LJeber Bruder Læli, Was du durch unterſchiedliche Brief - fe etliche mal von mir zu wiſſen begehret / nemlich die Urſachen / ſo mich bewogen / eine ſo geraume zeit in Teutſch - land herumb zu reyſen / wil ich nun / weil ich faſt durch dein ſo ernſthafftiges noͤti - gen mich nach Hauſe begeben muͤſſen / dir mit wenigem zu verſtehen geben.
Es iſt ſonſt bekand / daß unſere nation und Landsleute auff viel Reiſen und an - dere Laͤnder zu beſuchen nicht groß ach - ten / weil ſie dafuͤr halten / ihre ingenia und Gemuͤther ſeyn von Natur gut und geſchickt genug / und daher von Außlaͤn -A ijdiſchenZuſchrifft Brieff. diſchen etwas zu lernen nicht benoͤtiget. Ja daß auch die nationen ſo jenſeit den Alpen oder Schweitzer Gebirgen woh - nen / alsbald / wenn ſie nur uͤber das Ge - birge Jtalien erblicket / eine Klugheit uͤberkommen zu haben vermeynen.
Aus was Urſachen aber ich mich uͤber die Alpes begeben / und uͤber verhoffen am Bayriſchen Hofe eine zeitlang auffhal - ten muͤſſen / iſt dir nicht unbekand / wo - ſelbſt den unmuth der Zeit zu vertreiben / ich etliche Buͤcher vor die hand genom - men / und ſonderlich ein und andern Au - toren der unſerigen / ſo von dem Teut - ſchen Kriege geſchrieben / denen die Teut - ſchen mehr Glauben zuſtellen als ihren eigenen Landesleuten / welche faſt gemei - niglich partheyiſch / oder Gefahr halber die Warheit zu ſchreiben / ſich ſchewen. Daſſelbe Buch aber / ſo ſie von jetzt er - wehntem Kriege geſchrieben / beſtehet in viel groſſen weitlaͤufftigen Volumini - bus, und koͤnte fuͤglicher als das alte Chaos, eine Wuſt und unaußgearbeitetWerckZuſchrifft Brieff. Werck genennet werden. Es muß dem / der es lieſet / billich wundern / mit was groſſer bemuͤhung ſie ihre Sachen ange - gangen / was fuͤr erſchreckliche Schlach - ten und Blutſtuͤrtzungen vorgangen / wie es doch das Land ertragen koͤnnen / zu deſ - ſen Verderben nicht weniger die einhei - miſche als außlaͤndiſche in die 30. Jahr embſig gearbeitet Daher habe ich ein we - nig genauer nachzuforſchen / was dieſer nation Kꝛaͤffte und Veꝛmuͤgen / wie man - cherley Art derſelben / und durch was Verbuͤndniß ein ſo groß weitſchweiffig Corpus koͤnte zuſam̃en gehalten werden / luſt bekommen. Worbey ich groͤſſere Ge - dult gehabt / als leichtlich bey einem Jta - lieniſchen Gemuͤthe zu vermuthen. Ne - ben dem / daß ich umb erreichung meines Zwecks die deutſche Sprache / welche un - ter den Europæi ſchen wol die ſchwerſte / zulernen mir vorgenommen / bildete ich mir auch ein / ich koͤnte den Zuſtand Teutſchlandes nicht eigentlich erkennen / ich haͤtte dann aller dieſer nation ſchriff -A iijtenZuſchrifft Brieff. ten / ſo das jus publicum, wie ſie es nen - nen / verfaſſet / durchgeleſen / derhalben ich nicht ohne ſonderliche begierde einen Hoff Rath / welcher eine zimliche Biblio - Thec ſolches ſchlages hatte / angeſprochen und gebeten / er wolle mir etliche zu mei - nem vorhaben dienliche Buͤcher leihen / welcher / damit er ſich gegen mir hoͤfflich erzeigen / auch zugleich den Vorrath ſei - nar Buͤcher zu erkennen geben moͤchte / durch zweene ſtarcke Kerel mir etliche ſchwere trachten Buͤcher zubringen / und mein Gemach darmit alſo anfuͤllen ließ / daß ich kaum zu ſitzen raum hatte / und gab mir daneben zu verſtehen / ich ſolte dieſes nur zum Fruͤhſtuͤck anffnehmen / die rechte Mahlzeit ſolte bald folgen; da bin ich erſchrocken / als wenn ich im Gra - ſe unverſehens eine Schlange angeruͤh - ret / und betaurete das groſſe Ungemach / ſo ich mir ſelbſt freywillig uͤber den Hals gezogen: Denn weil ich ſolche begierde etwas zu lernen an mir vermercken lieſſe / waͤre es nicht ruͤhmlich / daß ich bald imanfan -Zuſchrifft Brieff. anfang den Muth ſolte fallen laſſen / doch dauchte mir / den Zuſtand eines andern Regiments zu erforſchen nicht ein ſo groß uͤbel zu ſeyn / daß ich mir dadurch ein ſolch Ungemach auffbuͤrden ſolte; Alsich lange in Zweiffel ſtund / fiel mir eben ein / daß ich vor zeiten bey einem ge - lahrten Mann bey uns gehoͤꝛet hatte / wie die Teutſchen ſo eine unauffhoͤrliche boͤſe Gewonheit haͤtten zu ſchreiben: aber die wenigſten koͤnten etwas vorbringen / welches wegen eines ſcharffſinnigen Ver - ſtandes oder lieblichen Rede bey der Po - litiſchen Welt Lob verdienen moͤchte / da - mit man gleichwol das gute Papier ver - duͤrbe / bringe der meiſte Hauffen / die hin und wieder geſamlete Stuͤcken in ein ſchmirement oder Buch / dabey wenig Verſtand zu ſinden / und werde vor keinen Raub gehalten / anderer Leute Schriff - ten / denen nnr an etlichen Orten ein klei - ner Zuſatz geſchehen / fuͤr ein new Werck außzugeben; Endlich ſein etliche der meynung / ſie gehoͤren auch mit unter dieA iiijAuto -Zuſchrifft Brieff. Autores, weil ſil ein weitlaͤufftig ſcri - ptum in einen kurtzen Begriff / oder ver - meynte Tabellen dem Gedaͤchtniß (an ſtupiditati vielleicht dem dummen Ver - ſtande) zu helffen / gebracht haben / und zwar hoffete ich / wenn ich einen Auto - rem verſtuͤnde / ich auch die andern veꝛſte - hen wuͤrde ‘weil bey den Scribenten, wie gemeiniglich bey den Juriſten gleichſam zum Geſetz worden / daß einer von dem andern auff guten glauben außſchreibe. Als ich nun mich zu einer beſtaͤndigen Gedult bequaͤmet / habe ich anfangs ei - nen weitlaͤufftigen uñ von vielen appro - bir ten Autorem durchzuleſen vor mir genommen / von welchem ich mir nicht vergeblich eingebildet / er wuͤrde nicht we - niger alle / ſo vor ihm geſchrieben / haben zuſammen getragen / als die nachfolgende bey ihm gethan. Was andern in die - ſein Autore kunte Unmuth erwecken / das kam mir / ich weiß nicht wie / vor / als eine erquickung. Denn ſo viel mehr Sa - chen / die nicht zum Werck dieneten / hin -einZuſchrifft Brieff. ein geflicket waren / ſo viel ehe dauchte mir / daß ich zum ende kommen kunte, Jm uͤbrigen / wie ich die euſſerliche Ge - ſtalt des Teutſchen Reichs gnugſamb erkennete; alſo kam mir ſehr ungereimt fuͤr / daß / weil er allenthalben eine bloͤde wiſſenſchafft des juris civilis an ſich ſpuͤ - ren lieſſe / und was er irgend geleſen und gehoͤret / dahin ſamlete / daſelbſt nichts gefunden wuͤrde / daß auch nur von einer mittelmaͤſſigen Wiſſenſchafft der rech - ten politic zeugen kunte. Denn wie ein zimlicher Fleiß und kein Verſtand erfor - dert wird / die uͤbrigen Dinge anzumer - cken / alſo moͤchte man fuͤglich ſagen / es waͤren gleichſamb Eſel bey der Leyer / die ſich nuterſtehen ſo eines irregular und ſonderlichen Regiments beſchreibung zu verfaſſen / und von den Geſchichten des Vaterlandes und Politic keine wiſſen - ſchafft haben. Nach dem ich derowegen dieſes veꝛdrießliche leſen abzuwarten zeit hatte / und zugleich befand / wie die mei - ſten nur auff einer Seiten fiddelten / namA vichZuſchrifft Brieff. ich mir vor / einen andern Weg zu gehen / ließ die unnuͤtze naͤrriſche Buͤcher liegen / und befragte mich bey erfahrnen Leuten von denen Dingen / woruͤber ich einigen Zweiffel hatte / aus welchem Vornehmen ich nicht geringen Nutzen geſchoͤpffet: denn uͤber dem / daß ich viel / was man vergeblich in den Buͤchern ſuchet / erfahren / hat mir auch dieſe curioſität ſolcher nation ge - gen Außlaͤndern nicht ungemeine Freund - lichkeit zu wege gebracht. Vornemlich ge - fiel derſelben / daß ſie bey mir keinen ſolchen Verdruß ihres Zuſtandes und Weſens verſpuͤrete / wie ſich bey den meiſten Auß - laͤndern findet / und je vertraulicher und freyer ich mit ihr umbgienge / je freundli - cher nahme ſie[m]ich an / als einen nachfol - ger ihrer Auffrichtigkeit / welche ſie gern von ſich wil geruͤhmet haben. So gar / daß ich endlich beſchloſſen / dieſes Volcks aner - botenen Gewogenheit laͤnger zu genieſſen. Nach dem ich derowegen mein Geſchaͤffte nach Wunſch zu Muͤnchen verrichtet hat - te / habe ich mich nacher Regensburg bege -ben /Zuſchrifft Brieff. ben / als wegen des neuentſtandenen Schreckens des Tuͤrckiſchen Krieges vie - le Fuͤrſten ſich daſelbſt hinveꝛſamlet hatten. Hie kunte man aber leichte / gleichſamb in einem Blick die Beſchaffenheit des Teut - ſchen Weſens / und wie weitſchweiffig die ſer Leib an einander hinge / beſchawen. Da - hat mir der Bayeriſche Freund den Weg gebahnet / daſ ich mit einem Manne bin be - kand worden / deßgleichen ich kaum in Teutſchland geſehen / welcher damals eine vornehme Perſohn am Chur Mayntziſchen Hofe und bey den meiſten Teutſchen in groſſem Anſehen war. Dieſer hat mich mit ſolcher freundlichkeit empfangen / derglei - chen ein frembder und unbekandter von einem ſolchen / deſſen Gunſt die Gelehrten ten hin und wieder anch durch offentliche ſchmeicheley zu ſuchen / fuͤr zutraͤglich hiel - ten / ſchwerlich zu hoffen hatte / und zwar hat mir dieſes Mannes Gunſt nicht nur zu Regenſpurg viel Freunde gemacht / ſon - dern er hat mir auch / als ich ihm zu verſte - hen gegeben / wie ich geſonnen waͤre / eintheilZuſchrifft Brieff. theil Teutſchlandes zu beſehen / an unter - ſchiedliche Hoͤfe recõmendation Brieffe / durch welche ich ihnen ein angenehmer Gaſt worden / gegeben. Von dannen bin ich mit gutem Winde den Donaw Strom hinab nach Wien geſegelt / woſelbſt etliche meiner Landsleute / weithe das Gluͤck ſehr liebkoſett / daß ich fuͤr keinen Fremden an - geſehen wurde / zu wege bra[ch]ten. Dar - nach ſchickte es ſich gar gewuͤnſchet / daß ein Kaͤyſerlicher Miniſter, mit welchem ich ſchon vorhin Freundſchafft gemacht / an die Churfuͤrſten zu Sachſen und Bran - denburg geſand wurde / und ward ich deſto lieber / da er mich ſelber bat / ſein Ge - fehrte / ſonderlich / weil er davor hielte / daß die opinion der Jtaliaͤniſchen nuͤchterkeit / daß ich nicht durch zu groſſer Freundlich - keit verleitet / im Wein erſoͤffe / wol zu ſehen wuͤrde. Denn ſonſten wird bey dieſem Volcke fuͤr unanſtaͤndig gehalten ſeine Ge - ſundheit ſolchen allgemeinen Wilkoms - truͤncken vorzuziehen. Von Berlin rey - ſete ich nach dem Fuͤrſtl. Braunſchweigi -ſchenZuſchrifft Brieff. ſchen Hoff / woſelbſten mir unter andern ſehr angenehm war / mit einem Profeſſor von der nechſten Academi unterredung zu pflegen / welchen ich ſchon vorhin zu Re - genſpurg / wegen der wiſſenſchafft von ſei - nem Vaterland hoͤchlich hatte ruͤhmen ge - hoͤret; der kam in den meiſten Sachen / den Zuſtand Teutſchlandes betreffend / mit mir uͤberein / und communicirte mir gut - willig ſeint Scripta, die weit einen andern genium als die vorgedachten / hatten; Jn welchen / ob gleich viel klar genug geſetzet / doch leicht zu ſehn war / daß er auch nicht wenig / umb den Haß der groſſen / und wie - derbellen der unbeſcheidenen von ſich abzu - leiten / diſſimuli ret. Von der Zeit an kam mir erſt in Sinn dieſes auffs Papier zu ent - werffen / weil ich hoffete / man moͤchte viel - leicht die Wahrheit glimpflicher von einen Fremden auffnehmen / welcher als un - partheyiſch weder Danck zuverdienen noch Rache zu uͤben geſonnen. Als ich ſo weit gekommen / dauchte mir eine Faulheit zuſeyn /Zuſchrifft Brieff. ſeyn / Niederland nicht zubeſehen / in wel - chem ich mich laͤnger haͤtte auffgehalten / wo mich nicht dein gebietendes Schꝛeiben / und zugleich meine Haußhaltung wieder in das Vaterland zu ziehen bewogen. Nach dem ich derowegen den Rheinſtrom hinauff nacher Duſſeldorp gekommen bin mit gleicher Hoͤfflichkeit als vorhin zu Neu - burg empfangen worden / wie mir auch zu Bonna nicht minder wiederfahren. Bey den Maͤyntziſchen daucht ich mich wenig angenehm zu ſeyn / weil ich durch unvor - ſichtigkeit den vorgedachten Miniſter, welchen ſie unterdeſſen / weiß nicht war - umb / ſeines Ampts entſetztt / ſo ſehr geruͤh - met hatte. Zu Heidelberg / ob ich gleich ſehr eilete / hielte mich auff die luſt und be - gierde den Churfuͤrſten zu ſehen / weil ich ſchon laͤngſt von vielen gehoret / daß ihm an Verſtand und Weisheit kein Fuͤrſt in Teutſchland gleichen ſoll; Und zwar / ob gleich die Fama ſeinen Ruhm gnugſamb außbreitet / dauchte mir doch / er erfuͤlle ihnder -Zuſchrifft Brieff. dermaſſen / daß ichs unter die vornehmſte Fruͤchte meiner deutſchen Reyſe achte / daß ich demſelben Fuͤrſten auffgewartet / und gegenwertig ſeine Gaben erkennen koͤnnen. Es hat die luſt allhie zu verwei - len gemachet / daß ich zu Studgard nur wenig Tage geblieben / doch wird mich auch nicht rewen / daß ich daſelbſt geweſen - Siheſtu nun lieber Bruder / wie ich meine Zeit bey den Teutſchen zugebracht / und daß es fuͤr ein hohes zu achten / die Freund - lichkeit dieſes auffrichtigen Volcks ſonder - lich erkennet haben / dem ich vor dißmahl keinen andern Dienſt habe erweiſen koͤn - nen / als daß ich die Geſtalt ihres Reichs mit lebendigen Farben abmahlete. Jch lebe auch verſichert / es werde dieſes Weꝛck - lein meinen Landesleuten nicht unange - nehm ſeyn / weil ich das meiſte / ſo ſie bey außlaͤndiſchen Regimentern zu erforſchen beliebung tragẽ / in beliebter kuͤrtze beruͤhret habe. Dir aber / lieber Bruder / hat mir nur darumb gefallen diß Buͤchlein zu zu -ſchrei -Zuſchrifft Brieff. ſchreiben / daß ich den Verzug entſchuldi - gen moͤchte / welcher dir nicht wenig Be - ſchwerung gemacht / meine Geſchaͤffte in meinem abweſen zu beobachten / auch zu - gleich offenbahr wuͤꝛde / es waͤꝛe in Teutſch - land was geweſen / daran meine curioſi - tät ein nicht unbequaͤmes gnuͤgen gehabt. Denn ſonſten ſeyn deine Meriten gegen mir / und die Vertrawlichkeit unter uns viel groͤſſer / als daß mit einem ſo ſchlechten Zeugniß / auch nur ein theil derſelben ſolle zu erkennen gegeben werden. Gehabe dich wol.
ES hat ſich das groſſe Teutſch - land vor zeiten gegen Morgen biß an die Donaw / und gegen Mittag an den Rheinſtrom er - ſtrecket. Gegen Sarmatien ſind faſt die ſelben termini oder Graͤntzen geweſen / dieBauch2Vom Zuſtandauch noch ſeyn / daß uͤbrige umbgibt die groſſe See; das alſo zu der Zeit unter dem wort Teutſchland auch begriffen wurden: Dennem. Norwegen und Schweden biß zu den Sinum Bodnicum; welche Theile die meiſten der Alten mit dem Nahmen Schonen belegen; was aber jenſeits ge - dachten Sinus gelegen / halte ich / koͤñe nicht fuͤglich zum alten Teutſchlande gerechnet werden. Maſſen der Sprache unterſcheid anßweiſet / daß die jetzige Finnen eine gantz andere nation ſeyn / als die Schweden und andere teutſche Voͤlcker / und ſcheinet / es gehe das jenige / was der Tacitus in dem Buͤchlein von den Sitten der Teutſchen ſchreibet / nicht die Finnen / ſondern die Lap - laͤnder an / welche auch noch faſt derglei - chen Leben fuͤhren.
Es iſt aber der Warheit gemaͤß / daß die rechte Finnen unter den Æſtien begriffen ſeyn. (Æſtii, iſt ein teutſches Volck / ſo vor des Cæſaris Zeit / vom Rhein in Preuſſen und Liffland gezogen iſt.) Und iſt kein wun -der /3des Tentſchen Reichs. der / daß der Tacitus von den jenigen weit abgelegenẽ Voͤlckeꝛn / deren Geruͤcht kaum zujm gelanget / wenig unteꝛſcheid gemacht - Heut zu tage werdẽ dieſe Mitternaͤchtliche Laͤnder abſonderlich regieret. Endiget ſich demnach Teutſchland auf der ſeitẽ an dem Baltiſchen Meer oder Oſtſee / und ein groß theil des Cherſoneſi Cimbricæ, ſo jetzt zu Dennem. gehoͤret; Dieſes aber gleichſam zu erſetzen / hat Teutſchland ſeine Graͤntzen uͤber die Donaw biß an Jtalien und Illy - rien fortgeſetzet / und diſſeits des Rheins iſt ihm auch ein guter Strich / ſo vor Zeiten zu den Frantzoͤſiſchen Niderlanden gehoͤ - ret / zugeleget.
Dieſes ſo groſſe Land haben vormahls unterſchiedliche / maͤchtige und freitbare Voͤlcker bewohnet / deren doch jegliche ih - nen ſonderliche Staͤdte vnd von den an - dern unterſchiedent Territoria machten / außgenommen die einerley Urſprungs / Sitten und Sprache waren / und zwarB ijgalt4Vom Zuſtandgalt bey den meiſten die democratia, da der gemeine Mann zum Regiment etwas zu ſagen hat. Etliche hatten ihre Koͤnige / welche aber faſt mehr nur zu rathen / als zu gebieten gehabt. Denn dieſe nation hat niemals gaͤntzlich dienſtbar werden wollen. Hat alſo diß alte Teutſchland nimmer ein abſonderliches Reich / eben wie unſer Jta - lien / Spanien / Franckreich / Britannien und Griechenland (nemlich / ehe und be - vor dieſe Laͤnder von den Roͤmern be - zwungen murden) gehabt / welcher Zuſtand aus dieſem erſten Uhrſprung der Staͤdte / dadurch die abgeſonderte Familien allmehlich ein Corpus gewor - den / deſto klaͤrer zu ſehen war. Aber ob gleich dieſen Alten ſolche autonomia unter dem ſchein der Freyheit ſehr anmu - thig vorkam / muſten doch dieſe vielerley regierungen durch ihre offt wiederholete Kriege zu grunde gehen. Und machten ſich dieſe ſonſt ſtreitbare Voͤlcker auch damit der außlaͤndiſchen Einfaͤlle unterwuͤrffig / daß ſie ihre Macht nicht durch eine gewiſſeRe -5des Tentſchen Reichs. Regiments-art verbunden / deñ die meiſten machten keine verbuͤndniß wider die allge - meine Gefahr / ſondern vernamen als denn erſt / da ein jeder das ſeinige abſonderlich behaupten wollen / uñ ſie alſo nach dem ge - meinen ſprichworte: dũ ſingnli pugnant univerſi vincunt, uͤbern hauffen geworf - fen worden / wie gut die Einigkeit ſey.
Damit nun die Teutſchen von dieſem Statu kaͤmen / haben die Franci erſtlich Ur - ſach gegeben / welche nation, ob ſie von den Teutſchen oder von den Gallis ihren Urſprung habe / nicht ſo leicht zu ſagen iſt - Dennlob wir gleich zugeben / daß die jent - gen Voͤlcker / ſo die Griechen unter dem gemeinen Worte Celtæ begriffen / als da ſind die Illyrier, die Teutſchen / die Galli, die Spanier und Britanni gleichſam als aus einem Brunn entſprungen / ſo wird doch niemand / der ſich in der antiquitet etwas umbgeſehen / leugnen / daß auch her - nachmahls dieſe Voͤlcker an Sitten undB iijSprachen6Vom ZuſtandSprachen weit ſeyn unterſchieden gewe - ſen.
Dieſen Zweyfel hat der unzeitige Hoch - muth etlicher Galli verurſachet / welche / nach dem ſie in vergeß geſtellet / daß vor zeiten viel Frantzoͤſiſche Voͤlcker ihren Ur - ſprung von ſich ſelbſt den Teutſchen zu zu - ſchreiben / und ſich von ihnen her zurech - nen geſucht / die Teutſchen fuͤr Uhrheber des Francken Geſchlechts nicht erkennen wollen. Dieſe geben demnach vor / es ha - be ſich vor Zeiten ein groſſes Volck aus Franckreich uͤber dẽ Reinſtrom in Teutſch - land begeben / und den ſtrich Landes vom Mainſtrom biß an den Hartzwald bewoh - net / welches nach vorbeygehung oder ein - nehmung des Landes / ſo zur rechten des Rheinſtroms bey deſſen abſcheidung liget / zu ruͤck uͤber den Rhein gangen / und her - nach ſein voriges Vaterland gleichſamb wieder eingenommen / ein theil aber dieſes Volcks waͤre am Mayn geblieben / und haͤtte das umbliegende Land von ſich be -nahmet /7des Teutſchen Reichs. nahmet. Dieſe meynung zu beſtetigen / wer - den angefuͤhret Livius lib. 5. c. 34. Cæſa[r]de bel. Gal. lib. 6. Tacitus de morib. Germ. c. 28.
Hierauff koͤñen aber die Teutſchen nicht ungereimt verſetzen / daß der gedachten Roͤ - mer Schrifften nicht gantz unwiderſprech - lich ſeyn / als welche ungewiß genug von denen weit abgelegenen Sachen geſchrie - ben / von einem außlaͤndiſchen Volck / deſſen antiquiteten von keinem auffgezeichnet / und das es nicht vermuthlich ſcheine / weil die Trebocci, Nemedes, Vangiones, Treveri und andere naͤher am Rhein woh - nende Voͤlcker ſich des teutſchen Uꝛſpꝛungs geruͤhmet / daß die Frantzoſen das andere Ufer inne gehabt. Und ob man ſchon zu - gebe / daß die Francken anfangs eine Co - lonia oder dahin verpflantzetes Volck der Frantzoſen geweſen / ſo iſt doch offenbahr / daß die jenigen unter die Teutſchen zu - rechnen / welche ohngefehr 800. Jahr inB iiijTeutſch -8Vom ZuſtandTeutſchland gewohnet / an der Sprache und Sitten von den andeꝛn Frantzoſen un - terſchieden / und ſich den Teutſchen gemaͤß geſtellet haben; Dieſes iſt gewiß / daß vor den 300. Jahr nach Chriſti Geburt in den Hiſtorien der Francken kaum gedacht wer - de; daher entſtehet eine zwiefache Mey - nung / indem etliche dafuͤr halten / daß die / ſo von dem Tacito Chauci genennet wer - den / den alten Nahmen durch das Wort Francken verendert haben. Andere aber meynen / daß viel teutſche Voͤlcker / odeꝛ eine von ihnen zuſammen gelauffene Menge durch dieſen Nahmen eine ſonderliche be - gierde der Freyheit vorgewand. Denn Francus bedeutet in teutſcher Sprache ei - nen freyen Menſchen. Es wird auch das Zeugniß der Koͤnige in Franckreich Fran - cisci I. und Henrici II. herbey gebracht / welche in Briffen an die Teutſchen Staͤn - de bekennen / daß ſie von den Teutſchen her - ſtammen; Ob wol ein verſtaͤndiger leicht mercket / warumb bißweilen dergleichen verwandſchafften geruͤhmet werden.
Deme ſey nun wie ihm wolle / ſo haben dieſe uͤber den Rhein zu den Ubiern paſſirte Francken / nachdem ſie den groͤſten theils Franckreiches bezwungen / und gleichſamb ihren Siegeslauff gewendet zum andern mahluͤber den Rhein gangen / Teutſchland und faſt alles was zwiſchen dem Main uñ der Donau ruͤckwerts nach Thuͤringen hin gelegen / ihnen unterworffen.
Carolus M. aber / als er vornemlich die Sachſen und den Bayriſchen Koͤnig Tas - Silonem uͤberwunden / hat das Franckiſche Regiment weit uñ bꝛeit in Teutſchland ein - gefuͤhret / alſo / dz er nicht allein den groͤſten Theil Teutſchlandes unter ſeinem Gebiet hatte / ſondern auch dasjenige / was damals die Slavonier gegen dem Baltiſchen Meer oder der OſtSee in Polen und biß an den Weixel Strom beherſchet / den es bezeugen die Hiſtorien / daß auch dieſe Voͤlcker dem Carolo zinßbahꝛ woꝛden / oder zum wenig - ſten ſeine Mayeſtaͤt unterthaͤnigſt venerirt haben.
Dieſem Carolum bemuͤhen ſich die Teutſchen auffs fleiſſigſte ihrer nation zu zu ſchreiben / als welcher gebohren iſt zu Jn - gelheim / einem Staͤdgen bey Maintz / welches jetzo Chur Pfaltz zuſtehet; Ja an einem alten monument in der Ab - tey zu Fulde / wird der Ort ſeiner Ge - burt genennet: daß Land bey dem Fluß Un - ſtrut / dz iſt / Thuͤringẽ / dz er auch teutſch ge - redet / beweiſen die annoch bey den Teutſchẽ gebraͤuchliche Namen der Monden / welche man ſeiner erfindung zuſchreibet. Deꝛowe - gen / weñ die Teutſchen mich als einẽ Frem - den in ihrer Sachen zum Richter wehlen wolten / der ich ſonſtẽ den Frantzoſen zuge - fallen in ihren Sachen nichts nachzulaſſen gedencke / wolte ich rahten daß ſie nur frey - willig die prætenſion wegen den Caro - lum renunciiren ſolten / vornemlich / weil es ihrem jetzigen Regiment im geringſten keinen ſchaden bringen kan. Maſſen be - kand iſt / daß die Francken ihre Koͤnigl. reſi -11des Teutſchen Reichs. reſidentz in Franckreich erwehlet / auch iſt auſſer zweiffel / daß des Caroli Vater ein Koͤnig der Francken geweſen und deſſen Voꝛfahren im ſelben Reich der hoͤchſte Eh - re genoſſen / die Theile aber Teutſchlandes jenſeits des Rheinſtroms die damahls zum Reich der Francken gehoͤreten / hielten ſie nur als eine durch Krieg bezwungene Pro - vintz. Ferner wird einer der jenigen nati - on zugerechnet / deren ſein Vater iſt / und wo er den ihm vom Vater und deſſen Vor - fahren nachgelaſſenen Erbſitz und Guͤter hat. daß einer an einem andern Ort gebeh - ren als wo ſein Vater gebohren iſt / macht ihn nicht alsbald zu einem andern Lands - mann / es ſey den das wir glaͤuben wolten / der itzige Koͤnig in Schweden / weñ er viel - leicht in Preuſſen gebohren were unter die Preuſſen und nicht die Schweden zu rech - nen.
Der Theil Teutſchlandes jenſeits des Rheins iſt auch nicht Franckeuland genen - net worden ehe er unter dem Carolo zuB vjder12Vom Zuſtandder Francken Reich kommen: Denn vor - nemlich / als deſſen nachkommen ihr Vaͤ - terlich Reich getheilet / wird von den Au - toribus der unterſcheid gebraucht / unter dem Lateiniſchen Francken gegen Abend / und dem Teutſchen gegen Morgen / wel - ches iſt das groſſe Teutſchland / jenſeits des Rheinſtroms: Ob wol nach der Ottonem zeiten dieſe benennung Teutſchlandes all - maͤhlig auffgehoͤret.
Der jenige Zweyfel / ſo aus des Caroli Sprache herruͤhret / kan folgender geſtalt leichtlich auffgehaben werden. Nachdem die Frantzoſen dem Roͤmiſchen Joch un - terwuͤrffig worden / haben ſie ſich auch all - maͤhlig der Roͤmer Sprache angewehnet / biß ſich endlich die alte Celtiſche Sprache faſt gaͤntzlich verlohren; Ferner iſt auſſer Zweyfel / daß die in Franckreich gezogene Francken nicht alsbald ihre teutſche Spra - che vergeſſen: denn ſie haben die alten Gal - los nicht ſtracks erwuͤrget / oder zum lande hinaus getrieben / ſondern nur ihre Regie -rung13des Teutſchen Reichs. rung an ſich gebracht. Darauff iſts her - nach geſchehen / daß die geborne Francken im Regiment hervor gezogen / die uͤberwun - dene alten Galli aber vorbey gangen wor - den; Gleich wie aber / wenn zweene Fluͤſſe unterſchiedlicher Farben zuſam̃en flieſſen / jeglicher ſeine Farbe eine zeitlang behaͤlt / biß endlich allgemach der ſchwaͤchere von dem ſtaͤrckeſten verſchlungen; Alſo haben anfangs ſo wol die Francken als die Galli eine zeitlang ihꝛe Sꝛpache behalten / biß mit der zeit aus beyden gleichſamb ein miſch - maſch worden / darinnen doch die Lateini - ſche oberhand behalten / deſſen Urſach leicht zu erforſchen iſt. Denn ohne zweyffel ſind der Gallier mehr geweſt als der Francken / und kam den Galliern viel ſchwerer an die teutſche Sprache zu lernen / als den Fran - cken die lateiniſche: Sintemahl ich ſelbſt erfahren / wie ſaur es den Außlaͤndern wird die teutſche Sprache zu lernen. Darumb wird auch bey den aͤltiſten Fraͤnckiſchen Scribentẽ die gemeine lateiniſche SpracheB vijdie14Vom Zuſtanddie Baurſprache genennet / weil nemlich die Voruehmſten noch Deutſch / die Bau - ren aber und das gemeine Volck der alten Gallier nichts als lateiniſch redeten. Alſo findet man auch noch heut zu tage in Lieff - und Curlaud wo die Teutſchen die vorige Einwohner zu Bauren gemacht / daß faſt alle Edelleute und Buͤrger die Baurſpra - che verſtehen / die Bauren aber kaum das zehende Wort vom Teutſchen begreiffen koͤnnen Hat demnach Carolus die teut - ſche Sprache gekund / ſo wol / weil ſie noch in etwas bey den Francken gebraͤuchlich war / als auch / weil vorhin die Francken ei - nen groſſen theil Teutſchlandes / und er ſelbſt es faſt gantz inne gehabt / und kunte keiner bey der Francken Zeit mit den Teut - ſchen umbgehen / der nicht in der Mutter - ſprache mit ihnen zu reden wuſte. Wer aͤber allhie iñ acht nimpt / daß von den mei - ſten die Fragen / ſo doch in ſich unterſchied - lich / untereinander confundi ret werden / der wird am richtigſten dieſen Streit bey -legen:15des Teutſchen Reichs. legen: Deñ wenn gefraget wird / ob der Ca - rolus von dẽ Galliern oder von den Teut - ſchen ſein Geſchlecht herfuͤhre? Muß man ohne zweyffel antworten / daß er nicht von den Galliern / ſondern von den Teutſchen oder Francken herkomme; wird aber ge - fraget / zu welchem Vaterlande er zu rech - nen? ſo wird ſolches nicht Teutſchland / ſondern Franckreich ſeyn / und wird in die - ſer betrachtung nicht ein Teutſcher / ſondeꝛn ein Gallus, oder vielmehr ein Franco gallus genennet. Jch beſorge / ich moͤchte dafuͤr angeſehen ſeyn / als wenn ich den Le - ſer einer einfalt beſchuldigte / wenn ich mich laͤnger in dieſer ſo klaren Sachen auffhiel - te; Doch ſol mich nicht verdrieſſen / den Teutſchen ein gar bekandtes Exempel hin - zu zu thun: Denn wenn man bey ihnen einen Liefflaͤndiſchen Edelman antreffen / und ſolchen fragen wuͤrde / wo er her ſey? ſo wuͤrde er antworten: Er waͤre ein Lieff - laͤnder / und nicht ein Teutſcher. Wuͤrde man weiter fragẽ / aus welchem Geſchlechter16Vom Zuſtander geboren / wuͤrde er ſagen: aus dem Teut - ſchen / und nicht aus dem Lettiſchen.
Dieſer Carolus hatte unterſchiedliche Laͤnder unter ſich / die er durch unterſchied - liche Titel an ſich grbracht. Franckenland hatte er als ſein Vaͤterlich Reich mit recht geerbet. Denn ob man ſchon bey den al - ten Francken lieſet / daß bey wehlung eines Koͤniges auch die Staͤnde und das gemei - ue Volck etwas zu ſagen gehabt / ſo halte ich doch / daß ſolches mehr geſchehen die So - lenniteten der Inauguration, und den Gehorſam gegen dem newen Koͤnige / als eine freye Wahl zu beweiſen. Man iſt auch von dem Geſchlecht nicht abgewi - chen / es waͤre denn durch Auffruhr / oder / weil der Erbe zum Reich gantz untuͤchtig befunden.
Es hatte vorhin ein theil Teutſchlandes zu dieſem Franckreich gehoͤret / daß uͤbrige hat auch der Carolus mit Krieg bezwun - gen. Ob ihrer etliche in betrachtung ſei -ner17des Teutſchen Reichs. ner Macht ſich ihm freywillig ergeben / kan man nicht eigentlich wiſſen. Auch hat er jm das Reich der Longobarden in Jtalien bothmeſſig gemache / auff falſchem præ - text des Roͤm: Pabſts. Endlich iſt er mit willen und conſens des Pabſts und Roͤ - miſchen Volcks zum Roͤm. Kaͤyſer erweh - let / was er durch diſen Titel uͤberkommen / ſol bald hernach geſagt werden.
Alſo iſt Teutſchland unter dem Carolo ein theil des Reichs der Francken geweſen / welches / wie es ſcheinet / abſolut genug ih - rem Gebiet unterworffen / und ſolches ha - ben die Statthalter / die weiſtens Fraͤncki - ſchen Herkommens / unter dem Titel der Graffen und Marckgraffen / nachdem es in unterſchiedliche Provincien eingethei - let / adminiſtri ret; Ob wol die Sachſen ihre Freyheit etwas laͤnger behalten / hat ſie doch der Carolus nach langwierigem Kriegt uͤberwunden / zum Franckiſchen recht geleget / uñ gleichſamb zu einem Volckmit18Vom Zuſtandmit den Francken gemacht / Und damit er dieſe wilde und der dienſtbarkeit unge - wohnte nation deſto beſſer in ihren ſchran - cken behalten mochte / hat er Prieſter be - ſtellet / welche das Volck in der Chriſtlichen Religion unterrichten / und ihm fleiſſig zu Gemuͤthe fuͤhren ſolten / wie ſehr ſie den - ſelbigen verbunden waͤren / von welchem ſie den Weg zur Seligkeit erlernet haͤtten / daher hat Carolus viel Bißthuͤmer und Abteyen in Teutſchland geſtifftet: Gleicher geſtalt iſt Ludovicus Pius des Caroli Sohn mit Teutſchland verfahren / ohne das der gedachten Statthalter Macht und Ge - walt je mehꝛ und mehr zugenommen.
Hernach aber / als dieſes Ludovici Soͤhne ihr Vaͤterlich Reich unter ſich ge - theilet (welches die vornehmſte Urſache ge - weſen / daß die Fraͤnckiſche Macht ge - ſchwaͤchet / und des Caroli Familia unter - gangen) iſt Teutſchland von dem uͤbrigen Leibe des Fraͤnckiſchen Reichs gleichſambabge -19des Teutſchen Reichs. abgeriſſen / und hat einen ſonderlichen Koͤ - nig Ludovicum des Pii Sohn / bekom - men; hernach iſt zu Teutſchland ein groß theil der Frantzoͤſiſchen Niederlande gegen dem Rhein / faſt von lauter Teutſchen be - wohnet / hinzugethan / welches Land von dem Lothario, der auch des Ludov. Pii Sohn geweſen / Lotharingen genennet iſt / ob wol jetzo nur ein klein ſtuckgen ſolchen Reichs den Namen Lothringen behalten / unter den verderblichen Kriegen / dadurch ſich des Caroli Nachkommen unter ein - ander ſelbſt auffgerieben / hat nicht allein die Macht der Teutſchen Staͤnde gewal - tig zugenommen / ſondern des Caroli Ge - ſchlecht iſt auch endlich gar druͤber verlo - ſchen / oder zum wenigſten von dem Reich der Francken verſtoſſen / (denn auch noch heute die Pfaltzgraffen am Rhein und Her - tzogen zu Lothringen von dem Carolo ihr Geſchlecht herfuͤhren) und haben die Teut - ſchen aus den Vornehmſten ihrer eigenen nation Koͤnige erwehlet / von welcher Zeitan20Vom Zuſtandan Teutſchland ſein Weſen abſonderlich und keine Gemeinſekafft mit Franckenland mehr gehabt. Weil ferner dei Teutſche Regierung mit dem gemeinen Namen das Heil. Roͤmiſche Reich pfleget genennet zu werden / halte ich der Muͤhe werth ſeyn / mit wenigem zu erforſchen / wie Teutſch - land dieſen Titul erſt erlanget / was ihm da - durch zugewachſen / und mit was recht es denſelben noch heutiges Tages fuͤhre.
Welches gruͤndlich zu vernehmen / wir den Zuſtand des alten Teutſchen Reichs vor des Caroli Zeit mit weuigem beſehen muͤſſen.
Wie deroweben das Roͤm: Volck / nach dem es den beſten Theil der Welt unter ſein Joch gebracht / endlich durch den Ehr - geitz etlicher maͤchtigen Buͤrger in Buͤr - gerliche Krige gerathen / und daher unter eines eintzigen Herrſchafft kommen / iſt bey jederman bekand. Gleich wie aber Auguſtus der Uhrheber der RoͤmiſchenMo -21des Teutſchen Reichs. Monarchi durch huͤlffe der Soldaten das Regiment erlanget / alſo ſahe er auch bald / daß ers durch dieſelben behalten muſte / dannenhero / ob er gleich in vielen Reichs Geſchaͤfften dem Rath einigen ſchein ih - rer Macht gelaſſen / hat er doch die Kriegs verwaltung vor ſich allein behalten / und ſolche unter dem Kaͤyſerlichen Titul merck - lich von ſich ſpuͤren laſſen. Denn das mu - ſte / als ein ſonderlich Arcanum des Reichs auffs fleiſſigſte verſchwiegen / und vor den gemeinen Knechten verholen ſeyn / daß es bey den Soldaten ſtunde Kaͤyſer zu erweh - len und abzuſchaffen / welches / nach dem es kund worden / ſo wol das Kaͤyſerthum ſelbſt / als die Kaͤyſer in einen elendẽ Stand geſetzet. Maſſen daſſelbe von vielen inner - lichen Kriegen geſchwaͤchet hat leyden muͤſſen / daß ihm der geitzige und unruhige Poͤbel nach eigener beliebung die aͤrgeſten Unm̃enſchen auffbuͤrdete / und hingegen die beſten Regenten zum offtern unverant - wortlicher weiſe vor der Zeit entzog. DieKaͤyſer22Vom ZuſtandKaͤyſer kunten auch ihren Nachkommen keine ſichere Hoffnung zur ſucceſſion machen; und die unruhige Gemuͤther kunten durch Gelt dazu kommen. War demnach freylich die macht Kaͤyſer zu wehlen bey den Soldaten (welches bey allen Kriegs Monarchien zu geſchehen pfleget / oder wo ein ſtaͤrckes und waͤren - des Kriegesheer an einem Ort gehalten wird) der Rath und das gemeine Volck waren nur ſchlechte und bloſſe Nahmen / die nur angefuͤhret wurden / den einfaͤlti - gen Poͤbel zu beruͤcken / als wenn ſie alle mit ein ander ihren freywilligen con - ſens zu dieſer Herrſchafft gegeben. Wie nun dieſes auff der Soldatiſchen Frey - heit gegruͤndete Reich an ſich nicht daur - hafftig war. Alſo haben auch der Con - ſtantinus M. und Theodoſius deſſelben untergang mercklich befodert. Jn dem jener C. M. ſeine reſidentz zu Byzantz verordnet / und die maͤchtigſten Armeen von dem Rheinſtrom ab und gegen Mor -gen23des Teutſchen Reichs. gen gefuͤhret; Dieſer aber unter ſeinen ungeſchlachten Soͤhnen das Reich ge - theilet. Da ſind aus einem zwey Reiche worden / und ſolches zu keinem andern Nutzen / als daß das Occidentaliſche von dem Orientaliſchen abgeriſſene Reich de - ſto leichter den Barbarn zu theil wuͤrde: denn bald〈…〉〈…〉 nach hat das Occidentali - ſche Reich auffgehoͤret / nach dem die Stadt Rom von den Gothen eingenom - men und verwuͤſtet / welche auch die ande - re Provincien vorher mit ebẽ dem Recht verlohꝛen / damit ſie ſolche gewonnen / und nunmehr ihrer Freyheit beraubet den Gothen gehorſamen muͤſte.
Als hernach auch der Gothen Macht in abnehmen kommen / iſt die Stadt Rom und ein groß theil Italiæ der Griechen Herrſchafft unterworffen; Ob wol Rom in anſehen ihrer vorigen Hoheit / und weil ſie ſich fuͤr eine Mutter der Stadt Conſtantinopel außgab / vielmehrals24Vom Zuſtandwie eine f0153; derirte oder gleichfreye / als eine bezwungene tracti ret wurde. Die groͤſte Gewalt im Reich kam doch in der That den Griechen zu. Welche auch ſol - the zu Rom / und an andern Orten Italiæ, ſo ihm unteꝛwuͤrffig / duꝛch ihre Exarchen veruͤbeten; Allgemach aber wurden die Paͤbſte der Griechiſchen Herrſchafft uͤ - berdruͤſſig / weil ihre Exarchen allzu wol - luͤſtig gelebet / uñ etliche Griechiſche Kaͤy - ſer wider die Bilder gewuͤtet hatten / da doch die Bilder fuͤr ein ſehr nuͤtzliches Mittel gehalten wurden / dem gemeinen Voͤlcklein in euſſerlichen Gebraͤuchen die Gottſeligkeit ein zupflantzen / als welches hoͤhere Sachen nicht begreiffen / uñ durch ein reines Hertz und ehrbar gefuͤhrtes Le - ben einen gnaͤdigen Gott habenkan Aus welchem die Prieſter wenig profit haben kunten. Vielleicht war man auch der meynung / daß der Kirchen ein groß An - ſehen zuwachſen wuͤrde / wenn ihm der Pabſt allmehlich das weltliche Reich be -ſtetigte /25des Teutſchen Reichs. ſtaͤtigte / welcher ſonſten das geiſtliche Re - giment in der Welt hatte. Und ſchiene warlich nicht wol zu erdulden ſeyn / daß der jenige eines Griechiſchen auch wol biß - weilen Weibiſchen Kaͤyſers mancipio un - terwuͤrffig leben muͤſte / welchen Gott mit ſolcher autorität zu ſeinem Stadthalter auff Erden beſtellet haͤtte / daß / wenn er von Kirchen Sachen muͤſſig / auch bloſſe civil Haͤndel tracti ren moͤchte / ja Gott ihm ſel - bige auch gaͤntzlich aufftragen wuͤrde / weñ nicht bekand / daß die Herren Geiſtliche von Goͤttlchen Sachen ſo ſehr eingenom - mene Pr0153; laten fuͤr den profan Geſchaͤff - ten gar einen abſcheu truͤgen. Ob nnn wol der weit abgelegene Grichiſche Kaͤyſer / der ohne das mit den heran kommenden Sa - racenen in Orient gnug zu thun hatte / nicht zu fuͤrchten; So verurſachte doch die Macht der Longobarden, ſo gewißlich gantz Jtalien bedrohete / und allbereit die Vorſtaͤdte der Stadt Rom angriffe / eint - ges ſchrecken; Als der Pabſt dieſer MachtCallein26Vom Zuſtandallein zu widerſtehen nicht gnug / dauchte ihm keine dem Roͤmiſchen Stuel kraͤftigere Huͤlffe zu leiſten veꝛmoͤgend / als die Koͤnige der Francken / welche dazu willig machte der groſſe Nachruhm / den jenigen von in - jurien zu befreyen / durch welchen / als auß einem unerſchoͤpfflichen Brunn / alle die Chriſten erquickende Gnade GOttes auß getheilet wuͤrde. Und zwar hatte ſich der Pabſt umb den Pipinum und Carolum wol verdient gemacht / in dem er des Chil - perici Muͤnch Platte approbiret; wel - che That ſie / weiß nicht wie hoch / hetten halten ſollen / weil ſonſt ihr gewiſſen leicht - lich in zweiffel gerahten koͤnnen / ob auch ein Unterthan ſeinen Fuͤrſten mit recht zum Muͤnch ſcheren lieſſe / der nur dieſes ſchine verſehen zu haben / daß er einem maͤchtigen Miniſtro mehr Macht verlie - hen / als dem Reich zutraͤglich waͤre. Und dar in war ſonderlich das Gluͤck den Fran - cken guͤnſtig / daß ſie eine ſo angenehme ge - legenheit bekamen unſer Jtalien zu uͤber -fallen /27des Teutſchen Reichs. fallen / welches die jenſeits den Alpen woh - nende laͤngſt gerne beliebet.
Nach dem derowegen Carölus das je - nige / was vorhin die Longobardi in Jta - lien gehabt / ihm unterworffen / hat ihn der Pabſt / (der auch gute Beute bekommen) damit er ſich danckbar erwieſe / und ins kuͤnfftige einen beſtaͤndigen. Schutzherrn haͤtte / auf einwilligen des Poͤfels zum Kaͤy - ſer vnd vermehrer des Reichs erklaͤret.
Was durch dieſen Titul der Carolus er - langet / iſt nicht ſo gar offenbahr. Es hatte Rom ſchon laͤngſt auffgehoͤret ein Sitz des alten Roͤmiſchen Reichs zu ſeyn: als nem - lich zu erſt das Reich der Gothen und her - nach die Orientaliſche Regierūg dazu kam. Darumb kunte es damal dem Carolo von den Roͤmern nicht conferi ret weꝛden / was vorzeiten / zum Occidentaliſchen Reich ge - hoͤret hatte: den ſolches war ſchon laͤngſt durch Krieges recht / ceſſion oder verlaſ -C ijſung28Vom Zuſtandſung unter fremden Gebiet gerahten. Ja auch Rom ſelber war nicht ihr eigen / dar - um kunten ſie ſich nicht einem andern er - geben. Daher auch Carolus den Titul nicht hat fuͤhren duͤffen / ehe er ſich mit den Grichiſchen Kaͤyſern daruͤber vertragen; welche ſolches deſto leichter zugaben / weil es ihnen an Macht fehlete und ſie die Fran - cken gern zu Freunden hatten / damit ſie ih - nen auch nicht Calabrien und was noch vor andere bequeme Oerter die Griechen inne hatten / abnehmen, Darumb kan man kaum anders ſagen / als daß unter dieſem herrlichen Kaͤyſers Titul / bey wieder er - langung des alten Roͤmiſchen Zuſtandes / wiewol in anderm Abſehen / der Ca - rolus zum oberſten Verthaͤidiger und Beſchuͤtzer oder Advocaten des Roͤmi - ſchen Stuels / und der Guͤter ſo von des Pabſtes einkunfft oder anderer freygebig - keit demſelben zukommen moͤchten / ſey ge - macht worden.
Ob dieſe verthaͤtigung oder protectiondie29des Teutſchen Reichs. die groͤſte Gewalt des Reiches gehabt / wie ſie von den Politicis beſchrieben wird / dar - an zweiffele ich ſehr / und wolte vielmehr dafuͤr halten / daß nur in geſtalt eines ungleichen Bundes der Roͤmiſche Stuel und deſſen Guͤter dem Carolo ſeynd ad - jungi ret worden / deſſen Geſetze vornem - lich dieſe geweſen: daß der Carolus zwar den Roͤmiſchen Stuel und deſſen Guͤter wider alle Anlaͤuffe verthaͤtigen / und wenn innerlicher Auffruhr zum Schimpff oder Schaden der Kirchen entſtehen wuͤrde / ſol - chen durch ſeine autorität beylegen ſoltes Der Roͤmiſche Stuel hingegen ſolte des Caroli Mayeſtaͤt gebuͤhrlich vencri ren / und nichts Hauptſaͤchliches ohne ſeiner autorität vornehmen / worunter das vor - nehmſte geweſen / daß keiner ohne ſeinen willen den Roͤmiſchen Stuel beſitzen ſolte. Hieraus erhellet daß Rom von der zeit an als eine abgeſonderte Stadt ihre decreta gemacht / und mit dem Reich der Francken eigendlich zu reden nicht zu einem politiaC iijRegi -30Vom ZuſtandRegiment gedien; hernach auch / daß Ca - rolus den Roͤmiſchen Stuel und was ihm zugehoͤret / nicht unter ſeine Unterthanen gerechnet / noch uͤber ſie geherrſchet / welche Herrſchafft beſtehet / im Geſetz geben / Zinß aufflegen / Obrigkeit ein ſetzen / Recht ſpre - chen / und dergleichen. Daß iſt aber nicht wider eines Verthaͤidigers oder Fuͤrſpre - chers recht gehandelt / daß man die durch verbotene mittel eingedrungene Paͤbſte ab - ſetze / die jenigen / ſo der Kirchen untergang und euſſerſte beſchimpfung ſuchen / wieder zu rechte bringe / oder die Roͤmer uñ andere ſo ſich dem Pabſt wiederſetzen / zu frieden ſtelle. Gleich wie aber Carolus und et - liche ſeiner nachkommen ihnen den Titul elnes Kaͤyſers und Auguſti, gnugſamb ge - fallen lieſſen / ihnen auch deßwegẽ die Obeꝛ - ſtelle vor andern Koͤnigen / die nicht dawi - der ſtritten / zu eigneten. Alſo lieſet man nicht / ſo viel mir bewuſt / daß das Francki - ſche Reich unter dem Carolin iſchen Ge - ſchlecht mit dem Titel des Roͤmiſchẽ Reichs ſey beleget worden.
Als des Caroli Geſchlecht in abneh - men kam / haben die Teutſchen ſich auch der Regierung der Francken entzogen / und ſind in Jtalien groſſe Auffruͤhre entſtan - den / in dem andere durch der Alten ruin ihr newes auffnehmen geſucht. Als hie - bey die Paͤbſte ihrem Zuſtand nicht gnug - ſam traueten / und der Teutſchen Koͤnig Otto der I. nach dem er den Berengari - um uͤberwunden / ihm das Reich Jtalien unterwuͤrffig gemacht / dauchte dem Pabſt am rathſamſten ſeyn / ihme gleicherweiſe den Ottonem zum Verthaͤtiger anzuneh - men / wie vormahls den Carolum, und zwar alſo / daß nachmahts die beſchuͤtzung des Roͤmiſchen Stuels mit dem Teutſchen Reich gantz verbunden wuͤrde. Denn wer das Reich uͤberkaͤme / auch alsbald zu dieſer protection gelangete. Es haben auch viel der alten Teutſchen Koͤnige dieſes recht gegen dem Roͤmiſchen Stuel tapffer genung vertreten. Als unterdeſſen nichtC iiijallein32Vom Zuſtandallein die Macht des Pabſtes / ſondern auch der Biſchoffe in Teutſchland ſehr zuge - nommen / begunten auch die Paͤbſte die - ſer der Teutſchen protection uͤberdruͤſſig zu werden: die Urſache war der allen Voͤl - ckern ein gepflantzete abſcheu vor der auß - laͤndiſchen beherrſchung / und war unbillig / daß die klug beruffene Jtaliener (denn wenn wir nicht annehmen wolten / wie die Außlaͤndiſchen uns tituliren / thaͤten wir unrecht) ſolcher einfaͤltigen Teutſchen Ge - waltthaͤtigem gebiet nachleben muͤſſen. Es verdroß auch den Stathalter Chriſti / laͤn - ger gleichſam unter Vormuͤndern zu ſeyn / als welcher laͤngſt verlangen trug jeder - man Geſetze zu geben: damit er derowe - gen dieſes Joch von ſeinem Halſe werffen moͤchte / brachte er es zu wege / daß den Teut - ſchen Koͤnigẽ bald in Jtaliẽ bald in Teuſch - land was zu ſchaffen gemacht wuͤrde / wor - zu ihm die Biſchoͤffe tapffer behuͤlfflich wa - ren: hernach wuͤrden ſie auch in den Bann gethan / fuͤr welchem man ſich zu der zeitſehr33des Teutſchen Reichs. ſehr fuͤrchtete. Alſo ſind endlich die Teut - ſchen Koͤnige allmaͤhlig des Reichs Jtalien uͤberdruͤſſig worden: haben ſich mit ihren eigenem vergnuͤget / und den Paͤbſten den Roͤmiſchen Stuel nach ihrem willen ge - laſſen / welches ſie in ſo viel 100. Jahren durch allerley Liſt / und groſſe Unruhe in Europâ geſucht hatten. Sie haben auch lange die Roͤmiſche kroͤnung unterlaſſen / wiewol ſie den alten Titul der Roͤm: Kaͤy - ſer behalten: und bey antragung des Reichs wird ihnen erſtlich die verthaͤdigung des Roͤmiſchen Stuels anbefohlen / wovon ihn doch die proteſti rende Churfuͤrſten loß ſprechen.
Woraus zu erſehen / daß die jenigen gar kindiſch irren / die da meynen / daß Teutſche Reich ſey an des alten Roͤmiſchen Reichs ſtelle kommen / und werde das Roͤmiſche im Teueſchen continui ret Dann das jenige Reich / das zu Rom ſeinen Sitz hatte / war ſchon laͤngſt verſtoͤret / ehe Teutſchland alsC vein34Vom Zuſtandein eigen Reich gehalten wuͤrde. Daß Roͤ - miſche Reich aber / ſo dem Carolo und Ottoni conferiret (welches nichts an - ders als eine Advocatia oder Schutz des Roͤmiſchen Stuels) hat mit der zeit dem Teutſchen Reich ſeinen Nahmen an - geſchmieret / ob gleich das Kirchen Gebiet mit dem Teutſchen Reich niemals eine Policey gemacht / viel weniger der Caro - lus oder Otto ihre Reiche der Stade Rom als dem Sitz oder Hauptſtadt des Reichs unterworffen. Weil man meine - te / daß in dem Worte: Roͤmiſcher Kaͤyſer / eine ſonderliche Herrligkeit waͤre / wegen der weitlaͤuftigkeit dieſes alten Reichs / war es gar gemein / die Teutſchen Koͤnige al - lein mit dieſem Titul zu belegen.
Worauff denn folgete / daß auch Teutſch - laud / als mit einem anſehnlichern Namen / das Roͤmiſche Reich genennet war. Den unterſcheid aber des Roͤmiſchen und Teut - ſchen Reichs giebet klaͤrlich zu veꝛſtehen die unterſchiedliche Kꝛoͤnung uñ Cinweihung. Und35des Teutſchen Reichs. Und ſetzen die letzten Kaͤyſer von dem Ma - ximiliano dem I. an / nach dem Namen des Roͤmiſchen Kaͤyſers / außdruͤcklich den Titul Koͤniges in Teutſchland. Ja es iſt auch jetzo bey den Teutſchen ſehr gebraͤuch - lich / daß ſie ihre Politia das Roͤm. Reich Teutſcher nation nennen / welche redens - art ihr doch ſelbſt ſcheinet zu wider zu ſeyn / maſſen es offenbahr genug / daß das jetzige Teutſche Reich mit dem alten Roͤmiſchen nicht einerley ſey. Doch behalten die Teut - ſchen Koͤnige den einmahl auffgebrachten Titul / ob ſie gleich die Roͤmiſche Kroͤnung laͤngſt unterlaſſen / und ſich kaum das ge - ringſte des rechts dieſer alten Advocatiæ gebraucht haben: weil bey den Fuͤrſten ge - mein iſt / ehe das Land als den Titul abzu - ſtehen. Solte wol nicht diß Recht mit der zeit auffhoͤren / der bloſſe Titul aber erhal - ten / und durch andere Gelegenheit wieder -[umb gebraucht] werden?
Es iſt aber offenbahr / daß TeutſchlandC vjvon36Vom Zuſtandvon dem Titul des Roͤm. Kaͤyſers nicht al - lein keinen Nutzen / ſondern auch ſehr groſ - ſen Schaden und Ungelegenheit habe. Bey den Prieſtern iſt dieſes gemein / daß ſie allezeit bereit ſeyn zu nehmen / nimmer aber zu geben / und da andere Clienten ih - re Patronen mit Geſcheucken erweichen / werden die Prieſter (ob ſie gleich clienten ſeyn) unwillig / und halten ihren Segen gar hoch / wo man ihnen nicht aus freyen ſtuͤ - cken Geſchencke bringet. Jch bin faſt der meynung / daß die alten Fuͤrſteu die Geiſt - lichen in Teutſchland darumb mit ſo groſ - ſen Guͤtern begabet / weil ſie davor gehal - teñ / es waͤrt ihnen ſonderlich von Gott be - fohlen / dieſen Orden reichlich zu verſorgen. Wie viel hat es wol Teutſchland gekoſtet / die Roͤmifche Krone zu erlangen? Wie viel Gut und Blut haben die unterſchied - liche Zuͤge in Jtalien / die vom Pabſt erreg - te Auffruͤhre zu ſtillen / oder ihn wider ſeine Rebellen zu beſchuͤtzen gekoſtet? Denn es haben die Außlaͤndeꝛ / ſo mit Jtalien zu thungehabt /37des Teutſchen Reichs. gehabt / allzeit ſchlecht Gewinn davon ge - trageu: ja daß wir die in unſerm Lande eingewurtzelte Spanier bißher nicht ha - ben vertreiben koͤnnen.
Endlich iſt kein Fuͤrſt oͤffter in den Bañ gethan / oder von den auffruͤhriſchen Pfaf - fen mehr vexiret als die Teutſchen Kaͤyſer / welches vornehmſte Uhrſachen geweſen: entweder / weil man dafuͤr hielte / daß die / ſo ſich mit dieſem Titul fuͤr andern hervor thaͤten / ihre Sachen vornemlich nach dem Roͤmiſchen Stuel richten und anfiellen muſten / oder damit der Orden / ſo niemand uͤber ſich wolte herrſchen laſſen / gleichſamb das von Mutter Leib an verhaſte weltliche Gebiet ableiten moͤchte: Wiewol ich die - ſes ohne verletzung der Ehre des Roͤmi - ſchen Stuels wil verſtanden haben / als deſſen Urtheil ich diß alles in tieffſter Demuth unterwerffe.
NAch dem derowegen die Teutſchen Voͤlcker einmahl durch huͤlffe der Francken unter einer Regierung kommen / hat man ſie allezeit fuͤr ein maͤch - liges Corpus unter die Europæer gehal - ten / welches auch noch heute ſeine anſehn - liche groͤſſe ſehen laͤſſet / ob gleich ziemlicht Theile unter andere Gebiethe gerathen / oder ſich in ſonderliche Staͤdte abgeſon - dert. Wie viel kurtzer ſich jetzo der Teut - ſchen Gebiet erſtrecket / als vor zeiten / ſol - ches hat Hermannus Conring, ein im Zuſtand des Vaterlandes wolerfahrner Mann / in einem ſonderlichen Buch von nen Graͤntzen des Teutſchen Reichs klar und deutlich gewieſen. Wir haben uns nur voꝛgenommen / den gegenwertigen Zuſtand deſſelben zu beruͤhren: Werdendem -39des Teutſchen Reichs. demnach die vornehmſten Glieder dieſes Reichs mit dem Titul der Reichsſtaͤnde be - leget / die nemlich eine Seſſion, wie ſie es nennen / und das Recht eine Stimme auff dem Reichstage zu geben haben; wiewol ihrer viel von andern außgenommen wer - den / als deren Recht / dadurch ſie ſich fuͤr unmittelbahre Staͤude außgeben / andere maͤchtigere Staͤnde in zweyffel ziehen / und auff dem Reichstage derſelben ſtelle betre - ten / welches dahin ſein abſehen hat / daß dieſe die andern unter ihre provincial Staͤnde rechnen wollen.
Bey den Fuͤrſten muß man auch vor - nemlich mercken / daß ordentlich ein jeglich Haus auff dem Reichstage ſeine gewiſſe anzahl Stimmen habe: dann etliche haben nur eine / etliche zwo / etliche drey / etliche viere / etliche fuͤnffe. Ferner uͤberkompt in etlichen Fuͤrſtenthuͤmern der erſtgebor - ne das gantze Gebiet / und muͤſſen die uͤbri - gen mit einer gewiſſen Appennage oder Abgifft zu frieden ſeyn. Jm uͤbrigen wer -den40Vom Zuſtandden alle Bruͤder zueinem / wiewol nicht all - zett gleichem theil zugelaſſen. Wo das er - ſte im gebrauch iſt / da vertritt der erſtge - borne alleine der andern ihre ſtelle; Wo aber das letzte / kan zwar ein jeglicher abſon - derlich auff drn Reichstag kommen / aber fie duͤrffeu doch alle nur etne Stimme von ſich gebeu / woruͤber ſie unter einander ſich vertragen muͤſſen.
Damit aber einer beweiſen moͤge / er ge - hoͤre anch unter die Staͤnde des Reichs / wird ins gemein aus zweyen ſtuͤcken zur gnuͤge erkand / als daß er in der matricul der ſtaͤnde eingeſchrieben ſey / uñ daß erdie collecten, ſo man dem Reiche zahlẽ muß / in den offentlichen Landkaſten / und nicht in die Schatz Cammer eines andern von den Staͤnden lege. Ob ſich ſchon einer allhie gar wol auf ſeine poſſeſſion oder beſitzung beruffen kan: Denn etliche gebẽn vor / ſie haben ihren theil aus irrthum in eines an - dern Kaſten geleget; Andere hingen wol -len /41des Teutſchen Reichs. len / daß etliche nur nach dem gemeinen Ge - brauch dem provincial vorbey zu dem gemeinen Kuſten gangen / nach dem ſich ein jeglicher unter die Staͤnde zu ſeyn / und einen andeꝛn davon außzuſchlieſſen bemuͤ - het. Es iſt aber noch keine matricul, da nicht etwas zu wenig odeꝛ zu viel darin ſey / uñ dabey nicht etliche einige Streitigkeiten zu machen pflegen. Ob wol die jenige fuͤr guͤltig gehalten wird / ſo Anno 51. 56. und 66. des vorigen Seculi heraus gegeben.
Jch ſolte meynen / die uhralte Matri - cula, welche viel unter die Reichs Staͤnde rechnen / ſo ſchon laͤngſt auff dem Reichs - tage nichts zu ſagen gehabt / waͤren viele mehr im Regiſter / deren die dazumahl auf dem Reichstage zugegen geweſen / als oͤf - fentliche allgemeine Inſtrumenta, aus welchen auff beyden ſeiten gewiſſe Gruͤnde koͤnnen genom̃en werden. Aus dieſem un - terſcheid der matrieula iſt klar zu ſchlieſ - ſen / daß vor alters keine gewiſſe Anzahl der Staͤnde geweſen / ſondern einem jeglichenſey42Vom Zuſtandſey frey geſtanden / auff den Reichstag zu erſcheinen / der nur einiges anſehen im Re - giment / entweder wegẽ ſeines Reichthums oder Klugheit zu haben vermeynte. Die geringere / die fuͤr ihrem eigenen des ge - meinen Weſens nicht abwarten kunten / ſind allmaͤhlich von ihnen ſelber auſſen ge - blieben; Eliche ſeyn[durch] die maͤchtigen und groſſen außgeſchloſſen / biß man zu der jetzigen Zahl gekommen. Unſers vorha - bens iſt es nicht / eine gantze Matricul hie - her zu ſetzen / doch wird von noͤthen ſeyn / die vornehmſte Staͤnde zu beruͤhren / da - mit man von der groͤſſe des gantzen Cor - pur urtheilen koͤnne.
Unter den weltlichen Fuͤrſten geben wir der Öſterreichiſchen Familia die oͤberſtelle / nicht ſo wol wegen ihꝛes alten herkom̃ens / als wegen ihrem weitlaͤufftigem Gebiet / und weil ſie die Kaͤyſerliche Hoheit in etli - che hundert Jahren her genoſſen. Dieſe Familia hat das ungewoͤhnliche guteGluͤck43des Teutſchen Reichs. Gluͤck ſehr groß gemacht. Rudolphus war ein Graffe zu Habsburg / welcher in der Schweitz und deren Gegend / nur mittelinaͤſſige Guͤter / ſeinem Stande nach hatte / gab aber dabey einen guten Soldaten. Es war damahls zwiſchen des Kaͤyſers Todt und deſſen Nachfolger der Zuſtand Teutſchlandes in faſt 20. Jahꝛen ſehr verworren geweſen / verſam - leten ſich demnach die vornehmſten Fuͤr - ſten / und wolten durch wehlung eines Kaͤyſers dieſem uͤbel abhelffen. Werne - rus Churfuͤrſt zu Mayntz / welchem Ru - dolphus vor dieſem auff der Reiſe uach Rom von Straßburg biß an die Alpen das Geleite gegeben hatte / ſchlug dieſen Rudolphum vor / und ruͤhmete hoch ſeine Weisheit und Großmuͤt higkeit / welcher auch bald die (Chnrfuͤrſten) von Coͤln und Trier auff ſeine ſeite brachte: wor - auff mit ſolcher affection zu dem Rudol - pho der Manytziſche ſein abſehen gehabt / wird der jenige unſchwer erachten / wel -cher40[44]Vom Zuſtandcher der 'Pfaffen ihre Natur' etwas ge - nawer beſchawen wird. Nemlich er ver - hoffete / derjenige wuͤrde ihm verpflich - tet werden / welchen er aus einem gerin - gen Stande und Geſchlecht erhoͤhete / uñ ihm eine ſolche Wolthat zu vergelten / verurſachen wuͤrde. [Warumb] aber keiner von den andern Fuͤrſten nach dieſer Wuͤrde geſtanden / moͤchte einem wun - derlich vorkommen / wo man nicht ſagen wolte / dz der verworne Zuſtand[Teutſch] - landes etliche abgeſchrecket habe / welchen ſie zu recht zu bringen ſich nicht tꝛaueten /[vielleicht] ſind auch etliche alters halben fuͤr untuͤchtig gehalten / eine ſolche Laſt auff ſich zu laden. Haben demnach die weltlichen Fuͤrſten den Biſchoͤffen bey - fall gegeben / doch alſo / daß ſich der Chur - fuͤrſt von Sachſen / und der Burggraff zu Nuͤrnberg mit des Rudolphi Toͤchter[verheyrathet] / welches auch der Hertzog zu Bayern gethan / der damahls bey die -ſen45des Teutſchen Reichs. ſen Fuͤrſten war. Auff dieſe weiſe iſt als - bald Rudolphus mit den voꝛnehmſten fa - miliis durch Schwaͤgerſchafft verbun - den worden / ſeinem newen Stande zu Schutz und Ehren. Daß er hernach ſei - ner Familiæ eine ſonderliche Erbſchafft beſtellen moͤchte / dazu iſt ihm die Kaͤyſer - liche Wuͤrde kraͤfftig gnug geweſen. Wenn ein Lehen erledigt / wer war wol naͤher als der Sohn / deme es von newen auffgetragen wuͤrde? Denn ihm ſelbſt zu geben / waͤre ſehr verhaſt geweſen: die - ſer geſtalt hat er Oeſterreich / Steyer - marck / Krain / die Wendiſche Marck / uñ andere Laͤnder zu wege gebracht.
Zu dieſem iſt durch der andern Kaͤyſer zulaſſen noch mehr hinzu kommen: wie nemlich den Reichen offter was geſchen - cket wird als den Armen. Solche reiche Herren kunten nun leichte zu einer rei - chen Heyrath gelangen; weil auch ne - gen dem Reichthum die groſſe Wuͤrde und hohes Anſehen bey den Jungfern inLiebes46Vom ZuſtandLiebes Sachen viel zu gelten pfleget. Da kunte auch der Sohn von einem harten Vater erlangen / daß er ihm einen herr - lichen Titul vor andern Hertzogen bey - legte; Und iſt doch die[Klugheit] der Oeſte - reichiſchen allhie zu loben: Denn es war ſehr verhaſt / daß dieſe newe Familia auff dem Reichstage die oberſtelle vor den Al - ten einnehmen ſolte / dennoch wolte ſie ih - nen nicht weichen. Haben demnach die jenigen / ſo auff einer von den weltlichen Fuͤrſten abgeſonderten Banck ſaſſen / die oberſteſie unter den geiſtlichen Fuͤrſten eingenommen. Denn dieſe / weil ſie ge - meiniglich von geringerem Herkommen zur Fuͤrſtlichen Wuͤrde gelangen / wuͤr - den ihnen leichtlich die Oberſtelle laſſen. Wiewol ihnen dieſe Tugend nicht nube - lohnet geblieben: maſſen ſie auff dieſe weiſe in dem rath der Fuͤrſten / daß Regi - ment oder Directorium, wie ſie es nen - nen / eins umbs ander mit dem Ertz Bi - ſchoff zu Saltzburg zu fuͤhren / erhaltenhaben;47des Teutſchen Reichs. haben; Dieſes aber kan ihnen ſo gar nicht von einem verſtaͤndigen zum aͤrgeſten ge - dentet werden / daß ſie vielmehr fuͤr gantz einfaͤltig zu achten / wo ſie nicht bey guter gelegenheit ihren Nutzen fleiſſig beobach - tet haͤtten. Begreiffen alſo die Oeſter - reichiſchen den meiſten theil Teutſchlan - des / ſo gegen Morgen lieget / unter ihrem Gebiet. Dazu kompt das Koͤnigreich Ungern / welches noch nicht gar mit erb - recht zu Teutſchland gehoͤret / und unter andern darzu gedienet hat / daß es gleich als eine Paſtey wider der Tuͤrckeu einfall den andern Oeſterreichiſchen Laͤndern vorgebawet / und die Teutſchen wegen ſurcht des Tuͤrckiſchen Krieges umbs Geld gebracht wurden.
Es iſt aber wol zu mercken / daß die Oeſterreichiſchen die Kaͤyſerliche Wuͤrde in ihrer Familia ſo lang behalten / nicht allein daꝛumb / weil kaum ein ander Haus in Teutſchland zu finden / welches auffeigene48Vom Zuſtandeigene Koſten den Glantz ſolcher Hoheit erhalten kan / ſondern auch / weil ſie ihre Guͤter alſo georduet / daß ſie gar leichte ein ſonderlich Regiment beſtellen koͤnten / wann es ſich zutruͤge / daß ein anderer zur Kaͤyſerlichen Hoheit erhabẽ wuͤrde. Deñ ſie haben ſich mit ſolchen Privilegien verſehen / daß wenn ſie mit einem andern Kaͤyſer nicht zu frieden waͤren / ſie ſagen koͤnten / ſie haͤtten mit dem Teutſchen Reich nichts zu ſchaffen / ihre Laͤndereyen machten ein abſonderlich territorium; welches nicht allein das Corpus des Reichs ſehr verſtuͤmpeln wuͤrde / wenn ein ſolch anſehnlich Theil davon abgeriſ - ſen / ſondern es wuͤrde auch andere glei - ches vorzunehmen anreitzen / die ſich nur von ihren eigenen Guͤtern zu leben ge - traueten. Ja / wenn einmahl ein ſolch Exempel eingeſuͤhret / ſolten auch wol die geringere ein gleiches zu thun begehren; So wuͤrde endlich Teutſchland nach art unſers Jtalien eingerichtet / ob ſichs aberauff49des Teutſchen Reichs. auff ſolche weiſe erhalten wuͤrde / daran zweiffele ich ſehr. Daß aber dieſes nicht ohn gefehr erdichtet ſey / wird der jenige leichtlich mercken / deme nur bekand iſt / daß das Koͤnigreich Boͤhmen mit dem uͤbrigen Teutſchland faſt nichts zu thun habe / als in der Wahl des Kaͤyſers; oder wer die meiſten Privilegia des Oeſterreichiſchen Hauſes etwas genawer betrachten wird. Ein weniges von dem Privilegio des Ca - roli V. zu beruͤhren / wird fuͤr dieſes mahl genug ſeyn: Jm anfange dieſes Privi - legii verhelet er nicht die den Menſchen ſonſt allgemeine begierde zum auffnehmen und Wolfahrt der ſeinigen. Er wil darin / daß Oeſterreich ein immerwaͤren des Lehen ſeyn ſoll / welches kein Kaͤyſer auffheben duͤꝛffe; Er wil / daß die Hertzogen von Oeſterreich Reichs Raͤthe ſeyn ſollen / ohne welcher vorwiſſen nichts koͤnne beſchloſſen werden; Er erklaͤret ſie und ihre Laͤn - der frey von allen Beſchwerungen des Reichs / ob ſie’ gleich ihre beſchuͤtzung vomDReich50Vom ZuſtandReich haben. Jſt alſo Oeſterreich in fa - vorablen Sachen zwar / nicht aber in ver - haſten ein Glied des Reichs. Der Her - tzog von Oeſterreich darff keine inveſtitur auſſer ſeinem Lande ſuchen / ſondern die ſol ihm in demſelben auffgetragen werden. Weil er ſich nemlich auſſer der bloſſen re - cognition des Lehẽ nicht geringer als das Reich achten wil / gleichſam als wenn man ſelbſt ihn bitten muͤſſe / daß er ein Vaſal des Reichs genennet werde; Auch ſein Wapen / ſo er bey annehmung des Lehen fuͤhret / giebet gnugſamb zu verſtehen / man muͤſſe mit ihm als mit einem æquali oder gleichem / nicht aber als mit einem Unter - thanen verfahren. Er kan auch auff dem Reichstage erſcheinen wann er wil / wo aber nicht / iſt er dazu nicht verpflichtet. Was er in ſeinem Gebiet gethan / darff der Kaͤyſer nicht endern. Dem Reich wird nicht zugelaſſen / ein Lehen in Oeſterreich zu haben. Seine Unterthanen werden vor keine außlaͤndiſche Gerichte gezogen /und51des Teutſchen Reichs. und von ſeinem Urtheil kan man nicht wei - ter provoci ren - Er darff ohne Gefahr ei - nen / der in den Bann gethan iſt / wieder auffnehmen / doch alſo / daß er dem Klaͤger / wo er es begehret ſein Recht wiederfahren laſſe; wer aber von einem Oeſterreichiſchen proſcribi ret oder verwieſen iſt / wird von keinem andern auch nirgends anders als in Oeſterreich abſolvi ret Er leget ſeinem Lande nach belieben newen Tribut auff / und machet darin Graffen / Freyherrn und Edelleute / welches man ſonſten in Teutſch - land fuͤr ein Werck der hoͤchſten Herꝛſchaft oder des Kaͤyſers haͤlt. Und damit es jeder - man kund ſey / daß er dem Reiche kein recht uͤber ſeine Laͤnder laſſe / iſts alſo gemacht worden / daß auch ſolche / wenn keine Maͤñ - liche Erbenverhanden / an dem Weiblichen Geſchlecht gelangen koͤñen / und wo es auch daran fehlete / dem letzten beſitzer ſolche Laͤn - der zu transporti ren oder zu vermachen an weme es ihm nur gefalle frey ſtuͤnde. Mehr hievon zu ſagen iſt nicht von noͤten /D ijdenn /52Vom Zuſtanddenn dieſes kan denen / ſo mitttelmaͤſſigen Verſtandes / genug ſeyn. Sein alſo die je - nigẽ ſehr einfaͤltig geweſen / welche nicht ge - mercket den poſſen des Caroli V. der ſeine Niderlande fuͤr ein theil des Reichs erklaͤ - ret / mit der praͤchtigen Verheiſſung / daß ſolche dem Reich ſo viel zahlen ſolten als zwene Churfuͤrſten: Denn dieſes alles wurde zum Tuͤrckiſchen Kriege / und alſo zu erhaltung der Oeſterreichiſchen Laͤnderey angewand. Und weil die Tributs-Rech - nungen zum Tuͤrckiſchen Kriege in Haͤn - den der Oeſterreichiſchen geweſen / wuͤrden die Niderlaͤnder nicht eben ſo gar ſtrenge exſeeutores gefunden habẽ / wañ ſie gleich ihren theil zu erlegen etwas traͤge geweſen. Dz alſo ein Jtaliaͤner leichtlich hette glaͤubẽ moͤgẽ / Carolus V. habe nur mit ſeiner ver - heiſſung den Teutſchen einẽ Muth machen wollen / daß ſie deſto williger das ihrige zu anderer erhaltung heraus geben / weil ſie ſehen / daß auch die Herren ſelbſt zu nutz ihrer Erbſchafft einige Beſchwer auff ſichneh -53des Teutſchen Reichs. nehmen; Wiewol auch vielleicht eine an - dere Urſach geweſen / damit nemlich ſeinem Sohn Philippo, der nach dem Reich ſtun - de / nicht koͤnte vorgeworffen werden / er habe in Teutſchland keine Laͤnderey / weil[e]〈…〉〈…〉Ferdinandus das Oeſterreichiſche Erb - theil in Teutſchland ſchon erlanget. Oder / daß daher die Teutſchen ſich ver - pflichtet hielten Huͤlffe zu ſchicken / wo Nie - derland von dem Koͤnige in Franckreich angegriffen wuͤrde. Jetzo ſind nur zwo Perſohnen Maͤnnliches Geſchlechts von dieſem Hauſe verhanden / nemlich der jetzi - ge Kaͤyſer Leopoldus und Carolus Koͤ - nig in Spanien / daß dieſer letzte noch was lange leben ſolte / wird nur von wenigen ge - hoffet; Dem andern aber habe ich viel Teutſchen wuͤnſchen gehoͤret / daß er viel Soͤhne zeugen moͤchte / weil ſie ſonſt be - ſorgten / es moͤchte der letzte eines ſo herr - lichen Geſchlechts / ihm ein gar zu koſtbar Begraͤbniß erfordern.
Die Faɯilia der Pfaltzgrafen am Rhein / und der Bayriſchen Hertzogen wird an Alterthum keiner andern was nachgeben / und begreifft unter ſich einen weitlaͤuffti - gen ſtrich Landes von den Alpgebirgen biß an die Moſel / und noch daruͤber zwey Her - tzogthuͤmer an den Graͤntzen des Niderlan - des; Sie wird in zwo Linien getheilet / als in die Rudolphiſche und Wilhelmiſche: Dieſe hat fchon vor zeiten das Hertzog - thum Bayren inne gehabt / und iſt allezeit ihres Vermoͤgens beruͤhmt geweſen. Jm nechſten Kriege hat ſie die Churfuͤrſtliche Wuͤrde an ſtat der Beute davon getragen / und iſt die Oberpfaltz ihrem Verwandten abgenommen. Es haben auch die Bayri - ſchen faſt durch ein gantz Seculum das Churfuͤrſtenthum Coͤln beſeſſen / uͤber wel - chem noch der jetzige das Bißtbum Luͤttich und Hildesheim beherrſchet. Die Rudol - phiſche Linie theilet ſich in unterſchiedliche Zweige: Der vornehmſte dieſer Familiaiſt55des Teutſchen Reichs. iſt der Churfuͤrſt in der Pfaltz / hat die unter Pfaltz behalten / eine fruchtbare Landſchaft / und von den luſtigſten mit in Teutſchland. Der Neuburgiſche Pfaltzgraff hat neben dem Gebiet bey der Donaw / die Hertzog - thuͤmer Juͤlich und Berg Uber dem ſind die Pfaltzgraffen von Sultzbach / von Sim - mern / von Zweybruͤck / von Bircken - feld / von Lautereck kleiner Laͤnder Herren. Aus der Zweybruͤggiſchen iſt der Koͤnig in Schweden Carolus Guſtavus entſproſ - ſen / welcher gezeuget hat Carolum den jetzo regierenden wiewol noch minderjaͤh - rigen Koͤnig / welchem nach dem Osna - bruͤggiſchem Frieden in Teutſchland zu - kompt das Hertzogthum Bremen / Verden und Vor Pommern / wie auch Stetin / daß Fuͤrſtenthum Ruͤgen / und die Herrſchafft Wißmar Es floriren heut zu tage in die - ſer Familia ſonderlich beruͤhmte Herren. Denn wie einetreffliche Gottesfurcht die Bayeriſche commendi ret; alſo macht den Churfuͤrſten am Rhein bey ſeiner nationD iiijgroß56Vom Zuſtandgroß neben andern Tugenden ſeine ſonder - bare Weisheit; Es wird auch der Neu - burgiſche nicht weniger unter die kluͤgſten Fuͤrſten Teutſchlandes gerechnet / welchem etliche die Pohlniſche Krone propheceyen nicht ſo wol wegen der Schwaͤgerſchafft mit dem Pohlniſchen Koͤnigl. Geſchlecht / als weil er fuͤr der wuͤrdigſte gehalten wird. Ja auch Printz Ruprecht wird nicht un - billich ein ſchrecken zur See genennet.
Die Hertzogen zu Sachſen bewohnen faſt das mitteltheil von Teutſchland / nem - lich Meiſſen / Thuͤringen / und ein zimlich ſtuͤck bey der Elbe / Ober Sachſen genant / wie auch Ober-nnd Unter Laußnitz / und in Franckenland das Hertzogthum Koburg / uñ die Graffſchaft Hennebeꝛg; Eine an etli - chen oꝛten an Koꝛn / an etlichen an metal rei - che Landſchaft. Die Familia wird in zwo li - nien getheilet in die Albertiniſche und Erne - ſtiniſche; Aus jener iſt der Chuꝛfuͤrſt mit ſei - nen dreyen Herrn Bruͤdern / unter welchender57des Teutſchen Reichs. der erſte nechſt dem Chuꝛf. das Ertzbißthum Magdeburg auff Lebens zeit hat; Aus die - ſer / der Erneſtiniſchen Linie iſt der Hertzog zu Altenburg / zu Gotha / und die vier Wei - marſche Herren Bruder / und halte ich / daß keiner eine unfruchtbare Ehe gehabt.
Darauff kommen die Marggraffen zu Brandenburg / in welcher Familia der Churfuͤrſt als der vornehmſte die weitlaͤuf - tigſten Laͤndereyen hat. Neben Preuſſen / welches jetzo nicht zum Roͤmiſchen Reich gerechnet wird / und der Churfuͤrſt wegen des letzten Vertrags mit Pohlen / als Souverain beſitzet / iſt ihm unterwuͤrffig die Marck / hinter Pommern / daß Hertzog - thum Croſſen in der Schleſien / das Her - tzogthum Cleve / wie auch das Gebiet Maꝛck und Ravensburg / fuͤr den jenigen theil Pommern / welcher den Schweden einge - reumet / und ſonſten nach abgang der-Pom - meriſchen Hertzogen Familia auf ihn haͤtte kommen ſollen / hat er als ein gleichgelten -D vdes58Vom Zuſtanddes empfangẽ die Bißthumber Halberſtat / Minden und Camin / und nach Abgang Hertzogen Auguſti zu Sachſen das Crtz - bißthumb Magdeburg / welches alle groſſe und fruchtbahre Laͤnder ſeyn / doch mey - nen etliche er habe an ſtatt derer lieber das gantze Pommern behalten wollen.
Jch erinnere mich / daß / als ich neulich aus Teutſchland wieder gen Padua kam / und in einer Verſamblung etlicher Jtaliaͤ - niſchen und Frantzoͤſiſchen Marggraffen erzehlete / der gedachte Churfuͤrſt koͤnne durch ſein Gebieth 200. Teutſche Meilen in die laͤnge reyſen / daß er nicht einmahl in einem fremden Territorio uͤber Nacht bleiben duͤrffe; (ungeachtet das ſolches Gebiet zwar an einem und anderm Orth / durch kleine darzwiſchen-liegende Terri - toria zerriſſen) die meiſten der anwe - ſenden Herren mir das den Reiſenden gemeine Laſter beylegeten. Und haͤt - ten mir meine Landsleute / welche das Va - terland / weiß nicht warumb / ſo ungern vonſich59des Teutſchen Reichs. ſich laͤſſet / nur ſchlechten Glauben beyge - meſſen / wo mir nicht ein alter Kriegs Of - ficir er / der lange in Teutſchland gedienet / welchen ich auch an des gedachten Fuͤrſten Hoffe gekand / waͤre zu huͤlffe gekommen: Denn etliche ſchaͤmeten ſich / daß bey uns und in Franckreich viel mit dem Marg - graffen Titul herein prangeten / welche kaum 200. jugera oder Feld Acker inne hatten / ſo gar war ihnen unbewuſt / daß zwiſchen den Teutſchen Marggraffen / und unſern Marquiſen ein ſolcher groſſer un - terſcheid ſey.
Es ſind auch noch andere Branden - burgiſche Marggraffen in Francken Land welche / wo mir recht iſt / die alte erbſchafft der Nuͤrnbergiſchen Burggraffen beſitzen / und in die Culmbachiſche und Anſpachi - ſche getheilet werden.
Auf die Churfuͤrſtliche folgen die andere noch ruͤckſtellige Familien, und weiln mir bekand / daß etliche unter ihnen wegen derD vjober -60Vom Zuſtandoberſtelle nicht einig ſeyn / wil ich die Ord - nung meiner erzehlung alſo veꝛſtanden ha - ben / damit nicht durch dieſe vergebliche Streitigkeiten einig præjudiz verurſachet werde. Die Hertzogen zu Braunſchweig und Luͤneburg / beſitzen die maͤchtigſten Laͤndereyen in Nider-Sachſen / und ſind in zweene Zweige abgetheilet / zu dem ei - nen gehoͤret das Hertzogthum Braun - ſchweig / welches itzund ein alter Fuͤrſt re - gieret; Daß Hertzogthum Luͤneburg haben zwene Bruͤder unter ſich getheilet / deren der eine zu Zelle / der andere zu Hannover reſidi ret. Der dritte Bruder hat ietzo daß Bißthum Oßnabruͤg. Die Meckelnbur - giſche Hertzogen beherſchen ein gut ſtuͤck Landes von der Oft See biß an die Elbe. Sie ſind heute zu Tage in zwo Lienien un - terſchieden: in die Schweriniſche und Guͤſtrowiſche. Der Wuͤrtenbergiſche Her - tzog hat in Schwaben eine groſſe uñ maͤch - tige Landſchafft; deſſen verwandten einer hat an den euſſerſten Graͤntzen Teutſchlan -des61des Teutſchen Reichs. des die Graffſchafft Mumpelgard. Die Landgraffen zu Heſſen haben auch ein weit - laͤnfftig Territorium, und werden in zwo linien getheilet / als in die Caſſelſche und Darmſtaͤtiſche. Die Marggraffen von Baden beſitzen einen langen ſtrich am rech - ten Ufer des Rheinſtroms / die gleicher ge - ſtalt in zwo Linien abgeſondert werden / in die Durlachiſche und Badenſche / davon dieſe zu Baden ihren vornehmſten Sitz hat. Die Hertzogen von Holſtein beherſchen ein theil des Cimber Landes / welches we - gen der bequemen anſtoſſung des Meers reich iſt. So viel von Holſtein zum Teut - ſchen Reich gehoͤreti / wird vom Koͤnige in Dennemarck und dem Hertzogen zu Gottorff regieret / welcher letztere auch Bi - ſchoff zu Luͤbeck iſt. Denn das Hertzog - thum Schleßwig hat mit Teutſchland nichts zu thun. Die Hertzogen zu Sach - ſen Lauenburg haben in Nider Sachſen / und die Fuͤrſten von Anhalt in Ober Sach - ſen nur ein klein Gebiete.
Und das ſeyn die alten Fuͤrſten. Denn die Hertzogen von Sophoyen und Lothrin - gen / ob ſie ſich ſchon zu etlichen Lehen vom Teutſchen Reich bekennen / auch deßwegen eine ſtelle auff dem Reichstage bekleiden / haben ſie doch ihre von Teutſchland faſt abgeſonderte Gebꝛaͤuche und Regierungs - art wegen der gelegenheit ihrer Laͤnder. Ferdinandus der II. aber / welcher / wie et - liche davor gehalten / im Sinn hatte / nach dem die Macht der Fuͤrſten in eine Ord - nung gebracht / ihm eine abſolute Regie - rung zu wege zu bringen / hat auch zu dem ende unter andern dieſes vorzunehmen an - gefangen / daß er etliche / vornemlich ſo ihm unterwuͤrffig / zur Fuͤrſtl. Hoheit erhoben: Denn durch dieſer Huͤlffe vermeynte er / er wolte die Stimmen der alten Fuͤrſten zum wenigſten gleichen wo nit uͤbeꝛtreffend ma - chen / wañ etwan ein algemeiner Reichstag muͤſte außgeſchrieben werden; wozu er ſon - ſten wenig luſt hatte. Oder damit er er -wieſe /63des Teutſchen Reichs. wieſe / die alten Fuͤrſten ſolten ſich nur ihrer Hoheit nicht ſo ſehr erheben / weil es ihm leicht ſeyn wuͤrde / ſo viel ihm nur beliebete / ihnen gleich zu machen. Und haͤtte ohne zweyffel der alten Familien Hoheit Gefahr gehabt / wenn der Kaͤyſer ſo leichte haͤtte ne - we territoria machen / als Titul außthei - len koͤnnen. Unter denen / die auff dem Reichstage eine Stelle / wiewol andern zum verdruß erhalten / ſind / ſo viel als mir bewuſt / die Fuͤrſten von Hohen Zollern / von Eggenberg / von Naſſau Hadamar / und von Naſſau Dillenburg / von Lobko - witz / von Salm / von Dietrichſtein / von Aversberg / von Piccolomini. Weil aber des Ferdinandi Conſilia und Anſchlaͤge keinen guten fortgang gehabt / noch dieſer newen Fuͤrſten Guͤter mit der alten ihrer Macht einigerley weiſe zu vergleichen / hat man auch gemercket / daß ſie wenig wider die alten gehafftet / ſondern bißweilen (wie gemeiniglich zu geſchehen pfleget / in dem der alte Adel den newen nicht achtet) von denſelben hoͤren muͤſſen / ſie haͤttennichts64Vom Zuſtandnichts anders gewonnen / als daß ſie aus reichen Graffen waͤren arme Fuͤrſten ge - worden; Gleich als wenn nicht ein jeg - licher Adel einmahl waͤꝛe new geweſen / oder dieſe mit der zeit nicht koͤnten reicher wer - den / ob gleich der leichteſte Weg dazu ver - ſchloſſen / indem es dem Kaͤyſer nicht frey ſtehet / die ledige Lehen des Reichs / die et - was auff ſich haben / wem er nur wil / damit zu belegen.
Die andere Ordnung der Fuͤrſten in Teutſchland machen die Biſchoͤffe und Abte. Ob gleich dieſe die Wahl der Thum - herren offte aus dem gemeinen Adel - oder Freyherr-nnd Graͤfflichen Wuͤrde zu ſol - cher Hoheit bringet / haben ſie doch auff dem Reichstage und bey andern abhand - lungen ſchier die Oberſtelle uͤber die Welt - lichen. Nach dem nemlich das Gluͤck der newen Prieſter von dem ſchlechten Zuſtan - de der alten ſehr abgetreten / wuͤrde es un - gereimt ſeyn / ſie mehr mit den alten Geſe -tzen /65des Teutſchen Reichs. tzen / ſo unſer Seligmocher dieſem Orden zur Ehrbarkeit gegeben / im Zaum hal - ten wollen. Und ſolten vielleicht ſolche Geſetze nur bey den alten Zeiten gelten. Denn das war in der warheit laͤcherlich / daß Fiſcher oder Weber aus groſſem Ehr - geitz die oberſtelle begehren ſolten / welche ihren taͤglichen auffenthalt durch Hand - arbeit verdienen / oder aus der zuſammen getragenen Steur ſuchen muͤſſen; Ob aber wol in der gantzen Chriſtlichen Welt / ſo weit die Catholiſchen gebraͤuche guͤltig / die Prieſter in groſſem anſchen und gutem wolſtande ſeyn / haben ſie doch nirgends ſo groſſe Macht uñ Reichthum als in Teutſch - land; Man ſiehet auch daß an weitlaͤuffti - gem gebiet / und herrlicher Hoffſtat zwi - ſchen ihrer viel und den Weltlichen Fuͤr - ſten kein unterſcheid zu finden / Sie haben uͤber ihre Unterthanen gleiche Macht und juriſdiction. Ja es haben auch etliche mehr Luſt den Helm als den Biſchoffs Hut zu tragen / und ſeyn kraͤfftiger Krieganzu -66Vom Zuſtandanzurichten / und ihr Vaterland ſampt deſ - ſen Nachbarn in unruhe zu ſtuͤrtzen / als die Gottſeligkeit fort zu pflantzen; Doch ſind heut zu Tage mehr als vorzeiten / die ſich nicht ſchaͤmen von den Geiſtlichen Orden geweihet zu werden / und ein oder zwey - mahlim Jahr eine Proba ab zulegen / wie bequem ſie ſich bey der Meſſe als Geiſtliche anſtellen koͤnnen. Weil aber vorzeiten der Weltlichen Fuͤrſten Laͤnder uͤber - traffen oder nur gleicheten / haben ſie nicht geringen ſchaden gelitten / durch die refor - mi rung der Religion in einem groſſen theil Teutſchlandes und durch den Weſt - phaͤliſchen Frieden: Denn in dem Ober - und Niederſaͤchſiſchen Kreyß haben die Prieſter nur wenig nach behalten; und die Fuͤrſten in Ober Tentſchland / außgenom - men der Wuͤrtenbergiſche / eine ſchlechte Beute; die Urſach mag vieleicht ſeyn / daß ſich die Sachſen weniger fuͤr dem Kaͤyſer Carolo V. gefuͤrchtet / als die / bey welchen er zugegen war / und mit ſeinem Gebiet an -grentzete;67des Teutſchen Reichs. graͤntzete; Es ſind auch in deſſem Strich oder tractu der Prieſter Laͤnder mehr zerſtreuet / und durch der maͤchtigern Fuͤr - ſten anlauff eingezogen. Jn Ober Teutſch - land hatten ſie ſich naͤher an einander / und vornemlich am Rheinſtrom / als an dem luſtigſten Orte in Teutſchland zu wohnen begeben / wo nicht Chur Pfaltz dieſe ſeine Ordnung getrennet / welche ſie / auch nur darumb / wie ich meyne / etwas unfreund - lich anſehen.
Sind derowegen die Geiſtlichen Fuͤr - ſtenthuͤmer / die noch nicht unter der Pro - teſtiren den gebiet kommen / faſt dieſe: die drey Ertz Bißthuͤmer / Mayntz / Trier / und Coͤlln / mit welchen auch die Chur - fuͤrſtliche wuͤrde verknuͤpffet. Uber die - ſen das Ertz Bißthum Saltzburg / und Veſont in Burgundien denn das Mag - deburgiſche wird nun gantz Weltlich. Die ſchlechte Bißthuͤmer ſeyn das Bam - bergiſche / das Wuͤrtzburgiſche / dz Worm - ſiſche / daß Speyriſche / daß Eichſtetiſche /daß68Vom Zuſtanddaß Straßburgiſche / daß Koſtnitziſche / daß Augſpurgiſche / daß Hildesheimiſche / daß Paderborniſche / daß Freiſingiſche / daß Regenſpurgiſche / daß Paſſauiſche / daß Tridentiniſche / daß Brixiſche / daß Baſelſche / daß Luͤttiſche / daß Oßna - bruͤggiſche / dz Muͤnſterſche / daß Curiſche. Unter den Biſchoͤffen iſt der vornehmſte der Oberſte Meiſter teutſches ordens. Man muß aber mercken / daß etliche heut zu Tage zwey oder mehr Bißthuͤmer zu - ſammen gezogen / entweder darum / weil eines Bißthums einkuͤnffte nicht ſchienen gnung zu ſeyn / zur erhaltung der Fuͤrſt - lichen Hoheit / und Pracht / oder / damit ſich ihre æmuli und nacheifferer deſto - mehr vor ihnen zu fuͤrchten hetten. Daß Bißthum Luͤbeck / kan uͤber dem daß es der Proteſtanten Religion angenom̃en / fuͤr etwas ringer als ein Stuͤck des Erb - theils der Holſteiniſchen Fuͤrſten geach - tet werden. Unter die Aebte oder Præ - laten, die eines Fuͤrſten Titul fuͤhren / ſindzu rech -69des Teutſchen Reichs. zu rechnen der zu Fulde / zu Kempten / zu Elwang / zu Murbach / zu Luderin / der Meiſter S. Johannis Ordens / der Abt zu Bergtesgad / zu Weiſſenburg / zu Pru - mien / zu Stabel / zu Corvey. Die uͤbri - ge Prælaten, ſo keine Fuͤrſten ſeyn / wer - den in zwey Theile getheilet / als in die Schwaͤbiſche / und Rheiniſche / deren jeg - liche eine Stimme auff dem Reichstage hat; dieſe werden den Graffen an wuͤrde gleich geſchaͤtzet.
Die Graffen und Freyherren haben auch viel ein groͤſſer anſehen in Teutſch - land / als in andern Koͤnigreichen. Denn ſie gebrauchen ſich faſt gleichen rechts mit den Fuͤrſien / und haben die meiſten alten Graffſchafften zimlich groſſe Ter - ritoria; Da man offte an andern Or - ten einen / der ein maͤſſiges Vorwerck hat / mit dem Titul eines Gꝛaffen herein pran - gen ſiehet. Ob wol die theilung der Laͤn - dereyen unter vielen Bruͤdern / als eingroſſes70Vom Zuſtandgroſſes uͤbel vornehmer Haͤuſer welches nicht als bey dem gemeinen Poͤbel unter dem Nahmen der Billigkeit / und Gott - ſeligkeit entſchuldiget wird etlichen Fa - milien nicht geringen Schaden gethan. Etlichen hat auch die nachlaͤſſige Sorge der Erbſchafft und allzu groſſe Pracht und verſchwendung geſchadet; heutiges Tages haben dieſe Graffen auff dem Reichstage vier Stimmen als die Wet - terauiſchen die erſte; die Schwaͤbiſchen die andere; die Fraͤnckiſchen die dritte / und die Weſtphaͤliſchen die vierdte Von denen mir was bewuſt ſind faſt dieſe: Die Graffen von Naſſau / von Olden - burg / von Fuͤrſtenberg / von Hohenlohe / von Hanau / von Sain / und Witgenſtein / von Leiningẽ / von Solins / von Waldeck / von Jſenburg / von Stolberg / von Wied / von Mansfeld / von Reuſſẽ / von Ottingẽ / von Montfort / von Koͤnigseck / von Fuͤg - ger / von Sultz / von Kronberg / von Sin - tzendorff / von Wallenſtein / von Pappen. heim /71des Teutſchen Reichs. heim / von Caſtell / von Loͤwenſtein / von Erbach / von Limburg / von Schwartzen - burg / von Bentheim / von Oft Frießland / (welcher jetzund einen Fuͤrſtl. Titul fuͤh - ret) von Lippe / die Wilt-uñ Rheingreffen / der von Rantzow uñ vielleicht noch mehr / welcher Anſehen wie mein ſtillſchweigen nichts benehmen wird / alſo iſt es auch nicht meines Thuns geweſen / die jetzt ge - melte in einen richtige ordnung zu brin - geu: Uber dieſen ſind in des Kaͤyſers Erblaͤndern viel Graffen und Freyher - ren / oder die neulich zu dieſeꝛ ehre erhaben worden / welche / weil ſie in andern Staͤn - den leben / auff dem Reichstage keine ſtel - lehaben / ſolche aber zu erzehlen iſt nicht unſers vorhabens.
Nechſt dieſen findet ſich auch in Teutſchland eine groſſe anzahl Frey - Staͤdte / welche / weil ſie keinem von den Staͤnden / ſondern dem Kaͤyſer und Reich ohne mittel untergeben / Reichs Staͤdtegenennet72Vom Zuſtandgenennet werden. Auff dem Reichs - tage machen ſie ein ſonderlich Collegi - um, in welchem ſie in zwey theile (die man ſonſt Baͤncke nennet) abgeſondert werdẽ / als in der Rheiniſchen uñ Schwaͤ - biſchen Banck. Die vornehmſten unter dieſen Staͤdten ſeyn: Nuͤrnberg Aug - ſpurg / Coͤllen / Luͤbeck / Ulm / Straßburg / Franckfurt / Regensburg / Achen. Die mittelmaͤſſigen: Worms / Speyer / Col - mar / Memmingen / Eßlingen / Hall in Schwaben / Heilbrunn / Lindau / Goßlaꝛ / Muͤlhauſen / Northauſen. Die uͤbrigen koͤnnen mehr ihre Freyheit als Reich - thum ruͤhmen. Vor ein oder zwey hun - dert Jahren waren dieſe Staͤdte ſehr maͤchtig daß ſich auch die Fuͤrſten ſelbſt dafuͤr ſcheueten; heutiges Tages iſt der meiſten vermoͤgen geſchwaͤchet / und ſind etliche nicht unbillig der meinung / daß ſie endlich gar unter das Joch gebracht wer - den. Auch die Biſchoͤffe draͤuen den je - nigen klar genug / in welchen ſie ihreThum -73des Teutſchen Reichs. Thum Kirchen haben. Es ſind auch et - liche maͤchtige Staͤdte / welche die Frey - heit nicht mit ſo klaꝛem recht gebꝛauchen: Denn auff Hamburg / als der reicheſten Stadt mit in gantz Teutſchland / machen die Hertzogen von Holſtein prætenſion, ungeachtet es ſcheine / als ob der Benach - barten æmulation nicht zugeben werde / daß der Koͤnig von Dennemarck ſo einen fetten Biſſen uͤberkomme. Die Schwe - den haben mit Bremen zu thun / welche meynen / dieſes ihr Hertzogthum ſey nie - mahls ohne ſolcher Stadt verſichert / und vielleicht aꝛgwohnen ſie nicht ungereimt / daß die Stadt ihnen zu entgehen auf dem Reichstage des 1641. [ Jahrs] unter die Freyſtaͤdte ſey auffgenommen / weil ſie ſchon dazumal merckte / daß das Hertzog - thum in der Schweden Haͤnde kommen wuͤrde Die Stadt Braunſchweig ſchick - te ſich nicht uͤbel zu dem Teeritorio der Heꝛtzogen von Braunſchweig und Luͤne - burg / weil ſie den ſonſt wol aneinanderEhaͤn -74Vom Zuſtandhaͤngenden Leib zerſchneidet. Gleichfals ſcheinet / daß die gedachten Fuͤrſten nicht leichi zugeben werden / daß der Biſchoff zu Hildesheim die Stadt Hildesheim unter - druͤcke. Es iſt offenbahr / daß der Bran - denburgiſche Churfuͤrſt nicht wol zu frie - den ſey mit der all zu groſſen Freyheit der Staͤdte in ſeinem Gebiet / daher auch viel - leicht Magdeburg eine veraͤnderung zuge - warten hat nach abgang Hertzogen Auguſti zu Sachſen. Die Erfurter haben vor kur - tzer Zeit ihre noch zweiffelhaffte Freyheit verlohren / welche wie ſie wegen ihrer thor - und faulheit der Freyheit unwuͤrdig ge - ſchienen / alſo koͤnnen die verſtaͤndigen noch nicht genugſam begreiffen / warumb die Sachſen ſolch Schloß Thuͤringer Landes nicht vielmehr fuͤr ſich haben behalten wol - len: Auch hat es den Hollaͤndern / halte ich / ſchon gereuet / daß ſie der Stadt Muͤn - ſier keine Huͤlffe wider ihren Biſchoff ge - leiſtet / vornemlich weil es ſtatlich geweſen / die Stadt / welche gleiches vorgenom̃en / uñihre75des Teutſchen Reichs. ihre Freyheit auff die Waffen / ſo ſie wider den Fuͤrſten ergriffen / geſetzet / nicht verlaſ - ſen.
Mit dem Ritter Oꝛden hat es in Teutſch - land eine zweyfache beſchaffenheit: Denn ein Theil gehoͤret ohne mittel zum Kaͤyſer und Reich / eines aber erkennet andere Staͤnde fuͤr ſeine Herren; Die zur erſten Claſſe gehoͤren / pflegen ſich freye Edelleute des Reichs / und ingeſampt die unmittelba - re und freye Reichs Edelleute zu nennen: Dieſe werden nach den diſtricten und Or - ten da ſie ihre Guͤter haben / getheilet in die Fraͤnckiſche / Schwaͤbiſche und Rheini - ſche / deren jegliche wiederum in kleinere Theile unterſchieden werden. Die haben auß ihrem Orden gewiſſe Directores und beyſitzer / welche die Sachen / ſo ihrem Ge - meinen Nutzen betreffen / in obacht neh - men; Bißweilen halten ſie auch ihre Zu - ſammenkunfften / wenn etwas wichtiges abzuhandeln vorfaͤlt; Zum Reichstage a - ber werden ſie nicht beruffen / welches ſieE ijihnen76Vom Zuſtandihnen fuͤr eine Favor außdeuten / daß ſie der dazu erfordeꝛten Unkoſten koͤnnen uͤbeꝛ - hoben ſeyn / und wuͤrde ihnen traun wenig nuͤtzen / eine oder zwo Stimmen daſelbſt zu haben; Sonſt genieſſen ſie faſt gleicher Freyheit und rechtens mit den andern Staͤnden / daß ihnen nichts als die Guͤter mangeln den Fuͤrſten gleich zu ſeyn. Auch haben ſie einen groſſen nutzen von den Stifftern und Geiſtlichen Beneflcien, wo - durch ſie leichte zur Fuͤrſtlichen Hoheit ge - langen / und alsdann die / welche dazu ge - kommen ihre Familien wol verſehen koͤn - nen / welches ſie unſerm heiligen Vater dem Pabſt abgelernet / als der wol weiß wie lieblich und anmuͤhtig ſey / die Fetten ein - kuͤnſfte ohne einiger muͤhe in guter Ruhe durchzubringen: Sie laſſen auch durch ihre Vicarios in der Kirchen die Meſſe ſingen / damit ſie keine Heiſcherkeit ohn aus dem vollſauffen zu fuͤrchten haben: Die incommodite ten des unehlichen Stan - des koͤnnen die ihnen zum Dienſt undkauff -77des Teutſchen Reichs. kauffſtehende Maͤdgen leichtlich wegneh - men: Denn ich habe noch keinen geſehen der ſich umb des Himmelreichs willen ſelbſt verſchnitten habe / dañ ſie achten / daß das donum continentiæ einem E - delmann eben ſo ſchaͤndlich / als es denn Hunden und Pferden anſtehe. Von die - ſen habe ich ſonſten viele klagende gehoͤ - ret / daß etliche Fuͤrſten ihrer Freyheit mercklich nachſtelleten / und daß ſie von den Fuͤſten gantz ungnaͤdig angeſehen wuͤrden / weil ſie mitten in derſelben ter - ritoriis wohnen / und doch ſo groſſe Frey - heit haben; Ja es ſollen auch etliche Fuͤr - ſten fuͤrgeben / daß eine ſolche menge klei - ner Koͤnige dem anſehen und macht groſ - ſer Reichen wenig zutraͤglich ſey / dann wanu ein aͤuſſerlicher Krieg entſtehen ſolte / duͤrften ſie beeden Theilen zur Beu - te fallen: Unterdeſſen werden die Edel - leute ſich ihrer gewiſſen Freyheit umb ei - ner ungewiſſengefahr willen nicht bege - ben / ebenweinig auch die andern StaͤndeE iijleyden /78Vom Zuſtandleyden / daß etlichen wenigen Fuͤrſten ein ſolch theil zuwachſe; wo nicht etwa zu einer gꝛoſſen veꝛaͤndeꝛung ſich gelegenheit ereuge / oder mit hinlauffender zeit durch liſtige Fuͤndgen der gedachten Edelleu - ten macht allgemach zu Grunde gehe.
Jch muß auch hie mit wenigem be - ruͤhren / daß dieſes groſſe Reich auff ſtiff - tung Kaͤyſers Maximiliani des I. im Jahr 1512. in zehen Landſchafften oder Kreyſe / wie man ſie ins gemein nennet / getheilet worden / als da ſind: der Oſter - reichiſche / der vier Churfuͤrſtẽ am Rhein / der Ober-Rheiniſche / der Schwaͤbiſche / der Bayriſche / der Fraͤnckiſche / der Ober - Saͤchſiſche / der Nieder-Saͤchſiſche / der Weſt-phaͤliſche und Burgundiſche. Das Koͤnigꝛeich Boͤhmen / wie auch Schleſien und Maͤhren gehoͤren zu kein e / und ma - chen auch keinen abſonderlichen Kreyß / welches klaͤrlich zu tage leuchtet / dann es vielmehr wegen der Verbuͤndniß mitTeutſch -79des Teutſchen Reichs. Teutſchland verknuͤpffet / als daß es ein Territorium oder Stand mit ihr wor - den ſey
Die Glieder eines jeglichen Kreyſes kan man hin und wieder in den gemeinen Buͤchlein finden. Dieſe ein theilung hat vornemlich dahin ſein abſehen / daß da - durch der allgemeine Landfriede deſto beſſer erhalten / und die Gerechtigkeit wieder die halſtarrigen Staͤnde gehand - habet werde. Zu was ende auch ein jeg - licher Kreyß macht hat ihm einen Ober - ſten uͤber die Krieges Sachen zu erweh - len / auch zuſammen kuͤnffte zuhalten / welche durch den Kreyß Oberſten pflegen außgeſchrieben zu werden / auff welchen zuſammenkuͤnfften / neben andern zum auffnehmen des Kreyſes gehoͤrigen auch von Geld-Sachen gehandelt wird. Wie - wol man nicht unbillig zweiffeln woͤchte / ob nicht eben dieſe eintheilung zur tren - nung Teutſchlandes gereiche / in dem das jenige / was tinẽ Kreiß beſchwer machet /E iiijdie80Vom Zuſtanddie andern nicht ſo viel angehet. Und ſo viel von den Theilen des Teutſchen Reichs.
DEn Zuſtand des Teutſchen Reichs genau zu erlernen / iſt vornemlich vonnoͤthen / daß man erforſche / durch was Mittel die ſo genante Reichs - ſtaͤnde zu ſolcher Macht gekom̃en. Denn ohne dem wird es veꝛgeblich ſeyn nach Ur - ſachen zu fragen / warumb daſſelbe Reich ſo eine ſonderliche Form oder G0259; ſtalt ha - be. Weil aber ſolche Staͤnde entweder weltliche Fuͤrſten und Graffen / oder Bi - ſchoͤffe oder Staͤdte ſeyn / darumb wollen wir kuͤrtzlich den Urſprung eines jeglichen dieſer Theile abſonderlich ſuchen.
Die weltliche Fuͤrſten in Teutſch -land81des Teutſchen Reichs. land fuͤhren entweder den Hertzogen oder Graffen Titul mit einem zuſatz in ihrer Sprache / daß ſie Pfaltzgraffen / Land - graffen / Marggraffen uñ Burggraffen genennet werden. Denn ſo viel mir be - wuſt / fuͤhren nur die Fuͤrſten von Anhalt neben den newgemachten Fuͤrſten den bloſſen Titul eines Fuͤrſten; Ohne daß etliche dieſen Fuͤrſten Titul unter ihren andern Tituln haben. Alſo nennen ſich die Oſterreichiſche Fuͤrſten von Schwa - ben. Die Pommeriſche Hertzogen und jetzige Koͤnige in Schweden titnliren ſich: Fuͤrſten von Ruͤgen; die Landgraffen von Heſſen fuͤhren auch den Titul / von Hirſchfeld ꝛc.
Waren demnach die Hertzogen bey den alten Teutſchen vor dem Fraͤncki - ſchen Reich Krieges Officirer, wie ſol - ches das deutſche wort Heertzog deutlich gnung außweiſet / welche gemeiniglich in betrachtung ihrer Tapfferkeit erwehletE vwur.82Vom Zuſtandwurden / wenn eine Krieges Gefahr ver - handen. Die welche zu Friedens zeiten die Staͤdte gubernir ten / und auff den Doͤrffern und Flecken Recht ſprachen / wurden ins gemein aus dem Adel erweh - let / und Greven oder Graven geneñet / im lateiniſchen ſolte man es fuͤglicher Præ - ſes nennen / wiewol das Wort Comes demſelben vorgezogen wird. Denn von des Conſtantini M. Zeit wurden dem gemeinen Gebrauch nach die jenigen Comites oder Graven genennet / welche zu Hoffe dieneten / oder die Soldaten in den Provincien regiereten / oder auch Recht zu ſprechen geſetzet waren. Die Francken haben hernachmals / nachdem ſie Alemanniã uñ andere oͤrter Teutſch - landes bezwungen / nach der Roͤmer art Hertzogen (Duces) das iſt Vorſteher (Præſides) ſo wol in Friedes als Krie - ges Geſchaͤfften den uͤberwundenen Pro - vincien vorgeſtellet / welchen bißweilen Graven / daß Recht zu ſprechen / zugele -get83des Teutſchen Reichs. get ſeyn. Etliche Provincien wurden auch allein der Graven Herrſchafft ohne der Hertzogen Huͤlffe eingeraͤumet; doch hatten dieſe keine andere Gewalt als ei - ner rechtmeſſigen Obrigkeit zuſtehet.
Mit hinlauffender Zeit aber / nachdem dieſe Hertzogen auff Lebens zeit beſtellet / und die Soͤhne gemeiniglich an der Vaͤ - ter ſtelle geſetzet wuͤrden / hat ſich zuge - tragen / daß / weil ſie eine ſo herrliche Ge - legenheit ihre eigene Macht zu beſtetigen erlanget / ſie allmaͤhlich angefangen ha - ben / ihrer Koͤnige Anſehen gering zu ach - ten / und die ihnen anvertraute Provin - cien fuͤr ihr Vaͤterlich Erbe zu rechnen / Und kan doch den Monarchien kein ver - derblicher Eintrag wiederfahren / als wenn ſolche verwaltungen erblich wer - den / vornemlich weñ ſie auch mit Kriegs - ſachen zu thun haben / habe mich alſo kaum des lachens enthalten koͤnnen / als ich bey etlichen teutſchen Scribenten ge - leſen / daß dieſes als wenn es loͤblich undE vjkluͤg -84Vom Zuſtandkluͤglich gethan waͤre / verthaͤtiget wurde. Es iſt zwar an einem Koͤnige zu loben / daß er ſeine trewe Diener herrlich und wol be - lohnet; Wenn aber ein Herr alle ſeine Knechte frey laſſen wolte / muͤſte er endlich ſelber / halte ich / die Schuhe putzen. Ein Vater zwar laͤſſet ſich das jenige Gut mehr angelegen ſeyn / welches er weiß / daß ers auff ſeinen Sohn bringen werde; Je bꝛuͤnſtiger er aber den Sohn liebet / je mehr bemuͤhet er ſich / daß niemand anders an ſolch Gut recht und anſpruch habe. Alſo pflegen wir unſere eigene Sachen beſſer in acht zu nehmen als fremde; Aber darumb verehret ein guter Hausvater nicht als - bald ſeinem Heursman das Lehen. Den auffruͤhren der Vorſteher zuvor zu kom - men / hat man andere Mittel / die nicht ſo koſtbar ſeyn / als daß man ihnen die ver - waltung der Provincien erblich ertheile. Das iſt aber eine groſſe thorheit / die Ma - jeſtaͤt der Herrſchafft daraus æſtimi ren / daß ſie viel unter ihr Gebiet habe / die un -geſtrafft85des Teutſchen Reichs. geſtrafft ihren Befehl verachten koͤnnen. Mehr hievon zu ſagen / wuͤꝛde nur ſchimpf - lich ſeyn. Denn ſolcher Leute dummen Verſtand zu beweiſen / kan dieſes einige gnug ſeyn / daß ſie ſich nicht ſchaͤmen / ihrer Rechts gelehrten Buͤcher / worinnen faſt nicht das geringſte von der wiſſenſchafft recht zu regieren enthalten / den Jtaliaͤni - ſchen / Frantzoͤſiſchen und Spaniſchen Scribenten entgen zu ſetzen.
Der Carolus M. aber / als er ſeiner Vorfahren Jrrthum gemercket / hat die meiſten Hertzogthuͤmer / die etwas weit umbgriffen / auffgehoben / die weitlaͤufftige Provincien in mehr Theile getheilet / und ſolche den Graven zu regieren auffgetra - gen. Unter welchen etliche den ſchlechten Namen der Graffen behalten. Etliche ſind Pallentzgraffen oder Pfaltzgraffen genen - net worden / Vorſteher des Koͤniglichen Pallaſts / und die am Koͤniglichem Hofe Richter waren. Etliche wurden Land -E vijgraffen86Vom Zuſtandgraffen benahmet / als wenn man ſagen wolte: Graffen die einer gantzen Provin tz vorgeſtellet. Etliche hieſſen Marggraffen / welche uͤber die Graͤntzen geſetzet waren / umb den Feindlichen Einfall abzuwehren / und Recht zu ſprechen. Zu letzt wurden etliche Burggraffen genant / das iſt / Vor - ſteher einer Koͤniglichen Burg. Und zwar hat der Carolus dieſe Empter und Wuͤr - de tapffern Leuten nicht immer oder erb - lich uͤberlaſſen / ſondern / daß er freye Macht haͤtte / ſolche wieder zu nehmen / und ande - re damit zu belehnen / doch iſt man nach des Caroli Todt wiederumb auff die vo - rige weiſe kom̃en / alſo / daß in dieſen Obrig - keitsſtellen die Soͤhne faſt immer den Vaͤ - tern ſ[u]ccedi ret / zuderne ſeyn auch aus der zuſammen wachſung etlicher Graffſchaff - ten / deßgleichen durch zulaſſung der Nach - koͤmlinge Caroli etliche Hertzogthuͤmer geſtifftet / welche ein groß fluͤck Landes in ſich begreiffen. Die Vorſteher derſelben hielten menſchlichem Ehrgeitz nach fuͤr einefaul -87des Teutſchen Reichs. faulheilt / die gelegenheit ſeine eine Guͤter zu vermehren nicht fleiſſig in acht zu neh - men / in dem / der Fraͤnckiſchen Kaͤyſer An - ſchen in abnehmen kam / iſt ihre Macht durch iñerliche Unruhe geſchwaͤchet. Vor - nemlich hat ſich der Hertzog zu Sachſen Otto / des Henrici Aucupis Vater / der ein tapffer Volck unter ſich hatte / ſo weit ge - ſtaͤrcket / daß es das anſehen hatte / es man - gele ihm nichts zur Koͤniglichen Regie - rung / als nur der Titul. Darnach als der Kaͤyſer Conradus I. ſich veꝛgeblich bemuͤ - het hatte / deſſen Sohn Henricum zu recht zu bringen / hat er endlich / als er ſterben wollen / den vornehmſten Staͤnden gera - then / ſie ſolten ihn zum Koͤnig machen / als der fuͤr rathſamer hielte / dem jenigen das freywillig zu geben / was er ſelbſt mit Ge - walt nehmen kunte / oder damit er ſich nicht von dem uͤbrigen Leibe Teutſchlandes abſondern moͤchte. Doch ſind auch Fuͤr - ſten / die ihre Guͤter der Kayſer freygebig - keit zuſchreiben / deren Exempel vornem -lich88Vom Zuſtandnemlich in der Ottonem Hiſtoria vor - fallen.
Ob aber ſolche nach den Geſetzen einer Monarchia gerichtet / davon iſt jetzo nicht zeit zu reden. Ferner haben die Fuͤrſten das auffnehmen ihrer Macht beyzulegen den ſchenckungen der Kaͤyſer / den kauffun - gen / den Erbſchafften / die nicht allein von der verwandſchafft / ſondern auch von der verbuͤndniß der Succeſſion herruͤhren / (die Teutſchen nennenſie Erb-verbruͤde - rungẽ) wie noch ein ſolcher Bund zwiſchen den maͤchtigen Saͤchſiſchen / Branden - burgiſchen und Heſſiſchen Haͤuſern ſtehet. Durch einen ſolchen Bund iſt auch die Graffſchafft Henneberg auff die Sachſen kommen; Pommern auff den Branden - burgiſchen / ob gleich dieſer Bund nicht beyde Theile angehe. Jſt alſo offenbahr / daß durch ſolche Buͤndniſſen des Kaͤyſers Gewalt / ſo er uͤber die Laͤnder der Fuͤrſten / als ein Herr des Lehns hat / gaͤntzlich ver - ſpottet werde. Endlich ſeyn auch unter -ſchiede -89des Teutſchen Reichs. ſchiedenẽ Laͤnder bey unruhigen Zeiten mit Gewalt von etlichen eingenommen.
Weil aber ohne verwirrung entweder des gantzen Teutſchlandes / oder zum we - nigſten ohne untergang derer / welche ſich dawider legen / die einmahl erworbene Macht der Fuͤrſten nicht moͤchte geſchwaͤ - chert werden / dauchte den Koͤnigen beſſer zu ſeyn / vornemlich weil ſie auff keine ande - re Weiſe zum Reich gelangen konten / die einmahl einhabende Guͤter mit der condi - tion zu confirmi ren / daß ſie hernach ihre Laͤnder als Lehen vom Kaͤyſer recogno - ſci ren / und ihme und dem Reich ſchweren ſolten. Und daher iſt es kommen / daß die Fuͤrſtlichen Guͤter / wie ſie auch erworben / unter dem Lehen Titul ſind beſeſſen wor - den; durch das Wort Vaſal iſt doch der Macht und Hoheit der Fuͤrſten in Teutſch - land wenig abgangen: Zwar weme ich ein Lehen von dem meinigen aufftrage / den kan ich mir zum vollkommenen / wie -wol90Vom Zuſtandwol geehꝛten Unterthanen machen / und ſei - ner poſſeſſion nach belieben Geſetze vor - ſchreiben; Wer aber ſchon vorhin erwor - bene Guͤter von einem andern als Lehen recognoſci ren wil / von dem iſt zu halten / daß er nichts anders thue / als daß er ſich dem jenigen / welchen er fuͤr einen Herrn des Lehens haͤlt / als einen ungleich verbun - denen zugeſelle / und ſeine Mayeſt. unter - thaͤnigſt zu verehren verpflichtet ſey. Nach untergang aber des Caroliniſchen Ge - ſchlechts war Teutſchland gantz frey wor - den / und hatten ihnen die meiſten von den Vornehmſten weitlaͤufftige Laͤnder zu we - ge gebracht. Nachdem es ihnen derowe - gen gut dauchte einem von den vornehm - ſten den Koͤniglichen Titul auffzutragen / damit Teutſchland / in ſolche kleine Staͤdte getheilet / nicht wieder in ſeinen vorigen Zu - ſtand geriethe / darf man gar nicht meynen / die Vornehmſten haben ihre Guͤter weg - werffen / oder eines andern bloſſer Herr - ſchafft unterwerffen wollen / ſondern ihnenviel -91des Teutſchen Reichs. vielmehr einen tapffern Beſchuͤtzer derſel - ben ſuchen. Nachdem der Fuͤꝛſtliche Stand einmahl eingefuͤhret und bekraͤfftiget war / gebuͤhrete es ſich / daß auch die jenige den Alten gleicheten / welche hernach die Kaͤy - ſer freywillig mit dieſem Titul an der auß - geſtorbenen Familiem ſtelle begabeten. Daß dieſe Lehens verknuͤpffung / wodurch die Fuͤrſten mit dem Kaͤyſer verbunden werden / nichts anders mache / als eine un - gleiche Verbuͤndniß / wird der jenige leicht - lich mercken / der in civil Sachen wol er - fahren iſt: Denn das kan ſich an einem Unterthanen nicht ſchicken / daß er uͤber ſeine Buͤrger das recht habe ſie zu toͤdten / und leben zu laſſen / daß er in ſeinem Lande nach belieben Obrigkeit einſetze / Buͤndniſ - ſen mache / allerhand Einkuͤnſſte nicht in den Koͤniglichen Kaſten lege / ſondern fuͤr ſich behalte / daß er endlich nichts thue / ohne was ihm ſelber gut gedaucht; Daß aber ein Bundgenoß / der groͤblich wider die Geſetze des Bundes geſuͤndiget / vonden92Vom Zuſtandden andern koͤnne geſtrafft werden / iſt aus vielen alten und newen Exempeln bekand; Der Kaͤyſer aber muß allein uͤber die Sa - chen urtheilen / dadurch ein Fuͤrſt umb ſein Land zu kommen verdienet; Gleich wie er den Grund der Gewalt der Fuͤrſten in Teutſchland außrotten wolte; Alſo hielten die jenigen / die den Kaͤyſern / ſo ſolches vor - genommen / hefftig widerſprochen / fuͤr eine Schande / ihre Rechte durch eine nachlaͤſ - ſige Ehrerbietung zu verlieren.
Was demnach in allen Reichen / darin die Obrigkeit der Unterthanen Macht zu fuͤrchten hat / zu geſchehen pfleget / das iſt von der zeit an viel klaͤrer in Teutſchland geſchehen: Daß wenn ein Kaͤyſer von ihm ſelber reich / und herrlicher Tugenden we - gen beruͤhmt war / ihm auch die Fuͤrſten ge - horcheten; die ſchwachen und unverſtaͤn - digen aber faſt bitweiſe regierten. Und die jenigen Kaͤyſer / die ſich vorgenommen ha - ben / die ſo tieff eingewurtzelte Macht auß -zurot -93des Teutſchen Reichs. zurotten / und Teutſchland unter die Geſetze einer wahren Monarchia zu bringen / ha - ben ihnen bißweilen ſelber das Verderben uͤber den Hals gezogen / ſind immer von ih - rer Hoffnung betrogen / und haben nichts als ungemach fuͤr ſich und andere davon getragen. Es haben auch die mit Liſt an - greiffende wenig außgerichtet / weil allzeit auff der andern ſeite was erfunden wor - den / wodurch ſolch Vornehmen verhin - dert wuͤrde. Und wenn ja etwas weg ge - nommen / iſt es durch ein ander Mittel wie - der erſetzet. Alſo iſt jederman bekand / wie ungluͤcklich das Vornehmen des Caroli V. im vorigen / und des Ferdinandi II. in dieſem Seculo außgelauffen. Etlicher Fuͤr - ſten Macht aber hat ihr eigener uͤberfluß / traͤgheit und verſchwendung ſehr verrin - gert / und weil ſie ihre Guͤter zu vermehren oder zu erhalten keine Sorge truͤgen. Viel Familien ſind auch deßwegẽ geſchwaͤchet / daß ſie ihre Laͤnder in viel kleine ſtuͤckgen unter ihre Verwandten getheilet haben. Etliche94Vom ZuſtandEtliche haben auch neben ihrer eigenen ſchuld die Buͤrgerlichen Kriege in Ungluͤck geſtuͤrtzet.
Nun muß ich auch von den Biſchoͤffen etwas hinzu thun. Jſt demnach bekand / daß von anfang der Chriſtenheit Biſchoͤffe aus den andern Geiſtlichen und Glaͤubi - gen ſind gemacht und erwehlet worden. Hernach / umb das vierdte Seculum, als auch die Fuͤrſten anfiengen Chriſten zu werden / iſt hin und wieder gebraͤuchlich worden / daß / die in groſſem Anſehen dem Regiment vorſtunden / nicht leichte zuga - ben / daß einer ohne ihren conſens zum Bißthum gelangete / da ſie nemlich merck - ten / wie dienlich es zum gemeinen Frieden waͤre / daß gute und friedfertige Maͤnner den geiſtlichen Stand verwalteten. Glei - ches Recht haben anch die Fraͤnckiſchen Koͤnige gebrauchet / daß die jenigen in ih - rem Reiche Biſchoͤffe wuͤrden / welche ſie ſelber beſtellet. Gleicher Macht haben ſichauch95des Teutſchen Reichs. auch die Teutſchen Kaͤyſer bedienet biß an den Henricum IV. welchen deßwegen der Pabſt Gregorius VII. und deßen Nach - folger ſchrecklich vexiret haben. Biß end - lich ſein Sohn Henricus V. von ſo vielen Auffruhren abgemattet / im Jahr 1122. auff dem Reichstage zu Worms ſich ſei - nes Rechtens Biſchoͤffe zu machen und einzufuͤhren begeben; welche inveſtitur mit darreichung eines Rings und Stecken verrichtet ward[:]Der Kaͤyſer hat die Macht behalten / dem erwehlten Biſchoffe die regalien uñ Lehen des Reichs zu erthie - len / wobey er ihm auch das Scepter uͤber - antwortet. Und iſt jederman bekand / was dieſes dem Kaͤyſer fuͤr Schaden gebracht. Denn ob er wol uͤber die weltliche Fuͤrſten wenig Macht gehabt / haͤtte er doch leichte deren Macht / durch die dem Kaͤyſer ſon - ſten unterworffene Prieſter / gleichen oder uͤberwinden koͤnnen. Ob aber wol in dem Vertrag Henrici des V. mit dem Pabſt außtruͤcklich geſetzet / daß hernachmahls dieWahl96Vom ZuſtandWahl der Biſchoͤffe bey den Geiſtlichen und dem gemeinen Volcke ſeyn ſolte; ha - ben doch die Thum - oder Capituls-Herren angefangen ihnen allein die Wahl beyzu - meſſen / da ohne zweiffel der Pabſt dazu durch die Finger geſehen / als welchem zu ſeiner Sache dienlicher dauchte / daß die Wahl bey wenigen als bey vielen waͤre. Endlich iſt es dahin kommen / daß nun - mehr von dem Capitul die confirmation der erwehlten Biſchoͤffe von Rom muß gefordert werden / da ſie vorhin neben der conſecration bey den Metropolitanen geſtanden. Manfindet gar wenig Exempel / daß die Paͤbſte in Teutſchland aus eigener anthorität Biſchoͤffe geſetzet / ich halte auch gaͤntzlich dafuͤr / da es geſchehen ſolte / daß ein ſolcher von dem Capitul nicht an - genommen wuͤrde.
Es haben aber die Biſchoͤffe in Teutſch - land ihrer groſſen Guͤter wegen vornem - lich den erſten Kaͤyſern zu dancken / maſſenzu der97des Teutſchen Reichs. zu der Zeit die Fuͤrſten ſehr eifferig in der Gottesfurcht waren / und je mehr einer an die Prieſter ſpendirte / je feſter vermeynte er mit Gott verbunden zu ſeyn. Welche meynung doch jetzo bey den meiſten veral - tet / indeme die meiſten dafuͤr halten / die Gottesfurcht werde bey den Prieſtern durch gar zu groſſes Reichthum mehr ver - hindert als erhalten. Es ſcheinet auch / daß viel Prieſter kuͤhn genug geweſen / von den frommen und einfaͤltigen Leuten das jeni - ge zu fordern und zu begehren / wodurch ſie vermeynet / daß ihre ſchwere Profeſſion koͤnne erleichtert werden. Derowegen ſind den Biſchoͤffen und Kirchen nicht al - lein liegende Gruͤnde / Zehenden und ande - re Einkuͤnffte / ſondern anch gantze Herr - ſchafften / Graffſchafften und Hertzogthuͤ - mer verehret / auch endlich ihnen das Fuͤr - ſtenrecht hinzu geleget / daß ſie alſo den welt - lichen Fuͤrſten gleich wuͤrden. Ob wol die meiſten zu der Ottonen Zeit und hernach zur Fuͤrſtlichen Hoheit erhaben ſind / habenFſie98Vom Zuſtandſie doch nicht zugleich alle und auff einmal / ſondern allmaͤhlich und zu verſchiedenen Zeiten die Fuͤrſten-rechte empfangen. Da - her kompt es / daß auch noch etliche dieſe Rechte nicht alle / und etliche ſolche mit ei - ner gẽwiſſen reſtriction haben. Sonſten hat ihnen zu ſolchen groſſen Wuͤrden nicht wenig geholffen / daß mit der Zeit neben de[-]nen vom Adeln auch Fuͤrſt - und Graͤffliche Perſonen nach den geiſtlichen Emptern geſtanden / deßgleichen dann bey den erſten noch faſt Barbariſchen Zeiten die allein etlicher maſſen gelahrt waren / ſo im geiſt - lichen Stande lebeten / da ſind bey zeiten die Biſchoͤffe gen Hoffe zu rath gezogen und den jenigen Emptern vorgeſtellet / die kein ungelehrter verwalten kan. Dahe[r]fuͤhren auch noch die vornehmſte Præla[-]ten den Cantzlers Titul. Jch ſolte auch meynen / der Biſchoͤffen Guͤter waͤren nicht wenig daher vermehret / daß viel Fuͤrſten und Edelleute ihre Guͤter oder ein the[il]derſelben von den Biſchoͤffen fꝛeywillig a[lſ]Lehen99des Teutſchen Reichs. Lehen haben erkennen wollen / damit ihre Seligkeit Gott dem HErrn deſto fleiſſiger von den Geiſtlichen moͤchte vorgetragen werden / und wenn derſelben Familien außgeſtorben / kamen ihre Guͤter auff die Bißthuͤmer. Wem iſt endlich nicht be - kand / welch ein groſſer Reichthum durch ſchenckungen und Teſtamenten ſo wol der Vornehmen als Layen den Geiſtlichen zu - gewand? Weil ſie meyneten / man muͤſte die Flammen des Fegfewrs redimi ren / was es auch koſtenſolte / fuͤr welche ſich die Teutſche nation, welche ſonſten weder Durſt noch Hitze leyden kan / ſehr fuͤrchtete.
Hiemit haͤtten die Prieſter nun wol koͤn - nen zu frieden ſeyn / ob ſie gleich den Ehr - und Geltgeitz nicht gaͤntzlich verſchworen; Denn wie dieſe art Leute hefftig begehret / uͤber andere zu herrſchen / anderer Gewalt aber uͤber ſich nicht gern zu leyden pfleget; Alſo dauchte ihr diß einige an ihrer voll - kom̃enen Gluͤckſeligkeit noch zu mangeln /F ijdaß100Vom Zuſtanddaß es bey dem Kaͤyſer ſtuͤnde / ſo herrliche Beneficien außzutheilen / welchem ſie dero - wegen ſondeꝛlich verbunden leben muͤſten. Wenn es nicht umb die Ehrerbietung des heiligen Ordens waͤre / wolte ich die jeni - gen die alleꝛ gottloſeſten nennen / welche der faſt unbedachtſamen Kaͤyſerlichen freyge - bigkeit znm untergang der Kaͤyſerlichen Hoheit gemißbrauchet haben / wie es der außgang beweiſet - Und halte den jenigen der Freyheit nicht wuͤrdig / der ſeinen Frey[-]geber als einen Patron nicht ehren will Endlich hat der Paͤbſtliche Bann und die durch die Teutſche Prælaten angerichtet[e]Lermen zu wege gebracht / daß ſich die Prie - ſter der Layen Gebiet entzogen. Haben auch die Kaͤyſer nicht ehe zu frieden gelaſ - ſen / da meiſtentheils der Mayntziſche ihr vorgaͤnger war / welchem die uͤbrige Heerde trewlich folgete / biß es ihnen vergunt wor - den / vom Pabſt allein zu dependi ren. Wo[-]durch viele meynen / daß Teutſche Regi - ment habe ihm einen Unfall uͤber den Halsgezo101des Teutſchen Reichs. gezogen / daß ein theil derſelbigen / welche Teutſchen genennet werden / den jenigen fuͤr ihren Oberherrn erkennen / der auſſer - halb ihrem Regiment iſt. Es ſey denn / daß wir glaͤuben wollen / die Paͤbſte lieben dieſe narion ſo hefftig / daß ſie ihrer Selig - keit nichts vorziehen; Und daß man beſſer zu Rom ſehen koͤnne / was Teutſchland zu - traͤglich ſey / als in Teutſchland ſelber.
Es iſt aber noch ruͤckſtellig / daß wir auch von den Freyſtaͤdten etwas hinzu thun. Hatte demnach Teutſchland jenſeits dem Rheinſtrom biß auff das fuͤnffte Seculum nach Chriſti Geburt nur Flecken ohne Mauren und zerſtrewete Gebaͤwde. Ja biß auff das neunte Seculum wird bey den Venedis oder Wenden nur einer oder an - dern Stadt gedacht. Ob gleich in den Thei - len diſſeits des Rheins / ſo vormahls die Roͤmer inne hatten / zeitlich Staͤdte geba - wet worden. Wie auch in dem tractu oder Gegend zwiſchen der Donaw und den Alp -F iijgebir -102Vom Zuſtandgebirgeu / welcher hernach zu Teutſchland kommen. Jene Alten aber hatten keine Staͤdte / theiis weil ſie die Baukunſt nicht verſtuͤnden / wie noch an vielen Orten in Teutſchland zu ſehen / theils wegen des un - bendigen Volcks / daß ſolche gleich als Ker - cker ſcheuete / zu deme auch weiln die Vor - nehmſten ihre hoͤchſte Luſt nur im jagen ſuchten. Auch verſtunden die jenigen nicht gnugſamb den Nutzen der Staͤdte / noch verlangeten darnach / welche der ſchlechten Baurkoſt / geringen Haus - und Vorraths gewohnet / des uͤberfluͤſſigen Reichthums aber und Wollebens ungewohnet waren. Hernach aber / als ihre Gemuͤther durch den Chriſtlichen Glauben gezaͤhmet / haben ſie auch ein ehrbarer Leben angefangen; Allmaͤlich iſt die Luſt mehr und mehr zu ha - ben / und die andeꝛswoher eingefuͤhrte uͤber - fluͤſſige Schlemmerey / welche alle beyde dann in den Staͤdten am meiſten getrieben wergen / dazu kommen. Auch die Fuͤrſten / die zu ſolcher Macht geſtiegen / legten ſichumb103des Teutſchen Reichs. umb ihre Macht und Reichthum ſehen zu laſſen auff das Staͤdte bawen / und luden die Bauren uñ Außlaͤnder mit verheiſſnug groſſer Freyheiten daſelbſt hin zu woh nen / voꝛnemlich / als nach einfuͤhꝛung der Chriſt - lichen religion die Dienſtbarkeit auffhoͤr - te / oder zum wenigſten gemiltert wurde / da zogen die Freygelaſſenen / ſo keine Acker hatten / hauffenweiſe in die Staͤdt e umb daſelbſt Handwercke oder Kauffmanſchaft zu treiben. Es ſind auch wegen der Ungern Einfall von dem Kaͤyſer Henrico Aucupe viel Staͤdte in Sachſen gebawet oder befe - ſtiget / welcher den neunten Mann vom Lande in die Stadt zu ziehen befohlen. Fer - ner hat zu der Staͤdte auffnehmen gedie - net ſonderlich die verbuͤndniſſen zur gemei - nen beſchuͤtzung und fortſetzung der Com - mercien. Aus jenen iſt vornemlich zu ruͤh - men / welches die Staͤdte am Rhein im Jahr 1255 gemacht / zu welchem auch et - liche Fuͤrſten haben wollen gerechnet wer - den. Wegen der Commercien abſon. F iiijderlich104Vom Zuſtandderlich zu Waſſer iſt der Hanſe Staͤdten Verbuͤndniß auffgerichtet / welche vor zei - ten ſo ſtaꝛck und feſte geweſen / daß ſich auch die Koͤnige in Schweden / Engelland und Dennemarck dafuͤr geſchewet; Ob wol dieſe Geſellſchafft nach dem 1500. Jahr faſt gaͤntzlich eingangẽ / ſo wol / weil die klei - nere Staͤdte / da ſie ſahen / daß die groſſen den Gewinn allein hatten / hin und wieder abfielen: Als weil auch andere am groſſen Meer oder Oft See wohnende Voͤlcker nach der Haͤnſiſchen Exempel Handlun - gen zu treiben angefangen / als nemlich die Flanderer und Hollaͤnder; Wie nun die - ſer ihre Handthierung / daß ſie einerley wa - ren / allein verkaufft / auffgehoͤret / alſo iſt auch ihre Macht uͤbern hauffen gefallen.
Dieſem nach ob gleich anfangs die Staͤdte gelinder tracti ret wurden als die Flecken / waren ſie doch eben ſo wol unter der Koͤnige und Koͤyſer Gewalt / welche auch die Graffen oder Koͤnigl. Geſandtenwie105des Teutſchen Reichs. wie man ſie nennet / darin zu Richter beſtel - let. Nachmahls ſind viele durch allzugroſ - ſe freygebigkeit der Kaͤyſer in der Biſchoͤf - fe / viel in der Hertzogen und Graffen Ge - walt gerathen / die uͤbrigen ſind allein den Kaͤyſern ohne Mittel unterworffen geblie - ben. Umb das 12. Seculum aber haben etliche derſelben / nachdem einige auff ihren Reichthum ſich veꝛlaſſen / angefangen groͤſ - ſere Freyheit zu gebrauchen / weil die Kaͤy - ſer / ſo mit der innerlichen Unruhe zu thun hatten / oder neulich zu dieſer Hoheit erho - ben / ſie nicht kunten zum Gehorſam brin - gen / oder von ſich ſelbſt deren Gunſt und Huͤlffe durch ertheilete Privilegien und Freyheiten begehrten / zum beyſtande wi - der die halßſtarrigen Biſchoͤffe uñ Fuͤrſten. Nechſt dieſem ſind auch die Advocaten und Vorſteher des Reichs allmaͤhlich ab - geſetzet. Als aber die nachfolgende Kaͤy - ſer geſehen / daß ſich die Biſchoͤffe ihrer Macht wider ſie mißbrauchten / haben ſie den vornehmſten Staͤdten PrivilegienF vgege -106Vom Zuſtandgegeben / und alſo der Biſchoͤffe Macht entzogen. Nachdem auch der Hertzogen von Schwaben Familia außgeſtorben / ha - ben viel ſonſt nur kleine Staͤdte deſſelben Hertzogthums die gelegenheit ſich ihrer Freyheit zu gebrauchen fleiſſig in acht ge - nommen. Dieſe Freyheit haben doch ſol - che Staͤdte nicht zugleich erhalten / ſondern einige / wen es die Gelegenheit und Favor der Kaͤyſer mitbrachte; daher kompts / daß ſie nicht alle gleiche Rechte haben / und es etlichen an den Fuͤꝛſten Rechten noch gaͤntz - lich fehle. Endlich haben viele der Hertzo - gen oder Biſchoͤffe das Recht / ſo dem Kaͤy - ſer uͤber die Staͤdte zugehoͤrete / durch kauf - fung / vertauſchung odere andere Mittel an ſich gebracht. Auch etlichẽ iſt es mit Ge - walt abgenom̃en / welches Unrecht der dar - auff erfolgete Vertrag entſchuldigen muͤſ - ſen; Denn viel / weñ es ihnen an Gelt man - gelte / hielten das fuͤr das letzte Huͤlffsmit - tel / den reichen ihrer Unterthanen Freyheit heit feil zu bieten; Oder / wenn ſie ſahen /daß107des Teutſchen Reichs. daß das jenige / was ihnen zukam / den Staͤdten duꝛch Gewalt nicht koͤnte genom - men werden / haben ſie es fuͤr einen Gewiñ geachtet / nur ein weniges zu nehmen / und ſtille zu ſitzen.
OB nun wol Teutſchland von ſo vie - len Gliedern znſammen geſetzet / de - ren die meiſte ſehr maͤchtig / iſt es doch von des Caroli zeit an / einem Haupte (welches die Alten ſchlechter dinge einen Koͤnig / die nachfolger aber etwas hoͤher einen Roͤmiſchen Kaͤyſer oder Cæfarem genennet) unterworffen geweſen / ohne / daß etliche interregna dazwiſchen gekom - men; Und dieſes Haupts wegen iſt Teutſch - land den meiſten als ein einfaches Regi - ment vorkommen. Wie ſolches HauptF vjnun108Vom Zuſtandnun erwehlet werde / wollen wir hernach ſehen. Es wird aber der Muͤhe werth ſeyn / etwas weitlaͤuftiger von der Sache zu han - deln / damit man zugleich ſehe / was fuͤr ein groſſer unterſcheid zwiſchen der alten und newen Wahl / und welches der eigentliche Urſprung der Churfuͤrſten ſey. Muß man demnach bey dem Carolo M. und deſſen Nachkommen das Roͤmiſche Reich und das Fraͤnckiſche Reich mit unterſcheid be - trachten. Jenes daß Roͤmiſche iſt dem Ca - rolo mit bewilligung des Roͤmiſchen Volcks und des Padſtes / als deſſen vor - nehmſten Gliedes / der ſonſten auch merck - lich uͤber das Volck zu regieren trachtete / auffgetragen worden / und zwar / wie es das anſehen hat / erblich; Alſo / daß ſeine nachfolgere nicht nach einer newen und freyen Wahl / ſondern nur nach der gemei - nen einweihung ſind gekroͤnet worden. Denn ob man zwar lieſet / daß der Caro - lus ſeinen Sohn Ludovicum, und dieſer den Lotharium zu gehuͤlffen des Reichsange -109des Teutſchen Reichs. angenommen haben / ſo wird doch der da - zu erfoderten newẽ bewilligung des Pabſts und der Roͤmer nicht gedacht. Daß alte Franckiſche Reich aber kan man weder ein recht Erb Reich / noch ein Wahl Reich nennen / ſondeꝛn das vermiſchter weiſe auff die nachfolger kommen; Weil wir finden daß die Koͤnige der Francken mit bewilli - gung und zuruff ſo wol der vornehmſten als des gantzen Volcks ſeyn erwehlet wor - den / doch alſo / daß man nicht ohne erheb - liche Urſachen von des verſtorbenen Koͤ - niges Geſchlecht abgangen. Welche art der ſucceſſion auch bißdaher in Pohlen iſt in acht genommen. Wer aber hierauff etwas genauer achtung giebet / wird mer - cken / daß das Reich der Francken mehr nu - tzen auß der ſucceſſio oder erb / als aus der Wahlart / gehabt habe / weiln es nemlich ſcheinet / daß dem Urheber dieſes Geſchlech - tes mit dem bedinge das Reich auffgetra - gen / daß ers auch auff ſeine Nachkommen braͤchte / wo ſolche nicht fuͤr ſehr untuͤchtigF vijvon110Vom Zuſtandvon dem Volcke geachtet wuͤrden. Alſo haben die Staͤnde und das gemeine Volck durch dieſe bewilligung den Soͤhnen der verſtorbenen Koͤnige nicht eben ein neues Recht zum Rrich gegeben / ſondern viel - mehr erwieſen / daß der Sohn des bey der erſten aufftragung des Reichs zugeſtande - nen Rechtens faͤhig - und tuͤchtig ſey. Als nachmahls des Caroli Geſchlecht von der Franckiſchen regierung kommen / iſt das Teutſche oder das gegen dem Morgen be - legene Franckiſche Reich (wie es dazumal genennet ward) auß freyer Wahl der Staͤnde dem Hertzogen von Sachſen Otto auffgetragen worden / welcher / nach dem er ſein Alter vorgewand / gerathen hat / man ſolt Conradum Hertzogen in Fran - cken zum Koͤnige in Teutſchland wehlen / als welchen etliche fuͤr des Caroli Ver - wandten hielten. Auff dieſen rath iſt gleich - fals des Ottonis Sohn Henricus Au - ceps durch eine freye Wahlzum Reich er - hoben / welcher mit Teutſchland allein ver -gnuͤget /111des Teutſchen Reichs. gnuͤget / auch ohne des Pabſts begehren / den Kaͤyſerlichen Titul angenommen Deſſen Sohn Otto M. aber hat / nach dem er Jtalien bezwungen / die Stadt Rom und das Kirchengebiet alſo mit Teutſch - land verbunden / daß der jenige ohne einer neuen Wahl Roͤmiſcher Kaͤyſer ſeyn ſolte / welcher das Teutſche Reich uͤberkommen / alſo daß die Kroͤnung des Pabſts nichts mehr als eine gewoͤhnliche Ceremonie ſeyn ſolte / wiewol vor zeiten die Koͤnige in Teutſchland den Kaͤyſerlichen Titul vor ſolcher Kroͤnung nicht leichtlich gefuͤhret. Mit der ſucceſſion aber in Teutſchland iſt es faſt eben ſo beſchaffen geweſen / als in dem alten Fraͤnckiſchen Reich / daß nem - lich die Staͤnde und das gemeine Volck nicht leichte von dem Koͤniglichen Ge - ſchlecht abgiengen / uñ das hat gewaͤret biß auff Henricum IV. deſſen aufferziehung und Gluͤck nicht fort gewolt / daß auch die Staͤnde des Teutſchen Reichs bewogen / in deme der Pabſt tapffer zuſcheurete / ſichwieder112Vom Zuſtandwieder den Kaͤyſer zu ſetzen / und ihn vom Reich zu ſtoſſen / darauff ſie eine verord - nung gemachet / daß kuͤnfftig der Sohn des Koͤniges / ob er gleich tuͤchtig ſey / duꝛch eine freywillige Wahl / und nicht durch Erb - ſchafft zum Reich kommen ſolte (wie die Worte in der veroꝛdnung lauten) und von der zeit an hat algemach die erbliche ſuc - ceſſion auffgehoͤret.
Dieſe alte Bewilligung und Wahl a - ber iſt von dem gantzen Volcke geſchehen; ob es wol auſſer zweyffel ſey / daß der Staͤnde / als nemlich der Fuͤrſten / Bi - ſchoͤffe und Edelleute anſehen allhier am meiſten gegolten. Nun aber von etli - chen hundert Jahren her / werden alle an - dern außgeſchloſſen / und ſind nur fieben / und nach dem Oßnabruͤggiſchen Frieden acht von den vornehmſten Fuͤrſten / die den Kaͤyſer erwehlen / welche daher Chur - fuͤrſten genennet werden / als drey Geiſt - liche / der zu Mayntz / Trier und Coͤln / undfuͤuff113des Tentſchen Reichs. fuͤnff Weltliche / der Koͤnig in Boͤhmen / die Hertzogen zu Bayren und Sachſen / der Marggraff zu Brandenburg / und Pfaltzgraff am Rhein. zu welcher zeit aber dieſe Fuͤrſten gedachtes recht uͤber kom̃en / kan man allerdings nicht wiſſen. Zwar hat man in 200. und mehr Jah - ren / als vom 1250. ohngefehr biß an das 1500. Jahr ins gemein da vorgehalten / daß der Kaͤyſer Otto III. und Papſt Gregorius V. die ſieben Churfuͤrſten ein - geſetzet haben / und wollen etliche Autores dem Kaͤyſer / andere dem Pabſt das mei - ſte darunter zneignen / nach dem einjegli - cher dieſer oder jener Parthey zugethan. Dieſer meynung hat ſich zu erſt / ſo viel mir bewuſt / unſer Landsman Onuphrius Panvinius in einem ſanderlichen Buͤch - lein wiederſetzet / welches tituli ret wird: De comitiis Imperatoris. Deme heut zu tage die verſtaͤndigſten unter den Tent - ſchen nachfolgen. Daß vornehmſte argu - ment und beweißthum iſt / daß die jenigeverord -114Vom Zuſtandverordnung / ſie mag von Kaͤyſer Otto oder Pabſt Gregorius herruͤhren / von keinem biß anhero hat koͤnnen gefunden werden / und daß von derſelben all e Scri - benten biß auff des Friderici II. zeiten in 240. jahren von Otto III. ſtilleſchwei - gen: Denn der erſte / ſo der Churfuͤrſten gedencket / iſt Martinus Polonus welcher unter Friderico II. ohngefehr 250. Jahr nach Ottonem III. gelebet hat / deme auch nicht eben allerdings in einer Sache / die ſich ſo lange vor ſeiner zeit zugetragen / zu mahlen er keine ſcheinbahre Zeugniſſen hat / zu glauben. Doch gedencket er auch eben keiner verordnung / krafft welcher die Churfuͤrſten zu des Ottonis zeit haben angefangen / ſondern dieſes bekraͤfftiget er nur / daß nach deß Ottonis zeiten die reichs officiales zu wehlen angefangen. Welches in zweyerley verſtande kan zu - gelaſſen werden / entweder wil zu der zeit die jenigen / ſo vorhin die vornehmſten Chargen zu hoffe bedienet / die weitlaͤuff -tigſten115des Teutſchen Reichs. tigſten Laͤnder einbekommen haben / oder weil dieſe Chargen damals immer denen Fuͤrſten / die weitleufftige Laͤnden beher - ſcheten / auffgetragẽ wurden / welche doch wie ſie vielleicht unter den andern ein ſon - derbahres anſehen gehabt / alſo wird kei - ner leugnen / der ſich inden antiquitæ ten Teutſchlandes etwas umgeſehẽ / daß uͤbeꝛ dieſe ſieben auch andere Fuͤrſten zur Wahl der Koͤnige zugelaſſen. Andere ſchreiben Friderico II. die einſetzung der Churfuͤrſten zu / aber es wird nirgends ei - nig monument ſolcher verordnung ge - funden; Und iſt nicht vermuthlich daß die andern Fuͤrſten ſo geſchwinde und gerne von ihrem recht abgetreten.
Sind demnach die Teutſchen / ſo umb ihr Vaterland guten beſcheid wiſſen faſt in der meinung / daß ſchon vor Fridetici II. zeiten dieſe ſieben Fuͤrſten als Reichs Bediente und ſehr beguͤterte Herren in der Wahl der Kaͤyſer / die andern allge -mach116Vom Zuſtandmach am anſehen zu uͤbertreffen ange - fangen; Nach des Friderici zeit aber / als es in Teutſchland ſehr verworren außſahe / und ſich die andern umb die ge - meine Reichsſachen wenig bekuͤm̃erten / haben ſich dieſe allein daß Recht Kaͤyſer zu waͤhlen beygemeſſen. Als nun dieſes durch unterſchiedliche Actus zur gewohn - heit worden / iſt ſolche als eine offentliche und beſtaͤndige verorgnung in der guͤlde - nen Bulla, wie man es nennet / abgefaſſet worden. Darin die gantze art zu weh - len und alle Macht der Churfuͤrſten ent - halten iſt / und von der zeit an / haben dieſe Fuͤrſten ihrem vorigen Titul den Chur - fuͤrſtlichen zugeleget / und ſind in groͤſſerm Wehrt als die andern gehalten worden.
Ob derowegen wol ſcheinet / dieſe Fuͤr - ſien haben ihnen ſolch Ampt zu wehlen / als Reichs Bediente / angemaſſet; Sind doch hernach dieſe aͤmpter eben ſo wol als die Churfuͤrſtliche wuͤrde durch die guͤl -dene117des Teutſchen Reichs. dene Bulla an gewiſſe Laͤnder verknuͤpf - fet / daß wer ſolche rechtmaͤſſiger weiſe be - ſitzet / eben dadurch Churfuͤrſt ſey. Und zwar werden die Geiſtliche Churfuͤr - ſten / gleich wie die andern Biſchoͤffe in Teutſchland / durch die Wahl oder auff - tragung eingeſetzet. Wobey zu mercken daß obgleich ſonſten die Biſchoͤffe / damit ſie ihr Ampt rechtmaͤſſig und voͤllig ver - richten koͤnnen / des Pabſtes confirma - tion und eines Mantels / der theur zu loͤ - ſen / beduͤrffen / ſie dennoch / auch vor der Paͤbſtlichen confirmation, zur Kaͤyſers Wahl gelaſſen werden / da die Weltli - chen Ehren ſtellen kein ſonderlich merck - zeichen haben. Wenn aber die ſtelle va - ciret, kan das Capitul des Churfuͤrſten ſtelle nicht vertreten. Jn den Welt - lichen Churfuͤrſtenthuͤmern iſt die jenige ſucceſſions art gebraͤuchlich / welche ſie agnaticam nennen / und zwar alſo / daß man weder die Churfuͤrſtliche wuͤrde / noch die den Churfuͤrſtenthuͤmern abſon -derlich18[118]Vom Zuſtandderlich zugelegte Laͤnder theilen muͤſſe; Wenn man aber ein neu[Churfuͤrſten] - thum anrichten wolte /[oder] ſich jemand eines verbrechens wegen ſolcher wuͤrde enteuſſern muſte / wird es ohne zweiffel mit den andern geſetzen und gewohnhei - ten des Reichs uͤbereinkommen / daß al - lein der Kaͤyſer auß eigener autorität ohne der andern Staͤnde oder nur der Churfuͤrſten bewilligung allhie nichts anordne. Ob man wol in dem vorigen und dieſem unſern ſeculo ein wiedriges Exempel hat / wieder welches doch einer uñ ander proteſti ret / daß doch der Kaͤy - ſer / welchem damahls der Mars uͤber die maſſe guͤnſtig zu ſeyn ſchiene / wenig ge - achtet / wobey eꝛ deñ ſokluͤglich gehandelt / daß er die dem einen abgenommene Chur fuͤrſtliche Wuͤrde dem Verwandt en auß eben derſelben Familia auffgetragen / da - mit nicht allein die mißgunſt dieſer That verringert / ſondern auch die maͤchtigſten Familien durch eine ſtetige æmulationvon119des Teutſchen Reichs. von einander getrennet werden / und zu - gleich das jenige theil welches der Kaͤyſer ſelber zu Kraͤfften geholffen ihm[dafuͤr] verbunden bleiben moͤchte. Es iſt lauch dieſes nicht zuvergeſſen / daß / wenn die Churfuͤrſten noch minder Jaͤhrig ſeyn / derſelben Vormuͤnder auff der Kaͤyſer Wahl ihre Stelle vertreten; Sie wer - den aber muͤndig / wenn ſie das achtzehen - de Jahr erreichet.
Die Wahl wird faſt auff dieſe weiſe vorgenommen / der Maͤyntziſche thut es innerhalb Mondes friſt / von dem erſten Tage an / da er des Kaͤyſers Todterfah - ren / ſeinen Collegen zu wiſſen / und be - ruffet ſie zu der kuͤnfftigen Wahl / wel - che entweder ſelbſt / oder durch ihre Ge - ſanten ſich einſtellen. Wenn ſie zu Franckfurt einziehen wollen / iſt ihnen ei - ne gewiſſe anzahl Reuter nemlich 200. beſtellet / welche zahl doch heute zu Tage nicht ſo genau in acht genommen wird. Jn120Vom ZuſtandJn dem die Wahl vorgehet / muͤſſen alle frembden aus der Stadt weichen. Der Actus der Wahl / welche in der Sacriſtey der Kirchen S. Bartholomæi Geſchicht / wird mit einer Meſſe angefangen: Dar - auff treten ſie vor den Altar[umb] zu ſchweren / daß ſie einen tuͤchtigen Kaͤyſer erwehlen wollen; Der Maͤyntziſche als des Collegii Decanus ſamlet die Stim - men / erſtlich fraget er den von Trier / her - nach den von Coͤllen und ſo weiter / er ſelber ſpricht endlich das Urtheil / und die meiſten Stimmen gelten fuͤr alle; Weil aber jetzund acht ſeyn / iſt noch nichts ge - wiſſes beſchloſſen / was man thun muͤſſe / wenn es ſich zutruͤge / daß die Stimmen auff beede ſeiten gleich waͤren. Es iſt dem Churfuͤrſten nicht verboten ihme ſelb - ſten ſeine Stimme zu geben; die geſchehe - ne Wahl pfleget auffgeſchrieben und mit der Churfuͤrſten Siegel confirmiret zu werden. Darnach treten ſie vor den Al - tar / woſelbſten der Maͤyntziſche den erwehl -ten121des Teutſchen Reichs. ten Kaͤyſer vor der zuſammen beruffenen Gemeine offentlich außruffet / deme bald hernach das Reich mit gewiſſem bedinge anbefohlen wird / doch alſo / daß er allen und jeden Churfuͤrſten ihre Privilegien und Rechte alsbald confirmi ren muͤſſe - Zu der Kroͤnung iſt zwar nach der Guͤlde - nen Bulla die Stadt Achen verordnet / ob gleich bißanhero / an dem Orte wo die Wahl vorgangen / auch die inaugurati - on gemeiniglich gehalten worden. Und weil dieſe Stadt in dem Coͤllniſchen Ge - biete ligt / hat ſchon vor langen Jahren her der Churfuͤrſt von Coͤlln ſolches verrich - tet; Uber welchem Recht der von Mayn〈…〉〈…〉 mit ihm in Sreit gerathen / welcher new - lich / wo mir recht / alſo iſt beygeleget / daß ſie einer umb den andern die Kroͤnung ver - richten ſollen / an welchem Orte auch ſelbi - ge gehalten wuͤrde. Andere hiebey ge - braͤuchliche Ceremonien werden hin und wieder bey den Teutſchen Scribenten ge - funden.
Daß nun die Churfuͤrſten neben dem Recht einen Kaͤyſer zu wehlen / auch macht haben denſelben / wo er es verdienet / abzu - ſetzen / wuͤrde vielleicht gar zu odios und hart ſeyn / ſolches mit einem offentlichen und außdruͤcklichen Geſetze zu verordnen; Daß ſie aber doch ſolche Macht veruͤbet / iſt an dem Wenceslao des Caroli IV. Sohn ſelbſten zu ſehen / von welchem die jenigen / ſo den Churfuͤrſten ihꝛe Hoheit mißgoͤnnen / klar genug vorgeben / er habe die Guͤldene Bulla heraus gegeben / und die Churfuͤrſten mit groſſen Geſchencken beleget / damit er ſeinen Sohn ſolcher ge - ſtalt zum Reich huͤlffe. Daß auch der Henricus IV. moͤchte vom Reich ver - ſtoſſen werden / daꝛumb haben ſich auch an - dere Fuͤrſten bemuͤhet. Und lieſet man von dem Churfuͤrſten von Mayntz / daß er einem und andern Kaͤyſer / der ihm etwaſ zu wider gethan / dieſes Recht die Kaͤyſer abzuſetzen dreiſte genug vorgehalten haben
Es haben auch die Churfuͤrſten noch andere vornehme Rechte vor den andern: Denn uͤber dem / daß ſie ohne den andern koͤnnen Zuſammenkuͤnffte halten / und ſich uͤber die vornehmſten Sachen berathſchla - gen / ſind ſie auch die hoͤchſten Reichs be - dienten. Alſo ſeynd Ertz Cantzler der von Mayntz durch Teutſchland / der von Trier durch Franckreich und das Koͤnigreich Arres, (durch welche Worte nach den er - fahrneſten Autoribus nicht das gantze Franckreich / ſondern was davon zum Burgundiſchen Reich gehoͤret hat / wel - ches in dem eilfften Seculo zu Teutſchland kommen / verſtanden wird) der von Coͤlln durch Jtalien / ungeachtet heut zu Tage ſolch Recht alleine dem erſten / den andern beyden nur der bloſſe Titul geblieben. Der Koͤnig in Boͤhmen iſt Ertz Schencke / und reichet dem Kaͤyſer bey offentlicher Reichs Hoffhaltung den erſten Becher. Der Bayriſche iſt Ertz Truchſes / und in der ſo -G ijlennen124Vom Zuſtandlennen Proceſſion traͤgt er den Reichs Apffel Der Saͤchſiſche iſt Eꝛtz Marſchalck / und traͤget ein bloſſes Schwerdt vor dem Kaͤyſer her. Der Brandenburgiſche iſt Ertz Kaͤmmerer / reichet dem Kaͤyſer Waſ - ſer / und traͤget in der Proceſſion das Sce - pter. Der Pfaltzgraff am Rhein iſt Ertz - Schatzmeiſter / und wirfft bey abfuͤhrung des gekroͤnten Koͤniges nach dem Pallaſt unter das umbſtehende Volck guͤldene und ſilberne Muͤntze. Ein jeglicher von den Weltlichen hat in dieſen Geſchaͤfften ſeine Vicarios, als der Boͤhme den Schencken von Limburg; der Bayriſche den Truchſes von Wallburg / der Saͤchſiſche den Mar - ſchalck von Papenheim / der Brandenbur - giſche den Graffen von Hohen Zollern / der Pfaͤltziſche den Graffen von Sintzendorff. Es ſind auch noch andere Privilegien der Churfuͤrſten in der Guͤldenen Bulla ver - halten / deren doch die meiſten die andern Fuͤrſten auch genieſſen; ohne das von ih - ren Gerichten nicht appelli ret wird / unddaß125des Teutſchen Reichs. daß ſie in der erneurung ihrer Lehen frey ſeyn / und was dergleichen mehr ſeyn moͤ - gen.
Zwiſchen des Kaͤyſers Todt und deſſen Nachfolger / verwalten Chur Pfaltz und Sachſen als Vicarii das Reich / jener in den Theilen am Rhein und in Schwaben / und wo das Fraͤnckiſche Recht gebraͤuch - lich; Dieſer wo die Saͤchſiſchen Rechte guͤltig ſeyn; Doch iſt ihnen verboten die Lehen der Fuͤrſten / und welche durch die Fahne pflegen conferi ret werden / jeman - de zu ertheilen / wie auch die Reichs Guͤter zu entwenden oder zu verpfaͤnden. Son - ſten pflegt das jenige / was ſie in waͤrendem ihrem Vicariat verrichtet / von dem new - erwehlten Kaͤyſer confirmi ret zu werden. Bey dem newligſten interregno, nach des Ferdinandi III. Todt machte der Churfuͤrſt in Bayern Churpfaltz dieſes Vi - cariat ſtrittig / wobey Bayern dieſes inſon - derheit in acht genommen / daß er ſein Vor -G iijnehmen126Vom Zuſtandnehmen auffs beſte diſſimuli ret / damit es nicht fuͤr der Zeit gemercket / und er dar - umb gebracht werden moͤchte. Und als ihm des Kaͤyſers Todt durch abgeordnete Curirer angekuͤndiget war / hat er ge - ſchwinde allenthalben Brieffe verſchicket / welche die annehmung des Vicariats an - kuͤndigten. Auff welche die meiſten Staͤn - de mit einer eilfaͤrtigen Gluͤckwuͤnſchung / ehe ſie die Sache recht uͤbergeleget / geant - wortet haben / und das iſt geſchehen / ehe faſt Chur Pfaltz etwas von des Kaͤyſers Todt gewuſt / welcher ſich nicht gerne wol - len in ſein Recht greiffen laſſen / ſondern auch hin und wieder die ankuͤndigung ge - than / daß nicht ohne Klage uͤber das un - recht / ſo ihm von Bayern wiederfah - ren / er ſich nachmals der Gewalt als ein Vicarius bedienen wolle; Und ob wol vie - len Fuͤrſten verdroſſen / daß ſie ihre Brieffe an Chur Bayern geſand / nicht wieder zu ruͤck ziehen koͤnten; So iſt es doch / wie es gemeiniglich zu geſchehen pfleget / daß auchda -127des Teutſchen Reichs. damals keiner frem̃den Gezaͤncks ſich wol - len thelhafftig machen. Nachmahls iſt die Sache[z]u offentlichen Schrifften zwiſchen beyden Theilen gekommen Und darff ſichs keiner ein Wunder ſeyn laſſen / daß Chur - Bayern ſich unterſtanden / ſolche Wuͤrde an ſich zu bringen / weiln er ſchon dazu - mahl / als es noch wol umb der Pfaͤltziſchen Sachen ſtunde / ſich nicht geſchewet / vor - zugeben / daß Churfuͤrſtenthum gehoͤre ihm / ſich dabey auff ſeine eigene Macht und der Oeſterreichiſchen Gunſt verlaſſen - de. Sonſten hielte man doch dafuͤr / daß[ die] Pfaͤltziſchen Scribenten / den meiſten die unpartheyiſch waren / deutlich genug ge - wieſen / daß die Wuͤrde des Vicariats gar kein theil oder anhang des Ertz Truchſes - thumbs / ſondern ein abſonderlich Recht ſey / welches der Pfaltzgraffſchaft am Rhein allzeit zukomme / wie auch Sachſen nicht als ein Churfuͤrſt / ſondern als ein Hertzog in Sachſen das Vicariat Ampt verwaltet. Doch weil die meiſten Bayern gewogenG iiijwaren /128Vom Zuſtandwaren / wolten ihn auch die andern nicht offentlich offendi ren / und damit nicht die Gewonheit eingefuͤhret werde / daß die Fuͤrſten ihr unrecht bekennen muͤſen / iſt dieſe Sache bißanhero nicht entſchieden worden.
Dem Kaͤyſer wird bißwalen ein Roͤ - miſcher Koͤnig zu gegeben / daß er als deſ - ſen general Vicarius in ſeinem abweſen / oder wenn er ſonſt verhindert / daß Reich verwalten, und wenn er endlich geſtorben / odne weiterer Wahl ſuccedi ren moͤge. Wenn ſolches geſchiehet / ſo wird gemel - niglich die Nothwendigkeit und Nutzen des Regiments vorgewand. Die rechte Ur - ſache pfleget aber wol zu ſeyn / daß die Kaͤy - ſere bey ihrem Leben ihre Soͤhne / Bruͤder oder nechſte Anverwandten deſto leichter zum Reich erheben moͤgen / maſſen ſie dann / als welche die hoͤchſte Gewalt in Haͤnden haben / gerne bey lebzeiten daꝛnach ſtreben / damit nach deren abſterben / dieNach -129des Teutſchen Reichs. Nachkommen / welche zum ledigen Thron frey auffgenommen werden / ſich nicht mit ſo harten bedingungen und Geſetzen duͤrf - fen verknuͤpffen laſſen.
DUrch was Gelegenheit die Teut - ſchen Staͤnde in ein viel groͤſſer auffnehmen kommen / als ſich bey einer Monarchia ſchicken wil / davon iſt ſchon oben meldung gethan; wie auch / daß durch die auf ſie gebrachte freye Wahl der Koͤnige ſie ſich bemuͤhet haben / die ein - mahl erworbene Guͤter wol zu erhalten / wodurch eben den Koͤnigen die groſſe Ge - walt nach belieben zu diſponi ren benom - men / muͤſſen dazu in wichtigen Sachen derG vStaͤnde130Vom ZuſtandStaͤnde bewilligung fordern / bey welchen mehr durch anſehen als Befehl etwas zu erlangen. Ja es iſt vermuthlich / daß die Teutſchen Staͤnde vormahls in den Eid / welcher faſt von allen Chriſtlichen Koͤni - gen pfleget geleiſtet zu werden / auch die Clauſul haben eingeruͤcket / daß der Koͤnig aller und jeden Teutſchen Buͤrger Rechte / wie auch die loͤbliche und im Reich ange - nommene Gebraͤuche in acht nehmen wol - le. Ob aber mit der Zeit deßwegen ſon - derliche Geſetze hinzu gethan und verfaſſet worden / iſt nicht gnugſam am Tage. Denn man vor den Carolum V. kein Exemplar ſolcher Capitulation geſehen / und ob gleich einige moͤchten auffgewieſen wer - den / darff man ihnen nicht glauben / daß aber dem erwehlten Kaͤyſer in der Guͤlde - nen Bulla alsbald befohlen / alle Rechte / Privilegien und Freyheiten der Chur - fuͤrſten durch Brieff und Siegel zu be - kraͤfftigen / das ſcheinet den Churfuͤrſten abſonderlich anzugehen / und alſo etwasvon131des Teutſchen Reichs. von der Capitulation, die zur erhaltung der Freyheit des gantzen Reichs dienlich / unterſchieden zu ſeyn. Die Urſach aber warumb die Churfuͤrſten den Carolum V. mit ſolchen außdruͤcklichen und weitleuff - tigen Geſetzen verbinden wollen / iſt gewe - ſen dieſes Fuͤrſten Macht / bluͤhende Ju - gend und hoher Geiſt / welches ſein Sym - bolum: Plus ultra, gnugſam zu verſtehen gab; Und damit er nicht ſeiner weitlaͤuff - tigen / Vaͤterlichen Erbſchafft / die Teut - ſchen dadurch in eine andere Ordnung zu bringen / mißbrauchen / auch wiſſen moͤchte / er muͤſſe Teutſchland auff eine andere wei - ſe / als ſeine uͤbrige Laͤnder guberni ren - Dieſen nun einmahl angenommenen Ge - brauch / ob gleich die jetzt angezogene Urſa - chen nicht eben allemahl eine ſolche Capi - tulation erforderten / hat man doch her - nach behalten.
Ferner ſind bißanhero dieſe Capitula - tiones dem Kaͤyſer von den ChurfuͤrſtenG vjallein /132Vom Zuſtandallein / ohne der andern Staͤnde Rath und Zuthun voꝛgeſchrieben geweſen. Woruͤber doch dieſe etliche mahl geklaget / und iſt in dem Weſtphaͤliſchen Frieden ſelbſt gedacht worden / daß auff dem nechſten Reichstage von der entwerffung einer jmmerwaͤren - den Capitulation ſolte gerathſchlaget werden / wodurch der Teutſchen art nach die Sache doch nimmer zum Schluß / ſon - dern allezeit auff die lange Banck wird ge - zogen werden. Jch hoͤrte zwar als ich zu Regenſpurg war / daß man ſchon ſolches mit ernſt vorgenommen / und ein zimlich theil Papier verdorben. Die verſtaͤndig - ſten aber halten dafuͤr / daß ſich die Chur - fuͤrſten keines Eingriffes zu fuͤrchten haͤt - ten; maſſen es dem Kaͤyſer zutraͤglicher waͤre / daß die Churfuͤrſten die andere Fuͤr - ſten uͤbertreffen: Denn dieſe / als wenige / koͤnne er leichter als alle Staͤnde auff ſeine ſeite bringen / und ihnen hergegen lieber hinwiederumb etwas nachgeben / zu deme wuͤrden die auß dem Fuͤrſten Rath / welcheaus133des Teutſchen Reichs. aus den Churfuͤrſtlichen Familien ent - ſproſſen / in dieſer Sachen nicht ſehr zuwi - dern ſeyn; der andern Begehren ſey nicht viel zu achten / uͤber daß ſtimme es mit den Sitten Teutſchandes nicht uͤberein / einen von ſeinem Recht / wie er auch ſolches er - langet / durch Gewalt oder Verbuͤndniß zu bringen! Sie thaten hinzu / ob gleich die uͤbrigen Staͤnde nicht unbillich begeh - ren / daß in der Capitulation eben ſo wol auff ſie / als auff die Churfuͤrſten moͤge ge - ſehen werden; So koͤnne doch kaum eine redens-art erdacht werden / welche nicht nachmahls bey veraͤnderung der Zeit zu endern: und daß es ſchiene / daß meiſte waͤre in den vorigen Capitulationen hin - zu gethan oder eingeflicket / nach dem es ſich bey gegenwertiger Zeit ſchicken wollen / umb die jenige Ritzen / dadurch die Kaͤyſer zu entkommen ſich unterſtanden / zu ver - ſtopffen. Ferner wuͤrden die Churfuͤrſten nicht ſchwer dazu zu bringen ſeyn / daß ſie auff der andern Staͤnde erinnerung in derG vijCapi -134Vom ZuſtandCapitulation hinein ſetzten / was zur be - ſchuͤtzung ihrer Freyheit dienlich ſchiene. Endlich waͤren die jenigen ſehr unbedacht - ſamb / welche den Churfuͤrſten uͤbel außdeu - ten wolten / daß ſie ſich ihres eigenen Nu - tzens nicht mehr dann[anderer] annehmen ſolten; gleichſamb / als wenn ſie allein die allen Menſchen gemeine inclination ab - legen muͤſten. Andere vermutheten eine andere Urſache / warumb wegen der Capi - tulation tracti ret wuͤrde / daß nemlich der Kaͤyſer / der ſonſt zum Reichstage ſchlechte luſt hatte / durch den Tuͤrckiſchen Krieg waͤre bewogen worden / die Staͤnde zuſam - men zu ruffen / indeme er verhoffet / er wol - le unter ſolchem ſchein eine groſſe Summa Geldes von den Staͤnden bekommen. Sie aber haben an ſtat des Geldes Soldaten angeboten; weil nun ſolches den Kaͤyſer - lichen Raͤthen ein ſchlechter Gewinn zu ſeyn dauchte / haben ſie fuͤr der rechten Zeit mit dem Tuͤrcken einen Frieden gemacht / alſo / daß ſie jetzund faſt im Zweyfel ſtehen /was135des Teutſchen Reichs. was fuͤr ein Reichsſchluß zu machen. Deñ die materia von der huͤlffleiſtung zum Tuͤrckiſchen Kriege / mit welcher in den meiſten alten Reichs Abſchieden ſchon gan - tze ſeiten voll gemacht / ſey nunmehr auffge - hoben. Wann dann ſorgfaͤltige Leute doch gerne wiſſen wollen / was eine ſolche menge Geſandten in ſo viel Jahren gethan / und zu was Nutzen des Vormittages der Spa - niſche / Nachmittage aber der Rheiniſche und Moſel Wein getruncken ſey / ſie frey ſchweren koͤnten / daß ihnen eine unauffloͤß - liche materia / woruͤber ſie ſich lange ver - geblich bemuͤhet / und nicht muͤſſig geweſen / ſey auffgegeben worden / daß ſie auch zu - gleich die wiederholung der vergeblichen Streitigkeiten / nach dem ſie dieſelbige Sa - chen biß auff den folgenden Reichstag auffgeſchoben / etlicher maſſen als ein Re - ceß des Reichs auffweiſen koͤnnen.
Dem ſey aber wie ihm wolle / ſo ſcheinet es doch als ein nuͤtzlicher Gebrauch zu ſeyn /daß136Vom Zuſtanddaß die Geſetze / welche die Kaͤyſ. Macht be - treffen / in außdruͤcklichen und abſonder - lichen Schrifften enthalten werden. Deñ es gedeyet viel zum anſehen der Staͤnde / daß weil ſie ſich nicht als andere Untertha - nen der Monarchen gebieten laſſen / man nicht meyne / ſie thun ſolches aus halſtar - rigkeit / oder durch eine bloſſe Gewonheit / ſondern weil ſie den Kaͤyſer auff ſolche Ge - ſetze angenommen haben. Sie nehmen auch ihre Freyheit durch vorgeſetzte ſchran - cken in acht / welche der Kaͤyſer nicht uͤber - ſchreiten darff. Auch wird auff dieſe weiſe dem Kaͤyſer die Urſache zu klagen benom - men / daß er nicht nach anderer Monar - chen art die jenige gebrauchen koͤnne / die ſich mit vielen Wort-Complementen ſeine demuͤtigſte Unterthanen nennen: Denn im anfange der Capitulation be - kennet er / daß er auff dieſe Geſetze das Reich angenommen / und daruͤber mit den Churfuͤrſten fuͤr ſich uñ den andern Staͤn - den als durch einen Bund einig gewor -den;137des Teutſchen Reichs. den; Solten ihm aber ſolche bedingungen mißfallen / duͤrffte er dieſe Wuͤrde nur ab - ſchlagen / oder den Churfuͤrſten weiſen / daß die beſagten Geſetze etwas unbilliges und ungereimtes in ſich hielten / welche ſolches ohne zweyfel alsdenn gerne aͤndern wuͤr - den. Wenn es dann nun dem Kaͤyſer ein - mahl gefallen hat / eine limitirte Macht anzunehmen / kan er keine vollkommene und Koͤnigliche Gewalt uͤber die Staͤnde mehr begehren; Daferne er aber ſolches zu thun ſich unterſtehen wuͤrde / duͤrffen ſie die Staͤnde ihme ungeſtrafft widerſtehen: Die veꝛſtaͤndigſten Teutſchen tragen daꝛan keinen Zweyfel / daß die Koͤnigliche Macht nicht in gewiſſen Graͤntzen koͤnne einge - ſchloſſen werden. Ja ich halte / es werden die ſcharffſinnigen Politici nicht laͤugnen / daß auch eine Gewalt ſey / welche dem Haupte eines conf0153; derirten Leibes zu - komme / und doch gar weit von dem Koͤ - niglichen und vollkommenen Gebiet un - terſchieden ſey.
Sonſten fludet man bey den meiſten Teutſchen Scribenten, wenn ſie von der Capitulation handeln / entweder eine ſchaͤndliche Luſt zu ſchmeicheln / oder eine groſſe unwiſſenheit der Politiſchen Wiſ - ſenſchafft. Es hat einer unverſchaͤmter weiſe ſagen duͤrffen / daß durch die Capi - tulation der Kaͤyſerlichen Gewalt keine termini geſetzet werden / ſondern nur ge - macht / daß die Kraͤffte des Reichs durch entwendungen / verpfaͤndungen und der - gleichen nicht in abnehmen kommen moͤ - ge. Ekliche erkennen / daß dadurch zwar die Kaͤyſerliche Macht mit gewiſſen Schrancken umbgeben werde / und alſo abſolut, aber nicht die hoͤchſte zu ſeyn aufſhoͤre / oder / wie andern beliebt zu re - den / daß ſolche zwar der Vollkommen - heit / nicht aber der Hoheit etwas beneh - me. Welches / wie es im folgenden Capi - tel ſol fleiſſiger examini ret werden / alſo iſt dieſes nur obenhin allhie zu erinneren /daß139des Teutſchen Reichs. daß die jenige betrogen werden / welche meynen / dieſer Streit werde durchaus auffgehaben durch den unterſcheid zwi - ſchen den Geſetzẽ / welche von hoher Hand gegeben / als die / ſo aus gewiſſen Vertraͤ - gen herruͤhren / und alſo verbinden. Zu welcher letzten art ſie die Capitulation rechnen. Denn daraus wird nur bewie - ſen / daß der Kaͤyſer den Staͤnden nicht unterworffen ſey; nicht aber / daß er ein eigentlich ſo genantes Gebiet uͤber ſie ha - be: Denn daß einer das hoͤchſte Gebiet habe / iſt nicht genug / daß er keinen uͤber ſich erkenne / ſondern es wird erfodert / daß die andern des Kaͤyſers Befehl ohne weigerung und heraus forderung gehor - chen muͤſſen. Viel weniger iſt das ge - nug / daß einer der hoͤchſte in betrachtung ſeines Regiments ſey: Glẽich als wenn in unſerm Regiment der Hertzog zu Ve - nedig nicht der Hoͤchſte waͤre / deme doch niemand das hoͤchſte Gebiet hat zuſchrei - ben duͤrffen: Denn uͤber dem / daß in denAriſto -140Vom ZuſtandAriſtocrati ſchen und Democrati ſchen Regimentern eigentlich ſo genante Fuͤr - ſten gefunden werden / welche man fuͤg - lich die Hoͤchſten in ihrem Regiment nennen ſolte; Kan ſich auch in den ver - ſamlungen der vereinigten ein maͤchtiger finden / und dem die vorſorge der gemei - nen Wolfahrt ſonderlich anbefohlen ſey / welcher zwar im ſelben Corpore fuͤglich der Hoͤchſte mag genennet werden / ob er gleich uͤber ſeine veꝛeinigte kein eigentlich Gebiet habe / oder ſie als Unterthanen nicht gebrauchen koͤnne; Aber ich halte / es werde beſſer ſeyn / zur gegenwaͤrtigen Sache gleichſamb zu kommen / und ab - ſonderlich zu betrachten / was dem Kaͤy - ſer wegen der hoͤchſten Macht des Reichs zukomme: Dann wo einer das nicht weiß / wird er gar naͤrriſch und verwegen von der Teutſchen Regiment urtheilen. Wir wollen aber hie vielmehr der Ord - nung folgen / welche mit der natur und art des Reichs uͤberein kommt / als in al - lem den Reguln der civil wiſſenſchafft.
Wollen demnach anfangẽ von der ver - ordnung der Obrigkeiten / welche in einem jeglichen Regiment bey der hoͤchſtẽ Herr - ſchafft ſtehet; welcher Herrſchafft / wo endlich die jenigẽ Dinge zugerechnet wer - den / welche von den Obrigkeiten anders verrichtet worden / iſt vonnoͤthen / daß die hoͤchſte Herrſchafft ihre Thaten exami - ni ren koͤnne / und wo ſie etwas verſehen / ſie vom Dienſt ſetzen / oder auff andere weiſe ſtraffen. Es iſt kein Zweyfel / daß dieſe Macht dem Kaͤyſer in ſeinen Erb - laͤndern unverletzt zukomme; Aber von dem uͤbrigen Reich wird ſolche ſtreitig ge - macht. Wir haben zwar oben geſagt / daß die Hertzogen nñ Graffen in Teutſch - land eigentlich ſo genante Obrigkeiten geweſen ſeyn; welches Wort ſie hente zu Tage fuͤr die hoͤchſte injuria halten wer - den / und wird kein Fuͤrſt in Teutſchland zugeben / daß der Kaͤyſer durch das ſei - nem Gebiet unterworffene Volck guber -ni re /142Vom Zuſtandni re / oder / daß ſeine Unterthanen dem Kaͤyſer zugehoͤren; ob ſie gleich ſonſten mit hoͤchſt hoͤfflichen / Worten ihren de - muͤtigſten Gehoꝛſam gegen demſelben be - zeugen. Und ob gleich eine erbliche Obrig - keit im Reich wol ſeyn koͤnne / wird doch das Reich uͤber ihn als ſeinen Diener / das hoͤchſtr Recht unverletzt behalten. Aus dem nachfolgenden wird die gantze Sache klaͤrer werden; Kandemnach der Kaͤyſer einem den Titnl eines Fuͤrſten oder Graffen des heiligen Roͤm. Reichs beylegen; aber das Recht eine Stimme auff dem Reichstage zu haben / kan er ohne der andern Staͤnde bewilligung nicht geben. Conf. artic. 44. capit. Leo - poldinæ. Und weil die jenigen ver geblich den Fuͤrſten Titul fuͤhren / ſo keine zu ſol - cher Wuͤrde gehoͤrige Laͤnder haben / iſt in dem artic. 30. capit. Leopold. verſe - hung gethan / daß der Kaͤyſer dieſe novi - tios durch die vaci rende Lehen nicht be - reichern koͤnne. Es iſt vornemlich einezwie -143des Teutſchen Reichs. zwiefache Urſache dieſer Verordnung / die eine / damit nicht alle vaci rende Lehen durch das Haus Oeſterreich weggenom - men wuͤrden / welches ſchiene / daß es ſich oder die ihm unterwuͤrffig nicht veꝛgeſſen werde / nach dem ihm die Macht uͤberlaſ - ſen / mit ſolchen Lehen andere wieder zu be - legen; Die andere / daß endlich Teutſch - land ſeinem Kaͤyſer etwas neben dem Ti - tul zueignen koͤnne / wodurch er die Unko - ſten ſolcher Hoheit außſtehen moͤge; da - mit nicht bey der Wahl vornemlich auff die Guͤter geſehen werde; von ſeinen eige - nen Laͤndern aber dem newgemachten Fuͤrſten ein ſolchem Titul wuͤrdiges Erb - theil zu zueignen / und ſolches andeꝛn Fuͤr - ſtenthuͤmern in Teutſchland gleich zu machen / halte ich / werde die in der Ver - nunfft gegruͤndete Freygebigkeit uͤber - treffen. Einen frembden und von keinem hoͤhern dependi renden Fuͤrſten unter die andern in Teutſchland auffzunehmen / iſt dem Kaͤyſer kaum zugelaſſen; Wennaber144Vom Zuſtandaber ja einer ſeinen Zuſtand verringern wolte / wo ſolte der auff dem Reichstage ſitzen? Denn der wird ſich ſchaͤmen unten an zu ſitzen / uñ die alten Fuͤrſten in Teutſch - land werden keinem weichen / es ſey denn daß er ein Koͤnig ſey. Umb die außlaͤndi - ſche Staͤdte in die Zahl der Reichs Staͤdte in Teutſchland aufzunehmen / wird es nicht ſo groſſe ſchwirigkeit ſetzen; denn ſie ſind nicht ſo Ehrgeitzig als die Fuͤrſten / und koͤn - te leichtlich von Buchhorn / und derglei - chen zierlichem Staͤdtigen erhalten wer - den / daß es duꝛch tapffere verthaͤtigung ſei - nes Orts das auffnehmen des Teutſchen Reichs nicht verhinderte. Daß ſich aber eine Frey Stadt zu den Teutſchen geſellen wolle / ſcheinet kaum zu geſchehen / ehe ein oder ander von den umbliegenden Regi - mentern zerſtoͤret werde; Von denen Staͤdten aber in Teutſchland / ſo jetzo den Staͤnden unterworffen / wird dem Kaͤyſẽr nicht vergunt / einige zur Kaͤyſerlichẽ Frey - ſtadt zu machen.
Vielweniger aber ſtehets allein bey dem Kaͤyſer einem die Fuͤrſtliche Wuͤrde zu be - nehmen / oder jemand von den Staͤnden auß ſeinen Laͤndeꝛn zu verſtoſſen / auch nicht einmahlwegen eines wider das Regiment begangenen Laſters / in einer groſſen Ubel - that aber bedarff er nur der Churfuͤrſten bewilligung / ehe er den Verbrecher mit der verweiſung beſtraffet. Vid. art. 28. capit. Leopold. Nemlich / es hat ihnen gefal - len zu verhuͤten / daß nicht alsbald der jeni - ge / welcher ſich vielleicht in privat Sachen des Kaͤyſers verſehen / als ein Feind des gemeinen Regiments geſtrafft wuͤrde. Ja es erinnerten auch etliche Staͤnde ſehr kluͤglich bey eben dieſem 28. artic. indent die Capitulation zu Franckfurt gemacht wurde / daß außdruͤcklich ſolte hinein geſe - tzet weꝛdẽ / wie die exſecution des Urtheils wider die verwieſenen nach den beſtetigten Geſetzen geſchehen ſolle / durch die Glieder des Craͤyſes / in welchem ſolche ſich auff - hielten; Denn wenn der Kaͤyſer ſelbſt dasHUr -146Vom ZuſtandUrtheil vollziehen ſolte / koͤnte geſchehen / daß er der verwieſenen Laͤnder unter dem ſchein der dadurch gemachten Unkoſten / an ſich zoͤge / und wuͤrde vielleicht anmu - thig ſeyn / ſo ſtrenge Urtheil zu faͤllen / weñ ſie zu des Richters Nutzen außſchluͤgen; Sonſten kehret ſich der Kaͤyſer wenig dar - an / wie ein jeglicher von den Staͤnden ſei - ne Unterthanen tracti re / ob er ſeine Schaͤf - gen beſchere / oder ihnen gar das Fell uͤber die Ohren ziehe: Denn unter das vor - nehmſte / ſo er mit einem Eyde verſpricht / iſt auch / daß er einem jeglichen von den Staͤnden ſeine Rechte und Privilegien erhalten / und in deren uͤbung keinem be - ſchwerlich ſeyn wolle. Und thun ſich vor - nemlich die Teutſchen Staͤnde mit dieſem Rechte hervor / daß ſie ihre Unterthanen entwedr nach eigenem gutduͤncken / oder wie ſie mit ihnen ſind einig worden / regie - ren koͤnnen. Vid. art. 3, 7. 8. 9. capit. Leopold. Es iſt auch gar wenig / was der Kaͤyſer den Unterthanen der Staͤnde ohneMit147des Teutſchen Reichs. Mittel gebieten kan / als daß er ſie Zeugniſ - ſes oder Streitſachen halber auff fordern koͤnne / ohne einiger huͤlffe des Rechtens / in den citi rungen / die er unter ſeinem Nah - men außgiebet; Die Unterthanen aber der Staͤnde mit Geſchencken und Privile - gien zu belegen / ſtehet dem Kaͤyſer frey; doch alſo / daß dem Recht der Staͤnde uͤber ſie nichts abgehe. Ob wol die Kaͤyſerliche Freygebigkeit faſt in den Tituln wider ſie beſtehet.
Laſſe uns ferner ſehen / was der Kaͤyſer uͤber die Guͤter der Staͤnde zu gebieten ha - be / wie weit ſie nemlich zu erhaltung des Regiments zu Friedens und Krieges zei - ten contribui ren muͤſſen. So viel mir bewuſt / gehoͤren alle Zoͤlle / außerhalb des Kaͤyſers Laͤndern / nur etliche wenig oͤrter außgenommen / den Staͤnden zu / welche / damit ſie nicht durch uͤbermaͤſſige verſtei - gerung der Zoͤlle / die Commercien unter - druͤcken / hat der Kaͤyſer zugeſagt / er wolleH ijſolches148Vom Zuſtandſolches abwenden. art. 21, 22. 23. cap. Leopold. Es iſt ihm auch nicht vergoͤn - net newe Zoͤlle in den Laͤndern der Staͤnde auffzulegen. So etliche andere dem Kaͤy - ſer ausdem Reich gegeben werden / die ſind nicht von groſſer Wichtigkeit / oder kom̃en auff die Cantzeley bediente / welche vornem - lich aus der ernewerung der Lehen groſſen Gewinn haben. Vid. art. 17. cap. Leo - pold. Daß von dem Kaͤyſer Tribut an - geſagt werde / iſt den Teutſchen unerhoͤret; Und pflegen die Staͤnde nichts gewiſſes zur Nothdurfft des Regiments zu geben / ohne was zur erhaltung der Kammer zu Speyer verorduet wird / wiewol auch die - ſes wenige mit zimlichem Verdruß von vielen gezahlet wird. Vor zeiten wenn der Kaͤyſer gen Rom die Kron zu holen reyſe - te / muſten auch die Staͤnde 4000. Reuter und 20000. Fußknechte bewehren und unterhalten; Weil aber ſolche Roͤmiſchn Zuͤge ſchon vorlaͤngſt auffgehoͤret / dienen die deßwegen gemachte Außſchreibun -gen149des Teutſchen Reichs. gen darzu / daß wenn man vielleicht etwas auſſer der Ordnung conferi ren muͤſſe / man alsbald wiſſe / was einem jeglichen von den Staͤnden zukomme. Ob wol auch bey dieſen uͤber die ungleiche außtheilung von vielen geklaget wird / indem etlicher Guͤter mit der zeit ab / etlicher aber zuge - nommen. Zum Tuͤrckiſchen Kriege iſt den Teutſchen ein groß Gelt aufferleget / und pfleget deſſelben Schrecken dem ein faͤltigen Voͤlcklein ſo wol den Leib als den Beutel leichter zu machen. Aber es iſt auch hier den Staͤnden nichts durch ſtreng Ge - bot abgefordert. Solches iſt auff dem Reichstage oder durch die herumb ge - ſchickte Geſandten alles erhalten worden / und das ſo viel leichter / weil dieſes etlichen Fuͤrſten nuͤtzlich geweſen / indem ſie ein theil dieſes extraordinar Tributs vor ſich behalten.
Nach dem die Macht des Reichs auff - gehoben / iſt nunmehr die Freyheit KriegH iijzu fuͤh -150Vom Zuſtandzu fuͤhren und Frieden zu halten enge ge - nug eingeſchrencket. Es koͤnnen zwar die Oeſterreichiſchen Erblaͤnder ein maͤchti - ges Kriegesheer unterhalten / daß ſie aber auch ſehr wuͤrden außgeſchoͤpffet werden / wenn ſie die Laſt allein tragen ſolten / iſt gnugſamb am Tage. Wo demnach die Staͤnde nicht eben ſo wol zum Kriege / als zu den Unkoſten / die ſie dazu anwenden muͤſſen / werden gewilliget haben / kan ſich der Kaͤyſer wenig ihrer Huͤlffe getroͤſten; Und wie ſie ihn ſonſten / wenn er von an - dern angefeindet wird / nicht zu verlaſſen pflegen; Alſo leiſtet niemand einem / der von ſich ſelbſt andere bekrieget / beyſtand / es ſey denn / daß er mit de[m]Hauſe Oeſterreich ſonderliche Verſtaͤndniß habe. Es iſt viel - mehr den Staͤnden zutraͤglich zu verhin - dern / daß er keinen andern bekriege / nicht allein darumb / weil durch ſolche Gelegen - heit gantz Teutſchland in Unruhe kan geſe - tzet werden / ſondern auch / weil ihnen der Sieg des Kaͤyſers ſelbſt wenig angenehmſeyn151des Teutſchen Reichs. ſeyn wird / in dem ſeine Macht zu ſehr da - durch zunimpt / welche ſie doch ihrer Frey - heit ſchwer zu fallen vielleicht nicht unbil - lich ſich befuͤrchten. Vid. art. 13. 14. & 16. capit. Lcopold. Wie auch die Macht des Kaͤyſees bey den Veꝛbuͤndniſſen zu ma - chen reſtringi ret ſey / lehret der 10. artic. derſelben capitulation. Woſelbſt ich mich nicht unbillich verwundere / warumb dem Kaͤyſer zwar unter einigem ſchein jemand zu bekriegen / oder mit Außlaͤndern Ver - buͤnduiß zu machen / verboten wird / nur ohne der Churfuͤrſten bewilligung; da doch newlich bey uns gemeldet worden / daß viel Fuͤrſten und Churfuͤrſten eine Verbuͤndniß gemacht / einen hauffen diebiſcher Straſſenraͤuber zu ſich gezo - gen / und der Chur Pfaltz Laͤnder angegrif - fen / damit ſie etliche von ſeinen Rechten die ihnen unangenehm waren / uͤberkom - men moͤchten / und daß ſie bey dieſem Krie - ge allein ſeyn zu frieden geweſen / daß ſie dem Kaͤyſer oben hin / uñ nicht ohne Frech -H iiijheit152Vom Zuſtandheit durch Brieffe zu verſtehen geben / was ihr Vorhaben war. Daß gleichsfals ein anderer Biſchoff auff ſein eigen angeben die ihm benachbarte Hollaͤnder bekrieget habe / durch welchen Krieg leichtlich ein groß theil Teutſchlandes haͤtte koͤnnen ver - unruhiget werdeu. Und dieſes iſt alles be - gangen bey waͤrendem nñ bloß zu ſchawen - dem Reichstage: Denn das iſt ſchon laͤngſt zur gewonheit worden / daß ſich etliche Fuͤr - ſten mit dem Schweden und Frantzoſen verbinden / die ſich doch von langem her als Feinde oder æmulos des Hauſes Oſter - reich erwieſen haben.
Laſſt uns auch ſehen / was der Kaͤyſer im Geiſtlichen Stande zu ſagen hat: Denn daß man allhie auch davon handeln muͤſſe / geben Urſach / die der newen Theologiæ ergebene Politici, welche ſich nicht ſche - wen / daß Weltliche Regiment fuͤr ein theil ſolcher Macht zu rechnen / da man doch bey den Catholiſchen gewiß dafuͤr haͤlt / daß esder153des Teutſchen Reichs. der Prieſter Guͤtern ſehr ſchaͤdlich ſey / wo ihm einer neben ihnen in Geiſtlichen Sachen einige Macht zu diſponi ren an - maſſet / nnd wo die Layen mit dem Ruhm der unter dem ſchutz lebenden und berei - cherten Geiſtlichen nicht wollen zu frie - den ſeyn.
Als deꝛowegen vormahls keine als Ca - tholiſche Gebraͤuche in Teutſchland guͤl - tig waren / ohne daß Johan Huß einen zimlichen anhang in Boͤhmen hatte / und die Juden hin und wieder gelitten wur - den; hat Martinus Luther dem Pabſt unverhofft groſſen Schaden gethan / daß ein von ſchlechten Urſachen herruͤhrender Zanck ein groß theil Teutſchlanves von dem Gehorſam des Roͤmiſchen Stuels abwendig gemacht. Wo man die War - heit ſagen darff / hat Urſach gegeben / daß ein kleiner Funcke zu ſolcher Feursbrunſt gedien / ſo wol die ungelahrtheit der jeni - gẽ / ſo ſich dẽ Luthero erſt widerſetzet / als die unvorſichtige præcipitan tz und uͤber -H veilung154Vom Zuſtandeilung des Pabſtes Leonis X. Nemlich es zancketen ſich zwey elende Bruͤdergen unter einander / deren es dem einen umb die Gottesfurcht / dem andern umb der Prieſter Gewinn mehr zu thun zu ſeyn ſchiene. Anfangs hielten ſie alle beyde des Pabſts Anſehen in ehren; da haͤtte ſich ein verſtaͤndiger Richter bey beeden Thei - len ſchicken / oder beeden bey zeiten ein ſtill ſchweigen aufferlegen ſollen / damit nicht ſolcher Handel bey dem Poͤbel in arg - wohn geriethe. Man haͤtte nicht ſo of - fentlich mit den Kraͤmern halten ſollen / daß man nicht meynen moͤchte / man truͤ - ge mehr ſorge fuͤr des Pabſtes Beutel / als fuͤr der Menſchen Seligkeit / oder als weñ er lieber Geld fuͤr die Suͤnde nemen wol - te / als dieſelbige verbieten. Und wuͤrde den andachtloſen Leuten gelegenheit zu argwohnen an die Hand gegeben / als weñ die Prieſter gleiches Wunſches waͤren mit den Artzten und Wundaͤrtzten / wel - che von den Wunden und Kranckheitender155des Teutſchen Reichs. der Menſchen ihren Nutzen haben / und darff niemand glaͤuben / daß ſie es ſo gut mit ihnen meynen. Wenn das aber naͤr - riſch und unverantwortlich gehandelt war / zum nachtheil der Kirchen recht zu ſprechen / haͤtten ſie den ſo eyferigen Men - ſchen mit Geſchencken oder Verheiſſun - gen erweichen ſollen / damit er nicht den Layen der Prieſter Joch vom Halſe zu werffen anlaß geben moͤchte. Und weil die meiſten durch Ehrgeitz oder Geſchen - cken zu den geiſtlichen Emptern gelanget / halte ich es waͤre ein groſſes Werck ge - weſen / einen Muͤnch mit Purpur zu klei - den / damit er ſich nicht umb die Roͤmi - ſche Kirche ſo uͤbel veꝛdient machen moͤch - te. Denn als dieſer Martinus merckte / daß er bey den Prieſtern nichts billiges erhalten wuͤrde / hat er ſich die Layen auff ſeine ſeite zu bringen bemuͤhet / daher hat er den Pabſt / der ſich nun offentlich der Sachen theilhafftig gemacht / nicht fuͤr einen Richter erkennen wollen / und da -H vjmit156Vom Zuſtandmit es ihm nicht an Patronen ermangeln moͤchte / hat er angefangen zu lehren / daß die vorſorge der Kirchen zu den Weltli - chen Fuͤrſten / oder die ihnen an Macht gleich ſeyn / gehoͤre / und weil ſie ſehen / daß durch die Guͤter / ſo die Vorfahren zu gottſeligen Gebraͤuchen verordnet / der Geiſtlichen faulheit und ſchlemmerey er - halten werde / waͤre es billich / daß ſolche muͤſſige Thiere von ihrẽ Maſtkoben auß - geſtoſſen wuͤrden. Dieſes iſt von vielen mit groſſer begierde angenommen / zum theil weil das meiſte der Warheit aͤhn - lich ſchiene / zum theil auch / weil ſie ver - hofften / ihre Einkuͤnffte wuͤrden dadurch verbeſſert werden. Es war auch das Ge - ruͤcht erſchollen / die einfaͤltige Teutſchen wuͤrden von den unſerigen vexiret / indem daß vor ihre Suͤnde gezahlte Gelt zum Bretſpiel / Schwelgerey / oder den Geitz der Paͤbſtlichen Freundſchafft zu erſaͤt - tigen angewand wuͤrde. Es ward auch das Sprichwort Martini V. wiederho -let /157des Teutſchen Reichs. let / welches einem Seelen Hirten trefflich wol anſtehet; er moͤchte wuͤnſchen ein Storch zu werden / wenn nur die Teut - ſchen in Froͤſche verwandelt wuͤrden Und die den Roͤmern vorhin ſo tapffer wider - ſtanden / ſeufftzeten / daß ſie die Religion zu erhalten / von einem ſchwachen Volck gar Hew zu freſſen gezwungen wuͤrden. Und ich weiß nicht / wie viel auch dazu ge - holffen die wiedereinfuͤhrung der freyen Kunſte / daß dieſe newe Lehre mit ſolcher Luſt angenommen wuͤrde. Denn es iſt bey den Gelehrten gemein / daß ſie das je - nige nicht leichte glaͤuben / was der Ver - nunfft zu wider ſcheinet.
Durch dieſe Gelegenheit iſt ein groß theil der Gebraͤuche / und welche dogma - ta den newen Lehrern uͤberfluͤſſig zu ſeyn ſchienen / bey vielen Teutſchen Voͤlckern abkommen / und ſind zugleich die Geiſt - lichen hin und wiedeꝛ von den Geiſtlichen Guͤtern verſtoſſen. Als den EinnehmernH vijviel158Vom Zuſtandviel Streitigkeiten uͤber dieſe Guͤter bey der Kammer gemacht wuͤrden / und die Kam̃er den Geiſtlichen geneigter zu ſeyn ſchiene / wolten die der newen Religion zugethan / welche man ſonſt die Proteſti - rende nennet / die juriſdiction der Kam - mer nur in dieſem ſtuͤck nicht erkennen; Denn ob gleich ſonſten die Geſetze vor al - len dingen wollen / daß den beꝛaubten das jhrige wieder zugeſtellet werde; So wei - gerten ſich doch die Proteſti rende nicht ohne Urſach / mit vorgeben / man ſolte zu - vor in einem gemeinen und rechtmaͤſſigen Concilio oder andern oͤffentlichen Ver - ſamlung auſſagen / daß die verſtoſſene Geiſtlichen die wahre Religion haben. Wo dieſes nicht bewieſen wuͤrde / welches ſie ihnen einbildeten / begehrten ſie unver - ſchaͤmter weiſe die Guͤter zu genieſſen / welche von den Vorfahren zum wahren Gottesdienſt geweihet waren; Deñ weil ſie allein durch rechtmaͤſſige Gruͤnde und proteſti ren oder einwendungẽ nit ſicherzu ſeyn159des Teutſchen Reichs. zu ſeyn vermeynten / machen die meiſten eine Verbuͤndniß / welche ſie die Schmal - kaldiſche nennen / ſich der Gewalt / ſo ihnen wegen veraͤnderung der Religion gedre - wet / zuwider ſetzen. Darauff iſt es zum Kriege gedyen / und weil ſolcher auff der Proteſti renden ſeite keinen gluͤcklichen fortgang gehabt / indem der Churfuͤrſt zu Sachſen und Landgꝛaff zu Heſſen gefan - gen worden / ſchien auch ihre Religion zimlich zu wackeln. Biß durch des Mau - ritii zu Sachſen Waffen ihre Macht wieder zu beſſern Kraͤfften kommen / und der Vertrag zu Paſſau gemacht wurde / deſſen Puncten hin und wieder bey den Teutſchen Scribenten zu finden ſeyn.
Nachmahls aber iſt auff dem Reichs - tage / ſo zu Augſpurg An. 1555. gehalten fuͤr der Religion der Proteſti renden herꝛ - liche vorſehung gethan / durch den Friedẽ / welchen ſie den religions oder geiſtlichen nennen / der als ein offentliches Geſetz ge - macht worden; Da hat man ſich vor -nem -160Vom Zuſtandnemlich vereiniget / daß die Parteyen un - ter ſich wegen deꝛ religion einandeꝛ nicht angreiffen / ſich beleidigen / oder ſolche zu verſchweren mit Gewalt treiben ſolten. So etliche geiſtliche Guͤter / die keinem von den unmittelbahren Staͤnden gehoͤ - ret / von den Weltlichen Staͤnden einge - nommen waͤren / wenn nur die Geiſtlichen zur Zeit des Paſſawiſchen Vertrags / oder mitlerweile ſolche nicht inne gehabt / ſolten ſie ihren Beſitzern gelaſſen werden / und ſolte doch deßwegen die Kammer den Einnehmern kein Recht ſprechen. Der Geiſtliche Gerichtszwanguͤber die Bunds - genoſſen der Augſpurgiſchen Confeſſion ſolle auffgeſchoben / und ihnen in Geiſtli - chen Sachen zu diſponi ren freye Macht gelaſſen werden. Keiner ſolle des andern Unterthanen zu ſeiner Religiou ziehen / noch ſie wegen der Religion zu beſchuͤtzen ſich unterfangen. Den Unterthanen aber / die nicht einerley Ceremonien mit ihrem Oberherrn haͤtten / ſolle verguͤnt ſeyn / ihreGuͤter161des Teutſchen Reichs. Guͤter zu verkauffen / und anderswo hin zu ziehen. Wo der Religions Streit durch zulaͤſſige Mittel nicht beygeleget werde / ſolle dieſer Friede in Ewigkeit waͤren.
Man hat aber hefftig druͤber geſtritten / daß den Catholiſchen Geiſtlichen verguͤn - ſtiget wuͤrde bey annehmung der Augſpur - giſchen Confeſſion, neben ihrer Wuͤrde auch zugleich die geiſtliche Laͤnder zu behal - ten. Und gaben die Proteſti rende embſig vor / es wuͤrde ihrer Religion zum groſſen Schimpff gedeyen / wenn man zwar der - ſelben Profeſſion und Wuͤrde annehme / die Guͤter aber abſtehen muͤſſe. Es wurde vielen dadurch der zugang zu der reinen Lehre verſperret. Die haͤtten gar nicht im Sinn / die geiſtlichen Laͤnder zu profan Nutzen anzuwenden / oder den Capituln die freye Wahl zu benehmen. Weiln es aber gnugſamb am Tage war / daß durch dieſe Freyheit die Catholiſche Religion in Teutſchland in Gefahr gerathen wuͤrde /haben162Vom Zuſtandhaben ſich auch die Catholiſche Staͤnde ih - nen eben ſo hart widerſetzet / und auff des K. Ferdinandi verguͤnſtigung erhalten / daß auch dieſe Clauſul zu dem religions Frieden zugethan wuͤrde. Si elericus ad proteſtantium religionem transeat, beneficia quæ habuit Eccleſiaſtica per - dat, ſalvâ tamen exiſtimatione. Das iſt: Wenn ein Geiſtlicher zu der Proteſti - renden Religion tritt / ſol er die geiſtliche Beneficien, ſo er genoſſen / abſtehen / ſeinen guten Namen aber behalten. Ob wol die Proteſti rende zu der Zeit / und etliche mahl hernach / vornemlich in der Coͤllniſchen Sache / uͤber dieſe Clauſul geklaget / und vorgewand haben / daß ihnen ſelbige nicht angehe.
Dieſer Friede aber hat alle ſtreitigkeiten / ſo auß dem unterſcheid der Religion ent - ſtanden / nicht auffheben koͤnnen: Denn es riſſen ſich auch die der neuen Religion zu - gethan ſelbſt in zwey theile / da die meiſtenzwar163des Teutſchen Reichs. zwar fchlechter Dinge bey den Worten der Augsburgiſchen Confeſſion blieben / an - dere aber etliche Dogmata noch beſſer ab - gefaſſet vorzuſtellen vermeinten. Und ob wol den verſtaͤndigſten dieſe Sache nicht werth zu ſeyn dauchte / deßwegen einen Buͤrgerlichen Krieg anzufangen / ſeyn doch die Gemuͤhter ſehr untereinander verbit - tert / durch die ungeſtuͤmigkeit der Prediger und Fuͤndgen der Catholiſchen welchen die mißhelligkeit der Wiederſacher zur Vi - ctoria ſehr dienlich ſeyn wuͤrde. Und als die jenigen / ſo weder dem Catholiſchen noch dem Augſpurgiſchen glauben zugethan / von dem Religions Frieden außgeſchloſſen waren / bemuͤheten ſich die Catholiſchen gar liſtig / daß die jenigen / ſo der Augſpur - giſchen Confeſſion zu gethan / meinen ſol - ten / esgienge ſolche den andeꝛn / die da mein - ten ſie haͤtten es beſſer getroffen / gar nicht an. Ob wol aber dieſe unterſchiedliche mahl offentlich zeugeten / Daß man jene wegen einer uneinigkeit die nicht Hauptſaͤchlichwaͤre164Vom Zuſtandwaͤre von dem Geiſtlichen Frieden nicht abſondern ſolte / hat doch der Prieſter Ey - fer gemacht / daß eine jegliche Parthey thre eigene rationes und Sinnligkeiten haͤtte / und zum Gemeinen beſten nicht viel an - wandte. Ja wenn ein Theil von den Ca - tholiſchen gedraͤnget wuͤrde / daß ander der - ſelben untergange heimlich zuſahe / oder auch huͤlffe darzu ſchickete. Es ſind auch nachmals andere Urſachen der Zwietracht entſtanden / biß endlich in Boͤhmen das Fewr angangen / wodurch ſchier das gan - tze Teutſchland in Brand gerathen Als in ſolchem Kriege das Gluͤck anfangs dem Kaͤyſer uͤber verhoffen guͤnſtig geweſen / und er ſchon ein groß theil Teutſchlandes bezwungen hatte / laͤſſet er endlich im 29. Jahr dieſes Seculi ein Gebot außgehen / daß die jenige Geiſtliche Guͤter wieder ſol - ten reſtitui ret werden / ſo nach dem Paſſa - wiſchen Vertrage die Weltlichen einge - nommen haͤtten. Die geheime Urſach des Gebots war dieſe / damit der Kaͤyſerdie165des Teutſchen Reichs. die Prieſter und andere Catholiſche Staͤn - te auff ſeine Seite bringen / und ihnen ein - bilden moͤchte / wie das jenige was er vor haͤtte / fuͤr der Religion, und nicht der Staͤnde recht zu unterdruͤcken / vorgenom - men werde; Wenn er aber durch dieſer Huͤlffe / oder / daß ſie ihm nur nicht zu wi - der waͤren / die Proteſtirende bezwungen haͤtte / waͤre es hernach leichte / auch die anderen nach ſeinen Willen zubringen. Es iſt aber bekant / was dieſes vornehmen fuͤr einen Außſchlag gewonnen. Endlich iſt in dem Oßnabruͤggiſchen Frieden we - gen der Religion weitlaͤufftig Vorſe - hung gethan / in dem 5. Articul allwo der Paſſawiſche Vertrag und Religions Friede vom neuen bekraͤfftiget / und auß - druͤcklich geſetzet / daß auch ſolcher die Re - formirte, oder Calviniſten / wie man ſie nennet / angehe. Es iſt hinzu gethan / daß das jenige / was nach dem 1. Januarij des 1624. Jahrs in Geiſtlichen Sachen wie auch in deren betrachtung in politi -ſchen166Vom Zuſtandſchen geaͤndert worden / in den jenigen Stand wieder ſolle geſetzet werden / worin es zu beſagter Zeit geweſen; daß alſo die Geiſtliche Guͤter / welche damals die Ca - tholiſchen inne hatten / und unterdeſſen von den Proteſtiren den eingenommen / ihnen wieder ſollen zugeſtellet werden / deßglei - chen den Proteſtiren den / was ihnen mit - lerweile die Catholiſchen abgenommen. Daß die proteſtircn de unmittelbahre Geiſtliche Guͤter welche ſie zu bemelter Zeit beſeſſen / jmmer behalten ſollen; daß das Recht die Religion zuaͤndern / welches vorhin den Staͤnden frey zu zuſtehen ſchie - ne / alſo ſolle eingezogen werden / daß die Unterthanen der Catholiſchen Staͤnde / ſo der Augſpurgiſchen Confeſſion zu ge - than / welche im Jahr 1624 die freye uͤ - bung der Religion gehabt / ſolche behalten ſollen; die darin waͤren verhindert worden wieder ſollen reſtitui ret werden; Die ſol - ches im gedachtem Jahre nicht gehabt / ſol - len ihr Gewiſſen frey haben / aber doch ih -ren167des Teutſchen Reichs. ren Gottesdienſt entweder in ihren Haͤu - ſern / oder in benachbaꝛten Oꝛten veꝛrichten. Wo ſie aber der Herr des Territorii weg zuziehen befiehlet / ſol es ihnen frey ſtehen die Guͤter zuverkauffen / oder durch ihre Diener ſolche zuverwalten. Etwas hat auch der Kaͤyſer ſeinen Unterthanen den Proteſtiren den Fuͤrſten zugefallen nach gegeven. Uber dem iſt auch vorſehung ge - than / daß / wo hernachmahls ein Fuͤrſt ſei - ne Religion aͤndern wuͤrde / es ihm unge - ſtrafft frey ſtunde / und auch Prieſter ſei - ner Religion am Hoffe bey ſich haben koͤnne; Seine Unterthanen aber ſoler zu ſeiner Religion nicht mit Gewalt zwingen ſondern bey der angenom̃en bleiben laſſen. Ob es wol auch dieſen vergunt iſt ihres Herren Glauben freywillig anzunehmen; Uber dem iſt zu mercken / daß dieſe Freyheit der Religion gemacht ſey nach der art ei - nes Bundes zwiſchen gleichen auffgerich - tet / und in welchem es der Kaͤyſer ſelbſt mit der einen Parthey haͤlt; Daß auch wederdem168Vom Zuſtanddem Kaͤyſer noch den andern Catholiſchen Staͤnden / ob ſie vielleicht gleich mehr ſeyn / als die von der andern Parthey / allhie et - was zu aͤndern vergunt ſey. Es iſt aber auch dieſes offenbahr / daß es die Proteſti - ren de Staͤnde allhie beſſer haben als die Catholiſche / weil dieſe von dem Pabſte de - pendi ren; jene aber uͤber ihre Geiſtliche guͤter uach eigenem belieben ſchalten und walten moͤgen. So doch einige vorſorge der Geiſtlichen Guͤter dem Weltlichen Regi - ment durch die Decreta der Chriſtlichen Religion angehen koͤnne / iſt am Tage / daß nur auff dieſe weiſe der Prieſter anſe - hen verringert werde. add. artic. 1. & 19. capitul. Leopold.
Wir kommen auff die Macht Geſetze zu geben / wem ſolche zukomme / wird klaͤrer erhaͤllen / wenn wir verſtehen / was Teutſch - land fuͤr ein Recht gebrauche / und wo ſol - ches hergefuͤhret. Woſelbſten uns Her - mannus Conring in einem gelehrtenTractat169des Teutſchen Reichs. Tractat, de origine juris Germanici, den Weg gebahnet / welchem wir allhie faſt nachfolgen. Der jetzt geruͤhmte Conring aber iſt etwas weitlaͤufftigtig in der wider - legung der gemeinen meynung / als wenn das Roͤmiſche Recht auff befehl Lotharii zu Sachſen umb das Jahr Chriſti 1130. zugleich in Schulen und Cantzeleyen ſey auffgenommen; Und weiſet / daß die Ge - richte in Teutſchlaud biß auff das 13. Se - culum nicht ſo wol aus dem geſchriebenen Recht / als aus den angenommenen Ge - braͤuchen herruͤhren; oder daß ſie nach froͤm̃ - und billigkeit Recht geſprochen / und das zu privat Sachen keine gelahrte Rich - ter erwehlet ſeyn / ſondern die ſo wegen ih - res alten Verſtandes / Gottesfurcht und Gerechtigkeit beruͤhmet waren / da die mei - ſten von dem gemeinen Volcke weder leſen noch ſchreiben kunten. Ferner iſt im 13 - Seculo das jus canonicum oder geiſtli - che Recht in Teutſchland eingeſchlichen / und ſeyn darnach nicht allein die GeiſtlicheJſon -170Vom Zuſtandſondern auch weltliche Sachen geurtheilet werden. Ob gleich viele von ihren alten Gebraͤuchen nicht abzubringen waren. Umb die Zeit ſind auch die alten Gebraͤuche in Schrifften verfaſſet / unter welchen fuͤr die vornehmſten gehalten werden die Luͤ - beckiſchen Geſetze / und das Magdebur gi - ſche Recht / welches in Teutſcher Sprache Weichbild genennet wird. Jmgleichen der Spiegel des Saͤchßſchen und Schwaͤbi - ſchen Rechts / wie auch das Saͤchſiſche und Schwaͤbiſche Lehen Recht. Und dieſer Rechte hat ſich faſt Teutſchland im 13. und 14. Seculo gebrauchet. Jm 15. Seculo iſt allgemach das Roͤmiſche Recht / wie auch das Longobardi ſche Lehen Recht auffkommen / da die Gelehrten / welche ſich bemuͤhet haben / ihr Kunſtſtuͤcklein auff al - lerley Weiſe zu erhaltẽ / ſolches Recht zu der Fuͤrſten Rechte gezogen / dannenhero man auch hin uñ wieder auf die Hohe Schulen in Teutſchland ſolches zu lehrẽ angefangẽ / nach dem Exempel / wie es ſcheinet / unſererSchu -171des Teutſchen Reichs. Schulen. Welche ſich demnach auff den Schulen dieſes Rechtens befliſſen / haben eben daſſelbe Recht / weñ ſie auf den Richt - ſtuel erhoben worden / allmaͤhlich in die Cantzeley auffgenommen. Und iſt im Jahr 1495. vom K. Maximiliano I. verordnet / daß in der Kam̃er zu Speyer aus dẽ Roͤm. Geſetzen das Recht ſolte geſprochen wer - den / da doch die angenommene Gebraͤuche und abſonderliche Stifftungen ieglicher Orten in ihrem Anſehen verbleiben ſolten. Jſt derowegen das Recht / welches jetzund in Teutſchland gebꝛaͤuchlich / gleichſamb ein miſchmaſch aus dem Roͤmiſchen / Geiſt - lichen / alten Gebraͤuchen und Stifftungen jeglicher Laͤnder und Staͤdte / die faſt ſehr von einander unterſchieden ſeyn. Und dieſes wird ordentlich vor Gericht in acht genommen / daß / wo eine Land oder Stadt Stifftung verhanden / ſolche zu erſt gelten muß; Wenn aber dieſe nicht zu finden / ge - het man zu dem Roͤmiſchen Recht / ſo weit ſolches ins gemein angenommen iſt. EsJ ijhaben172Vom Zuſtandhaben aber die Reichs Staͤnde dieſe Frey - heit / daß ſie in ihren Laͤndern / was die civil Sachen betrifft / koͤnnen Geſetze geben / die von dem gemeinen Recht abgehen / wie auch andere zu ihren Nutzen dienliche Stifftungen machen / auch ohne des Kaͤy - ſers Vorwiſſen / wo ſie nur nichts dem Zu - ſtande des gantzen Reichs zuwider in ſich halten. Ob gleich viele gemacht haben / daß ihre Land Rechte durch den Kaͤyſer bekraͤff - tiget werden; Ja ſie koͤnnen auch in cri - minal Sachen ſonderliche Geſetze geben / denn es wird des K. Caroli V. Peinliche Halsgerichts Ordnung in allem nicht in acht genom̃en. Es haben auch die Staͤn - de das Recht den ſchuͤldigen die Straffe zu - erlaſſen. Wo etwas neues / das alle ver - binden ſoll / beſchloſſen werden muß / daß kan nicht als auff dem Reichstage durch aller bewilligung zugelaſſen werden / und wird eben ſo woll der Kaͤyſer als die Staͤn - de dadurch verbunden. vid. art. 2. capi - tul. Leopold.
Die Gerichte in Teutſchland ſind zu un - terſchiedlichen Zeiten auch unterſchiedlich geweſen. Und weil der gelobte Conring ſehr artig hievon geſchrieben in einem Tractat de judiciis Germanici lmperii, von den Gerichten des Teutſchen Reichs / wollen wir / die Muͤhe zu verſparen / daß vornembſte außſuchen und hieher ſetzen. Laſſt uns demnach erſt ſehen / was unter dem Carolo M. iſt gebraͤuchlich geweſen; Die Streitigkeiten der Koͤniglichen Fa - milia ſo wol unter ſich als wider andere wurden in der verſamlung der Staͤnde und des Volcks geſchlichtet / wie auch die Sachen der Staͤnde[:]ſo von groſſer Wich - tigkeit waren. Die geringere Streithaͤn - del der Staͤnde wurden durch den Koͤnig oder deſſen Geſandten (denn ſo wurden da - mahls die jenige genennet / die man heute Commiſſarien, Viſitatores oder beſich - tiger / oder extraordinar Abgeſandten nennen koͤnne) auffgehobẽn. Der andernJ iijStreit -174Vom ZuſtandStreitſachen beyzulegen / waren in einem jeglichen Dorff oder diſtrict Graffen oder Richter / welche aus dem Adel oder ehrba - rem Poͤbel etliche außgeſonderte Schoͤp - pen oder Beyſitzer umb ſich hatten / vom Koͤnige beſtellet / die faͤlleten uͤber civil und criminal Sachen das Urtheil. Die Graf - fen hatten ferner / weil die Doͤrffer ſo weit - laͤufftig / hin und wieder in den Flecken ihre zugeordnete Vicarios oder nach ihrer Sprache Schultheiſſen; Von welchen man doch zu jenen provoci ren kunte. Uber dem ſtꝛafften die Prieſter die boͤſe Sit - ten der Chriſten nach dem geiſtlichẽ Recht. Die Biſchoͤffe hatten uͤber die Geiſtlichen und Muͤnche zu gebieten. Die Biſchoͤffe wurden bey dem Metropolitano, oder vor dem Synodo angegeben; Ob man wol allmaͤhlich an den Roͤmiſchen Pabſt wegen das anſehen ſolchen Stuels zu ap - pelli ren angefangen. Ja es wurden auch der Layen ihre Sachen ohn unterſcheid den Biſchoͤffen wegen ihrer vermeynten Hei -lig -175des Teutſchen Reichs. ligkeit und Auffrichtigkeit auffgetragen. Uber die Geiſtliche Guͤter duͤrfften nicht die Geiſtlichen / ſondern die Advocaten oder Vice - Herren / die ſonderlich vom Koͤnige verordnet waren / richten: daß alſo die Geiſtliche Perſohnen dem Gerichte der Cleriſey / ihre Guͤter aber dem Gerichte der gemeinen Advocaten unterworffen waren. Von dieſen Richtern wurde ap - pelli rt ſo wol an die Koͤnigl. Geſandten / welche zu gewiſſen Zeiten die Laͤnder durch zogen / als an den Koͤnigl. Pallaſt ſelbſt / allwo der Koͤnig ſelber / oder der Pfaltzgraff / der auch die am Hoffe entſtandene Sa - chen eroͤrtern muͤſte / uͤber die appellirung ſein Urtheil gab. Man duͤrffte aber nicht leichtlich appelli ren / es ſey dann daß die Graffen oder Geſandten / die Gerechtig - keit nicht handhaben wolten. Doch wuͤr - de alles durch einen ſehr kurtzen und klaren Proceß, wie auch wenig Audientzen ge - endiget. Daß man alſo an dieſer Gerichts Art nichts deſideri ren koͤnne / als daß dieJ iiijGeiſt -176Vom ZuſtandGeiſtlichen an den Pabſt appelli ren / wel - cher ob er wol ein heiliger Mann iſt / doch auſſerhalb Teutſchland ſeinen Sitz hat.
Hierin iſt mit der Zeit viel veraͤndert. Die Koͤnigl. Sachen habẽ die Churfuͤrſten nach heraus gebung der guͤldenẽ Bulla faſt allein an ſich gezogen. Der Pabſt hat ihm auch uͤber dieſelben ſo viel macht genom̃en / daß er kein bedencken getragen ſie in den Bann zu thun / und nach dem ſie unter - wuͤrffig gemacht / vom Gehorſam frey zu - ſprechen; Uber dem nennet er den Kaͤyſer ſeinen Vaſall und das Reich ſein Lehen. Wegen der Fuͤrſten Sachen iſt auß dem alten dieſes geblieben / daß ſie nim̃er dem Ur - thel des Koͤnigs uͤberlaſſen / ſondeꝛn dieſelbe ſeyn in der verſamlung der Staͤnde durch einen ſchlechten und kurtzen Proceß nach recht uñ billigkeit geſchlichtet werden. Und wann die Kaͤyſer vornemlich in dem nech - ſten Seculo ihnen allein die Macht genom - men uͤber die Fuͤrſtliche Lehen zu urthei -len /177des Teutſchen Reichs. len / haben die behertzte Staͤnde beſtaͤn - dig widerſprochen. Und wenn keine andere Zeugniſſe verhanden / gibt das Ge - baͤw des gantzen Reichs gnugſamb zu ver - ſtehen / daß ſolche wichtige Urtheil dem Kaͤyſer allein nicht koͤnnen uͤberlaſſen wer - den. Daß alſo die jenige offenbahre Schmeichler ſeyn / welche das den Teut - ſchen ſo genante Fuͤrſten Recht ein vergeb - liches Figment oder Tand haben nennen duͤrffen. Doch iſt hernachmahls eingefuͤh - ret / daß die meiſten Fuͤrſtliche Familien welchen auch die Freyſtaͤdte gefolget ihnen Gerichte ihrem guͤtduͤncken nach verord - net haben. Die Teutſchen nennen ſie in ihrer Sprache Auſtræge. Deren Ur - ſprung zu den letzten Zeiten Friderici II. und dem groſſen interregno vermuthlich gerechnet wird. Die mehr eine groſſe Macht als eine gute Sache gehabt / haben offtermahl den Krieg zum Schiedsman erwehlet. Daß auch von juͤngſter Zeit her die Kaͤyſer und Fuͤrſten nicht ſelber dieJ vSachen178Vom ZuſtandSachen in Augenſchein genommen / ſon - dern auff ihre im Recht erfahrne Diener verſchoben; Welches alſo geſchehen mu - ſte / nach dem an ſtat der einfaͤltigen Va - terlandes Gebraͤuchen / die verworrene Paͤbſtliche und Roͤmiſche Geſetze gekom - men / welche den Fuͤrſten zu erlernen eine groſſe Straffe zu ſeyn vorkom̃en wuͤrde.
Bey den Geiſtlichen iſt dieſes veraͤn - dert / daß die Sachen der Biſchoͤffe / wel - che die Perſonen angiengen / mit der zeit alle nacher Rom gezogẽ / uñ deꝛ Metropo - litanen und Land-verſamlungen anſehen hindan geſetzet ſeyn. Damit alle geiſtliche Perſohnen dem Weltlichen Gericht ent - zogen wuͤrden Welches bey den Prote - ſti renden veraͤndert / bey den Catholiſchen aber noch guͤltig iſt. Ob wol K. Caro - lus V. und etliche audeꝛe ohne des Pabſtes Rath und bey deſſen zuſehen / in der Re - ligion et was geordnet / und an die Geiſtl. Perſohnen Hand gelegethaben. Zur zeitFri -179des Teutſchen Reichs. Friderici II. und hernach haben ihnen auch die meiſten Geiſtlichen eine freye verwaltung ihrer Guͤter / nach dem ſie die Advocaten außgeſioſſen / angemaſſet. Es gehoͤren doch die Geiſtlichen Staͤnde unter dem Reich in betrachtung ihrer Le - hen und Regalien;, welcher ſie koͤnnen verluſtig werden / wo ſie ſich wider den offentlichen Frieden und andere Geſetze des Reichs groͤblich verſuͤndiget haben. Die Muͤnche waren der Perſohn nach in des Caroli M. Seculo unter der Biſchoͤffe juriſdiction, derer nachmals etliche alte Kloͤſter entnommen / und ohne Mittel dem Pabſt unterwoffen ſeyn. Diene - wen Staͤnde / ſo umb das 13. Seculum und hernach entſtanden / und ihren Land und General Obrigkeiten unterwoꝛffen / bekennen ſich nun allein zu dem Paͤbſtli - chen Recht. Die verwaltung der Guͤter war anfangs gemeiniglich den Advoca - ten anvertrawet / welchen mit der Zeit et - liche Kloͤſter abgenommen; Die meiſtenJ vjſind180Vom Zuſtandſind in ihrem alten Stande geblieben. Etliche wenig ſind auch von den offent - lichen Beſchwerungen frey gemacht.
Die Weltliche Sachen des gemeinen Volcks wurden ſchon zu des Caroli M. Zeit entweder vor den Biſchoffen / die nochmahls ihre Gericht weit außgebrei - tet / oder vor der Weltlichen Cantzley ver - handelt. Da muſte man erſt zu den Schoͤppen gehen / welche vor alten Zeiten in den Doͤrffern und Flecken verordnet waren; Von dieſen gieng man zu den Graffen / deren Macht nachmals viel Hertzoge und Biſchoͤffe angegriffen; Von den Graffen kunte man provoci ren an die Koͤnigl Geſandten / und endlich an dem Koͤnig ſelbſt / welcher zu letzt am Hoffe die Streitſachen ſchlichtete Denn weil in dem 15. Seculo die appelli rungen wegen der Langweiligen proceſſen, und Partitenmacher Schalckheit / gar zu haͤuffig wuͤrden / iſt / umb ſelbige deſto be -quaͤmer181des Teutſchen Reichs. quaͤmer abzuſchaffen / berathſchlaget worden / daß man einen geraumen und ſtetigen Ort zum Gericht verordnen ſol - te / welcher endlich zu Speyer iſt beſtellet worden. Wo zu ihm verurſachet / nicht allein weil faſt die Stelle des Kaͤyſerli - chen Hoffes veraͤnderlich gemacht wuͤr - de / ſondern auch weil es ſchiene daß ein ſolcher Hauffen Streitſachen am be - quaͤmſten an einem abſonderlichen Orte konten abgehandelt werden.
Mit den jtzigen Gerichten in Teutſch - land iſt es alſo beſchaffen: Wenn eine Privat Perſohn mit der andern Streit anfangen wil / gehet ſie erſtlich zu dem Schultzen der Stadt oder des Fleckens / da die andere wohnet / es ſey den das die andere priviligi ret ſey. Darnach iſt in allen Fuͤrſtenthuͤmern / die mir bekand ſeyn / ein ober Gericht / daß dem gantzen Lande gemein iſt (ſie nennen es die Hoff - oder Land Cantzeley) an welches manappel -182Vom Zuſtandappelli ret. Die meiſten Freyſtaͤdte a - ber vollenden ihre jurisdiction in einer inſtantz. Die dem gantzen Reich ge - meine Gerichte ſeynd daß Speyriſche Kammer - und das Kaͤyſerliche Hoffge - richt. Es haben aber etliche Staͤnde dieſes Recht / daß ihre Unterthanen an die gedachte Ober Gerichte gar nicht appelliren koͤnnen; Als da ſeyn die Chur fuͤrſten; Ob wol etliche den Geiſtlichen einen zweyfel erregen wollen / doch mehr ob ſie ſolch Recht gebrauchen / als ob ſie es haben. Jmgleichen daß Hauß Oſter - reich und der Koͤnig in Schweden wegen der Teutſchen Provincien. vid. Inſtru - mentum pacis Weſtphalicæ cap. X. § 12. welcher zu Wißmar ein Gericht ver - ordnet / vor welchem die appelli rungen / die ſonſt nach Speyer oder dem Kaͤyſer - lichen Hoff pflegen verleget zu werden / ihre endſchafft gewinnen add. capitul. Leopold. art. 28. & 27. Dieſes iſt aber allen Staͤnden / ſo viel mir bewuſt / ge -mein /183des Teutſchen Reichs. mein / daß ſie von ſich nicht appelli ren laſſen / wo nicht die Schaͤtzung der Strei - ſachen eine gewiſſe ſumma Geldes uͤber - treffe; welche ſumma doch an etlichen Orten groͤſſer / an etlichen kleiner iſt. Die Criminal juriſdiction aber veruͤben nicht allein die Reichs Staͤnde ohne ap - pelli rung / ſondern auch etliche Freyſtaͤd - te und die meiſten Edelleute.
Wenn die Staͤnde unter ihnen ſelbſt Streithaͤndel haben / gehen die meiſten unter ihnen in der erſten inſtantz zu den Schiedsleuten oder Auſtrægen. Deren ſind etliche durch einen abſonderlichen Vertrag der Staͤnde verordnet / etliche dependi ren von der gemeinen diſpoſi - tion der offentlichen Geſetze. Jhr erſter Urſprung iſt unbekant. Die jenigen ſcheinen der Warheit am nechſten zu - kommen / welche ſie / wie vorhin geſagt / zu des Friderici II. Zeiten und das groſ - ſe interregnum rechen. Alſo iſt derſel -ben184Vom Zuſtandben Urheber / wie etliche wollen / nicht der Maximilianus I. ob er ihnen wol eine neue Form oder Geſtalt gegeben / welche in der Kammer ordnung / ſo im Jahr 1495. zu Worms beſchrieben / zu finden iſt. Auß unterſchiedlichen Orten der Au - ſtrægen, die daſelbſt erzehlet werden / ſind vornemlich zwo gebraͤuchlich / daß entwe - der der beklagte drey Fuͤrſten und andere Staͤnde benenne / anß welchen einer von dem Klaͤger ſol erwehlet werden; oder man ſol einen oder mehr Commiſſarien von dem Kaͤyſer begehren. Es ſeyn doch etliche Sachen / die nicht zu den Auſtræ - gen gehoͤren / ſondern alsbald vor der Kammer oder Hoffgericht muͤſſen ge - bracht werden / welche hin und wieder in den gemeinen Buͤchern gefunden werden. Es haben aber die Auſtræge dieſe unbe - quaͤmligkeiten bey ſich / daß man davon an das Kammer - und Hoffgericht appel - li ren koͤnne / und alſo wenig ſtreitigkeiten daſelbſt geſchlichtet werden; Und dasviel185des Teutſchen Reichs. viel unkoſten erfordert werden / dadurch der Fuͤrſten / die da Schiedsleute ſeyn / Commiſſarien muͤſſen beſchencket und herrlich tracti ret werden. Da kom̃t hin - zu / daß das Gericht der Auſtræge nur ein halb oder ein gantz Jahr waͤren muͤſ - ſe / da es doch ein wunder in Teutſchland ſein wuͤrde / daß in ſolcher Zeit ein wichti - ger Streithandel beygeleget werde.
Das Obergericht in Teutſchland iſt die Kammer zu Speyer / welche erſt auff be - willigung der Staͤnde vom K. Maximi - liano I. im Jahr 1495. eingeſetzet iſt. Ob ſich wol dieſe in ihren Schluͤſſen und Urtheilen allein des Kaͤyſers ruͤhmet / ſo ſeyn doch die jenigen beſſerer meynung / welche vorgeben / daß die Kammer nicht von dem Kaͤyſer allein / ſondern auch von allen Staͤnden dependi re / und in deren anſehen Recht ſpreche. Der Kaͤyſer ſe - tzet uͤber dieſem Gericht einen Fuͤrſten / oder nur einen Graffen oder Freyherrn zumPræ -186Vom ZuſtandPræſidenten. Jn dem Oßnabruͤggiſchen Frieden iſt der Vertrag gemacht / daß nachmals unter dieſem vornehmſten Præ - ſidenten, welchen ſie den Richter der Kammer nennen / noch vier unter Præſi - denten von dem Kaͤyſer ſolten verordnet werden / und in allem 50. Beyſitzer / deren 26. der Catholiſchen / und 24. der Prote - ſtiren den Religion zugethan ſeyn ſollen: damit nemlich die Proteſtiren de nicht zu klagen / als wenn ihnen das Recht moͤch - te verhalten werden / weil die Catho - liſchen mehr Beyſitzer haben. Wiewol heute zu Tage nicht einmahl der halbe theil dieſer Zahl da ſey / in dem die meiſten Fuͤr - ſten die Beyſitzer zu verordnen / nnd ihnen ihre Beſoldung zu geben ſaͤumig; Weil ſie die gebietende Urtheile ſolchen Gerichts / ob es gleich ſelten uͤber ſeine Worte gehet / faſt nicht hoͤren moͤgen. Wer umb dieſes Gericht beſſern Beſcheid wiſſen wil / der muß vornemlich die Verordnung der Kammer leſen / welche den Reichs Abſchie -den187des Teutſchen Reichs. den beygefuͤget iſt. Man ſagt ins gemein / lites Spiræ dicuntur ſpirare, ſed nun - quam exſpirare, daß zu Speyer die Streithaͤndel jmmer wehen / aber nimmer außwehen / weſſen Urſach iſt ſo wol die weitlaͤufftige Proceſſen, als die menge der Sachen und wenigkeit der Beyſitzer / aber die vornehmſte / daß gemeiniglich das Ver - moͤgen fehlet / die Urtheile außzuuͤben. Da - her geben die jenigẽ ſo ſich auff ihre Macht verlaſſen / wenig darauf / was die zu Speyer beſchlieſſen. Und ſeynd eben dieſe ſo ver - ſtaͤndig / daß ſie ihr uͤbriges Anſehen nicht wollen in Gefahr ſetzen / nemlich Urtheile zu faͤllen / welche die Maͤchtige verlachen wuͤrden. Es iſt aber gebraͤuchlich / daß ſo wol hier als vor andern Gerichten die ſchwache Fliegen beſtricket werden. Umb die Maͤngel der Kammer zu verbeſſern iſt in dem Reichs Abſchiede des 1654. Jahrs viel verordnet. Von der Kam̃er kan man nicht appelli ren / ſo ſich aberjemand be - ſchweret / kan er eine reviſion hegehren /welche188Vom Zuſtandwelche doch / ſo viel mir bewuſt / noch in ei - nem tieffen Schlaffe begriffen iſt.
Es iſt auch ein Gericht am Kaͤyſerlichen Hofe / welches ſich gleicher Macht mit der Speyriſchen Kammer ruͤhmet / alſo / daß die vor demſelben beruͤhrte Streitigkeiten / zu dieſer nicht koͤñen gezogen werden / noch die vor jener beruͤhret zu dieſem. Deſſen Geſetze hat erſtlich der Kaͤyſer Ferdinan - dus gegeben im Jahr 1549. K. Maximi - lianus II. hat ſie vermehret / K. Matthias hat ſie gar ernewert im Jahr 1614. Es iſt auch etwas durch K. Ferdinandum III. auff dem Reichstage zu Regenſpurg hinzu gethan im Jahr 1654. Vid. Inſtru - mentum Pacis art. 5. §. 20. & art. 41. 42. 43. capit. Leopold. Dieſes Gericht dependi ret biß hieher allein vom Kaͤyſer / ob gleich deſſelben Beyſitzer Chur Mayntz als einem Ertz Cantzler des Reichs / mit ei - nem Eyde verpflichtet ſeyn; Die Urſach / waꝛumb dieſes Gericht angeordnet / iſt nichtſchwer189des Teutſchen Reichs. ſchwer zu errathen. Nemlich es verdroß die Oeſterreichiſchen / daß ihr Hoff nichtfleiſ - ſtg beſucht wuͤrde / in deme man zu Speyer uͤber die appelli rungen urtheilete / und die Juſtitz ſuchte: Denn darin laͤſſet ſich am meiſten die Majeſtaͤt der Herrſchafft ſehen / daß die jenigen ihre Zuflucht zu ihr nemen / die ſich bemuͤhen ihr Recht zu erlangen / oder das Unrecht abzuwenden: Und wer die Rechts Buͤcher erklaͤrẽ kan / wird leicht - lich von ſolcher Goͤttin erhalten / daß ſie nichts antworte / was ſeinem Nutzen zu wider ſey. Uber dem / daß ferner die Spey - riſche Kammer von dem gantzen Reich de - pendirte, war ſie auch ein Rath / welcher weit vom Kaͤyſerl Hofe gelegen; Und weil ſolcher bey ſeinem Rheinſtrom bliebe / ſchie - ne es / er truͤge wenig Sorge / wie es zugien - ge / wo die Donaw ihren Gang hat. Fer - ner kunten die Streitigkeiten der Staͤnde / wegen der veraͤnderten art des Rechts / nicht ſo fuͤglich / als vor zeiten auff dem Reichstage abgeſchaffet werden. Wo der -wegen190Vom Zuſtandwegen ſolche der Kaͤyſer an ſich allein zie - hen koͤnte / nachdem auch der privat Per - ſohnen appelli rungen angenom̃en / danch - te ihn / daß ihm eine feſte Stuffe geſetzet wuͤrde / allmaͤhlich uͤber die Staͤnde Koͤnig - liche Macht zu bekommen, Es fehlete auch nicht an einem anmuthigen Schein ſolch Gericht anzuſtellen: Denn warumb hatte er in der Capirulation verſprochen / daß er allen die Gerechtigkeit handhaben wolle / wenn ſie alle ihn vorbey nach Speyer lauf - fen wuͤrden? Es kam hinzu / daß er zuſag - te / es ſolle vor dieſem Gericht kein langſa - mer Proceß gehalten werden. Daher war es anmuthig / daß man den Streit bald zum ende bringen koͤnte / wenn einer des Kaͤyſers Gunſt verdienen moͤchte: Denn die zu Speyer duͤrffen ſolche weitlaͤufftig - keit nicht abſchaffen / ob ſie gleich wolten / auch in den klaͤrſten Sachen. Der jenige wird die Natur dieſes Gerichts beſſer er - gruͤnden / welcher bedencken wird / daß der Rath am Kaͤyſerlichen Hoffe noch gehei -mer191des Teutſchen Reichs. mer und heiliger ſey / in welchem die hoͤch - ſten Reichs Sachen vornemlich pflegen verhandelt zu werden. Werden demnach die ſtreitige Sachen erſt vor dem Hoffge - richt geſchlichtet / und wenn etliche Politici druͤber gekommen / werden ſie zum Kaͤyſer uͤberſchicket mit vermelden / was ihnen bey dieſen Sachen duͤncke. Dann werden die Sachen vom neuen in dem geheimen Rath vorgeſtellet / da nicht ſo woll die Urſa - chen des Rechts als des Stats betrachtet werden; Ob es nemlich dem Kaͤyſer zu - traͤglich ſey / daß ein ſolch Urtheil gefaͤllet werde / ob und wie fuͤglich die Exſecution geſchehen koͤnne. Wo in dieſen einiger Zweyfel vorgehet / wird das Urtheil auff - geſchoben; Das darff ich aber kaum glau - ben / daß die Beyſitzer dieſes Gerichts nicht ſehr unwillig werden / wenn die Partheyen mit Geſchencken ihnen an die Hand gehen. Ob wol vielen rathſamb beduͤncket / ſich von dieſem Argwohn zu befreyen / wenn ſie ſich ſchaͤmeten / den ſtreitenden Partheyen an -zuzei -192Vom Zuſtandzuzeigen / weme es befohlen ſey / ihre Sache im Rath vorzubringen.
Mit der Exſecution der gedachten Ur - theile in dieſen oberſten Gerichten wird faſt alſo verfahren; Erſtlich wird der Parthey / ſo die Sache verlohren / anbefohlen / bey beſtraffung einer gewiſſen Marcken reines Goldes / welche theils dem Fiſco, theils dem der die Sache gewonnen / muͤſſen ge - zahlet werden / daß er dem Urtheil geher - ſame; Wo er ſich wegern wird / wird die Straffe vermehret; Wo einer die Draͤw - worte zu verachten fortfahren wird / wird er mit dem Bann oder Verweiſung ge - ſtrafft / und mit Kriegsmacht zum Gehor - ſam gebracht. Und zwar ſo er einem von den Staͤnden unterthan ſey / wird demſel - ben die Exſecution befohlen / dem der ver - urtheilte unterworffen. Wo der verur - theilte aus der Zahl der Staͤnde ſeyn wuͤr - de / wird die Exſecution dem Kraͤys Obriſten anbefohlen / oder einem oderdem193des Teutſchen Reichs. elnem oder dem andern von den Staͤnden deſſelben Kraͤyſes / deſſen Glied der verur - theilte iſt. Wenn ein Kraͤyß nicht maͤch - tig gnug iſt / den verurtheilten zu bezwin - gen / wird die Sache zweyen oder drey be - fohlen. Es gehen aber ſelten dergleichen Exſecutiones vor; dann es gedeyet mehr zu Teutſchlandes Nutzen und der Staͤn - de Freyheit / daß ſolche wichtige Streit - haͤndel durch gewiſſe Schiedsleute beyge - leget werden.
Wo endlich was vorfaͤlt / das die Hoheit des Regiments angehe / davon darff der Kaͤyſer nichts nach ſeinem Willen ſchlieſ - ſen / ſondern ein ſolches Werck muß auff dem Reichstage oder in der verſamlung aller Staͤnde vorgeſtellet und nach ihrer bewilligung beſchloſſen werden. Vid. Ca - pitol. Leopold. art. 39. ſub fin. Weil hievon die Teutſchen Scribenten deutlich gnug meldung thun / wollen wir nur ein weniges davon gedencken. Es ſtehet zwarKdem194Vom Zuſtanddem Kaͤyſer allein zn / einen Reichstag an - zukuͤndigen / doch alſo / daß der Churfuͤrſten dewilligung auch uͤber deſſelben Ort und Zeit / entweder durch Brieffe / oder durch einen Geſandten muͤſſe erfordert werden. Vid. art. 17. Capit, Leopold. Es koͤn - nen auch die Churfuͤrſten den Kaͤyſer er - innern umb einen Reichstag zu halten / wenn es die Noth Teutſchlandes erfor - dert. Weil aber derſelbe mit groſſem Unkoſten der Staͤnde gehalten wird / iſt außdruͤcklich an dem gemelten Ort Capit Leopold. die vorſehung gethan / daß ſie der Kaͤyſer mit keinem unnoͤtigen Reichs - tage beſchweren ſolle. Zur zeit des inter - regni koͤnnen die Reichs Vicarii, und bey des Kaͤyſers abweſen der Roͤmiſche Koͤ - nig / wo einer verhanden / einen Reichstag ankuͤndigen. Die ankuͤndigung geſchicht nicht durch ein offentlich allgemeines Ge - bot / ſondern durch einen geſchriebenẽ oder gedruͤckten Brieff / welcher einem jeglichen von den Staͤnden muß eingehaͤndiget undmit195des Teutſchen Reichs. mit ſolchen Worten verfaſſet werden / die mehr eine freundliche einladung als eine gebietende citi rung mit ſich bringen. Und dieſe ankuͤndigung gehet faſt ein halb Jahr vor dem Reichstage vorher / damit die Staͤude in der ſtille / die Sachen ſo dar - auff ſollen abgehandelt werden / uͤberlegen koͤnnen.
Es kommt denen / ſo die Teutſchen An - tiquiteten bekand ſeyn / glaͤublich vor / daß vor zeiten alle Jahr ein Reichstag ſey ge - halten worden / welcher nicht laͤnger als ein Monat gewaͤret. Heute zu Tage iſt nichts gewiſſes beſchloſſen / wie offt und lange der Reichstag muͤſſe gehalten weꝛden / ſondern das wird alles nach der Nothdurfft des ge - meinen Weſens berahmet / zum wenigſten ſolte es alſo geſchehen; Andere halten aber dafuͤr / dz es der Staͤnde Freyheit zutraͤglich ſey / wenn zu gewiſſer Zeit / nemlich alle drey Jahr ein Reichstag gehalten werde / da man doch die langſame verrichtung derK ijGe -196Vom ZuſtandGeſchaͤffte wie auch die groſſe Unkoſten et - was einziehen muͤſte. Ob wol etliche mey - nen / daß dieſe verzuͤgerung und unkoſten dẽ Kaͤyſer Nutzen ſchaffe / weiln die daduꝛch uͤberdruͤſſig gemachte Staͤnde vor dem Reichstage / welcher ſonſt fuͤr ein kraͤfftig Mittel / die Freyheit zu erhalten / gehalten wird / ei nen abſchew bekommen moͤchten. Von dem Orte des Reichstags iſt zwar in der guͤldenen Bulla veroꝛdnung gethan / dz der erſte zu Nuͤrnberg ſolle gehalten wer - den; welches doch bißher nicht ſo gar ge - naw in acht genommen worden; Und in den Capitulationen wird nur eines be - quaͤmen Orts / der nicht außerhalb Teutſch - land gelegen / und zu welchem die Churfuͤr - ſten gewilliget / gedacht. Es hat ſich ſchon vor laͤngſt eine freye Reichsſtadt hiezu ge - brauchen laſſen / deſſen Urſach nicht ſo gar unbekand iſt. - Und ich halte die Fuͤrſten wuͤrden ſich ſchwerlich einſtellen / wenn ſie / zum Exempel / der Kaͤyſer nacher Wien beruffen lieſſe.
Es werden alle Reichsſtaͤnde / und zwar unter den Geiſtlichen auch die jenigen / die vom Pabſt noch nicht confirmi ret und mit dem Mantel außgeruͤſtet worden / auff den Reichstag beruffen. Wo eine Stelle ledig iſt / wird das Capitul beruffen. Die beſitzer der Bißthuͤmer / ſo die Augſpurgi - ſche Religion angenommen hatten / da ſie vorhin weder beruffen noch zugelaſſen wurden / haben endlich in dem Oßnabruͤg - giſchen Frieden eine ſonderliche Stelle be - kommen. Bey den Weltlichen Fuͤrſten iſt zu mercken / daß fuͤr den minderjaͤhrigen derſelben Vormuͤnder beruffen werden. Es iſt auch der Warheit gemeß / daß die / welche ſchon muͤndig worden / vor der be - gehrten oder erhaltenen inveſtitur ſollen beruffen und zugelaſſen werden / ob wol die - ſes Hertzogen Johan Friderich zu Wuͤr - tenberg auff dem Reichstage zu Regens - burg im Jahr 1608. iſt ſtrittig gemacht worden. Wenn in einem Hauſe das RechtK iijder198Vom Zuſtandder Erſt Geburt iſt angenommen / wird der Erſtgeborne allein beruffen; Wo aber die Laͤnder getheilet / wird ein jeglicher beruf - fen / der von ſeinem Theil abſonderlich in - veſti ret iſt. Welche ihre Laͤnder ungethei - let beſitzen / werden zwar alle beruffen / ha - ben aber nur eine Stimme. Die zum Reichstage beꝛuffen ſind / muͤſſen entweder ſelbſt / oder / wo ihnen ſolches nicht gelegen / durch ihre mit gnugſamer Vollmacht dazu abgefertigte Geſandten erſcheinen; Wel - che zu kommen verſaͤumet / werden nichts deſtoweniger daduꝛch veꝛbunden / was von den meiſten beſchloſſen worden. Der Koͤ - nig in Boͤhmen darff aus einem ſonder - lichen Privilegio zum Reichstage nicht kommen / es ſey dann daß ſolcher zu Nuͤrn - berg oder zu Bamberg gehalten werde. Dem Hauſe Oeſterreich wie auch den Staͤnden des Burgundiſchen Kraͤyſes ſtehet es frey zu kommen oder auſſen zu bleiben. Die vergebliche gebraͤuche zu er zehlen iſt nicht unſers vorhabens.
Was auff dem Reichstage ſol berath - ſchlaget und beſchloſſen werden / wird von dem Kaͤyſer oder deſſen Commiſſarien vorgetragen. Darauff gehet man auff die berathſchlagungen. Woſelbſten gefraget wird / ob man in dem berathſchlagen und beſchlieſſen eben die Ordnung halten muͤſ - ſe / die in der vortragung der Sache iſt in acht genommen? Oder / ob man zu einem andern Hauptſtuͤck der vorgetragenen Sa - chen / wenn die erſten noch nicht abgehan - delt / ſchreiten muͤſſe? Hier haben die Staͤn - de zwar offte vorgegeben / man duͤrffe nicht ſo genaw an der Ordnung der Propoſi - tion verbunden ſeyn / die Kaͤyſerlichen aber ſind allzeit dawider geſtanden / warumb ſie ſolches gethan / kan ein verſtaͤndiger leiche merckẽ: Was nemlich dem Kaͤyſer zutraͤg - lich geweſen / iſt zu erſt vorgenommen / was dem gemeinen beſten angangẽ aber zu ruͤck geſetzet worden. Wo demnach die Staͤnde auch davon etwas uͤberlegen wollẽ / muͤſſenK iiijſie200Vom Zuſtandſie notwendig dem Kaͤyſer erſt zu willẽ ſeyn; welcher / nach dem er ſeiuen Zweck erlanget / ſich umb der Staͤnde Geſchaͤffte / dem an - ſehen nach / nicht ſo ſehr bekuͤmmert hat. Wenn es zum rathſchlagen kompt / wer - den die Staͤnde in drey Collegia unter - ſchieden / als der Churfuͤrſten / der Fuͤrſten und Staͤdte / welche abſonderung man meynet auff dem Reichstage zu Franckfurt im Jahr 1589. angefangen zu haben. Jn dem erſten hat der Mayntziſche das dire - ctorium, wie ſie es nennen; Jn dem an - dern haben es die Oeſterreichiſchen und der Saltzburgiſche einer umb den andern; Jn dem dritten hat es die jenige Freyſtadt / in welcher der Reichstag gehalten wird. Die Fuͤrſten geben ihre Stimmen von Mann zu Mann; Die Graffen und klei - nere Prælaten Kraͤyßweiſe. Das groͤſte Theil verbindet auch das geringſte / ohne zm dem religions Werck / und wo die Staͤnde nicht als ein Corpus, ſondern als ſtreitende Partheyen betrachtet werden. Es201des Teutſchen Reichs. Es iſt noch nicht entſchieden / ob auch die - ſes bey den Collecten gelten ſolle. Vide Inſtrum. pacis art. 5. n. 19. Jch halte / es koͤnne die Sache am fuͤglichſten durch ei - nen unterſcheid geſchlichtet werden / ob daß jenige / was geſam̃let wird / zu des gantzen Regiments Wolfahrt / oder nur zu Ge - fallen und ſonderlichem Nutzen des Kaͤy - ſers gereiche. Was zu jener gehoͤret / wird kein ehrlicher Mann verhalten / was aber zu dieſem / darin kan ein jeglicher ſeiner freygebigkeit billich Maß ſetzen. Die art und weiſe zu rathſchlagen iſt faſt dieſe; Was dem Churfuͤrſtlichen Collegio gut duͤncket / wird dem Fuͤrſten Collegio com - munici ret; Dieſes gibt hinwierumb je - nem ſeine mtynung zu verſtehen / (das nen - nen ſie referi ren und correferi ren) und das ſo lange / biß ſie miteinander einig wer - den. Weñ das geſchehen / geben dieſe beyde dem Collegio der Staͤdte ihre meinung zu vernehmen; Wenn auch dieſes darin ver - williget / wird dem Keyſer odeꝛ deſſen Com -K vmiſſa -202Vom Zuſtandmiſſarien die einhellige Meynung der Staͤnde vorgetragen. Und wenn ſie die - ſelbe gut heiſſen / ſo iſt die Sache richtig. Weñ ſie nun in den Collegien nicht kon - ten uͤberein ſtim̃en / werden die mißhellige Stimmen dem Kaͤyſer vorgebracht / wel - cher ſich bemuͤhet / die ſtreitende duꝛch eine freundliche abhandlung / nicht aber durch Befehl zu vertragen. Gleicher geſtalt auch / wenn ihm was anders dabey duͤn - cket / wird die Sache ſo lange freundlich uͤbergeleget / biß er auch mit den Staͤn - den / oder ſie mit ihm einig werden. Da - her die gebraͤuchliche Formula in den Reichsabſchieden entſtanden: Dieſes iſt zwiſchen dem Kaͤyſer und den Staͤn - den einhellig abgehandelt. Bey dem Collegio der Staͤdte iſt in acht zu neh - men / ob gleich ſolchem in dem Inſtrum, Pacis artic. 8. §. 4. ein Votum deciſi - vum zugeleget worden / da vorhin die an - dern darauff beſtunden / daß es nur zu be - rathſchlagungẽ ſolte zugelaſſen werden;So203des Teutſchen ReichsSo thun doch die beeden oberſten Col - legia dieſem nichts zu wiſſen / ehe ſie mit - einander uͤberein kommen; doch alſo / daß jene als das groͤſſere Theil ihre Schluͤſſe mit Befehl dieſem wider ſeinen Willen nicht auffbuͤrden koͤnnen / ſondern wo es anderer meynung iſt / wird die Sache vor dem Kaͤyſer gebracht / biß man auch allhier einig wird. Was nicht kan beygeleget werden / pfleget man biß auff eine andere Zuſammenkunfft auff - zuſchieben. Was dergeſtalt allen belie - bet hat / wird von dem Mayntziſchen Di - rectorio in eine rechtmaͤſſige Form eines Abſchieds verfaſſet / vom newen wieder uͤber geſehen / und nach der unterſchrei - bung und verſiegelung offentlich heraus gegeben.
Halte demnach dafuͤr / daß es klar gnug ſey / was der Kaͤyſer wegen der vornehm - ſten Stuͤcke deꝛ hoͤchſten Gewalt vor ſich behalten. Doch ſind etliche Rechte / dieK vjder204Vom Zuſtandder Kaͤyſer allein in Teutſchland veruͤben darff / unter welchen man rechnet 1. das jus primarïarum precum, Krafft welcher der erwehlte Kaͤyſer in einem jeglichen Collegio der Geiſtlichen eine Perſohn zum geiſtlichen Beneficio darſtellen kan. Welches Rechten ſich doch nicht ſo wol der Kaͤyſer ſelbſt als die Geiſtlichen ſchaͤmen ſolten / welche / da ſie faſt alle das ihrige der freygebigkeit der alten Kaͤyſer zuſchreiben / ihm nicht mehr als die erweiſung eines Beneficii in jeg - lichem Collegio gelaſſen / die zu deme nur als eine Bitte guͤltig iſt. 2 Daß er al - lerhand arten der Wuͤrde außtheilet. vid. tamen art. 43. & 44 capitul. Le - opold. 3. Das die inveſtitur, belegung der Fuͤrſtlichen Lehen / und was durch die Fahne pfleget bemercket zu werden / von ihm allein eꝛhaltẽ weꝛde 4. Daß er offent - liche Schulen oder Academi en auffrich - tet. 5. daß er vergoͤnnet eine Stadt zu bauen / und was ſonſten ſchlechtere Dinge mehr ſeyn.
Man kan aber auch leichte darauß vernehmen / was den Staͤnden an der hoͤchſten Gewalt noch mangele / nemlich an die meiſten unter ihnen das Recht ihre Unterthanen auch am Leben zu ſtraffen; Sie geben Geſetze die auch dem gemeinen Recht zu wieder ſeyn; Sie haben die Religions Freyheit; Sie nehmen alle Einkuͤnffte ihrer Laͤnder zu ſich; Sie le - gen Tribut auff; Sie machen unter ſich und mit Außlaͤndiſchen Verbuͤndniſſe / wenn ſie nur nicht dem Kaͤyſer oder dem Reich zu wieder ſeyn. vid. inſtrum, pa - cis art. 8. §. 2. & capitul. Leopold. cap. 6. & 8. Welches Recht den mittelbah - ren Buͤrgern des Reichs außdruͤcklich benommen / art. 9. capitul. Leopold. Sie verthaͤtigen ſich mit Waffen / oder raͤchen das ihnen angethane Unrecht mit Gewalt / vornemlich wieder die Außlaͤn - der. Sie bauen Feſtungen in ihren Laͤn dern; Sie laſſen Muͤntze ſchlagen; UndK vijwas206Vom Zuſtandwas ſonſten zur regierung einer Land - ſchafft von noͤthen. add. art. 33. 34. ca - pitul. Leopold & niſtrum. pacis artic. 8 §. 2. zur ſonderlichen Wuͤrde der Chur - fuͤrſten gehoͤret der 5. articul. capitul. Leopold. Und zwar veruͤben ſie dieſes al - les auß ihrem Recht / und nicht an ſtat des Kaͤyſers. Und gehet nicht ſo wol ih - rer Macht / als die art ſolche zu haben an / daß ſie ihre Laͤnder als Lehen vom Kaͤy - ſer und Reich erkennen: Denn weil ſie ſolche mit Erb Recht auff ihre Nachkom - men bringen / hat die inveſtitur vielmehr die Macht eines gemeinen gebrauches / als einer wahren belegung; Weil ſie nie - mand / der ſie zu rechter Zeit begehret / kan verwegert werden Der Eyd treu zu ſeyn wird ohne verletzung eines jeglichen Rechte verſtanden; deñ es iſt gemein / daß ſich auch Bunds genoſſen mit einem Eyde verknuͤpffen. Zu deme iſt auch dieſes keine ſo groſſe Laſt / oder zeuget von einer unter werffung / daß ſie ſich auff dem Reichs -tage207des Teutſchen Reichs. tage auf eigeue Unkoſten einſtellẽ muͤſſen: Deñ das pfleget bey allen Zuſam̃enkunff - ten der Bundsgenoſſen zu geſchehen Ebẽ wenig kan auch daraus / daß ſie zu des Reichs Nothturfft beytragen / etwas er - zwungen werden. Endlich / welches daß haͤrteſte zu ſeyn ſcheinet / dz einer von den Staͤnden vor den Oberſten Gerichten koͤñe zu Recht gezogen / und ſo er groͤblich wider das Reich geſuͤndiget / verwieſen und ſeiner Laͤnder beraubet werden / iſt auch nicht wieder die Natur der Ver - buͤndniſſe: Denn bey den alten fallen auch dergleichen Exempel vor in der Ver - buͤndniſſe der Amphictyonum uñ Achæ - er in Griechenland; Und haben wir in unſerm Seculo geſehen / daß die vereinig - te Niederlaͤnder die Stadt Groͤningen mit einem Caſtel auff eine Zeit in Zaum gehalten. Denn Teutſchen Staͤnden aber iſt gnugſahme vorſehung gethan in art. 28. capitul. Leopold. Daß aber der je - nige / welcher ſich den andern verwegent -lich208Vom Zuſtandlich und Halßſtarriger Weiſe wieder - ſetzet / von ihnen geſteuret werde / pfleget auch in einer gleichen Geſelſchafft zu geſchehen.
GLeich wie die Geſundheit und Ge - ſchickligkeit ſo wol der Natuͤrli - chen als kuͤnſtlichen Leiber auß der fuͤglichen Harmonia und verknuͤpffung der Theile unter ſich entſtehet; Alſo wer - den auch die corpora moralia oder Ge - ſellſchafften / ſtarck oder ſchwach geſchaͤ - tzet nach dem derſelben Theile wol oder uͤbel unter ſich verknuͤpffet befunden wer - den; Nach dem ſie eine ſchoͤne Geſtalt o - der etwas unordentliches und ſcheußli - ches an ſich haben. Es iſt aber auß dem vorheꝛgehenden klar genug gewieſen / daß etwas in der Teutſchen Regiment / weißnicht209des Teutſchen Reichs. nicht was verborgen ſey / welches nicht zu - gjebet daß man ſelbiges unter den ein - fachen Formis oder Arten der Regimen - ter zehle / wie ſolche ins gemein von den Politieis beſchrieben werden. Wir muͤſ - ſen ſo viel genauer die eigendliche Form dieſes Reichs erforſchen; Wie viel groͤ - ber die meiſten Scribenten ſolcher nation allhie theils auß unwiſſenheit der wahꝛen civil Wiſſenſchafft / theils weiln die mei - ſten / wenn etwa vieler meynungen ohne Verſtand in ein Buch zuſammen getra - gen / daſſelbe als etwas newes ſo fort an - nehmen / geirret haben. Jch verheiſ - ſe mir aber ſo viel leichter verzeihung we - gen der etwas weitlaͤufftiger als zarten Ohren auſtehet / eingemiſchten ſchola - ſti ſchen ſubtilitä ten / wie viel ſchwerer es iſt ohne dieſen von dem Zuſtande Teutſch - landes ein gnuͤgliches Urtheil zu faͤllen. Wie woll man bey den verſtaͤndigen nur wenig Worte gebrauchen duͤrffte / wo man nicht der andern albere Theiding / die von vielen gut geheiſſen / weitlaͤuffti - ger wiederlegen muͤſte.
Jſt demnach dabey / wenn man jegliche Theile oder Staͤnde des Reichs abſonder - lich betrachtet / wenig ſchwirigkeit. Denn alle weltliche und geiſtliche Fuͤrſtenthuͤmer (deren jene durch Erbſchafft / dieſe durch die Wahl conferi ret werden) wie auch die Graffſchafften ſind gleich den Monarchi - en; doch mit dieſem unterſcheid / daß an et - lichen Orten der Fuͤrſten Macht abſolut, an etlichen durch gewiſſe Pacten mit den Staͤnden / wie man ſie nennet / oder mit den Landſaſſen / limiti ret ſey. Etliche Freyſtaͤdte aber werden ariſtocraticè (da die Vornehmſten das Regiment fuͤhren) regieret / in welchen nemlich der Rath die hoͤchſte Gewalt hat / in welchem Recht die vornehmſten Buͤrger durch der Raths - herren Stimmen auffenommen werden / und wo der Rath weder von dem gemei - nen Poͤbel kan zum Gehorſam gebracht werden / noch von ſeiner verwaltung Re - chenſchafft geben darff. An andern Or -ten211des Teutſchen Reichs. ten gilt die Democratia, woſelbſten der Rath durch der Zuͤnffte Stimm erſetzet wird / und de Zuͤnffte macht haben in den Rath zu inquiri ren.
Was aber dem gantzen Leibe Teutſch - landes fuͤr eine Regiments Form muͤſſe beygeleget werden / daruͤber ſeynd die Scri - benten ſelbiger nation nicht einig / wel - ches ein gewiſſer Beweiß iſt eines ſehr ir - regular Regiments / wie auch der unwiſ - ſenheit der Scribenten, welche mit faſt keiner oder einer gar geringen civil Wiſ - ſenſchafft außgeruͤſtet ſich uͤber das jus publicum, wie ſie es nennen / zu com - menti ren machen. Jch weiß nicht / daß ich noch jemand geſehen / der ſelbigẽ Reich dieformam democraticam beygemeſſen. Doch ſind etliche / ſo nur die jenigẽ Buͤrger odeꝛ Staͤnde des Reichs neñen wollen / wel - che das Stim̃recht auf dem Reichstage ha - ben / die zweiffels ohne dem Ariſtoteli ge - folget / der denſelben einen civem oderBuͤr -212Vom ZuſtandBuͤrger nennet / welcher das Recht zu rathſchlagen / und eine Stimme in dem Regiment zu geben hat. Wenn wir dieſes annehmen / wird traun das Teutſche Reich eine democratia ſeyn / als deſſen Buͤrger allein die Staͤnde ſind / welche alle und jeg - liche freylich das Recht von dem Regiment zu rathſchlagen und etwas zu beſchlieſſen auff dem Reichstage haben. Dem Kaͤy - ſer aber wird es als einem eigentlich ſo ge - nanten Fuͤrſten zukommen. Der jenige muß aber gar unbedachtſamb ſeyn / der die - ſe Ariſtoteli ſche definition weiter als auff die Buͤrger / ſo in den Griechiſchen democratien lebeten / außdehnen wolle: Denn wer wolte freyen Menſchen und Hausvaͤtern die in einem Reich oder Ari - ſtocratia leben den Buͤrger Nahmen ver - weigern / ob gleich ſolche zu keinem theil des Regiments gelaſſen werden? Oder wer wolte ſagen / daß in einem Reiche der Koͤ - nig / und in einer Ariſtocratia die Raths - herren allein Buͤrger ſeyn.
Die meiſten / welche ihre vorereffliche ci - cil Wiſſenſchafft und eyferige Begierde der Freyheit wollen an den Tag geben / hal - ten Teutſchland fuͤr eine wahre und lautere Ariſtocratia, und geben ihre meynung zu behaupten gar ſorgfaͤltig fuͤr: 1. Es ſolte ſich einer aus dem euſſerlichen Anſe - hen / hoffertigen Tituln und Formuln, die von nichts als einer Monarchia zeugen / nicht bewegen laſſen / deren ein groſſes theil aus der eigenſchafft der Teutſchen Spra - che / die ſolche vergebliche Ehrentitul haͤuf - fig von ſich wirfft / herruͤhret; Etliche waͤ - ren aus dem alten Regiment / von welchem das heutige weit abweichet / uͤbergeblieben. Denn die jenigen haͤtten die hoͤchſte Ge - walt / welche das Recht haben aus eigener Macht in Hauptſachen etwas zu ſchlieſſen / wie ſie auch endlich woͤchten genent wer - den. 2. Es ſey der Natur der Ariſto - eratien nicht zuwider ein etwas vorneh - mer und am anſehen die andern uͤbertref -fendes214Vom Zuſtandfendes Haupt zu haben / welches in der ver - ſamlung der Vornehmſten gleichſamb des Directoren und Præſidenten Stelle ver - treten ſolle 3. Man muͤſſe einen unter - ſcheid machen zwiſchen der Regiments - Form ſelbſt und zwiſchen der art und weiſe der adminiſtration oder verwaltung. Welchen unterſcheid man alſo anfuͤhren muß / daß ſichs bißweilen zutraͤgt / ob es ſcheine / ein Regiment begehre der jenigen verwaltungsart nachzufolgen / die aus der Form eines andern Regiments entſtehet / oder nur einig Zeichen derſelben vorwen - de. Alſo / weñ ein Koͤnig etwas von Reichs Sachen vor dem gemeinen Volck oder Rath braͤchte / wird es zwar dorten das an - ſehen haben einer Democratia, hier aber einer Ariſtocratia; Und wird doch die Regiments Form in der That Monarchi - ca ſeyn / weil die verſamlung des Volcks und der Rath als Raͤthe gebrauchet wer - den / und der Koͤnig nicht nothwendig von ihnen dependi ret. Hingegen / wenn in ei -ner215des Teutſchen Reichs. ner Democratia oder Arlſtocratia eine hoͤhere Obrigkeit oder eigentiich ſo genan - ter Fuͤrſt waͤre / der allein und vornemlich Recht haͤtte / von den offentlichen Geſchaͤff - ten zu referi ren / und die Geſetze und Schluͤſſe zu vollfuͤhren / und unter deſſen Namen die Acta und Decreta publica außgefertiget wuͤrden; So wird zwar ei - niger ſchein der Monachia in der Regi - ments verwaltung ſeyn / die hoͤchſte Gewalt aber wird in der That bey dem Volck / oder der verſamlung der Vornehmſten verblei - ben. Es ſind zwar etliche / welche dieſen Unterſcheid vornemlich mit dem Beweiß widerſtreiten / daß weil die Form ſey ein an - fang der Handlung / dieſe freylich nicht an - ders ſeyn koͤnne / als es die Art der Form zulaͤſſet. Nun ſey aber die Regiments - Form gleichſamb der Bruñ / aus welchem die wirckungen ſolche zu verwalten hervor flieſſen / koͤnne derowegen nicht geſchehen / daß die verwaltung von der Form ſelbſt unterſchieden ſey. Darauff antworten et -liche216Vom Zuſtandliche alſo / daß ſie die verwaltung unter - ſcheiden in die / ſo unter ihrem eigenen / und die ſo unter eines frembden Nahmen ge - ſchicht. Jene zwar geben ſie zu koͤnne von der Regiments Form nicht unterſchieden ſeyn / Daß dieſe aber eine was andere Ge - ſtalt haͤtte / koͤnte nichts hindern. Und alſo verhaͤlt ſich die Sache. Die unterſchiede - ne Regiments Formen entſtehen aus dem ſubjecto, bey welchem die hoͤchſte Gewalt iſt / nach dem ſolches entweder eine einige Perſohn / oder eine verſamlung iſt aus al - len oder wenigen. Es iſt aber nichts dran gelegen / was dieſe hoͤchſte Gewalt fuͤr Die - ner oder Exſecutores habe. Daß ich ge - ſchweige / daß Axioma, worauff dieſer Be - weiß beruhet / gelte nur in natuͤrlichen Sachen / werde aber bey den jenigen nicht fuͤglich angefuͤhret / die ihr Thun frey gu - berni ren moͤgen.
Ob vielleicht aber dieſes ſubtil gnug in den Schulen koͤnne diſputi ret werden /wird217des Teutſchen Reichs. wird ſich doch niemand bereden laſſen / daß das Teutſche Reich eine Ariſtocratia ſey / der die Politiſche Sachen etwas gena〈…〉〈…〉 verſtehet; Denn zu einer Ariſtocratia wird erfodert / daß die hoͤchſte Gewalt bey einem von den Staͤnden / und jmmerwaͤ - rendem Rath ſey / der da berathſchlagen und ſchlieſſen koͤnne von allen zum Reich gehoͤrigen Geſchaͤfften / da die vollfuͤhrung der taͤglichen oder ſonderbahren Sachen gewiſſen Obrigkeiten zugeleget / welche dem Rath von dem was vorgangen / Rechen - ſchafft geben muͤſſen; Ein ſolcher Rath aber iſt in Teutſchland nicht zu finden. Denn die Kammer zu Speyer und das Kaͤyſerliche Hofgericht urtheilen nur uͤber die appellationes. Der Reichstag aber iſt gar nicht einem ſtetigen und jmmerwaͤ - renden Rath zu vergleichen / der uͤber alle Geſchaͤffte / ſo dem gantzen Regiment ange - hen / zu diſponi ren macht haͤtte; als wel - chen man nur ſonderlicher Urſachen we - gen außzuſchreiben pfleget. Es iſt aber ſehrLein -218Vom Zuſtandeinfaͤltig / wenn man glaͤuben woltte / daß der Reichstag und das darauff die meiſten Stimmen geltẽ eine unfehlbare anzeigung ſey eines Ariſtocrati ſchen Standes: Den̄ es iſt gnugſam̃bekand / daß in vielen Koͤnig reichen Reichstage gehalten werden / auff welchen man die Stimmen zehlet / und koͤn - nen zum Exempel gnug ſeyn die Koͤnig - reiche Engelland / Schweden / Schottland Was iſt aber gebraͤuchlicher / als das zwi - ſchen Bundsgenoſſen / die durch eine ge - nawe Veꝛbuͤndniß gleichſamb ein Leib wor - den / Zuſammenkuͤnffte oder gewiſſe Tage zur gemeinen berathſchlagung gehalten werden? Welche bey den Bundsgenoſ - ſen eben ſo groß Anſehen haben als der Reichstag bey den Reichs Staͤnden / zum Exempel koͤnnen aus den Alten die Geſell - ſchafft der Amphictyonen und Achæer, aus den heutigen die Schweitzer und ver - einigte Niederlaͤnder angezogen werden. Darnach iſt dieſes bey rechten Ariſtocra - tien der Gebrauch / daß zwar niemand hoͤ -her219des Teutſchen Reichs. her ſey als der gantze Rath / doch ein jegli - cher von den Rathsherren dem gantzen Rath nicht weniger gehorſame / als die an - dern Buͤrger / und eben ſo wol uͤber jene / als uͤber dieſe das Halsgericht veruͤbet werde; welches gar weit von der Fꝛeyheit der Teut - ſchen Staͤnde ab iſt; Alſo haben in den Ariſtocratien die Vornehmſten ihr pri - vat Erbtheil / welches der andern Buͤrger Guͤter zum offtern weit uͤbertrifft / und iſt doch eben ſo wol dieſes Erbtheil der Raths - Herren / als was auſſer dem die uͤbrige Buͤrgerſchafft beſitzet / der hoͤchſten Herr - ſchafft des gantzen Raths unterworffen / und deſſen Geſetzen verpflichtet. Jn Teutſchland aber / wenn man außnimpt was einem jeglichen von den Staͤnden an - gehoͤret / bleibet nichts uͤbrig / daß allen an - gehe. Und wuͤrde dem jenigen nicht wol - gehen / der bey ihnen ſagen wolte / daß alle Staͤnde uͤber eines jeglichen inſonderheit Guͤter ſo viel Macht haͤtten / als in der Venediſchen Republicq der gantze RathL ijuͤber220Vom Zuſtanduͤber eines jeglichen Raths Herren Guͤter hat: Denn daß ſie des Churfuͤrſten von Mayntz Alberti Spruch anfuͤhren / wel - chen er vorgebracht / als von der Wahl des Caroli V. vor dem Franciſco gehandelt ward / daß dieſer zu einer Monarchia ge - neigt ſey / die Teutſchen Fuͤrſten aber wol - len die Ariſtocratia behalten; Darauff iſt leicht zu antworten: Denn von einem ſol - chen Prælaten eine gruͤndliche civil Wiſ - ſenſchafft zu fodern / wuͤrde nicht wol ſie - hen / und der Verſtand ob er gleich mit un - fuͤglichen Worten gegeben / iſt er doch an ſich deutlich / nemlich / wo den Teutſchen Fuͤrſten ihr gegenwertiger Zuſtand lieb waͤre / ſolten ſie ſich fuͤr des Frantzoſen Ge - biet huͤten / welcher / wie er ſich in ſeinem ei - genen Reich bemuͤhet / der Vornehmſten Zuſtand nach den Geſetzen einer genawen Monarchia einzurichtein / auſſer Zweyfel ein gleiches wider die Teutſche Fuͤrſten verſuchen wuͤrde.
Es iſt noch uͤbrig / daß wir zu ſehen / ob das Teutſche Regiment koͤnne unter die Monarhien gerechnet werden / deren zwo Claſſen ſeyn / als die abſolut oder freye und limitirre oder mit gewiſſen conditi - nen umbſchrenckte. Jn jenen hat der Koͤ - nig allein / oder wie er mag genennet wer - den / Macht von den wichtigſten Sachen nach eigenem gutduͤncken zu ſchlieſſen. Jn dieſen aber iſt der Koͤnig die Actus der hoͤchſten Gewalt zu veruͤben / an gewiſſen Geſetzen gebunden: Welche dieſen unter - ſcheid der Monarchien nicht genaw in acht genommen / haben in dieſer Materia ſehr gefehlet; Jn dem ſie aus den Urſa - chen / wodurch dem Kaͤyſer die abſolut oder freye Gewalt verſaget wird / gemey - net / es werde ihm nicht einmahl eine limi - tirte gelaſſen. Ob wol der jenige / ſo dem Kaͤyſer eine freye Macht beymeſſen wil / einer im Vaterlande geborner Ham̃el ſeyn muͤſſe. So ſeyn doch die Beweißthuͤmer / welche angefuͤhret werden koͤnnen / mehrL iijeines222Vom Zuſtandeines anpfeiffens als einer ernſthafftigen Widerlegung werth. Es iſt eben ſo unge - reimt / daß man aus dem Geſichte Danie - lis, als aus den Buͤchern des Roͤmiſchen Rechts / die Gewalt des Teutſchen Kaͤy - ſers beſchreiben wolle. Daß der Kaͤyſer niemand als Gott und den Degen uͤber ſich erkennet / ſolches eignet ihm nicht mehr ein freyes Gebiet uͤber die Teutſche Fuͤrſten zu / als der Provintz Holland uͤber die uͤbrigen ſechs / dere freylich derſelbigen Ruhm fuͤg - lich kan beygeleget werden. Die vergeb - liche Titul (daß er nemlich von allen Staͤn - den Allergnaͤdigſter Herr genennet wird / dz ſie in den unteꝛſchreibungen der Brieffe und ſonſten ihren Gehorſam weitlaͤufftig zuſagen) hat die Natur des Seculi und der ſtyl des Landes auffgebracht / die faſt nichts mehr vermoͤgen als andere Ehren - worte / von welchen auch ein jeglicher Faul - lentzer weitlaͤufftig zu ſeyn pfleget. Auch iſt nur ein vergebliches Wort-gelaut / die voll - kommenheit der Gewalt aus der Schrei -ber223des Teutſchen Reichs. ber compliment - Brieffen abzunehmen. Endlich ſchweren die Staͤnde dem Kaͤyſer trew zu ſeyn / doch ohne nachtheil ihrer Freyheit und Rechte. Wie viel Macht ſie ihm nun gelaſſen / iſt ſchon droben gnug - ſamb zu ſehen geweſen. Aber mehr hievon zu reden wuͤrde ſich nicht ſchicken.
Die jenigen aber / welche dem Kaͤyſer eine Koͤnigliche und hoͤchſte / doch nicht freye ſondern mit gewiſſen Geſetzen umb - ſchriebene Macht zueignen / haben eine der Warheit faſt am aͤhnlichſten Meynung / welche man auch hoͤret / daß ſie bey ſolchen hin und wieder in den Schulen verthaͤti - get werde; Dieſe hat erſtlich / ſo viel uns bewuſt / als die Kriegsflam zwiſchen dem Kaͤyſer und den Schweden in Teutſch - land am hoͤchſten brandte / einer unter dem falſchen Namen Hippolithus â lapide, zu beſtreiten ſich unteꝛnommen / welcher / ob er wol viel hat / daß niemand / ohne der alle Scham verſchworen / leugnen kan / iſt dochL iiijeben224Vom Zuſtandeben ſo wol offenbahr / daß er in vielem feh - be / und aus unverſoͤhnlichem Haß gegen dem Hauſe Oeſterreich mit der andern Parthey halte. Und ob wol dieſes Buch verboten worden / ſo iſt doch damit nichts anders außgerichtet / als daß die Gelehrten es deſto theurer erkaufften und lieber laſen. Wir haͤtten auch deſſen allhie nicht eben gedacht / wenn gedachtes Buch nicht eben bey den meiſten in groſſem Werth zu ſeyn ſchiene / und man nicht befunden / daß die / ſo dawider geſchrieben / vielmehr Poſſen ge - trieben oder geſchmeichelt / als ſeine Gruͤn - de widerleget. Wie nun dieſer gar recht dem Kaͤyſer die hoͤchſte und Koͤnigliche Macht uͤber die Staͤnde abſpricht / alſo iſt er darin ſehr unbedachtſamb / daß er ihn den Staͤnden unterwirfft / und demſelben / der mit ſo viel Tituln herein pranget / die Wuͤrde einer bloſſen Obrigkeit gleichſamb bittweiſe zulaͤſſet. Als wenn nothwendig eine Ariſtocratia ſeyn muͤſſe / wo keine freye Monarchia zu finden; oder jemandden225des Teutſchen Reichs. den jenigen gaͤntzlich fuͤr ſeinen Oberherrn erkennen ſolte / welchem er nach belieben nicht zu gebieten hat. Wer dieſes nur wird in acht nehmen / der kan ohne Muͤhe ſeine meiſten Gruͤnde uuguͤltig machen. Ob er auch wol hin und wieder viel unnuͤtz Ge - waͤſche hinein miſchet / deſſen wir nur ein weniges als zum uͤbeꝛfluß erzehlen wollen; Er ſagt an einem Orte / daß die Staͤnde die Majeſtaͤt oder hoͤchſte Gewalt haben / bey welchen ſie auch zu finden / wenn kein Kaͤy - ſer iſt. Aber wer weiß nicht / daß in allen Koͤnigreichen zur zeit des interregni die hoͤchſte Gewalt wieder auff das Volck / oder die ſolches repræſenti ren / als die Staͤnde komme; welche ſie doch / nach dem ein ne - wer Koͤnig erwehlet / nicht laͤnger behalten. Es erkennet auch einer den jenigen nicht alsbald vor ſeinen Oberherrn / deme er ſich Rechenſchafft zu geben anbeut; Anders thut man deme Rechenſchafft / vor welches beſtraffung man ſich fuͤrchtet / wo die Rech - nung nicht beſtehen wird; Anders dem /L vwelchem226Vom Zuſtandwelchem einer wegen der Verbuͤndniß nur verpflichtet iſt; Endlich demſelben anders / deſſen guten Nahmen er in Ehren haͤlt. Alſo befleiſſigen ſich die Koͤnige / wenn ſie Krieg anfahen wollen / der gantzen Welt davon gleichſamb Rechenſchafft zu geben. Alſo thut ein Bundsgenoß dem andern / ein Vormund ſeinem Waiſen von den verrichteten Geſchaͤfften Rechnung. Uber dem iſt derſelbe nicht alsbald hoͤher als der ander / oder hat uͤber ihn zu gebieten / der ihn von ſeinem Ampte ſetzen kan: Denn es kan einer nur aus der Verbuͤndniß vie - ler Leute gemeine Geſchaͤffte zu verrichten vorgeſtellet ſeyn / daß keinem ein eigentlich ſo genantes Gebiet uͤber dem andern zu - komme; welcher / woferne man keine laͤnger beliebung zu ihm traͤget / auff keine andere weiſe vom Ampte geſetzet / und alſo der mit ihm gemachte Contract aufgehoben wird / als wenn er den fuͤrgeſchriebenen Geſetzen kein gnuͤgen gethan. Man moͤchte zwar wol zweiffeln / daß zur zeit Henrici IV. undAdol -227des Teutſchen Reichs. Adolphi Naſſovii alles nach dem Recht ſey verhandelt worden / wenn nicht bekand waͤre / daß die Ehrwuͤrdige Prælaten da - mahls das beſte bey der Sachen gethan. Was er von dem Reichstage weitlaͤufftig diſputi ret / iſt zwar wahr / wird aber ver - geblich daß was er vorhaͤlt zu beweiſen an - gefuͤhret: Denn gleich wie der Kaͤyſer den Staͤnden wider ihren Willen nichts auff - erlegen kan; Alſo halte ich ſey unerhoͤrt / daß dieſe dem Kaͤyſer etwas wider ſeinen Willen mit Befehl auffbuͤrden koͤnnen. Die Churfuͤrſten ſchreiben zwar dem Kaͤy - ſer in der Capitulation vor / was er thun nnd laſſen ſoll; nicht aber als aus Macht einiges Gebiets uͤber ihn / ſondern durch ei - nen Contract, welcher ſo viel vermag / daß / wo er den Staͤnden etwas dawider aufflegen wolle / ſie ihm ungeſtrafft nicht gehorchen duͤrffen. Denn dieſes iſt nicht aus einer Gewalt / welche den Staͤnden uͤber den Kaͤyſer zukomme / ſondern aus der gemeinen Natur der Verbuͤndniſſe. L vjFuͤg -228Vom ZuſtandFuͤglicher koͤnte vorgewand werden / was aus der alten Gewonheit eingefuͤhret / und hernach durch die guͤldene Bulla bekraͤffti - get iſt / daß der Kaͤyſer / wo er uͤber etliche Sachen angefochtẽ wuͤꝛde / vor dem Pfaltz - graffen zu antworten ſchuldig ſey. Und iſt bekand / daß die drey geiſtliche Churfuͤrſten dem Kaͤyſer Alberto I. angekuͤndiget / daß er vor dem Pfaltzgraffen Rudolpho zu Recht ſeine Sache außfuͤhren ſolte; Wie - wol einem ſo groſſen beklagten die Waffen wider die Klaͤger als das Recht mehr be - liebet; Und wiſſen wir nicht / daß man nach verfaſſung der guͤldenẽ Bulla von ſolchem vor dem Pfaltzgraffen verhandeltem Ge - richt geleſen habe. Der Urſprung dieſes dem Pfaltzgraffen zuſtehenden Rechts iſt ohne zweiffel aus dem Ampte hergeruͤhret / welches er voralters als der Vornehmſte des Koͤniglichen Hofes verwaltet hat: Denn wie dieſer uͤber die andere Hoffleute das Recht veruͤbete; Alſo / wenn einer et - was vom Koͤnige ſelbſt begehrte / daruͤberman229des Teutſchen Reichs. man Zweiffel hatte / muſte der Pfaltzgraff das Urtheil faͤllen / welches der Koͤnig fuͤr gut hielte / nicht als wenn er ihn uͤber ſich erkante / ſondern weil nach erkanter Sache des Klaͤgers der Koͤnig ſeine Pflicht er - weiſen muͤſſe. Wie wir viele Fuͤrſten in Teutſchland und andeꝛswo kennen / die ſich uͤber ungewiſſe Schuͤlde / vor ihren eigenen Gerichten pflegen beſprechen zu laſſen; welche Gerichte doch den Fuͤrſten nicht zwingen / oder durch Straffe dazu treiben koͤnnen / wo ihn die Ehrerbietung gegen dem Recht / ſeinem Gewiſſen und offent - lichem Geruͤchte nicht zur zahlung der Schuld bringen wird. Jch halte aber / die Staͤnde ſeyn vergnuͤget / daß ihnen vom Keyſer nichts koͤnne befohlen werden / was ihnen mißfalle. Ein jeglicher verſtaͤndiger wird von ihm ſelber ſolche verhaſte Frey - heit / als wann ſie ihrem Kaͤyſer gebieten koͤnnen / verachten.
Mit dem Hippolitho aber wuͤrde zwarder230Vom Zuſtandder Kaͤyſer leichtlich zu recht kommen / daß er von ihm nicht unter die Unterthanen gerechnet werde; Die jenigen halten aber faͤſter an / welche vorgeben es koͤnne beedes dem Kaͤyſer eine Koͤnigliche Macht / und den Staͤnden die freyheit unter einem Temperament beygeleget werden / in dem ſie Teutſchland unter die limitirte Koͤ - nigreiche zehlen: Die von den vermiſchten Regiments Formen ſchwaͤtzen / koͤnnen ſich auff keinerley weiſe herauß wickeln: Dann uͤber dem / daß einige vermiſchung nichts als eine Mißgeburt des Regiments hervor bringẽ kan / kan auch keine art oder ſpecies zu Teutſchen Regiment bequaͤmet werden; in welcher weder die hoͤchſte Ge - walt zugleich unzertheilet bey den meiſten ſey / noch die Theile derſelben Gewalt un - ter verſchiedene Perſohnen oder Collegia getheilet ſind. Ferner ſagen die erſten / es koͤnne alle daß jenige / was dem Kaͤyſer durch die Capitulation vorgeſchrieben werde / mit einem limitirten Koͤnigreichbeſte -231des Teutſchen Reichs. beſtehen / als nemlich / daß er nach den fun - damental - Geſetzen das Regiment ver - walten / und uͤber die Geſchaͤffte / ſo die Hauptſachen angiengen / der Staͤnde be - willigung erfordern muͤſſe; daß er keine newe Geſetze ohne derſelben Vorwiſſen ge - ben / in geiſtlichen Sachen nichts aͤndern / Frieden / Krieg / Verbuͤndniſſe nach der Staͤnde gutduͤncken anfangen / und der Unteꝛthanen Streitigkeiten nicht als duꝛch gewiſſe Gerichte auffheben koͤnne. Alſo / daß die Staͤnde zugleich dem Reich und dem Kaͤyſer trew zu ſeyn ſchweren / koͤnne auff dieſe weiſe erklaͤret werden / daß ſie dem Kaͤyſer gehorſamen wollen / ſo weit er ſich ihrer Huͤlffe und Guͤter zum gemeinen be - ſten bedienen wil / und wie es durch die Ge - ſetze des Reichs beſchloſſen iſt; zugleich auch / daß ſie ſich gegen den uͤbrigen Ge - richts Gliedern bequemen / und als trewe Mitbuͤrger erweiſen wollen. Es ſind aber vornemlich zweyerley im wege / war - umb man Teutſchland nicht fuͤr ein limi -tir -232Vom Zuſtandtirtes Reich halten koͤnne. 1. Ob gleich der Koͤnig in der verwaltung eines wahren Koͤnigreichs gewiſſen Geſetzen nachleben muͤſſe / gehet er doch in der That allen Buͤrgern ſo weit vor / daß niemand ſeine Freyheit und Rechte mit des Koͤni - ges Gewalt vergleichen duͤrffe / und das alle Vornehmſten nach des Koͤniges Willen leben / und ihm Rechenſchafft geben muͤſ - ſen. Welches daß es in Teutſchland an - ders beſchaffen / iſt einem jeglichen bekand: Denn es wird keiner von den Teutſchen Staͤnden zugeben / daß ſeine untergebene Laͤnder mehr dem Kaͤyſer / als ihme ange - hoͤren / oder daß er mehr auff des Kaͤyſers als auff ſeinen eigenen Nutzen bey regie - rung der Laͤnder ſchen muͤſſe. Ja ein jeg - licher / der ſich auf ſeine und ſeiner Bunds - genoſſen Macht verlaͤſſet / miſſet ihm ſo viel bey / daß er ſich auch nicht ſchewet / ohn des Kaͤyſers wiſſen andere Staͤnde oder außlaͤndiſche Potentaten zu bekriegen / Buͤndnuͤſſe und Alliancen ſo wol mit ein -heimi -233des Teutſchen Reichs. heimiſchen als außlaͤndiſchen zu machen / dem Kaͤyſer aber nur eine ſolche Ehrerbie - tung / welche man den Bildern vergeblich zu thun pfleget / erweiſet. Hernach hat ein jeglicher Koͤnig / ob er gleich limiti ret / die die Freyheit / daß die regierung und uͤbung der Macht des gantzen Reichs endlich auff ihn komme / und daß ſolche Macht unter ihm gleichſamb vereiniget werde / daß ge - meine beſte alſo fortzuſetzen / daß es das an - ſehen habe / es werde von einem Menſchen alles guberni ret. Wer dieſes in Teutſch - land ſehen kan / muß Luchs Angen haben; woſelbſten das Haupt und Koͤnig von dem Reiche keine Einkuͤnffte hat / ſondern von ſeinem eigenem leben muß; wo kein ge - meiner Schatz Kaſten / keine offentliche Soldateſca iſt / ſondern ein jeglicher von den Staͤnden ſich ſeiner Macht / und Ein - kuͤnfften ſeiner Laͤnder nach belieben ge - brauchet; da ſie nur ein weniges zum all - gemeinen beſten nach vielem anhalten zu - ſammen tragen. Welches alles in vori -gem234Vom Zuſtandgem Capitel weitlaͤuftiger außgefuͤhret / und in der That ſelber klaͤrlich zu fin - den iſt.
Jſt demnach nichts mehr uͤbrig / als daß wir ſagen Teutſchland ſey ein irre - gulir corpus uñ gleich einer Mißgeburt / wenn es nach den Reguln der civil Wiſ - ſenſchafft betrachtet wuͤrde; welches bey verlauff der Zeit durch die unachtſahme gutwilligkeit der Kaͤyſer / ehrgeitz der Fuͤr - ſten / und Unruhe der Prieſter auß einem ordentlichen Reich in ſo eine uͤbel zuge - richtete Form geſtuͤrtzet / daß es auch nicht einmahl ein limitirtes Reich mehr iſt / ob es gleich von auſſen alſo ſcheinet / noch auch eigentlich ein corpus oder zuſam - menfuͤgung vieler verbundenen Staͤdte / ſondern vielmehr etwas / daß zwiſchen dieſen beeden hingehet / welches jmmer zu einer verderblichen Unruhe und innerli - chen auffwiegelungen anlaß giebet / in dem anff der einen ſeiten ſich der Kaͤyſerbemuͤ -235des Teutſchen Reichs. bemuͤhet das Regiment nach Art eines abſoluten Reichs an ſich zu ziehen / auff der andern die Staͤnde eine volkommene Freyheit ſuchen. Gleich wie aber alle außartungen dieſe Natur haben / daß / wenn ſie von ihrem anfange weit abge - wichen / mit ſchnellen lauff und gleichſam freywillig zu ihrem untergang eylen / zu ihrer vorigen geſtalt aber ſchwerlich wie - der koͤnnen gebracht werden; dann einen Stein / der einmahl an die haͤnge des Ber - ges geſtoſſen / kan man gar leichte auf die ebene hinab weltzen / aber nicht ohne groſ - ſer Muͤhe wieder auff die Spitze des Ber - ges bringen: Alſo kan Teutſchland ohne groſſen Auffruͤhren und hoͤchſter confu - ſion zu einem rechtmaͤſſigen Reich nicht wieder gebracht werden; zu einer zuſam - menfuͤgung der veꝛeinigten gedeyet es von ihm ſelber. Ja wenn man den Auff - ſtand den der Kaͤyſer und die Staͤnde un - tereinander haben auffhuͤbe / wird ſchon Teutſchland in der That ein corpus oderzuſam -236Vom Zuſtandzuſammenfuͤgung der Bundsgenoſſen ſeyn / die mit einem ungleichen Bunde verknuͤpffet / darum weil die Staͤnde / wie ſie genennet werden / den Kaͤyſer beſchei - dentlich ehren und veneri ren muͤſſen. Ein Exempel iſt zu finden in der Geſell - ſchafft der Freyſtaͤdte an dem Bunde zwiſchen dem Roͤmiſchen Volck und den Latinern / ehe dieſe von jenem unterwuͤrf - fig gemacht. Deßgleichen in der Krie - geriſchen Geſellſchafft von der Herr - ſchafft Agamemnonis in dem Kriegs - heer der Griechen vor Tröja. Ob es wol ſchier zugeſchehen pfleget / daß wo derſel - be / ſo in dem Bunde der hoͤchſte iſt / an Macht weit hervor leuchtet / die unter - ſten Bundsgenoſſen allmaͤhlich als Un - terthanen tractiret werden; Koͤnnen de - rowegen den Zuſtand Teutſchlandes am fuͤglichſten bezeichnen / daß er am nechſten zu einer zuſammenfuͤgung vieler Staͤdte komme / in welcher gleichſamb ein Fuͤrſt oder Obriſter des Bundes her -vor237des Teutſchen Reichs. vor leuchte / der mit Koͤniglichem anſehen gezieret; Welches corpus doch von vie - len erſchꝛecklichen Kranckheiten angefein - det wird / von welchen wir in folgendem Capitel handeln wollen.
DJe Kraͤffte eines Regiments koͤn - nen betrachtet werden entweder an ſich / oder nach dem ſie durch eine ordent - liche Regiments Form fuͤglich moͤgen ge - braucht werden. An ſich betrachtet be - ſtehen ſie in Mannſchafft und in gewiſſen Landes Mitteln. Was die Mannſchafft betrifft / ſo kan Teutſchland uͤber derer Menge und Natur nicht wol klagen. Es iſt von dem vornehmſten Adel eine ſo groſſe Menge und Herrligkeit alt ſonſt nirgends in der gantzen Welt. Des ge - ringeren Adels iſt auch nicht mehr alsdas238Vom Zuſtanddas Land ertragen kan / darff er alſo fuͤr allzu groſſer Menge nicht eben unehrli - che Handthierung treiben. Derer die ſich dem ſtudieren ergeben / ſind vieleicht mehr als noͤtig / und werden gemeiniglich unter vielen Kraͤntztraͤgern wenig Ph0153; - bi gefunden. Kauff - und Handwercks - Leute ſind uͤberfluͤſſig; Bauren giebt es doch an etlichen Orten weniger / als die weitlaͤufftigkeit des Laudes erfordert / weſſen Urſach iſt zum theil der 30. Jaͤh - rige Krieg / wodurch Teutſchland elendig - lich verwuͤſtet / zum theil / weil die Bau - ren der Natur ſeyn / daß ſo bald ſie ein wenig beguͤtert werdẽ / ſie ihre Kinder laſ - ſen ein Handwerck lernen / dann ſie ſchaͤ - tzen die / welche in den Staͤdten wohnen / gluͤckſeliger als ſich ſelbſten. Und ob ich kaum traue das jemand ſey / der die Zahl der Staͤdte und Doͤrffer in Teutſchland auffzuzeichnen angefangen / ſo wird doch der jenige von denen bey ſolcher nation erfahrnen keiner Thorheit beſchuͤldigetwer -239des Teutſchen Reichs. werden / der da ſagen wird / es koͤnne leicht - lich ein Krieges Heer von 200000. Mann auffgebracht werden / wenn nur auß jeglicher Stadt 5. und auß jeglichem Dorffe 1. oder 2 Soldaten außgeſchrie - ben wuͤrden. Zum beweiß kan dieſes hin - zugethan werden: Daß gewiſſe Autores an Staͤdte / Flecken und Schloͤſſer 1957. in den zehen Kraͤyſen zehlen / außgenom - men das Koͤnigreich Boͤhmen / worin nach dem Hagecio zu des Ferdinandi I. Zeit 102. Staͤdte / 308. Flecken / 258. anſehnliche Schloͤſſer / 171. Kloͤſter / 30363. Doͤrffer geweſen. Jn Schleſten zehlen ſie 411. Staͤdte / 863 Flecken / 51112. Doͤrffer; Jn Maͤhren 100. Staͤdte 410. kleine Flecken 30360. Doͤrffer. Abteyen und Kloͤſter zehlen ſie vorzeiten / ehe ſo eine groſſe Menge der - ſelben von den Proteſtanten abgeſchaf - fet 11024. Alſo ſchreibet man / daß durch des Ferdinandi II. Eyffer hundert mahl hundert tauſend Menſchen zur Catholi -ſchen240Vom Zuſtandſchen Kirchen ſind beruffen worden. Die nation ſelbſt iſt zu allen Zeiten ſtreitbahr und zum Kriege begierig / die faſt durch gantz Europa ihr Blut zu kauff herumb traͤget. Und ob es ihr an Hitzigkeit man - gelt / iſt ſie ſo viel beſtaͤndiger / und koͤnnen derſelben Gemuͤhter herrliche Diſcipli - nen faſſen. Sie iſt auch zu allerhand Kuͤnſten geſchicket / und welches viel zur befeſtigung der Laͤnder machet / iſt ſie zu neuẽ Haͤndeln gaꝛ nicht geneigt / kan auch ein nicht zu hartes gebiet wol vertragen.
Unter dẽ Landes Mitteln wird das Land ſelbſt eꝛſt geſetzet / wie weitlaͤufftig ſolches ſey / wird der jenige leichtlich verſtehen / welcher auß Caſſuben nacher Mumpel - gard / oder auß dem euſſerſten Holſtein an die Graͤntze des Landes Krayn / oder von Luͤttig an die euſſerſte Graͤntzen Schleſien gereiſet hat. Jn ſo einer groſ - ſen Landſchafft ſind wenig Orte / wenn man die Alpgebirge außnimbt / die nichtetwas241des Teutſchen Reichs. etwas zur erhaltung des Menſchlichen Le - bens tragen ſolten; Ferner iſt ein ſolcher zuwachs derer zum Leben nothwendigen Dinge / daß ſie der außlaͤndiſchen nicht als zum ſchlemmen und uͤberfluͤſſigen Wolluͤ - ſten beduͤrffe. Die Bergwercke und etliche Fluͤſſe geben zwar wenig Goldes / und die Edelgeſteine ſo Teutſchland zeuget / werden nicht ſo theur gehalten. Sonſten wird das Silber an vielen Orten haͤuffig außgegra - ben / imgleichen Kupffer / Zinn / Bley / Ei - ſen / Queckſtlber / und ander Ertz von gerin - germ Werth. So viel Saltz als die Ein - wohner beduͤrffen / geben ihnen die Brun - nen hervor / ob wol die oͤrter / welchen das Meer oder die Schiffreichen Fluͤſſe guͤn - ſtig ſeyn / ſich jetzt zum offtern des Saltzes bedienen / das aus Franckreich / Portugal oder Niederland gebracht wird. Es hat allerley Korn und Fruͤchte / Holtz / und was man zur Kleidung bedarff uͤberfluͤſſig / wie auch Pferde / gꝛoß und klein-Viehe / und Wild. Es mangelt auch Teutſchlande anMkeinem242Vom Zuſtandkeinem Getraͤnck zur Trunckenheit dien - lich; daß alſo Teutſchland in allem fuͤr eine reiche Landſchafft koͤnne gehalten werden: Denn uͤber dem / daß es ſelbſten die mate - ria des Geldes zeuget / bringet es faſt alles hervor / was zur nothdurfft uñ beluͤſtigung bes Menſchlichen Lebens vonnoͤthen / daß nicht allein die Einwohner dran gnug ha - den / ſondern auch den Außlaͤndern davon mittheilen koͤnnen. Und was es von an - derswoher eingefuͤhrten Wahren gebrau - chet / uͤbertrifft entweder das jenige nicht / was wieder außgefuͤhret wird / oder es ſind ſolche Wahren / derer die Teutſchen leicht - lich entbehren koͤnten / wenn ſie ihre ſchwel - gerey zu bezwingen / oder ihre faulheit und thorheit abzulegen wuͤſten; Denn wie leicht koͤnten ſie mit ihꝛem Wein und Bier / oder wenn dieſe zur Trunckenheit noch nicht genug waͤren / mit ihrem heiſſen Brandwein zu frieden ſeyn / und des Spa - niſchen und Frantzen Weins entrathen? Wie leichte koͤnten ſie ſich auch mit demaus243des Teutſchen Reichs. aus ihrer eigenen Wolle gemachtem Tuche kleiden / und den Spaniern / Engellaͤndern und Hollaͤndern das ihrige laſſen? Oder wenn ſie luſt zu derer Schoͤnheit haͤtten / ſolten die einheimiſche Handwercker ſelbi - ge Kunſt beſſer außuͤben; Es waͤre auch den Teutſchen nicht ſchwer unſerer Seide zu entbehren; Oder / wenn ſie ja was herr - licher bekleidet einher gehen wolten / ſo wachſen in dem Landſtrich am Rheinſtrom hauffen weiſe Maulbeer Baͤume / wenn ſel - bige Leute von ihrer eigenen traͤgheit ſo viel erhalten koͤnten / daß ſie neben den Wein - bergen auch ſonſten was nuͤtzliches zu ba - wen vornehmen / ſo koͤnten ſie von dieſen Baͤumen fuͤr die Seidenwuͤrme Nahrung haben / und von den unſerigen Seide zu verfertigen lernen. Ferner wie man die - ſes der einfalt des Volcks vielleicht muß zu gute halten / daß ſie meynen / ſie werden durch nachahmen der Frantzoͤſiſchen Klei - der Moden artiger außſehen; Alſo iſt das die groͤſte Thorheit / daß ſie auch offte ge -M ijring -244Vom Zuſtandringfuͤgige oder garſtige Stoffe von den Frantzoſen holen: Deñ bey ihnen ſind auch nichtswuͤrdige Dinge / wenn ſie nur von Franckreich den Namen haben / in groſſem Werth. Daß aber die Frantzoͤſiſche Kuͤnſt - ler die arten des Tuchs und Stoffes ſo ofte aͤndern / iſt nicht ſo wol eine Leichtfertigkeit / als eine verſchlagene Klugheit: Denn auff dieſe weiſe verhuͤten ſie / daß auch die Teut - ſchen Kuͤnſtler ſolches bey ihnẽ nicht nach - thun: Wiewol die meiſten unter dieſen ſo naͤrriſch ſind / daß ſie meynen / es ſey keine ſo groſſe unbillichkeit / von der einmahl an - genom̃enen Weiſe abzutreten. Und halten nicht / daß ſie ihnẽ was beſſers machen muͤ - ſten / weil es ihren Vorfahren unbewuſt geweſen. Endlich koͤnte auch Teutſchland mit dem Gewuͤrtz / Zucker / und andern aus beeden Jndien geholeten Sachen viel ſpar - ſamer umbgehen / wenn es ſeine Uppigkeit im Zaum halten wolte.
Es fehlet auch Teutſchland nicht anMit245des Teutſchen Reichs. Mitteln / dadurch es anderer Leute Guͤter durch Huͤlffe der Commercien an ſich bringen koͤnne. Dazu wird eꝛfodert eine be - quaͤme Gelegenheit zu den Außlaͤndern zu gehen / und ſolche wieder einzunehmen / wie auch / daß die einheimiſchen uͤberley haben / was ſie den außlaͤndern zufuͤhren koͤnnen. Die Staͤdte ſo an der Oft See oder Bal - thiſchen Meere liegen / haben eine ſehr be - quaͤme Gelegenheit die Commercien zu treiben; welche aber an die Schiffreichen Fluͤſſe liegen / haben wegen der groſſen Zoͤlle eine etwas ſchlechtere. Zu Lande die Wah - ren zu verfuͤhren / bringet ſchlechten Ge - winn. Die Wahren ſo aus Teutſchland gefuͤhret werden / ſind ſchier nachfolgende: Eiſen und allerhand daraus gemachte Werckzeuge / Bley / Queckſilber / Wein / Bier / Brandtewein / Getreyde / Wolle / grob Wollen Tuch / allerhand Wollin und Leinen Stoff / Pferde / Schaffe / und was dergleichen mehr ſeyn mag. Doch leugne ich nicht / daß in etlichen Laͤndern EuropæM iijmehr246Vom Zuſtandmehr Geld als in Teutſchland zu finden ſey / weſſen unteꝛſchiedliche Urſachen zu ſeyn ſcheinen; Denn kein Wunder iſt es / daß die jenige Landſchafft zum theil außge - ſchoͤpffet ſey / in welcher der Mars gantzer 30. Jahr gehauſet / und die nicht allein der einheimiſchen / ſondern auch der außlaͤndi - ſchen Soldaten Beute geweſen; Darnach ſind auch Laͤnder in Europâ, die eine viel bequaͤmeꝛe Gelegenheit haben mit den Auß - laͤndeꝛn Cõmercien zu tꝛeiben / als Teutſch - land: Denn es ſind nur wenig Staͤdte in Teutſchland / die an deꝛ See liegen; Da hin - gegen dieſe Engelland / Jtalien / Spanien / Portugal / Franckreich und Niederland mehr guͤnſtig iſt. Man findet uͤber dem Laͤn - der / die ihnen andere unterworffen haben / und alſo deren Guͤter und Macht in einem anblick gleichſamb repræſenti ren / als da ſind: Spanien / Portugal / Engelland; Teutſchland beſitzet nichts auſſer ſich. Es pfleget auch etlichen der Glantz und groͤſſe der vornehmſten Staͤdte in einigen Koͤnig -reichen /247des Teutſchen Reichs. reichen / varin ſich der groͤſte Reichthum verſamlet / in den Augen zu liegen. Alſo faͤllen viele unerfahrne aus Pariß von dem gantzen Franckreich / oder aus Lunden allein und Liſabon von Engelland und Portugal das Urtheil. Daß aber der Teutſchen Reich - thum in einem ſo groſſen Lande zerſtrewet iſt / machet ihm ein ſchlechter Anſehen. Es wird auch ein groſſer hauffen Geldes duꝛch der Teutſchen Thorheit an die Außlaͤnder gebracht / in dem ſie von ihnen Wahre neh - men / die ſie entweder bey ſich haben / oder deren ſie leichte gar entbehren koͤnnen; Jch weiß nicht / ob man auch dieſes hinzu thun ſoll / daß durch die Reyſen der Teut - ſchen Jugend viel Geld an die Fremde aus dem Vaterlande gezogen werde. Denn ob es vielleicht nuͤtzlich ſey / daß die etwas rau - he Teutſche Art durch die converſation mit den Außlaͤndern gemaͤſſiget werde / ſo ſind doch die jenigen billich außlachens oder mitleidens werth / welche aus unſerm Welſchlande nichts als etliche beluſtigun -M iiijgen248Vom Zuſtandgen der Laſter / ſo bey denen jenſeits den Alp - gebirgen ungebraͤuchlich / und unbekandte Fluͤche nach Hauſe bringen. Es laͤſſet auch Franckreich die meiſten reyſende mit kei - nen andern Kuͤnſten von ſich / als daß ſie hernach deſto garſtiger ſchwelgen / und die gradus der Veneri ſchen reudigkeit gemei - niglich aus eigener erfahrung zu erzehlen wiſſen. Etliche / die einen Verdruß ha - ben im Vaterlande duꝛch viel umbſchweif - fe zu den vergeblichen Schul Tituln zu ge - langen / halten es doch fuͤr einen Gewinn / daß ſie in Jtalien und Franckreich gewe - ſen. Denn bey uns kan man mit geringe - rer Schande und Unkoſten eines Doctors Titul neben der unwiſſenheit erlangen / und alſo mit ſich nacher Hauſe bringen; wie - wol auch bey ihnen bißweilen aus einem genugſam groben Holtze dergleichen Mer - curii geſchneittelt werden.
Weil aber niemand ſtarck oder ſchwach kan genennet werden / wo er nicht mit an -dern249des Teutſchen Reichs. dern verglichen wird; Muß man auch ferner ſehen / was die Kraͤffte Teutſchlan - des gegen den benachbarten fuͤr eine be - ſchaffenheit haben. Graͤntzet demnach Teutſchland an einer Seite an daß Tuͤr - ckiſche Reich in der Steyermarck / wie auch an Ungern und Croatien / welche bil - lig als deſſelben Paſteyen koͤñen gehalten werden / iſt derowegen Teutſchlande viel daran gelegen / daß dieſe unbeſchaͤdigt bleiben. Dahero offenbahr iſt / daß ob gleich der Tuͤrck auß ſeinen weitlaͤuffti - gen Laͤndern ein weit groͤſſer einkommen an Geld habe / und vielleicht mit einer viel groͤſſern Menge Leute daß Feld fuͤllen koͤnne / es doch ſcheine / Teutſchland habe ſich fuͤr ihm der Orten her wenig zu fuͤrch - ten. Denn er beruͤhret Teutſchland nur mit dem euſſerſten Rande ſeines Reichs / da ſolches als ein Keil zugeſpitzet wird / und zwar weit von der vornehmſten Re - ſidentz des Reichs; Alſo daß nicht ohne groſſer beſchwerligkeit die UngriſchenM vKriege250Vom ZuſtandKriege von den Tuͤrcken gefuͤhret wer - den: Denn uͤber dem / daß die Tuͤrckiſche Soldaten den wolgeuͤbten Teutſchen nicht baſtand ſeyn / muͤſſen ſie auch mit groſſer Muͤhe auß Aſia gehen / ſind der rauhen Lufft wenig gewohnet / und koͤn - nen die Kaͤlte nicht vertragen. Und nach dem alle Macht an den aͤuſſerſten Graͤn - tzen des Reichs verſamlet / pflegen die widrigen Theile gegen Perſten hoffaͤr - tig zu werden. Vnd wenn die benach - barten Laͤnder Servia, Bulgaria und das Tuͤrckiſche Ungarn ſelbſt eine ſo groſſe menge nicht erhalten kan / muß man zu Lande von weiten her mit groſſer Muͤhe den Proviant zufuͤhren / weilen ſich die Donau zu groſſem auffnehmen Teutſch - landes gegen Morgen ergieſſet. Und hat Teutſchland faſt niemals uͤber das vierdte theil ſeiner Macht / welche gemei - niglich unter der Obriſten traͤgheit oder uneinigkeit auch an Zucht und Geld mangel gehabt / wider den Tuͤrcken ge -fuͤhret;251des Teutſchen Reichs. fuͤhret; doch findet man mehr Sieges zei - chen bey den Teutſchen von den Tuͤrckan / als bey dieſen von jenen. Es iſt aber der Tuͤrcken Nahmen bey dem gemeinen Mann erſchrecklich worden / ſo wol we - gen ihrer gꝛauſamẽ Sitten / als wegen der Oeſterreichſchen Liſt / welche durch dieſes ſchrecken die Beutel außleeren; Da auch der Prieſter geſchrey und luſt zu weiſſa - gen dazu kommen; Weilen ihnen auch daran gelegen / daß der gemeine Poͤfel in Furcht ſtehe.
Jtalien iſt wedeꝛ an Volck noch Reich - thum Teutſchlande gleich / und weil es in viele Theile zerriſſen / andern Gewalt an zu thun untuͤchtig. Ja wir haben dar - an genung / daß die Teutſchen Kaͤyſer ihr altes Recht an Jtalien nicht zu er - neuern ſuchen; vornemlich weil es bey dieſer boͤſen Zeit daß anſehen hat / daß die ehrerbietung des Paͤbſtlichen Bannes / welcher ihnen vor zeiten zum offternM vjſchreck -252Vom Zuſtandſchrecklich geweſen / nun gaͤntzlich ab - kommen. Es darff ſich auch Pohlen in keinerley weiſe mit Teutſchland verglei - chen / weil die beſchaffenheit des Pohl - niſchen Regiments erfordert / vielmehr das ſeine zu erhalten / als frembde Sa - chen zubegehren; Welche beſcheidenheit auch den Teutſchen ihre Regiments be - ſchaffenheit lehret / dahero ſich faſt keine gelegenheit / welche dieſe beede nationes durch Krieg an einander bringen koͤnne / findet / es ſey den daß ſich vieleicht einer von den Teutſchen Fuͤrſten mit den in - nerlichen Pohlniſchen ſtreitigkeiten ver - mengen wuͤrde. Die Daͤnen haben biß - her nicht einmahl Hamburg bezwingen koͤnnen / ich geſchweige daß ſie wiedeꝛ gantz Teutſchland etwas zu Hoffen haͤtten / wenn ſich nur ihre Nachbarn die Schwe - den regen / ſind ſie furchtſahm. Umb En - gelland / ſo weit es an der See graͤntzet / bekuͤmmern ſich die Teutſchen wenig; Und wie ſich jenes vergeblich zu Laudebegeben253des Teutſchen Reichs. begeben wuͤrde / alſo haben dieſe keine Seemacht / die mit der Engliſchen ver - glichen etwas auff ſich haben koͤnne. Die veꝛeinigte Niderlaͤnder weder wollẽ noch koͤnnen wider Teutſchland etwas vor - nehmen; Denn ſie als Waſſer Thiere ſind auch nicht zum Land Kriege ge - ſchickt / und ob ſie gleich Gelt uͤbrig haben / iſt es doch ihꝛer Fꝛeyheit nicht zutraͤglich / ein groſſes Kriegesheer zu Lande zu hal - ten / ſind demnach zu frieden / wenn die Teutſchen die Staͤdte / welche ſie beſetzt haben / umb ihre Graͤntzen wieder die Spanier zu befaͤſtigen / nicht mit Gewalt ſuchen wieder zunehmen. Die Theile des Spaniſchen Reichs / welche an Teutſch - land graͤntzen / koͤnnen auff keinerley wei - ſe mit ihr verglichen werden. Ferner iſt Spanien ſelbſt weit abgelegen / von Leu - ten entbloͤſſet / und nicht einmahl tuͤchtig das kleine Koͤnigreich Portugal zu be - zwingen. Ja auch Carolus V. der in Spanien bey deſſelben gutem WolſtandeM vijregierte /254Vom Zuſtandregierte / und ſich auff die Oſterreichiſche Laͤnder / wie auch Kaͤyſerliches anſehen verließ / hat ſich vergeblich bemuͤhet daß uͤbrige Teutſchland zu unterdruͤcken. Schweden / ob man ihm wol die neulich erworbene Teutſche Provincien zu leget / iſt doch beedes an Volck und Reichthum weit geringer als das uͤbrige Teutſch - land: Denn daß etliche einfaͤltige Leute wegen des Volckes zweiffeln / dazu ſind ſie bewogen theils auß dem alten Worte vagina gentium, Zu Teutſch der Voͤl - cker ſcheide / theils auß dem gluͤcklichen fortgang der Schweden in dem neulich - ſten Kriege; wie ſolcher beſchaffen / iſt verſtaͤndigen Leuten nicht unbekand. Nemlich es ſind in 18. Jahren nicht uͤber 70000. Soldaten auß Schweden ſelbſt geſand / deren viel wiederuͤmb ins Vaterland gekehret; Da doch in waͤ - rendem dieſem Kriege ſelten unter 100000. Teutſchen / auch offtmahls druͤ - ber in Waffen geweſen; Die Urſach aberſolches255des Teutſchen Reichs. ſolches fortganges war der Teutſchen Un - einigkeit / die bequaͤme Gelegenheit / und daß die von den Oeſterreichiſchen bedren - gete Proteſtanten den Koͤnig Guſtavum als eine vom Himmel geſchickte Huͤlffe auffnahmen. Wegen des jetzo wol flori - renden Frantzoͤſiſchen Reichs kan man am fuͤglichſten zweiffelen; Jedoch aber / wenn eines jeglichen Macht an ſich / ohne Nu - tzen oder Schaden / betrachtet wird / deren jener Franckreich aus ſeiner ordentlichen Monarchia, dieſer Teutſchland aus der auffgeloͤſeten Regiments Form entſtehet / wird man fuͤr Teutſchland ſprechen muͤſ - ſen: Denn es iſt Teutſchland beedes viel weitlaͤufftiger als Franckreich / und ob es ihm ſchon an Fruchtbarkeit gleichet / ſeyn doch die unterirrdiſche Guͤter Teutſchlan - des viel groͤſſer; Franckreich iſt auch nicht ſo ſtarck an Volck / und das die Teutſche Soldaten den Fꝛantzoͤſiſchen nichts nach geben / iſt mit vielen Proben bewieſen. Wegen des Reichthums am Gelde kanmans256Vom Zuſtandmans nicht ſo gewiſſe ſagen: Denn wir ha - ben traun nicht ohne verwunderung gehoͤ - ret / welch einen hauffen Goldes der jetzige Koͤnig in wenig Jahren beydes aus ſeinem Jaͤhrlichen Einkom̃en / und dann fuͤrnem - lich daraus / daß er die alten Schwaͤm - me außdruͤcket / zuſammen getragen. Doch muß man zugleich betrachten / daß der ge - meine Poͤbel in Franckreich viel haͤrter durch Tribut und Zoͤlle außgeſogen werde / als in Teutſchland / und daß daſelbſt alle Guͤter des Reichs gleichſamb in einen Bach zuſammen flieſſen / wie groß aber die unter ſo vielen Fuͤrſten getheilete Ein - kuͤnffte Teutſchlandes ſeyn / kan man ſo klaͤrlich nicht ſehen.
Ob aber gleich Teutſchland einem jeg - lichen Koͤnigreiche vorgehet / moͤchte man doch dencken / wie es werden wuͤrde / wenn viele mit geſampter Macht daſſelbe angrif - fen? Hier muß man anfangs in acht neh - men / daß etlicher Gelegenheit nicht zugebe /daß257des Teutſchen Reichs. daß ſie ſich zugleich wider Teutſchland ſe - tzen; Etlicher Macht ſey auch nicht ſo gꝛoß / daß ſie etwas gegen Teutſchland zu bedeu - ten habe; Auch hernach die andern nicht zugeben wuͤrden / daß einer oder ander Teutſchland unteꝛdꝛuͤcke / und einen ſolchen Reichthum uͤberkomme / duꝛch deſſen Huͤlf - fe er leichte dem gantzen Europæ Geſetze vorſchreiben koͤnne; Und wuͤrde alſo nie - mahls an Leuten fehlen / die ſich Teutſch - land zu erhalten bemuͤhen wuͤrden. Sind derowegen nur drey / welche als Fuͤrſten oder Haͤupter der Verbuͤndniſſe ſich be - duͤncken laſſen / daß ſie Teutſchland wol koͤnnen angreiffen; Als der Tuͤrck / daß Haus Oeſterreich / und der Frantzoß. Es iſt nicht vermuthlich / daß einiger von den Teutſchen Fuͤrſten es offentlich mit dem Tuͤrcken halte / auch nicht der Frantzoß ſel - ber: Denn der Bund / welchen der Fran - tzoß in dem vorigen Seculo mit den Tuͤr - cken gemacht / hatte dahin ſein abſehen / daß dadurch des Caroli Macht / welche demFran -258Vom ZuſtandFrantzoſen damahls beſchwerlich fiel / ge - hemmet wuͤrde. Vor einem ſolchen Bun - de aber / darin man ſich vereinge / Teutſch - land anzugreiffen und zu bezwingen / hat man ſich nicht zu fuͤrchten / weil es beedes gottloß und naͤrriſch ſeyn wuͤrde / dieſen Barbaren ſo ſehr zu Willen zu ſeyn / wel - che alle Chriſten mit gleichem Haß verfol - gen. Sondern wie es Franckreich zutraͤg - licher iſt / daß Teutſchland lieber bey dem gegenwertigen Stande gelaſſen werde / als daß ein groß Theil deſſelben in der Tuͤr - cken Haͤnde falle; Alſo ſehen auch die Tuͤr - cken lieber / daß der Zuſtand Teutſchlandes ungeſtalt / und andere anzugreiffen untuͤch - tig gelaſſen / als daß es mit Franckreich ver - einiget zu einer Monarchia eingerichtet werde: Denn wenn ſich dieſe beeden Koͤ - nigreiche auff guten Glauben miteinander vereinigten / muͤſte der Tuͤrck fuͤr ſeinem Conſtantinopel Sorge tragen. Es wird keiner von den benachbarten wuͤnſchen / daß das Haus Oeſterreich das uͤbrigeTeutſch -259des Teutſchen Reichs. Teutſchland als ein Koͤnig beherrſche; und halte ich / es wuͤrde keiner ſo thoͤricht ſeyn / der dieſem Vornehmen wolle zu huͤlffe kommen. Ja / wie es die Spanier mit dem Hauſe Oeſterreich halten; alſo werden ſich dieſem die Frantzoſen / Schweden und ver - einigte Niderlaͤnder ſo viel williger wider - ſetzen / weil ſie den Teutſchen niemahls ver - geblich Huͤiffe geleiſtet. Es ſcheinet auch / der Pabſt ſey allhte den Oeſterreichiſchen nicht gar zu guͤnſtig; Denn ob es wol ihm als dem Oberſten Hirten ruͤhmlich ſeyn wuͤrde / ſo viel Millionen irrender Schaͤff - gen zur Kirchen zu ruffen / duͤncket ihm doch / wenn es gleich mit vieler Seelen Schaden geſchehen ſolte / zu machen / daß nicht Teutſchland oder Spanien / ſich auf ihre all zu gꝛoſſe Macht verlaſſend / uͤber Jtalien ihnen etwas anmaſſen. Wo endlich der Frantzoß wider Teutſchland et - was vornehmen wuͤrde / wird er gleicher geſtalt die Spanier / Engellaͤnder / Jtaliaͤ - ner und vereinigte Niederlaͤnder zu offent -lichen260Vom Zuſtandlichen Feinden haben. Deren bieſe / weiß nicht aus was aberglauben / des alten Sprichwoꝛts eingedenck zu ſeyn ſcheinen: Man koͤñe den Frantzoſen wol zum Freun - de / aber nicht zum Nachbarn haben. Die Daͤnen ſolten ſich vielleicht nicht ſo ſehr ſchewen / ſich unter der Frantzoſen Schutz zu ergeben / wenn ihnen nur dadurch die vor den veꝛhaſten Schweden ſtetige Fuꝛcht koͤnte benommen werden. An der Schwe - den Verbuͤndniß ſcheinet viel gelegen zu ſeyn / vornemlich / wenn ſie einen ſtreitba - ren Koͤnig haben. Es haben aber die ver - ſtaͤndigen ſchon laͤngſt gemercket / daß zwar die Frantzoſen ſich der Schweden Huͤlffe nicht umbſonſt bedienen wollen / ſondern alſo / daß was dadurch erworben / allein zu ihres Reichs Auffnehmen gereichen ſoll. Dieſes aber iſt dem Frantzoſen gar nicht zu Kopffe / daß die Schweden mit dem Frantzoͤſiſchen Gelde ihre eigene Macht ſo weit fortſetzen / und alſo hernach leicht - lich der Frantzoſen Freundſchafft entbeh -ren261des Teutſchen Reichs. ren koͤñen; Hingegen halten es die Schwe - den fuͤr eine Thorheit / ſich mehr umb der Frantzoſen als umb ihren eigenen Nutzen zu bemuͤhen: Sie ſind auch nicht ſo dum / daß ſie nicht ſehen ſolten / weñ der Frantzoß Teutſchland uͤberkommen ſolte / daß er eben ſo wol den Schweden als andern be - nachbarten Geſetze geben wuͤrde. Daher iſt auch unter dieſen Voͤlckern die Freund - ſchafft eine zeitlang was laulicht geweſen / und iſt dem Frantzoſen ein bequaͤmer Mit - tel vorkommen / nemlich / ihm etliche Fuͤr - ſten in Teutſchland / vornemlich die am Rheinſtrom wohnen / durch Verbuͤndniß / und wie man ſagt / Jaͤhrliche ſubſidien Gelder anhaͤngig zu machen / ſich umb Teutſchland ſehr bekuͤmmert zu erzeigen / ſich ſehr bemuͤhen / der Fuͤrſten Streitig - keiten beyzulegen / ſich denen ſo ihn umb Gelt und Volck bitten / willig zu erweiſen / ſich endlich alſo anzuſtellen / daß die / ſo Huͤlffe beduͤrffen / verſtehen moͤgen / daß ſie eine gewiſſere Huͤlffe von der Freund -ſchafft262Vom Zuſtandſchafft mit Franckreich / als vom Kaͤyſer und den Geſetzen des Reichs zu hoffen haͤtten. Der nicht mercken ſolte / daß auff dieſe weiſe der Weg zum untergang der Teutſchen Freyheit gebahnet werde / muͤſte zimlich dum ſeyn / vornemlich wenn es ſich zutruͤge / daß in Oeſterreich keine Maͤnn - liche Erben waͤren.
Dieſes weitlaͤufftige Teutſche Reich aber / welches / wenn es zum rechtmaͤſſigen Reich gemacht / dem gantzen Europa wuͤrde er - ſchrecklich ſeyn / wird durch innerliche Kranckheiten und Trennungen alſo ge - ſchwaͤchet / dz es kaum ſich ſelbſt verthaͤtigẽ kan; Die vornehmſte Urſach dieſes Ubels kompt her aus der unfuͤglichen und uͤbel geordneten zuſammenſetzung des Regi - ments. Weil eine groſſe menge Leute nicht ſtaͤrcker iſt / als ein einiger Menſch / ſo lange ein jeglicher vor ſich allein ſorget. Alle Macht kompt her auß der zuſammenhal - tung. Und da viel in einem natuͤrlichenLeib263des Teutſchen Reichs. Leib nicht koͤñen zuſammen wachſen / wird doch vieler Macht vereiniget / in dem ſie von einem Rath gleich als von einer Seele regieret wird. Wie viel feſter und fuͤglicher dieſe Vereinigung iſt / ſo viel ſtaͤrcker wird die Geſellſchafft; Auff die weit voneinan - derſtehung und uͤbele zuſammenfuͤgung der Glieder folgen nothwendig Schwach - und Kranckheiten. Die vollkommeſte und daurhafftigſte Vereinigung ſiehet man in einem wolgeordneten Koͤnigreich. Denn die Ariſtocratien, uͤber dem daß ſie kaum fuͤglich beſtehen koͤnnen / ohne wo eines Regiments vornehmſte Macht auff eine Stadt geſamlet wird / ſind von Natur ge - braͤchlicher als die Monarchien: Maſſen die Durchlaͤuchtigſte Venetiani ſche Reſ - publ: unter die Wunderwercke zu rech - nen iſt. Die aus vielen Staͤdten durch Verbuͤndniß zuſammengefuͤgte Syſtema - ta haͤngen vielloſer aneinander / und koͤn - nen leichter verunruhiget oder getrennet werden. Damit ſie aber doch einige Staͤr -cke264Vom Zuſtandcke haben / iſt vornemlich vonnoͤthen / daß die verbundene Staͤdte eine Regiments Form haben / und an Macht einander nicht ſehr ungleich ſeyn / und daß aus die - ſer verbindung eine jegliche gleichen Nu - tzen habe. Darnach daß ſie aus reiffem Rath und vorhin wol gefaſten Geſetzen zu einer Geſellſchafft werden. Denn welche unbedachtſam̃ und als mit einem ungeſtuͤm zu einer Geſellſchafft lauffen / ehe ſie mit fleiß den kuͤnfftigen Zuſtand betrachtet und geordnet haben / koͤnnen hernachmachls keinen zierlichen Coͤrper formi ren / gleich als ein Schneider / wel - cher ein ſchoͤn Kleid machen / uñ das Tuch in ſtuͤcken ſchneiden wolte / ehe er wuͤſte / ob er ein Frawen oder Manns Kleid ma - chen muͤſſe Man hat auch dieſes ſchon laͤngſt gemercket / daß kaum jemahls die Monarchien mit den Freyſtaͤdten / auch nur auff eine Zeit mit gutem Glauben verbuͤndig worden / ich geſchweige denn / daß ſie tuͤchtig ſeyn / ſolten / eine ſtetigeVer -265des Teutſchen Reichs. Verbuͤndniß zu halten / in dem die Fuͤrſten die Freyheit des Poͤbels / und der Poͤbel der Fuͤrſten Hochmuth nicht leyden wollen. Ferner iſt die Menſchliche Natur ſo ver - kehꝛt / daß ſie den jenigen der mit ihꝛ gleiches Recht hat / kaum wol anſehen koͤnne / weñ ſie mercket daß er ihr an Macht nicht gleich iſt. Und wer vernimbt / daß ihm entweder nichts / oder nur ein kleines Theil vom ge - meinen Nutzen gelaſſen werde / der weigert ſich die gemeine Beſchwerungen mit zu tragen.
Es iſt aber Teutſchland fuͤr ſo viel ſchwaͤcher zu halten / daß in demſelben die jenige Kranckheiten verſamlet gefunden werden / die ſo wol auß einem uͤbel formir - ten Reich / als auß einem unordentlichen Syſtemate der verbundenen Staͤdte ent - ſtehen. Ja dieſe iſt eine von den gefaͤhr - ligſten Kranckheiten / daß ſich Teutſchland zu keiner von dieſen Regiments arten ge - nau ſchicke. Die euſſerliche geſtalt und ver -Ngebliches266Vom Zuſtandgebliches anſehen zeuget von einem Koͤ - nigreich; Vor zeiten war auch der Koͤnig in der that / was er genennet ward. Her - nach iſt deſſen Anſehen verringert / und nach dem die Staͤnde zu groͤſſern Reichthum und Freyheit kommen / kaum ein Schatten der Koͤniglichen Regierung uͤberblieben / dergleichen man faſt bey denen ſiehet / die einem Coͤrper etlicher Bundsgenoſſen als Hertzogen vorſtehen. Dahero wird des Teutſchen Reichs Coͤrper in eine ſehr ſchaͤdliche convulſion zertheilet / in dem der Kaͤyſer und die Staͤnde von einander gehen / und jener gleich als nach langer Zeit durch allerhand Kuͤnſte zur Koͤnig - lichen Macht eilet / dieſe aber ſich die ein - mahl erworbene Guͤter fleiſſig zu verthaͤti - gen bemuͤhen. Woraus nothwendig ein immerwaͤrender Argwohn / Mißtrawen / und heimliche Nachſtellungen entſtehen muͤſſen / welche des andern Auffnehmen verhindern / oder ihre Macht ſchwaͤchen. Welches auch machet / daß dieſer ſonſt ſoſtarcke267des Teutſchen Reichs. ſtarcke Coͤrper die Außlaͤnder anzufallen / und etwas zu erwerben als untuͤchtig er - funden werde / weil die Staͤnde nicht ger - ne ſchen / daß dem Kaͤyſer ein groͤſſer Ver - moͤgen / nach deme ſolches nicht gleich un - ter alle mag getheilet werden / zuwachſe. Wie ungereimt wuͤrde demnach auch nur dieſes ſeyn / daß ſich der Kopff wider die Glieder gleichſamb in Partheyen geben wolte. Ferner entſtehen aus unterſchied - lichen Urſachen auch unter den Staͤnden ſelbſt mancherley Trennungen / welche ma - chen / daß auch Teutſchland nicht einmahl ein fuͤglich Syſtema der Bundsgenoſſen ſeyn kan. Die Staͤnde ſelbſt haben eine ungleiche Regiments Form / und ſind uͤbe[r]untereinander geordnet / indem unter den Fuͤrſten hin und wieder Freyſtaͤdte zu fin - den. Weiln die Staͤdte gemeiniglich we - gen der Commercien floriren / machen ſie ihnen durch ihren Reichthum die Fuͤrſten mißguͤnſtig / vornemlich wenn ein theil ſol - ches Reichthums aus ihren Laͤndern da -N ijhin268Vom Zuſtandhin gefloſſen. Und kan man nicht in abre - de ſeyn / daß etliche Staͤdte gleich als eine Miltz auffgeſchwollen / und der benachbar - ten Fuͤrſten Laͤnder mager worden. Es iſt auch des Adels weiſe / daß er den gemeinen Mann verachte / welcher doch zum offtern durch ſein Geld ihm nicht weniger ſelbſt gefaͤllet / als ihm jener durch ſeine Einbil - dungen und außgeſchoͤpffte Laͤnder. End - lich ſehen etliche dieſe Staͤdte an / als wel - che ihnen die Herrſchafft auffruͤcken / und befinden / daß man uͤber die unterwerffung wegen der benachbarten Freyheit ungedul - tig ſey. Daher kommt mißgunſt / verach - tung / uͤberfall / argwohn und heimliche nachſtellung. Welches alles doch ſchaͤrf - fer und offentlicher voꝛgehet unter den Bi - ſchoffen / und den jenigen Staͤdten / in wel - chen ſie ihre Thumkirchen haben. Wie - wol auch die Fuͤrſten auff dem Reichstage ſelbſt keinen ſchlechten Verdruß wider das Collegium der Staͤdte von ſich ſpuͤren laſſen / da hingegen der Keyſer den Staͤdtenguͤn -269des Teutſchen Reichs. guͤnſtig iſt / als bey welchen er mercket / daß ſein Anſehen mehr gelte / als bey den andern Staͤnden. Es ſind auch die weltliche und geiſtliche Fuͤrſten einander nicht zu ſehr ge - wogen. Dieſen giebet in einer Claſſe den vorzug vor jenen die Heiligkeit des Ampts / und weil ohne zweiffel die Gottſeligkeit reichlicher durch eine kahle Platte als einen unbeſchornen Scheitel durchdringet; wo - her ſie auch vor zeiten bey den Barbari - ſchen Seculis im gemeinen Regiment groß Anſehen hatten; Jch weiß aber nicht / wie es den Weltlichen ſo verdrießlich vorkom̃t / die andern / ſo gemeiniglich aus dem gerin - gen Adel geſchwinde in gleicher oder hoͤhe - rer Ehre als ſie / geſetzet / und die Gnade Gottes vorſchreibende / anzuſehen. Vor - nemlich weil ſie ſolche Wuͤrde auff ihre Nachkommen nicht fortſetzen koͤnnen / dañ ihr Geſchlecht bleibet in doch der Beſchaf - fenheit wie es vor geweſen / beſtehen; Ohne das viel Biſchoͤffe / nach dem Exempel un - ſers heiligen Vaters / ihre VewandtenN iijdurch270Vom Zuſtanddurch die geiſtliche Beneficien und ſchen - ckungen herrlich gnug zu verſorgen pfle - gen. Hingegen haben auch die Geiſtlichen / warumb ſie billich auff die Weltlichen zuͤr - nen / weil ſolche nemlich ihrem Schmer - bauche ſchaͤdlich ſeyn / wovon drunten her - nach mit mehrem. Es glebet auch nicht wenig gelegenheit zur trennung der Staͤn - de die groſſe ungleichheit der Guͤter. Daher es denn ferner wegen der verderbten Menſchlichen Natur kompt / daß die maͤch - tigen die ſchwaͤchere verachten / und ſolche unterzudruͤcken begehren / da hergegen die - ſe zu argwohnen und zu klagen geneigt ſeyn / und bißweilen die gleichheit ihrer Freyheit mit unmuth zu verſtehen geben. Es iſt aber auch die Hoheit der Churfuͤr - ſten fuͤr den andern Fuͤrſten keine geringe Urſache der Streitigkeit / in dem dieſe eine ſolche Herrligkeit nicht wol vertragen / und vorgeben / daß ſie wider die Billigkeit miß - brauchet werde; Jene aber fuͤr ihr Recht und Anſehen tapffer ſtreiten.
Es waren noch nicht der Kranckheiten genug / wo nicht die Religion, welche ſon - ſten die Gemuͤther auffs genauſte zu ver - binden pfleget / Teutſchland in Theile zer - riſſen / und hefftig beſchaͤdiget. Und ent - ſtehet die Urſach ſolches Widerwillens nicht allein aus den unterſchiedlichen mey - nungen / uñ weil es den Prieſtern gebraͤuch - lich / daß ſie denen / die anderer meynung ſeyn / den Himmel abſprechen; Sondern weil die Catholiſchen Prieſter eines guten theils ihrer Guͤter durch die Proteſtan - ten verluͤſtig worden / welche wieder zu er - langen ſie Tag und Nacht angetrieben werden. Da jene fuͤr eine faulheit hielten / daß jenige wieder loß zu geben / was ſie ein - mahl eingenommen. Ja es finden ſich et - liche / die ins gemein dafuͤr halten / daß der Prieſter allzu groſſe Guͤter dem Regiment ſehr beſchwerlich fallen / vornemlich weil die Pfaffen und Muͤnche von einem an - dern Haupte außerhalb des Teutſchen Re -N iiijgiments272Vom Zuſtandgiments dependi ren / das niemahls die Teutſchen auffrichtig liebet / und welches wuͤnſchen ſolte / daß alle Weltlichen umb - kaͤmen / wenn es nur ſeinem Anhange wol ergienge. Denn es iſt offenbahr / daß auff dieſe weiſe gleichſamb ein ſonderbarer Sta - tus mitten im Regiment gegruͤndet werde / und alſo das Regiment zweene Koͤpffe be - komme; welches die meiſten / ſo ihr Vater - land mehr als die Roͤmiſche Kirche lieben / fuͤr einen gemeinen Schaden achten; Es iſt auch dieſes nicht weniger ſchaͤdlich / daß etliche der Teutſchen Staͤnde nicht allein unter ſich / ſondern auch mit den Außlaͤn - dern ſonderliche Verbuͤndniſſe machen duͤrffen / und daß ſo viel ſicherer / weil es in dem Osnabruͤggiſchen Friedenſchluß auß - druͤcklich zugelaſſen. Welches nicht nur die Teutſche Fuͤrſten in Partheyen tren - net / ſondern auch den vereinigten Außlaͤn - dern das Vermoͤgen giebet / Teutſchland nach ihrem belieben zu maͤſſigen / und end - lich bey guter Gelegenheit durch derBunds -273des Teutſchen Reichs. Bundsgenoſſen Huͤlffe ſich allen zu wider - ſetzen; vornemlich weil ſolche Buͤndniſſe mit den Außlaͤndern nicht allein wider an - dere Außlaͤnder (welches etlicher maſſen zu dulden waͤre) ſondern auch wider eines Reichs Glieder geſucht werden. Von der Gerechtigkeit hoͤret man auch in Teutſch - land wenig; Denn wenn unter den Staͤn - den eine Streitſache entſtehet (welches bey ſolcher menge / und unteꝛmiſchung der Ter - ritorien offte geſchiehet) und man fuͤr der Kammer kompt / hat man endlich nach verlauff eines Seculi der Streitigkeiten endſchafft zu hoffen. Wer ihm zum Hoff - gericht durch Gunſt und Gaben Bahn machet / darff ſich nicht beſorgen / daß ihm die Thuͤr verſperret werde. Es fehlet auch nicht an denen / die da meynen / es erinnere ſich ſolches Gericht allzu ſehr des Orts / wo es ſeine Wohnung auffgeſchlagen. Daher beſtehet das Recht in Teutſchland faſt in den Waffen / und wer der ſtaͤrckſte iſt / gewinnet auch die Sache / und ſchewetN vſich274Vom Zuſtandſich nicht / ihm ſelber die Exſecution zu thun. Endlich zeuget auch dieſes von einer ſo ſchwachen Geſellſchafft / daß Teutſch - land weder einen gemeinen Kaſten noch Kriegesheer hat / wodurch er aller Auß - laͤnder Anfaͤlle abtreiben / oder eine und an - dere Landſchafft erwerben kan / aus deren Einkuͤnfften hernacher die gemeine Un - koſten des Regiments gehalten wer - den koͤnnen. Und wieviel beſſer wuͤrde es ſeyn / daß Teutſchland die jenigen Frieden - haſſer / die faſt durch gantz Europa ihr Blut feil bieten / zu ihrem eigenen Nutzen an - wendete.
Es hat auch ein jeglicher von den Staͤn - den nicht wenig æmulation und ſtreitig - keit wider den andern / welche auch die Macht des gantzen Leibes zimlich ſchwaͤ - chen. Wir haben genug / wenn wir nur die vornehmſten allhier beruͤhren. Es ſind alle Fuͤrſten dem Hauſe Oeſterreich miß - guͤnſtig / und darauff argwoͤhniſch / weilſolches275des Teutſchen Reichs. ſolches den Kaͤyſerlichen Thron und groſſe Macht ſo lange beſitzet. Zwiſchen dem Pfaͤltziſchen und Baͤyriſchen Hauſe iſt uͤber dem alten Haß ein Streit uͤber das Reichs Vicariat entſtanden / den ich nicht weiß wie er wird beygeleget werden / weil ſich je - nes auff ſein Recht / dieſes aber auff ſeine Macht verlaͤſſet. Bey dem Hauſe Sach - ſen neidet die Erneſtini ſche Linie die Al - bertini ſche / weil das Churfuͤrſtenthumb von dieſer auff jene gebracht. Der Chur - fuͤrſt von Brandenburg kan niemahls auff gutem Glauben das von den Schweden entnommene beſte Theil in Pommern ver - geſſen. Auff Chur-Pfaltz ſind laͤngſt etliche Benachbarte unwillig geweſen wegen ein und ander Recht / das er in ihren Laͤndern hat / weswegen ſie newlich zun Waffen ge - griffen. Jch halte auch kaum / daß der je - nige Streit gar vergeſſen ſey / welcher we - gen des Marpurgiſchen Fuͤrſtenthumbs bey der Heſſiſchen Familia geweſen. Und iſt der Friede wegen der GuͤliſchenN vjLaͤn -276Vom ZuſtandLaͤnder zwiſchen dem Churfuͤrſten von Brandenburg und dem Neuburgiſchen Pfaltzgraffen nicht zu trauen. Wer wil die kleinere Streitigkeiten alle erzehlen. Ja es macht auch der vergeblich Streit we - gen der præcedentz etliche Fuͤrſten unter - einander gehaͤſſig. Eine ſolche groſſe men - ge der Kranckheiten iſt Urſach / daß man den ſehr verdrießlichen Proceß vornem - lich in civil Sachen / wodurch auch das klareſte Recht in vielen Jahren kan auff - gehalten werden / unter die geringere Feh - ler zehlen muß. Es bringet auch der Muͤn - tze unterſcheid in Teutſchland den Com - mercien und der privat Leute Erbſchaff - ten groſſen Schaden / ob man wol ſonſten der Pfennige beſcheidenheit ruͤhmen muß / daß ſie die ſchamhafftigkeit ihrer gering fuͤ - gigkeit mit der Farbe ſelbſt mercklich anzel - gen. Daß endlich etliche Fuͤrſten nur dem ſchlemmen und der Jagt ergeben ſeyn / und ſich entweder nichts oder gar wenig umb die privat Sachen bekuͤmmern / ſolches iſtden277des Teutſchen Reichs. den laſterhafftigen Menſchen und nicht dem Regiment zu zuſchceiben / und ſolch Ubel findet man auch in andern Land - ſchafften.
MJt was Kranckheiten Teutſchland behafftet / halte ich / ſey klaͤrlich zu Tage geleget; Von den Artzneyen ſol eben ſo viel geſagt werden / welches doch einer außlaͤndiſchen Perſohn und reyſen - den nicht anzugehen ſcheinen koͤnne / wo nicht die Teutſchen ſo freundlich waͤren / daß ſie ſich mehr uͤber Fremde / als uͤber ihre eigene Sachen zu verwundern pfle - gen. Und hoffe ich / es werden die verſtaͤn - digen eines unpartheyiſchen Menſchen auffrichtiger freyredenheit leichtlich ver - zeihen / der nach ſeines Vaterlaudes Wol - ſtande nichts mehr wuͤnſchet / als daß die -ſes278Vom Zuſtandſes auffrichtige Volck herrlich floriren moͤge: Ehe ich aber unſere meynung her - vor bringe / halte ich der Muͤhe werth zu ſeyn / mit wenigem die Artzueyen zu beſe - hen / die der obẽ citirte Hippolithus â la - pide dem krancken Teutſchlande vorle - get: Denn ſolche / ob ſich gleich viel druͤ - ber verwundert / weiß nicht wie ſo uͤbel temperirt uns allzeit voꝛkommen ſeyn.
Giebet demnach ſolcher erſtlich ſechs Geſetze / welche ihm rationes ſtatus zu nennen beliebet hat / ſo in einer ſolchen Regiments Foꝛm / wie er Teutſchlande antichtet / muͤſſen in acht genommen wer - den / nemlich in einer Ariſtocratia, allwo das hoͤchſte Regiment bey den Vornehm - ſten / und der Schatten der Koͤniglichen Macht bey den Fuͤrſten iſt. Setzet dem - nach 1. daß man ſich der Einigkeit be - fleiſſigen / und der Auffruͤhren enthalten muͤſſe. 2. Daß die Kaͤyſerliche Wuͤrde nicht zu lange bey einer Familia bleibenſolle /279des Teutſchen Reichs. ſolle / damit ſie nicht luſt bekomme durch zu langem Gebrauch des Tituls ei - ne beſtaͤndige Herrſchafft zu ergreiffen. 3, Ob gleich das Fuͤrſtenthum / mit der Macht zuregieren und zum gemeinen Nutzen / und vereinigung des Regiments alle zu moderi ren verknuͤpffet wuͤrde; muͤſten doch die Staͤnde allzeit das Re - giment fuͤhren / und die Macht von den Hauptſachen zu ſchlieſſen auff dem Reichstage veruͤbet werden / welcher deßwegen offte zu halten. Man muͤſſe nur einen jmmerwaͤrenden Rath weh - len / wie im anfange des vorigen Seculi das Regiment war. 4. Daß nur der ſchein der Majeſtaͤt dem Kaͤyſer gelaſ - ſen / die Macht aber und Rechte ſelbſt dem Regiment behalten werden. 5. Daß der Reichsſtaͤnde Leben / Gut und Geruͤcht nicht des Kaͤyſers Willen allein unter - worffen ſey. 6. Daß der Krieg und feſte oͤrter deſſelben Macht allein nicht ſolten anvertrawet werden. Hernach iſt erdarin280Vom Zuſtanddarin weitlaͤufftig zu beweiſen / es waͤren ſolche Geſetze ſo wol vom Kaͤyſer als von etlichen Staͤnden nicht ohne hefftiger verſolgung des Hauſes Oeſterreich und etlicher Churfuͤrſten auff mancherley weiſe uͤbertreten worden. Denn ob gleich dieſe Geſetze nicht gaͤntzlich zu verachten / weil doch ſchon oben erwieſen / Teutſch - land ſey keine Ariſtocratia, iſt man ver - geblich der meynung / daß die Wolfahrt Teutſchlandes in dieſen Geſetzen allein beſtehe.
Darauff ſchreibet er ſechs Artzneyen vor / dadurch die Kranckheiten Teutſch - landes muͤſſen geheilet werden: Vors erſte ruͤhmet er die befleiſſigung der Ei - nigkeit / und eine allgemeine vergeſſung und abſchaffung aller Beſchweꝛligkeiten / wodurch der Haß untereinander erhal - ten wird; Und daß man nicht wegen der Religion unterſcheid von einander gehe / doch deßwegen die allgemeine Wol -fahrt281des Teutſchen Reichs. fahrt verhindert werde. Dieſe Gelegen - heit giebet denen in den Schulen genug - ſame gelegenheit an die Hand von der Catheder zu declami ren; Kan aber zum Nutzen des Teutſchen Regiments alsdenn erſt applici ret werden / wenn al - le Teutſche Staͤnde klug zu werden / und ihre Gemuͤths meynungen nach den Phi - loſophi ſchen Geſetzen genaw einzurich - ten anfangen; Darnach wil er / man ſolle das Haus Oeſterreich außrotten / und deſſen Guͤter in den Fiſcum legen: Das heiſt aber einen Hencker und nicht einen Medicum agi ren; Als wenn man der jenigen ſtracks außrotten ſolte / deme etwas uͤberfluͤſſige Guͤter zugefallen; A - ber wenn wir dieſem harten Schluß ge - horſahmen / wer wil die Axt anlegen eine ſo viel Landes unter ſich begreiffende Macht außzurotten / daran dem gantzen Europa, daß ſie einem oder zweyen nicht zu wachſe / gelegen iſt? Ein theil der Teutſchen Staͤnde iſt dieſem Hauſe ge -neiget;282Vom Zuſtandneiget; viele haſſen es nicht; Die uͤbrigen koͤnnen ſolche Macht nicht umbſtoſſen. Muͤſſen demnach gehuͤlffen nehmen / wen aber anders als die Frantzoſen und Schweden? denn als Hippolithus der - gleichen ſchriebe / waren dieſe zum fleiſſig - ſten darauff bedacht / und ruͤhmeten mit groſſem zufall bey den unerfahrnen / daß die von den Oeſterreichiſchen unterge - druͤckte Teutſche Freyheit durch ſie vin - dici ret werde. Es wuͤrde aber unhoͤff - lich ſeyn eine ſolche Muͤhe vergebens von ihnen zu begehren; Und warkein Rent - meiſter zu finden / der die Beute ſo reli - gios in den Fiſcum braͤchte; Es ſind viel - mehr nicht unebene Leute der meinung / daß wenn es den Feinden des Hauſes Oſterreich nach ihrem Wunſch ergienge / die Reichsſtaͤnde das alte Froͤſche ge - quack wieder einfuͤhren wuͤrden / welche an ſtatt des Balcken den Storch zum Koͤnige bekommen. Nach dem das Hauß Oſterreich auß dem Wege geraͤu -met /283des Teutſchen Reichs. met / wil er doch daß es Teutſchland nicht an einem Haupt ermangele. Wil dem - nach man ſolle einen andern Kaͤyſer weh - len / deme er auß ſeinen locis communi - bus eine herrliche Geſellſchafft der Tu - genden beyleget; Aber daß er nur mit dem vergeblichen Titul herfuͤr leuchte / und ohne Koͤniglicher Macht des Dire - ctoris und Obrigkeits ſtelle verwalte. Ein ſolcher Vorſteher oder Director aber kan in einem Ariſtocrati ſchen Regiment gebrauchet werden / da die vornehmſten in einer Stadt wohnen. Man haͤtte ja leichter ſagen koͤnnen / daß Teutſchland keines Kaͤyſers beduͤrffe. Wie viel Macht aber der Hippolithus ſeinem Kaͤyſer ab - ſpricht / ſo vielmehr Einkuͤnffte ſcheinet es wolle er ihm zulegen. Nun wuͤrde es ſchaͤndlich ſtehen / daß ein ſolcher groſſer Fuͤrſt Mangel leyden ſolte / darumb wer - den der Oſterreichiſchen Laͤnder zur Erb - ſchafft des Reichs verordnet / und wenn dieſe vielleicht nicht genug waͤren / muͤſſendie284Vom Zuſtanddie Churfuͤrſten das jenige wieder geben / was ihnen vom Carolo IV. geſchenckt oder bekraͤfftiget worden. Es ſcheinet aber der jenige muͤſſe die Menſchliche Natur nicht verſtehen / welcher meinet daß ſich ein ſo beguͤterter Herr mit gute von ſolcher kleinen Macht ſolte um̃ſchꝛen - cken laſſen; Auch wuͤrden die Churfuͤrſten nach dem untergange des Hauſes Oſter - reich das jenige was ſie durch dtey und mehr Secula in gutem Frieden beſeſſen nicht ſo leichte wieder geben. Zu deme ſeyn ſie zu dum das zu begreiffen / was ihnen ihre Beicht Vaͤtet von der wie - der zuſtellung der mit Unrecht erwor - benen Guͤter ſchwaͤtzen; Auch haben die Churfuͤrſten wol was ſie den andern Fuͤrſten wieder ſagen koͤnnen: Denn ich halte es wuͤrden viele zu geringen Baur - huͤtten ihre Zuflucht nehmen muͤſſen / weñ ſie von allen zuwachſungen ſo aberglau - biſche Rechenſchafft geben ſolten. Dar - umb wirds am billigſten ſeyn / das ein jeg -licher285des Teutſchen Reichs. licher das jenige was er lange beſeſſen / auch nachmals behalte. Vors vierdte vermahnet Hippolithus man muͤſſe ver - trauen unter den Staͤnden wieder ein - fuͤhren / das mißtrauen aber außrotten / welches geſchehen koͤnne / wenn die Be - ſchwerungen / derer die meiſten aus dem Religions Streit entſtanden / auff beeden ſeiten durch eine freundliche beylegung aus dem mittel gethan wuͤrden; Weil aber eben dieſes in der erſten Artzney begriffen / was were es denn von noͤhten eine ſonderliche Buͤchſe damit anzufuͤllen? Was endlich davon zu halten ſey / daß man ein Regiment anſtellen / einen Reichstag wichtiger Ge - ſchaͤffte wegen außſchreiben / denn Hoffraht abſchaffen / imgleichen ein ſtetiges Kreiges - Heer halten / und einen Krieges Kaſten anſtifften muͤſſe / zu welches erhaltung die Annatæ zu gebrauchen / wird das bald nachfolgende anzeigen.
Nun were noch wol uͤbrig / daß auch wirunſere286Vom Zuſtandunſere Apotheter Buͤchſen auffthaͤten / ob darin etwas moͤchte gefunden werden / wel - ches dem am Fieber liegenden Teutſchlan - de nach dem Maul waͤre; Es iſt aber ge - wiß / daß angebotene Braten ſtincken; Und werden zweiffels ohne keine verſtaͤndige Leute fuͤr rathſamb halten / von ſich ſelbſt zu andern Krancken zu gehen; Weil die Zornſuͤchtige Krancken hefftig auff die Medicos, die ſonſten das beſte rathen / und umb Geld gedinget ſeyn / zu ſchelten pfle - gen. Ja es ſind auch die jenigen von den verſtaͤndigen auß zulachen / welche ſich in ih - rem privat Lebẽ nicht ſchewen / denen ſo im Regiment ſitzen / aus Ehrgeitz Geſetze vorzu - ſchreiben. Die aber in civil Wiſſenſchafft erfahꝛen / koͤnnen leichte / nach eꝛkaͤntniß der kranckheit des Regiments / Artzneyen findẽ. Damit aber diß Wercklein nicht ohne ende zu ſeyn ſcheine / wird es gnug ſeyn / nur ein weniges hinzu zu thun. Wolte demnach meynen / dz man als einfundament halten muͤſſe / weiln die uͤbele beſchaffenheit desTeut -287des Teutſchen Reichs. Teutſchen Stats alſo gleichſamb verhartet / dz Teutſchland nicht ohne umbkehrung des gantzen Regiments nach den Geſetzen eines rechtmaͤſſigen Reichs koͤnne reformi ret werden. Es dienen aber einem ſolchen Stat am beſten die jenige remedia, welche denen Republiquen, ſo aus der vereini - gung vieler Bunds genoſſen zuſammen ge - wachſen / und den Teutſchen am nechſten beykommen / von den Politicis fuͤrgeſchrie - ben / darunter dann mit begriffen / daß ſie fuͤr allen dingen ſich bemuͤhẽ muͤſſen / mehr ihre eigene Sachen zu verthaͤtigen / als frembde zu gewinnen. Die innerliche Ei - nigkeit allhie zu behalten / koſtet groſſe Muͤ - he / und dazu iſt hoͤchſtnoͤtig / daß einem jeg - lichen ſein Recht bleibe / und keinem zuge - laſſen weꝛde / daß er einen ſchwachen unter - druͤcken koͤnne / daß alſo alle gleiche Frey - heit und Sicherheit / ob ſie ſchon ungleiche Guͤter haben. Die alten prætenſionen muͤſſen ewig verſchwiegen bleiben / und wie es jeglicher beſitzet / muſt ers hernach be -halten.288Vom Zuſtandhalten. Die newe Streitigkeiten muͤſten nach gutduͤncken der andern Bundsge - noſſen / die weder heucheln noch haſſen / ge - ſchlichtet werden. Wer ſich an deren Ur - theil nicht wolte vergnuͤgen laſſen / muͤſte von allen geſtrafft werden. Und ſo die ſol - cher geſtalt untereinander vereinigte ja ei - nen Fuͤrſten zu ihrem Oberhaupt anneh - men wolten / muͤſten ſie wol zu ſehen / daß er nicht nach der Herrſchafft ſtreben koͤnne; Darzu dienet abſonderlich / daß die Solda - ten und feſte oͤꝛter von ſeinem Willen nicht dependi ren: Man muͤſte ihn auch nicht allein mit gewiſſen und genawen Geſetzen umbſchrencken / ſondern ihm auch einen jmmerwaͤrenden Rath / der die vereinigten Staͤnde repræſentire, zulegen / deme die taͤglichen Geſchaͤffte / ſo das gantze Regi - ment angehen / nach dem erſt alle Staͤnde ihre meynung davon gegeben / außzurich - ten anbefohlen weꝛden koͤnten. Vor dieſem Rath muͤſte man alles / was die außlaͤnder mit dem Regiment zu thun haben / bringen /woſelb -289des Teutſchen Reichs. woſelbſten es erſtlich examini ret / hernach vor einem jeglichen Bundsgenoſſen ge - bꝛacht / und endlich ein allgemeiner Schluß colligi ret werden koͤnte. Von dieſem muͤ - ſten auch / wenn wichtige Sachen vorkom - men auſſer der Ordnung Zuſammenkuͤnff - te der Bundsgenoſſen angekuͤndiget wer - den; und damit ſolches deſto leichter und ohne groſſe Unkoſten geſchehen koͤñe / muſte man eine gewiſſe Art vorſchreiben: Denn es iſt kaum zu glaͤuben / daß die Oeflerreichi - ſchen einen ſolchen Rath umb ſich leiden ſolten / in dem ſich ihre Macht zu keiner Buͤrgerlichen art bringen laͤſſet. Und wer - den doch die Teutſchen Staͤnde nicht zuge - ben / daß / ſo lange Maͤnnliche Erben von dieſem Hauſe uͤbrig ſeyn / die Kaͤyſerliche Wuͤrde auff jemand anders verleget wer - de. Muͤſte man derowegen beſcheidentlich bitten / daß ſie mit ihren erworbenen Guͤ - tern zu frieden ſeyn / und uͤber die Staͤnde keine Herrſchafft begehren wolten; weñ aber etwas zu der Staͤnd præjuditz vor -Ogenom -290Vom Zuſtandgenommen werde / muͤſten ſie tapffer und mit geſampter Macht Widerſtand thun. Vornemlich muͤſte verhuͤtet werden / daß nicht etliche wenig entwedeꝛ unter ſich oder mit den Staͤnden Buͤndniſſe machten / die einigem Gliede Teutſchlandes zuwider[.]Wo ſolche aber wider andere giengen / muͤ - ſte man zu ſehen / daß nicht Teutſchland durch dieſe Gelegenheit in Krieg geriethe. Man muͤſte aber inſonderheit Verſehung thun / daß ſich die Außlaͤnder nicht in die Teutſchen Haͤndel miſchten / noch das geringſte theil mehr von Teutſchland ab - zoͤgen. Auch muͤſte man abwenden / daß nicht ein maͤchtiger und ſeine Graͤntzen zu erweitern begieriger Feind eine und andere der benachbarten Landſchafften wegnem[e]〈…〉〈…〉daher auch die Seuche in Teuſchland ein - ſchleichen koͤnte. Wenn man mercket / daß dergleichen vorgeno[m]en wird / muſte man ſich bey zeiten zur defenſion ſchicken / und derjenigen / denen auch daran gelegẽ / Ver - buͤndniß ſuchen / damit nicht gewiſſe Koͤnig -reiche291des Teutſchen Reichs. reiche gar zu maͤchtig wuͤrden. Ferner ſo lange Teutſchland nur das ſeinige verthaͤ - tigen darff / wuͤrde nicht ſo groß von noͤ - then ſeyn ein ſtetiges und ſonderlich groſ - ſes Krieges Heer zu halten; doch muͤſte man bey zeiten eine außſchꝛeibung machen / wie viel ein jeglicher / wenn es noͤthig / ſen - den ſolle. Auff was weiſe aber auch zur Friedens zeit mit geringem Koſten eine Krieges Macht zu halten / die / wenn es die Noth erheiſchen wuͤtde / alsbald eine Armee machen koͤnne / moͤchten die Teutſchen / wo mir recht / von den benacharten Schweden am beſten lernen koͤnnen.
Es wuͤrde gar leicht ſeyn / dieſes alles / und was ſonſten die Wolfahrt Teutſchlan - des erfordert / zu erkennen und znm Nutzen anzuwenden / wennnur die / ſo im Regi - ment ſitzen / wol geſinnet waͤren; Weil aber die meiſten den unterſcheid der Religion unter die vornehmſten Urſachen zehlen / warumb Teutſchland alſo zerriſſen / halteO ijich /292Vom Zuſtandich / es werde ſich bey dieſem Wercklein wol ſchicken / mit wenigem zu ſagen / was etliche vornehme Leute uͤber dieſen Handel in mei - ner gegenwart diſputi ret haben. Denn ich bin in Theologi ſchen Sachen nicht ſo viel geuͤbet / daß ich von mir ſelbſt uͤber der - gleichen ein Urtheil faͤllen koͤnne / zu dem[e]halte ich werde es fuͤr ein geringers verſe - hen zu achten ſeyn / anderer Leute meynung zu erzehlen / als ſeine eigene an den Tag zu geben / vornemlich / weil ich mich dem Ur - theil der allerheiligſten Mutter der Catho - liſchen Kirchen demuͤtigſt unterwerffe[.]Als ich derowegen zu Coͤlln am Rhein bey dem Hochwuͤrdigſten und Durchlaͤuchti - gen Apoſtoliſchen Nuncio, welchen ich neben etlichen andern / meinen Gehorſam zu bezeugen / beſuchet hatte / unter andern Reden voꝛgebracht / ich koͤnne die Urſachen noch nicht gnugſam begreiffen / warum[b]die Religion ſo gꝛoſſe Uneinigkeit in Teutſch - land angerichtet / da in dem vereinigten Ni - derlande / wohin ich vor kurtzen verreiſtgewe -293des Teutſchen Reichs. geweſen / dergleichen nicht gefunden wer - de; woſelbſten man doch die groͤſte Frey - heit habe zu glaͤuben und nicht zu glaͤuben / was einem beliebet. Denn da waͤre ein jeglicher auff ſeinen Gewinn und Geſchaͤff - te bedacht / und kuͤmmere ſich wenig umb eines andern Religion. Da fieng ein gar vornehmer Mann / der ſich lange zeit zu Hoffe auffgehalten / nun aber zur hoͤchſten Ruhe begeben / nach dem er den Nuncium umb verzeihung gebeten / alſo an: Weil die - ſer reyſende der jenigen Sache / die meine Gedancken lange verunruhiget / auff die Bahne gebracht / wil ich jetzo / nach deme ich nicht allein willige Zuhoͤrer / ſondern auch an euch verſtaͤndige Leute / ohn deren gegen - wart ich meine meynung zu behaupten mir kaum getrawe / zu habẽ vermercke / was mir endlich der Warheit am aͤhnlichſten fuͤr - kommen / beybringen. Darauff hat er et - was weitlaͤufftig erzehlet / wie nemlich das Chriſtenthumb von anfang durch ſo viel Ketzereyen / derer die meiſten mit der ZeitO iijvon294Vom Zuſtandvon ihnen ſelbſt verſchwunden / von einan - der getrennet. Es koͤnne aber kaum eine Spaltung erdacht werden / welche die Kir - che hefftiger zertheilet / und welche nicht al - lein etliche privat Perſonen / ſondern auch gantze Koͤnigreiche angegriffen / als zu wel - cher in dem vorigen Seculo etliche wenig Doctores in Teutſchland Urſache gege - ben. Man hat mit groſſem Verſtande / wie auch abſchewlichem Haß widereinander geſtritten / und ſey doch noch keine Hoff - nung / daß ſolche ſchreckliche Uneinigkeit koͤune beygeleget werden. Er ſey jetzo nicht vorhabens / die verborgene Urſachen der Verhaͤngniſſe zu erforſchen. Was aber die Vernunfft von Menſchlichen Sachen zu unterſuchen an die Hand gebe / wolte er ſeinem Orden gemaͤß fuͤrbringen.
Erhellet demnach / ſprach er / daß die Menſchen vornemlich durch zwey Dinge / als durch verachtung und entwendung des Nutzens hefftig gereitzet werden; wir reden aber nicht von der jenigen Verach -tung /295des Teutſchen Reichs. tung / wodurch jemandes guter Nahm und Leumuth eigentlich verletzet wird / ſondern welche ihm ein jeglicheꝛ Hirnwuͤtiger aus eines andern nicht mit ihnen einſtim̃enden Meynung ertichtet: Denn an dieſer Seu - che liegen gemeiniglich die Menſchen da - nider. Da iſt nicht allein verhaſt daß man dawider ſtreitet / ſondern auch / daß man darin nicht bewilliget: Denn wer mit ei - nem nicht uͤbereinſtimmet / den haͤlt man dafuͤr / daß er ihn heimlich eines jrthums bſchuldige; Und wer in vielen einer gar anderen Meynung iſt / der wird dem anſe - hen nach fuͤr einen Narren gehalten. Fer - ner plaget auch dieſe Kranckheit ſehr die Calmeuſer / die in dem Schuelſtaube erzo - gen / und ihren einſahmen Speculationi - bus nachhaͤngen. Dieſer ihr Hauptfeind iſt alsbald der jenige welcher ihre Meinung nicht hoch oder fuͤr ein Oraculum haͤlt. Und haben vorzeiten die Roͤmer und Carthaginenſer mit keinem groͤſſern Ey - fer umb die Herrſchafft der Welt geſtrie -O iiijten /296Vom Zuſtandten / als offtermals etliche Gelehrten uͤber die Syllaben und andere geringe Sachen. Einen gleichen / wo nicht groͤſſern Eyſer erweiſen die Prieſteꝛ / (denn der Nuncius hatte ihm die Warheit frey zuſagen gewin - cket) dann weil einjeglicher meinet / daß ihm Gott ſonderlich gewogen ſey / ſo wird der jenigt / welcher von ihrer Meynung abge - het / neben der unbilligkeit des verachteten anſehens / auch der gotloſigkeit beſchuldi - get / als wenn er / nemlich auß verachtung der Himmliſchen Wahrheit / oder auß Profan halſtarrigkeit / damit es nicht ſcheine er habe von andern etwas gelernet / von ſeinem auch wol offentlichem Jrthum nicht abtreten wolle. Und iſt traun zuver wundern / daß die jenigen / welche andern die vertraͤgliche Sanffemuhe der Chriſtli - chen Religon ein predigen ſollen / ſolche von den rauhen affecten eingenommene Gemuͤhter haben. Oder es weiſe mir ei - ner bey welcher Art Leute mehr Ehr - und Geld geitz / Mißgunſt / Jachzorn und Hals -ſtarrig -297des Teutſchen Reichs. ſtarrigkeit gefunden werde / und die ein - jeglicher ſich und das ſeine ſo groß ma - chet / daß der / welcher das gegentheil zu halten ſich unterſiehen wird / alsbald dem Helliſchen Feur zuerkant werde / da ſie auch nicht einmahl Gott die Macht laſ - ſen / ſolch Urtheil unguͤltig zu machen. Daß es aber einem verdreuſt / daß ſein Nutzen durch andere weg genommen wird / iſt der Vernunfft nicht ſo ſehr zu - wieder.
Die Urſachen aber der Uneinigkeit deſto gruͤndlicher zuverſtehen / muß man auch gleichſamb die Natur der dreyen Religi - onen, welchen in Teutſchland offent - liche Freyheit gelaſſen wird / betrachten. Wie kuͤnſtlich zwar einjegliche ihre Schluͤſſe auß der Heil. Schrifft bewei - ſet / wollen wir nicht nachforſchen / dann wir ſolche nur zu unſerer eigenen Gottſe - ligkeit gebrauchen. Und ſeyferne von unß der alleꝛheiligſten Mutter der Kirche eineO vſolche298Vom Zuſtandſolche Boßheit zu zuſchreiben / daß ſie uns die wir ihr ſo einen groſſen Gehorſahm erweiſen / einen verderblichen Jrrthum auffbuͤrden wolle. Doch iſt es billig / daß wir zuſehen / wie weit ſich der Weg zur Seligkeit / welchen zu weiſen ſich die Prieſter bemuͤhen / bey unſerer Politie ſchicke: Denn ich halte nicht daß Gott der Herr die ſtille des Buͤrgerlichen Le - bens durch ſeinen Dienſt verunruhigen wollen. Damit ich derowegen von denen / die von unſerer Catholiſchen Kirchen ab - getreten / den Anfang mache / habe ich traun in der Lutheraner Religion nichts mercken koͤnnen / daß den Principiis der politi ſchen Lehre zu wieder waͤre: Die Macht in Geiſtlichem Sachen iſt den Fuͤrſten beygeleget; Der Prieſter Guͤter ſind zu groſſem auffnehmen des Regi - ments (wie ſcheel ihr auch außſehet) ver - ringert; Dem gemeinen Mann iſt ein - gebunden / daß ſie die Obrigkeit / als einen der auff Erden Gottes Staͤlle vertrit /ehren299des Teutſchen Reichs. ehren ſollen. Endlich wird die Summa und der Einhalt der guten Wercke auff deme / was einem ehrlichen Mañe wol an - ſtehet / geſtellet. Und iſt nicht uneben das man etliche euſſerliche und anſehnliche Ceremonien des offentlichen Gottes Dienſtes behalten / umb dadurch die Ge - muͤhter der einfaͤltigẽ / welche die betrach - der bloſen gotſeligkeit faſt nicht begreif - fen koͤnnen zu gewinnen. Gleich wie nun die Religions geheimniſſe nicht nach dem ſeltzamen aberglauben eingerichtet ſeyn; Alſo ſcheinet es wol zu ſtehen / nur von dem ſubtilen Menſchlichen Verſtande eine Weißheit / und goͤtliche Macht / zu erhalten / daß man glaube / es koͤnne von dieſer etwas hoͤhers geleiſtet werden / als was jener zu ergruͤnden erlaubet. Ja auch die gꝛobheit ſelber / welche etliche ſchimpfflich halten / hilffet die Meynung der auffrichtigkeit zu wege zu bringen. Wie ſich demnach keine Religion umb die Teutſchen Fuͤrſten beſſer kunte ver -O vjdient300Vom Zuſtanddient machen; Alſo ſcheinet auch unter allen faſt keine dem Monarchi ſchen E - ſtat bequaͤmlicher zu ſeyn. Uud zwar / wo nicht der reſpect der andern Laͤnder den Carolum V. gewehret / koͤnte der Teutſche Kaͤyſer einer groſſen Einfalt beſchuldiget werden / daß / nachdem er von den Fuͤrſten und etlichen Staͤdten den Anfang gemacht / er ſolche gelegenheit durch die Geiſtliche Guͤter die Erbſchafft des Reichs zu bereichern / verſaͤumet ha - be; Jn dem ihn die Fuͤrſten leichte zu ei - nem Theil der Beute zulaſſen wuͤrden / und daß gemeine Volck ſolchen neuen Lehrern ſehr geneigt war. Was die Cal - viniſche Religion, wie man ſie nennet / betrifft / iſt ſie von der vorigen wenig unterſchieden / ohne daß ſie alle reli - quien der Catholiſchen gebraͤuche mit dem Staube außwerffen wollen / und die neuen Dogmata etwas ſubtiler / als von den Lutheranern geſchehen /auß -301des Teutſchen Reichs. außarbeiten. Deren beedes ſich bey dem gemeinen Volcke nicht wol ſchicket. denn ſolches erſtarret faſt daruͤber / daß der gautze Gottesdienſt nur zum Predigen und wenigem Singen gebracht ſey; und wenn es umb die Geiſtliche Sachen ſorg - faͤltig zu ſeyn / fuͤr eiue Tugend gehalten wird / bekom̃t einjeglicher verkehrter Kopf Luſt viel zu verneuern / wo bey ſich auch eine unuͤberwindliche halſtarrigkeit fin - det die einmahl angenommene Meynung zu verthaͤtigen. Ja etliche ſind gar auff eine Thorheit gerahten / und haben fuͤr eine Suͤnde gehalten etwas lange und zierliche Haar zu zeugen. Dieſem nechſt haben die verſtaͤndigen laͤngſt gemercket / daß / die Natur dieſer Religion zur de - mocrati ſchen Freyheit geneigt ſey: Deñ nach dem einmahl das gemeine Volck in geiſtlichen Sachen / wie auch von den Sit - ten zu urtheilen / zur Stimme zu gelaſſen ſchiene es unbillig zu ſeyn / daß ein Fuͤrſt in den politi ſchen Haͤuptſachen etwasO vijbe -302Vom Zuſtandbeſchlieſſen koͤnne. Waruͤmb ferner dieſe neue Religionen, ſo ein groß Theil Teutſchlandes eingenommen / durch ih - ren zwiſpalt unter ſich der allgemeinen Wiederſacher Macht geſtaͤrcket haben / ſehen die Verſtaͤndigen keine andere Ur - ſache / als die / davon wir itzo ſagten / der Prieſter halſtarrigkeit / ſo wolihre Lehre als guten Nahmen zu beſchuͤtzen; wel - chem ſie viele abzugehen vermeinen / wenn ſie denen / die klaͤrere Sachen lehren / und maͤſſigere rahten / daß geringſte nachge - ben ſollen: Denn es wird umb keinen nuͤtzen geſtreiten / weil ihnen beederſeits gleich viel daran gelegen iſt / daß ſie nicht wieder unter die Roͤmiſche Kirche ge - bracht werden. Weil man demnach von den Prieſiern nicht erhalten kan / daß ſie den Nutzen des Regiments ihrer hals - ſtarrigkeit vorſetzen / gebuͤhrete es den Fuͤrſten ſolche Uneinigkeit ein wenig auff zuheben / nicht zwar durch gewalt, ſahme Mittel / wodurch die Mißhellig -keiten303des Teutſchen Reichs. keiten mehr erreget als geſtillet werden / ſondern durch einen gelindern Weg / und gleichſamb uͤberquere: Denn wenn die Fuͤrſten bey annehmung der Diener nicht mehr auff die Secten / ſondern auff die Gaben des Gemuͤhts und des Verſtan - des ſehen / wenn die Buͤrger einer jegli - chen Religion zu gethangleich gehalten werden / wenn den Prieſtern ſolche ſtrei - tigkeiten auff der Cantzel zu treiben / und mit harten Worten das andere Theil anzugreiffen / verboten wird / weñ endlich auff den Hohen Schulen keine Lehrer / als beſcheidene und kluge Maͤnner gelitten wuͤrden / ſo zweiffele ich nicht / es wuͤrden ſolche ſtreitigkeiten innerhalb wenig Ja - ren von ſich ſelbſt auffhoͤren. Aber ich halte der jenige werde ſich umb die heilige Roͤmiſche Kirche nicht wol verdient machen / der ſolchen Leuten guten rath an die Hand geben wird.
Es hat aber unſere Catholiſche Reli -gion304Vom Zuſtandgion eine gantz andere Natur / als dieſe neuen: Denn dieſe zwar wollen das die Prieſter der Obrigkeit und des Volcks Dieuer ſeyn ſollen / daß nach dem die Menſchen alhie in guten Sitten unter - wieſen / ſie nach dem Tode zur ewigen Se - ligkeit gelangen moͤgen. Die Catholi - ſche Religion bekuͤmmert ſich nicht ſo ſehr / daß die Leute from gemacht werden / als das der Prieſter Guͤter / macht und anſehen wachſen und zunehmen moͤgen. Und habe ich mich traun ſchan laͤnſt uͤber die Thorheit unſerer Prieſter verwun - dert / daß ſie ihnen die ſtreitigkeiten / ſo ſie mit den Ketzern (wie ſie ſie nennen) ha - ben / aus heiliger Schrifft zu entſcheiden vorgenom̃men; Weil viel eine beſſere und klaͤrere art verhandẽ die gewißheit der Ma - themati ſchen demonſtrationen zu be - ſchreiben: Denn nach dem dieſes princi - pium, deſſen ich gedacht / bekraͤfftiget und zu gelaſſen / daß der Catholiſchen Religion Zweck und Ziel ſey / daß der Prieſter Guͤterund305des Teutſchen Reichs. und anſehen groß ſeyn moͤgen / wuͤrden die Wiederſacher nicht klug ſeyn / wenn ſie mit einem einigen Woͤrtgen ſolche dogmata mehr beſtreiten wolten / wodurch ein ſol - cher hauffen Papier bißher vergeblich ver - brauchet worden. Zum Exempel wollen wir nur eines und ander hinzu thun: Es wird der heiligen Schrifft eine Tunckel - heit zu geſchrieben / und werden die Layen von ſolcher zu leſen abgehalten / damit die Prieſter allein das Recht ſelbige außzule - gen behalten / noch die Layen etwas darauß ſuchen moͤchten / welches den Prieſtern nicht zutraͤglich ſeyn wuͤrde. Da muͤſſen die Satzungen hinzu kommen / daß wenn vieleicht in heiliger Schrifft etwas außge - laſſen waͤre / daß zu dieſem abſehen dienlich / ſolches fuͤglich koͤnte erſetzet werden. Es iſt ietzo die gantze Religion mit ſo viel cere - monien angefuͤllet / daß durch deren glantz und anzahl das gemeine Volck uͤberhaͤuf - fet / und gleichſamb erſtarret / der rechten Gotſeligkeit nicht nach dencken kan. Diever -306Vom Zuſtandvergebung der Suͤnden Gott allein zu laſſen brachte keinen gewinn; Darumb iſt ſolche Macht den Prieſtern beygeleget / wel - che ſich dieſes zutraͤglichen Rechts nicht uͤberfluͤffig gebrauchen / noch mit der ge - meinen bekaͤntniß und einem kleinen ge ſchenck / ſo von des confiten ten freygebig - keit dependi ret / zu frieden ſeyn wolten. Es wird eine gar genaue herſagung aller undiglicher Suͤnden erfordert / da derſel - bigen Taxt in der Prieſter belieben ſtehet. Wo allhir der Suͤnder Reich / iſt ein ge - wiſſer gewinn verhanden wenn gleich auch die Suͤnde umſonſt vergeben waͤre t Deñ weꝛ wolte nicht gegen einem ſo gutthaͤtigen Vater einige freygebigkeit erweiſen? Ge - gen den armen darff man ſicherer ſeine autorität veruͤben. Und was fuͤr eine hohe Sache iſt es aller Menſchen heimlig - keiten zu wiſſen? Oder wer wolte nicht den Schiedsmann ſeines Hertzen in Ehren halten? Ferner iſt nichts bequemer den gewinn und das anſehen der Prieſter zu -befor -307des Teutſchen Reichs. befordern als die Meſſe: Denn wer wolte einem der ſo ein heilſahmes Werck ver - richtet / die belohnung verwegern? Oder wer wolte die jenigen Leute nicht hoch hal - ten / welche ein ſolch ehrwuͤrdiges Opffer mit ihrem muͤrmeln koͤnnen zu wege brin - gen; Daß den Layen der gebrauch des Kelchs mit recht benommen ſey / muß man eyferig verthaͤtigen / damit es das anſehen habe / die Prieſter haben in keiner Sachen gefehlet. Und iſt nicht vergeblich die Zahl der Sacramenten vormehret / damit die Leute deſto oͤffter der Prieſter bedoͤrffen. Und welch einen Gewinn bringet auch nur dieſes den geiſtlichen Gerichten / daß alle Ehſachen nur unter dem Schein / weil der Ehſtand ein Sacrament ſey / dahin ge - zogen werden: denn ohne das ſchiene es / daß die Ehlichen eben ſo wol die Natur des Ehſtandes verſtehen koͤnten. Wie das verdienſt der guten Wercke die ſchein hei - lige Gotſeligkeit der Leute ſehr befordert; Alſo / weil ſolche faſt durch die jenigenDinge308Vom ZuſtandDinge beſchrieben werden / welche die Prieſter bereichern / kan es ſich bey dem uͤbrigen Syſtemate Theologiæ gar wol ſchicken. Jch halte auch es ſey das Fege - fewr zu keinem andern Ende angezuͤndet / als das die jenigen / welche ſonſt der Todt frey gemacht / dennoch mit Tribut koͤnten belaͤſtiget werden. Gleich wie die anruf - fung der Heiligen den Glantz der Religi - on nicht wenig vermehret; Alſo muͤſſen auch dieſelben der Prieſter anſehen Ehren / welche durch deren Huͤlffe im Himmel groß zu werden gedencken. Mehr hievon bey denen die guten beſcheid drumb wiſſen zuſagen / were nur verdrießlich / und wer ſolches genauer zu erforſchen zeit hat / wird auch das uͤbrige nach dieſer Art befinden. Wie iſt ferner der Prieſter Regiment ſo kuͤnſtlich zuſammen geſetzt / wie genau iſt alles mit einander verknuͤpffet! daß man mir Warheit ſagen darf / es ſey von anfang der Welt kein Corpus beſſer diſponi ret oder auff ſo feſtem Grunde geſetzt geweſen;Nun309des Teutſchen Reichs. Nun erſt nach dem beſten Monarchi ſchen Regiment eingerichtet. Der vornehmſte Prieſter ſelbſt hat mit Gott gleiches anſe - hen / iſt GOttes Stadthalter / kan nicht ir - ren und ertheilet nach belieben ohn einiges widerſprechen den Schluͤſſel des Himmels und der Hellen; Denn das man in den beſſern Zeiten meynete / der Richter aller Koͤnigreiche koͤnne die Koͤnige von ihrem Thron ab - oder darauff ſetzen / haben ſolches die neuen Lehrer als eine ſehr verhaſte Sa - che beruͤchtiget. Und weil die Mayt. ſol - ches Fuͤrſtenthumbs in der meynung der heiligkeit beſtehet / wird es durch die Wahl auffgetragen / auff daß / wenn zum offtern der Koͤnigliche Erbe aus der art ſchlaͤget / die ſtelle keinem / als der ihrer wehrt / und keine affecten der jugend bey ſich befindet / offen ſtehe / und damit er mehr nach der Kirchen / als nach ſeiner Familia nutzen trachten moͤchte. Wegen eben dieſer Ur - ſachen iſt allen Gliedern dieſes Regiments der unehliche Stand angekuͤndiget / damitſie310Vom Zuſtandſie ſich nicht in betrachtung ihres privat Weſens anders warum bekuͤmmerten. Was iſt ferner fuͤr eine menge und unter - ſcheid der Staͤnde! damit deſtomehr wuͤr - den / die uͤber die Kirchen Sachen wach - ſam weren / und der Layen Guͤter an ſich zu ziehen das Netz außwuͤrffen. Und ge - neuſt doch keiner von den Fuͤrſten einen ſolchen zugethanen gehorſahm ſeiner Un - terſaſſen; Und weil es unter ihnen an æmu - lation nicht ermangelt / weiß doch der Pabſt ſolche / daß ſie nicht zum ſchaden des Rigiments außſchlagen / gar weißlich zu maͤſſigen. Denn es iſt bekand daß die alten Staͤnde der neuen Jeſuitiſchen Geſel - ſchafft nicht geneigt ſeyn / weil man mey - net / daß ihrer autorität viel dadurch ab - gangen ſey: Denn nach dem es das anſe - hen hatte daß der alten Muͤnche einfaͤltige heiligkeit des neuen Seculi Muthwillen nicht konte in Zaum halten / iſt zu groſſem Nutzen der Kirchen dieſe heilige Geſell - ſchafft auff kommen / welche die hinfallendeSachen311des Teutſchen Reichs. Sachen gluͤcklich wieder zum Stande ge - bracht hat / indem ſie die Jugend unterrich - tet / und durch die confeſſion und zugleich verſchmitzter converſation aller Men - ſchen heimligkeiten erforſchet. Alſo daß viele der meynung ſeyn'ts koͤnne das mei - ſie was bey dem Hiob im geheimen ver - ſtande von dem Leviathon geſagt wird / auff das geiſtliche Regiment gezogen werden. Ohne zweiffel wird aber einer die Religi - on fuͤr die beſte halten / welche beedes ihre Cultores oder zu gethane mit groſſem Reichthum und Ehre anfuͤllet / und mit kraͤfftigen Mitteln außgeruͤſtet / ihre Schaͤf - gen zu gleich zu beſcheren und im gehor - ſahm zu behalten. Jch halte doch das aus dieſen klar ſey; Wie auff einer gar naͤrri - ſchen Weiſe bißher die Catholiſchen und neuen Doctores mit einander geſtritten. Denn die unſrigen zwar haben geruffen / daß wan dieſe unter die Ketzer gezehlete mit Feur und Schwerd außtilgen / und ih nen keine Hoffnung zur auffrichtigen Ver -ſoͤhnung312Vom Zuſtandſoͤhnung machen ſolle. Daher haben die - ſelbigen ihre Wolfahrt auffs beſte beſtellen koͤnnen / und nach dem ſie einmal die Layen mit der unrechten Meynung von der Ca - tholiſchen Prieſter heiligkeit eingenom - men / war es leichte / nach auffweiſung die - ſer Guͤter ihnen ſolche zu Schutzherren zu machen. Were man aber bey zeiten klug geweſen / haͤtte es nicht an Mittel ge - fehlet / die Layen / ſo die wiedrigen Theile angenommen / zu ermiltern; Und wuͤrde ſich das Saͤchſiſche Bruͤdergen ehr durch aufferagung eines fetten Beneficii, mit dem Pabſte verſoͤhnet haben / als durch außlaſſung des Banns / deſſen Macht von der langen Reiſe / und boͤſem Wetter faſt ſeine Krafft verlohren. Hingegen muß man ſich uͤber die Einfalt der neuen Lehrer verwundern / daß ſie ſich nicht ſcheuen den unſrigen zu rathen / ihre gelegenheit und Reichthum zu verlaſſen / und auff ihre Sei - te zutreten / daß ſie daſelbſt ein verachtetes Voͤlcklein ſeyn / welches ſich mit dem Hun -ger313des Teutſchen Reichs. ger braff herum ſchlagen muͤſte: denn es gehoͤrte mehr verſtandes dazu / daß ſie das Volck durch die Freyheit / und die Fuͤrſten durch anreitzung des Gewins zu ſich locken moͤchten. Ob es wol nachmals / nach dem einmahl der erſte Anfal ermuͤdet / und die unſrigen nach der unverſehenen Niederla - ge ihre Voͤlcker beſſer angeordnet / gnug - ſahm zu ſehen geweſen / daß die[unſrigen] ihre Sachen beſſer in acht genommen als die andern: denn ſo viel mir bewuſt / iſt in dem gegenwaͤrtigen Seculo kein Fuͤrſt mehr zu ihnen getreten; Da doch die Ca - tholiſche Kirche etliche in ihren Schoß be - kommen. Als er mehr ſagen wolte / iſt ihm der Nuncius mit dieſen Worten in die Rede gefallen: Du haſt uns deine erfah - rung in Theologi ſchen Sachen zur gnuͤ - ge bewieſen / und wuͤrde es dir nicht an Zu - hoͤrer mangeln / weñ du dergleichen offent - lich zu lehren anfangen wolteſt; Ob ich wol bekenne das die Novitii oder Neulin - ge ſolches nicht ſo leichte begꝛeiffen werden;PUnd314Vom ZuſtandUnd es wuͤrde auch unbillig ſeyn / daß du / (er ſahe mich an) innerhalb eines Stuͤnd - gen zu den geheimniſſen gelaſſen werdeſt / von deren erkaͤntniß ſich ſo viel tauſend verſchlagene Leute mit groſſer bekuͤmmer - niß den Poͤfel abzuhalten bemuͤhen.
Dieſes / welches in gegenwart des Nun - cii Apoſtoliei zimlich frey vorgebracht / hat mir / nicht ohne Ruhm der auffrichtig - keit / einen Muht gemacht / daß ich mich nachmals weniger ſcheuete offenhertzigen Leuten zu zuhoͤren. Und nicht lange her - nach habe ich einen Mann / der umb ſein Vaterland guten beſcheid wuſte / und von der neuen Religion keinen groſſen abſcheu zu haben ſchiene / angetroffen; Jch muß aber / wenn ich ſolches erzehle / deſto fleiſſi - ger umb verzeihung bitten / damit nicht je - mand meine / es werde dieſes alles von mir gut geheiſſen / derohalben hat ſelbiger / nach dem er meiner neulichen Rede gedacht / et - was weitlaͤufftig angefangen / daß in einemwol -315des Teutſchen Reichs. wolbeſtalteẽ Regiment freylich gewiſſe Per - ſohnen / den Gottes dienſt offentlich abzu - warten / ſeyn muͤſſen / welche auch ehrlich muͤſſen unterhalten werden; Es gezieme ſich auch daß offentlich Kirchen gebauet werden / dere zierligkeit der Religion ein aͤuſſerlich auſehen mache / und das gemeine Volck zur andacht bringe. Jch halte aber nicht dafuͤr / ſprach er / daß ein verſtaͤndi - ger in abrede ſeyn wird / daß die Perſoh - nen / welche zum Religions dienſt nichts conferiren, mit recht nicht koͤnnen Geiſt - liche genennet werden / und das die Guͤter ſo zu deren Unterhalt angewand werden / nicht zu den Geiſtlichen gehoͤren. Jn Teutſchland iſt ferner ſo wol durch frey - gebigkeit der Kaͤyſer und Fuͤrſten / als durch andacht der privat Perſohnen der Prieſter Orden mit ſo groſſen Guͤtern ge - haͤuffet / daß ihnen nur das helffte / wo nicht das groͤſte Theil Teutſchlandes zugehoͤret / dergleichen Exempel bey allen andern Voͤl - ckern unerhoͤret iſt. Die Fruͤchte aber ſol -P ijcher316Vom Zuſtandcher Guͤter zuverzehren hat ſich eine groſſe menge muͤſſiger Leute gemachet; Welches weder mit dem Geiſtlichen noch Weltli - chen rechten gnugſahm uͤberein ſtimmet. Die heilige Schrifft wil das die Prieſter ehrlich ſollen unterhalten / und den Ochſen die da dreſchen das Maul nicht verbunden werden. Und giebet den jenigen nicht den Prieſter Nahmen / die mit dem Heiligen Predigampt nichts zu thun haben; Ja ſie nimpt auch weder die Perſohnen noch die geiſtlichen Guͤter auß von der inſpection der hoͤchſten Gewalt im Regiment / daß ſie von ſolcher zur Wolfahrt des gemeinen beſten nicht ſollen regieret werden. Daß aber ein allzu groſſer hauffen geiſtlicher Guͤter dem Regiment nicht zutraͤglich ſey / haben unſere Venetianer gnugſahm ge - mercket / welche / da ſich der Pabſt vergeb - lich dawieder geleget / derſelben auffneh - men gehindert; Es muͤſſen nemlich die Staͤdte gleichſam die Schwindſucht be - kommen / wo die Leute / ſo ein ander Haͤuptauſſer317des Teutſchen Reichs. auſſer dem Regiment erkennen / und vor - geben / ſie ſind nach dem Goͤttlichen Recht von den allgemeinen beſchwerungen be - freyet / ein ſolches Reichthum an ſich zie - hen. Uber die zahl der Biſchoͤffe kan zwar Teutſchland nicht klagen: Denn ſolche iſt viel ringer / als die weite des Landes / wenn ihnen das Geiſtliche Ampt zu verwalten belieben moͤchte / erfordert. Aber worzu ſollen ihre ſo groſſe Guͤter? Sprichſtu / ſie ſeyn zugleich Reichs Fuͤrſten / und nehmen ein Theil der Regiments Sorge auff ſich; Laſt ſie den abſtehen von dem geiſtlichen Biſchoffs Titul / welches Ampt ſie wegen der Weltlichen Geſchaͤfften nicht abwar - ten koͤnnen. Und ſie wolten doch nur nichts anders genennet werden / als was ſie ſeyn. Denn ich halte es werde die Chriſtliche Religion keinen ſchaden neh - men / wenn gleich einer von den Teutſchen Biſchoͤffen in einem Jahre eine oder an - dere Meſſe nicht halten wuͤrde / da er mit einem hoffertigen Geleit umbgeben iſt /P iijund318Vom Zuſtandund den erſten fortpflantzern der Chriſtli - chen Religion ihre Armuth auffruͤcket. Alſo mag ſich traun der Mayntziſche ſeines Gebiets freuen / daß er die Wuͤrde eines Cantzlers in Teutſchland erhalten koͤnne; Die Urſach iſt aber nicht zu finden / war - umb man ihm einen Geiſtlichen Sitz bey - legen muͤſſe / da andere Fuͤrſten / die ihnen das gemeine beſten eben ſo wol angelegen ſeyn laſſen / mit einem gemeinen Sitz zu frieden ſeyn. Was ſol ich ferner von den Thumhoͤltzern ſagen / daraus die Biſchoͤf - fe gezimmert werden? Weil ihr Weſen in Geiſtlichen Sachen nicht viel gilt / ſchaͤmen ſie ſich nicht / ſich irregulire Thumher - ren zu nennen / und damit ſie ihr eigene Kehle ſchonen / laſſen ſie durch ihre Vi - carios die Kirchen voll ſchreyen. Unter denen / die mit Weltlichen geſchaͤfften nicht zuthun haben / ſind etliche inutilia ter - ræ pondera oder gantz nichts taugliche Leute / die nur dem Bauch und Geilheit dienen. Die ſo Weltliche. Sachen ver -richten /319des Teutſchen Reichs. richten / warumb werden die Geiſtlich ge - nennet / oder warumb mißbrauchen ſie die Geiſtlichen Guͤter? Was ſol ich auch von dem groſſen Reichthum der Kloͤſter / und der unzehlbaren menge der beſchornen / welche die Kloͤſter inne haben / ſagen? Es were zwar freylich zutraͤglich / daß man Collegia habe / worin die Jugend ſo in Geiſt-als Weltlichen Sachen moͤchte un - terrichtet werden; Und wolte nicht dawie - der ſagen daß ſolche Collegia tieffſinnigen Leuten zu ihren Speculationibus dienen koͤnten / da die Fruͤchte / ſo dem Gemeinen beſten aus dieſer Ingeniis zuwachſen kun - ten / durch die ungeſtuͤmigkeit des Weltli - chen Lebens weg genommen werden. Weñ man ihnen aber einen ruhigẽ Winckel ver - ſchaffet / koͤnnen ſie auch ſelbſt uͤber ihren zarten Verſtand / der ihnen zur ſtraffe gege - ben / nicht klagen / und erlegen manchmahl mit groſſem Wucher / was von dem ge - meinen beſten auff ſie gewaud. Beederley Art aber wird am beſten mit maͤſſigenP iiijKoſten320Vom ZuſtandKoſten erhalten / die uͤberfluͤſſigen Fettig - keit verhindert gleichſam die Krafft und den Fleiß. Sonſten ſiehet man kei - ne Urſach warum die verzweiffelte Leute / oder die auß verdruß der Arbeit in der Kutte ungeſtalt einherzugehen luſt haben / mit ihrem abſcheulichen boͤlcken die Tem - pel zu erfuͤllen / oder mit einer ſehr kalten Andacht die wiederholete Gebergen dem lieben Gott nach den Corallen zu zuzehlen / offentlich muͤſſen gemaͤſtet werden. Dieſes halten etliche fuͤr das vornehmſte Argu - ment Geiſtliche Guͤter zuſammen zu brin - gen / daß dadurch den voꝛnehmen und Ade - lichen Familien auch koͤnte gedienet wer - den: Denn in dem dieſelbigen / welche der Familia beſchwerlich zu ſeyn ſcheinen / zu geiſtlichen Beneficien befordert werden / wird die Theilung der Erbſchafft verboten / und kan das Reichthum und Glantz der Familien beſſer erhalten werden; Ja es kan auch vermehret werden / nach dem ſol - che / die ſich ſonſten daheime mit der Ar -muth321des Teutſchen Reichs. muth haͤtten plagen muͤſſen / zu groſſer Wuͤrde kommen. Und bekenne ich daß ihr die Roͤmiſche Kirche auch nur durch dieſe Urſache die Gunſt der vornehmen Familien koͤnne zu wege bringen. Denn wie es vieleicht eine herrliche Sache ſeyn wuͤrde / daß der glantz der Adelichen Fami - lien moͤchte erhalten werden; Alſo haben zweiffels ohne die jenigen / von welchen die geiſtliche Guͤter hergekommen / ihnen nicht einmahl traͤumen laſſen / ſolchen Glantz da - durch fort zu ſetzen; Und koͤnnen wir an dieſer end Urſach nichts geiſtliches finden. Ja wenn die nachkommen ein ehrlich Ge - muͤth haben / finden ſie beedes zu Krieges und Friedens Zeit mittel dadurch ſie bee - des Reichthum und einen guten Nahmen erlangen koͤnnen; Wo ſie aber weder da - heime noch im Kriege was taugen / ſolten ſie wiſſen es waͤre eine gar verhaſte beloh - nung der Faulheit den unterhalt offentlich als in einem Speißhauſe zu empfangen; Wo ſie noch verſetzen wuͤrden / es werdenur322Vom Zuſtandnur auff dieſe weiſe verhindert / daß nicht die allzu groſſe anzahl der Edelleute wegen der Armuth endlich verachtet wuͤrdẽ: Ant - worten wir / wo der Adel etwas zeuget das ſeines Nahmens wuͤrdig iſt / bringet die menge derſelben Oꝛden und dem gemeinen beſten keinen ſchaden; Weil es der Tugend an einem Stande oder belohnung niemals fehlen wird. Wo ſie aber befuͤrchten / ſie / welche aͤrger als ihre vorfahren / moͤchten laſterhafftigere Kinder zeugen / unterlaſſen ſie gar recht / in dem ſie ſich des Ehſtandes enthalten / die Welt mit faulen betriegern zu fuͤllen. Man kan ſich aber auch auſſer - halb den geiſtlichen Staͤnden der Weiber enthalten. Oder wo ohne Huren die geil - heit nicht zu ſtillen / weiß ich nicht wie es ſo erbaͤrmlich ſcheinet / daß die guten alten / in dem ſie gemeinet ſie wuͤrden ihrer Seele wol rahten / wenn ſie dem Regiment oder ihꝛen Eꝛben etwas entzoͤgen / den mit ſchwaꝛ - tzen Decken behaͤngten Haͤngſten Futter verſchaffet haben.
Weil nun dem alſo iſt / halte ich werden die proteſtirende Fuͤrſten leichtlich ihre Sache vor Gott und allen verſtaͤndigen verthaͤdigen koͤnnen / daß / da ſie die uͤbrigen theile der hoͤchſten Herrſchafft in ihren Laͤnder veruͤbeten / ſie ihnen auch die Sor - ge der geiſtlichen Sachen angemaſſet ha - ben / nur welche diß temperament in acht genommen / daß das jenige / welches vor - mahls nur zu fauler Leute maſtung an - gewand / hernach zu deren nutzen gerei - chen ſolte welche in der That der Kirchen dienen / oder die Jugend zur Gottesfurcht und guten Kuͤnſten erziehen; was uͤber dem / ſo zum gemeinen beſten verordnet / war uͤberblieben. Wenn ſolchen der Kaͤyſer und andere Catholiſche Fuͤrſten nachgefolget waͤren / wuͤrde eine groſſe Ur - ſach der Kranckheiten dem Leibe Teutſch - landes zugleich benommen ſeyn. Und kunte der heilige Vater nicht ſo gar un - willig werden / es ſey den daß er ſich offent -lich324Vom Zuſtandlich als einen Patron der Laſter erweiſen wolte. Und waͤre nicht eben noͤtig den Catholiſchen glauben zuverſchweren / ob gleich die Prieſter und deren Guͤter etwas genauer zum gemeinen nutzen gezogen wuͤrden. Denn auch die alten Chriſten / welche noch die armuth zur geſellin der Gottſeligkeit hatten / und ehe man etwas von den Privilegien des Roͤmiſchẽ Stuels wuſte / waren eines glaubens mit eben der - ſelben Roͤmiſchen Kirchen. Die groͤſte ſchwirigkeit iſt etlichen vorkommen bey den noch uͤbrigen Fuͤrſtenthuͤmern / denn da giebet die beſchaffenheit des Teutſchen Regiments nicht zu / daß ſolche dem Kaͤyſer oder den andern Fuͤrſten zu wach - ſen. Es erhellet aber leichte / was der kraͤnckliche Zuſtand Teutſchlandes leyden moͤge / welchen eine jegliche aͤnderung mit groſſen Auffruͤhren zerruͤtten kan. Es bleiben demnach ſelbige Biſchoͤffe / und ge - nieſſen ſolcher fetten Laͤnder; wenn ſie ſich nur erinnern / daß ſie Teutſchland zugehoͤrẽ /und325des Teutſchen Reichs. und deſſelben Fuͤrſten ſeyn / welche auch noch Teutſchland mehr als Rom lieben muͤſſen. Aber ſie laſſen auch auff gutem glauben daß verlangen nach dem jenigen / was einmal verlohren / fahren / damit ſie nit vieleicht / in dem ſie ſich jenes wieder zukrie - gen bemuͤhẽ / auch zugleich um bdas gegen - waͤrtige kommen moͤchten / ſie wollen nur auff hoͤren das Vaterland weiter in un - ruhe zuſetzen. Es ſcheinet zwar / daß es im vorigen Seculo leichte geweſen / die Biß - thuͤmer in eine andere Form zu bringen / wo nicht des Churfuͤrſten zu Coͤlln vor - nehmen zu ruͤck gangen / oder wenn auch andere Biſchoͤffe gleiches vorzunehmen Luſt gehabt haͤtten. Und durffte man traun / nach dem einmahl die ehrer bietung des Roͤmiſchen Stuels hindangeſetzet / ſel - bige Bißthuͤmer in erbliche Fuͤrſtenthuͤmer verwandeln / da gleichsfals die Preben den an die Thumherrn muͤſten ſeyn verleget worden; Oder / wo dieſes nicht rathſahm ſchient / koͤnten auch nachmals ſolche Wuͤr -Qden326Vom Zuſtandden durch die Wahl conferi ret werden: Denn es ſind auch die Proteſti rende nicht ſo eines dummen Verſtandes / daß ſie nicht dieſe Guͤter zu eben den nutzen anwenden koͤnnen / zu welchen ſie von den Catholi - ſchen verordnet. Und es wuͤrde Teutſch - land zu ſeiner Ruhe zutraͤglicher ſeyn / daß ſich alle zu dieſer neuen Religion begeben / als daß es durch den unterſcheid des glau - bens ſich von einander getrennet; Wenn aber Teutſchland dz faule Vieh die Muͤnche und zum boͤſen geſchaͤfftige Ieſuiter aus purgi ren koͤnte / wuͤrde es zugleich ſehr verſchlagene Spionen oder Kundſchaffer von ſich abwenden / und die Guͤter ſo dieſe durchbringen / weren wol allein gnug ein Kriegsheer zu halten / dafuͤr ſich alle Be - nachbarte zu fuͤrchten haͤtten. Jn dem ich einen hievon reden hoͤre / dachte ich ſchon laͤngſt / daß der Catholiſchen Kirchen Guͤ - ter in Teutſchland gefahr ſtuͤnden / wo mir nicht beygefallen were / daß die privat Per - ſohnen vergebens ſcheinbahre Anſchlaͤgeerſinnen327des Teutſchen Reichs. erſinnen / und in ihrem Hauſe tapffern Muth faſſen / ſo lange die jenige ihre Guͤter nicht wiſſen / welche das geburts Gluͤck / ſo geneigter iſt Reichthum ohne verdienſt zu ſchencken / als die Weißheit / zum Regiment erhoben. Dieſes habe ich unter dem Rei - ſen von dem Teutſchen Reich in acht ge - nommen / und auffſchreiben wollen / wel - ches als von der Auffrichtigkeit herruͤh - rend / wo es bey den verſtaͤndigen kein Lob nur eine entſchuldigung ver - dienen wird.
Pag 3. l. 8 deleatur ſo / l. ſeq lege gehoͤ - ret jetzt zu Dennem p. 9. l. 3. l. theil p. 11. l. 4, l. hoͤchſten p. 12. l. 8. l. Ottonen p. 18. l. 15. l. mehr. p. 28. l. 3. l. kunte. l. 5. l. duͤrffen p. 29. l ult. l. politiſchen. p 31 l. 17. l. daß wer. p. 37. l. 2. pro ja. l ohne. p. 38. l. 17. pro nen. l. den. p. 41. l. 3. l. Kaſten l. 15. 16. pro vielemehr[328]mehr im l. vielmehr ein. p. 42. l. 14. l. corpus. p. 44. l. 6. l. ihn. p. 46. l. 13. l. oberſtelle. p. 66. l. 10. l. ihre Guͤter dee Weltlichen &c: p. 78. l. 19. l. keinem. p. 87. l. 1. pro eine l. eigene. p. 88. l. 1. l. Ottonen. p. 96. l. 16. l. eingeſetzet. p. 104. l. 15. l. waaren. p. 114. l. 21. pro wil 1. weil. p. 170. l. 2. l. worden p. 176. l. 19. l. worden. p. 205. l. 4. del. an. l. die meiſten unter ihnen haben daß Recht ꝛc. p. 222. l. 11. l. derſelbige. p. 237 l. 19. pro alt l. als. p. 262. l. 10. l. Koͤnigreich. p. 274. l. 5. l. es. l. 13. pro ihrem l. ſei - nem. p. 276. l. 18. l. ihres geringen Wehrts. p. 280. l. ult. pro doch l. noch. p. 281. l. 8. l. gemuͤhts neigungen l. 15. l. den jenigen. p. 287. l. 22. l. muͤſten.
ENDE.
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