen vom Goͤding der Leibeignen noch unterſchieden.
(c)
(d)Dies geſchahe in England; wo die Edelvoͤgtey nach dem Domsday-buch einem Lord unter dem Bedinge uͤberge - ben iſt, eine ſichere Mannzahl dafuͤr zu ſtellen. Der Staat bekuͤmmerte ſich darauf um die hinter dem Lord geſeſſene Gemeinen nicht weiter, und war zufrieden, wenn der Lord mit ſeinem ihm einmal zugeſchriebenen, in der Folge aber ſehr moderirten Matricular-anſchlag erſchien. Daher iſt der Lord nicht ſchuldig die Hoͤfe in ſeinem Manner wenn ſie erledigt werden wieder zu be - ſetzen. Er kann den ganzen Manner in einen Park; o - der in Pachtgut verwandeln, und ſolchen durch Pacht - leute beſtellen laſſen; an ſtatt daß in Weſtphalen der Staat jeden einzelnen Hof, nicht aber die alte Edel - vogtey in concreto wahret. Die Engliſche Nation klagt ſehr uͤber jenes Verfahren der Lords, wodurch das Land entvoͤlkert wird, und wuͤnſchen, daß die Einrichtung wie in Deutſchland, und der Lord keinen Hof einzuziehen be - fugt ſeyn moͤgte.
(d)
(e)Alle Kaufbriefe uͤber Bauerguͤter, vom XI. XII und XIII Sæc, ſprechen daher nur de advocatiis curtium vel domorum.
(e)
(f)Jch werde dieſes in der Folge zeigen. Der §. 135. n. d. gedachte Wehrenbrecht verkaufte ſieben Familien Hausgenoſſen und vierzig Stuͤck Leibeigne. Letztere wur - den wie Acker und Pflug zum Hofgewehr gerechnet,T 5Heri -298Oſnabruͤckſche GeſchichteHeribannus non exactatur neque in terris neque in man - cipiis. CAPIT. in ann. 812. §. 2.
(f)
(g)Die Urkunde des Stiffts zu Buͤcken S. §. 54. n. g. unterſcheidet die Vogtey an Leuten und Guͤtern ganz genau; und der Unterſcheid ergiebt ſich aus dem Syſtem, weil herrlich Gut, als Allode, nicht in der gemeinen Reihe iſt; Edelvoͤgtey aber die Natur des gemeinen Grundes nicht veraͤndert.
(g)
(h)Jn dem letztern Kriege von 1757 bis 1762 entſtanden die Fragen: Ob ein Hof der wegen der Schulden ſei - nes Leib-eignen Bauers, oder wegen Minderjaͤhrigkeit ſeiner Kinder verheuret waͤre, wenn es die Noth erfor - derte, ein mehrers, als er des Jahrs an Heuer-geldern aufbraͤchte, zu gemeinen Laſten beyzutragen verbunden ſey? Die Land-Staͤnde ſagten: Nein; und ſie konnten dieſes thun, weil die Billigkeit die man dem einen Gutsherrn hierunter erwieß, dem andern auch zu ſtatten kommen konnte. Eigentlich aber waͤre nicht der Leib - eigne, ſondern der Gutsherr den Hof zu vermannen ſchuldig; und die uͤbrigen Reihe-pflichtigen brauchten nicht darunter zu leiden, daß der Gutsherr einen ſchlech - ten Vicar haͤlt. Wenn der Gutsherr ſelbſt minderjaͤh - rig waͤre, muͤſte ein tutor uſufructuarius dienen; und der Hof muß uͤbergeben oder vertheidiget werden. Die damalige Schatzung gieng auch bloß zur Landes rettung, und ſie muſte bezahlet werden, wenn auch der Gutsherr nichts von ſeinen Paͤchten erhalten, und noch uͤber dem ſeinen ganzen Hof zugeſetzt haͤtte. Denn die Krieges - laſt liegt nicht dem Leibeignen ſondern dem Hofe und deſſen Eigenthuͤmern ob. S. §. 50. n. d.
(h)

§. 137. Von den Geſandten und der Reichs - Dietine.

Man ſieht leicht ein, daß die Geſandſchaft oder das General-departement, das Gleichgewicht zwi -ſchen299vierte Abtheilunge. ſchen dem Biſchofe und Grafen, und jeden in den Schranken ſeines Amts erhalten; den Unterdruͤckun - gen der Gemeinen und Armen ſteuren, und die Seele des ganzen Staats ſeyn ſollen. Der Kayſer wandte daher eine ungemeine Sorgfalt darauf;(a) machte aber auch die Einrichtung ſo vollkommen, daß ſie bloß durch ihn als den Meiſter erhalten werden konn - te. Der Geſandte muſte jaͤhrlich die Reichs-dieti - ne(b) halten, welche nunmehr, da eine allgemeine Verſamlung der ganzen Nation wo nicht unmoͤglich, doch ſehr beſchwerlich wurde, ſich ſelbſt anpries. Auf derſelben vernahm er zuerſt den Biſchof uͤber den Zuſtand der Religion;(c) und uͤberhaupt alle kay - ſerliche Bediente oͤffentlich uͤber ihre Amtsfuͤhrung. (d)Jeder konnte daſelbſt ſeine Klagen und Beſchwerden gegen dieſelbe vorbringen; und der Geſandte machte darauf ſo gleich die noͤthigen Verfuͤgungen,(e) oder nahm ſie zum Bericht an. Die erforderlichen Lan - des-verordnungen wurden dort erwogen und in Vorſchlag gebracht;(f) oder wenn ſie bereits vom Hofe verfaßt und angenommen waren, oͤffentlich be - kannt gemacht und eingeſchrieben. Doch mogten diejenigen, welche die Reichs - und Landes-vertheidi - gung betrafen, und auf dem allgemeinen Reichs-tage bereits gutgefunden waren, ihrer beſondern Eigen - ſchaft wegen, nicht leicht weiter gepruͤft, ſondern bloß bekannt gemacht werden. Die uͤbrigen Gegenſtaͤnde einer ſolchen Verſamlung laſſen ſich leicht begreifen. Sie gerieth mit dem Verfall der Geſandſchaft in Un - ordnung; und aus ihren Truͤmmern ſind unſre Land - tage nach vielen Veraͤnderungen entſtanden. DieVoll -300Oſnahruͤckſche GeſchichteVollmacht des Geſandten iſt mit der Zeit in jedem Stifte an die Biſchoͤfe uͤbergegangen;(g) und die Repraͤſentation der Gemeinen durch mancherley Zu - faͤlle an die Landſtaͤnde(h) gerathen.

(a)Man muß die Capitularien de miſſis ſelbſt leſen, um ſich hievon zu uͤberzeugen. Gleich wie aber die Authori - taͤt der Geſandten bloß auf der Macht des Kayſers de - ruhete; alſo konnten ſie unter ſchwachen Ruͤckenhaltern gegen die uͤbrige Reichs-bediente, welche eine Local - macht zu ihrem Winke hatten, nicht lange beſtehen.
(a)
(b)Volumus ut medio menſe Majo conveniant iidem miſſi, unusquisque in ſua legatione cum omnibus Epiſcopis, Abbatibus, Comitibus vaſſis noſtris, Advocatis noſtris ac Vicedominis Abbatiſſarum. CAPIT. L. II. c. 28.
(b)
(c)In eo conventu primum chriſtianæ religionis & eccleſia - ſtici collatio fiat. ibid.
(c)
(d)Deinde inquirat miſſus ab univerſis qualiter unusquisque illorum, qui ad hoc a nobis conſtituti ſunt, officium fibi commiſſum ſecundum Dei voluntatem ac juſſionem no - ſtram adminiſtret in populo. ibid.
(d)
(e)Si aliqua talis cauſa ad eorum notitiam perlata fuerit quæ illorum auxilio indigeat, tunc volumus, ut ex noſtra au - toritate illud corrigere ſtudeant. ibid eod. DE ROYE do miſſis Dom. L. II.
(e)
(f)Ut populus interrogetur de capitulis quæ in lege noviter addita ſunt. Et poſtquam omnes conſenſerint ſubſcriptio - nes & manufirmationes in ipſis capitulis faciant. CAPIT. ann. 803. §. 19.
(f)
(g)Mit den Edelvogteyen, der Grafſchaft und dem Her - zogthume erhielten die Biſchoͤfe auch das Recht die Ge - meinen zu verſamlen. Diejenigen Edelvoͤgte und Gra - fen aber, welche ſich in den biſchoͤflichen Sprengeln, ohne Landſaͤſſigkeit befinden; und daher in alten Zeiten bloß ad conventum miſſi Cæſarei gekommen ſeyn muͤſſen, legen noch jetzt ein Zeugniß ab, daß die Biſchoͤfe nicht die ganze Vollmacht der Geſandten erhalten haben.
(g)(h) Es301vierte Abtheilunge.
(h)Es iſt dieſes eines der wichtigſten Stuͤcke in der Ge - ſchichte. Der Kirchenvogt und ſaͤmtliche Edelvoͤgte nebſt den Schoͤpfen hatten von Amtswegen die Repraͤſenta - tion ihrer Leute als ehmaliger Gemeinen. Sehr viele curiæ & curtes woraus die Edelvoͤgtey ehedem gegangen ſind bey der Oſnabruͤckiſchen Kirche und folglich auch ihre Repraͤſentation. Das Kloſter Jburg hat verſchie - dene curtes; aber ſeinen Edelvogt abgeſchaft, und iſt aus Mangel eines Stimm-vertreters aus der Landes-ver - ſamlung heraus gekommen. Saͤmtliche Kloͤſter haben ihre Edelvoͤgte oder Advocaten wodurch ſie die Verſam - lung beſchtckten, ausgehen laſſen. Die Capittel zu St. Johan, zu Quakenbruͤck und zu Wiedenbruͤck werden durch ihre Proͤbſte, welche im Dom-capittel ſind, jedoch nur zufaͤlliger Weiſe, indem der Probſt Anfangs nur in capitulo qua tali erſchien, repraͤſentirt; und die Voll - macht der ſaͤmtlichen Pfarrer, in deren Gegenwart je - doch der Biſchof Franz Wilhelm ſeine Capitulation noch beſchworen S. KRESS. vom Archid. Weſen in app. p. 60. ſcheint ebenfals beym Dom-capittel zu beruhen. Wel - ches alles daher gekommen, daß die Dietinen ſich in Ca - pitular - und Miniſterial verſamlungen nach und nach veraͤndert haben. S §. 56. n. c. Von Rechtswegen aber gehoͤren alle Kloͤſter, alle Stifter, alle wuͤrkliche Pfarrer die nicht bloß curati ſind, und alle Beſitzer einer Wehr, zur Dietine oder Comitial-verſamlung; und wird kein Exempel vor dem 16 Jahrhundert beygebracht werden koͤnnen, worin eine Reichs - oder Tuͤrken-ſteuer ohne ihre Zuziehung repartirt und beygetrieben worden. Daß das Dom-capittel und die Ritterſchaft ihre colle - gia capitularia & miniſterialia in neuern Zeiten geſchloſſen haben; haͤtte dem gemeinen Weſen gleichguͤltig ſeyn koͤn - nen; wenn ſie ſich nur nicht auch zugleich indirecte der objectorum comitialium allein unterzogen haͤtten. Da - durch iſt die Repraͤſentation auf Landtaͤgen unvollkom - men; und kein Grund vorhanden warum z. E. ein Klo - ſter oder Gutsherr, der weder ins Domcapittel noch zur Ritterſchaft kommen kann, ſich und ſeine Leute einemheuti -302Oſnabruͤckſche Geſchichteheutigen Landtags-ſchluſſe unterwerfen muͤſſe. Niemand hat ihre Vollmacht; und noch weniger ihre Vogtey oder Vormundſchaft. Sie ſind nicht verabladet, und koͤnnen alſo nicht pro abſentibus conſentientibus gehalten werden. Und keiner der ſein Haupt oder ſeine eigne Wehr noch hat, mag durch eine Verordnung oder Steuer-bewilli - gung, die er nicht ſelbſt mit genehmiget hat, verbunden werden. Man kann dieſe natuͤrlichen Grundſaͤtze und hiſtoriſche Wahrheiten nicht genug wiederhohlen, indem ſich ſo wohl das Domcapittel als die Ritterſchaft ſelbſt darauf zuruͤck ziehn muͤſte, wenn der Maaß-ſtab der Ca - noniſchen und Miniſterial-rechte ihren gutsherrlichen Rechten angelegt werden wollte.
(h)

§. 138. Von der Geſetzgebenden Macht.

Die Gemeinen behielten ſolchergeſtalt an der Ge - ſetz-gebenden Macht den ihnen gebuͤhrenden Antheil. Jhre Schoͤpfen(a) kamen zur Dietine, und ſtanden gleichſam als Tribunen des Volks den Grafen und Edelvoͤgten, in deren Haͤnden ihre ganze Vollmacht nicht ſeyn konnte, zur Seite. Jhre Einwilligung ward zu allen neuen Verordnungen erfordert;(b) und der Geſandte gieng mit ihren Schluͤſſen an den allgemeinen Reichs-hof zuruͤck, um dem Kayſer ſei - nen Bericht zu erſtatten. Vor die ſaͤchſiſchen Schoͤ - pfen wuͤrde es zu weitlaͤufig geweſen ſeyn ihn da - hin zu begleiten, und ſeinen Bericht zu beglaubigen. Man gab ihm alſo die wichtigſten Schluͤſſe der Die - tine unterſchrieben(c) mit. Die nachherigen Kayſer verlohren den Geiſt dieſer Verfaſſung, und bedienten ſich oft der Biſchoͤfe und Grafen ſelbſt,(d) um die Dietinen zu berufen, zu eroͤfnen und zu ſchlieſſen. Da -303vierte Abtheilunge. Damit gieng die von Carln ſo weislich und nuͤtzlich eingefuͤhrte Controlle(e) verlohren. Diejenige wel - che die kayſerlichen Befehle ſonſt aus den Haͤnden des Geſandten(f) empfangen hatten, wegerten ſich ſolche von Biſchoͤfen und Grafen anzunehmen, aus Furcht Land - oder Amt-ſaͤßig zu werden. Sie kamen da - her auch nicht mehr zur Dietine; und jene verſamle - ten mit der Zeit nur diejenigen, welche ohnehin in ihren Dienſt - und Amts-folgen ſtanden; wodurch denn der erſte Grund zum Verfall der Dietine gelegt, und der Schoͤpfe in den Gerichts-hof verwieſen wurde, wo er zwar noch Recht aber keine Geſetze(g) zu weiſen hatte.

(a)Habent unusquisque comes vicarios & centenarios ſuos ſecum nec non & de primis Scabineis ſuis tres aut quatuor. CAROL. M. L. II. Cap. 28. Waͤren bloß comites & cen - tenarii als kayſerliche Bediente zur Dietine gekommen: ſo haͤtten ſie entweder alles nur ad referendum anneh - men, oder aber mandatum cum libera haben muͤſſen. Erſters haͤtte Weitlaͤufigkeiten veranlaßt, und letzters waͤre der gemeinen Freyheit nachtheilig geweſen. Die primi Scabinei muſten alſo als Aldermans oder tribuni plebis der Reichs obrigkeit zur Seite ſeyn.
(a)
(b)Ut omnes conſentiant. S. §. 137. n. f.
(b)
(c)Cum hujusmodi miſſi ad placitum redierant, Rex eos in - terrogabat, quid dignum relatu ex provinciis adferrcnt. HINCMAR in admon. 14. ad proc. regni c. 25 & 26. Und da die Capitularia auf der Dietine von den Schoͤpfen mit unterſchrieben ſeyn muſten S. §. 37. n. f. ſo iſt wohl kein Zweifel daß nicht die gefaßten Schluͤſſe der Dietine in wichtigen Sachen ebeufals beſſer als durch den muͤnd - lichen Bericht eines kayſerlichen Bedienten beglaudiget werden muſten.
(c)
(d)Nach der Jdee Carls des Groſſen konnte zwar wohl einBi -304Oſnabruͤckſche GeſchichteBiſchof und Graf, auf erhaltener beſondern Vollmacht, eine Dietine eroͤfnen, und bey derſelben Principal-com - miſſarius ſeyn; aber nicht in ſeinem Sprengel. So muſtert ein General oft des andern Regiment, aber nicht ſein eignes. Jm Stifte Oſnabruͤck ſind jetzt Canz - ley-director und Raͤthe bey Landtagen miſſi Epiſcopales.
(d)
(e)Es hieß ſchon in den letzten Regierungs-jahren Carls des Groſſen daß die Biſchoͤfe, Grafen und Edelvoͤgte den Gemeinen ſo lange zuſetzten, uſque dum pauperes facti nolentes volentes ſuum proprium traderent aut venderent; alii vero qui traditum habent absque ullius in quietu - dine domi reſident. CAPIT. III. ann. 811. §. 3. Was mogte nicht nachher geſchehn? Und geſetzt, daß jetzt die Regierung den Vogt nicht controllirte; mithin dieſer diejenige, welche ſich ihm nicht auf gelinde Bedingungen zu eigen geben wollten, zu Recruten naͤhme; oder einige Jahre lang taͤglich auf die Krieges-fuhr ſchickte; wuͤrde ſich nicht der Vogt eben ſo bald Meiſter von der Vogtey machen als der alte Edelvogt?
(e)
(f)S. §. 131. n. g.
(f)
(g)Eigentlich giebt die hoͤchſte Obrigkeit Geſetze, und der Schoͤpfe hat nur ſeine Weisheit dazu zu geben. Dieſe iſt jedoch, eben wie ein raͤthliches Gutachten der Staͤn - dt, von einer ſolchen Verbindlichkeit, daß die hoͤchſte Obrigkeit nicht dagegen handeln mag, ob ſie gleich auch nicht allemal ſchuldig iſt ſolches zu befolgen. Jn Faͤllen wo beyde nicht uͤbereinſtimmen, bleibt alles in ſtatu quo. Das Franzoͤſiſche Parlement druckt ſich hieruͤber in ſei - ner Vorſtellung an den Koͤnig v. 18 Maͤrz 1766 anders aus. Es ſagt: Le pouvoir legislatif reſide dans la per - ſonne du Souverain ſans dependance & ſans partage; mais tel eſt cependant l’uſage econome du Gouvernement fran - çois, qu’avant que la loi ait reçu ſa derniere forme, & qu elle puiſſe etre executée, elle doit etre verifiée au parlement. Hiernechſt wird der Wehrt dieſer Verification wohl aus - einander geſetzt, und gewieſen daß der Koͤnig nichts veraͤndern koͤnne, ohne daß nicht das Parlement es vor - her unterſucht und geſetz-maͤſſig oder zutraͤglich befundenhabe.305vierte Abtheilunge. habe. Eben ſo iſt es mit den Statutis welche ohne obrig - keitliche Beſtaͤtigung keine Verbindlichkeit haben, und als bloſſe concluſa inter concludentes gelten.
(g)

§. 139. Von den Veraͤnderungen in der Geſetzgebung.

Jn der Mark werden die Genoſſen von Mark-koͤt - tern, Brinkliegern, Heuerleuten und dergleichen zu gemeinen Laſten und Ehren nicht kommenden Leuten wohl unterſchieden(a). Und man weiſet einem jeden ſein Holz, ſeine Trift und ſeine Nutzung zu, mit dem Maaßſtabe in der Hand, nicht nachdem er baares Vermoͤgen hat, ſondern nachdem er in der Mark ge - wahret iſt(b). Die Sachſen hatten gleiche Grund - ſaͤtze in der Civil-mark gehabt(c), und die Kunſt Ge - ſetze zu machen auf die einfachſten Regeln zuruͤckge - bracht; indem ſie ebenfalls die Eigenthuͤmer wehriger oder ſtimmbarer Laͤndereyen von den Unwehrigen un - terſchieden, Geld und Staͤdte verbannet, und keine Geſetze fuͤr Menſchen, ſondern fuͤr Echten(d) gemacht hatten. Arme(e), Fremde, und Knechte hatten Liebe, Achtung und Schutz, aber kein eigentliches Recht; und man war arm bey ihnen, wenn man keine ſtimmbare Gruͤnde zu eigen oder kein Echtwort beſas. Durch die neue Einrichtung verlohren ſie aber die Gelegen - heit jener Armuth oder dem Geld-reichthum zu ſteu - ren; dieſe erhielt ihr Recht durch Begnadigung, und Geſetze von der Willkuͤhr des Schutzherrn. Der Ar - me der eine Million baares Vermoͤgen beſas, konnte gehangen werden, wenn ihn nicht bloſſe Gnade oder ſeineUeigne306Oſnabruͤckſche Geſchichteeigne Bedingung ſchuͤtzte; der geringſte Wehr aber nicht, weil der Kayſer ihn nach dem Rechte behandeln muſte, was er ſich gewieſen hatte, und niemals hatte er eine Leibes-ſtrafe uͤber ſich zu Recht gewieſen. Allein nach der Carolingiſchen Anlage muſten die Armen bald Rechte der Wehren erhalten; und die Leibes-ſtrafen, worunter dieſe neuen Wehren blieben, ſich leicht mit der Neigung aller Herrſcher zu allgemeinen Verordnungen uͤber die alten ausbreiten. Handelnde und werbende Leute muſten geſchwind die Landbeſitzer verdunkeln, und die Geſetze fuͤr Echten ſich in Verordnungen fuͤr Koͤpfe verwandeln.

(a)S. §. 16.
(a)
(b)Jn einigen Marken haben in neuern Zeiten die Voll - wahrigen den Halbwahrigen, ja ſogar unwahrigen Mark - koͤttern, gleiche Rechte mit ſich ſelbſt unter dem Bedinge eingeraͤumet, daß ſie auch gleiche Bauer-laſt thun ſollten. Dies hat ſo lange gut gethan, als der lange Friede die Bauer-laſten ertraͤglich machte. Wie aber im Jahr 175[8]die Vollwahrigen faſt taͤglich mit zwey oder vier Pferden in der Krieger-fuhr ſeyn muſten; hatten die andern kein[e]Kraͤfte. Dergleichen Vertraͤge ſind gegen die gemeine Wohlfart in allen Staaten, deren Abſicht nicht iſt, nur viele Koͤpfe zum Krieges-dienſte zu ziehen.
(b)
(c)S. §. 25.
(c)
(d)S. §. 54. n. 9.
(d)
(e)Es wird in den Capitularien ſehr viel Sorgfalt fuͤr die Arme geaͤuſſert. Der Kayſer nahm ſich ihrer als ſeiner Schutz-leute, die ihm Zins gaben, aus eben dem Grunde an, woraus ſich ein General der Livranten und Marke - tenter annimmt. Von den Wehren hatte der Kayſer nichts, als daß ſie das Schwerdt zogen; aber die Armen hatten ihren Schutz nicht umſonſt.
(e)(f) Der307vierte Abtheilunge.
(f)Der Herr von Monteſquiou dans l’eſprit des Loix XXVIII. 2. macht ſich ſonderbare Vorſtellungen von den Geſetzen der Barbaren, und nennt ſie Perſonal-geſetze, weil in dem fraͤnkiſchen Reiche, die Franken andre Geſetze als die Roͤmer, die Roͤmer andre als die Burgundier, und die Burgundier andre als die Deutſchen hatten; und die - ſes in dem nemlichen Bezirke. Er haͤtte aber gerade um - gekehrt ſchlieſſen ſollen. Denn geſetzt wie es augenſchein - lich iſt, es waͤren tauſend Hoͤfe in einem Bezirke; und die Eigenthuͤmer dieſer tauſend Hoͤfe, welche gemeine Ehre und Wehre haben, machten den Coͤrper der Nation aus; ſollten dieſe einigen Ueberwundenen (dedititiis) oder Schutzgenoſſen (receptitiis) ihre Ehre und ihre Rechte mittheilen? Konnten ſie Heuerleuten, Hinterſaſſen, Handwerkern, Kraͤmern, Doͤrflingen (villains) und Buͤr - gern dieſe ſtarke Ehre anmuthen ſeyn? Konnte ein Roͤ - mer, Burgundier oder Deutſcher unter den Franken et - was anders als einen receptitium oder dedititium vor - ſtellen? und wenn ein Roͤmer durch Heyrath oder Erb - ſchaft zum Hofe gelangte, ward er alsdenn nicht ein Franke, ein Mitglied der Nation? Muſte nicht das onus defenſionis erſt aus einer Natural-pflicht in eine Geld-pflicht, und aus einer Buͤrger-pflicht in eine Men - ſchen-pflicht verwandelt werden, ehe der Geld beſitzer mit dem Land-beſitzer in eine Reihe gebracht werden konnte? Gruͤndete ſich nicht auf dieſer Ausgleichung die ſpaͤtere Ausdehnung des roͤmiſchen Buͤrger-rechts? Wie kann der Herr von Monteſquiou alſo behaupten, daß die Ge - ſetze der Barbaren perſonal geweſen, da ſie ſich doch ge - rade nach eines jeden Wehr-gute, und Eigenthume rich - teten? Ein Franke hatte mehr Ehre aber ein Roͤmer unter ihnen mehrern Vortheil; kein Wunder, daß alle Buͤrger nach roͤmiſchen Rechten lebten. Von einer Haus - ſtaͤtte zieht einer nicht ſo zu Felde, wie von einem Acker - hofe. Monteſquiou wundert ſich, daß die Franken ſich nicht die Muͤhe gegeben die uͤberwundenen ihren eig - nen Geſetzen zu unterwerfen. Dies heißt ſo viel geſagt, als: Die Vollmeyer ſollten allen ihren Heuerleuten und Hinterſaſſen Meyer-recht geben. Wie wollten aber letz -U 2tere308Oſnabruͤckſche Geſchichtetere ohne zugleich auch Meyer-hoͤfe zu erhalten, bey dieſer ſchweren Ehre beſtehen? Der Herr v. M. geht mit dem modernen Begrif von Unterthanen, den die alten gar nicht kannten, und wodurch alle Koͤpfe in ein Chaos zu - ſammen geſtoppelt werden, in die Sache hinein. Auch Leibnitz T. I. Script. Brunsv. p. 79. n. f. thut einen Angrif auf die ſonderbare Geſetzgebung der Sachſen, in - dem er ihnen vorwirft, daß ſie den Pferde-diebſtahl mit dem Leben und den Mord mit Gelde beſtraft haͤtten. Al - lein hier iſt ſchon eine Vermiſchung verſchiedener Rechte. So wenig ſich jetzt Meyer und Land-eigenthuͤmer mit Pferde-diebereyen abgeben; ſo wenig haben es auch wohl die ehmaligen ſaͤchſiſchen Rechts-genoſſen gethan. Die Todes-ſtrafe auf den Pferde-diebſtahl iſt alſo eine Strafe ſolcher Menſchen, die entweder blos als Knechte und Ge - ſchuͤtzte aufgenommen, oder gar irrend und ſchweifend, folglich der durch die National-geſetze verglichenen Geld - ſtrafen unfaͤhig waren. Die Leibes-ſtrafen in den ſaͤchſi - ſchen Geſetzen ſind zuerſt auf Kirchen-raub, Todtſchlag in der Kirchen und an gefriedigten Feſten, Verſchwoͤ - rung gegen den Koͤnig ꝛc. geſetzt. Wer ſieht hier nicht die Einflickungen neuer Verordnungen?
(f)

§. 140. Wird fortgeſetzt und beſchloſſen.

Die ſaͤchſiſche Nation erkannte uͤberhaupt drey Staͤn - de, Edle, Wehren und Leute; und wenn letztere gleich nicht in Perſon zu der Verſamlung kamen, worin die Geſetze bewilliget wurden: ſo war doch der Vogt, der ihre Wehre hatte, ihr Repreſentan, und dieſer hatte ver - muthlich noch einige Bevollmaͤchtigte bey ſich. Man fin - det kein Exempel, daß der Adel ein Geſetz fuͤr Wehren,und309vierte Abtheilunge. und der Wehr ein Geſetz fuͤr Leute gemacht; oder daß eine Sache dem einen und nicht auch zugleich dem an - dern Stande(a) verboten worden. Alles ward mit Gelde beſtraft; und der einzige Unterſchied war in der Summe; wo der Edle ſechzig Schillinge(b) gab, be - zahlte der Wehr dreyßig und der Leut funfzehn. Blos Armen, Fremden und Knechten, wurden ohne ihre Einwilligung Geſetze fuͤrgeſchrieben. Carl veraͤnderte hierunter zwar nichts; da er aber dem Handel und ſei - ner Cammer zum Vortheil die Armen zu ſehr beguͤn - ſtigte, und aus ihnen Staͤdte(c) und Doͤrfer bevoͤlker - te; da der Fraͤnkiſche - oder Reichs-Muͤnz-fuß allmaͤh - lig das ſaͤchſiſche Geld-ideal(d) verdrang, und der Fall dieſes Muͤnz-fuſſes jene Strafen unkraͤftig machte; und uͤberhaupt das Vermoͤgen eines Menſchen nicht mehr nach ſeinen Beſitzungen geſchaͤtzt werden konnte: ſo muſte auch dieſes feine Syſtem der Sachſen, wel - ches billig noch unſre Bewundrung verdient, der Zeit und den Umſtaͤnden weichen. Man ermaͤchtigte ſich bald, dasjenige einem geringen Land-eigenthuͤmer zu verbieten, was man den geldreichſten Manne nach Gefallen verbieten konnte.

(a)Man ſollte glauben in einem Geſetze gegen Diebe waͤre dieſes wenigſtens uͤberfluͤſſig geweſen. Aber nein. Es heißt in LL. FRIS. Si nobilis furtum dicitur perpetraſſe -- Si liber furti arguatur -- Si litus - Si ſervus -- Und die Strafe wird mit jedem Stande in Verhaͤltnis geſetzt. Wem wuͤrde heut zu Tage eine ſolche feine Unterſchei - dung einfallen? Wem wuͤrde ſie noͤthig ſcheinen? WieU 3oft310Oſnabruͤckſche Geſchichteoft macht nicht ein Landesherr ganz allein Geſetze? Wie oft entſcheiden Edle nicht was Leute eſſen, tragen oder bezahlen ſollen? Und wie empfindlich iſt es nicht fuͤr alle, wenn man uͤberall den Menſchen koͤpft, haͤngt und raͤ - dert, ohne in ihm ſeinen Stand zu unterſcheiden?
(a)
(b)Jn den Geſetzen der Frieſen, welche allem Anſehn nach unverdorben und die richtigſten ſind, iſt compoſitio no - bilis II; Liberi ; Liti . Tit. XV. §. 1. 2. 3. Und ſo war auch insgemein das Verhaͤltnis in den Strafen. Si quis de nobilioribus ad placitum mannitus venire con - temſerit Sol. IV. componat; Ingenuus II; Lit I. CAPIT. Sax. de 797. §. 5.
(b)
(c)Es kommt mir oft die Sorgfalt, womit die Sachſen ſich der Einfuhr des Geldes und aller ſtaͤdtiſchen Verfaſſung wiederſetzt haben, unglaublich vor, weil darin die aller - feinſte Jdee zum Grunde liegt, worauf ein Volk nicht eher als durch die Philoſophie vieler traurigen Erfah - rungen gelangen kann. Allein es iſt nicht unmoͤglich, daß die erſten Sachſen aus einer bereits in die Sklave - rey verſunkenen Nation ausgegangen und durch den Fa - den geleitet ſind, wodurch Lycurg geleitet wurde.
(c)
(d)Die Sachſen hatten keine klingende Muͤnzen; ſondern idealiſche. Solidus eſt duplex, unus habet duos tremiſſes qui eſt bos anniculus XII. menſium vel ovis cum agno. Alter Solidus habet tres tremiſſes, id eſt bos XVI. menſium. Maiori Solido aliæ compoſitiones minori homicidia com - ponuntur. Vid. LL. SAX. §. f. add. CAPIT. de Saxon. de anno 797. Der fraͤnkiſche klingende und ſchwerſte Schilling, deren XXII auf ein Pfund Silber giengen, war leichter als der ſaͤchſiſche ſchwere. Fuͤr erſtern kaufte man zur Zeit Carls des Großen 12 Scheffel Haber; und letzter galt 60 Scheffel. Rocken, Gaͤrſten und Haberverhiel -311vierte Abtheilunge. verhielten ſich damals faſt eben ſo gegen einander wie jetzt; indem der Rocke gegen die Gaͤrſte wie 3 gegen 4, und gegen den Haber wie 1 gegen 2 ſtand.
(d)

§. 141. Von den Gerichts-tagen.

Der Geſandte hielt jaͤhrlich ſeine Dietine, wofuͤr eben wie auf unſern jetzigen Land-tagen die oͤffentlichen Angelegenheiten, und beſonders alle Beſchwerden ge - gen die kayſerlichen Beamten unterſucht, und dem Be - finden nach abgethan oder zum Bericht angenommen wurden(a). Auſſer derſelben aber hielt er auch noch ſeine gebotene Gerichts-tage, an welchen in Appella - tionsſachen und gegen ſolche Perſonen zu Rechte ver - fahren wurde, deren man fuͤr ihrem ordentlichen Rich - ter nicht hatte zu Rechte maͤchtig werden koͤnnen. Dieſes hoͤchſte Land-gericht hieß vermuthlich die Ober - ſale(b), und ſpaͤter das Fehm-gericht(c). Hier gieng es an Leib und Leben, weil die Beklagten, ſo ſich zur rechtlichen Gnugthuung und zur Bezahlung des Wehr-geldes fuͤr ihrem ordentlichen Richter nicht geſtellet hatten, und folglich von demſelben im Con - tumaz-proceß, Recht-Echt-und Friede-los erklaͤret waren, nun nicht mehr ſich auf die buͤrgerliche Wohl - that der Genugthuung mit Gelde, berufen konnten, ſondern ſich, wie jetzt, rechtfertigen oder ihre Leibes - ſtrafe leiden muſten. Der Biſchof hielt ſeine Syno - de und reiſete jaͤhrlich zur Kirchen-viſitation auf allen Kirchſpielen herum, eine Verrichtung die er ſpaͤterU 4ſeinem312Oſnabruͤckſche Geſchichteſeinem Archidiacon(d), auch wohl dem Pfarrer des Orts(e) vertrauet hat. Der Graf hatte ſeine drey Goͤdinge im Jahr; und auſſerdem ſeine gebotene Ge - richts-tage. An erſtern wurde von der ganzen Ge - meinde Rechte gewieſen, auch wohl ſofort darnach erkannt, wenn die Sache ſo weit reif oder klar(f) war. Sonſt gehoͤrte die Unterſuchung und Entſchei - dung nach dem an jenem gewieſenen Rechte fuͤr die Schoͤpfen, welche ſich mit dem Richter an den gebo - tenen Tagen verſamleten. Aus letztern iſt unſer heu - tiges Gow-oder Part-gerichte entſtanden. Der Graf erkannte weiter am offnen Goͤdinge uͤber Todt - ſchlag und Wunden, wenn die Klage aufs Wehr - geld(g) gieng. Er konnte auch den im Contumaz - proceß recht-und echt-los erklaͤrten Miſſethaͤter wie - der in ſeinen vorigen Stand ſetzen, und ihm ſeine Ver - theidigung auf die Civil-klage wieder eroͤffnen(h). Seitdem aber die Leibes-ſtrafen an ſtatt der Geld - bußen(i) eingetreten, gehoͤren zum Goͤdinge jetzt nur noch die Blut-ronnen, worauf keine Leibes-ſtrafe ſteht. Der Edel-vogt hatte ſeine Gerichts-tage fuͤr geringe Sachen, die weder Eigenthum noch Freyheit betrafen(k), und fuͤr alle Bruchfaͤlle, die geringer als Blut-ronnen waren. Unſre heutigen Aemter ſind ihre Nachfolger; und was ſie mehr haben, iſt ihnen bey Gelegenheit neuerer Einrichtungen beygeleget wor - den. Mehrers will ich von der Carolingiſchen Ein - richtung nicht anfuͤhren, weil es zu meinem Zweck nicht gehoͤrt.

(a)S. §. 137.
(a)(b) Jn313vierte Abtheilunge.
(b)Jn der Urkunde, welche der Kayſer Ludewig der Deut - ſche dem Oſnabruͤckiſchen Biſchof Egibert ertheilte, wird derſelbe a judicio quod vocatur OBERZALA befreyet. Vid. HENSELER in diſſ. de dipl. Carol. in app. p. 108. Nun bedeutet zwar Oberzala, oder Sala major jedes Obergericht, v. DU FRESNE v. Sala. Es iſt aber dar - unter in der Oſnabruͤckiſchen Urkunde kein anders als das Obergericht des kayſerlichen Geſandten, und zwar nicht deſſen placitum generale ſondern ſein Partheyen - Ober-gericht zu verſtehen. Fehmen iſt ſo viel als rah - men citare bannire oder einen Tag beſtimmen. Fahm und Rahm bedeutet noch jetzt beydes la creme. Ver - fehmen aber iſt forbannire verbannen; und dem judicio miſſi kam der Name Fehm-Gericht zu, weil es ein ge - boten Ding war, um es von dem ungebotenen, dem placito generali zu unterſcheiden.
(b)
(c)Der ſeelige Prof. LODMAN hat ſchon die Fehm-richter von den Miſſis abgeleitet. S. deſſen Diſſertation de orig. jud. Vemicorum. Allein er hat den Unterſchied inter placitum miſſi generale und deſſen gebotenes Ge - richt zu welchem nur geladene kamen, nicht bemerkt. Letzters iſt vom placito miſſi wie das Gow-oder Part - gericht (juſtitia comitis) vom Goͤdinge (placito comitis) ſehr unterſchieden, und nach unſer Art zu denken com - miſſariis ſpecialibus, Stuhl-herrn, Frey-herzogen, Frey-grafen und Frey-ſchoͤpfen vertrauet worden. Das placitum generale kam wie das Goͤding aus der Mode. Die Commiſſio ſpecialis blieb aber im Fehm - gericht wie die juſtitia comitis im Gow-gericht beſtehen. So hat z. E. Oſnabruͤck das Gow-gericht und die Frey - grafſchaft zu Damme, und Muͤnſter das Goͤding. Und wir muͤſſen taͤglich zu jenen Grundſaͤtzen zuruͤckkehren, um unſre Graͤnz-ſtreitigkeiten zu beurtheilen.
(c)U 5(d) Dies314Oſnabruͤckſche Geſchichte
(d)Dies geſchahe unter dem Biſchof Adolph im Jahr 1217 wovon zu ſeiner Zeit.
(d)
(e)So ſagt Biſchof Adolph von den Eingeſeſſenen zu Recke in einer Urkunde vom Jahr 1220: illos nullam niſi Sacer - dotis ſui Synodum obſervare debere. Und man kann den Satz zur Regel nehmen: Wo der Biſchof die Ad - vocatie nicht hat, da folgen die Eingeſeſſene blos dem Synodo ihres Pfarrers.
(e)
(f)Die liquida ſind im deutſchen Proceß allezeit ab illiqui - dis wohl zu unterſcheiden. So ſtraft Muͤnſter die liqui - den Blut-runnen am Goͤdinge zu Damme. Diejenige aber ſo illiquid ſind, muß es an das Oſnabr. Parth - gericht zur Unterſuchung und Entſcheidung verweiſen, von da die Appellation an die Oſnabruͤckiſche Canzley geht. Statt deſſen ermaͤchtigen ſie ſich die Unterſuchung ans Amt Vechte zu ziehen, welches ein offenbarer Ein - griff in die hieſige Gerichtsbarkeit iſt.
(f)
(g)Dieſer Satz, den man bisher nicht genug gebraucht hat, verdiente die vollkommenſte Ausfuͤhrung, weil es bey allen Jurisdictions-ſtreitigkeiten hauptſaͤchlich darauf an - kommt; ich muß ihn aber weil er zu weitlaͤuftig iſt, auf eine andre Gelegenheit verſchieben. Man leſe indes KOCHS Anmerkungen von den weſtphaͤl. Gerichten 1751. 4. §. 1. p. 4. und KRESS: vom Archid. Weſen S. 226.
(g)
(h)Jch koͤnnte daruͤber verſchiedene Urkunden beybringen, wenn es nicht ohnehin begreiflich waͤre. Der Kayſer war ſonſt nicht befugt, den Exlegem in ſeinem Vaterlande zu vergleiten. Placuit omnibus qui vitæ periculum ſecun - dum Ewa Saxonum incurrere debent & qualiscumque ex ipſis ad poteſtatem regium confugium facit, aut in illiusſit315vierte Abtheilunge. ſit poteſtate utrum interficiendum illis reddat aut una cum conſenſu eorum habeat licentiam ipſum malefactorem cum uxore & familia foris patriam infra ſua regna collo - care & habeat ipſum quaſi mortuum. (i. e. civiliter in pa - tria mortuum) Capit. de Sax. §. 10. Dies iſt noch jetzt der engliſchen Geſetzen Genius.
(h)
(i)Dieſe Theſis erlaͤutert z. E. auch verſchiedene Graͤnz-ſtrei - tigkeiten. Dem comiti gehoͤrte inſpectio cadaveris, damals als ad civilem compoſitionem fuͤr ihm geklagt wurde. Seitdem aber die civilis compoſitio aus der Mode, hat der Beſitzer eines Goͤdings unrecht inſpectionem cadave - ris zu fordern. Dieſe gehoͤrt nun billig da man die Todt - ſchlaͤger jetzt ſogleich mit dem Frey-gericht oder der hoͤch - ſten Landes-obrigkeit verfolgt, der letztern und nachdem die Umſtaͤnde ſind, ex commiſſione dem Partheyen-go - grafen. Von dem Fehm-richter will ich nur noch bemer - ken, daß er auch die Vollmacht eines General-gewaltigers bey der Armee, der die Thaͤter auf der That haͤngen laͤßt, gehabt. Dieſe ſeine Befugnis, welche vielleicht eben - falls im Kriege ihren Urſprung genommen, verhinderte, daß ein ergriffener Uebelthaͤter ſich nicht mit der exceptio - ne ſe coram judice ſuo ordinario ad civilem compoſitio - nem paratum eſſe, ſchuͤtzen konnte; und mag eben daher der Fehm-richter ſo fuͤrchterlich geworden ſeyn. Viel - leicht iſt Frais und fraisliche Obrigkeit aus Frey-Her - zogthum, Frey-grafſchaft und Frey-gericht verkuͤrzt. Fray heißt bey den Hollaͤndern noch extraordinarium quid, und nach dem Redegebrauch etwas auſſerordentlich ſchoͤnes. Jn der deutſchen Sprache iſt frey exceptio a regula ordinaria. Geſetzt nun alle actiones ordinariæ waͤren bey den Deutſchen ad ſatisfactionem civilem ge - gangen: ſo waͤre nothwendig die perſecutio criminalisextra -316Oſnabr. Geſchichte vierte Abhandl. extraordinaria geweſen, und die Frais bezeichnete auf dieſe Art die Criminal-jurisdiction.
(i)
(k)In placito centenarii nemo ad mortem neque ad libertatem ſuam amittendam aut ad res reddendas vel mancipia con - demnetur. Sed iſta in præſentia comitis (ſcilicet ſi actio civilis ad compoſitionem peccuniariam) vel miſſorum no - ſtrorum (ſcilicet ſi ad pœnam criminalem agitur) remit - tantur. CAPIT. III. ann. 812. §. 2.
(k)

ENDE.

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TextOsnabrückische Geschichte
Author Justus Möser
Extent351 images; 85416 tokens; 16879 types; 601906 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationOsnabrückische Geschichte Allgemeine Einleitung Justus Möser. . [12] Bl., 316 S. SchmidOsnabrück1768.

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SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 H HANN IV, 5683

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationWissenschaft; Historiographie; core; ready; china

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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ImprintBerlin 2019-12-09T17:33:16Z
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ShelfmarkSUB Göttingen, 8 H HANN IV, 5683
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