So unangenehm und uͤberfluͤßig manchmal die weitſchweifigen und ermuͤdenden Vorreden vor kleinen Buͤchern ſind: — und ſo ſehr wir auch ſelbſt wuͤnſch - ten, dieſem Werke keinen Vor -* 2berichtVorbericht. bericht vorſetzen zu duͤrfen; ſo ſehen wir uns doch der ver - ſchiedenen Leſer wegen, die dieß Buch erhalten koͤnnte, genoͤ - thigt, eins und das andre zu erinnern.
Wahrſcheinlicherweiſe wer - den in dem Publikum der Le - ſerwelt einige ſeyn, die, beym erſten Anblick, dieſes Werk fuͤr etwas ſehr Ueberfluͤßiges hal - ten duͤrften: — ſie werden ſich ſonder Zweifel gleich erinnern, daß ſie vor langer oder kur -zerVorbericht. zer Zeit einige Quartanten und Folianten uͤber eben die Ge - genſtaͤnde, die unſer Buch be - handelt, mit vielem Vergnuͤ - gen durchgeleſen, und daher itzt weiter nichts mehr daruͤ - ber zu leſen wuͤnſchen. Fuͤr dieſe fleißigen Durchwuͤhler ſtar - ker Quartanten, haben die Verfaſſer dieſes Werks auch nicht ſchreiben — ſie nicht in ihrem gelehrten Fleiße ſtoͤhren wollen. — Aber nicht allen in der deutſchen Leſerwelt iſt die Geduld gegeben, ſo wie* 3jeneVorbericht. jene Herren, große Quartan - ten durchzuleſen. Nicht alle haben Luſt alles zu leſen, und zu wiſſen, was ein Reiſebe - ſchreiber geſehen und gehoͤrt hat. Nicht alle beſitzen Ur - theilskraft genug — die Guͤte und Zuverlaͤßigkeit, eines Rei - ſebeſchreibers pruͤfen zu koͤn - nen. — Und dieſem Leſepu - blikum, das gewiß unendlich groͤßer iſt, als vorhinerwaͤhnte Folianten-Liebhaber — iſt un - ſre Arbeit vorzuͤglich gewid - met.
UnſersVorbericht.Unſers Wiſſens, hat man in Deutſchland bis itzt noch kein Werk, von der Art, wie wir itzt dem Leſer vorlegen. Wir hatten bey Verfaſſung deſſelben bloß die Abſicht, dem Publikum eine concentrit hi - ſtoriſch richtige Darſtel - lung des Intereſſanteſten in dem Character, Den - kensart, Sitten, Gebraͤu - chen, religioͤſen Ideen u. f. verſchiedener merkwuͤrdigen aſiatiſchen Nationen, zu ge - ben, und ihm dadurch einer* 4ermuͤ -Vorbericht. ermuͤdenden Arbeit, die vielen Buͤcher nachzuſchlagen und zu leſen — zu uͤberheben. — Es kommt dem vernuͤnftigen und billigen Leſer zu — und nicht dem, der alles fuͤr ſchlecht und unrecht haͤlt, was er nicht ſelbſt geſchrieben und gemacht hat — zu beurtheilen, ob wir dieſe Abſicht erreicht haben oder nicht.
Und hier koͤnnte ſchon die - ſer Vorbericht geſchloſſen wer - den, wenn wir uns nicht fuͤrver -Vorbericht. verpflichtet hielten, dem Leſer anzuzeigen, was wir bey Aus - arbeitung dieſes Werks fuͤr Reiſebeſchreiber gebraucht ha - ben. — Auf das Gerathewohl haben wir Niemand nachzubeten Luſt, und fuͤr das leſende Pu - blikum zu viel Achtung ge - habt; ſondern wir haben z. E. bey Perſien den Inſtar omnium, den Ritter Chardin zum Grun - de, ſind aber ſehr haͤufig von ihm abgegangen, und ſonder - lich da, wo wir entweder Wi - derſpruͤche, oder offenbare Un -* 5rich -Vorbericht. richtigkeiten vorfanden. Soll - te uns aber Jemand deswe - gen tadeln, daß wir dem Char - din zu oft gefolgt; ſo iſt es ein ſicheres Zeichen, daß er ihn nie geleſen, oder die Zuverlaͤßig - keit deſſelben nicht kenne. — Bey China ſind vorzuͤglich Duͤ Halde Hiſtoire de la Chine, Le Com - pte, Martini (hiſt. Sin.) Neu - hoff, Carery, Kirchers Chi - na illuſtr. (doch aber ſelten) Ma - gaillan und andere, unſre Fuͤhrer geweſen. — Wir haͤt - ten die Behandlung des Cha -racte -Vorbericht. racteriſtiſchen der Chineſer, aus unſerm Plan, nachdem Herr von Paw ſeine Unterſuchun - gen geſchrieben hat, heraus - laſſen koͤnnen. Da wir aber ein Ganzes, und die Chineſer ei - nes der merkwuͤrdigſten Voͤlker ſind, liefern, auch dieß Volk nicht philoſophiſch, ſondern hiſtoriſch beſchreiben wollten; ſo konn - ten ſie hier ihren Platz nicht verliehren. Ein billiger Mann wird uns doch hieruͤber nicht tadeln! —
DerVorbericht.Der zweyte und letzte Band — der aber etwas ſtaͤr - ker werden duͤrfte, als dieſer erſte — wird ohnfehlbar kuͤnf - tige Oſtermeſſe erſcheinen, und wuͤnſchen, daß unſre Arbeit zur Befoͤrderung der Menſchen - kenntniß etwas beytragen moͤge.
Die Verfaſſer.
Leipziger Michael-Meſſe. 1776.
Vermiſchte Anmerkungen uͤber das Clima — Denkart — Sitten und Ge - braͤuche der Perſer.
Ehe ich mich in eine genaue Dar - ſtellung des Intereſſanteſten in den perſiſchen Sitten, Gebraͤu - chen, Denkart einlaſſe: ſcheint es mir noͤthig zu ſeyn, vorher dem Leſer einige allgemeine Bemerkungen uͤber die Luft und das Clima Perſiens — weil jene durch dieſe ihre Richtung erhalten — mitzutheilen.
Perſien iſt an und fuͤr ſich ein ungemein duͤrres, bergichtes und wenig bewohntes Land: und man kann annehmen, daß kaum der zehn - te oder zwoͤlfte Theil bewohnt iſt. BeſondersA 2be -4bemerkt man dieſen Mangel an Einwohnern immer mehr und mehr, je weiter man ſich den mittaͤgigen Gegenden des Reichs naͤhert. Die Haupturſache hiervon liegt vermuthlich haupt - ſaͤchlich darinn, daß es faſt im ganzen Lande an hinreichendem Waſſer fehlt. Indeſſen koͤnnte aber doch der Zufluß des Waſſers, und folglich die Fruchtbarkeit des Landes leicht, wenigſtens um einen großen Theil, befoͤrdert werden, wenn es durch unterirrdiſche Canaͤle zu den waſſer - armen Orten geleitet wuͤrde. — Allein der Mangel an Menſchen, und die ihnen faſt ange - bohrne Neigung zur Faulheit und zum Muͤßig - gange, verurſacht, daß das Land nicht hinlaͤng - lich bebauet und fruchtbar gemacht wird. *)Man koͤnnte zu den Urſachen der wenigen Be - voͤlkerung Perſiens noch folgende zwey rechnen. — Erſtlich macht die harte und oft grauſame deſpotiſche Regierungsform, daß ſich viele Ein - wohner in andern Laͤndern, ſonderlich dem rei - chen, fruchtbaren und ſtark bewohnten Indien niederlaſſen, und unter dem Mogul eine ruhi - ge und gelinde Regierung genießen. — Zwey - tens ſchadet der Bevoͤlkerung die unwiderſteh - liche Neigung der Perſer zur Wolluſt und allen unſittlichen Leidenſchaften. Schon in ihren jungen Jahren ſuchen ſie mit dem andern Ge - ſchlecht Bekanntſchaft zu machen, und wenn ein junger Menſch ſein ſechszehntes Jahr er - reicht hat, erlauben es ihm die Geſetze ſich eine Beyſchlaͤferinn zu halten. — Dieſe Neigung zur Wolluſt erſtreckt ſich auch in eben dem Gra -de
In5In einem ſo großen und weitlaͤuftigen Reiche, wie Perſien iſt, muß natuͤrlicherweiſe die Luft und das Clima ſehr verſchieden ſeyn. Xenophon erzaͤhlt vom Cyrus, daß dieſer ein - mal folgende Worte wegen der Verſchiedenheit der Temperatur der Luft ſoll ausgeſprochen ha - ben: das Reich meines Vaters iſt ſo groß, daß man an einem Orte vor Kaͤlte erſtar - ren, und am andern vor Hitze zerſchmelzen moͤchte. Dieſe Beſchreibung des Cyrus hat noch itzt, nach dem einhelligen Zeugniſſe der zuverlaͤßigſten Reiſebeſchreiber ihre voͤllige Rich - tigkeit, wenn gleich Perſien gegenwaͤrtig bey weitem nicht mehr ſo groß iſt, wie es zu den Zeiten des Cyrus war.
Der Winter iſt in den nordoͤſtlichen Pro - vinzen uͤberaus rauh und faſt unaushaltbar. A 3Da -*)de auf das Frauenzimmer. Sie bekommen fruͤhzeitig Kinder: aber dieſe Fruchtbarkeit wird bald gehemmet. Denn ſie haben die abſcheu - liche Gewohnheit an ſich, ihre Leibesfrucht durch dazu dienliche Mittel abzutreiben: und dieß bloß darum, weil ſie es nicht leiden koͤn - nen, daß ihre Maͤnner waͤhrend der Schwan - gerſchaft — denn nach den Geſetzen darf kein Perſer bey einer ſchwangern Frau ſchlafen — gar keine Gemeinſchaft mit ihnen haben, und es mit andern halten. — — Wir werden in der Folge noch Gelegenheit haben, von den Heyrathen und den Gebraͤuchen bey denſelben zu reden. Hier iſt der Ort nicht und auch fuͤr eine Anmerkung zu weitlaͤuftig, dieſe intricate Materie ſo zu behandeln, wie ſie es verdient.6Dagegen aber iſt die Hitze in den mittaͤglichen Gegenden, beſonders gegen dem perſiſchen Meer - buſen, nicht allein unausſtehlich heiß, ſondern auch zu gewiſſen Zeiten oft toͤdlich. Die Ein - wohner dieſer Gegenden wiſſen ohngefaͤhr die Zeit, wenn die Hitze bringenden Winde zu wehen anfangen. Alsdenn verlaſſen ſie ihre Felder und alles, was ſie haben, und begeben ſich auf die hoͤchſten Berge. Vom October bis zum May trift man an den Kuͤſten des Caſpiſchen Meers, hauptſaͤchlich aber in Me - zand an und Chilan Oerter an, die zugleich heiß und feuchte, und folglich ſehr ungeſund ſind. Dieſe beyden Provinzen ſind von Na - tur die ſchoͤnſten Laͤnder. Die Perſer nennen ſie deswegen auch das Paradieß, weil ſich kei - ne angenehmere und zugleich erquickendere Luft denken laͤßt, als man hier einige Monathe hindurch verſpuͤrt. Wer die Einwohner die - ſes Landes anſieht, der wird auch gleich an ih - rer Geſtalt und Farbe merken, daß in den an - dern Monathen des Jahrs die ungeſundeſte Luft ſeyn muͤſſe, die ſie aber einigermaßen ge - wohnt zu ſeyn ſcheinen.
Indeſſen findet man doch in ganz Perſien kein Land, daß an unertraͤglicher Hitze mit den vorherbeſchriebenen koͤnnte verglichen werden. Und wenn man gleich uͤberall eine trockene und heiße Luft antrift; ſo muß man dieß dem Man - gel an Regen zuſchreiben, welches uͤbrigens auf die Natur der Einwohner weiter keinenſchaͤd -7ſchaͤdlichen Einfluß hat. Es iſt gar nichts Un - gewoͤhnliches, wenn man in einigen Gegenden Perſiens den ganzen Sommer hindurch keinen Tropfen Regen fallen, und keine Wolke am Himmel aufſteigen ſieht. Man ſollte alſo den - ken, daß alle Producte der Erde — daß Ge - ſundheit und Verſtand verlohren gingen! Al - lein jene erhalten dadurch gar keinen Scha - den, und dieſe doch nur ſehr wenig. *)Es iſt nicht zu leugnen, daß die gar zu große Hitze, ſo wie man ſie in einigen Gegenden Per - ſiens antrift, auf den menſchlichen Geiſt ſtark wuͤrke. Wahrſcheinlich wuͤrden wir in Perſien den gluͤcklichſten Fortgang in den Wiſſenſchaf - ten, ſonderlich in den freyen Kuͤnſten bemerken, wenn die Hitze den Geiſt der Einwohner nicht ſo bald ermuͤdete und zur anhaltenden Geſchaͤf - tigkeit unfaͤhig machte.
Sommer und Winter wechſeln ſo ab, daß jener vom May bis September, und dieſer vom November bis April gerechnet wird. Wenn ein ſtarker und heftiger Wind den Anfang des Mays begleitet, ſo iſt man ſicher, daß nun - mehr die angenehmen Sommertage wieder zu - ruͤckkommen. Man rechnet die Sommernaͤch - te auf 10 Stunden. Sie ſind kuͤhle und uͤber - aus erquickend. — Vom Donner und Blitz und Erdbeben weiß man wenig oder gar nichts zu ſagen, wovon man natuͤrlicherweiſe die Ur - ſache in der trocknen Luft, und in den aus der Erde wenig aufſteigenden Feuchtigkeiten ſuchenA 4muß.8muß. Der Regenbogen iſt den Perſern auch unbekannt, weil die Luft nicht mit uͤberfluͤßi - gen Waſſertheilchen, die eigentlich den Regen - bogen bewuͤrken, angefuͤllet iſt. Man bemerkt aber in den Sommernaͤchten glaͤnzende Stralen am Himmel, welche durch die Wolken hervor - glaͤnzen, und gewiſſe Merkmale von Rauch hinter ſich zu laſſen ſcheinen. — Im Fruͤhjahre hagelt es zuweilen, wodurch das Getrayde, weil es denn ſchon ziemlich aufgeſchoſſen iſt, oft ſehr beſchaͤdigt wird. Erdbeben giebt es ſelten, ausgenommen in Mezandran, wo man ſie gewoͤhnlich im Fruͤhjahre verſpuͤrt.
Wir haben geglaubt, dieſe allgemeinen Be - merkungen uͤber Luft und Clima voranſchicken zu muͤſſen, weil dadurch Manches in den per - ſiſchen Sitten, Denkart u. ſ. w. verſtaͤndli - cher und erklaͤrbarer ſeyn wird: und gehen itzt zu einer naͤhern Auseinanderſetzung des Intereſ - ſanteſten in den Sitten und Gebraͤuchen dieſer Nation uͤber. — Wir werden auch hier vor - zuͤglich dem ſcharfſichtigen und getreuen Beob - achter von Perſien, dem Ritter Chardin fol - gen, und nur da von ihm abgehen, wo uns die Erzaͤhlungen anderer Reiſebeſchreiber wahr - ſcheinlicher und beſtimmter vorkommen.
Die Perſer gehoͤren unter diejenigen Voͤl - ker des Orients, denen es Ernſt geweſen iſt, ihre Sitten fruͤh zu vervollkommnen und nach ihrer Denkart anſtaͤndige Gebraͤuche einzufuͤhren. Vielleicht waͤre die Behauptung nicht unrecht,wenn9wenn man ſie als das Volk anſaͤhe, welchem alle andere Nationen des Morgenlandes die Verfeinerung ihrer Sitten zu danken haben. — Der franzoͤſirende Sineſer hat ſonder Zwei - fel ſeine Hoͤflichkeit dem Perſer zu verdanken; nur das Unnatuͤrliche in der Hoͤflichkeit und dem Complimentenmachen bey dieſer Nation kann man den Perſern nicht anrechnen. Die Sineſer ſind gegen Fremde zu uͤbertrieben hoͤflich, und uͤbertreffen hierin den ſonſt unnatuͤrlichen Klein - meiſter unter den Franzoſen unendlich weit. Die Perſer ſind gleichfalls gegen Fremde uͤber - aus hoͤflich und beſcheiden. Man koͤnnte daher die Perſer, in Anſehung ihrer Hoͤflichkeit, bey - nahe mit den Deutſchen und die Sineſer mit den Franzoſen vergleichen.
Die Perſer ſind, ihrer Leibesgeſtalt nach, urſpruͤnglich haͤßlich und uͤbelgebildet. Ihre Haut iſt grob und von fahler Couleur. Dieß findet man auch an den Guebers, (die ein Ueber - bleibſel der alten Perſer ſind, von welchen un - ten weitlaͤuftiger ſoll gehandelt werden) und an den Einwohnern der Provinzen, die an Indien graͤnzen, wo die Menſchen eben ſo haͤßlich und uͤbelgebildet ſind als die Guebers, weil ſich dieſe gemeiniglich mit einander zu verbinden pfle - gen. Im Innern des perſiſchen Reichs aber, findet man dieſe Maͤngel in Abſicht der aͤußern Bildung des Koͤrpers nicht. Der Grund hiervon liegt in ihrer Vermiſchung mit den Circaſſierinnen und Georgianerinnen, wel -A 5che10che die Natur ſonder Zweifel mit den ſchoͤn - ſten, reitzendſten und wohlgeſtalteſten Koͤrpern verſehen hat. Man findet in Perſien faſt kei - ne Perſon von Stande, die nicht von einer circaſſiſchen oder georgianiſchen Mutter geboh - ren waͤre. Durch dieſe Vermiſchung, die nun ſchon uͤber zweyhundert Jahre lang gedauert hat, ſind die Perſer, und ſonderlich die Stan - desperſonen, vorzuͤglich ſchoͤn gebildet worden. Die Mannsperſonen ſind gewoͤhnlich groß, gera - de, muthig, von guter Mine. Hierzu traͤgt das gute Clima und die Maͤßigkeit, worin ſie erzogen werden, ungemein viel bey.
Außer dieſer vorzuͤglich ſchoͤnen Bildung des Koͤrpers beſitzen ſie auch fuͤrtrefliche Gaben des Geiſtes: ihre Einbildungskraft iſt lebhaft, prompt und fruchtbar, ihr Gedaͤchtniß leicht und ſtark. Sie haben ſowohl zu den freyen als mechaniſchen Kuͤnſten viele Neigung, und haben einige derſelben bis zu einem hohen Grad der Vollkommenheit gebracht, wenn gleich eini - ge derſelben — wie man in dem Kapitel, das von den freien und mechaniſchen Kuͤnſten han - delt, ſehen wird — aus Urſachen wenig oder gar nicht bearbeitet werden. Ihre Neigung zum Krieg iſt gleichfalls ſtark, weil ſie uͤberaus ruhmbe - gierig ſind. Ihr Naturell iſt biegſam und ge - ſchmeidig und ihr Verſtand ſcharf, durchdrin - gend. Sie ſind galant, hoͤflich, artig und guterzogen. Aber ihr natuͤrlicher Hang zur Ausſchweifung in der Wolluſt, Pracht, Auf -wande11wande und Verſchwendung hat bey ihnen kei - ne Graͤnzen, daraus ſichs denn auch leicht er - klaͤren laͤßt warum ſie ſo ſchlechte Wirthe ſind, und ſich auf den Handel gar nicht verſtehen.
Es iſt uͤberhaupt gewiß, daß es den Per - ſern an Talenten in allen Stuͤcken gar nicht feh - le, und wenn ſie dieſe gehoͤrig anwenden woll - ten; ſo wuͤrden ſie vielleicht die poliſirteſte und gluͤcklichſte Nation des Erdbodens ſeyn.
Sie raiſonniren uͤber die Guͤter und das Ue - bel dieſes Lebens, uͤber die Hofnung und Furcht des zukuͤnftigen ſehr philoſophiſch: ſie ſind dem Geitze wenig ergeben, und denken bloß daran, wie ſie ſich bald große Reichthuͤmer erwerben koͤnnen, um zu gewaltigen Verſchwenden Ge - legenheit zu haben. Ihre Hauptmaxime hier - inn iſt dieſe: Alle Guͤter der Welt ſo viel als moglich, in ihrer ganzen Staͤrke zu genießen. Auf die Zukunft pflegen ſie keine Ruͤckſicht zu nehmen, ſondern ſie berufen ſich immer auf die Fuͤrſehung und auf das Schick - ſal. Dieſes halten ſie fuͤr unveraͤnderlich und gewiß. Deßwegen uͤberlaſſen ſie ſich demſelben blindlings. Auch ſieht man ſie nicht traurig, wenn ihnen Ungluͤcksfaͤlle und dergleichen zu - ſtoßen; ſondern ſie troͤſten ſich mit den Wor - ten: mek toub eſt, das heißt, es hat ſo ſeyn muͤſſen.
Nach dieſen Begriffen iſt es ſehr natuͤrlich, daß die Perſer ſo wenig in die Zukunft ſehen,und12und alles, was ſie haben, durchzubringen pfle - gen. Sie wiſſen mit dem Gelde gar nicht um - zugehen, und verſchwenden in kurzer Zeit alles, was ſie haben. Wenn, z. B. der Koͤnig Je - manden ein Geſchenk von funfzig oder hundert tauſend Thalern macht; ſo iſt es ihm eine Klei - nigkeit, dieß Suͤmmchen in vierzehn Tagen oder hoͤchſtens in vier Wochen durchzubringen. Er kauft ſich Sclaven von beiden Geſchlechtern, miethet ſich ſchoͤne Frauen, haͤlt ſich praͤchtige Equipage, meublirt ſeine Zimmer, kleidet ſich auf das koſtbarſte, und iſt der Verſchwendung ſo lange ergeben, bis das Geld in anderer Haͤn - de iſt. Alsdann ſieht er ſich genoͤthigt ſeine Sclaven, Equipage, Kleidungen u. ſ. w. nach und nach zu verkaufen und wieder in ſeinen vo - rigen Zuſtand zuruͤckzukehren.
Das Lobenswuͤrdigſte an den Sitten der Perſer iſt die Freundlichkeit, mit der ſie Frem - den zu begegnen pflegen, die Gefaͤlligkeit, ſie aufzunehmen und der Schutz, den ſie ihnen an - gedeihen laſſen. Ihre Gaſtfreyheit gegen Jedermann, und ihre Toleranz gegen andre Religionsverwandte ſind Tugenden, die man faſt uͤberall bey ihnen antrift. Freylich, was die Toleranz in religioͤſen Dingen betrift, muß man die Landgeiſtlichen hiervon ausnehmen, denn dieſe ſind gemeiniglich, wie uͤberall, ſo in - tolerant, daß ſie durchaus Niemanden, der nicht von ihrer Religion iſt, ausſtehen koͤn -nen.13nen. *)Dergleichen unvernuͤnftige Eiferers, chriſtliche Muftis, wer ſollte es glauben! giebts auch in Europa genug, und, welches am meiſten zu verwundern iſt — in dem proteſtantiſchen Deutſchland vorzuͤglich! —Hingegen geht in den Staͤdten dieſe Duldung ſo weit, daß ſie ſo gar denen, die ihre Religion angenommen, und die hernach wieder zu der Religion, die ſie erſt verlaſſen hatten, zuruͤckkehren, nicht das geringſte Leid zufuͤgen. Sie glauben, daß das Gebet eines jeden Menſchen gut und wuͤrkſam ſey, und ver - laſſen ſich auch bey gefaͤhrlichen Krankheiten auf das Gebet und Fuͤrbitte anderer, die nicht ihrer Religion zugethan ſind. — Man muß dieß nicht den Grundſaͤtzen ihrer Religion, (ob ſie gleich allen fremden Gottesdienſt erlaubt,) zuſchreiben, ſondern den gelinden und feinen Sitten dieſes Volks, welches keiner Haͤrte und Grauſamkeit faͤhig iſt.
Da die Perſer, wie ich ſchon angemerkt habe, ſo verſchwenderiſch und uͤppig ſind; ſo iſt es auch ſehr natuͤrlich, daß ſie zu keiner Ar - beit aufgelegt ſind und oft ganze Tage mit Nichtsthun hinzubringen pflegen. Sie haſſen die Arbeit: und das iſt gewoͤhnlich der Grund ihrer Armuth. Man nennt in Perſien die Faulen und die, welche ohne Arbeit ſind, Ser - guerdan, welches ſo viel heißt, als den Kopf von einer Seite zur andern drehen.
Die14Die Perſer ſchlagen ſich niemals. Ihre ganze Wuth bricht in Schimpfen und Fluͤchen aus. Wenn ſich alſo zwey Perſonen zanken; ſo ſchlagen ſie ſich nicht, ſondern ſie laſſen ihrer Zunge freyen Lauf, ſchimpfen und fluchen nach Herzens Luſt ſo ſtark und ſo viel, als ſie koͤnnen, je nach dem ſie hierinn in ihren juͤngern Jahren gut unterrichtet ſind. Dieſe Arten von niedri - ger Vertheidigung gegen die Beſchimpfung an - derer, ſind gemeiniglich von den geheimſten Theilen des menſchlichen Koͤrpers hergenom - men, und dieß erſtreckt ſich auch ſo gar bis auf die Vornehmſten im Reiche. Das gemeine Volk kennt durchgaͤngig keine andre Art von Gegenwehr. —
So tadelnswuͤrdig nun auch dieſes in der That iſt; ſo hoͤrt man unter ihnen doch nichts von Gotteslaͤſterungen. Dergleichen Suͤnden ſind bey ihnen nicht nur unerhoͤrt, ſondern ſie koͤnnen es auch gar nicht begreifen, wie die Europaͤer, wenn ſie im Zorn ſind, bey dem Namen Gottes ſchwoͤren koͤnnen. Ihre ge - woͤhnlichen Schwuͤre ſind: Eruca pigumber, d. h. bey dem Geiſte des Propheten. Die Kriegesleute und Bedienten des Hofes ſchwoͤ - ren gewoͤhnlich bey dem geheili[g]ten Kopfe des Koͤniges. Die ihnen natuͤrlichen und gelaͤufigſten Bekraͤftigungen ſind: bey mei - nem Kopfe: bey meinen Augen.
Es laͤßt ſich nicht wohl reimen, wie eine Nation, die den Namen Gottes fuͤr ſo heilighaͤlt,15haͤlt, doch denſelben immer im Munde fuͤhren, und zu gleicher Zeit die groͤbſten Zoten vorbrin - gen koͤnne. Sie loben Gott unaufhoͤrlich, ſie moͤgen ſeyn, wo ſie wollen, ſich aufhalten, thun, was ſie wollen. Sie erheben die Vollkommen - heiten Gottes alle Augenblicke, und ſind zu gleicher Zeit im Stande mitten unter dieſen Lo - beserhebungen von den Heimlichkeiten des Frauenzimmers auf eine ſehr unſchickliche Art zu reden. Doch muß man hier anmerken, daß dieſes meiſtentheils nur bey dem gemeinen Man - ne Statt finde.
Unter die groͤbſten Laſter, welchen die Per - ſer ergeben ſind, muß man ihre Verſtellung, Betruͤgereyen und Schmeicheleyen rechnen, de - nen ſie auf eine außerordentliche Art ergeben ſind. — Ihre Schmeicheleyen uͤbertreffen alle Erwartungen: ſie ſind in dieſer Kunſt ſo geuͤbt, und wiſſen ſie ſo am rechten Orte anzubringen, daß man wuͤrklich glauben ſollte, ſie daͤchten ſo, wie ſie redeten. Allein man wird bald gewahr, daß unter dieſen Schmeicheleyen nichts weiter als eigennuͤtzige Abſichten verborgen ſind. Ihre Verſtellung und Betruͤgereyen — zwey Laſter, die mit einander gleichſam verſchwiſtert ſind — uͤberſteigen alle Vorſtellungen. Sie leihen, ge - ben es aber ſelten wieder zuruͤck; und koͤnnen ſie es dahin bringen, daß ſie es gar nicht wie - der zuruͤckzugeben brauchen, ſo ſind ſie daruͤber aͤußerſt zufrieden. — So entehrend nun dieß in der That fuͤr den Character und die Denk -art16art der Perſer iſt, ſo wuͤrde es dennoch immer lobenswerth ſeyn, wenn ſie dieſe Hinterliſtigkeit und Betruͤgereyen nur unter ſich ausuͤbten, und andre, mit denen ſie Unterhandlungen ha - ben, damit verſchonten. Aber dabey laſſen ſie es nicht bewenden. Iſt es ihnen moͤglich frem - de Nationen, mit denen ſie Handel treiben, zu betruͤgen, ſo thun ſie dieß nicht mehr als ger - ne. — Wer die Perſer in dieſem Stuͤcke, ſon - derlich der, welcher mit ihnen Handel treibt, nicht kennt, und ihnen ſein ganzes Vertrauen ſchenkt; laͤuft Gefahr, ſein ganzes Vermoͤgen in ihren Haͤnden zu ſehen.
Mit dieſer Kunſt der Betruͤgerey verbinden die Perſer ein uͤberaus demuͤrhiges Weſen, re - den von Moralitaͤt und Menſchlichkeit ſo ge - ſund, aͤußern in ihrem Betragen ſo viel Red - lichkeit des Herzens, verachten mit einer ehrli - chen Mine ſo ſehr alle Arten von Wohlleben und Hoffarth, daß man ſie fuͤr die aufrichtig - ſten Leute von der Welt halten muß. Aber ei - ne naͤhere Bekanntſchaft und Umgang mit ih - nen macht, daß man ſie bald als ſolche verab - ſcheuen muß, bey denen Rechtſchaffenheit und Ehrlichkeit bloße Toͤne ohne Bedeutung ſind. — Dieſe Characteriſirung der Denkart der Perſer in dieſem Stuͤcke, leidet natuͤrlicher - weiſe auch ihre Ausnahmen. Es giebt unter ihnen ſowohl, als unter allen andern Voͤlkern, Leute, die ſich ſolche niedrige Geſinnungen nicht vorzuwerfen brauchen; aber ſie ſind doch ſelten. Im17Im Ganzen alſo kann man in dieſem Puncte kein vortheilhaftes Urtheil uͤber dieſe Nation faͤllen.
Bey einer ſolchen gaͤnzlichen Verkehrtheit in den Handlungen und der Denkart der Per - ſer, ſollte man glauben, daß ſie ihre Kinder von Jugend auf in ſolchen ſchlechten Maximen auferzoͤgen; daß ſie ſich wenig oder gar nicht um die Erziehung derſelben bekuͤmmerten. Aber vielleicht giebt es wenige Voͤlker in der Welt, die eine ſolche Sorgfalt auf den Unterricht und die Erziehung der Kinder wenden, als die Per - ſer. Ja man kann beynahe ſagen, daß ſie ſich des Unterrichts und der Erziehung der Kinder, im Ganzen genommen, eifriger angelegen ſeyn laſſen, als die ſonſt ſo civiliſirten Europaͤer. — Eines jeden wohlhabenden Perſers erſte Sorge fuͤr ſeine Kinder iſt die, daß er ſie der Aufſicht eines Verſchnittenen (welcher vorzuͤglich auf ihr ſittliches Betragen achten muß) uͤbergiebt. Dieſe Eunuchen oder Verſchnittene beſtim - men, mit Zuziehung der Eltern, die Wiſſen - ſchaften, worinn die Kinder vorzuͤglich unter - richtet werden ſollen,*)In einem der folgenden Kapitel iſt angemerkt worden, daß ſich ein jeder, der auf den Na - men eines Gelehrten Anſpruch machen will, in allen Faͤchern der Wiſſenſchaften muͤſſe umge - ſehen und gute Kenntniſſe erworben haben. Darauf wird hier der Leſer verwieſen. und waͤhlen dazu diege -B18geſchickteſten Lehrer. *)Bey den Europaͤern, und ſonderlich bey uns Deutſchen, pflegt man mit der Wahl der Leh - rer nicht ſo behutſam zu verfahren! Wir geben unſern Kindern einen Hofmeiſter oder Lehrer, weil es der hohe Fuß ſo will, ohne zu unterſu - chen, ob der Hofmeiſter mit Nutzen bey den Kindern ſey oder nicht! — Die vorzuͤglichſte und naͤhere Aufſicht bittet ſich gemeiniglich die Mama aus, verzieht und verdirbt nicht ſelten die lieben Kinder jaͤmmerlich. — — Aber man ſollte hierinn den Perſern folgen. Setzt den Kindern, wie jene, einen tuͤchtigen, ehrlichen und rechtſchaffenen Hofmeiſter vor, haltet ſie in der Jugend mit Weisheit ſcharf — uͤberlaßt ihm Alles, und ihr werdet dem Staate gute Kinder, zu eurer eignen Beruhigung, geliefert haben.Sie haben nicht die Gewohnheit, ihre Kinder in oͤffentliche Schu - len zu ſchicken, aus Furcht ſie moͤchten verdor - ben werden. —**)Im Ganzen genommen haben die Perſer auch hierinn Recht. — Eine Schule, worinn ſo vie - le Kinder von mancherley Gaben und Herzen erzogen werden, mag auch immerhin ſo gut ſeyn, wie ſie will; ſo bleiben ihr doch noch vie - le Maͤngel uͤbrig, die fuͤr das Herz, fuͤr die gan - ze Denkart eines jungen Menſchen hoͤchſt ge - faͤhrlich ſind. — Manchem hochgelahrten Herrn Rector duͤrfte dieſe Bemerkung ſehr un - lieb ſeyn. Er beliebe aber nur unpartheyiſch daruͤber nachzudenken: alsdann wird er die Wahrheit dieſes Satzes leicht erkennen. Dieſer Fleiß in Erziehung der Kinder erſtreckt ſich aber nicht bloß auf die Vornehmen, ſondern auch der gemeine Mannlaͤßt19laͤßt es nicht an Muͤhe fehlen, ſeinen Kindern einen guten Unterricht und eine vernuͤnftige Erziehung zu verſchaffen. Er ſchickt ſie fruͤh - zeitig in die Schule, und wenn ſie wieder zu Hauſe kommen, ſo muͤſſen ſie gleich wieder an die Arbeit gehen, und etwa das Handwerk, das der Vater treibt, lernen. Das wilde Herum - laufen auf den Straßen wird dadurch fuͤrtref - lich gehemmt. — Herrliche Grundſaͤtze, die in Europa allgemein ſollten befolgt werden, oder vielmehr ſchon laͤngſt all - gemein ſeyn ſollten.
Die jungen Leute kommen nicht eher in die große Welt, als im zwanzigſten Jahre, es ſey dann, daß man bey ihnen einen Hang zur Lie - be verſpuͤrte und ſie alsdann fruͤher verheyra - thete. Denn man pflegt ihnen ſchon, wie be - reits erwaͤhnt, im ſechzehnten oder ſiebenzehnten Jahre Concubinen zu geben. Bey einer ſol - chen Veraͤnderung der Lebensart der jungen Leu - te, ſcheinen ſie anfangs ziemlich hoͤflich, ernſt - haft, ehrlich und ſtill zu ſeyn. In der Folge aber laſſen ſie ſich leicht durch das boͤſe Exem - pel andrer zur Leichtfertigkeit und dergleichen Dingen verleiten.
Es iſt ſchon im vorhergehenden bemerkt worden, daß die Perſer mit unter die civiliſir - teſten Voͤlker des Orients muͤſſen gerechnet wer - den. Ihre Mienen und Geberden ſind einneh - mend, ſanft, majeſtaͤtiſch, und im moͤglichſten Grade einſchmeichelnd. Wenn zwey PerſonenB 2ſich20ſich irgendwo zuſammentreffen; ſo bekompli - mentiren ſie ſich uͤber den Vortritt auf eine hoͤchſt laͤcherliche Art, und doch weiß ein jeder den ihm zukommenden Platz einzunehmen. — Zwey Dinge ſcheinen ihnen in unſern Sitten ausſchweifend zu ſeyn: Einmal, daß wir uns bey unſern Zuſammenkuͤnften ſo ſehr um den Rang ſtreiten, und dann, daß wir den Hut abnehmen, wenn wir andern unſre Ehrerbie - tung wollen zu erkennen geben. Dieſes letzte - re halten ſie fuͤr einen Mangel der Achtung, die einer dem andern ſchuldig ſey, oder fuͤr ei - ne Freyheit, deren man ſich nur gegen Niedri - ge oder gegen ſeine vertrauteſten Freunde bedie - nen koͤnne. Wenn ſie einen vorzuͤglich ehren wollen; ſo laſſen ſie ihn zur Linken ſetzen. Denn die Linke iſt bey ihnen das, was bey uns die Rechte. Man ſagt, daß dieſe Gewohnheit vom Cyrus ſey eingefuͤhrt worden. Denn dieſer habe allemal denjenigen, welchen er vor - zuͤglich ehren wollte, zur Linken gehen laſſen.
Die Geſelligkeit iſt eine Eigenſchaft, welche die Perſer vorzuͤglich characteriſirt. Sie beſu - chen ſich einander ſehr fleißig, es mag nun bey traurigen oder freudigen Gelegenheiten, oder bey ſolennen Feſten ſeyn. Die Vornehmen er - warten zuerſt den Beſuch der Geringern, denen ſie hernach auch ihre Gegenviſite machen. Die Hofleute gehen zu den Miniſtern, um dieſen ihr Compliment zu machen. Man fuͤhrt ſie ingroße21große Saͤle, wo man ihnen Taback*)Dieß iſt ſehr gewoͤhnlich; beſonders hat man den Taback gleich bey der Hand. Er koſtet auch nicht viel, weil er uͤberall in Perſien waͤchſt und da keiner außerordentlichen Wartung be - darf. und Caf - fee vorſetzt, bis der Herr des Hauſes, der ſich ſo lange bey dem Frauenzimmer aufhaͤlt, in das Zimmer tritt. So bald er erſcheint, ſtehen die Anweſenden alle auf, und bleiben auf ihrer Stelle ſtehen, ohne ſich zu bewegen. Er macht eine leichte Verbeugung mit dem Kopfe gegen die ganze Geſellſchaft, welche dieſes auf das ehrerbietigſte zu erwiedern pflegt. Hierauf ſetzt er ſich an ſeinem gewoͤhnlichen Ort nieder, und giebt der Geſellſchaft durch einen Wink zu er - kennen, ſich auch zu ſetzen. Und wann er dann wieder fortgehen will; ſo ſteht er auf, gehet zu - erſt heraus und alle folgen ihm. Die Großen empfangen auch auf eben dieſe Weiſe den Be - ſuch derer, die geringer ſind als ſie: aber mit ihres Gleichen oder mit noch Vornehmern, ma - chen ſie ſehr viele Umſtaͤnde. Man bewillkommt ſie auf eine artige Weiſe: man ſetzt ſich zuletzt nieder, und ſtehet nicht eher auf, als bis die andern aufgeſtanden ſind. Der Herr des Hau - ſes ſitzt immer am aͤußerſten Ende; und wenn er jemanden beſonders ehren will, ſo winkt er ihm durch ein Zeichen, ſich neben ihm zu ſetzen. Er bietet ſeinen eignen Platz niemals Jeman - den an, weil ſichs der, dem man dieß zumu -B 3thete,22thete, fuͤr eine Beleidigung anrechnen wuͤrde: aber wenn man ſeinen außerordentlichen Re - ſpect bezeigen will; ſo ſteht man auf, und ſetzt ſich der geehrten Perſon zur Seite, aber doch unten an.
Wenn die Perſon, mit der man zu ſpre - chen wuͤnſcht, von vornehmer Herkunft iſt; ſo beobachtet man folgendes dabey. Man geht ganz ſachte in das Zimmer, und ſtellt ſich bey dem Sitze, der zunaͤchſt ledig ſteht. Hier bleibt man mit den Fuͤßen dicht neben einander — mit den Haͤnden eingeſchlagen — mit herunter gebuͤcktem Kopfe, — mit ſtarren Augen, ſteif und gravitaͤtiſch ſo lange ſtehen, bis der Herr des Hauſes den Wink zum Sitzen giebt, wel - ches er gemeiniglich entweder mit dem Kopfe oder der Hand verrichtet. Wer einen Beſuch von einen Hoͤhern bekommt, der ſteht auf, ſo bald jener herein kommt, und ſtellt ſich, als wolle er ihm entgegen gehen. Wer aber einen Beſuch von ſeines Gleichen erhaͤlt, ſteht nur halb auf; iſt der Beſuch eine Perſon von ge - ringer Extraction, und doch einer Ehre wuͤr - dig; ſo macht er nur eine leichte Bewegung, als wenn er aufſtehen wollte. Hat er ſchon einige zum Beſuch bey ſich; ſo ſtehen dieſe nicht auf, wenn Jemand in das Zimmer tritt, wenn es nicht der Herr des Hauſes zuerſt thut, oder wenn man nicht eine ganz beſondre Hochach - tung fuͤr die Perſon hat, die herein tritt.
Die23Die Perſer beobachten in der Art ſich zu ſetzen viele ſonderbare Caͤrimonien. Vor Per - ſonen, denen man Achtung ſchuldig iſt, pflegt man ſich auf die Ferſen zu ſetzen und die Fuͤße und Knie dicht an einander zu haben. Vor ſeines Gleichen aber faͤllt dieſe Unbequemlichkeit weg: man ſetzt ſich bequemer, indem man die Fuͤße kreuzweis uͤber einander ſchlaͤgt. Wenn ein Freund den andern beſucht; ſo ſagt er zu ihm: ſetze dich nach deiner Bequemlich - keit, das heißt, lege deine Fuͤße uͤber einander wie du willſt. Man aͤndert aber ſeine Stel - lung niemals, wenn man auch einen halben Tag ſitzen muͤßte. Die Orientaler ſind nicht ſo beweglich und ſo unruhig, als wir. Sie ſitzen ernſthaft und ſteif; ſie machen mit dem Koͤrper nie eine Bewegung oder Geberde; vor - zuͤglich beobachten ſie dieß bey ihren Reden und Handlungen. Unſre Gewohnheiten hierinn ſetzen ſie in Erſtaunen, und ſie koͤnnen es nicht glauben, daß ein Menſch, in deſſen Kopfe noch geſunder Menſchenverſtand obwalte, bey ſeinen Reden und Handlungen ſo geſticuliren koͤnne. — Es iſt auch bey ihnen eine große Unhoͤflich - keit, die Spitzen der Fuͤße beym Sitzen ſehen zu laſſen. Man muß ſie unter dem Rocke verbergen.
Die Begruͤßungen geſchehen mit Kopfni - cken, und dieß iſt am gewoͤhnlichſten. Man pflegt aber auch zuweilen die rechte Hand an den Mund zu legen, und ſo begruͤßen ſich ge -B 4mei -24meiniglich gute Freunde, ſonderlich, wenn ſie ſich einander lange nicht geſehen haben. End - lich kuͤſſen und umarmen ſie ſich auch, beſon - ders bey ganz ungewoͤhnlichen Vorfallenheiten, oder nach gluͤcklich zuruͤckgelegten langen Rei - ſen.
In den Worten ſind ſie bey ihren Beſuchen ungemein zaͤrtlich und hoͤflich. Sie wiederho - len ihre Complimente mehr als einmal, und ſuchen ſonderlich in ihren Reden die Ausdruͤcke zu vermeiden, die eine Traurigkeit in der Seele zuruͤcklaſſen koͤnnten. Daher holen ſie weit aus, wenn ſie etwas Unangenehmes erzaͤhlen muͤſſen. Z. E. Wenn ſie ſagen wollen, es ſey Jemand geſtorben, ſo ſagen ſie: Amrekodber chuma bakchid, d. h. er hat euch ein Ge - ſchenk mit den Jahren gemacht, die er noch haͤtte leben koͤnnen, d. h. er konnte noch lange Jahre leben u. ſ. w. Aber ſehr oft werden dergleichen Redensarten an dem un - rechten Orte angebracht. So erzaͤhlt Chardin eine ziemlich naive Geſchichte von einem Gene - ral der Infanterie zu den Zeiten Abas II. Dieſer Koͤnig, der einen ſcharfen, durchdrin - genden Verſtand hatte, erhielt einen weiſſen Baͤren aus Moskau zum Geſchenk, und gab ihn dem General zur Verwahrung, weil er glaubte, daß dieſer ihn beſſer verſorgen wuͤrde, als die uͤbrigen Aufſeher der wilden Thiere. Indeſſen aber ſtarb doch der Baͤr. Nach eini - ger Zeit fragte der Koͤnig den General nach demBaͤren,25Baͤren, und wollte wiſſen, was er mache. Der General antwortete darauf: Er hat Eurer Majeſtaͤt ein Geſchenk mit den Jahren gemacht, die er noch haͤtte leben koͤnnen. Der Koͤnig erwiederte ihm laͤchelnd: Ihr ſeyd wohl ſelbſt ein Baͤr, weil ihr glaubt, daß die Jahre eines Thiers zu den meinigen koͤnnten geſchlagen werden. — Man hat von dieſem General der Infanterie eine andere aͤhn - liche Hiſtorie, welche hier nicht uͤberfluͤßig ſeyn wird, weil man dadurch der Perſer Art zu re - den erſehen kann. Der Koͤnig gieng außer der Stadt Iſpahan laͤngſt dem Berge Kouſo - pha, welcher nur eine kleine franzoͤſiſche Meile von der Stadt liegt, ſpatzieren. Wie er eine dicke Wolke auf der Spitze des Felſens ſah, ſag - te er zu dem General: Sieh einmal dieſe dicke Wolke auf der Spitze des Felſens: ſie ſieht dem Hute der Franken ſehr aͤhnlich — dieſen Na - men geben die Orientaler den europaͤiſchen Chri - ſten — Es iſt wahr, Sire, antwortete der General: Gott gebe, daß Ew. Maj. ſie alle uͤberwaͤnden. Wie ſo? erwiederte der Koͤnig laͤchelnd, iſt es moͤglich, daß ich ſie uͤberwinde? Sie ſind uͤber zweyhundert Meilen von mir entfernt; und ich kann nicht einmal die Tuͤrken uͤberwinden, die meine Nachbarn ſind.
So hoͤflich nun aber auch die Perſer immer ſeyn moͤgen; ſo thun ſie doch nichts aus Groß - muth — eine Tugend, die man im Orient we -B 5nig26nig oder gar nicht kennt. Da ſowohl der Koͤr - per als das Gluͤck Sclaven einer ganz deſpoti - ſchen Macht ſind; ſo muͤſſen auch dieſer die Geiſtesgaben und der Muth unterliegen. Da - her handeln ſie bloß aus Eigennutz, und das entweder aus Furcht oder aus Hoffnung. Es iſt ihnen unglaublich, daß es in andern Laͤndern Leute giebt, die ihren Naͤchſten aus lautern Ab - ſichten behuͤlflich ſind, ohne fuͤr ihre Dienſte eine Belohnung zu fodern. Bey ihnen iſt dieß ganz umgekehrt. Sie laſſen ſich alles bezah - len und nicht ſelten im voraus. Verlangt man etwas von ihnen, ſo erhaͤlt mans zwar, aber das Geſchenk muß gleich dagegen gegeben wer - den. Die Armen und Elenden duͤrfen nicht vor den Großen erſcheinen, und uͤberhaupt vor ſolchen, bey den ſie etwas zu ſuchen haben, wenn ſie ihnen nicht zugleich ein Geſchenk mit - bringen, es mag uͤbrigens ſo wenig und nichts - bedeutend ſeyn, als es will. Sie nehmen al - les an, Fruͤchte, Vieh u. ſ. w. Wer mit der - gleichen nicht aufwarten kann, giebt irgend et - was anders, auch wohl Geld. Dergleichen Geſchenke annehmen zu koͤnnen, wird fuͤr eine große Ehre gehalten. Man nimmt ſie oͤffent - lich an; ſo gar auch alsdann, wann ſich die groͤßeſte Geſellſchaft verſammlet hat. — Dieſe Gewohnheit wird im ganzen Orient uͤberall beybehalten, und ſie iſt vielleicht eine der aͤlte - ſten, ſo lange die Welt geſtanden hat.
Die27Die Perſer lieben weder die Spatziergaͤnge, noch auch die Reiſen. Das Spatzierengehen kommt ihnen als eine abgeſchmackte Gewohn - heit der Europaͤer vor: und die Spatzierenge - her halten ſie fuͤr Leute, denen der gemeine Menſchenverſtand fehlt. Das Auf - und Ab - gehen in den Aleen kommt ihnen abſurd vor; denn, ſagen ſie, warum ſoll ich nach einen Ort gehen, ohne da Geſchaͤfte zu haben? — Viel - leicht kommt dieß daher, weil ſie in einem beſ - ſern und gemaͤßigtern Clima leben, als wir. Sie haben nicht ſo viel aufwallendes Blut, als wir noͤrdlichen Voͤlker. — In Perſien kennt man das nicht, was wir Motion, (Bewegung) nennen. Bey dem Stillſitzen befinden ſie ſich auch wuͤrklich beſſer, als bey dem vielen Gehen. Das Frauenzimmer und die Verſchnittenen machen ſich uͤberhaupt wenig oder gar keine Be - wegung; ſie ſitzen oder liegen beſtaͤndig, ohne daß ihre Geſundheit darunter leidet. Die Mannsperſonen hingegen reiten und gehen ſel - ten zu Fuße. Ueberhaupt beſchaͤftigen ſie ſich mit den Leibesuͤbungen bloß des Vergnuͤgens und nicht der Geſundheit wegen.
Das Clima einer jeden Nation iſt vermuth - lich allemal die Haupturſache der Neigungen und Gebraͤuche der Menſchen. Wenigſtens werden dieſe durch jene beſtimmt.
Zum Reiſen haben die Perſer gar keinen Hang. Sie kennen das Vergnuͤgen, welches das Reiſen und die Beobachtung der Sittenund28und der Lebensart fremder Voͤlker gewaͤhren, gar nicht. Und wenn ſie hoͤren, wie viele Ko - ſten und große Beſchwerden die Europaͤer, um andere Laͤnder zu ſehen, anwenden und uͤberneh - men; ſo koͤnnen ſie ſich uͤber die Neugierde und Sonderbarkeit ſolcher Leute nicht genug ver - wundern. Ihr ganzes Vergnuͤgen beſtehet in der Ruhe. Sie glauben auch, daß ein Jeder Fremder, wenn er kein Kaufmann oder Kuͤnſt - ler iſt, ein Spion ſey, und Leute von Diſtin - ction wuͤrden es fuͤr ein Staatsverbrechen hal - ten, einen Fremden zu ſich zu noͤthigen, oder ihn zu beſuchen. Daher kann man ſich auch die unbeſchreibliche Unwiſſenheit der Perſer in Anſehung der Kenntniß anderer Voͤlker, ihrer Sitten, Lebensarten, Denkart u. ſ. w. erklaͤren. Sie haben weder Beſchreibungen von fremden Laͤndern, noch Zeitungen. Selbſt die Staats - miniſter — wenn man im Allgemeinen von ih - nen redet — wiſſen eben ſo wenig etwas von dem zu ſagen, was in Europa vorgeht, als von dem was im Monde geſchieht. Die meiſten haben gemeiniglich nur ſehr dunkle, verworre - ne und entfernte Begriffe von Europa, welches ſie fuͤr eine kleine Inſel in der Nordſee halten, wo man weder Gutes noch Schoͤnes ſieht: daher kommt es, ſagen ſie, daß die Europaͤer in der ganzen Welt herumreiſen, um ſich die ſchoͤnen Sachen zu holen, die ihnen ſo ſehr fehlen.
Dem ohngeachtet aber iſt vielleicht kein Land in der Welt, wo ein Reiſender mit mehr Si -cher -29cherheit ſeinen Weg verfolgen kann, als Per - ſien, wenn gleich, wie ich ſchon geſagt habe, die ganze Nation eine natuͤrliche Abneigung gegen das Reiſen hat. — Das Reiſen in dieſem Lan - de verurſachet auch nicht viel Koſten; wozu die vielen oͤffentlichen Gebaͤude, die bloß der Be - quemlichkeit und des Nutzens der Reiſenden und der Carawanen wegen aufgefuͤhrt ſind, vie - les beytragen. In einem ſolchen oͤffentlichen Gebaͤude wohnt man ohne das geringſte dafuͤr zu bezahlen.
Die Namen, welche die Perſer fuͤhren, wer - den ihnen entweder beygelegt, wenn ſie geboh - ren oder auch wenn ſie beſchnitten werden. Dieſe Namen ſind entweder von beruͤhmten Perſonen ihrer Religion oder des Alten Teſta - ments, oder auch aus ihrer Geſchichte entlehnt. Denn ein jeder giebt ſich einen Namen, welchen er will; ſie haben aber keine Zunamen oder Fa - milien - und Geſchlechtsnamen. Sie nehmen Ehrenhalber oft den Zunamen des Vaters oder des Sohns an, z. E. Abraham der Sohn Jacobs, Mohammed der Sohn des Aly. Es iſt auch unter ihnen ſehr gebraͤuchlich, ver - ſchiedene Zunamen anzunehmen, als z. E. den Namen des Vaters und des Sohns. Oft ge - brauchen ſie auch ihre Profeſſion ſtatt eines Zu - namens; z. E. Mohammed Cajan, d. h. Mohammed der Schneider; Soliman Atari, d. h. Soliman der Materialiſt; Jouaeri, d. h. der Jubelirer; Stamboli,d. h.30d. h. der Conſtantinopolitaner. — Lobens - werth bleibt es, daß ſie dieſe Arten von Zuna - men auch noch alsdenn deybehalten, wenn ſie entweder zu großen Reichthuͤmern gelangt, oder ein wichtiges Amt im Staate erhalten haben.
Die Kleidungsart der Orientaler iſt nicht ſo vielen Abaͤnderungen unterworfen, wie die unſrige. Sie werden allezeit nach einer Faç on gemacht; und wenn ſich die Klugheit einer Na - tion in dem beſtaͤndigen Gebrauch einer Art von Kleidung zeigt; ſo muß man den Perſern dieſe Klugheit ſchlechterdings zugeſtehen. Sie nehmen nie eine Veraͤnderung vor weder in den Farben noch Faç ons. — Chardin verſichert, er habe zu Iſpahan die Kleider des Tamerlans geſehen, die man dort in der Schatzkammer verwahrt. Ihr Zuſchnitt und uͤberhaupt die ganze Beſchaffenheit derſelben ſey eben dieſelbe, als ſie noch itzt iſt.
Die Mannsperſonen tragen keine Hoſen, ſondern einen doppelten Caleç on,*)Caleç ons oder Unterhoſen; ſie ſind eine Art Hoſen, die vom Guͤrtel herunterhaͤngen. der bis an den Knoͤchel des Fußes gehet, aber eigentlich kein Fußzeug hat. Vorne iſt er nicht offen, ſondern man muß ihn losbinden, wenn man ſeine Nothdurft verrichten will. Das Hemde iſt lang, bedecket die Knie und haͤngt uͤber den Caleç on. Vorne auf der rechten Seite iſt es von den Bruͤſten an bis auf den Magen offen,eben31eben ſo wie unſere; es hat aber keinen Kragen, ſondern eine bloße Nath, wie die Hemden des europaͤiſchen Frauenzimmers. Die vornehmen Frauensperſonen, zuweilen auch die Maͤnner, machen bey Solennitaͤten an dieſe Nath einen mit Perlen geſtickten Saum von einem Finger breit. Ihr Hals iſt bloß, ſo, daß man weder Maͤnner noch Weiber ſieht, die ihn mit Zierra - then behangen haͤtten. Die Maͤnner tragen uͤber das Hemde eine baumwollene Weſte, wel - che vorne uͤber den Nabel zugeknoͤpfet wird, und bis auf die Knieſcheibe heruntergeht. Ueber dieſe Weſte tragen ſie einen langen Rock, wel - chen ſie Cabai nennen, der ſo breit wie ein Weiberrock iſt. Allein oben iſt er ſehr enge. Vorne am Magen wird er doppelt umgeſchla - gen, und das eine Ende unter dem linken und das andere unter dem rechten Arme befeſtigt.
Die Ermel an einem ſolchen Rocke ſind ſehr enge, aber ungemein lang, daher man ſie auch oben an dem Arme zu ſpalten und an der Fauſt zuzuknoͤpfen pflegt. — Die Cavaliers tragen auch Cabais nach der georgianiſchen Mo - de, deren Unterſchied darinn beſtehet, daß ſie vorne am Magen offen und mit Knoͤpfen und Schnuͤren verſehen ſind. Obgleich dieſer Rock um den Lenden ſehr feſt anſchließt; ſo umwi - ckelt man ihn doch in dieſer Gegend mit zwey oder drey Guͤrteln, welche vier Finger breit, ſehr reich und ſchoͤn ſind. Dieß nun verurſacht, daß der Rock um den Magen eine große Hoͤ -lung32lung bekoͤmmt, worinn ſie dasjenige, was ſie ſicher verwahren wollen, legen, ſo wie wir in unſre Hoſentaſchen.
Man traͤgt uͤber dieſen Rock einen andern, der entweder kurz und ohne Ermel, alsdann heißt er Courdy — oder lang, und mit Er - meln verſehen iſt — dann wird er Cadebi ge - nannt — Beyde werden nach Beſchaffenheit der Jahrszeit getragen. — Dieſe Roͤcke ſind eben ſo, wie die langen Roͤcke zugeſchnitten, naͤmlich unten breit und oben enge, wie Klo - cken. Sie werden von Tuch oder von golde - nem Brocard oder groben Satin gemacht, und man beſetzt ſie entweder mit goldenen oder ſil - bernen Spitzen oder Treſſen. Einige ſind mit Marderfellen verbraͤmt und gefuͤttert, andere mir tartariſchen oder bactrianiſchen Hammel - fellen, die ſo fein wie Haare ſind. *)Dieſe Felle ſind in Perſien bochgeſchaͤtzt und koſtbar in Anſehung des Preiſes.Die Verbraͤmung geht vom Halſe bis auf den Ma - gen, und gleich darauf folgt eine Reihe Knoͤ - pfe, die bloß zur Zierda da ſind. Denn man pflegt die Roͤcke nicht zuzuknoͤpfen.
Die Struͤmpfe ſind gewoͤhnlicherweiſe von Tuch, faſt wie ein Sack zugeſchnitten, ſo daß auf die Waden keine Ruͤckſicht genommen wird. Sie reichen nur bis unter das Knie, wo man ſie zubindet. Um die Ferſen herum legt man ein Stuͤck roh Leder, damit der Hake am Schu -he,33he, welcher ſehr ſcharf iſt, nicht den Strumpf durchſchneide und Schmerzen verurſache. Seit - dem aber die Europaͤer mit den Perſern Han - del zu treiben angefangen haben: ſeitdem tra - gen ſie auch Struͤmpfe von Tuch. Vor Zei - ten trug Niemand Struͤmpfe in Perſien; und ſelbſt der Koͤnig gieng ſo, wie noch itzt die Sol - daten, Fuhrleute, Fußknechte, und gemeine Leu - te, die naͤmlich ihre Fuͤße mit einer groben ſechs Finger breiten und drey bis vier Ellen langen Leinwand umwickeln, beynah ſo, wie man ein Kind zu wickeln pflegt. Indeſſen muß man doch geſtehen, daß dieſe Tracht dem gemeinen Manne, und uͤberhaupt ſolchen, die viel gehen muͤſſen, ungemein bequem ſey. Man macht ſie leicht und dicke, je nach dem es die Jahrszeit erfordert. Sie haͤlt den Fuß bedeckt, und wenn der Fuß naß oder ſchmutzig geworden iſt, ſo wird er ſo fort getrocknet und gereiniget. Im Winter iſt der ganze Fuß bedeckt: aber im Sommer ziehen ſie im Schuhen keine Struͤm - pfe an.
Die Schuhe der Perſer ſind von verſchied - ner Faç on; alle aber haben keine Schuhriemen, und koͤnnen auch an der Seite nicht geoͤfnet werden. Man belegt ſie aber mit Eiſen und ſchlaͤgt vorne gegen die Spitze des Fußes kleine Naͤgel in die Sohlen, damit ſie nicht ſo bald zerreiſſen. Die Schuhe der Vornehmen ſehen beynahe wie Frauens-Pantoffeln aus, ſo daß es nicht ſchwer iſt, ſie abzuwerfen, wenn man inCdas34das Logis kommt, wo der Boden gewoͤhnlich mit Teppichen belegt iſt. Die Schuhe ſind von gruͤnem Chagrin oder auch wohl von einer an - dern Farbe. Die Sohlen ſolcher Schuhe ſind ſehr duͤnne, und nicht dicker als ein Karten - blatt, dabey aber ſind ſie von dem ſchoͤnſten Le - der. Einige Schuhe beſtehen oben aus Leder; einige hingegen aus geſtrickter Baumwolle. Dieſe letzte Art iſt nicht nur ſtaͤrker, ſondern ſie paſſen auch ſehr gut, und der Fuß kann nicht darinn hin und her glitſchen. Beym Anziehen derſelben muß man ein gewiſſes Inſtrument haben; ſonſt kann man ſehr bequem darinn ge - hen und laufen. — Die armen Leute machen die Sohlen aus Cameelleder, weil dieſes viel dauerhafter als anderes Leder iſt. Indeſſen hat es doch die große Unbequemlichkeit, daß es ſehr weich iſt, und das Waſſer, wie ein Schwamm, an ſich zieht. Die Landleute ma - chen ihre Schuhſohlen aus Lumpen und Stuͤ - cken Leinwand, die ſie auf eine artige Weiſe in Ordnung zu bringen wiſſen.
Der Turban — den ſie in ihrer Sprache Dulbend nennen — macht das ſchoͤnſte Stuͤck ihrer Kleidung aus. Er iſt ſo ſchwer, daß man ſich in der That daruͤber wundern muß, wie ſie eine ſolche Laſt auf dem Kopfe tragen koͤnnen. — Sie wiegen manchmal zwoͤlf bis funfzehn Pfund; die leichteſten aber etwa halb ſo viel. Dieſe Turbans beſtehen unten aus grober Lein - wand, welche ordentlicher Weiſe die Formmacht.35macht. Ueber derſelben findet man ein feines Seidenzeug. Die Geiſtlichkeit traͤgt uͤber der groben Leinwand feines weiſſes Neſſeltuch. An dieſen Turbans hangen reich mit Blumen ge - wuͤrkte Enden von ſechs bis ſieben Zoll breit herunter, woraus man durch einen Knoten mitten auf dem Turban eine Art von Buͤſchel macht. Wenn gleich dieſer Kopfputz an und fuͤr ſich ſchon ſehr ſchwer iſt; ſo traͤgt man den - noch unter dem Turban eine Platmuͤtze von Leinwand, zuweilen auch von Tuch. — Man vermuthet nicht mit Unrecht, daß das Clima in Perſien eine ſolche ſtarke Bedeckung des Ko - pfes nothwendig mache; denn man ſieht unter ihnen nichts allgemein beobachtet, was nicht ſeine guten Urſachen haͤtte. Die beſtaͤndigen Gebraͤuche ſind gar nicht Wuͤrkungen des Ei - genſinns. —
Die Zeuge, welche zu den Kleidern genom - men werden, ſind entweder von Seide oder von Baumwolle. — Die Hemden und Caleç ons ſind von Seide. — Die Weſten und Roͤcke ſind doppelt gefuͤttert mit Fellen und guter Lein - wand, um die Waͤrme dadurch mehr zu befoͤr - dern.
Schwarze Farben pflegt man im Orient nirgends zu tragen, und vorzuͤglich nicht in Perſien. Dieß iſt ihnen eine traurige und un - ausſtehliche Farbe, die man nicht einmal anſe - hen koͤnne. Sie nennen ſie deswegen auch die Teufelsfarbe. Sonſt pflegen ſie auch aller -C 2ley36ley Farben zu tragen, ohne auf Stand, Alter u. ſ. w. Ruͤckſicht zu nehmen. Es ſieht uͤber - aus artig aus, wenn man auf oͤffentlichen Plaͤ - tzen eine Menge Leute auf ſo vielfache Art ge - kleidet ſieht.
Die Perſer laſſen gemeiniglich den Bart am Kinne und im ganzen Geſichte wachſen, aber nur kurz und ſo, daß er die Haut bedeckt. Man muß aber hiervon die Geiſtlichen und uͤberall ſolche Leute ausnehmen, die ein heiliges Leben affectiren: denn dieſe laſſen ihn lang wachſen. — Die Kriegsleute und Cavaliere tragen nur Stutzbaͤrte und zwar laſſen ſie ihn ſo groß werden, daß ſie ihn fuͤglich hinter die Ohren legen koͤnnen. *)Abbas der Große nannte die Stutzbaͤrte Zier - rathen des Geſichts, und gab einem Soldaten Sold, je nach dem ſein Stutzbart groß oder klein war. —Die langen tuͤrkiſchen Baͤrte ſind den Perſern unausſtehlich, denen ſie daher einen haͤßlichen Namen beylegen, (ſie nennen nemlich einen tuͤrkiſchen Bart un balais de privé.)
So viel von der Art, wie ſich die Manns - perſonen kleiden. Itzt will ich zu den Kleider - trachten des Frauenzimmers uͤbergehen.
Die Art, wie ſich die Weiber in Perſien zu kleiden pflegen, hat mit der der Mannsper - ſonen viele Aehnlichkeit .. Ihre Caleç ons haͤn - gen ihnen weiter herunter — ſind enger unddicker,37dicker, weil ſie gewoͤhnlich keine Struͤmpfe zu tragen pflegen. Sie bedecken ihre Fuͤße mit einer Art von Halbſtiefeln, welche vier Finger hoch uͤber den Fußknoͤchel gehen, und gemeini - glich von geſticktem Zeuge oder ſehr ſchoͤnem Stoffe gemacht ſind. Das Hemde, welches ſie Camis heißen, iſt vorne bis an den Nabel offen. Ihre Weſten ſind laͤnger, und reichen faſt bis auf die Schuhe. Der Guͤrtel, den ſie um den Leib zu tragen pflegen, iſt ſehr duͤnne, und etwa nur einen Zoll breit. Ihr Kopf iſt mit einem Schleier wohl bedeckt, der ihnen bis auf die Schultern herunter haͤngt, und zugleich Hals und Buſen bedeckt. Wenn ſie ausgehen, ſo haͤngen ſie uͤber dieſen noch einen großen weiſ - ſen Schleier, der nicht nur den Kopf und Bu - ſen, ſondern auch zugleich den ganzen Koͤrper einhuͤllet, ſo daß man faſt weiter nichts als das Auge ſehen kann. Ein jedes Frauenzimmer haͤlt ſich gemeiniglich viererley Arten von Schleier: zwey fuͤrs Haus, und zwey wenn ſie im Publikum erſcheinen. Der erſte iſt wie ein Leichenſchleier gemacht und haͤngt hinten, der Zierde wegen, lang herunter. — Der zweyte geht bis unter das Kinn, und bedeckt den Bu - ſen. — Der dritte iſt der vorhingenannte weiſ - ſe Schleier, welcher den ganzen Koͤrper um - giebt. — Der vierte endlich iſt eine Art von Schnupftuch, den ſie am Geſichte und an den Schlaͤfen befeſtigen. — Die Armenianerinnen haben ſich im Hauſe das Geſicht von unten bisC 3uͤber38uͤber die Naſe geſchleiert, wenn ſie naͤmlich ſchon verheyrathet ſind. Dieß geſchieht darum, da - mit ihre Anverwandten und Prieſter, denen die Erlaubniß, das Frauenzimmer zu beſuchen, nicht verweigert iſt, nur einen Theil des Ge - ſichts ſehen koͤnnen. — Dieſe Bewandniß hat es, wie ich geſagt habe, mit den Verheyrathe - ten. Allein das unverheyrathete Frauenzim - mer bedeckt ſich mit dem Schleier nur bis uͤber den Mund, damit man von ihrer Schoͤnheit oder Haͤßlichkeit urtheilen koͤnne. Die Schleier, deren ſich das Frauenzimmer bedient, gehoͤren mit unter die aͤlteſten Gebraͤuche, wovon die Geſchichte redet; allein man kann nicht gewiß wiſſen, ob ſie dieß aus Schamhaftigkeit, eitler Ehre, oder aus Eiferſucht ihrer Maͤnner gethan haben. — Weder das Frauenzimmer noch die Mannsperſonen tragen Handſchuh, die im Orient ganz unbekannt ſind.
Der Kopfputz des Frauenzimmers iſt nicht zu dem hohen Grad der Abſurditaͤt geſtiegen, wie bey uns Europaͤern. Er iſt ſimpel und uͤberaus anſtaͤndig. Ihre Haare haben ſie hin - ten am Kopfe in Flechten gebunden: und eine Hauptſchoͤnheit beſtehet darinn, wenn dieſe Flechten dicke ſind, und bis auf die Ferſen her - unterhaͤngen. Reicht das natuͤrliche Haar zu dieſer Flechte nicht zu; ſo verlaͤngert man ſie durch ſeidene Zoͤpfe. Man ziert die Enden ei - ner ſolchen Flechte mit koſtbaren Perlen oder mit einem Bouquet von Steinen u. ſ. w.
Das39Das ſchwarze Haar, ſowohl auf dem Ko - pfe als am Barte und Augenbraunen koͤnnen die Perſer vorzuͤglich leiden. Die dicken und ſtarken Augenbraunen, uͤberhaupt wenn ſie von beiden Seiten zuſammenhangen, ſind bey ihnen hauptſaͤchlich ſchoͤne Zierrathen. Das arabi - ſche Frauenzimmer iſt hiermit mehr als das perſiſche verſehen. Wenn indeſſen eine Perſia - nerinn von der Natur keine ſchwarze Haare er - halten hat; ſo nimmt ſie ihre Zuflucht zur Far - be, und weiß ſie ſo gut zu faͤrben, daß man die Haare fuͤr natuͤrlich ſchwarz halten muß, wenn man es nicht vorher gewußt hat. Sie haben auch die Gewohnheit, um ihre Schoͤnheit voll - kommner zu machen, ſich unten an der Stirne einen ſchwarzen Fleck, der ohngefaͤhr ſo groß wie der Nagel am kleinen Finger iſt, zu ma - chen, und noch einen zweyten in der Kinngru - be, welcher violet iſt, aber nie vergeht, weil er mit der Spitze einer Lancette gemacht iſt. Sie ſchmieren ſich auch Haͤnde und Fuͤße mit einer orangefarbigten Salbe, welche ſie Hanna heiſ - ſen, und welche von gewiſſen Blaͤttern gemacht wird. Man glaubt, daß dieſe Salbe vor der austrocknenden Hitze bewahre. — Die kleine Taille des Frauenzimmers iſt bey den Perſern mehr als die große gelitten.
Der uͤbrige Putz der Perſianerinnen iſt ſehr verſchieden. Sie ſetzen Aig[r]etten von Steinen auf den Kopf, oder an deren Statt Bouquette von Blumen, und laſſen auch wohl eine ReiheC 4von40von Steinen von der Stirne bis zwiſchen den Augenliedern herunterhaͤngen. Die Frauens tragen in einigen Provinzen einen Ring in dem linken Naſenloche, der wie ein Ohrring haͤngt, und zuweilen mit einigen Perlen verſehen iſt. Die Sclavinnen, und ſonderlich die, welche im Sclavenſtande gebohren ſind, tragen uͤber - all dergleichen Ringe. — In dem wuͤſten Ca - ramanien durchbohren ſie ſo gar oben die Naſe, haͤngen darein einen Ring, welcher die ganze eine Haͤlfte bedeckt. *)Chardin verſichert, dieſe Gewohnheit des Frau - enzimmers zu Lar, der Hauptſtadt dieſer Pro - vinz, und zu Ormus geſehen zu haben. Ich habe in den Reiſebeſchreibungen, die ich zur Hand gehabt habe, dieß Vorgeben des Char - din nicht beſtaͤtigt — wenn gleich auch nicht geleugnet — gefunden. Indeſſen verdient ein ſolcher Reiſebeſchreiber, wie Chardin, allemal auch da voͤllig Glauben, wo andre ſchweigen. — Zu Iſpahan durchbohren die Weiber ihre Naſen nicht.Außer dieſem Kopf - ſchmucke traͤgt auch das perſiſche Frauenzimmer Armbaͤnder von Perlen und Steinen, die etwa zwey oder drey Finger breit und ſehr loſe um den Arm ſind. Die jungen Maͤdchen tragen gemeiniglich nur goldene Handſchellen, die an dem Orte, wo ſie zugemacht werden, mit einigen Steinen beſetzt ſind. Ihre Halsbaͤnder beſte - hen aus Ketten von Gold oder Perlen, die am Halſe herunter bis in den Buſen gehen, woran eine Riechbuͤchſe befeſtigt iſt. Einige von die -ſen41ſen Riechbuͤchſen ſind eine Hand breit: gemei - niglich ſind ſie von Golde gemacht, die uͤbri - gen ſind oben mit Steinen bedeckt. Alle aber ſind mit Muſkus und Ambra angefuͤllt, wel - ches einen ſtarken Geruch ausduftet. — Was uͤbrigens die Ringe betrifft, die das Frauen - zimmer an den Fingern zu tragen pflegt; ſo muß man geſtehen, daß man nirgends in der Welt die Finger mit mehrern Ringen beſteckt ſieht, als in Perſien.
Man kann ſich in Perſien ſehr wohlfeil klei - den. Indeſſen giebt es doch keine Nation, die mehr auf die Pracht der Kleidungsſtuͤcke verwen - det, als die perſiſche. Der Turban, die langen Roͤcke, und die Guͤrtel koſten ihnen das mei - ſte. *)Chardin giebt einen weitlaͤuftigen Bericht von dem, was die Kleider den Perſern koſten. Ich habe dieß hier nicht wiederholen wollen, weil ich mich in ihre Oekonomie ſo weit nicht ein - laſſen kann.Und dieſer Aufwand iſt eben der Ruin eines Volks, welches ſonſt, wenn Induſtrie dazu kaͤme, ſonder Zweifel mit unter die reichſten des Orients koͤnnte gerechnet werden. —
So uͤberaus verſchwendriſch nun auch die Perſer in ihrer Kleidung ſind; ſo muß man doch nicht unbemerkt laſſen, daß ſie auf die Meublen in ihren Zimmern viel weniger ver - wenden, als wir. — Der Fußboden iſt ge - woͤhnlicher Weiſe mit dicker Scheerwolle be -C 5deckt,42deckt, woruͤber ein, und wenn der Saal groß iſt, zwey ſchoͤne Teppiche liegen. Es giebt ei - nige von dieſen Teppichen, die an ſechzig Fuß lang ſind, und von zwey Menſchen kaum koͤn - nen getragen werden. Ueber dieſen Teppichen ſieht man an der Wand rund um den Saal kleine Matrazen, welche ohngefaͤhr drey Fuß lang, und mit einer Decke von baumwollenem mit Seide durchwuͤrktem Zeuge belegt ſind. Auf dem Rande dieſer Decke ſtehen große ſil - berne Spuckkaſten, welche, vermoͤge ihrer Schwere, die Decke zugleich mithalten. An der Wand herunter ſieht man gemeiniglich von den Matrazen große mit Sammt uͤberzogene Polſter, an welche man ſich beym Sitzen an - lehnt. — Man findet ſonſt keine andere Meubles in den Zimmern der Perſer. Sie haben darinn keine Betten, Stuͤhle, wie wir, keine Spiegel, Tiſche und Gemaͤhlde. — Die Perſer ſitzen auf den Teppichen ſehr bequem, ja, wie Chardin verſichert, weit bequemer wie wir auf unſern Stuͤhlen. Fuͤr ſie iſt dieſe Art zu ſitzen ſehr geſund. Wollte man es aber in unſerm feuchtern und kaͤltern Clima nachah - men; (welches ohnehin nicht zu befuͤrchten iſt) ſo wuͤrden wir uns dadurch viele Uebel zu - ziehen.
Die Betten ſind bey ihnen ſo ſimpel, wie alle ihre uͤbrigen Meublen. Sie beſtehen in einer Matraze, welche man des Abends auf den Teppich des Zimmers legt, in einem Tu -che,43che, welches man druͤber breitet, in einer baum - wollenen Decke und zwey Kopfkuͤſſen von wei - chen Federn. — Die ſchoͤnſten Matrazen ſind von Sammt, die Decken von goldenem oder ſilbernen Brocard und uͤberhaupt von mancherley Couleuren. Des Morgens legt man alles zuſammen, und bringt es wieder an ſeinen gehoͤrigen Ort. Von Bettſtellen wiſ - ſen die Orientaler nichts. Jeder ſchlaͤft auf der Erde. Ueberhaupt muß man dieß Volk darinn gluͤcklich preiſen, daß es ſo wenig Be - duͤrfniſſe des Lebens kennt, und folglich nicht mit ſo vielen und mancherley Unruhen gemar - tert wird, wie die Europaͤer. — Anſtatt der Lichter, bedienen ſie ſich der Lampen, worinn ſie kein Oehl, ſondern ein ſehr feines Talg bren - nen, das gar keinen uͤblen Geruch verurſachet. Dieſer Gebrauch wurde ſchon in den aͤltern Zeiten beobachtet, und hat ſich noch bis itzt un - ter ihnen erhalten.
Von den Uebungen und Spielen — Von dem Luxus der Perſer — Vom Haram der Weiber des Koͤnigs — Vom Heyrathen — Tod und Begraͤbniß.
Es iſt bereits oben ſchon bemerkt worden, daß die Perſer die Leibesuͤbungen und Spiele nicht der Geſundheit wegen, ſondern blos zur Luſt anſtellen. Die Uebungen und Spiele ſind auch gemeiniglich von der Art, daß diejenigen, welche ſie machen wollen, die gehoͤ - rigen Kraͤfte haben muͤſſen. Daher ſieht man ſehr ſelten, daß ſich junge Leute vor dem zwan - zigſten Jahre mit denſelben abzugeben pflegen. Vor dieſem Alter muͤſſen ſie ſich einzig und al - lein auf Erlernung der Religion und der Wiſ - ſenſchaften legen.
Unter die erſten und zugleich vornehmſten Uebungen gehoͤrt das Bogenſpannen. Dieſe Kunſt beſteht hauptſaͤchlich darinn, daß ſie den Bogen geſchickt halten, ihn auf mancherley Art ſpannen, und ihn bald zur Rechten, bald zur Linken, bald hoch, bald tief, vor und hin - ter ſich, im Laufen, kniend, auf einem Fuße — kurz — auf hunderterley Art loß zu druͤcken ler -nen.45nen. Anfaͤnglich nimmt man leichte Bogen - ſeile, und nachher gewoͤhnt man ſich, mit ſchwe - rern umzugehen. Die meiſten Bogen ſind ſchwer zu ſpannen, indem es einige giebt, die mehr denn hundert Pfund wiegen. — So bald man nun mit einem ſolchen Bogen umzu - gehen weiß; ſo uͤbt man ſich mit dem Pfeile zu ſchießen. Dieß beſteht darinn, daß man ihn weit treibt, gerade ſchießt und tief hinein in das Ziel treffe, welches gemeinhin auf einen Klumpen Erde gemacht wird, vier Fuß hoch und zwey Fuß breit. Die Pfeile zu den Ue - bungen haben ein rundes, duͤnnes und ſtum - pfes Eiſen, anſtatt daß an den, im Kriege ge - braͤuchlichen, Pfeilen das Eiſen ſo ſpitzig, wie eine Lanze iſt.
Wenn ſie nun mit dem Bogen geſchickt um - zugehen gelernt haben; ſo legen ſie ſich mit al - lem Eifer darauf, den Saͤbel gut zu fuͤh - ren. Dieſe Kunſt wird fuͤrnehmlich darum gelernt, damit das Fauſtgelenke der jungen Leute ſtark und biegſam werde. Bey dem Un - terrichte in dieſer Kunſt bindet der Lehrer ſeinen Schuͤlern zwey Gewichte an die Haͤnde, und legt ihnen noch uͤberdieß zwey Stuͤcke Eiſen auf die Schultern, wodurch ſie eine ungemeine Fer - tigkeit im Kaͤmpfen und Ringen erhalten.
Die dritte Uebung geſchieht zu Pferde. Dieſe beſtehet darinn daß der Reuter auf dem Pferde gerade ſitze, es im vollen Galop laufen laſſe, es mitten im Laufe ganz kurz an -halte,46halte, und ſo leicht und geſchickt auf dem - ſelben ſitze, daß er etwas, es mag ſeyn, was es will, ohne Muͤhe von der Erde aufheben kann. — Es giebt Leute unter ihnen, die die Reitkunſt ſo gut verſtehen, daß ſie mit den Fuͤßen auf dem Pferde ſtehen, und es dennoch den voͤllſten Galop koͤnnen laufen laſſen. — Das Mail-Spiel, das Bogenſchießen und das Werfen mit dem Wurfſpieße, ſind gleich - ſam Spiele, die zu Pferde gefeiret werden. Das Mail-Spiel geſchieht auf einem großen Platze, an deſſen Ende einige Pfeiler neben einander ſtehen, durch welche man reiten muß. Man wirft die Kugel mitten auf den Platz, und die Spieler rennen im Galop auf ſie zu, um ſie zu treffen. Die Maillen ſind kurz, ſo daß man ſich bis unter den Sattel beugen muß, um ſie zu erreichen. Derjenige erhaͤlt den Preis, wer die Kugel zuerſt durch die Pfeiler getrieben hat. Es iſt aber noͤthig, daß ein jeder ge - ſchwinde reite und richtig treffe.
Das Bogenſchießen zu Pferde geſchieht auf folgende Art. Man ſchießt naͤmlich nach einer goldenen Schale, welche oben auf einem hohen Maſtbaume befeſtigt iſt. Der Reuter holt weit aus, und rennt in vollem Galop nach dieſem Orte, und wenn er an den Maſt - baum kommt; ſo ſchießt er ſeinen Pfeil ab, indem er ſich mit dem ganzen Leibe auf den Ruͤ - cken des Pferdes legt. Dieſer Zeitvertreib iſt in allen Staͤdten Perſiens gebraͤulich, ſo daßſich47ſich auch die Koͤnige darinn zu uͤben pflegen. Sefi II. hatte ſein einziges Vergnuͤgen daran, und war darinn ſo geſchickt, daß er allemal die Schale im erſten oder zweytenmale herun - ter ſchoß.
Das Kaͤmpfen und Ringen iſt nur eine Leibesuͤbung fuͤr den gemeinen Poͤbel. Eine jede Stadt hat ihre gedungene Ringer, und vornehme Herren halten ihrer eine große Men - ge. Die Ringer ſind bis auf eine enge und kurze lederne Hoſe, die nur die Schamglieder bedecket, ganz nackend. Sie ſchmieren den Leib und die Beinkleider mit einer gelben Po - made, die aus Oehl und einem Pulver, Han - na genannt, gemacht wird, damit ſie ſich ein - ander nicht ſo leicht anpacken koͤnnen. Waͤh - rend dem Kaͤmpfen wird eine kleine Trommel geruͤhrt, und die Kaͤmpfer ſchlagen ſich nach dem Tacte derſelben. Bey dem Anfange, ge - ben ſie ſich einander die Haͤnde, zum Zeichen eines guten Streits; alsdenn ſchlagen ſie gleich - ſam nach dem Tacte, auf die Schenkel und Huͤften, um ſich dadurch in gehoͤrige Poſitur und Othem zu ſetzen. Darauf gehen ſie mit großem Geſchrey auf einander loß, und ein je - der bemuͤhet ſich, ſeinen Gegner niederzuwer - fer. Derjenige traͤgt den Sieg davon, wer den andern auf die Erde, entweder auf den Bauch, oder auf den Ruͤcken geworfen hat. Dieß geſchieht gemeiniglich, wenn der Sieger ſeinen Gegner bey dem Kampfe in die Hoͤhehebt,48hebt, und dieſen gleich darauf wieder nieder - wirft, und uͤberhaupt durch langes Ringen ſeine Kraͤfte erſchoͤpft ſind.
Zu den oͤffentlichen Beluſtigungen gehoͤrt auch das Fechten. Ehe das Gefecht vor ſich geht, legen die Fechter erſt ihre Waffen zu ih - ren Fuͤßen, welche in einem geraden Saͤbel und einem Schilde beſtehen. Sie legen ſich auf die Knie, und kuͤſſen ſie mit dem Munde und der Stirn. Nachher ſtehen ſie auf, nehmen die Waffen in die Hand, tanzen und ſpringen nach dem Tone einer kleinen Trommel, und machen mit der groͤßeſten Leichtigkeit und Ge - ſchwindigkeit mancherley Bewegungen und Po - ſituren. Hierauf ſchreiten ſie zum Hiebe und hauen allemal mit der Schneide, wofern ſie nicht allzu nahe beyſammen ſtehen: denn als - dann gehen ſie auf den Stoß. Ein jeder be - muͤhet ſich, die Stoͤße mit dem Schilde, den er traͤgt, aus zu pariren. Dieſe Art vom Streit nimmt bisweilen ein trauriges Ende, wenn die Fechter in Hitze gerathen; merkt man indeſſen aber, daß ſie zu hitzig werden; ſo bringt man ſie aus einander.
Man findet in Perſien auch Leute, die ſich auf das Wettlaufen legen; doch aber gehoͤren dieſe Arten von Uebungen nur fuͤr die koͤnigli - chen Laͤufer. Unter dieſe kann Niemand auf - genommen werden, der nicht in zwey Tagen, ſo lange die Sonne ſcheint, eine Bahn, von an - derthalb franzoͤſiſchen Meilen, vier und zwan -zigmal49zigmal durchlaufen kann. Der Laͤufer faͤngt von der großen Thuͤre des Palaſtes an, und laͤuft bis an eine Saͤule welche die Graͤnze be - ſtimmt. Er nimmt aus derſelben zwoͤlf Pfei - le, einen nach dem andern weg, und muß alſo zwoͤlf Gaͤnge, jeden von drey Meilen thun. Zu den Zeiten Soleimans, ſoll ein Laͤufer dieſe ſechs und dreyßig Meilen in weniger als vier - zehn Stunden zuruͤck gelegt haben wofuͤr er das Calaat und fuͤnfhundert Tomans zur Belohnung ſoll erhalten haben. — Der zu einem Wettlaufen ausgeſetzte Tag, wird als ein allgemeines Feſt gefeiert. Der große Platz zu Iſpahan, (von welchem der Laͤufer kommt) und alle Straßen, die auf dieſem Wege ſind, werden mit Tapeten behaͤngt. Vor den Thuͤ - ren des großen Hotels, ſtehen Tiſche voller Rauchpfannen, wohlriechender Waſſer und an - derer Erfriſchungen. Hier haͤlt ſich der Laͤufer von Zeit zu Zeit auf, und laͤßt ſich Waſſer auf die Schultern und Fuͤße gießen. Wenn er an die Saͤule kommt, nehmen ihn zwey von den ſtaͤrkſten Maͤnnern in die Arme, ſtrecken ihn auf einen Teppich, reichen ihm einen Trunk und wohlriechende Waſſer zur Erquickung.
Durch ſolche Spiele nun, welche Bieg - ſamkeit und Kraͤfte erfodern, werden die Per - ſer ſehr ſtark. Außer dieſen Spielen, die bloß zur Ergoͤtzung dienen, giebt es noch Seiltaͤn - zer, Luftſpringer, Voltigeurs, Charle - tans, Taſchenſpieler u. ſ. w. Die erſtenDtanzen50tanzen nicht nur auf ſtraffen oder auch auf ſchlaffen Seilen, wie die Europaͤiſchen Seiltaͤn - zer, ſondern ſie haben auch noch einen beſon - dern Kunſtgriff, vermoͤge welchen ſie auf ei - nem ſchreggeſpannten Seile, das von oben bis unten an eine Mauer gemacht wird, gehen. Sie ſteigen auf demſelben auf und nieder, klammern ſich mit den großen Zaͤ - hen an das Seil, und tragen noch uͤberdem zu - weilen ein Kind auf den Schultern. — Die uͤbrigen machen Kunſtſtuͤcke, die der leicht - glaͤubige Poͤbel oft fuͤr Zauberdinge haͤlt. Ta - vernier liefert uns von dieſen Gauklern um - ſtaͤndliche Berichte; ſeine Erzaͤhlungen aber gehen von denen der andern Reiſebeſchreiber ſo weit ab, daß wir ihm, in dieſem Stuͤcke, kei - nen Glauben beymeſſen koͤnnen. Chardin, der dieſe Spiele alle angeſehen und genau unterſucht hat, fand das nicht, was Taver - nier will geſehen haben. Er haͤlt das berufene Wunderwerk von einem Baume, den dieſe vermeinten Zauberer zuſehens wachſen laſſen, wenn ſie ihn mit ihrem Blute begießen, nur fuͤr einen liſtigen Kunſtgriff hinter deſſen Be - trug er auch ſelber gekommen iſt. Ich habe, ſagt er, alle Můhe angewandt, etwas Uebernatuͤrliches von dieſer Art anzutref - fen: aber allemal vergebens. Die Zau - berey verſchwand, ſo bald ich die Sache genauer betrachtete, und ich habe mich immer genoͤthigt geſehen, den Betrug wahrzunehmen.
Dieß51Dieß ſind die vornehmſten Leibesuͤbungen, welche den Zeitvertreib der Perſer ausmachen. Die Hazardſpiele ſind ihnen in ihrer Reli - gion verboten, und die Policey unterſtuͤtzt dieſes Verbot, indem ſie die Verbrecher oft ſehr grauſam und hart beſtraft. Indeſſen er - lauben es doch zuweilen einige Caſuiſten, wenn ſie nur nicht um Geld ſpielen. Der Hang zu dergleichen Spielarten iſt bey den Perſern auch nicht groß, vielmehr kann man ſagen, daß ſie wider ſolche Spiele einen natuͤrlichen Ab - ſcheu hegen, wenn ſie gleich glauben, daß das Spiel eine leichte und verzeihbare Suͤnde ſey. Ihre gewoͤhnlichen Spiele ſind das Karten - Wuͤrfel - Kegel - Ball - Schachſpiel u. ſ. w. — Das gemeine Volk ſpielt mit Karten von Holz, die ziemlich gut gemalt ſind. Ihr ordinaires Spiel beſtehet aus neunzig Karten und aus achterley Farben; ſie ſpielen es aber ſehr rauh und ohne allen Geſchmack. Das Schachſpiel wird nur von einigen Standesperſonen, aber doch nur ſelten, geſpielt. Es wird aber doch ſehr hochgeſchaͤtzt, indem ſie der Meynung ſind, daß derjenige, welcher es gut verſtehe, die Welt regieren koͤnne. Eine Parthie muß, um es gut zu verſtehen, wenigſtens drey Tage dauern. *)Die Perſer behaupten, das Schachſpiel ſey von ihren Vorfahren erfunden worden. Es iſt aber ſehr wahrſcheinlich, daß es aus Indiengekom -
D 2So52So viel von den Spielen der Perſer. — Itzt wollen wir dem Leſer einige Anmerkungen uͤber den Luxus der Perſer mittheilen.
Der Aufwand oder Luxus der Perſer iſt in Anſehung der Anzahl der Domeſtiken beſon - ders groß. Zwar bleibt es ungezweifelt wahr, daß man in Indien viel mehr Bediente zu hal - ten pflegt, als in Perſien: allein zehn Dome - ſtiken in Jndien koſten nicht ſo viel, als drey in Perſien. Die großen Herren haben aller - ley Arten von Bedienten, ganz nach koͤnigli - chem Fuße, nebſt allen den Titeln, die koͤnig - liche Bediente zu haben pflegen. Dieſe Men - ge von Bedienten nun iſt gewoͤhnlich der Ruin ſolcher vornehmen Haͤuſer. Denn ſie haben gemeiniglich Frauens: und da zu Erhaltung derſelben in Perſien viel gehoͤrt; ſo ſind die Bedienten faſt genoͤthigt, ihre Herrſchaften,wo*)gekommen, und erſt im fuͤnften Jahrhundert nach Chriſti Geburt, in Perſien bekannt gewor - den. Schickard, ein Mann, der in den orien - taliſchen Sprachen und Alterthuͤmern eine mehr als gemeine Kenntniß ſich erworben hat, be - merkt, daß Choſroes I. ein ſaſſanidiſcher Prinz, der 531 zu regieren aufieng, dieß Spiel von ei - nem Indianer erlernt habe. — Die Perſer nennen dieß Schachſpiel Chet-rang; die vor - nehmſten Benennungen deſſelben ſind aus der perſiſchen Sprache entlehnt. Schach kommt her von dem Worte Scheik, welches Koͤnig und Mat, welches ſterben bedeutet.53wo ſich nur irgend Gelegenheit dazu findet, zu beſtehlen und zu betriegen.
Der Luxus der Perſer iſt auch in den Kleidern, Zierrathen von Steinen, und in Pferdegeſchir - ren ſehr uͤbermaͤßig. In Anſehung der koſt - baren Steine tragen die Mannsperſonen faſt eben ſo viel an den Fingern, als ihre Weiber. Sie ſtecken zuweilen funfzehn bis ſechszehn Ringe an die Finger: tragen ſie aber doch nur an den drey mittelſten Fingern. Die Maͤnner haben ſilberne mit Steinen, und die Frauens - perſonen tragen goldene. Ueberdem haben die Mannsperſonen noch koſtbare Kaͤſtchen in ih - rem Buſen, worinn ſie ihre Pettſchafte, Juwe - len und einen kleinen Geldbeutel tragen. Die - ſe Koſtbarkeiten tragen ſie nur deswegen bey ſich, um ſich damit bey andern zeigen, und ih - nen einen hohen Begriff von ihren unermeßli - chen Reichthuͤmern beybringen zu koͤnnen. Sonſt beſetzen ſie auch noch mit ſolchen Stei - nen die Gefaͤße ihrer Dolche und Degen. Sie tragen auch S[t]eine an ihrem Kopfe und den Sophy-Muͤtzen, die ſie nur an feyerlichen und Feſttagen aufſetzen. — Niemand, als nur allein der Koͤnig, darf ſie am Turban tragen, ausgenommen die Neuverheyratheten, denen es waͤhrend der Hochzeit erlaubt iſt.
Das Pferdegeſchirr der Perſonen vom Stande iſt gemeinhin mit Silber, Gold oder Steinen verſehen. — Einige laſſen das Leder der Laͤnge nach, ſtatt der Goldarbeit, mitD 3Duca -54Ducaten belegen, um nur die Façon nicht be - zahlen zu duͤrfen. Die Sattel ſind hinten und vorne mit maſſivem Golde garnirt. Die Schabracken, welche von den unſrigen weit verſchieden, ſind gleichfalls mit den theuerſten und koſtbarſten Sachen bordirt.
Nirgends aber iſt die Verſchwendung groͤſ - ſer und unglaublicher, als in den Serrails. Mit der Unterhaltung einer ungeheuren Menge von Weibern ſind unſaͤgliche Koſten verbunden. Al - le Tage werden neue Kleider, koſtbare Par - fuͤms angeſchafft; und die im hoͤchſten Grade wolluͤſtigen Weibsbilder, wiſſen durch ihre un - verſchaͤmte Schmeicheley ihre Maͤnner ſo zu feſſeln und dahin zu bringen, daß ſie ſich zu unſaͤglichen Ausgaben leicht bewegen laſſen.
Wenn eine vornehme Perſon Viſite ablegt: ſo werden ein oder zwey Handpferde voraufge -[fuͤhrt]. Vorne oder neben dieſem Pferde ge - hen, nach Beſchaffenheit, zwey, drey oder vier Domeſtiken zu Fuße. Hinter dieſer vor - nehmern Perſon folgt einer zu Pferde, welcher die Tabacks-Bouteille traͤgt: ein anderer traͤgt ihm die Toilette mit einem Rocke und einer Muͤtze nach, und noch ein dritter, der ihm nur bloß zur Begleitung dient. Wenn er einmal auf eine Promenade oder ſonſt nach einem Garten oder oͤffentlichen Ort gehet; ſo nimmt er einen Knecht mit einem Yactan mit, der hinter ihm hergehen muß: dieſer Yactan beſteht aus zwey kleinen viereckigten Koffern,welche55welche mit Speiſen angefuͤllt, und mit einem Teppich bedeckt ſind. Wenn der Herr nun an dem beſtimmten Orte angelangt iſt; ſo wird der Teppich auf die Erde gebreitet; worauf er alsdenn raucht oder ißt. Geht er auf die Jagd; ſo hat er einen bis zwey Falkenjaͤger mit dem Vogel in ſeinem Gefolge bey ſich. Und auf dieſe Art verlebt gemeiniglich der vor - nehme Mann ſeine Jahre.
Nach den Geſetzen des Korans iſt ein je - der firmer Muſelmann verbunden, ſich zu ver - heyrathen. Denn man ſieht den ledigen Stand als einen ſolchen an, der dem Zwecke und der Hauptabſicht, den ſich Gott bey der Erſchaf - fung der Menſchen vorgeſetzt habe, widerſpraͤ - che. Sie koͤnnen es daher auch gar nicht begreifen, wie Chriſten den eheloſen Stand unter ſich dulden und Keuſchheit fuͤr eine Tu - gend halten. Am meiſten iſt ihnen der Moͤnchs - zuſtand, nach deren Geſetzen ſich, wie bekannt, ein jeder aller Gemeinſchaft mit dem andern Geſchlechte enthalten muß, unerklaͤrlich. *)Genau genommen, haben die Mohammedaner hierinn voͤllig Recht. — Gott hatte bey Er - ſchaffung der Eva allerdings die Fortpflanzung des menſchlichen Geſchlechts zum Hauptzweck, und legte in die Naturen der Menſchen den Trieb ein gemeinſchaftliches Verlangen, ihr Geſchlecht fortzupflanzen, gegen einander zu haben. Hierzu kam noch der ausdruͤcklicheBefehl
D 4Schon56Schon in den Juͤnglings-Jahren, ohnge - faͤhr im ſechszehnten oder ſiebenzehnten Jahre, ſtehet es ihnen frey, dafern ſie eine Neigung zum Frauenzimmer blicken laſſen ſich zu ver - heyrathen, oder wenn es die Umſtaͤnde nicht erlauben, ſich Concubinen zu halten. — Sie gehen gemeiniglich eine dreyfache Art von Ver - bindung mit ihren Weibern ein. Erſtlich pflegen ſie einige Weiber auf eine gewiſſe Zeit zu miethen, und einen Contrakt in Gegen - wart des Richters einzugehen. Doch ſteht es allezeit in eines jeden Belieben, die Maitreſſe, wenn er ihrer uͤberdruͤßig iſt, von ſich zu laſſen, wenn er ihr nur das Miethgeld richtig und ganz auszahlt, und die etwa mit ihr ge - zeugten Kinder ernaͤhrt und verſorgt. Eine ſolche verabſchiedete Frauensperſon iſt aber ver - bunden, ſich vierzig Tage aller fleiſchlichen Ver -bin -*)Befehl Gottes, der ſich aber, wie man leicht ſieht, nicht bloß auf die erſten Menſchen, ſon - dern auch auf die Nachkommen bezieht. — Chriſtus hat ferner nirgends und nie verboten, ſich zu verheyrathen; und man kann daher ſich nicht genug verwundern, daß es in der chriſtli - chen Kirche Leute giebt, die ſich des Eheſtan - des zu enthalten, verpflichtet zu ſeyn glau - ben. — Man ſieht in unſern aufgeklaͤrtern Zeiten itzt, wie viel der Moͤnchs - und Non - nenſtand der Bevoͤlkerung des Staats ſchadet, und hat bereits den loͤblichen Anfang gemacht, aus den Cellen der Moͤnche und Nonnen Ca - ſernen zum Nutzen der Menſchheit zu machen!57bindung mit Mannsperſonen zu enthalten. Dieſe Zeit nennen ſie die Tage der Reinigung. — Zweytens koͤnnen die Perſer auch nach ih - ren Geſetzen die gekauften Weiber, oder Sclaven, zu ihrer Maitreſſe machen. Dieſe nennt man Canize’. Sie haben vor den Ge - mietheten große Vorzuͤge. Man raͤumt ihnen ein von den uͤbrigen Sclavinnen abgeſondertes Zimmer ein, und giebt ihnen die beſte Aufwar - tung. Werden ſie aber ſchwanger; ſo hoͤrt die Verbindung als Sclavinn auf, und wer - den als Muͤtter der Familie angeſehen. — Drittens gehen ſie eine rechtmaͤßige Verbi[n -]dung mit Frauenzimmern ein, welche Nekaa genannt werden. Mohammed hat einem je - den Muſelmann zugeſtanden, ſich vier Weiber, wenn er ſie ernaͤhren kann, nehmen zu duͤrfen. Allein gemeiniglich pflegen ſich die Perſer nicht mit ſo vielen zu bemengen, theils wegen der vie - len Unordnungen, welche die Begierde Aller zu befehlen verurſacht, theils und hauptſaͤchlich aber wegen der ungeheuren Koſten, die ſie be - wuͤrken. Aus dieſen Urſachen ſind die gekauf - ten Weiber oder Sclavinnen, uͤber die ſie frey - lich mehr Gewalt ausuͤben duͤrfen, als uͤber ihre rechtmaͤßigen Frauen, am gewoͤhnlichſten.
Mit dem Heyrathen geht es in Perſien eben ſo, wie in einigen andern Laͤndern des Orients. Man gebraucht naͤmlich zu dieſen Unterhand - lungen gewiſſe dazu brauchbare Weiber: Denn das neue Ehepaar kennt ſich gemeiniglich wei -D 5ter58ter nicht, als dem Namen nach. Wenn nun die Eltern von beyden Seiten in den noͤthigen Puncten mit einander einverſtanden ſind; ſo geht der Vater des Braͤutigams in das Haus des Vaters der Braut. Der Vater dieſer letz - tern empfaͤngt und umarmt den Braͤutigam und begiebt ſich alsdann aus der Geſellſchaft, weil er dem Contracte nicht beywohnen darf: denn man fuͤrchtet immer, daß der Vater der Braut dem Braͤutigam Hinderniſſe in den Weg legen koͤnnte, und dieſem dadurch die voͤllige Freyheit benommen wuͤrde. Dieſer Contract wird in einem beſondern Zimmer in Gegenwart des Braͤutigams, eines Prieſters*)Vielleicht duͤrfte es manchen ſonderbar vor - kommen, warum gerade bey dergleichen Con - tracten ein Prieſter und kein ordentlicher Rich - ter vorkomme? Um dieſen Einwurf zu heben, muß man wiſſen, daß die Geiſtlichkeit in Per - ſien das hoͤchſte Gericht ausmachen. Denn die Perſer ſind davon feſt uͤberzeugt, daß die Geiſtlichen urſpruͤnglich das Recht von Gott erhalten haben, die Gerechtigkeit zu verwalten. — Der Sedre, oder der oberſte Prieſter, iſt der oberſte Chef ſowohl in allen geiſtlichen als weltlichen Angelegenheiten, und unter dieſem ſtehen alle uͤbrigen Richter. Wenn man unterſuchen wollte, ob es wohl gut ſey, daß die hoͤchſte Jurisdiction in den Haͤnden der Prieſter iſt, und ob die Gerechtig - keit nicht darunter leide, ſo waͤre dieß eine Fra - ge, die ich wohl mit Nein beantworten moͤch - te. Unter uns Europaͤern findet die hoͤchſteJu - und derUn -59Unterhaͤndlerinnen von beyden Seiten aufge - ſetzt. Sind die Beyſitzer dieſes Contracts ei - nig; ſo iſt es ihre Pflicht auf die Haltung deſ - ſelben mit aller Strenge zu halten. Hierauf verfuͤgt ſich die Braut mit einigen Weibern in ein nah anliegendes Zimmer, und der Procu - rator verkuͤndigt die Heyrath, nach Chardins und Herberts Berichten, in folgenden Ausdruͤ - cken: Ich, N. N. den ihr euch zum Pro - curator erwaͤhlt habt, verheyrathe euch an dieſen Menſchen, der hier gegenwaͤr - tig iſt. Ihr ſollt allezeit ſeine Frau ſeyn, und unter dieſer Bedingung ſollt ihr das Wittwengeld genießen, welches euch iſt ausgemacht worden. Der Procurator des Braͤutigams antwortet hierauf mit folgenden Worten: Ich, N. N. dem das Procura - torweſen des N. N. aufgetragen iſt, heyrathe in deſſen Namen die Frau, wel - che ihm von dem hier anweſenden Pro - curator iſt gegeben worden, und verſpre - che ihr das ausgemachte Wittwengeldzu*)Jurisdiction, wie bekannt, ihre eigene Lehrer, und iſt von dem geiſtlichen Stande beynahe ganz abgeſondert. Ob ſie aber von der Geiſt - lichkeit muͤſſe ganz ausgeſchloſſen ſeyn — will ich hier nicht, weil’s auch nicht hieher gehoͤrt, unterſuchen — Die Perſer befinden ſich unter der geiſtlichen Gerichtsbarkeit wohl, und man ſieht unter ihnen wenige, die nicht in Ordnung gehalten werden koͤnnten.60zu bezahlen. Der Prieſter geht alsdann an das Zimmer der Braut und fraͤgt: ob ſie das, was die Procuratoren ausgemacht haͤtten, bil - lige: worauf ſie dann mit Ja antwortet. Wenn alle dieſe Cerimonien nun vorbey ſind; ſo unterſiegelt der Cadi den Contract, und laͤßt ihn gleichfalls von den Verwandten bey - der Familien beſiegeln. Dieſen Contract nimmt alsdann die junge Frau zu ſich. Je mehr Pett - ſchafte ſie darunter gedruckt ſieht, je lieber iſt es ihr: zum wenigſten aber, dafern er guͤltig ſeyn ſoll, muß er mit zehn Siegeln verſehen ſeyn.
Nachdem alle dieſe Zubereitungen geſchehen, begiebt ſich ein jeder wieder nach Hauſe. Am folgenden Tage ſchickt der Braͤutigam ſeiner Braut einen gewiſſen Theil ſeines Vermoͤgens und zugleich die noͤthigen Kleider und Edelge - ſteine. Dieſe ſchickt dagegen dem Braͤutigam auch etwas, wenn gleich nur wenig. Die Hoch - zeit ſelbſt geſchieht bey den Perſern in dem Hau - ſe des Braͤutigams. Gewoͤhnlich dauert ein dergleichen Feſtin zehn Tage lang. Die erſten neun Tage werden unter dem Genuß der groͤſ - ſeſten Freuden zugebrach[t], ohne daß die Braut irgend einen Antheil nehmen darf. Am zehnten Tage des Abends aber wird die Braut zum Braͤutigam unter dem freudigen Schalle der Trompeten und Begleitung einer Menge von Weibern, und uͤberhaupt mit vieler aͤußern Pracht, gefuͤhrt. Iſt die Braut von vorneh -men61men Stande, ſo wird ſie in einem Behaͤltniſſe, das wie eine Wiege gemacht iſt, und eine Caj - nas genannt wird, getragen. Die aber von geringerer Herkunft muͤſſen ſich auf ihre Beine verlaſſen, oder reiten auch wohl auf Pferden. — Die Braut iſt gemeiniglich mit zwey koſtba - ren Schleiern umhangen, wovon der eine den ganzen Koͤrper bedeckt und der andere bis zum Guͤrtel herunterhaͤngt. Dieß thun ſie darum, weil die neidiſchen und jalouen Menſchen ſie alsdann nicht bezaubern koͤnnen. Wenn nun die Braut in dem Hauſe des Braͤutigams iſt; ſo wird ſie von den Weibern in ein dunkeles Zimmer gefuͤhrt, ausgekleidet und ins Bette gelegt. Kurz darauf geht eben dieß mit dem Braͤutigam vor. Und ſo kommt das neue Ehe - paar in einem Bette zuſammen, ohne ſich viel - leicht je geſehen zu haben.
Man ſollte denken, daß dieſe Art zu heyra - then, ohne ſich vorher jemals geſehen zu haben, uͤberall ungluͤckliche Ehen verurſachen muͤßte. Allein hierinn wuͤrde man ſich ſehr irren. Viel - mehr kann man behaupten, daß die Ehe ſol - cher Leute, die ſich vorher nie geſehen haben, viel gluͤcklicher iſt, als manche unter uns, ohn - geachtet des vielen Beſehens und vorher gehab - ten Umgangs. Uebrigens aber muß man auch nicht zu weit gehen, und denken, als ob es den Perſern gleichviel waͤre, was und welche Frau ſie erhielten! Sie ſind in dieſem Stuͤcke fein genug. Die Mutter, der Vater und Anver -wandten62wandten nehmen ſich vorher ein genaues und getreues Gemaͤhlde von dem Maͤdchen, das ihr Sohn dereinſt, wenn ſie des Vergleichs einig werden koͤnnen, haben ſoll, (denn bis in das ſiebente Jahr laſſen ſich die Maͤgdchen oͤffent - lich ſehen.) Oft traͤgt ſichs auch zu, daß ein Maͤgdchen ſich ſehr jung ſchon verheyrathet, und ſo lange wartet, bis ſie ſich nach den Geſe - tzen oͤffentlich vermaͤhlen darf.
Die Eheſcheidung iſt bey den Perſern eine ſehr leichte Sache, und nach den Mohamme - daniſchen Geſetzen erlaubt. Dieſe kommen ge - meiniglich daher, wenn nemlich der Braͤutigam mit dem geſchloſſenen Contracte nachher nicht zufrieden iſt, und er anfaͤngt Zwiſtigkeiten zu erregen und ſeine Oberherrſchaft fuͤhlbar wer - den laͤßt. — Wird nun z. B. der Frau dieſes Joch unertraͤglich; ſo kann ſie ſich daruͤber bey dem Richter beſchweren und die Eheſcheidung verlangen. Alsdann aber verliehrt ſie ihr Witt - wengeld. Dringt aber der Mann auf eine Scheidung; ſo iſt er gleichfalls verbunden dasje - nige, was er ſeiner Frau geſchenkt hat, zu laſ - ſen. — Das perſiſche Geſetz erlaubt es auch, daß zwey Perſonen, die von einander geſchie - den ſind, ſich wieder vereinigen duͤrfen: und dieß duͤrfen ſie zu drey verſchiedenen malen thun. Sind ſie zum drittenmale geſchieden, und wol - len ſich zum viertenmale wieder verbinden; ſo koͤnnen ſie dieß nur unter der Bedingung thun, daß naͤmlich die Frau vorher einen andernMann63Mann heyrathet und vierzig Tage bey ihm wohnet. Alsdann darf ſie ihren neuen Gemahl wieder verlaſſen, und zu dem alten uͤbergehen. Eine ſolche Unordnung in dem Eheſtandweſen findet man doch nur unter dem gemeinen Hau - fen von Menſchen. Die Vornehmen ſind da - zu zu ſtolz und zu geizig, als daß ſie ihre Frauen in den Armen anderer ſehen, und die Mitgabe wieder herausgeben ſollten. Viel eher wuͤrden ſie ſich dazu verſtehen, der Frau den Hals ab - zuſchneiden, als zu der Eheſcheidung zu ſchrei - ten. Die Obrigkeit miſcht ſich auch ſehr ſelten in Eheſtandsſachen: und da die Perſer uͤber - haupt, vorzuͤglich aber die Vornehmen, uͤber ihre Weiber in den Seraillen eine faſt unum - ſchraͤnkte Gewalt haben; ſo ſehen ſich dieſe wohl vor, nicht auf die Eheſcheidung zu dringen und ſich geduldig zu verhalten.
Ohngeachtet es nach dem Mohammedani - ſchen Geſetzen auf das ſchaͤrfſte verbothen iſt, Hurerey und andere Schandthaten zu treiben; ſo findet man doch hin und wieder in Perſien einige Oerter, wo ſie oͤffentlich getrieben wird. Einige zuverlaͤßige Reiſebeſchreiber erzaͤhlen, daß in der Hauptſtadt des Reichs, Iſpahan, eilf tauſend Huren geduldet werden, woruͤber eine geſetzte Perſon, die ſie in ihrer Sprache Me - chel Dar Bachi nennen, das Regiſter haͤlt.
Wenn man die Anordnungen und Zuberei - tungen, welche die Perſer bey Gelegenheiten der Geburt ſowohl als auch bey dem Sterbeneines64eines Menſchen anzuwenden pflegen, genau er - waͤgt; ſo findet man in der That bey dieſen Ce - rimonien viel Wuͤrdiges und Edles, das der Nation gewiß zur groͤßeſten Ehre gereicht. Ich will hier das Merkwuͤrdigſte, was bey dem To - de und Begraͤbniſſe vorgeht, kurz und genau concentrirt dem Leſer vor Augen darſtellen, und hierinn fuͤrnehmlich dem Chardin folgen, mit dem faſt alle Reiſebeſchreiber, wenigſtens die beſten, ſehr genau uͤbereinkommen.
In Perſien herrſcht uͤberall die Gewohnheit, daß man auf dem platten Dache, wenn Je - mand in einem Hauſe toͤdtlich krank iſt, kleine Feuer anlegt, um die Vorbeygehenden zu erin - nern, Gott um Erhaltung des Kranken anzu - flehen. Zugleich laͤßt man auch Mollahs*)Sind eine Art Geiſtliche in Perſien. herbey rufen, die dem Sterbenden alle ſeine be - gangenen Suͤnden vorhalten, und ihn zur auf - richtigen Bereuung derſelben ermahnen muͤſſen. Der Kranke antwortet bey jedem ihm vorge - haltenen Puncte: Taube’, d. i. es gereuet mich. Alsdann muß er in Gegenwart des Prieſters ſein Glaubensbekenntniß ablegen: und wenn er ſchon ſo ſchwach iſt, daß er nicht mehr reden kann; ſo beten die Anweſenden alle fuͤr ihn, leſen auch wohl ſo lange einige Stellen aus dem Koran, bis er voͤllig verſchieden iſt.
Sobald nun der Kranke ſeinen Geiſt voͤllig aufgegeben hat; ſo erheben die Anweſenden einſol -65ſolches Geſchrey, daß die ganze Nachbarſchaft zuſammenlaͤuft, um die Leidtragende zu troͤſten. Alle diejenigen, welche bey dem Verluſte des Verſtorbenen intereſſirt ſind, zerreiſſen ihre Klei - der, raufen ſich die Haare aus, zerfetzen ihr Geſicht, ſchlagen ſich vor die Bruſt, und geben uͤberhaupt Zeichen der aͤußerſten Betruͤbniß von ſich. Beſonders zeichnen ſich die Weiber im Heulen und Wehklagen vorzuͤglich aus, und ſcheinen ihre Traurigkeit bis zur Verzweiflung zu treiben. Bey jeder Zuſammenkunft, wo des Verſtorbenen Erwaͤhnung geſchieht, pfle - gen ſie ihn aufs herrlichſte zu loben: und dieſe Lobeserhebungen endigen ſich denn gemeiniglich mit einem graͤßlichen Geſchrey.
Die erſte Sorge, die ſie tragen, wenn der Kranke erblaßt iſt, beſteht darinn, daß ſie ſo - gleich dem Cadi Nachricht davon ertheilen, und zugleich um Erlaubniß bitten, den Todten wa - ſchen und begraben laſſen zu duͤrfen. Nach er - haltener Erlaubniß gehen ſie zum Mordi - chour,*)Mordichour heißt in der perſiſchen Sprache nichts anders, als ein Waſcher todter Koͤr - per. Dieß Amt darf keiner als er bekleiden. Er iſt von der Juſtiz angeſetzt, damit man hauptſaͤchlich wiſſe, wieviel Perſonen jedesmal geſtorben ſind. — Eine Gewohnheit und An - ordnung, die beyde, von allen Seiten betrach - tet und gehoͤrig erwogen, gut und lobenswuͤr - dig ſind. und bringen ihm den Befehl vomCadi,E66Cadi, daß er den Todten waſchen und die noͤ - thigen Cerimonien veranſtalten koͤnne. Die Maͤnner werden von Maͤnnern, und die Wei - ber wiederum von Weibern gewaſchen. Der Mordichour entkleidet den Verſtorbenen und die Kleider kommen ihm den Rechten nach zu. Man pflegt mit der Abwaſchung eines Verſtor - benen ſehr ſchnell zu verfahren. Denn man wagt es nicht ihn, ſo lange er ungewaſchen da liegt, anzuruͤhren, weil es fuͤr unrein gehalten wird. Man laͤßt gemeiniglich den Erblaßten in einem, zu dieſer Abſicht beſtimmten, Waſch - hauſe, oder, wenn es vornehme Leute ſind, in ihren eigenen Haͤuſern, abwaſchen. Die Ab - waſchungen geſchehen nach der perſiſchen Litur - gie auf folgende drey Arten: zuerſt waͤſcht man den Koͤrper mit gewoͤhnlichen reinem Waſ - ſer ab, worinn ein Strauß von Zuͤrgelbaum - blaͤttern liegt; zweytens bedient man ſich ei - ner gewiſſen Art Kampferwaſſer, und endlich drittens nimmt man ſolches Waſſer, wie es der Brunnen darbietet. Es iſt der Gebrauch einmal unter ihnen introducirt, daß ein jeder Koͤrper dreymal abgewaſchen und abgetrocknet wird. Bey der letzten Abwaſchung werden al - le Oefnungen mit Baumwolle verſtopft.
Sobald dieſe Handlung geſchehen iſt, wird die Beerdigung veranſtaltet. Den Koͤrper wi - ckelt man in ein weiß reines Tuch, ſo daß man nichts von dem Verſtorbenen ſehen kann. Ei - nige andaͤchtige Leute pflegen uͤber daſſelbe eini -ge67ge Stuͤcke aus dem Koran auszuſchreiben. Hierauf bringt man den Koͤrper ſo geſchwind als moͤglich in einen Sarg, weil ein todter Koͤrper innerhalb acht oder zehn Stunden ſo aufgeblaſen iſt, daß man ihn beynahe nicht in einen Sarg legen kann. Die Urſachen von dieſer ſonderbaren Sache, die ſich ſo bald an dem Verſtorbenen ereignet, muß man nur al - lein in der großen Duͤrre der Luft ſuchen. — Wenn der todte Leichnam an einen entfernten Ort (welches zuweilen von den Kranken ange - ordnet wird) ſoll getragen werden; ſo fuͤllen ſie den Sarg mit Kalk, Gummi und Salz, wel - ches den Koͤrper vor Faͤulung erhalten ſoll. Und dieß iſt die gewoͤhnliche Art, die Koͤrper in Perſien einzubalſamiren.
Die Beerdigung geſchieht gemeiniglich bey dem gemeinen Manne mit ſo wenigem Pomp, als es nur immer moͤglich iſt. Ein Mollah und noch ein paar andere Bediente machen ge - woͤhnlich den ganzen Aufzug aus. Der Koͤr - per wird von Sclaven und Freunden getragen, und von denen, die ihnen unterwegens bege - gnen, abgeloͤſet. Die Dienſtleiſtung der Per - ſer bey ſolchen Vorfaͤllen iſt hierinn vorzuͤglich lobenswuͤrdig. Ja ſie geht ſo weit, daß dieje - nigen, welche ihnen zu Pferde begegnen, abſtei - gen, und ihre Dienſte anbieten.
Das Leichenbegaͤngniß vornehmer Perſonen geſchieht mit mehrer Pracht. Dieſe werden nicht, wie jene, von Menſchen getragen, ſondernE 2mit68mit Pferden, die mit dem koſtbarſten Geſchirr verſehen ſind, gefahren. Auf dem Sarge ſieht man die aͤußern Zeichen der Wuͤrde, und, wie uͤberall, den Turban. Wenn ein Soldat, der ſich wegen ſeiner Tapferkeit vorzuͤglich hervor - gethan hat, ſtirbt; ſo begraͤbt man ihn mit ſei - nem Turban, Degen, Pfeile und Koͤcher: Ein jeder Anweſender wirft in das Loch — deren ſie gewoͤhnlich zwey graben, naͤmlich eins ſenk - und das andre wagrecht — ein wenig Erde und ruft dabey aus: Wir ſind Gottes, wir kommen von Gott, und wir werden wie - der zu Gott zuruͤckkehren. — Man be - deckt das Loch mit einem Steine, oder mit ei - ner Art von braunem und zugleich hartem Mar - mor, den man in Perſien uͤberall findet, wor - auf man einige Stellen aus dem Koran ein - hauen laͤßt. Auf dem Grabmale einer Manns - perſon pflegt man nach dem Kopfe hin einen Stein, worauf man einen Turban eingehauen findet, zu legen.
Sowohl die Vornehmen als die geringen Leute beſuchen acht oder zehn Tage nach dem Leichenbegaͤngniſſe das Grab des Entſeelten, und beſonders entzieht ſich das Frauenzimmer dieſer Pflicht am wenigſten. Man ſieht immer die Kirchhoͤfe voll von Menſchen, beſonders an den hohen Feſttagen, des Abends und Morgens, die ſammt ihren Kindern klein und groß in die - ſer Abſicht dahin gegangen ſind. Sie ſetzen ſich auf das Grab, weinen und ſchreien jaͤm -merlich69merlich, ſchlagen ſich vor die Bruſt, raufen ihre Haare aus (welches ſie, wie ſchon im vorherge - henden erwaͤhnt iſt, auch bey der Gelegenheit, wenn der Kranke geſtorben iſt, thun,) und er - zaͤhlen das gluͤckliche Leben, das ſie mit ihnen genoſſen haben. Gemeiniglich laſſen ſie Ku - chen, Fruͤchte und andere Sachen auf dem Gra - be liegen, welches den Engeln, die das Grab bewahren, gewidmet iſt.
Die Reichen, und uͤberhaupt diejenigen, welche eine hohe Charge im Reiche bekleidet ha - ben, verordnen gewoͤhnlicher Weiſe bey ihrem Abſterben, daß ihr Koͤrper an den Oertern, wo ein Heiliger liegt, ſolle begraben werden. Sehr ſelten aber geht man hierinn ſo weit, daß der Koͤrper nach Mekke’ oder Medine gebracht wird, weil dieſe Oerter ordentlicher Weiſe von den meiſten Staͤdten und Doͤrfern ſehr entle - gen, und dieſes mit vielen Koſten verbunden iſt. Waͤhrend man ſich zu einer ſolchen Reiſe zube - reitet, ſetzt man die Saͤrge in beſondere dazu ausgemauerte Hoͤhlen, damit ſie nicht von Je - dermann geſehen werden. Die Perſer glau - ben, daß die todten Koͤrper, wenn ſie auf eine ſolche Art verwahrt und beygeſetzt ſind, nicht faulen und riechen koͤnnten, weil ſie vor der Verweſung den Engeln, die das Grab be - wahren, von ihrem Haushalten die genaueſte Rechenſchaft ablegen muͤßten. *)Dieſe beyden Engel nennen die Perſer, nachTa -
E 3Die70Die Perſer betrauren ihre Todte vierzig Tage lang; und ſcheinen in den acht erſten Ta -gen*)Taverniers Berichte, in ihrer Sprache Neg - nir oder Manguer. — Sie pflegen ſich, nach den Vorſtellungen der Perſer, mit dem Todten zu unterhalten, und ihn wegen ſeines Glau - bens und ſeines ganzen Wandels zur Rechen - ſchaft zu fordern. Iſt nun ihr Glaube auf die - ſer Erde klein, und ihr Betragen den Geſetzen Mohammeds zuwider geweſen; ſo werden ſie von dieſen beyden Engeln verdammt, und dieſe Verdammung beſteht in einer beſtaͤndigen und heftigen Reue, ſich nicht ſo vollkommen ge - macht zu haben, als ſie es haͤtten ſeyn koͤnnen. — Dieß iſt die Vorſtellung des venuͤnftigern Theils unter ihnen. — Andere halten dafuͤr, daß die Verdammung der Gottloſen in abſcheu - lichen Traͤumen und Erſcheinungen, hingegen die Seeligkeit der Frommen in dem Genuſſe un - aufhoͤrlicher Vergnuͤgungen, beſtuͤnde, bis end - lich der große Geſetzgeber erſchiene und alle Verſtorbene zu einer allgemeinen Auferſtehung beriefe. Alsdann wuͤrde einem jeden ſein ewi - ges Endurtheil geſprochen, und er entweder be - ſtaͤndig vom Teufel gequaͤlt oder ewig gluͤcklich ſeyn. — Man ſieht hieraus leicht, was die Perſer von der Seligkeit oder Verdammung der Verſtorbenen fuͤr eine Meynung hegen. Es iſt Schade, daß ſie zu dem, was in dieſen Vor - ſtellungen uͤbertriebenes oder falſches iſt, durch ihre religioͤſen Ideen verleitet werden. Beſon -