Dem Hochwohlgebohrnen Herrn, HERRN Adam Chriſtoph Sigmund von Benckendorff, Auf Eſchelsdorff und Seubottenreuth, Jhro Hochfl. Durchl. zu Brandenburg Bareuth, Hochbetrauten wuͤrcklichen geheimbden Rath, Des Hochfuͤrſtlichen Conſiſtorii und Ehe-Gerichts Directori, Hoff-Rath / Amtshauptmann zu Bareuth / Ober-Amtmann zu Streitberg und des Hochfuͤrſtl. Ordens de la Sincerité Rittern ꝛc. Meinem Gnaͤdigen Herrn.
EW. EXCELLENZ werden nicht ungnaͤdig nehmen, daß dieſer meiner erſten Schrifft, ſo bey meinem Auffenthalt in Bareuth an das Tage-Licht gebe, Dero ho -henhen Rahmen vorſetze. Mir iſt zwar mehr als zu wohl bekannt, daß Ew. EXCELLENZ wegen Dero vielen wichtigen Staats - und Juſtitz-Verrichtungen nicht ſo viel Zeit uͤbrig haben, eine ſolche Arbeit wie meine iſt, nur et - was durchzuſehen. Sie iſt auch nicht alſo be - ſchaffen, daß hohe Staats-Miniſtres, wie Ew. EXCELLENZ, dieſelbe einer Betrach - tung zu wuͤrdigen haben. Es duͤrfften ſich alſo viele wundern, warum mich unterfangen Ew. EXCELLENZ dieſes geringe Werck un - terthaͤnig zu dediciren. Allein ich habe den - noch eine buͤndige Urſache, ob es wohl keine von denen iſt, welche man insgemein bey de - dicationen anzugeben pfleget. Ew. EX - CELLENZ haben mir biß anhero viele Gnade erwieſen, und mich Dero hohes patro - cinium genieſſen laſſen. Hiervor gebuͤhret mir daß ich meine gehorſamſte Ergebenheit wieder - um erweiſe, und unterthaͤnigen Danck abſtat - te. Jch habe alſo erachtet, daß es auf keine beſſere Weiſe geſchehen koͤnte, als wenn ich ſol - ches oͤffentlich bewerckſtelligte. Dieſes geſchie -hethet dann mit Uberreichung gegenwaͤrtiger Schrifft, und zweifle nicht Ew. EXCEL - LENZ werden ſolche nach der gewoͤhnlichen Gnade, die Sie Jhren Clienten erweiſen, von mir gnaͤdig auf und annehmen, und mich Dero hohes patrocinium noch fernerhin genieſſen laſſen. Der Hoͤchſte erhalte Ew. EXCEL - LENZ nebſt Dero hohen Familie nur viele Jahre in allem erſprießlichen Wohlſeyn, Er ſegne Dero conſilia und laſſe ſolche fernerhin zum Nutz und Wohlfahrt dieſes Fuͤrſtenthums aus ſchlagen, ſo hoffe daß nebſt andern treuen Dienern einen theuren Mæcenat an Ew. EXCELLENZ haben werde. Jch ver - bleibe Lebenslang
Hoch-Wohlgebohrner Herr, Gnaͤdiger Herr, Ew. EXCELLENTZ unterthaͤniger Diener Johann Georg Pertſch / Lic.
JCh liefere dir hier meine Gedancken vom Recht der Beicht-Stuͤhle. Aergert es dich / daß von dergleichen Sache meine Meinung be - kannt mache / die deinem Dencken nach vielleicht nur denen Theologis zu beurtheilen zuſtehet; ſo werde nicht eher ungehalten / biß du meinen Vorbericht durch - geleſen. Vielleicht laͤſſeſt du den Zorn fahren. Meineſt du aber dennoch / es ſtuͤnde mir nicht zu / von dem Beicht - Weſen zu raiſonniren / ſo bin gewaͤrtig deine Gruͤnde zu hoͤren. Martere mich nur mit keiner Purgantz von Seuff - zern und elenchis. Greiffe die Sache ſelbſten an / und trage deine Einwuͤrffe deutlich vor. Mache keine diſtin - ctiones diſtinctionum und conſequentiarum conſequen - tias. Denn vor dergleichen naͤrriſchen fricaßée muß de - nen Leuten / die nur etwas delicat ſind / nothwendig e - ckeln. Jch habe bey gegenwaͤrtigem Werck / wie billig / die Hiſtorie zum Grunde geleget. Wilſt du mich alſo mit Verſtand attaquiren / ſo muſt du weiſen / daß bey mei - nem Grund eines und das andere verſehen worden. Jch): (): (ver -Vorrede. verſichere dich, daß ich mich gar gerne von dir will unter - richten laſſen. Jch bin nicht ſo hartnaͤckigt / wenn ich in den Moraſt fiele / darinnen ſtecken zu bleiben / ſondern trachte mich heraus zu reiſſen / und laſſe mir gerne von an - dern helffen. Einen Jrrthum aber vergleiche ich nicht un - billig mit einem garſtigen Moraſt. Es waͤre alſo die groͤ - ſte Thorheit / wenn ich mich mit der Beſtaͤndigkeit ent - ſchuldigen wolte / daß ich einen Jrrthum halsſtarrig ver - theidigte. Daß ich aber wegen einiger elenden Einwuͤrf - fe das Feld verlaſſen ſolte / wirſt du mir nicht zumuthen koͤnnen. Man muß deutliche Beweißthuͤmer bringen / und in ſeinen raiſonnements nicht augenſcheinlich ſtolpern. Jch zum wenigſten bin gewohnt / ohne Probe keine Mei - nung gut zu heiſſen / oder zu verwerffen. Man kan ſich aber dennoch zuweilen betruͤgen / und darum profitire ich gar gerne von anderer ihrem Urtheil. Jch ſehe nicht ſcheel dazu aus / wenn man meine Arbeit nach der Schicht - und Richt-Kunſt unterſuchet. Mein Werck de Simoniæ cri - mine iſt in der abgeſonderten bibliotheque zu Halle re - cenfiret worden. Der Herr Verfaſſer des extractes hat die fuͤrtrefflichen lettres de Montalte dabey aufgeſchlagen / und einige papiſtiſche Streiche der Cleriſey ſuppliret. Jch bin ihm dafuͤr verbunden. Zwar hat er dabey vermei - net / ich haͤtte nichts von derjenigen Art der ſimonie erweh - net / da einer jemand zu einem beneficio verhilfft / daß er ihm ſein votum wieder bey einem andern ertheile. Allein dieſes iſt ein kleines Verſehen. Denn in der erſten ſection gedachten tractates / cap. 3. §. 6. & not. a. pag. 62. ſq. habe ich deutlich davon geredet. Jch bin aber darum nicht boͤſe auf den Herrn recenſenten. Er hat ſeine Sache mit Beſcheidenheit vorgetragen. Die Freyheit muß unter denenGe -Vorrede. Gelehrten ſeyn. Man kan gar leicht etwas verſehen. Die - ſes iſt aber darum nicht als ein groſſes Verbrechen aufzu - mutzen. Findeſt du nun in gegenwaͤrtigem Werck et - was zu verbeſſern / ſo glaube / daß ich es mit der groͤſten contenance annehmen werde. Nur mache dabey keine be - ſondere grimacen, und wirff nicht mit lauter Barbara und Celarent, oder Hottentotiſchen Worten um dich. Anbey vergoͤnne mir / daß ich mich eben der Freyheit gegen dich gebrauche / derer du dich gegen mich bedieneſt / im Fall ich deine Einwendungen nicht vor genugſam erheblich erachte. Jch hoffe aber du wirſt mit mir nicht allzuſcharff verfah - ren. Denn es hat ja noch kein proteſtirender Juriſte mei - nes Wiſſens von dem Recht der Beicht-Stuͤhle etwas an den Tag gegeben. Was man findet / iſt hin und wieder zerſtreuet. Jch glaube alſo / daß ich der erſte bin / der die Sache in eine Ordnung zu bringen geſucht. Darum muß man es hoffentlich nicht allzugenau mit mir nehmen / wo ich mich in einem und andern verſtoſſen haͤtte. Wenig - ſtens dencke ich ſo viel præſtiret zu haben / daß ich den Ur - ſprung und Fortgang der privat-Beichte in moͤglichſter Kuͤrtze deutlich vorgeſtellt. Theologiſche Streitigkeiten habe ohne groͤſte Noth nicht eingemiſchet / weil man auf die - ſem Eiſe leicht glitſchen / und durch den Fall um ſeine ortho - doxe Gliedmaſſen kommen kan. Denn die meiſten von der Geiſtlichkeit hangen unter dem Titul der Beſtaͤndigkeit als eine Klette. Sie ſagen: Sum, es, eſt, laſts bleiben / wies geweſt. Sum, ſus, ſut, Neurung thut kein gut. Gehet alſo einer von dem ſyſtemate oder der auswendig gelerne - ten Formul nur ein bißgen ab / ſo ſind verſchiedene da / die da meinen / die gantze orthodoxie litte Noth. Sie nehmen ſich des Schadens Joſephs an / und weil ſie oͤffentlich nicht): (): (2garVorrede. gar zu wohl fortkommen koͤnnen / ſo ſchlagen ſie hier und da / wo einer zu gehen hat / Beine unter. Faͤllet man nun ohnvermuthet durch ſolche Liſt / ſo machen ſie ſich eine be - ſondere Freude daraus / und meinen / ihrer Sache ſey vor - trefflich geholffen. Tauſend liſtige Streiche werden aus - geſonnen / einem ſolchen Menſchen ein Fleckgen anzukleiben. Dergleichen unfoͤrmliches tractament aber will ich auf das demuͤthigſte depreciret haben. Vornehmlich moͤchte ich gerne mit denen Ehren-Tituln der Iſten / und Aner ver - ſchonet bleiben. Denn ich weiß mehr als zu wohl / daß derjenige / ſo nur ein bißgen anders pfeiffet / als die gemei - ne Leyer klinget / wenn man ihn noch honnet tractiret / mit dem prædicat eines ſchismatici beehret wird. Er mag GOtt dancken / daß man die Sturm-Glocke des theolo - giſchen Haſſes und Eifers nicht uͤber ihn an zu laͤuten faͤngt. Jch verſichere aber ſolche Rechthaber / daß ich ihnen ihre e - quipage von der Zanck - und Schmaͤhſucht gerne uͤberlaſſe. Wenn ich aber wider Vermuthen ſolte irritiret werden / ſo darff mir niemand veruͤblen / wenn ich die foibleſſen en ridicule zeige. Denn ich habe das principium Hobbeſii in dieſem Fall: Pacem quære, vbi haberi poteſt, vbi non poteſt haberi, quære belli auxilia. Beſſer aber kan man dergleichen Klaͤffer nicht loß werden / als wenn man ſich eines beiſſenden Saltzes bedienet. Noch etwas muß ich ihnen im Vertrauen eroͤffnen. Jch werde faſt keine Mei - nung vorgetragen haben / welche ich nicht mit eines an - dern auctoritaͤt bekraͤfftiget. Jch getroͤſte mich alſo / daß ich hinter dem Schild dergleichen beruͤhmten Leute ſicher und unverletzt werde ſtehen koͤnnen. Denn in der That greiffen ſie dieſelben an / wo ſie meine Meinungen uͤber einen Hauffen werffen / und vor unzulaͤßig ausſchrey -enVorrede. en wollen. Aus dieſer Urſache bilde ich mir ein / man werde nicht ſonderlich muchſen / wenn ich gleich dann und wann etwas vorgebracht / ſo von dem gemeinen Schlendrian abweichet. Denn wenn man nicht vor ſich alleine redet / ſon - dern etliche von denen Vaͤtern und Theologis allegiret / ſo ziehet mancher die Pfeiffe ein / die er ſonſten im hohen Thon angeſtimmet. Nun aber habe in verſchiedenen wichtigen Fragen ſelbſt unſern ſeel. Groß-Vater Lutherum ange - fuͤhret. Von dieſem wird / wie ich glaube / keine theologi - ſche Schildwache einen orthodoxie-Paß verlangen. So hat es mir auch bey andern Materien nicht an Leuten ge - mangelt / ſo mir beyſtimmen / und vor welcher Anſehen man das Muͤtzgen abnimmt. Dieſerwegen gedencke ich / daß man mich nicht als einen Ketzer auf denen Cantzeln / Schmauſereyen / in Staͤdten und Doͤrffern herum neh - men werde. Denn gewißlich es wuͤrde mancher ehrlicher Mann / der laͤngſt verfaulet / und bißher vor orthodox gehalten worden / mit mir in eine Claſſe kommen. Hat man bißhero nicht gemerckt / daß ſie dergleichen ſtatuiret / was kan ich dafuͤr. Jch dencke doch in Anſehung ihrer Friede zu haben. Denn von Feder-Fechtereyen iſt kein ſonderlicher Staat zu machen. Zumahl wenn man die ehrwuͤrdigen Haͤupter zum Gegentheil hat. Ab odio theologico libera me Domine, hat Philippus Melan - chthon mit Recht geſagt. Denn ich glaube nicht / daß bey andern Strittigkeiten unter denen Gelehrten / ſo viele ſo - phiſtereyen und unverantwortliche intriguen vorfallen / als wenn man das geiſtliche intereſſe nur ein wenig an - zwackt. Litte es die Zeit und Gelegenheit / ſo wolte man - ches Exempel aus der Kirchen-Hiſtorie beybringen. Jch fuͤrchte auch anbey / ich duͤrffte die Herren intereſſenten): (): (3nochVorrede. noch mehr irritiren. Dennoch mag ich nicht gerne ein Maͤr - tyrer werden. Jch will auch alle und jede / die ſich wider mich ſetzen / gebeten haben / mich mit der Knutpeitſche ih - res Eyfers nicht zu tourmentiren / bloß darum / weil ich etwa anders / als ſie / dencke / oder mich nur wenigſtens an - derer Worte bediene. Der groſſe Papſt in Jtalien ſchmeiſ - ſet die Wiederſacher als Toͤpffe / gerne mit einem eiſernen Scepter entzwey / von denen kleinen Paͤpſten in Teutſch - land iſt man es nicht gewohnet. Es wird niemand leug - nen koͤnnen / daß ich auch anders von dem Beicht-Weſen raiſonniren koͤnnen / als andere gethan / indem die Sache keinen Glaubens-Articul betrifft. Darum darf man auch aus dieſem Punct mit der inquiſition nicht hinter mir herwandern. Jch habe nichts vorgebracht / das die aͤuſſerliche Ruhe ſtoͤret / und dem Anſehen und pouvoir eines Fuͤrſten entgegen iſt. Darum hetze man das bra - chium ſeculare nicht wider mich auf. Jch habe gedacht / wie ich es geſehen. Habe ich unrecht / ſo lehre man mich anders. Doch mache man nur einen Unterſcheid unter lehren und zwingen. Gewißlich aber / mein Leſer / du ſeyeſt wer du biſt / ſo hoffe ich / du wirſt es alſo mit mir machen / daß ich nicht noͤthig habe mir eine ſauve garde auszubitten. Sey verſichert / daß ich mich allezeit nach deiner Auffuͤhrung richten werde. Geheſt du genereus mit mir um / ſo will ich dir alle complaiſance erweiſen. Schweigeſt du / und denckeſt das deinige von meiner Arbeit / ſo wiſſe / daß ich niemand das meinige aufdringe. Mur - reſt du / ſo bezeuge ich Gedult / und habe Mitleiden mit deiner Schwachheit. Sucheſt du mich anzuſticheln und durch die Hechel zu ziehen / ſo koͤnte es geſchehen / daß ich dir wieder en riant ein τύπτω gebe. Faͤngſt du endlich anzuVorrede. zu poltern / wie der Hercules furens beym Seneca, ſo verſichere ich dich / daß du eine rechte incommode Creatur biſt. Kluge Leute muͤſſen mit ſolchen Zahnbrechern und Titulmachern compasſion haben. Endlich dienen ihre objectiones, die ſie mit groſſem Geſchrey in die Welt aus - fliegen laſſen / zu nichts als zu Tobacks-fidibus, oder ſonſt etwas. Laſſe dir des Collins ſein Buch de la liberté de penſer recommendiret ſeyn. Denn ob man gleich nicht alles vor ein Evangelium aufnehmen darff / was er ſaget / ſo wirſt du doch vieles finden / das dich auf beſcheidnere Wege bringen kan. Diejenigen / ſo da nicht leiden koͤnnen / daß man von ihnen diſſentiret / und da - hero mit lauter laͤſtern und tourniren angeſtochen kom - men / ſind gemeiniglich elende Fincken-Ritter. Sie den - cken / durch Freyheit im raiſonniren gienge ihr gantzer Marck / und was ſie mit vieler Muͤhe in das von Vorur - theilen uͤberhaͤuffte Gehirne gebracht / auf einmahl zu Grunde. Jch ſuche nach dem Exempel anderer beruͤhm - ter Leute einige Materien des Kirchen-Rechts in ein hel - leres Licht zu ſetzen. Jch geſtehe aber dabey meine Schwachheit / und daß ich ein Deus minorum gentium bin. Deſſen aber ohngeachtet werde verſchiedenes ange - zeiget haben / das man vorhero nicht geſchrieben. Du wirſt es auch ſelbſten wahrnehmen / und vielleicht von manchem andere Gedancken faſſen / wenn du anders mei - ne Schrifft mit ohnpartheyiſchen Augen anſieheſt. Kanſt du dieſes nicht thun / ſo weiß ich dir nicht beſſer zu rathen / als daß du gar nichts von demjenigen lieſeſt / was ich vorgetragen. Sonſten kanſt du / wie bereits gemeldet / frey raiſonniren. Denn in re publica litteraria hat einer ſo viel Freyheit als der andere. Jedoch gleichwie ich / wo von ei -nigenVorrede. nigen diſſentiret / es mit aller Beſcheidenheit gethan / ſo getroͤſte mich von andern desgleichen. Jederman grim - mig anzufallen / nur fechten / beiſſen und kratzen / ſtehet keinem honnet homme, geſchweige einem Gelehrten an. Dieſes iſt die conduite de la canaille. Jch mercke aber wohl / daß mancher ſchmurret / wie der Miſantrope bey dem Moliere. Dieſes thut er nicht ſo wohl deßwegen / weil er in ſeinem Gehirne andere Meinungen hat / als viel - mehr weil ich in teutſcher Sprache geſchrieben. Dieſer - wegen wird mir mancher / wo nicht oͤffentlich / doch heim - lich / einen derben Filtz geben. Aber warum biſt du der teutſchen Sprache gehaͤßig? Vielleicht weil die Lateini - ſche lingua eruditorum iſt? Jn ſo weit haſt du recht / weil ich in der Lateiniſchen allen Gelehrten meine Gedancken communiciren kan. Aber warum ſoll man ſeinen Lands - Leuten zum beſten nicht auch in Teutſcher Sprache ſeine Gedancken zu Pappier bringen? Die Frantzoſen / Jta - liaͤner / Engellaͤnder und andere ſchreiben ja auch in ihrer Mutter-Sprache. Warum biſt du nicht auf den Cicero ungehalten / daß er ſeine Mutter-Sprache im ſchreiben gebraucht? Jch mercke aber / was dir vor Scrupel in dem Niſchel ſtecken. Du denckeſt / daß diejenigen / welche nicht profesſion von der Gelehrſamkeit machten / auf ſol - che Weiſe auch hinter viele Sachen kaͤmen. Was hindert dich dieſes? Warum willſt du daruͤber ſcheel ausſehen? Jch will dir im Vertrauen eroͤffnen / daß Anfangs die La - teiniſche Sprache erwehlet. Andere aber haben mich hierauf eben aus der Urſache / die dich verdreuſt / veran - laßet / in teutſcher Sprache zu ſchreiben. Jch habe ihre Vorſtellung hoͤchſt raiſonnable gefunden. Du wen - deſt ein: Es duͤrfften nicht alle und jede Perſonen diewahreVorrede. wahre Beſchaffenheit mancher Sache wiſſen. Es waͤre weit zutraͤglicher / wenn manches vor ihren Augen ver - borgen bliebe. Hoͤre: dieſes iſt ein politiſcher Streich / den vor langen Zeiten / da alles in der groͤſten Barbarie war / die Cleriſey geſpielet. Wenn es laͤnger gewaͤhret / haͤtten die Layen Heu freſſen lernen. Die Reformation hat uns hieraus geriſſen. Entweder iſt daßjenige / was ich geſchrieben / wahr / oder es hat keinen Grund. Jſt das erſtere / warum ſollen es nicht alle Menſchen wiſſen. Jſt es das letztere / ſo zeige mir / wo ich geirret. Doch fuͤhre dich als einen geſcheuten Diſputatorem auf. Jch beſchei - de mich zwar gar wohl / daß es nicht allezeit gut / wenn alle und jede die wahre Beſchaffenheit einer Sache wuͤ - ſten. Kindern ſind viele Wahrheiten ſchaͤdlich / die ſie bey erwachſenen Jahren wiſſen koͤnnen. Die Geheim - nuͤſſe eines Staats muͤſſen vor vieler Augen verborgen bleiben. Was ich aber geſchrieben / moͤgen Schuſter und Schneider und andere Ungelehrte leſen. Es iſt nichts da - runter / das das Staats-Intereſſe concernirte. Es ſind ſol - che Sachen / die in vita communi vorkom̃en. Wenn du alſo ſonſt keine Urſache haſt auf mich boͤſe zu ſeyn / als daß ich Teutſch geſchrieben / ſo ſpare deine Worte / und bleibe zu Hauſe. Du moͤchteſt dich ſonſten cum applauſu bey der Welt proſtituiren. Alſo menagire dich ſelbſten. Noch eines muß ich gedencken. Die Allegata, wenn ſie in einer andern als der teutſchen Sprache geſchrieben / habe in denen Paragraphis uͤberſetzet / und die Worte in denen Noten beygefuͤget. Doch erinnere daß bey Uberſetzung mehr auf den Sinn / als die Worte eines Autoris geſehen. Laß es dir nicht verdrieſſen / daß ſolche Stellen zweymahl vorkommen. Denn weil vor Gelehrte und Ungelehrte geſchrieben / ſo hat): (): (): (esVorrede. es nicht anders ſeyn koͤnnen. Wilſt du das Teutſche nicht leſen / ſo ſchaue nur alſobald auf die Note. Jn dieſen wirſt du auch manches finden / das nicht fuͤglich in den Text bringen koͤnnen. Gefaͤllet dir meine Manier nicht / ſo uͤberlege nur / methodus ſey arbitraria. Jch habe alſo hierinnen ſchalten und walten koͤnnen / wie es mir belie - bet. Jch halte dieſe Art darum vor bequem / weil man in den Text alles kuͤrtzlich faßen / in der Note aber weiter erleutern / oder eine kleine und nicht undienliche Digres - ſion machen kan. Du aber geneigter Leſer / der du mei - ne Arbeit als einen Blumen-Strauß betrachteſt / da et - was gutes und auch wohl unnuͤtzliches iſt / bediene dich der - ſelben ſo gut du kanſt. Allen Leuten kan man es ohn - moͤglich recht machen. Jch wuͤrde der groͤſte Thore ſeyn / wenn ich einen allgemeinen Beyfall verlangte. Sey vielmehr verſichert / daß ich dieſes als eine Probe geſchrie - ben / um andere zu weiterm Nachdencken aufzumuntern. Wenn ich dieſes erlanget / ſo habe genug gethan. Blei - be mir inzwiſchen ferner gewogen / und erwarte mit ehe - ſten auch auf gleiche Art meine Gedanchen von dem Kirchen-Bann und der Kirchen-Buſſe. Lebe wohl.
JCh zweiffle nicht / daß ihrer viele ſeyn werden /Gemeine Kla - ge, daß die Ju - riſten von Theologi - ſchen Sachen ſchrieben. welche bey Erblickung des Tituls von gegen - waͤrtiger Schrifft mit beweglicher Stimme ausruffen: Es ſey doch eine recht erbarmens - wuͤrdige Sache / daß die Juriſten nicht auff - hoͤrten in die Theologie zu ſtuͤmpern /(a)Man hat bereits in denen uhralten Zeiten es vor eine Staats-raiſonHierunter iſt eine Staats - raiſon. gehalten, daß von Theologiſchen Sachen niemand anders, als gewiſſe Perſonen Wiſſenſchafft haben ſolten. Die Egyptiſchen Prieſter theilten ihre Geheimniſſe und Wiſſenſchafften in goͤttlichen Dingen niemand mit, als denen die von der Nachfolge zur Cron, oder auch Prieſter waren. Es er - hellet ſolches unter andern aus Clemente Alexandrino Strom. lib. 5. Das Pabſtum wuſte ſich dieſes Vortheils auch meiſterlich zubedienen. Die Schulen waren in Kloͤſtern. Da wurde niemand unterrichtet, als der ein Glied von der Cleriſey war. Die, ob ſie gleich eben in der wahren Weiß - heit nicht unterrichtet worden, ſo wuſten ſie doch mehr als andere. Alſo(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) akunten da ſey kein Articul Chriſtlicher Lehre / von welchem ſie ſich nicht unterfiengen ihr Urtheil zu faͤllen / ja gar davon zuaſchrei -2Vorbericht von der Juriſtenſchreiben und zu diſputiren. Weil ſie aber von ſolchen Sachen keine vollkommene Erkaͤnntniß haͤtten / noch haben koͤnten / ſo braͤchten ſie lauter elendes und irriges Zeug zu Marckte. Durch ihre Freydenckerey, wuͤrde denen Ketzereyen und Spal - tungen Thuͤr und Thorgeoͤffnet. Ja was noch mehr / ſo ſchliche ſich die Atheiſterey bey vielen nach und nach ein. (b)Welchen Leu - ten man gemei - niglich die A - theiſterey bey - miſt.Es iſt jetzo faſt mode, daß man diejenigen, ſo da zuſchauen, ob alles, was die Geiſtlichkeit vorgiebet, Grund habe, mit dem Nahmen der Atheiſten be - leget. Wer uͤber ein und andere Theologiſche materien raiſonniret, und reine Vernunfft gebraucht, wird mit dieſem ſchoͤnen Titul beleget. So haben es die Papiſten dem Luthero und Melanchthoni gemacht. vid. Poſſeuinus in Biblioth. ſelect. Lib. VIII. cap. 1. ſeq. Der gelehrte Eraſ - mus Roterodamus, weil er die Fehler der Cleriſey entdecket, hat ebenfals dafuͤr die Ehre gehabt unter die Atheiſten gezehlet zu werden. vid. Theo - philus Raynaudus in erotemat. de malis & bonis libris partit. 1. erot. IV. p. 22. ſq. Der ſeelige Spener hat auch erfahren muͤſſen, daß man ihn mit Spinoza verglichen. Man leſe hie von das Programma, ſo der Leipzigiſche Theologus Joh. Bened. Carpzov Ao. 1695. zu denen Oſter-Feyertagen drucken laſſen. Wie viele den beruͤhmten Chriſt. Thomaſium zu einem Atheiſten machen wollen, iſt bekannt genug.
So / ſage ich / werden bey manchem die Seuffzer aus dem innerſten ſeines Hertzens heraus poltern. Allein die alſo urtheilen / werden vielleicht von derjenigen Gattung ſeyn / welche nichts vor billig und zugelaſſen halten / als was mit ih - rem / von vielen Vorurtheilen beſeſſenen Gehirne uͤbereinkomt. Denn wenn ſie die Sache mit Vernunfft und ſich ſelbſt gelaſſe - nen Gemuͤthe uͤberlegten / wuͤrden ſie gewiß gantz andere Mei - nungen faſſen. So aber bleiben ſie bey demjenigen / was ihnen von ihren alten Lehrern beygebracht worden / wie eine Klette hengen. Sie meinen die alten waͤren auch keine Narren ge - weſen. Dieſe aber haͤtten dafuͤr gehalten / es ſolte ein jeder fein bey ſeinem metier bleiben / und ſich um andere Dingeunbe -(a)kunten ſie nach und nach ſich uͤber die weltliche Obrigkeit empor ſchwingen. Denn da alles in der groͤſten Unwiſſenheit lebte, ware es gar ein leichtes.3Studio in der Theologie. unbekuͤmmert laſſen. Geſetzt aber daß dem ſo waͤre / muͤſſen wir denn ſolches als goͤttliche Wahrheiten veneriren. Hoͤre / was Lactantius ſaget:(a)Lactantius in Inſtit. diu. Lib. II. de origine erroris. Sapientiam ſibiVon Lactantio getadelt. adimunt, qui ſine vllo judicio inuenta majorum probant, & ab aliis pecudum more ducuntur. Sed hoc eos fallit, quod majorum nomi - ne poſito, non putant fieri poſſe, vt aut ipſi plus ſapiant, quia mi - nores vocantur, aut illi deſipuerint, quia majores nominantur. Wer die Erfindungen der Al - ten ohne Uberlegung vor wahr haͤlt, benimmet ſich ſelbſt die Weißheit, und wird von andern wie ein Vieh geleitet. Aber ſie betruͤgen ſich damit, daß da ſie den Nahmen der Vorfahren oder Alten antreffen, ſie dafuͤr halten es koͤnte nicht ſeyn, daß ſie als Juͤngere und Nachkommen mehr wuͤſten; oder daß ſie den - cken jene haͤtten nichts naͤrriſches an ſich gehabt, weil ſie Majo - res oder Vorfahren hieſſen.
Hiermit ziehen ſie um jede Facultaͤt einen Spren -Jnnungen bey der Ge - lahrheit. gel. Dieſen ſoll niemand uͤberſchreiten / wenn er nicht von ih - nen mit mißvergnuͤgten Augen will angeſehen ſeyn. Sie fuͤh - ren ſich wie die Handwercks Leute in unſerm teutſchen Reiche auff. Wer nicht bey einer Jnnung ordentlich eingeſchrieben / gelernet / Geſelle und Meiſter worden / darff nichts dahin ge - hoͤriges arbeiten / will er nicht vor einen Pfuſcher angeſehen und geſtrafft werden. Dieſes aber iſt der rechte Weg nicht zu einer gruͤndlichen Gelahrheit zu gelangen. Dieſes haben ſchon verſchiedene von viel hundert Jahren her erkannt. Und wenn auch kein Exempel vorhanden / daß ſich jemand auſſer ſeinem Haupt-Studio in andere diſciplinen gewaget / ſollen wir der - gleichen auch thun? Jch dencke nicht. Seneca iſt in dieſem Stuͤck viel kluͤger geweſen. Was iſt zu thun? lauten ſeine Worte. (b)Seneca epiſt. 33. ad Lucilium. Quid ergo? non ibo per priorum ve -Senecæ Urtheil von der rechten Art zu ſtudiren. ſtigia? Ego vero vtar via veteri, ſed ſi propiorem inuenero, hanc mu - niam. Qui ante nosiſta mouerunt, non domini noſtri ſed duces ſunt. a 2PatetSoll ich nicht der alten Spur folgen[?]Jch willa 2mich4Vorbericht von der Juriſtenmich zwar des alten Wegs bedienen, abet wenn ich einen naͤ - hern finde, will ich dieſen gehen. Die vor uns etwas vorge - bracht, ſind nicht unſere Herren, ſondern Leiter und Fuͤhrer. Die Wahrheit ſtehet einem jeden offen, man hat ſie noch nicht eingenommen. Vieles davon iſt denen Nachkommen uͤber - laſſen worden.
Gewiß / es kan nichts ausgedacht werden / ſo der Gelahrheit mehr im Weg ſtehet / als wenn man nur eine eini - ge diſciplin excoliren will. Denn es iſt eine Weißheit. Was von dieſem Centro abgehet / iſt ein Jrrthum. Zu der Weißheit aber zugelangen / hat man viele diſciplinen. Dieſe haben un - ter ſich eine Connexion, ſie helffen dazu / daß wir die vielen an - klebenden Jrrthuͤmer ausmertzen koͤnnen. Wenn nun alſo gleich in artibus mechanicis, gewiſſe Guͤlden / Zuͤnffte und Jn - nungen auffgerichtet werden; ſo kan man doch ſolches bey denen gelehrten Wiſſenſchafften nicht bewerckſtelligen. Ein Schuſter kan ſeine Profeſſion vollkommen verſtehen / wenn er gleich nicht weiß / wie man ein Kleid / ſo auff dem Leibe wohl ſi - tzen ſoll / zuſchneiden muß. Allein bey denen ſtudiis ſiehet es etwas anders aus. Um dieſe kan man keinen Zann machen / weil unter allen Wiſſenſchafften eine genaue Verbindung, ein enchainement des verités iſt. Vitruuius hat zu ſeiner Zeit ſchon bemercket / daß dieſer Satz ſeinen Grund habe. Die Gelahrheit beſtuͤnde als ein Coͤrper aus vielen Gliedern. Man muͤſte alſo verſchiedenes und vieles lernen.(a)Vitruuii Ur - theil davon.Vitruuius de Architect. Lib. 1. Mirum videbitur imperitis, poſſe na - turam tantum numerum doctrinarum perdiſcere. Cum autem ani - maduerterint, omnes diſciplinas inter ſe conjunctionem rerum & com - municationem habere, fieri poſſe facile credetur. Encyclios enim diſciplina vt corpus vnum ex his membris eſt compoſita. Itaque quia teneris ætatibus eruditionibus variis inſtruuntur, omnibus literisagno - Denenſo(b)Patet omnibus veritas; nondum eſt occupata. Multum ex illa etiam futuris relictum eſt. 5Studio in der Theologie. ſo hier an noch einigen Zweiffel haben / iſt durch den Gelehrten Wower der Staar ziemlich geſtochen worden. (b)Er ſchriebe de Polymathia und kam Ao. 1603. zum erſten mahl heraus. und Woweti. Zum dritten mahl hat es Jacobus Thomaſius Ao. 1665. zu Leipzig auffle - gen laſſen. Der Titul iſt etwas praͤchtig. Jn der Ausarbeitung iſt aber gewiß eine groſſe Beleſenheit zu ſpuͤren. Zu wuͤnſchen waͤre es, daß Wo - wer eine groͤſſere Beurtheilungs Krafft erwieſen. Doch iſt es das beſte Werck, ſo wir in dieſer Sache haben. Er ſetzet in dem erſten Capitel, daß er zeigen wolte, alle diſciplinen haͤtten unter ſich eine Verbindung. Wer eine nicht achtete, kaͤme in der andern nicht fort. Omnes artes, lauten ſeine Worte, communi quodam vinculo aptas & colligatas conuin - cam, vt quisquis earum vnicum negligenter habuerit, eum reliquæ quoque deſerant. Sein Leben hat am ausfuͤhrlichſten der gelehrte Reinmann beſchrieben, in der critique uͤber Bayle dictionaire.
Es muß alſo ein Juriſte auch die Theologie ſtu -Ein Juriſte muß in der Theologie guten Grund legen. (1) Urſache. diren. Hierzu befinden ſich auſſer dem angefuͤhrten verſchie - dene wichtige Urſachen. Denn da kommet ja einem ieden Men - ſchen zu / daß er in ſeinem Chriſtenthum guten Grund lege / und ſeines Glaubens verſichert ſey. Hier zu muß ihm ja die Theologie den Weg bahnen. Jch verſtehe aber dadurch nicht eine ſolche / wie ſie in vielen Syſtematibus mit einer Menge von ſcholaſti - ſchen und metaphyſiſchen Grumpen / diſtinctionibus und diuiſionibus vorgetragen wird; ſondern wie ſolche in dem kla - ren Wort GOttes enthalten iſt. Hier finde ich alles klar und deutlich / da ich durch die meiſten theologiſchen Syſtemata nur mehr verwirret werde. Mir gefallen die Worte Turretini uͤberaus wohl / da er ſaget:(c)Turretinus in cogit. de religion. §. 67. Qui vellent, Chriſtum Theo -Turretini Ge - dancken von der Theologia Sy - ſtematica. logiam ſyſtematicam hominibus tradidiſſe, parum prudentes ſunt æſtimatores rerum. Ars uiuendi familiaribus colloquiis datisque, prout res ferunt, documentis, longe felicius traditur, quam operoſo illo definitionum & argutarum quæſtionum artificio, quod ſyſtema nuncupatur. Die da verlangen, daß Chri -a 3ſtus(a)agnoſcunt easdem notas, communicationemque omnium diſciplina - tum & ea re omnia facilius cognoſcunt. 6Vorbericht von der Juriſtenſtus denen Menſchen eine ſystemati ſche Theologie gegeben haben ſolte, koͤnnen die Sachen nicht kluͤglich beurtheilen. Die Kunſt zu leben wird durch gemeine Geſpraͤche, und Zeugniſſe, wie es die Sache erfordert, viel beſſer vorgetragen, als durch die muͤhſame Kunſt der definitionum und ſpitzigen Fragen, wel - ches man ein ſystema nennet. Man gehe alſo auff die Quelle ſelbſten. Dieſe zeiget den Weg zur Seeligkeit auff das deut - lichſte. Nun wollen aber die Juriſten ſo gerne alß andere Leu - te in den Himmel kommen. Sie halten darum dafuͤr / das Forſchen in der Schrifft, ſey ſo wohl ihnen als andern Menſchen anbefohlen.
Was heiſt aber in der Schrifft forſchen? Ge - wißlich wird es etwas mehr / als eine bloſſe Leſung und Erler - nung einiger Stellen aus derſelben bedeuten. Die Wahrheit kan ohne Muͤhe nicht wohl erfunden werden. Es ſind offt we - nig Worte / die aber einen deſto groͤſſern Nachdruck haben. Einige Stellen ſind oder ſcheinen dunckel. Dunckle Reden wer - den aus obſeruationibus ſingularibus erklaͤret. Solche ob - ſei uationes gruͤnden ſich auf eine Erfahrung / die man nach und nach erlanget. Eine ſolche Erfahrung / bringet beſondere Saͤ - tze und Muthmaſſungen herfuͤr. Alſo beruhen alle Erklaͤrungen auff Muthmaſſungen. Dieſe koͤnnen aber von iedem / welchen GOtt mit einem geſunden und auffgeraͤumten Verſtand begabet / gemacht werden. GOTT hat in ſeinem Wort uns keine ſolche Sachen vorgetragen / die gaͤntzlich unbe - greifflich waͤren. Der Autor des Buchs de la vanite des ſci - ences hat ſchoͤne Gedancken davon / da er ſaget:(a)Gedancken von der bibliſchen Schreib-Art.La vanite des ſciences, ou ref lection d’un Philoſophe Chretien ſur le verita - ble bonheur pag. 232. ſeq. Pour moy, je vous avouë qu’ apres l’étude que i’ay pû faire juſqu’à préſent, je ne me félicite d’autre choſe que de ce que je reconnois, que je ne ſuis pas plus ſavant que le plus ſimple des Chreſtiens; que le Saint Eſprit n’a point eu deſlein de nous rendrePhi -Was7Studio in der Theologie. Was mich betrifft, ſo bekenne ich, daß nach allem Fleiß, den biß - hero anwenden koͤnnen, ſchaͤtze ich mich aus keiner andern Ur - ſache gluͤcklich, als daß ich erkannt, wie ich nicht weiſer als der einfaͤltigſte Chriſte bin; daß der heilige Geiſt nicht den End - zweck gehabt, uns zu Philoſophen zu machen, und ſolche Sachen vorzutragen, die in nichts als einer ſpeculation beſtehen; ſon - dern uns nur zu lehren, wie wir recht leben ſollen, und uns zu der zukuͤnfftigen Seeligkeit durch den Weg der Heiligkeit zu zu - ſchicken: Daß die heiligen Schreiber niemahls im Sinn ge - habt uns unbegreiffliche Geheimniſſe zu lehren, noch von ſol - chen Sachen zu reden, welche ſich nicht vor alle Leute ſchick - ten: Vielmehr haben ſie ſich in Dingen, die nur die Theorie und ſpeculation betreffen allzeit ſolcher Ausdruͤckungen bedie - net, die unter ihnen am gemeinſten waren, und davon ihre Leu - te Verſtand hatten ohne ſich Muͤhe zu geben, daß ſie deutlichere erhielten. Denn dieſes ware zu denen guten Sitten nicht von noͤthen. Daß ihre Art zu reden, welche Anlaß gegeben ſich Geheimniſſe und unbegreiffliche Dinge einzubilden, nichts anders als ordentliche Ausdruͤckungen, entweder nach unſerer, oder der damahls gebraͤuchlichen Schreib-Art ſind. Alſo darff man nur auff dem rechten Weg bleiben / wenn mannicht(a)Philoſophes, & de nous propoſer des matieres purement ſpeculatives; mais ſeulement de nous apprendre à bien vivre, & de nous conduire à la felicité future par le chemin de la ſainteté: Que les Ecrivains ſacrés n’ont, jamais penſé à nous enſeigner des myſteres incompré - henſibles, ni à nous parler des choſes qui ne fuſſent pas de la portée de tout le monde: Qu’au contraire, ſur les choſes qui ne regardent que la Theorie & la ſpeculation ils ſe ſont tousjours accommodés aux ideés qui eſtoient les plus communes parmi eux, & dont leurs peu - ples eſtoient prévenus, ſans ſe mettre eu peine de leur en donner de plus exactes; lorsque cela n’eſtoit pas néceſſaire pour les bonnes mœurs. Que leurs manieres de parler qui ont donné occaſion de ſe figurer du myſtére & de l’ incomprehenſible, ne ſont que des fi - gures & des expreſſions ordinaires ou à nôtre propre ſtyle, ou à celuy de leur tems. 8Vorbericht von der Juriſtennicht ſogleich verſtehet was die Schrifft will / ſo wird man gar leicht von ihrer Meinung muthmaſſen koͤnnen. Jedoch iſt eine Muthmaſſung ſtaͤrcker als die andere.
Wer alſo ſelbſt der Sache nachdencket / verdie - net vor andern gelobet zu werden. Es muß auch von rechtswegen ein ieder die Wahrheiten und Wahrſcheinlichkei - ten ſelbſten ſehen. Wer dieſes nicht thut / der raiſonniret auch nicht / ſondern andere thun es vor ihm. Zwar weiß ich allzuwohl / daß man diejenigen / ſo ihre Vernunfft unter dem Gehorſam der Prediger gefangen nehmen vor andern zu erhe - ben pfleget. Ja man will zu weilen einige bereden / es muͤſte alſo ſeyn. Jch kan aber nicht verhalten / daß mir allezeit da - bey einfaͤlt / es ſey ſolches ein ſchlimmer Streich. Hat der Pabſt dem ſeeligen Luther und andern Reformatoribus nicht eben dergleichen weiß machen wollen? Klinget der Jeſuiten ihre Meinung nicht noch heute zu Tage auff dieſen Schlag? Man muß aber wiſſen / daß man ſich zwar verbindlich machen koͤnne iemand zu gehorchen, keines weges aber alles / was er ſa - get zu glauben. Jſt denn alles ſchon ſo gewiß / daß weiter nichts dawieder einzuwenden? Hoͤre was Auguſtinus ſaget:(a)Was bey unter - ſuchung der Wahrheit zu beobachten.Auguſtinus c. 3. contr. epiſt. fundam. Nemo noſtrum dicat, ſe jam inueniſſe veritatem. Sic eam quæramus, quaſi ab utrisque neſciatur. Ita enim diligenter & concorditer quæri poterit, ſi nulla temeraria præſumtione inuenta & cognita eſſe credatur. Niemand ſage er habe die Wahrheit ſchon gefunden. Wir muͤſſen ſie ſo ſuchen, als wenn beyde Theile ſolche nicht wuͤſten. So kan man dieſelbe fleißig und einmuͤthig ſuchen, wenn man weiß daß ſolche duꝛch keine vergebliche Einbildung erfunden und erkannt worden.
Bey einer ſolchen Auffuͤhrung / da man meinet / andere haͤtten die Sache ſchon genug eingeſehen / und beduͤrfften wir keines Nachdenckens / iſt gemeiniglich eine Faulheit. Die Schrifft billiget ſolche ſelbſten nicht. Dennwarum9Studio in der Theologie. warum ſchreibet Paulus ſeinen Theſſalonichern. Pruͤfet aber alles und das Gute behaltet. (a)1 Theſſ. V, 21. Παντὰ δοκιμάζετε, τὸ καλὸν κατέχετε.Haͤtte er geſucht / daß man weiter nicht uͤber ſeine Brieffe reflectiren duͤrffte / ſo wuͤr - de er ſolche Worte nicht haben einflieſſen laſſen. Oder waͤre der theure Mann in der Meinung geſtanden / daß nur die Bi - ſchoͤffe und Aelteſten ſolches thun duͤrfften; ſo wuͤrde er ſich zweiffels ohne deutlich hieruͤber erklaͤret haben. Allein ſo fin - det man nicht die geringſte Spur davon. Er redet uͤberhaupt alle Theſſalonicher an. Denn obwohl dieſer theure Ruͤſtzeug aus ohnmittelbahrer Eingebung des heiligen Geiſtes geſchrieben / ſo ermahnet er dennoch die Corinthier / daß ſie die Wahrheit / desjenigen was er ſagte / unterſuchen moͤchten. Denn ſo lauten ſeine Worte: Als mit den Klugen rede ich. Richtet ihr, was ich ſage. (b)1 Cor. X, 15. Ω῾ς φρονίμοις λέγω· κρίνατε ἡμει῀ς, ὅ φημι.Ja er laͤſſet ihnen auch an - derwaͤrts zu die Weiſſagungen und ſeine Reden zu beurtheilen. Denn ſo ſchreibet er wiederum: Die Weiſſager aber laſſer reden, zwey oder drey, und die andern laſſet richten.(c)1 Cor. XIV, 29. Προφῆται δὲ δύο ἣ τρει῀ς λαλείτωσαν, καὶ οἱ ἄλλοι διακρινέτωσαν. denen Philippern befiehlet er ebenfals / zu pruͤfen was das beſte ſey. (d)Phil. I, 10.Anderer Stellen von ihm zugeſchweigen. Jo - hannes hat ebenfals τὴν δοκιμασἴαν τῶν πνευμάτων, die Pruͤfung der Geiſter anbefohlen. Denn ſo ſchreibet er: Jhr Lieben, glauber nicht einem ieglichen Geiſt, ſondern pruͤfet die Geiſter, ob ſie von GOtt ſind, denn es ſind viel falſche Propheten aus - gegangen in die Welt. (e)1 Joh. IV. 1. Α᾽γαπητοὶ, μὴ ϖαντὶ πνεύματι πεϛεύετε, ἀλλὰ δοκιμά - ζετε τὰ ϖνεύματα εἰ ἐκ του Θεοῦ ἐϛιν῾ ὅτι ϖολλοὶ ψευδοπροφῆται ἐξε - ληλύθασιν εἰς τὸν κόσ μον.Denen Berrhoenſern wird zu Ruhme nachgeſchrieben / daß ſie das Wort / ſo ihnen Paulus(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) bund10Vorbericht von der Juriſtenund Silas geprediget / mit Freuden auffgenommen / und taͤg - lich in der Schrifft geforſchet, ob es ſich alſo hielte. (f)Actor. XVII, 11. οὕτοι δὲ ἦσαν ἐυγενέϛεροι τῶν ἐν θεσσαλονἴκη, οἵτινες ἐδέξαντο τὸν λόγον μετὰ πάσης προθυμίας, τὸ καθ᾽ ἡμέραν ἀνακρίνον - τες τὰς γραϕὰς, εἰ ἔχοι ταῦτα οὕτως.Chriſtus / unſer theurer Heiland ſelbſt / hat es vor gut gehal - ten / daß man ſeine Rede pruͤffen moͤchte, ob ſie von GOtt ſey. (g)Joh. VII, 17. Ε῎αν τις θέλη τὸ θέλημα ἀυτου ποιει῀ν, γνώσεται περὶ τῆς διδαχῆς, πότερον ἐκτου Θεοῦ ἐϛιν, ἤ ἐγὼ ἀπ᾽ ἐμαυτου λαλῶ.
Da nun ſelbſt die Schrifft dergleichen Unter - ſuchung allen anbefiehlet / warum ſolten die Juriſten davon ausgeſchloſſen ſeyn? Vielleicht / daß ſie nicht hinter die Wahrheit kommen ſollen? Denn man hat ſchon vormahls dafuͤr gehalten / daß manches wahr waͤre / welches doch an - dere Leute nicht wiſſen ſolten / und vieles falſch / das doch gut waͤre / denen Leuten als Wahrheiten beyzubringen. (a)Auguſtinus de ciuit. Dei Lib. IV. c. 3. Multa eſſe vera, quæ vulgo ſcire non ſit vtile, & quædam tametſi falſa ſint, aliter exiſtimare po - pulum expediat &c. Jch mercke aber ſchon wo du hinaus wilſt. Du ſageſt die Chriſtli - che Kirche hat dieſes oder jenes bereits ſo und ſo erklaͤret. Dieſerwegen meineſt du beduͤrffte die Sache keiner weitern Nachgruͤblung. Laß dir dienen: wen verſteheſt du durch die Chriſtliche Kirche? Die Patres oder die herrſchende Cleriſey? Wo iſt es aber gegruͤndet / daß dieſe in ihren Er - klaͤhrungen nicht irren? Warum ſollen alle andere ihre Saͤtze und Meinungen unterſchreiben? Jch muß dir in Vertrauen ſagen / daß mir bey denen Patribus einfaͤlt / was Cicero von denen Philoſophen geſprochen: Er wuͤſte nicht woher es kaͤme, daß nicht ſo abſurd koͤnte geſagt werden, was nicht einPhi -11Studio in der Theologie. Philoſophe vorgebracht. (b)Cicero Lib. II. de diuin. Neſcio, quomodo nihil tam abſurde dici poteſt, quod non dicatur ab aliquo Philoſophorum. Uber dieſes ſo bedencke / daß die Patres und uͤbrige Cleriſey Menſchen ſind. Dieſe thun oͤffters aus Affecten etwas. Darum darff ich ihnen als ſichern Lei - tern nicht folgen.
Denn wenn dieſes angienge / ſo haͤtten dieieni -Clerici Ge - dancken we - gen des Zwangs et - was zu glau - ben. gen ein gewonnen Spiel / die da vorgeben; ein Fuͤrſte haͤtte Macht zu befehlen was man glauben muͤſte. Der beruͤhmte Johannes Clericus raiſonniret aber recht gruͤndlich von ſol - chenungegruͤndeten Vorgeben. Jch will ſeine Worte teutſch hieher ſetzen. Man kan nicht ſagen, ſpricht er /(a)Clerc. Bibliotheque Choiſie Tom. X. p. 335. On ne ſauroit dire que ceSeine eigne Worte. Souverain a droit, de juger diuvrai & du faux, en matieres de reli - gion, pour le peuple; parce qu’il s’enſuivroit, que toutes les fois, que le Souverain changeroit de ſentiment, ſur la religion, comme il eſt arivé tres ſouvent, il faudroit néceſſairement, que le peuple en - changeât; a moins que d’ être coupable du crime de rebellion, & de pouvoir être puni comme tel. Il n’y a porſonne, qui voulût ac - corder cette conſequence, puis qu’n Prince heretique auroit droit de perſecuter les orthodoxes, & un prince Mahometan, du même Jayen auroit auſſi droit de mal traiter les chretiens, ſans qu’ils puiſſent s’an plaindre. Il n’y a reu de plus evident, & il en eſt de même, ſi vous ſubſtitues les eccleſiaſtiques au ſouvrain: car ſi un Synode a droit de juger pour le peuple, de ſe que le peuple doit croire, ſans que per - ſonne puiſſe refuſer de recevoir ſes deciſions, quelque ſentiment qu’ait ce Synode, il faudra l’embraſſer, ſans examen. Quand il decidera, qu’il ne faut point adorer d’images il faudra s’en abſtenir, & dés qu’il aura decidé le contraire, comme il arriva en orient, du tems, que l’ony diſputois des images, il faudra les ardorer. Il n’ya point de ſocieté chretieane aujourdhui, qui voulut avouër en general, que les ſujets en quelque êtat, que ce ſoit, ſont obligés en conſcienco de ſe ſoumettre aus deciſions du Souvrain, au des eccleſiaſtiques dub 2pais daß ein Fuͤrſt recht hat, wegen des Volcks in Religions Sachenb 2von12Vorbericht von der Juriſtenvon der Wahrheit und Falſchheit zu urtheilen; Denn es wuͤr - de daraus folgen, daß ſo offt ein Fuͤrſte die Meinung wegen der Religion aͤnderte, wie es ſich gar offt zugerragen, das Volck auch nothwendig dergleichen zu thun gehalten waͤre; ſonſt wuͤrde es eines Laſters der Rebellion beſchuldiget werden, und man koͤnte es dieſerwegen ſtraffen. Niemand wird derglei - chen Folgerung zu geben, denn ein ketzeriſcher Fuͤrſt haͤtte Recht die Orthodoxen zu verfolgen, und einer der dem Maho - metaniſchen Glauben zugethan, oder gar ein Heyde haͤtte auch Fug die Chriſten uͤbel zu tractir en, ohne daß ſie ſich daruͤber beklagen koͤnten. Nichts kan deutlicher ſeyn als dieſes. Er kommet auch auff die Geiſtlichkeit / ob dieſelbe in Glau - bens-Sachen vorſchreiben koͤnne / und faͤhret fort: Und es iſt einerley wenn man an ſtatt des Fuͤrſten die Geiſtlichen ſe - tzet: Denn wenn ein Synodus Recht hat, an ſtatt des Volcks zu richten und zu ſagen, was das Volck glauben muß, ohne daß ein einiger abſchlagen koͤnte, ihren Schutz anzunehmen, ſo wuͤſte man was der Synodus vor Meinung haͤtte, ſolche ohne Unterſuchung annehinen. Wenn derſelbe ausſpricht, man ſolte keine Bilder anbeten, ſo muͤſte man es ſich enthalten; und wenn wiederum das Gegentheil geordner wird, wie in Orient, zur Zeit als man wegen der Bilder ſtritte, es ſich zuge - tragen, ſo muͤſte man die Bilder anbeten. Es iſt heute zu Tage keine Chriſtliche Geſellſchafft, welche uͤberhaupt zuge - ben wird, daß die Unterthanen eines Staats, es ſey was es vor einer wolle, in ihren Gewiſſen verbunden, ſich denen Aus - ſpruͤchen des Fuͤrſten, oder des Landes Geiſtlichkeit zu unter - werffen, weil ſie befuͤrchten muß, daß ſie ſich ſelbſt verdamm - te. Aber es ſind verſchiedene Geſellſchafften, die es nicht laſ - ſen koͤnnen ſich eines Rechts anzumaſſen, welches ſie andern nicht zugeſtehen wollen, und thun das jenige, was ſie ver - dammen, wenn es von andern geſchiehet.
§. XI.(a)pais, de peur de ſe condamner elle même. Mais il ya diverſes ſoci - etés, qui ne laiſſent pas d’exercer un droit, qu’elles n’oſent pas ac - corder aux autres, & de faire ce qu’elles condamnent, quand les au - ters le font.
Da nun uͤber dieſes / die Gottes Maͤnner ſelbſtGlaubens Sachen muß ein jeder ſelbſt unter - ſuchen. die Unterſuchung ihrer Lehre allen Chriſten zu geſtanden / warum ſolte es bey unſerer Prieſterſchafft verbothen ſeyn? Wir verdienten / wenn wir ſolches thaͤten / und blindlings glaubten / mit allen Recht / daß man uns vorwuͤrffe / unſer Glaube dependir te von der Geiſtlichkeit. Man koͤnte von uns mit Recht ſagen / was die Heyden ehemahls denen erſten Chriſten ohne Grund vorgeworffen / daß wir alles aus einer Leichtglaͤubigkeit ohne den geringſten Grund vor wahr hiel - ten. (a)Vid. Origenes Lib. I. contr. Cell. p. 812. edit. Spencer. Denn da haben die Heyden von denen Chriſten geſagt, daß ſie nur dieſen einſchaͤrfften: Μὴ ἐξέταζε, ἀλλὰ πίϛευσον.Alſo ſieheſt du die erſte Urſache / warum ein Juriſte mit in die Theologie hinein gucken kan / und ſolches auch von Rechts wegen thun ſoll. Sageſt du die Schrifft waͤre in Glaubens-articuln klar und deutlich. Jch gebe es zu. Jch muß aber meines Glaubens gewiß ſeyn, und wiſſen was ich glaube. Uber dieſes aber ſo ſind ja noch andere Sachen in der Schrifft / die nicht zu denen Glaubens-articuln gehoͤren. Dennoch aber iſt es gut / daß man auch davon Rede und Ant - wort zu geben wiſſe. Vieles verdienet noch einer genauern Un - terſuchung. Es iſt auch durch fleißiges Forſchen von vielen manches an den Tag gebracht worden / davon man vormahls nichts gewuſt / und ſo gehet es noch immerzu. Was wir heu - tenicht ausmachen koͤnnen / bringet ein anderer morgen oder zur andern Zeit an den Tag. (b)Daher ſaget Virgilius gar recht Lib. XI. Aeneid. Multa dies variusque labor mutabilis æui Rettulit in melius.
Wenn nun ein Juriſte ſeine Gedancken von ei -Alſo auch die Juriſten. nigen Schrifftſtellen entdecket / ſo darff man ihn deswegen nicht anfeinden. Solche Wahrheiten / ſind bey denen ſchwar -b 3tzen14Vorbericht von der Juriſtentzen Kappen nicht allein anzutreffen. (a)Layen koͤnnen von Glaubens - Sachen ur - theilen.Die Schrifft hat uns GOTT nicht darum gegeben, daß wir nach ande - rer ihren Ausſpruch und Erklaͤrung uns richten muͤſſen. Wir ſollen ſelbſt nachforſchen, und den Weg des Heils ſuchen. Wir ſind ſo gut faͤ - hig von denen Glaubens-Lehren zu urtheilen, als die Prieſterſchafft. Ge - ſcheute Theologi erkennen dieſe nunmehro ebenfals. Der beruͤhmte Theologus zu Baſel, Samuel Werenfels, hat die Layen wieder die Geiſt - lichkeit in dieſem punct deſendiret. Denn wir haben von ihm eine diſſer - tationem apologeticani pro plebe Chriſtiana, aduerſus doctores, judicium de dogmatibus fidei ei auferentes. Zu wuͤnſchen waͤre es, daß alle Theologi, ſo da meinen ſie waͤren alleine befugt Glaubens-puncte zu entſcheiden, die - ſelbe mit Verſtand durchgiengen.Jch rede nicht von allen / ſondern von denen / welche die Theologie in Erb-Pacht genommen haben wollen. Alſo duͤrffen ſich rechtſchaffeneNichtige Be - ſchuldigung wegen der Neuerung. Theologi dergleichen Redens-Art nicht annehmen. Siehet aber eines Juriſten reflexion anders aus / als dieſe / welche das graue Alterthum gemacht / ſo nenne man ihn darum nicht einen Neuling und Sonderling. Horatius hat ſich ſchon dar - uͤber moquiret / daß man eine Sache bloß darum verwerffen wolte / weil ſie neu waͤre. Er meinet es kaͤme ein ſolches daher / weil viele nichts vor Recht hielten / als was ihnen beliebte. Sie hielten es vor nachtheilig juͤngern zu folgen / und was ſie in der Jugend gelernet / in ihren Alter wiederum fahren zu laſſen. (b)Ob neile Mei - nungen zu ver - werffen.Horatius Lib. III. Ep. 1. Indignor, quidquam reprehendi, non quia craſſe Compoſitum illepideue putetur, ſed quia nuper, Nec veniam antiquis, ſed honorem & præmia poſci. Nach einigenfaͤhret er fort, daß dieſes die Urſache waͤre: Vel quia nil rectum, niſi quod placuit ſibi ducunt, Vel quia turpe putant, parere minoribus, & quæ Imberbes didicere, ſeues perdenda fateri. Seneca hat ſolchen Recht-habern auch das Maul geſtopf - fet. Er behauptet / daß die Nachkommen vieles einſehenwuͤrden,15Studio in der Theologie. wuͤrden, ſo uns verborgen, vieles waͤre denen zukuͤnfftigen Zeiten zur Eroͤffnung vorbehalten worden. Es endeckte die Natur uns ihre Schaͤtze nicht auff einmahl. Wir muͤſſen uns nur vor Anfaͤnger halten. Dergleichen Geheimniſſe wuͤrden nicht insgemein noch allen kund. Sie waͤren verſchloſſen, und wuͤrde etwas dieſe, das uͤbrige die folgende Zeit erken - nen. (c)Seneca in natur. quæſt. Lib. VII. cap. 31. Multa vonientis æui populusMan kan nicht alle Wahrhei - ten zu einer Zeit einfehen. ignota nobis ſciet. Multa ſeculis tunc futuris, cum memoria noſtra exoleuent, reſeruantur. ‒ ‒ ‒ ‒ Rerum natura ſacra ſua non ſimul tradit. Initiatos nos credimus, in veſtibulo ejus hæremus. Illa ar - cana non promiſcue neque omnibus patent, Redacta & interiore ſacrario clauſa ſunt, ex quibus aliud hæc ætas, aliud quæ poſt nos ſubi - bit, adſpiciet. Da nun dieſes vernuͤnfftige Heyden von denen Wahrheiten insgemein geſehen / warum wollen wir es nicht auch in der Theologie gelten laſſen? Warum wollen wir nicht hingehen und dergleichen thun?
Dieſes ſey genug von dem Recht / ſo die Juri -Andere Ur - ſache, warum die Juriſten ſich auff die Theologie zu legen ha - ben. ſten als bloſſe Mit-Glieder der Chriſtlichen Gemeinde haben / ſich auff die Theologie zu legen. Rechtſchaffene Juriſten ſind dabey Philoſophi. Unter andern Philoſophiſchen diſciplinen verdienet die Morale vor allen excoliret zu werden. Die Sit - ten-Lehre hat mit des Menſchen Gluͤckſeligkeit zu thun. Sie iſt nichts anders / als eine Zuſammenfuͤgung ſolcher Wahr - heiten / welche mit denen Lebens-Pflichten und menſchlichen Handlungen zu thun haben. Dieſe Wahrheiten muß ich erſt erkennen / ehe ich ſolche ausuͤbe / will ich anders vor einen Chriſt-vernuͤnfftigen Menſchen gehalten werden. GOTT hat uns zwey Lichter gegeben / Vernunfft und Offenbahrung. Das andere erſetzet was dem erſtern fehlet. Der oben ange - fuͤhrte Anonymus, hat artige Gedancken / von dem Endzweck der Offenbahrung. Die heilige Schrifft, ſagt er /(a)La vanité des ſciences pag. 233. ſqq. Enfin l’Ecriture ſainte, n’a étéEndzweck der goͤttlichen Schrifft.don - iſt umzwey -16Vorbericht von der Juriſtenzweyerley Urſachen gegeben. Erſtlich unter denen Menſchen die natuͤrlichen Grund-Saͤtze der Morale und Religion zu erwe - cken und zu erhalten, welche ihnen die Natur, oder die Uber - liefferung von GOtt ſelbſten, ihnen gegeben; ſetze noch hin - zu, daß es geſchehen dieſe Grund-Saͤtze zu bekraͤfftigen, und ſolche viel deutlicher zu machen. Zum andern denenjenigen, welche nicht ſtudir en, die Erkaͤnntniß davon leichter zu ma - chen, und zu verſchaffen, daß ſie ohne Muͤhe davon beſſer un - terrichtet ſind, als die Gelehrten ſelbſt nicht waͤren, wenn ſie dieſe geſchriebene Offenbahrung nicht haͤtten.
Das erſtere Licht ſo uns GOTT gegeben / nehmlich unſere Vernunfft / muͤſſen wir gebrauchen ſo weit / als es langet. Haͤtte GOtt dieſes nicht gewolt / ſo wuͤrde er uns bloß mit uͤbernatuͤrlichen Lichte begabt haben. Aber ſo hat ihm ein anders beliebet. Er iſt ein GOtt der Ordnung. Allein alle Theoretiſche Wahrheiten ſind nicht ſufficient. Es muß darneben die PRAXIS folgen. Dieſe kan ohne goͤttliche Asſiſtenz und ohne dem Glauben nicht zu Stande gebracht wer - den. Denn wenn gleich die Vernunfft alles erkennet / daß ei - ne Beſſerung des Willens vonnoͤthen / ſo ſind doch die na - tuͤrliche Kraͤffte zu ſchwach / ſolche ins Werck zu richten. (a)Gundlings Ge - dancken hier - von.Der Herr Geheimde Rath Gundling, hat in ſeinem via ad veritatem mo - ralem cap. 21. §. 2. artige Gedancken hievon, da er ſaget: Revelationem diuinam eſſe duplicem, alteram per rationem, alteram per ſcriptu - ram. Quæ huc vſque demonſtrauimus, ratio oſtendit: executionis modum vero ſcriptura ſuppeditat. Exiſtere enim DEVM, eum ſa -pien -Fin -(a)donnée que pour deux choſes: Premievemenr, pour réveiller & pour conſerver parmi les hommes les principes naturels de Morale & de Religion, que la Nature, ou la Tradition de Dieu nême, leur avoient donnés; ajoûtez encore pour confirmer ces mêmes princi - pes, & pour les rendre plus clairs. Secondemént, pour en faciliter la connoiſſance à ceux qui n’étudient pas, & pour faire que ſans au - cune péne ils en ſcient plus inſtruits que les perſonnes de letters elles mêmes ne le pour roient être ſans cette Révélation écrite. 17Studio in der Theologie. Findet nun ein Juriſt, der ſich die vernuͤnfftige und lebendige Liebe / ohne falſch oder Heucheley in die That zu bringen einen Ernſt ſeyn laͤſſet / bey der Vernunfft nicht genugſame Mittel / ſo ſteiget er mit tieffſter Demuth in die Offenbahrung. Hier trifft er die Urſache des menſchlichen Verderbens und Todes an. Hier ſiehet er Mittel / die verlohrne Freyheit in etwas wiederherzuſtellen. Denn die Schrifft iſt ein Supplement, durch deren rechten Gebrauch / alles was dem Vermoͤgen un - ſers Willens abgehet / was der Vollkommenheit des Ver - ſtandes mangelt / kan erſetzet und verbeſſert werden. Alſo ſie - heſt du abermahls eine Urſache / warum ein Juriſt, der ver - nuͤnfftig ſeyn will / noͤthig hat nicht nur einen Blick in die Theologie zu thun / ſondern ſich auch wohl und gruͤndlich in derſelben umzuſehen.
Juriſten muͤſſen um ein gutes Syſtema Politi -Dritte Ur - ſach warum ein Juriſt in der Theolo - gie verſirt ſeyn muß. cum bekuͤmmert ſeyn / oder doch zum wenigſten wiſſen, wor - innen die wahre Politic beſtehet. Sie muͤſſen wiſſen / was zu einer wohl eingerichteten Republique erfordert wird. Jhnen muͤſſen diejenigen Mittel bekannt ſeyn / wodurch die einge - ſchlichenen Fehler bey einen gemeinen Weſen koͤnnen gehoben werden. Nun machet man zwar ein greuliches Geprahle / von denen Geſetzen der Griechen / Roͤmer und anderer Voͤlcker. Man bemuͤhet ſich die Einrichtung ihrer Republiquen recht vorzuſtellen. Man will allerhand noͤthige und nuͤtzliche Din - ge heraus ziehen / und auff manchen heutigen Krancken Staat appliciren. Mich duͤncket aber ein Chriſt-vernuͤnfftiger Juriſte,(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) ckoͤnte(a)pienter omnia condidiſſe, & humanæ naturæ certam perfectionem & proportionem adſignaſſe, natura ſcimus. Hujus perfectionis con - ſeruationem, quæ virtutis nomine inſignitur, ab homine eſſe quæren - dam, eo omnem appetitum eſſe conuertendum, ratio videt. Tan - tum in applicatione infirmitas obſeruatur, quæ cum naturæ viribus - tolli nequeat, diuinis ſuperanda videtur. 18Vorbericht von der Juriſtenkoͤnte dergleichen mit viel beſſern Grund aus der Biebel her - hohlen. Die Moſaiſche Policey wird allen andern vorgehen. (a)Nuͤtzliche Be - trachtung der Moſaiſchen Republique und Geſetze,Wenn ich von der Weißheit und Wichtigkeit der Meſaiſchen Geſetze und der Moſaiſchen Republique genugſam uͤberzeuget bin, ſo habe ich ver - ſchiedene Vortheile davon. Jch erkenne deutlich, daß der Pentateuchus von GOTT eingegeben worden. Jch erlange eine Erkenntniß von der wahren Politic und der gemeinen Jrrthuͤmer. Man findet hin und wie - der bey einigen gute Gedancken von dieſer Sache, aber niemand hat ſol - che nach Wuͤrden abgehandelt. Ioſephus, Philo, Fleury, Jaquelot und andere ſind hierbey zu gebrauchen. Am gruͤndlichſten aber hat biß hieher der Herr Thomaſius in ſeiner prudentia legislatoria cap. 7. 8. und 9. ge - handelt. Gewißlich wenn man dieſe Einrichtung der Juͤdiſchen Repu - blique und Geſetze derſelben genau Acht giebet, ſo werden ſich noch viele verſchtedene nuͤtzliche Anmerckungen heraus ziehen laſſen. Conf. Thomaſius cit. loc. Moſes hat die Juͤdiſche Republique auff GOttes Anord - nung eingerichtet. Die bey derſelben Einrichtung vorgeſtellte goͤttliche Weißheit / verdienet allerdings genauer als bishero geſchehen / erwogen zu werden. Wer will es alſo einem Juriſten vor uͤbel nehmen / wenn er die Buͤcher Moſis nach ſeinem vor - geſetzten Zweck erleutert? Man ſolte einem / der die hier zu benoͤthigte Eigenſchafften beſaͤſſe allen Danck abſtatten / wenn er dergleichen unternehme. Sie wuͤrde auch mehr Nutzen ſchaffen / als viele myſti ſche und phantaſti ſche Erklaͤrungen, die man bishero uͤber den Pentateuchum gemacht. Was vor eine Menge politiſcher Anmerckungen aus denen Buͤchern der Koͤ - nige / Chronicken und andern gezogen werden koͤnnen / uͤber - laſſe andern zu beurtheilen. (b)ũnd Esdraͤ ũnd Nehemiaͤ Re - formation. So kan man auch bey der Reformation die Eſdras und Nehemias un - ternommen, allerhand nuͤtzliche Anmerckungen machen. Man kan unter an - dern daraus lernen, wie man einen verderbten Staat beſſern muß. Man ſiehet, daß nicht alles mit Geſetzen und Schaͤrffe ausgerichtet. Man muß Guͤtigkeit, Gelindigkeit, Bitten und Vermahnen dabey gebrauchen. Vornehmlich aber muß man mit guten Exempeln vorgehen, und was der - gleichen mehr iſt.Handelte alſo ein Juriſt un -recht /19Studio in der Theologie. recht / wenn er von ſolchen Sachen oͤffentlich ſchriebe? Jch dencke nicht / ſondern halte dafuͤr / daß es ſeines Amts waͤre. Es wuͤrde auch nichts hindern / wenn ſolche Arbeit anders als die Erklaͤrungen der gemeinen Poſtillen gerathen ſolte. Wol - te ſich aber jemand dergleichen Arbeit unterziehen / wie koͤnte er es thun / wenn er von der Theologie nichts wuͤſte[?]Alſo ſie - heſt du abermahls einen Grund / daß ein Juriſt ſich der Theo - logie befleißigen muß.
Ein Juriſt muß ſich in der Kirchen-HiſtorieVierte Ur - ſache warum ein Juriſt von der Theo - logie unter - richtet ſeyn muß. Anmerckung von der Athei - ſterey und A - berglauͤben. umſehen. Denn es hindert ſo wohl die Atheiſterey als den Aberglauben / des Menſchen wahre Gluͤckſeligkeit. (a)Man weiß daß einige Gelehrte die Frage auff die Bahn gebracht, ob die Atheiſterey oder der Aberglauben ſchlimmer und dem gemeinen Weſen ſchaͤdlicher ſey. Bayle in ſeiner continuation des penſees diverſes ſur la comete redet der Atheiſterey das Wort. Er behauptet, daß eine Repu - blique aus lauter Atheiſten beſtehen koͤnte. Hieruͤber empfande er, wie leicht zu erachten, viele Verfolgung. Monſ. Bernard war unter an - dern einer der ſich ihm wiederſetzte. Alleine Bayle brachte in ſeinen repon - ſes aux queſtions d’un provincial Tom. IV. pag. 232. ſqq. neue Gruͤnde her - fuͤr ſeine Meinung zu behaupten. Der bekannte Ioh. Tolland ware der erſte der Baylens Meynung noch weiter pouſſiren wolte, in ſeinem Adeiſi - dæmon, ſive Tito Livio a ſuperſtitione vindicato. Wieder dieſen ſetzte ſich der Prediger der Waloniſchen Kirche zu Deiſt, Elias Bonoit in ſeiner melenge des remarques critiques, hiſtoriques, philoſophiques, Theologiques ſur les deux diſſertation de Monſ. Tolland & c. Die Meynung des Herrn Geheimden Rath Gundlings von ſolchen Streit, iſt wohl die beſte. Die - ſer hat in ſeinem via ad veritatem moralem cap. VIII. §. 29. geſaget, der - gleichen Frage, ob der Atheiſmus beſſer als die ſuperſtition, waͤre abge - ſchmackt, indem ſie ſolche Sachen vergliche, die einander gantz zu wieder. Dieſes Urtheil hat dem Herrn von Elswig zu Wittenberg nicht angeſtan - den. Er hat derowegen in ſeiner diſputation de controuerſiis nouis circa Atheiſmum den Herrn Geheimden Rath Gundling wiederlegen wollen. Allein in denen Gundlingianis part. XIV. cap. 3. pag. 357. ſq. iſt ſeinen un - gegruͤndeten Einwuͤrffen ein voͤlliges Genuͤgen geſchehen.Durch beyde wird man nicht allein hier / ſondern auch dort desc 2wah -20Vorbericht von der Juriſtenwahren Gluͤcks beraubet. Durch Vernunfft-Schluͤſſe aber laſſen ſich dieſe Ubel nicht wohl heben. Am beſten iſt es / wenn man den Urſprung und Fortgang der wahren Religion, und zu - gleich des Aberglaubens und der Atheiſterey erkennet. Wenn man dabey acht hat / was dieſelbe vor Wuͤrckungen in der menſchlichen Geſellſchafft nach ſich gezogen. Dieſes weiſet mir die Kirchen-Hiſtorie. Die Kirchen-Hiſtorie muß mir den Grund endecken / warum wegen der Religion, von ſo un - dencklichen Jahren / ſo viele Unruhen entſtanden. Jch muß den gluͤckſeligen Zuſtand des Menſchen vor dem Fall verſtehen. Der Fall ſelbſt und was darauff erfolgt / darff mir eben nicht unbewuſt ſeyn. Jch muß wiſſen / wie / und durch wem die Religion in dem alten Bund verfaͤlſcht worden. Wie Chri - ſtus und die Apoſtel die rechte Lehre wieder hergeſtellet / und in ein groͤſſer Licht geſetzet. Ferner / wie ſolche herrliche Leh - re / ſo wohl vor als nach der Reformation greulich verderbet worden. Dieſes und anderes lieget mir ob aus der Kirchen - Hiſtorie zu erlernen / weil ich ein Chriſt bin / und ſelbſt genau wiſſen will / welche Religion wahr oder falſch iſt.
Hiernaͤchſt aber habe ich als ein Juriſte bey der Kirchen-Hiſtorie folgendes zu erwaͤgen: Wie nehmlich die Religion. in Anſehen dieſes Lebens / und der buͤrgerlichen Geſellſchafft beſchaffen ſey. (a)Anmerckung von der Chriſt - lichen Reli - gion in Anſe - hung des Staats.Es iſt mehr als zu bekannt, daß verſchiedene der Chriſtlichen Religion vorgeworffen, ſie waͤre dem gemeinen Weſen nachtheilig. Den Un - grund von ſolchen Vorgeben zu zeigen, kommet nicht allein denen Theolo - gis, ſondern auch denen Juriſten zu. Juriſten muͤſſen inſonderheit zu - ſchauen, daß man unter dem Vorwand der Religion nichts vortrage oder un - ternehme, ſo dem Staat nachtheilig iſt. Denn da iſt ja klar, daß ſo zu ſagen keine Religion dem Staat zutraͤglicher als die Chriſtliche. Nun weiß man aber, wie einige ſich nicht geſcheuet, oͤffentlich zu lehren einen Fuͤrſten, der ein Tyrann waͤre, duͤrffte man umbringen. Jn dieſen oderjenenJch muß die falſchen Lehrenunter -21Studio in der Theologie. unterſuchen / und zeigen / was vor Streiche der heimlichen Regierſucht darunter verborgen ſind. (b)Dieſes kan mir eine aͤchte Kirchen-Hiſtorie am beſten zeigen. DennBemaͤntlũng der geiſtlichen Regierſucht. man hat alles, was nur einiger maſſen der geiſtlichen Herrſchafft favori - ſute zum theil verdrehet, zum theil mit Unrecht auf den heutigen Zuſtand gezogen. Denn da man in dem alten Bund geſehen, daß die Leviten von dem andern Jſraelitiſchen Volck unterſchieden, und mit vielen beſondern Freyheiten begabt geweſen, deutete es die Geiſtlichkeit alſo bald auf ſich. Sie ſahen ferner, daß die Apoſtel und ihre naͤchſte Nachfolger, beſondere Verſammlungen, aus denen Gliedern der buͤrgerlichen Geſellſchafft ge - macht. Derſelben wurden wieder wiſſen des Fuͤrſten, Biſchoͤffe, Aelte -c 3ſtenFerner iſt dieſe Anmerckung nicht auſſer Augen zu ſetzen / daß man die Religionc 3durch(a)jenen Faͤllen, koͤnten die Unterthanen wieder den Fuͤrſten rebellir en. Denen Ketzern ſey keine Treu und Glauben zu halten. Jn geiſtlichen Sachen muͤſte ein beſonderes Oberhaupt ſeyn. Geiſtliche Perſonen, wenn ſie gleich in dem Lande wohneten, waͤren nebſt ihren Guͤtern von weltlicher Herrſchafft befreyet. Jch uͤbergehe andere Dinge, die von denen Roͤmiſch-Catholiſchen zum Nachtheil des gemeinen Weſens, behau - ptet werden. Wie viele ſind nicht unter unſern Theologis, die die Kir - che als einen beſondern Staat betrachten, und dem buͤrgerlichen entgegen ſetzen. Wie viel kleine Gern-Paͤbſte haben wir unter uns. Der Koͤ - nigsbergiſche Profeſſor, Philipp Jacob Hartmann hat in ſeinem com - mentario de rebus geſtis Chriſtianorum ſub Apoſtolis nichts anders zu be - haupten geſucht, als daß die Kirchen-Diener allerdings eine Herrſchafft haͤtten, und folgbahr von der buͤrgerlichen Gewalt beſreyet waͤren. Auf dieſe Weiſe bekaͤmen wir viel Paͤbſte, da die Roͤmiſch-Catholiſchen nur einen haben, der noch dazu ein groſſer Herr iſt. Allein daß die Kirche kein buͤrgerlicher Staat, noch denen Apoſteln oder ihren ſo genannten Nach - folgern eine Herrſchafft zukomme, hat der beruͤhmte Samuel Puffendorff in ſeinem tractat de habitu religionis chriſtianæ ad vitam ciuilem vortreff - lich gewieſen. Damit nun ſo wohl in erzehlten, als andern Faͤllen, unter dem Schein der Religion nichts unternommen oder vorgetragen werde, ſo dem gemeinen Weſen nichtheilig iſt, muß ein Juriſt allerdings bekuͤmmert ſeyn. Mich duͤncket aber daß er alles Vorgeben der Wiedriggeſinnten nicht beſſer wiederlegen koͤnne, als durch die Kirchen-Hiſtorie.22Vorbericht von der Juriſtendurch alle Secula zu einem Mantel und Decke der Leichtfertig - keit und Boßheit gebraucht. Jch uͤbergehe andere unentbehr - liche uud nuͤtzliche Anmerckungen / ſo man aus der Kirchen - Hiſtorie ziehen kan. So viel ſage ich nur / daß man in denen canoniſchen Rechten nichts gruͤndliches thun wird / wenn uns die Kirchen-Geſchichte kein Licht anzuͤnden. Jch muß aber ſo wohl die Begebenheiten des alten als des neuen Bundes wiſ - ſen. Denn wenn ich mir die Hiſtorie des alten Bundes nicht wohl bekannt mache / wie kan ich die politiſchen Streiche der Cleriſey im neuen Bunde recht einſehen. Die Prieſter ſo wohl unter denen Heyden als Juͤden / zur Zeit des andern Tempels / haben ſchon den Grund darzu gelegt. Ohne die Hiſtorie des alten Bundes / kan ich den Gebrauch des prie - ſterlichen Rechts, von deſſelben Mißbrauch ohnmoͤglich un - terſcheiden. Die Kirchen-Geſchichte aber des alten Bundes / und erſten Jahrhunderts nach Chriſti Geburth / muͤſſen vor - nehmlich aus der Bibel erlernet werden. Und wer will leug - nen / daß ſolche recht zu verſtehen und zu Nutzen zu machen keine Erkaͤnntniß von der Theologie erfordert wuͤrde? Die Theologi haben die Wahrheit hievon ſelbſt eingeſehen / und darum auff Univerſitaͤten die Leſung der Kirchen-Hiſtorie zu ſich geriſſen. Die Juriſten aber muͤſſen dieſelbe ſo wohl als die Clerjſey erkennen. Jſt es alſo aus dieſem Grund wiederwas(b)ſten und Diener vorgeſetzet. Dieſe ſolten die Verſammlungen und an - dere Dinge dirigiren. Weil nun gewiſſe Ceremonien bey ſolcher Anord - nung gebraucht worden, ſo ſchloſſe man gleich, ſie waͤren von dem andern Volck unterſchieden geweſen. Sie haͤtten das geiſtliche Regiment ge - fuͤhret. Die Glaͤubigen zu der Apoſtel Zeiten, wenn ſie eine Zwiſtig - keit hatten, giengen nicht vor die Heidniſche Obrigkeit, ſondern machten die Sache unter ſich aus, oder erwarteten vielleicht zu weilen den Ausſpruch der Aelteſten. Aus dieſem Grund wolte man ſich gleiche Befugniß zu - eignen. So iſt denn nach und nach die Hierarchie erwachſen, und mit der Kirchen-Hiſtorie bemaͤntelt worden. Aber alle ſolche Schein-Gruͤnde koͤnnen aus der Kirchen-Hiſtorie wiederleget werden.23Studio in der Theologie. was abgeſchmacktes / wenn man denen Juriſten / das ſtudium der Theologie verbieten will.
Juriſten muͤſſen de jure principis circaFuͤnffte Ur - ſache warum ein Juriſt die Theologie zu ſtudiren hat. ſacra, oder Recht bey dem Gottesdieſt handeln. Geziemet ihnen nun davon zu reden / ſo folget daraus / daß auch die res und perſonæ ſacræ, und dieſer ihr Amt / vor die Juriſten ge - hoͤren. Jhre Pflicht bringet es mit ſich die Geheimniſſe und uͤberbleibſel des Pabſtthums, damit dieſelben hin und wieder behafftet / mit Beſcheidenheit anzuzeigen. Das Recht aber eines Fuͤrſten in geiſtlichen Dingen / euſert ſich unter andern darinnen / daß er Sorge tragen kan / damit in dem gemeinen Weſen die wahre Religion und Gottes-Furcht bluͤhe. Denn ob wohl die Ruhe und Erhaltung des gemeinen Weſens nicht der vornehmſte Endzweck der wahren Religion, welche viel - mehr in der Menſchen ewigen Seligkeit beſtehet, ſo iſt doch klar, daß die Religion, wenn recht damit umgegangen wird, viel zur Sicherheit und Ruhe des gemeinen Weſens beytragen kan. Saget der beruͤhmte Buddeus gar wohl. (a)Buddeus in Theol. moral. P. II. c. 3. ſect. 7. §. 17. Etſi tranquillitasWarum ein Fuͤrſte wegen der Religion Sorge tragen ſoll. & conſeruatio rerum publicarum neutiquam præcipuus religionis veræ ſcopus ſit, qui potius in ſalute hominum æterna conſiſtit, pluri - mum tamen ad ſecuritatem tranquillitatemque rerumpublica rum re - ligionem, ſi recte adminiſtretur, conferre, palam eſt. Er faͤh - ret ferner fort:(b)Buddens cit. loc. §. 19. Nihil magis ad veram rerumpublicarumNoch andere Gruͤnde hie - von. felicitatem tranquillitatemque confert, quam ſi vera religio floreat. Cum enim mala pleraque quibuscum rebuspublicis ſocietatibusque ciuilibus conflictandum eſt, a prauis adfectibus, vitiisque, aut impe - rantium aut ciuium ſpeciatim ab ambitione, auaritia, ac voluptate eorum proueniant, melior ea euitandi aut auertendi non eſt ratio, quam ſi cupiditatibus imponere modum, prauosque exuere adfectus, condoceantur homines. Nichts kan zur wahren Gluͤckſeligkeit und Ruhe des gemeinen Weſens mehr beytragen, als wenn die wahre Religion bluͤhet. Denn weil die meiſten Uhel damitgemei -24Vorbericht von der Juriſtengemeine Weſen und buͤrgerlichen Geſellſchafften zu ſtreiten haben; von denen boͤſen Meinungen und Laſtern entweder der herrſchenden oder der Buͤrger, inſonderheit aus Ehrgeitz, Geldgeitz, und Wolluſt entſtehen, ſo hat man kein beſſer Mit - tel ſolche zu meiden und auszurotten, als wenn man die Leute unterrichtet, denen Begierden ein Ziel zu ſetzen, und die boͤſen Meinungen abzulegen.
Jedoch iſt gar wohl zu mercken / daß man ſich ſolcher Mittel hierzu bediene / welche erlaubt und zugelaſ - ſen. Mit Zwang wird hier nichts ausgerichtet. Die Gewalt iſt einem Fuͤrſten auch nicht zu dieſem Ende gegeben / daß er die Leute dadurch zur Religion, der er zugethan / oder vor wahr haͤlt bringen ſoll. Der vortreffliche Puffendorff hat gar herrliche Worte hievon / die im Teutſchen alſo lauten:(a)Puffendorffs Gedaucken hievon.Puffendorff in append. ad tr. de hab. relig. ad vit. civil. contr. Adr. Hou - tuyn. Vt æternam ſalutem ciuibus procurent principes, imperia in hos non ſunt collata, cui obtinendæ alia media aliamque viam DEus præſcripſit. Et quanquam non negemus, ab iſta quoque cura non a - lienum deberi eſſe principes; ea tamen non eo vſque debet porrigi, vt per alia media, quam diuinitus præſcripta & probata expromatur, & quæ genio religionis quadrant; multo minus, vt ideo principibus tribuamus poteſtatem, ciuibus obtrudendi religionem etiam extra - neam quamlibet cum non quælibet religio ſaluti animarum ſit profi - cua. Sicuti & Abrahamus ille credentium pater filiis ſuis non præ - ſcribebat religionem pro lubitu, ſed præcipiebat cuſtodire viam Do - mini, diuinis reuelationibus deſignatam & confirmatam. Daß die Fuͤrſten die Unterthanen zur ewigen Seeligkeit brin - gen ſollen, haben ſie die Herrſchafft nicht bekommen, weil dieſelbe zu erhalten GOtt andere Mittel und einen andern Weg vorgeſchrieben: Wiewohl nun nicht leugne, daß Fuͤrſten dergleichen Sorge nicht unterlaſſen ſollen; ſo ſoll man doch ſolche nicht dahin ziehen, daß man andere Mittel, als die GOtt vorgeſchrieben anwende, und die ſich auff die Eigenſchafft der Religion ſchicken. Vielweniger ſollen wir dieſerwegen denen Fuͤrſten eine ſolche Gewalt zueignen,daß25Studio in der Theologie. daß ſie denen Buͤrgern eine jede frembde Religion auf dringen koͤnten; indem nicht eine jede Religion der Seelen Seligkeit zu - traͤglich iſt. Gleich wie Abraham der glaͤubigen Vater ſeinen Soͤhnen keine Religion nach ſeinen Gefallen vorgeſchrieben, ſon - dern ihnen anbefohlen den Weg des HErrn zu bewahren, der durch goͤttliche Offenbahrungen angezeiget und bekraͤfftiget worden. Man darff hier nichts anders als erinnern / bitten / ver - mahnen u. Uberredungen gebrauchen / nach dem Exempel Chri - ſti. Sonſten entſtehet ein Gewiſſens-Zwang / welcher aller - dings zu verwerffen. (b)Wir haben verſchiedene beruͤhmte Leute, welche von der Gewiſſens -Autores von der Gewiſſens - Freyheit. Freyheit geſchrieben, und allen Religions - Zwang mit wichtigen Gruͤnden verworffen. Der beruͤhmte Petrus Bayle hat unter andern herrlichen Schrifften auch herausgegeben: Commentaire philoſophique ſur les paro - les de Jeſus Chriſt contrain les d’entrer, ou traité de la tolerance univerſel - le. Es wird, wo ich mich recht beſinne von dem beruͤhmten Clerico le chet d’ œuvres de Monſ. Bayle genennet. Dieſes Werck kame Anno 1686. in drey Volum. in 12mo zu Canterbury heraus, und wurde dabey ge - meldet, es ſey von dem Jean Fox von Brugge in das Franzoͤſiſche uͤberſe - tzet worden. Allein Bayle hat es gleich Franzoͤſiſch geſchrieben. Jm Jahr 1687. kam ein ſuppliment dazu in 12. heraus, da auf den titul Ham - burg ſtehet. Anno 1713. iſt zu Roterdam eine neue Edition in 12. in zweyen Tomis an das Licht gekommen, welche man dem Tractat ce que c’eſt, que la france toute catholique ſous le Regne de Louis le grand beygefuͤ - get. Der beruͤhmte Leydenſche Juriſt, Gerhard Noodt, hat eine Ora - tion gehalten; de religione ab imperio jure gentium libera. Dieſe kame nebſt einer andern de jure ſummi imperii Anno 1707. heraus, und iſt ſeinen Wercken, die Anno 1713. zu Leyden in median quart heraus kom - men, beygefuͤget worden. Als ſolche zum erſten mahl an das Licht getre - ten, hat der bekannte Joh. Barbeyrac folche in das Franzoͤſiſche uͤber ſetzt, und mit einer Præfation und gelehrten Anmerckungen verſehen. Der gruͤndlich gelehrte und beſcheidene Theologus, Sam. Werenfels, hat auch eine Epiſtel de jure in conſcientias, ab homine non vſurpando geſchrie - ben, welche mir aber noch nicht zu Geſichte gekommen. Es kam Anno(Recht der Beicht-Stuͤhle) d1714Man bringet auch dadurch die(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) dReli -26Vorbericht von der JuriſtenReligion nicht in flor, ſondern machet eitel Heuchler. Der beruͤhmte Basnagius hat uͤberaus wohl hievon geurtheilet / da er ſchreibet:(c)Baſnagli Urtheil von Gewiſſens - Zwang.Baſnage dans ſon traité de la conſcience Lib. I. c. 4. Enfin employe - rés vous la violence? mais ellene peut ſervir, qu’à faire des hypocri - tes, & à jetter les hommes dans des péchez contre la conſcience, co qui en redouble l’horreur & l’enormité: Il faut donc neceſlaire - ment en perſuader la conſciene, qu’elle a tort, ſoit par des raiſons hu - maines, ſoit par des raiſons divines: ou la laiſſer faire, ce qu’elle croit juſte & raiſonnable. Will man endlich Gewalt gebrauchen[?]Aber dieſe kan zu nichts anders dienen als Heuchler zu machen, und die Menſchen dahin zu bringen, daß ſie wieder ihr Ge - wiſſen ſuͤndigen. Welches den Schrecken und Unbilligkeit dieſes Zwangs verdoppelt; Man muß alſo nothwendig das Gewiſſen, welches Noth leidet uͤberreden, entweder mit menſchlichen oder goͤttlichen Gruͤnden; oder es thun laſſen was es vor recht und vernuͤnfftig haͤlt. Zu wuͤnſchen waͤre es / daß alle Regenten wie der groſſe Koͤnig Wilhelm III. in En - gelland geſinnet waͤren. Denn da die Schottlaͤndiſchen Ab - geſanden die Ausrottung der Ketzer bey ihrer Zuſammenkunfft verlangten / gabe er zur Antwort:(d)und Koͤnig Wilhelms III. in Engelland.Hiſtoire de Guillaume III. tom. 2. Lib. 4. fol. 28. Je ne ſai point pre -ciſe - Jch weis nichtgenau(b)1714. zu London in 8vo ein Tractat heraus, aus dem Engliſchen uͤberſetzt, der den Titul fuͤhret: Diſcours ſur la liberté de penſer librement, wel - cher viel Aufſehens gemacht. Man hielte Anfangs den Joh. Tolland vor den Autorem, allein es iſt wahrſcheinlicher, daß es ſein guter Freund Ant. Collius geſchrieben. Hierinn ſind nicht allein verſchiedene Gruͤnde wegen der Freyheit zu dencken, anzutreffen, ſondern ſolche ſind auch Sect. III. mit Exempeln der Philoſophen und Kirchen-Lehrer bekraͤfftiget worden. Des Saurins Buch reflections ſur les Droits de la conſcience und des Baſnage traité de la conſcience ſind auch zur Gnuͤge bekannt. So hat auch der gruͤndlich gelehrte Herr Hoffrath Boͤhmer im andern Tomo ſeines Juris eccleſ. proteſt. eine Diſſertation de jure circa libertatem conſcientiæ vorgeſetzet.27Studio in der Theologie. genau, was man durch die Ketzer verſtehet, noch wie weit ſich der Sinn dieſes Worts erſtrecket. Aber ich weiß wohl, daß ich niemahls zu geben werde, jemand wegen ſeiner Reli - gion zu verfolgen, und niemahls mich unterfangen werde, jemand, wer er auch ſey auff andere Weiſe zu bekehren, als durch Uberredungen, wie es das Evangelium haben will.
Das Recht eines Fuͤrſten in geiſtlichen Din -Anordnung der Cere - monien. gen / beſtehet ferner mit darinnen / daß er den Gottesdienſt alſo anordne / damit in denen CEREMONIEN weder ein Mangel noch Uberfluß ſey. Denn bey allen Sachen / und vornehmlich bey dem Gottesdienſt muß eine Ordnung ſeyn. Der euſerliche Gottesdienſt kan ohne Ceremonien nicht be - ſtehen / und alſo muß man zuſchauen / daß alles fein ordent - lich damit zu gehe. Hierbey muß man aber wohl zu ſehen / daß man nicht allzu viel von ſolchen euſerlichen Dingen veran - ſtalte. Denn ſonſt kan es gar leicht dahin kommen / daß das Weſen des Gottesdienſts hierinne geſetzet wird. Die erſten Chriſten hatten ebenfals wenige und ſchlechte Ceremonien. (a)Die Ceremonien der erſten Chriſten, waren einiglich dahin gerichtet,Ceremonien der erſten Ehriſten. die Menſchen zu einer thaͤtigen Gottesfurcht zu leiten. Der gelehrte Fridr. Spanheim hat in ſeinem chriſtianiſino degenere ausfuͤhrlich hievon gehandelt. vid. Oper. tom. II. pag 1488. Sie wuſten gar wohl, daß das Reich GOTTes nicht mit aͤuſſerlichen Geberden kaͤme, Luc. XVII. 20. daß ſich aller Pracht nur vor weltliche Handlungen ſchickte. Dieſes waͤre der beſte Gottesdienſt, der aus reinem Gewiſſen geſchehe. Clemens Ale - xandrinus Lib. 7. Strom. p. 700. Jn ihren Zuſammenkuͤnfften, folgten ſie denen Anordnungen der Juͤdiſchen Synagogen meiſtentheils, doch wa - re kein Gepraͤnge da zu finden. vid. Juſtinus Martyr apol, II. in fin. Ter -d 2tul -d 2Nach -(d)ciſement, ſe qu’on entend par Heretiques, ni juſqu’ôu l’on peût é - fendre le ſens de ce terme. Mais je ſai bien, que je ne ſoufrirai ja - mais, qu’on perſecute perſonne pour ſa religion, & que je n’entre - prendrai de convertis, qui ce ſoit, que par la voie de la perſuaſion, conformement à l’Evangile. 28Vorbericht von der JuriſtenNachmahls iſt es freylich geſchehen / daß die Ceremonien gehaͤuffet worden / jemehr die Superſtition bey denen Men - ſchen zugenommen. Der beruͤhmte Huber hat nicht unebene Gedancken hiervon / da er ſchreibet:(b)Huberi Urtheil von vielen Ceremonien. Vlric. Huberus in Hiſt. ciuil. Lib. 4. ſect. 1. c. 8. Hinc cum vera deuo - tio, quæ eſt animi actus, ſibi ipſi renunciantis, ſeque Deo tradentis in Chriſto atque interior Dei cultus in Spiritu & veritate obſoleſce - ret, data eſt opera, vt ritibus & ceremoniis magna ex parte e Judaismo & pagnismo petitis, plebs in attentione ſuperſtitioſa, quam deno - tionem vocarunt, detineretur. Als die wahre Andacht, welche eine Handlung eines ſich ſelbſt ver - leugnenden Gemuͤthes, das ſich GOtt in Chriſto uͤbergeben will, iſt, und der innerliche Gottesdienſt im Geiſt und in der Wahrheit, nach und nach vergienge, ſo hat man ſich Muͤhe gegeben, das Volck mir Gebraͤuchen und Ceremonien, die aus Juͤden und Heydenthum meiſtens hergehohlet waren, in einer aberglaͤubiſchen Auffmerckſamkeit zu erhalten, welches man eine Andacht nennete. Weil nun dem gemeinen Weſen zum hoͤchſten daran gelegen / daß das Volck in keine Superſtition verfalle / welches doch durch Menge der Ceremonien gar leicht geſchiehet / ſo iſt einem Fuͤrſten allerdings zu rathen / hierbey ein wachſames Auge zu haben.
Das Recht eines Fuͤrſten in geiſtlichen Din -Von Ver - folgungder Jrrenden. gen euſert ſich auch darinnen / daß er nicht geſtatte die Jrrenden zu verfolgen. Von dieſem Punct werde bald mit mehrern reden. Es kan nichts abgeſchmackters ausgedacht werden / als wenn man einen darum / daß man ihn vor irrig haͤlt / Tort anthun will. Dieſes iſt gewißlich nicht die rechteWeiſe;(a)tullianus Apol. c. 39. Die Heyden, welche an viele Ceremonien geweh - net waren, hielten die Chriſten wegen ihrer ſchlechten Gebraͤuche vor Ver - aͤchter des Gottesdienſtes, ja vor Atheiſten. vid. Kortholt in pagano ob - trectat. Sie waren aber deſto mehr auff den innerlichen Gottesdienſt bedacht. Sie ſuchten die Vereinigung des Geiſtes durch das Band des Friedens zu erhalten. vid. Pfanner de catechum. in proem. n. 4. 29Studio in der Theologie. Weiſe; jemand auff den Weg der Wahrheit zu bringen. Gregorius kan denen ſo in dergleichen Wahn ſtecken beſſere Gedancken einpraͤgen. Dieienigen, ſagt er /(a)Seine Worte hat Gratianus in c. 3. D. 45. Qui ſincera intentioneGregorii Ge - dancken. extraneos a Chriſtiana religione, ad fidem cupiunt rectam perducere, blandimentis non aſperitatibus debent ſtudere, ne quorum mentes reddita ad planum ratio poterat reuocare, pellat procul aduerſitas. Nam quicunque aliter agunt, & eos ſub hoc velamine a conſueta ritus ſui volunt cultura ſuſpendere, ſuas illi magis, quam Dei caufas pro - bantur attendere. welche die ernſtliche Meinung haben, die ſo der Chriſtlichen Religion nicht zugethan, zu den rechten Glauben zu bringen, muͤſſen Freundlichkeit und keine Schaͤrffe gebrauchen, damit nicht dasjenige Gemuͤth, welches durch klare Gruͤnde haͤtte zu recht gebracht werden koͤnnen, durch die Strenge gantz ab - gewendet werde. Denn wer es anders angreifft, und unter ſolchen Vorwand jemand von ſeinem Gottesdienſt abziehen will, giebet zu verſtehen, daß er mehr ſeine eigene, als GOt - tes Sache zu befoͤrdern ſuchet.
Ein Fuͤrſt kan und ſoll verwehren / daß manUnzulaͤßige Mittel zum Kirchen - Frieden zu gelangen. keine ſolche Mittel zur Herſtellung des Kirchen Friedens zu - laſſe / durch welche auch nur zufaͤlliger Weiſe die Verfolgung der Jrrenden geſucht wird. Vornehmlich aber ſoll dieſes beo - bachtet werden / wenn diejenigen / welchen man Jrrthuͤmer ſchuld giebt / ruhig und friedfertig leben. (a)Mercket man aber, daß durch der diſſendirenden Lehre Unnruhen inWenn man die diſſentirenden kan aus dem Lande gehen heiſſen. dem gemeinen Weſen entſtehen, oder dieſelben von der Dultung der Ge - genparthey nicht allzu viel halten, und per indirectum dieſelben zu verfol - gen ſuchen, ſo kan man ſie aus dem Lande gehen laſſen. Doch muß ſol - ches nicht einer Landes-Verweiſung gleich ſeyn. Die Leute thun es aus einem Jrrthum. Sie meinen es geſchehe GOtt ein Dienſt damit. Nun kan aber nichts anders als der boͤſe Willen beſtrafft werden. Ein Jrr - thum des Verſtandes hat keine andere Straffe, als daß man den Jrren - den lehret und unterweiſet.Ein Fuͤrſte hat Macht / nicht zuzulaſſen / daß man den Frieden durchd 3Schmie -30Vorbericht von der JuriſtenSchmiedung neuer Glaubens Formuln ſuche. Er kan verbie - ten / daß ſich niemand unterſtehe die Jrrenden in Bann zu thun. Er kan unterſagen keine Religions - Eyde aus zuſinnen / und die Leute zu Abſchwoͤrung derſelben anzuhalten / und was der gleichen mehr iſt.
Vielmehr kan und ſoll ein Regente darauff ſehen / daß zwiſchen denen Jrrenden und der andern Parthey eine allgemeine Amneſtie ſey. Daß alle Ketzermachereyen auff das nachdruͤcklichſte unterſaget und beſtraffet werden. Denn zu den Kirchen Frieden zu gelangen / iſt kein beſſer Mittel / als die Dultung der Jrrenden und diſſentiren den. Jch halte da - fuͤr, das vornehmſte Regale eines Fuͤrſten in geiſtlichen Din - gen / beſtehe in dieſem Stuͤck. Solches iſt auch deſto ſtaͤrcker zu bewahren, jemehr die Menſchen geneigt / daſſelbe uͤber einen Hauffen zu werffen. Der Gelehrte Baſnag us urthei - let uͤberaus wohl / da er ſaget:(a)Gedancken Baſnagii von der Gewalt - thaͤtigkeit der herrſchenden Religion. Baſnage Hiſtoire de Jnits Lib. VIII. c. 6. §. 3. Ceux qui profeſſent la religion regnante, ſe croint tout permis. Ils ſe perſuadent, qu’ils ſignabent leur zele à proportions de violences qu’ils exercent, & dans cette penſée il ne donnent point des bornes à leur paſſion. Il eſt toujours de la prudence des Rois, de reprimer ce excés, & de nouris la tranquillité publique en puniſſant un zele cruel. Mais, on ne le fait pas ſouvent, & ceux qui convainius de la neceſſité de le faire, l’en - treprennent, n’y reüiſſent pas toujours. Ils rendent ſouvent le re - ligion ſuſpecte, ils expoſent aux railleries des peuples; ils attirent la faine des pretres, & les ſoubevent contre eux. Cependant, un prin - ce ne doit point ſe laiſſer entrainer à des mouvemens fougueux, ni ſe mettre à la tête d’un peuple, qui ne reſpire que la ſedition. Die ſo der herrſchenden Religion zugethan, meinen es ſey ihnen alles erlaubt. Sie bil - den ſich ein, daß ſie ihren Eyfer nicht beſſer bezeugen koͤnten, als durch viele Gewaltthaͤtigkeiten, die ſie ausuͤben, und bey dieſen Gedancken, ſetzen ſie ihren Begierden keine Graͤntzen. Es iſt allezeit der Klugheit eines Koͤnigs gemaͤß, dergleichen Exceſſe zu verhuͤten, und die oͤffentliche Ruhe, durch Be -ſtraf -31Studio in der Theologie. ſtraffung eines grauſamen Eifers, zu erhalten. Ader man thut es ſelten, und die ſo von der Nothwendigkeit ſolches zu beobachten uͤberzeuget ſind, und es unternehmen, erhalten nicht allezeit was ſie ſuchen. Sie machen ſich offt wegen ih - rer Religion verdaͤchtig; ſie ſind in Gefahr von dem Volck durchgezogen zu werden; Sie laden ſich den Haß der Predi - ger auff den Halß, und bringen ſie wieder ſich auff. Dieſer wegen ſoll ein Fuͤrſte ſich keines weges von ſolchen hitzigen Bewegungen dahin reiſſen laſſen, noch ſich einem Volck an - vertrauen, welches nur Rebellion im Sinne hat.
Daß diejenige Religion, welche vor derReligions Zwang der Chriſten, als ſie Frieden erlangt. andern die Oberhand gehabt / die andere zu ſtuͤrtzen geſucht / ſehen wir ſchon in den uhralten Zeiten. Wie waren nicht die Heydniſchen Prieſter hinter die Chriſten her? Denn wenn dieſe nicht Lermen geblaſen / wuͤrde manches unterblieben ſeyn. Allein wie gienge es unter denen Chriſten zu / da ſie zur Zeit Conſtantini Magni, in Ruhe und Anſehen kamen. Jch will vorietzo nichts erwehnen / wie ſie ſich untereinander herum gebalget. Das Nicæniſche Concilium kan ein klares Zeugniß von dieſer ſchoͤnen Auffuͤhrung ablegen.(a)Alexander der Biſchoff zu Alexandria, und Arius ein Presbyter da -Bey dem Con - cilio Nicæno. ſelbſt, geriethen in einen Streit. Sie brachten ihre Sache vor dem Kaͤy - ſer. Dieſer gabe beyden einen wohlverdienten Filtz. Endlich begtenge Conſtantinus die Schwachheit, daß er ein Conoilium zuſammen beruffte. Dieſes ſolte die Sache durch Vielheit der Stimmen entſcheiden. Arius wurde verdammet. Wer nicht mit denen meiſten einſtimmete, muſte ins Elend wandern. Alle Schrifften Arii ſolten verbrennet werden. Wer eine haͤtte, und zuruͤck behielte, ſolte die Todes-Straffe zu gewarten haben. Man ſonne ein hauffen Straffen wieder die Ketzer aus. Solche aber waren alle, die den Ausſpruch des Concilii nicht vor genehm hielten. Von ſolchen Straff-Geſetzen finden ſich viele in dem Codice Theodo - ſiano und Juſtinianeo. So ſolten die Leute denen Patribus des Con - cilii Glauben beymeſſen, die doch meiſtens elende Fincken-Ritter waren, Sie vergaſſen ihrer ſelbſt ſo ſehr, daß ſie endlich gar von der Haupt-Sa -che, Wiegriffe32Vorbericht von der Juriſtengriffe man das Bekehrungs-Werck mit denen Heyden an? Es beſtunde darinnen / daß man mit Gewalt hinter ihnen her war / und die Tempel einriſſe. (b)und Verfol - gungen der Heyden.Man riſſe ſchon Anno 331. und vornehmlich Anno 333. der Heyden Tempel ein. Manchmahl beraubte man ſolche der Thuͤren, truge die Taͤcher ab, nahme die goͤldenen Bilder weg, und hatte alſo ein gar verkehr - te Bekehrungs-Art. vid. Hieronymus inchron. ad Ao. 331. Theodori - tus in hiſt. eccleſ. Lib. V. c. 21. will zwar nichts von Einreiſſung der Tem - pel wiſſen; Allein der Samuel Baſnagius in annal. polit. eccleſ. ad Ao. 333. §. 5. behauptet das Gegentheil. Ein gleiches thut auch der grundge - lehrte Godofredus in comment ad L. 20. Theod. de pagan. Wie ſaͤuber - lich die Nachfolger Conſtantini die Heyden zu bekehren geſucht, kan man aus dem L. 2. 3, und 6. c. Theod. de pagan. zur Gnuͤge erſehen.Von denen Juͤden will ich nichts erwehnen. Allein dieſes wurde ihnen wiede - rum mit vollen Maße vergolten.
Denn als Julianus zum Scepter gekom - men / wurde denen Chriſten / die Freude die Heyden und Juͤden zu verfolgen / ziemlich verſaltzen. Der Keyſer lieſſe ſeine Sorge dahin gerichtet ſeyn / die Heydniſchen Tempel wieder zu repariren. Er ware denen Juͤden weit mehr als denen Chriſten gewogen. Die Juͤden und Heyden wurden dadurch angereitzet / denen Chriſten gleiches mit gleichen zu vergelten. Ja ſie mochten es vielleicht noch aͤrger gemachthaben.(a)che, darum ſie zuſammen geruffen waren, abgiengen. Einer um den andern uͤberreichte dem Kaͤyſer ein Memorial und verklagte ſeinen Wie - derſacher. Erhielte einer, daß derſelbe verdammet worden, gleich ſuchte er ferner, daß er in das Elend gejaget worden. Die Schwachheiten die - ſer Kirchen-Lichter hat Arnold in ſeiner Kirchen - und Ketzer-Hiſtorie zur Gnuͤge abgeſchildert. Weil aberviele auf den guten Mann wegen der trockenen Warheit, die er zum oͤfftern geſagt, nicht zu wohl zu ſprechen, ſo will ich mich auf des Limborchs Buch de orig. & progreſſ. inquiſ. bezogen haben. Dieſer Bekehrungs-Art haben ſich nachmahls die Arrianer auch bedienet, als ſie das weltliche Oberhaupt auf ihrer Seite hatten.33Studio in der Theologie. haben. (a)Ambroſius in epiſt. 28. ad Theodoſ. beſchreibet den Unfug, welchen dieAmbroſii Zeugniß. Juͤden zu Juliani Zeiten vorgenommen. Er gedencket, daß ſie viele Kir - chen angezuͤndet, und niemand haͤtte ſie darum geſtrafft. Unter andern haͤtten die Heyden und Juͤden, die Kirche zu Alexandria in Brand ge - ſteckt, welche einige die andern alle uͤbertraffen. Die Juͤden und Hey - den kraͤncketen und verfolgeten alſo die Chriſten nur auf eine andere Wei - ſe, weder ſie gethan. Jn der Sache ſelbſt, hatten es die Chriſten nicht beſſer gemacht, ob ſie wohl eben nicht ſo grauſam wie jene procediret.Die Kirchen-Lehrer waren zwar uͤbel darauff zu ſprechen / inſonderheit Gregorius Nazianzenus. Dieſer vergaſſe allen Reſpect, dem er dem Kaͤyſer ſchuldig war / und ſchriebe ſehr harte. Allein es halffe nichts vor das Un - gluͤck als die Gedult. Vielleicht ſolten die Chriſten dadurch lernen / daß alles was unrecht iſt / mit Gleichen vergolten wird.
Allein ſo bald als Julianus verſtorben /Die Chriſten bringen es nach Juliani Tod wieder ein, was ſie in der Ver - folgung ver - ſaͤumet. fiengen es die Chriſten an / wo ſie es hatten gelaſſen. Der Gregorius Nazianzenus bedaurete ſelbſt den elenden Zuſtand der Heyden / nach Juliani Abſterben. Er erinnert aber an - bey die Chriſten / ſie moͤchten gelinde mit ihnen verfahren. Jnzwiſchen kan er ſeine Freude doch nicht bergen / daß dieie - nigen Statuen mit ungeſtuͤmm umgeriſſen geweſen / welchen noch vor wenigen Tagen goͤttliche Ehre erwieſen worden. Was ſolten aber die Heyden vor gute Gedancken von dieſer Bekehrungs-Art haben. Das Chriſtenthum muſte ihnen ja dadurch verhaſt werden. Der Gelehrte Clericus hat recht da er ſchreibet:(a)Clericus dans la Bibliotheque univerſelle Tom. XVIII. pag. 54. MaisClerici Urtheil. ceux qui demeurioient dans le paganiſme, etoient ſans doute extre - mement choquez de la maniere, dont on traitoit les ſtatuës de leurs Dieux; & ne povoint regarder les chretiens, comme des gens mo - derez. Car enfin ces ſtatuës leur étoint auſſi cheres, que ce que les chretiens ont de plus ſacré. D’allicurs ceux qui changeoient de re -(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) eligi - Die ſo in dem Heydenthum(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) eblie -34Vorbericht von der Juriſtenblieben, waren zweiffels ohne auff das aͤuſſerſte beſtuͤrtzt. Wegen der Art und Weiſe, die man bey Abſchaffung derer Statuen ihrer Goͤtter gebrauchte; und kunten die Chriſten vor keine beſcheidene Leute anſehen. Denn dieſe Statuen waren ihnen ſo lieb, als das, was die Chriſten vor das Hei - ligſte hielten. Sonſten muͤſten diejenigen, welche die Reli - gion aͤnderten, wie der Kaͤyſer, und die ſo gehling der Goͤtter Feinde wuͤrden, welche ſie die gantze Lebens-Zeit angebetet, nothwendig ſehr verdaͤchtig ſeyn.
Dieſes aber wurde in keine Beobachtung gezogen. Chryſoſtomus, welchen ich ſonſt vor andern Kir - chen-Lehrern hoch achte / hat ſich ſelbſt Muͤhe gegeben / daß man den Heydniſchen Gottesdienſt mit Stumpff und Stiehl / gewaltſamer Weiſe ausrotten moͤchte. (a)Wird von Baronio ge - lobet. Ambroſii Conduite. Baronius in annal. ad ann. 386. n. 54. ſqq. ſtreichet die Auffuͤhrung Chryſoſtomi uͤber die maſſen heraus. Es iſt ihm auch nicht zu verargen, denn die Grundſaͤtze ſeiner Religion, billigen dergleichen Bekehrungs - Art. Ambroſius hat es nicht beſſer als Chryſoſtomus gemacht, da er hinter denen Juͤden hergeweſen, und ihrer Synagoge Abbrennung ge - billiget. Denn da der Kaͤyſer dem Biſchoff, ſo ſolches angeſtifftet be - fohlen, die Synagoge wieder auffbauen zu laſſen, bate er daß derglei - chen nicht geſchehen moͤchte. Ja er giebet ſich viele Muͤhe ſolches Un - ternehmen zu rechtfertigen und zu loben. Seine 29. Epiſt. wird ein ſatt - ſames Zeugniß da von geben koͤnnen.Man ſuchte vielleicht an denen Heyden Rache auszuuͤben. Allein auff dieſe Weiſe handelte man nicht nach der Lehre Chriſti. Jch kan nicht umhin abermahls des beruͤhmten Clerici Ge - dancken hieher zu ſetzen. Es iſt an dem ſagt er(b)Clerici aber - mahliges Ur - theil von der gewaltſamen Bekehrung.Clerc. dans la Biblioth. choiſ. Tom. VIII. pag. 276. C’eſt ainſi que les Chrétiens continuoient à rendre aux pagens, ce qu’ils en avoientſouf - daß die Chriſten fortgefahren, denen Heyden zu vergelten, was ſiedie(a)ligion, comme d’ Empereur & qui de venoient ſi ſubitement enne - mis des Dieux, qu’ ils avoient adorez toute leur vie, de voient étre fort ſuſpects. 35Studio in der Theologie. die drey Jahr hundert her von ihnen gelitten. An ſtatt daß man ſie mit Gedult und Sanfftmuͤthigkeit gewinnen ſollen, davon man viel Redens gemacht, weil man unten gelegen. Dieſe Auffuͤhrung ware geſchickt die Heyden viel halßſtarri - ger zu machen, weil man ihnen damit einbildete, daß die Chriſten bloß aus Intereſſe von der Beſcheidenheit und Leut - ſeligkeit geſprochen. Keines weges aber aus denen Grund - ſaͤtzen der Religion, wie ſie vorgegeben. Zum wenigſten iſt gewiß, daß ſie dadurch das Recht verlohren, ſich wegen der Art, die die Heyden vormahls gegen ſie gebraucht, zu be - klagen, und die Sanfftmuth ihrer Religion heraus zu ruͤh - men. Denn dieſe haben ſie durch ihre Verfolgung gantz beſchimpffet.
Kurtz: Menn man wegen der Reli -Warum manchmahl die Gewiſ - ſens Freyheit von denen Kirchen Leh - rern ver - theydiget worden. gion Noth litte / behauptete man / das Gewiſſen waͤre ein freyes Weſen. Es lieſſe ſich daſſelbe durch keine Geſetze zwingen. Es waͤre die groͤſte Unbilligkeit, ja was noch mehr / eine Tyranney, wenn man ſich einer Herrſchafft uͤber die Ge - wiſſen anmaſſen wolte. Auguſtinus vertheydigte anfangs die Gewiſſens-Freyheit unvergleichlich. Athanaſius war ihm hierinn vorgegangen. Denn dieſer ſchreibet an einem Orte alſo:(a)Athanaſius epiſt. ad ſilitanos. Quod ſi inhoneſtum eſt, aliquot epi -Athanaſii Ur - theil von der gewaltſamen Bekehrung. ſcopos metu coactos ſententiam immutataſſe, quanto grauuius fædi -e 2usque Wenn es etwas unanſtaͤndiges iſt, daße 2einige(b)ſouffert, pendant les trois premieurs ſiecles; au lieu des les gagner par la pacience, & par la douceur, qu’ils avoient tant prechées, lors qu’ ils étoient les plus foibles cette. Condnite etoit prapre à ren - dre les pagens plus opiniatres, en leur perſuadant que les Chrétiens n’ avoient affectè de parler de moderation & d’ humanité que par in - teret; & nulliment par principe de religion, comme ils le diſoient. Au moins, il eſt certain, qu’ ils perdoient par la le droit de ſe plaindre de la maniere, dont les pagens les avoient traitez autre fois, & de van - ter la douceur de leur religion; qu’ ils des honoroient tout a fait, par ees perſecutions. 36Vorbericht von der Juriſteneinige Biſchoͤffe ihre Meinung aus Furcht geaͤndert haben, wie viel groͤſſer und haͤßlicher iſt derjenigen Beginnen, die ſo viel aus Mißtrauen gegen ihre Sache, die Leure zur Aenderung ihrer Meinung gezwungen haben. So ſchlaͤgt auch der Teuffel mit Axt und Beilen an die Thuͤren derjeni - gen, da er auffgenommen wird, weil er nichts wahres bey ſich hat. Der Heyland hingegen iſt ſanfftmuͤthig, wenn je - mand, ſagt er, mir folgen und mein Juͤnger ſeyn will: Er lehrer auch, daß wenn Er zu jemand kommt, nicht mit Ge - walt eindraͤnge, ſondern vielmehr klopffte und ſagte: Ma - che mir auff Schweſter, meine Schweſter: Wenn ſie auff - thun, gehet er ein: Wo ſie ſich beſchwehret befinden, oder nicht auffmachen wollen, gehet er weg. Denn die Wahr - heit wird nicht mit Schwerdt und Buͤrgerlicher oder Krie - geriſcher Hand, ſondern mit Uberreden und Rathen gepredi - get. Was iſt aber da vor eine Freyheit von Uberreden, wo man Furcht vor dem Kaͤyſer hat[?]Oder was kan man vor Rath hohlen, da der ſo wieder ſpricht, zum Lohn das Elend oder den Tod bringt[?]Gewißlich dieſes ſind rechte herrli - che Worte. Auguſtinus redete eben ſo / als er und andere ſo genannte Orthodoxen von denen Donatiſten herum ge - tummelt worden. Er ſchriebe eine herrliche Epiſtel von der Dultung der diſſentirend en. Wie fuͤhrete er ſich aber auff / dadie(a)usque illorum facinus, qui, quod hominum eſt, minime cauſæ ſuæ confidentium, inuitos ad mutationem ſententiæ coegerunt. Ita quoque diabolus, quia nihil veri habet, in ſecuri & aſcia inuadens, concutit fores eorum a quibus recipitur. Saluator contra man - ſuetus eſt, ſi quis inquit, velit me ſequi, & eſſe diſcipulus meus: docetque ſe, cum ad quempiam venit, non vi inſtare, ſed potius pulſare & dicere: aperi mihi ſoror, mea ſoror: quod ſi aperiant, intrat: ſin grauentut, aut nolint aperire, abſcedit. Non enim gladiis aut ciuili aut militari manu veritas prædicatur, ſed ſuaden - do & conſulendo. Quæ autem ibi ſuadendi libertas, vbi im - peratoris eſt metus? aut quæ confulendi ratio, vbi qui contra - dicit, pro mercede aut exilium aut mortem reportat? 37Studio in der Theologie. die Donatiſten unten lagen. Er lieſſe wieder die Ketzer und diſſentirenden / allerley Straffen zu, nur die Todes-Straffe ausgenommen. Seine Raiſons aber ſind von geringen Werth. (b)Es geſtehet Auguſtinus epiſt. 93. ad Vincent. daß er Anfangs der Mei -Jngleichen Auguſtini. nung geweſen, man ſolte zur Lehre CHriſti niemand zwingen. Man muͤſte Worte und Beweißthuͤmer gebrauchen. Sonſten wuͤrde man nur Heuchler machen. Dieſe Meinung aber haͤtte ihn nicht die Worte des Gegentheils, ſondern die Exempel derjenigen, ſo die Sache dargethan be - nommen. Alſo iſt er durch keine vernuͤnfftige Gruͤnde, ſondern durch bloſſe Exempel auf andere Gedancken gebracht worden. Der gute Au - guſtinus aber, der bey allen dreyen Haupt-Religionen in guten Credit ſtehet, haͤtte bedencken ſollen, daß alle Exempel, die der Vernunfft, und Lehre CHriſti entgegen ſind, in keinen Wehrt zu halten. Allein die Begierde die Donatiſten zu verfolgen, hatte ihn verblendet. Die Schwaͤche aller ſeiner Schein-Gruͤnde, hat der ſcharffſinnige Bayle in ſeinem Commentaire philoſophique Tom. II. zur Gnuͤge an Tag ge - leget.So gehet es wenn man zur Herrſchafft mit zugelaſſen wird. Da will man die diſſendirenden zur Einigkeit der Bekaͤnntniß zwingen / von ſich ſagen / oder wohl gar als groſſe Ubelthaͤter beſtraffen.
Dieſer irrige Wahn / iſt nachmahls im -Lehre der Proteſtiren den von der Toleranz. mer fortgepflantzet worden. Es wuͤrde zu weitlaͤufftig fal - len / durch alle Secula durchzugehen. Jch will nur von de - nen neuen Zeiten einiges erwehnen. Durch die Reforma - tion Lutheri, iſt uns ein groſſes Licht auffgegangen. Die Augſpurgiſchen Confeſſions-Verwandten / ehe ſie den Re - ligions-Frieden erlanget / prieſen demnach die Toleranz als eine unentbehrliche Sache heraus. Lutherus ware ih - nen hierinnen zur Gnuͤge vorgegangen. Dem Gegentheil ſchiene dieſe Gewiſſens-Freyheit / eine Ketzerey. Mane 3brach -38Vorbericht von der Juriſtenbrachte es auff den Reichs-Tag. (a)Wird auf dem Reichs-Tag abgehandelt.Anno 1526. ſuchte der Ertz-Hertzog Ferdinand in Nahmen des Kaͤy - ſers, die alte Religion beyzubehalten. Die Saͤchſiſchen und Heßi - ſchen Geſandten aber ſtritten vor die Gewiſſens-Freyheit. vid. Se - ckendorff. in hiſt. Lutheran. lib. 2. §. 15. Edit. 1. lit. C. Da man wiederum ſolche Freyheit uͤber einen Hauffen zu werffen bemuͤhet war / Proteſtiret en einige Fuͤrſten /(b)Von dem Nah - men Prote - ſtirend.Daher wurden ſie die Proteſtirende genennet. Es geſchahe auf dem Reichs-Tag zu Speyer Anno 1529. Es proteſtirten ſechs Fuͤrſten und vierzehn Staͤdte. Sie erklaͤhreten ſich, daß es bey dem Reichs-Ab - ſchied Anno 1526. zu laſſen ſey. und ſuchten ſolche auffrechts zu erhalten. Es wuͤrde zu weitlaͤufftig fallen / alle Sorge und Muͤhe / ſo man ſich wegen dieſer Freyheit gegeben / an - zufuͤhren. (c)Fata der Ge - wiſſens-Frey - heit, nach der Reformation. Luther wolte es durchaus nicht zur Gewaltthaͤtigkeit um die Gewiſ - ſens-Freyheit kommen laſſen. Man uͤbergabe endlich die Augſpurgi - ſche Confeſſion. Allein der Nutzen davon war ſchlecht. Luther wur - de in die Acht erklaͤhret. Die Tuͤrcken brachten endlich dem Kaͤyſer friedfertige Gedancken in Kopff. Auf der Verſammlung zu Nuͤrn - berg lieſſe man endlich geſchehen, daß das Wormiſche Edict wegen der Proteſtanten aufgehoben bliebe, und ſie geduldet wuͤrden. Man wol - te alles biß auf ein Concilium verſchieben. Auf dem Reichs-Tag zu Speyer Anno 1544. wurde die Tolerantz noch feſter geſtellet. Dieſe waͤhrete aber nicht lange. Hierauff kam Anno 1552. der Paſſauiſche Vertrag. Dieſer bekraͤfftigte die Gewiſſens-Freyheit. Auf dem Reichs-Tage zu Augſpurg Anno 1555. wolte man ſolche wieder unter - miniren, doch bliebe die Sache noch in ziemlichem Stande.Endlich aber wurde durch den Weſtphaͤli - ſchen Frieden die Gewiſſens-Freyheit auff einen feſtem Fuß geſetzet / als ſie vorhero geſtanden. (d)Dieſe wird duͤrch den Weſtphaͤli - ſchen Frieden feſter geſtellt.Der Weſtphaͤliſche Friede brachte endlich die Gewiſſens-Freyheit in einen beſſern Stand, als ſolche bißanhero geweſen. Des Pabſts Un - ternehmungen wurden dadurch ziemlich aufgehoben. Es iſt auch ſol - che bißdahero noch ziemlich im Stande geblieben, obgleich alle Haupt - Religionen zu weilen die Tolerantz angefochten.
So ſehr aber die Lutheraner die Gewiſ -Die Luthe - raner dene - giren denen Reformirten die Gewiſſens Freyheit. ſens-Freyheit vertheydiget / ſo wenig obſervirten ſie ihre Lehre in Anſehen der Reformirten. Kaum hatten ſie den Religions-Frieden erlanget, ſo wolten ſie die Reformirten davon ausgeſchloſſen wiſſen. (a)Dieſes iſt aber nicht der Religion ſelbſten, ſondern einigen Ketzer -Wird mit meh - rern erwieſen. macheriſchen Theologis zuzuſchreiben. Wie ungerechte Meynungen dieſe geheget kan man aus Dedekenni Conſil. Tom. I. P. I. lib. III. ſect. 3. ſq. abnehmen. Man fragte ob die Reformirten des Religions-Frie - dens, und alſo der Gewiſſens-Freyheit ſolten theilhafftig ſeyn? Dieſe wolten ihnen die Augſpurgiſchen Confeſſions-Verwandten nicht zuge - ſtehen. Man leſe was bey Dedekenno cit loc. ſect. VI. ſtehet. Selbſt die Juriſten raiſonirten ſo albern. Ja ſo gar Carpzovius hat ſich ſo greulich vergangen, daß er vorgegeben, die Reformirten, wenn ſie durch kein Vermahnen zur orthodoxen Religion gebracht werden koͤnten, ſolte man ſie verjagen.Der Weſtphaͤliſche Frie - de machte dieſen aͤrgerlichen Beginnen endlich ein Ende. (b)Art. VII, §. 1. Hier wurde geordnet, daß die Reformirten alle Rech -Die Gewiſſens Freyheit er - halten die Reformirten. te und Wohlthaten die denen Catholiſchen und Augſpurgiſchen Con - feſſions-Verwandten zuſtehen, genieſen ſolten. Es hielte aber hart, ehe die Lutheraner ſolches einraͤumeten. Die Papiſten freueten ſich recht uͤber ſolche Uneinigkeit. Pfanner in hiſt. pac. Weſtphal. und an - dere, handeln mit mehrerm hievon. Vornehmlich ware Sachſen auf Anſtifften ſeines Hoff-Predigers Welleri darwieder. vid. Puffendorff de rebus Brand. lib. II. §. 69. Wie fuͤhrten ſich die Reformirte in Holland gegen die Re - monſtranten auff? Man muß recht des tollen Beginnens lachen / wenn man die Sache mit ohnpartheyiſchen Augen anſiehet. Jch uͤbergehe andere Secten mit willen. So viel erinnere nur / daß dieſer Fehler unter denen Proteſtiren - den noch nicht ausgerottet. Er klebet ihnen noch ziemlicher maſſen an. Man ſolte ſich aber ſchaͤmen / daß man noch da - mit behafftet / und gleich wohl bereits das andere Jubilæum, nach der Reformation erſchienen.
§. XXXI. 40Vorbericht von der JuriſtenEin Fuͤrſte muß alſo wohl zuſehen / daß wegen der unterſchiedenen Religionen / in einen gemeinen Weſen keine Unruhen entſtehen. Der unzeitige Eyffer der diſſentirenden kan ſolche gar leicht verurſachen. Das ge - meine Volck haͤnget in ſolchen Faͤllen an der Geiſtlichkeit. die Wohlfarth des gemeinen Weſens erfordert es alſo / daß ein Fuͤrſte die Auffſicht uͤber jeden Gottesdienſt hat. Daß er die unruhigen Koͤpffe zur raiſon bringet / die Verfolgun - gen wehret / dem unzeitigen Eyffer und Herrſchafft uͤber die Gewiſſen wiederſtehet. Hierzu aber zu gelangen / iſt eben nicht noͤthig / daß er die diſſentirenden von ſeiner Religion verjaget. Man koͤnte oͤffters auff ſolche Weiſe die Wahrheit unterdrucken. Die Republiquen ſind nicht darum gepflan - tzet / die Religion zu defendiren. Denn dieſe iſt nach dem Voͤlcker-Recht frey. Clericus urtheilet uͤberaus wohl davon / da er ſchreibet:(a)Urſach der aufgerichteten Republiquen. Clerc dans la Biblioth. Choiſ. Tom. XI. pag. 239. Si l’on remante jus - qu’à l’origine de la ſocieté civile, on trouvera, qu’elle ne s’eſt pas formée, en vuë de la religion; mais ſeulement pour vivre en ſù - reté contre les entrepriſes de ceux, qui abuſoient de leur puiſſance à mal faire & contre qui pluſieurs hommes aſſouez enſemble ſe peuvent défendre; au lieu qu’ils ne le pour roient pas faire s’ils vivoient ſèparément. C’eſt pour cela que les hommes on l’eta - bli des puiſſances ſuprêmes, pour les conduire, & pour conſerver à chacun, ce que lui appartient, par de certaines, loi ſoutenues par des peines & des récompenſes. Wenn man biß auff den Anfang der buͤrgerlichen Geſellſchafft ſteiget, ſo wird man befinden, daß ſolche nicht um der Religion eingefuͤhret wor - den; Sondern nur in Sicherheit, wieder diejenigen, die mit ihrer Gewalt ſchaden wollen, zu leben, und wieder welche ſich viele ſo ſich vereiniget, ſchuͤtzen koͤnnen. Wel - ches ſie nicht thun koͤnten, wenn ſie einzeln lebeten. Dar - um haben die Menſchen ein Oberhaupt erwehlet, ſie zuſchuͤ -41Studio in der Theologie. ſchuͤtzen, und dasjenige, was ieden zuſtehet, durch gewiſſe Geſetze, welche Straffen und Belohnungen bey ſich fuͤhren zu erhalten.
Wer ſoll aber einen Fuͤrſten in dieſen und andernJuriſten koͤn - nen von dem Recht eines Fuͤrſten in geiſtlichen Dingen ohne die Theolo - gie nichts ſagen. Faͤllen rathen? Muͤſſen es nicht die Juriſten thun? Jhnen kommet allerdings zu / vor die Wohlfahrt des gemeinen Weſens zu ſorgen. Mit dieſem iſt die Religion verknuͤpf - fet. Der unruhige Zuſtand in der Kirchen / machet auch das gemeine Weſen unruhig. Nun frage ich aber einen jeden / wie ein Juriſt hier guten Rath ertheilen / und das Recht der Fuͤrſten wieder die Papiſtiſchen Lehren verthey - digen koͤnne / wenn er von der Theologie keine rechte Er - kaͤnntniß hat. Er muß ja nothwendig wiſſen / was die Re - ligion fuͤr ein Ding iſt. (a)Ferner welche Stuͤcke der Religion, denen Geſetzen unterworffen,Welche Stuͤ - cke der Religi - on denen Ge - ſetzen unter - worffen. welche nicht. Dann einige flieſſen aus dem innerſten Grund der Re - ligion herfuͤr, und ohne ſolche kan dieſelbe nicht beſtehen. Jn dieſem Fall kan man keinen Zwang gebrauchen. Einem Fuͤrſten iſt weiter nichts uͤbrig gelaſſen, als daß er ſolche Leute aus dem Lande ziehen heiſ - ſe. Es war alſo nicht recht, daß man die Juden gezwungen Schwei - nenfleiſch zu eſſen, die Goͤtter anzubeten. Gleichergeſtalt konten die Chriſten nicht angehalten werden, denen Goͤttern Weyrauch zu ſtreu - en, heidniſche Schwuͤre abzulegen, u. ſ. w.Jhm darff nicht unbekannt ſeyn / worinnen die wahre und falſche Religion beſtehet. Er muß unterrichtet ſeyn / was der Endzweck der Chriſtlichen Religion iſt. Weiter muß er zeigen koͤnnen / daß man die Religion weder mit Gewalt fortpflantzen, noch mit Schaͤrffe und Straffen auszurotten befugt ſey. Er muß darthun koͤnnen / daß dergleichen / und aller anderer Religions-Zwang / de - nen Reguln der geſunden Vernunfft und des Chriſtenthums alſo dem klaren Worte GOttes zuwieder ſey. Jch geden - cke vorietzo nichts / wenn wegen der Befuͤgniſſe der geiſt - lichen Perſonen Frage vorfaͤlt. Denn dieſe zu entſcheiden /(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) fund42Vorbericht von der Juriſtenund ihre Prætenſiones und Gruͤnde zu beantworten / wird zum oͤfftern eine gute Einſicht in die Theologie erfordert. (b)Einige Schein - Gruͤnde der Geiſtlichkeit ihr Thuͤn zu - bemaͤnteln.Jch will anietzo nur eines eintzigen Falls gedencken. Wenn ſich mancher Geiſtlicher ſeine fleiſchliche Begierden verleiten laſſen, daß er mit rechten Paſquillen auf die Cantzel kommt, ſo heiſt es ein goͤtt - licher Eyffer. Wenn die Obrigkeit bloſſe Adiaphora, oder ſolche Dinge anbefiehlet, die allerdings durch Geſetze gebothen werden koͤnnen, und mancher Prieſter hat keine Luſt zu gehorchen, ſo wendet er fuͤr, es lieffe wieder ſein Gewiſſen. Anderer Dinge zu geſchweigen. Daß aber hierdurch keine Unordnung entſtehe, muͤſſen die Juriſten ſorgen. Sollen ſie aber in dergleichen Faͤllen tuͤchtige Conſilia geben, und die Einwuͤrffe wiederlegen, ſo muͤſſen ſie die Theologie verſtehen.So haben alſo auch aus angefuͤhrten Gruͤnden / die Juriſten Fug und Macht von Theologiſchen Sachen zu reden und zu ſchreiben.
Ein Juriſte hat mit Erklaͤrung und Applicir ung der Geſetze zu thun. Die Geſetze werden in goͤttliche und menſchliche eingetheilet: Die goͤttlichen ſind wiederum zweyerley: natuͤrliche und geoffenbahrte. Bey - de kommen in der heiligen Schrifft haͤuffig vor. Beyder Betrachtung / kan man denen Juriſten nicht abſprechen. Was zwar die Ceremonial - Geſetze in der Bibel anbetrifft / duͤrffte man dencken / die Juriſten wuͤrden ſich um ſolche we - nig zu bekuͤmmern haben. Jch halte aber dennoch dafuͤr / daß ſie von Betrachtung derſelben nicht auszuſchlieſſen. Solten ſie nicht befugt ſeyn / den Endzweck ſolcher Geſetze zu unterſuchen? Waͤren ſie zu verdencken / wenn ſie zuſchau - ten / ob GOtt in Gebung derſelben / nicht auch politi ſche Abſichten gehabt? Koͤnte man es ihnen veruͤbeln / wenn ſie nachdaͤchten / ob in dieſem oder jenem Ceremonial-Ge - ſetz ein Vorbild ſtecket / oder ob keines darunter verborgen? (a)Von denen Vorbildern in denen Cermo - nial. Geſetzen.Spencer in legibus Ebræorum ritual. hat viel herrliche Anmerckungen. Dieſes iſt nur an ihn zu tadeln, daß er an ſeiner Hypotheſi allzuſehrhen -Jch43Studio in der Theologie. Jch meine / daß man dieſe und andere Betrachtungen ih - nen nicht verwehren koͤnne. (b)Uberhaupt nutzet die genaue Betrachtung der Juͤdiſchen RepubliqueNuͤtzliche Wiſ - ſenſchafft der Juͤdiſchen Ge - ſetze. einem Juriſten ſehr viel. Die deutliche Erkaͤntniß der Ebræiſchen Ge - ſetze, hat in denen Kirchen-Rechten und Kirchen-Staat nicht minder ſeinen Nutzen. Dahero iſt einem rechtſchaffenen Juriſten zurathen, daß er die Autores ſo davon geſchrieben nicht allein nachſehe, ſondern auch ſelbſt die Sache weiter nachdencket. Seldenus iſt vor andern mit ſeinem Exempel hierinn vorgegangen.Wie viele Geſetze kommen in denen Buͤcher Moſis fuͤr / auf welche man ſich noch heu - te zu Tage beruffet. Zum Beweiß will ich mich nur auf die Geſetze von denen verbothenen Graden der Ehe beziehen. Kommen da nicht gnugſame Fragen von dem Diſpenſations - Recht eines Fuͤrſten vor? (c)Denn erſtlich iſt es keine unnuͤtzliche Frage, ob die Geſetze von verbo -Von verbothe - nen Graden der Ehe. thenen Graden, die Chriſten obligiren. Man ſehe mich darum vor keinen Ketzer an, denn die Urſachen, ſo man hat, daran zu zweiffeln, ſind nicht ſo geringe, als ſich macher einbildet. Und wenn man auch zugiebt, daß die Chriſten gehalten, ſich in keinen ſolchen Graden, die in dem dritten Buch Moſis verbothen, zu verheyrathen; ſo iſt doch wiederum die Frage, ob es in andern Graden, die daſelbſt nicht aus - gedrucket, angehet. Die meiſten ſind in der Meinung, es waͤren nicht die Perſonen, ſondern vielmehr die Gradus verbothen. Wo alſo glei - cher Grad vorhanden, als in denen die verbothen worden, halten ſie die Ehe vor unzulaͤßig. Dieſe Meynung aber iſt nicht geringen Zweiffel unterworffen. Brückner in ſeinen Deciſionibus matrimonialibus, hat bereits verſchiedenes beygebracht. Es verdienet aber die Sache nochf 2einerMan weiß uͤber dieſes / wasf 2in(a)henget, und alle Vorbilder verwerffen will. Witſius in Aegyptiacis hat ſich ihm entgegen geſetzet. Doch hat ſich auch dieſer hin und wie - der verſtoſſen. Die Coccejaner ſind alzuſehr auf die Egyptiſchen Erklaͤhrungen erpicht, und ziehen oft eine Sache mit Haaren herzu. Man muß die Mittel-Straſſe halten. Daß aber GOTT bey denenund politiſchen Abſichten. Ceremonial-Geſetzen auch politiſche Abſichten gehabt, hat nebſt Spen - cern der angefuͤhrte Witſius erkannt.44Vorbericht von der Juriſtenin Moſis Buͤchern von denen Todtſchlaͤgern geordnet. Was vor ein Recht dem Fuͤrſten in ſolchem Fall zuſtehet / muͤſſen die Juriſten ausmachen. (d)Diſpenſation beym Todt - ſchlage.Weil in dem Geſetz Moſis geſchrieben: Wer Menſchen-Blut ver - geuſt, des Blut ſoll wieder vergoſſen werden. So hat man geſchloſ - ſen, ein Fuͤrſt muͤſte alle Todtſchlaͤger wiederum zum Tod bringen laſſen. Man hat gar kein Diſpenſations - Recht zulaſſen wollen. Der Herr Thomaſius aber hat in einer beſondern Diſputation de jure ag - gratiandi principis in cauſa homicidii doloſi das Gegentheil gewieſen, und das Recht der Fuͤrſten in dieſem Fall von denen gewoͤhnlichen Einwuͤrffen gerettet.Sollen ſie aber ihre Meinung von dergleichen Sachen entdecken / ſo muͤſſen ſie ja vorhero von allen und ieden gruͤndlich unterrichtet ſeyn. Dieſes kan aber nicht ſeyn / woferne ſie nicht dabey die Theo - logie zur Hand nehmen. Man weiß ja mehr als zu wohl / was vor Theologi ſche Gruͤnde bey dergleichen Fragen zuſam - men geraſpelt werden. Kan ich denn die Sache in ein rech - tes Licht ſetzen / wenn ich die Force ſolcher Gruͤnde nicht zu beurtheilen weiß? Es gehet ohnmoͤglich an. Wie will ich aber ſolche judiciren / wenn ich mich in der Theologie nicht umgeſehen habe? Darum ſo muͤſſen die Juriſten auch aus dieſer Urſache mit in die Theologie gucken.
Noch eine Urſach will ich beruͤhren / wa - rum ein Juriſt die Theologie ſtudiren ſoll / und wieder dieſe wird man wohl am wenigſten einzuwenden haben. Juriſten erlernen das Jus Canonicum. Auf denen proteſtirenden Uni - verſitaͤten / iſt dem erſten Profeſſori, profeſſio Juris Canoni - ci anvertrauet. Jn dem Jure Canonico kommen viele Ma - terien vor / die in die Theologie lauffen, ja recht Theologi ſch klingen. Es werden oͤffters Spruͤche angefuͤhret / dieſe ſol -len(c)einer gruͤndlichen Unterſuchung. Zu wuͤnſchen waͤre es, daß ein Ju - riſt de jure principis circa matrimonia ſchriebe, und dieſen Punct auf den Grund ausfuͤhrete.45Studio in der Theologie. len die Sache davon die Rede iſt / beweiſen. Dennoch raͤu - men ſich ſolche oͤffters dazu / wie ein Federbuſch auf ein Prieſter-Muͤtzgen. Dennoch ſoll man denen Studenten das Canoniſche Recht erklaͤren. Man ſoll ihnen weiſen / wie weit es bey uns beobachtet wird. (a)Wie weit das Canoniſche Recht bey denen Proteſtirenden im GebrauchWie weit das Canoniſche Recht recipirt. ſind verſchiedene Meinungen. Struv, Linck, Rhetius und andere haben es in gewiſſe Capitel einſchlieſſen wollen. Allein alle irren. Vor der Reformation, ware das Canoniſche Recht voͤllig eingefuͤhret. Wie weit ſolches nach der Reformation eingeſchrencket worden, iſt nicht ſo klar, als ſich viele einbilden. Andere haben gewiſſe Reguln geſetzet, aber die Sache nicht beſſer getroffen. Die Meinung des Herrn Hoffrath Bœhmers, in diſſert. prælimin. ad Schilt. inſtit. jur. can. gefaͤllt mir am beſten. Er ſaget zwar das canoniſche Recht, ſey uͤberhaupt behalten worden. Dieſes iſt aber nur darum geſchehen, zu weiſen, daß man die Obſervantz deſſelben in keine gewiſſe Capitel einſchlieſſen koͤnne. Sonſt ſaget er muͤſte man es nicht gantz verwerffen, noch deſſen Deciſionibus, ohne Unterſuchung folgen.Man ſoll die ankle - benden Maͤngel / und wie dieſe auch in denen proteſtir enden Landen eingeſchlichen / eroͤffnen. (b)Bald hat man die Schluͤſſe ſo unmittelbahr aus ſolchen Gruͤnden fol -Die Proteſti - rende haben aus dem Cano - niſchen Recht vieles behalten ſo aus irrigen Gruͤnden flief - fet. gen, welche mit unſern Glaubens-Saͤtzen ſtreiten, bey behalten; Bald ei - nige Principia genommen, und die Schluͤſſe ſo daraus folgen, verworf - fen. Was vor Schluͤſſe man aus dem Grunde beybehalten, daß der Ehe - ſtand ein Sacrament hat der ſeel. Joh. Sam. Stryck, de reliquis ſacram, in cauſ. matrim. gewieſen. Was man zu Wittenberg dawieder vorge - bracht, iſt von keiner Erheblichkeit und laͤſſet ſich leicht beantworten. Es ſind noch viele Materien, da man ein gleiches zeigen koͤnte. Jn meinem Tractat de Simoniæ crimine habe dergleichen Schnitzer auch gewieſen. Jn gegenwaͤrtigen Werck, wird man ebenfalls verſchiedenes finden.Man ſoll dieſelben zu heben trachten / und darzu dienliche Mittel vorſchlagen / u. ſ. w. Aber wie kan ein Profeſſor ſolches bewerckſtelligen / wenn er in der Theologle keinen Grund gelegt?
Die Papiſten haben dieſe WahrheitDas Jus Ca - uonicum kan ohne mehr als zuwohl eingeſehen. Dieſer wegen ſind unter ih -f 3nen46Vorbericht von der JuriſtenTheologie nicht erklaͤ - ret werden.nen die Doctores Juris Canonici, gemeiniglich auch Doctores The - ologiæ. Warum ſollen die Proteſtirenden Juriſten die Theo - logie negligiren? Entweder muß man ihnen unterſagen das Jus Canonicum zu tractiren / oder zugeben / daß ſie auch in die Theologie gucken. Jch will nur den erſten Titul der Decretalium de ſumma Trinitate & ſide catholica anſehen. Der - gleichen haben wir auch in codice Theodoſiano und Juſtinia - næo. Will ich hieruͤber etwas gruͤndliches zu Marckte brin - gen / ſo muß ich gewiß von vielen Dingen / die in die Theologie lauffen / Wiſſenſchafft haben. Vor allen Dingen muß ich wiſſen / worinn der ſeeligmachende und wahre Glaube beſte - het. Wenn ich dieſem gruͤndlich nachdencke / ſo wird ſich mir verſchiedenes zeigen / daß mit der gemeinen Meinung nicht uͤbereinkommet. (a)Von dem ſee - ligmachenden Glauben.Zu CHriſti und der Apoſtel Zeiten, lieſſen ſich die Chriſten angelegen ſeyn, daß ſie mehr mit Leben und Exempeln, als ſubtilen Worten andere zum Chriſtenthum bewegten. Die Stellen. 1. Cor. I. 1. Act. XVII. 16. 1. Cor. XIII. 2. Epheſ. III. 3. 4. 1. Tim. III. 16. bekraͤfftigen ſolches ſattſam - Man hielte dafuͤr der ſeeligmachende Glaube ſey ein Werck des Willens und waͤre nicht in dem Verſtand zu ſuchen. Hebr. XI. 1. Das Kennzei - chen davon ſey die bruͤderliche Liebe, die Fruͤchte des Geiſtes aber, Liebe, Freude, Friede Gedult, Freundlichkeit, Guͤtigkeit, Glaube, Sanfftmuth, Keuſchheit, Creutzigung des Fleiſches, ſamt denen Luͤſten und Begierden - Gal. V. 22. 24. Man redete von denen goͤttlichen Dingen mit keinen ge - kuͤnſtelten Worten. Man truge ſolche nicht ſyſtematice vor. Man hielte die vor keine Jrrige, die andere Worte gebraucheten, als einige Per - ſonen von Anſehen ſich bedienet.Sodann muß ich ebenfals unterrichtet ſeyn / was eigentlich eine Ketzerey ſey. Und auch in die ſem Stuͤck wird manches wieder die gemeine Leyer heraus kom - men. (b)Was am An - fang eine Ke - tzerey geweſen.Bey Anfang der Chriſtlichen Kirchen, war dieſes keine Ketzerey, wenn iemand bey Erklaͤrung goͤttlicher Geheimniſſe Worte gebrauchte, die von eines andern Concept unterſchieden waren. Man hatte ei -nenWeiter folget / daß ich zu beurtheilen wiſſen muß /ob47Studio in der Theologie. ob der Zwang in Glaubens-Sachen, mit denen Grund-Saͤ - tzen des Chriſtenthums beſtehen koͤnne. (c)CHriſtus will einen freywilligen Gehorſam. Er hat die Kirche nichtCHriſtus hat keinen Zwang verlanget. mit fleiſchlichen, ſondern geiſtlichen Waffen aufgerichtet. Auf dieſe Art iſt auch die erſte Kirche unterhalten worden. vid. Limborck in Hiſt. inquiſ. lib. I. cap. 1. und ſo ſoll es auch heute zu Tage zugehen.
Jch muß bey gedachten Titul ferner zuAnmerckun - gen bey dem Titul de ſumma trin. & fid. ca - thol. ſagen wiſſen / worinnen die Einigkeit des Glaubens zu ſuchen ſey. (a)Es iſt ein Glaube Epheſ. IV. Die Glaͤubigen waren aber ehedeſſenWorinn die Einigkeit des Glaubens be - ſtehet. vereiniget durch das Band des Friedens und durch die Wercke der Lie - be. Act. IV. 32. Keines weges durch ein Formular. Und dieſes ware der Catholiſche Glaube.Ob Bekaͤnntniſſe und Glaubens-Formuln denen Leuten aufzutringen. (b)Durch den Catholi ſchen Glauben verſtehet man entweder die allge -Bedeutungen des Worts: Glaube. meinen Lehren, oder gewiſſe Formuln, die man als Geſetze vorſchreibet, oder vor ein Vertrauen des Hertzens zu GOtt. Das Canoniſche Recht hat durch den Catholi ſchen Glauben nichts anders verſtanden, als: Ei -neOb ſolche dienliche Mittelſind(b)nen Glaubens-Articul. Joh. XVII. 3. 1. Joh. IV. 2. 3. Welches Lehre da - von nicht abgienge, war ein Bruder. Man hatte kein Glaubens-Formular. Wer ein Chriſte werden wolte, legte ſein Bekaͤnntniß, daß er an CHriſtum glaubte, mit Worten ab, wie ſie ihn beliebten. Joh. XI. 25. ſqq. Actor. II. 41. VIII. 27. X. 44. ſqq. Seinen Glauben zeigete er andern durch die Wercke. Act. X. 2. 30. Keines weges durch ausgekuͤnſtelte Worte. conf. Geſſelius de fide ſimplici. pag. 33. Alſo ware der ein Ketzer, der etwa nach denen Grund-Saͤtzen der heydniſchen Philoſophie, GOTT vor keinen Schoͤpffer halten, und die Nachfolge CHriſti aufheben wolte. 1. Joh. II. 19. 22. 2. Joh. v. 7. Oder die die Wercke der Natur und Gnade vermiſchten, oder die allerhand Laſter und Fleiſches-Wercke mit der Chriſtlichen Lehre vereinigen wolten. Dieſe ſolten die Chriſten fliehen, aber nicht von ſich jagen, wie aus vielen Schrifftſtellen zu erwei - ſen. Bey dieſer Meidung aber muſten ſie allezeit bedencken, daß ſie Bruͤder, und ſie mit Gedult wieder zu rechte zu bringen ſuchen. 2. Theſſ. III. 14. 15. Gal. VI. 1. ſqq. 48Vorbericht von der Juriſtenſind / den Kirchen-Frieden zu erhalten / oder zu befoͤrdern. Denn ehe man damit aufgezogen gekommen / iſt auch nicht ſo viel Zanckens und Streitens geweſen. So bald aber als man einmahl dergleichen geſchmiedet / ware es noͤthig immer andere anszuſinnen. Es kamen immer neue Zaͤnckereyen auf. Hilarius beſchweret ſich gar ſehr uͤber die Unordnun - gen / ſo aus ſolchen Formuln entſtanden. (c)Hilarii Klage wegen der Glaubens - Formuln. Hilarius ad Conſtantium Imper. ſaget: Da man einmahl angefan - gen Glaubens-Formedaro zumachen, haͤtte ſich der Glaube mehr nach denen Zeiten, als dem Evangelio gerichtet. Es waͤre ein rechtes Elend, daß alle Jahre neue Glaubens-Formuln heraus kaͤmen: Da nur eine Cauffe und ein Glauben waͤre, haͤtte man dieſen Glauben gantz verloh - ren, und waͤren ſo viel Glauben als willen. Nach dem Nicæni ſchen Con - cilio, ſchriebe man von nichts als vom Glauben. Alle Jahre und Mo - nate machte man Glauben von GOtt, was beſchloſſen worden, gereue - te wiederum, die ſo es ſich gereuen lieſſen, wurden vertheidiget, was vor - hero vertheidiget worden, verdammete man, und da ſo viel Glauben waͤren, ſey es gekommen, daß gar keiner vorhanden. Es konte auch nicht anders ſeyn / weil man dergleichen Formuln goͤtt - liche Autoritaͤt beylegte / und andern als Geſetze vorſchrie - be. (d)Was derglei - chen Formular - Glauben vor Autoritaͤt bey - geleget wor - den.Das erſte Glaubens-Formular iſt Zweiffels ohne auf den Nicæniſchen Concilio aufgekommen. Da hat man den Glauben durch Geſetze vor - geſchrieben. Denen Schluͤſſen des Concilii, iſt goͤttliche Autoritaͤt beygeleget worden. Der Kaͤyſer Conſtantinus M. hat in den Schrei - ben an die Kirche zu Alexandria geſetzet: Was denen dreyhundert Biſchoͤffen beliebet, muͤſte man als GOttes Ausſpruch anſehen, denn der heilige Geiſt haͤtte in dieſer fuͤrtreflichen Maͤnner Seele gewuͤrcket. vid. Socratis Hiſt. eccleſ. lib. 1. cap. 9. Es iſt alſo gekommen, daß man die Glaubens-Formuln, als Geſetze vorgeſchrieben und Straffen auf die - jenigen geſetzet, welche ſolche nicht annehmen wolten. Die Acta der Concilien bekraͤfftigen dieſes zur Gnuͤge. Um aber ein Muſter von allen zu haben, will ich mich auf den Can. 7. des erſten Concilii zu Ephe - ſus b. ruffen.
§. XXXVII.(b)ne gewiſſe oͤffentliche Formul, die man allen Gliedern einer Kirche, als ein Geſetz vorgeſchrieben, daß ſie ihre Concepte darnach einrichten ſollen.
Dieſes Fuͤrnehmen ſolte ein MittelNoch an - dere An - merckungen uͤber gemel - den Titul. ſeyn / den Kirchen-Frieden zu erhalten. Der Ausgang mag davon reden / wie gluͤcklich es gelungen. Jch habe aber bey angeregtem Titul meine Gedancken auch dahin zu rich - ten / ob die Gluͤckſeeligkeit der Kirchen von der aͤußerlichen Ruhe dependire. Wenn man andere buͤrgerliche Geſell - ſchafften anſiehet / ſo kommt ihre Wohlfahrt faſt allein auff aͤuſerliche Ruhe an. Andere Bewandnuͤß aber hat es mit der Kirchen. Jhre Wohlfahrt / iſt mit der aͤuſerlichen Ru - he nicht verknuͤpffet(a)Jch beruffe mich auff den Zuſtand der Kirchen in denen erſten Jahrhunderten. Ob die Kirche zu ihrem Flor euſerliche Ru - he vonnoͤthen.Man wuͤtete und tobete wieder die Chriſten. Und dennoch ware das Chriſtenthum in vortrefflichem Flor. Dahero hat der Wilh. Cave recht, da er in ſeinem erſten Chriſtenthum pag. 80. alſo ſchreibet: Es iſt keine Probe einer guten Religi - on / wenn dabey alles voll auff und uͤberfluͤßig iſt, inmaſſen man die Chri - ſten mehr nach der Heyligkeit / als nach dem bluͤhenden Zuſtand der Reli - gion ſchaͤtzen muß Arnold hat in der Abbildung der erſten Chriſten Lib. 8. cap. 1. 2. auch deutlich gewieſen, daß der beſte Zuſtand der Kirchen unter der Verfol - gung geweſen.. Ja ſo bald alß die Kirche dieſe recht genoſſe / fiele das rechtſchaffene Chriſtenthum dahin(b)Ziegler in præfat. ad tract. de Epiſc. ſaget, daß zu Conſtantini M. Zeiten, daSchadet den - ſelben. nehmlich die Kirche in Ruhe gekommen, eine Welt in die Kirche eingefuͤhret wor - den. Spanheim in orat. de Chriſtianiſm. degenere zeiget ebenfalß deutlich, daß die aͤuſerliche Ruhe das Chriſtenthum verderbt. Gregorius Nazianzenus Orat. 3. adu. Jul. Chryſoſtomus Lib. adu. gentil. Saluianus Lib. 1. adu. auarit. ſtim - men ebenfalß dieſes an.. Es iſt weiter zu wiſſen noͤthig / ob concilia Glaubens - Sachen decidi ren, und andere ihren Spruch anzunehmen / anhalten koͤnnen. Betrachtet man die alten concilia, ſo befindet man / daß die Kaͤyſer ſelbſt ſo einfaͤltig geweſen / und dergleichen eingeraͤumet(c)Auf das Concilium Nicænum mag ich mich nicht einmahl beruffen. Auf dasAnſehen der Concilien. dritte Concilium zu Epheſus ſchickten die Kaͤyſer Theodoſius und Valentinianus einen Abgeordneten, Candidianum, dieſer hatte in ſeiner Inſtruction, daß er ſich in Glaubens-Sachen nicht meliren ſolte. Es waͤre zum hoͤchſten unbillig, daß einer, der kein Biſchoff waͤre, ſich in Kirchen-Sachen einmiſchen ſolte. Die Biſchoͤffe ſolten(Recht der Beicht-Stuͤhle) gallein. Waß kan aber tolleres / alßdieſes50Vorbericht von der Juriſtendieſes ausgedacht werden. Geſetze haben mit Thun und Laſſen, keinesweges aber mit Glaubens-Sachen zu thun. Die Ideen und Concepte, die ſich einer machen ſoll / kan man nicht befehlen. Die Religion leidet gar keinen Zwang. Nichts iſt ſo frey als die Religion, ſaget Lactantius(d)Die Neligion iſt ein ſreyes Weſen.Lactantius Lib. V. c. 14. Nihil tam voluntarium, quam religio eſt, in qua ſi animus aduerſus eſt, jam ſublata, jam nulla eſt. Der Kaͤyſer Maximilianus hat auch gar recht geſprochen: Es ſey nichts ſo grauſam, als ſich einer Herrſchafft uͤber die Gewiſſen anmaſſen wollen. Dieſe Herrſchſucht waͤre etwas henckeriſches., wenn da das Gemuͤthe entgegen iſt, ſo iſt ſie aufgehoben, und gantz und gar nichts.
Es iſt auch bey gedachtem Titul die Fra - ge zu entſcheiden / ob die Diſſentirenden zu druͤcken und zu verfolgen. Was davon zu halten / habe bereits hin und wie - der angezeigt. Nicht minder iſt zu unterſuchen / ob der Re - ligions-Zwang gute Chriſten, oder nicht vielmehr Heuchler mache(a)Ob Straffen fromme Leute machen.Es iſt ein gemeiner Wahn, die Leute wuͤrden durch Straffen fromm und tugend - hafft gemacht. Viele Theologi ſind in der Meinung. Sie haben keinen deutli - chen Begriff / von dem Endzweck der Straffen. Dieſe ſind darum, daß ich den aͤuſerlichen Frieden nicht turbire. Zu dem innerlichen und der Tugend wird etwas anders erfordert. Wenn ein Vater zu ſeinem Kind ſagte, es ſolte ihm die Hand kuͤſſen, das Kind wolte nicht, er aber braͤchte es mit Schlaͤgen dazu, wer wolte ſagen, daß dieſes ein tugendhafftes Kind waͤre. Es iſt nichts anders, als ein verſtelltes We - ſen. Dieſes geſchiehet um ſo viel deſtomehr, wenn ich Erwachſene zwingen will, et - was zu glauben, davon ſie das Gegentheil verſichert ſind.. Alle dieſe und noch viele andere vorkommende Dinge lauffen ja mit in die Theologie. Will ich nun die Verordnungen der Rechte wohl verſtehen / alle vorfallende Fragen entſcheiden / auff unſern Kirchen-Staat appliciren / u. ſ. w. So muß ich ia alle Materien wohl verſtehen. Folg - bar muß ich mich als ein rechtſchaffener Juriſt in der Theo - logie umſehen.
§. XXXIX.(c)allein alles ausmachen. Waß ſie ordnen wuͤrden, ſolten alle annehmen. Alſo mu - ſten nicht alleine die Kaͤyſer, ſondern alle andere von dem Wohlgefallen der Biſchoͤf - fe dependiren, und ihren Glauben darnach einrichten. Jhnen bliebe nichts uͤbrig, als andern die Schluͤße mit Gewalt aufzudringen.
Was in dem canoniſchen Recht von Ehe -Bey denen Materien des cano - niſchen Rechts, iſt die Theo - logie zur Hand zu nehmen. Sachen / andern Sacramenten / Kirchen-Guͤthern / rebus und perſonis Sacris, von der Simonie, Buße / Kirchen - Bann / Ketzerey und andern Materien vorkommt / kan nim - mermehr in eine deutliche Richtigkeit geſetzet werden / wenn man die Theologie nicht zur Hand nimt. Das Jus cano - nicum uͤberhaupt affectiret eine Heiligkeit, Gottesfurcht ꝛc. Um nun dahinter zu kommen / ob es dergleichen auch wuͤrck - lich vortraͤgt ſo muß ich wiſſen / worinnen die wahre Hei - ligkeit und Gottesfurcht beſtehet. Dieſes muß ich aus der rechten Theologie erlernen. Außer dem werde ich nicht vermoͤgend ſeyn / dem juri canonico ſeine Schmincke und Larve abzuziehen. Jch werde deſſen Scheinheiligkeit, und falſche Pie taͤt nicht zeigen koͤnnen(a)Man giebet zwar vor, das canoniſche Recht ſuche die Wohlfahrt der Seelen-wolteScheinbare Pietaͤt des Canoniſchen Rechts. gerne alle Suͤnden vermieden wiſſen, u. ſ. w. dahero es dem juri civili weit vorzu - ziehen. Alſo preiſen faſt alle Doctores ſolche Pietaͤt heraus. Allein Petrus de Ferrariis hat ſchon Ao. 1400. in ſeiner praxi aurea tit. IV. n. 44. ſq. den Schwe - ren deſſelben aufgeſtochen, und gewieſen, daß nichts darunter verborgen, als das In - tereſſe der Geiſtlichkeit. g 2. Viele Dinge giebtes vor ſolche Sachen aus / die zur Ehre GOttes gereichten. Darum muß ich ja wiederum aus der Theologie unterrich - tet ſeyn / worinn eigentlich die Ehre GOttes beſtehe. Hab ich ſolches wohl gefaſt / ſo wird es ſich zeigen / daß unter dem Vorwand / die Ehre GOttes zu befoͤrdern / die leichtfertig - ſten fleiſchlichen Abſichten zum oͤfftern verborgen liegen.
Alle rechte Ideen von erzehlten und andernBeſchluß. Dingen kan man / wie bereits gemeldet / nirgends anders / als aus der Theologie herhohlen. Darum ſo ſage ich noch - mahls: Ein Juriſt muß die Theologie mit excoli ren. Die Nothwendigkeit erfordert es / daß er zum oͤfftern von Theo - logiſchen Sachen redet / ſchreibet und urtheilet. Derienige iſt erſtlich ein gruͤndlich gelehrter Juriſt, der nebſt Erlernungan -52Vorbericht von der Juriſten Studio in der Theologie. anderer Wiſſenſchafften / auch in der Theologie guten Grund geleget. Solte meine Arbeit nicht allen gefallen / ſo muß ich es geſchehen laſſen. Sie belieben aber nur / alles erſt wohl zu uͤberlegen / und kommen erſt ſodann mit ihren Ein - wuͤrffen angeſtochen. Wo man nur leere Feder-Fechter - Streiche machet / werde ich mich nicht einlaſſen. Jch dencke wie Auguſtinus de civit. Dei Lib. II. c. I. Quis diſceptan - di finis erit & loquendi modus, ſi reſpondendum eſſe re - ſpondentibus, ſemper exiſtimemus? Nam qui vel non pos - ſunt intelligere, quod dicitur, vel tam duri ſunt adverſitate mentis, vt etiamſi intellexerint, non obediant; reſpondent vt ſcriptum eſt (Pſalm. XXXI. 1.) & loquuntur iniquita - tem atque infatigabiliter vani ſunt. Quorum dicta con - traria, ſi toties velimus refellere, quoties obnixa fronte ſta - tuerint, non curare quid dicant, dum quocunque modo no - ſtris diſputationibus contradicant, quam ſit infinitum & ærumnoſum & infru - ctuoſum vides.
ES iſt nichts in der gantzen weiten Welt zu fin -Urſprung der Macht die Suͤnde zu vergeben und zu be - halten. den und anzutreffen / das nicht ſeinen gewiſſen Urſprung haͤtte / und hat niemand verſtaͤndi - ges jemahls an ſolchem Satz gezweiffelt. De - rohalben wird einer Sache Urſprung gemeiniglich unter - ſuchet / und bemuͤhet man ſich mit allem Ernſt denſelben deutlich zu zeigen / wenn man von ſolcher etwas vorzutra - gen geſonnen iſta)Denn, iſt mir der Urſprung einer Sache unbekannt, weiß ich dieWarum man auf den Ur - ſprung der Sa - chen zu ſehen. Zeit nicht, da dieſelbe ihren Anfang genommen, ſo iſt es ſchwer, ja faſt nicht moͤglich, derſelben Eigenſchafft und was dabey vor - faͤllet und zu beobachten iſt, deutlich vorzuſtellen. Jſt mir aber dieſes bekannt, ſo kan ich weit gruͤndlicher ihre Art und Endzweck ausfuͤndig machen; man kan die Folgerungen, ſo aus derſelben kommen, beſſer erwegen und beurtheilen. Jch habe alſo auch da - fuͤr gehalten, daß es noͤthig ſey, den Anfang der Macht, die Suͤn - den zu vergeben und zu behalten, anzuzeigen, bevor ich auf andere Sachen, ſo derſelben anhaͤngig ſind, gerathe. b) Daß. Den Urſprung aber der Macht undGewaltg 354I. Abth. 1. Cap. Vom Urſprung der MachtGewalt / die Suͤnden zuvergeben und zu behalten / hohle ich von Chriſto ſelbſten her / welchem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben war. Denn unſer Heyland hat denen erwehlten Apoſteln / als auſerordentlichen Dienern des Ev - angeliib)Die Apoſtel ſind auſeror - dentliche Die - ner des Evan - gelii geweſen.Daß die Apoſtel auſerordentliche Diener des neuen Bundes ge - weſen, wird niemand, der nur ein wenig von Vorurtheilen befrey - et und klug iſt, in Zweiffel ziehen. Solten ſich aber einige fin - den, die ſich hier Scrupel machten, denenſelben recommendire ich des Petri Burmanni Exercitationes Academicas, und diejenigen unter ſolchen, ſo de miniſtris evangelii extraordinariis handeln. Jch zweiſle nicht, er werde ſolche alſo abweiſen, daß ſie weiter nichts werden vorbringen koͤnnen. Meines Erachtens hat niemand die - ſe Sache deutlicher und gruͤndlicher abgehandelt. unter andern auſerordentlichen Gnaden-Gaben / auch dieſe Macht und Gewalt verliehen und zugeeignet. Denn ſo ſchreibet Jahannes:c)Johannis Worte.Joh. XX, 22. ſeq. Καὶ τοὶτο είπὰν, ἐνεφύσησε, κὰι λέγει ἀυτο῀ις. λά - βετε πνεῦμα ἅγιον. ῎Αν τινων ἀφῆτε τὰς ἀμαρτίας, ἀφίενται ἀυτοῖς - ἄν τινων κρατῆτε, κεκράτηνται. Er bließ ſie an und ſprach: Nehmet hin den heiligen Geiſt, welchen ihr die Suͤnde ver - gebet, denen ſind ſie vergeben, und welchen ihr ſie behaltet, denen ſind ſie behalten. Dieſe Worte beſtaͤrcken dasjenige / was ich geſaget / mehr als zu deutlich / alſo daß es nicht noͤ - thig iſt / andere Schrifft-ſtellen vorzubringen / zumahl da einige alſo beſchaffen / daß es noch gar ſtarckem Zweiffel un - terworffen / ob ſolche auf die Macht die Suͤnden zu verge - ben und zu behalten zu ziehen ſind / oder nichtd)Von dem Loͤſe - und Binde - Schluͤſſel.Jch will jetzo nur erwehnen, was von dem Loͤſe - und Binde - Schluͤſſel von einigen geſaget wird. Denn die meiſten wollen aus denen Stellen Matth. XVI, 19. XVIII, 18. durch die Schluͤſ - ſel die Macht die Suͤnde zu vergeben und zu behalten herleiten. Vor dieſem iſt faſt kein eintziger anderer Meinung geweſen. Nach - mahls aber ſind etliche auf andere Gedancken gerathen, und ha -ben.
Es duͤrfften wohl einige ſeyn / die ſich einbilden /Waꝛum ich von dem Urſprung es ſey etwas wunderliches / daß ich mit ſo vielen Worten /von(d)ben durch das Binden ein Verbot, durch das Loͤſen aber eine Zulaſſung verſtanden. Sie ſagten, man muͤſte dieſe Worte aus denen Juͤdiſchen Alterthuͤmern und Gebraͤuchen erklaͤren. Die Juͤdiſchen Lehrer haͤtten in zweiffelhafften Faͤllen von dem Sinn des Goͤttlichen Rechts Antwort ertheilet und geſprochen. Dieſe Gewalt ſey durch die Schluͤſſel angedeutet worden. CHriſtus haͤtte nun denen Apoſteln gleiche Macht ertheilet, daß ſie nemlich das Moſaiſche Geſetze zum Theil abſchaffen, und zur Zeit des neu - en Bundes einiges erlauben koͤnnten, das vorhero verboten gewe - ſen; im Gegentheil, ſolten ſie auch die Macht haben, gedachtes Geſetz zum Theil zu behalten, und denen Chriſten eines und das andere zu unterſagen, das denen Juͤden ebenfalls verboten gewe - ſen. Das erſtere ſey die Macht zu loͤſen, das andere die Gewalt zu binden. Dieſe Meinung hegen Hugo Grotius, Joh. Camero, da ſie auf die angefuͤhrte Schrifft-Stelle kommen. Es pflichtet der - ſelben bey Joh. Seldenus de Synedr. Ebræor. Joh. Ligtfoot. in hor. Ehraic. & Talmud. Joh. Dallæus de confeſſ. auricul. Der Joh. Be - nedict. Carpzovius in Epiſt. dedic. Oper. cit. Ligtfoot lobet ſolche Erklaͤrung. Der ſcharfſinnige Herr Thomaſius in dem Beden - cken, wie weit einem Geiſtlichen erlaubt, gegen ſeinen Landes - Herrn ſich des Binde-Schluͤſſels zu bedienen, und der beruͤhm - te Herr Boͤhmer in Jur. Eccleſ. Antiq. ad Plin. & Tertull. erweh - len ebenfalls ſolche Erklaͤrung, anderer zu geſchweigen. Allein denen meiſten ſtehet ſolche nicht an. Es hat nur vor einigen Jah - ren, nehmlich Ao. 1715. der Herr Chriſt. Lœber, Superintendens in Ronneburg eine Synodal-diſputation im Monat Auguſto de po - teſtate ligandi & ſolvendi gehalten, die abſonderlich wider Ligt - footen gerichtet iſt. Jch kan nicht leugnen, daß ſeine Gruͤnde ge - lehrt ſind, allein mir deucht doch, daß dieſelben nicht alſo be - ſchaffen, daß aller Zweiffel gehoben, und nichts dawieder ein - gewendet werden koͤnte. Jch kan und will auch nicht vor je - tzo mich in dieſen Streit miſchen. Denn es treffen doch alle hierinn uͤberein, CHriſtus habe denen Apoſteln die Macht dieSuͤnde56I. Abth. 1. Cap. Vom Urſprung der Machtder Gewalt Suͤnde zu vergeben, und zu be - halten, ge - redet.von der Gewalt die Suͤnde zu vergeben und zu behalten / die Chriſtus denen Apoſteln verliehen / gehandelt haͤtte. Sie werden ſagen / es ſey niemand unter denen Chriſten / der ſol - ches in Zweiffel zoͤge. Allein es iſt ſolches nicht ohne Ur - ſache geſchehen. Jch habe es darum gethan / damit man erkennen moͤge / ob ſolche denen Apoſteln inſonderheit / oder auch ihren ſo genannten Nachfolgern verliehen worden? ob dieſelbe zu denen auſerordentlichen Gnaden-Gaben, oder zu denenjenigen / ſo unſere Theologi miniſterialia nennen / zu ziehen ſey? Es kan ſeyn / daß wenn einige dieſes leſen / ſie mich ſo gleich vor einen unverſchaͤmten und verwegenen Menſchen ausruffen / weil ich hierwieder nur einen Zweif - fel erregen wolte. Die meiſten bilden ſich ein / es ſey ſon - nenklar / daß dieſe Gewalt allen Dienern des Worts in der Perſon der Apoſtel verliehen worden. Da die Apoſtel nun ihr Leben beſchloſſen / ſey dieſelbe auf alle Prieſter / als ihre rechtmaͤßige Nachfolger und Erben gefallena)Meinung der Theologen von der Macht Suͤnde zu ver - geben.Man ſchlage nur die Schrifften der Theologorum auf, ich glau - be, man werde mit Muͤhe einen finden, der auf einen andern Schlag urtheilte. Mich duͤncket aber, die meiſten haben keine deut - liche Einſicht gehabt, was vor ein Unterſcheid unter denen Apo - ſteln und denen Biſchoͤffen oder Aelteſten geweſen. So beſchei - den ſind ſie zwar, daß ſie nicht ſagen, ſie waͤren in allen der Apo - ſtel Nachfolger, ſondern nur in miniſterialibus. Jſt aber dieſes an dem, ſo kommet ihnen die Macht, die Suͤnde zu vergeben und zu behalten, keines weges zu. Andere ſagen, es haͤtten nicht alle geiſtliche dieſe Macht, ſondern nur die rechtmaͤßig beruffene, die wiedergebohrne und erleuchtete, und was dergleichen lieb -liche. Allein ichkand)Suͤnde zu vergeben und zu behalten verliehen, und dieſes ſage ich auch. Jch koͤnte alſo auch den Loͤſe - und Binde-Schluͤſſel hie - her ziehen, allein ich habe meine Urſachen, warum ich ſolches nicht thun mag.57die Suͤnde zu vergeben und zu behalten. kan denenſelben nicht verhalten / daß ich hierinn wie Tho - mas bin. Jch glaube nicht leichtlich etwas / wenn ich ſol - ches nicht ſehe / oder gruͤndliche und wichtige Urſachen fin - de. Diejenigen Gruͤnde aber / ſo denen Apoſteln ſolche Macht alleine zueignen / duͤncken mich weit ſtaͤrcker und trifftiger zu ſeyn / als die andern / welche dieſelbe allen Geiſtlichen zu - ſchreibenb)Jch zehle alſo auch dieſe Gewalt zu denen auſerordentlichen Ga -Die Wahrheit braucht kein Anſehen von gelehrten Per - ſonen. ben der Apoſtel. Zwar wird es mir daran fehlen, daß ich eine gantze Rolle beruͤhmter Leute, die meiner Meinung beypflichten, hinſetzen kan. Denn es iſt bekannt, daß man ſich damit am allerſi - cherſten vor den Anfall ſchuͤtzen kan. Allein dieſes ſoll mich von mei - nem Vorſatz nicht abwendig machen. Die Wahrheit iſt alſo be - ſchaffen, daß ſie an und vor ſich ſelbſt denen, ſo ihren Kopf aufge - raͤumt, gefallen muß, und braucht alſo ſolcher Huͤlfe nicht. Wird ſolche gleich gedruckt, ſo kan man ſie doch nicht unterdrucken. Jch werde aber dennoch hin und wieder beruͤhmte Leute anfuͤhren koͤn - nen, die in verſchiedenen meiner Meinung beypflichten. (Recht der Beicht-Stuͤhle. ) ha) Jch.
Damit man aber meine Meinung deſto deut -Definition der Macht, Suͤnde zu vergeben und zu be - halten. licher faſſe / ſo will ich die Sache definiren. Jch nenne a - ber die Macht / Suͤnde zu vergeben / eine auſerordentliche Ga - be GOttes, die von der Eingebung des heiligen Geiſtes her - ruͤhret, und von Chriſto denen Apoſteln mit wunderbahrenWuͤrckun -a)liche Traͤume mehr ſind, die ich unten unterſuchen will. Von der beſondern Erleuchtung will ich jetzo etwas weniges melden. Jch leugne nicht, daß GOtt noch heute zu Tage gewiſſen Perſonen auf eine beſonderliche Weiſe auſerordentliche Gaben mittheilen koͤnne, und ſolches auch bewerckſtellige; Jedoch es moͤgen dieſel - ben beſchaffen ſeyn, wie ſie wollen, ſo koͤnnen ſie dennoch mit denen auſerordentlichen Gaben der Apoſtel in keine Vergleichung gezo - gen werden. Die meiſten unter denen Reformirten ſtehen zu, daß die Macht Suͤnde zu vergeben und zu behalten denen Apo - ſteln allein zu zuſchreiben.58I. Abth. I. Cap. Vom Urſprung der MachtWuͤrckungen verliehen, auch von ihnen allein gebraucht und ausgeuͤbet worden. Es wird dieſe Umſchreibung denen meiſten nicht anſtehen und neuͤerlich vorkommen / derohal - ben will ich jedes Stuͤck derſelben inſonderheit unterſuchen und beweiſena)Erinnerung wegen derſel - ben.Jch bitte alle die, ſo dieſe definition leſen, daß ſie nicht eher ein Urtheil faͤllen, biß ſie das folgende auch uͤberſehen, und ohne Vorur - theile erwogen. Allein dieſes iſt gewiß eine ſchwere Arbeit, abſon - derlich aber vor ſolche, die an dem ehrwuͤrdigen Alterthum hangen und bereits bey ſich die feſte Entſchlieſſung gefaſt, nicht einen Na - gel breit davon abzuweichen. Dergleichen Leute ſehen mehr auf die Perſonen, ſo etwas geſaget, als auf die allerbuͤndigſten Schluͤſ - ſe. Solche moͤgen von meiner Arbeit halten, was ſie wollen, ich will alles mit der groͤſten Gedult anhoͤren. Jch will mich, wo ich geirret, von ihnen zu rechte fuͤhren laſſen. Dieſes bitte ich nur, daß ſie ſich der Ketzermacherey enthalten, weil dieſe ihnen nicht zuſte - het. Gemeiniglich wirfft man mit ſolchen Tituln um ſich, und will denjenigen, ſo dem groſen und kleinen Pabſt an den Bauch greifft, zu einem Ketzer, Schismaticum, und ich weiß ſelbſt nicht zu was machen. Jm uͤbrigen ſtelle ich ihnen frey, ob ſie meine Arbeit lo - ben oder tadeln wollen. Beydes gilt mir gleich viel. Jch erſu - che ſie nur, daß ſie ſich in acht nehmen, daß ſie nicht ſo wohl wider mich, als wider die Wahrheit aufſtehen..
Jch habe geſagt / die Macht / Suͤnde zu vergeben und zu behalten / ſey eine auſerordentliche Gabe GOttes, und dieſes iſt aus folgenden Gruͤnden geſchehen. Der liebe Hey - land wolte / da Er gen Himmel gefahren / die Apoſtel als ſeine rechte Erben in der Welt hinterlaſſen / und alſo hat er ihnen das meiſte / ſo ihm von dem himmliſchen Vater ver - liehen worden / wiederum reichlich mitgetheilet. Der Sohn ware von dem Vater geſendet / und alſo ſendete er wiede - rum die Apoſtela)Sendung Chriſti und der Apoſtel.Chriſtus war vornehmlich darum geſendet, damit er die gantzeWelt. Der Sohn ware mit dem heiligen Geiſtgeſal -59die Suͤnde zu vergeben und zu behalten. geſalbet / und hat alſo auch denſelben denen Apoſteln gar reichlich mitgetheiletb)Von der Salbung des Sohnes mit dem heiligen Geiſt reden derSchenckung des Heil. Gei - ſtes. Apoſtel Geſchichte cap. X, 38. Dieſer heilige Geiſt aber iſt denen Apoſteln Anfangs durch ein Einblaſen per ἐμφύσησιν gegeben worden. Joh. XX, 22. Nachgehends aber, da Chriſtus gen Him - mel gefahren, wurde derſelbe am Feſte der Pfingſten in einer reich - lichen Maaß uͤber ſie ausgegoſſen. Act. II, 4. . Es iſt bekant / daß der Vater dem Sohn das Gericht gegeben / und alſo wird auch dieſes denen Apoſteln zugeeignetc)Chriſtus ſaget ſelbſt, daß ihm der Vater das Gericht gegeben. Denen Apo - ſteln iſt das Ge - richte gegeben.Joh. V. 22. Der Vater richtet niemand, ſondern das Gerichte hat er dem Sohn uͤbergeben. Chriſtus ſaget auch alſo zu ſei - nen Apoſteln, daß, wenn des Menſchen Sohn ſitzen wuͤrde auf dem Stuhl ſeiner Herrlichkeit, ſie auch ſitzen ſolten auf zwoͤlf Stuͤh - len, und richten die zwoͤlf Geſchlechte Jſrael. Matth. XIX, 28. . Der Sohn hatte Macht / Suͤnde zu vergeben und zu behalten / welche er alſo wiederum de - nen Apoſteln auf eine auſerordentliche Art verliehend)Daß Chriſtus die Gewalt gehabt, Suͤnde zu vergeben, erhelletUnd die Macht Suͤnde zu[ver -]geben. aus der Stelle Matth. IX. 2. 6. Von ihm haben ſolche die Apoſtel erhalten. Joh XX, 22. ſeq. Ordentlicher Weiſe verglebt alſo nie - mand die Suͤnde, als GOtt. Niemand kan ſich derohalben die - ſes Rechts anmaſſen, als der, dem es unmittelbar von GOtt ver - liehen worden, und dem er zugleich ſolche Gnaden-Gaben mitge - theilet, die zur rechten Ausuͤbung ſolcher Gewalt von noͤthen ſind. Wem beliebet, mehr von beſondern Gaben, die denen Apoſteln allein verliehen worden, zu wiſſen, kan ſich bey Burmann am an - gefuͤhrten Ort Raths erholen. a) Denn.
§. V.a)Welt von der Knechtſchafft der Suͤnden mit ſeinem Blut erloͤſen moͤchte. Joh. V, 24. Dieſer hat die Apoſtel geſendet, Joh. XX, 21. daß ſie die Ankunfft des Meßiaͤ allen Voͤlckern ankuͤndigten, und alſo aus der Finſterniß durch das heilſame Wort des Evangelii zum Licht fuͤhreten.
h 260I. Abth. I. Cap. Vom Urſprung der MachtJch habe geſagt / die Macht / Suͤnde zu vergeben und zu behalten / ruͤhre von Eingebung des heligen Geiſtes her / welches die heilige Schrifft mit deutlichen Worten an - zeigeta)Wuͤrckung dieſer Einge - bung.Denn ſo ſtehet Joh. XX. 22. λάβετε πνεῦμα ἄγιον Nehmet hin den heiligen Geiſt, und als dieſes geſchehen, hat Chriſtus erſt die Macht, Suͤnde zu vergeben und zu behalten, ihnen verliehen. Durch dieſes goͤttliche Anhauchen, durch dieſe unmittelbahre Schen - ckung des heiligen Geiſtes, haben die Apoſtel diejenigen Gnaden - Mittel bekommen, durch deren Huͤlffe ſie die verliehene Macht recht ausuͤben kunten. Ein jeder geſtehet, daß dergleichen Ein - gebung, dergleichen ἐαφύσησις niemand als denen Apoſteln wiederfahren, und alſo ſchlieſſe ich, daß niemand, er ſey wer er wolle, ſich mit Recht ſolcher Macht unterziehen, und dieſelbe aus - uͤben koͤnne. Es mangelt ihm die Krafft des heiligen Geiſtes, die bey denen Apoſteln war, davon in dem folgenden hin und wieder ein mehrers zu ſagen ſeyn wird. a) Mir. Dieſe Eingebung ware das Merckmahl ſolcher verliehenen Gewalt / welches bey niemand / als denen Apo - ſteln anzutreffen. Denn wo findet man doch bey denen ſo genannten Apoſtoliſchen Nachfolgern dergleichen Gaben des heiligen Geiſtes? Dieſes befindet ſich wohl / daß in vieler ihren Hertzen ein Geiſt regieret / allein / welches gar ſehr zu beklagen / der Geiſt des Neides / des Zanckes / des Geitzes / des Hochmuths / keinesweges aber derjenige Geiſt / der ſo reichlich uͤber die Apoſtel ausgegoſſen worden. Jch tadle nicht damit das gantze Miniſterium. Jch kenne viel recht - ſchaffene Leute unter ſolchen. Es moͤgen aber dieſelbe mit Gaben ausgeruͤſt ſeyn / wie ſie immer wollen / ſo kommen ſie doch damit / wie bereits gemeldet / denen Apoſteln nicht bey.
Ferner habe ich denen Apoſteln eintzig und allein dieſe Macht zugeſchrieben / und auch in dem bißher geſagten ſolches guten Theils bewieſen. Denn denen Apoſteln iſt dasAnhau -61die Suͤnde zu vergeben und zu behalten. Anhauchen und Schenckung des heiligen Geiſtes einig und alleine geſchehen / und Chriſtus hat ſeine Rede zu niemand anders als zu ihnen gerichteta)Mir iſt zwar mehr als zuwohl bekant / was einige zur Vertheidi -Ob die Apo - ſtel die Kirche vorgeſtellt? gung ihrer Meinung, daß nemlich allen Kirchen-Dienern dieſe Macht zuſtuͤnde, vorzubringen pflegen. Sie ſagen, die Apoſtel haben die gantze Kirche vorgeſtellt, da Chriſtus zu ihnen geredet, und die Macht Suͤnde zu vergeben und zu behalten mit getheilet. Es ſey alſo dieſe Gewalt der Kirchen gegeben. Wie abgeſchmackt aber dergleichen Einwurff iſt, ſoll unten mit mehrern gewieſen werden.. Sie beſaſſen auch unter andern hier zu gehoͤrigen Gnaden-Mitteln allein den Geiſt der Wahrheit / deſſen kraͤfftige Wuͤrckung ſich uͤberall aͤu - ſerteb)Denn ſo ſtehet Joh. XVI. 13. Wenn aber jener, τὸ πνεῦμα τῆςSie hatten den Geiſt der Wahrheit. ἀληϑείας, der Geiſt der Wahrheit kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. . Dieſes aber ware bey der Vergebung und Behal - tung der Suͤnde hoͤchſt nothwendig / welches abermahls unſern heutigen Dienern des Worts mangelt.
Jch habe weiter behauptet / daß bey der denen4) Waren bey dieſer Macht wunder - bahre Wuͤrckun - gen. Apoſteln verliehenen und von ihnen aus geuͤbten Gewalt wunderbare Wuͤrckungen zu ſehen geweſen. Denn da ſie den Geiſt deꝛ Wahrheit hatten / ſahen ſie in das iñerſte des menſch - lichen Hertzens / und vergaben nur denemenigen / denen die Buſſe ein rechter Ernſt war / ihre Suͤnden. Der Geiſt der Wahrheit wuͤrckete bey ihnen ſo viel / daß ſie in dem Werck der Vergebung ohnmoͤglich irren und etwas menſchliches leiden kuntena)Burmann ſchlieſſet derowegen an angefuͤhrtem Ort §. 3. recht undDie Apoſtel haben die Suͤnden ohne Bedingung vergeben. billig, daß die Apoſtel die Suͤnden abſolut ohne einige Bedin - gung vergeben; dieſes aber kaͤme ſonſten GOtt allein zu, und ſey niemand zuzueignen, als denen, ſo Chriſtus dazumahl den heiligen Geiſt unmittelbahr geſchencket. b) Die -. Ohne Zweiffel iſt auch damahls die Ver -gebungh 362I. Abth. I. Cap. Vom Urſprung der Machtgebung vermittelſt der Hand-Auflegung geſchehenb)Durch Hand - Auflegung.Dieſer Gebrauch ware bey denen Juͤden gar gewoͤhnlich, indem die Patriarchen ſelbſt, zum Zeichen einer ſonderbahren Segnung, ſolchen angewendet. Die Apoſtel legten alſo auch gar vielmahls die Haͤnde auf. Sie bedienten ſich der Hand-Auflegung bey denen Neubekehrten und denen Krancken. Diejenigen, ſo der Kirchen vorgeſetzet und das Evangelium zu predigen ausgeſchickt worden, empfiengen ebenfalls die Handauflegung, ingleichen auch die er - wehlten Aelteſten; beſiehe meinen Tractat de crimine Simoniæ Sect. II. cap. II. §. 26. not. a) b) §. 27. not. a) b). Jch ſchlieſſe alſo nicht unbillig, daß auch die Vergebung der Suͤnden durch die Hand - auflegung geſchehen ſey.. Wer will aber beweiſen / daß ſolche denen / ſo mit ihrer Buſſe ge - heuchelt / wieder fahren ſey? Denn dergleichen kan mit der gruͤndlichen Erkaͤntniß / ſo die Apoſtel hatten / ohnmoͤglich beſtehen. Jch will die Sache vielmehr mit des fuͤrtreffli - chen Herrn Boͤhmers / als meinen Worten ausdruͤcken. Er ſchreibet aber alſo:c)und wunder - bahrs Wuͤr - ckungen.In Jur. Eccleſ. Antiqu. Diſſ. II. §. 8. p. 35. Hæc poteſtas, quam ipſi Apoſtoli δωρεὰν τοῦ Θεοῦ, donum Dei vocant, erat illa extraordi - naria virtus, ſolvendi & ligandi, remittendi & retinendi peccata, quæ intima illa & ſolidiſſima cognitione cœleſti conjuncta erat: virtute cujus Apoſtoli judicare poterant, quinam manus impo - ſitione digni eſſent, & quibusnam hæc denegari deberet. &c. Huc refero etiam traditionem flagitioſam Satanæ, cujus mentionem facit Paulus, 1. Cor. V, 5. & quam σὺν τῇ δυνάμει τοῦ κυρίου ex - ſequebatur. a) Ire - Dieſe Macht, welche die Apoſtel ſelbſt δωρεὰν τοῦ Θεοῦ, ein Geſchencke GOttes nennen, ware die - ſe auſerordentliche Krafft, zu loͤſen und zu binden, die Suͤn - den zu vergeben und zu behalten, die mit der innerſten und gruͤndlichen himmliſchen Erkaͤntniß verknuͤpfet war, durch deren Krafft die Apoſtel urtheilen kunten, welche der Hand - Auflegung wuͤrdig, und welchen dieſelbe abzuſchlagen. Er beruffet ſich auf das Exempel Simonis Act. VIII. 21. Jnglei -chen63die Suͤnde zu vergeben und zu behalten. chen auf die Exempel Ananiæ und Saphiræ, und faͤhret ſo dann fort: Jch zehle auch hieher die Ubergebung des Blut - ſchaͤnders dem Satan, deren Paulus gedencket. 1. Cor. V. 5. und welche er mit der Krafft des Herrn verrichtete. Kluge Leu - te werden aus dieſen die wunderbahre Wuͤrckungen / ſo die Macht Suͤnde zu vergeben und zu behalten begleitet / erken - nen. Andere acht ich nicht / weil ſie wegen ihrer Vorur - theile / damit das Gehirne angefuͤllet / nicht ſehen / ſondern in der Finſterniß immer herum tappen.
Daß nach der Apoſtel, Abſterben in denen5) Die Apo - ſtel haben ſolche Ge - walt eintzig und allein ausgeuͤbet. erſten Zeiten ſich niemand ſolches Rechts die Suͤnde zu vergeben und zu behalten angemaſſet / iſt das letztere Stuͤck meiner gegebenen Definition. Denn in denen bey - den erſten Jahrhunderten / findet ſich nichts / daß die Bi - ſchoͤffe und Aelteſten ſich dieſe Gewalt zugeeignet. Waͤre es eine Sache geweſen / die allen Kirchen-Lehrern zukaͤme / ſo wuͤrden die Apoſtel Zweiffels ohne ihnen ſolche anbefohlen haben. Denn nach Irenæi Bericht /a)Irenæus adverſ. hæreſ. Valent. Lib. III. cap. 4. Apoſtoli in Eccle -Die Apoſtel haben alles nothwendige in der Kirchen angeordnet. ſiam, quaſi in depoſitorium dives, pleniſſime contulerunt o - mnia quæ ſunt veritatis, uti omnis quicunque velit, ſumat ex ea potum vitæ. haben die Apoſtel in die Kirche gleich als in eine reiche Niederlage alles dasjeni - gebracht, was Warheit iſt, damit jeder, wer nur wolte, dar - aus den Tranck des Lebens holen koͤnte. Von dem Gebrauch aber dieſer Gewalt iſt nichts zu hoͤren noch zu ſehen. Ter - tullianus iſt uͤbel auf diejenigen zu ſprechen / die zu ſeiner Zeit ſich ſolcher Macht anmaſſen wollen / da man angefan - gen ſich und andere zu bereden / die Biſchoͤffe waͤren der A - poſtel Nachfolger. Tertullianus aber behauptet / ſolche Ge - walt / ſtuͤnde denen Apoſteln allein zu. Wir wollen ſeine eigne Worte / ob ſie ſchon lang ſind hieher ſetzen. Sie lau -ten64I. Abth. I. Cap. Vom Urſprung der Machtten ſob)Tertullianus eignet denen Apoſteln al - lein die Macht Suͤnde zu ver - geben und zu behalten zu.Tertullianus cap. 21. de pudicit. pag. 715. aper. edit. Pamelii. Quis enim dimittit delicta, niſi ſolus Deus? & vtique mortalia, quæ in ipſum admiſſa fuerint, & in templum ejus. Nam tibi quæ in te reatum habeant, etiam ſeptuageſies ſepties juberis indulgere in perſona Petri. Itaque ſi & ipſos beatos Apoſtolos tale quid in - dulſiſſe conſtaret, cujus venia a Deo, non ab homine competeret, non ex DISCIPLINA SED EX POTESTATE feciſſe. Nam & mortuos ſuſcitaverunt, quod Deus ſolus, & debiles redintegra - verunt, quod nemo niſi Chriſtus, & plagas inflixerunt, quod no - luit Chriſtus. Non enim decebat eum ſæuire, qui pati venerat. Percuſſus eſt Ananias & Elimas, Ananias morte, Elimas cœcitate, vt hoc ipſo probaretur, Chriſtum & hæc facere potuiſſe. Sic & Prophetæ cædem & cum ea mœchiam POENITENTIBVS IGNORAVERANT. Exhibe igitur & nunc mihi Apoſtolice prophetica exempla, & agnoſcam divinitatem, & vindica tibi DE - LICTORVM EIVSMODI REMITTENDORVM PO - TESTATEM. Quod ſi diſciplinæ ſolius officia ſortitus es, nec imperio præſidere, ſed miniſterio, QVIS ET QVANTVS ES INDVLGERE? quia neque Prophetam, nec Apoſtolum exhibeas, cares ea virtute, CVIVS EST INDVLGERE. Sed habet, inquis, poteſtatem eccleſia, delicta donandi. ‒ ‒ ‒ ‒ De TVA ſententia quæro, vnde hoc jus eccleſiæ vſurpes? Si, quia dixerit Petro Dominus: Super hanc Petram ædificabo eccleſi - am meam, tibi dedi claues regui cœleſtis, vel quæcunque alligaveris vel ſolveris in terra, erunt alligata & ſoluta in cœlis, idcirco præ - ſumis, ad te deriuaſſe ligandi & ſolvendi poteſtatem, id eſt, omnem Eccleſiam Petri propinquam. Qualis es evertens atque com - mutans manifeſtam Domini intentionem, PERSONALITER hoc Petro conferentem, ſuper te, inquit, ædificabo eccleſiam me - am, & dabo tibi claues, non eccleſiæ, vel quæcunque ſolueris vel alligaueris, non quæcunque ſoluerint, vel alligauerint. Sic enim & exitus docet. In ipſa eccleſia exſtructa eſt, id eſt per ipſum, ipſe clauem imbuit, vide quam: Viri Iſraelitæ, auribus mandate, quæ dico, Jeſum Nazarenum virum a Deo vobis deſtinatum, & reliqua. Ipſe: Wer vergiebet die Miſſethaten, ohne allein GOtt? und65die Suͤnden zu vergeben und zu behalten. und zwar auch Tod-Suͤnden, die wieder ihn und ſeinen Tem - pel begangen worden. Denn was wieder dich geſchehen, da iſt dir in Petri Perſon anbefohlen, auch ſiebentzigmahl ſie - benmahl zu vergeben. Haben die Apoſtel aber dergleichen vergeben, da die Vergebung nicht von denen Menſchen, ſon - dern von GOtt zu erhalten, ſo iſt es nicht aus der Zucht, ſon - dern aus beſonderer Gewalt geſchehen. Er erzehlet hierauf einige beſondere Rechte der Apoſtel / die andern nicht gemein ſind. Sie haben, ſpricht er / auch Todte auferwecket, ſo GOtt allein zukommt, und denen ſchwachen die Kraͤffte wiederge - geben, welches niemand als Chriſtus gethan; ſie haben ſchwe - re Straffen ergehen laſſen, welches Chriſtus nicht gewolt. Denn demjenigen geziemete nicht, ſcharff zu verfahren, welcher zu leiden gekommen war. Ananias und Elimas ſind geſtrafft worden, Ananias mit dem Tode, Elimas mit Blindheit, damit auch dadurch an Tag geleget wuͤrde, daß Chriſtus derglei - chen thun koͤnnen. Sie haben auch die Toͤdung des Prophe - ten und den Ehebruch denen bußfertigen vergeben. Weiſe mir auch jetzo, mein Apoſtoli ſcher, ſolche prophetiſche Exempel, ſo will ich die Goͤttlikcheit erkennen, ſo magſt du dir die Macht ſolche Verbrechen zu vergeben zueignen. Haſt du aber daß je - nige nur erhalten, was zur Zucht gehoͤret, und gebuͤhret dirnichtb)Ipſe denique primus in Chriſto baptiſma reſerauit, aditum cœle - ſtis regni, quo ſoluuntur alligata retro delicta, & alligantur, quæ non fuerint ſoluta, ſecundum veram ſalutem. Et Ananiam vin - xit vinculo mortis, & debilem pedibus abſoluit vitio valetudi - nis. Sed & in illa diſcepatione, cuſtodiendæ nec ne legis, primus omnium Petrus, Spiritus inſtinctu eſt de nationis vocatione præ - fatus, & tunc inquit; Cur tentaſtis Dominum de imponendo jugo fra - tribus, quod neque nos, neque patres noſtri ſufferre voluerunt? Sed enim per gratiam Jeſu, credimus nos ſalutem conſecuturos, ſicut & illi. Hæc ſententia & SOLVIT quæ omiſſa ſunt legis, & ALLIGA - VIT, quæ reſeruata ſunt. Adeo NIHIL AD DELICTA FIDE - LIVM CAPITALIA poteſtas ſoluendi & ligandi, Petro eman - cipata. Conf. Cypriani tract. de lapſis. (Recht der Beicht-Stuͤhle. ) i66I. Abth. I. Cap. Vom Urſprung der Machtnicht mit Gewalt, ſondern mit Dienſten vorzuſtehen, wer biſt du, und was wilſt du dir im Vergeben heraus nehmen? da du weder ein Prophete noch Apoſtel biſt, da dir die Krafft man - gelt, die zur Vergebung noͤthig iſt. Er machet ſich hierauf ſelbſt einen Zweifel / und faͤhret fort: Du ſageſt: Es hat aber die Kirche Macht, die Miſſethaten zu vergeben. Er ant - wortet aber nach einigen Zeilen: Jch frage wegen deiner Meinung, woher du dieſes Recht der Kirchen dir zueignen wilſt? Vielleicht weil Chriſtus zu Petro geſaget: Auf dieſen Felß will ich bauen meine Gemeine; dir habe ich die Schluͤſſel des Him - melreichs gegeben, oder was du auf Erden binden und loͤſen wirſt, ſoll auch im Himmel gebunden und geloͤſet ſeyn, deßwe - gen muthmaſſeſt du, ſey die Macht zu loͤſen und zu binden auf dich gekommen, das iſt, auf jede Kirche nach Petro. Was biſt du vor ein Menſch, da du die warhaffte Meinung des Heylan - des verkehren und verdrehen wilſt, der Petro dieſes Recht perſoͤhnlich verliehen. Auf dich, ſaget er, will ich bauen meine Gemeine; dir will ich die Schluͤſſel geben, nicht der Kir - che, und was du loͤſen oder binden wirſt, nicht was ſie loͤſen oder binden werden. So lehret es auch der Ausgang. Jn der Kirchen ſelbſt iſt es aufgebauet, durch ihn hat er den Schluͤſſel erhalten, ſchaue zu, was vor einen: Jhr Maͤnner von Jſrael / faſſet zu Ohren / was ich ſage / Jeſum von Na - zareth / einen Mann euch von GOtt gegeben / und ſo weiter. Er hat auch in Chriſto am erſten die Tauffe geoͤffnet, den Ein - gang zu dem himmliſchen Reich, dadurch die begangene gebun - dene Suͤnden geloͤſet, und gebunden werden die nicht geloͤſet worden, nach dem wahren Heyl. Er hat auch Ananiam mit dem Band des Todes gebunden, und den Lahmen von der Kranckheit loßgezehlet. Jngleichen in dem Zwieſpalt, ob das Geſetze zu beobachten oder nicht, hat Petrus am allererſten durch Antrieb des heiligen Geiſtes, Anfangs von Beruffung der Heyden geredet, und ſo dann geſagt, warum habt ihr den Herrn verſuchet, da ihr denen Bruͤdern eine Laſt auflegen woltet, welches weder wir noch unſere Vaͤter ertragen koͤnnen? Wir glaͤuben aber durch die Gnade Jeſu ſeelig zu werden, gleich -wie67die Suͤnden zu vergeben und zu behalten. wie ſie. Die Meinung loͤſet ſo wohl, was von dem Geſetze unter - laſſen wird, und bindet, was vorbehalten iſt. Alſo gehoͤret die Macht zu loͤſen und zu binden, die Petro gegeben worden, nicht zu denen Haupt-Suͤnden der Glaͤubigen.
Es waͤre aber nicht allein eine Verwegenheit /Wie die Vergebung der Suͤn - den in der erſten Kir - che beſchaf - fen gewe - ſen. ſondern ich wuͤrde mich auch einer groſen Unwiſſenheit in denen Kirchen-Antiquitaͤten ſchuldig machen / wenn ich ſagen wolte / es ſey gantz und gar keine Vergebung der Suͤnden nach der Apoſtel Zeiten / bey denen erſten Chriſten geweſena)Denn wer weiß nicht, daß bey denen alten Scribenten die Wor -Die Worte, Buſſe und Veꝛ - gebung kom - men oͤffters fuͤr. te Buſſe und Vergebung zum oͤfftern vorkommen, daß die Kir - chen-Vaͤter davon ein groſſes aufheben machen. Wer wolte alſo zweiffeln, daß dazumahl die Suͤnden vergeben und behalten wor - den. Wie aber die Sache eigentlich beſchaffen geweſen; ſoll beſonders, wenn ich auf den Bann und Kirchen-Buſſe zu reden komme, ausgefuͤhret werden.. Allerdings wurden die Suͤnden vergeben / deren Ver - gebung und Behaltung aber von der Apoſtoliſchen und heu - te zu Tage gebraͤuchlichen gantz unterſchieden ware. Die Kircheb)Das iſt: die gantze Gemeine und Verſammlung der Chriſten;Was das Woꝛt Kirche ange - deutet in der erſten Zeit. denn die Kirche ware dazumahl noch nicht zu einer beſondern Re - public gemacht worden, man richtete ihre Verfaſſung noch nicht nach einem buͤrgerlichen gemeinem Weſen ein. Jhre Wohlfahrt ware noch nicht in der Herrſchafft der Geiſtlichkeit oder im Uber - fluß an Guͤtern geſuchet. Die Kirchen-Geſetze wurden noch nicht zu einem Werckzeug der geiſtlichen Herrſchafft gemacht. Durch die Benahmung der Kirche wuͤrden entweder die Glaͤubigen insgeſamt, durch die gantze Welt, oder auch die Glaͤubigen an ei - nem gewiſſen Ort, ob ſie gleich keinen beſondern Gottesdienſt hat - ten, oder die glaͤubigen, ſo wegen des Gottesdienſts an einem Ort verſammlet waren, oder eine jede Menge Leute angedeutet. c) Pli - vergabe das ihr angethane Unrecht / welche Macht aber nicht aus einer goͤttlichen Einſetzung, oder aus einemApo -i 268I. Abth. 1. Cap. Vom Urſprung der MachtApoſtoliſchen Gebrauch, ſondern aus beſonderen Vertraͤgen hergeleitet wurde. Plinius erwehnet derſelben in folgen - den Wortenc)Die bey denen Chꝛiſten errich - tete Zucht.Plinius Epiſt. 97. Lib. X. Affirmabant autem, hanc fuiſſe ſummam, vel culpæ ſuæ, vel erroris, quod eſſent ſoliti, ſtato die ante lucem conuenire, carmenque Chriſto quaſi Deo dicere ſecum inuicem, ſeque ſacramento, non in ſcelus aliquod obſtringere, ſed ne furta, ne latrocinia, ne adulteria committerent, ne fidem fallerent, ne depoſitum appellati abnegarent. Tertullianus nen - net dieſes confœderatam diſciplinam, eine durch Vertraͤge errich - tete Zucht. Dieſe ware der Grund der Ausſtoſſung der Boͤſen, und der oͤffentlichen Buſſe, welche wenn ſie geſchehen, die Kirche das ihr zugefuͤgte Unrecht wiederum vergeben, und die ausge - ſtoſſenen wieder auf und angenommen hat. Vid. Bœhmer cit. l. diſſ. III. §. 23. p. 109. ſeq. : Sie ſagten, dieſes ſey das vornehmſte Stuͤck ihres Verbrechens oder Jrrthum, daß ſie im Gebrauch gehabt, an einem gewiſſen Tag vor der Sonnen Aufgang zuſammen zukommen, und Chriſtum als einen GOtt gelobet, und ſich auf das genaueſte verbunden, nicht daß ſie etwas uͤbels bege - hen wolten, ſondern daß ſie nicht Diebſtahl, Straſſenraͤube - rey, Ehebruch begiengen, daß ſie den Glauben und Treue nicht braͤchen, daß ſie, was man ihnen zur Verwahrung gegeben, wenn es gefordert wuͤrde, nicht verleugneten. Durch dieſe durch Vertraͤge aufgerichtete Zucht und Ordnung vergabe die Kirche dieienigen Verbrechen / damit ſie beleidiget war / wenn ſolche offenbahr und wichtig befunden worden / denn Auguſtinus ſaget noch von ſeiner Zeit / daß niemand von der Gemeine ausgeſchloſſen worden / wenn das Verbrechen nicht ruchbar geweſend)Welche Ver - brechen ge - ſtrafft worden.Auguſtinus hom. 38. Nos a communione quenquam prohibere non poſſumus, niſi aut ſponte confeſſum, aut aliquo ſiue ſecula - ri, ſiue eccleſiaſtico judicio nominatum atque conuictum. Denn was noch unbekannt iſt, wird weder von geiſtlichen noch weltli -chen. Diejenigen nun / ſo ſich mit gro -ben69die Suͤnden zu vergeben und zu behalten. ben Suͤnden beflecket / wurden von der Gemeine ausgeſchloſ - ſen, und nicht eher wieder auf und angenommen / als biß ſie ihr Unrecht oͤffentlich abgebethen / welche oͤffentliche Buſſe das einige Mittel der Verſoͤhnung ware)Dieſe oͤffentliche Buſſe bekame nach der Zeit eine gantz andereVerſchiedene Grade der Buſſe. Geſtalt. Die Biſchoͤffe ſuchten ihr Anſehen immer mehr und mehr zu befoͤrdern, und die Sache lieffe nach Wunſch. Sie machten alſo auch dieſe Buſſe ſchaͤrffer und theileten dieſelbe in verſchie - dene Grade ein. Die erſten Chriſten brauchten dieſelbe vornehm - lich darum, weil ſie von dem gemeinen Weſen ausgeſchloſſen und gantz huͤlfloß waren, und ſie doch die Verbrechen nicht ungeahn - det wolten hingehen laſſen. Die verſchiedene Graden die die Buſſe nachmahls bekommen, haben verſchiedene beſchrieben. Man findet davon Nachricht bey Albaſpinæo Lib. II. obſ. 22. Dallæo de con - feſ. auricul. Lib. 3. cap. 10. Centur. Magd. cent. 3. cap. 6. Niemeiero de di - ſcipl. eccleſ. Diſſ. III. §. 26 ſq. Calvœr in ritual. eccleſ. Part. I. Lib. II. Sect. I. cap. 13. und andern mehr. Unten, weñ ich auf die Kirchen-Buſſe kom - me, will ich ſolche deutlich abhandeln. Dieſes erinnere ich jtzo nur miti 3weni -.
§. X.d)chen Gerichten beſtraffet. Uber dieſes waren auch einige Verbre - chen alſo beſchaffen, daß in denenſelben die Ausſchlieſſung nicht ſtatt hatte. Tertullianus de pudicit. cap. 19 hat ſolches bereits an - gemercket, da er ſaget, es waͤren einige Suͤnden und Verbrechen, in welche man taͤglich fallen koͤnte, wenn in ſolchen keine Gna - de ſtatt haͤtte, wuͤrde niemand gerecht und ſeelig ſeyn koͤnnen. Die eignen Worte lauten ſo: Sunt quædam delicta quotidianæ incur - ſionis, quibus omnes ſumus objecti, cui enim non accidet ant ira - ſci inique, & vltra ſolis occaſum, aut & manum immittere, aut facile maledicere, aut temere jurare, aut fidem pacti deſtruere, aut verecundia aut neceſſitate mentiri. In negotiis, in officiis, in quæſtu, in victu, in viſu, in auditu, quanta tentantur, & ſi nulla venia iſtorum, nemini ſalus competat. Hieraus ſchlieſſe ich, daß nur diejenigen ausgeſtoſſen und der oͤffentlichen Buſſe un - terworffen worden, welche in grobe Suͤnden, als Ehebruch, Todſchlag und dergleichen verfallen.
70I. Abth. I. Cap. Vom Urſprung der Macht die Suͤnden ꝛc.Dieſes ware alſo der Gebrauch der erſten Kir - che / da das Chriſtenthum noch nicht ſo verfallen war. Man hegte die beſtaͤndige Lehre / daß die Kirche das Unrecht / ſo ihr durch grobe Suͤnden wiederfahren / vergeben koͤnne / das uͤbrige ſey GOtt vorbehalten. Socrates ſchreibet noch zu ſeiner Zeita)Die Verge - bung der Suͤn - den wird GOtt allein zugeeig - net, und ſtehet de - nen Biſchoͤffen nicht zu.Hiſt. eccleſ Lib. I. cap. 10. Jn der Lateiniſchen Uberſetzung lauten die Worte alſo: Spes remiſſionis non a ſacerdotibus, ſed ab ipſo Deo expectanda, qui & poteſt, & poteſtatem habet remittendi peccata. : Die Vergebung der Suͤnden iſt nicht von denen Prieſtern, ſondern von GOtt ſelbſt zu erwarten, als der da kan, und die Gewalt hat, die Suͤnden zu vergeben. Mit der Zeit aber / da das Chriſtenthum immer mehr und mehr ver - ſchlimmert wurde / ſo kunte auch die Lehre von der Verge - bung der Suͤnden nicht rein / lauter und unbefleckt bleiben. Die Biſchoͤffe beredeten ſich und andere / daß ſie an ſtatt der Apoſtel da waͤren / welcher Jrꝛthum als eine fruchtbare Mut - ter noch ſehr viele andere gezeuget hat / die ſehr ſchaͤdlich wa - ren. Sie wolten ſich alſo alle Apoſtoliſche Gerechtſame und Freyheiten zueignenb)Unter denen Apoſtoliſchen Freyheiten aber ware die Gewalt, Suͤnden zu vergeben und zu behalten, nicht die geringſte. Dieſe ſolte auch alſo denen Biſchoͤffen eigen ſeyn. Jch kan mir aber im geringſten nicht einbilden, daß die Biſchoͤffe denen Apoſteln nach - gefolget, wegen des groſſen und vielfaͤltigen Unterſcheids, ſo zwi - ſchen beyden zu finden, ſiehe Burmann am angefuͤhrten Ort. DieBi - / ob ſie ſchon in denjenigen / ſo ih - nen nicht in den Kram taugten / gantz und gar nichts von der Apoſtoliſchen Nachfolge zu hoͤren verlangten.
Dase)wenigen, daß alles auf das Gutduͤncken der Biſchoͤffe angekom - men. Sie bedienten ſich dieſer oͤffentlichen Buſſe zur Vermeh - rung ihrer Herrſchafft. Jhre Politiſche Abſichten hat der Herr Tho - maſius in Not. ad Lancellot. Inſtit. Lib. II. Tit. V. gar wohl gezeiget.
WOlte ich einiger Papiſten abgeſchmackte MeinungDer Papi - ſten Mei - nung vom Urſprung der Beichte. ergreiffen / ſo muͤſte ich ſagen / daß die Beichte und Bekaͤntnuͤß der Suͤnden, und was das Vornehm - ſte / auch der Verborgenen, in dem goͤttlichen Recht gegruͤn - det und geboten waͤre. Denn einige unter ihnen wollen aus der von Chriſto denen Apoſteln verliehenen Gewalt /dieb)Biſchoͤffe wichen auch von der Apoſtoliſchen Auffuͤhrung gantz und gar ab. Die Apoſtel nenneten ſich Diener der Gemeine, und erwieſen auch ſolches in der That; die Biſchoͤffe aber wende - ten allen Fleiß an, daß ſie Herren derſelben wuͤrden. Die Kir - chen-Geſchichte des dritten und der folgenden Seculorum legen ſol - ches abſonderlich an den Tag. Dem Hochmuth lieſſen ſie den Zuͤgel alſo ſchieſſen, daß dieſes ihre fuͤrnehmſte Sorge war, wie die Layen in Furcht zu jagen, wie ihnen ein Joch aufzulegen, das noch unertraͤglicher als das Moſaiſche. Sie dachten, wenn man ſie alſo druͤcket, ſo iſt ihnen alle Gelegenheit beſchnitten, das Thun und Laſſen der Geiſtlichkeit zu unterſuchen. Sie muͤſten auf ei - nen Winck vollkommenen Gehorſam leiſten. Der Grund-ge - lehrte Herr Thomaſius hat dieſer wegen nicht gezweifelt, am an - gefuͤhrten Ort not 123. pag. 689. dieſe Worte von ihnen zu gebrau - wen, daß ſie weit furchtſamer als Phalaris, Nero, Caligula, He - liogabalus, geweſen. Es waͤre ſchon in dem dritten und vierten Seculo der Papſt da geweſen, oder gelinder zu reden, die Bi - ſchoͤffliche Herrſchafft ſey zum Gipffel der Vollkommenheit ge - ſtiegen. Beydes aber ſey der Antichriſt. Denn der Papſt haͤtte niemahls ſolche Gewalt erreichen koͤnnen, wenn ihm von denen Biſchoͤffen nicht bereits zuvor der Weg gebahnet worden. a) Die -72I. Abth. II. Cap. Von der Beichtedie Suͤnden zu vergeben und zu behalten / den Anfang der Beichte herleiten. Sie ſagen ferner / die Glaͤubigen haͤtten ſich ſolcher Beichte zum oͤfftern bedienet / waͤren zu denen Apo - ſteln gekommen / haͤtten ihre Suͤnden in gewiſſen Formuln be - kennet / und waͤren von ihnen wiederum abſoluiret worden. Nicht anders / als wie es heute zu Tage gebraͤuchlich iſtb)Bellarmini. Hieher gehoͤret Bellarminus, der vier Stellen aus dem Neuen Te - ſtament anfuͤhret, dadurch er ſeine Lehre zu behaupten ſuchet. Er beruffet ſich zum erſten auf der Apoſtel Geſchichte, Cap. XIX, 18. 19. Ferner will er aus denen Worten Pauli II. Cor. V, 19. 20. ſeine Meinung erhaͤrten. Die Epiſtel Jacobi Cap. V, 16. ſoll ihm zum dritten Beweiß-Grund dienen, und endlich gedencket er ſeine Mei -Eſtii. nung aus I. Joh. 1, 9. zu erweiſen. Allein Eſtius Lib. IV. ſent. d. 17. §. 5. hat von dergleichen Beweißthuͤmern gar wohl geurthei - let, daß wenn man aus dergleichen Stellen gleich etwas wahr - ſcheinliches heraus bringen koͤnte, zum Beweiß der Beichte, ſo denen Geiſtlichen geſchehen ſolte; So waͤre es doch an dem, daß dieſelben mit nicht minderer Wahrſcheinligkeit auf eine andere Weiſe erklaͤret werden koͤnten. Aus einem myſtiſchen Verſtand ſey kein gewiſſer Beweiß zu nehmen. Seine eigene Worte ſind dieſe: Vt detur, ex his Scripturis probabiliter aliquid colligi, pro confesſione ſacerdoti facienda, quæ tamen a plerisque non minus forte probabiliter, in alium ſenſum accipiuntur, & ex myſtico ſenſu, non ducitur certum argumentum. Es hat auch der offt belobteDallæus,. Damita)Vaſquii Lehre.Dieſes iſt die Meinung des Gabr. Vaſque, und behauptet er, daß alle und jede Chriſten, dieſe Beichte zu beobachten, gehal - ten waͤren. Auf eine andere Art und Weiſe koͤnten ſie die Ver - gebung ihrer Suͤnden keines weges erhalten. Vaſque wuͤrde a - ber wohl gethan haben, wenn er zugleich deutlich gewieſen, wo der Beichte von Chriſto eine ſolche Krafft beygeleget worden. Al - lein hiervon iſt bey ihm nichts zu erſehen. Dallæus cit. l. Lib. I. cap. 9. pag. 54 ſeq. iſt hierinn weit geſcheider, und beweiſet wider Vaſquium, daß Chriſtus dergleichen Beichte nicht einmahl gera - then, viel weniger alſo befohlen haͤtte.73der verborgenen Suͤnden. Damit ihre Meinung deſto ſtaͤrckern Beyfall erhielte / ha - ben ſie aus dem alten und neuen Teſtament verſchiedene Vorbilder zuſammen geklaubet / und vorgegeben / in ſolchen ſey die geheime Beichte bereits abgeſchildert wordenc)Dergleichen Vorbilder hat abermahls Bellarminus heraus ge -Vorbilder der Beichte im al - ten Teſtament. klaubet. Er vergehet ſich ſo weit, daß er bereits bey unſern er - ſten Eltern, Adam und Eva etwas findet, ſo zur Beichte dienen ſoll. Er ſaget, GOtt habe von dem Cain das Bekaͤntnuͤß ſeiner Suͤnden verlanget. Man haͤtte den Auſſatz im alten Teſtament dem Prieſter offenbahren muͤſſen. Aus denen Stellen Num. V. und Levit. V. will er ebenfalls Vorbilder der geheimen Beichte er - zwingen; anderer wunderlichen Grillen zu geſchweigen. Beſiehe Dallæum cit. l. cap. XIV --- XIX. Die Sache ſelbſt kommt auf die - ſes an: Ob in heiliger Schrifft denen Chriſten auferleget ſey, ihre Suͤnden entweder uͤberhaupt, oder auch jede inſonderheit her - zuzehlen, und denen Kirchen-Dienern zu beichten, und ob denen - ſelben die Macht gegeben, die Suͤnden zu erlaſſen, oder zu be - halten. Wenn man dieſes wohl uͤberleget, ſo fallen alle Gruͤnde, ſo zur Behauptung der Beichte vorgebracht werden, dahin. Man kan ſolches aus demjenigen, ſo bißher geſagt worden, be - reits abnehmen, es ſoll aber unten noch mit mehrern dargethan werden. d) Jch. Wer ſich aber dergleichen einbilden kan / muß verſichert ei - nen ſtarcken Glauben haben / daß die Geiſtlichen in ihrem Geſchwaͤtz nicht irren koͤnnen. Er muß die Vernunfft gaͤntz - lich bey Seite geſetzet / und ſich vorgenom̃en haben / niemahls an denen Saͤtzen der Geiſtlichkeit zu zweiffeln. Verſtaͤndige Leute erkennen mehr als zu deutlich / daß dergleichen Vor - geben ungegruͤndet / daß es liebliche Traͤume / und lachen alſo darzu; bedauren aber zugleich / daß man die heiligeSchriffta)Dallæus, cit. l. Cap. X -- XIII. die von Bellarmino angefuͤhrte Spruͤche und daraus hergenommene Gruͤnde unterſuchet, und ſolche nach ſeiner bekanten Geſchicklichkeit wiederleget.(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) k74I. Abth. II. Cap. Von der BeichteSchrifft aus fleiſchlichen Abſichten oͤffters ſo erbaͤrmlich foltert und verdrehetd)Lob Dallæi. Jch bin alſo der Muͤhe, ſolche zu wiederlegen, uͤberhoben. Solte aber jemand noch einen Zweiffel haben, demſelben rathe ich Dal - læum zu leſen. Sein Werck von der Ohren-Beichte iſt zu Genff Ao. 1661. bey denen Anton. und Sam. de Tournes in groß Quart heraus gekommen. Alle Schrifften dieſes Mannes ſind mit gro - ſer Gelehrſamkeit angefuͤllet, und verſchiedene davon ſind denen - jenigen, ſo in der Juriſterey was gruͤndliches thun wollen, auf das beſte anzupreiſen. Was er von der Ohren-Beichte geſchrieben, iſt auch wohl zu uͤberlegen, und an dem Werck nur dieſes auszu - ſetzen, daß er eine beſſere Ordnung haͤtte beobachten moͤgen. Jn dem gantzen erſten Buch unterſuchet er die Meinungen der Papi - ſten, welche ſie zur Behauptung der Ohren-Beichte vorbringen. Sein gantzer Endzweck iſt dieſer, daß er die gemeine Lehre der Canoniſten und anderer Papiſten uͤber einen Haufen werffe. Der Vorſatz iſt ihm auch wohl gelungen, die Wiederſacher moͤ - gen einwenden, was ſie wollen. Den Jnnhalt des gantzen Wer - ckes hat der Herr Thomaſius denen Noten uͤber den Lancellottum beygefuͤget. a) Alle.
Laſſet uns aber ſehen / auf was Weiſe es geſche - hen / daß man angefangen ſeine Suͤnden denen Kirchen - Dienern zu beichten / und von ihnen die Abſolution zu er - langen. Jch habe zu verſchiedenen mahlen gedacht / daß die Biſchoͤffe vorgegeben / ſie waͤren der Apoſtel Nachfol - ger / und wolten ſich alſo alle Apoſtoliſche Vorrechte zueig - nen. Es ware aber nicht gebraͤuchlich / daß man nur uͤber - haupt ſeine Suͤnden denen Kirchen-Dienern beichtete. Die Biſchoͤffe brachten alſo allerhand Gruͤnde herfuͤr / daß es weit beſſer ſey / wenn man ſeine begangene Suͤnden der Geiſtlichkeit offenbahrete / als wenn man ſolche nur GOtt beichtete. Man koͤnte ſeiner Seelen weit beſſer rathen. GOtt wieſe ſich weit gnaͤdiger und barmhertziger / und was ande -re75der verborgenen Suͤnden. re Vorſtellungen mehr waren. Dergleichen Erinnerun - gen / ja gar Befehle / wolten einige aus denen Schrifften Dio - nyſii Areopagitæa)Alle Zeugniſſe, ſo man aus dem Dionyſio anfuͤhret, ſind nicht inDionyſii Schrifften ſind falſch. dem geringſten Werth zu achten. Es iſt eine unteꝛgeſchobene Geburt, was man vor Dionyſii Arbeit ausgiebet, wie Dallæus in einer beſon - dern Schrifft, de ſcriptis Dionyſii & Ignatii, Genev. 1666. gezeiget hat, und bringet er in dem erſten Buch uͤber viertzig Beweißgruͤnde bey, daß die Schrifften, ſo Dionyſii Nahmen fuͤhren, falſch ſind. Er antwortet zugleich auf der Gegner ihre Gruͤnde, und wirfft ihre Einwuͤrffe und Verdrehungen uͤber einen Hauffen. Auſſer Dal - læum kan man auch den Laur. Vallam in annot. ad Act. 17. Cocum in cenſur. quorund. ſcriptor. p. 92. Pearſonium in vindic. Epiſtol. Ignat. Part. I. c. 10. Vſſerium in hiſtor, dogmat. de ſacr. vernac. Diſſ. de ſcript. Pſeudo-Dionyſ. Hornbeckium in Miſcell. ſacr. Lib. I. p. 80. Scultetum in medull. Patr. Part. l. p. 483. Bebelium in Antiqu. eccleſ. ſec. IV. p. 91. Chriſt. Lupum in not. ad Tertull. de præſcript. Gerard. du Bois in Hiſt. eccleſ. Pariſienſ. Lib. VI. c. 3. Ludov. Elie Dupin dans la Bi - blioth. des Auteurs. Eccleſ. Tom. I. Anton, Gadeau in hiſtor. eccleſ. ad ann. 99. Ittigium in diſſ. de Patr. Apoſtol. §. 41. ſeq. zu Rathe zie - hen. Dieſen pflichten noch viele andere, ja die meiſten Gelehr - ten bey. Die Einwuͤrffe Mart. Delrionis in Vindic. Areopagit. Lans - ſelii in diſput. Apolog. de S. Dionyſ. Baronii annal. Tom. II. p. 36. Hal - loixii Tom. I. eccleſ. orient. ſcript. qu. 2. ad vit. Dion. Poſſeuini in ap - parat. Tom. I. Eman. Schelſtraten in antiqu. illuſtr. Part. II. Diſſ. 3. c. 3. Bellarmini de ſcript. eccleſ. p. 43. der doch Lib. II. de confirm. ge - ſtehet, es ſey ungewiß, ob es Dionyſius geſchrieben, Natal. Alexan - dri in Hiſt. eccleſ. Sec. I. Diſſ. 21. ſind von der Wichtigkeit lange nicht, daß man von der gegenſeitigen Meinung abtreten ſolte. Hierinn kommen aber diejenigen, ſo Dionyſii Schrifften vor falſch ausge - ben, nicht uͤberein, zu welcher Zeit dieſelben geſchrieben. Einige ſe - tzen ſolche in das vierte, andere in das fuͤnfte, und wiederum andere in das ſechſte Jahrhundert. Dem ſey aber wie ihm wolle, genug daß Dionyſii Schrifften eine untergeſchobene Geburt ſind. und Clementis Romanib)Dem Clementi, ſo Biſchoff zu Rom geweſen, eignet man ſehrClementis Schrifften.viele herauszwin -k 276I. Abth. II. Cap. Von der Beichtezwingen. Irenæus ſoll auf gleichen Schlag geurtheilet ha - ben. Wir wollen ſeine Worte / ſo ſie anfuͤhren / hoͤren. Es redet dieſer Biſchoff von einigen Weibern / die Marcus zur Ketzerey verfuͤhret / und meldet folgendes: Dieſe da ſie oͤffters zur Kirche GOttes bekehret worden, haben bekant, daß ſie auch dem Leib nach von ihm wegen der Begierde ausge -rottet(b)viele Schrifften zu. Cotelerius hat ſolche am vollkommenſten heraus gegeben, und Joh. Clericus hat dieſe Auflage vermehret und verbeſſert. Er gabe Ao. 1698. in zweyen voluminibus in fo - lio, Barnabæ, Clementis, Hermæ und Ignatii Wercke heraus, theils die ſchon am Tag geweſen, theils die man noch nicht im Druck gehabt, ſo wohl die wahrhafften, als auch die untergeſcho - benen. Dieſer Auflage ſind beygefuͤget, Clementis, Ignatii und Polycarpi Thaten und Marter. Man ſiehet dabey die vollſtaͤn - digen Noten der Gelehrten, ingleichen auch Beveregii canon. pri - mitivæ eccleſiæ, ingleichen auch Vſſerii Diſſert. Ignatian. und Pear - ſonii vindic. Epiſtol. Ignat. Unter Clementis Wercken aber kom - men vor die Apoſtoliſchen canones, davon ich meine Meinung be - reits in dem tractat de Simoniæ crimine ſect. I. cap. 2. §. 4. not. b) vor - getragen. Man ſchreibet ihm ferner zu die conſtitutiones Apoſtoli - cas, welche Rich. Montacutius in Orig. eccleſ. pag. 394. vertheydigen wollen. Allein Joh. Dallæus de pſeudepigr. Apoſtol. Lib. I. & II. hat deutlich dargethan, daß ſolche untergeſchoben. Der Natal. Ale - xander cit. l. Diſſ. 18. entfernet dieſelben ebenfalls von denen Apo - ſtoliſchen Zeiten. Der Wiederſacher Einwuͤrffe hat der beruͤhmte Ittig. in diſſert. de pſeudepigr. Chriſti, Mariæ & Apoſtol. ebenfalls be - antwortet. Die Recognitiones, ſo man dem Clementi zuſchreibt, ſind Ao. 1702. zu Berlin in teutſcher Sprache mit einer Vorre - de Gottfr. Arnolds herausgekommen. Es iſt kein Zweiffel, daß Clemens dieſelben nicht verfertiget, wegen der vielen irrigen Leh - ren, ſo in denenſelben vorkommen. Vosſius, Dallæus, Cocus, Bellarminus, Baronius und andere haben alſo dieſelben vor un - tergeſchoben erklaͤret. Unter des Clementis Nahmen hat Cotele - rius homilias 19. Griechiſch und Lateiniſch zum erſten mahl herausgege -77der verborgenen Suͤnden. rottet geweſen, und daß ſie gantz inbruͤnſtig denſelbẽ geliebetc)Lib. I. cap. 9. Hæ ſæpisſime conuerſæ ad eccleſiam Dei confeſſæIrenæus ſoll der Ohren - Beichte er - wehnen. ſunt & ſecundum corpus exterminatas ſe ab eo veluti cupidine & inflammatas valde illum ſe dilexiſſe. Wie ſoll doch aber dieſe Stelle die Ohren-Beichte beweiſen? So nach muͤſte man dieſelbe uͤber - all finden, wo nur von der Bekaͤntniß oder Offenbahrung etwas gedacht wird.. Andere mercken / daß dieſe Stelle Irenæi nichts beweiſet / und bringen eine andere vor. Dieſe lautet alſod)Lib. III. cap. 4. Cerdon autem, qui ante Marcionem & hic ſubEine andere Stelle aus demſelben. Hygino, qui fuit octauus Epiſcopus, ſæpe in eccleſiam veniens,&: Cerdonaberb)gegeben, aber ſelbſt dafuͤr gehalten, daß er ſolche nicht geſchrieben. Das Epitome geſtorum Petri, ſo Clementis Nah - men aufweiſet, hat nach des gelehrten Cavei Bericht Symeon Me - taphraſtes geſchrieben. Die Epiſtolæ Decretales, ſo man ebenfalls Clementi zueignet, hat nach Stephani Baluzii Bericht in præfat. ad Auguſtin. Dial. de emend. Gratian. ein leichtſertiger unverſchaͤm - ter Vogel geſchrieben. Mit denen Centuriator. Magdeburgenſ. halten ſolche auch Petrus de Marca, Natalis Alexander, Dupin und andere vor unaͤcht. Was aber Clementis Brieffe an die Co - rinthier betrifft, ſo ſind die meiſten der Meinung, er habe ſolche geſchrieben. Allein, auſſer Gatakerum, hat Hulſemann in dem Calixtini ſchen Gewiſſens-Wurm ſolche verworffen, und Calov. in Bibl. illuſtr. Tom. IV. traͤget Bedencken, ſolche vor aͤcht zu halten. Der gelehrte Ittig aber, in Diſſ. de patr. Apoſtol. will die erſte nicht vor falſch ausgeben, kan aber doch nicht leugnen, daß ſolche in verſchie - denen Stellen verfaͤlſcht worden ſey. Die andere Epiſtel Clemen - tis verwerffen die meiſten mit Grabio in Spicil. Patr. Tom. I. weil in denen erſten dreyen Seculis derſelben nirgends gedacht wuͤrde. Der gelehrte Herr Gundling in Gundlingianis part. II. cap. 3. §. 15. will ebenfalls Clementis Brieff nicht vor aͤcht erkennen. Es wird unter andern in denſelben ein Unterſcheid unter den Clericis und Lai - cis gemacht, der zu Clementis Zeiten aber nicht bekannt geweſen. Jch leugne nicht, daß Clemens einen Brieff an die Corinthier geſchrie - ben, ob es aber derjenige, welchen wir haben, daran zweifle ich.k 378I. Abth. II. Cap. Von der Beichteaber, der vor Marcione, und dieſer unter dem Hygino, der der achte Biſchoff war, oͤffters in die Kirche kam, und Buſſe (exomo - logeſin) thate, hat es alſo beſchloſſen, daß er bald heimlich geleh - ret, bald aber Buſſe thate, bald abeꝛ wegẽ desjenigen, was er boͤß - lich gelehret, von einigen wiederleget worden, iſt endlich von der Verſammlung der Frommen ausgeſchloſſen worden. Allein es beweiſen auch dieſe Worte nichts. Was Tertullianus von der Macht gehalten / die ſich einige heraus genommen / und die Suͤnden vergeben wollen / iſt in dem vorhergehen - den gemeldet worden. Nichts deſto weniger ſind einige dar - auf gefallen / daß ſie die Beichte aus dieſem Kirchen-Vater beweiſen wollen. Die Worte / daraus ſie ein ſolches ſchlieſ - ſen / ſind dieſee)Tertulliani Meinung.De pœnit. cap. 9. Exomologeſis eſt, qua delictum Domino noſtrum confitemur, non quidem vt ignaro, ſed quatenus ſatisfactio con - feſſione diſponitur, confeſſione pœnitentia naſcitur, pœnitentia Deus mitigatur. Jch will hier nichts erwehnen, waß Eraſmus und Rhenanus vorgebracht, daß Tertullianus das Buch de pœnitentia nicht geſchrieben, ſintemahl man noch viele Zweiffels-Knoten uͤbrig hat, ſondern nur meine Anmerckung von dem Wort exomologeſis, ſo in vorhergehender Note gemacht, wiederholen. Es beweiſet al - ſo dieſe Stelle nicht das geringſte von einer beſondern Beichte. f) Homil. . Dieſes iſt die Buſſe, wenn wir dem Herrn unſere Suͤnde bekennen, nicht als wenn er es nicht wuͤſte, ſon - dern weil die Genugthuung durch die Beichte geordnet wird,durchd)& exomologeſin faciens, ſic conſummauit, modo quidem latenter docens, modo vero exomologeſin faciens, modo vero ab aliquibus traductus, in his, quæ docebat male, & abſtentus eſt a religioſorum hominum conuentu. Es iſt aber bekant, daß das Wort exomo - logeſis keines weges eine beſondere Beichte, die allein denen Geiſt - lichen geſchiehet, es mag dieſelbe beſchaffen ſeyn wie ſie will, an - deutet, ſondern dadurch wird die gantze Handlung der oͤffentlichen Buſſe, welche ich unten beſchreiben will, angedeutet. Es kan al - ſo das Wort exomologeſis nicht anders erklaͤret werden, als daß Cerdon nach damahligem Gebrauch Buſſe gethan.79der verborgenen Suͤnden. durch die Beichte entſtehet die Buſſe, durch die Buſſe wird GOtt verſoͤhnet. Allein ich ſehe auch hier die Privat-Beich - te / wie ſie jetzo iſt / keines weges. Vielleicht aber koͤnnen ſie die geheime Beichte aus dem Origene erweiſen? Wir wol - len ſehen ob dem alſo ſey. Siehe zu, ſaget erf)Homit. II. in Pſal. 37. Jn der Lateiniſchen Uberſetzung lauten dieOrigenis. Worte ſo: Vide ergo, quid edocet nos ſcriptura diuina, quia o - portet peccatum non celare intrinſecus. Fortaſſis enim ſicut ii, qui habent intus incluſam eſcam indigeſtam, aut humoris vel phlegmatis, ſtomacho grauiter & moleſte imminentia, ſi vomue - rint, releuantur; ita etiam hi, qui peccauerunt, ſiquidem occultant & retinent intra ſe peccatum, intrinſecus vrgentur, & propemodum ſuffocantur a phlegmate, vel humore peccati. Si autem ipſe ſui accu - ſator fiat, dum accuſat ſemetipſum & confitetur ſimulque eoumit, & delictum, atq; omnem morbi digerit cauſam. Tantummodo circum - ſpice diligentius, cui debeas confiteri peccatum tuum. Proba prius medicum, cui debeas cauſam languoris exponere, qui ſciat infirma - ri cum infirmante, flere cum flente, qui condolendi & compa - tiendi nouerit diſciplinam, vt ita demum, ſi quid ille dixerit, qui ſe prius & eruditum medicum oſtenderit, & miſericordem, ſi quid conſilii dederit, facias & ſequaris, ſi intellexerit & præuide - rit, talem eſſe languorem tuum, qui in conventu totius eccleſiæex -, was uns die Schrifft lehret, weil man die Suͤnde nicht in ſich behalten und vertuſchen ſoll. Denn wie diejenigen, welche eine unver - dauliche Speiſe, oder Feuchtigkeit oder phlegma, das dem Magen ſchaͤdlich iſt, in ſich haben, wenn ſie ſolches herausge - brochen, Linderung empfinden; So iſt es auch mit denenje - nigen beſchaffen, welche geſuͤndiget, wenn ſie die Suͤnde ver - bergen und in ſich behalten, ſo werden ſie innerlich geaͤngſti - get, und faſt von dem zaͤhen Weſen und Feuchtigkeit der Suͤn - de erſticket. Wenn man ſich aber ſelbſt anklaget, ſo wirfft man, indem man ſich verklaget und bekennet, die Suͤnde aus, und nimt zugleich alle Urſach der Kranckheit hinweg. Schaue alſo nur wohl zu, wem du deine Suͤnden bekennen ſolſt. Er - forſche zuvor den Artzt, welchem du die Urſache deiner Kranck -heit80I. Abth. II. Cap. Von der Beichteheit offenbahren ſolſt, der da weiß, mit dem Schwachen ſchwach zu ſeyn, mit dem Weinenden zu weinen, der Mit - leiden und Gedult hat; ſo dann, wenn er ſich als einen erfahrnen Artzt erwieſen, wenn er ſich barmhertzig gezei - get, ſo thu und folge, wenn er etwas ſaget, und dir einen Rath mittheilet; erkennet er und ſiehet zum voraus, deine Kranckheit ſey alſo beſchaffen, daß man es der gantzen Gemei - ne kund thun, und daß ſie da geheilet werden muͤſſe, dadurch vielleicht auch andere gebauet werden koͤnnen, und du leichter geheilet wirſt, ꝛc. Jch muß bekennen / daß ich Anfangs da - fuͤr gehalten / Origenes rede von der heutigen Art zu beich - ten. Jch bin aber nachgehends doch auf andere Gedancken gerathen / davon die Urſachen in der angefuͤhrten Note zu befinden. Cyprianus ſoll nach einiger ihrem Begriff die Ohren-Beichte ebenfalls anpreiſen. Wir wollen ſeine ei - gene Worte hoͤren. Diejenigen, ſagt erg)Cypriani. In tract. de lapſis pag. 156. Oper. edit. Eraſmi. Denique quanto & fide majore & timore meliore ſunt, qui quamuis nullo ſacrificii autlibelli / haben einen groͤſ -ſern(f)exponi debeat & curari, ex quo fortaſſis & cæteri ædificari pote - runt, & tu ipſe facile ſanari &c. Jch kan aber dieſe Stelle, ſie mag die Bekaͤntniß der Suͤnden noch ſo ſehr heraus ſtreichen, dennoch nicht auf eine beſondere Beichte, ſo dem Prieſter die Vergebung der Suͤnden zu erhalten geſchehen ſoll, mit einigem Schein ziehen. Origenes ſaget, man ſollte ſeine Suͤnde einem verſtaͤndigen Menſchen entdecken, welches auch von einem Layen kan erklaͤret werden. Seine Meinung gehet alſo nur dahin, daß ſo - dann derjenige, dem wir es geoffenbahret, uns mit Rath an Han - den ginge, und zeigte, wie wir es angreiffen muͤſten, bey GOtt wieder in Gnaden zu kommen, und der Suͤnden Vergebung zu erhalten. Er ſtreichet auch hom. 3. in Leuit. die Bekaͤntniß ſeiner Suͤnden uͤber die Maſſen heraus, jedoch findet ſich auch daſelbſt nichts von einem Geiſtlichen, dem dieſes geſchehen ſolte. Er ſa - get auch nicht, daß auf andere Art und Weiſe keine Vergebung zu erhalten.81der verborgenen Suͤnden. ſern Glauben und beſſere Furcht, welche ob ſie wohl nicht de - nen Goͤtzen geopffert, oder ihre Nahmen unter die Heyden aufgeſchrieben, doch etwan dergleichen gedacht haben, und alſo bey denen Prieſtern GOttes ſolches mit traurigem Gemuͤ - the beichten, und um des Gewiſſens willen Buſſe thun, die Laſt ihres Hertzens dadurch ablegen, und ihren Wunden, ob ſolche gleich klein und geringe, heilſame Artzeney verſchaffen, weil ſie wiſſen, daß geſchrieben ſtehet: GOtt laͤſt ſich nicht ſpotten. Jch halte aber dafuͤr / daß dieſe Stelle zum Be - weiß der Ohren-Beichte keines weges koͤnne gezogen wer - den. Es raͤth zwar Cyprianus, daß man es denen Prie - ſtern anzeigen moͤchte / aber er befiehlt es nicht. Er haͤlt es vor keine Nothwendigkeit / und gedencket auch nicht / daß dieſe Bekaͤntniß darum geſchehen muͤſte / daß der Suͤnder an GOttes ſtatt loßge zehlet wuͤrde. Und ſo iſt es auch mit anderen Stellen der Kirchen-Vaͤter beſchaffen; dahero es nicht noͤthig ſeyn wird / ſolche hieher zu ſchreibenh)Was einige aus dem Lactantio anfuͤhren, enthaͤlt nichts anders,Lactantii. als daß man GOtt das Hertze offenbahren, und ſeine Suͤnden bekennen muͤſte, um dadurch Vergebung zu erhalten. Alſo ſind diejenigen beſchaffen, welche wir Lib. IV, Inſt. c. 17. leſen. Was am angefuͤhrten Ort im letzten Capitel bey demſelben vorkommt, gehet auf die Nouatianer, und ſaget weiter nichts, als daß die wahre Kirche denen gefallenen die Hoffnung, wieder aufgenom - men zu werden, keines weges benehme, aber zugleich eine gewiſ - ſe Ordnung der Bekaͤntniß und oͤffentlichen Buſſe vorſchriebe. Aus Baſilio haben ebenfals einige etwas vor die Beichte herausBaſilii. zwingen wollen. Es ſcheinet zwar, daß deſſen Worte ſo viel in ſich hielten, man muͤſte denen geiſtlichen beichten; allein wenn man dieWorte.
§. III.(g)libelli facinore conſtricti, quoniam tamen de hoc vel cogitauerunt, hoc ipſum apud ſacerdotes Dei dolenter & ſimpliciter confitentes, exomologeſin conſcientiæ ſuæ faciunt, animi ſui pondus exponunt, ſalutarem medelam paruis licet & modicis vulneribus exquirunt, ſcientes ſcriptum eſſe: Deus non deridetur.
(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) l82I. Abth. II. Cap. Von der BeichteAlleine der Kirchen-Vaͤter ihre Worte nah - me man in gantz anderm Verſtande auf. Man findet auch / daß bereits zu Ende des dritten ſeculi eine gewiſſe Art der geheimen Beichte und abſolution eingefuͤhret geweſen. Denn durch die Decianiſche Verfolgung wurden viele von denen Chriſten zum Abfall bewogen. Da aber ſolche zu Ende gegangen / und die Kirche wiederum Friede hatte / wuͤnſchten ſie auch wieder in derſelben Schoß aufgenom - men zu werden. Nach der Vereinigung aber / ſo die Chri - ſten unter ſich gemacht / kunten ſie nicht eher Glieder der Kir - chen abgeben / als nach vollbrachter oͤffentlicher Buſſea)Urſachen der oͤffentlichen Buſſe.Der Urſprung dieſer oͤffentlichen Buſſe iſt aus denen Vertraͤgen, ſo die Chriſten unter ſich errichtet, herzuleiten, davon anderwaͤrts mit mehrern ſoll gehandelt werden. Dieſes will ich jetzo nur ge - dencken, daß die Gemeinde dazumahl mit allem Recht von de - nenjenigen, welche ſich mit Suͤnden beflecket, ſatisfaction gefor - dert. Denn durch ſolche wurde der errichtete Vertrag violiret, und der erſten Chriſten gantzes Dichten ware dahin gerichtet, daß ſie ein unbeflecktes Leben fuͤhren moͤchten. Weil ſie nun ſolche Begierde zur Gottſeeligkeit trugen, ſo ware auch die Zucht unter ihnen ſcharff, damit ſie denen Heyden zeigten, ſie haͤtten einen an - dern Gottesdienſt, als man ihnen zueignete. Die Chriſtliche Re - ligion erfordere andere Sitten, als man ihr Schuld gaͤbe. Auf ſolche Art muſten denn diejenigen, ſo von dem Glauben abgefal - len, und wiederkehrten, ſich abſonderlich der oͤffentlichen Buſſe unterwerffen. b) Cal -. Es waren aber die Novatianer ſo eigenſinnig / daß ſie mit ſolchen abgefallenen und wieder angenommenen und aus -ge -(h)Worte recht erwaͤget, ſo ſagen ſie nichts anders, als daß derjeni - ge, ſo ein Laſter bey ſich vermerckte, ſich zu ſolchen nahen und ſie zu Rathe ziehen ſolte, welche die Gabe haͤtten, dergleichen Ubel zu ſteuren, und die Kranckheit zu heben; beſiehe Dallæum de confeſſ. auricul. Lib. III. cap. 10. pag. 259. ſeq. 83der verborgenen Suͤnden. geſoͤhnten Chriſten keine Gemeinſchafft haben wolten / vie - le abgefallene ſchaͤmeten ſich auch / oͤffentliche Buſſe zu thun / und lieſſen ſich ſolchen Scheu abhalten / die Vereinigung mit der Kirchen wiederum zu ſuchen. Dieſem Ubel wolten nun einige Biſchoͤffe vorbeugen / ordneten alſo einen gewiſſen Ael - teſten / der auf die abgefallene acht haͤtte / und wenn ſolche ſich wieder zur Kirche wenden wolten / ins geheim nach voll - fuͤhrter aufgelegten Buſſe / von ihren Suͤnden loßzehlte. Auf ſolche Art, ſpricht Calvoerb)Calvoer in Ritual, eccleſ. Part. I. Lib. II. Sect. I. cap. IV. §. 3. HacNutzen ſo aus Einfuͤhrung der geheimen Buſſe entſtan - den. ratione fiebat, vt illi, qui leuiter peccarent, non prorumpe - rent ſua confesſione in publicum, reliquorum etiam lapſus tege - rentur, adeoque Nouatianis aliisque præſcinderetur calumnia ac ſcandalum, ob multitudinem Apoſtatarum, eorundemque re - ceptionem ſubortum. , iſt es geſchehen, daß dieje - nigen, ſo geringe Suͤnden begangen, nicht mit ihrer Bekaͤnt - niß oͤffentlich heraus brechen muſten, und wurden auch der uͤbrigen ihre Fehler verdecket, auch denen Nouatia nern und an - dern die Laͤſterung und Aergerniß benommen, ſo wegen der Menge der abgefallenen und ihrer Aufnehmung entſtanden. Socrates gedencket / daß dieſer Presbyter wegen derjenigen / ſo in der Decianiſchen Verfolgung abgefallen / und um de - ren willen ſich die Nouatianer von der Kirche abgeſondert / ſey geſetzet worden. Vor dieſen Aelteſten haͤtten die gefal - lenen ihre Suͤnden beichten muͤſſenc)Socrates Hiſt. eccleſ. Lib. IV. cap. 19. Ab eodem tempore, quoSocratis Zeug niß hievon. Nouatiani ab eccleſia diſceſſerant, quod cum illis, qui in perſecu - tione Decii prolapſi fuerant, communicare nollent, Epiſcopi ec - cleſiaſtico canoni presbyterum certum quendam, pœnitentibus conſtitutum, hoc adjecerant, vt qui poſt baptiſmum prolapſi eſ - ſent, peccata ſua coram illo confiterentur. d) So -. Sozomenus er - wehnet dabey unter andern / daß weil die Menſchen oͤffters ſuͤndigten / GOtt aber denen Bußfertigen / wenn ſie gleichoͤfftersl 284I. Abth. II. Cap. Von der Beichteoͤffters fehlten / dennoch vergeben wolte / denenjenigen aber / ſo die Suͤnden nicht bekennen wolten / ſolche dadurch gehaͤuf - fet wuͤrden; ſo haͤtte man anfangs beliebet / daß man ſeine Suͤnden vor der Gemeinde oͤffentlich bekennet. Nachmahls waͤre ein gewiſſer Aelteſter geſetzet worden / deſſen Umgang untadelich / und der verſchwiegen waͤre / welchem die Suͤn - den bekennet und gebeichtet wordend)Jngleichen Sozomeni. Sozomenus Hiſt. eccleſ. Lib. VII. cap. 10. Quoniam prorſus non peccare, diuiniorem, quam humana ſit, naturam requirit, pœni - tentibus vero Deus, etiamſi ſæpenumero deliquerint, ignoſci præcepit, & illis qui peccata ſua confiteri detrectant, delicta vt credibile eſt, aggrauantur; inde ab initio ſacerdotibus placuit, vt velut in theatro, teſte multitudine eccleſiæ peccata manifeſtaren - tur. Et ad hoc inſtituti, presbyterum aliquem, cujus conuerſatio eſſet optima, tenacem etiam ſecretorum & prudentem deputa - runt, ad quem qui deliquerunt accedentes, quæ gesſiſſent, confiterentur. .
Dieſe Anordnung aber ware nur in der Con - ſtantinopolitaniſchen Kirche / und findet ſich nichts / daß an - dere Gemeinden dergleichen geheime Beichte eingefuͤhret. Ja es kan noch einiger maſſen zweiffelhafft gemacht werden / ob auch in der Kirche zu Conſtantinopel ein ſolcher Aelte - ſter / wie ihn Socrates und Sozomenus beſchreiben / geſetzet geweſena)Die Anord - nung dieſes Aelteſten iſt zweiffelhafft.Socrates berufft ſich auf den einigen Eudæmonem, und fuͤhret keinen weitern Zeugen an. Sozomenus, der ihn ausgeſchrieben, wancket hin und her. Beyde ſind unter ſich ſelbſt nicht einig. Die - ſes hat den Calvoer bewogen, daß er cit. l. pag. 340. vorgiebet, die Stellen, ſo wir aus dieſen Scribenten angefuͤhret / waͤren von einem Patron der geheimen und Ohren-Beichte eingeſchoben worden. Allein ich laſſe ſolches an ſeinen Ort geſtellet ſeyn. b) Denn. Am allerwenigſten aber iſt zu glauben / daß bey ſolchem alle Menſchen / auch die Frommen und Glaͤubigen ſich eingefunden / ihre Suͤnden ihm im Vertrauen hergebe -tet /85der verborgenen Suͤnden. tet / und nachmahls verlanget / daß er ſie von ſolchen loßzeh - len moͤchte. Ob aber ein ſolcher Aelteſter in der Kirche zu Conſtantinopel geweſen / dem diejenige / ſo in Suͤnden ge - fallen / insgeheim beichten muͤſſen / oder ob es nicht an dem / daruͤber will ich mich in keinen Streit einlaſſen. So viel deuchtet mich aber gewiß zu ſeyn / daß dieſe geheime Beichte / es mag ſolche beſchaffen geweſen ſeyn wie ſie will / auſſer der Conſtantinopolitaniſchen Kirche und deren Sprengel / oder wenn es viel / auſſerhalb Orient nicht eingefuͤhret geweſenb)Denn anderer Kirchen Vorſteher und Biſchoͤffe haben nicht al -Oder wenig - ſtens nicht uͤ - berall im Ge - brauch gewe - ſen. lein geglaubt, ſondern auch oͤffentlich bekennet, daß die Glaͤubige zur Vergebung ihrer Suͤnden zu gelangen, weiter nichts nothwen - dig haͤtten, als daß ſie aus rechtem Hertzens-Grund ſagten: Vergib uns unſere Schuld. Wer wolte ſich alſo dahin bereden laſſen, daß ſie jemahls eine geheime Beichte vor noͤthig geachtet? Ja nach Socratis Zeugniß ſelbſten / ſo haben die Homouſianer, und die es mit dem Nicæniſchen Concilio hielten, dieſen Beicht - hoͤrenden Aeltiſten, gleich denen Nouatianern verworffen. Sozomenus ſaget ebenfalls, daß zu Rom die oͤffentliche Buſſe oder exomologeſis allezeit beybehalten worden. vid. Calvoer cit. l. §. 5. a) Von.
Dem ſey aber wie ihm wolle / ſo findet ſich doch /Dieſer Ael - teſte wird abgeſchafft. daß dieſe geheime Beicht-Art nicht lange gedauret / ſondern gar bald wiederum abgeſchaffet worden. Denn der Con - ſtantinopolitaniſche Biſchoff Nectarius hat auf Einrathen des Eudæmonis eines Aelteſten / die Presbyteros pœnitentia - rios, oder Beichtſitzende Aelteſten / wiederum abgehen laſſen / und alſo die geheime Beichte dadurch aufgehoben. Die Ur - ſach ware / daß eine vornehme Dame / die / als ſie gebeichtet / und ihr aufferleget war / in der Kirche zu bleiben und daſelbſt zu faſten / und GOtt um Verzeihung zu bitten / mit einemDiaco -l 386I. Abth. II. Cap. Von der BeichteDiacono ſich fleiſchlich vermiſcheta)Straffe eines Diaconi. Von der Abſchaffung dieſes Aelteſten kan man Socratem und So - zomenum an angefuͤhrten Stellen nachſehen. Der Diaconus wurde zwar wegen dieſes Verbrechens aus der Kirche geſtoſſen; nichts deſto weniger aber hatte dieſes boͤſe Stuͤcke die gantze Ge - meinde unruhig gemacht. Denn ſolche entruͤſtete ſich nicht allein wegen der Schandthat und Suͤnde, ſondern war vornehmlich darum uͤbel zu ſprechen, weil die Kirche dadurch geſchaͤndet und gelaͤſtert worden. Vid. Socrates cit. l. . Von dieſer Zeit an empfienge ein jeder die hochwuͤrdige Sacramenta auf ſeine ſelbſt eigene Pruͤffung / und nach ſeinem Gewiſſen. Socrates iſt auf ſolche Abſchaffung nicht wohl zu ſprechen / und mel - det / daß er dem Eudæmoni, als er ihm ſolches erzehlet / zur Antwort gegeben / man muͤſte ſehen / wie nuͤtzlich ſolcher Rath geweſen. Er hielte dafuͤr / daß man auf ſolche Weiſe Gele - genheit gegeben / daß die bruͤderlichen Vermahnungen und Beſtraffungen gaͤntzlich wegbleiben wuͤrden / und was der - gleichen mehr iſtb)Socratis Ur - theil von der Abſchaffung ſolches Aelte - ſten.So lauten die Worte Socratis nach der Lateiniſchen Uberſetzung cit. l. Ego autem primus Eudæmoni dicebam: An conſilium tu - um, o presbyter, eccleſiæ profuerit, vel ſecus, Deus viderit. Video autem dediſſe te occaſionem, quod inuicem peccata jam non redarguantur, nec præceptum Apoſtoli ſeruetur, quo dicit: ne - que communicetis operibus infrugiferis ac tenebrarum, ſed ma - gis redarguite. .
Fiele jemand in eine grobe Suͤnde / und ſolche wurde ruchbar / ſo muſte er oͤffentliche Buſſe thun / und die geheime Offenbahrung der Suͤnden wurde gantz aufgeho - bena)Chryſoſtomi Lehre.Nectarii Exempel ſind die andern gefolget. Der Joh. Chryſo - ſtomus, der Nachfolger deſſelben, hat die Abſchaffung der gehei - men Beichte gebilliget, und iſt alſo Nectario nicht allein in der Wuͤrde, ſondern auch in der Lehre nachgefolget. Ja er hat mehrals. Zur Mitte aber des fuͤnfften Seculi hat die Latei -niſche87der verborgenen Suͤnden. niſche Kirche eine Art der geheimen Beichte eingefuͤhret. Man ordnete / daß diejenigen / ſo ſich mit einer ſchweren Suͤn - de beflecket wuſten / ſolche nicht oͤffentlich kund machten / ſon - dern ingeheim denen Vorſtehern der Kirche endeckten / wel - che ſodann die Leute zur Buſſe ermahnten / zubereiteten / und zulieſſenb)Hieher gehoͤret die Verordnung Leonis, deren eigene Worte inWer Leo I. geweſen? folgender Note folgen. Er ware ein Florentiner und erhielte we - gen ſeiner ungemeinen Gelehrſamkeit, und ſeines Eyfers wider die Ketzer den Zunahmen Magnus. Er ſaß zwantzig Jahr auf dem Roͤmiſchen Stuhl, nehmlich von 440. biß 461. Man hat ver - ſchiedene Schrifften von ihm, Reden und Briefe. Wenn und wo ſeine Wercke gedruckt worden, hat Labbeus p. 11. wohl bemercket.. Auf ſolche Weiſe ſagte man ſeine began - gene Suͤnden nicht weiter vor der Gemeine her / und ſchei - net es / daß dieſes darum ſey abgeſtellet worden / weil eini - ge Biſchoͤffe die Bußfertigen dahin anhalten wollen / daß ſie alle ihre begangene Suͤnden von einem Zettel herleſen ſol - ten. Weil nun dieſes was einfaͤltiges und ungewoͤhnliches war / ſo iſt es billig verworffen worden. Man ordnete viel - mehr / daß die ſo oͤffentliche Buſſe zu thun geſonnen waren / ihre Suͤnden denen Prieſtern offenbahrten / damit ſie ſolche ermeſſen / und die Zeit und Art der Buſſe darnach einrich - ten koͤnten. Denn ſo lauten Leonis Wortec)Leo Epiſt. 74. welche bey andern Editionen die 80. iſt. IllamSeine Verorh - nung. etiam contra Apoſtolicam regulam præſumptionem, quam nuper agnoui a quibusdam illicita vſurpatione committi, modis omnibuscon -. Dasjenige auch, ſo wieder Apoſtoliſchen Gebrauch unternommen worden, und ich neulich erſt wahrgenommen, daß es von einigen ge - ſchiehet, befehle ich auf alle Weiſe abzuſchaffen, damit man ferner nicht alle Suͤnden von einem Zettel oͤffentlich herleſe, indem es genug iſt, daß man die Suͤnden denen Prieſtern al -lein(a)als an einem Orte erinnert, daß man nicht denen Prieſtern, ſon - dern GOtt ſeine Suͤnden offenbahren und beichten muͤſſe.88I. Abth. II. Cap. Von der Beichtelein in Geheim offenbahret. Denn ob wohl dieſe Vollkom - menheit des Glaubens lobens-wuͤrdig ſcheinet, welche aus Furcht vor GOtt ſich oͤffentlich darzuſtellen keinen Scheu traͤgt; jedoch weil nicht alle Suͤnden ſo beſchaffen, daß dieje - nigen, welche Buſſe thun wollen, ſich nicht ſcheuen ſolten, ſol - che zu offenbahren, ſo ſoll dieſe unbillige Gewohnheit abge - ſchafft werden, damit man nicht ihrer viele von denen heilſa - men Mitteln der Buſſe abſchrecke; indem ſie ſich entweder ſchaͤmen, oder ſich befuͤrchten, ihre Thaten moͤchten ihren Fein - den kund werden, und ſie koͤnten dadurch denen Gerichten in die Haͤnde fallen. Es iſt an derjenigen Bekaͤntniß genug, wel - che erſt GOtt, und nachmahls dem Prieſter geſchiehet, der vor die Suͤnden der Bußfertigen mit bittet. Denn aber kan man noch mehr zur Buſſe anlocken, wenn dem Volck die Buſ - ſe des Beichtenden nicht bekant gemacht wird. Leo aber mag hier ſagen was er will / ſo kan er doch nicht als ein Stiffter der Ohren-Beichte / oder Urheber unſerer heuti - gen Beichte angeſehen werdend)Anmerckung daruͤber.Man offenbahrete zwar denen Geiſtlichen ſeine Suͤnden, aber zu dem Ende, daß ſie die Grade der Buſſe darnach einrichten kunten. Leo.
§. VII.(c)conſtituo ſubmoueri, ne de ſingulorum peccatorum genere, li - bellis ſcripta profesſio publice recitetur, cum reatus conſcientia - rum ſufficiat ſolis ſacerdotibus indicari, confeſſione ſecreta. Quam - uis enim plenitudo fidei videatur eſſe laudabilis, quæ propter Dei timorem apud homines erubeſcere non veretur, tamen quia non omnium ejusmodi ſunt paccata, vt ea, qui pœnitentiam poſcunt, non timeant publicare; remoueatur tam improbabilis conſuetudo, ne multi a pœnitentiæ remediis arceantur; dum aut erubeſcunt, aut metuunt inimicis ſua facta reſerari, quibus posſint legum con - ſtitutione percelli. Sufficit enim illa confesſio, quæ primum Deo offertur, tunc etiam ſacerdoti, qui pro delictis pœnitentium pre - cator accedit. Tunc enim demum plures ad pœnitentiam pote - runt prouocari, ſi populi auribus non publicetur ſententia confi - tentis. Dieſe Verordnung Leonis findet ſich auch eines theils bey Gratiano[c]. 89. de pœnit. diſt. 1.
Auf eben ſolche Weiſe verſtehe ich die Anord -Gebrauch der Beichte im VII. Se - culo. nung des Synodi in Trullo, ſo im VII. Seculo herausgekom - men. Denn ob wohl der Synodus den Prieſter unterrichtet / wie er ſich in Auflegung der Buſſe verhalten ſollea)Vid. Natalis Alexander in Hiſt. Eccleſ. Sec. VII. Diſſ. III. pag. 620. Die Pflichtei - nes Prieſters wegen der Beichte.Es iſt ihm anbefohlen, Achtung zu geben auf die Beſchaffenheit der Suͤnde, auf des Suͤnders bereitwilliges Gemuͤthe zur Bekeh - rung, damit er zugleich eine Artzeney ausfuͤndig machte, die ſich auf die Kranckheit ſchickte, und den Zuͤgel zu einem freyen Leben nicht allzuweit ſchieſſen lieſſe. Es hat alſo befohlen, daß er zuweilen ſcharffe, zuweilen aber auch gelinde Mittel gebrau - chen ſolte, dadurch er denen boͤſen Begierden ſteuren koͤnte. Er ſolte die Fruͤchte der Buſſe unterſuchen, und mit dem Bußfertigen klug umgehen. b) Mit; So kan ich dennoch noch keine ſolche Beichte finden / welche zu einer gewiſſen und geſetzten Zeit / und von allen Gliedern der Kirche muͤſte verrichtet werden. Die gantze Sache wa -re ei -(d)Leo redet alſo von der vor ihm gebraͤuchlichen oͤffentlichen Buſſe. Es moͤgen dazumahl auch manche Leute ſo aberglaͤubiſch geweſen ſeyn, daß ſie gedacht, ihre Suͤnde koͤnte ihnen nicht vergeben wer - den, auſſer durch die oͤffentliche Buſſe. Ohnerachtet nun das Verbrechen nicht bekannt ware, ſo offenbahrten ſie ſolches vor der gantzen Gemeinde, und thaten oͤffentliche Buſſe. Es ware aber keine Nothwendigkeit, ſondern wer nicht wolte, kunte es bleiben laſſen. Leo aber dachte, es wuͤrden ſich viele eher bequemen, wenn ſie ihre Suͤnde nicht oͤffentlich herſagen duͤrfften. Es iſt al - ſo dieſe Art der Beichte nicht darum eingefuͤhret worden, damit denen Leuten von denen Geiſtlichen die Suͤnden vergeben wuͤrden, ſondern mehr zur oͤffentlichen Buſſe anzulocken. Leo ſaget auch gantz deutlich, der Prieſter ſolte mit um Vergebung bitten helffen, und wer ihm ſeine Suͤnden entdeckte, ſolte nicht angehalten wer - den koͤnnen, ſolche oͤffentlich bekant zu machen. Faſt auf eben ſolche Art, hat der gelehrte Petauius in Epiſt. p. 246. dieſe Ver - ordnung Leonis erklaͤret.(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) m90I. Abth. II. Cap. Von der Beichtere eines jeden eignen Willen anheim geſtellet / ob ſie ihre Suͤn - den ingeheim denen Prieſtern bekennen und beichten wol - ten oder nicht. Hatte einer Luſt dazu / ſo waren die Geiſt - lichen willig und bereit / die Bekaͤntniß ſeiner verborgenen Suͤnden anzuhoͤren. Daß aber ſolche allen und jeden anbe - fohlen geweſen / kan ich zu dieſer Zeit nirgends findenb)Die Verord - nung des con - cilii in Trul - lo wird in et - was erklaͤrt.Mit dem 102. can. des Concilii in Trullo ſtimmet auch die Ver - ordnung des Concilii zu Challons im Jahr 650, nebſt anderen mehr uͤberein. Man muß aber mercken, daß das Wort Buſſe kei - ne andere als die oͤffentliche Buſſe andeute, daß alſo nur die - jenigen der Prieſter ihres Dienſtes benoͤthiget waren, die oͤffent - liche Buſſe thaten. Von dieſen iſt auch nur der canon des conci - lii in Trullo zu verſtehen, der denen Prieſtern erlaubet, daß ſie Freyheit haͤtten, in Auflegung der Buſſe von der Strenge der ca - nonum, nach Beſchaffenheit abzuweichen, und ſolche zu mildern. vid. Balſamo ad h. can. in Pandect. concil. eccleſ. Græc. Tom. I. pag. 281. Alexius Ariſtenus ad cit. can. cit. l. pag. 283. ſcheinet ebenfalls die - ſes bemercket zu haben, da er ſaget, wie die Vaͤter zwar auf jede Suͤnde Straffe geſetzet, aber das gantze Urtheil demjenigen uͤber - laſſen haͤtten, der von GOtt die Macht zu binden und zu loͤſen empfangen, dieſer ſolte der Suͤnde Beſchaffenheit, des Suͤnders Bekehrung erwaͤgen, und die Artzeney darnach einrichten. Jn der Lateiniſchen Uberſetzung lauten ſeine Worte ſo: Pœnas qui - dem cuique peccato adhibendas decreuerunt Patres; ſed totum judicium ei relinquunt, qui ligandi & ſolvendi poteſtatem a Deo accepit, vt ille & peccati conſideret qualitatem, & ejus, qui pec - cauit, conuerſionem, & ſic miſericordiam menſura diſponat, mede - lam morbo conuenientem adhibens. Omnis enim ratio Deo & ei cui paſtoralis traditur principatus, in eo eſt, vt errantem ouem re - ducat, & non in deſperationis, præcipitia impellat, & a ſerpente vulneratum medicetur, ſiue per acriora & adſtringentia, ſiue per molliora & leniora medicamenta. Alles dieſes aber iſt von der oͤffentlichem Buſſe zu verſtehen. a) Beda.
Ja ob wohl das Licht der Wahrheit immerGebrauch der Beichte des VIII. Seculi. mehr und mehr dunckler zu werden begunte / und es mit dem Chriſtenthum immer ſchlimmer ausſahe / ſo finde ich doch nicht / daß die heutige Art zu beichten damahls denen Leuten ſey aufgedrungen worden. Es iſt auch dazumahl keine andere Beichte geweſen / als welche die jenigen Suͤnder verrichtet / die zu denen Prieſtern gekommen / um oͤffentli - che Buſſe zu thun. Jch will des Bedæ Venerabilis Worte hieher uͤberſetzen / weil ſie meiner Sache ein ziemliches Licht geben. Er ſpricht alſoa)Beda mit dem Nahmen Venerabilis, iſt noch heute in groſſem An -Bedæ Zeug - niß. ſehen. Seine Worte ſind in der Predigt von denen zehen Auſſaͤ - tzigen Tom. VII. p. 70. zu leſen. Daſelbſt hat er uͤber die Worte Chriſti: Gehet hin, und zeiget euch dem Prieſter, folgendes einflieſſen laſſen. Nullum Dominus eorum, quibus hæc corpo - ralia beneficia præſtitit, inuenitur miſiſſe ad ſacerdotes, niſi le - proſos, quia videlicet ſacerdotium Iudæorum figura erat ſacerdo - tii futuri regalis, quod eſt in eccleſia, quo conſecrantur omnes pertinentes ad corpus Chriſti, ſummi & veri principis ſacerdo - tum. Et quisquis hæretica prauitate, vel ſuperſtitione gentili, vel Iudaica perfidia, vel etiam ſchismate fraterno, quaſi vario co - lore per Chriſti gratiam caruerit, neceſſe eſt, ad eccleſiam ve - niat, coloremque fidei verum, quem acceperit, oſtendat. Cæ - tera vero vitia, tanquam valetudines, & quaſi membrorum atque ſenſuum, per ſemetipſum interim in conſcientia & intellectu, do - minus ſanat & corrigit. b) Mar -: Der Herr hat niemand, dem er an dem Leibe Huͤlffe geleiſtet, zu denen Prieſtern geſchicket, als die Auſſaͤtzigen; Weil vielleicht das Prieſterthum der Juͤ - den ein Vorbild war, des zukuͤnfftigen Koͤniglichen Prieſter - thums, welches in der Kirche iſt, dadurch alle, die zum Leib Chriſti, des hoͤchſten und wahren Hohen-Prieſters, gehoͤren, eingeweyhet werden. Und bey wem keine Ketzerey, heydni - ſcher Aberglaube, Juͤdiſche Untreu, bruͤderliche Spaltung,durchm 292I. Abth. II. Cap. Von der Beichtedurch die Gnade Chriſti mehr anzutreffen, ſo iſt es noͤthig, daß er zur Kirche komme, und die warhaffte Farbe des Glaubens, ſo er empfangen, zeige. Die uͤbrigen Laſter aber, als Kranck - heiten der Glieder und Sinne, heylet und beſſert der Herr durch ſich ſelbſt in dem Gewiſſen und Verſtand. Beda verweiſet alſo nur diejenigen zu denen Prieſtern / die den geiſtlichen Auſſatz haben / und erzehlet einige Arten davon. Die andern Suͤnden wuͤrden allein durch die Gnade Jeſu Chriſti geho - ben / und duͤrfften nicht vor den Beicht-Stuhl gebracht wer - den. Man hatte nehmlich dazumahl nur gewiſſe Verbre - chen von ſolcher Groͤſſe gehalten / daß ſie nothwendig gebeich - tet werden muͤſten. Andere Suͤnden brauchten keine Beich - ten ſondern wuͤrden vielmehr durch Bitten und Gebeth ge - tilgetb)Erzehlung von Martelle. Martellus hat auch eine groſſe Suͤnde nicht entdecket noch gebeich - tet. Denn er bate Egidium, er moͤchte mit ihm GOtt um Ver - zeihung einer gewiſſen Suͤnde bitten, die ſo groß waͤre, daß er ſich ſcheuete ſolche jemand zu offenbahren. Vid. Centuriat. Magde - burg. cent. 8. cap. 6. Hieraus koͤnte man auch dieſes ſchlieſſen: daß die Offenbahrung und Beichte der Suͤnden nicht durchgehends auferlegt geweſen, man aber dennoch ſolche beichten koͤnnen. Fer - ner daß ſich die Prieſter dazumahl noch nicht der Gewalt angemaſ - ſet, ſie vergeben die Suͤnden an GOttes ſtatt, ſondern wenn es viel geweſen, nur eine abſolutionem declaratoriam, daß nehmlich GOtt die Suͤnde vergeben wuͤrde, geſprochen. Denn Martellus hat von Egidio nicht verlanget, daß er ihm die Suͤnde vergeben ſolte, ſondern, daß er nebſt ihm GOTT um Vergebung bitten moͤchte. Vornehmlich aber geſchahe die Bekaͤntniß und Offen - bahrung der Suͤnden, damit die oͤffentliche Buſſe darnach einge - richtet wuͤrde..
Jn dem neunten Jahrhundert / da alles ein ſchlimmers Anſehen gewonne / als es bißher gehabta)Unwiſſenheit des IX. Seculi. Biinius ad Concil. Cabill. II. Tom. VI. Concil. Part. I. p. 223. hat an - gemercket, daß dazumahl die ſtudia alſo begraben geweſen, daßwenn / kun -te es93der verborgenen Suͤnden. te es auch nicht fehlen / daß die Kirchen-Sachen mehr ver - hunzet worden. Die Geheime Offenbahrung und Beichte der Suͤnden wurde immer gebraͤuchlicher / und die oͤffent - liche Buſſe wurde nach und nach in eine Geheime verwan - deltb)Vor dieſem ware keine andere als die oͤffentliche Buſſe, und ſoOeffentliche und geheime Buſſe. offt dieſes Wort vorkame, verſtunde man nichts anders darun - ter. Zuweilen wurde zwar auch in denen alten Zeiten die Sache in etwas geaͤndert, wenn etwa der ſchuldige durch oͤffentliche Be - kaͤntniß und Buſſe in Gefahr des Lebens gerathen moͤchte, wie et - wa aus Baſilii Epiſt. ad Amphil. can. 22. Auguſtini Serm. 16. de verb. Dom. c. 8. abzunehmen; aber dieſes ware was auſſerordentliches. Diejenigen hieſſen aber ſonſt Bußfertige (pœnitentes) welche oͤffentliche Buſſe (exomologeſin) thaten. Zu Anfang des neun - ten Seculi aber und der folgenden Zeiten wurde es anders. Denn da wird in denen canonibus die oͤffentliche Buſſe von der ge - heimen gar fleißig unterſchieden, welches bey denen aͤltern Zei - ten ungewoͤhnlich war. Der andere Synodus zu Rheims, ſo imJahr. Dieſes reizete die aberglaͤubiſchen Leute an / daß ſiedeſto(a)wenn ſich auch ein guter Kopf gefunden, der etwas zu erlernen Luſt getragen, er keinen Lehrmeiſter finden koͤnnen. Er beruffet ſich auf Lupum Ferrarienſem, der zu ſolcher Zeit gelebet. Carl der Groſſe thate zwar ſein aͤuſſerſtes, daß er die Wiſſenſchafften wie - der empor braͤchte, es daurete aber nicht lange, und wurden ſol - che ſo zu ſagen aufs neue mit ihm begraben. Man kan nicht anders ſagen, als daß die guten Wiſſenſchafften, vornehmlich die Hiſtorie und eine reine Philoſophie dazumahl recht verbannet ge - weſen. Alle Weißheit ware bey der Geiſtlichkeit, und auch die verſtunde oͤffters nicht vielmehr als der gemeine Mann. Die andern waren durch die ſuperſtition alſo verblendet, daß ſie faſt ihres Verſtandes beraubet ſchienen. Denn wenn dieſes nicht geweſen waͤre, ſo haͤtten nimmermehr ſo viel Dinge, die der geſunden Vernunfft ſchnurſtracks zuwieder lauffen, eingefuͤhret werden koͤnnen. So aber nahme man ſolche als goͤttliche Wahrheiten an, und thate ſein aͤuſerſtes, daß ſolche beybehalten und auf die Nachkommen fortgepflantzet werden moͤchten.m 394I. Abth. II. Cap. Von der Beichtedeſto haͤuffiger zur Offenbahrung ihrer Suͤnden ſich bey denen Prieſtern einfunden / und ihre Schultern deſto wil - liger unter das Joch der Buſſe legten. Auf ſolche Weiſe wurde dem Innocentio der Weg gebahnet / ſeine Ohren - Beichte deſto leichter zu Stande zu bringen. Denn durch ſolchen Anfang iſt dieſelbe endlich empor gekommen / dazu - mahl aber ware von ſolcher noch nichts zu ſehen / ſondern un - ter dieſer und jener iſt ein groſſer Unterſcheid zu befinden. Denn es bliebe in dem neunten Seculo in gewiſſen Verbre - chen die oͤffentliche Buſſe. Die geheime Beichte aber iſt von des Innocentii ſeiner in vielen Stuͤcken unterſchieden. Denn alle und jede Chriſten wurden dazu nicht angehalten / ob man ſchon ſolche Beichte gewaltig heraus ſtriche. Sie ware aber durch kein allgemeines Geſetze angeordnet / ſondern ei -nes(b)Jahr 813. gehalten worden, befiehlet in dem 31. canone, man ſolte einen Unterſcheid unter denen Bußfertigen, die oͤffentlich und die ingeheim Buſſe thun ſolten, halten. Hincmarus de diuort. Lo - tbar. ſaget ausdruͤcklich, daß auch groſſe Suͤnden durch die gehei - me Buſſe getilget wuͤrden. Er ſaget, wie es unrecht, jemand der ingeheim etwas geoffenbahret, der oͤffentlichen Buſſe zu unter - werffen. Er beruffet ſich dieſerwegen auf die alten canones, vor - nehmlich aber auf can. 99. des Africaniſchen concilii, da derjeni - ge Biſchoff in den Bann gethan wird, welcher mit dieſem, ſo ihm eine Suͤnde ingeheim entdecket, keine Gemeinſchafft haben will. Es bemercket aber Hincmarus ferner, daß diejenigen, welche oͤf - fentlich geſuͤndiget, auch oͤffentliche Buſſe thun muͤſten, nicht als wenn GOtt die ſchweren Suͤnden, wenn man geheime Buſſe thaͤte, nicht vergaͤbe, ſondern weil dadurch viele geaͤrgert worden, und alſo durch die oͤffentliche Buſſe wiederum verſoͤhnet werden muͤſten. Hincmari Meinung gienge alſo dahin, daß diejenigen, derer Suͤn - den nicht ruchbar, unrechtmaͤßiger Weiſe zur oͤffentlichen Buſſe angehalten wuͤrden. Von der Zeit an iſt alſo der Unterſcheid un - ter der oͤffentlichen und geheimen Buſſe beybehalten worden, welches vor dieſem nicht gebraͤuchlich ware.95der verborgenen Suͤnden. nes jeden freyem Willen anheim geſtelletc)Die Geiſtlichen waren auch damit wohl zufrieden. Rabanus de inſt. Die Offenbah - rung der Suͤn - den ware frey - willig.Cler. Lib. 2. cap. 30. ſaget, daß die verborgenen Suͤnden durch frey - willige Bekaͤntniß der Geiſtlichkeit geoffenbahret worden. Man hatte noch kein Sacrament aus der Beichte geſchmiedet, ſondern ſie iſt darum geſchehen, damit die gefallenen von denen Prieſtern lernen moͤchten, wie ſie ihre Buſſe anſtellen ſolten, Gnade von GOtt zu erlangen. Wer aber ohne ſie wuſte, wie ſolches anzugreiffen, hatte alſo nicht noͤthig, ſich zu denen Prieſtern zu machen.. Die Beichte und Vergebung der Suͤnden beſtunde darinnen / daß die Suͤnder / was ſie begangen / eroͤffneten / die Prieſter aber ih - nen zeigten / durch was vor eine Buſſe / durch was vor Ge - bete bey GOtt Vergebung zu erhalten waͤre. So ſchreibet Theodulfusd)Cap. 30. Tom. II. Conc. Gall. p. 219. Confeſſio quam ſacerdoti faci -Beichte, die dem Prieſter und die GOtt geſchiehet, was ſolche wuͤrcket. mus, hoc nobis adminiculum affert, quia accepto ab eis ſalutari conſilio, ſaluberrimis pœnitentiæ obſeruationibus, ſiue mutuis orationibus, peccatorum maculas diluimus. Confeſſio vero, quam ſoli Deo facimus, in hoc juuat, quia quanto nos memores ſumus peccatorum noſtrorum, tanto horum Dominus obliuiſci - tur; & e contrario, quanto nos obliuiſcimur, tanto dominus reminiſcitur, dicente Propheta: Et peccatorum tuorum non me - morabor &c. e) Hie -. Die Beichte, welche dem Prieſter geſchie - het, dienet darzu, daß wir von ihm einen heilſamen Rath em - pfangen, und durch Beobachtung der heilſamen Buſſe, oder zuſammengeſetzten Gebetern, die Suͤnden tilgen. Die Beich - te aber, die GOtt alleine geſchiehet, hilfft darzu, daß jemehr wir unſerer Suͤnden eingedenck ſind, jemehr vergiſt GOtt der - ſelben; im Gegentheil, jemehr wir ſolche vergeſſen, jemehr ge - dencket GOtt derſelben, nach dem Ausſpruch des Propheten; Und ich will deiner Suͤnden nicht gedencken, ꝛc. Alſo iſt das vornehmſte Stuͤck der Vergebung der Suͤnden in derjeni - gen Beichte geſuchet worden / welche GOtt geſchiehet. DieBeich -96I. Abth. II. Cap. Von der BeichteBeichte aber / ſo dem Prieſter geſchehen / wurde auf gewiſ - ſe Haupt-Laſter gerichtet / und wer damit beflecket / ſolte ſolches beichtene)Welche Suͤn - den abſonder - lich zu beichten.Hieher rechnete man Hochmuth, unnuͤtzen Ruhm, Neid, Zorn, Geitz, Traurigkeit ꝛc. Das andere Concilium zu Challons hat unter andern geordnet, daß man vornehmlich ſeine Beichte wegen einer von dieſen Suͤnden beobachten ſolte. Die Worte ſind die - ſe: Vt peccatorum ſuorum confeſſor inſtruatur, vt de octo prin - cipalioribus vitiis, ſine quibus in hac vita difficile viuitur, confes - ſionem faciat, quia aut cogitatione, aut quod eſt grauius, opere, eorum inſtinctu peccauit. Dieſe Haupt-Laſter werden in denen Capit. Theodulf. c. 31. Tom. II. Concil. Gall. nach der Reihe her - gezehlet..
Auf dieſe Weiſe ware die geheime Beichte be - ſchaffen / ehe Innocentius III. mit ſeiner Ohren-Beichte her - fuͤr geplatzet. Wir haben bemercket / daß nicht alle und je - de Chriſten zur Beichte und Offenbahrung ihrer Suͤnden angehalten worden / ſondern man lieſſe es eines jeden freyem Willen anheim geſtelleta)Die Beichte ware duꝛch kein Geſetze allein geboten.Daß ein Geſetze von der Beichte vor dem XIII. ſeculo heraus ge - weſen, Krafft deſſen alle und jede Chriſten, von was Geſchlecht, Stand und Amt ſie waͤren ihre Suͤnden zu gewiſſer Zeit, abſon - derlich vor Empfang des heiligen Nachtmahls bekennen muſten, kan nicht erwieſen werden. Jch habe im vorhergehenden §. not c) aus Rabano beygebracht, daß es ein freyes Ding um die Beichte geweſen. Was aber durch Geſetze anbefohlen und angeordnet wird, kan man ferner nicht unter freywillige Sachen zehlen, ſon - dern es bringt eine Nothwendigkeit mit, entweder etwas zu unter - laſſen, oder zu thun. Die Canones haben zwar gerathen, daß man ſeine Beichte vollſtaͤndig verrichten ſolte, ſie haben aber nicht alle und jede dazu angehalten. b) Dieſe. Es ware auch alſo nicht noͤthig / daß man alles / was man unrecht gethan / und wieder ein - fiele / herplapperte; denn man glaubte / daß ſolches zur Ver -gebung97der verborgenen Suͤnden. gebung der Suͤnden zu gelangen nicht noͤthig ſey. Die Art / nach geſchehener Beichte zu abſolviren, beſtande nicht in hochtrabenden Worten / wie heute zu Tage / ſondern in die - ſer Formul: GOtt verzeihe und vergebe dir deine Suͤndeb)Dieſe Formul iſt alſo vor unaͤcht zu halten, wenn man ſaget:Art der abſo lution. Wir, Krafft goͤttlichen Befehls, oder Krafft unſeres heili - gen Amtes, vergeben euch eure Suͤnden ꝛc. Denn in denen alten Zeiten wurde die abſolution nicht auf ſolche Art geſprochen. Die geiſtlichen wolten dazumahl noch nicht wie Prætores Urthei - le ſprechen, und einen loß zehlen. Jhre aſolution beſtunde dar - innen, daß ſie einem bußfertigen Suͤnder, der ihnen gebeichtet, mit ihrem Gebet beyſprungen. Jch koͤnte hier verſchiedene Zeugniſſe beybringen, ich will aber ſolche biß weiter unten verſparen.. Es ware noch kein Geſetze vorhanden / daß die Leute / ehe ſie zu dem Nachtmahl des Herrn giengen / nothwendig erſt beichten ſolten. Chryſoſtomus ſaget zwar viel von der Vorbereitung zu dieſem himmliſchen Mahl / aber von einer Beichte iſt nichts bey ihm zu finden. Er ſaget vielmehrc)Chryſoſtomus hat von der Vorbereitung zum heiligen NachtmahlVon der Vor - bereitung zum Nachtmahl, Chryſoſtomi Worte. bomil. 56. Oper. Tom. I, da er auf Pauli Worte kommt folgendes, welches ich Lateiniſch hieher ſetzen will. Paulus dicit: Probet au - tem ſe vnusquisque & ſic de pane comedat, atque de calice bibat. Non reuelauit vlcus, non in commune theatrum accuſationem pro - duxit, non delictorum teſtes ſtatuit; Intus in ſcientia, nemine præſente præter Deum, qui cuncta videt, fac judicium & pecca - torum inquiſitionem, & vitam omnem recogitans, in mentis judicium peccata deducito. Reforma, quod deliquiſti, atque ſie pura conſcientia ſacram attinge menſam, particepsque ſancti ſa - crificii fias. d) Chry - / wie es nicht noͤthig ſey / die Wunde zu offenbahren / vor der Gemeinde die Anklage machen / Zeugen des Verbrechens auffuͤhren. Jnwendig im Gewiſſen / da niemand als GOtt zugegen / ſolte man das Gericht anſtellen / und dasgantze(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) n98I. Abth. II. Cap. Von der Beichtegantze Leben uͤberlegen. Man ſolte aͤndern / was man ver - brochen / und alſo mit reinem Gewiſſen zu dieſem Tiſch hin - zu treten. An einem andern Ort / da er zur Verſoͤhnlichkeit mit ſeinem Naͤchſten ſeine Zuhoͤrer angemahnet / hegt er die - ſe Gedanckend)Andere Worte deſſelben.Chryſoſt. hom. 27. in Gen. Si hoc fecerimus, poterimus pura con - ſcientia ad ſanctam terribilemque hanc menſam accedere, & ver - ba illa, quæ precationi inſerta ſunt, cum fiducia dicere. (Intel - ligunt initiati, quid ſit, quod dico.) Proinde vniuscujusque con - ſcientiæ relinquo, quomodo mandato illo impleto, per terribile illud tempus hæc fidenter dicere poſſimus. a) Ei -: Daß wenn ſolches geſchehen / koͤnte man mit reinem Gewiſſen zu dieſem Tiſch treten. Er uͤberlieſſe es alſo eines jeden Gewiſſen. Auf dieſes hat es unſer Kirchen - Vater allein ankommen laſſen. Er hat nicht an die Beich - te gedacht / ſo vor Genieſſung dieſes himmliſchen Mahls ge - ſchehen ſolte. Ja wenn in der erſten Kirche allezeit vor Ge - nieſſung des Nachtmahls die Beiche vorhergehen ſollen / wie haͤtte ſolches geſchehen koͤnnen? Die erſten Chriſten genoſ - ſen das Nachtmahl gar offt / in der einigen Stadt Jeruſa - lem waren viel tauſend Seelen / die ſich zu Chriſto bekehret / und haͤtten die Apoſtel genug mit dem Beichteſitzen zu thun gehabt. Ja wenn ſie auch weiter nichts verrichtet haͤtten / und waͤren den gantzen Tag Beichte geſeſſen / ſo haͤtte es doch nicht ſeyn koͤnnen / daß ſie alle Chriſten Beicht hoͤren / und die abſolution ertheilen koͤnnten. Paulus ſaget: Der Menſch pruͤffe ſich ſelbſt, und alſo eſſe er von dieſem Brod und trincke von dieſem Kelch. Es ſchiene ihm alſo frembde Pruͤf - fung ungeſchickt hiezu zu ſeyn.
Dieſes zum voraus geſetzt / ſo ſind diejenigen Gruͤnde / welche die Patronen der Beichte von ihrem Alter - thum herfuͤr bringen / in keinem ſonderlichen Wehrt zu ach -ten.99der verborgenen Suͤnden. ten. Alles was man ſaget / ſchmeiſſet meine Meinung nichtſo bißher ge - ſagt wor - den, machen koͤnte, wer - den geho - ben. uͤber einen Hauffen / und die da meinen / die Beichte ſey gleich in dem erſten Chriſtenthum uͤblich geweſen / machen vergeb - liche Lufft-Streiche / vornehmlich aber wenn Sie ihren Be - weiß aus der heiligen Schrifft herholena)Einige Schrifft-Stellen habe ſchon beleuchtet, und nichts von derDie vornehm - ſten Bertheidi - ger des Alter - thums der Beichte. Beichte darinn gefund en, ich werde aber unten auf noch mehrere antworten. Unter denenjenigen aber, welche das Alterthum der heutigen Beichte vertheidigen / ſind die vornehmſten Bellar - minus de pœnitent. Natalis Alexander cit. l. diſſ. 14. Beyde uͤber - trifft aber der Jacobus Boileau, der Grund-gelehrte Doctor und Senior in der Sorbonne, ingleichen in der Theologiſchen Facul - taͤt zu Pariß Decanus. Dieſer hat Ao. 1683. zu Pariß in 8tavo heraus gegeben: Hiſtoriam auricularis confeſſionis ex antiquis ſcri - pturæ, Patrum, Pontificum & conciliorum monumentis, cum cura & fide expreſſam. Jn dieſer Schrifft hat er alles zuſammen gele - ſen, was das Alterthum der Beichte nur einiger maſſen beſchei - nigen kan. Sein Leben und Schrifften hat der gelehrte Lud. Elias Dupin dans la nouvelle Bibliotheque des Auteurs eccleſiaſtiques Tom. XIX. pag. 63. uns aufgezeichnet.. Diejenigen Stellen / ſo ſie aus denen Kirchen-Vaͤtern anfuͤhren / ſind in dieſem Stuͤck etwas wichtiger / und verdienen eine ge - nauere Uberlegung. Allein man ſchaue nur alles recht ein / ſo wird man befinden / daß wiederum ein unnuͤtzes Gewaͤ - ſche von dem Alterthum der geheimen Beichte / wie ſie jetzo iſt / gemachet worden. Man ſtoͤſſet vornehmlich darinnen an / wenn man ſich einbildet / man habe die Beichte gefun - den / wo man das Wort exomologeſis antrifftb)Jch mache alſo folgende Regul: So offt das Wort exomo -1) Negul. das - jenige was von dem Alter - thum der Beichte geſag wird, zu wie derlegen. logeſis in denen Schrifften der Kirchen-Vaͤter vorkommt, ſo zeiget es keines weges eine geheime Beichte an, ſondern bedeutet die gantze Handlung der oͤffentlichen Buſſe. Die - ſe Regul iſt durch dasjenige, ſo bißher geſaget worden, bereitsdeutlich. Ferner ir -retn 2100I. Abth. II. Cap. Von der Beichteret man darinn / wenn man dasjenige / was die Kirchen - Vaͤter wieder die Nouatianer diſputiret, auf die Ohren - Beichte / oder wie ſie ſonſt heute beſchaffen iſt / ziehen will. c)2) Regul.Die andere Regul lautet ſo: So offt die Kirchen-Vaͤter wie - der die Nouatianer diſputiren, erheben ſie die wahre Kir - che, daß ſie denen gefallenen die Hoffnung, wieder aufge - nommen zu werden, nicht beſchneide, welche Worte aber keines weges auf die heutige Beichte zu ziehen. Denn die Vergebung oder Erlaſſung der Suͤnden, davon ſie reden, beſtun - de darinnen, daß die Kirche das ihr angethane Unrecht, wenn ſolches durch oͤffentliche Buſſe getilget worden, vergeſſen, und die Gefallene wieder in ihren Schooß aufgenommen hat. Man brauchte hierzu keinen Beicht-Stuhl, es ware keine Vergebung an GOttes ſtatt.Weiter vergeht man ſich damit / wenn man der Kirchen - Vaͤter ihre Worte / die ſie von der Vergebung der Suͤnden uͤberhaupt vorgebracht / auf eine beſondere vorher gegange - ne Beichte zu zerren gedencketd)3) Regul.Die dritte Regul iſt dieſe: Die Lob-Spruͤche, ſo die Kirchen - Vaͤter der Bekennung der Suͤnden beylegen, es mag ſol - che entweder GOtt in geheim, oder oͤffentlich der Gemein - de geſchehen ſeyn, koͤnnen nicht von einer geheimen Beich - te verſtanden werden. Denn alle die Stellen, da der Verge - bung Meldung geſchiehet, reden von der, da entweder GOTT, oder die Kirche, das ihr angethane Unrecht verziehen hat, wenn etwa ein Glied in grobe Suͤnden verfallen. e) Die. Endlich iſt dieſes ein groſ - ſer Jrrthum / wenn man der Kirchen-Vaͤter ihre conſilia, die ſie wegen der beſondern Beichte gegeben / alſo erklaͤrenwill /(b)deutlich gemacht. Jch koͤnte noch gar vieles hievon beybringen, will es aber verſparen, biß meine Gedancken von der Kirchen - Buſſe an den Tag gebe. Sodann will deutlich genug zeigen, daß durch exomologeſin die gantze Handlung der oͤffentlichen Buſſe zu verſtehen ſey.101der verborgenen Suͤnden. will / daß allen und jeden Chriſten anbefohlen geweſen / zu gewiſſer Zeit ſich bey einem Prieſter einzufinden / und ihm ihre Suͤnden zu bekennen / von ihm aber hernachmahls die aſolution zu gewartene)Die vierte Regul iſt endlich dieſe: Wenn man auch in denen4) Regul. Schrifften der Vaͤter etwas von der Beichte findet, die dem Prieſter geſchehen ſoll, ſo ſind ihre Worte lauter An - rathen, Conſilia, keinesweges aber Geſetze, die alle und je - de Chriſten zur Beobachtung verpflichtet. Ehe Innocenti - us mit ſeiner Verordnung gekommen, ſo iſt noch keine Satzung heraus geweſen, die alle und jede zur Beichte angehalten. Die Patres ſagten zwar, wie dergleichen Beichte nuͤtzlich, doch hielten ſie ſolche nicht vor nothwendig. Viele Kirchen-Lehrer ſagten, daß man die Vergebung der Suͤndenerhalten koͤnnte, wenn man nur GOtt beichtete, wie ich bald zeigen will. Dieſe Reguln aber habe ich einem gewiſſen Engellaͤnder zu dancken, der ohne ſeinen Nahmen folgende Schrifft heraus gegeben: A diſcourſe concer - ning auricular confesſion, as it is preſcribed by the concil of Trent, and practiſed in the church of Rome. .
Es mag aber die Lehre von der geheimen Beich -Es iſt zur Vergebung der Suͤn - den zu ge - langen nur noͤthig, Gott zu beichten. te noch ſo viele Anhaͤnger gefunden haben / ſo ſind doch auch einige von denen beruͤhmteſten Kirchen-Lehrern in der Mei - nung geſtanden / daß man derſelben wohl entbehren koͤnnte. Sie hielten dafuͤr / daß ſolche zu Vergebung der Suͤnden nichts beytruͤge. Es waͤre dazu weiter nichts noͤthig / als daß man GOtt aus rechtem Hertzens-Grund beichtete. Hie - her zehle ich aus dem vierten Seculo den Biſchoff zu Poictiers, Hilarium, welcher dafuͤr gehalten / daß man zur Verge - bung der Suͤnden zu gelangen / keine andere Beichte noͤthig haͤtte / als dieſe ſo GOtt geſchehea)Er ſaget von David: Confeſſionis autem cauſam addidit dicens:Zeugniß Hi[i]- larii. Quia feciſti, authorem ſcilicet vniuerſitatis hujus dominum eſſe confeſſus; Nulli alii docens confitendum, quam qui fecit oliuamfructi -. Baſilius / der Ertz-Bi -ſchoffn 3102I. Abth. II. Cap. Von der Beichteſchoff zu Cæſarea in Cappadocia, da er ſeine Gedancken / uͤber die Davidiſche Woꝛte / da er nur in dem Hertzen ſeuffzete / endecket / ſaget er: Jch bekenne nicht mit denen Lippen, daß ich mich vielen kund machte; ſondern inwendig in dem Her - tzen, mit verſchloſſenen Augen, dir allein, der in das verbor - gene ſiehet, zeige ich meine Seuffzer, und aͤchze in mir ſelbſten. Denn ich brauchte nicht viel Worte zur Beichte oder zur Buſ - ſe. Die Seuffzer meines Hertzens waren genug zur Beichte, und darum ware es genug, daß ich die Klagen aus innerſter Seele zu dir mein GOtt abſchickte.
Der Ertzbiſchoff zu Meyland / Ambroſius, der mit Baſilio zu gleicher Zeit gelebet / da er auf die Thraͤ - nen Petri kommt / ſaget era)Ambroſii. In Cap. XXII. Lucæ. Lauánt lachrymæ delictum, quod voce pudor eſt confiteri. Et veniæ fletus conſulunt, & verecundiæ. Lachry - mæ ſine offenſione culpam loquuntur. Lachrymæ crimen ſine of - fenſione verecundiæ confitentur. Lachrymæ veniam non po - ſtulant, ſed merentur. ‒ ‒ ‒ Petrus doluit & fleuit, quia errauit vt homo. Non inuenio, quid dixerit; inuenio quod fleuerit. Lachrymas ejus lego, ſatisfactionem non lego. Sed quod de -[t]endi non poteſt, ablui poteſt. conf. c. 1. 2, de pœnit, diſt. 1. b) Ho -: Die Thraͤnen tilgeten die Suͤnde / ſo man zu beichten und zu bekennen Scheu truͤge. Die(a)fructiferam ſpei miſericordia in ſeculum ſeculi. Et quis hic ſit, qui fecit iſta, demonſtrat, dicens: Et expectabo nomen tuum; quia bonum eſt in conſpectu ſanctorum tuorum. Expectabit ergo Dei nomen, cui confitetur. b)Baſilii. Tom. I. p. 208. c. Οϒ γὰρ ἵνα τοῖς πολλοῖς φανἐρὸς γένωμαι, τοῖς χεί - λεσιν ἐξομολογου̃μαι. ἔνδοι δὲ ἐν ἀυτῆ τῇ καρδία τὸ ὄμμα μύων σοι μό - νω τῶ βλέποντι τὰ ἐν κρυπτῶ, του̃ς ἐν ἐμαυτῶ ςεναγμο῀ις ἐπιδεινύω, ἐν ἐμαυτῶ ὠρυόμενος. ου᾽δὲ γὰρ μακρὼν μοι λόγων χρεία τῶ πρὸ〈…〉〈…〉 τὴν ἐξομολόγησιν. ἀπίκρουν γὰρ ὁι ςεναγμοὶ τῆς καρδίας μου πρὸς ἐξο - μολόγησιν, καὶ ὁι ἀπὸ βάϑοις ψηχῆς πρὸς σε τὸν Θεὸν ἀναπεμπό - μενοι ὀδυρμοὶ.103der verborgenen Suͤnden. Die Thraͤnen erhielten Vergebung. Petrus haͤtte gewei - net und nichts geſagt. Was man nicht entſchuldigen koͤn - te / das koͤnte man doch abwaſchen. Es hat alſo Ambroſius die Beichte / ſo dem Prieſter geſchiehet / vor unnoͤthig zur Vergebung der Suͤnden gehalten. Von Chryſoſtomi Mei - nung iſt ſchon geredet worden / ich beruffe mich aber zum Uberfluß noch auf eine andere Stelle aus dieſem Vater / da ſeine Meinung dahin gehetb)Homil. 59. die die 9. de pœnit. iſt. Jn Lateiniſcher Sprache lauten dieChryſoſtomi. Worte ſo: Quoties cecideris in foro, toties exſurgis: Sic quo - ties peccaueris, peccati pœniteat, neque deſperes. Tametſi ſe - cundo peccaueris, ſecundo pœniteat, ne propter ignauiam a ſpe propoſitorum bonorum excidas: Etiamſi in vltima ſenectute ſis, ſi peccaueris, ingredere, pœnitentiam age. Medicinæ hic locus eſt, non judicii, in quo peccatorum non pœna exigitur, ſed re - miſſio tribuitur. Deo ſoli dic peccatum tuum: Tibi ſoli peccaui, et malum coram te feci, & dimittitur tibi peccatum tuum. : So offt man geſuͤndiget / ſolte man Reue haben. Man ſolte GOtt allein ſeine Suͤn - de herſagen / und ſprechen: An dir allein hab ich geſuͤndi - get / und Unrecht vor dir gethan / und ſo wuͤrde uns die Suͤnde vergeben werden.
Auguſtinus iſt unter allen Religionen inAuguſtini Lehre. groſſem Anſehen / und daher das Sprichwort entſtanden: Die gantze Welt ſey Auguſtinianiſch worden. Jch zweifle alſo auch nicht / ſie werde folgende Lehre unſers Vaters e - benfals billigen. Denn da er auf die Worte Davids komt: Jch ſprach, ich will dem Herrn meine Ubertretung bekennen, da vergabeſt du mir die Miſſethat meiner Suͤnden; hegt er folgende Gedanckena)In Pſalm. 32. Dixi. Quid dixiſti? Non jam pronuntiat, ſed pro -Seine eigene Worte.mittit: Jch ſprach: Was ſpracheſt du? Er hat nichts geſagt, ſondern verſpricht nur, daß er es ſagen wol - te, und er vergiebt ihm dennoch ſchon. Mercket auf ihr Bruͤ -der,104I. Abth. II. Cap. Von der Beichteder, es iſt eine wichtige Sache. Es ſaget David: Jch will bekennen. Er ſaget nicht ich habe bekennet, und du haſt mir vergeben. Er ſaget ich will bekennen, und du haſt mir ver - geben; Denn indem er geſprochen, ich will bekennen, ſo zeiget er an, daß er ſolches noch nicht gethan, aber in dem Hertzen hatte er ſchon bekant. Dieſes aber, da er ſaget, ich will beken - nen, iſt das Bekaͤntniß; darum vergabſt du auch mir die Miſ - ſethat meiner Suͤnden; meine Bekaͤntniß aber ware noch nicht in dem Munde. Jch ſagte ich will wieder mich bekennen; aber GOtt hat die Stimme meines Hertzens ſchon gehoͤret. Meine Stimme ware noch nicht durch den Mund gedrungen, aber GOttes Ohr ware ſchon in meinem Hertzen. Hiermit zeiget Auguſtinus deutlich genug an / daß GOtt / denen / die zerſchlagenes Hertzens ſind / ohne daß ſie Menſchen beichten und von ihnen abſoluiret werden / die Suͤnden vergaͤbe.
Ja was ſage ich von denen alten Zeiten / da man im zwoͤlfften Seculo, und alſo nicht allzulange vor der Einfuͤhrung der Ohren-Beichte / dafuͤr gehalten / es waͤre die Beichte / ſo Menſchen geſchiehet / nicht noͤthig. Gratianus, der die Decreta zuſammen getragen / traͤget im Anfang ſei - nes tractats von der Buſſe die Frage fuͤr. Ob allein durch die Zerknirſchung des Hertzens, und geheime Genugthuung, ohne daß man mit dem Mund beichte, jemand GOtt ein Ge - nuͤgen thun koͤnne. Denn, faͤhret er fort / es ſind einige, die da ſagen, daß man Vergebung der Suͤnden erhalten koͤnne, ohnedaß(a)mittit ſe pronunciaturum, & ille jam dimittit. Attendite fratres. Magna res. Dixit, pronunciabo. Non dixit, pronunciaui, & tu dimiſiſti. Dixit, pronunciabo & tu dimiſiſti, quia ex ipſo quod di - xit pronunciabo; oſtendit, quia nondum pronunciauerat, ſed cor - de pronunciauerat. Hoc ipſum dicere pronunciabo, pronuncia - re eſt; ideo & tu remiſiſti impietatem cordis mei. Confeſſio vero mea ad os nondum venerat. Dixeram enim pronunciabo ad - verſum me; veruntamen Deus audiuit vocem cordis mei. Vox mea in ore nondum erat, ſed auris Dei jam in corde erat. a) Gra -105der verborgenen Suͤnden. daß man der Kirchenbeichte, und vor das geiſtliche Gerichte kommea)Gratianus ſub initium tract. de pœnit. Vtrum ſola cordis contriSeine eigene Worte. tione & ſecreta ſatisfactione absque oris confesſione, quisquam poſſit Deo ſatisfacere? ‒ ‒ Sunt enim qui dicunt, quemlibet cri - minis veniam ſine confesſione eccleſiæ & ſacerdotali judicio pos - ſe promereri. &c. . Man muthmaſſet hieraus nicht unrecht / daß noch zu dieſes Moͤnchs Zeiten verſchiedene geweſen / die auf die Beichte / ſo denen Prieſtern geſchiehet / nicht zu viel gehal - ten. Gratianus bringet ebenfals verſchiedene Schrifft-Stel - len und Worte der Patrum bey / die dergleichen behaupten. Allein damit er doch auch niemand zu nahe treten moͤchte / fuͤhret er auch des Gegentheils Worte an. Denn da hat er viele Stellen eingeſchaltet / die da behaupten / man koͤnte ohne Beichte bey denen Prieſtern die Vergebung der Suͤn - den nicht erhalten. Was er hierbey vor eine Meinung ge - heget / hat er nicht entdecket / ſondern die gantze Sache dem Gutduͤncken ſeiner Leſer uͤberlaſſen. Er ſagetb)Gratianus cit. l. poſt. c. 89. Quibus auctoritatibus vtraque ſen -Abermahls ſei - ne Worte. tentia, ſatisfactionis & confesſionis innitatur; in medium breui - ter expoſuimus. Cui autem harum potius adhærendum ſit, le - ctoris judicio reſeruatur. Vtraque enim fautores habet ſapientes & religioſos viros. a) Es: Auf was vor Anſehen oder Gruͤnden beyderſeits Meinung beruhe, ha - be ich kuͤrtzlich beruͤhret. Welche aber davon am meiſten zu billigen, uͤberlaſſe ich dem Urtheil eines Leſers. Beyde Mei - nungen haben weiſe und fromme Leute zu ihren Verthevdi - gern. Petrus Lombardus, der mit Gratiano zu einer Zeit gelebet / bringet auch beyder Theile Meinungen bey / allein er pflichtet endlich der irrigen Lehre bey / daß die Suͤnden nicht vergeben wuͤrden / es waͤren denn ſolche denen Prie - ſtern gebeichtet worden. Seine Gruͤnde aber ſind ſchwach und bedeuten nichts.
BJß hieher habe in aller Kuͤrtze den Zuſtand der Beich - te / ſo denen Prieſtern geſchiehet / biß auf das XII. Seculum gezeiget. Zu Anfang aber des dreyzehen - den Jahrhunderts hat dieſe Sache ein gantz anderes An - ſehen bekommen. Denn der Pabſt Innocentius III. beruf - te in dem Lateran ein Concilium, allwo unter andern auch eine neue Art der Beichte ausgehecket wordena)Wer Inno - centius und wie er beſchaf - fen geweſen.Es ware Innocentius aus Champagne gebuͤrtig, und vormahls ein Zuhoͤrer der Theologie auf der Univerſitaͤt zu Pariß geweſen. Als er das ſieben und dreyſigſte Jahr erreichet, wurde er im Jahr 1198. zum Pabſt erwehlet. Er ware gar ein leichtfertiger Vogel, aus deſſen Reden und Thun, nichts als Hochmuth und Tyran - ney zu erkennen war, ob ihn ſchon Rom ſehr zu erheben pfleget. Sein gantzes Thun gienge dahin, daß er die Kaͤyſerliche und Koͤ - nigliche Gerechtſame ſchwaͤchte, und den Paͤbſtlichen Sitz in die Hoͤhe braͤchte. Hierzu aber zu gelangen, truge er kein Bedencken es durch Meineid, Grauſamkeit und andern unzulaͤßigen Mit - teln zu bewerckſtelligen. Es wird dieſerwegen Innocentius von einigen Nocentius genennet. Man erwaͤge nur, wie viel Donner - Strahlen des naͤrriſchen Bannes er wider die Keyſer Philippum, Ottonem IV., Fridericum II. und die Koͤnige in Franckreich und Engelland er loßſchieſſen laſſen. Alles wurde bey ihm nach dem intereſſe abgemeſſen, und hat er viel Morden und Blutvergieſſen angerichtet. Dergleichen vortreffliche Thaten von ihm findet man aufgezeichnet bey Matthæo Pariſienſi, Vrſpergenſi, Sigonio,Beruffung ſei - nes Concilii. Howedeno und andern. Das Concilium aber, davon wir reden,wurde. Manweiß107ſo Innocentius III. eingefuͤhret. weiß aus denen Geſchichten derſelbigen Zeit / daß dazumahl eine groſſe Menge von der Geiſtlichkeit in Rom geweſen. Es fanden ſich die koͤniglichen Redner von allen Landen / und ihre Procuratores ein. Der Biſchoͤffe waren in die 412 / und unter ſolchen zwey Patriarchen / der Conſtanti - nopolitaniſche / und der von Jeruſalem. Von Primatibus und Ertzbiſchoͤffen ware die Zahl auf 71 / die Aebte aber und Priores belieffen ſich uͤber 800. Warum dieſes Concilium beruffen worden / findet man folgende Urſachen / nehmlich daß der Catholiſche Glaube wieder die Ketzereyen verthey - diget / einige Jrrthuͤmer verdammet und ausgerottet / an - bey auch die Kirchen-Zucht verbeſſert wuͤrde. Die vornehm - ſte Urſache aber ſoll darinn beſtanden haben / daß Jeruſalem von dem Joch derer Saracenen befreyet werden moͤchteb)Conf. Caueus de ſcript. Eccleſ. Sec. XIII. pag. 660. Innocentius ap -Die wahrhaff - te Urſache daſ - ſelben. plicirte dieſerwegen Chriſti Worte, Luc. XXII, 15. auf ſich, da der Heyland geſprochen: Mich hat hertzlich verlanget diß O - ſterlamm mit euch zu eſſen, ehe denn ich leide. Die wahr - haffteſte Urſache aber dieſes Concilii iſt ohne Zweiffel folgende geweſen, daß Innocentius Geld zuſammen braͤchte, und durch Huͤlffe ſolches wider die Albigenſer die Waffen ergreiffen koͤnte. Man beſchloſſe auch einen Zug wider die Saracenen, der aber erſtEin und das andere, ſo da mahls beſchloß ſen worden. unter Honorio Ao. 1217. ſeinen Anfang gewonnen. Innocentius wolte ſich auch damahls einer Herrſchafft in das Koͤnigreich En - gelland anmaſſen, und thate die Reichs-Staͤnde in den Bann. Die Lehre von der transſubſtantiation wurde unter die Glaubens - Articul geſetzet. Innocentius unterlieſſe auch nichts, die Paͤbſtli - che Allmacht, wenn man ſo reden darf, immer feſter zu ſetzen. conf. Spanhemii introd, ad Hiſt. ſacr. Sec. XIII. p. m. 407. a) Dieſe.
§. II.(a)wurde Ao. 1205. zu Anfang des Novembris beruffen, und iſt unter denenjenigen, ſo in dem Lateran gehalten worden, das vierte; un - ter denen aber, ſo die Papiſten Oecumenica nennen, nimmt es die zwoͤlffte Stelle ein.
o 2108I. Abth. III. Cap. Von der ſolennen Ohren-Beichte,Unter andern leichtfertigen Lehren / ſo damahls auf die Bahn / iſt auch eine gantz neue façon von der gehei - men Beichte auf das tapet gekommen. Jn dieſen Zeiten muß man den Anfang der heute zu Tage gewoͤhnlichen Beichte ſetzen. Innocentius gienge von dem alten Gebrauch gaͤntzlich ab / welches vornemlich darinn beſtunde / daß er allen dasjenige aufferlegte / was vor dieſem in eines jeden Willkuͤhr geſtanden. Laſſet uns ſeine eigne Worte hieher ſetzena)Die eignen Worte der Verordnung.Dieſe Verordnung iſt in dem 21. canone des Concilii zu befinden. Jn denen Paͤbſtlichen Rechten iſt ſolche c. 12. X. de pœnit. & remiſſ. zu leſen. Die eignen Worte lauten ſo: Omnis vtriusque ſexus fidelis, poſtquam ad annos diſcretionis peruenerit, omnia ſua ſolus peccata, ſaltem ſemel in anno fideliter confiteatur, proprio ſacerdoti, & injunctam ſibi pœnitentiam, propriis viribus ſtude - at adimplere, ſuſcipiens reuerenter ad minus in Paſcha euchariſtiæ ſacramentum: niſi forte de proprii ſacerdotis conſilio ob aliquam rationabilem cauſam, ad tempus ab huiusmodi perceptione duxe - rit abſtinendum: alioquin & viuens ab ingreſſu eccleſiæ arceatur, & moriens Chriſtiana careat ſepultura. Vnde hoc ſalutare ſtatu - tum frequenter in eccleſiis publicetur ne quisquam ignorantiæ cœcitate, velamen excuſationis aſſumat. Si quis autem alieno ſa - cerdoti voluerit juſta de cauſa ſua confiteri peccata, licentiam prius poſtulet a proprio ſacerdote, cum aliter ipſe illum non posſit ab - ſoluere, vel ligare. Sacerdos autem ſit diſcretus & cautus, vtmore: Alle Glaͤubige beyderley Geſchlechts, wenn ſie zu ihrem Verſtande kommen, ſollen alle ihre Suͤnden des Jahrs wenigſtens einmahl ihrem Prieſter bekennen, und die ihnen auf - gelegte Buſſe aus eignen Kraͤfften verrichten, auch das heili - ge Nachtmahl zum wenigſten zur Oſterzeit gebuͤhrend genie - ſen, es waͤre denn, daß ſie auf Anrathen ihres Prieſters um wichtiger Urſache willen ſich von dieſem Mahl einige Zeit ent - halten wolten; Wenn dieſes nicht iſt, ſo ſoll ein ſolcher, weil er lebet, in dem Bann ſeyn, und wenn er verſtirbet, keine Chriſt - liche Begraͤbniß haben. Man ſoll alſo dieſe heilſame Verord -nung109ſo Innocentius III. eingefuͤhret. nung oͤffters in der Gemeine kund machen, damit niemand ei - ne Entſchuldigung vorzuwenden habe, er haͤtte ſolches nicht gewuſt. Wolte aber jemand einem andern Prieſter aus einer rechtmaͤßigen Urſache ſeine Suͤnden beichten, ſo ſoll er vor - hero von ſeinem eignen Prieſter Erlaubniß dazu ausbitten, weil ohne dieſes der andere ihn nicht loßzehlen oder binden kan. Der Prieſter aber ſoll beſcheiden und vorſichtig ſeyn, daß er nach Art eines erfahrnen Artztes Wein und Oele in die Wunden gieſſe, fleißig die Umſtaͤnde des Suͤnders und der Suͤnden unterſuche, dadurch er recht erfahre, was er ihm vor einen Rath geben, und vor Mittel anwenden moͤge, und alſo verſchiedene Erforſchungen gebrauche, dem Krancken zu helffen. Er ſoll ſich aber huͤten, daß er weder mit Worten noch Zei - chen, noch auf eine andere Weiſe den Suͤnder verrathe, ſon - dern wenn er in der Sache Raths beduͤrfftig, er ſolchen ein - ziehe, ohne das geringſte von der Perſon zu gedencken. Denn wer eine Suͤnde, die ihm in dem Beicht-Gerichte entdecket wor - den, zu offenbahren ſich unterfaͤngt, ſoll nicht alleine des Prie - ſterlichen Amtes entſetzet werden, ſondern man ſoll ihn auch in ein wohlverwahrtes Kloſter ſtoſſen, daß er darinn lebens - lang Buſſe zu thun gehalten ſey.
Dieſes geſchahe alſo in der Lateiniſchen Kirche. Gebrauch der Griechi - ſchen Kiꝛche.Die Griechiſche bliebe dabey / daß es genug waͤre / wennman(a)vt more periti medici ſuper infundat vinum & oleum vulneribus ſauciati, diligenter inquirens & peccatoris circumſtantias, & peccati, quibus prudenter intelligat, quale debeat ei præ - bere conſilium & cuiusmodi remedium adhibere, diuerſis experi - mentis vtendo ad ſaluandum ægrotum. Caueat autem omnino, ne verbo, aut ſigno, aut alio quouis modo, aliquatenus prodat pec - catorem, ſed ſi prudentiori conſilio indiguerit, illud absque vlla expresſione perſonæ, caute requirat: quoniam qui peccatum in pœnitentiali judicio ſibi detectum præſumſerit reuelare, non ſo - lum a ſacerdotali officio deponendum decernimus, verum etiam ad agendam perpetuam pœnitentiam, in arctum monaſterium de - trudendum. a) Gloſſao 3110I. Abth. III. Cap. Von der ſolennen Ohren-Beichte,man GOtt ſeine Suͤnden beichtete. Die Gloſſa des cano - niſchen Rechtes ſaget alſo / es waͤre beſſer / wenn man vor - gaͤbe / die Beichte ſey eine allgemeine Kirchen-Verordnung / als wenn man ſolche aus der Schrifft beweiſen wolte. Sie ſchlieſſet derowegen mit folgenden Wortena)Wird etwas erklaͤret.Gloſſa ad rub. diſt. 5. de pœnit. Ergo neceſtaria eſt confeſſio in mor - talibus apud nos, apud Græcos non, quia non emanauit apud illos traditio talis, ſicut nec conficiunt in azymis. Daß aber die Griechiſche Kirche dafuͤr gehalten, man haͤtte der Beichte, die Menſchen geſchiehet, nicht noͤthig, kan man aus dem c. 90. diſt. 1. de pœnit. unter andern abnehmen. / daß die Beichte in Tod-Suͤnden bey der Lateiniſchen Kirche noͤthig waͤre / aber nicht bey denen Griechen / weil dieſe keine ſol - che tradition haͤtten.
Ehe ich aber weiter gehe / muß ich zuvor uͤber Innocentii Verordnung einige Anmerckung machen. Da derſelbe gewolt daß nur diejenigen beichten / und das A - bendmahl genieſſen ſolten / die bey ihrem Verſtande waͤren / ſo ſtimmen auch die unſrigen damit ein? Jn der alten Kirche aber ware gebraͤuchlich / auch kleinen Kindern das Nachtmahl zu reichen. Jn dem Tridentiniſchen Concilio entſtunde daruͤber ein groſſer Streit. Paulus Sarpius re - det davon alſoa)Streit auf dem Trident. Concilio. Paulus Sarpius in Hiſt. Concil. Trident. Lib. VI. p. m. 907. ſeq. Sex - tum articulum Theologi paucis abſoluerunt, exiſtimantes, Eucha - riſtiam non eſſe ſacramentum neceſſitatis. Cum enim D. Paulus præceperit, iis qui illud ſumturi ſunt, vt ſe ipſos prius probent, an digni ſint, nec ne, cenſebant inde manifeſtum eſſe, ſacramentum illud non poſſe miniſtrari, niſi iis, qui recta ratione vti poſſunt,quod: Mit dem ſechſten Articul wurden die Theo - logi in kurtzen fertig, da ſie dafuͤr hielten, das Nachtmahl ſey kein nothwendiges Sacrament. Denn da der heilige Apoſtel Paulus gebothen, daß diejenigen, ſo ſolches genieſſen wolten, ſich zuvor ſelbſt pruͤffen, ob ſie wuͤrdig hinzu gehen koͤntenoder111ſo Innocentius III. eingefuͤhret. oder nicht, hielten ſie dafuͤr, man koͤnte ſolches Sacrament keinen andern als denenjenigen reichen, welche ihren Verſtand vollkommen brauchten; wenn in der alten Kirche bißweilen ein anders gebraͤuchlich geweſen, ſey es geſchehen, da die Wahr - heit noch nicht ſo klar und deutlich am Tage geweſen, und mu - ſte alſo das Concilium einen ſolchen Schluß faſſen, der ſich auf jetzige Zeiten ſchickte. Aber da mangelte es nicht an etlichen, welche erinnerten, man muͤſte von dem Alterthum mit meh - rerer Beſcheidenheit reden, und keines weges ſagen, daß jene alte Vaͤter die Wahrheit nicht eingeſehen. F. Deſiderius Pa - normitanus, aus den Carmeliter-Orden, hat allein dafuͤr ge - halten, man moͤchte dieſen Articul auslaſſen; Weil ſolches von denen Proteſti renden dieſer Zeit nicht in Zweiffel gezogen worden, und alſo unnoͤthig waͤre, durch Abhandlung deſſel - ben Neuigkeiten herfuͤr zubringen. Man koͤnte die Sache auf beyderley Art wahrſcheinlich machen: erfuͤhre man aber, daß auf dem Concilio davon gehandelt worden, ſo wuͤrden ihrer viele ſo curieus ſeyn, und die Sache weiter unterſuchen ꝛc. Es zeigte nachgehends Panormitanus, daß das Nachtmahl ein nothwendiges Sacrament / und was die Pruͤffung be - traͤffe / ſo vor Empfang deſſelben hergehen ſolte / ſo waͤre ſolches nur von denen erwachſenen zu verſtehen / und be -ſchlieſſet(a)quod ſi in veteri eccleſia alicubi contra obſeruatam ſit, id factum, vbi & quando veritas non adeo clara ac perſpecta fuit, atq; hoc tem - pore, quo a concilio ſtatuendum, vti hujus ſeculi vſus obtineat. Atque his non deerant, qui monerent, de antiquitate reuerentius loquendum, neque affirmandum, patres illos priſcos cognitio - ne veritatis fuiſſe deſtitutos. F. Deſiderius Panormitanus ordinis fratrum Carmelitarum, ſolus cenſuit, articulum hunc omittendum: quod cum a noſtri leculi proteſtantibus id in quæſtionem vocatum non fuerit, non videretur tempeſtiuum, ejus tractatione, noui - tates in medium adducere: rem ipſam in vtramque partem pro - babiliter diſceptari poſſe: vbi vero percrebuerit agitatam in ſyno - do, multorum curioſitatem ad altiorem disquiſitionem facile ſti - mulatum, & ceſpitandi occaſionem datum iri. &c. 112I. Abth. III. Cap. Von der ſolennen Ohren-Beichteſchlieſſet endlich / daß er den Gebrauch / da man denen Kin - dern dieſes Mahl verſaget / allerdings billige.
Der Papſt Innocentius ſetzet in ſeiner conſti - tution ferner / daß die Beichte aller Suͤnden geſchehen ſol - te. Unſere Theologi, ob ſie gleich nicht in Abrede ſind / die Beichte ſo dem Prieſter geſchiehet / ſey an ſich ſelbſt in der Bibel gegruͤndet; ſo haben ſie dennoch tuͤchtige Beweiß - Gruͤnde vorgebracht / daß die Beichte aller Suͤnden ein pures ohnmoͤgliches Werck ſey. Allein der Pabſt hatte viel - leicht politiſche Urſachen / warum er die ſpeciale Erzehlung3) Von dem proprio ſa - cerdote. der Suͤnden allen Chriſten ſo kraͤfftig anbefohlena)Intention bey ſpecialer Suͤnden - Beichte.Denn es trifft vielleicht dieſes hier gantz beſonders ein: Scire volunt ſecreta domus atque inde timeri. Denn auf ſolche Art, wenn man alles denen Pfaffen erzehlen muß, was man begangen, koͤnnen ſie hinter die groͤſten Geheim - nuͤſſe, die den Staat gar offt ſelbſt betreffen, kommen. Dieſes wiſſen ſie ſich hernachmahls gar meiſterlich zu Nutze zu machen.. Was von dem eigenen Prieſter in der conſtitution gemeldet wird / da haben die Papiſten ſelbſt ein groſſes Aufheben / was dar - unter vor eine Perſon zu verſtehen / gemeiniglich aber er - klaͤren ſie ſolches von demjenigen / in deſſen Sprengel man eingeſchloſſen iſtb)Meinung Launoii und Natal. Ale - xandr. de pro - prio ſacer - dote. Der durch viele Schrifften beruͤhmte Joh. Launojus hat einen beſondern tractat uͤber die Worte von dem proprio ſacerdote ge - ſchrieben, und verſtehet darunter den Parochum, oder Pfarrherrn jedes Kirchſpiels. Der beruͤhmte Natalis Alexander in ſeiner Hiſtor. Eccles. ad ſec. XIII. & XIV. Disſ. IV. §. 2. pflichtet ihm hierinnen bey, jedoch ſo, daß dadurch das Anſehen des Pabſtes in der gantzen Chriſtenheit, und derer Biſchoͤffe in ihren diœceſen nicht gekraͤn - cket werde. Andere ſind anderer Meinung, wie bey Natal. Ale - xandro cit. l. zu ſehen. a) Als.
Innocentius, da er ſaget / man ſolte daran ſeyn /4) Anmer - ckungẽ von der Genug - thuung vor die Suͤnde. daß man die aufferlegte Buſſe aus eignen Kraͤfften erfuͤlle, giebet damit zu verſtehen / daß er die Genugthuung vor ein weſentliches Stuͤck der Buſſe angeſehen. Allein die Ge - nugthuung / ſo GOtt vor die Suͤnde geſchehen ſoll / hat Chri - ſtus bereits vor uns verrichtet. Wir koͤnnen alſo nichts thun / als daß wir uns Chriſti Genugthuung im Glauben zueignen. Das Wort Genugthuung wurde von denen al - ten auch keinesweges in dieſem Verſtande genommen / daß ſie dadurch eine zeitliche Straffe vor die begangene Suͤnde verſtanden. Sie deuteten durch das Genugthun vielmehr die Beſſerung des Lebens und Vermeidung der Suͤnde an. Sie ſahen alſo die Canoniſchen Straffen keinesweges als weſentliche oder nothwendige Stuͤcke einer rechtſchaffenen Reue und Buſſe ana)Als man aber ſatisfactiones canonicas aufbrachte, ſo wurde derWenn ſolche anbefohlen wird. Suͤnder nicht abſolviret, biß ſolche in das Werck gerichtet. Vor - jetzo aber ſind die Papiſten geldbegierig, und legen ihre Genuͤge - Leiſtungen erſt nach der abſolution auf. vid. Marc. Anton. de Do - minis de Republ. Eccleſ. Lib. V. cap. 7. Keine Genugthuung gilt bey ihnen etwas, wenn ſolche nicht von der Kirche, das iſt, von der Cleriſey aufgeleget worden. vid. Albaſpinæus obſerv. Lib. II. obſ. 3. b) Inno -.
Vor dieſem gebrauchten die Chriſten das Abend -5) Anmer - ckung von dem Ge - brauch des Abend - mahls. mahl ſo zu ſagen alle Tage. Nachmahls ſtellete man auf die vornehmſten Feſt-Taͤge / ſolenne communion an / unterlieſ - ſe aber darum nicht / auch zu anderer Zeit das Abendmahl auszuſpenden. Innocentius aber meinet / die Geiſtlichkeit koͤnne zufrieden ſeyn / wenn ein Chriſte des Jahrs nur ein - mahl das Abendmahl genoͤſſe. Meinem Erachten nach iſt hierunter nichts unbilliges / wiewohl die unſrigen zuweilen Innocentium treflich daruͤber von der Cantzel herunter zumachen(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) p114I. Abth. III. Cap. Von der ſolennen Ohren-Beichte,machen wiſſen / auch / weil ſie ſeine Worte nicht ſelbſt geleſen / dem Pabſt einen gantz andern Verſtand aufdringena)Wie offt man[j]aͤhrlich das A - bendmahl ge - brauchen ſoll.Innocentius ſaget nicht, daß man nicht oͤffter zum Abendmahl gehen ſolte oder duͤrffte, ſondern er meinet nur, die Pflicht eines Chriſten bringe es mit, daß man wenigſtens des Jahrs einmahl ſich als ein Gaſt dieſer himmliſchen Mahlzeit einfaͤnde. Wenn ein Chriſt dieſes beobachtete, ſo ſolte die Geiſtlichkeit nichts dagegen einzuwenden haben. Warum wollen wir dieſerwegen auf Innocen - tium boͤſe ſeyn? Das Abendmahl iſt ja an ſtatt des Oſterlamms eingeſetzet, und ſolches genoſſe man ja des Jahrs nur einmahl. Jch weiß aber gar wohl, was einige vor Sophiſtiſche Streiche machen, den Pabſt eines groben Jrrthums zu uͤberfuͤhren. Sie ſagen: wenn man nur einmahl des Jahrs zum Abendmahl gehen ſolte, ſo folgte auch, man duͤrffte nur einmahl des Jahrs Buſſe thun, und Reue uͤber ſeine Suͤnden haben. Alle Verſtaͤndige werden ſich uͤber ſolchen Schluß mocquiren. Man ſoll taͤglich Reue und Leid uͤber ſeine Suͤnden bezeugen, aber darum ſoll man nicht taͤg - lich zum Abendmahl gehen. b) Das. Was manche wieder ihn noch mehr zum Eifer antreibet / iſt dieſes / daß der Pabſt geſetzet: man koͤnne um wichtiger Urſachen willen auch in einem Jahr gar nicht zum Abend - mahl gehen. Hier fragen ſie / was doch wohl dieſes vor eine Urſache ſeyn muͤſte? Jch will wedeꝛ ſolche ausfuͤndig machen / noch mich mit denen Theologis in einen Streit einlaſſen / ob man nothwendig zum Abendmahl gehen muͤſſe / oder durch Zwang dazu angehalten werden koͤnne. Mich duͤn - cket / daß es zum wenigſten beſſer waͤre / wenn man denen Leuten frey lieſſe / ob ſie dieſe himmliſche Mahlzeit genieſſen wolten oder nicht. Die Chriſtliche Freyheit ſcheinet derglei - chen mit ſich zu bringen. Paulus ſaget / der Menſch ſolte ſich ſelbſt pruͤffen / und alſo von dieſem Brod eſſen / und von dieſem Kelch trincken. Mit dieſen Worten hat er nicht un - deutlich zu verſtehen gegeben / daß niemand zu dem Abend -mahl115ſo Innocentius III. eingefuͤhret. mahl zu zwingen / ſondern eines jeden Gutbefinden die Sa - che zu uͤberlaſſen ſeyb)Das Abendmahl iſt ein Liebes-Mahl, und alſo kein Zwang -Ob Leute zum Abendmahl zu zwingen? Mahl daraus zu machen. Es ſtreitet auch dieſes mit denen prin - cipiis derer Theologorum, da ſie behaupten, man ſolle keinen Unwuͤrdigen hinzulaſſen. Wer will ſich aber einbilden, daß der - jenige ein wuͤrdiger Gaſt des Tiſches des HErrn ſey, welchen man durch Straffen darzu noͤthiget. Chriſtus bietet ſeine Gnade nur an, aber er zwingt niemand, ſolche zu ergreiffen. Warum wol - len denn wir elende Menſchen die Leute darzu zwingen? Titius hat denen, ſo ſolchen Zwang als rechtmaͤßig und erlaubt ausgeben, den Staar trefflich geſtochen, und zugleich erwieſen, daß ſolcher ein grober Brocken des Pabſtthums, in der Probe des geiſtli - chen Rechts cap. 3. Lib. 3. §. 19. ſeqq. und wollen auch wir ſogleich mit mehrern von dieſem Pabſts-Zwang handeln..
Allein der Pabſt Innocentius III. hat in ſei -Wird wei - ter ausge - fuͤhrt. ner conſtitution andere principia, und unſere Glaubens - genoſſen folgen ihm in dieſem Stuͤck gar treulich nach. Er meinet / wenn einer des Jahrs nicht wenigſtens einmahl zum Abendmahl gienge / ſolte man ihn von der Gemeine aus - ſchlieſſen. Jch kan zwar nicht leugnen / daß ſo wohl vor - mahls / als auch jetzo der Gebrauch des Abendmahls vor ein Zeichen der Gemeinſchafft gehalten worden / und daß alſo derjenige / welcher ſich deſſelben enthaͤlt / denen Gliedern der Kirche nicht fuͤglich kan beygezehlet werden. Jedoch / war - um wollen wir ihm verbieten / daß er nicht in unſere Ver - ſammlungen komme? Suͤndiget er daran / daß er ſich des Abendmahls enthaͤlt / ſo kan er vielleicht durch Hoͤrung des goͤttlichen Worts zur Erkaͤntniß kommena)Es weꝛden einige gedencken, man thaͤte dieſes bey uns ohne dem nicht,Ob einer, der nicht zum A - bendmal gehet, des Landes zu verweiſen? Man mahnete ſolche Leute mit allem Ernſt an, in die Kirche zu kommen und GOttes Wort zu hoͤren, ob GOTT auch ihnen, wie der Lydia, das Hertz aufthun moͤchte. Jch raͤume alles ein. Alleinwenn. Der PabſtInno -p 2116I. Abth. III. Cap. Von der ſolennen Ohren-Beichte,Innocentius aber hat noch eine andere Straffe auf diejeni - gen geſetzet / die ſich des Abendmahls gaͤntzlich entziehen. Sie ſollen keine Chriſtliche Begraͤbniß haben. Worinnen be - ſtehet aber doch die Chriſtliche Begraͤbniß? Wenn man mit Geſang und Klang zum Thore hinaus getragen / von der Geiſtlichkeit begleitet / Leichen-Predigten und Abdanckun - gen gehalten / oder wenigſtens Vermahnungen geſchehen / Collecten geſungen / und der Coͤrper auf den Gottes-Acker geleget wird. Ob ein ſolcher aber / der nicht zum Abendmahl gegangen / ohne gewoͤhnliche ceremonien / Geſang u. Klang / u. ſ. w. und wie man ſaget / ſine lux und ſine crux zu be - erdigen / daruͤber will ich mich in keine diſpute einlaſſen. So viel aber getraue ich mir zu verantworten / daß man ihm das Begraͤbniß auf dem Gottes-Acker keinesweges ver - ſagen koͤnneb)Ob ſie auf den Gottes-Acker zu begraben.Denn die Gottes-Aecker gehoͤren unter die res Vniuerſitatis, und wer alſo ſich als ein guter Buͤrger aufgefuͤhret, muß dahin begraben werden. Zwar weiß ich gar zu wohl, was insgemein von denen Gottes-Aeckern hergeſchwatzet wird, da man ſolche bald zu reli - gioͤſen, bald zu geweyheten und heiligen Oertern machen will. Den Ungrund aber ſolcher Meinung habe in meiner Inaugural -Di -.
§. IX.(a)wenn nun ſolche Leute bey ihrer Meinung verbleiben, und ſich des Abendmahls enthalten, was geſchiehet dann? Jſt es nicht an dem, daß man ſich hinter die Obrigkeit ſtecket, und alle wege herfuͤr ſu - chet, ſolche Leute aus dem Lande zu bringen, ja ſie gar cum infa - mia zu relegiren. Um ſolche Sachen ſolte die Geiſtlichkeit unbe - kuͤmmert ſeyn. Die Obrigkeit weiß ohne hin, was ſie vor Buͤr - ger dulten ſoll oder nicht. Es kan aber ein Menſch, der nicht zum Abendmahl gehet, dennoch ein guter Buͤrger ſeyn. Dieſe Ent - haltung bringet dem gemeinen Weſen keinen Nachtheil, und ſo lange keine turbæ in der Republic erreget werden, kan man einen wohl dulten. Geſchiehet ſolches nicht, ſo geben wir zu erkennen, daß die inquiſition hæreticæ prauitatis, wie ſie in Spanien heiſ - ſet, bey uns, wo nicht in 4to doch in duodecimo iſt.
Von dem Zwang-Recht bey den Beicht -6) Anmer - ckung von deꝛ Veꝛglei - chung eines Medici und Beicht - Vaters. Stuͤhlen / da man an einen gewiſſen Beicht-Vater gewie - ſen / und nachmahls nicht von ihm abſpringen darff / ſoll wei - ter unten ausfuͤhrlich gehandelt werden. So viel verſichere zum voraus / daß auch die Proteſtirende Geſtlichkeit dieſen Beicht-Zwang heraus zu ſtreichen, und mit allerhand Gruͤn - den zu beſchoͤnigen weiß. Die Vergleichung / ſo der Pabſt zwi - ſchen einem Medico und Beicht-Vater angeſtellet / haͤlt mich auch noch auf / ehe ich weiter gehen kan. Niemand kan diejenigen Kranckheiten curiren / deren Urſprung und ande - re Umſtaͤnde nicht bekannt ſind / und alſo ſcheinet es noͤthig zu ſeyn / daß man alle und jede Gebrechen muͤſte herbeten. Es laͤſſet ſich dieſes vortreflich hoͤren. Allein ich will jetzo nichts gedencken / ob ein Beicht-Vater nicht auf andere Wei - ſe den Zuſtand ſeiner Beicht-Kinder in Erfahrung bringen koͤnne / wenn er fleißig Acht hat auf die Heerde / die ihm be - fohlen iſt. Vorjetzo erinnere ich nur dieſes / daß man die Suͤnden gar fuͤglich mit Wunden und Eiter-Beilen / Kranckheiten und dergleichen vergleichen koͤnne. Wir brauchen alſo einen Artzt. Allein hierzu iſt menſchliche Huͤlf - fe ohnzulaͤnglich. Wir haben aber einen Medicum, der da helffen kan / geholffen hat / und noch helffen will. Die - ſes iſt Chriſtus / der ewige Sohn GOttes. Von der Geheim - haltung der Beichte / wird unten beſonders gehandelta)Der Pabſt hat auf die Ubertreter zugleich Straffen geſetzet. JchEriñernng von dem Moͤnch - Leben. kan aber nicht begreiffen, warum unter ſolchen das Moͤnch-Leben begriffen. Denn wem iſt unbekannt, wie dieſe Lebens-Art vor allen andern ſonſt heraus geſtrichen wird. Man erhebet ſolchebiß.
§. X.(b)Diſputation unter dem Præſidio Herrn Geheimbden Rath Boͤh - mers, de jure erigendi cœmeterium deutlich gezeiget, und will es, wenn einen voͤlligen tractat mit GOttes Huͤlffe davon an den Tage lege, noch weiter ausfuͤhren.
p 3118I. Abth. III. Cap. Von der ſolennen Ohren-Beichte,Jch muß aber doch wieder einmahl einlencken / und auf meinen Zweck kommen. Als Innocentius ſeine Verordnung von der Beichte an den Tag gegeben / ſo iſt von daran die geheime Beichte und abſolution allezeit ge - bliebena)Beicht-Stuͤh - le.Um der Beichtenden willen machte man gewiſſe Oerter in der Kir - chen aus, und nennete ſolche die Beicht-Stuͤhle. vid. Calvoer in ritual. eccleſ. Part. II. ſect. I. cap. 31. . Es fehlete aber doch nicht an ſolchen Maͤnnern / die ſich wieder die Beichte ſetzten. Selbſt der gloſſator Gra - tiani, der Johannes Semeca, hat nicht alleine die Nothwen - digkeit zu beichten in Zweiffel gezogen / ſondern ſich auch der Beichte ſelbſt gewaltig und ſtandhafft wiederſetztb)Joh. Semeca beſtreitet die Beichte.Es wurde Teutonicus, der Teutſche genennet, und ware der Kirche zu Goßlar Præpoſitus. vid. Monachus Halmersleb. bey dem Herrn von Leibnitz, Tom. I. Script. Brunſuic. p. 507. da er Teutoni - cus Magiſter & Doctor genennet wird. Als er im Jahr 1240 Præ - poſitus zu Halberſtadt worden / ſo wendete er vielen Fleiß an, die Decreta zu erleutern. Es iſt auch ſeine Gloſſe nicht zu verachten, indem er vieles darinnen hat, ſo dem groben Pabſtthum zu wie - der iſt. Man rechnet ihn alſo unter die Zeugen der Wahrheit, wie denn ſolches der Herr Heineccius in Hiſt. Goslar. Lib. II. p. 253. gethan, er verdienet auch ſolches wegen ſeiner Aufrichtigkeit, und daß er darum in den Bann gethan worden, weil der Pabſt ſolchen Wiederſacher nicht vertragen kunte. Jn dem Thom zu Halber - ſtadt ſiehet man noch ſein Epitaphium, da er genennet wird: Lux Decretorum, Dux Doctorum, via morum. Ein Licht des Decreti, ein Fuͤhrer der Lehrer, ein Weg guter Sitten. Er ſchriebe frey, daß es falſch waͤre, wenn man vorgaͤbe, einem er -wach -. ZuZeiten(a)biß an den Himmel. Man machet ein Stuͤck der Gottſeeligkeit daraus. Dennoch aber hat es der Pabſt hier zu einer Straffe geordnet. Alſo kan man auch die Gottesfurcht zu einer Straffe machen.119ſo Innocentius III. eingefuͤhret. Zeiten Vrbani VI. war ein Bononier, mit Nahmen Mi - chael / ein General der Carmeliten / der nach Vsſerii Zeug - niß die Beichte ebenfalls beſtrittenc)Auf das Zeugniß dieſes Ertz-Biſchoffes zu Armagh in JrrlandJngleichen ei - ner, Michaelis beruffet ſich Dallæus de auric. confeſſ. Lib. IV. cap. 44. Es hatte aber Michaelis geſchrieben, daß die Beichte zur Vergebung der Suͤnden zu gelangen, gar nicht noͤthig waͤre. . Petrus Oxonienſis, Profeſſor auf der Univerſitaͤt zu Salamanca in Spanien / gabe auch von der Beichte ein Buch an den Tag / welches / ob man es gleich nicht mehr hat / ſo weiß man doch / daß in ſolchem die Beichte angegriffen und verworffen geweſend)Der Pabſt Sixtus IV., ſo damahls regierte, als er in Erfahrungund Petrus O - xonienſis. gebracht, Oxonienſis haͤtte ein Buch geſchrieben, und in ſolchem die eingefuͤhrte Beichte verworffen, gab er dem Alfonſo Carillo, Ertz-Biſchoff zu Toledo Ao. 1479. beſondern Befehl, er moͤchte das Buch unterſuchen, und was der Catholiſchen Lehre zuwieder waͤre / anmercken, ausſtreichen und verdammen. Dieſer verſamm - lete alſo zu Alcala des Henares eine Menge von Theologis und Ju - riſten, die denn folgende Saͤtze, als irrig, ketzeriſch und alſo ver - dammlich ausgeſprochen. 1) Die Tod-Suͤnden werden in Anſe - hung der Straffe der zukuͤnfftigen und ewigen Zeit, eintzig und al - leine durch die Zerknirſchung des Hertzens getilget, und man bedarff dazu keine Geiſtlichkeit und Amt der Schluͤſſel. 2) Die Beichte iſt durch eine beſondere Verordnung der allgemeinen Kirche eingefuͤhret, und nicht in dem goͤttlichen Recht anbe - fohlen worden. 3) Boͤſe Gedancken darff man nicht beichten, ſondern ſolche werden ausgetilgt, wenn man ein Mißfallen dar -uͤber.
§. XI.(b)wachſenen wuͤrden die Suͤnden nicht vergeben, es waͤre denn, daß er ſolche beichtete. Denn da er auf Gratiani Worte de pœnit. diſt. 1. kommt, Alii e contrario teſtantur &c. hat er folgende An - merckung. Ab hoc loco, vsque ad ſectionem: His auctoritati - bus; pro alia parte allegat, quod ſcilicet adulto peccatum non di - mittitur, ſine oris confesſione, QVOD TAMEN FALSVM EST.
120I. Abth. III. Cap. Von der ſolennen Ohren-Beichte,Der uͤberall bekante Tridentiniſche Synodus hat der Ohren-Beichte folgends die Crone aufgeſetzet / in - dem derſelbe nichts vorbey gelaſſen / waß zur Befoͤrderung und Anſehen derſelben gereichen koͤnte. Es hat demſelben be - liebet / dieſe Beichte vor eine goͤttliche Anordnung auszuge - ben. Er hat befohlen / daß man nicht allein alle Suͤnden, wenn ſolche auch noch ſo verborgen ſind / herſagen ſolte / ſon - dern man muͤſte noch darzu alle Umſtaͤnde endecken. Die Urſache / ſo die Beichtende darzu bewegen ſolte / wurde da - her genommen / daß man auf andere Weiſe keine Vergebung der Suͤnden erhalten koͤnntea)Intention bey ſpecialer Suͤnden Beichte.Dieſes Concilium wurde unter Paulo III. im Jahr 1545. in Mo - nat December verſammlet, die Lehre von der Beichte und der Buſ - ſe wurde in der XIV. ſesſion, die die vierte iſt von denen, ſo un - ter Julio III. gehalten worden, vorgetragen. Dieſe ſesſion wur -de. Ja Paulus Sarpius kan dieſotti -(d)uͤber hat, und iſt die Geiſtlichkeit und Amt der Schluͤſſel hierzu nicht noͤthig. 4) Die Beichte ſoll geheim ſeyn, und nur auf ge - heime, aber nicht offenbahre Suͤnden gehen. 5) Man ſoll keinen Bußfertigen abſoluiren, es ſey ihm denn zuvor die Buſſe auferlegt. 6) Der Pabſt kan keinen Lebenden von der Straffe des Fegefeu - ers befreyen. 7) Die Kirche der Stadt Rom kan irren. 8) Der Pabſt kan in denen Verordnungen der allgemeinen Kirche kei - ne diſpenſation ertheilen. 9) Das Sacrament der Buſſe, ſo viel die Mittheilung der Gnade betrifft, iſt ein natuͤrliches Sacra - ment, keinesweges aber eine goͤttliche Einſetzung, weder des al - ten noch neuen Bundes. Ob ich nun vor meinen Theil nicht al - le Saͤtze billige, ſo wolte ich doch, daß das Buch noch vorhanden waͤre. Denn aus dieſen wenigen Saͤtzen muthmaſſe ich, der Au - tor ſey ein gelehrter Mann geweſen. Allein ſolcher Leute Schluͤſſe koͤnnen die Biſchoͤffe und andere vornehme Geiſtliche nicht vertra - gen. Man zwange auch alſo unſern Oxonienſem, daß er dasje - nige, was er geſchrieben, wiederruffen muſte. Die Sache erzeh - let weitlaͤufftiger Barthol. Caranza, Inſtituti S. Dominici & Theol. Prof. in Summa Concil. fol. 286. ſeq. 121ſo Innocentius III. eingefuͤhret. ſottiſen dieſer Patrum nicht genugſam beſchreiben. Er entdecketb)Sarpii Worte in Hiſt. Concil. Trid. Lib. II. p. m. 590. ſeq. lauten nachAbgeſchmackte Urtheile der Patrum deſſel - ben, von der Beichte. dem Lateiniſchen alſo: E ſacra ſcriptura citant omnia loca Prophe tarum & Pſalmorum, vbi occurrit verbum CONFITEOR, aut ejus verbale CONFESSIO, quod Hebræorum lingua ſignificat laudem aut potius profeſſionem religioſam, quæ ad ſacramen - tum confesſionis velut obtorto collo rapiunt. Tametſi minus ad rem faciat, figuras afferunt, e teſtamento veteri decerptas, quibus confesſionem præfiguratam imaginantur, quam appoſite posſint in rem præſentem accommodari, non attendentes, ſed quo plures quisque in medium afferat, ita plurimi eum facientes. Præterea ritus omnes, humilitatem, dolorem & pœnitudinem confitentibus familiarem ſignificantes, traditionum Apoſtolicarum nomine audacter adumbrant; miracula innumerabilia vetera ac recentiora, ex quibus appareat, confesſioni addictis, omnia feli - citer cesſiſſe, ejusdem incuriis ac indiligentibus improſpere cun - cta eueniſſe, commemorabant. Recitabantur etiam auctoritates a Gratiano citatæ, quibus alium atque alium ſenſum, pro inſtitu - to ſuo affingebant, aliorum quoque ſententiis accumulatis. Adeo, vt qui horum Doctorum ſermonibus aurem commodare vellet, facile animum induceret credere, Apoſtolos & veteris eccleſiæ Epiſcopos, quidquid ſibi erat temporis, impendiſſe aut peccatis ſuis flexis genibus confitendis, aut aliorum confesſionibus au - diendis. a) Can. / daß ſie aus der heiligen Schrifft / und ſonder - lich aus denen Propheten und Pſalmen alle Stellen her - fuͤr geſucht / da etwas von der Beichte zu leſen / und haͤtten ſolches auf ihre Beichte ziehen wollen. Sie haͤtten aus dem alten Teſtament allerhand Vorbilder heraus geklaubet / welche nach ihrem Vorgeben die heutige Beichte ſchon abge -ſchil -(a)de den 25. November, Ao. 1551. gehalten. Vid. Paulus Sarpius in Can. & Decr. Concil. Trid. die ſich bey ſeiner Hiſtorie von ſol - cher befinden, p. m. 80. ſeqq. (Recht der Beicht-Stuͤhle. ) q122I. Abth. III. Cap. Von der ſolennen Ohren-Beichte,ſchildert / ob gleich dieſelben ſich zur Sache gar nicht geſchi - cket. Darauf aber waͤre nicht Acht gegeben worden / und ſey derjenige vor den Kluͤgſten gehalten worden / der den groͤ - ſten Kram hievon aufſchlagen koͤnnen. Alle Gebraͤuche / ſo bey der Beichte vorkaͤmen / haͤtten ſie vor Apoſtoliſche tra - ditiones verkaufft. Es waͤren viel alte und neue Wunder - wercke ausgeſonnen worden / dadurch ſie behaupten wollen / daß denenjenigen / ſo die Beichte in Ehren gehalten / alles wohl von ſtatten gegangen / die aber nichts darauf gehalten / waͤren ungluͤcklich geweſen. Aus dem Decreto Gratiani haͤtte man verſchiedene Stellen angefuͤhret / und ſolchen ei - nen andern Verſtand nach dem andern angedichtet. Wenn man dieſen Patribus glauben beymeſſen wollen / ſo haͤtte man ſich zugleich uͤberreden muͤſſen / daß die Apoſtel und Biſchoͤf - fe der erſten Kirche alle ihre Zeit auf beichten / und Beich - te anhoͤren gewendet. So klug raiſonniret Sarpius als ein Catholicke / worinnen er viele Proteſtirende uͤbertrifft. Denn ich will unten zeigen / daß ſich verſchiedene Lutheriſche Geiſt - liche alſo vergangen / daß ſie die Beichte aus der Schrifft beweiſen wollen.
Es wird aber nicht undienlich ſeyn / die Verord - nungen / ſo das Tridentiniſche Concilium wegen der Beich - te gemacht / anzufuͤhren. Sie haben dieſelbe als ein hoͤchſt nothwendiges Stuͤcke / die Vergebung der Suͤnden zu erhal - ten / angeſehen / und alſo folgendes verordneta)Verordnung der Trident. Patrum. Can. 4. ſeſſ. 14. Si quis negauerit, ad integram peccatorum remis - ſionem requiri tres actus in pœnitente, quaſi materiam ſacra - menti pœnitentiæ, videlicet, contritionem, confesſionem & ſa - tisfactionem, quæ tres pœnitentiæ partes dicuntur: aut dixerit, duas tantum eſſe pœnitentiæ partes, terrorem ſcilicet incuſſumcon -: Wenn je - mand nicht einraͤumet, daß zu vollkommener Vergebung der Suͤnden zu gelangen, dreyerley Verrichtungen bey einem Buß -ferti -123ſo Innocentius III. eingefuͤhret. fertigen erfordert werden, die gleichſam die Materie des Sa - craments der Buſſe ſind, nehmlich, die Zerknirſchung, die Beichte, und die Genugthuung, welche die drey Stuͤcke der Buſſe genennet werden: Oder wenn einer ſaget, es waͤren nur zwey Stuͤcke der Buſſe, nehmlich der Schrecken in dem Gewiſ - ſen, nach erkannter Suͤnde, und der Glaube, den man aus dem Evangelio oder der abſolution bekommt, dadurch einer ſich ein - bildet, die Suͤnden waͤren ihm durch Chriſtum vergeben, der ſey verflucht. Wenn ich mit dieſen Patribus des Concilii haͤtte reden ſollen / ſo wolte ich erinnert haben / denen hei - ligen Kirchen-Vaͤtern mit ihren Lehren nicht ſo grob zu wie - derſprechen. Jch haͤtte ihnen nur einige Stellen aus dem Decreto Gratiani anfuͤhren wollenb)Zum Exempel die Worte Ambroſii von denen Thraͤnen Petri, ſoEinige Stellen aus dem De - creto, ſo der - ſelben entge - gen. wir ſchon im vorhergehenden beygebracht, vid. c. 1. de pœnit. diſt. 1 Was ſie von der Genugthuung vor die Suͤnde ſchwatzen / da haͤt - te ich ihnen die Worte Auguſtini entgegen geſetzt, ſo c. 3. diſt. 3 de pœnit. ſtehen. Worinnen die Buſſe beſtehet, da iſt ebenfalls ein anderer Canon bey Gratiano, der nicht mit dem Tridentini - ſchen Concilio uͤberein trifft, ſondern ſaget, daß derjenige rechte Buſſe thaͤte, der ſeine Suͤnden alſo beweinete, daß er ſolche in das kuͤnfftige nicht mehr thaͤte. vid. c. 9. de pœnit. diſt. 3. / um zu ſehen / wie ſie ſich daruͤbeꝛ gebaͤrden und was ſie dazu ſagen wuͤrden. Allein es wuͤrde ihnen an naͤrriſchen Erklaͤrungen nicht geman - gelt haben.
Von der Beicht aber ſelbſt hat unſer Con -Des Tri - dentiniſchen Concilii cilium alſo geurtheileta)Concil. Trident. ſeſſ 14. c. 6. de pœnit. Si quis dixerit, modum ſecre -Ordnung deſ - ſelben. tum confitendi ſoli ſacerdoti, alienum eſſe ab inſtitutione & man - dato Chriſti, & inuentum eſſe humanum, anathema ſit. b) Die: Wenn jemand ſagte, daß die Artund(a)conſcientiæ, agnito peccato, & fidem conceptam ex evangelio velabſolutione, qua credit quis, ſibi per Chriſtum remiſſa peccata, anathema ſit. q 2124I. Abth. III. Cap. Von der ſolennen Ohren-Beichte,Lehre von der Beichte.und Weiſe, heimlich dem Prieſter allein zu beichten, von Chri - ſti Geboten entfernet, und eine menſchliche Erfindung ſey, der - ſelbe ſey verflucht. Allein wenn dieſes waͤre / wie haͤtte Ne - ctarius dieſe geheime Beichte abſchaffen koͤnnen / wie wir oben gezeiget. Warum haͤtten die Griechen ſolche Beichte nicht auch gehabt und gebrauchtb)Gebrauch der Griechiſchen Kirche.Die Gloſſa meldet ad c. vlt. de pœnit. diſt. 1. und ad c. 1. de pœnit. diſt. 5. daß dieſe Beichte ein Kirchen-Gebrauch ſey, der die Griechen nicht verbunden, daß ſie ſolchen annehmen oder billi - gen muͤſſen.? Jch will vorjetzo nichts von dem oͤffentlichen Bekaͤntniß gedencken / ſo diejenigen / die andere mit ihren Suͤnden geaͤrgert / gethan haben / denn davon will beſonders handeln / in dem Wercke von der Kir - chen-Buſſe. Dieſes aber ſage ich nur / daß dergleichen Be - kaͤntnuͤß / oͤffentliche Beichte und Buſſe nicht darum vor noͤ - thig gehalten worden / daß ſolche etwas zur Vergebung der Suͤnden bey GOtt wuͤrckte; ſondern daß ſolche allein in An - ſehung der Gemeinde geſchehen ſey.
Von der Beichte aller und jeder Suͤnden hat gedachtes Concilium dieſen Schluß gemachta)Ordnung des Tridentin. Concilii. Can. 8. ſeſſ. 14. de pœnit. Si quis dixerit, confesſionem omnium pec - catorum eſſe imposſibilem, aut ad eam non teneri omnes & ſingu - los vtriusque ſexus Chriſti fideles, anathema ſit. b) C. : Wenn jemand ſaget, daß die Beichte aller und jeder Suͤnden ohnmoͤglich, oder daß alle und jede Chriſten beyder - ley Geſchlechts zu ſolcher nicht verbunden waͤren, der ſey verflucht. Jch will vorjetzo nicht dieſes gedencken / daß wir viele Suͤnden unwiſſend begehen / und alſo dasjenige was mir unbewuſt / inſonderheit nicht kan gebeichtet werden. Deñ mit Vernunft-Schluͤſſen richtet man bey denen wenig - ſten Leuten was aus. Wenn aber alle und jede Menſchen zur Beichte und Bekennung aller Suͤnden verbunden / war -um125ſo Innocentius III. eingefuͤhret. rum hat denn Chryſoſtomus geſagtb)C. Lachrymæ de pœn. diſt. 1. Lachrymæ lauant delictum, quod pu -Lehre Chry - ſoſtomi. dor eſt confiteri. : Die Thraͤnen wa - ſchen die Suͤnde ab, welche man zu bekennen ſich ſcheuet. Jch uͤbergehe andere canones aus denen Patribus die in dem De - creto Gratiani ſtehen / in welchen gantz deutlich enthalten / daß man die Suͤnde nur GOtt zu beichten noͤthig habe.
Die Lehre des Tridentiniſchen Concilii vonVon der abſolution. der abſolution iſt dieſea)Seſſ. 14. can. 9. Si quis dixerit, abſolutionem ſacramentalem ſacer -Ordnung des Tridentin. Concilii. dotis non eſſe actum judicialem, ſed nudum miniſterium pronun - tiandi & declarandi; remiſſa eſſe peccata confitenti, modo tan - tum credat, ſe eſſe abſolutum, anathema ſit. : Wenn jemand ſaget, daß die Sa - cramentirliche abſolution des Prieſters keine Gerichtliche Hand - lung iſt, ſondern ein bloſſer Dienſt, auszuſprechen und zu decla - rir en, die Suͤnden waͤren dem Beichtenden erlaſſen, wenn ſol - cher nur glaubte, daß er abſolviret, der ſey verflucht. Ambro - ſius iſt dieſer Lehre gantz und gar zuwieder / da er ſaget: Das Wort GOttes vergiebet die Suͤnden, der Prieſter iſt ein Richter, der zwar ſein Amt dargiebet, aber keine Rechte einiger - ley Gewalt ausuͤbetb)C. verbum de pœnit. diſt. 1. Verbum Dei dimittit peccata, ſacerdosLehre Ambro - ſii. eſt judex, qui quidem ſuum officium exhibęt, at nullius poteſtatis jura exercet. . Das Wort Richter erklaͤret die Glos - ſa gantz wohl durch das Wort Diener / und kan auch kei - ne andere Erklaͤrung ſtatt finden.
Endlich muß ich die Lehre dieſes Concilii nochLehre von der Erlaſ - ſung der Schuld u. Straffe. erwehnen / da ſolches dafuͤr gehalten / wenn gleich die Schuld oder die Suͤnde erlaſſen waͤre / ſo fiele doch darum die Straf - fe nicht weg. Man muͤſte alſo nothwendig dafuͤr ein Ge - nuͤgen leiſten. Die Worte lauten ſoa)Seſſ. 14. c. 12. Si quis dixerit, totam pœnam ſimul cum culpa re -Ordnung des Tridentin. Concilii. mitti ſemper a Deo, ſatisfactionemque pœnitentium non eſſe a -liam: Wenn jemand ſa -get,q 3126I. Abth. III. Cap. Von der ſolennen Ohren-Beichte,get, daß alle Straffe allezeit mit der Schuld oder Suͤnde von GOtt erlaſſen wuͤrde, und die Bußfertigen brauchten keine andere Genugthuung als den Glauben, damit ſie Chriſtum, der vor ſie genug, gethan, ergreiffen, der ſey verflucht. Au - guſtinus der in groſſem Anſehen iſt / hat gantz anders geleh - ret. Er meinet / wie es auch an dem iſt / es ſey keine wahre Buſſe da / wenn wir nicht Reu und Leid uͤber alle Suͤnden ha - ben. Die ſich aber alle Suͤnden recht leid ſeyn lieſſen / denen vergaͤbe GOtt auch alles. Seine Worte hat Gratianus ex - cerpiret, aus welchem ich ſolche herſetzeb)Lehre Augu - ſtini. C. ſunt plures. de pœnit. diſt. 30. Sunt plures, quos peccaſſe pœnitet, ſed non omnino, reſeruantes ſibi quædam, in quibus delectentur, non animaduertentes, Deum ſimul mutum & ſurdum a dæmonio li - beraſſe: per hoc docet nos, nunquam niſi de omnibus ſanari. Si enim vellet peccata ex parte reſervari, habenti ſeptem dæmonia potuit proficere, ſex expulſis. Expulit autem ſeptem, vt omnia erimina ſcilicet ejicienda doceret. Legionem autem ab alio eji - ciens, nullum reliquit de omnibus, qui liberatum poſſiderent: oſtendens, quod ſi etiam peccata ſint mille, oporteret omnium pœnitere. Laudatus enim eſt dominus, quod ejecto dæmonio locutus eſt mutus. Nunquam aliquem ſanauit, quem omnino non liberauit. Totum enim hominem ſanauit in Sabbatho, quia & corpus ab infirmitate, & animam ab omni contagione libera - uit indicans, pœnitentes oportere ſcilicet dolere de omni cri - mine, orto in anima & in corpore. a) Er: Es ſind ihrer viele, denen es leid iſt, daß ſie geſuͤndiget, aber nicht vollkoͤm - lich, indem ſie ſich einiges vorbehalten, daran ſie ſich vergnuͤ - gen, und mercken nicht daß GOtt den Stummen und Tau - ben zugleich von dem Teuffel befreyet. Durch dieſes lehret er uns, man wuͤrde niemahls geheilet, wenn es nicht von allen geſchehe. Denn wenn er die Suͤnden eines theils zuruͤck be - halten wolte, ſo haͤtte er demjenigen, ſo ſieben Teuffel gehabt,nur(a)liam, quam fidem, qua apprehendunt Chriſtum pro eis ſatisfe - ciſſe, anathema ſit. 127ſo Innocentius III. eingefuͤhret. nur ſechſe austreiben koͤnnen. Er triebe aber ſieben aus, zur Lehre, daß man alle Suͤnden ausjagen muͤſte. Da er von ei - nem andern eine Legion austriebe, lieſſe er keinen von allen zuruͤck, welche den befreyeten beſaſſen: Zu zeigen, daß wenn auch tauſend Suͤnden waͤren, ſo muͤſte man wegen aller Reu und Leid haben. Denn der Herr wurde gelobet, da nach Aus - treibung des Teuffels der Stumme geredet. Er hat niemahls einen geheilet, den er nicht voͤllig befreyet. Denn er hat den gantzen Menſchen am Sabbath geheilet, da er den Leib von der Schwachheit und die Seele von aller Unreinigkeit befrey - et: anzuzeigen, die Bußfertigen muͤſten Reu und Leid uͤber alle Laſter haben, welche ſo wohl in der Seele als in dem Leib entſtanden. Hiemit will Auguſtinus zeigen / daß GOtt entweder alles / oder gar nichts erlaſſe und vergebe / wenn die Schuld erlaſſen / fiele die Straffe auch weg. Allein das Tridentiniſche Concilium gedachte / es moͤchte das Fegefeuer und folgbar auch die geiſtlichen Einkuͤnffte dahin fallen / wenn man Auguſtino beypflichten wolte.
Man ſiehet alſo / daß die TridentiniſchenEinige ſind mit denen Patribus Tridentinis nicht durch - gehends zu frieden. Patres ihr moͤglichſtes gethan die Nothwendigkeit der Beich - te und der Genugthuung vor die Suͤnde recht feſte zuſetzen / weßwegen ſie auch mit ſo vielen Fluͤchen loßgeblitzet. Al - lein mit allem dem haben ſie doch nicht verhindern koͤnnen / daß nicht einige an ihrem Vorgeben gezweiffelt / wie deñ dem Michael Medina nicht alles / was ſie behauptet / in den Kopf gewolta)Er zweiffelt an einigem Vorgeben dieſes Concilii. Denn tract. 2. deZum Exempel Medina confeſſ. q. 4. ſchreibet er, daß die Lehre, man koͤnne ohne Beichte mit dem Munde Bergebung der Suͤnden, erhalten, in genauem Verſtande keine Ketzerey waͤre, es ſchmeckte nur nach einer Ke - tzerey. Jch glaube, daß Medina ſeines Hertzens Grund wegen der inquiſition nicht deutlicher entdecket. b) Es. Ja Maldonatus, der ſonſt ſein moͤglichſtes thut / die Beichte zu behaupten / ſcheinet dennoch zu glauben / dieKirche128I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Kirche habe noch nicht deutlich ausgemacht / ob die Beichte in Goͤttlichen Rechten geboten / und ohnumgaͤnglich noͤthig ſeyb)Es redet Maldonatus gar zweiffelhafft hievon. diſp. de ſacram. T. 2. de confeſſ. præc. 3. Denn da er darauf kommt, daß die Beichte vielleicht nur nach denen Kirchen-Rechten eingefuͤhret, ſaget er, wie dieſe Meinung entweder bereits zur Gnuͤge als eine Ketzerey erklaͤret worden, oder die Kirche thaͤte doch wohl, wenn ſolche noch dieſe Lehre zur Ketzerey machte. Sed tamen hæc opinio aut jam de - clarata eſt ſatis tanquam hæreſis ab eccleſia, aut faceret eccleſia ope - ræ pretium, ſi declararet, eſſe hæreſin. Mehr durfte Maldonatus nicht ſagen, indem er in andern Stellen die Beichte vertheydiget. Es iſt auch denen Geiſtlichen in dem Papſtthum gar viel an der Beich - te gelegen. Waͤre dieſe nicht mehr, ſo fiele auch eine gar groſſe Stuͤtze von ihrer Macht und Anſehen dahin. Denn es iſt denen Klugen bekannt, daß die meiſten Lehren in dem Papſtthum aus politiſchen Abſichten verfochten werden.? Allein dieſe ſcrupel waren noch lange nicht ſo kraͤf - tig / das einmahl aufgebuͤrdete Joch wiederum abzuwerf - fen. Denn wenn einige die Beichte nicht verrichten / ſol - che voͤllig beſtreiten und verwerffen wollen / ſo ſind Fluͤche / Schwerdter / Feuer und andere greuliche Mittel vorhan - den / dadurch ſie in dem blinden Gehorſam erhalten werden / oder man rottet ſolche gaͤntzlich von der Welt oder der Chriſtenheit aus.
JCh habe alſo den Anfang und Fortgang der Beich - te / ſo denen Prieſtern geſchiehet / auf das kuͤrtzeſte entworffen. Jch habe gezeiget / daß die rechteBeichte /129bey denen Proteſtirenden. Beichte / wie ſie anjetzo ausſiehet / erſt in dem XIII. Seculo aufgekommen. Unter denen Catholicken wird alſo dieſel - be darum beybehalten / weil der Roͤmiſche Papſt / der nicht irren kan / dieſelbe aufgebracht / und die Concilia ſolche be - ſtaͤttiget. Dieſes aber nahme mich wunder / daß bey der Reformation ſolche in unſern Kirchen nicht ausgemertzet worden. Denn da dieſelbe weder in goͤttlicher Schrifft an - geordnet und befohlen / noch auch in der erſten Chriſtlichen Kirche geweſen / ſondern in dem groͤbſten Papſtthum erſt aufgebracht iſt / ſo dachte ich / haͤtten die Reformatores ſol - che billig bey der Reformation ausmuſtern ſollen. Sie ſchafften ja verſchiedene aberglaͤubiſche Gebraͤuche ab / und alſo haͤtten ſie auf die Beichte auch ihre Sorgfalt wenden moͤgen. Allein da ich der Sache weiter nachdachte / befan - de ich / daß man denen Reformatoribus dieſes nicht vor uͤbel halten duͤrffte. Jch erwoge / daß ſie ſo viel Sauerteig vor ſich gehabt / den ſie ohnmoͤglich auf einmahl ausfegen koͤn - nen. Es bliebe alſo ein ziemlicher Hauffen aberglaͤubiſcher Dinge unberuͤhret / und iſt biß auf dieſe Zeit noch nicht an alles gedacht worden / was einer Aenderung beduͤrfftea)Zur Zeit der Reformation ware in der Kirche ein ſo erbaͤrmlicherEinige Urſa - chen der Uber - bleibſel von dem Papſt - thum. Zuſtand, daß man ohnmoͤglich die Jrrthuͤmer auf einmahl einſe - hen kunte. Dahero kame es, daß viele Dinge, ſo einer Aenderung allerdings beduͤrfftig, beybehalten worden. Viele Paͤpſtliche Ceremonien hatten einen Schein einer beſondern Andacht, da ſol - che doch in der That aberglaͤubiſch waren. Die Reformatores waren nicht von ſolcher penetration, daß ſie in alle Geheimnuͤſſe und politiſche Abſichten des Papſtthums auf einmahl einſehen koͤnnen. Die rechte und unverfaͤlſchte Philoſophie fienge damahls an, das Haupt nur ein klein wenig wiederum empor zu heben. Sie. Denn man haͤlt noch immer dafuͤr / man duͤrffte nicht wei - ter gehen / als die Vorfahren gegangen.
§. II. (Recht der Beicht-Stuͤhle. ) r130I Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Zwar weiß ich mehr als zu wohl / daß die Beich - te / welche bey uns gebraͤuchlich / von der Paͤpſtler ihrer in verſchiedenen Stuͤcken unterſchieden iſt. Allein damit iſt noch nicht alles gehoben. So viel zeiget ſich zwar / daß unſer Joch noch etwas ertraͤglicher ſeya)Wie die Beich - te der Proteſti - renden beſchaf - fen.Unſere Beichte iſt alſo beſchaffen, daß man durch ein generales Bekaͤnntnuͤß der Suͤnde und Anzeigung der Reue die abſolution von dem Beicht-Vater verlanget. vid. Chemnitius in exam. Con - cil. Trident. P. II. de confeſſ. Allein ich dencke, die Beichte bleibet doch ein Papiſtiſcher fond, man mag dazu oder davon thun, was man will. b) Vid. . Denn da verlangen die Proteſtanten keinesweges / daß man in dem Beichtſtuhl al - le Suͤnden / welche einem nur einfallen / nebſt denen Umſtaͤn - den / ſo dabey vorgefallen / herbeten muͤſſe. Denn nach de - nen Lehrſaͤtzen der Papiſten / iſt es nicht genug / daß man ſaget: wie viele Suͤnden und unter ſolchen auch Tod-Suͤn - den begangen worden. Sie laſſen ſich damit nicht begnuͤ - gen / daß man eine gewiſſe Zahl begangener Suͤnden nen - ne / ſondern ſie wollen die genera und ſpecies von ſolchengebeich -(a)Sie ware noch lange nicht ſo ausgezieret, wie ſie anietzo iſt. Die Hiſtorie und abſonderlich die Kirchen-Geſchichten fienge man wieder an, unter der Banck herfuͤr zu ſuchen. Es ware ſolche mit vielen Fabeln ſchrecklich verhuntzet. Nach dieſem Winckelmaß kunte man alſo dazumahl die Sachen nicht abmeſſen. Dahero iſt es auch freylich gekommen, daß man viele Ceremonien und an - dere Dinge unberuͤhret gelaſſen, deren rechten Urſprung und Nichtswuͤrdigkeit uns die Kirchen-Geſchichten anjetzo darſtellen. Man koͤnte einen ziemlichen Tractat von ſolchen Sachen verferti - gen, die als Uberbleibſel des politiſchen Papſtthums noch unter uns vertheydiget werden. Allein wer will ſich daran wagen? Man wuͤrde in ein Weſpen-Neſt ſtoͤhren, und dadurch ſich viel Verdruß auf den Halß ziehen.131bey denen Proteſtirenden. gebeichtet wiſſenb)Vid. Maldonatus Tom. II. diſp. de pœnit. cap. 10. pag. 51. ſq. Wenn manMaldonati Meinung von Herzehlung der Suͤnden. aber ein genus der Suͤnde erzehlet, ſo iſt es nicht noͤthig, alle an - dere von ſolcher Art zu melden, ſondern es iſt genug, mit einem Wort zu ſagen, man haͤtte unzehlige von dergleichen Suͤnden be - gangen. Er meinet alſo, wenn man ſeine Tod-Suͤnden nicht zu - ſammen rechnen koͤnte, die man von einer gewiſſen Art der Suͤn - de begangen, ſo thaͤte man doch dadurch eine rechte Beichte, wenn man ſagte, wie lange man in ſolchen Suͤnden verharret. Itaque qui non poſſit inire numerum peccatorum mortalium, quæ feciſſet, in aliquo genere, ſatisfaceret, ſi exponeret, conſuetu - dinem & tempus, quo durauit in illo. . Ja ſie ſind nicht einmahl auf ſolche Weiſe vergnuͤgt / ſondern meinen / daß es zuweilen hoͤchſt noͤ - thig ſey / alle Umſtaͤnde / ſo bey einer Suͤnde vorgefallen / mit zu entdeckenc)Der angefuͤhrte Maldonatus hat wegen der Umſtaͤnde gewiſſe Re -Seine Mel - nung von der Beichte der Umſtaͤnde. guln gemacht, cit. l. pag. 53. ſeq. die da hinaus lauffen, daß bey einer Tod-Suͤnde, wenn der Umſtand, ſo dabey vorgefallen, alſo be - ſchaffen, daß derſelbe die Suͤnde geringer machte, und in eine andere Geſtalt braͤchte, man auch ſolchen zu beichten gehalten waͤre. Die Beichte ſey auch weit vollkommener, wenn man die Um - ſtaͤnde entdeckte, ſo die Suͤnde verringerten, ob ſolche ſchon die Geſtalt davon nicht veraͤnderten. Diejenigen Umſtaͤnde aber, welche eine Suͤnde vermehrten, und die ſpeciem aͤnderten, muͤſte man vermoͤge des goͤttlichen Rechts in der Beichte ausdrucken. Eben dergleichen waͤre von dieſen Umſtaͤnden zu ſagen, welche zwar die Suͤnde nicht veraͤnderten, aber dennoch ſolche ver - mehrten. Wer mehr davon wiſſen will, ſchlage Maldonatum und andere Papiſtiſche Scribenten ſelbſt nach. Vorjetzo duͤncket mich, genug hievon angefuͤhrt zu haben.. Weil nun der gleichen der geſunden Ver - nunfft gaͤntzlich zuwieder / ja nach GOttes Wort etwas ohn - moͤgliches iſt / ſo haben es die Reformatores gleich Anfangs verworffen / und nachmahls auch deutlich wiederleget / de - nen andere ferner gefolgetd)Jch kan nicht laͤugnen, daß unſere Theologi wieder dieſe Paͤpſt -Lob Chemni - tii. liche.
§. III. r 2132I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Die unſrigen verwerffen auch die vekannte pa - piſtiſche Genugthuung vor die Suͤnde. Man umſchreibet aber dieſelbe / daß ſie ſey: Eine Compenſation vor das geſchehe - ne Unrechta)Was die Ge - nugthuung ſeyn ſoll.Satisfactio eſt quædam in juriæ illatæ compenſatio. Lancellottus Lib. II. Tit. V. §. 12. Inſt. jur. can. Maldonatus cit. l. p. 78. ſaget die Genug - thuung, wenn man ſolche uͤberhaupt umſchreiben wolte, waͤre nichts anders, als eine Handlung der Juſtitiæ commutatiuæ, dadurch dieſe beleidigte Gerechtigkeit wiederum hergeſtellet wuͤrde. Sa - tisfactio, ſi generaliter definiatur, nihil aliud eſt, quam actio quædam juſtitiæ commutatiuæ, qua juſtitia commutatiua, quæ violata fuerat quaſi reſarcitur & redintegratur. Dieſes will er nachmahls durch verſchiedene Exempel beweiſen.. Niemand koͤnnte die Vergebung der Suͤn - den erhalten / wenn man nicht eine Straffe litte / ob ſchon dieſelbe dem Verbrechen nicht gleich kaͤme. Allein was iſt dieſes vor eine Compenſation, da man weniger gibt / als man ſchuldig iſt? Es iſt alſo keine Genugthuung da / wenn man zu wenig bezahlet. Ziegler hat recht geurtheilet / da er ge - ſprochenb)Man bedarff wegen der Suͤndẽ keiner.In not. ad Lancell. Lib. II. not. 175. edit. Thomaſii. Falſum eſt, quod culpa non aliter remittatur homini peccatori, quam ſi is pœnamquoque: Es iſt falſch, wenn man vorgiebt, daß die Schuld einem Suͤnder nicht erlaſſen wuͤrde, es waͤre denn, daß er aucheine(d)liche Art zu beichten, ſolche Gruͤnde herfuͤr gebracht, daß man nichts dawider einwenden kan. Jch beruffe mich anjetzo nur auf den eintzigen Chemnitium, der in ſeinem examine Concilii Tri -Meinung der unſrigen von Erzehlung der Suͤnden. dentini die Sache alſo abgehandelt, daß die Papiſten nichts dar - wieder zu Marckte bringen koͤnnen, ſo den Stich haͤlt. Unſere Geiſtlichkeit verbietet niemand die beſondere Erzehlung der Suͤnden in der Beicht, allein ſie geben doch ſolche vor kein noth - wendiges Stuͤcke aus. Die ſo Luſt haben ihre Suͤnden herzu - zehlen, denen gehen ſie mit Rath an die Hand, und reichen Mit - tel zur Geneſung von ſeiner Kranckheit dar. Dieſes iſt zwar gantz gut, doch duͤncket mich man koͤnne dazu auch ohne ſolche Beichte gelangen. Dieſes ſage ich aber nur ὥς ἐν παρόδω.133bey denen Proteſtirenden. eine Straffe ausgeſtanden. Denn weil Chriſto unſere Suͤn - den zugerechnet worden, daß ſein gantzes Verdienſt vor uns buͤſſete, ſo folget, daß niemand wegen der Suͤnde etwas leiden darff, welchem die Gerechtigkeit Chriſti zugerechnet wird. Allein die Papiſten ſagen / GOtt muͤſte man mit Allmoſen / Beten / Faſten und dergleichen genugthunc)Vid. Maldonatus cit. l. pag. 96. ſeq. Er ſaget auch, man koͤnne GOttWas bey denen Patribus die Genugthuung heiſt. auf keine andere Art, als durch aͤuſerliche Genugthuung ausſoͤh - nen. cit. l. pag. 8. add. c. 42. diſt. 1. de pœnit. Es beruffet ſich Mal - donatus ferner auf die Lehren der Kirchen-Vaͤter, bey welchen ich dieſes wenige erinnere. Die alten Vaͤter haben die Beichte, Abbit - te und Beſſerung ſelbſten eine Genugthuung genennet. Alſo ſtim - men ſolche mit Maldonati Lehre im geringſten nicht uͤberein. Geſetzt aber, daß ſie mit ihm einerley Meinung geheget, ſo weiß man ja heute zu Tage, daß die Vaͤter in denen allerwichtigſten puncten offtmahls gar zuwieder lauffende Meinungen haben. vid. Dal - læus de vſu Patrum Lib. II. cap. 4. pag. 295. Ja es iſt faſt keine Mei - nung ſo abgeſchmackt, welche nicht einen Patrem finden ſolte, der ſolche zum wenigſten einiger maſſen geheget, und beſchoͤniget.. Dieſe papi - ſtiſche Lehr-Saͤtze haben die Proteſtirenden verworffen / und bey ihrer Beichte keine Genugthuung verlangetd)Vid. Chemnitius cit. l. Denn ich halte dafuͤr, wenn noch jetzoZweiffel wieder die Genugthu - ung vor die Suͤnde. vor unſere Suͤnde eine Genugthuung von noͤthen waͤre, ſo wuͤr - den wir auch annoch Feinde GOttes ſeyn; Chriſti Genugthu - ung muͤſte man uns nicht zugerechnet haben. Jndem wir aber durch Chriſti Genugthuung gerecht worden, ſo duͤrffen wir keine Straffen ausſtehen, wenn wir uns mit GOtt verſoͤhnen wollen. Man erwaͤge auch nur, wie ſich dieſes reimet: Die Kirche hat Macht und Gewalt, die Straffen zu vermindern und zu vermeh -ren,.
§. IV.(b)quoque luerit. Quia enim Chriſto imputatum eſt peccatum no - ſtrum, vt omne illius meritum pro nobis lueret, ſequitur pec - catum nulli, cui juſtitia Chriſti imputatur, quoad vllam pœnam eſſe luendum. Jn der vorhergehenden not. 175. hat Ziegler auch auf einige Einwuͤrffe der Papiſten geantwortet.
r 3134I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Die Beichte aber haben ſie aus verſchiedenen Urſa - chen beybehalten. So viel erkenneten ſie zwar / daß ſolche in GOttes Wort nirgends gebothen; allein ſie hielten doch da - fuͤr / daß man Spuren davon in der Schrifft faͤnde. Sie ſag - ten / die Beichte ſey implicite daſelbſt anzutreffena)Urſache des Ge - brauchs der Beichte.Sie meinen, man duͤrffte die Beichte nicht unterlaſſen wegen der troͤſtlichen abſolution. Aus dieſer Urſache waͤre dieſelbe hoͤchſt noͤthig. Man erlernete dadurch die hohe und heilſame Ge - walt der Schluͤſſel. Durch deren Huͤlffe wuͤrde denen Gewiſ - ſen oͤffters Rath und Huͤlffe geſchafft. Jch laſſe ſolches vorjetzo dahin geſtellet ſeyn. Einige aber koͤnnen dieſe herrlichen Fruͤchte, ſo die Beichte tragen ſoll, nicht erkennen. Andere meinen, es duͤrf - ten viele ſeyn, welche dergleichen Huͤlffe weder verlangten noch noͤthig haͤtten, u. ſ. w.. Sie beruffen ſich zu dem Ende auf verſchiedene Schrifftſtellen. Von vielen unter denen Proteſtirenden ſiehet man / daß ſie es wie die Tridentiniſchen Patres machen / und alles hieher ziehen / wo das Wort Beichte oder Bekaͤntniß, oder das Verbum, beichten oder bekennen vorkommt. Sie beruffen ſich auf Exempel / daß allerdings einige Perſonen gebeichtet, und meinen damit vollkommen gewonnen zu haben. Al - le tragen ſich faſt mit dem Exempel Davids. Man will die Leute bereden / David habe nicht allein vor Nathan nie - dergekniet / ſondern auch ſeine Suͤnden gebeichtet, und ſey von ihm abſolviret wordenb)Ob Nathan Davids Hoff - Prediger ge - weſen.II. Sam. XII. Jch kenne einige Prieſter, die ſich und andere be - reden, Nathan ſey Davids Hoffprediger geweſen. Allein michwun -. Accurat nach dem heutigenGebrauch.(d)ren, vid. Albaſpinæus Lib. II. obſ. 3. Wenn dieſes wahr iſt, wie es denn die Catholicken vor wahr halten, ſo folget, daß die Kirche Gewalt haͤtte, GOtt ſelbſt Geſetze vorzuſchreiben, denn auf dieſe Weiſe muͤſte er diejenige Genugthuung, ſo die Kirche befohlen, gut heiſſen, und nachdem es derſelben beliebte, den Menſchen ſo geſuͤn - diget, wiederum zu Gnaden auf und annehmen.135bey denen Proteſtirenden. Gebrauch. Sie dencken alſo / daß hier die Beichte / ſo die Pro - teſtirende haͤtten / vollkommen abgeſchildert ſey. Jch mei - ne aber / daß derjenige Luchs-Augen haben muͤſſe / der nur ein klein wenig von der heutigen Beichte erkennen willc)Denn David kame ja 1) keinesweges zu Nathan in den Tempel,Unterſcheid un - ter Davids und der heuti - gen Beichte und abſolution. oder lieſſe ihn zu ſich fordern, ſondern der Prophet ſtellete ſich wegen unmittelbahren goͤttlichen Befehls bey ihm ein. 2) Hat ja der Koͤ - nig weder eine allgemeine noch beſondere Beicht-Formul hergebe - tet und von Nathan die abſolution verlanget. David ſagte auf dasjenige, ſo Nathan ihm im Nahmen des HErrn verkuͤndiget: Jch habe geſuͤndiget wieder den HErrn. 3) Nathan verſetzte aufſol -. Noch(b)wundert, daß ſie ihm nicht noch eine hoͤhere Charge beylegen. Sie ſolten ihn nach heutigem Gebrauch, zum General-Superin - tendenten, Ober-Kirchen-Rath, und Ober-Hoffprediger ma - chen. Jch daͤchte / Nathan haͤtte ſolche Qualitaͤten gehabt, daß er einen ſolchen Dienſt gar wohl verdienet. Warum man ihn ſol - che nicht will zukommen laſſen, kan ich gewißlich nicht begreiffen. Denn wenn es einmahl angehet, den alten Zuſtand nach dem heu - tigen zu beurtheilen und ab zumeſſen, ſo muß man gewißlich den Nathan zu ſolchem Ehren-Amt erheben. Jedoch ich meines Orts finde nirgends geſchrieben, daß Nathan zu gewiſſer Zeit auf Koͤ - niglichen Befehl geprediget. Jch habe nichts geleſen, daß er nach heutiger Art auf der Cantzel geſtanden und die Schrifft kunſtmaͤſ - ſig ausgeleget. So viel iſt mir bekannt, daß er ein Prophet ge - weſen. Die Propheten entdeckten denen Leuten den goͤttlichen Befehl. Hierzu hatten ſie beſondere inſtruction, und hierinn beſtunde ihr Amt. Die ordentliche Erklaͤrung des Geſetzes uͤber - lieſſen ſie denen Juͤdiſchen Lehrern und Schrifftgelehrten. Aus dieſen, duͤncket mich, erhelle zur Genuͤge, wie abgeſchmackt diejeni - gen urtheilen, welche an ſtatt eines auſſerordentlichen Dienſtes dem Nathan ein ordentliches Amt zueignen wollen. Sie ver - gehen ſich nicht wenig, da ſie aus einem unmittelbahren Diener GOttes einen Koͤniglichen Bedienten machen. Das allerwun - derlichſte iſt vollends dieſes, daß ſie dem guten Nathan ein Amt zueignen, daran man dazumahl gantz und gar nicht gedacht.136I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Noch unfoͤrmlicher kommt es heraus / wenn man dasjeni - ge auf die heutige Beichte ziehen will / was Nehemias von dem Juͤdiſchen Volckd)Die heutige Beichte kan man aus Nehe - mia nicht er - weiſen.Nehem. IX. Jch finde in dieſer Stelle nichts anders, als daß das Volck, da man ihm das goͤttliche Geſetze vorgeleſen, wegen ſeiner Suͤnden Leid getragen, und zu weinen angefangen. Die Leviten rufften zu GOtt und baten, er moͤchte ihnen doch von neuen gnaͤdig ſeyn. Dieſes Gebet der Leviten will Chemnitius cit. l. zur abſo - lution machen. Jch habe ſonſt allen reſpect vor die Aſche die - ſes Theologi, allein ich kan doch nicht umhin, zu ſagen, daß ſolche Erklaͤrung gezwungen heraus kommt. Sie iſt auch darum nicht richtig, weil aus derſelben folget, daß ein jeder, der vor den andern zu GOtt bittet, denſelben durch das Gebet abſoluirte. Man haͤt - te ein ſolches Exempel anfuͤhren ſollen, da das Volck vor die Prie - ſter gekommen, ihnen ſeine Suͤnden gebeichtet, die abſolution ver - langet, und nachmahls auch an GOttes ſtatt von ihnen abſol - uiret worden. / und der Evangeliſt Lucas von einer gewiſſen Suͤnderin aufgezeichnete)Noch aus Chriſti Hand - lung.Luc. VII, 37. ſeq. Allein dieſe abſolution iſt ja von keinem Men - ſchen, ſondern von dem GOtt-Menſchen, Chriſto JEſu geſprochen worden. Dieſer hatte alle Gewalt im Himmel und auf Erden, und abſonderlich auch die Gewalt Suͤnde zu vergeben. Uber dieſes ſo hat ja die Suͤnderin keine Beichte abgeleget. Sie zeig - te ihr zerknirſchtes Hertz bloß durch Minen. u. ſ. w. Alſo iſt es wunderlich, wenn man aus dieſer Schrifft-Stelle unſern heu - tigen Beicht-Stuhl erweiſen will. a) Cal -. Nichts deſtowe - niger ſo vergehen ſich groſſe und beruͤhmte Leute alſo / daß ſie auf dieſe Exempel verfallen / wenn ſie unſere heutige Art zu beichten aus der goͤttlichen Schrifft herholen und be - weiſen wollen.
§. V.(c)ſolches keinesweges: Auf dieſe deine Beichte vergebe ich dir die Suͤnde krafft meines heiligen Amtes, als dein Hoffprediger, ſondern er ſprach dieſe Wort: So hat der HErr auch deine Suͤnde weggenommen, du wirſt nicht ſterben.
Andere laſſen ſich traͤumen / unſere heutige Beich -Ob die Beichte in denen Mo - ſaiſchen Ge - ſetzen abge - bildet. te ſey bereits in denen Moſaiſchen Geſetzen abgeſchildert wor - den. Dieſes zu beweiſen / beruffen ſie ſich auf die Soͤhnopfer, und ſchluͤſſen daraus / man muͤſte bereits in dem alten Te - ſtament denen Prieſtern gebeichtet / und die Vergebung der Suͤnden von ihnen erhalten haben. Wo ich nicht irre / ſo iſt der gelehrte Calvœr in dieſer Meinung. Wir wollen ſeine eigene Worte hoͤren. Der Apoſtel, ſaget era)Calvœr in ritual. eccleſ. Part. I. Lib. II. Sect. I. cap. 4. Non enimCalvoers Meinung. Apoſtolus ſolummodo probare ante communionem myſteriorum nos docuit, ſed & jam olim in antiquo fœdere ſacerdotes ac Le - uitæ, vbi Paſcha agebatur, erubuerunt, (Luth. ſie bekannten ihre Schande. ) & ſanctificati obtulerunt holocauſta in domo Domini. Et ſic quoque ad diem expiationum judæi. Quoniam enim is eſt dies remiſſionis & expiationis peccatorum, ideo ajunt neces - ſe eſſe, vt eo quisque peccatorum ſuorum confeſſionem edat, ſicut in V. T. de omnibus oblationibus, quæ pro peccato - rum expiatione fiebant, legitur, & confitebantur peccata ſua, quæ fecerunt. &c. Sicut etiam ſacerdos ſummus in die expiationum, pro ſe & pro toto Iſraele confeſſus, veluti dicitur: Et expiatio - nem faciet pro ſe & pro domo ſua & pro vniuerſo cœtu Iſrael, cujus ſenſus eſt, quod confeſſus fuerit primo peccatum ſuum, de - inde peccatum Iſraelis. b) Cit. / hat nicht alleine gelehret, daß wir uns vor Genieſſung des Abend - mahls pruͤffen ſolten, ſondern auch in dem alten Teſtament ha - ben ſich die Prieſter und Leviten, da man das Paſcha gehal - ten, geſchaͤmet. (Luther. ſie bekanten ihre Schande.) Und da ſie ſich geheiliget, haben ſie in dem Hauſe des Herrn Opfer gebracht. Und ſo machen es auch die Juͤden an dem Suͤhn - Tag. Denn weil dieſes der Tag der Vergebung und Auſſuͤh - nung vor die Suͤnde iſt, ſo ſagen ſie, ſey es noͤthig, daß daran ein jeder ſeine Suͤnden bekenne, wie in dem alten Teſtament von allen Opfern, die vor die Auſſuͤhnung der Suͤnden geſchahen, ge - leſen wird: Und ſie bekannten ihre Suͤnde, die ſie gethan ꝛc. Wie denn auch der Hohe-Prieſter am Tage der Verſuͤhnungvor(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) ſ138I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,vor ſich und vor das Volck Jſrael gebeichtet, wie es denn heiſ - ſet: Und er ſoll eine Auſſuͤhnung thun vor ſich und vor ſein Haus, und vor das gantze Jſrael, welches dieſen Verſtand hat, daß er erſtlich ſeine Suͤnden, hernach des Volcks Jſraels Suͤn - den bekennet. Hier duͤncket mich ſey ein gar groſſer Unter - ſcheid unter der damahligen ſo genannten Beichte / und un - ſern heutigen Beicht-Stuͤhlen anzutreffen. Calvœr brin - get das Zeugnuͤß Maimonidis bey / und faͤhret ſo dann fer - ner fort: Die Theologi pflegen hieraus zu ſchlieſſen, daß man bereits im alten Teſtament denen Prieſtern gebeichtet, vornehmlich aber bey denen Suͤhn-Opfern. Sie ziehen auch dasjenige hieher, was David gegen den Nathan und die Juden vor Johanne gethanb)Deſſen aber - mahlige Wor - te.Cit. l. Colligere inde ſolent Theologi, etiam ſub Veteri fœdere, confeſſionem ſacerdotibus, inprimis ad ſacrificia propitiatoria fa - ctam, quo & trahunt illud, quod David transegit coram Nathane, & ludæi coram Iohanne: conf. Idem cit. l. cap. 10. Von dem Ex - empel Davids habe bereits meine Meinung p. 134. entdecket, und von Iohanne werde bald ausfuͤhrlich reden.. Jch finde aber bey dieſen Juͤ - diſchen ceremonien nichts / das unſerer heutigen Beichte zur defenſion dienete. Dieſe Opfer wurden aus beſonderm goͤttlichen Befehl verrichtet / hatten ein gantz anderes Vor - bild in ſich / oder gehoͤrten nur zu denen ceremonien Denn der gelehrte Spencer urtheilet gar wohl / wenn er ſagetc)Spencer de Leg. Ehræor. ritual. in proleg. Cum enim Deo jam res eſ - ſet cum præfracto, rudi & ſemi pagano populo, par erat, vt legi - bus hiſce ritualibus, ſolum τὸν ἕξω ἄνϑρωπον exercentibus, gen - tem tam rudem ad obſequium erudiret, & jugum imponeret, ad indomitam illius juuencæ ferociam frangendam, aptum & accom - modatum. add. ejusd. Diſſ. VII. de hirco emiſſar. a) Matth. : Weil GOtt mit einem hartnaͤckigten / rohen und halb heyd - niſchen Volck zu thun gehabt / ſo waͤre es noͤthig geweſen / ſolches mit ceremonialiſchen Geſetzen im Zaum zu halten. Jch finde uͤber dieſes nirgendswo in dem alten Teſtament /daß139bey denen Proteſtirenden. daß das Volck oder einige davon ins beſondere zu denen Prie - ſtern oder einem unter ihnen gekommen und geſprochen: Lie - ber Prieſter, ich habe geſuͤndiget, meine Suͤnde iſt mir leid, vergib mir doch dieſelbe Krafft deines heiligen Amtes. Jeder - man nahme ſeine Zuflucht zu GOtt / brachte nach dem von ihm gegebenen Befehl das Opfer / und GOtt lieſſe ſich / nach - dem daſſelbe verrichtet / auch gnaͤdig finden.
Andere meinen ihrer Sache beſſer zu rathen /Ob die heu - tige Beich - te von Jo - hannis Tauffe her - zuleiten. und beruffen ſich auf die Tauffe Johannis. Denn da / ſagen ſie / finden wir / daß die Leute / ehe ſie von Johanne getaufft worden / ihre Suͤnden bekennet und gebeichteta)Mattb. III, 5. 6. Da gieng zu ihm hinaus die Stadt Jeruſalem, undZeugniß von Johannis Tauffe. das gantze Juͤdiſche Land, und alle Laͤnder an dem Jordan, und lieſ - ſen ſich tauffen von ihm im Jordan, und bekannten ihre Suͤnde.. Allein dieſes reimet ſich wiederum nicht auf unſere heutige Beich - te und abſolution. Die Tauffe Johannis iſt von der Juͤdi - ſchen Tauffe herzuleiten. Niemand wurde ein Juͤden-Genoſ - ſe / wenn er nicht getaufft war. Jch will zu dem Ende des grundgelehrten Herrn Dantzens Worte hieher ſetzen / die zu teutſch alſo lautenb)Dantz in diſp. de baptiſm. proſelyt. judaic. §. 15. ſeq. Proſelytorum ſolicitam curam egiſſe Deum, hinc inde ſcriptura inculcat ſerio. Tauffe der Proſelyten. Paria illis ſubinde attribuit cum Iudæis originariis. Seuere pas - ſim illorum prohibet perſecutionem. Ne quis itaque falſo ipſorum nomen mentiatur, ſub hoc prætextu varias in ſe de - riuaturus immunitates, ſæpe cum maximo indigenarum damno: neue vicisſim Iudæorum aliquis, ignarus, quam alienigena religio - nem colat, diuinam de illo fouendo legem transgrediatur, quid -uis: Daß GOtt vor die Juden-Genoſ - ſen (Proſelyten) auf eine ſonderbahre Weiſe geſorget, bezeu - get die Schrifft hin und wieder zur Gnuͤge. Er hat ihnen glei - che Rechte als denen gebohrnen Juͤden zugeſtanden. Er ver - bietet hin und wieder ihre Verfolgung nachdruͤcklich. Damit ſich aber niemand faͤlſchlich vor einen ſolchen ausgeben moͤchte,undſ 2140I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,und unter dieſem Schein ſich verſchiedener Freyheiten anmaſſen moͤchte, ſo offters zum groͤſten Schaden der einheimiſchen ge - ſchehen koͤnte: Und daß auch keinem Juden moͤchte verborgen ſeyn, welcher Religion ein Frembdling beygethan, und das goͤttliche Geſetze ihn zu dulten uͤberſchritte, weil er etwa in der Meinung ſtuͤnde, es ſey wieder einen Heyden ihm alles zuge - laſſen; daß auch der Sache durch aͤuſſerlichen Pracht ein groͤſſer Anſehen gemacht, und hoͤhere Ehrerbiethung erworben wuͤr - de: So haben die Weiſen Juden ſchon vor Alters weißlich angeordnet, daß niemand heimlich in ihre Kirche einſchleichen ſollte, ſondern durch ſolenne ceremoni en, ſolten ſie oͤffentlich aufgenommen werden, davon ſie GOtt ſelbſt zum Uhrheber machen. Er faͤhret ferner fort: Ob man nun gleich hierzu dreyerley Mittel gebraucht, wenn es anders fuͤglich geſchehen koͤnnen, nehmlich die Beſchneidung, die Tauffe und das Op - fer, ſo weiß man doch, daß das erſtere, nehmlich die Beſchnei - dung bey dem weiblichen Geſchlecht niemahls ſtatt gefunden; das Opfer kunte nach Zerſtoͤrung des Tempels nicht verrichtet werden. Die Tauffe allein iſt allgemein und beſtaͤndig, und kan bey jedem Geſchlecht und zu aller Zeit geſchehen. Dadurch wolten ſie vornehmlich andeuten / der Proſelyte ſolte durchſolche(b)uis ſibi in gentilem licere præſumens: & vt rei ipſi externa pom - pa major concilietur autoritas, reuerentia ſanctior: Sapiens Iu - dæorum antiquitas prudenti conſilio inſtituit, ne qui clanculum in viſcera eccleſiæ irreperent, ſed ſolenni ritu, cujus Deum ipſum faciunt autorem, reciperentur publice. Quanquam hic tria ſi fieri poſſit vſurpet media, circumciſionem, baptiſmum & ſacrifi - cium. Horum tamen circumciſio, in ſexu ſequiori, nunquam inuenit locum: Sacrificium templo deſolato a nemine offerri poteſt. Solus baptiſmus vniuerſalis eſt ac perpetuus, cuilibet ſe - xui ac tempori conueniens. Einige ſagen auch, daß dieſes mit eine Urſache von ſolcher Tauffe geweſen, daß man den Proſely - ten damit lehren wollen, nunmehro muͤſte er die begangene Suͤn - den durch ein heiliges Leben tilgen. Aller Unflath ſolte auch in der Seelen dadurch abgewaſchen ſeyn. Vid. Slevogti diſput. de Proſelytis. c) Die -141bey denen Proteſtirenden. ſolche Tauffe lernen / man muͤſte das mit Suͤnden befleck - te Leben aͤndern / und die Flecken / ſo an der Seele haffteten / ſolten auͤf dieſe Weiſe abgewaſchen werden. Johannis Tauffe ware ebenfalls ein Zeichen ſolcher Reinigung. Er wolte durch ſolche Proſelyten des neuen Bundes machenc)Dieſes iſt die Meinung des beruͤhmten Helmſtaͤdtiſchen TheologiVon ſolcher iſt Johannis Tauffe herzu - leiten. Hildebrands. Denn da er in ſeinem ritual. veter. baptiſm. von der Tauffe der Proſelyten gehandelt, faͤhret er fort: Ejusdem puri ficationis animorum ſymbolum erat baptiſmus Johannis Bapti - ſtæ in deſerto, per quem novæ legis Proſelytos conſtituit. Daß Johannis Tauffe etwas neues geweſen, wird niemand gruͤndlich behaupten koͤnnen. Die heilige Schrifft, wie auch Joſephus, reden von derſelben als von einer bereits gewoͤhnlichen und be - kannten Sache. Das Volck gienge zu ihm, ſich derſelben als eines laͤngſt eingefuͤhrten Gebrauchs zu bedienen. Die Haͤupter unter dem Jſraelitiſchen Volck, oder ihre Abgeſandten, befrag - ten ihn nicht wegen der Tauffe ſelbſt, weil ſolche nichts unge - woͤhnliches war. Sie erkundigten ſich, warum er diejenigen tauffte, ſo bereits dem Volck GOttes ſich zugeſellet hatten, oder gebohrne Juͤden waren. Sie wuſten nicht, daß Johannes Pro - ſelyten des neuen Bundes machen wolte. vid. Dantz. cit. l. §. 25. . Hieraus ergiebet ſich von ſich ſelbſt / wie wunderlich dieje - nigen handeln / die die Tauffe Johannis zur Buſſe auf die heutigen Beicht-Stuͤhle ziehen wollend)Geſetzt aber, Johannes habe die Suͤnde auf eben ſolche WeiſeJohannes wa - re ein auſſeror - dentlicher Die - ner. vergeben, wie heute geſchiehet. Laß ſeyn, daß unſere Beicht - Stuͤhle gar fuͤglich davon koͤnnen hergeleitet werden. Sind ſie darum zu rechtfertigen? Koͤnnen ſich unſere Geiſtlichen mit Jo - hannis Exempel vertheidigen? Jch dencke, daß es nicht angehet. Johannes ware ein auſſerordentlicher Diener des Evangelii und Vorlaͤuffer Chriſti. Chriſtus ertheilet ihm ſelbſten dieſen Lob - ſpruch, daß unter allen, von denen Weibern gebohren, nicht einer aufkommen, der groͤſſer ſey, denn Johannes der Taͤuf - fer, Matth. XI, 11. Solten ſich denn unſere Geiſtlichen derjeni -gen.
§. VII. ſ 3142I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Diejenigen Beweißthuͤmer / ſo man von der Apoſtoliſchen ſuccesſion herhohlet / ſcheinen noch einen beſſern Grund zu haben. Jch habe ſchon oben erinnert / daß de - nen Apoſteln daß Recht / Suͤnde zu vergeben und zu behal - ten / von Chriſto verliehen worden. Jch habe erwehnet / daß bereits zu Anfang des dritten Seculi die Biſchoͤffe ſich eingebildet / auch andere uͤberreden wollen / daß ſie in der A - poſtel Stelle getreten / und alſo ihre Nachfolger waͤren. Sie wolten ſich alſo alle Apoſtoliſche Gewalt und beſondere Frey - heiten zueignen. Damit man deſto weniger daran zweifle / ſo beruffe ich mich auf Firmilianum, der alſo an Cyprianum ſchreibeta)Biſchoͤffe wol - len der Apoſtel Nachfolger ſeyn.Apud Cyprianum epiſt. 75. Hinc intelligi poteſt, quod ſoli Petro Chriſtus dixerit: Quæcunque ligaueris ſuper terram, erunt liga - ta & in cœlis. Et iterum quando in ſolos Apoſtolos inflauit Chri - ſtus dicens: Accipite Spiritum Sanctum, ſi cujus remiſeritis pec - cata, remittuntur illis, cujus tenueritis, tenebuntur. Poteſtas er - go remittendorum peccatorum Apoſtolis data eſt & eccleſiis, quas illi a Chriſto miſſi conſtituerunt, & Epiſcopis, qui eius ordina - tione vicaria ſucceſſerunt, conf. Cyprianus Epiſt. 33. 45. und an andern Orten, da er allezeit dieſes behaupten will, die Biſchoͤf - fe waͤren der Apoſtel Nachfolger. : Hieraus kan man verſtehen, daß Chriſtus allein zu Petro geſagt: Was du auf Erden binden wirſt, ſoll auch im Him - mel gebunden ſeyn. Und wiederum, wenn er allein die Apoſtel an - geblaſen und geſprochen: Nehmet hin den H. Geiſt, welchen ihrdie(d)gen Freyheiten anmaſſen koͤnnen, die einem ſo groſſen Mann, als Johannes geweſen, zugeſtanden worden? Mir will es nicht in den Kopff. Die wenigſten unter denen heutigen Prieſtern ſind nur ſo viel wuͤrdig, daß ſie Johannis Schuhriemen aufloͤſen. Wie ſollten ſie ſich denn ſeiner auſſerordentlichen Gaben anmaſſen koͤn - nen. Jch laſſe der Geiſtlichkeit gerne ihren gebuͤhrenden reſpect. Jch werde ihr denſelben vor meine Perſon auch niemahls entzie - hen? Jedoch daß ich ihr alles ſollte eingeſtehen, was ſie ſich zu - eignet, darzu habe mich noch nicht entſchlieſſen koͤnnen.143bey denen Proteſtirenden. die Suͤnde vergebet, denen ſind ſie vergeben, welchen ihr ſie be - haltet, denen ſind ſie behalten. Die Gewalt alſo, die Suͤnden zu vergeben, iſt denen Apoſteln verliehen und denen Kirchen, wel - che ſie, da Chriſtus ſie geſendet, angerichtet, und denen Bi - ſchoͤffen, die als vicarii nach ſeiner Ordnung ihnen gefolget. Da man aber merckte / daß man nicht alle und jede Gaben / ſo die Apoſtel gehabt, beſaͤſſe / ſo muſte man einen Unterſcheid un - ter denen ordentlichen und wunderbahren Gaben machẽ. Die - ſe eignete man denen Apoſteln einig und alleine zu / die an - dern aber haͤtten alle und jede Kirchen-Dienerb)Die Catholicken ſind anderer Meinung, und ſchreiben auch ſichVondeꝛ Krafft, Wunder zu thun. die wunderbahren Gaben zu. Die unſrigen aber behaupten, daß die Krafft, Zeichen und Wunder zu thun, nach der Apoſtel Tod nicht ferner noͤthig ſey. Zu unſern Zeiten waͤre die Kirche ſchon gepflantzet, und beduͤrffte man alſo keiner Zeichen mehr. Die erſte Kirche haͤtte damit muͤſſen aufgerichtet und unterhal - ten werden. Vorjetzo predigte man kein neues Evangelium, welches dazumahl wegen des neu angekommenen Meßiaͤ geſche - hen. Solches haͤtte zur ſelben Zeit durch Wunder muͤſſen be - kraͤfftiget werden. Unſer Glaube haͤtte weiter keine Zeichen von noͤthen. Jch mag mich in den Streit von der Krafft, Wunder zu thun, nicht miſchen. Es mag einer glauben, daß ſolche noch heute zu Tage verrichtet werden koͤnnen oder nicht, ſo ſoll es mir gleich viel gelten.. Damit ſie aber das Recht und die Gewalt Suͤnde zu vergeben und zu behalten ausuͤben / und folgbar der Beichte ſich bedie - nen koͤnten / muͤſte ſolche denen ordentlichen Gaben zugeſel - let werdenc)Wenn man heute zu Tage die Macht, Suͤnde zu vergeben, denenUnterſcheid un - ter denen auſ - ſerordentlichen und ordinai - ren Gaben. Predigern abſprechen will, ſo iſt ihre ordentliche Zuflucht auf den Unterſcheid zwiſchen denen ordentlichen und wunderbahrenGaben,. Jch habe aber ſchon oben gezeiget / daß die - ſe Gewalt eine auſſerordentliche Gnade GOttes / χάρισμα τοῦ Θεοῦ geweſen / welches ich ſo gleich noch ferner beweiſen will.
§. VIII. 144I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Die Nachfolge aber unſerer heutigen Geiſtli - chen / in die Stelle der Apoſtel / verwerffe ich aus des Apo - ſtels Pauli eignen Worten. Dieſer unterſcheidet die Leh - rer und andere / ſo an dem Wort des Herrn bey denen Ge - meinden gearbeitet / gar fleißig von einandera)Pauli Worte.1. Cor. XII, 28. ſeq. Und GOtt hat geſetzt in der Gemeinde, aufs erſte die Apoſtel, aufs ander die Propheten, aufs drit - te die Lehrer, darnach die Wunderthaͤter, darnach die Ga - ben geſund zu machen, Helffer, Regierer, mancherley Spra - chen. Sind ſie alle Apoſtel? Sind ſie alle Propheten? Sind ſie alle Wunderthaͤter? Haben ſie alle Gaben geſund zu machen? Reden ſie alle mit mancherley Sprachen? Koͤn - nen ſie alle auslegen? b) Durch: Die Aem -ter(c)Gaben, (inter dona miraculoſa & miniſterialia). Der oben ange - fuͤhrte Herr Loͤber hat ſich auch dahin retiriret, cit. l. coroll. 1. Er meinet, daß die Gaben, ſo die Apoſtel auſſerordentlicher Weiſe ge - habt, nehmlich die Krafft Wunder zu thun u. d. g. zu dem or - dentlichen Predig-Amt nicht gehoͤrten, weil ſolche nur eine Zeit lang gedauret. Dieſen auſerordentlichen Gaben aber koͤnte man die Macht Suͤnde zu vergeben nicht beyzehlen. Dieſe ſey der Kirche verliehen, und kaͤme allen rechtberuffenen Dienern der - ſelben zu. Es wird am beſten ſeyn, wenn ich ſeine eigene Worte hieher ſetze. Sie lauten ſo: Etſi prærogatiuæ, quas Apoſtoli qua tales habuerunt, v. g. donum miraculorum, auctoritas ἀυτόπιςος & falli neſcia & quæ ſunt hujus generis, fuerunt temporariæ & extraordinariæ & ad miniſterium eccleſiaſticum non requiruntur: his tamen prærogatiuis, quibus Apoſtoli qua tales a reliquis ec - cleſiæ miniſtris, qua talibus diſtinguuntur, non annumeranda eſt poteſtas clauium, ſed hæc ipſa eccleſiæ data eſt, omnibus mini - ſtris rite vocatis competit. Jch habe wider dieſes mehr als ei - nen Zweiffel, und wolte wuͤnſchen, der Herr Loͤber haͤtte ſeinen Satz nicht ſo bloß hingeſetzet. Jch moͤchte gerne einen Be - weiß von ſolcher ſeiner Meinung ſehen. Vielleicht haͤtte ich ſo dann keinen Scrupel mehr. Jch will aber in folgenden melden, was ich wider dieſe Meinung zu erinnern habe.145bey denen Proteſtirenden. ter derer Apoſtel / Propheten und Evangeliſten ſolten da - zu dienen / daß die Gemeinden gepflantzet und aufgerichtet wuͤrden; derer Hirten / Prieſter und Lehrer aber ſolten ſolche Anordnung weiter fortpflantzen und auf die Nach - kommen bringen. Die Aemter der Apoſtel / Propheten und Evangeliſten waren auſſerordentliche, und ſolche die nur eine zeitlang daureten. Die Aemter der Lehrer waren und ſind auf noch ordentliche, die immer zu waͤhrenb)Durch die Lehrer ſind die Biſchoͤffe und Aeltiſten einer jeden Ge -Characteres der Diener im Neuen Teſta - ment. meinde zu verſtehen. Von denen Propheten waren ſie unterſchie - den, weil dieſe aus unmittelbahrer goͤttlicher Eingebung redeten. Sie kamen denen Evangeliſten nicht bey / als welcher Amt dar - inn beſtunde, daß nachdem ſie mit Gaben des heiligen Geiſtes ausgeruͤſtet waren, auf Befehl der Apoſtel ausreiſeten, den Glau - ben denenjenigen zu predigen, welchen er noch nicht war angekuͤn - diget worden. Evangelizare heiſt nichts anders, als den Glau - ben denenjenigen zeigen, welchen derſelbe noch nicht bekannt. Der Character der Apoſtel beſtunde darinnen, daß ſie Chriſtum im Fleiſch geſehen, und Zeugen ſeiner Aufferſtehung waren. Chri - ſtus hatte ſie unmittelbahrer Weiſe erwehlet und ausgeſendet, und alſo heiſſen ſie Bothſchaffter und Geſandten GOttes. Das Verſtaͤndniß, die Schrifft zu verſtehen, wurde ihnen auf eine ho - he und verborgene Weiſe eroͤffnet. Alſo kunten ſie in ihrer Lehre nicht irren und von dem rechten Weg der Wahrheit abweichen. Sie hatten das Amt der Schluͤſſel. Jhre Handauflegung wa - re von ſolcher Krafft, daß ſie andern die Gaben des heiligen Gei - ſtes mittheilen kunten. Sie verrichteten dadurch viele Wun - der. Jch uͤbergehe andere auſſerordentliche Gaben, damit ſie von ihrem HErrn und Meiſter ausgeruͤſtet waren. Diejenigenmuͤſſen. Da nun an dem Grund dieſer Sache nicht zu zweiffeln / ſo folget gantz deutlich / daß unſere Lehrer ſich weder den Titul und Stel - le / vielweniger die Freyheiten und Gaben der Apoſtel zu - eignen koͤnnen.
§. IX. (Recht der Beicht-Stuͤhle. ) t146I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Einige von denen Patronen und Vertheidigern des heutigen Beicht-Weſens ſcheinen wahrgenommen zu haben / daß alles was von der Apoſtoliſchen Nachfolge ge - ſaget wird / auf ſchwachen Gruͤnden beruhe. Sie ſind al - ſo auf andere Gruͤnde verfallen / dadurch ſie ausfuͤndig ma - chen wollen / die Gewalt / Suͤnde zu vergeben / komme den - noch allen Geiſtlichen zu / wenn ſchon ſolche keine Nachſolger der Apoſtel waͤren. Sie ſagen die Macht Suͤnde zu ver - geben und zubehalten / ſey denen Apoſteln nicht als Apoſteln verliehen worden. Sie haͤtten dazumahl die gantze Chriſt -liche(b)muͤſſen alſo einen gar hohen Geiſt haben, welche ſich und andere uͤ - berreden, daß ſie in der Apoſtel-Stelle getreten, und ihre Nach - folger waͤren. Lehrer waren ſchon zu der Apoſtel Zeiten bey denen Gemeinden, oder auch Biſchoͤffe und Aelteſten. Paulus ma - chet einen Unterſcheid unter denen Apoſteln und ihnen. Wie koͤnnen ſie alſo der Apoſtel Nachfolger ſeyn? Der Biſchoͤffe und Lehrer Amt beſtunde darinnen, daß ſie Acht haͤtten auf die Ge - meinden, und ſolche mit dem Wort GOttes weideten. Die - ſes heiſt eigentlich διδάσκειν. Paulus leget dieſen Dienern der Gemeinde nicht das geringſte von denen auſſerordentlichen Gna - den-Gaben bey, ſondern ihren gantzen Dienſt ſetzet er darinn, daß ſie waͤren διδάσκοντας, Lehrende, παρακαλοῦντας, Vermahnen - de, μεταδίδοντας, Ausſpendende, προϊςαμένους, Vorſtehende, ἐλεοῦντας, Barmhertzigkeit Ubende, Rom. XII, 7. 8. Durch die Lehrende, Vermahnende und Vorſtehende, verſtehet der Apoſtel Zweiffels ohne die ordentlichen Lehrer, Biſchoͤffe und Hir - ten der Gemeinde. Durch die Ausſpendende zeiget er die Dia - conos und Diener an. Durch diejenigen, ſo Barmhertzigkeit uͤben, ſind ohne allen zweiffel diejenigen angedeutet, die durch All - moſen und andere Liebes-Wercke, Barmhertzigkeit an dem Naͤch - ſten erweiſen. Hierinn beſtehet alſo das ordentliche Amt derje - nigen, die keine Apoſtel ſind. Alle dieſe Stuͤcke aber kommen denen Gnaden-Gaben, damit die Apoſtel ausgeruͤſtet waren, lange nicht bey, ſondern ſie behalten einen gar groſſen Vorzug. a) Die -147bey denen Proteſtirenden. liche Gemeinde repræſenti reta)Dieſer Meinung iſt auch der angefuͤhrte Herr Loͤber beygethanEtliche ſagen, ſie haͤtten die Kirche repræ - ſentiret. Es heget dieſelbige ein Anonymus, in denen Antworten auf etliche Theologiſche Fragen, davon ein Geiſtlicher in Magde - burg mit Nahmen Struve Uhrheber ſeyn ſoll. Dieſer ſaget daſelbſt an einem Ort: Die Juͤnger repræſentirten die gantze Gemeinde. . Die Kirche beruffte aber noch jetzo die ordentlichen Diener und Prediger. Dieſen thei - lete ſie dadurch ſolches Recht mit. Die Sache ſcheinet einigen Grund zu haben / doch ich will bald darauf antworten. An - dere urtheilen noch abgeſchmackter. Dieſe laſſen nicht ein - mahl ſolche ſubdelegation gelten / ſondern wollen die Sache noch kuͤrtzer faſſen. Sie ſprechen: Als Chriſtus denen Apo - ſteln dieſe Macht verliehen / haben ſie das gantze miniſterium, und die Prieſterſchafft des neuen Teſtaments vorgeſtellet; die heutigen Clerici waͤren alſo vermoͤge goͤttlichen Rechts ordentliche Diener der abſolutionb)Dieſer Meinung iſt beygethan der beruͤhmte Auguſt Pfeiffer, inAndere, ſie haͤt - ten die Geiſt - lichkeit repræ - ſentiret. dem Evangeliſchen Aug-Apffel pag. 543. Allein wenn man dieſe Meinung ergreifft, ſo muß man zum Voraus ſetzen, daß bereits zu der Apoſtel Zeiten ein Unterſcheid inter ordinem & plebem, zwi - ſchen der Geiſtlichkeit und dem andern Volck geweſen. Solches aber iſt in dem Grund falſch. Dieſes hat der beruͤhmte Hr. Bœhmer in ſeinem Jur. eccleſ. antiqu. Diſſ. VI. pag. 316. ſq. vortrefflich gezeiget..
Wir wollen aber ſehen / was daraus folget / wennDie Mei - nung von einer eccle - ſia repræ - ſentatiua hat keinen Grund. man zugiebt / die Apoſtel haͤtten bey Verwilligung der Macht / die Suͤnde zu vergeben / die Kirche repræſentiret. Solte hieraus unſerer Geiſtlichkeit ein beſonderes Recht zu - wachſen? Keinesweges. Es ſcheinet vielmehr daraus zu folgen / daß weil dieſe Macht der Kirchen verliehen worden / ein jedes Glied derſelben ſolche ausuͤben koͤnnea)Die Kirche iſt eine Geſellſchafft, eine vniuerſitas, ein gleiches ColSuiten, ſo aus der Meinung kommen, die legium. Alle haben gleiche Rechte. Zwar weiß ich gar wohl, daßbey. Ande -rert 2148I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,rer Dinge zu geſchweigen. Allein die gantze Lehre von ei - ner eccleſia repræſentatiua iſt eine Mißgeburt des Gehir - nes einiger Lehrer / und hat in der gantzen heiligen Schrifft nicht den geringſten Grund. Solche Meinung / daß eine beſondere Geiſtlichkeit die gantze Kirche repræſentire / iſt ei - ne der vornehmſten Stuͤtzen des Papſtthums. Die gan - tze Hierarchie iſt darauf gebauet / und wenn man dieſe Mei - nung denen Einfaͤltigen nicht beygebracht / wuͤrde die Ca - tholiſche Geiſtlichkeit nimmermehr ſo maͤchtig geworden ſeynb)Bedentung des Worts Kirche.Das Wort Kirche ἐκκλησία, ſo offt es in der Bibel vorkommt, deutet entweder eine jede Menge des Volckes an, Actor. XIX, 32. oder die Menge der Glaͤubigen in Chriſtum, Matth. XVI, 18. Rom. XVI, 16. Gal. I, 3. Eph. V. 23. ſq. oder die Glaͤubigen an einem gewiſſen Ort, ob ſolche gleich keine aͤuſſerliche Zuſammenkunfft halten, Actor. II, 47. IV, 32. V, 14. Rom. XVI, 1. ſeq. 1. Cor. VI, 4. oderdie.
§. XI.(a)bey Collegiis ſolche Dinge vorfallen, die nicht ein jedes Glied in - ſonderheit verrichten kan, ſondern es muß aller Einſtimmung, oder doch der meiſten ihre dabey ſeyn. Allein ich nehme nun - mehro vor bekannt an, die Kirche habe das Recht und die Ge - walt Suͤnde zu vergeben. Wie kommt denn ſolches auf die Geiſt - lichkeit? du ſprichſt: Die Kirche berufft die Geiſtlichen, und da - durch traͤgt ſie ihnen die Ausuͤbung ſolches Rechts auf. Alſo haͤtten die Geiſtlichen ihre Gewalt bloß von der Kirche und folg - bar nur von Menſchen. Es ergiebet ſich hieraus ferner, daß die Kirche die Ausuͤbung ſolcher Gewalt auch andern als denen Geiſt - lichen auftragen koͤnnte. Sie waͤre befugt, denen Schuſtern, Schneidern und andern Handwercksleuten, oder denen Juriſten, Medicinern u. ſ. f. dieſes Recht auszuuͤben, zu vergoͤnnen. Die - ſes werden aber die Herren Geiſtlichen nicht einraͤumen wollen. Allein ſo ſollten ſie auch nicht ſagen, die Apoſtel haͤtten die Kirche repræſentiret, als ihnen Chriſtus die Macht Suͤnde zu verge - ben verwilliget.
Man darf auch die Apoſtel / da ihnen ChriſtusOb die Apo - ſtel in Ver - willigung dieſer Macht Die - ner der Ge - meinde ge - weſen? die Macht Suͤnde zu vergeben und zu behalten mitgethei - let / nicht als Diener der Gemeinde anſehen. Dieſes will a - bermahls der Herr Loͤber behaupten / und ſaget die Apo - ſtel haͤtten nichts weiter erlanget / als daß ſie die Macht / ſo der Kirchen verliehen worden / ausuͤben ſolten. Er ſaget / dieſes folgte daher / weil Chriſtus in dem vorhergehenden von der Kirchen ihrer Macht und Gewalt geredet / und nach - mahls das Amt der Schluͤſſel denen Apoſteln verliehena)Jch will des Herrn Loͤbers eigne Worte hieher ſetzen. Er ſagetDie Apoſtel ſind nicht als Diener der Ge - meinde anzu - ſehen, da ſie die Macht Suͤnde zu vergeben er - halten. cit. l. ſo: Nam cum Chriſtus Matth. XVIII, 18. de eccleſia ejus - que poteſtate verba faciens Apoſtolis dicit: quodcunque ligaue - ritis &c. perſpicuum eſt, Apoſtolos conſiderari hic vt miniſtros eccleſiæ, poteſtatem eccleſiæ datam adminiſtrantes. conf. 1. Cor. III, 22. 2. Cor. IV, 5. 2. Cor. II, 10 Jch moͤchte gerne wiſſen, von was vor einer Macht der Kirchen Chriſtus Matth. XVIII, 18. gere - det, darauf er zu denen Apoſteln geſprochen: Was ihr auf Er -den. Das(b)die Zuſammenkuͤnffte der Chriſten, wegen des Gottesdienſtes. Jac. II, 2. Hebr. X, 25. Von einer eccleſia repræſentatiua kommtKeine eccleſia repræſentati - va iſt in der Heil. Schrifft zu ſpuͤren. nichts vor. Es iſt auch dieſe Lehre, daß die Geiſtlichkeit die gantze Kirche allezeit repræſentirte, dem gleichen Zuſtand der Kirchen gaͤntzlich zuwieder. Sie hebet ſolchen voͤllig auf. Wenn jemand den andern vorſtellen und repræſentiren will, ſo muß er mit einem beſondern Befehl dazu die Macht und das Recht erhalten ha - ben. Diejenigen, welche vorgeben, die Apoſtel haͤtten damahls die Kirche repræſentiret, muͤſſen alſo beweiſen, daß ihnen die Kir - che hierzu Vollmacht gegeben. Wie gefaͤhrlich aber die Lehre von einer eccleſia repræſentatiua iſt, habe ſchon erinnert. Das Vi - cariat des Papſtes iſt meinem Erachten nach eben aus dieſer Quelle heraus gefloſſen. Allein auf ſolche Dinge geben die Proteſtiren - den ſelten Achtung. Sie ſind zufrieden, wenn ſie nur etwas her - aus bringen, daß der Geiſtlichkeit Anſehen vermehret, und die Layen unter derſelben Gehorſam zu halten vermoͤgend iſt.t 3150I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Das antecedens iſt falſch / und das conſequens hincket. Ob unſere Geiſtliche die Suͤnden vergeben koͤnnen, weil dieſe MachtAllein vielleicht gehet dieſer Schluß an: Die Macht Suͤn - de zu vergeben / ſtehet in der Schrifft bey dem Befehl / das Evangelium zu predigen. Weil nun unſere Geiſtlichen pre - digen duͤrffen und ſollen / ſo muß man ihnen auch die Macht Suͤnde zu vergeben einraͤumenb)Die Macht Suͤnde zu ver - geben iſt mit der Predigt des Evangelii ver - knuͤpfft.Dieſes iſt abermahls des Herrn Loͤbers Meinung, denn ſo faͤh - ret er cit. l. fort: Cumque collatione locorum Marc. XVI, 15. 16. Luc. XXIV, 47. Joh. XX, 23. etiam comprobetur, hanc poteſta - tem cum evangelii prædicatione conjunctam eſſe, & eccleſia jure vocandi miniſtros verbi gaudeat, conf. Actor. I, 15. ſeq. XIV, 23. 2. Tim. II, 2. Tit. I, 5. 7. &c. patet jure diuino omnibus miniſtris eccleſiæ hanc poteſtatem eſſe communem. Wie wohl gegruͤn - det dieſes ſey oder nicht, wird folgende Anmerckung weiſen. Je - tzo erinnere ich nur, daß ich in dem XXIV. Capitel Lucæ, vers. 47. nichts von der Vergebung der Suͤnden gefunden, ob es gleich ein Locus parellelus mit Matth. XVIII. ſeyn ſoll. c) Denn. Jch ſage aber nein da -zu.(a)den binden werdet & c.? Was vor dieſen Worten hergehet, han - delt von der bruͤderlichen Beſtraffung. Von der Macht der Kir - chen kan ich nichts erblicken. Da nun der Grund darnieder geriſſen, ſo faͤllet auch das darauf gebaute Gebaͤude darnieder, nehmlich die Apoſtel waͤren hier als Diener der Gemeinde anzuſehen. Jch will vorjetzo nichts gedencken, daß es noch gar zweiffelhafft, ob das Amt der Schluͤſſel, die Vergebung der Suͤnden andeute. Jch habe ſchon oben etwas von der gegenſeitigen Meynung bey - gebracht. Jch erwehne vorjetzo nur, daß die Schrifftſtellen, ſo Herr Loͤber in vorhergehenden Worten anfuͤhret, zwar ausweiſen, daß ſich die Apoſtel Diener der Gemeinde genennet; allein davon hat niemand jemahls geſtritten. Der Grund der gantzen Strittig - keit kommt darauf an: Ob die Apoſtel, da ihnen Chriſtus die Macht Suͤnde zu vergeben mitgetheilet, als Diener der Gemeinde anzuſehen ſind? Hierzu ſage ich nein, biß man mir das Gegentheil beweiſet, welches meines Wiſſens bißanhero nie - mand gethan.151bey denen Proteſtirenden. zu. Denn wenn ich alſo ſchlieſſen duͤrffte / ſo muͤſte ich ſa -bey dem Be - fehl das Ev - angelium zu predigen ſtehet. gen: Was mit der Predigt des Evangelii verknuͤpfet iſt, kommt unſern heutigen Kirchen-Lehren zu. Allein man fin - det ja in heiliger Schrifft / daß auch die auſſerordentlichen Gnaden-Gaben, die Wunder-Gaben, bey dem Befehl / das Evangelium zu predigen / ſtehenc)Denn die Heilung der Krancken, Reinigung der Auſſaͤtzigen,Jngleichen auch die Gaben Wunder zu thun. Aufferweckung der Todten, Austreibung der Teuffel, ſind auch mit der Predigt des Evangelii verknuͤpfet zu leſen Matth. X, 7. 8. Bey dem Marco XVI, 17. ſeq. folgen dieſe Worte auf den Befehl, das Evangelium zu predigen: Die Zeichen aber die da folgen wer - deu denen, die da glauben, ſind die: Jn meinem Nahmen werden ſie Teuffel austreiben, mit neuen Zungen reden, Schlangen vertreiben. Und ſo ſie was toͤdliches trincken, wirds ihnen nicht ſchaden. Auf die Krancken werden ſie die Haͤnde legen, ſo wird es beſſer mit ihnen werden. Nach des Herrn Loͤbers Meinung wuͤrde folgen, daß dieſe erzehlte Stuͤ - cke, weil ſie mit der Predigt des Evangelii verknuͤpfet, und die Kirche die Macht haͤtte, Diener zu beruffen, nach goͤttlichem Recht allen Kirchen-Dienern zukaͤmen. Jch bin nicht darwieder, doch wenn ſich einige finden, die ſich dergleichen anmaſſen wolten, die - ſe bitte ich, mir nur ihre geruͤhmte Macht in der That zu erwei - ſen. Jch will ſo dann ſagen: Jhr koͤnnet alles dasjenige vollfuͤh - ren, was in der Schrifft mit der Predigt des Evangelii ver - knuͤpffet iſt. a) Jn. Dieſe aber ſind bey un - ſern Kirchen-Dienern nicht zu befinden. Sie eignen ſich dieſelben auch nicht zu. Jch uͤberlaſſe alſo andern zu beur - theilen / wie gegruͤndet der Schluß iſt: Unſere Geiſtlichen koͤnnen die Suͤnde vergeben / weil ſolche Macht bey dem Be - fehl das Evangelium zu predigen ſtehet. Jch dencke / die - ſes argument ſey ſehr ſchluͤpfrich / es ſey auf einen ſandig - ten Boden gebauet / und falle alſo von ſich ſelbſt um. Da - hero will ich auch ſolches nicht weitlaͤufftiger wiederlegen.
§. XII. 152I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Aus demjenigen ſo bißher geſaget worden / wird ein jeder Kluger erkennen / daß wenn man ein abſur - dum zulaͤſſet / noch mehrere daraus enſtehen. Dieſes ſoll auch bald noch deutlicher gezeiget werden. Diejenigen / ſo da behaupten / denen Apoſteln waͤre das Recht Suͤnde zu ver - geben und zu behalten nicht alleine zugeſtanden worden / ſind nicht einmahl einig / wem ſolches anjetzo zuzueignen. Sie wollen ſolches nicht allen und jeden zuſtehen / die Cle - rici oder Kirchen-Diener heiſſen. Diejenigen ſollen ſich der Gewalt Suͤnde zu vergeben nur zu erfreuen haben / welche auf eine rechtmaͤßige Art und Weiſe beruffen worden ſinda)Von dem goͤtt - lichen Beruffe.Jn dieſer Zahl treffe ich abermahls den Herrn Loͤber cit. l. an. Jch wolte weiter nichts wuͤnſchen, als daß er zugleich gemeldet haͤtte / woran ich erkennen koͤnne, was ein goͤttlicher Beruff ſey. Denn was insgemein von ſolchem Beruff geſaget wird, iſt nicht allzuweit her. Man verwirret die Sache zum oͤfftern dadurch mehr, als daß man ſolche deutlich machte. Wenn man auch die - jenigen, ſo dieſe Materie auf ein Haͤrgen abmeſſen wollen, etwas genau einſiehet, ſo iſt es zwar an dem, daß man in abſtracto ſie - het, was derſelbe ſey. Jn concreto iſt es anders beſchaffen. Jch verbleibe immer im Zweiffel, ob dieſer oder jener ein goͤttlich beruffener Diener ſey. Denn wem iſt wohl unbekant, wie vie - le intriguen bey ſolchen Befoͤrderungen geſpielet werden. Die contractus innominati ſind hier gar gebraͤuchlich. Wenn aber nun einer unrechtmaͤßiger Weiſe die Pfarre bekommt, kan der auch Suͤnden vergeben? Der Herr Loͤber verneinet ſolches, indem er ſaget, die rechtmaͤßig Beruffenen haͤtten nur ſolche Gewalt. Wenn aber nun an dem Beicht-Weſen ſo viel gelegen, als man ſich einbildet, ſo ſind diejenigen Zuhoͤrer uͤbel daran, deren Lehrer durch einen caſum obliquum in das miniſterium gekommen. b) So. Andern ſtehet auch dieſes nicht an / ſondern ſie geben fuͤr / die Glaͤubigen, die Chriſtum mit wahrem Glauben ergrif - fen / haͤtten Macht und Fug dieſes Recht auszuuͤben. Al -lein153bey denen Proteſtirenden. lein auf was Art und Weiſe kan man alſobald erkennen / wer ein rechtmaͤßig beruffener Diener / wer ein wahrhafter Glaͤubiger iſt? GOtt / der in das Verborgene ſiehet / weiß es. Wir Menſchen koͤnnen dieſes nicht ergruͤnden. Jch ſage al - ſo weiter nichts / als daß dergleichen Meinungen nicht ap - pliciret werden koͤnnen / ſondern bloſſe petitiones principii ſind / wie man in Schulen redet. Niemand kan feſte da - rauf fuſſen / ſondern muß hin und her wancken / und laufft endlich alles auf leere Grillen nausb)So raiſonniret der angefuͤhrte Anonymus in denen AntwortenOb alle Glaͤu - bige allein die Suͤnde verge - ben koͤnnen? auf etliche Theol. Fragen. Die gantze Gemeine, ſaget er, und nicht eine ſonderbahre Cleriſey, ſegnete Jeſus mit dem Gei - ſte des Mundes GOttes, und hauchte ihnen den lebendigen Othem, den ſie durch den Fall verlohren hatten, nun zu einem Ausbruch des goͤttl. Lebens in ihnen, wieder ein. Diejenigen nun, die dergeſtalt ſamt ihm lebendig gemacht, und ſamt ihm in das him̃liſche Weſen veꝛſetzt wurden, bekamen Macht Suͤn - de zu vergeben auf Erden, auf die Art, wie Chriſtus ſelber Macht bekom̃en hatte, Suͤnde zu vergeben. Allein woher kan ich wiſſen, dieſer oder jener ſey ein ſolcher geiſtlicher Menſch? Wer kan in das innerſte des Hertzens ſehen? Von denen aͤuſſerlichen Handlungen, in einer ſo wichtigen Sache ein Urtheil zu faͤllen, waͤre etwas verwegens. Sind nicht viele Handlungen alſo be - ſchaffen, daß ſie einen Schein der Gottesfurcht, des goͤttlichen Eifers und ſo weiter haben? Und dennoch kommen ſolche aus ei - nem unreinen Hertzen her. Ja ſelbſt das temperament der Men - ſchen iſt alſo zuweilen bewand, daß die Thaten recht tugendhafft ſcheinen. Jn der That aber ſind es keine rechte Tugenden. Sie haben nur den Schein, und muͤſſen vielmehr mit der erbarn Auf - fuͤhrung der Heyden verglichen werden. vid. Flechier de la faus - ſeté des vertus humaines. Alſo taugt auch dieſe Meinung nichts, wenn ich ſage: Die Glaͤubigen haͤtten die Gewalt, Suͤnde zu vergeben. Jch kan ſolche nicht von denen Scheinheiligenunter -.
§. XIII. (Recht der Beicht-Stuͤhle. ) u154I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Vielleicht aber kan nach einiger Meinung der Sache alſo geholffen werden / wenn man vorgiebet / die Ge - walt / Suͤnde zu vergeben / ſey allezeit bey der ordentlichen Geiſtlichkeit geweſen. Da die Apoſtel verſtorben / haͤtten die Biſchoͤffe und Aelteſten alſobald ſolches Recht ausgeuͤbet. Der gelehrte Calvœr iſt dieſer Meinung / wenn er ſageta)Calvœrs Mei - nung.Cit. l. Lib. II. ſect. I. cap. 10. §. 7. Exercitium clauium, absque du - bio ſemper fuit penes clerum, nec hoc contra inſtitutum domi - nicum. Non exercuerunt proinde jus hoc Paulus ſolummodo, ſed & ſucceſſores in miniſterio, presbyterium nempe ac ſucces - ſu temporis Epiſcopi, cumprimis afſiſtente clero &c. Allein wie wird dieſes bewieſen? Man beruffet ſich auf die 14. 15. 16. epiſt. Cypriani Lib. III. Aber alle dieſe Stellen handeln von der ſolennen oͤffentlichen Buſſe (exomologeſi). Wenn dieſe voͤllig verrichtet worden, legte der Biſchoff nebſt der Cleriſey denen Buß - fertigen die Hand auf. Wie raͤumet ſich dieſes auf die heutige Beichte? Es pflegten ja dazumahl die Leute weder uͤberhaupt, noch ins beſondere eine Beichte denen Prieſtern abzulegen. Man vergabe die Suͤnden nicht an GOttes ſtatt. Geſetzt aber es waͤre nicht unrecht gethan, wenn man Cypriani Stellen auf den heutigen Gebrauch ziehen wolte. Jſt darum Calvœrs Meinung richtig, daß nach der Apoſtel Tod die Cleriſey ſich das Recht, Suͤnde zu vergeben, zugeeignet? Jch halte nicht dafuͤr, daß es angehet. Denn zwiſchen denen Zeiten der Apoſtel und Cypriani, iſt ein ziemlicher Raum. Allein Cyprianus handelt wie gedacht in dem geringſten nicht von der heutigen Beicht-Art. Durch die Auflegung der Haͤnde, ſo damahls denen Bußfertigen wiederfah - ren, gaben der Biſchoff und die Cleriſey zu verſtehen, die Kirche haͤtte das angethane Unrecht verziehen und vergeſſen. Conf. ſu - pra cap. 1. §. 9. & 10. b) Die -: Das Amt der Schluͤſſel und Gebrauch derſelben, iſt ohne al - len Zweiffel beſtaͤndig bey der Cleriſey geweſen, welches auchdes(b)unterſcheiden. Es iſt alſo eben ſo viel, als wenn ich ſagte, wie ich nicht wuͤſte, wer die Macht, Suͤnde zu vergeben, haͤtte.155bey denen Proteſtirenden. des HErrn Chriſti Anordnung nicht zuwieder. Paulus hat alſo dieſes Recht nicht alleine ausgeuͤbet, ſondern auch ſeine Nachfolger in dem Dienſt, nehmlich das Presbyterium, und mit der Zeit die Biſchoͤffe, mit Beyſtand der Cleriſey. Auf die - ſe Weiſe kame es allen / die der Gemeinde vorgeſetzet / zu. Sie moͤgen in den Schaffſtall gekommen ſeyn / wie ſie wol - len. Jhr Amt mag verrichtet werden / wie es will. Sie moͤgen leben / wie ſie wollenb)Dieſes will nicht allen in den Kopff. Der angefuͤhrte Anony -Anderer Mei - nung. mus, in denen Antworten auf etliche Theol. Fragen, bricht dieſerwegen in folgende Worte heraus: Ein jeder Prieſter, wenn er auch nichts als menſchliche vocation hat, und noch wohl dazu per caſum obliquum. Wenn er von ſeines glei - chen andern Prieſtern iſt ordiniret worden, wird denn ge - geglaubet, daß er als ein beruffener und verordneter Die - ner GOttes, krafft ſeines Amtes und auf Befehl Chriſti, Sůnde vergebe. Was er aber von ſolcher Meinung haͤlt, fuͤ - get er alſobald hinzu: O eine erſchreckliche Sache! Da ein Wiederwaͤrtiger, ein Feind Chriſti, krafft ſeines Amtes ſich uͤberheben darff, uͤber alles das GOtt oder GOttes-Dienſt heiſſet, alſo daß er ſich ſetzet in den Tempel GOttes, als ein GOtt, und giebt fuͤr, er ſey GOtt. 2. Theſſ. II, 14. . Allein was von der Apo - ſtoliſchen Nachfolge geplaudert wird / habe ſchon im vorher - gehenden wiederleget. Jch will alſo es hier nicht wieder - holen. Der geneigte Leſer wird ſich auch erinnern / daß ſchon oben gezeiget / wie in dem erſten und andern Seculo ſich kein Biſchoff oder Aelteſter die Macht / Suͤnde zu ver - geben und zu behalten / zugeeignet hat.
Wenn man aber ſaget / die Cleriſey haͤtte al -Abſolution der Layen. lezeit das Recht Suͤnde zu vergeben gehabt / warum laͤſſet man denn denen Layen zuweilen die abſolution zu? Jch be - ruffe mich auf Zieglerum. Seine Worte ſind dieſea)Ziegler de Superint. cap. XVII. §. 5. Claues iſtæ diuerſimode ſeMeinung Ziegleri. ha -:Dieſeu 2156I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Dieſe Schluͤſſel ſind verſchiedener Art. Entweder ſind ſie in privat oder oͤffentlichem Gebrauch. Ein jeder Chriſte hat an - vertraute Schluͤſſel, zum privat Gebrauch; indem bey einem Nothfall auch ein Laye abſolvi ren kan, und wird des andern Diener und Prieſter, wie Auguſtinus eine Hiſtorie von zweyen Chriſten erzehlet, da der eine einen catechumenum getaufft, welcher nachmahls den andern abſolui ret. Schilter ſaget auch / daß ein Laye im Nothfall abſolviren kan / und fuͤhret ver - ſchiedene auctoritates anb)Schilteri. Schilterus in Inſtit. jur. canon. Lib. II. Tit. IV. §. 13. In caſu neceſſi - tatis jus abſoluendi exercere etiam is poteſt, qui non eſt Clericus. Galat. vlt. pr. Jac. IV, 16. Diſt. de conſecr. c. ſanctum. 36. Diſt. 1. de pœnit. c. 88. Diſt. 6. de pœnit. c. 1. cap. vlt. X. de pœnit. Carpzov. Lib. II. def. eccleſ. 283. 9. . Der gottſeelige Spener hat ebenfalls ſolches behauptetc)Speners. Spener. in denen Theol. Bedencken. Vol. I. cap. I. ſect. 14. pag. 84. Daß auch ferner in dem Nothfall da ein Chriſtlicher Bruder zu Staͤrckung ſeines Glaubens, nicht nur des Troſtes, daß ihm ſeine Suͤnden von GOTT wuͤrden vergeben werden, ſondern auch der wuͤrcklichen, durch Menſchen in GOttes Nahmen geſchehenden Vergebung ſich benoͤthiget achtete, und aber dazu kein ordentli - cher Prediger zu erlangen waͤre, ein jeglicher anderer Chriſtlicher Mit-Bruder ihm ſolche Vergebung und abſolution ertheilen, und der Guͤltigkeit vor GOtt verſichern koͤnne, iſt eine nicht weniger ausgemachte Sache. Welche nicht allein Lutherus hin und wie - der, ſonderlich in der Kirchen-Poſtill (bey Quaſimod und 19. Trin.) ſtattlich treibet, ſondern auch unſere uͤbrige Lehrer hin und wiederdavon. Wie haͤnget aber dieſes mitandern(a)habent, pro ratione ejus, cui ſunt commiſſæ. Sunt enim vel priuato in vſu, vel publico. Quilibet Chriſtianus claues habet ſi - bi commiſſas, pro adminiſtratione priuata, cum in caſu neceſſi - tatis abſoluere queat etiam Laicus & fiat miniſter & Paſtor alteri - us, ſicut narrat Auguſtinus hiſtoriam de duobus Chriſtianis in naui, quorum alter baptizauerit κατηχύȣʹενον & is baptizatus deinde abſoluerit alterum. 157bey denen Proteſtirenden. andern principiis zuſammen? Man ſaget / die Kirche habe das Recht Suͤnde zu vergeben empfangen. Dieſe beruffte nachmahls die Prieſter. Auf ſolche Weiſe exercirte die Cleriſey ſolches Recht vermoͤge goͤttlichen Befehls. Die Layen aber ſind ja von der Kirche nicht beruffen, Sie hat ihnen dieſe Gewalt nicht mitgetheilet. Man rechnet ja uͤ - ber dieſes die abſolution zu denjenigen Stuͤcken / die jura or - dinis genennet werdend)Dieſe werden durch die Hand-Auflegung mitgetheilet. SoDie Macht zu abſoluiren, wird von der ordination hergeleitet. bald als dieſe geſchehen, ſprechen die Geiſtlichen: Sie vergeben die Suͤnden Krafft ihres heiligen Amtes. An GOttes ſtatt, Aus Befehl JEſu Chriſti. Alſo dependiret die gantze Krafft der abſolution von der ordination. Dieſe aber iſt ein bloſſer Kir - chen-Gebrauch, ein adiaphorum. Wolte man aber unſere heu - tige Hand-Auflegung von der Apoſtoliſchen herleiten, oder mit derſelben vergleichen, ſo irret man gar ſehr. Man giebet anbey zu verſtehen, der heilige Geiſt waͤre in der Gewalt derjenigen, ſo die ordination verrichten. Sie koͤnten ſolchen einem jedweden, auch dem allerlaſterhaffteſten Prieſter mittheilen. Dieſe Lehre a - ber kan man mit Recht zur wahren Simonie zehlen. Jch habe hiervon weitlaͤufftig, und wie ich hoffe, gantz gruͤndlich in meinem Tractat, de Simoniæ crimine und deſſen andern Section gehandelt, wohin ich mich beziehe.. Auf dieſe Weiſe kaͤme ſolche Macht denen Layen durchaus nicht zue)Die Layen ſind ja nach grober papiſtiſcher Meinung in nicht demWas ein Laye vor ein Thier ſeyn ſoll. geringſten Wehrt. Altenstaigius in Lexic. Theol. voce Laicus ſa - get; das Wort Laye wuͤrde vor einen ungelehrten, unerfahrnen undſteiner -. Allein vielleichtiſt(c)davon Meldung thun, (wie mir hingegen keiner wiſſend waͤ - re, der es wiederſpraͤche) ſondern es ſtehet ſo gar offenbahrlich in den Schmalkaldiſchen Articuln: In caſu necesſitatis abſoluit etiam Laicus, & fit miniſter & Paſtor alterius. Wo auch eine Stelle aus Auguſtino angefuͤhret wird, von der merckwuͤrdig iſt, daß durch ſonderbahre Regierung GOttes dieſelbe in das Jus Ca - nonicum geſetzet worden. &c. u 3158I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,iſt die Sache dadurch gehoben / daß man ſaget: Die Layen koͤnnten ſolches nur im Nothfall ausuͤben. Noth haͤtte kein Geſetze. Man muͤſte hier der Juriſten ihren conſen - ſum præſumptum anbringen. Es ſey allerdings zu vermu - then / daß die Kirche / wenn ſich der Zufall ereignete / daß man keinen Prieſter haͤtte / auch denen Layen ſolches Recht der abſolution zugeſtatten wuͤrde. Kan man aber auf ſolche Weiſe nicht mit gutem Grund ſagen / daß dieſe gantze Hand - lung eine menſchliche Anordnungf)Einige Zweif - fel wegen der gemeinen Lehre von der abſo - lution. Auf ſolche Weiſe wird es bey der Kirche beruhen, wie ſchon ein - mahl gedacht, ſolche Gewalt aufzutragen, wem ſie will. Jſt der Layen ihre abſolution im Nothfall kraͤfftig, ſo duͤncket mich, ſie koͤnne auch auſſer dieſen ſolche heilſame Wuͤrckungen hervor brin - gen. Ja man weiß, daß einige Dinge, die dann und wann erlau - bet, zu aller Zeit guͤltig waͤren, wenn nicht die oͤffentlichen Geſetze im Wege ſtuͤnden. Dieſes trifft bey der abſolution ebenfalls ein. Solche ruͤhret von menſchlicher Ordnung her. Die Theologi deriuiren ja ſolche ſelbſt von einer ſubdelegation der Kirchen her. Durch die Kirche aber koͤnnen ſie nichts anders verſtehen, als eine Menge Leute, die ſich aͤuſſerlich wegen des Gottesdienſts verſam̃let. Nichts kommt bey ſolcher Handlung fuͤr, das den Glauben oderandere? Einige werden einwen -den(e)ſteinernen Menſchen genommen. Das Wort Laicus kaͤme von λᾶς her, weil ſie als Steine anzuſehen waͤren. Ein Clericus aber, ſo ferne man ihn als einen Clericum betrachtete, waͤre zu loben, ein Laye, ſo ferne er als ein Laye anzuſehen, waͤre zu tadeln. Bey dieſen Layen herrſchete die Mutter der Blindheit, der Hochmuth. Sie koͤnten von demjenigen, was den Glauben und gute Sitten be - traͤffe, nicht urtheilen: Ja Licetus hat kein Bedencken getragen, die Worte Chriſti: Jhr ſolt das Heiligthum nicht vor die Hunde werffen, auf die Layen zu appliciren. Die Koͤnige ſelbſt hat man unter die Hunde gezehlet. Stanislaus Orichouius ſaget: So weit uͤbertrifft ein Prieſter einen Koͤnig, als ein Menſch eine Beſtie. Vid. illuſtr. Thomaſius ad Lancel. Lib. I. not. 41. 159bey denen Proteſtirenden. den und ſagen / unter der abſolution der Cleriſey und der Layen ihrer ſey dieſer Unterſcheid / daß jene eine oͤffentliche dieſe aber eine privat abſolution ſey. Die abſolution der Geiſtlichen ſey weit kraͤfftiger als der Layen ihre. Der Un - terſcheid iſt gewiß vortreflich. Denn man erſiehet ſo gleich / daß dar aus folge / der Cleriſey ihre abſolution bringe oͤffent - liche, der Layen ihre aber Privat-Wirckungen herfuͤr. Jch moͤchte aber gerne wiſſen / worinnen der Unterſcheid ſolcher Wirckungen beſtehe. Spener in angefuͤhrter Stelle machet keinen Unterſcheid unter beyden abſolutionen. Er ſchrei - bet ſolchen einerley Krafft zu. Vielleicht aber ſind dieſe ab - ſolutionen ſo unterſchieden / daß der Layen ihre in weiter nichts beſtehet / als in einer Erklaͤrung desjenigen / ſo bereits in dem Hertzen des Bußfertigen vorgegangen. Der Cle - riſey ihre ſey ein kraͤfftiges Mittel, durch welches Chriſtus denen Bußfertigen die Vergebung der Suͤnden mittheile - teg)Dieſer Meinung iſt Zieglerus cit. l. §. 6. und will durchaus nichtZieglers Mei - nung von der abſolution. zugeben, daß der Geiſtlichen abſolution in einer bloſſen declaration beſtuͤnde, die Suͤnden waͤren von GOtt dem Bußfertigen ver - geben. Seine Worte lauten ſo: Nec tamen putandum eſt, ab - ſolutionem, quæ fit a miniſtro eccleſiæ’, eſſe tantum declarationem ejus, quod jam intus in pœnitente factum eſt, ſed omnino ſta - tuendum, eſſe etiam efficax medium, per quod Chriſtus vere pœ - nitentibus confert, quod promiſit. Nach einigen faͤhret er fort: Qui clauem accepit vt ſoluat & aperiat, ille non ſignificat ab alio aperiri, ſed ipſe aperit. Aber wenn man auch gleich das Amt der Schluͤſſel von Vergebung der Suͤnde verſtehet, ſo iſt nach dem - jenigen, ſo oben vorgetragen, der Gebrauch der Schluͤſſel denen Apoſteln allein zugeſtanden worden. Ziegler bringet noch ein ander raiſonnement bey, ſeine Meinung zu behaupten, indem erſaget:. Jch dencke / die meiſten Prieſter werden dieſes raiſon -nement(f)andere geiſtliche Dinge betrifft. Waͤre dieſes, ſo haͤtte keine ſub - delegation ſtatt.160I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,nement billigen. Wie gegruͤndet aber daſſelbe ſey / will ſo gleich unterſuchen.
Unſere Theologi ſelbſten ſind nicht einig in der Beſchaffenheit der abſolution. Sie wiederſprechen ſich zum oͤfftern / wenn ſie von der Art und Weiſe handeln / wie die Suͤnden vergeben werden. Auf ſolche Weiſe gehen ſie gar offt von der eingefuͤhrten Meinung ab / da ſie dasjenige ver - einigen wollen / was nicht leicht unter einen Hut gebracht werden kan. Kluge moͤgen urtheilen / wie gluͤcklich ihr Un - terfangen zum oͤfftern geraͤth. Was ſagen ſie aber von der Vergebung der Suͤnden gutes? Einige ſprechen: alle ab - ſolution, ſie moͤchte ſeyn / wie ſie wolte / geſchaͤhe unter ge - wiſſer Bedingunga)Meinung Speneri. So ſchreibet der ſeelige Spener cit. l. vol. I. cap. I. ſect. 14. pag. 85. Ferner iſt eine unzweifliche goͤttliche Wahrheit, daß nicht allen, welche in dem Beicht-Stuhl die abſolution empfangen,wirck -. Jch habe darwieder nichts zu erin -nern.(g)ſaget: Wie einer der tauffte oder das Evangelium predigte, die Wiedergeburt nicht allein anzeigte, oder verkuͤndigte, ſondern allerdings als eine cauſa miniſterialis, durch das Wort und die Tauffe wiedergebuͤhret, 1. Cor. IV, 15. Gal. IV, 19. alſo waͤre auch der - jenige, ſo abſoluiret, nicht allein ein Ankuͤndiger der Vergebung der Suͤnden, ſondern das Werckzeug, dadurch GOtt die Vergebung der Suͤnden wuͤrckte. Ein jedes Gleichniß aber hincket. Paulus ſaget auch in 1. Cor. IV, 15. weiter nichts als dieſes: Jch habe euch gezeuget in Chriſto JEſu durchs Evangelium. Dieſe Worte kan ich nicht anders verſtehen, als auf ſolche Art: Jch ha - be euch das Evangelium geprediget, Chriſtus aber hat durch daſ - ſelbe kraͤfftig gewuͤrcket, daß ihr durch mich ſeyd neugebohren wor - den. Paulus ſchreibet alſo alle Krafft Chriſto und dem Evangelio zu. Auf gleiche Weiſe verſtehe ich die Stelle Gal. IV, 19. Jch wie - derhole anbey dieſes, daß unter denen Apoſteln und heutigen Prie - ſtern ein groſſer Unterſcheid, und die letztern der erſtern ihrer ſon - derbahren priuilegien ſich nicht anmaſſen koͤnnen.161bey denen Proteſtirenden. nern. Allein aus eben dieſer Meinung folget / daß unſere abſolution von der Apoſtoliſchen gar weit unterſchieden ſey. Jene mit dem heiligen Geiſt erfuͤllete Maͤnner wurden Krafft ſolches Geiſtes in alle Wahrheit geleitet. Wie ſie nun in der Vergebung der Suͤnden nicht irren kunten, ſo iſt kein Zweiffel / ſie haben die Suͤnden abſolute, ohne einige Bedingung vergeben.
Da nun deme alſo / ſo folget meinem Erach -Die abſolu - tion beſte - het nur in einer An - kuͤndigung der Verge - bung ten nach ungezwungen / die abſolution unſerer Prieſter ſey nichts anders / als eine Ankuͤndigung, daß GOtt dem recht Bußfertigen nach ſeinem Wort um Chriſti willen gnaͤdig ſeyn wolle. Dieſen Troſt kuͤndigen die Prieſter denen Beich - tenden an / die Suͤnde aber ſelbſt vergeben ſie keinesweges. Jch befinde auch / daß Brochmandus und Chemnitiusa)Brochmandus in Syſtem. P. 2. art. 31. Cap. 4. ſ. 3. p. 377. ſaget, die ab -Nach Broch - mando und Chemnitio. ſolution ſey dieſes, wenn der Diener des Worts dem Suͤnder die Vergebung ankuͤndigte. Clauis ſoluens ſeu abſolutio eſt, quia miniſter verbi autoritate diuina peccatori reſipiſcenti remis - ſionem peccatorum ANNVNCIAT. Chemnitius in oͤffters an -gefuͤhr -eben(a)wircklich von GOtt ihre Suͤnden vergeben werden. Dann alle abſolutio nen von Menſchen geſprochen, ſie werden mit Formuln gegeben, wie ſie wollen, ſind in der That conditio - natæ, und haben dieſe abſonderliche Bedingung, wo der Beichtende bußfertig, und ein ſolcher iſt, als er ſich in ſeiner Beichte ausgiebet. Denn weil der Beicht-Vater in die Her - tzen nicht ſehen kan, ſo giebet er ſeine abſolution auf die Beicht. Jſt aber die Perſon anders, als die Beicht, ſo gehet gleich - ſam die Abſolution bey ihm voruͤber, und iſt ihm nicht ge - meinet. Beſiehe auch der Theol. bedencken Vol. II. Cap. 3. art. I. ſect. 7. p. 26. Vol. III. Cap. 6. art. I. diſt. IV. ſect. VII. p. 649. und an - derswo mehr. Weil aber nicht alle mit dem ſeeligen Spener zufrieden ſind, ſo fuͤge ich ſolchem den Paulum Tarnouium bey,Und Tarne - vii. der de miniſt. eccles. Lib. II. c. 23. ein gleiches gar deutlich behauptet.(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) x162I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,eben ſolches geſaget. Jedoch ich kan nicht leugnen / daß ſie nachgehends wiederum anders gelehret. Dieſes aber dienet zum Exempel / daß ſich die groͤſten Leute wiederſpre - chen / wenn ſie die Zweiffels-Knoten / ſo ihnen in einer Sa - che aufſtoſſen / die nicht behauptet werden kan / aufloͤſen wollen.
Andere / wie bereits erinnert worden / ſagen / die Vergebung der Suͤnden geſchehe wuͤrcklich durch den Prie - ſter / wenn er die Worte der abſolution ſpraͤche. Sie ver - geben die Suͤnden an Gottes ſtatt. Dieſes will ich aber - mahls mit des Herrn Loͤbers Worten beweiſen. Es ſpricht derſelbea)Ob die Prieſter die Suͤnde an GOttes ſtatt vergeben?Lœber cit. l. coroll. 4. Miniſtri eccleſiæ peccata remittunt in Dei vicem, an GOttes ſtatt. Nam quod ſoluitur in terra, ſoluitur etiam in cœlo. Vnde Chriſtus Luc. XXIV, 47. dicit: Remiſſio - nem peccatorum debere prædicari in nomine Chriſti, & 2. Cor. V, 20. qui officio reconciliationis funguntur, dicuntur lega - tione fungi nomine Chriſti. Wie buͤndig dieſe Worte ſchlieſ - ſen, kan ein jeder, der ſolche mit Verſtand uͤberleget, erkennen. Was von dem Loͤſe-Schluͤſſel gedacht wird, da habe ſchon in dem vorhergehenden hin und wieder meine Meinung eroͤffnet. Auf den Spruch Luc. XXIV, 47. antworte ich, daß es ein anders ſey, Suͤnden an GOttes ſtatt vergeben, ein anders Vergebung der Suͤnden in dem Nahmen Chriſti predigen. Es reimet ſich alſo dieſe Stelle nicht in dem geringſten auf unſere Beichte. Die Worte 2. Cor. V, 20. lauten alſo: So ſind wir nun Bott - ſchafften an Chriſtus ſtatt, denn GOtt vermahnet durchuns. : Die Kirchen-Diener vergeben die Suͤnden an Gottes ſtatt. Denn was auf Erden geloͤſet wird, ſoll auch imHimmel(a)gefuͤhrtem examine Concil. Trident, de confesſ geſtehet auch, die abſolution waͤre nichts anders, als eine Stimme des Evangelii, welche die Vergebung der Suͤnden ankuͤndigte. Nil vero aliud eſt abſolutio, quam vox euangelii ANNVNCIANTIS remisſio - nem peccatorum propter meritum Chriſti. 163bey denen Proteſtirenden. Himmel loß ſeyn. Und Chriſtus ſaget Luc. XXIV, 47. man ſol - te Vergebung der Suͤnden predigen in Nahmen Chriſti, und 2. Cor. VI. werden diejenigen, ſo das Amt der Verſoͤhnung fuͤh - ren, Chriſti Bottſchaffter genennet. Auf dieſe Weiſe koͤnnte man unſere Geiſtlichen mit allem Recht Chriſti Statthalter nennenb)Die unſrigen ſagen ſonſt, es ſey ein Kennzeichen des Anti Chriſts,Ob die Prieſter Chriſti Statt - halter. daß ſich der Roͤmiſche Papſt Chriſti Statthalter nennet. vid. Lœber cit. l. coroll. 5. Wenn aber unſere Geiſtlichkeit ſich die Statthalterſchafft Chriſti zueignet, ſo ſoll ſolches ein Kennzeichen eines rechtſchaffenen Dieners des Evangelii ſeyn. Die Zuſam - menhangung kan ich nicht begreiffen. Die Spruͤche, ſo man ins - gemein zum Beweiß herfuͤrbringet, reden von denen Apoſteln. Es iſt alſo ein Kennzeichen eines beſondern Hochmuths, wenn man dieſe auſſerordentliche Apoſtoliſche Titul und Freyheiten allen Geiſtlichen zuſchreiben will.. Jch zweifle aber aus gar wichtigen Gruͤnden an dieſem Vorgeben. Jch halte dafuͤr / GOtt allein vergebe die Suͤnde. Dieſe Vergebung zu erlangen / hat er uns ſein Wort geoffenbahret / daß wir daraus Troſt ſchoͤpffen moͤchtenc)Der ſeel. Spener urtheilet cit. l. Vol. I. Part. I. cap. 1. ſect. 37. pag.Durch das Wort GOttes erhaͤlt man Veꝛgebung der Suͤnde. 202. wohl, wenn er ſaget: GOtt iſt allein derjenige, der als die Haupt-Urſache, und mit einer eignen Gewalt die Suͤn - de nachlaͤſſet, wie ſie auch alle wider ihn gehen. Er faͤhret ſodann fort: Wie aber GOTT in dem Werck unſers Heils durch Mittel handelt, ſo iſt GOttes Mittel in der Verge - bung das goͤttliche Wort, und die heiligen Sacramenten,und. Zwar(a)uns. So bitten wir nun an Chriſtus ſtatt, laſſet euch ver - ſoͤhnen mit GOtt. Paulus ſaget: Wir ſind Bottſchaffter an CHriſtus ſtatt, nehmlich er und die uͤbrigen Apoſtel. Ferner erinnere ich, daß die Worte: laſſet euch verſoͤhnen mit GOtt, weit fuͤglicher auf eine andere Weiſe erklaͤret werden koͤnnen und muͤſſen, als daß ſolche ſo viel bedeuteten: Laſſet euch die Suͤnden an GOttes ſtatt vergeben.x 2164I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Zwar wollen die Prediger den Dienſt des Wortes ſo zu ſagen ſich eintzig und allein zuſchreibend)Was die Geiſt - lichen hierbey verrichten.Der ſeel. Spener ſcheinet auch hieher incliniret zu haben. Er faͤhret am angefuͤhrten Orte fort: Der Dienſt des Wortes a - ber iſt denen Predigern aufgetragen, daher haben ſie das Amt, das die Verſoͤhnung prediget, und fuͤhren das Wort der Verſoͤhnung, 2. Cor. V, 18. 19. und zwar alſo, daß ſie nicht allein aus dem Wort bezeugen, daß GOTT ſich mit uns zu verſoͤhnen willig ſey; ſondern auch den Bußfertigen, eintzeln oder mehreren die Verſoͤhnung anbieten, und ſie alſo von ihrer Seite verſoͤhnen, dermaſſen, daß wo jene mit Glauben ſolches annehmen, ſie der Verſoͤhnung und Vergebung auch wuͤrcklich faͤhig werden. Jch erinnere nur folgendes hierbey. Jn der erſten Kirche ware es jedem der die Ge - ſchicklichkeit hatte erlaubt, das Wort in der Gemeinde zu lehren. Ferner iſt es ein anders, jemand mit GOtt verſoͤhnen helffen, ein anders, ihme an GOttes ſtatt die Suͤnde vergeben. Jenes kan durch Ermahnen, Erinnern, Bitte, Gebet und Fuͤrbitte geſche - hen. Und wenn auch der Dienſt des Wortes denen Predigern aufgetragen, ſo kan doch ein jeder die Schrifft ſelbſt leſen. Erkan; Allein die Wahrheit zu ſagen / von Anfang ware es nicht alſo. Man wuſte von keinem Unterſcheid unter denen Clericis und Laicis. Da aber endlich dieſer aufgekommen und die Prieſter allein das Lehr-Amt uͤberkommen / ſo laſſen es auch alle kluge Leute dabey bewenden. Es koͤnnen alſo dieſelben fleißig von Buſ - ſe und Vergebung predigen; doch daß man ſolche Perſonen vor dergleichen Werckzeuge halten ſolte / ohne welche entwe - der keine Vergebung der Suͤnden geſchehen koͤnnte / oder daß doch von denenſelben die Suͤnden wuͤrcklich vergebenwuͤr -(c)und zwar alſo, daß er ſolche durch dieſe nicht allein anzei - gen, ſondern wahrhafftig ertheilen laͤſſet, alſo, daß der Glaͤubige in ſolchen Mitteln die Vergebung ſuchet und fin - det. Alſo kan man die Vergebung der Suͤnden erlangen, wenn man ſich GOttes Wort im Glauben zu Nutze machet.165bey denen Proteſtirenden. wuͤrden / will gar nicht in meinen Kopfe)Spener ſtimmet hiermit ein, da er ſaget cit. l. Alſo ſind diePrediger ſollen Mittels-Per - ſonen ſeyn, die Vergebung der Suͤnden zu er - langen. Prediger die Mittels-Perſonen, durch welche GOTT in ſeinem Wort die Vergebung nicht allein ſo fern verkuͤndi - gen laͤſſet, daß ſie uns offen ſtehen ſolle; ſondern auch de - nenjenigen wiederfahren laͤſſet, welche derſelben in Buß und Glauben faͤhig ſind. Daß aber GOtt uns die Vergebung der Suͤnden anbietet, kan man wiſſen, ohne daß ſolches die Pre - diger ſagen. Man darf nur ſelbſt die Bibel leſen. Man weiß auch, daß die Vergebung uns wiederfaͤhret, ohne daß ein Pre - diger etwas dabey thut. Jhr Dienſt ſcheinet nur um der rohen und einfaͤltigen Leute willen hier noͤthig zu ſeyn. Dieſe koͤnnen ſie zur Buſſe anmahnen, und wenn ſie Zeichen einer Reue und zerknirſchten Hertzens von ſich geben, verſichern, GOtt habe ihnen die Suͤnden verziehem. Meines Erach - tens / thun die Prieſter hier mit Recht weiter nichts / als daß ſie unter gewiſſen Formuln / mit Bedingung, die Ver - gebung der Suͤnden um Chriſti willen ankuͤndigenf)Der ſeel. Spener geſtehet endlich dieſes ſelbſten, und faͤhret cit. l.Kuͤndigen nur die Vergebung an. fort: Jndeſſen beſtehet ihr (nehmlich der Prediger) Verge - ben in VERKUNDJGUNG, daß ihnen GOtt hiermit durch ſein Wort und Evangelium die Suͤnden vergebe. ꝛc. . Kei - nesweges aber vergeben ſie die Suͤnden an Gottes ſtattg)Spener faͤhret fort: Daher vergiebet der Prediger in GOt - tes Nahmen, das iſt, nicht nur weil ihm GOtt dieſes Amt befohlen, ſondern weil er die Vergebung vor ſich nicht er - theilen koͤnte, ſondern GOtt ſolche durch ihn thut. Der ſeelige Mann hat ſeine Meinung von der Prediger Vergebung zwar viel beſcheidener als andere vorgetragen, allein mir fallen doch folgende Scrupel dabey ein. Jch weiß mich nicht zu entſin -nen,.
§. XVIII.(d)kan ſich die Mittel, ſo dieſelbe darbietet, ohne eines andern Bey - huͤlffe zu Nutzen machen. Man darf nur Glaubens-voll das Verdienſt Chriſti ergreiffen, ſo ſind wir verſoͤhnet. Unſere Suͤn - den ſind getilget, und derſelben wird nimmermehr gedacht.
x 3166I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Denn iſt es nicht an dem / daß einem wahr - hafften Bußfertigen von GOtt die Suͤnden und Miß - handlungen bereits vergeben ſind / ehe ſie mit dem Munde bey denen Prieſtern beichten? Gewißlich iſt bereits alles ge - tilget / und ſtimmen auch hierinn die Theologi uͤbereina)vid. Carpzouius in Iſagog. ad Lib. ſymbol. pag. 870. Blumberg in der geiſtlicheu Himmels-Leiter und andere mehr.. Der Seel. Spener ſaget folgendesb)Speneri Ur - theil.Cit. l. cap. II. art. VI. ſect. I. pag. 196. Der theure Lehrer hat cit. l. vol. II. cap. III. art I. ſect. 27. pag. 156. ſeq. wiederum folgende Wor - te einflieſſen laſſen: Alſo duͤrffen wir nicht gedencken von ei - niger ſolchen Krafft der abſolution, daß wo nur dieſelbe erlan - get wuͤrde, nothwendig die Suͤnden auch kraͤfftig vergeben ſeyn muͤſten, um ſolches Wercks willen. Nein, ſonderlich muß erſt der Menſch in einer wahren Bekehrung, in wahrer Buß, in Reu und Haß ſeiner Suͤnde, und alſo ernſtlichem Vorſatz, ſie nun und nimmermehr mit Willen zu begehen, auch im Glauben an JEſum CHriſtum ſtehen, ehe ihm die abſolution nuͤtzen kan. Wo nun alſo der bußfertige Menſch in ſolchem Glauben an GOttes Gnade, in JEſu CHriſto ſtehet, und damit dieſe ergreiffet, ſo iſt er gerechtfertiget durch den Glauben, das iſt, es ſind ihm ſeine Suͤnden um der Gerechtigkeit JEſu CHriſti willen, der dafuͤr genug gethan hat, in dem Augenblick vor GOttes Gericht ver - geben, und er gerecht Rom. III, 24. 25. IV, 5. ehe er auch mit aͤuſſerlichen Worten abſolviret wird, ja ob auch in der Welt keine abſolution nachfolgte &c. : Wenn wir alſo wie -der(g)nen, daß in einem einigen Ort der Schrifft anbefohlen worden, Menſchen ſolten denen andern die Suͤnden vergeben. Selbſt denen Apoſteln iſt kein Befehl ertheilet, ſondern nur die Erlaub - nuͤß gegeben worden. Unter einer Erlaubnuͤß aber und einem Befehl, iſt ein groſſer Unterſcheid. Ferner kan ich nicht begreif - fen, woher es kommen ſolte, daß GOtt durch die Prediger und Beicht-Vaͤter die Suͤnden vergaͤbe, indem ich abermahls in dem goͤttlichen Wort nichts davon finde.167bey denen Proteſtirenden. der zu unſerer Beicht kommen / bekenne ich, daß ein Bußferti - ger, der ſich von ſchweren Faͤllen bekehret hat, ſo bald in ſei - ner Buß durch den Glauben die Vergebung vor GOttes Ge - richt erlanget habe, und wo er zu der abſolution zu kommen die Gelegenheit nicht haͤtte, nichts deſtoweniger eine vollkomme - ne Vergebung genieſſen wuͤrde. Damit aber die in ſolchem Fall ertheilte abſolution nicht gantz krafftloß und vergebens geachtet werden moͤge / ſo muß ihr dennoch einige Wuͤr - ckung zugeleget werden. Man ſaget / daß ſolche die goͤttliche abſolution bekraͤfftigte, und den Bußfertigen der goͤttlichen Gnade noch mehr verſicherte. Jch kan einem jedweden hier - inn ſeine Meinung laſſen. Die Sache iſt kein Glaubens - Articul. Mich richtet das goͤttliche Wort auch ohne menſch - liche abſolution vollkommen auf. Wenn mich meine Suͤn - den aͤngſtigen / hohle ich bußfertig aus demſelben Troſt: Jch finde auch ſolchen. Die Gnade GOttes zeiget ſich mir haͤuf - fig. Jch werde verſichert / GOtt werde mir um Chriſtiwillen alle meine Suͤnden verzeihen und vergeben.
Wenn man aber ja zugiebet / daß noch heu -Zur Verge - bung der Suͤnden iſt der H. Geiſt noͤthig. te zu Tage die Macht Suͤnde zu vergeben gewiſſen Perſo - nen anvertrauet iſt; ſo kan man doch ſolche nicht allen Pre - digern zueignen. Es wurde ſolche vormahls denen Apo - ſteln durch Einblaſung des heiligen Geiſtes verliehen / dieſes muͤſte alſo auch noch jetzo geſchehen. Es haben alſo ſelbſt einige Theologi angemercket / daß die beſondere Huͤlffe des heiligen Geiſtes hierzu vonnoͤthen ſey. Um dieſer Urſache willen aber wuͤrden die allerwenigſten Prieſter ſich ſol - cher Gewalt anmaſſen koͤnnen. Jedoch wir haben genug / daß wir wiſſen / unſere Suͤnden werden durch die jenige Beichte / ſo GOtt aus zerknirſchtem Hertzen geſchiehet / voͤl - lig getilget. Was die Geiſtlichkeit hierbey thun kan / wirdWas die Geiſtlich - keit hierbey thut. wohl darinn beſtehen / daß ſie die unerfahrnen unterrichten / wie und auf was Weiſe man der Simden Unflath abwa -ſchen /168I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,ſchen / und das Hertze von ſolcher Seuche befreyen ſoll. Die Patres, ſo ſich zu Challons verſammlet / haben ſolches ſchon vorlaͤngſten beobachtet / und geſprochen / man beichte da - rum denen Prieſtern / daß man von ihnen Unterricht em - pfange / auf was Art und Weiſe man ſeiner Suͤnden loß wer - den koͤnne. Es wird nicht undienlich ſeyn / ihre Worte hier zu uͤberſetzena)Meinung der Patrum des Concilli zu Challons. Concil. Cabillonenſ. II. c. 33. Quidam Deo ſolummodo confiteri debere dicunt peccata; quidam vero ſacerdotibus confitenda eſſe percenſent; quod vtrumque non ſine magno fructu intra ſanctam fit eccleſiam, ita duntaxat, vt & Deo, qui remiſſor eſt peccatorum, confitea mur peccata noſtra, & cum Dauid dicamus: Delictum me - um cognitum tibi feci, & injuſtitiam meam non abſcondi. Dixi confitebor aduerſum me injuſtitias meas Domino, & tu remiſiſti impietatem peccati mei. & ſecundum inſtitutionem Apoſtoli, confiteamur alterutrum peccata noſtra, & oremus pro inuicem, vt ſaluemur. Confesſio itaque quæ Deo fit purgat peccata; ea vero, quæ ſacerdoti fit, docet qualiter ipſa purgentur peccata. De - us namque ſalutis & ſanitatis auctor & largitor, plerumque hanc præbet ſuæ potentiæ inviſibili adminiſtratione; plerumque me - dicorum operatione. a) Vol. : Einige ſagen, man duͤrffte nur GOtt allei - ne beichten, einige meinen man muͤſte auch dem Prieſter beich - ten, welches beydes nicht ohne groſſen Nutzen in der Kirchen geſchiehet, alſo daß wir GOtt, der der Vergeber der Suͤn - den iſt, unſere Suͤnden bekennen, und mit David ſagen: Jch habe dir meine Ubertretung bekannt, und meine Ungerechtig - keit nicht verborgen. Jch ſprach, ich will dem Herrn meine Ubertretung bekennen, da vergabſt du mir die Miſſethat mei - ner Suͤnden: Und nach der Anordnung des Apoſtels, ſollen wir einander unſere Suͤnden bekennen und bitten, damit wir ſeelig werden. Die Beicht alſo, die GOtt geſchiehet, reiniget von Suͤnden; Die aber dem Prieſter geſchiehet, lehret uns, auf was Weiſe die Suͤnden gereiniget werden koͤnnen. Denn GOtt, der des Heyls und Geſundheits Uhrheber und Geber iſt,ſchen -169bey denen Proteſtirenden. ſchencket ſolche bald auf eine unſichtbare Weiſe ſeiner Macht, bald durch Huͤlffe der Aertzte. Man muß ſich verwundern / daß man heute zu Tage lange nicht ſo geſchickt von dieſer Materie urtheilet / als die Patres ſchon dazumahl gethan. Doch die Urſachen ſind leicht zu errathen.
Aus allem / was bißher geſaget worden / kanBeichtſtuhl iſt nicht nothwen - dig. man zur Gnuͤge erkennen / daß die Beicht-Stuͤhle keines - weges als nothwendige Anſtalten zu betrachten ſind. Klu - ge Theologi bekennen ſolches ſelbſt. Jn der goͤttlichen Schrifft iſt nichts davon geboten. Die erſte reine Kirche hat nichts davon gewuſt. Durch ein oͤffentliches und allgemei - nes Geſetze iſt die Beichte erſt in dem dreyzehenden Seculo aufkommen. Man darff alſo dieſe Anſtalt vor nichts an - ders / als einen aͤuſſerlichen Kirchen-Gebrauch anſehen. Der ſeelige Spener iſt hier mit mir einerley Meinung / da er in ſeinen Theologi ſchen Bedencken ſageta)Vol. II. art. I. ſect. 27. pag. 161. Jn eben dieſen Bedencken, Vol. vlt. Nach Speneri, Schilteri und Carpzouii Meinung.P. 1. cap. II. art. 6. ſect. 6. p. 557. drucket er ſeine Meinung derge - ſtalt aus: Jm uͤbrigen bleibet auch dieſes unwiederſprech - lich, daß man bey aller Beybehaltung des Beicht-Stuhls denen Leuten allen Aberglauben, welchen ſie an demſelben faſſen moͤgen, mit allem Fleiß und Ernſt benehme, ſonder - lich, wenn ſie die Vergebung der Suͤnden daran binden. &c. Dieſes moͤgen abſonderlich diejenigen zu Ohren faſſen, und fleiſ - ſig mercken, welche alle ihre Kraͤffte daran ſtrecken, die Nothwen - digkeit der Beichte zu behaupten. Schilter in Inſtit. jur. can. Lib. II. Tit. 4. §. 11. ſaget auch, die Beichte flieſſe nur aus dem von Men - ſchen geordneten Recht. Die Kirche koͤnte alſo wegen derſelben diſpenſiren. Er beruffet ſich zugleich auf Carpzovium, und von denen alten auf Socratem und Sozomenum. Dieſer ihre Worte habe ſchon oben angefuͤhret. Wenn man aber zuſtehet, die Beichte ſey juris poſitiui, ſo duͤncket mich, die abſolution wird eben - falls aus keiner andern Quelle herzuleiten ſeyn. Denn die abſo -lution: Es wird auch zuge -ſtan -(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) y170I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,ſtanden, daß unſer heutiger Beicht-Stuhl, wo er auch ſchon in rechtem Gebrauch ſtehet, dennoch keine goͤttliche Einſetzung, ſondern allein ein Kirchen-Gebrauch ſey, davon die erſte rein - ſte Chriſtliche Kirche uͤber etliche hundert Jahr nichts gewuſt. Jch glaube auch / daß gar offtermahl mehr Schaden aus de - nen Beicht-Stuͤhlen entſtehet / als Nutzen.
Jch muß nun auch den Nutzen beruͤhren / der durch den Gebrauch und Beybehaltung der Beichte ſich ex - ſeriren ſoll. Wenn ich die Sache genau erwaͤge / ſo kan ich mir nicht einbilden / daß der Nutzen ſo groß und ſonder - lich iſt / als er insgemein geruͤhmet wird. Zwar weiß ich allzuwohl / warum einige die Beichte / deren Maͤngel ſie gar wohl erkennen / beybehalten wiſſen wollen. Jedoch die Gruͤnde / ſo ſie vorbringen / ſind von keiner ſonderlichen Wich - tigkeita)Warum die Beichte nuͤtz - lich ſeye und beybehalten werden ſoll?Ein ungenanter Autor, von dem rechten Gebrauch der privat - Beicht und abſolution erhebet zwar cap. 1. §. 3. den Nutzen ſolcher Beicht und abſolution gar ſehr. Wenn ich aber ſeine vornehm - ſte Urſache betrachte, waͤrum ſo viel auf die Beichte zu halten, ſo heiſt es: Man muͤſſe die Beichte beybehalten, wegen der vie - len Angefochtenen. Hierauf aber antworte ich: Wenn eine ſolche Seele ſich findet, die dafuͤr haͤlt, man koͤnnte der Suͤnden ohne Beichte nicht loß werden, ſo mag ſich ſolche derſelben bedie - nen. Laß eine ſolche die abſolution auf das wehmuͤthigſte her - ausbetteln. Sie kan dem Prieſter ſo lang und viel von ihrer See - len-Kranckheit fuͤrſchwatzen, als ſie immer will. Soll man aber wegen ſolcher eintzelnen und vielleicht wenigen Perſonen das Beicht-Joch allen und jeden, die ſich Glieder der Kirche nennen, aufbuͤrden? Jch kan ſolches nicht begreiffen. Viele wuͤrden kei -ne. Man uͤberlege doch nur / wie es mit dem beich -ten(a)lution, ſo bey der alten Kirche ſtatt hatte, ware eben alſo beſchaffen. Die Kirche verziehe das ihr zugefuͤgte Unrecht, und vergabe die Suͤnden keinesweges an GOttes ſtatt, wie bereits gemeldet worden.171bey denen Proteſtirenden. ten und abſolviren zugehet. Jn einer Stunde muͤſſen ein Duzend und wohl mehr abgefertiget ſeyn. Dennoch ſoll die Beichte eine Vorbereitung zum heilgen Abendmahl heiſ - ſen. Wenn aber keine beſſere als dieſe vorhergehet / ſo hat man ſich gewißlich nicht allzu wohl zu ſolchem himmliſchen Mahl geſchickt gemacht. Solches haben bereits andere vor mir erkannt / und alſo erſpare ich die Muͤhe / mich weitlaͤuf - tig dabey aufzuhaltenb)Angefuͤhrter ungenannter Autor hat ſolches ſelbſt erkannt. EsOb die Beichte eine Vorberei - tung zum A - bendmahl? erinnert derſelbe in §. 11. daß in der erſten Kirche keine Beichte und abſolution vor dem Gebrauch des heiligen Nachtmahls hergegan - gen. Hierauf unterſuchet er die Frage: Ob die geheime Beich - te eine Vorbereitung zum heiligen Nachtmahl ſey. Es wird nicht undienlich ſeyn, deſſen eigene Worte, ob ſolche ſchon etwas lang, hieher zu ſetzen. Und kan hie, ſchreibet er, der Vor - wand im geringſten nichts helffen, daß man gleichwohl nach reciti rung der Beicht vor der Abſolution mit denen Leuten re - den, ihnen die Groͤſſe ihrer Suͤnden und den Zorn GOttes ſchaͤrffen, ſie darauff pruͤffen, ob ſie auch ein rechtes Erkaͤnt - nuͤß, ein bußfertiges Hertz, und einen wahren Glauben haben, und wenn man ſolches an ihnen nicht findet, daß man ſie durch hertzliche Vermahnung dazu bringen, und ſie alſo zum heiligen Abendmahl bereiten koͤnne. Denn 1) thut ſol - ches unter hundert Predigern kaum einer, der ſich ſein Amt ſo laͤſt angelegen ſeyn. 2) Jſt die Zeit dazu viel zu kurtz, daß ſo viele, als offt in wenig Stunden da ſind, und zwar ein jeglicher inſonderheit, alſo koͤnte befraget werden: 3) Nehmen ſie es auch nicht an, ſondern viele ziehen es ih - nen zum Schimpff zu, auch wenn ſie in der Antwort nicht beſtehen, oder ihnen gewiſſe Suͤnden vorgehalten werden, werden ſie unwillig, und wiſſen allerley einzuwenden: und dennoch muͤſſen ſie abſolviret werden. 4) Siehet ein recht -ſchaffe -. Ja unſere heutige Beicht-Artſiehet(a)ne abſolution ſuchen, wenn ſie nicht muͤſten. Die Urſach iſt, weil ſie ſelbſt die Schrifft leſen, und ſich ſolche zu Nutzen machen.y 2172I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,ſiehet alſo aus / daß beruͤhmte Theologi ſelbſt bekennet / wir haͤtten faſt nirgendswo den rechten Gebrauch der Beichte. Uberall erblickte man nur den Mißbrauchc)Mißbrauch der Beicht - Stuͤhle.Der ſeel. Spener geſtehet ſolches ſelbſt cit. l. Vol. I. cap. 11. art. VI. ſect. 26. Auf ſolche Weiſe meinet er auch, daß es zweiffels ohne zu - traͤglicher waͤre, wenn man die Beicht-Stuͤhle gantz und gar ab - ſchaffte. Allein in eben denen Theol Bedencken, Vol. III. cap. VI. art. I. diſt. 4. ſect. 7. pag. 648. hat er einige geringe Urſachen ange - fuͤhret, warum ſolche beyzubehalten waͤren. Es verdienen auch diejenigen Mißbraͤuche, welche angefuͤhrter ungenannter Autor mitgetheilet, in Betrachtung gezogen zu werden, von welchen er§. 13. . Wie ſoll nunbey(b)ſchaffener Diener GOttes, dem es nicht ums Beicht-Geld, ſondern um ſeine und ſeiner Beicht-Kinder Seeligkeit zu thun, bey ſolchem vorgenommenen Verhoͤr erſt recht den Mißbrauch der Beicht und abſolution, wie wenig derer ſeyn, die er mit guten Gewiſſen abſolui ren, kan; da er doch alle nach der noͤthigen Gewohnheit inſonderheit abſolui ren, und wo es der Gebrauch iſt, ihnen die Haͤnde auflegen muß. Dannenhero alles, was von dem Nutzen ſolches Gebrauchs der Beicht und abſolution geſaget wird: daß nehmlich der Prediger alſo erfahren koͤnne, ob ſie auch alle die Haupt - Stuͤck der Chriſtlichen Lehre verſtehen, ob ſie alle ein buß - fertiges Hertz haben, und in wahrem Glauben an Chriſtum JEſum ſtehen, ob ſie auch alle einen rechtſchaffenen Vor - ſatz haben, nach dieſem ein frommes Leben zu fuͤhren, und daß er alſo einen jeglichen vermahnen und troͤſten koͤnne, als es ſeiner Seelen noͤthig iſt, nur ein bloſſer Vorwand iſt, davon nichts geſchicht, auch nichts geſchehen kan; Sondern das gantze Werck, wenn es im Grunde angeſehen wird, wie es die Prediger, ſonderlich heute zu Tage treiben, mehren - theils ein lauter Mißbrauch der troͤſtlichen Beicht und ab - ſolution, und eine unverantwortliche Entheiligung des Nah - mens GOttes, uͤber ſo viel gottloſe, unbußfertige, ſichere Menſchen, zu derſelben groͤſſern Verfuͤhrung und Verſto - ckung iſt. Welches GOtt nicht ungeſtrafft laſſen wird. 173bey denen Proteſtirenden. bey ſo geſtalten Sachen die Beichte eine nuͤtzliche Anordnung der Kirche betittelt werden? Jch kan es nicht ſehen / ſondern glaube darum vielmehr / der Nutzen / den wir durch das Beicht-Weſen zu erhalten gedencken / werde gar klein / oder wohl gar nirgends zu finden ſeyn. Man muͤſte denn die Beicht-Stuͤhle darum was nuͤtzliches nennen / weil durch ſolche die Beſoldungen der Prieſter / ſo insgemein gar ge - ringe / um ein ziemliches vermehret werden.
Wenn aber nun gleich die Beicht-StuͤhleOb bey de - nen Beicht - Stuͤhlen etwas un - rechtmaͤßi - ges? nicht nothwendig, wenn gleich wenig Nutzen aus ſolchen entſtehet / ſo wird doch nichts bey ſolchen zu finden ſeyn / daß man ſagen koͤnnte / es waͤren dieſelben ungerecht zu nennen. Jch geſtehe gar gerne / daß ich mich in dieſe Materie nicht meliren mag. Die Sache ſcheinet mir gar zu kuͤtzlich. Jch will das Urtheil gar gerne andern uͤberlaſſen. Vielleicht koͤnnen ſie ſolches aus dem bißher geſagten faͤllen. Vor - ietzo will ich nur einige Erinnerungen machen. Vielleicht ver - dienen ſolche in eine kleine Betrachtung gezogen zu werden. Man ſchreibet allen und jeden Prieſtern das Recht Suͤnde zu vergeben und zu behalten zu / da doch ſolches eine auſ - ſerordentliche Gabe der Apoſtel iſt. Zum wenigſten wird niemand leugnen koͤnnen / daß daſſelbe von dem Einblaſen des heiligen Geiſtes herzuleiten ſey. Unſere Prieſter wol - len die Suͤnden an Gottes ſtatt vergeben. Hierzu aber ha - ben ſie ja keinen Befehl aufzuweiſen. Sie abſolviren ja alle / ſo in den Beicht-Stuhl kommen / und legen alſo denenmeiſten(c)§. 13. ſeq. cit. l. handelt. Es gehet aber dabey ſeine gantze Bemuͤ - hung dahin, daß er die privat-Beichte recommendiret, allerhand Rathſchlaͤge dargiebt, wie man dem eingeſchlichenen uͤbel wie - derſtehen und ſolches heben koͤnte, welche Meinung ich vorjetzo nicht unterſuchen kan. a) We -y 3174I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,meiſten die Haͤnde unwuͤrdiger Weiſe auf. Alle / welche das Nachtmahl des HErrn genieſſen wollen / muͤſſen ſich in dem Beicht-Stuhl einfinden. Man will gar keinen Unterſcheid unter denen Perſonen machena)Daß alle und jede vor Genieſ - ſung des A - bendmahls beichten muͤſ - ſen, wird geta - delt.Wegen dieſer Gewohnheit hat der oͤfftersangefuͤhrte ungenannte Autor cit. l. §. 13. folgende Worte einflieſſen laſſen: Wie alſo die Chriſten der erſten Kirchen neues Teſtamts das theure Verdienſt JEſu Chriſti durch den Gnaden-Bund der heil. Taufe ihnen geſchencket, zum Grunds ihres Glaubens geſetzet, und dabey ohne ſolche noͤthige Beichte und Abſolution vor dem heiligen Abendmahl der Vergebung ihrer Suͤnden und der Gnaden GOttes im Glauben gewiß geweſen ſind. Aber da wird nicht mehr an gedacht, ſondern ein jeder iſt durch den Mißbrauch der Beicht und abſolution in den Wahn gerathen: Wenn er zum heiligen Abendmahl gehet, daß er keine Ver - gebung der Suͤnden habe, wo er ſich nicht zu vorher aus noͤthiger Gewohnheit abſolui ren laſſe; Da er doch, ſo lange er im Glauben JEſu Chriſti bleibet, durch ſolchen Glau - ben gerecht iſt, und Vergebung aller ſeiner Suͤnden hat. Es ſind auch diejenigen Worte nicht zu uͤbergehen, welche er §. 14. von der Nothwendigkeit vor Genieſſung des Nachtmahls vor - her zu beichten, einflieſſen laſſen. Es iſt, ſaget er, ihnen (denen Frommen) ein groſſer Anſtoß des Glaubens, daß man ſie, wenn ſie zum Gedaͤchtnuͤß des Todes JEſu Chriſti und ſeinen Ehren, auch ihres Glaubens ferneren Staͤrckung und deſto feſteren Vereinigung mit GOtt zum heiligen Abendmahl gehen wollen, alsdenn zwingen will, ſich erſt abſolui ren o - der die Suͤnde vergeben zu laſſen, die ihnen doch ſchon ver - geben ſind, und an deren Vergebung ſie keinen Zweiffel ha - ben. &c. . Viele gehen aus einem bloſſen Gebrauch zur Beichte / und ſtehen in denen Gedan - cken / es ſey alles gantz gut und wohl ausgerichtet / wenn der Prieſter geſprochen: Jch vergebe euch Krafft meines hei - ligen Amtes alle eure Suͤnden ꝛc. Dieſe Worte waͤren kraͤf -tig175bey denen Proteſtirenden. tig genug / ſie von ihren Suͤnden zu reinigenb)Jch will die Sache wiederum lieber mit des angefuͤhrten unge -Die Leute wer - den durch die gemeine Beicht-Art ſicher gemacht. nannten Autoris, als meinen Worten ausdruͤcken. So ſaget er aber cit. l. Die gottloſen und ſichern Suͤnder, wie ley der! ſonderlich heut zu Tage, die meiſten Chriſten ſind, die in Un - wiſſenheit und daher nothwendig in Unbußfertigkeit, Un - glauben und Suͤnden wider das Gewiſſen dahin gehen, von GOtt aber und ſeiner ſeeligen Einwohnung und Wuͤrckung in ihrem Hertzen nichts wiſſen, weil ſie durch den Prediger koͤnnen abſolui ret werden, wenn ſie wollen, der Prediger auch wegen der noͤthigen Gewohnheit ſolches thun muß, wo er nicht vor Gericht will verklaget und geſtraffet werden; So werden dieſelben immer mehr und mehr in ihren Suͤn - den geſtaͤrcket, und verlaſſen ſich darauf, daß ihnen ihre Suͤnden von dem Prediger vergeben ſind, und daß die Sachen gantz gut mit ihnen ſtehen. Da ſie doch niemah - len ihre Suͤnden und den Zorn GOTTES uͤber dieſel - ben recht erkannt, und gefuͤhlet, und alſo auch dem Prediger nie keine Noth des Hertzens geklaget, noch Troſt von ihm begehret, viel weniger im Glauben an Chri - ſtum einen Vorſatz gefaſſet, ſolche Suͤnden einzuſtellen; Sondern ſie ſind in dem Vorſatz zu ſuͤndigen geblieben, in Meinung GOtt ſey barmhertzig, und nehme es ſo genau nicht. Sie leben in der Welt; Wo ſie wollen fortkommen, muͤſſen ſie es machen, wie der groͤſte Hauffe. Was ſie aber in der Beicht gethan, iſt nichts anders, als daß ſie ihr vorlangen Jahren auswendig gelernetes Beicht-Formular hergeſaget, und darauf offt mit einer wohl getitulirten Rede abſolui ret ſind &c. a) Jch. Sie ſetzen mehr Vertrauen auf die Beicht-Vaͤter / alsauf GOtt / und ſuchen alſo Huͤlffe / wo ſolche doch nicht zu finden. Sie be - ten nach dem Gebrauch das auswendig gelernete Formu - lar daher / im uͤbrigen aber iſt bey ihnen keine rechte Erkaͤnt - nuͤß der Suͤnden / keine wahre Reue, kein Glaube an Chri -ſtum176I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,ſtum anzutreffenc)Welches mit ei - nes andern Worten be - ſcheiniget wird.Jch will die Worte des auch ſchon angefuͤhrten Autoris, der Ant - worten auf etliche Theolog. Fragen, hieher ſchreiben. Jch finde pag. 65. ſeq. folgende: Mir beduͤncket, durch das Beicht-Weſen werden denen Leuten Kuͤſſen gemacht unter die Arme, und Pfuͤhle zu denen Haͤuptern. Jhr Suͤnden-Lager wird ihnen von neuen gebettet. Sie liegen deſto ruhiger in ihren Suͤn - den, weil ſie davon, ſo offt ſie zu dem Beicht-Stuhl kommen, Vergebung bekommen. Da werden die armen Seelen ge - fangen gefuͤhret in den Seilen des ordinai ren Beicht-We - ſens, daß ſie niemahlen ſich einen Ernſt ſeyn laſſen, durch die Gnaden-Krafft JESU loß und frey zu werden von Suͤnden. . Dieſe Dinge bitte ich wohl zu erwaͤ - gen / und ſo dann ſelbſt zu urtheilen / ob man nicht zweiffeln koͤnne / die Beicht-Stuͤhle waͤren keine allzugerechte Sache. Denn auf die Weiſe / wie ſolche anjetzo eingerichtet / kan es nicht fehlen / daß mehr Ubel aus ſolchen herfuͤr quilt / als daß man gutes daraus zu erlangen hat.
Aus dieſer einigen Anſtalt des Beicht-We - ſens urtheile jemand / mit was vor Recht man unſere Kirche eine gepflantzete Kirche nennen koͤnnea)Unterſcheidun - ter der ge - pflantzten und zu pflantzendeu Kirche.Der Unterſcheid, ſo von denen Theologis unter der gepflantz - ten und zupflantzenden Kirche gemacht wird, iſt mehr als zu bekannt. Wenn man dieſes nur recht nimmt, ſo iſt es gantz gut. Allein dieſe Eintheilung hat ſo vieles auf ſich, daß wenn man ſiehet, zu was Ende ſolche gebraucht wird, man wuͤnſchen ſol - te, dieſe diſtinction ſey niemahls erdacht worden. Es liegen vie - le politiſche Abſichten darunter verborgen. Was ſoll denn aber eine gepflantzete und noch zu pflantzende Kirche ſeyn? Die erſte Kirche wird insgemein vor eine ſolche ausgegeben, die noch zu pflantzen geweſen. Die heutige hingegen, ſey die gepflantze - te. Wir wollen hoͤren, warum es alſo ſeyn ſoll. Fecht. in Diſſ. de domeſt. audit. viſit. ſaget, weil alle Mittel zur Seeligkeit in ihrer Ordnung waͤren. Eccleſia proprie plantata dicitur, in qua omniaſalutis. Dieſes gebe ichgerne177bey denen Proteſtirenden. gerne zu / wenn der beſte Zuſtand der Kirche nach dem aͤuſ -heutigen Kirche. ſerlichen ſplendeur, nach der Menge der Ceremoni en und Kir - chen-Gebraͤuche auszumeſſen iſt / daß unſere Kirche vor derje - nigen den Vorzug haben muß / welche zu Zeiten der Apo - ſtel geweſen. Allein ich halte nicht davor / daß man die Sa - che nach der aͤußerlichen Bluͤthe und nach dem ruhigen Zu - ſtand beurtheilen darf. Jch verwerffe nicht den aͤußerlichen Gottesdienſt, ſondern halte ſolchen vielmehr vor ein hoͤchſt nothwendiges Stuͤcke. Dieſes aber muß ich bekennen / daß die aͤußerlichen Gebraͤuche der Religion nuͤtzen und ſcha - den koͤnnen. Mich duͤncket / daß es in dieſem Stuͤck nicht uͤbel wuͤrde gethan ſeyn / wenn man ſich nach denen Apoſto - liſchen Zeiten richtete. Dazumahl hatte man einfaͤltigeund(a)ſalutis præſidia jam ordine diſpoſita ſunt, vt quilibet inde fidem haurire & ſalutem adipiſci poſſit. Et talis eſt hodierna eccleſia Lutherana, non illa prima. Wenn ich aber nicht irre, ſo wird es nicht genug ſeyn, daß man alles dasjenige findet, was zur Seeligkeit noͤthig iſt, ſondern die Leute werden auch darnach le - ben muͤſſen. Mich beduͤncket, die gepflantzete Kirche muͤſſe aus dem lebendigen Glauben an Chriſtum, dadurch wir Glie - der Chriſti, als des Hauptes der Kirchen werden, vornehmlich beurtheilet werden. Hiernaͤchſt ſo weiß ich nicht, was den guten Doctor Fechten angefochten, daß er behauptet, in der erſten Kir - che waͤren nicht alle Mittel zur Seeligkeit vorhanden oder in gehoͤriger Ordnung geweſen. Mich duͤncket, es habe nirgendswo gefehlet. Die erſten Chriſten ſind wegen ihrer reinen Lehre, als auch wegen ihres untadelichen Lebens zu ruͤhmen. Haͤlt man dieſe beyden Stuͤcke gegen unſere Zeiten, ſo wird man befinden, daß unſere Kirche mit weit groͤſſerm Recht unter die noch zu pflantzen - den zu rechnen, als die erſte Apoſtoliſche. Wenn man ſaget, der er - ſten Kirchen haͤtten Mittel zur Seeligkeit gemangelt, ſo verhauet man ſich nicht wenig. Man imputiret der erſten Kirche eine un - vollkommene Lehre welches man nicht einmahl gedencken ſolte. b) Nach -(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) z178I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,und wenige Ceremonienb)Anmerckung von denen Ce - remonien.Nachmahls ſuchte man in dem aͤuſſerlichen Gottesdienſt faſt die gantze Gottſeeligkeit. Man hielte dafuͤr, durch genaue Beob - achtung der Ceremonien thaͤte man denen Pflichten eines Chri - ſten ein Genuͤgen. Selbſt die Gebraͤuche, ſo noch unter denen Proteſtirenden uͤbrig ſind, legen zum oͤfftern ein ſattſames Zeug - niß der alten ſuperſtition dar. Der Zwiſt, ſo zwiſchen Luthero und Carlſtadio entſtanden, hat die reformation der Liturgie in vielen, ja meiſtentheils verhindert. Luther fuͤhrte dem Carlſtad zu Verdruß vieles wieder ein, was dieſer nicht ohne Grund ver - worffen und abgeſchafft. Man muſterte zwar einige papiſtiſche Ceremonien aus, doch wurden verſchiedene beybehalten, und von denen Theologis vertheydiget. Sie bildeten ſich und an - dern ein, man koͤnnte auch mit ſolchen die Gottesfurcht in denen Hertzen der Zuhoͤrer feſte ſetzen. conf. Bœhmeri diſp. de jure Li - turg. cap. 1. Mit Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle haben ſie ſonder Zweiffel gleiche Meinung gefuͤhret; allein der Ausgang hat das Gegentheil zu erkennen gegeben.. Unſere Georaͤuche aber ſind zum oͤfftern alſo beſchaffen / daß ſie mit der Lehre der alten Apoſtoliſchen Kirche nicht uͤbereinſtimmen. Die Theologi ſagen aber doch zum oͤfftern ſelbſt / daß man die heutigen Kirchen nach dem Muſter der Apoſtoliſchen zu reguliren haͤt - te. Auf dieſe Weiſe aber wuͤrde man viele Sachen / und ſonderlich auch die Beicht-Stuͤhle abſchaffen muͤſſen.
Aus demjenigen / ſo wir bißher geſaget / er ſie - het man / daß die “Beicht-Stuͤhle beſondere Oerter in der „ Kirche ſinda)Erinnerung wegen der de - ſinition. Jch rede von demjenigen, was ordentlicher Weiſe geſchiehet. Es iſt bekannt, daß man zuweilen in ſeinem eignen Hauſſe, ja auf dem Bette, oder wenn es auch in der Kirche iſt, in der Sacriſtey die Beichte ableget, und abſoluiret wird. Gemeiniglich aber ſind in der Kirche gewiſſe Stuͤhle dazu geordnet, daß ſich die Beicht - Vaͤter in ſolche ſetzen, und daſelbſt die Beicht-Kinder abſoluiren. b) Dal - / ſo erſt im XIII. Seculo aufgekommen /welche179bey denen Proteſtirenden. „ welche diejenigen beſuchen muͤſſen / ſo zu dem Nachtmahl „ des HErrn gehen wollen / da ſie dann vor ihrem Beicht - „ Vater eine generale Bekaͤntniß der Suͤnden ablegen / und „ nachmahls von ſolchem an GOttes ſtatt abſolviret wer - den. „ Dieſes iſt die Beſchaffenheit derſelben bey denen Proteſtirenden. Jch wolte mir endlich dieſen Gebrauch noch gefallen laſſen / wenn man nur eines und das andere aͤndern wolte. Die Lehrer ſolten ihren Zuhoͤrern auf das nach - druͤcklichſte einſchaͤrffen / daß das Beicht-Weſen eine bloſe Ceremonie / ſo von Menſchen eingefuͤhret worden. Sie ſol - ten frey bekennen und ſagen: Niemand koͤnne Suͤnden ver - geben / als GOtt. Was die Prieſter dabey zu verrichten haͤtten / beſtuͤnde darinnen / daß ſie die Leute zur wahren Buſſe anmahneten / ihnen den Weg hierzu zeigten. Sie troͤſteten die Betruͤbten und zeigten ihnen / daß GOtt denen zerſchlagenen Hertzen um Chriſti willen gnaͤdig ſey / und die Suͤnden verziehe. Gewiß ſolche hochtrabende Formuln: Jch vergebe euch eure Suͤnden an GOttes ſtatt, Jch vergebe ſie Krafft meines heiligen Amtes ꝛc. hat man vordieſen nicht gebraucht. Man hat ſich in dem groͤbſten Papſtthum ei - nes beſſern beſchiedenb)Dallæus de confesſ. auricul. Lib. IV. cap. 42. bringet aus dem Pſeu -Erinnerung wegen der ab - ſolutions - formuln. do Alcuino und ordine Romano die gantze Handlung der Beich - te und abſolution bey. Die abſolution aber beſtunde in nichts anders, als daß der Prieſter uͤber den Bußfertigen folgendes Gebet geſprochen: Herr erhoͤre unſer Gebet, und vergib die Suͤnde denen, die dir beichten. Oder auf ſolche Weiſe: Laß deine Barmhertzigkeit o HErr! ergehen uͤber dieſen deinen Knecht, u. ſ. w. Wenn dieſes geſchehen, hieſſe man den Buß - fertigen von der Erde aufſtehen, und der Prieſter erhube ſich auch von ſeinem Stuhl. Beyde verfuͤgten ſich in den Tempel, fielen auf die Knie und beteten Pſalmen / z. E. HErr ſtraff mich nichtin. Warum ſolte man denn heute zuTagez 2180I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,Tage nicht davon abſtehen / und die Sache wiederum auf den alten Fuß ſetzen? Es wuͤrde dadurch viel Aergerniß ver - mieden werden. Allein dieſes iſt vielmehr zu wuͤnſchen / als zu erlangen. Man darff auch nicht viel davon ſchreiben. Denn es iſt nunmehro dahin gekommen / daß man dasjeni - ge vor aͤrgerlich / laͤſterlich / ketzeriſch u. ſ. f. ausſchreyet / was dem Nutzen oder Anſehen der Geiſtlichen nur im geringſten zuwieder iſt. Es ſind einige auf die Gedancken gerathen /daß(b)in deinem Zorn ꝛc. und andere mehr. Kurtz: Die Beichte und abſolution beſtunde aus folgenden Ceremonien. Erſtlich hoͤrete man den Bußfertigen an. Hernach befragte man ihn wegen ſei - nes Glaubens, der vergangenen Suͤnden, und der jetzigen Be - ſchaffenheit ſeines Gemuͤthes. Hierauf legte man ihm die Buſſe oder Genugthuung auf, ſetzte derſelben Art und Weiſe, inglei - chen auch die Zeit, endlich betete man mit ihm zu GOTT. Es ware noch nicht gewoͤhnlich, daß die Prieſter wie Prætores und Richter ein Urtheil gefaͤllet, und die Suͤnden vor ſich erlaſſen. Sie ſuchten ſolche mit Gebet von GOTT zu erlangen. Dieſer Gebrauch ware abſonderlich bey denen Chriſten in Occident. Aus des Thomæ opuſc. 22. erſiehet man, daß ein Doctor mit ihm geſtritten und behauptet, die Art der abſolution beſtuͤnde bloß in Bitten und Gebet. Es waͤren noch nicht dreyßig Jah - re, daß nur dieſe Formul aufgekommen: GOTT verzeihe und vergebe dir deine Suͤnde. Die Patres zu Challons, de - ren Worte wir im vorhergehenden angefuͤhret, haben ebenfalls dafuͤr gehalten, die abſolution beſtuͤnde bloß in Gebet und Fuͤr - bitte. Denn da ſie geſaget: die Beichte, die dem Prieſter ge - ſchiehet, unterrichtete, auf was Weiſe die Suͤnden getilget wuͤr - den; ſo geben ſie gar deutlich zu verſtehen, daß man darum gebeichtet, damit man unterwieſen worden, durch was vor eine Reue, und mit was vor Gebeten, man von GOTT Vergebung erhalten muͤſte. Auf dieſe Weiſe alſo, hat man vor dieſem nicht bey dem Prieſter, ſondern bey GOTT allein Vergebunggeſu -181bey denen Proteſtirenden. daß vielen unter uns / ſo wohl als bey denen Papiſten / die Hierarchie in dem Kopf ſtecke. Sie duͤrfften ſich ſolches nur nicht recht mercken laſſen. Viele Saͤtze wuͤrden nicht nach dem Grund der Wahrheit / ſondern nur nach dem Nu - tzen der Cleriſey beurtheilet. Von Exempeln muß man ab - ſtrahiren / ſonſt macht man ſich gar zu viel Feinde. Was ſoll man aber hierbey thun? Man muß vieles tragen und erdulden / was nicht leicht kan geaͤndert werden.
Zweyte(b)geſuchet. Wolte GOtt, daß man auch heute zu Tage die ab - ſolution nicht als eine richterliche Sententz ausſpraͤche, ſon - dern ſolche von GOTT erbeten haͤlffe. Waͤre aber dieſe Ar - beit denen Geiſtlichen zu beſchwerlich, ſo koͤnnten ſie doch an ſtatt der gewoͤhnlichen abſolutions-formul dieſe gebrauchen: GOtt wird euch eure Suͤnden vergeben. Jedoch daran werden die wenigſten Prieſter wollen. Man bildet ſich insgemein ein, die Cle - riſey kuͤndigte die Vergebung nicht an, ſondern theilete ſolche mit. Darum ſagen ſie: Wir vergeben krafft unſers heiligen Amtes. Allein dieſe Formul iſt, daß ich des Dallæi Worte ge - brauche, unaͤcht, und von denen neuern erdacht worden. Es hat aber ſolche neue Meinung nichts deſtoweniger alle eingenom - men. Jch bilde mir alſo nichts anders ein, als daß man das - jenige, ſo ich bißher gemeldet, auf die greulichſte Art herum neh - men wird. Jch muß mir alles gefallen laſſen. Weil aber mei - ne Meinung, ſie mag beſchaffen ſeyn wie ſie will, keinen Glau - bens-Articul betrifft, ſo werden die Herren Wiederſacher nicht mit Ketzer-Tituln um ſich ſchmeiſſen. Um dieſes will ich ſie hiermit auf das freundlichſte gebeten haben. a) Jch
DA die Beicht-Stuͤhle durchgehends eingefuͤhret wor - den / ſo hat man dabey zugleich verordnet / daß man ſich eine gewiſſe Perſon erwehlen muͤſte / der man ſeine Suͤnden beichtete. Uberhaupt verſtehe ich aber durch eine ſolche einen ordinir ten Kirchen-Diener, dem man uͤber - haupt die Suͤnden bekennet, und von ihm durch Hand-Aufle - gung die abſolution erhaͤlt. Man nennet ſie die Beicht-Vaͤ - ter, und die Beichtende / die Beicht-Kinder, weil zwiſchen ihnen beyden eine Vater - und Kindſchafft ſeyn ſolla)Geiſtliche Kindſchafft.Jn dem C. 8. C. 30. q. 1. wird gantz deutlich geſaget, daß diejeni - gen, ſo von denen Prieſtern in der Buſſe angenommen wuͤrden, geiſtliche Kinder waͤren, welche Beſchaffenheit es auch bey der Tauffe haͤtte. Omnes, quos in pœnitentia ſuſcipimus, ita noſtri ſunt ſpirituales filii, vt ipſi, quos vel nobis ſuſcipientibus, vel tri - næ merſionis vocabulo mergentibus, vnda ſacri baptiſmatis rege - nerauit. &c. b) Daß. Die - ſe ſoll von der Wichtigkeit ſeyn / daß auch kein eheliches Band zwiſchen ſolchen Perſonen koͤnnte geſchloſſen wer -den183eines gewiſſen Beicht-Vaters. denb)Daß durch das Sacrament der Beichte keine geiſtliche Verwand -Geiſtliche Verwand - ſchafft. ſchafft zu wege gebracht wuͤrde, will Lyncker ad Tit. de cognat. ſpirit. q. 4. weil die Buſſe kein Mittel der Wiedergeburt, ſondern der Verſoͤhnung. Allein nach dem in voriger Note angefuͤhrten canone wird es der Feundſchafft, ſo durch die Tauffe geſchehe, ver - glichen, und weiß man ja, wie nach denen geiſtlichen Rechten durch die Tauffe allerdings eine geiſtliche Verwandſchafft zwiſchen denen Pathen und dem Kinde geſtifftet wird. Die Meinung aber iſt doch weit geſcheider, wenn man ſaget, es werde keine Verwand - ſchafft, auſſer durch das Gebluͤte. Die geiſtliche Verwandſchafft wird gar improprie eine Verwandſchafft genennet. Es iſt ein menſchliches Erfinden, und wird gar improprie eine cognatio ge - nennet. Vid. Gerhardus in loc. Theol. de conjug. n. 364. ſeq. . Allein dieſe geiſtliche Freundſchafft wollen die Pro - teſtirende nicht ſo weit extendiret wiſſenc)Bey denen Proteſtirenden ſiehet man niemahls bey denen Per -Jſt bey denen Proteſtirenden nicht. ſonen, ſo ſich verehlichen wollen, auf die geiſtliche Verwand - ſchafft. Man bedarff alſo in dieſem Stuͤck keine diſpenſation. Allein man kan doch aus der Benennung der Beicht-Vaͤter und Beicht-Kinder ſehen, daß wir das principium behalten, und die concluſiones verworffen, wie man im Gegentheil auch fin - det, daß man concluſiones heget und vertheydiget, deren prin - cipium wir gar nicht zulaſſen..
Dieſe Erwehlung eines Beicht-Vaters haͤlt manWarum man einen Beicht - Vater er - wehlen ſoll. auch darum vor noͤthig / weil ſich niemand ſelbſt abſolui ren koͤnnte. Hiermit ſtimmen auch die Proteſtirenden uͤberein / und wollen es daher beweiſen / weil die Schrifft nicht ſag - te: Wie du dir die Suͤnde vergiebeſt / ſondern welchen ihr die Suͤnden vergebeta)Dieſes iſt die Meynung Carpzouii Lib. II. Jurispr. conſiſt. def. 293.Carpzovs Meinung. n. 16. welcher gar viele Anhaͤnger hat. Dieſer da er von der Noth - wendigkeit, vor dem Gebrauch des H. Abendmahls, zur Beichte zu gehen gehandelt, faͤhret er fort: At quomodo id fleri poterit, ſi paſtoralium non requirat eccleſiæ miniſtrum: cum nemo ab -ſoluere. Jch dencke aber / dieſe nothwendigeErkieſ -184II. Abth. I. Cap. Von ErwehlungErkieſung eines Beicht-Vaters komme aus dem Cano - niſchen Recht her. Denn nach demſelben werden zur Ver - gebung der Suͤnden Reu und Leid / oder ein zerknirſchtes Hertz / die Beichte mit dem Munde / und die Genugthuung mit Wercken erfordert. Wo dieſe drey Stuͤcke beyſam - men waͤren / da ſey erſtlich eine wahre und rechtſchaffene Buſſe anzutreffenb)Stuͤcke der Buſſe.C. 41. diſt. I. de pœnit. Lancelottus hat ſolchen auch in ſeinen In - ſtit. jur. can. Lib. II. Tit. V, v. 5. gefolget, und drey Stuͤcke der Buſſe gemacht, da er ſaget: Conſtat igitur pœnitentiæ Sacra - mentum tribus partibus, contritione cordis, confesſione oris & operis ſatisfactione. Und handelt nachgehends von jedem Stuͤck ins beſondere.. Zwar ſind die Papiſten ſelbſt hier nicht gar zu einigc)Vielerley Mei - nung von ſol - chen Stuͤcken.Die Scotiſten ſetzen das gantze Weſen des Sacraments der Buſ - ſe in der abſolution. Andere ſagen, die Zerknirſchung des Her - tzens, die Beichte mit dem Mund, und Gnugthuung durch Wer - cke, waͤren die materie der Buſſe, die abſolution aber die Form und Geſtalt. Sie moͤgen aber daher ſchwatzen, was ſie wollen, ſo haͤnget doch ihre Lehre nicht zuſammen. Uberhaupt iſt dieſes zu mercken, daß ſie diejenigen ſatisfactiones und Genugthuungen, ſo vormahls die Kirche denen Gefallenen auferleget, wenn ſie wieder Glieder derſelben ſeyn wollen, vor etwas ſolches ausgegeben, da - durch die Vergebung der Suͤnden von GOTT erhalten werden koͤnnte. conf. not. ad Lancel, Lib. II. not, 143. edit. Thomaſ. ; Allein es verlohnet ſich der Muͤhe nicht / daß man viel Worte von der Sache macht / und ſich dabey aufhaͤlt.
Zwar iſt nicht zu leugnen / ſondern vielmehr klar am Tage / daß die Proteſtirenden die Beichte denen we -ſentli -(a)ſoluere ſe ipſum poſſit. Nec enim dictum, vt tibi remiſeris pec - cata, ſed quibuscunque remiſeritis peccata. Matth. XVI, 19. Joh. XX, 21. Der Carpzov iſt uͤberhaupt in ſeiner Jurisprudentia Con - ſiſtoriali kein groſſer Raiſonneur. Wie er die Sache bey denen Canoniſten gefunden, ſo hat er ſolche hingeſchrieben, und mit præ - judiciis erlaͤutert.185eines gewiſſen Beicht-Vaters. ſentlichen Stuͤcken der Buſſe nicht zuzehlen / die Genugthuungniemand ſich ſelbſt abſoluiren koͤnne, wird in etwas eꝛ - wogen. aber der Wercke voͤllig verwerffen. Nichts deſtoweniger aber vertheydigen ſie dennoch: Es koͤnne ſich niemand ſelbſt abſolviren. Dahero kommt es auch / daß ein Prieſter den an - dern wiederum zum Beicht-Vater annimmt. Carpzovs raiſon habe nur in vorhergehenden Noten beygebracht. Al - lein wenn ich nun die gemeine Meinung annehme / ſo præ - ſentiren ja unſere Geiſtlichen in dem Actu abſolutionis mehr als einerley. Denn wenn ſie die Suͤnde vergeben / ſo thun ſie ſolches an GOttes ſtatt. Sie ſind keine ſchlechte Men - ſchen / was man ihnen beichtet / entdecket man GOtt. GOtt redet durch ſie / GOtt abſoluiret durch ſiea)Damit man mir hier nicht eine Meinung andichte, welche ichErlaͤuterung wegen einer zu machenden ob - jection. nimmermehr hege, und mich einer contradiction beſchuldige, ſo muß ich erinnern, daß ich dieſes nur κατ᾽ ἄνϑρωπον geſchrieben. Denn wenn die Worte, ſo Chriſtus geſprochen: Welchen ihr die Suͤnde vergebet, denen ſind ſie vergeben &c. alle Prieſter angehen, wenn dieſe ferner waͤhrender Beichte und abſolution nicht als bloſſe Menſchen, ſondern an GOttes ſtatt da ſitzen, ſo kan es nicht anders ſeyn, als daß ſie ſich auch von ihren Suͤnden abſoluiren koͤnnen. Der Carpzovius, von welchem ich in man - chen Dingen gar viel halte, hat ſolches nicht erwogen, ſonſt wuͤr - de er vielleicht auch geſehen haben, woher es kommt, daß man insgemein vorgiebt: Niemand koͤnne ſich ſelbſt abſoluiren. Man darff es auch dieſem Mann nicht vor uͤbel auslegen. Er ware mit zu vielen Verrichtungen beladen. Dieſe verhinderten, daß er das wenigſte, was er in dem Kirchen-Recht geſchrieben, wohl hat uͤber - legen koͤnnen. Uber dieſes, ſo ware er kein ſonderlicher Held in der Kirchen-Hiſtorie. Er lieſſe ſich damit begnuͤgen, die Meinun - gen derer Canoniſten in die fora der Proteſtirenden einzufuͤhren. a) Con -. Bey derglei - chen Zuſtand aber bleiben ſie dennoch ſuͤndige Menſchen. Dieſe beduͤrffen der abſolution. Da ſie nun an GOttes ſtatt als Beicht-Vaͤter ſitzen / und dennoch ſuͤndige Menſchenver -(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) a a186II. Abth. I. Cap. Von Erwehlungverbleiben / ſolten ſie ſich nicht ſelbſt abſolviren koͤnnen? Wenn die gemeine Lehre zuſammen haͤngen ſoll / ſo muß man die - ſes ſagen / ſonſt wird man dieſen Zweiffel nicht heben koͤnnen.
Die Wahl aber eines Beicht-Vaters iſt an vielen Orten dergeſtalt eingeſchrencket / daß man ſolche kaum eine Wahl nennen kan. Gemeiniglich haben die Rechte und Verordnungen es ſchon ausgemacht / wen der oder je - ner zum Zum Beicht-Vater haben ſoll. Wo nicht mehr als ein Geiſtlicher an einem Ort / ſo muß man ſich deſſelben bedienen. Jch will die Verordnung des Tridentiniſchen Concilii vor andern anfuͤhrena)Verordnung derer Concili - en, und Prote - ſtantiſcher Ge - brauch.Concil. Trident. ſeſſ. 24. de reform. cap. 13. Mandat ſancta ſynodus Epiſcopis, pro tutiori animarum eis commiſſarum ſalute, vt di - ſtincto populo in certas propriasque parochias, vnicuique ſuum perpetuum, peculiaremque parochum aſſignent, qui eas cogno - ſcere valeat, & a quo SOLO licite ſacramenta ſuſcipiant. So hat man in der Kirche alles nach dem buͤrgerlichen Weſen einge - richtet. Der Verordnung des Tridentiniſchen Concilii iſt bey - zuſetzen, was c. 12. X. de pœnit. & remiſſ. ſchon von dem proprio Parocho verordnet iſt. Man ware aber nach und nach immer mehr und mehr dahin bemuͤhet, hie und da einen beſondern Spren - gel anzurichten, und ſo zu ſagen einem Geiſtlichen beſondere territoria anzuweiſen. Jn dieſen ſolten ſie ſich halten, und nicht weiter ausſchweiffen. Man ſagte ferner, es waͤre ein jeder Prie - ſter durch die ordination ſeiner Kirchen verlobet und angetraut, wie man ſchon vor vielen Zeiten geglaubt. Man hielte es alſo vor eine groſſe Suͤnde, wenn man wieder Willen eines andern, ſich in deſſen Kirchſpiel und die dahin gehoͤrige Sachen einmiſchen wolte. Man koͤnte nicht die geringſte guͤltige Handlung wieder eines andern daſelbſt Willen verrichten. Ja wollen doch die Proteſtirende nicht einmahl zugeben, daß der Prieſter eines frembden Kirch - Spiels, wenn er auch verlanget wuͤrde, die Betruͤbten und Elenden auſſer ſeinem Sprengel beſuchen, und ſie aus GOttes Wort troͤſten duͤrffe. vid. Fechtius cit. l. Alſo beſtreben ſich auch unſere Geiſt -liche: Die heilige Verſammlungbefiehlet187eines gewiſſen Beicht-Vaters. befiehlet denen Biſchoͤffen, zu deſto ſicherer Wahrnehmung der Seeligkeit, der ihnen anvertrauten Seelen, daß ſie das Volck in gewiſſe eigene Pfarren eintheilen, und denen einen be - ſondern und beſtaͤndigen Pfarherrn geben, der ſolche ſich be - kannt machen kan, und von welchem ſie EJNZJG und AL - LEJN die Sacramenta mit Recht empfangen moͤgen. Von dieſer Gewohnheit gehen auch die Proteſtirende nicht ab. Man darff ſich auch ſolches nicht befrembden laſſen / indem die meiſten Kirchen-Ordnungen aus denen Canoniſchen Rechten gezogen ſindb)Das Jus Canonicum wurde bey der Reformation durch HuͤlffeAnmerckung von denen Pro - teſtirenden Kirchen-Ord - nungen. der Wittenbergiſchen Juriſten gar fleißig beybehalten. Luther kunte ſolches nicht hindern, wie ſehr er auch auf das canoniſche Recht erbittert war. Die Juriſten kunnten nicht auf ſeine Seite gebracht werden, ſo viel dieſen Punct betrifft. Man machte zwar dazumahl Kirchen-Ordnungen, wie man denn weiß, daß Bugen - hagen und andere daran gearbeitet. Dieſe aber giengen mei - ſtentheils nur auf die Liturgie und ceremonien. Auf Juriſti - ſche Sachen, waren ſolche gar wenig gerichtet. Die Juriſten de - battirten alſo die ſtrittigen Kirchen-Sachen nach dem Canoniſchen Recht. Ein und das andere wurde geaͤndert, aber nicht gar viel. Die concluſiones behielten ſie gemeiniglich und applicirten auch ſolche bey proteſtirenden Gerichten, ob gleich die Theologi die principia, daraus ſie gefloſſen, verworffen und verdammt haben, Die damahligen Juriſten hatten auch die Geſchicklichkeit nicht. eine Reformation in denen Rechten vorzunehmen. Ja es iſt auch im XVII. Sec. nicht viel beſſer geweſen. Aus Reinkings, Carp - zovs, Schilters, Linckens und anderer Schrifften, kan man es zur Gnuͤge abnehmen. Brunnemann, der gar viele Fehler in dem Canoniſchen Recht beobachtet, ſtrauchelt doch noch hin und wie - der gar ſehr. Hieraus iſt leicht abzunehmen, wie viel Gutes durch die Kirchen-Ordnungen, was die materias juris betrifft, ge - ſtifftet worden. c) De. Man traͤget uns alſo in ſolcheneiner -(a)liche zuweilen gar ſehr, daß dem Zwang-Recht kein Abbruch ge - ſchehen moͤge. Man will der Kirchen die alte Freyheit keines wegs wiederum angedeyhen laſſen.a a 2188II. Abth. I. Cap. Von Erwehlungeinerley Gerichte auf. Wir ſollen und muͤſſen denjenigen zum Beicht-Vater haben / der in derjenigen Kirche / da wir den Gottesdienſt zu halten angewieſen ſind / das Wort GOt - tes lehret. Kluge Catholicken ſind auf dergleichen Bann - und Zwangs-Recht, ſo durch Anordnung der Kirchſpiele zu gleich eingefuͤhret worden / ſelbſt nicht allzuwohl zuſprechen. Marcus Antonius de Dominis meinet / der Unterſcheid der Kirchſpiele und Diœceſen ſey nicht alſo ſcharff eingerichtet worden / daß manchmahl / wenn es die Liebe erfordere / ein Biſchoff in einer andern diœces ſich ſeiner Gewalt nicht be - dienen ſolte. Nach goͤttlichem Recht waͤre ſolche an keinen Ort gebundenc)De Republ. eccleſ. Lib. II. cap. 7. §. 4. . Er faͤhret ſo dann fortd)Wie weit ei - nem Biſchoff erlaubt, ſich in eine andere Diœces zu mi - ſchen.Cit. l. §. 19. Quæcunque præcepta eccleſiaſtica reperiuntur, quæ Epiſcopis inhibent, ne in aliena diœceſi munera exerceant pon - tificalia, ea humana duntaxat ſunt & poſitiua, & communem re - ſpiciunt pacem & concordiam, ne vnus deſtruat, quod alter ex - ſtruxit, vitantque confuſionem, vbi quisque Epiſcopus in ſua limi - tata diœceſi ſuo ſatisfacit muneri. Vbi vero ex defectu aut im -poten -: Was vor Kirchen-Verordnungen zu finden, die denen Biſchoͤffen unter - ſagen, daß ſie in andern Diœceſen das biſchoͤfliche Amt nicht verrichten ſollen, dieſe kommen nur von Menſchen her, und ſind poſitive Geſetze; ſo ihr Abſehen auf den gemeinen Frieden und Einigkeit haben, damit einer nicht umreiſſe, was der andere gebauet, und verhuͤten die Unordnung, wenn ein jeder Bi - ſchoff in ſeiner umſchraͤnckten Diœces ſeinem Amt ein Genuͤgen thut. Wenn aber aus Mangel oder Schwachheit eines Bi - ſchoffs der Chriſtliche Glaube und Religion leyden, und die Kranckheit die gantze Kirche anſtecken kan, ſo kann und ſoll ein jeder Biſchoff aus Liebe, ja aus eigner Pflicht die Kir - chen-Gewalt gebrauchen, und ſolche auch auf andere Diœceſen erſtrecken: Dabey aber allezeit wahre geiſtliche pie taͤt, Ver - ſtand und Beſcheidenheit behalten.
Das Zwang-Recht aber wegen des Beicht-VatersWie es in denẽ Staͤd - ten mit Er - wehlung des Beicht - Vaters ausſiehet. iſt nicht allein in denen Doͤrffern / da nur ein einiger Prie - ſter / zu befinden; ſondern man wird es auch in vielen Staͤd - ten antreffen. Es iſt gemeiniglich ſchon eine ausgemachte Sache / wen dieſer oder jener zu ſeinem Beicht-Vater ha - ben ſolla)Zuweilen iſt es ausgemacht, bey wem die Buͤrger in der Stadt,Die Gewohn - heit variiret. bey wem die in denen Vorſtaͤdten und bey wem die, ſo von dem Lande in die Stadt kommen beichten, ſollen. An einigen Orten darff bey dem Superintendenten, beichten wer da will. Der Ar - chidiaconus hat die uͤbrigen in der Stadt, der Diaconus die von denen Vorſtaͤdten, und der Diaconus ſuburbanus, die Bauren vom Lande. An manchen Orten wird es einem jeden frey gelaſſen, zu beichten wo es ihm beliebet. Allein dieſe Freyheit iſt nicht von frembden Pfarr-Kindern zu verſtehen, ſondern nur von denenje - nigen, die in einem Kirch-Spiel wohnen, da verſchiedene Pfar - rer ſind. Jedoch hat man an denen meiſten Orten das Zwang - Recht, da man bey einem gewiſſen beichten muß, ob ſchon ande - re da ſind, auf die man ein groͤſſer Vertrauen ſetzet.. Wir geben faſt durchgehends mit denen Cano - niſten vor / es koͤnte niemand von einem frembden Prieſter geloͤſet oder gebunden werdenb)Sie ſagen, die Beichte ſo einem andern als dem Parocho geſchie -Wenn man rechtmaͤßig bey einem andern als dem Pfar - rer beichten kan. het, und die von einem andern erlangte abſolution, waͤren nich - tig und ohnkraͤfftig. Vid. Petrus de Marca de benef. eccleſ. qu. 2. §. 2. Sect. 1. n. 487. Dieſes limitiren ſie in ſo weit, daß man nehm - lich ſodann bey einem andern beichten koͤnnte, wenn man von dem Pfarrer Erlaubnuͤß dazu bekommen. vid. c. 3. de pœnit. D. 6. Die Canoniſten aber erfordern hierzu zweyerley, 1) daß man eineUrſa -. Wenn man aber ſagenſoll /(d)potentia alicujus Epiſcopi fides Chriſti & religio patitur, & in totam morbus redundat eccleſiam, tunc ex charitate, imo & ex proprio officio quilibet Epiſcopus, & poteſt & tenetur, eccleſia - ſticam exercere poteſtatem, eamque ad alienas etiam extendere diœceſes: Seruata ſemper vera eccleſiaſtica pietate, prudentia & moderatione. a a 3190II. Abth. I. Cap. Von Erwehlungſoll / was ſich gebuͤhret / ſo kan ich nicht leugnen / daß ich da - fuͤr halte / ſolches Zwang-Recht ſolte aus denen Evangeli - ſchen Kirchen gaͤntzlich verwieſen und verbannet ſeyn. Die Erfahrung aber wird einen jeden lehren / daß die Papiſten nicht alleine ſolche abgeſchmackte und nichts wuͤrdige Prin - cipia hegen. Die Proteſtirenden machen es gemeiniglich nicht beſſer. Sie ſind noch ſo treuhertzig / und beruffen ſich auf die Canoniſten / wenn ſie ihren Satz beweiſen wollen. Woher kommt dieſes? Vormahls haben die Juriſten ſich we - nig oder gar nicht auf die Kirchen-Hiſtorie geleget. Auf dieſe Weiſe kunten ſie die Sachen nicht recht beurtheilen. Sie ſchrieben alſo darnieder, was ſie bey andern gefundenc)Meinung der Proteſtiren - den.Viele Proteſtirende ſchlendern mit denen Papiſten auf einem Weg fort. Unter andern hat ſolches der beruͤhmte Tuͤbingiſche Juriſt, Harprecht conſ. LV. n. 293. gethan. Er raiſonniret uͤber den ge - dachten Punct mit denen Canoniſten auf einen Schlag. Sein Beweiß iſt aus dem jure canonico hergenommen, wie er ſich denn auf das c. 2. X. de Paroch. und c. 12. X. de pœnit. & remiſſ. beruffet. Seine Meinung beweiſet er ſo dann ferner aus Carpzovio, De -deken -.
§. VI.(b)Urſache haben muͤſte, 2) daß Erlaubnuͤß verlanget, und ſolche auch erhalten werde. Denn wenn man ohne Urſache bey einem an - dern beichtet, ſo hat es das Anſehen, daß man ſeinen Pfarrer verach - tet. Dadurch aber verſuͤndigte man ſich. Dieſe Unerfahrenheit aber ſeines eignen Pfarrers ſoll eine Urſache ſeyn, daß man zu einem andern gehen kan. vid. cit. can. 3. Von der Erlaubnuͤß melden ſie dieſes, es ſey nicht genug, daß ich ſolche verlanget, ſon - dern ich muͤſte dieſelbe auch erhalten haben. Marqa cit. l. n. 484. Es iſt eine recht artige Philoſophie. Wenn ich nun zu meinem Pfarrer kaͤme und ſagte: Lieber Herr, ich halte euch vor unge - ſchickt, gebt mir doch Erlaubnuͤß, bey einem andern zu beichten. Wie ſolte er mir die Wege weiſen. Allein ſie ſagen, es ſey genug, wenn man von dem Papſt die Erlaubnuͤß bey einem andern zu beichten erhalten. Marqa cit. l. n. 496.
Wenn ich die Sache recht genau uͤberlege / ſoUrſache des eingefuͤhr - ten Zwang - Rechts. finde ich von dieſem Zwang-Recht keine andere Urſache / als daß auch in dieſem Stuͤck die Kirche nach Art eines gemei - nen Weſens eingerichtet waͤre. Man hat die Layen dem Ge - horſam der Geiſtlichen auch in dieſem Stuͤck unterwerffen wollena)Daß die Cleriſey bey ihren Anordnungen den Staat eines gemei -Man hat die Anordnung ei - nes buͤrgerli - chen Weſens vor Augen ge - habt. nen buͤrgerlichen Weſens vor Augen gehabt, iſt ſchon erinnert worden. Was den Punct von der Beichte betrifft, leugnen ſie ſolches gantz und gar nicht. Sie ſagen, es ſey ein weſentliches Stuͤck einer Parochial-Kirche, daß ſolche ein forum pœnitentiale und Buß - und Beicht-Gerichte haͤtte. Wie nun in buͤrgerlichen Strittigkeiten niemand von einem frembden Richter kan verdam - met oder loßgezehlet werden; ſo waͤre es auch in dem foro pœ - nitentiali. Man muͤſte der Sachen Unterſuchung dem ordent - lichen Richter uͤberlaſſen. Es ſey jedem Prieſter durch die Or - dination das Recht zu loͤſen und zu binden gegeben. Dieſes aber koͤnnte er nicht exerciren, wenn er keine Unterthanen haͤtte. Vid. Marqa cit. l. n. 486. b) Wer. Dieſes deſto beſſer zu erlangen / ſuchte man de - nen armen Layen alle Freyheit abzuſchneiden. Alſo hatman(c)dekenno, Mengeringio, Mencelio und andern. Endlich ge - raͤth er gar auf die Bibel. Da ſoll von denen Beicht-Vaͤtern ſchon etwas geordnet ſeyn, da man doch nichts von einer Beichte gewuſt. Allein Harprecht ſaget 1. Petr. V, 2. iſt denen Biſchoͤf - fen befohlen, die ihnen anvertraute Heerde zu weyden. Hebr. X, 25. werden die Chriſten erinnert die Verſammlungen nicht zu verlaſſen. Ergo. Aber dieſe Spruͤche beweiſen die theſin nicht. Vielleicht gehet es aber an, wenn man ſich auf 1. Cor. XIV, 40. beruffet, allwo die ἐυταξία anbefohlen wird. Jch finde aber den - noch daſelbſt nichts von einem Zwang-Recht. Harprecht hat noch verſchiedene Stellen zuſammen geraſpelt, aber ſie bewei - ſen nichts. Denn das gantze Zwang-Recht der Pfarrer, ſo ſie in dieſem Stuͤck prætendiren, iſt aus dem Canoniſchen Recht, und ſonſt nirgends herzuhohlen.192II. Abth. I. Cap. Von Erwehlungman ihnen auch dieſe Gewiſſens-Freyheit genommen / damit ja nichts uͤbrig bliebe / worinnen ſie nicht nach dem Gutduͤn - cken der Geiſtlichkeit leben muͤſtenb)Dadurch thut man denen Ge - wiſſen Tort.Wer wolte wohl behaupten, daß man denen Gewiſſen keinen Zwang thaͤte, wenn ich jemand darzu anhalte, daß er demjenigen beichten muß, zu welchem er kein Vertrauen hat. Schwache Ge - muͤther wollen zuweilen gerne ihr gantzes Hertz ausſchuͤtten. Die - ſes aber koͤnnen ſie ja nicht thun, wenn ſie kein Vertrauen zu dem Beicht-Vater haben. Die Angſt des Gemuͤthes, die durch die Beicht ſoll gehoben werden, hoͤret auf dieſe Weiſe nicht auf. Man gehet vielmehr aus einer bloſſen Gewohnheit zur Beichte. a) In. Dieſes Moſai ſche Joch aber haͤtte man bey der Reformation denen Proteſtanten nicht auf dem Halſe laſſen ſollen. Zum wenigſten ſolte man es jetzo ihnen von denen Schultern nehmen. Allein wie iſt ſolches zu hoffen? Die Juriſten recommendiren ſol - ches ſelbſt. Sie laſſen es ſich recht ſauer werden / ſolches auf alle Art und Weiſe zu vertheydigen.
Laſſet uns die Sache nach denen Regeln des Chriſtenthums betrachten. Chriſtus hat uns von allem Joch befreyet. Man muß alſo auf ein gewiſſes Temperament bedacht ſeyn / dadurch das Zwang-Recht, ſo der Kirche zum hoͤchſten beſchwerlich / auf gewiſſe Weiſe gemindert und gelin - dert wird. So lange ſolches Zwang-Recht bey uns verbleibet / ſo lange wir Zwang und Gebot und Verbot in dieſer Sa - che brauchen / und die Leute noͤthigen / dem oder jenem un - umgaͤnglich zu beichten / ſo iſt es eine Anzeige / daß die Kir - chen noch nicht in die vorige alte Freyheit geſetzet ſind. Uber - lege ich dasjenige / was die Theologi von der Beichte ſagen / ſo befinde ich / daß ſolche eine aufrichtige Ausſchuͤttung des Hertzens ſeyn ſoll. Dieſe aber erfordert ein Vertrauen zu der Perſon / der ich mich alſo entdecken will. Der vor - treffliche Herr Boͤhmer hat dieſer wegen mit Recht geſchrie -ben,193eines gewiſſen Beicht-Vaters. ben / daß man in dieſem Stuͤck gelinder mit denen Zuhoͤrern verfahren muͤſte. Jch will ſeine eigne Worte hieher ſetzen: Dieſes, ſaget era)In Jur. Paroch. ſect. IV. cap. I. §. 12. Illud tamen altioris indaginisBeſchaffenheit der Beichte. eſſe videtur, annon quis poſſit libere alium in confeſſionarium perpetuo eligere, præterito eo, cujus in parochia eſt conſtitu - tus? Certe ſi ipſam confesſionem ſecundum internam ſuam con - ſidero conſtitutionem, requirit illa neceſſario fiduciam quandam erga eum, coram quo confeſſionem edo. Aut enim confesſio no - ſtra eſt tantum opus operatum, h. e. conſiſtens in externa con - fesſionis recitatione, & illa itaque cuilibet Parocho, etiam cum quo inimicitias gerimus, fieri poteſt: aut vero eſt ſincera cordis denudatio; & illa præſupponit vtique fiduciam erga perſonam,cui verdienet weiteres Nachdencken, ob man nicht Freyheit habe, ſich einen beſtaͤndigen Beicht-Vater zu er - wehlen, und den vorbey gehen kan, in deſſen Parochie man ſich aufhaͤlt? Gewißlich, wenn ich die Beichte nach ihrer innerli - chen Beſchaffenheit betrachte, ſo erfordert ſolche nothwendig ein Vertrauen gegen denjenigen, vor welchem ich beichten ſoll. Entweder nun iſt unſere Beichte nur ein aͤußerliches Werck, das nur in dem aͤußerlichen herbeten der Beichte beſtehet, und ſolche kan einem jeden Pfarrer, auch einem ſolchen, mit dem wir Feindſchafft haben, geſchehen: oder es iſt dieſelbe eine aufrichti - ge Offenbahrung des Hertzens, und dieſe ſetzet ein Vertrauen zu der Perſon, der ich mein Hertz entdecken will, zum voraus. Wer wird aber das erſtere zugeſtehen? Darum muß das Letztere wahr ſeyn. Unſere Meinung leidet auch dadurch keinen Ab - bruch, daß dieſe Beichte mehr GOtt als dem Beicht-Vater geſchaͤhe. Denn weil der Bußfertige auch ſo dann ſein Hertze dem Beicht-Vater entdecken will, und von ihm Troſt verlan - get, wie kan er ſolches thun, wenn er kein Vertrauen zu ſeinem Pfarrer hat? Die Angſt des Gewiſſens erfordert zum oͤfftern eine ſolche vollkommene Entdeckung. Wie kan man aber von demjenigen Troſt erwarten, zu welchem ich kein innerliches Vertrauen habe. Dieſes Wort aber faſſen die wenigſten Prediger.
§. VIII. (Recht der Beicht-Stuͤhle. ) b b194II. Abth. I. Cap. Von ErwehlungJa bißweilen ſcheinet es zutraͤglicher zu ſeyn / einem andern als dem ordentlichen Pfarrer zu beichten. Jch ſetze den Fall / daß jemand in einer Stadt wohnet / da mehr als eine Parochie iſt. Er beſitzet kein eigen Haus / und muß bald hie bald dorthin ziehen / dadurch er immer in eine an - dere Pfarre kommt. Soll man nun demjenigen nicht er - lauben / daß er denjenigen / welchen er vormahls zum Beicht - Vater gehabt / auch fuͤhrohin behalte / ob er ſchon in einer andern Parochie zu wohnen kommt? Er ſetzet in den vori - gen ein groͤſſeres Vertrauen, laͤſſet aber im uͤbrigen den neuen Pfarrer in ſeinem Wehrt. Meinem Erachten nach ſoll man in dieſem Fall allerdings von dem gewoͤhnlichen Zwang-Recht abweichen / vermoͤge deſſen man keinen an - dern / als den Pfarrer zum Beicht-Vater haben ſoll. Wir waͤren ſonſt hierinn noch weit ſtrenger als die Papiſten / und wuͤrden auch verſchiedene Saͤtze unſerer Theologen uͤber einen Hauffen fallen. a)Wird vernei - net.Denn man behauptet ja, der Beicht-Vater ſolte nicht leicht ver - aͤndert, und ein anderer angenommen werden. Es entſtuͤnde aus ſolcher Unordnung Aergernuͤß. Dieſemnach wird der Beicht - Vater nicht zu aͤndern ſeyn, wenn man das Quartier aͤndert. Dieſes aber iſt ohnſtreitig, daß dem ordentlichen Pfarrer nichts deſto minder dasjenige honorarium zu reichen, welches man ihmgeben
§. IX.(a)cui quaſi pectus meum aperire volo. Prius quis admittet? Er - go poſterius verum erit. Neque noſtra ſententia inde infirmari poteſt, quod magis Deo quam confeſſionario confesſio talis fiat. Nam cum & ſic cor ſuum denudare cupiat pœnitens coram con - fesſionario, & ab eo ſolatium petere, quomodo id facere poteſt, ſi fiducia deſtituitur erga proprium Parochum? ſæpe enim angor conſcientiæ talem pleniorem denudationem requirit. Quomo - do vero quis expectabit conſolationem a tali, in quo nullam po - nere poteſt fiduciam intimiorem.
Die Papiſten / ohnerachtet ſie wegen der Bey -Wenn man einem an - dern beich - ten kan nach der Catho - licken Lehre. behaltung des ordentlichen Beicht-Vaters ſehr ſcharff ſind / laſſen doch zuweilen einen andern zua)Sie wollen nicht zugeben, daß man von dem einmahl erwehl -Wuͤrckung der abſolution, ſo ein frembder Pfarrer erthei - let. ten abſpringe. C. 4. X. de pœnit. & remiſſ. und ſagen, eine abſo - lution, die ein Frembder geſprochen, ſey unguͤltig, welche Mei - nung aber mir recht abſurd vorkommt. Wer wolte wohl ſagen / daß die Krafft der abſolution, (wenn einige vorhanden) von der Gewalt des eigenen Parochi dependire? Allein die jurisdiction des Beicht-Gerichtes hat keine andere deciſion zugelaſſen. Un - ſere Geiſtliche legen keine Buſſe in Geſtalt einer Gerichtbarkeit auf, abſoluiren auch nicht auf ſolche Weiſe, und alſo faͤllet auch der Schluß hinweg, daß die abſolution, ſo ein frembder Paſtor geſprochen, unguͤltig ſey. Daß die abſolution eine Wuͤrckung habe, ſolches dependiret von der innerlichen Beſchaffenheit eines Beichtenden. Denn wenn der Beicht-Vater hundert mahl ſpraͤche: Deine Suͤnden ſind dir vergeben, und der Beich - tende haͤtte kein bußfertiges Hertz, keinen wahren Glauben an Chri - ſtum, ſo werden die Worte nichts helffen. GOtt ſiehet das Hertze an. Wenn man auch keinem Menſchen beichtet, und die abſolu - tion von ſolchem verlanget, ſo kan ein Bußfertiger der Vergebung gewiß ſeyn.. Jch habe ſchon ge - meldet / daß ſie dieſes erlauben / wenn der eigene Pfarrer unerfahren iſtb)C. 3. de pœnit. D. 6. allwo es heiſſet, daß wegen UnerfahrenheitWegen der Un - erfahrenheit ſeines Pfarrers kan man einem andern beich - ten. des ordentlichen Prieſters einem frembden Pfarrer erlaubet ſeyn ſoll, einen Bußfertigen auch ohne Einwilligung ſeines Paſtoris zu abſoluiren. Jch wolte wuͤnſchen, daß das jus canonicum zugleichErlaͤu -. Man darf bey einem andern die Beichteablegen /(a)geben wuͤrde, wenn man bey ihm beichtete. Denn was man we - gen der miniſterial-Verrichtungen denen Predigern giebet, iſt ih - nen zu ihrem Unterhalt angewieſen, davon man nichts entziehen ſoll. Dieſes iſt um ſo viel mehr zu beobachten, wenn die ordent - liche Beſoldung gering iſt, und ſie alleine von denen ſo genannten accidentien leben muͤſſen.b b 2196II. Abth. I. Cap. Von Erwehlungablegen / wenn es der ordentliche Pfarrer erlaubet, wenn derſelbe aber doch nicht einwilligen will / da er vermuthen kan / das Pfarr-Kind habe eine wichtige Urſache, ſo ſoll dem - ſelben vergoͤnnet ſeyn / ſich ſo fort einen andern zum Beicht - Vater zu erkieſenc)Ob man die Ur - ſachen des ver - aͤndertẽ Beicht - Vaters nicht unterſuchen ſoll?Vid. Barboſa de offic. & poteſt. Paroch. P. 2. c. 19. n. 25. ſeq. Ja nach Hugelini Meinung de offic. Epiſc. c. 15. §. 8. n. 3. ſoll ein anderer Pfarrer demjenigen, der bey ihm beichten will, Glauben beymeſſen, wenn er vorgiebt, ſein Pfarrer habe ihm hierzu Erlaubnuͤß er - theilet. Jch befuͤrchte aber, daß man auf ſolche Weiſe denen Be - truͤgereyen Thuͤr und Thor oͤffnet. Hugelini Meinung kan ich alſo nicht ſchlechterdings billigen. Mich beduͤncket, es ſey beſſer, wenn ein anderer Pfarrer ſolche Leute nicht ſo gleich aufnimmt, ſondern ſich erſt erkundiget, warum ſie eine Veraͤnderung treffen wollen.. Warum ſolten denn wir nicht in ſol - chen Faͤllen denen Zuhoͤrern vergoͤnnen / ihre Beichte einem andern als dem ordentlichen Pfarrer zu thun? Es aͤuſſern ſich zuweilen Umſtaͤnde / daraus man mehr als zu deutlich abnehmen kan / der Pfarrer ſey mit affecten gegen uns einge - nommen. Man kan alſo mit Recht verlangen / daß man bey einem andern ſeine Beichte ablegen duͤrffe. Will der Pfarrer nicht einwilligen / ſo ſolte uns frey ſtehen / einen andern zu erkieſend)Was zu thun, wenn der or - dentliche Pfar - rer in die Ver - aͤnderung nicht willigen will.Daß man von dem ordentlichen Pfarrer Erlaubnuͤß haben muͤſſe, ſagen nicht alleine die Papiſten, vid. Lancelottus cit. l. Lib. II. Tit. V. §. 6. ſondern auch die Proteſtanten, wie unter andern Ziegleri, Carpzovii und Schilteri Worte koͤnnten angefuͤhret werden. Jchdencke.
§. X.(b)Erlaͤuterung gegeben, was es durch die Unwiſſenheit und Uner - fahrenheit verſtuͤnde. Derjenige Pfarrer muß gewiß ein Stock o - der Stein ſeyn, der ſich nicht als einen geſchickten abſoluirer er - weiſen kan. Denn wenn er gleich noch ſo unerfahren, ſo wird er doch ſo viel Vermoͤgen haben, daß er gewiſſe abſolutions-formuln auswendig lernet, und wenn er abſoluiret, ſolche wieder herbetet. An Buͤchern mangelt es ihm nicht, die ihm hierinn vortrefflich zu ſtatten koͤmmen koͤnnen.
Dieſes halte ich ſelbſt dafuͤr ſey nicht unrecht /Eine oͤfftere Veraͤnde - rung des Beicht - Vaters wird nicht gebilliget. Urſachen, ſo man anfuͤh - ret, wegen unzulaͤßiger Veraͤnde - rung. wenn man die oͤfftere und nach eigener Willkuͤhr vorgenom - mene Veraͤnderungen des Beicht-Vaters zu verwehren ſu - chet. Jm uͤbrigen aber ſind doch die Urſachen / warum man die Veraͤnderung ſo ſehr einſchrencken will / von keinem Wehrt und Wichtigkeit. Manche Gruͤnde ſind ſo ſchlecht beſchaffen / daß ſie von ſich ſelbſt dahin fallen. Manche ſind wiederum alſo bewandt / daß ſie als etwas unſtreitiges zum Voraus ſetzen / zu Zeiten der Apoſtel waͤren ſchon gewiſſe Kirch-Spiele geweſen. Die Veraͤnderung des Beicht-Va - ters will man auch darum nicht leichtlich zulaſſen / weil der ordentliche Pfarrer dadurch verdaͤchtig gemacht wuͤrde / als thaͤte er ſeinem Amt kein Genuͤgen. Der beruͤhmte Stryck iſt ſelbſt in ſolchen Gedancken geſtanden. Er beruffet ſich einmahl auf die Verordnungen des Canoniſchen Rechts / und faͤhret ſodann forta)Stryk in not. ad Brunnem. jus eccleſ. Lib. II. cap. I. membr. 4. §. 3. Strykii Mei - nung.Ex quo Theologi noſtri quoque hanc certam receperunt ſenten - tiam, non eſſe in arbitrio auditorum, modo hunc, modo illum[ſi]bi eligere confesſionarium; ſuſpectus enim redditur paſtor or -dina -: Aus dieſem haben unſere Theologidieſe(d)dencke aber, man werde wenig Paſtores finden, die ſolches Anſu - chen einraͤumen. Meinem Erachten nach koͤnnte man in dieſem Fall ſo fort ſich zu einem andern wenden. Allein die Prieſterſchafft hat gleichſam gewiſſe Jnnungen, nach Art der Handwercker. Sie nehmen niemand auf, wenn er nicht erweiſen kan, er ſey ſei - nes vorigen Beicht-Vaters auf eine rechtmaͤßige Weiſe loß wor - den. Jn dieſem Fall iſt es vor ein Pfarr-Kind das ſicherſte Mit - tel, daß es ſich an das Conſiſtorium oder an den Landes-Herrn wendet. Dieſer wird wegen ſolcher Erlaubnuͤß nicht viel Scru - pel machen, wenn er anders auf die Freyheit der Gewiſſen zu ſehen pfleget. Wenn er nun ſolche Erlaubnuͤß geſtattet, ſo thut er nichts anders, als was ſelbſten die Papiſten denen Zuhoͤrern vergoͤnnen.b b 3198II. Abth. I. Cap. Von Erwehlungdieſe gewiſſe Meinung gezogen, es ſtuͤnde denen Zuhoͤrern nicht frey, bald dieſen bald jenen zum Beicht-Vater zu erwehlen: Denn der ordentl. Paſtor wird dadurch verdaͤchtig gemacht, als verrichtete er ſein Amt nicht nach Gebuͤhr; Andere werden da - durch geaͤrgert und zu gleicher Leichtſinnigkeit und Veraͤnde - rung angefuͤhret, dadurch denn der dem Miniſterio gebuͤhrende Gehorſam und die Zucht auf einmahl dahin fiele. Endlich machet man dadurch der Suͤnde Raum, indem, wenn die Zuhoͤ - rer von einem Pfarrer zu dem andern wandern, niemand auf ſie eine genaue Aufſicht hat, und ihre Laſter wie ſichs gebuͤh - ret unterſucht. Zum fernern Beweiß beruffet ſich dieſer Mann auf die Einſtimmung unſerer Theologen und Juri - ſten / deren Lehren ich aber jetzo nicht aufwaͤrmen mag. Jch erinnere vorjetzo nur dieſes / daß es nicht zu rathen / eine ſolche Freyheit zu ertheilen / daß die Zuhoͤrern einmahl die - ſen / das anderemahl einen andern / und das drittemahl wie - der einen andern zum Beicht-Vater annehmen. Allein ſoll man denn darum alle Veraͤnderung unterſagen? Will man darum die Freyheit der Gewiſſen einſchraͤncken / weil man dafuͤr haͤlt / der Beicht-Vater wuͤrde verdaͤchtig ge - macht? Dieſes iſt nur ein Vorwand / das Zwang-Recht zu mainteniren. Wenn ich auf einen ein groͤſſer Vertrauen ſetze / ſo mache ich ia den andern dadurch nicht verdaͤchtig / als thaͤte er ſeinem Amt kein Genuͤgen. Man weiſt ja / daß mancher auf einen eine Liebe wirfft / welcher doch noch lan - ge nicht ſein Amt ſo eifrig treibet / als der ordentlicher Pfar -rer.(a)dinarius, qui deſcritur, quaſi officio ſuo non bene fungeretur; ſcandalum præbetur aliis, qui ad parem leuitatem ac mutationem inducuntur, quo ipſo obſequium miniſterio debitum, cum di - ſciplina corrueret penitus. Demum licentia peccandi induci - tur, dum enim auditores ab vno paſtore ad alterum vagantur, nemo accuratam ipſorum curam habet, aut in vitia æque in - quirit. b) Was199eines gewiſſen Beicht-Vaters. rer. Das aͤußerliche air, die ſuada und anderes erwecket ſolche. Man verſpricht ſich von ſolchem einen gantz beſon - dern Troſt. Dieſes ſolte der ordentliche Pfarrer nur be - dencken / ſo wuͤrden ihm bald die Augen aufgehen. Mit de - nen andern Urſachen / ſo Stryck angefuͤhret / hat es gleiche Bewandnuͤßb)Was will aus der Veraͤnderung des Beicht-Vaters vor einWird unterſu - chet. Aergernuͤß entſtehen, wenn die Paſtores ſelbſt nicht ſo hitzig wuͤr - den, wenn man einen andern verlangt. Wenn ſie nicht bey Ge - legenheit auf diejenigen, ſo ſich ſolcher Freyheit bedienen, loßzoͤ - gen. Es haͤlt auch dieſe Urſache keinen Stand, daß durch ſol - che Veraͤnderung dem Miniſterio der gehoͤrige reſpect entzogen wuͤrde, und die diſciplin dahin fiele. Denn wenn die Paſtores von ihren Zuhoͤrern keinen reſpect haben, ſo ſind ihre Sitten ge - meiniglich daran Schuld. Dadurch aber wird derſelbe im ge - ringſten nicht vermindert, wenn einer oder der andere nicht bey ihnen beichtet. Die Kirchenzucht kan dadurch keinen Abbruch leiden, denn dieſe beruhet nicht bey denen Pfarrern, ſondern iſt der Obrigkeit uͤbergeben. Endlich ſo wird auch keine Gelegenheit zu ſuͤndigen durch eine ſolche Aenderung eingefuͤhret. Denn in dem Beicht-Stuhl erkennet man nicht, wer ein grober Suͤnder iſt. Man muß ſolches aus dem Umgang erfahren. Wenn nun ein Paſtor fleißig auf ſeine Heerde Acht hat, ſo kan er allerdings dahinter kommen, was vor Fehler unter ſolcher graſſiren. Of - fenbahr ſind die Wercke des Fleiſches nach des Apoſtels Aus - ſpruch. Hierzu braucht man keine Beichte. Die Biſchoͤffe ha - ben vor dieſem auch auf die Wohlfahrt der Seelen Achtung ge - geben, ob ſie ſchon ihre Zuhoͤrer zu keinen Beicht-Kindern gehabt. Bey der Beichte geſchiehet auch keine Unterſuchung der Laſter und Gebrechen. Waͤre es aber an dem, daß derjenige, ſo bey einem andern beichtet, uͤbel lebet, ſo kan es der Pfarrer dem Beicht - Vater hinterbringen. Man ſiehet alſo, daß der beruͤhmte Stryk unvorſichtiger Weiſe ſich durch die Schein-Gruͤnde derer Theo - logen verblenden laſſen, denn haͤtte er die Sache recht unterſuchet,ſo. Wie waͤre es aber / wenn ich ſagte / ich wol -te200II. Abth. I. Cap. Von Erwehlungte meinen Beicht-Vater darum veraͤndern / weil ich dem vorigen nicht mit allzu vielen Bemuͤhungen beſchwerlich fallen wolte. Jch ſey gewahr worden / daß er ohne hin gar viel zu thun. Jch faͤnde vor noͤthig / mich dann und wann mit meinem Beicht-Vater zu unterreden / und mich ſeines Raths zu bedienen. Dieſes koͤnnte bey demjenigen / wel - chen ich bißher gehabt / wegen ſeiner vielen Verrichtungen nicht ſeyn. Er ſtuͤnde mir ſonſt gar wohl an / doch um die - ſer Urfache willen waͤre ich gezwungen / mich nach einem an - dern umzuſehen. So viel ich begreiffe / ſo waͤre dieſes al - lerdings ein wichtiger Umſtand / allein ich ſehe bereits zum voraus / daß die meiſten dieſe Urſache nicht werden gelten laſſen wollenc)Warum man - cher die Veraͤn - derung nicht leiden kan.Denn diejenigen, ſo Ehrgeitzig ſind, bilden ſich alſobald ein, ihre renommé litte darunter einigen Abbruch. Andere wollen darum nichts von ſolcher Aenderung wiſſen, weil es ihrem intereſſe koͤnnte nachtheilig ſeyn. Jhr gantzes Thun wird nach dem Nutzen ab - gemeſſen. Sie ſetzen alſo alles beyſeite, was denen Menſchen zur Gewiſſens-Beruhigung dienet, ſonſt wuͤrde mancher nicht ſo ſehr wieder die Veraͤnderung des Beicht-Vaters haranguiren. Sie wuͤrden bedencken, daß das Beicht-Kind ſich darum zu ei - nem andern gewendet, weil es von demſelben ſich mehr Troſt verſpricht. Denn daß aus eines ſeiner Rede ſich mancher mehr erbauet als aus eines andern ſeiner, wird niemand leugnen koͤnnen. a) Dieſes.
Man ſaget insgemein: Derjenige Beich-Va - ter / welcher das Wort GOttes rein und lauter lehrete / und die von Chriſto eingeſetzte Sacramenta richtig ausſpendete / koͤnte nicht verlaſſen werden. Man turbirte ſonſt die von GOtt geſetzte Ordnung. Man verachtete den Dienſt ei -nes(b)ſo wuͤrde er befunden haben, daß man die Gewiſſen wegen des Beicht-Vaters nicht alſo binden muͤſte.201eines gewiſſen Beicht-Vaters. nes Orthodoxen Lehrersa)Dieſes iſt die Meinung des ſeeligen Gerhardi in loc. Theol. Tom. Gerhardi Meinung wird unter - ſucht,VI. de miniſt. eccles. ſect. VII. §. 117. pag. 196. Jch wolte wuͤnſchen, daß dieſer Theologus zugleich gemeldet, was vor eine goͤttliche Ordnung durch Aenderung des Beicht-Vaters turbiret wuͤrde. Jn der gantzen heiligen Schrifft iſt nichts von unſerer Beichte, und alſo auch nichts von denen Beicht-Vaͤtern zu erblicken. Folg - bar ſtehet auch in ſolcher nicht eine ſyllabe von Aenderung des Beicht-Vaters, und wird keine goͤttliche Ordnung turbiret, wenn ich mich zu einem andern wende. Jch kan dem vorigen in an - dern Dingen allezeit gewogen bleiben, wenn ich gleich bey einem andern meine Beichte ablege.. Sodann aber koͤnte man fuͤg - lich einen andern erwehlen / wenn einer GOttes Wort zu - wieder lehrete / und in adminiſtrirung der Sacramenten ſich nicht nach Chriſti Einſetzung richteteb)Ja wenn dieſes wahr iſt, ſo halte ich dafuͤr, es ſey faſt eben ſo vielund ferner wie - derlegt. geſagt / als wenn man vorgegeben, man koͤnte den Beicht-Vater nie - mahls aͤndern. Denn wenn ich die Sache betrachte, ſo kan man von der Orthodoxie ſo wenig als von dem Geſchmack diſputiren. Jch will nicht ſagen, daß alle ſecten Orthodox ſeyn wollen, ſondern will nur von denen Lutheranern etwas einflieſſen laſſen. Diejenigen, ſo den Glauben bloß in das Gehirne ſetzen, und alles mit ſpeculatiui - ſchen terminis abmeſſen, verlangen κατ᾽ ἐξοχὴν orthodox genen - net zu werden. Die, ſo Chriſti Lehre mit ihren Wercken darle - gen wollen, und auf das Leben die meiſte Abſicht richten, meinen abermahls, ſie waͤren orthodox. Allein alle beyde werden ſich dieſen Titul nicht vindiciren koͤnnen, wenn eine Parthey der an - dern nicht uͤberlegen. Will man ſagen, dasjenige ſey die ortho - doxe Lehre, was mit denen libris ſymbolicis uͤberein kaͤme, und was denenſelben zuwieder, ſtritte auch mit der Schrifft, ſo iſt die Sache doch noch nicht gehoben. Jch will anjetzo nichts von demAnſe -. Wenn wir aber keine weitere Urſach der Veraͤnderung wollen gelten laſſen als dieſe / ſo muß ich bekennen / daß wir hierinn weit ſtrenger als die Papiſten verfahren / wie ich alſobald mit mehrern darthun will.
§. XII. (Recht der Beicht-Stuͤhle. ) c c202II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung§. XII. Dieſe ſind damit zufrieden / wenn ich bey dem ordentlichen Pfarrer nur jaͤhrlich einmahl meine Beichte ablege. Die uͤbrigen mahle kan man ſich hinwenden / wo man will. Hat man von ſeinem Pfarrer um Erlaubnuͤß angehalten / einem andern beichten zu koͤnnen / und der - ſelbe will nicht einwilligen / ſo darff man ihn verlaſ - ſen / und einen andern erwehlen. Wie machen es aber die unſrigen? Dieſe wollen / daß der Beicht-Vater und das Beicht-Kind beyſammen bleiben / wenn auch zwiſchen ih -Ob es ge - ſchehen, kan nen Feindſchafft iſt. Muß nicht das ein troſtreiches Beich - ten und abſoluiren ſeyna)Meine Mei - nung von der Veraͤnderung wegen Feind - ſchafft.Es iſt allerdings an dem, daß ein rechtſchaffener Chriſte, gar keine Feindſchafft wider ſeinen Neben-Chriſten hegen ſoll. Vor - nehmlich aber ſoll aller Haß und Groll bey ſeite geſetzet ſeyn, wenn ich zur Beichte gehen, und nach der abſolution des HERRN Nachtmahl genieſſen will. Es iſt daſſelbe ein Liebes-Mahl. Al - ſo ſoll man vor allen Dingen auf die Verſoͤhnung bedacht ſeyn. Jſt aber dieſe erfolget, ſo muß denen Leuten dennoch frey ſtehen, ob ſie bey ihrem Pfarrer beichten wollen oder nicht. Denn es geſchiehet zuweilen, daß durch die entſtandene Feindſchafft alles Vertrauen, ſo man vormahls auf den Beicht-Vater geſetzet, dahin iſt, der eingegangene Vertrag hebet zwar die Feindſchafft auf, er macht aber das Vertrauen nicht wieder lebendig. Biß -wei -. Wir gehen noch weiter und ſa -gen:(b)Anſehen ſolcher Buͤcher reden, indem gewiß vieles dawieder kan eingewendet werden, ſondern nur dieſes gedencken, daß, wenn es auch ſchiene, einer lehrete dieſen Buͤchern zuwieder, ſo wird es doch demſelben an diſtinctionibus nicht fehlen, dadurch er alle im - putirte Jrrthuͤmer ableinen kan. Uber dieſes ſo muͤſte ja der Zu - hoͤrer erſt einen Proceß mit ſeinem Pfarrer anfangen, und ihn uͤ - berweiſen, daß er wieder die Orthodoxie lehre. Dieſes wird a - ber ſchwer fallen, indem unſere Theologi in wichtigen Dingen ſelbſt nicht einig ſind. Alſo iſt es allerdings an dem, daß Ger - hardi Meinung alſo beſchaffen, daß nach derſelben man eines Beicht-Vaters niemahls loß werden koͤnne.203eines gewiſſen Beicht-Vaters. gen: Man duͤrffte den Beicht-Vater nicht aͤndern / wennwenn man geſchworen, weiter nicht bey ihm zu beichten. man gleich geſchworen, ferner hin bey demſelben nicht zu beichtenb)Carpzov. cit. l. Lib. II. def. 200. bringet zum Beweiß ein UrtheilMeinung von der Veraͤnde - rung weñ man geſchworen nicht mehr bey einem zu beich - ten. vor, folgendes Jnnhalts: Waͤs bey uns Hanß Friedrich von S. zu H. unterthaͤnigſt ſuchet, daß er nehmlichen anderer Orten beichten und communiciren moͤchte, das habt ihr aus der Jnlage zu vernehmen. Demnach aber ſein Schwur GOttes Wort und unſerer Kirchen-Ordnung zuwieder laͤuffet; Als begehren wir hiermit gnaͤdigſt, ihr wollet ihn fuͤr euch erfordern, die Unziemlichkeit ſeines Fuͤrwen -dens. Auf dieſe Weiſe muß das Zwang-Recht aufallen(a)weilen geſchiehet es auch, daß die Paſtores nach der Verſoͤhnung in dem Beicht-Stuhl die Sache wieder aufwaͤrmen. An ſtatt der troͤſtlichen abſolution fangen ſie an zu ſcali ren. Sie bringen Sachen vor, die nicht daher gehoͤren. Mir iſt ein Exempel be - kannt, daß ein gewiſſer Pfarrer den Edelmann nach der Beich - te greulich ausgefiltzet, da er ſich doch zu vorher wegen einiger dif - ferentien mit ihm verſoͤhnet. Er wolte ihm unter andern auch auflegen, zu welcher Zeit er ſeine Gerichts-Taͤge halten ſolte. Ein anderer, der ebenfalls mit dem Kirchen-Patron nicht zu wohl ge - ſtanden, ſich aber ebenfalls mit ihm vertragen, brachte waͤhren - der abſolution die Sache von Anfang biß zu Ende wieder vor, und machte denſelben greulich herunter. Seine Rachbegierde a - ber lieſſe ſich damit noch nicht begnuͤgen. Denn da er demſelben den Tag darauf die Oblate reichte, gabe er ihm zugleich einen ziemlichen Naſen-Stuͤber, welches auch andere Communi - canten wahrgenommen. Weil ſich nun auch andere Dinge be - geben koͤnnen, die einen abhalten, demjenigen ferner zu beichten, mit welchem man in Uneinigkeit gelebet, ſo muß man nicht ſo ri - goureus mit denen Leuten verfahren. Man rede ihnen zu, daß ſie auf das neue ſich zu ihrem vorigen Beicht-Vater halten. Meinen ſie aber, ſie koͤnten fuͤhrohin kein Vertrauen auf ſolchen ſetzen, ſo ſoll man ihnen nicht wehren, einen andern anzunehmen. Denn nach Recht und Billigkeit kan man ihnen dieſe Freyheit nicht ab - ſchneiden.c c 2204II. Abth. I. Cap. Von Erwehlungallen Seiten unterſtuͤtzet werden / damit man es nicht uͤber einen Hauffen werffen / und die alte Freyheit wiederum herſtellen kan. Man nimt die Gewiſſen der Leute recht ge - fangen / und ziehet dasjenige / was ihrer Wohlfahrt zutraͤg - lich / nicht in die geringſte Betrachtung. Man fuͤhret die Zuhoͤrer mit Gewalt vor den Beicht-Stuhl / als vor ein Gerichte / da doch durch das beichten die Menſchen ihr Hertz ausſchuͤtten / und Troſt vor ihre durch Suͤnden geaͤngſtete Seele ſuchen ſollen. Die Religion wird uͤberall forciret / da doch bey derſelben ein freywilliges Hertze ſeyn ſoll.
Dieſes giebt man auch zu / daß / wenn einer andern Pfarre Zuhoͤrer vertrieben worden / und daſelbſtverblei -(b)dens nothduͤrfftig zu Gemuͤthe fuͤhren, ihn gaͤntzlich ab - weiſen, und daß er bey dem ordentlichen Pfarrherrn ver - bleibe, in unſerm Nahmen ihme auferlegen ꝛc. Sonſt lau - tet das gemeine brocardicum: diejenigen Eyde, welche ohne Ver - luſt der ewigen Seeligkeit gehalten werden koͤnnten, waͤre man ſchuldig zu halten; allein aus faveur gegen die Beicht-Vaͤter und dem Zwang-Recht hat man nicht darauf regardiret. Jch halte dafuͤr, man ſolte die Urſache unterſuchen, warum einer geſchworen, fernerhin nicht weiter bey dem vorigen Beicht-Va - ter zu beichten. Gemeiniglich geſchiehet es wegen Zanck und Feind - ſchafft. Wie es aber in ſolchen Faͤllen zu halten, habe in vorher - gehender Note meine Meinung eroͤffnet. Wenn die Unerfah - renheit des Pfarrers den Eyd verurſachet, ſo iſt er ja nach dem Canoniſchen Recht guͤltig. Wenn der Zuhoͤrer etwas von dem Pfarrer erfahren, daß den reſpect gegen ihn vermindert, und das Vertrauen, ſo er zu ihm gehabt, verringert, daß er ſchweret, fer - ner nicht bey ihm zu beichten, ſo bin ich der Meinung, daß man auch ſodann von der Strenge des Zwang-Rechts abweichen muͤſſe. Jch ſetze noch dieſes hinzu, daß man gewiſſe Perſonen nicht an - halten koͤnne, den gethanen Eyd zu brechen, weil zu befuͤrchten, ſie moͤchten daruͤber in die groͤſte melancholie verfallen. a) Uber -205eines gewiſſen Beicht-Vaters. verbleiben / ſie einen andern zum Beicht-Vater annehmenlen die Aen - derung zu - gelaſſen. moͤgen. Denn Sie haben den vorigen aus einer Nothwen - digkeit verlaſſen muͤſſena)Uberhaupt erlaͤſſet man die Pfarr-Kinder der Verbindlichkeit, beyFreyheit der Studenten und Kaufleute. ihrem eigenen Pfarrer zu beichten, wenn ſie nothwendige Rei - ſen haben, oder ſonſt um einer erbarn Urſache willen abweſend ſind. Denn dadurch werden ſie gehindert, ſich des Dienſtes ih - res Paſtoris zu bedienen. Um dieſer Urſachen willen pflegen die Canoniſten die Studenten und Kaufleute nirgends einzupfarren. Sie ſagen, daß dergleichen Perſon von einem jeden Pfarrer abſol - uiret werden koͤnten, wenn ſie ſich gleich eine Zeit lang an einem Ort beſtaͤndig aufhielten. vid. Barboſa de offic. & poteſt. Parocb. P. II. c. 19. n. 10. . Wenn jemand auf der Reiſe unpaß wird / oder der Pfarrer aus Haß / Neid und Rach - begierd / jemand die abſolution verſagetb)Zuweilen ſind einige ſo naͤrriſch, daß ſie diejenigen Perſonen nichtWas zu thun, weñ der Beicht - Vater aus ba - gatell Urſachen die abſolution denegirt. zur Beichte laſſen wollen, welche nicht nach ihrem viſirlichen humeur gekleidet, obſchon ſolcher Habit durchgehends gebraͤuchlich iſt. Wie aber dieſe oder jene Perſonen ſich in Kleidern auffuͤhren ſol - len, hat ein Pfarrer nichts vorzuſchreiben. Dieſe Gewalt kommt denen Fuͤrſten zu. Solche Herrſchſucht muß man der Cleriſey be - nehmen, und ihnen durch den Sinn fahren. Man kan ſie aber nicht beſſer zu rechte bringen, als wenn man denen Pfarr-Kin - dern erlaubet, ſich nach einem andern Beicht-Vater umzuſehen. / ſo erlaubet man auch / ſich einen andern zum Beicht-Vater anzunehmen. Man will auch dieſes vor eine gegruͤndete Urſach der erlaub - ten Veraͤnderung halten / wenn der ordentliche Paſtor of - fenbahr gottloß iſt / und ſolche Laſter begangen / die vorlaͤng - ſten die Abſetzung verdienetc)Carpzov iſt ſolcher Meynung, da er von adminiſtrirung des Abend -Carpzovs Meinung wird auf die Aende - rung des Beicht Vaters gezo - gen. mahls redet cit. l. def. 291. Es muß aber eben dieſer Umſtand bey Veraͤnderung des Beicht-Vaters ſtatt finden, denn dieſe iſt ei - ne Vorbereitung zum Abendmahl. Carpzov ſaget ferner, daßim. Vornehmlich aber willmanc c 3206II. Abth. I. Cap. Von Erwehlungman zur Peſt-Zeit denenjenigen / ſo noch nicht angeſtecket / er - lauben / ſich eines andern Paſtoris zu bedienend)Zur Peſt-Zeit kan man bey einem andern als dem ordent - lichen Pfarrer beichten.Dieſes iſt abermahls Carpzovs Meinung cit. l. und allerdings gegruͤndet. Er meinet, weil es in jedem Nothfall erlaubt, ſich frembder Paſtorum zu bedienen, ſo haͤtte ſolches um ſo viel mehr zur Zeit der Peſt ſeinen Grund. Seine Worte ſind dieſe: Quod[ſa]enim juſta ex cauſa pro obtinendo ſacræ cœnæ vſu alterius diœ - ceſeos parochum compellare licet, vt modo diximus; vtique ob peſtis periculum id multo magis licitum cenſetur, quippe quo non vnica tantum perſona neceſſitate premitur, ſed & reliqui, ac quandoque cœtus vniuerſus periclitatur. Nec quisquam non caſum hunc ſummæ dixerit neceſſitatis, quo receditur non ſolum a regulis juris communis, ſed etiam prohibitiui, & nulla ſubjecta eſt legi neceſſitas, ſed ipſa legem facit. . Denn der ordentliche Pfarrer muß zu allen Krancken gehen. Man koͤnnte ſich alſo leicht vor ihm ſcheuen / und in Anſehung deſ - ſen pfleget man von dem Zwang-Recht abzuweichen. Auſ - ſer dieſen Faͤllen aber will man gemeiniglich keine Aende - rung des Beicht-Vaters zulaſſen.
Soll ich meine Meinung von der Aenderung des Beicht-Vaters entdecken / ſo iſt es dieſe. Alle Spruͤche aus der heiligen Schrifft / die diejenigen / ſo die Veraͤnderung ſo ſehr einſchrencken / vorzubringen pflegen / beweiſen nichts / und ſind gantz und gar nicht hieher zu ziehen. Jch bin auch gewiß verſichert / daß vor Innocentii III. Zeiten / kein Ge - ſetze vorhanden geweſen / ſo die Zuhoͤrer angeſtrenget / kei - nem andern als ihrem Pfarrer zu beichtena)InnocentiusMan wird aus demjenigen, ſo oben ſect, I. Cap. II. ſeq. angefuͤhret,zur. Da nun aberdas(c)im Fall der Noth man das Abendmahl von einem jeden Prie - ſter empfangen koͤnnte. Dieſes iſt ebenfalls von der abſolution zu verſtehen. Dieſer Juriſt raͤumet ſelbſten ein, daß die Noth allen Unterſcheid, der unter denen Pfarr-Kindern dieſes und jenes Kirch - Spiels iſt, aufhebe.207eines gewiſſen Beicht-Vaters. das Zwang-Recht uͤberall ſo zu ſagen in friſchem Gebrauchdeꝛung nicht ſo einſchren - cken. iſt / ſo kan man doch ſolches nicht mit der geringſten raiſon auf denjenigen Fall ziehen / wenn in einer parochie verſchie - dene Pfarrer vorhanden ſind. Alle Schein-Gruͤnde / ſo wieder die Veraͤnderung des Beicht-Vaters vorgebracht werden / laſſen ſich nicht hieher appliciren. Dieſer wegen ſo trage ich kein Bedencken zuſagen / daß wo mehr als ein Prieſter in einem Kirch-Spiel iſt / denen Zuhoͤrern frey ſte - hen ſoll / auch ohne geſuchte Erlaubnuͤß von dem Conſiſto - rio oder Landes-Herrn den Beicht-Vater nach Belieben zu wehlen / und nachmahls nach denen Umſtaͤnden ſolchen zu aͤndernb)Dieſes iſt auſſer allem Zweiffel, wenn man die Sache nach denenDie Spruͤche ſo man zur Be - hauptung des Zwang-Rechts vorbringt, rei - men ſich gar Reguln des Chriſtenthums betrachtet. Daß das Zwang - Recht ein anders eingefuͤhret, iſt mir mehr als zu wohl bekannt. Man erwaͤge nur diejenigen Spruͤche, welche zu deſſen Behau - ptung angefuͤhret werden, und da wird man befinden, daß ſie aufdieſen.
§. XV.(a)zur Gnuͤge erkannt haben, daß die Beichte, wie ſie jetzo aus ſiehet,hat das Zwang - Recht zum er - ſten eingefuͤh - ret. erſt unter Innocentio III. zur Reiffe gekommen. Dieſer hat aus demjenigen, ſo in eines jeden Willkuͤhr geſtanden, zu einer Noth - wendigkeit gemacht. Unter andern aber hat er auch dieſes zum erſten mit verordnet, daß man nirgends als bey ſeinem Pfarrer beichten ſolte. Vielleicht truge das Beicht-Sitzen auch bald darauf etwas ein, und alſo hielte man deſto ſteiffer uͤber dieſe Verordnung. Weñ ich hier irre, ſo zeige man aus der Kirchen-Hiſtorie ein anders. Jch will mich alſobald corrigiren. Jch halte es mit Seneca de benef. Lib. IV. c. 38. vor keine Leichtſinnigkeit den erkannten Jrrthum abzu - legen, und frey zu bekennen, ich ſey betrogen worden. Jch halte es vor eine hochmuͤthige Thorheit, bey dem was einmahl geſaget iſt zu bleiben, es mag ſolches klappen wie es will. Non eſt leuitas a cog - nito & damnato errore diſcedere, & ingenue fatendum eſt, aliud putaui, deceptus ſum. Hæc vero ſuperbæ ſtultitiæ perſeuerantia eſt; quod ſemel dixi, qualecunque eſt fixum, ratumque ſit.
208II. Abth. I. Cap. Von ErwehlungJa ich halte dafuͤr / die Veraͤnderung des Beicht-Vaters koͤnne auch ſodann nicht verwehret werden / wenn ich dafuͤr halte / daß ich von einem andern mehr Nu - tzen und Troſt erlangen koͤnne. Es iſt ja nicht zu leugnen /daßnicht auf den Fall da ver - ſchiedene Pa - ſtores in einem Kirch-Spiel ſind.(b)dieſen Fall, welchen ich ſetze, ſich vollends nicht reimen. Denn was 1. Petr. V, 2. denen Aelteſten befohlen iſt, daß ſie die ihnen an - vertraute Heerde weiden ſollen, iſt mit allem Recht von allen Pa - ſtoribus in einer Parochie zu verſtehen. Diejenigen, welche ei - nem andern Pfarrer in eben dem Kirch-Spiel beichten, und von dem vorigen abgehen, verlaſſen die Verſammlung weder gaͤntz - lich, noch auf eine Zeit. Alſo faͤllet auch der Schluß dahin, den man aus Hebr. X, 25. heraus gepreſt. Die ἐυταξία leidet auch kei - nen Abbruch, ſondern alles geſchiehet κατὰ τάξιν, in beſter Ord - nung, wenn ich demjenigen, ſo ich zum Beicht-Vater gehabt, nicht ferner beichte, ſondern ſeinen Collegen mir erwehle. Jnzwi - ſchen dencken doch diejenigen, ſo das Zwang-Recht behaupten, ſie haͤtten die Sache auf das deutlichſte bewieſen, ſo gar, daß ſie be - haupten wollen, es ſtuͤnde nicht einmahl dem Fuͤrſten frey, ſeinen Beicht-Vater zu aͤndern. Dieſen wunderbahren Lehrern hat der Herr Thomaſius in denen Noten uͤber Puffendorff von der geiſtlichen Monarchie des Stuhls zu Rom pag. 300. den Staar ziemlich geſtochen. Sieheſt du alſo, ſaget er, wenn keine Beicht - Vaͤter waͤren, haͤtten ſich die Jeſuiten auch nicht ſo ein - ſchleichen koͤnnen. Und alſo ſieheſt du, was in dem Streit von der Nothwendigkeit des Beicht-Stuhls, zwiſchen den eifrigen Lutheranern und Reformirten, fuͤr eine politi ſche avantage verborgen ſey, dieſelbe Nothwendigkeit zu behau - pten. Zum wenigſten hat ein Reformirter Fuͤrſt ſich nicht zu befuͤrchten, daß wenn er ſeinen Hoff-Prediger abdanckt, ihm werde controuers gemacht werden, ob er auch ſolches cum effectu ciuili, oder auch mit gutem Gewiſſen habe thun koͤnnen. Hingegen kan ein Beicht-Vater eines Lutheri - ſchen Fuͤrſten ſich ehe getroͤſten, ſo wohl Theologi ſche als Ju - riſti ſche reſponſa fuͤr ſich zu erhalten, daß ein LutheriſcherFuͤrſt209eines gewiſſen Beicht-Vaters. daß alle Anſtalten in der Gemeinde alſo beſchaffen ſeyn ſol - len / daß die Erbauung der Seelen in dem Chriſtenthum da - durch mehr und mehr befoͤrdert werde. Weil nun ſolche auf dieſe Weiſe bey manchem wachſen kan / ſo wird man al - lerdings zugeben muͤſſen / daß die Zuhoͤrer hierinn nicht all - zu ſehr gebunden werdena)Dieſes iſt auch die Meinung des ſeel. Speners in denen Theol.Speners Mei - nung von zuge - laſſener Ver - aͤnderung. Bedencken Vol. IV. pag. 486. Weil aber auch, ſaget er, nicht nur von der Guͤltigkeit und Krafft ſolcher Gnaden-Mittel ſelbſt geredet wird, ſondern die Abſicht auch gehet auf die Erbau - ung, die man dabey haben mag, und wir aber wiſſen, daß das Vertrauen des Beicht-Kindes zu dem Beicht-Vater nicht wenig bequem machet, damit das Wort GOttes ohn - gehindert ſeine Krafft in denſelben ereigne, hingegen wo ein Mißtrauen iſt, in ſolchem heiligen actu leicht daſſelbe geſtoͤret und der heilſame Nutzen gehindert werden mag ꝛe. Dieſerwegen ſaget er cit. l. pag. 487. daß man bey einem ſolchen, zu dem man kein Vertrauen haͤtte, nicht beichten ſolte, es waͤ - re denn ein Nothfall. b) Jch. Man wird ferner die Veraͤn - derung zulaſſen muͤſſen / wenn der Beicht-Vater ſich alſo auffuͤhret / daß man fernerweit kein Vertrauen auf denſel - ben ſetzen kan. Denn wenn ich dieſes nicht bey mir befin - de / ſo iſt gewißlich alle Frucht / ſo man ſich aus der Beich - te verſprechen kan / verdorben und zu nichte. Man gehet nur aus Gewohnheit in den Beicht-Stuhl. Dieſes ſolten die Pfarrer und Beicht-Vaͤter wohl uͤberlegen / ſie wuͤrden ſodann nicht ihren / ſondern der Pfarr-Kinder Nutzen zu befoͤrdern ſuchen. Man wuͤrde von dem Zwang-Recht freywillig abſtehen / und denen Leuten eine groͤſſere Freyheit hierinn ertheilen. Solches haben ſelbſt beruͤhmte Theo -logi(b)Fuͤrſt ſolches zu thun nicht befugt ſey, wie die heutige Reichs - kuͤndige Erfahrung bezeuget. Von dem Recht eines Fuͤrſten in dieſem Stuͤck will weiter unten ausfuͤhrlich handeln.(Recht der Beicht-Stuͤhle. ) d d210II. Abth. I. Cap. Von Erwehlunglogi gewuͤnſchetb)Ein ander Ur - theil dieſes Mannes.Jch beruffe mich abermahls auf dieſen Theologum. Es lauten a - ber feine Worte cit. l. vol. vlt. pag. 425. folgender maſſen: Jns - gemein wuͤnſche ich in der Sache eine mehrere Freyheit in der Wahl, und auch gewiſſer Maaß in deꝛ Aenderung des Beicht - Vaters, aus der Urſache, weil das mehrere oder wenigere Veꝛ - trauen gegen den Beicht-Vater ein groſſes thut zu mehrer oder weniger Frucht der Erbauung von dem Dienſt deſſelben. Daher ich nicht in Abrede bin, wo ich die Sachen einzurichten haͤtte, daß ich eine ziemliche Freyheit geſtatten wuͤrde, den Beicht-Vater zu aͤndern, wo man entweder vorigen mit zu vielen Geſchaͤfften beladen ſiehet, oder durch eines Collegen Gaben ſich kraͤfftiger geruͤhret befindet, welches ſonderlich bey neuen Erſetzungen Platz hat, oder da eine andere redli - che Urſache waͤre. Wie wir in Franckfurt am Mayn ſolcher Freyheit uns nicht wiederſetzten, wie daher unterſchiedliche, die nach wie vor gute Freunde blieben, meiner Arbeit zu ſcho - nen, in Liebe von mir abgetreten, andere hingegen, ſich zu mir gewandt, ohne einigen daher entſtandenẽ Mißverſtand, welcher immer frey bleibet, excepto ſolo caſu ob fugam diſciplinæ. Daher der neue Beicht-Vater von dem vorigen nichts an - ders zu fragen haͤtte, als ob es aus Verdruß ſeiner Amts - Treue geſchehen waͤre, da mans nicht bloß hingehen lieſſe, ſondern vor den conuentum braͤchte. Mit ſolcher Ausnahme will ich auch die Freyheit, die ich wuͤnſchete, verſtanden haben, daß nehmlich keiner einen, der den Collegen verlieſſe, weil er ſein Straff-Amt an ihm verrichtet hatte, vor ſich anzuneh - men befugt waͤre. . Allein unſere Kirche befindet ſich in ei - nem ſolchen Zuſtand / daß man alles nach dem Intereſſe abzu - meſſen pflegetc)Ubel ſo aus em Hochmuth und Geitz ent - ſtehen.Hochmuth und Geitz ſind diejenigen Laſter, welche der Wohl - fahrt der Kirchen gar ſehr hinderlich ſind. Jch will jetzo nichts gedencken, daß faſt alle Streitigkeiten in der Kirche aus einer unzeitigen Ehrbegierde entſtanden. Jch koͤnte ſolches mit vie - len Exempeln aus denen Kirchen-Geſchichten darthun, wenn eshieher. Man machet ſich eine gloire daraus / wennman211eines gewiſſen Beicht-Vaters. man viele Beicht-Kinder hat. Es bringet auch ſolches Brod in das Haus. Man iſt alſo mit allem Ernſt dahin bemuͤhet / daß die Anzahl der Beicht-Kinder nicht verrin - gert werde. Es trifft bey vielen Geiſtlichen ein / was ein ge - wiſſer Gelehrter von denen Sitten der Falſchgelehrten redet / da er ſagetd)Es iſt dieſes der Joh. Alphonſ. Turretinus, Paſtor S. Theol. & Hiſt. Fehler der Ge - lehrten.Ec -: Sie ſind wegen einer eitlen von ſich gefaſten Meinung aufgeblaſen; ſie dencken, daß ſie den hoͤchſten Gipfel bereits erreichet; ſie halten es vor eine Schande von andern zu lernen, oder zu erkennen, daß ſie nur in einigen Stuͤcken ge - irret; ſie hangen denen Meinungen ihrer Parthey ſo haſtig an, daß ſie nicht eines Nagels breit davon abweichen, im Gegen - theil wollen ſie anderer Verſtand ſich voͤllig unterwerffen; in Erlernung der Wiſſenſchafften ſuchen ſie nicht die Wahrheit, ſondern den Sieg; ſie fallen die, ſo anderer Meinung ſind, alſo - bald wie wuͤtige Hunde an, und verfolgen ſie; ihre gantze Ar - beit iſt auf einen eitlen Pracht, nichtswuͤrdigen Ruhm gerichtet, und was andern an Ruhm und Ehre zuwaͤchſet, das meinen ſie, gienge ihnen ab. Wer Verſtand hat / wird es / wenn er weniges veraͤndert / gar leicht auf den Fall / davon wir handeln / appliciren koͤnnen.
§. XVI.