PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Phyſiognomiſche Reiſen.
Viertes Heft.
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Altenburgin der Richteriſchen Buchhandlung. 1779.
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Fuͤnfter Ritt. Wird gehegt ein phyſiognomiſch Hals - gericht.

Burgholzheim, Burcholdsheim, Pur - goldsheim oder wie? Habs aus der Acht gelaſſen, an Ort und Stell ety - mologiſche Kundſchaft von dem Namen der Dynaſtie des manveſten Ritters Brechtold von Urlau einzuziehen, ob ich gleich ſolches von Freund Spoͤrtlern zu erforfchen die beſte Gelegenheit gehabt haͤtte, als wir zum phy - ſiognomiſchen Armenſuͤndergericht einmuͤthig dahin trabten. Gleichwohl hab ich bis zu meiner Heimkunft in einer ſo gluͤcklichen Unwiſſenheit uͤber die Ableitung des Na - mens dieſes alten Ritterſitzes gelebt, daß mir nicht der geringſte Zweifel beygegangenA 2iſt4iſt, die Benennung des Orts ſey phyſiogno - miſchen Urſprungs: denn die Gegend da herum iſt holzreich, der Edelhof ſieht einer alten Bergveſte oder Burg aus den Zeiten des Fauſtrechts ſehr aͤhnlich, daraus deri - virt ich ganz natuͤrlich Burgholzhelm, oder die Burg Holzheim. Mein etymologiſcher Freund, der Rektor Brunold hat mich in - zwiſchen eines andern belehrt: meynt der - ſelbe, der erſte Beſitzer oder Erbauer habe Brechtold, Berchtold oder Burchold geheiſ - ſen, welches alles ein und derſelbe Name ſey, den ſeine Geſchlechtsfolge beybehalten habe, wie der Name des zeitigen Jnnhabers vermuthen laſſe, und ſo heiße der Ort nach dem Taufnamen des erſten Erwerbers Bur - choldsheim, welche Ableitung gleichfalls gar natuͤrlich herauskommt. Endlich hat Mei - ſter Gernwitz, der homme de lettres F aff bey dieſer Gelegenheit ſeine Weisheit gleich - falls zu Tage foͤrdern wollen, der leitet denNamen5Namen her von purem Gold, beweißt ſeine Meynung mit den goldnen Palaͤſtem aus der irrenden Ritter Epoque, und gllaubt die Burg hab ehedem ein goldenes oder vergol - detes Dach gehabt, welches in alten Zei - ten nichts ungewoͤhnliches geweſen ſey; wie denn Herzog Friedrich von Oeſterreich, zu - benamſet mit der leeren Taſche, zu Wider - legung dieſes ſchimpflichen Sobriquets, auf ſein Schloß zu Jnſpruck, oder wie Andre melden, auf einen Erker deſſelben eim goldnes Dach habe ſetzen laſſen. Die Zuiſammen - ſetzung aus zweyen Sprachen beſtcaͤtige ſei - ne Meynung noch mehr: denn das Gold ſchmelze leichter mit dem exoteriſchen Bey - wort pur, als mit dem einheimiſchen lauter oder gediegen zuſammen; daher waͤren die Luftſchloͤſſer in den Feenmaͤhrchen gewoͤhn - lich von purem Golde erbaut, alber nicht leicht werde man eins aus gediegemem Gol - de antreffen. Welches alles ſich auch wohlA 3hoͤren6hoͤren laͤßt, obgleich der alte Rektor den Kopf weidlich ſchuͤttelte, und dem Etymo - logiſten ein uͤberſchießendes s, das ſich nicht wollte mit einderiviren laſſen, wie ein Schloß ans Maul warf, daß er ſchweigen mußte. Hab mich hierauf bey Herrn Buͤ - ſching und den Homanniſchen Erben in der Sach Raths erholen wollen; hab aber we - der in des Erſtern Erdbeſchreibung, noch in der Charte von Frankenland den Ort aus - fuͤndig machen koͤnnen. Mags vor der Hand bey der phyſiognomiſchen Ableitung verbleiben.

Burgholzheim in Frankenland, war alſo diesmal der Tummelplatz, wo der Beamte Spoͤrtler ſeine phyſiognomiſchen Talente wollte wirken laſſen. Sowohl das Ge - ſpraͤch deſſelben unterweges, als der Ein - tritt in die Burg ſelbſt, ließ hier viel ſon - derbares vermuthen. Der Gutsherr war ehedem Soldat geweſen, hatte im vorigenKriege7Kriege unter einem fraͤnkiſchen Kontingent ein Geſchwader Reuter kommandiret, nach - her quittiret und ſich als charakteriſirter Obriſter auf ſein Gut in Ruhe geſetzt. Sei - ner Geſtalt nach glich er dem Ugolino, wie ſolcher in den Fragmenten gekratzt iſt. Eben ſo einfach verſchloſſen in ſich ſelbſt, auch ſo unſanguiniſch trocken. Jm Alphabet der Menſchheit moͤcht er ſich mit dem duͤrrlei - bigen, langbeinigen ſſ vergleichen laſſen: denn er war ſo ſchmaͤchtig, und ſo wenig bewadet als Ariſtoteles. Seine Gemahlin paßte zu ihm wie das ß, obgleich der Be - amte Spoͤrtler dieſen Vergleich, als ich ihm ſolchen mittheilte, nicht goutiren wollte, weil ſein Kollege, der Beamte Buͤrger das ß hoͤchſt albern gefunden, er aber die Frau von Urlau nichts weniger als albern fand. Jch belehrt ihm aber, daß der Vergleich nicht auf dieſe Eigenſchaft des ß gemeynet ſey, ſondern auf eine andere, die FreundA 4Buͤrger8Buͤrger daran entdeckt habe: naͤmlich, daß es bucklich ſey, und eben das Gebrechen wuͤrde der Volksdichter, wenn er zugegen geweſen waͤr, an der guten Dame auch wahrgenommen haben. Außerdem war ein iunger Herr vorhanden, der eben von ſeinen Reiſen nach Hauſe war, und ſich eine Zeit - lang in Wien und Wetzlar aufgehalten hat - te, den Reichsprozeß zu ſtudiren. War ei - ne weichgeſchaffne Seele, durchaus empfind - ſam, und machte mit dem Vater einen ſtar - ken Kontraſt; die einzige Frucht aus recht - maͤßigen Ehebett, das Jdol der Eltern, deſ - ſen Wink ihr Geſetz war. Hieß mit ſeinem Taufnamen nicht Burchold oder Brechtold, ſondern ganz dem Familiengebrauch entge - gen, Dorotheus oder eigentlich a Deo da - tus wie Ludwig XIV. Wiewohl der aller - chriſtlichſte Koͤnig ſolchen Namen nur Jn - cogniw gefuͤhret hat, da er ſich in der Ge - ſellſchaft der uͤbrigen en proceſſion verlohr;der9der iunge Baron mußt ihn aber in Ermang - lung eines andern ſolitarie fuͤhren. Dar - uͤber gabs einen heftigen Hauskrieg. Als der Vater aus dem Feldzug nach Hauß kam und den iungen Stammerben fand, wollt er ihn unter dieſen befremdenden Na - men nicht fuͤr ſeinen Sohn erkennen. Denn obgleich ein ſchlauer Feldprediger, den Ehe - frieden zu befoͤrdern die Auskunft traf, den lateiniſchen Namen ins Griechiſche zu uͤber - ſetzen: ſo war dadurch doch nichts gebeſſert, dem Vater klang das Dorotheus ſo weibiſch und Maͤgdehaft, daß ihm um Ludwig des XIV. willen Adeodatus noch leidlicher ſchien. Demnach beſtand er darauf, daß dieſer Name mit einem rittermaͤßigen muͤſſe vertauſcht werden, wenn der Junker in dem Familienſtammbaum ſollt eingetragen wer - den; aber das wollte die Mutter nicht zu - geben. Sie hielt dieſen Tauſch fuͤr eine Gewiſſensſache und wollte nicht geſtatten,A 5daß10daß ihr Kind, wie ſie ſagte, umgetauft wuͤrde. Endlich wurde von einem klugen Kopf der Name Theodor ausgemittelt, der beyde El - tern zufrieden ſtellte, den Vater, weil ihn ein Koͤnig von Corſica gefuͤhrt hat, und die Mutter, weil ſie belehrt wurde, daß er mit den beyden verſchmaͤheten Namen von glei - cher Bedeutung ſey. Hab vergeſſen zu mel - den, was die eigentliche Veranlaſſung zu der ſeltſamen Auswahl des Taufnamens war. Die guten Leute hatten ſchon ſieben Jahre in unfruchtbaren Eheſtande gelebt, und die iunge Frau hatte ſich halb und halb des Gluͤcks verziehen Mutter zu werden, mußte die Schuld der Unfruchtbarkeit allein tragen; denn ihr Gemahl hatte ſich in Ab - ſicht ſeiner Kapazitaͤt gnugſam legitimirt. Als ſie nun unverhoft ſich geſegneten Leibes fand, machte ihr das viel Freude, und ſie pflegte oft zu ſagen: ſie hab die Leibes - frucht vom Himmel erbeten. Dies Wortarripirte11arripirte bey einer Gaiſterey der Paſtor loci, und that den Vorſchlag dieſe Wohlthat des Himmels durch einen bezeichnenden Namen des Kindes unvergeßlich zu machen, welches genehmiget und hernach zu rechter Zeit und Stunde, wiewohl nicht aufs ſchicklichſte ausgefuͤhret wurde.

Außerdem wußte Freund Spoͤrtler noch allerley Holzheimer Domeſtika zu erzaͤhlen, die Frau von Urlau betreffend. Zum Exem - pel ein ſeltſames Geluͤbde bey ihrer Schwan - gerſchaft: falls ſie einen Stammerben zur Welt braͤchte, ieden Reuter von der Schwa - dron ihres Eheherrm mit einem Suſpenſo - rium zu verſehen, und als der Himmel ihr auch dieſen Wunſch gewaͤhret, habe ſie 66 Stuͤck dem Herrn Colombier, Docteur Regent der mediziniiſchen Facultaͤt zu Paris in Kommiſſion gegeben; der eigenſinnige Obriſte aber ſey fuͤr die zukuͤnftige Deſcen - denz ſeines Regiments ſo wenig beſorgt ge -weſen,12weſen, daß er das Geſchenk nicht accepti - ren wollen. Hiernaͤchſt ſey ſie in ihren iuͤn - gern Jahren eine große Verehrerin von Kleiſt geweſen, hab den Dichter bey aller Gelegenheit allegirt, und ſich nach deſſen Grundſaͤtzen uͤber das Reuten der Damen, als eine dem ſchoͤnen Geſchlecht unauſtaͤn - dige Sache iederzeit hoͤchlich ſtandaliſirt. Seitdem aber Prizelius die Damen in der Kunſt unterwieſen ſchrittlings zu reuten, ſey ſie anders Sinnes worden; Kleiſt ſey ver - abſchiedet, nun ſetze ſie mit ihrem Herrn uͤber die Graͤben wie ein Huſſar, und von der Zeit an ſey das gute Vernehmen in der Ehe, das vorher ganz erkaltet geweſen, wieder hergeſtellt.

Nachdem der alte Ritter Kuͤraß und Pickelhaube in Pflugſchaar und Spaten um - gewandelt hatte, lag er der Landwirthſchaft ob, machte unter der Hand den Roßkamm, und war dabey ein großer Kurſchmidt undThier -13Thiermaler. Sein Stall beſtund eigentlich aus lauter Schimmeln, die er aber nach Be - finden der Umſtaͤnde in Schaͤcken, Tieger, Rußrappen, Schweißfuͤchſe, Falben u. ſ. w. nachdem es der Geſchmack der Kaͤufer er - heiſchte, umzuſchaffen verſtund. Durch dieſes Gewerbe und eine karge Wirthſchaft, haͤtten die Finanzen des Deſpoten von Burg - holzheim auf gutem Fuß ſtehen muͤſſen, wenn nicht Junker Theodor in Wien und Wetzlar eine ganz andere Praxis der Oeko - nomie getrieben haͤtt, als daheim der Va - ter. Dort verſchlang ein Terraͤn von we - nig Quadrat Schuhen in einem Abend oft mehr, als der Vater von vielen Morgen Ackerland erndten konnte, wenn eine un - gluͤckliche Karte, den Werth von einem Fu - der Korn nach dem andern in die Bank tranſportirte. Dieſe Luͤcken mußten nun, nach der goldnen Wirthſchaftsregel: den Aufwand im Großen durch den Erwerb imKleinen14Kleinen zu erſetzen, wieder ausgefuͤllt wer - den. Daher wurde die Bezahlung der De - jeunées im Prater auf die Kaͤſepfennige re - partirt, und den Champagner, der in Wetz - lar in des iungen Herrn Zimmer bey man - cher verſchwenderiſchen Mahlzeit unter den Tiſch floß, ſollte das dem Geſinde abge - dungene Bier bezahlen. Bey dieſen und mehrern oͤkonomiſchen Erſparniſſen war nur der Artikel an Deputat des Hundebrodes unangetaſtet geblieben, es ließ ſich davon auch nicht wohl etwas abrupfen, denn ſeit undenklichen Jahren, waren die in der Ge - richtshaft ſich befindenden Arreſtanten bey den Hofhunden in die Koſt verdingt. Eini - ge Jahre her war aber die Diebserndte ſo ergiebig geweſen, und ein verſchmitzter Ge - richtsfrohn, hatte nebſt dem wachſamen Ju - ſtiziarius die Frohnveſte mit allerley Vaga - bonden und Diebsgeſindel ſo angefuͤllt, daß dem oͤkonomiſirenden Gerichtspatron diePraͤro -15Praͤrogative der hohen Gerichtsbarkeit, we - gen der Atzungskoſten ſehr laͤſtig wurde. Daher mußte das arme Hundevieh iede Felddeube, durch verminderte Portionen entgelten, und bey mehrern Anwachs der Jnquiſiten, liefen Hunde und Diebe in Ge - fahr zu verhungern.

Unter dieſen Umſtaͤnden hatte der Ge - richtsherr dem Kriminalrichter die Beſchleu - nigung der heilſamen Juſtiz ſo nachdruͤcklich anempfohlen, daß dieſer das ganze Diebs - depot in weniger als einem Monat des To - des ſchuldig fand. Nur fehlte bey allen insgeſamt das eigne Eingeſtaͤndniß ihrer Verbrechen, welches ihnen iedoch vermoͤge der durch Urthel und Recht zuerkannten Tor - tur nun durfte abgezwungen werden, als - denn wollte der Richter ſtraͤcklich mit der Exekution vorſchreiten. Nach dem Ermeſ - ſen des Ritters haͤtt es aller dieſer Um - ſchweife nicht bedurft, der auf gut ſolda -tiſch,16tiſch, die ſeiner Meute ſo uͤberlaͤſtigen Koſt - gaͤnger, wenns auf ihn angekommen waͤr, an den erſten beſten Baum oder Balken wuͤrd aufknuͤpfen und ihnen die Brodpfor - ten auf immerdar haben verſperren laſſen. Weil aber die deutſchen Schoͤppenſtuͤhle die Cognition uͤber Hals und Haut an ſich ge - riſſen haben, ſo daß heut zu Tage die Kri - minaljurisdiktion mehr eine Servitud als ein Privilegium fuͤr den Gutsherrn iſt: ſo mußt er zwar im Ganzen dem Recht ſeinen Lauf laſſen; aber ein wenig ruͤcken und dre - hen an der Maſchine, um ihren Gang zu beſchleunigen, das blieb ihm unverwehrt. Daher befahl er dem Gerichtshalter die Verhafteten quovis modo zum Geſtaͤnd - niß zu bringen, und dieſer hatte denn pflichtſchuldigermaßen verheißen, die armen Schlachtopfer der Juſtiz ſo lange zwicken, ſchrauben, zerren und dehnen zu laſſen, biß ſie ſich ſamt und ſonders um den Hals be -kannt17kannt haͤtten. Incidenter. Menſchen - kunde und Menſchenliebe lagen dem An - ſchein nach nicht in dem Wirkungskraiſe des Burgholzheimer Juſtizbeamten. Hab ich irgend zwiſchen zwey Phyſiognomien eine frappante Aehnlichkeit gefunden, ſo wars zwiſchen der Seinigen und des Michel An - gelo Buonarotti in dem dritten Tomus der Fragmente. Fern alle Sanftmuth und alle Grazie, von oben bis unten. Eben dieſe gefaltete Stirn, dieſe gegen die Naſe ſich wild abneigenden Augenbraunen, eben dieſe breitgedruckte Naſe, eben dieſes wildkrauſe Haar; Ausdruck von anmuthloſer unbeugſa - mer Vollkraft. Ein wahres furchterwecken - des Loͤwengeſicht! Mit den Geſichtszuͤgen ſtimmten die Geſinnungen des Mannes voll - kommen uͤberein. Jch hoͤrt ihn ſich bekla - gen, daß ihn das Gluͤck in ſeinem Leben ſo wenig beguͤnſtiget habe, da es nun einmal einen Beamten aus ihm ſchaffen wollen: ſoBhaͤtte18haͤtte er gewuͤnſcht, anſtatt dem richter - lichen Amte in Burgholzheim im Franken - lande vorzuſtehen, das Rentamt Burghauſ - ſen in Bayern zu verwalten. Dort muͤſſe ſich, meynt er, der Beamte excellent ſte - hen: denn beſage der im Muͤnchner Jntel - ligenzblatt ſich befindenden Abhandlung von Felddieberey, waͤren vom Jahr 1748 bis 1776 daſelbſt an die 11000 Menſchen ein Opfer der peinlichen Geſetze worden. Jn hieſigem Gerichtsbezirk, ſetzt er ganz miß - muͤthig hinzu, waͤren in dieſer Zeit nicht ſo viel Lerchen gefangen als dort Diebe iuſtifi - zirt worden. Er wolle gern die erſte oder die lezte Ziffer an dieſer Summe ſchwinden laſſen, und doch ein Kapitaliſt ſeyn, wenn er, wie gewoͤhnlich, die Juſtifizirten als Richter beerbt haͤtte. Wunderbar! dacht ich bey mir, daß Richter und Malefikant doch ſo oft nach einerley Grundſaͤtzen denken und handeln, als waͤren ſie zuſammen ineine19eine Schul gegangen. Beyde haben die naͤmliche Begierde Menſchen hinzuwuͤrgen, um ſich ihrer Verlaſſenſchaft zu bemaͤchti - gen. Darum ſo oft ich den Richter inen Dieb zum Galgen geleiten ſeh, denk ich im - mer an einen Hecht, der eine Aalraupe ver - ſchlingt.

Ehe noch die gewaltſame Wahrheitspro - be in Burgholzheim ihren Fortgang hatte, langte der iunge Theodor auf dem vaͤterli - chen Erbfitz an, und erwarb ſich da als ar - mer Suͤnder Patron, mit mehrerm Rechte den Beynamen Soter von den Malefikan - ten, als ehemals Antiochus der Syrer von ſeinen Hofſchmeichlern. Der empfindſame Knabe, nach dem Ton der ſentimentaliſchen Welt geſtimmt, dems ſchwarz vor den Au - gen wurde, wenn er einer Aderlaſſe zuſah, konnt’s nicht aushalten, daß der Gerichts - pfleger den Patron, um ihm die Eßluſt bey der Mahlzeit zu vermehren, vom WuͤrgenB 2und20und Abſchlachten der Delinquenten unter - hielt, als waͤr vom Stechhaufen der Maſt - haͤmmel die Rede. Der Biſſen ſtarb ihm im Munde, er bekam Vapeurs, wurd oft bleich um die Naſe, und es verging ihm faſt Hoͤren und Sehen wie dem General Tylli bey der Leipziger Schlacht, nach Pu - fendorffs Bericht. Mußte zu dem muͤtter - lichen Riechflaͤſchgen einmal ums andre ſei - ne Zuflucht nehmen: denn er empfand, vermoͤge ſeiner lebhaften Phantaſie und der Weichlichkeit des Herzens, die Daumen - ſtoͤcke, Schnuͤren, und den ſpaniſchen Stie - fel an Haͤnden, Armen und Waden ſo gut, als das Richtſchwerdt und den haͤnfenen Strang in der Spina dorſi und am Adams - apfel. Ueberdieß hatt er von den Todes - ſtrafen und der Folter ganz andere Begriffe als der martialiſche Vater und deſſen eiſer - ner Gerichtsvogt.

Alſo21

Alſo nahm er ſeinen Andreas Zaupſer zur Hand, nachdem er vorher ſeine geweſenen Lehrer, die Regierungsraͤthe von Sonnen - fels und Banniza fleißig konſultiret, und hielt unter Beyſtand dieſes antikriminaliſti - ſchen Triumvirats den beyden Kriminalty - rannen, ſolche polemiſche Vorleſungen, daß ſie auf ihrem lezten Bollwerk, des Kaiſer Carls peinlichen Halsgerichtsordnung Cha - made ſchlagen und ſich dem Ueberwinder auf Diſtretion ergeben mußten. Und weils dem iungen Menſchenfreund minder um Ehr und Sieg, als uͤberhaupt um mildere Ge - ſinnungen zu thun war, ſprach er dabey mit ſo vieler Waͤrme, daß die dichte Eißrinde ihrer gefrornen Herzen nach und nach auf - thauete, und der Saame menſchlichen Ge - fuͤhls, den er reichlich auszuſtreuen nicht unterließ, darinn wieder anfing zu vegetiren.

Wie wird aber, frug der Beamte, in Kriminalfaͤllen, ohne Folter die WahrheitB 3an22an den Tag kommen? Und wenn die Tor - tur ſoll abgeſchafft werden, was iſt an ihre Stelle zu ſetzen? Der ſcharfe Blick des Richters, ſprach Theodor mit Sonnenfels. Jch wollte du haͤtteſt das nicht geſagt, mein Sohn, fiel die froͤmmelnde Mutter hier ein, welcher uͤbrigens die Suada des Sohnes manche Freudenthraͤne entlockt hatte, wer kann einem Menſchen ins Herz ſehen, und wie ſollt es ein Richter wagen unſerm Her - regott ins Amt zu fallen? Theodor, der ganz moderne Kopf, der alle Vorurtheile und beſonders religioͤſe ſo ſehr haßte als die Folter, ſagte mit einiger Aufwallung, die der Widerſpruch von einer Seite veranlaßte, von welcher er ſich nur Beyfall verhieß, und im Ton eines iungen Weltmanns. O Mama, wir haben in unſern Tagen meh - rere Vorrechte des Himmels geſchmaͤlert, die ihm ehedem Unverſtand und Aberglaube lieh. Ein kuͤhner Mann hat in einem fer -nen23nen Welttheile, den Blitzen Gang und Bahn vorgezeichnet, und ihnen gelehrt nach der menſchlichen Willkuͤhr ſich zu bequemen; und in dem unſrigen hat ein noch kuͤhnerer gar das Feuer aus den Wolken geſtohlen, welches die lauten Geſaͤnge andaͤchtiger Ma - tronen und verzagter Garnweber nie ausge - loͤſcht haben. Wir haben die Geiſſel des Himmels, die Peſt fuͤr Kontrebande erklaͤ - ret, und laſſen ſie nicht mehr uͤber die va - terlaͤndiſche Graͤnze paßiren. Wir haben uns der Blatterbuͤchſe des Wuͤrgengels be - maͤchtiget, und das toͤdtende Gift derſelben in heilſame Arzeney verwandelt; wir haben gelernt mit engliſchen Roſſen den Sturm - winden vorzulaufen; wir gebieten dem Meer, und wiſſen die fuͤrchterliche Gewalt der Wellen im Augenblick durch eine Tonne Oel zu zerſtoͤhren. Endlich hat ein weiſer Mann verſucht, die Herzenskunde als Bey - lage und Erbe dem menſchlichen Wiſſen zu -B 4zueignen;24zueignen; wir ſehen nun den innwendigen Menſchen, durch ſeine aͤuſerliche Geſtalt ſo offenbar als in einem Spiegel, und dieſe Kunſt iſt ihm ſo gelungen, daß es bloß des Sehers Schuld iſt, wenn er beym erſten Anblick eines Menſchen nicht alle Geheim - niſſe ſeines Herzens durchſchauet.

So wenig Bedenken die gute Mutter fand, in die Vorrechte der Maͤnner einen Eingriff zu thun, wenn ſie maͤnnliche Bein - kleider anlegte, um ſchrittlings zu reuten: ſo gewiſſenhaft war ſie in Abſicht der Vor - rechte des Himmels, die wollte ſie auf kei - ne Art gekraͤnkt wiſſen. Der arme Theodor mußte ſeine leichtſinnigen Reden mit einer nachdruͤcklichen Gewiſſensruͤge buͤſſen, und wurde ungeachtet der Einwendung, daß der Herzenskuͤndiger von dem die Rede war, ein wuͤrdiger gewiſſenhafter Geiſtlicher ſey, fuͤr einen foͤrmlichen Ketzer und Freydenker erklaͤret. Der Praͤſes der Diſpuͤte, der alteRitter25Ritter war waͤhrend derſelben, wie er uͤber Tiſche oft pflegte, ſanft eingeſchlafen, und der Juſtiziarius war verſtummt. Der rich - terliche Scharfblick, den der iunge Herr von ihm forderte, beduͤnkte ihm ein ganz fremdes Requiſitum eines Richters zu ſeyn, davon ihm ſein Lebtag noch nichts zu Ohren kommen war: denn außer der ſcharfen Fra - ge und einem ſcharfen Meſſer, kennt er nichts ſcharfes in rerum natura: Scharf - ſinn und Scharfblick waren alſo fuͤr ihn un - bekannte Laͤnder.

Ungeachtet der notoriſchen Freydenkerey und ihres ſcheinbaren Unwillens dagegen, liebte die fromme Mutter ihren Theodor dennoch unermeßlich, und bereute es keines - weges, dieſes Weltkind neun Monden lang unter dem Herzen getragen zu haben; daher wurd er nach einigen Erlaͤuterungen uͤber die phyſiognomiſche Herzenskunde, bald wieder von ihr in die rechtglaubige KircheB 5aufge -26aufgenommen, und es fehlte wenig daran, daß er ſie ſelbſt zur Phyſiognomiſtin machte. Der Vater bekam von den Einſichten des Sohnes von Tag zu Tage groͤßere Begriffe, der Richter hatte fuͤr die neoteriſche Krimi - nalwiſſenſchaft des iungen Gerichtspatrons allen moͤglichen Reſpekt, druͤckte ſich fuͤr ihn nieder, weil er fuͤrchtete er moͤcht ihn mit dem richterlichen Scharfblick hetzen, wie ein Haas fuͤr den Windhund ſich in die Furchen druͤckt: ſo nach wurde dem Baron Theodor auf ſein Begehren die Ausfuͤhrung des Burgholzheimer Kriminalprozeſſes ohne Widerſpruch uͤberlaſſen.

Jnzwiſchen gings dem iungen Manne wie’s Vielen geht, die ſich an das trium - phirende Wir anſchließen, von dem man im gemeinen Leben ſo viel Wunderdinge hoͤrt, an welchen das Jndividium, das ſich mit dem Wir bruͤſtet, oft keinen oder ſehr unbedeutenden Antheil hat. Ob man gleichhaͤtte27haͤtte vermuthen koͤnnen, daß Theodor dem Himmel ſeine Vorrechte mit haͤtte abdringen helfen, daß ihm der Todesengel, auch Wind und Meer gehorſam waͤren, und daß er in das menſchliche Herz hinein ſchauen koͤnne wie in einen Spiegel: ſo vermocht er doch bey der erſten vorlaͤufigen Probe, einer Delinquentin nicht anzuſehen, ob ſie des Ehebruchs, des Diebſtahls oder gar der Zauberey bezuͤchtiget wuͤrde; und als ſich das angeſchuldigte Deliktum aus den Akten ergab, verwirrete ihn ihre Phyſiognomie dergeſtalt, daß er ſie weder zu verurtheilen noch freyzuſprechen waghalste. Jn dieſer Verlegenheit nahm er zum Seher Spoͤrtler, dem Phoͤnix aller phyſiognomiſchen Richter in Frankenland ſeine Zuflucht, der ſich denn aller freundnachbarlichen Dienſte gern und willig erbot, auch zu rechter Gerichtszeit an Ort und Stelle ſich einfand, worauf denn das erſte phyſiognomiſche arme Suͤnder Ge -richt28richt auf deutſchen Grund und Boden, in Beyſeyn des iungen Barons, einiger der Phyſiognomiekundiger Maͤnner, naͤmlich eines Landpredigers, eines Chirurgus, und eines Kunſtmalers, desgleichen des judicis ordinarii und der gewoͤhnlichen Schoͤppen, unter Freund Spoͤrtlers Vorſitz geheget wurde.

Eh und bevor die Sitzung ihren Anfang nahm, gabs noch einige Debatten uͤber die Zulaſſung des Malers als Beyſitzers, ab - ſonderlich in Abſicht des Stimmrechtes, welches ihm das Judicium nicht zugeſtehen wollte: angeſehen der phyſiognomiſche Ca - non die Maler namentlich von der Phyſio - gnomiſtengilde ausſchloͤſſe. Trat auf der Prediger, ein ſtarker Orientaliſt, der allent - halben Anſpielungen auf die morgenlaͤndi - ſche Litteratur anbrachte, und mit einer Ue - berſetzung des Talmuds umgehen ſoll, weils ihm ſein Landsmann Herr Rabe mit ſeinermeiſter -29meiſterlichen doch nicht zu Danke gemacht hat, ſprach mit großer Gravitaͤt: Der La - vateriſche Coder, den ich ſeiner innern Ord - nung und Einrichtung halber den phyſiogno - miſchen Koran nenne, beſagt in der neun - ten Sure des IV Tomus ausdruͤcklich, daß kein Maler ins phyſiognomiſche Heiligthum eingehe: die wenigſten Maler heißts am angezognen Orte ſind Phyſiognomiſten, die Wenigſten ſag ich, weil ich nicht ſagen darf: kein Einziger iſts; aber doch ſagen darf: ich kenne Keinen ders durchaus iſt. Jn - zwiſchen ſuſpen dir ich fuͤr den gegenwaͤrti - gen Fall mein Jndicium gaͤnzlich, und uͤberlaſſe es dem Ermeſſen meiner Herrn Kollegen, was ſie nach ihrer Gewiſſenhaf - tigkeit in dieſem paſſu entſcheiden werden. Der Kuͤnſtler vertheidigte ſich aber ſehr gut, ſprach: es gehe den meiſten Malern wie den meiſten Menſchen, die Wenigſten waͤ - ren Phyſiognomen, weil er ſich aus Beſchei -denheit,30denheit, in Gegenwart ſo vieler phyſiogno - miſchen Praͤtendenten nicht zu ſagen ge - traue: kein Einziger ſeys; aber doch ſagen duͤrfe: er kenne keinen Menſchen, ders durchaus ſey, und wer ſich in der Ver - ſammlung dafuͤr ausgaͤbe, ſolle den erſten Stein auf ihn werfen. Als nun Keiner von uns nach einem Stein griff, ſintemal auch Keiner in der Gerichtsſtube vorhanden war, der nicht waͤr eingemauret geweſen, blieb er quoad actum praeſentem in Poſ - ſeß ſeines phyſiognomiſchen Stimmrechtes.

Wurden hierauf herein gefuͤhret Parther, Meder und Elamither, ein Gemengſel von allerley Volk wie in der Pfingſtepiſtel: haußten in der Gerichtsfrohn Schurken bey einander, vom Rhein, vom Mayn, von der Elbe, Oder, Weſer und der Donau. Nachdem der Gerichtshalter iedem ſein Suͤndenregiſter kuͤrzlich rekapitulirt hatte, wurde den Jnquiſiten mit durchdringendenBlicken31Blicken von allen Seiten heftig zugeſezt, darob ſich Einige nicht wenig entfaͤrbten, wiewohl im ſtrengen Verſtande Keiner Far - be hatte: denn von haͤufigen Waſſertrinken und wenig ſolider Nahrung, hatten ſie ins - geſamt ein kakochymiſches Anſehen. An - dere hattens ihren Spott, das waren die Ausgelernten, achteten keines Beſchauens, machten allerley ſeltſame Grimaſſen und haſchten zum Zeitvertreib, waͤhrend des ſtummen Verhoͤrs Stechfliegen vom Gelaͤn - der der Gerichtsſchranken. Der Chirurgus, welcher wie ich bald vermerkte ein Partialiſt und kein Univerſaliſt in der Kunſt war, be - ſchaͤftigte ſich Haar, Bart und Gebiß der Jnquiſiten zu beſchauen, und aus dieſen Indiciis ihre Malefikantenſchaft zu ermeſſen. Als ich ihn nach geendigter Seſſion frug, wie er auf das phyſiognomiſche Zahnſtudium gekommen ſey, gab er zur Antwort: Er habe iederzeit geglaubt, die Cognition uͤberHaar32Haar Bart und Gebiß, gehoͤre eigentlich fuͤr ſein Forum, denn daruͤber muͤſſe ein Chirurgus und Barbier kompetenter Richter ſeyn. Deshalb hab er die gehoͤrige Kennt - niß davon aus den Fragmenten zu erlangen geſucht; allein da hab er wenig Troſt ge - funden. Doch ſey er durch eine Kupferta - fel, die fuͤnfte naͤmlich im erſten Theil, auf die Spur der phyſiognomiſchen Zahn Theo - rie gebracht worden. Dort ſey der Kerl in der flachen Muͤtze, mit erhabner ſeelenloſer Hand, vermoͤge der Zaͤhne in die Klaſſe der Boͤſewichte verwieſen worden, das hab in ſeinen Kram gedient, deshalb hab er von der Stund an uͤber die Bedeutſamkeit der Zaͤhne nachgedacht, und ſey in dieſem Stu - dium ſo weit gekommen, daß er die Men - ſchen eben ſo gut in Anſehung ihres boͤsarti - gen Charakters nach den Zaͤhnen zu klaſ - ſifiziren wiſſe, als die Naturkuͤndiger die Fleiſchfreſſenden Thiere.

Der33

Der Kunſtmaler leiſtete dem Gerichtshof waͤhrend dem Verhoͤr dadurch einen ſehr reellen Dienſt, daß er das phyſiognomiſche Protokoll fuͤhrte, und mit großer Behendig - keit die Grundzuͤge der ſaͤmtlichen Malefi - kanten mittelſt ſeiner Bleyfeder ſehr getreu aufs Papier warf, welches den Praͤſes be - wog, dieſe Zeichnungen mit ad acta zu neh - men, weil ſie die Rationes dubitandi et decidendi der gefaͤlleten phyſiognomiſchen Sentenzen in ſich ſchloſſen. Nachdem von demſelben und den ſaͤmtlichen Gerichtsbey - ſitzern alle Geſichtszuͤge der hochnothpein - lichen Delinquentenſchaar in reife Betrach - tung waren gezogen worden, mußten die Gefangenen abtreten und es kam zum voti - ren. Da man ſich aber nicht daruͤber ver - glichen hatte, ob das von oben herein, oder von unten hinauf geſchehen ſollte, wurde der Beamte Spoͤrtler erſucht, vorerſt ſeine Meynung zu ſagen, der ſich denn hier alsCphyſio -34phyſiognomiſcher Kriminaliſt in ſeiner gan - zen Groͤße zeigte, und die Geſichtszuͤge der Delinquenten, von den ihnen angeſchuldig - ten Verbrechen ſo geſchickt und mit ſo hin - reiſſender Beredſamkeit entweder zu trennen, oder beyde mit einander zu vergleichen wußte, daß alle die herumſitzenden Jaher - ren ſich ihm beyfaͤllig erklaͤrten. Das fachte eine alte Jdee wieder bey mir auf, die ich ſchon ſeit langen Jahren einmal erfaßt hat - te, die aber ganz erloſchen war: mich duͤnkt, auf den erſten Anblick ſcheinen un - ſere Dikaſterien, Finanzkammern, Kanzel - leyen, Konſiſtorien und Stadtraͤthe immer uͤber complet: denn Zweydrittel der ehr - wuͤrdigen Senatoren, der genannten und nicht genannten Kollegien ſind doch im Grunde nur Jaherren, die das einſylbige bilitteraliſche Woͤrtlein, das den ganzen Umfang ihrer Verdienſte um den Staat in ſich ſchließt, gleichwohl fetter maͤſtet, alsehedem35ehedem den redſeligen Konſul Cicero ſeine weltberuͤhmte Eloquenz. Dennoch hat die - ſes reſpektable Korpus denn iede Geſell - ſchaft, die vermoͤge ihrer Zahl und Vielheit eine gewiſſe vim intrinſecam erlangt hat, iſt reſpektabel auch ſeine Verdienſte. Ohne Beyſtand dieſer Eintoͤner waͤr kein Propos in der Welt zu einem einfoͤrmigen Schluß zu bringen, daher kenn ich wenig groͤbere Jrrthuͤmer als den, womit unſere Kartenmacher das Eckerdauß zu ſtempeln pflegen, fuͤhrt ſolches bekanntlich den Denk - ſpruch: quot capita tot ſenſus. Waͤr das wahr, ſo waͤren weder die Canones der Tridentiner, noch irgend einer andern Kir - chenverſammlung zu Stande gekommen; ſo fehlte die ganze Myriade Subſkribenten hin - ter dem Konkordienbuche; ſo wuͤrde im brit - tiſchen Unterparlement der Miniſter ſeine Brieftaſche vergebens oͤfnen, um zum Be - duͤrfniß des Staates die Millionen PfundeC 2bey36bey Dutzenden ſich bewilligen zu laſſen; ſo wuͤrden die Geſchwornen, ungeachtet der Motifen aus dem Magen, nie einen High - wayman in der Mittagsſtunde einſtimmig verurtheilen gehangen zu werden; ſo waͤr in keiner Rathsverſammlung, die ſich zwiſchen den beyden Extremen, dem ehrwuͤrdigen Senat des alten Roms biß auf den zeitigen zu Schilda herab, gedenken laͤßt, iemals ein einmuͤthiges Concluſum abgefaßt worden; und ſo ſaͤßen die Burgholzheimer Richter noch immer auf ihrer phyſiognomiſchen Ge - richtsbank, und zankten uͤber das zu faͤllen - de Deciſum. Da ſich aber die Jaherren an das Spoͤrtleriſche Gutachten insgeſamt anſchloſſen, ſo ging dieſes gar bald in ſeine volle Rechtskraft uͤber.

Nach Maßgabe dieſes phyſiognomiſchen Rechtsſpruches, wurde der ſcheele Veitel, ein angeblicher Erzdieb, ſeines beharrlichen Ableugnens aller ihm imputirten Diebſtaͤhleunge -37ungeachtet, in Betracht ſeiner Phyſiogno - mie und Statur, pro confeſſo et convicto erklaͤret. Die haͤrteſten Boͤſewichter, ſprach unſer Gerichtspraͤſes, ſind immer die Unter - ſezten: denn wo viel gedrungene Kraft iſt, da iſt auch viel Verſuchung zum Mißbrauch derſelben, daher Jnquiſit aller gewaltſamen Einbruͤche, Wegelagerungen und Berau - bungen, deren ihn die Akten zeyhen, ſchul - dig erkannt und als uͤberwieſen condemnirt wird, von Rechts wegen. Peter Knoll - horn hingegen, ein beruͤchtigter Schenk - wirth und Diebshaͤhler, obgleich in ſeiner Behauſung geſtohlnes Gut war vorgefunden worden, ingleichem das Mauzneriſche Ehe - weib, in puncto inculpati adulterii, ob ſchon ihr Ehemann ſie in flagrante delicto wollte ergriffen haben, ſie auch das Ver - brechen beynahe eingeſtanden hatte, welches Bekenntniß iedoch vom Richter durch illega - le Concuſſionen ausgepreßt zu ſeyn ſchien,C 3wurden38wurden vermoͤge der unumſtoͤßlichen Zeug - niſſe ihrer Unſchuld, die ihnen die Phyſio - gnomie ertheilte, indem ihre Geſichter zu der Klaſſe derer gehoͤrten, die gewiſſe Laſter gar nicht begehen koͤnnen, plenarie abſolvi - ret. Jn Anſehung einiger andern, blieb in Betracht ihrer indecidirten Lineamenten das Urtheil vor der Hand noch in ſuſpenſo.

Einer der Gefangenen, auf den nichts eigentlich zu bringen war, außer daß er ſich verdaͤchtig gemacht hatte, die Guther - zigkeit der Leute durch erdichtete Brandbriefe in Kontribution geſetzt zu haben, zog des Beamten Spoͤrtlers Aufmerkſamkeit beſon - ders auf ſich. Er that daher dem Gericht den Vortrag: es erhelle zwar nicht aus den Akten, daß beſagter Vagabond ſich eines Kapitalverbrechens ſchuldig gemacht habe; dennoch gravire ihn ſeine Phyſiognomie der - geſtalt, daß bey genauer Unterſuchung, ſo enorme delicta ſich veroffenbahren duͤrften,die39die durch die Kriminalgeſetze noch nicht pro - portionirlich verpoͤnt waͤren; es ahnde ihm bereits das Geſtaͤndniß einer ſchwarzen That; iedoch ſey er voriezt nicht im Stande, ſich weiter daruͤber auszulaſſen. Nahm da - bey eine myſterioͤſe Mine an, welche allen Gerichtsaſſeſſoren ſonderbare Dinge erwar - ten ließ, und erſuchte das Gericht um die Erlaubniß, Jnquiſiten auf den Nachmittag zu einem geheimen Verhoͤr berufen zu laſſen, wobey außer dem Juſtiziarius, keinem von den phyſiognomiſchen Beyſitzern zugegen zu ſeyn, wichtiger Urſachen halber geſtattet werden koͤnne. Nachdem ſeinem Geſuch war deferiret worden, fand Judicium gut fuͤr diesmal zu adjourniren.

Mich nahm Wunder, mit welcher Zu - verlaͤßigkeit Freund Spoͤrtler ſeine phyſio - gnomiſchen Deciſa faͤllete, ohne im gering - ſten zu haͤſitiren, welches ein ſicherer Be - weiß ſeiner vollen Ueberzeugung von derC 4Untruͤg -40Untruͤglichkeit der Kunſt war, in ſo fern er ſich darauf einließ, und mir wurde glaub - haft, daß er durch das unermuͤdete Stu - dium ſeiner Schurkengallerie zu einer Fer - tigkeit gelangt ſey, die Originale von Buͤ - berey und Boßheit ſo ſchnell und richtig von den unſchuldigen Schlachtopfern der Juſtiz zu unterſcheiden, wie ein Kenner in einer Bilderſammlung Originalgemaͤlde von Nach - bildungen, die ein minderkundiges Auge truͤ - gen. Es war mir, als fuͤhlt ich, daß ſich ein neidiſches Mißbehagen in meinem Herzen regte uͤber die maͤchtige Ueberlegen - heit des Spoͤrtleriſchen Gefuͤhlsſinnes, wenn ich meinen eignen damit in Vergleichung ſtellte. Gott weiß was ich wuͤrde vorge - bracht haben, wenn ich den Malefikanten das phyſiognomiſche Urtheil haͤtte ſprechen ſollen. Sonder Zweifel wuͤrde mirs nicht beſſer ergangen ſeyn als dem Junker Theo - dor beym erſten phyſiognomiſchen Krimina -liſten41liſten Verſuch, oder wie dem ehrlichen La - vater ſelbſt, mit den zehen Graͤnzumriſſen maͤnnlicher Geſichter aus einer deutſchen Stadt, die ich ihm noch immer nicht ver - zeihen kan. Jch konnt das eigentliche Malefikantenfaͤltgen keinem aus der Burg - holzheimer Diebsſchaar abgewinnen, ſo viel ich mir auch diesfalls Muͤhe gab. Denk, wenn ich die ganze loͤbliche Geſellſchaft an einem Kornſchwaden angetroffen haͤtt, oder auf dem Heuſchlag, oder auf einem Markt, wo ſie Eyer und Zwiebeln zum Verkauf ausgeboten haͤtte: ſo wuͤrd ich ſie all ins - geſamt fuͤr ehrliche Bauerleut angeſprochen, und keine boͤſe Tuͤck noch Schalkheit hin - ter ihnen vermuthet haben. Hier aber in der Verhoͤrſtube dienten das Geklirr der Feſ - ſeln, die umher gepflanzten Wachtſpieße, und die vorlaͤufige Notiz der angeſchuldigten Mißhandlungen, dem phyſiognomiſchen Au - ge freylich zum Brillenglaſe, das alle Ge -C 5ſichts -42ſichtszuͤge vermalefizirte. Jedoch mit Zu - ſtimmung eines reinen Gewiſſens, bey die - ſem Phyſiognomiſchen Scherbengerichte das ſchwarze oder weiſſe Taͤfelein fuͤr ieden Kopf einzulegen, und das ſo behend, wie’s Freund Spoͤrtlern von der Hand ging, das war uͤber meinem Horizont.

Beſonders war mir unbegreiflich, wie er an dem Fliegeniaͤger einen ſo großen Brat - fiſch zu erhaſchen vermeynte, den ich zwar ſeiner Baſchkiren Phyſiognomie halber fuͤr einen wandernden Schuknecht hielt; aber mir nicht traͤumen ließ, daß dieſe mißge - ſtaltete Geſichtsform ein frey oͤffentlich Be - kenntniß unerhoͤrter Schandthaten ablege. Jndeſſen hegt ich fuͤr die Spoͤrtleriſche Phy - ſiognomicen Forenſem bereits ein ſo guͤnſti - ges Vorurtheil, daß ich von dem kreiſſenden Berg eine fuͤrchterliche Mißgeburt erwartete. Weils Hochmittag war, begaben ſich Rich - ter und Schoͤppen mit Beyſeitſetzung allesin43in dergleichen Faͤllen ſonſt gewoͤhnlichen Ce - remoniels, mit großer Eilfertigkeit aus der Gerichtsſtube zum richterlichen Hegemahl ins Speiſegemach, aus welchem der Wie - ner Hautgout, mit der fraͤnkiſchen Provin - zialkuͤche vereinbart, den Kommenden ent - gegen duftete. Woraus deutlich zu begrei - fen war, daß Junker Theodor in der Kuͤche ſo gut als in der Gerichtsſtube ſein Weſen hatte, und Beyden eine Reformation ſchien zugedacht zu haben.

Nachdem ein und die andere nahrhafte Schuͤſſel das gewoͤhnliche Stillſchweigen des erſten Jmbiſſes verſcheucht, auch der Werth - heimer die Lebensgeiſter wieder angefriſcht hatte, wurde die Tiſchgeſellſchaft ganz ge - ſpraͤchig; und als beym Deſert Junker Theodor ſeinen Wiener Flaſchenkeller auf - thaͤt, und die Liqueurs Fines in kleinen Portionen ausſpendete, ſo daß die Zwerg - roͤmer unter den hohen Stengeglaͤſern mitDoppel -44Doppelkuͤmmel herumhuͤpften, wie ſtaͤdti - ſche Petitmaͤters bey einem Kirchweyhtanze, belebte die geſpraͤchige Laune den Wirth und die Gaͤſte und die Unterredung wurde ſo laut und tumultuariſch wie in einer Trink - ſtube. Selbſt der unſanguiniſche Ritter empfand die wohlthaͤtige Wirkung der gei - ſtigen Getraͤnke, und wurde ſo ſanguiniſch, heiter und empfindſam, daß er in einer An - wandelung von Menſchenliebe, den Abhub der Tafel in die Frohnveſte ſchickte, um die darbenden Delinquenten dadurch zu er - quicken. Nur der Beamte Spoͤrtler nahm an alle dem keinen Antheil, war in tiefes Nachdenken verſunken, und vergaß in die - ſem Zuſtande des dumpfen feſten Hinſtau - nens nicht nur Eſſen und Trinken, ſondern ſchien gar nicht zu bemerken was um und neben ihm vorging; waͤr auch ſicherlich wie Sokrates in dem Feldzuge gegen Potidaͤa, nach Bericht des Plato, vier und zwanzigStun -45Stunden lang in der einmal angenommenen ekſtatiſchen Stellung geblieben, wenn ihn nicht das Geraͤuſch der Stuͤhle, als man von Tafel aufſtund, einigermaßen zu ſich ſelbſt gebracht haͤtte. Er verlor ſich doch bald aus der Geſellſchaft, und eilte wieder an ſeinen Fiſchteich zum Angelhacken.

Der iunge Baron gab uns indeſſen nach einer feinen Abhandlung vom Reichsprozeß, ſeine ganze Polizey Handlungs und Finanz - wiſſenſchaft nach Sonnenfelſiſchen Grund - ſaͤtzen zum Beſten; wurde aber daruͤber mit dem anweſenden Paſtor in eine Diſpuͤte ver - wickelt, die im Zwielichten, als ſich Tag und Nacht ſcheidete, noch nicht entſchieden war. Denn als er mit ſeinem Lehrer be - hauptete, ein Landpfarrer muͤſſe nicht mit Zehenden und Wirthſchaft uͤberladen, ſon - dern auf reine Beſoldungseinkuͤnfte ange - wieſen werden, vermeynte iener, nach dem Quintlein ſeiner phyſiognomiſchen Einſicht,dem46dem iungen Kirchpatron den Vorſatz aus den Augen zu leſen, dieſe Theorie dereinſt in ſeinem Gerichtsbezirk ad praxin zu brin - gen, welches ihn denn bewog, da er es nicht der Klugheit gemaͤß erachtete ſeinen Gegner en fronte anzugreifen, einen ge - lehrten Einfall in die kaiſerlichen Erblande zu wagen, und aus den renomirten Briefen uͤber den Zuſtand der Litteratur zu Wien manches Excerptum beyzubringen, das dem iungen Herrn nicht ſchmecken mochte. Als daher der geiſtlichen Gegenpart, wie ein ſtoͤrriſcher Stier durch keine Widerlegung ſich baͤndigen laſſen, und weder zur Rechten noch zur Linken ausbeugen wollte, ſondern immer mit ſeinen Hoͤrnern voran auf die Wiener Gelehrten einbohrte, die in der That ſchlecht waͤren berathen geweſen, wenn ſie den iungen Franken zu ihrem Schuz - patron erwaͤhlet haͤtten: ſuchte ſich dieſer mit franzoͤſiſcher Leichtigkeit durch einen Sei -tenſprung47tenſprung zu retten, und riß den polemi - ſchen Faden dadurch ab, daß er auf die Wiener Handlungsinduſtrie zuruͤckkam, und den Gewinn des Puzhaͤndlers berechnete, welcher den lukratifen Einfall hatte, bey Anweſenheit des tripolitaniſchen Geſandten, in deſſen Gefolg ſich ein ſchwarzer Gany - med in puris naturalibus befand, Son - nenfaͤcher mit Milchflohr zu uͤberziehen, de - ren Gebrauch der Neugier der Wienerinnen Befriedigungen geſtattete, ohne ihre Ge - ſchaͤmigkeit zu verletzen. Die Frau von Urlau, die die Polyhiſtorey ihres Sohnes in der Stille bewunderte, ohne an den ge - lehrten Materien die aufs Tapet kamen An - theil zu nehmen, hatte ſich bißher beym Theetiſch mit der Lektuͤr eines Erbauungs - buchs beſchaͤftiget, waͤhrend daß ihr Herr ſeinen Marſtall und Hundezwinger muſter - te, und nur ſo obenhin außer dem Zuſam - menhange etwas von den Wienerfaͤchernvernom -48vernommen. Weil nun von einer Sache die Rede war, die eigentlich in das Fach des weiblichen Putzes einſchlug, wollte ſie hier auch ein Wort mit einreden, thaͤt ihr Buch zu, und indem ſie ihr Seheglaß in die Hoͤ - he hob, fiel ſie urploͤtzlich ein: eine ſeltſa - me Methode durch den Faͤcher ſehen zu wol - len, warum braucht das Wiener Frauen - zimmer dazu nicht lieber ein Vergroͤßrungs - glaß wie ich? Dieſe muͤtterliche Queerfrage hemmte den Fluß der Beredſamkeit des Soh - nes auf einmal, denn er wußte nicht gleich, wie er ſich mit der Beantwortung nehmen ſollte. Weil nun auch dieſer Funktion Nie - mand aus der Geſellſchaft ſich unterzog, und bey Einigen der Anweſenden der Mund ſich ſichtbar Ohrwaͤrts dehnte, auch die Wangenmuſkeln unwillkuͤhrlich aufſchwallen, obgleich ſich iedermann Gewalt anthat, die Anwandelung des Lachens zu verbergen: merkte die gute Dame, ihrer Aphyſiognoſieunge -49ungeachtet, daß hier ein Mißverſtand ob - walten muͤſſe, daher nahm ſie ſchweigend ihre Retirade wieder ins Buch, zu den frommen Unterhaltungen. Waren, wie ich nachher erſah, als ich unvermerkt ein - guckte, die Zinzendorfiſchen Eheviertelſtun - den.

Meinem Beduͤnken nach zoͤgerte die Abendmahlzeit allzulang, nicht daß der Magen ſie begehret haͤtte, ſondern das un - geduldige Verlangen nach einer Privatau - dienz beym Großinquiſitor Spoͤrtler, um den Erfolg von dem Verhoͤr des inhaftirten Baſchkiren zu vernehmen, dehnte die Stun - den ſo in die Laͤnge, wie einſt der betruͤg - liche Witz der Koͤnigin Dido, die Carthagi - ſche Kuͤhhaut, daß an beyden kein Ende zu finden war. Die phyſiognomiſche Progno - ſis deutete auf einen gluͤcklichen Fang, als Freund Spoͤrtler mit der heiterſten gnuͤg - ſamſten Mine in die Geſellſchaft trat. ErDwar50war redſeliger als gewoͤhnlich, und als wenn er vier Magen haͤtte wie ein Drom - medar. Das machte mir viel Freude, denn da ich in meinem Herzen der Spoͤrtle - riſchen Diebskunde, wiewohl ungern, eine große Ueberlegenheit uͤber meine phyſiogno - miſche Kenntniß in dieſem Fache einmal zu - geſtanden hatte, wuͤnſcht ich nun insge - heim, daß der verhoͤrte Jnquiſit die graͤu - lichſten Schandthaten moͤcht auf ſeinem Ge - wiſſen haben, die ohne Zwang und Folter, allein durch das phyſiognomiſche Auge eines ſcharfblickenden Richters waͤren offenbar worden, damit die gute Sache der Kunſt dadurch gekraͤftiget und geſtaͤrket wuͤrde. War ſchier des Sinnes meines Zuͤrcher Freundes, der das zerfallene Reich des Teu - fels, laut ſeiner neuerlichen Predigten uͤber die Eriſtenz deſſelben, auf Gottes weitem Erdboden wieder anrichten moͤcht, und gern ſaͤh daß aller Teufelsſpuck und die großmuͤt -terlichen51terlichen Legenden hiſtoriſche Evidenz haͤtten, damit die Macht des Reiches Gottes da - durch verherrlichet, auch der chriſtliche Glaube deſto mehr Licht und Klarheit durch dieſen hoͤlliſchen Schlagſchatten gewinnen moͤge. Gluͤcklicherweiſe wurde dem Krimi - naliſten und mir ein Zimmer zum Nacht - quartier angewieſen, wo mein Kontubernal, nachdem er ſeinen Rock mit einem Kaftan vertauſcht, eine Federmuͤtze in Geſtalt ei - nes Turbans auf den Kopf gethuͤrmet, und ſeinen ungeheuren meerſchaumenen Tobacks - kopf gefuͤllt hatte, welches zuſammen ihm das ſtrenge Anſehn eines tuͤrkiſchen Kadis oder gar eines Baſſen gab, vorallererſt den Nachtriegel vor die Thuͤr ſchob, damit wir deſto ungeſtoͤhrter bleiben moͤchten, hierauf ſeinen Stuhl ganz nah zu mir ruͤckte. Als er aber der Praͤparatorien zu viel machte, brach ich das Stillſchweigen zuerſt aus Ungeduld und ſprach: Freund wie ſtehtsD 2um52um die Kunſt, hat ſie ſich heut wohl geloͤßt; oder hat ſie fallirt?

Geprieſen ſey die Kunſt! antwortet er mit halblauter Stimm damit kein Horcher an der Wand ein Wort von dem Kriminal - geheimniß erhaſchen moͤcht, das ſey hinfort die Loſung wenn ich mit einem Freund phy - ſiognomiſche Verhandlung treibe, ich habe eine große Entdeckung Jhnen mitzutheilen, doch nur ſub roſa.

Jch. Wohl, laſſen Sie hoͤren!

Er. Haben Sie den Jnquiſiten Baſtian Schabziger beym Verhoͤr bemerkt?

Jch. Ey wohl hab ich ihn bemerkt, den Baſchkiren, mit der vorhaͤngenden zur Erde niederſinkenden unebenen Stirn, den chine - ſiſchen Schweinsaugen, den wild aufwaͤrts ſtraͤubenden Augbraunen und verworrenem Haarwuchs. Jch glaub uͤber des Simſons Haarlocken iſt nicht ſo viel philoſophirt und kommentirt worden, als der geſchwaͤtzigeBalbier53Balbier und reſpektive Gerichtsbeyſitzer uͤber dieſen Haarwuchs mir vorzudoziren wußte.

Er. Alſo doch eine ſehr auffallende Phy - ſiognomie! uͤber die alle Anweſende ihre Spekulationen gehabt haben moͤgen. Wie judiziren Sie dieſelbe?

Jch. Wie ich die judizir, Herr? das iſt eine Meiſterfrage, die ich nicht aus dem Stegreif loͤſen kan. Vor ein paar Wochen haͤtt ich mir das wohl getraut, eh ich den Sempronius und den vierten To - mus kannte; aber iezt hab ich gar keinen Muth mehr, beſonders wenns auf Haut und Leben ankommt, meinem Schnellgefuͤhl zu trauen, und wie Sie, mit ſolcher Zuver - laͤßigkeit ein Geſicht als ein Stuͤck Akten abzuurtheln.

Er. Aber Jhre Privatmeynung von die - ſer Phyſiognomie? die wird den Jnquiſiten nicht um den Hals bringen.

D 3Jch.54

Jch. Die hab ich Jhnen ſchon erklaͤrt: das Geſicht hat einige Aehnlichkeit mit dem in den Fragmenten abgebildeten Baſchkir. Nun lehrt mich der Text zu der Abbildung, daß eine ſolche Geſichtsform auf der unter - ſten Stufe der Menſchengeſtalt zu ſtehen komme, und folglich als ein Endglied in der Kette, nur von der einen Seite in die Klaſſe der vernuͤnftigen Geſchoͤpfe, von den Andern aber in die Klaſſe des unvernuͤnfti - gen Gethiers eingreiffe. Mithin duͤrften Dummheit, thieriſcher Truz, dann wilde Unerbittlichkeit, vielleicht auch tuͤckiſche doch planloſe Boßheit nach dieſem Auſſenſchein, die hauptſaͤchlichſten Jngredienzien in der Kompoſition der Perſoͤnlichkeit dieſes Halb - menſchen ſeyn.

Er. Sehr richtig; aber nur zu allge - mein! Auch leuchtet mir nicht voll - kommen ein, was Sie durch planloſe Boß - heit verſtehen.

Jch. 55

Jch. Nichts mehr, als daß ich dem Dummkopf nicht zutraue, mit Abſicht und Vorbedacht, ſondern nur nach einem wilden Jnſtinkt zu wirken, das iſt, ohne daß er weiß, oder ſich darum bekuͤmmert, ob die That gut oder boͤſe ſey. Jſt wohl moͤglich, daß der Kerl alle Qualitaͤten des einge - fleiſchten Teufels, des Ruͤdgerodts beſitz, daß er ſey ein Hurer ohne Maaß, ein Maͤd - chenmoͤrder, ein Strauchdieb, Bandit und ſo weiter, nur ohne Gefuͤhl und Bewußt - ſeyn dieſer Thaten als Verbrechen. Denkt wohl in der Funktion ſeines Berufs Men - ſchen abzuwuͤrgen, wie der Koch die Kap - paunen ſchlachtet.

Er. Koͤnnte dieſe anſcheinende Dumm - heit nicht eine erkuͤnſtelte Huͤlle ſeyn, da - hinter ſich natuͤrliche Verſchlagenheit und argliſtige Boßheit birgt?

Jch. Das widerlegt duͤnkt mich der Augenſchein. Doch Augenſchein iſt Schein,D 4und56und daß der betruͤgt, hab ich oft aus der Erfahrung.

Er. Jch begreiffe nicht, wie Sie durch den ſichern Fingerzeig, den Jhnen Jhr phy - ſiognomiſches Gefuͤhl beym erſten Anblick dieſes Menſchen gab, als ein Freund der Kunſt ſich nicht reizen ließen tiefer in dieſe merkwuͤrdige Phyſiognomie einzudringen. Jch hofte ihre Beobachtungen ſollten den meinigen vorlaufen; aber ich ſehe Sie dies - mal weit hinter mir.

Freund fiel ich ihm in die Rede, laſſen Sie Sich das all nicht irren, wenn Sie Weg haben, ſo gehen Sie ruͤſtig auf Jhrer Bahn fort, und ſehn Sie Sich nicht nach Jhrem zuruͤckgelaſſenen Gefehrten um. Jch wills Jhnen anzeigen, warum ich Jhrem Gange nicht ſo ſchnell folgen kann. Vor - erſt war mir des Delinquentengewirres auf einmal zuviel. So wenig ein Sterngucker die Sternbilder, die in einem Winkel vonmehr57mehr als hundert Grad liegen, mit einem Blick uͤberſchauen kann: ſo wenig kann auch ein Phyſiognom mit ſeinem intellektua - len Blick, mehrere Geſichtsformen auf ein - mal deutlich uͤberſchauen, ſo daß er ſich aller Empfindungen, die ſie in ſeiner Seel erregen, bewußt iſt; und dieſe erſte Empfin - dung iſt doch das Hauptrequiſitum aller Ge - ſichtsdeutung, welcher der Schauer mehr als aller Beobachtung, und wie einer Jnſpi - ration trauen kann. Drum wollte mirs gleich anfangs nicht ein, daß die ganze Schelmeurotte in die Gerichtsſtube herein getrieben wurde, wie bey einem Abjagen das umſtellte Wild aus der Kammer, wenn das Rolltuch aufgezogen iſt, auf den Lauf gejaget wird. Meinem Ermeſſen nach haͤt - ten ſie all einzeln ſollen vorgefuͤhret und beaugenſcheiniget werden, wie die Pferd und das Hornvieh beym Verkehr auf den Maͤrkten. Anderntheils geſteh ich ein, daßD 5ich58ich die Phyſiognomie des Laſters nicht ſo a Fond ſtudieret habe wie Sie. Durch Jhren unermuͤdeten Eifer ſcheints Jhnen gelungen zu ſeyn, die Geſichtsform der Schurken ſo gluͤcklich zu beſchleichen, wie Lottinger den Kukuk, der ſich die Muͤhe nicht verdruͤſen laſſen, viele Jahre mit Le - bensgefahr Baumauf Baumab zu klettern, auch Buͤſch und Hecken durch zu kriechen, um die Chronique Scandaleuſe dieſes wunderbaren Vogels in Betref ſeiner Pro - pagation zu verificiren. Zoͤgern Sie alſo nicht laͤnger, mir den Schatz zu zeigen, den Sie vermoͤge Jhres phyſiognomiſchen Flaͤmmleins gehoben haben.

Er. So vernehmen Sie denn, daß ſich das ſcheußliche Ungeheuer teufliſcher Boß - heit, der Zuͤrcher Weinvergifter in hieſiger Gerichtshaft befindet!

Jch, die Arme in einander ſchla - gend, und mit dem Ausdruck des hoͤch -ſten59ſten Erſtaunens mich an die Lehne mei - nes Stuhls andraͤngend. Was? den Zuͤrcher Giftmolch haͤtten Sie ausgewittert?

Er, mit Selbſtzufriedenheit und et - was ſchlaukoͤpfig dazu ausſehend. Ja, nicht anders!

Jch. Und er hat das Verbrechen ein - geſtanden?

Er. Das nicht; aber aus der Kon - kurrenz aller Umſtaͤnde ergiebt ſich, daß die Sache gewiß iſt.

Jch. Bin begierig das ſo recht aus dem Grunde zu erforſchen, wenn Sie aus der Criminalſchul ſchwitzen duͤrfen.

Er. Sie ſollen alls erfahren, doch vor der Hand bleibt das Geheimniß unter uns.

Jch. Verſteht ſich! Das Raͤthſel ſagt: fuͤr mein zu enge, fuͤr drey zu weit, fuͤr zwey gerade recht, und die Aufloͤſung iſt: ein Geheimniß. Eroͤfien Sie mir alſo die Sache, damit ſolche dirch Jhr Wiſſen undmeine60meine Mitwiſſenſchaft erſt zu einem Ge - heimniß qualifizirt werde.

Er. Die auffallende Phyſiognomie des Jnquiſiten ließ mir beym erſten Anblick ver - muthen, daß hier mehr als gemeiner Ver - brecher ſey; ich fand die anſcheinende Dumpfheit und abgeſpante Sinneskraft auch in den Geſichtern einiger ausgeſuchter Boͤſewichte in meiner Sammlung die die uͤberdachteſten Plans von Buͤberey und Schalkheit ausgeſponnen haben. Gleich - wohl war aus den Akten kein Hauptver - brechen erſichtlich, deſſen er ſich ſchuldig gemacht haͤtte, auſſer daß er als ein Land - ſtreicher auferzogen, ſich bald fuͤr einen Salzburger Emigranten, bald fuͤr einen ge - tauften Juden ausgegeben; auch zuweilen auf den Brand gebettelt habe. Er ſey aber in hieſiger Gerichtshaft von einem, an das Forum delicti unlaͤngſt abgelieferten Haupt - diebe, fuͤr einen Schweizer und bekanntenDiebs -61Diebsmaͤkler in Zuͤrch angeſprochen worden, welches letzter Jnquiſit zwar leugne, aber doch eingeſtehe, daß er aus Zuͤrch buͤrtig ſey, mit ſeinem rechten Namen Baſtian Schabziger heiſſe, und ſeine Vaterſtadt ver - laſſen habe, weil er in Verfall der Nah - rung gekommen, und ſeinen Broderwerb in der Fremde habe ſuchen wollen.

Jch. Curios! Eine Phyſiognomie mit allen Signalementen der Laſterhaftigkeit; die Stadt Zuͤrch, und die daſige Weinver - giftung begegnen hier einander und treffen in einem Punkte zuſammen, ſo natuͤrlich, wie drey Latera eines ſoliden Winkels; aber das macht Jhre Vermuthung noch nicht ſolid.

Er. Das Spielwerk der Aſſociation freilich nicht; allein ich nahms fuͤr einen Wink, der Sache weiter nachzuforſchen; die kleinſte Zufaͤlligkeit bringt den Richter oft auf die rechte Spur. Hoͤren Sie wasder62der mittaͤgige Verhoͤr ergab! Auf mein Be - fragen welches Handwerks er kundig, oder welcher Profeſſion er zugethan ſey, depo - nirte Jnquiſit: er habe ſich nie auf ein Handwerk ſondern jederzeit aufs Fußwerk gelegt, ſey ehemals ein Botenlaͤufer und Gemſenjaͤger geweſen, nachher ſey er von dem Gloͤckner an der Großmuͤnſterkirche in Zuͤrch als Glockenlaͤuter und Baͤlgtreter an - genommen worden, da er den Glocken, vermoͤ - ge ſeiner Fuͤſſe eine beſondere Schwungkraft mitzutheilen gewußt, um ihnen einen herz - haften Schall und taktmaͤßige Bewegung zu geben, weshalb er auch viele Jahre das Gelaͤute dirigirt habe.

Jch. Curios!

Er. Gefragt, ob ihm dies Amt auch genaͤhrt habe? Antwort: er habe von den ordentlichen Gefaͤllen ſein Jahrbrod reichlich gehabt, auſſerdem hab ihn das Hinlaͤuten der Verſtorbenen manch ſchoͤnes Accidens eingetragen.

Jch. 63

Jch. Curios!

Er. Gefragt, womit er ſich auſſer den Kirchtagen beſchaͤftiget, ob er ſich da nicht als Diebsſpion und Maͤkler geſtohlner Sa - chen habe brauchen laſſen? Antwort: er habe Jahr aus Jahr ein alle Tage was zu treten gehabt, die Glocken oder die Orgel - baͤlge. Bey muͤſſigen Stunden hab er dem Todtengraͤber Wuͤrz, wenn ſich die Stadt - aͤrzte hurtig gehalten und ihre Lieferungen haͤufig geweſen, dann und wann ein Grab gegen ein Trankgeld auswerfen helfen. Gefragt, ob er nicht gern Zechgelachen bey - gewohnt, am Spieltiſch geſeſſen und ge - wizelt habe? Antwort, ja zuweilen ſey das geſchehen, wenn er bey Geld geweſen, Spiel und gute Schwaͤnke hab er von ieher geliebt. Gefragt, wodurch er in Verfall der Nahrung gerathen? Antwort, die Ur - ſache wiſſe er nicht eigentlich anzugeben; der Gloͤckner hab ihn unter allerley nichtigemVorwand64Vorwand verabſchiedet. Vermuthlich ſey er von ſeinen Kameraden angeſchwaͤrzt wor - den: denn auf dem Glockenſtuhl hab er ſcharf Kommando gehalten, und es keinem ungenoſſen ausgehen laſſen, der wider den Takt gelaͤutet habe. Gefragt, zu welcher Zeit er aus Zuͤrch ausgewandert ſey? Ant - wort, gerade in der Mittagsſtunde, als er ſeinen letzten Biſſen Brod aufgezehrt ge - habt, den Tag wiſſe er nicht mehr genau; es ſey aber im Jahr 76 geweſen, als das Laub gefallen.

Jch. Curios!

Er. Ferner gefragt, ob er um die, in eben dem Jahr zu Zuͤrch vorgefallene Ver - giftung des Abendmahlweins Wiſſenſchaft habe? Bey dieſer Sage war Jnquiſit wie vom Donner geruͤhrt, alle Geſichtsmuskeln wurden ploͤtzlich angeſpannt und ſchwollen auf vom Antrieb des Blutes, es veroffen - barte ſich ein ſichtbares Herzklopfen, under65er ſuchte ſeine Beſtuͤrzung hinter ein ange - nommenes Huſten zu verbergen. Jndicium protokollirte dieſen Umſtand ſorgfaͤltig, waͤh - rend des Jnquiſit Zeit hatte ſich zuerho - len. Worauf die naͤmliche Frage an ihn ergieng, die er kurzab damit beantwortete: er wiſſe von nichts. Zwar erinnere er ſich, daß einmal von einer Weinvergiftung ein Stadtgewaͤſch ſich entſponnen habe: er ha - be ſich aber nicht darum bekuͤmmert; denn was ihn nicht brenne, das loͤſche er nicht. Judicium: wie er leugnen koͤnne, von ei - ner Stadt und Landkuͤndigen Sache etwas zu wiſſen, da oͤffentlich dagegen ſey gepredi - get worden, und er ſeines angeblichen Be - rufs halber in der Kirche ſeyn muͤſſen? Antwort: er ſey zwar in der Kirche gewe - ſen, aber der Schall des Evangelii ſey nicht zu ihm hinter die Orgel gedrungen, daher koͤnn er auch von keiner Predigt Rechenſchaft ablegen. Judicium erachteteEhierauf66hierauf noͤthig, den Weg pathognomiſcher Verſuche einzuſchlagen, die Leidenſchaften des Jnkulpaten rege zu machen, und durch genaue Beobachtungen hieruͤber, die Wahr - heit zu erforſchen, oder Jnquifiten zum Ge - ſtaͤndniß ſeiner ſchwarzen That zu bringen. Juder gab alſo zu vernehmen: alles freche Leugnen wolle hier nichts verfangen, in Zuͤrch ſey bereits das Giftkomplott entdeckt, es ſey offenbar, daß er der Urheber dieſes graͤulichen Attentats ſey; er werde in allen Zeitungen durch Steckbriefe aufgeſucht, und ſey ſo kenntlich beſchrieben, daß man ſich an ſeiner Perſon gar nicht irren koͤnne. Er ſolle Gott und der Obrigkeit die Ehre thun und die Wahrheit bekennen, ſonſt ſtuͤnd ihm morgenden Tages die empfindlichſte Marter bevor. Ein freies ungezwungenes Bekenntniß werde eine Milderung der Strafe bewirken, denn ſeines Leugnens un - geachtet werd er einem ſchmaͤhlichen Feuer - tod nicht entlaufen.

Jch. 67

Jch. Herr das iſt halsbrechende Be - redtſamkeit! Kein Wunder, wenn da die armen Suͤnder ausbeichten muͤſſen, was der Richter haben will. Jch moͤcht ſchier das Wort des alten ſaͤchſiſchen Herzog Wilhelms, das derſelbe, laut des Annali - ſten Muͤllers Zeugniß, dem Rath zu Butt - ſtaͤdt, einem thuͤringiſchem Staͤdtchen, das ſeiner Criminaliſten halber nicht minder als ſeiner Ochſen wegen beruͤhmt iſt, bey Gele - genheit eines Criminalfalles anheim gab, wenns kein boͤß Gebluͤt gaͤb, auf Sie an - wenden. Jhr Herren, ſprach er, zieht hin mit eurem Bericht; Gott bewahr mich fuͤr eurem Gericht! Vermuthlich wirkte die Hochnothpeinliche Attrappe alles was Sie wuͤnſchten?

Er. Alles was ein gewiſſenhafter Richter zu Offenbarung der Wahrheit wuͤnſchen kann. Jch bedauerte nur, daß ich unſern Zeichner nicht mit ins VerhoͤrE 2genom -68genommen hatte, um die unverkenntbaren Ausdruͤcke des boͤſen Gewiſſens, und das reine Geſtaͤndniß der veruͤbten Schandthat, das dem ganz unphyſiognomiſchen Juſti - ziarius und ſelbſt dem beyſtehenden Ge - richtsfrohn in die Augen fiel, mit ſpre - chenden Zuͤgen abzuſchildern. Es fehlte nichts als das muͤndliche Geſtaͤndniß, wozu Jnquiſit nicht zu bringen war; obwohl im Grunde darauf nichts ankommt. Was ſagen Sie nun zu dieſer großen Entde - ckung? und was meinen Sie, daß das Publikum davon ſagen wird, wenn wir an die große Glocke ſchlagen und die ganze Species Facti der Welt vor Augen legen? Jezt muͤſſen die Zweifler und Widerſacher der Kunſt verſtummen: denn nun iſts Son - nenklar, daß die Phyſiognomik alles das geleiſtet hat, was ſie leiſten ſollte.

Jch. Freund, iubiliren Sie nicht zu fruͤh. Jch hab zu Haus ’n alten Thaler,darauf69darauf ſteht die Ueberſchrift: alles mit Be - dacht. Jch denk es ſey noch nicht Zeit, ihr gelegtes Ey ſo laut zu rezenſiren. Ob Sie gleich phyſiognomiſch und pathog - nomiſch mit Jhrem Jnquiſiten zu Werke gegangen ſind, den ſtehenden und bewegten Charakter deſſelben genau erwogen, die Summe ſeiner Kapitalkraft und das davon abgeworfene Jntereſſe treulich in Rechnung gefuͤhret haben: ſo koͤnnte dennoch ein error calculi irgendwo ſtecken, der das ganze Facit derſelben verruͤckte. Jch hab verſchiedene Monita dagegen.

Er. Sie verbinden mich, wenn Sie mir dieſelben mittheilen. Aber zuvor ver - goͤnnen Sie, daß ich Jhnen meine Ueber - zeugungsgruͤnde, als die Bilanz der Rech - nung kuͤrzlich rekapitulire.

Jch. Zugeſtanden.

Er. Die ſonderbare Konkurrenz der laſterfaͤhigen Phyſiognomie des JnquiſitenE 3mit70mit den Umſtaͤnden, daß er ein Zuͤrcher iſt, daß er zur Zeit der Weinvergiftung daſelbſt gegenwaͤrtig geweſen, daß er an eben der Kirche, wo dieſe ſchwarze That veruͤbt wor - den iſt, eine Beſtallung gehabt, daß er kurz nach dieſem Vorfall verabſchiedet und darauf Landfluͤchtig worden, ſind Poſten die Sie bereits als Praͤſumtionen, die den Jnkulpaten ſehr verdaͤchtig machen, agno - ſcirt haben.

Jch. Werden in Rechnung paſſiirt.

Er. Die unerzwungne Aufſage des Verhafteten, daß er gern am Spieltiſch ſitze und dabey zu witzeln pflege, ſcheinet zwar ganz keine Beziehung auf das De - liktum zu haben; alldieweilen aber der Hel - fer L. in ſeiner bekannten zwoten Giftpre - digt, die Neigung zum Spiel und zur Witzeley mit prophetiſchem Geiſte dem Weinvergifter attribuirt, und den Verbre - cher durch dieſe Eigenſchaft gleichſamcharakte -71charakteriſirt hat: ſo iſt nicht abzuleugnen, daß ſolche einen richtigem Vermuthungs - grund enthalte, daß mit Beyſtimmung der uͤbrigen Jndizien Jnkulpait das imputirte Deliktum wirklich begangem habe.

Jch. Aus Reverenz gegen eine Kan - zelpropoſition, aus dem Munde des Mei - ſters in der Menſchenkumde, bleibt dieſer Vermuthungsgrund billig an ſeinen Ort geſtellt, ohne etwas fuͤr oder wider Jnqui - ſiten zu entſcheiden.

Er. Die heftige Gemuͤthsbewegung deſſelben bey Erwaͤhnung der Weinvergif - tung, ſein verfaͤngliches Leugnen und nach - heriges Geſtaͤndniß einiger Wiſſenſchaft von dieſer Begebenheit, endlich das pathogno - miſche Geſtaͤndniß der That ſelbſt, laſſen keinen Zweifel uͤbrig, daß Jnquiſit der Zuͤrcher Weinvergifter ſey.

Jch. Dieſe Konſequenz kann nicht paſſiren.

E 4Er. 72

Er. Und warum nicht?

Jch. Aus drey ſtatthaften Gruͤnden. Pro primo, weil die obenangefuͤhrte Kon - kurrenz ſehr zufaͤllig iſt; Pro ſecundo, der prophetiſche Geiſt der Lavateriſchen Konjektur in eine poetiſche Grille hinſchwin - det; Pro tertio, in der Komputation des pathognomiſchen Artikels, ein groſſer Rech - nungsfehler ſteckt.

Er. Wie ſo?

Jch. Freund, die Jntereſſen ſind da mit zum Kapital geſchlagen worden. Sie haben alle Blicke, Minen und Grimaſſen des Baſtians, auf das, ſeiner vermeinten laſterfaͤhigen Phyſiognomie imputirte Ver - brechen gezogen, ohne zu bedenken, daß das all leicht andern Grund haben kan. Denn da der arme Narr, der ſich weiter keines Frevels bewußt war, als daß er zur Leibesnahrung und Nothdurft auf einen falſchen Brandbrief gebettelt, und dafuͤrnebſt73nebſt ein paar dutzend Zuchthieben ſich irgend einer gnaͤdigen Landesverweiſung ver - ſah, urploͤtzlich einer Frevelthat ſchuldig er - kannt wurde, die ihm, unter den Auſpizien Jhrer Criminaleloquenz, all die Martern des heiligen Laurenzius verhieß: ſo war ihm das auſſerm Spaß, und kein Wunder wenn er ſich aͤngſtlich gebehrdete, ſeltſame Geſichter ſchnitt, und Judasſchweiß ſchwizte. Wer kann auch unter ſolchen Umſtaͤnden Contenanz halten? Daraus ergiebt ſich ſo viel,, daß bey Jhrer pathognomiſchen Komputation, ein error calculi gar wohl moͤglich iſt. Und wenn wir nun, das Rech - nungsmanual zu machen, Kapitalkraft und Zinſen auf einen Augenblick beyſeit ſetzen: ſo ſagen Sie mir einen vernuͤnftigen Ver - muthungsgrund, daraus ſich begreifen laſſe, warum der Zuͤrcher Weinvergifter eben ein Glockenlaͤuter ſeyn muͤſſe? Welche Abſicht, oder welcher ſcheinbare VortheilE 5koͤnnt74koͤnnt ihr wohl zu dieſer That beſtimmt haben?

Er. Jezt treffen Sie auf den Haupt - punkt, den mich Jhre zufruͤhzeitige Refuta - tion noch nicht erreichen ließ. Sie koͤnnen ſich alſo dies Raͤthſel nicht loͤſen?

Jch. Nein, das kan ich in Wahrheit nicht, wofern Sie mich nicht mit Jhrem Kalbe pfluͤgen laſſen. (Nach einigem Herumſinnen.) Wohlan, ſo ſpannen Sie denn nur vor!

Er. Unbezweifelt hatte der Hoͤllen - brand die Abſicht, die zwoͤlfhundert Kom - munikanten in Zeit von einigen Monaten beym Begraͤbniß nach einander hinzulaͤuten, um ſeine Renten durch dieſe Accidentalgefaͤlle zu mehren, und ſein Zech - und Spielgelach deſto oͤfterer beſuchen zu koͤnnen. Das iſt der Grund, der einen Glockenlaͤuter mehr als jeden andern Frevler beſtimmen mußte, dieſe greuliche That zu veruͤben. Selbſtaus75aus der Kompoſition des Giftes legt ſich dieſe Abſicht klar zu Tage. Er waͤhlte ein langſam wirkendes Gift, eine Mixtur aus Letten, ſpaniſchem Pfeffer, Stechapfel, Schwerdtliljen und wahren Arſenik.

Jch. Dieſe ſeltſame Kompoſition ver - raͤth freylich einen Pfuſcher von Giftmi - ſcher, und zugleich einen groſſen Dumm - kopf. Ein kluͤgerer Boͤſewicht wuͤrde die aqua Tophana, aus Arſenik, alkaliſchem Salze, und dem Saft der Cymbalaria, welche zuweilen den Nachfolger des heili - gen Peters von roͤmiſchen Stuhl auf die erſte Sproſſe der Himmelsleiter befoͤrdert, zu ſeiner Abſicht dienlicher befunden haben. Wiewohl es der ganzen Quakſalberey nicht bedurft haͤtt, wenn der Zuͤrcher Gâte - mêtier mit der Arſenikbuͤchſe etwas freyge - biger umgangen waͤr.

Er. Ey, es war ihm nicht ums Mor - den, ſondern nur ums Hinlaͤuten zu thun. Was76Was haͤtt er fuͤr Gewinn gehabt, wenn die zwoͤlfhundert Kommunikanten in einer Nacht mit einander abgeſtanden waͤren, wie die Fiſche in fremdem Waſſer? Sie ſollten nach und nach hinſterben, damit er einem ieden beſonders die Todtenglocke laͤu - ten koͤnnte. Aber da veroffenbart ſich die unerfahrne Hand des Thaͤters allenthalben. Er weiß nicht die rechte Doſis zu treffen: fuͤr zwey oder drey Seſtern waͤr ſie gewiß wirkſam geweſen, fuͤr zwey und dreißig war ſie zu ſchwach. Er vertheilt die Giftpor - tionen ungleich: daher der mehr oder weni - ger truͤbe Wein. Der ungeuͤbte Verbre - cher zittert bey Begehung ſeiner That, er verfehlt die Oefnung des einen Bechers ohne es zu bemerken, und verſchuͤttet das Giftpulver auf den Rand: daher der be - ſchmutzte Becher. Alles das beweißt auf eine uͤberzeugende Art, daß ein Unerfahrner dieſe That unternommen habe, und wennman77man die Phyſiognomie der ganzen Hand - lung, mit der Phyſiognomie des Thaͤters zuſammen haͤlt, ſo erklaͤren ſich alle Fehler der erſtern durch die letztern ſo vollkommen, daß kein andrer Menſch als der Jnquiſit der Weinvergifter ſeyn kann.

Jch. Warlich Freund, Sie ſind recht ſinnreich alle Umſtaͤnde der Zuͤrcher Wein - vergiftung, mit einem Anſtrich von Wahr - ſcheinlichkeit auf den Baſtian hinaus zudre - hen. Aber verzeihn Sie mir einen Ver - gleich, mir kommts vor, als haͤtten Sie gefliſſentlich die Stechaͤpfel, den ſpani - niſchen Pfeffer, den Fliegengift und die uͤbri - gen Jngredienzien dem Kerl in die Taſche praktizirt, um hernach bey der Viſitation das all bey ihm zu finden. Wie? Wenn ich als ein barmherziger Samariter mich zum Defenſor des armen Suͤnders angaͤb, und aus ſtatthaften Gruͤnden erwieß, daß er an dem vergifteten Abendmahlwein ſounſchuldig78unſchuldig ſey, als Sie und ich; oder als der ſelge Reimarus und der Wertheimer Bibel Schmidt an den vergifteten Fragmen - ten eines Ungenannten, aus dem Wolfen - buͤttler Buͤcherſchatz?

Er. Weil Sie heute in der Laune ſind, mir in allem Widerpart zu halten, ſo trau ich Jhnen ſchon einige momenta defenſionis zu; aber ich fuͤrchte der morgende Verhoͤr duͤrfte ſie alle entkraͤften.

Jch. Nein Herr, die laſſen ſich durch kein Verhoͤr entkraͤften. Kurz von der Sach, weils hoch Mitternacht iſt, die ganze Zuͤr - cher Tragoͤdie iſt ein optiſcher Betrug, oder beſſer ein phyſiognomiſcher Jrrthum.

Er. Hochaufſtaunend. Wie?

Jch. Sehn Sie Freund, dieſe ſtanda - loͤſe Geſchichte war bisher eine furchtbare Waſſerhefe, die ſich aufgethuͤrmt hatte, und ſo weit ihr Gang reichte, alles in den Wir - bel ihrer Glaubwuͤrdigkeit fortriß; unlaͤngſtaber79aber hat ein Berliner Konſtabel einen Schuß dagegen gewagt, der das ganze Phoͤnomenon auf einmal zerſtoͤret hat. Will das ſo viel ſagen, ein kalter philoſo - phiſcher Kopf, an dem aber eine feine zart - fuͤhlende Naſe hervorragen mag, hat in ei - nem ſonderbaren Traktaͤtlein gar anſchau - lich dargethan, daß Einige der Zuͤrcher Feu - erkoͤpf, bey der vermeinten Abendmahlwein Vergiftung, nach ihrer Gewohnheit zu fruͤh Lerm geblaſen, eine Katz fuͤr einen Meer - wolf, einen Schatten fuͤr ein Nachtgeſpenſt, ein Stuͤcklein Faulholz fuͤr eine Todtenker - ze ausgeſchrieen haben. Denn wer das abentheuerliche liebe, dem fehl es nie an Abentheuern, und da koͤnn es leicht begeg - nen, daß ſich einer an einer Windmuͤhl verſtoß und ſie fuͤr einen großmaͤchtigen Rieſen anſeh. Die ganze Sach lauf nach genauer Erwaͤgung aller Umſtaͤnd auf ein Glaukom hinaus, und das Wahre an derZuͤrcher80Zuͤrcher Mordgeſchichte reduzire ſich ſo nach auf eine Nachlaͤßigkeit, ein Verſehen, oder hoͤchſtens auf eine oͤconomiſche Manſcherey eines Weinbrauers, Kellners, Kuͤfers oder ſonſt eines Kellerwurms, wobey aber nicht die mindeſte Boßheit oder gottloſe Abſicht verſire. Dabey hat der Autor die ſchlichte geſunde Vernunft ſo ſehr auf ſeiner Seite, daß alle Gegengruͤnde von ſeiner Behau - ptung abprallen wie leichte Bolzen, von der Hand eines Knaben aus einem Federkiel abgedruͤckt, gegen eine ſteinerne Wand.

Er. Nur Schade! daß ſich offenbare Facta aus oͤffentlichen Judizialakten ſo gar ſchwer wegvernuͤnfteln laſſen. Was be - weißt eine duͤrre Behauptung ſine die et conſule gegen das Viſum repletum dreyer erfahrnen Stadtaerzte, die das Sediment in den Seſtern einmuͤthig fuͤr eine Kompo - ſition aus maucherley Giften erkannt ha - ben. Die 32 Seſter ſind eben ſo vieleunverdaͤch -81unverdaͤchtige Zeugen der Wahrheit das Sediment! das Sediment! wer kann da durch oder druͤber?

Jch. Jch verſtehe Sie. Sie meinen mein Ungenannter werde mit ſeiner De - monſtration im Sediment ſtecken bleiben. Das hat keine Gefahr: im Sediment liegt eben der optiſche Betrug, der phyſiogno - miſche Jrrthum. Die Aerzte unterſuchten ſolches, als ſchon durch das Gered der Abentheurer ein paniſches Schrecken auf die ganze Stadt gefallen war. Sie pruͤften nicht mit freiem unbefangnen Forſchungs - geiſte, ſondern traten die Unterſuchung mit Giftbeſchwaͤngertem Jdeal an. Was Wun - der wenn ihnen die Jmagination einen ihr gewoͤhnlichen Streich ſpielte, und ſie finden ließ, was ſie ſo aͤmſig ſuchten? Mein Autor haͤlt die Zuͤrcher Aerzte mit ihrem Viſum repertum ziemlich warm, haupt - ſaͤchlich uͤber einen Varianten deſſelben. FEiner82Einer will wahren Arſenik aus dem Sedi - ment heraus geklaubt haben, den uͤbrigen Kollegen hats damit nicht gelingen wollen. Daraus zieh ich den ſichern Schluß, daß das Kollegium mit der Sedimentprobe nicht chymiſch, ſondern phyſiognomiſch zu Werk gegangen ſey. Sie betrachteten die ſaͤmtlichen Seſtern, wie ich heut morgen die ſaͤmtlichen Malefikanten. Weil Richter und Schoͤppen einmuͤthig ſchrieen die gan - ze Rott ſey heilloß Geſindel, ſo fand ich iede Phyſiognomie mehr oder weniger mit dem Kainszeichen geſtempelt. Und weil in Zuͤrch das allgemeine Geſchrey ſich erhob: der Tod in Toͤpfen! ſo ſahen die Aerzte dem Sediment alsbald die Giftphyſiognomie an und die erhitzte Phantaſie des Einen wuͤrzt es flugs mit einer Doſis Wuͤrgeſalz.

Freund Spoͤrtlern wolts nicht ein daß ich ihm ſein Korpus Delikti ſo wegraͤſon - nirte, und weil er nun ganz ſicher ver -muthen83muthen konnte, daß ich aus dieſen Praͤ - miſſen die wichtige Konkluſion bald wuͤrde nachrollen laſſen: Wenn in Zuͤrch die ſchwarze That der Vergiftung des Abend - mahlweins ganz und gar nicht ſey began - gen worden: ſo koͤnn auch der Schwarz - kuͤnſtler weder in Zuͤrch, noch in dem Burg - holzheimer Pathmus, noch ſonſt irgendwo in rerum natura exiſtiren, ſondern ſey eigent - lich in den luftigen Regionen der Hirnge - ſpinſte zu Hauſe, welche Konſequenz ihn um das Leibroß aus dem Marſtall ſeiner Steckenpferde wuͤrde gebracht haben: ſo faßt er ſich deshalb mit der Gegenrede ganz kurz, ſprach: der morgende Verhoͤr werd entſcheiden. Worauf er gedankenvoll ſeinen Tobacksmoͤrſer ausklopfte, die Fe - dermuͤtz ein wenig zurecht ruͤckte, und kurz - ab wohl zu ſchlafen wuͤnſchte, gebehrdete ſich dabey ſo kalt und muͤrriſch, als ſey er hoͤchlich beleidiget und von mir an Ehr undF 2Repu -84Reputation angegriffen worden. Wie er ſo ſchnell und mißmuͤthig in die Federn kroch, dacht ich in meinem Sinn: Petrus currit; ergo currat, laß ihn laufen! und warf mich auch ganz trotzig in mein Bett, wo ich bald in einen Schlaf fiel, den die heiligen Siebenſchlaͤfer nicht feſter moͤgen geſchlafen haben.

Die Sonne war ſchon hoch am Himmel als ich erwachte; gleichwohl herrſcht um mich her eine feierliche Stille, ich verwun - dert mich von Freund Spoͤrtlern keinen Odemzug zu vernehmen, und kam ploͤtzlich auf die ſchreckhafte Vermuthung, er habe ſich vielleicht uͤber meinen naͤchtlichen Diſputat geaͤrgert, und ſey von einem Schlagfluß befallen worden. Darum ſprang ich raſch aus dem Bett, und ſchlug den Vorhang des ſeinigen zuruͤck; aber da fand ich das ledige Neſt, der Vogel war ſchon ausgeflogen. Jch klingelt den Be -dien -85dienten, kam keiner zum Vorſchein ſondern ein Stubenmaͤdchen. Jch frug, wie ſo ſpaͤt am Tag alles noch ſo oͤd und ſtill in der Burg ſey? Wo die Bedienten waͤren? Ob die Herrſchaft auf ſey? Jtem, ob mein Kontubernal ſchon wieder Halsgericht halt, oder wo er hingeſchwunden ſey? Die Dirn ſchlug, hoͤchlich ſich verwundernd, die Haͤnd zuſammen und ſprach: ob ich nicht wiß, was die Nacht ſey vorgefallen, nichts vernommen haͤtt von dem Ungluͤck, das ſich begeben hab auf dem Edelhofe? Jch ſchau - dert zuruͤck: Was fuͤr ein Ungluͤck frug ich, da weiß ich kein Wort von, muß in einem Todtenſchlaf gelegen haben. Was iſts? Ueberfall oder Kriegsſchall? Feuer oder Waſſersnoth? Ein Uebel das im Abendſegen weggebetet wird; oder haben ſich die ſchwarzen Nachtgeſpenſter, nach - dem ſie aus den Geſangbuͤchern vertrieben ſind, hier eingeniſtet? Das alles nicht, erwiederte die Dirn, die ſaͤmtlichen Male -F 3fikan -86fikanten haben ſich dieſe Nacht loßgebro - chen, und ſind davon gelaufen, alles iſt ihnen nach ſie wieder einzufangen damit ſie nicht die Burg in Brand ſtecken, oder uns alle erwuͤrgen. O Weh! ſagt ich, das iſt eine ſchlimme Zeitung, verfuͤgte mich darauf zum Junker Theodor, der von allem was maͤnnlich in der Burg war allein zu Hauß geblieben, und waͤhrend der allgemeinen Diebsiagd in ſtolzer Ruh ſeine Toilette machte. Von dem erfuhr ich folgende Partikularia: der ſaͤmmtlichen Jnquiſiten - Schaar ſey, nach Auſſage eines zuruͤckge - laſſenen Bubens, das ſtumme Verhoͤr ſehr bedenklich vorgekommen, beſonders wegen der Gegenwart eines Geiſtlichen in vollem Amtsornat, von dem ſie waͤhnten, er waͤr da ſie zum Sterben zu bereiten. Nicht min - der hatte ſie die ungewohnte Spende des Gerichtsherrn in Furcht und Schrecken ver - ſetzt; denn der Abhub der Herrentafel, be -duͤnkte87duͤnkte ihnen die Todtenmahlzeit zu verkuͤn - digen. Darum hatten ſie nur ſparſam da - von gekoſtet, und die uͤbrigen Brocken ihren Huͤtern preiß gegeben, die keine Koſtver - aͤchter waren, und beſonders das Getraͤnke nebſt dem Doppelkuͤmmel nicht verſchmaͤ - heten, und als ſie davon in ſuͤſſen Schlaf hintaumelten, hatte die Stranggenoſſen - ſchaft den guͤnſtigen Augenblick genuͤtzt und ſich in der Stille davon gemacht.

Jn der Mittagsſtunde langte die ganze Gerichtsfolge zu Roß und Fuß wieder auf der Burg an. Von den Entſprungnen war keiner wieder eingehaſcht worden, da - gegen hatten die Diebsiaͤger an Haaſen, Rebhuͤhnern und Krammetsvoͤgeln einen guten Fang gethan, der ihrer Muͤh wohl lohnte. Uebrigens machte dieſer Zufall, nach dem verſchiedenen Jntereſſe, das die Verfolger an der Sache nahmen, auf ihre Phyſiognomien verſchiedene Eindruͤcke. F 4Der88Der Gerichtspatron ſchien eben nicht miß - vergnuͤgt daruͤber, daß der Kriminalprozeß eine ſo unvermuthete Abkuͤrzung erlitten hatte, die ſeinem Hundezwinger gar wohl behagte. Der Junker Menſchenfreund freu - ete ſich, daß die Jnquiſiten ſo weißlich ihr Schickſal ſelbſt entſchieden, ihn dieſer Muͤhe enthoben, und ſeinem Gewiſſen keine Blutſchuld aufgebuͤrdet hatten. Der Juſti - ziarius ſtand in vollem Gleichgewicht, wie die beyden ledigen Schaalen einer Pro - bierwage. Was konnts ihm auch verſchla - gen daß die Delinquenten entlaufen waren? Er beſaß ihren Nachlaß, zwar nicht als Erbſchaft, dennoch als eine Donatio inter vivos. Nur der Beamte Spoͤrtler ſah ſo betruͤbt aus, wie ein friſcher Wittwer dem die erſte Frau geſtorben iſt, war untroͤſtbar, daß ihm ſein Bratfiſch davon geſchwommen war. Jch hatte indeß meine eignen Ge - danken uͤber die Sache, hielt dafuͤr, daßkeine89keine ſchicklichere Auskunft haͤtte koͤnnen erdacht werden, den Burgholzheimer Kri - minalprozeß mit Ehren zu beendigen, als die Entweichung der Delinquenten. Da - bey fanden die Richter ſo wohl ihre Rech - nung als die armen Suͤnder; denn beyde waren in Sicherheit. Die Letztern in Anſe - hung ihrer Haut und die Erſten in Abſicht auf ihre Ehre. Welche Facultaͤt durfts nun wagen ihren phyſiognomiſchen Rechts - ſpruch zu reformiren? Da zum Gluͤck noch die Skizzen der Entronnenen vorhanden waren, ſo hatten die Richter immer Fug und Macht das Urtheil an den Delinquenten in effigie vollſtrecken zu laſſen. Das waͤr auch mein unvorgreiflicher Rath, wenns nach 25 Jahren dahin kommen ſollte, daß die Phyſiognomik ſtatt der Tortur in dem Criminalprozeß aufgenommen wuͤrd. Auf ſolche Weiſe waͤrs handgreiflich, daß die Geſichtsfrage nie ſolch Unheil anrichtenF 5koͤnn -90koͤnnte, als der ſcharfen Frage beygemeſſen wird; denn wenn auch einem armen Suͤn - der zu Weh geſchaͤhe, ſo waͤrs vor Gott und der Welt eher zu verantworten, wenn irgend einmal ein Unſchuldiger in effigie, als wenn er in Perſon gehaͤngt, oder ver - brannt wuͤrde.

Weil nach der Holzheimer Diebskata - ſtrophe, des Beamten Spoͤrtlers Bleiben hier nicht laͤnger war, ſo ließ er ſtracks nach Tiſch aufſatteln und wir trabten den - ſelben Abend nach Geroldsheim zuruͤck. Mein Reiſegefaͤhrte war nicht ſonderlich ge - ſpraͤchig, darum giengs auf dem Heimweg ſo ſtill her wie bey einem Leichenzuge. Da - durch gewann ich Zeit, auf eine liebreiche Anrede an meinen Freund zu ſinnen, die zu ſeinem Nutz und Frommen abzwecken ſollt, ſo wie’s ehemals Licentiat Ratzeberger mit ſeinen liebreichen Anreden zu halten pflegte. Lieber Mann, ſprach ich, graͤmenSie91Sie ſich nicht zu ſehr uͤber eine zerfallne Kuͤrbißhuͤtte, in deren Schatten Sie trium - phirend die Zuverlaͤßigkeit ihres phyſiogno - miſchen Ausſpruchs erwarteten. Was vor Zeiten dem alten Seher ein paar Feldweges hinter Ninive begegnet iſt, das hat ſich auch mit Jhnen begeben. Verzeihen Sie meine Offenherzigkeit, Sie befinden ſich, duͤnkt mich, in dem naͤmlichen Fall: ihm war ſo wenig mit dem Untergang der Koͤ - nigsſtadt gedient, als Jhnen mit ein paar Malefikanten Schaͤdeln; aber Sie jagten Beyde nach Ehr und Ruhm und kuͤtzelten ſich vorlaͤufig damit unter dem Kuͤrbißſchat - ten, was das fuͤr Aufſehen machen wuͤrde wenn der Erfolg Jhren Urtheilsſpruch be - ſtaͤtigte; aber da welkte der Kuͤrbiß hin. Das darf Sie nicht Wunder nehmen: mit den idealiſchen Kuͤrbißhuͤtten die wir uns bauen, gehts ordinaͤr ſo, und dann ſticht uns freilich der heiſſe Mittagsſtrahl desVer -92Verdruſſes und des Mißmuths leicht auf die Glatze. Wenn alles nach Jhrem Sinn gegangen waͤr, ſo iſt nicht zu zweifeln, daß Sie im Kriminalprozeß wuͤrden Epoque ge - macht, und vielleicht die Ehre der ſtattli - chen Erfindung, die Phyſiognomik der Tor - tur zu ſubſtituiren, dem eigentlichen Erfin - der entriſſen haben. Vermuthlich waͤr das neue Kriminalſyſtem nach Jhnen das Spoͤrtleriſche, und nicht das Sonnenfel - ſiſche oder Lavaterſche genennt worden; ſo wie die neue Welt nicht Columbina heißt, ſondern Amerika. Aber wie? wenn Sie zu fruͤhzeitig an die große Glocke geſchlagen, der Welt Jhre Prozedur vor Augen gelegt, wie die Zuͤrcher von der Gifthiſtorie groß Geſchrey erhoben haͤtten, und nun haͤtt ein Berliner hinter Jhnen hergefegt, und das alles als Spreu und Spelte ins Auskehricht geſchuͤttet, was Sie als Saatkorn auszu - ſtreuen gedachten? Waͤr da der letzte Be -trug93trug nicht aͤrger geweſen, als der erſte? Der Fall iſt immer moͤglich, das Sie ſich in Anſehung des Baſtels geirret haben koͤn - nen; und wenn das oben belobte Traktaͤt - lein Recht haͤtte, ſo waͤrs gewiß. Wenns Jhnen nun ergangen waͤr wie unlaͤngſt dem Dreßdner Thuͤrmer? Der des Abends den aufgehenden Venusſtern fuͤr eine ange - zuͤndete Lermſtange anſah, die ganze Stadt in Furcht und Schrecken ſetzte, daß ieder - mann glaubte der Feind ſey ſchon in der Stadt Weichbild eingeruͤckt, bis ein kleiner Zeitverlauf den Planeten hoch uͤber den Horizont erhob, und der optiſche Betrug dadurch an den Tag kam. Jch weiß daß der Zuͤrcher Baſchkir, auſſer dieſem tertio comparationis mit dem Venusſtern wenig Aehnlichkeit hat; allein was kann der arme Schelm dazu, daß das fuͤnfte Paar Hirn - nerven, welches nach Profeſſor Wrisbergs Meinung, die ganze menſchliche Phyſio -gnomie94guomie ausſpinnt, ſeiner anvertrauten Funktion ſo ſchlecht nachgekommen iſt, und an ſtatt eine menſchliche Geſichtsform zu bilden, eine Affenfratze hingeſudelt hat? Zu welchen Fehlſchluͤſſen die Phyſiognomie verleiten koͤnne, davon hab ich den caſum in terminis gehabt, bey meinem Schaͤfer den Markus.

Ueberhaupt aber hier war noch eine ſolide Beleuchtung der Sonnenfelſiſchen Grille, durch den Scharfblick der Richter die Tortur zu erſparen, die Unſchuld zu retten und das Laſter erbleichen zu machen, auf dem Wege auszuſtroͤhmen, als ich wahr nahm, daß wir am Ende unſers We - ges waren. Da ich eben meinen Locus communis durch das uͤberhaupt aber einge - faͤdelt hatte, ſchwang ſich Freund Spoͤrtler aus dem Sattel, und wir befanden uns an ſeiner Hausthuͤr.

Fuͤnf -95

Fuͤnftes Stillager.

Mit Freund Spoͤrtlern hatt ich die Mahr - heit zu ſagen nichts mehr zu verabhan - deln, nachdem ſeine phyſiognomiſche Leucht - kugel, die er an den deutſchen Horizont hoch hinauf zu ſchnellen vermeinte, oh - ne die gehoffte Wirkung auf dem Erdbo - den zerplazt war. Die Adſpekten ſchienen uͤberhaupt im Fraͤnkiſchen Kraiſe der Kunſt eben ſo wenig guͤnſtig zu ſeyn wie in dem Meißner. Fiel mir das Adagium wieder bey, das ich dem Mag. Gratius in meiner Jugend gar oft aufſagen muͤſſen:

Dulcius ex ipſo fonte bibuntur aquae.

Jch lauert daher von einem Tag zum an - dern auf die Ruͤckkehr meines Philipps, und fuͤhlt einen ſo brennenden Durſt nach dem phyſiognomiſchen Quellwaſſer in der Schweiz daß ich mich wuͤrd waͤchſernen Schwingen anvertrauet haben, wenn ich der Daͤdali -ſchen96ſchen Kuͤnſte kundig geweſen waͤr. Bisher hatt ich manche Erfahrung gehabt, die mei - nen phyſiognomiſchen Glauben wankend machte. Das große Vertrauen, welches ich in Freund Spoͤrtlers Kunſterfahrniß geſezt hatte, taͤuſchte mich abermal. Sein phy - ſiognomiſches Criminalverfahren kam mir ſo chimaͤriſch vor wie der Lufthandel, den iezt unſere Naturforſcher zum Theil treiben, die auf allen Schallecken der Maͤrkte und Straſ - ſen ihr Sortiment von Firerluft, Feuerluft, Sumpfluft, Vitriolluft, Salzluft, Salpe - terluft u. ſ. w. ausrufen. Was Wunder, wenn mich das vollends zum phyſiognomi - ſchen Spinoziſten gemacht haͤtte? das war aber der Abſicht meiner Reiſe ſchnurſtracks zuwider; die ſollte mich nicht an der Wahr - heit irre machen, ſondern dieſe befeſtigen und ſtaͤrken. Alſo reſolvirt ich mich kurz, vor die rechte Schmiede zu gehen, und ſo bald es meine Finanzen erlauben wuͤrden, recta nach Zuͤrch zu traben.

Wie97

Wie ich der Sach eines Abends in der Still nachdacht, und mich dabey an den warmen Ofen geſezt hatte, weil der Wind maͤchtig uͤber die Haberſtoppeln ſtrich, fiel mir unverſehens die Ueberſchrift: conſtan - ter, in dem handfeſten Gewoͤlk an der Ofenplatte, oben uͤber dem ſpringenden Braunſchweiger Roß, in die Augen. Das nahm ich fuͤr einen Wink meines Genius an, mit eben dem Vertrauen, als eine fromme Matron einen gezogenen Denkſpruch aus dem himmliſchen Schazkaͤſtlein. Ha - be nicht ermangelt, ſprach ich zu mir ſelber, ſowohl auf meinen Reiſen als zu Haus auf alle phyſiognomiſche Gegenſtaͤnde fleißig zu invigiliren; hab die innre Energie der See - le oder den Zentralgeiſt in mir, ſeit langer Zeit allein darauf geſteuret: Wie ſollts nun an der Beharrlichkeit fehlen? Will mit meinem Herzen den Bund erneuern, nie in der Standhaftigkeit zu wanken, ſondern ſoGlang98lang mit Suchen und Forſchen nach der phy - ſiognomiſchen Wahrheit fortzufahren, bis ich aufs Trockne bin und ſicher darauf fuſ - ſen kan, ohne befuͤrchten zu duͤrfen, daß mich eine zweifelmuͤthige Brandung, die mich ein und andermal vom phyſiognomi - ſchen Ufer abgeſpuͤhlet hat, in den Strudel der Ungewißheit, oder gar in den Abgrund des Unglaubens fortreiße. Hat ſich der entſchloſſene franzoͤſiſche Juͤngling Anquetil weder den weiten Weg von Paris bis an den Jndus, noch die unſaͤgliche Muͤhe des Suchens und Forſchens verdrießen laſſen, den Zend Aveſta, Zoroaſters lebendiges Wort und der Brahmen heilige Buͤcher in Oſten und Suͤden aufzuſuchen, und als ei - nen gegrabenen Schatz ſeinem Vaterlande zuzuwenden: wie ſollt ich mich eine Drey - ſchrittreiſe von Frankenland in die Schweiz verdrießen laſſen, das lebendige phyſiogno - miſche Wort aus des Meiſters Munde zuver -99vernehmen? Es bleibt doch dabey: vox viva docet, warum zoͤgen wir auf den ge - lehrten Jahrmarkt der Akademien, um dort aus der erſten Hand fuͤr baares Geld Wiſ - ſenſchaft und Weisheit einzutauſchen, wenn uns dieſe Artikel, der Hoͤckenkram unſrer Buͤcherſchraͤnke eben ſo gut liefern koͤnnte?

Beym Morgengruß war das erſte, daß ich Freund Spoͤrtlern mein Vorhaben eroͤf - nete, der ſolches gar ſehr billigte, und mir nur anlag, noch einige Tage bey ihm zu verziehen, weil er in einer wichtigen Sache meines Beyrathes beduͤrfe, welches ich ihm auch verhieß. Um die Mittagsſtunde ſah ich endlich meinen Philipp auf den Spon - daͤengaͤnger hoͤchſterwuͤnſcht den Hof herein - kommen. Lezterer ging ſehr bedachtſam und huͤftenlahm einher, daraus ich die guͤnſtige Vermuthung zog, es druͤcke ihn eine ſchwe - re Buͤrde grobes Courant, welches ich meh - rerer Bequemlichkeit halber in Gold umzu -G 2ſetzen100ſetzen beſchloß. Und ſogleich flogen vor meiner Phantaſie die angenehmen Bilder herrlicher Schweitzer Gegenden voruͤber, die hochgethuͤrmten Glaͤtſcher, die kalten Eiß - thaͤler, die gruͤnen Alpen dazwiſchen, der unaufhaltſame Rheinfall, und noch viel ſchweitzeriſche Seltenheiten mehr. Schon begegneten mir auf meinem Wege gan - ze Schaaren wohlgenaͤhrter, dickbewadeter Milchmaͤdchen, ich ſah ſie mit dem vol - len Zuber auf dem Kopf, und mit ſichern Tritt wie die Gemſen, den ſteilen Felſen - weg herabwallen, weidete mein Aug an dem ſchmucken Schweizervieh, und in mein Ohr ertoͤnte hier im Lande der Freyheit das be - ruͤhmte Kuhlied ungeſtraft, welches in Gal - lien, dem Lande der Sklaverey, bey Gaſ - ſenlaufen verpoͤnt iſt zu pfeifen, weil es Deſertion und Heimweh befoͤrdert. Jn einem zweiten Augenblick der Entzuͤckung ſtand ich vor des herzguten Lavater Hausthuͤr, die mirvon101von ſeiner liebreichen Gattin geoͤffnet wurde, ich druͤckt ihr im Geiſte gar herzig ihre ſanfte weibliche Hand, die ich mir in der Natur freilich lieblicher gedenke, als mir ihre ab - ſilhouettirten Handſchuh im Buch vorgekom - men ſind. Die ſchoͤne Viſion verſchwand, als mein Feldjaͤger die Treppe herauf tapp - te, mir ſeine Depeſchen abzugeben. Schritt der Philipp ſo flink und ruͤſtig einher, daß ich ihm keine Belaſtung von grobem Courant abmerken konnt. Eh ich die Briefſiegel loͤßte, frug ich, wo er das baare Geld ge - laſſen hab? Worauf er in den Schubſack griff und einen verſiegelten Beutel hervor - zog, der extenſive meiner Erwartung zwar entſprach; aber nicht intenſive: denn er ſah ſo welk und duͤrrleibig aus, wie eine von den ſieben magern Kuͤhen Pharaonis.

Das war allerdings ein großer Strich durch meine Rechnung, und ich wurde da - durch ſo uͤbler Laune, daß ich meinem Phi -G 3lipp102lipp ſeinen Waldrapport, den er mir von meinem Gehege ablegen wollt, nicht anhoͤ - ren mochte, ſondern ihn mit kurzer Abferti - gung entließ, und die uͤberbrachten Depe - ſchen zur Hand nahm. Waren derſelben vier, die erſte vom Hausmeiſter, die zum mindeſten zwanzig nahmhafte Gruͤnde ent - hielt, warum er die anverlangte Summe nicht in der vollen Zahl hab einſenden koͤn - nen, ſondern ſolche in einen Bruch zu zer - faͤllen ſich gemuͤſiget geſehen, ſo daß der Beutel nur ein Drittel des Ganzen in ſich faſſe, worunter der vornehmſte und wichtig - ſie war, daß er nicht mehr Geld hab auf - treiben koͤnnen. Die zwote Depeſche von Dr. Baldrian, enthielt eine Krankengeſchichte eines ehrwuͤrdigen Mitgliedes der phyſiogno - miſchen Privatakademie, das an der Trom - melſucht hart darnieder liege, und wenig Hoffnung zur Geneſung habe. Die dritte betraf einen wichtigen Hauskrieg, zwiſchender103der Couſine und der Frau Gertrud. Erſtere hatte einen Einfall in mein Kloſet gewaget, des boͤßlichen Vorhabens, die Silhouetten - Tapezerey zu zerſtoͤhren, und allen meinen Buͤſten die Koͤpf einzuſchlagen; war aber zum Gluͤck durch die Beredſamkeit der Lez - tern, die an Beweglichkeit der Zunge Rem - brands geſchwaͤtzige Magd noch uͤbertrift, von ihrem gewaltthaͤtigen Vorſatz abgebracht worden. Die vierte war ein Bericht der Kunſtakademie, die Aufloͤſung einer phyſio - gnomiſchen Aufgabe betreffend.

Dieſe Depeſchen ſezten verſchiedene Lei - denſchaften bey mir in Bewegung: die erſte zernichtete mir das Lieblingspropos der vor - habenden Schweizerreiſe, welches meinen ganzen Unwillen rege machte. Die zweite betruͤbte mich uͤber den bevorſtehenden Ver - luſt eines phyſiognomiſchen Freundes. Die dritte demuͤthigte mich, um eines ſeltſamen Gedankens willen, der mir dabey aufſtieß,G 4und104und welchen die Antwort mit mehrern be - ruͤhrt; zugleich jagte mir das Verfahren der Bilderſtuͤrmerin ein gut Theil Galle ins Blut. Die vierte haͤtte mich zu lachen ge - macht, wenn phyſiognomiſche Materien nicht zu ehrwuͤrdig waͤren, daruͤber zu la - chen. Jch abſentirte mich alsbald nach der Mahlzeit von der Geſellſchaft, ergriff die Feder und ließ mit der erſten Poſt folgende Briefe ablaufen, davon ich zu meiner No - tiz die Kopeyen in mein Reiſejournal ver - zeichnete.

I. An den Verwalter Balthaſar Koch.

Es waͤr mir ungleich lieber, wenn Er von dem großen Colbert abſtammte, waͤrs auch nur aus der wilden Eh, als daß Er in unbefleckter Geſchlechtsfolge, aus den Lenden Johannes Kochs von Hailbronn, weiland Philipp Melauchtons geweſenemHaus -105Hausvogt entſproſſen zu ſeyn ſich beduͤnken laͤßt. Art laͤßt nicht von Art. Obgleich Camerarius ſeinem Uraͤltervater das ruͤhm - liche Zeugniß giebt, daß er ein ehrlicher Hausvogt geweſen ſey, ohne welchen der theure Gottesmann in ſeiner Oeconomie nicht beſtanden waͤr, dem der Konkurs wie ſein Schatten immer auf dem Fuße nachgefolgt ſeyn ſoll: ſo ergiebt ſich doch aus allen Um - ſtaͤnden, daß Johannes ein ſo arger Knau - ſer war als ſein wuͤrdiger Abkoͤmmling. Jch kans nie ohne Jammer und Herzeleid leſen, wie der ſelge Melanchton ſich von ſeinem Hausmeiſter mußt anſchnauzen laſſen, wenn er einmal gutes Muths ſeyn, ein Wohlle - ben oder einen Hochſchmauß anſtellen woll - te, war dazu nie Geld in Kaſſa, und der Hausmeiſter kiff und biß um ſich, wie ein wilder Eber, daher der gute friedliebende Mann, um den ungeſtuͤmen Polterer loß zu werden, einen ſilbernen Becher nach demG 5an -106andern, welche ihm die großen Herren zum Andenken zu verehren pflegten, unter ſei - nem ſchwarzen Chorrock verſtohlner Weiſe aus dem Haus tranſportirte, zum Troͤdler oder Goldſchmidt ſchlich und ſie verſilberte, damit ſeine erbetenen Gaͤſte nicht mit leeren Maͤgen durften nach Haus gehen. Der große Colbert verſtand das Ding anders, der war immer bey Gelde, und wenn ſein Herr die ganze werthe Chriſtenheit haͤtte ga - ſtiren wollen, ſo wuͤrd er die Speſen dazu ohne Murren und groß Expoſtuliren herbey geſchaft haben, dabey wußt er dem Gene - ralkonkurs, der dem großen Ludwig nicht minder auf dem Fuß nachging, als dem frommen Melanchton, vermoͤge ſeines er - findſamen Kopfs ſo geſchickt vorzubeugen, daß ſolcher ihn nie einholen konnt? Wenn Er bedenkt, was Colbert fuͤr ein gefaͤlliger Diener ſeines Herrn war, und wie ſehr Johannes Koch nebſt Deszeudenz dagegenab -107abſticht: ſo muß Er mir den Wunſch verzei - hen, daß ich lieber wollt, Er ſey des er - ſtern Baſtardſohn im vierten Glied, als des letztern eheleiblicher Enkel im zehnten.

Es iſt eine armſelige Ausflucht, daß Er durch die angeruͤhmte Vollwichtigkeit der ge - raͤnderten Dukaten, die geringe Anzahl der - ſelben bemaͤnteln will. Das kommt mir eben ſo vor, wie die Gaſkonade des Kom - mendanten von Barcellona, da der itztre - gierende Koͤnig von Spanien daſelbſt ans Land ſtieg, von der bruͤderlichen Erbſchaft Beſitz zu nehmen. Als der Ehrenmann von ſeinem neuen Herrn gefragt wurde, ob er viel Soldaten unter ſeinem Befehl habe, antwortete der lakoniſche Spanier: wenig aber gute! worauf Se. katholiſche Maje - ſtaͤt gar nachdenklich erwiederte: ein Koͤnig von Spanien muͤſſe nicht allein gute Solda - ten haben, ſondern auch viele. Und ſo verhaͤlt ſichs auch mit einem Reiſer, beſon -ders108ders mit einem phyſiognomiſchen, der be - darf nicht nur guter und wichtiger Dukaten, ſondern auch vieler. Laͤſ Er die Fragmen - te, ſo wuͤrden ihn die belehren, daß von den drey fuͤr den Reiſenden ſchlechterdings unentbehrlichen Dingen, das zweyte, Geld ſey. Er lobt mir ferner Seine Ehrlichkeit und Treue vor, die hab ich nie in Zweifel gezogen; aber wenn Er glaubt, damit ſey alles gethan, und ſich hinter die Schrift ver - ſtecken will, die da ſage, man ſuche nicht mehr an den Haushaltern, denn daß ſie treu erfunden werden: ſo dient Jhm zur Nachricht, daß es heut zu Tage damit all anders iſt. Die Ehrlichkeit iſt gerade das Verdienſt, welches am wenigſten empfiehlt. Einen Rentenier empfiehlt nichts ſo ſehr, als die gute Qualitaͤt, immer ſo viel Baar - ſchaft in Bereitſchaft zu halten, als ſein Herr bedarf. Dazu gehoͤrt nun freylich Kopf; ich behaupte aber auch, daß unſreFinan -109Financiers die beſten Koͤpfe der Nation ſind, nicht die, welche in der Kameralſchul zu Lautern reifen, wie die Pyſangfruͤchte in ei - nem einheimiſchen Treibhaus; ſondern die ohne durch die Kunſt getrieben, ihre Talen - te wirken laſſen als Genies, auf denen Col - berts Geiſt ruhet; die ſich, wie das Corps de genie des Holofernes, darauf verſte - hen, den Buͤrgern zu Bethulia das Waſſer abzugraben, und es gleichſam durch eine geheime Roͤhrenfarth in die Ciſtern ihres Herrn zu leiten, daß dieſer ſeinen Durſt loͤ - ſchen, oder ſich gar darinn baden kan, wie er will. Sieht Er, Freund, ſo machen’s die Camerales, wiſſen die kleinen Baͤchlein der Einnahme durch fleißiges Forſchen und Nachgraben immer zu mehren, ſchreien da - bey uͤber duͤrre trockne Witterung, und kla - gen, wenn Jemand aus ihrem Bruͤnnlein ſchoͤpfen will, alle Quellen ſeyn verſiegt; aber daſſelbe hat Waſſer die Fuͤlle, nurnicht110nicht fuͤr iedermann, ſondern allein fuͤr ih - ren Brodherrn. Haͤtt Er nach dieſer land - braͤuchlichen Methode auf meinen Vortheil raffiniret, die Einnahme zu mehren und die baare Auszahlung durch Papier, das heißt, Schuldſcheine, Verſchreibungen, An - weiſungen und ſ. w. zu mindern gewußt: ſo wuͤrd Er mir volle Zahlung geleiſtet und ſolche nicht haben in die Bruͤche fallen laſ - ſen. Seine Bruchrechnung wird Jhm dem - nach alles Ernſtes verwieſen und Jhm hier - durch aufgegeben, meine Ordre zu honori - ren, den Defekt der anverlangten Summe zu ergaͤnzen, und aufs foͤrderſamſte anhero einzuſenden. Wornach ſich zu achten.

II. An den Rektor Brunold.

Hab mit vieler Bedauerniß in Erfah - rung gebracht, daß Sie ſeit meiner Abwe - ſenheit mit großer Leibesſchwachheit heim -ge -111geſucht worden, und wenig Hoffnung zur Wiedergeneſung obhanden ſey. Sie ſind ein weiſer Mann, und ein weiſer Mann, hab ich ſagen hoͤren, duͤrfe kein metaphyſiſches Uebel ſcheuen. Wie ſollten Sie ſich alſo vor den Freund Hein fuͤrchten, wenn er ſich uͤber Jhr Lager beugen wird, Sie zu umarmen? Es iſt wahrer Unſinn vom Vater Ariſtote - les, wenn er, der doch auch fuͤr einen weiſen Mann gelten will, ſich nicht entbloͤdet, deu Tod ein Furchtgerippe, φοβεροτατον φο - βεροτατων zu ſchelten. Jhnen trau ich ei - ne vertrautere Bekanntſchaft mit dem Wuͤrg - eugel zu, und trage daher kein Bedenken, uͤber Jhre bevorſtehende Aufloͤſung mich mit Jhnen in dem Ton eines Hausvaters zu be - ſprechen, von dem ein Gaſt ſich ſcheiden will. Wenn dieſer zuſammenpackt und Rei - ſeanſtalten vorkehrt, pflegt der Erſtere wohl verſchiedene Beſtellungen zu machen, und dem Reiſenden einige Auftraͤge zu geben. Sind112Sind Wirth und Gaſt genau bekannt, ſo geſchiehts auch wohl, daß einer von dem andern etwas zum Andenken ſich ausbittet, was dieſer leicht entrathen und iener gut nutzen kan. Wenns alſo im Rath der Waͤch - ter beſchloſſen waͤr, daß Sie diesmal ins ſtille Grab hinuͤber ſchlummern ſollten, ſo hab ich beydes an Sie, einen Auftrag und eine Bitte. Den erſten in der Qualitaͤt eines Praͤſes unſerer phyſiognomiſchen Privataka - demie, deren wuͤrdiges Mitglied Sie bisher geweſen ſind, welcher dahin gehet, Jhre ſaͤmmtlichen Lukubrationen phyſiognomiſchen Jnnhalts, es moͤgen ſolche vollendet oder noch unvollendet ſeyn, inſonderheit die Ver - ſuche uͤber die Engelphyſiognomie, und die tiefſinnige Unterſuchung uͤber die neun ruͤck - ſtaͤndigen oberſten Engel der Schroͤderiſchen Ordnung, der Akademie nicht vorzuenthal - ten, ſondern alle dahin gehoͤrige Aufſaͤtze und Skripturen, dem beſtaͤndigen Sekretaͤrder -113derſelben, Herrn F*aff, noch bey Leibes - leben abzuliefern, damit ſie als archivari - ſche Urkunden in den akademiſchen Buͤcher - ſchrein reponiret werden, und nicht etwan Jhren lachenden Erben in die Haͤnde fallen, die ſie leicht an die allgemeine Schlaͤchter - zunft aller litterariſchen Produkte, die Ge - wuͤrzhaͤndler, vermakeln duͤrften. Wuͤrden dieſe herrlichen Manuſkripte wohl ein guͤn - ſtiger Schickſal zu erwarten haben, als des beruͤhmten Johann Hevels aſtronomiſche Platten, die er mit ſonderbarem Fleiß und Muͤh ſelbſt geaͤzt hatte? Und die von ei - nem der Erben, der kein Kunſtkenner war, ſo wenig geachtet wurden, daß er ſie zu Kuͤ - chengeſchirr umarbeiten ließ, davon bis auf den heutigen Tag ein ſchoͤnes blankes Koffee - bret uͤbrig iſt, das als eine Seltenheit in Danzig gezeigt wird.

Sie werden nun bald in den Vorhoͤfen des Himmels, zu der perſoͤnlichen Bekannt -Hſchaft114ſchaft aller der Engel gelangen, von denen Sie uns hienieden in Jhren akademiſchen Vorleſungen auf eine ſo intereſſante Art unterhielten. Und wenn Lavaters Muth - maſung zutrift, daß die Engel im Himmel das Studium der Geſichtskunde gleichfalls treiben, und beſſere Phyſiognomiſten ſind als die Menſchen, welches ſehr glaublich iſt, weil ſie ſchier ſechstauſend Jahr phyſio - gnomiſirt, und folglich eine viel laͤngere Praxis haben als wir; hiernaͤchſt aber auch der engliſche Blizblick um ein gut Theil ſchaͤrfer iſt als der menſchliche: ſo zweifle ich nicht, daß Sie auch in ienem Leben unſer treuer Kunſtgenoß verbleiben, und unter Anweiſung der himmliſchen Lehrmeiſter Jh - re phyſiognomiſchen Einſichten werden zu erweitern ſuchen. Jch glaube fuͤr gewiß, Sie werden droben in einer Lektion von ei - nem phyſiognomiſchen Engel mehr profiti - ren, als aus den vier Quartanten Jhre gan -ze115ze Lebenszeit, nur iſt zu bedauren, daß wir auf dieſer Unterwelt dieſer himmliſchen Be - richtigungen und Zuſaͤtze zu Jhrer akademi - ſchen Verlaſſenſchaft, nicht theilhaftig wer - den koͤnnen.

Die Bitte an Sie gehet mich naͤher an, hat aber auch Hinſicht auf unſer phyſiogno - miſches Jnſtitut. Wuͤrden Sie mir es wohl abſchlagen koͤnnen, wenn ich mir von Jhrem irdiſchen Hinterlaß etwas zum An - denken ausbaͤt, wovon Jhre Erben gar kei - nen Gebrauch machen koͤnnen, und wodurch die Erbſchaft folglich um nichts geſchmaͤlert wird? Als der beruͤhmte Garrick geſtorben ben war, erſuchte Lord Spencer deſſen hin - terlaſſene Wittwe in einem Condolenzbriefe um eine Haarlocke ſeines erblaßten Freun - des, um ſolche ihm zum Andenken zu tra - gen: meine Bitte iſt von aͤhnlicher Art. Jch erſuche Sie, lieber Freund, um die Erlaubniß, daß ich durch Jhren Arzt, denH 2Dr.116Dr. Baldrian, nach Jhrem ſelgen Hinſchei - den Sie darf ſkalpen laſſen. Es iſt mir dabey nicht um Haut und Schopf zu thun wie den Jrokoͤſen, das alles ſollen Sie mit in Jhr Ruhekaͤmmerlein nehmen, ſondern nur um Jhr Cranium, welches ich zu beſi - tzen wuͤnſchte. Sie wiſſen, daß Freund L. in dem letzten Theil ſeines Werks, allen Freunden der Kunſt eine Sammlung von Schaͤdeln von bekannten Perſonen fuͤrs Stu - dium der Phyſiognomik anraͤth. Jch ſage, ſpricht er, von Bekannten: denn der Phy - ſiognomiſt ſoll lernen, ehe er lehren will; er ſoll Bekanntes mit Bekanntem, unlaͤug - bare aͤußere Charaktere mit unlaͤugbaren in - neren vergleichen. Der Vorſchlag iſt vor - trefflich; nur bey der Ausfuͤhrung hat er ei - nige Schwuͤrigkeit. Wie ſoll man’s anſtel - len, zu einer betraͤchtlichen Schaͤdelſamm - lung von bekannten Perſonen zu gelangen? Soll die Lieferung durch den Todtengraͤberaus117aus dem Beinhaus geſchehen, wer leiſtet da Gewaͤhr, daß die Schaͤdel authentiſch ſind, und unſere geweſenen Bekannten nicht aus Jrrthum oder mit Vorſatz in ein Quar - tier verlegt werden, worinn ſie nie gehauſ - ſet haben? Sollte ſich aber ein Sammler beygehen laſſen, von oͤffentlicher Gerichts - ſtaͤtte einen oder den andern Kopf, der da - ſelbſt zur Schau ausgeſtellt waͤr, aus Lieb - haberey wegzukapern: ſo koͤnnt er leicht mit der Juſtiz daruͤber in Haͤndel gerathen. Es bleibt alſo kein Mittel uͤbrig, als durch Erb - gangsrecht, durch ein Legat oder eine Do - nation ſich des Beſitzes von unbezweifelt richtigen Schaͤdelexemplaren bekannter Per - ſonen zu vergewiſſern. Jch hab daher eine Propoſition auf dem Herzen, die ich ſogleich nach meiner Heimkunft unſerm Jnſtitut vor - zulegen geſonnen bin, des Jnnhalts: daß ſich alle gegenwaͤrtige und zukuͤnftige akade - miſche Mitglieder, zum Behuf des Stu -H 3diums118diums verbindlich machen ſollen, nach er - folgtem Ableben ihre Schaͤdel der phyſio - gnomiſchen Privatakademie zu vermachen, wobey ich, wofern ſie den uͤbrigen Kollegen mit gutem Beyſpiel vorzugehen gemeinet ſind, dieſe patriotiſche Geſinnung mit Vor - zeigung Jhrer Reliquie, die ich als ein Hei - ligthum aufzubewahren verſpreche, hoͤchlich zu ruͤhmen nicht verfehlen werde. Verſehe mich geneigter Willfahrung und verharre ꝛc.

III. An die Couſine.

Woher kommt Jhnen der Einfall, einen Burgfriedensbruch zu begehen, mit der Wuth einer Bacchantin in mein Zimmer einzuſtuͤr - men, uͤber meine Gypsbuͤſten und die fried - liche Silhouettenſchaar den Torchon gleich einen furchtbaren Thyrſus zu ſchwingen, und dem ganzen wehrloſen Haufen den Untergang zu drohen, dem derſelbe, wo Jhnen nicht Ein -halt119halt geſchehen waͤre, gewiß nicht wuͤrde ent - gangen ſeyn? Wahrlich, Couſine, ich ver - ſtehs und begreifs nicht, was Sie zu einer ſo feindſeligen Jnvaſion in mein Gebiete veranlaßt hat! Graͤnzſtrittigkeiten haben wir doch meines Wiſſens nicht mit einander; außer daß wir unter einem Dach wohnen, haben wir nichts gemein. Unſere Reſiden - zen liegen ia weit genug auseinander, und ſind durch feſte Scheidewaͤnde, auch Schloß und Riegel abgeſondert. Jch geſteh Jhnen alle Rechte des Eigenthums in Jhrem An - theil meines Hauſes zu, und habe dafuͤr eben die Achtung, welche die Griechen ehe - mals in ihren Wohnungen dem Gynaͤceum erwieſen. Als die Sophie Jhnen den er - ſten Beſuch machte, und Sie beym Weg - gehen hinter ihr her kehren ließen, wie in einem Kartheuſerkloſter, wenn’s ein Ketzer durch ſeinen profanen Fußtritt entweihet hat: ſo klagte das liebe Geſchoͤpf mir dieſeH 4Schmach120Schmach mit hellen Thraͤnen. Jch war, wie Sie leicht glauben koͤnnen, mit dieſem Benehmen ſehr unzufrieden; aber ich un - terdruͤckte meine Empfindlichkeit, ſchrieb al - les auf die Rechnung Jhrer ſtrengen Be - griffe, und begnuͤgte mich mit dem Ent - ſchluſſe, Jhr veſtaliſches Heiligthum nicht mehr zu betreten, noch dieſes der Sophie zu geſtatten. Wie koͤnnen Sie ſich alſo ei - nen Streifgang uͤber die Graͤnze erlauben, mit der Abſicht, in meinem Gebiete aͤrger zu haußen als in Feindes Land?

Sagen Sie mir, Couſine, wes Geiſtes Kind Sie ſind? Sicher umſchwebt Sie der unruhige ikonokloſtiſche Schatten des Doktor Abedarius, ſonſt Andreas Bodenſtein Carl - ſtadt genannt. Wenn Sie bey Jhrer Herbſt - kur die Kirchengeſchichte zu Jhrer Herbſtlek - tuͤr erwaͤhlet haben, ſo gnad mir Gott, wenn Sie erſt auf den heilloſen Schwaͤrmer den Thomas Muͤnzer kommen, dann werdenSie121Sie mich ſonder Zweifel mit einem Bau - renaufruhr regaliren. Was fuͤr ein boͤſer Gnom ſeine Giftblaſe auch uͤber Sie ausge - ſchuͤttet haben mag: ſo wollt ich Jhnen gern den wuͤtigen Enthuſiaſmus verzeihen, wenn Sie ihren Kehrbeſen uͤber die Origi - nale meiner Silhouettenſammlung erhoben haͤtten, die haben mirs zum Theil ſo bunt und kraus gemacht, daß es mir wohlthun wuͤrde, wenn mich eine dritte Hand an ih - nen raͤchen wollte. Aber das ſollen die ſchuldloſen Schattenbilder nicht entgelten.

Und daß ich fragen mag, was hatten denn die Jhnen zu Leid gethan? Noch mehr, was hatten die Buͤſten geſuͤndiget, daß Sie ein ſo ſchweres Gericht uͤber ſie wollten er - gehen laſſen? Sie ehren ia das Andenken des Philoſophen von Ferney eben ſo wie ſei - nes Antipoten, des Genfer Buͤrgers und nachherigen Notenſchreibers in Paris, und haben Lezterm nie mit Formey zugeru -H 5fen:122fen: Tai-toi Jean Jaques! Wenn ich be - denke, daß ſich die Bruchſtuͤcken dieſer nach - gebildeten beruͤhmten Schaͤdel in meinem Zimmer wuͤrden gemiſcht haben, wie ſich die Bruchſtuͤcken der Originale nun in den Graͤ - bern miſchen, daß Goͤtter und Helden des Alterthums, nebſt den Subſtantifen aus der Grammatik der Menſchheit von allerley Na - tionen, die die Ehre unſers Zeitalters ſind, und in meinem Kloſet die gemiſchteſte Ge - ſellſchaft ausmachen, die ie zuſammen in ei - nem Zimmer coexiſtirt hat, in unedle Truͤm - mer wuͤrde zerfallen ſeyn, die nicht einmal gedient haͤtten, ein figurirtes Gartenbeet da - mit zu belegen, wie mit den Scherben ei - nes umgeworfenen Porzellantiſches; wenn ich erwaͤge, daß namentlich, der abgezehr - te Voltaͤre, der Speckhals Vitellius, der ernſte Rouſſeau, die holdſelige Niobe, der giganteſke Apoll, die himmliſche Venus, der krauslaͤrtige Homer, die ochſenaͤugigePal -123Pallas, der ambaſſadirende Doktor Fraͤnk - lin, der Gernmann und reſpective Friedens - bote Doktor Pauli, der raſende Roland, der verſchwebte Lavater, das Schuſter-Tri - umphirat, Hanns Sachs, Jakob Boͤhm und Peter Menadie, der geoͤhrte Silen, der unausredſame Laokoon, der ungeregelte Shakeſpear, der ſterbende Fechter, der nackte Ganymed, der zunftmeiſterliche Ca - to, auch meine eigue Buͤſte ganz im roͤmi - ſchen Koſtum, dabey nicht zu vergeſſen; daß ſag ich, dieſe mannigfaltigen Subſtan - zen durch eine weibliche Hand, mit dem Beſen der Verwuͤſtung bewaffnet, in eine Olla potrida ſollte verwandelt werden: ſo bringt das mein Gemuͤth aus aller Faſſung, und facht in meinem Herzen den Zunder gerechter Rache an, daß ich aus allen Kraͤften abwehren muß, damit die auflo - dernde Flamme nicht die teſtamentariſche Verfuͤgung verzehre, die ich vor einigenJah -124Jahren zu Jhren Gunſten, bey meiner da - maligen Krankheit, in der Gerichtsſtube de - ponirt habe.

So ſehr ich geneigt bin, in Jhrer ſtuͤr - miſchen Gemuͤthsart, dem gewoͤhnlichen Temperamentsfehler Jhres Geſchlechts, wenn ſolches nicht durch das Joch des hei - ligen Eheſtandes gebaͤndiget wird, fuͤr Sie eine Entſchuldigung zu finden; denn die Menſchenſpaͤher haben laͤngſt die Beobach - tung gemacht, daß die ſanfteſte Grazie vom Maͤdchen im ſiebzehnten Jahre, eine ſtrenge Veſtalin im dreißigſten, und zehn Jahr ſpaͤter vielleicht eine Furie werde: ſo bin ich doch nicht vermoͤgend, durch irgend einen ſchein - baren Vorwand, zu Beſchoͤnigung Jhres gewaltſamen Attentats, mich ſelbſt zu hin - tergehen. Haͤtte ſich der freche Ganymed etwan in einem Winkel des Hauſes zu Jh - rem Gehege gehoͤrig, Jhren verſchaͤmten Au - gen zur Schau dargeſtellt, oder ſich gar inJhr125Jhr Bettkaͤmmerlein geſchlichen: ſo waͤren Sie berechtigt geweſen, die ſtrengſte Rache von ihm zu nehmen, ihm den Schaͤdel ein - zuſchlagen, oder ſeinen iugendlichen Leib auf eine exemplariſche Art ſonſt zu verſtuͤm - meln, und wenn in der erſten Aufwallung Jhres Eifers alle ſeine Gypskonſorten den Muthwillen des Knaben mit haͤtten entgel - ten muͤſſen: ſo wollt ich kein Wort uͤber die ganze Tragoͤdie verlohren haben.

Jndem ich das gegen Sie eingelaufene Klaglibell nochmals durchleſe, ſtoß ich auf eine Stelle, die ich vorher zu bemerken aus der Acht gelaſſen hatte, und die mir unver - muthet den ſeltſamen Auftritt entraͤthſelt. Sie haben, wie ich vernehme, den vier Baͤnden der phyſiognomiſchen Fragmente, die mir mein ſchweres Geld koſten, zu glei - cher Zeit eine ſchimpfliche Defeneſtration zu - gedacht gehabt, wie vor Zeiten die Boͤh - mer Staͤnde den kaiſerlichen Abgeſandten;ia126ia Sie haben die Lavateriſchen Opera gar zum Scheiterhaufen kondemnirt, wie die heilige Jnquiſition zu Zeiten mit den heim - lichen Juden und verruchten Ketzern zu ver - fahren pflegt. Zum Gluͤck waren die Frag - mente außer dem Haus, und hatten ſich vor Ausbruch des Ungewitters, als wenn ihnen Ungluͤck ahndete, zu den Akademiſten gefluͤchtet, wo Jhre gewaltſame Hand nicht hinlangen konnte. Jch will doch nicht hof - fen, daß Sie mir uͤber die neue Ausgabe der ritterlichen Thaten des geſtrengen Jun - kers aus der Mancha gerathen ſind, und ſtatt der vermeinten Kirchengeſchichte dieſe leſen? Alle Umſtaͤnde laſſen mich vermu - then, daß Sie willens geweſen ſind, die Baaſe des Ritters zu ſpielen, und uͤber mei - ne Nachlaſſenſchaft daheim eben ſo ein kriti - ſches Halsgericht zu halten, wie iene vor - kluge Couſine uͤber den Buͤcherſchatz des ir - renden Ritters. Meinen Sie denn, dasStu -127Studium der Phyſiognomik habe mich wahn - witzig gemacht, wie das Studium des Ama - dis den Ritter von der traurigen Geſtalt? Jch zweifle nicht, daß die Laͤſterzungen in meiner Nachbarſchaft, uͤber meine geheime Reiſe weidlich afterreden und des tollen Ge - ſchwaͤtzes gnug erheben moͤgen, als ſey ich auf Abentheuer ausgezogen. Wer weiß, was ſich fuͤr thoͤrichte Vergleiche auf meine Rechnung zu Haus umtreiben, davon Jh - nen eins und’s andre zu Ohren gekommen iſt. Mich kuͤmmert das im Grunde wenig; ich troͤſte mich mit dem ſehr wahren und kraͤftigen Ausſpruch des Mettenberger De - moſthenes, Ehrn Pfarr Jmhofs in ſeinem geiſtlichen Fruchtſchnitt, davon ſich zur Eh - re des guten Geſchmacks ſchon die fuͤnfte Auflage vergriffen hat, wo er ſich alſo ver - nehmen laͤßt: Eine Laͤſterung ſticht wie ein Jgel an allen Orten, ſie ſticht Gott, ſie ſticht die heiligen Sakramenten, ſie ſtichtdie128die Heiligen im Himmel. Ey nun, warum ſollt die Laͤſterzunge mich nicht auch ſtechen? Aber Sie ſollten verſtaͤndiger ſeyn, boͤſe Geruͤchte nicht durch Unbedacht und Uebereilung beſtaͤrken, ſondern ſolchen oͤf - fentlich widerſprechen und ſie dadurch ent - kraͤften. Wenn der Dorfbarbier kein Be - cken mehr in ſeiner Gewalt hat: ſo mag das der Juſtiziarius auf ſein Gewiſſen nehmen, mein Hirn iſt Gott Lob noch nicht ſo ver - trocknet, daß ich ihm eins mit dem Speer abgedrungen haͤtt, um es fuͤr eine Pickel - haub zu gebrauchen. Auch iſt meine Phyſiognomie ein reines Ganzes, alle Theile ſind einander homogen und voll - kommen organiſirt, iſt nichts zuſammen Geflicktes darin zu ſpuͤhren, daß das Fa - cit der Narrheit herauskomme; noch we - niger iſt die Grundlinie meiner Stirn um Zweydrittel kuͤrzer als ihre Perpendi - kularhoͤhe, wie es wohl bey dem geſtren -gen129gen Junker aus der Mancha ſo geweſen ſeyn mag.

Laſſen Sie alſo Jhr Bilderſtuͤrmeriſches Humor ſchwinden; laſſen Sie ſich belehren, daß Sie meine Reiſe ganz mißverſtanden haben. Jch kenne zwar Jhren unbeugſa - men harten Sinn, der ſich nicht leicht durch den Weg der Vorſtellung und vernuͤnftiger Zurechtweiſung ein Vorurtheil abgewinnen laͤßt; Sie ſind wie die Erbſen im Nordwind geſaͤet, die im Kochen immer hart bleiben und des Quirls ſpotten: aber Sie wiſſen, ich habe auch den Familienfehler, und viel - leicht noch einen haͤrtern Sinn als Sie. Gebe Jhnen das all wohl zu bedenken, und bin uͤbrigens mit ungemeiner Conſideration ꝛc.

IV. An den phyſiognomiſchen Akademiker und Schirmhalter Herrn F*aff.

Aus Jhrem an mich erlaſſenen akademi - ſchen Bericht habe des mehrern erſehen,Jwel -130welchergeſtalt der Bader Meffner, um die vom Gerichtshalter ihm angedrohete Ge - richtsraͤumung zu unterlauffen, ſich an das phyſiognomiſche Juſtitut gewendet, und um Jnterceſſionales an mich nachgeſucht habe, mit dem Erbieten, wofern ihm das Jndi - genat in meiner Gerichtsbarkeit zugeſtanden wuͤrde, und den gewiſſenloſen Plackereyen und Drangſalen des Juſtiziarius Einhalt ge - ſchaͤhe: ſo wolle er eine chirurgiſche Aufga - be aus den Fragmenten, deren moͤgliche Gnuͤgeleiſtung von dem Verfaſſer ſelbſt be - zweifelt werde, zu voͤlliger Satisfaction der Kenner unentgeltlich loͤſen, naͤmlich eine Bienenkoͤnigin ſo kunſtmaͤßig zu raſiren, daß durch ein Sonnenmikroſkop ihre Silhouette genau und mit dem ſchaͤrfſten Umriß ſich wuͤrde zeigen, und vermoͤge dieſer Opera - tion die große Chiffer ins Alphabet der Phyſiognomik, die allgemeine Koͤnigslinie finden laſſen.

Ob131

Ob ich nun gleich die Aufmerkſamkeit des Jnſtituts auf alles das, was zu Befoͤrde - rung und Ausbreitung der phyſiognomiſchen Wiſſenſchaft abzweckt, mit Vergnuͤgen wahr - nehme, und die Herren ſamt und ſonders freundlich will erſucht haben, ihren Eifer, immer tiefer in das Kunſtgeheimniß ein - dringen, nie ermuͤden oder ſchwinden zu laſſen, hiernaͤchſt aber auch hoͤchlich wuͤnſch - te, der ganzen Preißwuͤrdigen Geſellſchaft meinen geneigten Willen bey dieſer Gelegen - heit zu Tage legen, und Jhnen das Recht der erſten Bitte angedeyhen zu laſſen: ſo find ich doch, nach reifer Ueberlegung der Sache Bedenken, Supplikanten in ſeinem Geſuch zu deferiren; anerwogen es den Rechten nicht gemaͤß zu ſeyn ſcheinet, um einen Bienenbart die Juſtiz in ihrem Lauf zu hemmen. Waͤr dennoch wohl begierig zu vernehmen, ob der Wicht das mit ſeinem Scheermeſſer zu leiſten im Stande ſey, wo -J 2zu132zu er ſich anheiſchig gemacht hat. Waͤr traun ein Meiſterſtuͤck fuͤr einen Bartſcherer, ſchier ſo kunſtreich, als die Erfindung des Tauſendkuͤnſtlers aus der Vorwelt, der die Floͤhe an Ketten legte wie die Baugefange - nen, und einen waͤchſernen Wagen fertigte, den nebſt den Sechs Geſpan davor, ein Muͤckenfluͤgel deckte.

Genau erwogen laͤßt ſich kein unſchickli - cher Werkzeug als ein Scheermeſſer geden - ken, den Kopf oder Koͤrper einer Biene von dem feinen Haarauswuchs zu befreien. Den guten Lavater hat bey ſeiner ganzen Bienenlehre die cognitio ſymbolica aus der Logik, durch eine ſeltſame Aſſociation irre gefuͤhrt, wie das der Berliner Bienen - freund, in der Kritik uͤber das phyſiogno - miſche Werk, auch gar fein bemerket. Haͤt - te Freund L. das, was er fuͤr Haare nimmt, ſich als Federn oder Wolle gedacht: ſo wuͤr - de er ſchwerlich auf die drollige Jdee desRa -133Raſirens verfallen ſeyn, und wenn ihn nicht die tropiſche Benennung einer Koͤnigin, die einige dem Weiſel beylegen, getaͤuſcht haͤtte; wenn ihm der natuͤrliche Name einer Bienenmutter beygefallen waͤr: ſo wuͤrde er ſein theuer Papier nicht mit der unfruchtba - ren Spekulation eingeſchwaͤrzt haben, aus einem geſchornen Bienenweiſel eine Grundli - nie zur allgemeinen Koͤnigsphyſiognomik ab - ſtrahiren zu wollen. Was die Aſſociation fuͤr Hirngeſpinſte zuweilen ausgebaͤhre, be - weiſet unter andern der beruͤhmte Phyſio - gnomiſt Francheville, der laut Zeugniß der Memoiren der Berliner Akademie, aus der Geſtalt und Form unſrer heutigen Wappen - ſchilder beweiſen will, daß ſie aus der Fa - milie der alten roͤmiſchen Schuhe abſtam - men. Wenn der ehrliche Schuſter Balduin in ſeinem Traktat vom Roͤmerſchuh, die - ſen biſarren Einfall gehabt haͤtte, ſo waͤrs zu verzeihen; aber ein ehrwuͤrdiges MitgliedJ 3einer134einer weltberuͤhmten Akademie und der welt - beruͤhmte Autor eines der Meiſterwerke des Genies, ſollten die Schaamtheile ihres Ver - ſtandes nicht ſo leichtſinnig bloͤſen. Was die Bienenkoͤnigin betrift, die unter den ho - hen Potentaten doch nur einer Koͤnigin von Yvetat gleicht, und Koͤnigin iſt, wenn man ſie dafuͤr will gelten laſſen: ſo bin ich der Meinung, daß ſich aus ihrem Profil ſo we - nig, als aus dem Profil eines Zaunkoͤnigs, oder eines mineraliſchen Koͤnigs, als des Regulus Antimonii oder des Kupferkoͤnigs, eine Spur von phyſiognomiſcher Koͤnigsli - nie aufſpuͤren laſſe. Lieber wuͤrd ich den Koͤnig im Kegelſpiel zum Studium der Koͤ - nigslinie empfehlen, deſſen innre Obermacht uͤber ſeines gleichen, beym erſten Anblick, vermoͤge ſeiner Stammhaftigkeit in die Au - gen faͤllt, und der uͤberdieſes mit der Bie - nenkoͤnigin und dem Koͤnig Saul das ge - mein hat, daß er um eine Kopfslaͤnge groͤßer iſt als alles Volk.

Jn -135

Jndeß waͤrs wohl der Muͤhe werth, daß ein akademiſches Mitglied ſich dran gaͤb, die Signalementen der Bienenkoͤnigin zu unter - ſuchen, um zu erforſchen, welche phyſio - gnomiſche Chiffer, weils doch nicht der Koͤ - nigsbuchſtab ſeyn kann, ſich ſonſt daraus veroffenbahre; denn meines Erachtens iſt aus dem Jnſektenreich fuͤr die Phyſiognomik kein Suͤjet intereſſanter als dieſes. Und eine Linie liegt gewiß drinnen, nur fragt ſichs, welche? Obs die Linie oder die Chiffer des Genies iſt? Wer weiß nicht, daß die Biene das groͤßte mathematiſche Genie iſt, aber nur fuͤrs Sechseck ihrer Zelle? Oder die Linie der Fruchtbarkeit? Wem iſt unbekannt, daß die ſogenannte Koͤnigin die allgemeine Volks - mutter ſey, in dem Verſtand, wie mancher Fuͤrſt des Landes Vater zu heißen verdienet? Oder die Linie der Buhlerey, und zwar der ſchandbaren Polyandrie? Wer hat nicht ſa - gen hoͤren, daß die Leibwache der DrohneuJ 4ihrer136ihrer Gebieterin eben die Dienſte leiſtet, die ſich die Tochter und Enkelin des großen Kaiſer Auguſtus von der praͤtorianiſchen Leibwache erweiſen ließ? Damit nun dieſe tiefſinnige Unterſuchung nicht durch den Haarſchleyer, wohinter die ſchamhafte Natur die freche Hurenſtirn der Bienenkoͤnigin verſteckt hat, behindert werde, will ich Jhnen kuͤrzlich Be - richt geben, wie dieſelben ohne Beyhuͤlfe des Meffneriſchen Scheermeſſers, davon zu entkleiden iſt, damit man bey der Schatten - zeichnung eine ſcharfe und getreue Graͤnzlinie ziehen koͤnne. Dieſe Erfindung hab ich ei - nem lieben wohlanſtelligen Maͤdchen zu Ge - roldsheim, der Tochter meines freundſchaft - lichen Wirthes zu verdanken, mit welcher ich zuweilen zu phyſiognomiſiren pflege. Als wir vor einigen Tagen zuſammen in den Fragmenten blaͤtterten, und zufaͤlliger Weiſe auf die Abbildung der Bienenmutter ſtießen, bedauert ich mit Freund L. den rau -hen137hen und unvollkommenen Contur, worauf die Jungfer verſezte, dem koͤnne leicht ab - geholfen werden, wenn das Exemplar, das man zum Abſchatten brauchen wolle, nach den Geſetzen der Kuͤche von den Pflaumen, wie ſie den Bienenbart gar artig nannte, befreyet wuͤrde. Jch war begierig, das Experiment zu ſehen, wurde derohalben alsbald eine Koͤnigin, die ausregieret hat - te, zur Hand geſchaft, welche Lottchen an eine duͤnne Haarnadel, wie einen Braten an einen Spieß ſteckte, und ſchnell durch die Flamme einer brennenden Wachskerze eini - mal hin und her bewegte, wodurch das duͤnne Haͤrlein rein abgeſengt wurde, daß keine Spur davon uͤbrig blieb, und das Exemplar, ohne von der Flamme Schaden zu leiden, ſo glatt und ſchmuck ausſah, als ſey es von der chirurgiſchen Hand des Ba - ders kunſtmaͤßig raſirt worden. Dieſer leich - te und natuͤrliche Handgriff leiſtet das zu -J 5ver -138verlaͤſſig, was Freund L. mit ſeinen muͤh - ſamen und kunſtreichen Anſtalten zu bewir - ken ſelbſt zweifelt, und ich denk, es treffe das auch bey mehrern Faͤllen zu. Schließ - lich bitte auf ein Elogium fuͤr ein wohlver - dientes Mitglied der Akademie, welches des naͤchſten zu exſpiriren gedenket, ſich ge - faßt zu halten, und alles das, womit der liebe Mann das Jnſtitut vor ſeinem ſelgen Hinſcheiden etwan bedenken moͤchte, in treuen Empfang zu nehmen. Auch erſuche ſorgfaͤltig zu verhuͤten, daß das akademiſche Exemplar der Fragmente keiner Perſon, die nicht Kunſtgenoſſen gemacht iſt, in die Haͤn - de komme. Gehaben Sie ſich wohl!

Nachdem ich meine Korreſpondenz erpe - diret, und allenthalben das noͤthige verfuͤgt hatte, davon ich mir den beſten Erfolg ver - ſprach, fand ich, daß der Barometer mei - nes Humors, der bey Empfang der Depe -ſchen139ſchen auf boͤß Wetter herunter gefallen war, wieder anfing zu ſteigen. Hatte mich ganz heiter geſchrieben, und gewaͤhrte nun die Bitte des Beamten Spoͤrtlers um ſo willi - ger, noch einige Zeit in Geroldsheim zu ra - ſten, weil ich den Nachſchuß der Zahlung vom Haus abzuwarten noͤthig fand. Unter - deſſen entdeckt ich im Hauſe eine gewiſſe Gaͤhrung der Gemuͤther, die mir an den Phyſiognomien erkennbar gnug war, da - von ich aber, alles Nachgruͤbelus ungeach - tet, das eigentliche Prinzipium nicht konnte ausfuͤndig machen. Das war klar, daß der harmoniſche Dreyklang zwiſchen Vater, Mutter und Tochter manche Diſſonanz gab; und weil ein verſtimmt Jnſtrument dem Ohr wenig ſchmeichelt; huͤtet ich mich, meinen Ton anzuſchlagen, und ſo gabs manche langweilige Pauſe in der Geſellſchaft. Freund Spoͤrtler ſah ſo ſteif und ernſthaft aus, wie ein Criminalproceß; ſeine Ehe -ge -140genoſſin verſuchts oft, ſich durch einen freundlichen Blick oder einen Leckerbiſſen ihm anzuſchmeicheln; er verſchlang beydes mit gleichem Kaltſinn. Lottchen, das aufbluͤ - hende Maͤdchen, neigte ihr Haupt wie ei - ne Roſe bey baͤnglicher ſchwuͤler Witterung, wenn Donnerwolken rings den Horizont um - ziehen. Jhre Schoͤne glaͤnzte ſeit einigen Tagen nicht mehr, wie der freundliche Mond am Dunſtfreyen Himmel in einer Sommer - nacht, ſie warf nur noch einen bleichen Schimmer von ſich, wie wenn der Mond einen Hof um ſich hat, und auf veraͤnder - lich Wetter deutet. Wenn ihr irgend wo - her ein Scharfblick begegnete, ſchlug ſie verſchaͤmt die Augen nieder, und zupfte ein Band oder Schleifgen am Kleide zurechte, um ihre Verlegenheit damit zu bemaͤnteln. Aber das ſichtbare Hinſchmachten ihrer Seel voll Leidenskraft und Schmerzensempfaͤng - lichkeit, lieh dem reizenden Geſchoͤpf un -nenn -141nennbare Reize, die auf mein Herz ſo all - gewaltſam wirkten, daß ich mit ihr anfing zu ſympathiſiren, und mich nicht enthalten konnte, einmal uͤberlaut zu ſtoͤhnen, wo - durch die Geſellſchaft ſo alarmiret wurde, daß die truͤbſinnige Scene mit einemmal verſchwand, und das ſpoͤrtleriſche Kleeblatt, fuͤr den uͤbrigen Tag wieder auf den geſel - ligen Geſpraͤchton geſtimmet wurde.

Obs nun wohl kein Geſchaͤft fuͤr ’n ehr - lichen Mann iſt, ein Horcher zu ſeyn, Fa - miliengeheimniſſe auszuſpaͤhen, und ſich in die Affaͤren fremder Leute einzumiſchen: ſo konnt ich doch das Kopfhaͤngen und Mau - len um mich her nicht laͤnger aushalten, darum erſah ich meine Gelegenheit bey ei - ner Haſeniagd, meinem Gaſtfreund auf den Zahn zu fuͤhlen, weil er ſo hartleibig war und einen Tag nach dem andern vorbey - ſtreichen ließ, ohne die Angelegenheit, da - von er mir verſprochen hatte, Part zu ge -ben,142ben, zu beruͤhren. Kam mir ein, weil ich vermerkte, daß er was hatte, das ihn ſehr zwaͤngte und draͤngte, und gleichwohl nicht heraus wollte, die Entledigung auf eine ſchickliche Art zu befoͤrdern. Sezte mich unter einen Feldbaum, als ich des Herum - lauffens im Feld muͤde war, und ſann auf den Jntroitus der Rede, die ich an den Freund Murrkopf zu halten gedachte. Wenn man ſich genothdrungen findet, Odioſa zu beruͤhren, halt ich der Sache ſehr zutraͤg - lich, ſich nach einer glimpflichen Einklei - dung umzuſehen. Denke dabey immer an das Verfahren meines Chirurgus: denn als mir Dr. Baldrian einsmals ein Klyſtir ver - ordnet hatte, gegen welches ich einen großen Widerwillen bezeigte, uͤberzog der Feldſcheer die Klyſtirſpruͤtz mit einem umgekehrten Taubenkropf, und ſo ging alles leicht und ohne große Beſchwerde von ſtatten. Fuͤgte ſich von Ungefehr, daß ich ein Leſebuͤchleinaus143aus Lottchens Buͤcherſchrank bey mir in der Taſche trug, welches ich aufſchlug, um ein wenig drinn zu blaͤttern, als ich keinen ſchicklichen Eingang zu meiner praͤmeditir - ten Rede finden konnte, und ſieh da! wi - der Vermuthen diente mir das Buͤchlein ſelbſt zum Taubenkropf.

Als der Beamte aus dem Stoppelfeld zuruͤckkam, mich zum Heimzug abzuholen, und mich mit Leſen beſchaͤftigt fand, frug er: ob mich die Lektuͤre mehr amuͤſir als die Haſenjagd? Keins von beyden, antwortet ich, hat da ’n ſchmucker Duns von Autor, was von Hoffnung baldiger beſſerer und froͤhlicherer Menſchen hergehast, das mich aneckelt; weil er mir ein herrlich troſtreich Jdeal verpfuſcht hat, daran ich mich zu la - ben und zu erquicken gedachte, denn ich fin - de, daß die froͤhlichen Menſchen unter dem Monde, wenigſtens ſo fern er mir leuch - tet, ſich alle Tag ſeltner machen. FreundSpoͤrt -144Spoͤrtler faßte mir etwas bewegt die Hand, ich verſtehe Sie, ſprach er: Jhrem Scharf - blick hat ſich das geheime Anliegen, das mich druͤckt und bangt, nicht verheelen koͤn - nen. Es ſollte mir leid thun, wenns auf die Gaſtfreundſchaft einen Einfluß ge - habt haͤtte. Das nicht, Freund, gegenredet ich; aber ſeitdem ich in Jhrem Hauſe uͤber iede Stirn Truͤbſinn herab hangen ſeh, iſt mir das Herz eingeklemmt, als laͤgs zwiſchen einer Buchbinderpreſſe. Urtheilen Sie aus dieſer Mitempfindung auf meine Geſinnun - gen gegen ſich, und wenn Sie ihrem ge - heimen Kummer Luft zu machen gedenken, ſo ziehen Sie Jhr Weer nur getroſt auf; ich habe Rezeptivitaͤt Jhr Anliegen in mein Herz aufzunehmen und zu bewahren, es iſt rund um wohl verſpuͤndet, und rinnt nicht aus wie ein durchloͤchert Faß. Der Mann erſeufzte, das Geheimniß ſchwebt ihm auf den Lippen, und es war nur nochein145ein kleiner Anſtoß noͤthig, das Schutzbret zu heben. Darum fuhr ich fort: Wofern ich mich nicht ganz irre, ſo hat ſich eine haͤusliche Kalamitaͤt auf Jhre Milz gewor - fen. Wenn ich einen Hypochondriſten von Jhrer Konſtitution erblicke, in deſſen Ge - ſicht ſich nichts ausgetrocknetes, kraͤnkeln - des veroffenbahrt, davon das Untertheil vielmehr den ſatten phlegmatiſchen Mann zeigt, bey dem ſich weder Hunger, noch Durſt, noch magre Lebensart vermuthen laͤßt: ſo waͤhn ich nicht, daß ihn ſein Kleid preßt, oder ein enger Schuh druͤckt, ſolcher Unbequemlichkeiten wuͤrd er ſich bald entle - digen und ſichs bequem machen; ſondern daß ihn ein Geſchwuͤr in der Haut brennt, welches er nicht loß werden kann, oder nicht’s Herz hat, den Schwaͤren aufzudruͤ - cken. Einem Geſchaͤftsmann ſtoßen in ſei - nem Amt und Beruf allerley Unannehm - lichkeiten auf; aber die ſtoͤhren ſein innresKGleich -146Gleichgewicht ſo wenig: als der Eifer auf der Kanzel einen feiſten Praͤdikanten mager macht. Wenn drauſſen der Himmel ſich umwoͤlkt, und Sturm und Plazregen ver - kuͤndiget: ſo achtet man das wenig, wenn man ſich unter ſein eigen Dach bergen kan, wenn nur im Haus gut Wetter iſt, wenig - ſtens am Horizont des ehelichen Betthim - mels. Wetterleuchtet und donnerts aber auch da, kurz, wird der Haus - und Ehefriede unterbrochen: ſo haͤlt das in die Laͤnge keiner aus, dem nicht das Tempe - rament eines Hackeklotzes verliehen iſt, und da muß endlich aus dem Keim fortwaͤhren - der Mißmuͤthigkeit die Hypochondrie reifen; denn nicht ieder Mann iſt gegen einen Re - genguß aus der Ehekammer mit dem Schirm ſcherzhafter Laune geruͤſtet, wie der weiſe Sokrates. Jch habe bemerkt, daß Jhre Ehekonſortin mit dem beruͤhmten Schrift - ſteller und Exparlementsadvokaten Linguetman -147manches gemein hat. Auſſer einer gleich ſtarken Beredſamkeit, beſitzt ſie auch eben ſo wie er die Gabe, beynah uͤber alles in der Welt andrer Meinung zu ſeyn als an - dre Leute; nur in der Kunſt, eine ſchlimme Sache gut zu machen, bleibt ſie weit zu - ruͤck, ob ſie gleich eine ſchlichte Sache krumm zu machen, und jedes Ding anders als ihr Eheherr zu ſehen geuͤbt ſcheint, und Jhnen zu Zeiten durch den Geiſt des Widerſpruchs den Kopf wohl mag warm machen. Wer - den ſo einige Matrimonialdebatten vorgefal - len ſeyn. Nicht wahr?

Sie ſind nahe dabey, erwiedert er, den Knoten zu loͤſen. Jch befinde mich in Ab - ſicht meiner Frau dadurch in einer unbehaͤg - lichen Lage, daß ich ihr nicht immer mein Herz offenbahren, mein Anliegen mitthei - len, und ihren Beyrath in Privatangelegen - heiten als der zuverlaͤßigſten Freundin er - warten kan. Sie ergreift zu ſchnell Par -K 2they,148they, und iſt iederzeit darauf geſteuret, ih - re Meinung durchzuſetzen; daher ſind die Seſſionen bey unſern Konſultationen gar bald geendiget, auch ſeit langer Zeit außer Brauch. Wir haben unſere gemeinſchaft - lichen Gerechtſame nach gewiſſen Departe - ments unter uns vertheilet; ſie praͤſidirt in der Kuͤche und ich im Keller. Alle Mobi - lien im Hauſe ſtehen unter ihrer Aufſicht; alles was Niet und Nagelfeſt iſt, unter der meinigen. Demungeachtet giebts hier manche Kolliſion, und in Praͤjudizialfaͤl - len verwahrt ieder Theil ſeine Jura aufs beſte.

Schlimm gnug, ſprach ich, wenn ’n Mann ſein Herz der Freundin ſeines Her - zens, die die zweyte Haͤlfte deſſelben iſt, nicht zu aller Zeit frey und ohne Zuruͤckhal - tung eroͤfnen darf! Das kommt mir ſo vor, als wenn in einem Hauſe zwo Familien das Geſpilde haben, das vorher einem Herrn zu -gehoͤr -149gehoͤrte, wo’s immer Zwiſt und Hader giebt, ieder vor den Freund Nachbar ſich beſtens wahret, und ſeinen Halbſchied vernagelt und verriegelt. Weil das aber mit der Ehe - freundin der gewoͤhnliche Fall iſt: ſo er - heiſcht die Nothdurft, in dergleichen Anlie - gen zu vertrauten Muthsfreunden ſeine Zu - flucht zu nehmen, und daran kans Jhnen nicht fehlen. Wie viel haben Sie uͤber - haupt Freunde, die’s redlich und aufrichtig meinen? Der gute Mann ſtuzte bey dieſer Frage, wie ihm das bey meinen Fragen oft wiederfuhr. Das koͤnn er nicht ſagen, ſprach er, es ſey ihm nie eingefallen her - um zu zaͤhlen, oder ſie unter der Numer zu fuͤhren wie die floram latronum.

Jch. Wie? Sie wiſſen nicht, wie viel Sie Freunde haben? Wie viel halten Sie denn Pferde?

Er laͤchelnd. Vier Zugpferde und ein Reutpferd.

K 3Jch. 150

Jch. Und wie viel haben Sie Rinder im Stall?

Er. Sieben Milchkuͤh und eben ſo viel Maſtochſen.

Jch. Und wie viel Schaafe auf der Weide?

Er. Nach dem Matrikularanſchlag iſt dem Beamten vergoͤnnt, achtzig Stuͤck Schaafe auf gemeiner Trift zu halten, auſ - ſerdem muß iede Dorfſchaft ins Amtsge - richt gehoͤrig, iaͤhrlich einen gemaͤſteten Schoͤps ihm in die Kuͤche liefern, thut in Summa zwoͤlf Schoͤpſe.

Jch. Wahrlich! Sie muͤſſen Jhr Stall - vieh fleißiger muſtern, als Jhre Freunde! Der weiſe Heide Cicero hat wohl Recht, wenn er irgendwo den ehrwuͤrdigen Scipio gerechte Klage fuͤhren laͤßt, daß die Men - ſchen ihr Schaaf - und Ziegenvieh ſorgfaͤlti - ger zaͤhlten als ihre Freunde; wie viel Stuͤck Vieh ieder habe, das wiſſ er an den Fin -gern151gern abzuzaͤhlen; aber keiner wiſſe zu ſagen, wie viel er Freunde habe.

Er. Dem altklugen Cicero ſollt’s be - gegnet ſeyn, ſich eine ſolche Thorheit ent - fallen zu laſſen? Unmoͤglich! die waͤr laͤngſt auf allen Schulbaͤnken ausgepfiffen worden. Wer kann ſo apodiktiſch ſagen: das iſt ei - ner meiner Freunde, wie man ſpricht: das iſt einer meiner Stiere. Ein bedachtſamer Philoſoph wird ſagen: ich halte dieſen Mann fuͤr meinen Freund, weil er ſich in dieſem und ienem Fall ſo bewieſen hat. Wer kan einen Menſchen ins Herz ſehen und ſei - ne wahren Geſinnungen erforſchen? Und giebts nicht auch unbekannte Freunde, der - gleichen auf allen Umſchlaͤgen der Journale citirt und aufgefordert werden, litterariſche Ausgeburten zu befoͤrdern? Wenn unſre Freunde doch durchaus mit dem zahmen Hausvieh ſollen verglichen werden, ſo muß man die Aehnlichkeit nicht im Schaaf - undK 4Zie -152Ziegenſtall, ſondern auf dem Taubenſchla - ge ſuchen. Kein Hauswirth kan mit Ge - wißheit die Zahl ſeiner Tauben beſtimmen: denn die fliegen ab und zu; und ſo iſt es auch mit den Freunden, deren Natur und Beſchaffenheit Ovid viel gruͤndlicher aus der Erfahrung ſtudirt haben mag, als Cicero aus ſeiner luftigen Theorie.

O weh! ſprach ich, der arme Tullius kommt hier ſehr ins Gedraͤnge, und ich bin nicht Mannes genug, ihm Luft zu ſchaf - fen. Der Ehrenmann hat mehr Thorheiten geſagt, die unter der Firma des Mag. Gra - tius und ſeiner Kollegen fuͤr Weisheit cour - ſiren. Jch gebs zu, daß es zu der Roͤmer Zeiten eine Thorheit geweſen waͤr, ſeine Freunde wie eine Heerde Schaafe uͤberzaͤh - len zu wollen; aber mit uns iſts was an - ders, wir ſehen iezt mit ſchaͤrfern Augen. Waͤr die Phyſiognomik nicht eine Glocke ohne Kloͤpfel, wenn ſie nicht zur Menſchen -kennt -153kenntniß fuͤhrte? Und was waͤr uns Men - ſchenkenntniß ohne Freundſchaftskunde? An Sie als einen Kunſtgenoſſen konnt ich alſo die Frage mit Recht thun, wie viel Sie Freunde haben, und eine kathegoriſche Ant - wort darauf begehren.

Er. Meine Beduͤrfniſſe ſind in dieſem Punkt ſo maͤßig, daß mir an einem einzi - gen Freunde gnuͤget, dem ich mich mit vol - lem Zutrauen mittheilen kann. Jch erken - ne Sie dafuͤr, und glaube nicht mich in dieſer Meinung zu irren.

Jch umarmt ihn dafuͤr herzlich, und wir bogen beyderſeits aus dem Beywege der Unterredung, wieder in die Hauptſtraße ein. Woruͤber, frug ich, ſind Sie mit Jhrer Ehefreundin diſkrepant?

Er. Ueber einen gewiſſen Praͤjudicial - fall, den meine Frau vor ihr Forum gezo - gen hat, und ich meiner Seits hab ihn ganz anders dezidirt. Aber meine TochterK 5die154die Lotte, wird wie es das Anſehen gewin - nen will, gegen den vaͤterlichen und muͤt - terlichen Beſcheid das Remedium leutera - tionis interponiren, und an die Vaterliebe appelliren. Dadurch wird der Prozeß ſo intrikat, daß ich in der Sache keine Aus - kunft weiß, und mein Herz von mehr als einer Seite beunruhiget finde. Jch erſuche Sie daher, mich durch Jhr freundſchaftlich Gutachten zu unterſtuͤtzen.

So viel ich aus dieſer Vorrede verſteh, verſezt ich darauf, betrift ihr Anliegen eine Heurathsangelegenheit, und da fuͤrcht ich, daß Sie bey mir, als einem Hageſtolz, wenig Troſt und Beyſtand finden werden; doch bin ich von Herzen erboͤtig, Jhnen frey und bieder meine Gedanken zu eroͤff - nen, wenn Sie mir den Caſum vorlegen wollen.

Freund Spoͤrtler gab mir darauf folgen - den Beſcheid: Lottchen, ſprach er, ſeydie155die einzige Frucht ehelicher Liebe aus dem erſten Ehebett, das Ebenbild ihrer Mutter mit der er in gluͤcklicher Eh gelebt habe, ſo fern naͤmlich er eine Frau gluͤcklich machen koͤnne. Er ſey jederzeit ein warmer Freund, ein kalter Liebhaber, ein zaͤrtlicher Vater, und ein ertraͤglicher Ehemann geweſen. Die ſtiefmuͤtterliche Zucht hab ihn gar oft in der Seel gekraͤnket; aber um des edlen Haus - friedens willen hab er das liebe Kind nicht protegiren, noch der ſelgen Frau ruͤhmlich erwaͤhnen duͤrfen, ohne der Tochter Wehe - tage zu machen, uͤber welche ſich der weib - liche Zorn gar leicht ergoſſen, ſo daß ſie oft unverſchuldet die ſchwere muͤtterliche Hand habe fuͤhlen muͤſſen. Jch machte da - bey die Bemerkung, daß das der Stiefmuͤt - ter Sitt und Brauch von Anbeginn gewe - ſen ſey, von der Dame Juno an, bis auf die Dame Spoͤrtler. Weshalb auch Va - ter Homer, um das ſtiefmuͤtterliche Koſtumnicht156nicht zu verletzen, im 21ſten Buch der Jlia - de, die keuſche Diane von der Koͤnigin des Olympus reichlich ohrfeigen laſſe, wofern der Dichter von den Auslegern nicht miß - verſtanden werde.

Seine Abſicht, fuhr er fort, ſey ſtets geweſen, Lottchen, ſobald ſie einem Mann entgegen reifen wuͤrde, der ſtrengen Subor - dination durch eine fruͤhe Heurath zu ent - ziehen; darum hab er mit dem Vetter An - ton, einem bemittelten Weinhaͤndler in Werthheim, der einen einzigen Sohn, ei - nen Knaben guter Hoffnung habe, die Ver - abredung getroffen, ihre Kinder zuſammen zu paaren. Seine Tochter hab ein feines muͤtterliches Vermoͤgen, und es ſey bereits die Mitgift und Gegenſteuer, das Braut - kleid, der Hochzeittermin, und alles ſonſt erforderliche bis auf die Gaͤſte regulirt. Al - les in großem Geheim, ſo daß noch zur Zeit weder Frau noch Tochter, zu Vermei -dung157dung weiblicher Quackeleyen die geringſte Wiſſenſchaft davon habe. Auf bevorſte - henden St. Martins als ſeinen Namens - tag, hab er die Mine wollen ſpringen laſ - ſen. Die Abrede ſey dergeſtalt genommen, der Braͤutigam ſolle ſich unter der Maſke ei - nes Beſuchs im Hauſe introduciren, das Maͤdchen, das noch ein unſchuldiges Kind ſey, und von Herzensangelegenheiten keine Kenntniß hab, auch die Mutter zu gewin - nen ſuchen, und bey dieſer ſein Wort an - bringen, die ſich um ſo kraͤftiger fuͤr den Brautwerber verwenden und die Sache nach ihrer Gewohnheit durchzuſetzen ſich beſtre - ben werde, wenn er als Vater, eine Ab - neigung gegen dieſe Heurath vorſpiegle. So werde alles nach ſeinem Wunſch von Stat - ten gehen, und die Liebe werde auf Seiten des iungen Paares, unter dem Anſchein von Schwierigkeiten, deſto leichter Eingang finden. Allein durch den verdruͤßlichſten Zu -fall158fall von der Welt ſey dieſer herrliche Plan zerruͤttet worden. Es habe ſich ſeit einigen Jahren ein Freund vom Hauſe eingefunden, der ab und zugegangen ſey, ein artiger ge - ſelliger Mann, Namens Druſchlig, Oberau - diteur unter den anſpachiſchen Truppen, war der Freund Weißmantel, deſſen bey der erſten Entrée in Geroldsheim bereits gedacht worden. Dieſer ſey vor eini - gen Tagen mit einer ſchriftlichen Anwerbung herausgeplazt, die er unter Protektion, und durch die Hand ſeiner Eheconſortin an ihn habe gelangen laſſen, und dieſe opiniatrire ſich nun die heimlich abgekartete Freyerey zu Stande zu bringen. Laſſe ſich beygehen, uͤber Lottchen dem Ehevertrag zu Folge die alleinige Diſpoſition zu behaupten, weil ſie ſolche unter die Mobilien zaͤhle, und wolle von der in den Rechten wohlhergebrachten Diſtinktion inter perſonas et res, nichts wiſſen noch hoͤren. Daran ſeys noch nichtgnug,159gnug, er vermuthe, daß der Paſtor loci mit einem gleichen Antrag umgehe. Es muͤſſe von der Heuraths-Jntrigue etwas hinuͤber ins Pfarrshaus tranſpiriret ſeyn; denn er, der Vater, habe ein Billet auf - gefangen, welches an die Tochter gerichtet geweſen, und gar weinerlichen Jnhalts ſey. Skribent lamentire ſehr, daß der Mond ſei - nen falben Schimmer iezt ganz zur Unzeit den geſelligen Abendſtunden raube, und mit traͤgem Schritt und abnehmenden Lich - te, erſt in der mitternaͤchtlichen Geſpenſter - ſtunde zum Vorſchein komme; da er doch dem lieben Maͤdchen etwas zu eroͤffnen ha - be, davon der ganze Erfolg ihrer Pilgerrei - ſe durch die Welt abhange. Er beſchwoͤre ſie bey allem was ihr heilig ſey, keinem Vorſchlage ihre zukuͤnftige Beſtimmung be - treffend Gehoͤr zu geben, eh und bevor der Mond der Erde wieder mit falbem Glanze leuchte, dann woll er vor dem Augeſichtedes160des Allvaters und der ſtillaufhorchenden Na - tur ihr ein Geſtaͤndniß wagen, das ſich ſei - nem Herzen nur beym Silberglanz des trau - lichen Mondes, auf einem Spatziergange in dem ſterbenden Hayn entreiſſen laſſe. Der beſorgte Vater ſezte hinzu, er fuͤrchte, der geiſtliche Nachtvogel duͤrfte Lottchen em - pfindſam machen, und das ſey das ſchlimm - ſte, was ſich zutragen koͤnne: denn em - pfindſame Maͤdchen waͤren wie brauſender Moſt in neuen Gefaͤßen, die aller Reife und eiſerner Banden der vaͤterlichen Autori - taͤt und des Gehorſams ſpotteten. Dieweil nun periculum in mora ſey, waͤr nicht rathſam mit den Sponſalien der Tochter bis zum naͤchſten Mondenwechſel zu zoͤgern; denn da duͤrft es mit ihrem Herzen nicht mehr res integra ſeyn. Daher wuͤnſch er gar ſehr, mein videtur zu vernehmen, wie er, ohne mit ſeiner Coſta in offenbaren Ehe - zwiſt verwickelt zu werden, ſeine Abſichtaufs161aufs baldeſte und am fuͤglichſten erreichen koͤnne.

Die Sache, erwiedert ich, ſey aller - dings kritiſch, ich wolle ſolche in reifliche Ueberlegung ziehen. Vor allen Dingen ſey iezt nothwendig, Lottchen beyſeit zu neh - men, ihr getreulich und ſonder Gefaͤhrde ihre Ehewerber anzuzeigen, und ihre Ge - ſinnungen gegen ſolche zu erforſchen, dar - nach ließ ſich weiter davon ſprechen.

Das ſchien dem Vater, dem die Liebes - haͤndel fremder waren als der Criminalpro - zeß, ſehr befremdlich aufzufallen. Das waͤre gar nicht Conſilii, ſprach er, den Maͤdchen auf ſolche Weiſe den Kopf ſchwin - delnd zu machen, wenn man ſie in Heu - rathsſachen mit einreden ließ. Eine wohl - geſittete Tochter muͤſſe ſich in der Eltern Willen reſigniren, und mit dem Looß zu - frieden ſeyn, das von dieſen fuͤr ſie gezo - gen wuͤrde.

LO Vater!162

O Vater! O Moͤrder! rief ich in vollem Eifer aus, wollen Sie ihr frommes Kind hinſchlachten, wie der Meiſter Mezger ein Milchlamm hinſchlachtet, damit der erſte be - ſte Kaͤuffer mit dem zarten Fleiſch ſeinen ge - fraͤſigen Gaumen kuͤtzele? Wahrlich! von der Liebesoͤconomie der heutigen Welt ſind Jhnen noch nicht die erſten Buchſtaben be - kannt! Wie koͤnnen Sie fuͤr das Herz einer vollbuͤrtigen Tochter Buͤrge ſeyn, daß es noch nie den ſuͤßen Minnetrieb gefuͤhlet ha - be? Wie, wenn Lottchen, auf deren Lip - pen ein gewiſſer Hauch von vorſtrebender, entgegenſchmachtender Empfindung ſchwebt, der vaͤterlichen Diſpoſition vorgegriffen und ihr Herz bereits veraͤuſſert haͤtte? Wie, wenn ein leidender Juͤngling, einer der Edeln, die mit Hochgefuͤhl, das iſt, auf Leben und Tod lieben, nach ihr nicht uner - hoͤrt ſeufzete? Wollten Sie ſo gewiſſenloß ſeyn, das Heiligthum der erſten Liebe zuzer -163zerſtoͤhren? Wuͤrde Sie’s nicht auf der See - le brennen, wenn ſich ſo ein lieber Schwaͤr - mer aus Verzweiflung erwertherte; oder ſeine animulam vagulam blandulam in ei - nem Blutſturz aushuſtete; oder ſich ſonſt zu Tode haͤrmte, zum crêvecoeur fuͤr Sie, auf den Geroldsheimer Kirchhof ſich begra - ben ließ, und Sie mit ſeinem Schatten quaͤlte? Solcher traurigen Exempel giebts viel in unſern Tagen. Jeder Vater, der eine wohlgeſtaltete Tochter hat, ſollte das all wohl erwaͤgen, und eh er ſein Kind aus - ſteuret, zur Sicherſtellung ſeines Gewiſſens, wenigſtens in dreyer Herren Landen, und durch die oͤffentlichen Zeitungen Ediktales er - gehen laſſen, um alle, die quouis modo ein Recht an ein ehefaͤhiges Maͤdchen zu haben vermeinen, zu convociren, und uͤber ihre Prioritaͤts-Jura rechtlich verfahren zu laſſen.

L 2Der164

Der Mann ſah mich verwundernd an, wußte nicht, obs zu Schimpf oder Ernſt gemeinet ſey, was ich da ſprach, darum fuhr ich fort. Weil die empfindſame Welt fuͤr Sie unter die unbekannten Anſtrallaͤn - der gehoͤret: ſo trau ich Jhnen kaum zu, daß Sie den renommirten Werther kennen. Den Werther? unterbrach er mich, ’s iſt mir ſo, als haͤtt ich von ihm reden hoͤren. Wo hoͤrt er zu Hauſe? Jch. Unter den beyden Linden an ſeinen Grabeshuͤgel, wo - hin ihn eine Lotte befoͤrdert hat. Merken Sie ſich das, Freund! Sie haben auch eine; Die Lotten ſind ominoͤs, und richten leicht groß Herzeleid an. Wenn Jhnen alſo Wer - ther fremd iſt, ſo werden Sie noch weniger einen Adolph, einen Sontheim, einen Tellow und andere von gleichem Gelichter kennen, die alle fuͤr ihre Maͤdchen, und fuͤr die wie - derum ihre Maͤdchen ausgelitten und ausge - rungen haben. Eh Sie ihre Tochter an ei -nen165nen Mann verheuern, (denn Heurathen von Eltern geſtiftet, ſind nichts anders als Ver - heuerungen,) ſo leſen Sie Adolphs Briefe, den Beytrag zur Geſchichte der Liebe, das Fragment aus der Geſchichte eines liebenden Juͤnglings, das Fragment zur Geſchichte der Zaͤrtlichkeit, und wie die ῥυπαϱογϱα - φα unſerer litterariſchen Teniers und Oſta - den mehr heißen. Sie muͤſſen wiſſen, daß die Sentimentaliſten die Fragmente ſo ſehr lieben wie die Phyſiognomiſten, und ich trage keinen Zweifel, all unſer Wiſſen und Verſtand werde noch bey Menſchengedenken in ein Fragment zuſammenſchmelzen, wel - ches mir dadurch ſehr glaublich wird, weil auch ſogar mein Hausvogt, Balthaſar Koch genannt, ein ganz unphyſiognomiſcher und unſentimentaliſcher Kopf, von der Frag - mentenſucht iſt befallen worden, daß er mir mein Geld in lauter Fragmenten zuzaͤhlt. Dieſe Gloſſa im Vorbeygehen. Leſen Sie,L 3ſag166ſag ich, dieſe herzigen Buͤchlein, worinn die Gerechtſame der erſten Liebe, durch ein - dringliche Exempel ins Licht geſtellt werden, dergeſtalt, daß ſich alle Eltern daran ſpie - geln koͤnnen, die ihre Kinder, abſonderlich die Toͤchter mit Heurathsvorſchlaͤgen tyran - niſiren. Werden daraus belehrt, wie ſie’s auf Seel und Gewiſſen haben, wenn ſich ein braver friſcher Junge, den ſie nicht zum Schwiegerſohn moͤgen, abzehrt, kuͤmmer - lich zuſammen ſchrumpft, und hinwelkt wie ein Apfelſchnitt auf einen Zwirnsfaden am heißen Ofen, oder gar auf das Leib und Seel verderbliche Extremum des Selbſtmor - des verfaͤllt. Werden belehrt, wie Sie ihre lieben Kinder mit dem vierten Geboth tod - ſchlagen, wenn ſie in Heurathsangelegen - heiten Gehorſam von ihnen verlangen. Werden belehrt, wie die fromme tugend - ſame Tochter ihr Leben ſiech und elend da - hin ſchleppt, wenn ſie aus blinden Kloſter -ge -167gehorſam der erſten Liebe entſagen muß; wie ſie alle Freuden des Ehebettes entbehrt, und aus ihrer kalten Umarmung ein ſchwaͤchli - ches, verkruͤpeltes Kindergeſchlecht hervor - ſproßt, daher rhachitiſche Kinder, Waſſer - koͤpfe und Zwerge, nicht minder epilepti - ſchen Zufaͤllen, Gichtern und Abzehrungen unterworfene Sterblinge, faſt immer Fruͤch - te erzwungner Ehen ſind.

Der Beamte horchte hoch auf, als ich dieſe pathetiſche Rede an ihn hielt, und ich merkte, daß ſie nicht tod und unfruchtbar bey ihm blieb, ſondern kraͤftig in ihm wirk - te wie Glauberiſches Wunderſalz. Er ver - ſank in ein tiefes Nachdenken, und ſchien den ganzen Canevas meines Vortrags zu wiederkaͤuet. Nachdem wir ſtillſchweigend ein paarhundert Schritte fortgegangen wa - ren, ſtund er ſtill, und hub alſo zu reden an: Was Sie mir geſagt haben, lieber Freund, ich unterſuche iezt nicht, mit wel -L 4cher168cher Abſicht, und in welcher Laune, ver - dient Aufmerkſamkeit. Jhre Heurathsaxio - men ſind mir neu und fremd, ich habe ſie bey meiner zweyfachen Ehe nicht befolgt und demungeachtet mich wohl dabey befunden, und ſo hab ich auch meine Tochter nach dem alten Syſtem verheurathen wollen; weil ich von keinem andern wußte. Es iſt mir nie der Gedanke eingekommen, weder als ich um die erſte, noch da ich um die zwote Braut warb, daß ich eine fruͤhere Verbin - dung ſtoͤhren koͤnnte, und in dieſer gluͤckli - chen Unwiſſenheit, hab ich mit meinen bey - den Frauen, Gott Lob! geſunde und gerade Kinder gezeugt. Meine ſelge Frau war die Tochter meines Vorweſers hier im Amt, dem ich Alters halber beygefuͤgt wurde. Als ich einer Wirthin bedurfte, ſprach ich ihn, ohne vorgaͤngige Liebesintrigue, um ſeine Tochter an, und erhielt ſie ohne Schwierig - keiten. Jch ſupponirte, daß ihr Herz nochvoͤllig169voͤllig frey ſey, und daß ſie mich als Mann, ſo wie ich ſie als Frau, in dem Maaße lie - ben wuͤrde, wie es der Stifter der Ehen verordnet hat. Wir lebten acht Jahr ver - gnuͤgt zuſammen, und nachdem ich ihren Verluſt, der Obſervanz gemaͤß, ein volles Jahr beweint und betrauret hatte, entſchloß ich mich zur zwoten Heurath. Jch ſahe meine ietzige Frau auf einem Jahrmarkte zu Neuſtadt an der Aiſch, ſchloß ſie ins Herz, ob ich gleich vorhabender Geſchaͤfte wegen, keine Zeit gewinnen konnte, mit ihr ein Wort zu reden. Als ihr Vater nach ei - niger Zeit hierher kam, entdeckt ich ihm bey einem Glaß Wein meine Abſicht, der Han - del wurde ſtehenden Fußes richtig, ohne daß das Maͤdchen gefragt wurde, und vier Wochen darauf war ſie meine Frau. Sie hat mir zwey Soͤhne gebohren, ein paar derbe geſunde Buben, die in Neuſtadt fre - quentiren, und mich nichts von einer ge -L 5ſtoͤhr -170ſtoͤhrten erſten Liebe vermuthen laſſen, un - geachtet ſie volle dreyßig Jahr alt war, da ich ſie ehelichte, und folglich Muße gnug zu einer fruͤhern Liebe gehabt haͤtte, wozu es ihr nicht an Reiz, und vermuthlich auch nicht an Temperament gebrach. Dem un - geachtet hab ich ihr nie eine Spur von ge - heimen Gram, der ſie mit einer Abzehrung bedrohet haͤtte, abmerken koͤnnen: ſie wog 113 Pfund als ſie in mein Haus kam, und an ihrem leztern Geburtstage wog ſie 187 mit einem Ausſchlag. Das Recht, das meine beyden Schwiegervaͤter in Abſicht ih - rer Toͤchter hatten, dacht ich, ſtuͤnde mir bey der meinigen auch zu. Weder ihre leib - liche Mutter noch ihre Stiefmutter begehr - ten ein Votum bey ihrem Heurathsgewerbe, und aus dieſem Grunde hab ich mit dem Vetter Auton, ohne Vorwiſſen meiner Lot - te die obgedachte Eheberedung abgeſchloſſen. Wenn der tertius interveniens mir nichtdas171das Spiel verdorben haͤtte, ſo waͤr auch ſon - der Zweifel alles der Familienobſervanz ge - maͤß zur Richtigkeit gekommen, ohne daß ich mir etwas von einer Jllegalitaͤt in der Heurathsprozedur haͤtte ahnden laſſen. Jch verſtehs und begreifs auch bis dieſe Stunde nicht, wie ein tugendlich und ehrlich geſinn - tes Maͤdchen Herzensangelegenheiten haben kan, eh und bevor ſie von denen, die uͤber ſie Macht und Gewalt haben, dazu autho - riſiret wird. Bekanntlich gehoͤren die Kin - der, und folglich auch die filiae ſamilias unter die Sachen und nicht unter die Perſo - nen, haben mithin auch kein Recht uͤber ihr Herz zu diſponiren.

Eben drum, ſprach ich, zaͤhlt Jhre wer - the Gattin Lottchen unter die Mobilien, uͤber welche ſie laut Hausvertrag das do - minium directum beſitzt. Dieſe unverſe - hene Konſequenz, die ich ambulando mei - nem Begleiter queer uͤber den Weg iagte,ſchien172ſchien ihn in einige Verlegenheit zu ſetzen. Er haͤſitirte etwas, als ſuch er eine Refu - tation, und als ihm dieſe nicht entgegen kam, zog er ſich durch ein zweydeutiges Kopfnicken aus der Affaire, ohne den Fa - den ſeiner Rede abzureiſſen. Bey mir zu Haus, fuhr er fort ich bin ein Meck - lenburger aus geiſtlichem Gebluͤt iſt es Sitt im Lande, daß ieder Neoparochus ſich in die Pfruͤnde hinein heurathet, ohne daß man ſagen koͤnne, daß er die Vokation durch die Schuͤrze empfange. Ein landuͤblicher Gebrauch giebt der Tochter des Anteceſſo - ris ein jus quaeſitum auf den Nachfolger, der ſein Teſtimonium integritatis nicht darf verlegt haben, wenn er will wahlfaͤ - hig ſeyn. Eine Predigerstochter wuͤrde fuͤr die Schande ihres Geſchlechts gehalten wer - den, wenn ſie andere Erwartungen haͤtte, als der Mutter zu ſuccediren, oder ander - weite Verbindungen einging. Sie kennt ein -mal173mal ihre Beſtimmung, und laͤßt die chriſt - liche Gemeinde zu rechter Zeit und Stunde ihr Schickſal in ſtiller Erwartung entſchei - den, die Sentimentalliebe wird da gar nicht zum Worte gelaſſen. Dem ungeachtet ge - deyhen die Prieſterehen daſelbſt vortrefflich, gewinnen Keime in Menge, die luſtig auf - ſchießen und wachſen wie die Tobackspflan - zen.

Das mag, verſezt ich, in den finſtern Zeiten ihrer ſelgen Mutter oder Schweſter, wenn Sie eine gehabt haben, ſo geweſen ſeyn; aber ich bezweifle ſehr, daß das in dem ietzigen mehr erleuchteten Zeitalter noch ſo ſey. Es waͤre denn, daß ſich die heiße Lava des Sentimentalweſens, noch nicht bis zum Geſtade der Oſtſee fortgewaͤlzet haͤtte, wiewohl ſie einen weit ungeſtuͤmern Gang hat, als die aus dem Aetna und Ve - ſuv; beſonders da alle Daͤmme und Graͤ - ben, die ihren Lauf beugen oder aufhaltenoͤnn -174koͤnnten, durch die Modeerziehung immer mehr und mehr applanirt werden. Andere Zeiten andere Sitten, iezt haben die Kraft - genies ſich zu rechtlichen Anwalden der un - ter dem Vaterdeſpotiſmus ſeufzenden Krea - tur legitimiret, und den Toͤchtern die Ge - rechtſame wieder vindizirt, ihr Herzterrito - rium auszuthun und zu verleihen wie und an wem ſie wollen, ohne die Aeltern, Vor - muͤnder, Taufpathen, oder die ganze Kom - mun, wo dieſer nach Landesbrauch obliegt, die Toͤchter ihrer Pfarrherren an Mann zu bringen, weiter mit dieſer Sorge zu be - helligen. Vor Olimszeiten, als die Min - neſinger die iungen Dirnen zum erſtenmal empfindſam machten, waren ſie auch im Beſitz dieſer Rechte, welches daraus er - weislich iſt, weil die ſchlauen Vaͤter den peremtoriſchen Termin, wo die Maͤdchen dieſe Rechte geltend machen konnten, nicht leicht abwarteten, und den Kniff erfanden,die175die Toͤchter in der Kindheit zu vermaͤhlen. Darum ſchickte Koͤnig Andreas von Ungarn, ſein zartes Fraͤulein dem thuͤringer Ludwig ihrem Sponſum, in einer ſilbernen Wiege zu: denn er fuͤrchtete, wenn ſie einmal aus den Windeln geſchluͤpft ſey, moͤchte ſie ſich ſelbſt berathen, und da duͤrfts mit ſeinem Heurathsprojekt vorbey ſeyn. Gleichwohl ſcherzten die Engel bereits um die Wiege der heiligen Eliſabeth, und ließen eher himm - liſche als irdiſche Verliebtheit vermuthen. Haͤtten Sie Lottchen in der Wiege dem Vet - ter Anton zugeſchickt, ſo faͤnd ich gegen die vaͤterliche Eheberedung nichts einzuwenden. Aber iezt iſts damit zu ſpaͤt; eine Tochter von 18 Jahren laͤßt nicht ſo mit ſich ſchal - ten, wie eine von 18 Wochen. Ungeachtet der ſechs großen angebohrnen Suͤnden, die die geſezgebenden Braminen im Weibe fan - den, und welche faſt alle Moͤglichkeit von Tugend ausſchließen, halt ich Lottchen fuͤrein176ein tugendhaftes gutes Kind, und preiße Sie im Beſitz einer ſo wuͤrdigen Tochter gluͤcklich: aber den Eyd fuͤr Gefaͤhrde, daß ihr noch kein gluͤcklicher Juͤngling die Liebe inokulirt habe, moͤcht ich mir doch nicht de - feriren laſſen. Darum iſt mein wohlge - meinter Rath der, ſie gaͤben dem lieben Kin - de von Jhrem Vorhaben Bericht, und ver - naͤhmen ihre wahren Herzensgeſinnungen daruͤber. Was der iungfraͤuliche Mund auszureden zu bloͤd iſt, wird die reine trug - loſe Phyſiognomie frey ’raus bekennen. Sie wiſſen wohl, wenn der Gordiſche Ehekno - ten einmal geſchlungen iſt, kan ihn nur die Todesſenſe oder das Konſiſtorialſchwerd loͤſen.

Freund Spoͤrtler ſchuͤttelte mir traulich die Hand. Gute Rathſchlaͤge, ſprach er, aus eines Freundes Munde, ſind guͤldene Aepfel in ſilbernen Schalen. Jch begreife, daß die Methode der Vaͤter, die vollbuͤrti -gen177gen Toͤchter unbefragt wie Circaſſiſche Skla - vinnen zu verhandeln nichts taugt; aber ich finde die Methode der Toͤchter, ohne Vorwiſſen der Eltern ihr Herz zu verſagen, nicht um ein Haar beſſer, ſo landuͤblich ſie auch ſeyn mag. Jch bin ein ſtatu docili - tatis, und wuͤnſchte nur von der Lage des Herzens meiner Lotte iezt zuverlaͤßig unter - richtet zu ſeyn. Jhre Theorie hat mich an dem Maͤdchen ganz irr gemacht. Jm Fall ſie ein Liebesgeheimniß haͤtte, wuͤrd ichs ihr entreiſſen koͤnnen? Jn der - gleichen Augelegenheiten ſind Vaͤter wohl ſelten die Vertrauten. Eine ſchlaue Ge - ſpielin waͤr hier ohne Zweifel das be - quemſte Vehikulum; allein die fehlt Und Jhnen die Wahrheit zu geſtehen, mei - ner phyſiognomiſchen Einſicht trau ich in dem Fach der Liebeskunde wenig zu: ich bin ſeit vielen Jahren ganz aus der Rou - tine, die Phyſiognomie eines Maͤdchens zuMiudi -178iudiziren. Daher weiß ich mich hierinne an keinen Menſchen als an Sie zu wenden. Sie ſcheinen, wies die Art und Natur der Hageſtolze mit ſich zu bringen pfleget, uͤber die Liebe viel ſpekulirt zu haben, und ver - ſtehen aus dem Grunde ſeh ich, den iezigen Weltlauf derſelben, wie ein Kauffmann ſei - nen Wechſelcours verſtehet. Wie, ſollte das Herz eines iungen Maͤdchens ſo unergruͤnd - lich ſeyn, daß es ſich Jhrem Adlerblick ver - bergen koͤnnte? Jch gebe Jhnen bey die - ſem Auftrage Carte blanche, und hoffe daß Sie mich in einer Sache, die mir ſo ſchwer auf dem Herzen liegt, keine Fehl - bitte thun laſſen.

Das war eine boͤſe Kommiſſion! Jch haͤtte meinem Gaſtfreund lieber die Zeche zahlen, als ihm einen ſolchen Reuterdienſt leiſten moͤgen, und er haͤtte ſich nicht feiner fuͤr die Propos, die ich uͤber das zeitige Heurathskoſtum, mit aufliegender Waͤrme,doch179doch nur ſcherzweiß geaͤuſſert hatte, an mir raͤchen koͤnnen. Er drang mit ſolcher Entſchloſſenheit auf mich ein, daß ich mich durch keinen Seitenſprung retten konnte, und um ihn nur loß zu werden mich auf Diskretion ergab. So fremd mir indeſſen dieſe Art Geſchaͤfte war, und ſo untaug - lich ich mich erkannte, einem Maͤdchen ein Liebesgeheimniß abzulocken, beſchloß ich doch, weil das Verſprechen einmal heraus war, des Auftrags mich zu entledigen, und das Abentheur zu beſtehen.

M 2Fort -180

Fortſetzung. Zwey Verliebte naſen ſich.

Als Deſcartes ſeine Welt erſchuf, Leib - nitz die Differenzialrechnung, Franz Vieta die Algebra ausſpaͤhete, mags viel Kopfbrechens gekoſtet haben, und das Triebwerk des Verſtandes oft in Bewegung ſeyn geſetzt worden, eh die Wirbel, Zahlen und Signaturen, ſich nach dem Willen dieſer großen Denker in Formam artis be - quemten. Mir koſtet es ſchier eben ſo viel Anſtrengung des Geiſtes, einen mo - dum zu erfinden, mir Lottchens Herz auf - zuſchlieſſen; ich wuͤnſchte daß ſie durch die Thuͤr des Zutrauens mir freywilligen Zu - gang verſtatten moͤchte, wies einem ehrli - chen Manne ziemt, zur rechten Thuͤr ein -zugehen.181zugehen. Zwar ging der Gaudieb Nikol Liſt auch zur rechten Thuͤr ein, als er die beruͤhmte goldne Tafel in Luͤneburg ſtahl; aber er eroͤffnete ſolche durch einen diebi - ſchen Nachſchluͤſſel, brauchte Trug und Argliſt ſich des Kirchenraubes zu bemaͤch - tigen, welcher unerlaubten Mittel ich mich zu bedienen nicht geſonnen war. Allein durch eine nachfolgende Betrachtung dehnt ich dieſe Gewiſſenhaftigkeit ins weite. Jch erwog, daß iunge Dirnen gern Schaͤkerey und Muthwillen uͤben, die Horcher und Spuͤhrer ihrer Geheimniſſe aͤffen, durch betruͤgliche Offenherzigkeit den Zugang in ihr Herzkaͤmmerlein willig zu geſtatten ſchei - nen, und wenn der Kundſchafter angezo - gen kommt ſich drinn zu beſehen, ihm die Thuͤr vor der Naſe zuwerfen, ſich dar - hinter ſtellen wie Mutter Sara, und ſich von Herzen ſatt lachen. Darum macht ich noch andere Anſtalten, auch wider ihrenM 3Willen182Willen hinter das Liebesgeheimniß zu kom - men wenn eins vorhanden waͤr; erlaubte mir, entweder durchs Fenſter bey ihr ein - zuſteigen, und die Liebe ihr aus den Augen zu leſen, wenn ich ſie ſcharf drauf auſaͤhe; oder durch die Fallthuͤr der Liſt mich einzu - praktiziren, um das jungfraͤuliche Herz zu entfalten und es durch intrikate Fragen aus - zuforſchen. Jch vertiefte mich um dieſen Plan auszuſpinnen in weitſchichtige Medi - tationen, erhizte mich mehr als einmal da - bey biß zum Schwizpunkte, ſah ſo nach - denklich aus, wie Guido Bentirolus, als Jdeal eines politiſchen Geſchaͤftsmannes, und blinzte mit den Augen gegen die platte Wand uͤber, in der Stellung des indiani - ſchen Philoſophen auf ſeinem Lehrſtuhl, wie er in den Fragmenten abgebildet iſt. End - lich gedieh der Operationsplan ſo weit zur Reife, als er ſich im Kabinet auskluͤgeln laͤßt, das heißt, mit dem Vorbehalt daranzu183zu flicken, zu haͤmmern, zu dehnen, weg - zuſchneiden, ihn wie einen umgewandten Handſchuh nach Beſchaffenheit der Umſtaͤn - de fuͤr iede Hand zu gebrauchen.

Jch erkieſte die naͤchſte phyſiognomiſche Privatſtunde, die ich in der vaͤterlichen Bibliothek, mit Lottchen zuweilen zu hal - ten pflegte, zur Ausfuͤhrung meines Vor - habens; und wenn das Gleichniß in ſei - nem ganzen Umfange genommen, und auf ein Frauenzimmer angewendet, nicht auf eine unſaubere Nebenidee fuͤhrte, wuͤrd ich ſagen, daß ich meine Diſpoſition vorlaͤuffig dahin genommen haͤtte, das phyſiognomi - ſche Werk diesmal zum Taubenkropf zu gebrauchen, wodurch ich bello modo den Tranſitus zum Tentamen einzuleiten ge - dachte. Allein das Juͤngferchen wollt mir nicht zur Rede ſtehen, und lief gefliſſent - lich einigemal hinter der Schul weg, wor - aus ich nicht ohne Grund vermuthete, ſieM 4muͤſſe184muͤſſe etwas von der Sache wittern, und da war klar, daß Freund Spoͤrtler im ge - heimen Conclave ausgeſchwazt hatte. Jch hab es oft bemerkt, daß es mit der Maͤn - ner Heimlichkeiten die Bewandniß hat, wie mit den Geheimniſſen des Hofs, die man ſich dort vertraulich ins Ohr raunt, wenn ſie in der Stadt bereits la nouvelle du jour auf allen Gaſſen ſind. Wie oft wer - den am Puztiſch von der Gemahlin, am Nehrahmen von der Zofe, oder vor der Bratpfann von der Koͤchin des Miniſters Affaͤren ventilirt, die in der Geheimen - rathsſtube gar große Geheimniſſe ſind?

Eh und bevor ich eine guͤnſtige Stunde ablauren konnte, Kraft habenden Auftrags mein Wort anzubringen, kamen unvermuthet eines Tages Vetter Anton et Sohn in Kompanie, in einem engliſchen Schwanhals ſtattlich angeſchwommen, in der Jntention den verabredeten Ehehandelzur185zur Richtigkeit zu bringen, welches denn bey dermaligen bedenklichen Zeitlaͤuften, ſo lieb und angenehm der Beſuch zu ieder andern Zeit geweſen waͤr, das ganze Haus in Verwirrung ſezte, beſonders da zufaͤlli - ger Weiſe in der Mittagsſtunde der Freund Weißmantel einſprach, und uͤber dem es ſich fuͤgte, daß der veramorte Prediger bey Abnahme der Kirchrechnung den naͤmlichen Tag ex officio von dem Beamten gaſtiret werden mußte.

Drey Freyer um eine Braut, drey Aerzte bey einem Krankenbett, drey Aus - leger der hohen Offenbahrung in einem Bande, drey Phyſiognomiſten uͤber einer - ley Geſichtsform, und alle tria juncta in uno, die ſo zuſammen treffen wie die ge - nannten Dreyheiten, ſtimmen ſchwerlich in ihren Meinungen und Benehmen uͤberein. Daher gabs fuͤr den phyſiognomiſchen und pathognomiſchen Beobachtungsgeiſt hierM 5Nah -186Nahrung voll auf. Wahrlich, eine inte - reſſante Scene! Wie da alles lebte und webte, Gefuͤhle ausſtroͤhmten, Blicke und Mienen uͤber zwerch und in die Laͤnge ſich begegneten und durchkreuzten, an einander zerſchelleten, und wie ein Kompetent den andern damit in den Abgrund zu ſegeln ſtrebte. Seit der beruͤhmten Freyerſcene beym Tamburin der Dame Penelope, muß keine wieder ſo denkwuͤrdig geweſen ſeyn als die Geroldsheimer. Schade, daß der Geſchwindſchreiber, der die Leichname im phyſiognomiſchen Kabinet radirt hat, nicht zur Hand war, um durch die herrliche Er - findung ſeiner Buchſtabenformeln die ganze Verhandlung zu protokolliren. Hat mir wollen verſichert werden, daß es derſelbe in ſeiner Kunſt ſo weit gebracht, daß er eine große Wette eingegangen, eine ganze Kirchengemeinde waͤhrend der Predigt durch ſeine Formularſchrift phyſiognomiſch zucharak -187charakteriſiren, welches ihm denn auch der - geſtalt gelungen, daß er mit ſeiner Ver - zeichnung zu Stande gekommen ſey, eh noch der Klingelbeutel herum geweſen, und nicht nur das weibliche Auditorium im Kirchſchiff ſammt und ſonders, ſondern auch drey Emporkirchen uͤber einander, Mann fuͤr Mann, incluſive des Pfarrers, Cantoris und Altarmannes, nach allen be - deutſamen Geſichtszuͤgen ſeiner Schreibtafel einverleibt habe. Eine ſeiner Formeln nuͤzt ich indeſſen doch fuͤr den Vetter Anton Senior, deſſen Geſichtsform beſonders auf - fallend war, und ziemlich mit der Formel Pagina 48 der erſten Oeffnung: B. M. W. g. r. B. M. W. g. r. uͤberein kam. Das iſt verdollmetſchet: ein wuͤrfelfoͤrmiger Kopf mit eingebauchter Stirn, tiefliegenden Au - gen, eingebogner Naſe, ovalen Ohren, beygedruckten Backen, kleinem Munde mit duͤnnen Lippen, ſpitzigen magern Kinn,von188von braͤunlicher Farbe und rothen Haaren. Eine drollige Kompoſition! die ich nicht in der Natur zu ſeyn vermuthete, wenn ich ſie nicht uͤber Tiſch zum vis à vis gehabt haͤtte. Jch iudizirt daraus fuͤr eine zu - kuͤnftige Schwiegertochter eben nicht viel anlockendes: denn ob der Ehrenmann wohl nicht darnach ausſah, als wenn er mit den Koͤnigreichen wuͤrd Schach geſpielt haben, wenn ihn das Schickſal von der Weintonne auf den Thron oder ins Kabinet verpflanzt haͤtte: ſo ſchiens doch, als wenn er in ſei - nen vier Pfaͤhlen ein ſtrenger Deſpot ſey, und da ieden Stein im Schachſpiel nach ſeinem Willen ruͤckte. Auſſer dem war er in ſeinen Handlungen ſehr puͤnktlich und taktmaͤßig, voͤllig der Mann nach der Uhr, glaub daß er ſo gar in immer gleichen Zeitlaͤngen, den Tag uͤber zwoͤlfmal wie der egyptiſche Kynokephalus, das Waſſer laſſe.

Dage -189

Dagegen machte Vetter Anton Junior keine uͤble Figur, war von lebhaftem An - ſehen, als trieb er ſein Gewerb aͤmſig, die vaͤterlichen Weine zu koſten und den Keller zu revidiren. Seine Konſtitution verſprach einen ruͤſtigen Stammhalter; nur mocht ihm der Roſt des Knabenſcheues noch nicht abgerieben ſeyn; die Suada praͤſidirte we - nigſtens nicht auf ſeinen Lippen, wiewohl Huarts Bemerkung hier nicht zutraf, daß der Sohn oft den großen Verſtand des Vaters bezahlen muͤſſe. Er thaͤt aͤngſtlich und befangen bey jedem Wort, das er vor - bracht, und ſchielte ſo verſtohlen nach dem Maͤdchen, als ſeys nach einer verbotenen Frucht.

Sein Auge dumm und ehrlich,
Schien gaͤnzlich nicht gefaͤhrlich.

Jch urtheilt, daß er damit eben keine Er - oberung machen duͤrfte; wiewohl der Witz - ler F*aff, als einer der Waden nnd NaſenPhilo -190Philoſophen, ſein Gluͤck ihm dennoch nicht wuͤrde verſagt haben. Lieblich wars anzu - ſchauen, wie das ſanfte Maͤdchen, ob - ſchon von drey Seiten her belagert, ihrer Schanze ſo wohl wahrnahm, daß ihr nicht abzumerken war, auf welchem Bollwerk ſie die weiſſe Fahne ausſtecken wuͤrde um zu kapituliren.

Ueber Tiſch wurde von den gleichguͤltig - ſten Dingen geſprochen; aber die Panto - mime welche die Geſellſchaft waͤhrend der Mahlzeit auffuͤhrte, erklaͤrte mir vieles, die vorſeyende Freyerintrigue betreffend. Erſt bemerkt ich, daß ieder Freyer wußte was der Andre im Schilde fuͤhrte, wenn ſichs ſchon keiner oͤffentlich austhaͤt. Zum an - dern war erſichtlich, daß auch Lottchen von dem geheimen Anliegen eines iedweden gute Kundſchaft hatte, und wohl wußte, daß ſie der goldue Apfel ſey, um den die Par - theyen ſich zankten. Und ob ſie gleich beydem191dem Anpochen und Lermen der Sponſirer von auſſen, Thuͤr und Fenſterlaͤden wohl verſchloſſen hielt, daß all mein Viſiren und Gloſtern vergebens war, aus dem Gedrittenſchein des Freyeradſpekts den be - guͤnſtigten Liebhaber heraus zu finden: ſo ſchien doch, ungeachtet der vom Vater mir angeruͤhmten Unerfahrenheit ihres Herzens, die Mutter Natur den treuen Unterricht ihr nicht vorenthalten zu haben, den ſie keiner ihrer iugendlichen Toͤchter verſagt: die auf - bluͤhenden Reize als Nez und Schlingen zu gebrauchen, um die Anſtauner Kluppweiſe drein zu knuͤpfen, anzureihen und wenig - ſtens aus Eitelkeit damit ſo zu paradiren, wie die haͤußliche Mutter einen Bund Schluͤſſel an den Schuͤrzhacken trug. Die Jungfer hatte diesmal ihren Anzug ſorg - faͤltiger gewaͤhlt, wenns gleich nur an ei - nem Werkeltag war, als die zween Sonn - tage vorher, da ich ſie zur Kirche fuͤhrte. Sie192Sie war ſo recht à la Lotte, hatte auch die verfuͤhreriſche Schluppe am blendenden, halb ſichtbarlich durch Milchflohr ſchim - mernden Buſen nicht vergeſſen. Wer, der dieſen erquickenden Anblick genoß, buͤckte ſich nicht tief, vor dem toͤdtenden und be - lebenden Quellgeiſt, der daraus dem Schauer entgegen wallete? Dabey kam eine zauberiſche Cirkaſſienne dem ſchlanken Leibeswuchs trefflich zu Statten, der nach dem griechiſchen Kuͤnſtlermaaß, neun Kopfs - laͤngen zu halten ſchien. Ein Langbefinger - ter haͤtt ihre Taille leicht umſpannen koͤn - nen, wenn anders das einen Reiz fuͤrs Auge haben kan, was den Naturgeſetzen ſchnurſtracks zuwider iſt. Die Schnuͤrlei - ber haben ihre Wighs und Torris, ihre Guelphen und Gibelliner eben ſo gut, wie die brittiſche und ehemals die waͤlſche Staatsverfaſſung. Jch hab auch aus ſtatt - haften Gruͤnden mich immer zur Partheyder193der Gegner geſchlagen, und die geſchnuͤrten Maͤdchen ſo geſchmackloß und widernatuͤr - lich befunden, als der ſelge Winkelmann den verhunzten und ſchaͤbigten Kontur der griechiſchen Buchſtaben, ſeit dem Zeitalter des Robert Stephanus. Es iſt kein Licht und Schatten mehr, ſprach ich oft, im ganzen weiblichen Koͤrper: die faſt unmerk - liche Hebung und Senkung, Schwellung und Vertiefung, welche den Buchſtaben die Grazie giebt, theilt ſolche auch der Ober - flaͤche des menſchlichen Koͤrpers mit. Wenn alles gerad und eben iſt wie ein Bret, oder der weibliche Leib in einen fiſchbeinern Trichter eingepreßt wird, daß er das Anſehen eines abgeſtuͤmpften Kegels, oder eines umgekehrten Zuckerhutes ge - winnt: ſo ſchwindet alle Lieblichkeit und Anmuth davon. Warum ahmt doch das weibliche Geſchlecht, durch Aufblehung der Huͤften mit Poſchen und Reiffen, und Ver -Nduͤnnung194duͤnnung der Taille mittelſt der Schnuͤr - leiber die Mißgeſtalt der Jnſekten nach, deren Leib auch nur durch eine duͤnne Roͤhre zuſammen haͤngt? Dieſe gar vernunft - maͤßige Betrachtung widerlegte Lottchens wohlgepaßte Cirkaſſienne, durch ein einzi - ges Argument per induitionem. So eine bedeutſame Phyſiognomie indeſſen dieſer An - zug, in Beziehung auf die Verfaſſung des iungfraͤulichen Herzens hatte, ſo wenig ſchien der ſchlichte geradſinnige Vater dar - auf zu achten, der fuͤr dieſes phyſiognomi - ſche Phaͤnomen keinen Sinn hatte. Ueber - haupt war er, meiner Meinung nach, in der geheimen Geſchichte ſeines Hauſes ſehr unerfahren, dagegen ſchienen ſeine Geheim - niſſe das Maͤhrchen der ganzen Hausgenoſ - ſenſchaft zu ſeyn.

Jn Zeit von 24 Stunden, hatte die ere - tiſche Gaͤhrung durch Lottchens Reize, bey dem Freyertriumvirat maͤchtig zugenom -men.195men. Was fuͤr Unterhandlungen im Ka - binet moͤgen ſeyn gepflogen worden, kan ich nicht ſagen, weil ich da nicht Sitz und Stimm inn hatte, wie in dem Burgholz - heimer Halsgericht, und hier nur ins Pu - blikum des Geſellſchaftszimmers gehoͤrte. Oeffentlich ergab ſich ſo viel, daß die Er - wartung aller Kompetenten auf gleiche Art geſpannt war, und ieder ſich mit der Hoff - nung ſchmeichelte, der Treffer werd auf ſein Looß fallen. Die Batterien waren von allen Seiten angelegt die Felſenburg zu er - obern, und die Braut heimzufuͤhren; mit - unter ließ ſich ein halblauter, halbzuruͤck - gepreßter Seufzer hoͤren, wie der dumpfe Schall einer in der Fern abgefeuerten Ka - none. Auf den Nachmittag hielt ich das Minneſpiel nicht laͤnger aus, ſtahl mich un - vermerkt aus der Geſellſchaft in die Biblio - thek, nahm die Fragmente zur Hand, um die erſchlaffte Federkraft meiner Seel wiederN 2zu196zu erwecken. ’S dauert nicht lang ſo oͤff - nete ſich die Thuͤr, trat herein die Spoͤrt - leriſche Grazie, mit ſanftem unſchuldigen Guͤtevollen Geſicht; ihre Wangen waren hoͤher geroͤthet als gewoͤhnlich, und ihr Herz ſchien etwas beklommen zu ſeyn. Daraus urtheilt ich, daß ſie gleichfalls bey dem Gedraͤng der Freyerinſulten um ſie her, zu einer weiſen Retirade ſich entſchloſ - ſen habe; dacht: ha! das iſt vielleicht die guͤnſtige Stunde wo ich lang nach getrach - tet hab, mich meines Auftrags zu entſchuͤt - ten. Both augenblicklich alle Lauerſamkeit und Spaͤhkraft in mir auf, und verſuchts kecklich ein Leimruͤthlein aus dem phyſiogno - miſchen Koͤcher hervorzulangen, und es ihr unvermerkt in den Weg zu legen, ob ich da - durch ihr Liebesgeheimniß erhaſchen koͤnnte; oder wenigſtens einige Federlein darauf moͤch - ten bekleben bleiben, daraus ich abnaͤhm, was fuͤr ein Vogel in ihr zartes Herz geniſtet habe.

Jch197

Jch nahm den Beſuch fuͤr bekannt an. Sie kommen wie gerufen, ſprach ich, indem ich ihr einen Stuhl ans Pult ruͤckte, ich hab eine intereſſante Lektion fuͤr Sie, wenn Sie Luſt und Muße haben eine Viertel - ſtunde hier zu verweilen, und die Geſell - ſchaft nicht zu viel dadurch verliehrt. Sie beantwortete dieſen Knopf mit einer beſchei - denen holdſeligen Gebehrdung, ſprach: der Papa wolle die Herren eben in ſeine Plan - tage fuͤhren, und nahm darauf gar zuͤchtig an meiner Seite Platz.

Sonſt iſts nicht meine Manier aus der Schul zu ſchwatzen, habs auch nie verſucht ein vertraulich tête à tête mit einem Maͤd - chen zu Papier zu bringen, deren ich zu Zeiten wohl gehabt habe; waren aber nicht all von der Beſchaffenheit, daß ſie fuͤr den dritten Mann getaugt haͤtten. Denn ſo ſehr ſich auch der Solus cum Sola daraus ergoͤtzen und erbauen mag, ſo giebts dochN 3unter198unter dieſen geheimen Dialogen ſo viel Schofelzeug wie in einem Meßkatalogus. Was das Geſpraͤch mit Lottchen unter vier Augen anbetrift, welchen Werth es an ſich haben mag, hoff ich wenigſtens nicht daß ſich die Jugend daran aͤrgern werde. Alſo:

Sie und Jch.

Jch. Wir haben lang gnug Silhouetten gemuſtert, laſſen wir fuͤr heut das taͤu - ſchende Schattenſpiel, und ſuchen uns reel - lere Nahrung fuͤr Geiſt und Herz. Jch daͤcht wir naͤhmen ein Vollgeſicht, oder ein ausgefuͤhrtes Profil vor. Schlug im dritten Theil, gleichſam zur Voruͤbung, Raphaels Bild auf. Was ſagen Sie zu dieſem Geſicht?

Sie. Nicht halb ſo viel Gutes, als Herr L. davon geſagt hat.

Jch. Wie? Finden Sie es nicht ſo ein - fach, ſo vollfuͤhlend, ſo Luſtempfaͤnglich, ſover -199verliebt verſchlingend, als es der Text charakteriſirt?

Sie. Das alles; aber ich kan die ver - liebten Verſchlinger nicht ausſtehn, darum bin ich dem Raphael gram.

Jch. Jn gewiſſem Verſtande moͤgen Sie wohl Recht haben; aber im Kuͤnſtlerſinn ſind die verliebten Verſchlinger nicht ſo widerlich wie im ſentimentaliſchen. Hier deutet das Wort auf Kuͤnſtlerenthuſiaſmus, und erklaͤrt ſich aus dem Beyſatz: trunken im Sehen und Fuͤhlen.

Sie. Mir kommt das Geſicht ſehr nuͤch - tern vor, es hat meiner Empfindung nach ein ſuͤßlich fades Anſehen, dadurch mirs zuwider wird. Doch kanns ſeyn, daß ich mit den Augen der Liliputianer ſehe, denen das viereckig war, was die Hofparthey rund erblickte.

Jch. Wunderbar! Ein phyſiognomi - ſcher Kunſtrichter hat dieſe AbkonterfeyungN 4gerad200gerad ſo beurtheilt wie Sie. Spricht: es ſey nichts weiter, als ein wolluͤſtiges Wei - bergeſicht. Hab ihn dieſes Urtheils wegen fuͤr einen kalten Krittler ohne Sehkraft aus - geſcholten; allein da er mehr unpartheyi - ſche Stimmen auf ſeiner Seite hat, waͤhn ich ſchier, Raphaels Pinſel hab auf Lava - ters Urtheil mehr Einfluß gehabt, als ſein Geſicht. Dem ſey nun wie ihm woll, ſo viel iſt klar, Raphael ſey nicht Jhr Mann.

Sie laͤchelnd. Wollen Sie mir denn einen Mann in den Fragmenten ſuchen?

Jch. Bewahr Gott! den moͤgen Sie ſich ſelber ſuchen, wenn Jhr Herz nicht ſchon gewaͤhlet hat, nur moͤcht ich Jhre Favoritphyſiognomie im Buche kennen.

Sie. Jch wuͤßte keine.

Jch. So bin ich erboͤthig, Jhnen ein Favoritideal nachzuweiſen. Jſt mir ver - ſichert worden, daß in der katholiſchen Chri - ſtenheit die iungen Frauensleut, wenn ſieeinen201einen Heiligen ſich zum Schutzpatron erkie - ſen, zu gleicher Zeit auch einen leiblichen Cizisbeo ins Herz zu ſchließen pflegen. Der erſte Brauch iſt in der unkatholiſchen Welt abgekommen, der andere hat ſich immer er - halten. Jezt ſagt das Geruͤcht, unſre iun - gen Damen brauchten die Fragmente wie einen Heiligenkalender, um ſich eine Favo - ritphyſiognomie zu ihrem Herzpatron dar - aus zu ſuchen. Zwar ſind gar wenige von den Portraits zu dieſer Patronſchaft qualifi - zirt: es ſtehn aber auch gar viel Heilige im roͤmiſchen Kalender, die keine Klienten ha - ben. St. Blaſius, St. Kilian, St. Fabian Sebaſtian ſtehn ganz verlaſſen da, wenn dem heiligen Antonius von Padua die Seelenpfleglinge Hauffenweiß zuſtroͤmen. Schauen Sie hier den phyſiognomiſchen St. Antonius! den allgemeinen Herzpa - tron der weiblichen Kunſtgenoſſenſchaft. Blaͤttert raſch im Buche fort biß PaginaN 5180,202180, iſt daſelbſt zu ſehn im Proſil Sir Benjamin Weſt, von mir zubenannt Par - thenorcetes, weil ſchwerlich eine iunge Be - ſchauerin duͤrfte gefunden werden, die nicht, wenn ihr Herz anders noch unbefangen iſt, in dieſe gluͤckliche Phyſiognomie mehr oder weniger verſchwebt waͤr, und ſie insgeheim zum Freyerideal ſich auserſaͤhe. Was ſagen Sie zu dieſem Geſichtgen? Jſt das nicht ’n lieber Junge?

Sie aufgeheitert. Ein vortrefflich Ge - ſichtgen! wie der Text ſagt. (Sie laß,) das Ganze ſtiller Adel, Reinheit, Gleichheit, Sanftheit, nicht fade Glattheit. Sehr wahr! Man ließt das alles mehr aus dem Geſicht als aus dem Buche.

Jch. Hier hats Freund L. ſeh ich, mit ſeiner Deutung Jhnen doch zu Danke ge - macht, das freut mich. Sir Benjamin waͤr alſo wohl Jhre Favoritphyſiognomie?

Sie.203

Sie. Das haben Sie, wenn Sie mich zur weiblichen Kunſtgenoſſenſchaft zaͤhlen, bereits entſchieden.

Jch. Jch geſtehs, ein Geſicht wie dieſes, noch dazu mit einer ſo empfehlenden Jnter - pretation, hat viel anziehendes, und ied - wedes Frauenzimmer, das nicht an die ſtrenge Geluͤbde der Tochter Jephta gebun - den iſt, Jncidenter! ich geſelle mich nicht zu der exegetiſchen Wuͤrgerzunft, die das arme Maͤdchen unbarmherzig abſchlach - tet, ſondern zu den mildern Auslegern, die dafuͤr halten, ſie habe nolens volens eine ewige Keuſchheit geloben muͤſſen. Denn wie wuͤrde ſichs ſchicken, wenn die Tochter eines Helden, drey Tage lang zag - haft um ihr Leben haͤtte weinen wollen? Das haͤtt ihr wenig Ehre gebracht, und der Vater wuͤrd ihr zu einer ſo unedlen Klage auch keine dreytaͤgige Friſt verſtattet, ſondern in der erſten Stund ihr den Halsabge -204abgeſchnitten haben. Es waren keine fei - gen, ſondern empfindſame Thraͤnen die ſie weinte, weil ſie das ſuͤße Ehegluͤck entbeh - ren und ihren Herzpatron, den ſie vermuth - lich ſich ſchon auserkohren hatte, auf ewig verabſchieden mußte. Jedes Frauen - zimmer ſag ich, das nicht in dem Fall iſt, ein ſo furchtbar Geluͤbde ablegen zu muͤſſen, iſt berechtiget, den zukuͤnftigen Chefreund ſich nach dieſem Jdeal vorzubilden. Wuͤſt ich wo der Juͤngling anzutreffen waͤr, aus deſſen Phyſiognomie die ſchoͤne Herzrubrik des Skweir Weſt hervor leuchtete, wahrlich, Lottchen! ich ſags unverhohlen, heute noch fuͤhrt ich den Jhnen zu. Aber ieder, der ſich unterfing um Jhre Hand zu werden, und dieſem Jdeal nicht gleich kaͤm, Gott gnad ſeiner armen Seele! der haͤtts mit mir zu thun, ich wuͤrd eine ſcharfe Lanze mit ihm brechen, und ihn auf den Sand ſetzen, ſo wahr ich lebe!

Sie205

Sie gar ehrbar und beſcheiden. Sie ſind ſehr guͤtig. Jch gebe Jhnen aber die Verſicherung, daß ich auch nie eine Ver - bindung eingehen werde, bey welcher mir nicht das Gefuͤhl meines Herzens, die hier geruͤhmten Eigenſchaften wahrnehmen laͤßt.

Nun hielt ich dafuͤr, daß es gerechte Zeit ſey meine Schlinge zuzuziehen. Jſt Jhnen, ſprach ich, wohl in Jhrem Leben eine gluͤckliche Phyſiognomie vorgekommen, auf welche nach Jhrem Gefuͤhl dieſe Formel waͤr anwendbar geweſen?

Sie. Die Wahrheit zu ſagen, ich habe noch nie eine ſolche Vergleichung angeſtellt.

Jch. Machen Sie doch zur Uebung ei - nen Verſuch damit, ſuchen Sie unter Jhren Bekannten ein wenig um, und muſtern Sie die Jhnen vorſchwebenden Phyſiognomien derſelben, nach dieſem Modell durch, da - mit ich erfahre, ob Sie phyſiognomiſches Talent haben.

Sie.206

Sie. Dieſe Aufgabe iſt mir noch zu ſchwer. Wenn Sie erlauben, will ich mir eine leichtere aufſuchen.

Jch. Sie ſoll Jhnen leicht werden, ich will Jhnen die Hand fuͤhren, um die Grund - linien der Aehnlichkeit auszuziehen. Wir wollen, weils gleichguͤltig iſt was fuͤr Per - ſonen wir zur Aſſimilation waͤhlen, die Tiſchgenoſſenſchaft von heut und geſtern, die Jhnen doch im friſchen Gedaͤchtniß iſt, vornehmen. Finden Sie zum Exempel nicht eine Aehnlichkeit, zwiſchen dem iungen Vetter Anton und unſerm lieben Weſt?

Sie. O ia, ſehr viel Aehnlichkeit!

Halt dacht ich, iezt komm ich ihr auf die Spuhr! darum ſprach ich: Es iſt ganz daſſelbe Geſicht, derſelbe Uebergang von der Stirn zur Naſe. Jm Munde die naͤmliche reine weibliche Sanftheit.

Sie munter. Ja wahrhaftig!

Ein207

Ein gutes Anzeichen, dacht ich. Wollt weiter aſſimiliren, kam mir aber ein Queer - holz in den Weg, weshalb ich flugs aus - beugen mußt daß ich dabey herum kam. Auch im Munde, fuhr ich fort, eben der denkende Geſchmack. Hab das ſonderlich obſervirt, als er bey Tiſch das erſte Glas Wein trank, wie er Gewaͤchs und Jahr - gang mit denkendem Geſchmack pruͤfte. Sehn Sie wohl: ieder Menſch nach ſeiner Art. Skweir Weſt iſt ſeiner Profeſſion nach ein Kunſtmaler, und Freund L. ſagt ihm denkenden Kuͤnſtlergeſchmack aus dem Munde zu, obgleich der Mund mit der Ma - lerprofeſſion nichts gemein hat. Mit groͤſ - ſerm Rechte kan Vetter Anton vermoͤge des Mundes auf Geſchmack Anſpruch machen: Denn er braucht ſolchen tagtaͤglich, als ein Werkzeug des Geſchmacks, bey Ausuͤbung ſeiner Weinſchmeckerprofeſſion. Durch oͤf - tere Uebung hat ſein Mund einen gewiſſenAus -208Ausdruck von Geſchmack bekommen, den ihm kein Phyſiognomiſt ableugnen kan. Ganz anders verhaͤlt ſichs mit den uͤbrigen Tiſchgenoſſen. Herr Druͤſchling iſt ein fei - ner iunger Mann, der keinen Tadel hat, und bey deſſen Aublick unphyſiognomiſche Maͤdchen, die keinen Benjamin geſehen ha - ben, leicht in die Verſuchung kommen koͤnn - ten, ſeine Geſtalt zum Freyerideal zu waͤh - len. Ungeachtet der Eurythmie ſeiner Linea - menten aber, bin ich nicht vermoͤgend die mindeſte Aehnlichkeit zwiſchen beyden Ge - ſichtsformen zu entdecken.

Sie. So? Meinen Sie?

Jch. Meine Kunſt oder mein Auge muͤßt mich truͤgen wenns anders waͤr; doch irren iſt menſchlich. Bemerken Sie vielleicht zwiſchen beyden Geſichtsformen et - was uͤbereinſtimmendes?

Sie. O ia, ſehr viel Aehnlichkeit!

Ver -209

Verwuͤnſcht! Dieſe Antwort war wieder ein Riegel vor die Thuͤr des iuͤngferlichen Herzens, und mein Spaͤhungsgeiſt, als ichs genau beſah, fand ſich exmittirt; ob ich gleich waͤhnt, es ſtuͤnden mir beyde Fluͤgel - thuͤren offen, und ich koͤnnt mich gemaͤch - lich drinn beſehen. Weil ich nun nicht ſo leer wollte mich abweiſen laſſen, verſucht ichs auf ein andre Manier, vermeint durchs Fenſter einzuſteigen, ſah ihr ſcharf in die Augen und ſprach: ſo belehren Sie mich doch, wo Sie die geruͤhmte Ueberein - ſtimmung beyder Phyſiognomien wahrzu - nehmen glauben?

Sie. Das weiß ich Jhnen aus den Ge - ſichtszuͤgen nicht zu ſagen. Aber Herrn La - vaters Urtheil uͤber Weſts Profil, duͤnkt mich ſo gut auf den Herrn Druͤſchling als auf den Vetter Anton anwendbar zu ſeyn, und dar - aus vermuthete ich, daß auch die Geſichter harmoniren muͤßten.

ODas210

Das ſprach ſie mit ſo vieler Kaltbluͤtig - keit, mit ſo vieler Ruh im Auge, daß ich ihr daraus nichts vom Praͤdilektion abmer - ken konnte. Hm! dacht ich, ſollte wohl gar der Selenit hier im Hinterhalt liegen? Wollen doch ’nmal dieſe Saite anſchlagen, um zu hoͤren wie der ganze Freyerakkord zu - ſammen ſtimmt. Jch replizirte ganz gleich - muͤthig: die Mutter Natur hat Jhnen, ſeh ich, die Schlußkunſt ſo gut gelehrt, als wenn Vater Ariſtoteles Jhnen ſein Organon geliehen haͤtte. Wenn aͤhnliche Grundzuͤge aͤhnliche Urtheile hervorbringen: ſo laſſen ſich auch von mehrern Perſonen, auf die einerley phyſiognomiſch Urtheil paßt, uͤber - einſtimmende Grundzuͤge vermuthen. Ganz recht! Dem ungeachtet kan ich Jhnen hier einen Einwurf machen, der dieſen Vernunft - ſchluß klar widerlegt. Jch befind, daß die Epikriſis uͤber Sir Weſts Profil genau auf den iungen Prediger allhier paßt. DasGanze211Ganze ſtiller Adel, Reinheit, Gleichheit, Sanftheit, nicht fade Glattheit. Der Ue - bergang von der Stirn zur Naſe, hier der Sitz ſeiner Mißkontemplationen, hier die Quelle der unuͤberlegten Laͤnge ſeiner Pre - digten, beſonders wenn er Sie im Kirch - ſtuhl der Kanzel gegenuͤber hat. Biß zum Naſenloche geht der reinſte Ausdruck von ge - ſundem Menſchenverſtand, erloͤſcht ſchon ein wenig unter der Naſe, und im Munde fin - det man nicht mehr ſeine Staͤtte, beſonders wenn er ihn zum Sprechen oͤffnet. Sehn Sie nur, das all trift unter einer geringfuͤgigen Accomodation auf’n Haar zu, und demungeachtet ließ ſich des Magiſters Phyſiognomie, wenn ſie nicht ganz ſollt umgeſchmolzen werden, wohl ſchwerlich in Sir Weſts Form druͤcken.

Sie. Jch daͤchte doch.

Jch. Wie? Sie finden auch hier in bey - den Geſtalten Uebereinſtimmung?

O 2Sie.212

Sie. O ia! ſehr viel Aehnlichkeit.

Botzelement! dacht ich, mit all der Aehn - lichkeit! Nun bin ich gerad ſo klug wie in dem Augenblick, da Lottchen ins Zimmer trat. Sie wurd eben abgerufen, und alſo war fuͤr diesmal die phyſiognomiſche Lektion beſchloſſen. Als ich allein war, hielt ich folgendes Selbſtgeſpraͤch an mich: Wahrlich eine ſeltſame Lufterſcheinung! Wie ſoll ich mir das erklaͤren, um Wahrheit dar - aus zu ergreiffen? Das loſe Maͤdchen ge - ſteht ein, Skweir Weſts Profil ſey ihr Lieb - lingsideal, und ein Freyer nach dieſer Form werd ihr nicht mißbehagen. Nun ich gar pfiffig Teig von mancherley Kompoſition in die Form ſchuͤtte, um zu erforſchen was ihr ſchmecke, beliebt ihr von allem. Heißt das ſo viel, daß ſich ihre Liebe auf die ganze Chriſtenheit erſtreckt, und ieder Freyer ihr recht ſey? Haͤtt ich ihr noch zwanzig iunge Burſche hernennen moͤgen, ſo wuͤrden ſieuͤberall213uͤberall mit ihrem Herzpatron ſehr viel Aehn - lichkeit gehabt haben. Oder iſt ihr Herz noch res nullius die dem erſten Beſitzneh - mer anheim faͤllt, ſich bloß leidend verhaͤlt und alles ſich gefallen laͤßt? Oder ſollte ſie wohl gar mein Abſehen vermerkt und ihr muthwilliges Spiel mit mir getrieben haben mich zu hetzen? Toll genug! Aber wenn ich ihre Phyſiognomie betracht, die offne Stirn, ihr unbefangnes Auge, aus dem keine Schalkheit hervorſieht, die Tink - tur von Beſcheidenheit und mackelloſer Un - ſchuld im naifen Blick und in den Mienen: ſo kan ich ihr weder die Verſchmiztheit noch den Muthwillen zutrauen, mich am Narren - ſeil umfuͤhren zu wollen. Daß ſie allen Freyern gleichen Werth giebt iſt mir viel - mehr Beweiß, daß ſie keinen ins Herz ge - ſchloſſen habe, und ich urtheile daraus, ſie gehoͤre in der Gemeinde der Liebenden noch nicht zu den Jnſpirirten, ſondern zur Jn -O 3differen -214differentiſten Sekte. Jſt auch wohl moͤg - lich, daß die genannten Sponſirer nur Tur - malinen oder ſo genannte Aſchenzieher fuͤr ſie ſind, und der wahre Herzmagnet, dem ſie dermaleinſt anhangen wird, ſeine anzie - hende Kraft auf ihren gegen die Liebe ge - ſtaͤhlten Buſen noch nicht geaͤuſert habe. Das gute Kind ſcheint zur Zeit kalt wie Eiß, naͤmlich wie das Stuͤck Eiß, das Anno 40 als der große Winter war, bey der Aka - demie zu St. Petersburg, nach den Regeln der Optik zu einem Brennſpiegel aptirt, und dadurch an der Sonne Holz und Stroh an - gezuͤndet wurde, welches gleichwohl, als dieſe Materialien Feuer gefangen hatten, hernach gar behend von den Flammen ſoll geſchmolzen ſeyn. Duͤrfte ſich das hier wohl auch begeben: die drey Kompetenten brennen traun! lichterloh wie duͤrres Holz. Sollt ihr zartes Herz bey dieſer Liebesglut nicht auch zerſchmilzen, ſo waͤrs ein ſicherZeichen,215Zeichen, daß ein unbekannter Schirmvertre - ter dazwiſchen ſtuͤnd, und der uͤbermaͤßigen Hitz abwehrte, daß ſie nicht wirken kan.

Das lezte war mir doch um deswillen nicht glaubhaft, weil ſie ſo entſchloſſen war, ſich ein Freyerideal zu waͤhlen, welches, wenns auch nur zum Schein geſchehen waͤr, die hellreine Politur der erſten Liebe, durch einen Anhauch von Untreu und Leichtſinn, in ihrem zarten Gewiſſen wuͤrde getruͤbet haben.

Dieſe Betrachtung bewog mich, weil ich nicht hoffen konnt, mit dem Vater der Gaͤſt halber in ſeiner Tabagie des Abends Unter - redung zu pflegen, ihm uͤber dieſe Verhand - lung einen ſchriftlichen Nachtrapport zu machen, den ich wie folget konzipirte.

Werther Freund.

Kan nicht umhin, Denenſelben im Ver - trauen zu eroͤffnen, daß ich heut Nachmittag, nachdem mir Lottchen, weiß nicht warum,O 4bißher216bisher immer ausgewichen, endlich Gelegen - heit gefunden, ihre Geſinnungen im Betreff der erſten Liebe auszuforſchen. Bin zwar nicht allerdings damit zu Stande gekommen, wie ich wohl gewuͤnſcht haͤtt: verhoff den - noch, Jhnen von der Situation ihres Her - zens ſattſame Auskunft zu geben, um Jhre Maaßregeln bey den vorſeyenden Ehehaften darnach zu nehmen. Weiß nicht gleich, welcher Pſycholog irgendwo behauptet, die Seel eines Kindes, das noch keine Jdeen hat, ſey zu vergleichen einer reinen glatten Tafel, auf die noch keine Schrift eingegra - ben iſt, auf welche ſich aber alle Charaktere, wie man nur wolle, leicht verzeichnen laſſen. Gerade ſo und nicht anders iſt das Herz Jhrer Tochter beſchaffen in Abſicht der Liebe, glatt und rein wie eine Spiegelflaͤche, gegen den unermeßlichen blauen Himmel gekehret. Wie nun die kleinſte Veraͤnde - rung in der Lage, dem Spiegelglaß dieDar -217Darſtellung des einfoͤrmigen Aethers raubt, und iede Geſtalt demſelben eindruͤckt die ihm gegenuͤber ſtehet: ſo glaub ich, daß Sie Lottchens Herzen eine Richtung geben koͤn - nen welche ſie wollen, und es wird dem Mechanismus des Spiegels folgen. Da - mit ſich aber kein unberufner Dienſtbefliſſe - ner dieſem Geſchaͤft unterziehe, rath ich Jhnen keine Zeit zu verliehren, und mit dem Vetter Anton Junior raſch an Lottchens Herz zu ruͤcken, der Erfolg wird hoffentlich Jhren Wuͤnſchen entſprechen. Beſſer waͤrs, daß ſich von ihrer Seite die Zuneigung zu ihm ſo deutlich veroffenbahrte, als von der ſeinigen zu ihr; aber weils ihre Familien - obſervanz ſo mit ſich bringt, daß die Liebe von der weiblichen Seite in der Eh allererſt nachkommt: ſo koͤnnts, daͤcht ich, den vor - liegenden Umſtaͤnden nach beym alten Her - kommen bleiben. Jſt Jhre Erfahrung ge - gruͤndet, daß die Eheliebe dem SalpeterfraßO 5zu218zu vergleichen ſey, der vom erſten Uranfang immer weiter um ſich greife: ſo bleibt mir fuͤr das iunge Paar nichts zu wuͤnſchen uͤbrig, als daß ſich Jhr Gleichniß immer bey Ehren erhalten moͤge.

So weit der gutachtliche Bericht, den ich Freund Spoͤrtlern vor Schlafgehn zu - ſteckte.

Nachdem ich mich ſolchergeſtalt meines Auftrags entlaſtet hatte: legt ich mich mit leichtem Herzen zur Ruh, und wie einer unſrer vermetapherten Saͤnger ſpricht: Des Schlummers Aetherſchwinge, weht ihren Balſamathem, bald traͤufend uͤber mich.

Glaub es ſey leichter die Hertha im Bade zu belauſchen, als die Seele eines Maͤdchens ſchleierloß zu erblicken. Von nun an ſeys gelobt, keine weibliche Phy - ſiognomie mehr zu iudiziren; ſie gehoͤren all in das Fragment von Schlangenkoͤpfen, undharmo -219harmoniren damit wunderbar. Drum konnts auch die Mutter aller Lebendigen ſo gut in der Schlangengeſellſchaft aushalten, welches bey erweisbarer Heterogenitaͤt ihres und des Schlangenantlizes, unmoͤglich ge - weſen waͤr. So trugloß, aufrichtig, engel - rein, die iungen lieblichen Dirnen von auſ - ſen anzuſchauen ſind, daß ihr Anblick un - widerſtehlich Herzen zu Herzen reißt: ſo hat iede, auf gewiſſe Art dennoch den Schelm im Nacken. Alſo hat Lottchen mich doch bezogen, ungeachtet ich einen Eid drauf abgelegt haͤtte, Schlauigkeit und Liſt waͤr nicht in ihrem Charakter!! Wollt einen meiner drey Schreibfinger drum geben, daß ich meinen Nachtrapport noch in meiner Brieftaſche haͤtt. Auf die Menſchenkunde wuͤrd ich ſchwerlich meinen Broderwerb fin - den, und bey Freund Spoͤrtlern, fuͤrcht ich, um all meine phyſiognomiſche Reputation zu kommen.

Jch220

Jch befand mich, da meiner Komiſſion Gnuͤge geſchehen war, in einer ſo koͤſtlichen Gemuͤthsruh, wie Dr. Bahrdt als er vor Kaiſer und Reich ſein Glaubensbekenntniß abgelegt hatte, waͤhnte ſo wenig als der hochgelahrte Doktor, daß ich mich in mei - ner Lehrmeinung koͤnnte geirret haben, und wurd urploͤzlich von meinem Trugurtheil oculariter uͤberfuͤhrt. Hatte mir den Mor - gen ein Hauſirer allerley Galanteriekram aufgehaͤngt, welchen ich Lottchen unter dem Praͤtert einer Praͤmie, weil ſie ſich im phy - ſiognomiſchen Examen gut erhibiret, zuge - dacht hatte. Trat in ihr Zimmer, ſah darinn niemand; aber an dem herabge - laſſenen innern Schleiervorhang uͤber dem ausgewoͤlbten Fenſterbogen, praͤſentirten ſich gar deutlich zwey Schattenbilder in Lebens - groͤße en Profil, von den einfallenden Son - nenſtrahlen mit ſcharfem Kontur gezeichnet; ein maͤnnliches und ein weibliches, die ein -ander221ander auf neuſeelaͤndiſche Manier, mit den Naſenſpitzen vertranlich zu begruͤßen ſchie - nen, nach Maaßgabe der Zuſammenſtellung von einerley Geſichtslinien auf der 337 S. des vierten Tomus der Fragmente. Dieſe Augenblickliche Erſcheinung verſchwand, da der Vorhang bey vermerkter Ankunft einer dritten Perſon, wie ein leichter Nebel auf - flog und oben am Stubenhorizont ſich in eine Wolke thuͤrmte. Traten hervor Lott - chen mit ſchmachtender Miene, und ein Mann den ich wahrlich! nicht hinterm Vor - hang bey ihr geſucht haͤtte, war der loſe Gaſt, Freund Blaurock, ſonſt Weißmantel genannt, in deſſen kecken, feuervollen Auge, Theilnehmung und Ergreifung ſichtbar aus - gedruckt war. Ob dieſe Zuſammenſtellung der beyderſeitigen Profile, auf den im phyſiognomiſchen Werk angedeuteten Zweck zielte, um eine brauchbare Geſichtsform - tabelle heraus zu ſtudiren; oder ob dieſeScene222Scene nicht vielmehr zu einer ſentimentali - ſchen Abſicht erfunden war, getrau ich mir nicht zu ſagen. Wenn mich Ohr und Auge nicht betrog, ſo hoͤrt ich das helle Schuelzen eines Kuſſes, und ſah den ſanften Eindruck davon auf Lottchens verſchaͤmten Lippen. Weil ich nicht bey dieſem Spiel engagirt war, und ſo nach mich fuͤr uͤberfluͤßig dabey hielte, expedirt ich mich mit der Praͤmien - ſpende kurz und ſtrich mich, dachte dabey, ſapienti ſat!

Auf den Abend perorirt ich gegen den Vater, in der Tabagie folgender Geſtalt. Jn ieder wohleingerichteten Polizey iſt das Verſchleiffen der Prozeſſe, wie Sie wiſſen, hochverpoͤnt. Sie mißbilligen es ſelbſt; denn in einem Jhrer Briefe ſpotteten Sie uͤber den Schildkroͤtenſchritt der heilſamen Juſtiz. Dennoch ſeh ich, daß Sie in dem Heurathsprozeß Jhrer Tochter dieſen Schild - kroͤtenſchritt ſelbſt wandeln. Die Partheyenliegen223liegen da, wie die Kranken am Teich Be - thesda und harren, was haͤlt Sie ab, einen Adjudikationstermin anzuberaumen, und die Braut dem annehmlichſten Freyer zuzu - ſchlagen?

Er. Ach mein wertheſter Herr, das lei - dige remedium leuterationis haͤlt mich ab! Jch habe Jhren Rath gefolget, und meiner Lotte den jungen Vetter Anton proponirt. Sie will nichts von Heurathen wiſſen noch hoͤren, bath himmelhoch, ſie mit dergleichen Vorſchlaͤgen zu verſchonen, und wuͤnſcht eine Kloſterſtelle, die ich ihr auch durch Vermit - telung meines alten Freundes, des Kloſter - rath Hugo, im Braunſchweigiſchen auszu - machen gedenke.

Jch. Wie? Lottchen hegt Kloſtergedan - ken? Nun Freund iſts Zeit, daß Sie mit ihr ins Ehebett eilen. Kloſterſucht iſt Her - zenspoeterey der Maͤdchen, und die ganze weibliche Poetenſchaar, ſo wie die Lobpo -ſaune -224ſaunerinn von Siegwarts Kloſtergeſchichte, haben alle die Jnokulation der Liebe uͤber - ſtanden.

Er. Das ſcheint hier nicht der Fall. Jch hielts anfangs auch fuͤr Weiblichkeit, fuͤr eine iuͤngferliche Schrulle, gab ihr drey Tage Bedenkzeit: ſie bleibt unwandelbar bey ihrem Entſchluß, und dieſer iſt bey mir nun rechtskraͤftig worden, darum hab ich auch bereits dem Vetter Anton und Sohn das noͤthige inſinuirt.

Jch. O weh! da wird groſſer Jammer und Herzeleid geweſen ſeyn.

Er. Das kan ich eben nicht ſagen. Die Leute denken ſolid, wie Kaufleute zu denken gewohnt ſind, denen iſt es ia nichts neues, daß ſich ein Handelsgeſchaͤft zerſchlaͤgt: Der gegenſeitige Kontrakt wurde mit unſer aller guten Bewilligung aufgehoben.

Jch. Haͤtte wahrlich dem iungen Mann ſo viel Kontenanz nicht zugetraut!

Er.225

Er. O der iſt keiner der Empfindler, die ſich uͤber ein Maͤdchen entkehlen, er weiß wohl: non deſicit altera. Sie ſehn, ich bin ein zaͤrtlicher Vater, ich zwinge meine Tochter zu nichts, ſie ſoll ihren Willen haben. Vielleicht iſt ihr Entſchluß gut. Nach meinem Tode duͤrften ſich Mut - ter und Tochter weniger als iezt zuſammen vertragen, drum will ich ſie ſcheiden. Meine Frau mag das irdiſche Wohl der Familie berathen, und das Maͤdchen mag nach ihrem Willen, Gott und der Tugend in der Stille dienen.

Jch. Nicht alſo, mein Freund, nicht alſo! das waͤr die verkehrte Welt. Als Madani Agricola nach ihres Mannes Hinſcheiden, mit ihrer Tochter nach Rußland zog, wur - den beyde, die erſte bey der Kirche, die an - dere beym Theater engagirt. So iſts in der Ordnung der Dinge, die Mutter muß dem Himmel dienen, und die Tochter derPWelt226Welt nutzen. Auſſerdem hat Lottchen fuͤr das Kloſter auch keine Empfehlungen.

Er. Wie ſo? Was verſtehn Sie unter Kloſterempfehlungen?

Jch. Bey uns Proteſtanten verſteh ich darunter allerley Leibesgebrechen, zum Exem - pel einen anſehnlichen Hoͤcker auf dem Ruͤ - cken, ein Fell uͤbers Auge, einen uͤbel ver - ſchloſſenen Magenmund, verſchobene Huͤften, die ſchwere Geburten befuͤrchten laſſen und dergleichen; oder die Jahre der Verzweif - lung. Waͤr ich Kloſterrath, ſo wuͤrd ich iedes Maͤdchen fortſchicken, die nicht eins von dieſen guͤltigen Teſtimonien aufzuweiſen haͤtt!

Er. Jch denke ſelbſt, meine Tochter habe zum Kloſterleben noch zur Zeit keinen rechtmaͤßigen Beruf. Vielleicht iſt dieſe Jdee auch nur ein Nothbehuf. Sie befin - det ſich zwiſchen zwey Feuern, auf der einen Seite quaͤlt ſie der Vater, auf der anderndie227die Mutter mit Heurathsvorſchlaͤgen, die ſie perhorreſciret. Was Wunder, wenn ſie bey dieſen Zudringlichkeiten unter einem Kloſterdach Schutz ſucht?

Jch. Waͤr denn aber der Guͤnſtling Jhrer Donna keine Parthie fuͤr Lottchen? Seine Phyſiognomie iſt doch ſehr empfeh - lend, er hat ein feines verſtaͤndiges Geſicht, nicht der ſuͤßen Empfindeley, noch der koſt - baren Gefuͤhlsprahlerey, ein wahrer, reiner, naturvoller Charakter; ein Geſicht, das gar nichts ſeichtes, welkes, wurmſtichtiges hat, ein Geſicht, mit dem ſich wohl iedes Maͤd - chen alle Augenblicke verbruͤdern und ver - ſchweſtern moͤchte, die es darf.

Er. Das alles, auch ein Mann der ſein bequemes Auskommen und dabey gute Aus - ſichten in die Zukunft hat; aber er iſt nie mein Held geweſen, das war Vetter Anton.

Jch. Ey nun, wenn er nur Lottchens Schmetterling iſt. Die Maͤdchen kuͤmmernP 2ſich228ſich um dieſen mehr als um den vaͤterlichen Held, denken uͤber den Punkt genau ſo, wie die Varentrapp Sohn und Wenner - ſchen Encyclopaͤdiſten, die dem Schmetter - ling Achilles einen langen Artikel geben, und den Held Achilles kaum im Vorbey - gehen nennen. Wie wenns mit dem Blau - rock in Lottchens Herzencyclopaͤdie die naͤm - liche Beſchaffenheit haͤtt?

Er. Jch denke nicht. Sein Ungluͤcks - ſtern hat gewollt, daß er ſich hier im Hauſe gleich anfangs uͤbel addreſſirte. Die ſtuͤr - menden Empfehlungen meiner Frau, geben ihm bey mir und dem Maͤdchen Excluſi - vam.

Jch. Auch bey Lottchen? Freund, das ſagen Sie nicht, da hab ich andere Briefe. Mutter und Tochter ſcheinen uͤber dieſe Lieb - ſchaft mit einander wohl einverſtanden zu ſeyn, und wenn Jhre Ehkonſortin dies Heurathsprojekt durchſetzen ſollte, wuͤrdeLott -229Lottchen ſchwerlich an die vaͤterliche Liebe appelliren.

Er ſich ſehr verwundernd. Wie ſtimmte denn das, mit der reinen glatten Tafel ihres Herzens?

Jch. O, da hab ich heut Morgen bey einer anderweiten phyſiognomiſchen Entre - vuͤe, eine lange und breite Jnſkription drauf entdeckt, die ich geſtern in der Eil uͤberſehen hatte.

Er. Was Sie ſagen! Mit Kopfſchuͤt - teln. Lotte! Lotte! Wie verdien ich das um dich, daß du mir dein Herz ſo kuͤnſtlich verſteckteſt?

Jch. Das getrau ich mir leicht zu er - klaͤren, ohne daß dem lieben Kinde etwas dabey zur Laſt faͤllt. Lottchen entdeckte ohne Zweifel Jhre Geheimnißvolle Abſicht mit dem Vetter Anton, vermoͤge des weib - lichen Scharfblickes in dergleichen Angele - genheiten vorlaͤngſt. Wie durfte ſies wa -P 3gen -230gen, ohne den vaͤterlichen Unwillen zu be - fuͤrchten, Sie in Herzensangelegenheiten zum Vertrauten zu machen, die Jhren Abſichten diametraliſch entgegen ſtunden? Das na - tuͤrlichſte war, daß ſie in dieſem Drange mit ihrem Geliebten ſich unter muͤtterliche Protektion begab, und ſo gluͤcklich war dieſe zu erhalten. Da Sie im Begriff waren Jhre Mine ſpringen zu laſſen, lag bereits der Schwefelfaden an der Gegenmine, und Sie ſehn aus dem Erfolg. Jhr Held Vetter Anton iſt aufgeflogen.

Er nachdenkend. Ja ia! Es geht mir ein Licht auf.

Jch. Nun ſo wuͤnſch ich, daß Sie Lott - chens Hochzeitfackel dabey anzuͤnden!

Hier brach ich ab, weil ich vermerkte, daß meinen traͤgen Freund ein fauler Schlummer anwandelte, und ihm ungeach - tet des hellen Lichtes, das ihm eben aufge -gan -231gangen war, die Augen zufielen. Jch fuͤr mein Part konnt die Nacht weder ruhen noch raſten, trug Sorge ich moͤcht zu viel geſchwazt haben, welches den Liebenden Wehetage verurſachen koͤnnte. Doch darinn irrt ich mich: haͤtt ganz geruhig ſchlafen moͤgen. Jn zween Tagen war alles dezi - dirt. Jn aller Fruͤh ſchaukelten Vetter An - ton und Sohn in ihrem Schwanhals, ver - gnuͤgt und wohlgemuth wieder ab, hatten auf ihrer Handelsreiſe biß zum naͤchſten Brautgewerbe nur eine Station zu machen; ſollen der Sage nach, doch erſt auf der fuͤnften oder ſechſten damit zu Stande kom - men ſeyn. Der Empfindler, Magiſter Plenilunius, wie ich ihn umtaufen will, moͤchts uͤbel nehmen wenn ich ihn bey ſei - nen rechten Namen nennt harrte mit Furcht und Zittern dem Kommen des iun - gen Mondes entgegen, um ſeine Buhlſchaft feierlich zu beginnen; doch fuͤr diesmalP 4ver -232vergebens! Denn eh die goldne Sichel wieder vom abendlichen Himmel ſtrahlte, war Lottchen Freund Druͤſchlings deklarirte Braut.

Fuͤnfter Ritt. Etwas vom braven Manne.

Jn der Spoͤrtleriſchen Burg war nun groß Jubiliren, hing der Himmel voll Geigen, abſonderlich bey den Brautleuten. Dem ehrlichen Vater ſchien ein ſchwerer Stein vom Herzen abgewaͤlzt, daß er nicht mehr mit ſo heterogenen Dingen als Liebes - intriken fuͤr ihn waren, in ſeinem Kopf zu kramen hatte; die Hausfrau triumphirte uͤber ihren gelungenen Meiſterſtreich, und ließ ſichs nicht undeutlich vermerken, daß ihr Eheherr, quoad domeſtica Kunkellehnſey:233ſey: ich war der einzige Kopfhaͤnger im Hauß; denn durch das Brautgeſchaͤft war alles phyſiognomiſche Studium daraus ver - drungen. Lottchen nahm bey dem neuen Dozenten ſo viel Sentimentalſtunden, daß ſie die phyſiognomiſche Privat daruͤber ver - gaß, und fuͤr mich allein zu phyſiognomiſiren, fand ich an iedem Orte ſo gute Gelegenheit wie in Geroldsheim. Eigentlich aber hatte mir Balthaſar Koch den Kohl verſalzen, deſſen ultimatum zu eben der Zeit einging. Wenn mich nicht der duͤnne magre Brief auf den Jnnhalt haͤtte ſchließen laſſen, ſo wuͤrde die bloße Handſchrift der Addreſſe, welche wie bekannt, einem Kunſtverſtaͤndi - gen, der nur halbwege Beobachter iſt, die Contenta leicht errathen laͤßt, mich ſchon belehrt haben, daß nicht viel troͤſtliches draus zu nehmen ſey. Die anverlangte runde Summe Geld, ſchrieb mir mein Haus - verwalter, hab er mit Muͤh und Noth auf -P 5gebracht;234gebracht; als er aber ſolches an mich zu befoͤrdern Vorhabens geweſen, ſey er durch einen Ungluͤcksfall daran verhindert worden: Durch einen heftigen Windſtoß ſey das alte baufaͤllige Schulhauß im Ort eingeſtuͤrzt. Er habe dem gemeinen Beſten und meiner Denkungsart gemaͤßer zu ſeyn erachtet die vorraͤthige Baarſchaft, bey gegenwaͤrtigen Geldklemmen Zeiten, zu ſchleuniger Aufer - bauung eines neuen dauerhaften Schulge - baͤudes herzuſchießen, als ſolches zum Behuf einer Luſtreiſe auſſerhalb zu verſenden, und verhoffe daß ich dieſen, zu einer ſo edlen Abſicht abzweckenden Entſchluß im Beſten vermerken wuͤrde.

Schlimme Botſchaft! rief ich aus, wer haͤtts gedacht daß der herrliche Schweizer - plan vom Wind umgewehet, unter die Rui - nen eines alten Schulhauſes ſollt begraben werden? Was war zu thun? Jch mußte der Nothwendigkeit nachgeben, mein Kopfwollte235wollte ſich zwar auf den tollen Rappen ſchwingen, und da ſollts Balthaſar Koch entgelten; aber das Herz zog ihn gemach - ſam wieder in Stall, und lobte mir meinen Haushalter, daß er kluͤglich gethan habe. Jch konnt nichts als eine philoſophiſche Be - trachtung nach meiner Art daruͤber anſtellen. Lieber Gott! dacht ich, wenn Ungluͤck ſeyn ſoll, ie nun ſo kommts wohl nie zu gelegner Zeit; aber zuweilen kommts doch auch ganz zur Unzeit. Doch weil ſichs juſt ſo und nicht anders gefuͤgt hatte, dacht ich mit Ernſt auf den Heimweg, knuͤpfte mich wie - der in meinen Oberrock hinein, und wollt raſch von hinnen ſcheiden. Wurde mir gleichwohl der Reiſerock wieder abkompli - mentirt: Freund Spoͤrtler wollte ſich noch zum Valet, bey einem Abſchiedsſchmauß mit mir letzen, der zugleich Lottchens Verlo - bung feiern ſollte. Begaben ſich bey dieſer Feierlichkeit noch allerley denkwuͤrdige Dinge,die236die ich unter der Aufſchrift der letzten Stun - den in Geroldsheim aufgezeichnet hab, und hier das notabelſte davon, als mein eigner Epitomator beyfuͤgen will.

Als das Brautpaar geſchmuͤckt war, und im Geſellſchaftszimmer nebſt den Jn - quilinen die eingeladenen fremden Gaͤſt er - wartete, trat die Mutter herein, thaͤt ihre Schaͤtze auf, und verehrt der Braut ihren ſaͤmtlichen Hausſchmuck, den ſie ingeheim hatt umfaſſen und vermoderniſiren laſſen. Dieſe unerwartete Freygebigkeit, die im Grunde eine Aufopferung war, mit der beſten Art geleiſtet, und ganz auſſer der ſtiefmuͤtterlichen Sphaͤre, ruͤhrte den gut - muͤthigen Ehekonſorten dergeſtalt, daß ihm die Augen uͤbergingen, wiewohl ich nach der Ge - ſtalt ſeiner knoͤchernen Richterhand zu urthei - len, die Gabe Thraͤnen zu vergießen nicht bey ihm vermuthete. Er umhalſte ſeine theure Haͤlfte ſo inbruͤnſtig, als es bey der ge -gen -237genwaͤrtigen empfindſamen Stimmung nur moͤglich war, und hielt ihr hinterher aus der Fuͤlle des Herzens einen herrlichen Pa - negyrikus, welche Ehre wohl ſchwerlich ei - ner Frau im funfzehnten Jahr der Ehe von ihrem treuen Gatten, wenn er nicht als tiefgebeugter Wittwer im Leichencarmen das Wort gefuͤhret hat, wiederfahren iſt. Jch konnt mich nicht enthalten wacker mit zu applaudiren, und tilgte in meinem Herzen die Rechnung, welche ich ihr in Abſicht ihres ehemaligen Junoniſchen Betragens gegen Lottchen, annoch creditiret hatte. Wie aber iede Sache zwo Seiten hat, ſo wendet ich in meinen Gedanken das Blatt auch um. Sollts wohl mit dem muͤtter - lichen Geſchenk, frug ich mich, die Bewand - niß haben, wie mit dem, das eine wohl - thaͤtige Judenſchaft, oder die Frau des Herrn Oberlins, Landgeiſtlichen in Walder - bach, in Steinthal auf der Elſaſſer Graͤnzenach238nach Lothringen zu, einem armen Erzie - hungsinſtitut zu D* machte, davon vor einiger Zeit in oͤffentlichen Druckſchriften groß Ruͤhmens war? Erſtere ſpendirte 500 Thaler; Leztere ihre Brautohrenge - haͤnge, dreiſſig Gulden vor zehn oder zwoͤlf Jahren unter Bruͤdern werth, ans Philan - thropin, und da gab die boͤſe Welt dieſer Wohlthaͤtigkeit eine ganz andre Deutung, als ihr die paͤdagogiſchen Unterhandlungen beylegten. Da hieß es, die wohlthaͤtige Judenſchaft habe dieſe Beyſteuer als Schmuesgelder praͤnumerirt, in der Jn - tention, das anhoffende große Kapital von 30000 Thalern, das ſo luftig auf Men - ſchenfreundſchaft kalkulirt war, als ein Darlehn gegen leidliche Zinſen in Empfang zu nehmen; und die Frau des Herrn Ober - lins habe eigentlich auf ein Paar neumodi - ſche Ohrengehaͤnge von ihrem Eheherrn, einen warmen Befoͤrderer philanthropini -ſcher239ſcher Anſtalten, mit ihrer Spende gezielet. Wenns mit dem ſtiefmuͤtterlichen Praͤſent nicht die naͤmliche Beſchaffenheit hat: ſo kanns doch eine aͤhnliche haben, der an - ſtelligen, mit praktiſchen Verſtand begabten Frau iſt alles zuzutrauen. Wenigſtens darf ein Kluger fragen, wie kommt Juden - ſchaft und Philanthropin, die Ohrengehaͤnge einer Predigerfrau und ein Erziehungsinſti - tut, ſtiefmuͤtterlicher Tuͤck und ein Braut - geſchenk zuſammen? Dem ungeachtet bleibt das Materiale der Handlung immer gut, und was die boͤſe Welt daruͤber denken und ſagen mag, ſo iſt die Antwort auf des Kluͤglers Frage: de occultis non judicat eccleſia.

Die Geſellſchaft war zahlreich, befanden ſich darunter einige große Lacher, alleſamt wohlbebaucht wie gewoͤhnlich; ich kenne keinen Lacher mit hohlen Rippen, keinen der nicht wenigſtens ſeine dreyachtel ZentnerSchmeer240Schmeer vermoͤgen ſollte. Auch gabs hier Witzler von mancherley Art, zwar nicht vom Sortiment der Blizwitzigen, feinwitzi - gen, witzbrennenden, ſondern der froſtig, matroſiſch, burleskewitzigen. Die verſchaͤmte Braut fuͤrchtete ſonderlich den Kampagne - witz des alten Ritters von Urlau, als der ſchaͤumende Pokal anfing ihn zu befeuern. Mir wars unbegreiflich, wie die froͤm - melnde Gemahlin, die humoriſtiſchen Zwey - deutigkeiten ihres Herrn, wenn ſie ſolche durch den Ausruf: o Suͤnder! gereiniget hatte, goutiren konnte. Scherzhafte Laune iſt die Wuͤrze eines Gaſtmahls, und ich will dabey lieber ein Paar Schuͤſſeln weniger, als ein Mahl von zween oder drey Gaͤngen, in einer ſchwerfaͤlligen Geſellſchaft. Nun haben die Tiſchreden zwar das Privilegium, daß ſie einen gleich ſtarken Zuſatz von Aber - witz und Thorheit, wie die Scheidemuͤnze von Kupfer vertragen, und dennoch Coursbehal -241behalten, wie das die gedruckten zur Gnuͤge beweiſen: wenn aber das Salzfaß des Witzes gar umgeſtoßen, zu tief in die Buͤchſe der Schrauberey hinein gegriffen, oder der faulende Topf der Zweydeutigkei - ten zu ſehr aufgeruͤhret wird, ſo verderbt mir das alle Eßluſt, ſo gern ich gute Schwaͤnke und luſtige Schnurren ſonſt lei - den mag. Weil ich nicht in der geſpraͤchi - gen Laune war, macht ich uͤber die Wort - halter bey der Mahlzeit meine Gloſſen. Auf den einen Fluͤgel wurde ein Rathsherr aus einer benachbarten Stadt, von ſo buͤr - germeiſterlichen Anſehen als Geelvink, von den Lachern ſo unbarmherzig gekielhaalt, wie ein Ueberſetzer, der zum erſtenmal die Burtehuder Linie paſſirt. Einer der Witzler nennt ihn den Batrachotrophanten oder Froſchpfleger ſeiner Vaterſtadt, weil er ſich der Ausfuͤllung der moraſtigen Stadtgraͤben zu Anpflanzung eines Spazierganges pa -Qtriotiſch242triotiſch widerſetzt hatte. Dieſer Einfall wurde bey iedem Glaß Wein wiederholt, biß er zu Tode geiagt war. Mit den witzi - gen Einfaͤllen, dacht ich, iſts doch ſchier wie mit der Jalappeneichel, mit welcher ich meine Enten daheim zweymal im Jahr zu purgiren pflege. Denn wenn ich nach der Vorſchrift des Pariſer Dictionnaire de l’induſtrie, eine Eichel wohl mit Jalappen - wurz abgekocht habe, verſammle ich mein Entenvolck; und wenn ſie nun horchſam da ſtehn, und mit dem Verlangen eines un - gedultigen Parterres harren, was ihnen zum beſten gegeben werden ſoll, werf ich meine Panazee unter ſie, die denn gierig von einem Entvogel verſchlungen wird, der ſie vermoͤg ihrer wirkſamen Kraft nicht lang bey ſich behaͤlt, ſondern bald unverdaut von ſich giebt, da ſie einem andern, der dieſen herrlichen Biſſen am erſten erhaſcht, zu Theil wird, ohne von ihrer Kraft etwas zuver -243verliehren. So durchwandert die medizini - ſche Eichel nach und nach alle Entenmaͤgen, und kommt iedesmal mit neuen Kruditaͤten verbunden zum Vorſchein, wie ein witziger Einfall der oft wiederholt wird. Auf dem andern Fluͤgel, den der Ritter komman - dirte, gings nicht ſo luſtig her, ob er ſchon ſehr bey Laune war; es ſchien daß er ieden Einfall mit Muͤhe ausgebahr. Wenn da - her auf der einen Seite der Tafelwitz einer Jalappeneichel gleich, ſo war er auf der andern der beruͤchtigten verſteinerten Leibes - frucht aͤhnlich, welche ein Weib als eine eheliche Buͤrde, nach Bericht der Berliner Memoiren ganzer 22 Jahr mit ſich herum - getragen haben ſoll, eh ſie davon entbunden wurde, und als dieſelbe nun endlich aus Licht kam, war doch weder Geiſt noch Le - ben drinn, ſondern war und blieb ein tod - tes, ſchwerfaͤlliges, unbehuͤlfliches Weſen.

Q 2Kann244

Kann gleichwohl nicht in Abrede ſeyn, daß der bevorſtehende Abſchied, benebſt der boͤſen Zeitung vom Hauß, und mein ver - nichteter Reiſeplan auch dazu beytrug, daß ich alles ſchief und windiſch fand was ich ſah und hoͤrte. Die ganze Geſellſchaft ließ ſichs doch bey ihrer Art von Laune uͤberaus wohl ſeyn, und ſo vermeſſen bin ich nicht, daß ich unter einem halben Schock huͤbſcher manierlicher Leute, mich allein fuͤr den So - krates oder den weiſen Solon der Geſell - ſchaft halten ſollte, wie ſo mancher aufge - dunſene Phantaſt unſers biſarren Zeitalters, dem von Herren, oder auch wohl nur von Rezenſentengunſt der Kopf ſchwindelt, meint er ſey in einem Bezirk von drey Tagereiſen umher der alleinige Generalpachter des Menſchenverſtandes, und rag auf den Stelzen ſeiner politiſchen oder litterariſchen Favorittenſchaft uͤber alles Volk hervot, wie der heilige Chriſtoffel bey einer Proze -ſion.245ſion. So oft ich einen ſolchen naſenruͤm - pfenden Eigenduͤnkler in eine Verſammlung eintreten ſehe, die keine Akademie der Ar - kadier oder della Cruſca iſt, wuͤnſch ich mir immer die Function eines geſellſchaftlichen Polizeymeiſters, die mich berechtigen wuͤrde, den eingebildeten Kauz durch einen geſetz - maͤßigen Naſenſchneller wieder hinaus zu weiſen.

Um die Veſperzeit wurde das Theezim - mer geoͤffnet, die mehreſten Tiſchgenoſſen eilten dahin, die Weinduͤnſte dadurch nie - derzuſchlagen, ich befand mich auf eben dieſem Wege, als der iovialiſche Ritter, der ſeinen Poſten unbeweglich am Schenck - tiſch behauptete, mich beym Arm zuruͤck zog. Was wollen Sie machen, ſprach er, ſind Sie auch im Zeichen des Waſſerman - nes gebohren, daß Sie nach der, einen deutſchen Magen entehrenden Traͤnke eilen? Warum entehrend? frug ich, in dem Jahr -Q 3hundert,246hundert, worinn wir leben, ſind unſere deutſchen Maͤgen uͤber Ehr und Schande hinaus, wie eine Ueberſetzer Fabrik, ver - kochen und verdeutſchen alles was von aus - laͤndiſchen Produkten hinein kommt; indeß bin ich kein Partiſan der Theeſchluͤrfer, ich triuke gewoͤhnlich keinen. So ſind Sie Patron, verſezt er, und brachte mir einen großen Pokal zu. Wie ich ihm Beſcheid gethan hatte fuhr er fort: Der Wein er - freuet des Menſchen Herz, kraͤftiget und ſtaͤrket es zu maͤnnlichen Thaten; der Thee erſchlaſſt das Nervenſyſtem, ſchwaͤcht den Leib, macht ihn weich und weibiſch, er - zeugt Vapeurs, Migraͤnen und alle Weiber - krankheiten unſerer ſchwachen hohlaͤugigen Knaben; entſchnellkraftet den Geiſt, macht ihn truͤbſinnig, graͤmlich, mißmuͤthig, unzu - frieden. Dem Weintrinker iſt dieſe Unter - welt die beſte; kein Theeſchluͤrfer glaubt eine beſte Welt, meiſtert Schoͤpfer und Ge -ſchoͤpfe,247ſchoͤpfe, krittelt uͤber die Regierung Gottes und ſeiner Repraͤſentanten der Erdenfuͤrſten, afterredet ſeinem Bruder, uͤbt Tuͤcken, und ſinnt auf boͤſe Raͤnke. Eben drum pfleg ich gegen die Theegeſellſchaften zu eifern, die ſich iezt in die deutſchen Staͤdte einzu - ſchleichen beginnen, und die, wo nicht bald ein Cordon dagegen gezogen wird, das ganze Vaterland mit der verderbenden Thee Epi - demie anſtecken werden. Wenn ich eine ſolche Geſellſchaft nur als freundſchaftlich Gelag betrachte, ſo ſagen Sie mir, was kan bey einem Trank fuͤr Freude ſeyn, der alle Welt traurig und hypochondriſch macht? Theetrinker, das werden Sie mir zugeſte - hen ſind laue Freunde, haben nicht das warme, herzige, heitere, offene, trauliche, der Weintrinker; ſitzen froſtig und ſteif um einen Theekeſſel herum, und ſchluͤrfen das heilloſe Geſoͤff, das ihre gute Laune ver - ſtimmt, und ihrer Mediſance vom naͤchſtenQ 4Stuhl -248Stuhlnachbar an, biß zum Standpunkte des Gegenfuͤßlers zum Sporn und Stachel dient. Aber fuͤr die Menſchenkennt - niß, fiel ich ihm ins Wort, iſt dennoch nichts lehrreicher, als eine Theegeſellſchaft. Es thut mir leid, daß es auf meiner Reiſe mir nicht gelungen iſt, irgendwo in eine foͤrmliche Theegeſellſchaft eingefuͤhret zu wer - den: Denn Sie ſollen wiſſen, daß die Art wie eine Theeſchaale in die Hand kommt, darinne ſich haͤlt, und wieder an ihrem Ort zuruͤckkehrt, uns Phyſiognomen ſo bedeut - fam iſt, daß wir daraus den ganzen Cha - rakter des Menſchen errathen. Dahinge - gen das Weinglaß ein ſo ſteriles Objekt fuͤr uns iſt, daß wir nichts draus judiziren koͤn - nen; obgleich das Geruͤcht ſagt, daß die Bruͤder Maurer einander beym erſten Trunk erkennen ſollen; denn keiner darf, wie mir Freund Moſer, der Geduldiger der Frey - maͤurer Geſellſchaften einmal verſichert hat,einen249einen Tropfen Wein mit den Lippen beruͤh - ren, eh er den Augen eine ſolche Richtung gegeben, daß er mit beyden zugleich ſeine eigne Naſenſpitze erblicket. Das waͤr, wenn ſichs ſo verhaͤlt, doch nur ein willkuͤhrliches Zeichen, das auf den Charakter des Men - ſchen keine Beziehung hat. Meiner Mei - nung nach, ſind die Theegeſellſchaften nicht des duͤrftigen Trankes, ſondern des Hand - manoͤvres wegen mit der Taſſe erfunden; denn dieſe nahrloſen Theeſchmaͤuße ſind erſt mit der Phyſiognomik aufgelebt. Was Sie fuͤr Steifheit und Truͤbſinn in dergleichen Cotterieen halten, iſt eigentlich Beobach - tungsgeiſt, Aufmerkſamkeit, und phyſiogno - miſches Studium. Wenn Sie die deut - ſchen Theekraͤnzchen aus dieſem Geſichts - punkte betrachten, werden Sie hoffentlich mit dieſen Geſellſchaften ſich wieder aus - ſoͤhnen. Da ſoll mich Gott bewahren! er - wiedert er. Die groſſe amerikaniſche Thee -Q 5geſell -250geſellſchaft hat mir alle Theekraͤnzchen ver - leidet. Wars nicht uͤbler Theehumor, der das auflodernde Kriegsfeuer dieſſeit und ien - ſeit des Weltmeeres zuerſt entzuͤndet hat, welches alle Theekeſſel in der Welt nicht wieder auszuloͤſchen vermoͤgend ſind? Der geſchwaͤchte Magen der Amerikaner erzeugte den hypochondriſchen Spleen, eine geringe Taxe auf dieſes Haderwaſſer nicht bezahlen zu wollen, da ihre Bruͤder, die Brittiſchen Weintrinker einen zehnfach groͤßern Jmpoſt bezahlten, ihren Becher Portwein als treue Unterthanen friedlich zu leeren. Wie man - chen deutſchen Kriegsmann, der den ruͤhm - lichen Tod fuͤrs Vaterland zu ſterben hoffen durfte, hat nicht dieſe frivole Theediſpuͤte ſchon hingewuͤrgt, und, wie viel Soͤhne Deutſchlands wird ſie noch ſchlachten!

Jch weiß nicht wie lange der antithee - iſtiſche Ritter uͤber dieſe Materie noch wuͤr - de geſprochen haben, wenn er nicht in ſei -nem251nem Vortrag dadurch waͤr unterbrochen worden, daß ich von der Geſellſchaft im Theezimmer aufgefordert wurde, eine phy - ſiognomiſche Vorleſung zu halten. Obgleich bey weitem der groͤßte Theil der Anweſen - den nur aus Layen beſtund, die von der phyſiognomiſchen Kunſt ſo wenig begriffen, als ehemals die Fiſchgemeinde von der evan - geliſchen Predigt des heiligen Franziskus: ſo hielt ich doch dafuͤr, daß dieſer Ruf nicht duͤrfe abgelehnt werden, weil vielleicht einige gute Seelen fuͤr die Kunſt koͤnnten gewonnen werden, und trat die phyſiognomiſche Miſ - ſion ſo freudig an, wie ein Apoſtel der Bru - dergemeine die ſeinige unter die Negerſkla - ven. Jch ging getroſt aus Pult, ergriff ohne Wahl einen Band der Fragmente, thaͤt das Buch auf, und ſtieß auf die Tafel der Daumenabſchattungen Pagina 50 im IV Bande, freuete mich uͤber die Frucht - barkeit der Materie: denn wie viel laͤßt ſichnicht252nicht von Sachkundigen daruͤber reden, um glaubhaft zu machen, daß die Geſichtsform eines Menſchen aus der bloßen Abſchattung des Daumens gefunden werden koͤnne, ge - ſchweige denn bey Unmuͤndigen? Um mei - nem Vortrage deſto mehr Eingang zu ver - ſchaffen, und die Gemuͤther der Zuhoͤrer zur Aufmerkſamkeit vorzubereiten, beſonders weil ich wahrnahm, daß die Frau von Urlau mit der Hausfrau uͤber den bequemſten Zeit - punkt zur großen Waͤſche in einer weitlaͤuf - tigen Unterſuchung begriffen war, hob ich meine Rede in einem etwas feierlichen Ton alſo an: Wir haben hier Hoͤchſt - und Hoch - zuehrende Anweſende, ein ſehr intereſſantes Glied des menſchlichen Leibes vor uns, das in aller Abſicht verdienet wohl erwogen zu werden. Bey dieſen Worten erhielt die große Waͤſche einen Aufſchub, und die Frau von Urlau bog ſich nach dem Buche, um das intereſſante Glied des menſchlichen Lei -bes,253bes, von dem die Rede war, in Augenſchein zu nehmen. Auf einmal erhob ſie einen lauten Schrey, hielt mit iungfraͤulicher Ver - ſchaͤmtheit den Faͤcher vor die Augen, ſchob ſich in ihrem Lehnſtuhl zuruͤck, und prote - ſtirte gegen alles weitere phyſiognomiſche Verfahren. Jch begriff nicht was ſie da - mit ſagen wollte, wie ich aber hernach alle Umſtaͤnde genauer erwog, fand ich wahr - ſcheinlich, daß ſich durch fleiſſige Lektuͤre der Eheviertelſtunden, gewiſſe Jdeale in ihre Jmagination tief hinein gewurzelt hatten, davon ſie hier ſilhouettirte Verjuͤngungen zu erblicken glaubte. Es verdroß mich nicht wenig, daß durch dieſes naͤrriſche alibi mein Vortrag unterbrochen wurde, der dahin ge - meinet war, irgend eine aphyſiognoſtiſche Seele aus dem traͤgen Schlafe der Unthaͤ - tigkeit zu ermuntern, und zum Studium der Menſchenkenntniß und Menſchenliebe zu erwecken. Weil durch dieſen Zufallmeine254meine Waare gewiſſer maßen verſchrieen war, und ich befuͤrchtete wenig Liebhaber dazu zu finden, wollt ich nicht umſonſt ausſtehen, legte deshalb meinen Kram ein, und ſchloß alsbald meine Bude.

Der Abſchied von Geroldsheim that mir weh, ich war da ganz eingewohnt. Darum macht ichs, weil mir die Worte verſagten, kurz: ein kraͤftiger Haͤndedruck, ein herziges Lebewohl; damit in den Sattel und raſch zum Thor hinaus!

Es wehete mich ſchon eine fremde Terri - torialluft an, eh mein Herz die wehmuͤthige Atonie verwinden konnte, worein es durch die Scheidung war verſetzt worden. Jch hatte daruͤber meine Reiſeroute ganz aus der Acht gelaſſen, oder ich hatte eigentlich noch auf keine gedacht. Philipp was Raths? ſprach ich zu meinem Jaͤger, ziehen wir durch einen andern Weg wieder in unſer Land? Zum Heimweg waͤhlt man gemei -niglich255niglich den naͤchſten. Herr, wenns ſo ge - meinet iſt, antwortete mir Philipp, ſo ſind wir hier viel zu weit linker Hand, worauf er mich in die Straße brachte deren er kun - dig war, denn er hatte den Weg ſchon ge - macht. Jch hatte uͤber das linker Hand ſo meine Gedanken fuͤr mich. Wem ieder Weg der rechte iſt, den er auf der Pilger - reiſe durchs Leben nimt, der kommt bald auf die eine bald auf die andre Art aus der Straße, und verirrt ſich zu weit linker Hand, wie Herr Goͤtze auf dem Wege des Friedens und der Beſſerung, Herr Bahrdt auf dem Stege neuer Lehre, die Herren Fridell, Graun und Ransleben auf dem unpartheyiſchen Richter Pfade, Dr. Saͤnfftl auf der breiten Fuhrſtraße der praktiſchen Heilkunde, die ieder Schuſter doch zu tref - fen weiß. Trabte einſt ein iunger kecker Rittersmann in voller Ruͤſtung vor mir voruͤber, als ich frug welche Straße erziehe,256ziehe, ſprach er ſtolz: Den Weg der Ehre! Aber wie er mir wieder vor die Augen kam, ſah ich ihn in der Herberge der Thorheit, am Prachtgelaͤnder der Verſchwendung, im Schuldthurm, am Rande des Verderbens. Hatte ſeines Wegs verfehlt, und war ein wenig zu weit linker Hand gekommen. Nicht lange darauf begegnet mir ein ge - lehrter Fußgaͤnger, den frug ich wo geht die Reiſe hin? Er: Zum Baum der Er - kenntniß und von da zum Tempel der Weisheit. Jch ſah ihm nach, und ſieh da! er verirrte ſich ins Labyrinth der Vielwiſſer, ſpazierte nach der Windmuͤhle der Prahle - rey, tanzte unter gemeiner Linde nach der Pfeife der Schoͤngeiſterey, tagloͤhnerte in der Fabrik der unaͤchten Fayancelitteratur, und bat um ein Nachtquartier im Armen - ſuͤnderhoſpital. War von ſeinem Wege zu weit ſeitab linker Hand gekommen. Dar - auf ſchritt ein Juͤngferchen wohlgemuth mitzuͤchti -257zuͤchtigen Gebehrden vor mir voruͤber, war Vorhabens die Bahn der Tugend zu wan - deln. Jch beobachtete jeden ihrer Schritte, das harte Steinpflaſter brannte bald an die zarten Fuͤßgen, ſie ſuchte ſich einen beque - mern Weg, ruhete in der Herberge des Vergnuͤgens, luſtwandelte auf der Prome - nade der Eitelkeit, ſchiffte in dem Nachen des Leichtſinns, landete am Geſtade der Koketterie, und blieb endlich mit ihrem hochhackigem Schuh im Moorgefilde der Buhlerey beſtecken, wie die ungluͤckliche Sophie und die Frau Sempronia. Hatten beyde nichts weiter verſchuldet, als daß ſie ſich auf ihrem Wege zu weit linker Hand gehalten. Darum will Noth thun, daß ieder Wanderer, wes Standes, Geſchlechts und Wuͤrden er ſey, auf der Bahn des Le - bens ſich nach dem hoͤlzernen Wegweiſer guter Lehr und Vermahnung zuweilen um - ſchaue; oder ſich von dem kundigen Gefehr -Rten258ten der Erfahrung leiten laſſe; oder ſich auf die Diligenze der Bedachtſamkeit ver - dinge, ſo hat er nicht zu befuͤrchten aus dem Wege zu fallen, und die fatale Tour linker Hand zu machen.

Jndem ich ſo ſimulirte, kam ein Mann von einem Seitenweg angeritten, der mich beſcheidentlich gruͤßte, ſich zu mir geſellete, ohne weitern Eingang freymuͤthige Unter - redung mit mir anhob, und durch ſein zu - trauliches offnes Weſen bald meine Freund - ſchaft gewann. Er wußt von allerley zu reden, daß die Zeit unterweges angenehm dahin ſchwand. Wir handelten vorerſt al - lerley Kalenderthemata ab; von Saͤen und Pflanzen, von der muthmaßlichen Witte - rung des bevorſtehenden Winters, vom Krieg und Frieden und dergleichen. Er zog aus den Konjunkturen des politiſchen Himmels manche ſcharfſinnige Spekula - tion, daß ich ihm mit Luſt zuhoͤrte. Balddarauf259darauf beſprachen wir uns uͤber Patriotis - mus, Vaterlandsliebe, und damit ver - wandte Materien, die ſeine rechtſchaffenen Geſinnungen deutlich zu Tage legten. So machten wir einige Stationen mit einander, wo wir hinkamen war er zu Hauſe, ſorgte fuͤr mich wie fuͤr ſeinen Pflegling, und was mich Wunder nahm war, daß er in iedem Wirthshauß meine Zeche moderirte, und die Wirthe ſich das von ihm gefallen ließen. Hatte ſo einen gewiſſen Spruch an ſich, den er iedem Gaſtwirth predigte, ohngefehr dahin lautend: Ehrlich waͤhrt am laͤngſten! Was ſoll das Prellen? Die Halbſcheid und damit holla! Dieſe lakoniſche Beredt - ſamkeit that immer ihre Wirkung, und mein Geldbeutel befand ſich wohl dabey. Was mag der Mann fuͤr einen Talismann be - ſitz en, dacht ich oft daß vor ihm die Gei - ſter der Gaſtwirthe verſtummen? Sollte ſein ehrlich Geſicht dieſe Kraft haben? R 2Auf260Auf die Art haͤtte der ehrliche Gellert doch recht wenn er ſpricht:

So fuͤhlt oft ſelbſt ein Schelm den Werth der Redlichkeit.

Der Mann wurde mir iede Stunde durch mancherley kleine Zuͤge von Menſchenliebe, Dienſtbefliſſenheit und Rechtſchaffenheit in - tereſſanter. Begegneten uns eines Mor - gens drey Baͤuerinnen, die in kothigem grundloſen Wege ſchweere Buͤrden Holz zu Markte trugen, war dabey eine iunge Dirn, die unter der Laſt ſchier erlag und laut jammerte. Mein empfindſamer Reiſe - gefehrte ließ ſich das zu Herzen gehen, be - zahlte den Weibern den Werth ihrer Laſten reichlich, und verehrt das Holz einem ar - men Bauersmann, der mit einem ledigen Karren eben voruͤber fuhr. Jch freute mich der guten That und ſchaͤmte mich; mein Herz ſagte mir, daß ich wohl eben das wuͤrde gethan haben, wenn ich dran ge -dacht261dacht haͤtte; aber warum dacht ich denn nicht dran?

Bald darauf fanden wir einen Fuhr - mann, der mit ſeinem Geſchirr in einem tiefen Loche ſaß, ich gruͤßt ihn nach mei - ner Gewohnheit, ſprach: Helf euch Gott Landsmann und zog foͤrder. Aber mein biedrer Gefehrtsmann ſtieg ab, lieh dem Geſpan ſein Roß es vorzuſpannen, ſtemmte ſeine ſtarke Schulter unter den Hebebaum, und ſchob mit Manneskraft den Fuhrkarren aus der Senke. Jch pruͤfte mein Herz, fand daß es dieſer guten That wohl faͤhig geweſen ſey; aber ich hatte leider nicht dran gedacht. Wir kamen an ein Zoll - hauß, trat heraus der Beſchauer, war gar geſchmeidig, wollte den Herren mit Um - ſtoͤhren und Durchwuͤhlen keine Ueberlaſt machen, und hielt die Hand auf. Jch griff nach Gewohnheit in die Taſche. Aber was that mein Konſort? Er ſchlug denR 3Viſi -262Viſitirer bruͤſt auf die Tatze, ſprach: weg damit! Thu er was ſeines Amtes iſt, ſaß ab, oͤfnete ſeinen Mantelſack, und zeigt ihm alles Stuͤck vor Stuͤck, ſchaͤrft ihm dabey das Gewiſſen uͤbers ſas und nefas nach - druͤcklich. Der Defraudationsmaͤckler zog die Achſeln, ſprach: er habe kein Faß, ſon - dern nur ein Faͤßlein, das noch dazu immer ledig ſey, wo er mit ſieben Kindern hin - ſolle, wenn die iungen Raben nach Brodt ſchrieen? Das iſt was anders, ſprach mein Geſellſchafter, zog ſeinen Beutel und verehrt ihm einen blanken Gulden. Jch folgte dieſem ruͤhmlichen Beyſpiel, beſchaͤmt ein ſo armſeliger Nachtreter zu ſeyn.

Bißher hatt ichs noch nicht gewagt den Mann phyſiognomiſch zu beurtheilen. Weil die Kunſt ihr Spiel und ihren Spott ſo oft mit mir getrieben hatte, that ich aufs Se - hen und Fuͤhleu des Genies, und auf alle windſchiefen Ahndungen deſſelben Verzicht. Wie263Wie wir aber in der Herberge am dritten Tage unſrer Bekanntſchaft, zum Valet eine Flaſche alten Wein zuſammen tranken, und der Mann mir gerad gegen uͤber ſaß, faßt ich ihn ſcharf in die Augen, befand, daß ſein Geſicht genau die Form hatte, die der kunſterfahrne Berliner Bildner dem braven Manne in Buͤrgers Gedichten attribuirt hat. Wer ſieht nicht, ſprach ich zu mir, in dem freien offnen feſten Auge den ſelbſtehenden Mann? Welche Guͤte, Keckheit, Brav - heit, ohne Feinheit im Munde! Und das Ohr mit dem eckigten Ausſchnitt, zeigt doch wahrlich, hier den ſtarken, entſchloſſenen, muthigen, athletiſchen Mann, der ſeine Schulter, um im Nothfall ſeinem Naͤch - ſten damit zu dienen, gern und willig unter einen Hebebaum ſtemmt. Das Ganze iſt reiner, unverkennbarer Ausdruck von Ehr - lichkeit, Rechtſchaffenheit und Biedertreue. Durch dieſen herrlichen Anblick fuͤhlt ichR 4mich264mich von einer Waͤrme durchdrungen, dem nachzuſtreben, was ruͤhmlich und wohllau - tend iſt; fuͤhlte mich ſtark und wacker zu ieder edlen That. Glaub ſicherlich, daß ein Menſch, der einer Engelerſcheinung ge - wuͤrdiget wird, ungefaͤhr in die naͤmliche Stimmung ſeiner Seel mag verſetzet wer - den. Jch wurde von dem Geſicht derge - ſtalt begeiſtert, daß ich ploͤtzlich ausrief: Jhre Hand, braver Mann! Jhre Hand! Danck ſey dem guten Gluͤck, das mir den herzerquickenden Anblick Jhres ehrlichen bie - dern Angeſichts verliehen hat. Der Mann ſchien uͤber dieſe unerwartete Herzensergieſ - ſung im erſten Augenblick etwas frappirt zu ſeyn; aber er war gleich wieder gefaßt, blickte mich freundlich an, druͤckte mir die Hand: Ha, wohl mein Herr! ſprach er, wie viel Thaler meinen Sie, daß dieſer Kopf wohl werth ſey? Sie fragen mich bald, gegenredet ich, wie iener Unbekannteeinen265einen Phyſiognomiſten fragte: wie viel Thaler ſein Geſicht werth ſey? Als nun dieſer antwortete: Das waͤre ſchwer zu ſa - gen, ſprach der Fragende: funfzehn hun - dert Thaler, denn ſo viel lieh mir einer, dem ich gaͤnzlich unbekannt war, auf mein bloßes Geſicht. Dieſe Anekdote mag auf Jhre Frage zur Antwort dienen. Auf ihr Geſicht, ehrlicher Mann, zahl ich, wenn ichs im Seckel truͤg, funfzehn hundert baare Thaler hier auf dieſen Tiſch.

Er. Zu viel! zu viel! Nein mein Herr, was recht iſt. Jm vorletzten Krieg war mein Kopf ſeine tauſend Thaler werth, den ietzigen Preißcourrant weiß ich nicht ſo ge - nau; eine Waare ſteigt und faͤllt nach dem ſie geſucht wird.

Jch. Ey mit Jhrem Kopf! Jch hoͤre wohl Sie ſind kein Kunſtgenoß, auf den Kopf borgt kein Menſch einen Pfennig werth, ſonſt wuͤrden unſre guten Koͤpfe, dieR 5iezt266iezt bey uns wachſen und gedeihren wie Mohnſaat, nicht ſo oft in den Faill kom - men Rock und Wammes zu verſetzem, wenn ihnen iemand auf den Kopf Credit gaͤbe. Ein ehrlich Geſicht iſt ein ſichres Kapital; ein redlich Herz ſollt es freilich auch ſeyn; gleichwohl begehrts kein Glaͤubiger zum Unterpfande. Doch eh wir uns ſcheiden, fuhr ich fort, ſo geben Sie mir Jhre Ad - dreſſe, damit ich weiß wo Sie anzutreffen ſind; denn ſo ich lebe, hoff ich, ſehn wir uns heut oder morgen wieder.

Er. Wie Gott will! Jch heiße Johan - nes Fiſcher, bin ein Sachſe, in dem Staͤdt - gen Oſtriz daheim, und Beſitzer des daſigen Gaſthofes, bin ſonſt wohl bekannt uͤberall. Oſtriz liegt an der Boͤhmiſchen Graͤnze un - weit Zittau. Das all notirt ich mir fleißig in mein Souvenir, drauf ſaßen wir auf, und ieder zog ſeines Weges in Frie - den.

Gab267

Gab nun wieder meinen Gedanken Au - dienz, wie ich ſo einſam dahin trabt. Jch treibe Phyſiognomik, ſprach ich, zu Be - foͤrderung der Menſchenliebe, gaffe iedem der mir begegnet ins Geſicht, ſpekulir und ſimulir ein langes und breites daruͤber, und ein andrer, der vielleicht nicht weiß daß eine Phyſiognomik exiſtirt, uͤbt unterdeſſen die Menſchenliebe thaͤtig aus. Bin ich nicht der ſtolze Phariſaͤer, der die Theorie des Guten vor ſich herpoſaunen laͤßt, dahingegen der beſſre Praktikus, der barmherzige Sa - mariter, Oel in die Wunden troͤpfelt, ohne eines Studiums zu beduͤrfen, welches das Herz erſt zur Menſchenliebe ermuntere. Als uns die drey Bauerdirnen begegneten, dacht ich weiter nichts dabey als drey Alletagsge - ſichter und ritt voruͤber. Johannes Fiſcher aber beſchaute nicht ihre Lineamenten, ſon - dern die ſchweren Buͤrden Holz auf ihren Ruͤcken, und den tiefen kothigen Weg denſie268ſie barfus durchwadeten. Meine Betrach - tung war todt und unfruchtbar, die ſeine ermunterte ihn zu einer edlen That. Beym Fuhrmann in der Senke dacht ich: Ein wahres Automat, eine Fleiſch und Kno - chenmaſſe, die ſich nach einem gewiſſen Mechanismus bewegt ohne Sinn und Em - pfindung, wie ſein Fahrkarren. Aber Jo - hannes Fiſcher ſah nicht den Mann an, ſon - dern die Umſtaͤnde unter welchen er ſich be - fand, dachte der Fuhrmann iſt auch ein Menſch wie wir, muß ſich um ſeines elen - den Biſſen Brodtes willen placken und quaͤ - len, und wir reuten da in aller Gemaͤch - lichkeit vor ihm voruͤber. Das bewog ihn zur Theilnehmung an ſeiner Widerwaͤrtig - keit und zu thaͤtiger Huͤlfe. Als ich den Li - centbeſchauer erblickte, ſah ich nichts als ein Zoͤllner und Suͤndergeſicht; er hingegen ſah den huͤlfbeduͤrftigen Mann, den be - kuͤmmerten Vater, den Elenden, den dieNoth269Noth zwingt ein Schurke zu ſeyn. Wahr - lich! rief ich aus, Johannes Fiſcher iſt ge - rechter denn ich! Wohl der Stadt die viel ſo gute Buͤrger hat! Wohl dem Lande das ſolche Patrioten und Menſchenfreunde auf - zuweiſen hat! Wohl dem Fuͤrſten, der uͤber ſo biedre Unterthanen gebiethet! Der kan ſich wie iener Graf ruͤhmen, daß er in dem Schooß eines jeden ſicher ausſchlafen koͤn - ne. Jch faßte den Vorſatz, nach dieſem guten Beyſpiel mein Studium zu erweitern, und in Zukunft dabey nicht die Phyſiogno - mie des Geſichts allein, ſondern die ganze Jndividualitaͤt der Menſchen, ſo viel es der armſelige menſchliche Allumfaſſungsblick ver - ſtattet, in Anſchlag zu bringen, verhoffe daß ſolches der Menſchenliebe ungleich foͤr - derſamer ſeyn werde, als das beſte Studi - um der Lineamenten.

Der Tag begann ſich eben zu neigen, wie ich in ein Walddoͤrfchen einritt, wo ichbeſchloß270beſchloß Nachtlager zu halten. Jch frug nach dem Wirthshauß, vernahm das keins vorhanden ſey. Philipp begehrt einen Trunk Bier, erhielt zur Antwort: hier werde keins gebraut, alles was das Dorf vermoͤge, ſey klares reines Brunnwaſſer und Kartoffel - brodt, und deunoch, ſprach ich zu einer Dirne, die mit ihrem Dorfgalan am Brun - nen ſchaͤckerte, ſeh ich, daß hier das Ver - gnuͤgen hauſſet. Jch phyſiognomiſirte alle Bauerhoͤfe durch, um mir den reputirlich - ſten darunter zum Nachtquartier auszuſuchen; eh ich aber eine Wahl traf ging ein Mann vor mir voruͤber, von dem mir, vermoͤge der gleich einleuchtenden Proportion ſeiner Geſichtsform ahndete, daß er unter hun - dert gemeinen Menſchen im Dorf ein nicht gemeiner ſey. Jch fand etwas anziehen - des an dem Manne, das mich ihm ganz hin - gab. Guter Mann, redet ich ihn an, das Spruͤchwort ſagt: wer ſuchet der findet. Jch271Jch ſuch ein Nachtquartier, ſollt ichs wohl unter eurem Dache finden? Warum das nicht, lieber Herr? war ſeine Antwort, fuͤr Sie hab ich wohl Raum, nur nicht fuͤr Jhre Pferde. Die werden, ſprach ich, ſchon unterkommen. Darauf folgt ich ihm in ein kleines baufaͤlliges Haͤuschen ganz am Ende des Dorfs. Als die Thuͤr beym Anpochen aufgethan wurde, huͤpft ein junges Weib, vom beſſerm als baͤueri - ſchen Anſehn dem Manne entgegen, lieb - koßt ihm, klopft ihm die Backen, reicht ihm ein kleines lachendes Kind hin, das er mit Wonnegefuͤhl an ſeinen Buſen druͤck - te. Die beyden Eheleute hatten auſſer die - ſem Pfande der Liebe und einer anſchmei - chelnden Katze, noch drey Hausgenoſſen um ſich, die ſonſt ſelten beyeinander her - bergen, die Armuth, Reinlichkeit und Zu - friedenheit. Mir war beym erſten Ein - tritt ins Haus gleich ſo wohl ums Herz,daß272daß ich dieſe Herberge nicht mit einem Pal - laſt vertauſche haͤtte, hieß dem Philipp den Mantelſack abſchnallen und ſich mit den Pferden ein Quartier im Dorfe ſuchen. Die junge Frau war ſo ganz allein fuͤr ihren Mann geſchaͤftig, daß ſie es kaum zu bemerken ſchien, daß ihr trauter Va - lentin einen Gaſt mitgebracht hatte. Sie hing mit unverwandtem Geſicht an ſeinem Halſe, und das Kind an ſeinen Knie ſtam - melte den ſuͤſſen Vaternamen zu ihm hin - auf; er aber erwiederte dieſe Empfindun - gen mit ſo maͤnnlichen, treuherzigen und innigen Gegengefuͤhl, daß mich der Anblick dieſer Gruppe in himmliſcher Entzuͤcken hin - riß. Geſegnet ſey mir die Stunde, redet ich zu mir ſelbſt, in welcher ich in dieſe Woh - nung eingegangen bin! Was iſt aller Flit - terglanz von jedem Erdengluͤck, gegen das reine goldlautere Gefuͤhl wechſelſeitiger Lie - be? Heil mir, ihr Lieblinge des Himmels,daß273daß ich euch gefunden habe, wie das erſte Paar im Garten Eden, eben ſo wenig mit Beduͤrfniſſen belaſtet und darum auch eben ſo gluͤcklich, durch keinen mißlichen Beſitz, durch keinen geizigen Wunſch, durch keine ſtuͤrmende Begierde geſtoͤhrt, einander alles in allem zu ſeyn. Jch habe ein Haus beſucht das Engel Gottes auch ſchon be - traten?

Nach dieſem empfindſamen Auftritt hieß mich die Wirthin erſt willkommen, tiſchte eine patriarchaliſche Mahlzeit auf, deren ſich der Vater der Glaͤubigen nicht wuͤrde geſchaͤmt haben, eine weitvornehmere Ge - ſellſchaft damit zu bewirthen. Mein Ma - gen war kein Koſtveraͤchter, denn er befand ſich eben bey Laune. Kan uͤberhaupt nicht ſagen, daß er ſehr diffizil ſey, auſſer etwan bey einem ſpleeniſchen Anfall, da ſtellt er zuweilen die naͤmlichen Betrachtungen uͤber die Verdaulichkeit der Speiſen an, wieSHerr274Herr Martin Ehlers uͤber die Sittlichkeit der Vergnuͤgungen findet bey jeder Schuͤſſel ein Aber, wie der Philoſoph bey jedem nur erdenklichen Vergnuͤgen; wiewohl ſich doch endlich nach allen Betrachtungen, weder der eine den Genuß der Lebensmittel, noch der andere den Genuß der Lebensfreuden ver - ſagt. Beym Jmbiß fand ich die beſte Ge - legenheit phyſiognomiſche Betrachtungen anzuheben. An der Hausfrau ſchienen mir die weiſſen, reinlichen, wohlgereyheten Zaͤh - ne, wie ſie bey Perſonen, die von Ju - gend auf das Gebiß durch den Genuß des lieben trocknen Brodes Tag taͤglich abſcheu - ren, gewoͤhnlich zu ſeyn pflegen, das be - deutſamſte. Nach der Beobachtung des Meiſters zeigen Zaͤhne von dieſer Beſchaf - fenheit, gute, feine, reinliche, liebreche, treue Menſchen an, und dieſe Deutung ſchien dem Charakter der Hausfrau zu ent - ſprechen. Jch wundre mich daher garnicht,275nicht, wenn unter unſerm vornehmen Frau - envolk, das den Genuß des trocknen Brod - tes verſchmaͤhet, und durch haͤuffigen Ge - brauch heiſſer Getraͤncke, ſchaͤdlichen Zucker - werkes, und der Fleiſchſpeiſen das Gebiß von Jugend an verunſtaltet, entweder zei - tig abzahnt, oder durch den Scheuerſand des Zahnpulvers und die metallnen Mauer - brecher der Zahnſtocher die Glaſur des Ge - biſſes abſchleift, daß es ein ſcheußlich An - ſehen gewinnt, die Phyſiognomen ſo we - nig gute, feine, reinliche, liebreiche, treue Menſchen entdecken koͤnnen. Der Mann behagte mir in Anſehung ſeiner Koͤrper - form beſonders. Seine Statur war nach dem richtigſten Ebenmaaß, und der feinſte Kenner wuͤrde daran nichts abgeſchlagenes, abgefeiltes, angeflicktes, das heißt, keine waͤchſerne Naſe, kein glaͤſern Auge, kei - nen falſchen Zahn u. ſ. w. haben entdecken koͤnnen; alles ein reines Ganzes, die ſchoͤn -S 2ſte276ſte Organiſation. Seine Phyſiognomie war hinreiſſend, die obere Graͤnzlinie der Stirn, die Augenbraunen, die Baſis der Naſe, der Mund, waren ſo gleichlaufend, ſo beym erſten Anblick parallel und hori - zontal. Welch ein herrlicher reiner Raum, ſagt ich in der Stille, zwiſchen den kraͤfti - gen Augenbraunen, der ſich uͤber den Ruͤ - cken der Naſe, wie eine Koͤnigsſtraße vom weitoffenen Freyplatz am Thor fortergießt! All das Gute, was ich dem Mann aus dem Geſicht laß, bekraͤftigten zu meinem Vergnuͤgen ſeine Wort und Reden. So offen wie ſeine Stirn war auch ſein Herz, ſo viel Menſchen-Verſtand! ſo viel deut - ſchen Biderſinn, ſo viel Richtigkeit im Den - ken und Empfinden, haͤtt ich in einem Walddorfe, das an einheimiſchen Produk - ten nichts als Kartoffelbrodt halb mit Kley - en vermiſcht, und klares Waſſer liefert, und unter dem durchloͤcherten Strohdach einerelen -277elenden Huͤtte, welcher der erſte Windſtoß das Schickſal des Schulhaußes in meiner Gerichtsdorfſchaft drohete, nicht vermuthet.

Als ich nach der Abendmahlzeit mit meinem Wirth traulich eine Pfeife ſchmauch - te, uͤber die er aus Reſpekt lange kapitu - lirte, eh er ſie anzuͤnden wollte, ſprach ich: lieben Leute, ſo viel ich aus euren Sitten und Benehmen zu urtheilen vermag, iſt dieſes Dorf nicht der natuͤrliche Grund und Boden worinn ihr aufgewachſen ſeyd, und uͤberdem, eure Sprache verraͤth euch, die lautet nicht einheimiſch. Durch welchen Sturm ſeyd ihr hier an dieſes Eiland ver - ſchlagen worden, und an welcher Klippe iſt das Fahrzeug eures Gluͤcks geſcheitert? Werther Herr, antwortete der Hauswirth, Sie urtheilen ganz recht, wir haben uns hierher aus einem Schiffbruch geborgen; eigentlich ſind wir aus dem Reich, ich bin Buͤrger und zuͤnftiger Schneidermei -S 3ſter278ſter in Dierdorf, hab um des Evangelli - ums willen Haus und Hof verlaſſen, und treibe mich nun als ein armer Emigrant in der Fremde um. Sie werden wohl wiſ - ſen, was fuͤr Spatzen in meiner Heimath unters Dach geniſtet haben, da half ich das Neſt mit ausſtoͤhren, das gerieth ſo uͤbel, daß ich daruͤber landfluͤchtig werden mußte. Hier treib ich meine Profeßion, die mich kuͤm - merlich naͤhrt. Jn dieſe kleine Huͤtte nahm uns eine arme Wittib bey unſrer Ankunft auf, ſie iſt geſtorben, und die Erben laſ - ſen uns das ledige Haus unentgeltlich be - wohnen. Bey der Wiege wurds uns frei - lich nicht geſungen, daß wir dermaleins in ſolche Noth und Duͤrftigkeit gerathen wuͤr - den; aber wir troͤſten uns damit, daß wir nicht als Verbrecher leiden, ſondern als Maͤrtyrer, fuͤr die Ehre Gottes.

Die Maͤrtyrer fuͤr die Ehre Gottes kan ich eigentlich nicht recht genieſſen: denn von ie -her279her iſt die Ehre Gottes das Stichblatt aller Raͤnke und Thorheiten der Menſchen ge - weſen, verſteht ſich aber nur von Anfa - chern, oͤffentlichen Heerpoſaunern oder ge - heimen Ohrenblaͤſern; der einfaͤltige Leye geht immer ehrlich und aufrichtig zu Werke, und der Praͤtext der Meutmacher iſt ſein gutgemeinter Zweck. Darum wollt ich mei - nem Wirth ſeinen Troſt und Stolz, daß er gewiſſermaſſen die Maͤrtyrerkrone trage, nicht rauben, ſondern ließ ihn bey ſeiner Mei - nung. Hatte daruͤber doch ſo meine Speku - lation, dachte: die Catholici hatten vor in Dierdorf ein Kloſter zu Ehren Gottes zu er - bauen, die Evangelici riſſens zur Ehre Gottes wieder ein, da hieß es wohl mit Recht:

Wir glauben all an einen Gott,
Und ſchlagen uns um Gotteswillen
Einander Lendenlahm und todt,
Um unſre Pflichten zu erfuͤllen.

Alſo lebt doch noch der wuͤtige Enthuſi - aſmus in unſerm toleranten Zeitalter zuwei -S 4len280len noch auf. Vielleicht ſinds nur die lez - ten Zuckungen, des ſterbenden Behemot - ungeheuers. Noch immer giebts alſo in - toleraute Ameiſen, die ſich um den religioͤ - ſen Strohhalm ſtreiten. Wenn ich ſie doch all unter der eiſernen Glock haͤtte, die der Baron Huͤpſch erfunden hat, das un - nuͤtze Geſchmeiß zu vertilgen, ſo ſollt mirs wahrlich nicht auf eine Schwefel-Lunten an - kommen! Halt, dacht ich hier, das iſt wohl nicht der rechte Weg, da komme ich mit meinem gutgemeinten Eifer zu weit lin - ker Hand. Ein Toleranzprediger mit der Schwefel-Lunten in der Hand!

Nachdem ich das curriculum vitae mei - ner ehrlichen Wirthsleute nach den weſent - lichſten Umſtaͤnden vernommen hatte, mach - te mir die Hausfrau eine Streu von duͤr - rem Laub, breitete meinen Reiſemantel daruͤber, und ich ſchlief ſo weich und wohl darauf, wie in dem Geroldsheimer antikenBraut -281Brautbett. Vorher beſchaͤftigte mich noch eine Zeitlang der angenehme Gedanke von Ausuͤbung der wohlthaͤtigen Menſchenliebe gegen dieſe duͤrftige Familie. Jch dachte mir verſchiedene Plans, wie ich nach dem Beyſpiel des braven Mannes, die Schul - ter meines thaͤtigen Willens unter den He - bebaum des Troſtes und Beyſtandes ſtem - men, und damit dem geſtrandeten Gluͤcks - Nachen der guten Leute ins Fahrwaſſer ei - nes gemaͤchlichern Zuſtandes ſchieben, und ſolchen wieder flott machen koͤnnte. Die Phantaſie erhellte durch liebliche Traͤume dieſe Jdeale, die ich mir im wachenden Zuſtande vorgebildet hatte nur noch mehr, und ich wuͤrde hoffentlich zu meiner Zu - friedenheit mein Vorhaben ausgefuͤhret ha - ben, wenn nicht das Emigranten Paar, aus uͤbermaͤßigen Verlangen ihrer Sache recht gewiß zu ſeyn, meiner guten Abſicht vorgegriffen haͤtte.

S 5Heim -282

Heimritt. Phyſiognomiſches Glaubensbekenntniß.

Ein naͤſchiger Hund, ſo wird erzaͤhlt, ver - lief ſich einmal in Leipzig in einen Jta - liaͤnerkeller, wo er eine herrliche Mettwurſt fand, die er ſich wohl ſchmecken ließ. Der Ladenjung kam dazu, erhob groß Geſchrey, ſagts ſeinem Herrn an, und nahm einen Pruͤgel zur Hand, den Wurſtfreſſer weid - lich damit abzublaͤuen. Der Herr aber, der nach Landesart ein ſchlauer Gaſt war, und dem an einer ſo deutſchen Rache nicht genuͤgte, auch wohl dachte, der Hund moͤcht um ſich beiſſen und ihm oder dem Knaben an die Bein fahren, wußte ein Mittel, ſei - nen Zweck ſicherer zu erreichen, wehrte dem Buben ab: ſchlag nicht, ſprach er, laßuns283uns dem Hund lieber einen boͤſen Namen machen. Drauf thaͤt er gemachſam ſeine Ladenthuͤr auf, ließ den Hund hinaus, und rief hinter her: ein ieder wahre ſich, der Hund iſt toll! Alsbald floh alles von den Straßen, das Geruͤcht von dem tollen Hund lief durch die ganze Stadt, iedermann thaͤt ſeine Hausthuͤr zu und nahm die Kinder herein. Ein wohlweiſer Magiſtrat aber ſchickt ein paar Scharfſchuͤtzen nach, die den Hund erlegten. Mußte das arme Vieh um des boͤſen Namens willen, ſeine Genaͤſchigkeit mit dem Leben bezahlen. Jch kenne nichts, das unter den Menſchen - bruͤdern gemeiner ſey, als einander einen boͤſen Namen zu machen. Denn ſo bald ſich Einer beygehen laͤßt, das Stuͤcklein Wurſt der Erudition, Reputation, Kultur, oder Gewerbſchaft anzubeißen, das ein An - drer als ſein Eigenthum betrachtet: ſo tritt der Andre in die Thuͤr ſeines Gewoͤlbes,und284und ruft mit lauter Stimme aus eiter Biblio - thek oder gelehrten Zeitung hervor: ein ieder wahre ſich, der Autor iſt toll! Oder ſchreiet durch das Sprachrohr ſeiner boͤſen Zunge, in die Halle irgend eines Tempels hinein: euer Kirchenlicht hat eine heterodoxe Schnup - pe; oder poſaunt von der Zinne des Rath - hauſes, oder aus dem Schalloche eines Thurms herab: Dieſer Geſchaͤftsmann iſt ein Windbeutel, ein Rabuliſt; dieſer Arzt iſt ein Quackſalber; dieſer Gewercker iſt ein Pfuſcher, ein Boͤnhaſe u. ſ. w. So wird mancher brave Mann civiliter todgeſchlagen, daß er nie emergiren kann, weil ihn die Stimme eines maͤchtigen Schreiers ver - folgt, der ihn fuͤr ſeinen ungeladenen Mit - eſſer, oder fuͤr ſeinen Broddieb haͤlt.

Thut mir leid, daß ich mich genoth - drungen ſehe, meinem Wirth mit ſeiner luͤ - genhaften Koͤnigsſtraße vom weitoffnen Freyplaz am Thor einen boͤſen Namen zumachen,285machen, aber wahrlich! nicht in der Ab - ſicht, wie der Eigener des Leipziger Jta - liaͤnerkellers dem Hunde, vom Geiſt der Rache angetrieben, um an dem Wicht mein Muͤthlein zu kuͤhlen; ſondern lediglich zu Steuer phyſiognomiſcher Wahrheit tret ich auf, und rufe laut: ein ieder wahre ſich vor einem impoſanten Geſicht: denn ich kenn eine phyſiognomiſche Koͤnigsſtraße die zum Galgen fuͤhret.

Jch ſchlief auf meinem Lager ſo ſicher und ruhig wie im Schooß der Wonne, er - wachte, als das Licht des ſpaͤten Herbſt - tages ſchon gar hell durch die Ritzen der Fenſterladen glaͤnzte, wunderte mich daß weder im Kaͤmmerlein noch im Hauſe ſich nichts Lebendiges regte, und vermuthete, die Unterredung biß ſpaͤt in die Nacht, halte die Wirthsleute laͤnger im Bette zuruͤck. Wollt die koͤſtliche Ruh des trauten Paares nicht ſtoͤhren: denn ſo lang ſie ſchliefen,waren286waren ſie den gluͤcklichſten Erdenbuͤrgern gleich, hielt mich daher noch eine gute Weile ſtill. Wie ſie mir aber die Zeit zu lang machten, ſchob ich den Fenſterladen auf, griff nach meiner Uhr, zu ſehn wie hoch es am Tage ſey; konnt die Uhr nirgendwo anſichtig werden. Das ſchien mir bedenklich, viſitirt daher meinen Man - telſack, ob er gleich von auſſen ein unver - daͤchtig Anſehn hatte, wunderte mich bas, als ich ein Buͤndel Heu hervor zog; aber weder Waͤſche, Kleider, noch die Dukaten, an welchen Balthaſar Kochs Seufzer hin - gen, darinnen fand. Da vermerkt ich Unrath, brach mit Ungeſtuͤm in die Kam - mer um die Wirthsleute aus dem Schlaf zu ſtoͤhren: aber das Neſt war ledig, und das Diebsgeſindel hatte ſich mit Sack und Pack durchs Fenſter davon gemacht.

Weiß nicht was mir weher that, mein Verluſt oder das abermalige phyſiognomi -ſche287ſche Trugurtheil. Jch verſank in eineu Zuſtand von Denken und Nichtdenken, das heißt, es draͤngten ſich ſo mancherley Ge - danken in meinen Kopf zuſammen, daß ich keinen Platz fand einen davon aufzufaſſen, um meiner Gewohnheit nach Fangeball da - mit zu ſpielen. Dieſer Anfall von Starr - ſinnigkeit haͤtte vermuthlich noch eine Zeit - lang gedauret, wenn mich nicht Philipp daraus erweckt haͤtte. Rapportirt mir der - ſelbe mit aͤngſtlichen Gebehrden, mein guter Reiſegefehrt der treue Cimber, hab ſich aus Mangel anderer Fuͤtterung, den Abend mit Kartoffelbrod den Magen uͤberladen, laborir an der Darmgicht, und werds aus Mangel eines Tabacksklyſtirs nicht lang mehr trei - ben.

O weh! ſprach ich, kein Ungluͤck, wie das Spruͤchwort ſagt, kommt allein. Sieh da Philipp, ich hab aus Vertrauen auf die Kunſt in einem Diebsneſt pernoktirt, undbin288bin rein ausgeſtohlen. Philipp ſtand wie verſteint, wußt nicht ob er meinen Wor - ten Glauben beymeſſen ſollt. Wie er aber den ledigen Mantelſack aufnahm, ließ er ſeinen ganzen Weideſpruch von Jaͤger - fluͤchen hoͤren, verſucht auch augenblicklich eine Jaͤgerkunſt, das Diebsvolck wieder zu - ruͤck zu bekommen, und ihnen eine ſolche Herzensangſt einzuiagen, daß ſie das ge - ſtohlne Gut von ſelbſt wieder bringen muͤß - ten. Waͤr fuͤrwahr eine herrliche Kunſt, wenn ſie nicht den Fehler haͤtte, daß ſie ſo oft fallirt, wie auch diesmal geſchah.

Jch verließ die Diebsherberge ſtehenden Fußes und eilte zu dem Patienten, bey dem das halbe Dorf verſammlet war nebſt Pfarrer und Kuͤſter, welches mich nicht we - nig beunruhigte: denn ich fuͤrchtete, die Geiſtlichkeit wuͤrde mir die jura ſtolae ab - fordern wollen, und ich trug keinen Heller mehr im Sack. Es war aber dahin nichtgemei -289gemeinet, der Parochus war einer Amts - verrichtung halber den Filialsweg gewan - dert, ſtand unter den Hauffen und gab gu - ten Rath wie dem kranken Gaul zu helfen ſtehe, brachte auch ein und andere Deſpe - rationskur in Vorſchlag, ſo gab ein Wort das andere, wir ruͤckten naͤher zuſammen und machten Bekanntſchaft. Das aͤuſſer - liche des Mannes verrieth eben keinen fetten Pfruͤndner, der ſchwarze Rock von groben Landtuch, war durch die Laͤnge der Zeit ſehr verwittert, daß die Grundfarbe nicht mehr deutlich zu erkennen war, und die Locken - arme ſchlichte Perucke hatte ſo vollkommen ausgedient, daß ſie in der Welt zu nichts mehr taugte als zum Verkohlen, um aus der Blutlauge das wenige Berlinerblau zu gewinnen, das ſie allenfalls enthalten mochte. Demungeachtet ſchloß dieſe un - anſehnliche Huͤlſe einen geſunden Kern in ſich: der Prediger war ein feiner Mann,Tmit290mit dem ſich ein verſtaͤndiges Wort ſprechen ließ. Jch verheelt ihm nicht mein Aben - theuer von der lezt vergangnen Nacht, er erſtaunte uͤber dieſe Zeitung um ſo mehr, da er eigentlich das herum treibende ſchiff - bruͤchige Emigrantenpaar, aus chriſtlicher Liebe in ſein Filialdorf eingelootſet und es nach Vermoͤgen unterſtuͤzet hatte. Ja er hatte auch viel gutthaͤtige Herzen erwecket, daß ſie dem evangeliſch geſinnten Meiſter Valentin, als ein Werk der Barmherzig - keit ihre Hoſen auszubeſſern anvertrauet hatten, wodurch er in Nahrung war geſezt worden. Uebrigens gab er der Diebsfamilie ein gutes Zeugniß, ſo wie die Aelteſten der Gemeinde, und ruͤhmte inſonderheit ihren erbaulichen Lebenswandel in Abſicht der fleiſſigen Beſuchung ſeiner Predigten. Hier - auf ließ er dem Kuͤſter das Factum proto - kolliren, um es ſeiner Pflicht gemaͤß ins Amt einzuberichten, welches ich mir gefal -len291len ließ. Glaub auch wohl, daß binnen einer ſaͤchſiſchen Friſt Steckbriefe ins Land werden ergangen ſeyn, womit ſonder Zwei - fel eben ſo viel, wie mit Philipps Jaͤger - kuͤnſten ausgerichtet worden iſt.

Der Cimber exſpirirte zu meinem groſ - ſen Leidweſen, eh der Kuͤſter noch auspro - tokolliret hatte. Jch erwieß ihm die lezte Ehre, und hielt ihm eine ſtattliche Stand - rede, worinn ich ſeine ehrſame Herkunft, auch ſeine guten Eigenſchaften heraus zu ſtreichen, und ſeinen ruͤhmlichen Lebenslauf, der ſich mit dem lezten ungluͤcklichen Schritt in das Walddorf geendiget hatte, beyzu - fuͤgen nicht vergaß. Hierauf wurd ich Sinnes einen Bauergaul zu heuern, der mich gemachſam bis in meine Heimath truͤ - ge, wollte mein ehrlich Geſicht zum Pfand einſetzen, und den Prediger zum Buͤrgen ſtellen. Der gute Mann zuckte die Achſeln, verſicherte, in ſeiner Walddioͤces ſey dasT 2Pferde -292Pferdegeſchlecht ſo wenig zu Hauß, wie in dem alten Palaͤſtina, denn nach des Ritter Michaͤlis Behauptung, haͤtten ſich weder in Abrahams, noch in Jſaaks, noch in Jakobs Heerden Pferde befunden. Jch mißverſtand dieſe Rede gaͤnzlich, und ver - meinte dem Paſtor mache die zugemuthete Buͤrgſchaft bange, darum wollt ichs ihm empfinden laſſen, daß ich wohl mercke, wohin ſeine gelehrte Ausflucht gemeinet ſey. O Solon Fiſcher! Solon Fiſcher! rief ich aus, ehrlicher Gaſtwirth in Oſtriz unweit Zittau, du hatteſt wohl recht zu ſagen: eine Waare gilt nachdem ſie geſucht wird. Hier wird kein ehrlich Geſicht geſucht, drum hats hier auch keinen Werth. Sie ſind, verſezte der Prediger, kein guter Ausleger meiner Worte, ich habe damit keinen Schlipf - winkel geſucht, um mich gegen eine Buͤrg - ſchaft darein zu verſtecken. Sie ſollen von der Wahrheit meiner Rede uͤberfuͤhret ner -den.293den. Jndeſſen ſagen Sie mir, kennen Sie den ehrlichen Gaſtwirth in Oſtriz Solon Fiſcher genannt?

Jch. Ob ich ihn kenn? Ja wohl kenn ich ihn, den braven, rechtſchaffenen Mann, ich umfaß ihn mit Bruderliebe, den treuen Jonathan!

Er. So hat Sie Jhr gutes Herz ſehr uͤbel addreſſirt!

Jch. Wie ſo?

Er. Das iſt ein Mann, der ſich kein Bedenken macht, Gott, ſeinen Fuͤrſten, und ſein Vaterland fuͤr dreißig Silberlinge zu verrathen, wie Judas Jſchariot ſeinen Meiſter. Er treibt in Kriegszeiten die boͤ - ſe Profeßion eines Spions. Jm vorigen Kriege, als ich zu Leipzig ſtudierte, wur - de ſein Kopf mehr als einmal ausgetrom - melt. Es ſtand damals eine Praͤmie von tauſend Thalern Ephraimiten darauf, wer Johann Fiſcher lebendig oder todt liefernT 3wuͤrde.294wuͤrde. Er pflegt die hieſigen Gegenden zuweilen als Viehhaͤndler zu beſuchen, wenn er eben kein halsbrechendes Gewerbe hat, daher iſt er mir ſehr wohl bekannt.

Jch verſtummete und ſprach: iſts moͤglich!!

Nach einigen Conſultationen mit meinem Philipp in Abſicht der Fortſetzung unſrer Reiſe, fiel der endliche Schluß dahinaus, daß ich den Spondeengaͤnger beſtieg, und Philipp den uͤbrigen Theil des Weges, un - ter der Qualitaͤt eines reiſenden Jaͤgers, zu Fuß machte. Bey dem traͤgen Eſels - ſchritt meines Gauls, bey einem Weg von zwey bis drey Tagereiſen, und dem neuen Reichthum phyſiognomiſcher Erfahrungen, dacht ich meinen Gedanken freies Spiel zu laſſen, und mich unter mancherley Be - trachtungen herum zu tummeln; glaubte die Meditationen wuͤrden ſich an allen Waͤnden und Geſparren meiner Hirnkam - mer ſo dick anlegen, wie der Arſenik in ei -ner295ner Kupferhuͤtte; aber ich betrog mich: in meinem Kopf ſahs ſo leer und ledig aus, wie in meinem Mantelſack, und mit dem Magen wuͤrds die naͤmliche Beſchaffenheit gehabt haben, wenn Philipp nicht als ein guter Wirth zum Gluͤck die drey Pfennige in ſeiner Taſche gehabt haͤtte, worauf un - ſere Vorfahren ſich ſo viel zu gute thaten, und die der Luxus der Enkel ſo ſorgloß verſchwendet. Der ordentliche Zehrpfen - nig reichte freilich nicht weit; aber der Spar - und der Nothpfennig waren deſto nachhaltiger, und ließen uns unterwegens nicht darben. Am dritten Morgen, als Philipp vaterlaͤndiſche Luft witterte, konnt ich ihn nicht zuruͤck halten, einen Vorſprung zu nehmen, und meine Ankunft zu Hanß zu melden. Die Einſamkeit fachte mei - nen Contemplationsgeiſt auf einmal wie - der an. Jch war nahe dabey, der edlen Phyſiognomik den Scheidebrief zu ſchreiben. T 4Unter296Unter allen Kunſtgenoſſen, ſprach ich, zuͤnf - tigen und unzuͤnftigen, ſo viel jemals un - ter Gottes blauem Himmel exiſtirt haben, iſt wohl keiner mit dem Studium der Men - ſchenkenntniß ſo weit linker Hand gekom - men, wie ich. Weiß nicht wie mir das wiederfahren iſt, trag doch meinen Kopf auch zwiſchen beyden Ohren wie ein and - rer geſcheiter Mann. Wie oft bin ich ge - taͤuſcht, gefoppt, geprellt worden! Wie oft hat mich eine Schurkenphyſiognomie erwaͤrmt, und hingeriſſen, da ich indeß vor den ehrlichen Mann zuruͤckgeſchaudert bin. Jſt die Schuld mein, ſo bin ich der groͤßte Dummkopf in Deutſchland, obgleich die Grundlinie meiner Stirn zur Perpen - dikularhoͤhe ein gar feines Verhaͤltniß hat, und keinesweges um zwey Drittel zu kurz iſt. Faͤllt aber ein Theil der Schuld auf die Kunſt zuruͤck, daß die mich irre gefuͤh - ret hat, wies denn wohl ſeyn mag: ſo iſtsein297ein Beweiß, daß ſie ſich noch in ihrer Kind - heit befindet, ſelbſt gar ſchwach und un - vollkommen iſt, und da hab ich allezeit ei - nen Schwabenſtreich begangen, daß ich mich mit ſo kuͤhnen Vertrauen mit verbunde - nen Augen, von einem Kinde habe leiten und fuͤhren laſſen, ohne mit meinem Fuß zu ſichern, ob ich gleich ſo oft den Teller, wor - unter Erbſen lagen, betreten hatte. Wahr - lich! wenn ſich einer dran gaͤb, der phy - ſiognomiſchen Forderung des Artiſten Gnuͤ - ge zu leiſten, und eine Phyſiognomik fuͤr Blinde zu ſchreiben, ſo ſchnackiſch das auch klingt, ſo wollt ich drauf praͤnumeriren oh - ne mich viel zu beſinnen. Nachdem ich mich uͤber den Punkt des Abſagebriefes wohl gepruͤft hatte, fand ich dennoch die naͤmliche Anhaͤnglichkeit an die Kunſt in meinem Herzen, die der Sempronius zu ſeiner luftigen Gattin verſpuͤrte, die ihn auch unzaͤhlichmal getaͤuſcht und hintergan -T 5gen298gen hatte, und deren Bild, ob er ſich gleich oͤffentlich von ihr geſchieden hatte, nie aus ſeinem Herzen verſchwand. Wills ſo weit nicht kommen laſſen, ſprach ich, haͤtte Schand und Spott vor den Leuten, wenn ich meine Geliebte verſtieß, hernach nicht ohne ſie leben koͤnnte, und ſie wieder zu mir aufnaͤhm. Wohlan denn! ſo will ich meinem phyſiognomiſchen Berufe treu blei - ben bis ans Ende, wie der ſelge Meiſter Duncam der Nadel, ob er gleich der groͤß - te Schneider-Kapitaliſt in Europa war. Dabey faßt ich aber den ernſten Vorſatz, das phyſiognomiſche Studium ganz dem Geſez zuwider zu betreiben, welches der weiſe Lavater ſeinen Juͤngern auferleget, und wozu der weiſe Muhamed die Seinigen gleichfalls verband: wenig zu ſchwatzen, viel zu ſchauen, und nicht zu diſputiren; ſondern vielmehr nach der Methode einiger unſrer angeſehenſten Kirchenlehrer viel vom Me -tier299tier zu ſchwatzen, alles zu beſchauen, dar - uͤber fleißig zu diſputiren, und nichts da - von zu glauben.

Jndem ich das ſo bey mir dachte, ritt ich unvermerckt in meinen Hof hinein, fand da die Privatakademiſten in Corpore ver - ſammlet mich ſolenne zu empfangen, und den Rektor Brunold zu meiner Verwun - derung an der Spitze, der mich mit einer wohlgeſezten Rede bewillkommte. Er war vollkommen geneſen, Doktor Baldrian hat - te die Geiſter, die ihm im Unterleibe ge - trommelt hatten, durch eine wirkſame Pur - ganz gluͤcklich wegexorcifirt. Ob mich nun gleich dieſe Wunderkur um ein inſtruktives Cranium in meiner Schaͤdelſammlung brach - te: ſo troͤſtete ich mich doch damit, daß die Akademiſten in ihren Verſammlungen dafuͤr einen Kopf mehr zaͤhlten.

So weit.

Verzeichniß der Buͤcher welche die Richteriſche Buchhandlung in Altenburg auf eigne Koſten gedruckt hat.

  • Abhandlungen der hollaͤndiſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Harlem, 1 ſter Th. mit Kupf. gr. 8. 1758. 1 Rthl. 8 Gr.
  • der kon. Pariſer Akad. der Chirurgie, 4 Baͤnde m. K 1754 76, 12 Thl. 8 Gr. Der 5te Band iſt unter der Preſſe.
  • von den Wuͤrkungen des Kamphers und Kalomels in anhaltenden Fiebern, aus dem Engliſchen, 8. 1776. 5 Gr.
  • hiſt. ſtatiſt. uͤber Rußland, a. d. Fr. des Ritters d’Eon von Beaumont, 8. 1779. 1 Rthl. 4 Gr.
  • hiſtor. Abriß von Jndien, m.. K. 8. 1773. 14 Gr.
  • Addiſons Anmerkungen uͤber verſchiedene Thei - le von Jtalien, 8. 14 G.
  • Aikin, J. Beobachtungen uͤber den aͤuſſerlichen Gebrauch der Zubereitungen aus Bley, nebſt einigen allgemeinen Anm. uͤber die oͤrtlichen Arzneyen, aus dem Engl. 8. 1776. 8 Gr.
  • de Sainet Albine, Schauſpieler, 2 Theile, gr. 8. 1772. 18 Gr.
  • Alciphrons Briefe, aus dem Griechiſchen uͤber - ſetzt von Herel, 3 Buͤcher, 8. 1767. 14 Gr.
  • Andachten auf alle Tage in der Woche, 8. 1774. 6 Gr.
  • Alberti D. M. Iurisprudentia medica, T. II. III. 4. 2 Rthl. 12 Gr.
Alix
  • Alix N. F. Obſervata Chirurgica, 2 Faſc. 8. 1774. 20 Gr.
  • Annaei L. Senecae et P. Siri Mimi Senten - tiae, 8. 1746. 3 Gr.
  • Apuleji Phil. Madaurenſis Opera, 2 Vo - lumina. 1780. 2 Rthl. 4 Gr.
  • Bahns, C. A. Nachrichten von Frankenberg und Sachſenburg, m. K. 4. 1755. 16 Gr.
  • Bayford, Th. von den Wuͤrkungen des Ein - ſpruͤtzens in die Harnroͤhre, nebſt dem Ge - brauch und Mißbrauch dieſes Mittels, a. d. Engl. 8. 1777. 8 Gr.
  • Bemerkungen, mediciniſche, einer Geſellſchaft von Aerzten in London, 6 Theile, m. Kupf. gr. 8. 1759 1777. 6 Rthl.
  • eines Reiſenden durch die koͤn. Preuß. Staaten, 2 B. 8. 1779. 2 Rthl. 16 Gr.
  • Berdmore, T. Abhandl. von den Krankheiten der Zaͤhne und des Zahnfleiſches, aus dem Engliſchen uͤberſetzt, 8. 1771. 6 Gr.
  • Bergmann, T. Abhandlung vom Arſenik, 8. 1778. 6 Gr.
  • Betrachtungen uͤber die neueſten hiſtor. Schrif - ten, 69-73. 5 Baͤnde,6 Rthl. 6 Gr.
  • Beyſpiele von Tugend und Laſtern aus der Ge - ſchichte der Menſchheit, 2 Th. 1779. 19 Gr.
  • Beytraͤge zur Naturhiſtorie, ſonderl. des Mine - ralreichs, 2 Th. m K. gr. 8. 1774. 1 Thl. 6 Gr.
  • Beytrag zur Geſchichte der Rindviehſeuche im Hannoͤveriſchen. Nebſt zween Briefen uͤber die Lentiniſchen Pulver, 8. 1776. 4 Gr.
  • Bouhour, die Art in witzigen Schriften wohl zu denken, 8. 1759. 14 Gr.
Bra -
  • Brakens verbeſſerte Roßarztneykunſt, aus den Engliſchen uͤberſetzt, gr. 8. 1757. 14 Gr.
  • Breitenbauch, neue Sammlung vermiſchter Gedichte, 8. 1767. 6 Gr.
  • Schilderungen beruͤhmter Gegenden dis Alterth. und neuerer Zeiten, 8. 1765. 8 Gr.
  • Juͤdiſche Schaͤfergedichte,〈…〉〈…〉. 1765. 16 Gr.
  • Briefe der Graͤfin von la Riviere, an ihre Freundin die Baronnes von Neuſpon〈…〉〈…〉, 2 Theile, 8. 1780. 1 Rthl. 16 Gr.
  • eines Bruders an ſeine Schweſter, uͤber die gewoͤhnlichſten Vorfaͤlle des menſchlichen Lebens, aus dem Engl. 8 1776. 8 Gr.
  • litterariſche an das Publikum 3 Theie, 8. 1769-1774. 1 Rthlr. 12 Gr.
  • Brieglebs, J. Chr. Vorleſungen uͤber den Ho - raz, 1r Th. 8 1770. 14 Gr.
  • Der 2te Theil hiervon iſt unter der Preſe.
  • vom hiſtoriſchen Enthuſiaſmus, 8. 1768. 5 Gr.
  • Grundſaͤtze der Logik, 8. 1774. 3 Gr.
  • phil. Grundſaͤtze von der menſchi - chen Seele, von Gott und unſern Pflio - ten, 8. 1778. 5 Gr.
  • Brisbane auserleſene mediciniſch-praktiſche Faͤlle, nebſt Vermehrungen des deutſchen Herausgebers, 8. 1778. 6 Gr.
  • Caille, des Abts, Reiſe nach dem Vorgebuͤrge der guten Hoffnung, nebſt dem Leben des Verfaſſers, m. K. 8. 1778. 16 Gr.
  • Caylus, Graf von, Abhandlung zur Geſchichte und zur Kunſt. Mit einer Vorrede des H〈…〉〈…〉. gehi -geheimen Rath Klotz, 2 Baͤnde, m. K. gr. 4. 1768. 5 Rthl.
  • Chryſophil, oder der Weg zum Gluͤck, 8. 1777. 12 Gr.
  • Colbatchs Abhandl. von dem Miſtel und deſſen Nutzen in der Arztneywiſſenſchaft, aus dem Engl. mit Zuſaͤtzen und Anmerkungen eines deutſchen Arztes verſehen, 8. 1776. 5 Gr.
  • Commentarien, mediein. von einer Geſellſchaft der Aerzte zu Edimburgh, 4 Baͤnde, 8. 1778. wird fortgeſetzt,4 Rthlt.
  • Copien fuͤr meine Freunde, 8. 1770. 8 Gr.
  • Curtis, Richard, Abhandlung vom Bau und Bildung der Zaͤhne, aus dem Engl. 5 Gr.
  • Cellarii, C. Orthographia lat. etc. cura Th. Chr. Harles, cum praef. Klotzii, 2 Tom. 8. 1762. 20 Gr.
  • hiſt. vniuerſalis in antiquam et medii aeui, ac nouam diuiſa, 12. 1756. 12 Gr.
  • Chompré, P. C. Selecta latini ſermonis exemplaria Scriptoribus probatiſſimis ad Chriſt. iuuentutis vſum excerpta, 6. Vol. 8. 1756. 3 Rthlr.
  • Cruſii, Chriſt. Opuſcula ad hiſt. et humani - tatis litteras ſpectantia, cum praef. Chr. Ad. Klotzii, 8. 1767. 1 Rthlr.
  • Chreſtomathia Phaedriana notis illuſtrata a I. Chr. Hartmann 1779. 2 Gr.
  • Dejeans, Anweiſung wie die franzoͤſiſchen Li - queurs verfertiget werden, 8. 1754. 12 Gr.
  • Duclos Betrachtungen uͤber die Sitten dieſes Jahrhunderts. Aus dem Franzoͤſ. uͤber - ſetzt, 8. 1758. 12 Gr.
Duͤſaulx
  • Duͤſaulx der Tod eines ehrlichen Mannes a. d. Fr. 1778. 8. 6 Gr.
  • Betrachtung uͤber die Spielſucht a. d. Fr. 1778. 8. 5 Gr.
  • Denham Abhandlung von dem Fieber der Woͤchnerinnen 8. a d. Fr. 1777. 5 Gr.
  • Delectus Diſſertat. Medicarum Ienenſ. Vol. I. collegit et praef. eſt D. C. G. Gruner, cum Fig. 4. 1779. 1 Rthlr. 12 Gr.
  • Demetrii de elocutione liber, graece et lat. curauit Ioh. G. Schneider 8. 1779. 14 Gr.
  • Demoſthenis oratio de Corona ex recenſ. I. Tayloris angli, c. eiuſdem et Wol - fii, Marklandi, Palmeri, I. I. Reiskii ſuisque animadverſionibus edidit T. Chr. Harles, 8 176920 Gr.
  • Eliſe ein Luſtſpiel 8. 1777. 6 Gr.
  • Ellers, J. Chr. Phyſiologie und Pathologie, vermehrt von D. Zimmermann, 2 Theile gr. 8. 1770. 1 Rthlr.
  • Erzaͤhlung einiger beſondern und lehrreichen Umſtaͤnde in dem Leben des ***. Aus dem Engliſchen uͤberſetzt, 8. 1766. 4 Gr.
  • Farr, S. Unterſuchung ob es dienlich ſey, bey der Schwindſucht Blut zu laſſen. Aus dem Engliſchen, 8. 1776. 5 Gr.
  • Fehrens Abhandlung von der bevorſtehenden merkwuͤrdigen Bekehrung der Juden, mit D. Cruſius Vorrede, 8. 1756. 8 Gr.
  • Anleitung zum rechten Verſtand und Gebrauch der Offenbarung Johannis 17601 Rthlr. 20. Gr.
Fienii
  • Fienii, D. J. Tractat von den Flatibus oder Blehungen im menſchlichen Leibe, 8. 1757. 6 Gr.
  • Fiſcher, Chr. G. geſchwinder Grieche, 8. 1737. 16 Gr.
  • der ſchoͤne Fluͤchtling ein Luſtſpiel in fuͤnf Akten, von E. G. v. H nach der engliſchen Runa - way der Miſtres Cowley, 8. 1776. 10 Gr.
  • Foot, J. kritiſche Unterſuchung der alten und neuem Art, die Krankheiten der Harntoͤhre zu behandeln, nebſt einer verbeßerten Me - thode ſie zu heilen, a. d. E. 8. 1777. 8 Gr.
  • Fordyce, W. genaue Unterſuchung der veneri - ſchen Krankheit, 8. 1769. 5 Gr.
  • Frankens, H. G. neue Beytraͤge zu der Geſchich - te, Staats-Lehn - und Privat-Rechten der Lande des Chur - und Fuͤrſtl. Haußes Sachſ. 1 ſter Theil. gr. 8. 1767. 18 Gr.
  • Farr, S. Aphorismi de marasmo, 8. 1774. 8 Gr.
  • Freisleben, C. H. Corpus juris ciuilis academicum in ſuas partes diſtributum vſuique moderno accommodatum, 4. 1751. 3 Rthlr.
  • Corpus juris Canonici academicum, 4. 1728. 3 Rthlr.
  • Geſchichte des Ritters Joſhua Truemann, 2 Th. 8. 1756. 18 Gr.
  • der Gluͤcklichen, 8. 1776. 12 Gr.
  • Geſchichts-Tafeln, zehen, auf welchen die Ge - ſchichte des Volks Gottes, der vier Monar - chien und des Sachſenlandes ꝛc. deutlich und kuͤrzlich vorgeſtellet werden, gr. 4. 1757. 6 Gr.
UGluͤck,
  • Gluͤck, J. G. bibliſche Geſchichte des A. und N. Bundes, 8. 1769. 6 Gr.
  • Goͤttling, J. F. A. Einleitung in die pharmacevtiſche Chymie fuͤr Lernende, 8. 1778. 8 Gr.
  • Goͤtzens, J. M. heilſame Betrachtungen der Geſchichte des großen Leidens und Verſoͤh - nungstodes Jeſu Chr. auf alle Tage des Jah - res, 4 Th. gr. 8. 1760. 3 Rthlr. 8 Gr.
  • Gozzi Briefe mancherley Art, 2 Theile, 8. 1763. 1 Rthlr.
  • Griesheim von, Verſuch einer neuen Bruͤcken - bauart, m. K. gr. 8. 1773. 6 Gr.
  • Grimms, J. Fr. C Abhandlung von Mineral - waſſern zu Ronneburg, gr. 8. 1770. 18 Gr.
  • Bemerkungen eines Reiſenden durch Deutſchland, Frankreich, England und Hol - land, in Briefen an ſeine Freunde, 5 Theile, 8. 1775. 1779. 5 Rthl. 8. Gr.
  • Grundlehren der Experimentalchymie, 2 B. Aus dem Engliſchen uͤberſetzt, gr. 8. 1762. 1 Rthlr. 16 Gr.
  • Guatani, Abhandlung von den Pulsaderge - ſchwulſten, a d. E. m. K. 8. 1777. 14 Gr.
  • Gifani, Obert Obſeruationes lat linguae ſin - gulares maiorem partem emendantis au - ctoribus cenſentur, augebat relique criti - cae item ſubinde ſpecimina dabat Enocus Chr. Aug. Otho. 8. 1762. 20 Gr.
  • Grainger, Iac. Hiſtoria febris anomalae Ba - tauae annorum 1746. 1747. 1748. etc. 8. 1770. 10 Gr.
Hallers
  • Hallers Lehre Muchamads von Gott, aus dem Koran gezogen, 8, 1779. 1 Rthlr.
  • Hardion, heilige und weltliche Geſchichte, 18 Th. 8. 1760-1774. 9 Rthlr. 4 Gr.
  • Hausarzt neuer fuͤr die Damen, aus dem Engliſchen uͤberſetzt, 8. 1773. 10 Gr.
  • Hellots Faͤrbekunſt, oder Unterricht Wolle und wollene Zeuge zu ſaͤrben. Aus dem Engliſchen uͤberſetzt, 8. 1765. 1. Gr.
  • Hennings, J. Chr. Einigkeit Gottes nach ver - ſchiednen Geſichtspuncten gepruͤft, und ſo - gar durch heydniſche Zeugniſſe erhaͤrtet, 8. 1779. 8 Gr.
  • Heyer, C. H. das Laſter der Hurerey in ſeiner Abſcheulichkeit, 8. 1777. 8 Gr.
  • Hill, Kraͤfte der Salbey zu Verlaͤngerung des Lebens, a. d. Engl. uͤberſ. 8. 1779. 5 Gr.
  • Hypocrates Buch von der Lebensordnung in hitzigen Krankheiten. A. d. Griechiſchen uͤberſetzt, gr. 8. 1772. 6 Gr.
  • ſaͤmtl. Werke, aus dem Griechiſchen uͤberſ. mit Anmerk. ſind unter der Preſſe.
  • Home, Fr. mediciniſche Beobachtungen und Verſuche. Aus dem Engliſchen uͤberſetzt, gr. 8. 1768. 10 Gr.
  • Hoppens, T. Ch. Abhandlung von der Begat - tung der Pflanzen. Nebſt einer Vorrede von D. G. H. Koͤnigsdoͤrfer, gr. 8. 1773. 5 Gr.
  • Huͤblers, Chr. G. voͤllig ausgeſetzte Beweis - gruͤnde uͤber Starkens Ordnung des Heils, 8. 1747. 7 Gr.
  • Harleſii, Th. Chr. Chreſtomathia latina poetica, 8. 1770. 14 Gr.
U 2Harleſii
  • Harleſii, Anthologia latina poetica, 8. 1774. 14 Gr.
  • Introductio in hiſtoriam gr. lin - guae med. 8. 1778. 1 Rthlr. 12 Gr.
  • Herelii I. Fr. Satirae tres, 8 1765. 8 Gr.
  • epiſtola critica ad Meuſelium, 8. 1767. 4 Gr.
  • Hieronymi, D. duo dialogorum graeci, qui ſuperſunt, edidit I. B. Carpzov. 8. 1772. 18 Gr.
  • Jſtrich, C. G. Predigten uͤber etliche Sonn - und Feſtags-Evangelia, 8. 1778. 6 Gr.
  • Iohannis Secundi Opera, 1216 Gr.
  • Kaͤſtners, A. G. vollſtaͤndiger Lehrbegriff der Optik, a. d. Engl. mit Aenderungen und Zuſaͤtzen, m. K. gr. 4. 1755. 3 Rthl. 8 Gr.
  • einige Vorleſungen in der koͤniglichen deutſchen Geſellſchaft zu Goͤttingen 2 Theile, gr. 8. 1768. 1773. 18 Gr.
  • A. G. vermiſchte Schriften, 2 Th. gr. 8. 1 Rthlr. 14 Gr.
  • Kirklands, Th. Bemerkungen uͤber Herrn Potts allgemeine Anmerkungen von Bein - bruͤchen ꝛc. a. d. Engl gr. 8. 1771. 16 Gr.
  • Klotz, C. A. Beytrag zur Geſchichte des Ge - ſchmacks und der Kunſt aus Muͤnzen, 8. 1767. 8 Gr.
  • uͤber den Nutzen und Gebrauch der alten geſchnittenen Steine und ihrer Ab - druͤcke, gr. 8. 1768. 1 Rthlr. 4 Gr.
  • Krah, M. J. G. neue geiſtliche Lieder zur Unter - haltung der Privatandacht gr. 8 775. 8 Gr.
  • Kreiſig, G. C. Beytraͤge zur Hiſtorie der Chur -undund Fuͤrſtl. Saͤchſ. Lande. 6 Th. gr. 8. 1754 - 1764. jeder Theil koſtet 18 Gr.
  • Kundſchafter der unſichtbare, 4 Th. gr. 8. 1756. 1 Rthlr. 12 Gr.
  • Kaeſtneri, A. G. Diſſertationes mathematicae et phyſicae quae Societ. regia ſcientiarum Göttingenſi annis 1756 - 1767. exhibit 1771. 4 maj. 1 Rthlr. 12 Gr.
  • Kieslingii, epiſtolae anti-quirinianae ad An - gelum Mariam Quirinum et ad emendatae eccleſiae Lutheranae hiſt. ſpectantes nune collectae, reuiſae, emendatae, notulis auctae, et in hoc redactae Syntagma, 4. 1765. 1 Rthlr. 8 Gr.
  • Klotzii, C. A. mores eruditorum, 8. 1760. 5 Gr.
  • Genius Seculi, 8. 17760. 10 Gr.
  • Ridicula litteraria, Editio ſecunda et aucta, 8. 1774. 6 Gr.
  • C. A. hiſtoria numorum obſidiona - lium, c. fig. 8. 1765. 12 Gr.
  • hiſtoria numorum contumelioſorum et ſatyricorum, c. fig. 8. 1765. 16 Gr.
  • Carmina omnia, 8 maj. 1766. 12 Gr.
  • Opuſcula varia, 8 maj. 1766. 20 Gr.
  • Epiſtolae Homericae, 8. 1764. 14 Gr.
  • Funus P Burmanni II 8. 1762. 3 Gr.
  • Acta litteraria, VII. Vol. 8. 1764 - 17747 Rthlr.
  • Koecheri, I Chr. Analecta philologica et exe - getica in IV. S. S. Euangeliſtas, quibus I. C. Wolfii Curae phil. et criticae ſupplentur atque augentur, 4 maj. 1766. 3 Rtlr. 18 Gr.
U 3Kor -
  • Korbinsky, I. C. Sententiae prouerbiales in vſum iuuentutis ſcholaſticae, 8. 1765. 7 Gr.
  • Kreiſig, G. Ch. bibliotheca ſcriptorum vena - ticorum, 8. 1750. 6 Gr.
  • Laboratorium das neueroͤfnete, oder die entdeck - ten Geheimniſſe der Apotheker und Chymi - ſten. a. d Engl. uͤberſ. gr 8. 1760. 14. Gr.
  • Lamy Kunſt zu reden Aus dem Franz uͤber - ſetzt, 8. 1753. 10 Gr.
  • Laurentii, F G. Abhandlung von den Kriegs - gerichten zu unſern Zeiten, in Anſehung der peinlichen Gerichtsbarkeit, 8. 1757. 10 Gr.
  • Lebensbeſchreibung Heinrichs des Großen, Koͤ - nigs in Frankreich, von Perefixe, uͤberſetzt von J. Ehr. Kind, 8. 1753. 12 Gr.
  • Lepechin, Jwan Tagebuch der Reiſe durch ver - ſchiedene Provinzen des Rußiſchen Reichs, in den Jahren 1768 und 1769 Aus dem Ruſ - ſiſchen uͤberſetzt von M Chr. H. Haſe, 2 Th. m. Kupf. gr. 4. 1774-1776. 4 Rthlr.
  • ditto 3ter Theil unter der Preſſe.
  • Letſom, J C. mediciniſche Nachrichten von dem allgem. Diſpenſatorio zu London. Aus dem Engl. gr. 8. 1777. 16 Gr.
  • Lexikon compendioͤſes Kirchen - und Ketzer, in welchem alle Ketzereyen und Secten, und de - ren Urheber und Stifter von der Apoſtel Zei - ten her beſchrieben werden, 8. 1756. 10 Gr.
  • Liebe und Tod, ein Trauerſpiel 8. 1778. 7 Gr.
  • Locke, J Verſuch vom menſchlichen Verſtande, mit Anmerkungen von H. E. Poley, gr 4. 1757. 3 Rthlr. 8 Gr.
Lobers,
  • Loͤbers, G. Fr. Predigten uͤber die Sonn - und Feſt-Evangelien, 2 Theile, gr. 8. 1774. 1 Rthlr. 4 Gr.
  • Lotterieſpiel kleines zum Gebrauch fuͤr Privat - geſellſchaften, 8. 17764 Gr.
  • Lucas, C. Verſuch von Waſſern. Aus dem Eng - liſchen uͤberſetzt, 3 Th. gr. 8. 1767-1769. 1ſter Th. 16 Gr. 2ter Th. 16 Gr. 3ter Th. 20 Gr.
  • Lullin, A. heilige Reden uͤber verſchiedene Stel - len der heiligen Schrift. Aus dem Franz. uͤberſ. von M. Heyde, 8. 1762. 10 Gr.
  • Loeber, G Fr. Obſeruationes ad hiſt. vitae et mortis Ieſu Chriſti in ipſo aetatis flore obitae ſpectantes, 8. 1776. 8 Gr.
  • ad hiſt. colloquii Altenburgenſis animaduerſiones, 4. 1776. 4 Gr.
  • Maͤhrchen, das vom Bilboquet, 8. 1772. 4 Gr.
  • Makenzie’s Geſchichte der Geſundheit, und die Kunſt dieſelbe zu erhalten. Aus dem Eng - liſchen, 8. 1762. 16 Gr.
  • Malouin’s mediciniſche Chymie, welche die Weiſe enthaͤlt, wie man die gewoͤhnlichen Arztneyen bereiten, und ſie zur Heilung der Kranken anwenden ſoll, 2 Theile, gr. 8. 1763. 1 Rthlr. 16 Gr.
  • Matthes, M. Joh. Chr. Verſuch einer Real - und Verbal-Liederconcordanz, gr. 8. 1760. 12 Gr.
  • Mariti Reiſe nach Cypern, Syrien und Palaͤ - ſtina, in einem freyen Auszuge aus dem Jta - lieniſchen, gr. 8. mit einem gemahlten Kupf. 1777. 1 Rthlr. 16 Gr.
U 4Mellin,
  • Mellin, C. J. praktiſche Materia Medica, gr. 8. 1779. mit gnaͤd. Privilegio. 12 Gr.
  • Auszuͤge aus den beſten medic. Probe - ſchriften, vom 16ten und 17ten Jahrhunder - te, 2 Th gr. 8. 1771. 1773. 1 Rthlr.
  • C I. ſelecta formularum medicinal. exempla 8. 1771. 3 Gr.
  • pharmacia ſeculo moderno accom - modata, 8 maj 1772. 8 Gr.
  • Monro, D. Beſchreibung der Krankheiten, wel - che in den Brittiſchen Feldlazarethen von 1761-1763. am haͤufigſten geweſen, nebſt des Herrn Pegue von Presle Zuſaͤtzen, 2 Th. gr. 8. 1771. 2 Rthlr.
  • A. Nachricht von der Einpfropfung der Kinderblattern in Schottland. Aus dem Engliſchen, gr. 8. 1766. 4 Gr.
  • Morgagni, J. B. von dem Sitze und den Ur - ſachen derer Krankheiten welche durch die Anatomie erforſcht worden. Aus dem Latei - niſchen, 5 Buͤcher gr. 8. 1771-1776. 1 Buch, 1 Rthlr. 2tes, 1 Rthlr. 20 Gr. 3tes, 2 Rthlr. 20 Gr. 4tes, 1 Rthlr. 16 Gr. 5tes, 1 Rthlr. 12 Gr. complet. 8 Rthlr. 20 Gr.
  • Morgen oder Abendandachten zur Erbauung 1779. gr. 8. 12 Gr.
  • Mangoldi, Chr. Andr. Opuſcula medico phyſica collegit et edidit C. G. Baldinger, 8 maj. 1769. 20 Gr.
  • Nesbits, R. Oſteogenie, oder Abhandlung von der Erzeugung der Knochen im menſchlichen Koͤrper, mit Herrn D. Ch. G. Ludwigs Vor - rede. A. d. Engl. m. K. gr. 4. 1753. 1 Rthlr.
Das
  • Das Orackel des Eheſtandes, 8. 1777. 4 Gr.
  • Pfeiffers, J. C. Trauerreden, gr. 8. 1769. 10 Gr.
  • Pommers, G. R. Sammlung hiſtoriſch - und geographiſcher Merkwuͤrdigkeiten, 8. 1751. 1 Rthlr.
  • Popens Menſch, ein philoſophiſches Gedicht, deutſche Ueberſetzung mit der Engliſchen Ur - ſchrift, gr. 4. 1759. 1 Rthlr. 12 Gr.
  • Presle Begue, Zuſaͤtze zu D. Monro’s Be - ſchreibung der Krankheiten, welche in den brit - tiſchen Feldlazarethen in Deutſchland am haͤufigſten geweſen, 2 Theile, gr. 8. 1771. 1ſter Th. 18 Gr. 2ter Th. 1 Rthlr. 6 Gr.
  • Pringles Beobachtungen uͤber die Krankheiten einer Armee ſowohl im Felde als in Garni - ſon. Aus dem Engliſchen uͤberſetzt von D. Brande, gr. 8 1772. 1 Rthlr. 6 Gr.
  • Poetarum Poloniarum Carmina Paſtoralia, ex bibl. Zaluſciana med. 8. 1779. 8 Gr.
  • Perizonii, Iac. animaduerſiones hiſtoricae quas typis repedentas curauit Theoph. C. Harles, 8. 1771. 1 Rthlr.
  • Platneri lanx ſatura, 8. 1758. 18 Gr.
  • Poetae latini minores, curauit I. Chr. Werns - dorff, T. I et II. med. 8. 1780.
  • Quinctiliani, M. F. inſtitutionum oratoria - rum Libri duodecim ad vſum ſcholarum accomodati, reciſis quae minus neceſſaria viſa ſunt et breuibus Notis illuſtrati a Carolo Rollin, emendat. edidit, addita lectionis varietate a Th. Chr. Harles, 2 Tomi 8. 1773. 1 Rthlr. 8 Gr.
  • Raniſch, M. S. hiſtoriſch-critiſche Lebens -U 5beſchrei -beſchreibung Hans Sachſens, ehemals be - ruͤhmten Meiſterſaͤnger zu Nuͤrnberg, 8. 1765. 10 Gr.
  • Reiſe eines franzoͤſiſchen Officiers nach der Jnſel Frankreich und Bourbon, ꝛc. Aus dem Fran - zoͤſiſchen uͤberſetzt, und mit einigen Anmerk - ungen eines Arztes verſehen, 2 Th. m. Kupf. gr. 8. 1774. 1 Rthlr. 16 Gr.
  • Reiſen Phyſiognomiſche, voran ein phyſiogno - miſch Tagebuch, 4 Hefte, 1779. 2 Rthlr. 8 Gr.
  • Reuchlin, J. C. Denkmal der Altenburgiſchen Jubelfreude des vor 200 Jahren geſchloſſenen Friedens, gr. 8 1755. 12 Gr.
  • Roda, E A L der Chriſt unter den Freyden - kern in Betrachtungen, gr. 8. 1770. 8 Gr.
  • Abhandlung vom Salpeterfraße an den Mauern, 4. 1772. 4 Gr.
  • Roſaliens Briefe an ihre Freundin Marianne v. St. ** von der Verfaſſerin des Fraͤul. v. Sternheim, 1 ſter Band 8 1779. 1 Rthlr. 8 Gr. Der 2te und 3te Band hiervon ſind unter der Preſſe.
  • Roſenblatt, E mediciniſche Abhandlung von den Wuͤrkungen des Kohls, aus dem Engl. 8. 1778. 6 Gr.
  • Runkel, Sammlung freundſchaftlicher Origi - nalbriefe zur Bildung des Geſchmacks fuͤr Frauenzimmer, 2 Theile, gr. 8. 1779. 1 Rthlr. 14 Gr.
  • Sammlung chirurgiſcher Bemerkungen, aus verſchiedenen Sprachen uͤberſetzt, 5 Th. mit K. gr. 8. 1758-1779. 3 Rthlr. 16 Gr.
  • der mediciniſchen Societaͤt in Budißin,ausaus allen Theilen der Arztneygelahrheit, gr. 8. 1757. 1 Rthlr.
  • Sammlung einiger Lieder in Muſik geſetzt, von J G. Krebs, 4. 1777. 12 Gr.
  • Sammlung vorzuͤglich edler und ſchoͤner Hand - lungen zur Bildung des Herzens in der Ju - gend, 8. 1780. 7 Gr.
  • Saunders, W Bemerkungen uͤber das Spies - glaß und deſſen Gebrauch in Krankheiten. Aus dem Lateiniſchen, 8. 1775. 6 Gr.
  • Schmeißers Leben des Herrn General von Rautenkranz, gr 8. 1761. 8 Gr.
  • Schoͤnheit, uͤber die moraliſche, und Philoſophie des Lebens, 8. 1772. 12 Gr.
  • Schroͤter, J. Sam vollſtaͤndige Einleitung in die Kaͤnntniß der Steine und Verſteinerun - gen, 3 Baͤnde, gr. 4. 9 Rthlr. 2 Gr. Der 4te Band iſt unter der Preſſe.
  • Sieferts, D. A. M. Verſuche mit einheimiſchen Farbematerien zum Nutzen der Faͤrberey, 2 Stuͤcke, gr. 8. 1775. 1 Rthlr. 4 Gr.
  • Smellie Abhandlung von der Hebammenkunſt. Aus dem Engliſchen uͤberſetzt, 3 Th. 8. 1755 - 1770. 1 ſter Theil 16 Gr. 2ter Theil 16 Gr. 3ter Theil 16 Gr.
  • Soͤderberg, D. Abhandlung von den Haͤmor - hoiden, 8. a. d. E. 1778. 6 Gr.
  • Stella ein Schauſpiel fuͤr Liebende, von Hr. Goͤthe, ſechſter Akt. 8. 2 Gr.
  • Schirach, G. B antiquitatum romanarum breuis deſcriptio, 8. 1771. 3 Gr.
  • Schöttgenii, Chr. et G. Chr. Kreyſigii diplo. mata -mataria et Scriptores hiſtoriae Germ. me - dii aeui, 3 Tom. c. Fig fol. 1753-1760. jeder Theil koſtet 4 Rthlr. 12 Gr.
  • Somnium in quo praeter caetera Genius ſe - culi cum moribus eruditorum vapulat. 8. 1761. 8 Gr.
  • Stratonis aliorumque veterum poetarum graecorum Epigrammata edita nunc pri - mum a Chr. Ad. Klotz, 8. 1764. 6 Gr.
  • Der Ton der großen Welt, ein Luſtſpiel von Colmann, a d E. 8 1778. 5 Gr.
  • Treille, de la Predigten uͤber verſchiedene Schriftſtellen Aus dem Franzoͤſiſchen von M, S. Raniſch, 8. 1754. 20 Gr.
  • Turners Abhandlung von den Krankheiten der Haut. Nebſt einem Anhange von den aͤußerlichen Mitteln und der Art, wie ſie wuͤrken, a. d. Engl. 8. 1766. 20 Gr.
  • Theoduli Ecloga, edidit I. G. S. Schwabe, 8 maj. 1773. 5 Gr.
  • Tyrtaei quae ſuperſunt omnia collegit, commentario illuſtr. edidit C. Ad. Klotz, 8 maj. 1767. c. Fig. 1 Rthlr. 12 Gr.
  • Der treuherzige Vater, Poße, 8. 1777. 4 Gr.
  • Ueber die Geſchichte der vereinigten Nieder - lande, nach dem Franz. frey uͤberſ. berichtigt und vermehrt v. Fr. Chr. Thuͤrnagel, 1ſter und 2ter Th 8. 1779. 1 Rthlr. 16 Gr. Der 3te und 4te Th. ſind unter der Preſſe.
  • Verſuch einer genauern Beſtimmung des Rechts wiederkaͤuflicher und unableglicher Zinſen, bey entſtandnen Concurſen, gr. 8. 1778. 8 Gr.
Ver -
  • Verſuch, uͤber das Schoͤne da man unterſucht worinnen eigentlich das Schoͤne in der Na - turlehre ꝛc. beſtehe Aus dem Franz. uͤberſetzt von E. G. Baron, gr. 8. 1757. 4 Gr.
  • Verſuche mediciniſche, und Bemerkungen der Geſellſchaft zu Edimburg Aus dem Eng - liſchen, 7 Baͤnde mit Kupf. 8. 1749-1762. 6 Rthlr. 18 Gr.
  • Verſuche neue, u. Bemerkungen der Geſellſchaft zu Edimburg. Aus dem Engliſchen, 3 Baͤnde m K. 8. 1756-1774. 2 Rthlr. 20 Gr.
  • Vitae, M. H. de arte poetica libri III. com - mentar. de Poetae vita et Carminibus ad - didit C. Ad. Klotz. 8. 1766. 8 Gr.
  • Wahrnehmungen, neue mediciniſche und chi - rurgiſche aus verſchiedenen Sprachen uͤberſ. 1ſter Th. gr. 8. 1779. 14 Gr.
  • Wayſe die engliſche, oder Geſchichte der Char - lotte Summers. Aus dem Franz. uͤberſetzt, 4 Th. m. K, 8. 1768. 20 Gr.
  • Wege der Tugend. Aus dem Engl. 3 Theile, 8. 1769-1776. 16 Gr.
  • Die Welt von Adam Fitz-Adam, 4 Baͤnde, 1779. 1780. gr. 8. 4 Rthlr.
  • Weiſens, Chr. Latium in Compendio, oder der geſchwinde Lateiner, 2 Th. 8. 1769. 1 Rthlr.
  • Whiters, Th. Bemerkungen uͤber die lang - wierige Mattigkeit, 8. a. d. E. 1779. 9 Gr.
  • Wiegenliederchen, 8. 1772. 4 Gr.
  • Wiegleb’s, J. Ch Vertheidigung der Meyeri - ſchen Lehre vom Acido pingui gegen ver -ſchiedeneſchiedene darwider gemachte Einwuͤrfe, gr. 8. 1770. 6 Gr.
  • Wilhelm und Louiſe, eine Geſchichte in Origi - nalbriefen, 8. 1777. 10 Gr.
  • Wollin, Chr. von der Verfaͤlſchung des Weins mit Bleyglaͤtte, aus den Engliſchen, 8. 1778. 4 Gr.
  • Walchii Sigillum medici ocular. rom. ru - per in agro Ienenſi repert. et obſerv. illuſtr. 4. 1763. 4 Gr.
  • Wimmeri, I. Abr. vita Gregorii Pontani trium Saxonic Elector. Cancellarii ad hiſtor. de Aug. Conf. vberr. illuſtr. 8. 1730. 6 Gr.
  • Zachariaͤ, Fr. W. die Schoͤpfung der Hoͤle, nebſt einigen andern Gedichten, 4. 1767. 14 Gr.

Franzoͤſiſche Buͤcher.

  • Comediés grecques d Ariſtophane, trad. en François avec des Notes critiques et un Examen de chaque Pieçe ſelon les Reges du Théatre par Madame Dacier, 8. 1762. 16 Gr.
  • Diſcour d’un vieux General ſur pluſieurs ſujets militaires, 8. 1766. 8 Gr.
  • Tragedies grecques de Sophocle, traduies en francois avec des notes critiques, par Monſ. Dacier, 8. 1763. 16 Gr.
  • Grammaire des Dames, par le Chev. P. 8. 1778. 16 Gr.
Eſai
  • Eſſai ſur les N. N. on ſur les Inconnus avec Fig. 8. 1778.

Engliſche Buͤcher.

  • Milton’s Paradiſe Loſt, a Poem in 12 Books, 8. Altenb. 1776. 1 Rthlr. 8 Gr.
  • A Collection of new Plays by ſeveral hands. 4 Vol. Altenb. 1775. 1776. 4 Rthlr.
  • The Beauties of Magazines and other pe - riodical Works, ſelected for a ſeries of years, 2 Vol. gr. 8. 1775. 2 Rthlr.
  • A Sentimental journey through France and Italy, by Mr. Yorick, 2 Vol with Cuts, 8. 1776. Altenb. 1 Rthlr. 6 Gr.
  • The life and opinions of Triſtram Shandy Gentleman, 6 Vol. Compl gr. 8. Altenb. 1772. 3 Rthlr. 12 Gr.
  • Sermons by Laurence Sterne, 7 Vol. com - plet. 8. 1777. 2 Rthlr.
  • Yorick Letters to Eliza, Eliza Letters to Yorick, Sterne Letters to his friends, gr. 8. 1776. Altenb. 16 Gr.
  • Miſcellaneous pieces in Proſe, by J. and A. Aikin 8. 1775. 12 Gr.
  • Letters of the late Rev Mr. Laurence Ster - ne, to his moſt intimate Friends, with a Fragment in the Manner of Rabelais, to which are prefix’d Memoirs of his Li - fe and Family written by himſelf, and publiſhed by his Daughter Mrs. Medalle 3 Vol. 8. 1776. 1 Rthlr.
Fablc,
  • Fables by the late Mr. Gay, gr. 8. Altenb. 1772. 18 Gr.
  • Four Poems, viz. Armine and Elvira; The Hermit of Warkworth; The deſerted Village, and The Traveller, gr. 8. Al - tenb. 1773. 20 Gr.
  • Jones Poems, conſiſting chiefly of Transla - tions from the eaſtern languages, gr. 8. Altenb. 1774. 18 Gr.
  • Eſſays by Oliver Goldſmith, gr. 8. Altenb. 1774. 20 Gr.

About this transcription

TextPhysiognomische Reisen
Author Johann Karl August Musäus
Extent338 images; 41134 tokens; 11228 types; 292147 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationPhysiognomische Reisen Viertes Heft Johann Karl August Musäus. . 299 S., [10] Bl. RichterAltenburg1779.

Identification

Staatsbibliothek München BSB München, P.o.germ. 972-1/3

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Prosa; Belletristik; Prosa; core; ready; china

Editorial statement

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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