DVrchleuchtigſter / Hochgeborner Fuͤrſt / gnaͤdigſter Herꝛ. E. F. Gn. ſeynd meine vnterthaͤnigſte / gehorſameſte / ſo willigſte / als pflichtſchuldigſte Dienſte beſtes Fleiſſes zuvor. Vnter andern anmutigen vnd nachſinlichen Dingen / die auff der Perſiſchen Reiſe vns vnter Augen gekommen / achte ich nicht das ge - ringſte zu ſeyn / daß in der herꝛlichen / uͤberaus fruchtbahren Landſchafft Kilan / oder nach dem alten Namen Hyrcania, ſo vnzehlich viel Stroͤme vnd Baͤche von den hohen vmb der Caſpiſchen See herumb liegenden Bergen / mit einem continuirlichen Fluſſe durch das niedrig gelegene Land flieſſen / vnd ſich in die See begeben. Welche Waſſer gleichſamb auff der Natur Geheiß / ſich nach des allerweiſeſten Koͤniges Meinung / aus der See erheben / das Land mit groſſen Nutzen durchgehen / vnd ſich der See wieder ergeben muͤſſen. Woraus ich dann hieroglyphiſcher Weiſe eine gute Erinnerung der auff die von E. F. Gn. empfangene ho - he Wolthaten gehoͤrigen ſchuldigen Danckbaꝛkeit faſſe / vnd zur dedica - tion dieſes meines geringen Werckes Anlaß nehme. Dann wann ich betrachte den Anfang / Mittel vnd Ende vnſer nach den Orientaliſchen Laͤndern gehabten Reiſe / vnd die daher entſtandene gute Gelegenheit / von derſelben etwas denckwuͤꝛdiges zu ſchreiben / woraus ein Liebhaber der Wiſſenſchafften von ſo frembden / vnd vnſerm Vaterlande Teutſcher Nation bißher ziemblich vnbekanten Dingen Nachricht vnnd Nutzen ſchoͤpffen moͤchten / habe ichs vnd andere mit mir einig vnd allein E. F. Gn. zudancken / welche bey Abfertigung jhrer zu einem hohen loͤblichen Intent angeſehener Legation, mir abſonderlich gnaͤdig anbefohlen / das jenige / was etwa denckwuͤrdig / ſo wol in Geographicis als Hiſtoricis derer Oerter vorfallen mochte / zu obſerviren, vnd darvon / nach vn -(A) ijſerſer mit goͤttlicher Huͤlffe abgelegten Reiſe / relation zu thun. Welchem gnaͤdigen Befehl ich / ſo viel es mein geringer Verſtand / die Zeit / vnd offt gefaͤhrlicher Zuſtand leiden wollen / gehorſamlich nach zukommen / mir habe wollen angelegen ſeyn laſſen / vnd meine auff der Reiſe vnd in Per - ſten gehabte obſervata, ſo wol mit eigentlichen Abriſſen der Staͤdte / Gebaͤwe / vnd andern Dingen / als die Beſchreibung zu Papier ge - bracht / vnd numehr auff vieler fuͤrnehmen Herren / deren autoritet bey mir viel gilt / Antrieb / in oͤffentlichen Druck an des Tages Licht gegeben. Worbey E. F. Gn. ſich verſichert wiſſen ſol / daß ich in dieſem Bericht nicht etwa andere von dergleichen Materie handelnde Autoren / die ich zum theil in vielen Stuͤcken ziemlich vnrichtig befunden / conſuliret, odeꝛ auff bloſſes Hoͤren ſagen gegangen: ſondern nur / was ich vnd andere ne - ben mir mit Augen geſehen / was ich mit Fuͤſſen betreten / oder was ich jhres ſtatus vnd Religion halber in jren eigenen glaubwirdigen Schriff - ten geleſen / das habe ich ſchreiben wollen / vnd darbey auch nicht / mir et - wa zum Behuͤlff: quod difficulter redarguantur, quæ de longè dißitis narrantur, wie Strabo l. 11. P. 350 redet / der Feder jhren Lauff gelaſſen / vnd vnter denen ſeyn wollen / von welchen Strabo am ſelben Orte ferner ſpricht:
Sondern weil von einem Hiſtorico nichts hoͤhers vnd mehrers erfordert wird / als daß er / in Erzehlung der Dinge ſich der Warheit befleiſſige: Vnd dieſes auch ein Hiſtoriſcher Bericht / als habe ich ſolches auch beobachten / vnd die bloſſe Warheit ſchlecht / ohne writleufftige hohe Reden / welche die Perſer leere Paucken nen - nen / ſchreiben wollen. Es ſeynd vns zwar vnterſchiedliche vnd wun - derliche Dinge in denen Laͤndern erzehlet worden. Weil ichs aber ſelbſt nicht geſehen / oder Gewißheit darvon bekommen / ja mir vnglaͤublich vorkommen / habe ich auch darvon nichts gedencken wollen. Dann man mit ſolchen relationen nicht mehr / als dem Leſer ein Gelaͤchter / vnd an - dere glaubwirdige Hiſtorien darbey verdaͤchtig machet. Gleich Pom - ponius Mela lib. 3. ſchreibet / daß in Jndien Ameiſen waͤren / welche nicht kleiner als die groͤſten Hunde vnd Strabo mit einer groſſen Perſi - ſchen Wieſe / auff welcher 50 tauſend Stutten weiden ſolten. Wie beym ſelben Autore lib. 11. darvon zu leſen.
JchJch erkeñe aber gleichwol vnd bekeñe / daß der Perſianer Hakvvirdi, welchen E. F. Gn. neben andern Vrſachen / auch darumb / daß er mir in Wiſſenſchaft der Sprachen / vnd andern noch vnbekanten Dingen / beſ - ſer Nachricht gebe / am Gottorffiſchen Hoffe / nicht mit geringen Vnko - ſten bißher gehalten haben / vnd noch halten / mir in vielen behuͤlfflich ge - weſen. Weil derwegen in dieſem Fall alles durch vnterſchiedliche We - ge von E. F. Gn. Mildigkeit / als aus einem reichen Brunnen / mir vnd andern zu gute hergefloſſen / iſts auch billich / daß E. F. Gn. ich dieſe mei - ne wenige Arbeit in tieffer Demuth vnd gehorſamer Danckbarkeit hin - wiederumb offerire vnd zueigne / der vnterthaͤnigen Zuveꝛſicht / E. F. G. werden daran ein gnaͤdiges Wolgefallen haben.
Jch weiß wol / daß gegen E. F. Gn. an mir ohne diß offt erwieſene hohe Gnade vnd Wolthaten zurechnen / ich hiermit meine Schuldigkeit viel zu wenig ablege. Dann in Erwegung / daß man nach des Ariſtotelis Außſpruch / Dijs, parentibus & præceptoribus nicht gleichgeltenden Danck erweiſen kan / befinde ich dißfals in gewiſſem reſpect gegen E. F. Gn. mich dreyfach verpflichtet zu ſeyn. Nicht zwar / daß ich ſchmeichel - haffter Weiſe E. F. Gn. zum Gotte machen wolte; Wenn aber den Vir - gilium die hohen Wolthaten / die jhm der Kaͤyſer Auguſtus bey dem durchs Kriegesweſen zerꝛuͤttetem Zuſtand ſeines Vaterlandes erzeiget / bewogen / daß er von jhm / dem Auguſto, geſchrieben:‘— — DEUS nobis hæc otia fecit. Namq; erit ille mihi ſemper DEUS — —’So mag ich auch wol ſagen / daß / als Anno 1633 das leidige Krie - gesweſen / gleich einer Suͤndfluth / mit Macht auff die gute Stadt Leipzig / als auff mein Mantua gedrungen kam / vnd vnter andern Ein - wohnern viel der Univerſitet Verwandten ſich von dar begeben / vnd auch ſagen muſten:
E. F. Gn. mich vnter jhren gnaͤdigen Schutz / gleich als in ein Aſylum divinum auffgenommen hat. Jch geſchweige / daß E. F. Gn. auch in foro, bey gewiſſen Faͤllen mir / wenn ich des Koͤnigs Davids Wort (Pſ: 82) von ſolcher hohen Obrigkeitvnd Richtern gebrauchen mag / als ein Gott erſchienen / vnd Recht geſchaffet.
Was nach dieſem / vnd bißher von E. F. Gn. ich in meiner vnter - thaͤnigen function zu Hoffe fuͤr hohe Wolthaten genoſſen / vnd wie Sie ſich / gleich gegen allen Vnterthanen als ein rechter Pater patriæ, alſo auch gegen mir reichlich erwieſen / iſt an E. F. G. Hoffſtatt ſatſam bekant. (A) iijWor -Worbey ich zweiffele / Ob E. F. Gn. ich mit meinen wenigen Dienſten mehr habe koͤnnen auffwertig ſeyn / als daß von deroſelben ich in ar - tibus liberalibus vnnd raren, ſo hohem Potentaten wolanſtehenden Wiſſenſchaften / deren Sie / in multorum admirationem, kuͤndig ſeyn / geſehen vnd erlernet. Daß ich alſo groſſe Vrſache habe E. F. Gn. nicht alleine diß mein geringſchaͤtziges Werck / ſondern auch mich mit demſel - ben zu dediciren. Vnd wenn das dann nicht gnug / wird E. F. Gn. gel - ten laſſen / wenn ich den Rath des Roͤmiſchen Oratoris in Philippicis nachleben werde:
E. F. Gn. hiermit des allwaltigen Gottes gnaͤdiger Obacht / zu langem Leben / gluͤcklicher Regierung / vnd allem Hoch Fuͤrſtl. Woler - gehen: E. F. Gn. beharꝛliche gnaͤdige affection vnd Schutz aber mich jhren geringſten Diener in ſchuldigem Gehorſam treulich empfeh - lend. Gegeben zuSchleßwig den 1 Maij, Anno 1647.
E. F. Gn. Jn ſtetem Gehorſam trew verpflichteter Vnterthaͤnigſter Diener M. Adamus Olearius.
GVnſtiger lieber Leſer / hiermit gebe ich endlich in Gottes Namen die offtmals begehrte / vnd laͤngſt verheiſſene Perſianiſche Reiſe Beſchreibung an den Tag. Welche / weil ſie nicht alleine von vn - ſerm Zug in Perſien / ſondern auch von fernern an andere Orientaliſche Orter gehabte Reiſe berichtet / ich Eine ORIENTALiſche Rei - ſe Beſchreibung habe tituliren wollen.
Bey Leſung ſelbiger / achte ich zu eriñern noͤtig / daß ich im Schrei - ben auff die Teutſche pronuntiation gegangẽ / vnd alle frembde Woͤrter darnach gerichtet habe. Dann ich ſehe / daß wegen vnterſchiedlicher Sprachen pronuntiation in Beſchreibung frembder oͤrter / bey den La - teiniſchen Autoren groſſe Vngleichheit entſtanden. Jn dem die Hiſpani - er / Jtaliener vnd Frantzoſen / jeglicher in den Lateiniſchen Schrifften jhrer Mutterſprache Außrede gefolget / wenn ſolches ein Teutſcher lieſet / vnd ohne Vnterſcheid jhm nachſchreiben wil / ein ander auch wol noch einen Buchſtab darzu ſetzet / oder darvon nimbt / geſchihets / daß wir die rechten Namen der Dinge offtmals gantz verlieren. Daher / wenn ich in Perſien ein Wort nach der gemeinen Lateiniſchen pronun - tiation, wie ich es in jetzt erwehnten Scribenten befunden / habe nennen wollen / hat kein Perſer gewuſt / was ich gewolt. Ein Spanier ſchreibet: China, wird aber von jhm / wie auch von den Perſern / Tzina, pro - nuntiret. Item Xa pro Scha &c: Alſo findet man auch in den Land - Charten Xamachi pro Schamachi. Digel, pro Ditzle, wie jetzo die Tiger neben Bagdat genant wird / Argis pro Artzis, Edulgens, vel A - bulgiris pro Adeltzis, urbibus. Chiſelbaſch, pro Kiſilbaſch. Bizarus Hiſt. Perſ. ſub finem lib. 10. Quezelbach. Micrelius in Syntagmate Hiſtor. p. 1187 ſetzet gar: Quertzelbach, ſol Rothkopff heiſſen. Kiſil aber heiſſet in Tuͤrckiſcher Sprache / Roth / vñ baſch ein Kopff. Der - gleichen vnrecht getauffte Namen ſeynd bey den Autoren hin vnd wieder zufinden. Solche Jrrungen nun zu verhuͤten / ſol man wol ſehen / was fuͤr Lands Leute die Lateiniſchen tractate anfaͤnglich geſchrieben.
Vnd weil die Perſer jhr / e / als vnſer / aͤ / außreden / gleich im Teutſchen: gebaͤren / der Segen / habe ich viel Woͤrter mit / æ, ge - ſchrieben: Item etliche conſonantes, welche ſie / gleich als gedoppelt hart(A) iiijaus -ausreden / auch gedoppelt geſetzt / als Tagge, Riſſa, &c. pro Tage, Riſa. Item Schach pro Schah.
Was die Kupfferſtiche dieſes Werckes anlanget / darff man nicht gedencken / daß ſie etwa / wiewol bißweilen zu geſchehen pfleget / aus an - dern Buͤchern / oder Kupfferſtichen genommen ſeynd / ſondern ich habe die meiſten ſelbſt mit eigener Hand (wie auch etliche / vnſer geweſeneꝛ me - dicus H. Graman, mein getrewer Cammerade /) nach dem Leben gezeichnet / vnd hernach / mit Huͤlffe eines guten Kuͤnſtlers / Auguſtus John / ſo vor Jahren zu Leipzig im Reiſſen mein Informator geweſen / nach gewiſſen Stellungen in den Kleidungen der Nationen / die ich mit mir heraus gebracht / vollend perfect gemachet.
Vnd damit nicht etwa im Stechen der Ehnligkeit etwas abge - hen moͤchte / habe ich 3 Kupfferſtecher / nicht ohne groſſe Vnkoſten lange Zeit bey mir im Hauſe gehalten / welche das Werck nach meinem Wil - len verfertigen muͤſſen.
Jch habe zwar viel mehr entworffene vnd gezeichnete Staͤdte / Ge - baͤwe vnd andere Dinge / wie auch etliche ſpecial Land Charten / welche alle jetzo mit heraus zugeben / die Zeit nicht leiden wollen.
Die General Taffel uͤber Perſien / vnd angrentzende Provincien betreffend / darff man ſich nicht wundern / daß ſie in ſehr vielen / von den gemeinen bißher gehabten Landtaffeln / ja auch vom Ptolomæo vnd Strabone, den alten Geographis, welche offt ſelbſt nicht uͤberein ſtim - men / in etwas abweichet. Dann ich habe alle Landſchafften / Ber - ge / Stroͤme / vnd Staͤdte geleget ſecundum longitudines & latitudi - nes, wie ich ſie theils ſelbſt obſerviret, theils von den Perſern vnd Ara - beru empfangen. Wo ich ſelbſt geweſen / vnd obſerviren koͤnnen / wil ich verhoffentlich keinen Fehler begangen haben / fuͤr Gewißheit der andern oͤrter aber kan ich nicht reden. Weil ich gleichwol befunden / daß der Perſer mir ſo wol in Charten / als Schrifften ertheilte ſitus vnd obſer - vata mit meinen an bekanten Orten uͤberein getroffen / habe ich jhnen in den andern auch Glauben zugeſtellet.
Es iſt aber auch diß darbey zu erinnern / daß nicht alleine die alten Namen der oͤrter vnd Provincien / ſondern auch derer tractus, Begriffe / vnd Jnhalt viel verendert / da jetzo etliche Landſchafften in eine gezogen / vnd hergegen aus einer / etliche gemachet ſeyn / ja bißweilen von einer ein Stuͤck genommen / vnd zur andern geſatzt: Als vnter Choraſan wer - den jetzigeꝛ Zeit viel alte particular Pꝛovincien / als Bactriana, Margiana, ein Theil Ariæ vnd Partiæ begriffen / hergegen nimbt Erak, welches Par -thiathia geweſen / ein Theil von Meden zu ſich / vnd ſo fort an / nach dem es die offt wiederholte ſchwere Kriege der Tuͤrcken vnd Tartern mit den Perſern gegeben vnd verlohren haben.
Von dem Lacu Eltzek, ſo vnter dem Armeniſchen Gebirge lieget / muß ich auch dieſes gedencken; Selbiger iſt meines Erachtens jenige / welcher vom Ptolomæo lib. 6. c. 2, Marcianes genant / vnd in den Gren - tzen Mediæ, vom Strabone lib. 11. p. 364 Mantiana palus, vnd in Arme - nien geſetzt wird. Dem Ptolomæo folgen die gemeinen Land Taffeln / vnd ſetzen jhn in Meden. Wenn ich aber die ſitus der an ſelbiger See lie - genden Staͤdte / wie ſie die Perſer im Catalogo Urbium ſetzen / vnd die relation deꝛeꝛ / ſo dieſe oͤꝛter ſelbſt beſuchet / wil gelten laſſen / muß ich dem Straboni beypflichten / vnd ſelbigen Lacum mehr als andere / nach We - ſten ſetzen. Er ſol aber in der Laͤnge von W. nach O. nicht uͤber 2 Tage - Reiſe ſich erſtrecken / vnd nicht wie Strabo vnd andere ſchreiben / ſaltzig / ſondern ſuͤß Waſſer / welches wol zu trincken ſeyn ſol / fuͤhren. Es iſt aber in Media, nicht ferne von Tabris, ein ander Lacus, Schaha genant / ſelbiger ſol 2 Meilen lang ſeyn / faules ſaltz Waſſer fuͤhren / vnnd eine ſehr fruchtbare Jnſel mit ſchoͤnen Brunquellen haben / welche andere der andern paludi zuſchreiben. Dieſe See kan vielleicht Vrſach zum ſelben Jrꝛthumb gegeben haben. Dergleichen finden ſich auch bey der Stadt Moſel / ſo vorzeiten Ninive ſol geweſen ſeyn / vnd an andern Orten mehr / worvon in den ſpecial Taffeln / welche ich neben dem / was ich ſonſt der Feder wuͤrdiges aus Perſien mit gebracht / kuͤnfftig / wenn Gott das Leben vnd Gelegenheit darzu verleihen wird / dem Vater - lande zu liebe / auch heraus geben wil. Der guͤnſtige Leſer wolle vnterdeſſen mit dieſem verlieb nehmen / vnd wo etwa eins vnd das andeꝛ in der Correctur odeꝛ Dꝛucken mochte veꝛſehen ſeyn / nach ſeiner jhm beywohnenden diſcretion emendiren. Wie dann ſonderlich pag. 351. Chotza Reſchid, welcher per errorem amanuenſis dem Tamerlano vorgeſetzt / aber nach demſelben erſt ſol geleſen werden. Hiermit vns allen Goͤttlichem Schutz in Gna - den befohlen.
QUod tandem humanitas tua, Vir Clarißime & Eximie, paſſa eſt, tam amanter ſibi imponi, ut deſideratam diu Itineris Muſcovito-Perſici deſcriptionem in forum protruderes, id meritò eſt cur publico, cur tuo & meo nomine mihi gratuler, quid enim famâ, qua publico com̃odamus, celebrius, dum tu imprimis ſuperatis pervigilium hye - male & noctes inſomnes olentibus lucubrationibus tenebricoſam hucusq; & informem â plerisq; rerum & locorum ignaris ſcriptori - bus obfuſam caliginem, diſcutis, qualis ſit illarum peragratarum ter - rarum facies, qui unius cujuslibet plagæ hominum mores & ſtudium ſat doctè exponis, & quæſo in quo deſudare majori cum fructu potuit induſtria tua, quã qua citis quaſi quadrigis editas adplaudentis famæ arces graſſaris, Mihi verò cumprimis negotioſo meo & quaſi catenato ocio aliqua ex parte ſoluto, hiſtoriarumq; lectioni deſveto, perquam volupe fuit, in theatralem huncſpacioſi tui nobis delineati orbis cir - cum deſcendere, animumq; invidioſis alias & tortuoſis ſatis ubiq; ob - viam euntibus occupationibus pœnè fractum jocunda quaſi peregri - natione reficere: Auget etiam legendi ſtudium, quod tibi queam o - culato plus credere, acalijs multis, de indole Perſica varia variè expo - nentibus auritis, & qui aliter fieri potuit, quin nobis inter pauca vera multas offucias venderent, cum ex veteri Regum Perſarum conſuetu - dine nihil ſilentio antiquius ductum, illaq; gens jugem de rebus ſerijs taciturnitatem inter ceteras virtutes lemniſcatam olim arbitrata eſt, ex quo conijcere facile eſt, ſecretiora dominatus Perſici per manus nec tradi, nec ſine admixtione falſi per aures capi potuiſſe, Tua verò Vir - tus altius enititur, dum non obvia quæq; vilia & vulgaria ruſpatur,necnecin ijs tantum colligendis operam inſumit, ſed ex ſingulari Se re - nißimi & Celſißimi Ducis, Domini noſtri Clementiß: præſcripto, abdita quæq;, imprimis Religionis Mahumetanæ ſacra, populorum ritus & mores, tum etiam ipſius Regiminis formam & normam per - vigili ſtudio ſcrutatus es, utq; nihilincognitum reliqueretur, quo ma - gisi nveſtigaſti, eò minus te feciſſe animum induxiſti, ex quo factum, uttuæ narrationi jure meritoq[;]conſentientes, plenam ipſi fidem at - tr ibuamus. Multorum ſcriptorum votum in æs exit, occupaturq; in co mmodo rei familiaris promovendo, iccirco ut quæſtus uberior ſit, opusq; in majus excreſcat, miſeras ac inſontes chartas ſermunculo - rum inanijs effartiunt, & qnadrata rotundis nec non nigra candidis miſcendo, tantum non deformant, Hocverò uti malagmate aut vi - ctus cauſa ad vacuam aliorum licentiam deſcendere non indigebas, cum à Terreſtri Numine ſatis conſpicuo & munifico de neceſſarijs quibusvis tibi abunde perſpectum erat, ut exinde reliquæ felicitatis arbitrium ſum̃o ſine rivali Numini non injuria relinqueres, & quod caputrei eſtabsq; omni tædioſæ loliginis ſucco, ut res eſt, illam poſte - ritati exhiberes.
Ut ut ſit, licet utrumq; tanto Principe dignum, tuumq; ingenium tam illuſtri ſervitio haudquaquam indignum ſit, vide autem, amabo te quantopere caſem, vel ex cœpto & auſpicato, aut ex perfecti itineris relatione pinguius tibi honoris elogium ſtatuere, utrum quod erro - nes ſtellas fixis prætuleris, quodq; cum Cœlo commune habent ma - gni ingenij ſimulachra, motu potius gaviſus fueris, aut inſtar fluvij per medios lacus erumpentis nec illis tamen mixtus non tantum illæ - ſus exiveris, ſed inſuper ſtylo Teutonico, ut in omnes patriæ Germa - niæ noſtrę cives redundaret hujus enarrationis commodum maxima medioxuma imò & in minima graphicè depinxeris. Plininium me - miniolim nutantem, an obſonia pro exantlatis Iſelaſticis certamini - bus athletis diſtribuenda impertiretur ex eo, quo erant coronati die aut quando patriam invecti, deſuper Trajanum ſuum conſuluiſſe, mihi fas ſit hujus ſub manu nati & impliciti Gordij enodationem O - ptimi noſtri Principis limatiori ſubmittere cenſuræ, nec deſuper per ſatyram ſubitoq; ſuffragari; Interibi hujus dubietatis ſerram recipro - cantibus haud invidioſum erit, ſi ex utroq; te tui memoriam quam maximè longam effeciſſe pronunciavero;
Verum enim verò, utpro varia mortalium indole, diverſa diverſi ſtudia ſectantur, quibus rebus humanis exempti vivere, humati ſu -per -pereſſe lethoq; obliterati virûm volitare per ora ſatagunt, alij pulli diſcupiuntreddi Martis ut Bellonæ ſintvictimę, alij ſumptuoſis ſupra ſortem ædificijs exſtruendis invigilant, multi picta ficta ignotis nota facere, ſeu mavis, perſuadere allaborant, prout Duce Genio & Ingenio alij aliud diuturnioris memoriæ iter meando & remeando calcant.
At meo ædepol ſuffragio, tibi melior arriſit Apollo, qui inſuper habitis truculenti Martis exuvijs, nec non ſuperbientibus haud æquè ad uſum quã pompã in altũ erectis ædibus, alijsq; id generis anquiſitis delectamentis, poſt DEI gloriam, omnes lucubrationes, omne ſtudiũ tuum in commodum proximi confers, & per ſe alias ſatis incognita quaſi ſipario expanſo introſpicienda non tantum præbes, ſed etiã ab oblivione vindicas, Hæcvia eſt, qnæ ad ſummum immortalitatis fa - ſtigium ducit, hæc illa fax, qua Illuſtrium ingeniorum acumen accen - ditur, qna in notitiam alterius tanquam novi cujusdam Orbis perve - nimus, quæq; hactenus ne fando accepimus ex concinna hac tua de - ſcriptione quotidie delibamus, quod merito eſt, cur meo, cur tuo, cur etiam publico nomine gaudeam, certa ſpeinnixus, uti hac quaſi pro - mulſide ad hujus tui apparatushiſtorici ſolidiores delicias nos invitas, te non tantum optatam totius Perſarum Regni accolarumq; ſeriem expliciturũ, ſed etiam quas deſuper confeciſti tabulas Geographicas, ut & inde allata ſcripta tum Mahometica tum philoſophica unà cum ſcholijs propediem editurum.
Quod ut fiat, tuq; ſusq; deq; Mimorum Momorumq; habito dente theonino, aut quicquid invidia ſeu cuculet ſeu blateret, opus bonís auſpicijs cœptum deproperes, rudentes immittas, vela pandas. Etautor & ſponſor ſum, te hiſce tanquam famæ alis ætherem ſcanſu - rum, & quod verè & ex animo ſuſpiras, venerando Numen & cunctis benefaciendo) immortalem fore.
Hoc tecum vovere omnes boni de facili credo, & in eodem quoq;, ne modum epiſtolæ excedam, finio. Deproperabam Gottorpij, tertio Nonarum Junij, ad æræ Chriſtianæ 1647.
Revaliæ Livonorum 1. Novemb. 1644. Philippus Cruſius, J. U. L. Illuſtrißimi Holſ: Principis Conſiliarius, Ejusdemq́; ad Magnum Moſcoviæ Tzarem & Regem Perſarum quon - dam Legatus, pro temp. Revaliæ Reſidens.
LUſtrator orbis νεωτερίσα ſalve, eſt quod paucis tibi inti - mat, qui Te & Publica germano amat affectu. Aſcende me - cum, modò lubet, in theatrum hocce hodœporicon, monſtra - bo tibi ὅς ἐν ὑποτύποσι, quid Scriptor noſter apodemicus, qui, mo - re priſcorum Philoſophorum Sapientiæ ſub alieno ſole calentis ergò, ſuperioribus annis ſumptibus è Cimbrici Herculis pro - ſapia Illuſtrißimi atq[u]e Celſißimi Holſatiæ Ducis, FRIDERICI, Domini mei cle - mentißimi, ad anatolicos Sarmato-Scythicum & Medo-Perſicum Monarchas, inviâ hactenus viâ, bis nauſragus abcundo redijt, δημοσί〈…〉〈…〉 α καὶ κατ’ ὅικου〈…〉〈…〉 σ relatione dignum obſervavit.
Peragravit autem magnam hanc gentium Babylonem non ut Platonis Θεωρὸς, quò gentilibus patrios adulteraret mores; aut veſtitum, proh ſupra anti - qvum Germanorum decorem novum! ut〈…〉〈…〉 ιλύξενος magis innovaret; multoq́; minus Polypragmon Machiavellicus novas nocendi aut Principum cenſus au - gendi artes ad patrios lares reverſus ſecum referret; Hoc enim aulici à Stiva quaſimodogeniti æquè norunt, ac qui longis peregrinationibus prudentiam au - lis Principum condignam ſibi comparârunt: Sed ut judicioſus Regnorum eo - rundemq; arcanorum ſpeculator, Geometriæ, Aſtronomiæ, politices & glyphi -cesces beneficio, quorum omnium eſt callentißimus, ea nobis redux exhiber, quæ antiquorum Perſiæ & Sarmatiæ ſcriptorum obſcura illuſtrant, luxata reſtituunt, dubia explanant, modernorum verò traditiones ex parte fabuloſas redarguunt, & συλλήβδην non niſi ἀξιοδέατα καὶ ἐυμήμητα patriæ & poſteritati tranſcribit.
Ut autem explicatius ſcias, quæ rara, nova & obſervatu digna tibi ſit ex hibiturus, attende curiosè, cortinam hujus Comœdotragœdiæ ego tibi paululum ſubducam, & utriusq; Regni ſchema, tam graphicè & glyphicè à nemine literato - rum, quàm à noſtro Authore hactenus adornatum paucißimis explanabo; & ne interea temporis, dum ſenſus tuos ſpectaculo locas, bilem tibi moveat fames, en tibi fide juſſor præſto ſum, non exibis hinc tanquam è communi ſpectaculo im - pranſus, ſed lautißima Perſiæ fercula & dapſiles Orientis cibos author tibi appo - net; Imò & nectar utriusq; Jovis plenis tibi admetietur ſextariis, adeò ut tradi - tionibus Perſicis quaſi inebriatus & ad votum ſatur nihil aliud ſomniaveris, quàm luxum Perſicum apud antiquos ſcriptores famoſum, pellices ſaltatrices formo - ſißimas, & vagam Regis in illis libidinem: cave tamen Cosmopolita, ne hæc gly - phicè ſimulata ſalivalem tibi moveant humorem, & te aut in Muſlimannum〈…〉〈…〉 αστοργον, Circaſſum〈…〉〈…〉 αθεον, Scytham truculentum, Samojædam ingluvioſum aut Sarmatam pæderotam paganicâ transforment metamorphoſi.
In Ruſſo-Tartarici Regni orcheſtra primò omnium bicipitem & ob Cazanum, Aſtarachanum & Syberium Regna tergeminum coronatam obſerva aquilam, quæ Germanicam dimidiô ſuperat, non robor[e], ſed magnitudine, cu - jus primus plaſtes Iwan Waſilides, ob tyrannidem toto orbe notißimus Princeps fuit; ultimus autem, ut ſaltum faciam, nutritius, jam ἐν μακαρίτοις, Michael Fe - drowitz, clementiæ & ſobrietatis ſupra fidem germanam inter Sarmatas rarum paradigma. Hic monarchico nomine Tzar (non Cæſar ut Beſoldus per craſin in Politicis dictum eſſe putat: Sclavonicà enim Regem ſonat) ſemi Jove Patri - archa ſynergô omnium generum Sclavos ſub Græcanicæ Relligionis obſequio deſpoticè moderatur, ex quorum numero γνήσιοι Rutheni ventricoſi ſupra Cæſa - ream & infra ad caput Wolgæ ſtabulantur, ad utrumq; latus fluvij diverſi Tartari ſcenitæ per hordas (quod vocabulum cum noſtro Harde ludit) diſperſi vagan - tur. Circaßi, quos J. C. Scalig. exerc. 303. ſ. 3. alio nomine Zygas vocat, ad pedes Wolgæ verſus meridiem, ubi maximus Orbis habitabilis fluvius in maximum ſalinarum Caſpiarum fontem innumeris ſeſe exonerat portis, verſus ſeptentrio - nem verò Calmücki, quod præ reliquis Tartaris criniti, qui nuperrimè magno Tzari victas dederunt manus, agunt, ita ut Rha antiquorum hoc aquilæ corpus inſtar venæ cavæ cum capillaribus quaſi fluviis reliquis medium fermè perluat. Propter Tanain verò parietem Aſiæ & Europæ intergerinum Coſſacki ληστρικοὶ καὶ νομάδικοι & Scythæ palantur, quos ut Hippocrates l. de aere. ſuo tempore ἐυνου - χοειδεστατους ſuiſſo affirmat, ita adhuc hodie Magnates Rußiæ omnes ferè, ob cau - ſas ibidem poſitas improles, Sclavi verò eorundem πολύτεκνοι ſunt, uti ego in ſta - tione mea Medica duodecennali obſervavi; & quod miraculum ſupplet, in tam latè patente Regno Neminem Philoſophum invenies, argumentô quod Scytha - rum unicus, ut Galenus l. quod animi mores &c. c. 10. teſtatur, hæredem nul - lum reliquerit.
Et ſi fortè harum Chriſtiano gentium mephitim alliatam & meteoriſmos barbaros ulterius ferre non poßis, nec velis, age dum in Zootrophium magniB 2Tza -Tzaris, ultra 400. miliaria longum & latum exſpatiemur, ubi inter reliqua ani - malium admiranda urſos albos, amphibios ſexcubitales, peſſetz melis, non felis, ut Scalig. exer. 217. ſ. 10. habet, ſpeciem, & gulones ſabulosè ventrimulgos in Sa - mojædia; Zobellas Malgamſiicas, martes Baſchkirias in oxycedris Syberiæ ex nucleis viventes, muſtelas Scythicas, Angliæ Regum & Germaniæ Electorum ornamenta, hermelinas, vulpes atras toto orbe Europæo æſtimatißimas, canes magnos, quibus in trahendis trahis incolæ pro veterinis utuntur. Sciuros optimæ notæ Jledos, imò non pennis, aſt membranis etiam volantes, (hiſce manibus vi - vos contrectavi) ſed rariores in Syberia invenies; alces innumeras, cujus car - nem exſuccam loco cervinæ Magnates in univerſa eſitant Rußia, πολύοφος Sar - matia tibi ſuppeditabit.
Aſt ne hiſce oculos ſolùm paſcas, euge ex vivario magni Rha etiam illa, quæ orexin ſtimulant, ὠοτάριχα videlicet, quæ κακοζηλία alij Botarge vocant, ſecoſum Martialis. l. 13. epigr. garum Scriptor noſter tibi apponet, quod Itali a - vita luxuriâ adhuc hodie magni æſtimant appellitantq; Caviaro, quod nigrum & preſſum (verum priſcorum oxelæo garum) & molle ex ſalitis ſturionum ovis cũ fibris membranoſis exemptis in Rußia, ut ut ambigant authores, teſtibus hiſce meis oculis, confit; & ſi hoc ob colorem tibi delicatulo minus arrideat, albo e - tiam in hoc ſympoſio opſonare poteris, Bieloribæ ovorum, quod Sclavonicè al - bum piſcem ſonat, Salmonis, non verò ſturionis, ſpeciei ut Scalig. ex 218. ſ. 3. per traditionem hiſtoricam incuriè accepit, magma ſalitum: ſubrubrum verò, quod ex cyprinorum ovis factum, Conſtantinopoli Judæorum opſonium eſt, & ego apud Græcos in Rußia judaizantes vidi, Rutheni, uti etiam apellas ipſos, extremè faſtidiunt. Sub hujus ſcenæ Sarmato-Scythicæ finem (riſum teneatis amici) ma - gni Tzaris miſſum gratiæ inter reliquos, quô jejuniorum tempore, quorum Ru - theni〈…〉〈…〉 ιλίχθ〈…〉〈…〉 ες ſunt obſervantißimi, Legatos exterorum Principum beat, Be - lugæ Scal. ex. 218. ſ. 3. maximi piſcis comeſtibilis fruſtum, quod 4. bajulatores po - dari rutenica induti in paropſide hecatombica palangæ duplici cancellatæ im - poſitum geſtant, vobis monſtrabit. Magnos enim magna decent.
Et quoniam video rhutenicam gelu tibi horripilationem cauſare, euge caldarium Perſiæ introeamus, ubi primùm ingentis ſtaturæ annoſum obſerva - bis urſum, quem Nimrodus venator antedilu vianus primus cepit, & poſtmodum S. Daniel c. 7. in ſua ζοολογία hieroglyphica vidit. Hunc præ antiquis Perſiæ, imò etiam modernis ſcriptotibus elegantißimè deformavit noſter Author. Sub hujus thoroſis lacertis & unguibus hamoſis Perſas ἱερουργ〈…〉〈…〉 ειν & Mithriaca pera - gere ſacra ſpectabis Muſicè; Oriſmada verò eorum, quod ex Hebræorum〈…〉〈…〉 factum eſſe, cuivis accurate intuenti liquet, de quo Xenoph. Beroſ. & reliqui, in albo olim circumvectum equo, hodie non videbis; Μαγαρίζ〈…〉〈…〉 ν modernorum Procerum Regni, ut Cedrenus habet, rectius ex au - thore intelliges, illosq; inter pocula de ſummis Regni negotiis conſultantes au - dies; & ſi cauſæ precium fuerit, Domitorem hujus beſtiæ magnum, quem Schach ſuâ lingua vocant, per Mithram maximum eorum olim Deum adhuc hodie ju - rantem intueberis; Diſpenſationem bonorum Perſicam in Oeconomicis atq; mancipiorum ἀδραστῶν fidem miraberis, Plutarch. in Lac. apophth. Hic paradiſos Xenophonteos atq; eorum aquæductus frequentabis; at laſcivitatem fæminarũ & ſaltatricum in convivijs, & maximè corporis vulgationem earundem, ut Curt. l. 5.1.5 refert, deteſtaberis; Perſicamq; avem, quã Perſis olim imperâſſe Ariſtophanes in fabula, cui nomen ὄρνιθες, ſcriptum reliquit, ſi tibi appetitus hoc ſuaſerit, hodie cum illis devorabis; Ignes etiam pyrobolicos ex naphtha & bombacis ſemine extemporaneè fabrefactos non abſq; delectarione aſpicies; habebis etiam in ici - nere & paraſangis emetiendis comites angaros, & N. T. vocabulum angariare reipſa interpretaberis: & cum juſſu Regis Tibi ut Legato metatorium conſti - tuetur, Satrapas in toga, quam etiam Alexander M. in gentis debellatæ gratiam induere non erubuit, acinaci accinctos, Parthos in ſaraballa, Medos tiara & cydari cum faſciis, Perſas anaxaride pallaq; auro diſtinctâ, Aſſyrios tiara diademate ob - volutâ ornatos magna in frequentia videbis, imò & Armenos & Gorgianos ve - ſtitu gentilitio obviam habebis; & ſi Jupiter Plutoq; te amant, ex Schach theſau - ris, qui cum Darij cervicali, ſuppedaneo & viti aurea æſtimatiß. gemmis ponde - rosâ hodie nullo modo comparandi, metaxa duorum generum & ventos texti - les Petronij aliasq; ſericeas nebulas, quæ ſubtilitate cum arachnæis certant labo - ribus, item equos cygnæo collo ſpectabiles, quos Archimaggos vocant, & id ge - nus donaria ſpecie magis, quàm precio æſtimabilia accipies.
Jam ſupereſſet Taurum non quidem cornutum, led multifidis jugis è longinquo ſpectabilem conſcendere montem, inq; eo fontes Stygis Arcadiæ æ - mulos & perpetuas alpes (in regione tam calida fors ob altitudinem montium primam aeris regionem terminantium, quò radiorum ſolarium refractio calefa - ciens non pertingit) mirari: Sed manentes in plano nimiam defatigationem & præcipitia melius præcavebimus, & quæ memorabilia reſtant ab ipſo Hiſtorico, à capite ad calcem illum pervolvendo, rectius percipiemus. Schematiſmum enim adhibitis plerarumq; gentium veſtibus, quas indipiſci potuit, adeo ſpecta - bilem vulgavit, ut Perſiam non in Perſia, ſed quaſi coloniâ ducta media in Ger - mania cernere impoſterum cuivis liceat.
Colophonis loco hoc unicum adjungam. Si Americus Veſputius novè inventæ Indiæ ſempiternam in rei memoriam nomen impoſuerit; Si Ferdinan - dus Magellanes fretum à ſe primitus patientiâ apertum Magellanicum nec im - merito vocàrit; Sinova-zemblanum à Claſſe Hollandica, quæ laborioſa ibidem hyberna ſuſtinuit, Naſſovicum nuncupatum fuerit; Si le Maire per meridiona - lem Indiam viam Magellanicâ breviorem tutioremq; in mare del zur (licet por - torio exiguo accepto) inventum ſuo nomine ſignârit; quid impediat, quò mi - nus FRIDERICI navis veſtigia per Caſpium vadoſum licet naufragio (Alexandri enim M. & Temir-cutlu, ut in ſua Sarmatia Aſiana Matthias à Michou c. 10. ex etymo rectius vocari ſtatuit, manes Maris de Bachu præſides, conſpirantibus Neptuno Nereidibusq;, bellaces (imbros, quod horum adventu ſuam obſcu - rari gloriam metuebant, ad littus admittere nolebant) calcata, Viam Holſato - Cimbricam inſcribamus. Nulli enim Germaniæ Regum & Principum, licet id ſumptuoſißimis à magnis Ruthenorum Tzaribus antehac flagitârint Legationi - bus, hâc viâ in Perſiam ire conceſſum fuit. Solus autem Dn. MICHAELIS FE - DOROWITZ omnium Ruſſorum autocratoris amor, quo Domum Holſati - cam præ omnibus Germaniæ proſequebatur, fecit, quod Ducis Holſatiæ Legati, ſpe & mutuorum commerciorum, & futuræ σὺνθεῶ fructuoſæ mutationis, quam ob ἐυγενέιαν tacito ſuis ſubditis vovebat voto, hac viâ admitterentut.
Jam verò mors obicem poſuit; & Lycurgi lege, qua Spartanis peregri -B 3natio -nationem olim interdixit, ne alienigenarum commerciis à patriis moribus & re - ligione diſcederent, à ſucceſſore unico filio Dn. Alexio Michaelowitz jam Ruſ - ſorum Samoderſchetzo, ita ſuadente Conſiliariorum Regni primicerio Moro - ſopho nomine, cum auctario, ne exteros novos impoſterum admittant (in re - centißima enim adhuc habent memoria diſcurſus polemicos, quos cum eorun - dem Popis juſſu Tzaris & Patriarchæ ſuper religione Anno 1644. & 1645. ut ut Rhuteni inter ſimpliciſtas ſuos dißimulent, victoriosè inſtituit Illuſtriß. Comitis Woldemari Chriſtiani &c. Concionator aulicus Matthias Velhaberus, Vir Græcè & Hebraicè doctißimus) novè promulgata, hanc Corinthum hac adire viâ impo - ſterum nemini licebit. Et niſi Dnn. Legati, precibus ad DEUM fuſis, optimam influentiam hoc eſt benedictionem divinam impetraſſent, cautis conſiliis & officiis parariis magni Tzaris gratiam demeruiſſent, & literis liberi tranſitus ſibi viam parâſſent, impoßibile fuiſſet tot moroſas gentes & difficilia itinera absq; tocius Comitatus internecione ſuperare. Hæc erant Ducis Holſatiæ Legato - rum Sagmina.
Hiſce amice Lector vale, & hac gentium æthographia ad Chriſtianæ men - tis κειμήλιον exornandum utere, imò providè ſatage
Hoc faxit Ille, qui non peregrinatur, & tamen ubiq; eſt; quinon prodit ſpe - ctatum & tamen omnia videt; qui nullibi indigena, nec tamen ullibi advena eſt, verbo Πᾶν.
Ita rogatus programmatizat Wendelinus Sybeliſt, Halâ-Saxo D.
Quondam Collegæ & amico ſuo veteri cum S.P. transmittit PHILIPPUS Muͤller / Med. Lic. & Profeß. Mathem. publ in Academia Lipſienſi.
Amicitiæ perennaturæ causâ ſeribebam Johannes Below, Roſtochienſis Med. Doctor. Potentißimi Moscorum Imperatoris Per - ſonæ Medicus.
fratri deſideratiß. Hartmannus Graman, Magni Moſcoviæ Principis Medicus.
H. Jm Hoff.
Sympatriotæ & patriæ ponabat CHRISTOPHORUS MICHAEL Froſanus Miniſter Eccleſiæ Revalienſis.
Jn Moſcow geſchrieben / Von JACOBUS Lotich.
DAß vnſer GOTT ein groſſer Gott iſt / erler - nen wir vnter andern auß dem Buche der Natur / der vernuͤnfftigen Heyden Bibel. Dann wenn man die zwey groſſen Blaͤtter / als Himmel vnd Erden / anſcha - wet / erſcheinet des Schoͤpffers Mayeſtaͤt vnd Herꝛlicheit nicht al - leine auß den Wunder Liechtern des Firmaments / ſo ſtets in jhrer or - dentlichen Bewegung vnd Wirckung gehen / ſondern auch auß den mancherley Guͤtern vnd Gaben / ſo GOtt uͤber den gantzen Kreiß der Erden reichlich außgeſtrewet. Daß man in Betrachtung deſſen / bil - lich mit dem Koͤnige David ſich verwundern vnd außruffen mag: HErr / wie ſind deine Wercke ſo groß vnd viel! du haſt ſie alle weißlich geordnet / vnd die Erde iſt voll deiner Guͤter. Weil es aber heiſt: Omnia ſunt creata propter hominem, & ho -Omnia ſunt creata pro - pter homi - nem, & ho - mo propter Deum. ɯo propter Deum. Das alle Dinge des Menſchen wegen erſchaf - fen / der Menſche aber wegen des Schoͤpffers; So wil Gott auch / das ſolche Wunderwercke nicht im Verborgen bleiben / ſondern von den Menſchen betrachtet / vnd Er dadurch erkandt vnd gelobet werde.
Zu ſolcher Betrachtung vnd Erkaͤntniß nun kan man auch gu - tes theils durch peregriniren, vnd Beſichtigung der fernen vnd weit abgelegenen Laͤnder geleitet werden: Jn dem man die Gaben vnd Wunder GOttes an einem Orte jmmer herꝛlicher als am andern findet. Thun derwegen / meines Erachtens / wol vnd loͤblich die jeni - gen / welche jhnen die Pilgramſchafft vnd fernen Reiſen belieben laſſen / vnd in angehung derſelben keine Vnkoſten / Muͤhe vnd Gefahr ſche - wen. Weil es aber nicht jedes Standt / Condition vnd Gelegenheit zulaͤſſet / ſo ferne vnbekandte oͤrter zubeſuchen / vnd die Beſchaffenheit derſelben in Augenſchein zu nehmen / Als wird nicht vndienlich erach - tet / das die / welchen das Gluͤck in dieſem Fall gefuͤget / das ſie nach abgelegten ſolchen Reiſen in jhr Vaterland gluͤcklich wieder ange - langen / eine Hiſtoriſche Beſchreibung derſelben thun / vnd an den Tag geben. Denn dadurch andere / gleich wie ſonſt durch das Leſen der alten Geſchichten / in die vhralten Zeiten; alſo auch in die ferne Laͤnder ſich gleichſamb mit den Gedancken erheben / vnd jhnen die Beſchaffenheit der frembden Dinge durch gewiſſe conceptus, gleich als fuͤr Augen ſtellen vnd bekandt machen / ja alſo zu reden zu Hauſe wol die gantze Welt durchreiſen koͤnnen.
Gleich wie aber vnter den vier Theilen der Welt Aſia jederzeit fuͤr das herlichſte vnd fuͤrnehmbſte iſt geſchaͤtzet worden: Alſo auchAin2Newe Perſianiſchein Aſien vnter den Orientaliſchen Laͤndern das Perſiſche Koͤnig - reich / vnd ſolches vieler Vrſachen / ſonderlich aber der herlich gewe - ſenen Monarchie halber / das auch jhr Gedaͤchtniß bey den Liebha - bern der Hiſtorien noch heute das Land commendiret, vnd deſſen jtzigen Zuſtand zuwiſſen eine ſondere Begierde erwecket. Nun ſeynd zwar die Perſiſchen Laͤnder vnd Provincien / wie auch die Pilgram - ſchafften durch dieſelben / vor dieſen von vnterſchiedlichen beſchrieben worden / das man fernern Bericht darvon zugeben vnnoͤtig erachten moͤchte. Aber gleich wie alle Dinge der Welt von zeiten zu zeiten jhre Abwechslung vnd Verenderung gehabt: Alſo iſt auch dasGroſſe Ver - enderung der Perſiſchen Lander. Reich der Perſer von ſeinem Alten in den Hiſtorien beſchriebenen Zuſtande ſo gar abgegangen / das man in reſpect deſſen wol Perſien in Perſien ſuchen / vnd nicht finden ſolte. Dann daſelbſt faſt nichts mehr / als nur der bloſſe Weg / vnd was darneben liget / nemblich Berg vnd Thal / vnveraͤndert geblieben. Wie durch occaſion der newlicher Zeit auß Holſtein an den Koͤnig in Perſien Schach Sofi ergangenen Hochfuͤrſtl: Legation wir ſelbſt geſehn vnd erfahren.
Darumb dieſes Koͤnigreiches / wie auch anderer Laͤnder / Pro - vincien vnd Nationen / an welche wir gelanget / befuͤndlichen Zuſtand vnd Beſchaffenheit / ſampt dem / was ſonſt auff gehabter langer muͤhe - ſelichen Reiſe / ſo ſich in das ſechſte Jahr erſtrecket / vns denckwuͤr - dig vorkommen vnd der oͤffentlichen Feder zu uͤbergeben ſich gezie - men wollen / dem lieben Vaterlande Deutſcher Nation zu Dienſte Jch hiermit trewlich vnd Auffrecht herauß vnd an den Tag ge - ben wil.
DEmnach der Durchleuchtige Hochgeborne Fuͤrſt vnd Herꝛ / Herꝛ FRJEDRJCH / Erbe zu Norwegen / Hertzog zu Schleßwig / Holſtein / Stormarn vnd der Dit - marſen / Graffe zu Oldenburg vnd Delmenhorſt / mein gnaͤdiger Fuͤrſt vnd Herꝛ obgedachte koſtbare Legation auß wichtigen Vr - ſachen vornehmen vnd außruſten wollen / hat Er zu Geſandten ver - ordnet dero Raͤhte / die reſpectivè Edle Ehrnveſte Großachtbare vnd Hochgelarten H. Philippum Cruſium, J.U.L. vnd Otto Bruͤg -Abfertigung der Legaten zu Gottorff zum erſten mahl. heman. Dieſe ſeynd im Jahr Chriſti 1633. den 22. Octob. von Gottorff zum erſten mahl nach Muſcow an den groſſen Herꝛn Zaa - ren vnd Großfuͤrſten Michael Fœdorowitz, bey denſelben vmb den freyen Durchzug durch Rußland in Perſien anzuhalten / abgefer - tiget worden.
Zogen derwegen den 6 folgendes Monats Novembris vonVon Ham - burg abge - reiſet. Hamburg auß mit einem Comitat von 34 Perſonen / vnd kamen den 7 dieſes nach Luͤbeck; den 8 aber nach Travemuͤnda / woſelbſt wir einen erfahrnen Schiffer mit Namen Michel Cordes / vmb denſel - ben auff der Caſpiſchen See zu gebrauchen / mit vns nahmen. Den 9 Dito begaben wir vns / mit vieler guter Freunde / ſo vns auß Ham -burg3Reiſe Beſchreibung. burg vnd Luͤbeck biß an den Strand begleitet / freudigen Gluͤck wuͤnd -Zu Trave - muͤnda zu Schiff gan - gen. ſchen / zur See. Das Schiff / ſo vns fuͤhrete ward die Fortun genandt / der Schiffer aber Hans Muͤller.
Es gieng auch mit vns zu Schiffe Wendelinus Sybeliſt, Med. Doct. welcher auff des Großfuͤrſten Vocation vnd Jhre Fuͤrſtl: Gn. zu Holſtein Commendation, mit den Seinigen neben vns nach Muſcow zu ziehen geſinnet.
Wir ſtieſſen Nachmittage froͤlich vom Lande vnd legten vns vor den Hafen auff 8 Fadem vor Ancker. Den Abend vmb 9 Vhr / als vns der Wind auß Suͤdweſt gewuͤndſchet fuͤgete / giengen wir im Namen Gottes zu Segel / vnd fuhren die Nacht 20 Meilen. Den folgenden Tag wurden auff gut achten der Geſandten vnd des Schiffers etliche Schiff leges gemachet / welche dahin gerichtet / das nicht allein die Voͤlcker ſich fein ſtille vnd modeſt verhalten / ſon - dern von der Straffe der delinquenten die Armen vnſer Schiffart auch zugenieſſen haben ſolten. Zu deſſen behueff wurden vnterſchied - liche Aempter vnter vns außgetheilet / vnſer Secretarius zum Voigt vnd Executoren geſetzt / dem zwey Beyſitzer als Wendelinus Sy - beliſt, vnd Hartman Graman zugeordnet wurden. Es wurde die Juſtitz alſo adminiſtiret, das nach vollendeter Schiffart / ſo den fuͤnfften Tag geſchahe / vnſer fiſcus uͤber 22 Reichsthaler reich ward / ſolches Geld wurde dem Schiffer uͤbergeben / das es halb vor die Rigiſchen / halb aber vor die Luͤbeckiſchen Armen ſolte außgethei - let werden.
Den 10 dieſes gegen den Abend giengen wir die Jnſel Born -Die Jnſel Bornholm. holm / auff eine gute Meile vns zur Rechten gelegen / vorbey. Wird viertzig Meilen von Luͤbeck gerechnet / iſt ein erhaben Felſicht Land 3 Meilen lang vnd breit / auff welchen ein Schloß Ammershauſen genandt / pariret Jhre Koͤnigl. Maytt. zu Dennemarcken. Bey dieſer Jnſull liegen gegen Norden die gefaͤhrliche Schiffbruͤchige Klippen Erdholm / welche die Schiffer ſehr fuͤrchten / denn bey den -Die Klippen Erdholm. ſelben zur Herbſtzeit viel Schiffe vntergehen.
Den 11 dieſes zu Mittage kamen wir vnter den 56 grad latitu - dinis. Gegen den Abend erhub ſich ein groſſer Sturm auß Suͤd - weſt / welcher die gantze Nacht durch waͤrete / muſten derowegen vn - ſere Segel kleiner machen. Die meiſten von vns ſo zur See nicht viel gereiſet / bekamen die gemeine See Kranckheit / uͤbergaben ſich hefftig / vnd lagen auch ſo ſchwach darnieder / das etliche vermeinetenWoher die Schiffkꝛanck heit? ſie wuͤrden ſterben. Es ruͤhret aber ſolche Kranckheit nicht her / wie etliche ſchreiben / von der nauſeâ maris, ſtarcken Geruch vnd Eckel ſo das Saltzwaſſer geben ſol / ſondern einig vnd allein von der Bewegung des Schiffes / welche bey den meiſten einen Schwindel verurſachet / dahero etliche ſo der Bewegung gewohnet vnd nicht zum Schwindel geneigt / davon keinen beſchwer haben. Diß halte ich ſey auch die Vrſache / warumb die kleine Kinder ſo noch derA ijWie -4Newe PerſianiſcheWiegen gewohnet / entweder von ſolcher Kranckheit gar nichts empfinden / oder doch allezeit friſcher ſeynd als die Alten. Man ſiehets auch daher / weil ſolche vngelegenheit bey den meiſten nicht bald anfaͤnglich / ſo ferne der Wind gelinde vnd mit dem Schiffe ge - het / ſondern nach etlichen Tagen / wenn es hart kuͤhlet vnd der Wind contrarie laͤufft / ſich erſt ereuget: Auch wenn das vngeſtuͤme Wet - ter etliche Tage continuiret, von ſich ſelbſt wieder auffhoͤret. Jch habe auch ſolches auff dem Wolgaſtrom / welcher kein Saltzwaſſer fuͤhret / an vnſer etliche erlernet / welche / nach dem wir eine geraume Zeit ſtille gefahren / vnd einsmahls ein groſſer Sturm das Waſſer wieder den Strom erhub / vnd das Schiff nur etwas bewegte / alſo - bald dieſe Kranckheit bekamen. Derowegen ſolche nicht dem nauſeæ maris, ſondern der vngewehnten Bewegung vnd Schwindel zu - zuſchreiben.
Man helt es aber fuͤr eine nuͤtzliche vnd geſundmachende Kranck - heit / in dem man in gemein nach derſelben einen guten appetit zum Eſſen bekompt / vnd ſehr friſch wird / weil der Magen von den uͤbri - gen Feuchtigkeiten / ſo ſonſt durch Artzeney nicht leicht koͤnnen erho - ben werden / entlediget wird.
Jn ſolchen vorgedachten harten Winde / weil wir vnſern rechten Cours noch halten kunten / ſeynd wir dieſelbe Nacht 15 Meilen fort - kommen. Den Tag hernach / als den 12 dieſes / folgete darauff eine groſſe Stille / das ſich nicht ein Luͤfftlein mercken ließ / vnd das Schiff auff einer Stelle gleichſamb liegen bliebe. Bey ſolchem ſchoͤnen Wet - ter lieſſen wir vnſere Inſtrumenta muſica auff den uͤberlauff bringen / danckten vnd lobten Gott mit einer Vocal vnd Inſtrumental muſic vor den die vergangene Nacht vns geleiſteten gnaͤdigen Schutz.
Auff den Mittag bekamen wir wieder guten Wind auß Suͤden /Domesnes. welcher vns gemaͤhlich vor Domesnes, die Ecke ſo von Churland ab in die See herauß ſcheuſt / brachte; daſelbſt legten wir vns vor Ancker / vnd blieben biß den 13 gegen den Abend: Da der Wind Weſtlich wurde / lichteten wir das Ancker vnd lieffen vmb den Hueck oder Ecke in den Keſſel / vnd kamen den 14 Novemb. fruͤhe vor die SchantzeDie Schantze Dunæmun - da. Dünæmunda, ſo recht am Munde der Duna, daher ſie auch den Namen bekommen / zwo Meilen von Riga gelegen. Vnd weil ein dicker Nebel einfiel / daß man nicht weit von ſich ſehen konte / lieſſen wir vns durch die Trompete anmelden / darmit wir auß der Schantze einen Piloten oder Wegweiſer / ohne welchen ein Vnbekandter wegen des vnreinen Grundes nicht wol fuͤrder vnd einlauffen kan / bekaͤmen. Darauff kamẽ die Beſucher / ſuchten das Schiff durch / ob nicht Kauff - mans Wahren / von welchen man Licenten geben muß / darinnen: Als ſie aber nichts funden / haben ſie vns einen Piloten zugeſandt / mitVor Riga ankommen. welchen wir fortgangen / vnd den Abend gar ſpaͤte vor der Stadt Riga Gott lob gluͤcklich angelanget. Die Geſandten ſtiegen mit etlichen wenig Voͤlckern ans Land / vnd giengen in die Stadt / da vns dann et -liche5Reiſe Beſchreibung. liche Krieges Officirer mit einer ledigen Carrette / ſo der Gubernator ſelbiges Orts / die Geſandten einzufuͤhren geſchicket / begegnete. Weil ſie aber nicht ferne von dem Wirthshauſe / wolten ſie nicht auffſitzen / wurden alſo zu Fuſſe begleitet in Hans Krabbenhoͤffts Behauſung / worſelbſten ſie mit den vornembſten des Comitats jhr Quartir nah - men / die andere Voͤlcker aber wurden in die herumb liegende Haͤu - ſer verleget.
Den 21 Dito ſchickte E. E. Rath das Geſchencke / als nemblich einen Ochſen / etliche Schafe / Huͤner / Haſen vnd viel Feder Wild - bret / etliche Weitzen vnd Roggen Brod / vnd einen Ahm Reiniſchen Wein. Den 24 Dito ſtelleten die Geſandten ein Banquet an / wor - auff der Gubernator H. Andres Erichſon / E. E. Rath / der Superin - tendent H. M. Samſonius vnd etliche Kriegs Officirer der Stadt geladen wurden.
Riga iſt eine feine wolgebawete Stadt / lieget in ebenen Felde / nach der Suͤdweſten ſeiten nahe an den groſſen Strom Duna. Jſt mit Mawren / Graben vnd Willen wol verwahret / vnd wurde zuDer Stadt Riga Gele - genheit. vnſer zeit mit mehren Bollwercken ſtaͤrcker befeſtiget / ſehr Volckreich vnd Gewerbſam: Neben den groſſen Handlungen ſo des Sommers auß Deutſchland / Holland vnd Engeland uͤber See / vnd des Win - ters auß Mußcow auff Schlitten geſchehen / findet man ſehr viel kleine Kramereyen / dann faſt alle Gaſſen voll Buden ſind. Es iſt wegen menge des Getreidigs / Viehs / kleinen Wild vnd andern Victualien ein wolfeiler Orth / daß man mit wenigen Vnkoſten daſelbſt wol leben kan. Die Einwohner gebrauchen neben der Deutſchen die Churlaͤn - diſche vnd Lettiſche Sprache / haben einen wolbeſtelten Rath / Mini - ſterium vnd Gymnaſium, treiben die reine Evangeliſche Lehre nach der Augſpurgiſchen Confeßion, ſampt guter Policey Ordnung vnd feinen Gebraͤuchen bey oͤffentlichen Conventen vnd Solenniteten.
Riga iſt vor dieſem vnter dem Koͤnige in Pohlen geweſen / Aber vom Guſtavo Adolpho Koͤnig in Schweden Anno Chriſti 1621. den 16 Septembris nach harter Belaͤgerung mit accord eingenom - men worden. Den verlauff ſolcher Belaͤgerung / Eroͤberung vnd Apologiam, ſo die Stadt an den Fuͤrſten Criſtoph Radziwil, Feld - herꝛn des Großfuͤrſtenthumbs Littawen geſandt / in Lateiniſcher vnd Deutſcher Sprache beſchrieben / ſampt den Abriß der Belaͤgerung / ſchickte E. E. Rath damals vnſern Geſandten zu.
Wir ſeynd in der Stadt bey fuͤnff Wochen ſtille gelegen / biß der Froſt vnd Schnee uͤber die / dero oͤrter herumb liegende Moraſte / vns gute Baen zur Schlittenfarth gemachet. Es wurden allhier vmb vnſern Comitat zuverſtaͤrcken noch mehr Voͤlcker angenommen.
Von dannen gieng die Reiſe nach Dorpat / vnd wurde den 14Auffbruch von Riga. Decemb. die Bagage mit etlichen Voͤlckern auff 31 Schlitten vor - auß geſchickt / denen die Geſandten den 15 dieſes folgeten. Wir kamenWolmar ein Staͤdlein. den 18 zum Staͤdtlein Wolmar, vnd wurden durch den Commen -A iijdan -6Newe Perſianiſchedanten ſelbiges Orts eingeholet. Die Stadt 18 Meilen von Riga gelegen / iſt durch den Einfall der Ruſſen vnd Polen ſehr verwuͤſtet worden. Es haben die Einwohner auff: vnd an die alten Stuͤck Mawren der Haͤuſer mit Holtz gebawet. Von dar zogen wir den 20Das Schloß Ermes. Dito ſechs Meilen auff das Schloß Ermes / dem Obriſten de la barre zugehoͤrig / woſelbſt wir mit 2 Mahlzeiten Fuͤrſtlich tractirt wurden.
Den 21 dieſes 4 Meilen biß auff das Hauß Halmet, woſelbſten vns ein jung zahm Elend / ſo hoͤher als ein Pferd / in die Stube vor die Tafel gefuͤhret wurde. Den 22. vier Meilen auff das SchloßRingen. Ringen. Den 23 ſechs Meilen biß zur Stadt Dorpat.
Dieſe Stadt liegt an dem Fluß Embeck mitten in Lieffland / iſtDie Stadt Dorpt. von alten Gebaͤwen vnd durch die viel Kriege ſehr ruiniret, hat vor - zeiten den Ruſſen zugehoͤret vnd iſt genennet worden Jüriogorod. Jſt offt bekrie - get vnd einge - nommen.Von den Deutſchen Heermeiſtern aber Anno Chriſti 1230 einge - nommen vnd zum Biſchofflichen Sitz gemachet worden. Anno 1558 hat ſie der Ruſſiſche Tyran Ivan Baſilowitz wider eroͤbert.
Anno 1582 hat ſie der Koͤnig in Polen eingenommen. Als aber Hertzog Carolus von Suͤdermanland die Schwediſche Crone an - nahm vnd wieder Polen Krieg fuͤhrete / hat er vnter andern Staͤdten auch dieſe eingenommen / Jſt alſo noch jtzo vnter Jhre Koͤnigl: Maytt. in Schweden Bottmeſſigkeit. Daſelbſt iſt die Liefflaͤndiſche Uni - verſitet vnd das Koͤnigl: Hoffgerichte. Die Univerſitet iſt durch Angeben vnd Beforderung Herꝛn Johan Skytte, Freyherꝛn auff Duderoff / weyland Koͤnigs Guſtavi Adolphi Informatorn, geſtifftet /Die Dorpati - ſche Acade - mia, wenn ſie angefangen. vnd Anno Chriſti 1632 den 15 Octob. inauguriret worden. Jacobus, Herꝛn Johannis Skytten Sohn iſt der erſte Rector Academiæ de - ſigniret, vnd jhme Andreas Virginius Nob. Pomer. S. S. Theol. Doctor. als Pro-Rector adjungiret worden. Vnter andern ge - lehrten Leuten vnd beruͤhmten Profeſſoribus mit welchen wir in gute Kundſchafft geriehten / funden wir gedachten D. Virginium, Johan - nem Belovium Roſt. Med. Doct. welcher jtzo des Großfuͤrſten in Mußcow Leib-medicus, Fridericum Menium P.L.C. & Hiſtor. Profeſſ. vnd M. Petrum Andream Schomerum Habs. Svec. Ma - thematicum. Die frequentz der Studenten aber war zu vnſer Zeit noch ſchlecht / in dem kaum etliche wenig Schweden vnd Finnen ſich allda befunden.
Nach dem wir zu Dorpat vnſer Weyhnacht Feſt gefeyret / ſeynd wir den 29 Decembris fuͤrder gezogen / vnd den 3 Januarij des 1634Zur Narva ankommen. Jahres zur Narva ankommen / da wir dann wegen der Schwediſchen Herꝛn Geſandten (ſo vmb gewiſſen Vrſachen mit vns zugleich nach Mußcow ziehen ſolten) langes auſſenbleiben / bey die zwey vñ zwantzig Wochen mit groſſer Beſchwer auffgehalten worden.
Vnd ob wir zwar allhier / gleich wie auch vor dieſem zu Riga / mit allerhand Luſt vnſer zeit vertreib hatten / in deme wir nicht alleine taͤg - lich eine / mit guten tractamenten vnd ordentlicher muſic wolbeſtelteFuͤrſt -7Reiſe Beſchreibung. Fuͤrſtliche Tafel hielten / an welcher durch viel vornehme Leute / ſo zum offtern die Geſandten zubeſuchen kamẽ / gute diſcourse vorfielen / beſondern auch zu vnterſchiedlichen vornehmen Gaſtereyen / ſpatzieren reiten vnd jagten geladen wurden / machte vns doch das ſehnliche Ver - langen ferner zu reiſen alle Luſt verdrießlich.
Weil wir auch vermutheten / daß vor den Fruͤling vnſer Auff - bruch nicht geſchehen wuͤrde / vmb dieſelbe Zeit aber zwiſchen NarvaEtliche Voͤl - cker vnd Ba gagi vorauß nach Naw - gart geſchickt. vnd Naugart in der Landſtraſſen ſehr beſchwerlich oder gar nicht fort - zukommen / iſt M. Paul Fleming mit etlichen Voͤlckern / Handpfer - den vnd Bagage den 28 Febr. noch bey guter Schlitten Bahn voran nach Neugarten / einer Ruſſiſchen Stadt / geſchicket worden. Es zog auch zugleich mit D. Wendelinus mit den ſeinen / vnd gieng von dar mit den Seinen alſofort nach Mußcow. Vnd als es vns endlich zur Narva an Proviant gebrechen wolte / in deme allbereit die Ruſſen / welche vnſere Einkauffer waren / auff acht Meilen herumb die SchafeDie Geſand - ten von Nar - va nach Re - val gezogen. vnd Huͤner holen muſten / Wir auch die Ankunfft der Schwediſchen Herꝛn Legaten ſo bald noch nicht hoffen kunten / machten ſich vnſere Geſandten mit zwoͤlff Perſonen auff nach Revall / vnd lieſſen die uͤbri - gen zur Narva. Jn Revall wurden wir auch von E. E. Raht mit ſalve ſchieſſen vnd beſchickungen wol empfangen. Wir hielten vns daſelbſt in die ſechs Wochen auff / mitler zeit empfingen wir vom H. Gubernatore E. E. Raht / vnd vornembſten Buͤrgern alle Eh - re vnd Freundſchafft. Der Stadt Revall wie auch Narva ſol in der andern Reiſe mit mehren gedacht werden.
Als nun den 10 Maij der Gubernator Herꝛ Philip Scheiding /Auffbruch von Revel. welcher von der Cron Schweden zum Principal Geſandten conſti - tuiret worden / die Poſt bekam / daß ſeine Herꝛn Collegen zur Narve angekommen / ſchickte Er ſich auch auff die Reiſe / vnd zog am Himmel - fahrts Tage / nemblich den 15 Maij mit vns auß Revall. Es folgeten vns auß der Stadt neben Salve ſchuſſen / viel gute Freunde / die vns uͤber eine halbe Meile das Geleite gaben.
Den 18 Dito ſeynd wir wiederumb zur Narva angelanget / daWider zur Narva an - gelanget. dann die Schwediſchen Herꝛn Legaten / benandtlich: Obriſte Herꝛ Heinrich Fleming / Herꝛ Ericus Gyllenſtierna, vnd Herꝛ Andreas Bureus mit einem anſehnlichen Comitat den vnſerigen auff eine Meile vor der Stadt entgegen geritten / Sie freundlich empfangen vnd mit in die Stadt gefuͤhret / welche vns abermahl gleich vor dieſem mit ſalve ſchieſſen auß groben Stuͤcken wilkommen hieß.
Nach Zuſammenkunfft beyderſeits Herꝛn Legaten wurde be - ſchloſſen / daß beyde Parteyen den Weg nach Naugart durch Care - lien uͤber die Ladogaiſche See nehmen wolten. Thaten auch ſolches durch eine eylende Poſt an den Weywoden nach Naugart kund / dar - mit derſelbige wuſte wo er vns empfangen ſolte / vnd wir an der Graͤntze nicht lange liegen doͤrfften: Dann es in Rußland / wie auch PerſienManier der Ruſſen vnd Perſer bey der Gebrauch / das / wenn frembde Geſandten an die Graͤntze gelan -gen /8Newe Perſianiſchefrembder Ge - ſandten An - kunfft auff jh - re Graͤntzen.gen / ſich anmelden vnd warten muͤſſen / biß jhre Ankunfft dem Herꝛn des Landes durch ſchleunige Poſt angedeutet / vnd an die Guberna - toren der Provincien Order geſchicket wird / wie man Sie empfan - gen vnd tractiren ſol: Dann der Mußcowiter vnd Perſer alle Geſandten vnd Poſten die von Potentaten geſchickt werden / ſo lange Sie in jhren Graͤntzen ſeynd / Proviant vnd Fuhr frey halten / dahero dann den Geſandten ein Schaffner (welchen die Ruſſen Priſtaf, vnd die Perſer Mehemandar nennen) neben etlichen Soldaten / ſie durchs Land zufuͤhren / zugeordnet wird.
Als nun die Poſt / wie gedacht / abgefertiget / giengen die hochge - dachten Schwediſchen Herꝛn Geſandten vorhin / die vnſerigen folge - ten vnd kamen auff die Feſtungen Jam, Capurga vnd Noͤteburg / da wir dann auff jeglicher mit zwey Salve ſchuͤſſen auß groben Stuͤcken / vnd ſonſten wol empfangen vnd zu Capurga von Herꝛn Bugiſlaus Roſen / Gubernatorn daſelbſt einen Tag / auff Noͤteburg aber von den Schwediſchen Herꝛn Geſandten faſt einen gantzen Monat herꝛ - lich vnd koͤſtlich tractiret wurden. Die Feſtung Jam, liget 3 MeilenFeſtung Jam. von Narve auff der Ruſſiſchen Graͤntze an einem Rivir die Jamiſche Beck genandt: Neben derſelben auff jenſeit des Rivirs iſt ein Hackel - werck oder Flecken ſo von Ruſſen Jhr Koͤnigl: Maytt. in Schweden Vnterthanen bewohnet wird.
Vnter wegens zwiſchen Capurga vnd Noͤteburg kamen wir auff eines Ruſſiſchen Bojaren / Namens Baſalowitzs, Hoff / der BojarBojaren Hoff. tractirte vns wol mit allerhand Eſſen vnd Getraͤncke auß Silbernen Geſchirꝛen / ließ 2 Trompeter vor der Tafel luſtig auffwarten. Er war allem Anſehen nach ein luſtiger vnd tapfferer Mann / war auch Anno Chriſti 1631 mit in der Leiptziger Schlacht geweſen / zeigete vns an vnterſchiedlichen Orten ſeines Leibes viel Wunden / ſo er daſelbſt empfangen. Nach gehaltener Mahlzeit ließ er ſein Weib mit noch einer andern jhrer Verwandtin / welche beyde noch jung / ſchoͤn außge - putzet vnd geſchmuͤcket hienein kommen / denen eine heßliche Nach - tretterin / vmb derer Schoͤnheit mehr zu erheben / folgete. Dieſe Wei - ber muſten jegliche eine Schale Brantewein den Geſandten zu trin - cken / vnd in die Haͤnde uͤberlieffern. Dann es halten die Ruſſen dißWormit die Ruſſen in jh - ren Haͤuſern guten Freun - den Ehre er - weiſen. vor die groͤſte Ehre / ſo ſie einem zu bezeugung / daß er jhnen Lieb vnd Wilkommen geweſen / erzeigen. Jſts ein ſehr guter Freund vnd die affection groß / wird jhm vergoͤnnet auch jhren Mund zukuͤſſen / Wie denn Anno 1643 als von Jhre Fuͤrſtl: Gn. meinem gnaͤdigen Fuͤrſten vnd Herꝛen ich wieder nach Mußcow an den Groß Fuͤrſten verſchicket wuͤrde / Der Graff Alexander von Schlackow daſelbſt wegen meines gnaͤdigen Herꝛen / von welchem er in ſeinem exilio vielBWol -10Newe PerſianiſcheWolthaten empfangen zu haben ruͤhmete / mir auch ſolche groſſe Eh - re / neben ſtattlicher Beſchenckung / wiederfahren lieſſe.
Den 2 Junij ſeynd wir zu Noͤteburg ankommen / vnd von dem Stadthalter Johan Kuͤnemundt / welcher auff einer Gundel oder bedecktem Boette vns entgegen kam / auff dem Waſſer wol empfan - gen worden.
Die gantze Zeit ſo die Schwediſche Herꝛn Geſandten auff Noͤte - burg lagen / haben Sie die Holſteiniſchen Geſandten taͤglich durch ih - ren Marſchall vnd Hoff Junckern zur Tafel fuͤhren laſſen / vnd den - ſelben auch ſonſt groſſe Ehre erzeiget.
Als nun den 25 Junij den Koͤnigl: Herꝛn Geſandten die Poſt kam / daß der Weywode zu Neugart einen Priſtaffen an die Graͤntze geſandt / Sie abſonderlich vnd zu erſt zu empfangen / haben ſie ſich den 26 Dito daſelbſt hin nach Laba erhoben. Die vnſerige gaben jhnenLegati Suec. nach Laba an die Ruſſiſche Graͤntze gezo - gen. auff vier Meilen das Geleite / Jch aber bin auff gut achten derſelben vollend mit an die Graͤntze geritten / vmb die Ruſſiſche Ceremonien, ſo Sie in empfangung der Geſandten zu gebrauchen pflegen / mit an - zuſchawen. Kamen alſo den 27 Dito fruͤhe vmb 4 Vhre zu dem Ri - vier / welches bey viertzig Schritte breit vor Laba die Graͤntzen von einander ſcheidet. Vnd als die Herꝛn Geſandten vernahmen / daß 17Boͤte11Reiſe Beſchreibung. Boͤte an der Ruſſiſchen ſeite lagen vnd auff ſie warteten / ſchickten Sie alsbald bey jhrer Ankunfft jhren Dolmetſcher hinuͤber zum Pri - ſtaffen / daß er etzliche Boͤte heruͤber ſendete / darmit die Bagage bey zeit auffgeladen / vnd ſie hernach / wenn ſie angenommen waͤren / deſto ſchleuniger fortkommen moͤchten. Der Priſtaffe aber ein alter Mann / ließ zur Antwort wiſſen / daß er ſolches nicht thun duͤrffte: Ob die Ge - ſandten etwa meineten / daß Jhre Zaare Maytt. nicht ſo viel hette / daß er Sie noch einen Tag mehr / welcher etwa dadurch verabſeumet werden moͤchte / ſpeiſen koͤnte / es muͤſten die Herꝛen Geſandten zu vor angenommen werden. Vmb den Mittag ſandte der Priſtaff ſeinen Tolck oder Tolmetſcher mit vier Mußquetirern / welche ſie Strelitzen nennen / derer Er dreyſſig bey ſich hatte / heꝛuͤber / vnd ließ ſagen er waͤre nun bereit die Herꝛn Legaten zu empfangen / ob ſie nicht kommen wol - ten? Der Herꝛn Legaten einer ließ dem Priſtaffen mit etwas harten / jedoch beſcheidenen Worten verweiſen / daß man Sie in die fuͤnffte Woche hette liegen vnd warten laſſen / wuͤrde derwegen der Ehren des Priſtaffens nicht zu wieder ſeyn / wann ſie jhn auch auff ſich einen Tag warten lieſſen / Jedoch wolte er jhm keine voͤllige Antwort geben / weil ſeine Mitbruͤder ſich zur Mittags Ruhe geleget. Dann Sie nicht al - lein die Nacht gereiſet / ſondern in dem ſie an die Ruſſiſche Graͤntze gekommen / ſolches auch von den Landesleuten lerneten. (DannDie Ruſſen halten Mit - tages Ruhe. die Ruſſen im gantzen Lande halten in gemein jhre Mittags Ruhe) der Priſtaffe ſolte es wol zu wiſſen bekommen / wenn es jhnen gelegen ſeyn wuͤrde. Es fragte der Herꝛ Legate ferner / wann dann die Hol - ſteiniſche Geſandten ſolten nachgeholet werden? Der Tolck ver - meinete / daß es kaum in drey Wochen / wenn die Koͤnigl: Herꝛn Ge - ſandten erſt in Mußcow weren / geſchehen wuͤrde / vnd ſolches ſeinen vorgeben nach / wegen mangel der Loddigen oder Boͤte vnd Pferde / die ſie darzu benoͤhtiget.
Nachmittage vmb vier Vhr lieſſen die Koͤnigliche Herꝛn Ge - ſandten hinunter ſagen / daß es jhnen nunmehr gelegen waͤre empfan - gen zu werden / der Priſtaffe ſolte nur kommen. Traten darauff al - leine mit jhrem Tolck in ein Boet / dero Hoff Junckern / zu welchenWie Legati Sue: auff der Graͤntze an - genommen werden. ich mich geſellete / in ein abſonderliches. Der Priſtaffe kam auch mit 15 wol außgebutzte Ruſſen auff ein Boet jhnen entgegen / Aber zu bezeigung jhrer Hoheit lieſſen Sie die Ruder gar langſamb vnd ohne ſondere bewegung ins Waſſer fallen / daß Sie kaum vom Lande ka - men / hielten auch bißweilen ſtille / vnd reichten das Ruder zu der Ge - ſandten Boet / daſſelbe nach ſich zu ziehen / darzu denn der Reuſſiſche Stewerman / welcher die Geſandten fuͤhrete / auch abgerichtet war. Als die Herꝛn Legaten ſahen warumb es den Ruſſen zu thun war / rieff der Geſandte Herꝛ Philip Scheiding den Priſtaffen zu / er ſolte fortfahren / worzu man hier ſolche vnzeitige Hoffarth von noͤthen het - te / der Priſtaff wurde dardurch dem Großfuͤrſten ſo wenig gewinnen /B ijals12Newe Perſianiſche
als ſie jhrer Herꝛſchafft verlieren koͤnten. Als nun die Boͤte auff der Mitten zuſammen ſtieſſen / tratt der Priſtaff herfuͤr vnd fieng an / auß einer Scarteke oder Zettel leſende: Daß der groſſe Herꝛ vnd Zaar Michael Fœdorowitz &c. die Koͤnigl: Herꝛn Geſandten empfan - gen lieſſe / vnd befohlen haͤtte Sie mit dem Comitat in gehoͤrigen Pro - viant vnd Poddewodden nach Mußcow zu bringen: Nach geſchehe - ner gegen Antwort fuͤhrete Sie der Priſtaffe mit ſich ans Land / vnd noͤtigte Sie zu eines Sinbojaren Hauſe nicht weit vom Rivir liegend in eine kleine vom Rauche Kohlſchwartze Stuben / welche in der groſſen Hitze noch darzu eingeheitzet war. Die Strelitzen lieſſen ſich mit Salve ſchieſſen luſtig hoͤren / einer vor / der ander nach. Jn der Stuben wurden die Herꝛen Legaten mit etlichen Schalen ſehr ſtarcken Bran - tewein vnd zweyerley vngeſchmackten Meeth empfangen. Die Her - ꝛen Legaten als Sie den Geſchmack empfunden / reicheten mir die Schalen / vnd einer vnter jhnen mit dieſen Worten: addatur parum ſulphuris, fiet potus infernalis.
Nach einer Stunden ſolches tractirens mit gedachtem Getraͤn - cke vnd Pfefferkuchen fuhren ſie mit einander / die Herꝛn Schwedi - ſchen auff zwoͤlff / die Ruſſen aber auff drey Boͤten mit einer Fahnen vnd Trommel davon. Jch aber wante mich wieder nach Noͤteburg /woſelb -13Reiſe Beſchreibung. woſelbſten wir nach des Priſtaffen außſage noch drey gantzer Wochen verweilen muſten.
Wir vertrieben vnſere Zeit mit allerhand Luſt / wie dann dieſen Orth das Waſſer / die herumbliegende luſtige Landſchafft / vnd etzliche kleine Jnſulen / auff welchen allerhand Federwild ſich auffhelt / ſehr anmutig machet / vnter andern liegen in der See vier Meilen von Noͤ -Noͤteburg ein luſtiger Orth. teburg zwey mit Puſch vnd Kraͤutern gezierte luſtige Holmen / ein Mußquetenſchuß von einander / zu welchen vnſer etliche auß ſchieſſen fuhren / Es halten ſich vnzehlich viel Seehunde von allerhand Farben daſelbſt auff / derer etliche / in dem ſie auff die am Vfer liegende groſ - ſe Steine an der Sonne ſich geſtrecket / wir gar leichtlich ſchieſſen kunten. Wir hatten auch ſonſten gute converſation mit dem Hoch - Edlen Koͤniglichen Schwediſchen Reſidenten, Herꝛn Petro Crus - biorn, welcher ein gelehrter vnd freundlicher Herꝛ / ſo in Mußcow / daſelbſt zu reſidiren, geſchicket ward / vnd auch zu vnſer zeit in Noͤte - burg ankam.
Noͤteburg liegt vom Æquatore 53 grad 30 minuten, im Oſtio der Ladogaiſchen See / auff einem Holm faſt in Form einer Nuß / wie in beygefuͤgten Grundriſſe zuſehen / dahero es auch den Namen be - kommen. Jſt mit Mawren dritte halb Fadem dicke von den Ruſſen erbawet worden / vnd von Jhre Koͤnigl: Maytt. zu Schweden durch dero Feldherꝛen / Herꝛn Jacob de la gardie mit accord eingenom -Noͤtebuꝛg den Ruſſen abge - nommen. men. Die Belaͤgerte ſollen / wie man vns berichtet / biß auff zwey letzte Maͤnner ſich gehalten haben. Es ſollen aber die meiſten durch eine inficirende Seuche weg geſtorben ſeyn.
Dieſer Orth / wie luſtig er lieget / ſo vngeſund ſcheinet er zu ſeyn / wegen der ſuͤſſen See vnd vieler herumbliegenden Moraſten. Es war zu vnſer Zeit im Julio des 1634 Jahres daſelbſt drey gantzer Wochen eine ſo groſſe menge Muͤcken / ſonderlicher art / faſt wie die Pyrauſtæ, daß man nicht einer Handbreit klare Lufft ſehen vnd mit offenen Ge - ſichte vnmoleſtiret gehen kunte. Es ſol jaͤhrlich diß Geſchmeiß in gantz Carelien, wie wol nicht in ſo groſſer menge als auff Noͤteburg / ſich finden laſſen.
Als vns den 6 Julij kundt gethan ward / daß ein Priſtaffe / Na - mens Simon Andreas kareckſchin vns abzuholen auff der Graͤntze ankom̃en / haben wir vns zum Auffbꝛuch geſchicket / vñ ſind den 20 Dito von Noͤteburg zum Rivir Laba gezogen. Nach etlichen Stunden vn -Wir zu Laba an die Ruſ - ſiſche Graͤntze ankommen. ſer Ankunfft ſchickte der Priſtaff ſeinen Tolck mit einem Strelitzen zu vns heruͤber / ließ vernehmen ob die Herꝛn Geſandten bereit waͤren / empfangen zu werden. Vnd als wir fragen lieſſen / ob er vns hieruͤber oder auff dem Waſſer / gleich den Schwediſchen empfangen wolte? ließ Er zur Antwort wiſſen: Es waͤre nicht noͤtig auff dem Waſſer zu - ſammen zukommen / weil wir der Graͤntzen halber / von denen nichts vnſer waͤre / nicht zu Streiten haͤtten.
B iijJn14Newe PerſianiſcheJn dem wir derowegen hinuͤber fuhren / kam der Priſtaffe in ei - nem roten Damaſchen Rocke vns entgegen / blieb acht Schritte vom Vfer ſtehen: Als aber die Legaten auffs Land getreten / gieng er jhnen mit bedecktem Haͤupte entgegen / wolte auch ſeine Muͤtze nicht ehe ab - nehmen biß er anfinge zu reden / vnd des Großfuͤrſten Namen nennete. Nam alſo / gleich wie der vorige den Zettel zur hand ſagende: Jhre Zaare Maytt. Michael Fœdorowitz, aller Reuſſen ſelbſt Erhalter ꝛc. hat mich hieher geſchickt dich Philippum Cruſium, vnd dich Otto Bruͤggeman / als Fuͤrſtliche Holſteiniſche Geſandten anzunehmen / vnd euch ſampt ewren Voͤlckern mit Proviant / Loddigen / Pferden vnd aller Notturfft zu verſorgen vnd nach Mußcow zu bringen. Sein Tolck Namens Anthoni war der Deutſchen Sprache nicht wol kuͤndig / interpretirte elende / daß man es kaum verſtehen konte. Die Herꝛen Legaten thaten durch vnſern Translatorem Johan Ar - penbeck / einen in der Ruſſiſchen Sprache wol erfahrnen verſtaͤndigen Mann / die gegen Antwort expedit. Darauff bothe der Priſtaff dem Geſandten erſt die Hand vnd fuͤhrte vns durch die Strelitzen / welches zwoͤlff Coſacken waren / vnd mit auffgepaſten Flinten ſtunden / in ſeine Herberge; Als mit den Flint-Roͤhren Salve gegeben ward / gieng es ſo vorſichtſam zu / daß des Schwediſchen Reſidenten Secretarius, welcher vmb dieſen actum mit anzuſehen bey vns war / ein groß Loch in das Koller bekam.
Das tractament, mit welchem der Priſtaffe vns empfinge / war Pfefferkuchen / Brantewein / vnd friſche eingemachte Kirſchen. Nach deme wir eine halbe Stunde geſeſſen / fuhren wir mit Salve ſchieſſen der Strelitzen wieder uͤbers Waſſer / vnd ſchickten vns zur ferneren Reiſe / fuhren auch nach der Mittags Mahlzeit / bey welcher der Stadthalter auff Noͤteburg / ſo vns das Geleite gegeben / vnd mit allerhand koͤſt - lichen Getraͤncke zum Valet wol tractiret, auff ſieben Loddigen dar - von / uͤber die Ladogaiſche See.
Als wir den 22 Dito fruͤhe vnſern Cours uͤber dieſe See auff 12 Meilen vollendet / vnd bey einem Kloſter Nawolkus Konski auffs Land geſtiegen wahren / kam ein Ruſſiſcher Muͤnch / vnd brachte den Geſandten zum Wilkom ein Brod vnd einen droͤgen Lachß.
Vnſer Priſtaff / weil er vns Korm, oder Zehrung frey halten muͤſte / fragte: Ob er vns taͤglich den Proviant verſchaffen vnd zu - richten laſſen ſolte / oder ob vns lieber daß von Jhre Zaare Maytt. darzu deputirte Geld zu empfangen / vnd durch vnſern Koch dieZur Zehrung / welches Sie Korm nen - nen / wurde vns Geld ge - geben. Speiſen nach vnſer manier zurichten zu laſſen beliebte. Wir lieſſen vns / wie bey Geſandſchafften derer oͤrter am gebraͤuchlichſten / das Geld geben vnd kaͤufften ſelber / der Taxt aber wurde allenthalben vom Priſtaffen ſelbſt gemachet / daß wir alle Dinge gar wolfeil bekamen: Wie auch zwar in gemein durch gantz Reußland wegen des fruchtba - ren Landes / der Proviant ſehr guts kauffs iſt. Dann fuͤr eine Henne2 Co -15Reiſe Beſchreibung. 2 Copeck / iſt vnſer Muͤntze 2 Schilling / oder Meißniſcher MuͤntzeSehr wolfeile Zehren in Rußland. 1 Groſchen. 9 Eyer vmb einen Copeck. Wir bekamen aber taͤglich 2 Rubel vnd 5 Copecke / daß iſt 4 Rthal. 5 ß. Dann es wird auff jeg - liche Perſon vom hoͤchſten biß zum kleineſten / nach proportion ein gewiſſes verordnet.
Nach der Mittags Mahlzeit begaben wir vns auff ein Rivir ſo vns biß nach Ladoga ein Staͤdtgen 17 Meilen von Laba gelegen / fuͤhrete / kamen auch denſelben Abend dahin. Vnterwegens begegnete vns ein Priſtaff mit 3 Loddigen / welcher den Schwediſchen Herꝛn Reſidenten nach holen ſolte.
Wir haben auff der gantzen Reiſe nirgents mehr Kinder von 4Zu Ladoga viel Kinder geſehen. biß 7 Jahren auff einen hauffen geſehen als hier zu Ladoga. Dieſe / als vnſere etzliche ſpatzieren giengen / lieſſen hauffenweiſe nach vnd ſchrien: Ob wir nicht rote Beer / die ſie molina nennen / vnd in groſſer menge durch gantz Rußland wachſen / kauffen wolten / Sie gaben vor einen Copecken einen gantzen Hutt voll / vnd als wir dieſelbe zu eſſen vns an einen gruͤnen Huͤgel legten / tratten bey funfftzig Stuͤck vmb vns herumb. Weil aber alle ſo wol Medgen als Jungen mit abge - ſchnittenen Haaren auff beyden ſeiten hangende Locken / vnd in langen Hembden giengen / daß man die Medgen von den Jungen nicht vnter -
ſcheiden16Newe Perſianiſcheſcheiden kunte / wolte vnſer medicus deſſen gleichwol Wiſſenſchafft haben / grieff einen von ſechs Jahren nach dem Hembde / traff aber ein Knaͤblein an / dieſer ſagte lachende: Defke niet, er waͤre kein Med - lein / zeigete aber auff andere / welche dann mit Lachen davon lieffen / aber bald wieder kamen. Diß gab vns mit Verwunderung einen lu - ſtigen Poſſen / daß ſolche Kinder bereit wuſten / warumb es zuthun war.
Allhier hoͤreten wir die erſte Ruſſiſche muſic, in deine zu Mittage als den 23 Dito da wir uͤber der Tafel ſaſſen / zwey Ruſſen mit einer Lauten vnd Geigen den Herꝛn auffzuwarten kamen / ſpielten / vnd ſun - gen von dem groſſen Herꝛn vnd Zaar Michael Fœdorowitz, vnd als Sie vermerckten / daß ſie wol gelitten waͤren / machten ſie darbeyDer Ruſſen manier im Tantzen. allerhand kurtzweil mit Tantzen / zeigten darinnen allerley arten / wel - che ſo wol bey Weibes als Mannes Perſonen im gebrauch. Dann die Ruſſen nicht / wie bey den Deutſchen uͤblich / einander bey der Hand herumb fuͤhren / ſondern jeglicher tantzet vor ſich vnd inſonderheit. Es beſtehet aber jhr Tantzen meiſt in geſticuliren mit Haͤnden / Fuͤſſen / Schultern vnd Huͤfften / Sie haben / ſonderlich die Weibes Perſonen / bunt genehete Schnuptuͤcher in Haͤnden / welche ſie darbey herumb ſchwencken / vnd bleiben doch faſt jmmer auff einer Stelle.
Nach der Mahlzeit machten wir vns wieder in vnſere Boͤte vnd fuhren auff den Strom Wolchda davon. Es ſtunden uͤber hundert Kinder neben alten Leuten auff den Mawren die vns nachſahen / Am Strande ſtund ein Muͤnch dem rieffen vnſere Strelitzen zu vnd em -Ruſſen laſſen ſich von den Popen ſeg - nen. pfingen von jhme den Segen. Dann diß haben Sie im Gebrauch / wie wir es hin vnd wieder zum offtern geſehen / daß / wenn Sie auff der Reiſe vor einem Kloſter oder Muͤnch fuͤruͤber reiſen / gehen vnd ſich ſegnen laſſen / oder doch auffs wenigſte ſich gegen den Creutzen / ſo auff den Capellen / vnd am Wege ſtehn / ſich neigen / ſegnen vnd das Hoſpodi buch milo: Herꝛ Erbarme dich meiner / ſprechen.
Als vns der Wind wol fugete / zogen wir die Segel auff: Wir hatten aber kaum angefangen zu ſegeln / zerrieß das Tau vnd fiel das Segel herunter auff einen vnſer Strelitzen / daß er fuͤr tod lag / als Er aber nach einer Stunde ſich wieder zu beſinnen begunte / vnd eine Schale Brantewein bekam / war alles uͤber hin.
Die Wolchda iſt ein Fluß faſt ſo breit als die Elbe / fleuſt aber nicht ſo ſtrenge / kompt auß dem Lacu hinter groß Naugart / welchen Sie die Jlmer See nennen / vnd ergeuſt ſich in die Ladogaiſche See.
Vor Ladoga ſieben Werſte (fuͤnff Werſte geben eine Deutſche Meile) hat dieſer Strom einen Fall / vnd aber uͤber ſieben Werſte / wieder einen / uͤber welche mit Boͤten zu fahren groſſe Gefahr iſt / ſinte -Ein gefaͤhrli - che Fahrt we - gen eines Fal - les hinter La - doga. mahl der Strom daſelbſt uͤber vnd zwiſchen groſſe Steine / als ein Pfeil / herunter ſcheuſt. Derowegen als wir vor den erſten Fall ka - men / außſtiegen / vnd am Vfer hinauff giengen vnd warteten am ge - faͤhrlichſten Orte / biß vnſere Boͤte / welche durch 100 Perſonen anTauen17Reiſe Beſchreibung.
Seilen muſten hinauff gezogen werden / uͤberkamen / Es giengen aber alle gluͤcklich duꝛch / ohne das letzte / in welchem einer mit Namen SimonSimon Fꝛieſe in groſſer Ge - fahr auff dem Falle. Frieſe / eines Kauffmans Sohn von Hamburg wegen einer groſſen Kranckheit / mit der Er behafftet / liegen bleiben muſte; Dann als daſſelbige Both am haͤrteſten wieder den Strom arbeitete / zerreiß das Seil / an welchem es gezogen ward / vnd ſchoß als ein Pfeil wieder zu ruͤcke / hette auch bey nahe die Klippen / durch welche es muͤheſelig ge - gangen / erreichet / vnd were zweiffels ohne daran zerſcheittert worden / wenn nicht durch ſonderbares Gluͤck das Seil / ſo noch ziemlich langWunder Gluͤck bey einem Vn - gluͤck. am Schiffe geblieben / in ſolcher vehementz ſich vmb einen groſſen auß dem Waſſer herfuͤr ragenden Stein ſo feſte geſchlungen vnd be - hangen blieben waͤre / daß mans auch mit groſſer Muͤhe kaum wieder auffloͤſen kunte. Man berichtete vns / daß eben am ſelbigen Orte zu - vor eines Biſchoffs Schiff mit Fiſchen beladen / ſampt den Biſchoff geblieben vnd vmbkommen.
Vber den andern Fall / welcher nicht ſo gefaͤhrlich iſt / kamen wir auch gegen den Abend / vnd hielten daſelbſt bey einem Kloſter Nicolai Nagoſtriza vnſer Nachtlager / blieben auch daſelbſt den folgenden Tag / biß vnſere hinterbliebene Boͤte nachkamen. Allhier / wie auch faſt die gantze Zeit vnſer Reiſe auß Revel biß Mußcow / haben wir we -Cgen18Newe Perſianiſchegen des continuirlichen Holtzes vnd feuchten Gepuſches von denGroſſe Be - ſchwer wegen der Muͤcken auff der Reiſe. Muͤcken / Fliegen vnd Bremſen ſehr groſſe beſchwer gehabt / daß wir vor denſelben weder Tag noch Nacht ſicher reiten noch ſchlaffen koͤn - nen. Die meiſten vnſer Voͤlcker / ſo ſich nicht wol in acht namen / wa - ren vnter den Angeſichtern ſo zugerichtet / als wenn ſie die Pocken ge - habt hatten. Dann ſolch Geſchmeiß zur Sommerzeit in gantz Liff - land vnd Rußland ſo haͤuffig / das die Reiſende jhre Muͤcken-Netze oder Zelte / ſo von Dunner oder auch darzu gewircktẽ klein loͤcherichten Leinwand / wo ſie ruhen wollen / auffſchlagen / vnd ſich darunter bergen muͤſſen / wie ſolche Zelte bey der Stadt Twere abgebildet ſtehen. Die Bawren vnd Fuhrleute aber / ſo ſolche Zelte nicht haben / machen groſſe Fewr / ſitzen vnd legen ſich ſo nahe darzu / als ſie es leiden koͤnnen / vnd koͤnnen doch kaum vnmoleſtiret bleiben.
Ein alter Muͤnch auß vorerwehnten Kloſter / derer Druͤder vier waren / kam vnd brachte den Geſandten zum Præſent einen Rettich / Agurken / gruͤne Erbſen vnd 2 Liechte / bekam darfuͤr eine Verehrung / welche jhm ſo angenehme war / daß er vns zu gefallen / zwar wieder jh - ren Gebrauch / die Kirche auffſchloß / vnd ſeinen Prieſterlichen Habith anzoge. Jm Veſtibulo oder vor-Capellen waren an den Waͤnden S. Nicolai Wunderwercke (als er ſagte) einfaͤltig vnd vnproportio - nirlich / wie es denn jhre Mahlerkunſt ins gemein mit ſich bringet / ab - gemahlet. Vber der Thuͤr war das juͤngſte Gerichte zuſehen / da zei - gete der Muͤnch vnter andern ſeligen einen in Deutſchen Kleidern /Diſcours ei - nes Ruſſiſchẽ Muͤnches mit vns in Geiſt - lichẽ Sachen. ſagende: Daß auch Deutſche vnd andere Nationen Selig wuͤrden / wann ſie nur Ruſſiſche Seelen haͤtten / vnd fuͤr GOtt recht zu thun niemand ſcheweten. Er zeigte vns auch jhre Bibel in jhrer Sprache / dann der Ruſſen keiner / weder Geiſtliches oder Weltliches Standes / andere als neben jhrer eigenen der Schlavoniſchen Sprache kuͤndig iſt. Er laß vns vor das Erſte Capittel Johannes des Evangeliſten / welches mit dem vnſerigen gantz uͤberein kam / das Zeichen woran er mercken kunte / wie weit er geleſen / war ein troͤpfflein Wachß. Sagte auch: daß / als er einmahls zu Revall geweſen. / die Paſtoren daſelbſt jhn wegen der Bibel examiniren wollen / haͤtte zwar den Deutſchen Tolck nicht recht verſtanden / aber ſo bald er die Bibliſche Bilder ge - ſehen / die Hiſtorien zu er zehlen wiſſen. Der Muͤnch hette vns vollents in die Kirche gefuͤhret / wenn nicht vnſere Strelitzen waͤren darzu ge - kommen vnd gemurret / daß er vns bereit zu weit gehen laſſen. Wir verehreten jhm noch einen Thaler / dafuͤr ſchlug er ſein Haupt offt auff die Erde. Als wir auff einem gruͤnem Platze / (dergleichen wir zum Tafel halten wegen der luſtigen oͤrter taͤglich erwehleten) uͤber Tiſche ſaſſen / vnd vnter deſſen guten Wind bekamen / kam der Muͤnch wieder mit einem groſſen Rettich vnd einer Schale voll Agurken / ſa - gende: Den guten Wind hette vns S. Nicolaus vor die jhme erzeigte Wolthaten beſcheret.
Mit19Reiſe Beſchreibung.Mit ſolchen Winde giengen wir vmb 2 Vhr Nachmittage zu Segel / fuhren 4 Meilen biß Corodiza ein Dorff. Weil vns der Platz am Strande luſtiger als das Dorff vorkam / ſchlugen wir vnſere Kuͤche vnd Tafel daſelbſt auff. Der Priſtaff brachte einen jungen Baͤren / ließ vor den Geſandten / weil ſie ſich nicht legen / ſondern nach dem die Boßleute nur ein wenig außgeruhet / bald wider foꝛt wolten / die Zeit zuvertreiben / darmit kurtzweilen. Nach Mitternacht giengen wir wider fort biß an ein Dorff Soltza 4 Meilen. Vnſer Priſtaff / welcher die Nacht zuruͤcke geblieben / kam dar wider zu vns / brachte mit ſich ſei - nen Wirth / der jhn alſo tractiret hatte / daß Sie beyde voll wahren. Dieſer ein Kneß oder Ruſſiſcher Fuͤrſt mit Namen Roman Ivano - witz, kam die Geſandten zuſehen vnd zubeſuchen / weil Er aber luſt mehr zu trincken hatte / wurde jhm / was am guten Rauſche noch fehlete / mit Brandwein vnd Spaniſchen Wein / welchen wir allzeit mit vns fuͤhreten / vollent geholffen.
Auff den Abend kamen wir 6 Meilen zum Dorffe Gruntza, da die Bawren alle vor vns außgelauffen. Lagerten vns derwegen auff ei - nen gruͤnen Platz gegen das Dorff bey einem Teiche / machten 3 groſſe Fewr / vnd blieben die Vornacht darbey ſitzen. Vnd weil niemand vnter vns / die wir den Tag uͤber in den Botten geſchlaffen / zum fer - nern Schlaff geneiget / brachten wir die Nacht mit erzehlung aller - hand luſtigen Hiſtorien / vnd Kurtzweilen zu. Darzu dann die Stre - litzen / in dem Sie etliche Schalen Brandwein bekamen / mit den Baͤ - renſpiel auch behuͤlfflich wahren. Dieſe Jegend war ſo voller Kra -Viel Kra - niche in die - ſer Jegend. niche / daß wir uͤber 300 Stuͤck am Teiche bey einander ſitzen ſahen.
Gegen den Morgen vmb 3 Vhr / als den 26 Julij / machten wir vns wider auff / kamen gegen Mittag 4 Meilen zu einem Dorffe Wi - ſoko. Als der Priſtaff zu Mittage mit vns zur Tafel ſaß / vnd hoͤrete im Tiſch Gebete / den Namen JEſus nennen / ſegnete Er ſich nach jhrer manier, mit Creutzſchlagen vor der Bruſt / vnd begerte vnſer Gebet in Ruſſiſcher Sprache zuwiſſen / welches / als Ers vernam / jhm ſo wol gefiel / das Er ſagte / Er hette nicht veꝛmeinet / das die Deut - ſchen ſo gute Chriſten vnd Gottfuͤrchtige Leute ſeyn ſolten.
Den 27 Dito fuhren wir den gantzen Tag vnd Nacht / vnd ka - men den andern Morgen mit der Sonnen Auffgang vor das Dorff Grefzowiza, woſelbſt wir den Tag ſtille liegen vnnd warten muſten / biß der Priſtaff vnſer Ankunfft dem Weywoden zu Nawgart / welches 2 Meilen von dar / angekuͤndiget vnd wider Antwort bekom - men hatte. Einen guten Buͤchſenſchoß von dieſem Dorff liget ein wolgebawet Kloſter Nachatim genandt / an einen ſehr luſtigen Orte / hat einen Abt / 60 Bruͤder vnd 400 Bawren / welche das Kloſter vn - terhalten. Es ſol aber jaͤhrlich zu J. Z. Maytt. Dienſte 100 Mann in Naugart vnterhalten muͤſſen.
C ijDen20Newe PerſianiſcheDen folgenden Morgen / nemblich den 28 Julij / ſeynd wir inZu Nawgart angekom̃en. Groß Nawgart vollent eingefahren. Da dann etliche vnſer Voͤlcker / ſo noch bey Schlitten-Bahn vor auß dahin geſchicket waren / vnd uͤber vier Monat vnſer Ankunfft ſehnlich erwartet / auß groſſen Frewden auff einem Boet uͤber eine Meile vns entgegen kamen.
Es ſchickte der Weywode zum Wilkom vns in die Herberge eine Tonne Bier / Meeth vnd ein Faͤßlein Brantewein / Jhm wurde wie - derumb zur gegen Verehrung ein Silbern verguͤldetes Trinck ge - ſchirꝛ geſchicket. Den letzten dieſes haben wir vns wieder auffge - machet / vnd ſind biß nach Brunnitz 4 Meilen von Naugart zu Waſ - ſer / hernach aber jmmer biß in Mußcow zu Lande gangen.
Den 1 Auguſti, als wir zu Brunitz am Rivier vnſer Pagage ans Land brachten / kamen die Ruſſen in einer Proceßion auch dahin / das Waſſer zu weihen in ſolcher Ordnung; Erſt giengen zwey Maͤnner / trugen auff langen Stangen / der eine ein Creutz / auff deſſen vier Ecken die Evangeliſten gemahlet. Der ander ein alt gemahlet Bild mit ei - nem weiſſen Cartheken Tuͤchlein behangen: Hinter dieſen gieng der Prieſter in ſeinem Meßgewandt / trug in beyden Haͤnden ein Hoͤltzern Creutz einer Spannen lang / ſang mit einem Knaben / welcher hinter jhme das Buch trug: Dieſem folgeten alle Bawern mit Weib vñ Kin -der /21Reiſe Beſchreibung.
der / die Alten trugen jeglicher ein brennent Wachßliechtlein / vnnd hinten nach gieng der Kuͤſter / trug uͤber zehen Stuͤck Wachßliechter zuſammen gedrehet brennent. Als der Prieſter am Vfer uͤber eine gute halbe Stunde geſungen vnd geleſen / nam er die zuſammen ge - drehete Wachßliechter / vnd ſtieß ſie ins Waſſer / da leſchten die an - dern alle auch jhre Liechter auß. Dann tauchte der Prieſter das CreutzDas Waſſer weihen der Ruſſen. drey mahl ins Waſſer / vnd ließ es in ein Becken abtreuffen / diß wird fuͤr das heiligſte Waſſer gehalten. Als ſolches geſchehen / namen die Weiber jhre Kinder klein vnd groß mit vnd ohne Hembden / tauch - ten ſie auch drey mahl vnter / etzliche erwachſene ſprungen ſelbſt hinein. Endlich faͤhreten ſie auch die Pferde in ſolche heilig vnd geſundt ge - machts Waſſer zur Traͤncke. Nach dieſem allen giengen ſie wieder in die Kirchen / daß ſie den Segen empfingen.
Nachmittage vmb 4 Vhr ſetzten wir vns zu Pferde vnd lieſſen vnſere Pagage auff 50 Wagen voran gehen / vnd kamen denſelben Abend 3 Meilen auff ein Dorff Crasniſtanski. Den 2 Dito 8 Mei - len gereiſet biß zur Gam Chreſta. Sie nennen aber dieſelben oͤrter Gam, wo man die Pferde abwechſelt vnd wieder friſche bekompt.
Den 3 Dito kamen wir 6 Meilen biß Gaſelbitza, ein klein Dorff / auß welchen die Bawren gewichen. Heute weil vnſer Koch die KuͤcheC iijzube -22Newe Perſianiſchezubeſtellen 2 Meilen fuͤrder vor auß gegangen / vnd wir wegen boͤſes Weges ſelbigen Abend dahin nicht gelangen kunten / muſten wir die Nacht auff dem Felde vnd vngegeſſen liegen bleiben.
Dieſe Tage begegneten vns etliche Krieges Officirer, ſo nach ge - endigtem Kriege vor Smolensko auß Mußcow wieder zu ruͤcke ka - men. Wie wir dann den 4 dieſes zu Simnagora, an einer Gam, den Obriſten Fuchß / vnd den 6 zu Wolltzock, worſelbſten wieder eine Gam, den Obriſten Scharls mit andern Officirern antraffen: Als dieſe kamen die Geſandten zu beſuchen / wurden Sie wol empfangen vnd mit Spaniſchen Weine tractiret. Weil es ſtarcke Truͤn - cke gab / hatte vnſer Trompeter Caſper Hertzberg ſo viel zu ſich ge - nommen / das Er in vollem Sinne / einen von vnſern Strelitzen mit den Degen toͤdtlich verwundete; Den Beſchaͤdigten lieſſen wir ligen / gaben jhm / vnd denen die jhn warten ſolten / etwas Geld / vnd zogen davon. Dieſer Trompeter iſt nach vollendeter Perſiſchen Reiſe in der Mußcow / nach dem Er ſich in des Großfuͤrſten Dienſt begeben / wiederumb von einen ſchlechten Kerel liederlich erſtochen worden.
Den 7 ejuſdcm kamen wir auff ein Dorff Budewa, in welchemDie Bienen trieben vns auß einem Dorffe. ein Knees oder Ruſſiſcher Fuͤrſt wohnet. Als wir kaum in das Dorff gekommen / begunten vnſere Pferde zu ſpringen / zu ſchlagen vnd zu lauffen / als wenn ſie Toll wuͤrden / daß vnſer etzliche ehe herunter ka - men / als ſie abſtiegen / Wir wuſten erſt nicht / wie ſolches zugieng / als wir aber vernahmen daß es von den Bienen / derer in dieſem Dorffe ſehr viel waren / herruͤhrete / vnd wir auch ſelbſt vor denſelben nicht ſicher ſeyn kunten / ſchlugen wir vnſere Rocke vmb die Koͤpffe / giengen zum Dorffe hinauß / vnd legten vns ins freye Feld an einen gruͤnen Huͤgel.
Den 8 Dito erreichten wir abermahl eine Gam, vnd kamen vorDie Stadt Tarſock. Tarſock ein Staͤdtlein / an einen Huͤgel zur rechten Hand etwas vom Wege abgelegen: Jſt mit Hoͤltzern Bollwercken vnd Waͤnden vmbſchloſſen / man findet daſelbſt gut Brod / Meeth vnd Bier. Die Geſandten lieſſen auff einen gruͤnen Platz eine Lauberhuͤtten auff - ſchlagen / ſpeiſeten vnd hielten mit etlichen Voͤlckern jhr Nachtlager darinnen. Dieſe wie auch die kuͤnfftige Stadt Twere haben jegliche jhren Weywoden oder Gubernatoren.
Den folgenden Tag kamen wir uͤber zwey Baͤche / den einen bald hinter Tarſock, den andern 2 Werſte von Miedna: Auff den AbendDie Stadt Twere. aber vor Twere, welche Stadt etwas groͤſſer iſt / als Tarſock, auch an einen Huͤgel zur Rechten liegend / vor derſelben flieſſen die Waſſer Twere, davon auch die Stadt jhren Namen bekom̃en / vnd die Wolga, ſo von dar uͤber 600 Deutſche Meilen durch Rußland vnd Tartarien laͤufft / vnd ſich in die Caſpiſche See ergeuſt / zuſammen / geben einen ziemlichen breiten Strom: Wir muſten vns allhier mit einer Fehre uberſetzen laſſen / vnd wurden auff jenſeit der Stadt im Hakelwerckeein -23Reiſe Beſchreibung.
einquartieret. Weil diß die letzte Gam, bekamen wir friſche Pferde / die vns vollent nach Mußcow bringen muſten.
Den 13 Auguſti erreichten wir das letzte Dorff vor Mußcow / Nicola Nachinski, zwo Meilen von der Stadt gelegen. Von dar ſandte der Priſtaff eine Poſt vnſere Ankunfft nach Mußcow anzukuͤn - digen vorauß.
Den 14 Dito fruͤh tratt der Priſtaff mit ſeinen Tolck vnd Schrei - ber vor die Herꝛn Legaten / danckte vor die auff der Reiſe von vns ge - noſſene Wolthaten / baten darneben vmb Verzeihung / ſo ſie vns nicht wie ſichs gebuͤret auffgewartet haͤtten. Dem Priſtaffen wurde ein groſſer Pocall / den andern aber / Geld verehret: Als die Poſt wie - der auß der Stadt zu ruͤcke kam / ſchickten wir vns zum Einzuge in ſolcher Ordnung:
Als wir nun in ſolcher Ordnung gar langſamb fortgiengen / vnd etwa eine halbe Meile von Mußcow waren / kamen 10 reitende Poͤſten / in vollem Sporenſtrich / eine nach der ander vns entgegen / adviſirten dem Priſtaffen wo jtzt die Ruſſen / ſo vns empfangen ſolten / waͤren / vnd brachten Befehl bald geſchwinde / bald langſamb / bald wieder geſchwinde fort zugehen / vnd ſo fortan / darmit nicht eine Par - tey ehe als die andere am beſtimbten Ort kommen vnd warten duͤrffte. Es kamen vns auch vnterſchiedliche troupen wol außgeputzter Ruſſen entgegen / ſchwungen ſich hinter vns vorbey vnd wieder zuruͤcke. Es befunden ſich auch dabey etzliche von dem Comitat der Schwediſchen Herꝛn Legaten / wurden aber nicht gelaſſen vns die Hand zu bieten / muͤſten nur von ferne vns zuruffen. Als wir auff eine viertel Meile zur Stadt kamen / hielten uͤber 4000 mit koͤſtlichen Kleidern vnd Pferden außgeruͤſtete Ruſſen / anfangs in guter Ordnung / durch wel - che wir reiten muſten.
Als wir alſo ein Piſtolenſchuß fort gangen / kamen zwey Pri - ſtaffen in guͤldenen Stuͤcken vnd ſehr hohen Zobeln Muͤtzen vns ent - gegen geritten / auff wol außgebutzten weiſſen Pferden / welche an ſtatt des Zaumbs mit ſehr groſſen Silbern Ketten / deren Glieder uͤber zwey Zoll breit / jedoch nicht uͤber ein Meſſer ruͤcken dicke vnd ſo weit / daß man faſt eine Hand durch ſteckeen kunte / behaͤnget waren / welches in bewegung der Pferde ein groß Gereuſche vnd frembden Klang von ſich gab. Dieſen folget der Stallmeiſter mit 20 weiſſen Handpfer - den vnd eine groſſe menge zu Roß vnd Fuß: Als ſie vor die Geſandten kamen / ſtiegen die Priſtaffen vnd Geſandten ab / der aͤltere Priſtaff entbloͤſſete ſein Haͤupt vñ fieng an: Der groſſe H. Zaar vnd Großfuͤrſt Michael Fœdorowitz, aller Reuſſen ſelbſt Erhalter / zu Vladimer / Mußcaw / Nawgart / Zaar zu Caſſan, Zaar zu Aſtrachan, Zaarzu25Reiſe Beſchreibung. ren zu Siberien / Herꝛn zu Pleßkaw / Großfuͤrſten zu Twerski, Jü -Des Groß - fuͤrſten Titel. gerski, Permski, Wadski, Bolgarski vnd andern. Herꝛn vnd Groß - fuͤrſten zu Naugart in Niedrigen Landen. Roſanski, Roſtoffski, Gereslaffski, Beloſerski, Udorski, Obdorski, Condinski, der gan - tzen Nordſeiten Gebietern. Herꝛn der Jueriſchen Laͤnder: Karta - linski, Igruſinski, Zaaren / Kabardinski Landen / Cyrcaski vnd Jorski Fuͤrſten / vnd anderer vieler Herꝛſchafften ein Herꝛ vnd Herꝛ - ſcher / ꝛc. Laſſet Euch des Hertzogs zu Schleßwig / Holſtein / Stor - marn vnd der Ditmarſchen / Graffen zu Oldenburg vnd Delmen - horſt / groſſe Geſandte durch Vns empfangen / begnadiget Euch vnd ewre Hoff Junckern auff ſeinen Pferden einzureiten / vnd hat vns beyde zu Priſtaffen verordnet / euch die zeit uͤber / ſo lang jhr in Mußcow verwarten werdet / auffzuwarten vnd mit allen Nothwendigkeiten zu - verſorgen. Als der Legat Lic. Philippus Cruſius die Gegenant - wort gethan / wurden zwey weiſſe hohe mit newen von Golde vnd Sil - ber geſtickten Deutſchen Sattlen belegte vnd mit allerhand Zierath geſchmuͤckte Pferde den Geſandten zum Einreiten vorgezogen. Der Pferdeſchmuck iſt im Kupffer mit mehren angedeutet.
So bald die Herꝛn Legaten ſich auffgeſetzt / muſte der vorige Pri - ſtaff mit den Coſaken / ſo vns von der Graͤntze biß Mußcow gebracht / von vns abreiten. Die newen Priſtaffen waren Andrea Waſilowitz Uſow, vnd Bochdan Fœdorowitz. Es wurden vor den vornemb - ſten des Comitats auch zehen weiſſe Pferde / welche mit Ruſſiſchen von guͤlden Stuͤcken uͤberzogenen Satteln beleget / gegeben. Ritten alſo die Geſandten zwiſchen den beyden Priſtaffen. Es halten aber die Ruſſen wo drey oder mehr Perſonen neben einander gehen oderEinzug in Mußcow. reiten / daß vor die Oberſtelle / wo man am euſſerſten die rechte Hand frey hat. Hinter den Pferden giengen Ruſſiſche Diener / trugen die Satteldecken nach / waren Leoparden Heute / guͤlden Stuͤck / vnd Scharlacken. Neben den Geſandten ritten die andern Mußcowitern mit vollem Gedraͤnge biß in die Stadt / vnd an der Geſandten Quar - tier: Wir wurden aber jnnerhalb der weiſſen Mawren geleget / wel - ches ſie Zarskigorod, das iſt / Kaͤyſers Stadt / nennen. Jm Ein - reiten ſahen wir auff allen Gaſſen vnd Haͤuſern eine vnzeh - liche menge Volckes / ſo ſtunden vnſern Einzug anzuſchawen. Die Gaſſen aber waren ſehr verwuͤſtet wegen des groſſen kurtz vor vn - ſer Ankunfft erlittenen Brandſchaden / in deme uͤber die fuͤnff tauſend Haͤuſer eingeaͤſchert / vnd die Leute hin vnd wieder in Zelten ſich auff - halten muſten / dahero wir auch in zwey hoͤltzerne Buͤrger Haͤuſer ge - leget wurden.
Die Priſtaffen baten im Namen Jhre Zaare Maytt. mit den ſchlechten Quartieren vor lieb zu nehmen / weil nicht allein der Ge - ſandten Hoff / ſondern auch vnſer beſteltes Quartier ein groß Hauß mit abgebrandt.
DAls26Newe PerſianiſcheAls wir kaum eine halbe Stunde im Quartir geweſen / wurde vns zum Wilkom auß des Großfuͤrſten Kuͤche vnd Keller Proviant geſchickt / als nemblich: 8 Schaffe / 30 Huͤner / Weitzen vnd Rocken - Brod / vnd darneben zwey vnd zwantzigerley Getraͤncke an Wein / Bier / Meeth vnd Brantewein / eines jmmer koͤſtlicher als das ander / von 32 Ruſſen in einer langen Reihe getragen.
Nach uͤberlieferung deſſelben / wurde der Vorhoff vnſers Quar - tiers verſchloſſen / vnd mit zwoͤlff Strelitzen verwahret / daß niemand von vns hinauß noch jemand Frembdes zu vns hinein kommen kunte / biß wir die erſte Audientz gehabt: Die Priſtaffen aber kamen taͤglich die Geſandten zubeſuchen / vnd zuſehen ob ſie jrgend etwas benoͤtiget. Es muſte auch ſtets ein Tolck bey vns im Quartiere bleiben / welcher die Strelitzen / vns zu dienen vnd allerhand Notturfft nach vnſern be - gehren zu kauffen / verſchickte. Dieſer Tolck / Namens Iwan, war ein geborner Ruſſe von den Polen gefangen worden / vnd hernach mit Jhre Fuͤrſtl: Gn. Januſio Radzewil, als ein Knecht zu Leipzig ge - weſen / vnd allda die Deutſche Sprache gelernet.
Den 17 Auguſti hielten wir GOtt zu Ehren ein Danckfeſt mit Predigen vnd muſiciren, daß Er vns ſo wol zur Stelle gebracht. Zu dieſem Feſte erſchiene auch auff des Großfuͤrſten verguͤnſtigung / vnſers gnaͤdigen Fuͤrſten vnd Herꝛen daſelbſt reſidirender Commiſ - ſarius, Balthaſar Moucheron. Dieſer berichtete / wie vnſer Ordnung im Einzuge den Ruſſen ſo wol gefallen / vnd Sie ſich verwundert hat - ten / daß in Deutſchland ſo vornehme Kneeſen oder Fuͤrſten waͤren / welche ſo eine anſehnliche Legation ſchickten konten.
Den 18 Dito kamen die Priſtaffen ſagten an: Daß Jhre Zaare Maytt. morgen den Herꝛn Geſandten offentliche audientz geben wolte / ſolten ſich derwegen in Bereitſchafft halten: Begehrten auch im Namen des Reichs Cantzlers die deſignation der Fuͤrſtlichen Præ - ſenten, ſo uͤberreichet werden ſolten / welche jhnen auch gegeben ward. Nachmittage kam der juͤngſte Priſtaff wieder vns zu vergewiſſern / daß wir morgen an Jhre Zaare Maytt. Hand kommen wuͤrden.
Weil wir den vorigen Tag vnzehlich viel Schuͤſſe auß groben Stuͤcken gehoͤret / vnd von vnſerm Quartier auff einer Wieſen viel Stuͤcke geſehen / vnd nicht wuſten was es bedeutete / hat der Priſtaffe berichtet: Daß Jhre Zaare Maytt. etzliche newe Stuͤcke probiren laſſen / vnd ſelbſt auß dem Fenſter mit zugeſehen. Andere aber vermei - neten / daß es darumb geſchehen / darmit die Schwediſche Legaten vernehmen ſolten / daß nicht alle Stuͤcke / wie man außgab / vor Schmolensko geblieben / ſondern ſie deren noch viel haͤtten.
Den 19 Auguſti fruͤhe kamen die Priſtaffen wieder zuwernehmen /Zur oͤffentli - chen Audientz geholet. ob wir vns zum Auffzuge ſchickten / vnd als Sie ſahen / daß wir bereit in vnſer Liberei vnd guter Ordnung begriffen waren / ritten ſie eilends wieder zu Schloſſe: Bald darauff wurden des Großfuͤrſten weiſſePferde27Reiſe Beſchreibung. Pferde zum Auffreiten gebracht. Vmb 9 Vhr kamen die Priſtaffen wieder / vnd lieſſen jhre newe Roͤcke vnd hohe Muͤtzen hinter ſich her - tragen / legten dieſelbe in der Geſandten Vorgemach an / vnd putzten ſich auffs beſte. Darauff ſatzten wir vns mit Manteln ohne Degen zu Pferde (weil es alſo der Gebrauch / vnd niemand mit dem Degen vor Jhre Zaare Maytt. erſcheinen darff) vnd ritten zum SchloſſeOrdnung im Auffreiten. in folgender Ordnung:
Nach dieſem 2 Kammer Junckern / welche in außgereckten Haͤn - den die Credentz Schreiben trugen / Eines an dem Großfuͤrſten / vnd eines an den Patriarchen, Jhre Zaare Maytt. Herꝛn Vater Phi - laret Nikiditz, (denn ob zwar derſelbe / weil wir vnterwegens / mit Tode abgegangen / wurde es doch fuͤr gut angeſehen / ſolches Schrei - ben dem Großfuͤrſten mit zu uͤberreichen.)
Darauff ritten die zwey Herꝛn Geſandten zwiſchen zweyen Pri - ſtaffen / welche zwey Tolmetſcher vor ſich herreiten hatten.
D ijNe -28Newe PerſianiſcheNeben den Geſandten giengen vier Lackeyen / hinter jhnen aber ritten die Pagen.
Von der Geſandten Quartier biß auff das Schloß vor der Au - dientz Saall / uͤber eine halbe viertel Meile / waren geſtellet uͤber 2000 Strelitzen oder Mußquetirer auff beyden ſeiten gedrucket an einan - der / durch welche wir reiten muſten: Hinter dieſe / auff allen Gaſſen / Haͤuſern vnd Daͤchern ſtund das Volck heuffig / vnſern Auffzug zu zuſehen. Vnterwegens kamen etzliche Poſten in vollen Sporen - ſtrich vom Schloſſe / gleich im Einzuge vns entgegen / ſagten dem Priſtaffen an / daß wir bald geſchwinde bald langſamb reiten / bald gar ſtille halten ſolten / darmit Jhre Zaare Maytt. nicht ehe oder lang - ſamer ſich auff den audientz Stuel ſetzte / biß die Geſandten verhanden.
Als wir auff dem Oberplatze des Schloſſes / der Poſolski Precaſe oder Geſandten Cantzeley vorbey vnd abgeſeſſen / traten die Offieirer vnd Hoffjunckern in jhre Ordnung: Der Marſchall aber gieng vor der Præſenten, vnd wir vor den Geſandten her: Man fuͤhrte vns zur lincken Hand durch einen gewoͤlbeten Gang / vnd in denſelben einer ſehr ſchoͤnen Kirchen / (in welcher ſie eben jhren Gottesdienſt hielten) vorbey / Auff den Oberplatz zur rechten Hand gelegenen Audientz Stube. Wir muſten aber darumb jhre Kirche vorbey gefuͤhret wer - den / weil wir Chriſten waren: Die Tuͤrcken / Tartern vnd Perſer aber werden nicht denſelben Weg / ſondern gleich mitten uͤber den Platz zu einer Steinern Stiege hinauff gebracht.
Vor der Audientz Stuben muſten wir durch ein gewelbetes Ge - mach / in welchem rings herumb alte anſehnliche Maͤnner / mit langen grawen Baͤrten / in guͤldenen Stuͤcken / vnd hohen Zobeln Muͤtzen ſaſſen vnd ſtunden. Die ſollen Jhre Zaare Maytt. Goſen oder vor - nembſte Kauffleute ſeyn / die Kleidung aber gehoͤret in Jhre Zaare Maytt. Schatz / vnd wird nur bey ſolchen Solenniteten herauß gege - ben / vnd wieder eingeliefert.
Als die Geſandten vor die Thuͤre dieſes Vorgemaches kamen / traten auß der Audientz Stube zwene von J. Z. M. abgeordnete Bo - joren in guͤldenen vnd mit Perlen geſtickten Roͤcken / empfingen die Geſandten vnd ſagten: Daß Jhre Zaare Maytt. Sie begnadiget haͤt - te mit jhren Hoff Junckern vor jhme zu erſcheinen. Die Præſenten wurden im ſelbigem Gemache zu ruͤcke behalten / vnd die Geſandten / denen die Officirer, Hoff Junckern vnd Pagen folgeten / hinein fuͤr Jhre Zaare Maytt. gefuͤhret: Jn deme Sie zur Thuͤr hinein tra - ten / gieng des Zaaren vornembſter Tolmetſcher Hans Helmes / ein Mann von 60 Jahren / vorher / wundſchete dem groſſen Herꝛn Zaarn vnd Großfuͤrſten Gluͤck / langes Leben / vnd meldete der HolſteiniſchenAudientz Stube. Geſandten Eintritt an. Die Audientz Stube war ein vierecket Steinern Gewoͤlbe / vnten vnd auff den ſeiten mit ſchoͤnen Tapeten beleget / oben mit Gold vnd allerhand Farben gemahleten BibliſchenHiſto -
29Reiſe Beſchreibung. Hiſtorien gezieret. Des Großfuͤrſten Stuel war hinten an der Wand mit drey Stuffen von der Erden erhaben / ſo mit vier Silbern vnd verguͤldeten / drey Zoll dicken Seulen vmbgeben / auff welchen die Decke als ein von drey Elen hoch auffgefuͤhret Thuͤrmlein ruhete: Auff jeglicher ſeite ſtund ein Silberner Adler mit außgeſperreten Fluͤ - geln. Es wurde aber dazumahl ein viel herꝛlicher vnd praͤchtiger Stuel gemachet / zu welchem 800 pfund Silber / vnd 1100 Ducaten zu verguͤlden / gegeben wurden: Jſt mit allen Vnkoſten auff 25000 Thaler geſchaͤtzet / vnd drey Jahr vom Deutſchen vnd Ruſſen / derer fuͤrnembſter war Meiſter Eſaias Zinckgraͤff ein Nuͤrenberger / daran gearbeitet worden.
Auff vorgedachtem Stule ſaß Jhre Zaare Maytt. in einem mit allerhand Edeln-Geſteinen beſetzten vnd groſſen Perlen geſtickten Rocke: Die Krone / ſo Er uͤber einer ſchwartzen Zobeln Muͤtze auff hatte / war mit groſſen Diamanten verſetzet / wie auch der guͤldene Scepter / welchen er in der rechten Hand hielte. Vor Jhre Zaare Maytt. Stuel ſtunden vier junge ſtarcke Kneſen / zwey auff jeglicher ſeiten / mit weiſſen Damaſchen Roͤcken / hohen von Luchs Fell gemach - ten Muͤtzen / vnd weiſſen Stiefeln angethan: Vber der Bruſt mit guͤldenen Ketten Creutzweiſe behaͤnget: jeglicher hielt ein ſilbern Beil als zum Hiebe auff der Schulter. An den Waͤnden herumb zur Lin - cken vnd gegen dem Zaar ſaſſen die voꝛnembſten Bojoren, Kneſen vnd Reichs Raͤhte uͤber 50 Perſonen / alle in ſehr koͤſtlichen Kleidern vnd hohen ſchwartzen Fuchs-Muͤtzen / welche ſie nach jhrer manier ſtets auff den Koͤpffen behielten. Neben des Großfuͤrſten Stuel zur Rech - ten ſtund der Reichs-Apffel in groͤſſe einer Boeßkugel von Golde auff einen Silbern durchgebrochenen Pyramide, ſo zwey Elen hoch: Bey denſelben ein guͤlden Handbecken vnd Gießkanne mit einem Hand - tuche / darmit Jhre Zaar Maytt. wenn die Geſandten an dero Hand geweſen / ſich wieder waͤſchet / wie ſolches im Kupfferſtuͤcke mit mehren angedeutet. Bey fuͤnff Schritte vom Stuele zur Rechten ſtund der Reichs Cantzler.
Als nun die Geſandten mit gebuͤrender Ehrerbietung hinein ge - treten / wurden ſie gleich gegen Jhre Zaar Maytt. auff zehen Schritte uͤber geſtellet / vnd hinter dieſelben der Comitat, zur Rechten aber die 2 Edelleute mit den Credentz-Schreiben / ſo ſtets empor gehalten wurden. Des Großfuͤrſten Tolmetſcher Hans Helms tratt den Geſandten zur lincken Hand. Darauff winckte Jhre Zaare Maytt. den Reichs Cantzler vnd ließ den Geſandten ſagen / daß Er ſie begna - digte ſeine Hand zu kuͤſſen / vnd als ſie / einer nach dem andern / hinzu tratten / nam Jhre Zaare Maytt. den Scepter in die lincke Hand / vnd reichte mit freundlichen Geberden jeglichem die Rechte entgegen / vnd ließ ſie kuͤſſen / jedoch mit Haͤnden vnangeruͤhret: Hernach ſagte der Reichs Cantzler / was die Herꝛn Geſandten anzubringen haͤtten / dasD iijſol -30Newe Perſianiſcheſolten ſie thun. Der Geſandte Philippus Cruſius fing an brachte Jhre Zaare Maytt. von Jhre Fuͤꝛſtl. Gn. vnſerm gnaͤdigen Fuͤrſten vnd Herꝛn den Gruß / conteſtirte auch die Condolentz wegen des Patriarchen Todes: Daß Jhre Fuͤrſtl: Gn. vermeinet hetten / GOtt wuͤrde denſelben noch biß dato beym Leben erhalten haben / darumb auch ein Schreiben an jhm geſandt / welches neben dem an Jhre Zaare Maytt. ſie mit gebuͤrender Obſervantz hirmit uͤber - reichen wolten: Darauff namen die Geſandten die Creditiv Schrei - ben vnd giengen vor Jhre Zaare Maytt. welcher dem Cantzler winck - te / dieſelbe nach ſich zu nehmen.
Als die Geſandten wieder zu ruͤcke getretten / rieff Jhre Zaare Maytt. den Reichs Cantzler abermahl zu ſich / vnd ſagte was er den Geſandten antworten ſolte / Dieſer gieng vom Zaar auff fuͤnff Schritt zu den Geſandten / vnd ſagte: Der groſſe Herꝛ / Zaar vnd Groß - fuͤrſt / ꝛc. laͤſſet dir Geſandten Philippo Cruſio vnd dir Geſandten Otto Bruͤggeman ſagen / daß Er ewres Fuͤrſten Hertzog Friedrichs Schreiben empfangen / wil es in Ruſſiſcher Sprache uͤberſetzen / durch ſeine Bojaren darauff Beſcheid geben laſſen / vnd Hertzog Friedrichen auff eine andere zeit wieder ſchreiben. Jn dem der Cantzler aber des Großfuͤrſten vnd Jhre Fuͤrſtl: Gn. Titull auß den Zettel laß / ent - bloͤſte er das Haupt / vnd ſatzte alſobald die Muͤtze wieder auff. Hinter den Geſandten wurde eine Banck / mit einem Tapet beleget / geſetzet / auff welche Sie nach Jhre Zaare Maytt. willen / ſich ſetzen muſten. Dann muſte der Cantzler ſagen: Daß Jhre Zaare Maytt. auch der Geſandten Officirer vnd Hoff Junckern begnadigte jhm die Hand zu kuͤſſen.
Als dieſes geſchehen / erhub Jhre Zaare Maytt. ſich ein wenig im Stuele / vnd fragte ſelbſt die Geſandten / mit dieſen Worten: Knees Frederick Jescho sdoroff? Daß iſt: Jſt Hertzog Friedrich noch ge - ſundt vnd gehets jhm auch noch wol? Darauff wurde geantwortet: Wir haͤtten Jhre Fuͤrſtl: Gn. Gott lob in vnſern Abreiſen noch in guter Geſundheit vnd Wolſtande gelaſſen / GOtt gebe Jhre Zaare Maytt. vnd Jhre Fuͤrſtl: Gn. ferner Geſundheit vnd gluͤckliche Regierung.
Nach dieſem tratt herfuͤr des Großfuͤrſten Hoffemeiſter / verlaßDie Geſchen - cke præſen - tiret. die deſignation der Fuͤrſtl: Geſchencke / welche auch alſoforth hinein gebracht vnd eine weile gehalten wurden / biß der Cantzler winckte / die - ſelben wieder hinauß zu tragen / darauff redete der Cantzler ferner vnd ſagte: Daß der Zaar vnd Großfuͤrſt aller Reuſſen / vnd ein Herꝛ vnd Herꝛſcher vieler Herꝛſchafften die Herꝛn Geſandten weiter zu reden begnadiget hette / welche dann vermuͤge der zwiſchen J. K: M. zu Schweden vnd J. F. Gn. zu Schleßwig Holſtein des Perſiſchen Wercks halber auffgerichteten Capitulation mit den Schwediſchen Herꝛn Legaten zugleich geheime Audientz zu haben baten.
Auff31Reiſe Beſchreibung.Auff dieſes ließ Jhre Zaare Maytt. fragen / obs den Geſandten auch noch wol gienge / vnd ſagen / daß er Sie begnadigen wolte heute von ſeiner Taffel zu ſpeiſen: Darauff wurden die Herꝛn Legaten durch die zwo Bojaren ſo ſie hinein gefuͤhret / wieder herauß begleitet. Wir ritten mit den Priſtaffen vnd Strelitzen in voriger Ordnung wie - der nach Hauſe.
Bald hernach kam des Großfuͤrſten Kammer Juncker einer / ſo ein Knees vnd ein groſſer anſehnlicher Mann war / in praͤchtigen Klei - dern auff einem wol außgeputzten Pferde geritten / deme viel Ruſſen fol - geten / im Namen Jhre Zaare Maytt. die Geſandten zu tractiren. Etzliche von deſſen Voͤlckern belegten die Taffel mit einem langen weiſſen Taffeltuche / vnd ſetzten darauff klein gerieben Saltz in einem ſilbern Saltzfaſſe: Zwo ſilberne Kaͤnnichen voll Eſſig / etzliche groſſe Pocall: Meethſchalen / deren Diameter anderthalb Viertel / drey von klarem Golde vnd zwey Silberne: Ein lang Meſſer vnd Gabel / welche neben den andern Geſchirꝛen mit Fleiß abgeconterfeit auff den Kupffer zu finden.
Der Großfuͤrſtliche Abgeordnete verfuͤgete ſich oben an die Taf -Die Geſand - ten von des Großfuͤrſten Taffel geſpei - ſet. fel / vnd hieß die Geſandten neben ſich ſitzen / die Hoff Junckern vnd Officirer warteten vor der Taffel auff. Er ließ drey groſſe Pocall mit Alecanten: Reiniſchen Wein vnd Meeth eingeſchenckt vor die Le - gaten ſetzen / Befahl darauff die Eſſen / ſo von Jhre Zaare Maytt. Taffel in 38 meiſten theils Silbern / jedoch nicht gar blancken / groſſen Schuͤſſeln von allerhand gekochtes vnd gebratenes / wie auch ge - backenes eines nach dem andern auff die Taffel ſetzen / vnd wenn nicht mehr Raum / die erſtgeſetzte wieder abnehmen. Als das letzte Ge - richt auff den Tiſch kam / ſtund der Knees auff / forderte die Geſand - ten auch vor der Taffel zu kommen / ſagende: Diß waͤren die Speiſen ſo Jhre Zaare Maytt. den groſſen Holſteiniſchen Geſandten durch Jhm reichen lieſſe / ſolten darmit vorlieb nehmen: Nam darauff eine groſſe guͤldene Schale voll ſehr ſuͤſſen vnd wolgeſchmeckten Hindbee - ren Meeth / vnd tranck Jhre Zaare Maytt. Geſundheit den Geſand - ten zu / gab auch jhnen vnd vns jeglichem dergleichen Schalen vnd Ge - traͤncke in die Hand / wir muſten alle zugleich außtrincken. Einer von vns / weil er etwas weit von jhme ſtund / vnd wegen vielheit des herumb - ſtehenden Volcks die Schale auß ſeiner Hand nicht wol empfangen kunte / wolte dieſelbe Jhm uͤber die Taffel auff der andern ſeiten zu rei - chen laſſen. Der Kneß aber wegerte es / winckte jhm hervor zukom - men / vorgebende: Die Taffel bedeutete jtzo des Ruſſiſchen Kaͤyſers Taffel / hinter welche niemand / ſondern alle davor / ſtehen muſten.
Nach der erſten Geſundheit folgeten auff gleicher manier auch Jhre Fuͤrſtl: Gn. vnſers gnaͤdigen Fuͤrſten vnd Herꝛen / mit dieſen Worten: GOtt wolle Jhre Fuͤrſtl: Gn. bey langer Geſundheit er - halten vnd geben / daß Sie mit Jhre Zaare Maytt. in guter Einigkeitvnd32Newe Perſianiſchevnd Freundſchafft allezeit verbleiben muͤgen. Zuletzt gieng auch die Geſundheit des jungen Printzen / Jhre Zaare Maytt. Herꝛn Sohns herumb.
Nach dieſem ſatzten ſie ſich wieder zur Taffel / truncken noch et - liche Schalen Kirſch: vnd Brombeeren Meeth. Die Legaten ver - ehreten Jhm einen verguͤldeten Pocall von 54 Loth / denſelben ließ er vor ſich hertragen / vnd ritte alſo wieder hinauff zum Schloſſe.
Den 20 Auguſti kamen vnſere Priſtaffen wieder zu vns / ſagten: Daß Jhre Zaare Maytt. vns begnadigte außzugehen / die Stadt ſtuͤnde vns offen / wenn vns beliebte zu reiten / ſolten Pferde geſchicket werden. Es waͤre auch den Schwediſchen Geſandten vnd jhren Voͤl - ckern zu vns / vnd wir zu jhnen zu kommen / vergoͤnnet. Diß war vor vielen ein Wunder: Dann es haben die Moßcowiter vor dieſem im Gebrauch gehabt / daß niemand von den Geſandten / noch deren Voͤl - cker jemals ſo lange ſie in Mußcow geweſen / alleine haben außgehen duͤrffen / wenn ſie ja nothwendig auſſer dem Quartier zu verrichten ge - habt / hat ein Strelitze mit jhnen gehen muͤſſen / Vns aber vnd den Schwediſchen ward die Freyheit ohne Strelitzen außzugehen / auß ſonderlicher affection vergoͤnnet.
Es kamen auch den dritten Tag hernach die Priſtaffen mit einem Tolck vnd des Großfuͤrſten vnter-Stallmeiſter / brachten 6 von Jhre Zaare Maytt. Pferden / vnd begleiteten vnſere Geſandten zu den Her - ren Schwediſchen. Wir hielten auch hernach zum offtern vnſere Zu - ſammenkunfften vnd gute Correſpondentz vntereinander.
Den 23 Dito hatten die Herꝛen Legaten etliche gute Freunde als Doct. Wendelinum, den Apotecker vnd andere Jhre Zaare M. bediente zu ſich zur Taffel gebeten: Dieſen aber / als ſie den Cantzler vmb Erlaubnuͤß gebeten / iſts verweigert vnd verbotten worden in dreyen Tagen nicht zu vns zukommen / Dann die Ruſſen hatten die Præſenten, als bey jhnen gebraͤuchlich / noch nicht ſchaͤtzen laſſen / vnd weil vnter andern eine Chymiſche Apoteck war / ſolten dieſe die æſti - matores ſeyn.
Den 24 Dito kam H. Arendt Spiering General Licent Ver - walter uͤber Liffland / ſo von der Cron Schweden jhren Geſandten nachgeſchickt worden / vor Mußcow an / welchen die Ruſſen anfaͤng - lich nicht als einen Geſandten mit gebraͤuchlichen Solenniteten ein - holen wolten / Als aber die andern Schwediſchen Herꝛn Geſandten ſolches uͤbel empfunden / eyferig darwieder redeten / haben die Ruſſen doch endlich einen Priſtaffen hinauß geſchicket / vnd denſelben empfan - gen vnd einholen laſſen.
Den 1. Septembris begiengen die Mußcowiter hochfeyerlich jhr New Jahr. Sie zehlen aber jhre Jahr von Erſchaffung der Welt her vnd halten davor / daß vmb dieſe Zeit die Welt iſt erſchaffen worden. Jhre Jahrzahl war damals 7142. Die Proceßion hiebey war wolanzu -33Reiſe Beſchreibung. anzuſehen: Auff dem Schloßhoffe verſamleten ſich uͤber zwantzig tau - ſend Mann jung vnd Alt. Auff den Oberplatz kam der Patriarch mit ſeiner Cleriſey bey 400 Popen in Prieſterlichen Schmucke mit ſehr vielen Fahnen Bildern / vnd auffgeſchlagenen alten Buͤchern / giengen auß der Kirchen ſo zur rechten Hand im hinauffgehen lieget. Jhre Zaare Maytt. aber kam mit ſeinen Reichs-Raͤhten Bojaren vnd Kneſen von der lincken Hand des Platzes: Der Großfuͤrſt mit bloſ - ſem Haͤupte vnd der Patriarch in einen Biſchoff Hute / giengen beyde alleine zuſammen / vnd kuͤſſeten einander auff den Mund: Der Pa - triarcha reichte auch Jhre Zaare Maytt. ein Creutz einer Spannen - lang mit groſſen Diamanten vnd andern Edelgeſteinen verſetzt / daſ - ſelbe zu kuͤſſen. Nach dieſem ſprach er mit vielen Worten den Segen uͤber Jhre Zaare Maytt. vnd der gantzen Gemeine / vnd wuͤndſchete allen Gluͤck zum Newen Jahr / das Volck rieff Amin! Es ſtunden auch vnzehlich viel Ruſſen / welche jhre Supplicationes in die hoͤhe hiel - ten / vnd dieſelben mit vielem Geſchrey dem Großfuͤrſten fuͤrworffen / welche auffgeſamblet vnd J. Z. M. ins Gemach gebracht wurden. Darauff giengen Sie in Proceßion jeglicher wieder an ſeinen Ort.
Den 3 Septembris wurden etliche von den Schwediſchen Herꝛn Legaten, als: H. Gyllenſtiern, Herꝛ Bureus vnd Herꝛ Spiering / derer Expedition auff vnſer Werck gerichtet (dann die andern Herꝛn Geſandten als Herꝛ Philip Scheiding vnd Oberſte Heinrich Fle - ming waren nur in Sachen der Cron Schweden geſchickt) zur oͤf - fentlichen Audientz gefuͤhret mit ebenmeſſigen Ceremonien als die vnſerige / vnd weil ſie auch angehalten / mit Vns zugleich zur gehei - men Audientz zu kommen / iſts jhnen zugeſaget worden: SeyndDie erſte ge - heime Au - dientz. auch darauff den 5 dieſes mit einander in gewoͤhnlicher Pompa vnd Ceremonien auffgeritten: Man fuͤhrete ſie uͤber den Oberſten Platz des Schloſſes zur Lincken durch ein Gemach / welches voller alte An - ſehnliche Maͤnner in guͤldenen Stuͤcken vnd hohen Muͤtzen ſaſſen / in die geheime Audientz-Stuben / Jn derſelben ſaſſen vier Perſonen ſo geheime Audientz zu geben verordnet waren / als zwey Bojaren, vnd zwey Cantzler / waren mit ſehr koͤſtlichen Kleidern angethan: Jhre Roͤcke Guͤldenſtuͤck / mit ſehr groſſen Perlen vnd Edelgeſteinen breit geſticket / uͤber die Bruſt mit groſſen guͤldenen Ketten Creutzweiſe behaͤnget / Die Bojaren hatten auff den Haͤuptern jeglicher ein bonnet (als bey vns die Calotten) mit groſſen Perlen uͤber vnd uͤber geſticket / auff derer Wirbel ein Kleinoth: Die andern zwey aber ſaſſen in jhren gebraͤuchlichen hohen ſchwartz-Fuͤchſen Muͤtzen. Die Geſandten wurden von jhnen freundlich empfangen vnd neben ſie zu ſitzen genoͤti - get. Die Bojaren ſatzten ſich zu erſt / vnd zwar hinten in der Stuben am Fenſter / da die ſeiten Baͤncke im Winckel zuſammen ſtieſſen / oben an: Die Geſandten wurden hinten an die Wand geſetzet / die zwey Cantzler aber namen jhre Stelle forne gegen den Geſandten auff einerEBanck34Newe PerſianiſcheBanck ohne Lene (wie dann in gemein ſolche Baͤncke in Rußland ge - braͤuchlich.) Jn derer mitten tratt Jhre Zaare Maytt. geheimer Dolmetſch Hans Helms / vnſere Voͤlcker aber vnd Priſtaffen ſo die Geſandten hinein begleitet / muſten hinauß ins Vorgemach / ohne zwey Secretarij vnd 2 Tolcken / neben ein Ruſſiſchen Schreiber / wel - che ſtehen blieben / vnd das Protocol halten muͤſten.
Als ſie ſich geſetzet / fragte der Oberſte Bojar, ob auch die Herꝛn Geſandten an Eſſen vnd Trincken vnd andern nothwendigen Sa - chen genugſam verſehen waͤren? Als aber fuͤr gute tractamenta vnd aller Dinge uͤberfluß gedancket ward / ſtunden ſie alle auff mit entbloͤſ - ſeten Haͤuptern / vnd fing der erſte an: Der groſſe Herꝛ Zaar vnd Großfuͤrſt (mit recenſirung des gantzen Titels) vnd ſatzten ſich dar - auff wieder nieder / laͤſſet euch Koͤnigl: vnd Fuͤrſtlichen Geſandten ſa - gen: Daß er die Brieffe in die Ruſſiſche Sprache hat uͤberſetzen laſ - ſen / dieſelbe uͤberleſen / auch ewre muͤndliche Rede in offentlicher Au - dientz vernommen.
Darauff fing der andere an (wieder auffſtehend als vorhin) Der groſſe Herꝛ / ꝛc. wuͤndſchet der Koͤnigin in Schweden vnd dem Fuͤr - ſten in Holſtein alle Wolfarth vnd Sieg wieder jhre Feinde / vnd laͤſ - ſet euch wiſſen / daß er die Koͤnigliche vnd Fuͤrſtliche Schreiben mit Fleiß uͤberleſen / vnd jhre Meinung darauß vernommen hat.
Der dritte mit ebenmeſſigen Ceremonien, Der groſſe Herꝛ / ꝛc. hat auß den Schreiben verſtanden / daß man euch ſolle in deme was jhr reden werdet / Glauben zuſtellen / welches auch geſchehen ſol / vnd Jhre Zaare Maytt. wil darauff antworten.
Der vierdte: Daß ſie von Jhre Zaare Maytt. abgeordnet waͤ - ren zu vernehmen was der Geſandten Anbringen vnd Begehren waͤre. Verlaſe darauff der von Jhre Zaare Maytt. zur geheimen Audientz verordneten Namen / Als nemblich:
Der Verwalter auff Twere, Knes Boris Michaelowitz Li - kouw Obolenskoi.
Der Verwalter auff Tarschock, Vaſili Ivanowitz Stresnow.
Die zwey Dumnoi Diaken, Als:
Ivan Taraßowitz Grammatin, Verſiegeler vnd Ober-Cantz - ler. Vnd
Ivan Offonaßiowsin Gawarenow vnter-Cantzler.
Nach verleſung derer ſtunden Sie alle wieder auff / vnd fieng der Koͤnigl: Schwediſche Legate Herꝛ Ericus Gyllenſtiern an / in Deutſcher Sprache in Namen Jhre Koͤnigl: Maytt. zu Schweden zu dancken / daß Jhre Zaare Maytt. Sie zur geheimen Audientz verſtatten wollen / laß darauff jhre Propoſition auff einen Bogen verfaſſet / vnd als die vnſerige ſo etwas laͤnger auch zu verleſen ange - fangen / den Raͤhten aber die zeit anzuhoͤren zu lang fallen wolte / for - derten ſie beyde Propoſitiones ſchrifftlich vnd giengen darmit zu JhreZaare35Reiſe Beſchreibung. Zaare Maytt. hinauff / lieſſen die Geſandten vnter deſſen in der gehei - men Audientz-Stuben alleine warten.
Es traten aber vnſere Priſtaffen vnd etliche der Voͤlcker wieder zu den Geſandten hinein / uͤber eine halbe Stunde kam der vnter - Cantzler alleine wieder mit Bericht / daß wir auff dißmahl vnſern Be - ſcheid haͤtten / ſolten nur wieder nach Hauſe reiten / die Propoſitiones ſolten ſchleunigſt translatiret werden / vnd alsdann Antwort darauff erfolgen. Wir ritten alſo wieder nach vnſerm Quartier.
Den 10 Septemb. ſeynd die Schwediſche Herꝛn Legaten inge - ſampt wegen jhres Reichs Sachen / zur letzten geheimen Audientz auffgeholet worden.
Den 12 dieſes ritten drey Tartariſche Geſandten auff / ohne Ge -Cyrcaſſiſche Tartern zur Audientz ge - ritten. praͤnge / waren von den Cyrcaſſiſchen Printzen / ſo des Großfuͤrſten Vasal iſt / geſchickt / hatten 16 Diener hinter ſich herlauffen. Sie rit - ten in rothen grob tuchenen Roͤcken auff / vnd kamen in ſeiden Dama - ſchen roth vnd geelen Roͤcken / ſo jhnen der Großfuͤrſt verehret / wie - der herunter.
Den 15 dieſes kamen die Priſtaffen vnd berichteten / daß den vori - gen Tag die Großfuͤrſtin einer jungen Tochter geneſen / welche allbe - reit getauffet vnd Sophia genennet worden. Denn die Ruſſen jhre
E ijKin -36Newe PerſianiſcheKinder nicht vngetaufft liegen laſſen / auch bey der Tauffe nicht / wie in Deutſchland / groß Gepraͤnge vnd Convivia halten. Der Pa - triarch ſol / gleich bey allen des Großfuͤrſten Kindern / Gefatter geſtan - den ſeyn. Wir genoſſen auch ſolcher Frewden / in dem vns vnſer Korm oder Proviant denſelben Tag doppelt gereichet ward.
Den 17 dieſes kam ein Tuͤrckiſcher Legate vor Mußcow an /Ein Tuͤrcki - ſcher Legate in Mußcow praͤchtig ein - geholet. welcher mit ſechszehen tauſend Mann zu Pferde / vnd ſehr groſſer Pracht eingeholet ward / zu ſo einem groſſem Heer wurden nicht mehr als ſechs Standarden gezehlet. Die erſte / zur Leib Compagnia gehoͤrig / war von weiſſen Atlaß / in welcher ein doppelter Adler mit dreyen Cronen in einem Lorbeer Krantze eingefaſſet / mit dieſer uͤber - ſchrifft: VIRTUTE SUPERO. Jtem drey blawe vnd weiſſe / in der einen ein Greiff / in der andern eine Schnecke / in der dritten ein Arm mit dem Schwerdte. Jtem eine von rohten Damaſch / in welcher der Janus mit zweyen Geſichten gemahlet / vnd dann ein rohtes / ſo leer war. Man vermeinete / daß auff Angeben der Deutſchen Officirer ſo vor Schmolensko gezogen / ſolche Emblemata ſeynd eingeſchrie - ben worden. Vor jegliche Standarde ritten Schalmeyer vnd Heer - paucker / vor den Leib Corneth aber ſechs Trompeter / ſo auff jhre ma - nier ſich mit Blaſen luſtig hoͤren lieſſen. Etliche Kneſen ritten auff ſtattlichen Perſiſchen / Polniſchen vnd Deutſchen wol außgeputzten vnd gezierten Pferden / vnter denen auch zehen Großfuͤrſtliche Pferde / mit ſo groſſen ſilbern Ketten / derer bey vnſerm Einzuge gedacht / behaͤnget.
Vnſer etliche haben mit den Schwediſchen eine Compagnia von 50 Perſonen gemacht / vnd ſeynd mit dem Schwediſchen Marſchall / dem Wol Edlen Wolff Spar / als vnſern Capitain, dem Tuͤrcken auff eine Meile entgegen geritten. Dieſer als Er vns anſichtig ward / ſaheAuffzug des Tuͤrcken bey deſſen An - kunfft vor Mußcaw. vns ſcharff in die Augen / gleich wir auch jhm: Wir ritten eine gute weile neben jhm her / vnd beſahen ſeinen Comitat vnd Auffzug / welcher ſich alſo præſentirte: Zu erſt ritten 46 Strelitzen mit Bogen / Pfeil vnd Saͤbeln behaͤnget / darnach der Priſtaff im guͤlden ſtuͤcken Rocke / deme folgeten 11 Perſonen / in rohten Sammitten Roͤcken ſo theils Tuͤrckiſche vnd Griechiſche Kauffleute / theils Geiſtliche der Griechen / hernach des Geſandten Marſchall alleine: Nach dieſem 4 Leibſchuͤ - tzen mit Bogen vnd Pfeil / Dann 2 in ſehr ſchoͤnen Kleidern als ſeine Cammer Junckern / darauff folgete der Geſandte ſelbſt / Er war eine Perſon mittelmaͤſſiger groͤſſe / im Geſichte gelbicht mit einem Kohl - ſchwartzen runden Barte / ſein Vnterrock war von weiſſen Atlaß mit bunten Blumen / der uͤber-Rock aber von guͤlden Stuͤcke mit Luxfell gefuttert / auff den Kopffe hatte Er / wie auch alle ſeine Leute / einen weiſſen Bundt.
Er ſaß in einen ſchlechten weiſſen hoͤltzern Wagen / war aber mit einen ſehr koͤſtlichen von Golde gewirckten Tapet behaͤnget. Hinterjhm37Reiſe Beſchreibung. jhm fuhren uͤber 40 Bagage Wagen / auff deren jeglichen ein oder zwey Diener ſaſſen.
Als ſie nun noch eine viertel Meile von der Stadt / vnd der Ge - ſandte vermutete / daß die Ruſſen / ſo jhn empfangen ſolten nicht ferne / ſatzte er ſich auff ein ſchoͤn Arabiſch Pferd. Wie er einen Piſtolenſchuß geritten / kamen jhm zwey Priſtaffen mit des Großfuͤrſten Pferden als wie gebraͤuchlich entgegen / vnd hielten ſo lange zu Pferde biß der Geſandte erſt abgeſtiegen / hingegen die Tuͤrcken / ob ſchon bey nen - nung des Großfuͤrſten die Ruſſen jhre Muͤtzen abnahmen / lieſſen ſie doch / nach jhres Landes art jhre Buͤnde auff den Koͤpffen ſtehen / ga - ben auch ſonſt kein Zeichen der Ehrerbietung.
Nach dem der Geſandte empfangen war / ſatzten die Ruſſen ſich alſobald wieder zu Pferde / vnd ob der Tuͤrck zwar ſich auch nicht ſaͤu - mete / war jhme doch ein ſehr hoch vnd ſo muͤhtig Pferd mit einem ho - hen Ruſſiſchen Sattel gegeben / daß er viel zu thun hatte / ehe Er auff - kommen koͤnte / Vnd als er endlich / wie wol nicht ohn Gefahr auffge - ſtiegen / fuͤhrten jhn die Priſtaffen in der mitten auff den Alten abge - branten vnd erſt wieder auffgebaweten Geſandten Hoff / ſo balde der ins Quartier / wurde der Hoff feſte verſchloſſen vnd mit ſtarcker Wacht beſetzet.
Bey Einzuge deſſen waͤren vnſere Geſandten gerne bey den Schwediſchen / von denen ſie auch gebeten waren / geweſen / weil der Geſandten Hoff nahe bey der Schwediſchen Quartier / auß welchen man auff den Hoff der Tuͤrcken ſehen kunte / Der Reichs Cantzler aber ließ die Herꝛn freundlich bitten / daß ſie jhnen wolten belieben laſ - ſen / doch nur dieſen Tag / vmb gewiſſer Vrſachen / innen zu bleiben.
Den 19 dieſes haben wir mit den Koͤnigl: Schwediſchen HerꝛnDie andere geheime Au - dientz. Geſandten / die andere geheime Audientz gehabt.
Den 23 Septemb. iſt der Tuͤrckiſche Legate in folgender Ord - nung zur oͤffentlichen Audientz gefuͤhret worden.
Erſtlich ritten 20 Coſacken auff weiſſen Großfuͤrſtlichen Pfer - den / denen folgeten die Tuͤrckiſche vnd Griechiſche Kauffleute / hin - ter dieſen wurden die Præſenten getragen / Als nemblich: 20 Stuͤck guͤlden Lacken / jedes von einem Ruſſen hinter einander.
Ein guͤlden Creutz uͤber eines Fingers lang mit Diamanten ver -Die Præſen - ten des Tuͤr - cken an den Großfuͤrſten. ſetzt auff eine ſilberne Schuͤſſel geleget.
Ein Cryſtallen Kaͤnnichen mit Golde eingefaſſet vnd mit Edel - geſteinen verſetzt.
Ein Guͤrtel zum Saͤbel mit Golde durcharbeitet / vnd mit Edel - geſteinen verſetzet.
Eine ſehr groſſe Perle in einer Schuͤſſel auff rohten Taffend liegend.
Zwey Hauptgeſtelle / vor vnd hinter Zeug ſehr kuͤnſtlich gemachet.
Zwey Satteldecken mit Gold vnd Perlen geſticket.
E iijEin38Newe PerſianiſcheEin groſſer Diamanten Ring / auch auff einer Schuͤſſel.
Ein Rubin faſt eines Reichsthalers groß in Golde verfaſſet.
Ein ſchoͤn Bulaf faſt in Form eines Scepters / wie die Tuͤrcki - ſchen Obriſten in Haͤnden zu tragen pflegen.
Hierauff ritten 4 paar Tuͤrcken / dann zwey junge wol außge - putzte Leute ſo die Creditifen vor den Geſandten auff langen rothen ſeidenen Tuͤchern trugen / waren faſt einer Elen lang zuſam̃en geleget.
Die Geiſtlichen Griechen waren nicht bey ſolchem Auffzuge / hat - ten aber den 28 Dito abſonderliche Audientz, wurden durch zwene alte Ruſſiſche Pfaffen zu Pferde auffs Schloß geholet / droben aber von vielen Pfaffen zur Audientz begleitet / Jhre Præſenten waren:
Sechs Schuͤſſeln mit heiligen Gebeinen deren etliche verguͤldet.
Ein mit Golde durchgewircketes vnd mit Perlen geſticktes Fut - ter zum Meßgewand.
Ein Hauptgeſtelle zum Pferde mit Edelgeſteinen verſetzt.
Zwey guͤldene Stuͤck.
Ein Meßgewandt.
Ein Stuͤck ſilbern Tobin mit guͤlden Blumen.
Hierauff folgeten die Griechen in braunen Camlotten Roͤcken in oberwentes Geleite der Ruſſiſchen Muͤnche vnd Pfaffen / vnd lieſſen einen Biſchoff Stab empor vor ſich hertragen.
Es hatten vnſere Geſandten auch ein Schreiben von Jhre Churfuͤrſtl: Durchl: zu Sachſen an Jhre Zaare Maytt. haltend / vnd weil es vor rathſamb angeſehen wuͤrde / daß es Jhre Zaare Maytt. auch in oͤffentlicher audientz uͤbergeben wuͤrde / Jſt der Michaelis Tag von den Ruſſen dazu angeſtellet worden / da dann das Schrei - ben von dem Wol Edlen Johan Criſtoff von Vhteritz auff geel vnd ſchwartzen Taffet vor die Geſandten hergetragen ward: Der Groß - fuͤrſt empfieng ſolches auch gantz freundlich vnd fragte nach Jhre Churfuͤrſtl: Durchl: Geſundheit vnd Zuſtande / begnadigte vns abermahl von ſeiner Taffel geſpeiſet zu werden / bekamens aber nicht in zugerichteten Speiſen / ſondern ward an materialien in die Kuͤche geſchaffet.
Den 1. Octob. iſt von den Ruſſen ein groſſer Prasnick oder Feſt gefeyret worden / da Jhre Zaare Maytt. mit ſeinen Hoffleuten / vnd der Patriarcha mit der gantzen Cleriſey in die vor dem Schloſſe gele - gene kuͤnſtlich gebawete Kirche Sancta Trinitas, von den Deutſchen aber Jeruſalem genennet / gegangen / Vorm Schloſſe auff dem Platze zur rechten Hand iſt ein mit Schrancken vmbgebener Ort als ein rundes Theatrum, an welchen zwey ſehr groſſe Metallen Geſchuͤtze liegen / deren eines diameter einer Elen groß. Als Sie nun in der Proceßion vor ſelbiges Theatrum kamen / gieng der Großfuͤrſt mit dem Patriarchen alleine hinauff. Der Patriarcha hielte dem Zaare ein Bild in Form eines viereckten Buches mit Silber beſchlagen vor /gegen39Reiſe Beſchreibung.
gegen welchem der Zaar ſich andaͤchtig vnd tieff neigete / beruͤhrte es auch mit dem Kopffe / vnter deſſen wurde von den Popen oder Prie - ſtern geleſen / Darnach gieng der Patriarcha abermahl zu dem Zaare / hielt jhme ein als einer guten Hand lang mit Diamanten verſetzetes guͤlden Creutz zu kuͤſſen vor / druͤckt es jhme auch an die Stirn vnd beyde Schlaͤffe / darauff giengen Sie in gedachte Kirche vnd verrich - teten ferner jhren Gottesdienſt.
Den40Newe PerſianiſcheDen 8 Octobris haben wir mit den Schwediſchen die dritte geheime Audientz bey 2 Stunden gehabt.
Den 12 dieſes ritten Jhre Zaare Maytt. von jhren BojarenDer Groß - fuͤrſt Wal - farten gerit - ten. vielen Kneſen vnd Soldaten bey 1000 Mann begleitet eine halbe Meile vor der Stadt zu einer Kirchen Wallfarten / Der Großfuͤrſt ritte alleine / hatte eine Knutpeitſche in der Hand / hinter jhme die Bojaren vnd Kneſen 10 in einem Gliede / war praͤchtig anzuſehen. Es folgete die Großfuͤrſtinne mit den jungen Printzen vnd FraͤwleinDem die Großfuͤrſtin mit jhren Fꝛa - wenzimmer folgeten. in einem hoͤltzern mit ſchnitzwerck gezierten rothen Tuche uͤberzogenen / vnd auff den ſeiten mit gelben Taffet behaͤngeten groſſen Wagen / welcher von 16 weiſſen Pferden gezogen ward / Nach dieſem folgete das Zaariſche Frawenzimmer in zwey vnd zwantzig hoͤltzern Wagen / ſo gruͤn angeſtrichen vnd gleich auch die Pferde-Strenge mit rothen Tuche uͤberzogen. Es wurden die Wagen feſte zugehalten / daß nie - mand darinnen geſehen werden kunte / es waͤre dann / daß vngefehr der Wind den Vorhang auffriſſe / wie mir damals ſolch Gluͤck an Jhre Maytt. Wagen im voruͤberfahren wiederfuhre / daß ich jhr Ge - ſichte vnd Kleidung / welche mir ſehr ſchoͤne vorkamen / erblickete: Auff den ſeiten giengen uͤber 100 Strelitzen mit weiſſen Staͤben / ſchlugen das herzulauffende Volck auß dem Wege. Das Volck wel - ches jhre Obrigkeit ſehr liebet vnd hoch achtet / wuͤndſchte jhnen mit ſonderbarer devotion Gluͤck vnd Segen nach.
Den 23 dieſes hatten wir mit den Schwediſchen die vierdte ge - heime Andientz. Den 28 aber bekamen die Schwediſche Herꝛn Legaten alle in geſampt in einer oͤffentlichen audientz jhren volligen Abſchied. Sie lieſſen die Recreditiven durch die jhrige oͤffentlich vor ſich herunter tragen / vnd zogen darauff den 7 vnd 10 Novembris auff drey Parteyen wider auß Mußcow nach Liffland vnd Schweden.
Den 19 Novembris hatten wir die fuͤnffte vnd letzte geheime Audientz, in welcher den Geſandten angekuͤndiget ward / daß Jhre Zaare Maytt. nach ſattſamer erwegung der Sachen auff die bißhero gehabte tractaten endlich ſich dahin reſolviret vnd beſchloſſen Jhre Fuͤrſtl: Gn. Hertzog Friedrichen von Schleßwig / Holſten / ꝛc. als jhrem Freund / Oheimb vnd Schwager auß ſonderlicher Liebe in be - gehrten Sachen / welche zwar bißhero vielen Potentaten abgeſchlagen worden / zu willfahren vnd zu vergoͤnnen / daß dero Geſandten durch Rußland in: vnd auß Perſien gehen moͤchten / jedoch ſo ferne Sie erſt wieder zu ruͤcke nach Holſtein reiſen / vnd uͤber die abgehandelte Pacta Jhre Fuͤrſtl: Gn. Confirmation bringen wuͤrden.
Nach ſolchen auff viel vorhergegangene Muͤhe vnd Arbeit erlangten Schluß / machten wir vns durch beſuchung etlicher guter Freunde allerhand gute Ergetzligkeiten. Jn deme die Herꝛn Geſand - ten vnd vnſer etliche mit jhnen vom Schwediſchen Herꝛn Reſidenten zur Kindtauffe: Von Doct. Wendelino zur Hochzeit / welche er ſei -nem41Reiſe Beſchreibung. nem guten Freunde Garlef Lüders außrichtete. Jtem von David Ruͤtzen / vornehmen Kauffman / zu einem koͤſtlichen Banquet gela - den wurden.
Den 22 Octob hielten die Ruſſen eine groſſe anſehnliche Pro -Eine groſſe Proceßion der Ruſſen / in welcher der Patriarcha vnd Gꝛoßfuͤꝛſt ſelbſt zugegen. ceßion zu einer Kirchen nicht weit von dem gewoͤhnlichen Geſandten Hoff gelegen / welcher der Patriarche vnd der Großfuͤrſt ſelbſt bey - wohneten. Vnd war auff folgende manier zuſehen:
Der Weg vom Schloſſe biß zu der Kirchen war mit Bretern be - leget / vorher giengen viel Wachßliecht-Kraͤmer vnd etliche ſo den Weg mit Beſen kehreten.
Darauff folgete die Proceßion.
Es gieng einer mit einem Gießbecken vnd Handtuch.
Drey roth vnd weiſſe Fahnen / faſt als die Cornette gemachet.
61 Popen in jhren Meßgewandt.
Vier Cherubim auff lange Stangen getragen.
Eine Laterne auch auff einer Stangen ſteckend.
Denen folgeten 40 Popen.
Ein Creutz auff deren Ecken runde Kugeln / welches auff Stan - gen ſo 2 mahl Creutzweiſe in einander geſchrencket von 8 Popen ge - tragen wurde.
Hinter dieſem 100 Popen vnd Muͤnche / deren jeglicher ein ge - mahlet Bild hatte.
Ein abſonderlich groß Bild / welches jhrer zwey zugedeckt trugen.
Dem folgeten 40 Popen.
Dann wider ein mit vielen Perlen behaͤnget Bild ſo von 3 Per - ſonen getragen ward.
Hinter dieſem aber ein Bild.
Vier Popen welche ſungen.
Wieder ein Bild.
Ein mit Diamanten verſetzt Creutz auff einer Schuͤſſel.
Zwey brennende Liechter.
Dar auff kam der Patriarcha in koͤſtlichem Meßgewand / vnter ei - nem blawen Himmel gehend / ſo von zwey Perſonen an den Armen / gefuͤhret ward.
Vor jhm her / vnd auff beyden Seiten giengen bey 50 Popen vnd Muͤnche.
Nach dieſem folgete J. Zaare Mayeſtaͤt auch zu Fuß / vnter einem rothen Himmel / von ſeinen Bojaren vnd Kneeſen begleitet.
Hinter jhm ward ein rother Stuel von 2 Perſonen getragen.
Des Groß Fuͤrſten Pferd geleitet.
Zu letzt eine Schlitte mit zwey weiſſen Pferden.
Jn ſolchem Proceß giengen ſie zu einer Kirchen / nicht weit von dem gewoͤhnlichen Geſandten Hoff gelegen / welche durch occa -Fſion42Newe Perſianiſcheſion ein daſelbſt in der Erden gefundenes Marien Bild vnlaͤngſt iſt erbawet worden.
Den 12 Decembris ſahen wir Grimmiſche Tartern 72 Perſo - nen / ſo ſich alle Geſandten nandten / auffritten. Der Großfuͤrſte hat jhnen bey drey Stunden geſeſſen / vnd jhr Anſuchen ſelbſt gehoͤrt. Sie haben ſich in der Audientz Stuben / nach jhrer manier, auff die Erde gelagert / vnd iſt jeglichem / wie man vns berichtete / eine Schale Meeth außzutrincken gegeben worden: Hernach haben die 2 fuͤrnemb - ſten Roͤcke von guͤlden Stuͤcken / die andern aber von rothen Schar - lack / vnd ſo nach der Ordnung herunter geringere neben Zobelne vnd andere Muͤtzen verehret bekommen / welche ſie im herunterreiten uͤber jhre Kleider gehaͤnget / trugen.
Dieſe Nation iſt ein grawſam feindlich Volck / ſo in weitleuffti - gen vnd zerſtreweten oͤrtern von Mußcow ab nach Suͤden gelegen wohnen / thun dem Großfuͤrſten an den Graͤntzen ſonderlich bey Tule mit Pluͤndern vnd Rauben der Leute groſſen ſchaden. Es hat zwar der Zaar Fœdor Ivanowitz daſelbſt wider jhren Einfall mit verhawe - nen Waͤldern vnd auffgeworffenen Graben uͤber 100 Meilen einen Wall auffgefuͤhret / wil aber heute zu Tage wenig helffen. Sie kom̃en mit ſolchen Geſandtſchafften zum oͤfftern / nur daß ſie was holen vnd Verehrung haben wollen. J. Z. Maytt. vmb den Frieden zuerkauffen ſihet alsdann etwas Vnkoſten an ſie zuwenden nicht an. Sie halten aber doch ſo lange Friede / als es jhnen gut deucht.
Den 16 Decemb. hat man Vns wieder in groſſer Pracht zurVnſere letzte oͤffentliche Audientz bey den Groß - fuͤrſten. oͤffentlichen Audientz gefuͤhret / vnd weil wegen Schnee vnd Froſt / ſo damals eingefallen die groſſen Herꝛn / jhrer gewonheit nach / nicht mehr zu Pferde / ſondern zu Schlitten gehen / wurden den Geſandten zwey wol außgeſtaſterte Schlitten gebracht / deren eine mit rothen Atlaß / der ander mit rothen Damaſch allenthalben außgefuttert vnd hinten uͤber mit weiſſen Baaren-Haͤuten beleget / uͤber die Baaren - Haͤute aber ſchoͤne Tuͤrckiſche Decken / Die Pferde Kummet waren verguͤldet / vnd mit vielen Fuchsſchwaͤntzen (welche der groͤſte Zierath an vornehmer Herꝛn vnd Leute / ja des Großfuͤrſten Schlitten ſelbſt iſt) behaͤnget.
Die Priſtaffen fuhren jeglicher in abſonderliche Schlitten / vnd jeglichem Geſandten zur rechten Hand / Vor der Audientz-Stuben wurden ſie auff vorige manier von zweyen groſſen Herꝛn / ſo jhnen entgegen kamen / empfangen / vnd vor Jhre Zaare Maytt. gefuͤhret / welcher anfaͤnglich durch den Reichs Cantzler fragen ließ / ob die Ge - ſandten noch bey guter Geſundheit waͤren? Nach gebuͤrlicher beant - wortung / wurde hinter jhnen eine Banck geſetzt / vnd ſie auff dieſelbe zu ſitzen genoͤtiget. Darauff ſieng der Cantzler an: Der groſſe Herꝛ Zaar vnd Großfuͤrſt Michael Fœdorowitz, aller Reuſſen ſelbſt Er - halter / ꝛc. laͤſſet euch Geſandten ſagen / daß jhr von Jhr Fuͤrſtl. Gn. den43Reiſe Beſchreibung. den Fuͤrſten Friedrich von Holſtein zu Jhre Zaare Maytt. geſchickt ſeyd / neben Brieffen / welche Sie wol empfangen / haben auch auff Ewer begehren durch ſeine Bojaren vnd Raͤhte: Knes Boris Michae - lowitz Lykow, Vaſili Ivanowitz Stresnow, vnd Dumnoi Diaken: Ivan Taraſſowitz, vnd Ivan Gavarenow Euch verhoͤren laſſen / Jſt auch darauff eine abhandlung in gewiſſen Sachen geſchehen / vnd von euch vnterſchrieben. Jmgleichen hat Jhre Zaare Maytt. durch euch einen Brieff empfangen von dem Churfuͤrſten Johan Georg von Sachſen / vnd deſſen Jnhalt vernommen. Darauff ſollet jhr jtzo an den Fuͤrſten Friedrichen von Holſtein / ꝛc. ſo wol dem Churfuͤrſten Johan Georg die Zaariſche Brieffe wieder empfangen.
Hiermit uͤberlieferte der Cantzler die Brieffe vor des Zaars Stuel / welche die Geſandten mit Ehrerbietung empfiengen: Darauff neigte ſich der Großfuͤrſt / ſagende: Wenn die Geſandten zu Jhre Churfuͤrſtl: Durchl: Johan Georg, vnd Jhre Fuͤrſtl: Gn. Hertzog Friedrich kaͤmen / ſolten ſie jhnen ſeinen Gruß vermelden. Dann ließ Er durch den Cantzler ſagen / daß Er die Geſandten / wie auch dero Officirer vnd Hoff Junckern abermahl ſeine Hand zu kuͤſſen begna - digte: Als ſolches geſchehen / ward Vns wiederumb die begnadigung der Speiſen von Jhre Zaare Maytt. Taffel zugeſagt. Die Geſand - ten thaten vor die empfangene Zaarſche Gutthaten vnd geneigten Willen gebuͤrliche Danckſagung / wundſchten Jhre Zaare Maytt. langes Leben / gluͤckliche vnd friedliche Regierung / vnd dem gantzen Großfuͤrſtlichen Hauſe alles Zaariſches Wolergehen: Nahmen dar - auff jhren Abſchied vnd ritten wieder nach Hauſe.
Nach einer Stunden kamen die Großfuͤrſtliche Eſſen vnndGroßfuͤrſtli - che Speiſen vnd Tracta - ment nach der letzten oͤf - fentlichen Au - dientz. Getraͤncke / die Gerichte auff 46 Schuͤſſeln / waren meiſtentheils ge - ſottene / in oͤhle gebratene vnd gebackene Fiſche / Etzliche Gemuͤſe / vnd ander gebackens / worbey kein Fleiſch / weil damals jhre Faſten / ſo ſie jaͤhrlich vor dem Weyhnachtfeſt halten / eingefallen. Dieſe Mahlzeit præſentirte Knes Ivan Lwolff, in allen ſtuͤcken gleich dem vorigen / nach der erſten oͤffentlichen Audientz.
Nach dieſem Actu kamen des Großfuͤrſten Stallmeiſter vndDie Geſand - ten muͤſſen im Abzuge vielen Großfuͤrſten bedienten Verehrung geben. Kellermeiſter / wie auch die / ſo die Speiſen vnd Getraͤncke allzeit in der Geſandten Hauß geſchaffet / begehrten Verehrung. Dem Stall - meiſter vnd Kellermeiſter ward neben dem Kneſen, jeglichem ein Pocal, den andern Voͤlckern aber (derer 16 waren) ingeſampt 32 Rubel gegeben.
Den folgenden Tag kamen die Priſtaffen mit zweyen Tol - cken / nemblichen Hans Helmes welcher bey J. Z. M. vnd dero Bo - jaren in vnſern geheimen Sachen vnd Andreas Angeler / ſo allezeit neben dem Priſtaffen bey Vns auffgewartet / Erkundigten ſich wie viel Pferde wir auff der Ruͤckreiſe benoͤtiget (es wurde die Rechnung auff 80 Poddewodden oder freye Pferde gemachet.) Dieſe bekamenF ijauch44Newe Perſianiſcheauch jeglicher einen groſſen Pocal, wie auch der Oberſte Schreiber in der Cantzeley. Es wurden auch vnterſchiedliche Pocalen an etzliche gꝛoſſe Herꝛen / ſo vns die zeit uͤber gute Fꝛeundſchafft erwieſen / geſchickt.
Den 21 dieſes ſtelleten vnſere Priſtaffen vns einen newen Pri - ſtaffen vor Nahmens Bogidan Tzergewitz Gomodof, welcher vns wieder biß an die Schwediſche Graͤntze bringen ſolte.
Als den folgenden Tag die Priſtaffen die 80 Poddewodden in der Geſandten Hoff geſchaffet / kamen ſie vnd brachten mit ſich den Schreiber von der Schatzkammer / neben andern 12 Ruſſen / ſo von Jhre Zaare Maytt. an die Geſandten vnd jhre Voͤlcker die Verch - rungen / nemblich etzlich Zimmer Zobeln / brachten / Ein Zimmer aber iſt 20 paar. Den beyden Geſandten wurden 11 Zimmer gute Zobeln ingeſampt gegeben. Den Officirern, Junckern / Cammerpagen / Furirern / Koch vnd Wagenmeiſtern jeden ein Zimmer Futter Zo - beln: Den andern noch geringern Voͤlckern aber etlichen 2 / etlichen 1 paar. Dem Schreiber der die Zobeln brachte wurde ein Pocal, den andern Ruſſen aber 30 Rthal. verehret.
Es ließ auch Jhre Zaare Maytt. den Geſandten frey ſtellen / ob ſie bey vorſtehenden Weyhnacht-Feſt vnd eingefallener ſehr harten Kaͤlte / noch etzliche Tage in Mußcow verwarten wolten / Sie ſolten / vnangeſehen ſie jhre Abfertigung bekommen / jhm noch ferner lieb ſeyn: Weil die Geſandten aber wieder herauß zu ſeyn eileten / haben wir vns zur Reiſe geſchickt.
Die Geſandten vnd vnſer etzliche kaufften eigene Schlitten / de - ren beſte nicht uͤber 3 oder auffs hoͤchſte 4 Thaler koſtete.
Weil vnſer intent nun kuͤnfftig vollend in Perſien zu reiſen / haben die Geſandten den Schiffer Michel Cordes mit 6 Perſonen nach Nieſen / 100 Meilen hinter Mußcow / daſelbſt ein auff der Wolga vnd Caſpiſchen See dienlich Schiff zubawen / abgefertiget.
Darauff haben wir vns den 24 Decemb. auch auff die Ruͤck - reiſe gemacht / da dann vmb den Mittag die Priſtaffen mit etzlichen Strelitzen vnd den zweyen Schlitten / in welchen die Geſandten zurVnſer Abzug auß deꝛ Stadt Mußcow. Audientz auffgefuͤhret worden / kam / vnd fuͤhrten die Geſandten in guter Ordnung wider auß der Stadt / da wir dann von den Priſtaffen / Deutſchen vnd andern guten Freunden / ſo vns das Geleite auff eine halbe viertel Meile gegeben hatten / Abſchied nahmen / vnd ſatzte ſich jeglicher in ſeiner Schlitten / vnd fuhren davon.
Denſelben Tag vnd die folgende Nacht reiſeten wir biß Klin, ein Dorff 90 Werſte oder 18 Meilen von Mußcow. Als wir den folgenden Tag vnſern Chriſtag mit einer Predigt daſelbſt gefeyret / ſeynd wir Nachmittage wieder fortgangen / auch die gantze Nacht durchgereiſet / vnd gegen den Morgen / als den 26 Dito / vor die StadtTwere. Twere angekommen / da vns denn friſche Schuͤßpferde gegeben wur - den / welche wir auff den Abend wieder vorſpanneten / vnd reiſeten dieNacht45Reiſe Beſchreibung. Nacht durch 12 Meilen biß Tarſock. Von dar kamen wir den Vierd -Tarſock. ten / von vnſer Außreiſe auß Mußcow aber / den ſechſten Tag nemblich den 31 Decemb. in Nawgart ſo 110 Deutſcher Meilen von MußcowNawgart. gerechnet wird / dann der Ruſſen Pferde koͤnnen zu Winterszeit beyRuſſiſche Pferde ſeynd Daurhafft im Reiſen. einen Futter in continuirlichem Trab 10 oder 12 Meilen lauffen: Es iſt aber faſt allenthalben durch gantz Rußland ebene Bahn.
Den 1 Januarij des 1635 Jahres nach gehaltenem Gottesdienſte /Anno 1635. reiſeten wir fuͤrder biß Mokriza 36 Werſt. Den 2 nach Tswerin 32 Werſt. Den 3 Dito nach Orlin 30 Werſte. Den 4 nach Sa - ritza 41 Werſte. Noch dieſelbe Nacht 4 Meilen biß auff Lilienha - gen / Frawn Catharinæ Stopiæ, Johan Muͤllers Schwediſchen ge - weſenen Agenten in Mußcow Wittwen Gut / da wir wol tractiretNarva. wurden. Den 5 Dito biß zur Stadt Narva 7 Meilen.
Den 6 Dito gieng die Bagage wieder vorauß / die GeſandtenZu Reval wieder an - kommen. folgeten mit dem Comitat den andern Tag / vnd erreichten den dritten Tag / als den 10 Januarij wiederumb die Stadt Reval.
Als wir Vns daſelbſt bey drey Wochen auffgehalten / vnd ferner vnſere Reiſe nach Holſtein uͤber die Oſt-See / welche vmb dieſe Zeit vnnavigabel, nicht nehmen kunten / auch nicht rathſamb den gantzen Winter uͤber in Reval ſtille zu liegen / wurde beſchloſſen / die Reiſe uͤber Land durch Preuſſen / Pommern vnd Mecklenburg auffs ſchleunigſteVon Reval zu Lande in Holſtein ge - zogen. zuverfolgen. Derowegen die meiſten Voͤlcker des Comitats in Re - val bey Herꝛn Heinrich Koſen in die Koſt verdinget wurden. Die Geſandten aber zogen mit 10 Perſonen den 30 Januarij wieder auß Reval, vnd nahmen den nechſten Weg auff Riga.
Vnſere erſten zwey Nachtlager hielten wir auff dem Gutte Ke - gel / woſelbſt Herꝛ Johan Muͤller / Rathsverwandter der Stadt Re - val, mein Sel. Schwieger-Vater vns wol tractirte.
Den 2 Januarij kamen wir nach Parnaw / vnd wurden da auchZu Parnaw ankommen. mit Salve ſchieſſen empfangen / bey welchem Gott ein groß Vngluͤck von mir abwendete / Dann in dem das Stuͤck ſo uͤber der Pforten / noch ehe als wir hinein kamen / geloͤſet ward / ſich geſencket / vnd der Pflock / ſo im Mundloche vergeſſen ward / nahe uͤber mir gegen die Vormawer gieng / flogen die Stuͤcken vmb meinen Schlitten her - umb / daß ich durch den Knall uͤber eine halbe Stunde meines Gehoͤ - res beraubet war.
Parnaw iſt eine kleine Stadt an der Oſt-See gelegen / Jhr mei - ſtes Gewerb vnd Handel iſt mit Korn. Daſelbſt reſidirete die Graͤff -Die Graͤffin von Thurn zu Parnaw reſidirend. liche Fraw Wittwe von Thurn: Fraw Magdalena, geborne Graͤffin von Hardeck / zu derſelben ſchickten die Geſandten mich neben andern 2 Perſonen / dero Graͤffl: Gn. jhren Gruß vnd willfaͤhrige Dienſte / ſo Sie die etwa in verrichtung einiger Sachen in Deutſchland ge - brauchen konten / zu vermelden vnd zu offeriren. Daß Jhre Gn. die - ſer Gruß vnd offerten angenehm / erſchiene nicht alleine darauß / daßF iijſie46Newe PerſianiſcheDen Geſand - ten groſſe Eh - re erwieſen.ſie bey ſo hoͤchlicher Danckſagung vnſers gnaͤdigen Fuͤꝛſten vnd Herꝛn / vnd dero Geſandten Geſundheit in ſtarcken Weine auß drey groſſen Pocalen jeglichem zu trincken ſelbſt reichete / vnd vnter deſſen allerhand hochverſtaͤndige vnd nachdenckliche diſcours, von Jhre Fuͤrſtl. Gn. hohen Ruhm / loͤblichen intent mit dieſer Legation, Jtem von der Ruſſiſchen Nation vnd Religion, mit hoher diſcretion fuͤhrte / darzu jhr dann die Rede mit einer ſonderlichen Liebligkeit / gravitet vnd gra - tia floſſe / ſondern auch jhre zwey junge Herꝛn Jhr Graͤffl. Gn. Gn. Herꝛn Chriſtian vnd Herꝛn Heinrich / Graffen von Thurn / mit dero Hoffemeiſter / Johan Liphardt, vom Schloſſe in vnſer Quartier ſchickte / mit anerbietung in reſpect Jhre Fuͤrſtl. Gn. dero Herꝛn Geſandten auffzuwarten. Die Geſandten behielten Sie denſelben Abend bey ſich zur Taffel.
Den folgenden Tag ſchickte die Graͤffin allerhand Proviant ne - ben etzlichen Schreiben an jhren Herꝛn Schwieger-Vater / den alten Graffen von Thurn / vnd ließ bitten an Jhre Fuͤrſtl. Gn. von Hol - ſtein jhre Soͤhne zu recommendiren, wenn ſie erwachſen / ſolten kommen vnd Jhre Fuͤrſtl. Gn. auffwarten.
Jn vnſerm Abzuge auß der Stadt wolte vnſer Wirth nichtes fuͤr die Mahlzeit fordern / weiln Jhre Gn. das meiſte darzu geſchickt hat - ten / wurden jhme derowegen 20 Rthal. verehret / darfuͤr er zwar freundlich danckte / Als wir aber eine Meile von der Stadt gereiſet / kompt einer von jhme geſchickt geritten / bringet das Gelt wieder vnd ſaget: Es waͤre die Verehrung zu wenig / wir ſchickten derowegen vnſern Furirer wieder zu ruͤck / vnd lieſſen jhm noch 12 Thaler zehlen / vnd alſo contentiren.
Den 6 dieſes ſeynd wir in Riga eingefahren vnd von guten Freun - den wol empfangen worden. Den folgenden Tag kam der Herꝛ Gu - bernator die Geſandten zu beſuchen / ſtellete auch den 10 dieſes ein groß Banquet an / lude vns neben den vornembſten der Stadt darzu / vnd tractirte vns ſehr koͤſtlich.
Dieſe Tage wurden wir von vnterſchiedlichen guten Freunden zum Willkommen auff Gaſtereyen gebeten / vnd mit allerhand Luſt tractiret.
Den 13 Februarij haben wir vns wieder von Riga auffgemachet. Es begab ſich daſelbſt mit vns auff der Reiſe ein Frantzoͤſiſcher Am - baſſadeur, welcher ſich ſchriebe: Charles Tallerand, Prince de Cha - les, Marquis Dißidevil, Baron des Baronies de Marrvil & deEin Marquis mit vns ge - zogen. beauville, Segneur de Griquol. Dieſer war mit Jacob Rouchelio vom Koͤnige in Franckreich / als Legate, an den Tuͤrcken / vnd an den Großfuͤrſten in Mußcow geſchickt. Sein Collega Rouchelius aber hatte jhn in Mußcow bey dem Patriarchen / deſſen er durch ſeine Pra - cticken maͤchtig / verraͤhteriſcher weiſe angegeben: Daß er vom Groß - fuͤrſten in Vngnaden / in Siberien iſt verſchicket / vnd daſelbſt dreyJahr47Reiſe Beſchreibung. Jahr gefangen gehalten worden: Als man aber des Rouchelij Arg - liſtigkeit vnd Boßheit / durch die Er viel Potentaten an einander zu hetzen / vnd die jhm daran verhinderlich / vnter zutruͤcken ſich bemuͤhete / vermercket / vnd des Marquis Vnſchuld erkennet / iſt er nach des Pa - triarchen Tode wieder frey gelaſſen worden. Dieſer hatte in ſeiner Cuſtodia die Zeit zu vertreiben die erſte vier Buͤcher Æneidos Vir - gilij fertig außwendig gelernet / daß / wo man auch in denſelben etwas zu recitiren anfieng / Er expedit continuiren konte. War ſonſt ein Herꝛ von 36 Jahren vnd luſtigen humor.
Vnſere Reiſe gieng durch Churland vnd ſeynd wir den 14 hujusMitaw. zu Mittage nach Mitaw ein Staͤdlein 6 Meilen von Riga, vnd auff den ſpaͤten Abend wieder 3 Meilen biß auff ein Dorff Dublin kom - men. Der Wirth weil es in der Nacht / wolte vns nicht auffnehmen / vermeinte daß wir Soldaten oder Ziegeuner waͤren / welche vor wenig Tagen auch bey jhm geweſen / vnd dem Wirth nicht wol gelohnet: Er ließ ſich endlich noch bereden / tractirte vns aber nur mit Keeſe / Brod vnd ſawrem Biere.
Den 15 Dito 7 Meilen gereiſet biß zu Frawenberg / woſelbſt der Amptman vns zwar nicht auffs Schloß einnehmen wolte / aber eine gute Tonne Bier in vnſere Herberge ſchickte.
Den 16 Dito wieder 7 Meilen biß nach Badaren im PolniſchenZu Badaren von einen Polniſchen Rittmeiſter luſtig tꝛactiꝛet. Gebiete / da wir bey einem alten Edelman vnd Rittmeiſter / Nahmens Johan Amboden eingekehret. Dieſer tractirte vns ſehr wol / hielte vns auch mit herꝛlichen Getraͤncke / als alten Littawer Meeth / Wein vnd Bier an der Taffel uͤber die halbe Nacht auff / geriehte mit den Geſandten in ſo gute correſpondentz, daß er mit jhnen Bruͤder - ſchafft machte. Den folgenden Morgen ließ er zum Fruͤheſtuͤck aber - mahl Fuͤrſtlich anrichten / brachte ſeine zwo Toͤchter die Er den vo - rigen Abend nicht ſehen lieſſe / mit zur Taffel / ließ die Heerpaucken luſtig ſchlagen. Verehrete auch den Geſandten einem ein gut Rohr / dem andern einen Degen / Hergegen empfieng er von jeglichem ein gut Hand Vhrlein zum Gedaͤchtnuß. Weil wir mit dem Fruͤhſtuͤckhalten biß Nachmittage zu brachten / reiſeten wir ſelbigen Tag nicht weiter als 4 Meilen biß auff Haffshoff / da wir vns vngegeſſen ſchlaffen legten.
Den 18 Dito biß Watzaw ein Dorff 6 Meilen.
Den 19 biß nach der Memel 6 Meilen.
Memel iſt ein ziemlich Staͤdlein / an einem feinen Hafen der Oſt - See gelegen / bey welchen eine Schantze von 4 Bollwercken gebawet / vnd von den Schwediſchen wol bewahret ward.
Den 20 Dito haben wir vns auff das Haff begeben zu Swentzel 3 Meilen / Auff den Abend nach Bulcapen 5 Meilen / Von dar hattenKoͤnigsberg. wir noch 8 Meilen biß nach Koͤnigsberg / woſelbſt wir den 21 Februarij mit vnſern Schlitten wol ankamen / haben auch allhier auß mangel des Schnees vnſer Schlittenfarth geendet.
Vnter48Newe Perſ. Reiſe Beſchreib.Vnter andern notabeln Dingen funden wir allhie auff dem wol - gebaweten Churfuͤrſtlichen Schloſſe eine ſtattliche Bibliothec, welche zwar nicht jaͤhrlich vermehret / jedoch wol conſerviret ward. Vnter andern ſahe man ein Repoſitorium voller folianten vnd groß Quart, ſo alle in Silber eingefaſſet / Vnter denen ward vns auch ein Buch ge - zeiget / welches Albertus Marchio Brandenburgenſis, der erſte Her - tzog in Preuſſen / ſo Anno Chriſti 1564. geſtorben / mit eigener Hand geſchrichen / vnd darinnen ſeinen Sohn gelehret / wie Er nach ſeinem Tode Chriſtlich vnd wol regieren ſolte.
Den 24 dieſes ſeynd wir wieder auffgebrochen / mit Gutſchen vnd Wagen fuͤrder gezogen.
Den 25 zu Elbingen / einer zwar nicht von groſſen vnd praͤchtigen Haͤuſern / aber wolgelegenen / mit ordentlichen Gaſſen / Thuͤrmen / newen Wallen / vnd Bollwercken wolgebaweten vnd feſt verwahrtenDantzig. Stadt. Vnd den 27 Februarij zu Dantzig ankommen. Hier blieben wir in die dritte Woche ſtille liegen / Jn werender Zeit ſeyn wir von E. E. Rath mit guter Beſchenckung vnnd von etlichen Rathsher - ren vñ fuͤrnehmen Buͤrgern mit angeſtelten koͤſtlichen Banqueten, vn - ter welchen H. Johannis Roſſow das fuͤrnembſte / honoriret worden.
Den 16 Martij begaben wir vns wieder auff die Reiſe vnd kamenStettin. den 25 Dito nach Stetin.
Den 29 Dito / nemblich am heiligen Oſtertage nach Roſtock / den 30 nach Wißmar / den letzten Martij auff das Fuͤrſtliche Hauß Schoͤnberg. Da dann vnſers lieben Gefehrten Johan Albrecht von Mandelslo Eltern vns freundlich empfiengen vnd herꝛlich tractirten, Auch mir abſonderlich / da ich durch eines vnſers Comitats vnbeſon - nenheit beſchaͤdiget / Nach der Geſandten Abreiſen noch etliche Tage bey jhnen liegen bleiben muſte / groſſe Ehre vnd Gutthat erzeigeten.
Den 1 April ſeynd die Geſandten fuͤrder nach Luͤbeck gezogen / welchen ich mit Johan Albrecht von Mandelslo den 3 dieſes gefolget / da mich dann / wo es Gott nicht ſonderlich verhuͤtet / ein groͤſſer Vngluͤck / als das vorige / getroffen hette: Jn dem ich im herabſteigen vom Pferde auff meinen zerbrochenen Arm zur Er - den fiel / vnd des von Mandelslo groß vnd muhtig Pferd / ſo ſchew gemachet ward / mir zu ruͤck ans Angeſichte niederſprang.
Nach der Mittagsmahlzeit reiſeten wir fuͤrder / vnd kamen in den Krug vor Arensboͤck / da dann Jhre Fuͤrſtl. Gn. Hertzog Joachim Ernſt die Geſandten auff einer Carrette mit 6 Pferden zu Schloſſe holen / vnd dieſelben neben vnſer 3 Perſonen an jhre Taffel noͤtigen lieſſen: Wir wurden in reſpect vnſers gnaͤ - digen Fuͤrſten vnd Herꝛn ſehr wol gehalten vnd tractiret.
Den folgenden morgen nach gehaltenen guten Fruͤhſtuͤcke lieſſen JhrePretz. Fuͤrſtl. Gn. die Geſandten wiederumb ins Quartier fuͤhren: Dieſen Tag reiſe - ten wiꝛ noch biß nach Pretz.
Den 6 Aprilis gegen den Mittag nach dem Kiel / auff den Abend aber ſeynd wir vollend vor Gottorff durch Gottes Geleite wol wieder ankommen. Folgende Tage iſt Jhre Fuͤrſtl. Gn. von den Geſandten der Verrichtung halben relation gethan worden. Vnd ſo viel kuͤrtzlich von der erſten Reiſe nach Mußcow / ꝛc.
DieALS nun Jhre Fuͤrſtl: Gn. vernommen / daß der Großfuͤrſt in Mußcow den Durchzug durch ſein Reich in Perſien bewilliget / haben Sie jhr hohes intent ferner zu verfolgen keine Vnkoſten ſparen wollen / vnd dahero Ordre gegeben / daß gute Præparatoria zur andern Legation, nemblich an den Koͤnig in Perſien / gemachet / vnd die fernere Reiſe auffs ſchleunigſte vorgenommen werden moͤchte: Sind dero - wegen alſofort allerhand Gereitſchafften darzu gemachet / koͤſtliche Præſenten dem Koͤnige zu verehren an die Hand geſchaffet: Der Comitat vermehret / vnd anſehnlich außgeruͤſtet. Mitlerzeit wurden die Voͤlcker zu Hamburg in des Geſandten Bruͤggemans Hauſe ge - ſpeiſet / vnd mit guter Ordnung / ſattſamen genuͤgen / vnd allerhand Gutthaͤtigkeiten / nach jegliches Wuͤrden vnd Gelegenheit / wol tracti - ret. Man ließ daſelbſt / gleich auch allezeit auff werender Reiſe oͤffent - lich zur Taffel blaſen.
Die Perſonen des Comitats wurden nach Fuͤrſtlicher Hoffs manier mit vnterſchiedlichen Aemptern vnd Tituln beleget / derer Ordnung war / wie folget:
Schiffer vnd Botsleute ſo mit in Perſien gezogen.
Dieſe alle ſeynd theils mit auß Deutſchland gezogen / theils auch auff der Reiſe zu vns kommen. Zu denſelben haben wir in Muß - cow noch 30 Großfuͤrſtliche Soldaten vnd Officirer neben vier Ruſ - ſiſche Knechte angenommen.
ALs nun alle Sachen in gute Gereitſchafft gebracht /Außzug von Hamburg den 22 Oct. 1635. ſeynd die Herꝛn Geſandten mit jhren bey ſich habenden Voͤlckern den 22 Octob. Anno 1635. von Hamburg mit guter Ordnung abge - reiſet / vnd den 24 Dito zu Luͤbeck ankommen / woſelbſt ſie zwey Tage ſtille gelegen / biß die Bagage nebenſt 12 Reitpferde zu Travemuͤnda ins Schiff gebracht wurden. Den 27 Dito ſeynd ſie nachgefolget / vnd vmb den Mittag die meiſten Voͤlcker zu Schiffe gebracht. Vn - ſer Schiff war gantz New vnd niemals vnter Segel geweſen.
Als wir erſt das Schiff vom Lande ſtieſſen vnd auß den Hafen bringen wolten / ergoſſe ſich auß der See in die Trave ein ſehr ſtarckerVon Trave - muͤnde zu Schiff gan - gen. vnd vngewoͤhnlicher Strom / vngeachtet der Wind vom Lande zur See ſtund / darob ſich auch etliche Schiffer verwunderten / daß alſo vnſer Schiff an andere zwey / damals im Hafen liegende groſſe Schiffe / nicht ohne Beſchaͤdigung derſelben / getrieben vnd verwirret ward / vnd man uͤber 3 Stunden groſſe Muͤhe vnd Arbeit hatte / ehe mans frey machen vnd auß den Hafen auff die Rcide bringen kunte. Vnſer etliche hielten diß fuͤr ein boͤß Omen vnſer angehenden Schif - farth / wie es auch der Außgang hernach leider genug bezeugete.
Einer vnter vns ſchickte vom Schiffe zu ruͤcke nach Leipzig an ſeinen guten Freund P. W. J. Cand: folgendes Valet Carmen:
G iijGer -54Newe PerſianiſcheDen folgenden Tag / als den 28 Octob. fruͤhe vmb 5 VhrZu Segel gangen. giengen wir nach gehaltener Betſtunde in Gottes Namen zu Segel mit Weſt Suͤdweſt Wind / welcher gegen dem Mittag ſich ziemlich ſtarck erhub / vnd endlich in einen Sturm außlieff / vnd alſo die gantze Nacht durchwehrete / da merckte man als bald / daß die fuͤrnembſten vn - ſerer Schiffleute in wiſſenſchafft der Seefahrt ſo alt vnd geuͤbet wa - ren als das Schiff / welches zum erſten mahle mit vns in die See lieff / vnnd war groß Wunder / das der Maſt / welcher wegen der newen Tawen ſehr gefaͤhrlich ſchwanckete / nicht bald den erſten Tag uͤber Bort gieng.
Den 29 Dito waren wir an die Daͤnnemaͤrckiſche ſeite gekom - men / welche der Steurman zu erſt vor die Jnſel Bornholm anſahe /Gefahr vor Schonen. vnd war vnſer Cours gleich auff den Schoniſchen Strand gerichtet / weren auch bald mit Schiffs vnd Lebens gefahr darauff zuſitzen ge - kommen / ſintemal wir allbereit auff 4 Faden den Grund erreichet hat - ten / wenn nicht der angehende Tag das Land vns entdecket / vnd wir vnſern Cours im Augenblick verendert hetten. Vmb 9 Vhr beka - men wir die Jnſel Bornholm auff der Rechten ſeiten.
Weil55Reiſe Beſchreibung.Weil es dieſen Tag anfaͤnglich etwas gelinde kuͤhlete / gaben wir dem Winde alle Segel. Auff den Abend aber vmb 10 Vhr als wir auff keine Gefahr gedachten / vnd vermeinten das Vngemach der vori - gen vngeſtuͤmen Nacht mit ſanffter Ruhe zuerſetzen: Auch der Ge - ſandte Vruͤggeman / in dem Er wegen der fladderden Segel den Cours etwas vnrichtig zu ſeyn vermuhtete den Steurman allererſt zu guter Auffſicht vermahnet / der doch mit vorwenden / daß wir die geraume See vor vns hetten / vns deſto ſicherer machete / lieffen wir mit vollen Segeln auff eine blinde jedoch platte Klippen vnd blieben ſitzen. Das grawſame Gerauſche vnd Krachen des Schiffes erweckte vnter vns eine ſolche Beſtuͤrtzung vnd Angſt / daß wir alle vermeinten hier wurde vnſer Schiffarth / vnd mit derſelben vnſer Leben zum Ende lauffen. Vor Oeland auff eine blin - de Klippe ge - lauffen.Wir wuſten anfaͤnglich nicht vmb welche Gegend wir zu ſeyn vns rechnen ſolten. Es war eben zur zeit des Newen Monden / da die fin - ſiere Nacht auch nicht des Schiffs Laͤnge von ſich ſehn lieſſe. Vnd ob wir ſchon durch eine außgehenckte Laterne vnd etliche Mußqueten Schuͤſſe / ſo ferne wir Land vnd Leuten nahe wehren vmb Huͤlffe rief - fen / wolte ſich doch anfaͤnglich nichts zur Antwort / vnd vns zum Tro - ſte hoͤren laſſen. Das Schiff begunte ſich auff die ſeite zu legen / da er - hnb ſich vnter klein vnd groß / ein groß Jammern / Winſeln vnd We - heklagen / Viel vnter vns fielen auß groſſer todes Angſt auff die Knie vnd Angeſichter / ſchryen vnd rieffen einbruͤnſtig zu Gott vmb Huͤlff vnd Errettung: Der Schiffer ſelbſt weinete als ein Kind / ſtund be - ſtuͤrtzt vnd wuſte keinen Rath mehr / Jch vnd der Medicus Hartman Graman hatten vns beredet / wans ja zum Schiffbruche kommen ſol - te / wolten wir als alte Freunde einander in die Arme ſchlieſſen / vnd alſo ſterben / ſatzten vns derowegen zuſammen vnd erwarteten vnſers Vntergangs. Andere gute Freunde namen einer von den andern Ab - ſchied / die meiſten thaten Geluͤbde zu Gott / contribuirten vnd ver - hieſſen / jeglicher nach Vermuͤgen / wann ſie errettet wurden / ein ge - wiſſes an die Armen zu geben / welches auch hernach gehalten ward / Jn dem von ſolchen gelobten vnd verehreten Geldern zu Reval ein Arm: vnd frommes Kind davon jhre Außgeſtewre zur Heyrath be - kam. Vnter andern war auff dem Schiffe ſehr klaͤglich anzuſehen / daß des Geſandten Cruſij Soͤhnlein / Johan Philip / ein Knabe von 9 Jahren / auff den Knien lag vnd rieff ohne Auffhoͤren uͤber laut mit auff gehobenen Haͤnden gen Himmel: Ach du Sohn David erbarme dich mein. Vnſer Paſtor darauff: HErr wilt du vns nicht erhoͤren / ſo erhoͤre doch diß vnſchuͤldige Kind. GOtt gab Gnade / daß das Schiff / ob es wol durch die erhabene Wellen auff der Klippen zum offtern hart fortruͤckte / vnd einen Stoß nach dem andern bekam / den - noch gantz vnd wir darinnen erhalten wurden.
Vmb 1. Vhr ſahen wir nicht ferne von vns ein Fewer auffgehen / an welchem wir merckten / daß wir dem Lande nahe ſeyn muſten / Dero -wegen56Newe Perſianiſchewegen lieſſen die Geſandten das Schiffsboot loͤſen / vnd auffs Waſſer bringen / in meinung dem Fewer nach zu fahren vnd ſich beyde mit ei - nem Diener zu erſt auffs Land zu ſalviren, vnd zu ſehen ob ſie Mittel vns auch zu erretten / verſchaffen kunten. Die Schattulen oder Reiſe - laͤdichen / in welchen die Fuͤrſtlichen Creditiv Schteiben / ſampt an - dern koͤſtbahren Kleinodien / waren kaum hinein geſetzet / vnd zwey von vnſern gemeinen Voͤlckern / welche vor andern das Leben zu erretten gedachten / eingeſprungen / ſchlugen die Wellen das Boet voll Waſſer / daß es zu ſincken begunte / vnd die Voͤlcker mit lebens Gefahr kanm wieder an das Schiff ſteigen kunten. Wir muſten alſo beyſammen die gantze Nacht in der Furcht vnd Gefahr außhalten.
Als der Tag begunte anzubrechen / wurden wir gewar / daß wir vor der Jnſul Oeland ſaſſen. Da lag nahe bey vns ein Stuͤcke von einem Dennemaͤrckiſchen Schiffe / welches vor 4 Wochen auch allda vntergangen. Da der Wind ſich etwas geleget / kamen zwey Oelaͤn - diſche Fiſcher mit kleinen Boͤten an vnſer Schiff / welche auff Zuſage groſſer begehrter Recompens die Geſandten / vnd hernach vnſer et - liche ans Land ſetzten. Gegen den Mittag funden ſich der Herꝛen Schattulen / welche die See außgeworffen hatte / am Strande wieder. Hernach kamen auch etliche Oelaͤndiſche Bawren vmb Huͤlffe zu thun / daß das Schiff von den Klippen wiederumb befreyet werden moͤchte. Als dieſe nebenſt vnſern Boetsleuten zuſammen jhrer Zehen / das groſſe Ancker auff dem Schiffsboet vhngefehr 40 Faden zu ruͤck vom Schiff fuͤhreten / vnd außwerffen wolten / wurde es verſehen / vieleicht weil jhre Haͤupter vom Trunck / welchen wir jhnen zum Will - kommen mit milder Hand gaben / zu ſchwer / daß das Boet vmbſchlug / vnd ſie alle erbaͤrmlich in der See herumb ſchwummen: Etliche ergrief - fen das vmbgekehrte Boet / etliche die Ruder / vnd erhielten ſich ſo lang daran / biß vnſer Stewerman mit einem jhrer Fiſcher-Boͤten / ſo am Bort ſtunden / jhnen zu huͤlffe kam / vnd ſie auff zweymahl außfuͤhrete / ohne einen / nemblich den Schiffszimmerman / welcher / weil Er nichts ergreiffen kunte / fuͤr vnſern Augen vntergehen vnd erſaͤuffen muſte.
Jn dem man nun mit dem Schiff abwinden zu wercke war / wuchs das Waſſer zu ſehend / vnd der Wind / welcher ſonſt Suͤdweſt geweſen / kam auß Nordweſt / vnd halff das Schiff zur ſeiten abtreiben / So bald daſſelbe wieder auff die Tieffe kam lieff der Wind wieder Suͤdweſt / mit welchen man auch hernach durch den Calmer Sund gehen kunte / vnd zwar auch nicht ohne Gefahr / wegen des bey der Cal - mer Schantze liegenden vnreinen Grundes. Vor Calmer erwartete das Schiff der Geſandten / welche den 1. Novemb. mit etlichen Voͤl -Zwey Diener wurden von Calmer zu ruͤcke nach Holſtein ge - ſchickt. ckern zu Lande nachkahmen / vnd ſich bey Fehrſtadt an einer alten Schantze wieder uͤber vnd an den Bort ſetzen lieſſen.
Allhier wurden Johan Voigt vnd Steen Jenſen wieder zu ruͤcke durch Dennemarcken nach Gottorff geſchicket / vmb newe Creditiven, weil die vorige in der See verdorben / zu holen.
Dar -57Reiſe Beſchreibung.Darauff ward deliberiret, welches rathſamer / daß man ſolte ferner zur See / oder uͤber Land durch Schweden gehen / vnd endlich vmb vielerley Vrſachen willen geſchloſſen / daß man einen erfahrnen Stewerman dem vnſerigen zu ordnen / vnd es uͤber See ferner wagen ſolte. Weil aber zu Calmer kein Stewerman zubekommen / nahmen wir 2 Piloten / die den Weg vns auff eine halbe Meile durch die flache Grunde zeigen muſten. Vnd giengen den 3 Dito im Namen Gottes wieder zu Segel / kamen eine groſſe runde Klippe vorbey / die Schwe -Eine Klippe die Schwedi - ſche Jungfer. diſche Jungfer genandt / welche wir mitten im Waſſer zur lincken Hand liegen lieſſen / dieſe wird vom Calmerſund 8 Meilen geſchaͤtzet. Vmb den Mittag bekamen wir auff die ſeite das Schloß Borch -Borchholm ein Schloß. holm auff Oeland gelegen. Gegen Abend erreichten wir das Ende der Jnſel Oeland / vnd lieffen dieſe Nacht vmb daſſelbe / mit einem ſo grawſamen Sturm auß Nordoſt / daß das fordertheil des Schiffs mehr vnter / als uͤber dem Waſſer gienge / vnd die Wellen biß an die Segel ſchlugen. Bey ſolchem Sturm ward auch des Schiffs Pumpe vnklar / vnd muſte man dieſelbe mit groſſer Muͤhe herauß winden vnd wieder Gangbar machen / vnter deſſen das Waſſer außbalgen vnd mit Keſſeln außgieſſen. Dieſer Sturm waͤrete biß auff den Mittag / vnd weil wir kaum 6 Striche ins Segel hatten / vnd dahero nicht fuͤrder kommen konten / ſondern jmmer naͤher an den Oelaͤndiſchen Wall wichen / ware dem Schiffer nicht wol darbey / ſagte wann dieſer Sturm noch 2 ſtunden waͤret / lieget das Schiff am Leger-Wall vnd iſt vmb den Halß / daß wir hiedurch abermahl nicht in geringe Furcht gerieten / bald darauff aber begunte der Wind 3 bald 4 Striche zu reumen / daß wir alſo wieder erfrewet / vnſern Cours beſegeln kunten. Gegen den Abend bekamen wir Gottland zu ſehen.
Den 5 Novemb. erhub ſich abermahl ein groſſer Sturm auß Weſt Suͤdweſt / daß eine See nach der andern uͤber das Schiff gieng. Den Abend vmb 10 Vhren warffen wir das Lot / funden 12 Faden. vnd weil wir vns des Landes befuͤrchteten / trieben wir die Nacht wieder zur Rechten in die See. Dieſe Tage kunten wir wegen continuir - lichen Stuͤrmen nur das Schonfahr Segel fuͤhren.
Den 6 Dito vmb den Mittag begegenete vns ein Hollaͤndiſch Schiff / gab Bericht von der ferne vnd rechten Cours nach dem Eilan - de Tagerordt / welches wir auch gegen den Abend anſichtig worden / Zur Nacht aber trieben wir abermahl mit einem Sturm nach der Lin - cken zur Seewertz.
Den 7 Dito als wir gegen den Mittag den Huuck von Tagerordt wieder gewahr wurden / ſahe es der Stewerman fuͤr Oetgens Holm an / vermeinende der ſtarcke Sturm muͤſte die vergangene Nacht vns allzu ſehr nach Norden getrieben haben / ſatzten derowegen vnſern Cours vnwiſſend gegen den gefaͤhrlichen Winckel Hondeswig / wur - dens auch nicht ehe innen / daß das vor vns liegende Land TagerordtHwar /58Newe Perſianiſchewar / biß wir ſo nahe hinzu kamen / daß wir den Thurm darauff erken - nen kunten / muſten alſo mit groſſer Gefahr wieder herauß lauffen. Dieſen Tag kam eine verjrrete Schute zu vns / vnd als ſie vernahm / daß wir nach Reval wolten / folgete ſie vns nach. Auff den Abend aber verließ ſie vns / vnd legte ſich bey Tagerordt vor Ancker / vnd iſt den andern Tag vor Reval ſicher ankommen. Vnſer Schiffer vnd Ste - werman aber / ob wir ſchon den gantzen Nachmittag die Liefflaͤndiſche Gegend / nemblich das groſſe Rogge ſtets vor Augen hatten / vnd den Abend nicht uͤber eine gute Meile vom Eyland Nargen / ſo an den Revaliſchen Hafen lieget / wahren / getraweten ſich doch nicht auff das Lot vollend einzulauffen / oder gleich der Schuten Ancker zu werffen / wiewol ſie dar zu vermahnet wurden: Trieben alſo wieder inMaſt vnnd Maiſan zer - brochen vnd giengen uͤber Bort. die See bey ſehr vngeſtuͤmen Wetter. Den Abend vmb 10 Vhr be - gunte der Wind ſehr zu wuͤten / vnd ehe wir es vns verſahen / zerbrach mit erſchrecklichen Krachen der groſſe Maſt ſampt der Maiſan / vnd ſchlugen uͤber Bort / gleich auff vnd uͤber vnſers Medici Schlaff ſtelle. Ein Boetsman / welcher zu ſeinem Vngluͤck auff dem uͤberlauff ſtund / ward durch ein Tau darnieder geſchlagen / daß jhme das Blut zur Naſen vnd Ohren her auß lieff / vnd den dritten Tag ſich kaum wieder beſinnen vnd auffrichten kunte / wuſte nicht zu berichten wie jhme ge - ſchehen waͤre / muſte auch auff Hochland ſein Leben druͤber auffgeben. Bey dieſem Fall ward auch die Spielle / das groſſe ſchwere Corpus (vieleichte durch ein geſchneltes Tau) zugleich mit außgeriſſen / vnd welches am meiſten zu verwundern / in dem die Maiſan im Außfahren die Cajuͤte gantz auffgeriſſen hatte / doch das Nachthaͤußgen / in wel - chen die Compaße ſtunden / ob ſchon die Maiſan dran feſte gemacht / vnverſehret bliebe / vnd ſolches zu vnſerm groſſen Gluͤck / Dann wenn die Compaße weren zerſchlagen worden / hetten wir nicht gewuſt / wohin wir vns wenden ſollen.
Dieſes Vngluͤck erregte abermahl groß Schrecken / Furcht vnd Wehcklagen vnter vns: Das Schiff ſchlug mehr als vor von einer ſeiten zur andern / daß wir ja recht taumelten vnd wanckcten wie die Trunckenen / waltzeten einer uͤber den andern her / dann niemand ohne Haͤltnuß ſtehen / ſitzen noch liegen kunte. Der abgebrochene vnd noch an etlichen Tauen hangende Maſt ſtieß grauſam gegen das Schiff. Der Schiffer gehub ſich ſehr uͤbel / wolte die Takel gerne erhalten / vnd gleichwol litte das Schiff von den harten Stoͤſſen groſſe Gefahr / muſten derowegen / auff der Geſandten ernſtes Antreiben doch abge - kappet werden / Die Boetsleute beklagten vnd beweineten jaͤmmerlich jhren vor Todt liegenden Mitgeſellen. Wir brachten alſo abermahl dieſe Nacht in groſſer Angſt zu.
Mit den angehenden Tage als den 8 Novemb. ſahen wir vns ſehnlich nach den Revelſchen Hafen vmb / hofften dieſen Tag den vn - geſtuͤmen Wellen einmahl zu entkommen / vnd den Fuß an den langgewuͤnd -59Reiſe Beſchreibung. gewuͤndſchten Port zu ſetzen / welches / vnſer Rechnung nach / vns nichts muͤglichers vorkam / wie dann der Geſandte Bruͤggeman vori - gen Tag bereit Ordre gemacht / mit was manier vnd Pracht wir in Revel einziehen wolten / aber vnſere Hoffnung vnd Ordre ward zu Waſſer / das Land flohe gleichſam vor vns vnd ward wieder verloh - ren / wuſten abermahl nicht wo wir waren. Vnd ob wir ſchon ver - meinten / fruͤhzeitig vnſern Cours auff den Hafen gerichtet zu haben / waren wir doch in der Nacht allzuſehr nach der lincken Hand vom Lande abgetrieben / daß wir den morgen die Hoͤhe nicht wieder erreichen konten. Vnd nach dem gegen 9 Vhren die Sonne ein wenig herfuͤr brach / den Nebel verzehrte / vnd vns wieder ein freyes Liecht vergoͤn - nete / wurden wir gewahr daß wir den Revelſchen Haven ſchon vorbey paßiret. Jn dem erhub ſich bey hellem Sonnenſchein auß Suͤdweſt ein ſo erſchrecklicher vnd vnerhoͤrter Sturm gleich einem Erdbieben /Ein erſchreck - licher groſſer Sturm. als wann er Himmel / Erd vnd See uͤber einen hauffen ſtuͤrtzen wolte: Es ſauſete vnd brauſete hefftig in der Lufft: Die als hohe Berge erho - bene vnd ſchaͤumende Wellen wuͤteten grawſam in einander / Das Schiff wurde von der See zum offtern gleichſam verſchlungen vnd wieder außgeſpyen. Der Schiffer ein alter Mann / wie auch etliche vnſers Comitats, welchen zuvor in Oſt - vnd Weſt Jndiſchen Sch if - farten mancher ſawrer Wind vnter Augen gangen / betewreten hoch / daß jhnen niemahls ſolcher Sturm vnd Gefahr zu handen kommen waͤre. Hie war guter Rath tewer / wir gaben es abermahl verlohren / vnd war kein ander Mittel / als daß wir auff gutachten des Stewer - mans beylegen / vnd gegen uͤber in die Finniſche Scheren oder Klippen lauffen vnd es wagen muſten / ob wir etwa die blinden Klippen (welche bey ſolchen Wetter brennen / wie ſie es nennen / oder durchs Geraͤuſche ein Zeichen von ſich geben wuͤrden) vermeiden vnd in den Hafen vor Elſenfoß in Finland vns bergen konten / oder ob GOtt durch einen gnaͤdigen Schiffbruch noch etliche auff die Felſen werffen vnd beym Leben erhalten moͤchte / Dann das zerbrochene Schiff kunte ſich in der See nicht laͤnger halten / Dahero etliche der vnſerigen was jhnen lieb war / vnd ſie getraweten mit fort zubringen / zu ſich ſteckten.
Der Legate Bruͤggeman oͤffnete ſein Schattul / gab macht / daß / wans zum Schiffbruche kaͤme / jeglicher an Gelde vnd Klenodien etwas moͤchte zu ſich ſtecken / darmit / wo er auffs Land kaͤme / deſto beſ - ſer fortkommen konte.
Vnſer etliche fielen die Geſandten vmb den Halß / mit ſehnlicher bitte / daß wo ſie im Schiffbruche Huͤlffe thun konten / vns nicht ver - laſſen wolten / welches ſie auch zu leiſten verſprochen. Wir ſegelten alſo zwiſchen Furcht vnd Hoffnung / Todt vnd Leben hin. Vnd weil es ja allem Anſehen nach vmb vnſer Leben ſolte gethan ſeyn / ergab ſich zwar ein jeglicher drein / vnd ſchickte ſich zu ſterben: Aber dennoch brach die Natuͤrliche Liebe zu Leben bey den meiſten auß in ein WinſelnH ijvnd60Newe Perſianiſchevnd Weheklagen / Da hieß es: Auß der Tieffen ruff ich HERR. Etliche ſaſſen erſtarret / konten vor todes Angſt weder ſingen noch be - ten / ſeufftzen war das beſte / Einer troͤſtete den andern auß erbarmen mit guter hoffnung / die er ſelbſt nicht gleubte. Als vnſer Paſtor, wel - cher vor andern jhm einen Muth faſſete / im Geſang auff die Worte kam: Heut ſeynd wir friſch geſund vnd ſtarck / morgen tod / vnd liegen im Sarck. Antwortet ein ander / Ach! Dieſe Gluͤckſeligkeit kompt vns nicht zu / morgen ſchwimmen vieleicht vnſere Coͤrper vmb die Klip - pen / Vnd gleich wie wir erſtlich vnſer Schiff vnd Guͤter gerne in die Schantze ſchlugen / vnd baten nur vmbs bloſſe Leben / alſo vergaſſen wir auch endlich vnſer Leben / vnd baten nur vmb die Seligkeit. Wir waren auch vor vnſern Augen ſchon todt vnd ſahen wie die blaſſen Leichen. Als der Legate Cruſius ſolche Beſtuͤrtzung vnter den Voͤl - ckern ſahe / rieff Er: Laſſet vns mit dem Gebete anhalten / Jch weis GOtt wird vns helffen / mein Hertz ſaget mirs. Vnter deſſen wuchs das Vngeſtuͤm je mehr vnd mehr / vnd trieb vns auch von der Gegend dieſes Hafens / Dann das Schiff / weil es der Principal Segel berau - bet vnd ſich nur der Focke gebrauchen muſte / wolte dem Stewerman nicht mehr gehorchen / ſondern lieff laͤngſt der Finnſchen See dem Winde nach.
Da wuſten wir abermahl nicht wo wir hinſolten. Dem Haupt - Boetsman Juͤrgen Steffens fiele endlich ein / daß zwar eine Jnſel / Hochland genandt / mitten in der See vor vns lege / allda Er vor dieſen geweſen vnd guten Anckergrund gefunden haͤtte / waͤre aber 17 Meilen von Reval gelegen / man muͤſte es wagen ob man daſſelbe erreichen vnd ſich darhinter bergen konte / welches er zu geſchehen vermeinete / wann mans nur bey Tage ins Geſichte bekommen konte. Jedoch war es in ſo kurtzer Zeit / weil der Tag bereit halb verfloſſen nicht wol zu hof - fen / fuͤrnemblich weil die Focke alleine das Schiff fortziehen muſte vnd den Wellen nicht entruͤcken konte. Dahero auch einmahl / welches zum erſchrecklichſten ware / eine vngehewre See hinten uͤber die Cojuͤte ins Schiff ſchlug vnd daſſelbe gantz bedeckte / wir fielen von den Schuͤt - tern uͤber einander / vermeineten jtzt wuͤrden wir vntergehen / muſten das Waſſer / ſo heuffig durch die zerbrochene Cojuͤte eingeſchlagen / in eyl wieder außpumpen / fuhren alſo in jmmerwaͤrenden Schrecken fort. Vngefehr vmb drey vhr Nachmittage / ſtieg der eine Boetsman auff die Fockwand / ſich nach Land vmb zu ſehen / vnd als er die Jnſel er - ſahe vnd rieff: Gott lob ich ſehe Hochland / wurden wir ſo hoch erfre - wet daß wir mit Haͤnden frohlockten / fuͤr Frewden weineten vnd ein - ander troͤſtlich wieder zu redeten: Nun hat GOtt vnſer Schreien vnd Seufftzen erhoͤret / Er wil vns dennoch nicht verlaſſen: Fiengen wie - der getroſt anzuſingen / daß Te Deum laudamus. Gedachten wir wern ſchon auß der Gefahr / da wir doch noch auff einem zerbrochenen Schiff mitten in den vngeſtuͤmen Wellen ſchwebeten / vnd wuſtennicht61Reiſe Beſchreibung. nicht was fuͤr ein Vngluͤck vnſer bey Hochland noch erwartete.
Mit der Sonnen vntergang begunte der Sturm ſich zwar zu le - gen / aber das erzuͤrnete Meer warff die Wellen noch jmmer ſehr hoch / Wir ſtelleten 4 Perſonen vorn ins Schiff die Farth zur Jnſel / welche eine vor Hochland liegende Klippe gefaͤhrlich machte / wahrzunehmen / vnd dem Schiffer beym Rohr zu zuruffen / Zu vnſerm gluͤcke fieng es an zuſchneyen / da es ſonſt den gantzen Tag klar Wetter vnd Son - nenſchein geweſen / dahero man die Berge im ſchwartzen Waſſer deſtoHinter Hoch - land ankom - men. beſſer ſehen konte / kahmen alſo den Abend vmb 7 Vhre hinter das Land / vnd legten vns in einen Sinum oder Jnwieg / ſo gegen Oſt Nordoſt gelegen / vor Ancker auff 19 Faden Waſſer.
Dieſen Abend nahmen wir wiederumb etwas von Speiſe zu vns / dann wir etliche Tage weder geſſen noch getruncken hatten / beſchloſ - ſen auch hinforth auff der Reiſe taͤglich zweymahl Betſtunde zu halten / vnd ſonſt zu gewiſſen zeiten mit Buß-Bett - vnd Faſt-Tagen / Gott dem HErrn fuͤr die gnaͤdige Huͤlffe vnd Errettung zu dancken / dann wir in Warheit dieſen Tag Gottes ſonderliche Gnade an vns zu ſpuͤ - ren gehabt / in dem Wetter / Wind vnd Meer ſo anfaͤnglich vns hoͤchſt zu wieder / vnd ſich anſehen lieſſen / als haͤtten Sie ſich zu vnſerm Vn - tergang zuſammen verſchworen / hernach vns hoͤchſt dienlich ſeyn mu - ſten / vnd wordurch wir vnſer Leben verlohren geſchaͤtzt / dadurch wurde es erhalten / Dann da wir mit vnſern zerbrochenen Schiffe in die ge - faͤhrliehen Schiffbruͤchigen Klippen vns wagen wolten / welches ohne ſchaden nicht wol waͤre abgelauffen / muſte der groſſe Sturm noch groͤſſer werden / vns von denſelben abzuhalten / vnd vnſern Lauff nach Hochland zu befordern.
Den 9 Dito blieben wir in gutem Wetter fuͤr Ancker liegen / flick - ten vnſer Schiff ſo gut wir kunten. Die Geſandten lieſſen ſich vnter - deſſen mit vnſer etlichen ans Land ſetzen / die Gelegenheit der Jnſel zu beſehen vnd ſich zu erluſtiren. Auff den Abend berathſchlagten wir vns mit dem Schiffer wohin wir vnſern Cours ferner nehmen wolten: Die Geſandten ſahen es vor gut an vollend nach Narva zu fahren / der Schiffer aber wante dargegen ſeine Vrſachen ein / wolte lieber zu ruͤcke nach Revel / andere aber / in betrachtung es mit einem zerbroche - nen Schiffe in ſolchen Wetter vnd Orten weiter zu ſegeln hoͤchſtge - faͤhrlich ſeyn wuͤrde / wolten lieber auff dieſer Jnſel außgeſetzet vnd durch andere Gelegenheit / die man durch die Liefflaͤndiſche / damals an Hochland liegenden Fiſchern von Revel auß verſchaffen konte / vollend ans feſte Land gebracht werden. Es wurde aber nichts ge - ſchloſſen / ſondern man wolte es anſehen biß an den morgenden Tag. Legte ſich alſo jeglicher zur Ruhe nieder. Ohngefehr vmb 9 Vhr kompt der Schiffer vor der Geſandten Lager / berichtet / daß der Wind ſich nach Oſten gewendet / ſtieß alſo auffs Land zu / wir koͤnten derowe - gen am ſelben Orte ohne Gefahr nicht liegen bleiben: Er hielte esH iijvors62Newe Perſianiſchevors beſte zu ſeyn / daß man ſich auff / vnd wieder zu ruͤcke nach Revel machte. Die Geſandten gaben jhm zur Antwort: Er ſolte es alſo machen / wie ers gedaͤchte vor GOtt vnd der Welt zuverantworten. Jn dem nun das Ancker geleichtet / gerieth der Wind in einen fliehen - den Sturm / triebe das Schiff je mehr vnd mehr zum Lande / daß auch keine Arbeit vnd Muͤhe / wie embſig ſie auch im Abfuͤhren deſſelben angewendet / etwas verfangen wolte. Da wurde abermahl ein groß Geſchrey gemachet vnd geruffen / daß / wer ſein Leben erretten wolte / auffſtehen / vnd ſich oben auffs Schiff begeben ſolte / es waͤre groſſe Noth verhanden: Vnd lieſſe ſich alles zu einem gefaͤhrlichen Schiff - bruche an.
Man ließ zwar das Ancker wieder fallen / aber das Schiff war ſchon allzunahe an den Strand / ohngefehr auff 30 Faden getrieben. Das Schiffboot ward in eyl auß - vnd die Geſandten zu erſt ans Land geſetzet / hernach vnſer etliche / mittlerweile erreichte das Schiff die groſſe am Grunde liegende Steine / deren der gantze Strandt voll lag / vnd ſtieß auff dieſelbe mit groſſem Vngeſtuͤm vnd Krachen / daß die uͤbrigen im Schiff vermeinten / es wuͤrde daſſelbe alſobald in kleinen ſtuͤcken zerſcheitert / vnd ſie alle erſaͤuffet werden / Vnd ob ſie ſchon ſehnlich begehret / mit dem Boete / gleich andern / ans Land geſetzt zu werden / hat es doch das Schiffsvolck geweigert / darmit nicht die hin - terſtelligen auff dem Schiffe / wann etwan das Boet am Strande durch die Wellen auff den Steinen zerſchlagen / noth leiden moͤchten. Vnd eben vmb dieſer Vrſachen willen / wurden vnſer etliche auß dem Boete ins Waſſer biß an die Huͤfften geſetzet / daß wir zwiſchen den Steinen vollend herauß waden muſten. Jn dem ich im Waſſer / vnd des Geſandten Bruͤggemans Schattul / ſo von koͤſtbaren Sachen ziemlich ſchwer / zugleich mit außgeworffen ward / vnd die Wellen daſſelbe wieder Seewerts ziehen wolten / ergrieff ich ſolches / wie - wol wegen einer newlich außgeſtandenen groſſen Kranckheit mit ſchwachen Haͤnden / Vnſer Medicus aber erhaſchte mich wiederumb beym Rocke / vnd ward alſo eins von den andern auß den Wellen / welche offte uͤber vns hinſchlugen / ans Land gezogen / Als das Schiffsvolck ſahe / daß das Schiff nicht laͤnger zu erhalten war / loͤſe - ten ſie das Ancker-Tau / in hoffnung das Schiff wurde naͤher ans Land geſetzet vnd alſo von den Wellen nicht mehr erhaben vnd auff den Grund geſtoſſen werden / halff aber nichts / weil der Sturm zuSchiffbruch vor Hochland hefftig / ſondern nach dem es eine gantze ſtunde auff den Steinen ge - arbeitet hatte / zerbrach es / vnd ſanck zu Grunde. Die andern Voͤl - cker wurden auch außgeſetzet.
Am ſelben Orte der Jnſel waren fuͤnff Fiſcher Huͤtten / in wel - chen vndeutſche Liefflaͤndiſche Bawren / welche wegen jhrer Fiſcherey vnd continuir lichen vngeſtuͤmen Wetters ſich allda verſpaͤtet haͤtten / Bey dieſen kehreten wir ein.
Wenn63Reiſe Beſchreibung.Wenn wir an einen andern Ort dieſer Jnſel angeſchlagen waͤ - ren / da wir dieſe Fiſcher Huͤtten nicht ſo bald haͤtten erreichen oder finden koͤnnen / wuͤrden wir dieſelbige Nacht / weil es ſehr kalt / in vnſern naſſen Kleidern kaum haben außhalten koͤnnen. Es fiel auch eben ein tieffer Schnee / daß wir weder Weg noch Steg erkennen kon - ten. Wir kamen vngefehr zu einer alten Capellen / in welcher den vo - rigen Tag vnſer etliche geweſen vnd nach vermuͤgen etwas in den Gottes Kaſten gegeben hatten / Dieſelbe Capelle / ob ſie zwar etwas weit von den Fiſcher-Huͤtten abgelegen / gab doch gute Nachricht des rechten Weges zu denſelben / weil wir jhn bereit einmahl gegan - gen waren.
Den Morgen des andern Tages als den 10 Dito giengen wir an dem Strande zu ſehen ob man an das Schiff kommen vnd die Guͤter erretten moͤchte / Die See aber wuͤtete noch ſehr hefftig / daß keiner mit dem Boete ſich hinzu wagen duͤrffte.
Nachmittage als der Wind vnd die Wellen ſich etwas geleget / bemuͤhete man ſich die Pferde vnd andere Guͤter auß dem Waſſer zu erretten. Es wurden auch viel Guͤter ſampt 7 Pferden vnd zwar die ſich loß geriſſen vnd die Koͤpffe uͤber das Waſſer halten koͤnten / erret - tet / deren doch nur 5 lebendig blieben.
Jn64Newe PerſianiſcheJn dieſem Schiffbruche kam vnter andern vmb ein groß vnd koͤſtlich Vhrwerck / ſo vor ein ſonderliches Kunſtſtuͤcke gehalten vnd auff etliche 1000 Rthal. æſtimiret ward. Es hattens die Pferde in der Angſt zerſchlagen vnd zertretten. Folgende Tage weil gut Wet - ter vnd Sonnenſchein / truckneten wir vnſere Kleider / Buͤcher vnd Bagage, welche vom Saltzwaſſer theils heßlich zugerichtet / theils gantz verdorben waren.
Weil wir auff dieſer Jnſel allem Anſehen nach eine zeitlang blei - ben ſolten / vnd nicht wuſten wann Gott Mittel ſchicken vnd vns erloͤ - ſen wuͤrde / Vns auch befuͤrchten muſten / daß wir bey angehenden Winter daſelbſt haͤtten einfrieren vnd gar verhungern koͤnnen (Dann wie wir berichtet worden / haben vor wenig Jahren auch etliche / durch Vngewitter dahin verſchlagene vnd Schiffbruch erlittene Leute vnd Bawren / des Hungers ſich zu erwehren die Borcken vnnd Rin - den von den Tannenbaͤumen muͤſſen eſſen) Muſten wir vns des Proviants / deſſen ein ſchlechter Vorrath / ſonderlich des Brods ſo errettet ward / ſparſamlich gebrauchen / Das zerſchmoltzene Zwey - back / welches ſich nicht wolte wieder duͤrren laſſen / ward mit Kuͤmmel gekochet / vnd an ſtatt des Brods mit Loͤffeln gegeſſen: kam etlichen der vnſerigen ſehr ſawer an. Ein mahl bekamen wir eine groſſe menge kleine Fiſche Elritzen / die wir in einen auß den Bergen lauffenden Baͤchlein mit Hembden vnd Bettuͤchern fiengen / mit denſelben kun - ten wir auff 2 mahl alle Voͤlcker ſpeiſen.
Hochland hat den Namen daher weil es eine hoch erhobene Jn - ſel / als ein hohes Land anzuſehen / iſt drey Meilen lang vnd Eine breit / faſt lauter Felſen mit Tannen vnd Buſch bewachſen. Es war voller Haſen / ſo gleich allen Liefflaͤndiſchen zu Winterszeit / ſchneeweiß vom Felle / die man wegen der Gepuͤſche vnd hohen Felſen mit Hunden daſelſt nicht verfolgen kunte.
Zu Reval iſt vnter deſſen ein Geſchrey außkommen / als waͤren wir alle ertruncken / Dann man vorgegeben / es waͤren am Strande et - liche todte Perſonen roth gekleidet (deñ diß war vnſere Liberey) gefun - den worden. Vnd wurde deſto mehr geglaͤubet / weil die obgemelte eingelauffene Schute berichtet / daß wir bey groß Rogge vor jhr her geſegelt / vnd doch in den Hafen nicht eingekommen / ja auch in 8 Ta - gen nach dieſem von vns nicht die geringſte Nachricht geweſen / Sind alſo von den vnſerigen gaͤntzlich verlohren geſchaͤtzet worden / dahero groß Trauren vnd Klagen vnter jhnen entſtanden / daß ſie wie die verlohrne Schaffe in der Jrꝛe gangen / vnd bereit Anſchlaͤge gema - chet / wie einer ſeinen Weg hie der andere dort hinauß nehmen wollen.
Den 12 Novemb. kamen 2 Finlaͤndiſche Boͤte / auch durch Vn - gewitter verſchlagen bey Hochland an / auff deren eins ward vnſer Cammerherꝛ / der Wol Edle / Geſtrenge vnd Veſte Johan Chriſtoff von Vchteritz (jtzo Fuͤrſtl: Holſteiniſcher Cammer-Juncker zu Got -torff)65Reiſe Beſchreibung. torff) mit einem Lackeyen / den 13 dieſes / da der Sturm ſich geleget / vorauß ans feſte Land / vnd nach Revel geſchicket / vnſer Behaͤltnuͤß vnd Zuſtand zu berichten. Mit was Frewden derſelbige von den vnſe - rigen iſt empfangen worden / iſt leichte zu erachten / Dann ſie alle vmb jhn heruͤmb gelauffen / fuͤr Frewden weinende nicht gewuſt was ſie erſt ſagen ſollen.
Den 17 Dito haben ſich die Geſandten jeglicher mit 5 Perſonen in zwey geringe Fiſcher-Boͤten auch vollend uͤber ans feſte Land / ſo gegen Hochland auff zwoͤlff Meilen gelegen / ſetzen laſſen: Diß war auch eine elende vnd gefaͤhrliche Farth. Die Boͤte waren alt / vnd oben nur mit Baſte zuſammen gebunden vnd geflickt / ſonderlich in welchen der Geſandte Lic. Cruſius ſaß / da dann das Waſſer an vie - len Orten eindraͤng / vnd einer jmmer zu zuſtopffen vnd auß zuſchoͤpf - fen hatte: Das Segel war von alten Lumpen zuſammen geflicket: Die Leute konten nicht als nur vor Winde ſegeln / dahero / als wir erſt vor guten gemaͤhligen Winde 5 Meilen gegangen / vnd der Wind be - gunte ein wenig vmb zu lauffen / wolten ſie auch wieder zu ruͤcke nach Hochland kehren / weil wir aber eine kleine Jnſel / nicht uͤber eine halbeAuff eine wuͤ - ſte Jnſel an - kommen. Meile vor vns ſahen / hielten wir an / daß ſie die Segel einnehmen vnd die Ruder gebrauchen muſten / kamen auch auff den Abend daſelbſten wol an. Auff derſelben Jnſel funden wir nichts / als 2 leere Huͤtten halb in die Erde gebawet / in denſelben machten wir Fewer vnd blieben die Nacht uͤber drinnen. Hier begunte es an Brod zu mangeln / mu - ſten derowegen an deſſen ſtatt Parmaſan Kaͤſe / deſſen wir noch ein ſtuͤck hatten / eſſen. Auff den morgen fuhren wir mit guten vnd gelin - den Winde aber ſehr holem Waſſer wieder fort.
Als wir bey 2 Stunden gefahren kompt ohn alles vermuhten in einen Augenblick ein ſtarcker Wirbelwind von Oſten / da der WindEin Wirbel - wind ſtieß ge - faͤhrlich auff vns. ſonſt Norden war / ſtieß auff des Geſandten Bruͤggemans Boet / daß daſſelbe ſich gantz auff die ſeite legte vnd Waſſer zu ſchoͤpffen be - gunte. Denn eine ſtarcke Welle ſchlug am Boete in die hoͤhe / daß das Waſſer bey einer halben Elen uͤber den Bort ſtunde / die Bawren ſiengen an zuſchreyen / fiehlen auff die andere ſeite des Boets / riſſen das Segel geſchwinde herunter / vnd wanten das Boet nach dem Winde / darauff ward es alſobald wieder ſtille / daß wir mit dem vori - gen Winde wieder ſegeln konten / ſolcher Wirbel kam in zwey Stun - den 3 mahl / Die Bawren aber / weil ſie denſelben hernach von ferne kommen ſahen / wanten das Boet darnach / vnd lieſſen jhn uͤber hin - ſtreichen / zum erſten mahl erſchracken wir von Hertzen. Vnd halte ich gaͤntzlich darfuͤr / daß diß die groͤſte Gefahr geweſen / ſo wir zur See gehabt. Dann weil wir mitten in der See / vnd vnſer Boet ziemlich ſchwer / in dem es neben 8 Perſonen mit der Geſandten Silber Taffel / vnd andern Guͤtern beladen / vnd wenig Bort hatte / waͤre es vmb ein geringes geweſen / daß wir vntergangen. Hierbey war zumJhoͤch -66Newe Perſianiſche
hoͤchſten zu verwundern / daß des Geſandten Cruſij Boet / welches nur einen Piſtolen Schuß hinter vns lieff / nicht das geringſte von ſolchen Vngemach empfunden vnd gewuſt hat.
Da wir vngefehr noch 3 Meilen vom Lande / beſiel vns auch ein ſtarcker Hagel / andere aber der vnſerigen / welche den Geſandten fol - geten / hatten ſchoͤn Wetter vnd lieblichen Sonnenſchein gehabt.
Als wir faſt auff eine halbe Meile das feſte Land erreichet / wolte der Wind contrari lauffen vnd vns zu ruͤcke treiben / aber wir hielten ſtarck an mit Rudern / verhieſſen den Bawren eine Flaſchen von 3 Kannen Brantwein / ſo wir bey vns hatten / zu verehren / wann wir fuͤr Abend ans Land kaͤmen. Die Fiſcher grieffen die Ruder friſch an / vnd ſtreckten alle jhre Leibes kraͤffte daran / erreichten auch gegen den Abend / nemblich am 18 Novemb. glaͤcklich das Vfer / vnd ſtiegen in Ehſtland an den Malliſchen Strandt auß / nach dem wir 22 Tage auff der Oſt-See geweſen wahren.
So bald wir das Vfer erreichet vnd noch nicht außgeſtiegen / grieffen die Bawren alſobald nach der Branteweins Flaſchen / welche wir jhnen zwar willig / jedoch allzuzeitig folgen lieſſen / Dann ehe noch die Guͤter außgeladen vnd auffs Land geſetzet wurden / lieffen ſie dar - mit ins Dorff / rieffen die jhrigen vnd Nachbawren zuſammen / vndſoffen67Reiſe Beſchreibung. ſoffen die Flaſche in ſehr geſchwinder eyl gantz auß / daß / ehe man ſichs verſahe / ſie alle mit Weib vnd Kindern toll vnd voll herum lieffen / ſich zu zancken vnd zu ſchlagen begunten / daß man ſie ferner wenig gebrauchen konte / außgenommen einen / welchen der Trunck behertzt vnd trewhertzig gemacht / als der ſahe / das vnſer Boet eines ſich loß geriſſen / vnd vom Lande zur See wiche / ſprang er nackend in die See biß an den Halß / vngeachtet daß es ſehr kalt war / ſchwum ans Boet / vnd brachte es wieder zu ruͤcke.
Den 22 Dito ſind 2 Schuten / ſo von Reval nach Finland ge - wolt / durch einen hefftigen Sturm auch nach Hochland verſchlagen worden / auff dieſelben hatten ſich die hinterſtelligen Voͤlcker mit den Pferden vnd Guͤtern verdinget / vnd kamen den 24 dieſes auch gluͤck - lich uͤber in Lieffland.
Von dar wanten wir vns ingeſampt nach Kunda, auff Herꝛn Johan Muͤllers / meines Sel. Schwieger-Vaters Hoff / welcher nur 2 Meilen vom ſelbigen Strande lieget. Daſelbſt wir drey Wochen ſtille liegen blichen / vnd wurden wegen des außgeſtandenen continuir - lichen Vngemachs zur See faſt alle nacheinander kranck / aber doch keiner uͤber drey Tage Laͤgerhafftig.
Vnd weil wegen etlicher durch den Schiffbruch verdorbener koͤſtlichen Sachen reparierung / in einer Stadt zu ſeyn / vns bequemer fallen wolte / haben wir vns nach der Stadt Reval erhoben / ſeynd auch den andern Decembris allda gluͤcklich angelanget.
Was vnſer zur See außgeſtandenes Vngluͤck fuͤr ein hertzliches Mitleyden bey der gantzen Stadt erwecket hatte / iſt auß der groſſen Frewde vnd Frolocken / ſo ſie nicht allein bey Ankunfft des vorauß geſchickten Johan Chriſtoff von Vchteritz / ſondern auch hernach mit Danckſagung in den Kirchen / vnd oͤffentlichen actibus gratulatoriis im Gymnaſio zu erkennen gegeben / genugſamb abzunehmen geweſen.
Diß iſt alſo die hoͤchſt gefaͤhrliche Schiffarth ſo wir damals uͤber das Mare Balthicum oder Oſt-See gethan haben / da wir faſt alle Tage den Todt fuͤr Augen ſahen / vnd vnſer Leben ein ſtetswaͤrendes agoniſiren war / darbey wir doch Gottes ſonderbare Gnade vnnd Errettung zu ſpuͤren vnd zu ruͤhmen hatten.
Vber ſothanen Schiffbruch iſt hernach vmb gewiſſen Vrſachen in vnſerm Schiffe auff der Wolga vor Nieſen / 100 Meilen hinter Mußcow oͤffentlich ein Sermon gehalten worden / Worauff der Sel. Fleming mein lieber Reiſe-gefehrte ein Carmen geſchrieben / vnd mir zugeſchicket / welches ich auß deſſen Opere nehmen vnd zu ſei - nem guten Andencken hiermit einfuͤhren wollen.
Da nun die Herꝛn Geſandten in Reval jhren gantzen Comitat beyſammen hatten / lieſſen Sie die Fuͤrſtliche zu Gottorff empfangene Hoff-Ordnung vorleſen / welche als folget:
MJr FRJEDRJCH / von Gottes Gnaden / Erbe zu Norwegen / Hertzog zu Schleß - wig / Holſtein / Stormarn vnd der Ditmarſchen / Graffe zu Oldenburg vnd Delmenhorſt / ꝛc. Entbieten allen vnd jeden die ſich bey jtziger vnſerer nach Mußcow vnd Perſien angeordenten Legation befinden / vnſere Gnade / darneben zu wiſſen fuͤgende. Als wir auß erheblichen Vrſachen die Veſte vnd Hochgelarte vnſere Raͤthe vnd liebe getrewe: Philippum Cruſium, der Rechten Licentiatum vnd Otto Bruͤggeman zu vnſern Geſandten an den Großfuͤrſten in Mußcow Herꝛn Michael Fœdorowitz, Vnſern freundlich geliebten Herꝛn Oheimb vnd Schwager / vnd fuͤrters an den Koͤnig in Perſia conſtituiret, verordnet / vnd dieſelben mit einem anſehnlichen Comitat verſehen. Daß Wir dahero / vnd darmit nebenſt verrichtung deren von Vns jhnen an - befohlenen Geſcheffte / Vnſere jhnen anbetrawete Fuͤrſt - liche Reputation in gebuͤrender hoher Obacht von maͤnnig - lichen / Jnſonderheit aber angeregten jhren Comitat gehal - ten / vnd jhnen in vnſerm reſpect alle ſchuͤldige Ehre / Folge / Auffwartung vnd Gehorſamb geleiſtet werden muͤge / gegenwertige Hoff-Ordnung deren von allen vnd einen jeden inſonderheit gehorſambſt nachgelebet werden ſol / außfertigen laſſen / auff Maß vnd Weiſe wie folget:
ANfaͤnglich vnd vors Erſte ſollen alle vnd jede / ſo ſich bey dieſer Vnſerer Ambaßada in Comitatu befinden / obbemelten Vnſern beyden Geſandten in Vnſerm reſpect alle ſchuͤldige Ehre / Folge vnd Auffwartung erweiſen / Auch all dem jenigen / was ſie entweder ſelbſt erheiſchen - der Notturfft nach / oder durch jhren verordenten Mar - ſchall commandiren, ordnen vnd befehlen werden / ohne contradiction oder weigerung pariren, vnd allerdings ge - ziemende Folge leiſten / Maſſen dann wir gemelten vnſernGe -73Reiſe Beſchreibung. Geſandten hiermit die Authoritet vnd Macht geben die Wiederſpenſtigen vnd Vngehorſamen / nach befindung der Sachen beſehaffenheit mit Ernſt anzuſehen vnd zu beſtraffen.
Vnd dieweil die Gottesfurcht der Anfang / Mittel2. vnd Ende aller actionum ſeyn ſol / vñ zufoderſt auſſ derglei - chen weiten Reiſen von einem jeden billich fleiſſig geuͤbet wird / Als ſollen alle vnd jede / die ſich in dieſem Comitatu befinden / vor allen dingen die wahre Gottesfurcht ſich zum hoͤchſten befohlen ſeyn laſſen / bey den ordentlichen Predigten vnd Gottesdienſt ſich jederzeit einſtellen / vnd Gott den Allmaͤchtigen vmb gluͤcklichen Succes dieſes vn - ſers wichtigen Vorhabens anruffen helffen / hergegen ſich des Schwerens / Fluchens / Gotteslaͤſtern vnd an - dern groben Laſtern gaͤntzlich euſſern vnd enthalten / bey vermeidung vnſerer Vngnade vnd Straffe / welche vn - ſere Geſandten den Verbrechern nach wichtigkeit des delicti ohne anſehen der Perſon dictiren werden.
Ebenmeſſig wir auch hiermit alles vnordentliche Le -3. ben im Freſſen / Sauffen vnd anderer uͤppigkeit / als wor - auß allerhand Vngelegenheit zu entſtehen pfleget / hiermit ernſtlich verboten haben wollen.
Jnſonderheit aber ſollen alle vnd jede bey dieſer vn -4. ſerer Ambaßada ſich befindende / ſich der Einigkeit befleiſ - ſigen / Ein jeder nach Standes gebuͤr mit ſeinen Cameraden in guter Vertrawligkeit leben vnd einer dem andern alle gute Freundſchafft / Liebe vnd aßiſtentz erweiſen: Hierge - gen aber des Zanckens / Haderns / vnnoͤtigen groben agi - rens, Beſchimpfens vnd Schlagens enthalten / Vnd da einige Mißverſtaͤndnuͤß zwiſchen etzlichen einrieſſen / dar - uͤber zu keiner thaͤtligkeit tretten / ſondern da ſich einer uͤber den andern zubeſchweren haͤtte / ſolches dem Marſchall anzeigen / der entweder fuͤr ſich ſelbſt die Mißhelligkeit in guͤte beylegen / oder da er ſolches allein nicht erheben kon - te / vnſern Geſandten mit gebuͤrender Beſcheidenheit an - zeigen ſol / welche / jhrer vns bekanten discretion nach / denKSa -74Newe PerſianiſcheSachen jhren Außſchlag / deme auch ein jeder zu gehorſa - men ſchuͤldig / geben werde. Vnd wollen Wir das eigen - thaͤtliche Außfodern / Rauffen vnd duellen bey dieſer vn - ſer Ambaßada, vnd vnter dem Comitat, als wordurch vnſere hohe Fuͤrſtliche Reputation, bevorab bey frembden Natio - nen, gar leichtlich violiret werden konte / keines weges zu - gelaſſen / ſondern hiermit ernſt - vnd gaͤntzlich verboten / vnd darunter ſo wol die hohe Officirer / als gemeine Be - diente außdrucklich gemeinet vnd verſtanden haben.
Vnd darmit bey dieſer vnſerer Geſandten Hoffſtadt alles mit deſto beſſerer vnd richtiger Ordnung zugehen / hergegen alle conſuſion vnd dahero entſtehende disreputa - tion verhuͤtet werden muͤge / So ſol vnſerer Geſandten verordenter Marſchall ſo wol im Reiſen als Stille lie - gen / alles in ſorgfaͤltige Obacht nehmen.
Vnd zwar im Reiſen ſol er den Auffbruch / vnd wann jhme derſelbe von vnſern Geſandten angemeldet worden / bey einen jeden ſeinen Commando vnter gebenden anſchaf - fen / daß mit auffladung der Bagage vnd ſonſten ein jeder ſich auff die beſtimpte zeit fertig halte / vnd was jhnen an - befohlen mit fleiß vnd alſo in acht nehme vnd beſtelle / da - mit vnſere Geſandte durch eines vnd des andern tardantz zu jhrem Verdruß nicht verzoͤgert werden.
Ebenmeſſig auch Er / der Marſchall alle vnd jede da - hin anweiſen wird / darmit mit guter Einigkeit vnd gebuͤ - render Beſcheidenheit ohne vnziemblichen Tumult alles verrichtet werde.
Jm Stille liegen aber ſol Er dar auff ſehen / damit vnſern Geſandten jederzeit vnd zu allen begebenheiten ſo wol von den Hoff-Junckern als Pagen, Lackeyen vnd andern bey Tag vnd Nacht / vnd wem vnſere Geſandten etwas befehlen / fleiſſig auffgewartet vnd gedienet werde.
Vnd weil zu Erhaltung vnſerer hohen Fuͤrftlichen Reputation an ſothaner fleiſſiger Auffwartung mercklich gelegen. Als ſollen die Hoff-Junckern / Pagen, Lackeyen vnd andere nach der Ordnung / die vnſere Geſandten hier -in -75Reiſe Beſchreibung. innen anſtellen werden / mit taͤglichen Auffwarten ſich je - derzeit willig / fleiſſig vnd gewertig finden laſſen / damit Sie vnſern Geſandten in fuͤr gehenden Beſuchungen von Frembden / ſtets bey der Hand ſeyn / vnd alles mit guter reputation zugehen moͤge.
Was der Marſchall in einem vnd dem andern bey10. der Hoffſtadt im Namen vnſerer Geſandten commandiren ordnen vnd befehlen wird / deme ſol ein jeder ſo ſeinem com - mando vnterworffen vnweygerlich nachleben / Oder / Er ſol bemaͤchtiget ſeyn / zwar der jenigen ſo ſeinem commando nicht vnterworffen / verbrechen / vnſern Geſandten zu of - fenbahren / die gebuͤrenden Ernſt darinnen werden zu ge - brauchen wiſſen / die andern aber ſelbſt zu beſtraffen / Vnd wollen wir nichtes weniger / auch wieder einen jeden / der ſich der Gebuͤr nach nicht bezeigen ſolte / vnſere beſondere Beſtraffung vnnd Vngnade außdruͤcklich vorbehalten haben.
Wuͤrden auch vnſere Geſandte die commandirende11. Governeure, Stadthaltere / Magiſtraten, oder andere Be - diente / in den Feſtungen / Staͤdten / vnd wo ſie durchrei - ſen / beſchicken wollen / Sollen ſich die jenigen / die Sie auß dem Comitat dazu tuͤchtig befinden vnverdroſſen vnd vn - weygerlich gebrauchen laſſen / die jhnen anbefohlene Ge - werbe mit geziemender Beſcheidenheit vnd Trewe beſtel - len / Vnd was Sie verrichtet / vnſern Geſandten getrew - lich wieder reportiren, vnter ſich aber / daß einer dem an - dern vorgezogen worden / weil vnſere Geſandte / wer zu ſolchen Verrichtungen am dienlichſten / zum beſten verſte - hen / deßwegen keine heimliche oder oͤffentliche æmulation einreiſſen / mercken / weniger herꝛſchen laſſen.
Es ſol auch ein jeder die frembde Nationen ſo wol im12. Durchreiſen als Stille liegen vnbeſchimpffet vnd vnver - ſpottet laſſen / Vielmehr aber ſich gegen die ſelbe ſittſamb / freundlich vnd alſo bezeigen / damit die Frembden den vn - ſerigen alle gute Dienſte vnd Gegenbezeigungen zu erwei - ſen verurſachet vnd angelocket werden / Derowegen derK ijMar -76Newe PerſianiſcheMarſchall allen fuͤr gehenden Muthwillen vnd Vorwitz / do Er denſelben bey einigen befindet / alſobalde mit ernſte beſtraffen / vnd ſeiner habenden Authoritet ſich jederzeit ge - brauchen wird.
Alle die jenigen ſo in dieſem Comitat begrieffen / ſollen bey vnſern Geſandten die gantze Reiſe uͤber verbleiben / vnd ohne dero Vorwiſſen in andere oder frembde Dienſte ſich keines weges begeben / dahero / vnd weil wir vnſern eigenen beſtelten Leib-Medicum, Hartmannum Gramannum vnſern Geſandten auff dieſe Reiſe zugeordnet vnd mit ge - geben / Als ſol Er auch bey jhnen ſo wol in der Hin-als Zuruͤckreiſe verbleiben / vnd wieder mit jhnen zu Vns her - auß kommen.
Vnd weil in dieſer vnſerer Hoffordnung alle bege - bende Faͤlle nicht begrieffen vnd geſetzt werden koͤnnen / Als ſtellen wir das uͤbrige / was hierinnen nicht ſpecificiret zu vnſerer Geſandten vns bekanten discretion, denen ſel - ben hiermit vollkommene Gewalt ertheilende / in allen weitere gute Ordnung zu ſtellen / vnd dieſelbe nach der Zeit / oͤrter vnd anderer begebenden Vmbſtaͤnde gelegen - heit zu vermehren / Vnd was alſo zu erhaltung vnſerer hohen Fuͤrſtlichen reputation vnd guter Ordnung / auch ſonſten vnſere Geſandte / entweder ſelbſt oder durch an - dere ordiniren, erinnern vnd befehlen werden / dem jenigen ſol von allen vnd jeden / keinen auß beſcheiden / ſo vollkoͤm - lich gelebet / vnd aller ſchuͤldiger Gehorſamb geleiſtet wer - den / Als ob es von vns ſelbſt in dieſer vnſer Hoffordnung außdruͤcklich geſetzet vnd begrieffen waͤre.
Damit auch ein jeder ſeine Stelle vnd Ort im gehen / ſitzen / Taffel halten / reiſen vnd ſonſten allenthalben nach ſeinem Stande vnd Verrichtung wiſſen muͤge / Als ha - ben wir den gantzen Comitat nach vnſers Fuͤrſtlichen Ho - fes gewoͤhnlichen Gebrauch in gewiſſe Ordnung geſtellet.
(Solche Ordnung aber iſt Pag. 49. vnd folgend / wiewol mit noch viel mehr Perſonen als zu Gottorff verfaſſet / angedeutet worden.)
Be -77Reiſe Beſchreibung.Befehlen hierauff allen vnd jeden gnaͤdig / daß Sie dieſer vnſerer Hoff-Ordnung / vnd was dabey vnſere Ge - ſandte weiteꝛs veroꝛdnen / commandiren vnd befehlen wer - den / in allen vnd jeden Puncten gehorſambſt geleben / der - ſelben / in keinerley wege zu wieder handeln / vnd ſich alſo bezeigen / damit Sie vnſere Vngnade vnd Beſtraffung / die wir den Wiederſpenſtigen vnd Vngehorſamen hiermit andraͤwen / vermeyden: Vnd wir hingegen Vrſache ha - ben nach gluͤcklich abgelegter Reiſe einem jeden vnſere Fuͤrſtliche Gnade zu erweiſen. Solches meinen Wir ernſtlich. Vhrkundlich haben Wir dieſes mit vnſerm vorgedruckten Fuͤrſtlichem Cammer-Secret vnd bey ge - ſetzten Handzeichen bekraͤfftiget. Geben auff vnſerm Schloß vnd Fuͤrſtlichen Reſidentz Gottorff / den 1. Tag Octobris, Anno 1635.
L. S. Friedrich.
ALs aber die Herꝛn Geſandten vermerckten / daß etliche des Comitats ſolch vorgeſchrieben ernſtlich Gebot vnd Ordnung auß den Augen ſetzen / jhren eigenen Koͤpffen vnd Willen nach zuleben gedachten / dahero allem Anſehen nach allerhand Gottloſigkeit / Muth - willen vnd uͤppigkeit mercklichen einſchleichen wolte / haben Sie jhnen nichtes hoͤhers angelegen ſeyn laſſen / als ſolchem Vnweſen eyferig vor zukommen / vnd es dahin zu bringen / daß vnter Vns auff ſo ferner vnd langen Reiſe ein Gott vnd Menſchen wolgefaͤlliges Leben moͤchte gefuͤhret vnd geſpuͤret werden. Zu deſſen behueff Sie dann zum uͤber - ſluß nachgeſetzte Ordnung verfaſſet vnd zu Revall publiciren laſſen.
DEmnach bey jtziger / von dem Durchleuchtigen Hochgebornen Fuͤrſten vnd Herꝛn / Herꝛn FRJEDRJCHN / Erben zu Norwegen / Heꝛtzogen zu Schleßwig / Holſtein / StoꝛmarnK iijvnd78Newe Perſianiſchevnd der Dithmarſchen / Graffen zu Oldenburg vnd Del - menhorſt / ꝛc. Nach Mußcow vnd Perſien anderweit an - geordenten Legation die Fuͤrſtl: beyden Herꝛn Geſandten ſeidhero jhrer angenommenen Reiſe hin vnd wieder / Jn - ſonderheit aber bey dem durch Gottes Verhaͤngnuͤß zu geſtandenem uͤber auß groſſen Sturm zur See ſtund - vnd augenblicklicher Leibes vnd Lebens Gefahr / folgends auff Hoheland / leider / erlittenem Schiffbruche / ſalvirung etzlicher Guͤter / vnd endlich durch Gottes Gnade vnd Beyſtand erwundſcht beſchehener anlaͤndung anhero in Lieffland vielfaͤltig / vnd nicht ohn ſonderbahren Wieder - willen / Vnmuth vnd Verdruß anſehen vnd erfahren muͤſ - ſen / Daß der von hochgedachter Jhr Fuͤrſtl: Gn. durch dero Hoffmarſchallen publicirten vnd mit ſondern Ernſt mandirten Ordnung / von einem vnd dem andern der ge - buͤhr nicht nachgelebet / die wahre Gottesfurcht / vnd in - ſonderheit in euſſerſter Leibes vnd Lebens Noth von allen vnd jeden Gott hoch - vnd tewer gelobte Beſſerung des Lebens / ſo bald die Gefahr nur ein wenig vorbey / von vie - len auß den Augen geſetzet vnd vergeßlich in den Wind geſchlagen / auch wol / welches ſchmertzlich zubeklagen / gar vergeſſen / vnd das alte Leben wieder angefangen waꝛ - den / Dabeneben jhnen den Fuͤrſtl: beyden Herꝛn Geſand - ten der ſchuͤldige ernſtliche anbefohlene / vnd Jhr Fuͤrſtl: Gn. ſelbſt durch Sie die Herꝛn Geſandten anreichende reſpect faſt von keinen oder doch den wenigſten erwieſen / ob waͤre gantz keine Ordnung mehr zu achten / gelebet / vnd die einen jeden anbefohlene Verꝛichtung vnd expedi - tion ſchlecht verrichtet worden: Vnd aber / da ſolchen uͤberhand nehmenden Vnweſen Gott - vnd ruchloſen Le - ben vnd Vnordnung nicht bey zeiten fuͤrgebawet werden ſolte / nichtes gewiſſers zubefuͤrchten ſtehet / denn das zu - forderſt der allbereit hoͤchſt erzuͤrnte GOtt uͤber die ge - zeigte Straff-Ruhte vnd angedraͤwten Vntergang auff bevorſtehender noch weiten Reiſe vns noch haͤrter heimb - ſuchen vnd wol das Gar auß mit allen ſpielen moͤchte /Dann79Reiſe Beſchreibung. Dann auch hochgedachter Jhre Fuͤrſtl: Gn. an jhrer ho - hen vnd vn æſtimir lichen reputation, bevorab in der Fremb - de vnd bey Außlaͤndiſchen Nationen hoͤchlich lædiret vnd dardurch hoͤchſt offendiret werden wollen. Daß derowe - gen Sie / die Fuͤrſtl: beyde Herꝛn Geſandten die vnvmb - gaͤngliche Notturfft zu ſeyn erachtet / Auß der von Jhre Fuͤrſtl: Gn. jhnen gnaͤdig ertheilten vollkommenen Macht vnd Gewalt uͤber oberwehnte Fuͤrſtliche gnaͤdige Hoff - ordnung zu abſtellung jtzt beruͤhrten Gott vnd Jhre Fuͤrſtl: Gn. ernſten vnd hochverpoenten Befehl zu wieder lauf - fenden boͤſen Beginnen / verhinderung alles gottloſen Weſens / wiederbꝛingung des hindangeſetzten ſchuͤldigen / vnd jhnen in Perſonen Jhre Fuͤrſtl: Gn. gebuͤrenden re - ſpects, auch abſchaffung aller einreiſſender confuſion, nach - ſolgende Articul an ſtatt einer jmmerwaͤrenden / alle vnd ei - nen jeden in ſeinem Stande / die ſich in dieſem comitatu be - finden / keinen außbeſcheiden / verbuͤndlichen ſanction ab - zufaſſen / dieſelbe publiciren zu laſſen vnd mit anhaͤngung ernſter vnnachlaͤßlicher Beſtraffung zu befeſtigen.
ANfaͤnglich vnd vors Erſte / nachdeme allen denen je -1. nigen / welche von Travemuͤnda mit zu Schiffe gan - gen / annoch in friſcher Gedaͤchtnuß iſt vnd ſeyn ſol. Jn was Schrecken / Noth vnd euſſerſte / alle Stunde vnd Au - genblick fuͤrſtehende Leibes vnd Lebens Gefahꝛ / wir ſampt vnd ſonders den 29 October Nachtes zwiſchen 10 vnd 11 vhren auff Oeland / den 3 Novemb. Nachtes am Leger - wall vnter Oeland / den 7. ejusdem Nachtes zwiſchen 10 vnd 11 Vhren / vor Revall mit verlierung der Maſt / den 8 darauff vor den Finſchen Scheren / vnd folgents den 9 Novemb. Abends zu 10 Vhren vnter Hochland durch endlich erlittenen Schiffbruch geſtanden / alſo / wann nicht Gottes ſonderbare Huͤlffe / Guͤte vnd Barmhertzigkeit vns erhalten / wir ſampt vnd ſonders in der See verſin - cken / ſterben vnd verderben muͤſſen / Weil aber der grund - guͤtige Gott mitten in ſeinen Zorn ſeiner Barmhertzigkeit eingedenck / vns auß dem ſo viel mahl gegenwertigen Todeher -80Newe Perſianiſcheherauß geriſſen / wir auch ingeſampt vnd ein jeder inſon - derheit jmmerwaͤrenden Danck / auch Buß - vnd Beſſe - rung alles ſuͤndhafftigen Lebens verſprochen vnd zuge - ſagt / welches zu erfuͤllen / ein jeder zu halten / von Suͤnden abzuſtehen / vnd Gott vmb Vergebung der Suͤnden / ab - wendung ferner Straffe vnd verleihung alles gedeylichen Wolergehens / Gluͤck vnd Segens / auff vnſer noch fuͤrha - benden fernen Reiſe von Hertzen anzuruffen / gehalten iſt.
Als haben zu deſſen wircklichen vollſtreckung die Fuͤrſtliche Holſteiniſche Herꝛn Geſandten verordnet / daß alle Morgens vnd Abends gewiſſe Bet-Buß - vnd Danckſtunden gehalten werden ſollen / vnd damit ein je - der ſolche Stunden wiſſen / vnd bey zeiten ſich einſtellen moͤge / ſol der Marſchall des Morgens ſo bald der Tag anzubrechen begint / blaſen laſſen / damit ein jeder ſich an - kleiden muͤge / Alſofort eine viertel ſtunde hernach ſol zum Gebete geblaſen werden / worauff ein jeder / hindangeſetzt aller Arbeit oder Verrichtung ſich an dem zum Gebet ver - ordenten Ort vngeſeumbt einſtellen / vñ mit ſingen vnd be - ten in gebuͤrender Andacht denſelben mit beywohnen ſol / Ebenmeſſig auch des Abends nach gehaltener Taffel ein jeder an dem gewoͤnlichen Orte zu ſeyn vnd mit ſchuͤldiger Andacht die Betſtunde mit ab zuwarten / befehliget wird / Mit dieſer angehefften ernſten Verwarnung / daß die jeni - gen / welche von den fuͤrnembſten biß auff die Pagen, La - ckeyen vnd Jungen zu ſpaͤt / vnd wenn man ſchon angefan - gen zu ſingen kommen / einen orts Reichsthaler / die aber gantz außbleiben jedesmahl einen halben Reichsthaler ohne einige Gegenrede in die Armen Buͤchſe geben / vnd ehe derſelbe bezahlt / ſich der Taffel enthalten / die Pagen, Lackeyen vnd Jungen aber in geſampt / keine außbeſchei - den / entweder in die Kuͤchen oder ſonſten nach befindung / ohne anſehen der Perſon / durch den Marſchall geſtraffet werden ſollen.
Vnd dieſes ſol auch alſo bey den ordentlichen Son - tags vnd Wochen Predigten gehalten werden / Alſo / daßein81Reiſe Beſchreibung. ein jeder ſich darbey alſobald anfangs einſtelle / dem ſin - gen / beten vnd anhoͤrung goͤttlichen Worts mit gebuͤren - der Andacht beywohne / dem Allmaͤchtigen GOtt ſeinen ſchuͤldigen Dienſt leiſte / vnd denſelben vmb Gluͤck vnd Segen / zu vnſerer weiten Reiſe gewuͤndſchter Verrich - tung / vnd froͤlicher Wiederkunfft von Hertzen anruffen / Ailes bey vermeidung jtzt angedraͤweter Straffe / dar - auff der Herꝛ Paſtor ein wachendes Auge haben / vnd daß darinnen den Armen nichtes entzogen werde / fleiſſige Auffſicht haben ſol vnd wird.
Vnd weil viel hochſtraffbare Laſter / inſonderheit3. aber das Gotteslaͤſterliche Fluchen / Wuͤndſchen vnd Schweren / nebenſt vnverſchaͤmbten Schandieren vnd vnzuͤchtigen Boſſenreiſſen bey vielen vnter dem Comitat ſo gemein / daß faſt theils derſelben eine Gewonheit drauß gemacht / vnd fuͤr keine Suͤnde geachtet / ſondern wol gar als wol gethan juſtificiret vnd entſchuͤldiget werden wil / wordurch aber Gottes gerechter Zorn vñ ſchwere Straf - fen heuffig verurſachet / vnd zum offtern vmb eines ſo gott - loſen Menſchen willen eine gantze Gemeine geſtraffet wird / Als wollen die Fuͤrſtlichen Herꝛn Geſandten das leichtfertige Fluchen / Schweren / Wuͤndſchen / Schan - dieren / vnhoͤffliche Poſſenreiſſen / vnd andern in Gottes Wort vnd den heiligen Zehen Geboten hochverbotene uͤppigkeit vnd ruchloſes Leben hiermit gantz ernſtlich ver - boten haben / vnd wieder die jenigen welche darinnen be - tretten werden mit Exemplariſcher Beſtraffung / auch nach befindung am Leibe / wie nichts weniger wieder die jenigen die es anhoͤren vnd nicht anzeigen / mit wilkuͤhr - licher animadverſion vnd ſondern eyfer / vnaußbleiblich zu verfahren wiſſen.
Nechſt dieſem / nach dem an guter Ordnung viel ge -4. legen / welche aber durch nichtes beſſer erhalten wird / Als wañ ein jeder / was ſeines Ampts iſt / fleiſſig in acht nimpt / vnd was jhme anbefohlen iſt vngeſeumet zu aller vnd jeder zeit / trewlich verrichtet: Als wollen die Fuͤrſtliche HerꝛnLGe -82Newe PerſianiſcheGeſandten alle vnd einen jeglichen inſonderheit zufoderſt vnd in gemein erinnert vnd ernſtlich ermahnet haben / daß ſie deren von hoch gedachter Jhre Fuͤrſtl: Gn. zu Schleß - wig / Holſtein / ꝛc. Vnſern allerſeits gnaͤdigen Fuͤrſten vnd Herꝛn / den 1. Octob. Anno 1635. zu Gottorff gnaͤdig publicirten, vnd auff dieſe jhre Legation in ſpecie gerichtete Hoffordnung / in allen Puncten vnd nach Wortlichen ein - halt in ſchuͤldigſter vnterthaͤnigkeit gehorſambſt geleben vnd ſich deren allerdings gemeß verhalten / darmit Sie ei - nes jeden gehorſamb bey Jhrer Fuͤrſtl: Gn. zu ruͤhmen vrſach haben / nicht aber gegen den Wiederſpenſtigen jhre habende Autoritet zugebrauchen / genoͤtiget werden muͤgẽ.
Vnd darmit ein jeder wiſſen muͤge / wie es die Fuͤrſt - liche Herꝛn Geſandten ſo wol im Reiſen als Stille lie - gen bey jhrer Hoffſtadt gehalten haben wollen / Als ord - nen / ſetzen vñ befehlen Sie hierauff / daß ſo wol im Quar - tiere als auch im Auffbruch vnd Ablager / Jnſonderheit aber in præſents frembder Leute / der Marſchall nebenſt den hohen Officirern vnd Hoffjunckern jederzeit auffwaͤrtig ſeyn / Sie die Herꝛn Geſandten in geziemender Ordnung auß vnd ins logier begleiten / jhnen allen / ob waͤre Jhre Fuͤrſtli: Gn. ſelbſt zu gegen / gebuͤrenden reſpect erweiſen / vnd ſich alſo bezeigen / darmit bey jederman / bevorab aber den Frembden Jhre Fuͤrſtl: Gn. hoher Name vnd reſpect deſto mehr æſtimiret vnd geſchaͤtzet werde / weil auff die Legationes alle Voͤlcker gnawe achtung geben / vnd dar - auß der abweſenden hohen Potentaten Stand / Gran - dezza, Qualiteten vnd hohe tapffer Gemuͤther zu colli - giren pflegen.
Der Marſchall ſol gebuͤrende vnd ſtetige Ordnung halten / daß taͤglichs etzliche von Pagen vnd Lackeyen / abwechſelsweiſe / aller Orten fuͤr der Fuͤrſtl: Herꝛn Ge - ſandten Gemach auffwarten / vnd bey der Hand ſeyn / dar - mit niemand / inſonderheit aber von Frembden vnange - meldet ins Gemach lauffe / Auch die Herꝛn Geſandten ſich deren zum Verſchicken gebrauchen koͤnnen.
Wann83Reiſe Beſchreibung.Wann zur Taffel geblaſen wird / ſollen alle vnd jede7. alſobald ſich einſtellen / darmit man nach niemand warten duͤrffe / vnd do / zuforderſt aber an der Herꝛn Geſandten Taffel einer nach geſchehenem Gebet vnd Niederſetzen erſt kom̃en wird / ſol derſelbe ohne alle Gegenreden 6 ß. Luͤbiſch in die Armen Buͤchſe alſofort zu geben ſchuͤldig ſeyn.
Die Pagen aber ſollen auff beſchehenes Blaſen8. ſich alſobald nach der Kuͤche verfuͤgen / vmb die Speiſen ordentlich auff zutragen / auff zuſetzen vñ Waſſer zu geben.
Wann die Speiſen auffgeſetzt ſeyn / ſol der Mar -9. ſchall nebenſt etzlichen Junckern die Fuͤrſtl: Herꝛn Ge - ſandten zur Taffel fodern vnd begleiten.
Dar auff ſol alſobald Waſſer gegeben / gebetet vnd10. zur Taffel ein jeder an ſeine Stelle / wie ſie nach einander in der Fuͤrſilichen Hoffordnung geſetzet ſeyn / ſich verfuͤ - gen / doch daß der Marſchall die Frembden / da jenige verhanden / einen jeden nach Standes gebuͤr / ſo wol im Waſſer geben als im ſitzen vorziehe vnd tractire.
Die Pagen ſollen vmbwechſelsweiſe eine Woche11. vmb die ander vor vnd nach der Mahlzeit vor der Taffel beten / Vnd alſo der jenige an dem die Ordnung iſt alle - zeit bey der Hand / oder des Marſchals Straffe gewer - tig ſeyn.
Das Fuͤrſchneiden uͤber der Fuͤrſtl: Herꝛn Ge -12. ſandten Taffel / ſol von den Hoffjunckern vnd Truckſeſſen verrichtet vnd Wochentlich von jhnen nach jhrer Ord - nung abgewechſelt werden.
Ebener maſſen ſol uͤber den andern Taffel der Mar -13. ſchall gute Auffſicht haben / daß keine Saͤwboſſen vnd Vnflaterey in Eſſen vnd Trincken veruͤbet werde.
Nach gehaltener Taffel ſol ein jeder ſich nach ſeiner14. anbefohlenen Verrichtung verhalten / vnd die jenigen ſo zum Auffwarten verordnet ſeyn bey der Hand bleiben / damit die Fuͤrſtl: Herꝛn Geſandten / wann ſie eines oder des andern begehren moͤchten / jhrer jederzeit maͤchtig ſeyn koͤnnen. Hierbey wollen die Fuͤrſtl: Herꝛn Geſand -L ijten84Newe Perſianiſcheten das vielfaͤltige Außlauffen vnd ſuchung allerhand Geſchefften in Wein - oder andern Haͤuſern vnd Kellern / gaͤntz - vnd ernſtlich verboten haben.
Jnſonderheit aber ſol ſich keiner von den Pagen, Lackeyen vnd andern vnternehmen ohne des Marſchalls Vorwiſſen vnd Vrlaub Außzugehen oder des Nachtes gantz auß dem Quartiere zu bleiben / Sintemahl das Außlauffen vnd naͤchtliche Außlaͤger die Fuͤrſtl: Herꝛn Geſandten hiermit gaͤntzlich bey hoher Straffe ver - bieten.
Ebenmeſſig auch das Sauffen vnd Zechen nach gehaltener Taffel hiermit gaͤntzlich eingeſtellet vnd keines weges geſtattet werden ſol / Derowegen der Oberſchencke fleiſſige Obacht zu haben vnd darauff zuſehen hat / daß zwar gegen vnd uͤber den Mahlzeiten auff jede Taffel die Notturfft am Getraͤncke verſchaffet vnd gereichet werde / Nach geendigter Taffel aber ſol er den Keller wieder ſchlieſ - ſen laſſen / vnd den Schluͤſſel wieder zu ſich nehmen. Auch auff die zum Keller verordnete Leute gute achtung geben / damit nicht allerhand heimlicher Vnterſchleiff / als wor - auß nichtes denn confuſion erfolget / gebraucht werde: Sondern / da er einen oder den andern hiewieder betret - ten wird / dieſelben mit Ernſt alſobald beſtraffen / Doch wird hierdurch keinem die Notturfft gantz vnd gar abge - ſchnitten / ſondern alleine der vnnuͤtze Vberfluß abge - ſchafft / Dann da jemand zwiſchen der Mahlzeit einen Trunck begehren wuͤrde / ſol ſolches mit des Oberſchen - cken Wiſſen geſchehen / welcher die Gebuͤr hierinnen zu halten vnd niemand die Notturfft weigern wird.
Wann die Fuͤrſtl: Herꝛn Geſandten einige Pan - quet anſtellen / oder ſonſten Frembde zu ſich laden vnd bit - ten werden / ſollen jhre Leute / inſonderheit aber die jeni - gen / welche zum Auffwarten verordnet ſeyn / vnd jhre ge - wiſſe Verrichtung haben / wie auch zufoderſt die Pagen, Lackeyen / Jungen vnd dergleichen / ſich des Vollſauffens gaͤntzlich enthalten / vielmehr ein jeder fleiſſig auffwar -ten /85Reiſe Beſchreibung. ten / vnd das jenige worzu er vom Marſchall verordnet wird / mit Feiß beſtellen vnd verrichten.
Ebenmeſſig auch / wann die Fuͤrſtliche Herꝛn Ge -18. ſandten bey andern zu Gaſte geladen wuͤrden / das auff - wartende Volck ſich vor den Trunck huͤten vnd auff die Fuͤrſtliche Herꝛn Geſandten vnd auff das jenige / was jh - nen anbefohlen / mit hoͤchſtem Fleiß auffwarten ſol / vnd haben die Verbrechere anders nichts denn Straffe zu - gewarten.
Vnd als im Reiſen / bevorab aber bey dem Auff -19. bruch vnd Fortreiſen in den Staͤdten vnd ſonſten ſich viel - faͤltige Vnordnung ereiget / in deme das Einpacken von einem jeden faſt auff die letzte Stunde geſparet / auch wol wann man jtzo auffbrechen ſol / einer vnd der ander die Bekandten erſt beſuchen vnd Abſchied nehmen wil / da - durch die Fuͤrſtl: Herꝛn Geſandten nicht zu geringen Jh - rer Fuͤrſtl: Gn. vnd jhren deſpect offtmahls auffgehalten werden / Als iſt der Fuͤrſtlichen Herꝛn Geſandten ernſter Befehl / ſo bald von dem Marſchall das Fortreiſen ange - meldet wird / daß ein jeder ſeine Sachen ſchleunig ein - packe / ſich fertig halte vnd bey der Hand bleibe / darmit auff die verordnete Zeit ſchleunig auffgeladen werde / Vnd wann zum Auffbruche geblaſen wird / nach keinen gewar - tet werden duͤrffe / Maſſen do jemand bey dem Auffbruche hier vnd dar erſt ſich auffhalten vnd mit Abſchied neh - men vnd dergleichen ſich verweilen wuͤrde / ſol nach dem - ſelben nicht allein gantz nicht gewartet / ſondern auch der - ſelbe nach ſeinem Stande vnd Verrichtung ohne anſehen der Perſon geſtrafft werden.
So ſollen auch die Trompeter gegen den Auff -20. bruch ſich des Vollſauffens gaͤntzlich enthalten / ſich jeder - zeit bereit halten vnd bey der Hand ſeyn / damit auff des Marſchallen Befehl ſie zu Pferde blaſen / vnd im Auffzie - hen jhrem Ampte ein genuͤgen thun koͤnnen / damit im Fall / vnd wie allbereit zu vnterſchiedenen mahlen geſche - hen von einem oder dem andern hierwieder gehandeltL iijwer -86Newe Perſianiſchewerden ſolte / die Fuͤrſtl: Herꝛn Geſandten mit ernſier Straffe wider Sie zu verfahren / nicht verurſachet werdẽ.
Wie es der Marſchall im Fortreiſen ordnen wird / darnach ſol ſich ein jeder richten vnd ſeinen Ort halten / der jhme in der Fuͤrſtl: Gn. Hoffordnung aßigniret iſt / daß alſo das vnordentliche Reiten oder Fahren auff der Reiſe hiermit gaͤntzlich abgeſchafft / hergegen zu allen zeiten in guter Ordnung gereiſet werde.
Ein jeder ſol gegen die Frembden ſich ſchied - vnd friedlich verhalten / dieſelben in jhren Gottesdienſt oder ſonſten nicht beſpotten / weniger ſich mit jhnen zancken oder ſchlagen / ſondern jhnen vielmehr allen guten Willen erweiſen / vnd ſich alſo bezeigen / als er wolte / daß jhme von andern wiederfahren moͤchte.
Vnd da in dieſer Ordnung / welche den Fuͤrſtl: Herꝛn Geſandten jederzeit zu vermehren / auch nach erfodern zu endern / frey behalten bleibet / etwas nicht begrieffen / der Marſchall aber im Namen der Fuͤrſtl: Herꝛn Geſandten / zu erhaltung ſchuͤldigen reſpects vnd guter Ordnung / be - fehlen wird / Sol demſelben von allen vnd jeden die des Marſchallen Commando vntergeben ſeyn / nichtes weni - ger als ob es hierinnen enthalten / ſchuͤldiger maſſen pariret werden / ſo lange biß die Fuͤrſtl: Herꝛen Geſandten ein anders befehlen.
BEfehlen hierauff die Fuͤrſtl: Herꝛn Geſandten allen vnd jeden die ſich in dieſem jhrem Comitat befinden gantz ernſt - lich vnd wollen: Sie dieſen nebenſt Jhre Fuͤrſtl: Gn. publicirten Hoffordnung auffgeſetzten Puncten / vnd was denen anhaͤngig / alſo - bald nach publicirung derſelben vollkommenen ſchuͤldigen Gehor - ſamb leiſten / Vnd denſelben in keinerley wege weder directè noch indirectè wieder kommen.
Vnd verſehen ſich die Fuͤrſtl: Herꝛn Geſandten dar - bey / Es werde ein jeder deme Jhrer Fuͤrſtl: Gn. hoher reſpect vnd ſeine ſelbſt eigene Ehre lieb / ſich der gebuͤr gemeß vnd alſo verhalten / damit die Fuͤrſtl: Herꝛn Geſandten mit Klagen vnd anderer Vnluſt / bey jhren hohen Verrichtungen / nicht behelliget / vnd wieder die Vn - gehorſamen mit Exemplariſcher Straffe zu verfahren / verurſachet werden / ꝛc.
87Reiſe Beſchreibung.WAs neben dieſen ernſten Ordnungen / noch fuͤr an - dere ſpecial Gebotte vnd mandata an vnterſchiedlichen oͤrtern hin vnd wieder gegeben vnd angeſchlagen worden / iſt zu weitleufftig hierbey einzufuͤhren. Es wurde zwar anfaͤnglich uͤber ſolche obge - ſetzte Ordnung mit ernſt gehalten / vnd wieder die Verbrechere gebuͤ - rende Execution zur Hand genommen / Weil aber nicht lange her - nach / nicht allein mit etlichen durch die Finger geſehen / ſondern auch von dem Geſandten Bruͤggeman etlichen Lackeyen vnd andern gemei - nen Voͤlckern Beile / an welchen Flintroͤhre / zum hawen vnd ſchieſſen bequem / vnd darneben Macht gegeben ward / daß ſie den Revali - ſchen / wenn Siejhnen zu nahe tretten wolten / eigenthaͤtlich vnd feind - lich begegnen ſolten / wurden ſo gute Ordnunge bald auß den Augen geſetzet vnd vergeſſen: Dahero / in dem wir in Revall / vmb die newen Credentz ſchreiben auß Holſtein zu erwarten / drey gantzer Monat ſtille lagen / zwiſchen den vnſerigen vnd den Revaliſchen Kauffdienern vnter - ſchiedliche Tumulte entſtunden / die endlich auff einen Mord vnd Tod - ſchlag außlieffen. Dann in dem den 11 Februarij zu Nacht nicht ferne von der Geſandten Quartier die Kauffdiener vnd vnſere Leute auß Muthwillen gefaͤhrlich an einander geriethen / ward durch das graw - ſame Geſchrey der Tumultuirenden / Bruͤggemans CammerdienerIſac Merci wird in Re - vall Todt ge - ſchlagen. Iſaac Merci ein Frantzoſe / ſonſt ein ſtiller frommer Menſch / bewo - gen / daß er den vnſerigen Huͤlffe zu thun auß ſeinem Quartiere hinzu - lieff / ward aber mit einem Zuberbaum von den Kauffgeſellen alſo empfangen / daß jhme die Hirnſchale zerſchellert / vnd Er den andern morgen / nach dem Er 4 Stunden als in einem ſchweren Schlaffe gelegen / ſeinen Geiſt auffgab / deſſen Leiche ward den 22 Dito nicht allein von den Geſandten vnd dero Comitat, ſondern auch von einem Ehrenveſten Rath vnd fuͤrnembſten Buͤrgern in die Nicolai Kirchen begleitet vnd mit anſehnlichen Kirchen Ceremonien begraben. Ob zwar die Geſandten mit zuthun E. E. Raths ſich ſehr bemuͤheten den Thaͤter außzuforſchen / bliebe Er doch vngenennet.
Was die Stadt Revall anlanget lieget dieſelbe vnter den 59 grad vnd 25 minuten latitudinis, vnd longitudinis, wie mans dafuͤr haͤlt 48 grad. 30 minuten an der Oſt See / vnd zwar im Wiriſchen Kreyſe des Fuͤrſtenthumbs Eheſten. Dann Livonia wird vom Duna Strom an biß an den Sinum Finnicum abgetheilet in Letthiam vnd Esthoniam. Dieſes aber begreifft in ſich fuͤrnemblich 5 Kreyſe / als Harrien / Wirlandt / Allentaken / Jerven vnd Wiek / ſind alle ſehr fruchtbare vnd Kornreiche tractus.
Vnd ob wohln durch die vielfaͤltige Kriege ſehr viel Laͤndereyen verwuͤſtet vnd verwildert / wird doch jaͤhrlich viel Buſch vnd Hoͤltzung abgebrandt / vnd wieder zu Acker gemacht / welches dann in den erſten Jahren das ſchoͤnſte Getreide gibt. Es giebt dahero ſehr gute Vieh -zucht /88Newe Perſianiſchezucht / auch viel klein vnd Feder Wild / daß man / gegen Deutſchland zu rechnen / mit geringen Vnkoſten einen delicaten Tiſch halten kan / Dann wir zum offtern einen Haſen vmb Acht Kupffer Rundſtuͤcke / (ſeynd Meißniſcher Muͤntze 2 Groſchen.) Einen Auerhanen vmb 3 Groſchen / vnd noch geringer / gekaufft haben.
Die Stadt Revall iſt Anno Chriſti 1230 von Woldemaro dem Andern dieſes Namens / Koͤnig in Dennemarcken erbawet / gibt an groͤſſe / Gebaͤwen vnd Feſtungen / Riga nicht viel zu vor / dann ſie mit hohen Mawren / Rundelen vnd Baſteyen wol verwahret / dahero auch der Mußcowiter / welcher Sie zu zweyen vnterſchiedenen mahlen bekrieget / vnd hart beſchoſſen / (als noch jtzo bey dem Schloſſe an den Tonnmgs Berge zu ſehen) vnverrichter Sache wieder abziehen muͤſ - ſen. Sie pariret Jhre Koͤnigl. Maytt. zu Schweden / iſt eine fuͤr - nehme Handelſtadt vnd wegen des Orts ſchoͤnen Gelegenheit von Natur zu den Handlungen gleichſam divinitus gewidmet / wie ſolches der ſtattliche Hafe / herꝛliche Reide / vnd zur Navigation vnd Nieder - lage jhr von Gott vnd der Natur vor andern am ſelben oͤrten gegoͤn - nete groſſe commoditet bezeuget. Dahero die Stadt alſofort nachDer Stadt Revall gute Gelegenheit vnd bequem - ligkeit zur Handlung. jhrer fundirung den Handel von ſich ſelbſt dermaſſen dahin gezogen / daß Sie an Einwohnern von Tage zu Tage zugenommen / welche durch die Commercien zu groſſen Reichthumb gediegen / vnd an Kirchen / Kloſtern / Wohnungen / Waͤnden vnd Mawren herꝛlich er - bawet worden / Vnd weil man bey ſothaner mehr vnd mehr zuneh - menden Handlungen die Straſſen vnd Wohnungen allenthalben mit ſtattlichen Stein - vnd Backhaͤuſern / zu verſicherung der ſtets ab-vnd zugefuͤhrten Wahren vor Fewers vnd anderer Gefahr ver - ſehen / vnd alles zu den Negotien eingerichtet / Jſt die Stadt Revall in-vnd auſſerhalb Landes fuͤr das fuͤrnembſte / vnd zwar zu der Ruß - ſiſchen Handlung vnd Niederlage aller gelegneſte Emporium in den Finniſchen Meerbuſem gehalten / mit Schiffen vor allen Nationen vnd Orten haͤuffig frequentiret, vnd zugleich in die mehr denn 400 jaͤhrige loͤbliche Anſee ſocietet gleich den Staͤdten Riga vnd Dorpat in Lieffland / auffgenommen worden. Jnſonderheit hat neben der vierdten Anſee Quartier vnd Hauptſtadt Luͤbeck die Stadt Revall das Collegium zu groß Nawgarten in Rußland in die 300 Jahr vor den in Lieffland eingefallenen Ruſſiſchen Kriegen mit vnterhalten / als ein fuͤrnehmes membrum mit dirigiret, vnd zugleich die auto - ritet gehabt / daß ohne jhren Einrath vnd conſens nichts gethan / noch jemanden auß Lieffland oder uͤber See nach Rußland zu Handeln ver - ſtattet werden muͤgen / Dahero ſie auch das Jus Stapulæ, wie auch das Jus ſiſtendi mercatus, vor allen andern Orten erlanget vnd ge - brauchet / welches jhnen hernachmahls durch vnterſchiedene / zwiſchen denen loͤblichen Koͤnigen in Schweden vnd den Großfuͤrſten in Muß - cow benandlich Anno 1595 zu Teuſina Anno 1607 zu Wieburg vndAn89Reiſe Beſchreibung. Anno 1617. zu Stolwowa auffgerichtete Pacificationes beſtettiget worden.
Ob nun wol durch eingefallene Ruſſiſche Kriege / wie auch nach deren ſopirung durch Abgunſt einiger Außlaͤndiſchen / ſo die Stadt Revall eigennutzes vnd dergleichen / doch ohne rechten Grund / in deme ſie anders nichts als jhres Rechtens vnd Morgenſprachen gleich andern Anſee Staͤdten gebrauchet / beſchuͤldiget / die Commertia jhnen ziemlicher maſſen entzogen worden / So hat Sie dennoch jhre von Heermeiſtern zu Heermeiſtern / von Koͤnigen zu Koͤnigen biß dieſe Stunde herliche Privilegia. Brauchet ſich des Luͤbiſchen Rech - tes / hat jhren eigenen Superintendenten vnd Conſiſtorium. Sie ſeynd der reinen Evangeliſchen Religion nach der Augßſpurgiſchen Confeßion zugethan / beſtellen jhren oͤffentlichen Gottesdienſt mit faſt taͤglichen Predigten in vnterſchiedlichen Kirchen / durch wol qua - lificirte Prediger. Halten auch ein wolbeſteltes Gymnaſium, auß welchen jaͤhrlich feine informirte Studioſi nach Dorpat auff die Liefflaͤndiſche vnd andere Academien verſchicket werden. Die Præ - ceptores deren fuͤrnembſte waren Mag. Heinricus Vulpius, Rector & Inſpector, Timotheus Polus Poeticæ: vnd Heinricus Arning Oratoriæ Profeſſores, waren Gelaͤrte vnd fleiſſige Maͤnner / hielten vnterſchiedliche actus diſputatorios & declamatorios. Es wurden auch einsmahls zur zeit der erſten Legation vnſere Geſandten zu ſol - chem Actu eingeladen / welche auch neben E. E. Rath vnd miniſte - rio, die in gemein ſolchen Exercitiis pflegen beyzuwohnen / erſchienen. Es wird ſonſt der Status Reipublicæ Democraticè, mit zuziehung der Gilden / Olderleuten vnd Elteſten guberniret. Es waren da - mals die Buͤrger / ſonderlich die Herren des Raths / Miniſtrrij vnd Gymnaſij ſo einig vnd vertrawlich vntereinander / daß wir vnſere Luſt daran ſahen: Hielten zum offtern ordentliche Zuſammenkunfften vnd Gaſtereyen / in welchen auch vns viel Ehre / Liebe vnd Freundſchafft von jhnen erzeiget wurde. Es wird zur Sommerszeit zu ſolcher Luſt gute bequeme Gelegenheit an die Hand gegeben / durch die / fuͤr der Stadt hin vnd wieder liegenden luſtigen Gaͤrten vnd Cuppel.
Es halten die Buͤrger auch mit dem Land-Adel gute correſpon - dentz, dahero jhre Handlung vnd Nahrung ſich mercklichen ſtaͤrcket vnd zu nimmet.
Jch halte hierbey nicht vnbequem zu ſeyn / mit mehrern von demVom Land - Adel in Lieff - land / jhren Privilegien vnd Rechten. Land-Adel in Lieffland ſo im Fuͤrſtenthumb Ehſten begrieffen / zu jhren Ruhm zugedencken. Die Ritterſchafft im Fuͤrſtenthumb Eh - ſten ſeynd freye von Adel / haben ſich in alten Jahren wieder die Ruſ - ſen uͤber die maſſe wol vnd maͤnnlich gehalten / daß auch wegen ſolcher jhrer ſonderbaren Tapfferkeit vnd Adelichen Rittermeſſigen Ver - haltens Sie von den Koͤnigen zu Dennemarcken / Jnſonderheit Koͤ - nig Woldemar II. der jhnen Anno 1215. die erſten Ritter Rechte ge -Mge -90Newe Perſianiſchegeben / Koͤnig Ericus VII. aber Anno 1252. in Schrifften verfaſſet / folgents von den Meiſtern des Ordens der Schwerdtbruder / im - gleichen den Hochmeiſtern in Preuſſen / vnter welchen Herꝛ Conrad von Jungiegen dem Adel in Harien vnd Wirlandt das Gnadenrecht jhre Guͤter auff Soͤhne vnd Toͤchter auch biß ins fuͤnffte Glied zu vererben ertheilet vnd endlich von den Meiſtern in Lieffland / Deut - ſches Ordens (vnter denen Herꝛ Wolter von Plettenberg Anno 1495 der erſte zum Fuͤrſten des heiligen Roͤmiſchen Reichs gemacht wor - den / vnd viel herliche Conſtitutiones dem Fuͤrſtenthumb Eheſten hinterlaſſen) mit ſehr ſtattlichen vnd herꝛlichen Privilegien begabet / vnd zugleich von allen Aufflagen / den Roßdienſt alleine außgenom - men / befreyet worden. Vnd als hernachmals die Ritterſchafft bey den Ruſſiſchen Kriegen von allen ſich verlaſſen geſehen / vnter der Cron Schweden Schutz zu zeiten Koͤnigs Erici ſich begeben / ſeynd jhnen von ſothanes Reichs loͤblichen Koͤnigen biß auff gegenwertige Stunde all ſolche mit der Fauſt erworbene / Ererbete vnd verſtammete Privilegia confirmiret vnd ſie darbey gelaſſen worden.
Das Politiſche Regiment vnd adminiſtration der Juſtitz beſtehet in jhrem Landgerichte welches von 12 Adelichen Landraͤhten beſetzet / vnd jaͤhrlich gemeiniglich im Januario gehalten wird / haben zum Præſidenten den Koͤniglichen Herꝛn Gubernatorn uͤber Eheſten / (damals den Wolgebornen Herꝛn Philip Scheiding / Koͤnigl: Maytt. vnd der Reiche Schweden Rath / ꝛc. zu Arnooͤ / Scheidebuͤe vnd Kegel Erbgeſeſſen) fuͤr dem die ſtreitige Partheyen durch zwey kurtze Wech - ſelſchrifften gehoͤret / vnd alſo nur Summariſcher weiſe in privat Sa - chen procediret vnd ſententioniret wird. Die Landesbeſchwerun - gen werden durch der Ritterſchafft Hauptman der auß den von Adel gewehlet / vnd alle drey Jahr vmbgewechſelt wird / dem Koͤnigl: Herꝛn Gubernatori vnd Herꝛn Land Raͤhten fuͤrgetragen vnd abgehandelt. Jn Graͤntz contraverfien, welche wegen der groſſen vnd langwieri - gen Ruſſiſchen vnd Polniſchen Kriegen / dadurch die limites ſehr ver - rucket worden / gar gemein / werden alle drey Jahr drey Mann Rich - ter / als in Harien / Wirland vnd Wieck geordnet / welche nebenſt jh - ren Adſeſſoren vnd dem Secretario die ſtreitige Graͤntzen bereiten / vnd zwiſchen den Partheyen vrtheilen / Wer ſich nun durch ſolch Vrtheil beſchweret befindet / der appelliret an das Landgerichte / welches gewiſſe Commiſſarien verordnet / die den ſtreitigen Ort in Augenſchein nehmen / die Parthen hoͤren / vnd des Mann Richters Vrtheil entweder confirmiren oder reformiren. So haben Sie auch vier Hacken Richter in den 4. Kreyſen des Fuͤrſtenthumbs Ehe - ſten / Harien / Wirland / Jerven vnd Wieck / welchen die Auffſicht auff Bruͤcken / Wege vnd Stege / die wegen vieler Moraſte ſehr boͤſe / befohlen.
Jhren Roßdienſt halten Sie allezeit fertig / werden jaͤhrlich ge -mu -91Reiſe Beſchreibung. muſtert / vnd koͤnnen in eyl eine ſchoͤne vnd wol mundirte Reuterey ins Feld bringen.
WJr kommen nun wiederumb zu[’]vnſerer Reiſe. Als die von Calmar nach Gottorff abgeſchickte Diener mit den begehrten Sachen / Jtem vnſer Ruſſiſcher Translator, Hans Ar - penbeck / welcher nach Mußcow / dem Großfuͤrſten vnſer lang Auſſen - bleiben vnd Schiffbruch anzumelden / wieder ankahmen / ſchickten wir vns zur ferneren Reiſe / vnd lieſſen den Hoffemeiſter neben etlichen Voͤlckern mit der Bagage auff 30 Schlitten voran gehen / welche den 24 Februarij von Revall abgezogen.
Den andern Martij brachen auch die Geſandten auff / vnd folge -Von Revall außgezogen. ten mit den uͤbrigen des Comitats. Wir wurden von etlichen des Raths vnd vielen guten Freunden auff eine Meilweges begleitet / fuh - ren denſelben Tag 7 Meilen biß nach Kolka einem Gute dem Feld -Kolka. herꝛn in Schweden / Herꝛn Jacobo de la Gardie, zuſtaͤndig. Den dritten Dito biß auff den Hoff Kunda, welcher oben Pag. 67. gedachtKunda. vnd abgebildet iſt. Den 4 Dito zogen wir 5 Meilen biß auff Johan Fockens Gut. Den ſechſten 5 Meilen biß Narva, da wir abermahl mit loͤſung zweyer groben Stuͤcken empfangen wurden.
Die Stadt Narva liegt 60 grad vom Æquatore, an einen ſchnel - lauffenden Strom Narve genandt / dieſer Stom iſt faſt ſo breit als die Elbe in Deutſchland / fuͤhret braun Waſſer / hat eine halbe Meile uͤber der Stadt einen ſehr hohen Fall / da das Waſſer von einem Felſichten Bruche / mit einem grawſamen Gereuſche ſteil herunter ſtuͤrtzet / vnd bald hinter der Stadt ſich in die Finniſche See ergeuſt.
Die Stadt Narva iſt zwar nicht groß / aber gleichwol / weil ſieDie Stadt Narva. eine Graͤntz Feſtung / mit ſtarcken ſteinern Wallen vnd guter Be - ſatzung allezeit wol verſehen. Sie ſol auch vom Koͤnige zu Denne - marck Woldemaro II. im Jahr Chriſti 1223. erbawet ſeyn. Am Waſſer lieget ein Schloß / auff welchen ein Gubernator reſidiret, damals Herꝛ Nielß Aſſerſon / jetzo aber Herꝛ Erich Guyllenſtierna, General uͤber Jngermanland. Auff jenſeit des Stroms liegt das feſte / mit dreyfachen Mawren vmbgebene Schloß / Ivangorod, ſoIvangorod. von dem Mußcowiter erbawet / iſt vom Koͤnige in Schweden Gu - ſtavo mit dem Schwerte gewonnen / vnd neben Jngermanland der Crone Schweden vnterwuͤrffig gemachet / hat jtzo einen Schwedi - ſchen Stadthalter / damals Claus Gallen. Hinter dieſem Schloſſe Ivangorod lieget ein Hackelwerck die Ruſſiſche Narva genandt / wird von Ruſſen bewohnet. Jhnen iſt vom Koͤnige Guſtavo das Exerci - tium Religionis privilegiret vnd frey gelaſſen worden. Die in Deutſcher Narva haben jhren Superintendenten, zur zeit / Herꝛn Mag. Heinricum Stahln, Regij Conſiſtorij ibidem Præſidem, einen Wolgelarten vnd mit andern herꝛlichen Gaben von Gott auß -M ijgeruͤ -92Newe Perſianiſchegeruͤſteten Mann / welcher der Esthoniſchen vnd ſonderlich der vn - deutſchen Kirchen viel gutes gethan. Hat des Lutheri kleinen Ca - techiſmum, die Evangelia mit einer Außlegung / vnd viel andere nutzbare Dinge mehr in die vndeutſche Sprache verſetzet / vnd in oͤffentlichen Druck laſſen außgehen / bemuͤhet ſich auch ſonſt eyferig / die reine Religion an dieſen faſt Barbariſchen Orten fort zupflantzen / Dahero Er bey der Cron Schweden in ſonderlicher æſtimation, vnd zum Superintendenten in Ingermannia & Allentaccia, auch des Koͤniglichen Conſiſtorij daſelbſt zum Præſidem verordnet.
Es haben Jhre Koͤnigl: Maytt. zu Schweden loͤbliche Anord - nung gethan / daß die Geiſtlichen im Lande vnter einem Biſchoffe / jaͤhrlich jhre Synodus halten / vnd von der Kirchen Wolfarth vnd fortſetzung des wahren Gottesdienſt ernſtlich handeln muͤſſen / Da dann zugleich von gewiſſen materien diſputationes vnd declama - tiones gehalten werden / welches gleich als ein Examen die Dorff - prieſter in die Buͤcher jaget vnd zum Fleiß auffmuntert. Man hat auch anfaͤnglich in den erſten Viſitationen ſchlechte Socios befunden / welche auff die fuͤrnembſte Fragen ſehr ſchlecht vnd einfaͤltig zu ant - worten gewuſt / Dann vor dieſem mancher Edelman ſeinen Pæda - gogum, oder andern / der nur eine Predigt hat recitiren koͤnnen / wie ſchlecht er auch ſonſt von qualiteten, ins Ampt geſetzet / vnd zum Prieſter gemachet.
Es hat ſich auch gutes theils bey der vndeutſchen Kirchen ver - dient gemachet Heinricus Brockman / geweſener Profeſſor Græce Linguæ im Gymnaſio Revalienſi, jtzo Prediger bey der vndeutſchen Gemeine auff dem Lande / welcher viel Lutheri Kirchengeſaͤnge vnd Pſalmen gar zierlich in die vndeutſche Sprache vnnd Rhytmos geſetzet.
So wol nun der wahre Gottesdienſt in den Liefflaͤndiſchen Staͤdten vnd Kirchen beſtellet / ſo ſehr haͤnget den Lettiſchen vnd Esthoniſchen oder vndeutſchen auff dem Lande wohnenden Voͤlckern vnd Bawren / die Heydniſche Abgoͤtterey noch an: Jn dem ſie an vnterſchiedlichen Orten / meiſt an den Huͤgeln / gewiſſe Baͤwme er - wehlen / welche ſie biß an den Giebel außſchneiteln / mit Baͤndern vmb - winden / vnd vnter denſelben jhre Aberglaͤubiſche devotion halten.
Zwiſchen Reval vnd Narva 2 Meilen hinter Kunda nicht weit von der Kirchen ſtehet eine alte verfallene Cappelle / zu welcher Sie jaͤhrlich auff Mariæ Heimſuchung haͤuffig Wallfarten gezogen / etliche in der Cappellen vmb einen groſſen Stein nackent vnd auff den Knien herumb hutſchen vnd jhre Opffer thun / darmit es den jhrigen vnd jhrem Viehe das Jahr uͤber wolgehen / oder wenn ſie Kranck wieder geneſen moͤchten. Bey ſolchen Wallfarten haben ſich aller - hand Marcketenter gefunden / da es dann / auff Freſſen / Sauffen / Huren / Morden vnd andere grobe Laſter außgelauffen / Vnd iſtſolch93Reiſe Beſchreibung. ſolch Vnweſen noch jtzo nicht gaͤntzlich abgeſchaffet / wiewol die Predi - ger ſelbiges Orts ſich viel drumb bemuͤhet / vñ jhnen ziemlichen Abbruch gethan. Das vndeutſche Volck gehet an vielen Orten gar ſelten oder auch wol gar nicht zum Gottesdienſt vnd Abendmahl / vorwendend jhre ſchwere Dienſtbarkeit / der ſie vnterworffen / vnd wenn ſie auch gleich gehen / iſts doch bey vielen kein ernſt / thun es entweder auß Zwanck / oder frembder Vrſachen halber. Wie dann der Probſt zu Luͤggenhuſen Mag. Andreas Besick mir deſſen etliche Exempla er - zehlete / vnter andern / daß er waͤre zu einem alten vndeutſchen Baw - ren / als der auff dem Todtbette gelegen / erfordert vnd gebeten wor - den / dem Krancken das Abendmah! zu reichen / Als der Probſt ge - fraget / warumb Er das heilige Abendmahl jtzo zu empfangen begeh - rete / da er doch zuvor bey geſunden Tagen etliche Jahre ſolches ver - achtet vnd nicht genoſſen. Hat der Bawr geantwortet: Es hetten jhm ſeine Freunde darzu beredet / darmit / wenn er ja des Lagers nicht wieder auffkaͤme / moͤchte auff den Gottes Acker / vnd mit feinen Kirchen Ceremonien begraben werden. Jtem einander haͤtte ſehr ſchmeh - lich / abſchewlich vnd Gotteslaͤſterlich ſeinen Nachbaren verſpottet / als er vernommen / daß er zum Tiſch des HErren gegangen waͤre.
Es iſt ein ſehr Zauberiſch Volck / vnd die Heckſerey vnter jhnenZauberey bey den Vndeut - ſchen gemei - ne. ſo gemein / daß es die Alten jhren Kindern lehren. Man berichtete vns daß etliche auß einfalt jhre Kinder / wenn ſie in Sechswochen vn - ruhig ſind / heimblich vmbtauffen vnd einen andern Namen geben / vorwendend: Das Kind waͤre dahero ſo vnwillig vnd konte ſich nicht zu frieden geben / weil es einen vnrechten vnd vnbequemen Namen be - kommen.
Sie machen jhnen auch zum theil wunderliche Einbildung vom ewigen Leben. Ein Prieſter auff einem Dorffe bey Riga berichtete / daß ein Lettiſch Weib zu der Leiche jhres Mannes / als der haͤtte ſol - len begraben werden / Natel vnd Zwirn ins Sarck geleget / als man die Vrſache deſſen von jhr zu wiſſen begehret / hat ſie geantwortet: Sie thaͤte es darumb / daß jhr Mann in jenem Leben ſeine Kleider wenn die etwa zerriſſen wieder flicken konte / darmit er nicht vor andern Leu - ten mit Schimpff gehen moͤchte. Die einfaͤltigen Leute ſchaͤtzen zum theil jhre zeitliche Wolfarth ſo hoch vnd faſt hoͤher als jhre Seligkeit / Dahero wenn Sie in Juſtitien Sachen Zeugnuͤſſe abzulegen erfor - dert vnd auff ein Eyd gedrungen werden / Thun ſie ſolches nachfol - gender geſtalt:
Nüht ſeisen minna N. N. ſihn, kui ſinna Sundya minnust tahat,Formular des Eyd - ſchwurs der Vndeut - ſchen. eht minna ſe kockto perrast tunnistama pean, eht ſesinnane mah, kumba pehl minna ſeisan, Jumla ninck minnu verteenitut mah on, kumba pehl minna minno eo aial ellanut ninck prukinutM 3ol -94Newe Perſianiſcheollen, Seperraſt ſihs mannut an minna Jumla ninck temma pö - hade eeſt. ninck kui nüed Jummal peph ſundina sehl wihmb sel pehwal, eht ses in nane Mah Jumla ninck minnu verteenitut per - mah on, kumba minna ninck minno Ißa Igkas prukinut ollemej kus ma üllekockso wannutan, ſihs tulko ſedda minno Iho ninck hinge pehl, minno ninck keick minno lapsede pehl, ninck keick minnu önne pehl emmis ſe üdüya pölwe tagka &c.
Das iſt: JEtzt ſtehe ich N. N. hier / ſo du Richter von mir begeh - reſt / daß ich von Rechtswegen bekennen ſol / daß diß Land da ich auff ſtehe / Gottes vnd mein verdientes Land ſey / daß ich von Alters hero beſeſſen vnd gebraucht habe / So ſchwere ich bey Gott / vnd ſeinen Heiligen / Als mich Gott ſol richten am juͤngſten Tage / daß diß Land Gottes vnd mein verdient Land ſey / daß Jch vnd mein Vater von Alters beſeſſen vnd gebraucht haben / So ich vnrecht Schwere / ſo gehe es uͤber mein Leib vnd Seel / uͤber mich vnd alle meine Kinder / vnd uͤber alle meine Wolfarth biß ins Neundte Glied.
Die Lettiſchen bey Riga ſollen ein Stuͤck Torff auff den Kopff legen vnd einen weiſſen Stab in die Hand nehmen / vnd ſchweren / anzudeuten / daß wo jhr Eyd falſch / Sie / die jhrigen vnd jhr Vieh auch alſo verdorren / verſchwartzen vnd verarmen m[ü]gen.
Gleich wie ſie nicht gerne von jhrer Vaͤter Heydniſchen Reli - gion, ob ſie ſchon einer beſſeren berichtet vnd uͤberzeuget werden / ab - laſſen: Alſo laſſen Sie jhnen auch jhre alte Gebraͤuche / ob es ſchon zu jhren ſchaden / nicht gerne mit etwas Newes abwechſeln. Es ward vns auff Herꝛn de la Barren Hoffe von glaubwuͤrdigen Leuten er - zehlet / daß ein alter Bawer auff ſelbigen Gute ſeines ſchweren Ver - brechens halber / alten Gebrauch nach hingeleget vnd mit Spieß - ruthen geſchlagen werden ſolte / weil aber der Mann bey hohem Alter / hat de la barre Gemahl auß mitleiden fuͤr jhm gebeten / daß es jhm zu einer Geldſtraffe / als nur einen Schwediſchen Thaler oder 8 Gro - ſchen kommen moͤchte. Er aber hat fuͤr die Gnade gedancket / ſich außgezogen vnd hingeleget / mit dieſen Worten: Jch mag auff meinen alten Tagen nichtes Newes haben / vnd keine Veraͤnderung einfuͤh - ren / wil mit der Straffe / welche meine Vorfahren außgeſtanden / auch zu frieden ſeyn.
Es iſt ein recht Schlaviſch Volck / werden von jhren Junckern vnd Herꝛn mit harter Dienſtbarkeit beleget / haben in bonis nicht viel mehꝛ als was ſie vmb vnd an haben / Dahero dieſe Rhytmi barbarici von jhnen erdichtet:
Jch95Reiſe Beſchreibung.Man haͤlt dafuͤr / daß jhnen nicht dienlich ſey viel Freyheit vnd Geld zu laſſen / ſie moͤchten zu Trotzig werden / Dann es lieget jhnen noch jmmer im Sinne / daß jhre Vorfahren das Land innen gehabt / von den Deutſchen aber bezwungen vnd zu Schlaven gemacht wor - den / Dahero wenn Sie / ſonderlich zu Winterszeit / auß der Stadt fahren vnd berauſchet ſind / einem Deutſchen der jhnen begegnet / nicht gerne auß dem Wege weichen / vnd viel gute Worte geben. Man hat jhr Gemuͤthe auch geſehen bey dem Aufflauff / welcher durch den Einfall des Obriſten Botts entſtunde. Da etliche Bawren ſich wie - der jhre Herꝛen empoͤreten vnd willens waren / Theils wenns muͤglich dieſelben in des Feindes Haͤnde zu liefern / theils gar vmbzubringen. Wie hernach etliche deßwegen an vnterſchiedlichen Orten am Leben ſind geſtraffet worden.
Wir fahren in vnſer Reiſe ferner fort:
Den 7 Martij zogen wir wiederumb auß Narva / vnd kamen ge - gen Abend auff Lilienhagen 7 Meilen von Narva. Den 8 dieſes biß nach Saritz 6 Meilen. Den 9 reiſeten wir Vormittage 4 Meilen biß Orlin ein Schwediſch Dorff / da vnſer Translator, welchen wir vorauß geſchicket vns wieder entgegen kam / mit Bericht: Daß der Priſtaff auff der Graͤntzen vnſerer wartete.
Die Geſandten foderten die fuͤrnembſten des Comitats fuͤr ſich / erinnerten ſie nochmahls freundlich / daß Sie in reſpect Jhr Fuͤrſtl: Gn. jhnen den Geſandten gebuͤrende Ehre leiſten vnd ſich alſo com - portiren moͤchten / wie es jegliches Amptes ſchuldigkeit erforderte. Dann die Ruſſen / auff der er Graͤntzen wir jtzt tretten wuͤrden / haͤtten jhr ſonderlich Abſehen dahin / wie die Geſandten von jhren Voͤlckern reſpectiret vnd gehalten wuͤrden / Als wir ſolches wie ſchuͤldig auch willig zu thun verhieſſen / vnd darneben baten / man wolte vns auch einem jeglichen nach Stand - vnd gebuͤr mit Glimpff begegnen / vnd nicht einen wie den andern ohne vnterſcheid (als ſichs wol anſehen lieſſe) anfahren vnd beſchimpffen / wurde vns ſolches auch verheiſſen /Wie die Ge - ſandten auff der〈…〉〈…〉 angenommen worden. zogen darauff frewdig den Priſtaff entgegen / welchen wir eine Meile hinter Orlin im Holtze vnter den bloſſen Himmel mit 24 Strelitzen vnd 90 Schlitten / im Schnee haltende / antraffen. Der Priſtaff /Na -96Newe PerſianiſcheNamens Conſtantino Ivanowitz Arbusow, als Er die Geſandten ſahe außſteigen / machte ſich auch auß ſeinem Schlitten / ſtund in einem gruͤnen ſeiden Kafftan mit einer guͤldenen Ketten behaͤnget / daruͤber ein mit Mardern gefuͤtterter langer Rock / Als die Geſandten zu jhme giengen / kam Er jhnen auff etliche Schritte entgegen / mit dieſen Worten: Jhr Geſandten nehmet den Huth ab / da ſie doch bereit nach den Haͤten grieffen / antworteten derowegen durch den Tolck: Lieber Priſtaff es iſt bereit geſchehen. Darauff fieng der Priſtaff an auß ei - nem Zettel zu leſen: Daß auff Befehl des groſſen Herꝛn / Zaarn vnd Großfuͤrſten Herꝛn Michael Fœdorowitz, aller Reuſſen ſelbſt Er - halter / ꝛc. der Weiwode zu Nawgart Knees Pieter Alexandreo - witz Repnin, jhn geſchicket haͤtte die Geſandten Philippum Cru - ſium vnd Otto Bruͤggeman zu empfangen / mit Poddewodden, daß iſt / freye Fuhr / vnd Proviant zu verſorgen / vnd nach Newgart vnd Mußcow zubegleiten. Als die Geſandten ſich deſſen bedancket hat - ten / gab der Priſtaff jhnen erſt die Hand / fragte nach jhrer Geſund - heit / vnd wie es jhnen auff der Reiſe ergangen / Darauff wurden die Pferde vor vnſere Schlitten geſpannet / vnd wir denſelben Tag noch 6 Meilen biß auff ein Dorff Tschwerin gefuͤhret.
Den 10 Martij kamen wir zu Mittage auff Desaw, vnd gegenZugꝛoß Naw - garten an - kommen. Abend auff das Dorff Mokritza 8 Meilen von Tschwerin. Den 11 Dito erreichten wir groß Nawgarten. Jm Einfahren drunge ſich der Priſtaff mit gewalt die Oberſtelle bey den Geſandten zu haben / vnd ob ſie ſich ſchon darwieder ſetzten / fuhr er doch alſo fort / Als wir aber ins Quartier kamen / bat Er die Geſandten durch vnſern Trans - latorem vmb Verzeihung / ſeiner im Einzuge wieder Sie begange - nen Grobheit / vorwendend: Er hette es nicht auß ſich ſelbſt ſondern auff geheiß des Weiwoden gethan / ſo Er demſelben nicht pariret haͤt - te / haͤtte er muͤgen bey dem Großfuͤrſten angegeben vnd auff groſſe Vngelegenheit gebracht werden. Groß Nawgart wird von der Narva 40 Deutſcher Meilen geſchaͤtzet. Jch habe daſelbſt Eleva -Groß Naw - gart Beſchꝛei - bung. tionem poli gefunden 58 grad vnd 23 minuten. Sie lieget an den Fiſchreichen Strom Wolchda, welcher vnter andern guten Fiſchen ſehr groſſe / feiſte vnd wolgeſchmackſame Braſſen giebt ſo vmb ſchlecht Geld verkaufft werden. Es iſt eine ziemliche groſſe Stadt / im Vmb - kreiß auff eine Meilweges begrieffen / aber vorzeiten noch viel groͤſſer geweſen / wie man noch ſehen kan an den alten Mawren der dißſeit hin vnd wieder verfallenen Kirchen vnd Kloͤſtern: Von auſſen wegen der vielen Kloͤſter / Kirchen vnd Spitzen herꝛlich anzuſehen / aber die Haͤu - ſer / wie auch die Waͤlle vnd Bollwercke der Stadt ſind jtzo gleich den meiſten Staͤdten in gantz Rußland mit Dannen Holtz oder Balcken auff einander geſchichtet vnd auffgebawet. Dieſe Stadt iſt vorzeiten eine Fuͤrſtliche reſidentz, wie auch die gantze Provintz eine abſonder - lich Fuͤrſtenthumb geweſen / ſo nicht dem Mußcowiter vnterworffengewe -97Reiſe Beſchreibung. geweſen / ſondern hat jhren eigenen Fuͤrſten vnd Muͤntze gehabt. Sie iſt auch wegen der groſſen Commercien ſehr reich / maͤchtig vnd bey den Ruſſen hoch beruͤmbt geweſen / daß man ſie dahero in ein Sprichwort gezogen vnd geſaget: Wer kan wieder Gott vnd Groß - Newgart / aber es hat ſie zum theil der Tyran Ivan Waſilowicz Anno Chriſti 1477. zum theil der Schwediſche Feldherꝛ Jacobus de la Gardie Anno 1611. als jeglicher ſie mit dem Schwerte ge - wonnen vnd eingenommen / ziemlich geſchwaͤchet / pariret jtzo dem Großfuͤrſten / welcher ſie nach dem Anno Chriſti 1613. gemachten Friedenſchluß von den Schweden wieder bekommen: Vor der Stadt dießſeit des Waſſers lieget ein groſſes Schloß mit ſteinern Mawren vmbgeben / auff welchem der Weiwode vnd ein Metropolit (iſt bey jhnen ſo viel als ein Cardinal) reſidiren, vnd in Geiſtlichen vnd Weltlichen Sachen nicht allein in der Stadt / ſondern in der gan - tzen Nawgartiſchen Provintz / welche ſehr weit vmbgrieffen / das Re - gunent haben. Von dieſem Schloſſe gehet uͤber das Waſſer zur Stadt eine lange Bruͤcke / von welcher der Tyran Ivan Waſilowitz etliche tauſend der fuͤrnembſten Buͤrger ins Waſſer gejaget / erſaͤuffet / vnd jhre Guͤter zu ſich genommen: Auff jenſeit des Waſſers lieget ein Kloſter gegen dem Schloſſe / welches ſie S. Antoni Kloſter nen - nen. Die Ruſſen geben vor vnd glaͤuben feſtiglich / daß S. Antonius zu Rom ſich auff einen Muͤhlſtein geſetzet / vnd darmit die Tyber herab uͤber die See / gegen den Strom Wolchda geſchwummen / vndHiſtoria von S. Antonij wunderlichen Fahrt. vor groß Nawgarten ankommen / vnd ſich mit ſeinem Steine auffs Land geſetzet / Vnd als er eben die Fiſcher / ſo fiſchen gehen wollen / geſe - hen / hat er mit jhnen vmb ein gewiſſes Geld gehandelt / daß was ſie in den erſten Zug fangen wuͤrden / jhme alleine ſolten zukom̃en laſſen. Zie - hen darauff mit den Netzen eine groſſe Kiſte ans Land / in welcher des Antonij Kirchen Geraͤhte / Buͤcher vnd Geld. Setzet ſich demnach S, Antonius am ſelben Orte / vnd bawet jhm eine Capelle: Jn wel - cher er auch geſtorben vnd begraben liegen ſol. Sie ſagen daß der Coͤr - per noch auff heutigen Tag vnverweßlich daſelbſt kan geſehen werden / ſol auch an den Krancken / welche dahin beten kommen / groſſe Wun - der thun. Es wird aber niemand von frembden Nationen hinein ge - laſſen. Allein der Muͤhlſtein / welcher an der Mawren lehnet / wird et - lichen noch gewieſen. Wegen ſolches groſſen miraculs haben ſie am ſelben Orte ein groß vnd herꝛlich Kloſter gebawet / vnd mit reichen Einkunfften begabet.
Wir hielten vns zu Nawgart auff biß in den fuͤnfften Tag. Es ließ der Weiwode einsmahls die Geſandten beſchencken mit 24. al - lerhand auff jhre manier zugerichtete Eſſen vnd ſechszehenerley Ge - traͤncke. Jmgleichen that auch der Cantzler Bochdan Fœdorowitz Oboburow, welcher in der vorigen Legation vns zum Priſtaffen zu -Nge -98Newe Perſianiſchegeordnet war. Die Geſandten beſchenckten den Weiwoden wieder mit einer newen Deutſchen Carrette.
Den 16 Martij ſeynd wir mit 120 friſchen Pferden zu Schlitten wieder außgezogen / vnd denſelben Abend biß Brunitz 4 Meilen ge - fahren / da wir dann wieder mit friſchen Pferden verſehen wurden / mit welchen wir den folgenden Tag fuͤrder / vnd Vormittage biß nach Miedna 40 Werſte oder 8 Meilen / vnd Nachmittage biß zur Gam Kreßa, 25 Werſtekamen. Den 18 Dito auff Jaselbitza 6 Meilen / vnd zur Gam Symnagora 4 Meilen. Den 19 Dito biß Columna 50 Werſte. Den 20 nach Wuisna Wolloka zu einer Gam 5 Meilen.
Jn dieſem Dorffe ward ein Knabe von 12 Jahren vor vns ge - bracht / welcher vor wenig Wochen eine Frawe geheirathet / Wie auch zu Twere ein Maͤgdlein von 11 Jahren. Dann in Rußland gleich auch in Finland zugelaſſen iſt / das Kinder von 12 Jahren vnd drunter einander Freyen vnd Hochzeit machen. Vnd geſchiehet am meiſten mit Wittſrawen vnd Knaben / wenn jhre Eltern verſtorben / damit ſie in den Guͤtern bleiben / vnd nicht den Freunden vnd Vor - mundern in die Haͤnde ſehen muͤſſen.
Auff den Abend erreichten wir das elende Dorff Wuidra Pusck 7 Meilen / hatten ſchlim Quartier / weil am ſelben Orte nicht uͤber drey Haͤuſer / deren Stuben als die Schweinſtaͤlle / wiewol auff der gantzen Reiſe die Rauchſtuben auff den Doͤrffern durch gantz Ruß - land nicht viel beſſer.
Den 21 Dito 7 Meilen / biß zur Stadt Torsock. Den 22 Dito durch einen Bach auff Troitzka Miedna 6 Meilen / vndTwere. den 6 Meilen biß zur Stadt Twere. Welches Abriß Pag. 23. zu fin - den. Weil allhier der Schnee an etlichen Orten / wo Huͤgel / abgan - gen / daß wir mit den Schlitten zu Lande nicht wol fort kommen kun - ten / giengen wir dieſen vnd folgenden Tag auff der Wolga, welche noch dicke Eyß hatte hinnunter / vnd kamen gegen Abend auff das Dorff Gorodna 6 Meilen. Den 24 Dito aber giengen wir wieder zu Lande vñ uͤber 2 Baͤche auff die Doͤrffer Sawidowa vnd Saulka Spas 7 Meilen vom geſtrigen Nachtlager. Dieſe Tage muſten wir uͤber etliche Baͤche / welche / weil Sie nicht gantz zugefrohren auch nicht gantz auffgedawet / zur Vberfahrt ſehr vnbequem vnd vns groſſe Muͤhe macheten. Hinter den groſſen Dorffe Klien, durch welches wir den 25 Dito reiſeten / fleuſt eine Bach Seſtrea genandt / fallet in die Dübna, dieſer aber in die Wolga. Jn dem Bach Seſtrea muſten wir ſtarcke Pfaͤle fuͤr das Eiß ſchlagen / darmit es der Strom / in dem wir mit vnſern Schlitten uͤberſetzten / nicht hinab triebe. Den 26 Dito kam die Sestrea, bey einer halben Meilen von geſtriger uͤber - farth / wegen ſeiner Kruͤmme / vns wieder in den Weg / daß wir daruͤber muſten. Dieſen Abend blieben wir zu Beschik, 7 Meilen von Klin. Den 27 Dito giengen wir uͤber zwey kleine Baͤche / vnd kamengegen99Reiſe Beſchreibung. gegen Abend 6 Meilen biß Zerkisowo. Den 28 Dito reiſeten wir nur 3 Meilen biß Nicola Derebne ſo zwo kleine Meilen von der Stadt Mußcow / woſelbſt wir gleich andern Geſandten / ſo dieſes Orts kommen / verwarten muſten / biß vnſere Ankunfft dem Großfuͤrſten angemeldet / vnd des Einholens halber Ordre gemacht ward: Vn - ter deſſen legten wir vnſere Liberey Kleider an vnd ſchickten vns zum Einzuge. Als der Priſtaff Ordre bekahme / daß er vns folgenden Tag gegen Mittag biß zur Stadt bringen ſolte / haben wir vnſere Ordn[u] ng auff folgende manier angeſtellet.
Dieſe hatten vor ſich her gehen 6 Leibſchuͤtzen mit jhrem Gewehr. Neben her 6 Trabanten mit Partiſanen. Hinter den Schlitten die Pagen, welchen die uͤbrigen Voͤlcker zu Pferde folgeten. Die Bagage ward in guter Ordnung hinten nachgefuͤhret. Der Priſtaff aber ritte neben den Geſandten zur rechten Hand. Als wir vngefehr eine halbe Meile von der Stadt waren / begegneten vns etliche Parteyen Ruſſiſche vnd Tartariſche Reuter alle mit koͤſtlichen Kleidern ange - than / wie auch etliche Deutſche / vmbritten vnſern Troup vnd wanten ſich wieder nach der Stadt: Bald kamen andere Ruſſiſche Trou - pen / die zertheilten ſich vnd ritten auff beyden ſeiten neben vns her.
Vngefehr ein par Mußquetenſchuͤſſe von der Stadt kamen zwey Priſtaffen mit einem ſtarcken Comitat vns entgegen / vnd zwar auff ebenmeſſige Art vnd Weiſe / als die bey vnſer erſten Legation, darvon droben Pag. 24. gedacht. Als die Priſtaffen noch in 20. Schritte von vns waren / lieſſen ſie ſagen / die Herꝛen Geſandten mochten doch auß jhren Schlitten ſteigen vnd zu jhnen kommen. Die Priſtaffen ſtiegen auch nicht ehe ab / noch entbloͤſeten jhre Haͤupter / es hatteus dann die Geſandten zuvorn gethan. Solche Ceremonien vnd re - ſpect muͤſſen des Großfuͤrſten fuͤrnembſte Bediente / ſonderlich die Priſtaffen (denen etliche Tolcke in Mußcow nachaffen) jhres Herꝛen halber ſo viel jhnen muͤglich genaw in acht nemen / ſo ferne ſie nicht wol - len in Vngnaden kommen oder mit der Knutpeitſche beſtrafft werden.
Die Annehmung der Geſandten geſchahe faſt auff ſelbe manier als vor dieſem. Der Elteſte Priſtaff fieng an: Der Groſſe Herꝛ Zaar vnd Großfuͤrſt Michael Fœdorowitz &c. (mit herleſung auß einem Zettel des gantzen Großfuͤrſtlichen Tituls) haben vns anbefoh - len / des Groſſen Herꝛn Friedrichen / Fuͤrſten von Holſtein Groſſe Geſandten / dich Philipp. Cruſius vnd dich Otto Bruͤggeman zuN ijempfan -100Newe Perſianiſcheempfangen vnd in Jhre Zaare Maytt. reſidentz Stadt zu begleiten. Der Andere aber: Jhre Zaare Maytt. haben dieſen gegenwertigen Tworonin (daß iſt Hoffjunckern) Paul Iwanioſin Salmanow (ſo hieß der Elteſte Priſtaff) vnd mich Andre Iwanowitz Zabarow zu Pri - ſtaffen verordnet / Euch Geſandten auffzuwarten. Darauff tratt des Großfuͤrſten Stallmeiſter hervor / machte auch ſeine Sermon, vnd præſentirte den Geſandten zwey ſchoͤne weiſſe hohe / mit vormahls gebrauchten Schmucke gezierte / vnd den fuͤrnembſten Voͤlckern 12 andere weiſſe Pferde / darauff einzureiten. Wir wurden in die Mit - telſtadt Kitaigorod genandt / durch etliche tauſend Strelitzen / welche vom euſſerſten Thore biß ans Quartier alle Gaſſen doppelt beſetzet / gefuͤhret / vnd nicht weit vom Schloſſe in einem groſſen ſteinern Hauſe / welches einem Ertzbiſchoffe / Nahmens Susinski, der vor etlichen Jahren in Vngnaden verſchicket / zugehoͤrig / einquartiret. Dann un ordentlichen Geſandten Hauſe lag ein Perſianiſcher Geſandte ſo kurtz vor vns dahin kommen. Wir waren kaum abgeſtiegen / da ka - men die Ruſſen vnd brachten auß des Großfuͤrſten Kuͤchen vnd Keller allerhand Victualien vnd Getraͤncke / vnd zwar jeglichem Geſandten / wie auch den ſechs Oberſten bedienten jhr Getraͤncke abſonderlich. Es ward hernach auch taͤglich / ſo lange wir in Mußcow lagen vnſere
Kuͤche101Reiſe Beſchreibung. Kuͤche vnd Keller von jhnen wol verſorget. Als nemblich: Taͤglich mit
Woͤchentlich
Dieſes tractament iſt bey vnſer Ankunfft / auch am Palm - Sontage / Oſtertage vnd des jungen Printzen Geburts-Tag gedop - pelt gegeben worden. Die Speiſen aber lieſſen wir durch vnſern Koch auff Deutſche manier zurichten. Wir hatten nicht allein von den in vnſerm Hoffe vns zu dienen verordneten Leuten / ſondern auch von den Priſtaffen / ſo taͤglich kamen / die Geſandten zubeſuchen / gute Auffwartung. Die Pforte des Hoffs ward zwar mit einem Deſet - nick oder Corporal neben 9. Strelitzen beſetzt / ſo balde wir aber oͤf - fentliche audientz gehabt / oder wie ſie reden / Jhre Zaare Maytt. klare Augen geſehen / gebrauchten wir vns im Auß vnd Eingehen / Einladung vnd Beſuchung guter Freunde vnſere vorige Freyheit / ja faſt mehr als vor / ohne einige Wiederrede der Ruſſen.
Den 3. Aprilis ſeynd die Geſandten auff vorigen Pferden mit ge -Die oͤffent - liche Audi - entz bey dem Großfuͤrſten. woͤnlichen Ceremonien zur oͤffentlichen Audientz geholet wordene Jm Auffreiten ward die Ordnung / gleich im Einreiten gehalten / ohn. daß der Secretarius vor den Geſandten her alleine reitend / das Fuͤrſt - liche Credential mit außgeſtreckter Hand auff rothen Taffet trug. Die Strelitzen vnd das Volck ſtunden auff den Gaſſen vom Geſand - ten Hoffe biß auffs Schloß vnd vor die Audientz Stube dicke vnd haͤuffig. Die reitende Poſten giengen jhrer Gewonheit nach vomN iijSchloſ -102Newe PerſianiſcheSchloſſe zu den Geſandten offt vnd eylend / brachten Ordre wie man bald geſchwinde / bald langſam reiten / balde gar ſtille halten ſolte. Darmit Jhre Zaare Maytt. ſich zu rechter Zeit auff den Audientz Stuel ſetzen kunte.
Der fernere Audientz Proceß vnd Ceremonien waren gleich denen ſo vorm Jahre in der erſten Audientz gehalten wurden: Wie nemblich auß dem Vorgewaͤlbe / welches voller anſehnlicher Ruſſen ſaß / zwey groſſe Herꝛen den Geſandten entgegen kamen / dieſelbe empfiengen / vnd vor Jhre Zaare Maytt. fuͤhreten: Wie der Zaar ſelbſt nach Jhre Fuͤrſtl: Gn. Geſundheit fragte / ſich in empfangung des Credentz Schreibens / Handkuͤſſen vnd Begnadigung von ſei - ner Taffel geſpeiſet zu werden / erzeigete / darvon oben weitleufftiger Bericht iſt gethan worden / worhin ich den guͤnſtigen Leſer wil ver - wieſen haben.
Die Propoſition aber in dieſer Audientz, welche der Geſandte Licent. Cruſius that / war folgender geſtalt eingerichtet.
DVrchleuchtigſter / Großmaͤchtiger Herꝛ Zaar vnd Großfuͤrſt / Herꝛ Michael Fœdorowitz, Aller Reuſſen ſelbſt Erhalter (hier ward der gantze Titul / wie er Pag. 25. beſchrieben / recenſiret,) Großmaͤchtigſter Zaar vnnd Großfuͤrſt. E. Zaare Maytt. entbeut der Durchleuch - tige / Hochgeborne Fuͤrſt vnd Herꝛ / Herꝛ Friedrich / Erbe zu Norwegen / Hertzog zu Schleßwig / Holſtein / Stormarn vnd der Dithmarſchen / Graffe zu Olden - burg vnd Delmenhorſt / vnſer gnaͤdiger Fuͤrſt vnd Herꝛ / ſeinen Freund-Oheimb - vnd Schwaͤgerlichen Gruß / vnd was ſeine Fuͤrſtl: Gn. der Anverwandnuͤß nach mehr liebes vnd gutes vermuͤgen.
Zu forderſt aber iſt Sr: Fuͤrſtl: Gn. hocherfrewlich zu vernehmen / wann E. Zaare Maytt. nebenſt dero jun - gen Herꝛſchafft vnd gantzen Groſſen Zaariſchen Hauſe bey guter beſtaͤndiger Leibes Geſundheit / gluͤcklicher fried - ſamer Regierung / vnd allen hohen Zaariſchen Wolerge - hen ſich befinden: Wuͤndſchen von Hertzen der Aller - hoͤchſte wolle E. Zaare Maytt. ſampt dero gantzen Zaa - riſchen Hauſe darbey in Gnaden lange erhalten.
Hierauff thun E. Zaare Maytt. Se: Fuͤrſtl: Gn. ſich Freund-Oheimb - vnd Schwaͤgerlich bedancken /daß103Reiſe Beſchreibung. daß E. Zaare Maytt. den freyen Durchgang durch dero groſſe Reiche vnd Lande in-vnd auß Perſien Se: Fuͤrſtl: Gn. Freund-Oheimb - vnd Schwaͤgerlich verſtattet. Vnd weil dahero Se: Fuͤrſtl: Gn. vns anderweit mit ge - genwertigen Credentz Schreiben abgefertiget vnd dar - bey befohlen / das jenige was hiebevor uͤber den freyen Durchgang in-vnd auß Perſien gehandelt vnd geſchloſ - ſen worden / durch Jhre Fuͤrſtl: Gn. vns zugeſtelten be - kraͤfftigungs Brieff nach gewiſſer Maß zu vollenziehen vnd ſonſten bey E. Zaare Maytt. andere angelegene Sachen anzubringen.
Als erſuchen E. Zaare Maytt. Se: Fuͤrſtl: Gn. hiermit Freund-Oheimb vnd Schwaͤgerlich / dieſelbe geruhen Vns zur geheimen Audientz zuverſtatten / vnſer Anbringen zuhoͤren / vnd ſich darauff mit gewieriger reſolution vernehmen zulaſſen. Gegen E. Zaare Maytt. erbieten Se: Fuͤrſtl: Gn. ſich hergegen zu aller Oheimb: vnd Schwaͤgerlichen Willfahrung vnd Freundſchafft / welches im Nahmen Se: Fuͤrſtl: Gn. wir hiermit kuͤrtz - lich fuͤrbringen wollen. Thun ſonſten zu E. Zaare Maytt. Zaariſchen Gnade vns fuͤr vnſere Perſon mit ge - buͤrender Obſervantz recommendiren.
Nach gehabter Audientz kam einer des Großfuͤrſten TrucksesDie Begna - digungs Taf - fel nach der Audientz. Knees Simon Petrowitz Lwow geritten / brachte die Großfuͤrſt - lichen Begnadigungs Speiſen 40. Eſſen / alle von gekochten vnd ge - bratenen Fiſchen / Gebackts vnd Gemuͤſe / ohne Fleiſch (weil jhre Fa - ſten) vnd 12. Kannen Getraͤncke.
Als die Taffel gedecket vnd bereitet war / reichte der Truckses mit eigener Hand den Geſandten vnd Fuͤrnembſten des Comitats jeglichem eine Schale ſtarcken Brantewein. Darauff nam er die groſſen guͤldenen Schalen zur Hand / vnd ließ die Geſundheiten Jhre Zaare Maytt. des jungen Printzen vnd dann Jhre Fuͤrſtl: Gn. herumb gehen: Dem Knesen ward ein groſſer Pocal / den Traͤgern aber etliche Rubel am Gelde verehret / darmit ritte er wieder darvon.
Wir ſatzten vns zur Taffel / aſſen von etlichen Ruſſiſchen Spei - ſen / welche wol gar gekochet / aber meiſt mit Zippollen vnd Knoblauch zugerichtet waren / die uͤbrigen ſchickten wir an die Tolcke vnd gute Freunde in der Stadt.
Die Perſiſche Geſandten lieſſen ſich vnterdeſſen auff jhrem Hofe /welcher104Newe Perſianiſchewelcher nahe bey vnſerm Quartiere war / mit Heerpaucken / Schal - meyen vnd Trompeten[l]uſtig hoͤren. Wir / die wir durch das Geſund - heit trincken bereit zu freudigem humor ermuntert / kunten dahero leicht ver anlaſſet werden / dieſen Tag mit Froͤligkeit vnd guter Luſt zu vollbringen / darzu denn die mancherley herꝛliche Getraͤncke / ſo vom Großfuͤrſten geſchickt waren / vns ſehr dienlich.
Den 5. Aprilis wurden wir mit gewoͤnlichen Ceremonien zur erſten geheimen Audientz auffgeholet. Die Bojaren vnd Herꝛen ſo Audientz ertheileten / waren eben dieſelben die vorm Jahre darzu deputiret waren / ohne der Reichs Cantzler Grammatin, welcher Alters halber abgedancket hatte. An deſſen ſtatt aber ſaß der jtzige Reichs Cantzler Fœdor Fœdorowsin Lichozow.
Vnter werender Audientz ſtirbt zu Hauſe einer von vnſernVnſer Lack - eyen einer ſtirbt. Lackeyen Frantz Willhelm / ein Pfaͤltzer / welchem vor 8. Tagen auff der Reiſe im vmbwerffen des Schlittens Bruͤggemans Scatul oder Reiſe Kaͤſtlein / ſo er in verwahrung hatte / auff die Bruſt gefallen war. Die Leiche haben wir den dritten Tag hernach wol zur Erden beſtattet / vnd weil der verſtorbene reformirter religion, erſt in der reformirten Kirche tragen / eine Leichpredigt halten vnd hernach auff der Deutſchen Kirchhoff begraben laſſen. Zu ſolcher Leichbegaͤnguuͤß ſandte vns der Großfuͤrſte neben einen Priſtaffen funffzehen ſeiner weiſſen Pferde.
Den 9. dieſes haben wir die andere geheime Audientz gehabt.
Den 10. Aprilis als am Sontage Palmarum iſt bey den Ruſſen das Feſt der Einreitung Chriſti mit einer anſehnlichen Proceßion gehal - ten worden. Vmb ſolchen actum mit anzuſchawen / ſchickte der Großfuͤrſt / jedoch den vorigen Tag darumb erſuchet / den Geſandten jhre zwey gewoͤnliche / vnd ander 15. Pferde. Er ließ vns gegen der Schloßpforten einen erhabenen Platz einreumen / vnd die Ruſſen / welche uͤber 10. tauſend Mann vorm Schloſſe verſamlet / abhalten / daß wir den Proceß deſto beſſer ſehen kunten: Hinter vns aber auff dem Theatro, deſſen Pag. 38. iſt gedacht worden / muſten die Perſiſchen Geſandten mit jhren Voͤlckern ſtehen. Es ward aber die Proceßion ſo vom Schloſſe in die Kirche Jeruſalem geſchahe alſo gehalten:
Erſtlich gieng der Großfuͤrſt mit ſeinen Bojaren in die Marien Kirche vnd hoͤrete zuvor Meſſe leſen / darnach kam Er mit den Pa - triarchen in guter Ordnung vom Schloſſe.
Es wurde vorher ein Baum / an welchen viel Aepffel / Feigen vnd Roſinen gehefftet / auff einem ſehr groſſen vnd breiten jedoch niedrigen Wagen vorher gefuͤhret: auff dem Baume ſaſſen 4. Knaben in weiſſen Hembden / ſungen das Hoſianna.
Dieſem folgeten viel Pfaffen auch in weiſſen Chorroͤcken vnd koͤſtlichen Meßgewandt / trugen Fahnen / Creutze vnd Bilder auff langen Stangen / ſungen ebenmeſſig / etliche hatten Raͤuchfaͤſſer vndſchwun -105Reiſe Beſchreibung.
ſchwungen dieſelben gegen das Volck. Dann die vornembſten Goſen oder Kauffleute. Dieſen folgeten die Diaken, Schreiber / Secreta - rien, vnd hernach die Knesen oder Fuͤrſten vnd Bojaren, deren etliche Palmzweige trugen.
Darauff kam der Großfuͤrſte in koͤſtlichen Kleidern / hatte eine Krone auff dem Haͤupte. Er ward von den fuͤrnembſten Reichs - Raͤthen Knees Iwan Borisowitz Cyrcaski, vnd Knees Alexee Michaelowitz Lwow an den Armen geleitet. Er ſelbſt fuͤhrte des Patriarchen Pferd an einem langen Zuͤgel. Das Pferd war mit Tuche bekleidet / vnd als ein Eſel außgemachet. Der Patriarche ſaß in die quere darauff / hatte uͤber einer mit ſehr groſſen Perlen geſetzeten weiſſen runden Muͤtze auch eine Krone. Jn der rechten Hand ein guͤlden mit Edelſteinen verſetztes Creutze / mit welchem Er das vmbſte - hende Volck ſegnete. Die Voͤlcker hingegen ſchlugen ſehr tieff jhre Haͤupter vnd ſegneten ſich gegen jhm vnd dem Creutze. Neben vnd hinter jhm giengen die Metropoliten. Biſchoffe vnd andere Pfaffen / welche theils Buͤcher / theils Raͤuchefaͤſſer trugen. Es waren auch bey 50. Knaben meiſt in Roth gekleidet / welche vor dem Großfuͤrſten jhre Roͤcke außzogen / vnd breiteten ſie auff den Weg / etliche lēgten an ſtatt der Roͤcke ſtuͤcklein Tuch von 2. Elen allerhand Color, daß derOGroß -106Newe PerſianiſcheGroßfuͤrſt vnd Patriarcha druͤber giengen. Der Großfuͤrſt als Er gegen die Geſandten kam / vnd die Geſandten ſich gegen jhm neigeten / ſtund ſtille / vnd ſchickte ſeinen Oberſten Dolmetſch Hans Helms zu jhnen / ließ nach jhrer Geſundheit fragen / wartete auch ſo lange biß der Dolmetſch wieder zu jhm kam / giengen darnach fort zur Kirchen: Als ſie bey einer halben Stunden darinnen geweſen / kamen ſie in vo - riger Proceßion wieder zuruͤcke / Der Großfuͤrſt ſtund abermahl ge - gen den Geſandten ſtille / ließ ſagen / daß Sie heute dieſen Tag von ſeiner Taffel ſolten geſpeiſet werden: Es wurde aber an ſtatt deſſen denſelben Tag vnſer Korm oder Proviant doppelt gereichet.
Der Patriarche gibt dem Großfuͤrſten / fuͤr daß Er jhm ſein Pferd fuͤhret 200. Rubel oder 400. Rthl. Solch Palm Feſt wird auch in den andern Ruſſiſchen Staͤdten mit ebenmeſſigen Ceremonien be - gangen: Da dann die Biſchoffe oder Pfaffen des Patriarchen / vnd die Weywoden des Großfuͤrſten Stelle vertretten.
Den 17. April. als am H. Oſtertage war darauff vnter den Ruſ - ſen eine groſſe Frewde / theils wegen der froͤlichen Zeit / das ChriſtusOſterfeſt der Ruſſen. aufferſtanden iſt / theils wegen des Endes jhrer lang gewehrten Faſten. Denſelben / wie auch hernach noch 14. Tage treget ſich jederman fuͤr - nehme vnd gemeine Leute / jung vnd alt mit geferbeten Eyern. Es ſitzen auff allen Gaſſen vnzehlich viel Eyerkraͤmer / welche ſolche gekochte vnd von allerhand Coloren geferbte Eyer verkauffen.
Wann Sie nun auff den Gaſſen einander begegnen / gruͤſſen ſie ſich mit einem Kuſſe auff den Mund / vnd ſagen: Chriſtos wos Chreſt. Das iſt: Chriſtus iſt aufferſtanden / darauff antwortet der ander: Woiſtin wos Chreſt. Er iſt warhafftig aufferſtanden.
Es wird auch niemand / er ſey Mannes oder Weibes Perſon / hohes oder niedriges Standes einem andern ſolchen Kuß vnd Gruß neben einem geferbeten Ey weigern. Der Großfuͤrſt pflegt ſelbſt ſeinen fuͤr - nehmen Hoffleuten vnd Bedienten ſolche Oſter-Eyer außzutheilen / ja Er hat auch im Gebrauch gehabt / daß Er in der Oſter-Nacht / ehe er iſt in die Fruͤhmeſſe gegangen / fuͤr die Gefaͤngniß gekommen / dieſel - ben eroͤffnen vnd jeglichem Gefangen / derer allezeit eine groſſe An - zahl ſitzen / ein Ey neben einem Peltze von rauchen Schafffellen reichen laſſen / hat jhnen ſelbſt zugeruffen: Daß ſie ſich frewen ſollen / dann Chriſtus fuͤr jhre Suͤnde geſtorben / vnd nunmehr warhafftig wieder aufferſtanden ſey. Darauff leſſet Er die Gefaͤngniß wieder ſchlieſſen vnd gehet zur Kirchen.
Dieſe heilige Oſterzeit uͤber werden nicht alleine gute Freunde in Haͤuſern / ſondern auch die gemeinen Kabacken / Bier / Meeth vnd Brantewein Haͤuſer / ſo wol von Geiſtlichen als Weltlichen / Weibes als Manns Perſonen fleiſſig beſuchet: Worbey ſie ſich dann alſo anfuͤllen / daß man Sie hin vnd wieder auff den Gaſſen liegen ſiehet / vnd jeglicher die ſeinen auff Wagen oder Schlitten werffen / vnd nachHau -107Reiſe Beſchreibung. Hauſe fuͤhren muß / da dann bey ſolcher Beſchaffenheit man des Mor - gens hin vnd wieder auff den Gaſſen viel ermordete vnd außgezo - gene findet.
Den 29. Aprilis hat der Geſandte Bruͤggeman / ſeinem Begeh -Bruͤgmans 1. abſonder - liche Audi - entz. ren nach / bey den Bojaren alleine geheime Audientz gehabt / vnd iſt ohne ſeinen Collegen mit etlichen wenig Perſonen hinauff geritten / da Er dann auff den Schatzhoff gefuͤhret / vnd daſelbſt in einen abſon - derlichen Gemache bey zwo Stunden iſt gehoͤret worden.
Den 6. Maij haben die Herꝛn Geſandten mit einander die dritte:Die 3. 4. vnd 5. geheime Audientz. Den 17. die vierdte. Den 27. Dito die fuͤnffte vnd letzte geheime Au - dientz gehabt.
Den 30. Maij ſtellete / auff Bewilligung des Großfuͤrſten / des jun - gen Printzen Hoffemeiſter eine Falcken-Jagt an / vnd lud darzu dieFalcken Jagt. fuͤrnembſten vnſers Comitats: Schickte ſeine eigene Pferde / vnd fuͤhrte vns zwo Meilen von der Stadt auff eine luſtige Wieſe / wor - ſelbſt Er vns nach gehabter guter Luſt von der Jagt vnter einem Zelte mit Brantewein / Meeth / Pfefferkuchen / Caſſaniſchen Weintrauben vnd eingemachten Kirſchen wol tractirte.
Den 1. Junij fiel ein des jungen Printzen Knees Ivan Michaelo - witz Geburts-Tag / welcher den Tag hernach von den Ruſſen hoch - feyerlich celebriret wurde. Da vns dann vmb denſelben mit zubegehen der gewoͤnliche Proviant doppelt geſchicket wurde.
Den 3. dieſes iſt der Geſandte Bruͤggeman abermahl abſonder -Bruͤgmans 2. abſonder - liche Audi - entz. lich auffgeritten / vnd hat mit den Bojaren in geheimb tractiret.
Den 4. Junij als am Pfingſt Abend / hatte ſich Jhre Zaare Maytt. mit dero Bojaren vnd Raͤthen in die oͤffentliche Audientz Stube geſetzet / vnd gab den andern Geſandten allen / ſo neben vns in Mußcow lagen / jhre Abfertigung.
Es ritte zu erſt hinauff der Perſianiſche Geſandte / welcher einDer Perſi - ſchen / Gꝛiechi - ſchen vnd Taꝛ - tariſchen Ge - ſandten Ab - fertigung. Cupzin oder Kauffman war. Als dieſer wieder herunter kam / war er mit einem Ruſſiſchen rothen Atlaſſen Rocke / ſo mit guten Zobeln gefuͤttert / behaͤnget / gleich in Perſien der Gebrauch iſt.
Nach dieſem ritten Griechen vnd Armener auff / vnd zu letzt auch etliche Tartern / welche alle mit jhren Recreditiven vnd Be - ſchenckungen / ſo ſie oͤffentlich trugen / wieder herab kamen.
Den 12. dieſes kam vnſer Kuͤchenſchreiber Jacob Scheve auß Deutſchland / den wir vmb etliche Præſenten an den Koͤnig in Per - ſien / ſo zu Dantzig verfertiget wurden / nachzubringen zuruͤck ge - laſſen hatten / vor Mußcow an. Wurde aber drey Tage vor der Stadt / biß der Cantzler ſolches Jhre Zaare Maytt. ſo damals auſſer - halb der Stadt Wallfarten geritten / angezeiget / vnd deſſen Conſens jhn einzulaſſen bekommen / auffgehalten.
Den 15. Dito iſt der Großfuͤrſt mit ſeiner Gemahlin wieder heim kommen. Der Großfuͤrſt hatte hinter ſich ſeine Bojaren vnd Hoffe -O ijleute /108Newe Perſianiſcheleute / die Großfuͤrſtinne aber ſechs vnd dreyſſig jhrer Jungfern vnd Maͤgde in rothen Roͤcken vnd weiſſen Huͤtten / von welchen lange rothe Schnuͤre herunter auff den Ruͤcken hiengen: Hatten vmb den Halß einen weiſſen Schleyer / vnd waren alle ſehr mercklich geſchmin - cket / ritten auff den Pferden nach art der Maͤnner.
Den 17. Dito bin ich von den Geſandten in die Cantzeley / bey dem Reichs Cantzler etwas vorzubringen / geſchicket worden / da dann der Cantzler wolte / daß ich vmb beſſerer reputation willen mit einem Priſtaffen ſolte hinein gefuͤhret werden / muſte derowegen eine gute weile im Vorgemache vorwarten / biß vnſer Priſtaff einer auffge - ſuchet vnd herzu gebracht wurde.
Der Ober - vnd vnter Cantzler empfiengen mich freundlich / ga - ben auch auff mein Anbringen guten Beſcheid. Es war das Fenſter wie auch der Tiſch mit einem ſchoͤnen Teppich beleget / vnd ſtund vor dem Cantzler ein groß vnd ſchoͤn ſilbern / jedoch leeres Tintefaß: welches neben den Tapeten / wie man mich berichtete / bey meiner An - kunfft auffgeſetzet vnd hernach bald wieder abgenommen worden iſt.
Den 20. dieſes kamen die Priſtaffen vnd Schreiber / ſagten den Geſandten im Namen Jhrer Zaare Maytt. an / daß ſie nur / wens jhnen beliebte / nach Perſien ziehen moͤchten / wann ſie wieder zu ruͤcke kaͤmen / ſolten ſie an Jhre Zaare Maytt. Hand kommen / jtzo wuͤrde ſichs nicht ſchicken / weil ſie nicht jhren volligen Abſchied nehmen / vnd nach Hauſe ziehen wolten. Dann in der letzten oͤffentlichen Audi - entz muͤſten Jhre Zaare Maytt. die Recreditiven uͤberantworten vnd Jhre Fuͤrſtl: Gn. ſeinen Gruß vermelden laſſen / welches jtzo bey der Geſandten vorhabenden Perſiſchen Reiſe nicht geſchehen konte.
Wir ſchickten vns derowegen zur ferneren Reiſe / lieſſen etliche Boͤte / mit denſelben von Mußcow biß nach Nieſen zufahren / verſer - tigen. Vnd weil vns der Weg dero oͤrter / ſonderlich der Wolga Strom wegen der Coſacken vnd Raͤuber ſehr gefaͤhrlich beſchrieben ward / haben die Geſandten auff Jhre Zaare Maytt. einwilligung von dero Soldaten vnd Officirer dreyſſig Mann in jhren Dienſt angenommen.
Großfuͤrſt - liche Solda - ten /[die mit]vns in Per - ſien zogen.Als nemblich:
Gemeine Knechte.
Neben dieſen wurden auch zur allgemeinen Handarbeit an - genommen etliche Ruſſen / Als:
Dieſe alle wurden mit etlichen Metallen Stuͤcken / ſo wir auß Deutſchland mit vns brachten / neben andern Steinſtuͤcken / ſo in Mußcow erkaufft / ſampt der Bagage den 24. vnd 25. Junij voran nach Niſenaugorod geſchicket.
O iijDen110Newe PerſianiſcheDen 26. dieſes ſeind Polniſche Geſandten / oder wie ſie es nennen / eine groſſe Poſt vor Mußcow ankommen / vnd eingeholet worden. Die Legati als ſie vnſer etliche ſo den Proceß mit anzuſchawen hin - auß geritten waren / anſichtig worden / haben vns mit entbloͤſſeten Haͤupte freundlich zugewincket vnd gegruͤſſet / gegen die Ruſſiſchen Priſtaffen aber vnbeweglich vnd ernſthafft geſeſſen.
Es muſten auch die Priſtaffen / wie wol mit groſſem Vnwillen erſt von jhren Pferden ſteigen / vnd die Haͤupter gegen die Geſandten entbloͤſſen. Dann die Polen vorwendeten / daß ſichs nicht anders ge - buͤhren wolte / weil ſie ja nicht kaͤmen die Ruſſen zu empfangen / ſon - dern von jhnen empfangen zuwerden.
So wurden auch den Geſandten nicht / wie ſonſt gebraͤuchlich / des Großfuͤrſten Pferde darauff einzureiten gebracht / weil kurtz zuvor ein groſſer Polniſcher Geſandter ſolche nicht annehmen / ſondern auff ſei - nen eigenen Pferden einreiten wollen. Derſelbe groſſe Geſandte / daßEines Polni - ſchen Geſand - ten in Muß - cow action. ich ſeiner mit mehrern gedencke / iſt bald nach entſetzung der Stadt Smolensko vnd der Ruſſen Niederlage vor derſelben / an den Groß - fuͤrſten geſchickt worden: hat / wie man vns berichtete / ſich in allen ge - gen die Ruſſen ſehr wiederwertig erzeiget. Jn der oͤffentlichen Au - dientz hat er ſeine Propoſition nicht ſtehende / ſondern ſitzende ge - than / vnd als bey nennung ſeines Koͤniges Titul die Bojaren, jhrem Gebrauch nach / nicht wollen jhre Muͤtzen abziehen / hat er eyferig vnd mit ſchimpfflichen Worten darwieder proteſtiret, vnd in den propo - niren ſo lange ſtille gehalten / biß Jhre Zaare Maytt. den Bojaren gewincket / daß ſie die Haͤupter entbloͤſſen ſolten.
Weil Jhre Maytt. in Polen keine Præſenten uͤberreichen laſſen / hat der Geſandte vor ſich eine ſchoͤne Carrette den Großfuͤrſten vereh - ret / Als jhme aber zum gegen Præſent etliche Zimmer Zobeln geſandt worden / hat der Geſandte die nicht annehmen wollen. Der Großfuͤrſte hat imgleichen jhme ſeine Carrette wieder zu ruͤcke geſchicket.
Den Priſtaffen ſol er haben zur Stiegen herunter werffen laſſen / welches Jhre Zaare Maytt. ſehr uͤbel empfunden / vnd jhm deßwegen fragen laſſen / ob er ſolch Beginnen auß Befehl ſeines Koͤniges oder auß eigen gutduͤncken thaͤte? So ers im befehl hette / muſtens Jhre Zaare Maytt. dahin biß zu ſeiner Zeit geſtellet ſeyn laſſen. Die Victoria waͤre in Gottes Hand / der gebe ſie wein er wolte / ob ſchon Jhre Koͤnigl: Maytt. dißmahl wieder ſie obgeſieget / konte es jhnen ein andermahl wieder fehlen. Solten aber Jhre Zaare Maytt. wiſ - ſen / daß der Geſandte alles vor ſich gethan / wolte Ers dem Koͤnige zuſchreiben / welcher jhn zweiffels ohne wol wurde darfuͤr zu ſtraffen wiſſen.
Darumb weil ſelbiger Geſandte die Ruſſiſchen Ceremonien vnd Gepraͤnge im Einholen wenig geachtet / iſt dieſer Welike Poslanick oder groſſe Poſt deſto ſchlechter eingeholet worden.
Als111Reiſe Beſchreibung.Als wir nun vnſer Sachen in Mußcow verrichtet / ſchickten wir vns zur fernern Reiſen / vnd bekamen von dem Großfuͤrſten einen offe - nen Paß / ſo an die dero oͤrter Großfuͤrſtliche Weiwoden vnd Be - diente folgender geſtalt eingerichtet / vnd von den Zaariſchen Dolmet - ſchen translatiret war. Worauß der Ruſſen Cantzeley Stylus zu erſehen.
VOn dem groſſen Herꝛn /Großfuͤrſtl: Paß / ſo den Geſandten mit gegeben wurde. vnd Großfuͤrſten Michael Fœdorowitz, Aller Reuſſen / von Mußko an den Staͤdten nach Colomne vnd nach Pereßlaff / Roſanßky vnd nach Kaſi - mowa vnd nach Murama / vnd nach Nieſen Newgarden / vnd nach Caßan vnd nach Aſtrakan / vnſern Bojaren vnd Weiwoden vnd Diaken / vnd allen vnſern Befehl - habenden Leuten / auff vnſere Ordre abgelaſſen auß Muß - cow in Perſien an den Perſiſchen Schach Sofi, wegen der Abrede den Gang - vnd Handlung der Holſteiniſchen Kauffleute / des Holſteiniſchen Fuͤrſten Friedrichen / Ge - ſandten vnd Raͤthe / Philippus Cruſius, vnd Otto Bruͤg - gemannen / vnd auch mit jhnen abgelaſſen auß Mußco in Perſien jhre Holſteiniſche Deutſche Leute / 85. Perſo - nen / auch wegen Convoi, von vnſere angenommene be - diente Mußcowiſche Deutſchen / welche ſie angenommen 30. Mann / fuͤr dieſelbe zu vermehrung iſt jhnen zugelaſſen zu Nieſen / oder zu Caßan oder zu Aſtrakan zu erfuͤllung wegen Convoi, zu der Reiſe in Perſien 11. Mann / an Ruſ - ſen oder Deutſchen freywilligen Leuten. Auch zu Nieſen vergoͤnnet / zu hewren oder anzunehmen / 2. Steuerleute / welche auff der Wolga den Gang wiſſen eigentlich / Vnd wenn Sie in Perſien geweſen / vnd wieder zuruͤck reiſen / nach dem Holſteiniſchen Lande durch vnſern Mußcowi - ſchen Herꝛſchafft / ſo iſt jhnen den Holſteiniſchen Geſand - ten ebenmeſſig bewilligt vnd vergoͤnnet / daferne Siewur -112Newe Perſianiſchewurden noͤtig haben / wegen Convoi, oder anch wegen Ar - beit zu den 40 Perſonen / zu hewren in Aſtrakan oder zu Caßan / oder wor es jhnen am fuͤglichſten / an Ruſſiſche oder Deutſche freywillige Leute / ſo viel als Sie beduͤrffen / Auch wo wie viel / was fuͤr Leute / vnd in welcher Stadt auff vnſere Ordre ſie annehmen / ſo ſollen Sie dieſelbe Leute mit Namen ſelber ſchicken zu der verſchreibung vnd er - forſchung in ſelbe Staͤdte an vnſern Bojaren vnd Wei - woden / vnd an den Diaken / damit vmb Sie moͤchte Wiſ - ſenſchafft ſeyn / Vnd wenn Sie werden auß Perſien wie - der zu ruͤcke kommen / bey Winters Wege / ſo iſt jhnen ver - goͤnnet / zu hewren fuͤr jhr eigen Geld / von vnſern Ruſſi - ſchen Voͤlckern / wer da wil mit Podwodden / als jhnen muͤglich iſt mit fortzukommen.
Vnd iſt zum Priſtaffen mitgeſchickt auß Mußcow biß nach Aſtrakan ein Aſtrakaniſcher Edelman Rodion Gorbato, vnd wenn Rodion mit den Holſteiniſchen Geſand - ten in einiger Stadt mit jhnen angelanget / ſo ſollet jhr vnſern Bojaren / Weiwoden / Diaken vnd allerley vnſere befehlhabende Leute / Rodionen vnd die Holſteiniſchen Geſandten mit jhn an allen Orten Paſſiren laſſen / ohne einige Auffhaltung / Vnd wenn Sie geweſen in Perſien vnd wieder zu ruͤcke reiſen nach dem Holſteiniſchen Lande durch vnſer Mußcowiſchen Herꝛſchafft / ſo ſollet jhr zu - laſſen / jhnen den Holſteiniſchen Geſandten / auff dieſen vnſern Paßbrieff / daferne Sie von noͤthen haben / wegen Convoi auff den Wolgiſchen Gang vnd Wegen / Arbeiter zu den 40. Mann / zu vermehrung hewren / Jn Aſtra - kan oder zu Caſan / oder da es jhnen am fuͤglichſten vnd benoͤtigfi iſt / Ruſſiſche oder Deutſche freywillige Leute / ſo viel Perſonen Sie von noͤthen haben zu hewren. Vnd wann wie viel Leute in welcher Stadt / auff der Hinreiſe in Perſien / oder auff der Wiederreiſe auß Perſien / Sie von vnſern Ruſſiſchen oder Deutſchen Leuten hewren / iſt befohlen dieſelben Leute mit nahmen / vnd zu erfor - ſchung vnd zu verſchreibung / in denſelben Staͤdten zu -ſchi -113Reiſe Beſchreibung. ſchicken an euch wegen Wiſſenſchafft / darmit kein Raͤu - ber vnd Verlauffner Golop vnter dieſelben ſeyn moͤchten. Die Schla - ven nennen ſie GoloppenVnd daferne die Holſteiniſchen Geſandten zuruͤcke auß Perſien kommen bey Winter Wege / ſo ſollet jhr zulaſſen / daß Sie von vnſern Ruſſiſchen Voͤlckern mit den Pod - wodden vor jhr Geld / ſo viel Sie von noͤthen muͤgen hew - ren / vnd daß keine Auffhaltung jhnen / wenn Sie auß Mußcow nacher Perſien reiſen / vnd wann Sie wieder zuruͤck auß Perſien zu vns nach Mußcow kommen / auch in keinen Staͤdten / Jmgleichen keinerley verfortheilung von jemande wiederfahren muͤge. Vnd die Holſteiniſchen Geſandten in Ehren zuhalten / auch jhren Leuten alle Freundſchafft zubeweiſen / Auch werden Sie ſelbſt die Holſteiniſche Geſandten / vnd jhre Leute / auff der Hinreiſe in Perſien / vnd wieder Zuruͤck auß Perſien zu vns / nach Mußcow allen vnſern Ruſſiſchen Leuten gleichfals kei - nerley Verfortheilung / vnd Gewaltſamkeit noch Raͤu - berey beweiſen. Vnd die Victualien fuͤr ſich ſelber auch fuͤr ſhre Leuten / mit Gewalt von keinem zu nehmen nicht be - fehlen / Aber es iſt befohlen / vnd vergoͤnnet zu kaͤuffen fuͤr ſich ſelber vnd fuͤr jhre eigene Voͤlcker / wie auch fuͤr jhre angenommene vnd gehewerte Leute / auff der Hin - reiſe nacher Perſien / vnd wieder Zuruͤck auß Perſien / al - lerhand Proviant / fuͤr jhr eigen Geld / von denſelben zu - kaͤuffen / der jhnen etwas verkauffen wil. Geſchrieben in Mußcow im Jahr 7144. den 20. Junij.
L. S. Der Zaar vnd Großfuͤrſt Michael Fœdorowitz, Aller Reuſſen Deak Maxim. Matuͤßkin.
Ehe wir vns zur fernern Reiſe wenden / wollen wir zuvor Ruß - landes vnd ſonderlich Mußcovien / fampt dero Einwohnern Gelegen - heit vnd Zuſtand beſchawen / vnd darvon etwas meldung thun.
RVßland / welches man wegen ſeiner Hauptſiadt Mußcow in gemein Mußcovien zu nennen pflegt / iſt eines von den euſſerſten theilen Europæ, an Aſlen grentzend / ſehr weit vmbfangen. Sin - temal daſſelbige nach der lenge auff 30. vnd nach der breite auff 16. grad ſich erſtrecket. Es hat / ſonderlich wenn man nach dem / was jtzo vnter der Herꝛſchafft des Großfuͤrſten begriffen / ſehen wil / ſeine Graͤntzen nach Norden uͤber den Circulum Arcticum geſetzet / welche daſelbſt das Eyß Meer / gegen Oſten aber der groſſe Fluß Oby, ſo durch Samogeden, vnd der letzte theil der Wolga, ſo durch die Na - gaiſche Tarterey ſtreichen / beſchlieſſen. Am Suͤdertheil hat es dieDie Graͤn - tzen von Ruß - land. Crimiſchen oder Perecoponſiſchen Tartern: Nach Weſten aber Polen / Lieffland vnd Schweden zu Nachtbarn. Es wird Rußland in vnterſchiedliche Fuͤrſtenthuͤmer vnd gewiſſe Provincien / ſo alle in des Großfuͤrſten / Pag. 25. beſchriebenen Titul verfaſſet / abgetheilet. Deren erſtes zwar iſt geweſen das Fuͤrſtenthumb Woladimer, ſo zwiſchen den zweyen groſſen Stroͤmen Wolga vnd Occa gelegen: Jtzo aber iſt daß fuͤrnembſte das Fuͤrſtenthumb Mußcow / welches / vnd zwar in demſelben die Stadt Mußcow von einem Großfuͤrſten / Namens Danilow Michaelowitz zum Zaariſchen Sitz vnd Haupt - ſtadt iſt gemachet worden.
Die Stadt aber / ſo von dem Bach Mußka / an welchem Sie li - get / den Namen hat / habe ich gefunden vnter den 56. grad vnd 36. min. latitud. Longitudinis aber ſol hinten in den Obſervationib. gedacht werden. Sie liget in der Mitten vnd gleichſamb un Schoß des Landes / vnd / wie mans darvor helt / allenthalben bey 120. Deutſcher Meilen von den Graͤntzen. Jhre groͤſſe nach dem Vmb[k]reiß zurechnen iſt bey 3. Deutſcher Meilen / ſol vorzeiten noch eins ſo groß geweſen / aber von den Crimiſchen Tartern / welche Anno Chriſti 1571. mit groſſer Macht eingefallen / ein gut theil eingeaͤſchert worden ſeyn.
Die gantze Stadt Mußcow theilen ſie ab in 4. Haupt Kreiſe. Der erſte heiſt Kitay gorod, das iſt Mittelſtadt / dann ſie in der mitte / gleich als im Centro liget / iſt mit einer dicken ſtarcken ſteinern Maure / ſo ſie Crasna Stenna, das iſt / die Rothe Maure nennen / vmbgeben. Auff der Suͤder ſeiten wird ſie mit der Mußka Bach / bey Norden aber von der Neglina, ſo hinterm Schloſſe ſich mit der Mußka vereiniget / vmbfloſſen. Faſt die helffte dieſes Kreiſes nimbt ein das Großfuͤrſt -liche115Reiſe Beſchreibung. liche Schloß / ſo Cremelin genennet wird. Es iſt mit ſtarcken Maw - ren / Zwingern / Graben vnd vielen Geſchuͤtzen wol verſehen.
Mitten auff deſſen Platze ſtehet der lengſte Thurm Ivan Welike,Ivan We - like. das iſt: Groß Hans / welcher gleich vielen Kirchthurmen auff dem Schloſſe mit ſtarck verguͤldeten Kupfferblech / ſo bey Sonnenſchein einen zierlichen Glantz von ſich giebt / bedecket. Neben demſelben ſte -Schr groſſe Klocke in Mußcow. het ein ander Thurm / auff welchem die ſehr groſſe Klocke / ſo 336. Centner ſchwer / vnd zur Zeit des Großfuͤrſten Boris Gudenow ſol gegoſſen worden ſeyn. Dieſelbe wird / wenn groſſe Brasnik oder Feſt - tage einfallen / Jtem groſſe Geſandten eingeholet / oder auch zur oͤf - fentlichen Audientz gefuͤhret werden ſollen / geleutet / vnd von 24. ja mehr Perſonen / welche auff beyden ſeiten des Thurms herunten auff dem Platze ziehen / kaum beweget wird / Daher oben etliche ſtehen vnd dem Knoppel zu huͤlffe kommen muͤſſen. Beſſer hinten auff dem Schloſſe iſt des Großfuͤrſten / Jtem des Patriarchen Pallaſt / ſampt etlicher groſſer Herꝛn vnd Bojaren Wohnhaͤuſer. Wie auch daſelbſt ein wol auffgefuͤhrtes herꝛliches hohes Pallaſt / ſo vor wenig Jahren fuͤr den jungen Printzen iſt gebawet worden.
Sonſten ſeynd auch auff dem Schloſſe zwey fuͤrnehme Kloſter / deren eines von Muͤnchen / das ander von Nonnen bewohnet wird. Jtem 50. ſteinerne Kirchen / deren fuͤrnembſte vnnd groͤſte ſeynd S. Trois, S. Mariæ, S. Michaelis, die / in welcher die Großfuͤrſten jhre Begraͤbniß haben / vnd S. Nicolai. Auff der Oſten ſeiten des Kreyſes Kitay Gorods, auſſerhalb dem Schloſſe / iſt neben der kuͤnſtlich erba - weten Kirchen Jeruſalem der fuͤrnembſte Marckt vnd Handel-Platz / welcher den gantzen Tag voller Handelsleute / Goloppen vnd Muͤſ - ſiggaͤnger ſtehet. Auff dem Marckte / vnd in den neben-Gaſſen ſind jeglichen Wahren vnd Handthierungen gewiſſe Plaͤtze zugeordnet / welche Ordnung luſtig anzuſehen. Denn es haben die Seidenkraͤmer / Tuchhaͤndler / Goldſchmiede / Sadler / Schuſter / Bundmacher vnd dergleichen jeglicher ſeine abſonderliche Gaſſen vnd oͤrter / in welchen ſie jhre Wahren verkauffen.
Jn dieſem theil der Stadt wohnen auch die meiſten Goſen / Kauffleute / Kneſen vnd andere fuͤrnehme Leute in ſteinern vnd nach jhrer manier wol auffgebawten Haͤuſern.
Den andern Kreyß der Stadt nennen Sie Zaargorod, das iſtZaargorod. Kaͤyſers Stadt / ſo den erſten theil in Form eines halben Monden gleichſamb vmbzircket / vnd iſt auch mit einer ſtarcken ſteinern Mawer / welche ſie Biela Stenna, die weiſſe Mawer nennen / vmbgeben / der Strom Neglina gehet mitten durch dieſe Stadt. Allhier / vnd ſonder - lich an dem Orte / welchen ſie Pogganabrut nennen / hat der Zaar ein groß Gießhauß / Geſchuͤtze vnd Glocken zugieſſen / ſetzen laſſen. Helt auch mit groſſen Vnkoſten jtziger Zeit einen Hollaͤndiſchen wolge - ſchickten Meiſter darinnen / Namens Hans Falcken / welcher mit denP ijStuͤ -116Newe PerſianiſcheStuͤckengieſſen eine ſonderliche manier inventiret, daß man 16. pfund Eyſen mit 25. pfund Pulver ſchieſſenk an / dadurch Er in Holland ſehr beruͤmbt worden / wie deſſen im continuirten Metterano Waſſener gedencket. Es ſind auch ſonſten im ſelben theil des Zaars Pferdeſtall / allerley Handwercker / Kramer / ſonderlich Korn vnd Meelbuden / Fleiſchbaͤncke / Viehmarckt vnd Kabacken zu finden.
Der dritte Kreyß der Stadt Mußcow heiſt Skorodom, iſt das euſſerſte ſo nach Oſten / Norden vnd Weſten vmb Zaargorod ſich er - ſtrecket. Jn demſelben iſt der Holtz - vnd Haͤuſer Marckt / auff wel - chem man verfertigte vnd auffgeſchlagene Haͤuſer kauffen / zerlegen / an begerte oͤrter fuͤhren / vnd wiederumb auffrichten kan. Daher wird faſt ſo geſchwinde als ein Hauß abbrennet / ein Newes wieder auffge - bawet vnd die Stelle erſetzet.
Der vierdte vnd letzte theil der Stadt heiſt Strelitza Slowoda. liegt nach Suͤden uͤber den Bach Mußcow / nach Tartarien zu / iſt mit Planckwercken vnd hoͤltzern Bollwercken vmbgeben / darinnen woh - nen die Strelitzen oder Soldaten / ſo in Jhre Zaare Maytt. Dien - ſten ſeynd / wie auch andere von dem gemeinen Poͤbel.
Jn - vnd auſſerhalb der Stadtmawren ſollen bey viertzig tauſend Brandſtaͤdte / vnd uͤber die funffzehen hundert Kloſter / Kirchen vnd Capellen / in welchen Sie jhren Gottesdienſt verrichten / gezehlet wer - den. Die Wohnhaͤuſer aber ſeynd meiſt von Dannenholtz / ein Bal - cken auff den andern liegend / auffgebawet / vnd mit Schindeln / Bret - tern oder Borcken von Bircken Baͤumen vnd Raſen bedecket. DaherFewrsbrun - ſten in Ruß - land ſehr ge - mein. zum offtern bey jhnen groſſe Fewersbrunſten entſtehen; Ja auch ſo offt daß nicht ein Monat oder Woche hingehet / in welcher nicht etliche Haͤuſer / bißweilen wenn der Wind ſtarck / gantze Gaſſen im Rauch auffgehen. Wir haben zu vnſer Zeit vnterſchiedliche mahl des Nachts an 3. vnd 4. oͤrten zugleich das Fewr auffgehen ſehen. Bey ſolchem Vnheil ſeynd die Strelitzen vnd gewiſſe Wachten beſtellet / welche dem Brand zuſtewren eylend zulauffen muͤſſen. Es wird aber niemals mit Waſſer geleſchet / ſondern die nechſt vmbherſtehende Haͤuſer nie - dergeriſſen / damit das Fewr ſeine Krafft ſelbſt verlieren vnd verleſchen muß. Der Vrſach halber / muß jegliche Wache vnd Strelitzen jhre Beile bey ſich tragen. Die vornehme Kaufflente aber vnd groſſe Herꝛn haben auff jhren Hoͤffen ſteinerne Gebaͤw oder Gewoͤlbe mit kleinen engen Fenſter-Lufften / ſo mit eyſern Blechpforten verwahret werden / in welchen ſie jhre Wahren vnd koſtbare Sachen fuͤr den Brand ber - gen koͤnnen. Die Gaſſen ſind groß vnd weit / in derer Mitte auff der Erden runde Hoͤltzer neben einander / oder hoͤltzerne Bruͤcken geleget / weil bey Regen vnd naſſen Wetter ein ſo tieffer Kott / daß man ohne ſolche Bruͤcken weder gehen noch ſtehen kan.
Ob117Reiſe Beſchreibung.Ob wol das weitleufftige Land hin vñ wider puͤſchicht /Fruchtbarkeit des Landes / an Feldfruͤch - ten. wild / wuͤſte vnd ſumpfficht / iſt es doch wegen der guͤte des Erdreichs / wo es nur ein wenig gebawet wird / uͤber die maſſe fruchtbar / daß es an Getreide vnd Weyde einen groſſen uͤberfluß gibt / dahero ſie jaͤhrlich groſſe parteyen Korn auß dem Lande verkauffen koͤnnen.
Es iſt zuverwundern / das / wie man vns zur Narve berichtete / daſelbſt auff der Ruſſiſchen ſeiten viel beſſer Land / vnd alles ehe vnd beſſer wachſe / als auff dißſeit der Narve / da doch nur der Narviſche Bach darzwiſchen fleuſt. Daſelbſt / wie auch in gantz Jngermanland /Die Zeit zu ſeen vnd zu ernden. Carelien / Jtem Rußland vnd Lieffland am Nordertheil bringet der Ackerman ſeinen Saamen erſt 3. Wochen vor Johannis in die Erde / welcher hernach wegen continuirlicher Hitze der Sonnen (ſo im vntergehen kaum den Horizont beſtreichet) zuſehens waͤchſet / daß man jnnerhalb 7. oder 8. Wochen den Saamen außſtrewen / vnd einernden kan. Ob ſie auch ſchon ehe außſeen wolten / wil wegen des noch in der Erden verborgenen Froſts vnd kalten Winden / das Ge - treide nicht gerahten.
Es gibt auch an etlichen Orten / ſonderlich in der Mußcow herliche Gartengewaͤchſe an Apffel / Kirſchen / Pflaumen / Johannes-Beer / ſampt allerhand Kuͤchengewaͤchſe; Jnſonderheit gute Ajurken vnd Me - lonen. Die Melonen werden nicht alleine in groſſer menge / ſondernGute wolge - ſchmackte Aeffel in Mußcow. auch ſehr groß vnd wolgeſchmackſamb gefunden / Wie mir dann noch vor zwey Jahren daſelbſt von einem guten Freunde eine Melone von viertzig Pfunden ſchoͤn vnd ſuͤſſe verehret wurde. Wird derowegen viel anders befunden / als im Atlante majore dißfals von Rußland ge - ſchrieben wird: Das nemblich wegen der groſſen Kaͤlte daſelbſt durch - auß kein Obſt vnd wolgeſchmackte Aepffel zu finden wehren. Sie ha - ben vnter andern wolgeſchmackten Apffeln auch eine art / welche ſo zart vnd weiß von Subſtantz, daß man in denſelben gegen der Sonnen die Kerne ſehen kan. Aber ob ſie zwar von anſehen vnd geſchmack lieblich / koͤnnen ſie doch wegen jhrer uͤberfluͤſſigen Feuchte nicht ſo lange als die in Deutſchland dauren.
Man berichtete vns auch / daß hinter Samara zwiſchen der WolgaBoranetz ei - ne ſeltzame art Melonen als eln Lam. vnd Don eine Frucht wachſen ſol / in groͤſſe vnd art einer Melonen / von euſſerlichem anſehen aber formiret als ein Lam / deſſen Glieder es gar deutlich præſentiren ſol / der Stengel iſt gleichſamb am Nabel / vnd wo ſichs auff der Erden hinwendet (dann es im wachſen ſeine Stelle ſo weit es der Stengel zuleſſet / verendert) verdorret das Graß / welches ſie abfreſſen heiſſen. Wenn es reiff / ſo verdorret der Stengel / vnd die Frucht bekoͤmpt ein rauches Fell wie ein Lam / welches man ſol gerben / vnd zum gebrauch wieder die Kaͤlte bereiten koͤnnen.
Man hat vns in der Mußcow etliche ſtuͤcke Felle / ſo von einer Bettdecke geriſſen / gezeiget vnd gegeben / vorgebend es wehre von ſolcher Frucht; weiß aber nicht obs zuglaͤuben. Es war zart vnd kraußP iijvon118Newe Perſianiſchevon Wolle / als wie ein Fell eines Lammes / ſo entweder auß Mutter - leibe geſchnitten / oder erſt jung geworden. Scaliger gedencket ſolcher Frucht auch. Exercit. 181. vnd ſaget: Daß ſo lange es Graß vnd Kraͤuter vmb ſich hat / ſo lange ſol es in vollem Wachs ſtehen / als ein Lam in voller Weyde / im mangel deſſen / ſol es vergehen / vnd verder - ben. Sie aber ſagen / daß es alsdann reiffe ſey. Es ſol auch war ſeyn / was Scaliger ferner ſchreibet: Das nemblich die Woͤlffe vnd ſonſt kein ander Thier dieſer Frucht nachſtelle; dadurch ſie auch gefangen werden. Darumb nennens die Einwohner vnd die Ruſſen Boranez, das iſt / ein Lam.
Von ſchoͤnen Kraͤutern vnd Blumengewaͤchſe hat Mußcow bißher nicht viel gehabt / wiewol der Großfuͤrſte newlicher Zeit vmb ſeinen Garten wol einzurichten / vnd mit allerhand koͤſtlichen Kraͤu - tern vnd Blumen zu zieren ein anſehnliches ſpendiret hat. Sie ha - ben auch vor dieſem niemahls von guten vnd vollen Roſen gewuſt / ſon - dern ſich allezeit mit wilden Roſen oder Hahnbutſtrauchen behelffen / vnd jhre Gaͤrten zieren muͤſſen.
Vor zwey Jahren aber hat H. Peter Marcellus J. Koͤn. Mayt. zu Daͤnnemarck vnd J. F. Gn. zu Holſtein Commiſſarius in Mußcow die erſten Provintz Roſen von Gottorff auß Jhre Fuͤrſtl: Gn. Garten dahin gebracht / welche auch bekommen ſeynd. Die Deutſchen oder Hollaͤndiſchen Kauffleute / ſo darinnen wohnen / haben vor wenig Jahren auch den Aſparges daſelbſt zu pflantzen angefangen / welcher jtzo ſehr ſchoͤn vnd uͤber Daumensdicke waͤchſt. Die Lactuca vnd ander Salat haben die Ruſſen niemahls gepflantzet noch geachtet / vielweniger gegeſſen / ſonderu haben die Deutſchen bey nieſſung des rohen Salats außgelachet / als wenn Sie gruͤn Graß eſſen / jetzo aber beginnen etliche auch mit anzubeiſſen.
Kein Wein wird allda gepflantzet / ſondern von allerhand Art durch die Hollaͤndiſche vnd andere Schiffe uͤber Archangel heuffig gebracht. Es wird auch ſonſt viel Hanff vnd Flachs / Jtem Honig vnd Wachs / welches ſie allerdings in den Waͤldern haͤuffig finden / ge - ſamblet / vnd an die benachbarte vnd andere Laͤnder verhandelt.
Die Buͤſche vnd Waͤlder ſeynd reich von allerhand wilden Thie - ren / außgenommen Hirſche / welche da nicht geſehen werden / Sonder - lich geben die Laͤnder nach Norden viel Zobeln / Mardern / Fuͤchſe / Luchſe vnd andere Pelterien / durch dero Handlung des Großfuͤrſten Schatz jaͤhrlichen mit einem groſſen vermehret wird.
Es findet ſich auch allhier / gleich in Lieffland / neben dem gutten ſehr viel Raubwild / ſonderlich Baͤren vnd Woͤlffe / welche den Leuten auff dem Lande groſſen ſchaden thun. Die Woͤlffe lauffen des Win - ters vngeſchewet auff die Hoͤffe / vnd wenn das Viehe eingeſperret / graben ſie vnten durch die Waͤnde / vnd ziehen die Schaffe hindurch / nehmen zum offtern die Hunde vom Hoffe hinweg / machen auch anetli -119Reiſe Beſchreibung. etlichen oͤrtern die Straſſen ſehr vnſicher. Man haͤlt aber darvor / daß man ſie ſchew machen vnnd abhalten kan: Wenn man einen Pruͤgel an einem langen Stricke hinterm Schlitten herſchleppen laͤſſet.
Anno 1634. den 24. Januarij, iſt anderthalb Meilen von der Narva / ein kleiner ohne zweiffel wuͤtender Wolff 12. Ruſſiſche Baw -Grawſame That eines Wolffes an etlichen Baw - ren. ren / ſo mit Hew beladenen Schlitten hinter einander hergefahren / begegnet / Dieſer hat ſich alsbald an den erſten gemachet / iſt an jhm hinauff ſprungen / hat jhn bey der Kehlen gefaſſet / vnd niederge - riſſen / imgleichen auch dem andern. Dem dritten hat Er das Fell uͤber den Kopff gezogen / dem vierdten Naſe vnd Backen abgeriſſen / den fuͤnfften vnd ſechſten auch ſehr beſchaͤdiget / Als die hinterſten dieſes ſehen / tretten ſie zuſammen / uͤberweltigen jhn vnd ſchlagen jhn todt.
Einen von den beſchaͤdigten Ruſſen habe ich mit vnſerm medico zur Narve beſuchet / vnd beſehen / war am Geſichte vnd Kopff ſo jaͤm - merlich zugerichtet / gleich als Er nach damaligem Abriſſe allhier im Kupffer præſentiret wird. Dieſer iſt neben den andern allen Be - ſchaͤdigten wuͤtend geſtorben.
Der Balck von dieſem Wolffe wurde außgeſtopffet / den Geſand - ten gezeiget / vnd wegen der grawſamen Geſchicht von denen zur Narve zum Gedaͤchtniß auffgehoben.
Von einem Baͤren erzehlte vns faſt ebenmeſſige Hiſtorie ein Wildſchuͤtze auff Ermes in Lieffland. Das nemblich Anno 1630. auff einem Dorffe vmb dieſelbige Gegend / als ein Bawr eine offene Tonne Hering / darvon zuverkauffen / vor dem Kruge abgeſetzet / vnd in den Krug gangen / ſey ein groſſer ſtarcker Baar auß dem Buſch kommen / habe ſich uͤber die Tonne gemachet / vnd ſeine Notturfft dar - von gefreſſen / ſey darauff in den Hoff vnter die Pferde gegangen / vnd als die Bawren dieſelben zuretten zugelauffen / hat Er derer et - liche neben den Pferden beſchaͤdiget / daß ſie weichen muͤſſen. Dar - auff machet Er ſich ins Hauß / kompt uͤber einen Bierkuͤbel oder Braw -Ein Baar ſaͤufft ſich voll vnd wird dar - uͤber todt ge - ſchlagen. bottich / in welchem friſch Bier geſtanden / vnd ſaͤufft den Leib dicke. Die Wirthin / ſo ſich mit zwey Kindern auff dem Backoffen ſalviret, muß in groſſer Angſt vnd Stille dieſen boͤſen Gaſt zuſehen. Als der Baar ſeinen theil gehabt / wandert Er wieder nach dem Walde. Die Bawren aber / da ſie ſehen das er zu taumeln beginnet / folgen jhm nach / vnd als Er auff dem Wege gleich einem trunckenen Menſchen niederfaͤllet vnd ſchlaͤfft / machen ſie ſich uͤber jhn vnd bringen jhn vmb. Man vermeinete / das dem Baͤren etwa ſeine Jungen weg gekommen wehren / dieſelbe zuſuchen er alſo herumb gewandert.
Ein ander Bawr leſſet ſein Pferd in der Nacht im Buſche graſen / als ers den morgen wiederholen wil / findet Er einen Baͤren darbey ſitzen / welcher allbereit eine gute Mahlzeit darvon gethan hatte. Als der Baar den Bawren anſichtig wird / verleſſet Er das Aaß / laͤufft zu denſelben / ertapt vnd fuͤhret jhn in ſeinen Armen hin zum Aaß. Der Bawr aber hatte zu ſeinem Gluͤcke einen kleinen Hund bey ſich / welcher dem Baaren nachbellet vnd jhn in die Ferſen beiſſet. Jn dem der Baar ſich des Hundes erwehren wil / leſſet Er den Bawren fallen / welcher mit behendigkeit ſich darvon machet. Es ſollen die Baͤren daſelbſt herumb / ſonderlich in Jngermanland / viel Elend / weil es ein langſambBaͤren gra - ben die todten Coͤrper auß der Erden. Thier / zerreiſſen. Ja ſie ſollen auch der todten Menſchen Coͤrper in der Erden nicht verſchonen / ſondern dieſelben / wenn ſie nicht tieff gnug eingegraben / wieder herauß ſcharren vnd freſſen / Wie ſie dann den Herbſt Anno 1634. hinter Hackehoff / nach der Narven werts 13. Leichen auff dem Gottes Ackern außgegraben / vnd die / ſo in den Sar - gen gelegen / mit ſampt denſelben weggetragen hatten.
Noch viel andere vnd ſeltzamere Hiſtorien die ſich dero oͤrter mit den Baͤren begeben / wurden vns erzehlet / Wie nemblich ein Baar bey Riga ein Weib in ſeiner Holen bey 14. Tagen gehalten / Jtem wenn ſie geſchoſſen / wie Sie die Jaͤger ertapt vnd tractiret, vnd wie die wunderlich von jhnen loß gekommen / vnd dergleichen. Welches / weil es dem Leſer / ſonderlich denen / ſo von dergleichen nie ge -hoͤret /121Reiſe Beſchreibung. hoͤret / moͤchte vnglaͤublich vorkommen / habe ichs nicht mit mehren gedencken wollen.
Es pflegen die Ruſſen die jungen Baͤren auffzuziehen / Zahm zu - machen / vnd allerhand Gauckelſpiel zulehren / mit welchen Sie her - nach in den Staͤdten vnd Gaſſen herumb gehen / vnd Geld verdienen / wie wir derer viel geſehn haben.
An denen Orten / findet ſich auch viel Federwild: Als Vhr -Viel Feder - wild in Ruß - land vnd Liff - land. hanen / Berck-Haßel vnd Rephuͤner / Reyer / wilde Gaͤnſe / Enten / Kraniche / Schwanen / welche man allda / gleich auch in Lieffland von den Bawren vmb ein ſchlecht Geld erkauffen kan. Das kleine Gevoͤgel / als Kramsvogel / Troſſeln / Lerchen / Fincken vnd derglei - chen / wiewol ſie in den beyden Laͤndern ſehr haͤuffig / werden doch zur Speiſe nicht geachtet noch verfolget.
Neben dieſen gutten gibt es auch ſehr viel vnreine vnd Raubvoͤgel / als Falcken / Habichte / Sperber / Adler vnd dergleichen.
Die Waſſerſtroͤme vnd ſtehende Seen / ſo hin vnd wieder im Lan -Die Waſſer ſeind Fiſch - reich. Groſſe Kar - pen zu A - ſtrachan. de anzutreffen / ſeynd auch allerhand arten Fiſche voll / ohne Carpen / welche auch in Lieffland nicht gefunden werden. Wir haben doch gleichwol zu Aſtrachan von der art in vngewoͤnlicher groͤſſe haͤuffig ge - ſchen / vnd ein Stuͤck vmb einen Copecken oder Luͤbiſchen ß. gekaufft / hatten aber nicht ſo guten geſchmack / als die in Deutſchland / ſie werden auch von den Ruſſen nicht ſonderlich geachtet.
Jſt derowegen Rußland an Feld - vnd Gartenfruͤchten / zahmen vnd wilden Thieren / Fiſchen vnd andern zu des Menſchen Leben nothwendigen Sachen ein reich vnd geſegnet Land.
Die Lufft in Rußland iſt / wiewol Winter vnd Sommer / den rei -Die Lufft in Rußland. ſenden Außlaͤndern ziemlich beſchwerlich / dennoch geſundt / Jn dem man nicht viel von Peſtilentz vnd andern gifftigen Kranckheiten weiß. Es gibt auch ins gemein alte Leute darinnen.
Den Reiſenden / ſage ich / faͤlt die Lufft moleſtirlich / Dann im Sommer die groſſe Hitze nicht allein vor ſich ſelbſt vnbequem / ſondern generiret auch an den Moraſtichten / ja faſt an allen Orten ſehr viel Muͤcken vnd Fliegen / fuͤr welche man weder Tag noch Nacht vnan -Viel Muͤcken vnd Fliegen in Rußland. gefochten bleiben kan / Dahero man des Nachts / entweder nahe beym Fewer / oder vnter einem Muͤcken-Netze liegen muß. Wie davon auch droben iſt gedacht worden.
Zur Winterszeit iſt daſelbſt eine ſo groſſe Kaͤlte / daß man ſich kaum bergen kan / vnd iſt bey jhnen nicht ſeltzam / Naſen / Ohren /Des Winteꝛs ſehr groſſe Kaͤlte. Haͤnde vnd Fuͤſſe zu erfrieren: Es war zur zeit vnſer erſten Legation in der Mußcow ein ſolcher harter Winter / daß auff dem Marckte vorm Schloſſe das Erdreich fuͤr Kaͤlte auffgeſprungen / vnd einen ſehr langen Riß bekom̃en hatte / welches ich mit verwunderung geſehen. Es kunte in warheit niemand vnter vns mit bloſſem Geſichte 50. SchritteQauff122Newe Perſianiſcheauff der Gaſſen gehen / daß jhm nicht deuchte die Naſen vñ Ohꝛen waͤren erfrohren. Zu ſolcher Zeit ſind auff der Reiſe ſehr gut die Ruſſiſche lange Schlitten / ſo von Baſt oder Lindenborcken vnd niedrig gemachet. Vnſer etliche futterten dieſelbige auß mit groben Filtz / legten vns in langen Schaffpeltzen / welche man daſelbſt gar wolfeile haben kan / hinein / vnd bedeckten oben den Schlitten mit einer Decken / ſo Sie entweder auch von Filtz / oder von Tuche zu machen pflegen. Wir kunten darunter in der groͤſten Kaͤlte / ſehr warm / ja ſchwitzend vnd ſchlaffend vns von den Bawren hinfuͤhren laſſen. Worzu denn ſehr bequem die Ruſſiſche ſchnellauffende Pferde / welche gewohnet in einem Futter 8. 10. vnd bißweilen 12. Meilen zulauffen.
Es iſt aber der Weg dieſes Orts / wie faſt durch gantz RußlandWenn in Liff - land vñ Ruß - land gut Rei - ſen iſt. ohne ſondere Berg vnd Thal. Deswegen iſt zur Winterzeit in Lieff - land vnd Mußcow daſ beſte Reiſen / dann man kan in geſchwinder eyl / ja auch mit ſchlechten Vnkoſten eine weite Reiſe thun: Jn dem ein Bawer / der vmbs Lohn faͤhret / fuͤr zwey / drey oder auffs hoͤchſte vier Thaler einen in die funffzig Deutſche Meilen hinſchleppet.
Was die Ruſſen ſelbſt betrifft / ſeynd dieſelbe inDer Ruſſen Natur vnd Eigenſchafft. gemein von Natur am Leibe vnd Gemuͤte groſſe dicke / ſtarcke vnd harte Leute / welche viel von groſſen Baͤrten vnd dicken Baͤuchen halten / vnd die darmit begabet / ſeynd bey jhnen in gutem anſehen. Sie ſeynd / ſonderlich der gemeine Mann / zu keinen delicaten Speiſen vnd wei - chen Federlager gewohnet / die meiſten liegen auff harten Baͤncken / fuͤrnemblich das Landvolck / vnd nehmen des Winters jhr Lager in der Stuben auff dem Ofen oder Backofen / Da dann offtermahl Mann / Weib / erwachſene Soͤhne vnd Toͤchter / Knechte vnd Maͤg - de allzuſammen der Waͤrme halber ſich an einem Orte behelffen.
Jhre Speiſen ſeynd Gruͤtze / Ruben / Kohl / Ajurken / geſaltzene vnd ſtinckende Fiſche / Dann je mehr die groben eingeſaltzene Fiſche ſtincken (wie es denn offt wegen mangel des Saltzes / ſo ſie daran ſpa - ren / geſchiehet) je lieber jhn mancher kaͤufft / dahero kan man jhren Fiſchmarckt ehe riechen / als man jhn ſihet oder betritt. Den Roͤgen auß groſſen Fiſchen / ſonderlich auß dem Stoͤer / klopffen Sie von der Haut ſauber ab vnd ſaltzen jhn ein / wann er ſechs oder acht Tage ge - ſtanden / ſtrewen Sie Pfeffer vnd klein geſchnittene Zipollen drauff / etliche gieſſen auch Eſſig vnd Baumoͤhle darzu / vnd ſetzen es vor eineCavojor odeꝛ Stoͤer Roͤgen ein gut eſſen. delicate Speiſe auff. Jſt auch ein gut Eſſen / ſo den appetit vnd die Natur zimlich ſtimuliret; Solchen zubereiteten Roͤgen nennen Sie Ikarij, die Deutſchen aber Cavojar, vnd wird deſſen ſonderlich auff der Wolga vnd bey Aſtrachan bey vielen Tonnen eingeſaltzen / vnd nach Italien verhandelt. Es ſeynd auch ſonderliche Leute / ſo dieſen Handel Pachtweiſe vmb eine gewiſſe vnd ziemliche Summa Geldes vom Großfuͤrſten an ſich bringen muͤſſen.
Sonſt123Reiſe Beſchreibung.Sonſt haben ſie auch ein gut Eſſen / ſo ſie nach einem Rauſche / wenn ſie Pochmeli oder vnluſtig ſeynd / genieſſen / Vnd weil mir ſol - ches nicht vneben vorgekommen / wil ich es allhier mit fuͤrtragen:
Sie nehmen kalt Gebratenes / vnd ſchneiden kleine SchnitgenEin gut Muß - cowitiſch eſſen wenn ſie nach dem Rauſche vnluſtig. als ein 3. Groſchen oder ſechs ſchilling Stuͤcke in eine Schuͤſſel / thun darzu auch als Wuͤrffel klein geſchnitten Ajurken / gieſſen darauff halb Eſſig vnd halb Ajurken Suppe / ſtrewen wol Pfeffer daruͤber / vnd eſſen es kalt mit Loͤffeln. Solch Gerichte iſt mir bey den Deutſchen meinen guten Freunden in Mußcow vnterſchiedlich mahl vorgeſetzet worden.
Es ſeynd auch jhre Speiſen in gemein entweder mit Knoblauch oder Zipollen zugerichtet / dahero es in allen jhren Stuben vnd Haͤu - ſern einen vns Deutſchen vnanmutigen Geruch gab.
Der Knoblauch wird nicht alleine von geringen / ſondern auchDer Knob - lauch iſt bey den Ruſſen in groſſem werth. von Hohen / ja hoͤchſtes Standes Perſonen beliebet vnd genoſſen. Hierbey faͤlt mir ein / was ſich dißfals in Mußcow bey einer ſehr hohen Perſon zugetragen; Als einsmahls eine vornehme Deutſche Fraw / ſo jtzund in Lieffland nicht weit von Narva wohnet / jhrer Gewonheit nach / gedachte hohe Perſon zubeſuchen vnd auffzuwarten kam / vnd jhr Soͤhnlein ein Knabe von fuͤnff Jahren mit ſich brachte / nimpt ſelbige Perſon den Knaben / weil er von Geſichte ſchoͤn vnd von Ge - berden lieblich / auff jhren Schoß vnd kuͤſſet jhn / der Knabe aber wen - det ſich zu ſeiner Mutter vnd rufft: Ey Mutter / wie ſtincket diß Weib von Knoblauch? Die Mutter / als ſie gefraget ward / was der Knabe ſagte / iſt zwar / wiewol erſchrocken / jedoch bald auff dieſe Antwort bedacht / Er ſpricht: daß Er dich ſo lieb habe als ſeine eigene Mutter / darmit war es ſehr wol gethan.
Der gemeinen Leute Getraͤncke iſt Quas, (welcher ſich vnſermDas Getraͤn - cke der Ruſſen duͤnne Bier oder Covent vergleichet) Bier / bißweilen auch Meeth. Die fuͤrnehmen Leute aber haben neben guttem Bier vnd Weine herꝛ - liche vnd wolgeſchmackſame Meeth von Hindbeeren / Brombeeren / Kirſchen vnd dergleichen.
Es hat mir vnter andern der Hindbeeren Meeth ſeines lieblichen Geruchs vnd Geſchmacks am beſten gefallen. Denſelben habe ich auff folgende manier ſehen zurichten:
Erſtlich / nehmen ſie die reiffen Hindbeeren / thun ſie in ein FaßHindbeeren Meeth zu bra - wen. vnd gieſſen reine Waſſer darauff / laſſen es 2. oder 3. Nachte ſtehen / biß der Geſchmack vnd Farbe ſich auß den Hindbeeren ins Waſſer ge - zogen. Solch Waſſer mu ßman von den Hindbeeren / ſo denn zu nichts mehr taugen / abziehen / vnd in daſſelbe reinen / oder vom Wachſe ab - geſonderten Honig ꝛuͤhren: Zu einer Kanne Honig zwey / drey oder vier Kannen Waſſer / nach deme mans ſuͤſſe vnd ſtarck haben wil. Endlich nimpt man ein Schnittlein geroͤſter Brodt / beſchmieret daſ - ſelbe mit Geſcht oder Hefen / wirfft es hinein / decket es zu / vnndQ ijlaͤſ -124Newe Perſianiſchelaͤſſet es vier oder fuͤnff Tage gehren. Etliche wenn ſie dem Meethe einen aromatiſchen Geruch vnd Geſchmack geben wollen / thun Ne - gelken / Cardemom vnd Caneel oder Zimmet in ein Tuͤchlein / haͤn - gens ins Faß / vnd laſſen es mit gehren. Wenn aber das Gefaͤß an ei - nem warmen Orte ſtehet / wird der Meeth in acht Tagen nicht auff - hoͤren zu gehren / Wem nun ſolches nicht gefaͤlt / der muß das Faß / nachdem es ſeine gewiſſe Zeit zum gehren gehabt / an einem kalten Ort bringen / ſo hoͤret es auff / vnd iſt koͤſtlich zu trincken. Alſo machen ſie es auch mit den Brombeeren vnd Kirſchmeeth.
Etliche / ſonderlich die Leſchmeeth machen wollen / nehmen das Honig / wie es noch mit dem Wachſe vnd Bienen vermiſchet / ſchlagen es in laulicht Waſſer / ruͤhrens wol uͤmb / vnd nachdem es etliche Stunden geſtanden / ſaͤubern ſie das ſuͤſſe Waſſer durch ein Sieb / ſiedens vnd ſcheumens wol / vnd handeln darmit wie vor.
Brantewein aber iſt bey hohes vnd niedriges Standes / Geiſt - vnd Weltlichen / Mannes vnd Weibes Perſonen ein gemein taͤglich Getraͤncke / ſo ſie vor / bey vnd nach der Mahlzeit gebrauchen.
Es iſt auch die erſte Ehre die einer dem andern in Beſuchen oder Zuſammenkunfften anthut / daß man ihm Tzarko Wino, eine Schale Brantewein außzutrincken darreichet. Worbey denn der gemeine Poͤbel / Schlaven vnd Bawren ſich ſo getrew finden laſſen / daß / wann mancher bey einem fuͤrnehmen Manne die Schale auff ſeiner Hand zum andern / dritten vnd mehrmahlen eingeſchenckt bekompt / Er jmmerfort außtrincket / biß er niederfaͤllet / vnd bißweilen mit dem Brantewein den Geiſt zugleich wieder herauß ſchuͤttet. Wie mir ſolche Exempla zu vnſer Zeit wol ſeynd bekandt geworden.
Vnd ehe es daran fehlen ſolte / muß vns ein fuͤrnehmer Groß - fuͤrſtlicher Geſandter / welcher Anno Chriſti 1608. zum Koͤnige in Schweden Carolum IX. iſt geſchicket worden / ein Exempel geben. Dieſer / wie man von jhme ſchreibet / hat in den jhm fuͤrgeſetzten man - cherleyen ſtarcken Getraͤncken / vnd ſonderlich in den Brantewein / vngeachtet daß Er fuͤr deſſen ſtarcke Krafft gewarnet wuͤrde / ſich ſo angefuͤllet / daß er des morgenden Tages / an welchen er zur Audientz ſolte geleitet werden / todt iſt gefunden worden.
Es iſt auch das Laſter der Trunckenheit bey dieſer Nation in allen Staͤnden ſehr gemein / vnd wenn ſie uͤber Getraͤncke / ſo hitzig vnd ſtarck es auch jmmer iſt / kommen / wiſſen ſie keine Maſſe in ſich zugieſſen.
Es trifft allhier am allermeiſten ein / was jener ſaget: Daß viel mehr Leute in der Welt auß uͤberfluß ſich Todt freſſen vnd ſauffen / als auß mangel hunger vnd durſt ſterben. Denn da wird von keinem / ſo ferne er geſundt iſt / einige occaſion zum Trun - cke oder guttem Rauſche / wenn / vnd wie ſich auch dieſelbe præſentiret, außgeſchlagen. Der gemeine Poͤbel / wenn er in die Kabacke oderKrug125Reiſe Beſchreibung. Krug gehet / ſitzet darinnen ſo feſte / biß nach außgeleercten Beutel /Die Ruſſen ſehr zum Trunck ge - neigt. ſeine Kleider / ja das Hembde gar verſoffen vnd außgezogen iſt / daß er alſo nacket / wie er auff die Welt gekommen / nach Hauß gehen muß / wie wir dann ſolcher Leute in Mußcow viel geſehen haben.
Vor 2. Jahren / als ich zu Newgard in dem Luͤbeckſchen Hoffe / (welcher nunmehr in einer Fewersbrunſt auch mit auffgegangen) nicht weit von einer Kabacke mein Quartier hatte / ſahe ich ſolche verſoffene vnd nackichte Bruͤder / etliche ohne Muͤtzen / etliche ohne Struͤmpff vnd Schue / etliche in / etliche ohne Hembden auß der Kaback kommen / vnter andern einen / welcher erſt ohne Rock im Hembde herauß kam / vnd als jhm ein guter Freund begegnet / kehret er mit demſelben wieder vmb: Jn etlichen Stunden kam er ohne Hembde / vnd hatte nur ein paar Vnterhoſen am Leibe / Als ich jhm lieſſe zuruffen: wo Er ſein Hembde haͤtte / wer jhn alſo beraubet? Antwortete Er mit jhrem ge - woͤnlichen ſchlimmen Sprichworte: Ja butfui Matir! Das hat der Wirth gethan: Ey wo das Hembde vnd der Rock geblieben / da muͤgen die Hoſen auch bleiben; Gieng darauff wieder in die Ka - back / vnd kam hernach gantz bloß herauß / nam eine Handvoll Hun - deblumen / ſo neben der Kaback wuchſen / die Scham darmit zubede - cken / vnd gieng alſo luſtig vnd ſingend nach Hauſe.
Als wir in der andern Legation durch Newgart reiſeten / kamEines vollen Pfaffens Se - gen. auch ein Pope oder Pfaffe auß der Kaback nur im Kaftan, hatte zweif - fels ohne ſeinen Rock verſoffen / Als dieſer gegen mein Quartier kam / wolte er jhrem Gebrauch nach die Strelitzen / ſo daſelbſt Wache hiel - ten / ſegnen / Jn deme Er aber die Hand vnd Finger außſtrecket / ſich neiget / wird jhm der Kopff zu ſchwer vnd faͤllet in den Kott: Da die Strelitzen jhn wieder auffheben / ſegnete er ſie gleichwol mit dreckich - ten Fingern. Solche Specktakel / weil ſie ſich taͤglich ereugen / machet niemand groß Wunder darvon.
Auch achtens die Weiber allerdings nicht fuͤr Schande gleich denDie Weiber ſauffen ſo wol als die Man - ner. Maͤnnern denſelben ſich voll zuſauffen / daß man ſie auff den Gaſſen neben den Truncken vnd Vmbfallen ſiehet.
Zur Narva habe ich hiervon in meinem Quartier / ſo ich bey der Niehoffſe hatte / feine Kurtzweil geſehen. Jn dem etliche Ruſſiſche Weiber zu jhren Maͤnnern ins Gelach kahmen / ſich niederſetzten vnd tapffer mit herumb truncken. Als die Maͤnner wol berauſchet nach Hauſe gehen wolten / war es den Frawen noch nicht gelegen / vnd wie - wol ſie daruͤber Ohrfeigen bekahmen / wurden ſie doch dadurch nicht bewogen auffzuſtehen. Jn dem nun die Maͤnner endlich auff die Erde ſtehlen vnd ſchlieffen / ſatzten ſich die Weiber oben auff ſie / vnd ſoffen in Brantewein eins dem andern ſo lange zu / biß ſie auch alle voll wurden.
Der Gaſtwirth zur Narva Jacob von Koͤllen erzehlete / daß ſie eben ſolche Comedia auff ſeiner Hochzeit geſpielet hetten / Da die Maͤnner / nachdeme ſie berauſchet / jhre Weiber auß Luſt wol abge -Q iijpeit -126Newe Perſianiſchepeitſchet haben / vnd dann wieder mit jhnen angeſoffen / die Weiber end - lich auff jhren entſchlaffenen Maͤnnern luſtig einander zugetruncken / biß ſie neben denſelben gefallen vnd mit entſchlaffen. Wie Etzre vnd Zucht bey ſolchen Faͤllen Noth vnd Schiffbruch leiden muß / iſt leicht - lich zu erachten.
Jch erinnere mich hierbey / was vns des Großfuͤrſten Tolck zu Nawgarten erzehlete / daß nemblich jaͤhrlich zu Newgart ein groſſer Wallfarts Tag gehalten wird / Da dann der Kabacks-Wirth oder Großfuͤrſtlicher Kruͤger auß ſonderlicher verguͤnſtigung des Metro - politen vor der Kabacke etliche Zelte auffſchlaͤget / in welche die Fremb - den Wallfarths Bruͤder vnd Schweſter / wie auch etliche Einheimi - ſche / ſich mit angehenden Tage alsbald finden / vor jhrem Gottesdienſt etliche Schalen Brantewein zu ſich nehmen / jhrer viel wol gar ſitzen bleiben / den gantzen Tag durchſauffen / vnd alſo jhre Andacht ver -Schendliche That zweyer vollen Leute. geſſen. Es ſey auch einmahls an ſolchem Tage ein volles Weib auß dem Kruge gekommen / auff dem Wege niedergefallen / vnd einge - ſchlaffen: Als ein ander voller Ruſſe fuͤruͤber gangen / vnd dieſe mit ent - bloͤſſeten pudendis liegen geſehn / hat Er auß geilheit gegen ſie entzuͤn - det ſich zu jhr geleget / vngeachtet / daß es bey hellem Tage / vnd das Volck hin vnd wieder gegangen / iſt auch bey jhr liegen vnd mitſchlaf - fend blieben; Viel jung Volck / ſo fuͤruͤber gangen / ſeynd geſtanden vnd haben ſich in einen Kreyß vmb die verſamlet / jhr Gelaͤchter vnd Kurtzweil daran gehabt / biß endlich ein alter Mann gekommen / vnd uͤber dieſe Beſtien ſeinen Rock geworffen / vnd alſo jhre Schande zugedecket hat. Dieſe ſeynd wol Wallfarten geweſen.
Es hat der Großfuͤrſt / welcher ein meſſiger Herꝛ vnd zum Trunck gantz nicht geneiget / das Laſter der Trunckenheit / wo nicht gantz auß - zurotten / welches an dem Orte ſchwerlich zu hoffen / jedoch in etwas zu ſtewren / Die Privat Kabacken eingezogen / Bier / Meeth vnd Brantewein brawen vnd verkauffen / hoͤchſt / ja mit Leibes Straffe verbotten / daß man jtzund im gantzen Lande nirgend als in den allge - meinen Großfuͤrſtlichen Kabacken oder Kruͤgen vmbs Geld trincken oder kauffen darff. Es war auch das Toback trincken vnter jhnen ſo gemeine / daß ein jeder jung vnd Alt / wo ſie giengen vnd ſtunden ſich mit dem Kraute / ſonderlich mit Schmiptoback ſchlepten / verkauff - ten vnd gebrauchten.
Weil aber der Großfuͤrſte vnd Patriarcha ſahen / daß hierdurch den Leuten nicht allein kein Nutz / ſondern vielmehr ein mercklicher Schade zu wuchſe / in dem der gemeine Mann / wenn er nur ein Co - pecke verdienete / den ſobald fuͤr Toback als Brod hingab: auch dar - durch an jhrer Arbeit verhindert: etliche Haͤuſer in den Brand geſetzet wurden. Jtem ſie bey verrichtung jhres Gottesdienſtes in den Kirchen fuͤr den Bildern / welche nur mit wolriechenden Weyrauch muͤſſen ge - ehret werden / einen uͤbelen Geruch von ſich gaben. Haben Sie denTo -127Reiſe Beſchreibung. Toback Handel vnd Gebrauch Anno 1634. neben den Privat Bran - tewein vnd Bierſchencken gaͤntzlich verbotten. Die Verbrecher wer - den auch hart / nemblich mit Naſen auffſchlitzen / vnd Staͤupenſchlaͤ - gen beſtraffet / Wie wir dann in der erſten Legation ſolche Execu - tiones an Manns vnd Weibesperſonen veruͤben ſahen. Worvon balde bey adminiſtrirung der Juſtitz mit mehrem ſol gedacht werden.
Weil die Ruſſen in gemein in aufferziehung jhrer Jugend / ohne die allgemeinen Schulen / in welchen ſie nur leſen / ſchreiben vnd beten lernen / nicht wie bey vns privat Præceptores halten / ſo durch gute Vnterweiſungen oder Vermahnungen die Gemaͤter / die doch alle - zeit von Natur zum Boͤſen geneigt / etwa zu feinen Tugenden vnd Hoͤffligkeiten / Sitten vnd Geberden anfuͤhren ſolten. Kompts daher daß die meiſten den ductum naturæ, oder was jhnen die Natur ein - giebt / folgen / jhre affecten vnd Begierden wenig im Zaum zu halten wiſſen.
Die uͤber den Stand des gemeinen Mannes / entweder durch Guͤ -Der Ruſſen jhre mores. ter oder Ehre erhaben / geben jhren Hochmuth gegen jedern / auch den Frembdlingen / durch Geberden / Worten vnd Wercken oͤffentlich zuverſtehen.
Jn Zuſammenkunfften vnd Gaſtereyen achten ſie nicht gar hoch einander mit vielen Civilen ceremonien vnd Hoͤffligkeiten zubegeg - nen; Auch was die Natur nach dem Eſſen oben vnd vnten zu wircken pfleget / wollen ſie lieber nach Eraſmi Regel / vnd der Hollaͤnder Sprichwort / jhrer Geſundheit halber der weiten Welt geben / vnd zwar oͤffentlich / als zur Vngeſundheit bey jhnen in der enge verſperret wiſſen.
Vnd weil ſie den Fleiſchlichen Luͤſten ſehr nachhaͤngen / darinnen groſſe Exceſſe zubegehen pflegen / ja nicht wenige das abſchewliche Laſter / ſo wir Sodomiterey nennen / mit Knaben / Maͤnnern / ja auch wol mit dem Viehe treiben / ſeynd in den Converſationen all jhre di - ſcurſe auch dahin gerichtet / vnd wird wenig guter denckwuͤrdiger Hi - ſtorien oder des Policey Weſen gedacht.
Sonſt findet man vnter jhnen / ſonderlich vnter den fuͤrnehmenDie Ruſſen ſeind verſchla - gen vnd vor - telhafftig. Herꝛen vnd Kauffleuten / ſcharffſinnige / verſchlagene vnd vortheil - haffte Leute / welche im Handel vnd Wandel ſich wol wiſſen vorzuſe - hen / vnd zu fortſetzung deſſen allerhand Rencke vnd Inventiones ge - brauchen / vnd wer ſie betriegen wil / muß Gehirn im Kopffe haben.
Vber eines habe ich mich jhrer Handlung halber verwundern muͤſſen: Daß nemblich etliche pflegen von den Engliſchen die Ele Tuch vmb 4. Thaler zu kauffen / vnd daſſelbe (zwar Tuch vnd Ele vnverendert) wieder vmb viertehalb Thaler zu verkauffen / vnd doch gleichwol dran gewinnen koͤnnen.
Es gehet aber alſo zu: Es nehmen etliche Ruſſen von den Engli - ſchen Kauffleuten / welche ſtarcken Handel in Mußcow fuͤhren / ein oder mehr Stuͤcken Tuch vmb gedachten Preiß / ſolches nach einem halbenoder128Newe Perſianiſcheoder gantzen Jahre erſt zu bezahlen / vnd gehen alſobald hin / zu den Kraͤmern / vnd verkauffens vmb baar Geld in einem ſchlechten Preiß. Mit ſolchem baaren Gelde treiben ſie in der Stadt vnd auff dem Lan - de in andern provitlichen Sachen jhren Handel / vnd koͤnnen in ſol - cher Zeit das Geld wol 3. oder 4. mahl anlegen vnd daran gewinnen.
Vnd ob zwar die meiſten ſo redlich ſeynd / daß / wenn einer im Geld außzahlen jhnen etwa vnverſehens zu viel giebt / vnd ſie es vermercken / fuͤr groſſe Suͤnde achten / wenn ſie den uͤberſchuß nicht wieder zu ruͤcke geben ſolten; achten ſie es doch fuͤr kein Gewiſſens Werck / ja halten es vielmehr fuͤr ein kluges vnd ruͤhmbliches Stuͤcke / einen im Handel zu vervortheilen vnd zu betriegen / fuͤrgebend / jenes geſchehe vnwiſſend vnd wieder des Nechſten wille / vnd were ein Diebſtall / gedeye auch nicht: Dieſes aber mit guttem willen vnd bedacht / dann man ja im Handeln ſeinen Verſtand gebrauchen / oder gar darvon bleiben ſolte. Dahero haben einsmahls etzliche Ruſſiſche Kauffleute in Mußcow einen Hollaͤnder / welcher ſie im Handei vmb eine groſſe Summa ver - vortheilet / gebeten vnd genoͤtiget / daß er in jhre Compagnie tretten vnd jhr Conſorte ſeyn moͤchte. Weil er ſolche Meiſterliche Grieffe wuͤſte / verhofften ſie durch ſolch einen Mann eine gluͤckliche Handlung zu haben.
Jn dem ſie nun Betriegerey fuͤr Kunſt vnd Witz halten / ſind auch bey jhnen (ich rede hier nicht von groſſen Herꝛn) Luͤgen / Falſchheit / vnd Argwohn / als dero Verwandten / nicht vnbekandt / welche ſie an jhrem Neheſten / fuͤrnemblich auff wem ſie einen Haß vnd Groll ge - worffen / zur Rachgier auff mancherley weiſe veruͤben.
Vnter andern / weil Diebſtall bey jhnen ein hoch ſtraffbar Laſter / ſuchen ſie Gelegenheit einen darmit zu beſchuͤldigen / darumb ſie biß - weilen etwas entweder zum Pfande verſetzen / oder einen heimlich ins Hauß partiren, oder in die Stieffel (in welchen ſie jhr Geld vnd Brieffe zu verwahren pflegen) ſtecken / vnd jhn hernach des Dieb - ſtals anklagen.
Daher der Großfuͤrſt Anno 1634. an jhrem New Jahrs Tage einen Befehl oͤffentlich außruffen ließ / daß niemand / wens auch Vater vnd Sohn were / ohne von beyden Parteyen außgegebenen Hand - ſchrifften Geld außleihen / Pfande verſetzen / oder ſonſt einander ver - hafft ſeyn ſolte / ſo ferne ſie der Anforderung halber nicht verdechtig oder derſelben gantz verluſtig ſeyn wolten.
Es pfleget das faͤlſchliche Angeben vnnd Beliegen an dem Großfuͤrſtlichen Hoffe / gleich auch an andern Fuͤrſtlichen Hoͤffen / gar uͤblichen zu ſeyn / vnd zwar nicht alleine vnter Feinden / ſondern auch wol vnter Eheleuten vnd Bruͤdern.
Es iſt vor dieſem der Gebrauch geweſen / daß / wenn einer iſt ange - geben worden / als ſolte Er crimen læſæ majeſtatis begangen haben /ohne129Reiſe Beſchreibung. ohne einig Verhoͤr / Beweiß vnd Verantwortung zum Tode / oder zum Exilio perpetuo iſt verdammet worden.
Wie dann ſolche Exempel bey dem grawſamen Tyrannen Ivan Baſilowitz ſehr viel vorgangen ſeynd / worvon in der Mußcowitiſchen Chronica weitleufftig zuleſen.
Zu Boris Gudenow Zeiten hat ſichs begeben / wie vns der Nar - viſche Paſtor H. Martinus Baaâr, ſo damals in Mußcow gelebet / er - zehlete / daß der Großfuͤrſt eins mahls / als Er am Podagra groſſe Schmertzen empfunden / hat außruffen laſſen; Ob jemand wehre der jhm von ſolcher Kranckheit befreyen koͤnte / ſolte ſich angeben / Er wehre wes Standes oder Religion er wolte / ſolte jhm die Chur mit groſſen Gnaden vnd Reichthumb belohnet werden.
Als ſolches eines Bojaren Weib / welche von jhrem Manne et -Ein Bojar wird von ſei - nem Weibe angeklaget / vnd wunder - lich errettet. was hart tractiret worden / vernimbt / gehet ſie hin / gibt jhren Mann an / als daß er wol ein gut Mittel wuſte dem Großfuͤrſten zuhelffen / aber Er wolte es jhm nicht zu Liebe thun. Der Bojar wird zum Großfuͤrſten auffgefordert vnd gefraget; Vnd als Er von der Chur Wiſſenſchafft zu haben verneinte / wird Er jaͤmmerlich gepruͤgelt / vnd in Hafft behalten. Vnd als Er ſaget / daß jhm ſein Weib diß Badt auß Haß zugerichtet / Er wolte es jhr wieder gedencken / iſt er noch haͤrter geſchlagen / vnd gar mit lebens Straffe gedraͤwet worden / ſolte auch die Execution ſchleunichſt wieder jhm ergehen / wo Er nicht dem Großfuͤrſten von der Kranckheit errettete. Der gute Bojar weiß vor Angſt nicht was er anfangen ſol / bittet gleichwol vmb 14. Tage friſt / damit Er etliche Kraͤuter ſamblen koͤnte / Er wolte ſein Heyl verſuchen. Jn meinung ſein Leben noch ſo lange darmit zufriſten / vielleicht moͤchte ſich vnter deſſen was zutragen. Als jhm dieſe Zeit erlaubet wird / ſchicket er nach Czirback / ſo 2. Tagereiſen von Mußcow an dem Fluß Occa gelegen / vnd leſſet einen gantzen Wagen voll allerhand Kraͤuter vnd Graß vnter einander / ſo daſelbſt die menge vnd lang wachſen ſol / herfuͤhren / vnd machet darvon dem Großfuͤrſten ein Badt; Zu des Bojaren groſſem Gluͤck vergehen dem Patienten die Schmertzen / ohne zweiffel nicht ſo wol von dieſem Bade / als vor ſich ſelbſt. Dar - auff wird der Bojar zwar noch haͤrter gepruͤgelt / weil Er ſolche Kunſt gewuſt / verleugnet / vnd dem Großfuͤrſten nicht helffen wollen / aber darneben mit einem newen Kleide / 200. Rubel / oder 400. Rthl. vnd 18. Bawern Erb - vnd Eigenthuͤmblich begnadiget / vnd beſchencket / mit ſcharffer Bedraͤwung / daß Er ſich an ſeiner Frawen nicht rechen ſolte. Es ſollen ſich auch hernach dieſe Eheleute gar wol mit einander begangen haben.
Es iſt das Angeben vnd Verrahten auch bey dieſem Großfuͤrſten gar gemeine geweſen / daß deswegen ſehr viel hohes vnd niedriges Standes Perſonen / ſo wol Außlaͤndiſche als Einheimiſche / ja der Po - tentaten Geſandten nach Syberien oder ſonſt in die ferne / als Gefan -Rgene130Newe Perſianiſchegene verſchicket worden / deren jtzo noch etliche darinnen leben / vnd auß deſperation, vielleicht vmb beſſer tractiret zu werden / die Ruſſiſche Religion angenommen haben. Weil man aber ſihet daß jhrer viel nur auß bloſſen Haß vnd Feindſchafft ohne Grund einander anzutra - gen vnd zu verleumbden pflegen / wird jtzo beſſer inquiriret. Vnd muß in Criminal Sachen der Klaͤger vnd Angeber ſelbſt erſt auff die Tor - tur geworffen werden. Bleibt Er in der Pein auff ſeiner Rede vnd Angeben beſtaͤndig / ſo muß der Bekiagte entweder auch daran / oderEines Berei - ters Weib gibt jhren Mann an. bißweilen ohne peinliche Außfrage zur Straffe gezogen werden. Wie zu vnſer Zeit auch ein ſolch Exempel vorginge: Da ein Bereiters Weib jhren Mann / von dem ſie gerne wolte loß ſeyn / angab; Als ſolte der - ſelbige willens geweſen ſeyn / des Großfuͤrſten Pferde / ja wenn Er ge - legenheit haben koͤnte / den Großfuͤrſten ſelbſt mit Gifft vergeben. Das Weib wurde auff ſolche Anklage gepeiniget / vnd als ſie die Pein mit vnverenderter Außſage außſtund / wurde der Mann ſchuͤldig erkant / vnd nach Siberien geſchickt. Das Weib iſt jtzt noch in Muß - cow / vnd bekompt jmmerfort zu jhrer Vnterhaltung die halbe Be - ſoldung / ſo jhr Mann gehabt.
Die gemeinen Leute ſeynd vnter ſich ſehr Zanckſuͤchtig vnd em - pfindlich / keiffen vnd beiſſen auff den Gaſſen mit einander / als alte boͤſe Weiber / koͤnnen mit vngeſtuͤhmen Worten vnd ruffen auff einander zufahren / daß einer vermeinen ſolte / jtzt wurden ſie einander in die Haare fallen / es koͤmpt aber ſelten zum Schlagen / vnd wenn ſie darzu gerahten / ſchlagen ſie ſich mit Faͤuſten / vnd ſtoſſen einander auß vollen Leibes kraͤfften in die Seiten. Man hat niegeſehen daß die Ruſſen einander mit jhren Saͤbeln in ein duel außgefordert hetten / Aber man hat wol geſehen / wie wir glaubwuͤrdig berichtetet wurden / das Kneſen oder Fuͤrſten / die ſich vervnwilliget / einander mit Knutpeit - ſchen auff den Pferden tapffer herumb gehawen. Bey außlaſſung jh -Schaͤndliche Wundſche vnd Fluche der Ruſſen. res Zorns vnd Zanckes gebrauchen ſie zwar nicht die bey vns leider allzu uͤbliche ſchlimme Fluche vnd Wundſche; mit Sacramentiren / Teuffelholen / Schelm ſchelten / vnnd dergleichen. Aber an ſtatt derer haben Sie ſehr ſchandbare abſchewliche Reden vnd Anwun - ſchungen / welche / wenns nicht die Hiſtoriſche Relation erforderte / ich fuͤr zuͤchtigen Ohren billich nicht gedencken ſolte noch wolte. Sie haben nichts gemeiners auff der Zungen / als: Bledinſin, Suckin - ſin, Sabac, butfui matir, jabona mat. &c. Du Hurkind / Petzenſohn / du Hund / ſchende deine Mutter / ich ſchende deine Mutter die Hure im Grabe / ich ſchende dirs in deine Augen / in deinen Mund / vnd was der - gleichen ſchaͤndliche Reden mehr ſeynd / die nicht alleine alte Leute ge - gen Frembde / ſondern auch gegen jhre Kinder / vnd die Kinder hinwie - derumb / wenn ſie auch kaum reden koͤnnen / gegen jhre Eltern gebrau - chen. Damit nun gleichwol das Schelten / Schmehen vnd Verun - ehren nicht ohne vnterſcheid gegen geringe vnd fuͤrnehme Leute veruͤbetwer -131Reiſe Beſchreibung. werde / iſt es von der Obrigkeit alſo verordnet / daß der / welcher einen Großfuͤrſtlichen Bedienten / einen fuͤrnehmen Mann oder dero Wei - ber ſchilt / ſchlaͤget / oder ſonſt verunehret / dem Beleidigten fuͤr den Vnglimpff eine groſſe Geldſtraff geben muß / welches ſie nennen: Die Pesceſti bezahlen. Vnd pfleget / wenn nach der ſcherffe ſolWas ſey die Pesceſti be - zahlen. verfahren werden / halb ſo viel zu ſeyn / als der injurirte Jahres Be - ſoldung oder Einkommen hat. Es wird aber durch eine dem Richter erzeigte Freundſchafft zum offtern gemiltert.
Es gibt ſonſt auch behertzte vnd kuͤhne Leute vnter jhnen / die wenn es gelten ſol / ſo fertig mit der Fauſt / als mit dem Munde ſeyn koͤnnen. vnd weil ſie eines harten Lebens gewohnet / koͤnnen ſie im Kriege / ſo ferne ſie von gutten Deutſchen Offcirern angefuͤhret werden / wol gebrauchet werden; Sonderlich aber ſeynd ſie ſehr gut in belaͤgerten Staͤdten vnd Feſtungen / auß welchen ſie ſich tapffer wehren / vnd nicht leicht ergeben.
Es iſt aber auß dem Kriege / welchen ſie Anno 1633. bey belaͤge -Der Ruſſen Krieg vor Smolensko. rung der Stadt Smolensko gefuͤhret / nicht daß contrarium zuer - weiſen. Ob ſie ſchon daſelbſt als ein großmechtig Heer von wenig Po - len uͤberweltiget worden / war doch die Schuld nicht dem Volcke / ſon - dern einig vnd alleine jhrem verdaͤchtigen General zuzuſchreiben / wie auß folgender Hiſtoria klar zuerſehn. Vnd verhaͤlt ſich die Sache alſo:
Anno Chriſti 1632. brachte der Großfuͤrſt eine Armada von hun - dert tauſend Mann zuſammen / vnter welcheu 6000. Deutſche / vnd viel Regimenter der Ruſſen / ſo auff Deutſche manier exerciret. Jhre Oberſten vnd vnter Officirer waren meiſt Deutſche vñ Schotten.
Der General aber war Herman Schein / ſo von Geburt ein Pole / vnd etliche Jahr zuvor die Ruſſiſche Religion angenommen vnd in Mußcow zuwohnen ſich begeben hatte. Dieſe wurden mit einer ſchoͤnen Artillerie bey 300. Stuͤck Geſchuͤtz / (darunter viel doppel Carthaunen / vnd Mawrenbrecher) im Monat Majo vor die an der Polniſchen Graͤntze gelegene Stadt Smolensko, ſelbige dem Koͤnig in Polen wieder abzunehmen / geſchicket. Nun hette die Stadt von ſo einem mechtigen Volcke leicht koͤnnen erobert werden / maſſen ſie nur mit einer dicken Mawr ohn Graben vmbgeben. Zu dem auff der Deutſchen Oberſten Antrieb allbereit eine groſſe Breche geſchoſ - ſen / wenn nicht der General den Anlauff verbotten gehabt / vorgebend / es wurde dem Großfuͤrſten keine Ehre ſeyn / wenn Sie die Stadt ſo - bald erobern / vnd ſo eine groſſe menge Volcks / daß ſo viel zuſammen zubringen gekoſtet / ſo bald wieder quitiret werden ſolte. Als aber die Deutſchen Oberſten jhnen ſo wol als dem Großfuͤrſten fuͤr hoͤhern Schimpff geachtet / daß man mit ſo groſſer Macht fuͤr ſolch einer Feſtung ſo lange Zeit liegen / vnd die in Haͤnden habende occaſion ſo liederlich verſchertzen ſolte / hatten ſie beſchloſſen vnvermuthlich auffR ijdie132Newe Perſianiſchedie Breche einen Anfall zuthun. Jn dem ſie aber darinnen begriffen / auch die Stadt faſt in Haͤnden gehabt / hat der General die Stuͤcken wieder ſie richten vnd abtreiben laſſen. Als die Oberſten in dieſem vnd dergleichen verdaͤchtigen Faͤllen ſich beſchwert / vnnd jhm wieder - ſprechen wollen / hat Er ſie mit der Peitſchen zubegegnen gedraͤwet. Haben alſo ohne einigen fernern Haupt Verſuch eine geraume Zeit ſtille liegen / vnd dem Feind alle Vortheil wieder ſich gewinnen laſſen muͤſſen. Sintemahl die Polen / etwa bey 5000. Mann / alle Wege vnd Paſſe / durch welche die Ruſſen jhren Zugang des Proviants ha - ben kunten / einnahmen / beſetzten / vnd gleichſamb das Ruſſiſche Feldla - ger ſelbſt belaͤgerten: Welchem doch anfaͤnglich leicht / wens der Gene - ral Schein nicht auch hintertrieben / hette koͤnnen gewehret werden. Muſte alſo die groſſe Armada endlich nach gethaner mehr als jaͤhri - gen Belagerung / woferne ſie nicht hunger ſterben wolten / ſich auff Gnad vnd Vngnad ergeben / vnd mit Verluſt ſo herꝛlicher Artillerei wieder abziehen. Geſchweige was vermuͤge des accordes der Groß - fuͤrſt noch fuͤr eine groſſe Summa Geldes darzu hergeben muͤſſen. Als aber die Officirer vnd Soldaten in Mußcow wieder angelanget / vnd wieder den General Schein ſehr ſchwere Klagen gefuͤhret / vnd man wegen gewiſſer Vrſachen / in dem der General am Hoffe auch ſeine favoriten hatte / nicht mit der Execution nach der Klaͤger willen verfahren wolte / hat ſichs zum allgemeinen Auffſtand aller Ruſſen wieder die Obrigkeit gefaͤhrlich anſehen laſſen: ſind auch etliche groſſe vnd verdaͤchtige Fewrsbrunſten vnvermuthlich entſtanden / daß diß - fals etliche Tage in Mußcow groß tumultirens vnd parlamentirens geweſen. Da man aber endlich geſehen / das ſolche gefaͤhrliche Empoͤ - rung mit nichts als nur durch General Scheins Blut konte geſtillet werden / iſt er fuͤrs Schloß auff den Marckt zur Execution gefuͤh - ret worden.
Damit Er aber deſto geduͤltiger ſich drein ergeben / vnd nicht etwa zu ſeinem Behelff andere fuͤr dem Volck mit beſchuͤldigen moͤchte / hat man jhm eingebildet; Daß das Außfuͤhren nur pro forma dem Vol - cke zu wilfahren angeſehn / Es wurde aber in dem Er ſich legte Vor -Der General Schein iſt ge - richtet wor - den. bitte kommen / vnd darauff Gnade erfolgen. Als dieſer alſo in guter Hoffnung / welche bey jhm durch Betrachtung der vor dieſem geſpuͤr - ten guten affection des Patriarchen / wuchſe / ſich auff dem Bauch zur Erden / vnd den Kopff auff dem Baum legete / wird dem Scharffrich - ter befohlen oder gewincket zuzuſchlagen / welcher auch nicht ſaͤumet vnd mit den Sebel den Kopff auff etliche Hiebe herunter hacket.
Hierauff iſt denſelbigen Tag Scheins Sohn / ſo auch mit vor Smolensko geweſen / außgezogen / vnd mit einer Knutpeitſche nach jhrer art zu tode gepeitſchet worden. Die uͤbrigen von Scheins Freundſchafft ſeynd auch alſofort auß dem Lande verbanniſiret. Da -mit133Reiſe Beſchreibung. mit war das Volck content, vnd die Empoͤrung geſtillet. Solche Execution geſchahe im Junio des 1634. Jahres.
Gleich wie ſie nun von Natur hart vnd zur Slaverey gleichſamRuſſen muͤſ - ſen vnter har - ter diſciplin gehalten wer - den. geboren ſind: Alſo muͤſſen ſie auch vnter einem harten vnd ſtrengen Joche oder diſciplin gehalten / vnd jmmer zur Arbeit / vnd zwar zum offtern mit Pruͤgeln getrieben werden / welches jhnen auch nicht gar ſehr zu wieder iſt / weil ſie es alſo gewohnet. Die von ſchlechten Mit - teln / verkauffen ſich vnd die jhrigen an gewiſſe Herꝛn / zeit jhres Lebens dero Schlaven zuſeyn vnd zudienen / vnd wenn ſie auch gleich bißwei - len durch den Todt oder freywilligkeit jhrer Herꝛn wieder frey gelaſſen werden / verkaͤnffen ſie ſich doch bald wiederumb / denn ſie achten keine Freyheit / wiſſen ſich auch nicht darein zuſchicken. Dahin ziehlet auch zweiffels ohne jhr Hauptſchlagen: Daß ſie nemblich fuͤr einen fuͤrneh - men Mann oder Herꝛn / wenn ſie etwa worumb bitten / oder vor em - pfangene Wolthaten jhr danckbares Gemuͤte zuerkennen geben wol - len / auff die Erde greiffen / oder gar zum Fuͤſſen niederfallen / vnd das Haupt auff die Erde ſchlagen. Auch fuͤr das Battauen dancken.
Den Haußſtand koͤnnen die Ruſſen / ſonderlich derHaußſtand der Ruſſen. gemeine Mann / mit ſchlechten Vnkoſten fuͤhren: Jn dem ſie / wie oben gedacht / jhren Tiſch mit geringen vnd wolfeilen Speiſen bereiten / Holtz vnd Fewrwerck / ſo allenthalben vmb jhnen herumb waͤchſt / iſt wolfeile. Sie koͤnnen auch mit gar wenig vnd geringen Haußgeraht zukommen / haben nicht uͤber 3. oder 4. Toͤpffe / auch ſo viel gebrante vnd hoͤltzerne Schuͤſſeln. Man ſihet bey jhnen wenig Zinnerne viel we - niger ſilberne Geſchirre / es wehren dann Brandwein oder Meeth - Schalen. Sie ſind auch nicht gewehnet die Gefaͤſſer zu reinigen vnd zu voliren groſſe Muͤhe vnd Fleiß anzuwenden. Darumb ſihet man in keinem Hauſe / weder bey Arm noch Reich einigen Zieraht von ſol - chen auffgeſetzten Geſchirꝛen / ſondern nur die bloſſen Waͤnde vnd ein paar gemahlte Heiligen.
Die auff dem Lande vnd Vorſtaͤdten wohnen / haben jhr gut VieheFeine Cam - meraden. (ſo des Sommers in voller Weyde / des Winters / ſonderlich die Schweine / bey jhnen in der Stuben gehen) wodurch ſie nicht alleine ſich vnd die jhrigen wol erhalten / ſondern auch einen uͤberfluß in die Staͤdte verkauffen koͤnnen / daher man faſt in allen Gaſſen Kram - buden / in welchen eſſende Wahren / zufinden.
Die Reichen vnd fuͤrnehme Herꝛn muͤſſen / vmb jhren Staht praͤchtig zuhalten / in der Haußhaltung zwar ein Groſſes auffwenden / aber doch nicht ſo groß / als man wol vermeinen moͤchte. Jn dem ſie viel Geſinde / mancher 30. in 60. Schlaven / neben vielen Pferden haͤlt / vnd offt koſtbare Panquete anſtellet. Denn bey denſelben ſie ſich mit ſehr vielen Eſſen vnd mancherley Getraͤncken ſehn laſſen. Aber ſie koͤn - nen jaͤhrlich von jhren Landguͤttern einen groſſen Vorraht einſamlen.
R iijJhre134Newe PerſianiſcheJhre Convivia ſeynd gemeinlich gleich den Fiſch Angelen / mit welchen ſie mehr gewinnen als auffwenden. Dann bey jhnen der Gebrauch iſt / daß zum offtern die Gaͤſte den Wirthen ſtattliche Ver - ehrungen mitbringen. Bevorauß wenn ein Deutſcher Kauffman zu ſolchen Herꝛligkeiten eingeladen wird / weiß er ſchon wie hoch jhm die Ehre wird zuſtehen kommen. Die Weywoden in den Staͤdten / da viel Handel vnd Wandel getrieben wird / ſeynd in ſolchen Faͤllen zwey oder drey mahl des Jahres ſehr liberal vnd Gaſtfrey.
Jhre meiſten Schlaven werden auff den Hoͤffen nicht geſpeiſet / ſondern bekommen Koſtgeld / vnd zwar ſo ein ſchlechtes / daß ſie kaumEtlicher Muß cowitiſchen Schlaven naͤchtliche Hand〈…〉〈…〉 ꝛung das Leben dardurch erhalten koͤnnen. Daher gibt es in Mußcow ſo viel Diebe vnd Moͤrder. Deren mit mehren zu gedencken / gehet faſt keine Nacht hin / daß nicht den Leuten in die Haͤuſer gebrochen vnd darauß geraubet wird. Da denn offt der Haußwirth in ſeiner Kam - mer entweder durch einen Anwurff oder Krampe verſperret wird / oder wenn er gleich die Diebe vermercket / vnd mit den Seinen denſelben zu wiederſtehen ſich nicht ſtarck gnug befindet / ſtillſchweigen muß / oder Er koͤmpt daruͤber in lebens Gefahr / vnd wird jhm wol gar das HaußDie Nacht - wache in den Haͤuſern. uͤber dem Kopffe angeſtecket. Darumb auff den merſten Hoͤffen ge - wiſſe Perſonen Wache zuhalten beſtellet werden / welche alle Stunden ſich muͤſſen hoͤren laſſen: Jn dem ſie auff einem auffgehencktem Brette mit Knoͤppeln / gleich als auff einer Heerpaucken ſpielen / vnd darauff die Zahl der Stunden langſam ſchlagen muͤſſen. Weil es ſich aber offt begeben / das ſolche Waͤchter nicht ſowol fuͤr die Herꝛn als fuͤr die Diebe gewachet / die Herꝛn ſicher / vnd den Dieben ſichern Weg ge - machet / mit Stehlen geholffen / vnd darvon gelauffen / wird jtzo keiner zum Wechter geſetzet / wie auch in gemein kein Geſinde angenommen / Er habe dann bekante vnd wolgeſeſſene Maͤnner zu Buͤrgen geſtellet. Vnſicherheit des Nachts in Mußcow.Solche mehr erwehnte Schlaven machen auch in Mußcow des Nach - tes die Straſſen ſehr vnſicher / daß man ohne gute Geferten vnd Ge - wehr offt in lebens Gefahr gerahten kan / wie es vns denn ſelber be - gegnet. Dann als wir eins mals beym Großfuͤrſtlichen Leib-Me - dico, D. Wendelino Sybeliſt in einem Convivio biß in die ſpaͤtte Nacht vns verweileten / vnd im Zuhauß gehn einer voran gieng / wur - de Er von zweyen Ruſſen angefallen / wehre auch zweiffels ohne nieder geſchlagen worden / wenn Er ſeine Gefahr nicht durchs Geſchrey an - gedeutet / vnd wir zu jhm geeilet hetten; Da dann der eine ſich alsbald darvon machete / der ander aber ſo viel Schlege darvon bekam / als Er tragen kunte; Dieſer gieng vnd rieff jmmerfort: O Sudar, Sudar! O groſſer Herꝛ!
Alſo auch auff eine andere Zeit: Als vnſere Geſandten mit jhren Voͤlckern bey Heinrich von Ringen zu Gaſte geweſen / vnd deſſenDer Koch erſchoſſen. Koch vnſerm Koche das Geleite gegeben / iſt er im Ruͤckwege / bey der Neglina, welches ein rechter Raub vnd Mordplatz / erſchoſſen worden. Bald135Reiſe Beſchreibung. Bald hernach erſchlugen ſie auch Arent Spirings Hoffmeiſter / ſoSpirings Hoffmeiſter erſchlagen. bey einem guten Freunde zu Gaſte geweſen / vnd in der Nacht nach Hauſe gehen wollen. Deſſen Koller / ſo noch mit Blut verſpruͤtzet / ſie hernach zuverkauffen auff den Marckt brachten.
Andere Exempel / ſo vnter jhren eigenem Landleuten geſchehn ſeynd vnzehlich. Dann da gehet keine Nacht vorbey / daß nicht des Mor - gens viel erſchlagene auff den Gaſſen gefunden werden. Vnd ſeynd die Buͤrger ſo vnbarmhertzig darbey / daß / wenn ſie ſchon hoͤren einen neben jhrem Fenſter vnter der Raͤuber vnd Moͤrder Hand noth leiden / ſollen ſie nicht einmahl herauß ſehn / viel weniger zuhuͤlffe kommen. Solche Mordthaten gehen viel vor in jhren hohen Feſttagen / am al - lermeiſten aber in der Maſlanizo oder Butterwoche / nemblich die Woche vor Faßnachten: da ſie durch acht taͤgliche Fuͤllerey ſich mit dem Fleiſcheſſen letzen / vnd zur groſſen Faſten præpariren wollen.
Zu vnſer Zeit wurden den 11. Tag Novemb. funffzehn Er - ſchlagene vor der Semiſche Twor oder Hoff gezehlet. Denn daſelbſt werden ſie des morgens zuſammen hingeſchlept / wer die Seinen des Nachts uͤber im Hauſe vermiſſet / muß ſie daſelſt ſuchen / holen vnd be - graben laſſen. Die nicht erkant vnd weg geholet werden / werden ohne Ceremonien als Beiſter in ein Loch verſcharret. Ja obgedachte Raub - voͤgel ſchewen ſich auch nicht bißweilen die Deutſchen bey lichten hel - lem Tage anzufallen / Wie ſie denn noch newlich einen von des Groß - fuͤrſten Leib-Medicis, ſo in ſeinem Beruff ſtille fuͤr ſich hingeritten / an - gefallen / vntergedruckt / vnd den Finger / an welchem das Pitſchir / ab - ſchneiden wollen / wehre auch geſchehn / wenn nicht ein Knees / neben deſſen Pforte es geſchehn / ſeine Diener dem Medicum zuretten ge - ſchickt hette.
Wenn die Hew-Ernde einfaͤllt / iſt dieſer Schlaven halber derJm Auguſto zwiſchen Twe - re vnd Muß - cow vnſicher Weg. Weg diſſeits Mußcow auff 20. Meilen / woſelbſt die Bojaren jhre Hewſchlege haben / vnd diß Geſinde zur Arbeit geſchickt wird / ſehr ge - faͤhrlich; Denn daſelbſt iſt ein Berg / auff welchen ſie die Reiſenden von weiten warnehmen koͤnnen / da mancher von jhnen erſchlagen vnd in den Sand iſt geſcharret worden. Wenn ſchon wieder ſolche Geſellen geklaget wird / ſehen die Herꝛn / weil ſie jhnen kaum die Haut zubede - cken geben / mit jhnen offt durch die Finger.
Die Ruſſiſche Kleidung iſt auch nicht gar koſtbar / es wehre dennKleidung der Ruſſiſchen Maͤnner. der gar Reichen vnd fuͤrnehmen Herꝛen. Die auff dem Lande gehen in Leinwand gekleidet / tragen gleich den Liefflaͤndiſchen vndeutſchen Bawren Schuhe von breitem Baſte / als wie die Koͤrbe geflochten / welche ein jeglicher ſelbſt artig zu machen weiß / daher faſt alle Ruſſen Schuſter konten genennet werden / oder doch in allen Haͤuſern Schu - ſter wohnen. Sie tragen alle ingemein lange Roͤcke mit engen lan - gen Ermeln / die jhnen biß auff die Fuͤſſe hangen / (in welchen die Diebe offte Steine vnd Pruͤgel fuͤhren / wormit ſie einem vnverſehens uͤberden136Newe Perſianiſcheden Kopff fahren koͤnnen / dann ſie gehn gemeinlich mit herunterhan - genden Ermlen) Sie haben auch vnter-Roͤcke / ſo ſie Kafftan nen - nen / vnd vnter denſelben Hoſen. Die uͤber-Roͤcke der Buͤrger ſeynd ingemein von Viol / Dunckelbraun / oder dunckel ſtahlgruͤn Tuche / ſo forn herunter vnd vnten an den auffgeſchnittenen ſeiten Litzen mit lan - gen Quaſten gezieret: hinten mit langen Kragen. Die vnter-Roͤcke ſeynd von Woͤllen / auch wol von ſeiden Zeuge / an welchen hinten im Nacken ein viereckter Sammet Kragen herauß gehet. Alle Kleidung / ſo wol der allergroͤſten / als der allerſchlechteſten ſeynd auff eine manier gemachet / behalten die auch zu jederzeit vnverenderlich. Sie wollen nichts gezwungenes oder feſt gebundenes am Leibe leiden / vermeinen das es dem Leibe / wenn er frey bleibe / geſunder ſeyn ſol / darumb muß alles / ohne die Struͤmpffbaͤnder an jhnen ſchludern. Jhre Hembde gehen kaum uͤber das Geſeſſe / ſind vmb den Halß glatt ohne Falten / auff den Ruͤcken in Form eines Triangels gefuttert / vnd mit rohter Flockſeide genehet; Die Zwickel vnter den Armen / wie auch vnten an den ſeiten ſeynd bißweilen von rohten Taffent gemachet. Die Reichen laſſen jhre Hembden an den Halßkragen / ſo einen guten Dau - menbreit ſeynd / Jtem forn herunter vnd vmb die Haͤnde mit Seide außnehen / bißweilen mit Gold vnnd Perien ſticken. Vnd haben ſonderlich am ende des Kragens 2. groſſe Perlen / guͤldene oder ſilberne Knoͤpffe hangen. Sie tragen alle Muͤtzen. Die Kneeſen / Bojaren vnd Reichs Raͤhte zwar / wenn ſie in actibus publicis begrieffen / von ſchwartzen fuͤchſen vnd Zobeln / ſo bald bey einer Arſin oder Elen hoch. Die Deutſchen Medici vnnd andere Kauffleute / ſo auch den fuͤr - nehmen Ruſſiſchen Herꝛn gleich koͤſibare Ruſſiſche Kleider tragen / haben Muͤtzen von Sammet mit guͤlden vnd von Perlen geſtickten Litzen / vnd mit ſchwartzen Fuͤchſen / welche bey jhnen hoͤher als Zobeln gehalten werden / gefuͤttert vnd beſetzet. Die gemeinen Buͤrger aber haben des Sommers von weiſſen Filtze / vnd des Winters von Tuch gemachte vnd mit Rauchwerck gefuͤtterte Schapken / oder Huͤllen.
Der Ruſſen Weiber Kleider oder Roͤcke ſind gleich der Maͤnner Kleidung / jedoch etwas weiter / auch von braunen Tuche. Jtem von allerhand Color / Kindiack / oder auch Perſianiſch Catun / ſo theils mit Litzen vnd Quaſten / theils mit groſſen Knoͤpffen forne zu gemachet werden. Jhre Hembd Ermel ſeynd bey 6. 8. 10. vnd mehr Elen lang / welche im anziehen ſich in kleine Falten ſchieben. Sie tragen auff den Koͤpffen weite vnd breite Muͤtzen / jegliche nach vermuͤgen von guͤlden Stuͤck / Atlaß oder Tamaſch mit Poſementborten beſetzet / biß - weilen mit Gold vnd Perlen geſticket / vnd mit Biberfell alſo gebre - met / das die Haar glatt herunter hangen. Jhre erwachſene vnd Mann - bare Toͤchter laſſen die Haare in einen Zopff geflochten mit einen ſei - den Quaß auff den Ruͤcken hangen / vnd tragen auff den Koͤpffen groſ - ſe Fuchsmuͤtzen. Den Kindern vnter 10. Jahren / Knaben vndMaͤgd -137Reiſe Beſchreibung. Megdgen / ſchneiden ſie die Haare vom Kopffe vnd laſſen nur auff bey - den ſeiten zwey Locken hangen / den Medgen hangen ſie groſſe Ringe in die Ohren / worbey man ſie kennen kan.
Das Weibes Volck wiewol es von Natur wol proportioniret,Das Weibes volck ſchmin - cket ſich faſt alle. vnd die meiſten von Angeſichte vnd Haut zart vnd ſchoͤn ſeynd / ſchmin - cken ſie ſich doch faſt alle / vnd zwar ſo grob vnd mercklich / daß ſie auß - ſehen / als wenn einer mit einer Handvoll Mehl uͤber das Angeſicht ge - fahren / vnd mit einer Pinſel die Backen roht gemahlet hette / Sie faͤr - ben auch die Augenbranen / vnd dieſelben entweder ſchwartz oder braun; Es muͤſſen etliche andern Weibern mit welchen ſie vmbgehn zu gefal - len ſich ſchmincken / damit nicht im Anſchawen der natuͤrlichen Schoͤn - heit / die gemachte Zierde verwerfflich werde.
Ob wol das vngebuͤrliche Venus Spiel bey den Ruſſen ſehr im ſchwange gehet / werden doch nicht oͤffentliche Hurhaͤuſer gehalten / worvon etwa die Obrigkeit Tribut bekaͤme / als wol in etlichen Laͤn - dern gebraͤuchlich. Sie belieben den ordentlichen Eheſtand / vnd iſtDer Ruſſen Eheſtand. einem nur ein Eheweib zu haben vergoͤnnet; Wenn jhm ſein Weib ſtirbet / mag er zum Andern auch wol bißweilen zum dritten mahl Hey - rathen / zum vierten aber wil mans nicht geſtatten. Vnd wenn ein Po - pe ſolche Leute traͤwet / muß er ſeines Dienſtes beraubet ſeyn; Jm Heyrathen nehmen ſie auch in acht den arborem conſanguinitatis, vnd freyen nicht gerne nahe ins Gebluͤte / bleiben gerne auſſer aller Schwaͤgerſchafft / vnd wollen auch nicht zugeben das zwene Bruͤder zwo Schweſtern Ehelichen ſollen / auch nicht die ein Kind mit einan - der auß der Tauffe gehoben haben. Sie laſſen jhnen jhre Weiber in oͤffentlichen Kirchen mit ſonderlichen ſolenniteten trawen / vnd hal - ten im Heyrathen dieſen Gebrauch:
Den jung Geſellen oder Jungfern wird nicht geſtattet durch eini - gerley occaſion zuſammen zukommen / vielweniger vnter einander von Heyrath Sachen zu handeln / vnd ſich zu verloben / ſondern die Eltern / ſo Mannbare Kinder haben / vnd ſie gerne verheyrahtet wiſſen wollen / am allermeiſten der Jungfern Vaͤter / gehen auß zu denen / welche ſie meinen jhren Kindern wol anſtehen moͤchten / ſprechen ſie entweder ſelbſt / oder auch jhre Eltern vnd Freunde an / geben jhre gute affection, geneigten willen vnd meinung wegen vermaͤhlung jhres Kindes zu vernehmen / wird der Vorſchlag beliebet / vnd man begehrt die Tochter zuvor zuſehen / wirds jhnen zwar abgeſchlagen / aber gleich - wol bißweilen / ſonderlich / wenn die Jungfer ſchoͤn / des Geſellens Mut - ter oder Freundin anzuſchawen vergoͤnnet / Befindet man nun an jhr keinen mercklichen Mangel / daß Sie entweder nicht Blind oder Lahm / wird zwiſchen beyden Eltern vnd Freunden von der mit Gabe / vnd nach Gelegenheit / von der Eheſtifftung gehandelt vnd beſchloſſen.
Aber in gemein / wenn ſie nur ein wenig vornehme Leute / erziehen ſie jhre Toͤchter in Kammern verſchloſſen / halten ſie vor den LeutenSver -138Newe Perſianiſcheverborgen / vnd kan ſie der Braͤutigam nicht ehe anſichtig werden / biß Er ſie in die Kammer bekoͤmpt. Dahero mancher betrogen wird / daß er fuͤr eine feine eine vngeſtalte vnd gebrechliche / ja fuͤr die Tochter eine andere Befreundete / oder wol gar eine Magd bekoͤmpt / wie ſolche Exempel von hohen Perſonen bekant ſeynd / darumb auch kein Wun - der / daß Sie ſich offt als Hund vnd Katzen mit einander vertragen / vnd das Weiberſchlagen in Rußland ſo gemeine.
Jhre Hochzeiten vnd Heimfuͤhrungen werden mit ſonderlichen Ceremonien begangen / vnd zwar der fuͤrnehmen Kneeſen / Bojaren / vnd deren Kinder / folgender geſtalt:
Es werden wegen Braut vnd Braͤutigam zwo Weiber verord - net / welche ſie Swacha nennen / ſind als Schaffnerinnen / welche in dem Hochzeit Hauſe eines vnd das ander ordnen muͤſſen. Der BrautDie Berei - tung des Brautbettes. Swacha gehet den Hochzeit Tag vnd bereitet das Brautbette in des Braͤutigams Hauſe: Mit jhr gehen bey hundert Diener nur in Kafftanen / tragen jeglicher etwas / ſo zum Brautbette vnd Zierath der Brautkammer gehoͤret / auff den Koͤpffen. Es wird aber das Braut - bette bereitet auff viertzig neben vnd in einander geſchichten Rocken Garben / weicheder Braͤutigam zuvor hat legen / vnd neben denen et - liche Gefaͤſſer oder Tonnen voller Weitzen / Gerſten vnd Haber in die Kammer ſetzen laſſen.
Nach dem den Tag uͤber alles in gute Bereitſchafft vnd Ordre gebracht / zeugt auff den ſpaͤten Abend der Braͤutigam mit ſeiner gan - tzen Freundſchafft in der Braut Hauß / vnd hat den Popen, der ſie tra - wen ſol / vor ſich herreitende. Der Braut Freunde ſtehen beyſammen vnd empfangen den Braͤutigam mit den ſeinigen freundlich / des Braͤu - tigams fuͤrnembſte oder Neheſte Freunde werden zur Taffel genoͤti - get / auff welche 3. Eſſen geſetzt ſtehen / niemand aber jſſet davon. Oben an der Taffel wird fuͤr den Braͤutigam / weil er etwas ſtehen bleibet / vnd ſich mit der Braut Freunde beſprachet / eine Stelle gelaſ - ſen / in welcher ſich ein Knabe ſetzet / dieſen muß der Braͤutigam mit Verehrung herauß bringen. Wenn der Braͤutigam ſich geſetzet / wirdDie Braut wird verkapt zum Braͤut - gam geſetzt. die Braut verkappet mit praͤchtigen Kleidern jhm an die ſeiten geſetzet / vnd darmit keines das ander anſehen kan / wird zwiſchen beyden rohter Taffet gezogen vnd von zwey Knaben gehalten / Dann koͤmpt der Braut Swacha, kemmet der Braut Haare ſo zu Felde geſchlagen / flich - tet ſie in zwey Zoͤpffe / vnd ſetzet jhr die Krone neben andern ZierathDer Braut Kleidung vnd Zierath. auff / vnd leſſet ſie alſo am Geſichte bloß ſitzen. Die Krone iſt von duͤnne geſchlagenen guͤldenen oder ſilbern Bleche / mit anderer mate - ria gefuͤttert / an welcher bey den Ohren / da ſie ſich etwas herunter gie - bet / haͤngen 4. 6. vnd mehr Schnuͤre groſſe Períen neben einander / biß weit vnter die Bruͤſte gehend. Jhr uͤber-Rock iſt forne herunter vnd vmb die Ermel / die bey drey Arsin oder Elen weit ſind / wie auch der Kragen am Rocke ſo bey 3. Fingerbreit vnd ſteiff / einen HundeHalß -139Reiſe Beſchreibung. Halßbande nicht vnehnlich / vmb den Halß ſtehet / dichte mit den groſ - ſen Perlen geſticket / vnd koͤmpt ein ſolcher Rock weit uͤber tauſend Thaler zu ſtehen. Jhre Schue / gleich auch aller Jungfern vnd jungen Weiber haben Abſatze faſt bey einer viertel Elen / daß Sie darinnen kaum forne auff den Zehn gehn koͤnnen / etliche tragen auch Stieffeln.
Jn ſolcher Kleidung vnd Zierath / ließ Graff Leo Alexander von Schluͤckow ſeine Fraw ſich mir præſentiren, vnd die Pag. 9. ge - dachte Ehre erweiſen. Die Swacha kemmet auch den Braͤutigam. Vnter deſſen tretten die Weiber auff die Baͤncke / vnd ſingen allerhand Zotten. Nach dieſem kommen zwey junge Geſellen ſehr ſchoͤne ange - than / bringen auff einer Tragen einen ſehr groſſen Kaͤſe vnd etliche Brodt / ſo uͤberall mit Zobeln behaͤnget. Dergleichen kommen auch auß der Braut Hauſe / dieſe werden Krabeinicke genant. Der Pope ſegnet ſie / den Kaͤſe vnd das Brodt / welches hernach mit zur Kirchen getragen wird / Darauff wird eine groſſe ſilberne Schuͤſſel / in welcher viereckete ſtuͤckgen Atlaß / Taffet / ſo viel als zu einem kleinen Beutel noͤtig: Jtem / platte viereckete ſtuͤcklein Silber / Hopffen / Gerſten / Haber / alles durch einander gemiſchet auff die Taffel geſetzet / Dann koͤmpt ein Swacha, decket die Braut wieder zu / vnd beſtrewet auß der Schuͤſſel alle Bojaren vnd Mannes Volck / wer wil / mag von dem Atlaß vnd Silber auffleſen / vnter deſſen wird ein Lied geſungen. Dar - nach ſtehet der Braut vnd Braͤutigams Vater auff / verwechſelen der contrahenten Ringe.
Nach ſolchen Ceremonien nimpt die Swacha die Brant / ſetzet ſie in einen Schlitten / vnd bringet ſie verdecket zur Kirchen. Das Pferd fuͤr dem Schlitten iſt am Halſe / vnd vnter dem Krumpholtze mit vielen Fuchsſchwaͤntzen behaͤnget. Der Braͤutigam folget alſofort dar auff mit ſeinen Freunden vnd Popen, der Pope hat alsdann bißweilen das Hochzeit Getraͤncke bereit ſo ſehr gekoſtet / daß man jhn / darmit er nicht vom Pferde ſtuͤrtzet / wie auch hernach in der Kirchen bey verrich - tung ſeines Ampts / auff beyden ſeiten halten muß. Neben den Schlit - ten gehen etliche gute Freunde vnd viel Schlaven. Da werden die aller - groͤbeſten Zotten geriſſen.
Jn der Kirchen iſt ein gut theil des Pflaſters / wo die TrawungHochzeit Ce - remonien in der Kirchen. geſchiehet / mitrohtem Taffet bedecket / vnd auff denſelben noch abſon - derlich ein Stuͤcke geleget / worauff Braut vnd Braͤutigam tretten. Wenn nun die Trawung ſol angehen / leſſet der Pope jhme erſt opf -Die Einſeg - nung Braut vnd Brauti - gams. fern / welches ſeynd Pyrogen / Gebackens vnd Paſteten / dann wer - den Braut vnd Braͤutigam groſſe Bilder auff jhre Koͤpffe gehalten vnd eingeſegnet / Dann nimpt der Pope des Braͤutigams Rechte / vnd der Braut lincke Hand in ſeine beyde Haͤnde / fraget ſie drey mahl: Ob ſie einander haben / vnd ſich wol mit einander begehen wollen? wann Sie denn das Jawort gegeben / fuͤhret er ſie alſo in einem Kreyß heruͤmmer vnd ſinget den 128. Pſalm / welchen ſie als tantzend jhmS ijStuͤck -140Newe PerſianiſcheStuͤckweiſe nachſingen. Nach dem Tantze ſetzet er jhnen Rauten Kraͤntzlein auff vnd ſpricht: Wachſet vnd mehret euch. Vnd giebt ſieDie Tꝛawung zuſammen mit dieſen Worten: Was Gott zuſammen fuͤget / ſo kein Menſche ſcheiden / ꝛc. Vnter deſſen zuͤnden alle Hochzeit Gaͤſte die in der Kirchen ſeynd kleine Wachsliechter an / vnd reichen dem Popen entweder eine hoͤltzerne verguͤlte Schale / oder auch nur einen glaͤſern Roͤmer mit rohtem Weine / auß welchem Er den angehenden Eheleu - ten zu trincket / welche auch jeglicher mit dreymahl außtrincken Be - ſcheid thun muͤſſen. Dann wirfft der Braͤutigam den Roͤmer zur Er - den vnd tritt jhn mit der Braut auff kleine ſtuͤcken / mit dieſen Worten: So muͤſſen auch alle die / ſo zwiſchen vns Feindſchafft vnd Haß zu er - wecken gedencken / vor vnſere Fuͤſſe fallen / vnd zertretten werden; Darauff ſtrewen die Weiber Lein vnd Hanffſaat auff ſie / vnd wuͤnd - ſchen jhnen Gluͤck / Sie zuͤpffen auch vnd ziehen an der Braut als wolten ſie dieſelbe den Braͤutigam entzuͤcken / dieſe aber halten feſte an einander. Nach dieſem Actu fuͤhret der Braͤutigam die Braut zum Schlitten / vnd ſetzet ſich wieder auff ſein Pferd / Neben den Schlitten werden ſechs Wachsliechter getragen / vnd darbey abermahl die groͤ - beſten Poſſen geriſſen.
Wann ſie ins Hochzeit Hauß kommen / welches bey dem Braͤu - tigam iſt / ſetzen ſich die Gaͤſte nebenſt dem Braͤutigam zu Tiſche / Eſſen / Trincken vnd machen ſich luſtig: Die Braut aber wird alſo - bald abgekleidet biß auffs Hembde vnd ins Bette geleget. Wann der Braͤutigam angefangen zu eſſen / wird er auffgefodert zu Bette zu ge - hen: Vor jhme her gehen ſechs oder acht Knaben mit brennenden Fa - ckeln. Wann die Braut die Ankunfft des Braͤutigams vernimpt / ſiehet ſie wieder auff / haͤngt einen mit Zobeln gefutterten Peltz vmb ſich / vnd empfaͤngt jhren Liebſten mit Haͤupt neigen; Die Knaben ſtecken die brennende Fackeln in die obgedachte Weitzen vnd Gerſten Tonnen /Ceremoni - en in der Braut Kam - mer. bekommen jeglicher ein paar Zobeln / vnd gehen darvon. Der Braͤu - tigam ſetzet ſich mit der Braut / ſo er alsdann mit offenen Angeſichte zum erſten mahle ſiehet / an einen gedeckten Tiſch. Es wird jhnen Speiſe fuͤrgetragen / vnd vnter andern ein gebraten Hun / daſſelbe reiſt der Braͤutigam von einander / wirfft einen Fluͤgel oder Bein / welches am erſten abgehet / uͤber ſich zu ruͤcke / vom andern geneuſt er. Nach ge - haltener Mahlzeit gehet er mit der Braut zu Bette / vnd bleibt nie - mand als ein alter Diener vor der Kammer auff-vnd ab ſpatzierend: Mitlerweile wird von beyden Parteyen / Eltern vnd Freunden / aller - hand Gauckeley vnd Zauberey / den newen Eheleuten dardurch gluͤck - lichen Eheſtand zu erwecken / getrieben. Der Diener ſo fuͤr der Kam - mer Wache helt / muß bißweilen fragen ob die Sache vertragen? rufft der Braͤutigam ja / ſo wird alſobald den Trompetern vnd Heerpau - ckern / welche in Bereitſchafft geſtanden vnd die Knoͤppel jmmer empor gehoben / angeſaget / die laſſen ſich dann luſtig hoͤren. Dar auff wirdalſo -141Reiſe Beſchreibung. alſobald eine Badeſtube angeheitzet / in welcher nach etlichen Stun -Das Braut - Badt nach dem Bey - ſchlaff. den die Braut vnd der Braͤutigam jeglicher abſonderlich baden muß / Da werden Sie mit Waſſer / Meeth vnd Wein abgewaſchen / dar - auff wird der Braͤutigam von ſeiner jungen Frawen mit einem Bade - hembde / ſo am Halßkragen mit Perlen geſticket / vnd einen gantz ne - wen koͤſtlichen Kleide beſchencket.
Die folgenden zwene Tage werden mit groſſen uͤberfluͤſſigen Eſſen / Trincken / muſiciren, Tantzen vnd allerhand Luſt / die ſie nur erdencken koͤnnen / zugebracht.
Worbey dann manches Weib / wenn ſie von jhrem berauſchten Manne nicht wol wird in acht genommen / mit Geſellen vnd andern Maͤnnern ziemliche Auß - vnd Fehltritte thun; Gebrauchen alſo die gelegenheit der Zuſammenkunfften zu jhrer Luſt / weil dieſelbe ſich zum beſten durch ſolche oͤffentliche Convivia præſentiren kan. Diß iſt alſo der ware Bericht von den Proceſſen, jtziger groſſen Her - ren Hochzeiten.
Wann aber geringere / oder Buͤrgerſtandes Leute Hochzeit ma -Geringer Len - te Hochzeit. chen wollen / ſchicket der Braͤutigam den Tag zuvor der Braut newe Kleider / eine Muͤtze vnd ein paar Stieffeln. Jtem / ein Kaͤſtlein / in welchem Schmincke / Kam vnd Spiegel. Den andern Tag wenn die Hochzeit angehen ſol / koͤmpt der Pope mit einem ſilbern Creutzlein / begleitet von zweyen Knaben / ſo brennende Wachskertzen tragen. Der Pope ſegnet mit dem Creutze erſt die Knaben / vnd hernach die Gaͤſte; Darauff wird Braut vnd Braͤutigam zu Tiſche geſetzet / vnd auch zwiſchen jhnen rohter Taffet gehalten / Wenn denn die Braut von de: Swacha geputzt / muß Sie jhren Backen an des Braͤutigams Backe halten / vnd ſich alſo allebeyde in einem Spiegel beſehen / vnd einander freundlich anlachen; Vnter deſſen gehen die Swachen vnd beſtrewen ſie vnd die Gaͤſte mit Hopffen. Nach ſolchen Ceremonien machen Sie ſich zur Kirchen / woſelbſt die Trawung auff vorige ma - mer verrichtet wird.
Nach gehaltener Hochzeit werden die Weiber in den Kammern behalten / kommen nicht viel vnter die Leute / werden mehr von jhren Freunden beſuchet / als daß ſie dieſelben beſuchen duͤrffen.
Gleich wie groſſer Herꝛn vnd Kauffleute Kinder wenig oder garDie Weiber ſitzen einge - ſperret. nicht zur Haußhaltung gehalten werden / Alſo nehmen Sie ſich auch hernach im Eheſtand deroſelben gar wenig an / ſitzen nur nehen vnd ſticken mit Gold vnd Silber ſchoͤne Neſetuͤcher auff weiſſen Taffet vnd klare Leinwand: Kleine Geldbeutelgen / vnd dergleichen.
Jn den Haͤuſern gehen Sie in gar ſchlechten Kleidern / wenn ſie aber entweder einem frembden Gaſte auff befehl der Maͤnner Ehre anthun / vnd eine Schale Brantewein zu zutrincken herfuͤr tretten ſol - len / oder auch uͤber die Gaſſen etwa zur Kirchen wollen / muͤſſen ſieS iijauffs142Newe Perſianiſche
auffs koͤſilichſte angethan / vnd am Geſichte vnd Halſe dicke vnd fett geſchmincket ſeyn.
Der Kneeſen / Bojaren vnd fuͤrnembſten Leute Weiber fahren des Sommers auff bedeckte Wagen / ſo mit rohtem Tuche uͤberzogen / welche Sie den Winterauch auff Schlitten gebrauchen. Jn demſel - ben ſitzen ſie praͤchtig als Goͤttinnen / vnd haben vor ſich zum Fuͤſſen ein Schlaviſch Medgen ſitzen. Neben her lauffen viel Knechte vnd Schlaven / bißweilen bey 30. 40. Stuͤcke. Das Pferd ſo den Wagen oder Schlitten zichet / iſt gleich dem / ſo die Braut fuͤhret / mit Fuchs -Zieraht der Pferde vor den Schlit - ten. ſchwaͤntzen behaͤnget / iſt ſeltzam anzuſehen. Solchen Zierath / haben wir nicht alleine vor der Frawen / ſondern auch der fuͤrnehmen Herꝛn / ja des Großfuͤrſten Schlitten ſelbſt geſehen / welcher bißweilen an ſtatt der Fuchsſchwaͤntze / ſchoͤne ſchwartze Zobeln gebrauchet.
Weil die muͤſſigen jungen Weiber / ſo ſelten vnter die Leute kom - men / auch im Haufe nicht viel angreiffen / vnd alſo wenig Zeit vertreib haben koͤnnen / machen Sie jhnen bißweilen ſelbſt eine Luſt mit jhren Megden / nemblich mit Schauckeln / woran ſie eine ſonderliche belie - bung tragen. Sie legen uͤber einen Block ein Brett / tretten auff beyd Enden / wiegen vnd werffen einander hoch in die Lufft. Gebrauchen auch bißweilen Stricke / in welchen Sie ſich ſehr hoch in die Hoͤheſchwin -143Reiſe Beſchreibung.
ſchwingen koͤnnen. Die gemeinen Leute / ſonderlich in den Vorſtaͤdten vnd Doͤrffern / uͤben ſolch Spiel oͤffentlich auff der Gaſſen. Da ſie denn allgemeine Schauckeln in Form eines Galgens / mit einemDie Schau - ckeln der Ruſ - ſen. Creutz / auff welcher zwey / drey vnd mehr Perſonen zugleich fahren koͤnnen / geſetzt haben. Vnd ſiehet man ſolch Spiet an jhren Feſt-Ta - gen am meiſten treiben: Dann gewiſſe jungen die Seſſel vnd andere Zugehoͤr bereit vnd fertig halten / denen die darauff ſchanckeln wollen vmb etliche Copeck herauß geben vnd lehnen. Es vergoͤnnen auch die Maͤnner jhren Weibern ſolche Luſt gerne / ja helffen auch biß - weilen darzu.
Daß aber offt ſo groſſer Vnwille vnd Schlaͤgerey vnter jhnen entſtehet / kompt daher / wenn entweder die Fraw den Mann mit vnge -Warumb die Ruſſen meiſt jhre Weiber ſchlagen. buͤrlichen vnd Scheltworten anfaͤhret; Wie ſie denn dißfals mit dem Maule ſehr fertig ſeynd / oder daß ſie ſich offter als der Mann voll ſaͤufft / oder auch / wegen allzumilder freundligkeit gegen frembde Maͤn - ner vnd Geſellen ſich bey dem Manne verdaͤchtig machet / welche drey Vrſachen dann zum offtern pflegen beyſammen zu ſeyn.
Wann Sie dann mit der Peitſche oder Pruͤgel wol durchgeholet wird / empfindet ſie es nicht ſo gar hoch / weil Sie ſich ſchuͤldig weiß /vnd144Newe Perſianiſchevnd darneben ſihet / daß es jhren in ſolchen Laſtern begrieffenen Nach - barn vnd Mitſchweſtern / nicht beſſer ergehet.
Daß aber ein Ruſſiſch Weib durch viel Schlagen vnd Peitſchen ein liebreiches / vnd in mangelung deſſen ein liebloſes vnd mißguͤnſti -Obs war / das die Weiber auß Schlaͤ - gen der Maͤn - ner getrewe Liebe war neh - men. ges Hertze jhres Mannes gegen jhr præſumiren ſolte / wie etliche Hiſtorici, vnd Barclajus in Icone animorum von jhnen berichtet / hab ich nicht erfahren / kan mirs auch nicht einbilden: Daß / was die Natur vnd jegliche Creatur ſchewet / ſie lieben; vnd was des Zorns vnd Feindſchaffts Werck / ſie fuͤr ein liebes Zeichen halten ſollen. Es iſt ein allgemeines Sprichwort: Schlaͤge freunden nicht. Daß wird meines erachtens bey jhnen auch gelten / Daß aber wol etliche mit jhren Maͤnnern ſolche Schertzreden muͤgen getrieben haben / oder auch ein thoͤricht Weib mag geweſen ſeyn / wie Petrejus in der RuſſiſchenEine Frawe ſolicitiret bey jhren Mann vmb Schlaͤge. Chronica gedencket / die jhrem Mann / mit dem ſie eine geraume Zeit im Friede vnd Einigkeit gelebet / zugeredet vnd geſaget: Sie hette noch nie ſpuͤren koͤnnen / daß er ſie recht liebete / weil ſie niemahls Schlaͤge von jhm empfangen / darauff habe der Mann ſeine Liebe auff begehrte maſſe jhr zu erweiſen ſich bald erbitten laſſen / vnd die Peitſche friſch wancken laſſen: Solches nach der Zeit weil ſie einen groſſen gefallen dran gehabt / wiederholet / vnd zum dritten mahle ſeine ſehr groſſe Liebe zu erweiſen / ſie gar todt geſchlagen. Derſelbe Mann / Namens Jordan / ſol ein Jtaliener geweſen ſeyn. Daß / ſage ich / ſolches mit dieſer einen Frawen vorgangen / kan nicht in Exempel gezogen / vnd auß der einen Sinn aller anderen humor erzwungen werden.
Wenn aber zwey Eheleute eins das ander uͤberdruͤſſig wird / vnd ſich mit einander gar nicht ſtallen vnd vertragen koͤnnen / hat man das Mittel / daß eins darvon ſich ins Kloſter begiebet / wenn ein Mann ſolches thut / vnd verleſſet ſein Weib vmb Gottes Ehre willen / vnd die Fraw bekoͤmpt einen andern Mann / der ſol / wenn ers begehret zu einen Popen geſalbet werden / ob er gleich zuvor ein Schuſter oder Schnei - der geweſen iſt. Der Mann hat auch die Freyheit / daß wenn er mit der Frawen keine Kinder zeugen kan / ſie ins Kloſter verſtoſſen / vnd jnner ſechs Wochen eine andere Heyrathen mag.
Solch Exempel gehet auch mit dem Großfuͤr ſtlichen Perſonen vor / welche / wenn ſie mit jhren Gemahlin nur Toͤchter vnd keine Maͤnnliche Erben zeugen koͤnnen / ins Kloſter thun vnd eine andereWeiber muͤſ - ſen ſich laſſen ins Kloſter ſcheren. Heyrathen. Jtem / wenn ein Mann ſeiner Frawen was vnehrliches nach zuſagen vnd zu erweiſen weiß / muß Sie auch ſich laſſen ins Klo - ſter ſcheren. Worbey dann der Mann offt mehr ſeinen Willen / als das Recht zugebrauchen pfleget / Jn dem Er entweder auß bloſſen ver - dacht / oder ander liederlichen Vrſachen willen ſeiner Frawen gram wird / ein paar loſe Buben vmbs Geld auffwiegelt / die mit jhm zum Richter gehen / klagen vnd zeugen wieder das Weib / daß ſie in dieſer vnd jener Mißhandlung oder Hurerey iſt ergrieffen worden / vnd brin -gen ſo145Reiſe Beſchreibung. gen ſo viel zu wege / ſonderlich wenn die Copecken helffen mit arbeiten / daß das gute Weib / ehe ſie es vermuthet / etliche Nonnen ins Hauß bekompt / die jhr die Haare abſcheren / ein Nonnenkleid anlegen vnd mit gewalt ins Kloſter ziehen / darinnen ſie denn die zeit jhres Lebens verbleiben muß. Denn wer einmahl zu dieſem Stande ſich hat laſſen einweihen / daß jhme das Scheermeſſer iſt uͤber den Kopff gangen / kan nimmer wieder herauß kommen / vnd in den Eheſtand gelangen.
Diß muſte zu vnſer Zeit ſchmertzlich erfahren ein Polack / ſo denEin Weib laͤufft von jh - rem Mann ins Kloſter. Ruſſiſchen Glauben angenommen / vnd mit einer ſchoͤnen jungen Ruſſin ſich verheyrahtet hatte. Als dieſer nothwendiger Geſcheffte halber verreiſen / vnd uͤber Jahresfriſt auſſenbleiben muſte / mag der guten Frawen das Bette zu kalt geworden ſeyn / findet ſich derhalben zu einem andern / vnd zeuget mit demſelben ein Kind. Als ſie[nun] von jhres Mannes Wiederkunfft hoͤrete / vnd von jhrer Haußhaltung nicht getrawete gute Rechnung zu thun / laͤuffet ſie ins Kloſter / vnd laͤſſet ſich ſcheren / da der Mann nach Hauſe koͤmpt / vernimpt die Sache / hat jhm nicht mehr gejammert / als daß die Fraw ſich zu einer Nonnen hatte ſcheren laſſen / Er wolte es jhr gerne verzihen / vnd ſie wieder an - genommen / Sie auch ſich zu jhme wieder begeben haben / Aber ſie kunten nicht wieder zuſammen gelaſſen werden / wie gerne ſie auch wol - ten. Der Patriarcha vnd die Muͤnche haͤtten es fuͤr eine Suͤnde in den heiligen Geiſt / die nimmer hette muͤgen vergeben werden / geſchaͤtzet.
Dahero vorzeiten Boris Fœdrowitz Gudenow, in dem er ſahe /Boris Gude - now ſtellete ſich als wolte er ein Muͤnch werden. daß die Ruſſen jhn gerne zum Großfuͤrſten haben wolten / ſintemahl er ſich in ſeinem Gubernamente (dann Er des Großfuͤrſten Fœdor Iwanowitz Stadthalter war) alſo wol verhalten / daß ſie keinen qua - lificirtern als jhn finden konten / ſich anſtellete als wolte Er das Re - giment nicht annehmen / zu ſeiner Schweſter ins Kloſter lieff / vorge - bend / Er wolte ein Muͤnch werden. Die Ruſſen aber eileten mit groſ - ſen hauffen / heulen vnd weinen zum Kloſter /[fie]hlen auff die Erde / baten vnd fleheten / Er wolte doch nicht mit dem Haar abſcheren ſo geſchwinde eilen / Sie wolten jhn zum Großfuͤrſten erwehlen. Vnd ob er ſchon ſich anfaͤnglich ſehr weigerte / ließ er doch endlich durch ſolch ſehnlich bitten vnd ſeiner Schweſter interceßion ſich bewegen zu thun vnd anzunehmen was er ſchon laͤngſt gerne gehabt / vnd keinem andern leichte gegoͤnnet hette. Durch diß Mittel brachte ers dahin / daß die Ruſſen mit der Wahl vnd Kroͤnung deſto ſchleuniger verfah - ren / vnd jhm deſto affectionirter ſeyn muſten.
So ſehr die Ruſſen das Fleiſchliche Beywohnen in - vnd auſſer dem Eheſtand jhnen belieben laſſen / ſo ſuͤndlich vnd vnrein halten Sie es auch / vnd wollen nicht zulaſſen / daß / wenn ſolches geſchehe / man das Tauff Creutzlein an dem Halſe behalten / ſondern ſo lange able - gen ſol / Auch nicht daß es geſchehe / wo jhre Bilder der Heiligen ſte - hen / ſie muſten dann wol zugedecket ſeyn.
TEs146Newe PerſianiſcheEs darff auch der / ſo die Fleiſches Luſt gepflogen / den Tag nicht in die Kirchen kommen / Es waͤre denn / daß er ſich ſauber wieder ge - waſchen vnd ein rein Hembde angezogen hette: Die etwas devot ſeyn / bleiben alsdenn gleichwol vor der Kirchen oder im Veſtibulo ſtehen / vnd verrichten allda jhr Gebet. Wann ein Prieſter ſein Weib beruͤh - ret / ſo muß er ſich uͤber vnd vnter den Nabel wol waſchen / vnd mag zwar darauff in die Kirche gehen / aber nicht zum Altar tretten. Die Weibes Perſonen werden vnreiner / als die Maͤnner geſchaͤtzet / darumb ſie bey Meſſe halten gemeiniglich vorn an der Thuͤr ſtehen bleiben.
Wann einer in der groſſen Faſten ſein Weib beruͤhret / der darff im gantzen Jahre nicht das Sacrament empfangen. Thut es ein Prieſter / vnd es wird erfahren / muß er ein gantz Jahr ſeines Amptes entſetzet ſeyn. Jſt er aber ein Candidatus miniſterij, wird er gar nicht das Ampt bekommen.
Wieder ſolche ſuͤndliche Vnreinigkeit halten Sie das Baden ein ſo noͤtig Mittel zu ſeyn als die Buſſe / darumb / wie vor gedacht / Braut vnd Braͤutigam alsbald nach dem Beyſchlaff ins Bad vnd ſich reini - gen muͤſten.
Durch vnterlaſſung deſſen hat der falſche Demetrius, der ſich fuͤr des Tyrannen Iwan Vaſilowitz Sohn / ſo doch laͤngſt zu Vglitz vmbbracht war / auffwarff / auch darvor auffgenommen vnd zum Großfuͤrſten gekroͤnet wurde / ſich bey den Ruſſen verdaͤchtig gemachet / daß er nicht / wie Er vorgab / von Geburt ein Ruſſe / ſondern ein Außlaͤnder ſeyn muſte. Dann / als ſie ſahen / daß er nach ſeinem Bey - lager / das Badt / welches acht Tage fertig geſtanden / nicht gebrau - chen wolte / hielten ſie es fuͤr ein Puganiſch Werck / brachten mehr Vr - ſachen herbey vnd uͤberfielen jhn vnverſehens im Schloſſe / vnd ſchlu - gen jhn am neundten Tage nach dem Beylager jaͤmmerlich zu tode.
Weil ſie nun ſo viel auff das Baden halten / So haben ſie auch in allen Staͤdten vnd Doͤrffern oͤffentliche / vnd die meiſten in jhren Haͤuſern jhre eigene Badſtuben / in welche Mann vnd Weib jung vnd alt zugleich gehen / Es hat zwar Weibes vnd Mannes-Volck ſeinen ſonderlichen Platz / gehen aber zu einer Thuͤr auß vnd ein / vnd zwar ohne Schurtztuͤcher / halten bißweilen fuͤr die Scham einen Quaſt oder Buſch von Meyenlaub / welches ſie den Sommer auffdroͤgen / her - nach in warm Waſſer ſtecken vnd gebrauchen. Sie koͤnnen ſehr groſſe Hitze vertragen / darumb / wenn ſie auff den Schweißbaͤncken liegen / laſſen ſie jhnen mit ſolchem Buſche die Hitze auff den Leib fechern oderManier zu Baden. treiben / vnd darmit wol reiben / welches ſie Queſten heiſſen. Wenn ſie alſo gantz durchhitzet / daß ſie in der Badſtuben nicht mehr dauren koͤnnen / lauffen ſie herauß / Manns vnd Weibesvolck bloß ohne Quaſt / ſpringen entweder ins kalte Waſſer / oder gieſſen das uͤber ſich / ja zur Winterszeit / waltzen Sie ſich im Schnee herumb. Vnſere junge Borſe etliche / vmb ſolche ſeltzame poſtüren anzuſchawen gien -gen147Reiſe Beſchreibung. gen zum offtern fuͤr die gemeinen Badſtuben fuͤruͤber ſpatzieren / da dann die Weiber nicht allein / nicht auß Scham / wie ſichs wol gebuͤrt haͤtte / zu ruͤcke / ſondern den Deutſchen zugefallen erſt recht herfuͤr tratten vnd rieffen: Druske potzudi, dobro &c. Wenn auch gleich ein Deutſcher zu jhnen vmb zu baden mit ins Waſſer ſprang / waren Sie doch nicht ſo empfindlich / daß ſie auß Zorn nach art der Dianæ einen in einen Hirſch verwandelt hetten / wenn ſie gleich gekunt. Zu Aſtrachan trug ſichs zu / daß vier junge Weiber auß der Badſtuben kamen vnd ſich abzukuͤhlen in die Wolga, welche daſelbſt durch einen Sinum oder Jnwieg flach Waſſer / vnd ein luſtig Bad giebt / ſich be - gaben. Als nun einer von vnſern Soldaten ſich zu baden auch hineinEin Weib ſo im kalten Ba - de bald erſof - fen wehre / wird von Deutſchen errettet. ſpringet / beſprengen ſie jhn mit Waſſer / treiben jhren Schertz / vnd wenn er jhnen ebenmeſſig begegnete / wichen ſie zuruͤcke / die eine aber in dem ſie etwas weiter ſich hinein wagete / kompt zu tieff vnd beginnet zu ſincken / da die andern das ſahen / ſchryen vnd lieffen ſie voller ſchre - cken den Soldaten an mit ſehnlicher bitte / daß er moͤchte zu jhr eilen vnd huͤlffe thun: Der Soldate / da er die Noth ſiehet / ſchwimmet ge - ſchwinde zu jhr / ergreifft Sie beym Leibe / hebt ſie empor / laͤſſet Sie an ſeine Beine feſte halten vnd fuͤhret ſie alſo herauß / da ruͤhmten vnd lobten ſie die Deutſchen / ſagten / dieſer waͤre als ein Engel zu jhnen ins Waſſer geſandt.
Die obgedachte Art zu baden haben wir nicht allein in Rußland / ſondern auch in Lieffland geſehen / da Sie ſonderlich die Finnen / in den haͤrteſten Winter auß der Badſtuben auff die Gaſſen gelauffen / ſich mit Schnee vnd Eyß als wenn es Seiffe waͤre / gerieben / vnd dann wieder darauff in die gelinge Hitze. Man hoͤret gleichwol nicht / daß ſolch Baden wegen ſo geſchwinder veraͤnderung der Qualiteten in extremo gradu jhnen uͤbel bekommen ſolte / zweiffels ohne / weil Sie diß von jugend auff treiben / wird die gewonheit gleichſamb zur Natur vnd die Ruſſen Leute dardurch hart vnd daurthafftig gemachet. Wie dann die Finnen ſo wol als die Ruſſen harte vnd ſtarcke Leute ſind / die Froſt vnd Hitze wol vertragen koͤnnen.
Jch habe zur Narva mit verwunderung geſehen / das Ruſſiſche Knaben / von acht / neun / vnd zehen Jahren / die vnſere Bratenwender waren / bey einer halben Stunden vnd laͤnger im haͤrteſten Winter / in einen duͤnnen einfachen leinen Rocke mit bloſſen Fuͤſſen auff Schnee vnd Eyß gegangen vnd geſtanden wie die Gaͤnſe / ohn einig gegebenes Zeichen der Wehetagen oder Froſtes. Sonſten haben wir in Muß -Der Deut - ſchen in Muß - cow vnd Lieff - laͤndiſchen Badeſtuben. cow bey den Deutſchen / gleich bey den Liefflaͤndern gute Badſtuben vnd feine art zu baden gefunden. Sie beſtrewen jhre Badſtuben mit allerhand Kraͤutern vnd Blumen / Jtem / mit gequetſcheten Dannen - laub / welches die Liefflaͤnder auch in die Stuben ſtrewen ſo einen gu - ten Geruch gibt. Sie machen auch das Waſſer vnd Lauge mit aller - hand guten Kraͤutern geſund vnd wolriechend. Auff den ſeiten in denT ijBad -148Newe PerſianiſcheBadſtuben haben Sie zwo oder drey Schwitze vnd abwaſch Baͤn - cke / eine hoͤher als die ander auffgeſchlagen / auff welchen man ſich der Hitze per gradus gebrauchen kan. Dieſe ſeynd mit weiſſen Laken vnd von Hew außgeſtopffeten Haͤuptkuͤſſen beleget. Dann wird jeglichem eine Dirne ſo nur im Hembde gehet zugegeben / die einen reibet / queſtet / zwaget / waͤſchet vnd wol abbadet.
Wenn dieſe hinein koͤmpt / bringet Sie mit ſich auff einen Teller etliche ſchnitgen Rettich mit Saltz beſtrewet / vnd reichet ſie dem Ba - degaſte. Jſt es ein fuͤrnehmer Mann oder guter Freund / ſo koͤmpt uͤber eine weile die Jungfer oder Fraw im Hauſe vnd bringet eine wol zugerichtete kalte Schale. Wenn dieſes nicht erfolget / iſt es ein Zei - chen / daß man jhn nicht ſo gar groß achtet: Nach dem Bade mag er ſich eine weile auffs Bette legen / hernach wird er mit den delicateſten Speiſen tractiret, vnd mit einem weichen Lager verſehen.
Die Ruſſen halten alle in gemein / der Großfuͤrſt vnd groſſe Her - ren ſo wol / als der gemeine Mann taͤglich jhre Mittags Ruhe / Da - hero findet man im Mittage die meiſten vnnd fuͤrnembſten Kram - buden zugemachet / vnd einen darfuͤr ſchlaffen liegen. Man kan auch vmb dieſelbe Zeit keinen fuͤrnehmen Herꝛn oder Kauffman zuſprechen bekommen. Weil der vermeinte Demetrius, deſſen oben gedacht / auch in dieſem Puncte feilete / vnd ſich nicht wie andere Ruſſen zu Mittage ſchlaffen legte / ſondern im Schloſſe herumb gieng / daß man jhn bald hier bald dort antreffen kunte / gab es den Ruſſen gedancken / daß ſie argwohneten / Er muͤſte kein Ruſſe / vnd alſo nicht des Großfuͤrſten Ivan Vaſilowitz Sohn ſeyn. Darauff denn obgedachte ſchleunige Execution wieder jhm ergienge.
Der Ruſſen Policey vnd Regiment iſt Monarchia Do - minica & deſpotica, da ein Herꝛ / nemblich der Großfuͤrſt / (welcher ſucceßione hæreditaria zum Regiment gelanget) alleine herꝛſchet; Vnd ſind alle ſeine Vnterthanen ſo wol die groͤſten Herꝛn als der ge - ringſte Mann ſeine Goloppen oder Schlaven / welche Er als ein Haußvater ſeine Knechte tractiret vnd regieret. Wie ſie denn auch ſolche ſubjection in den Schreiben oder Supplicationen, ſo ſie an jhm ergehen laſſen / zuverſtehn geben vnd die Subſcription jhꝛer Namen un diminutivo thun muͤſſen: Als pro Iwan Johannes, Iwaske Hens - gen / Petrus Petruske dein Schlave. Wenn auch der Großfuͤrſt mit jemand redet / tituliret Er ſie nicht anders. Ein ſolch Regiment iſt auch dieſer Nation am bequemſten / Dann jhre Natur / gleich wie Ariſtote - les lib. 3. Polit. c. 10. von den Barbaris redet / alſo beſchaffen / ut aliter commode vivere non poßint. Accidit einim quod cum liberta - tem non guſtarint, ignorantia bonorum ejus contineat homines in officio. Sie nennen jhren Welike Kneſen oder Großfuͤrſten einen Zaar / vnd wollen etliche das diß Wort ſol herkommen von Cæſar. Er149Reiſe Beſchreibung. Er fuͤhrt auch gleich dem Roͤmiſchen Kaͤyſer im Reichs Secret vnd Sigil einen doppelten Adler vnd zwar mit zweyen Kronen / vnd nie - dergeſchlagenen Fluͤgeln / wie auß beygefuͤgtem Abriſſe / welcher neben andern Vmbſtaͤnden auch die groͤſſe præſentiret, zuerſehen. Sol -
chen Adler hat der Tyranne Ivan Vaſilowitz auß arrogantz, in dem er ſich auß dem Gebluͤte der Roͤmiſchen Kaͤyſer entſproſſen zu ſeyn nen - nete / erſt eingefuͤhret. Es nennen jhn auch die Großfuͤrſtl: Dolmet - ſcher vnd andere in Mußcow wohnende Deutſche einen Kaͤyſer / wiewol die Ruſſen den Koͤnig David auch einen Zaar nennen. Sie halten jhn jtzo alle in ſehr hohen reſpect, wenn ſeines Namens entweder in acti - bus publ. oder Gaͤſtereyen / bey Geſundheit trincken gedacht wird / geſchiehet es mit ſonderlichen Zeichen / groſſer Ehrerbietung vnd de - votion. Dahin auch jhre gewoͤhnliche arten zureden gehen / Als: vor demſelben erſcheinen / heiſſen ſie J. Z. M. klare Augen ſehen: Jtem jhre tieffe Demuth gegen jhm zuerzeigen ſagen Sie / das alles was ſie haben / gehoͤre Gott vnd dem Großfuͤrſten zu. Wie dann ſol - ches zureden jhnen der mehr erwehnte Tyranniſche Großfuͤrſt Ivan Vaſilowitz durch ſeine Gewaltthaten gutes theils angewehnet hat / auch vermuͤge jhres Zuſtandes vnd mancipatus ſich alſo verhaͤlt.
Jch wil allhier gleich in einer digreßion auß der Ruſſen Chro - nica kuͤrtzlich mit einfuͤhren / die Ordnung der Großfuͤrſten / vom Ty -T iijran -150Newe Perſianiſcherannen Ivan Vaſilowitz biß auff jtzigen / vnd wie ſie zu der Regierung gekommen / mit wenigen gedencken / hoffe / daß es dem guͤnſtiger Leſer nicht vnangenem ſeyn werde.
DEr Großfuͤrſt Ivan Vaſilowitz, iſt Anno Chriſti 1540. zur Re - gierung gekommen / vnd nachdem Er wieder ſeine Nachbaren ſchwere vnd grawſame Kriege gefuͤhret / viel Deutſche vnd an - dere Gefangene mit ſich in Mußcow bracht / derer familien noch heute als Schlaven darinnen leben: So wol wieder die Chriſten als Tuͤr - cken / Tartern vnd Heyden erſchrecklich vnd vnmenſchlich / wil nicht ſa - gen vnchriſtlich / gewuͤtet vnd Tyranniſiret / vnd alſo wenig erwieſen was Jovius im anfang des Erſten Buches ſeiner Hiſtorien von jhm ruͤhmet / daß Er ſey geweſen ſanè Chriſtianæ religionis cultor egre - gius, iſt Er Anno Chriſti 1584. den 28. Martij im 56. Jahre ſeines Alters geſtorben. Er verließ nach ſich zwey Soͤhne / Fœdor vnd De - metrium. Demetrius der juͤngſie ward in die Stadt Uglitz daſelbſt2. Fœdor Ivanowitz Großfuͤrſt. erzogen zu werden / verſchicket. Fœdor aber ſuccedirete dem Vater vnd ward im ſelben Jahre am 31. Julij zum Großfuͤrſten gekroͤnet im 22. Jahre ſeines Alters. Weil dieſer Großfuͤrſt jung / vnd ſein Ver - ſtand nicht ſo geſchwinde vnd thaͤtig / als wol bey damaligen ſehr zer - ruͤtteten Zuſtande des Landes vonnoͤthen war / ſich erweiſen wolte / iſt fuͤr gut angeſehn worden daß der Reichs Stallmeiſter Boris Gu - denow, ſo der jungen Großfuͤrſtinnen leiblichet Bruder / weil Er ein kluger vnd liſtiger Herꝛ war jhm zum Gubernatorn zugeordnet.
Dieſer Boris Gudenow hat durch ſeinen klugen Verſtand vnd fuͤrſichtige Regierung ſich bey dem Lande ſo hoch verdienet vnd re - commendiret gemachet / daß jederman darvor hielte / wenn der Groß - fuͤrſt Fœdor Ivanowitz, vnd auch der junge Herꝛ Demetrius mit tode abgehen ſolten / memand tuͤchtiger zum Regiment wehre als BorisDer rechte Demetrius wird vmbge - bracht zu Uglitz. Gudenow, Boris nam diß zu Ohren / vnd damit Er der Ruſſen mei - nung vnd ſeinen Wunſch deſto ehe erfuͤllet ſehen moͤchte / leſſet / Er den jungen Herꝛn Demetrium im neundten Jahre ſeines Alters / durch deſſelben mit groſſen Geld verheiſchungen darzu erkaufften Hoffdie - nern vmbbringen. Nach verrichteter That kamen die Moͤrder mit frewden in Mußcow in meinung wegen jhrer ſo willigen Dienſte vonVerraͤhter triegen jhren Lohn. Boris groſſes Gut zuerlangen. Boris aber damit dieſe Verraͤhterey verſchwiegen vnd ingeheim bleiben mochte / leſſet die Thaͤter auch als - bald vmbbringen / vnd in der Stadt Mußcow an vnterſchiedlichen oͤr - tern heimlich Fewr anlegen / damit die Mußcowiter nicht ſo ſehr des Demetri Todt / als den verluſt Hauß vnd Hoffs zubeklagen / vnd alſo durch eigen Vngluͤck eines andern zuvergeſſen Anlaß bekommen moͤch - ten. Er ſelbſt ſtalte ſich uͤber ſolchen Mord ſehr hoch betruͤbt vnd er -zuͤr -151Reiſe Beſchreibung. zuͤrnet an / verſchaffte daß viel Vglitziſche Einwohner deswegen ins Elend muͤſſen verſtoſſen / vnd das Schloß als ein Morthauß ge - ſchleiffet werden.
Der Großfuͤrſt Fœdor Ivanowitz, nachdem Er 12. Jahr regiert2. Fœdor Ivanowitz ſtirbet. hatte / felt in eine geſchwinde Kranckheit vnd ſtirbet Anno Chriſti 1597. Weil aber Fœdor Ivanowitz keine Erben hinterlaſſen / auch deſſen Bruder Todt / wird vnter den groſſen Herꝛn deliberiret, wen Sie nun zu jhren Großfuͤrſten haben wolten; Ob nun zwar viel groſſe vornehme Herꝛn im Lande / auß denen man einen erwehlen konte / wehre doch niemand ſo weiſe vnd vorſichtig als Boris Gudenow, Er wehre auch der Regierung bereit gewohnet / muſte alſo Er vnd kein an - der Großfuͤrſt ſeyn. Boris aber / als jhm dieſe hohe Ehre angetragen wird / ſtellet ſich als wehre Er gantz nicht geſinnet ſelbige / weil ſie voller Muͤhe / Vnruhe / Mißgunſt vnd Feindſchafft / anzunehmen / ſaget: es beliebe jhm vielmehr eine ſchlechte Muͤncheskappe / als Kron vnd Scepter zutragen / gehet darauff nach dem Kloſter zu / practiſiret aber gleichwol durch etliche Herꝛn vnd gute Freunde daß ſie niemand als jhn erwehlen / vnd deswegen bey jhm / wie ſehr er ſich auch wegern wur - de / inſtaͤndig anhalten ſolten / ſo wolte Er ſich endlich erbitten laſſen;3. Boris Gu - denow wird zum Großfuͤꝛ - ſten gekroͤnet Anno 1597. Es gieng jhm auch nach ſeinem Wundſch vnd Willen / wie allbereit oben erwehnet. Wird derwegen Boris Gudenow zum Großfuͤrſten erwehlet Anno Chriſti 1597.
Jn werender Regierung deſſen empoͤret ſich ein Ruſſiſcher Muͤnch Namens Griska Utrepeja, welcher in Gereslaw von geringen Ade -Griska U - trepeja fal - ſcher Deme - trius. lichen Eltern geboren / aber vmb ſeine Frechheit vnd Muthwillen zu zeumen in ein Kloſter iſt gethan worden. Dieſer gibt ſich fuͤr den De - metrium des Tyrannen Ivan Vaſilowitz Sohn auß / vnd practiſiret es ſo weit / daß er darfuͤr auffgenommen vnd zum Großfuͤrſten gekroͤnet wird. Er fieng aber die Sache alſo an: Weil er ein erwachſener Knabe von guten Verſtande / begibt Er ſich auff antrieb vnd information eines alten argliſtigen reichen Muͤnches heimlich auß dem Kloſter nach Littawen zu einen Fuͤrſten Adam Wesnewetzki im Dienſt / vnd ma - chet ſich durch fleiſſiges Auffwarten ſehr angenehm. Einsmals traͤ - get ſichs zu / das ſein Herꝛ vmb ein Verbrechen erzuͤrnet mit dem ge - woͤhnlichen Scheltworten Bledinſin jhn anfaͤhret / vnd an den Halß ſchlaͤget / darauff faͤngt Griska an bitterlich zuweinen / vnd ſaget / Herꝛ / wenn du wuſteſt / wer ich wehre / wurdeſtu mich nicht einen Huren - Sohn ſchelten / vnd alſo tractiren. Als aber der Knes zuwiſſen be - gerte / wer Er denn wehre? gibt Er zur Antwort: Er ſey des Großfuͤr - ſten Ivan Vaſilowitz leiblicher Sohn / welchen Boris Gudenow nach dem Leben getrachtet / aber an ſeiner ſtatt eines Prieſters Sohn / der jhm am Alter vnd Geſtalt ſehr gleich geweſen / durch Jrꝛthumb vmb - bringen laſſen. Er aber wehre durch huͤlffe guter Leute darvon vnd in ein Kloſter gebracht worden. Zeiget auch ein guͤlden Creutz mit Edel -geſtei -152Newe Perſianiſchegeſteinen verſetzet / vorwendend / diß wehre jhm in der Tauffe angehen - get. Er hette ſich biß dato auß Furcht fuͤr Boris Gudenow nicht of - fenbaren wollen / faͤllet darauff fuͤr dem Kneeſen nieder / vnd bittet mit klaͤglichen Worten / Er wolle jhn doch in ſeinen Schutz nehmen. Weil dieſer verlauffene Muͤnch alle Vmbſtende / worzu Er wol vnterrichtet war / zuerzehlen / vnd die Gebeerden darnach ſo zierlich zu ſtellen wuſte / hat Er ſeinen Herꝛn diß Inventum zugleuben beweget / welcher jhm alsbald koͤſtliche Kleider vnd Pferde verehret / vnnd ſolche Ehre / als einem Großfuͤrſtlichen Sohne wol zukommen kunte / angethan. Es wird im Lande hin vnd wieder kund gemacht / daß jetzo der rechte Erbe des Großfuͤrſtl: Stuls verhanden / welchen Gott wunderlich auß ſei - nes Feindes Haͤnden errettet. Die Sache wird gegleubet / vnd daher deſto mehr / weil der Großfuͤrſt Boris, durch ſolch Geſchrey ziemlich verwirret / groß Geld vnd Gut außbeut denen / die den vermeineten De -Wird in Po - len wol auff - genommen. metrium jhm in die Haͤnde lieffern wurden. Dieſer Demetrius wird vmb deſto ſicherer zu ſeyn in Polen geſchicket / da Er denn von den Weywoden zu Sandomir wol auffgenommen wird / mit verheiſchung / ſo ferne Er / wenn er auff ſeines Vaters Stuel zuſitzen kaͤhme / die Ca -Wird Catho - liſch. tholiſche Religion in Mußcow wolte einpflantzen laſſen / wolten Sie jhm behuͤlfflich ſeyn / daß Er denſelben deſto ehe einnehmen konte. Demetrius bewilliget ſolches nicht alleine / ſondern nimpt ſelbſt in ge - heim die Roͤmiſche Catholiſche Religion an / vnd verheiſſet / alsdann des Weywoden Tochter zu ſeinem Gemahl zunehmen / vnd zur Groß - fuͤrſtin zumachen / welches Erbieten dem Weywoden nicht uͤbel ge - fiehl / Bringet jhn darauff an den Koͤnigl: Polniſchen Hoff / woſelbſt man jhn auch in meinung / daß Er des Großfuͤrſten Sohn ſey / herꝛlich empfaͤhet vnd tractiret. Der Weywode theils auß hoffnung ſeines ſo herꝛlichen kuͤnfftigen Tochtermannes / theils auß Liebe gegen fort - pflantzung ſeiner Religion / ſtrecket ſein euſſerſtes Vermuͤgen daran /Fuͤhret gluͤck - lichen Krieg wieder den Mußcowiter. vnd bringet neben andern groſſen Herꝛn in Polen eine ziemliche Ar - mada auff die Beine / mit welcher ſich Griska in Rußland begab / vnd wieder den Großfuͤrſten offentliche ſehr blutige Kriege fuͤhrete / auch ſo guten Succes hatte / daß Er ein Hauß vnd Stadt nach der an - dern einnahm / groſſen Anhang bekam / ja auch etliche von den Officiren die Boris wieder jhm außſchickte zu jhm fiehlen. DaruͤberBoris Gude - now ſtirbet. der Großfuͤrſt ſo ſehr beſtuͤrtzet wird / daß Er den 13. Aprilis im Jahr Chriſti 1605. eines vnverhofften jehelichen Todes ſtirbet. Die Herꝛn in Mußcow erwehlen zwar alsbald wiederumb des verſtorbenen Groß -4. Fœdor Boriſſowitz zum Gꝛoßfuͤr - ſten erwehlet 1605. fuͤrſten Boris Sohn / Fœdor Boriſſowitz, ſo noch gar ein junger Herꝛ / aber da ſie ſehen daß des Demetrij Macht je lenger / je groͤſſer wird / ſtellen ſie jhnen darauß ein boͤß Prognoſticon, gehn zuſammen / deli - beriren, vnd kommen auch auff die meinung / daß diß der rechte De - metrius, welchen man zu Uglitz vmbgebracht zu ſeyn vermeinete / ſein muſte / hetten derwegen keine Vrſache jhrem Landesherꝛn ſich fer -ner153Reiſe Beſchreibung. ner zu wieder ſetzen. Als diß der Gemeine vorgetragen wird / wahren ſie gar leicht auch zu ſolcher meinung zulencken / rieffen derwegen uͤber laut: Gott gebe Gluͤck dem Demetrio, als dem rechten Er - ben des Landes / vnd vertilge alle ſeine Feinde. Lauffen dar - auff auffs Schloß / legen die Haͤnde an jhren erſt erwehlten jungen Großfuͤrſten / vnd nehmen jhn gefangen / pluͤndern vnd verſtoſſen alle die / ſo von des Boris Gudenow Geſchlechte uͤbrig wahren. Senden zum Demetrio, bitten jhn / Er wolte nur kommen / vnd ſeines Vaters Stul beſitzen / vnd jhnen wegen des ſo langen Wiederſtrebens / welches theils auß vnwiſſenheit / theils auß verhetzung der Gudenower ge - ſchehen / perdon ertheilen / Sie hetten jhm bereit einen Weg gemachet: Fedor Boriſſowitz mit der Mutter vnd Schweſter gefangen / wol - ten dieſelben ſampt dero gantzen familie in ſeine Gewalt geben. Diß war dem falſchen Demetrio eine laͤngſtgewuͤnſchte gute Zeitung. Ehe er aber in die Stadt Mußcow vnd auff die Reſidentz ziehen wolte /Großfuͤrſt Fedor Bo - riſſowitz wird erwuͤr - get. ſchickte Er einen Deak oder Schreiber Ivan Bogdanow voran / wel - cher den jungen Großfuͤrſten ſampt ſeiner Mutter vmbbringen / vnd außgeben muſte / Sie hetten ſich ſelbſt mit Gifft vergeben. Wurde al - ſo dieſer junge Großfuͤrſt Fedor Boriſſowitz im andern Monat ſei - ner Regierung / nemblich den 10. Junij, Anno Chriſti 1605. in ſeinem Gemache mit einem Strange erwuͤrget.
Den 16. Junij ruͤcket der falſche Demetrius mit ſeiner gantzen Macht vollend vor die Stadt Mußcow / da denn die Mußcowiter ho - hes vnd niedriges Standes Perſonen jhm entgegen kamen / herꝛliche Geſchencke brachten / vnd zum Einzuge gratulirten. Den 29. Julij iſtDer falſche Demetrius wird zum Großfuͤrſten gekroͤnet. Er mit groſſer Solennitet gekroͤnet worden. Nach dieſem / damit der Betrug deſto weniger gemercket / vnd Er deſto gewiſſer fuͤr den Deme - trium gehalten wurde / leſſet Er des rechten Demetrij Mutter / welche Boris Gunedow in ein ferne von Mußcow abgelegenes Kloſter ge - ſetzet / wieder nach Mußcow holen / gehet jhr mit praͤchtigem Geleite vor der Stadt entgegen / empfaͤhet ſie freundlich / helt jhr auff dem Schloſſe eine Koͤnigliche Taffel / beſuchet ſie taͤglich / vnd thut jhr ſo hohe Ehre an / als ein Kind jmmer ſeiner leiblichen Mutter thun mag. Dieſe gute Frawe / wuſte zwar wol / daß jhr leiblicher Sohn warhaff - tig vmbgebracht war / vnd dieſer jhr nicht zukommen koͤnte / aber gleich - wol ließ ſie es / theils auß Furcht / theils daß ſie nach ſo lang außgeſtan - denem Elende vnd betruͤbten Zuſtande ſolche Ehre vnd Ergetzligkeit genieſſen moͤchte / geſchehen / vnd wiederſpricht es nicht. Da aber De - metrius ſeine Hoffſtadt vnd manier zu regieren / Gebraͤuche vnd Ge - wonheiten nicht wie andere Großfuͤrſten anſtellete vnd beobachtete; eine Polniſche vnd Catholiſche Jungfraw / nemblich des Weywoden zu Sandomir Tochter heyrahtete; groß Geld vnd Gut auß dem Schatze nam / vnd die Braut damit wol außzuſtaffiren in PolenVſchick -154Newe Perſianiſcheſchickte; vnd andere verdaͤchtige Dinge mehr vornam / that es den Ruſſen im Hertzen wehe / kamen auff andere Gedancken / vnd mercktenKnees Wa - ſili Zuski wieder den Demetrium. daß Sie betrogen wehren. Vnter den fuͤrnembſten Kneeſen oder Fuͤrſten des Landes war einer mit Namen Waſili Zuski, welcher mit andern groſſen Herꝛn vnd Pfaffen ingeheim darauß redete / vnd jhnen vorſtellete / in was groſſer Gefahr durch dieſen Großfuͤrſten jhre Reli - gion, ja Land vnd Leute geſetzt wuͤrden. Dann allem anſehen nach wehre dieſer von Ankunfft nicht eines Großfuͤrſten Sohn / vnd getre - wer Landes Vater / ſondern ein Landverraͤhter. Werden derwegen die Ruſſen einig den Demetrium heimlich auß dem Wege zureumen. Zuski wird zum Tode ver - dammet.Dieſe Conſpiration aber wurde dem Großfuͤrſten kund gethan / wel - cher den Zuski als Redelfuͤhrer zum Tode vervrtheilen lieſſe / Als der aber zur Wallſtadt gefuͤhret vnd jhm das Schwerdt an den Halß ge -Erlanget perdon. ſetzet wird / leſſet der Großfuͤrſt jhm Gnade ankuͤndigen / vnd vergab jhm auff dißmal ſolch begangen Crimen læſæ majeſtis, vermeinend dadurch ſich nach gelegenheit einen geſtrengen vnnd auch gnaͤdigen Herꝛn zuerweiſen / ſeinen Vnterthanen wieder dergleichen Conſpira - tion eine Furcht einzujagen / vnd auch dero Liebe gegen jhm zuerwecken
Die Ruſſen halten ſich auch eine zeitlang gegen jhm ſtille vnd De - muͤtig / vnd machen alſo jhren Großfuͤrſten gantz ſicher / biß zur Zeit des Beylagers / welches Anno Chriſti 1606. den 8. Maij gehalten wurde. Demetrij Beylager.Da alsdann mit der Braut ſo viel Polen vnd andere Außlaͤnder meiſt gewapnet vnd geharniſcht in die Stadt kamen / kriegten die Ruſſen auffs newe weite Augen. Knees Vaſili Zuski berieff abermal die Fuͤr - nembſten der Stadt in geheim auff ſeinen Hoff / wiederholet die groſſe Gefahr jhres Vaterlandes vnter dieſem Großfaͤrſten / vnd ſo derſelbe noch lenger beym Regimente bleiben ſolte / wehre nichts gewiſſers als jhr endlicher ruin zu hoffen. Er fuͤr ſeine Perſon hette fuͤr die Griechi - ſche Religion vnd Wolfart ſeines Vaterlandes bereit einmahl ſein Le - ben gewaget / wolte es noch ferner thun / vnd ſehen wie dem Vnheil vor - zukommen / ſo ferne ſie jhm trewlich beyſtehen wolten. Die andern be - dachten ſich nicht lange / verhieſſen vnd ſchwuren Gut vnd Blut bey jhm auffzuſetzen / Er ſolte nur anfangen was er wolte.
Dieſer Rahtſchluß wird in geheim gehalten / vnd auff gelegenheitAuffſtandt der Mußco - witer wieder den Großfuͤr - ſten Deme - trium. gelauret / welche ſich in den letzen Tagen des Beylagers bequem er - zeigete. Haben derwegen die Ruſſen den 17. Maij, nemblich den 8. Tag des Beylagers in der Nacht / da der Großfuͤrſt mit den Seinen Wein vnd Schlaffes voll / ſich auffgemachet / mit allen Glocken ſtur - men laſſen / vnd in geſchwinder Eyl die gantze Stadt ins Gewehr ge - bracht. Der erſte Anfall wurde ans Schloß gethan / die Polniſche Wache an den Pforten nieder gemachet / die Pfoꝛten eroͤffnet / ins Groß - fuͤr ſtliche Gemach gedrungen / alles gepluͤndert vnd weggeriſſen / der Großfuͤrſt / welcher durchs Fenſter auff den Platz vnter die uͤbrige Wache ſich zu ſalviren gedacht〈…〉〈…〉 irdd ergrieffen / geſchimpffet vnd ge -ſchla -155Reiſe Beſchreibung. ſchlagen. Da diß ſeine vermeinte Mutter vernimpt / vnd von den Zuski auffs Creutzkuͤſſen gefraget wird / Ob diß jhr rechter Sohn ſey / ſaget Sie alsbald: nein. Sie hette nicht mehr als einen Sohn zur Welt gebracht / der wehre in der erſten Jugend verraͤhteriſcher weiſeDemetrius wird erſchoſ - ſen. vmbgebracht worden / Darauff wird der falſche Demetrius mit einer Piſtolen todt geſchoſſen. Hernach ſind die Diener / Hochzeit Gaͤſte / vnd andere Frembde / vnter welchen viel Jubilirer mit koͤſtlichen Kleinodien / in geſampt 17. hundert Mann vnbarmhertzig nieder gemachet. Die Großfuͤrſtin ſampt jhrem Vater / den Weywoden / vnd Bruder / wie auch Koͤnigliche Polniſche Geſandten / ſo mit auffs Beylager geſchickt waren / wurden gefangen genommen / vnd uͤbel tractiret, die Adeliche Damen vnd Jungfrawen mit gewalt niedergeriſſen vnd geſchendet. Des Demetrij Coͤrper aber haben Sie nackend außgezogen / fuͤrs Schloß auff den Platz geſchleppet / vnd auff einem Tiſche 3. TageDes falſchen Demetrij Coͤrper wird verbrandt. bloß liegen laſſen / daß jederman den Betrieger ſehen vnd verfluchen ſolte. Hernach iſt er in die Erde geleget / wieder herauß genommen vnd verbrennet worden.
Weil dieſer Handel nach der Ruſſen Wundſch wol abgangen /Knes Ivan Vaſilowitz Zuski zum Großfuͤrſten gemachet. haben Sie jhren Redelfuͤhrer / Knees Ivan Vaſilowicz Zuski, zum Großfuͤrſten gemachet / vnd den 1. Junij des 1606. Jahres ge - kroͤnet. Als dieſer kaum ins Regiment getretten / erhebt ſich abermal ein newer Betrieger Namens Knes Gregori Schacopski, wil ſich auch des vorigen Demetrij invention gebrauchen. Er hatte in den Tumult auff dem Schloſſe das Großfuͤrſtliche Jnſigel erwiſchet /Ein newer falſcher De - metrius gibt ſich an. damit gehet Er neben zweyen Polacken nach Polen zu / bringet vnter - wegens in allen Herbergen auß / Er wehre der Demetrius, vnd in den Scharmuͤtzel den Ruſſen liſtig entkommen / Sie hetten / weils in der Nacht geweſen / einen andern fuͤr jhn angeſehen / vnd an ſeine ſtatt todt geſchlagen / wolte jtzo in Polen / vnd eine newe Armada auffrichten / ſeinen erlittenen Schimpff vnd Schaden an den Mußcowitern rechen. Gibt auch allenthalben an die Wirthe ſtattliche Verehrung. Es wird von denen / die nicht in Mußcow geweſen / gegleubet / vnd nach Mußcow berichtet. Welches Geſchrey abermal nicht ſchlechte verwirrung ver - urſachet. Wieder dieſen vnd noch andere / die ſich auch fuͤr den rechten Demetrium außgaben / vnd viel wunders macheten / (darzu dann die Polniſche Herꝛn vmb den erlittenen Schimpff ſich an die Mußcowi - ter zurechen / nicht wenig holffen) muſten die Ruſſen groſſe Kriege fuͤh - ren. Weil ſie aber zum offtern ſehr einbuͤſſeten / gaben ſie die Schuld jhrem Großfuͤrſten dem Zuski, fuͤrgebend / Er muſte ja ein ſo vngluͤck - ſeliger Herꝛ in ſeiner Regierung ſeyn / das der Sieg allzeit gleichſam vor jhm floge / vnd ſich zu den Feinden wendete / vermeineten es wurde dieſe Blutſtuͤrtzung in Rußland nicht auffhoͤren / ſo lange Er das Regi - ment fuͤhren wurde. Derowegen ſie auff antrieb dreyer Mußcowiti - ſchen Herꝛn / nemblich Zacharias Lippenow, Michael Molzanek,V ijvnd156Newe PerſianiſcheGroßfuͤrſt Zuski wird ins Kloſter verſtoſſen.vnd Ivan Keſefski, jhm im dritten Jahre ſeiner Regierung Scepter vnd Kron namen / ins Kloſter ſtieſſen / vnd wieder ſeinen willen zu einem Muͤnche ſchoren. Beſchloſſen darauff nicht mehr einen auß jhren Mitteln / ſondern einen Außlaͤndiſchen hohen Potentaten / welcher von Koͤniglichen oder Hochfuͤrſtlichen Eltern geboren / zu jhren Großfuͤr - ſten zu haben / vnd wuſten wegen Hoheit / naher gelegenheit / auch jhrer Sprache / Sitten / Kleidung vnd ander vrſachen halber keinen beque - mern darzu / als des Koͤniges in Polen Sohn Uladiſlaum; Thaten derwegen dißfals einen Vorſchlag an dem Koͤnig in Polen / welcher auch auff gewiſſe conditiones acceptiret wurde. Dieſes geſchahe Anno Chriſti 1610.
Da namen die Ruſſen jhren Großfuͤrſten Ivan Vaſilowitz Zuski, wieder auß dem Kloſter / vnd ſchickten jhn ſampt ſeinen Bruder / vnd etlichen andern Ruſſiſchen Herꝛen / ſo von des Zuski familia gefangen nach Smolensko an den Koͤnig in Polen / vnter welchem Er auch im Gefaͤngniß geſtorben / vnd zwiſchen Warſchow vnd Thorn am Wege ſol begraben liegen.
Der Koͤnig in Polen gab ſeinem Feldherꝛn Staniſlao Solkouski, welcher damals mit einer Armada feindlich vor Mußcow lag / befehl / das nach gemachtem Stillſtand Er in Namen ſeines Sohns die Hul - digung auffnehmen / verrichten / vnd ſo lange in Mußcow reſidirenDes Koͤnigs in Polen Sohn Ula - dislaus wird zum Großfuͤꝛ - ſten erwehlet vnd jhm ge - huldiget. ſolte / biß Uladiſlaus ſelbſt Perſoͤnlich kehme. Die Ruſſen lieſſen jhnen diß auch gefallen / ſchwuren dem Feldherꝛn im Namen Uladiſlai vnd namen von jhm wiederumb einen Eyd / f[uͤh]rten jhn ſampt 1000. Mañ auff das Großfuͤrſtliche Reſidentz Hauß / empfingen jhn mit allerhand koͤſtlichen Geſchencken vnd tractamenten. Das Polniſche Heer aber bliebe drauſſen vor der Stadt friedlich liegen / vnd war groſſe Freund - ſchafft zwiſchen den Mußcowitern vnd dem Polniſchen Laͤger / hielten taͤgliche Zuſammenkunfften vnd Handlung vnter einander. Mitler - weil machten ſich die Polen eintzeln in die Stadt / ſuchten bey den Buͤr - gern Quartier / biß endlich bey 6000. Mann auff vnd vmb den Schloſſe ſich befunden / welche dann den Ruſſen in Haͤuſern / Kirchen vnd auff den Gaſſen ziemlich beſchwerlich fiehlen / daß ſie lieber gewolt /Die Wahl gerewet den Mußcowi - tern. ſie hetten niemals mit den Polen zuth[un ge]habt / zumal weil die Zeit der Ankunfft jhres newen Großfuͤrſten / der ſich etwas verweilete / zu lang / vnd das Werck jhnen verdaͤchtig fallen wolte. Verſamlen ſich derwegen die Mußcowiter den 26. Jan. des 1611. Jahres auff dem Platze vorm Schloſſe bey etliche 1000. Mann / fuͤhren ſehr ſchwere Klagen wieder der Soldaten groſſe Gewaltthaten vnd Vppigkeiten / ſo ſie an jhnen / jhren Toͤchtern / Weibern vnd ſonderlich jhren Heili - gen / nach welchen ſie mit Piſtolen ſchoͤſſen / taͤglich ſehen muſten. Auff 6000. Mann in der Stadt zu vnterhalten gienge taͤglich ein groß Geld. Sie wurden an jhrer Handthirung verhindert / vnd auff den euſſerſten Grad außgeſogen; Der New erwehlte Großfuͤrſt ſtelteſich157Reiſe Beſchreibung. ſich auch nicht ein / ſie wuſten nicht was ſie gedencken ſolten / ſie kontens auff dieſe weiſe nicht lenger treiben / ſie muſten jhre Wolfarth beobach - ten / vnd zu andern Mitteln greiffen.
Ob nun zwar der Feldherꝛ mit guten Worten Sie zufrieden zu - ſprechen ſich bemuͤhete / auch an etlichen Verbrechern der ſeinen ſcharffe Execution ergehen lieſſe / kunte den Ruſſen doch daran kein gnuͤgen geſchehen. Als derwegen die Polen ſich eines allgemeinen AuffruhresAuffruhr der Mußcowiter wieder die Po - len in Muß - cow. befuͤrchteten / hielten ſie ſtarcke Wache / beſetzten alle Gaſſen vnd Pfor - ten / vnd verbotten / das kein Ruſſe ſich mit einem toͤdlichen Gewehr ſolte betretten laſſen / durch welches die Ruſſen noch mehr verbittert wurden / rottiren ſich in etliche hauffen an vnterſchiedlichen Orten der Stadt / das die Polen ſie zuwiederſtreben ſich zertheilen ſolten. Die Polen aber hergegen zuͤnden an vnterſchiedlichen Orten die Stadt an / daß die Ruſſen / ſo ferne ſie jhr Weib / Kind / vnd was jhnen ſonſt lieb /Mußcow gantz abge - brandt. nicht wolten ſehen im Rauch auffgehen / zu retten lauffen muſten; Darauß entſtund ein ſolcher Brand vnd Blutbadt / daß jnner 2. Ta - gen die groſſe weit vmbgrieffene Stadt Mußcow / außgenommen das Schloß vnd die ſteinern Kirchen / gantz eingeaͤſchert / der Mußcowiter uͤber zweymal hundert tauſend vmbkommen / vnd die uͤbrigen verjaget worden ſeynd. Darauff iſt das Schloß / der Großfuͤrſtliche Schatz / Kirchen vnd Kloſter gantz außgepluͤndert / vnd ein vngleubliches Gut / an Gold / Silber / Perlen / Edelgeſteinen vnd andern koſtbaren Sa - chen weggebracht vnd nach Polen geſchickt worden. Die Soldaten ſollen / wie Petrejus ſchreibet / auß uͤbermuth jhre Roͤre mit groſſen Zahl - perlen geladen / vnd in die Lufft geſchoſſen haben. Solchen groſſen Raub / vnd vnter andern ein ſehr groß Einhorn / ſo mit groſſen Dia - manten vñ andern koͤſtlichen Steinen beſetzet / beklagen die Ruſſen noch heutiges Tages.
Vierzehn Tage nach ſolchem Tumult kam Zacharias Lippenaw (welcher neben andern zweyen vor dieſem angeſtifftet / daß der Zuski verſtoſſen / vnd des Koͤniges in Polen Sohn zum Großfuͤrſten erweh - let wurde) mit etliche tauſend Mann / ſo er im Lande zuſammen ge - bracht / in Mußcow an / belaͤgerte die Polen auff dem Schloſſe / welche im Scharmutzel auch ziemlich geſchwaͤchet waren / that jhnen groſſen Abbruch / vnd brachte es dahin / daß die Polen accordiren, das Schloß uͤbergeben / vnd wieder auß dem Lande ziehen muſten.
Da die Ruſſen wiederumb Meiſter im Lande waren / erwehltenMichael Fe - dorowitz zum Großfuͤr - ſten erwehlet vnd gekroͤnet 1613. vnd kroͤnten ſie den jtzigen Großfuͤrſten Michael Fedorowitz, wel - ches geſchah im Jahr Chriſti 1613. Dieſes ſein Vater war Fedor Nikititz, von des Tyrannen Ivan Vaſil: Geſchlechte. Als der den Eheſtand verließ vnd ſich in den geiſtlichen Orden begab / iſt Er zum Patriarchen erwehlet worden / da Er denn ſeinen Namen geendert / vnd ſich Filiret Nikititz genandt. Der Sohn gleich wie Er von Na - tur ſehr from vnd devot, alſo erwieſe Er dem Vater / ſo lange Er lebteV iijalle158Newe Perſianiſchealle Ehre vnd Kindlichem Gehorſam. Wenn frembder Potentaten Geſandten fuͤr J. Z. Maytt. erſchienen / ließ Er gemeinlich den Vater mit ſeiner gantzen Cleriſey in oͤffentlicher Audientz jhm zur rechten Hand ſitzen. Es iſt dieſer Patriarcha Anno Chriſti 1633. kurtz vor vn - ſer erſten Ankunfft in Mußcow mit tode abgangen.
Der jtzige Großfuͤrſt aber hat ſein Regiment biß dato mit allen Glimpff vnd ſowol gefuͤhret / daß jhm jederman / ſo wol die Deutſchen in Mußcow / als die Ruſſen das Zeugniß geben / daß Er ſeine Vntertha - nen recht als ein Vater ſeine Kinder mit trewen gemeinet vnd geliebet.
Er hat einen einigen maͤnnlichen Erben uͤbrig Namens Knes Alexei Michalowitz, welcher nach des Vatern Tode das Regiment bekommen ſol. Man hat gute hoffnung von jhm / weil man allbereit an jhm guten Verſtandt / vnd maͤnnliches Gemuͤthe verſpuͤret.
Vnd ſo viel von den Großfuͤrſten / wie ſie in dieſem Seculo oder hundert Jahren her ordentlich nacheinander regieret haben.
Es hat der Großfuͤrſt ſeine Reſidentz in Mußcow auff dem Schloſſe Kremelina, von welchem Er nicht koͤmpt / es were dann etwa eine fuͤrnehme Proceßion vnd Wallfarth in eine Kirche oder Kloſter / vnd bißweilen auff die Jagt / welche doch gemeiniglich bey gehaltener Wallfarth angeſtellet wird / ſonſt kompt Er im Lande nirgend hin.
Weil dann J. Z. M. ein ſo trefflicher Herꝛ / vnd gleich als ein Monarcha geachtet iſt / leſſet Er Jhm auch als billich ſolche Majeſtaͤtiſche Hoheit angelegen ſeyn / vnd beobachtet die Jura maje -1. Jhm ſeind alle / Er aber niemand vn - terworffen. ſtatis, gleich andern Monarchen vnd abſoluten Herꝛn / Als nemlich: Er iſt keinen Geſetzen vnterworffen / mag aber nach ſeinem gutduͤncken vnd belieben ohne conſens anderer Befehle geben vnd ordnen / welche auch alle gehorſamlich auffgenommen / vnd reſpectiret werden. Da - her vnd zubezeugen deſſelben vnfehlbaren Warheit vnd Gerechtigkeit ſie ein Sprichwort haben: GOttes vnd des Großfuͤrſten Wort muß nicht geendert / ſondern vnfehlbar gehalten werden.
Er ſetzet Oberkeiten ein vnd ab / ja verjaget ſie / leſſet hinrichten / wen vnd wenn Er wil. Jn allen Provincien vnd Staͤdten hat Er ſeine Weywoden vnd Verwalter / welche mit Cantzler vnd Deaken juſtitz adminiſtriren muͤſſen. Was dieſe richten wird zu Hoffe fuͤr ge - nehm gehalten. Es geſchehen auch von dero Gerichte keine appella - tiones nach Hoffe.
Bey ſolcher verwaltung der Provincien helt Er eben die Art vnd Weiſe / welche beym Barclajo der Cleobulus dem Koͤnige in Sicilien ruͤhmet vnd rahten wil. Daß Er nemblich keinen Weywoden oder Amptman uͤber 2. oder 3. Jahr an einem Orte herꝛſchen leſſet. Es ge - ſchehe denn auß erheblichen Vrſachen / damit nicht das Land entwederdurch159Reiſe Beſchreibung. durch vnbillige Regierung allzulange beſchwert / oder durch allzu fami - liare Freundſchafft vnd Vertrawligkeit zum Abfall moͤchte verlei - tet werden.
Es leſſet der Großfuͤrſt ſeine Muͤntze von lautern Silber vnd auch3. Leſſet ſil - berne vnd guͤl - dene Muͤntze ſchlagen. bißweilen von Golde / vnd dieſelbe alle klein vnd laͤnglicht als Oval ſchlagen. Auff der einen ſeiten ſtehet der Reuter mit einem Spieß / vnd vnter ſich gelegtem Drachen / welchen Er im Reichs Sigill fuͤhret / vnd vor dieſem nur der Newgarter Wapen geweſen. Auff der andern ſei - ten aber iſt der Name der Stadt / in welcher es gepraͤget iſt; Dann es leſſet der Großfuͤrſt die ſilberne Muͤntze nicht alleine ſelbſt in der Muß - cow / ſondern auch durch gewiſſe privile girte Kauffleute in Newgart / Twere vnd Pleßkow ſchlagen / vnd werden die Sorten Denning vnd Copecke genandt. Die ſilberne Copecke haben bißher einer ſo viel als ein Groſchen oder doppelt Schilling gegolten / jtzo rechen ſie 100. auff einen Rubel. Ein Rubel aber iſt 2. Rthl. Es gelten auch vnſere Reichsthaler bey jhnen / welche Sie Jafimke (von Jochims Thalern) nennen vnd gerne nehmen / bringen ſie aber bald in die Muͤntze vnd ge - winnen daran. Dann ein Rubel oder 100. Copeck wiegen ein halb Loth geringer als 2. Rthl. Jhr kauffen vnd verkauffen in geringen Sachen geſchiehet nach Altin / ſo 3. oder Grieffen ſo 10. Copecken be - deuten. Sie haben auch noch kleinere Sorten / in gleicher Form / welche ſie Poluske vnd Muskofske nennen / da jeglicher nur halb ſo viel als das ander gilt. Es iſt uͤbel darmit zuhandeln / weil es einem leicht durch die Finger fallen kan / Daher ſeynd die Ruſſen gewohnt / daß / wenn ſieRuſſen halten das Geld im Munde. in beſichtigung oder abmeſſung der Wahren ſtehen / Sie die Cope - cken / offt bey 50. Stuͤck / ins Maul nehmen / reden vnd handeln jm - merfort / daß mans jhnen nicht anmercken kan. Machen alſo / nach dem Buchſtaben zu reden / die Ruſſen jhr Maul zur Taſchen.
Die guͤldene Muͤntze ſihet man nicht viel / es leſſet ſie auch der Großfuͤrſt nur ſchlagen / wenn etwa eine Victoria wieder den Feind er - halten iſt / daß ſie den Soldaten oder auch ſonſten als Gnadenpfennige verehret werden.
Es pfleget der Großfuͤrſt auch digniteten vnd Hoheiten außzu -4. Begabet die ſeinen mit Digniteten vnd Wuͤꝛden. theilen / Jn dem Er die / ſo ſich wol vmb jhm vnd das Land verdienet / oder ſonſt ſeine Gnade erlanget / zu Kneſen oder Fuͤrſten machet.
Es haben auch etliche Großfuͤrſten / weil ſie gehoͤret daß es in Deutſchland ein Regale; Doctores creiren, etliche vnter jhren Deut - ſchen medicis, ja auch wol Chyrurgos mit dem gradu Doctoratus durch Diplomata zubegaben jhnen belieben laſſen.
Es ſchicket der Großfuͤrſt zum offtern koſtbare Geſandſchafften5. Gebrau - chet ſich der Legationen. vnd Poſten an frembde Potentaten / wird auch von denſelben gleichfals wieder begruͤſſet / vnd beſuchet. Es geſchiehet offt das 2. 3. vnd mehr Parteyen Geſandten zugleich in Mußcow liegen / vnd auff expedi - tiones, welche langſam zugeſchehen pflegen / warten. Es halten da -ſelbſt160Newe Perſianiſcheſelbſt auch J. K. M. in Schweden / Jtem die in Engeland jhre Le - gatos perpetuos oder Reſidenten, ſo in eigenen Hoͤffen wohnen.
Es gehet dem Großfuͤrſten jaͤhrlich ein groſſes auff die frembden Geſandten / dann Er dieſelben / wie oben gedacht / auff ſeine Vnkoſten / ſo lange ſie jnner den Ruſſiſchen Graͤntzen ſeynd / Fuhr - vnd Zehrung frey haͤlt / vnd daſſelbe reichlich. Dann es werden die fremden Geſand - ten jtzo nicht wie vor dieſem / ſonderlich zu des Tyrannen Zeiten / ge - ſchimpffet oder verachtet / ſondern neben obſervirten reſpect J. Z.Gute Ordre in fortſchaf - fung der Ge - ſandten. M. in allen Ehren gehalten / vnd wol beſchencket. Auff den Landſtraſ - ſen iſt es vmb die Geſandten vnd Poſten ſchleunigſt fort zukommen wol angeordnet. Es werden auff vnterſchiedlichen Doͤrffern gewiſſe Bawren / welche kaͤglich mit etlichen / auff einem Dorffe bey 30. 50. vnd mehr Pferden bereit ſeyn muͤſſen / gehalten / daß / wenn des Groß - fuͤrſten Ordre koͤmpt / ſie alsbald vorſpannen / vnd fort eilen koͤnnen. Man kan mit ſolcher gelegenheit von Newgart in Mußcow / ſo 120. Deutſche Meilen gerechnet wird / im ſechſten oder ſiebenden Tag gar wol kommen / vnd zur Winterszeit mit den Schlitten noch wol ehe. Fuͤr ſolchen Dienſt bekoͤmpt jeglicher Bawr des Jahres 30. Rubel / hat darneben ſeinen freyen Ackerbaw / vnd iſt von allen Schatzungen vnd Beſchwerungen frey; Wenn ſie reiſen / muß der Priſtaff jeglichem nach gelegenheit ein oder zwey Altin (welches ſie Butterbrod nennen) darzu außtheilen / daß Sie ſich bey ſolchem Dienſte wol befinden / da - her ſtreben jhrer viel darnach ſolche Schuͤßbawren zu ſeyn.
Die jaͤhrlichen Intraden vnd Einkunfften des GroßfuͤrſtenJaͤhrliche Einkunfften des Großfuͤr - ſten. werden auff ein ſehr hohes geſchaͤtzet / dann Er von ſo vielen Laͤn - dern vnd Provincien reichen Tribut / vnd von den Handelſtaͤdten vnd Graͤntzen groſſe Zolle einzunehmen hat. Es ſol alleine die fuͤrneh - me Handelſtadt Archangel, ſo an der weiſſen See lieget / eins mals des Jahres / wie man vns berichtete / eine vngleubliche Summa Geldes / nemblich drey mal hundert tauſend Rub. Zoll eingebracht haben. Es bringen jhm auch die Kabaken oder Kruͤge / ſo Er / vnd zwar alleine / hin vnd wieder in allen Staͤdten vnnd Doͤrffern vn - zehlich viel hat / ein groſſes ein. Zu Newgarten ſeynd 3. Kabaken / vnnd geben jegliche des Jahres 2000. Rubel oder 4000. Rthl. Geſchweige was Er an den groſſen Handlungen der Peltereyen vnd andern Wahren / ſo theils jnner / theils auſſerhalb Landes ge - fallen / gewinnet. Dann Er treibet in Tartarien / Tuͤrckeyen vnd ſonderlich in Perſien durch gewiſſe Perſonen viel Gewerbe vnd Hand - lung. Jn dem Er etlichen ſeinen Vnterſaſſen eine gewiſſe Summa Geldes anvertrawet / vnd ſie darmit fuͤr jhm zuhandeln an gedachte oͤrter außſendet. Einen ſolchen Großfuͤrſtlichen Kauffman NamensSavelli ein Ruſſiſcher Kauffman entlaͤufft. Savelli, ſo mit 4000. Thl. außgeſandt war / traffen wir in Perſien an. Als dieſer aber ſein Pfund nicht wol angeleget / ſondern in 3. Jahren / die er außgeweſen / gedachtes Geld meiſt durchgebracht / gab der Groß -fuͤrſt161Reiſe Beſchreibung. fuͤrſt ſeinem Poslanik oder Kleingeſandten Alexei Sawinowitz Ro - mantzikow, welchen Er mit vns in Perſien ſchickte / befehl / ſelbigen vngetrewen Kauffman in Ketten zuſchlieſſen / vnd mit herauß zubrin - gen. Der Geſandte trifft jhn zwar zu Schamachie in Meden an / weil aber damals eben ſein Dolmetſcher geſtorben / gebraucht Er jhn an deſſen ſtatt / leſſet ſich ſeines habenden Befehls nichts mercken / ſtellet ſich allezeit gegen jhm freundlich an / vnd nimpt jhn mit zum Koͤnige / in meinung mit guten Worten biß an die Graͤntze zubringen. Savelli aber mercket den Poſſen / vnd als der Geſandte ſich wieder auff die Ruͤckreiſe begeben wolte / lieff er zu Ispahan in die Allacapi oder Frey - heit / vnd ließ ſich beſchneiden / dadurch begab Er ſich vnter der Mahu - metiſten Schutz / vnd bliebe in Perſien.
Vnter andern jaͤhrlichen Einkunfften / iſt nicht die geringſte / ſoEyſen-Berg - werck in Ruß - land. das auff der Tartariſchen Graͤntze bey Tula (26. Deutſche Meilen von Mußcow) new erfundene Bergwerck bringet. Dieſes iſt erſt vor wenig Jahren daſelbſt eroͤffnet / vnd durch etliche Deutſche Bergleute ſo Jhr Churf. D. zu Sachſen auff J. Z. M. bitte hinein geſchickt / zum Stande gebracht worden / daß es jtzo gute Außbeute gibt. Sieben Werſte oder faſt anderthalben Meile von derſelben Mine iſt zwiſchen zweyen Bergen in einem luſtigen Thal / durch Anlaß eines bequemen Rivires ein trefflicher Eyſenhammer angeordnet / woſelbſt das Eyſen bereitet / in Stangen geſchmiedet vnd allerhand Sachen gegoſſen wer - den. Vber ſolchen Hammer hat der Koͤnig - vnd Fuͤrſtl: Commiſſa - rius Peter Marſelis, durch einen gewiſſen Contract, ſo der Großfuͤrſt mit jhm auffgerichtet / die Verwaltung / vnd lieffert in dero Maytt. Ruſtkammer jaͤhrlich neben einer gewiſſen Zahlſtangen Eyſen / etliche groſſe Stuͤck ſampt 50. tauſend Pud. Kugeln. Daher Er bey J. Z. M. wie auch dero Sohn. Knes Alexei Michalowitz in groſ - ſen Anſehen / vnd in vnterſchiedlichen Handlungen / ſo Er alleine fuͤhren mag / als benandtlich neben dem Eyſen auch Korn / Thaͤr vnd Thran Handel. Jtem Goldſpinnerey / welches ſonderlich / weil die geſtickte Arbeit in Rußland ſehr gebraͤuchlich / ein groſſes traͤget / hoch privilegiret.
Die jenigen aber ſo ſich / wie an Fuͤrſtlichen Hoͤffen zu geſchehenNewer In - ventorum Gluͤck am Mußcowiti - ſchen Hoffe. pfleget / mit newen Inventionen die Herꝛn reich zumachen / aber biß - weilen ſich am meiſten meinen / angeben / haben an den Mußcowitiſchen Hoffe wenig Gluͤck vnd Gedeyen. Es mag zwar dieſer Großfuͤrſt wol leiden / daß man was Newes angibt / dadurch der Schatz vermeh - ret werden koͤnte. Aber damit / ſo etwa ein Betrug darunter / oder die Sache nicht wie man verhoffet / gelingen moͤchte / Er ohne ſchaden bleibe / muß der Inventor den Verſuch vnd praxin auff ſeine eigene Vnkoſten thun / oder ſo Er den Verlag nicht hat / werden jhm auff ge - wiſſe Caution vnd Buͤrgſchafften etliche Gelder verſtrecket / gelin - gets wol / ſo hat der Inventor reiche Belohnung / im wiedrigen FallXmuß162Newe Perſianiſchemuß Er vnd nicht der Großfuͤrſt einbuͤſſen. Wie ſolch Exempel noch newlicher Zeit mit einem Engliſchen Kauffman (deſſen Name ich Eh - ren halber verſchweige) ſonſt einen frommen auffrichtigen vnd wolha - benden Manne / ſo lange in Mußcow gewohnet / vnd gute Handlung getrieben / iſt vorgangen. Als dieſer angab vnd vermeinete eine Gold - mine im Lande zufinden / hat es der Großfuͤrſt jhm zwar gefallen laſ - ſen / auch Gelder darzu verſtrecket / Als aber dem guten Manne das Werck zu Waſſer / Arbeit vnd Vnkoſten verlohren wurden / vnd ſeine Guͤter die verſchloſſene Gelder wieder zuerlegen nicht zureichen wol - ten / wurde Er in den Schuldthurm geſetzet / hernach auff gewiſſe Buͤr - gen wieder Fußfrey gemachet / daß Er vmbher gehen / gute Leute an - ſprechen / vnd ſo viel zuſammen bringen kunte / damit Er den Großfuͤr - ſten vnd ſeine Buͤrgen contentiren, vnd frey auß dem Lande kommen kunte. Solchen ſeinen Vnfall / vnd Ruſſiſchen Proceß hat Er mir / als ich newlich in Mußcow war / vnd diß damals eben vorgieng / ſelbſt vmbſtaͤndig vnd beweglich erzehlet.
Ob nun zwar der Großfuͤrſt groß Einkommen hat / ſo hat Er auch hergegen groſſe Außgaben. Er muß jaͤhrlich an die Soldaten / deren viel auff den Graͤntzen (weil mit den Nachbarn wenig Ver - trawligkeit) vnd in den Staͤdten; in Mußcow alleine 16. tauſend / ja im gantzen Lande bey hundert tauſend Mann / taͤglich gehalten werden / groſſe Summen Geldes vnd Proviants geben. Die Tartern von de - nen Er den Frieden kaufft / nehmen auch ein groſſes hinweg. Er haͤlt eine groſſe weitleufftige Hoffſtadt. Dann Er neben ſeiner koſtbaren Taffel in-vnd auſſerhalb des Schloſſes taͤglich bey tauſ: Mañ ſpeiſet.
Die manier Taffel zuhalten / hierbey mit zugedencken / verhaͤlt ſich alſo: Wenns Eſſen zeit iſt / wird nicht / als an andern Hoͤffen ge - braͤuchlich / zur Taffel geblaſen / ſondern es laͤufft einer fuͤr Kuͤch vnd Keller vnd rufft uͤber laut: Goſudar Kuſchsinung. Der groſſe Herꝛ ſol eſſen. So wird alsbald angerichtet. Der Großfuͤrſt ſetzet ſich alleine hinter die Taffel / vnd ſo etwa der Patriarche oder andere Herꝛn vnd Bojaren mit jhm zueſſen genoͤtiget werden / ſeynd fuͤr Sie auff den ſeiten neben Taffeln bereitet. Es werden die Eſſen / welche bey 50. vnd mehr ſeynd / nicht alle auff des Großfuͤrſten Taffel geſetzet / ſondern von den Auffwartern empor gehalten / vnd von einem Truxes angedeutet. Von welchem nun dem Großfuͤrſten beliebet / wird dar - gereichet. Die andern werden als begnadigungs Eſſen an etliche Herꝛn vnd Bediente / ſonderlich an die Herꝛn Medicos verſchicket.
Es helt der Großfuͤrſt jtzo drey Leib-medicos, als / D. Wendeli - num Sybeliſt, D. Johannem Belovium, vnd H. Hartmannum Gra - mannum, Gelerte / in der Medicin wolerfahrne / vnd in der Chur gluͤckliche Maͤnner / deren jeglicher Monatlich 60. in 70. Rubel / vnd noch darzu jaͤhrliche Beſoldung 2. oder 3. hundert Rubel neben freyenFut -163Reiſe Beſchreibung. Futter zum Pferde / Brodkorn / Maltz / Honig vnd was ſonſt zur Haußhaltung gehoͤret / bekoͤmpt. Auch wenn der Großfuͤrſt oder Großfuͤrſtin zur Ader laſſen / wird dem Medico, ſo darbey ſtehet vnd zuſihet / 100. Thl. oder ein Zimmer Zobeln verehret. Der Großfuͤrſt hat vor dieſem keine medicin jnnerlich gebrauchen wollen / weil Er aber ſeiner medicorum Trew vnd Auffrichtigkeit verſpuͤret / hat Er alles Mißtrawen hindan geſetzet / vnd nimpt jtzo / ſo offt es noͤtig / gerne von jhnen Artzney ein.
Von den Bojaren / Kneſen vnd andern groſſen Herꝛn bekom -Der Deut - ſchen Medi - corum in Mußcow her - liche Gelegen - heit. men die Medici fuͤr die Chur gar ſelten baar Geld / ſondern Zobeln / Speck / Brandwein / vnd ander Proviant. Sie wohnen in eigenen ſteinern Palaten / vnd leben herꝛlich. Sie muͤſſen zwar taͤglich zu Hoffe erſcheinen / vnd fuͤr den groſſen Herꝛn / ſonderlich aber fuͤr dem jhnen fuͤrgeſetzten Patron vnnd Inſpectoren der Zaariſchen Apoteken, welcher jtziger Zeit iſt Fedor Ivan Scheremetof, jhr Haupt ſchlagen. Sie werden aber am Hoffe nicht alleine von den groſſen Herꝛn / ſon - dern auch von dem Großfuͤrſten ſelbſt in guten reſpect vnd Ehren ge - halten. Man fodert auch jtzo von den Medicis vnd medicin nicht mehr als ſich gebuͤret; Dann ſie viel verſtaͤndiger darvon judiciren, als wol vor dieſer Zeit von andern Großfuͤrſten geſchehen / da man den Medicum wenn die Artzeney nicht nach jhren Willen wircken wollen / oder der Patiente geſtorben / mit Vngnaden angeſehen / vnd jhm alles Hertzeleyd angethan / wie die Hiſtoria von Boris Gudenow vnd ſei - nen medicis in Mußcow bekandt. Dann als Anno Chriſti 1602. Hertzog Johannes J. Koͤn. Maj. zu Daͤnnemarck Herꝛn Bruder in Mußcow / des Großfuͤrſten Tochter zu Heyrathen kam / vnd mit einer geſchwinden Kranckheit befallen wurde / befahl der Großfuͤrſt den Me - dicis mit ſehr harten Draͤuworken / daß ſie jhre beſte Kunſt an dem Hertzog beweiſen / vnd jhn nicht ſterben laſſen ſolten. Als aber keineWie Boris Gudenow die Medicos tractiret. Artzeney vorfangen wolte / vnd der Patiente ſtarb / muſten die medici ſich verſtecken / vnd von dem Großfuͤrſten eine lange Zeit nicht ſehen laſſen. Als aber eins mals der Großfuͤrſte groſſe Schmertzen vom Podagra, woran Er offte nieder lag / bekam / leſſet Er den einen medi - cum, welchen Er / vmb daß er jhn auch einmahl von den Schmertzen des Podagræ entlediget / zum Doctor gemachet / ſuchen / vnd vor ſich fordern. Dieſer vermeinte / daß es vmb ſein Leben geſchehen wehre / ließ ſeine Haar zotticht vnd wild vmb den Kopff vnd Geſichte haͤngen. Dann es bey jhnen der Gebrauch / das wenn alle gegen die hohen Feſte die Haare auff dem Kopffe glatt laſſen abſcheren / die in Vngnaden / zum Zeichen deſſelben / jhre Haare muͤſſen ſtehn vnd lang wachſen laſſen / zog ein alt zerſchnitten Kleid an / vnd kam auff allen Vieren zur Thuͤr hinein gekrochen / ſagende: Er ſey nicht wert / daß er lebe / viel weniger daß Er vor J. Z. M. erſcheinen ſolte / weil Er deſſen Vn - gnade verdienet. Bald ſtieß jhn ein Kneeß / welcher darbey ſtund mitX ijdem164Newe Perſianiſchedem Fuſſe / das die Spitze des Stieffels jhm den Kopff verwundete / in meinung dem Großfuͤrſten darmit zu liebedienen. Der Medicus aber / als Er einen gnaͤdigen Anblick vom Großfuͤrſten vermercket / machet jhm dieſe Schmach zu nutze / faͤhret mit klaͤglicher Stimme wei - ter fort: O groſſer Zaar / ich bin dein vnd keines andern Slave / habe mich groͤblich an dich verſuͤndiget / vnd den Todt verdienet / wolte mich auch gluͤckſelig ſchetzen / wenn ich von deinen Haͤnden ſterben ſolte / aber von dieſem deinem Knechte alſo geſchimpffet zuwerden / gehet mir ſehr nahe / weiß auch wol daß es dein Wille nicht iſt / daß ein ander uͤberEin Smeich - ler empfaͤhet ſeinen Lohn. deinen Diener Macht haben ſol. Darauff empfaͤhet der Medicus Gnade vnd 500. Rubel / auch die andern Medici werden perdoniret, vnd der Bojar gepruͤgelt. Jtzo aber / wie gedacht / gehen die Mußco - witer mit den Medicis vnd medicin viel beſcheidner vmb / vnd wiſſen wol / das Gott die Menſchen ſterben leſſet / vnd wenn Ziel vnd Stunde erreichet iſt / kein Doctor mehr helffen kan. Der gemeine Mann aber / bekuͤmmert ſich wenig vmb koͤſtliche Medicin, wenn ſie nur Knoblauch vnd Brandwein haben.
Ob zwar wol die Medici mit jhrer Kunſt von jhnen geliebet vnd geehret werden / wollen ſie doch nicht billigen vnd zulaſſen / das man ſolche in Deutſchland vnd andern Orten gebraͤuchliche Mittel / wodurch man die Churen deſto beſſer anzuſtellen erlerne / vor die Hand nehme vnd tractire, Als da ſeynd: Einen Menſchlichen Coͤrper zu anatomiren, Sceleta zu haben / fuͤr welchen die Ruſſen den groͤſten Abſchew tragen.
Es hat ſich zugetragen / das vor 14. Jahren ein wol erfahrner Chirurgus, mit Namen Quirinus, ein Hollaͤnder / ein Menſch von luſtigen humor, ſo in des Großfuͤrſten Dienſt geweſen / ein Sceleton oder Menſchen Gerippe gehabt / vnd in der Kammer an der Wand hinter dem Tiſche auffgehaͤnget; Als Er eins mals / wie Er denn offt im Gebrauch gehabt / fuͤr dem Tiſche ſitzend auff der Lauten geſpielet / gehn die Strelitzen / welche (wie damals noch der Gebrauch) auff des Deutſchen Hoffe ſtets Wache hielten / nach dem Thon / vnd kucken durch die Thuͤr. Da dieſe die Menſchen Knochen an der Wand gewar werden / erſchrecken ſie / vnd deſto mehr / weil ſie ſehen das die GebeineQuirinus ein Chirurgus koͤmpt mit ei - nem Sceleto in groſſe Ge - fahr. ſich regen / gehen derwegen vnd bringen auß / der Deutſche Balbier hette einen todten-Coͤrper an der Wand haͤngen / vnd wenn Er auff der Lauten ſpielte / ſo regte ſich der Todte. Diß Geſchrey koͤmpt fuͤr dem Großfuͤrſten vnd Patriarchen / die ſchickten andere / mit befehl fleiſſig zu zuſehen / ſonderlich wenn der Balbier wurde auff der Lauten ſchlagen. Dieſe bekraͤfftigen nicht alleine der erſten Außſage / ſondern ſagen gar der Todte hette an der Wand nach der Lauten getantzet.
Diß gibt den Ruſſen groß Wunder / gehen daruͤber zu Rahte / vnd ſchlieſſen der Balbier muͤſſe vnfehlbar ein Zauberer ſeyn / man muſte jhn mit ſampt ſeinen Todten-Beinen verbrennen. Als dem Qui -rino165Reiſe Beſchreibung. rino dieſer gefaͤhrliche Schluß wieder jhm in geheim kund gethan wird / ſendet Er einen fuͤrnehmen Deutſchen Kauffman / ſo bey den groſſen Herꝛn wol gehoͤret vnd gelitten war / zu Knes Ivan Boriswitz Cyrkas - ki, hiervon rechten Bericht zuthun / vnd ſolche vnbillige procedur zu hinter treiben. Der Kauffman redet dem Bojaren zu / vnd ſaget das durch ſolch Sceleton dem Balbier durchauß keine Zauberey koͤnte zu - gemeſſen werden. Dann in Deutſchland der Gebrauch / daß die fuͤr - nembſten Medici vnd Chirurgi, ſolche Gebeine darumb zuhaben / vnd jhnen bekand zu machen pflegten / damit / wenn etwa ein Beinbruch oder ander verletzung eines Gliedes bey den Lebendigen ſich begebe / ſie deſto beſſer wuſten / wie ſie es angreiffen vnd heilen ſolten. Das aber die Gebeine ſich beweget haͤtten / wehre nicht von den Lauten ſchla - gen / ſondern von der durch das Fenſter ſtreichender Lufft geſchehen. Darauff wird zwar das Vrtel geendert. Quirinus aber muſte alsbald auß dem Lande / vnd das Sceleton uͤber den Mußkowiſchen Bach ge - ſchlept / vnd verbrandt werden.
Gleiches Judicium pflegen auch etliche / aber nicht alle / Zufaͤllen von der Aſtronomia vnd Aſtrologia, dann Sie vermeinen nicht daß es natuͤrlich zugehe / das man die Finſterniſſen an Sonn vnd Mond / Jtem die effectus oder Wirckungen der Geſtirne ohne Zauberey wiſ - ſen koͤnte. Daher / als es in Mußcow kund worden / daß / nach dem wir auß Perſien wieder zuruͤcke kamen / J. Z. M. mich fuͤr jhren Aſtro - nomum beſtellet vnd in Dienſt genommen hatte / iſt die Rede vnter et - lichen gegangen / Es wurde ein Zauberer / der auß dem Geſtirne kuͤnff - tige Dinge ſagen koͤnte / vnd ſich im Holſteiniſchen Comitat befunde / bald wieder zuruͤcke in Mußcow kommen. Vnd haben die Leute bereit einen Abſchew vor mir gehabt. Welches / weil ichs vernommen / mich neben andern Vrſachen billich zuruͤcke gehalten.
Es hat der Großfuͤrſt noch jtzund in ſeinem Dienſte Deutſche Balbier / Chirurgos, Oculiſten / Bruchſchneider / Chymicos vnd Apotheker. Jtem Goldſchmiede / Perlenſticker / Vhrmacher / vnd in andern kuͤnſtlichen Handthierungen vnd Wiſſenſchafften wolerfahrne Meiſter / ſo alle mit reichen Vnterhalt verſorget werden. Dann zu ſolchen Dienſten Er keinen von ſeinen Vnterthanen (weil ſie weder freye noch ſubtile Mechaniſche Kuͤnſte zulernen gewehnet / oder auß dem Lande zuziehen / vnd vnter Frembden ſich zuverſuchen / vnd etwas zulernen gelaſſen werden) gebrauchen kan / Es wehre denn daß ein Deutſcher Meiſter das directorium haͤtte / vnd jhnen gleichſam die Hand fuͤhrete / ſo ſeynd ſie in der Arbeit gut / vnd koͤnnen den Deut - ſchen oder Außlaͤndiſchen Kuͤnſtlern ſehr nach affen.
Sonſten hat es vnter den Großfuͤrſtlichen Bedienten vnd Hoff -Die allgemei - ne Hoffpeſte / iſt auch bey den Mußco - witern. leuten in etlichen Stuͤcken gleiche Beſchaffenheit / als an den meiſten Fuͤrſtlichen Hoͤffen / da Tugend vnd Laſter ſtets wieder einander zu Felde liegen / vnd dieſe jene zum offtern obſiegen; Etliche die einen naͤ -X iijhern166Newe Perſianiſchehern vnd offtern Zutritt zu der Herꝛſchafft haben als andere / ſeynd auch empfindlicher / Eigenſinniger vnd Inſolenter, als andere. Dar - umb man ſie hoch reſpectiren, mit tieff geneigtem Haͤupte / vnd ſchwer nieder geſenckter Hand begruͤſſen muß / offt nicht ſo wol darumb / daß ſie einem gutes thun / als boͤſes vnterlaſſen ſollen.
Man hat in gemein darfuͤr gehalten / daß man bey den RuſſenPoſchul oder Geſchenck ge - ben. durch Gifft vnd Gaben / welches Sie Poſchul nennen / alles maͤchtig werden kan. Jch habe gleichwol erfahren / daß jtziger Zeit etliche ſich deſſen weigern / wiewol ſie zufrieden ſeynd / daß man jhren Weibern vnd Toͤchtern die Verehrung zuſchicket / auff daß Sie eine Vorbitte einlegen; Aber auch etliche / durch derer Hand die meiſte Verrichtun - gen gehen / ſich durch auß auff keinerley weiſe beſtechen laſſen. Welches dann den Solicitanten auch nicht lieb / vorwendende / daß / da die Herꝛn Poſchul genommen / man noch etwas maͤchtig werden koͤnnen / Nun man aber nichts geben darff / bekoͤmpt man auch nichts.
Die Schreiber / ſo in den Canceleyen auffwarten / nehmen in ge - mein gerne Poſchul, durch welches man bißweilen auch die geheimſten Sachen / ſo vnter jhre Haͤnde kommen / erfahren kan. Ja etliche ge - hen offt ſelbſt zu denen / da ſie vermeinen jhr intereſſe daran gelegen ſey / vnd bieten die Sache zu communiciren vmb ein gewiſſes Geld auß. Aber es gehet auch offt darbey groſſer Betrug vor / dann weil ſie wiſſen / daß / wenns ſolte offenbar werden / jhnen groſſe Gefahr darauff ſtunde / verkauffen ſie eine erdichtete fuͤr eine warhaffte Sache /Argliſtigkeit der Schreiber wie mir ſolche Exempel wol bekandt. Daß ich vnter etlichen nur eines gedencke. Als ich vor 2. Jahren in Mußcow in meines gnaͤdigen Fuͤrſten vnd Herꝛn Expedition ein Großfuͤrſilich Schreiben an J. F. Gn. wie auch eines an J. Churfuͤrſtl: Durchl: zu Sachſen be - kommen hatte / wolte ein fuͤrnehmer Mann wiſſen was doch darinnen enthalten. Es wurde jhm zwar eine Copia von einem / der ſeine Auff - wartung in der Canceley hatte / in geheim zugeſtellet / vnd von dem Manne mir wieder communiciret, Als aber der Brieff hernach am gebuͤrenden Orte translatiret wurde / befand ſich die Sache viel an - ders / als die in Vertrawligkeit gegebene Copia lautete.
Die Großfuͤrſtlichen Reichs vnd Hoff-Raͤhte / ſo ſie Bojaren nen - nen / ſeynd meiſt die fuͤrnemſte Fuͤrſten vnd Herꝛen des Landes / welche zwar eigene herꝛliche Laͤnder vnd Leute haben / duͤrffen aber dieſelben nicht in Perſon beſitzen / ſondern durch Factoren vnd Hauptleute ver - walten laſſen. Sie ſelbſt muͤſſen in Mußcow / da ſie jhre herꝛliche Pa - latia haben / wohnen / taͤglich zu Hoffe kommen / vnd vor J. Z. M. das Haͤupt ſchlagen / daher man deſto weniger eine rebellion zuvermuthen hat. Zuvnſer Zeit waren die Bojaren oder Hoff-Raͤthe folgende:
1. Knes167Reiſe Beſchreibung.Dieſe alle ſaſſen bey J. Z. Maytt. in oͤffentlicher Audientz. Sie halten fuͤr ſich einen herꝛlichen Statt / laſſen ſich in Haͤuſern wol be - dienen / auch auff den Gaſſen praͤchtig ſehen: Jn dem ſie mit ſehr koͤſt - lichen Kleidern angethan / vnd neben jhren Schlitten oder Pferden viel Diener vnd Slaven lauffen haben. Wenn Sie reiten haben ſie am Sattelknopffe eine kleine Heerpaucke / deſſen diameter anderthalb viertel von der Elen / auff die ſchlagen ſie mit den Knutpeitſchen Stiel(dann168Newe Perſianiſche(dann alle hohes vnd niedrieges Standes Perſonen / wenn ſie zu Pfer - de ſitzen / Knutpeitſchen fuͤhren) damit das Volck / ſo auff den Gaſſen beym Marckte gemeinlich im Gedrange ſtehen / weichen ſollen.
Die Kneſen aber / ſo auff den Doͤrffern wohnen / weil ſie gemeinig - lich nicht ſo viel zum beſten haben / daß Sie jhren Standt gemeß leben koͤnnen / halten ſich deſto ſchlechter / daß / wenn man ſie ſonſt nicht ken - net / offt vnter den Bawren nicht finden ſolte / Wie dann in vnſer er - ſten Reiſe ſichs zutruge / das zu Budewa vor der Stadt Torſock vn - ſer Dolmetſch auff Befehl der Geſandten / nach den Kneſen / ſo daſelbſt wohnet / fragte / vnd eben den Kneſen ſelbſt / der auß einer Rauchſtuben zum Fenſterloche ſahe / anredete / vnwiſſend / daß Kneß vnd Bawr zu - gleich durchs Loch kuckten / vnd mit jhm redeten.
Nach dem Standt der Kneſen / welche ſo viel als Fuͤrſten bedeu - ten ſollen / haben ſie die Sinbojarski, iſt ſo viel zuſagen / als Soͤhne der Bojaren / diß ſeynd jhre Edellente. Sie halten viel auff die Geſchlech - ter vnd fuͤrnehmen Herkunfften / vnd nicht alleine vnter ſich / ſondern lieben es auch in Frembden / vnd fragen mit fleiß darnach / ſonderlich wenn Geſandten geſchickt werden. Die vorerzehlte Bojaren oder Raͤhte ſeynd nicht nur in oͤffentlichen Audientzen J. Z. M. Beyſitzer / gleich wie die Goſen / vnd anſehnliche alte Kauffleute / welche ſich bey ſolchem actu vmb groſſes Anſehens willen / nur præſentiren muͤſſen / ſondern ſeynd auch verordnet / theils in Reichs / theils in Civil Sachen / vnd in den Pricaſen oder Canceleyen ſich gebrauchen zulaſſen / vnd Gericht zuhalten.
Jhre Zuſammenkunfften vnd Berahtſchlagungen in Reichs - ſachen / geſchehen ordentlich in der Nacht / am meiſten in den Fruͤhe - ſtunden / vnd reiten vor der Sonnen Auffgang vmb 4. 3. Vhren / biß - weilen wol ehe hinauff zu Schloſſe / vnd kommen vmb 9. oder 10. Vh - ren wieder herunter.
Keine Befehle / Beſcheid / Pacten, Obligationes, Beſtallungen / oder ſonſt etwas / ſo in J. Z. M. Namen herauß gegeben wird / vnter - ſchreibet der Großfuͤrſt ſelbſt / ſondern die Bojaren vnd Canceler / vnd wird mit des Reichs Jnſigel bekraͤfftiget. Wenn aber der Großfuͤrſt mit Benachtbarten etwa einen Vertrag oder Pacta auffrichtet / vnd Verſicherung thun ſol / muß Er darneben durch das Creutzkuͤſſen ei - nen Eydſchwur ablegen.
Die Civil Sachen werden in den Canceleyen tractiret, deren in Mußcow auff dem Schloſſe 6. ſeynd / dann vnterſchiedliche Sachen auch vnterſchiedliche Canceleyen haben. Als die Geſandſchafften / vnd außlaͤndiſche Haͤndel: Die Strelitzen Soldaten / vnd was zum Kriege gehoͤret: Die Großfuͤrſtlichen Gefaͤlle vnd Einkunfften des Landes / die Landguͤter: die Kauffmanſchafften; die Schuldner / vnd dergleichen / haben jegliche abſonderliche / ja die Diebe jhre eigene Can - celeyen. Jn jeglicher ſeynd ſehr viel Schreiber / welche neben einer gu -ten169Reiſe Beſchreibung. ten Hand zuſchreiben in der Rechenkunſt auff jhre manier wolgeuͤbet ſeynd / Sie gebrauchen darzu Pflaumen-Kern / ſo jeglicher in einem kleinen Beutel ſtets bey ſich traͤget.
Die Acten, Protocol vnd andere Canceley Sachen / ſchreibenLange Papir Rollen. ſie nicht in Buͤcher / ſondern auff lange Papir Rollen. Dann ſie die gantzen Bogen Papir die quere von einander ſchneiden / nach der lenge an einander leimen / vnd zuſammen rollen / vnd iſt manche Rolle 20. 30. in 60. vnd mehr Elen lang / wie man in jhren Canceleyen der - ſelben viel auff einander geſchichtet liegen ſihet. Die Parteyen muͤſ - ſen fuͤr einem darzu deputirten Bojaren vnd Deak erſcheinen / verhoͤ - ret vnd verurtheilet werden. Gleich wie ſie in andern diſciplinen keine Buͤcher der Gelarten zuleſen begeren / oder achten / alſo auch nicht in Regunent vnd juſtitien Sachen / außgenommen der einige Knes Ivan Boriswitz Cyrcaski, welcher ein kluger verſtaͤndiger Herꝛ / der zu Außlaͤndiſchen Hiſtorien / vnd vielen Wiſſenſchafften vnd Kuͤnſten groſſe Beliebung getragen. Dieſer ſol des Lipſij Politicam fuͤr ſich zugebrauchen in Ruſſiſche Sprache haben translatiren laſſen.
Sie haben zwar etliche wenig beſchriebene Geſetze vnd Statuten, ſo von vnterſchiedlichen Großfuͤrſten / vnd zwar meiſt wieder die Ver - raͤhter des Großfuͤrſten vnd des Landes / Diebe / Ehebrecher / Todt - ſchlaͤger vnd Schuldner gegeben. Sie richten aber / vnd ſprechen die Vrtel meiſt nach jhrem eigen gutduͤncken vnd affecten, vnd zwar alles im Namen J. Z. Maj. Daher muß es auch vnwiederſprechlich dar - bey bleiben / vnd darff niemand ferner appelliren. Jn wichtigen Sa -Eydſchwur der Ruſſen. chen vnd mangel der Zeugen / wird zwar auch ein Eydſchwur freywillig zuthun zugelaſſen / aber niemand durch den Richter darzu genoͤtiget. Es geſchiehet jhr Eydſchwur durch kuͤſſung eines Creutzes / welches entweder jhm vorgeleget wird / oder jeglicher am Halſe hangend auff der Bruſt traͤget. Den Frembden vnd Außlaͤndern laſſen ſie den Eyd nach jhrer manier thun / vnd wird in bekraͤfftigung der Warheit ſo wol als jhr Creutzkuͤſſen angeſehen. Wenn ein Ruſſe vor Gerichte ei - nen Eyd gethan / wil man jhn nicht gerne mehr in der Kirchen / wo der Altar ſtehet / leiden / ſondern er muß un Vorhauſe oder Eingange der Kirchen ſtehen bleiben / thut ers zum andern vnd dritten mahle / wird jhm auch dieſe Stelle nicht gegoͤnnet / vnnd von vornehmen Leuten nicht mehr geachtet. Darumb ein Ruſſe nicht leichtlich ſolchen Eyd thut / vielweniger zum andern vnd dritten mahl / es wehre denn gar ein verwegener vnd liederlicher Menſche. Sonſt aber haben ſie ſehr im Gebrauch / daß ſie in allgemeinen Converſationen kauffen vnd ver - kauffen / einem etwas zu uͤberreden leichtlich ſchweren: po Chreſtum, vnnd mit den Fingern nach jhrer art ſegenen / das Creutz vor ſich ſchlagen. Aber demſelben iſt nicht viel zutrawen.
Sie haben allerhand grewliche arten zu torquiren, vnd die War -Tortur der Ruſſen. heit peinlich außzupreſſen. Vnter andern (wie hierbey E verzeichnet iſt) Ydaß170Newe Perſianiſchedaß ſie einem die Haͤnde auff den Ruͤcken binden / in die Hoͤhe ziehen / vnd einen ſchweren Balcken an die Fuͤſſe haͤngen / auff welchen der Scharffrichter (F) zum oͤfftern ſpringet / vnd dem Suͤnder alſo die Glieder wol außeinander recket; Vnter den Fuͤſſen wird darzu ein Fewr angezuͤndet / welches durch Hitze die Fuͤſſe / vnd durch Rauch das Geſichte peiniget / vnd laſſen bißweilen darzu oben auff den Kopff / da
ſie eine Platte ſcheren / kalt Waſſer treufflen. Auch nach Beſchaffen - heit der Sache in ſolcher poſitur peitſchen / vnd uͤber die Wunden mit gluͤenden Eyſen fahren.
Es wird uͤber nichts ſo ſehr Juſtitz gehalten / als uͤber die Schuld -Die Schuld - ner werden auf die Prawe geſtellet. ner. Wer nicht bezahlen wil oder kan / der wird Priſtafet / das iſt: Er muß bey eines Richters Knechte im Hauſe ſitzen / gleich wie bey vns im Gehorſam oder arreſte. Erfolget die Zahlung gleichwol nicht / ſo wird Er ohne anſehn der Perſon / es ſey Ruſſe oder Frembder / Mann oder Weib / Geiſtlicher oder Weltlicher / in den Schuld-Thurm ge - ſetzet / vnd taͤglich eine Stunde vor die Canceley auff einen oͤffentlichen Platz gefuͤhret / vnd mit einem ſchwencken Stecken als eines kleinen Fingers dicke auff die Schienbeine geſchlagen / das die Leute offt we - gen groſſen Schmertzen uͤberlaut ſchreyen. Bißweilen thut der Exe - cutor, wenn er poſchul bekoͤmpt / gelinde vnd Fehlſchlaͤge; Etliche ſtecken auch wol ſtarck Blech oder Eyſen in die Stieffeln vor dieSchien -171Reiſe Beſchreibung. Schienbeine / welches die Schlaͤge aufffangen muß. Nach außgeſtan - dener ſolcher Pein vnd Hohn muß der Schuldner entweder wieder in den Thurm / oder Buͤrgen ſtellen / daß er den andern Tag zu gewiſſer Zeit / ſich wieder einſtellen / vnd ferner ſchlagen laſſen wil / vnd daß heiſ - ſen ſie auff die Prawe ſtellen. Wie ſolche art der Straffe neben andern generibus ſuppliciorum im Kupffer / ſo das Schloß von hinten præ - ſentiret, ſub lit. A iſt angedeutet worden. Jſt die Schuld aber groß / daß der Schuldner durchauß keine Mittel zur Zahlung weiß / muß Er des Creditoris ewiger Slave werden / vnd dienen.
Die andern gemeinen Executiones, ſo man wieder die Ver - brecher ergehen leſſet / ſeynd Battoki, Naſen auffſchlitze / vnd die KnudBattoki ge - ben. geben. Die Battoki mag ein jeglicher Herꝛ ſeinem Knechte / oder dem / uͤber welchen man nur ein wenig Macht hat / geben laſſen. Es muß der Verbrecher den Rock außziehen / ſich auff den Bauch zur Erden nieder legen. Dann ſetzen ſich jhrer zwene / einer auff den Kopff / der ander auff die Beine / vnd ſchlagen mit ſchwancken Ruten auff den Ruͤcken / uͤber welches nur das bloſſe Hembde: vnd iſt anzuſehen als wie die Koͤrßner die Felle außkloppen. Hiervon beſihe lit. B.
Die Naſen pfleget man denen auffzureiſſen / welche wieder Ver -Die Naſen auffſchlitzen. bott Schnuptobak genoſſen. Derer etliche / die alſo beſtraffet waren / ſeynd vns offt begegnet.
Die Knut geben / war fuͤr vnſern Augen ein barbariſche manirDie Knut ge - ben. zuſtraffen / vnd ſtehet im Kupffer bey lit. E. Solche Execution habe ich den 24. Sept. Anno 1634. an 8. Mannes vnd einer Weibes Per - ſon / welche das Großfuͤrſtliche Gebot uͤberſchritten / Toback vnd Brandwein verkaufft hatten / veruͤben ſehen. Dieſe muſten vor der Canceley jhren Leib biß auff die Hufften entbloͤſſen / vnd einer nach dem andern ſich dem Scharffrichters Knechte uͤber den Ruͤcken legen / vnd vmb deſſen Halß die Arme zuſammen ſchlagen: Die Beine wurden jhm zuſammen gebunden / vnd von einem andern gehalten / daß Er ſich weder oben noch vnten ruͤhren kunte. Hinter dem Suͤnder ſtund der Scharffrichter bey 3. guter Schritte zuruͤcke / vnd hieb mit einer lan - gen dicken Knutpeitſchen / was er auß vollen Leibes kraͤfften vermochte / daß nach jeglichem Hieb das Blut mildiglich vom Ruͤcken herunter lieff / Dann forne an der Peitſchen ſeynd drey Riemen eines Fingers lang / von harter vngegerbeter Elendshaut / die als Meſſer durchſchnei - den. Es ſtund des Richters Diener darbey / laß auß einem Zettel / wie viel Schlaͤge ein jeglicher bekommen ſolte / vnd wenn die beſchriebene Zahl erfuͤllet / rieff Er: Polno, es iſt gnug. Es bekam aber jeglicher 20. in 26. das Weib aber kaum 16. Schlaͤge / vnd fiehl daruͤber in Ohmnacht. Jhre Ruͤcken behielten nicht eines Fingersbreit gantze Haut / ſie ſahen als wie die geſchundene Beiſter.
Darauff wurde jeglichem / den Toback-Kraͤmern ein Briefflein mit Toback / den Brandwein-Brennern eine Flaſche an den HalßY ijge -172Newe Perſianiſchegehaͤnget / je zwey vnd zwey mit den Armen zuſammen gebunden / auff beyden ſeiten geleitet (F) vnd alſo ferner zur Stadt hinauß / vnd wieder hinein auffs Schloß (bey einer guten halben viertel Meile) gepeitſchet. Es werden auch etliche / deren Verbrechen groß / auff ſolche manier gantz zu Tode geſchlagen / wie des obgedachten General Scheins Sohne wiederfuhre.
Man ſagte / daß etlicher gepeitſchten Freunde / das von einem ge - ſchlachteten Schaffe noch warmes Fell uͤber des verwundeten Ruͤcken ziehen / vnd alſo wieder heilen ſollen. Nach außgeſtandener Straffe iſt der Suͤnder ſo ehrlich als andere Leute / mag mit jhnen wieder vmbge - hen / eſſen vnd trincken / wie Er wil: Denn es wird in Rußland ſolcheDie Scharff - richter kauf - fen vnd ver - kauffen jhr Ampt. Infamia nicht ſo groß / als bey vns Deutſchen / geachtet; Auch der Scharffrichter wird nicht ſo vnehrlich geſchaͤtzet: Sintemal etliche Kauffleute ſich darzu begeben / vnd ſelbige Handtierung an ſich kauffen ſollen / weil es guten profit gibt. Dann weil dieſe vnd andere Execu - tiones auch wolhabende Leute zum offtern trifft / bekoͤmpt Er nicht al - leine Geld von der Obrigkeit / ſondern auch von den Miſſethaͤter / daß Er jhn etwas ſchonen / vnd nicht zu hart tractiren ſol. Wann ſie dann ein ziemliches darbey auffgeleget / vnd des Handwercks uͤber - druͤſſig ſeyn / verkauffen ſie es wieder an andere.
BEY erwehnung der Ruſſen Religion fuͤhre ich billich zu Anfan - ges mit ein die Quæſtion ſo D. Bodfidius, Koͤniglicher Schwe - diſcher Hoffprediger vor dieſem / vnd noch newlicher Zeit H. M. Hein - ricus Stahl / Superintendens zur Narve in Liffland / pro publicis diſputationibus ventiliret haben. Ob nemblich die Ruſſen auch Chriſten ſeynd? Wenn man die Ruſſen darumb fraget /Die Ruſſen ſeind Chriſten ſagen Sie / daß ſie die Rechtgetaufften / vnd beſten Chriſten ſeynd / ſo in der Welt leben / vnd nennen vns nur die beſprengete Chriſten: Daher wenn jemand von den Außlaͤndiſchen Chriſten ſich zu jhrer Religion begeben wil / muß Er ſich auffs newe von jhnen Taͤuffen laſſen. Daß ſie aber gleichwol Chriſten ſeynd / ſchlieſſen wir mit jtzt erwehnten ge - lehrten Maͤnnern billich: ſintemal man die eſſentialia Chriſtianiſmi, als da ſeynd: das warhafftige reine Wort Gottes / vnd die Sacra - menta bey jhnen im Gebrauch findet. Sie bekennen ſich zu dem Sym - bolo Niceno, vnd gleuben das Gott / durch welchem alles erſchaffen / ſey einig im Weſen / vnd dreyfaltig in Perſonen: Vnd das Chriſtus fuͤr das gantze Menſchliche Geſchlechte gelitten habe: der heilige Geiſt ſo vom Vater durch den Sohn außgehe / vns heilige. Daß alſo zwar nicht zuzweiffeln / jhre Religio oder Fides, quæ creditur, ſey Chriſtlich; Aber Fides, quâ creditur, iſt ſehr verdaͤchtig / vnd erweiſet ſich in der That gar ſchlecht. Jn dem ſie neben dem HErrn Chriſtoauch173Reiſe Beſchreibung. auch der Jungfraw Mariæ, den Evangeliſten / Apoſteln / Propheten vnd vnzehlich viel andern Heiligen / nicht alleine als Vorbittern / wie die Fuͤrnembſten ſagen / ſondern auch als Mitwirckern zu jhrer See - ligkeit / wie die meiſten gleuben: ja auch den gemahlten Bildern / ſo dieſe Heiligen bedeuten ſollen / ſolche Ehre / die Gott alleine zukommen kan / anthun. Geſchweige / das gemeine Leute / ſonderlich die auff dem Lan - de / ſich meiſt nur bloß an die gemahlte Bilder halten / vnd dieſelbe / als wenns Goͤtter wehren (wie ſie auch von jhnen Goͤtter genandt werden) veneriren, vnd jhren Kindern / vor die mit groſſer Demuth zuſtehen vnd zu beten vorſtellen / ohn einigen neben Bericht / was ſie etwa nur be - deuten ſolten; Dann ſie es ſelbſt nicht beſſer wiſſen.
Daß auch die Verſtaͤndigen jhren Glauben durch gute Wercke / vnd Liebe gegen dem Neheſten ſolten leuchten vnd thaͤtig ſeyn laſſen / kan man gar wenig ſpuͤren. Den guten Wercken aber / die ſie an Kir - chen vnd Kloſtern mit reichen Allmoſen vnd Stifftungen thun / ſchrei - ben ſie viel mehr zu / als ſich gebuͤret.
Sie nennen ſich Glieder der Griechiſchen Kirchen / vnd ſchreibenDie Ruſſen bekennen ſich zur Griechi - ſchen Reli - gion. in jhren annalibus, daß ſie die Religion bald zur Apoſtel Zeit in Ruß - land bekommen haben. Dann es wehre der Apoſtel Andreas auß Griechen Land durch den Strom Boriſthenem hinauff gezogen / uͤber die Ladugaiſche See nach Nawgart kommen / vnd haͤtte daſelbſt das Evangelium von Chriſto geprediget / den rechten Gottesdienſt zu uͤben / Kirchen vnd Kloſter zubawen / angeordnet. Nach langwiriger Zeit aber wehre durch viel Kriege / welche die Tartern vnd Heyden in Rußland gefuͤhret / die wahre Chriſtliche Religion meiſt vnter gedruckt vnd verloſchen / hergegen das Heydenthum vnd Goͤtzendienſt einge -Anfang des Ruſſiſchen Chriſten - thumbs. fuͤhret worden / biß zur Zeit des Großfuͤrſten Wolodimer, welcher zwar auch anfaͤnglich ein Heyde geweſen / hernach aber ein Chriſt ge - worden. Dann als dieſer durch gluͤckliche Waffen jhm gantz Rußland vnterthaͤnig gemachet / iſt Er bey Außlaͤndiſchen Chriſtlichen Poten - taten in groß Anſehn gekommen / daß ſie vmb ſeine Freundſchafft zu werben ſtattliche Legationes an jhm geſchickt / vnd weil Er alles in gu - ter Freundſchafft auffgenommen / vnd ſich nach jhren Wundſch erzei - get / haben Sie ſich bemuͤhet / jhn auch von dem Heydniſchen Goͤtzen - dienſt zum Chriſtlichen Glauben zubringen. Darauff ſchickte Wolo -Wolodimer Großfuͤrſt wird ein Chri - ſte / leſſet ſich taͤuffen. dimer etliche Geſandten vnd Poſten auß an vnterſchiedliche oͤrter vnd Laͤnder / rechten Bericht von jhren Religionen einzuziehen / Vnd als jhm vnter andern die Griechiſche Religion, welche zuvor in Rußland geweſen / vnd noch an etlichen / wie wol wenig oͤrtern uͤbrig war / am be - ſten gefiehl / nam Er dieſelbige an / ließ ſich taͤuffen / vnd wurde VaſiliusZwinget die Vnterthanen die Chriſtliche Religion an - zunehmen. genandt. Schaffte hernach alle Goͤtzendienſte ab / vnd zwang die Vn - terthanen auch die Griechiſche Religion anzunehmen.
Baſilius der Koͤnig zu Conſtantinopel / der Wolodimero bey an - trettung des Chriſtenthumbs ſeine Schweſter zum Ehegemahl gege -Y iijben /174Newe Perſianiſcheben / ſandte jhm Biſchoͤffe vnd Prieſter / welche den Gottesdienſt vnd Kirchen Gebraͤuche anordnen muͤſten. Vnd ſolches iſt geſchehen An - no Chriſti 989. als Kaͤyſer Otto III. Ruffus genandt / das Roͤmiſche Reich regierete.
Die Ruſſen haben die H. Bibel Alt vnd Newe Teſtament / vnd zwar das Alte nach den 70. Dolmetſchern / das Newe aber nach der gemeinen Verſion in der Slavoniſchen Sprache beſchrieben vnd ge - druckt: Wie ſie deñ jhre meiſte Buͤcher / ſo wol Weltliche als Geiſtliche / in derſelbigen Sprache haben drucken laſſen; jedoch findet man auch andere in jhrer eigenen Sprache beſchriebene Buͤcher. Sie haben jhreDruckerey in Mußcow. eigene Druckerey in Mußcow / weil ſie aber im Drucken wenig Forthel wiſſen / vnd daher langſame Arbeit machen / geben ſie die Buͤcher thewr.
Die Ruſſen haben zwar jhre eigene Sprache / welche doch mit der Slavoniſchen / wie auch Polniſchen ſo groſſe Verwandſchafft hat / daß / wer der einen wol kuͤndig iſt / die andern auch leicht verſtehet.
Jhre Buchſtaben vnd Schrifften haben Sie mit der Religion von den Griechen empfangen / welche ſie theils corrumpiret, theils aber mit den Slavoniſchen litern vermehret haben. Vnd ſeynd die Characteres derſelben hierbey im Kupffer abgebildet / wie folget.
Das Geiſtliche Regiment / Conſiſt orial-Sachen / vnd Gottes - dienſt werden regieret vnd verwaltet von einem Patriarchen. 4. Me - tropoliten, 4. Ertzbiſchoffen / vnd anderen gemeinen Biſchoffen / Abten / Muͤnchen / vnd Popen oder Prieſtern / dieſer ſeind ſo viel als Kirchen in Rußland.
Der Patriarche als das Oberhaͤupt / iſt vor dieſem von den Me -Der Patri - arche in Muß - cow. tropoliten, Ertzbiſchoffen / vnd Biſchoffen per vota erwehlet / vom Großfuͤrſten confirmiret, vnd von den Patriarchen zu Conſtanti - nopel eingeſalbet worden. Dieſer aber iſt per ſortem erwehlet / vnd von der Cleriſey in Mußcow eingeweihet.
Er iſt nur ein Abt im Kloſter geweſen / vnd vnter andern pro for - ma mit vorgeſchlagen / vnd in die Wahl gezogen worden. Weil jhn aber das Loß alsbald traff / vnd andern nicht wolgefiehl / iſt noch ein - mahl ſortiret worden: Vnd als jhm das Gluͤcke / gleich wie vor ſavo - riſirete, vnd gleichwol etliche Wiederreden darbey vorlieffen / iſt das Loß zum dritten mahle herumb gangen / da es jhm wieder traff / hat der Großfuͤrſte geſaget: Jch ſehe daß es jhm beſcheret / vnd Er von Gott darzu erkohren iſt / Er ſol auch Patriarche ſeyn / vnd kein ander. Der Patriarche hat groſſe digniter vnd Macht / fuͤhret ſo einen groſſen Titel als der Großfuͤrſte / mag abſchaffen vnd ordnen in Geiſtlichen vnd zu fortſetzung eines Chriſtlichen Lebens concernirenden Sachen was er wil. Es wird jhm weder vom Großfuͤrſten noch andern einge - redet / viel weniger wiederſprochen. Vnd weil Er in Rußland iſt gleichMetropoli - ten. wie bey den Catholiſchen der Bapſt; Alſo ſeynd die Metropoliten gleich den Cardinaͤlen. Dieſe wohnen an vnterſchiedlichen herꝛlichen Orten des Landes / haben ſehr reiche Einkommen / daß / wenn der Großfuͤrſt wil Krieg fuͤhren / Sie / wie auch etliche reiche Kloͤſter et - liche tauſend Mann außruͤſten koͤnnen vnd muͤſſen.
Der Patriarche / die Metropoliten, Biſchoffe / Abte vnd MuͤncheDer Geiſtli - chen taͤglicher habit. gehen auſſerhalb den actibus publicis (da ſie denn jhre Chorroͤcke vnd Meßgewandt gebrauchen) alle in langen ſchwartzen Roͤcken / uͤber wel - chen Sie noch einen ſchwartzen Mantel tragen / vnd haben in Haͤnden Stoͤcke / ſo oben einen guten Fingerlang faſt in angulum rectum gekrumt / welchen Sie Poſok nennen / mit denſelben gehen ſie allezeit. Auff den Koͤpffe tragen ſie ſchwartze Haben bey 3. Elen weit / auff de - ren mitte eine ſteiffe runde Platte als ein Teller / welche ſie am Hin - tertheil des Kopffes herunter haͤngen laſſen.
Die Popen aber tragen vnter jhren gemeinen Huͤllen kleine runde Muͤtzgen / ſeynd wie bey vns die Calotten, vnter denſelben muͤſſen die Haare glatt abgeſchoren ſeyn / auſſen herab aber laſſen Sie dieſelben lang wachſen / vnd faſt wie die Weibes Haare / wenn ſie zu Felde ge - ſchlagen / herunter haͤngen. Das Muͤtzgen nehmen ſie memals ab / es wehre denn daß ſie den Kopff ſcheren lieſſen. Wer einen Popen ſchlaͤ -Groſſe Frey - heit der Prie - ſter Muͤtzgen. get / vnd trifft jhn auff das Muͤtzgen / oder machet / daß es jhm auff dieErde176Newe PerſianiſcheErde faͤllt / der wird hart geſtraffet. Dann daſſelbe iſt jhm in der Ein - ſalbung oder Einweihung vom Biſchoffe auffgeſetzt / vnd alſo ein hei - lig Banit. Aber daher bekoͤmpt er nicht deſto mindere Schlaͤge / weil ſie gemeiniglich verſoffener vnd vnnuͤtzer als andere Leute ſeynd. Dann in dem man ſolches weiß / wird das Muͤtzgen zwar geſchonet / oder da - mit es nicht zur Erden falle / in die Hand genommen / aber das Ange - ſichte vnd der Leib wol abgeſchlagen / vnd dann das Muͤtzgen wieder auffgeſetzet. Darvon wird hernach kein Wunder gemachet.
Die Popen vnd Prieſter / ſo dem Altar dienen wollen / muͤſſen Ehe - weiber haben / welche ſie als Jungfern / vnd nicht Wittwen / viel weni - ger beruͤchtigte / oder ſo von beruͤchtigten Freunden ſeynd / jhnen muͤſ - ſen trawen laſſen; Befindet einer im Ehebette an jhr die Jungferſchafft nicht / vnd koͤmpt auß / wird Er ſeines Ampts entſetzet. Stirbt dem Prieſter ſein Weib / ſo kan Er dem Altar nicht mehr dienen / ſondern muß nur in der Kirchen leſen vnd ſingen / Er darff auch nicht wieder zur andeꝛn Ehe ſchreiten / oder muß des Kirchen Dienſtes muͤſſig gehen / den Geiſtlichen Orden auffſagen vnd ein Weltman werden / welches denn nicht ſeltzam bey jhnen. Den Spruch S. Pauli 1. Timoth. 3. Ein Biſchoff ſol ſeyn eines Weibes Mann. Verſtehen ſie dahin / daß ein Prieſter nothwendig ein Weib haben muͤſſe / vnd daß Er auch nicht mehr als eines Weibes Mann werden ſol / Darumb wann jhm die erſt ſtirbet / Er Wittwer bleiben muß.
Der Gottesdienſt wird in den hohen Feſten / vnd fuͤrnembſten Proceßionen von dem Patriarchen / Metropoliten vnd Biſchoffen in Perſon / ſonſt aber durch die gemeine Popen verrichtet. Jhre hohe vnd in vnſern Kirchen gebraͤuchliche Feſte haben ſie nach den AltenGebrauchen den alten Ca - lender. Calender / welchen ſie auch gebrauchen / mit vns zugleich. Es beſtehet aber jhr Gottesdienſt darinnen / daß ſie in den Kirchen taͤglich / am meiſten aber des Son - vnd Feſttages oder Brasniken, (ſo nennen ſie die Feſttage / vnd haben derſelben ſehr viel des Jahres uͤber) 3. mahl zuſammen kommen / erſt vor der Sonnen Auffgang / welches Sie Saf - terina, gegen Mittag Obeedni, vnd gegen Abend Weedſcherni nen - nen. Da dann der Prieſter etliche gewiſſe Capittel auß der Bibel; das Evangelium; bißweilen eine Homiliam auß dem Chryſoſtomo, etliche Pſalm Davids / vnd Gebete lieſet / vnd mit vollem Halſe ſinget / faſt nach art der bey vns gebraͤuchlichen Antiphonen vnd Reſponſorien.
Zwiſchen dem Leſen vnd Singen ſpricht der Prieſter zum offtern: Γοϲποδη Πολληλου, Gospodi pomilui, Herr erbarm dich meiner. Da dann alles Volck ſelbige Wort / mit Creutzſchlagen vnd Segnen 3. mahl nach ſaget.
Nach dem geleſen vnd geſungen worden iſt / gehet der Prieſter zum Altar vnd helt mit ſeinen Capellan (welchen ein jeglicher Prieſter in al - len actibus bey ſich haben muß) eine Meſſe. Vnter deſſen ſtehen dieLeu -177Reiſe Beſchreibung. Leute / neigen ſich gegen jhre Bilder vnd wiederholen das Gospodi pomilui zum offtern. Sonſt thun ſie keine Predigten / oder Außle -Ruſſen thun keine Predig - ten. gungen uͤber die Bibliſchen Texte / ſondern laſſen ſich nur an den bloſ - ſen Text leſen / auffs hoͤchſte an den gedachten Homilien genuͤgen / vorgebend / der H. Geiſt haͤtte anfangs der Kirchen durch das Wort Gottes / ohne fernere Außlegung gewircket / Er koͤnte es noch jtzo thun. Zu dem kemen durch viel Außlegungen mancherley Meinungen her - fuͤr / welche nur verwirrung vnd Ketzereyen verurſacheten.
Es gibt auch der Patriarche nicht zu / das man von ReligionsRuſſen duͤrf - fen nicht di - ſpatiren. Sachen viel diſcurrire, vnd mit Frembden diſputire, daher im gan - tzen Lande durch allen Provincien einerley Meinung in der Religion ohne einigen Zwieſpalt iſt.
Es hat zu Niſen (100. Meilen hinter Mußcow) ein Ruſſiſcher Muͤnch mit dem Evangeliſchen Prieſter daſelbſt der Religion halber / vnterſchiedliche Vnterredung gepflogen / vnd jhm wol weiſen laſſen. Als aber der Patriarcha diß erfaͤhret / leſſet Er den Muͤnch gefangen nach Mußcow fuͤhren / vnd fraget; Auß was autoritet Er ſich vnter - ſtanden mit dem Evangeliſchen Paſtor ſo familiar vmbzugehn vnd von der Religion zu diſcurriren? Der Muͤnch aber antwortet: Der Paſtor wolte ſich zum Ruſſiſchen Glauben bekehren / lieſſe ſich von jhm vnterrichten / Er hoffte jhn bald zugewinnen / haͤtte jhn bereit auff gu - tem Wege / darauff bekoͤmpt der Muͤnch pardon.
Wenn ein Prieſter vmb die Zeit / da er ſeinen Gottesdienſt ver - richten ſol / gerne bey guten Freunden luſtig ſeyn wil / oder befindet ſich nach dem Rauſche vnluſtig / kan er vmbs Geld einen andern in ſeine Stelle mieten; Dann derſelben Pfaffen allezeit viel an der Schloß - pforten ſtehen / vnd deßwegen auffzuwarten pflegen.
Jhre Kirchen / ſind faſt alle auff eine manier gebawet. Die vonKirchen der Ruſſen. Steinen haben 5. Thuͤrme / alle rund faſt als Apffel formiret, deren groͤſte in der mitten / vnd auff jeglichem ein dreyfach Creutz. Jnwendig ſeynd ſie alle rund gewaͤlbet / welches Sie vielleicht von den Alten her - haben / die jhre Tempel auch rund gebawet / anzudeuten; Dei ado - randi majeſtatem indeterminatam, ebenmeſſig der vhralte Philo - ſophus Mercurius Trismegiſtus geſaget: Deum ſphæram eſſe intellectualem, cujus centrum ſit ubiq; circumferentia nuſquam, quia nuſquam majeſtas Dei & immenſitas terminatur. Daher Numa Pompilius zu Rom ſol verordnet haben / daß / wer Gott anbe - ten wolte / ſich in einem Kreyß herumb wenden ſolte.
Sie halten die Kirchen fuͤr ſehr heilige oͤrter vnd ehren ſie hoch / laſſen nicht gerne frembde Religions Verwandten hinein gehen; Als wir anfaͤnglich ins Land kamen / vnd auß Vnwiſſenheit in jhre Kir - chen / dieſelben zubeſehen / giengen / fuͤhrten ſie vns bey den Armen wie - der herauß / vnd kehrten mit Beſen hinter vns her. Sie laſſen auch kei - nen Hund hinein gehen. Die Kirchhoͤffe halten Sie ebenmeſſig heiligZvnd178Newe Perſianiſchevnd rein / Es darff niemand bey hoher Straffe auff denſelben ſein Waſſer abſchlagen.
An den Kirchen haben ſie viel / bißweilen 5. 6. Klocken / eine jm - mer groͤſſer als die ander haͤngen / mit welchen ſie zur Kirchen / Jtem wenn der Pope den Kelch auffhebt / leuten.
Es ſeynd in Mußcow wegen vielheit der Kirchen / Kloͤſter vnd Capellen etliche tauſend Klocken / welche vmb die Zeit jhres Gottes - dienſtes ſo mancherley Geklang vnd Thon machen / daß / wer es nicht gewohnet / mit Verwunderung anhoͤren muß. Eine Perſon kan 3. oder 4. Klocken regieren. Dann Sie binden die Stricke nicht an die Klocken / ſondern an die Kloppel / vnd faſſen einen mit der Hand / den andern mit den Elenbogen / vnd bewegen eines vmbs ander / haben auch im Leuten einen gewiſſen Schlag.
Das Geleute halten ſie fuͤr ein nothwendig Ding zu jhrem Got - tesdienſte / vnd vermeinen daß derſelbe ohne das Klingen vnvollkom -men179Reiſe Beſchreibung. men geſchehe. Darumb verwunderten ſich eins mals die Priſtaffen / als die Schwediſche Herꝛn Legaten am Michaelis Tage ſagten / Sie wolten auch jhren Brasnik halten; wie es doch muͤglich / daß Sie in Mußcow Brasnik halten koͤnten / weil ſie ja auff ſo fernem Wege keine Klocken mit ſich haͤtten nehmen koͤnnen. Vber den Kirchthuͤ - ren / wie auch Stadtpforten haben ſie etliche Bilder auffgehaͤnget oder angemahlet / daß die fuͤruͤber-gehende ſich darvor ſegnen / vnd das Gos - podi pomilui beten koͤnnen. Sie ſegnen vnd beten nicht allein gegen die Bilder / ſondern auch gegen die auff den Kirchen geſetzten Creutzen / Daher man in allen Gaſſen hin vnd wieder die Ruſſen in ſolcher An - dacht findet.
Jn den Kirchen haben ſie eine ſehr groſſe menge gemahlte Bilder /Bilder vnd Heiligen der Ruſſen. ſo die verſtorbene Heiligen / am meiſten aber die Jungfer Maria vnd Nicolaum jhren general Patron bedeuten ſollen. Es hat ein jeglicher einen eigen Heiligen darinnen / ordnet jhn auch ſelbſt hin - ein / fuͤr welchem Er in groſſer Andacht ſtehet / ſich ſehr offt neiget / vnd betet. Wenn einer ſich groͤblich verſuͤndiget / das des Bannes werth iſt / wird ſein Heiliger auß der Kirchen genommen / vnd Er darff nicht wieder hinein kommen.
Es wird ein Bild zum Gebet nothwendig erfordert / daher ſie die -Ein nothwen - dig Ding zum beten. ſelbe nicht alleine in den Kirchen / vnd bey den actibus publicis, ſon - dern auch jeglicher in ſeinem Hauſe / Stuben vnd Kammer haben muß / damit im Beten ſie die Augen ſtets darauff halten koͤnnen. Es muͤſſen auch die Deutſche der Ruſſen halber ſolche Bilder in jhren Haͤuſern leiden / ſonſt wil niemand gerne mit jhnen vmbgehen / koͤnnen auch kein Ruſſiſch Geſinde bekommen. Wenn Sie beten wollen / zuͤnden ſie einWoher ſo viel Fewrsbrun - ſten in Muß - cow. oder zwey Wachsliechter an / kleben die vor jhre Heiligen / daher / wenn ſie die Liechter außzuleſchen vergeſſen / bey jhnen ſo viel Fewrs - brunſten entſtehn.
Wenn ein Ruſſe zum andern ins Hauß oder Stube koͤmpt / gibt Er zuforderſt ſeinem Gott die Ehre vnd betet / vnd ſpricht hernach den Leuten zu. Dann Er gehet als ein Stummer / kehret ſich an niemand / wenn gleich zehen vnd mehr Perſonen drinnen ſitzen / So bald Er mir ins Gemach tritt / ſihet Er ſich nach einem Bilde vmb / welches gemei - niglich hinterm Tiſche im Winckel an der Wand haͤnget / oder auff ei - nem Bretgen ſtehet / ſiehet Ers nicht alsbald / ſo fraget Er: Jeſt le Boch, iſt nicht ein Gott da? Wenn Ers nun anſichtig wird / neiget Er ſich gegen demſelben 3. mahl mit dem gewoͤhnlichen Gospodi po - milui. Darauff wendet Er ſich zu den Leuten vnd gruͤſſet ſie. Sie halten die Bilder fuͤr ein ſonderlich rein Heiligthum / ſchmuͤcken vnd zieren Sie auffs koͤſtlichſte / die Reichen mit Perlen vnd Edelgeſteine. Die Bawren auff den Doͤrffern wolten nicht zugeben daß wir ſie mit Haͤnden anruͤhren / oder liegend die Fuͤſſe gegen Sie wenden ſolten. Bey etlichen wo wir gelegen waren / muſte der Pope mit einen Raͤuch -Z ijfaſſe180Newe Perſianiſchefaſſe kommen / vnd die Bilder / wenn ſie etwa von vns verunheiliget worden wehren / wieder heiligte.
Sie haben auch eine rechte Schew vnd Furcht fuͤr jhnen / als wenn etwas Goͤttliches darbey wehre. Anno Chriſti 1643. im Junio trug ſichs zu / das in Mußcow ein fuͤhrnemb alt Bild begunte roͤhter vnter dem Geſichte zuſcheinen / als gewoͤhnlich. Die Popen brachten diß fuͤr den Patriarchen vnd Großfuͤrſten / machten ein groß Weſen darvon / als deutete es darmit auff was groſſes / man ſolte Buß - vnd Faſttage außruffen / damit die gedraͤwete Straffe moͤchte abgewendet werden; Der Großfuͤrſt als ein devoter Herꝛ hat hertzlich daruͤber geſeufftzet vnd geweinet. Er berieff alle Ruſſiſche Mahler darzu / vnd ließ ſie auffs Creutzkuͤſſen fragen / ob es natuͤrlich zugienge oder nicht / Da die Mah - ler aber ſagen / das diß kein Wunder / ſondern die Farbe alters halber ſich vom Geſichte abgegeben / das der Grund / welcher wehre roth an - geleget worden / herdurch ſchiene / Da war die Furcht benommen.
Es pflegen auch bißweilen die Pfaffen durch fingirte oder ge - machte Zeichen an den Heiligen die Leute zu ſchrecken / daß ſie Faſt - vnd Bettage halten muͤſſen / damit Sie die Opffer vnd Allmoſen / ſo die Leute auß devotion darbey reichlig thun / zu genieſſen haben. Wie ſolch eine Hiſtorie zu Archangel ſich ſol begeben haben. Da zwene Pfaffen durch ſolche Invention viel Opffergeld geſamlet / ſich aber bey der Theilung verunwilliget / geſchlagen / vnd einer den andern des Be - truges halber angeklaget haben / darauff dann die Knut erfolget iſt.
Es koͤnnen die armen Leute durch ſolche Betrieger auch leicht be - thoͤret werden / weil ſie auß Einfalt den Bildern groſſe Krafft zu ſchrei -Bilder wol - len nicht das Fewr leſchen helffen. ben. Als Anno 1611. der Schwediſche Feldherꝛ Jacobus de la Gardie, Groß Nawgart eingenommen / vnd eine Fewrsbrunſt entſtanden / hat ein Ruſſe auß Einfalt ſein Nicolai Bild gegen das Fewr gehalten vnd gebetet / Er wolte doch leſchen helffen / als aber keine Huͤlffe erfolget / ſondern das Fewr jmmer weiter vmb ſich gefreſſen / hat Er auß vnge - dult das Bild ins Fewr geworffen mit dieſen Worten: Wiltu vns nicht helffen / ſo helff dir ſelbſt / vnd leſche.
Es haben auch damals die Soldaten / weil ſie nichts in den Haͤu - ſern gefunden / daß fuͤr ſie gedienet / die Bilder mit ſich weg genommen / die Ruſſen ſeynd alsdann jhnen nachgelauffen vnd haben ſie thewr wieder eingeloͤſet.
Man ſiehet nicht daß die Ruſſen viel geſchnitzte oder gegoſſene Goͤtzen / vnd Bilder gebrauchen ſolten / ſondern nur Gemahlte. Jn gantz Rußland wo wir geweſen / habe ich nicht mehr / als ein geſchnitztes Nicolai Bruſtbild geſehen / welches in Mußcow im Kreyß Zaargo - rod, wenn man vom Schloſſe nach der Pforten Dmitroßke gehen wil / an der Heerſtraſſe zur rechten Hand in einer Capellen ſtehet. Fuͤr demſelben die fuͤruͤber-gehende ſich andaͤchtig ſegnen / vnd dem Popen / ſo darbey iſt / Allmoſen geben.
Alle181Reiſe Beſchreibung.Alle jhre Bilder ſeynd vnformlich vnd Rauchgelb mit oͤhlfarbenDer Bilder Geſtalt. auff Bretter gemahlet / in gemein eine viertel oder halbe Ele lang vnd etwas ſchmaler. Sie achten vnd ehren kein Bild daß nicht ein RuſſeDie Bilder muͤſſen von den Ruſſen ge - mahlet ſeyn. oder Grieche gemahlet hat / wehre es auch auffs kuͤnſtlichſte vnd zier - lichſte gethan. Jn Mußcow habe ich in der Proceßion, ſo am 41. Blat beſchrieben / ein alt ſchwartzgelbicht Bild bey einer Elenlang / ſo