PRIMS Full-text transcription (HTML)
Verſuch einer Anweiſung die Floͤte traverſiere zu ſpielen;
mit verſchiedenen, zur Befoͤrderung des guten Geſchmackes in der praktiſchen Muſik dienlichen Anmerkungen begleitet, und mit Exempeln erlaͤutert. Nebſt XXIV. Kupfertafeln.
BERLJN,beyJohann Friedrich Voß.1752.

Dem Allerdurchlauchtigſten Großmaͤchtigſten Fuͤrſten und Herrn, HERRN Friederich, Koͤnige in Preußen; Markgrafen zu Brandenburg; Des heiligen Roͤmiſchen Reichs Erzkaͤmmerern und Churfuͤrſten; Souverainen und Oberſten Herzoge von Schleſien; Souverainen Prinzen von Oranien, Neufchatel und Valengin, wie auch der Grafſchaft Glaz; Jn Geldern, zu Magdeburg, Cleve, Juͤlich, Berg, Stettin, Pom - mern, der Caſſuben und Wenden, zu Mecklenburg, auch zu Croſſen Herzoge; Burggrafen zu Nuͤrnberg; Fuͤrſten zu Halberſtadt, Minden, Camin, Wenden, Schwerin, Ratzeburg, Oſtfriesland und Moeurs; Grafen zu Hohenzollern, Ruppin, der Mark, Ravensberg, Hohen - ſtein, Tecklenburg, Lingen, Schwerin, Buͤhren und Lehrdam; Herrn zu Ravenſtein, der Lande Roſtock, Stargard, Lauenburg, Buͤtow, Arlay und Breda. Meinem allergnaͤdigſten Koͤnige und Herrn.

Allerdurchlauchtigſter Großmaͤchtigſter Koͤnig, Allergnaͤdigſter Koͤnig und Herr,

Eurer Koͤniglichen Majeſtaͤt darf ich hiermit, in tiefſter Unterthaͤnig - keit, gegenwaͤrtige Blaͤtter widmen; ob ſie zwar, zum Theil, nur die Anfangsgruͤnde eines Jnſtruments in ſich faſſen, welches Die - ſelben zu ſo beſonderer Vollkommenheit gebracht haben.

Der Schutz, und die hohe Gnade, welche Eure Koͤnigliche Majeſtaͤt den Wiſſenſchaf - ten uͤberhaupt, und der Tonkunſt insbeſondere angedeihen laſſen, machen mir Hoffnung, daßEureEure Koͤnigliche Majeſtaͤt denſelben Schutz auch meinen Bemuͤhungen nicht verſagen, ſon - dern vielmehr dasjenige, was ich zum Dienſte der Muſik, nach meinen geringen Kraͤften, hier - inne entworfen habe, ein gnaͤdiges Auge finden laſſen werden.

Dieſes iſt die unterthaͤnigſte Bitte, welche mit dem allergetreueſten Wunſche fuͤr die Erhal - tung Dero Geheiligten Perſon verknuͤpfet,

Allerdurchlauchtigſter Großmaͤchtigſter Koͤnig, Allergnaͤdigſter Koͤnig und Herr, Eurer Koͤniglichen Majeſtaͤt, allerunterthaͤnigſter gehorſamſter Knecht, Johann Joachim Quantz.

Vorrede.

Jch liefere hiermit den Liebhabern der Muſik eine Anweiſung die Floͤte traverſiere zu ſpie - len. Jch habe mich bemuͤhet, von den erſten Anfangsgruͤnden an, alles deutlich zu lehren, was zu Ausuͤbung dieſes Jnſtruments erfodert wird.

Jch habe mich deswegen auch in die Lehren vom gu - ten Geſchmacke in der praktiſchen Muſik etwas weitlaͤuf - tig eingelaſſen. Und ob ich zwar dieſelben hauptſaͤchlich nur auf die Floͤte traverſiere angewendet habe: ſo koͤnnen ſie doch auch allen denen nuͤtzlich ſeyn, welche ſo wohl vom Singen, als von Ausuͤbung anderer Jnſtrumente Werk machen, und ſich eines guten muſikaliſchen Vor - trages befleißigen wollen. Es darf nur ein jeder, dem daran gelegen iſt, das, was ſich fuͤr ſeine Stimme, oder) (ſeinVorrede. ſein Jnſtrument ſchicket, heraus nehmen, und ſich zu Nu - tzen machen.

Weil die gute Wirkung einer Muſik, von demjeni - gen, der ſich mit einer Haupt - oder concertirenden Stim - me hoͤren laͤßt, nicht allein abhaͤngt; ſondern die beglei - tenden Jnſtrumentiſten das Jhrige auch dabey in Acht zu nehmen haben: ſo habe ich ein beſonderes Hauptſtuͤck beygefuͤget; in welchem ich zeige, wie Hauptſtimmen gut begleitet werden muͤſſen.

Jch glaube nicht hierdurch in allzugroße Weitlaͤuf - tigkeiten verfallen zu ſeyn. Denn da ich nicht blos einen mechaniſchen Floͤtenſpieler, ſondern auch, mit demſelben zugleich, einen geſchikten Muſikverſtaͤndigen zu ziehen be - muͤhet bin: ſo muß ich ſuchen, nicht allein ſeine Lippen, Zunge und Finger in gehoͤrige Ordnung zu bringen; ſon - dern auch ſeinen Geſchmack zu bilden, und ſeine Beurthei - lungskraft zu ſchaͤrfen. Eine Erkenntniß der Art gut zu accompagniren iſt ihm hauptſaͤchlich noͤthig: nicht allein weil ihn ſelbſt dieſe Verrichtung oͤfters treffen kann; ſon - dern auch, weil er ſeine Anfoderungen an die, ſo ihn, wenn er ſich hoͤren laſſen ſoll, begleiten und unterſtuͤtzen, zu ken - nen berechtiget iſt.

Aus oben angezeigeten Urſachen iſt auch das letzte Hauptſtuͤck hergefloſſen. Jch zeige darinn, wie ein Mu - ſikus und eine Muſik beurtheilet werden muͤſſe. Das eine kann einem angehenden Tonkuͤnſtler gleichſam zum Spiegel dienen, nach welchem er ſich ſelbſt unterſuchen, und das Urtheil abnehmen kann, welches billige und vernuͤnftige Kenner uͤber ihn faͤllen duͤrften. Das andere wird ihmbeyVorrede. bey der Wahl der Stuͤcke, die er ſpielen will, eine Richt - ſchnur ſeyn koͤnnen, und ihn vor der Gefahr, Schlacken fuͤr Gold zu ergreifen, bewahren.

Doch dieſe ſind noch nicht die Urſachen alle, die mich bewogen haben, die beyden letzteren Hauptſtuͤcke hinzuzu - fuͤgen. Jch habe ſchon oben geſaget, daß alle Tonkuͤnſtler, die ſich mit Hauptſtimmen hoͤren laſſen, in gewiſſer Art Nutzen aus dieſer Anweiſung ziehen koͤnnen. Mein Buch wird alſo, wie ich hoffe, noch allgemeineren Vortheil ſchaf - fen, wenn diejenigen Jnſtrumentiſten, denen das Accom - pagnement vorzuͤglich obliegt, auch darinne einen Unter - richt finden, was ſie in Acht zu nehmen haben, wenn ſie gut accompagniren wollen. Angehende Componiſten wer - den im letzten Capitel einen Schattenriß finden, nach wel - chem ſie die auszuarbeitenden Stuͤcke anlegen koͤnnen.

Jch will aber hiermit durchaus nicht Maͤnnern, die ſich ſowohl in der Compoſition, als in der Ausfuͤhrung, allgemeinen Beyfall erworben haben, Geſetze vorſchreiben. Nein: ich lege vielmehr ihre, und ihrer Werke Verdienſte, die ſie von ſo vielen Andern unterſcheiden, hier gleichſam Stuͤck vor Stuͤck an den Tag; und gebe dadurch jungen Leuten, die ſich der Tonkunſt widmen, Anleitung, wie ſie es anfangen muͤſſen, wenn ſie dergleichen beruͤhmten Maͤn - nern nachzufolgen, und in ihre Fußſtapfen zu treten Luſt haben.

Sollte ich, an einigen Orten, von der vorhabenden Materie etwas ausgeſchweifet zu ſeyn, und zuweilen eine kleine Digreſſion begangen zu haben ſcheinen: ſo hoffe ich, man werde dieſelbe der Abſicht die ich habe, die) (2nochVorrede. noch bey der Muſik im Schwange gehenden Fehler zu ver - beſſern, und dem Plane den ich mir vorgeſetzet, naͤmlich verſchiedene, zur Befoͤrderung des guten Geſchmackes in der praktiſchen Muſik dienliche Anmerkungen, nach Be - finden, mit einzuſtreuen, zu gute halten.

Zuweilen ſcheine ich etwas dictatoriſch zu ſprechen, und meine Saͤtze, ohne Anfuͤhrung weiterer Beweiſe, durch ein bloßes: man muß zu befeſtigen. Man beliebe hierbey zu bedenken, daß es theils zu weitlaͤuftig, theils auch nicht allezeit moͤglich ſeyn wuͤrde, in Sachen, die groͤßten Theils auf den Geſchmack ankommen, demonſtrative Beweiſe zu fuͤhren. Wer meinem Geſchmacke, den ich doch durch lan - ge Erfahrung und Nachſinnen zu laͤutern eifrig bemuͤhet ge - weſen bin, nicht trauen will; dem ſteht frey, das Gegen - theil von dem was ich lehre zu verſuchen, und ſich alsdenn das zu erwaͤhlen, was ihm das beſte zu ſeyn ſcheint.

Doch will ich mich auch eben nicht ganz fuͤr untruͤglich halten. Wird mich jemand mit Vernunft und Beſcheiden - heit eines andern uͤberfuͤhren; ſo werde ich der erſte ſeyn, der ihm Beyfall giebt, und ſeine Saͤtze annimmt. Jch werde deswegen nicht nachlaſſen, den Materien, die ich abgehandelt habe, ſelbſt immer weiter nachzudenken; und was ich noch zuzuſetzen finden moͤchte, kann vielleicht mit der Zeit, in beſonders gedruckten Beytraͤgen, an das Licht treten. Als denn will ich zugleich die Anmerkungen guter Freunde, die ich mir hiermit ausbitte, wenn ich ſie gegruͤndet zu ſeyn befinde, entweder mir zu Nutzen machen, oder beantworten. Wer ſich aber nur mit unerheblichen Kleinigkeiten aufhalten, oder nur aus Luſt zu tadeln etwaswiderVorrede. wider mich vorbringen ſollte, mit deſſen Beantwortung werde ich mich gar nicht bemuͤhen. Jn Wortſtreite mich einzulaſſen, bin ich vornehmlich durchaus nicht willens.

Ob ich gleich in dieſem Verſuche, ſo weit er die Floͤte traverſiere angeht, alles, was zu derſelben Erlernung noͤ - thig iſt, geſaget zu haben glaube; ſo begehre ich doch kei - neswegs zu behaupten, daß jemand dadurch die Floͤte von ſich ſelbſt, ohne weitere Anweiſung, und ohne einen Lehr - meiſter dabey zu haben, erlernen koͤnne. Jch habe des - wegen, weil ich allezeit noch einen Lehrmeiſter dabey vor - ausſetze, unterſchiedenes von den allererſten Anfangs - gruͤnden der Muſik auſſengelaſſen; und bin nur bey demje - nigen etwas weitlaͤuftig geweſen, wo ich entweder gewiſſe Vortheile zu entdecken, oder ſonſt etwas zu erinnern ge - funden habe. Oefters kann dem einen etwas zu weitlaͤuf - tig oder uͤberfluͤßig zu ſeyn ſcheinen, welches der andere kaum fuͤr hinlaͤnglich erachtet. Deswegen habe ich auch manche Sachen, die ſo wohl zu dem einen als zu dem an - dern Hauptſtuͤcke gehoͤren, wenn es anders ohne Weitlaͤuf - tigkeit hat geſchehen koͤnnen, lieber zweymal ſagen, als die Geduld einiger meiner Leſer, durch oͤfteres Nachſchlagen, um einer Kleinigkeit willen, ermuͤden wollen.

Wenn ich mich in dieſer Schrift zuweilen einiger aus - laͤndiſcher Woͤrter bediene; ſo geſchieht es in der Abſicht, um deſto leichter verſtanden zu werden. Deutſche Ueber - ſetzungen der muſikaliſchen Kunſtwoͤrter ſind noch nicht al - lenthalben eingefuͤhret, auch noch nicht allen Tonkuͤnſtlern bekannt. So lange alſo, bis dieſelben uͤblicher und allge - meiner werden, habe ich noch die gewoͤhnlichen aus) (3frem -Vorrede. fremden Sprachen entlehneten Kunſtwoͤrter beybehalten muͤſſen.

Weil vieles in dieſer Abhandlung, ohne die Exempel dabey zu haben, nicht ſo gut moͤchte verſtanden werden koͤnnen: ſo werden meine Leſer wohl thun, wenn ſie die in Kupfer geſtochenen Tabellen beſonders wollen einbinden laſſen; um ſie immer bey der Hand zu haben, und deſto bequemer gegen einander halten zu koͤnnen.

Jm uͤbrigen zweifele ich nicht an einer geneigten Auf - nahme dieſer meiner Bemuͤhungen, und dieſer Rechenſchaft, welche ich zugleich dadurch oͤffentlich, von der Anwendung meiner bisherigen Nebenſtunden, ablege.

Quantz.

Verſuch einer Anweiſung die Floͤte traverſiere zu ſpielen.

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Einleitung. Von den Eigenſchaften, die von einem, der ſich der Muſik widmen will, erfodert werden.

1. §.

Ehe ich noch meine Anweiſung die Floͤte zu ſpielen, und bey dieſer Gelegenheit zugleich ein guter Muſikus zu werden, anfange; finde ich fuͤr noͤthig, denen, die die Muſik zu ſtu - diren, und durch dieſelbe nuͤtzliche Mitglieder des gemeinen Weſens zu werden gedenken, zu Gefallen, eine Anleitung zu geben, nach welcher ſie ſich unterſuchen koͤnnen, ob ſie auch mit allen, einem rechtſchaf - fenen Muſikus noͤthigen Eigenſchaften begabet ſind: damit ſie ſich, in derAWahl2Einleitung. Wahl dieſer Lebensart nicht irren; und, wenn dieſelbe uͤbel getroffen worden, Schaden und Schande zu befuͤrchten haben moͤgen.

2. §.

Jch rede aber hier nur von ſolchen, welche eigentlich die Muſik zu ihrem Hauptwerke machen, und in derſelben mit der Zeit vortrefflich wer - den wollen. Wer hingegen die Muſik nur als ein Nebenwerk, zu ſeinem Vergnuͤgen, treiben will, von dem wird zwar in dieſem Stuͤcke, nicht ſo viel, als von jenen, gefodert: doch, wofern er ſich alles, was hier und in folgendem geſaget werden wird, zu Nutze machen kann und will; wird es ihm deſto mehr Ehre und Vergnuͤgen bringen.

3. §.

Die Wahl der Lebensart, und der Entſchluß, dieſe oder jene, und folglich auch die Muſik zu ergreifen, muß mit großer Behutſamkeit an - geſtellet werden. Die wenigſten Menſchen haben das Gluͤck derjenigen Wiſſenſchaft oder Profeßion gewidmet zu werden, wozu ſie von Natur am allermeiſten aufgeleget ſind. Oefters ruͤhret dieſes Uebel aus Mangel der Erkenntniß, von Seiten der Eltern oder Vorgeſetzten, her. Dieſe zwingen nicht ſelten die Jugend zu dem, woran ſie, die Vorgeſetzten, ſelbſt nur einen Gefallen haben; oder ſie glauben dieſe oder jene Wiſſen - ſchaft oder Profeßion bringe mehr Ehre, oder groͤßere Vortheile, als eine andere; oder ſie verlangen, daß die Kinder eben dasjenige erlernen ſollen, wovon die Eltern Werk machen; und zwingen ſie alſo eine Sache zu ergreifen, wozu ſie, die Kinder, weder Luſt noch Geſchicke haben. Man darf ſich alſo nicht wundern, wenn die auſſerordentlichen Gelehrten, und die beſonders hervorragenden Kuͤnſtler ſo rar ſind. Gaͤbe man aber auf die Neigung junger Leute fleißig Achtung; ſuchte man zu erforſchen, womit ſie ſich aus eigenem Antriebe am allermeiſten zu beſchaͤftigen pfle - gen; ließe man ihnen die Freyheit, ſelbſt zu waͤhlen, wozu ſie die groͤßte Luſt zeigen: ſo wuͤrden ſowohl mehr nuͤtzliche, als gluͤckliche Leute in der Welt gefunden werden. Denn daß mancher ſogenannter Gelehrter, oder Kuͤnſtler, ſich kaum zu einem gemeinen Handwerker geſchicket haͤtte: mancher Handwerker hingegen, ein Gelehrter, oder geſchikter Kuͤnſtler haͤtte werden koͤnnen, wenn anders bey beyden die rechte Wahl getroffen worden waͤre; bedarf wohl keines Beweiſes. Mir ſelbſt iſt ein Beyſpiel von zween Tonkuͤnſtlern bekannt, die zu gleicher Zeit, vor ohngefaͤhr vier - zig Jahren, bey einem Meiſter gelernet haben, und deren beyder VaͤterSchmiede3Einleitung. Schmiede geweſen ſind. Der eine wurde von ſeinem Vater, welcher Vermoͤgen hatte, und nicht wollte, daß ſein Sohn ein gemeiner Hand - werker werden ſollte, der Muſik gewidmet. Von Seiten des Vaters wurden keine Koſten geſparet. Es wurden noch mehrere Meiſter gehal - ten, um den Sohn zugleich neben andern Jnſtrumenten, auch in der Wiſſenſchaft des Generalbaſſes, und in der Compoſition zu unterrichten. Ob nun der Lehrling gleich viel Luſt zur Muſik bezeigte, und allen Fleiß anwendete; ſo blieb er doch nur ein ganz gemeiner Muſikus, und wuͤrde ſich zu ſeines Vaters Handwerke viel beſſer als zur Muſik geſchicket haben. Der andere wurde hingegen von ſeinem Vater, der nicht ſo viel Vermoͤ - gen als jener hatte, dem Schmiedehandwerke beſtimmet. Es wuͤrde auch ſolches unfehlbar erfuͤllet worden ſeyn, wenn er nicht durch das fruͤh - zeitige Abſterben ſeines Vaters, die Freyheit erlanget haͤtte, ſich ſelbſt nach ſeinem eigenen Gefallen eine Lebensart zu erwaͤhlen. Zu dem Ende wurde ihm von ſeinen Anverwandten viererley vorgeſchlagen, naͤmlich, ob er ein Schmidt, oder ein Schneider, oder ein Muſikus werden wollte, oder ob er Luſt zum Studiren haͤtte; weil von jeder Art, unter ſeinen Anverwandten, ſich einige befanden. Weil er aber zur Muſik die groͤßte Neigung bey ſich verſpuͤrete, ſo ergriff er auch gluͤcklicher Weiſe dieſe Wiſſenſchaft, und kam zu obengemeldetem Meiſter in die Lehre. Was ihm hier an guter Anweiſung, und am Vermoͤgen andere Meiſter zu hal - ten, abgieng; das erſetzete ſein Talent, Luſt, Begierde und Fleiß, in - gleichen die gluͤckliche Gelegenheit, bald an ſolche Orte zu kommen, wo er viel gutes hoͤren konnte, und des Umgangs vieler brafen Muſikverſtaͤndi - gen theihaftig wurde. Haͤtte ſein Vater noch ein paar Jahre laͤnger ge - lebet; ſo haͤtte dieſer Schmidtsſohn auch ein Schmidt werden muͤſſen: folglich wuͤrde ſein Talent zur Muſik ſeyn vergraben worden; und ſeine nachher verfertigten muſikaliſchen Werke, wuͤrden niemals das Licht er - blicket haben. Jch geſchweige vieler andern Exempel, da es naͤmlich Leute gegeben hat, welche zwar die Haͤlfte ihrer Lebensjahre auf die Mu - ſik gewendet, und Profeßion davon gemacht, ſich aber erſt, in ihrem maͤnnlichen Alter, auf eine andere Wiſſenſchaft geleget haben; in welcher es ihnen ohne ſonderliche Anweiſung beſſer gelungen iſt, als in der Mu - ſik. Waͤren nun dieſe Leute gleich in der Jugend zu demjenigen ange - halten worden, was ſie nachhero erſt ergriffen haben; ſo haͤtten ſie un - fehlbar die groͤßten Kuͤnſtler werden muͤſſen.

A 24. §. Das4Einleitung.

4. §.

Das erſte was zu einem, der ein guter Muſikus werden will, erfordert wird, iſt: ein beſonders gutes Talent, oder Naturgaben. Wer ſich auf die Compoſition legen will, muß einen muntern und feurigen Geiſt, der mit einer zaͤrtlichen Empfindung der Seele verknuͤpft iſt; eine gute Ver - miſchung der ſogenannten Temperamente, in welchen nicht zu viel Melan - cholie iſt; viel Einbildungs-Erfindungs-Beurtheilungs - und Entſchei - dungskraft; ein gut Gedaͤchtniß; ein gutes und zartes Gehoͤr; ein ſchar - fes und fertiges Geſicht; und einen gelehrigen, alles bald und leicht faſ - ſenden Kopf, beſitzen. Wer ſich auf ein Jnſtrument legen will, muß auſſer vielen von obengemeldeten Gemuͤthskraͤften, auch nach eines jeden Jnſtruments Eigenſchaft, noch mit unterſchiedenen Leibesgaben ausge - ruͤſtet ſeyn. Zum Exempel: ein Blasinſtrument, und inſonderheit die Floͤte, erfordert: einen vollkommen geſunden Koͤrper; eine offene ſtarke Bruſt; einen langen Athem; gleiche Zaͤhne, die weder zu lang noch zu kurz ſind; nicht aufgeworfene und dicke, ſondern duͤnne, glatte und feine Lippen, die weder zu viel noch zu wenig Fleiſch haben, und den Mund ohne Zwang zuſchließen koͤnnen; eine gelaͤufige und geſchikte Zunge; wohlgeſtallte Finger, die weder zu lang, noch zu kurz, noch zu dickflei - ſchig, noch zu ſpitzig, ſondern die mit ſtarken Nerven verſehen ſind; und eine offene Naſe, um den Athem ſowohl leicht zu ſchoͤpfen, als von ſich zu geben. Ein Saͤnger muß mit dem Blasinſtrumentiſten die ſtarke Bruſt, den langen Athem und die fertige Zunge: ein Seyten - und Bo - geninſtrumentiſt aber, die geſchikten Finger und ſtarken Nerven gemein haben; der erſtere muß uͤber dieſes noch mit einer ſchoͤnen Stimme, der letztere aber mit gelaͤufigen Gelenken der Haͤnde und Arme begabet ſeyn.

5. §.

Finden ſich nun dieſe guten Eigenſchaften bey einem Menſchen; ſo iſt er zwar uͤberhaupt zur Muſik geſchikt: allein, da die Naturgaben ſo verſchieden ſind, und ſelten alle, in ſo reichem Maaß, bey einem Men - ſchen einzukehren pflegen; ſo wird ſich immer befinden, daß einer zu die - ſem, der andere zu jenem mehr aufgelegt iſt. Z. E. Es kann einer ein gutes Naturell zur Compoſition haben; zu Handhabung der Jnſtrumente aber nicht geſchikt ſeyn: ein anderer kann viel Geſchiklichkeit zu Jnſtru - menten beſitzen; zur Compoſition aber gar keine Faͤhigkeit haben: ein an - derer hat mehr Naturell zu dieſem, als zu jenem Jnſtrumente: ein ande - rer hat zu allen Jnſtrumenten; ein anderer zu keinem einzigen Geſchik -lichkeit.5Einleitung. lichkeit. Wer aber ſowohl zur Setzkunſt, als zum Singen und den Jn - ſtrumenten zugleich, das gehoͤrige Talent hat; von dieſem kann man ei - gentlich, im genaueſten Verſtande ſagen, daß er zur Muſik gebohren ſey.

6. §.

Nun wird erfodert, daß ein jeder, ehe er ſich in der Muſik zu et - was entſchließet, recht erforſche, wozu ſich ſein Talent am meiſten nei - get. Geſchaͤhe dieſes allezeit mit rechtem Bedacht; ſo wuͤrde die Unvoll - kommenheit in der Muſik nicht ſo groß ſeyn, als ſie zur Zeit noch iſt, und vielleicht noch ferner ſeyn wird. Denn wer ſich in der Muſik auf etwas leget, wozu er die Gaben nicht hat; der bleibt bey aller guten Anwei - ſung und Bemuͤhung doch nur immer ein mittelmaͤßiger Muſikus.

7. §.

Zu einem geſchikten und gelehrten Muſikus wird nun, wie aus oben - geſagtem erhellet, ein beſonder Talent erfodert. Unter dem Worte: ge - ſchikter Muſikus, verſtehe ich einen guten Saͤnger oder Jnſtrumentiſten: ein gelehrter Muſikus hingegen heißt bey mir, einer der die Compoſition gruͤndlich erlernet hat. Weil man aber nicht lauter Helden in der Muſik noͤthig hat; und auch ein mittelmaͤßiger Muſikus einen guten Ripieniſten oder Ausfuͤhrer der Ausfuͤllungsſtimmen abgeben kann: ſo iſt zu merken, daß zu einem, der auf nichts weiter ſein Abſehen gerichtet hat, als einen tuͤch - tigen Ripieniſten vorzuſtellen, ein ſo beſonder Talent eben nicht erfodert werde: Denn wer einen geſunden Koͤrper, und gerade und geſunde Glied - maßen hat; dabey aber nur nicht dumm, oder bloͤdes Verſtandes iſt; der kann das, was man in der Muſik mechaniſch nennet, und was eigent - lich zu einem Ripieniſten erfodert wird, durch vielen Fleiß erlernen. Alles was hierbey zu wiſſen noͤthig iſt, z. E. das Zeitmaaß; die Geltung und Eintheilung der Noten, und was ſonſt mit dieſen verknuͤpfet iſt; der Bogenſtrich auf Seyteninſtrumenten, und der Zungenſtoß, Anſatz, und Fingerordnung auf blaſenden Jnſtrumenten, kann durch Regeln, welche man deutlich und vollſtaͤndig erklaͤren kann, begriffen werden. Daß es ſo viele giebt, die weder von dem einen noch von dem andern rechte Begriffe haben, iſt der meiſten eigene Schuld: und muß man ſich daher wundern, wenn mancher Muſikus das, was er in einer Zeit von zwey bis drey Jahren haͤtte faſſen koͤnnen, noch in ſeinem maͤnnlichen Alter ſchuldig bleibt; ohngeachtet es ihm an Gelegenheit dazu zu gelangen nicht gemangelt haͤtte. Man wolle aber, aus dem was ich oben geſaget habe, keinesweges eine Geringſchaͤtzung guter Ripieniſten zu erzwingen ſuchen. A 3Wie6Einleitung. Wie viele ſind nicht unter dieſen, welche Talent haben, fleißig ſind, und ſich vor andern hervorthun, auch oͤfters wuͤrdig und faͤhig waͤren, einem Orcheſter mit Nutzen vorzuſtehen; dabey aber das Ungluͤck empfinden muͤſſen, aus Eiferſucht, Geldbegierde, und unzaͤhligen andern Urſachen unterdruͤcket und verhindert zu werden, daß ihr Talent zu keiner Reife gelangen kann. Nur diejenigen, welche bey ihrer Luſt zur Muſik, keine ausnehmenden Gaben dazu beſitzen, koͤnnen ſich dieſes zum Troſte mercken, daß wenn ihnen auch die Natur nicht geſtattet, groſſe Lichter der Muſik zu werden; ſie dennoch, wenn ſie nur gute Ripieniſten abzugeben ſich be - muͤhen, ſehr nuͤtzliche Leute ſeyn koͤnnen. Wem aber eine ganz hoͤlzerne und unempfindliche Seele, ganz plumpe Finger, und gar kein gut muſi - kaliſch Gehoͤr zu Theil worden iſt, der thaͤte beſſer, wenn er anſtatt der Muſik eine andere Wiſſenſchaft erlernete.

8. §.

Wer in der Muſik vortrefflich werden will, muß ferner eine unermuͤ - dete unaufhoͤrliche Luſt, Liebe, und Begierde, weder Fleiß noch Muͤhe zu erſparen, und alle, bey dieſer Lebensart vorkommenden Beſchwerlich - keiten, ſtandhaft zu ertragen, bey ſich empfinden. Die Muſik giebt ſel - ten ſolche Vortheile, als andere Wiſſenſchaften geben: und ſollte es auch noch einigen dabey gluͤcken, ſo iſt doch ſolches Gluͤck mehrentheils der Un - beſtaͤndigkeit unterworfen. Die Veraͤnderung des Geſchmacks, das Ab - nehmen der Kraͤfte des Leibes, die verfliegende Jugend, der Verluſt eines Liebhabers von welchem das Gluͤck vieler Muſikverſtaͤndigen abhaͤnget, ſind alle vermoͤgend, den Wachsthum der Muſik zu verhindern. Die Erfahrung beſtaͤtiget dieſes zur Gnuͤge; wenn man nur etwas uͤber ein halbes Jahrhundert zuruͤckdenket. Wie viele Veraͤnderungen ſind nicht in Deutſchland in Anſehung der Muſik vorgefallen? An wie viel Hoͤfen, in wie viel Staͤdten iſt nicht ehedem die Muſik im Flor geweſen, ſo daß ſo gar daſelbſt eine gute Anzahl geſchickter Leute erzogen worden; wo in ge - genwaͤrtigen Zeiten in dieſem Puncte nichts als Unwiſſenheit herrſchet. An den meiſten Hoͤfen, welche ehemals noch, theils mit ſehr beruͤhmten, theils mit ziemlich geſchikten Leuten verſehen geweſen, nimmt es itziger Zeit leider uͤberhand, daß die erſten Stellen in der Muſik, mit ſolchen Menſchen beſetzet werden, die in einer guten Muſik kaum die letzte Plaͤtze verdieneten; mit Leuten, denen das Amt zwar bey Unwiſſenden, die ſich durch den Titel blenden laſſen, einiges Anſehen zu wege bringt; welche aber weder dem Amte Ehre machen, noch der Muſik Vortheil ſchaffen,noch7Einleitung. noch das Vergnuͤgen derer, von denen ihr Gluͤck abhaͤngt, befoͤrdern. Die Muſik, ob ſie gleich eine unergruͤndliche Wiſſenſchaft iſt, hat doch nicht das Gluͤck, ſo wie andere, theils hoͤhere, theils ihr gleiche Wiſſen - ſchaften, oͤffentlich gelehret zu werden. Die finſtern Koͤpfe unter den neuen Weltweiſen halten es nicht, wie die Alten, fuͤr eine Nothwendig - keit, dieſelbe zu wiſſen. Bemittelte Leute begeben ſich ſelten dazu: und Arme haben nicht das Vermoͤgen gleich Anfangs gute Meiſter zu halten, und an ſolche Orte zu reiſen, wo Muſik von gutem Geſchmacke im Schwange geht. Jedoch, an einigen Orten hat die Muſik ſchon ange - fangen wieder empor zu kommen. Sie hat daſelbſt ſchon wieder ihre ho - hen Kenner, Beſchuͤtzer, und Befoͤrderer erhalten. Jhre Ehre faͤngt ſchon an, durch diejenigen aufgeklaͤrten Weltweiſen, welche ſie den ſchoͤ - nen Wiſſenſchaften wieder zuzaͤhlen, auch von dieſer Seite hergeſtellet zu werden. Der Geſchmack an dieſen ſchoͤnen Wiſſenſchaften, wird in Deutſchland abſonderlich, immer mehr und mehr aufgeheitert und aus - gebreitet. Wer was rechtſchaffenes gelernet hat, findet allezeit ſein Brod.

9. §.

Wer Talent und Luſt zur Muſik hat, muß um einen guten Mei - ſter in derſelben bekuͤmmert ſeyn. Es wuͤrde zu weitlaͤuftig ſeyn, wenn ich von den Meiſtern in allen Arten der Muſik hier handeln wollte. Des - wegen werde ich mich nur, um ein Beyſpiel zu geben, bey dem aufhal - ten, der zur Erlernung der Floͤte erfodert wird. Es iſt wahr, dieſes Jnſtrument iſt ſeit dreyßig bis vierzig Jahren, abſonderlich in Deutſch - land ſehr uͤblich worden. Man leidet nicht mehr, wie anfangs, da es empor kam, an ſolchen Stuͤcken Mangel, wodurch ein Scholar die ge - hoͤrige Geſchiklichkeit, ſo dieſes Jnſtrument, in Anſehung der Zunge, der Finger, des Anſatzes, erfodert, mit leichter Muͤhe erlangen koͤnnte. Dem ungeachtet giebt es noch ſehr wenige, die daſſelbe nach feiner Eigen - ſchaft, und rechten Art, zu ſpielen wiſſen. Scheint es nicht, als wenn die meiſten der heutigen Floͤtenſpieler, zwar Finger und Zungen, aber keine Koͤpfe haͤtten? Es iſt unumgaͤnglich noͤthig, daß derjenige, der auf dieſem Jnſtrumente etwas rechtſchaffenes zu erlernen gedenket, einen guten Meiſter habe: und ich verlange denſelben auch bey einem, der ſich dieſer meiner Anweiſung bedienen will, noch ausdruͤcklich. Allein, wie viel giebt es denn derer, welchen man den Namen der Meiſter mit Rechte beylegen kann? Sind nicht die meiſten, wenn man ſie genau betrachtet, in Anſehung der Wiſſenſchaft, ſelbſt noch Scholaren? Wie koͤnnen denndiejeni -8Einleitung. diejenigen die Muſik verbeſſern, die ſelbſt noch in der Unwiſſenheit ſtecken? Finden ſich auch ja einige, die das Jnſtrument gut, oder zum wenigſten leidlich ſpielen; ſo fehlet es doch noch vielen an der Gabe, das, was ſie ſelbſt wiſſen, andern beyzubringen. Es iſt moͤglich, daß einer, der zwar gut ſpielet, doch ſchlecht zu informiren wiſſe. Ein anderer kann vielleicht beſſer informiren als ſelbſt ſpielen. Nun iſt ein Scholar nicht faͤhig einen Meiſter zu beurtheilen, ob er gut oder ſchlecht unterrichte: deswegen iſt es ein Gluͤck, wenn er zufaͤlliger Weiſe den beſten erwaͤhlet. Wie aber ein Meiſter beſchaffen ſeyn muͤſſe, wenn er gute Scholaren ziehen ſoll, iſt zwar ſchwer, ausfuͤhrlich zu beſtimmen; doch wird man es aus folgendem Verzeichniße der Fehler, die er vermeiden muß, ohngefaͤhr abnehmen koͤn - nen: und ein Anfaͤnger thut wohl, wenn er ſich bey unpartheyiſchen Leu - ten, die aber in die Muſik Einſicht haben, deswegen Raths erholet. Ein Meiſter, der von der Harmonie nichts verſteht, und nur ein bloſſer Jn - ſtrumentiſt iſt; der ſeine Wiſſenſchaft nicht gruͤndlich, und durch richti - ge Grundſaͤtze erlernet hat; der von dem Anſatze, der Fingerordnung, dem Athemholen, und Zungenſtoße, keinen richtigen Begriff hat; der we - der die Paßagien im Allegro, noch die kleinen Auszierungen und Feinig - keiten im Adagio deutlich und rund zu ſpielen weis; der keinen annehmli - chen und deutlichen Vortrag, und uͤberhaupt keinen feinen Geſchmack hat; der, um die Floͤte rein zu ſpielen, von dem Verhaͤltniße der Toͤne keine Erkenntniß beſitzet; der das Zeitmaaß nicht in der aͤuſſerſten Stren - ge zu beobachten weis; der nicht die Einſicht hat, einen ſimpeln Geſang an einander hangend zu ſpielen, und die Vorſchlaͤge, pincemens, batte - mens, flattemens, doublez und Triller an gehoͤrigen Orten anzubrin - gen; der bey einem Adagio, deſſen Geſang trocken, das iſt ohne Auszie - rungen, geſchrieben iſt, nicht, ſo wie es der Geſang und die Harmonie erfodert, die willkuͤrlichen Manieren zuzuſetzen, und nebſt den Manieren, durch das abwechſelnde forte und piano, Schatten und Licht zu unter - halten faͤhig iſt; Ein Meiſter, der nicht jede Sache, ſo dem Scholaren noch ſchwer zu begreiffen faͤllt, deutlich und gruͤndlich zu erklaͤren im Stande iſt: ſondern demſelben nur alles nach dem Gehoͤre, und durch das Nachahmen, wie man etwa einen Vogel abzurichten pfleget, beyzubrin - gen ſuchet; Ein Meiſter, der dem Lehrlinge ſchmeichelt, und alle Fehler uͤberſieht; der nicht Gedult hat, dem Scholaren eine Sache oͤfters zu zeigen, und ſie wiederholen zu laſſen; der nicht ſolche Stuͤcke, die ſich von Zeit zu Zeit fuͤr des Untergebenen Faͤhigkeit ſchicken, zu waͤhlen, undjedes9Einleitung. jedes Stuͤck in ſeinem Geſchmacke zu ſpielen weis; der die Scholaren auf - zuhalten ſuchet; der nicht die Ehre dem Eigennutz, die Beſchwerlichkeit der Bequemlichkeit, und den Dienſt des Naͤchſten der Eiferſucht und Misgunſt vorzieht; uͤberhaupt, der nicht das Wachsthum der Muſik zu ſeinem Endzwecke hat; ein ſolcher Meiſter, ſage ich, kann keine guten Scholaren ziehen. Findet man aber einen Meiſter, deſſen Scholaren nicht nur reinlich und deutlich ſpielen, ſondern auch im Zeitmaaße recht ſicher ſind: ſo hat man gegruͤndete Urſache, ſich von dieſem Meiſter gute Hofnung zu machen.

10. §.

Ein großer Vortheil iſt es fuͤr einen der ſich mit Nutzen auf die Mu - ſik legen will, wenn er gleich im Anfange einem guten Meiſter in die Haͤnde geraͤth. Einige haben das ſchaͤdliche Vorurtheil, es ſey nicht noͤ - thig, zur Erlernung der Anfangsgruͤnde gleich einen guten Meiſter zu haben. Sie nehmen oͤfters aus Sparſamkeit den wohlfeilſten, und folg - lich nicht ſelten einen ſolchen, der ſelbſt noch nichts weis: da denn ein Blinder dem andern den Weg weiſet. Jch rathe das Gegentheil an. Man nehme gleich beym Anfange den beſten Meiſter, den man nur be - kommen kann; ſollte man demſelben auch zwey oder dreymal mehr bezah - len muͤſſen, als andern. Es wird erſtlich in der Folge nichts mehr koſten: zum andern erſparet man ſowohl Zeit, als Muͤhe. Bey einem guten Meiſter kann man es in einem Jahre weiter bringen, als bey einem ſchlechten vielleicht in zehn Jahren.

11. §.

Ob nun zwar, wie hier gezeiget worden, an einem guten Meiſter, der ſeine Lehrlinge gruͤndlich unterweiſen kann, ſehr vieles liegt: ſo kommt doch faſt noch mehr auf den Scholaren ſelbſt an. Denn man hat Exem - pel, daß gute Meiſter oftmals ſchlechte Scholaren; ſchlechte Meiſter hin - gegen gute Scholaren gezogen haben. Man weis, daß ſich viele brafe Tonkuͤnſtler bekannt gemacht, die eigentlich keinen andern Meiſter gehabt haben, als ihr großes Naturell, und die Gelegenheit viel Gutes zu hoͤ - ren; die aber durch Muͤhe, Fleiß, Begierde und beſtaͤndiges Nachfor - ſchen weiter gekommen ſind, als manche, die von mehr als einem Meiſter unterrichtet worden. Deswegen wird von einem Scholaren ferner: ein beſonderer Fleiß und Aufmerkſamkeit erfodert. Wem es hieran fehlet, dem iſt zu rathen, ſich mit der Muſik gar nicht zu beſchaͤftigen; in ſofern er ſein Gluͤck dadurch zu machen gedenket. Wer Faulheit, Muͤßiggang,Boder10Einleitung. oder andere unnuͤtze Dinge mehr als die Muſik liebet, der hat ſich keinen beſondern Fortgang zu verſprechen. Viele, welche ſich der Muſik wid - men, verſehen es in dieſem Stuͤcke. Sie verabſcheuen die damit ver - knuͤpften Beſchwerlichkeiten. Sie moͤchten wohl gerne geſchikt werden: den gehoͤrigen Fleiß aber wollen ſie nicht anwenden. Sie glauben die Muſik fuͤhre nichts als lauter Vergnuͤgen mit ſich; es ſey nur ein Spiel - werk dieſelbe zu erlernen; und brauche weder Kraͤfte des Leibes, noch der Seele; es gehoͤre weder Wiſſenſchaft noch Erfahrung dazu; und komme nur blos auf die Luſt und ein gutes Naturell an. Es iſt wahr, Natu - rell und Luſt find die erſten Gruͤnde, auf welche eine gruͤndliche Wiſſen - ſchaft gebauet werden muß. Allein um dieſes Gebaͤude voͤllig aufzufuͤh - ren, wird eine gruͤndliche Anweiſung, und von Seiten des Lernenden viel Fleiß und Nachdenken unumgaͤnglich erfordert. Hat ein Lehr - begieriger das Gluͤck, gleich anfangs einen guten Meiſter angetroffen zu haben; ſo muß er ein vollkommenes Vertrauen zu ihm faſſen. Er muß nicht widerſpenſtig, ſondern in allem folgſam ſeyn; daß er das, was ihm ſein Meiſter aufgiebt, nicht nur in waͤhrender Lection mit allem Eifer und Begierde auszuuͤben und nachzumachen ſuche: ſondern er muß ſolches auch vor ſich allein, mit vielem Fleiß oftmals wiederholen; und ſofern er etwas nicht recht begriffen, oder vergeſſen haben ſollte, muß er den Meiſter bey der folgenden Le - ction darum befragen. Ein Lehrbegieriger muß ſich nicht verdrießen laſſen, wenn er wegen einerley Sache oͤfter ermahnet wird; ſondern er muß ſol - che Erinnerungen fuͤr ein uͤbles Merckmaal ſeiner Unachtſamkeit, und fuͤr des Meiſters Schuldigkeit; den Meiſter ſelber aber, der ihn ſo oͤfters ver - beſſert, fuͤr den beſten halten. Er muß deswegen auf ſeine Fehler wohl Achtung geben: Denn wenn er ſolche zu erkennen anfaͤngt, hat er ſchon halb gewonnen. Erfodert es aber die Nothwendigkeit, daß der Meiſter ihn uͤber einerley Sache oͤfters verbeſſern muß; ſo kann er gewiß verſichert ſeyn, daß er es in der Muſik nicht weit bringen wird: weil er darinne unzaͤhlige Dinge zu erlernen hat, die ihm kein Meiſter zeigen wird, noch zeigen kann; ſondern die er gleichſam abſtehlen muß. Dieſer erlaubte Diebſtahl macht eigentlich die groͤßten Meiſter. Dasjenige was ihm oͤf - ters verwieſen worden, muß er nicht eher verlaſſen, bis er es ſo ſpielen kann, wie es der Meiſter verlanget. Er muß dem Meiſter nicht vorſchrei - ben, was fuͤr Stuͤcke er ihm aufgeben ſoll: Denn der Meiſter muß am beſten wiſſen, was dem Scholaren vortheilhaft ſeyn kann. Hat er, wieich11Einleitung. ich voraus ſetze, das Gluͤck gehabt, einen guten Meiſter zu treffen, muß er denſelben ſo lange zu erhalten ſuchen, als er einer Unterweiſung noͤ - thig hat. Es iſt nichts ſchaͤdlicher, als wenn ein Scholar ſich bald bey die - ſem bald bey jenem Meiſter in die Unterweiſung begiebt. Denn wegen des verſchiedenen Vortrages und der verſchiedenen Art zu ſpielen, macht dieſes bey einem Anfaͤnger Verwirrung; indem derſelbe, ſo zu ſagen, allezeit von neuem wieder anfangen muß. Es ſind zwar viele, die ſich was beſonderes draus machen, wenn ſie, von vielen großen Meiſtern gelernet zu haben, ſich ruͤhmen koͤnnen; allein man findet ſelten, daß ſie auch zu - gleich von denſelben vieles proſitiret haben. Denn wer von einem Mei - ſter zum andern laͤuft, dem gefaͤllt es bey keinem; und er hat zu keinem ein Vertrauen: zu wem man aber kein Vertrauen hat, deſſen Lehrſaͤtze pflegt man nicht gerne anzunehmen. Hat man aber einmal zu einem guten Meiſter ein rechtes Vertrauen gefaſſet, und laͤßt ihm die gehoͤrige Zeit, ſeine Wiſſenſchaft offenbar zu machen; ſo wird man, wenn man dabey die wahre Begierde hat zu einer Vollkommenheit zu gelangen, von Zeit zu Zeit immer mehr Vortheile entdecken, die man vorher einzuſehen nicht faͤhig geweſen; die aber zu weiterm Nachforſchen Gelegenheit geben.

12. §.

Dieſes weitere Nachforſchen muß ſich auch ein angehender Muſikus theuer empfohlen ſeyn laſſen. Auch der Fleiß macht es noch nicht allein aus. Man kann ein gutes Naturell, gute Anweiſung, großen Fleiß, gute Gelegenheit viel ſchoͤnes zu hoͤren, haben, und doch immer mittel - maͤßig bleiben. Man kann viel componiren, viel ſingen, und viel ſpielen, ohne in der Erkenntniß und Geſchiklichkeit zuzunehmen. Denn alles was in der Muſik ohne Nachdenken und ohne Ueberlegung, gleichſam nur zum Zeitvertreib geſchieht, iſt ohne Nutzen. Ein Fleiß alſo, der eine bren - nende Liebe und unerſaͤttliche Begierde zur Muſik zum Grunde hat, muß mit einem beſtaͤndigen und eifrigen Nachforſchen, und reifem Nach - denken und Unterſuchen verknuͤpfet werden. Es muß ein edler Eigenſinn dabey herrſchen, welcher nicht erlaubet, daß man ſogleich in allen Stuͤ - cken mit ſich ſelbſt zufrieden ſey; ſondern immer vollkommener zu werden trachte. Denn wer die Muſik nur auf das Gerathewohl, nicht als eine Wiſſenſchaft, ſondern nur als ein Handwerk treiben will, der wird lebens - lang ein Stuͤmper bleiben.

B 213. §. Bey12Einleitung.

13. §.

Bey dem Bemuͤhen weiter zu kommen, muß ſich aber nicht etwan eine Ungedult einſchleichen; daß m an lLuſt bekaͤme da anzufangen, wo andere aufhoͤren. Einige begehen dieſen Fehler. Sie erwaͤhlen entwe - der ſolche ſchwere Stuͤcke zu ihrer Uebung, denen ſie noch nicht gewachſen ſind, und wodurch ſie ſich gewoͤhnen, die Noten zu uͤberruſcheln, und un - deutlich vorzutragen: oder ſie wollen vor der Zeit galant thun, und ver - fallen auf allzuleichte Stuͤcke, welche weiter keinen Vortheil geben, als dem Gehoͤre zu ſchmeicheln: Diejenigen Stuͤcke hingegen, die den muſi - kaliſchen Verſtand ſchaͤrfen, die Einſicht in die Harmonie befoͤrdern, den Bogenſtrich, Zungenſtoß, Anſatz, und Finger geſchikt machen; die zum Notenleſen, Eintheilung der Noten, und zur Erlernung des Zeitmaaßes bequem ſind; die aber nicht ſogleich die Sinne ſo kuͤtzeln wie jene; ſolche Stuͤcke, ſage ich, verabſaͤumen ſie, und halten ſie wohl gar fuͤr einen Zeitverluſt: ungeachtet man ohne ſolche Stuͤcke, weder einen guten Vor - trag, noch einen guten Geſchmack in der Ausfuͤhrung erlangen kann.

14. §.

Eine große Hinderniß des Fleißes und weitern Nachdenkens iſt es, wenn man ſich zu viel auf ſein Talent verlaͤßt. Die Erfahrung lehret, daß man unter denjenigen, welche beſonders gute Naturgaben beſitzen, mehr Unwißende antrifft, als unter denen, die ihrem mittelmaͤßigen Ta - lente durch Fleiß und Nachdenken zu Huͤlfe gekommen ſind. Manchen gereichet das beſonders gute Naturell mehr zum Schaden als zum Vor - theile. Wer davon Beweis verlanget, der betrachte nur die meiſten Com - poniſten nach der Mode, itziger Zeit. Wie viele findet man unter ihnen: die die Setzkunſt nach den Regeln erlernet haben? Sind nicht die meiſten faſt pure Naturaliſten? Wenn es hoch koͤmmt, ſo verſtehen ſie etwan den Generalbaß; und glauben es ſey in einer ſo tiefſinnigen Wiſſenſchaft, als die Compoſition iſt, nichts mehr zu wiſſen noͤthig, als daß man nur ſo viel Einſicht beſitze, verbothene Quinten und Octaven zu vermeiden, und etwan einen Trummelbaß, und zu demſelben eine oder zwo magere Mittel - ſtimmen dazu zu ſetzen: das uͤbrige ſey eine ſchaͤdliche Pedanterey, die nur am guten Geſchmacke und am guten Geſange hindere. Wenn keine Wiſ - ſenſchaft noͤthig, und das pure Naturell hinlaͤnglich waͤre; wie koͤmmt es denn, daß die Stuͤcke von erfahrnen Componiſten mehr Eindruck machen, allgemeiner werden, und ſich laͤnger im Credit erhalten, als die von ſelbſt gewachſenen Naturaliſten; und daß eines jeden guten Componiſten erſtereAusar -13Einleitung. Ausarbeitungen, den letztern nicht beykommen? Jſt dieſes dem puren Naturell, oder zugleich der Wiſſenſchaft zuzuſchreiben? Das Naturell wird mit angebohren; und die Wiſſenſchaft wird durch gute Unterwei - ſung, und durch fleißiges Nachforſchen erlernet: beydes aber gehoͤret zu einem guten Componiſten. Durch den Operſtyl hat zwar der Geſchmack zu, die Wiſſenſchaft aber abgenommen. Denn weil man geglaubet hat, daß zu dieſer Art Muſik, mehr Genie und Erfindung, als Wiſſenſchaft der Setzkunſt erfodert wuͤrde; auch weil dieſelbe gemeiniglich bey den Mu - ſikliebhabern mehr Beyfall findet, als eine Kirchen - oder Jnſtrumental - Muſik: ſo haben ſich mehrentheils die jungen und ſelbſt gewachſenen Com - poniſten in Jtalien damit am erſten beſchaͤftiget; um ſowohl bald einen Credit zu erlangen, als auch in kurzer Zeit vor Meiſter, oder, nach ih - rer Art, Maeſtri zu paßiren. Es hat aber die unzeitige Bemuͤhung nach dieſem Titel verurſachet, daß die meiſten Maeſtri niemals Scholaren ge - weſen: indem ſie anfaͤnglich keine richtigen Grundſaͤtze erlernet haben, und nach erhaltenem Beyfall der Unverſtaͤndigen, ſich der Unterweiſung nun ſchaͤmen. Deswegen ahmet einer dem andern nach, ſchreibt ſeine Arbeit aus, oder giebt wohl gar fremde Arbeit fuͤr ſeine eigene aus, wie die Er - fahrung lehret; zumal wenn dergleichen Naturaliſten ſich genoͤthiget fin - den, ihr Gluͤck in fremden Landen zu ſuchen; und die Erfindungen nicht im Kopfe, ſondern im Koffer mit ſich fuͤhren. Haben ſie auch allenfalls noch die Faͤhigkeit etwas aus ihrem Kopfe zu erfinden, ohne ſich mit frem - den Federn zu ſchmuͤcken; ſo wenden ſie doch ſelten die gehoͤrige Zeit an, die ein ſo weitlaͤuftiges Werk, als eine Oper iſt, erfodert: ſondern es wird oftmals fuͤr eine beſondere Geſchiklichkeit gehalten, wenn einer die Faͤhigkeit beſitzet, in zehn oder zwoͤlf Tagen ein ganz Singeſpiel hinzu - ſchmieren; und nur darauf bedacht iſt, daß es, wenn es auch weder ſchoͤn noch vernuͤnftig ſeyn ſollte, doch zum wenigſten etwas neues ſey. Es laͤßt ſich aber ſehr leicht begreifen, was in ſolcher Eil fuͤr gutes her - vorgebracht werden koͤnne. Die Gedanken muͤſſen ja, ſo zu ſagen, nur in der Luft erſchnappet werden, wie etwan ein Raubthier einen Vogel erha - ſchet. Wo bleibt da die Ordnung, der Zuſammenhang, und die Saͤu - berung der Gedanken? Endlich iſt es denn auch dahin gekommen, daß gegenwaͤrtig in Jtalien nicht mehr ſo viel vortreffliche Componiſten anzu - treffen ſind, als vormals. Fehlet es aber an erfahrnen Componiſten: wie kann da der gute Geſchmack erhalten, oder fortgepflanzet werden? Wer da weis, was zu einer vollkommenen Oper gehoͤret, der wird geſte -B 3hen14Einleitung. hen muͤſſen, daß ein ſolches Werk nicht einen Anfaͤnger, ſondern einen erfahrnen Componiſten, und mehr Zeit als wenig Tage erfordert. Al - lein die Componiſten haben mehrentheils das Ungluͤck, daß, wenn ſie an - fangen vernuͤnftig zu ſchreiben, und das Wilde und Freche abzulegen, man ſie beſchuldigt, ſie haͤtten das Feuer verlohren; ſie haͤtten ſich er - ſchoͤpfet; ſie daͤchten nicht mehr ſo ſinnreich; ſie waͤren arm an Erfindung. Es kann ſeyn, daß ſolches bey vielen eintrifft: wollte man aber die Sache genau unterſuchen, ſo wuͤrde man finden, daß dergleichen Ungluͤck nur den oben beſchriebenen Componiſten wiederfaͤhrt, welche die Setzkunſt niemals gruͤndlich erlernet haben. Denn wo kein guter Grund vorhan - den iſt; da kann auch das Gebaͤude nicht lange Beſtand haben. Jſt aber Talent, Wiſſenſchaft und Erfahrung mit einander vereiniget, ſo wird daraus ein ſolcher Brunnen, der nicht leicht zu erſchoͤpfen iſt. Es wird ja in allen Handlungen, in allen Wiſſenſchaften, und Profeßionen die Erfahrung ſo ſehr geachtet: warum denn nicht auch in der Muſik, und inſonderheit in der Compoſition? Wer da glaubet, daß es in derſelben nur auf ein Gerathewohl und auf einen blinden Einfall ankomme, der ir - ret ſich ſehr, und hat von dieſer Sache nicht den geringſten Begriff. Die Erfindungen und Einfaͤlle ſind zwar zufaͤllig, und koͤnnen durch An - weiſung nicht erlanget werden: die Saͤuberung und Reinigung, die Wahl und Vermiſchung der Gedanken aber, ſind nicht zufaͤllig; ſondern ſie muͤſ - ſen durch Wiſſenſchaft und Erfahrung erlernet werden: und dieſe ſind ei - gentlich das Hauptwerk, wodurch ſich der Meiſter vom Schuͤler unter - ſcheidet, und woran es noch einer großen Anzahl von Componiſten man - gelt. Die Regeln der Compoſition, und was zum Satze gehoͤret, kann ein jeder erlernen; ohne eben allzuviel Zeit darauf zu wenden. Der Con - trapunct behaͤlt ſeine unveraͤnderlichen Regeln, ſo lange als vielleicht Mu - ſik ſeyn wird: Die Saͤuberung, Reinigung, der Zuſammenhang, die Ordnung, die Vermiſchung der Gedanken hingegen, erfodern faſt bey einem jeden Stuͤcke neue Regeln. Es pfleget alſo denenjenigen, die ſich auf das Ausſchreiben legen, oft fehl zu ſchlagen: ſo daß man bald mer - ken kann, ob die Gedanken aus einem einzigen Kopfe ihren Urſprung haben; oder ob ſie nur auf eine mechaniſche Art zuſammen geſetzet wor - den ſind.

15. §.

Jn vorigen Zeiten wurde die Setzkunſt nicht ſo gering geachtet, wie in gegenwaͤrtigen: Es wurden aber auch nicht ſo viel Stuͤmper in derſel -ben15Einleitung. ben angetroffen, als itzo. Die Alten glaubeten nicht, daß man die Setzkunſt ohne Unterweiſung lernen koͤnnte. Man hielte, den Generalbaß zu wiſſen, fuͤr noͤthig, aber nicht fuͤr zulaͤnglich, die Compoſition dadurch ohne weitere Anweiſung, zu erlernen. Es waren nur wenige, die ſich mit der Compoſition zu ſchaffen machten; und die, ſo es unternahmen, bemuͤheten ſich dieſelbe gruͤndlich zu erlernen. Heut zu Tage aber, will faſt ein jeder, der nur etwas mittelmaͤßiges auf einem Jnſtrumente zu ſpielen weis, zu gleicher Zeit auch die Compoſition erlernet haben. Hierdurch kommen eben ſo viele Misgeburten zur Welt; ſo daß es kein Wunder ſeyn wuͤrde, wenn die Muſik mehr ab, als zunaͤhme. Denn, wenn die ge - lehrten und erfahrnen Componiſten nach und nach abgehen; wenn die neuern, wie itzo von vielen geſchieht, ſich auf das pure Naturell verlaſ - ſen, und die Regeln der Setzkunſt zu erlernen fuͤr uͤberfluͤßig, oder wohl gar dem guten Geſchmacke, und guten Geſange, fuͤr ſchaͤdlich halten; wenn der, an ſich ſelbſt vortreffliche, Opernſtyl gemisbrauchet, und in Stuͤcke eingemiſchet wird, wohin er nicht gehoͤret, ſo daß, wie in Welſch - land bereits geſchieht, die Kirchen - und die Jnſtrumentalmuſiken nach demſelben eingerichtet werden, und alles nach Opernarien ſchmecken muß: ſo hat man gegruͤndete Urſachen zu befuͤrchten, daß die Muſik ihren vori - gen Glanz nach und nach verlieren doͤrfte; und daß es mit dieſer Kunſt bey den Deutſchen, und bey andern Voͤlkern, endlich ergehen moͤchte, wie es mit andern verlohrnen Kuͤnſten ergangen iſt. Die Jtaliaͤner haben in vorigen Zeiten den Deutſchen allezeit den Ruhm beygeleget, daß, wenn ſie auch nicht ſo viel Geſchmack beſaͤßen, ſie doch die Regeln der Setzkunſt gruͤndlicher verſtuͤnden, als ihre Nachbarn. Sollte nun die deutſche Nation, bey welcher der gute Geſchmack in den Wiſſenſchaften ſich immer weiter ausbreitet, ſich nicht beſtreben, einem Vorwurfe, der ihr, wenn ihre angehenden Componiſten die Unterweiſung und ein fleißiges Nach - forſchen verabſaͤumen, und ſich dem puren Naturelle ganz und gar anver - trauen, vielleicht mit der Zeit gemacht werden koͤnnte, vorzubeugen; und ſollte ſie ſich nicht bemuͤhen, den Ruhm ihrer Vorfahren zu erhalten? denn nur dadurch, wenn ein hervorragendes Naturell, durch gruͤndliche Anweiſung, durch Fleiß, Muͤhe, und Nachforſchen unterſtuͤtzet wird; nur dadurch, ſage ich, kann ein beſonderer Grad der Vollkommenheit er - reichet werden.

16. §. Es16Einleitung.

16. §.

Es wolle niemand auf die Gedanken gerathen, als wenn ich verlan - gete, daß ein jedes muſikaliſches Stuͤck nach den ſteifen Regeln des dop - pelten Contrapuncts, das iſt, nach den Regeln, wie die Stimmen ein - zurichten ſind, welche zugleich mit einander, auf eine wohlklingende Art, umgekehret, verwechſelt, und verſetzet werden ſollen, abgemeßen werden muͤßte. Nein, dieſes waͤre eine verwerfliche Pedanterey. Jch behaupte nur, daß ein jeder Componiſt ſolche Regeln zu wiſſen ſchuldig ſey; die Kuͤnſteleyen aber da, wo es der gute Geſang erlaubet, ſo zu untermi - ſchen ſuchen muͤſſe, daß weder am ſchoͤnen Geſange, noch an der guten Ausnahme, irgend einiger Abbruch verſpuͤret werde; und daß der Zuhoͤ - rer keinen aͤngſtlichen Fleiß dabey bemerke: ſondern daß uͤberall die Natur hervorleuchte. Das Wort: Contrapunct, pfleget ſonſt bey denen, die nur dem bloßen Naturell zu folgen gedenken, mehrentheils einen widrigen Eindruck zu machen, und fuͤr uͤberfluͤßige Schulfuͤchſerey gehalten zu wer - den. Die Urſache iſt, weil ihnen nur der Name, nicht aber die Eigen - ſchaft und der Nutzen davon, bekannt iſt. Haͤtten ſie nur eine kleine Er - kenntnis davon erlanget; ſo wuͤrde ihnen dieſes Wort nicht ſo fuͤrchterlich klingen. Jch will eben keinen Lobredner aller Arten der doppelten Con - trapuncte uͤberhaupt abgeben: obgleich ein jeder davon, in gewiſſer Art, und zu rechter Zeit, ſeinen Nutzen haben kann. Doch kann ich auch nicht umhin, abſonderlich dem Contrapunct all’Ottava ſein Recht wiederfahren zu laſſen, und die genaue Kenntniß deßelben, als eine unentbehrliche Sa - che, einem jeden angehenden Componiſten anzupreißen: weil dieſer Con - trapunct nicht nur bey Fugen und andern kuͤnſtlichen Stuͤcken hoͤchſt noͤ - thig iſt, ſondern auch bey vielen galanten Nachahmungen und Verkehrun - gen der Stimmen treffliche Dienſte thut. Daß aber die Alten in den mu - ſikaliſchen Kuͤnſteleyen ſich zu ſehr vertiefet haben, und zu weit darinne gegangen ſind; ſo daß ſie daruͤber das Nothwendigſte in der Muſik, ich meyne das Ruͤhrende und Gefaͤllige, faſt verabſaͤumet haben; iſt an dem. Allein, was kann der Contrapunct dafuͤr, wenn die Contrapunctiſten mit demſelben nicht recht umzugehen wiſſen, oder einen Misbrauch daraus machen; und wenn die Liebhaber der Muſik, aus Mangel der Erkennt - niß, keinen Geſchmack daran finden? Haben es nicht alle uͤbrigen Wiſſen - ſchaften mit dem Contrapuncte gemein, daß man ohne die Kenntniß der - ſelben, auch kein Vergnuͤgen davon haben kann? Z. E. Wer kann ſagen, daß er an der Trigonometrie, oder der Algebra Geſchmack finde, wenner17Einleitung. er gar nichts davon erlernet hat? Mit der Erkennitniß und Einſicht aber, waͤchſt auch die Achtung und Liebe zu einer Sache. Vornehme Perſo - nen laßen ihre Kinder wohl nicht allemal in der Abſicht in vielerley Wiſſen - ſchaften unterrichten, um Werk davon zu machen: ſondern es geſchieht vielmehr deswegen, daß ſie in vielerley Wiſſenſchaften eine Einſicht erlan - gen ſollen, um bey Gelegenheit davon ſprechen zu koͤnnen. Waͤren nun alle Muſikmeiſter auch zugleich Muſikverſtaͤndige; wuͤßten ſie ihren Un - tergebenen von einer kuͤnſtlichen Muſik richtige Begriffe beyzubringen; ließen ſie dieſelben beyzeiten wohl ausgearbeitete Stuͤcke ſpielen, und er - klaͤreten ihnen den Jnhalt davon: ſo wuͤrden ſie die Liebhaber nicht nur nach und nach an ſolche Arten von Muſik gewoͤhnen; ſondern die Liebha - ber wuͤrden auch uͤberhaupt mehr Einſicht in die Muſik erlangen, und mehr Vergnuͤgen daran finden. Die Muſik wuͤrde dadurch in eine groͤßere Ach - tung kommen, als ſie nicht iſt: und die wahren Tonkuͤnſtler wuͤrden fuͤr ihre Arbeit mehr Dank verdienen. Da aber die meiſten Liebhaber die Muſik nur mechaniſch erlernen: ſo faͤllt dieſer Vortheil weg; und die Mu - ſik bleibt in deſto groͤßerer Unvollkommenheit: weil es ſowohl an guten Meiſtern, als an folgſamen Scholaren fehlet.

17. §.

Will man wißen, was denn nun eigentlich der Gegenſtand des wei - tern Nachforſchens ſeyn ſoll; ſo dienet zur Antwort: Wenn ein angehen - der Componiſt die Regeln der Harmonie, welche, ob es wohl vielen an der Kenntniß derſelben fehlet, doch nur, wie geſagt, das wenigſte und leichteſte in der Compoſition ſind, gruͤndlich erlernet hat; ſo muß er ſich befleißigen, eine gute Wahl und Vermiſchung der Gedanken, nach der Abſicht eines jeden Stuͤckes, vom Anfange bis ans Ende deßelben, zu treffen; die Gemuͤthsbewegungen gehoͤrig auszudruͤcken; einen fließenden Geſang zu erhalten; in der Modulation zwar neu, doch natuͤrlich, und im Metrum richtig zu ſeyn; Licht und Schatten beſtaͤndig zu unterhal - ten; ſeine Erfindungen in eine gemaͤßigte Laͤnge einzuſchraͤnken; in Anſe - hung der Abſchnitte, und der Wiederholungen der Gedanken, keinen Misbrauch zu begehen; ſowohl fuͤr die Stimme als Jnſtrumente bequem zu ſetzen; in der Singmuſik nicht wider das Sylbenmaaß, noch weniger wider den Sinn der Worte zu ſchreiben; und ſowohl von der Singart, als von den Eigenſchaften eines jeden Jnſtruments, eine hinlaͤngliche Er - kenntniß zu erlangen. Ein Saͤnger oder Jnſtrumentiſt aber muß ſich an - gelegen ſeyn laſſen, der Stimme oder des Jnſtruments vollkommen maͤchtigCzu18Einleitung. zu werden; die Verhaͤltniße der Toͤne kennen zu lernen; in Haltung des Zeitmaaßes und im Notenleſen recht feſt zu werden; die Harmonie zu erlernen, und vornehmlich, alles was zu einem guten Vortrage erfordert wird, recht in Ausuͤbung zu bringen.

18. §.

Wer ſich in der Muſik hervor zu thun wuͤnſchet; der muß die Erler - nung derſelben nicht zu ſpaͤt anfangen. Wer ſich in ſolchen Jahren dazu begiebt, wenn die Gemuͤthskraͤfte nicht mehr im Wachsthume, oder wenn der Hals oder die Finger nicht mehr biegſam ſind; und alſo keine rechte Fertigkeit erlangen koͤnnen, weder die Triller, und die kleinen feinen Auszierungen oder Propretaͤten, noch die Paßagien rund und deutlich zu machen: der wird nicht ſonderlich weit kommen.

19. §.

Ein Muſikus muß ſich ferner nicht mit allzuvielen andern Dingen beſchaͤftigen. Faſt eine jede Wiſſenſchaft erfodert ihren eigenen Mann. Es iſt zwar hier keinesweges die Meynung, als ob es eine Unmoͤglichkeit ſey, in mehr als einer Wiſſenſchaft zugleich, vortrefflich zu ſeyn. Es wird aber ein gleichſam auſſerordentliches Talent dazu erfodert, derglei - chen die Natur nur ſelten hervorbringt. Viele verſehen es hierinne. Ei - nige haben die Begierde alles zu erlernen, und fallen, ihrer veraͤnderli - chen Gemuͤthsbeſchaffenheit zufolge, von einer Sache auf die andere; bald auf dieſes, bald auf jenes Jnſtrument; bald auf die Compoſition; bald auf andere Dinge auſſer der Muſik; und erlernen, wegen ihrer Wan - kelmuth, weder eins noch das andere aus dem Grunde. Einige, die ſich anfaͤnglich etwa einer der hoͤhern Wißenſchaften widmen, treiben die Muſik viele Jahre als ein Nebenwerk. Sie koͤnnen nicht die gehoͤrige Zeit, ſo die Muſik erfodert, darauf wenden; und haben weder Gelegenheit noch Mittel gute Meiſter zu halten, oder etwas gutes zu hoͤren. Oef - ters lernen ſie nichts mehr als etwa Noten leſen; und durch einige Schwie - rigkeiten, ohne guten Vortrag und Geſchmack, ihren Zuhoͤrern einen blauen Dunſt vor die Augen zu malen: und ſofern ſie das Gluͤck haben, im Lande der Blinden einaͤugige Koͤnige zu werden, und einigen Beyfall zu erhalten; gerathen ſie, aus Mangel der Erkenntniß, leicht auf den falſchen Wahn, als ob ſie wegen ihrer uͤbrigen Wißenſchaften, vor andern Tonkuͤnſtlern, die zwar nicht auf hohen Schulen ſtudiret, aber doch mehr Muſik als ſie erlernet haben, einen Vorzug verdieneten. Einige treiben die Muſik blos aus Mangel des Unterhalts, ohne den geringſtenGe -19Einleitung. Gefallen dran zu haben. Andere haben die Muſik in ihrer Jugend mehr durch eigene Uebung, als durch richtige Grundſaͤtze erlernet. Bey er - wachſenen Jahren ſchaͤmen ſie ſich des Unterrichts, oder glauben keiner Anweiſung mehr benoͤthiget zu ſeyn. Deswegen laſſen ſie ſich nicht gerne verbeſſern, ſondern wollen vielmehr unter dem Namen der Liebhaber Lob verdienen. Fuͤget es aber das Schickſal endlich nicht, daß ſie durch ihre andern Wiſſenſchaften zu einer Befoͤrderung gelangen; ſo ergreifen ſie aus Noth die Muſik; mehrentheils aber bleiben ſie, wegen des Verluſts der Zeit, die ſie auf andere Wißenſchaften haben wenden muͤſſen; aus Man - gel des Talents, welches zu andern Wißenſchaften nicht hinreichend ge - weſen, und nun vielleicht zur Muſik noch weniger zulaͤnglich iſt; oder aus Vorurtheil und falſcher Einbildung, welche von andern keine Verbeſſe - rung ertragen kann, von der einen Seite nur halbe Gelehrte; von der andern aber, kaum halbe Muſikverſtaͤndige. Denn wer zum Studiren keine hinlaͤnglichen Naturgaben beſitzt; der hat deren vielleicht noch we - niger zur Muſik. Doch aber, hat ein ſolcher, der zugleich vom Studi - ren Werk machet, ein zureichendes Talent zur Muſik; und wendet bey dieſer eben den Fleiß an, wie er bey jenem gethan hatte: ſo hat er nicht nur vor andern Tonkuͤnſtlern einen Vortheil voraus; ſondern er kann auch in der Muſik uͤberhaupt mehr Nutzen ſtiften, als andere: welches mit vielen Beyſpielen dargethan werden kann. Denn wer da weis, wie viel Einfluß die Mathematik, ſammt denen unter ihrem Bezirke ſtehenden Wißenſchaften, die Weltweisheit, die Dichtkunſt, und die Redekunſt, in die Muſik haben; der wird geſtehen muͤſſen, daß die Muſik nicht nur einen groͤßern Umfang habe, als viele glauben: ſondern auch, daß der bey den meiſten Muſikverſtaͤndigen verſpuͤrte Mangel obenbemeldeter Wiſ - ſenſchaften, die groͤßte Hinderniß an weiterem Fortkommen, und die Ur - ſache ſey, warum die Muſik noch nicht zu einer groͤßern Vollkommenheit gebracht worden iſt. Wie kann es aber auders ſeyn: da diejenigen, ſo die Theorie beſitzen, ſelten in der Ausuͤbung ſtark ſind: und die, ſo ſich in der Ausuͤbung hervorthun, ſelten Meiſter in der Theorie abgeben koͤnnen? Jſt es moͤglich die Muſik, bey ſo geſtallten Sachen zu einiger Vollkommenheit zu bringen? Es iſt demnach noͤthig, jungen Leuten, die ſich auf die Muſik legen, ernſtlich anzurathen, daß ſie ſich bemuͤhen moͤchten, wenn ihnen auch die Zeit nicht erlaubet, ſich in allen Stu - dien zu uͤben, dennoch in den obengemeldeten Wißenſchaften, und hier - naͤchſt auch, in einigen der auslaͤndiſchen Sprachen, keine FremdlingeC 2zu20Einleitung. zu bleiben. Und wer ſich die Compoſition zu ſeinem Augenmerke erwaͤh - let; dem wird eine gruͤndliche Einſicht in die Schauſpielkunſt nicht un - dienlich ſeyn.

20. §.

Die Eigenliebe wohl zu ordnen und im Zaume zu halten, ſoll das letzte ſeyn, welches ich einem, der in der Muſik weit zu kommen wuͤnſchet, anrathe. Jſt eine unmaͤßige und uͤbel geordnete Eigenliebe uͤberhaupt ſehr ſchaͤdlich; indem ſie leichtlich den Verſtand verdunkeln, und an der wahren Erkenntniß hinderlich ſeyn kann: ſo iſt ſie es gewiß auch bey der Muſik; und zwar dieſes um ſo viel mehr, ie mehr ſie ſich bey dieſer ein - zuſchleichen pfleget. Sie findet bey der Muſik mehr Nahrung als bey andern Profeßionen, bey welchen man ſich nicht, wie bey dieſer, mit ei - nem bloßen Bravo abſpeiſen, und aufgeblaſen machen laͤßt. Wie viel Unordnungen hat ſie nicht ſchon in der Muſik angerichtet? Man gefaͤllt ſich anfangs meiſtentheils ſelbſt mehr, als andern. Man iſt ſchon zufrieden, wenn man nur etwa zur Noth eine Stimme mitſpielen kann; Man laͤßt ſich durch das unzeitige und uͤberfluͤßige Loben verblenden; und nimmt es wohl gar fuͤr einen verdienten Lohn an. Man will durchaus keinen Widerſpruch, keine Erinnerungen oder Verbeſſerungen leiden. Sollte jemand ſich dergleichen etwan aus Noth, wenn es geſchehen muß, oder aus guter Meynung unterfangen: ſo haͤlt man denjenigen, der ſo verwegen iſt, augenbliklich fuͤr einen Feind. Man ſchmeichelt ſich oft - mals, bey einer ſehr geringen Erkenntniß, doch ſehr vieles zu wiſſen, und ſuchet ſich wohl uͤber ſolche zu erheben, von denen man noch lernen koͤnnte. Ja, was noch mehr iſt, man verachtet wohl gar dieſelben, aus Eifer - ſucht, Neid und Misgunſt. Sollte es aber genau unterſuchet wer - den, ſo beſtehet ſolches vermeynte Wiſſen, bey vielen, nur aus einer Marktſchreyerey, naͤmlich: daß man etwan einige Kunſtwoͤrter aus theoretiſchen Schriften ins Gedaͤchtniß gefaßet hat; oder daß man von den muſikaliſchen Kunſtſtuͤcken zwar ein wenig zu reden, ſolche aber nicht zu machen weis. Hierdurch kann man ſich nun zwar bey Unwiſſenden einiges Anſehen erwerben; bey Muſikverſtaͤndigen aber, ſteht man in Gefahr, laͤcherlich zu werden: weil man denen Handwerkern gleichet, die zwar das Handwerkszeug zu nennen, aber ſchlecht zu gebrauchen wiſſen. Wie es denn verſchiedene Menſchen giebt, welche von einer Kunſt oder Wiſſenſchaft zwar vieles zu reden im Stande ſind: in der That aber, viel weniger in der Ausuͤbung zeigen koͤnnen, als vielleichtandere,21Einleitung. andere, welche weit weniger mit Worten davon pralen. Hat man es vielleicht endlich noch durch eine gute Anweiſung dahin gebracht, daß man einigen Beyfall verdienet; ſo rechnet man ſich ſogleich unter die Anzahl der Virtuoſen; und glaubet ſchon die erſte Stufe des Parnaſſes uͤberſtiegen zu haben. Man ſchaͤmet ſich dahero eines fernern Unterrichts; oder haͤlt denſelben fuͤr unnoͤthig. Man verlaͤßt den Meiſter in der beſten Zeit, oder in der Bluͤte des Wachsthums. Man ſuchet nicht das Ur - theil erfahrner Leute ſich zu Nutzen zu machen: ſondern man bleibt lieber in der Unwiſſenheit ſtecken, als daß man ſich ein wenig herablaßen wollte, um noch Lehren anzunehmen. Und wenn man auch allenfalls noch jemanden um dieſen oder jenen Zweifel befraget: ſo geſchieht es doch oft mehr in der Abſicht gelobet zu werden, als die Wahrheit zu hoͤ - ren. Wer wollte endlich alle das Unheil erzaͤhlen, welches eine ver - kehrte Eigenliebe anrichten kann. Es ſey mir genug, dargethan zu ha - ben, daß ſie, ob ſie auch gleich eine falſche Zufriedenheit wirket, den - noch eine der groͤßten Hinderniſſe am Wachsthum in der Muſik ſey.

21. §.

Zum Beſchluße muß ich noch einigen, die ſich durch das Vorur - theil, als ob das Blaſen auf der Floͤte der Bruſt oder Lunge ſchaͤdlich ſey, zur Nachricht ſagen: daß ſolches nicht nur nicht ſchaͤdlich, ſondern vielmehr zutraͤglich und vortheilhaft ſey. Die Bruſt wird dadurch mehr und mehr eroͤfnet und ſtaͤrker gemachet. Jch koͤnnte, wenn es noͤthig waͤre, mit Exempeln beweiſen, daß einige junge Leute, die einen ſehr kurzen Athem hatten, und kaum faͤhig waren ein paar Tacte in einem Athem zu ſpielen, es endlich durch das Blaſen der Floͤte, in einigen Jah - ren, dahin gebracht haben, daß ſie mehr als zwanzig Tacte in einem Athem zu ſpielen vermoͤgend worden. Es iſt alſo daraus zu ſchließen, daß das Blaſen auf der Floͤte der Lunge eben ſo wenig ſchade, als das Reuten, Fechten, Tanzen und Laufen. Man muß es nur nicht mis - brauchen; und weder bald nach der Mahlzeit blaſen, noch ſogleich aufs Blaſen, wenn die Lunge noch in einer ſtarken Bewegung iſt, einen kal - ten Trunk thun. Daß die Trompete eine ſtaͤrkere Lunge, und noch weit mehr Kraͤfte des Leibes erfordere, als die Floͤte; wird niemand in Abrede ſeyn. Dem ungeachtet zeiget die Erfahrung, daß Leute, ſo ſich mit der Trompete abgeben, mehrentheis ein ſehr hohes Alter erreichen. Jch weis mich ſelbſt, von meiner Jugend an, zu erinnern, daß ein junger Menſch, von ſehr ſchwacher Leibesbeſchaffenheit, ein Trompeter worden;C 3und22Einleitung. und auf dieſem Jnſtrumente, nicht nur ſich ſehr fleißig geuͤbet, ſondern es auch ziemlich weit gebracht hat. Dieſer iſt nicht nur bis itzo noch am Le - ben; ſondern befindet ſich auch wohl, und bey guten Kraͤften. Daß aber die Ausuͤbung der Floͤte, oder der Trompete, ſo wie die vorhin er - waͤhnten Leibesuͤbungen, einen geſunden Coͤrper erfodere, und keinen, der ſchon die Schwindſucht hat, weder heile, noch ihm ſonſt anzurathen ſey: wird auch nicht gelaͤugnet. Jch habe ſchon oben angefuͤhret, daß zu einem jeden Muſikus uͤberhaupt, er ſpiele welches Jnſtrument er wolle, kein ſchwacher oder ſiecher, ſondern ein vollkommen geſunder Koͤr - per, und ein munterer und aufgeweckter Geiſt erfordert werde: weil beyde gemeinſchaftlich wirken muͤſſen.

Das[23]

Das I. Hauptſtuͤck. Kurze Hiſtorie und Beſchreibung der Floͤte traverſiere.

1. §.

Bey fabelhaften und ungewiſſen Erzaͤhlungen vom Ur - ſprunge der Floͤten ſo in die quere vor den Mund gehal - ten werden, will ich mich nicht aufhalten. Weil wir keine ganz ſichere Nachricht davon haben; ſo kann es uns gleich viel ſeyn, ob der Phrygiſche Koͤnig Mydas, oder ein an - derer, dieſelben erfunden habe. Ob ein ausgehoͤhlter, oben abgebroche - ner Stamm eines Holunderſtrauchs, in welchen an der Seite eine kleine Oefnung eingefaulet geweſen; darauf juſt der Zug des Windes getroffen; oder ſonſt was anders zu dieſer Erfindung den erſten Anlaß gegeben habe: kann ich gleichfalls nicht entſcheiden.

2. §.

Daß aber, in den Abendlaͤndern, die Deutſchen die erſten geweſen, welche den Grund zur Floͤte traverſiere nebſt vielen andern Blasinſtru - menten, wo nicht von neuem geleget, doch zum wenigſten wieder hervor - geſuchet haben; iſt außer allem Zweifel. Die Englaͤnder nennen dieſes Jnſtrument deswegen: the German Flute, (die deutſche Floͤte.) Die Franzoſen benennen es ebenfalls la Flûte alemande. (ſ. Principes de la Flûte Traverſiere, ou de la Flûte alemande, par Mr. Hotteterre le Romain.)

3. §. Mi -24Das I. Hauptſtuͤck. Kurze Hiſtorie

3. §.

Michael Praͤtorius nennet dieſe Floͤte, in ſeinem Theatro Inſtru - mentorum, welches 1620, zu einer Zeit, wo noch keine von den itzo daran befindlichen Klappen uͤblich war, in Wolfenbuͤttel gedrucket wor - den: die Querfloͤte. Dasjenige Jnſtrument aber, welches noch heut zu Tage bey den Soldaten zur Trummel gebrauchet wird, nennet er zum Unterſchied: die Schweitzerpfeiffe.

4. §.

Es iſt alſo die Floͤte traverſiere vor dieſem nicht ſo, wie itzo, be - ſchaffen geweſen. Weil die, zu dem halben Tone Dis, unentbehrliche Klappe daran fehlete; konnte man darauf nicht aus allen Tonarten ſpielen. Jch habe ſelbſt eine von dieſer Art in Haͤnden, welche in Deutſchland, vor ohngefaͤhr ſechzig Jahren verfertiget worden, und welche eine Quarte tiefer ſteht, als die gewoͤhnlichen. Die Franzoſen ſind die erſten geweſen, welche dieſes Jnſtrument, durch Beyfuͤgung einer Klappe brauchbarer gemacht haben, als es bey den Deutſchen vor dieſem nicht war.

5. §.

Die eigentliche Zeit, wenn dieſe Verbeſſerung geſchehen, und wer der Urheber davon ſey, iſt nicht wohl gewiß zu beſtimmen: ungeachtet ich mir alle Muͤhe gegeben habe, es zuverlaͤßig zu erfahren. Vermuth - lich iſt es noch kein Jahrhundert her: und ohne Zweifel iſt dieſe Verbeſſe - rung in Frankreich zu eben der Zeit unternommen worden, da man die Schallmey in den Hoboe, und den Bombard in den Baſſon verwan - delt hat.

6. §.

Der erſte, der ſich auf der verbeſſerten Floͤte traverſiere, in Frank - reich, beſonders hervor gethan, beruͤhmt und beliebt gemacht hat, iſt der, wegen gewiſſer beſondern Schickſale, merkwuͤrdige Philibert. Hierauf kam: la Barre, und Hotteterre le Romain. Dieſen folgeten Buͤffardin und Blavet; brachten es aber in der Ausuͤbung viel wei - ter als ihre Vorfahren.

7. §.

Wie nun dieſe itzt erzaͤhlten franzoͤſiſchen Tonkuͤnſtler die erſten ge - weſen ſind, ſo dieſes Jnſtrument nach ſeinen Eigenſchaften gut geſpielet haben: ſo haben es die Deutſchen von ihnen, und zwar in der verbeſſerten Geſtalt, naͤmlich mit der einen Klappe, ſeit ohngefaͤhr funfzig oder ſech - zig Jahren her, wieder bekommen. Der beſondere Beyfall, und diegroße25und Beſchreibung der Floͤte traverſiere. große Neigung, ſo die Deutſchen allezeit gegen die Blasinſtrumente ge - heget haben, hat verurſachet, daß die Floͤte traverſiere nunmehr in Deutſchland eben ſo allgemein worden, als ſie in Frankreich iſt.

8. §.

Bis hieher hatte die Floͤte noch immer nur eine Klappe. Nachdem ich aber nach und nach die Eigenſchaften dieſes Jnſtruments einſehen ler - nete; befand ich, daß immer noch ein kleiner Mangel der Reinigkeit ge - wißer Toͤne vorhanden war: welchem aber auf keine andere Art, als durch Zuſetzung der zwoyten Klappe, abgeholfen werden konnte. Jch habe alſo dieſe zweyte Klappe im Jahr 1726. hinzugefuͤget. *Die Urſache dieſer zweyten Klappe erklaͤre ich weitlaͤuftiger im 8. §. des III. Hauptſtuͤckes.Und alſo iſt hieraus diejenige Floͤte traverſiere entſtanden, deren Abbildung man Tab. I. Fig. 1. ſehen kann.

9. §.

Jn den alten Zeiten, beſtund die Floͤte traverſiere nur aus einem Stuͤcke, wie die noch heut zu Tage uͤbliche Schweitzerpfeife, oder die ſoge - nannte Querpfeife der Soldaten: nur war ſie eine Octave tiefer als die letztere. Als aber in Frankreich die eine Klappe hinzugefuͤget wurde, um die Floͤte, ſo wie andere Jnſtrumente, zur Muſik brauchbarer zu ma - chen: ſo bekam dieſe Floͤte zugleich, nicht nur von außen eine beſſere Ge - ſtalt; ſondern ſie wurde auch, um mehrerer Bequemlichkeit willen, in drey Stuͤcken getheilet, naͤmlich: ein Kopfſtuͤck, worinnen ſich das Mund - loch befindet; ein Mittelſtuͤck mit ſechs Loͤchern; und das Fuͤßgen, woran die Klappe zu finden iſt. Dieſe drey Stuͤcken wuͤrden auch zulaͤnglich ge - weſen ſeyn: wenn man aller Orten einerley Stimmung haͤtte. Weil aber der Ton, nach welchem man ſtimmet, ſo ſehr verſchieden iſt; daß nicht nur in einem jeden Lande, ſondern auch mehrentheils in einer jeden Provinz und Stadt, eine andere Stimmung, oder herrſchender Ton, eingefuͤhret iſt; zugeſchweigen, daß der Clavicymbal, an eben demſelben Orte, durch unachtſame Stimmer, bald hoch, bald tief geſtimmet wird: ſo hat man, vor ohngefaͤhr dreyßig Jahren, die Floͤte mit mehrern Mittel - ſtuͤcken verſehen. Man hat zu dem Ende das lange Mittelſtuͤck, mit ſechs Loͤchern, in zween Theile getheilet; um die Floͤte bequemer bey ſich tragen zu koͤnnen: und an ſtatt eines, und zwar des oberſten Stuͤckes von dieſen zween Theilen, hat man zwey bis drey verfertiget, welche, weil im - mer eines kuͤrzer als das andere ſeyn muß, ſich damals ohngefaͤhr umDeinen26Das I. Hauptſtuͤck. Kurze Hiſtorieeinen halben Ton von einander unterſchieden; denn die Laͤnge oder Kuͤrze der Floͤte verurſachet, daß der Ton entweder tiefer oder hoͤher wird. Konnte man damit noch nicht ſtimmen, weil oͤfters das eine Stuͤck zu tief, das andere hingegen zu hoch war; ſo mußte man das hoͤchſte Mittel - ſtuͤck aus dem Kopfe der Floͤte um etwas ausziehen. Allein, da der Un - ſchied dieſer Mittelſtuͤcken zu groß war, und man folglich die Mittelſtuͤcken weiter ausziehen mußte, als die Structur der Floͤte erlaubet, indem ſie dadurch falſch wird: ſo hat man endlich das Mittel gefunden, noch meh - rere Mittelſtuͤcken hinzuzufuͤgen, deren jedes, von dem andern, in der Stimmung, nicht mehr als um ein Komma, oder ein Neuntheil eines ganzen Tones, unterſchieden iſt. Sechs Mittelſtuͤcken machen alſo etwas mehr, als einen großen halben Ton aus: welches auch der Bau der Floͤte, ohne Nachtheil der reinen Stimmung erlaubet: und ſollte es die Noth erfodern; ſo koͤnnten wohl noch ein paar Mittelſtuͤcken mehr hinzugefuͤget werden.

10. §.

Jn dem Kopfſtuͤcke der Floͤte, zwiſchen dem Deckel deßelben, und dem Mundloche, iſt ein Pfropf von Kork zu befinden, welchen man nach Belieben hin und her ſchieben kann. Dieſer Pfropf iſt in der Floͤte un - entbehrlich; und thut in derſelben eben die Wirkung, welche die Stimme, oder das unter dem Stege aufrecht ſtehende Hoͤlzgen, in der Violine machet. Dieſe verurſachet entweder einen guten oder ſchlechten Ton; nachdem ſie recht oder unrecht geſetzet wird: und jener, wenn er entwe - der zu tief hinein gedruͤcket, oder zu weit heraus gezogen wird; iſt nicht nur am guten Tone, ſondern auch an der reinen Stimmung uͤberhaupt, hinderlich.

11 §.

Wenn die Floͤte, durch die Mittelſtuͤcken, verkuͤrzet oder verlaͤngert wird; ſo wuͤrde ſie, wenn der Pfropf allezeit an einem Orte ſtehen blei - ben ſollte, die reine Stimmung der Octaven verlieren. Es muß des - wegen dieſer Pfropf, zu einem jeden kuͤrzern Stuͤcke, weiter von dem Mundloche zuruͤck gezogen; hingegen zu jedem laͤngern Stuͤcke, naͤher zu dem Mundloche hinein gedruͤcket werden. Um dieſes deſto bequemer be - werkſtelligen zu koͤnnen, iſt noͤthig, daß man an dem Pfropfe eine an ihm und dem Deckel der Floͤte zugleich befeſtigte Schraube habe: als wel - che ſo wohl zu dem Ausziehen als Hineindruͤcken deßelben dienet.

12. §.27und Beſchreibung der Floͤte traverſiere.

12. §.

Will man wißen ob der Pfropf an ſeinem rechten Orte ſtecke; ſo probire man das tiefe D. gegen das mittelſte und hoͤchſte D. Sind dieſe zwo Octaven gegen einander rein; ſo hat es ſeine Richtigkeit. Jſt aber das hoͤchſte D. zu hoch, und das tiefe folglich zu tief; ſo ziehe man den Pfropf um ſo viel zuruͤck, bis ſie rein werden. Jſt hingegen das hoͤchſte D. zu tief, und das tiefe zu hoch; ſo druͤcke man den Pfropf um ſo viel tiefer hinein, bis beyde Octaven rein ſtimmen.

13. §.

Vom Ausziehen der Mittelſtuͤcken iſt zu merken, daß man darinne nicht zu weit gehen darf: ſonſt wird das eingeſtrichene C, und der Triller ſowohl auf demſelben, als auf dem Cis, zu hart. Deswegen iſt noͤthig, daß die Mittelſtuͤcken, wie ſchon oben geſaget worden, nicht mehr als um ein Komma von einander unterſchieden ſeyn duͤrfen: oder man muͤßte den inwendigen leeren Raum, mit einem Ringe, der ſo dick als der Zapfen waͤre, ausfuͤllen. Das Ausziehen der Stuͤcken darf nirgends anders als nur allein am dicken Ende, welches in das Kopfſtuͤck geht, geſchehen. Denn wenn es am duͤnnen Ende, oder zwiſchen dem unterſten Ende und dem Fuͤßgen geſchieht; ſo wird wegen der Loͤcher, welche durch die weitere Entfernung von einander, die folgenden Toͤne erhoͤhen, die ganze Floͤte verſtimmet.

14. §.

Vor nicht gar langer Zeit, iſt eine Erfindung zum Vorſchein ge - kommen, vermoͤge welcher man das Fuͤßgen der Floͤte aus zwey Stuͤcken gemacht hat, welche man, wie eine Nadelbuͤchſe, um einen halben Zoll auseinander ziehen, und wieder zuſammen ſchieben, folglich das Fuͤßgen laͤnger oder kuͤrzer machen kann. Das Ausziehen geſchieht unter den Loͤ - chern worauf die Klappen liegen. Die Abſicht ſoll ſeyn, daß das Fuͤßgen zu einem jeden kuͤrzern Mittelſtuͤcke, etwas kuͤrzer werden ſolle; und die Floͤte alſo, vermittelſt der ſechs Mittelſtuͤcken, um einen ganzen Ton hoͤher oder tiefer gemacht werden koͤnne. Dieſe Erfindung, wenn ſie Stich hiel - te, wuͤrde ihren Werth haben. Da aber durch die Verkuͤrzung des Fuͤß - gens, nur das D. hoͤher wird; die folgenden Toͤne, als: Dis, E, F, G, u. ſ. w. aber, mehrentheils in ihrer Stimmung bleiben, und ſich nicht mit dem D. zugleich, im gehoͤrigen Verhalte erhoͤhen: ſo folget daraus, daß die Floͤte zwar um einen ganzen Ton hoͤher, aber auch, nur das erſte Stuͤck ausgenommen, durch und durch falſch wird. Dieſe Erfindung iſt alſoD 2aus28Das I. Hauptſtuͤck. Kurze Hiſtorieaus dieſen, und denen im vorigen §. angefuͤhrten Gruͤnden, als hoͤchſt ſchaͤdlich und nachtheilig, zu verwerfen. Sie dienet zu weiter nichts, als daß man aus Sparſamkeit, mit einer uͤbelgeſtimmeten Floͤte, zur Noth dasjenige verrichten koͤnnte, wozu ſonſt zwo verſchiedene Floͤten, naͤmlich eine hohe und tiefe, noͤthig waͤren. Wer ſich aber dieſer Erfindung bedie - nen wollte, der wuͤrde in Gefahr ſtehen, ſich das Gehoͤr ſehr zu verder - ben: und der Urheber verraͤth ſich, daß er weder den Verhalt der Toͤne verſteht, noch ein gut muſikaliſch Gehoͤr hat.

15. §.

An dem Kopfſtuͤcke laͤſſet ſich eine dergleichen Verkuͤrzung und Ver - laͤngerung beſſer, als an dem Fuͤßgen, anbringen. Man theile naͤmlich das Kopfſtuͤck in zween Theile, und mache an dem unterſten Theile einen et - was laͤngern Zapfen, als der am Mittelſtuͤcke iſt. Dieſen ſtecke man in den oberſten Theil des Kopfes; ſo wird man den Kopf, ohne Nachtheil der Stimmung, kuͤrzer und laͤnger machen, und den durch die vorhin ge - meldete Erfindung vergebens geſuchten Vortheil bequem erreichen koͤnnen. Jch habe hiervon ſelbſt die Probe gemacht, und ſie bewaͤhrt gefunden.

16. §.

Vor ohngefaͤhr dreyßig Jahren haben einige der Floͤte, in der Tiefe, noch einen Ton mehr, naͤmlich das C, beyfuͤgen wollen. Sie machten deswegen das Fuͤßgen um ſo viel laͤnger, als zu einem ganzen Tone erfo - dert wird, und ſetzten, um das Cis zu haben, noch eine Klappe hinzu. Weil aber ſolches ſowohl der reinen Stimmung, als auch dem Tone der Floͤte ſelbſt nachtheilig zu ſeyn geſchienen; ſo iſt dieſe vermeynte Verbeſſe - rung wieder erloſchen, und nicht allgemein worden.

17. §.

Auſſer der gewoͤhnlichen Floͤte traverſiere hat man noch unterſchie - dene andere, wiewohl nicht ſo gewoͤhnliche, entweder groͤßere oder klei - nere Arten von Floͤten. Es giebt tiefe Quartfloͤten; Floͤten d’amour; kleine Quartfloͤten, u. ſ. w. Die erſtern ſind um eine Quarte; die zweyten um eine kleine Terze tiefer; die dritten aber um eine Quarte hoͤ - her, als die gewoͤhnliche Floͤte traverſiere. Unter dieſen ſind die Floͤten d’amour noch die beſten. Alle aber kommen ſie zur Zeit der ordentlichen Floͤte traverſiere, an Reinigkeit und Schoͤnheit, nicht bey. Wer im uͤbrigen auf einer von dieſen auſſerordentlichen Arten ſich uͤben will, der kann, wenn er ſich nur einen andern Schluͤßel der Noten einbildet, ſie im uͤbrigen alle ſo wie die gewoͤhnliche Floͤte traverſiere handhaben.

18. §.29und Beſchreibung der Floͤte traverſiere.

18. §.

Die Materie woraus die Floͤten verfertiget werden, iſt hartes Holz von unterſchiedener Art, als: Buchsbaum, Ebenholz, Koͤnigsholtz, Lignum ſanctum, Granatille, u. ſ. w. Der Buchsbaum iſt das allge - meinſte und dauerhafteſte Holz zu Floͤten. Das Ebenholz aber giebt den ſchoͤnſten und helleſten Ton. Wer den Ton der Floͤte kreiſchend, rauh, und unangenehm machen will; der kann ſie, wie einige verſuchet haben, mit Meßing ausfuͤttern.

19. §.

Weil ſich in der Floͤte, wenn ſie geblaſen wird, Feuchtigkeiten an - ſetzen, welche ihr ſchaͤdlich ſind; ſo muß ſie oͤfters, mit einem an ein Stoͤckgen feſtgemachten Lappen, ſorgfaͤltig gereiniget werden. Und da - mit ſich die Feuchtigkeiten nicht in das Holz einziehen koͤnnen: muß man ſie zuweilen mit Mandeloel einſchmieren.

Das II. Hauptſtuͤck. Von Haltung der Floͤte, und Setzung der Finger.

1. §.

Um mich hierbey deutlich erklaͤren zu koͤnnen, wird noͤthig ſeyn, daß ich die Finger durch Ziffern andeute: damit man bey der, in der I. Tabelle abgezeichnet befindlichen Floͤte, ohne Weitlaͤuftigkeit erſehen koͤnne, von welchen Fingern ich rede. Jch bezeichne alſo den Zei - gefinger der linken Hand mit 1; die zween folgenden mit 2. 3; der kleine Finger dieſer Hand wird nicht gebrauchet. Den Zeigefinger der rechten Hand bemerke ich mit 4; die zween folgenden mit 5. 6. Die Ziffern 7. und 8. ſind dem kleinen Finger der rechten Hand gewidmet. Wenn er mit 7. be - nennet iſt, beruͤhret er die kleine, und wenn er mit 8. bezeichnet iſt, die krumme Klappe. Auf eben dieſe Weiſe werden inskuͤnftige, bey der Fingerordnung, (Application) und allen uͤbrigen Stellen, dieD 3Finger30Das II. Hauptſtuͤck. Von HaltungFinger angedeutet werden: nur iſt zu merken, daß die mit 1. bis 6. be - zeichneten Finger die Loͤcher der Floͤte zudecken; die mit 7. und 8. bemerk - ten aber, die Klappen niederdruͤcken, und folglich die Loͤcher aufmachen.

2. §.

Wenn die Floͤte ungezwungen gehalten und geſpielet werden ſoll; ſo muͤſſen, wenn man dieſelbe zuſammen ſchraubet, die Loͤcher der beyden Mittelſtuͤcken, mit dem Loche, welches durch die krumme Klappe bedecket wird, in gerader Linie ſtehen: damit man mit dem kleinen Finger der rechten Hand, beyde Klappen bequem erreichen koͤnne. Das Kopfſtuͤck muß, aus der geraden Linie, um ſo viel nach dem Munde einwaͤrts ge - drehet werden, als ohngefaͤhr der Durchſchnitt des Mundlochs austraͤgt.

3. §.

Den Daumen der linken Hand ſetze man, dem mit 2. bezeichneten Fin - ger, faſt gerade gegen uͤber; und zwar die Spitze vom Daumen einwaͤrts gebogen. Die Floͤte lege man zwiſchen den Ballen und das zweyte Glied des 1. Fingers, ſo, daß wenn man den erſten Finger krumm auf die Floͤ - te leget, derſelbe das oberſte Loch bequem bedecken koͤnne. Auf dieſe Wei - ſe wird man die Floͤte, wenn man ſie an den Mund ſetzet, nicht allein mit dem 1. Finger und dem linken Daumen, welcher das Gegengewicht aus - macht, ohne Huͤlfe der andern Finger, oder der rechten Hand, bequem an den Mund druͤcken, und feſt halten; ſondern auch mit einem jeden Finger der linken Hand, ohne Zuthun der rechten, Triller ſchlagen koͤnnen.

4. §.

Was die rechte Hand anlanget, ſo ſetze man den Daumen derſelben, krumm und auswaͤrts gebogen, mit der Spitze unter den 4. Finger. Die uͤbrigen Finger aber, ſo wohl dieſer, als der linken Hand, ſetze man krumm eingebogen auf die Loͤcher; doch nicht mit den Spitzen: ſonſt wuͤr - de man die Loͤcher nicht ſo zumachen koͤnnen, daß keine Luft heraus gien - ge. Das Krummbeugen der Finger aber dienet darzu, daß man dadurch mehr Kraͤfte hat, die Triller geſchwind und egal zu ſchlagen.

5. §.

Den Kopf muß man beſtaͤndig gerade, doch ungezwungen, in die Hoͤhe halten: damit der Wind im Steigen nicht verhindert werde. Die Arme muß man ein wenig auswaͤrts in die Hoͤhe halten, doch den linken mehr als den rechten; und ſie ja nicht an den Leib druͤcken: damit man nicht genoͤthiget werde, den Kopf nach der rechten Seite zu, ſchief zu hal - ten; als welches nicht allein eine uͤble Stellung des Leibes verurſachet,ſon -31der Floͤte, und Setzung der Finger. ſondern auch im Blaſen ſelbſt hinderlich iſt: indem die Kehle dadurch zu - ſammen gedruͤcket wird, und das Athemholen, nicht, wie es ſoll, mit einer Leichtigkeit geſchehen kann.

6. §.

Die Floͤte muß man allezeit feſt an den Mund druͤcken; nicht aber mit der Hand bald ein - bald auswaͤrts drehen: als wodurch der Ton ent - weder tiefer, oder hoͤher wird.

7. §.

Die Finger muß man gerade uͤber den Loͤchern halten; und ſie nie - mals, weder enger zuſammen ziehen, noch weiter auseinander dehnen: um keine unnoͤthigen und weitlaͤuftigen Bewegungen damit zu machen. Deswegen muß man den rechten Daumen allezeit an einerley Ort ſetzen; nicht, die Floͤte damit zu halten, als wozu nur der linke beſtimmet iſt: ſondern damit auch die uͤbrigen Finger dadurch ihren feſten Platz behalten, und deſto leichter auf die Loͤcher treffen koͤnnen. Wie man denn uͤberhaupt die Nerven ein wenig anſpannen muß, um die Triller egal und brillant zu ſchlagen.

8. §.

Es iſt auch noͤthig auf die Finger ſehr fleißig Achtung zu geben; damit man ſich nicht gewoͤhne, dieſelben im waͤhrenden Spielen hoch auf - zuheben, oder einen hoͤher als den andern zu erheben: weil es widrigen - falls unmoͤglich iſt, die Paßagien ſehr geſchwind, rund, und deutlich vor - zutragen; welches doch eines der vornehmſten Stuͤcke im Spielen iſt. Doch muͤſſen die Finger auch nicht allzunahe uͤber die Loͤcher, ſondern zum wenigſten um die Breite eines kleinen Fingers in die Hoͤhe gehalten werden: damit die Helligkeit und Reinigkeit des Tones nicht verhindert werde.

9. §.

Man huͤte ſich, mit der rechten Hand, bey Haltung der Floͤte, der linken zu Huͤlfe zu kommen; noch mehr, den kleinen Finger, um die Floͤte feſt zu halten, auf einer von den Klappen liegen zu laſſen, wenn ſie geſchloßen ſeyn ſoll. Dieſen Fehler habe ich bey ſehr vielen, die von dieſem Jnſtrumente Werk machen, wahrgenommen. Es iſt aber dieſes eine ſchaͤdliche Gewohnheit. Denn, wenn man in geſchwinden Paßagien, wo eine Hand um die andere wechſelsweiſe arbeitet, bey dem ein - und zweygeſtrichenen E, und bey dem ein - und zweygeſtrichenen F, (ſiehe die Fingerordnung der Floͤte) den kleinen Finger auf der Klappe liegenlaͤßt,32Das III. Hauptſtuͤck. Von der Fingerordnunglaͤßt, und ſie folglich offen behaͤlt; ſo werden dieſe Toͤne dadurch um ein Komma, oder ein Neuntheil eines Tones zu hoch: welches aber dem Ge - hoͤre kein Vergnuͤgen macht. Zu dem zweygeſtrichenen Fis, G, A, B, H, ſchadet das Eroͤffnen der Klappe nichts.

Das III. Hauptſtuͤck. Von der Fingerordnung oder Application, und der Tonleiter oder Scala der Floͤte.

1. §.

Weil ich bey dem folgenden Hauptſtuͤcke, welches vom Anſatze han - delt, an einigen Orten ſchon eine Kentniß der Fingerordnung vorausſetzen muß; ohne welche man die allda gegebenen Regeln nicht wuͤrde ausuͤben koͤnnen: ſo befinde ich fuͤr noͤthig, hier zuvoͤrderſt die Fingerordnung, und zwar diejenige, der ich mich ſelbſt bediene, und die ich als die beſte finde, mitzutheilen.

2. §.

Die Namen der Haupttoͤne*Jch nenne ſie deswegen Haupttoͤne, weil ſie zuerſt uͤblich geweſen ſind, und weil ſie ſich auf dem Syſtem von 5 Linien, auf welches man die Noten ſetzt, ehe es noch durch die Verſetzungszeichen veraͤndert wird, als ſolche darſtellen. ſind, wie bekannt: C, D, E, F, G, A, H.**Jch werde mich durch dieſes ganze Buch, bey Benennung der Toͤne, der gro - ßen deutſchen Anfangsbuchſtaben bedienen, und wo es noͤthig iſt, die Octave worinne ſie ſtehen mit Worten anzeigen. Es geſchieht theils der Bequemlichkeit des Druckes wegen; theils um an einigen Orten keine Verwirrung anzurichten. Dieſe werden durch alle Octaven wiederholet. Zween unter ihnen naͤmlich F gegen E, und C gegen H, ſind halbe, die uͤbri - gen aber ganze Toͤne. Die auf der Floͤte vorkommende tiefere Octave, iſt diejenige, in welcher man, um ſie von der hoͤhern zu unterſcheiden, bey der Benennung, uͤber die Buchſtaben einen Strich zu ſetzen, und ſie: die eingeſtrichenen, zu benennen pfleget. Jn der folgenden Octave ſetzet man zween Striche uͤber die Buchſtaben, und benennet ſie: die zweygeſtrichenen. Jn der darauf folgenden Octave ſetzet man drey Striche uͤber die Buchſtaben, und giebt ihnen den Namen: dreyge - ſtrichene. Dieſe Art die Toͤne zu benennen hat von der deutſchen Ta - bulatur, die vor Alters bey dem Claviere uͤblich war, ihren Urſprung genommen. Dieſe ſieben Toͤne werden auf einem Syſtem von fuͤnf Linien, welches bey der Floͤte mit dem G Schluͤſſel auf der zweyten Linie bezeichnetwird,33und der Tonleiter der Floͤte. wird, durch die Noten vorgeſtellet: ſo daß die Note eines Tones immer eine Linie, und die Note des darauf folgenden Tones den Raum darne - ben beſitzt. Folglich ſteht das eingeſtrichene D als der tiefſte gewoͤhn - liche Ton der Floͤte, auf dem Raume unter der unterſten Linie. Hier - auf folgen die andern wechſelsweiſe auf der Linie und dem Raume, bis zu dem zweygeſtrichenen G. Zu den daruͤber liegenden Toͤnen, pfleget man, wenn ſie vorkommen, immer eine Linie mehr zu ziehen, und folg - lich auch einen Raum mehr zu machen, und alſo bis zu der aͤußerſten Hoͤhe zu verfahren. ſiehe Tab. I. Fig. 1.

3. §.

Zwiſchen den ganzen Toͤnen dieſer ſieben Haupttoͤne, liegen noch fuͤnf andere Toͤne, welche den Raum zwiſchen dieſen Haupttoͤnen in zwo, obgleich an einigen Orten ungerade Haͤlften theilen; und deswegen, im Verhalt gegen den darunter oder daruͤber liegenden Hauptton, große oder kleine halbe Toͤne*Es iſt wahr, die Benennung der großen und kleinen halben Toͤne, ſcheint eini - gen Widerſpruch in ſich zu enthalten. Denn zween Theile eines Ganzen, welche ausmachen. Eben wegen dieſer Ungleichheit werden ſie auf zweyerley Art benennet, auf zweyerley Art im Schreiben angedeutet, und auf zweyerley Art, nach der reinen Stimmung, angege - ben. Sie erhalten im Deutſchen ihre Benennung durch zwo, den Haupt - toͤnen angehengete Sylben: es oder is; und werden zwar auf der Linie oder dem Raume des Haupttones; doch aber, entweder mit einem Er - niedrigungs - oder Erhoͤhungszeichen angedeutet. Steht einer dieſer Toͤ - ne einen halben Ton unter dem Haupttone; ſo henget man dem Buchſta - ben des Haupttones die Sylbe: es an; und ſetzet der Note ein run - des b vor, welches man das Erniedrigungszeichen betitelt. Die - ſes verurſachet, daß man allezeit den halben Ton unter dem Haupttone greifen muß. Bey der Benennung mit der Sylbe: es leiden das A und E eine Ausnahme, als welchen nur das bloße s angehenget wird; und der halbe Ton unter dem H, heißt gemeiniglich nur B. Jhre Be - nennungen ſind alſo folgende: Des, Es, Ges, As, B. Der Un -Eterſchied34Das III. Hauptſtuͤck. Von der Fingerordnung,terſchied dieſer halben Toͤne breitet ſich alsdenn, wenn ſie unter die Haupt - toͤne vermiſchet werden, nothwendig auch auf die beyden in der natuͤrli - chen Scala befindlichen halben Toͤne aus; folglich entſteht daraus noch das Ces, und Fes: ſ. Tab. I. Fig. 2. Soll man aber den halben Ton uͤber dem Haupttone nehmen; ſo ſetzet man der Note des Haupttones, ein doppeltes Kreuz, oder Diaͤſis vor: welches man das Erhoͤ - hungszeichen nennet: und bey der Benennung dieſer Toͤne, wird dem Buchſtaben des Haupttons die Sylbe: is angehenget; folglich heiſſen ſie: Cis, Dis, Fis, Gis, Ais. Hierzu geſellen ſich noch aus obi - gen Urſachen das Eis und His. ſ. Tab. I. Fig. 3. Vor dem Fis und Cis befindet ſich zuweilen ein großes einfaches Kreuz, ſ. Tab. I. Fig. 3. die vierte und neunte Note. Dieſes erhoͤhet den Hauptton um zween kleine halbe Toͤne: und weil derſelbe alsdenn ſchon um einen halben Ton erhoͤhet iſt; ſo bedienet man ſich dieſes einfachen Kreuzes, um nicht Verwirrung anzurichten, und zwey doppelte Kreuze vor eine Note zu ſetzen. Der erſte verwandelt ſich ſowohl auf dem Claviere als auf der Floͤte ins G, und der zweyte ins D. Folglich koͤnnte der erſte G fis, und der zweyte D cis genennet werden: weil meines Wiſſens noch keine Benennung davon bekannt iſt. Wenn aber ein Hauptton um zween kleine halbe Toͤne erniedriget werden ſoll, wie bey dem B und Es zuweilen vorkommen kann: dazu hat man noch kein eigenes Zeichen feſtgeſetzet. Einige Componiſten bedienen ſich bey dieſer Gelegenheit anſtatt zweyer runden b, eines etwas groͤßern runden b. Dieſe Toͤne werden auf der Floͤte wie der unter dem erniedrigten halben Tone befindliche Hauptton gegriffen, als B wie A, und Es wie D. Dafern die Tonart erfodert, daß einer oder der andere Hauptton, beſtaͤndig erniedriget oder erhoͤhet werde: ſo werden zur Bequemlichkeit des Schreibens, das b, und das Kreuz, gleich zu Aufang des Stuͤckes, im erſten Syſtem, vor die Li - nien oder Raͤume geſetzet, welche zu erhoͤhen oder zu erniedrigen ſind. Soll einer von dieſen erniedrigten oder erhoͤheten Haupttoͤnen, wieder in ſeine vorige Stelle geſetzet werden, ſo bedienet man ſich eines gewiſſen Zeichens, welches man das b quadrat, das eckigte b, das Wie - derrufungszeichen, oder auch, weil es einen verſetzten Hauptton wieder an ſeinen Ort ſetzet, das Wiederherſtellungszeichen, nennet, und welches alſo geſtaltet iſt: ſ. T. XXI. F. 3. den zweyten Tact.

ſich35und der Tonleiter der Floͤte.
*ſich nicht vollkommen gleich ſind, und bey denen die Theilung nicht gerade auf - geht, koͤnnen im genaueſten Verſtande nicht Haͤlften genennet werden. Jnzwi - ſchen iſt doch dieſe Benennung ſeit langen Zeiten eingefuͤhret: und ich glaube, daß ich ohne dieſelbe nicht ſo leicht wuͤrde verſtanden werden. Jch hoffe alſo, daß man dieſe kleinen vermeynten Undinger ſo lange werde mit durchſchleichen laſſen, bis eine genauere und beſtimmtere Benennung wird allgemein worden ſeyn
*

4. §.

Wie nun alle dieſe Toͤne auf der Floͤte gegriffen werden muͤſſen, die - ſes kann man aus der erſten Tabelle, und derſelben 1. 2. 3. Figur erſehen. Bey Fig. 1. ſind die Haupt - oder diatoniſchen Toͤne; bey Fig. 2. die Toͤ - ne ſo durch das runde b; und bey Fig. 3. die Toͤne ſo durch die Kreuze angedeutet werden, und welche man chromatiſche und enharmoniſche nen - net, anzutreffen. Die Ziffern ſo ſich unter den Noten befinden, zeigen, wie ſchon im vorigen Hauptſtuͤcke gemeldet worden, die Finger an, wel - che bey jedem Tone die erfoderlichen Loͤcher bedecken muͤſſen. Wo, an - ſtatt der Ziffern, Querſtriche ſtehen, bleiben die Loͤcher offen. Der mit 7. und 8. bemerkte kleine Finger eroͤffnet die ihm zugehoͤrigen Klappen, da wo die Ziffer ſteht; wo aber ein Strich befindlich iſt, laͤßt er ſie unbe - ruͤhrt. Wenn auf das zweygeſtrichene His das Cis folget, ſ. Tab. I. Fig. 3. darf man nur den fuͤnften Finger aufheben; ſo wird das Cis voll - kommen rein. Dieſes His kann man auch bey andern Gelegenheiten mit dem 2. 3. 4. 5. und 7. Finger nehmen, und das erſte Loch halb bedecken. Doch iſt das erſte beſſer als das letztere. Man darf ſich alſo nur bey der in dieſer Tabelle abgezeichneten Floͤte, die Ziffern, welche bey jedem Lo - che ſtehen, bemerken; ſo wird man gleich ſehen koͤnnen, welche Finger, bey jeder Note, muͤſſen gebrauchet werden.

Sollte das dreygeſtrichene F bey Fig. 1. nicht willig anſprechen, kann man das fuͤnfte Loch halb bedecken.
6
Das dreygeſtrichene ordentliche Cis bey Fig. 3. mit dem 2. 3. 4. und 7. Finger iſt ein wenig zu hoch. Bedecket man aber das erſte Loch halb, oder nimmt das gedachte Cis mit den 2. 3. 4. 6. und 7. Finger[;]ſo iſt es rein: doch findet dieſer Griff nur bey langſamer Bewegung ſtatt. Das außerordentliche dreygeſtriche - ne Cis, bey welchem alle Loͤcher offen bleiben, iſt hingegen zu tief: weswegen man die Floͤte auswaͤrts drehen muß.
7

5. §.

Man wird hieraus alſo erſehen, das die durch das b angedeuteten Toͤne um ein Komma hoͤher ſind, als wenn ſie mit dem Kreuze geſchriebenE 2werden.36Das III. Hauptſtuͤck. Von der Fingerordnung,werden. Folglich muͤſſen die zwiſchen D und E, und die zwiſchen G und A liegenden Tonarten, wenn ſie die kleine Terze bey ſich haben; und die zwiſchen C und D liegende, wenn ſie die große bey ſich hat, als wel - che zuweilen mit dem b, zuweilen mit dem Kreuze geſchrieben werden, auf unterſchiedene Art gegriffen werden, ſo daß Des um ein Komma hoͤher iſt als Cis; Es um ein Komma hoͤher als Dis; und As um ein Komma hoͤher als Gis.

6. §.

Einige Toͤne koͤnnen auf mehr als eine Art gegriffen werden. Z. E. Das dreygeſtrichene C und D kann man auf dreyerley Art neh - men, ſ. Tab. I. Fig. 1; das zweygeſtrichene B auf zweyerley Art, ſ. Fig. 2; das ein - und zweygeſtrichene Fis, und das dreygeſtrichene Cis auf zweyerley Art, ſ. Tab. I. Fig. 3. Die erſtere Art bleibt allezeit die gewoͤhnliche und gemeinſte: der zweyten und dritten Art hingegen bedie - net man ſich außerordentlicher Weiſe, um gewiſſe Paſſagien leichter und bequemer ſpielen zu koͤnnen. Z. E. Wollte man in den Paſſagien ſ. Tab. II. (a) ſich des ordentlichen B bedienen; ſo wuͤrde ſolches, wegen des dabey vorkommenden As und C, eine große Schwierigkeit verurſachen. Nimmt man aber das B auf die außerordentliche Weiſe; ſo kann man dieſelbe Paſſagie, in der groͤßten Geſchwindigkeit, rein und deutlich her - ausbringen. Zu den ſpringenden Noten E C und D C bey (b) iſt die zweyte Art vom C leichter, als die erſte und dritte. Bey (c) hingegen iſt die dritte Art vom C leichter, als die erſte und zweyte. Es giebt Floͤ - ten, welche dieſes C noch auf eine andere Art, naͤmlich mit dem dritten Finger und der Klappe angeben koͤnnen. Dieſes iſt ſehr bequem, wenn man etliche, ſtufenweis auf - oder abſteigende Noten, in der Geſchwin - digkeit zu ſpielen hat, bey denen das B C und D in der Hoͤhe vorkom - men. Die Paſſagie bey (d) wuͤrde in der Geſchwindigkeit mit dem or - dentlichen Cis nicht koͤnnen herausgebracht werden. Nimmt man aber die zweyte Art, ſo iſt ſie ganz leicht. Bey (e) kann man das D auf die zweyte, und bey (f) auf die dritte Art nehmen. Bey (g) kann man bey den erſten drey Figuren das B mit dem 1. und 3. Finger; bey der vierten Figur aber, mit dem 1. 3. 4. und 6. Finger nehmen; und den Wind zum B ein wenig maͤßigen: weil es ſonſt zu hoch iſt. Man ver - ſuche das Gegentheil; ſo wird man finden, daß dieſe Art von Paſſagien mit der gewoͤhnlichen Fingerordnung nicht herauszubringen ſind.

7. §. Dieſe37und der Tonleiter der Floͤte.

7. §.

Dieſe wenigen Exempel koͤnnen zu weiterer Unterſuchung Anlaß geben. Man muß nur allezeit auf die Vermiſchung der Noten Acht ha - ben, und alsdenn diejenige Art der Fingerordnung erwaͤhlen, welche we - gen Bewegung der Haͤnde die wenigſten Finger erfodert. Z. E. Wollte man in der Paßagie bey (a) das B auf die ordentliche Art nehmen; ſo wuͤrden vom C zu B ſechs, und vom As zu B vier Finger in Bewegung gebracht. Nimmt man aber das B auf die zweyte Art, ſo koͤmmt ſowohl bey dem erſten als letzten nur ein Finger in Bewegung: folglich hat man dadurch bey der Geſchwindigkeit einen großen Vortheil. Man unterſu - che die uͤbrigen Paßagien, bey (b) (c) (d) (e) (f) (g) ſo wird man dieſelbe Bequemlichkeit finden. Das zweyte oder außerordentliche Fis wird mehr in langſamen und cantabeln, als geſchwinden Gaͤngen gebrau - chet. Man trift es vornehmlich an, wenn ſolche Noten, ſ. Tab. II. (h) oder (i) ſie moͤgen ſteigend oder fallend ſeyn, auf einander folgen. Denn das ordentliche Fis iſt auf der Floͤte, ſowohl gegen das Gis, als das E mit dem Kreuze, zu tief. Giebt aber die Floͤte dieſes Fis ohne Klappe nicht an, ſo muß man die große Klappe dazu aufmachen, und den Wind maͤßigen. Mit dieſem außerordentlichen Fis muß man, wenn man es einmal hat hoͤren laßen, ſo lange fortfahren, als ein Stuͤck in der Tonart E dur, Cis moll, Fis moll, Gis moll, H dur, und Fis dur bleibt. Man darf an dergleichen Stellen nicht, bald das ordentliche, bald das außerordentliche Fis nehmen. Aendert ſich aber die Tonart, ſo daß das Gis ins G verwandelt wird, ſo muß man das ordentliche Fis wieder nehmen, und es zum erſtenmale etwas hoͤher als ſonſt angeben, bis das Gehoͤr deßelben wieder gewohnt wird.

8. §.

Die Urſache welche mich veranlaßet hat, der Floͤte noch eine Klap - pe, welche vorhin nicht geweſen iſt, hinzuzufuͤgen, ruͤhret von dem Un - terſchiede der großen und kleinen halben Toͤne her. Wenn eine Note auf eben derſelben Linie, oder auf eben demſelben Zwiſchenraume durch ein Kreuz erhoͤhet, ſ. Tab. II. (k), oder durch ein b erniedriget wird, ſ. (l); ſo beſteht der Unterſchied zwiſchen dieſer und dem Haupttone, aus einem kleinen halben Tone. Wenn hingegen eine Note auf der Linie, die an - dere aber eine Stufe hoͤher ſteht, und durch ein b erniedriget wird, ſ. (m): oder wenn eine Note auf der Linie ſteht, und durch ein Kreuz erhoͤhet wird; die andere aber auf dem Zwiſchenraume, eine Stufe hoͤher iſt,E 3und38Das III. Hauptſtuͤck. Von der Fingerordnung,und natuͤrlich bleibt, ſ. (n): ſo betraͤgt der Unterſchied zwiſchen dieſen beyden Noten, einen großen halben Ton. Der große halbe Ton hat fuͤnf Kommata, der kleine aber hat deren vier. Folglich muß Es um ein Komma hoͤher ſeyn als Dis. Haͤtte man nur eine Klappe auf der Floͤte, ſo muͤßten beyde das Es und das Dis, wie auf dem Claviere, da man ſie auf einem Taſte greift, ſchwebend geſtimmet werden: ſo daß weder das Es zu dem B, als Quinte von unten; noch das Dis zu dem H, als große Terze von oben, rein ſtimmen wuͤrden. Um nun dieſen Un - terſchied zu bemerken, und die Toͤne in ihrer Verhaͤltniß rein zu greifen, war noͤthig, der Floͤte noch eine Klappe hinzuzufuͤgen. Dieſem zu Folge werden die halben Toͤne, ſo das b gegen die Haupttoͤne machet, anders gegriffen, als die, welche durch das Kreuz angedeutet werden. Z. E. Das eingeſtrichene B wird anders gegriffen als Als; das zweygeſtrichene C anders, als His; das zweygeſtrichene Des (bey welchem die Floͤte auswaͤrts gedrehet wird) anders als Cis; das Fes anders als E; das zweygeſtrichene Ges anders, als Fis; das zweygeſtrichene As (mit der kleinen Klappe) anders, als daßelbe Gis (mit der großen Klappe); das dreygeſtrichene Ces anders, als das zweygeſtrichene H, u. ſ. w. Es iſt zwar wahr, dieſer Unterſchied kann auf dem Claviere, wo man alle dieſe Toͤne, die hier unterſchieden ſind, auf einem Taſte greift, und ſich nur durch die Schwebung derſelben helfen muß, nicht gemacht werden. Dem ungeachtet aber, da er doch in der Natur der Toͤne gegruͤndet iſt; da ihn Saͤnger und Bogeninſtrumentiſten, ohne Muͤhe beobachten koͤnnen: ſo iſt es billig, denſelben auch auf der Floͤte anzubringen; welches ohne die zweyte Klappe nicht geſchehen kann. Wer das muſikaliſche Gehoͤr recht ins Feine bringen will, dem iſt eine Erkenntniß davon noͤthig. Vielleicht wird mit der Zeit auch der Nutzen davon noch groͤßer.

9. §.

Ungeachtet ich den Gebrauch dieſer zwo Klappen ſchon vor etlichen und zwanzig Jahren bekannt gemacht habe; ſo iſt er doch bisher noch nicht allgemein worden. Vielleicht haben nicht alle den Nutzen davon eingeſehen: vielleicht haben ſie ſich eine große Schwierigkeit im Spielen dabey vorgeſtellet. Weil aber die krumme Klappe zu nichts als denen Tab. II. (q) befindlichen vier Noten, wenn naͤmlich ein Kreuz davor ſteht, gebrauchet wird; die kleine hingegen, zu allen uͤbrigen, natuͤrlichen, er - hoͤheten oder erniedrigten Toͤnen, zu welchen nur ſonſt eine Klappe noͤ -thig39und der Tonleiter der Floͤte. thig iſt, dienet: ſo wird man ſehen koͤnnen, daß dieſe eingebildete Schwie - rigkeit nicht viel auf ſich hat.

10. §.

Daß die krumme Klappe oben auf, in gerader Linie mit den Loͤ - chern; die kleine Klappe aber gleich daneben, gegen den kleinen Finger geſetzet werden muͤſſe; wird man aus der, in der erſten Tabelle abgezeich - neten Floͤte, erſehen koͤnnen. Spielet aber jemand links, ſo muß die Kruͤmme von der großen Klappe auf die andere Seite gebeuget, und die kleine Klappe auch dahin geſetzet werden: und zwar ſo, daß man beyde Klappen mit dem kleinen Finger bequem erreichen koͤnne; es ſey auf der einen oder der andern Seite. Deswegen muß der Haken von der krum - men Klappe nicht zu lang ſeyn, ſondern nur ſo, daß zwar die krumme Klappe faſt die Breite eines kleinen Fingers laͤnger ſey, als die kleine; nicht aber vor derſelben vorſtehe: damit man die kleine niederdruͤcken koͤnne, ohne die krumme zu beruͤhren. Machet man aber die krumme Klappe mit zween Haken, wie die C Klappe an dem Hoboe; und ſetzet auf der an - dern Seite auch eine kleine Klappe: ſo kann eine ſolche Floͤte, von einem jeden, er ſpiele rechts oder links, gebrauchet werden.

11. §.

Um die Loͤcher bey den zwo Klappen rein zu ſtimmen, muß man zu der kleinen, die Terze G, und die Quinte B verſuchen: ſ. Tab. II. (o) und zu der krummen das H und Fis, zu welchen dieſes Dis die große Terze macht. ſ. (p)

12. §.

Weil die Fingerordnung auf der Floͤte traverfiere viel Aehnlichkeit mit der auf dem Hoboe hat: ſo glauben viele, daß ein jeder, der den Hoboe ſpielet, die Floͤte traverſiere von ſich ſelbſt erlernen koͤnne: und daher kommen ſo viele unrichtige Ordnungen der Finger, und ungeſchikte Arten des Anſatzes. Dieſe beyden Jnſtrumente aber, ſind, wie jeder leicht abnehmen kann, ihren Eigenſchaften nach gar ſehr von einander unterſchieden: man muß ſich alſo durch das angefuͤhrte Vorurtheil, nicht verfuͤhren laſſen.

Das40Das IV. Hauptſtuͤck.

Das IV. Hauptſtuͤck. Von dem Anſatze, (Embouchure.)

1. §.

Die Structur der Floͤte hat eine Aehnlichkeit mit der Luftroͤhre; und die Bildung des Tones in der Floͤte, iſt der Bildung des Tones in der menſchlichen Luftroͤhre aͤhnlich. Die Menſchenſtimme wird durch das Herausſtoßen der Luft aus der Lunge, und durch die Be - wegung des Kopfes der Luftroͤhre gewirket. Die verſchiedene Stellung der Theile des Mundes, als des Gaumen, des Zapfens, der Wangen, der Zaͤhne, der Lippen, ingleichen auch der Naſe, machet, daß der Ton auf verſchiedene Art, entweder gut oder ſchlecht, hervorgebracht wird. Wenn man die Oeffnung der Luftroͤhre, vermittelſt der dazu gehoͤrigen Muskeln erweitert, und alſo die fuͤnf Knorpel, aus welchen der Kopf der Luftroͤhre beſteht, unterwaͤrts zieht; wobey gedachter Kopf zugleich etwas kuͤrzer wird: wenn man ferner dabey die Luft etwas langſam aus der Lunge heraus ſtoͤßt: ſo entſteht daraus ein tiefer Ton; welcher deſto tiefer iſt, ie mehr ſich die Oeffnung der Luftroͤhre erweitern laͤßt. Wenn man hingegen die Oeffnung der Luftroͤhre durch Huͤlfe anderer hierzu be - ſtimmter Muskeln zuſammen zieht, und die oben gedachten fuͤnf Knorpel des Kopfes derſelben ſich folglich in die Hoͤhe geben, wodurch die Lufroͤhre etwas enger und laͤnger wird; wenn man zugleich die Luft mit mehrerer Geſchwindigkeit aus der Lunge heraus treibt: ſo entſteht daraus ein hoher Ton: und je enger dieſe Oeffnung wird, je hoͤher iſt der Ton. Wenn man die Zunge an den Gaumen druͤcket; oder wenn man die Zaͤhne ein - beißet, daß der Mund nicht genug geoͤffnet iſt: ſo wird dadurch der Ton verhindert, und nehmen daher die Hauptfehler des Singens, naͤmlich die ſogenannte Gurgel - und Naſenſtimme ihren Urſprung.

2. §.

Auf der Floͤte wird der Ton durch die Bewegung der Lippen, nach - dem man dieſelben, bey der Herausſtoßung des Windes in das Mundlochder41Von dem Anſatze. der Floͤte, mehr oder weniger zuſammen zieht, gebildet. Der Mund und ſeine Theile aber koͤnnen ebenfalls den Ton auf vielerley Art veraͤn - dern. Man hat ſich alſo dabey ebenfalls, von allen hier moͤglichen Feh - lern, welche weiter unten angezeiget werden ſollen, zu huͤten; damit man nicht auch die obengemeldeten Fehler einiger Menſchenſtimmen nachahme.

3. §.

Ueberhaupt iſt auf der Floͤte der Ton (ſonus) der allergefaͤlligſte, welcher mehr einem Contralt als Sopran; oder welcher denen Toͤnen, die man bey dem Menſchen die Bruſtſtimme nennet, aͤhnlich iſt. Man muß ſich, ſo viel als moͤglich iſt, bemuͤhen, den Ton derjenigen Floͤten - ſpieler zu erreichen, welche einen hellen, ſchneidenden, dicken, runden, maͤnnlichen, doch dabey angenehmen Ton, aus der Floͤte zu ziehen wißen.

4. §.

Vieles koͤmmt dabey auf das Jnſtrument ſelbſt an; ob ſolches auch wegen des Tones die gehoͤrige Aehnlichkeit mit der Menſchenſtimme in ſich hat. Fehlet es hieran; ſo iſt kein Menſch vermoͤgend, durch die Geſchik - lichkeit der Lippen, den Ton zu verbeſſern: ſo wenig ein guter Saͤnger ſeine von Natur ſchlechte Stimme ſchoͤn machen kann. Einige Floͤten geben einen ſtarken und dicken; andere einen ſchwachen und duͤnnen Ton von ſich. Die Staͤrke und Helligkeit des Tones ruͤhret von der Beſchaf - fenheit des Holzes, wenn es naͤmlich dicht oder compact, hart und ſchwer iſt. Der dicke und maͤnnliche Ton ruͤhret von der inwendigen Weite der Floͤte, und von der proportionirlichen Dicke des Holzes her. Der duͤnne ſchwache Ton entſpringt von dem Gegentheile; wenn naͤmlich das Holz poroͤs und leicht, der inwendige Bau der Floͤte enge, und die Floͤte ſchwach von Holze iſt. Die Reinigkeit der Octaven ruͤhret nur allein von dem inwendigen Baue her; welcher jedoch auch zur Schoͤnheit und Annehmlichkeit des Tones viel beytraͤgt. Wenn die Floͤte zu ſehr verjuͤnget zugeht: ſo wer - den die hohen Toͤne gegen die tiefen zu hoch. Jſt aber die inwendige Weite zu wenig verjuͤnget: ſo werden die hohen Toͤne gegen die tiefen zu tief. Das Mundloch muß ebenfalls gut geſchnitten ſeyn. Die reine Stimmung von einem Tone zum andern, koͤmmt auf einen feſten und ſichern Anſatz, und auf ein gut muſikaliſch Gehoͤr an; auch daß man die Verhaͤltniß der Toͤne wohl verſtehe. Wer bey dieſer Erkenntniß die Floͤte auch zugleich gut ſpielet, der iſt im Stande, eine gute und reingeſtimmte Floͤte zu machen. Weil aber dieſes den meiſten Floͤtenmachern fehlet: ſoFiſt42Das IV. Hauptſtuͤck. iſt es nicht nur was rares, einer guten Floͤte habhaft zu werden; ſondern auch dadurch, bey oͤfterm Spielen, ein gutes Gehoͤr zu erlangen. Es iſt demnach ein großer Vortheil fuͤr einen Floͤtenſpieler, wenn derſelbe die Einſicht ſelbſt Floͤten zu verfertigen, oder wenigſtens abzuſtimmen, beſitzt. Eine neue Floͤte ſchwindet durch das Blaſen zuſammen, und veraͤndert ſich mehrentheils an ihrem inwendigen Baue; folglich muß ſie wieder nach - gebohret werden, um die Reinigkeit der Octaven zu erhalten. Man hat vor alten Zeiten eine irrige Meynung gehabt, wenn man geglaubet, daß nur ein ſchlechter, nicht aber ein guter Spieler ein Jnſtrument verderben, oder durch das Blaſen falſch machen koͤnne: da doch das Holz ſowohl bey dem einen, als bey dem andern ſich veraͤndert; man mag ſtark oder ſchwach, die Toͤne rein oder falſch ſpielen. Ueberhaupt hat eine ausge - ſpielte Floͤte, in ſo fern ſie an ſich gut, und rein abgeſtimmet iſt, alle - zeit einen Vorzug vor einer neuen. Hat nun jemand eine Floͤte von allen hier erzaͤhlten guten Eigenſchaften; ſo iſt er gluͤklich: denn ein gutes und rein geſtimmtes Jnſtrument iſt halb geſpielet.

5. §.

Oefters aber liegt es dem ungeachtet mehr am Spieler als am Jn - ſtrumente. Wenn viele Perſonen, einer nach dem andern, auf eben demſelben Jnſtrumente ſpielen; ſo wird man finden, daß ein jeder einen beſondern Ton, ſo ſich von andern unterſcheidet, hervorbringt. Dieſes aber ruͤhret alsdenn nicht von dem Jnſtrumente, ſondern von dem der es ſpielet, her. Mancher beſitzt die Gabe ſowohl die Stimme als auch die Sprache anderer Menſchen nachzumachen. Wenn man es aber genau unterſuchet, ſo findet man dennoch, daß es nicht die Stimme ſelbſt, ſondern nur eine Nachahmung iſt. Hieraus folget, daß ſowohl eine be - ſondere Stimme, als auch ein beſonderer Ton auf Jnſtrumenten, in ei - nem jeden Menſchen von Natur liegen muͤße, welche er nicht gaͤnzlich ver - aͤndern kann. Jch will nicht in Abrede ſeyn, daß man durch vielen Fleiß, und genaues Aufmerken, den Ton aͤndern, und die Aehnlichkeit mit dem Tone eines andern in etwas erlangen koͤnne; zumal wenn es gleich vom Anfange geſchieht; Doch weis ich aus eigener Erfahrung, daß wenn auch zwo Perſonen viele Jahre mit einander ſpielen, dennoch des einen ſein Ton von dem andern immer etwas unterſchieden bleibt. Solches zeiget ſich nicht nur bey der Floͤte allein; nicht nur bey allen Jnſtrumen - ten deren Ton durch den Anſatz und den Bogenſtrich hervorgebracht wird:ſondern43Von dem Anſatze. ſondern auch ſo gar der Clavicymbal und die Laute ſind davon nicht aus - geſchloſſen.

6. §.

Es wird ein jeder erfahren, daß man den Anſatz auf der Floͤte nicht allezeit uͤberein, und gleich gut hat; ſondern daß der Ton immer einmal heller und angenehmer iſt, als das anderemal. Bisweilen aͤndert ſich der Ton in waͤhrendem Spielen, wenn die Schaͤrfe des Randes von dem Mundloche, auf der Lippe, einen tiefern Eindruck gemachet hat; bis - weilen aͤndert er ſich nicht. Dieſes ruͤhret alſo von der Beſchaffenheit der Lippen her. Die Witterung, gewiſſe Speiſen und Getraͤnke, eine in - nerliche Hitze, und andere Zufaͤlle mehr, koͤnnen ſehr leicht die Lippen auf eine Zeit lang verderben; daß ſie entweder zu hart, oder zu weich, oder auch aufgeſchwollen ſind. Bey dieſen Umſtaͤnden iſt weiter nichts als die Geduld, und Vermeidung derer Dinge, ſo hierinne ſchaͤdlich ſeyn koͤnnen, anzurathen.

7. §.

Man kann alſo hieraus abnehmen, daß es keine leichte Sache ſey, vom Anſatze gewiße und beſtimmte Regeln zu geben. Mancher bekoͤmmt ſolchen durch eine natuͤrliche Faͤhigkeit ganz leicht; mancher mit vieler Muͤhe; mancher faſt gar nicht. Auf die natuͤrliche Beſchaffenheit und das Gewaͤchs der Lippen und Zaͤhne koͤmmt hierbey viel an. Wenn die Lippen ſehr dick, die Zaͤhne aber kurz und ungleich ſind; ſo verurſachet ſolches viel Schwierigkeit. Dem ungeachtet will ich mich bemuͤhen davon ſo viel zu ſagen, als moͤglich iſt.

8. §.

Wenn man die Floͤte an den Mund ſetzet, ſo ziehe man erſt die Ba - cken ein, damit die Lippen glatt werden. Hierauf ſetze man die Ober - lippe uͤber das Mundloch, an den Rand deßelben. Die Unterlippe druͤ - cke man an die obere; und ziehe die untere alsdenn von oben an dem Mundloche herunter, bis man fuͤhlet, daß der unterſte Rand des Mund - loches faſt mitten auf dem Rothen der Unterlippe ſich befindet; und das Loch, nachdem die Floͤte vorher von der Oberlippe etwas abgewendet worden, von der Unterlippe halb bedecket wird. Die Luft muß, im Bla - ſen, halb in das Mundloch, und halb uͤber daßelbe weggehen; damit die Schaͤrfe des Mundloches dieſelbe zerſchneide: denn eben hierdurch wird der Klang verurſachet. Wenn aber das Loch zu weit offen bleibt; ſo wird der Ton zwar ſtark, aber dabey unangenehm und hoͤlzern; bedecketF 2man44Das IV. Hauptſtuͤck. man es hingegen mit der Unterlippe zu viel, und haͤlt den Kopf dabey nicht in die Hoͤhe; ſo wird der Ton zu ſchwach, und nicht hell genug. Das allzufeſte Zuſammendruͤcken der Lippen und Zaͤhne machet den Ton ziſchend; durch das uͤberfluͤßige Ausdehnen des Mundes und der Kehle wird er dumpfig.

9. §.

Das Kinn und die Lippen muͤßen ſich im Blaſen beſtaͤndig, nach dem Verhalte der ſteigenden und fallenden Noten, vor - oder ruͤckwaͤrts bewegen. Von dem zweygeſtrichenen D an, bis an das eingeſtrichene D, muͤßen die Lippen nach und nach zuruͤck an die Zaͤhne gezogen, und der Lippen Oeffnung etwas laͤnger und weiter gemachet werden: damit man in der Tiefe einen dicken und ſchneidenden Ton heraus bringen koͤnne. Von dem zweygeſtrichenen D bis in das dreygeſtrichene D, muß das Kinn, und beyde Lippen, nach und nach, vorwaͤrts von den Zaͤhnen ab - geſchoben werden; doch ſo, daß die Unterlippe gegen der obern ein wenig vorſtehe, und die Oeffnung der Lippen etwas ſchmaͤler und enger werde. Man druͤcke die Lippen aber nicht zu feſt auf einander; damit das Ziſchen der Luft nicht gehoͤret werde.

10. §.

Wer ſehr dicke Lippen hat, der thut wohl, wenn er den Anſatz um ein klein wenig mehr auf der linken Seite ſuchet; nicht aber ganz mitten auf den Lippen: denn der Wind bekoͤmmt alsdenn mehr Schaͤrfe, wenn er zur linken des Mundloches in den Winkel gebracht wird; wie ſolches die Erfahrung beſſer, als man es beſchreiben kann, zeiget.

11. §.

Jch will eine Richtſchnur geben, wieviel man bey einer jeden Octave, das Kinn und die Lippen zuruͤck zu ziehen, oder vorwaͤrts zu ſchieben hat. Man betrachte das abgezeichnete Mundloch (Embouchure) ſ. Tab. II. Fig. 2. welches zugleich die gehoͤrige Groͤße, ſo es auf der Floͤte haben muß, darſtellet. Jn demſelben wird man vier Querlinien erbli - cken. Die zweyte Linie von unten zeiget die Mitte, und wie weit das Mundloch, zu dem zweygeſtrichenen D, mit der Lippe bedecket werden muͤße. Die unterſte Linie weiſet, wie weit man beyde Lippen auf dem Mundloche zuruͤck ziehen muͤſſe, wenn man das eingeſtrichene D angeben will. Die dritte Linie zeiget, wie weit man die Lippen zu dem dreyge - ſtrichenen D vorwaͤrts zu ſchieben habe. Und die vierte Linie, wo der Zwiſchenraum nur halb ſoviel betraͤgt, lehret, wie weit man die Lippenzu45Von dem Anſatze. zu dem dreygeſtrichenen G noch weiter vorwaͤrts ſchieben muͤſſe, als es ſonſt zum dreygeſtrichenen D noͤthig iſt. Die Oeffnung des Mundloches bleibt alsdenn nicht groͤßer, als hier der Raum zwiſchen der vierten Linie und dem Cirkel ausweiſet. Weil die Bewegung der Lippen durch eine Octave keine groͤßere Weite einnimmt, als der Raum zwiſchen den hier be - findlichen Linien ausmachet: ſo iſt auch nicht moͤglich, die dazwiſchen vor - kommenden ſechs Toͤne, mit eigenen Linien zu bezeichnen. Man muß ſolche vielmehr durch die Beurtheilungskraft, und das Gehoͤr zu treffen bemuͤhet ſeyn.

12. §.

Wenn man nun anfangen will ſich den Anſatz zu machen, und oben - gedachtermaßen die Floͤte ſo an die Lippen geſetzet hat, daß das Mund - loch bis an die zweyte Linie, das iſt halb, bedecket iſt: ſo blaſe man auf ſolche Art, ohne die Finger auf die Loͤcher zu ſetzen, ſo lange in demſel - ben Anſatze, bis die Unterlippe ſo zu ſagen muͤde wird; und der unterſte Rand des Mundloches einen Eindruck auf derſelben gemachet hat. Die - ſen Eindruck von der Schaͤrfe des Randes veraͤndere man weder ſeitwaͤrts, noch in gerader Linie: damit man das Gefuͤhl bekomme, denſelben Ort gleich wieder zu finden; um den Ton, ohne viel Muͤhe, bald angeben zu koͤnnen. Auf dieſe Art wird ſich das zweygeſtrichene D hoͤren laßen. Man ſpiele hierauf, in der erſten Octave, die Toͤne nach einander un - terwaͤrts, bis in das eingeſtrichene D; und ziehe die Lippen nebſt dem Kinn, bey jedem Tone, nach oben angezeigtem Verhalt, zuruͤck, bis an die unterſte Linie. Alsdenn kehre man es um, und ſpiele dieſelben Toͤne wieder nach einander aufwaͤrts, bis an das vorige zweygeſtrichene D; und ſchiebe die Lippen nebſt dem Kinn eben ſo vorwaͤrts, wie man ſolche vorher zuruͤck gezogen hatte. Mit dieſer Uebung unterhalte man ſich ſo lange, bis man dieſe Toͤne alle, nacheinander, ſicher heraus bringen kann.

13. §.

Von da an ſpiele man die folgenden hohen Toͤne, bis in das dreyge - ſtrichene D; und ſchiebe dabey das Kinn und die Lippen vorwaͤrts, von den Zaͤhnen ab, bis an die dritte Linie; in eben dem Verhalt, wie in der tiefen Octave, bis an die zweyte Linie, geſchehen. Ferner ſchiebe man das Kinn und die Lippen von der dritten Linie noch weiter vorwaͤrts, bis an die vierte Linie: ſo werden die dreygeſtrichenen Toͤne, bis an das G, ganz gemaͤchlich zur Anſprache gebracht werken koͤnnen. DochF 3kann46Das IV. Hauptſtuͤck. kann dieſes letztere nicht eher verlanget werden, als bis man die erſten zwo Octaven, ſchon mit einer Leichtigkeit, heraus zu bringen faͤhig iſt.

14. §.

Bey denen im vorigen § gemeldeten Toͤnen darf der Wind keines - weges verſtaͤrket oder verdoppelt werden: wie Mr. Vaucanſon, in ſeinem mechaniſchen Floͤtenſpieler, irrig lehret; indem er vorgiebt, daß man die Octaven, auf der Floͤte traverſiere, nicht anders als auf ſolche Art, heraus bringen koͤnne. Sie muͤßen vielmehr durch das Zuſammen - preſſen der Luft in dem Mundloche der Floͤte, welches aus dem Vorwaͤrts - ſchieben des Kinns und der Lippen entſteht, gewirket werden: und iſt jenes alſo eine ganz falſche und ſchaͤdliche Meynung. Das Gegentheil erhellet auch daraus, weil man in der Hoͤhe mit dem Athem laͤnger aus - halten kann, als in der Tiefe; und alſo unmoͤglich mehr Wind drauf gehen kann. Jch gebe zu, daß die Art des Herrn Vaucanſon, bey einer Floͤte, ſo durch eine Maſchine geſpielet wird, noͤthig ſey: weil hier die Bewegun - gen der Lippen eingeſchraͤnket ſind. Jch weis aber auch aus der Erfah - rung, daß bey ſolchen mechaniſchen Floͤtenſpielern, die Regel, daß die tiefen Toͤne ſtark, und die hohen hingegen ſchwach geſpielet werden muͤßen, nicht beobachtet wird. Sollten nun die Octaven durch die Staͤrke und Verdoppelung des Windes herausgebracht werden; ſo wuͤrde folgen, daß die hohen Toͤne ſtaͤrker als die tiefen angeblaſen werden muͤßten: welches aber wider die Eigenſchaft der Floͤte iſt, und die hohen Toͤne uͤberaus rauh und unangenehm machet. Man muß ſich alſo dadurch auf keinen Jrrweg verfuͤhren laßen.

15. §.

Es iſt wahr; es giebt viele Floͤtenſpieler, ſo wider dieſe Regeln han - deln. Dieſes fließt aus dem ſchlechten Anſatze, den ſie haben: daß ſie naͤmlich das Mundloch nicht bis an die Haͤlfte mit der Lippe bedecken; ſondern daßelbe zu weit offen laßen: wodurch ſie des Vortheils beraubet werden, in den tiefen Toͤnen die Lippen zuruͤck zu ziehen, und in den hohen Toͤnen dieſelben genugſam vorwaͤrts zu ſchieben. Weil alſo das Mundloch zu weit offen iſt: ſo muͤſſen ſie die hohen Toͤne, aus Noth, durch ſtaͤrkeres Blaſen heraus zwingen. Sie wißen auch nichts von der noͤthigen Bewegung des Kinns, und der Lippen; ſondern laſſen dieſelben beſtaͤndig unbeweglich ſtehen: da doch das Reinſpielen der Floͤte von die - ſer Bewegung großen Theils abhaͤngt. Durch mehrere oder wenigere Oeffnung des Mundloches, kann man die Floͤte, einen Viertheil-einenhalben,47Von dem Anſatze. halben, oder auch wohl einen ganzen Ton tiefer und hoͤher ſpielen: und in der Floͤte muß der innerliche Bau ſo beſchaffen ſeyn, daß die Octa - ven etwas uͤber ſich ſchweben; damit man, wenn man ſelbige nach dem Gehoͤre rein ſpielen will, verbunden ſey, die tiefen Toͤne ſtaͤrker, die hoͤ - hern aber ſchwaͤcher anzublaſen; um die uͤber ſich ſchwebenden Octaven, zu ihrer vollkommenen Reinigkeit zu bringen: welches aber auf keine an - dere Art, als durch die Bewegung des Kinns und der Lippen geſchehen kann. Wird das Mundloch mit der Unterlippe ſo viel bedecket, als zu den hohen Toͤnen noͤthig iſt: ſo kann man die tiefen weder ſtark noch rein ſpielen. Zieht man aber die Lippe ſo weit zuruͤck, als es die tiefen Toͤne erfordern; und ſpielet ohne Bewegung des Kinns und der Lippen in den hohen Toͤnen: ſo faͤllt man in den oben ſchon angezeigten Fehler, naͤm - lich den Ton pfuſchend, dumpfig, und uͤberhaupt fuͤr dieſes Jnſtrument zu ſtark, und zu unangenehm zu machen.

16. §.

Weil dieſe Regeln von den wenigſten Floͤtenſpielern gehoͤrig beobach - tet werden; ſo ſind viele der Meynung, es liege am Jnſtrumente ſelbſt: welches doch nicht iſt. Es iſt zwar wahr, daß die Floͤte, in einigen chromatiſchen Tonarten, gewiſſe Unvollkommenheiten an ſich hat. Be - ſitzt der Spieler aber einen guten Anſatz, ein gutes muſikaliſches Gehoͤr, eine richtige Fingerordnung, und eine hinlaͤngliche Erkenntniß des Ver - halts der Toͤne: ſo kann dieſem Fehler leicht abgeholfen werden.

17. §.

Es iſt oben geſaget worden, daß die Octaven auf der Floͤte nicht durch die Staͤrke und Verdoppelung des Windes; ſondern durch das Vor - waͤrtsſchieben des Kinns und der Lippen hervorgebracht werden muͤſſen. Die Floͤte hat auch hierinne mit der Menſchenſtimme einige Aehnlichkeit. Die Stimme beſteht aus zweyerley Arten, aus der Bruſtſtimme, und aus dem Falſet, oder Fiſtel. Durch die letztere Art, bey welcher der Kopf der Luftroͤhre noch mehr zuſammen gedruͤcket wird, kann man, ohne ſich Gewalt anzuthun, in der Hoͤhe einige Toͤne mehr, als mit der Bruſtſtimme moͤglich iſt, herausbringen. Die Jtaliaͤner, und einige andere Nationen vereinigen dieſes Falſet mit der Bruſtſtimme, und bedie - nen ſich deßen, bey dem Singen, mit großem Vortheile; Bey den Fran - zoſen aber iſt es nicht uͤblich: weswegen ſich dieſer ihr Singen, in den hohen Toͤnen, oͤfters in ein unangenehmes Schreyen verwandelt: und eben die Wirkung thut, als wenn man auf der Floͤte das Mundlochnicht48Das IV. Hauptſtuͤck. nicht genugſam bedecket, und die hohen Toͤne durch ſtaͤrkeres Blaſen her - auszwingen will. Die Bruſtſtimme iſt die natuͤrliche; deren man ſich auch im Reden bedienet. *Aus dieſem Grunde haben erfahrne Componiſten zu einer Regel feſtgeſetzet, daß man nicht ohne Noth, oder andere beſondere Umſtaͤnde, in Arien, noch weniger aber im Recitativ, dem Saͤnger außer der Bruſtſtimme Worte auszuſprechen gebe: beſonders wenn die Selbſtlauter u oder i darinne vorkommen. Denn die Stellung des Mundes, bey Ausſprechung dieſer beyden Selbſtlauter, kann bey den meiſten Saͤngern, mit der Stellung der Luftroͤhre bey dem Gebrauche des Falſets, ſich nicht anders, als mit gewißer Unbequemlichkeit, vergleichen.Das Falſet aber iſt gekuͤnſtelt, und wird nur im Singen gebrauchet. Es nimmt allda ſeinen Anfang, wo die Bruſt - ſtimme ihr Ende hat: Obwohl der Kopf der Luftroͤhre, auch bey der Bruſtſtimme, wenn man in die Hoͤhe geht, bey jedem Grade etwas enger und laͤnger wird: ſo wird er doch bey dem Falſet, um ein merkliches mehr zuſammengezogen, und dabey ſo in die Hoͤhe gehalten. Die Luft wird, zwar nicht ſtaͤrker, doch etwas geſchwinder aus der Lunge herausgetrie - ben. Der Ton aber wird etwas weniges ſchwaͤcher als bey der natuͤrli - chen Stimme.

18. §.

Wie nun bey den Falſettoͤnen die Oeffnung der Luftroͤhre enge wird: ſo wird auf der Floͤte durch das Vorwaͤrtsſchieben der Lippen und des Kinns, das Mundloch enger: ſo daß dadurch, wenn man einen tiefen Ton vorher angegeben hat, die hohe Octave alsdenn, ohne mit der Zun - ge anzuſtoßen, anſpricht. Man koͤnnte die tiefe Octave der Floͤte mit der Bruſtſtimme; die hohe aber mit dem Falſet vergleichen. Ueberhaupt koͤmmt alſo die Floͤte auch hierinne mit der Menſchenſtimme uͤberein, daß, ſo wie bey dieſer, die Oeffnung der Luftroͤhre, wenn man die Toͤne auf - oder unterwaͤrts ſingt, nach Proportion der Jntervalle entweder zuſam - men gedruͤcket, oder auseinander gedehnet werden muß: alſo auch bey jener, bey ſteigenden Toͤnen, durch das Vorwaͤrtsſchieben und Zuſam - mendruͤcken der Lippen und des Kinns, die Oeffnung des Mundloches enger; bey fallenden Toͤnen aber, durch das Zuruͤck - und Auseinanderzie - hen der Lippen, weiter gemacht wird. Denn ohne dieſe Bewegung wer - den die hohen Toͤne zu ſtark, die tiefen zu ſchwach, und die Octaven unrein.

19. §.

Will man eine Uebung machen, um die Octaven auf der Floͤte rein angeben zu lernen: ſo ſetze man die Floͤte an den Mund, daß dasMund -49Von dem Anſatze. Mundloch von der Lippe bis an die zweyte Linie bedecket wird; und ziehe hernach die Lippen und das Kinn bis an die unterſte Linie zuruͤck, und ſtoße das eingeſtrichene D an. Man blaſe mit einerley Staͤrke; und indem man den 1. Finger zu dem zweygeſtrichenen D aufmachen will, ſchiebe man die Lippen und das Kinn zugleich vorwaͤrts bis an die zweyte Linie: ſo wird man finden, daß das zweygeſtrichene D von ſich ſelbſt an - ſpricht. Dieſes wiederhole man ſo oft, bis man fuͤhlen lernet, wie weit man die Lippen und das Kinn vorwaͤrts ſchieben muͤße. Bey der D - Octave laͤßt es ſich am leichteſten ausuͤben: weil die Oeffnung des erſten Fingers es in etwas erleichtert. Man verſuche es daher um einen Ton hoͤher, naͤmlich von dem eingeſtrichenen E zum zweygeſtrichenen. Hier muͤßen die Lippen nebſt dem Kinn etwas weniger als bis an die unterſte Linie gezogen, und zu der Octave etwas uͤber die zweyte Linie vorwaͤrts geſchoben werden. Nach dieſem Verhalte, der im 11. §. gelehret wor - den, verfahre man mit allen Toͤnen, ſo noch eine Octave uͤber ſich ha - ben. Das Exempel Tab. II. Fig. 3. kann hierbey zum Muſter dienen, und durch die Verſetzung in allen Tonarten gebrauchet werden.

20. §.

Das dreygeſtrichene E iſt eigentlich der hoͤchſte brauchbare Ton, welchen man zu allen Zeiten angeben kann. Bey den uͤbrigen noch hoͤ - hern koͤmmt es auf einen beſonders guten Anſatz an. Wer duͤnne und ſchmahle Lippen hat, dem wird die Hoͤhe deſto leichter. Mit dicken Lip - pen hingegen, hat man in der Tiefe einen Vortheil. Weis man aber nur, die gehoͤrige Weite der Fortſchiebung der Lippen auf dem Mund - loche, welche die gegebenen Regeln mit den Linien zeigen, ſicher zu fin - den; ſo wird es nicht mehr ſchwer fallen, alle Toͤne, ſowohl in der Hoͤhe als Tiefe, anzugeben.

21. §.

Es verſteht ſich alſo von ſich ſelbſt, daß die Lippen, bey Toͤnen, die ſtufenweiſe auf - oder abſteigen, ſich nur nach und nach bewegen; bey ſpringenden Noten aber, ſich, nachdem es die Spruͤnge mit ſich bringen, mehr oder weniger bewegen muͤßen: damit ſie jederzeit, den jedem Tone auf dem Mundloche beſtimmten Ort, ſicher treffen moͤgen. Beſonders merke man, daß die Toͤne in der tiefen Octave allezeit ſtaͤrker, als die in der hohen geſpielet werden muͤßen. Dieſes iſt bey ſpringenden Paßagien abſonderlich wohl zu beobachten.

G22. §. Um50Das IV. Hauptſtuͤck.

22. §.

Um die Octaven anzugeben, iſt alſo keine Verſtaͤrkung des Windes noͤthig. Will man aber einen Ton, es ſey in der Hoͤhe oder Tiefe, ſtaͤr - ker oder ſchwaͤcher angeben; ſo merke man, daß die Verſtaͤrkung des Win - des, und das Zuruͤckziehen der Lippen, von dem Orte, den ſie bey jedem Tone auf dem Mundloche einzunehmen haben, den Ton hoͤher; die Maͤſ - ſigung des Windes, und das Vorſchieben der Lippen hingegen, den Ton tiefer mache. Will man demnach eine lange Note ſchwach angeben, und ſie darauf in der Staͤrke des Tones wachſen laſſen: ſo muß man anfangs die Lippen um ſo viel zuruͤck ziehen, oder die Floͤte auswaͤrts drehen, daß der Ton, mit den andern Jnſtrumenten, in einerley Stimmung bleibt. Jn waͤhrendem ſtaͤrker Blaſen, ſchiebe man die Lippen vorwaͤrts, oder drehe die Floͤte einwaͤrts: widrigenfalls wuͤrde der Ton anfaͤnglich zu tief, und zuletzt zu hoch werden. Will man aber eben denſelben Ton wieder ſchwach endigen: ſo muß man auch die Lippen, in gehoͤrigem Verhalte wieder zuruͤck ziehen; oder die Floͤte auswaͤrts drehen.

23. §.

Die Floͤte hat den Naturfehler, daß einige mit Kreuzen bezeichnete Toͤne, nicht ganz rein, ſondern daß etliche davon ein wenig zu tief, etli - che ein wenig zu hoch ſind. Denn bey Abſtimmung der Floͤte hat man darauf zu ſehen, daß hauptſaͤchlich die natuͤrlichen Toͤne nach ihrer Ver - haͤltniß rein geſtimmet werden. Man muß alſo, ſo viel als moͤglich iſt, ſuchen, durch Huͤlfe des Anſatzes, und nach dem Gehoͤre, die mangel - haften rein zu ſpielen. Es iſt zwar ſchon im vorigen Hauptſtuͤcke etwas davon erwaͤhnet worden: damit man aber wiße, auf welche man am mei - ſten Achtung zu geben habe; ſo will ich ſolche hier namhaft machen.

Das ein - und zweygeſtriche E mit dem Kreuze; das ein - und zwey - geſtrichene außerordentliche Fis; ingleichen das zweygeſtrichene Gis und As, ſind zu hoch. Deswegen muß man den Wind maͤßigen, und die Floͤte einwaͤrts drehen.

Das ein - und zweygeſtrichene ordentliche Fis, iſt zu tief; muß alſo durch das Auswaͤrtsdrehen, oder die Verſtaͤrkung des Windes erhoͤhet werden.

Das zweygeſtrichene D und C mit dem Erniedrigungszeichen ſind zu tief. Hierbey muß man die Floͤte um ein merkliches auswaͤrts drehen.

Zu dem tiefen F, welches der ſchwaͤchſte Ton auf der Floͤte, und auf den meiſten Floͤten wegen eines unvermeidlichen Mangels ihrer innerlichenStructur51Von dem Anſatze. Structur zu hoch iſt, muß man die Floͤte einwaͤrts drehen, und die Oberlippe ein wenig vorwaͤrts ſchieben.

Wenn man in einem Stuͤcke wechſelsweiſe ſachte und ſtark ſpielet; ſo muß man zu dem erſtern die Floͤte ſo viel auswaͤrts, und zu dem letz - tern um ſo viel einwaͤrts drehen, als das Schwachblaſen erniedriget, und das Starkblaſen erhoͤhet.

24. §.

Wenn man nun dieſe Erinnerungen alle wohl in Acht nimmt; ſo wird man niemals weder zu hoch noch zu tief ſpielen; ſondern die Floͤte wird allezeit rein ſeyn; welches aber außer dem nicht geſchehen kann. Und ſo fern man ſich die großen Terzen, ſo etwas uͤber ſich ſchweben muͤſ - ſen, im Gehoͤre recht bekannt machet; ſo kann man ſehr leicht hinter dieſe Vortheile kommen.

25. §.

Mit Bewegung der Bruſt kann man dem Tone in der Floͤte auch viel helfen. Sie muß aber nicht mit einer Heftigkeit, naͤmlich zit - ternd; ſondern mit Gelaßenheit geſchehen. Thaͤte man das Gegentheil, ſo wuͤrde der Ton zu rauſchend werden. Eine proportionirliche Oeffnung der Zaͤhne und des Mundes, und Ausdehnung der Kehle, verurſachen einen dicken, runden, und maͤnnlichen Ton. Das Hin - und wiederziehen der Lippen machet den Ton zugleich ſchwebend und annehmlich. Man huͤte ſich, in der zweyten Octave, die Oberlippe der untern vorzuſchieben.

26. §.

Endlich iſt noch zu merken, daß, wenn man die Floͤte maͤßigen, und etwas ſchwaͤcher ſpielen will, wie es im Adagio erfodert wird, man das Mundloch ein wenig mehr, als oben gelehret worden, mit der Lippe bedecken muͤße. Weil aber die Floͤte hierdurch etwas tiefer wird: ſo iſt eben noͤthig daß man, an dem in dem Kopfſtuͤcke befindlichen Propfe, eine Schraube habe; vermittelſt welcher man denſelben, um die Floͤte ſo viel zu erhoͤhen, als das ſchwaͤcher Spielen, und die mehrere Bedeckung des Loches austraͤgt, aus ſeiner ordentlichen Lage, um einen guten Meßer - ruͤcken breit, tiefer in die Floͤte hinein druͤcken koͤnne: ſ. den 10. 11. 12. §. des I. Hauptſtuͤcks. Hierdurch wird die Floͤte um ſo viel verkuͤrzet, und folglich hoͤher: und man kann auf ſolche Art, mit den uͤbrigen Jnſtru - menten, allezeit in einerley Stimmung bleiben.

G 2Das52Das V. Hauptſtuͤck. Von den Noten, dem Tacte,

Das V. Hauptſtuͤck. Von den Roten, ihrer Geltung, dem Tacte, den Pauſen, und den uͤbrigen muſikaliſchen Zeichen.

1. §.

Wie die Noten auf fuͤnf nahe uͤbereinander geſetzete Horizontallinien geſchrieben werden; und was vor dieſelben, zum Gebrauche der Floͤte, fuͤr ein Schluͤſſel angewendet wird, habe ich im III. Haupt - ſtuͤcke, und deßen 2. §. angezeiget. Jch erinnere hier noch beylaͤufig, daß es uͤberhaupt neunerley muſikaliſche Schluͤſſel gebe. Dieſe werden in drey Claßen eingetheilet, in den G Schluͤſſel; den C Schluͤſſel; und den F Schluͤſſel. Die erſte Claße von dieſen ma - chet, daß die Linie, worauf einer ſteht, allezeit das eingeſtrichene G iſt: Der C Schluͤſſel machet die Linie, worauf er ſteht, allezeit zum einge - ſtrichenen C: und der F Schluͤſſel die ſeinige allezeit zum ungeſtrichenen F. Bey der Floͤte hat man eigentlich nur die Claße der G Schluͤſſel zu kennen noͤthig. Es ſind zweyerley Arten des G Schluͤſſels, naͤmlich der fran - zoͤſiſche, und der oben angezeigte italiaͤniſche Schluͤſſel. Der letztere wird auch der gewoͤhnlche Violinſchluͤſſel genennet. Der erſtere ſteht auf der unterſten Linie; und gilt bey der Floͤte mehrentheils nur in ſeinem Lande.

2. §.

Wer ſich die viererley Arten des C Schluͤſſels, und die dreyerley Arten des F Schluͤſſels, als welche theils zu den Noten der Singſtimmen, theils zu anderer Jnſtrumente ihren, gebrauchet werden, die aber, des Transponirens wegen, einem Floͤtenſpieler zu wißen nicht ganz undien - lich ſind, naͤher bekannt machen will; der kann ſolche mit leichter Muͤhe entweder aus muͤndlicher Unterweiſung, oder aus andern Buͤchern, die von den Anfangsgruͤnden der Muſik handeln, erlernen.

3. §.

Die Geſtalt und den Gebrauch der Verſetzungszeichen, vermittelſt welcher man, ſo bald ſie zu Anfange des Syſtems von fuͤnf Linien geſetzetwerden,53den Pauſen, und den uͤbrigen muſikaliſchen Zeichen. werden, die Tonarten unterſcheiden kann, habe ich gleichfalls im III. Hauptſt. 3. §. angezeiget.

4. §.

Die Tonart iſt wie bekannt zweyerley, die harte, und die weiche, welche man insgemein Dur, und Moll benennet. Noch genauer koͤnnte man ſie, wie im Lateiniſchen, die groͤßere und kleinere Tonart betiteln. Die Tonart Dur hat die große, und die Tonart Moll, die kleine Terze in ihrem Accord.

5. §.

Jeder Durton iſt dem eine kleine Terze unter ihm liegenden Moll - tone, in Anſehung der Toͤne, die in ſeiner Tonleiter vorkommen, und folglich auch der Verſetzungszeichen, gleich. Z. E. C dur dem A moll; F dur dem D moll; u. ſ. w. Man findet die Vorzeichnungen dieſer Tonarten Tab. II. Fig. 4. Die Grundtoͤne dieſer harten und weichen Tonarten, welche einander gleich ſind, ſtehen immer uͤbereinander. Die oberſte Note iſt die Grundnote vom Durtone, und die unterſte die Grundnote vom Molltone.

6. §.

Jede harte Tonart hat die große Secunde, die große Terze, die or - dentliche Quarte, die reine Quinte, die große Sexte, und die große Se - ptime, von dem Grundtone an uͤber ſich gerechnet, in ihrer Tonleiter. Jede weiche Tonart hat die große Secunde, die kleine Terze, die or - dentliche Quarte, die reine Quinte, die kleine Sexte, und die kleine Septime, von dem Grundtone an uͤber ſich gerechnet, in ihrer Tonleiter. Bey dem C dur und A moll liegen alle dieſe Toͤne, in der diatoniſchen Scala: bey den uͤbrigen Tonarten aber nicht. Deswegen muͤßen, bey jeder Tonart, entweder ſo viel Kreuze oder ſo viel b vorgezeichnet werden, als noͤthig iſt, die gedachten Tonleitern zu bilden. Vom C dur und A moll, bis ins Ges dur und Es moll, werden die immer eine Quarte uͤber den vorigen liegenden Tonarten, welche, ſo wie die eine Quarte unter jeder liegende Tonart, entweder hart, oder weich ſind, in ihrer Vorzeich - nung, allezeit mit einem b vermehret: und vom C dur und A moll an, bis ins Fis dur und Dis moll, bekommen die eine Quinte uͤber den vori - gen liegende Tonarten, immer ein Kreuz mehr, als die vorigen. Man ſehe ihre Abbildung. Tab. II. Fig. 4.

7. §.

Jn vorigen Zeiten, da man die Tonleitern der Tonarten aus lauter diatoniſchen Toͤnen zuſammen ſetzete, und folglich, bey manchen weichenG 3Tonarten54Das V. Hauptſtuͤck. Von den Noten, dem Tacte,Tonarten, die Sexte groß; bey andern wieder die Secunde klein ſeyn mußte, wie zum Exempel bey dey der Doriſchen und der Phrygiſchen Tonart: D, und E moll; da man ferner dieſe Tonarten um einen oder mehrere Toͤne transponirete, und ihre Tonleitern beybehielt: ſo folgete daraus, daß bisweilen ein Kreuz, bisweilen ein b weniger vorgezeichnet wurde, als itzo uͤblich iſt; und daß weiter keine, als die Joniſche und Aeoliſche Tonart, C dur und A moll, ſo wohl fuͤr ſich, als wenn ſie transponiret wurden, mit unſern heutigen Tonleitern uͤberein kamen. Wollte man, wie einige Componiſten vor nicht gar langer Zeit noch ge - than haben, dieſer Art der alten Vorzeichnungen, bey den nach neuer Art eingerichteten Modulationen nachahmen; ſo wuͤrde man ſich im Schreiben viel unnoͤthige Muͤhe machen: weil man die b, und Kreuze nachhero, bey einer jeden Note, wo es noͤthig waͤre, insbeſondere vor - ſetzen muͤßte.

8. §.

Wenn man die Geltung der Noten, die Tab. II. Fig. 6. vorge - ſtellet zu ſehen iſt, ſich leicht eindruͤcken will; ſo ſtelle man ſich die runde weiße Note ohne Strich, ſo im gemeinen geraden Tacte einen ganzen Tact gilt, als ein Ganzes vor, ſ. Fig. 6. (a). Eine weiße Note mit einem Striche, deren zwo auf einen Tact gehen, ſtelle man ſich als die Haͤlfte dieſes Ganzen vor, ſ. (b). Eine ſchwarze ohne Querſtrich, die man ein Viertheil nennet, und deren vier auf einen Tact gehen, als ein Viertheil dieſes Ganzen, ſ. (c). Bey den uͤbrigen, als: Achttheilen, ſ. (d), Sechzehntheilen, ſ. (e), Zwey und dreyßigtheilen, ſ. (f), zei - get der Name ſchon, den wievielſten Theil des Ganzen ſie ausmachen; und daß, ſo wie ſie hier aufeinander folgen, immer eine die Haͤlfte der vorhergehenden betraͤgt, und alſo, der Geltung nach, noch einmal ſo klein iſt. Man pfleget ſie nach den Querſtrichen, mit denen ſie verſehen ſind, auch ein-zwey - und dreygeſchwaͤnzte Noten zu nennen. Ein jeder Querſtrich vermehret die Anzahl der Noten in einem Tacte, noch um einmal ſo viel, nnd machet folglich die Zeit ihrer Waͤhrung noch um ein - mal ſo geſchwind. Noch geſchwindere Noten ſind demnach die vier - und fuͤnfgeſchwaͤnzten; dieſe kommen aber niemals in großer Anzahl vor. Wenn der geſchwaͤnzten Noten mehrere auf einander folgen, ſo werden ſolche zu zwoen, vieren, oder achten zuſammen geſtrichen: welches man alsdenn Figuren nennet. ſ. Tab. II. Fig. 6. (d) (e) (f).

9. §. Wenn55den Pauſen, und den uͤbrigen muſikaliſchen Zeichen.

9. §.

Wenn ein Punct hinter einer Note ſteht, ſo gilt derſelbe noch halb ſo viel als die vorhergehende, oder eben ſo viel als die folgende Note. ſ. Tab. II. Fig. 7.

10. §.

Die Pauſen, ſo anſtatt der Noten vorkommen, bedeuten daß man ſo lange ſtillſchweigen muͤße, als es die Geltung einer jeden, nach ihrem Zeitmaaße, erfodert. Die Geltung aber iſt ſo wie folget: Ein dicker Strich, der den Raum zwiſchen drey Linien beruͤhret, gilt vier Tacte, wie die Noten darunter zeigen, ſ. Tab. II. Fig. 9. (a). Ein dicker Strich zwiſchen zwo Linien gilt zweene Tacte, ſ. (b). Ein dicker Strich unter einer Linie gilt einen ganzen Tact, ſ. (c). Der, ſo uͤber der Linie ſteht, gilt einen halben Tact, ſ. (d). Die uͤbrigen Pauſen, ſ. (e) gelten ſo viel als die darunter ſtehenden Noten, naͤmlich: Viertheile, Achttheile, Sechzehntheile, und Zwey und dreyßigtheile. Hinter dieſe letztern Arten der Pauſen pfleget man zuweilen Puncte zu ſetzen, welche ſo wie bey den Noten, ebenfalls halb ſo viel als die vorhergehenden Pau - ſen gelten, ſ. (f). Es geſchieht aber dieſes nur meiſtentheils aus Be - quemlichkeit, um nicht zwo Pauſen nach einander zu ſetzen. Eine Gene - ralpauſe oder Fermate, oder Ruhezeichen iſt, wenn uͤber einer Pauſe ein halber Cirkel, mit einem Puncte darunter ſteht. Hier halten alle Stimmen nach Belieben ſtill; ohne ſich an die Regel des Tactes zu bin - den. ſ. (g). Man beſehe hierbey des XVII. Hauptſt. 7. Abſchn. 43. §.

11 §.

Die richtige Abmeſſung und Eintheilung langſamer und geſchwinder Noten, heißt der Tact: (la meſure) ſo wie hingegen das Zeitmaaß (le mouvement) die Geſetze der langſamen und geſchwinden Bewegung des Tactes ausmachet.

12. §.

Der Tact uͤberhaupt iſt zweyerley: gerader und ungerader. Der gerade laͤßt ſich wieder in gleiche Theile zertheilen; bey dem unge - raden aber iſt die Theilung ungleich. Den ungeraden pfleget man ins - gemein Tripeltact zu nennen. Wenn ein Tact zu Ende iſt, pfleget man, im Schreiben, zwiſchen die Noten einen Verticalſtrich zu ſe - tzen: alſo machen ſo viel Noten, als ſich zwiſchen zweenen dieſer Striche befinden, nach dem, zu Anfange eines Stuͤckes, hinter den Verſe -tzungs -56Das V. Hauptſtuͤck. Von den Noten, dem Tacte,tzungszeichen, geſetzeten Tactzeichen, einen Tact aus, von welcher Art er auch ſey. ſ. Tab. II. Fig. 6.

13. §.

Der gerade Tact iſt wieder zweyerley: Vierviertheiltact, und Zwey - viertheiltact. Der Vierviertheiltact, welchen man auch den gemeinen ge - raden, oder ſchlechten Tact zu benennen pfleget, wird zu Anfange eines Stuͤ - ckes mit einem großen C angedeutet: Der Zweyviertheiltact hingegen mit $$\frac{2}{4}$$ . Bey dem Vierviertheiltacte iſt wohl zu merken, daß, wenn durch das C ein Strich geht, wie Tab. II. Fig. 10. zu ſehen iſt, ſolcher Strich be - deute, daß alsdenn die Noten, ſo zu ſagen, eine andere Geltung bekom - men, und noch einmal ſo geſchwind geſpielet werden muͤſſen, als ſonſt, wenn das C keinen Durchſtrich hat. Man nennet dieſe Tactart: alla - breve, oder alla Capella. Weil aber bey der itztgemeldeten Tactart, von vielen, aus Unwiſſenheit, Fehler begangen werden: ſo iſt einem je - den anzurathen, dieſen Unterſchied ſich wohl bekannt zu machen. Denn dieſe Tactart iſt im galanten Styl itziger Zeit uͤblicher, als ſie in vorigen Zeiten geweſen iſt.

14. §.

Der Tripeltact iſt von verſchiedener Art, wie hier die uͤbereinander geſetzeten Ziffern zeigen, als: $$\frac{3}{1}$$ . Dreyeintheil; $$\frac{3}{2}$$ . Dreyzweytheil; ¾ Dreyviertheil; $$\frac{6}{4}$$ Sechsviertheil; Dreyachttheil; $$\frac{6}{8}$$ Sechsachttheil; $$\frac{9}{8}$$ Neunachttheil; $$\frac{12}{8}$$ Zwoͤlfachtheiltact. u. ſ. w.

15. §.

Es giebt eine Art von Figuren, wo drey gleiche Noten zuſammenge - ſtrichen werden, und folglich dem Tripeltacte aͤhnlich ſehen; ſie kommen aber ſowohl in gerader als ungerader Tactart vor. Man nennet dieſe Fi - guren: Triolen. Hier machen drey eingeſchwaͤnzte Noten ein Vier - theil, ſ. Tab. II. Fig. 7. (l); drey zweygeſchwaͤnzte ein Achttheil, ſ. (m); drey dreygeſchwaͤnzte ein Sechzehntheil, ſ. (n); wie die daruͤber befind - lichen Noten ausweiſen. Man pfleget auch wohl, zum Ueberfluß, die Ziffer 3 daruͤber zu ſetzen; wie bey (l) zu ſehen iſt.

16. §.

Da ich nunmehr die Geltung der Noten und Pauſen, ingleichen die verſchiedenen Tactarten gewieſen habe; ſo wird noch noͤthig ſeyn, zu zeigen, wie jede Note und Pauſe in den Tact gehoͤrig eingetheilet werden muͤſſe, und wie man dieſes auf eine leichte Art erlernen koͤnne. Die mei - ſten ſehen ſolches als etwas leichtes an, und glauben, daß man es durchUebung57den Pauſen, und den uͤbrigen muſikaliſchen Zeichen. Uebung nach und nach erlerne. Weil es aber vielen, die ſich doch lange Zeit damit abgegeben haben, noch daran fehlet, ſo folget daraus, daß es nicht eines der leichteſten Dinge in der Muſik ſeyn muͤſſe. Es haͤngt von dieſer Erkenntniß viel ab, um ein Stuͤck wohlklingend vorzutragen: und wer ſie nicht bey Zeiten durch richtige Grundſaͤtze erlanget, der bleibt in einer beſtaͤndigen Ungewißheit; findet auch oͤfters bey Kleinigkeiten, ſo ihm nicht taͤglich vorkommen, einen Anſtoß. Es iſt nicht zu laͤugnen, daß ein muͤndlicher Unterricht, wenn er gruͤndlich iſt, hierbey beſſere Dien - ſte thue, als eine ſchriftliche Anweiſung. Weil es aber auch vielen, die andere unterweiſen ſollen, in dieſem Puncte an der rechten Lehrart feh - len koͤnnte: ſo will ich hier eine Methode zeigen.

17. §.

Man gewoͤhne ſich erſtlich, mit der Spitze des Fußes gleiche Schlaͤ - ge zu machen, wozu man den Pulsſchlag an der Hand zur Richtſchnur nehmen kann. Alsdenn theile man den gemeinen geraden, oder Vier - viertheiltact, nach Anleitung des Pulsſchlages, mit dem Fuße in Acht - theile ein. Bey dem erſten Schlage ſtoße man die weiße Note ohne Strich, ſ. Tab. II. Fig. 6. (a) mit der Zunge an, und unterhalte den Ton ſo lange, bis man in Gedanken, nach dem Schlage des Fußes, 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. gezaͤhlet hat: ſo wird dieſer Tact ſeine gehoͤrige Zeit be - kommen. Man fahre fort in dieſer Art mit dem Fuße zu ſchlagen, und zaͤhle bey der erſten weißen Note mit einem Striche, ſ. (b) 1. 2. 3. 4 ; bey der zweyten ebenfalls: 1. 2. 3. 4 : ſo wird es mit dieſen zweenen halben Ta - cten auch ſeine Richtigkeit haben. Bey den Viertheilen, ſ. (c), kom - men zweene Schlaͤge auf jede Note. Bey den Achttheilen, ſ. (d), koͤmmt auf jede Note ein Schlag. Bey den Sechzehntheilen, ſ. (e), kommen zwo Noten auf einen Schlag: und wenn man das Aufheben des Fußes ſowohl als das Niederſchlagen deſſelben zaͤhlet; ſo theilet ſolches die Sech - zehntheile voͤllig ein. Bey den Zwey und dreyßigtheilen, ſ. (f), kommen zwo Noten zum Niederſchlage, und zwo zum Aufheben.

18. §.

Dieſe Eintheilung in acht Schlaͤge, kann in allen langſamen Stuͤ - cken, nachdem es das Zeitmaaß erfodert, zur Regel genommen werden. Jn geſchwinden Stuͤcken aber, kann man den gemeinen geraden Tact in vier Theile, allwo denn das Niederſchlagen und Aufheben des Fußes Acht - theile ausmachen; den Tripeltact aber, in drey Theile eintheilen.

H19. §. Jm58Das V. Hauptſtuͤck. Von den Noten, dem Tacte,

19. §.

Jm Allabrevetacte bekommen die halben Tacte ſo viel Zeit, als im gemeinen geraden Tacte die Viertheile haben; und die Viertheile ſo viel, als im gemeinen Tacte die Achttheile einnehmen: folglich werden nur die halben Tacte mit dem Fuße markiret.

20. §.

Die weiße Note mit dem Puncte, ſ. Tab. II. Fig. 7. (a), bekoͤmmt ſechs Schlaͤge mit dem Fuße; und die darauf folgende ſchwarze Note, zweene Schlaͤge. Die ſchwarze Note mit dem Puncte, ſ. (b), bekoͤmmt drey Schlaͤge; und die folgende nur einen Schlag.

21. §.

Bey den Achttheilen, Sechzehntheilen, und Zwey und dreyßigthei - len, mit Puncten, ſ. (c) (d) (e), geht man, wegen der Lebhaftigkeit, ſo dieſe Noten ausdruͤcken muͤſſen, von der allgemeinen Regel ab. Es iſt hierbey inſonderheit zu merken: daß die Note nach dem Puncte, bey (c) und (d) eben ſo kurz geſpielet werden muß, als die bey (e); es ſey im langſamen oder geſchwinden Zeitmaaße. Hieraus folget, daß dieſe No - ten mit Puncten bey (c) faſt die Zeit von einem ganzen Viertheile; und die bey (d) die Zeit von einem Achttheile bekommen: weil man die Zeit der kurzen Note nach dem Puncte eigentlich nicht recht genau beſtimmen kann. Dieſes deutlicher zu begreifen, ſpiele man die unterſten Noten bey (f) und (g) langſam, doch ein jedes Exempel nach ſeinem gehoͤrigen Zeitmaaße, naͤmlich das bey (d) noch einmal ſo geſchwind, als jenes bey (c); und das bey (e) noch einmal ſo geſchwind, als das bey (d): und ſtelle ſich in Gedanken die oberſten Noten mit Puncten vor. Nachher kehre man ſolches um; ſpiele die oberſten Noten; und halte eine jede Note mit dem Puncte ſo lange, bis die Zeit von den unterſten Noten mit den Puncten verfloßen iſt. Die Noten mit den Puncten mache man eben ſo kurz, als die darunter befindliche viergeſchwaͤnzte Note es erfodert. Auf dieſe Art wird man ſehen, daß die oberſten Noten mit den Puncten bey (f), die Zeit von drey Sechzehntheilen, und einem Zwey und drey - ßigtheile mit einem Puncte bekommen: und daß die bey (g) die Zeit von einem Sechzehntheile und einem punctirten Zwey und dreyßigtheile; die bey (h) aber, weil bey den unterſten Noten zweene Puncte ſtehen, und die folgenden Noten noch einmal geſchwaͤnzet ſind, nur die Zeit von einem Zwey und dreyßigtheile, nebſt anderthalbem Puncte, erhalten.

22. §. Dieſe59den Pauſen, und den uͤbrigen muſikaliſchen Zeichen.

22. §.

Dieſe Regel iſt ebenfalls zu beobachten, wenn in der einen Stimme Triolen ſind, gegen welche die andere Stimme punctirte Noten hat, ſ. (i). Man muß demnach die kurze Note nach dem Puncte nicht mit der dritten Note von der Triole, ſondern erſt nach derſelben anſchlagen. Widrigenfalls wuͤrde ſolches dem Sechsachttheil - oder Zwoͤlfachttheil - tacte aͤhnlich klingen, ſ. (k). Beyde Arten aber muͤſſen doch ſehr ver - ſchieden ſeyn: indem eine eingeſchwaͤnzte Triole, ein Viertheil; eine zweygeſchwaͤnzte, ein Achttheil; und eine dreygeſchwaͤnzte, ein Sech - zehntheil ausmachen: wie die daruͤber ſtehenden einzelnen Noten, bey (l) (m) und (n) ausweiſen: Da hingegen, im Sechsachttheil - und Zwoͤlf - achttheiltacte, drey eingeſchwaͤnzte Noten ein Viertheil und ein Achttheil machen, ſ. (k). Wollte man nun, dieſe, unter Triolen befindlichen, punctirten Noten alle nach ihrer ordentlichen Geltung ſpielen: ſo wuͤrde der Ausdruck davon nicht brillant und praͤchtig, ſondern ſehr lahm und einfaͤltig ſeyn.

23. §.

Mit den Noten bey Fig. 8, wo der Punct hinter der zweyten Note ſteht, hat es wegen der Laͤnge des Punctes, und der Kuͤrze der erſten Note, eine Gleichheit, mit den oben gemeldeten punctirten Noten. Sie ſtehen nur umgekehret. Die Noten D und C bey (a) muͤſſen eben ſo kurz ſeyn, als die bey (c), es ſey im langſamen oder geſchwinden Zeit - maaße. Mit den zwo geſchwinden Noten bey (b) und (d) verfaͤhrt man auf gleiche Weiſe; und bekommen hier zwo Noten nicht mehr Zeit, als dort eine. Bey (e) und (f) werden die Noten nach den Puncten eben ſo geſchwind und praͤcipitant geſpielet, als die vor den Puncten, bey (b) und (d). Je kuͤrzer man die erſten Noten bey (a) (b) (c) (d) machet: ie lebhafter und frecher iſt der Ausdruck. Je laͤnger man hinge - gen bey (e) und (f) die Puncte haͤlt: ie ſchmeichelnder und annehmlicher klingen dieſe Arten von Noten.

24. §.

Von den Pauſen iſt bereits geſaget worden, daß man da wo ſie ſte - hen ſo lange ſtillſchweige, als die Zeit ihrer Geltung erfodert. Von ei - nem oder mehr Tacten, wird nicht noͤthig ſeyn, eine Erklaͤrung zu ma - chen, weil man ſich nur nach dem Tactſchlage richten darf. ſ. Fig. 9. (a) (b) (c). Hat man aber einen halben Tact zu pauſiren; ſo zaͤhle man, nach dem Schlage des Fußes, wie bey einer weißen Note: 1. 2. 3. 4,H 2und60Das V. Hauptſtuͤck. Von den Noten, dem Tacte, ꝛc. und ſtoße mit dem fuͤnften Schlage die folgende Note an, ſ. (h). Bey einem Viertheile zaͤhle man: 1. 2, und ſtoße die folgende Note mit dem dritten Schlage an, ſ. (i). Bey einem Achttheile ſage man: 1, und ſtoße die Note mit dem zweyten Schlage an, ſ. (k). Bey einem Sech - zehntheile ſage man auch: 1, und ſtoße die Note mit dem Aufheben des Fußes an, ſ. (l). Bey einem Zwey und dreyßigtheile ſage man ebenfalls: 1. Weil aber hier zwo Noten im Niederſchlage, und zwo im Aufheben des Fußes kommen; ſo muß die Note nach der Pauſe noch im Niederſchlage angeſtoßen werden. ſ. (m).

25. §.

Hat man ſich nun im langſamen Zeitmaaße auf dieſe Art genugſam geuͤbet; ſo ſpiele man dieſe Exempel immer ein wenig geſchwinder, bis man einige Faͤhigkeit erlanget hat, ein mehreres zu unternehmen. End - lich wird die Eintheilung der Noten einem ſo gelaͤufig werden, daß man des Schlagens des Tactes mit dem Fuße, ganz und gar wird entbehren koͤnnen.

26. §.

Eine genaue und gewiſſe Beſtimmung der verſchiedenen Arten des Zeitmaaßes, findet man im XVII. Hauptſtuͤcke, und deſſen VII. Abſchnitte vom 45. bis 59. §.

27. §.

Der Wiederholungszeichen giebt es unterſchiedene Gattungen. Wenn zweene gerade Striche, ohne Punct, neben einander ſtehen, ſ. Fig. 5. (b); ſo bedeuten ſie, daß zwar das Stuͤck aus zweenen Theilen beſtehe, und der erſte Theil deſſelben wiederholet werden muͤße; doch nicht eher, als bis das Stuͤck vom Anfange bis zum Ende geſpielet worden. Alsdenn wird der erſte Theil noch einmal bis an die zweene Striche, oder, welches einerley iſt, bis an die vorhergehende Note, uͤber welcher ein hal - ber Cirkel mit dem Puncte ſteht, ſ. (a), wiederholet. Bey ſolchen Stuͤcken ſchreibt man, zu Ende des zweyten Theils: Da Capo. Wenn hinter einem Striche vier Puncte ſtehen, ſ. (c), ſo bedeuten ſie, daß die folgenden Noten, von da an, bis an einen andern Strich der die Puncte vor ſich hat, zu wiederholen ſind. Man pfleget auch wohl, uͤber ſolche zu wiederholende Noten, das Woͤrtchen: bis, zu ſchreiben. Wenn neben zweenen Strichen auf einer jeden Seite zweene Puncte ſtehen, ſ. (d), ſo bedeuten ſie, daß das Stuͤck aus zweenen Theilen beſtehe; und daß ein jeder Theil zweymal wiederholer werden muͤſſe. Wenn aber zuletzt einoder61oder zweene halbe Cirkel mit Puncten ſtehen, ſ. (e); ſo bedeuten ſie daß das Stuͤck allda ſchließe. Das Zeichen auf dem E, ſ. (f), heiſſet der Cuſtos; und zeiget den Ort an, auf welchem die erſte Note der fol - genden fuͤnf Linien ſteht.

Das VI. Hauptſtuͤck. Vom Gebrauche der Zunge, bey dem Blaſen auf der Floͤte.

1. §.

Die Zunge iſt eigentlich das Mittel, wodurch die Toͤne auf der Floͤte lebhaft vorgetragen werden koͤnnen. Sie iſt zur muſikaliſchen Ausſprache hoͤchſt noͤthig; und verrichtet eben das, was der Bo - genſtrich bey der Violine thut. Es unterſcheidet ſich dadurch ein Floͤten - ſpieler von dem andern: ſo daß, wenn ihrer etliche ein Stuͤck wechſels - weiſe ſpielen, man daſſelbe, wegen des unterſchiedenen Vortrages, oͤfters kaum mehr kennen kann. Dieſes ruͤhret nun mehrentheils vom rechten oder unrechten Gebrauche der Zunge her. Es iſt wahr, daß auch an den Fingern viel gelegen iſt. Sie ſind nicht nur noͤthig, um die Hoͤhe oder Tiefe jedes Tones zu beſtimmen, und die Jntervalle von einander zu un - terſcheiden; ſondern auch, um jeder Note ihre gehoͤrige Zeit zu geben. Sie koͤnnen aber doch der Lebhaftigkeit des Vortrages nicht ſo behuͤlflich ſeyn, als es die Zunge iſt. Denn dieſe muß den Ausdruck der Leiden - ſchaften, in allen Stuͤcken, er mag praͤchtig oder traurig, luſtig oder annehmlich, oder wie er ſonſt wolle, ſeyn, beleben.

2. §.

Um nun vermittelſt der Zunge, und des durch dieſelbe ausgeſtoßenen Windes, den Ton in der Floͤte recht zur Anſprache zu bringen, muß man, nach Beſchaffenheit der zu ſpielenden Noten, in waͤhrendem Bla - ſen gleichſam gewiſſe Sylben ausſprechen. Dieſe Sylben ſind von dreyer - ley Art. Die eine iſt: ti oder di; die andere: tiri; und die dritte: did’ll. H 3Die62Des VI. Hauptſtuͤcks. I. Abſchnitt. Die letztere Art pfleget man die Doppelzunge zu nennen, ſo wie hin - gegen die erſtere Art: die einfache Zunge genennet wird. Von jeder Art, ſowohl wie ſie zu erlernen, als zu gebrauchen iſt, ſoll in einem be - ſondern Abſchnitte gehandelt werden. Und weil der Gebrauch der Zunge auf dem Hoboe und dem Baſſon, mit dem auf der Floͤte viel gemein hat; ſo will ich, zum Nutzen derer, welche die genannten Jnſtrumente ſpielen, in einem Anhange zeigen, wie ſie die Zunge dabey zu gebrauchen, und was ſie ſonſt noch beſonders zu bemerken haben.

Des VI. Hauptſtuͤcks I. Abſchnitt. Vom Gebrauche der Zunge mit der Sylbe: ti oder di.

1. §.

Weil einige Noten hart, andere hingegen weich angeſtoßen werden muͤſſen: ſo iſt zu merken, daß bey kurzen, gleichen, lebhaften, und geſchwinden Noten, das ti gebrauchet wird. Bey langſamen, auch wohl luſtigen, doch dabey annehmlichen und unterhaltenen Melodien hin - gegen, muß man das di brauchen. Jm Adagio brauchet man allezeit das di; ausgenommen bey punctirten Noten, zu welchen das ti noͤthig iſt. Diejenigen ſo der Oberſaͤchſiſchen Mundart gewohnt ſind, haben ſich hierbey beſonders in Acht zu nehmen, um das t und d nicht mit ein - ander zu vermengen.

2. §.

Man nennet das ti einen Zungenſtoß. Um dieſen zu machen, muß man die Zunge, an beyden Seiten feſt an den Gaumen druͤcken, und die Spitze derſelben krumm, und in die Hoͤhe, vorn nahe bey den Zaͤhnen anlegen: damit der Wind aufgehalten oder geſpannet werde. Wenn nun der Ton angegeben werden ſoll; ſo zieht man nur die Spitze der Zunge vorn vom Gaumen weg; der hintere Theil der Zunge aber bleibtam63Vom Gebrauche der Zunge mit der Sylbe ti oder di. am Gaumen: und durch dieſes Wegziehen geſchieht der Stoß vom auf - gehaltenen Winde; nicht aber durch das Stoßen der Zunge ſelbſt, wie viele irrig glauben.

3. §.

Einige haben die Art, daß ſie die Zunge zwiſchen die Lippen ſetzen, und den Stoß durch das Zuruͤckziehen derſelben machen. Dieſes halte ich fuͤr falſch. Denn dadurch wird, beſonders in der Tiefe, der dicke, runde, und maͤnnliche Ton verhindert: die Zunge muß auch eine allzu - weitlaͤuftige Bewegung, vor - oder ruͤckwaͤrts, machen; welches an der Geſchwindigkeit hinderlich iſt.

4. §.

Um einem jeden Tone, von der Tiefe bis in die Hoͤhe ſeinen gehoͤri - gen Ausdruck zu geben, muß man mit dem Zungenſtoße, eben ſo, wie mit den Lippen und dem Kinne verfahren, naͤmlich: wenn man von dem tief - ſten Tone an, die Toͤne nach der Reihe bis an die hohen ſpielet; muß man, bey dem tiefſten, die Zunge um einen guten Daumen breit von den Zaͤhnen ruͤckwaͤrts, krumm an den Gaumen ſetzen; den Mund weit auseinander dehnen; und bey einem jeden hoͤhern Tone, mit der Zunge immer ein wenig mehr vorwaͤrts an den Gaumen ſtoßen; auch den Mund immer enger zuſammen druͤcken. Dieſes ſetze man fort, bis in das hoͤchſte H, allwo die Zunge ganz nahe an die Zaͤhne koͤmmt. Von dem hoͤchſten C aber an, muß man mit der Zunge nicht mehr krumm, ſondern gerade, zwiſchen den Zaͤhnen an die Lippen ſtoßen. Man verſuche das Gegentheil, und ziehe die Zunge bey dem hoͤchſten Tone weit zuruͤck; oder ſtoße mit derſelben bey dem tiefſten Tone zwiſchen die Zaͤhne: ſo wird man finden, daß die Hoͤhe pfuſchend klingt, auch nicht gut anſpricht; die Tiefe hin - gegen ſchwach und duͤnne wird.

5. §.

Will man die Noten ſehr kurz machen; ſo muß man das ti gebrau - chen, da die Spitze der Zunge gleich wieder an den Gaumen zuruͤck ſprin - gen muß; um den Wind aufs neue zu ſpannen. Man kann dieſes am beſten merken, wenn man, ohne zu blaſen, etliche ti ti ti ti geſchwind hinter einander ausſpricht.

6. §.

Bey langſamen und unterhaltenen (nouriſſanten) Noten, darf der Stoß nicht hart ſeyn: weswegen man alsdenn das di anſtatt des ti brauchet. Hierbey iſt zu merken, daß, ſo wie bey dem ti die Spitzeder64Des VI. Hauptſtuͤcks. I. Abſchnitt. der Zunge gleich wieder an den Gaumen ſpringt; dieſelbe hingegen, bey dem di, mitten im Munde frey bleiben muß: damit der Wind nicht ver - hindert werde, den Ton zu unterhalten.

7. §.

Wenn die Achttheile im Allegro Spruͤnge ausmachen, ſo haben ſie ti. Folgen aber andere Noten darauf, welche ſtufenweiſe auf - oder niederwaͤrts gehen; ſie moͤgen aus Achttheilen, Viertheilen, oder weißen Noten beſtehen: ſo wird das di gebrauchet, ſ. Tab. III. Fig. 1. Ste - hen Striche uͤber den Viertheilen: ſo bleibt das ti. ſ. Tab. III. Fig. 2. Findet ſich ein Vorſchlag bey einer Note, ſo wird derſelbe mit eben der Art Zunge geſtoßen, wie die vorhergehenden Noten; ſie moͤgen hart oder weich ſeyn. ſ. Tab. III. Fig. 3. und 4.

8. §.

Es iſt eine allgemeine Regel, daß zwiſchen dem Vorſchlage, und der Note die vor ihm hergeht, ein kleiner Unterſchied ſeyn muͤſſe; abſon - derlich wenn beyde Noten auf einerley Tone ſtehen: damit man den Vor - ſchlag deutlich hoͤren koͤnne. Die Zunge muß alſo nach Anſtoßung der vorhergehenden Note, gleich wieder an den Gaumen ſpringen; wodurch der Wind aufgehalten, die Note kuͤrzer, und alſo der Vorſchlag deutli - cher wird.

9. §.

Bey geſchwinden Paſſagien thut die einfache Zunge keine gute Wir - kung, weil die Noten dadurch alle einander gleich werden; welche doch, dem guten Geſchmacke gemaͤß, etwas ungleich ſeyn muͤßen. ſ. XI. Hauptſt. 11. §. Man kann ſich alſo dabey der zwo andern Arten des Zungenge - brauchs bedienen, naͤmlich des tiri zu punctirten Noten, und zu Paſſa - gien von maͤßiger Geſchwindigkeit; des did’ll aber zu ſehr geſchwinden Paſſagien.

10. §.

Nicht alle Noten duͤrfen mit der Zunge geſtoßen werden: ſondern wenn ein Bogen uͤber zwo oder mehr Noten ſteht; ſo muß man dieſelben ſchleifen. Es iſt demnach zu merken, daß nur die Note, bey welcher der Bogen anfaͤngt, geſtoßen werden muß: die uͤbrigen aber, die ſich unter dem Bogen befinden, werden an dieſelbe geſchleifet; wobey alsdenn die Zunge nichts zu thun hat. Es wird auch, ordentlicher Weiſe, bey ſchleifenden Noten nicht ti ſondern di gebrauchet, ſ. Tab. III. Fig. 5. Steht aber ein Strich uͤber der vor dem Bogen hergehenden Note;ſo65Vom Gebrauche der Zunge mit der Sylbe ti oder di. ſo bekoͤmmt ſowohl dieſelbe, als auch die folgenden: ti, ſ. Fig. 6. Wenn der Bogen bey der zweyten Note anfaͤngt, und die im Niederſchlage an die im Aufheben geſchleifet wird; ſo ſpiele man dieſelben wie bey Fig. 7. zu ſehen iſt. Geſchieht dieſes aber im geſchwinden Zeitmaaße; ſo nimmt man ti anſtatt di.

11. §.

Wenn uͤber Noten die auf einerley Tone ſtehen, ein Bogen befind - lich iſt, ſ. Fig. 8; ſo muͤßen ſelbige durch das Hauchen, mit Bewegung der Bruſt, ausgedruͤcket werden. Stehen aber uͤber ſolchen Noten zu - gleich Puncte, ſ. Fig. 9; ſo muͤſſen dieſe Noten viel ſchaͤrfer ausgedruͤcket, und ſo zu ſagen mit der Bruſt geſtoßen werden.

12. §.

Es iſt nicht wohl moͤglich, weder den Unterſchied zwiſchen ti und di, von welchem doch der Ausdruck der Leidenſchaften ziemlichen Theils ab - haͤngt; noch die vielerley Arten des Zungenſtoßes, mit Worten voͤllig zu beſtimmen. Jnzwiſchen wird doch die eigene Ueberlegung einen jeden uͤberzeugen, daß, ſo wie zwiſchen ſchwarz und weiß ſich noch verſchiedene Zwiſchenfarben befinden; alſo auch zwiſchen hart und weich, mehr als ein Grad der Maͤßigung ſtatt finden muͤſſe. Folglich kann man auch mit der Zunge das ti und di auf vielerley Arten ausdruͤcken. Es koͤmmt nur darauf an, daß man ſuche die Zunge geſchikt genug zu machen, um die Noten, nach ihrer Beſchaffenheit, bald haͤrter, bald weicher ſtoßen zu koͤnnen: welches ſowohl durch das geſchwindere oder langſamere Wegzie - hen der Zunge vom Gaumen; als durch das ſtaͤrkere oder ſchwaͤchere Bla - ſen des Windes gewirket wird.

13. §.

An einem großen Orte, wo es ſchallet, und die Zuhoͤrer weit ent - fernet ſind, muß man die Noten, mit der Zunge, uͤberhaupt mehr und ſchaͤrfer markiren, als an einem kleinen Orte; beſonders wenn etliche Noten auf einerley Tone vorkommen: ſonſt klingen dieſelben als wenn ſie nur mit der Bruſt gehauchet wuͤrden.

JDes66Des VI. Hauptſtuͤcks. II. Abſchnitt.

Des VI. Hauptſtuͤcks II. Abſchnitt. Vom Gebrauche der Zunge mit dem Woͤrtchen: tiri.

1. §.

Dieſe Art hat bey Paßagien von maͤßiger Geſchwindigkeit ihren guten Nutzen: beſonders weil dabey die geſchwindeſten Noten allezeit etwas ungleich geſpielet werden muͤſſen. ſ. XI. Hauptſt. 11. §.

2. §.

Wie die Sylbe ti mit der Zunge auszudruͤcken ſey, habe ich bereits im vorigen Abſchnitte gezeiget. Bey der Art wovon hier gehandelt wird, koͤmmt noch das ri dazu. Man muß ſuchen den Buchſtaben r recht ſcharf auszuſprechen. Dieſes thut im Gehoͤre eben die Wirkung, als wenn man bey der einfachen Zunge das di brauchet: ob es gleich demje - nigen der ſelbſt ſpielet, nicht ſo vorkoͤmmt.

3. §.

Bey Noten mit Puncten iſt dieſes tiri unentbehrlich; denn es druͤ - cket die punctirten Noten viel ſchaͤrfer und lebhafter aus, als keine andere Art des Zungengebrauches vermoͤgend iſt.

4. §.

Bey dieſem Woͤrtchen tiri faͤllt der Accent auf die letzte Sylbe, das ti iſt kurz, und das ri lang. Das ri muß alſo allezeit zu der Note im Niederſchlage gebrauchet werden: das ti aber zu der Note im Aufheben. Das ri koͤmmt alſo in vier Sechzehntheilen allezeit zu der erſten und drit - ten; das ti aber zu der zweyten und vierten Note.

5. §.

Da man aber niemals mit ri anfangen kann; ſo muß man die erſten zwo Noten mit ti ſtoßen. Bey den uͤbrigen von dieſer Art Noten faͤhrt man mit tiri fort, bis eine Veraͤnderug, entweder in Noten, oder durch Pauſen geſchieht. Folgende Exempel werden zeigen, wie dieſe Art Notenmit67Vom Gebrauche der Zunge mit dem Woͤrtchen tiri. mit der Zunge ausgeſprochen werden muͤſſen, ſ. Tab. III. Fig. 10. 11. und 12. Wenn anſtatt der erſten Note eine Pauſe ſteht, wie bey dem letzten dieſer Exempel zu erſehen iſt, ſo ſetzet man das tiri fort. Da aber hier bey dem zweyten Viertheile die Puncte aufhoͤren, und die zwo dreygeſchwaͤnzten Noten: E, F, im Aufheben kommen: ſo hat eine jede ti. Das folgende G im Niederſchlage hat ri; und weil ſelbiges kei - nen Punct neben ſich hat, und alſo mit dem folgenden F gleich iſt: ſo bekoͤmmt das folgende mit dem Puncte ti anſtatt ri.

6. §.

Jm Tripeltacte hat es gleiche Bewandniß, ſ. Tab. III Fig. 13. und 14. Wenn im ¾, , $$\frac{6}{8}$$ , $$\frac{9}{8}$$ , oder $$\frac{12}{8}$$ Tacte, in einer Figur von drey Noten, die erſte einen Punct hinter ſich hat, wie ſolches in Giquen vorkoͤmmt: ſo haben die zwo erſten Noten ti, und die letzte ri, ſ. Tab. III. Fig. 15. 16. 17. und 18.

7. §.

Bey Noten ohne Punct kann, anſtatt des ti, das di gebrauchet werden. Denn in Paſſagien erlaubet die Geſchwindigkeit nicht das ti auszuſprechen: es wuͤrde ferner dem Gehoͤre unangenehm fallen: und endlich wuͤrden auch die Noten allzuungleich werden. Doch behaͤlt die erſte allezeit ti, und die uͤbrigen diri. Folgen auf Sechzehntheile ſpringende Achttheile; ſo brauche man ti: und bey denen die ſtufenweiſe gehen, di; ſ. Fig. 19. und 20.

8. §.

Wuͤrde erfodert daß die Paßagien geſchwinder geſpielet werden muͤßten, als man das diri ausſprechen kann: ſo muß man entweder die dritte und vierte, oder die erſte und zweyte ſchleifen, ſ. Fig. 21. und 22. Die letztere Art, wo die erſte und vierte Note ti, die dritte aber ri hat, iſt am meiſten anzupreiſen: weil man dieſelbe bey verſchiedenen Arten der Paſſagien, ſowohl in ſpringenden als gehenden Noten brauchen kann. Durch das Schleifen der zweyten Note erholet ſich auch die Zunge; und kann, ohne ſich zu ermuͤden, deſto laͤnger ausdauern: da ſie hingegen bey der Art, wo man das diri beſtaͤndig fortſetzet, bald muͤde, und an der Geſchwindigkeit verhindert wird. Man ſehe hiervon die Beyſpiele Tab. III. Fig. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29.

9. §.

Die letzte Art bey Fig. 29. iſt im Tripeltacte zur Geſchwindigkeit die bequemſte; doch muß man ſich uͤberhaupt nach den ſpringenden NotenJ 2richten.68Des VI. Hauptſtuͤcks. III. Abſchnitt. richten. Wenn auf eine Note zwo geſchwindere folgen; ſo koͤnnen die zwo erſten di, und die dritte ri haben. Eben ſo verhaͤlt es ſich mit drey gleichen Achttheilen, oder Triolen. ſ. Tab. III. Fig. 30. 31. 32. 33. und 34.

Des VI. Hauptſtuͤcks III. Abſchnitt. Vom Gebrauche der Zunge mit dem Woͤrtchen: did’ll, oder der ſogenannten Doppelzunge.

1. §.

Die Doppelzunge wird nur zu den allergeſchwindeſten Paſſagien gebrau - chet. So leicht ſie ſo wohl muͤndlich gezeiget, als durch das Gehoͤr begriffen werden kann: ſo ſchwer faͤllt es, ſie ſchriftlich zu lehren. Das Woͤrtchen did’ll, welches man dabey ausſpricht, ſollte aus zwo Sylben beſtehen. Jn der zweyten iſt aber kein Selbſtlauter: alſo kann ſie weder didel noch dili, ſondern nur did’ll genennet werden; wobey man den Selbſtlauter, der in der zweyten Sylbe ſtehen ſollte, verbeißet. Dieſes d’ll aber kann mit der Spitze der Zunge nicht ausgeſprochen werden, wie das di.

2. §.

Wie das di gemachet werden muͤſſe, habe ich im erſten Abſchnitte die - ſes Hauptſtuͤcks gezeiget. Jch beziehe mich alſo hier darauf. Will man nun das did’ll ausſprechen; ſo ſage man erſtlich di: und indem die Spitze der Zunge vorn an den Gaumen ſpringt, ſo ziehe man geſchwind die Mitte der Zunge, auf beyden Seiten, ein wenig vom Gaumen nie - derwaͤrts ab: damit der Wind, auf beyden Seiten, die Quere zwiſchen den Zaͤhnen heraus gehe. Dieſes Wegziehen wird alſo den Stoß der zweyten Sylbe d’ll geben; welche man aber, ohne das vorhergehende di, niemals allein auszuſprechen vermag. Man ſpreche hierauf dieſes did’lletliche69Vom Gebrauche der Zunge mit dem Woͤrtchen did’ll. etlichemal geſchwind hinter einander aus; ſo wird man beſſer hoͤren, wie es klingen ſoll, als ich es ſchriftlich ausdruͤcken kann.

3. §.

Jm Gebrauche iſt das did’ll das Gegentheil vom tiri. Denn ſo wie der Accent bey tiri auf der zweyten Sylbe liegt; ſo faͤllt derſelbe bey did’ll auf die erſte, und koͤmmt allezeit auf die Note im Niederſchlage, oder auf die ſogenannte gute Note.

4. §.

Will man dieſes did’ll ausuͤben lernen; ſo iſt noͤthig, daß man an - faͤnglich etliche Noten auf einerley Tone ſpiele; ohne Bewegung der Fin - ger; und zwar in der Mitte der Tonleiter; denn dieſe Art der Zunge will beym Anfange, dem Tone, oder dem Anſatze etwas hinderlich ſeyn. Fol - gender Noten kann man ſich Anfangs bedienen: und wird das did’ll in waͤhrendem Blaſen ſo ausgeſprochen, wie es ſich unter den Noten befindet, ſ. Tab. IV. Fig. 1. Dieſes Exempel uͤbe man ſo lange, bis man es, durch alle Toͤne, deutlich machen kann. Hierauf ſetze man noch ein paar Noten zu, ſ. Tab. IV. Fig. 2. Und wenn man dieſe recht in Uebung gebracht hat; ſo nehme man einige Noten ſtufenweiſe, ſ. Fig. 3. 4. 5. und 6.

5. §.

Hierbey muß man ſehr wohl Acht haben, daß die Zunge nicht ge - ſchwinder gehe als die Finger: welches Anfangs mehrentheils zu geſchehen pfleget. Man muß vielmehr ſuchen, die erſte Note mit di allezeit ein wenig anzuhalten, die zweyte mit d’ll hingegen, etwas kuͤrzer zu machen. Denn durch das geſchwinde Wegziehen der Zunge, bekoͤmmt das d’ll ei - nen ſchaͤrfern Stoß.

6. §.

Jch hoffe daß zu Erlernung dieſer Zunge obige Beyſpiele hinreichend ſeyn werden. Die folgenden ſollen zeigen, wie man ſich derſelben bey al - lerhand Paſſagien bedienen koͤnne.

7. §.

Wenn die Paſſagien in einerley Geltung der Noten, und ohne große Spruͤnge fortdauern: ſo behaͤlt die erſte Note im Niederſchlage allezeit di, und die zweyte d’ll, u. ſ. w. wie Fig. 7. ausweiſet.

8. §.

Steht anſtatt der erſten Note eine Pauſe; ſo muͤſſen die zwo erſternJ 3darauf70Des VI. Hauptſtuͤcks III. Abſchnitt. darauf folgenden Noten mit ti angeſtoßen werden. Die uͤbrigen aber neh - men wieder di an, ſ. Fig. 8.

9. §.

Stehen die zwo erſtern Noten auf einem Orte; ſo werden die drey erſtern mit ti geſtoßen. Sind es aber die zwo letztern; ſo wird die dritte mit di, und die vierte mit ti geſtoßen, ſ. Fig. 9. und 10.

10. §.

Machet die letzte Note einen Sprung in die Hoͤhe; ſo kann dieſelbe auch mit ti geſtoßen werden, ſ. Fig. 11.

11. §.

Wenn die erſte der geſchwinden Noten an eine vorhergehende lange gebunden iſt, oder wenn an deren Stelle ein Punct ſteht, ſo muß man dieſelbe mit der Bruſt hauchen, und anſtatt di, hi ſagen, ſ. Fig. 12. und 13. Man kann aber auch die beyden Noten nach dem Puncte mit ti anſtoßen, ſ. Fig. 14.

12. §.

Jn den folgenden Exempeln will ich ſuchen, von denen Paſſagien, wo eine Veraͤnderung der Zungen erfodert wird, die noͤthigſten anzufuͤh - ren. Weil aber unmoͤglich iſt alle vorfallenden Paſſagien hierher zu ſetzen; ſo muß ich das uͤbrige dem eigenen Nachſinnen eines jeden uͤberlaſſen.

13. §.

Aus den Exempeln von der 15. bis zur 24. Figur der IV. Tabelle, und auf der V. Tab. von der 1. bis zu der 11. Figur, kann man ſehen, daß entweder die weiten Spruͤnge in die Hoͤhe, oder Tiefe, oder die Pauſen, oder wenn zwo Noten auf einem Tone ſtehen, wo die Wiederholung des ti noͤthig iſt, die Urſache zur Veraͤnderung der Zunge abgeben.

14. §.

Bey drey gleichen Noten, ſie moͤgen entweder als Triolen, oder im Sechsachttheiltacte, und denen ihm aͤhnlichen Tactarten vorkommen, iſt zu beobachten, daß die zwo erſtern Noten allezeit did’ll, und die dritte di bekoͤmmt: die Jntervalle moͤgen auch ſeyn wie ſie wollen; ſ. Tab. V. Fig. 12. und 13. Machet aber die zweyte Note einen ſehr großen Sprung in die Tiefe; ſo muß man der erſten: di, und den zwo letztern: did’ll geben, ſ. Fig. 14. Steht anſtatt der erſten Note eine Pauſe; ſo giebt man den zwo folgenden Noten: did’ll, ſ. Fig. 15.

15. §. Die71Vom Gebrauche der Zunge mit dem Woͤrtchen did’ll.

15. §.

Die erſte Note einer jeden Figur, es mag dieſe aus drey, oder vier, oder ſechs Noten beſtehen, muß man allezeit ein klein wenig anhalten: um die Zunge mit den Fingern in gleicher Bewegung zu erhalten; damit jede Note ihr gehoͤriges Zeitmaaß bekomme.

16. §.

Die geſchwinden Noten, deren viere, oder mehrere auf einerley Tone vorkommen, dienen zur Probe, ob man die Doppelzunge recht aus - uͤbe, das iſt, ob die zweyte Note eben ſo ſcharf, als die erſte, geſtoßen werde. Fehlet es noch hieran; ſo kann man auch die rollenden Paſſagien nicht brillant und lebhaft genug vortragen.

Des VI. Hauptſtuͤcks Anhang. Einige Anmerkungen zum Gebrauche des Hoboe, und des Baſſons.

1. §.

Weil der Hoboe und der Baſſon, wenn man die Fingerordnung und den Anſatz ausnimmt, in einigen Stuͤcken mit der Floͤte tra - verſiere einerley Eigenſchaft im Spielen haben: ſo koͤnnen die, welche eines dieſer beyden Jnſtrumente handhaben, ſich nicht nur dieſe Anwei - ſung von dem Gebrauche der zweyerley Arten des Zungenſtoßes mit ti und tiri; ſondern auch uͤberhaupt die ganze Lehre von der Floͤte, ſo weit ſie nicht die Fingerordnung, und den Anſatz betrift, zu Nutzen machen.

2. §.

Man bemerke nur, bey dem Zungenſtoße mit ti, daß man, weil das Rohr zwiſchen die Lippen genommen wird, anſtatt die Spitze der Zunge, wie bey der Floͤte geſchieht, krumm zu machen, und oben an den Gaumen zu druͤcken, die Zunge vielmehr gerade ausſtrecken muͤſſe. Mit der Spitze derſelben machet man die Oeffnung des Rohres zu, um denWind72Des VI. Hauptſtuͤcks Anhang. Einige Anmerkungen ꝛc. Wind zu ſpannen, oder aufzuhalten. Das Zuruͤckziehen der Zunge aber verurſachet ebenfalls den Stoß, ſo wie bey der Floͤte.

3. §.

Der Baſſoniſt hat vor dem Hoboiſten noch dieſen Vortheil, daß er auch die Doppelzunge mit did’ll, ſo wie der Floͤteniſt, gebrauchen kann. Nur iſt zu merken, daß auf dem Baſſon, die entferneten Spruͤnge von der Tiefe in die Hoͤhe, nicht, wie auf der Floͤte, geſchleifet werden koͤnnen: diejenigen ausgenommen, welche das ungeſtrichene C nicht uͤberſchreiten. Es muͤſſen vielmehr die Toͤne, in welche man aus der unterſten Octave ſpringt, alle geſtoßen werden. Jn der zweyten Octave, naͤmlich von dem ungeſtrichenen D an, kann man wohl noch einige ſpringende Noten ſchleifen; doch muͤſſen ſelbige auch nicht das ungeſtrichene A uͤberſchreiten: wofern es anders nicht durch ein beſonders gutes Rohr, und ſehr feſten Anſatz bewerkſtelliget werden kann.

4. §.

Was den Ton auf dieſeu beyden Jnſtrumenten anbetrift: ſo koͤmmt dabey vieles auf ein gut Rohr an; ob ſolches von gutem und reifem Holze gemachet iſt; ob es ſein gehoͤriges Gewoͤlbe hat; ob es weder zu breit noch zu ſchmahl, weder zu lang noch zu kurz iſt; ob es weder zu dicke noch zu duͤnne geſchabet worden. Jſt das Rohr vorn zu breit und zu lang; ſo werden die hohen Toͤne gegen die unterſten zu tief: iſt es aber zu ſchmahl und zu kurz; ſo werden dieſelben zu hoch. Wenn nun gleich dieſes alles wohl beobachtet worden iſt; ſo liegt dem ungeachtet noch das meiſte an den Lippen, und an der Art wie das Rohr zwiſchen dieſelben genommen wird. Man muß die Lippen weder zu viel, noch zu wenig zwiſchen die Zaͤhne einbeiſſen. Jſt das erſtere; ſo wird der Ton dumpfig: geſchieht aber das letztere; ſo wird derſelbe zu ſchmetternd und prallend.

5. §.

Einige, beſonders die Baſſoniſten, haben die Art, daß ſie das Rohr etwas ſchief zwiſchen die Lippen nehmen; um die hohen Toͤne deſto leich - ter zu haben. Dieſes verurſachet aber nicht allein einen ſchlechten und pfuſchenden Ton; ſondern es machet auch, daß man das unangenehme Pfeifen des Windes, welcher an der Seite des Rohres heraus geht, oͤf - ters von weitem hoͤren kann. Es iſt alſo viel beſſer, daß man das Rohr ganz platt zwiſchen die Lippen nehme: um einen ſchwebenden und ange - nehmen Ton aus dem Jnſtrumente zu ziehen.

6. §. Bey73

6. §.

Bey Haltung dieſer beyden Jnſtrumente, muß man bedacht ſeyn, mit dem Leibe eine natuͤrliche und gute Stellung zu machen. Die Arme halte man vom Leibe ab, und ſtrecke ſie vorwaͤrts: damit man den Kopf nicht unterwaͤrts hengen duͤrfe; als wodurch die Kehle zuſammen gedruͤ - cket, und das Athemholen gehemmet wird. Jn einem Orcheſter muß der Hoboiſt ſein Jnſtrument, ſo viel moͤglich, in die Hoͤhe halten. Denn wofern er daſſelbe unter das Pulpet ſtecket; ſo verlieret ſich die Staͤrke des Tones.

Das VII. Hauptſtuͤck. Vom Athemholen, bey Ausuͤbung der Floͤte.

1. §.

Den Athem zu rechter Zeit zu nehmen, iſt bey Blasinſtrumenten, ſo wie beym Singen, eine ſehr noͤthige Sache. Durch deſſen Misbrauch, welchen man doch bey vielen wahrnimmt, werden Melodien, welche an einander haͤngen ſollen, oͤfters zerrißen; die Com - poſition wird verſtuͤmmelt; und der Zuhoͤrer eines Theils von ſeinem Ver - gnuͤgen beraubet. Es iſt eben ſo ſchlimm, wenn man etliche Noten, die zuſammen gehoͤren, zertrennet; als wenn man im Leſen, ehe der Sinn aus iſt, oder gar zwiſchen einem Worte von zwo oder drey Sylben, Athem holen wollte. Das letztere geſchieht zwar im Leſen nicht; das er - ſtere aber im Blaſen ſehr oft.

2. §.

Da aber auch nicht allemal moͤglich iſt, alles was zuſammen gehoͤ - ret, in einem Athem zu ſpielen: weil entweder die Compoſition nicht im - mer mit gehoͤriger Behutſamkeit dazu eingerichtet iſt; oder weil der, wel - cher ſie ausfuͤhret, nicht Faͤhigkeit genug beſitzt, den Athem zu ſparen: ſo will ich hier einige Exempel anfuͤhren, aus welchen man wird abnehmen koͤnnen, bey was fuͤr Noten am fuͤglichſten Athem koͤnne genommen wer - den. Hieraus ziehe man ſich in der Folge allgemeine Regeln.

K3. §. Die74Das VII. Hauptſtuͤck.

3. §.

Die geſchwindeſten Noten von einerley Geltung, in einem Stuͤcke, muͤſſen etwas ungleich geſpielet werden; wie ſolches im XI. Hauptſtuͤcke, und deſſen 11. §. weitlaͤuftiger abgehandelt wird, welches man hierbey nachleſen wolle. Hieraus fließet die Regel, daß man den Athem zwi - ſchen einer langen und kurzen Note nehmen muͤſſe. Niemals darf es nach einer kurzen, vielweniger nach der letzten Note im Tacte geſchehen: denn man mag dieſelbe auch ſo kurz ſtoßen als man will; ſo wird ſie doch durch das Athemholen lang. Hiervon werden die Triolen ausgenommen, wenn ſie ſtufenweiſe auf - oder niederwaͤrts gehen, und ſehr geſchwind geſpie - let werden muͤſſen. Bey dieſen erfodert es oͤfters die Nothwendigkeit, nach der letzten Note im Tacte Athem zu nehmen. Findet ſich aber nur ein Sprung von einer Terze, u. d. g. ſo kann es zwiſchen dem Sprunge geſchehen.

4. §.

Wenn ein Stuͤck mit einer Note im Aufheben des Tactes anfaͤngt; die Anfangsnote mag nun die letzte Note im Tacte ſeyn, oder es mag vor derſelben noch eine Pauſe im Niederſchlage ſtehen: oder wenn eine Ca - denz gemachet worden, und ſich ein neuer Gedanke anfaͤngt: ſo muß man bey Wiederholung des Hauptſatzes, oder beym Anfange des neuen Ge - danken, vorher Athem holen; damit die Endigung des vorigen, und der Anfang des folgenden, von einander geſondert werden.

5. §.

Hat man eine Note von einem oder mehr Tacten auszuhalten; ſo kann man vor der haltenden Note Athem holen, wenn auch gleich eine kurze Note vorher geht. Wenn an dieſelbe lange Note noch ein Achttheil gebunden iſt, und auf dieſes zwey Sechzehntheile, und wieder eine gebun - dene Note folgen, ſ. Tab. V. Fig. 16; ſo kann man aus dem erſten Acht - theile zwey Sechzehntheile, doch auf eben demſelben Tone, machen, ſ. Tab. V. Fig. 17; und zwiſchen denſelben den Athem nehmen. Auf gleiche Art kann man bey allen gebundenen Noten, (Ligaturen), ſie moͤ - gen Viertheile, Achttheile, oder Sechzehntheile ſeyn, ſo oft es noͤthig iſt, verfahren. Folget aber auf dieſe Bindung nach der halben Note, weiter keine andere mehr, ſ. Fig. 18; ſo kann man nach der, an die lange gebundenen Note, Athem holen, ohne ſie in zwo Noten zu zer - theilen.

6. §. Um75Vom Athemholen, bey Ausuͤbung der Floͤte.

6. §.

Um lange Paſſagien zu ſpielen, iſt noͤthig, daß man einen guten Vorrath von Athem langſam in ſich ziehe. Man muß zu dem Ende den Hals und die Bruſt weit ausdehnen; die Achſeln in die Hoͤhe ziehen; den Athem in der Bruſt, ſo viel als moͤglich iſt, aufzuhalten ſuchen; und ihn alsdenn ganz ſparſam in die Floͤte blaſen. Findet man ſich aber dennoch genoͤthiget, zwiſchen geſchwinden Noten Athem zu holen: ſo muß man die Note, nach welcher es geſchehen ſoll, ſehr kurz machen; den Athem in der Geſchwindigkeit nur bis an die Gurgel ziehen; und die folgenden zwo oder drey Noten etwas uͤbereilen: damit der Tact nicht aufgehalten werde, und auch keine Note verlohren gehe. Glaubet man aber im Voraus, nicht im Stande zu ſeyn, die Paſſagie in einem Athem auszuſpielen; ſo thut man wohl, wenn man es nicht aufs aͤußerſte ankommen laͤßt, ſon - dern bey Zeiten mit Vortheil Athem holet. Denn ie oͤfter man in der Geſchwindigkeit Athem nimmt; ie unbequemer wird derſelbe, und ie we - niger hilft er.

7. §.

Aus folgenden Exempeln, von der 19. Figur an, bis zu Ende der V. Tabelle, wird man deutlich ſehen koͤnnen, bey was fuͤr Noten man am fuͤglichſten Athem holen koͤnne. Es ſind allezeit diejenigen, uͤber wel - chen ein Strich ſteht. Doch verſteht ſich von ſelbſt, daß man nicht alle - zeit, ſo oft dergleichen Noten vorkommen, ſondern nur alsdenn, wenn es die Noth erfodert, Athem holen muͤſſe.

8. §.

Ob dieſes nun gleich bey dem erſten, zweyten, dritten, und letzten Viertheile eines jeden Tactes geſchehen kann; ſo iſt es doch allezeit beſſer bey dem erſten Viertheile, und zwar nach deſſen erſten Note: Es waͤre denn, daß die erſten vier Noten ſtufenweiſe giengen, die folgenden aber ſpraͤn - gen. Denn bey weiten Jutervallen ſchicket ſich das Athemholen am beſten.

9. §.

Man mache ſich die Exempel von der 16. Figur der V. Tabelle an, bis zu Ende derſelben, recht bekannt; ſo wird man daraus den Athem am rechten Orte nehmen lernen; und dadurch, ſich bey allen vorkommenden Paſſagien helfen zu koͤnnen, mit der Zeit faͤhig werden.

10. §.

Wenn es der Raum erlaubete, verdienete dieſe Materie vom Athem - holen wohl, mit noch mehrern Exempeln erlaͤutert zu werden: weil ſo wohlK 2Saͤnger76Das VII. Hauptſtuͤck. Vom Athemholen. Saͤnger als Blasinſtrumentiſten hierinne ſo haͤufige Fehler begehen. Al - lein wer wollte alle Faͤlle beſtimmen, wo man oͤfters mit einem Athem nicht ſo lange aushalten kann, als es wohl ſeyn ſollte. Die Urſachen davon ſind ſo verſchieden, daß es nicht allemal moͤglich iſt zu ſagen, ob der Compo - niſt, oder der Ausfuͤhrer, oder der Ort wo man ſingt oder ſpielet, oder die Furcht, welche eine Beklemmung der Bruſt verurſachet, Schuld daran ſeyn, daß man nicht allemal den Athem zu rechter Zeit nehmen kann. So viel iſt gewiß, daß man, wenn man vor ſich allein ſingt oder ſpielet, zum wenigſten wo nicht zweymal, doch noch einmal ſo viel in einem Athem heraus bringen kann, als wenn man in Gegenwart vieler Zuhoͤrer ſin - gen oder ſpielen muß. Jm letztern Falle iſt es nun noͤthig, daß man ſich aller moͤglichen Kunſtgriffe zu bedienen wiſſe, welche nur immer die Ein - ſicht in die Ausfuͤhrungskunſt hier darreichet. Man bemuͤhe ſich alſo, voll - kommen einſehen und begreifen zu lernen, was einen muſikaliſchen Sinn ausmache, und folglich zuſammen haͤngen muͤſſe. Man huͤte ſich eben ſo ſorgfaͤltig, das was zuſammen gehoͤret, zu zertrennen; als man ſich in Acht nehmen muß, das was mehr als einen Sinn in ſich begreift, und folglich von einander abzuſondern iſt, kettenweis zuſammen zu hengen: denn hierauf koͤmmt ein großer Theil des wahren Ausdrucks in der Aus - fuͤhrung, an. Diejenigen Saͤnger und Blasinſtrumentiſten, welche nicht faͤhig ſind den Sinn des Componiſten einzuſehen, (derer giebt es aber eine große Menge,) ſind immer der Gefahr ausgeſetzet, hier Fehler zu begehen, und ihre Schwaͤche zu verrathen. Ueberhaupt aber haben die Seyteninſtrumentiſten, in dieſem Stuͤcke, einen großen Vortheil vor jenen voraus; wofern ſie ſich nur nach der oben erfoderten Einſicht beſtreben, und ſich durch die ſchlechten Beyſpiele dererjenigen, die alles, ohne Un - terſchied, auf eine leyernde Art zuſammen hengen, nicht verfuͤhren laſſen wollen.

Das77

Das VIII. Hauptſtuͤck. Von den Vorſchlaͤgen, und den dazu gehoͤrigen kleinen weſentlichen Manieren. 1. §.

Die Vorſchlaͤge (Jtal. appoggiature, Franz. ports de voix) ſind im Spielen ſo wohl ein Zierrath, als eine nothwendige Sache. Ohne dieſelben wuͤrde eine Melodie oͤfters ſehr mager und ein - faͤltig klingen. Soll eine Melodie galant ausſehen; ſo kommen immer mehr Conſonanzen als Diſſonanzen darinne vor. Wenn der erſtern viele nach einander geſetzet werden, und nach einigen geſchwinden Noten eine conſonirende lange folget: ſo kann das Gehoͤr dadurch leicht ermuͤdet wer - den. Die Diſſonanzen muͤſſen es alſo dann und wann gleichſam wieder aufmuntern. Hierzu nun koͤnnen die Vorſchlaͤge viel beytragen; weil ſie, wenn ſie vor der Terze oder Sexte vom Grundtone an gerechnet, ſtehen, ſich in Diſſonanzen, als Quarten und Septimen verwandeln; durch die folgende Note aber, ihre gehoͤrige Aufloͤſung bekommen.

2. §.

Sie werden durch ganz kleine Noͤtchen angedeutet, um ſie mit den ordentlichen Noten nicht zu verwirren; und bekommen ihre Geltung von den Noten vor denen ſie ſtehen. Es liegt eben nicht viel dran, ob ſie mehr als einmal, oder gar nicht geſchwaͤnzet ſind. Doch werden ſie mehren - theils nur einmal geſchwaͤnzet. Die zweymal geſchwaͤnzeten pfleget man nur vor ſolchen Noten zu gebrauchen, denen an ihrem Zeitmaaße nichts abgebrochen werden darf. Z. E. Bey zwo oder mehr langen Noten, ſie moͤgen Viertheile oder halbe Tacte ſeyn, wenn ſie auf einerley Tone vor - kommen, ſ. Tab. VI. Fig. 25. werden dieſe kleinen zweymal geſchwaͤnzeten No - ten, ſie moͤgen von unten oder von oben zu nehmen ſeyn, ganz kurz ausgedruͤ - cket, und anſtatt der Hauptnoten im Niederſchlage angeſtoßen, u. d. m.

3. §.

Die Vorſchlaͤge ſind eine Aufhaltung der vorigen Note. Man kann ſie alſo, nach Befinden der Stelle wo die vorige Note ſteht, ſowohl vonK 3oben,78Das VIII. Hauptſtuͤck. Von den Vorſchlaͤgen,oben, als von unten nehmen; ſ. Tab. VI. Fig. 1. und 2. Wenn die vorhergehende Note um eine oder zwo Stufen hoͤher ſteht, als die folgen - de, vor welcher ſich der Vorſchlag befindet: ſo wird der Vorſchlag von oben genommen, ſ. Tab. VI. Fig. 3. Steht aber die vorhergehende Note tiefer als die folgende: ſo muß auch der Vorſchlag von unten genommen werden, ſ. Fig. 4; und wird mehrentheils zur None, welche ſich in die Terze; oder zur Quarte, welche ſich in die Quinte uͤber ſich, aufloͤſet.

4. §.

Man muß die Vorſchlaͤge mit der Zunge weich anſtoßen; und wenn es die Zeit erlaubet, an der Staͤrke des Tones wachſen laſſen; die folgende Note aber etwas ſchwaͤcher dran ſchleifen. Dieſe Art der Auszierungen wird der Abzug genennet, und hat von den Jtaliaͤnern ihren Urſprung.

5. §.

Es giebt zweyerley Arten der Vorſchlaͤge. Einige werden als an - ſchlagende Noten, oder im Niederſchlage; andere als durchgehende Noten, oder im Aufheben des Tactes angeſtoßen. Man koͤnnte die erſten: an - ſchlagende, die andern aber: durchgehende Vorſchlaͤge be - nennen.

6. §.

Die durchgehenden Vorſchlaͤge finden ſich, wenn einige Noten von einerley Geltung durch Terzenſpruͤnge unter ſich gehen, ſ. Tab. IV. Fig. 5. Sie werden im Spielen ausgedruͤcket wie bey Fig. 6. zu ſehen iſt. Die Puncte werden lange gehalten, und die Noten wo der Bogen anfaͤngt, naͤmlich die zweyte; vierte und ſechſte, werden angeſtoßen. Man muß dieſe Art nicht mit denen Noten verwechſeln, wo hinter der zweyten ein Punct ſteht, und welche faſt eben dieſelbe Melodie ausdruͤcken, ſ. Fig. 7. Jn dieſer Figur kommen die zweyte, vierte, und die folgenden kurzen No - ten, als Diſſonanzen gegen den Baß, in den Niederſchlag; ſie werden im Spielen auch frech und lebhaft vorgetragen: da hingegen die Vorſchlaͤge, wovon hier die Rede iſt, einen ſchmeichelnden Ausdruck verlangen. Wollte man nun die kleinen Noten bey Fig. 5. lang machen, und in der Zeit der folgenden Hauptnote anſtoßen: ſo wuͤrde dadurch der Geſang ganz veraͤndert werden, und ſo klingen, wie bey Fig. 8. zu erſehen iſt. Dieſes wuͤrde aber der franzoͤſiſchen Spielart, aus welcher dieſe Vorſchlaͤge herſtammen, nnd folglich dem Sinne ihrer Erfinder, welcher in dieſem Stuͤcke einen faſt allgemeinen Beyfall erhalten hat, zuwider ſeyn. Oef - ters finden ſich auch zweene Vorſchlaͤge vor einer Note, da der erſte durcheine79und den kleinen weſentlichen Manieren. eine kleine, der andere aber durch eine mit zum Tacte gerechnete Note ausgedruͤcket wird; dergleichen bey den Einſchnitten vorkommen, ſ. Fig. 9. Die kleine Note wird alſo ebenfalls kurz angeſtoßen, und in die Zeit der vorigen Note im Aufheben gerechnet. Man ſpielet die Noten bey Fig. 9. ſo, wie bey Fig. 10. zu erſehen iſt.

7. §.

Anſchlagende, oder in den Niederſchlag treffende Vorſchlaͤge, findet man vor einer langen Note im Niederſchlage, die auf eine kurze im Auf - heben folget, ſ. Tab. VI. Fig. 11. Hier wird der Vorſchlag halb ſo lange gehalten, als die darauf folgende Hauptnote, und wird geſpielet, wie bey Fig. 12. zu erſehen iſt.

8. §.

Steht ein Punct bey der durch den Vorſchlag auszuzierenden Note, ſo theilet ſie ſich in drey Theile. Davon bekoͤmmt der Vorſchlag zweene Theile, die Note ſelbſt aber nur einen Theil, naͤmlich ſo viel als der Punct austraͤgt. Die Noten bey Fig. 13. werden folglich geſpielet, wie bey Fig. 14. zu erſehen iſt. Dieſe, und die im vorigen §. gegebene Regeln, ſind allgemein; die Noten moͤgen ſeyn von welcher Art ſie wollen; und die Vorſchlaͤge moͤgen hoͤher oder tiefer ſtehen, als die darauf folgenden Noten.

9. §.

Wenn im Sechsachttheil - oder Sechsviertheiltacte, zwo Noten auf einem Tone an einander gebunden ſind, und die erſte einen Punct hinter ſich hat, wie im Giquen vorkoͤmmt: ſo werden die Vorſchlaͤge ſo lange gehalten, als die erſte Note mit dem Puncte gilt, ſ. Fig. 15. und 17. Sie werden geſpielet wie bey Fig. 16. und 18. zu erſehen iſt; und gehen alſo von der vorigen Regel ab. Man hat in Anſehung dieſer Vorſchlaͤge, dieſe Tactarten nicht als ungeraden, ſondern als geraden Tact anzuſehen.

10. §.

Wenn uͤber Noten, ſo gegen die Grundſtimme Diſſonanzen machen, es mag die uͤbermaͤßige Quarte, oder die falſche Quinte, oder die Septime, oder die Secunde ſeyn, Triller ſtehen, ſ. Fig. 19. 20. 21. 22 ; ſo muß der Vorſchlag vor dem Triller ganz kurz ſeyn, um nicht die Diſſonanzen in Conſonanzen zu verwandeln. Z. E. man hielte bey Fig. 21. den Vor - ſchlag A. halb ſo lange, als das darauf folgende Gis mit dem Triller: ſo wuͤrde man anſtatt der Septime F zu Gis, die Sexte F zu A, und folg - lich keine Diſſonanz mehr hoͤren; welches man aber, um nicht die Schoͤn -heit80Das VIII. Hauptſtuͤck. Von den Vorſchlaͤgen,heit und Annehmlichkeit der Harmonie zu verderben, ſo viel als moͤglich iſt, vermeiden muß.

11. §.

Folget nach einer Note eine Pauſe, ſo bekoͤmmt der Vorſchlag, wenn es anders die Nothwendigkeit des Athemholens nicht verhindert, die Zeit von der Note; die Note aber die Zeit von der Pauſe. Die drey Arten Noten bey Fig. 23., werden alſo geſpielet, wie bey Fig. 24. in der Folge zu ſehen iſt.

12. §.

Es iſt nicht genug, die Vorſchlaͤge in ihrer Art und Eintheilung ſpielen zu koͤnnen, wenn ſie vorgezeichnet ſind. Man muß auch ſel - bige an ihren Ort zu ſetzen wiſſen, wenn ſie nicht geſchrieben ſind. Um ſolches zu erlernen, nehme man dieſes zur Regel: Wenn nach einer, oder etlichen kurzen Noten, im Niederſchlage, oder Aufheben des Tactes, eine lange Note folget, und in conſonirender Harmonie liegen bleibt; ſo muß vor der langen, um den gefaͤlligen Geſang beſtaͤndig zu unterhalten, ein Vor - ſchlag gemachet werden. Die vorhergehende Note wird zeigen, ob er von oben oder unten genommen werden muͤſſe.

13. §.

Jch will ein klein Exempel geben, welches die meiſten Arten der Vor - ſchlaͤge in ſich haͤlt, ſ. Fig. 26. Will man ſich von der Nothwendigkeit, und der guten Wirkung der Vorſchlaͤge uͤberzeugen; ſo ſpiele man dieſes Exempel erſtlich mit den dabey befindlichen Vorſchlaͤgen; hernach ohne dieſelben. Man wird den Unterſchied des Geſchmackes ſehr deutlich wahrnehmen. Zugleich wird man aus dieſem Exempel erſehen, daß die Vorſchlaͤge meiſtentheils vor ſolchen Noten ſtehen, welche geſchwindere No - ten entweder vor, oder nach ſich haben: und daß auch, bey dem groͤßten Theile der Triller, Vorſchlaͤge erfodert werden.

14. §.

Aus den Vorſchlaͤgen fließen noch einige andere kleine Auszierungen, dieſe ſind: der halbe Triller, ſ. Tab. VI. Fig. 27. und 28; das Pincé, (der Mordant) ſ. Fig. 29. und 30; und das Doublé oder der Doppelſchlag, ſ. Fig. 31. welche in der franzoͤſiſchen Spielart, um ein Stuͤck brillant zu ſpielen, uͤblich ſind. Die halben Triller ſind von zweyer - ley Art, ſ. Fig. 27. und 28. und koͤnnen anſtatt des ſimpeln Abzugs den Vorſchlaͤgen von oben angehenget werden. Die Pincez ſind gleichfallszweyerley81und den kleinen weſentlichen Manieren. zweyerley; ſie koͤnnen, ſo wie die Doublez, den Vorſchlaͤgen von unten an - gehenget werden.

15. §.

Die battemens, ſ. Fig. 32. und 33. koͤnnen bey ſpringenden Noten, wo keine Vorſchlaͤge ſtatt finden, angebracht werden; um die Noten leb - haft und ſchimmernd (brillant) zu machen. Das erſte muß auf der Floͤte durch einen Schlag mit dem Finger, und einen Stoß der Zunge zugleich, geſchehen; und kann ſowohl bey geſchwinden als langſamen Noten ange - bracht werden. Das andere ſchicket ſich beſſer zu etwas langſamen, als zu geſchwinden Noten: doch muͤſſen die dreygeſchwaͤnzten Noten in der groͤßten Geſchwindigkeit gemachet werden: weswegen man den Finger nicht hoch aufheben darf.

16. §.

Dieſe Auszierungen oder Manieren, welche ich im 14. und 15. §. beſchrieben habe, dienen, nach Beſchaffenheit eines Stuͤckes zur Aufmun - terung und Froͤlichkeit: die ſimpeln Vorſchlaͤge hingegen, zur Erweichung und Traurigkeit. Weil nun die Muſik die Leidenſchaften bald erregen, bald wieder ſtillen ſoll; ſo erhellet daraus der Nutzen und die Nothwendig - keit dieſer Manieren, bey einem natuͤrlichen ſimpeln Geſange.

17. §.

Will man nun dieſe im 14. und 15. §. beſchriebenen Manieren, bey dem Exempel Tab. VI. Fig. 26. mit den puren Vorſchlaͤgen untermiſchen, und nach ihnen anbringen: ſo kann es bey denen Noten, woruͤber die Buch - ſtaben ſtehen, nach folgender Anleitung geſchehen. Die Manier bey Fig. 27. kan bey den Noten unter (c) (d) (f) (i) und (n) angebracht wer - den. Die bey Fig. 28. ſchicket ſich unter die Note (k). Die bey Fig. 29. mache man bey den Noten unter (g) und (m). Die bey Fig. 30. laſſe man bey (e); die bey Fig. 31. aber, bey (b) hoͤren. Die bey Fig. 32. kann man den Noten unter (a) und (l); und die bey Fig. 33. der Note unter (h) zugeſellen. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß die Manieren an jedem Orte in den Ton verſetzet werden muͤſſen, welchen die Vorſchlaͤge zu erkennen geben.

18. §.

Bey dieſer Vermiſchung der ſimpeln Vorſchlaͤge mit den kleinen Manieren, oder franzoͤfiſchen Propretaͤten, wird man finden, daß der Ge - ſang durch die letztern viel lebhafter und ſchimmernder wird, als ohne die - ſelben. Man muß nur dieſe Vermiſchung mit einer vernuͤnftigen Beur -Ltheilung82Das VIII. Hauptſtuͤck. Von den Vorſchlaͤgen,theilung unternehmen. Denn hiervon haͤngt ein anſehnlicher Theil des guten Vortrages ab.

19. §.

Einige begehen, ſo wie mit den willkuͤhrlichen Auszierungen, alſo auch mit den hier beſchriebenen Vorſchlaͤgen, und uͤbrigen weſentlichen Manieren, viel Misbrauch. Sie laſſen, ſo zu ſagen, faſt keine Note, wo es nur irgend die Zeit, oder ihre Finger geſtatten, ohne Zuſatz hoͤren. Sie machen den Geſang entweder durch uͤberhaͤufte Vorſchlaͤge und Ab - zuͤge zu matt; oder durch einen Ueberfluß von ganzen und halben Trillern, Mordanten, Doppelſchlaͤgen, battemens, u. d. gl. zu bunt. Sie bringen dieſelben oͤfters bey Noten an, wobey doch ein nur halb geſundes muſikali - ſches Gehoͤr begreift, daß ſie ſich nicht hinſchicken. Hat etwan ein be - ruͤhmter Saͤnger, in einem Lande, eine mehr als gemeine Annehmlichkeit bey Anbringung der Vorſchlaͤge: Gleich faͤngt die Haͤlfte der Saͤnger ſei - ner Nation an zu heulen; und auch den lebhafteſten Stuͤcken, durch ihr abgeſchmacktes Wehklagen, das Feuer zu benehmen: und hierdurch glau - ben ſie den Verdienſten jenes beruͤhmten Saͤngers nahe zu kommen, wo nicht gar, ſie zu uͤbertreffen. Es iſt wahr, die oben beſchriebenen Zierra - then ſind zum guten Vortrage hoͤchſtnoͤthig. Deſſen ungeachtet muß man doch ſparſam mit ihnen umgehen; wenn man des Guten nicht zu viel thun will. Die rareſte und ſchmackhafteſte Speiſe machet uns Ekel, wenn wir ihrer zu viel genießen muͤſſen. Eben ſo geht es mit den Auszierun - gen in der Muſik; wenn man mit denſelben zu verſchwenderiſch umgeht, und das Gehoͤr zu uͤberſchuͤtten ſuchet. Ein praͤchtiger, erhabener und lebhafter Geſang, kann durch uͤbel angebrachte Vorſchlaͤge niedrig und einfaͤltig; ein trauriger und zaͤrtlicher Geſang hingegen, durch uͤberhaͤufte Triller und andere kleine Manieren zu luſtig und zu frech gemachet, und die vernuͤnftige Denkart des Componiſten verſtuͤmmelt werden. Hieraus nun iſt zu erſehen, daß die Auszierungen ſowohl ein Stuͤck, wo es noͤthig iſt, verbeſſern, als auch, wenn ſie zur Unzeit kommen, verſchlimmern koͤn - nen. Diejenigen, welche ſich den guten Geſchmack zwar wuͤnſchen, ihn aber nicht beſitzen, fallen am leichteſten in dieſes Verſehen. Aus Man - gel der zaͤrtlichen Empfindung, wiſſen ſie mit dem ſimpeln Geſange nicht umzugehen. Ueber der edlen Einfalt wird ihnen, ſo zu ſagen, die Zeit zu lang. Wer nun dergleichen Fehler nicht begehen will; der gewoͤhne ſich bey Zeiten, weder zu ſimpel, noch zu bunt, zu ſingen oder zu ſpielen; ſondern das Simple mit dem Brillanten immer zu vermiſchen. Mit denkleinen83kleinen Auszierungen gehe er um, wie man mit dem Gewuͤrze bey den Speiſen zu thun pfleget; und nehme den, an jeder Stelle herrſchenden Affect, zu ſeiner Richtſchnur: ſo wird er weder zu viel noch zu wenig thun, und niemals eine Leidenſchaft in die andere verwandeln.

Das IX. Hauptſtuͤck. Von den Trillern.

1. §.

Die Triller geben dem Spielen einen groſſen Glanz; und ſind, ſo wie die Vorſchlaͤge, unentbehrlich. Wenn ein Jnſtrumentiſt, oder Saͤnger, alle Geſchiklichkeit beſaͤße, welche der gute Ge - ſchmack in der Ausfuͤhrung erfodert; er koͤnnte aber keinen guten Triller ſchlagen: ſo wuͤrde ſeine ganze Kunſt unvollkommen ſeyn. Dem einen koͤmmt hierinne die Natur zu ſtatten: der andere muß den Triller durch vielen Fleiß erlernen. Manchem gelingt er mit allen Fingern: manchem nur mit etlichen: und manchem bleibt der Triller Zeitlebens ein Stein des Anſtoßes; welches vermuthlich mehr von der Beſchaffenheit der Nerven, als von dem Willen des Menſchen abhaͤngt. Man kann aber durch Fleiß vieles daran erſetzen und verbeßern: wenn man nur nicht wartet, ob der Triller von ſich ſelbſt kommen wolle; ſondern bey Zeiten, wenn die Finger noch im Wachs - thume ſind, die gehoͤrige Muͤhe anwendet, und denſelben zur Vollkommen - heit zu bringen ſuchet.

2. §.

Nicht alle Triller duͤrfen in einerley Geſchwindigkeit geſchlagen wer - den: ſondern man muß ſich hierinne ſo wohl nach dem Orte wo man ſpie - let, als nach der Sache ſelbſt, die man auszufuͤhren hat, richten. Spielet man an einem großen Orte, wo es ſehr ſchallet; ſo wird ein etwas lang - ſamer Triller beßere Wirkung thun, als ein geſchwinder. Denn durch den Wiederſchall geraͤth die allzugeſchwinde Bewegung der Toͤne in eine Ver - wirrung, und folglich wird der geſchwinde Triller undeutlich. SpieletL 2man84Das IX. Hauptſtuͤck,man hingegen in einem kleinen oder tapezirten Zimmer, wo die Zuhoͤrer nahe dabey ſtehen: ſo wird ein geſchwinder Triller beſſer ſeyn, als ein lang - ſamer. Man muß ferner zu unterſcheiden wiſſen, was fuͤr Stuͤcke man ſpielet; damit man nicht, wie viele thun, eine Sache mit der andern ver - menge. Jn traurigen Stuͤcken muß der Triller langſamer; in luſtigen aber geſchwinder geſchlagen werden.

3. §.

Man muß aber die Langſamkeit und Geſchwindigkeit hierinne nicht aufs aͤußerſte treiben. Der ganz langſame Triller iſt nur bey den Fran - zoſen im Singen uͤblich; er tauget aber eben ſo wenig, als der ganz ge - ſchwinde zitternde, welchen die Franzoſen chevroté (meckernd) nennen. Man darf ſich nicht verfuͤhren laßen, wenn auch einige der groͤßten und beruͤhmteſten Saͤnger den Triller abſonderlich auf die letztere Art ſchluͤgen. Manche halten dieſen meckernden Triller, aus Unwiſſenheit, wohl gar fuͤr ein beſonderes Verdienſt; ſie wiſſen aber nicht, daß ein maͤßig geſchwinder und gleichſchlagender Triller viel ſchwerer zu erlernen iſt, als der ganz ge - ſchwinde zitternde; welcher folglich vielmehr fuͤr einen Fehler gehalten werden muß.

4. §.

Der Terzentriller, da man anſtatt des naͤchſt uͤber der Hauptnote liegenden Tones, die Terze anſchlaͤgt, ob er wohl vor Alters uͤblich war, auch heut zu Tage noch bey einigen italiaͤniſchen Violiniſten und Hoboiſten Mode iſt, darf dennoch, weder im Singen, noch auf Jnſtrumenten, (es muͤßte denn die Sackpfeife ſeyn) gebrauchet werden. Denn ein jeder Triller darf nicht mehr als den Raum von einem ganzen oder halben Tone einnehmen; nachdem es naͤmlich die Tonart, und die Note von welcher der Triller ſeinen Urſprung nimmt, erfodert.

5. §.

Soll der Triller recht ſchoͤn ſeyn; ſo muß er egal, oder in einer gleichen, und dabey maͤßigen Geſchwindigkeit, geſchlagen werden. Auf Jnſtrumen - ten muͤßen deswegen die Finger bey keinem Schlage hoͤher, als bey dem an - dern, aufgehoben werden.

6. §.

Die rechte Geſchwindigkeit eines ordentlichen guten Trillers genau zu beſtimmen, duͤrfte wohl etwas ſchwer fallen. Doch glaube ich, daß es weder zu langſam noch zu geſchwind ſeyn wuͤrde, wenn man einen langen Triller, der zum Schluße vorbereitet, ſo ſchluͤge, daß der Finger in der Zeiteines85Von den Trillern. eines Pulsſchlages nicht viel mehr als vier Bewegungen, und folglich acht ſolche Noten machte, wie Tab. VII. Fig. 1. zu erſehen ſind. Jn geſchwinden und luſtigen Stuͤcken hingegen, koͤnnen die kurzen Triller etwas geſchwinder geſchlagen werden. Man kann hier den Finger, in der Zeit eines Pulsſchlages, noch ein - oder aufs hoͤchſte zweymal mehr aufheben. Doch findet dieſe letztere Art nur bey kurzen Noten, und wenn deren etliche auf einander folgen, ſtatt.

Wegen der Geſchwindigkeit der Triller uͤberhaupt, koͤnnte zum Ueberfluße noch be - merket werden, daß man ſich deswegen nach der Hoͤhe und Tiefe der Toͤne zu rich - ten habe. Jch will die vier Octaven des Clavicymbals zur Richtſchnur nehmen; und glaube, daß wenn man den Triller in der eingeſtrichenen Octave in der oben - beſchriebenen Geſchwindigkeit ſchlaͤgt; man denſelben in der zweygeſtrichenen Octa - ve um etwas geſchwinder, in der ungeſtrichenen aber, um ſo viel langſamer; und in der tiefſten Octave noch etwas langſamer, als in der ungeſtrichenen, ſchlagen koͤnnte. Jch ſchluͤße hieraus noch weiter, daß bey der Menſchenſtimme, der So - pran den Triller geſchwinder als der Alt; und der Tenor und Baß denſelben, in gehoͤrigem Verhalte, langſamer als der Sopran und Alt, ſchlagen koͤnnten. Die Triller auf der Violine, Bratſche, dem Violoncell und dem Contraviolon koͤnnten mit den Trillern der vier Singſtimmen uͤbereinkommen. Auf der Floͤte und dem Hoboe koͤnnte der Triller ſo geſchwind geſchlagen werden, als ihn der Sopran ſchlaͤgt; und der Triller auf dem Baſſon koͤnnte mit dem Triller des Tenors einerley Geſchwindigkeit haben. Jch ſtelle einem jeden frey, dieſe Meynung ent - weder anzunehmen oder zu verwerfen. Sollten dergleichen Subtilitaͤten von den wenigſten fuͤr etwas nuͤtzliches gehalten werden: ſo wird mir genug ſeyn, wenn auch nur einige wenige, welche einen feinen Geſchmack, eine reife Beurtheilungs - kraft, und viel Erfahrung haben, mir hierinn nicht ganz und gar entgegen ſeyn werden.
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7. §.

Jeder Triller nimmt von dem, vor ſeiner Note, entweder von oben oder von unten zu nehmenden, und im vorigen Hauptſtuͤcke erklaͤreten Vor - ſchlage, ſeinen Anfang. Die Endigung jedes Trillers beſteht aus zwo kleinen Noten, ſo nach der Note des Trillers folgen, und demſelben in gleicher Geſchwindigkeit angehenget werden, ſ. Tab. VII. Fig. 2. Sie werden der Nachſchlag genennet. Dieſer Nachſchlag wird bisweilen durch eigene Noten ausgedruͤcket, ſ. Fig. 3. Findet ſich aber nur die ſim - ple Note allein, ſ. Fig. 4; ſo verſteht ſich ſowohl der Vor - als Nachſchlag darunter: weil ohne dieſe der Triller nicht vollkommen und brillant genug ſeyn wuͤrde.

L 38. §.86Das IX. Hauptſtuͤck.

8. §.

Der Vorſchlag des Trillers iſt zuweilen eben ſo geſchwind, als die uͤbri - gen Noten, woraus der Triller beſteht: Z. E. wenn ein neuer Gedanke, nach einer Pauſe, mit einem Triller anfaͤngt. Dieſer Vorſchlag mag aber lang oder kurz ſeyn, ſo wird er doch allezeit mit der Zunge angeſtoßen: der Triller nebſt ſeinem Nachſchlage aber, werden an denſelben geſchleifet.

9. §.

Da die vorhaltenden Noten, oder Vorſchlaͤge des Trillers, von zweyerley Art ſind, und ſowohl aus ganzen als halben Toͤnen beſtehen koͤnnen: bey der Floͤte aber, das Aufheben des Fingers, dem Gehoͤre nach, mehrentheils einen ganzen Ton ausmachet: ſo wird erfodert, daß man bey denen aus halben Toͤnen beſtehenden Trillern, den Athem ſpare, und den Finger gar nicht hoch aufhebe, doch aber geſchwind ſchlage; damit man mit dem Gehoͤre nur einen halben Ton bemerke. Man muß alſo die vorhaltende Note feſt im Gedaͤchtniße behalten, und ſie mit vollem Winde angeben. So bald man aber mit dem Finger ſchlagen will; muß man den Wind maͤßigen, und mit dem Finger kaum vom Holze kommen.

10. §.

Jch will die vornehmſten Noten mit ihren Vorſchlaͤgen von halben Toͤnen, zu mehrerer Erlaͤuterung, und damit man ſolche deſto leichter faſſen koͤnne, hier beyfuͤgen: Der Vorſchlag F vor E, ſ. Fig. 5. wuͤrde ſich durch allzuhohes Aufheben des 5. Fingers in Fis verwandeln. Das Dis wuͤrde ſich in E, ſ. Fig. 6; das C in Cis, ſ. Fig. 7; das B in H, ſ. Fig. 8; das As in A, ſ. Fig. 9; das A in H, ſ. Fig. 10, verwan - deln: es ſey in der Hoͤhe oder Tiefe. Auf dieſe Art waͤren dieſe aus hal - ben Toͤnen beſtehenden Triller alle falſch. Will man aber der vorher gege - benen Regel folgen: ſo koͤnnen alle rein geſchlagen werden. Ob dieſe An - merkung gleich vielen Floͤtenſpielern unbekannt zu ſeyn ſcheint; ſo halte ich ſie doch fuͤr ſehr nothwendig. Ohne dieſe Reinigkeit im Spielen kann das Gehoͤr nicht vollkommen befriediget werden. Es iſt dem Verhalte der Toͤne zuwider: und die Floͤte iſt durch dieſen Fehler ihrer Ausuͤber, ſo gar bey vielen Muſikverſtaͤndigen, welche die Eigenſchaften und Schwie - rigkeiten dieſes Jnſtruments nicht einſehen, in den Miscredit gefallen, als ob man ſie nicht reiner ſpielen koͤnne, als von den meiſten bisher ge - ſchehen iſt. Denen, welchen an reiner Ausuͤbung dieſes Jnſtruments ge - legen iſt, zum Dienſte, habe ich dieſes hier anmerken wollen. Die eigene Uebung wird einen jeden noch zu mehrerer Erkenntniß fuͤhren koͤnnen.

11. §.87Von den Trillern.

11. §.

Mit was fuͤr einem Finger, jeder Triller, durch die ganze Tonlei - ter, auf der Floͤte geſchlagen werden muͤſſe; kann man Tab. VII. Fig. 22. 23. und 24. erſehen. Die Ziffern ſo unter den Noten ſtehen, zeigen den Finger an, welcher bey jedem Tone ſchlagen muß. Jch ſetze hierbey vor - aus, daß man, ehe man die Triller lernen will, ſchon wiſſen muͤſſe, mit welchen Fingern jeder Ton, nach Anleitung der I. Tabelle, zu greifen iſt.

Bey dem Triller auf dem zweygeſtrichenen D muß man mit dem 1. Finger ein we - nig Luft machen; ſo wird der Triller heller und brillanter.
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12. §.

Einige Triller laſſen ſich nicht, durch Ziffern allein, deutlich genug erklaͤren. Jch will alſo hier insbeſondere zeigen, auf was fuͤr Art jeder da - von geſchlagen werden muͤſſe.

Bey dem Triller auf dem zweygeſtrichenen C, ſ. Fig. 11, ſtoße man erſtlich den Vorſchlag D an; man laſſe die Finger 2. 3. 5. 6. liegen, und ſchlage mit 4. den Triller. Zum Nachſchlage hebe man alle Finger zu - gleich auf; und laſſe, in eben der Geſchwindigkeit des Trillers, die zwo kleinen Noten H, C, nach einander hoͤren. Steht vor dem kleinen Noͤtchen ein b, ſ. Fig. 12; ſo muß man bey dem Vorſchlage die Floͤte auswaͤrts, unter dem Triller aber einwaͤrts drehen, und den Athem maͤ - ßigen: damit nicht aus dem halben Tone ein ganzer werde. Zum Nach - ſchlage B, C, hebe man die rechte Hand, und den 2. Finger auf; 3. laſſe man liegen, und mache 1. zu und auf; nachdem mache man 2. zu: ſo hoͤret man zuletzt das C allein.

Bey dem dreygeſtrichenen C-Triller, ſ. Fig. 13, mache man das erſte Loch halb, 2. und 3. aber ganz zu; 7. bleibt offen; mit 4. nnd 5. ſchlage man zugleich; 6. macht den Nachſchlag. Man kann dieſen Triller noch auf eine andere Art ſchlagen, naͤmlich: man mache, nach dem Vorſchlage D, 4. 5. 6. zu, und ſchlage mit 4. und 5. zugleich: 1. machet den Nachſchlag.

Bey dem dreygeſtrichen D ohne Vorſchlag, ſ. Fig. 14, mache man 1. halb, 2. und 3. aber ganz zu; die kleine Klappe bleibt offen; mit 3. ſchlage man, und laſſe es zuletzt liegen; 4. und 5. zugleich machen den Nachſchlag. Dieſer Triller, und der auf dem dreygeſtrichenen E, koͤnnen nur im Nothfalle gebrauchet werden: weil ſie beyde, auf der Floͤte, nicht aus ganzen, ſondern nur halben Toͤnen, beſtehen koͤnnen.

Bey dem zweygeſtrichenen Des, ſ. Fig. 15, nehme man erſt Es,und88Das IX. Hauptſtuͤck. Von den Trillern. und laſſe die rechte Hand liegen; 1. mache man halb zu, und ſchlage mit 2. und 3. zugleich; zuletzt hebe man alle Finger zugleich auf, und mache mit 1. den Nachſchlag.

Mit dem zweygeſtrichenen Cis-Triller, ſ. Fig. 16, verfaͤhrt man eben ſo: auſſer daß anſtatt der kleinen Klappe die große genommen wird. Dieſe zweene Triller kommen uͤberhaupt wenig vor; weil ſie ſehr hart klingen; beſonders der erſte. Wenn man aber, unter waͤhrendem Triller, den kleinen Finger ein wenig in die Hoͤhe zieht; daß die Klappe etwas naͤ - her auf das Loch koͤmmt: ſo ſpricht der Triller leicht an.

Bey dem eingeſtrichenen His, ſ. Fig. 17, lege man nach dem Vor - ſchlage 2. 3. 4. 5. 6. zu, und ſchlage mit 4; zuletzt hebe man alle dieſe Finger wieder auf, und mache mit 1. den Nachſchlag. Unter dem Triller muß man den Athem maͤßigen, damit nicht anſtatt Cis, das D gehoͤret werde.

Bey dem eingeſtrichenen Fis, ſ. Fig. 18, wird wegen des vorſchlagenden Gis der Triller mit dem 3. Finger geſchlagen; in der Octave hoͤher ebenfalls.

Bey Fig. 19. aber, wird, weil vor der folgenden Note E ein Kreuz ſteht, das zweygeſtrichene Fis mit 1. 2. 3. 5. 6. 8. gegriffen, und mit 3. geſchlagen. Jn der Octave tiefer machet man es eben ſo, die Klappe ausgenommen. Doch iſt ſolches nur im Adagio zu gebrauchen: und muß alsdenn die Floͤte bey dem Fis, ſowohl einwaͤrts gedrehet, als der Athem gemaͤßiget werden. Jm Allegro wird dieſer Triller geſchlagen, wie bey Fig. 18.

Wenn der Triller ſowohl auf dem ein-als zweygeſtrichenen E ſeinen Urſprung vom Fis hat; ſo wird er nicht mit 5. ſondern mit 4. geſchlagen. Weil aber dieſer Triller, ſo wie der Fis-Triller bey Fig. 18. faſt in die Terze geht: ſo muß man ſehr geſchwind ſchlagen, und die Finger nicht hoch aufheben.

Bey dem zweygeſtrichenen Cis, ſ. Fig. 20, ſtoße man den Vor - ſchlag an; 4. 5. 6. laſſe man liegen, und ſchlage mit 2. und 3. zugleich. Nachdem hebe man alle Finger auf, und mache mit 1. den Nachſchlag.

Bey dem zweygeſtrichenen His, ſ. Fig. 21, greife man den Vor - ſchlag Cis mit 2. 3. 4. 7; zum Triller mache man noch 5. und 6. zu; und ſchlage entweder mit 5, oder mit 4. und 5. zugleich, welches gleich viel iſt. 1. machet den Nachſchlag; wobey aber die uͤbrigen Finger alle liegen bleiben.

13. §.

Wenn nach dem Triller ein Schluß (Cadenz) folget, es ſey in der Mitte, oder am Ende des Stuͤckes: ſo findet nach dem Nachſchlage des Trillers, vor der Schlußnote, kein Vorſchlag mehr ſtatt; abſonderlich, wenn die Note des Trillers um eine Stufe hoͤher, als die Schlußnote,ſteht.89ſteht. Z. E. Man ſchluͤge den Triller uͤber dem zweygeſtrichenen D, um im C zu ſchließen; und machte vor dieſer Schlußnote den Vor - ſchlag D: ſo wuͤrde ſolches nicht nur einfaͤltig klingen; ſondern man wuͤrde ſich auch hierinne dem muſikaliſchen Poͤbel gleich ſtellen: weil dieſer Fehler, von keinem, der ſeinen Geſchmack ins Feine gebracht hat, begangen wird.

Das X. Hauptſtuͤck. Was ein Anfaͤnger, bey ſeiner beſondern Uebung, zu beobachten hat.

1. §.

Jch habe bereits geſaget, und wiederhole es hier noch einmal, daß ein Anfaͤnger, der die Floͤte traverſiere gruͤndlich zu erlernen ge - denket, neben dieſer meiner Anweiſung, noch des muͤndlichen Unterrichts eines guten Meiſters noͤthig habe. Die ſchriftliche Anwei - ſung zeiget wohl einen richtigen Weg, wie man eine Sache erlernen ſoll; ſie verbeſſert aber die Fehler nicht, welche bey der Ausuͤbung, abſonder - lich im Anfange, haͤufig begangen werden. Der Anfaͤnger ſelbſt wird deren nicht allezeit gewahr: und wenn ſie nicht von dem Meiſter beſtaͤndig angemerket werden; ſo werden ſie bey dem Lernenden zur Gewohnheit, und endlich zur andern Natur. Es koſtet alsdenn in der Folge mehr Muͤhe und Fleiß, ſich des Boͤſen wieder zu entſchlagen, als das Gute anzu - nehmen. Weis aber ein Lehrbegieriger ſich bey ſeiner beſondern Uebung nicht zu helfen; hat er das, ſo ihn ſein Meiſter gelehret, entweder nicht recht begriffen, oder gar wieder vergeſſen; waͤren etwan, zum Ungluͤcke, gar die Grundſaͤtze ſeines Meiſters nicht richtig: ſo kann er ſich durch ge - genwaͤrtige Anweiſung aus ſeinem Jrthume reiſſen, und auf dem rechten Wege bleiben. Zu dem ſind in einer jeden Wiſſenſchaft, die nicht pur mit dem Verſtande allein gefaſſet werden muß, ſondern zu der auch die aͤuſſerlichen Sinne, und die Glieder, das ihrige beytragen muͤſſen, einige ſogenannte Handgriffe hoͤchſt noͤthig.

2. §.

Jch will erſtlich das nothwendigſte von dem, was ich groͤßten Theils in den vorigen Hauptſtuͤcken weitlaͤuftig erklaͤret habe, hier in der Kuͤrze wieder -Mholen:90Das X. Hauptſtuͤck. Was ein Anfaͤngerholen: damit man ſolches mit deſto groͤßerer Bequemlichkeit beyſammen finden, oͤfter uͤberleſen, und alſo deſto leichter ins Gedaͤchtniß faſſen koͤnne.

3. §.

Ein Anfaͤnger muß des linken Daumen eingedenk ſeyn, um die Floͤte damit feſt zu halten. Die Floͤte muß er feſt an den Mund druͤcken. Er muß ſich huͤten, daß er den kleinen Finger, ſowohl beym tiefen als beym mittelſten E und F, auf der Klappe nicht liegen laſſe. Er gewoͤhne ſich nicht, aus Nachlaͤßigkeit, einen oder den andern Finger der rechten Hand, bey denen Toͤnen, welche die linke allein greift, auf den Loͤchern lie - gen zu laſſen.

Die Finger muß er weder ungleich, noch gar zu hoch aufheben. Ob man es hierinne recht mache, kann man am beſten bemerken, wenn man bey Ausuͤbung der Paſſagien, wo beyde Haͤnde wechſelsweiſe zu thun haben, ſich vor den Spiegel ſtellet. Doch duͤrfen die Finger auch nicht gar zu nahe uͤber die Loͤcher gehalten werden: ſonſt werden die Toͤne nicht nur zu tief und unrein; ſondern ihr Klang wird auch pfuſchend.

Die Floͤte, muß nicht bald ein - bald auswaͤrts gedrehet werden: ſonſt wird der Ton entweder tiefer, oder hoͤher, als er ſeyn ſoll.

Den Kopf darf man in waͤhrendem Spielen nicht vorwaͤrts herunter hengen; als wodurch das Mundloch gar zu ſehr bedecket, und der Wind im Steigen verhindert wird.

Die Arme muͤſſen ein wenig vom Leibe ab, und in die Hoͤhe gehal - ten werden.

Ein Anfaͤnger muß ſich huͤten, daß er mit dem Kopfe, Leibe, oder Armen keine unnoͤthigen und aͤngſtlichen Geberden mache: als welches, ob es gleich zur Hauptſache nicht gehoͤret, dennoch bey den Zuhoͤrern einen Ekel verurſachen kann.

Die Toͤne muß er, nach der Fingerordnung, ſo wohl rein greifen, als auch rein anblaſen.

Auf die Bewegung des Kinns und der Lippen, bey ſteigenden und fallenden Noten, muß er wohl Acht haben.

Er muß die Floͤte in den hohen Toͤnen, nach gehoͤrigem Verhalte ſchwach, und in den tiefen, beſonders bey ſpringenden Paſſagien, ſtark anblaſen.

Jn Anſehung der Staͤrke des Tones, muß er ſich uͤberhaupt in Acht nehmen, daß er niemals ein Stuͤck in der aͤuſſerſten Staͤrke oder Schwaͤ - che ſpiele: damit er allezeit den Vortheil behalte, wenn es erfodert wird,bey91bey ſeiner beſondern Uebung zu beobachten hat. bey dem Forte noch ein Fortißimo, und bey dem Piano noch ein Pianiſ - ſimo ausdruͤcken zu koͤnnen. Dieſes kann durch nichts anders als durch die Verſtaͤrkung oder Maͤßigung des Windes geſchehen. Jmmer in einer - ley Farbe zu ſpielen, wuͤrde endlich einen Ekel verurſachen.

Die Bewegung der Bruſt oder Lunge muß er nicht faul gewoͤhnen; ſondern den Wind, durch eine abwechſelnde Verſtaͤrkung und Maͤßigung, immer in Lebhaftigkeit zu unterhalten ſuchen: zumal im Allegro.

Mit dem Athemholen muß er niemals bis aufs aͤuſſerſte warten; noch weniger zur unrechten Zeit Athem nehmen. Widrigenfalls wuͤrde er jeden Geſang, der an einander hangen ſoll, zertrennen, und unver - ſtaͤndlich machen.

Mit dem Fuße muß er allezeit den Tact markiren, naͤmlich in lang - ſamen Stuͤcken die Achttheile, und in geſchwinden die Viertheile.

Die Zunge muß immer mit den Fingern uͤbereinkommen, und ja nicht faul oder ſchlaͤfrig gewoͤhnet werden. Denn hiervon haͤngt die Lebhaf - tigkeit und Deutlichkeit des Vortrages ab. Deswegen muß die Zunge mit ti am meiſten geuͤbet werden.

Jn den Paſſagien muß er nicht nur auf die Noten, ſondern auch inſonderheit auf die dazu gehoͤrigen Finger denken; damit er nicht die Finger in der Zeit aufhebe, wenn er die Loͤcher bedecken ſoll. Wenn man noch nicht genug im Notenleſen und im Tacte geuͤbet iſt, faͤllt man leicht in dieſen Fehler.

Er muß niemals ein Stuͤck geſchwinder ſpielen, als er im Stande iſt ſolches in einerley Tempo auszufuͤhren; ſondern die Noten deutlich ausdruͤcken, und was die Finger nicht gleich machen koͤnnen, oͤfters wiederholen.

4. §.

Auf alle die hier angefuͤhrten Dinge muß auch der Meiſter, waͤh - render Lection, insbeſondere fleißig Achtung geben; damit er dem Scho - laren nichts uͤberſehe, und dieſer ſich nicht dergleichen Fehler angewoͤhne. Deswegen muß ſich der Meiſter, dem Scholaren, im Spielen, zur rech - ten Hand ſetzen, um alles deſto leichter bemerken zu koͤnnen.

5. §.

Fuͤr einen Anfaͤnger iſt noͤthig, daß er zur Uebung des Anſatzes, der Zunge, und der Finger, erſtlich ganz kleine und leichte Stuͤcke er - waͤhle: damit das Gedaͤchtniß nicht mehr beſchweret werde, als die Zun - ge, und die Finger. Solche Stuͤcke koͤnnen aus leichten Toͤnen, als:M 2G dur,92Das X. Hauptſtuͤck. Was ein AnfaͤngerG dur, C dur, A moll, F dur, H moll, D dur, und E moll geſetzet ſeyn. Hat er aber Anſatz, Zunge und Finger zu einiger Faͤhigkeit ge - bracht; ſo kann er alsdenn unternehmen aus ſchwerern Toͤnen zu ſpielen: Z. E. aus dem A dur, E dur, H dur, Cis moll, B dur, G moll, C moll, Dis dur, F moll, B moll, und As dur. Dieſe Toͤne werden zwar einem Anfaͤnger etwas ſchwer zu ſeyn ſcheinen: er wird es aber doch nicht ſo ſehr empfinden, weil ihm noch alles ſchwer vorkoͤmmt; als wenn er erſt nach langer Zeit, wenn er ſchon eine Fer - tigkeit im Spielen erlanget hat, aus gedachten Toͤnen zu ſpielen unter - nehmen wollte: indem er ſich alsdenn einer neuen Schwierigkeit, die ihn vielleicht auf lange Zeit davon abhalten duͤrfte, unterwerfen muß.

6. §.

Um die einfache Zunge mit ti zu egalen Stoͤßen zu gewoͤhnen, ſind ſolche Stuͤcke am leichteſten, die in einerley Art von ſpringenden Noten beſtehen, es moͤgen Achttheile oder Sechzehntheile, im geraden, oder im Sechsachttheil - oder Zwoͤlfachttheiltacte, wie in Giquen vor - koͤmmt, ſeyn.

7. §.

Zur Zunge mit tiri ſchicken ſich hingegen die punctirten Noten beſſer, als die von gleicher Geltung: wie die Exempel bey dem II. Abſchnitte des VI. Hauptſtuͤcks bezeigen. Man muß alſo dergleichen Stuͤcke, ſowohl im geraden als ungeraden Tacte, auch Giquen, und Canarieen, zur Uebung vornehmen.

8. §.

Wenn ein Anfaͤnger nun, ſowohl in den Fingern, als auch im No - tenleſen zu einiger Fertigkeit gelanget iſt; ſo kann er hierauf die Doppel - zunge mit did’ll deſto mehr treiben: um ſolche, nach den ſchon gegebe - nen Regeln, durch einige ſchwerere und laͤngere Paſſagien, zu mehrerer Vollkommenheit zu bringen. Hierzu muß er ſich anfangs leichte Paſſa - gien, ſo mehr ſtufenweiſe als ſpringend geſetzet ſind, aus Solo und Con - certen ausſuchen, und ſelbige erſt langſam, hernach aber immer etwas ge - ſchwinder ſpielen; um die Zunge und Finger mit einander zu vereinigen.

9. §.

Um aber zu verhuͤten, daß die Zunge, ihrer natuͤrlichen Neigung nach, nicht vor den Fingern voraus gehe, muß die Note, worzu bey der Doppelzunge das di koͤmmt, allezeit ein wenig angehalten, und markiret werden. ſ. VI. Hauptſtuͤck, III. Abſchnitt, 5. und 15. §. Man markirealſo,93bey ſeiner beſondern Uebung zu beobachten hat. alſo, im gemeinen geraden Tacte: die erſte von vier Sechzehntheilen; bey Triolen: die erſte Note von dreyen; bey Zwey und dreyßigtheilen: die erſte von achten; im Allabreve: die erſte von vier Achttheilen; im Tripeltacte, die Noten moͤgen Achttheile oder Sechzehntheile ſeyn: die erſte im Niederſchlage. Dieſes iſt nicht nur das Mittel die Zunge in Ordnung zu erhalten: ſondern es dienet auch dazu, daß man ſich nicht angewoͤhne zu eilen; welches im Spielen ein großer Fehler iſt: und wo - durch oͤfters verurſachet wird, daß die Hauptnoten des Geſanges, nicht wie ſie ſollen, in die gehoͤrige Zeit der dazu geſetzeten Grundnote treffen: welches, wie leicht zu erachten, eine ſehr uͤble Wirkung thun muß.

10. §.

Damit die Zunge und die Finger zu rechter Fertigkeit gelangen moͤ - gen, muß ein Anfaͤnger, eine geraume Zeit, nichts anders als ſolche Stuͤcke ſpielen, die in lauter ſchweren, ſpringenden und rollenden Paſſagien beſte - hen; ſowohl aus Moll - als aus Durtoͤnen. Die Triller muß er durch alle Toͤne taͤglich uͤben, um ſie jedem Finger gelaͤufig zu machen. Wofern er dieſe beyden Stuͤcke unterlaͤßt, wird er niemals in den Stand kommen, ein Adagio reinlich und nett zu ſpielen. Denn zu den kleinen Manieren wird eine groͤßere Geſchwindigkeit erfodert, als zu den Paſſagien ſelbſt.

11. §.

Es iſt keinem Anfaͤnger zu rathen, ſich vor der Zeit mit galanten Stuͤcken, oder gar mit dem Adagio einzulaſſen. Die wenigſten Liebhaber der Muſik erkennen dieſes; ſondern die meiſten haben eine Begierde da an - zufangen, wo andere aufhoͤren, naͤmlich mit Concerten und Solo, worinn das Adagio mit vielen Manieren, welche ſie doch noch nicht begreifen, ausgezieret wird. Sie halten wohl denjenigen Meiſter, welcher hierinne freygebiger iſt als ein anderer, fuͤr den beſten. Sie gehen aber hierdurch eher hinter ſich, als vor ſich; und muͤſſen oͤfters, wenn ſie ſich ſchon viele Jahre gemartert haben, wieder von vorn, naͤmlich die erſten Gruͤnde zu erlernen, anfangen. Haͤtten ſie anfaͤnglich die gehoͤrige Geduld, welche zu dieſer Wiſſenſchaft erfodert wird; ſo wuͤrden ſie in ein paar Jahren wei - ter kommen, als ſonſt in vielen.

12. §.

Es iſt deswegen auch uͤbel gethan, wenn ein Anfaͤnger, ehe er ſich noch eine Sicherheit im Tacte und im Notenleſen zuwege gebracht hat, ſich oͤffentlich will hoͤren laſſen. Denn durch die Furcht, welche aus derM 3Ungewiß -94Das X. Hauptſtuͤck. Was ein AnfaͤngerUngewißheit entſteht, wird er ſich viele Fehler angewoͤhnen, wovon er ſich nicht ſo leicht wieder befreyen kann.

13. §.

Nachdem ſich nun ein Anfaͤnger eine geraume Zeit, auf die oben be - ſchriebene Art, mit der Zunge, den Fingern, und im Tacte geuͤbet hat; ſo nehme er ſolche Stuͤcke vor, die mehr ſingend ſind als die obengedachten, und wo ſich ſowohl Vorſchlaͤge als Triller anbringen laſſen: damit er einen Geſang cantabel und nouriſſant, das iſt mit unterhaltener Melodie, ſpie - len lerne. Hierzu ſind die franzoͤſiſchen, oder die in dieſem Geſchmacke geſetzeten Stuͤcke viel vortheilhafter, als die italiaͤniſchen. Denn die Stuͤcke im franzoͤſiſchen Geſchmacke ſind meiſtentheils charakteriſiret, auch mit Vorſchlaͤgen und Trillern ſo geſetzet, daß faſt nichts mehr, als was der Componiſt geſchrieben hat, angebracht werden kann. Bey der Muſik nach italiaͤniſchem Geſchmacke aber, wird vieles der Willkuͤhr und Faͤhig - keit deſſen der ſpielet, uͤberlaſſen. Jn dieſem Betrachte iſt auch die franzoͤ - ſiſche Muſik, wie ſie in ihrem ſimpeln Geſange mit Manieren geſchrieben iſt, wenn man nur die Paſſagien ausnimmt, ſklaviſcher und ſchwerer aus - zufuͤhren, als nach itziger Schreibart die italiaͤniſche. Jedoch da zur Aus - fuͤhrung der franzoͤſiſchen, weder die Wiſſenſchaft des Generalbaſſes, noch eine Einſicht in die Compoſition erfodert wird; da im Gegentheil dieſelbe zur italiaͤniſchen hoͤchſt noͤthig iſt: und zwar wegen gewiſſer Gaͤnge, welche in der letztern mit Fleiß ſehr ſimpel und trocken geſetzet werden, um dem Ausfuͤhrer die Freyheit zu laſſen, ſie nach ſeiner Einſicht und Gefallen mehr als einmal veraͤndern zu koͤnnen, um die Zuhoͤrer immer durch neue Er - findungen zu uͤberraſchen: ſo iſt auch dieſer Urſachen wegen, einem Anfaͤn - ger nicht zu rathen, ſich vor der Zeit, ehe er noch einige Begriffe von der Harmonie erlanget hat, mit Solo nach dem italiaͤniſchen Geſchmacke ein - zulaſſen; wofern er ſich nicht ſelbſt an ſeinem Wachsthume hinderlich ſeyn will.

13. §.

Er nehme alſo, nach der im vorigen §. gegebene Anweiſung, wohl ausgearbeitete, und von gruͤndlichen Meiſtern verfertigte Duetten und Trio, worinne Fugen vorkommen, zur Uebung vor, und halte ſich eine ge - raume Zeit dabey auf. Es wird ihm zum Notenleſen, zu Haltung des Tactes, und zum Pauſiren ſehr dienlich ſeyn. Vorzuͤglich will ich Te - lemanns, im franzoͤſiſchen Geſchmacke geſetzte Trio, deren er viele ſchon vor dreyßig und mehrern Jahren verfertiget hat, wofern man ihrer, weilſie95bey ſeiner beſondern Uebung zu beobachten hat. ſie nicht in Kupfer geſtochen ſind, habhaft werden kann, zu dieſer Uebung vorſchlagen. Es ſcheint zwar die ſogenannte gearbeitete Muſik, und be - ſonders die Fugen, itziger Zeit, ſowohl bey den meiſten Tonkuͤnſtlern, als Liebhabern, gleichſam als eine Pedanterey in die Acht erklaͤret zu ſeyn: vielleicht weil nur wenige den Werth und den Nutzen derſelben einſehen. Ein Lehrbegieriger aber muß ſich durch Vorurtheile nicht davon abſchre - cken laſſen; er kann vielmehr verſichert ſeyn, daß ihm dieſe Bemuͤhung zu ſeinem groͤßten Vortheile gereichen werde. Denn kein vernuͤnftiger Mu - ſikus wird laͤugnen, daß die gute ſogenannte gearbeitete Muſik eines von den Hauptmitteln ſey, welches ſowohl zur Einſicht in die Harmonie, als zur Wiſſenſchaft, einen natuͤrlichen und an ſich guten Geſang gut vorzu - tragen, und noch ſchoͤner zu machen, den Weg bahne. Man lernet auch hierdurch beym erſten Anblicke treffen, oder wie man ſaget, vom Blatte (à livre ouvert) ſpielen: wozu ein anderer, durch bloße einfache melodioͤſe Stuͤcke, ſo das Gedaͤchtniß leicht faſſen kann, nicht ſo bald gelangen, ſon - dern lange Zeit ein Sklave des Auswendiglernens verbleiben wird. Ein Floͤteniſt hat zumal weniger Gelegenheit vom Blatte ſpielen zu lernen, als ein anderer Jnſtrumentiſt: denn die Floͤte wird, wie bekannt, mehr zum Solo, und zu concertirenden, als zu Ripienſtimmen gebrauchet. Es iſt ihm alſo zu rathen, wofern er die Gelegenheit darzu haben kann, auch bey oͤffentlichen Muſiken die Ripienſtimmen mit zu ſpielen.

15. §.

Bey Ausuͤbung der Duetten, Trio, u. d. gl. wird einem Anfaͤnger ſehr nuͤtzlich ſeyn, wenn er wechſelsweiſe bald die erſte, bald die zweyte Stimme ſpielet. Durch die zweyte Stimme lernet er nicht nur, wegen der Jmitationen, dem Vortrage ſeines Meiſters am beſten nachzuahmen; ſondern er gewoͤhnet ſich auch nicht an das Auswendiglernen, welches am Notenleſen hinderlich iſt. Er muß das Gehoͤr beſtaͤndig auf die ſo mit ihm ſpielen, beſonders auf die Grundſtimme richten: wodurch er die Harmo - nie, den Tact, und das Reinſpielen der Toͤne deſto leichter wird erlernen koͤnnen. Wofern er aber dieſes verabſaͤumet, bleibt ſein Spielen allezeit mangelhaft.

16. §.

Es wird einem Anfaͤnger ein großer Vortheil zuwachſen, wenn er ſich in den Paſſagien die Arten der Transpoſitionen, in welchen ein Tact mit dem andern eine Aehnlichkeit hat, wohl bekannt machet. Denn hier - durch kann man oͤfters eine Fortſetzung derſelben, von etlichen Tacten, vor -aus96Das X. Hauptſtuͤck. Was ein Anfaͤngeraus wiſſen, ohne jede Note beſonders anzuſehen: welches bey einer großen Geſchwindigkeit nicht allezeit moͤglich iſt.

17. §.

Hat ſich nun ein Anfaͤnger eine geraume Zeit mit Paſſagien, und gearbeiteten Stuͤcken geuͤbet; die Zunge und die Finger gelaͤufig, und das, was ich bisher gelehret habe, ſich ſo bekannt gemacht, daß es ihm gleichſam zur andern Natur geworden: ſo kan er alsdenn einige im italiaͤniſchen Geſchmacke geſetzete Solo und Concerten vornehmen; doch ſolche, in denen das Adagio nicht gar zu langſam geht, und die Allegro mit kurzen und leichten Paſſagien geſetzet ſind. Er ſuche den ſimpeln Geſang im Adagio, mit Vorſchlaͤgen, Trillern, und kleinen Manieren, ſo wie in den beyden vorigen Hauptſtuͤcken gelehret worden, auszuzieren; und fahre damit ſo lange fort, bis ihm der Gebrauch davon gelaͤufig wird, und er im Stande iſt einen ſimpeln Geſang, ohne vielen willkuͤhrlichen Zuſatz, proper und gefaͤllig zu ſpielen. Scheint ihm aber dieſe Art der Auszie - rung, bey manchem Adagio, das etwan ſehr platt und trocken geſetzet iſt, nicht zulaͤnglich zu ſeyn; ſo will ich ihm auf das XIII. und XIV. Haupt - ſtuͤck, von den willkuͤhrlichen Veraͤnderungen, und von der Art das Adagio zu ſpielen, verwieſen haben, woraus er ſich mehrern Raths wird erholen koͤnnen.

18. §.

Hierbey wird er zu deſto groͤßerer Vollkommenheit gelangen, wenn er nebſt der Floͤte, wo nicht die Setzkunſt, doch zum wenigſten die Wiſſenſchaft des Generalbaßes erlernet. Hat er Gelegenheit die Sing - kunſt entweder vor, oder wenigſtens gleich mit der Floͤte zu erlernen: ſo will ich ihm dieſes beſonders anrathen. Er wird dadurch deſto leichter einen guten Vortrag im Spielen erlangen; und bey vernuͤnftiger Aus - zierung eines Adagio, wird ihm die Einſicht in die Singkunſt beſonders großen Vortheil geben. Er wird alſo nicht ein purer Floͤtenſpieler allein bleiben; ſondern dadurch ſich auch den Weg bahnen, mit der Zeit ein Mu - ſikus, in eigentlichem Verſtande, zu werden.

19. §.

Damit aber ein Anfaͤnger auch von dem Unterſchiede des Geſchma - ckes in der Muſik einen allgemeinen Begriff erlangen moͤge, iſt nicht ge - nug, daß er nur Stuͤcke, ſo fuͤr die Floͤte geſetzet ſind, in Uebung bringe: er muß ſich vielmehr auch verſchiedener Nationen und Provinzen ihre charakteriſirten Stuͤcke bekannt machen; und jedes davon in ſeiner Artſpielen97bey ſeiner beſondern Uebung zu beobachten hat. ſpielen lernen. Dieſes wird ihm mit der Zeit mehr Vortheil ſchaffen, als er gleich im Anfange einzuſehen vermoͤgend iſt. Die Verſchiedenheit der charakteriſirten Stuͤcke findet ſich bey der franzoͤſiſchen und deutſchen Mu - ſik mehr, als bey der italiaͤniſchen, und einigen andern. Die italiaͤniſche Muſik iſt weniger als alle andere, die franzoͤſiſche aber faſt gar zu viel ein - geſchraͤnket: woraus vielleicht fließet, daß in der franzoͤſiſchen Muſik das Neue mit dem Alten oͤfters eine Aehnlichkeit zu haben ſcheinet. Doch iſt die franzoͤſiſche Art im Spielen nicht zu verachten: ſondern einem An - faͤnger vielmehr anzurathen, ihre Propretaͤt und Deutlichkeit, mit der italiaͤniſchen Dunkelheit im Spielen, welche mehrentheils durch den Bogenſtrich, und den uͤberfluͤßigen Zuſatz von Manieren, worinne die ita - liaͤniſchen Jnſtrumentiſten zu viel, die Franzoſen uͤberhaupt aber zu wenig thun, verurſachet wird, zu vermiſchen. Sein Geſchmack wird dadurch allgemeiner werden. Der allgemeine gute Geſchmack aber iſt nicht bey einer einzelnen Nation, wie zwar jede ſich deſſelben ſchmeichelt, anzu - treffen: man muß ihn vielmehr durch die Vermiſchung, und durch eine vernuͤnftige Wahl guter Gedanken, und guter Arten zu ſpielen, von ver - ſchiedenen Nationen zuſammen tragen, und bilden. Jede Nation hat in ihrer muſikaliſchen Denkart ſowohl etwas angenehmes, und gefaͤlliges, als auch etwas widerwaͤrtiges. Wer nun das Beſte zu waͤhlen weiß; den wird das Gemeine, Niedrige und Schlechte nicht irre machen. Jm XVIII. Hauptſtuͤcke werde ich hiervon weitlaͤuftiger handeln.

20. §.

Ein Anfaͤnger muß deswegen auch ſuchen, ſo viel gute Muſiken, welche einen allgemeinen Beyfall finden, anzuhoͤren, als er nur immer kann. Hierdurch wird er ſich den Weg zum guten Geſchmacke in der Muſik, ſehr erleichtern. Er muß ſuchen nicht allein von einem jeden gu - ten Jnſtrumentiſten, ſondern auch von guten Saͤngern zu profitiren. Er muß ſich deswegen erſtlich die Toͤne wohl ins Gedaͤchtniß faſſen; und wenn er z. E. iemanden auf der Floͤte ſpielen hoͤret, muß er ſogleich den Hauptton, woraus geſpielet wird, bemerken; um die folgenden deſto leichter beurtheilen zu koͤnnen. Um zu wiſſen ob er den Ton errathen habe, kann er zuweilen auf die Finger des Spielenden ſehen. Es wird ihm dieſes Errathen jeder Toͤne noch leichter werden, wenn er ſich zuweilen, von ſei - nem Meiſter, ganz kleine und kurze Paſſagien vorſpielen laͤßt; um ſolche, ohne auf deſſelben Finger zu ſehen, nachzumachen: und hiermit muß er ſo lange fortfahren, bis er im Stande iſt alles was er hoͤret gleich nachzu -Nſpielen.98Das X. Hauptſtuͤck. Was ein Anfaͤngerſpielen. Auf dieſe Art wird er alſo das Gute ſo er von einem und dem andern hoͤret, nachahmen, und ſich zu Nutze machen koͤnnen. Noch leich - ter wird ihm dieſes werden, wenn er zugleich von dem Claviere und der Violine etwas verſteht: weil doch ſelten eine Muſik ohne die gedachten Jnſtrumente aufgefuͤhret wird.

21. §.

Von guten muſikaliſchen Stuͤcken ſammle ſich ein Anfaͤnger ſo viel, als er nur immer haben kann, und nehme ſie zu ſeiner taͤglichen Uebung vor: ſo wird ſich auch dadurch ſein Geſchmack, nach und nach, auf eine gute Art bilden; und er wird das Boͤſe vom Guten unterſcheiden lernen. Wie jedes Stuͤck, wenn es gut ſeyn ſoll, beſchaffen ſeyn muͤſſe, davon wird man im XVIII. Hauptſtuͤcke dieſer Anweiſung die noͤthigſten Nachrichten finden. Ein Anfaͤnger thut wohl, wenn er lauter Stuͤcke zu ſeiner Uebung erwaͤhlet, die dem Jnſtrumente gemaͤß, und von ſolchen Meiſtern verferti - get worden ſind, deren Verdienſte man an mehr als einem Orte kennet. Er darf ſich nicht dran kehren, ob ein Stuͤck ganz neu, oder ſchon etwas alt iſt. Es ſey ihm genug, wenn es nur gut iſt. Denn nicht alles was neu iſt, iſt deswegen auch zugleich ſchoͤn. Er huͤte ſich vornehmlich fuͤr den Stuͤcken der ſelbſt gewachſenen Componiſten, welche die Setzkunſt weder durch muͤndliche, noch durch ſchriftliche Anweiſung erlernet haben: denn darinne kann weder ein Zuſammenhang der Melodie, noch richtige Harmonie anzutreffen ſeyn. Die meiſten laufen auf einen Miſchmaſch von entlehnten und zuſammen geflickten Gedanken hinaus. Viele von dieſen ſelbſt gewachſenen Componiſten machen nur die Oberſtimme ſelbſt, die uͤbrigen laſſen ſie ſich von andern dazu ſetzen. Es iſt demnach leicht zu erachten, daß weder eine ordentliche Verbindung der Gedanken, noch eine ordentliche Modulation beobachtet worden ſey: und daß folglich die uͤbrigen Stimmen, an vielen Orten, haben hinein gezwungen werden muͤſ - ſen. Auch den Stuͤcken der neuangehenden Componiſten iſt in dieſem Puncte nicht allzuviel zu trauen. Hat aber einer die Setzkunſt ordent - lich, und zwar von einem ſolchen, der die Faͤhigkeit hat andere zu un - terweiſen, erlernet, und verſteht vierſtimmig rein zu ſetzen, ſo kann man zu ſeinen Arbeiten ein beſſeres Vertrauen faſſen.

22. §.

Ein Anfaͤnger muß ſich beſonders befleißigen, daß er alles was er ſpielet, es moͤgen geſchwinde Paßagien im Allegro, oder Manieren im Adagio, oder noch andere Noten ſeyn, deutlich, und rund ſpielen lerne. Hier -99bey ſeiner beſondern Uebung zu beobachten hat. Hierunter wird verſtanden: daß man nicht uͤber die Noten weg ſtolpere; und etwan anſtatt eines Fingers, deren zweene oder drey zugleich aufhebe, oder niederlege; und alſo etliche Noten verſchlucke: ſondern daß jede Note durch das ganze Stuͤck, nach ihrer wahren Geltung, und nach dem rechten Zeitmaaße geſpielet werde. Kurz, er muß ſich bemuͤhen einen guten Vor - trag, wovon in den folgenden Hauptſtuͤcken weitlaͤuftiger gehandelt werden wird, zu erlangen. Dieſer gute Vortrag iſt das Noͤthigſte, aber auch das Schwereſte im Spielen. Fehlet es hieran, ſo bleibt das Spielen, es mag auch ſo kuͤnſtlich und verwundernswuͤrdig ſcheinen, als es immer will, doch allezeit mangelhaft; und der Spieler erlanget niemals den Beyfall der Kenner. Deswegen muß ein Anfaͤnger ſein Spielen mit einer be - ſtaͤndigen Aufmerkſamkeit verknuͤpfen, und Acht haben, ob er auch jede Note ſo hoͤre, wie er ſie mit den Augen ſieht, und wie ihre Geltung und Ausdruck erfodert. Das Singen der Seele, oder die innerliche Empfin - dung, giebt hierbey einen großen Vortheil. Ein Anfaͤnger muß demnach ſuchen, nach und nach dieſe Empfindung bey ſich zu erwecken. Denn ſo - fern er von dem was er ſpielet nicht ſelbſt geruͤhret wird; ſo hat er nicht allein von ſeiner Bemuͤhung keinen Nutzen zu hoffen; ſondern er wird auch niemals iemand andern durch ſein Spielen bewegen: welches doch eigent - lich der Entzweck ſeyn ſoll. Nun kann zwar dieſes von keinem Anfaͤnger in einer Vollkommenheit gefodert werden; weil derſelbe noch zu viel auf die Finger, die Zunge, und den Anſatz zu denken hat: auch mehr Zeit als ein paar Jahre dazu gehoͤren. Dem ungeachtet muß doch ein Anfaͤnger ſich bey Zeiten bemuͤhen daran zu gedenken; um in keine Kaltſinnigkeit zu verfallen. Er muß ſich bey ſeinen Uebungen immer vorſtellen, er habe ſolche Zuhoͤrer vor ſich, die ſein Gluͤck befoͤrdern koͤnnen.

23. §.

Die Zeit, wie lange ein Anfaͤnger taͤglich zu ſpielen noͤthig hat, iſt eigentlich nicht zu beſtimmen. Einer begreift eine Sache leichter, als ein anderer. Es muß ſich alſo hierinne ein jeder nach ſeiner Faͤhigkeit, und nach ſeinem Naturelle richten. Doch iſt zu glauben, daß man auch hierinne entweder zu viel, oder zu wenig thun koͤnne. Wollte einer, um bald zu ſeinem Zwecke zu gelangen, den ganzen Tag ſpielen: ſo koͤnnte es nicht nur ſeiner Geſundheit nachtheilig ſeyn; ſondern er wuͤrde auch, vor der Zeit, ſowohl die Nerven als die Sinne abnutzen. Wollte er es aber bey einer Stunde des Tages bewenden laſſen: ſo moͤchte der Nutzen ſehr ſpaͤt erfolgen. Jch halte dafuͤr, daß es weder zu viel, noch zu wenig ſey, wennN 2ein100Das XI. Hauptſtuͤck. Vom guten Vortrageein Anfaͤnger zwo Stunden Vormittags, und eben ſo viele Nachmittags, zu ſeiner Uebung ausſetzete: aber auch unter waͤhrender Uebung, immer ein wenig ausruhete. Wer es aber endlich dahin gebracht hat, daß er alle vorkommende Paſſagien, ohne Muͤhe, reinlich und deutlich heraus bringen kann: fuͤr den iſt zu ſeinen beſondern Uebungen eine Stunde des Tages zulaͤnglich; um den Anſatz, die Zunge, und die Finger in gehoͤriger Ord - nung zu erhalten. Denn durch das uͤberfluͤßige Spielen, zumal wenn man ſchon gewiße Jahre erreichet hat, entkraͤftet man den Leib; man nu - tzet die Sinne ab; und verliehret die Luſt und Begierde eine Sache mit rechtem Eifer auszufuͤhren. Durch das allzulange anhaltende Schlagen der Triller, werden die Nerven der Finger ſteif: ſo wie ein Meſſer ſchar - ticht wird, wenn man es immerfort ſchleift, ohne zuweilen damit zu ſchneiden. Wer ſich nun in allem dieſem zu maͤßigen weis, der genießet den Vortheil, die Floͤte einige Jahre laͤnger, als ſonſt, zu ſpielen.

Das XI. Hauptſtuͤck. Vom guten Vortrage im Singen und Spielen uͤberhaupt.

1. §.

Der muſikaliſche Vortrag kann mit dem Vortrage eines Redners ver - glichen werden. Ein Redner und ein Muſikus haben ſowohl in Anſehung der Ausarbeitung der vorzutragenden Sachen, als des Vortrages ſelbſt, einerley Abſicht zum Grunde, naͤmlich: ſich der Herzen zu bemeiſtern, die Leidenſchaften zu erregen oder zu ſtillen, und die Zuhoͤ - rer bald in dieſen, bald in jenen Affect zu verſetzen. Es iſt vor beyde ein Vortheil, wenn einer von den Pflichten des andern einige Erkennt - niß hat.

2. §.

Man weis, was bey einer Rede ein guter Vortrag fuͤr Wirkung auf die Gemuͤther der Zuhoͤrer thut; man weis auch, wie viel ein ſchlech -ter101im Singen und Spielen uͤberhaupt. ter Vortrag der ſchoͤnſten Rede auf dem Papiere ſchadet; man weis nicht weniger, daß eine Rede, wenn ſie von verſchiedenen Perſonen, mit eben denſelben Worten gehalten werden ſollte, doch immer von dem einen beſſer oder ſchlimmer anzuhoͤren ſeyn wuͤrde, als von dem andern. Mit dem Vortrage in der Muſik hat es gleiche Bewandtniß: ſo daß, wenn ein Stuͤck entweder von einem oder dem andern geſungen, oder geſpielet wird, es immer eine verſchiedene Wirkung hervorbringt.

3. §.

Von einem Redner wird, was den Vortrag anbelanget, erfodert, daß er eine laute, klare und reine Stimme, und eine deutliche und voll - kommen reine Ausſprache habe: daß er nicht einige Buchſtaben mit ein - ander verwechſele, oder gar verſchlucke: daß er ſich auf eine angenehme Mannigfaltigkeit in der Stimme und Sprache befleißige: daß er die Ein - foͤrmigkeit in der Rede vermeide; vielmehr den Ton in Sylben und Woͤr - tern bald laut bald leife, bald geſchwind bald langſam hoͤren laſſe: daß er folglich bey einigen Woͤrtern die einen Nachdruck erfodern die Stimme erhebe, bey andern hingegen wieder maͤßige: daß er jeden Affect mit einer verſchiedenen, dem Affecte gemaͤßen Stimme ausdruͤcke; und daß er ſich uͤberhaupt nach dem Orte, wo er redet, nach den Zuhoͤrern, die er vor ſich hat, und nach dem Jnnhalte der Reden die er vortraͤgt, richte, und folglich, z. E. unter einer Trauerrede, einer Lobrede, einer ſcherz - haften Rede, u. d. gl. den gehoͤrigen Unterſchied zu machen wiſſe; daß er endlich eine aͤuſſerliche gute Stellung annehme.

4. §.

Jch will mich bemuͤhen zu zeigen, daß alles dieſes auch bey dem guten muſikaliſchen Vortrage erfodert werde; wenn ich vorher von der Noth - wendigkeit dieſes guten Vortrages, und von den Fehlern ſo dabey began - gen werden, noch etwas werde geſaget haben.

5. §.

Die gute Wirkung einer Muſik haͤngt faſt eben ſo viel von den Aus - fuͤhrern, als von dem Componiſten ſelbſt ab. Die beſte Compoſition kann durch einen ſchlechten Vortrag verſtuͤmmelt, eine mittelmaͤßige Com - poſition aber durch einen guten Vortrag verbeſſert, und erhoben werden. Man hoͤret oͤfters ein Stuͤck ſingen oder ſpielen, da die Compoſition nicht zu verachten iſt, die Auszierungen des Adagio den Regeln der Harmonie nicht zuwider ſind, die Paſſagien im Allegro auch geſchwind genug gema - chet werden; es gefaͤllt aber dem ungeachtet den wenigſten. Wenn esN 3aber102Das XI. Hauptſtuͤck. Vom guten Vortrageaber ein anderer auf eben demſelben Jnſtrumente, mit eben denſelben Manieren, mit nicht groͤßerer Fertigkeit ſpielete, wuͤrde es vielleicht von dem einen beſſer als von dem andern gefallen. Nichts als die Art des Vortrages kann alſo hieran Urſache ſeyn.

6. §.

Einige glauben, wenn ſie ein Adagio mit vielen Manieren auszu - ſtopfen, und dieſelben ſo zu verziehen wiſſen, daß oftmals unter zehn Noten kaum eine mit der Grundſtimme harmoniret, auch von dem Haupt - geſange wenig zu vernehmen iſt; ſo ſey dieſes gelehrt. Allein ſie irren ſich ſehr, und geben dadurch zu erkennen, daß ſie die wahre Empfindung des guten Geſchmackes nicht haben. Sie denken eben ſo wenig auf die Regeln der Setzkunſt, welche erfodern, daß jede Diſſonanz nicht nur gut vorbe - reitet werden, ſondern auch ihre gehoͤrige Aufloͤſung bekommen, und alſo dadurch erſt ihre Annehmlichkeit erhalten muͤſſe; da ſie auſſerdem ein uͤbel - lautender Klang ſeyn und bleiben wuͤrde. Sie wiſſen endlich nicht, daß es eine groͤßere Kunſt ſey, mit wenigem viel, als mit vielem wenig zu ſagen. Gefaͤllt nun ein dergleichen Adagio nicht, ſo liegt abermals die Schuld am Vortrage.

7. §.

Die Vernunft lehret, daß wenn man durch die bloße Rede von je - manden etwas verlanget, man ſich ſolcher Ausdruͤcke bedienen muͤſſe, die der andere verſteht. Nun iſt die Muſik nichts anders als eine kuͤnſtliche Sprache, wodurch man ſeine muſikaliſchen Gedanken dem Zuhoͤrer bekannt machen ſoll. Wollte man alſo dieſes auf eine dunkele oder bizarre Art, die dem Zuhoͤrer unbegreiflich waͤre, und keine Empfindung machte, aus - richten: was huͤlfe alsdenn die Bemuͤhung, die man ſich ſeit langer Zeit gemachet haͤtte, um fuͤr gelehrt angeſehen zu werden? Wollte man ver - langen, daß die Zuhoͤrer lauter Kenner und Muſikgelehrte ſeyn ſollten, ſo wuͤrde die Anzahl der Zuhoͤrer nicht ſehr groß ſeyn: man muͤßte ſie denn unter den Tonkuͤnſtlern von Profeſſion, wiewohl nur einzeln aufſuchen. Das ſchlimmſte wuͤrde dabey ſeyn, daß man von dieſen den wenigſten Vor - theil zu hoffen haͤtte. Denn ſie koͤnnen allenfalls nichts anders thun, als durch ihren Beyfall die Geſchiklichkeit des Ausfuͤhrers den Liebhabern zu erkennen geben. Wie ſchwerlich und ſelten aber geſchieht dieſes! weil die meiſten mit Affecten und abſonderlich mit Eiferſucht ſo eingenommen ſind, daß ſie nicht allemal das Gute von ihres gleichen einſehen, noch es andern gern bekannt machen moͤgen. Wuͤßten aber auch alle Liebhaber ſo vielals103im Singen und Spielen uͤberhaupt. als ein Muſikus wiſſen ſoll; ſo fiele der Vortheil gleichfalls weg: weil ſie alsdenn wenig oder gar keine Tonkuͤnſtler von Profeſſion mehr noͤthig haͤt - ten. Wie noͤthig iſt alſo nicht daß ein Muſikus jedes Stuͤck deutlich und mit ſolchem Ausdruck vorzutragen ſuche, daß es ſowohl den Gelehrten als Ungelehrten in der Muſik verſtaͤndlich werden, und ihnen folglich ge - fallen koͤnne.

8. §.

Der gute Vortag iſt nicht allein denen, die ſich nur mit Haupt - oder concertirenden Stimmen hoͤren laſſen, ſondern auch denenjenigen, die nur Ripieniſten abgeben, und ſich begnuͤgen jene zu begleiten, unent - behrlich; und jeder hat in ſeiner Art, auſſer den allgemeinen, noch be - ſondere Regeln zu beobachten noͤthig. Viele glauben, wenn ſie vielleicht im Stande ſind, ein ſtudirtes Solo zu ſpielen, oder eine ihnen vorgelegte Ripienſtimme, ohne Hauptfehler vom Blatte weg zu treffen, man koͤnne von ihnen weiter nichts mehr verlangen. Allein ich glaube daß ein Solo willkuͤhrlich zu ſpielen leichter ſey, als eine Ripienſtimme auszufuͤhren, wo man weniger Freyheit hat, und ſich mit Vielen vereinigen muß, um das Stuͤck nach dem Sinne des Componiſten auszudruͤcken. Hat nun einer keine richtigen Grundſaͤtze im Vortrage; ſo wird er auch der Sache niemals eine Gnuͤge leiſten koͤnnen. Es waͤre deswegen noͤthig, daß ein jeder geſchikter Muſikmeiſter, beſonders ein Violiniſt, dahin ſaͤhe, daß er ſeine Scholaren nicht eher zum Soloſpielen anfuͤhrete, bis ſie ſchon gute Ripieniſten waͤren. Die hierzu gehoͤrige Wiſſenſchaft bahnet ohne dem den Weg zum Soloſpielen: und wuͤrde manch abgeſpieltes Solo den Zuhoͤrern deutlicher und annehmlicher in die Sinne fallen, wenn der Aus - fuͤhrer deſſelben es ſo gemachet haͤtte, wie man in der Malerkunſt zu thun pfleget, da man erſtlich die richtige Zeichnung des Gemaͤldes machen ler - nen muß, ehe man an die Auszierungen gedenket. Allein die wenigſten Anfaͤnger koͤnnen die Zeit erwarten. Um bald unter die Anzahl der Vir - tuoſen gerechnet zu werden, fangen ſie es oͤfters verkehrt, naͤmlich beym Soloſpielen an; und martern ſich mit vielen ausgekuͤnſtelten Zierrathen und Schwierigkeiten, denen ſie doch nicht gewachſen ſind; und dadurch ſie doch vielmehr den Vortrag verwirrt, als deutlich machen lernen. Oefters ſind auch wohl die Meiſter ſelbſt Schuld dran; wenn ſie zeigen wollen, daß ſie im Stande ſind, den Scholaren in kurzer Zeit einige Solo beyzubringen: welches ihnen aber, im Fall dieſe als Ripieniſten ſollen ge - brauchet werden, nicht allezeit viel Ehre machet. Den guten Vortragden104Das XI. Hauptſtuͤck. Vom guten Vortrageden die Ripieniſten insbeſondere zu beobachten haben, findet man im XVII. Hauptſtuͤcke dieſer Anweiſug weitlaͤuftig erklaͤret.

9. §.

Der Vortrag iſt faſt bey keinem Menſchen wie bey dem andern, ſon - dern bey den meiſten unterſchieden. Nicht allezeit die Unterweiſung in der Muſik, ſondern vielmehr auch zugleich die Gemuͤthsbeſchaffenheit ei - nes jeden, wodurch ſich immer einer von dem andern unterſcheidet, ſind die Urſachen davon. Jch ſetze den Fall, es haͤtten ihrer viele bey einem Meiſter, zu gleicher Zeit, und durch einerley Grundſaͤtze die Muſik erlernet; ſie ſpieleten auch in den erſten drey oder vier Jahren in einerley Art. Man wird dennoch nachher erfahren, daß wenn ſie etliche Jahre ihren Meiſter nicht mehr gehoͤret haben, ein jeder einen beſondern Vortrag, ſeinem ei - genen Naturelle gemaͤß, annehmen werde; ſo fern ſie nicht pure Copeyen ihres Meiſters bleiben wollen. Einer wird immer auf eine beſſere Art des Vortrages verfallen als der andere.

10. §.

Wir wollen nunmehr die vornehmſten Eigenſchaften des guten Vor - trages uͤberhaupt unterſuchen. Ein guter Vortrag muß zum erſten: rein und deutlich ſeyn. Man muß nicht nur jede Note hoͤren laſſen, ſondern auch jede Note in ihrer reinen Jntonation angeben; damit ſie dem Zuhoͤrer alle verſtaͤndlich werden. Keine einzige darf man auslaſſen. Man muß ſuchen den Klang ſo ſchoͤn als moͤglich herauszubringen. Vor dem Falſchgreifen muß man ſich mit beſonderm Fleiße huͤten. Was hier - zu der Anſatz und der Zungenſtoß auf der Floͤte beytragen kann, iſt oben gelehret worden. Man muß ſich huͤten, die Noten zu ſchleifen, welche geſtoßen werden ſollen; und die zu ſtoßen, welche man ſchleifen ſoll. Es darf nicht ſcheinen als wenn die Noten zuſammen klebeten. Den Zun - genſtoß auf Blasinſtrumenten, und den Bogenſtrich auf Bogeninſtru - menten, muß man jederzeit, der Abſicht, und der vermittelſt der Bogen und Striche geſchehenen Anweiſung des Componiſten gemaͤß, brauchen: denn hierdurch bekommen die Noten ihre Lebhaftigkeit. Sie unterſchei - den ſich dadurch von der Art der Sackpfeife, welche ohne Zungenſtoß ge - ſpielet wird. Die Finger, ſie moͤgen ſich auch ſo ordentlich und munter bewegen, als ſie immer wollen, koͤnnen die muſikaliſche Ausſprache fuͤr ſich allein nicht ausdruͤcken, wo nicht die Zunge oder der Bogen, durch gehoͤrige, und zu der vorzutragenden Sache geſchikte Bewegungen, das ihrige, und zwar das meiſte darzu beytragen. Gedanken welche an einanderhangen105im Singen und Spielen uͤberhaupt. hangen ſollen, muß man nicht zertheilen: ſo wie man hingegen diejenigen zertheilen muß, wo ſich ein muſikaliſcher Sinn endiget, und ein neuer Gedanke, ohne Einſchnitt oder Pauſe anfaͤngt; zumal wenn die Endi - gungsnote vom vorhergehenden, und die Anfangsnote vom folgenden Ge - danken, auf einerley Tone ſtehen.

11. §.

Ein guter Vortrag muß ferner: rund und vollſtaͤndig ſeyn. Jede Note muß in ihrer wahren Geltung, und in ihrem rechten Zeitmaaße ausgedruͤcket werden. Wuͤrde dieſes allezeit recht beobachtet, ſo muͤßten auch die Noten ſo klingen wie ſie der Componiſt gedacht hat: weil dieſer nichts ohne Regeln ſetzen darf. Nicht alle Ausfuͤhrer kehren ſich hieran. Sie geben oͤfters, aus Unwiſſenheit, oder aus einem verdorbenen Ge - ſchmacke, der folgenden Note etwas von der Zeit, ſo der vorhergehenden gehoͤret. Die ausgehaltenen und ſchmeichelnden Noten muͤſſen mit ein - ander verbunden; die luftigen und huͤpfenden aber abgeſetzet, und von einander getrennet werden. Die Triller und die kleinen Manieren muͤſſen alle rein und lebhaft geendiget werden.

12. §.

Jch muß hierbey eine nothwendige Anmerkung machen, welche die Zeit, wie lange jede Note gehalten werden muß, betrifft. Man muß unter den Hauptnoten, welche man auch: anſchlagende, oder, nach Art der Jtaliaͤner, gute Noten zu nennen pfleget, und unter den durchgehenden, welche bey einigen Auslaͤndern ſchlimme heißen, einen Unterſchied im Vortrage zu machen wiſſen. Die Hauptnoten muͤſ - ſen allezeit, wo es ſich thun laͤßt, mehr erhoben werden als die durchge - henden. Dieſer Regel zu Folge muͤſſen die geſchwindeſten Noten, in einem jeden Stuͤcke von maͤßigem Tempo, oder auch im Adagio, unge - achtet ſie dem Geſichte nach einerley Geltung haben, dennoch ein wenig ungleich geſpielet werden; ſo daß man die anſchlagenden Noten einer jeden Figur, naͤmlich die erſte, dritte, fuͤnfte, und ſiebente, etwas laͤnger anhaͤlt, als die durchgehenden, naͤmlich, die zweyte, vierte, ſechſte, und achte: doch muß dieſes Anhalten nicht ſoviel ausmachen, als wenn Puncte dabey ſtuͤnden. Unter dieſen geſchwindeſten Noten verſtehe ich: die Viertheile im Dreyzweytheiltacte; die Achttheile im Dreyviertheil - und die Sechzehntheile im Dreyachttheiltacte; die Achttheile im Allabre - ve; die Sechzehntheile oder Zwey und dreyßigtheile im Zweyviertheil - oder im gemeinen geraden Tacte: doch nur ſo lange als keine Figuren von nochOgeſchwin -106Das XI. Hauptſtuͤck. Vom guten Vortragegeſchwindern oder noch einmal ſo kurzen Noten, in ieder Tactart mit un - termiſchet ſind; denn alsdenn muͤßten dieſe letztern auf die oben beſchrie - bene Art vorgetragen werden. Z. E. Wollte man Tab. IX. Fig. 1. die acht Sechzehntheile unter den Buchſtaben (k) (m) (n) langſam in ei - nerley Geltung ſpielen; ſo wuͤrden ſie nicht ſo gefaͤllig klingen, als wenn man von vieren die erſte und dritte etwas laͤnger, und ſtaͤrker im Tone, als die zweyte und vierte, hoͤren laͤßt. Von dieſer Regel aber werden aus - genommen: erſtlich die geſchwinden Paſſagien in einem ſehr geſchwinden Zeitmaaße, bey denen die Zeit nicht erlaubet ſie ungleich vorzutragen, und wo man alſo die Laͤnge und Staͤrke nur bey der erſten von vieren an - bringen muß. Ferner werden ausgenommen: alle geſchwinden Paſſagien welche die Singſtimme zu machen hat, wenn ſie anders nicht geſchleifet werden ſollen: denn weil jede Note von dieſer Art der Singpaſſagien, durch einen gelinden Stoß der Luft aus der Bruſt, deutlich gemachet und mar - kiret werden muß; ſo findet die Ungleichheit dabey keine Statt. Weiter werden ausgenommen: die Noten uͤber welchen Striche oder Puncte ſte - hen, oder von welchen etliche nacheinander auf einem Tone vorkommen; ferner wenn uͤber mehr als zwo Noten, naͤmlich uͤber vieren, ſechſen, oder achten ein Vogen ſteht; und endlich die Achitheile in Giquen. Alle dieſe Noten muͤſſen egal, das iſt eine ſo lang als die andere, vorgetragen werden.

13. §.

Der Vortrag muß auch: leicht und fließend ſeyn. Waͤren auch die auszufuͤhrenden Noten noch ſo ſchwer: ſo darf man doch dem Aus - fuͤhrer dieſe Schwierigkeit nicht anſehen. Alles rauhe, gezwungene We - ſen im Singen und Spielen muß mit großer Sorgfalt vermieden werden. Vor allen Grimaſſen muß man ſich huͤten, und ſich ſoviel als moͤglich iſt in einer beſtaͤndigen Gelaſſenheit zu erhalten ſuchen.

14. §.

Ein guter Vortrag muß nicht weniger: mannigfaltig ſeyn. Licht und Schatten muß dabey beſtaͤndig unterhalten werden. Wer die Toͤne immer in einerley Staͤrke oder Schwaͤche vorbringt, und, wie man ſaget, immer in einerley Farbe ſpielet; wer den Ton nicht zu rechter Zeit zu erheben oder zu maͤßigen weis, der wird niemanden beſonders ruͤhren. Es muß alſo eine ſtetige Abwechſelung des Forte und Piano dabey beob - achtet werden. Wie dieſes bey jeder Note ins Werk gerichtet werden muͤſſe, will ich, weil es eine Sache von großer Nothwendigkeit iſt, zu Ende des XIV. Hauptſtuͤcks, durch Exempel zeigen.

15. §. Der107im Singen und Spielen uͤberhaupt.

15. §.

Der gute Vortrag muß endlich: ausdruͤckend, und jeder vor - kommenden Leidenſchaft gemaͤß ſeyn. Jm Allegro, und allen dahin gehoͤrigen muntern Stuͤcken muß Lebhaftigkeit; im Adagio, und denen ihm gleichenden Stuͤcken aber, Zaͤrtlichkeit, und ein angenehmes Ziehen oder Tragen der Stimme herrſchen. Der Ausfuͤhrer eines Stuͤ - ckes muß ſich ſelbſt in die Haupt - und Nebenleidenſchaften, die er aus - druͤcken ſoll, zu verſetzen ſuchen. Und weil in den meiſten Stuͤcken immer eine Leidenſchaft mit der andern abwechſelt; ſo muß auch der Ausfuͤhrer jeden Gedanken zu beurtheilen wiſſen, was fuͤr eine Leidenſchaft er in ſich enthalte, und ſeinen Vortrag immer derſelben gleichfoͤrmig machen. Auf dieſe Art nur wird er den Abſichten des Componiſten, und den Vorſtellun - gen ſo ſich dieſer bey Verfertigung des Stuͤckes gemacht hat, eine Gnuͤge leiſten. Es giebt ſelbſt verſchiedene Grade der Lebhaftigkeit oder der Traurigkeit. Z. E. Wo ein wuͤtender Affect herrſchet, da muß der Vor - trag weit mehr Feuer haben, als bey ſcherzenden Stuͤcken, ob er gleich bey beyden lebhaft ſeyn muß: und ſo auch bey dem Gegentheile. Man muß ſich auch mit dem Zuſatze der Auszierungen, mit denen man den vor - geſchriebenen Geſang, oder eine ſimple Melodie, zu bereichern, und noch mehr zu erheben ſuchet, darnach richten. Dieſe Auszierungen, ſie moͤgen nothwendig oder willkuͤhrlich ſeyn, muͤſſen niemals dem in der Hauptme - lodie herrſchenden Affecte widerſprechen; und folglich muß das Unterhal - tene und Gezogene, mit dem Taͤndelnden, Gefaͤlligen, Halbluſtigen und Lebhaften, das Freche mit dem Schmeichelnden, u. ſ. w. nicht verwirret werden. Die Vorſchlaͤge machen die Melodie an einander hangend, und vermehren die Harmonie; die Triller und uͤbrigen kleinen Auszierungen, als: halbe Triller, Mordanten, Doppelſchlaͤge und battemens, mun - tern auf. Das abwechſelnde Piano und Forte aber, erhebt theils einige Noten, theils erreget es Zaͤrtlichkeit. Schmeichelnde Gaͤnge im Adagio duͤrfen im Spielen mit dem Zungenſtoße und Bogenſtriche nicht zu hart; und hingegen im Allegro, luſtige und erhabene Gedanken, nicht ſchlep - pend, ſchleifend, oder zu weich angeſtoßen werden.

16. §.

Jch will einige Kennzeichen angeben, aus denen zuſammen genom - men, man, wo nicht allezeit, doch meiſtentheils wird abnehmen koͤnnen, was fuͤr ein Affect herrſche, und wie folglich der Vortrag beſchaffen ſeyn, ob er ſchmeichelnd, traurig, zaͤrtlich, luſtig, frech, ernſthaft, u. ſ. w. O 2ſeyn108Das XI. Hauptſtuͤck. Vom guten Vortrageſeyn muͤſſe. Man kann dieſes erkennen 1) aus den Tonarten, ob ſolche hart oder weich ſind. Die harte Tonart wird gemeiniglich zu Ausdruͤ - ckung des Luſtigen, Frechen, Ernſthaften, und Erhabenen: die weiche aber zur Ausdruͤckung des Schmeichelnden, Traurigen, und Zaͤrtlichen gebrauchet; ſ. den 6. §. des XIV. Hauptſtuͤcks. Doch leidet dieſe Re - gel ihre Ausnahmen: und man muß deswegen die folgenden Kennzeichen mit zu Huͤlfe nehmen. Man kann 2) die Leidenſchafr erkennen: aus den vorkommenden Jntervallen, ob ſolche nahe oder entfernet liegen, und ob die Noten geſchleifet oder geſtoßen werden ſollen. Durch die geſchleifeten und nahe an einander liegenden Jntervalle wird das Schmeichelnde, Traurige, und Zaͤrtliche; durch die kurz geſtoßenen, oder in entferneten Spruͤngen beſtehenden Noten, ingleichen durch ſolche Figuren da die Puncte allezeit hinter der zweyten Noten ſtehen, aber, wird das Luſtige und Freche ausgedruͤcket. Punctirte und anhaltende Noten druͤcken das Ernſthafte und Pathetiſche; die Untermiſchung langer Noten, als halber und ganzer Tacte, unter die geſchwinden, aber, das Praͤchtige und Er - habene aus. 3) Kann man die Leidenſchaften abnehmen: aus den Diſſo - nanzen. Dieſe thun nicht alle einerley, ſondern immer eine vor der an - dern verſchiedene Wirkungen. Jch habe dieſes im VI. Abſchnitte des XVII. Hauptſtuͤcks weitlaͤuftig erklaͤret, und mit einem Exempel erlaͤu - tert. Weil aber dieſe Erkenntniß nicht den Accompagniſten allein, ſon - dern auch einem jeden Ausfuͤhrer zu wiſſen unentbehrlich iſt, ſo will ich mich hier auf den 13. und folgende bis zum 17. §. des gedachten Abſchnittes beziehen. Die 4) Anzeige des herrſchenden Hauptaffects iſt endlich das zu Anfange eines jeden Stuͤckes befindliche Wort, als: Allegro, Allegro non tanto, --- aſſai, --- di molto, --- moderato, Preſto, Allegretto, Andante, Andantino, Arioſo, Cantabile, Spiritoſo, Affettuoſo, Grave, Adagio, Adagio aſſai, Lento, Meſto, u. a. m. Alle dieſe Woͤrter, wenn ſie mit gutem Bedachte vorgeſetzet ſind, erfodern jedes einen beſondern Vortrag in der Ausfuͤhrung: zugeſchweigen, daß, wie ich ſchon geſaget habe, jedes Stuͤck von oben bemeldeten Charakteren, un - terſchiedene Vermiſchungen von pathetiſchen, ſchmeichelnden, luſtigen, praͤchtigen, oder ſcherzhaften Gedanken in ſich haben kann, und man ſich alſo, ſo zu ſagen, bey jedem Tacte in einen andern Affect ſetzen muß, um ſich bald traurig, bald luſtig, bald ernſthaft, u. ſ. w. ſtellen zu koͤnnen: welche Verſtellung bey der Muſik ſehr noͤthig iſt. Wer dieſe Kunſt recht ergruͤnden kann, dem wird es nicht leicht an dem Beyfalle der Zuhoͤrerfehlen109im Singen und Spielen uͤberhaupt. fehlen, und ſein Vortrag wird alſo allezeit ruͤhrend ſeyn. Man wolle aber nicht glauben, daß dieſe feine Unterſcheidung in kurzer Zeit koͤnne er - lernet werden. Von jungen Leuten, welche gemeiniglich hierzu zu fluͤch - tig und ungeduldig ſind, kann man ſie faſt gar nicht verlangen. Sie koͤmmt aber mit dem Wachsthume der Empfindung und der Beurthei - lungskraft.

17. §.

Es muß ſich ein jeder hierbey auch nach ſeiner angebohrnen Gemuͤths - beſchaffenheit richten, und dieſelbe gehoͤrig zu regieren wiſſen. Ein fluͤchti - ger und hitziger Menſch, der hauptſaͤchlich zum Praͤchtigen, Ernſthaften, und zu uͤbereilender Geſchwindigkeit aufgeleget iſt, muß beym Adagio ſu - chen, ſein Feuer ſo viel als moͤglich iſt zu maͤßigen. Ein trauriger und niedergeſchlagener Menſch hingegen thut wohl, wenn er, um ein Allegro lebhaft zu ſpielen, etwas von jenes ſeinem uͤberfluͤßigen Feuer anzunehmen ſuchet. Und wenn ein aufgeraͤumter oder ſanguiniſcher Menſch, eine ver - nuͤnftige Vermiſchung der Gemuͤthsbeſchaffenheiten der beyden vorigen bey ſich zu machen weis, und ſich nicht durch die ihm angebohrne Selbſt - liebe und Gemaͤchlichkeit, den Kopf ein wenig anzuſtrengen, verhindern laͤßt: ſo wird er es im guten Vortrage, und in der Muſik uͤberhaupt, am weiteſten bringen. Bey wem ſich aber von der Geburth an eine ſo gluͤck - liche Miſchung des Gebluͤtes befindet, die von den Eigenſchaften der drey vorigen, von jeder etwas an ſich hat, der hat alle nur zu wuͤnſchenden Vor - theile zur Muſik: denn das Eigenthuͤmliche iſt allezeit beſſer, und von laͤn - gerer Dauer, als das Entlehnte.

18. §.

Jch habe oben geſaget, daß man durch den Zuſatz der Manieren die Melodie bereichern, und mehr erheben muͤſſe. Man huͤte ſich aber, daß man den Geſang dadurch nicht uͤberſchuͤtte, oder unterdruͤcke. Das allzu bunte Spielen kann eben ſowohl als das allzu einfaͤltige, dem Gehoͤre end - lich einen Ekel erwecken. Man muß deswegen nicht nur mit den willkuͤhr - lichen Auszierungen, ſondern auch mit den weſentlichen Manieren, nicht zu verſchwenderiſch, ſondern ſparſam umgehen. Abſonderlich iſt dieſes in ſehr geſchwinden Paſſagien, wo die Zeit ohnedem nicht viel Zuſatz erlaubet, zu beobachten: damit dieſelben nicht undeutlich und widerwaͤrtig werden. Einige Saͤnger, denen der Triller nicht ſchwer zu machen wird, ſollte er auch nicht allemal der beſte ſeyn, haben dieſen Fehler des allzuhaͤufigen Trillerns ſtark an ſich.

O 319. §. Ein110Das XI. Hauptſtuͤck. Vom guten Vortrage ꝛc.

19. §.

Ein jeder Jnſtrumentiſt muß ſich bemuͤhen, das Cantable ſo vorzu - tragen, wie es ein guter Saͤnger vortraͤgt. Der Saͤnger hingegen muß im Lebhaften, das Feuer guter Jnſtrumentiſten, ſo viel die Singſtimme deſſen faͤhig iſt, zu erreichen ſuchen.

20. §.

Dieſes ſind alſo die allgemeinen Regeln des guten Vortrages im Singen und Spielen uͤberhaupt Jch will nun dieſelben auf die Haupt - arten der Stuͤcke beſonders anwenden. Hieraus werden die folgenden drey Hauptſtuͤcke, vom Allegro, von den willkuͤhrlichen Veraͤnderungen, und vom Adagio, beſtehen. Auch das XVII. Hauptſtuͤck von den Pflich - ten der Accompagniſten, wird großen Theils hierher gehoͤren. Jch will alles mit Exempeln erlaͤutern, und dieſelben, ſo viel als moͤglich ſeyn wird, erklaͤren.

21. §.

Der ſchlechte Vortrag iſt das Gegentheil von dem, was zum guten Vortrage erfodert wird. Jch will ſeine vornehmſten Kennzeichen, damit man ſie deſto leichter mit einander uͤberſehen, und folglich deſto ſorgfaͤlti - ger vermeiden koͤnne, hier in der Kuͤrze zuſammen faſſen. Der Vortrag alſo iſt ſchlecht: wenn die Jntonation unrein iſt, und der Ton uͤbertrieben wird; wenn man die Noten undeutlich, dunkel, unverſtaͤndlich, nicht arti - culiret, ſondern matt, faul, ſchleppend, ſchlaͤfrig, grob, und trocken vor - traͤgt; wenn man alle Noten ohne Unterſchied ſchleifet oder ſtoͤßt; wenn das Zeitmaaß nicht beobachtet wird, und die Noten ihre wahre Geltung nicht bekommen; wenn die Manieren im Adagio zu ſehr verzogen werden, und nicht mit der Harmonie uͤbereintreffen; wenn man die Manieren ſchlecht endiget, oder uͤbereilet; die Diſſonanzen aber weder gehoͤrig vorbe - reitet, noch aufloͤſet; wenn man die Paſſagien nicht rund und deutlich, ſondern ſchwer, aͤngſtlich, ſchleppend, oder uͤbereilend und ſtolpernd machet, und mit allerhand Grimaſſen begleitet; wenn man alles kaltſinnig, in einerley Farbe, ohne Abwechſelung des Piano und Forte ſingt oder ſpielet; wenn man den auszudruͤckenden Leidenſchaften zuwider handelt; und uͤber - haupt wenn man alles ohne Empfindung, ohne Affect, und ohne ſelbſt ge - ruͤhret zu werden, vortraͤgt; ſo daß es das Anſehen hat, als wenn man in Commiſſion fuͤr einen andern ſingen oder ſpielen muͤßte: wodurch aber der Zuhoͤrer eher in eine Schlaͤfrigkeit verſetzet, als auf eine angenehmeArt111Art unterhalten und beluſtiget wird; mithin froh ſeyn muß, wenn das Stuͤck zu Ende iſt.

Das XII. Hauptſtuͤck. Von der Art das Allegro zu ſpielen.

1. §.

Das Wort: Allegro, hat im Gegenſatze mit dem Adagio bey Benennung muſikaliſcher Stuͤcke, einen weitlaͤuftigen Begriff: und werden in dieſer Bedeutung vielerley Arten von geſchwinden Stuͤcken, als: Allegro, Allegro aſſai, Allegro di molto, Allegro non preſto, Allegro ma non tanto, Allegro moderato, Vivace, Allegretto, Preſto, Preſtiſſimo, u. d. gl. verſtanden. Wir nehmen es hier in dieſer weitlaͤuf - tigen Bedeutung, und verſtehen darunter alle Arten von lebhaften und ge - ſchwinden Stuͤcken. Wir kehren uns hier im uͤbrigen nicht an die beſon - dere Bedeutung, wenn es eine eigene Art der hurtigen Bewegung cha - rakteriſiret.

2. §.

Weil aber die oben erzaͤhlten Beywoͤrter, von vielen Componiſten, oͤfters mehr aus Gewohnheit, als die Sache ſelbſt recht zu charakteriſiren, und dem Ausfuͤhrer das Zeitmaaß deutlich zu machen, hingeſetzet werden: ſo koͤnnen Faͤlle vorkommen, da man ſich nicht allemal an dieſelben binden darf; ſondern vielmehr den Sinn des Componiſten aus dem Jnhalte zu errathen ſuchen muß.

3. §.

Der Hauptcharakter des Allegro iſt Munterkeit und Lebhaftigkeit: ſo wie im Gegentheil der vom Adagio in Zaͤrtlichkeit und Traurigkeit beſteht.

4. §.

Die geſchwinden Paſſagien muͤſſen vor allen Dingen im Allegrs rund, proper, lebhaft, articuliret, und deutlich geſpielet werden. Die Lebhaftigkeit des Zungenſtoßes, und die Bewegungen von Bruſt und Lip -pen,112Das XII. Hauptſtuͤck. pen, auf Blasinſtrumenten; auf Bogeninſtrumenten aber der Strich des Bogens, tragen hierzu viel bey. Auf der Floͤte muß man mit der Zunge bald hart, bald weich ſtoßen; nachdem es die Arten der Noten erfodern: und der Stoß der Zunge muß jederzeit mit den Fingern zugleich gehen; damit nicht hier und da in Paſſagien etliche Noten ausgelaſſen werden. Man muß deswegen die Finger alle egal, und ja nicht zu hoch aufheben.

5. §.

Man muß ſich bemuͤhen jede Note nach ihrer gehoͤrigen Geltung zu ſpielen; und ſich ſorgfaͤltig huͤten, weder zu eilen noch zu zoͤgern. Man muß, zu dem Ende, bey jedem Viertheile auf das Zeitmaaß gedenken; und nicht glauben, es ſey ſchon genug, wenn man nur beym Anfange und der Endigung des Tactes mit den uͤbrigen Stimmen zutreffe. Das Ueber - eilen der Paſſagien kann entſtehen, wenn man, beſonders bey ſteigenden Noten, die Finger zu geſchwind aufhebt. Um dieſes zu vermeiden, muß man die erſte Note der geſchwinden Figuren, ein wenig markiren, und an - halten; ſ. X. Hauptſt. 9. §: um ſo vielmehr, da immer die Hauptnoten ein wenig laͤnger, als die durchgehenden, gehoͤret werden muͤſſen. Man kann zu dem Ende auch die Hauptnoten, worinne die Grundmelodie liegt, dann und wann mit Bewegung der Bruſt markiren. Wegen der Noten ſo unegal geſpielet werden muͤſſen, beziehe ich mich auf den 12. §. des vo - rigen Hauptſtuͤcks.

6. §.

Der Fehler des Eilens entſteht auch mehrentheils daraus, daß man auf den Zungenſtoß nicht Achtung giebt. Einige ſtehen in den Gedanken, daß der Stoß zu eben der Zeit geſchehe, wenn ſie die Zunge an den Gau - men ſetzen. Sie heben alſo die Finger mit der Bewegung der Zunge auf; welches aber falſch iſt: weil dadurch die Finger der Zunge zuvor kommen. Es muß demnach die Bewegung der Finger, mit dem Zuruͤckziehen der Zunge, welches den Ton giebt, geſchehen.

7. §.

Man muß ſich beſonders vorſehen, langſame und ſingende Noten, ſo zwiſchen Paſſagien eingeflochten ſind, nicht zu uͤbereilen.

8. §.

Man muß das Allegro nicht geſchwinder ſpielen wollen, als man die Paſſagien, in einerley Geſchwindigkeit, zu machen im Stande iſt: damit man nicht genoͤthiget ſey, einige Paſſagien, ſo etwan ſchwerer als andere ſind, langſamer zu ſpielen, welches eine unangenehme Aenderung des Zeit -maaßes113Von der Art das Allegro zu ſpielen. maaßes verurſachet. Man muß deswegen das Tempo nach den ſchwere - ſten Paſſagien faſſen.

9. §.

Wenn in einem Allegro nebſt den Paſſagien, ſo aus Sechzehn - theilen oder Zwey und dreyßigtheilen beſtehen, auch Triolen, welche einmal weniger geſchwaͤnzet ſind als die Paſſagien, mit untermiſchet ſind: ſo muß man, in Anſehung der Geſchwindigkeit, ſich nicht nach den Triolen, ſon - dern nach den Paſſagien ſelbſt richten; ſonſt koͤmmt man im Zeitmaaße zu kurz: weil ſechzehn gleiche Noten, in einem Tacte, mehr Zeit erfodern, als vier Triolen. Folglich muͤſſen die letztern gemaͤßiget werden.

10. §.

Bey den Triolen muß man ſich wohl in Acht nehmen, daß man ſie recht rund und egal mache; nicht aber die zwo erſten Noten davon uͤber - eile: damit dieſe nicht klingen, als wenn ſie noch einmal mehr geſchwaͤnzet waͤren; denn auf ſolche Art wuͤrden ſie keine Triolen mehr bleiben. Man kann deswegen die erſte Note einer Triole, weil ſie die Hauptnote im Ac - corde iſt, ein wenig anhalten: damit das Zeitmaaß dadurch nicht uͤber - trieben, und der Vortrag folglich mangelhaft werde.

11. §.

Bey aller Lebhaftigkeit, ſo zum Allegro erfodert wird, muß man ſich deſſen ungeachtet niemals aus ſeiner Gelaſſenheit bringen laſſen. Denn alles was uͤbereilet geſpielet wird, verurſachet bey den Zuhoͤrern eher eine Aengſtlichkeit als Zufriedenheit. Man muß nur allezeit den Affect, welchen man auszudruͤcken hat, nicht aber das Geſchwindſpielen zu ſeinem Hauptzwecke machen. Man koͤnnte eine muſikaliſche Maſchine durch Kunſt zubereiten, daß ſie gewiſſe Stuͤcke mit ſo beſonderer Geſchwindigkeit und Richtigkeit ſpielete, welche kein Menſch, weder mit den Fingern, noch mit der Zunge nachzumachen faͤhig waͤre. Dieſes wuͤrde auch wohl Ver - wunderung erwecken; ruͤhren aber wuͤrde es niemals: und wenn man der - gleichen ein paarmal gehoͤret hat, und die Beſchaffenheit der Sache weis; ſo hoͤret auch die Verwunderung auf. Wer nun den Vorzug der Ruͤh - rung vor der Maſchine behaupten will, der muß zwar jedes Stuͤck in ſei - nem gehoͤrigen Feuer ſpielen: uͤbermaͤßig uͤbertreiben aber muß er es nie - mals; ſonſt wuͤrde das Stuͤck alle ſeine Annehmlichkeit verlieren.

12. §.

Bey den kurzen Pauſen, welche anſtatt der Hauptnoten im Nieder - ſchlage vorkommen, muß man ſich wohl in Acht nehmen, daß man die No -Pten114Das XII. Hauptſtuͤck. ten nach ihnen nicht vor der Zeit anfange. Z. E. Wenn von vier Sech - zehntheilen das erſte zu pauſiren iſt; ſo muß man noch halb ſo lange, als die Pauſe dem Geſichte nach gilt, warten: weil die folgende Note kuͤrzer ſeyn muß, als die erſte. Eben ſo verhaͤlt es ſich mit den Zwey und dreyßigtheilen.

13. §.

Den Athem muß man immer zu rechter Zeit nehmen; auch denſel - ben ſorgfaͤltig ſparen lernen: damit man einen an einander hangenden Ge - ſang durch unzeitiges Athemholen nicht zertrenne.

14. §.

Die Triller muͤſſen bey luſtigen Gedanken munter und geſchwind ge - ſchlagen werden. Und wenn in den Paſſagien einige Noten ſtufenweiſe unterwaͤrts gehen, und es die Zeit erlaubet, ſo kann man dann und wann, bey der erſten, oder dritten Note, halbe Triller anbringen: gehen aber die Noten aufwaͤrts; ſo kan man ſich der battemens bedienen. Beyde Ar - ten ertheilen den Paſſagien noch mehr Lebhaftigkeit und Schimmer. Doch muß man ſie nicht misbrauchen, wenn man nicht einen Ekel verurſachen will; ſ. das VIII. Hauptſt. 19. §.

15. §.

Wie die Noten, welche vor Vorſchlaͤgen hergehen, von denſelben ab - geſondert werden muͤſſen, iſt im VI. Hauptſt. I. Abſchnitt, 8. §. gelehret worden.

16. §.

Bey Paſſagien da die Hauptnoten unterwaͤrts, und die durchgehen - den aufwaͤrts gehen, muͤſſen die erſtern etwas angehalten und markiret, auch ſtaͤrker als die letztern angegeben werden, weil die Melodie in den er - ſtern liegt. Die letztern hingegen koͤnnen an die erſtern ſachte angeſchlei - fet werden.

17. §.

Je tiefer die Spruͤnge in Paſſagien ſind; je ſtaͤrker muͤſſen die tiefen Noten vorgetragen werden: theils weil ſie zum Accorde gehoͤrige Haupt - noten ſind; theils weil die tiefen Toͤne auf der Floͤte nicht ſo ſchneidend und durchdringend ſind, als die hohen.

18. §.

Lange Noten muͤſſen durch das Wachſen und Abnehmen der Staͤrke des Tones auf eine erhabene Art unterhalten: die darauf folgenden ge -ſchwinden115Von der Art das Allegro zu ſpielen. ſchwinden Noten aber, durch einen muntern Vortrag von jenen wieder un - terſchieden werden.

19. §.

Wenn auf geſchwinde Noten unvermuthet eine lange folget, die den Geſang unterbricht; ſo muß dieſelbe mit beſonderm Nachdrucke markiret werden. Bey den folgenden Noten kan man die Staͤrke des Tones wie - der etwas maͤßigen.

20. §.

Folgen aber auf geſchwinde Noten etliche langſame ſingende: ſo muß man ſogleich das Feuer maͤßigen, und die langſamen Noten mit dem darzu erfoderlichen Affecte vortragen; damit es nicht ſcheine, als ob einem die Zeit druͤber lang wuͤrde.

21. §.

Schleifende Noten muͤſſen ſo geſpielet werden wie ſie angedeutet ſind: weil oͤfters darunter ein beſonderer Ausdruck geſuchet wird. Hin - gegen muͤſſen auch die, ſo den Zungenſtoß verlangen, nicht geſchleifet werden.

22. §.

Wenn in einem Allegro aſſai die zweygeſchwaͤnzten Noten die ge - ſchwindeſten ſind: ſo muͤſſen mehrentheils die Achttheile mit der Zunge kurz geſtoßen, die Viertheile hingegen ſingend und unterhalten geſpielet werden. *Wenn von kurzen Noten als Achttheilen oder Sechzehntheilen die Rede iſt, daß ſie geſtoßen werden ſollen: ſo verſteht ſich auf der Floͤte allemal der harte Zungen - ſtoß mit ti dabey. Bey langſamen ſingenden Noten aber wird der Zungenſtoß mit di verſtanden: welches ich ein fuͤr allemal erinnert haben will.Jn einem Allegretto aber, wo dreygeſchwaͤnzte Triolen vor - kommen: muͤſſen die Sechzehntheile kurz geſtoßen, die Achttheile aber ſin - gend geſpielet werden.

23. §.

Wenn der Hauptſatz, (Thema) in einem Allegro oͤfters wieder vor - koͤmmt, ſo muß ſolcher durch den Vortrag von den Nebengedanken immer wohl unterſchieden werden. Er mag praͤchtig oder ſchmeichelnd, luſtig oder frech ſeyn; ſo kann er doch durch die Lebhaftigkeit oder Maͤßigung der Bewegungen der Zunge, der Bruſt, und der Lippen, wie auch durch das Piano und Forte dem Gehoͤre immer auf verſchiedene Art empfindlich gemachet werden. Bey Wiederholungen thut uͤberhaupt die Abwechſelung mit dem Piano und Forte gute Dienſte.

P 224. §. Die116Das XII. Hauptſtuͤck,

24. §.

Die Leidenſchaften wechſeln im Allegro eben ſowohl als im Adagio oͤfters ab. Der Ausfuͤhrer muß ſich alſo in eine jede zu verſetzen, und ſie gehoͤrig auszudruͤcken ſuchen. Es iſt demnach noͤthig, daß man unterſuche, ob in dem zu ſpielenden Stuͤcke lauter luſtige Gedanken vorkommen, oder ob auch andere Gedanken von verſchiedener Art damit verknuͤpfet ſind. Jſt das erſtere, ſo muß das Stuͤck in einer beſtaͤndigen Lebhaftigkeit unterhal - ten werden. Jſt aber das letztere, ſo gilt die obige Regel. Das Luſtige wird mit kurzen Noten, ſie moͤgen, nachdem es die Tactart erfodert, aus Achttheilen, oder Sechzehntheilen, oder im Allabrevetacte aus Viertheilen beſtehen, welche ſowohl ſpringend, als ſtufenweiſe ſich bewegen, vorgeſtellet, und durch die Lebhaftigkeit des Zungenſtoßes ausgedruͤcket. Das Praͤch - tige, wird ſowohl mit langen Noten, worunter die andern Stimmen eine geſchwinde Bewegung machen, als mit punctirten Noten vorgeſtellet. Die punctirten Noten muͤſſen von dem Ausfuͤhrer ſcharf geſtoßen, und mit Lebhaftigkeit vorgetragen werden. Die Puncte werden lange gehalten, und die darauf folgenden Noten ſehr kurz gemachet, ſ. V. Hauptſtuͤck. 21. und 22. §. Bey den Puncten koͤnnen auch dann und wann Triller ange - bracht werden. Das Freche wird mit Noten, wo hinter der zweyten oder dritten ein Punct ſteht, und folglich die erſten praͤcipitiret werden, vorgeſtellet. Hierbey muß man ſich huͤten, daß man ſich nicht allzuſehr uͤbereile: damit es nicht einer gemeinen Tanzmuſik aͤhnlich klinge. Jn der Concertſtimme kann man es abſonderlich, durch einen beſcheidenen Vor - trag etwas maͤßigen, und angenehm machen. Das Schmeichelnde, wird durch ſchleifende Noten, welche ſtufenweiſe auf oder nieder gehen; in - gleichen durch ſynkopirete Noten, bey denen man die erſte Haͤlfte ſchwach angeben, die andere aber durch Bewegung der Bruſt und der Lippen ver - ſtaͤrken kann, ausgedruͤcket.

25. §.

Die Hauptgedanken muͤſſen von den untermiſchten wohl unterſchie - den werden, und ſind eigentlich die vornehmſte Richtſchnur des Ausdru - ckes. Sind alſo mehr luſtige, als praͤchtige oder ſchmeichelnde Gedanken in einem Allegro; ſo muß auch daſſelbe hauptfaͤchlich munter und ge - ſchwind geſpielet werden. Jſt aber die Pracht der Charakter der Haupt - gedanken, ſo muß das Stuͤck uͤberhaupt ernſthafter ausgefuͤhret werden. Jſt die Schmeicheley der Hauptaffect, ſo muß mehr Gelaſſenheit herrſchen.

26. §. Der117Von der Art das Allegro zu ſpielen.

26. §.

Der ſimple Geſang muß im Allegro, eben ſo wohl als im Adagio, durch Vorſchlaͤge, und durch die andern kleinen weſentlichen Manieren, aus - gezieret und gefaͤlliger gemacht werden: nachdem es jedesmal die vor - kommende Leidenſchaft erheiſchet. Das Praͤchtige leidet wenig Zuſatz: was ſich aber ja noch etwa dazu ſchicket, muß erhaben vorgetragen wer - den. Das Schmeichelnde erfodert Vorſchlaͤge, ſchleifende Noten, und einen zaͤrtlichen Ausdruck. Das Luſtige hingegen verlanget nett geendigte Triller, Mordanten, und einen ſcherzhaften Vortrag.

27. §.

Von willkuͤhrlichen Veraͤnderungen leidet das Allegro nicht viel; weil es mehrentheils mit einem ſolchen Geſange, und ſolchen Paſſagien ge - ſetzet wird, worinne nicht viel zu verbeſſern iſt. Will man aber dennoch was veraͤndern, ſo muß es nicht eher als bey der Wiederholung geſchehen; welches in einem Solo, wo das Allegro aus zwo Repriſen beſteht, am fuͤglichſten angeht. Schoͤne ſingende Gedanken aber, deren man nicht leicht uͤberdruͤßig werden kann, ingleichen brillante Paſſagien, welche an ſich ſelbſt eine hinreichende gefaͤllige Melodie haben, darf man nicht ver - aͤndern: ſondern nur ſolche Gedanken, die eben keinen großen Eindruck machen. Denn der Zuhoͤrer wird nicht ſo wohl durch die Geſchiklichkeit des Ausfuͤhrers, als vielmehr durch das Schoͤne, welches er mit Ge - ſchiklichkeit vorzutragen weis, geruͤhret. Kommen aber durch das Ver - ſehen des Componiſten, allzuoͤftere Wiederholungen vor, welche leicht Ver - druß erwecken koͤnnen: ſo iſt in dieſem Falle der Ausfuͤhrer befuget, ſol - ches durch ſeine Geſchiklichkeit zu verbeſſern. Jch ſage verbeſſern, aber ja nicht verſtuͤmmeln. Manche glauben, wenn ſie nur immer veraͤndern, ſo ſey der Sache ſchon geholfen; ob ſie gleich dadurch oͤfters mehr verder - ben, als gut machen.

P 3Das118Das XIII. Hauptſtuͤck. Von den willkuͤhrlichen

Das XIII. Hauptſtuͤck. Von den willkuͤhrlichen Veraͤnderungen uͤber die ſimpeln Jntervalle.

1. §.

Der Unterſchied zwiſchen einer nach dem italiaͤniſchen, und einer nach dem franzoͤſiſchen Geſchmacke geſetzten Melodie, iſt, ſo weit dieſer Unterſchied ſich auf die Auszierungen des Geſanges erſtre - cket, im X. Hauptſtuͤcke beylaͤufig gezeiget worden. Man wird daraus erſehen, das die Melodie, von denen, ſo nach dem italiaͤniſchen Geſchma - cke componiren, nicht wie von den franzoͤſiſchen Componiſten geſchieht, mit allen Manieren dergeſtalt ausgefuͤhret iſt, daß nicht noch etwas koͤnne darzu geſetzet, und verbeſſert werden: und daß es folglich auſſer denen im VIII. und IX. Hauptſtuͤcke gelehreten weſentlichen Manieren, noch an - dere Auszierungen giebt, welche von der Geſchiklichkeit und dem freyen Willen des Ausfuͤhrers abhaͤngen.

2. §.

Faſt niemand der, zumal auſſerhalb Frankreichs, die Muſik zu er - lernen ſich befleißiget, begnuͤget ſich mit Ausfuͤhrung der weſentlichen Ma - nieren allein; ſondern der groͤßte Theil empfindet bey ſich eine Begierde, die ihn Veraͤnderungen oder willkuͤhrliche Auszierungen zu machen an - treibt. Dieſe Begierde iſt nun zwar an ſich ſelbſt nicht zu tadeln: doch kann ſie, ohne die Compoſition oder wenigſtens den Generalbaß zu ver - ſtehen, nicht erfuͤllet werden. Weil es aber den meiſten an der dazu ge - hoͤrigen Anweiſung fehlet: ſo geht folglich die Sache ſehr langſam zu; und es kommen dadurch viele unrichtige und ungeſchikte Gedanken zum Vor - ſcheine: ſo daß es oͤfters beſſer ſeyn wuͤrde, die Melodie ſo, wie ſie der Componiſt geſetzet hat, zu ſpielen, als ſie mehrentheils durch dergleichen ſchlechte Veraͤnderungen zu verderben.

3. §. Die -119Veraͤnderungen uͤber die ſimpeln Jntervalle.

3. §.

Dieſem Misbrauche nun in etwas abzuhelfen, will ich denen, ſo es an der hierzu noͤthigen Erkenntniß noch mangelt, eine Anleitung geben, wie man bey den meiſten und allgemeinen Jntervallen uͤber ſimple Noten, auf vielerley Art, ohne wider die Harmonie der Grundſtimme zu han - deln, Veraͤnderungen machen koͤnne.

4. §.

Zu dem Ende habe ich die meiſten Arten der Jntervalle, nebſt dem darzu gehoͤrigen Baſſe, in eine Tabelle gebracht; ſ. Tab. VIII; auch die Harmonie dazu, uͤber dem Baſſe beziffert: da man denn, nach den dabey befindlichen Numern oder Figuren, in der Folge der Tabelle, die daraus natuͤrlich fließenden Veraͤnderungen, ganz deutlich wird erſehen, und ſol - che nachgehends, in alle Tonarten, daraus man zu ſpielen hat, leicht - lich verſetzen koͤnnen.

5. §.

Doch begehre ich nicht, durch dieſe wenigen Exempel, alle Veraͤn - derungen, ſo uͤber die Jntervalle zu finden moͤglich iſt, erſchoͤpfet zu ha - ben: ſondern ich gebe ſolches nur vor eine Anleitung fuͤr die Unwiſſenden aus. Wer ſo weit iſt, daß er ſelbige gehoͤrig anzubringen weis, dem wird alsdenn nicht ſchwer fallen, mehrere dergleichen zu erfinden.

6. §.

Weil aber dieſe Exempel, um Weitlaͤuftigkeit zu vermeiden, nur mehren theils in die Durtoͤne geſetzet, nichts deſto weniger aber ebenfalls in den Molltoͤnen zu gebrauchen ſind: ſo iſt noͤthig, daß man diejenige Tonart, worinne moduliret wird, ſich wohl bekannt mache; um ſich die noͤthigen b, oder Kreuze, welche nach Beſchaffenheit der Tonart, vor - geſetzet ſeyn muͤßten, gleich einbilden zu koͤnnen: damit man bey den Ver - ſetzungen, nicht ganze Toͤne vor halbe, und halbe vor ganze nehme, und folglich wider die Verhaͤltniſſe der Tonarten verſtoße. Man muß auch auf den Baß wohl Achtung geben; ob uͤber der Grundnote die große oder kleine Terze ſtatt finde: und wenn derſelbe die Sexte gegen die Ober - ſtimme hat, ob felbige groß oder klein ſey; welches in Tab. XIII, bey Fig. 13, und in Tab. XIV, bey Fig. 14, mit mehrern zu erſehen iſt.

Die Exempel, ſo bey jeder Figur unter einen Bogen eingeſchraͤnket ſind, erſodern einerley Veraͤnderungen; weil ſolche eben denſelben Baß zum Grunde haben. Ausgenommen, wenn der Baß durch ein Kreuz erhoͤhet wird; denn alsdenn muß die Oberſtimme dergleichen thun.
12Man120Das XIII. Hauptſtuͤck. Von den willkuͤhrlichen
Man muß Achtung geben, ob die Bewegungen der Noten, im Einklange ſtehen bleiben; oder ob die Jntervalle eine Secunde, Terze, Quarte, Quinte, Sexte, Septime, uͤber oder unter ſich machen; welches bey dem erſten Tacte eines jeden Exempels zu erſehen iſt; daß alſo die Jntervalle, die Urſachen zu den Veraͤnde - rungen geben.
13

7. §.

Ueberhaupt muß man bey den Veraͤnderungen allezeit darauf ſehen, daß die Hauptnoten, woruͤber man die Veraͤnderungen machet, nicht verdunkelt werden. Wenn Veraͤnderungen uͤber Viertheilnoten ange - bracht werden: ſo muß auch mehrentheils die erſte Note der zugeſetzten eben ſo heißen wie die ſimple: und ſo verfaͤhrt man bey allen Arten, ſie moͤgen mehr oder weniger gelten, als ein Viertheil. Man kann auch wohl eine andre Note, aus der Harmonie des Baſſes erwaͤhlen, wenn nur die Hauptnote gleich wieder darauf gehoͤret wird.

8. §.

Luſtige und freche Veraͤnderungen, muͤſſen in keine traurige und modeſte Melodie eingemenget werden: oder man muͤßte ſuchen, ſolche durch den Vortrag angenehm zu machen; welches alsdenn nicht zu ver - werfen iſt.

9. §.

Die Veraͤnderungen muͤſſen nur allezeit erſt unternommen werden, wenn der ſimple Geſang ſchon gehoͤret worden iſt: ſonſt kann der Zuhoͤrer nicht wiſſen, ob es Veraͤnderungen ſeyn. Auch muß man keine wohlge - ſetzte Melodie, welche alles zureichende Gefaͤllige ſchon in ſich hat, veraͤn - dern: es ſey denn daß man glaubete, ſie noch zu verbeſſern. Wenn man was veraͤndern will, ſo muß es auf eine ſolche Art geſchehen, daß der Zuſatz im Singenden noch gefaͤlliger, und in den Paſſagien noch brillan - ter ſey, als er an ſich ſelbſt geſchrieben ſteht. Hierzu aber gehoͤret nicht wenig Einſicht und Erfahrung. Ohne die Setzkunſt zu verſtehen, kann man nicht einmal dazu gelangen. Wem es nun hieran fehlet, der thut immer beſſer, wenn er die Erfindung des Componiſten ſeinen eigenen Einfaͤllen vorzieht. Mit vielen auf einander folgenden geſchwinden Noten iſt es nicht allezeit ausgerichtet. Sie koͤnnen wohl Verwunderung ver - urſachen, aber nicht ſo leicht, wie die ſimpeln, das Herz ruͤhren: wel - ches doch der wahre Entzweck, und das ſchwereſte in der Muſik iſt. Gleich - wohl iſt hierinne ein großer Misbrauch eingeſchlichen. Deswegen rathe ich, ſich in den Veraͤnderungen nicht zu ſehr zu vertiefen: ſondern viel - mehr ſich zu befleißigen, einen ſimpeln Geſang, nobel, reinlich und nettzu121Veraͤnderungen uͤber die ſimpeln Jntervalle. zu ſpielen. Haͤngt man vor der Zeit, ehe man noch einigen Geſchmack in der Muſik erlanget hat, der Veraͤnderungsſucht allzuſehr nach, ſo gewoͤh - net man die Seele dadurch ſo ſehr an die vielen bunten Noten, daß ſie end - lich keinen ſimpeln Geſang mehr leiden kann. Es geht derſelben in dieſem Falle wie der Zunge. Wenn man dieſe einmal an ſtark gewuͤrzte Spei - ſen gewoͤhnet hat, ſo ſchmecket ihr keine ſonſt geſunde einfache Speiſe mehr. Wenn aber der noble ſimple Geſang denjenigen, ſo ihn vortraͤgt, ſelbſt nicht ruͤhret; ſo kann er auch bey den Zuhoͤrern wenig Eindruck machen.

10. §.

Ungeachtet ich nun glaube, daß die meiſten der in den hierzugehoͤri - gen Tabellen gegebenen Exempel deutlich genug ſind, zu beweiſen, wie viel - faͤltig die Jntervalle koͤnnen veraͤndert werden: ſo ſoll doch noch zum Ue - berfluſſe, ein jedes Exempel nach ſeiner Art, in der Kuͤrze, um es den Lehr - begierigen nuͤtzlicher und begreiflicher zu machen, beſonders erklaͤret werden.

11. §.

Man nehme alſo die Exempel der Veraͤnderungen, nebſt dem darzu gehoͤrigen Baſſe, aus den Tabellen, nach ihrer Ordnung zur Hand; um gleich nachzuſehen, wie ſolche ſowohl zu verſtehen, als zu gebrauchen ſind. Bey einem jeden Abſchnitte, weiſen die Numern auf die Exempel der ſim - peln Gaͤnge, aus dem Anfange der Tabelle, ſo aus Viertheilnoten, und woruͤber veraͤndert wird, beſtehen. Die doppelt uͤber einander geſetzeten Noten ohne Strich, zeigen den Accord einer jeden zu veraͤndernden Note; was ſelbige vor Jntervalle, ſowohl unter als uͤber ſich hat, und woraus die Veraͤnderungen ihren Urſprung nehmen. Die Noten mit einem Striche in die Hoͤhe, ſo ſich in der Mitte der Accorde finden, ſind die Hauptnoten des ſimpeln Geſanges. Die uͤbrigen Noten, woruͤber die Buchſtaben ſte - hen, ſind eigentlich die Veraͤnderungen, uͤber die Viertheilnoten zu Anfan - ge eines jeden Exempels, wie folgendermaßen zu erſehen iſt.

Man merke hierbey, daß wenn ich, in Beſchreibung der Hauptnoten des Accordes, die Jntervalle, welche derſelbe in ſich hat, anfuͤhre; ich ſolche nicht nach dem Generalbaſſe von der Grundnote aus, rechne; ſondern von der in der Oberſtimme zu veraͤndernden Note, entweder uͤber oder unter ſich, abzaͤhle.

Diejenigen, welche von der Harmonie und dem Generalbaſſe gar nichts verſtehen, und nur nach dem Gehoͤre veraͤndern muͤſſen, als denen hauptſaͤchlich zu Gefallen ich hier et - was weitlaͤuftig bin, koͤnnen ſich die Jntervalle auf der XVI. Tab. bey Fig. 27. 28. bekannt machen, damit ſie ſolche zum wenigſten nach dem Geſichte finden koͤnnen. Sie koͤnnen ſolche aus der Diſtanz der Noten, die entweder auf der Linie, oder dem Zwiſchenraume ſtehen, und wie weit die Spruͤnge gehen,
15Qerſehen.122Das XIII. Hauptſtuͤck. Von den willkuͤhrlichen
erſehen. Von einem Zwiſchenraume auf den andern, iſt eine Terze; vom Rau - me auf die zweyte Linie eine Quarte; bis auf den dritten Raum eine Quinte; vom Raume bis auf die dritte Linie eine Sexte; bis auf den vierten Raum eine Septimé; vom Raume bis auf die vierte Linie eine Octave. Um ſich dieſe Exem - pel recht einzudruͤcken, thut man wohl, wenn man dieſelben einen Ton hoͤher oder tiefer transponiret: da denn die Noten, ſo hier auf dem Raume ſtehen, alsdenn auf die Linien, und umgekehrt die auf den Linien, auf den Raum kommen. Hier - durch kann man ſich die Jntervalle einer jeden Art leicht bekannt machen. Doch iſt allezeit beſſer dieſelben vermittelſt Erlernung des Generalbaſſes kennen zu lernen.
16

12. §.

Tab. IX. Fig. 1. Der Einklang leidet, wie hier zu ſehen iſt, keine an - dern Veraͤnderungen, als die, welche im Accorde liegen; wenn naͤmlich der Baß auf der Grundnote ſtehen bleibt, oder ſtufenweiſe unterwaͤrts geht. Hat aber der Baß melodioͤſe Noten, welche entweder ſpringend oder ſtufenweiſe durch Achttheile oder Sechzehntheile, uͤber oder unterwaͤrts gehen; ſo kann von dieſen Veraͤnderungen keine andere gebrauchet werden, als (a) (h) (s) (t) (u) um nicht uͤbellautende Klaͤnge zu verurſachen.

13. §.

Fig. 2. Von dieſen drey Noten, welche aus dem Grundtone C durch die Secunde D in die Terze E aufwaͤrts gehen, hat die erſte, in ih - rem Accorde, die Terze und Quinte uͤber, und die Quarte und Sexte un - ter ſich, (welches letzte nur eine Wiederholung der Terze und Quinte iſt.) Und weil der Accord aus dreyen Toͤnen, naͤmlich aus der Terze und Quinte uͤber den Grundtone beſteht; ſo geſchieht die Wiederholung durch die Oc - tave, entweder tiefer oder hoͤher: welches ich ein vor allemal erinnert haben will. Die zweyte Note D, hat die Terze und Quinte, (welche Quinte die Grundnote des Baſſes iſt,) unter, die Quarte und Sexte aber, uͤber ſich. Die dritte Note E, (als die Terze uͤber dem Baſſe) hat Terze und Sexte ſowohl uͤber, als unter ſich; und werden auf dieſe Art, die Veraͤn - derungen gemacht, wie (n) die oberſten, und (z) die unterſten Jntervalle des Accords, zeigen.

14. §.

Fig. 3. Bey dieſen dreyen unter ſich gehenden Noten, hat es nicht gleiche Bewandtniß; weil ſelbige in der Quinte uͤber dem Baſſe anfangen, und ſtufenweiſe in die Terze gehen; da denn die erſte Note D die Terze und Quinte, (welche Quinte die Grundnote im Baſſe iſt,) unter, die Quarte und Sexte aber uͤber ſich hat. Die zweyte Note Chat die Terze,kleine123Veraͤnderungen uͤber die ſimpeln Jntervalle. kleine Quinte, und Septime (welche letzte die Grundnote des Baſſes iſt,) unter, die uͤbermaͤßige Quarte, und Sexte aber, uͤber ſich. Die dritte Note H (als Terze uͤber dem Baſſe,) hat die Terze und Sexte ſowohl uͤber, als unter ſich. (v) ſ. Tab. X. zeiget die oberſten, und (w) die un - terſten Jntervalle des Accords an.

15. §.

Tab. X. Fig. 4. Ob gleich dieſe vier Noten, den dreyen, bey Fig. 2. aͤhnlich zu ſeyn ſcheinen: ſo machet doch der darunter befindliche Baß einen Unterſchied; weil dieſe in der Terze, jene aber im Grundtone anfangen; allwo das Jntervall bey der erſten Note, die Quarte unter ſich, ſ. in Fig. 2. (e), dieſes aber bey jeder Note, die Terze ſowohl unter als uͤber ſich hat, ſ. (a) (b); weswegen bey beyden nicht einerley Veraͤnderungen ſtatt finden. Die erſte Note E hat alſo zu ihrem Accorde, ſowohl die Terze und Sexte unter, als uͤber ſich. Die zweyte Note F hat die Terze und kleine Quinte unter, die uͤbermaͤßige Quarte und Sexte uͤber ſich. Die dritte Note G hat die Terze und Quinte unter, die Quarte und Sexte uͤber ſich. Die vierte Note A hat die Terze uͤber, die Terze, Quinte und Sexte unter ſich: weil das Jntervall von A ins H unterwaͤrts eine Sep - time ausmachet, wovon bey Fig. 13, ein mehreres berichtet werden ſoll.

16. §.

Fig. 5. Dieſe fuͤnf unterwaͤrts gehenden Noten, haben eben ſo wenig Gleichheit mit den dreyen bey Fig. 3, als die vorigen bey Fig. 4. mit denen bey Fig. 2. Obſchon die erſte A, uͤber der Baßnote F, die Terze iſt; ſo muß doch ſelbige als eine Sexte vom Grundtone C angeſe - hen werden; weil dieſer Gang in der Tonart C, und nicht im F modu - liret: da ſonſt anſtatt der durchgehenden Note H, zwiſchen A und C, muͤßte B genommen werden. Die erſte Note A, hat zu ihrem Accorde ſowohl die Terze und Sexte unter, als uͤber ſich. Die zweyte Note G, hat die Terze und Quinte unter, die Quarte und Sexte uͤber ſich. Die dritte Note F, hat die Terze und kleine Quinte unter, die uͤbermaͤßige Quarte und Sexte uͤber ſich. Die vierte Note E, hat die Terze und Sexte ſowohl unter, als uͤber ſich. Die fuͤnfte Note D, hat die Terze und Quinte unter, die Quarte und Sexte uͤber ſich; und iſt bey (l) der zu jeder Note gehoͤrige Accord durch Sechzehntheile ausgedruͤcket zu finden.

Q 217. §. Tab.124Das XIII. Hauptſtuͤck. Von den willkuͤhrlichen

17. §.

Tab. XI. Fig. 6. Dieſe drey Noten, muͤſſen mit denen von Fig. 4. ebenfalls nicht verwechſelt werden. Ob ſie ſchon beyde ihren Anfang in der Terze nehmen, und ſtufenweiſe aufwaͤrts gehen: ſo iſt doch der Un - terſchied, daß jene in ihrem natuͤrlichen Tone moduliren, dieſe aber durch das Fis, als die uͤbermaͤßige Quarte, in die Tonart G ausweichen. Und weil der Baß, indem die Oberſtimme aus der Terze in die Quarte geht, auf demſelben Tone ſtehen bleibt; ſo kann anſtatt der Quarte ſowohl die Sexte als Secunde uͤber dem Baſſe, es ſey in der Tiefe oder Hoͤhe, ge - nommen werden: weil ſelbige zu der Harmonie uͤber dem Baſſe gehoͤren, ſ. (h) (ll). Die erſte Note im Baſſe, kann ſowohl den puren Accord, als Quinte und Sexte in der Harmonie, ohne Nachtheil der Veraͤnde - rungen, uͤber ſich haben: und hat alsdenn die erſte Note E die Terze, Quinte und Sexte unter, und die Terze, Quarte und Sexte uͤber ſich. Die zweyte Note Fis, hat ſowohl die Terze und Sexte unter, als uͤber ſich. Die dritte Note G, hat die Quarte und Sexte unter, die Terze und Quinte aber uͤber ſich. Die zwo Noten G und A, welche in dem Accor - de der erſten Note E ſtecken, machen im Generalbaſſe Quinte und Sexte, und folglich eine Diſſonanz, ſo man auf einem blaſenden Jnſtrumente nicht anders als mit gebrochenen Noten ausdruͤcken kann, ſ. (m) (q); da bey (m) die zweyte Note G die Quinte, die vierte Note A die Sexte; bey (q) hingegen die dritte Note die Sexte, und die vierte die Quinte uͤber dem Baſſe iſt.

18. §.

Weil die uͤbermaͤßige Quarte, (vom Baſſe zu rechnen) gemeiniglich die Secunde nebſt der Sexte zur Geſellſchaft hat: ſo koͤnnen dergleichen Ver - aͤnderungen wie uͤber dieſem Fis zu finden, bey allen vorfallenden aͤhnlichen Gelegenheiten, wenn man nur auf den Baß ſieht, ob ſelbiger mehr oder weniger als eine Viertheilnote zu machen hat, angebracht werden. Hier - nach muß man ſich denn mit den Veraͤnderungen richten; daß dieſelben entweder geſchwinder oder langſamer geſpielet, oder wo ſichs thun laͤßt, die Noten auch wohl wiederholet werden: worzu die bey (c) (f) (g) (l) (t) (u) (v) dieſer Figur ſich ſchicken.

19. §.

Um dieſe drey Noten, als: Secunde, Quarte und Sexte von der Harmonie, leicht zu kennen, iſt als eine Erleichterung vor die Anfaͤnger zu merken, daß ſelbige entweder auf, oder zwiſchen den Linien ſtehen,weil125Veraͤnderungen uͤber die ſimpeln Jntervalle. weil es Terzenſpruͤnge ſind. Was nun in der Hoͤhe auf der Linie ſteht, das koͤmmt ordentlicher Weiſe, in der Octave tiefer, zwiſchen die Linien; welches man, bey den unter einander geſetzten Noten, deutlich ſehen kann. Dieſe Noten machen an und vor ſich, ohne den Baß dazu, einen reinen Accord, mit dem Baſſe aber eine Diſſonanz; weil ſolcher um einen Ton tiefer als der Accord ſteht. Deswegen muß derſelbe unter, die Ober - ſtimme aber uͤber ſich reſolviret werden.

20. §.

Fig. 7. Von dieſen zwo Noten, hat die erſte E ſowohl die Terze und Sexte unter, als uͤber ſich. Die zweyte Note D hat die Terze und Quinte unter, die Quarte und Sexte uͤber ſich; und kann die Ver - aͤnderung der erſten mit gebrochenen Noten ausgedruͤcket werden, wie bey (c) (e) zu ſehen iſt. Bleibt die Harmonie zu dem E laͤnger, als die Zeit einer Viertheilnote betraͤgt, ſtehen; ſo koͤnnen die Veraͤnderungen, nach Belieben, entweder langſamer gemacht, oder auch wiederholet werden. Jſt das erſtere noͤthig, ſo darf man ſich nur vorſtellen, als wenn die No - ten einmal weniger geſchwaͤnzet waͤren. Bey der Wiederholung koͤnnen die bey (a) (b) (c) (e) (f) (g) (h) (i) (k) (l) (ll) (m) (n) (o) (u) dienen.

21. §.

Tab. XII. Fig. 8. Obgleich die Spruͤnge in dieſen unter einen Bogen eingeſchraͤnketen Exempeln, aus dreyerley verſchiedenen Jnterval - len, als Quinte, Septime, und Octave beſtehen: ſo haben doch ſelbige alle einerley Baßnoten zum Grunde, folglich auch einerley Accorde; wie die zweymal uͤbereinander geſetzeten Noten zeigen: ausgenommen der Sprung in die Septime, als welche bey Endigung der Manier, vor der Reſolution in die Terze, beſonders muß gehoͤret werden, um ſolche von dem Octavenſprunge zu unterſcheiden. Auſſer dieſen koͤnnen die hier be - findlichen Veraͤnderungen, ſo wohl uͤber dem einen, als uͤber dem andern Jntervalle gebrauchet werden. Um der Ordnung willen habe ich einem jeden Exempel ſechs Veraͤnderungen beygefuͤget; da denn uͤber den Sprung in die Quinte, die bey (a) (b) (c) (d) (e) (f); uͤber den in die Se - ptime, die bey (g) (h) (i) (k) (l) (ll); und uͤber den in die Octave, die bey (m) (n) (o) (p) (q) (r) gehoͤren. Sollte bey dieſen dreyen Exempeln, anſtatt der erſten Note G, eine Pauſe ſtehen, ſo behaͤlt doch die zweyte Note von jedem, als D, F, G, eben denſelben Accord: und kann man alsdenn die Veraͤnderungen uͤber die Note, an deren ſtatt dieQ 3Pauſe126Das XIII. Hauptſtuͤck. Von den willkuͤhrlichenPauſe ſteht, weglaſſen, und die uͤber das zweyte Viertheil gehoͤrigen, nach Beſchaffenheit der Jntervalle; wie nicht weniger folgende, naͤmlich die bey (s) (t) (u) (v) (w) (x) uͤber D ins E, die bey (y) (z) (aa) (bb) (cc) (dd) uͤber F ins E, und die bey (ee) (ff) (gg) (hh) (ii) (kk) uͤber G ins E gebrauchen.

22. §.

Fig. 9. Die zwo erſten Noten, haben einerley Accord, weil der Baß darunter auf einem Tone ſtehen bleibt, und die Bewegung der Oberſtimme aus dem Grundtone in die Terze aufwaͤrts geht. Die erſte Note davon hat die Quarte und Sexte unter, und die Terze und Quinte uͤber ſich. Die zweyte Note E, als Terze uͤber dem Baſſe, hat ſo wohl die Terze und Sexte unter als uͤber ſich, und iſt wegen der Veraͤnderun - gen mit Fig. 7. gleicher Art.

23. §.

Tab. XIII, Fig. 10. Dieſe zwo erſten Noten, liegen in der Ton - art F; haben auch einerley Baß: und weil die erſte die Quinte uͤber dem Baſſe iſt; ſo hat ſelbige die Terze und Quinte unter, und die Quar - te und Sexte uͤber ſich. Die zweyte hat die Quarte und Sexte unter, die Terze und Quinte uͤber ſich. Die dritte als Terze vom C hat ſo wohl die Terze und Sexte unter, als uͤber ſich.

24. §.

Fig. 11. Bey dieſen dreyen Noten hat es nicht gleiche Bewandt - niß: weil das erſte Jntervall eine Quinte auf -, und das andere eine Terze unterwaͤrts machet. Und weil ſolches aus dem Grundtone fließet, ſo koͤnnen beyde Noten nicht einerley Baß haben; ſondern die zweyte Note G, welche einen Terzenſprung ins E wieder zuruͤck machet, muß, uͤber dem Baſſe, ordentlicher Weiſe die Sexte, und die folgende Note E die Terze ſeyn. Aus den Accorden iſt zu ſehen, daß das C die Quarte und Sexte unter, und die Terze und Quinte uͤber ſich; das G, die Quarte und Sexte unter, die Terze und Quinte uͤber ſich; das E ſo wohl die Terze und Sexte unter, als uͤber ſich hat. Dieſe zwo letzten Noten, G E ſind mit denen im dritten Exempel bey Fig. 8, wenn anſtatt der er - ſten Note eine Pauſe vorkoͤmmt, von gleicher Eigenſchaft, und leiden auch einerley Veraͤnderungen.

25. §.

Fig. 12. Von dieſen zwo Noten, welche einen Sextenſprung un - terwaͤrts machen, iſt die erſte die Quinte uͤber dem Baſſe; folglich hatdieſelbe127Veraͤnderungen uͤber die ſimpeln Jntervalle. dieſelbe in ihrem Accorde, die Terze und Quinte unter, die Quarte und Sexte aber uͤber ſich. Die zweyte, als Terze uͤber dem Baſſe, hat ſo wohl die Terze und Sexte unter als uͤber ſich. Wo bey dieſen Jnterval - len die erſte Note ſteht, es ſey auf dem Zwiſchenraume oder der Linie, ſo kommen die dazu gehoͤrigen Hauptnoten auf eben ſolchen Ort, ſ. (b). Will man dieſes Jntervall mit mehrern Noten ausfuͤllen, ſo ſind die No - ten auf den Linien, naͤmlich F D durchgehende, ſ. (c). Soll die Aus - fuͤllung durch zwo Triolen geſchehen, ſo koͤnnen die zwo Arten bey (i) (n) zum Beyſpiele dienen.

26. §.

Fig. 13. Zu dieſen Noten A H, welche in die Septime unterwaͤrts ſpringen, hat der Baß ordentlicher Weiſe die Terze, welche mehrentheils mit Quinte und Sexte, wie in der VIII. Tabelle zu ſehen, beziffert wird. Die zwo Noten machen Terzen gegen die Grundnoten; die erſte hat in ihrem Accorde die Terze uͤber, die Terze, Quinte, Sexte und Octave unter ſich; die zweyte hat die Terze und Sexte ſo wohl uͤber, als unter ſich. Hierbey iſt zu erinneru, daß oͤfters die Baßnote durch ein Kreuz erhoͤhet wird: wornach die Oberſtimme ſich richten muß, um nicht F mit Fis zu vermiſchen: welches ſonſt einen widrigen Klang verurſachen wuͤrde. Man nehme die zwo Veraͤnderungen bey (m) (n) da die eine F, die an - dere Fis in ſich hat, deswegen zum Muſter. Wenn bey dieſem Jnter - valle die Noten entweder auf dem Zwiſchenraume, oder auf der Linie ſte - hen, ſo kommen die, ſo zum Accorde gehoͤren, (wie bey Fig. 12.) auf eben ſolchen Ort, wie die erſte, (a) (c). Zu Ausfuͤllung dieſes Jn - tervalls gehoͤren ſechs, ſtufenweiſe nach einander gehende, Noten, ſ. (k); welches auch mit zwo Triolen geſchehen kann, ſ. (ll); ingleichen mit acht Noten ſo wohl ſtufenweiſe, ſ. (f) (g), als auch mit Terzenſpruͤngen, ſ. (i).

27. §.

Tab. XIV, Fig. 14. Dieſes Exempel, iſt wegen der Jntervalle, mit Fig. 13. einerley: nur daß jenes im Dur, und dieſes im Moll mo - duliret. Und weil zu den erſten zwey Jntervallen einerley Baß iſt; ſo koͤnnen ſelbige auch einerley Veraͤnderungen haben. Bey dem dritten von dieſen dreyen Jntervallen, allwo der Baß durch ein Kreuz erhoͤhet, ſ. (t), und die Oberſtimme folglich aus der großen zur kleinen Sexte wird, muß in derſelben ſo wohl das G in Gis als das B in H verwandelt werden, ſ. (u). Um nun uͤberhaupt dieſes Jntervall, welches vor den Einſchnit -ten128Das XIII. Hauptſtuͤck. Von den willkuͤhrlichenten ſehr oͤfters vorkommt, ſich recht bekannt zu machen, nehme man das gegenwaͤrtige und vorhergehende Exempel zum Muſter. Wenn naͤmlich ſolche zwo Noten, ſo einen Terzenſprung unterwaͤrts machen, auf den Li - nien ſtehen; ſo kommen die Hauptnoten der Manieren ebenfalls auf die Linien: ſtehen ſie auf dem Zwiſchenraume, ſo kommen die Hauptnoten auch auf denſelben. Zur erſten Note hat der Baß ordentlicher Weiſe die Sexte zur Harmonie. Jſt es die große Sexte, und der Baß geht einen ganzen Ton uͤberwaͤrts: ſo hat die Oberſtimme die kleine Terze uͤber ſich, und kann auch um eine Manier zu machen, noch eine Terze hoͤher gehen, welche von der erſten Note an, eine Quinte ausmacht. Dieſe Quinte iſt die Terze uͤber dem Baſſe: und wenn die Terze klein iſt, muß die Quinte auch klein ſeyn, ſ. (m). Jſt aber in der Harmonie die kleine Sexte vorhanden, und der Baß, welcher in dieſem Exempel durch ein Kreuz erhoͤhet worden, geht nur durch einen halben Ton uͤberwaͤrts; ſo muß dieſe erwaͤhnte kleine Quinte ebenfalls erhoͤhet, und in die vollkom - mene Quinte verwandelt werden, ſ. (n). Dieſe verſchiedenen Arten kommen nur in Molltoͤnen vor. Bey den Durtoͤnen gehoͤret zu der Aus - zierung der Note in der Oberſtime allezeit die große Terze und reine Quinte.

28. §.

Fig. 15. Bey den Ligaturen, oder Bindungen, wo der Baß durch die Septime bindet, und entweder in die Sexte oder Terze, wel - ches in Anſehung der Oberſtimme einerley iſt, ſich aufloͤſet, kann nach der gebundenen Note, die erſte Bewegung gemeiniglich einen Quartenſprung, welches die Terze uͤber dem Baſſe iſt, in die Hoͤhe machen; ſolches auch wohl zweymal ſo fortſetzen: das drittemal aber, muß anſtatt der Quarte die Sexte genommen werden, ſ. (a). Man kann auch, anſtatt der Quarte, die Septime, oder Quinte von unter nehmen, ſ. (e) (k); und je oͤfter man mit dieſen Jntervallen, von oben oder unten, wech - ſelsweiſe verfaͤhrt, je angenehmer iſt es dem Gehoͤre. Man kann auch bey dieſen ſimpeln Jntervallen der Manier, den zwiſchen denſelben lie - genden Raum, nach Belieben, mit Noten ausfuͤllen. Die uͤbrigen Ver - aͤnderungen, koͤnnen willkuͤhrlich angebracht werden.

29. §.

Fig. 16. Dieſer Gang, welcher mit Quinte und Sexte abwech - ſelt, wuͤrde dem Gehoͤre, ohne etwas zuzuſetzen, in die Laͤnge verdruͤß - lich fallen. Deswegen koͤnnen dieſe Veraͤnderungen von (a) bis (e) zum Muſter dienen. Man wird hierbey zugleich ſehen, daß die Veraͤnderungenin129Veraͤnderungen uͤber die ſimpeln Jntervalle. in der Folge nicht allezeit von einerley Art ſeyn muͤſſen; welches haupt - ſaͤchlich bey Wiederholung der Gedanken zu beobachten iſt: damit man zum zweytenmale, entweder etwas zuſetze, oder abnehme. Wenn z. E. die zweene Tacte bey (f) zu wiederholen waͤren, und man ſolche zum zwey - tenmale eben ſo ſpielete, wie ſie geſchrieben ſind; ſo wuͤrde der Zuhoͤrer dadurch nicht ſo befriediget werden, als wenn man, anſtatt des ſimpeln Geſanges, eine von den folgenden Veraͤnderungen, unter (g) (h) (i) (k) erwaͤhlete. Denn wenn das Thema, oder der Hauptſatz, durch die Transpoſition verlaͤngert wird; ſo muͤſſen die Veraͤnderungen nicht in einerley Art Noten fortgeſetzet werden: ſondern man muß davon bald abgehen, und in der Folge etwas zu machen ſuchen, welches dem Vori - gen nicht aͤhnlich iſt. Denn das Ohr wird mit dem, was es ſchon im Voraus vermuthet hat, nicht gerne befriediget, ſondern will immerfort betrogen ſeyn.

30. §.

Tab. XV, Fig. 17. Wenn im Langſamen etliche geſchwaͤnzte Noten ſtufenweiſe auf - oder unterwaͤrts gehen, ſelbige aber bey gewiſſen Gelegen - heiten nicht cantabel genug zu ſeyn ſcheinen, ſo kann man nach der erſten und dritten Note, eine kleine zuſetzen, um den Geſang deſto angenehmer zu machen, ſ. (a) (c); und muͤſſen ſolche mit dem Zuſatze ausgedruͤcket werden, wie bey (b) (d) zu ſehen iſt; (e) (f) ſind Veraͤnderungen uͤber dieſen Gang. Mit den unter ſich gehenden Noten, hat es gleiche Be - wandtniß, und muͤſſen die bey (g) (i) wie bey (h) (k) geſpielet werden. (l) (ll) (m) ſind Veraͤnderungen uͤber dieſe fallenden Noten.

31. §.

Fig. 18. Beſtehen dergleichen Noten aus fallenden, ſ. (a), oder ſteigenden Terzenſpruͤngen, ſ. (i); ſo kann man nach einer jeden Note, eine kleine, welche man auf franzoͤſiſch port de voix nennet, zuſetzen, ſ. (b) und (k). Vom (c) bis (h) ſind andere Manieren uͤber die fallen - den; und von (l) bis (p) uͤber die ſteigenden Terzenſpruͤnge. Dieſe Art Noten moͤgen mehr oder weniger geſchwaͤnzet ſeyn; wenn ſie nur cantabel ſind, ſo kann man doch allezeit ſolcher Veraͤnderungen ſich daruͤber bedie - nen. Meine Abſicht iſt nur wegen der Jntervalle welche in cantabeln Stuͤcken am meiſten vorzukommen pflegen. Wenn dergleichen viele auf einander folgen, und man ſetzet nicht etwas zu, ſo wird der Zuhoͤrer leicht ermuͤdet. Die zwo Noten bey (q) ſind mit den zwo letzten Sechzehn - theilen bey (a) einerley: folglich koͤnnen auch die Veraͤnderungen, ſo uͤberRdie130Das XIII. Hauptſtuͤck. Von den willkuͤhrlichendie Zeit des zweyten Achttheils von (a) biß (h) gehoͤren, daruͤber gemacht werden. Die zwo Noten bey (r) haben mit denen von (i) biß (p) glei - che Bewandtniß.

32. §.

Fig. 19. Wenn im Langſamen etliche Triolen ſtufenweiſe auf - oder unterwaͤrts gehen; da die dritte Note von der einen, und die erſte Note von der folgenden Triole, entweder auf eben demſelben Tone, oder die erſte der folgenden Triole, um einen Ton hoͤher als die vorhergehen - de ſteht; ſo kann man vor die erſte allezeit einen Vorſchlag machen, ſ. (a). Gehen aber deren viele nacheinander unterwaͤrts; ſo kann uͤber der erſten allezeit ein halber Triller ohne Nachſchlag, (da der Finger nur zweymal niederſchlaͤgt) gemacht, und die zwo folgenden Noten daran geſchleifet werden, ſ. (b). Will man die Triolen in geſchwindere Noten verwan - deln; ſo ſtelle man ſich die bey (c) vor, als wenn es, anſtatt Zweyvier - theiltactes, Sechsachttheiltact waͤre, und ſetze zu einem jeden Achttheile noch eine Note zu, wie die Sechzehntheile bey (d) zeigen. Alſo kann man bey verſchiedenen Arten der Triolen, nachdem es die Jntervalle leiden, verfahren.

33. §.

Bey Noten, die nicht beſtaͤndig nach einander ſtufenweiſe unter oder uͤber ſich gehen, ſondern wo deren zwo auf einerley Tone ſich befin - den, und die erſte davon im Aufheben des Tactes ſteht, kann man vor die zweyte, im Niederſchlage, entweder einen Vorſchlag, ſ. (e) (g), oder uͤber dieſelbe einen Triller machen, und die folgende Note anſchleifen, ſ. (f) (h). Wenn aber deren etliche ſtufen weiſe unterwaͤrts gehen; kann vor einer jeden ein Vorſchlag, ſ. (i), oder uͤber der im Niederſchlage ein Triller, ſ. (k), gemachet werden.

34. §.

Fig. 20. Wenn das Jntervall in die Quarte uͤber ſich im Aufhe - ben des Tactes anfaͤngt, und im Langſamen, da der Baß pauſiret, vor - koͤmmt; ſo koͤnnen die Veraͤnderungen bey (a) (b) (c) (d) (e) daruͤber gemacht werden. Findet die kleine Terze in der Tonart ſtatt; ſo kann man ſich der halben Toͤne bedienen, ſ. (f) (g). Wenn zwo Noten, im Langſamen, ſtufenweiſe nach einander hinauf oder herunter gehen, ſie moͤgen eine Pauſe, oder eine Note von mehrerer Geltung vor ſich ha - ben; auch mag die dritte Note, mit oder ohne Punct, unter - oder auf - waͤrts gehen: ſo kann man allezeit eine kleine Note zwiſchen beyde ſetzen,welche131Veraͤnderungen uͤber die ſimpeln Jntervalle. welche bey dem Heruntergehen, ſ. (h), eine Stufe hoͤher, bey dem Hin - aufſteigen aber, ſ. (i), zwo Stufen hoͤher koͤmmt.

35. §.

Fig. 21. Bey den Einſchnitten, im Langſamen, wo der Ge - ſang durch eine Pauſe unterbrochen wird, und welche aus einer, ſ. (a), oder zwo Noten, ſ. (b), welche letztern einen Terzenſprung unterwaͤrts machen, (es mag die große oder kleine Terze, im Aufheben oder Nieder - ſchlagen des Tactes ſeyn), beſtehen, iſt zu merken, daß die einzelne No - te, ſ. (a), nebſt dem Vorſchlage einen Triller verlanget. Bey dem Ter - zenſprunge, ſ. (b), verfaͤhrt man auf gleiche Weiſe: doch muß man den Triller ohne Nachſchlag machen, und kann, an deſſen ſtatt, die dazwiſchen fehlende Note dem Triller angeſchleifet werden. Dieſen Terzenſprung muß man faſt allezeit ſo betrachten, als wenn die kleine Note dazwiſchen ſtuͤnde: wie denn auch die itzigen Componiſten es mehrentheils ſo zu ſe - tzen pflegen: weil dieſer Sprung an ſich ſelbſt, im Langſamen, nicht ſin - gend genug iſt.

36. §.

Steht uͤber der Pauſe ein Bogen mit dem Puncte, welches eine Fermate, Pauſa generalis, oder ad libitum genennet wird, auch ſo wohl im Allegro als Adagio vorkoͤmmt: ſo kann der Triller, nach Belie - ben, etwas lange geſchlagen werden; doch nothwendig ohne Nachſchlag, weil es die folgenden Noten nicht erlauben: indem ſolche in einer gelaſſe - nen und ſchmeichelnden Art, geendiget werden muͤſſen, ſ. (c). Da aber ſolches in der Ausuͤbung ſchwerer iſt, als es dem Auge nach ſcheint, auch nicht ein jeder die gehoͤrige Einſicht hat, wie es eigentlich, nach der von vielen Zeiten her eingefuͤhrten Regel ſoll geſpielet werden; ſo finde ich vor noͤthig, ſolches erſtlich mit Noten auszudruͤcken, ſ. (d), und hernach durch einige Anmerkungen zu erklaͤren. Dieſe ſind folgende: Man nehme die zwey kleinen Sechzehntheile, vor der weißen Note woruͤber der Tril - ler ſteht, in gleicher Geſchwindigkeit des Trillers; laſſe den Ton, unter waͤhrendem Triller, nach und nach zu - und abnehmen; und ſtelle ſich die Zeit des Trillers von vier langſamen Achttheilen vor. Wenn nun ſolche verfloſſen, ſo laſſe man den Finger, mit welchem geſchlagen wird, unter Verlierung des Tones liegen, aber auch nicht laͤnger, als es die Zeit der dreymal geſchwaͤnzten Note erfodert, welches alsdenn die zweyte von den folgenden vier Zwey und dreyßigtheilen machet. Bey dem Vorſchlage vor der dritten Note, gebe man einen kleinen Druck oder Hauch mit derR 2Bruſt,132Das XIII. Hauptſtuͤck. Von den willkuͤhrlichenBruſt, und endige die uͤbrigen zwo Noten mit einem verlierenden Piano. Zu den uͤbrigen Einſchnitten, bey (e) (f) (g) (h) welche ſonſt mehren - theils nur Vorſchlaͤge oder Triller verlangen, koͤnnen auch die folgenden Exempel unter Fig. 22. 23. 24, ſo uͤber die Jntervalle in die Terze, Quarte und Quinte unter ſich gerichtet ſind, im Langſamen, als Veraͤn - derungen angewendet werden.

37. §.

Fig. 22. Obgleich dieſe zwo ſimpeln Noten E C aus Viertheilen beſtehen; ſo kann man doch die folgenden Veraͤnderungen auch uͤber den Einſchnitt bey (e) aus Fig. 21. welcher aus Achttheilen beſteht, gebrau - chen. Man muß ſich nur vorſtellen, als ob die Noten der Veraͤnde - rungen noch einmal mehr geſchwaͤnzt waͤren. Ueber den Einſchnitt bey (f) aus demſelben Exempel, wo das Jntervall nur einen Ton unter ſich geht, finden gleichfalls dieſe Veraͤnderungen ſtatt, ausgenommen die bey (a) (b) (f) (o); und wird alsdenn nur die ſimple Note C in D verwandelt. Will man ſich auch allenfalls der zwo Veraͤnderungen bey (f) (o) bedienen, ſo muß man anſtatt der letzten Note D das daruͤber befindliche F nehmen.

38. §.

Tab. XVI, Fig. 23. Dieſe Veraͤnderungen, koͤnnen uͤber dem Einſchnitte bey (g) Fig. 21. auf gleiche Art angebracht werden: weil der Baß mehrentheils in der Harmonie der erſten Note F ſtehen bleibt.

39. §.

Fig. 24. Dieſe Veraͤnderungen uͤber den Quintenſprung, kann man uͤber dem Einſchnitte bey (h) Fig. 21. machen. Finden ſich die zwo erſten Noten aus dieſen dreyen Exempeln, als: E C, F C, G C, in einer Melodie nacheinander: ſo kann man aus einem jeden Exempel ſolche Veraͤnderungen daruͤber aufſuchen, die von einerley Art ſind, und mit denſelben abwechſeln. Da nun die zweyte Note C in dieſen dreyen Exem - peln keine Veraͤnderungen hat: ſo kann man alsdenn, wenn es noͤthig iſt, die Noten der uͤber dem vorigen Tone gemachten Veraͤnderung, (doch die erſte Note davon ausgenommen,) wiederholen. Z. E. Man wollte die Veraͤnderungen bey (e) aus Fig. 22. anbringen, da die erſten Noten E G E heißen; ſo mache man aus der Viertheilnote C ein Achttheil, und wiederhole die zwey Sechzehntheile G E. Bey (e) aus Fig. 23, ma - che man es eben ſo; und bey (d) aus Fig. 24, wiederhole man die drey letzten Sechzehntheile nach der Note C, (welches C ebenfalls zum Sech -zehntheile133Veraͤnderungen uͤber die ſimpeln Jntervalle. zehntheile wird,) ſo behaͤlt dieſer veraͤnderte Geſang einen Zuſammenhang. Auf ſolche Art, kann man ſich alle dieſe Veraͤnderungen zu Nutze machen, wenn man nur die Arten der Noten, ſo ſich auf einander ſchicken, beob - achtet; aus jedem Exempel, dasjenige erwaͤhlet, was man zu der Stelle, die man auszieren will, das fuͤglichſte zu ſeyn glaubet; und alſo, wie die Bienen, von verſchiedenen Blumen den Honig zuſammen traͤgt.

40. §.

Fig. 25. Sehr langſame Sechzehntheile mit Puncten, koͤnnen dem Gehoͤre leicht verdruͤßlich fallen; beſonders wenn ſolche aus lauter Conſonanzen beſtehen, als aus: Terze, Quinte, Sexte, Octave, wel - che die Leidenſchaften zwar in Ruhe ſetzen, durch die Laͤnge aber einen Ekel verurſachen; ſo ferne nicht dann und wann einige Diſſonanzen, als: Secunde, Quarte, Septime, None, aus welchen die Vorſchlaͤge ihren Urſprung haben, und die zuweilen mit halben Trillern oder Mordanten zu endigen ſind, mit untermiſchet werden. Aus dieſem Exempel iſt zu ſehen, auf was Art die punctirten Noten, welche ſonſt mehr zur Pracht und Ernſthaftigkeit, als zum Cantabeln ſich ſchicken, koͤnnen angenehm geſpielet werden. Man muß naͤmlich die Note, hinter welcher ein Punct ſteht, und welche folglich am laͤngſten gehoͤret wird, an der Staͤrke wach - ſen laſſen; unter dem Puncte aber den Athem maͤßigen. Die Note nach dem Puncte muß allezeit ſehr kurz ſeyn. Steht ein Vorſchlag davor; ſo muß man mit demſelben verfahren, wie itzt von der langen Note geſaget worden: weil er anſtatt der Note, wovor er ſteht, gehalten wird. Die Note ſelbſt bekoͤmmt alsdenn die Zeit von dem Puncte; und muß alſo ſchwaͤcher ſeyn als der Vorſchlag, ſ. (a). Von den drey kleinen Noten bey (b) welche ein Mordant ſind, muß die erſte mit dem Puncte ſo lange gehalten werden, als es die Zeit der darauf folgenden großen Note erfo - dert. Die uͤbrigen zwo kleinen, nebſt der großen Note, kommen als - denn in die Zeit des Punctes, und geſchieht ſolches in der Geſchwindig - keit, durch zweymaliges Auf - und Zumachen des Fingers. Es muß auch, unter dieſer Bewegung, der Athem gemaͤßiget werden. Die vier kleinen Noten, ſ. (c), machen einen Doppelſchlag, und koͤmmt die letzte davon in die Zeit des Punctes, muß auch anſtatt deſſen gehalten werden. Die Maͤßigung des Athems muß ebenfalls unter den kleinen Noten geſchehen. Mit den uͤbrigen von (d) bis (ll) hat es gleiche Bewandtniß; ausge - nommen, daß die kleinen Noten bey (e) und (f) halbe Triller machen. R 3Die134Das XIII. Hauptſtuͤck. Von den willkuͤhrlichenDie Noten bey (m) (n) kommen oͤfters bey Cadenzen vor, allwo die Doppelſchlaͤge ſich ſehr wohl hinſchicken.

41. §.

Fig. 26. Dieſe zwo kleinen Noten, ſ. (a) (b) (c) (d) (e) (f) (g) ſo aus Terzenſpruͤngen beſtehen, nennet man den Anſchlag, und be - dienen ſich deſſen, bey weitlaͤuftigen Spruͤngen, die Saͤnger, um den hohen Ton ſicher zu faſſen. Solcher kann bey den ſteigenden Jntervallen, als in die Secunde, Terze, Quarte, Quinte, Sexte, Septime, und Octave, vor langen Noten, ſo wohl im Aufheben als Niederſchlagen, wo man ſonſt keine Manieren machen will, angebracht werden. Er muß aber ſehr geſchwind, jedoch ſchwach, mit der Note verbunden werden. Die Note ſelbſt muß etwas ſtaͤrker als die zwo kleinen ſeyn. Der in die Secunde, Quarte und Septime, ſ. (a) (c) (f), iſt gefaͤlliger als der bey den uͤbrigen Jntervallen; und thut es alſo beſſere Wirkung, wenn die erſte kleine gegen die folgende Hauptnote, nicht einen ganzen, ſondern halben Ton ausmacht, ſ. (c) (f). Ob nun wohl dieſer Anſchlag, im Singen und Spielen, einen zaͤrtlichen, ſeufzenden, und gefaͤlligen Af - fect ausdruͤcket: ſo rathe ich doch nicht, daß man mit demſelben allzuver - ſchwenderiſch umgehe; ſondern daß man ihn vielmehr ſelten anbringe: weil das, was dem Gehoͤre ſehr gefaͤllig iſt, dem Gedaͤchtniſſe deſto eher bekannt wird; der Ueberfluß in einer Sache aber, wie ſchoͤn ſie auch im - mer ſeyn mag, in die Laͤnge einen Ekel verurſachen kann.

42. §.

Fig. 27. Wenn lange Noten in Spruͤngen ſtehen, und man ſonſt keine Veraͤnderung machen will; ſo koͤnnen dieſelben durch die, zwi - ſchen dieſen Spruͤngen liegenden, Haupt - und durchgehenden Noten, ausgefuͤllet werden. Die kleinen geſchwaͤnzten Noten deuten bey (a) die durchgehenden, und die Viertheile die zum Accorde gehoͤrigen Haupt - noten an; wie denn die erſtern in die Zeit der vorhergehenden gehoͤren, auch ſelbigen kurz angeſchleifet werden muͤſſen. Bey (b) bis (g) ſind ſo wohl die durchgehenden, als die Hauptnoten, in ihrer Geltung, wie ſolche in den Tact eingetheilet werden muͤſſen, ausgedruͤcket. Die zwey Jnter - valle: Terze, und Quarte, haben keine Hauptnoten aus dem Accorde zwiſchen ſich, ſondern nur durchgehende.

43. §. Fig. 135Veraͤnderungen uͤber die ſimpeln Jntervalle.

43. §.

Fig. 28. Bey den unter ſich fallenden Jntervallen, hat es mit den durchgehenden und Hauptnoten die Bewandtniß, daß die kleinen oder durchgehenden Noͤtchen in die Zeit der folgenden gehoͤren, und auch an dieſelben geſchleifet werden muͤſſen. Die aber zwiſchen den Quarten - ſpruͤngen, gehoͤren ſo wohl bey den ſteigenden als fallenden, in die Zeit der vorhergehenden. Die vorhaltenden kleinen Noten gehen bey dieſer Art von Jntervallen, wo kein Aufenthalt noch Triller ſtatt findet, von den im VIII. Hauptſtuͤcke enthaltenen Regeln ab: und wie jene die Haͤlfte der folgenden Note gelten; ſo muͤſſen dieſe hingegen ſehr kurz gemachet werden.

44. §.

Alle dieſe von den Veraͤnderungen gegebenen Regeln nun, ſind zwar hauptſaͤchlich nur auf das Adagio gerichtet, weil man in demſelben die meiſte Zeit und Gelegenheit zu veraͤndern hat. Deſſen ungeachtet wird man doch auch viele davon im Allegro brauchen koͤnnen. Die im Allegro uͤberlaſſe ich eines jeden ſeinem eigenen Nachdenken. Wie aber einige von den obbeſchriebenen Veraͤnderungen in einem Adagio anzuwenden ſind; ſolches zeige ich im Hauptſtuͤcke vom Adagio, in einem beſonders darzu verfertigten Exempel. Was fuͤr eine Art des Vortrages, abſonderlich in Anſehung der Verſtaͤrkung oder Schwaͤchung des Tones, bey Aus - fuͤhrung aller dieſer, bey jeder Figur gezeigter Veraͤnderungen, Statt habe: wird man am Ende des Hauptſtuͤcks vom Adagio, vom 25. bis zum 43. §. beyſammen finden koͤnnen.

Das136Das XIV. Hauptſtuͤck.

Das XIV. Hauptſtuͤck. Von der Art das Adagio zu ſpielen.

1. §.

Das Adagio machet gemeiniglich den bloßen Liebhaben der Muſik das wenigſte Vergnuͤgen, und ſind ſo wohl die meiſten Liebhaber, als auch oft gar die Ausfuͤhrer der Muſik ſelbſt, wofern es ihnen an der gehoͤrigen Empfindung und Einſicht fehlet, froh, wenn das Adagio in einem Stuͤcke zu Ende iſt. Ein wahrer Muſikus aber kann ſich im Adagio ſehr hervor thun, und Kennern ſeine Wiſſenſchaft zeigen. Weil es aber nichts deſtoweniger ein Stein des Anſtoßes bleibt, ſo werden kluge Tonkuͤnſtler ohne mein Anrathen ſich nach ihren Zuhoͤrern und Liebhabern bequemen; um hierdurch ſo viel leichter, nicht nur die ihren Wiſſenſchaf - ten zukommende Achtung zu erwerben, ſondern auch ihre Perſon beliebt zu machen.

2. §.

Man kann das Adagio, in Anſehung der Art daſſelbe zu ſpielen, und wie es noͤthig iſt, mit Manieren auszuzieren, auf zweyerley Art be - trachten; entweder im franzoͤſiſchen, oder im italiaͤniſchen Geſchmacke. Die erſte Art erfodert einen netten und an einander hangenden Vortrag des Geſanges, und eine Auszierung deſſelben mit den weſentlichen Ma - nieren, als Vorſchlaͤgen, ganzen und halben Trillern, Mordanten, Doppelſchlaͤgen, battemens, flattemens, u. d. gl. ; ſonſt aber keine weit - laͤuftigen Paſſagien, oder großen Zuſatz willkuͤhrlicher Verzierungen. Wer das Exempel Tab. VI. Fig. 26. langſam ſpielet, der hat daran ein Muſter dieſer Art zu ſpielen. Die zweyte, naͤmlich die italiaͤniſche Art beſteht darinne, daß man in einem Adagio, ſo wohl dieſe kleinen fran - zoͤſiſchen Auszierungen, als auch weitlaͤuftige, doch mit der Harmonie uͤbereinkommende gekuͤnſtelte Manieren anzubringen ſuchet. Das Exem - pel Tab. XVII. XVIII. XIX. wo dieſe willkuͤhrlichen Auszierungen alle mitNoten137Von der Art das Adagio zu ſpielen. Noten ausgedruͤcket ſind, und wovon wir weiter unten weitlaͤuftiger han - deln werden, kann hierbey zum Muſter dienen. Will man den ſimpeln Geſang davon pur mit dem Zuſatze der weſentlichen, ſchon oͤfters genenneten Manieren ſpielen, ſo hat man noch ein Beyſpiel der franzoͤſiſchen Spiel - art. Man wird aber zugleich gewahr werden, daß ſie bey einem ſo geſe - tzeten Adagio nicht hinreichend iſt.

3. §.

Die franzoͤſiſche Art das Adagio auszuzieren, kann man durch gute Anweiſung, ohne die Harmonie zu verſtehen, erlernen. Zur italiaͤni - ſchen hingegen wird die Wiſſenſchaft der Harmonie unumgaͤnglich erfodert: oder man muͤßte, wie die meiſten Saͤnger nach der Mode, beſtaͤndig ei - nen Meiſter zur Hand haben, von dem man die Veraͤnderungen uͤber ein jedes Adagio erlernete; wodurch man aber niemals ſelbſt ein Meiſter werden, ſondern Zeitlebens ein Scholar verbleiben wuͤrde. Ehe man ſich aber mit der letztern Art einlaͤßt; muß man die erſte ſchon wiſſen. Denn wer die kleinen Manieren weder am rechten Orte anzubringen, noch gut vorzutragen weis; der wird auch mit den großen Auszierungen wenig aus - richten. Aus einer ſolchen Vermiſchung aber von kleinen und großen Auszierungen, entſteht denn endlich der vernuͤnftige und gute Geſchmack im Singen und Spielen, welcher jedermann gefaͤllt, und allgemein iſt.

4. §.

Daß die franzoͤſiſchen Componiſten die Auszierungen mehrentheils mit hin ſchreiben; und der Ausfuͤhrer alſo auf nichts weiter zu denken habe, als ſie gut vorzutragen, iſt ſchon geſaget worden. Jm italiaͤni - ſchen Geſchmacke wurden, in vorigen Zeiten, gar keine Auszierungen darzu geſetzet; ſondern alles der Willkuͤhr des Ausfuͤhrers uͤberlaſſen: da denn ein Adagio ohngefaͤhr alſo ausſah, wie der ſimple Geſang bey dem Exempel Tab. XVII. XVIII. XIX. Seit einigen Zeiten aber, haben die, welche ſich nach der italiaͤniſchen Art richten, auch angefangen, die noth - wendigſten Manieren anzudeuten. Vermuthlich deswegen, weil man gefunden hat, daß das Adagio von manchem unerfahrnen Ausfuͤhrer ſehr verſtuͤmmelt worden; und die Componiſten dadurch wenig Ehre erlanget haben. Wie denn nicht zu laͤugnen iſt, daß in der italiaͤniſchen Muſik faſt eben ſo viel auf den Ausfuͤhrer, als auf den Componiſten; in der franzoͤſiſchen aber, auf den Componiſten weit mehr als auf den Ausfuͤhrer ankomme, wenn das Stuͤck ſeine vollkommene Wirkung thun ſoll.

S5. §. Um138Das XIV. Hauptſtuͤck.

5. §.

Um nun ein Adagio gut zu ſpielen, muß man ſich, ſo viel als moͤg - lich iſt, in einen gelaſſenen und faſt traurigen Affect ſetzen, damit man dasjenige, ſo man zu ſpielen hat, in eben ſolcher Gemuͤthsverfaſſung vor - trage, in welcher es der Componiſt geſetzet hat. Ein wahres Adagio muß einer ſchmeichelnden Bittſchrift aͤhnlich ſeyn. Denn ſo wenig als einer, der von jemanden, welchem er eine beſondere Ehrfurcht ſchuldig iſt, mit frechen und unverſchaͤmten Geberden etwas erbitten wollte, zu ſeinem Zwecke kommen wuͤrde: eben ſo wenig wird man hier mit einer frechen und bizarren Art zu ſpielen den Zuhoͤrer einnehmen, erweichen, und zaͤrtlich machen. Denn was nicht vom Herzen koͤmmt, geht auch nicht leichtlich wieder zum Herzen.

6. §.

Die Arten der langſamen Stuͤcke ſind unterſchieden. Einige ſind ſehr langſam und traurig: andere aber etwas lebhafter, und deswegen mehr gefaͤllig und angenehm. Zu beyden Arten traͤgt die Tonart, in wel - cher ſie geſetzet ſind, ſehr viel bey. A moll, C moll, Dis dur, und F moll, druͤcken den traurigen Affect viel mehr aus, als andere Moll - toͤne: weswegen ſich denn auch die Componiſten mehrentheils, zu dieſer Abſicht, gedachter Tonarten zu bedienen pflegen. Hingegen werden die uͤbrigen Moll - und Durtoͤne, zu den gefaͤlligen, ſingenden, und arioſen Stuͤcken gebrauchet.

Wegen der, gewiſſen Tonarten, ſie moͤgen Dur oder Moll ſeyn, beſonders eigenen Wirkungen, iſt man nicht einig. Die Alten waren der Meynung, daß eine jede Tonart ihre beſondere Eigenſchaft, und ihren beſondern Ausdruck der Affecten haͤtte. Weil die Tonleitern ihrer Tonarten nicht alle einander gleich waren, da naͤmlich zum Exempel die Doriſche und Phrygiſche, als zwo Tonarten mit der kleinen Terze, ſich dergeſtalt unterſchieden, daß jene die große Secunde und große Sexte, dieſe aber die kleine Secunde und kleine Sexte in ihrem Bezirke hatte; weil folglich faſt jede Tonart ihre beſondern Arten zu cadenziren hatte: ſo war dieſe Meynung hinlaͤnglich gegruͤndet. Jn den neuern Zeiten aber, da die Ton - leitern aller großen, und die Tonleitern aller kleinen Tonarten einander aͤhnlich ſind, iſt die Frage, ob es ſich mit den Eigenſchaften der Tonarten noch ſo ver - halte. Einige pflichten der Meynung der Alten noch bey: andere hingegen ver - werfen dieſelbe; und wollen behaupten, daß jede Leidenſchaft in einer Tonart ſo gut als in der andern ausgedruͤcket werden koͤnnte, wenn nur der Componiſt die Faͤhigkeit dazu beſaͤße. Es iſt wahr, man hat Exempel davon aufzuweiſen; man hat Proben, daß mancher eine Leidenſchaft, in einer Tonart, die eben nicht die bequemſte dazu ſcheint, ſehr gut ausgedruͤcket hat. Allein wer weis, ob daſſelbe
17Stuͤck139Von der Art das Adagio zu ſpielen.
Stuͤck nicht eine noch beſſere Wirkung thun wuͤrde, wenn es in einer andern und zu der Sache bequemern Tonart geſetzet waͤre? Zu dem koͤnnen außerordentliche Faͤlle keine allgemeinen Regeln abgeben. Es wuͤrde zu weitlaͤuftig ſeyn, wenn ich dieſe Frage hier aus dem Grunde zu entſcheiden ſuchen wollte. Jch will aber eine Probe vorſchlagen, welche ſich ſowohl auf die Erfahrung, als auf die eigene Em - pfindung gruͤndet. Man transponire z. E. ein wohlgerathenes im F moll geſetzetes Stuͤck ins G, A, E, und D moll; oder ein anderes im E dur geſetzetes Stuͤck ins F, G, Dis, D, und C dur. Thun nun dieſe zwey Stuͤcke in einer jeden Tonart einerley Wirkung: ſo haben die Nachfolger der Alten Unrecht. Findet man aber, daß dieſelben Stuͤcke in einer jeden Tonart auch eine verſchiedene Wir - kung hervorbringen; ſo ſuche man ſich dieſe Erfahrung vielmehr zu Nutzen zu ma - chen, als ſie zu beſtreiten. Jch will inzwiſchen meiner Erfahrung, welche mich der unterſchiedenen Wirkungen unterſchiedener Tonarten verſichert, ſo lange trauen, bis ich des Gegentheils werde uͤberfuͤhret werden koͤnnen.
18

7. §.

Jm Spielen muß man ſich folglich ebenfalls nach dem herrſchenden Af - fecte richten, damit man nicht ein ſehr trauriges Adagio zu geſchwind, und hingegen ein cantabeles zu langſam ſpiele. Alſo muͤſſen dieſe Arten von langſamen Stuͤcken: Cantabile, Arioſo, Affettuoſo, Andan - te, Andantino, Largo, Larghetto, u. ſ. w. von einem patheti - ſchen Adagio, ſehr unterſchieden werden. Was jedes Stuͤck vor ein Tem - po oder Zeitmaaß erfodere, muß man aus ſeinem Zuſammenhange wohl beurtheilen. Die Tonart, und die Art des Tactes, ob ſolcher gerade oder ungerade iſt, geben hierzu einiges Licht. Dem obengeſagten zu Fol - ge muͤſſen langſame Saͤtze aus dem G moll, A moll, C moll, Dis dur und F moll, trauriger, und folglich langſamer geſpielet werden, als die aus andern Dur - und Molltoͤnen. Ein langſames Stuͤck im Zweyvier - theil - oder Sechsachtheiltacte, ſpielet man etwas geſchwinder, und eines im Allabreve - oder Dreyzweytheiltacte, langſamer, als im ſchlechten oder Dreyviertheiltacte.

8. §.

Jſt das Adagio ſehr traurig geſetzet, wobey gemeiniglich die Worte: Adagio di molto oder Lento aſſai ſtehen, ſo muß ſolches im Spie - len, mehr mit ſchleifenden Noten, als mit weitlaͤuftigen Spruͤngen oder Trillern ausgezieret werden; indem die letztern mehr zur Froͤlichkeit auf - muntern, als zur Traurigkeit bewegen. Doch muß man die Triller nicht ganz und gar vermeiden, damit der Zuhoͤrer nicht eingeſchlaͤfert werde; ſondern man muß immer eine geſchikte Abwechſelung treffen, um die Trau - rigkeit bald etwas mehr zu erregen, bald wieder in etwas zu daͤmpfen.

S 29. §. Hier -140Das XIV. Hauptſtuͤck.

9. §.

Hierzu kann auch das abwechſelnde Piano und Forte ſehr Vieles bey - tragen, als welches nebſt dem, von kleinen und großen Manieren ver - miſchten, geſchikt abwechſelnden Zuſatze, hier, das durch den Spieler auszudruͤckende muſikaliſche Licht und Schatten, und von der aͤußerſten Nothwendigkeit iſt. Jedoch muß ſolches mit vieler Beurtheilung gebrau - chet werden, damit man nicht mit allzugroßer Heftigkeit von dem einen zum andern gehe, ſondern unvermerkt zu und abnehme.

10. §.

Hat man eine lange Note entweder von einem halben oder ganzen Tacte zu halten, welches die Jtaliaͤner meſſa di voce nennen; ſo muß man dieſelbe vors erſte mir der Zunge weich anſtoßen, und faſt nur hau - chen; alsdenn ganz piano anfangen, die Staͤrke des Tones bis in die Mitte der Note wachſen laſſen; und von da eben wieder ſo abnehmen, bis an das Ende der Note: auch neben dem naͤchſten offenen Loche mit dem Finger eine Bebung machen. Damit aber der Ton in waͤhrendem Zu - und Abnehmen nicht hoͤher oder tiefer werde, (welcher Fehler aus der Ei - genſchaft der Floͤte entſpringen koͤnnte;) ſo muß man hier die im 22. §. des IV. Hauptſtuͤcks gegebene Regel in Uebung bringen: ſo wird der Ton mit den begleitenden Jnſtrumenten in beſtaͤndig gleicher Stimmung er - halten, man blaſe ſtark oder ſchwach.

11. §.

Die auf eine lange Note folgenden ſingenden Noten, koͤnnen etwas erhabener geſpielet werden. Doch muß eine jede Note, ſie ſey ein Vier - theil, oder Achttheil, oder Sechzehntheil, ihr Piano und Forte in ſich haben, nachdem es die Zeit leidet. Finden ſich aber einige nach einander gehende Noten, wo es die Zeit nicht erlaubet, eine jede beſonders, in der Verſtaͤrkung des Tones, wachſend zu machen; ſo kann man doch, unter waͤhrenden ſolchen Noten, mit dem Tone zu und abnehmen; ſo daß etli - che ſtaͤrker, etliche wieder etwas ſchwaͤcher klingen. Und dieſe Bewegung der Staͤrke des Tones, muß mit der Bruſt, naͤmlich durch das Hauchen geſchehen.

12. §.

Ferner iſt zu beobachten, daß der Geſang beſtaͤndig unterhalten wer - de, und man nicht zur Unzeit Athem hole. Beſonders muß man bey den vorkommenden Pauſen, den Ton nicht ſogleich verlaſſen, ſondern die letzte Note lieber etwas laͤnger halten, als es das Zeitmaaß derſelben erfodert:Es141Von der Art das Adagio zu ſpielen. Es waͤre denn, daß der Baß unterdeſſen einige cantabele Noten haͤtte, welche dem Gehoͤre das erſetzeten, was es durch das Schweigen der Ober - ſtimme verloͤhre. Nichts deſtoweniger thut es gute Wirkung, wenn die Oberſtimme den letzten Ton, durch ein verlierendes Piano verzieht, und endiget; und alsdenn die folgenden mit erhabener Kraft wieder anfaͤngt, und nach oben erwaͤhnter Art fortſetzet, bis wieder ein neuer Einſchnitt oder Endigung des Gedankens vorfaͤllt.

13. §.

Jm Adagio muͤſſen alle Noten, ſo zu ſagen, careſſiret und geſchmei - chelt, aber niemals mit der Zunge hart angeſtoßen werden: Es ſey denn, daß der Componiſt einige Noten wollte kurz geſtoßen haben, damit der Zuhoͤrer, welcher vorher eingeſchlaͤfert zu ſeyn ſcheint, wieder ermuntert werde.

14. §.

Wenn das Adagio ſehr platt, und mehr harmonioͤs, als melodioͤs geſetzt iſt, und man hier und da in der Melodie einige Noten zuſetzen will: ſo muß ſolches niemals im Ueberfluſſe geſchehen: damit die Hauptnoten nicht verdunkelt, und der ſimple Geſang unkenntbar werde. Man muß vielmehr den Hauptſatz gleich Anfangs ſo ſpielen, wie er geſchrieben iſt. Koͤmmt er oͤfters wieder vor: ſo kann man zum erſtenmale ein paar No - ten, zum zweytenmale noch mehrere, entweder durch eine nacheinander laufende, oder durch eine, durch die Harmonie gebrochene Paſſagie, zu - ſetzen. Zum drittenmale muß man hiervon wieder abgehen, und faſt nichts zuſetzen: um den Zuhoͤrer in beſtaͤndiger Aufmerkſamkeit zu er - halten.

15. §.

Auf dieſe Art kann man auch mit dem uͤbrigen Geſange verfahren; daß man ſchlaͤfrige, nahe an einander liegende Toͤne, mit erhabenen, durch die Harmonie gebrochenen, weiter von einander liegenden Toͤnen, abwechſele. Und ſo ein Gedanke in eben demſelben Tone zu wiederholen waͤre; und man ſogleich keine Veraͤnderung daruͤber finden koͤnnte: kann man dieſen Mangel ſowohl durch das Piano, als durch geſchleifte No - ten, erſetzen.

16. §.

Mit den Manieren muß man ſich im Zeitmaaße nicht uͤbereilen; ſondern dieſelben mit vielem Fleiße und Gelaſſenheit endigen: weil durch die Uebereilung die ſchoͤnſten Gedanken unvollkommen werden. Deswe -S 3gen142Das XIV. Hauptſtuͤck. gen iſt ſehr noͤthig, auf die Bewegung der begleitenden Stimmen wohl Achtung zu geben, und ſich von denſelben lieber fortreiben zu laſſen, als daß man ihnen zuvor komme.

17. §.

Ein Grave, da der Geſang aus punctirten Noten beſteht, muß etwas erhaben und lebhaft geſpielet, auch bisweilen, mit, durch die Har - monie gebrochenen, Paſſagien, ausgezieret werden. Die Noten mit den Puncten, muß man bis an den Punct immer verſtaͤrken; und die darauf folgenden, wenn das Jntervall nicht allzugroß iſt, an die vorhergehende lange Note, kurz und ſchwach anſchleifen: bey ſehr weiten Spruͤngen aber, muß eine jede Note beſonders angeſtoßen werden. Gehen derglei - chen Noten ſtufenweiſe auf - oder unterwaͤrts; ſo kann man vor die lan - gen Noten, welche mehrentheils Conſonanzen ſind, und dem Gehoͤre in die Laͤnge misfallen duͤrften, Vorſchlaͤge machen.

18. §.

Ein Adagio ſpiritoſo wird mehrentheils im Tripeltacte, mit punctirten Noten, auch oͤfters mit vielen Einſchnitten geſetzet; welches im Spielen noch mehr Lebhaftigkeit, als vom vorigen geſaget worden, erfodert. Deswegen muͤſſen die Noten mehr geſtoßen als geſchleifet, auch weniger Manieren angebracht werden: und koͤnnen alſo, die durch halbe Triller geendigten Vorſchlaͤge, hierzu beſonders angewendet werden. Sollten aber, außer dieſer Art, einige cantable Gedanken, ſo wie es der ins feine gebrachte Geſchmack in der Setzkunſt erfodert, mit untergemi - ſchet ſeyn; ſo muß man ſich alsdenn im Spielen auch darnach richten, und das Ernſthafte mit dem Schmeichelnden abwechſeln.

19. §.

Daß dieſe und die uͤbrigen Arten von langſamen Stuͤcken, als: Cantabile, Arioſo, Andante, Andantino, Affettuoſo, Largo, Lar - ghetto, u. ſ. w. von einem traurigen und pathetiſchen Adagio, im Spie - len ſehr zu unterſcheiden ſind, iſt, weil es ſchon oben geſaget worden, hier nicht noͤthig zu wiederholen.

20. §.

Sind in einem Cantabile oder Arioſo im Dreyachtheiltacte, viele Sechzehntheile, ſo ſtufenweiſe auf - oder unterwaͤrts einander folgen, befindlich; und der Baß geht in beſtaͤndiger Bewegung, von einem Tone zum andern fort; ſo kann man nicht, wie bey einem platten Geſange, viel zuſetzen: ſondern man muß ſolche Art Noten, auf eine ſimple undſchmei -143Von der Art das Adagio zu ſpielen. ſchmeichelnde Art, mit abwechſelndem Piano und Forte vorzutragen ſu - chen. Finden ſich ſpringende Achttheile mit darunter, wodurch der Ge - ſang trocken, und nicht unterhalten wird: ſo koͤnnen die Terzenſpruͤnge mit Vorſchlaͤgen oder Triolen ausgefuͤllet werden. Bleibt aber der Baß bisweilen, mit einerley Noten, Tactweiſe, auf einerley Tone und Har - monie: ſo bekoͤmmt die Oberſtimme die Freyheit, mehrere Manieren zu machen; doch muͤſſen ſolche niemals von der Art, in welcher man zu ſpie - len hat, abweichen.

21. §.

Ein Andante oder Larghetto im Dreyviertheiltacte, in wel - chem der Geſang aus ſpringenden Viertheilen beſteht, und von dem Baſſe, mit Achttheilen, deren mehrentheils ſechs auf einerley Tone oder Harmo - nie bleiben, begleitet wird, kann man etwas ernſthafter, und mit meh - rern Manieren ſpielen als ein Arioſo. Geht aber der Baß ſtufenweiſe hin und her; ſo muß man ſich ſchon mehr mit den Manieren in Acht nehmen: um nicht verbothene Quinten und Octaven gegen die Grundſtimme zu machen.

22. §.

Ein alla Siciliana im Zwoͤlfachttheiltacte, mit punctirten No - ten untermiſchet, muß ſehr ſimpel und faſt ohne Triller, auch nicht gar zu langſam geſpielet werden. Es laſſen ſich hierbey wenig Manieren, aus - genommen einige ſchleifende Sechzehntheile und Vorſchlaͤge anbringen: weil es eine Nachahmung eines ſicilianiſchen Hirtentanzes iſt. Dieſe Re - gel kann auch bey den franzoͤſiſchen Muͤſetten und Bergerieen ſtatt finden.

23. §.

Sollte dieſe Beſchreibung nicht einem jeden genug ſeyn, um daraus begreifen zu koͤnnen, auf was Art ein Adagio mit Manieren koͤnne aus - gezieret werden: ſo kann das in der XVII, XVIII, und XIX Tabelle be - findliche Exempel dieſe Beſchreibung noch mehr erlaͤutern. Jch habe aus den Tabellen, von IX. bis XVI. diejenigen Veraͤnderungen heraus ge - nommen, die ſich zu dem hier befindlichen ſimpeln Geſange am beſten ſchi - cketen; und daraus eine an einander hangende ausgezierte Melodie verfer - tiget. Man kann daran ein Beyſpiel nehmen, wie dieſe einzelnen Ver - aͤnderungen zuſammen geſetzet werden koͤnnen. Der ſimple Geſang ſteht auf der erſten, und der mit den Veraͤnderungen auf der zweyten Zeile. Die Ziffern ſo unten ſtehen, zeigen die Numern oder Figuren der Exem - pel aus den vorhergehenden Tabellen; und die daruͤber befindlichen Buch -ſtaben,144Das XIV. Hauptſtuͤck. ſtaben, den Ort der Veraͤnderungen, an. Unter dieſen ſind etliche nicht auf eben denſelben Toͤnen, wie ſie in den Tabellen ſtehen, ſondern entwe - der hoͤher oder niedriger geſetzet: um zu weiſen, daß wie oben bereits gemeldet worden, die Veraͤnderungen, ſo wohl in Modulationen mit der großen, als mit der kleinen Terze verſetzet werden koͤnnen.

24. §.

Dieſe Art zu veraͤndern will ich nun zwar keinem puren Anfaͤnger, der noch nicht einmal den ſimpeln Geſang recht zu ſpielen weis, zumu - then: ſondern ich gebe ſolche nur den ſchon Geuͤbten, welchen es aber, an der wahren Anfuͤhrung gefehlet hat, zum Nachforſchen; um ſich hier - durch immer mehr und mehr vollkommener zu machen. Jch verlange auch nicht, daß man alle Adagio wie dieſes einrichten, und ſo mit Ma - nieren uͤberhaͤufen ſolle: ſondern es iſt dergleichen nur da, wo es der platte Geſang, wie hier, erfodert, anzubringen. Jch bleibe im uͤbrigen bey der Meynung, wie ich ſchon vorher gemeldet habe: je ſimpler und properer ein Adagio mit Affecte geſpielet wird; jemehr nimmt es den Zuhoͤrer ein: und je weniger werden des Componiſten ſeine guten Gedanken, ſo er mit Fleiß und Nachſinnen erfunden, verdunkelt oder vernichtet. Denn es iſt etwas rares, ſo gleich im Spielen etwas beſſers, als ein anderer, der vielleicht lange darauf gedacht hat, zu erfinden.

25. §.

Jch muß nun auch noch zeigen, wie jede Note in dieſem Exempel, abſonderlich in Anſehung des abwechſelnden Forte und Piano, gut vorzu - tragen ſey. Jch gebe hierdurch die im 14. §. des XI. Hauptſtuͤcks ver - ſprochene Erlaͤuterung der Mannigfaltigkeit des guten Vortrages: und weil ich glaube, daß es den Liebhabern dieſes guten Vortrages nicht zu - wider ſeyn wird; ſo will ich alle die Veraͤnderungen, die ich uͤber die ſim - peln Jntervalle gegeben habe, auf dieſe Art durchgehen, und was durch Worte auszudruͤcken moͤglich iſt, dabey bemerken: das uͤbrige aber der Beurtheilungskraft, und der eigenen Empfindung eines aufmerkſamen Ausfuͤhrers uͤberlaſſen. Die Ziffern weiſen auf die Tabellen, und auf die Hauptexempel oder Figuren bey jedem Jntervalle: die Buchſtaben aber auf die darinn befindlichen Gaͤnge, wovon die Rede ſeyn wird. Jm Vor - aus erinnere ich noch, daß, ſo lange nichts vom Allegro gemeldet wird, allezeit das langſame Zeitmaaß dabey verſtanden werde. Die abgekuͤrze - ten Worte ſind folgender Geſtalt zu verſtehen: wa. wachſend, oder mit zunehmender Staͤrke des Tones; abn. abnehmend, oder mitabneh -145Von der Art das Adagio zu ſpielen. abnehmender Staͤrke des Tones; ſta. ſtarck; ſtaͤ. ſtaͤrker; ſchwa. ſchwach Bey den Worten: ſtark und ſchwach, muß man ſich in der Ausuͤbung mit dem Zungenſtoße oder Bogenſtriche darnach richten, um jede Note entweder mehr, oder weniger zu markiren. Man muß auch eben dieſe Worte nicht jederzeit im aͤußerſten Grade nehmen: ſondern man muß hierbey wie in der Malerey verfahren; allwo man um Licht und Schatten auszudruͤcken, ſich der ſogenannten mezze tinte oder Zwiſchen - farben bedienet, wodurch das Dunkle mit dem Lichten unvermerkt verei - niget wird. Jm Singen und Spielen muß man alſo gleichergeſtalt ſich des verlierenden Piano, und der wachſenden Staͤrke des Tones, als der Zwiſchenfarben bedienen: weil dieſe Mannigfaltigkeit, zum guten Vor - trage in der Muſik, unentbehrlich iſt. Nun zur Sache.

26. §.

Tab. IX. Fig. 1. Bey (a) die drey geſchwaͤnzten Noten ſchwa. die Viertheilnoten C, C, C, wa. Bey (b) das C mit dem Puncte wa. die folgenden kurzen Noten und das erſte C, ſchw. das folgende ſta. das Viertheil wa. Bey (c) in derſelben Art. Bey (e) die Hauptnoten wa. die kleinen ſchwa. Bey (h) der Triller ſta. der Nachſchlag ſchwa. Bey (l) C, wa. F, E, abn. E, ſta. G, ſchwa. H, ſta. C, ſchwa. Bey (ll) C, E, wa. F, ſchwa. G, E, C, wa. Die kleinen Noten ſchwa. Bey (o) C, wa. unter dem Laufe abn. C, C, C, ſta. Bey (p) die erſte ſta. die folgenden drey ſchwa. G, ſta. F, E, D, ſchwa. C, wa. Bey (r) die erſte ſta. die zweyte und dritte ſchwa. und ſo die uͤbrigen Triolen.

27. §.

Tab. IX. Fig. 2. Bey (b) koͤnnen dieſe Art Noten ſo aus dreyen beſtehen, allezeit zum Muſter dienen, daß ſie auf eine ſchmeichelnde Art vorgetragen werden muͤſſen, naͤmlich: die erſte wa. der Punct abn. die zwo folgenden geſchwind und ſchw. angeſchleifet. Bey (c) die erſte und dritte wa. die zweyte und vierte ſchwa. und die bey (d) in derſelben Art. Bey (f) die mit dem Puncte wa. die vier geſchwinden ſchwa. Bey (g) C, wa. die vier geſchwinden ſchwa. E, ſta. und ſo die uͤbrigen. Bey (l) die erſte ſta. die Triole ſchwa. und egal. Bey (ll) die Trio - len ſta. die Sechzehntheile ſchwa. Bey (m) die erſte ſta. die fuͤnf folgenden ſchw. Bey (o) die erſte ſta. D, E, D, abn. C, ſchwa. und ſo die uͤbrigen. Bey (p) die erſte ſta. die geſchwinden ſchwa. Bey (q) C, wa. E, ſchw. und ſehr kurz, der Vorſchlag wa. D, ſchwa. F, ſta. TE, ſchwa.146Das XIV. Hauptſtuͤck. E, ſchwa. Die Art Noten bey (r) koͤnnen allezeit zum Muſter dienen, naͤmlich: die erſten zwo ſchwa. und praͤcipitiret; die Note mit dem Puncte wa. Die bey (s) koͤnnen in der Art ſo wohl im Geſchwinden als Langſa - men zum Muſter dienen, naͤmlich die erſten ſehr kurz und etwas ſta. die mit dem Puncte abn. und angehalten. Die bey (v) gehoͤren mehr zum Geſchwinden als Langſamen, und muß alsdenn die erſte von vieren mar - kiret werden. Die bey (y) auf gleiche Art.

28. §.

Tab. IX. Fig. 3. Bey (b) D, wa. der Punct nebſt G, E, abn. D, wa. der C-Triller abn. C, wa. H, abn. Bey (d) D, wa. E, Fis, G, ſchwa. A, ſta. C, ſchwa. Bey (f) D, ſta. C, H, ſchwa. und ſo die fol - genden. Bey (g) der Triller ſta. der Punct nebſt den zwo Noten abn. Tab. X, Fig. 3. Bey (l) D, ſta. H, und D nach der Pauſe ſchwa. und ſo die folgenden. Bey (n) D, ſta. H, ſchwa. C, D, wa. die fol - genden eben ſo. Bey (o) die erſte ſta. die zweyte ſchwa. und ſo die fol - genden. Bey (p) D, ſta. G, Fis, G, ſchwa. D, wa. und ſo die folgen - den. Bey (q) die erſte von einer jeden Triole ſta. die zweyte und dritte ſchwa. Bey (t) D, ſta. die vier geſchwinden ſchwa. und ſo die fol - genden.

29. §.

Tab. X. Fig. 4. Bey (e) E, ſta. F, ſchwa. und wa. G, A, auf gleiche Art. C, ſchwa. Bey (f) E, ſchwa. und bis an den Punct wa. F, G, ſchwa, und wa. A, C, ſchwa. Dieſe beyden Exempel ſind eine Art vom Tempo rubato, welche zu mehrerem Nachdenken Anlaß geben koͤnnen. Jm erſten wird anſtatt der Terze, die Quarte gegen die Grund - ſtimme vorausgenommen, und im zweyten, die None anſtatt der Terze zuruͤck gehalten, und in dieſelbe aufgeloͤſet; ſ. Tab. VIII. Fig. 4. Bey (m) die erſte ſta. die vier folgenden abn. und ſo die uͤbrigen. Bey (n) die erſte bis an den Punct wa. die drey folgenden ſchwa. und ſo die uͤbrigen.

30. §.

Tab. X. Fig. 5. Mit dieſen beyden Exempeln bey (a) (b) hat es gleiche Bewandtniß wie mit dem bey Fig. 4. (e) (f); jene ſind ſteigend, und dieſe fallend. Bey (a) wird anſtatt der Terze, die Secunde vorausge - nommen, und durch die Grundſtimme in die Terze aufgeloͤſet; und bey (b) die Quarte anſtatt der Terze zuruͤck gehalten, und in dieſelbe aufgeloͤ - ſet; ſ. Tab. VIII. Fig. 5. Der Vortrag iſt mit jenem ebenfalls einerley. Bey147Von der Art das Adagio zu ſpielen. Bey (e) die erſte ſta. die drey folgenden ſchwa. und ſo die uͤbrigen. Bey (l) die erſte und vierte ſta. die zweyte und dritte ſchwa. Spielet man dieſelben Noten geſchwind, ſo muß die dritte, weil ſie am tiefſten herunter faͤllt, ſtaͤrker markiret werden, als die andern. Bey (n) die die erſte ſta. die zweyte und dritte ſchwa. die vierte ſta. Jm Geſchwin - den, muß die erſte ein wenig angehalten, und die vierte ſehr kurz geſtoßen werden; Bey (p) die erſte ſta. die zweyte ſchwa. die kleine Note ſchwa: und die uͤbrigen wie die erſten zwo. Bey (q) die erſte Triole ſta. die zweyte ſchwa. und ſo die uͤbrigen.

31. §.

Tab. XI. Fig. 6. Bey (a) E, wa. Fis, ſchwa. und kurz angeſchleifet. der Fis-Triller ſta. G, ſchwa. Bey (b) E, ſta. C, ſchwa. der Fis - Triller ſta. G, ſchwa. Bey (d) und (e) die vier Sechzehntheile egal an einander gezogen; der Fis-Triller ſchwa. G, ſtaͤ. Bey (h) der Tril - ler ſta. D, C, H, ſchwa. A, Fis, ſta. Der Vorſchlag mit einem pincé ins G geendiget. Bey (i) die mit dem Puncte wa. die kurzen ſchwa. Bey (ll) E, ſta. das hohe E, D, ſchwa. gezogen, Fis ſta. G, ſchwa. Bey (q) E, ſta. C, A, ſchwa. G, Fis, ſta. A, D, ſchwa. Fis, G, ſtaͤrker.

32. §.

Tab. XI. Fig. 7. Bey (a) E, wa. G, E, ſchwa. Bey (b) E, ſta. G, F, G, ſchwa. E, ſtaͤ .. Bey (c) E, ſta. G, C, ſchwa. E, ſta. Bey (d) E, ſchwa. Fis ſta. und wa. G, E, ganz ſchwa. Bey (n) der Triller ſta. D, C, ſchwa. G, ſta. E, ſchwa. Bey (p) die erſten drey ſta. die uͤbrigen ſchwa. Bey (q) auf eben die Art. Bey (t) E, wa. die uͤbrigen ſchwach.

33. §.

Tab. XII. Fig. 8. Bey (c) G, F, G, A, ſta. H, A, H, C, ſchwa. D, ſta. und kurz; D, ſta. E, F, wa. Bey (d) die drey geſchwaͤnzten ſta. das Achttheil ſchwa. und ſo die uͤbrigen. Bey (l) G, markiret, G, F, E, ſchwa. und ſo die uͤbrigen. Bey (m) G, G, wa. F, ſchwa. Bey (o) G, ſta. von D, bis G, ſchwa. F, ſta. Bey (r) G, A, H, ſta. C, D, E, F, abn. G, A, H, C, wa. D, H, G, F, ſchwa. und gezogen. Bey (s) D, ſta. G, ſchwa. und kurz, F, wa. E, abn. Bey (t) D, E, D, wa. E, ſta. F, ſchwa. Nach den Manieren bey (v) (w) (x) (y) (z) (aa) kann man den Vorſchlag, dann und wann, um einen halben Ton durch ein Kreuz erhoͤhen, wie bey (v) zu ſehen. Bey (gg) G, wa. der F-Tril - ler ſchwa. E, F, abnehmend.

T 234. §.148Das XIV. Hauptſtuͤck.

34. §.

Tab. XII. Fig. 9. Bey (a) (b) (c) (d) koͤnnen die Terzenſpruͤnge unterwaͤrts mit kleinen Noten ausgefuͤllet werden; die Hauptnoten aber wa. Bey (e) C, wa. E, abn. E, wa. G, abn. der E-Triller wa. und abn. Bey (g) (m) die Hauptnoten ſta. die durchgehenden ſchwach.

35. §.

Tab. XIII. Fig. 10. Bey (b) (d) koͤnnen die Terzenſpruͤnge mit kleinen Noten ausgefuͤllet werden. Bey (e) die erſten fuͤnf Noten ſta. die drey letzten ſchwa. Bey (f) C, A, ſchwa. G, F, ſta. A, F, wa. Bey (g) C, ſta. D, E, F, G, A, B, abn. C, ſta. A, G, F, ſchwa. Bey (h) der C. Triller mit dem Nachſchlage ſta. F, ſchwa. A, ſta. F, ſchwa. Bey (i) die erſte und dritte wa. die zweyte und vierte ſchwa. und ſo die uͤbrigen.

36. §.

Tab. XIII. Fig. 11. Bey (a) eine jede Note wa. Bey (c) C, wa. D, E, F, G, abn. G, ſta. D, F, ſchwa. Bey (h) C, D, E, F, gezogen, G, G, G, kurz und egal, D, ſchwa. G, F, ſchwa. Bey (k) C, H, C, ſta. G, G, wa. G, A, G, F, ſchwa. auch kurz und egal ge - ſtoßen.

37. §.

Tab. XIII. Fig. 12. Bey (a) G, wa. A, ſehr ſchwa. Bey (b) G, ſta. E, C, ſchwa. Bey (c) G, ſta. F, E, D, C, ſchwa. Bey (f) G, ſta. F, E, ſchwa. F, E, ſta. D, C, ſchwa. D, ſtark.

38. §.

Tab. XIII. Fig. 13. Bey (a) A, ſta. F, D, ſchwa. und gezogen; Bey (b) A, ſchwa. D, wa. C, ſchwa. Bey (f) (g) viere ſta. und viere ſchwa. ob es die erſten oder letzten ſind, gilt gleich viel. Bey (l) die er - ſten fuͤnfe ſchwa. C, ſtark.

39. §.

Tab. XIV. Fig. 14. Bey (d) B, wa. A, B, C, B, abn. G, E, ſta. Bey (g) die erſten fuͤnfe ſta. die letzten drey ſchwa. Bey (l) E, ſta. B, G, ſchwa. E, ſta. Bey (ll) E, wa. F, E, ſta. B, ſchwa. D, ſchwa. Bey (n) E, F, ſchwa. Fis, G, ſta. B, G, E, D, ſchwa. Bey (o) E, G, B, A, gezogen und ſta. B, D, ſchwa. Bey (s) E, G, ſta. B, A, G, ſchwa. F, E, D, wachſend.

40. §.

Die uͤbrigen Exempel, und was ich hier uͤbergangen habe, ſind ent - weder ſchon in dem Hauptſtuͤcke von den willkuͤhrlichen Veraͤnderungenerklaͤret149Von der Art das Adagio zu ſpielen. erklaͤret worden, oder kommen noch in dem folgenden Exempel vom Ada - gio vor; welches in den Tabellen XVII. XVIII. und XIX. befindlich iſt. Man ſuche alſo in Tab. XVII. bey der zweyten Zeile, worauf die Veraͤn - derungen ſtehen, die Buchſtaben uͤber den Noten, und die Ziffern unter denſelben, welche anzeigen, aus welcher Figur die Veraͤnderungen ge - nommen ſind, auf.

41. §.

Tab. XVII. Die erſte Note G, wa. Bey (c) (26), die zwo kleinen Noten ſchwa. C, ſtaͤ. und wa. Bey (ll) (9) E mit dem Triller ſta. und abn. D, C, ſchwa. Bey (d) (28) D, ſta. C, ſchwa. H, ſta. A, G mit dem Triller, ſchwa. Bey (i) (8) G, ſchwa. H, D, ſtaͤ. Bey (f) (26) die zwo kleinen Noten ſchwa. F, F, wa. Bey (aa) (8) A, G, ſchwa. F, E, D, ſtaͤ. Bey (e) (26) die zwo kleinen Noten ſchwa. Bey (b) (28) E, ſta. D, ſchwa. C, ſta. und abn. E, wa. Bey (a) (3) D, wa. F, E, ſchwa. D, wa. C, mit dem Triller und Nachſchlage, ſchwa. der Vorſchlag C, ſta. H, ſchwa. Bey (f) (7) E, ſta. C, ſchwa. G, ſta. E, ſchwa. Bey (k) (3) D, ſta. G, wa. D, C, ſchwa. A, wa. C, ſchwa. die kleine Note C, wa. H, mit dem Triller abn. Bey (v) (8) D, wa. C, H, C, D, ſchwa. Bey (c) (6) E, wa. Fis, G, ſchwa. Bey (g) (6) Fis, ſta. D, E, ſchwa. Fis, ſta. G, A, ſchwa. Bey (b) (23) G mit dem Triller ſta. Fis, E, ſchwa. D, ſta. Bey (f) (8) D, ſta. E, D, E, ſchwa. F, ſta. Bey (v) (6) F, ſta. E, ſchwa. C, A, E, abn. E, ſta. Fis, ſchwa. D, A, Fis, abn. Fis, ſta. G, ſchwa. Bey (d) (20) G, H, A, wa. G, A, H, abn. C, wa. Bey (ll) (25) die vier kleinen Noten ſchwa. Bey (m) (25) A und H, ſta. und hart geſtoßen, die vier kleinen Noten ſchwa. C, ſta. und hart geſtoßen, H, ſchwa. A, mit dem Triller, wa. G, ſchwa. Bey (g) (20) G, wa. die vier kleinen Noten abn. Bey (g) (20) A. B, H, C, Cis, wa. Bey (b) (2) D, ſchwa. und wa. E, F, ſchwa. Bey (k) (2) E, ſta. G, F, ſchwa. E, ſta. F, G, ſchwa. F, mit dem Triller ſta. E, ſchwa. F, wa. G, ſta. Bey (b) (23) der Triller ſta. und abn. G, F, ſchwa. Bey (l) (14) E, ſta. B, G, E, ſchwa. D, wa. der Cis-Triller abn. Bey (x) (8) E, wa. D, Cis, H, Cis, A, abn. F, A, wa. Bey (c) (13) A, ſta. G, F, E, ſchwa. D, ſta. C, ſchwa. der Vorſchlag C, wa. H mit dem Triller abn. Bey (p) (18) D, kurz und ſta. D, E, F, ſchwa. der E-Triller ſta. D, E, ſchwa. Bey (c) (5) F, ſta. D, wa. F, ſchwa. E, ſta. C, wa. E, ſchwach.

T 342. §. Tab.150Das XIV. Hauptſtuͤck. Von der Art das Adagio ꝛc.

42. §.

Tab. XVIII. Bey (e) (22) der E-Triller ſta. G, E, ſchwa. D, ſta. Bey (z) (8) D, wa. C, D, H, abn. die Vorſchlaͤge ſchwa. C, A, wa. Bey (e) (14) F, D, F, E, ſchwa. D, C, H, A, ſta. A mit dem Triller ſta. Gis, ſchwa. Bey (a) (8) E, Gis, H, wa. C, D, ſchwa. der C - Triller ſta. H, ſchwa. A, ſta. und abn. Bey (k) (8) E, ſta. Gis, H, Gis, ſchwa. D, Gis, H, A, Gis, ſta. F, E, D, ſchwa. der C-Triller ſta. H, ſchwa. A, ſta. Bey (ff) (8) A, wa. G, F, E, ſchwa. der Vor - ſchlag E, wa. F, ſchwa. E, D, E, C, ſta. Bey (p) (14) die ſechs No - ten ſchwa. und ſchmeichelnd; der Gis-Triller ſta. Bey (i) (19) F, F, E, E, D, ganz ſchwa. Bey (u) (3) die zwo Triolen nebſt dem H-Tril - ler ſta. A, abn. Bey (e) (11) die vier Triolen nebſt dem F-Triller, und die folgenden zwo Noten ganz ſchw. und ohne große Bewegung der Bruſt. Bey (q) (8) die acht Sechzehntheile, nebſt dem E-Triller, bis ins C, ſta. doch eine jede Note wa. G, wa. die vier kleinen Noten ſchwa. Bey (c) (5) A, ſta. H. C, ſchwa. G, ſta. H, C, ſchwa. Bey (d) (5) F, wa. A, G, F, ſchwa. E, C, wa. Bey (c) (25) D, wa. die vier klei - nen Noten abn. E, F, ſta. die kleinen Noten ſchwa. G, ſta. Bey (m) (13) A, ſta. F, F, E, ſchwa. Bey (n) (13) D, Fis, A, ſta. C. ſchwa. Bey (d) (21) wie in dem XIII. Hauptſtuͤcke, 36. §. bey Fig. 21. (d) ausfuͤhrlich iſt erklaͤret worden, welches man, um hier keine unnoͤthige Wiederholung zu machen, allda nachleſen kann. Bey (c) (20) G, wa. die uͤbrigen abn. Bey (l) (9) C, ſta. D, E, ſchwa. E, F, G, ſta. E, F, G, ſchwa. E, D, C, ſta. Bey (o) (24) bis G mit dem Triller ſta. Bey (f) (27) G, wa. die uͤbrigen abnehmend.

43. §.

Tab. XIX. Die Triolen bey (s) (1) und (cc) (8) ſchwa. D, ſta. F, ſchwa. der E-Triller und C, ſta. A, wa. Bey (c) (15) A, H, C, D, ſta. G, ſchwa. und wa. C, H, C, E, G, F, ſchwa. und wa. H, D, F, ſta. E, ſchwa. und wa. G, F, E, ſchwa. Bey (kk) (8) D, und die folgenden geſchwinden Noten ſta. F, und die folgenden geſchwinden Noten ſchwa. A, ſta. C, ſchwa. Bey (h) (4) der H-Triller nebſt A, G, ſta. Bey (m) (25) vom C, nebſt den folgenden Noten und dem Triller bis C, ſta. das folgende C, ſchwa. H, wa. C, D, ſchwa. Bey (o) (14) G, H, D, C, ſta. D, F, ſchwa. der E-Triller, F, G, ſta. C, und bey (m) (23) C nebſt beyden Triolen ſchwa. Bey (ll) (8) die acht Noten bis in den E-Triller ſta. Bey (b) (20) G, A, G, F, G, wa. H, C, ſchwa. und bisbey151bey (d) (16) C, D, C, wa. H, C, A, abn. D, wa. Bey (c) (16) H, C, D, ſta. Bey (e) (26) D, F, E, ſchwa. und wa. Bey (a) (16) G, F, E, ſchwa. F, F, wa. A, G, F, ſta. Bey (hh) (8) G, ſta. D, wa. F, ſchwa. der E-Triller nebſt D, E, ſta. Bey (m) (5) die acht Noten ſchwa. Bey (n) (22) F, E, ſchwa. C, G, E, D, ſta. G, und die folgenden Sech - zehntheile nebſt den Vorſchlaͤgen bey (a) (18) ſchwa. und ſchmeichelnd. Bey (o) (5) die vier Triolen ſta. und gezogen. Und ſo faͤhrt man fort bis an die Cadenz, und endiget die letzte Note, durch ein verlierendes Piano.

Das XV. Hauptſtuͤck. Von den Cadenzen.

1. §.

Jch verſtehe unter dem Worte Cadenz hier nicht die Schluͤſſe oder Abſaͤtze in der Melodie; noch weniger den Triller, welchen einige Franzoſen cadence nennen. Jch handele hier von derjenigen willkuͤhrlichen Auszierung, welche von einer concertirenden Stimme, beym Schluſſe des Stuͤcks, uͤber der vorletzten Note der Grundſtimme, naͤmlich uͤber der Quinte der Tonart woraus das Stuͤck geht, nach dem freyen Sinne und Gefallen des Ausfuͤhrers, gemachet wird.

2. §.

Es iſt vielleicht noch kein halbes Jahrhundert her, daß dieſe Caden - zen bey den Jtaliaͤnern aufgekommen, nachher aber von den Deutſchen, und von andern, welche ſich befliſſen haben im italiaͤniſchen Geſchmacke zu ſingen und zu ſpielen, nachgemachet worden ſind. Die Franzoſen ha - ben ſich ihrer noch immer enthalten. Die Cadenzen muͤſſen zu der Zeit, da Luͤlly Welſchland verlaſſen hat, vermuthlich noch nicht Mode gewe - ſeyn: denn wer weis ob er dieſen Zierrath ſonſt nicht auch bey den Franzo - ſen eingefuͤhret haͤtte. Es iſt vielmehr zu glauben, daß die Cadenzen erſt nach der Zeit, da Corelli ſeine in Kupfer geſtochenen 12 Solo vor dieVioline152Das XV. Hauptſtuͤck. Violine herausgegeben hat, in den Brauch gekommen ſind. *Bald nach der erſten Ausgabe erſchienen dieſe Sonaten, unter des Urhebers Na - men, von neuem in Kupfer, und bey den zwoͤlf Adagio der erſten ſechs Sona - ten befanden ſich die Veraͤnderungen dabey geſtochen. Es war aber keine einige Cadenz ad Libitum darbey. Kurze Zeit darauf ſetzete der ehemals in Oeſterrei - chiſchen Dienſten geſtandene, beruͤhmte Violiniſt, Nicola Mattei noch andere Manieren zu eben dieſen zwoͤlf Adagio. Dieſer hat zwar etwas mehr gethan als Corelli ſelbſt, indem er dieſelben mit einer Art von kurzer Auszierung beſchloſ - ſen. Sie ſind aber noch keine Cadenzen ad Libitum wie man itziger Zeit machet, ſondern ſie gehen nach der Strenge des Tactes, ohne Aufhalten des Baſſes fort. Beyde Exemplare habe ich ſchon ſeit dreyßig und mehr Jahren in Haͤnden.Die ſi - cherſte Nachricht die man vom Urſprunge der Cadenzen geben koͤnnte, iſt dieſe, daß man einige Jahre vor dem Ende des vorigen Jahrhunderts, und die erſten zehn Jahre des itzigen, den Schluß einer concertirenden Stimme, durch eine kleine Paſſagie, uͤber dem fortgehenden Baſſe, und durch einen daran gehengeten guten Triller gemacht hat: daß aber ohnge - gefaͤhr zwiſchen 1710. und 1716. die itzo uͤblichen Cadenzen, bey denen ſich der Baß aufhalten muß, Mode geworden ſind. Die Fermaten, oder ſo genannten Aufhaltungen ad Libitum in der Mitte eines Stuͤcks aber, moͤgen wohl etwas aͤltern Urſprunges ſeyn.

3. §.

Ob die Cadenzen, mit ihrer Geburth, zugleich auch Regeln, worinn ſie eigentlich beſtehen ſollen, mitgebracht haben; oder ob ſie nur, von ei - nigen geſchikten Leuten, willkuͤhrlich und ohne Regeln erfunden worden ſind, iſt mir unbekannt. Doch glaube ich das letztere. Denn ſchon vor etlichen und zwanzig Jahren eiferten die Componiſten in Jtalien, wider den Misbrauch, der in dieſem Puncte, in Opern, ſo haͤufig von den mittelmaͤßigen Saͤngern begangen wurde. Die Componiſten beſchloſſen deswegen, um den ungeſchikten Saͤngern die Gelegenheit zum Caden - ziren zu benehmen, die meiſten Arien mit Baßmaͤßigen Gaͤngen, im Uniſon.

4. §.

Der Misbrauch der Cadenzen beſteht nicht allein darinne, wenn ſie, wie gemeiniglich geſchieht, an ſich ſelbſt nicht viel taugen: ſondern auch wenn ſie bey der Jnſtrumentalmuſik, bey ſolchen Stuͤcken angebracht wer - den, wohin ſich gar keine ſchicken; z. E. bey luſtigen und geſchwinden Stuͤcken die im $$\frac{2}{4}$$ , ¾, , $$\frac{12}{8}$$ , und $$\frac{6}{8}$$ Tacte geſetzet ſind. Sie findennur153Von den Cadenzen. nur in pathetiſchen und langſamen, oder in ernſthaften geſchwinden Stuͤ - cken ſtatt.

5. §.

Die Abſicht der Cadenz iſt keine andere, als die Zuhoͤrer noch ein - mal bey dem Ende unvermuthet zu uͤberraſchen, und noch einen beſondern Eindruck in ihrem Gemuͤthe zuruͤck zu laſſen. Deswegen wuͤrde, die - ſer Abſicht gemaͤß, in einem Stuͤcke eine einzige Cadenz genug ſeyn. Es iſt folglich wohl als ein Misbrauch anzuſehen, wenn ein Saͤnger im erſten Theile der Arie zwo, und im zweyten Theile auch noch eine Cadenz machet: denn auf dieſe Art kommen, wegen des Da Capo, fuͤnf Caden - zen in eine Arie. Ein ſolcher Ueberfluß kann nicht nur den Zuhoͤrer leicht ermuͤden; zumal wenn die Cadenzen, wie ſehr oft geſchieht, einander immer aͤhnlich ſehen: ſondern er giebt auch einem an Erfindung nicht gar zu reichen Saͤnger Gelegenheit, ſich deſto eher zu erſchoͤpfen. Machet aber der Saͤnger nur beym Hauptſchluße eine Cadenz; ſo bleibt er im Vortheile, und der Zuhoͤrer bey Appetite.

6. §.

Es iſt zwar nicht zu laͤugnen, daß die Cadenzen, wenn ſie ſo ge - rathen, wie es die Sache erfodert, und am rechten Orte angebracht werden, zu einer Zierde dienen. Man wird aber auch einraͤumen, daß ſie, da ſie ſelten von rechter Art ſind, gleichſam, und zumal beym Sin - gen, nur zu einem nothwendigen Uebel gediehen ſind. Wenn keine ge - machet werden, ſo haͤlt man es fuͤr einen großen Mangel. Mancher aber wuͤrde ſein Stuͤck mit mehr Ehre beſchließen, wenn er gar keine Cadenz machete. Jndeſſen will oder muß ein jeder, der ſich mit Singen oder So - loſpielen abgiebt, Cadenzen machen. Weil aber nicht allen die Vortheile und die rechte Art derſelben bekannt ſind: ſo faͤllt dieſe Mode dem groͤßten Theile zur Laſt.

7. §.

Regeln von Cadenzen ſind, wie ich ſchon geſaget habe, noch niemals gegeben worden. Es wuͤrde auch ſchwer fallen, Gedanken, die willkuͤhrlich ſind, die keine foͤrmliche Melodie ausmachen ſollen, zu welchen keine Grundſtimme ſtatt findet, deren Umfang, in Anſehung der Tonarten welche man beruͤhren darf, ſehr klein iſt, und die uͤberhaupt nur als ein Ohngefaͤhr klingen ſollen, in Regeln einzuſchließen. Doch giebt es einige aus der Setzkunſt fließende Vortheile, deren man ſich bedienen kann, wenn man nicht, wie Viele thun, die Cadenzen nur nach dem Gehoͤre,Uwie154Das XV. Hauptſtuͤck. wie die Voͤgel ihren Geſang lernen, ohne zu wiſſen worinn ſie beſtehen, und wohin ſie ſich ſchicken, auswendig lernen, und bisweilen in einem traurigen Stuͤcke etwan eine luſtige, oder in einem luſtigen wieder eine traurige Cadenz hoͤren laſſen will.

8. §.

Die Cadenzen muͤſſen aus dem Hauptaffecte des Stuͤckes fließen, und eine kurze Wiederholung oder Nachahmung der gefaͤlligſten Clauſeln, die in dem Stuͤcke enthalten ſind, in ſich faſſen. Zuweilen trifft ſichs, daß man wegen Zerſtreuung der Gedanken nicht ſogleich etwas neues zu erfinden weis. Hier iſt nun kein beſſer Mittel, als daß man ſich, aus dem Vorhergehenden, eine von den gefaͤlligſten Clauſeln erwaͤhle, und die Cadenz daraus bilde. Hierdurch kann man nicht nur zu allen Zeiten den Mangel der Erfindung erſetzen; ſondern man wird auch jederzeit der herr - ſchenden Leidenſchaft des Stuͤckes eine Gnuͤge thun. Dieſes will ich einem jeden, als einen nicht gar zu bekannten Vortheil, empfohlen haben.

9. §.

Die Cadenzen ſind entweder ein - oder zweyſtimmig. Die einſtim - migen vornehmlich ſind, wie oben ſchon geſaget worden, willkuͤhrlich. Sie muͤſſen kurz und neu ſeyn, und den Zuhoͤrer uͤberraſchen, wie ein bon mot. Folglich muͤſſen ſie ſo klingen, als wenn ſie in dem Augenblicke, da man ſie machet, erſt gebohren wuͤrden. Man gehe demnach nicht zu ver - ſchwenderiſch, ſondern als ein guter Wirth damit um; beſonders wenn man oͤfters einerley Zuhoͤrer vor ſich hat.

10. §.

Weil der Umfang ſehr klein, und leicht zu erſchoͤpfen iſt: ſo faͤllt es ſchwer die Aehnlichkeit zu vermeiden. Man darf deswegen in einer Ca - denz nicht zu vielerley Gedanken anbringen.

11. §.

Weder die Figuren, noch die ſimpeln Jntervalle, womit man die Cadenz anfaͤngt und endiget, duͤrfen in der Transpoſition mehr als zwey - mal wiederholet werden; ſonſt werden ſie zum Ekel. Jch will hieruͤber zwo Cadenzen, in einerley Art, zum Muſter geben; ſ. Tab. XX. Fig. 1. und Fig. 2. Jn der erſten finden ſich zwar zweyerley Figuren. Weil aber eine jede Figur viermal gehoͤret wird: ſo empfindet das Gehoͤr einen Verdruß daruͤber. Jn der zweyten hingegen werden die Figuren nur ein - mal wiederholet, und wieder durch neue Figuren unterbrochen. Sie iſtdeswegen155Von den Cadenzen. deswegen der erſtern vorzuziehen. Denn ie mehr man das Ohr durch neue Erfindungen betriegen kann; ie angenehmer faͤllt es demſelben. Es muͤſſen folglich die Figuren immer in verſchiedener Art mit einander ab - wechſeln. Jn der erſtern Cadenz findet ſich uͤber dem noch der Fehler, daß ſie vom Anfange bis zum Ende immer aus einerley Tactart, und Ein - theilung der Noten beſteht, welches gleichfalls wider die Eigenſchaft der Cadenzen laͤuft. Will man aus der zweyten Cadenz ſimple Jntervalle machen; ſo darf man nur von jeder Figur die erſte Note nehmen, ſ. Fig. 3. da ſich denn dieſe zum Adagio, jene aber zum Allegro ſchicket.

12. §.

Da man in der Transpoſition die Figuren oder Clauſeln nicht zu oft wiederholen darf: ſo darf man ſolches noch weniger auf einerley Tone thun. Man muß bey den Cadenzen uͤberhaupt ſich huͤten, die Toͤne wo - mit ſich die Clauſeln anfangen, als welche ſich dem Gehoͤre mehr als die andern eindruͤcken, nicht zu oft hoͤren zu laſſen: beſonders am Ende, wo man ſich in der Sexte oder Quarte vom Grundtone an gerechnet, im - mer ein wenig aufzuhalten pfleget. Denn dieſes wuͤrde dem Ohre eben ſo widerwaͤrtig vorkommen, als wenn man in einer Rede verſchiedene Pe - rioden nach einander immer mit demſelben Worte anfangen oder endigen wollte.

13. §.

Ob die Cadenzen gleich willkuͤhrlich ſind: ſo muͤſſen doch die Jnter - valle darinne ihre richtige Aufloͤſung bekommen: beſonders wenn man durch Diſſonanzen in fremde Tonarten ausweicht; welches durch die Spruͤnge in die falſche Quinte, oder in die uͤbermaͤßige Quarte geſchehen kann, ſ. Tab. XX. Fig. 4.

14. §.

Jn den Tonarten muß man nicht gar zu weit ausſchweifen, und keine Toͤne beruͤhren, die mit dem Haupttone gar keine Verwandtſchaft haben. Eine kurze Cadenz muß gar nicht aus ihrer Tonart weichen. Eine etwas laͤngere kann am natuͤrlichſten in die Quarte; und eine noch laͤngere in die Quarte und Quinte ausweichen. Jn Durtoͤnen geſchieht die Ausweichung in die Quarte durch die kleine Septime, ſ. Fig. 5. das Dis unter dem Buchſtaben (a); die Ausweichung in die Quinte geſchieht durch die uͤbermaͤßige Quarte, ſ. das H unter dem Buchſtaben (b); und die Ruͤckkehr in den Hauptton durch die ordentliche Quarte, ſ. das B unter dem Buchſtaben (c). Jn Molltoͤnen geſchieht die AusweichungU 2in156Das XV. Hauptſtuͤck. in die Quarte vermittelſt der großen Terze, ſ. Fig. 6. das H unter dem Buchſtaben (a); die Ausweichung in die Quinte, und die Ruͤckkehr in den Hauptton aber, geſchehen eben ſo wie bey der groͤßern Tonart, ſ. Cis und C unter den Buchſtaben (b) und (c). Aus der groͤßern Tonart kann man wohl in die kleinere gehen; doch muß es nur in der Kuͤrze, und mit vieler Behutſamkeit geſchehen: damit man mit guter Art wieder in die Hauptnote kommen moͤge. Jn den kleinern Tonarten kann man durch halbe Toͤne, ſtufenweiſe, auf oder niederwaͤrts gehen: doch muͤſſen deren uͤber drey bis viere nicht nach einander folgen, ſonſt koͤnnen ſie, wie alle andere ſich aͤhnliche Clauſeln, zum Ekel werden.

15. §.

Wie eine luſtige Cadenz aus weitlaͤuftigen Spruͤngen, luſtigen Clauſeln, untermiſchten Triolen und Trillern u. d. gl. gebildet wird, ſ. Tab. XX. Fig. 7; ſo beſteht hingegen eine traurige faſt aus lauter nahe an einander liegenden, mit Diſſonanzen vermiſchten Jntervallen, ſ. Fig. 8. Die erſte davon ſchicket ſich zu einem muntern, die andere hingegen zu einem ſehr traurigen Stuͤcke. Man muß ſich hierbey wohl in Acht neh - men; damit man nicht in ungereimte Mengereyen und Verwechſelungen des Luſtigen und Traurigen verfalle.

16. §.

Eine ordentliche Tactart wird ſelten beobachtet; ja ſie darf nicht ein - mal beobachtet werden. Denn die Cadenzen ſollen nicht aus einer an einander haͤngenden Melodie, ſondern vielmehr aus abgebrochenen Ge - danken beſtehen; wenn ſie nur dem vorhergehenden Ausdrucke der Leiden - ſchaften gemaͤß ſind.

17. §.

Die Cadenzen fuͤr eine Singſtimme oder ein Blasinſtrument muͤſſen ſo beſchaffen ſeyn, daß ſie in einem Athem gemachet werden koͤnnen. Ein Seyteninſtrumentiſt kann ſie ſo lang machen, als ihm beliebet; ſofern er anders reich an Erfindung iſt. Doch erlanget er mehr Vortheil durch eine billige Kuͤrze, als durch eine verdruͤßliche Laͤnge.

18. §.

Jch gebe die hier befindlichen Exempel nicht fuͤr vollkommene und ausgearbeitete Cadenzen aus; ſondern nur fuͤr Muſter, wodurch man einiger maaßen die Ausweichungen der Tonarten, die Zuruͤckkehrungen in den Hauptton, die Vermiſchungen der Figuren, und uͤberhaupt die Eigenſchaften der Cadenzen begreifen lerne. Vielleicht moͤchte mancherwuͤn -157Von den Cadenzen. wuͤnſchen, daß ich eine Anzahl von ausgearbeiteten Cadenzen beygefuͤget haͤtte. Allein weil man nicht vermoͤgend iſt, alle Cadenzen ſo zu ſchrei - ben, wie ſie geſpielet werden muͤſſen: ſo wuͤrden auch alle Exempel von ausgearbeiteten Cadenzen nicht hinreichend ſeyn, einen vollſtaͤndigen Be - griff davon zu geben. Man muß alſo, die Art gute Cadenzen zu machen, vielen geſchikten Leuten abzuhoͤren ſuchen. Hat man nun zuvor einige Er - kenntniß von der Cadenzen Eigenſchaften, ſo wie ich ſie hier mitzutheilen mich bemuͤhe; ſo kann man das, was man von andern hoͤret, deſto beſſer pruͤfen: um das Gute zum eigenen Vortheile anzuwenden, das Boͤſe aber zu vermeiden. Oefters werden, auch von ſehr geſchikten Tonkuͤnſt - lern, in Anſehung der Cadenzen, Schwachheiten begangen; entweder aus uͤbel aufgeraͤumter Gemuͤthsbeſchaffenheit, oder aus allzuvieler Leb - haftigkeit, oder aus Kaltſinnigkeit und Nachlaͤßigkeit, oder aus Trocken - heit der Erfindung, oder aus Geringſchaͤtzung der Zuhoͤrer, oder aus all - allzuvieler Kuͤnſteley, oder noch aus andern Urſachen, die man nicht alle beſtimmen kann. Man muß ſich demnach nicht durch das Vorurtheil verblenden laſſen, als ob ein guter Muſikus nicht auch dann und wann eine ſchlechte, ein mittelmaͤßiger hingegen eine gute Cadenz hervorbringen koͤnnte. Die Cadenzen erfodern, wegen ihrer geſchwinden Erfindung, mehr Fertigkeit des Witzes, als Gelehrſamkeit. Jhre groͤßte Schoͤnheit beſteht darinn, daß ſie als etwas unerwartetes den Zuhoͤrer in eine neue und ruͤhrende Verwunderung ſetzen, und die geſuchte Erregung der Lei - denſchaften gleichſam aufs hoͤchſte treiben ſollen. Man darf aber nicht glauben, daß eine Menge geſchwinder Paſſagien ſolches allein zu bewerk - ſtelligen vermoͤgend ſey. Nein, die Leidenſchaften koͤnnen viel eher durch etliche ſimple Jntervalle, und geſchikt darunter vermiſchete Diſſonanzen, als durch viele bunte Figuren erreget werden.

19. §.

Die zweyſtimmigen Cadenzen ſind nicht ſo willkuͤhrlich als die ein - ſtimmigen. Die Regeln der Setzkunſt haben noch einen groͤßern Einfluß darein: folglich muͤſſen diejenigen, ſo ſich mit Cadenzen dieſer Art ab - geben wollen, zum wenigſten die Vorbereitung und Aufloͤſung der Diſſo - nanzen, und die Geſetze der Nachahmungen verſtehen; ſonſt koͤnnen ſie unmoͤglich was geſcheides hervorbringen. Von den Saͤngern werden die meiſten von dergleichen Cadenzen vorher ſtudiret, und auswendig ge - lernet: denn es iſt eine große Seltenheit zweene Saͤnger zuſammen anzu - treffen, die etwas von der Harmonie oder der Setzkunſt verſtehen. U 3Die158Das XV. Hauptſtuͤck. Die meiſten geben, aus einem fortgepflanzeten Vorurtheile, welches die Faulheit zur Mutter, und zur Ernaͤhrerinn hat, vor, daß dergleichen Bemuͤhung der Stimme nachtheilig ſey. Unter den Jnſtrumentiſten fin - det man noch eher einige, welchen es an dieſer Erkenntniß nicht fehlet.

§. 20.

Die zweyſtimmigen Cadenzen koͤnnen etwas laͤnger gemacht wer - den, als die einſtimmigen: weil die darinne enthaltene Harmonie dem Gehoͤre nicht ſo leicht verdruͤßlich faͤllt; auch alsdenn das Athemholen er - laubt iſt.

21. §.

Diejenigen welche nicht viel von der Harmonie wiſſen, behelfen ſich mehrentheils nur mit Terzen - und Sexten-Gaͤngen. Allein dieſe ſind nicht hinlaͤnglich den Zuhoͤrer in Verwunderung zu ſetzen.

22. §.

So leicht aber die gedoppelten Cadenzen zu erfinden, und auf das Papier zu ſchreiben ſind; ſo ſchwer ſind ſie hingegen ohne Verabre - dung zu machen: weil keiner des andern Gedanken im Voraus wiſſen kann. Hat man aber die Vortheile, welche die Jmitationen und der Gebrauch der Diſſonanzen an die Hand geben, nur in etwas inne; ſo iſt dieſe Schwierigkeit leicht zu uͤberwinden. Die Erfindung der Ca - denzen aus dem Stegreife iſt hier hauptſaͤchlich mein Augenmerk. Jch will deswegen einige Exempel zum Muſter beyfuͤgen, welche man als ei - nen Grundriß zu betrachten hat, worinne man die verſchiedenen Arten der Nachahmungen, wie auch der Vorbereitungen und Aufloͤſungen der Diſſonanzen, welche hierzu dienen ſollen, entworfen findet. Die Aus - zierungen aber, welche aus der Erfindungskraft fließen, und nicht in etliche wenige Exempel eingeſchraͤnket werden koͤnnen, uͤberlaſſe ich eines jeden ſeiner eigenen Erfindung und Geſchmacke.

23. §.

Auſſer den in gerader Bewegung mit einander fortgehenden Terzen und Sextengaͤngen, beſtehen die zweyſtimmigen Cadenzen uͤberhaupt aus Jmitationen, daß eine Stimme vortraͤgt, und die andere nachahmet. An dieſen Jmitationen haben die Bindungen großen Theil. Man bindet naͤmlich entweder die Secunde aus der Terze, und loͤſet ſie in die Terze oder Sexte auf: oder man kehret dieſes um; ſo daß aus der Sexte die Septime gebunden, und in die Sexte oder Terze aufgeloͤſet wird. Oder man geht aus der Terze in die uͤbermaͤßige Quarte, und um -gekehrt,159Von den Cadenzen. gekehrt, aus der Sexte in die falſche Quinte. Oder man verzoͤgert auf der falſchen Quinte in der Oberſtimme die Aufloͤſung in die Terze, woraus die ordentliche Quarte entſteht, die ſich nachhero in die Ter - ze aufloͤſet. Wenn nun zwo Perſonen dieſe Vortheile inne haben, ſo koͤn - nen ſie ohne Verabredung, und ohne die Regeln der Setzkunſt zu uͤberſchrei - ten, von einer Diſſonanz zur andern gehen.

24. §.

Bey einem Sextengange, wo man keine Diſſonanzen beruͤhren will, muß eine der beyden Stimmen eine Note voraus nehmen, es ſey im Steigen, oder im Fallen; damit die andere ſich darnach richten koͤnne; ſ. Tab. XX. Fig. 9. allwo die unterſte Stimme die Bewegung hat, und zu erkennen giebt, daß die Oberſtimme im erſten Tacte ſteigen, und hernach wieder unterwaͤrts gehen ſolle. Bey Fig. 10. machet die Oberſtimme die Bewegung, und die unterſte folget derſelben. Wenn man in dieſen bey - den Gaͤngen die oberſte Stimme in die unterſte, und die unterſte in die oberſte verwandelt; ſo findet man die Art des Terzenganges.

25. §.

Der mit der Septime vermiſchete Sextengang iſt von zweyerley Art, naͤmlich ſteigend und fallend. Bey dem ſteigenden geht die Ober - ſtimme in die Octave, und die Unterſtimme aus der Sexte in die Septi - me; ſ. Tab. XX. Fig. 11. Bey dem fallenden Septimengange bindet die unterſte Stimme, und die oberſte reſolviret: auch kann die unterſte binden und aufloͤſen, wie im zweyten Tacte des Exempels Fig. 12. zu er - ſehen iſt. Wenn man bey den beyden vorigen Exempeln die erſte Stimme zur zweyten, und die zweyte zur erſten machet; ſo hat man den Terzen - gang, wo aus der Terze die Secunde gebunden, und in die Terze oder Sexte aufgeloͤſet wird.

26. §.

Die erſte Stimme, welche gemeiniglich den Vortrag thut, muß der zweyten nicht nur Gelegenheit zu antworten geben, und auf dieſelbe warten; ſondern ſie muß auch oͤfters, unter der Antwort, ein ſolches Jntervall, welches zu einer neuen Bindung Anlaß giebt, zu waͤhlen wiſ - ſen: damit die Bindungen nicht alle auf einerley Art hinaus laufen. Jn dem Exempel bey Fig. 13. beſteht die erſte Bindung aus der kleinen Se - cunde; die folgende aus der mangelhaften Septime: und indem die zweyte Stimme die Figur der erſten nachmachet, bereitet ſich die erſte durch das H zur folgenden Septime, und loͤſet dieſe in die Sexte auf. Die160Das XV. Hauptſtuͤck. Die zweyte Stimme bindet hierauf vermittelſt des H die Septime noch einmal; durch das Cis gegen das G, als durch die falſche Quinte, geht ſie zur Bindung der Quarte D, u. ſ. w. wodurch das Ohr auf verſchie - dene Weiſe betrogen wird.

27. §.

Die Cadenzen koͤnnen auch nach Art eines Canons eingerichtet wer - den, wie Tab. XX. bey Fig. 14. zu erſehen. Dieſe machet die Nachah - mung in der Quarte tiefer. Die auf Tab. XXI. Fig. 1. imitiret durch Quinte und Sexte; die bey Fig. 2. durch die uͤberſteigende, in die Terze ſich aufloͤſende Secunde. Die bey Fig. 3. imitiret wechſelsweis durch die uͤbermaͤßige Quarte und falſche Quinte, wie auch durch die Quinte und Sexte. Die bey Fig. 4. bindet aus der Terze die Secunde, und aus der Sexte die Septime. Die erſtere loͤſet ſich in die Sexte, und die zweyte in die Terze auf. Es kann aber dieſer Gang, wegen des Quar - tenſprunges, in der Transpoſition nicht uͤber zweymal angebracht werden.

28. §.

Jn den hier angefuͤhrten Exempeln nun, ſind die meiſten Gaͤnge enthalten, wodurch eine Stimme der andern, ohne Verabredung nach - ahmen kann. Nur iſt dabey noch zu merken, daß es auf die erſte Stim - me, welche ordentlicher Weiſe den Antrag machet, hauptſaͤchlich ankom - me, die Gaͤnge ſo einzurichten, daß es die zweyte, ſo wohl wegen der Deutlichkeit, als auch inſonderheit wegen der Tiefe und Hoͤhe der Toͤne, nachmachen koͤnne. Verſteht aber der erſte nichts von den hier erfoder - lichen Regeln, ſo kann auch des zweyten ſeine Wiſſenſchaft hier nichts weiter helfen. Er muß nur ſuchen, ſo gut als moͤglich, dem erſten in puren Terzen und Sexten nachzugehen, und die Diſſonanzen zu vermei - den: weil es eine ſehr uͤble Wirkung thut, Diſſonanzen ohne Aufloͤſung zu hoͤren.

29. §.

Wegen der Ruͤckkehr zum Schluſſe der Cadenz iſt zu merken, daß die Quarte vom Endigungstone, oder die Septime von der Grundnote der Cadenz, welches einerley iſt, die Endigung der Cadenz andeute. Sie koͤmmt mehrentheils in der oberſten Stimme vor; wenn naͤmlich die Cadenz durch die Terze im Einklange ſchließt. Die zweyte Stimme hat ſich ſodann hiernach zu richten, und muß unter dieſer Quarte die fal - che Quinte von der obern Stimme herunter gerechnet, anzubringen ſuchen;um161Von den Cadenzen. um durch die Aufloͤſung in die Terze ſich zum Schluſſe zu bereiten: wie bey den oben beſchriebenen Exempeln beobachtet worden. Bey Fig. 11. Tab. XX. im vorletzten Tacte kuͤndiget die gebundene Note C in der er - ſten, ſ. (a) und Fis in der zweyten Stimme, ſ. (b), das Ende an. Bey Fig. 12. thut es F mit der Septime G, ſ. (c) (d); bey Fig. 13. und 14. D mit Gis, ſ. (e) (f), (g) (h); Tab. XXI. bey Fig. 1. Es mit A, ſ. (i) (k); bey Fig. 2. G mit Cis, ſ. (l) (m); bey Fig. 3. F mit H, ſ. (n) (o); und bey Fig. 4. C mit Fis, und B mit E, ſ. (p) (q) (r) (s): worauf allemal die Triller folgen. Wenn aber die Cadenz durch die Sexte in die Octave ſchließt: ſo koͤmmt die Quarte des Haupttones alsdenn in die zweyte Stimme, und die uͤbermaͤßige Quarte von der unterſten Stimme herauf gerechnet, als die umgekehrte falſche Quinte, in die erſte Stimme.

30. §.

Bey den Vortraͤgen und Nachahmungen, ingleichen bey den Vor - bereitungen und Aufloͤſungen der Bindungen, kann man die Figuren, oder Auszierungen, nach Belieben verlaͤngern oder verkuͤrzen. Man be - trachte Tab. XXI. Fig. 5. und 6. da die eine lang, und die andere kurz iſt. Beyde Exempel ſind aus dem bey Fig. 2. genommen. Das bey Fig. 5. iſt durch die Figuren verlaͤngert, und das bey Fig. 6. durch Verlaſſung derſelben verkuͤrzet worden. Auf ſolche Art kann man mit den uͤbrigen verfahren: ſo daß, durch die Veraͤnderung und Vermiſchung der Figuren, eben dieſelben Gaͤnge immer wieder fremd und neu werden.

31. §.

Man hat nicht noͤthig, ſich bey den Doppelcadenzen immer, wie zwar bey obigen Exempeln geſchehen, an eine ordentliche Tactart zu bin - den; ausgenommen in denen Figuren, welche der eine vorgemacht hat: denn dieſe muͤſſen in eben demſelben Zeitmaaße, und in eben der Anzahl der Noten, von dem andern nachgemachet werden. Je weniger Ordnung man im uͤbrigen in den Cadenzen beobachtet, ie beſſer iſt es: weil dadurch zugleich der Schein, als ob dieſelben vorher ausgeſonnen waͤren, vermie - den wird. Doch wolle man hierunter nicht verſtehen, als muͤßten die Cadenzen uͤberhaupt blos aus einem undeutlichen Gewirre der Einfaͤlle be - ſtehen, und gar nichts melodiſches in ſich haben. Dieſes wuͤrde den Zu - hoͤrern wenig Vergnuͤgen erwecken. Meine Meynung iſt nur, wie oben ſchon bey Gelegenheit der einfachen Cadenzen iſt beruͤhret worden, daß die Cadenzen nicht aus einer foͤrmlich an einander hangenden Melodie, alsXein162Das XV. Hauptſtuͤck. ein Arioſo, ſondern aus zwar unterbrochenen, doch gefaͤlligen Clauſeln beſtehen ſollen; welche Clauſeln ſo wohl mit dem geraden als ungeraden Tacte eine Aehnlichkeit haben koͤnnen. Nur muß man nicht zu lange bey einerley Art bleiben, ſondern beſtaͤndig auf eine angenehme Abwechſelung bedacht ſeyn.

32. §.

Nun iſt noch uͤbrig, die halbe Cadenz, bey welcher die Ober - ſtimme durch die Grundſtimme vermittelſt der großen Septime gebunden, und durch die Sexte in die Octave,*Dieſe Octave iſt die Quinte der Tonart aus welcher das Stuͤck geht, und erfo - dert immer die große Terze in ihrem Accorde. aufgeloͤſet wird, zu betrachten. Dieſe halbe Cadenz pfleget in der Mitte oder am Ende eines langſamen Stuͤckes aus der kleinern Tonart vorzukommen, ſ. Tab. XXI. Fig. 7. Sie wurde im vorigen Zeiten beſonders im Kirchenſtyle bis zum Ekel ge - trieben, und iſt deswegen faſt aus der Mode gekommen. Doch kann ſie auch noch in itzigen Zeiten eine gute Wirkung thun; wenn ſie nur ſelten und an ihrem rechten Orte angebracht wird.

33. §.

Die Auszierungen welche uͤber eine ſolche halbe Cadenz, wenn ſie ein - fach iſt, angebracht werden koͤnnen, haben einen ſehr kleinen Umfang. Die Hauptnoten muͤſſen aus dem Accorde der Septime, von der Grund - note an gerechnet, genommen werden, und beſtehen aus der Terze und Quinte, welche uͤber der gebundenen Septime in der Oberſtimme eine Quarte und Sexte ausmachen. Man kann dieſe Noten ſo wohl von un - ten als von oben nehmen; ſ. Tab. XXI. Fig. 8. Nur koͤmmt es darauf an, ob man die Auszierung lang oder kurz machen will. Soll ſie kurz ſeyn, ſo kann man nur die Quarte aufwaͤrts beruͤhren, (ſ. die Note G unter dem Buchſtaben (c) dieſer Figur,) und von da zum Schluſſe gehen. Soll ſie etwas laͤnger ſeyn, ſo kann man die Quarte und Sexte nach einander beruͤhren, ſ. unter dem Buchſtaben (a) und (b). Will man ſie aber noch mehr verlaͤngern, ſo kann man bis in die Septime her - unter ſteigen, wie bey dieſer 8. Figur, welche die Hauptnoten zeiget, zu erſehen iſt. Die Hauptnoten aber koͤnnen durch Figuren von Noten, auf verſchiedene Art veraͤndert und vermehret werden.

34. §. Dop -163Von den Cadenzen.

34. §.

Doppelt koͤmmt dieſe halbe Cadenz oftmals im Trio vor. Jhre Zier - rathen beſtehen aus eben den Jntervallen, wie bey der einfachen. Nur iſt zu merken, daß diejenige Stimme, gegen welche die Grundſtimme die Septime bindet, den Antrag zu machen hat: die andere hingegen muß auf der Terze ſo lange warten, bis die erſte ihre Figur geendiget hat, und auf der Sexte den Triller ſchlaͤgt. Alsdenn kann die zweyte Stimme, dieſelbe Figur, welche die erſte hatte hoͤren laſſen, in der Quinte tiefer nachmachen; wie das Exempel bey Fig. 9. auf der XXI. Tabelle zeiget. Wenn aber die Septime in der zweyten Stimme liegt; ſo muß auch die zweyte Stimme den Vortrag thun, und die erſte, in der Quarte hoͤher ihr nachahmen. Man ſetze in dem Exempel bey Fig. 9. die zweyte Stim - me eine Octave hoͤher, und mache ſie zur erſten Stimme; ſo wird man davon ein Muſter haben.

35. §.

Von der Fermate oder der Aufhaltung ad libitum, welche zuwei - len in Singſachen, beym Anfange einer Arie, in der Singſtimme, ſehr ſelten aber bey einer concertirenden Jnſtrumentalſtimme, etwan im Ada - gio eines Concerts, vorkoͤmmt, iſt auch noch etwas zu bemerken. Sie be - ſteht mehrentheils aus zwoen, einen Quintenſprung unter ſich machen - den Noten, uͤber deren erſterer ein Bogen mit dem Puncte ſteht, ſ. Tab. XXI. Fig. 10; und wird deswegen geſetzet, damit der Saͤnger, welcher ein zweyſylbiges, mit einem bequemen langen Selbſtlauter verſehenes Wort, als vado, parto, u. ſ. w. darunter auszuſprechen hat, Gele - genheit haben moͤge, eine Auszierung dabey anzubringen. Dieſe Aus - zierung muß nur aus ſolchen Hauptnoten beſtehen, welche im Accorde der Grundſtimme ſtatt finden, und erlaubet keine Ausweichung in andere Tonarten. Das Exempel Tab. XXI. Fig. 11. kann zum Muſter dienen. Ein Saͤnger kann ſich vorſtellen, als wenn es in dem ſeiner Stimme eige - nen Schluͤſſel geſchrieben waͤre. Die erſte Note unter dem Bogen mit einem Puncte, kann als eine Haltung, (meſſa di voce) ſo lange als es der Athem erlaubet, mit Zu - und Abnehmen des Tones gehalten werden; doch ſo, daß man noch ſo viel Athem uͤbrig behalte, als noͤthig iſt, die folgende Auszierung in demſelben Athem zu endigen. Will man die Fi - guren, woraus dieſer ganze Zierrath beſteht, zergliedern; ſo kann ſolcher in verſchiedene Theile getheilet, und immer um eine Figur verkuͤrzet werden; wie die daruͤber befindlichen Buchſtaben zeigen. Z. E. ManX 2kann164Das XV. Hauptſtuͤck. Von den Cadenzen. kann entweder die Figuren unter den Buchſtaben (b) (c), oder die un - ter (a) (b) (c) (d), oder die unter (a) (b) (c) (d) (e), oder die unter (a) (b) (c) (d) (e) (f) weglaſſen, ohne daß es aufhoͤret eine Auszierung zu bleiben. Wie nun hier die Jntervalle durch den Accord in die Hoͤhe ſteigen; ſo kann man auch durch denſelben Accord in die Tie - fe gehen; wenn man nur die Figuren ſo einrichtet, daß man zum wenig - ſten, bey Endigung des Zierraths, die Anfangsnote wieder beruͤhre; und nicht von unten, ſondern von oben in die letzte Figur mit dem Tril - ler, falle: weil dieſer Triller uͤber der Terze, nicht von unten, ſondern von oben ſeinen Urſprung haben muß. Nach dieſem Triller muß kein Nachſchlag gemacht werden: und wenn ſolches auch von den groͤßten Saͤngern begangen wuͤrde, ſo iſt und bleibt es dennoch ein Fehler. Es muß vielmehr dieſer Schluß ſo geſungen oder geſpielet werden, wie hier in Noten ausgedruͤcket iſt. Jm Hauptſtuͤcke von den willkuͤhrlichen Ver - aͤnderungen, im 36. §., iſt hiervon weitlaͤuftiger gehandelt worden.

36. §.

Der Schlußtriller der Cadenzen, in Stuͤcken, die aus der kleinern Tonart gehen, wird zuweilen, doch mehrentheils nur beym Singen, anſtatt auf der Quinte, auf der Sexte geſchlagen. Man verfaͤhrt da - mit wie im XIII. Hauptſtuͤcke, 36. §. Tab. XV. Fig. 21. (d) von dem Einſchnitte in die Terze iſt gelehret worden. Ob nun wohl dieſe Art die Cadenz zu beſchließen, wenn ſie zu rechter Zeit, und mit guter Art an - gebracht wird, eben keine uͤble Wirkung thut; ſo iſt doch nicht zu rathen, damit allzuverſchwenderiſch umzugehen: wie es einige Saͤnger zu machen pflegen, wenn ſie faſt allezeit im zweyten Theile der Arie, wenn ſolcher in der kleinern Tonart ſchließt, den Schlußtriller auf die obenbeſchriebene Art machen. Am Ende eines Stuͤcks klingt ein dergleichen Triller etwas einfaͤltig; und ſo gebraͤuchlich der im 36. §. des XIII. Hauptſt. beſchriebene, in der Mitte des Stuͤcks itzo noch iſt, ſo ſehr iſt dieſer beym Ende deſſelben hingegen, faſt aus der Mode gekommen, und verraͤth folglich das Al - terthum. Die Haupturſache aber warum man ihn nur bey ſehr ſeltenen Faͤllen brauchen muß, iſt, weil hierzu die Sexte und Quarte im Accom - pagnement erfodert wuͤrde. Weil nun ordentlicher Weiſe vor dem Schluſſe eines Stuͤcks die große Terze und reine Quinte angeſchlagen werden muß; welcher Accord aber mit dem Triller auf der Sexte keinen Verhalt hat: ſo wuͤrde dieſes am Ende des Stuͤckes einen Uebelklang zuruͤck laſſen, und folglich dem Gehoͤre mehr Verdruß als Vergnuͤgen erwecken.

Das165

Das XVI. Hauptſtuͤck. Was ein Floͤteniſt zu beobachten hat, wenn er in oͤffentlichen Muſiken ſpielet.

1. §.

Jſt ein Lehrbegieriger nun dieſer Anweiſung, unter der Aufſicht ei - nes guten Lehrmeiſters, in allen Stuͤcken gefolget, und hat das darinn enthaltene wohl begriffen, und recht in Uebung gebracht: ſo wird er im Stande ſeyn, ſich bey oͤffentlichen Muſiken mit Ehren hoͤren zu laſſen. Jch will mich bemuͤhen, ihm bey dieſer Gelegenheit, wenn er ſeine erlangte Wiſſenſchaft wieder an den Mann bringen will, noch mit einigen hierzu noͤthigen Regeln, Erinnerungen, und gutem Rathe, an die Hand zu gehen.

2. §.

Vor allen Dingen muß er auf eine reine Stimmung ſeines Jnſtru - ments bedacht ſeyn. Jſt ein Clavicymbal bey dem Accompagnement zu - gegen, wie mehrentheils einer zugegen iſt, ſo muß er die Floͤte darnach einſtimmen. Die meiſten nehmen zwar das zweygeſtrichene D hierinn zum Richter, und zum Grundtone: allein ich rathe, daß er, wenn an - ders die Floͤte in ſich ſelbſt ſo rein geſtimmet iſt, als ſie ſeyn ſoll, vielmehr das zweygeſtrichene F dazu erwaͤhle.

3. §.

Muß er an einem kalten Orte ſpielen, ſo kann er die Floͤte mit dem Clavicymbal gleichlautend ſtimmen. Bey ſehr warmem Wetter aber, muß er ein wenig tiefer ſtimmen: weil die Natur der Blasinſtrumente, der beſeyteten ihrer, in dieſem Stuͤcke ganz entgegen iſt. Die erſten wer - den durch die Waͤrme, folglich auch durchs Blaſen, hoͤher; die andern hingegen werden tiefer. Durch die Kaͤlte geſchieht das Gegentheil.

X 34. §. Zu166Das XVI. Hauptſtuͤck. Was ein Floͤteniſt zu beob. hat,

4. §.

Zu einem Stuͤcke aus dem Es oder As kann er die Floͤte ein wenig tiefer, als zu allen andern Toͤnen ſtimmen: weil die Toͤne mit dem b um ein Komma hoͤher ſind, als die mit dem Kreuze.

5. §.

An einem großen Orte, es ſey in einem Opernhauſe, in einem Saale, oder wo zwey, drey, oder mehr eroͤfnete Zimmer nach einander folgen, muß er die Floͤte niemals von Weitem, zu der von ihm entfer - neten Muſik einſtimmen; ſondern allezeit in der Naͤhe. Denn der Klang der Toͤne erniedriget ſich in der Ferne, ie weiter, ie mehr. Wenn er in der Ferne recht rein zu ſtimmen glaubete; ſo wuͤrde er dennoch, in der Naͤhe, gegen die andern zu tief ſeyn.

6. §.

Bey kalter Witterung muß er die Floͤte in gleicher Waͤrme zu erhal - ten ſuchen: ſonſt wird er bald tief, bald hoch ſtimmen.

7. §.

Sollten, zufaͤlliger Weiſe, die Violinen hoͤher geſtimmet ſeyn, als der Clavicymbal; welches leicht geſchehen kann, wenn ihre Quinten nicht, wie bey dem Claviere in Obacht genommen werden muß, unter ſich, ſon - dern vielmehr uͤber ſich ſchwebend geſtimmet worden: ſo daß dadurch bey vier Seyten, die in Quinten geſtimmet werden, ein merklicher Unterſchied ſich aͤuſſert: ſo muß ſich der Floͤteniſt, weil die uͤbrigen Jnſtrumente mehr, als der Fluͤgel gehoͤret werden, aus Noth, mit der Floͤte nach den Vio - linen richten. Es thut dieſes aber freylich, wenn man wechſelsweiſe, bald vom Claviere, bald von den Violinen begleitet wird, eine uͤble Wir - kung: und waͤre zu wuͤnſchen, daß ein jeder ſein Jnſtrument, ſo wohl in ſich ſelbſt rein ſtimmen, als auch mit dem Clavicymbal gleichlautend ma - chen moͤchte; um das Vergnuͤgen der Zuhoͤrer nicht zu verringern. Es verſteht ſich aber, ohne mein Erinnern, daß dieſer Fehler nicht leicht von vernuͤnftigen und erfahrnen Tonkuͤnftlern, welche die Muſik ſo lieben wie ſie ſollen, begangen wird; ſondern vielmehr nur von ſolchen, welche ihre Kunſt als ein Handwerk, und als ein Muß, mit Widerwilleu treiben.

8. §.

Jſt das Accompagnement ſehr zahlreich: ſo kann der Floͤteniſt die Floͤte zum Allegro ein wenig tiefer ſtimmen, ſie etwas mehr auswaͤrts dre - hen, und folglich ſtaͤrker blaſen; damit er von dem Accompagnement, wenn es etwan unbeſcheiden ſeyn ſollte, nicht unterdruͤcket werde. Bey167wenn er in oͤffentlichen Muſiken ſpielet. Bey dem Adagio hingegen muß er ſo ſtimmen, daß er bequem, ohne die Floͤte durch gar zu ſtarkes Blaſen zu uͤbertreiben, ſpielen koͤnne. Hier - bey iſt noͤthig daß er den Pfropf, aus ſeinem gewoͤhnlichen Orte, um ei - nen guten Meſſerruͤcken breit, tiefer in die Floͤte hinein druͤcke, ſ. IV. Hauptſt. 26. §. Bey dem darauf folgenden Allegro aber, muß er nicht vergeſſen, den Pfropf bis an den vorigen Ort wieder zuruͤck zu ziehen.

9. §.

Auf die begleitenden Jnſtrumente muß er beſtaͤndig hoͤren, ob er mit denſelben immer in einerley Stimmung ſey; damit er weder zu hoch noch zu tief ſpiele. Denn ohne dieſe Reinigkeit der Jntonation bleibt der allerbeſte und deutlichſte Vortrag mangelhaft.

10. §.

Die Floͤte muß er ſo halten, daß der Wind ungehindert in die Ferne gehen koͤnne. Er muß ſich in Acht nehmen, daß er nicht etwan denen, welche ſehr nahe zu ſeiner Rechten ſtehen, in die Kleider blaſe: wodurch der Ton ſchwach und dumpfig wird.

11. §.

Hat ein angehender Floͤtenſpieler ſich bey ſeiner bisherigen beſondern Uebung angewoͤhnet, den Tact mit dem Fuße zu markiren; ſo muß er ſich deſſen, bey oͤffentlichen Muſiken, ſo viel als moͤglich iſt, enthalten. Jſt er aber noch nicht im Stande, ohne dieſe Beyhuͤlfe, ſich im Tacte zu erhalten; ſo thue er es heimlich: um weder ſeine Schwaͤche bekannt, noch ſeine Accompagniſten verdruͤßlich zu machen. Sollte aber dennoch die Noth bisweilen das Tactſchlagen erfodern; wenn etwan einer oder der andere im Tacte eilete, oder zoͤgerte; wodurch der Concertiſt gehindert wird, die Paſſagien rund, deutlich, und in ihrer gehoͤrigen Geſchwindig - keit zu ſpielen: ſo ſuche er lieber durch etwas ſtaͤrkeres Blaſen, und be - ſonderes Markiren der Noten, welche in den Niederſchlag des Tactes tref - fen, dieſen Fehler zu bemaͤnteln; als mit dem Fuße zu ſchlagen: welches nicht ein jeder vertragen kann.

12. §.

Sollte bisweilen ein durch viele Perſonen begleitetes Concert ent - weder geſchwinder, oder langſamer, als es ſeyn ſoll, angefangen werden; und dabey durch gaͤhlinge Veraͤnderung des Zeitmaaßes, wenn man ſie alſobald verlangen wollte, eine Unordnung und Verwirrung zu be - fuͤrchten ſeyn: ſo thut ein Concertiſt, wofern nur der Unterſchied nicht gar zu groß iſt, wohl, wenn er das Ritornell ſo endigen laͤßt, wiees168Das XVI. Hauptſtuͤck. Was ein Floͤteniſt zu beob. hat,es angefangen worden. Bey der darauf folgenden Solopaſſagie aber, kann er durch einen deutlichen und recht markireten Anfang derſelben, das rechte Tempo zu erkennen geben.

13. §.

Jſt der Floͤteniſt, der ſich oͤffentlich will hoͤren laſſen, furchtſam, und noch nicht gewohnt, in Gegenwart vieler Menſchen zu ſpielen; ſo muß er ſeine Aufmerkſamkeit, in waͤhrendem Spielen, nur allein auf die Noten, die er vor ſich hat, zu richten ſuchen; niemals aber die Augeu auf die Anweſenden wenden: denn hierdurch werden die Gedanken zer - ſtreuet, und die Gelaſſenheit geht verlohren. Er unternehme nicht ſolche ſchwere Sachen, die ihm bey ſeiner beſondern Uebung noch niemals ge - lungen ſind; er halte ſich vielmehr an ſolche, die er ohne Anſtoß wegſpie - len kann. Die Furcht verurſachet eine Wallung des Gebluͤthes, wodurch die Lunge in ungleiche Bewegung gebracht wird, und die Zunge und Finger ebenfalls in eine Hitze gerathen. Hieraus entſteht nothwendiger Weiſe ein im Spielen ſehr hinderliches Zittern der Glieder: und der Floͤ - tenſpieler wird alſo nicht im Stande ſeyn, weder lange Paſſagien in ei - nem Athem, noch beſondere Schwierigkeiten, ſo wie bey einer gelaſſenen Gemuͤthsverfaſſung, herauszubringen. Hierzu koͤmmt auch noch wohl, daß er bey ſolchen Umſtaͤnden, abſonderlich bey warmem Wetter, am Munde ſchwitzet; und die Floͤte folglich nicht am gehoͤrigen Orte feſt lie - gen bleibt, ſondern unterwaͤrts glitſchet: wodurch das Mundloch derſelben zu viel bedecket, und der Ton, wo er nicht gar außen bleibt, doch zum we - nigſten zu ſchwach wird. Dieſem letztern Uebel bald abzuhelfen; wiſche der Floͤteniſt den Mund und die Floͤte rein ab, greife nachdem in die Haare, oder Peruͤke, und reibe den am Finger klebenden feinen Puder an den Mund. Hierdurch werden die Schweißloͤcher verſtopfet; und er kann ohne große Hinderniß weiter ſpielen.

14. §.

Aus dieſen Urſachen iſt einem jeden, der vor einer großen Verſamm - lung ſpielen muß, zu rathen, daß er nicht eher ein ſchweres Stuͤck zu ſpielen unternehme, als bis er fuͤhlet, daß er ſich in einer vollkommenen Gelaſſenheit beſinde. Die Zuhoͤrer koͤnnen nicht wiſſen wie ihm zu Muthe iſt; und beurtheilen ihn alſo, zumal wenn es das erſtemal iſt daß er vor ihnen ſpielet, nur nach dem was ſie hoͤren, nicht aber nach dem was er vor ſich auszufuͤhren faͤhig iſt. Es gereichet uͤberhaupt allezeit zu groͤßermVor -169wenn er in oͤffentlichen Muſiken ſpielet. Vortheile, wenn man ein leichtes Stuͤck reinlich, und ohne Fehler, als wenn man das allerſchwerſte Stuͤck mangelhaft ſpielet.

15. §.

Wenn unſerm Floͤteniſten bey der oͤffentlichen Ausfuͤhrung ſeines Stuͤcks einige Paſſagien nicht ſollten gelungen ſeyn; ſo ſpiele er ſelbige ſo lange vor ſich zu Hauſe, ſo wohl langſam als geſchwind, durch, bis er ſie mit eben derſelben Fertigkeit, als die uͤbrigen, heraus bringen kann: damit die Accompagniſten inskuͤnftige ſich nicht genoͤthiget finden, ihm hier und da nachzugeben; denn dieſes wuͤrde den Zuhoͤrern weder Vergnuͤ - gen bringen, noch dem Floͤteniſten Ehre machen.

16. §.

Hat einer, durch viele Uebung eine große Fertigkeit erlanget, ſo muß er derſelben doch nicht misbrauchen. Sehr geſchwind, und zugleich auch deutlich ſpielen, iſt zwar ein beſonderes Verdienſt; es koͤnnen aber gleichwohl oͤfters, wie die Erfahrung lehret, große Fehler daraus ent - ſtehen. Man wird dergleichen inſonderheit bey jungen Leuten, die weder die rechte reife Beurtheilungskraft, noch die wahre Empfindung haben, wie jedes Stuͤck nach ſeinem eigentlichen Zeitmaaße und Geſchmacke zu ſpielen ſey, gewahr. Solche junge Leute ſpielen mehrentheils alles was ihnen vorkoͤmmt, es ſey Preſto, oder Allegro, oder Allegretto, in einer - ley Geſchwindigkeit. Sie glauben wohl gar ſich dadurch vor andern be - ſonders hervor zu thun; da ſie doch, durch die uͤbertriebene Geſchwindig - keit, nicht nur das Schoͤnſte der Compoſition, ich meyne das untermi - ſchete Cantabile, verſtuͤmmeln und vernichten; ſondern auch, bey Ueber - eilung des Zeitmaaßes, ſich angewoͤhnen, die Noten falſch und undeutlich vorzutragen. Wer ſich nun hierinne nicht bey Zeiten zu verbeſſern ſu - chet, der bleibet in dieſem Fehler, welchen das Feuer der Jugend verur - ſachet, wo nicht immer, doch zum wenigſten bis weit in die maͤnnlichen Jahre, ſtecken.

17. §.

Bey der Wahl der Stuͤcke womit ſich ein Floͤteniſt, und jeder Concer - tiſt will hoͤren laßen, muß er ſich nicht nur nach ſich ſelbſt, nach ſeinen Kraͤften und ſeiner Faͤhigkeit, ſondern anch nach dem Orte wo er ſpielet, nach dem Accompagnement welches ihn begleitet, nach dem Umſtaͤnden worinn er ſpielet, und nach den Zuhoͤrern vor denen er ſich will hoͤren laſſen, richten.

Y18. §. An170Das XVI. Hauptſtuͤck. Was ein Floͤteniſt zu beob. hat,

18. §.

An einem großen Orte, wo es ſtark ſchallet, und wo das Accompa - gnement ſehr zahlreich iſt, machet eine große Geſchwindigkeit mehr Ver - wirrung als Vergnuͤgen. Er muß alſo bey ſolchen Gelegenheiten Con - certe erwaͤhlen, welche praͤchtig geſetzet, und mit vielem Uniſon vermi - ſchet ſind; Concerte, bey denen ſich die harmoniſchen Saͤtze nur immer zu ganzen oder zu halben Tacten aͤndern. Der an großen Orten allezeit entſtehende Wiederſchall verlieret ſich nicht ſo geſchwind; ſondern verwi - ckelt die Toͤne, wenn ſie gar zu geſchwinde mit einander abwechſeln, der - geſtalt unter einander, daß ſowohl Harmonie als Melodie unverſtaͤndlich wird.

19. §.

Jn einem kleinen Zimmer, wo wenig Jnſtrumente zur Begleitung da ſind, kann man hingegen Concerte nehmen, die eine galante und lu - ſtige Melodie haben, und worinnen die Harmonie ſich geſchwinder aͤndert als zu halben und ganzen Tacten. Dieſe laſſen ſich geſchwinder ſpielen, als jene.

20. §.

Wer ſich oͤffentlich will hoͤren laſſen, der muß die Zuhoͤrer, und ab - ſonderlich diejenigen darunter, an denen ihm am meiſten gelegen iſt, wohl in Betrachtung ziehen. Er muß uͤberlegen, ob ſie Kenner oder keine Kenner ſind. Vor Kennern kann er etwas mehr ausgearbeitetes ſpielen, worinne er Gelegenheit hat, ſeine Geſchiklichkeit ſowohl im Allegro als Adagio zu zeigen. Vor puren Liebhabern, die nichts von der Muſik ver - ſtehen, thut er hingegen beſſer, wenn er ſolche Stuͤcke vorbringt, in wel - chen der Geſang brillant und gefaͤllig iſt. Das Adagio kann er alsdenn auch etwas geſchwinder als ſonſt ſpielen; um dieſer Art von Liebhabern nicht lange Weile zu machen.

21. §.

Mit Stuͤcken die in einer ſehr ſchweren Tonart geſetzet ſind, muß man ſich nicht vor jedermann, ſondern nur vor ſolchen Zuhoͤrern hoͤren laſſen, die das Jnſtrument verſtehen, und die Schwierigkeit der Tonart auf demſelben einzuſehen vermoͤgend ſind. Man kann nicht in einer jeden Tonart das Brillante und Gefaͤllige, ſo wie es die meiſten Liebhaber ver - langen, reinlich heraus bringen.

22. §. Um171wenn er in oͤffentlichen Muſiken ſpielet.

22. §.

Um ſich bey den Zuhoͤrern gefaͤllig zu machen, giebt es einen großen Vortheil, wenn man die Gemuͤthsneigungen derſelben kennet. Ein cho - leriſcher Menſch kann mit praͤchtigen und ernſthaften Stuͤcken, ein zur Traurigkeit geneigter mit tiefſinnigen, chromatiſchen und aus Molltoͤnen geſetzeten Stuͤcken, ein luſtiger, aufgeweckter Menſch aber, mit luſtigen und ſcherzhaften Stuͤcken, befriediget werden. Beobachtet nun ein Mu - ſikus dieſes nicht, woferne er kann; oder thut er wohl gar das Gegen - theil: ſo wird er bey keinem Zuhoͤrer von dieſer Art ſeinen Entzweck voll - kommen erreichen.

23. §.

Dieſe Regel der Klugheit wird gemeiniglich von denen, die man wirklich vor gelehrte und geſchikte Tonkuͤnſtler erkennen muß, am aller - wenigſten beobachtet. Anſtatt daß ſie ſich zu erſt, durch gefaͤllige und begreifliche Stuͤcke, bey ihren Zuhoͤrern einſchmeicheln ſollten; ſchrecken ſie dieſelben vielmehr, aus Eigenſinn, gleich Anfangs, mit ihrer Gelehr - ſamkeit, ſo nur fuͤr die Kenner gehoͤret, ab: womit ſie doch oͤfters nichts mehr, als den Namen eines gelehrten Pedanten davon tragen. Wollten ſie ſich aber auf eine billige Art bequemen: ſo wuͤrde ihnen mehr Gerech - tigkeit, als insgemein geſchieht, wiederfahren.

24. §.

Wegen der Auszierungen im Adagio, muß ſich der Floͤteniſt, außer dem was oben geſaget worden, auch nach den Stuͤcken, ob ſolche zwey - drey - oder mehrſtimmig geſetzet ſind, richten. Bey einem Trio laſſen ſich wenig Manieren anbringen. Der zweyten Stimme muß die Gelegenheit nicht benommen werden, das Jhrige gleichfalls zu machen. Die Manie - ren muͤſſen von ſolcher Art ſeyn, daß ſie ſich ſowohl zur Sache ſelbſt ſchi - cken, als auch von dem Ausfuͤhrer der andern Stimme koͤnnen nach gema - chet werden. Man muß ſie nur bey ſolchen Gaͤngen anbringen, die aus Nachahmungen beſtehen, es ſey in der Quinte hoͤher, in der Quarte tie - fer, oder auf eben demſelbeu Tone. Haben beyde Stimmen, in Sexten oder Terzen, einerley Melodie gegen einander: ſo darf nichts zugeſetzet werden; es ſey denn, daß man vorher mit einander abgeredet haͤtte, ei - nerley Veraͤnderungen zu machen. Mit dem Piano und Forte muß ſich immer einer nach dem andern richten; damit das Ab - und Zunehmen des Tones zu gleicher Zeit geſchehe. Hat aber einer von beyden dann und wann eine Mittelſtimme, ſo daß die Noten hauptſaͤchlich geſetzet ſind umY 2die172Das XVI. Hauptſtuͤck. Was ein Floͤteniſt zu beob. hat,die Harmonie auszufuͤllen: ſo muß dieſer ſchwaͤcher ſpielen als der andere, welcher zu der Zeit die Hauptmelodie hat: damit die Gaͤnge, welche kei - ne Melodie haben, nicht zur Unzeit hervor ragen. Haben beyde Stim - men entweder Nachahmungen gegen einander, oder ſonſt einen aͤhnlichen Geſang, es ſey in Terzen oder Sexten; ſo koͤnnen beyde in einerley Staͤr - ke ſpielen.

25. §.

Machet einer im Trio eine Manier, ſo muß ſie der andere, wenn er, wie es ſeyn ſollte, Gelegenheit hat ſie nachzumachen, auf gleiche Art vortragen. Jſt er aber im Stande noch etwas Geſchiktes mehr zuzuſetzen, ſo thue er es am Ende der Manier; damit man ſehe, daß er dieſelbe ſo wohl ſimpel nachmachen, als auch veraͤndern koͤnne: denn es iſt leichter etwas vor - als nachzumachen.

26. §.

Ein angehender Concertiſt unternehme nicht, mit jemanden, dem er nicht gewachſen iſt, ein Trio zu ſpielen, wo er nicht verſichert iſt, daß der andere ſich herablaſſen, und ihm bequemen werde; ſonſt koͤmmt er ge - wiß zu kurz. Das Trio iſt eigentlich der Probierſtein, an welchem man die Staͤrke und Einſicht zwoer Perſonen am beſten beurtheilen kann. Ein Trio, wenn es anders gute Wirkung thun ſoll, erfodert auch, daß es von zwo Perſonen, welche einerley Vortrag haben, ausgefuͤhret werde: und wenn dieſes geſchieht, ſo halte ich es fuͤr eine der ſchoͤnſten und voll - kommenſten Arten von Muſik. Ein Quatuor iſt dieſem gleich, und an Harmonie noch reicher; wenn es anders, wie es wohl ſollte, mit vier Stimmen obligat, das iſt, daß keine Stimme ohne Schaden des Gan - zen wegbleiben kann, geſetzet iſt. Hier iſt noch weniger Freyheit etwas von willkuͤhrlichen Manieren zuzuſetzen, als im Trio. Die beſte Wir - kung hat man zu gewarten, wenn man den Geſang reinlich und unter - halten ſpielet.

27. §.

Jn einem Concert hat man, zumal im Adagio, in Anſehung der Manieren, mehr Freyheit, als im Trio: doch muß man beſtaͤndig auf die begleitenden Stimmen Achtung geben, ob ſie melodiſche Bewegungen, oder nur bloße Harmonie haben. Jſt das erſte; ſo muß man den Geſang ſimpel ſpielen. Jſt aber das andere; ſo kann man von Auszierungen ma - chen was man will: wenn man nur nicht wider die Regeln der Harmo - nie, des Geſchmackes, und der Vernunft handelt. Man iſt vor Feh -lern173wenn er in oͤffentlichen Muſiken ſpielet. lern mehr geſichert, wenn man im Adagio, in der Rolle der Concert - ſtimme, die Grundſtimme mit unter die obere ſchreibt: denn man kann die uͤbrigen Stimmen deſto leichter daraus errathen.

28. §.

Wenn der Floͤteniſt ein wohlgeſetztes Ritornell, in einem Arioſo, welches mit Daͤmpfern, oder ſonſt piano geſpielet werden ſoll, und deſſen Melodie im Solo zu Anfange wieder vorkoͤmmt, mit der Floͤte mitſpie - len wollte: ſo wuͤrde ſolches eben die Wirkung thun, als wenn ein Saͤnger das Ritornell einer Arie mitſaͤnge; oder als wenn einer in einem Trio, anſtatt der Pauſen, des andern ſeine Stimme mitſpielete. Wenn man aber das Ritornell den Violinen allein uͤberlaͤßt; ſo wird das darauf fol - gende Solo der Floͤte viel beſſern Eindruck machen, als ſonſt geſchehen wuͤrde.

29. §.

Jn einem Solo hat man eigentlich die meiſte Freyheit, ſeine eigenen Einfaͤlle, wenn ſie gut ſind, hoͤren zu laſſen: weil man es da nur mit ei - ner Gegenſtimme zu thun hat. Hier koͤnnen ſo viele Auszierungen, als der Geſang und die Harmonie leidet, angebracht werden.

30. §.

Hat ein Floͤteniſt mit einer Singſtimme zu concertiren; ſo muß er ſuchen, ſich mit derſelben, im Tone und in der Art des Vortrages, ſo viel als moͤglich iſt, zu vereinigen. Er darf nichts veraͤndern, als nur da, wo ihm durch Nachahmungen Gelegenheit dazu gegeben wird. Die Ma - nieren muͤſſen von ſolcher Art ſeyn, daß ſie die Stimme nachmachen kann: weswegen er die weitlaͤuftigen Spruͤnge vermeiden muß. Hat aber die Stimme einen ſimpeln Geſang, und die Floͤte beſondere Bewe - gungen daruͤber: ſo kann er ſo viel zuſetzen, als er fuͤr gut befindet. Pau - ſiret die Stimme, ſo kann er mit noch mehrerer Freyheit ſpielen. Jſt die Stimme ſchwach, und man muſiciret in einem Zimmer: ſo muß der Floͤteniſt mehr ſchwach als ſtark ſpielen. Auf dem Theater hingegen kann er etwas ſtaͤrker blaſen: weil da das Piano mit der Floͤte nicht viel Wir - kung thut. Doch muß er den Saͤnger nicht mit gar zu vielen Veraͤnde - rungen uͤberhaͤufen: damit derſelbe, weil er auswendig ſingen muß, nicht in Unordnung gebracht werde.

31. §.

Es iſt viel vortheilhafter fuͤr einen Tonkuͤnſtler, wenn er immer et - was von ſeiner Wiſſenſchaft zum Hinterhalte behaͤlt; um ſeine ZuhoͤrerY 3mehr174Das XVI. Hauptſtuͤck. Was ein Floͤteniſt zu beob. hat, ꝛc. mehr als einmal uͤberraſchen zu koͤnnen: als wenn er gleich das erſtemal ſeine ganze Wiſſenſchaft ausſchuͤttet; und man ihn alſo ein fuͤr allemal ge - hoͤret hat.

32. §.

Wenn er von jemanden erſuchet wird, ſich hoͤren zu laſſen, ſo thue er es bald, und ohne viele Grimaſſen oder verſtellete Beſcheidenheit. Hat er aber ſein Stuͤck geendiget; ſo dringe er ſich nicht auf mehr, zu ſpie - len, als von ihm verlanget wird: damit man ihn nicht wieder ſo viel bit - ten muͤſſe aufzuhoͤren, als man ihn bitten mußte anzufangen: wie man insgemein den Virtuoſen nachſaget.

33. §.

Obwohl der Beyfall der Zuhoͤrer zu einer Aufmunterung dienen kann: ſo muß man, deſſen ungeachtet, durch das uͤberfluͤßige Loben, welches bey der Muſik zum Misbrauche worden, vielleicht weil es einige phanta - ſtiſche Jgnoranten unter den welſchen Saͤngern, bey aller ihrer Unwiſſen - heit, faſt als eine Pflicht, die man ihrem bloßen Namen ſchuldig ſeyn ſoll, verlangen, ſich nicht verfuͤhren laſſen. Man muß ſolches vielmehr, zu - mal wenn man es von guten Freunden erhaͤlt, eher fuͤr eine Schmeiche - ley, als fuͤr eine Wahrheit annehmen. Die rechte Wahrheit kann man eher durch vernuͤnftige Feinde, als durch ſchmeichleriſche Freunde, erfah - ren. Findet man aber einen verſtaͤndigen, treuen, und von der Schmei - cheley entferneten Freund, welcher gleich durchgeht; das was zu loben iſt, lobet, und das was zu tadeln iſt, tadelt: ſo hat man ſolchen billig als einen großen Schatz anzuſehen, ſeinen Ausſpruͤchen zu trauen, und nach denſelben entweder ein Herz zu faſſen, oder auf Beſſerung bedacht zu ſeyn. Sollten ſich hingegen zuweilen einige finden, welche nur tadeln, nie - mals aber loben; welche, vielleicht aus verborgenen Abſichten, alles was ein anderer, den ſie fuͤr geringer halten als ſich ſelbſt, vorbringt, zu ver - werfen ſuchen: ſo muß man ſich dadurch eben auch nicht ganz und gar nie - derſchlagen laſſen. Man ſuche vielmehr ſeiner Sache immer gewiſſer zu werden; man erforſche mit Fleiß in wie weit ſie Recht haben; man befrage andere Verſtaͤndigere darum. Findet man etwas das beſſer ſeyn koͤnnte, ſo verbeſſere man es ſorgfaͤltig; und vertrage im uͤbrigen eine uͤbertriebene Tadelſucht, mit einer großmuͤthigen Gelaſſenheit.

Das175

Das XVII. Hauptſtuͤck. Von den Pflichten derer, welche accompagniren, oder die einer concertirenden Stimme zugeſelleten Begleitungs - oder Ripienſtimmen ausfuͤhren.

1. §.

Wer die alte Muſik gegen die neue, und den Unterſchied, der ſich nur ſeit einem halben Jahrhunderte her, von zehn zu zehn Jah - ren, darinne geaͤuſſert hat, betrachtet; der wird finden, daß die Componiſten, in Erfindung der, zu lebhafter Ausdruͤckung der Lei - denſchaften, erfoderlichen Gedanken, ſeit verſchiedenen Jahren, mehr als jemals nachſuchen, und ſie ins Feine zu bringen, ſich bemuͤhen. Dieſes Nachſuchen in der Setzkunſt aber, wuͤrde von wenig Nutzen ſeyn, ſo fer - ne es nicht auch zu gleicher Zeit, in Anſehung der Ausfuͤhrung (execu - tion) geſchaͤhe.

2. §.

Ein jeder Gedanke kann auf verſchiedene Art, ſchlecht, mittel - maͤßig, und gut vorgetragen werden. Ein guter und deutlicher, und jeder Sache gemaͤßer Vortrag kann einer mittelmaͤßigen Compoſition auf - helfen; ein undeutlicher und ſchlechter hingegen, kann die beſte Compoſi - tion verderben.

3. §.

Da nun die Erfahrung zeiget, daß es, durch der Componiſten Be - muͤhen neue Gedanken zu erfinden, dahin gekommen iſt, daß den Ripien - ſtimmen itziger Zeit weit mehr zugemuthet wird, als vor dieſem; und daß in gegenwaͤrtigen Zeiten manche Ripienſtimme ſchwerer zu ſpielen iſt, als vor Alters vielleicht ein Solo war: ſo folget nothwendig hieraus, daß auch die Ausfuͤhrer der Ripienſtimmen, ſo ferne die Componiſten ihren Ent -zweck176Das XVII. Hauptſtuͤck. Von den Pflichten derer, ꝛc. zweck erreichen ſollen, gegenwaͤrtig viel ein mehreres zu wiſſen noͤthig ha - ben, als vor Alters nicht erfodert wurde.

4. §.

Betrachtet man aber deu Zuſtand der meiſten Muſiken, ſo wohl an Hoͤfen, als in Republiken und Staͤdten, ſo findet ſich im Accompagne - ment, vornehmlich wegen der großen Ungleichheit im Spielen, eine ſo große Unvollkommenheit, die ſich keiner einbilden kann, er habe ſie denn ſelbſt erfahren: woraus nichts anders zu ſchluͤßen iſt, als daß manche ſchoͤne Compoſition verſtuͤmmelt werden muͤſſe; und daß die Ausfuͤhrung deswegen einer Verbeſſerung nothwendig beduͤrfe.

5. §.

Zu dieſer Verbeſſerung kann durch nichts anders, als entweder durch einen muͤndlichen oder ſchriftlichen Unterricht, der Grund gelegt werden. Da nun das erſtere ſelten geſchieht: weil es bey den meiſten Muſiken an einem guten Anfuͤhrer, der die gehoͤrige Einſicht hat, fehlet; das letztere aber, meines Wiſſens, noch niemals geſchehen iſt: ſo habe ich mich zu dem Ende entſchloſſen, hiermit einen Anfang und Verſuch zu machen, denen, ſo eine aufrichiige Begierde haben, ihren Pflichten im Accompa - gnement eine Gnuͤge zu leiſten, mit meiner wenigen, doch aus langer Erfahrung und Uebung erlangten Einſicht, zu dienen; und das, was bey dem Accompagnement am meiſten beobachtet werden muß, ſo viel als moͤglich iſt, zu erklaͤren.

6. §.

Damit ein jeder das, was ihn ins beſondere angeht, ohne vieles Nachſuchen gleich finden koͤnne, will ich dieſes Hauptſtuͤck in verſchiedene Abſchnitte eintheilen; und erſtlich die Eigenſchaften eines Anfuͤhrers der Muſik beſchreiben; alsdenn die Pflichten, ſo dem Ausfuͤhrer einer jeden von den begleitenden Stimmen ins beſondere obliegen, bemerken; zuletzt aber, einige nothwendige Anmerkungeu, welche alle Begleiter zugleich angehen, beyfuͤgen. Die Lehre vom Bogenſtriche, und was dem anhaͤngig iſt, handele ich zwar bey den Pflichten der Violiniſten allein ab: weil aber doch dabey Vieles mit vorkoͤmmt, welches ſich auch die Bratſchiſten und Baßinſtrumentiſten zu Nutze machen koͤnnen; und ich ſolches, um nicht ohne Noth weitlaͤuftig zu werden, bey den Abſchnitten ſo dieſen Jn - ſtrumenten gewidmet ſind, nicht nochmals habe wiederholen wollen: ſo werden alle uͤbrigen Bogeninſtrumentiſten wohl thun, wenn ſie auch die - ſen Abſchnitt durchzuleſen belieben wollen. Was aber den Strich einesjeden177jeden der Mittel - und Baßinſtrumente nur allein angeht, habe ich in dem, einem ieglichen gewidmeten Abſchnitte, bemerket.

Des XVII. Hauptſtuͤcks I. Abſchnitt. Von den Eigenſchaften eines Anfuͤhrers der Muſik.

1. §.

Es iſt nicht moͤglich, daß ein Anfuͤhrer, ſo gut er auch ſeyn mag, die gute Ausnahme der Muſik allein bewerkſtelligen koͤnne: wo nicht ein jeder, der ihm zugeordneten, das Seinige auch gehoͤrig beytragen will. Jch habe aber, an verſchiedenen Orten, bey großen Orcheſtern, wahr - genommen, daß, wenn eben dieſelben Perſonen, bald von einem, bald von einem andern ſind angefuͤhret worden, die Wirkung doch, unter des einen Anfuͤhrung immer beſſer, als unter des andern ſeiner, erfolget iſt. Jch ſchluͤße alſo hieraus, daß man dieſe ungleiche Wirkung, nicht den Ripieniſten, ſondern den Anfuͤhrern zuſchreiben muͤſſe: und daß folglich ein Großes auf den Anfuͤhrer ankomme.

2. §.

Da nun dem alſo iſt: ſo waͤre zu wuͤnſchen, daß, um die Muſik ie mehr und mehr in eine allgemeine Aufnahme zu bringen, an einem jeden Orte, wo eine Muſik aufgerichtet iſt, zum wenigſten nur ein geſchikter und erfahrner Muſikus ſich befaͤnde, der nicht allein die Einſicht eines deutlichen Vortrags haͤtte, ſondern auch, nebſt der Harmonie, etwas von der Setzkunſt verſtuͤnde, um die Art womit ein jedes Stuͤck ausge - fuͤhret werden muß, recht treffen zu koͤnnen: damit die Compoſition nicht auf ſo mancherley Weiſe verſtuͤmmelt und verderbet wuͤrde. Man ſollteZſich178Des XVII. Hauptſtuͤcks. I. Abſchnitt. ſich um einen Mann bemuͤhen, der ſo wohl die Gabe, als die Aufrichtig - keit, andern die ihnen noͤthigen Wiſſenſchaften beyzubringen, beſaͤße. Es wuͤrden ſodann, in kurzer Zeit, ſo wohl beſſere Soloſpieler, als Ri - pieniſten, zum Vorſchein kommen. Denn es iſt nicht zu laͤugnen, daß zum Wachsthume, oder der Verbeſſerung eines Orcheſters, eben nicht hoͤchſtnoth - wendig ſey, an einem jeden Orte, oder bey einer jeden Muſik, einen be - ſonders guten Componiſten zu haben. Es fehlet nicht an ſehr vielen guten muſikaliſchen Stuͤcken: wenn man ſolche nur vernuͤnftig und wohl zu waͤh - len weis. Es koͤmmt vielmehr, und zwar hauptſaͤchlich, auf einen, mit obengemeldeten Eigenſchaften geziereten, guten Anfuͤhrer an. Allein, ſo werden, leider, oͤfters nur ſolche zu Anfuͤhrern erwaͤhlet, die entweder durch das Vorrecht der Jahre in einem Orcheſter hinauf ruͤcken: oder es wird etwan einer eingeſchoben, der das Gluͤck hat, ſich mit einem vielleicht auswendig gelernten Solo oder Concert einzuſchmeicheln: ohne weiter zu unterſuchen, ob er auch die gehoͤrige Wiſſenſchaft, andere an - zufuͤhren, beſitze. Bisweilen wird die Wahl gar zufaͤlliger Weiſe getrof - fen. Und dieſes iſt um ſo viel weniger zu verwundern, wenn die Wahl, wie nicht ſelten geſchieht, ſolchen Leuten aufgetragen wird, die wenig oder gar nichts von der Muſik verſtehen. Jſt nun einer von dieſen Feh - lern bey der Wahl vorgefallen, ſo kann man ſich bey einem dergleichen Orcheſter, eher einen Verfall, als eine Verbeſſerung verſprechen. Und wenn man ſich oͤfters bey der Wahl des Anfuͤhrers, auf den doch ſo viel ankoͤmmt, ſo uͤbel vorſieht; ſo iſt daraus abzunehmen, wie die Wahl der andern Mitglieder eines Orcheſters beſchaffen ſeyn koͤnne. Man wuͤrde demnach wohl thun, wenn man ſich beſonders einen Mann zum Anfuͤhrer zu waͤhlen bemuͤhete, der einige Jahre, in großen und beruͤhmten Orche - ſtern mitgeſpielet, und ſich darinne, im guten Vortrage und andern noͤ - thigen Wiſſenſchaften, geuͤbet haͤtte. Es iſt gewiß, daß ſich in großen Orcheſtern, oͤfters Leute befinden, welche mehr Einſicht in die Ausfuͤhrung haben, als bey manchem Orcheſter der Anfuͤhrer: und iſt wirklich Scha - de, daß ſolche Leute nicht eines beſſern Gluͤcks theilhaftig werden ſollen; wodurch ſie mehr Gutes ſtiften koͤnnten, als wenn ſie beſtaͤndig, hinter der Hand, als Ripieniſten, ſitzen bleiben muͤſſen.

3. §.

Ob ein Anfuͤhrer dieſes oder jenes Jnſtrument ſpiele, koͤnnte allen - falls gleich viel ſeyn. Weil aber die Violine zum Accompagnement ganz unentbehrlich, auch durchdringender iſt, als kein anderes von denen Jn -ſtrumenten,179Von den Eigenſchaften eines Anfuͤhrers der Muſik. ſtrumenten, die am meiſten zur Begleitung gebrauchet werden: ſo iſt es beſſer, wenn er die Violine ſpielet. Doch iſt es eben keine dringende Nothwendigkeit, daß er die Faͤhigkeit beſitzen muͤſſe, beſondere Schwie - rigkeiten auf ſeinem Jnſtrumente hervor zu bringen: denn dieſes koͤnnte man allenfalls denen uͤberlaſſen, ſo ſich nur durch das gefaͤllige Spielen zu unterſcheiden ſuchen; deren man auch genug findet. Beſitzt aber ein Anfuͤhrer auch dieſes Verdienſt, ſo iſt er deſto mehrerer Ehre werth.

4. §.

Der hoͤchſte Grad, der von einem Anfuͤhrer erfoderlichen Wiſſen - ſchaft, iſt: daß er eine vollkommene Einſicht habe, alle Arten der Compo - ſition nach ihrem Geſchmacke, Affecte, Abſicht und rechtem Zeitmaaße zu ſpielen. Es muß derſelbe alſo faſt mehr Erfahrung vom Unterſchiede der Stuͤcke haben, als ein Componiſt ſelbſt. Denn dieſer bekuͤmmert ſich oͤfters um nichts anders, als was er ſelbſt geſetzet hat. Mancher weis auch wohl zuweilen ſeine eigenen Sachen nicht allemal im gehoͤrigen Zeit - maaße aufzufuͤhren: entweder aus allzugroßer Kaltſinnigkeit, oder aus uͤberhaͤufter Hitze, oder aus Mangel der Erfahrung. Einem klugen An - fuͤhrer aber iſt es leicht dieſen Fehler zu verbeſſern; beſonders wenn er in einem wohlgezogenen Orcheſter, und unter einem guten Anfuͤhrer, wo er vielerley Arten von Muſik mitgeſpielet hat, iſt erzogen worden. Haͤtte er aber dieſe Gelegenheit nicht gehabt, ſo muß er zum wenigſten an ver - ſchiedenen Orten, wo er gute Muſiken hoͤren koͤnnen, geweſen ſeyn, und davon Nutzen gezogen haben; und ſo ferne es ihm ein Ernſt iſt, ſeinem Amte wohl vorzuſtehen, kann er auch durch Unterredungen mit erfahr - nen Leuten, viel profitiren: weil die ihm noͤthige Wiſſenſchaft, hier - durch mehr, als durch das Bemuͤhen große Schwierigkeiten zu ſpielen, erlernet wird.

5. §.

Er muß zu dem Ende ferner: das Zeitmaaß in der groͤßten Voll - kommenheit zu halten wiſſen. Er muß die Geltung der Noten, insbe - ſondere auch der kurzen Pauſen, ſo aus Sechzehntheilen, und Zwey und dreyßigtheilen beſtehen, auf das genaueſte in Acht zu nehmen verſtehen; um weder zu eilen, noch zu zoͤgern. Denn wenn er hierinne einen Feh - ler machet, ſo verfuͤhret er die uͤbrigen alle, und verurſachet eine Verwir - rung bey der Muſik. Nach den kurzen Pauſen wuͤrde es weniger ſchaden, wenn er ſpaͤter anfienge, und die folgenden kurzen Noten etwas uͤbereile - te, als wenn er ſie voraus naͤhme. Bevor er ein Stuͤck anfaͤngt, mußZ 2er180Des XVII. Hauptſtuͤcks. I. Abſchnitt. er daſſelbe wohl unterſuchen, in was vor einem Zeitmaaße es geſpielet werden ſoll. Wenn es ein geſchwindes und ihm unbekanntes Stuͤck iſt; thut er beſſer, wenn er zu langſam, als wenn er zu geſchwinde anfaͤngt: indem man leichter, und ohne große Aenderung aus dem Langſamen ins Geſchwinde, als aus dem Geſchwinden ins Langſame gehen kann. Doch hat er dieſerwegen hauptſaͤchlich darauf zu ſehen, ob die Ripieniſten mehr zum Eilen als zum Zaudern und Nachſchleppen geneigt ſind. Das erſtere geſchieht leichtlich bey jungen, und das letztere bey alten Leuten. Des - wegen muß er ſuchen, dieſe ins Feuer zu bringen, jene aber darinne zu maͤßigen. Weis er aber das rechte Tempo gleich zu faſſen, ſo iſt es deſto beſſer, und faͤllt dieſe Vorſorge alsdenn weg. Damit aber auch die an - dern, beſonders bey geſchwinden Noten, mit ihm zugleich anfangen koͤn - nen; muß er ſie gewoͤhnen, daß ſie den erſten Tact des Stuͤcks ins Ge - daͤchtniß faſſen, den Bogen nahe bey den Seyten halten, und auf ſeinen Bogenſtrich Achtung geben. Widrigenfalls wuͤrde er bey der erſten Note warten muͤſſen, bis die andern nachkaͤmen, und alſo die Note dadurch verlaͤngern: welches aber bey geſchwinden Noten eine uͤble Wirkung thut. Er ſelbſt muß nicht eher anfangen, bis er ſieht, daß die uͤbrigen Muſici alle in Bereitſchaft ſind; beſonders wenn jede Stimme nur einmal beſetzet iſt: damit der Anfang, welcher den Zuhoͤrer uͤberraſchen, und zu einer Auf - merkſamkeit antreiben ſoll, nicht mangelhaft ſey. Das Ausbleiben der Grundſtimmen wuͤrde hierbey den meiſten Schaden verurſachen.

6. §.

Das Geſicht und Gehoͤr muß er oͤfters ſo wohl auf den Ausfuͤhrer der Hauptſtimme, als auf die Begleiter richten: im Fall es noͤthig waͤre, dem einen nachzugeben, und die andern in der Ordnung zu erhalten. Aus des Concertiſten ſeinem Vortrage muß er fuͤhlen, ob er das was er ſpie - let geſchwinder oder langſamer haben wolle: damit er, ohne ſonderbare Bewegungen, die andern dahin lenken koͤnne. Dem Concertiſten aber muß er die Freyheit laſſen, ſein Tempo ſo zu faſſen, wie er es fuͤr gut befindet.

7. §.

Ein guter Anfuͤhrer muß weiter: bey dem Orcheſter einen guten und gleichen Vortrag einzufuͤhren, und zu erhalten ſuchen. So wie er ſelber einen guten Vortrag haben muß, ſo muß er auch ſuchen denſelben bey ſeinen Mitarbeitern allgemein, und dem ſeinigen allezeit gleich zu ma - chen. Zu dem Ende muß er eine vernuͤnftige und billige Subordinationeinzu -181Von den Eigenſchaften eines Anfuͤhrers der Muſik. einzufuͤhren wiſſen. Haben ſeine Verdienſte ihm Hochachtung, und ſein freundliches Bezeigen und leutſeliger Umgang ihm Liebe erworben, ſo wird ſolches nicht ſchwer ſeyn.

8. §.

Fuͤr richtige und gleiche Einſtimmung der Jnſtrumente muß er beſondere Sorge tragen. Je allgemeiner der Mangel des richtigen Zu - ſammenſtimmens iſt; ie mehr Schaden richtet er an. Der Ton des Or - cheſters mag hoch oder tief ſtehen, ſo wird er doch nicht vermoͤgend ſeyn, die Verhinderung, ſo eine ungleiche Stimmung an der guten Ausnahme machet, zu erſetzen. Der Anfuͤhrer muß alſo, wenn er eine richtige Stim - mung erhalten will, ſein Jnſtrument, bey Auffuͤhrung einer Muſik, zu - erſt nach dem Claviere rein ſtimmen; und darauf, nach demſelben, einen jeden Jnſtrumentiſten insbeſondere einſtimmen laſſen. Damit aber die Jnſtrumente, ſo ferne die Muſik nicht ſogleich angeht, nicht wieder ver - ſtimmet werden; muß er nicht geſtatten, daß ein jeder die Freyheit habe, nach eigenem Gefallen zu praͤludiren und zu phantaſiren: welches ohnedem ſehr unangenehm zu hoͤren iſt, und verurſachet, daß oͤfters ein jeder ſein Jnſtrument noch nachſtimmet, und endlich von der allgemeinen Stim - mung abweichet.

9. §.

Sollten unter dem Ripieniſten ſich einige befinden, deren Vortrag von andern noch unterſchieden waͤre: muß er ſolche insbeſondere zur Ue - bung vornehmen, um ihnen die rechte Art beyzubringen: damit nicht ei - ner z. E. einen Triller hinſetze, wo andere ſimpel ſpielen; oder Noten ſchleife, welche von andern geſtoßen werden; oder nach einem Vorſchlage einen Mordanten mache, den die andern weglaſſen: weil doch die groͤßte Schoͤnheit der Ausfuͤhrung darinne beſteht, daß alle in einerley Art ſpielen.

10. §.

Er muß dahin ſehen, daß alle ſeine Gefaͤhrten, mit ihm, nachdem es jede Sache erfodert, allezeit in gleicher Staͤrke oder Schwaͤche ſpie - len; beſonders aber bey dem Wechſel des Piano und Forte, und ihrer verſchiedenen Stufen, ſolche bey denen Noten, wo ſie geſchrieben ſtehen, alle zugleich ausdruͤcken. Er ſelbſt muß ſich nach der concertirenden Stimme, ob ſolche ſtark oder ſchwach iſt, richten. Und weil er andern zum Muſter und zum Anfuͤhrer dienen ſoll, ſo wird es ihm ruͤhmlich ſeyn, wenn er jederzeit gleiche Aufmerkſamkeit bezeiget, und eine jede Compoſi -Z 3tion,182Das XVII. Hauptſtuͤck. II. Abſchnitt. tion, ſie ſey von wem ſie wolle, ohne Partheylichkeit, mit eben demſelben Ernſt und Eifer ausfuͤhret, als wenn es ſeine eigene waͤre. Der Verfaſ - ſer des Stuͤcks ſey gegenwaͤrtig oder abweſend, billig oder unbillig; ſo wird er, wenn er es auch, vielleicht aus falſchen Abſichten, oͤffentlich nicht kund machen will, ihm doch wenigſtens heimlich, fuͤr ſeine Redlichkeit, und fuͤr die gute Auffuͤhrung ſeiner Arbeit, Dank ſagen muͤſſen: weil ſo wohl die Tugenden, als die Laſter, ihre Beſitzer belohnen.

11. §.

Um ſeine Jnſtrumentiſten noch mehr im guten Vortrage feſt zu ſe - tzen, und gute Accompagniſten mit zu erziehen, thut ein Anfuͤhrer wohl, wenn er, außer noch vielen andern Arten von Muſik, auch oͤfters Ouver - tuͤren, charakteriſirte Stuͤcke, und Taͤnze, welche markiret, hebend, und entweder mit einem kurzen und leichten, oder mit einem ſchweren und ſcharfen Bogenſtriche geſpielet werden muͤſſen, zur Uebung vornimmt. Er wird die Accompagniſten dadurch gewoͤhnen, ein jedes Stuͤck nach ſei - ner Eigenſchaft, praͤchtig, feurig, lebhaft, ſcharf, deutlich, und egal zu ſpielen. Die Erfahrung beweiſet, daß diejenigen, welche unter gu - ten Muſikanten-Banden erzogen ſind, und viele Zeit zum Tanze geſpielet haben, beſſere Ripieniſten abgeben, als die, welche ſich nur allein in der galanten Spielart, und in einerley Art von Muſik geuͤbet haben. Denn wie, zum Exempel, ein feiner Pinſelſtrich, bey einer theatraliſchen Ma - lerey, die man nur bey Lichte, und von weitem ſehen muß, nicht ſo gute Wirkung thut, als bey einem Cabinetſtuͤcke: alſo thut auch, in einem zahlreichen Orcheſter, bey dem Accompagnement, das allzu galante Spie - len, und ein langer, ſchleppender, oder ſaͤgender Bogen, nicht ſo gut, als bey einem Solo, oder in einer kleinen Kammermuſik.

12. §.

Der Glanz eines Orcheſters wird aber auch beſonders vermehret, wenn ſich gute Soloſpieler, auf verſchiedenen Jnſtrumenten, in demſel - ben befinden. Ein Anfuͤhrer muß ſich alſo bemuͤhen: gute Soloſpieler zu - zuziehen. Zu dem Ende muß er denen, ſo im Stande ſind, ſich allein hoͤren zu laſſen, oͤfters Gelegenheit geben, ſich nicht nur insbeſondere, ſondern auch bey oͤffentlichen Muſiken, hervor zu thun. Doch muß er ſich zugleich bemuͤhen, zu verhindern, daß nicht einer oder der andere, wie abſonderlich bey jungen Leuten ſehr leicht geſchehen kann, dadurch zu einer falſchen Einbildung verleitet werde, als ob er ſchon derjenige große Muſikus waͤre, der er erſt mit der Zeit noch werden ſoll. Sollten auchja183Von den Eigenſchaften eines Anfuͤhrers der Muſik. ja einige einen ſo unvernuͤnftigen Stolz bey ſich faſſen: ſo wuͤrde doch ein Anfuͤhrer uͤbel thun, wenn er um jener willen, andere wollte leiden laſſen, welche dieſe Gelegenheit ſich oͤffentlich zu zeigen als eine Wohl - that, zu ihrem Beſten, erkennen, und zum Nutzen anzuwenden bemuͤ - het ſind.

13. §.

Endlich muß auch ein Anfuͤhrer: die Jnſtrumentiſten, bey einer Muſik, gut einzutheilen, zu ſtellen, und anzuordnen wiſſen. Auf die, nach gehoͤriger Verhaͤltniß eingerichtete, gute Beſetzung und Stellung der Jnſtrumente, koͤmmt viel an. Jm Orcheſterplatze eines Opernhauſes, kann der erſte Clavicymbal in die Mitte, und zwar mit dem breiten Ende gegen das Parterre, und mit der Spitze gegen das Theater geſetzet werden: damit der Spieler deſſelben die Saͤnger im Geſichte habe. Zu ſeiner Rechten kann der Violoncell, zur Linken der Contraviolon ſeinen Platz haben. Neben dem erſten Clavicymbal, zur Rechten, kann der An - fuͤhrer, ein wenig vorwaͤrts, und erhoͤhet ſitzen. Die Violiniſten und Bratſchiſten koͤnnen von ihm an einen engen laͤnglichten Kreiß formiren; ſo daß die letzten mit dem Ruͤcken an das Theater, und bis an die Spitze des Clavicymbals kommen: damit ſie den Anfuͤhrer alle ſehen und hoͤren koͤnnen. Jſt aber das Orcheſter ſo geraum, daß vier Perſonen, in der Breite, neben einander Platz haben: ſo koͤnnen die Ausfuͤhrer der zwey - ten Violine, zu zweenen und zweenen hinter einander, in der Mitte, zwiſchen den Ausfuͤhrern der erſten Violine, und den, mit dem Ruͤcken am Theater ſitzenden Bratſchiſten, ſitzen: denn ie naͤher die Jnſtrumente beyſammen ſind, ie beſſere Wirkung thut es. Auf derſelben Seite, am Ende, wo die Violiniſten aufhoͤren, kann noch ein Violoncell, und ein großer Violon Platz finden. Auf der linken Seite des erſten Clavicymbals ſtelle man den zweyten, die Laͤnge am Theater hin, und mit der Spitze gegen den erſten zugekehret: doch ſo, daß die Baſſons noch dahinter Platz fin - den koͤnnen; woferne man ſie nicht, zu des zweyten Clavicymbals rechter Seite, hinter die Floͤten, bringen will. Bey dieſem zweyten Clavicym - bal, koͤnnen noch ein paar Violoncelle ihre Stelle haben. Auf dieſer linken Seite des Orcheſters, koͤnnen die Hoboen und Waldhoͤrner, mit dem Ruͤcken nach den Zuhoͤrern gekehret, wie auf der rechten Seite die erſten Violinen, in einer Reihe ſitzen: die Floͤten aber, nahe bey dem er - ſten Clavicymbal, in die Quere poſtiret werden, ſo daß ſie das Geſicht gegen den Clavicymbal, und das untere Ende der Floͤte gegen das Par -terre184Des XVII. Hauptſtuͤcks. I. Abſchnitt. terre wenden. Doch werden an einigen Orten, wo zwiſchen dem Orche - ſter und den Zuhoͤrern noch ein leerer Platz befindlich iſt, die Floͤten mit dem Ruͤcken gegen das Parterre, und die Hoboen in die Quere, zwiſchen ſie, und den zweyten Clavicymbal geſetzet. Die Hoboen thun abſonder - lich bey dem Tutti, zum Ausfuͤllen, eine treffliche Wirkung, und ihr Schall verdienet alſo billig einen freyen Ausgang zu haben; welchen die Floͤten, alsdenn, wenn niemand nahe hinter ihnen ſteht, wofern ihre Ausfuͤhrer ſich nur ein klein wenig auf die Seite wenden, auch erhalten: und dieſes um ſo viel mehr, weil ſie den Zuhoͤrern alsdenn naͤher ſind. Die Theorbe findet hinter dem zweyten Clavicymbal, und den ihm zu - geordneten Violoncelliſten, bequemen Platz.

14. §.

Bey einer zahlreichen Muſik, die entweder in einem Saale, oder ſonſt an einem großen Orte, wo kein Theater iſt, aufgefuͤhret wird, kann die Spitze des Clavicymbals gegen die Zuhoͤrer gerichtet werden. Damit keiner der Muſicirenden den Zuhoͤrern den Ruͤcken zukehre: ſo koͤnnen die er - ſten Violiniſten, nahe am Clavicymbal, in einer Reihe nach einander hin ſtehen; und zwar der Anfuͤhrer, bey dem Clavieriſten, welcher die bey - den mit ihm ſpielenden Baßinſtrumente zu beyden Seiten neben ſich hat, zur rechten Hand. Die zweyte Violine kann hinter die erſte; und hinter dieſe, die Bratſche kommen. Neben die Bratſche, zur Rechten, ſtelle man in eben der Reihe die Hoboen; und hinter dieſe Reihe die Waldhoͤr - ner, und die uͤbrigen Baͤſſe. Die Floͤten, wenn ſie etwas zu concerti - ren haben, ſchicken ſich am beſten bey die Spitze des Clavicymbals, vor die erſte Violine; oder auf die linke Seite des Fluͤgels. Denn wegen der Schwaͤche ihres Tones, wuͤrden ſie, wenn ſie weiter zuruͤck ſtuͤnden, nicht gehoͤret werden. Eben denſelben Platz koͤnnen auch die Saͤnger nehmen: weil ſie ſonſt, wenn ſie ſich hinter den Clavieriſten ſtellen, und aus der Partitur ſingen, nicht nur den Violoncelliſten und Contravioloniſten hindern; ſondern auch, wenn ſie ſich etwan wegen bloͤden Geſichts buͤcken muͤſſen, das Athemholen verhindern, und die Stimme unterdruͤcken.

15. §.

Bey einer kleinen Kammermuſik kann der Clavicymbal an die Wand geſetzet werden, die ſeinem Spieler zur linken Hand iſt: doch ſo weit von derſelben abgeruͤcket, daß alle accompagnirenden Jnſtrumentiſten, die Baͤſſe ausgenommen, zwiſchen ihm und der Wand Platz haben. Sind nur vier Violinen vorhanden; ſo koͤnnen dieſelben in einer Reihe,an185Von den Eigenſchaften eines Anfuͤhrers der Muſik. an dem Clavicymbal hin, und die Bratſche hinter denſelben ſtehen. Sind aber der Violinen ſechs oder acht; ſo wuͤrde es beſſer ſeyn, wenn die zweyte Violine hinter die erſte, und die Bratſche hinter die zweyte Violine ge - ſtellet wuͤrde: damit die Mittelſtimmen nicht vor der Hauptſtimme hervor ragen: weil ſolches eine uͤble Wirkung thut. Die Concertiſten koͤnnen, in dieſen Faͤllen, ihren Platz vor dem Fluͤgel auf ſolche Art nehmen, daß ſie die Begleiter ſeitwaͤrts im Geſichte haben.

16. §.

Wer eine Muſik gut auffuͤhren will, muß drauf ſehen, daß er ein jedes Jnſtrument, nach ſeinem Verhaͤltniß, gehoͤrig beſetze; und nicht von der einen Art zu viel, von der andern zu wenig nehme. Jch will ein Ver - haͤltniß vorſchlagen, welches, wie ich dafuͤr halte, zureichend, und am beſten getroffen ſeyn wird. Den Clavicymbal verſtehe ich bey allen Muſi - ken, ſie ſeyn kleine oder große, mit dabey.

Zu vier Violinen nehme man: eine Bratſche, einen Vio - loncell, und einen Contraviolon, von mittelmaͤßiger Groͤße.

Zu ſechs Violinen: eben daſſelbe, und noch einen Baſſon.

Zu acht Violinen gehoͤren: zwo Bratſchen, zweene Vio - loncelle, noch ein Contraviolon, der aber etwas groͤßer iſt als der erſte; zweene Hoboen, zwo Floͤten, und zweene Baſſons.

Zu zehn Violinen: eben daſſelbe; nur noch ein Violoncell mehr.

Zu zwoͤlf Violinen geſelle man: drey Bratſchen, vier Vio - loncelle, zweene Contraviolone, drey Baſſons, vier Ho - boen, vier Floͤten; und wenn es in einem Orcheſter iſt, noch einen Fluͤgel mehr, und eine Theorbe.

Die Waldhoͤrner ſind, nach Beſchaffenheit der Stuͤcke, und Gut - befinden des Componiſten, ſo wohl zu einer kleinen als großen Muſik noͤthig.

17. §.

Nach dieſer Eintheilung, wird es nicht ſchwer fallen, auch die allerzahlreichſte Muſik in ein gehoͤriges Verhaͤltniß zu bringen: wenn man nur die Vermehrung von vieren zu achten, von achten zu zwoͤlfen, u. ſ. w. in Acht nehmen will. Dieſe Vorſicht iſt um ſo viel noͤthiger; da der guteA aErfolg186Des XVII. Hauptſtuͤcks. I. Abſchnitt. Von den Eig. ꝛc. Erfolg einer Muſik, nicht weniger von einer in gehoͤrigem Verhalte ſte - henden Beſetzung der Jnſtrumente, als von der guten Abſpielung ſelbſt, abhaͤngt. Manche Muſik wuͤrde eine beſſere Wirkung thun, wenn es nicht an der gut eingetheilten Beſetzung fehlete. Denn wie kann eine Muſik gut klingen, wo die Hauptſtimmen von den Grundſtimmen, oder wohl gar von den Mittelſtimmen uͤbertaͤubet und unterdruͤcket werden; da doch die erſtern vor allen andern hervorragen, und die Mittelſtimmen am allerwenigſten gehoͤret werden ſollten.

18. §.

Jſt nun ein Anfuͤhrer mit allen bisher angefuͤhrten Gaben ausge - zieret; hat er die noͤthige Geſchiklichkeit, bey einem Orcheſter alle die gu - ten Eigenſchaften, ſo von demſelben erfodert werden, nicht nur beduͤrfen - den Falls einzufuͤhren, ſondern auch zu erhalten: ſo gereichet es dem Orcheſter zwar zur Ehre; dem Anfuͤhrer ſelbſt aber, zu einem ganz be - ſondern Ruhme. Denn weil, wie oben ſchon geſaget worden, ein Or - cheſter, unter des einen Anfuͤhrung, beſſere Wirkung hervorbringt, als unter des andern ſeiner: ſo folget hieraus, daß nicht alle Tonkuͤnſtler zum Anfuͤhren geſchikt ſind. Und weil verſchiedene, welche, wenn ſie gut gefuͤhret werden, ſehr braf ſind, doch zum Anfuͤhren ſelbſt nicht die ge - ringſte Faͤhigkeit haben: ſo kann man daraus die Rechnung machen, wie viel an einem Manne, der alle zu dem Amte eines guten muſikaliſchen Anfuͤhrers erfoderlichen Eigenſchaften beſitzt, gelegen ſey; und was fuͤr große Vorzuͤge ein ſolcher in der Muſik verdiene.

Das187

Des XVII. Hauptſtuͤcks II. Abſchnitt. Von den Ripien-Violiniſten insbeſondere.

1. §.

So wohl alle Bogeninſtrumente uͤberhaupt, als auch insbeſondere die Violinen, muͤſſen mit ſolchen Seyten bezogen ſeyn, welche eine, der Groͤße des Jnſtruments gemaͤße Staͤrke haben: damit die Seyten weder zu ſtraff, noch zu ſchlapp angeſpannet werden. Wenn ſolche zu dicke ſind, wird der Ton dumpficht; ſind ſie aber zu duͤnne, ſo wird der Ton zu jung und zu ſchwach. Deswegen muß man ſich hierinne nach dem eingefuͤhrten Tone, ob ſolcher tief, oder hoch iſt, richten.

2. §.

Was bey richtiger Stimmung der Violine zu beobachten iſt, wird, weil es alle Bogeninſtrumente zuſammen angeht, im letzten Abſchnitte mit abgehandelt.

3. §.

Bey der Violine und den ihr aͤhnlichen Jnſtrumenten, koͤmmt es eigentlich, wegen des Vortrages, am meiſten auf den Bogenſtrich an. Durch denſelben wird der Ton aus dem Jnſtrumente entweder beſſer oder ſchlechter herausgebracht; durch denſelben bekommen die Noten ihr Leben; durch denſelhen wird das Piano und Forte ausgedruͤcket; durch denſelben werden die Affecten erreget; durch denſelben wird das Traurige von dem Luſtigen; das Ernſthafte von dem Scherzhaften; das Erhabene von dem Schmeichelnden; und das Modeſte von dem Frechen unterſchieden: mit einem Worte, er iſt das Mittel, wodurch, wie bey der Floͤte mit der Bruſt, Zunge und Lippen, die muſikaliſche Ausſprache geſchieht, und wodurch ein Gedanke auf mancherley Art kann veraͤndert werden. Es verſteht ſich zwar von ſich ſelbſt, daß die Finger das Jhrige auch dazu bey -A a 2tragen188Des XVII. Hauptſtuͤcks. II. Abſchnitt. tragen muͤſſen; daß man ein gut Jnſtrument, und reine Seyten haben muͤſſe. Allein weil bey allen dieſen Dingen, wenn man noch ſo rein und gut greift, wenn das Jnſtrument noch ſo wohl klingend, und die Seyten noch ſo rein ſind, doch der Vortrag ſehr mangelhaft ſeyn kann, ſo folget daraus na - tuͤrlich, daß auf den Strich, in Anſehung des Vortrages, das meiſte an - kommen muͤſſe.

4. §.

Jch will dieſes durch ein Beyſpiel erlaͤutern. Man ſpiele die Paſſage Tab. XXII. Fig. 1. in einem gelaſſenen Tempo, mit lauter langen bis zu Ende des Bogens gezogenen Strichen. Man maͤßige hernach die Laͤn - ge des Strichs, und ſpiele eben dieſelben Noten, einmal um das andre immer mit kuͤrzern Strichen. Nachhero gebe man einmal bey einem je - den Striche einen Druck mit dem Bogen, daß andremal ſpiele man es abgeſtoßen (ſtaccato), und mit dem Bogen abgeſetzet. Ungeachtet nun eine jede Note ihren beſondern Strich bekommen hat; ſo wird doch der Vortrag ein jedesmal anders ſeyn. Man verſuche es gleichfalls durch verſchiedene Arten des Schleifens; und ſpiele dieſe acht Noten alle mit einem Striche; oder als wenn zugleich Puncte, nebſt einem Bogen, uͤber den Noten ſtuͤnden; oder zwo Noten mit einem Striche; oder eine geſtoßen, und drey geſchleifet; oder die erſten drey geſchleifet und die vierte geſtoßen; oder die erſte und vierte geſtoßen, und die zweyte und dritte geſchleifet; oder die erſte abgeſetzet, und die folgenden alle zu zwoen und zwoen mit einem Striche geſchleifet: ſo wird der Vortrag eben ſo ver - ſchieden, wie im Vorigen ſeyn.

5. §.

Dieſes Exempel kann genug ſeyn, zu beweiſen, wie ſchaͤdlich der Mis - brauch des Bogens ſeyn, und wie verſchiedene Wirkungen hingegen ſein rechter Gebrauch hervorbringen koͤnne. Hieraus folget, daß es bey einer Ripienſtimme nicht in der Willkuͤhr des Violiniſten, oder irgend eines andern Bogeninſtrumentiſten ſtehe, die Noten nach ſeinem Gefallen zu ſchleifen oder abzuſtoßen; ſondern daß er verbunden ſey, dieſelben mit dem Bogen ſo zu ſpielen, wie ſie der Componiſt, an denen Orten, die von der gemeinen Art abgehen, angezeiget hat.

Man merke hier beylaͤufig, daß, wenn viele Figuren in einerley Art nach einander folgen, und nur die erſte davon mit Bogen bezeichnet iſt, man auch die uͤbrigen, ſo lange keine andere Art Noten vorkoͤmmt, eben ſo ſpielen muͤſſe. Auf gleiche Art verhaͤlt ſichs mit den Noten, woruͤber Striche ſtehen. Wenn nur etwa zwo,drey,
21189Von den Ripien-Violiniſten insbeſondere.
drey oder vier Noten damit bezeichnet ſind: ſo werden doch die uͤbrigen Noten die darauf folgen, und von ſelbiger Art und Geltung ſind, ebenfalls ſtaccato geſpielet. Ohne dieſes wuͤrde nicht allein die verlangte Wirkung nicht hervorge - bracht werden; ſondern auch die Gleichheit des Vortrages niemals zu einer Voll - kommenheit kommen.
22

6. §.

Es fließt aber hieraus noch weiter, daß die gute Ausnahme des Accompagnements, mehr auf die Violiniſten, als auf die uͤbrigen Jn - ſtrumentiſten ankomme: weil jene die Melodie in ihrer Gewalt alleine ha - ben. Wenn ſie ſchlaͤfrig oder nachlaͤßig ſpielen, koͤnnen die andern dem Vortrage des Accompagnements gar wenig aufhelfen. Deswegen ſoll auch der Bogenſtrich, als das vornehmſte bey dem Vortrage, in dieſem Abſchnitte zuſammen abgehandelt werden, und in den andern, wird man ſich auf dieſen beziehen.

7. §.

Alle Lehren vom Bogenſtriche abzuhandeln, wuͤrde nicht dieſes Or - tes ſeyn: weil ich hier ſchon einen Leſer, der die Violine, und folglich auch den Strich verſteht, vorausſetze. Jch will alſo nur gewiſſe zweifelhafte, und ſolche Stellen unterſuchen, wobey etwas beſonders zu bemerken iſt, welches der Componiſt nicht allezeit andeuten kann. Aus dieſen wird man auf die meiſten andern aͤhnlichen Faͤlle ſchließen koͤnnen. Darauf will ich zeigen, was fuͤr eine Art von Striche bey jeder Art von Stuͤcken herrſchen ſoll. Und endlich will ich das, was weiter noch dabey zu beob - achten iſt, mit beybringen.

8. §.

Die Haupteigenſchaft eines gut gefuͤhrten Bogenſtrichs iſt demnach: daß die Noten, ſo in den Hinauf - oder Herunterſtrich gehoͤren, ſo viel als moͤglich iſt, auch alſo geſpielet werden.

Wenn etliche Noten auf einerley Tone vorkommen, und mit ſynko - pirten Noten vermiſchet ſind, muß eine jede ihren beſondern Strich ha - ben, oder der Bogen muß nach der ſynkopirten Note abgeſetzet werden, ſ. Tab. XXII. Fig. 2. Wollte man die Achttheile hier ohne Wiederholung oder ohne Abſetzen des Bogens ſpielen: ſo wuͤrden ſolche nicht allein ſehr ſchlaͤfrig klingen; ſondern es wuͤrde auch ein ganz andrer Sinn daraus entſtehen. Die aus Acht - oder Sechzehntheilen beſtehenden geſchwinden Noten dieſer Art, muͤſſen gleichfalls nicht mit einem Drucke des BogensA a 3mar -190Des XVII. Hauptſtuͤcks. II. Abſchnitt. markiret werden, ſondern durch deſſelben Wiederholung ihre Lebhaftigkeit bekommen.

Dieſe Achttheile: ſ. Tab. XXII. Fig. 3. muͤſſen alle mit dem Bogen markiret und kurz geſpielet werden; und wenn Vorſchlaͤge auf dergleichen Noten folgen, muß die Note vor dem Vorſchlage ebenfalls mit dem Bo - gen abgeſetzet werden: um die zwo Noten, ſo auf eben dem Tone ſtehen, deutlich und unterſchieden hoͤren zu laſſen.

Wenn im geſchwinden Zeitmaaße auf ein Viertheil im Niederſchla - gen etliche Achttheile oder Sechzehntheile folgen, es ſey auf einerley Tone, oder im Springen; ſo thut es gute Wirkung, wenn das Vier - theil im Herunterſtriche markiret, und der Bogen abgeſetzet wird: damit das folgende Achttheil ebenfalls im Herunterſtriche geſpielet werden koͤnne, ſ. Tab. XXII. Fig. 4. bey C, C, und D, G.

Wenn zwo Noten auf eben demſelben Tone vorkommen, und kein Bogen daruͤber ſteht, ſ. Tab. XXII. Fig. 5. ſo muͤſſen ſolche nicht zuſam - men gebunden, ſondern durch den Bogenſtrich unterſchieden werden.

Bey dieſer Art Noten: ſ. Tab. XXII. Fig. 6. muß die letzte im Tacte mit dem Bogen ein wenig abgeſetzet werden, um ſolche von der im Nie - derſchlage abzuſondern. Die zweyte Note im Tacte, ſo an die erſte ge - ſchleifet wird, kann man etwas ſchwaͤcher als die uͤbrigen ausdruͤcken.

Jn luſtigen und geſchwinden Stuͤcken, muß das letzte Achttheil von einem jeden halben Tacte, mit dem Bogen markiret werden; ſ. Tab. XXII. Fig. 7. das erſte G, das zweyte E, und das F.

Wenn eine kurze Note an eine lange gebunden iſt, ſ. Tab. XXII. Fig. 8. ſo muß die lange Note, und nicht die kurze, durch einen Druck mit dem Bogen markiret werden.

Wenn auf ein Achttheil zwey Sechzehntheile folgen, ſo muß das Achttheil mit dem Bogen markiret, und abgeſetzet werden, als wenn ein Strich daruͤber ſtuͤnde; ſ. Tab. XXII. Fig. 9.

Bey Fig. 10. werden, im Allegro, die zweyte und dritte Note im Hinaufſtriche, jedoch bey dem Puncte mit einem Einhalten oder Abſatze gemacht; die folgenden zwey G aber bekommen beyde den Herunter - ſtrich.

Bey Fig. 11. wird der Herunterſtrich bey dem zweyten C wieder - holet, und ſo auch bey dem C, nach dem E im vierten Viertheile. Eben dergleichen geſchieht, wenn nach einer weißen Note Sechzehntheile folgen. Beſteht aber das erſte und dritte Viertheil aus vier Sechzehntheilen: ſomuß191Von den Ripien-Violiniſten insbeſondere. muß alsdenn, nach dem zweyten und dritten Viertheile, der Bogen ab - geſetzet, und wiederholet werden.

Bey Viertheilen, oder Achttheilen, ſo mit Pauſen von eben der Geltung vermiſchet ſind, da die Pauſen voran ſtehen, und in den Nieder - ſchlag kommen, ſ. Tab. XXII. Fig. 12. muß jede Note mit dem Hinauf - ſtriche geſpielet werden.

Jm geſchwinden Zeitmaaße, ſpielet man bey der Art Noten: ſ. Tab. XXII. Fig. 13. die erſte im Herunterſtriche, die folgenden drey aber im Hinaufſtriche. Jm langſamen Tempo hingegen, iſt die Wir - kung viel reizender, wenn alle vier Noten in einem Striche, jedoch mit einer kleinen Abſetzung des Bogens nach der erſten Note, vorgetragen werden. Die folgenden vier Noten werden auf gleiche Weiſe im Hinauf - ſtriche genommen. Bey der erſten Art, im Geſchwinden, wird ein Strich uͤber die erſte, und ein Bogen uͤber die drey folgenden; bey der zweyten Art, im Langſamen, aber, noch ein Bogen mehr uͤber vier Noten geſe - tzet, wie dieſes Exempel ausweiſet.

9. §.

Die Noten bey Fig. 14. Tab. XXII. werden Strich vor Strich ge - ſpielet, und nicht mit Wiederholung des Herunterſtrichs; es muß aber das G im erſten Tacte eben einen ſolchen Druck im Hinaufſtriche bekom - men, wie das erſte C im Herunterſtriche; und ſo auch im zweyten Tacte das G.

Auf gleiche Art werden bey Fig. 15. Tab. XXII. die Noten ebenfalls Strich vor Strich geſpielet: jedoch mit dem Unterſchiede, daß die vierte Note den Druck bekomme, wie die erſte.

Die Noten, Tab. XXII. Fig. 16. koͤnnen auf zweyerley Art, gleich gut vorgetragen werden: wenn naͤmlich der Violiniſt im Hinaufſtriche ſo geuͤbet iſt, wie im Herunterſtriche. Entweder kann man jede Note die - ſes Exempels mit einem eigenen Striche verſehen; oder man mache das erſte A und C im Hinaufſtriche, jedoch beyde Noten wohl und kurz mar - kiret: ſo wird zwar die Wirkung gleich gut ſeyn; die letztere Art vorzu - tragen aber, iſt bey vielen andern und neuern Vorfaͤllen ſehr nuͤtzlich.

Der Beweis hiervon iſt gleich im folgenden Exempel Tab. XXII. Fig. 17. zu finden. Hier muß, der Folge wegen, das E und G im er - ſten, und das G und H im zweyten Tacte, im Hinaufſtriche geſpielet werden: wenn anders die Ausnahme gut ſeyn ſoll.

Eben192Des XVII. Hauptſtuͤcks. II. Abſchnitt.

Eben dieſe Beſchaffenheit hat es mit denen Noten Tab. XXII. Fig. 18. wenn naͤmlich das Tempo ſehr geſchwind iſt; beſonders wenn die Noten auseinander liegen, wie bey den zweenen letzten Tacten. Es ermuͤdet dieſe Art auch bey weitem nicht ſo, als wenn Note vor Note geſtrichen wird.

Dieſe Art Noten: ſ. Tab. XXII. Fig. 19. koͤnnen auf zweyerley Art ausgefuͤhret werden. Einmal Strich vor Strich, ohne Wiederholung des Bogens; wenn naͤmlich das Tempo ſehr geſchwind iſt, und keine Paſ - ſagien von Sechzehntheilen mit untermiſchet ſind. Findet ſich aber dieſe Vermiſchung; ſo muß nach der dritten Note, im erſten Tacttheile, der Bogen abgeſetzet und wiederholet werden. Und weil in dieſer Tactart, die Begleitung mehrentheils ſo beſchaffen iſt, wie in einem Siciliano, naͤmlich hinkend, oder alla Zoppa; da nach einem jeden Viertheile ein Achttheil folget, welches im geſchwinden Zeitmaaße etwas hebend geſpie - let werden muß; ſo ſey man bemuͤhet, dieſen Noten das rechte Gewicht zu geben; und huͤte ſich, daß man dem Viertheile nicht etwas abbreche, und ſolches dem folgenden Achttheile zulege: denn dadurch wuͤrden die Viertheile und Achttheile einander faſt gleich, und der Sechsachttheiltact, in den Zweyviertheiltact verwandelt werden. Noch mehr huͤte man ſich das Viertheil zu lang, und das Achttheil zu kurz zu machen: ſonſt wuͤrde es ſcheinen als waͤren es punctirte Noten in einer geraden Tactart. Um aber beydes zu vermeiden, darf man ſich nur bey dem Viertheile zwey Achttheile, von der Geſchwindigkeit des folgenden Achttheils, in Gedanken vorſtellen; ſo wird man dieſe Fehler nicht begehen.

10. §.

Die oben erfoderte gleiche Staͤrke und Uebung des Hinaufſtrichs ſo wohl als des Herunterſtrichs, iſt, bey der itzigen muſikaliſchen Schreib - art, hoͤchſtnoͤthig. Denn wer dergleichen ins feinere gebrachte Gedanken, ſo darinne vorkommen, ſpielen will, und den obigen Vortheil nicht hat; der wird anſtatt eines gefaͤlligen und leichten Vortrages, nichts als eine widrige Haͤrte hoͤren laſſen.

11. §.

Um aber den Bogenſtrich egal, und ſich ſeiner im Hinauf - und Herun - terziehen gleich maͤchtig zu machen, nehme man eine Gique, oder Cana - rie, im Sechsachttheiltacte, worinne lauter eingeſchwaͤnzete Noten be - findlich ſind, und hinter der erſten von dreyen ein Punct ſteht, zur Uebung vor. Man gebe jeder Note ihren beſondern Strich; ſo daß die erſte unddritte193Von den Ripien-Violiniſten insbeſondere. dritte Note einer jeden Figur, ohne Wiederholung des Bogens, bald in den Herunter - bald in den Hinaufſtrich komme: die Note nach dem Puncte aber, ſpiele man allezeit ſehr kurz und ſcharf. Oder man uͤbe ein Stuͤck von oben gedachter Tactart, in welchem der erſte Tacttheil aus vier Noten, naͤmlich, zwey Sechzehntheilen anſtatt des mittelſten Acht - theils, der zweyte aber aus drey Noten beſtehe; damit in einem jeden Tacte, eine ungerade Zahl von Noten vorkomme.

Nachher verſuche man eben daſſelbe Stuͤck, ohne Puncte, doch ohne Wiederholung des Bogens, wie Triolen, oder wie geſchwinde Achttheile im Sechsachttheiltacte.

Man nehme ferner ein Exempel im ſchlechten Tacte vor; da entwe - der auf ein jedes Viertheil vier Sechzehntheile, oder auf ein jedes Achttheil zwey Sechzehntheile folgen; die Noten auch bald ſpringend, bald ſtufenweiſe gehen. Mit dieſer Uebung fahre man ſo lange fort, bis man wahrnimmt, daß die Figuren, welche ſich mit dem Hinaufſtriche an - fangen, eben ſo klingen, als die mit dem Herunterſtriche. Man wird durch eine ſolche Uebung einen großen Nutzen verſpuͤren, und den Arm zu allem was vorkommen kann, geſchickt machen. Denn obwohl gewiſſe Noten, nothwendig im Herunterſtriche genommen werden muͤſſen; ſo kann doch ein erfahrner Violiniſt, der den Bogen vollkommen in ſeiner Gewalt hat, dieſelben ebenfalls im Hinaufſtriche gut ausdruͤcken. Doch aber muß auch nicht ein jeder, aus dieſer Freyheit des Bogens, einen Mis - brauch machen: weil bey gewiſſen Gelegenheiten, wenn naͤmlich eine Note vor der andern eine beſondere Schaͤrfe erfodert, dennoch der Her - unterſtrich vor dem Hinaufſtriche einen Vorzug behaͤlt.

12. §.

Jm Adagio, muͤſſen die ſchleifenden Noten, nicht mit dem Bogen geruͤcket, oder tockiret werden; es waͤre denn, daß zugleich Puncte un - ter dem Bogen uͤber den Noten ſtuͤnden; ſ. Tab. XXII. Fig. 20. Es muͤſſen auch keine ſogenannten pincemens dabey angebracht werden, am wenigſten wenn ſie nicht angedeutet ſind: damit der Affect, den die ſchlei - fenden Noten ausdruͤcken ſollen, auf keine Weiſe verhindert werde. Ste - hen aber an ſtatt der Puncte, Striche; wie bey den zwo letzten Noten in dieſem Exempel zu erſehen iſt; ſo muͤſſen die Noten in einem Bogenſtriche ſcharf geſtoßen werden. Denn, wie zwiſchen den Strichen und Puncten, wenn auch kein Bogen daruͤber ſteht, ein Unterſchied zu machen iſt: daß naͤmlich die Noten mit den Strichen abgeſetzt; die mit den Puncten aber,B bnur194Des XVII. Hauptſtuͤcks. II. Abſchnitt. nur mit einem kurzen Bogenſtriche, und unterhalten geſpielet werden muͤſſen: ſo wird auch ein gleicher Unterſchied erfodert, wenn Bogen druͤber ſtehen. Die Striche aber kommen mehr im Allegro als im Ada - gio vor.

Wenn dieſe Art von Sechzehntheilen: ſ. Tab. XXII. Fig. 21. im langſamen Zeitmaaße, ſchoͤn vorgetragen werden ſollen; ſo muß allezeit das erſte von zweyen, ſo wohl im Zeitmaaße, als in der Staͤrke, ſchwerer ſeyn als das folgende: und hier muß das H im dritten Tactgliede bey nahe ſo geſpielet werden, als wenn hinter dem H ein Punct ſtuͤnde.

13. §.

Wenn im Adagio uͤber punctirten Noten, Bogen ſtehen, ſ. Tab. XXII. Fig. 22; ſo muß die Note nach dem Puncte nicht geſtoßen, ſon - dern durch ein verlierendes Piano, an die erſte geſchleifet werden.

Wenn hinter der zweyten Note ein Punct ſteht, muß die erſte, im Allegro, ſie mag zwey - oder dreygeſchwaͤnzet ſeyn, ſehr kurz, und mit dem Bogen ſtark geſpielet; die mit dem Punte aber gemaͤßiget, und mit dem Bogen bis zur folgenden unterhalten werden. Jm Adagio muß die erſte ebenfalls ſo kurz, wie im Allegro, doch ohne ſolche Staͤrke geſpielet werden; ſ. Tab. XXII. Fig. 23. Wenn dieſe Noten ihre rechte Wirkung thun ſollen; ſo muß allezeit zu zwoen nnd zwoen der Bogen wiederholet werden; ſo daß immer zwo, nicht aber vier auf einen Strich kommen.

Mit der, Tab. XXII. Fig. 24. befindlichen Art Noten, hat es gleiche Bewandtniß. Nur muß man ſich dabey, nicht eines langen, haſtigen, und ſchleppenden, ſondern eines gelaſſenen, und kurzen Bogenſtrichs be - dienen: Sonſt wuͤrde der Ausdruck zu frech und widerwaͤrtig klingen.

Jn langſamen Stuͤcken, muͤſſen die mit Puncten verſehenen Acht - theile und Sechzehntheile mit einem ſchweren Striche nnd unterhalten oder nouriſſant geſpielet werden. Den Bogen muß man nicht abſetzen, als wenn anſtatt der Puncte Pauſen ſtuͤnden. Die Puncte muͤſſen bis zu dem aͤußerſten Ende ihrer Geltung gehalten werden: damit es nicht ſchei - ne, als ob einem die Zeit daruͤber lang werde; und das Adagio ſich nicht in ein Andante verwandele. Wenn Striche druͤber ſtehen, ſo bedeuten ſolche, daß die Noten markiret werden muͤſſen. Die nach dem Puncte kommenden doppelt geſchwaͤnzten Noten, muͤſſen ſo wohl im langſamen als geſchwinden Zeitmaaße, allezeit ſehr kurz und ſcharf geſpielet werden: weil die punctirten Noten, uͤberhaupt etwas Praͤchtiges und Erhabenes ausdruͤcken; daher eine jede Note, ſofern keine Bogen daruͤber ſtehen,ihren195Von den Ripien-Violiniſten insbeſondere. ihren beſondern Bogenſtrich erfodert, weil ſonſt nicht moͤglich iſt, die kurze Note nach dem Puncte, durch einen Ruck des Bogens ſo ſcharf auszu - druͤcken: als es durch einen neuen Hinaufſtrich geſchehen kann.

14. §.

Wenn im langſamen Zeitmaaße kleine halbe Toͤne unter den Geſang vermiſchet ſind, ſ. Tab. XXII. Fig. 25. ſo muͤſſen diejenigen, ſo durch ein Kreuz oder Wiederherſtellungs-Zeichen erhoͤhet ſind, etwas ſtaͤrker als die uͤbrigen gehoͤret werden; welches durch ſtaͤrkeres Aufdruͤcken des Bogens, bey Seyteninſtrumenten, bey dem Singen und den Blasin - ſtrumenten aber, durch Verſtaͤrkung des Windes bewerkſtelliget werden kann. Wenn zwo Noten vorkommen, deren letzte um einen halben Ton erhoͤhet oder erniedriget wird, die aber einen Bogen uͤber ſich haben, ſ. Tab. XXII. Fig. 26. ſo thut es beſſere Wirkung, wenn die zweyte Note mit dem folgenden Finger genommen, und zugleich der Bogenſtrich zu derſelben verſtaͤrket wird, als wenn man ſie durch das Hinauf - oder Her - unterſchieben des Fingers angeben wollte. Denn im Langſamen muß es klingen, als wenn es nur eine Note waͤre. Ueberhaupt merke man, daß auch bey einem geſchwinden Zeitmaaße, wenn etliche Noten zu Vier - theilen oder halben Tacten durch das Erhoͤhungszeichen erhoͤhet, oder durch das b erniedriget werden, beſonders wenn dergleichen etliche ſtufen - weiſe nach einander, entweder auf - oder abwaͤrts folgen, ſ. Tab. XXII. Fig. 27. man dieſelben unterhalten, und mit mehrerer Staͤrke und Kraft als andere ſpielen muͤſſe.

15. §.

Mit gleicher Staͤrke und Unterhaltung des Tones muͤſſen auch die - jenigen langen Noten geſpielet werden, welche unter geſchwinde und leb - hafte gemiſchet ſind. Z. E. ſ. Tab. XXII. Fig. 28.

16. §.

Wenn nach einer langen Note, und kurzen Pauſe, dreygeſchwaͤnzte Noten folgen, ſ. Tab. XXII. Fig. 29. ſo muͤſſen die letztern allezeit ſehr ge - ſchwind geſpielet werden; es ſey im Adagio oder Allegro. Deswegen muß man mit den geſchwinden Noten, bis zum aͤußerſten Ende des Zeit - maaßes warten, um das Gleichgewicht des Tactes nicht zu verruͤcken.

Wenn im langſamen Allabreve, oder auch im gemeinen geraden Tacte, eine Sechzehntheilpauſe im Niederſchlage ſteht, worauf punctirte Noten, ſ. XXII. Fig. 30. 31., folgen; muß die Pauſe angeſehen werden, als wenn entweder noch ein Punct, oder noch eine halb ſo viel geltendeB b 2Pauſe196Des XVII. Hauptſtuͤcks. II. Abſchnitt. Pauſe dahinter ſtuͤnde und die darauf folgende Note, noch einmal mehr geſchwaͤnzet waͤre.

17. §.

Wenn ein langſames und trauriges Stuͤck mit einer Note im Auf - heben des Tactes anfaͤngt, ſie ſey ein Achttheil im gemeinen geraden, oder ein Viertheil im Allabrevetacte, ſ. Tab. XXII. Fig. 32. 33; ſo muß dieſelbe Note nicht zu haſtig und ſtark, ſondern mit einer gelaſſenen und langſamen Bewegung des Bogens, auch mit zunehmender Staͤrke des Tones, angegeben werden: um den Affect der Traurigkeit gehoͤrig aus - zudruͤcken. Man muß ſich aber bey einer ſolchen Note nicht laͤnger auf - halten als es das Zeitmaaß erfodert, damit die uͤbrigen Jnſtrumentiſten dadurch das rechte Tempo gleich faſſen koͤnnen. Jm weitern Fortgange des Stuͤcks, kann man mit dergleichen langſamen Noten eben ſo ver - fahren.

18. §.

Die gebrochenen Accorde, wo drey oder vier Seyten mit einem Bo - genſtriche auf einmal beruͤhret werden, ſind von zweyerley Art; ſ. Tab. XXII. Fig. 34. 35. Bey der einen, wenn eine Pauſe folget, muß der Bogen abgeſetzet werden: bey der andern aber, wenn keine Pauſe folget, bleibt der Bogen auf der oberſten Seyte liegen. Bey beyden Arten, muͤſſen die unterſten, ſo wohl im langſamen als geſchwinden Tempo, nicht angehalten, ſondern geſchwind nach einander beruͤhret werden: damit es nicht klinge, als wenn es, durch einen Accord gebrochene, Triolen waͤ - ren. Und weil dieſe Accorde gebrauchet werden, das Gehoͤr unvermuthet durch eine Heftigkeit zu uͤberraſchen; ſo muͤſſen diejenigen, auf welche Pauſen folgen, ganz kurz, und mit der groͤßeſten Staͤrke des Bogens, naͤmlich mit ſeinem unterſten Theile geſpielet werden; und ſo viel als deren nach einander folgen, jeder mit dem Herunterſtriche.

19. §.

Von der verſchiedenen Art der Vorſchlaͤge, und ihrem Zeitmaaße, iſt zwar bereits im VIII. Hauptſtuͤcke gehandelt worden. Weil aber nicht ein jeder Violiniſt die Art des Zungenſtoßes verſteht, um den Bogenſtrich darnach einzurichten: ſo iſt noͤthig, hier dieſer wegen eine Erklaͤrung bey - zufuͤgen, und uͤberhaupt eine Regel feſte zu ſetzen, naͤmlich: Eine jede vorgeſetzte kleine Note, ſie ſey lang oder kurz, erfodert ihren beſondern Bogenſtrich; und muß niemals an die vorgehende Hauptnote geſchlei - fet werden; weil ſie anſtatt der folgenden Haupt note angeſtoßenwird197Von den Ripien-Violiniſten insbeſondere. wird. Die Ueberzeugung davon iſt aus der Singmuſik zu nehmen. Man wird finden, daß ein Saͤnger, woferne er bey ſolcher Gelegenheit Worte auszuſprechen hat, diejenigen Sylben, ſo unter die Hauptnoten gehoͤren, nicht unter denſelben, ſondern unter den vorhaltenden kleinen Noten ausſpricht.

§. 20.

Die langen Vorſchlaͤge, ſo ihre Zeit mit der folgenden Noten thei - len, muß man im Adagio, ohne ſie zu markiren, mit dem Bogen an der Staͤrke wachſen laſſen, und die folgende Note ſachte dran ſchleifen, ſo daß die Vorſchlaͤge etwas ſtaͤrker, als die darauf folgenden Noten, klingen. Jm Allegro hingegen kann man die Vorſchlaͤge ein wenig markiren. Die kurzen Vorſchlaͤge, zu welchen die, ſo zwiſchen den unterwaͤrts gehenden Terzenſpruͤngen ſtehen, gerechnet werden, muͤſſen ganz kurz und weich, und ſo zu ſagen nur wie im Vorbeygehen beruͤhret werden. Z. E. dieſe, ſ. Tab. XXII. Fig. 36. 37. duͤrfen nicht angehalten werden, zumal im langſamen Tempo: ſonſt klingt es, als wenn ſie mit ordentlichen Noten ausgedruͤ - cket waͤren, wie Fig. 38. 39. zu erſehen iſt. Dieſes aber wuͤrde nicht nur dem Sinne des Componiſten, ſondern auch der franzoͤſiſchen Art zu ſpie - len, von welcher dieſe Vorſchlaͤge doch ihren Urſprung haben, zuwider ſeyn. Denn die kleinen Noten gehoͤren noch in die Zeit der vorhergehen - den Note, und duͤrfen alſo nicht, wie bey dem zweyten Exempel ſteht, in die Zeit der folgenden kommen.

21. §.

Wenn im langſamen Tempo zwo kleine eingeſchwaͤnzte Noͤtchen vor - kommen, hinter deren erſterer ein Punct ſtehet, ſ. Tab. XXII. Fig. 40; ſo bekommen ſelbige die Zeit von der darauf folgenden Hauptnote; die Hauptnote ſelbſt aber, nur die Zeit von dem Puncte. Sie muͤſſen mit viel Affect geſpielet, und auf die Art ausgedruͤcket werden, wie die Noten bey Fig. 41. zeigen. Man muß die mit zweenen Puncten verſehene Note im Herunterſtriche nehmen, und den Ton an Staͤrke wachſen laſſen; die zwo folgenden, durch ein verlierendes Piano, an die erſte ſchleifen; die letzte kurze aber mit dem Hinaufſtriche wieder erheben.

22. §.

Wenn aber dergleichen Manieren mit ordentlichen Noten ausgedruͤ - cket ſind, ſ. Tab. XXII. Fig. 42. ſo muͤſſen ſelbige, in einem Ritornell, nach ihrer gehoͤrigen Geltung geſpielet werden: zumal wenn die Stimme mehr als einmal beſetzet iſt; oder wenn eine andre Stimme dieſelbe FigurB b 3in198Des XVII. Hauptſtuͤcks. II. Abſchnitt. in Terzen oder Sexten, mit der erſten auf gleiche Art mit machet. Die erſtern Noten, woruͤber ein Bogen ſteht, muͤſſen im Herunter - und die zwo letztern, im Hinaufſtriche genommen werden.

23. §.

Die zwo kleinen zweygeſchwaͤnzten Noten, ſ. Tab. XXII. Fig. 43. welche mehr im franzoͤſiſchen als italiaͤniſchen Geſchmacke uͤblich ſind, muͤſ - ſen nicht ſo langſam wie die oben beſchriebenen, ſondern praͤcipitant geſpielet werden, wie Fig. 44. zu erſehen iſt.

24. §.

Von den Trillern iſt im IX. Hauptſtuͤcke uͤberhaupt gehandelt wor - den: weswegen ich mich hier darauf beziehe. Hier will ich noch anmerken, daß, wenn uͤber etliche geſchwinde Noten Triller geſchrieben ſind, der Vor - und Nachſchlag, wegen Kuͤrze der Zeit, nicht allezeit ſtatt finde: ſondern daß oͤfters nur halbe Triller geſchlagen werden. Jſt der Vor - und Nachſchlag nur bey der erſten Note angezeiget, ſ. Tab. XXII. Fig. 45. ſo verſteht ſich, daß man die folgenden Triller auf gleiche Art ſchla - gen muͤſſe.

Steht ein Triller uͤber einer Triole, ſ. Tab. XXII. Fig. 46. ſo machen die zwo letzten Noten den Nachſchlag aus.

Wenn etliche Noten, auf eben dem Tone, an einander gebunden ſind, und uͤber der erſten ein Triller ſteht; muß der Triller bis zum Ende, ohne Wiederholung des Bogenſtrichs unterhalten werden: ſ. Tab. XXII. Fig. 47.

Wenn vor zwo geſchwinden Noten ein Vorſchlag, und hinter der dritten ein Punct ſteht, ſ. Tab. XXII. Fig. 48. ſo muß dieſe Figur bis an die letzte Note, in einem Bogenſtriche, ſehr geſchwind und praͤcipi - tant geſpielet werden. Steht aber an ſtatt des Puncts eine Pauſe, ſo wird der Bogen abgeſetzet.

Wenn vor punctirten Noten Vorſchlaͤge ſtehen, ſ. Tab. XXII. Fig. 49. ſo muͤſſen weder Triller noch Mordanten angebracht werden. Ste - hen aber uͤber dergleichen Noten, ſie moͤgen ſteigend oder fallend ſeyn, Triller, oder, anſtatt der Puncte, Pauſen: ſo verſteht ſich, daß man die Triller ohne Nachſchlag mache; und bey den Puncten den Bogen abſetze.

Wenn alle Jnſtrumente mit dem Baſſe im Uniſon gehen, das iſt, alle eben dieſelben Noten ſpielen die der Baß ſpielet, es mag eine oder mehrere Octaven hoͤher ſeyn, ſo thut ein langſamer Triller, wenn er von allenin199Von den Ripien-Violiniſten insbeſondere. in einerley Geſchwindigkeit geſchlagen wird, beſſere Wirkung, als ein ganz geſchwinder. Denn die ſehr geſchwinde Bewegung, wenn ſie mit vielen Jnſtrumenten zugleich geſchieht, verurſachet mehr Verwirrung als Deutlichkeit; beſonders an einem Orte wo es ſchallet. Deswegen muß man alsdenn die Finger, in einer maͤßigen Geſchwindigkeit, egal, doch etwas hoͤher als ſonſt aufheben.

25. §.

Bis hieher haben wir den Bogenſtrich, an ſich ſelbſt, und wie ein - zelne Noten in denſelben eingetheilet, und durch ihn ausgedruͤcket werden muͤſſen, betrachtet. Nun iſt noͤthig abzuhandeln, was fuͤr Arten des Bogenſtrichs, ein jedes Stuͤck, ein jedes Zeitmaaß, und eine jede aus - zudruͤckende Gemuͤthsbewegung erfodere. Denn dieſe lehren den Violi - niſten, und alle die ſich mit Bogeninſtrumenten beſchaͤftigen, ob der Strich lang oder kurz, ſchwer oder leicht, ſcharf oder gelaſſen ſeyn ſolle.

26. §.

Ueberhaupt iſt anzumerken, daß im Accompagnement, inſonderheit bey lebhaften Stuͤcken, ein, nach Art der Franzoſen gefuͤhrter, kurzer und articulirter Bogenſtrich, viel beſſere Wirkung thut, als ein italiaͤni - ſcher, langer und ſchleppender Strich.

Das Allegro, Allegro aſſai, Allegro di molto, Preſto, Vivace, erfodern, beſonders im Accompagnement, wo man bey dieſer Art von Stuͤcken mehr taͤndelnd als ernſthaft ſpielen muß, einen lebhaften, ganz leichten, tockirten, und ſehr kurzen Bogenſtrich: doch muß eine gewiſſe Maͤßigung des Tones dabey in Acht genommen werden.

Jſt das Allegro mit Uniſon untermiſchet; ſo muß es mit einem ſcharfen Bogenſtriche, und ziemlicher Staͤrke des Tones geſpielet werden.

Ein Allegretto, oder ein Allegro das durch folgende dabey ſte - hende Worte, als: non preſto, non tanto, non troppo, moderato, u. ſ. w. gemaͤßiget wird, muß etwas ernſthafter, und mit einem zwar etwas ſchweren, doch muntern und mit ziemlicher Kraft verſehenen Bo - genſtriche, ausgefuͤhret werden. Die Sechzehntheile im Allegretto, ſo wie im Allegro die Achttheile, erfodern inſonderheit einen ganz kurzen Bogen - ſtrich: und muß derſelbe nicht mit dem ganzen Arme, ſondern nur mit dem Gelenke der Hand gemachet, auch mehr tockiret als gezogen werden; ſo daß ſo wohl der Auf - als Niederſtrich, durch einen Druck, einerley Endigung bekomme. Die geſchwinden Paſſagien hingegen, muͤſſen mit einem leichten Bogen geſpielet werden.

Ein200Des XVII. Hauptſtuͤcks. II. Abſchnitt.

Ein Arioſo, Cantabile, Soave, Dolce, poco Andante, wird gelaſſen, und mit einem leichten Bogenſtriche, vorgetragen. Jſt auch gleich das Arioſo mit verſchiedenen Arten von geſchwinden Noten un - termiſchet; ſo verlangt es doch ebenfalls einen leichten und gelaſſenen Strich des Bogens.

Ein Maeſtoſo, Pompoſo, Affettuoſo, Adagio ſpiritoſo, will ernſthaft, und mit einem etwas ſchweren und ſcharfen Striche geſpie - let ſeyn.

Ein langſames und trauriges Stuͤck, welches durch die Worte: Ada - gio aſſai, Peſante, Lento, Largo aſſai, Meſto, angedeutet wird, erfodert die groͤßte Maͤßigung des Tones, und den laͤngſten, ge - laſſenſten, und ſchwereſten Bogenſtrich.

Ein Soſtenuto, welches das Gegentheil von dem weiter unten vorkommenden Staccato iſt, und aus einem an einander hangenden ernſt - haften harmonioͤſen Geſange beſteht, worinne viele punctirte, zu zwoen und zwoen an einander geſchleifete Noten mit angetroffen werden, pfleget man mehrentheils mit dem Worte: Grave zu betiteln. Deswegen muß es mit einem langen und ſchweren Bogenſtriche, ſehr unterhalten und ernſt - haft, geſpielet werden.

Jn allen langſamen Stuͤcken muß inſonderheit das Ritornell, vor - nehmlich wenn punctirte Noten vorkommen, ernſthaft geſpielet werden: damit die concertirende Stimme, wenn ſolche denſelben Geſang zu wie - derholen hat, ſich von dem Tutti unterſcheiden koͤnne. Sind aber ſchmei - chelnde Gedanken mit untermenget; ſo muͤſſen ſelbige auf eine angenehme Art vorgetragen werden. Bey allen, inſonderheit aber bey langſamen Stuͤcken, muͤſſen ſich die Ausfuͤhrer derſelben immer in den Affect des Componiſten ſetzen, und ſolchen auszudruͤcken ſuchen. Hierzu kann nebſt andern, oben beſchriebenen, Erfoderniſſen, auch das Ab - und Zunehmen der Staͤrke des Tones viel beytragen; wofern es naͤmlich mit Gelaſſenheit, und nicht durch ein heftiges und unangenehmes Druͤcken geſchieht. Haͤtte aber ein ſolches Stuͤck das Ungluͤck, daß der Componiſt bey deſſelben Ver - fertigung, ſelbſt von wenig oder von gar keinem Affecte geruͤhret worden waͤre: ſo wird freylich, bey aller Muͤhe der Ausfuͤhrer, doch kein beſon - derer Ausdruck zu erwarten ſeyn.

Von der Art des Strichs, der bey der franzoͤſiſchen Tanzmuſik zu brauchen iſt, findet man im 58. §. des VII. Abſchnitts dieſes Haupt - ſtuͤcks, Nachricht.

27. §. Wenn201Von den Ripien-Violiniſten insbeſondere.

27. §.

Wenn bey einem Stuͤcke: ſtaccato ſteht; ſo muͤſſen die Noten alle kurz geſpielet, und mit dem Bogen abgeſetzet werden. Da man aber, in gegenwaͤrtigen Zeiten, ſelten ein Stuͤck von einerley Noten zu ſetzen pfleget; ſondern auf eine gute Vermiſchung derſelben ſieht: ſo wer - den uͤber diejenigen Noten, welche das ſtaccato erfodern, Strichelchen geſchrieben.

Man muß ſich aber bey dieſen Noten nach dem Zeitmaaße, ob das Stuͤck ſehr langſam, oder ſehr geſchwind geſpielet wird, richten, und die Noten im Adagio nicht eben ſo kurz, als die im Allegro, abſtoßen: ſonſt wuͤrden die im Adagio allzutrocken und mager klingen. Die allgemei - ne Regel ſo man davon geben kann, iſt dieſe: Wenn uͤber etlichen Noten Strichelchen ſtehen, muͤſſen dieſelben halb ſo lange klingen, als ſie an und vor ſich gelten. Steht aber nur uͤber einer Note, auf welche etliche von geringerer Geltung folgen, ein Strichelchen: ſo bedeutet ſolches, nicht nur daß die Note halb ſo kurz ſeyn ſoll; ſondern daß ſie auch zugleich, mit dem Bogen, durch einen Druck markiret werden muß.

Alſo werden aus Viertheilen, Achttheile, und aus Achttheilen Sechzehntheile. u. ſ. w.

Oben iſt geſaget worden, daß bey den Noten uͤber welchen Strichel - chen ſtehen, der Bogen von der Seyte etwas abgeſetzet werden muͤſſe. Dieſes verſtehe ich nur von ſolchen Noten, bey denen es die Zeit leidet. Alſo werden im Allegro die Achttheile, und im Allegretto die Sechzehn - theile, wenn deren viele auf einander folgen, davon ausgenommen: denn dieſe muͤſſen zwar mit einem ganz kurzen Bogenſtriche geſpielet, der Bogen aber niemals abgeſetzet, oder von der Seyte entfernet werden. Denn wenn man ihn allezeit ſo weit aufheben wollte, als zum ſogenann - ten Abſetzen erfodert wird; ſo wuͤrde nicht Zeit genug uͤbrig ſeyn, ihn wieder zu rechter Zeit drauf zu bringen; und dieſe Art Noten wuͤrden klingen als wenn ſie gehacket oder gepeitſchet wuͤrden.

Jn einem Adagio koͤnnen die Noten, ſo unter der concertirenden Stimme eine Bewegung machen, wenn auch keine Strichelchen druͤber ſtuͤnden, dennoch als ein halb ſtaccato angeſehen, und folglich zwiſchen einer jeden Note, ein klein Stillſchweigen beobachtet werden.

Wenn uͤber den Noten Puncte ſtehen; ſo muͤſſen ſolche mit einem kurzen Bogen tockiret, oder geſtoßen, aber nicht abgeſetzet werden. Steht uͤber den Puncten noch ein Bogen; ſo muͤſſen die Noten, ſo vielC cderen202Das XVII. Hauptſtuͤck. II. Abſchnitt. deren ſind, in einem Bogenſtriche genommen, und mit einem Drucke markiret werden.

28. §.

Nicht allein die richtige Eintheilung der Bogenſtriche; nicht allein das zu rechter Zeit zu brauchende ſtarke oder ſchwache Aufdruͤcken des Bo - gens auf die Seyten; ſondern auch der Ort an welchem die Seyten da - mit beruͤhret werden muͤſſen, und was ein jeder Theil des Bogens fuͤr Kraft habe, iſt denenjenigen zu wiſſen noͤthig, die den Bogen recht fuͤh - ren, und damit gute Wirkungen hervorbringen wollen. Es koͤmmt viel darauf an, ob der Bogen nahe am Stege, oder weit von demſelben gefuͤh - ret wird; auch ob man die Seyten mit dem unterſten Theile, mit der Mitte, oder mit der Spitze des Bogens anſtreichet. Seine groͤßte Staͤrke liegt im unterſten Theile, der der rechten Hand der naͤchſte iſt; die maͤßige Staͤrke liegt in der Mitte; und die ſchwaͤchſte bey der Spi - tze des Bogens. Wird nun derſelbe allzunahe beym Stege gefuͤhret, ſo wird der Ton zwar ſchneidend und ſtark; aber auch zugleich duͤn - ne, pfeifend, und kratzend: beſonders auf der beſponnenen Seyte. Denn die Seyten ſind ganz nahe am Stege zu ſtark geſpannet: folg - lich hat der Bogen die Gewalt nicht, dieſelben in einen, mit dem uͤbrigen langen Theile der Seyte in gehoͤrigem Verhalte ſtehenden, gleichen Schwung zu bringen, um die erfoderliche Zitterung der Seyte zu erregen.

Da nun dieſes bey der Violine keine gute Wirkung thut: ſo iſt leicht zu erachten, daß es bey der Bratſche, dem Violoncell, und Contra - violon, noch viel ſchlechter klingen muͤſſe: beſonders weil auf dieſen Jn - ſtrumenten die Seyten um ſo viel dicker und laͤnger ſind, als auf der Vio - line. Um aber darinne die rechte Maaße zu treffen, halte ich dafuͤr, daß, wenn ein guter Violiniſt, um einen dicken maͤnnlichen Ton heraus zu bringen, den Bogen einen Finger breit vom Stege abwaͤrts fuͤhret; daß alsdenn der Bratſchiſt die Entfernung von zweenen, der Violoncelliſt von drey, bis vier, und der Contravioliniſt von ſechs Fingern breit nehmen muͤſſe. Man merke, daß auf den duͤnnen Seyten eines jeden Jnſtruments, der Bogen etwas naͤher am Stege, auf den dicken Seyten aber, etwas weiter von ihm abwaͤrts gefuͤhret werden koͤnne.

Will man den Ton in der Staͤrke wachſen laſſen, ſo kann man, in waͤhrendem Streichen, den Bogen feſter aufdruͤcken, und etwas naͤher zum Stege fuͤhren, wodurch der Ton ſtaͤrker und ſchneidender wird. Beydem203Von den Ripien-Violiniſten insbeſondere. dem Piano aber, kann der Bogen, auf einem jeden Jnſtrumente, noch et - was weiter, als oben geſaget worden, vom Stege abwaͤrts gefuͤhret wer - den: um die Seyten mit der Maͤßigung des Bogens deſto leichter in Schwung zu bringen.

29. §.

Bey einigen Stuͤcken pfleget man Daͤmpfer oder Sordinen auf die Violine, Bratſche, und den Violoncell zu ſetzen: um ſo wohl den Affect der Liebe, Zaͤrtlichkeit, Schmeicheley, Traurigkeit, auch wohl, wenn der Componiſt ein Stuͤck darnach einzurichten weis, eine wuͤtende Ge - muͤthsbewegung, als die Verwegenheit, Raſerey und Verzweifelung, deſto lebhafter auszudruͤcken: wozu gewiſſe Tonarten, als: E moll, C moll, F moll, Es dur, H moll, A dur, und E dur, ein Vieles beytragen koͤnnen. Die Sordinen werden aus unterſchiedenen Materien, als: Holz, Bley, Meſſing, Blech und Stahl gemachet. Die von Holz und Meſſing taugen gar nichts; weil ſie einen ſchnarrenden Ton ver - urſachen. Die von Stahl ſind eigentlich die beſten; wenn ſie nur ihr ge - hoͤriges, den Jnſtrumenten gemaͤßes Gewicht haben. Die Daͤmpfer zur Bratſche und zum Violoncell muͤſſen mit der Groͤße dieſer Jnſtrumente in richtigem Verhalte ſtehen, und folglich immer zu dem einen Jnſtru - mente groͤßer als zum andern ſeyn. Jch erinnere hier beylaͤufig, daß die blaſenden Jnſtrumentiſten beſſer thun, wenn ſie, anſtatt Papieres oder an - derer Sachen, ein Stuͤck feuchten Schwamm in die Oefnung ihrer Jn - ſtrumente hinein ſtecken; wenn ſie dieſelben daͤmpfen wollen.

30. §.

Bey den Daͤmpfern iſt zu merken, daß man in langſamen Stuͤcken mit Sordinen, nicht mit der groͤßten Staͤrke des Bogens ſpielen, und die bloßen Seyten, ſo viel als moͤglich iſt, vermeiden muͤſſe. Bey ge - ſchleiften Noten kann man den Bogen etwas feſte aufdruͤcken. Wenn aber die Melodie eine oͤftere Wiederholung des Bogens erfodert; ſo thut ein kurzer, und durch einen Druck belebter, leichter Strich, beſſere Wir - kung, als ein langer, gezogener, oder ſchleppender Strich: doch muß man ſich hierinne nach der Sache, die man zu ſpielen hat, richten.

31. §.

Die Stelle des Bogens vertreten zuweilen die Finger, durch das Reiſſen oder Kneipen der Seyten, welches das ſogenannte Pizzicato iſt. Dieſes machen die meiſten mehrentheils mit dem Daumen. Jch will nicht in Abrede ſeyn, daß ein guter Violiniſt, ſolches nicht auf eine an -C c 2genehme204Des XVII. Hauptſtuͤcks. II. Abſchnitt. genehme Art zu machen, und ſo zu maͤßigen wiſſen ſollte, daß man das Aufſchlagen der Seyte auf das Griffbret nicht bemerke. Weil aber nicht ein jeder hierinne eben dieſelbe Geſchiklichkeit beſitzt; indem man oͤfters wahrnimmt, daß es von manchen ſehr hart klingt, und die darunter ge - ſuchte Wirkung nicht allezeit erfolget: ſo befinde ich fuͤr noͤthig, meine Meynung hieruͤber zu entdecken. Es iſt bekannt, daß man auf der Lau - te die Oberſtimme mit den letzten vier Fingern, und den Baß mit dem Daumen ſpielet: nun iſt das Pizzicato auf der Violine eine Nachahmung der Laute oder des Mandolins; folglich wird auch erfodert, ſolches den - ſelben, ſo viel als moͤglich iſt, aͤhnlich zu machen. Jch befinde alſo fuͤr beſſer, wenn es nicht mit dem Daumen, ſondern mit der Spitze des Zei - gefingers geſchieht. Man faſſe die Seyte nicht von unten, ſondern ſeit - waͤrts, damit ſie ihren Schwung eben ſo, und nicht ruͤckwaͤrts auf das Griffbret nehme. Hierdurch wird der Ton viel natuͤrlicher und dicker, als wenn man die Seyte mit dem Daumen reiſſet. Denn derſelbe nimmt, wegen ſeiner Breite, einen groͤßern Theil der Seyte ein, und uͤbertreibt durch ſeine Staͤrke abſonderlich die duͤnnen Seyten: wie die Erfahrung zeigen wird, ſofern man beyde Arten gegen einander verſuchen will. Es muß auch weder zu nahe am Stege, noch zu nahe bey den Fingern der lin - ken Hand; ſondern bey dem Ende des Griffbretes geſchehen. Deswegen kann man den Daumen ſeitwaͤrts an daſſelbe ſetzen, um mit dem Finger eine jede Seyte deſto leichter zu treffen. Bey denen Accorden aber, wo drey Seyten in der Geſchwindigkeit nach einander, und zwar die tief - ſte zuerſt, angegeben werden muͤſſen, iſt es noͤthig, das Pizzicato mit dem Daumen auszuuͤben. Bey einer kleinen Muſik in der Kammer, duͤr - fen die Seyten nicht zu ſtark geriſſen werden, wenn es nicht unangenehm klingen ſoll.

32. §.

Vom Gebrauche der Finger der linken Hand iſt zu merken, daß die Staͤrke des Aufdruͤckens derſelben, jederzeit, mit der Staͤrke des Bogen - ſtrichs, in rechtem Verhalte ſtehen muͤſſe. Laͤßt man den Ton in einer Haltung (tenuta) an der Staͤrke wachſen: ſo muß auch der Finger, zu - nehmend aufgedruͤcket werden. Um aber zu vermeiden, daß der Ton nicht hoͤher werde; muß man den Finger gleichſam unvermerkt zuruͤck ziehen; oder dieſer Gefahr durch eine gute und nicht geſchwinde Bebung abhelfen. Diejenigen, welche die Finger allzuhoch aufheben, pflegen zwar einen ſcharfen Triller zu ſchlagen; ſie ſind aber dabey der Gefahr ausgeſetzet,daß205Von den Ripien-Violiniſten insbeſondere. daß ſie gar leicht falſch, und gemeiniglich zu hoch greifen; beſonders in den Molltoͤnen: wie denn auch bey ihnen das Laufwerck mehrentheils ungleich und nicht rund klingt; weil ſie die Finger, wegen Ungleichheit ihrer Laͤnge, ungleich abwechſeln. Der kleine Finger iſt ohnedem gemei - niglich ſchwaͤcher als die andern drey; deswegen muß man ſuchen ein Mit - tel zu finden, die Staͤrke in den drey laͤngern Fingern zu maͤßigen; dage - gen aber dem kleinen Finger durch eine Art von ſchnellem Schlage zu Huͤl - fe zu kommen, um alſo das gehoͤrige Verhaͤltniß mit den andern zu tref - fen. Ueberhaupt ſollten alle junge Violiniſten den kleinen Finger fleißig uͤben: und zwar mehr als eines hoͤchſtnoͤthigen Vortheils wegen.

33. §.

Das ſogenannte mezzo manico, da die Hand um einen halben, ganzen, oder mehrere Toͤne weiter auf dem Griffbrete hinauf geſetzet wird, giebt einen großen Vortheil, nicht nur um die bloßen Seyten, welche anders klingen, als wenn die Finger darauf ſtehen, bey gewiſſen Gele - genheiten zu vermeiden; ſondern auch noch in vielen andern Faͤllen; hauptſaͤchlich im Cadenziren. Z. E. Bey denen Tab. XXII. Fig. 50. 51. angemerkten Toͤnen, ſind die Triller mit dem dritten Finger gemeiniglich beſſer, als mit dem kleinen, zu machen.

Man verſuche die drey Exempel, Tab. XXII. Fig. 52. a) b) c) in der gewoͤhnlichen Lage; und ruͤcke darauf die Hand einen Ton hoͤher, ſo daß man bey a), anſtatt des dritten Fingers, den zweyten; und bey b) und c) anſtatt des zweyten Fingers den erſten brauche: ſo wird man bald, wegen des Gleichlauts, einen großen Unterſchied in der Ausnahme be - merken.

34. §.

Wenn die concertirende Stimme nur von Violinen begleitet wird; ſo muß jeder Violiniſt wohl Achtung geben, ob er eine pure Mittelſtim - me, oder eine, in gewiſſen kleinen Saͤtzen, mit der concertirenden ab - wechſelnde Stimme, oder ein Baſſetchen, zu ſpielen habe. Bey der Mit - telſtimme muß er die Staͤrke des Tones ſehr maͤßigen. Wenn er etwas abwechſelndes hat, kann er ſtaͤrker, das Baſſetchen aber noch ſtaͤrker ſpie - len: abſonderlich, wenn er von dem Concertiſten, oder auch von den Zu - hoͤrern, weit entfernet iſt. Haben beyde Violinen nur Mittelſtimmen; ſo muͤſſen ſie auch in einerley Staͤrke ſpielen. Hat die zweyte Violine imC c 3Ritor -206Des XVII. Hauptſtuͤcks. II. Abſchnitt. Von den ꝛc. Ritornell, gegen die erſte eine aͤhnliche Melodie, es ſey in der Terze, Sexte, oder Quarte; ſo kann die zweyte mit der erſten in einerley Staͤrke ſpielen. Jſt es aber auch nur, wie im obigen Falle, eine Mittelſtimme; ſo muß die zweyte Violine ebenfalls den Ton etwas maͤßigen: weil die Hauptſtimmen allezeit mehr als die Mittelſtimmen gehoͤret werden muͤſſen.

35. §.

Wenn die Violiniſten eine ſchwache concertirende Stimme zu be - gleiten haben, ſo muß ſolches mit vieler Maͤßigung geſchehen. Sie muͤſ - ſen die Art des Accompagnements wohl betrachten: ob die Bewegung deſſelben, aus geſchwinden oder langſamen, aus gleichen oder ſpringen - den Noten beſtehe; ob ſolches tiefer, hoͤher, oder mit der Concertſtimme in derſelben Gegend geſetzet ſey; ob es zwey - drey - oder vierſtimmig ſey; ob die Concertſtimme einen ſchmeichelnden Geſang, oder Paſſagien zu ſpielen habe; ob die Paſſagien aus weitlaͤuftigen Spruͤngen, oder aus rol - lenden Noten beſtehen; und ob dieſe Noten in der Tiefe oder Hoͤhe ſich befinden. Dieſes alles erfodert eine große Behutſamkeit. Z. E. Eine Floͤte iſt in der Tiefe nicht ſo durchdringend, als in der Hoͤhe; beſonders in Molltoͤnen; ſie wird auch, von rechtswegen, nicht allezeit in einerley Staͤrke, ſondern, nachdem es die Sache erfodert, bald ſchwach, bald mit - telmaͤßig, bald ſtark geſpielet. Ein gleiches faͤllt auch bey ſchwachen Singſtimmen, und andern nicht allzuſtarken Jnſtrumenten vor. Die Violiniſten muͤſſen alſo beſtaͤndig Achtung geben, daß die concertirende Stimme niemals unterdruͤcket, ſondern allezeit vor andern gehoͤret werde.

Des207

Des XVII. Hauptſtuͤcks III. Abſchnitt. Von dem Bratſchiſten insbeſondere.

1. §.

Die Bratſche wird in der Muſik mehrentheils fuͤr etwas geringes ange - ſehen. Die Urſache mag wohl dieſe ſeyn, weil dieſelbe oͤfters von ſolchen Perſonen geſpielet wird, die entweder noch Anfaͤnger in der Muſik ſind; oder die keine ſonderlichen Gaben haben, ſich auf der Violine her - vor zu thun; oder auch weil dieſes Jnſtrument ſeinem Spieler allzuwenig Vortheil bringt: weswegen geſchikte Leute ſich nicht gerne dazu brauchen laſſen. Dem ungeachtet halte ich dafuͤr, daß ein Bratſchiſt eben ſo ge - ſchikt ſeyn muͤſſe, als ein zweyter Violiniſt: wofern das ganze Accompa - gnement nicht mangelhaft ſeyn ſoll.

2. §.

Er muß nicht allein einen eben ſo guten Vortrag im Spielen ha - ben, als der Violiniſt; ſondern er muß gleichfalls etwas von der Harmo - nie verſtehen: damit er, wenn er, wie in Concerten uͤblich iſt, zuweilen des Baſſiſten Stelle vertreten, und das Baſſetchen ſpielen muß, mit Behutſamkeit zu ſpielen wiſſe, und der Concertiſt nicht mehr Sorge fuͤr ihn, als fuͤr ſeine eigene Stimme haben duͤrfe.

3. §.

Er muß in ſeiner Stimme beurtheilen koͤnnen, welche Noten ſang - bar oder trocken, ſtark oder ſchwach, mit einem langen oder kurzen Bo - gen, geſpielet werden muͤſſen: imgleichen ob er nur zwo oder mehr Vio - linen, viel oder wenig Baͤſſe gegen ſich habe: und ſo er die Grundſtimme zu ſpielen hat, ob die concertirende ſtark oder ſchwach ſpiele; ob das Stuͤck traurig, luſtig, praͤchtig, ſchmeichelnd, modeſt oder frech geſetzet ſey:indem208Des XVII. Hauptſtuͤcks. III. Abſchnitt. indem er, bey einem jeden Affecte, ſich mit dem Baſſetchen darnach rich - ten, und der Oberſtimme bequemen muß.

4. §.

Er muß unterſcheiden, ob er Arien, Concerten, oder andere Arten von Muſik zu begleiten habe. Bey Arien koͤmmt er leicht durch: weil er allda mehrentheils nur eine pure Mittelſtimme, oder etwa den Baß mit zu ſpielen hat. Jn Concerten aber giebt es oͤfters ein mehrers zu thun; indem bisweilen der Bratſche, anſtatt der zweyten Violine, die Nach - ahmung, oder eine der Oberſtimme aͤhnliche Melodie gegeben wird: zuge - ſchweigen daß die Bratſche auch wohl bisweilen ein ſingendes Ritornell mit den Violinen im Uniſon ſpielen muß; welches bey einem Adagio be - ſonders gute Wirkung thut. Hat nun der Bratſchiſt, bey dergleichen Um - ſtaͤnden, keinen deutlichen und angenehmen Vortrag; ſo wird durch ihn die ſchoͤnſte Compoſition verdorben: beſonders wenn in einem ſolchen Stuͤ - cke eine jede Stimme nur einmal beſetzet iſt.

5. §.

Will man noch weiter gehen; ſo wird von einem guten Bratſchiſten erfodert, daß er auch im Stande ſey, ſelbſt eine concertirende Stimme, eben ſo gut als ein Violiniſt, zu ſpielen: zum Exempel, ein concertirendes Trio, oder Quatuor. Wer weis, ob nicht dieſe ſchoͤne Art von Muſik itzo eben deswegen nicht mehr ſo, wie ehedem, in der Mode iſt: weil naͤmlich die wenigſten Bratſchiſten auf ihr Werk ſo viel Fleiß wenden, als ſie ſollten. Viele glauben, daß, wenn ſie nur etwas weniges vom Tacte und der Eintheilung der Noten verſtuͤnden, man von ihnen alsdenn nichts mehreres verlangen koͤnnte. Doch dieſes Vorurtheil gereichet zu ihrem eigenen Schaden. Denn wenn ſie den gehoͤrigen Fleiß anwenden wollten, koͤnnten ſie in einer großen Muſik leicht ihr Gluͤck verbeſſern, und nach und nach weiter hinauf ruͤcken: anſtatt daß ſie mehrentheils, bis an ihr Ende, der Bratſche nicht los werden. Ja man hat Beyſpiele, daß Leu - te, die ſich in der Muſik beſonders hervorgethan, in ihrer Jugend die Bratſche geſpielet haben. Auch nachgehends, da ſie ſchon zu etwas meh - rerem tuͤchtig waren, haben ſie ſich vielleicht nicht geſchaͤmet, dieſes Jn - ſtrument, wenn es die Noth erfoderte, zu ergreifen. Zum wenigſten empfindet derjenige, ſo accompagniret, mehr Vergnuͤgen von der Muſik, als der, welcher die Concertſtimme ſpielet: und wer ein wahrer Muſikus iſt, der nimmt Antheil an der ganzen Muſik; ohne ſich zu bekuͤmmern, ob er die erſte oder letzte Partie ſpiele.

6. §. Vor209Von dem Bratſchiſten insbeſondere.

6. §.

Vor allen willkuͤhrlichen Zuſaͤtzen oder Auszierungen in ſeiner Stim - me, muß ſich ein guter Bratſchiſt huͤten.

7. §.

Die Achttheile in einem Allegro muß er mit einem ganz kurzen Bo - genſtriche, die Viertheile hingegen, mit einem etwas laͤngern ſpielen.

8. §.

Hat er mit den Violiniſten einerley Art Noten, ſie moͤgen geſchlei - fet oder geſtoßen ſeyn; ſo muß er ſich nach ihrer Art zu ſpielen richten, es ſey cantabel oder lebhaft. Dieſes wird abſonderlich noͤthig ſeyn, wenn er ein Ritornell mit den Violinen im Uniſon zu ſpielen hat: denn da muß er eben ſo cantabel und gefaͤllig ſpielen, als die Violiniſten ſelbſt: damit man nicht gewahr werde, daß es verſchiedene Jnſtrumente ſind. Haben aber ſeine Noten eine Aehnlichkeit mit dem Baſſe; ſo muß er ſol - che eben ſo ernſthaft als der Baß vortragen.

9. §.

Jn einem traurigen Stuͤcke, muß er ſeinen Bogenſtrich ſehr maͤßi - gen, und denſelben nicht mit Heftigkeit oder allzugroßer Geſchwindigkeit bewegen; keinen harten und unangenehmen Druck mit dem Arme machen; nicht zu ſtark auf die Seyten druͤcken; nicht zu nahe am Stege ſpielen, ſondern den Bogen, beſonders auf den dicken Seyten, wohl zweene Finger breit davon abwaͤrts fuͤhren: ſ. den II. Abſchnitt, 28. §. Die Achttheile im gemeinen geraden, oder die Viertheile im Allabrevetacte, muß er, in dieſer Art langſamer Stuͤcke, nicht zu kurz und trocken, ſondern alle unterhalten, angenehm, gefaͤllig, und mit Gelaſſenheit ſpielen.

10. §.

Jn einem cantabeln Adagio, ſo aus Achttheilen und Sechzehnthei - len beſteht, auch mit ſcherzhaften Gedanken untermiſchet iſt, muß der Bratſchiſt alle kurzen Noten mit einem leichten und kurzen Bogenſtriche, und zwar nicht mit dem ganzen Arme, ſondern nur mit der Hand, durch die Bewegung des erſten Gelenkes, ausfuͤhren, auch dabey weniger Staͤr - ke als ſonſt gebrauchen.

11. §.

Weil eine Bratſche, wenn es ein gutes und ſtarkes Jnſtrument iſt, gegen vier, auch wohl ſechs Violinen zulaͤnglich iſt: ſo muß der Bratſchiſt, wofern nur etwa zwo oder drey Violinen mit ihm ſpielen, die Staͤrke des Tones maͤßigen; damit er nicht den uͤbrigen uͤberlegen werde: beſondersD dwenn210Des XVII. Hauptſtuͤcks. III. Abſchnitt. wenn nur ein Violoncell, und kein Contraviolon ſich dabey befindet. Die Mittelſtimme, welche, an und vor ſich, dem Zuhoͤrer das wenigſte Ver - gnuͤgen machet, darf niemals ſo ſtark als die Hauptſtimmen gehoͤret wer - den. Deswegen muß der Bratſchiſt beurtheilen, ob die Noten, ſo er zu ſpielen hat, melodioͤs oder nur harmonioͤs ſind. Die erſtern kann er mit den Violinen in gleicher Staͤrke; die andern aber etwas ſchwaͤcher ſpieken.

12. §.

Hat der Bratſchiſt zuweilen die Grundſtimme, ſo kann er ſie etwas ſtaͤrker als die uͤbrigen Mittelſtimmen vortragen. Doch muß er allezeit auf die Concertſtimme hoͤren; damit er ſolche nicht uͤbertaͤube. Und wenn dieſelbe bald ſtaͤrker bald ſchwaͤcher ſpielet, muß er ſich gleichfalls mit der Staͤrke und Schwaͤche darnach richten, und das Ab - und Zunehmen des Tones mit allen zugleich beobachten.

13. §.

Kommen Nachahmungen gewiſſer Saͤtze der Haupt - oder der Grund - ſtimme vor; ſo muͤſſen ſolche mit der Stimme welcher ſie nachahmen in gleicher Staͤrke geſpielet werden. Ein ſogenanntes Thema oder Hauptſatz einer Fuge aber, imgleichen ſonſt jeder Gedanke in einem Concert oder andern Stuͤcke, der oͤfters wiederholet wird, muß, durch die Staͤrke des Tones, mit Nachdruck erhoben und markiret werden. Hierher gehoͤren auch die langen Noten, ſie ſeyn Viertheile, halbe, oder ganze Tacte, ſo auf geſchwinde Noten folgen, und einen Aufenthalt in der Lebhaftigkeit machen: beſonders die, vor denen ein Kreuz oder Wiederherſtellungszei - chen ſteht.

14. §.

Wird von dem Bratſchiſten verlanget, ein Trio oder Quatuor zu ſpielen; ſo muß er wohl beobachten, was vor Arten von Jnſtrumenten er gegen ſich hat: damit er ſich, wegen der Staͤrke und Schwaͤche ſeines Tones, darnach richten koͤnne. Gegen eine Violine kann er faſt in einer - ley Staͤrke ſpielen; gegen einen Violoncello und Baſſon, in gleicher Staͤrke; gegen einen Hoboe etwas ſchwaͤcher: weil der Ton gegen die Bratſche duͤnne iſt. Gegen eine Floͤte aber, beſonders wenn ſie in der Tiefe ſpielet, muß er die groͤßte Schwaͤche gebrauchen.

15. §. Ueber -211Von dem Bratſchiſten insbeſondere.

15. §.

Ueberhaupt koͤmmt, bey Ausuͤbung der Bratſche, viel auf eine pro - portionirliche Staͤrke und Schwaͤche des Tones an. Es wuͤrde ſchwer fallen, wenn man alle vorfallende Umſtaͤnde beſchreiben ſollte. Deswe - gen wird von einem Bratſchiſten eben ſo viel Beurtheilungskraft erfodert, als von einem der die Grundſtimme ſpielet.

16. §.

Wenn der Bratſchiſt, in Ermangelung des Violoncells, ein Trio oder Solo begleitet; muß er, ſo viel als moͤglich iſt, allezeit eine Octave tiefer ſpielen, als ſonſt, wenn er mit dem Baſſe im Uniſon geht; und wohl Acht haben, daß er die Oberſtimme nicht uͤberſteige: damit die Quinten in der Grundſtimme nicht in Quarten verwandelt werden. Er wird alſo wohl thun, wenn er, bey einem Solo, immer ein Auge auf die Oberſtimme richtet, um ſich, wenn ſie in der Tiefe ſpielet, auch dar - nach richten zu koͤnnen. Z. E. Geſetzt, die Oberſtimme haͤtte das ein - geſtrichene A, und der Baß ſein hoͤchſtes D: wollte der Bratſchiſt daſ - ſelbe auf der kleineſten Seyte nehmen, ſo wuͤrde aus der Quinte, ſo die Stimmen gegen einander machen, die Quarte werden, und alſo nicht dieſelbe Wirkung thun.

17. §.

Was uͤbrigens vom Bogenſtriche, vom Stoßen und Schleifen, vom Ausdrucke der Noten, vom Staccato, vom ſtark und ſchwach Spie - len, vom Stimmen, u. ſ. w. im vorigen, und im letzten Abſchnitte vor - koͤmmt, kann ſich der Bratſchiſt, eben ſo wohl, als die Ripien-Violini - ſten zu Nutzen machen: nicht allein, weil ihm ſolches alles zu wiſſen noͤ - thig iſt; ſondern auch, weil ich vermuthe, daß er nicht immer werde Bratſchiſt verbleiben wollen.

D d 2Des212Des XVII. Hauptſtuͤcks. IV. Abſchnitt.

Des XVII. Hauptſtuͤcks. IV. Abſchnitt. Von dem Violoncelliſten insbeſondere.

1. §.

Wer auf dem Violoncell nicht nur accompagniret, ſondern auch Solo ſpielet, thut ſehr wohl, wenn er zwey beſondere Jnſtrumente hat; eines zum Solo, das andere zum Ripienſpielen, bey großen Muſiken. Das letztere muß groͤßer, und mit dickern Seyten bezogen ſeyn, als das erſtere. Wollte man mit einem kleinen und ſchwach bezogenen Jnſtru - mente beydes verrichten; ſo wuͤrde das Accompagnement in einer zahlrei - chen Muſik gar keine Wirkung thun. Der zum Ripienſpielen beſtimmte Bogen, muß auch ſtaͤrker, und mit ſchwarzen Haaren, als von welchen die Seyten ſchaͤrfer, als von den weißen angegriffen werden, bezogen ſeyn.

2. §.

Der Bogenſtrich muß nicht zu nahe beym Stege, ſondern wohl drey bis vier Finger breit davon abwaͤrts gefuͤhret werden, ſ. den II. Abſchnitt, 28. §. Einige ſtreichen mit dem Bogen ſo, wie es bey der Viola da Gam - ba uͤblich iſt, naͤmlich: anſtatt des Herunterſtrichs, von der linken zur rechten Hand, bey den Hauptnoten, machen ſie den Hinaufſtrich, von der rechten zur linken, und fangen mit der Spitze des Bogens an. An - dere hingegen machen es wie die Violiniſten, und fangen denſelben Strich mit dem unterſten Theil des Bogens an. Dieſe letztere Art iſt bey den Jtaliaͤnern uͤblich, und thut nicht nur beym Soloſpielen, ſondern auch vornehmlich bey dem Accompagnement, beſſere Wirkung als die erſte: weil die Hauptnoten mehr Staͤrke und Nachdruck erfodern, als die durch - gehenden: welche ihnen aber, mit der Spitze nicht ſo, als mit dem unter - ſten Theile des Bogens, gegeben werden koͤnnen. Ueberhaupt muß der Violoncelliſt bemuͤhet ſeyn, einen dicken, runden, und maͤnnlichen Tonaus213Von dem Violoncelliſten insbeſondere. aus dem Jnſtrumente zu bringen: wozu die Art, wie er den Bogen fuͤh - ret, und ob er denſelben nahe oder weit vom Stege haͤlt, ingleichen auch, ob er denſelben ſtark oder ſchwach auf die Seyten druͤcket, viel beytraͤgt. Wollte er bey einer ſtarken Muſik die Zaͤrtlichkeit ſo weit treiben, und ſich ſo wenig hoͤren laſſen, daß er, anſtatt des Bogens, die Seyten mit einem Flederwiſche zu beruͤhren ſchiene; ſo wuͤrde er wenig Lob verdienen. Gewiſſe kleine Verdrehungen des Leibes, die bey dieſem Jnſtrumente nicht allezeit vermieden werden koͤnnen, wird man ihm hoffentlich zu Gute halten.

3. §.

Ein Violoncelliſt muß ſich huͤten, daß er nicht, wie ehedem einige große Violoncelliſten die uͤble Gewohnheit gehabt haben, den Baß mit Manieren zu verbraͤmen, und zur unrechten Zeit ſeine Geſchiklichkeit zu zeigen ſuche. Denn wofern ein Violoncelliſt, wenn er die Setzkunſt nicht verſteht, im Baſſe willkuͤhrliche Manieren anbringen will; ſo thut er noch mehr Schaden, als ein Violiniſt bey der Ripienſtimme: beſonders wenn er ſolche Baͤſſe vor ſich hat, uͤber welchen die Hauptſtimme in beſtaͤndiger Bewegung iſt, um den ſimpeln Geſang mit Zuſaͤtzen auszuzieren. Es iſt nicht moͤglich daß einer des andern Gedanken allezeit errathen koͤnne; und wenn auch beyde gleiche Einſicht haͤtten. Ueberdem iſt es ungereimt, den Baß, welcher die Zierrathen der andern Stimme unterſtuͤtzen und har - monioͤs machen ſoll, ſelbſt zu einer Art von Oberſtimme zu machen, und ihn ſeines ernſthaften Ganges zu berauben; dadurch aber die nothwendi - gen Zierrathen der Oberſtimme zu verhindern, oder zu verdunkeln. Es iſt zwar nicht zu laͤugnen, daß einige melodioͤſe und concertirende Baͤſſe bey einem Solo, etwas von Zuſatze leiden; wenn nur der Ausfuͤhrer des Baſſes genugſame Einſicht hat, und weis, an welchem Orte es ſich thun laͤßt: und wenn bey ſolcher Gelegenheit, etwas von Zierrathen auf eine geſchikte Art hinzugefuͤget wird; ſo wird die Sache deſto vollkommener. Doch wenn der Violoncelliſt ſich auf ſeine Wiſſenſchaft nicht hinlaͤnglich verlaſſen kann: ſo iſt ihm zu rathen, daß er lieber den Baß ſo ſpiele, wie ihn der Componiſt geſetzet hat; als daß er aus Unwiſſenheit ſich in die Ge - fahr begebe, viele ungereimte und uͤbelklingende Noten zuzuſetzen. Ein geſchikter Zuſatz von Zierrathen findet nirgends als bey einem Solo ſtatt. Doch muͤſſen zu der Zeit, wenn die Hauptſtimme, bey ſimpeln Noten, nothwendig etwas zuſetzen muß, die Noten des Baſſes ganz ohne allen willkuͤhrlichen Zierrath vorgetragen werden. Hat aber der Baß Nachah -D d 3mungen;214Des XVII. Hauptſtuͤcks. IV. Abſchnitt. mungen; ſo kann der Violoncelliſt eben dieſelben Manieren, die ihm vor - gemachet worden ſind, nachmachen. Hat die Hauptſtimme Pauſen, oder haltende Noten; ſo kann er gleichfalls den Baß auf eine angenehme Art veraͤndern: wenn nur die Hauptnoten im Baſſe nicht verdunkelt wer - den, und die Veraͤnderungen ſo beſchaffen ſind, daß ſie keine andere Lei - denſchaft ausdruͤcken, als das Stuͤck erfodert. Deswegen muß der Vio - loncelliſt beſtaͤndig ſuchen, dem Vortrage deſſen ſo die Hauptſtimme ſpie - let, ſo wohl in der Staͤrke und Schwaͤche des Tones, als in Ausdruͤ - ckung der Noten, nachzuahmen. Bey einer vollſtimmigen Muſik aber, iſt den Violoncelliſten ganz und gar nicht erlaubt, willkuͤhrlich etwas zu - zuſetzen: nicht allein, weil die Grundſtimme ernſthaft und deutlich ge - ſpielet werden muß; ſondern auch, weil ſolches, wenn es die uͤbrigen Baͤſſe eben ſo machten, eine große Verwirrung und Undeutlichkeit ver - urſachen wuͤrde.

4. §.

Bey einem traurigen Adagio, muͤſſen die langſamen Noten, naͤm - lich die Achttheile im gemeinen geraden, und die Viertheile im Allabre - vetacte, mit einem gelaſſenen Bogenſtriche geſpielet werden. Man muß dabey nicht mit dem Bogen, in einer Haſtigkeit und Eil, bis an ſeine Spitze fahren: denn dieſes wuͤrde den Affect der Traurigkeit verhindern, und das Gehoͤr beleidigen. Jm Allegro muͤſſen die Viertheile unterhal - ten, oder nouriſſant, und die Achttheile ganz kurz geſpielet werden. Jm Allegretto ſo im Allabrevetacte geſetzt iſt, geht es eben ſo. Jſt aber das Allegretto im gemeinen geraden Tacte geſetzet, ſo werden die Achttheile unterhalten, und die Sechzehntheile kurz geſpielet. Die kurzen Noten muͤſſen nicht mit dem ganzen Arme, ſondern nur mit der Hand allein, und zwar durch die Bewegung des erſten Gelenks derſelben geſpielet wer - den: wovon im zweyten und ſechſten Abſchnitte ein mehreres zu erſe - hen iſt.

5. §.

Alle Noten muͤſſen in der Lage, ſo wie ſie geſetzt ſind, geſpielet, und nicht einige bald eine Octave hoͤher, bald eine tiefer genommen werden; beſonders diejenigen, mit welchem die uͤbrigen Stimmen im Uniſon mit gehen. Denn dergleichen Arten von Modulationen beſtehen aus einer foͤrmlichen Baßmelodie: und dieſe kann und darf auf keine Art veraͤndert werden. Wuͤrden dergleichen Noten auf dem Violoncell eine Octave tie - fer geſpielet, als ſie geſetzet ſind: ſo wuͤrde die Entfernung gegen die Violi -nen215Von dem Violoncelliſten insbeſondere. nen nicht nur zu weit ſeyn, ſondern die Noten wuͤrden auch zugleich die gehoͤrige Schaͤrfe und Lebhaftigkeit, ſo darinne geſuchet wird, verlieren. Andere Baßnoten, die nicht mit den uͤbrigen Stimmen im Uniſon gehen, leiden noch eher, daß man dann und wann, wenn kein Contraviolon zu - gegen iſt, eine Octave tiefer ſpiele: doch muͤſſen es nicht melodioͤſe, ſon - dern nur harmonioͤſe, das iſt, ſolche Gaͤnge ſeyn, welche fuͤr ſich keine eigene Melodie machen, ſondern nur zum Grunde der oberſten Melodieen dienen. Die Spruͤnge, in die Terze, Quarte, Quinte, Sexte, Se - ptime und Octave, auf - oder unterwaͤrts, muͤſſen nicht umgekehret wer - den: weil dieſe Spruͤnge oͤfters zu Bildung einer gewiſſen Melodie die - nen, auch ſelten ohne Abſicht von dem Componiſten geſetzet werden; ſ. Tab. XXII. Fig. 53. Eine gleiche Bewandtniß hat es, wenn ein Gang von einem halben oder ganzen Tacte oͤfters wiederholet wird; doch ſo, daß dieſelben Noten einmal um das andere, eine Octave tiefer oder hoͤher geſetzet ſind; ſ. Tab. XXII. Fig. 54. Ein ſolcher Baß muß geſpielet wer - den wie er geſchrieben iſt. Denn wenn man dieſe Spruͤnge umkehren wollte, wuͤrde ein ganz anderer Sinn herauskommen.

6. §.

Weil der Violoncell, unter allen Baͤſſen, den ſchaͤrfſten Ton hat, und ſeine Stimme am deutlichſten ausdruͤcken kann; ſo hat ſein Spieler auch vor andern den Vortheil voraus, daß er, bey Ausdruͤckung des Lichts und Schattens, den uͤbrigen Stimmen helfen, und der ganzen Sache ei - nen Nachdruck geben kann. Von ihm haͤngt am meiſten ab, in einem Stuͤcke das Zeitmaaß bey ſeiner Richtigkeit, und die Lebhaftigkeit zu un - terhalten; das Piano und Forte zur gehoͤrigen Zeit auszudruͤcken; die verſchiedenen Leidenſchaften, welche in einem Stuͤcke erreget werden ſollen, zu unterſcheiden und kennbar zu machen; und alſo dem Concertiſten ſein Spielen zu erleichtern. Er muß alſo weder eilen, noch nachſchleppen; ſondern ſeine Gedanken mit beſtaͤndiger Aufmerkſamkeit, ſo wohl auf die Pauſen, als auf die Noten richten: damit man nicht genoͤthiget werde, ihn zu erinnern, wenn er nach einer Pauſe wieder anfangen, oder wenn er ſchwach oder ſtark ſpielen ſoll. Denn es iſt bey einer Muſik ſehr unan - genehm, wenn nach einer Pauſe, bey einem neuen Eintritte, nicht alle Stimmen zugleich mit Ernſt anfangen; oder wenn das Piano oder Forte nicht bey der Note, wo es geſchrieben iſt, beobachtet wird: beſonders wenn es an dem Baſſe fehlet, welcher der Sache den groͤßten Ausſchlag ge - ben muß.

7. §. Wo -216Des XVII. Hauptſtuͤcks. IV. Abſchnitt.

7. §.

Wofern der Violoncelliſt die Setzkunſt, oder zum wenigſten etwas von der Harmonie verſteht, ſo iſt es ihm ein Leichtes, die verſchie - denen Leidenſchaften, welche in einem Stuͤcke von dem Componiſten aus - gedruͤcket ſind, mit dem Concertiſten zugleich zu erheben und kennbar zu machen. Dieſes wird von der begleitenden Stimme eben ſo wohl als vom Concertiſten gefodert, und iſt eine vorzuͤgliche Schoͤnheit des Accompa - gnements. Denn wenn nur einer ſeine Stimme gut, der andere aber kaltſinnig und nachlaͤſſig vortraͤgt, ſo widerſpricht der eine, ſo zu reden, dem, was der andere bejahet: und die Zuhoͤrer haben, wo nicht Verdruß, doch nur das halbe Vergnuͤgen. Hierzu kann der Violoncelliſt leicht ge - langen, wenn es ihm nicht an der Empfindung fehlet, und wenn er nicht auf ſeine Stimme allein, ſondern auf das Ganze die gehoͤrige Aufmerk - ſamkeit richtet. Er muß ſich hiernaͤchſt diejenige Art Noten bekannt ma - chen, welche vor andern markiret und erhoben werden muͤſſen. Dieſe ſind, erſtlich diejenigen, welche Diſſonanzen uͤber ſich haben, als: die Secunde, die falſche Quinte, die uͤbermaͤßige Sexte, die Septime; oder die Noten, welche durch das Kreuz oder das Wiederherſtellungszei - chen außerordentlicher weiſe erhoͤhet, oder durch dieſes, und das runde b, erniedriget werden. Auch gehoͤret hierher, wenn die Oberſtimme eine Cadenz machet, und der Baß ordentlicher Weiſe eine Quarte uͤber ſich, oder eine Quinte unter ſich zu ſpringen hat, um mit der Oberſtimme in die Octave zu gehen; derſelbe aber durch einen Betrug oder ſogenannten inganno, nur eine Stufe hoͤher oder tiefer geht: z. E. die Oberſtimme cadenzirte ins C, und der Baß haͤtte anſtatt der Octave vom C, die Ter - ze von unten, als A, As, oder die falſche Quinte Fis, nachdem es die Tonart erfordert, ſ. Tab. XXII. Fig. 55. Hier thut es nun eine ſehr gute Wirkung, wenn die hier erwaͤhnten Noten: A, As, Fis, mit dem Violoncell markiret, und etwas ſtaͤrker als die vorhergehenden Noten ange - geben werden. Wenn es aber in einem Stuͤcke, beſonders in einem Ada - gio, zur Hauptcadenz geht; ſo kann der Violoncelliſt mit den vorhergehen - den zwo, drey, oder vier Noten, auf gleiche Weiſe verfahren, um die Aufmerkſamkeit der Zuhoͤrer auf dieſelbe zu lenken; ſ. Tab. XXII. Fig. 56.

8. §.

Bey Ligaturen oder gebundenen Noten, kann er die zweyte, wor - uͤber mehrentheils die Secunde und Quarte geſetzet wird, durch die Ver - ſtaͤrkung des Tones wachſen laſſen, doch darf er den Bogen nicht dabey ruͤcken.

9. §. Wenn217Von dem Violoncelliſten insbeſondere.

9. §.

Wenn in einem Preſto, welches mit vieler Lebhaftigkeit geſpielet werden muß, verſchiedene Achttheile, oder ſonſt kurze Noten, auf einerley Tone vorkommen, ſo kann er die erſte im Tacte durch einen Druck mit dem Bogen markiren.

10. §.

Punctirte Noten muß er allezeit ernſthafter und ſchwerer mit dem Bogen ſpielen, als der Violiniſt: die folgenden doppelt geſchwaͤnzten hin - gegen, muͤſſen ganz kurz und ſcharf vorgetragen werden; es ſey im ge - ſchwinden oder langſamen Zeitmaaße.

11. §.

Wenn an einem Violoncell Baͤnde ſind, wie bey der Viola da Gam - ba uͤblich iſt: ſo muß der Violoncelliſt, bey denen mit b bezeichneten Toͤ - nen, die Seyten, mit den Fingern, ein wenig uͤber die Baͤnde hinaus, und zwar etwas ſtaͤrker niederdruͤcken; um ſolche ſo viel hoͤher zu greifen, als es ihr Verhalt, gegen die mit Kreuzen bezeichneten Toͤne erfodert, naͤmlich um ein Komma.

12. §.

Das Soloſpielen iſt auf dieſem Jnſtrumente eben nicht eine ſo gar leichte Sache. Wer ſich hierinne hervorthun will, der muß von der Na - tur mit ſolchen Fingern verſehen ſeyn, die lang ſind, und ſtarke Nerven haben, um weit aus einander greifen zu koͤnnen. Wenn ſich aber dieſe nothwendigen Eigenſchaften, nebſt einer guten Anweiſung zugleich beyſam - men finden; ſo kann, auf dieſem Jnſtrumente, ſehr viel Schoͤnes hervor - gebracht werden. Jch habe ſelbſt einige große Meiſter gehoͤret, die auf dieſem Jnſtrumente bey nahe Wunder gethan haben. Wer den Violon - cell als ein Liebhaber ausuͤbet, dem ſteht es mit Rechte frey, dasjenige am meiſten darauf zu treiben, was ihm das meiſte Vergnuͤgen machet: wer aber ſein Hauptwerk davon zu machen gedenket, der thut wohl, wenn er ſich vor allen Dingen erſt bemuͤhet ein guter Accompagniſt zu werden: denn dadurch wird er bey der Muſik nuͤtzlicher und brauchbarer ſeyn. Wollte er aber, ehe er noch einen Ripienbaß recht auszufuͤhren wuͤßte, ſo gleich zum Soloſpielen eilen, und vielleicht deswegen ſein Jnſtrument ſo ſchwach beziehen, daß man ihn bey dem Accompagnement nicht hoͤren koͤnn - te; ſo wuͤrde ihm die Muſik wenig Dank ſchuldig ſeyn. Er wuͤrde viel - mehr von einem und dem andern Liebhaber der Muſik, der ſich ſo wohl im Soloſpielen als Accompagniren hervor thut, beſchaͤmet werden. E eDas218Des XVII. Hauptſtuͤcks. V. Abſchnitt. Das gute Accompagnement iſt das vornehmſte, ſo von dieſem Jnſtrumen - te eigentlich erfodert wird. Wenn nicht das Accompagniren und Solo - ſpielen in gleichem Grade der Vortrefflichkeit ſtehen; ſo thut ein guter Ac - compagniſt bey einem Orcheſter mehr Dienſte, als ein mittelmaͤßiger Soloſpieler. Die Kunſt wohl zu begleiten aber, laͤßt ſich weder fuͤr ſich allein, noch auch bloß in großen Muſiken erlernen. Wer ſich darinne recht feſt ſetzen will, muß viele geſchikte Leute insbeſondere accompagni - ren: und wenn er ſich nicht verdruͤßen laͤßt, bisweilen Erinnerungen an - zunehmen; ſo wird ſein daraus zu hoffender Vortheil deſto groͤßer ſeyn. Denn es wird doch kein Meiſter gebohren: ſondern es muß immer einer von dem andern lernen.

Des XVII. Hauptſtuͤcks V. Abſchnitt. Von dem Contravioloniſten insbeſondere.

1. §.

Mit dem großen Violon geht es, wie mit der Bratſche. Er wird ebenfalls von Vielen, nicht in dem Werthe, und von der Noth - wendigkeit gehalten, welche er doch, wenn er anders gut geſpielet wird, in einer großen Muſik verdienet. Es kann ſeyn, daß die meiſten, welche zu dieſem Jnſtrumente gebrauchet werden, vielleicht nicht das gehoͤrige Talent haben, ſich auf andern Jnſtrumenten, die ſowohl Fertigkeit als Geſchmack erfodern, hervor zu thun. Jndeſſen bleibt es doch eine aus - gemachte Sache, daß der Contravioloniſt, ſollte er auch den feinen Ge - ſchmack des Spielens nicht ſo gar noͤthig haben, dennoch die Harmonie verſtehen, und kein ſchlechter Muſikus ſeyn muß. Denn er iſt nebſt dem Violoncelliſten gleichſam das Gleichgewicht, um das Zeitmaaß, in einergroßen219Von dem Contravioloniſten insbeſondere. großen Muſik, beſonders in einem Orcheſter, wo einer den andern nicht allezeit ſehen, noch recht hoͤren kann, zu erhalten.

2. §.

Hierzu wird eine beſondere Deutlichkeit im Spielen erfodert; wel - che aber die wenigſten auf dieſem Jnſtrumente beſitzen. Vieles koͤmmt dabey auf ein gutes Jnſtrument an; Vieles aber auch auf den Spieler. Jſt das Jnſtrument allzugroß, oder allzuſtark bezogen; ſo klingt es un - deutlich, und iſt dem Gehoͤre nicht vernehmlich. Weis der Spieler mit dem Bogenſtriche nicht ſo, wie es das Jnſtrument erfodert, umzugehen; ſo bleibt derſelbe Fehler.

3. §.

Das Jnſtrument an ſich, thut beſſere Wirkung, wenn es von mit - telmaͤßiger Groͤße, auch nicht mit fuͤnf, ſondern nur mit vier Seyten bezogen iſt. Denn die fuͤnfte Seyte muͤßte, wenn ſie mit den andern in rechtem Verhalte ſtehen ſollte, ſchwaͤcher als die vierte ſeyn; und wuͤrde folglich einen viel duͤnnern Ton, als die andern, von ſich geben. Sol - ches wuͤrde aber nicht nur bey dieſem Jnſtrumente ſchaͤdlich ſeyn; ſondern auch auf dem Violoncell und der Violine, im Fall man ſolche mit fuͤnf Seyten beziehen wollte. Der ſogenannte deutſche Violon von fuͤnf bis ſechs Seyten, iſt alſo mit Recht abgeſchaffet worden. Sind bey einer Muſik zweene Contraviolone noͤthig; ſo kann der zweyte etwas groͤßer, als der erſte ſeyn: und was demſelben an der Deutlichkeit abgeht, erſetzet er alsdenn an der Gravitaͤt.

4. §.

Eine große Hinderung an der Deutlichkeit machet es, wenn auf dem Griffbrete keine Baͤnde ſind. Einige halten zwar dieſes fuͤr einen Ueberfluß, und wohl gar fuͤr ſchaͤdlich. Allein dieſe falſche Meynung wird durch ſo viele geſchikte Leute, welche mit Baͤnden alles nur moͤgliche auf dieſem Jnſtrumente rein und deutlich heraus bringen, ſattſam wi - derleget. Die unumgaͤngliche Nothwendigkeit, daß auf dieſem Jnſtru - mente, wenn es anders deutlich klingen ſoll, Baͤnde ſeyn muͤſſen, iſt ganz leicht zu erweiſen. Man weis, daß eine kurze und duͤnne Seyte, wenn ſie ſtraff geſpannet iſt, die Vibration, oder den Schwung viel ſchneller und enger machet, als eine lange und dicke Seyte. Druͤcket man nun eine lange und dicke Seyte, die nicht ſo ſtraff als eine kurze geſpannet werden kann, auf das Griffbret; ſo ſchlaͤgt die Seyte, weil ihre Zitte - rung einen weitern Umfang einnimmt, unterwaͤrts auf das Holz. E e 2Dieſes220Des XVII. Hauptſtuͤcks. V. Abſchnitt. Dieſes hemmet nun nicht allein die Vibration; ſondern verurſachet auch noch uͤber dieſes, daß die Seyte nachſinget, und noch einen Nebenton hoͤ - ren laͤßt, und alſo der Ton dumpfich und undeutlich wird. Die Seyten liegen zwar, vermoͤge des Steges und Sattels, auf dem Violon ſchon hoͤ - her als auf dem Violoncell; damit der Ruͤckſchlag der Seyten das Griff - bret nicht beruͤhren ſoll: allein dieſes iſt alsdenn, wenn die Seyten mit den Fingern niedergedruͤcket werden, noch nicht hinlaͤnglich. Sind aber Baͤnde auf dem Griffbrete; ſo wird dieſe Hinderniß gehoben. Die Sey - ten werden alsdenn, durch das Band, mehr in die Hoͤhe gehalten, und koͤnnen alſo ihre Vibration ungehindert machen, und folglich den natuͤr - lichen Ton, der im Jnſtrumente liegt, von ſich geben. Die Baͤnde geben auch noch dieſen Vortheil, daß man die Toͤne reiner als ohne dieſelben greifen kann; und daß die Toͤne, bey welchen man, um ſie anzugeben, die Finger aufſetzen muß, mit den bloßen Seyten im Klange mehr Aehnlich - keit behalten. Wollte man hierwider einwenden, daß die Baͤnde wegen der Subſemitone, die man alsdenn nicht unterſcheiden koͤnnte, hinder - lich waͤren: ſo dienet zur Antwort, daß ſolches auf dem Contraviolon nicht ſo ſchaͤdlich als auf dem Violoncell iſt; weil man den Unterſchied, ſo ſich zwiſchen denen mit Kreuz oder b bezeichneten Toͤnen befindet, in der aͤußerſten Tiefe, nicht ſo, wie bey den hohen Toͤnen auf andern Jnſtru - menten, bemerket.

5. §.

Der Bogenſtrich muß auf dieſem Jnſtrumente ohngefaͤhr gegen ſechs Finger breit vom Stege abwaͤrts, und ſehr kurz gefuͤhret, und wenn es die Zeit leidet von der Seyte abgeſetzet werden: damit die langen und di - cken Seyten ihren gehoͤrigen Schwung machen koͤnnen. Er muß auch mehrentheils mit dem unterſten Theile, bis in die Mitte des Bogens, und mit einem Rucke gemachet, nicht aber hin und her geſaͤget werden: ausgenommen in ganz traurigen Stuͤcken; allwo der Bogen zwar kurz, doch aber nicht mit ſolcher Haſtigkeit gebrauchet wird. Die Spitze des Bogens thut uͤberhaupt, außer dem Piano, wenig Wirkung. Wenn eine Note beſonders markiret werden ſoll; muß ſolches mit dem Bogen ruͤckwaͤrts, von der linken zur rechten Hand geſchehen: weil der Bogen alsdenn, um einen Nachdruck zu geben, mehr Kraft hat. Doch will ich die oben gedachten kurzen Bogenſtriche, welche wegen der Deut - lichkeit des Tones erfodert werden, nur bey Noten welche Pracht und Lebhaftigkeit erfodern, verſtanden wiſſen. Jch nehme aber hievon aus:die221Von dem Contravioloniſten insbeſondere. die langen Noten, als halbe und ganze Tacte, welche oͤfters in geſchwin - den Stuͤcken mit untermiſchet werden; es mag ein Hauptſatz, oder ſolche Noten ſeyn, welche einen beſondern Nachdruck verlangen; ferner die ge - ſchleiften Noten, die entweder einen ſchmeichelnden oder traurigen Affect ausdruͤcken ſollen; und welche der Contravioloniſt eben ſo unterhalten und gelaſſen, als der Violoncelliſt, ausdruͤcken muß.

6. §.

Der Violoniſt muß ſich einer guten und bequemen Applicatur, oder Ueberſetzung der Finger befleißigen; damit er das, was in die Hoͤhe geſe - tzet iſt, ſo, wie der Violoncelliſt mitſpielen kann, um die melodioͤſen Baͤſſe nicht zu verſtuͤmmeln; beſonders den Uniſon, als welcher in eben der La - ge, wie er geſetzet iſt, auf einem jeden Jnſtrumente, und folglich auch auf dem Contraviolon, geſpielet werden muß. Man beſehe deswegen das Exempel bey dem 5. §. im Abſchnitte von dem Violoncelliſten, Tab. XXII. Fig. 53. und 54. Sollte ein dergleichen Baß etwa hoͤher geſetzt ſeyn, als der Violoniſt mit ſeinem Jnſtrumente kommen koͤnnte; wiewohl er ſchwerlich bis uͤber das eingeſtrichene G gehen wird, welches doch einige brafe Violoniſten rein und deutlich angeben und brauchen koͤnnen: ſo muß der Violoniſt, in ſolchem Falle, lieber die ganze Stelle uͤberhaupt eine Octave tiefer ſpielen, als die Melodie auf eine ungeſchikte Art zer - trennen.

7. §.

Wenn in einem Baſſe ſolche Paſſagien vorkaͤmen, die der Violoniſt, wegen großer Geſchwindigkeit, deutlich zu ſpielen nicht im Stande waͤre; ſo kann er von einer jeden Figur, ſie mag zwey - oder dreymal geſchwaͤnzet ſeyn, die erſte, dritte, oder letzte Note ſpielen. Er muß ſich nur allezeit nach den Hauptnoten, ſo eine Baßmelodie ausmachen, zu richten ſuchen. Folgende Exempel geben darzu Anleitung; ſ. Tab. XXIII. Fig. 1, 2, und 3. Außer dergleichen, in großer Geſchwindigkeit nicht einem Jeden bequemen Paſſagien aber, iſt der Violoniſt verbunden alles mitzuſpielen. Wollte er von vier auf einerley Tone vorkommenden Achttheilen, wie einige zu - weilen thun, zumal wenn ſie ein Stuͤck accompagniren muͤſſen, das ſie nicht ſelbſt geſetzet haben, immer das erſte anſchlagen, und drey vorbey gehen laſſen; ſo weis ich nicht wie er der Nachrede einer Faulheit oder Tuͤcke entgehen koͤnnte.

E e 38. §. Ueber -222Des XVII. Hauptſtuͤcks. V. Abſchnitt. Von dem Contr. ꝛc.

8. §.

Ueberhaupt muß der Vortrag des Contravioloniſten ernſthafter ſeyn, als der uͤbrigen Baͤſſe ihrer. Die kleinen feinen Auszierungen werden zwar von ihm nicht gefodert: dagegen aber muß er ſich beſtaͤndig bemuͤhen, dem, was die andern ſpielen, einen Nachdruck und Gewicht zu geben. Er muß das Piano und Forte zu rechter Zeit ausdruͤcken; das Zeitmaaß genau beobachten; weder eilen, noch zoͤgern; ſeine Noten feſt, ſicher, und deutlich vortragen; ſich vor dem Kratzen des Bogens in Acht nehmen, welches abſonderlich bey dieſem Jnſtrumente ein haͤßli - cher Uebelſtand iſt; und wenn er hoͤret, daß bald ernſthaft, bald ſcherz - haft, bald ſchmeichelnd, bald traurig, bald luſtig oder frech, und wie es auch ſeyn mag, geſpielet wird, muß er allezeit auch das Seinige mit beyzutragen bemuͤhet ſeyn, nicht aber aus Kaltſinnigkeit, diejenigen Wir - kungen, welche man im Ganzen hervorzubringen ſuchet, verhindern. Allezeit, abſonderlich aber in Concerten, muß er richtig pauſiren, damit er, wenn die Ritornelle eintreten, zu gehoͤriger Zeit mit dem Forte mit Nachdruck einfallen koͤnne; und nicht, wie einige thun, erſt einige No - ten vorbey gehen laſſe. Was uͤbrigens in dieſem ganzen Hauptſtuͤcke, ſo wohl insbeſondere als uͤberhaupt abgehandelt wird, davon kann er ſich noch Vieles, welches hier zu wiederholen der Raum nicht leidet, zu Nu - tzen machen.

Des223

Des XVII. Hauptſtuͤcks. VI. Abſchnitt. Von dem Clavieriſten insbeſondere.

1. §.

Nicht alle, die den Generalbaß verſtehen, ſind auch deswegen zugleich gute Accompagniſten. Eines muß durch Regeln; das andere aus Erfahrung, und endlich aus eigener Empfindung erlernet werden.

2. §.

Jn das erſtere mich einzulaſſen, iſt meine Abſicht nicht: weil es darinne an Anweiſung nicht fehlet. Wegen des letztern aber, will ich, weil es zu meinem Zwecke gehoͤret, mit Erlaubniß der Herren Clavieri - ſten, nur in der Kuͤrze etwas weniges erinnern; das uͤbrige aber, einem jeden geſchikten und erfahrnen Clavierſpieler, zum weitern Nachdenken anheim ſtellen.

3. §.

Es iſt, wie oben geſaget worden, moͤglich, daß einer der die Wiſſen - ſchaft des Generalbaſſes aus dem Grunde inne hat, dennoch ein ſchlechter Accompagniſt ſeyn koͤnne. Der Generalbaß erfodert, daß die Stimmen, welche der Spieler uͤber den Baß, aus dem Stegreife, nnd nach Anleitung der Signaturen hinzuſetzet, nach den Regeln, und als wenn ſolche auf dem Papiere geſchrieben ſtuͤnden, geſpielet werden muͤſſen. Die Kunſt zu begleiten, erfodert nicht nur dieſes, ſondern auch noch viel ein mehrers.

4. §.

Die allgemeine Regel vom Generalbaß iſt, daß man allezeit vier - ſtimmig ſpiele: wenn man aber recht gut accompagniren will, thut es oft beſſere Wirkung, wenn man ſich nicht ſo genau hieran bindet; wenn man vielmehr einige Stimmen weglaͤßt, oder wohl gar den Baß mit der rech -ten224Des XVII. Hauptſtuͤcks. VI. Abſchnitt. ten Hand, durch eine Octave hoͤher, verdoppelt. Denn ſo wenig ein Componiſt zu allen Melodieen, ein drey - vier - oder fuͤnfſtimmiges Ac - compagnement der Jnſtrumente ſetzen kann noch muß; wofern dieſelben nicht unverſtaͤndlich, oder verdunkelt werden ſollen: eben ſo wenig leidet auch eine jede Melodie ein beſtaͤndiges vollſtimmiges Accompagnement auf dem Claviere: weswegen ein Accompagniſt ſich mehr nach der Sache ſelbſt, als nach den allgemeinen Regeln des Generalbaſſes richten muß.

5. §.

Ein vollſtimmiges und mit vielen Jnſtrumenten begleitetes Stuͤck, erfodert auch ein vollſtimmiges und ſtarkes Accompagnement. Ein mit wenig Jnſtrumenten beſetztes Concert, verlanget in dieſem Stuͤcke ſchon einige Maͤßigung; beſonders unter den concertirenden Stellen. Man muß alsdenn Acht haben, ob dieſelben Stellen nur mit dem Baſſe allein, oder auch mit den andern Jnſtrumenten begleitet werden; ob die concer - tirende Stimme ſchwach oder ſtark, in der Tiefe oder Hoͤhe ſpiele; ob ſie aneinander hangende und ſingende, oder ſpringende Noten, oder Paſſa - gien auszufuͤhren habe; ob die Paſſagien gelaſſen oder feurig geſpielet wer - den; ob dieſelben conſonirend ſind, oder ob ſie, um in eine fremde Ton - art auszuweichen, diſſoniren; ob der Baß eine langſame oder geſchwinde Bewegung darunter hat; ob die geſchwinden Noten des Baſſes ſtufen - weiſe oder ſpringend geſetzet ſind; oder ob ſie zu vieren oder achten auf einer - ley Tone vorkommen; ob Pauſen, oder lange und kurze Noten unter einander vermiſchet ſind, ob das Stuͤck ein Allegretto, Allegro, oder Preſto iſt, davon das erſte, bey Jnſtrumentalſachen, ernſthaft, das andere lebhaft, das dritte aber fluͤchtig und taͤndelnd geſpielet werden muß; oder ob es ein Adagio aſſai, Grave, Meſto, Cantabile, Arioſo, An - dante, Larghetto, Siciliano, Spiritoſo, u. ſ. w. iſt, von denen ein je - des, ſo wie in der Hauptſtimme, alſo auch im Accompagnement einen beſondern Vortrag erfodert. Wird ſolcher von einem jeden recht beob - achtet: ſo thut auch das Stuͤck bey den Zuhoͤrern die geſuchte Wirkung.

6. §.

Bey einem Trio muß der Clavieriſt ſich nach den Jnſtrumenten, die er zu begleiten hat, richten; ob ſolche ſchwach oder ſtark ſind; ob bey dem Claviere ein Violoncell iſt, oder nicht; ob die Compoſition galant oder gearbeitet iſt; ob der Clavicymbal ſtark oder ſchwach, auf - oder zu - gedecket iſt; und ob die Zuhoͤrer nahe oder entfernet ſind. Denn der Clavicymbal rauſchet und klingt zwar ſtark in der Naͤhe; in der Ferneaber225Von dem Clavieriſten insbeſondere. aber wird er nicht ſo ſtark als andre Jnſtrumente gehoͤret. Wenn der Clavieriſt einen Violoncell neben ſich hat, und ſchwache Jnſtrumente begleitet, kann er mit der rechten Hand einige Maͤßigung gebrauchen; beſonders bey einer galanten Compoſition, und noch mehr wenn eine Stimme pauſiret, und die andere allein ſpielet: bey ſtarken Jnſtrumen - ten aber, und wenn das Stuͤck ſehr harmonioͤs und gearbeitet iſt, auch wenn beyde Stimmen zugleich ſpielen, kann er viel vollſtimmiger greifen.

7. §.

Bey einem Solo wird eigentlich die groͤßte Discretion oder Beſchei - denheit erfodert: und koͤmmt allda, wenn der Soloſpieler ſeine Sache ge - laſſen, ohne Sorge, und mit einer Zufriedenheit ſpielen ſoll, ſehr viel auf den Accompagniſten an; weil dieſer dem Soloſpieler ſo wohl einen Muth machen, als ihm denſelben benehmen kann. Wenn der Accompa - gniſt im Zeitmaaße nicht recht ſicher iſt, und ſich entweder bey dem Tem - po rubato, und durch das Verziehen der Manieren, welches eine Schoͤn - heit im Spielen iſt, zum Zoͤgern, oder, wenn anſtatt einer Pauſe die folgende Note vorausgenommen wird, zum Eilen verleiten laͤßt; kann er den Soloſpieler nicht nur aus ſeinem Concepte bringen; ſondern er ver - ſetzet ihn auch in ein Mistrauen gegen ihn, den Accompagniſten; und macht ihn furchſam, weiter etwas mit Verwegenheit und Freyheit zu un - ternehmen. Auf gleiche Art iſt der Accompagniſt zu tadeln, wenn er mit der rechten Hand zu viel Bewegung machet; oder wenn er mit derſelben, am unrechten Orte, melodioͤs ſpielet, oder harpeggiret, oder ſonſt Sa - chen, die der Hauptſtimme entgegen ſind, mit einmenget; oder wenn er das Piano und Forte mit dem Soloſpieler nicht zu gleicher Zeit ausdruͤ - cket; ſondern alles ohne Affect, und in einerley Staͤrke ſpielet.

8. §.

Was hier von der Begleitung der Jnſtrumentalſtuͤcke geſaget wor - den iſt, kann groͤßtentheils auch auf die Begleitung der Singſtuͤcke ange - wendet werden.

9. §.

Das ſtark und ſchwach Spielen kann zwar auf dem Clavicymbal oder Fluͤgel, beſonders wenn derſelbe nur ein Clavier hat, nicht ſo ab - und zu - nehmend ausgedruͤcket werden, als auf dem Jnſtrumente, welches man Pianoforte nennet, allwo die Seyten nicht mit Federn geriſſen, ſon - dern durch Haͤmmer angeſchlagen werden: deſſen ungeachtet aber, koͤmmt doch, bey dem Fluͤgel, viel auf die Art des Spielens an. Man kannF fſich226Des XVII. Hauptſtuͤcks. VI. Abſchnitt. ſich deswegen auf demſelben, bey dem Piano, ſo wohl durch die Maͤßigung des Anſchlages, als durch die Verminderung der Stimmen; und bey dem Forte, durch ſtaͤrkeres Schlagen, und durch die Vermehrung der Stimmen in beyden Haͤnden, helfen.

10. §.

Verſchiedene Noten, ſo einen Nachdruck erfodern, muß der Accom - pagniſt mit mehr Lebhaftigkeit und Staͤrke anzuſchlagen, und von andern Noten, welche dieſes nicht verlangen, zu unterſcheiden wiſſen. Hierher gehoͤren die langen Noten, ſo unter geſchwindere vermiſchet ſind; ferner die Noten mit welchen ein Hauptſatz eintritt; und denn hauptſaͤchlich die Diſſonanzen. Die langen Noten, zu welchen die Octave tiefer zugleich mit angeſchlagen werden kann, unterbrechen die Lebhaftigkeit der Melodie. Das Thema erfodert allezeit eine Erhebung in der Staͤrke des Tones, um ſeinen Eintritt deſto deutlicher zu machen: und die Diſſonanzen dienen eigentlich zum Mittel, die unterſchiedenen Leidenſchaften abzuwechſeln.

11. §.

Es kommen zwar im Accompagnement oͤfters noch andere lange Noten vor, ſo eigentlich keinen beſondern Ausdruck erfodern; ſondern nur die Melodie begleiten, oder in Ruhe ſetzen. Von dieſen iſt hier die Rede nicht. Es koͤmmt hier vielmehr auf diejenigen Noten an, welche eine geſchwinde und heftige Bewegung, ſo wohl durch Conſonanzen als Diſ - ſonanzen, unterbrechen; doch aber in der Folge gleich wieder durch andere geſchwindere Noten abgewechſelt werden. Ferner gehoͤren hierher die No - ten, vermittelſt welcher der Baß die Cadenz der Hauptſtimme unterbricht, um einen ſogenannten Betrug (inganno) zu begehen; weiter die Noten ſo zur Hauptcadenz vorbereiten; ferner diejenigen Noten, welche durch ein Kreuz, oder Wiederherſtellungszeichen, um einen kleinen halben Ton, erhoͤhet werden, und die gemeiniglich die kleine Quinte und Sexte uͤber ſich haben; und denn ferner die, welche durch das runde b erniedriget werden; wie bereits im vorigen Abſchnitte dem Violoncelli - ſten geſagt worden iſt. Aus dem nun was hier angefuͤhret worden, koͤn - nen noch mehr andere dergleichen Vorfaͤlle entdecket werden: wenn man nur ein jedes Stuͤck in ſeinem Zuſammenhange, und mit rechter Auf - merkſamkeit, betrachtet; und das Abſehen der Muſik, welche die Leiden - ſchaften beſtaͤndig erregen, und wieder ſtillen ſoll, nicht aus dem Gedaͤcht - niſſe kommen laͤßt.

12. §. Eben227Von dem Clavieriſten insbeſondere.

12. §.

Eben dieſe Erregung der abwechſelnden Leidenſchaften, iſt auch die Urſache, warum die Diſſonanzen uͤberhaupt ſtaͤrker als die Conſonanzen angeſchlagen werden muͤſſen. Die Conſonanzen ſetzen das Gemuͤth in eine vollkommene Ruhe, und Zufriedenheit: die Diſſonanzen hingegen erwe - cken im Gemuͤthe einen Verdruß. Wie nun ein niemals unterbrochenes Vergnuͤgen, es ſey von welcher Art es wolle, unſere Empfindungskraͤfte dermaaßen ſchwaͤchen und erſchoͤpfen wuͤrde, daß das Vergnuͤgen endlich aufhoͤren wuͤrde ein Vergnuͤgen zu ſeyn: alſo wuͤrden auch lauter Con - ſonanzen, in einer lange auf einander folgenden Reihe, dem Gehoͤre end - lich einen Ekel und Verdruß verurſachen, wenn ſie nicht dann und wann mit Ubelklaͤngen, dergleichen die Diſſonanzen ſind, vermiſchet wuͤrden. Jemehr nun eine Diſſonanz im Spielen von den andern Noten unterſchie - den, und empfindlich gemacht wird; iemehr greift ſie das Gehoͤr an. Je verdruͤßlicher aber die Sache iſt, welche unſer Vergnuͤgen ſtoͤhret; ie angenehmer kommt uns das darauf folgende Vergnuͤgen vor. Je haͤrter alſo der Verhalt der Diſſonanzen iſt; ie gefaͤlliger iſt ihre Aufloͤſung. Ohne dieſe Vermiſchung des Wohlklanges und des Ubelklanges, wuͤrde in der Muſik kein Mittel uͤbrig ſeyn, die verſchiedenen Leidenſchaften au - genbliklich zu erregen, und augenbliklich wieder zu ſtillen.

13. §.

Wie aber der Verdruß nicht immer von einerley Heftigkeit ſeyn kann; alſo haben auch von den Diſſonanzen, einige mehr, einige weniger Wirkung; und muß alſo davon immer eine ſtaͤrker als die andere ange - ſchlagen werden. Die None, die None und Quarte, die None und Septime, die Quinte und Quarte, ſind dem Gehoͤre nicht ſo empfind - lich, als die Quinte mit der großen Sexte, die falſche Quinte mit der kleinen Sexte, die falſche Quinte mit der großen Sexte, die kleine Septi - me mit der kleinen oder großen Terze, die große Septime, die mangel - hafte Septime, die Septime mit der Secunde und Quarte, die uͤber - maͤßige Sexte, die große Secunde mit der Quarte, die kleine Secunde mit der Quarte, die große und die uͤbermaͤßige Secunde mit der uͤber - maͤßigen Quarte, die kleine Terze mit der uͤbermaͤßigen Quarte. Die erſtern erfodern alſo deswegen bey weitem nicht den Nachdruck im Ac - compagnement, als die letztern. Unter dieſen letztern aber, iſt wieder noch ein Unterſchied zu machen. Die kleine Secunde mit der Quarte, die große und die uͤbermaͤßige Secunde mit der uͤbermaͤßigen Quarte,F f 2die228Des XVII. Hauptſtuͤcks. VI. Abſchnitt. die kleine Terze mit der uͤbermaͤßigen Quarte, die falſche Quinte mit der großen Sexte, die uͤbermaͤßige Sexte, die mangelhafte Septime, die Septime mit der Secunde und Quarte, erfodern noch mehr Nachdruck als die uͤbrigen; und muͤſſen deswegen von dem Accompagniſten, ver - mittelſt eines ſtaͤrkern Anſchlags, noch kraͤftiger vorgetragen werden.

14. §.

Um die Sache noch deutlicher zu machen, will ich uͤber die vor er - waͤhnten Diſſonanzen, und uͤber den Unterſchied ihres Ausdrucks, in An - ſehung der Maͤßigung und Verſtaͤrkung, ein Exempel beyfuͤgen, ſ. Tab. XXIV, Fig. 1; woraus man deutlich wird erſehen koͤnnen, daß das Piano und Forte, um die Affecten gehoͤrig auszudruͤcken, bey der Ausfuͤhrung, eines der noͤthigſten Dinge ſey. Man ſpiele dieſes Exempel etliche mal, ſo, wie es mit dem Piano, Pianiſſimo, Mezzo forte, Forte, und Fortiſſi - mo bezeichnet iſt (*): hernach wiederhole man es in einerley Staͤrke des Tones; und gebe dabey, ſowohl auf die Verſchiedenheit der Ziffern, als auch auf die eigene Empfindung wohl Achtung. Jch bin verſichert, wenn man ſich nur erſt ein wenig, ohne Vorurtheil, an dieſe Art zu accompagni - ren gewoͤhnet hat; wenn man die verſchiedenen Wirkungen der Diſſonan - zen erkennen lernet; wenn man auf die Wiederholungen der Gedanken, auf die haltenden Noten, welche die Lebhaftigkeit unterbrechen, auf die Betrugsgaͤnge, ſo oͤfters bey den Cadenzen vorkommen, und auf die No - ten, welche zu einer fremden Tonart fuͤhren, und die durch das Kreuz oder eckigte b erhoͤhet, oder aber durch das runde b erniedriget werden, genau Acht hat; ich bin verſichert, ſage ich, daß man alsdenn das Piano, Mez - zo forte, Forte, und Fortiſſimo, ohne daß es dazu geſchrieben iſt, ſehr leicht wird errathen koͤnnen. Jch theile dem oben geſagten zu Folge, die Diſ - ſonanzen, in Anſehung ihrer Wirkungen, und des darnach einzurichtenden Anſchlags, um mehrerer Deutlichkeit willen, in drey Claſſen ein. Die erſte bezeichne ich mit mezzo forte; die zweyte mit forte; und die dritte mit fortiſſimo. Zur erſten Claſſe mezzo forte kann man rechnen:

Die Secunde mit der Quarte,
Die Quinte mit der großen Sexte,
Die große Sexte mit der kleinen Terze,
Die kleine Septime mit der kleinen Terze,
Die große Septime.
Zur229Von den Clavieriſten insbeſondere.

Zur zweyten Claſſe forte gehoͤren:

Die Secunde mit der uͤbermaͤßigen Quarte,
Die falſche Quinte mit der kleinen Sexte.

Der dritten Claſſe fortiſſimo zaͤhle man zu:

Die uͤbermaͤßige Secunde mit der uͤbermaͤßigen Quarte,
Die kleine Terze mit der uͤbermaͤßigen Quarte,
Die falſche Quinte mit der großen Sexte,
Die uͤbermaͤßige Sexte,
Die mangelhafte Septime,
Die große Septime mit der Secunde und Quarte.

Jch habe zu dieſem Beyſpiele ein Adagio erwaͤhlet; denn dieſes Zeit - maaß iſt, zu genauer und deutlicher Ausdruͤckung der Verſchiedenheit der Diſſonanzen, das bequemſte. Jch ſetze dabey voraus, daß man die conſo - nirenden Accorde des Adagio zu einem Solo nicht in der aͤußerſten Staͤr - ke, ſondern uͤberhaupt mezzo piano accompagniren muͤſſe, damit man den Vortheil behalte, wo es noͤthig iſt, ſchwaͤcher und ſtaͤrker ſpielen zu koͤnnen. Wenn aber an einigen Orten piano oder pianiſſimo dabey ge - ſetzet iſt; ſo muͤſſen alsdenn, die darinne vorkommenden Diſſonanzen, mit einer proportionirlichen Staͤrke ausgedruͤcket werden; dergeſtalt, daß beym Pianiſſimo die Diſſonanzen aus der dritten Claſſe, nur die Staͤrke von der erſten; und beym Piano die Staͤrke von der zweyten Claſſe be - kommen: die uͤbrigen aber nach dieſem Verhaͤltniß auch gemaͤßiget wer - den: widrigenfalls wuͤrde der Abfall, wenn ſolcher mit einer allzu großen Heftigkeit geſchaͤhe, dem Gehoͤre mehr Verdruß, als Vergnuͤgen erwecken. Man will durch dieſe Art zu accompagniren, eine Nachahmung der Men - ſchenſtimme, und ſolcher Jnſtrumente, welche das Wachſen und Verlie. ren des Tones in ihrer Gewalt haben, anſtellen. Es muß aber freylich auch, bey dieſer Art mit dem Clavicymbal zu accompagniren, die gute Beurtheilungskraft, und eine feine Empfindung der Seele, ein Vieles wir - ken. Wem dieſe beyden Stuͤcke fehlen, der wird es darinne nicht weit brin - gen: es ſey denn, daß er ſich durch ein ernſtliches Bemuͤhen, und durch viele Erfahrung dazu faͤhig machte: weil man durch Fleiß ſich Erkennt - niß zuwege bringen; durch Erkenntniß aber der Natur zu Huͤlfe kommen kann.

(*)Wo das Mezzo forte ſteht, muß man nicht die Note uͤber dem M, ſon - dern die uͤber dem F verſtehen: weil es der Raum nicht anders zu ſchreiben er - laubet, ſ. die Anmerkung zum 19 §. des folgenden Abſchnitts.
(*)
F f 315. §. Noch230Des XVII. Hauptſtuͤcks. VI. Abſchnitt.

15. §.

Noch iſt zu bemerken, daß wenn mehrere Diſſonanzen von verſchie - dener Art auf einanden folgen, und Diſſonanzen in Diſſonanzen aufgeloͤ - ſet werden; man auch den Ausdruck durch Verſtaͤrkung des Tones, und Vermehrung der Stimmen, immer mehr und mehr wachſen, und zuneh - men laſſen muͤſſe. Daß aber die Quinte und Quarte, die None und Septime, die None und Quarte, und die Septime, wenn ſie mit der Sexte und Quarte abwechſelt, oder wenn ſie uͤber einer durchgehenden Note ſteht, keinen beſondern Ausdruck erfodern; wird man nicht allein aus dem vorhabenden Exempel, ſondern auch, und zwar noch vielmehr, durch die eigene Erfahrung und Empfindung ſattſam erkennen koͤnnen. Denn die Diſſonanzen ſind, wie oben ſchon geſaget worden, nicht alle von gleicher Erheblichkeit: ſondern ſie muͤſſen wie das Salz und Gewuͤrz an den Spei - ſen betrachtet werden; da die Zunge von der einen Art immer mehr Wir - kung empfindet, als von der andern.

16. §.

Sollen aber die Diſſonanzen ihre gehoͤrige Wirkung thun, daß naͤm - lich die darauf folgenden Conſonanzen deſto angenehmer und gefaͤlliger klingen; ſo muͤſſen ſie nicht nur, wie bisher gelehret worden, eine vor der andern, nachdem es ihre Art erfodert; ſondern auch uͤberhaupt ge - gen die Conſonanzen ſtaͤrker angeſchlagen werden. Und wie ein jeder con - ſonirender Accord auf dreyerley Art genommen werden kann; naͤmlich, daß entweder die Octave, oder die Terze, oder die Quinte oder Sexte in der Oberſtimme liegen, und jedesmal eine andere Wirkung thun: ſo hat es auch gleiche Bewandtniß mit den diſſonirenden Accorden. Man verſuche es z. E. mit der kleinen Terze, uͤbermaͤßigen Quarte, und Sexte, mit dem Grundtone zugleich angeſchlagen; und nehme einmal die Terze, das anderemal die Quarte, das drittemal die Sexte in die Oberſtimme; oder man verkehre die Septime, welche zwo von den Oberſtimmen gegen einander machen, in die Secunde; ſo wird man finden, daß die diſſoni - renden Klaͤnge, wenn ſie nahe bey einander liegen, viel haͤrter klingen, als wenn ſie weit aus einander liegen. Es koͤmmt demnach hierinne auf die gute Beurtheilungskraft des Accompagniſten an; daß er die Klaͤnge ſo zu verſetzen wiſſe, wie es jedesmal der Sache Beſchaffenheit erfodert.

17. §.

Auf einem Clavicymbal mit einem Claviere, kann das Piano durch einen gemaͤßigten Anſchlag, und durch die Verminderung der Stimmen;das231Von dem Clavieriſten insbeſondere. das Mezzo forte durch Verdoppelung der Octaven im Baſſe; das Forte durch eben dieſes, und wenn man noch in der linken Hand einige zum Accorde gehoͤrige Conſonanzen mitnimmt; das Fortiſſimo aber, durch geſchwinde Brechungen der Accorde von unten herauf, durch eben dieſe Verdoppelung der Octaven, und der Conſonanzen, in der linken Hand, und durch einen heftigern und ſtaͤrkern Anſchlag, hervor gebracht werden. Auf einem Clavicymbal mit zweyen Clavieren, hat man uͤber dieſes noch den Vortheil, zum Pianiſſimo ſich des oberſten Claviers bedienen zu koͤn - nen. Auf einem Pianoforte aber, kann alles erfoderliche am allerbe - quemſten bewerkſtelliget werden: denn dieſes Jnſtrument hat vor allem, was man Clavier neunet, die zum guten Accompagnement noͤthigen Eigen - ſchaften am meiſten in ſich: und koͤmmt dabey blos auf den Spieler und ſeine Beurtheilung an. Auf einem guten Clavichord hat es zwar eben dieſelbe Beſchaffenheit im Spielen, nicht aber in Anſehung der Wirkung; weil das Fortiſſimo mangelt.

18. §.

Wie auf einem jeden Jnſtrumente der Ton auf verſchiedene Art her - vor gebracht werden kann; ſo verhaͤlt es ſich auch gleichergeſtalt mit dem Clavicymbal: ungeachtet man glauben ſollte, daß es bey dieſem Jnſtru - mente nicht auf den Spieler, ſondern nur auf das Jnſtrument allein an - kaͤme. Dennoch giebt es die Erfahrung, daß wenn das Jnſtrument bald von dem einen, bald von den andern geſpielet wird, der Ton von dem einem beſſer als von dem andern heraus gebracht wird. Die Urſache da - von muß folglich auf den Anſchlag, den ein jeder verſchieden hat, an - kommen: ob derſelbe, bey einem jeden Finger mit gleicher Kraft und Nachdruck, und mit dem rechten Gewichte geſchieht; ob man den Sey - ten die gehoͤrige Zeit goͤnnet, daß ſie ihren Schwung ungehindert machen koͤnnen; oder ob man die Finger mit allzugroßer Gelaſſenheit niederdruͤcket, und ihnen nicht, durch einen Schneller, eine gewiſſe Kraft giebt, daß die Seyten, um den Ton laͤnger auszuhalten, in eine laͤnger anhalten - de Zitterung verſetzet werden koͤnnen; um den Fehler, ſo dieſes Jnſtru - ment von Natur hat, daß ſich die Toͤne nicht, wie auf andern Jnſtru - menten, an einander verbinden, ſo viel als moͤglich iſt zu vermeiden. Es koͤmmt auch viel darauf an, ob man mit einem Finger ſtaͤrker als mit dem andern ſtoͤßt. Dieſes kann daraus folgen, wenn man ſich gewoͤhnet hat, einige Finger einwaͤrts zu beugen, andere aber gerade auszuſtrecken: wel - ches nicht nur eine ungleiche Staͤrke im Spielen verurſachet; ſondernauch232Des XVII. Hauptſtuͤcks. VI. Abſchnitt. auch hinderlich iſt, geſchwinde Paſſagien rund, deutlich und angenehm vorzutragen. Wie es denn bey manchem, wenn er einen Lauf von etli - chen Noten ſtufenweis zu machen hat, nicht anders klingt, als wenn er uͤber die Noten wegſtolperte. Gewoͤhnt man ſich aber gleich Anfangs, alle Finger, einen ſo weit als den andern, einwaͤrts zu beugen; ſo wird man dieſen Fehler nicht leicht begehen. Man muß aber bey Ausfuͤhrung der laufenden Noten, die Finger nicht ſo gleich wieder aufheben; ſondern die Spitzen derſelben vielmehr, auf dem vorderſten Theile des Taſts hin, nach ſich zuruͤcke ziehen, bis ſie vom Taſte abgleiten. Auf dieſe Art wer - den die laufenden Paſſagien am deutlichſten herausgebracht. Jch berufe mich hierbey auf das Exempel eines der allergroͤßten Clavierſpieler, der es ſo ausuͤbte, und lehrete.

19. §.

Wenn die Haupſtimme in einem Adagio vor der Terze und Sexte bisweilen vorhaltende Noten machet, da denn die vor der Terze, zur Quarte, und die vor der Sexte, zur Septime wird, ſ. Tab. XXIII. Fig. 4; ſo thut es keine gute Wirkung, wenn man zu dem Vorſchlage der die Quarte macht, die Terze, und zu dem der die Septime ausma - chet, die Sexte zugleich anſchlaͤgt. Der Accompagniſt thut alſo beſſer, wenn er nur das, was ſonſt noch zum Accorde gehoͤret, an - ſchlaͤgt; die Terze oder Sexte aber erſt bey der Aufloͤſung des Vor - ſchlags hoͤren laͤßt: ſonſt entſtehen daraus ſolche Diſſonanzen, die weder eine Vorbereitung noch Aufloͤſung bekommen, und dem Gehoͤre folglich ſehr unangenehm fallen. Bey den Vorſchlaͤgen ſo von unten genommen werden, wenn vor der in der Hoͤhe liegenden Terze die None vorgehal - ten wird, klingt die zugleich bey dem Vorſchlage mit dem Fluͤgel ange - gebene Terze nicht ſo uͤbel: wenn nur die zum Accorde der Hauptnote gehoͤrige Terze nicht uͤber, ſondern unter der Hauptſtimme genommen wird; denn dieſe wird alsdenn, anſtatt der Secunde, gegen den Vorſchlag zur Septime von unten.

20. §.

Einem jeden Clavierſpieler, der die Verhaͤltniſſe der Toͤne verſteht, wird auch zugleich bekannt ſeyn, daß die Subſemitone, als: D mit dem Kreuz, und E mit dem b, u. ſ. w. um ein Komma unterſchieden ſind; und folglich, aus Mangel der gebrochenen Taſten, auf dieſem Jnſtrumente, einige Ungleichheit im Stimmen, gegen die andern Jnſtrumente, wel - che dieſe Toͤne in ihrem Verhaͤltniſſe rein greifen, verurſachen: zumalwenn233Von dem Clavieriſten insbeſondere. wenn ſie das Clavier, mit einem der letztgedachten Jnſtrumente, im Einklange ſpielet. Weil nun dieſe Toͤne nicht allemal koͤnnen vermieden werden; beſonders in denen Tonarten, wo viel b und viel Kreuze vorkom - men: ſo thut der Accompagniſt wohl, wenn er, ſo viel als moͤglich iſt, ſuchet, dieſelben entweder in die mittelſte oder unterſte Stimme zu verſte - cken; oder, wenn einer davon die kleine Terze ausmachet, ihn gar weg zu laſſen. Denn wenn beſonders dieſe kleinen Terzen, in der oberſten Octave, mit der Hauptſtimme im Einklange angeſchlagen werden, klingen ſie ſehr faul und unvollkommen. Jch verſtehe unter dieſen kleinen Terzen, haupt - ſaͤchlich das C, D, und E der zweygeſtrichenen Octave, wenn vor denſel - ben ein b ſteht; oder kuͤrzer zu ſagen das Ces, Des, und Es. Jch rechne aber auch hierher das eingeſtrichene G und A, und das zweygeſtrichene D, und E, wenn ein Kreuz davor ſteht, denn wenn dieſe letztern große Terzen ſind, ſo ſchweben ſie zu ſehr uͤber ſich, und ſind alſo zu hoch. Es iſt wahr, daß man dieſen Unterſchied, wenn man entweder allein auf dem Fluͤgel ſpielt, oder wenn derſelbe zu einer ſtarken Muſik accompagniret, nicht ſo deutlich bemerken kann: wenn aber oben gemeldete Toͤne auf einem andern Jnſtrumente den Einklang beruͤhren, ſo laſſen ſie, weil die andern Jnſtrumente dieſe Toͤne in ihrem Verhaͤltniſſe angeben, da ſie hingegen auf dem Claviere temperiret ſind, ihren Unterſchied mehr als zu wohl hoͤ - ren: und iſt alſo beſſer ſie gar zu vermeiden, als das Gehoͤr zu beleidigen. Wem aber allenfalls das Weglaſſen nicht gefaͤllt, der nehme dieſe oben angezeigten kleinen und großen Terzen, ſo wie ich von den andern Sub - ſemitonen gelehret habe, zum wenigſten in der Tiefe, allwo ſie das Ge - hoͤr noch eher vertragen wird. Der Einklang thut ohne dem zu einem Jn - ſtrumente nicht ſo gute Wirkung, als zu einer Singſtimme. Uberdem iſt auch das Unreine in der Tiefe dem Gehoͤre nicht ſo empfindlich als in der Hoͤhe. Wer ſich hiervon uͤberzeugen will, der ſtimme auf einem Cla - viere des Fluͤgels eine Octave unter oder uͤber ſich ſchwebend; alsdenn ſtimme er, auf dem andern Claviere, eine Seyte von dem hohen Tone mit dem tiefen ganz rein. Man verſuche hierauf den verſtimmten Einklang, und ſehe, ob derſelbe dem Gehoͤre nicht mehr, als die verſtimmte Octave, misfallen wird.

21. §.

Es iſt ſchon von langen Zeiten her die Regel geweſen, daß man beym Spielen des Generalbaſſes, die Haͤnde nicht allzuweit von einander entfernen, und folglich mit der rechten nicht allzuhoch ſpielen ſolle. Die -G gſe234Des XVII. Hauptſtuͤcks. VI. Abſchnitt. ſe Regel iſt vernuͤnftig und gut; wenn ſie nur allezeit beobachtet wuͤrde. Denn es thut eine viel beſſere Wirkung, wenn die begleitenden Stimmen auf dem Fluͤgel, unter der Hauptſtimme, als wenn ſolche mit der Ober - ſtimme, oder wohl gar uͤber derſelben, genommen werden. Wenn die Alten das Accompagnement um eine Octave hoͤher haben wollten; ſo ſetz - ten ſie anſtatt der Terze, Quarte, Quinte, u. ſ. w. die Decime, Undeci - me, und Duodecime, uͤber den Baß. Da aber zwiſchen dieſen Ziffern kein ſolcher Unterſchied zu machen iſt, als zwiſchen der Secunde und No - ne; ſo kann auch ſolches von ihnen nicht ganz und gar ohne Urſache ge - ſchehen ſeyn. Aus oben geſagten Urſachen, darf man einen Violoncel - liſten, wenn er Solo ſpielet, nicht ſo, wie einen Violiniſten, begleiten. Bey dem erſtern muß man mit der rechten Hand alles in der Tiefe ſpielen: und ſoferne der Baß, von dem Componiſten, aus Unwiſſenheit etwan zu hoch geſetzet waͤre, und die Hauptſtimme uͤberſtiege; ſo kann man denſel - ben ebenfalls eine Octave tiefer ſpielen: damit die Quinten nicht in Quar - ten verwandelt werden. Bey Begleitung der Violine, welche einen großen Umfang der Toͤne hat, muß der Accompagniſt Achtung geben, ob der Violiniſt viel in der aͤußerſten Tiefe, oder ſehr hoch zu ſpielen habe: damit er weder die Tiefe uͤberſteige, noch bey der aͤußerſten Hoͤhe zu weit entfernet ſey.

22. §.

Wenn der Baß in langſamen Stuͤcken etliche Noten auf einerley Tone zu wiederholen hat, welche mit $$\frac{56765}{34543}$$ , u. d. gl. beziffert ſind, da denn vermuthlich die Hauptſtimme die oberſten Ziffern in ihrem Geſange hat: ſo klingt es ſehr gut, wenn der Accompagniſt die oberſten Ziffern in der Tiefe ſpielet, und folglich die Terzen, ſo beyde Stimmen gegen einan - der machen, in Sexten verwandelt. Solches wird nicht nur harmonioͤ - ſer klingen, ſondern auch mehr einem Trio als Solo aͤhnlich werden. Will er aber nur die unterſten Ziffern ſpielen, und die, welche die Haupt - ſtimme hat, gar weg laſſen; ſo iſt es noch beſſer. Wenn er ſolches bey allen dergleichen Gelegenheiten beobachtet, und im Accompagnement die zweyte Stimme zur oberſten, und die oberſte zur unterſten machet; ſo wird die Hauptſtimme niemals verdunkelt: und der Soloſpieler bekoͤmmt dadurch ſeine gehoͤrige Freyheit. Geſchieht aber das Gegentheil, ſo moͤch - te es ſcheinen, als wollte der Accompagniſt das Stuͤck mit dem Soloſpieler im Uniſon ſpielen.

23. §. Mit235Von dem Clavieriſten insbeſondere.

23. §.

Mit der rechten Hand muß der Accompagniſt im Adagio weder har - peggiren, noch melodioͤs ſpielen: es waͤre denn daß der Soloſpieler hal - tende Noten oder Pauſen haͤtte. Die accompagnirenden Stimmen darf er nicht vor dem Baſſe hervor ragen laſſen. Jn einem Adagio im gemei - nen geraden Tacte, kann er zu einem jeden Achttheile mit der rechten Hand anſchlagen. Jn einem Arioſo aber, wenn der Baß eine geſchwin - dere Bewegung zu machen hat, ſie beſtehe aus Achttheilen, Sechzehnthei - len oder Triolen, von beyderley Art Noten, klingt es nicht ſo gut, wenn er zu einer jeden Note mit der rechten Hand anſchlaͤgt, als wenn er bey gleichen Noten, eine, und bey Triolen, zwo, vorbey gehen laͤßt: wenn anders uͤber den durchgehenden Noten keine eigenen Ziffern ſtehen.

24. §.

Wenn ein Saͤnger oder Soloſpieler, im Adagio, eine lange Note im Tone wachſen und wieder abnehmen laͤßt, und der Baß unter derſel - ben eine Bewegung von verſchiedenen Noten zu machen hat: ſo iſt es gut, wenn der Accompagniſt ebenfalls, nach Maaßgebung der Hauptſtimme, Note vor Note ſtaͤrker und wieder ſchwaͤcher anſchlaͤgt.

25. §.

Wenn die Hauptſtimme, in einem Adagio, durch ein Paar ge - ſchwinde punctirte Noten, etwas beſonderes auszudruͤcken, und der Baß ſolches mit eben dergleichen Noten nachzumachen hat; ſo muß der Ac - compagniſt dieſelben, es moͤgen Conſonanzen oder Diſſonanzen ſeyn, ganz vollſtimmig und erhaben anſchlagen. Hat aber die Hauptſtimme einen traurigen oder ſchmeichelnden Geſang; ſo muß der Accompagniſt im An - ſchlage ſich maͤßigen, die Stimmen vermindern, und alſo bey allen Faͤl - len ſich der Hauptſtimme bequemen, und mit derſelben alle Leidenſchaf - ten, eben ſo gut als wenn er ſelbſt Solo ſpielete, zu Herzen nehmen. Waͤ - re von dem Componiſten, zum Ungluͤcke, wenig oder gar kein Affect aus - gedruͤcket worden: ſo kann der Accompagniſt dennoch, wechſelsweiſe, eini - ge Noten, nach eigenem Gutbefinden, durch einen ſtaͤrkern Anſchlag er - heben, und die folgenden wieder maͤßigen. Dieſes laͤßt ſich am beſten, bey einer Aehnlichkeit oder Wiederholung der Gedanken, anbringen; es geſchehe in demſelben Tone, oder in der Verſetzung, oder, wie bereits ge - meldet worden, wenn Diſſonanzen vorkommen.

G g 226. §. Nach -236Des XVII. Hauptſtuͤcks. VI. Abſchnitt.

26. §.

Nachahmungen, ſo aus laufenden oder melodioͤſen Gaͤngen beſte - hen, thun eine beſſere Wirkung, wenn ſie mit der rechten Hand in der hoͤhern Octave mitgeſpielet werden, als wenn man ſie vollſtimmig ac - compagniret. Auf gleiche Art kann man auch mit dem Uniſon ver - fahren.

27. §.

Wenn der Baß ſeine ordentliche Lage verlaͤßt, und in der Lage vom Tenor etwas zu ſpielen hat, welches oͤfters in der Singmuſik vorzukom - men pfleget; ſo muß die rechte Hand mit wenig Stimmen, und ganz nahe bey der linken Hand accompagniren: damit das folgende, in der Baßlage, mit deſto mehrerer Pracht ausgedruͤckt werden koͤnne.

28. §.

Wofern, in einem ganz langſamen Stuͤcke, im Baſſe Bindungen, welche mehrentheis mit Secunde Quarte und Sexte beziffert ſind, vor - kommen; und der Accompagniſt keinen Violoncell oder ander Baßinſtru - ment neben ſich hat; kann derſelbe, ohne Nachtheil der Generalbaßregel, die gebundenen Noten, mit den dazu gehoͤrigen Diſſonanzen anſchlagen: weil der Ton des Clavicymbals ſich bald verliert; die Diſſonanzen aber, ohne den Grundton, dem Gehoͤre nach, ſich in Conſonanzen verwan - deln; und folglich die darunter geſuchte Wirkung verlohren geht. Wenn etliche ganze Tacte auf einem Tone gebunden ſind; kann gleichfalls ein jeder beſonders angeſchlagen werden.

29. §.

Hat der Soloſpieler das Zeitmaaß, beym Anfange, nicht ſo wie er ſollte gefaſſet: ſo muß der Accompagniſt ihm nicht hinderlich ſeyn, ſol - ches nach ſeinem Gefallen zu aͤndern.

30. §.

Um das Zeitmaaß, beſonders in ganz langſamen Saͤtzen, nicht zu verruͤcken, muß ſich der Clavierſpieler huͤten, daß er beyde Haͤnde nicht zu hoch oder ungleich aufhebe; und daß er die accompagnirenden Noten, als: Viertheile oder Achttheile nicht zu kurz anſchlage, und die Haͤnde zu geſchwind vom Claviere abziehe. Denn wenn er die Haͤnde laͤnger in der Hoͤhe, als auf dem Claviere haͤlt; ſo verliert er den Vortheil, die Zeit bey einer jeden Note richtig abmeſſen zu koͤnnen. Macht er aber mit den Haͤnden eine gleiche Bewegung, ſo daß er dieſelben eben ſo lange in der Hoͤhe haͤlt, als er ſie auf dem Claviere liegen laͤßt; ſo theilen ſichbey237Von dem Clavieriſten insbeſondere. bey den Viertheilen, die Achttheile, und bey den Achttheilen, die Sech - zehntheile, richtig und ohne vieles Nachdenken von ſich ſelbſt ein: auch bekommen die Noten dadurch einen unterhaltenen Klang, und das Jn - ſtrument wird angenehmer. Da hingegen, wenn dieſes nicht beobachtet wird, die Seyten durch den geſchwinden Ruͤckfall der Federn, an dem erfoderlichen Schwunge zu zeitlich gehindert werden: und alſo der natuͤr - liche Ton, ſo im Jnſtrumente liegt, nicht ſo wie er ſoll heraus kommen kann. Nicht zu gedenken, daß auch widrigenfalls unter dem Staccato und andern Noten kein Unterſchied bleiben wuͤrde. Bey einem Soſtenu - to aber, muͤſſen die Finger ganz bis zur folgenden Note liegen bleiben.

31. §.

Wenn in einem Adagio, bey einem Einſchnitte, beyde Stimmen pauſiren, und die Oberſtimme, mit einer Note im Aufſchlage des Tacts, allein anzufangen hat, die folgende Note im Niederſchlage aber eine Quarte, Quinte, Sexte, oder Septime hoͤher ſteht, allwo der Solo - ſpieler Freyheit hat, eine willkuͤhrliche Auszierung anzubringen: ſo muß der Begleiter, deſſen erſte Note, bey ſolchen Faͤllen, gemeiniglich erſt mit dem Niederſchlag wieder anfaͤngt, ſo lange warten, bis die Ober - ſtimme die Note im Niederſchlage beruͤhret; und darf ſich im Zeitmaaße nicht uͤbereilen: weil ſolches bey dergleichen Faͤllen, nicht nach der Stren - ge genommen wird. Hat aber die Hauptſtimme Bindungen, oder ſonſt haltende Noten, der Baß aber Bewegungen darunter: ſo muß der Ac - compagniſt das Zeitmaaß nach der Strenge beobachten; und findet hier - bey kein Nachgeben ſtatt: weil der Soloſpieler verbunden iſt, ſich mit den Auszierungen nach dem Baſſe zu richten.

32. §.

Was bisher geſaget worden, geht hauptſaͤchlich das Adagio an. Ob nun wohl, in geſchwinden Stuͤcken, nicht alles nach der Strenge, die bey dem Adagio erfodert wird, beobachtet werden kann: ſo kann doch das meiſte von dem, was zu der Discretion und dem Ausdrucke gehoͤret, auch bey dem Allegro angewendet werden. Hauptſaͤchlich aber koͤmmt es bey dem Allegro darauf an: daß der Accompagniſt das Zeitmaaß nach der groͤßten Strenge halte, und ſich weder ſchleppen laſſe, noch eile; daß er in der linken Hand eine Fertigkeit beſitze alles deutlich und rein zu ſpie - len: wozu uͤberhaupt die Jnſtrumentalmuſik vortheilhafter iſt als die Singmuſik: weil bey dieſer nicht ſo viel Fertigkeit und Feuer, als bey jener erfodert werden kann; daß er, wenn viele Achttheile auf einem ToneG g 3vor -238Des XVII. Hauptſtuͤcks. VI. Abſchnitt. Von dem Cl. vorkommen, dieſelben mit der linken Hand alle anſchlage; nicht aber, wie einige aus unzeitiger Bequemlichkeit zuweilen, abſonderlich bey Sing - ſtuͤcken, thun, eine anſchlage, und drey oder wohl gar ſieben vorbey ſtrei - chen laſſe; daß er mit der rechten Hand gelaſſen und beſcheiden verfahre; daß er weder gar zu vollſtimmig, noch die Hauptſtimme mit ſpiele; daß er nach kurzen Pauſen die Haͤnde nicht zu hoch aufhebe: denn hierdurch kann das Zeitmaaß leicht verruͤcket werden; weswegen er mit der rechten Hand den Accord zur folgenden Note, anſtatt der vorhergehenden kur - zen Pauſe anſchlagen kann(*)Dieſes verſteht ſich nur von blos begleitenden Noten. Wenn aber der Haupt - ſatz einer Fuge oder eine andere Nachahmung im Aufſchlage des Tactes anfaͤngt, ſo wuͤrden dieſe verdunkelt werden, wenn man uͤber der vorhergehenden Pauſe den folgenden Accord anſchlagen wollte. Bey ſolchen Umſtaͤnden thut es beſſere Wirkung, wenn man den Hauptſatz, durch die Octave hoͤher, mit der rechten Hand verdoppelt; als wenn man ihn vollſtimmig accompagniret.; daß er mit der rechten Hand nicht ſolche geſchwinde Bewegungen mache, wodurch er zum Zoͤgern verleitet werden kann, und der Soloſpieler an ſeiner Geſchwindigkeit verhindert wird; daß er die durchgehenden Noten nicht mit vielen Stimmen belade; daß er das Piano und Forte zu rechter Zeit ausdruͤcke; daß er die Baßnoten in ihrer Lage, und die Jntervalle ſo, wie ſie geſetzt ſind, ſpiele; auch bey denſelben nichts zuſetze; daß er endlich, in Anſehung der Staͤrke und Schwaͤche, ſich nach der Staͤrke der Haupſtimme richte. Jſt es eine Floͤte, ſo muß er, wenn dieſelbe in der Tiefe ſpielet, beſonders in Molltoͤnen, das Accompagnement ſehr maͤßigen.

33. §.

Bey einem Recitativ ſo auswendig geſungen wird, geſchieht dem Saͤnger eine große Erleichterung, wenn der Accompagniſt die erſten Toͤne deſſelben bey einem jeden Einſchnitte voraus nimmt, und ihm, ſo zu ſagen, in den Mund le - get; indem er naͤmlich erſtlich den Accord durch eine geſchwinde Brechung an - ſchlaͤgt, doch ſo, daß des Saͤngers erſte Note, wo moͤglich, in der ober - ſten Stimme liege; und gleich darauf ein Paar der naͤchſten Jntervalle, die in der Singſtimme vorkommen, einzeln nachſchlaͤgt; ſ. Tab. XXIII. Fig. 5. Dieſes koͤmmt dem Saͤnger, ſo wohl wegen des Gedaͤchtniſſes, als auch wegen der Jntonation, ſehr zu ſtatten. Was ſonſt noch im Recita - tiv zu bemerken, und im Accompagnement uͤberhaupt zu beobachten iſt, wird in dem folgenden Abſchnitte weitlaͤuftiger gezeiget werden.

Des239

Des XVII. Hauptſtuͤcks VII. Abſchnitt. Von den Pflichten welche alle begleitenden Jn - ſtrumentiſten uͤberhaupt in Acht zu nehmen haben.

1. §.

Soll ein Orcheſter recht gute Wirkung thun: ſo muͤſſen nicht nur alle Mitglieder deſſelben mit guten und reinen Jnſtrumenten verſehen ſeyn; ſondern ſie muͤſſen dieſelben auch richtig und gleichlautend einzuſtim - men wiſſen.

2. §.

Es koͤnnte fuͤr einen Ueberfluß angeſehen werden, wenn ich wegen der Stimmung der Bogeninſtrumente einige Erinnerungen mache: denn was ſcheint leichter zu ſeyn, als ein mit vier Seyten bezogenes Jnſtru - ment in Quinten rein zu ſtimmen? da ja das Gehoͤr natuͤrlicher Weiſe eher das Jntervall der Quinte, als die uͤbrigen, begreifen lernet. Deſ - ſen ungeachtet lehret es die Erfahrung, daß, wenn auch einige erfahr - ne Violiniſten, oder andere Jnſtrumentiſten, ſich in dieſem Stuͤcke ihrer Pflicht gemaͤß verhalten; dennoch der meiſte Theil, entweder aus Un - wiſſenheit, oder aus Nachlaͤſſigkeit, dawider handelt: ſo daß, wenn man, bey einem zahlreichen Accompagnement, die Jnſtrumente einzeln unter - ſuchen ſollte, man finden wuͤrde, daß nicht nur faſt ein jedes Jnſtru - ment in ſich ſelbſt unrein geſtimmet ſeyn, ſondern auch oͤfters nicht zwey oder drey mit einander uͤbereinſtimmen wuͤrden: welches aber, an der gu - ten Ausnahme der Muſik uͤberhaupt, eine große Hinderniß zu wege bringt.

3. §. Wer240Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt.

3. §.

Wer davon Beweis verlanget, der ſtelle ſich einen geſchikten Cla - vierſpieler vor, wenn er auf einem verſtimmten Jnſtrumente ſpielet; und bemerke, ob die Unreinigkeit der Stimmung einem feinen muſikaliſchen Gehoͤre nicht mehr Beleidigung anthun wird, als ihm des Spielers gute Art zu ſpielen Vergnuͤgen erwecket. Geſchieht nun dieſes bey einem ein - zigen Jnſtrumente, wo die Verdoppelung der Toͤne nur aus zweenen Ein - klaͤngen und hoͤchſtens zwoen Octaven beſteht; was fuͤr eine uͤble Wir - kung muß es nicht bey einer zahlreichen Muſik thun, wo der Einklang ſo vielmal verdoppelt wird, wenn die Jnſtrumente nicht mit einander uͤber - einſtimmen. Es iſt zwar wahr, daß ein jeder von den Bogeninſtrumen - tiſten ſein Jnſtrument nach dem Gehoͤre ſpielet, und die Finger nach Ge - fallen, hoͤher oder tiefer ſetzen kann: allein die unreine Stimmung wird doch dann und wann durch die bloßen Seyten, welche man nicht zu al - len Zeiten vermeiden kann, beſonders die tiefeſten, auf einem jeden Jn - ſtrumente verrathen. Uberdieſes iſt zu vermuthen, daß derjenige, wel - cher ſich ſo leichtſinnig gewoͤhnet, ſein Jnſtrument ſelten recht rein zu ſtimmen, auch nicht vermoͤgend ſey, daſſelbe recht rein zu ſpielen: weil immer aus einem Ubel das andere entſpringt. Waͤre auch ein Violiniſt geſchikt genug, durch Verſetzung der Haͤnde alles zu ſpielen, ohne die bloßen Seyten zu beruͤhren: ſo kann er doch nicht vermeiden, die Quin - tenſpringe mit einem Finger zu greifen. Sind nun die Seyten an und fuͤr ſich nicht rein geſtimmet: ſo bleiben dieſe Quintenſpruͤnge, in ge - ſchwinden Stuͤcken, gleichfalls unrein.

4. §.

Um die Violine recht rein zu ſtimmen, halte ich dafuͤr, daß man nicht uͤbel thun wuͤrde, wenn man ſich nach der Regel richtete, die bey Stimmung des Claviers beobachtet werden muß, naͤmlich: wenn man die Quinten, nicht, wie geſchieht, ganz rein, oder wohl gar uͤber ſich ſchwebend, ſondern vielmehr unter ſich ſchwebend ſtimmete: damit die bloßen Seyten alle mit dem Claviere uͤbereintraͤfen. Denn ſofern man die Quinten alle ſcharf und rein ſtimmen will: ſo folget natuͤrlicher Wei - ſe, daß von vier Seyten nur eine mit dem Claviere gleichlautend iſt. Stimmet man aber das A zum Claviere rein, und laͤßt das E zum A ein wenig unter ſich, das D zum A, und das G zum D aber, uͤber ſich ſchweben: ſo werden beyde Jnſtrumente gegen einander uͤbereinſtimmen. Doch241Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. Doch will ich dieſe Meynung nicht als eine Regel, ſondern nur zum wei - tern Nachdenken gegeben haben.

5. §.

Die Blasinſtrumente koͤnnen, bey warmer Witterung, ein wenig tiefer als die Violinen einſtimmen; weil ſie ſich in waͤhrendem Blaſen er - hoͤhen: da hingegen die mit Seyten bezogenen Jnſtrumente, ſich durch die Waͤrme erniedrigen.

6. §.

Der Ton, in welchem die Orcheſter zu ſtimmen pflegen, iſt nach Beſchaffenheiten der Orte und Zeiten immer ſehr verſchieden geweſen. Der unangenehme Chorton hat einige Jahrhunderte in Deutſchland ge - herrſchet, welches die alten Orgeln ſattſam beweiſen. Man hat auch die uͤbrigen Jnſtrumente, als: Violinen, Baßgeigen, Poſaunen, Floͤten a bec, Schallmeyen, Bombarte, Trompeten, Clarinetten, u. ſ. w. darnach eingerichtet. Nachdem aber die Franzoſen, nach ihrem ange - nehmen tiefern Tone, die deutſche Querpfeife in die Floͤte traverſiere, die Schallmey in den Hoboe, und den Bombart in den Baſſon verwan - delt hatten; hat man in Deutſchland auch angefangen, den hohen Chor - ton mit dem Kammertone zu verwechſeln: wie auch nunmehro einige der beruͤhmteſten neuen Orgeln beweiſen. Der venezianiſche Ton iſt itziger Zeit eigentlich der hoͤchſte, und unſerm alten Chortone faſt aͤhnlich. Der roͤmiſche Ton war, vor etlichen und zwanzig Jahren, tief, und dem Pa - riſer Tone gleich. Anitzo aber faͤngt man an, den Pariſer Ton dem ve - nezianiſchen faſt gleich zu machen.

7. §.

Die Verſchiedenheit des Tones in welchem man ſtimmet, iſt der Mu - ſik ſehr ſchaͤdlich. Bey der Singmuſik verurſachet er die Unbequemlich - keit, daß die Saͤnger diejenigen Arien, die an einem Orte, wo die Stimmung hoch iſt, fuͤr ſie gemacht waren, an einem andern Orte, wo man tief ſtimmet, und umgekehrt, die Arien, die nach einer tiefen Stim - mung eingerichtet ſind, an einem Orte, wo die Stimmung hoch iſt, kaum brauchen koͤnnen. Es waͤre daher ſehr zu wuͤnſchen, daß an allen Orten einerley Ton bey der Stimmung eingefuͤhret werden moͤchte. Es iſt nicht zu laͤugnen, daß der hohe Ton viel durchdringender iſt, als der tiefe: er iſt aber dagegen bey weitem nicht ſo angenehm, ruͤhrend, und praͤchtig. Jch will eben nicht die Parthey von dem ganz tiefen fran - zoͤſiſchen Kammertone nehmen; ob er gleich fuͤr die Floͤte traverſiere, denH hHoboe242Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt. Hoboe, den Baſſon, und einige andere Jnſtrumente der vortheilhafteſte iſt: ich kann aber auch den ganz hohen venezianiſchen Ton nicht billigen; weil die Blasinſtrumente in demſelben allzu widrig klingen. Jch halte deswegen den deutſchen ſogenannten A-Kammerton, welcher eine kleine Terze tiefer iſt, als der alte Chorton, fuͤr den beſten. Denn dieſer iſt weder zu tief, noch zu hoch, ſondern das Mittel zwiſchen dem franzoͤſiſchen und venezianiſchen: und in dieſem koͤnnen ſowohl die mit Seyten bezoge - nen, als die Blasinſtrumente, ihre gehoͤrige Wirkung thun. Der ganz hohe Ton wuͤrde machen, daß obgleich die Figur der Jnſtrumente bliebe, doch endlich aus der Floͤte traverſiere wieder eine Querpfeife, aus dem Hoboe wieder eine Schallmey, aus der Violine ein Violino piccolo, und aus dem Baſſon wieder ein Bombart werden wuͤrde. Die Blas - inſtrumente, welche doch eine ſo beſondere Zierde eines Orcheſters ſind, wuͤrden hiervon den groͤßten Schaden haben. Dem tiefen Tone haben ſie eigentlich ihren Urſprung zu danken. Wenn nun vornehmlich die Ho - boen und Baſſone, welche zum tiefen Tone gemacht worden, durch Ver - kuͤrzung der Roͤhre und Eſſe in die Hoͤhe gezwungen werden muͤſſen; ſo werden ſie, durch dieſe Verkuͤrzung, durch und durch falſch. Die Octa - ven gehen auseinander, und der unterſte Ton einer Octave wird tiefer, der oberſte aber hoͤher: ſo wie im Gegentheile bey allzuweiter Ausziehung des Rohres und Verlaͤngerung des Eſſes, die Octaven zuſammen gehen, und der unterſte Ton hoͤher, der oberſte aber tiefer wird. Es hat damit eben die Beſchaffenheit wie mit der Floͤte, wenn man den Pfropf derſel - ben entweder allzutief einſtecket, oder allzuweit auszieht. Denn im er - ſten Falle gehen die Octaven, auf oben gemeldete Weiſe auseinander; im zweyten aber, geben ſie ſich zuſammen. Man koͤnnte zwar allenfalls kleinere und engere Jnſtrumente, zum Vortheile des hohen Tones, verfer - tigen laſſen: allein die meiſten Jnſtrumentmacher arbeiten nach ihrem einmal angenommenen, nach dem tiefen Tone eingerichteten Modelle; und die wenigſten wuͤrden im Stande ſeyn, die Menſur nach gehoͤrigem Verhaͤltniß ſo zu verjuͤngen, daß das Jnſtrument zwar hoch wuͤrde, doch aber auch ſeine Reinigkeit behielte. Geriethe auch endlich eins und das andere, ſo waͤre doch noch die Frage, ob die obgemeldeten Jnſtrumente, wenn ſie auf den hohen Ton eingerichtet ſind, noch eben die Wirkung thun wuͤrden, welche ſie thun, wenn ſie bey ihrem alten ihnen eigenen Maaße bleiben? Die Partheylichkeit fuͤr ein Jnſtrument iſt zwar an ſich ſelbſt gut; aber nur ſo lange, als ſie den andern Jnſtrumenten nicht zumSchaden243Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. Schaden gereichet. Jn einigen Theilen Welſchlands liebt man die oben - gedachte Erhoͤhung des Tones. Denn in dieſem Lande werden die Blas - inſtrumente weniger als in andern Laͤndern gebrauchet: und folglich hat man davon nicht einen ſolchen guten Geſchmack, als von andern Din - gen in der Muſik. Jn Rom wurden einsmals die Blasinſtrumente aus der Kirche verbannet. Ob nun vielleicht der unangenehme hohe Ton, oder die Art ſie zu ſpielen daran Urſache geweſen, laſſe ich dahin geſtellet ſeyn. Denn obgleich der roͤmiſche Ton tief, und fuͤr den Hoboe vortheilhaft war: ſo ſpieleten doch damals die Hoboiſten auf ſolchen Jnſtrumenten, die einen ganzen Ton hoͤher ſtunden, und mußten folglich transponiren. Allein dieſe hohen Jnſtrumente thaten, gegen die uͤbrigen tiefgeſtimmeten, eine ſolche Wirkung, als wenn ſie deutſche Schallmeyen waͤren.

8. §.

Wegen des Reingreifens der Toͤne auf den Bogeninſtrumenten, und ſonderlich der Violine, koͤmmt ſehr viel auf ein gutes muſikaliſches Gehoͤr an. Dieſes aber koͤmmt nicht von der Natur allein her; ſondern es muß auch, durch die Erkenntniß des Verhalts der Toͤne, zuwege ge - bracht werden. Mancher empfindet, durch das angebohrne Gehoͤr, wenn ein anderer falſch ſpielet: wenn er aber eben denſelben Fehler ſelbſt begeht, wird er es entweder nicht gewahr, oder er weis ſich nicht zu helfen. Das beſte Mittel, ſich aus dieſer Unwiſſenheit zu reiſſen, iſt das Mo - nochord oder der Klangmeſſer. Auf dieſem kann man die Verhaͤltniſſe der Toͤne am allerdeutlichſten erkennen lernen. Es waͤre deswegen noͤthig, daß nicht nur ein jeder Saͤnger, ſondern auch ein jeder Jnſtrumentiſt, ſich dieſelben bekannt machte. Er wuͤrde dadurch die Erkenntniß der Sub - ſemitone viel zeitlicher erlangen, und viel eher lernen, daß die mit ei - nem b bezeichneten Toͤne um ein Komma hoͤher ſeyn muͤſſen, als die, welche ein Kreuz vor ſich haben: da er ſich, ohne dieſe Einſicht, nur al - lein auf das Gehoͤr, welches doch betruͤglich iſt, verlaſſen muß. Haupt - ſaͤchlich wird dieſes von den Violiniſten und dergleichen Bogeninſtrumenti - ſten erfodert; als denen, wegen Setzung der Finger, keine Graͤnzen, wie den Blasinſtrumentiſten, geſetzet werden koͤnnen. Es wuͤrde auch mancher in der Hoͤhe reiner ſpielen; wenn er wuͤßte, daß auf einer Sey - te, vom Anfange bis in die Hoͤhe, die Toͤne nicht in einerley Weite, ſondern immer verjuͤnget, naͤmlich naͤher und naͤher an einander liegen. Zum Beweis: die Seyte wird auf der Geige wie auf dem Monochorde in zweene Theile getheilet: da denn die erſte Haͤlfte davon die Octave an -H h 2giebt.244Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt. giebt. Theilet man die zweyte Haͤlfte davon wieder in zweene Theile, ſo giebt der erſte Theil davon noch eine Octave hoͤher an: und ſo verhaͤlt es ſich mit dem Reſte der Seyte, bis an den Steg. Wollte man nun in der zweyten Octave die Finger eben ſo weit aus einander ſetzen, als in der erſten; ſo wuͤrde bey einem jeden Tone, anſtatt der Secunde, die Terze hervor kommen. Es folget alſo hieraus, daß die Verjuͤngung, nach dem erſten Tone, in gehoͤrigem Verhaͤltniſſe ihren Anfang nehmen, und ſo, bis zum Ende der Seyte, fortfahren, folglich das Jnſtrument mit vieler Beurtheilung geſpielet werden muͤſſe.

9. §.

Wenn die eigentlichen Subſemitone vorkommen, das iſt, wenn ein durch das b erniedrigter Ton, ſich in den naͤchſt darunter liegenden durch das Kreuz erhoͤheten, oder ein durch das Kreuz erhoͤheter, ſich in den naͤchſt daruͤber liegenden durch das b erniedrigten Ton verwandelt, ſ. Tab. XXIII. Fig. 6. und 7: ſo iſt zu merken, daß, wie ſchon im vori - gen § gedacht worden, der Ton mit dem Kreuze, gegen den mit dem b, um ein Komma tiefer ſeyn muß. Zum Exempel G mit dem Kreuze, muß ein Komma tiefer ſeyn als A mit dem b. Wenn dieſe zwo Noten an einander gebunden ſind, ſ. Tab. XXIII. Fig. 6. ſo muß der Finger bey dem auf das b folgende Kreuze, etwas zuruͤck gezogen werden: ſonſt wuͤr - de die große Terze gegen die Grundſtimme zu hoch ſeyn. Folgt aber auf das Kreuz ein b, ſ. Fig. 7. ſo muß der Finger bey der Note mit dem b um ſo viel hinauf ruͤcken, als man ihn bey dem vorhergehenden Exempel zuruͤck zieht: wie hier in der Oberſtimme vom G mit dem Kreuz ins A mit dem b; in der zweyten Stimme vom E mit dem Kreuze ins F; und in der Grundſtimme, vom C mit dem Kreuze ins D mit dem b, ange - bracht werden muß. Eben dieſes iſt auf allen Jnſtrumenten zu beobach - ten: das Clavier ausgenommen; als auf welchem man die Verwandelung der Subſemitone nicht angeben kann, und welches deswegen eine gute Temperatur haben muß, um zu beyden erleidlich zu klingen. Auf Blas - inſtrumenten geſchieht dieſe Veraͤnderung durch den Anſatz, naͤmlich: auf der Floͤte wird der Ton durch das Auswaͤrtsdrehen erhoͤhet, und durch das Einwaͤrtsdrehen erniedriget. Auf dem Hoboe und dem Baſſon, ge - ſchieht die Erhoͤhung des Tones, durch tieferes Einſchieben des Rohres in den Mund, und feſteres Zudruͤcken der Lippen; die Erniedrigung aber, durch Zuruͤckziehung des Rohres, und Nachlaſſung der Lippen.

10. §. Wenn245Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt.

10. §.

Wenn ein Orcheſter gut ſeyn ſoll, muß es ſich eines guten, und ei - nem jeden Stuͤcke, in ſeiner Art, und nach ſeinen Eigenſchaften ge - maͤßen Vortrags, befleißigen. Das Stuͤck ſey luſtig oder traurig, praͤchtig oder ſcherzend, frech oder ſchmeichelnd, oder wie es ſonſt ſeyn mag; ſo muß es in der Leidenſchaft, welche es ausdruͤcken ſoll, vorgetra - gen werden. Hat man eine concertirende Stimme zu begleiten, ſo muß ein jeder Accompagniſt, ſich, in allen Faͤllen, nach dem Vortrage des Con - certiſten richten, und an allen Umſtaͤnden Theil nehmen. Es muß dabey keine Partheylichkeit herrſchen; daß man des einen ſeine Arbeit gut, des andern ſeine Arbeit ſchlecht ausfuͤhren wollte: ſondern ein jeder muß alles was ihm vorgeleget wird, es ſey geſetzet von wem es wolle, mit eben dem Eifer auszufuͤhren ſuchen, als wenn es ſeine eigene Arbeit waͤre; will er anders nicht den, einem Muſikus ſo ruͤhmlichen, Charakter eines ehrli - Mannes verlaͤugnen.

11. §.

Was zu Erlangung eines guten Vortrags uͤberhaupt erfodert wird, kann aus dem XI Hauptſtuͤcke, mit mehrerm erſehen werden. Die Art der Bogenſtriche, die ein jedes Stuͤck erfodert, wird im II Abſchnitte dieſes Hauptſtuͤcks erklaͤret: weil doch beym Accompagnement auf die Bo - geninſtrumente das meiſte ankoͤmmt.

12. §.

Nicht nur ein jedes Stuͤck und eine jede Leidenſchaft insbeſondere, ſondern auch der Ort und die Abſicht einer Muſik, geben dem Vortrage derſelben gewiſſe Regeln und Einſchraͤnkungen. Z. E. Eine Kirchenmu - ſik erfodert mehr Pracht und Ernſthaftigkeit, als eine theatraliſche, wel - che mehr Freyheit zulaͤßt. Wenn in einer Kirchenmuſik, von dem Com - poniſten, einige freche und bizarre Gedanken, ſo ſich in die Kirche nicht wohl ſchicken, mit ſollten ſeyn eingeflochten worden: ſo muͤſſen die Ac - compagniſten, beſonders aber die Violiniſten, dahin trachten, daß ſolche durch einen beſcheidenen Vortrag, ſo viel moͤglich, vermaͤntelt, gezaͤh - met, und ſanfter gemacht werden moͤgen.

13. §.

Ein guter und der Sache gemaͤßer Vortrag, muß ſich aber auch bis auf die komiſche Muſik erſtrecken. Ein Zwiſchenſpiel, (Intermezzo) welches eine Caricatur, oder das Gegentheil von einer ernſthaften Sing - muſik vorſtellet, und mehr aus gemeinen und niedrigen, als ernſthaftenH h 3Ge -246Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt. Gedanken von dem Componiſten verfertiget wird, auch keine andere Ab - ſicht, als die Critik, und das Lachen zum Grunde hat, muß, wenn es ſeinen Zweck erreichen ſoll, von den begleitenden Stimmen, zumal in den laͤcherlichen Arien, nicht wie eine ernſthafte Oper, ſondern auf eine niedrige, und ganz gemeine Art accompagniret werden. Ein gleiches iſt bey einem Ballet von gemeinem Charakter zu beobachten: weil, wie ſchon geſaget worden, das Accompagnement, nicht nur an dem Ernſthaften, ſondern auch an dem Komiſchen, Antheil nehmen muß.

14. §.

Der Vortrag muß aber nicht allein gut, und jedem Stuͤcke gemaͤß; ſondern auch bey allen Mitgliedern eines guten Orcheſters gleich und uͤber - einſtimmend ſeyn. Man wird einraͤumen, daß eine Rede von dem einen mehr Eindruck als von dem andern machet. Wollte man eine deutſche Tragoͤdie, in welcher lauter Perſonen, die in eben demſelben Lande ge - bohren ſind, vorkaͤmen, mit Leuten vorſtellen, deren Mundart unterſchie - den waͤre, als: Hochdeutſch, Niederdeutſch, Oeſterreichiſch, Schwaͤ - biſch, Tyroliſch, Schweitzeriſch, u. ſ. w. ſo wuͤrde ſolcher Unterſchied der Ausſprache auch die allerernſthafteſte Tragoͤdie laͤcherlich machen. Mit der Muſik hat es faſt eine gleiche Bewandtniß, wenn bey ſolcher ein jedes Mitglied ſeine beſondere Art zu ſpielen hat. Z. E. Wollte man ein Or - cheſter aus ſolchen Perſonen zuſammen ſetzen, deren einige nur nach ita - liaͤniſchem, andere nur nach franzoͤſiſchem Geſchmacke, andere außer die - ſen beyden Arten ſpieleten: ſo wuͤrde, wenn auch ein jeder in ſeiner Art geſchikt genug waͤre, doch die Ausfuͤhrung, wegen der Verſchiedenheit des Vortrages, eben dieſelbe Wirkung thun, welche oben von der Tra - goͤdie geſagt worden. Ja der Schade wuͤrde noch viel groͤßer ſeyn: weil bey der Tragoͤdie doch nur einer nach dem andern redet; bey der Muſik aber, die meiſte Zeit, von allen zugleich geſpielet wird. Man glaubet oftmals, daß, wenn nur die Hauptimme mit geſchikten Leuten beſetzet ſey, es mit den uͤbrigen nicht viel zu ſagen habe. Wie aber ein wenig Eſſig auch den beſten Wein verdirbt: alſo geſchieht es auch in der Muſik; wenn nur einige Stimmen gut, die andern aber, und ſollte es auch nur eine einzige ſeyn, ſchlecht geſpielet werden.

15. §.

Ein jeder Concertiſt muß, wenn er eine Ripienſtimme ſpielet, ſeiner Geſchiklichkeit, die er im Concertiren und im Soloſpielen beſitzet, auf gewiſſe Art entſagen; und ſich aus der Freyheit, die ihm, wenn er alleinhervor -247Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. hervorraget, erlaubet iſt, zu der Zeit, wenn er nur accompagniret, ſo zu ſagen in eine Sklaverey verſetzen. Er darf alſo nichts hinzufuͤgen, was irgend nur die Melodie verdunkeln koͤnnte: beſonders, wenn eben dieſelbe Stimme mehr als einmal beſetzet iſt. Widrigenfalls wuͤrde er eine große Verwirrung in der Melodie anrichten. Denn es iſt nicht moͤglich, daß einer zu allen Zeiten des andern Gedanken errathen koͤnne. Z. E. Es machte einer nur einen Vorſchlag, der nicht geſchrieben waͤre, und der andere ſpielte die Note ſimpel: ſo wuͤrde dadurch eine uͤble Diſſonanz, ohne Vorbereitung und Aufloͤſung, zum Vorſcheine kommen, und das Gehoͤr, beſonders in langſamen Stuͤcken, ſehr beleidigen. Wollte einer die ge - ſchriebenen Vorſchlaͤge nicht nach ihrem gehoͤrigen Zeitmaaße ſpielen, ſon - dern die langen kurz, oder die kurzen lang machen; ſo wuͤrde ſolches, we - gen derer die mit ihm ſpielen, eine eben ſo uͤble Wirkung thun. Die Ritornelle vornehmlich muß er ohne allen willkuͤhrlichen Zuſatz ausfuͤhren. Dieſer Zuſatz ſteht nur dem Concertiſten frey. Einige haben die uͤble Ge - wohnheit, ſchon im Ritornell zuweilen allerhand Alfanzereyen anzubrin - gen; und vergeſſen daruͤber wohl gar die Noten recht zu leſen. Manche beſchließen abſonderlich die Arien mit einem vollſtimmigen Griffe, wo keiner ſeyn ſoll. Dieſes ſcheinen ſie den Bierfiedlern abgelernet zu haben. Noch ſchlimmer iſt es, wenn ſie unmittelbar nach dem Schluſſe der Arie, ein Paar bloße Seyten auf der Violine anſtreichen. Wenn nun z. E. die Arie aus dem Es dur geht, und ſie probiren gleich darauf E und A; ſo kann man ſich vorſtellen, was es fuͤr ſchoͤne Wirkung thue.

16. §.

Da nun ſolchergeſtalt die Schoͤnheit eines Orcheſters hauptſaͤchlich darinne beſteht, daß die Mitglieder deſſelben alle einerley Art zu ſpielen haben; da von dem Anfuͤhrer deſſelben unumgaͤnglich eine gute, und jedem Stuͤcke gemaͤße Art zu ſpielen, erfodert wird: ſo liegt es auch einem jeden Mitgliede des Orcheſters ob, ſich in dieſem Falle nach dem Anfuͤhrer zu richten, ſeiner Anweiſung nicht zu widerſtreben, und es ſich fuͤr keine Schande zu achten, wenn man ſich einer vernuͤnftigen und noͤthigen Sub - ordination, ohne welche keine gute Muſik beſtehen kann, unterwerfen muß. Man wird ſelten ein ſeit vielen Jahren eingerichtetes Orcheſter finden, welches nicht ſowohl aus guten als aus ſchlechten Leuten beſtehen ſollte: wie man am beſten wahrnehmen kann, wenn man, um ein klein Concert zu halten, wechſelsweiſe nur einen Theil davon ausſuchet. Es be -finden248Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt. ſinden ſich ſowohl alte als junge Leute darunter. Weder das Alter noch die Jugend der Mitglieder macht ein Orcheſter gut: ſondern die gute Zucht und Ordnung, in welcher ſie ſich befinden. Es kann ein alter Ripieniſt, wenn er anders noch gute Kraͤfte hat, und unter einer guten Anfuͤhrung erzogen worden iſt, beſſere Dienſte leiſten, als mancher junger, welcher viel - leicht mehr Vermoͤgen Schwierigkeiten auszufuͤhren, aber weniger Erfah - rung beſitzt; und dabey nicht folgſam iſt, ſich der gehoͤrigen Subordina - tion zu unterwerfen. Oefters pflegen ſowohl die Alten, wenn ſie unter einer ſchlechten Anfuͤhrung erzogen worden ſind, als die Jungen, wenn ſie ſich auf ihre Fertigkeit im Spielen zu viel einbilden, widerſpenſtig zu ſeyn: dieſe, wegen ihrer vermeynten Geſchiklichkeit; jene aber aus Vor - urtheil, oder wegen des Vorzugs der Jahre. Die Alten meynen oͤfters, es geſchaͤhe ihnen zu viel, wenn ſie ſich einem Anfuͤhrer unterwerfen ſollen, der nicht ſo reich an Jahren iſt, als ſie: die Jungen aber bilden ſich ein, eben ſo viel Geſchiklichkeit zu beſitzen, als zu einem Anfuͤhrer erfodert wird: ungeachtet der Pflichten, die einem guten Anfuͤhrer obliegen, nicht wenig ſind. Wie kann aber ein Orcheſter beſtehen, oder zunehmen, wenn unter deſſelben Mitgliedern, anſtatt harmonirender und biegſamer Ge - muͤther, meiſtentheils nur Widerſpenſtigkeit, Neid, Haß, und Unge - horſam herrſchet. Wo bleibt da der gleiche und uͤbereinſtimmende Vor - trag, wenn ein jeder ſeinem eigenem Kopfe folgen will?

17. §.

Zur Befoͤrderung des uͤbereinſtimmenden Vortrags dienet noch eine Regel, die einem jeden, der ein guter Muſikus, und ins beſondere ein geſchikter Accompagniſt werden will, anzupreiſen iſt: Es muß ſich, ſo lan - ge als er ein muſikaliſches Stuͤck auszufuͤhren hat, der Verſtellungskunſt befleißigen. Dieſe Verſtellungskunſt iſt nicht nur erlaubt; ſondern ſo gar hoͤchſtnoͤthig, und thut in der Sittenlehre keinen Schaden. Wer ſich bemuͤhet, im ganzen Leben, ſeiner Leidenſchaften, ſo viel als moͤglich iſt, Meiſter zu ſeyn; dem wird es auch nicht ſchwer fallen, ſich wenn er ſpie - len ſoll, allezeit in den Affect, welchen das auszufuͤhrende Stuͤck verlan - get, zu ſetzen. Alsdenn wird er erſt recht gut, und gleichſam allezeit aus der Seele ſpielen. Denn wer dieſe loͤbliche Verſtellungskunſt nicht verſteht, der iſt noch kein wahrer Muſikus; ſondern nicht beſſer als ein gemeiner Handwerker: wenn er auch alle Contrapuncte aus dem Grunde verſtuͤnde; oder auf ſeinem Jnſtrumente alle moͤgliche Schwierigkeiten zuſpielen249Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. ſpielen wuͤßte. Mancher aber uͤbet leider die verbothene Verſtellungs - kunſt im gemeinen Leben ſehr haͤufig, die erlaubte bey der Muſik aber, nur ſehr ſelten aus.

18. §.

Ein rechtſchaffener Muſikus muß nicht eigenſinnig, und auf ſeinen Rang nicht allzuſehr erpicht ſeyn. Z. E. Ein geſchikter Violiniſt hat ſich kei - neswegs zu ſchaͤmen, wenn er im Fall der Noth etwan eine zweyte Violine, oder gar die Bratſche ſpielen muͤßte. Denn dieſe erfodern in ihrer Art, und bey manchen Stuͤcken, eben ſowohl einen geſchikten Ausfuͤhrer, als die erſte Violine. Den beſten und gruͤndlichſten Rang giebt einem bra - fen Muſikus ſeine Geſchiklichkeit: und dieſe kann er bey dem einen ſowohl als bey dem andern zeigen.

19. §.

Die genaue Ausdruͤckung des Forte und Piano(*)Es iſt bekannt, daß man die Woͤrter: forte und piano entweder abgekuͤrzet, oder auch nur den erſten Buchſtaben davon, als: f. und p; und anſtatt fortiſ - ſimo und pianiſſimo zweene Buchſtaben: ff. und pp. zu den Noten, welche ſtark oder ſchwach geſpielet werden ſollen, ſetzet: auch wohl, wenn der Ton noch mehr verſtaͤrket oder gemaͤßiget werden ſoll, noch ein f oder p hinzufuͤget, naͤm - lich: fff. ppp. Ferner werden dem Forte und Piano nach Befinden zuweilen noch andere Woͤrter, als: mezzo, (halb,) poco, (wenig,) meno, (weni -ger,) iſt eines der noͤthigſten Stuͤcke in der Ausfuͤhrung. Die Abwechſelung des Piano und Forte iſt eines der bequemſten Mittel, nicht nur die Leidenſchaften deutlich vorzuſtellen; ſondern auch Licht und Schatten in der Muſik zu unterhalten. Wenn ſolches in gehoͤrigem Verhaͤltniſſe, und zu rechter Zeit, von einem jeden beobachtet wuͤrde: ſo moͤchte manches Stuͤck bey den Zuhoͤrern eine beſſere Wirkung thun, als oͤfters nicht geſchieht. Man ſoll - te glauben das nichts leichter ſey, als nach Anzeige zweener Buchſtaben, ſtark oder ſchwach zu ſpielen. Dennoch wird dieſes ſo wenig in Acht ge - nommen, daß bey manchem oͤfters noch eine muͤndliche Erinnerung des - wegen noͤthig waͤre. Allein da ein ziemlicher Theil der ſogenannten Ton - kuͤnſtler ſelbſt, wenig Empfindung und Gefallen an der Muſik hat, ſon - dern dieſelbe nur treibt, um davon Unterhalt zu haben: ſo wird folglich oͤfters, weder mit Luſt, noch mit gehoͤriger Aufmerkſamkeit geſpielet. Eine gute und vernuͤnftige Subordination koͤnnte dieſem Uebel viel ab - helfen: denn wo dieſe fehlet, da bleibt ein Orcheſter, wenn ſich auch noch ſo viele geſchikte Leute darunter befaͤnden, doch allezeit mangelhaft.

J i250Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt.
ger,) piu, (mehr,) voran, oder einige, als: aſſai, nachgeſetzet. Dieſe Bey - woͤrter nun koͤnnen nicht mit einem einzelnen Buchſtaben ausgedruͤcket werden; weil mezzo und meno, poco und piu, einerley Anfangsbuchſtaben haben, und man folglich Verwirrung anrichten wuͤrde. Doch pflegt man, wenn nur ein m geſetzet wird, immer mezzo darunter zu verſtehen, welches uͤblicher iſt als die an - dern. Da nun der Raum, welchen dieſe verdoppelten Buchſtaben, und dieſe Ne - benwoͤrter einnehmen, ſich uͤber mehr als eine Note erſtrecket; ſo fraget ſich, welcher Buchſtab eigentlich derjenige ſeyn ſoll, ſo die erſte von denen ſtark oder ſchwach zu ſpielenden Noten andeutet. Z. E. Man ſchriebe piano aſſai, oder poco forte: nach welchem Buchſtaben ſoll man ſich nun richten, um bey der rechten Note, mit der erfoderten Staͤrke oder Schwaͤche anzufangen? Wollte man im Schreiben dieſes zur Regel ſetzen, daß allezeit der erſte Buchſtab von den Woͤr - tern forte und piano, folglich das f, oder das p, unter oder uͤber diejenige Note geſchrieben wuͤrde, welche ſtark oder ſchwach zu ſpielen iſt: ſo wuͤrde man da - durch aller Zweydeutigkeit zuvorkommen; das f oder p mag nun verdoppelt wer - den, indem man ſich alsdenn nach dem erſten f oder p richtet; oder aber ein Ne - benwort hinter oder vor ſich haben.
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20. §.

Das Forte und Piano muß niemals aufs aͤußerſte getrieben werden. Man muß die Jnſtrumente nicht ſtaͤrker angreifen, als es ihre Natur lei - det: denn dieſes wuͤrde, zumal an einem kleinen Orte, wo die Zuhoͤrer nahe ſtehen, dem Gehoͤre ſehr unangenehm fallen. Man muß vielmehr allezeit noch den Vortheil uͤbrig zu behalten ſuchen, noch ein Fortiſſimo oder Pianiſſimo, wenn es noͤthig waͤre, ausdruͤcken zu koͤnnen. Es kann dieſes oͤfters unvermuthet vorkommen: um eine Note, wenn auch nichts dabey geſchrieben ſteht, entweder zu erheben, oder zu maͤßigen. Haͤtte man nun allezeit in der groͤßten Staͤrke oder Schwaͤche geſpielet: ſo wuͤr - de dieſer Vortheil verlohren gehen. Zugeſchweigen, daß zwiſchen dem Fortiſſimo und Pianiſſimo mehrere Stufen der Maͤßigung ſich befinden, als man mit Worten ausdruͤcken kann; und welche nur vermittelſt der Empfindung und Beurtheilung, aus dem Vortrage eines guten Concer - tiſten erkannt, und ſodann mit Discretion ausgeuͤbet werden muͤſſen. Das Fortiſſimo, oder die groͤßte Staͤrke des Tones, kann am fuͤglichſten mit dem unterſten Theile des Bogens, und etwas nahe am Stege; das Pianiſſimo, oder die aͤußerſte Schwaͤche des Tones aber, mit der Spitze des Bogens, und vom Stege etwas entfernet, ausgeuͤbet werden.

21. §.

Um das Forte und Piano recht auszudruͤcken, muß man auch be - trachten, ob man an einem großen Orte, wo es ſchallet, oder an einemkleinen,251Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. kleinen, zumal tapezirten Orte, wo der Ton gedaͤmpfet wird, accompa - gnire; ob die Zuhoͤrer entfernet oder nahe ſeyn; ob man eine ſchwache oder eine ſtarke Stimme begleite; und endlich ob die Anzahl der accom - pagnirenden Jnſtrumente, ſtark, mittelmaͤßig, oder gering ſey. An einem großen Orte, wo es ſchallet, muß man nach einem ſtarken und rau - ſchenden Tutti, ein darauf geſchwind folgendes Piano nicht allzuſchwach ſpielen: weil es ſonſt durch den Nachſchall wuͤrde verſchlungen werden. Sofern aber das Piano eine Weile anhaͤlt; kann man den Ton nach und nach maͤßigen. Wo dieſer Umſtand nicht vorhanden iſt, da thut man beſſer, wenn man das Piano, bey der Note wo es geſchrieben iſt, gleich ſo nimmt wie es ſeyn ſoll. Wenn aber auf das Piano ein Forte folget, ſo kann man die erſte Note davon etwas ſtaͤrker ſpielen als die folgenden. Bey Begleitung einer ſchwachen Stimme, muß das Piano etwas ſchwaͤcher ſeyn, als bey einer ſtarken; im Allegro nehme man es ſchwaͤcher als im Adagio; in den hohen Toͤnen oder auf den duͤnnen Seyten ſchwaͤcher als auf den di - cken. Wenn in einem Concert, ſonderlich wenn es ein Floͤtenconcert iſt, unter dem Solo ein Forte vorkoͤmmt: zumal wenn die Floͤte nicht in der Hoͤhe, ſondern in der Tiefe ſpielet; ſo muß ſolches nur als ein Mez - zo forte ausgefuͤhret werden: wie denn uͤberhaupt eine Floͤte, ſo wie eine jede ſchwache Stimme, mit vieler Maͤßigung begleitet werden muß. Es koͤmmt nur darauf an, daß ein jeder Accompagniſt Achtung gebe, ob er die concertirende Stimme ſelbſt hoͤre. Jſt dieſes nicht, ſo kann er leicht merken, daß das Accompagnement zu ſtark ſey, und folglich eine Maͤßi - gung erfodere. Die Anzahl der begleitenden Jnſtrumente muß end - lich auch in Betrachtung gezogen werden. Geſetzt es ſpieleten zwoͤlf Vio - liniſten einerley Piano; es hoͤreten aber ſechs davon auf; ſo wuͤrde aus dieſem Piano ein Piano aſſai. Giengen noch vier davon ab; ſo wuͤrde endlich ein Pianiſſimo draus. Soll nun das Piano ſeinen gehoͤrigen Verhalt haben; ſo folget aus obigem, daß wenn zweene Violiniſten piano ſpielen, deren ſechs piano aſſai, und zwoͤlf pianiſſimo ſpielen muͤſſen. Ausgenommen an einem ſehr großen Orte, wo der Ton ſich verlieret: denn hier hat man ſich nach den Hauptſtimmen, ob ſolche ſtark oder ſchwach, Trompeten oder Floͤten ſind, zu richten.

22. §.

Weil auch nicht alle Jnſtrumente, beſonders die Violinen, einer - ley Staͤrke im Tone haben, welches folglich im Piano und Forte eineJ i 2Un -252Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt. Ungleichheit verurſachen koͤnnte: ſo muß ſich der Staͤrkere im Forte nach dem Schwaͤchern, und der Schwaͤchere im Piano nach dem Staͤrkern richten: damit man nicht eine Stimme ſtaͤrker als die andere hoͤre; be - ſonders wenn ſie Nachahmungen gegen einander zu ſpielen haben, und die Stimmen nur einfach beſetzet ſind.

23. §.

Wenn bey einer concertirenden Stimme mehr als eine Stim - me zugleich begleiten; ſo muß unter dieſen die Grundſtimme ſtaͤr - ker als die uͤbrigen gehoͤret werden. Ein gleiches iſt in einem Tutti zu beobachten, wenn anders die Mittelſtimmen gegen die Hauptſtimme oder gegen die Grundſtimme keine Nachahmung, oder ſonſt in Terzen oder Sexten eine aͤhnliche Melodie haben. Denn die Stim - men welche nur zur Verſtaͤrkung der Harmonie dienen, duͤrfen vor den Hauptſtimmen niemals hervor ragen. Ein gearbeiteter, oder in allen Stimmen nachahmender oder fugirter Satz aber, muß auch von allen Stimmen in einerley Staͤrke geſpielet werden.

24. §.

Wenn unter einer langen Note in Forte, und gleich drauf ein Piano ſteht, und kein Wechſel des Bogenſtrichs ſtatt findet; ſo muß dieſelbe Note mit aller Kraft, und mit einem Drucke des Bogens angegeben werden; aber auch gleich wieder ohne Ruͤckung des Bogens im Tone ab - nehmen, und durch ein verlierendes Piano ſich in ein Pianiſſimo ver - wandeln. Es koͤmmt dergleichen dann und wann vor, ſonderlich wenn eine Stimme im Aufheben des Tactes mit einer ſtarken Note anfaͤngt, die andern aber im Niederſchlage dergleichen nachzumachen haben; ſ. Tab. XXIII. Fig 8.

25. §.

Wenn in einem Adagio der Concertiſt den Ton bald verſtaͤrket, bald maͤßiget, und alſo durch Schatten und Licht mit Affecte ſpielet; ſo thut es die ſchoͤnſte Wirkung, wenn ihm die Accompagniſten in derſelben Art zu Huͤlfe kommen, und ihren Ton mit ihm zugleich auch verſtaͤrken und maͤßigen. Dieſes iſt, wie ſchon in den vorigen Abſchnitten gezeiget wor - den, beſonders bey ſolchen Noten, welche diſſoniren, oder zu einer frem - den Tonart dorbereiten, oder einen Aufenthalt in der geſchwinden Be - wegung verurſachen, zu beobachten. Wollte man bey ſolchen Faͤllen al - les in einer Farbe oder Staͤrke ſpielen; ſo wuͤrde der Zuhoͤrer in eine Kalt - ſinnigkeit verſetzet werden. Druͤcket man aber das Forte und Piano,nach253Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. nach Beſchaffenheit der Sache, wechſelsweiſe, bey denen Noten, ſo jedes verlangen, gehoͤrig aus; ſo erreichet man das, was man ſuchet, naͤm - lich, den Zuhoͤrer in beſtaͤndiger Aufmerkſamkeit zu erhalten, und ihn aus einer Leidenſchaft in die andre zu lenken.

26. §.

Bey Wiederholung oder Aehnlichkeit der Gedanken, die aus halben oder ganzen Tacten beſtehen, es ſey in eben denſelben Toͤnen, oder in einer Verſetzung, kann die Wiederholung eines ſolchen Satzes etwas ſchwaͤcher, als der erſte Vortrag derſelben, geſpielet werden.

27. §.

Der Uniſon, welcher aus einer ordentlichen Baßmelodie beſteht, und bey einem ſtark beſetzten Accompagnement beſonders gute Wirkung thut, muß erhaben, praͤchtig, feurig, mit Nachdruck des Bogens, und ſtaͤrker im Tone als eine andere Melodie, geſpielet werden. Die bloßen Seyten, beſonders die Quinte auf der Violine, ſind dabey zu ver - meiden.

28. §.

Ein Hauptſatz, (Thema) zumal in einer Fuge, muß in einer jeden Stimme, und zu allen Zeiten wenn er unvermuthet eintritt, mit Nachdrucke markiret werden; beſonders wenn der Anfang davon aus lan - gen Noten beſteht. Es findet dabey weder eine Schmeicheley im Spie - len, noch einiger willkuͤhrlicher Zuſatz von Noten ſtatt. Wenn im Fort - gange der Fuge keine Pauſen vor dem Eintritte vorhergehen; kann man die vorhergehenden Noten in der Staͤrke des Tones etwas maͤßigen. Auf gleiche Art muß man mit ſolchen Noten, die entweder eine Aehnlichkeit mit den Anfangsgedanken haben, oder die erſt in der Mitte eines Stuͤcks, als ein neuer Gedanke, eingeflochten werden, es ſey im Tutti, oder unter dem Solo einer concertirenden Stimme, verfahren.

29. §.

Ligaturen, oder gebundene Noten, ſo aus Viertheilen oder halben Tacten beſtehen, kann man in der Staͤrke des Tones wachſen laſſen: weil entweder uͤber oder unter dem zweyten Theile ſolcher Noten, die an - dern Stimmen Diſſonanzen haben. Die Diſſonanzen aber uͤberhaupt, ſie moͤgen in dieſer oder jener Stimme befindlich ſeyn, erfodern allezeit einen beſondern Nachdruck; ſ. den 12 bis zum 16 §. des vorigen Ab - ſchnitts.

J i 330. §. Aus254Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt.

30. §.

Aus dem was bisher geſaget worden, iſt nun zu ermeſſen, daß es bey weitem nicht hinlaͤnglich ſey, das Piano und Forte nur an denen Or - ten, wo es geſchrieben ſteht, zu beobachten: ſondern daß ein jeder Accom - pagniſt auch wiſſen muͤſſe, ſolches an vielen Orten, wo es nicht dabey ſteht, mit Ueberlegung anzubringen. Hierzu nun zu gelangen, iſt ein guter Unterricht und viel Erfahrung noͤthig.

31. §.

Das Zeitmaaß in einer beſondern Vollkommenheit zu verſtehen, und in der groͤßten Strenge auszuuͤben, iſt eine Pflicht, ſo allen denen, die von der Muſik Werk machen, und alſo auch allen guten Accompagni - ſten, obliegt. Ohne dieſe wird die Ausfuͤhrung, beſonders bey einem zahlreichen Accompagnement, allezeit mangelhaft bleiben. So viel aber auch hieran gelegen iſt: ſo wuͤrde man doch bey genauer Unterſuchung finden, daß Viele im Zeitmaaße noch nicht recht ſicher ſind, ohnerachtet ſie ſich deſſen ſchmeicheln, und vielleicht ihren Fehler ſelbſt nicht gewahr werden; ſondern daß ſie ſich nur nach andern richten, und auf ein Gera - thewohl ſpielen. Dieſen Fehler findet man nicht nur bey jungen Leuten allein; ſondern man wird auch wohl oͤfters gewahr, daß von ſolchen, wel - che man fuͤr geſchikte und erfahrne Tonkuͤnſtler haͤlt, der eine im Tacte zoͤgert, der andre ſich uͤbereilet. Hierdurch nun kann in einem Orcheſter viel Unordnung angerichtet werden: zumal wenn ſolche Leute ohngefaͤhr die Hauptſtimmen zu ſpielen, und andre anzufuͤhren haben.

32. §.

Einige halten das Zoͤgern oder Nachſchleppen, (trainiren) oder das Eilen, (preſſiren) fuͤr einen Naturfehler. Es iſt wahr daß das herr - ſchende ſogenannte Temperament viel dazu beytraͤgt: und daß ein luſtiger oder hitziger und haſtiger Menſch zum Eilen, ein trauriger, niedergeſchla - gener, oder ein traͤger kaltſinniger Menſch aber, zum Zoͤgern geneigt iſt. Es iſt aber auch nicht zu laͤugnen, daß man ſein Temperament, wenn man anders darauf Acht hat, verbeſſern und maͤßigen koͤnne. Man huͤ - te ſich nur, daß zu den gedachten Fehlern nicht etwan die Unwiſſenheit Anlaß gebe. Man laͤuft Gefahr darein zu verfallen, wenn man die Ein - theilung der Noten, und den Tact uͤberhaupt, anfaͤnglich nicht durch rich - tige Grundſaͤtze, ſondern mehrentheils nur aus eigener Uebung erlernen will; wenn man ſich zu zeitig mit Schwierigkeiten, zu denen man noch kei - ne Faͤhigkeit hat, einlaͤßt; wenn man ſich zu viel vor ſich allein, ohne Be -glei -255Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. gleitung uͤbet; auch nur ſolche Stuͤcke waͤhlet, die man bald auswendig behalten kann: welches aber ſowohl am Notenleſen, als an Erlernung des Tactes, hinderlich iſt. Will man in dieſen beyden Stuͤcken recht ſicher wer - den, ſo iſt kein andrer Weg dazu, als daß man anfaͤnglich mehr Mittel - als Hauptſtimmen ſpiele; daß man mehr andre accompagnire, als ſich ſelbſt accompagniren laſſe: weil das erſtere ſchwerer, aber auch zugleich nuͤtzlicher als das letztere iſt; daß man mehr concertirende und gearbeitete, als melodioͤſe Stuͤcke ſpiele; daß man dabey nicht auf ſich allein, ſondern auch auf andre, beſonders auf die Grundſtimme hoͤre; daß man die No - ten nicht uͤberruſche: ſondern einer jeden ihre gehoͤrige Geltung gebe; und daß man die Hauptnoten ſo das Zeitmaaß eintheilen, naͤmlich die Viertheile im Allegro, und die Achttheile im Adagio, mit der Spitze des Fußes ſich bemerke, und damit ſo lange anhalte, bis man dieſes Huͤlfs - mittel nicht mehr noͤthig hat. Man beſehe hierbey das V. und X. Haupt - ſtuͤck.

33. §.

Man wolle nicht glauben, daß es mit Beobachtung des Zeitmaaßes ſchon ſeine Richtigkeit habe, wenn man allenfalls nur im Niederſchlage des Tacts mit den Noten eintrift: ſondern es muß eine jede zu der Har - monie gehoͤrige Note mit der Grundſtimme uͤbereintreffen. Deswegen darf man den Hauptnoten, ſie moͤgen aus Viertheilen, Achttheilen, oder Sechzehntheilen beſtehen, nichts an ihrer gehoͤrigen Zeit durch Ueberei - lung abbrechen: damit man die durchgehenden Noten nicht anſtatt der Hauptnoten hoͤre, und ſowohl die Melodie als die Harmonie nicht ver - dunkelt oder verſtuͤmmelt werde.

34. §.

Die Pauſen erfodern ihr Zeitmaaß in eben ſolcher Richtigkeit, als die Noten ſelbſt. Weil man aber hierbey keinen Klang hoͤret, ſondern die Zeit davon nur in Gedanken abmeſſen muß, ſo machen dieſelben, be - ſonders die kurzen, als Achttheil-Sechzehntheil - und Zwey und dreyßig - theil-Pauſen, manchem viel zu ſchaffen. Wenn man ſich aber die Haupt - noten in einem Stuͤcke heimlich mit dem Fuße anmerket; und auf die Be - wegung der uͤbrigen Stimmen, ingleichen, ob die Noten, ſo nach den Pauſen folgen, auf den Niederſchlag oder auf das Aufheben des Fußes treffen, genau Achtung giebt, dabey aber ſich nur nicht uͤbereilet: ſo kann dieſe Schwierigkeit ſehr leicht gehoben werden.

35. §. Soll256Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt.

35. §.

Soll ein Stuͤck eine gute Wirkung thun; ſo muß es nicht nur in dem ihm eigenen Zeitmaaße, ſondern auch, vom Anfange bis zum En - de, in einerley Tempo, nicht aber bald langſamer bald geſchwinder ge - ſpielet werden. Daß aber hierwider ſehr oft gehandelt werde, zeiget die taͤgliche Erfahrung. Langſamer oder geſchwinder aufzuhoͤren als man angefangen hat, iſt beydes ein Fehler: doch iſt das letztere nicht ſo uͤbel, als das erſtere. Jenes verurſachet, abſonderlich bey einem Adagio, daß man oftmals nicht recht mehr begreifen kann, ob es im geraden oder un - geraden Tacte geſetzet ſey. Hierdurch nun verliſcht die Melodie nach und nach; und man hoͤret, an deren ſtatt, faſt nichts als harmoniſche Klaͤnge. Dieſes aber verurſachet den Zuhoͤrern nicht allein nur gar we - nig Vergnuͤgen; ſondern es gereichet auch der Compoſition ſelbſt uͤber - haupt zum groͤßten Nachtheile, wenn nicht ein jedes Stuͤck in ſeinem gehoͤrigen Tempo geſpielet wird. Bisweilen liegt es an dem Concertiſten: wenn er entweder in einem geſchwinden Stuͤcke die leichten Paſſagien uͤbereilet, und alsdenn mit den ſchwerern nicht fortkommen kann; oder wenn er in einem traurigen Stuͤcke ſich in den Affect ſo ſehr vertiefet, daß er daruͤber des Zeitmaaßes vergißt. Oftmals aber ſind auch die Beglei - ter an der Veraͤnderung des Tempoſchuld; wenn ſie entweder, nicht nur in einem traurigen Stuͤcke, ſondern auch wohl in einem cantabeln An - dante oder Allegretto, in eine Schlaͤfrigkeit verfallen, und daruͤber dem Concertiſten zu viel nachgeben; oder wenn ſie in einem geſchwinden Stuͤ - cke in ein allzuheftiges Feuer gerathen, welches ſie zum Eilen verleitet. Einem guten Anfuͤhrer, wenn er anders die gehoͤrige Aufmerkſamkeit hat, wird es leicht ſeyn, alle dieſe Fehler zu vermeiden; und ſowohl den Con - certiſten, wenn derſelbe im Tacte nicht recht ſicher iſt, als auch die Ri - pieniſten, in Ordnung zu erhalten.

36. §.

Die Accompagniſten muͤſſen aber nicht verlangen, daß der Concer - tiſt ſich in Anſehung der Geſchwindigkeit oder Langſamkeit, in welcher er das Tempo eines Stuͤckes zu nehmem hat, nach ihnen richten ſolle: ſon - dern ſie muͤſſen ihm voͤllige Freyheit goͤnnen, ſein Tempo ſo zu faſſen, wie er es fuͤr gut befindet. Zu der Zeit ſind ſie nur Begleiter. Es wuͤr - de ein Zeichen eines unanſtaͤndigen Bauernſtolzes ſeyn, wenn zuweilen, auch wohl gar einige von den letzten unter den Accompagniſten, ſich der Herrſchaft uͤber das Zeitmaaß anmaßen, und, zumal wenn ſie nicht vielLuſt257Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. Luſt mehr zu ſpielen haben, das Tempo, dem Concertiſten zum Trotz, uͤberjagen wollten. Wird man aber gewahr, daß das Zeitmaaß entwe - der geſchwinder oder langſamer ſeyn ſoll, und eine Aenderung noͤthig iſt: ſo muß ſolches nicht mit einer Heftigkeit, und auf einmal, ſondern nach und nach geſchehen: weil ſonſt leicht eine Unordnung daraus entſtehen kann.

37. §.

Weil die Art ein Adagio zu ſpielen erfodert, daß der Concertiſt ſich von den begleitenden Stimmen vielmehr ſchleppen laſſe, als daß er ihnen voraus gehe; und es alſo oͤfters den Schein hat, als wolle er das Stuͤck langſamer haben: ſo muͤſſen die Accompagniſten ſich nicht dadurch verfuͤhren laſſen; ſondern das Tempo feſt halten, und nicht nachgeben: es waͤre denn das der Concertiſt deswegen ein Zeichen gaͤbe. Widrigen - falls wuͤrde man zuletzt in eine Schlaͤfrigkeit verfallen.

38. §.

Wenn im Allegro ein Ritornell mit Lebhaftigkeit geſpielet worden iſt; ſo muß dieſelbe Lebhaftigkeit mit dem Accompagnement, bis ans En - de des Stuͤckes, beſtaͤndig unterhalten werden. Man hat ſich gleichfalls nicht an den Concertiſten zu kehren, im Fall er denſelben Hauptſatz viel - leicht cantabel und ſchmeichelnd vortruͤge.

39. §.

Wenn in einem langſamen Stuͤcke ſolche Noten, ſ. Tab. XXIII. Fig. 9. im Uniſon vorkommen; ſo kann es leicht geſchehen, daß man ſich wegen der Triller zu lange aufhaͤlt, und das Zeitmaaß verruͤcket. Um dieſes zu vermeiden, muß man eine ſolche Figur, in Gedanken, in zween gleiche Theile theilen, und unter dem Puncte ſich eine Gegenbewegung vorſtellen.

40. §.

Daß die geſchwindeſten Noten in einem jeden Stuͤcke von maͤßi - gem Tempo ein wenig ungleich geſpielet werden muͤſſen, ſo daß man die anſchlagenden, oder Hauptnoten in einer Figur, naͤmlich die erſte, dritte, fuͤnfte, und ſiebente etwas laͤnger anhalte, als die durchgehen - den, naͤmlich die zweyte, vierte, ſechſte, und achte; iſt im 12. §. des XI. Hauptſtuͤcks erklaͤret worden: ich habe auch daſelbſt einige Ausnah - men von dieſer Regel beygebracht; worauf ich mich alſo hier beziehe.

K k41. §. Wenn258Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt.

41. §.

Wenn in einem Ritornell die letzte Note ein halber Tact iſt, und darauf eine Pauſe von einem andern halben Tacte folget; das Solo aber erſt im folgenden Tacte anfaͤngt: ſo muß die Endigungsnote des Ritor - nells nicht zu kurz abgebrochen werden. Wenn das Ritornell im Nieder - ſchlage, das folgende Solo aber im Aufſchlage des Tactes, mit einem neuen Gedanken, es ſey durch ein Viertheil oder Achttheil, anfaͤngt; wel - ches die Accompagniſten nicht allemal wiſſen koͤnnen; ſo thut der Concer - tiſt wohl, wenn er nach der Strenge des Tactes anfaͤngt, und den Nie - derſchlag markiret: damit keine Unordnung entſtehen moͤge.

42. §.

Weil ein geſchwindes Stuͤck von allen zugleich, und in einerley Ge - ſchwindigkeit angefangen werden muß: ſo iſt noͤthig, daß ein jeder von ſeiner Stimme den erſten Tact ins Gedaͤchtniß faſſe; damit er auf den Anfuͤhrer ſehen, und mit ihm zugleich das Tempo recht ergreifen koͤnne. Dieſes iſt beſonders in einem Orcheſter, oder ſonſt an einem großen Or - te, wo das Accompagnement zahlreich iſt, und die Spielenden von ein - ander entfernet, noͤthig. Denn weil der Ton in der Ferne ſpaͤter gehoͤret wird, als in der Naͤhe; und man ſich alſo nicht ſo wie an einem kleinen Orte nach dem Gehoͤre richten kann: ſo muß man, nicht allein im An - fange, ſondern auch oͤfters bey weiterem Fortgange des Spielens, ſo - fern ſich etwa eine kleine Unordnung eraͤugnen ſollte, das Geſicht mit zu Huͤlfe nehmen, und oͤfters auf den Anfuͤhrer blicken. Wer etwas von der Violine verſteht, wird ſich am beſten und ficherſten nach des Anfuͤh - rers Bogenſtriche richten koͤnnen. Koͤnnten aber nicht alle Accompagni - ſten den Anfuͤhrer ſehen, oder hoͤren: ſo hat ſich in dieſem Falle, ein jeder nach ſeinem Nachbar, von des Anfuͤhrers Seite her, zu richten; um in einerley Tempo zu bleiben.

43. §.

Wie lange man nach einer Fermate, oder Generalpauſe, welche durch einen Bogen, mit dem Puncte, uͤber einer Note oder Pauſe an - gedeutet wird, inne halten ſolle; iſt eigentlich keine gewiſſe Regel gege - ben. Bey einem Solo, welches nur unter zwo oder drey Perſonen ge - ſpielet wird, verurſachet dieſe Ungewißheit wenig Nachtheil; bey einem zahlreichen Accompagnement aber, deſto mehr. Nach einer kleinen Stil - le, muͤſſen alle Stimmen, eben ſowohl, wie es beym Anfange eines Stuͤ - ckes erfodert wird, zugleich wieder mit einander anfangen. Geſchiehtdieſes259Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. dieſes nicht von allen recht genau: ſo wird der Entzweck der Ueberraſchung, ſo man hier nach einer kleinen Ruhe erwartet, nicht erreichet. Jch will verſuchen, eine aus den verſchiedenen Tactarten hergeleitete Regel, die nur an wenigen Orten eine Ausnahme leiden duͤrfte, feſt zu ſetzen, und vorzuſchlagen, naͤmlich: Bey allen Tripeltacten, wie auch im Allabreve - und im Zweyviertheil - Tacte pauſire man, außer dem Tacte woruͤber das Ruhezeichen ſteht, noch einen Tact mehr. Jm gemeinen geraden Tacte hingegen, richte man ſich nach den Einſchnitten, ob ſolche in das Aufhe - ben oder in das Niederſchlagen des Tacts fallen. Bey den erſtern kann man noch einen halben; bey den letztern aber noch einen ganzen Tact mehr pauſiren: und dieſes wird, wie ich glaube, genug, und der Abſicht des Componiſten gemaͤß ſeyn. Eine allgemeine Beobachtung dieſer Re - gel wuͤrde machen, daß man, um zugleich mit einander wieder anfan - gen zu koͤnnen, keines weitern Erinnerns mehr beduͤrfte. Sofern die Fermate unter der concertirenden Stimme vorkoͤmmt, und der Concer - tiſt dabey eine Manier machet, welche er mit einem langen Triller endi - get, ſo muͤſſen die begleitenden Stimmen ihre Noten nicht eher verlaſſen, bis der Triller geendiget iſt; oder ſie muͤſſen dieſelben zum wenigſten, bey Endigung des Trillers, noch einmal wiederholen. Dieſes iſt beſonders zu beobachten wenn die Grundnote zweyerley Accorde uͤber ſich hat; und die Reſolution durch den Triller verzoͤgert wird. Hierauf koͤnnen ſie noch ſo lange pauſiren, wie oben gemeldet worden.

44. §.

Bey Endigung einer Hauptcadenz, wenn das folgende Tutti im Niederſchlage anfaͤngt, thun die Accompagniſten wohl, wenn ſie, abſon - derlich bey Begleitung einer Singſtimme oder eines Blasinſtruments, aus Discretion, nicht bis zum aͤußerſten Ende des Trillers warten; ſondern denſelben ſo zu ſagen unterbrechen; und lieber vor der Zeit, als zu ſpaͤt, in das Tutti einfallen. Denn ſowohl einem Saͤnger, als Blasinſtrumenti - ſten, kann es zuletzt leichtlich an Athem fehlen: und wenn dieſes geſchaͤ - he, ſo wuͤrde das Feuer der Ausfuͤhrung dadurch unterbrochen werden. Faͤngt aber das Tutti im Aufheben des Tactes, und noch unter dem Tril - ler an; ſo iſt es nicht mehr eine Discretion, ſondern eine Schuldigkeit, den Triller zu unterbrechen. Ueberhaupt aber muß man ſich hierbey nach dem Concertiſten, und nach der Staͤrke ſeiner Bruſt richten. Einige Saͤnger und Jnſtrumentiſten, welche gute Lungen haben, ſuchen durch lange Triller nach der Cadenz, noch eine beſondere Bravur zu zeigen:K k 2man260Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt. man darf ihnen alſo daran nicht hinderlich ſeyn. Das Unterbrechen des Trillers muß alſo in beyden Faͤllen nicht eher geſchehen, als bis man wahr - nimmt, daß der Triller anfaͤngt matt zu werden. Der Anfuͤhrer wird hierauf beſonders Achtung geben: und alſo iſt auch hierbey der Accom - pagniſten Schuldigkeit, die Augen auf ihn zu wenden, und ſich mit ſei - nem Bogenſtriche zu vereinigen.

45. §.

Nachdem ich nun bisher von dem Zeitmaaße uͤberhaupt gehandelt, und was dabey zu beobachten iſt, angemerket habe; ſo befinde ich noch fuͤr noͤthig, eine Jdee zu geben, wie man, bey einem jeden Stuͤcke insbe - ſondere, das ihm eigene Tempo ohngefaͤhr errathen koͤnne. Es iſt zwar dieſes Errathen des Zeitmaaßes nicht eines der leichteſten Dinge in der Muſik: deſto noͤthiger aber waͤre es, deswegen, ſo viel als moͤglich iſt, einige gewiſſe Regeln feſt zu ſetzen. Wer da weis, wie viel an dem rech - ten Zeitmaaße, ſo ein jedes Stuͤck erfodert, gelegen iſt, und was fuͤr große Fehler hierinne vorgehen koͤnnen; der wird an dieſer Nothwendig - keit nicht zweifeln. Haͤtte man hierinne gewiſſe Regeln, und wollte die - ſelben gehoͤrig beobachten; ſo wuͤrde manches Stuͤck, welches oͤfters durch das unrechte Zeitmaaß verſtuͤmmelt wird, eine beſſere Wirkung thun, und ſeinem Erfinder mehr Ehre machen, als vielmals geſchieht. Zugeſchwei - gen daß dadurch ein Componiſt, in Abweſenheit, ſein verlangtes Tempo, einem andern der ſeine Compoſition auffuͤhren ſoll, leichter ſchriftlich mit - theilen koͤnnte. Bey großen Muſiken giebt es die Erfahrung, daß zu Anfang eines Stuͤcks, nicht allezeit das Tempo von einem jeden ſo ge - faſſet wird, wie es ſeyn ſoll: ſondern daß zuweilen wohl ein, oder mehr Tacte vorbeygehen, bevor alle mit einander einig werden. Wuͤßte ſich nun ein jeder das gehoͤrige Zeitmaaß zum wenigſten einiger maaßen vorzu - ſtellen; ſo wuͤrden viele Unordnungen, und unannehmliche Aenderungen des Zeitmaaßes, leicht koͤnnen vermieden werden. Man wuͤrde, wenn man von jemanden ein Stuͤck hat ſpielen hoͤren, ſich das Tempo deſſelben, deſto leichter merken, und das Stuͤck, zu einer andern Zeit, in eben dem - ſelben Tempo nachſpielen koͤnnen. Man mache, um von der Nothwen - digkeit ſolcher gewiſſen Regeln noch mehr uͤberzeuget zu werden, die Pro - be, und ſpiele zum Exempel ein Adagio, ein - zwey - drey - oder viermal langſamer, als es ſeyn ſoll. Wird man nicht finden, daß die Melodie nach und nach verloͤſchen, und man endlich nichts mehr als nur harmo - niſche Klaͤnge hoͤren wird? Bey einem Allegro, welches mit beſondermFeuer261Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. Feuer geſpielet werden ſoll, wird einem, wenn man es um ſo viel langſa - mer ſpielet, als es ſeyn ſoll, endlich gewiß die Luſt zu ſchlafen an - kommen.

46. §.

Man iſt zwar ſchon, ſeit langer Zeit, ein, zu gewiſſer Treffung des Zeitmaaßes, dienliches Mittel auszufinden bemuͤhet geweſen. Loulié hat in ſeinen Elements ou Principes de Muſique, mis dans un nouvel ordre &c. a Paris, 1698, den Abriß einer Maſchine, die er Chrono - metre nennet, mitgetheilet. Jch habe dieſen Abriß nicht koͤnnen zu ſehen bekommen, und kann alſo meine Gedanken nicht voͤllig daruͤber eroͤfnen. Jnzwiſchen wird dieſe Maſchine doch ſchwerlich von einem jeden immer bey ſich gefuͤhret werden koͤnnen: zugeſchweigen, daß die faſt allgemeine Vergeſſenheit derſelben, da ſie, ſo viel man weis, niemand ſich zu Nutzen gemacht hat, ſchon einen Verdacht, wider ihre Zulaͤnglichkeit und Tuͤch - tigkeit, erreget.

47. §.

Das Mittel welches ich zur Richtſchnur des Zeitmaaßes am dien - lichſten befinde, iſt um ſo viel bequemer, ie weniger Muͤhe es koſtet, deſſel - ben habhaft zu werden; weil es ein jeder immer bey ſich hat. Es iſt der Pulsſchlag an der Hand eines geſunden Menſchen. Jch will mich bemuͤhen, eine Anleitung zu geben, wie man, wenn man ſich nach ihm richtet, eine jede ſich von den andern beſonders unterſcheidende Art des Zeitmaaßes, ohne große Schwierigkeit finden koͤnne. Jch kann mich zwar nicht ganz und gar ruͤhmen, der erſte zu ſeyn, der auf dieſes Mit - tel gefallen waͤre: ſo viel iſt aber auch gewiß, daß ſich noch niemand die Muͤhe gegeben hat, die Anwendung deſſelben deutlich und ausfuͤhrlich zu beſchreiben, und zum Gebrauche der itzigen Muſik bequem zu machen. Jch thue das letztere alſo mit deſto groͤßerer Sicherheit, da ich in Anſe - hung der Hauptſache, wie mir nachher erſt bekannt worden, nicht der einzige bin, der auf dieſe Gedanken gerathen iſt.

48. §.

Jch verlange nicht, daß man ein ganzes Stuͤck nach dem Puls - ſchlage abmeſſen ſolle; denn dieſes waͤre ungereimt und unmoͤglich: ſon - dern meine Abſicht geht nur dahin, zu zeigen, wie man zum wenigſten durch zween oder vier, ſechs oder acht Pulsſchlaͤge, ein jedes Zeitmaaß, ſo man verlanget, faſſen, und vor ſich, eine Erkenntniß der verſchiedenen Arten deſſelben, erlangen, und daher zu weiterm Nachforſchen AnlaßK k 3nehmen262Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt. nehmen koͤnne. Hat man ſich eine Zeitlang darinne geuͤbet: ſo wird ſich nach und nach dem Gemuͤthe eine ſolche Jdee von dem Zeitmaaße ein - druͤcken, daß man nicht ferner noͤthig haben wird, allezeit den Pulsſchlag zu Rathe zu ziehen.

49. §.

Ehe ich weiter gehe, muß ich vorher dieſe unterſchiedenen Arten des Zeitmaaßes etwas genauer unterſuchen. Es giebt zwar derſelben in der Muſik ſo vielerley, daß es nicht moͤglich ſeyn wuͤrde, ſie alle zu beſtim - men. Es giebt aber auch gewiſſe Hauptarten davon, woraus die uͤbrigen hergeleitet werden koͤnnen. Jch will ſolche, ſo wie ſie in Concerten, Trio und Solo vorkommen, in vier Claſſen eintheilen, und zum Grunde ſetzen. Sie ſind aus den gemeinen geraden oder Vierviertheiltacte genommen, und ſind folgende: 1) das Allegro aſſai, 2) das Allegretto, 3) das Adagio cantabile, 4) das Adagio aſſai. Zu der er - ſten Claſſe rechne ich: das Allegro di molto, das Preſto, u. ſ. w. Zu der zweyten: das Allegro ma non tanto, non troppo, non preſto, mode - rato. u. ſ. w. Der dritten Claſſe zaͤhle ich zu: das Cantabile, Arioſo, Larghetto, Soave, Dolce, Poco andante, Affettuoſo, Pompoſo, Mae - ſtoſo, alla Siciliana, Adagio ſpiritoſo, u. d. g. Zur vierten gehoͤren: Adagio peſante, Lento, Largo aſſai, Meſto, Grave u. ſ. w. Dieſe Beywoͤrter machen zwar unter ſich ſelbſt wieder jedes einigen Unter - ſchied; doch geht derſelbe mehr auf den Ausdruck der Leidenſchaften, die in einem jeden Stuͤcke vornehmlich herrſchen, als auf das Zeitmaaß ſelbſt. Wenn man nur erſt die vorhergemeldeten vier Hauptarten des Tempo recht in den Sinn gefaſſet hat; ſo wird man die uͤbrigen mit der Zeit deſto leichter treffen lernen: weil der Unterſchied nur ein weniges betraͤgt.

50. §.

Das Allegro aſſai iſt alſo, von dieſen vier Hauptarten des Tempo, das geſchwindeſte(*)Was in vorigen Zeiten recht geſchwind gehen ſollte, wurde faſt noch einmal ſo langſam geſpielet als heutiges Tages. Wo Allegro aſſai, Preſto, Furioſo, u. d. m. dabey ſtund, das war eben ſo geſchrieben, und wurde faſt nicht geſchwinder ge - ſpielet, als man heutiges Tages das Allegretto ſchceibt und ausfuͤhret. Die vielen geſchwinden Noten, in den Jnſtrumentalſtuͤcken der vorigen deutſchen Com - poniſten, ſahen alſo viel ſchwerer und gefaͤhrlicher aus, als ſie klungen. Die heutigen Franzofen haben dieſe Art der maͤßigen Geſchwindigkeit in lebhaften Stuͤ - cken noch groͤßten Theils beybehalten.. Das Allegretto iſt noch einmal ſo langſam als jenes. Das Adagio cantabile iſt noch einmal ſo langſam als das Allegretto; und das Adagio aſſai noch einmal ſo langſam als das Ada - gio cantabile. Jm Allegro aſſai beſtehen die Paſſagien aus Sechzehn - theilen oder eingeſchwaͤnzten Triolen; und im Allegretto aus Zwey und dreyßigtheilen oder zweygeſchwaͤnzten Triolen. Weil aber die itzt an - gefuͤhrten Paſſagien mehrentheils in einerley Geſchwindigkeit geſpielet werden muͤſſen, ſie moͤgen zwey - oder dreygeſchwaͤnzet ſeyn: ſo folget dar -aus263Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. aus, daß die Noten von einerley Geltung in dem einem noch einmal ſo geſchwinde kommen, als in dem andern. Jm Allabrevetacte, welchen die Welſchen: Tempo maggiore nennen, und welcher, es ſey das Zeit - maaß langſam oder geſchwinde, allezeit mit einem durchſtrichenen großen C angedeutet wird, hat es gleiche Bewandtniß: nur daß alle Noten in demſelben noch einmal ſo geſchwind genommen werden, als im gemeinen geraden Tacte: das Tempo mag langſam oder geſchwind ſeyn. Die ge - ſchwinden Paſſagien im Allegro aſſai, werden alſo in dieſer Tactart in Achttheilen geſchrieben, und ſo geſpielet als wie die aus Sechzehntheilen beſtehenden Paſſagien des Allegro aſſai, im gemeinen geraden Tacte oder Tempo minore, u. ſ. w. Wie nun das Allegro im geraden Tacte zwo Hauptarten des Tempo hat, naͤmlich ein geſchwindes und ein gemaͤßig - tes: ſo iſt es auch auf gleiche Art mit dem Tripeltacte als: Dreyvier - theil-Dreyachttheil - Sechsachtheil - Zwoͤlfachttheiltacte, u. ſ. w. beſchaf - fen. Z. E. Wenn im Dreyviertheiltacte nur Achttheile, im Dreyacht - theiltacte nur Sechzehntheile, oder im Sechsachttheil - oder Zwoͤlfacht - theiltacte nur Achttheile vorkommen; ſo iſt ſolches das geſchwindeſte Tem - po. Sind aber im Dreyviertheiltacte Sechzehntheile, oder eingeſchwaͤn - zete Triolen, im Dreyachttheiltacte Zwey und dreyßigtheile oder zwey - geſchwaͤnzte Triolen; hingegen im Sechsachttheil - und Zwoͤlfachttheil - tacte Sechzehntheile zu befinden: ſo iſt ſolches das gemaͤßigte Tempo, welches noch einmal ſo langſam geſpielet werden muß, als das vorige. Mit dem Adagio hat es, wenn man nur, die zu Anfange dieſes §. ange - deuteten Grade der Langſamkeit beobachtet, und auf die Tactart, ob es Allabreve - oder gemeiner Tact iſt, Acht hat, in dieſem Stuͤcke weiter kei - ne andere Schwierigkeit.

51. §.

Um nun auf die Hauptſache zu kommen, naͤmlich, wie jede von den angefuͤhrten Arten des Taͤctes, durch Vermittelung des Pulsſchlages,in264Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt. in ihr gehoͤriges Zeitmaaß gebracht werden kann; ſo iſt zu merken: daß man vor allen Dingen, ſo wohl das zu Anfange des Stuͤcks geſchriebene, das Zeitmaaß andeutende, Wort; als auch die geſchwindeſten Noten, waraus die Paſſagien beſtehen, betrachten muͤſſe. Weil man nun mehr als acht ganz geſchwinde Noten, nicht wohl, es ſey mit der Doppelzun - ge, oder mit dem Bogenſtriche, in der Zeit eines Pulsſchlages ausuͤben kann, ſo koͤmmt:

Jm gemeinen geraden Tacte:

Jn einem Allegro aſſai, auf jeden halben Tact, die Zeit eines Puls - ſchlages;

  • Jn einem Allegretto, auf ein jedes Viertheil, ein Pulsſchlag;
  • Jn einem Adagio cantabile, auf ein jedes Achttheil ein Pulsſchlag;
  • Und in einem Adagio aſſai, auf jedes Achttheil zweene Pulsſchlaͤge.

Jm Allabrevetacte, koͤmmt:

  • Jn einem Allegro, auf jeden Tact ein Pulsſchlag;
  • Jn einem Allegretto, auf jeden halben Tact ein Pulsſchlag;
  • Jn einem Adagio cantabile, auf jedes Viertheil ein Pulsſchlag;
  • Jn einem Adagio aſſai, auf ein jedes Viertheil zweene Pulsſchlaͤge.

Es giebt, vornehmlich im gemeinen geraden Tacte, eine Art von gemaͤßigtem Allegro, welche gleichſam zwiſchen dem Allegro aſſai und dem Allegretto das Mittel iſt. Sie koͤmmt oͤfters in Singſachen, auch bey ſolchen Jnſtrumenten vor, welche die große Geſchwindigkeit in den Paſ - ſagien nicht vertragen; und wird mehrentheis durch Poco allegro, Viva - ce, oder meiſtentheils nur Allegro allein, angedeutet. Hier koͤmmt auf drey Achttheile ein Pulsſchlag; und der zweyte Pulsſchlag faͤllt auf das vierte Achttheil.

Jm Zweyviertheil - oder geſchwinden Sechsachttheiltacte, koͤmmt in einem Allegro auf einen jeden Tact ein Pulsſchlag.

Jn einem Allegro im Zwoͤlfachttheiltacte, wenn keine Sechzehntheile vorkommen, treffen auf jeden Tact zweene Pulsſchlaͤge.

Jm Dreyviertheiltacte, kann man, wenn das Stuͤck allegro geht, und die Paſſagien darinne aus Sechzehntheilen oder eingeſchwaͤnzten Trio - len beſtehen, in einem Tacte, mit dem Pulsſchlage kein gewiſſes Tempo feſt ſetzen. Will man aber zweene Tacte zuſammen nehmen, ſo geht es an; und koͤmmt alsdenn auf das erſte und dritte Viertheil des erſten Tacts, und auf das zweyte Viertheil des andern Tacts, auf jedes einPuls -265Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. Pulsſchlag; folglich drey Pulsſchlaͤge auf ſechs Viertheile. Gleiche Be - wandtniß hat es mit dem Neunachtheiltacte.

Sowohl im ganz geſchwinden Dreyviertheil - als Dreyachttheiltacte, wo in den Paſſagien nur ſechs geſchwinde Noten, in jedem Tacte, vor - kommen, trifft auf jeden Tact ein Pulsſchlag. Es darf aber dennoch kein Stuͤck ſeyn welches Preſto ſeyn ſoll: ſonſt wuͤrde der Tact um zwo ge - ſchwinde Noten zu langſam. Will man aber wiſſen, wie geſchwind dieſe drey Viertheile oder drey Achttheile in einem Preſto ſeyn muͤſſen; ſo nehme man das Zeitmaaß nach dem geſchwinden Zweyviertheiltacte, all - wo vier Achttheile auf einen Pulsſchlag kommen; und ſpiele dieſe drey Viertheile oder Achttheile eben ſo geſchwinde, als die Achttheile in gemel - detem Zweyviertheiltacte: alsdenn werden die geſchwinden Noten, in beyden oben erwaͤhnten Tactarten, ihr gehoͤriges Zeitmaaß bekommen.

Jn einem Adagio cantabile im Dreyviertheiltacte, da die Bewe - gung der Grundſtimme aus Achttheilen beſteht, koͤmmt auf ein jedes Achttheil ein Pulsſchlag. Beſteht aber die Bewegung nur aus Vier - theilen, und der Geſang iſt mehr arios als traurig; ſo koͤmmt auf ein jedes Viertheil ein Pulsſchlag. Doch muß man ſich hierinne auch, ſo - wohl nach der Tonart, als nach dem vorgeſchriebenen Worte richten. Denn wenn es ein Adagio aſſai, Meſto, oder Lento iſt, ſo kommen auch hier zweene Pulsſchlaͤge auf jedes Viertheil.

Jn einem Arioſo im Dreyachttheiltacte, koͤmmt auf jedes Acht - theil ein Pulsſchlag.

Ein alla Siciliana im Zwoͤlfachttheiltacte wuͤrde zu langſam ſeyn, wenn man zu jedem Achttheile einen Pulsſchlag zaͤhlen wollte. Wenn man aber zweene Pulsſchlaͤge in drey Theile theilet; ſo koͤmmt ſowohl auf das erſte als dritte Achttheil ein Pulsſchlag. Hat man nun dieſe drey Noten eingetheilet; ſo muß man ſich nicht weiter an die Bewegung des Pulſes kehren; ſonſt wuͤrde das dritte Achttheil zu lang werden.

Wenn in einem geſchwinden Stuͤcke die Paſſagien aus lauter Trio - len beſtehen, und keine zwey - oder dreygeſchwaͤnzeten gleichen Noten un - termiſchet ſind: ſo kann daſſelbe, nach Belieben, etwas geſchwinder als der Pulsſchlag geht, geſpielet werden. Dieſes iſt beſonders bey dem ge - ſchwinden Sechsachttheil - Neunachttheil - und Zwoͤlfachttheiltacte, zu beobachten.

L l52. §. Was266Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt.

52. §.

Was ich bisher gezeiget habe, trifft, wie ſchon oben geſaget worden, am genaueſten und am allermeiſten bey den Jnſtrumentalſtuͤcken, als Concerten, Trio und Solo ein. Was die Arien im italiaͤniſchen Ge - ſchmacke anbelanget; ſo iſt zwar wahr, daß faſt eine jede von ihnen ihr beſonderes Tempo verlanget. Es fließt doch aber ſolches mehrentheils aus den hier angefuͤhrten vier Hauptarten des Zeitmaaßes: und koͤmmt es nur darauf an, daß man ſowohl auf den Sinn der Worte, als auf die Bewegung der Noten, beſonders aber der geſchwindeſten, Achtung gebe: und daß man bey geſchwinden Arien, auf die Fertigkeit und die Stim - men der Saͤnger ſein Augenmerk richte. Ein Saͤnger der die geſchwin - den Paſſagien alle mit der Bruſt ſtoͤßt, kann dieſelben ſchwerlich in ſol - cher Geſchwindigkeit herausbringen, als einer der ſie nur in der Gurgel markiret; ohnerachtet der erſtere vor dem letztern, abſonderlich an großen Orten, wegen der Deutlichkeit, immer einen Vorzug behaͤlt. Wenn man alſo nur ein wenig Erfahrung darinne hat, und weis, daß uͤber - haupt die meiſten Arien nicht ein ſo gar geſchwindes Tempo verlangen, als die Jnſtrumentalſtuͤcke; ſo wird man das gehoͤrige Zeitmaaß davon, ohne weitere beſondere Schwierigkeiten, treffen koͤnnen.

53. §.

Mit einer Kirchenmuſik hat es eben dieſelbe Bewandtniß, wie mit den Arien: ausgenommen daß ſowohl der Vortrag bey der Ausfuͤhrung, als das Zeitmaaß, wenn es anders kirchenmaͤßig ſeyn ſoll, etwas ge - maͤßigter als im Opernſtyl genommen werden muß.

54. §.

Auf die bisher beſchriebene Weiſe nun, kann man nicht allein jede Note in ihr gehoͤriges Zeitmaaß eintheilen lernen; ſondern man kann auch dadurch, von jedem Stuͤcke, das rechte Tempo, ſo wie es der Com - poniſt verlanget, mehrentheils errathen: wenn man nur damit eine lan - ge und vielfaͤltige Erfahrung zu verknuͤpfen ſuchen wird.

55. §.

Jch muß noch etliche Einwuͤrfe im Voraus beantworten, die man wider meine angefuͤhrte Art das Tempo zu errathen, vielleicht machen koͤnnte. Man koͤnnte einwenden, daß der Pulsſchlag, weder zu einer jeden Stunde des Tages, noch bey einem jeden Menſchen, allezeit in einer - ley Geſchwindigkeit gehe, wie es doch erfodert wuͤrde, um das Zeitmaaß in der Muſik richtig darnach zu faſſen. Man wird ſagen, daß der Pulsdes267Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. des Morgens vor der Mahlzeit langſamer, als Nachmittags nach der Mahlzeit, und des Nachts noch geſchwinder als Nachmittags ſchlage: auch daß er bey einem zur Traurigkeit geneigten Menſchen langſamer, als bey einem heftigen und luſtigen, gehe. Es kann ſeyn daß dieſes ſeine Richtigkeit hat. Dem ungeachtet aber koͤnnte man auch dießfalls etwas gewiſſes beſtimmen. Man nehme den Pulsſchlag, wie er nach der Mit - tagsmahlzeit bis Abends, und zwar wie er bey einem luſtigen und auf - geraͤumten, doch dabey etwas hitzigen und fluͤchtigen Menſchen, oder, wenn es ſo zu reden erlaubet iſt, bey einem Menſchen von choleriſch - ſanguiniſchem Temperamente geht, zum Grunde: ſo wird man den rech - ten getroffen haben. Ein niedergeſchlagener, oder trauriger, oder kalt - ſinniger und traͤger Menſch, koͤnnte allenfalls bey einem jeden Stuͤcke das Zeitmaaß etwas lebhafter faſſen, als ſein Puls geht. Jſt dieſes nicht hinreichend, ſo will ich noch was genauers beſtimmen. Man ſetze denjenigen Puls, welcher in einer Minute ohngefaͤhr achtzigmal ſchlaͤgt, zur Richtſchnur. Achtzig Pulsſchlaͤge, im geſchwindeſten Tempo des ge - meinen geraden Tacts, machen vierzig Tacte aus. Einige wenige Puls - ſchlaͤge mehr, oder weniger, machen hierbey keinen Unterſchied. Z. E. Fuͤnf Pulsſchlaͤge in einer Minute mehr, oder fuͤnfe weniger, verlaͤn - gern oder verkuͤrzen, in vierzig Tacten, jeden Tact um ein Sechzehntheil. Dieſes aber betraͤgt ſo was geringes, daß es unmoͤglich zu merken iſt. Weſſen Pulsſchlag nun in einer Minute viel mehr oder weniger Schlaͤge macht, als achtzig, der weis, wie er ſich, ſowohl in Anſehung der Ver - minderung als der Vermehrung der Geſchwindigkeit, zu verhalten hat. Geſetzt aber auch, daß mein vorgeſchlagenes Mittel, dem allen ungeach - tet, nicht ganz und gar fuͤr allgemein ausgegeben werden koͤnnte; ob ich es gleich theils durch meinen eigenen Pulsſchlag, theils durch vielfaͤltige ande - re Proben, die ich ſowohl bey meiner eigenen, als bey fremder Compoſition, und zwar mit unterſchiedenen Leuten angeſtellet habe, beweiſen wollte: ſo wird es doch darzu dienen, daß niemand, der ſich nach der angefuͤhrten Methode, vor ſich, von den vier Hautarten des Zeitmaaßes einen Begrif gemacht hat, von dem wahren Tempo eines jeden Stuͤcks allzuweit abweichen wird. Man ſieht ja taͤglich vor Augen, wie ſehr oͤfters das Zeitmaaß gemishandelt wird; wie man nicht ſelten, eben daſſelbe Stuͤck bald maͤßig, bald geſchwind, bald noch geſchwinder ſpielet. Man weis, daß an vie - len Orten, wo man nur auf das Gerathewohl los ſpielet, oͤfters aus einem Preſto ein Allegretto, und aus einem Adagio ein Andante ge -L l 2machet268Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt. machet wird: welches doch dem Componiſten, welcher nicht allezeit zu - gegen ſeyn kann, zum groͤßten Nachtheile gereichet. Es iſt zur Gnuͤge bekannt, daß wenn ein Stuͤck ein - oder mehrmal nach einander wiederho - let wird, abſonderlich wenn es ein geſchwindes, z. E. ein Allegro aus einem Concert, oder einer Sinfonie, iſt, daß man daſſelbe, um die Zu - hoͤrer nicht einzuſchlaͤfern, zum zweytenmale etwas geſchwinder ſpielet, als das erſtemal. Geſchaͤhe dieſes nicht; ſo wuͤrden die Zuhoͤrer glauben, das Stuͤck ſey noch nicht zu Ende. Wird es aber in einem etwas geſchwin - dern Tempo wiederholet, ſo bekoͤmmt das Stuͤck dadurch ein lebhafteres, und, ſo zu ſagen, ein neues oder fremdes Anſehen; welches die Zuhoͤrer in eine neue Aufmerkſamkeit verſetzet. Gereicht nun dieſe Gewohnheit dem Stuͤcke nicht zum Nachtheile; zumal da ſie bey guten und mittel - maͤßigen Ausfuͤhrern hergebracht iſt, und bey beyden gleich gute Wir - kung thut: ſo wuͤrde es auch nicht ſchaͤdlich ſeyn, wenn allenfalls ein trauriger Menſch, der Miſchung ſeines Blutes gemaͤß, ein Stuͤck zwar maͤßig geſchwinder, nur aber gut ſpielete; und ein fluͤchtiger Menſch naͤh - me es mit mehrerer Lebhaftigkeit. Jm uͤbrigen aber, woferne jemand noch ein leichteres, richtigeres, und bequemeres Mittel das Zeitmaaß zu erlernen, und zu treffen, ausfinden koͤnnte; ſo wuͤrde er wohl thun, wenn er nicht ſaͤumete, es der Welt bekannt zu machen.

56. §.

Jch will die Art, das Tempo nach Anleitung des Pulsſchlages zu treffen, noch auf die franzoͤſiſche Tanzmuſik, von welcher ich auch etwas zu handeln fuͤr noͤthig finde, anzuwenden ſuchen. Dieſe Art der Muſik beſteht mehrentheils aus gewiſſen Charakteren; ein jeder Charakter aber erfodert ſein eigenes Tempo: weil dieſe Art von Muſik nicht ſo willkuͤhr - lich als die italiaͤniſche, ſondern ſehr eingeſchraͤnket iſt. Koͤnnten nun ſowohl die Taͤnzer, als das Orcheſter, allezeit einerley Tempo faſſen; ſo wuͤrden ſie vieles Verdruſſes uͤberhoben ſeyn koͤnnen. Es iſt bekannt, daß die meiſten Taͤnzer wenig oder nichts von der Muſik verſtehen, und oft - mals das rechte Zeitmaaß ſelbſt nicht wiſſen; ſondern ſich mehrentheils nur nach der Faſſung, in welcher ſie ſtehen, oder nach ihren Kraͤften rich - ten. Die Erfahrung lehret auch, daß die Taͤnzer, bey den Proben, wenn ſolche des Morgens geſchehen, da ſie noch nuͤchtern ſind, und mit kaltem Blute tanzen, ſelten das Zeitmaaß ſo lebhaft verlangen, als bey der Ausfuͤhrung, welche ordentlicher Weiſe des Abends vor ſich geht; da ſie denn, theils wegen der guten Nahrung die ſie vorher zu ſich ge -nom -269Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. nommen haben, theils wegen Menge der Zuſchauer, und aus Ehrgeitz, in ein groͤßer Feuer gerathen, als bey der Probe. Hierdurch koͤnnen ſie nun leichtlich die Sicherheit in den Knieen verlieren; und wenn ſie eine Sarabande oder Loure tanzen, wo bisweilen nur ein gebeugtes Knie den ganzen Koͤrper allein tragen muß, ſo ſcheint ihnen das Tempo oftmals zu langſam zu ſeyn. Zugeſchweigen, daß die franzoͤſiſche Tanzmuſik, wenn ſolche zwiſchen einer guten italiaͤniſchen Oper gehoͤret wird, ſehr abfaͤllt, mager klingt, und nicht die Wirkung thut, als in einer Comoͤdie, wo man nichts anders dagegen hoͤret. Deswegen entſteht oftmahls viel Streit zwiſchen den Taͤnzern und dem Orcheſter: weil die erſtern glauben, daß die letztern entweder nicht im rechten Tempo ſpieleten, oder ihre Mu - ſik nicht ſo gut ausfuͤhreten, als die italiaͤniſche. Es iſt zwar nicht zu laͤugnen, daß die franzoͤſiſche Tanzmuſik nicht ſo leicht zu ſpielen iſt, als ſich Mancher einbildet, und daß der Vortrag ſich von der italiaͤniſchen Art ſehr unterſcheiden muß, ſo fern er jedem Charaktere gemaͤß ſeyn ſoll. Die Tanzmuſik muß mehrentheils ernſthaft, mit einem ſchweren, doch kurzen und ſcharfen, mehr abgeſetzten als geſchleiften Bogenſtriche, ge - ſpielet werden. Das Zaͤrtliche und Cantable findet darinne nur ſelten ſtatt. Die punctirten Noten werden ſchwer, die darauf folgenden aber ſehr kurz und ſcharf geſpielet. Die geſchwinden Stuͤcke muͤſſen luſtig, huͤpfend, hebend, mit einem ganz kurzen, und immer durch einen Druck markirten Bogenſtriche, vorgetragen werden: damit man den Taͤnzer be - ſtaͤndig hebe und zum Springen anreize; dem Zuſchauer aber, das, was der Taͤnzer vorſtellen will, begreiflich und fuͤhlbar mache. Denn der Tanz wirket ohne Muſik eben ſoviel, als eine gemalete Speiſe.

57. §.

Wie nun auf die Richtigkeit des Zeitmaaßes bey allen Arten der Muſik viel ankoͤmmt: ſo muß daſſelbe auch bey der Tanzmuſik auf das ge - naueſte beobachtet werden. Die Taͤnzer haben ſich nicht nur mit dem Ge - hoͤre, ſondern auch mit ihren Fuͤßen und Leibesbewegungen darnach zu richten: und alſo iſt leicht zu erachten, wie unangenehm es ihnen fallen muͤſſe, wenn das Orcheſter in einem Stuͤcke bald langſamer, bald ge - ſchwinder ſpielet. Sie muͤſſen ihren ganzen Koͤrper anſtrengen, beſon - ders wenn ſie ſich in hohe Spruͤnge einlaſſen: die Billigkeit erfodert alſo, daß ſich das Orcheſter, ſo viel als moͤglich iſt, nach ihnen bequeme; wel - ches auch leicht geſchehen kann, wenn man nur dann und wann auf das Niederfallen der Fuͤße Achtung giebt.

L l 358. §. Es270Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt.

58. §.

Es wuͤrde zu weitlaͤuftig ſeyn, alle Charaktere, ſo im Tanzen vor - kommen koͤnnen, zu beſchreiben, und ihr Zeitmaaß zu bemerken. Jch will alſo nur etliche wenige anfuͤhren, aus welchen die uͤbrigen leicht wer - den zu begreifen ſeyn.

Wenn die Welſchen, im geraden Tacte, durch das große C, ſo ihn andeutet, einen Strich machen; ſo zeiget ſolcher, wie bekannt, den Al - labrevetact an. Die Franzoſen bedienen ſich dieſer Tactart zu verſchiede - nen Charakteren, als: Bourreen, Entreen, Rigaudons, Gavotten, Rondeaus, u. ſ. w. Sie ſchreiben aber anſtatt des durchſtrichenen C eine große 2. welche ebenfalls bedeutet, daß die Noten noch einmal ſo geſchwind ge - ſpielet werden muͤſſen, als ſonſt. Jn dieſer Tactart ſowohl, als im Drey - viertheiltacte, bey der Loure, Sarabande, Courante, und Chaconne, muͤſſen die Achttheile, ſo auf punctirte Viertheile folgen, nicht nach ihrer eigentlichen Geltung, ſondern ſehr kurz und ſcharf geſpielet werden. Die Note mit dem Puncte wird mit Nachdruck markiret, und unter dem Puncte der Bogen abgeſetzet. Eben ſo verfaͤhrt man mit allen punctir - ten Noten, wenn es anders die Zeit leidet: und ſoferne nach einem Pun - cte oder einer Pauſe drey oder mehr dreygeſchwaͤnzte Noten folgen; ſo werden ſolche, beſonders in langſamen Stuͤcken, nicht allemal nach ihrer Geltung, ſondern am aͤußerſten Ende der ihnen beſtimmeten Zeit, und in der groͤßten Geſchwindigkeit geſpielet; wie ſolches in Ouvertuͤren, En - treen, und Furien oͤfters vorkoͤmmt. Es muß aber jede von dieſen ge - ſchwinden Noten ihren beſondern Bogenſtrich bekommen: und findet das Schleifen wenig ſtatt.

  • Die Entree, die Loure, und die Courante, werden praͤchtig geſpielet; und der Bogen wird bey jedem Viertheile, es ſey mit oder ohne Punct, abgeſetzet. Auf jedes Viertheil koͤmmt ein Pulsſchlag.
  • Eine Sarabande hat eben dieſelbe Bewegung; wird aber mit einem etwas annehmlichern Vortrage geſpielet.
  • Eine Chaconne wird gleichfalls praͤchtig geſpielet. Ein Puls - ſchlag nimmt dabey zweene Viertheile ein.
  • Eine Paſſeeaille iſt der vorigen gleich; wird aber faſt ein wenig geſchwinder geſpielet.
  • Eine Muſette wird ſehr ſchmeichelnd vorgetragen. Auf jedes Viertheil im Dreyviertheiltacte, oder auf jedes Achttheil im Dreyacht - theiltacte koͤmmt ein Pulsſchlag. Bisweilen wird ſie nach der Phanta -ſey271Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. ſey der Taͤnzer ſo geſchwind gemacht, daß nur auf jeden Tact ein Puls - ſchlag koͤmmt.
  • Eine Furie wird mit vielem Feuer geſpielet. Auf zweene Viertheile koͤmmt ein Pulsſchlag; es ſey im geraden oder im Dreyviertheiltacte; ſo ferne im letztern zweygeſchwaͤnzte Noten vorkommen.
  • Eine Bourree und ein Rigaudon werden luſtig, und mit einem kurzen und leichten Bogenſtriche ausgefuͤhret. Auf jeden Tact koͤmmt ein Pulsſchlag.
  • Eine Gavotte iſt dem Rigaudon faſt gleich; wird aber doch im Tempo um etwas gemaͤßiget.
  • Ein Rondeau wird etwas gelaſſen geſpielet; und koͤmmt ohnge - faͤhr auf zweene Viertheile ein Pulsſchlag; es ſey im Allabreve - oder im Dreyviertheiltacte.
  • Die Gique und Canarie haben einerley Tempo. Wenn ſie im Sechsachttheiltacte ſtehen, koͤmmt auf jeden Tact ein Pulsſchlag. Die Gique wird mit einem kurzen und leichten Bogenſtriche, die Canarie, welche immer aus punctirten Noten beſteht, aber, mit einem kurzen und ſcharfen Bogenſtriche geſpielet.
  • Ein Menuet ſpiele man hebend, und markire die Viertheile mit einem etwas ſchweren, doch kurzen Bogenſtriche; auf zweene Viertheile koͤmmt ein Pulsſchlag.
  • Ein Paſſepied wird theils etwas leichter, theils etwas geſchwin - der geſpielet, als der vorige. Hierinne geſchieht es oft, daß zweene Tacte in einen geſchrieben, und uͤber die mittelſte Note zweene Striche geſetzt werden; ſ. Tab. XXIII. Fig. 10. im zweyten Tacte. Einige laſſen dieſe zweene Tacte von einander abgeſondert, und ſchreiben, anſtatt des Vier - theils mit den Strichen, zweene Achttheile, mit einem daruͤber ſtehenden Bogen: den Tactſtrich aber ſetzen ſie dazwiſchen. Jm Spielen werden dieſe Noten auf einerley Art gemacht, naͤmlich, die zweene Viertheile kurz, und mit abgeſetzetem Bogen; und zwar in dem Tempo als wenn es Dreyviertheiltact waͤre.
  • Ein Tambourin wird wie eine Bourree oder Rigaudon geſpielet; nur ein wenig geſchwinder.
  • Ein Marſch wird ernſthaft geſpielet. Wenn derſelbe im Allabre - ve - oder Bourreentacte geſetzet iſt; ſo kommen auf jeden Tact zweene Pulsſchlaͤge. u. ſ. w.
59. §. Jn272Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt.

59. §.

Jn einem italiaͤniſchen Recitativ, bindet ſich der Saͤnger nicht allemal an das Zeitmaaß, ſondern hat die Freyheit, das was er vortra - gen ſoll, nach eigenem Gutbefinden, und nachdem es die Worte erfodern, langſam oder geſchwind auszudruͤcken. Wenn nun die begleitenden Stim - men dabey ein Accompagnement von haltenden Noten auszufuͤhren haben; ſo muͤſſen ſie den Saͤnger mehr nach dem Gehoͤre, und mit Discretion, als nach dem Tacte, accompagniren. Beſteht aber das Accompagne - ment aus Noten die in das Zeitmaaß eingetheilet werden muͤſſen: ſo iſt hingegen der Saͤnger verbunden, ſich nach den begleitenden Stimmen zu richten. Bisweilen wird das Accompagnement unterbrochen, ſo, daß der Saͤnger dennoch Freyheit bekoͤmmt, nach Willkuͤhr zu recitiren; und die begleitenden Stimmen fallen nur dann und wann ein, naͤmlich bey den Einſchnitten, wenn der Saͤnger eine Periode geendiget hat. Hier muͤſſen die Accompagniſten nicht warten, bis der Saͤnger die letzte Sylbe ausgeſprochen hat; ſondern ſie muͤſſen ſchon unter der vorletzten oder vorhaltenden Note einfallen; um die Lebhaftigkeit beſtaͤndig zu un - terhalten. Sofern aber die Violinen anſtatt der Note im Niederſchlage eine kurze Pauſe haben, und der Baß eine Note vorſchlaͤgt; ſo muß der - ſelbe mit einer Sicherheit und Kraft einfallen; beſonders bey den Caden - zen; denn hier koͤmmt es auf den Baß am meiſten an. Dieſer muß uͤber - haupt bey allen Cadenzen des thectraliſchen Recitativs, es mag ein mit Violinen begleitetes, oder nur ein gemeines ſeyn, ſeine zwo Noten, wel - che mehrentheils aus einem fallenden Quintenſprunge beſtehen, unter der letzten Sylbe anfangen, und nicht zu langſam, ſondern mit Lebhaf - tigkeit anſchlagen. Der Clavieriſt thut dieſes durch ein vollſtimmiges Accompagnement; der Violoncelliſt und Contravioloniſt aber durch einen kurzen Druck mit dem unterſten Theile des Bogens; ſie wiederholen den Strich, und nehmen beyde Noten ruͤckwaͤrts. Wenn in einem lebhaften Recitativ die begleitenden Stimmen, bey den Einſchnitten, laufende oder ſonſt kurze Noten haben, welche praͤcipitant geſpielet werden muͤſſen: und im Niederſchlage eine Pauſe vorher ſteht: ſ. Tab. XXIII. Fig. 11. ſo muͤſſen auch hier die Accompagniſten nicht warten, bis der Saͤnger die letzte Sylbe voͤllig ausgeſprochen hat; ſondern ſchon unter der vorhaltenden Note anfangen: damit der feurige Affect beſtaͤn - die unterhalten werde. Nicht zu gedenken daß ſie auf dieſe Art auch allezeit, zumal in einem weitlaͤuftigen Orcheſter, genauer zuſam -men273Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. men treffen werden, wenn ihnen die vorletzte Sylbe des Saͤngers zur Richtſchnur dienet.

60. §.

Dieſes iſt es nun, was ich von den Pflichten der Ausfuͤhrer der Ripienſtimmen abzuhandeln, fuͤr noͤthig erachtet habe. Man kann daraus abnehmen, daß es nicht ſo gar leicht ſey, gut zu accompagniren; und daß von einem Orcheſter, wenn es anders vortrefflich ſeyn will, ſehr viel ge - fodert werde. Da nun aber ſo viel von demſelben verlanget wird: ſo liegt es auch wieder, von der andern Seite, den Componiſten ob, ihre Compoſitionen ſo einzurichten, daß ein gut Orcheſter damit auch Ehre einlegen koͤnne. Manche Compoſition iſt entweder ſo trocken, oder ſo bizarr, ſchwer, und unnatuͤrlich, daß auch das beſte Orcheſter, ungeach - tet aller Muͤhe, Fleißes, und guten Willens, keine gute Wirkung damit her - vor bringen kann; und wenn es auch aus den geſchikteſten Leuten beſtuͤn - de. Es bringt einem jeden Componiſten großen Vortheil, wenn ſeine Compoſition ſo beſchaffen iſt, daß ſie auch von mittelmaͤßigen Leuten aus - gefuͤhret werden kann. Ein Componiſt handelt demnach am vernuͤnftig - ſten, wenn er ſich nach der Faͤhigkeit eines jeden richtet. Jſt ſeine Ar - beit ſehr geſchikten Leuten gewidmet; ſo kann er freylich etwas mehre - res wagen: ſoll ſie aber allgemein werden; ſo muß er ſich der Leichtigkeit befleißigen. Jnſonderheit muß er bedacht ſeyn, fuͤr die Saͤnger natuͤrlich, ſingbar, und weder zu hoch noch zu tief zu ſetzen; und ihnen zum Athem - holen, und zur deutlichen Ausſprache der Worte, Raum zu laſſen. Die Eigenſchaften jedes Jnſtruments muß er ſich bekannt machen; damit er nicht wider die Natur derſelben etwas ſchreibe. Fuͤr die Blasinſtrumen - te darf er nicht gar zu fremde Tonarten waͤhlen, worinne die wenigſten geuͤbet ſind; und welche ſowohl an der Reinigkeit und Deutlichkeit des Spielens, als auch uͤberhaupt am guten Vortrage Hinderniß verurſa - chen. Den Unterſchied zwiſchen Ripien - und Soloſtimmen muß er wohl beobachten. Jedes Stuͤck ſuche er ſo zu charakteriſiren, daß ein jeder das Tempo davon leicht errathen koͤnne. Damit der Ausdruck von allen auf einerley Art geſchehen koͤnne, muß er das Piano und Forte, die Triller und Vorſchlaͤge, die Bogen, Puncte, Striche, und alles was uͤber oder unter die Noten gehoͤret, aufs genaueſte bezeichnen; nicht aber, wie manche, die vom Bogenſtriche keine Kenntniß, oder keine Achtſam - keit darauf haben, thun, das Schleifen oder Stoßen des Bogens will -M mkuͤhr -274Des XVII. Hauptſt. VII. Abſchn. Von den Pflichten ꝛc. kuͤhrlich laſſen: gerade als ob alles auf dem Claviere, wo man mit dem Bogen nicht ſchleifen kann, ausgefuͤhret werden ſollte. Er muß deswegen die Copiſten, welche in dieſem Stuͤcke, dem Componiſten zum Nachthei - le, entweder aus Unwiſſenheit, oder aus Nachlaͤßigkeit, oͤfters die groͤßten Fehler begehen, dazu anhalten, daß ſie alles, ſo wie er es vorgeſchrieben hat, aufs genaueſte nachſchreiben; daß ſie die Koͤpfe der Noten nicht zweifelhaft, ſondern recht mitten auf die Linien oder Zwiſchenraͤume ſe - tzen; daß ſie die Querſtriche deutlich machen, und die Linien recht deut - lich ausziehen; daß ſie alles uͤbrige, was der Componiſt angemerket hat, eben ſo, und an dieſelben Orte hinſetzen, wie es in der Partitur ſteht, abſonderlich das Forte und Piano, und die Bogen uͤber den Noten; daß ſie nicht glauben, es gelte gleich viel, ob uͤber zwo, drey, vier, oder mehr Noten ein Bogen ſtehe, oder gar keiner: welches doch den Sinn des Componiſten ſehr veraͤndern oder vernichten kann; daß ſie auch bey der Singmuſik die Worte recht leſen, und deutlich und richtig abſchrei - ben. Endlich muß die Hand des Componiſten leſerlich, und ſeine Schreib - art deutlich ſeyn, damit ſie keiner beſondern Erklaͤrung noͤthig habe. Ver - haͤlt ſich nun ein Componiſt in allen Stuͤcken auf ſolche Weiſe; ſo hat er auch ein Recht, von den Ausfuͤhrern einen ſolchen Vortrag, wie ich ihn hier der Laͤnge nach beſchrieben habe, zu fodern: und das Orcheſter wird ſo wohl ihm, als er dem Orcheſter, Ehre machen.

Das275

Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus und eine Muſik zu beurthei - len ſey.

1. §.

Es iſt wohl keine Wiſſenſchaft jedermanns Urtheile ſo ſehr unter - worfen, als die Muſik. Es ſcheint als ob nichts leichter waͤre, als dieſelbe zu beurtheilen. Nicht nur ein jeder Muſikus, ſon - dern auch ein jeder der ſich fuͤr einen Liebhaber derſelben ausgiebt, will zugleich fuͤr einen Richter deſſen, was er hoͤret, angeſehen ſeyn.

2. §.

Man begnuͤget ſich nicht allemal, wenn ein jeder von denen, welche ſich hoͤren laſſen, das, was in ſeinen Kraͤften ſteht, hervor zu bringen bemuͤhet iſt: ſondern man verlanget oftmals mehr zu hoͤren, als man ſelbſt niemals zu hoͤren gewohnt geweſen iſt. Singen oder ſpielen in einer Verſammlung nicht alle in gleicher Vollkommenheit: ſo leget man oft - mals nur einem allen Vorzug bey, und haͤlt alle andern fuͤr gering; ohne zu bedenken, daß der eine in dieſer, der andere in jener Art, z. E. einer im Adagio, der andere im Allegro, ſeine Verdienſte haben koͤnne. Man erwaͤgt nicht, daß die Annehmlichkeit der Muſik, nicht in der Gleichheit oder Aehnlichkeit, ſondern in der Verſchiedenheit beſtehe. Wenn es moͤg - lich waͤre, daß alle Tonkuͤnſtler, in gleicher Staͤrke, und in gleichem Geſchmacke ſingen oder ſpielen koͤnnten; ſo wuͤrde, wegen Mangels einer angenehmen Abwechſelung, der groͤßte Theil des Vergnuͤgens an der Mu - ſik nicht empfunden werden.

3. §.

Man richtet ſich ſelten nach ſeiner eigenen Empfindung; welches doch noch das ſicherſte waͤre: ſondern man iſt nur gleich begierig zu vernehmen,M m 2welcher276Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikuswelcher von denen, die da ſingen oder ſpielen, der ſtaͤrkſte ſey: gleich als ob es moͤglich waͤre, die Wiſſenſchaft verſchiedener Perſonen auf einmal zu uͤberſehen, und abzumeſſen; wie etwan gewiſſe Dinge, die nur ihren Werth und Vorzug auf der Wagſchaale erhalten. Dem nun, der auf ſolche Art fuͤr den ſtaͤrkſten ausgegeben wird, hoͤret man allein zu. Ein, oͤfters mit Fleiß, von ihm nachlaͤßig genug ausgefuͤhrtes, noch darzu nicht ſelten ſehr ſchlechtes Stuͤck, wird als ein Wunderwerk auspoſaunet: da hinge - gen ein anderer, bey ſeinem moͤglichſten Fleiße, mit welchem er ein aus - erleſenes Stuͤck auszufuͤhren ſich bemuͤhet, kaum einiger Augenblicke von Aufmerkſamkeit gewuͤrdiget wird.

4. §.

Man goͤnnet ſelten einen Muſikus die gehoͤrige Zeit, ſeine Staͤrke oder Schwaͤche zu zeigen. Man bedenket auch nicht, daß ein Muſikus nicht jederzeit im Stande iſt, das was er verſteht hoͤren zu laſſen: und daß oͤfters der geringſte Umſtand ihn leicht aus aller ſeiner Gelaſſenheit ſetzen kann: daß es folglich die Billigkeit erfodert, ihn mehr als einmal zu hoͤren, bevor man ſein Urtheil uͤber ihn faͤllen will. Mancher Mu - ſikus iſt verwegen; und hat vielleicht ein Paar Stuͤcke, worinn er ſeine ganze Faͤhigkeit zeigen kann, und ſo zu ſagen ſeine ganze Wiſſenſchaft auf einmal ausſchuͤttet: daß man ihn alſo ein fuͤr allemal gehoͤret hat. Ein anderer hingegen, der nicht ſo verwegen iſt, und deſſen Wiſſenſchaft ſich auch nicht, wie bey jenem, in ein Paar Stuͤcke einſchraͤnken laͤßt, hat nicht denſelben Vortheil. Denn die meiſten Zuhoͤrer uͤbereilen ſich leicht in der Beurtheilung, und laſſen ſich durch das, was ſie zum erſtenmale hoͤren, gar zu ſehr einnehmen. Haͤtten ſie aber die Geduld und die Gele - genheit einen jeden oͤfter zu hoͤren: ſo wuͤrde es nicht allezeit einer großen Einſicht brauchen; ſondern man duͤrfte nur ohne Vorurtheil auf ſein eige - nes Gefuͤhl Achtung geben, und ſehen, welcher in der Folge das meiſte Vergnuͤgen machte.

5. §.

Jn Anſehung der Compoſition geht es nicht beſſer. Man will nicht gern fuͤr unwiſſend angeſehen ſeyn; und doch fuͤhlet man wohl, daß man nicht allezeit recht zu entſcheiden faͤhig ſeyn moͤchte. Deswegen pfleget gemeiniglich die erſte Frage dieſe zu ſeyn: von wem das Stuͤck verferti - get ſey; um ſich mit der Beurtheilung darnach richten zu koͤnnen. Jſt nun das Stuͤck von einem ſolchen, dem man ſchon im Voraus ſeinen Bey - fall gewidmet hat; ſo wird es ſogleich ohne Bedenken fuͤr ſchoͤn erklaͤret. Findet277und eine Muſik zu beurtheilen ſey. Fndet ſich aber das Gegentheil, oder man hat vielleicht wider die Per - ſon des Verfaſſers etwas einzuwenden: ſo taugt auch das ganze Stuͤck nichts. Wollte ſich jemand hiervon handgreiflich uͤberzeugen; ſo duͤrfte er nur zwey Stuͤcke, von gleicher Guͤte, unter andern Namen, da der eine im Credit, und der andere im Miscredit ſteht, ausgegeben. Die Unwiſſenheit vieler Beurtheiler wuͤrde ſich gewiß bald entdecken.

6. §.

Diejenigen Zuhoͤrer, welche beſcheidener ſind, und ſich doch ſelbſt nicht die Einſicht zutrauen, eine Sache beurtheilen zu koͤnnen, nehmen oftmals ihre Zuflucht zu einem Muſikus; und glauben deſſen Worten, als einer unumſtoͤßlichen Wahrheit. Es iſt wahr, durch das Anhoͤren vieler guter Muſiken, und durch das Urtheil, welches erfahrne, auf - richtige und gelehrte Tonkuͤnſtler davon faͤllen, kann man einige Erkennt - niß erlangen: zumal wenn man zugleich nach den Urſachen, warum das Stuͤck gut oder ſchlecht ſey, fraget. Dieſes wuͤrde alſo eines der gewiſ - ſeſten Mittel ſeyn, um nicht zu fehlen. Allein ſind denn alle die, ſo von der Muſik Werk machen, auch zugleich Muſikverſtaͤndige, oder Muſik - gelehrte? Haben nicht ſo viele darunter ihre Wiſſenſchaft nur als ein Haͤndwerk erlernet? Es kann alſo leicht geſchehen, daß man ſich mit ſei - nen Fragen an den unrechten wendet, und daß der Muſikus eben ſowohl, als mancher Liebhaber, aus Unwiſſenheit, aus Eiferſucht, oder aus Vorurtheil und Schmeicheley entſcheidet. Ein ſolcher Ausſpruch geht denn, wie ein Lauffeuer, gleich weiter, und nimmt die Unwiſſenden, wel - che ſich auf ein ſolches vermeyntes Orakel berufen, dergeſtalt ein, daß endlich ein Vorurtheil daraus erwaͤchſt, welches nicht leicht wieder aus - zutilgen iſt. Ueber dieſes kann auch nicht einmal ein jeder Muſikus faͤhig ſeyn, alles was in der Muſik vorkommen kann, zu beurtheilen. Das Singen erfodert ſeine beſondere Einſicht. Die Verſchiedenheit der Jn - ſtrumente iſt ſo groß; daß eines Menſchen Kraͤfte und Lebenszeit nicht zureichend ſeyn wuͤrden, aller ihre Eigenſchaften einſehen zu lernen. Jch geſchweige ſo vieler Dinge, welche man bey richtiger Beurtheilung der Compoſition zu verſtehen und zu beobachten hat. Ein Liebhaber der Mu - ſik muß alſo, ehe er ſich dem Urtheile eines Tonkuͤnſtlers anvertrauet, zu - vor wohl pruͤfen, ob derſelbe auch wirklich im Stande ſey, richtig zu ur - theilen. Bey einem der ſeine Wiſſenſchaft gruͤndlich erlernet hat, geht man ſicherer, als bey einem, der nur ſeinem guten Naturelle gefolget iſt: wiewohl das letztere auch eben nicht ganz zu verwerfen iſt. Weil auchM m 3nicht278Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusnicht leicht jemand von Affecten ſo frey iſt, daß er nicht dann und wann ſo gar wider ſeine eigene Erkenntniß urtheilen ſollte: ſo muß ſich ein Lieb - haber der Muſik auch in dieſem Stuͤcke, bey dem Urtheile eines Tonkuͤnſt - lers, in Acht nehmen. Es giebt einige, denen faſt nichts gefaͤllt, als was ſie ſelbſt gemachet haben. Wehe alſo allen andern Stuͤcken, die nicht ihrer beruͤhmten Feder ihr Daſeyn zu danken haben. Wenn ſie ja Schan - de halber ſich genoͤthiget finden, eine Sache zu loben: ſo geſchieht es doch wohl mit einer ſolchen Art, wodurch ſie ſich verrathen, daß ihnen das Loben ſchwer falle. Andere hingegen loben alles ohne Unterſchied: um es mit niemanden zu verderben; ſondern ſich jedermann gefaͤllig zu machen. Mancher neu angehender Muſikus haͤlt nichts fuͤr ſchoͤn, als was aus ſei - nes Meiſters Erfindung gefloſſen iſt. Mancher Componiſt ſuchet ſeine Ehre in lauter fremden Modulationen, in dunkeln Melodieen, u. d. gl. Alles ſoll bey ihm auſſerordentlich und ungewoͤhnlich ſeyn. Er hat ſich auch wohl, theils durch ſeine uͤbrigen wirklichen Verdienſte Beyfall erwor - ben, theils auch durch andere Mittel Anhaͤnger erſchlichen. Wer wollte dieſem, und denen die ihn blindlings verehren, zumuthen, etwas ſchoͤn zu heiſſen, was nicht mit dieſer Denkart uͤbereinſtimmet? Die Alten klagen uͤber die melodiſchen Ausſchweifungen der Neuern, und die Neuern verlachen das trockene Weſen der Alten. Es giebt aber deſſen ungeachtet auch noch dann und wann ſolche Tonkuͤnſtler, die eine Sache, ohne Vor - urtheil, und nach ihrem wahren Werthe einſehen; die das, was zu loben iſt, loben, und das, was zu verwerfen iſt, verwerfen. Solchen Mu - ſikgelehrten kann man am ſicherſten trauen. Ein rechtſchaffen gelehrter und geſchikter Muſikus aber, hat ſich folglich ſehr zu huͤten, daß er aus Affecten keine Ungerechtigkeit begehe; und ſich nicht etwan gar den Pro - feſſionsneid einnehmen laſſe: denn ſein Urtheil kann zwar das richtigſte, aber auch zugleich, wegen des Credits worinne er ſteht, das gefaͤhrlich - ſte ſeyn.

7. §.

Da nun die Muſik eine ſolche Wiſſenſchaft iſt, die nicht nach eige - ner Phantaſey, ſondern eben ſowohl als andere ſchoͤne Wiſſenſchaften, nach einem, durch gewiſſe Regeln, und durch viele Erfahrung und große Uebung erlangten und gereinigten guten Geſchmacke, beurtheilet wer - den muß; da derjenige, welcher einen andern beurtheilen will, wo nicht mehr, doch eben ſo viel als der andere verſtehen ſollte; da dieſe Eigen - ſchaften bey denen, die ſich mit Beurtheilung der Muſik abgeben, ſeltenanzu -279und eine Muſik zu beurtheilen ſey. anzutreffen ſind; weil vielmehr der groͤßte Theil von ihnen, durch Unwiſ - ſenheit, Vorurtheile und Affecten, welche einer richtigen Beurtheilung ſehr hinderlich ſind, beherrſchet wird: ſo thaͤte mancher viel beſſer, wenn er ſein Urtheil bey ſich behalten, und mit mehrerer Aufmerkſamkeit zu - hoͤren wollte; wofern er anders noch Gefallen an der Muſik hat. Wenn er mehr, um den Ausfuͤhrer, da wo es nicht noͤthig iſt, zu beurtheilen, als um an der Muſik Vergnuͤgen zu haben, zuhoͤret: ſo beraubet er ſich freywillig des groͤßten Theiles der Luſt, die er ſonſt davon empfinden koͤnnte. Wenn er wohl gar, ehe der Muſikus ſein Stuͤck geendiget hat, ſchon bemuͤhet iſt, ſeine falſchen Meynungen ſeinen Nachbarn aufzudrin - gen, ſo ſetzet er nicht nur den Muſikus dadurch aus ſeiner Gelaſ - enheit, ſondern auch auſſer Stand, ſein Stuͤck mit guten Herzen zu en - digen, und ſeine Faͤhigkeit, ſo wie er ſonſt wohl koͤnnte, zu zeigen. Denn wer wird wohl ſo unempfindlich ſeyn, und gelaſſen bleiben koͤnnen, wenn man hier und da, bey den Zuhoͤrern, misfaͤlliger Minen gewahr wird? Der unzeitige Beurtheiler aber ſteht immer in Gefahr, gegen andere, die nicht ſeiner Meynung ſind, und vielleicht mehr als er verſte - hen, ſeine Unwiſſenheit zu verrathen; und hat alſo von ſeinem Urtheile keinen Nutzen zu gewarten. Man kann hieraus ſchluͤßen, wie ſchwer es vollends ſey, das Amt eines muſikaliſchen Kunſtrichters uͤber ſich zu nehmen, und demſelben mit Ehren vorzuſtehen.

8. §.

Bey der muſikaliſchen Beurtheilung, wenn ſie anders der Vernunft und der Billigkeit gemaͤß ſeyn ſoll, hat man allezeit vornehmlich auf dreyer - ley Stuͤcke ſein Augenmerk zu richten, naͤmlich: auf das Stuͤck ſelbſt; auf den Ausfuͤhrer deſſelben; und auf die Zuhoͤrer. Eine ſchoͤne Compo - ſition kann durch eine ſchlechte Ausfuͤhrung verſtuͤmmelt werden; eine ſchlechte Compoſition aber benimmt dem Ausfuͤhrer ſeinen Vortheil: folglich muß man erſt unterſuchen, ob der Ausfuͤhrer oder die Compoſi - tion an der guten oder ſchlechten Wirkung ſchuld ſey. Jn Anſehung der Zuhoͤrer koͤmmt, ſo wie in Anſehung des Muſikus, ſehr vieles auf die ver - ſchiedenen Gemuͤthsbeſchaffenheiten derſelben an. Mancher liebet das Praͤchtige und Lebhafte; mancher das Traurige und Tiefſinnige; man - cher das Zaͤrtliche und Luſtige; ſo wie einen jeden ſeine Neigungen lenken. Mancher beſitzt mehrere Erkenntniß, die hingegen einem andern wieder fehlet. Man iſt nicht allemal gleich aufgeraͤumt, wenn man ein oder anderes Stuͤck das erſtemal hoͤret. Es kann oͤfters geſchehen, daß unsheute280Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusheute ein Stuͤck gefaͤllt, welches wir morgen, wenn wir uns in einer an - dern Faſſung des Gemuͤthes befinden, kaum ausſtehen koͤnnen: und im Gegentheile kann uns heute ein Stuͤck zuwider ſeyn, woran wir morgen viele Schoͤnheiten entdecken. Es kann ein Stuͤck gut geſetzet ſeyn, und gut ausgefuͤhret werden, es gefaͤllt deſſen ungeachtet nicht einem jeden. Ein ſchlechtes Stuͤck mit einer mittelmaͤßigen Ausfuͤhrung kann vielen misfallen; doch kann es auch wieder noch einige Liebhaber finden. Der Ort wo eine Muſik aufgefuͤhret wird, kann der richtigen Beurtheilung ſehr viele Hinderniſſe in den Weg legen. Man hoͤret z. E. eine und eben dieſelbe Muſik heute in der Naͤhe, und morgen vom Weiten. Beydema - le wird man einen Unterſchied dabey bemerken. Wir koͤnnen ein Stuͤck, das fuͤr einen weitlaͤuftigen Ort, und fuͤr ein zahlreiches Orcheſter be - ſtimmet iſt, am gehoͤrigen Orte auffuͤhren hoͤren. Es wird uns unge - mein gefallen. Hoͤren wir aber daſſelbe Stuͤck ein andermal in einem Zimmer, mit einer ſchwachen Begleitung von Jnſtrumenten, vielleicht auch von andern Perſonen ausfuͤhren: es wird die Haͤlfte ſeiner Schoͤn - heit verlohren haben. Ein Stuͤck das uns in der Kammer faſt bezaubert hatte; kann uns hingegen, wenn man es auf dem Theater hoͤren ſollte, kaum mehr kenntlich ſeyn. Wollte man ein im franzoͤſiſchen Geſchmacke geſetzetes langſames Stuͤck, ſo wie ein italiaͤniſches Adagio, mit vielen willkuͤhrlichen Manieren auszieren; wollte man hingegen ein italiaͤniſches Adagio fein erbar und trocken, mit ſchoͤnen lieblichen Trillern, im fran - zoͤſiſchen Geſchmacke, ausfuͤhren: ſo wuͤrde das erſtere ganz unkenntbar werden; das letztere hingegen wuͤrde ſehr platt und mager klingen; und beyde wuͤrden folglich weder den Franzoſen noch den Jtaliaͤnern gefallen. Es muß alſo ein jedes Stuͤck in ſeiner gehoͤrigen Art geſpielet werden: und wenn dieſes nicht geſchieht; ſo findet auch keine Beurtheilung ſtatt. Geſetzt auch, daß ein jedes Stuͤck in dieſen beyden Arten, nach dem ihm eigenen Ge - ſchmacke geſpielet wuͤrde: ſo kann doch das franzoͤſiſche von keinem Jtaliaͤner, und das italiaͤniſche von keinem Franzoſen beurtheilet werden; weil ſie beyde von Vorurtheilen fuͤr ihr Land, und fuͤr ihre Nationalmuſik, eingenommen ſind.

9. §.

Jch glaube, daß mir nun ein jeder einraͤumen wird, daß zu richti - ger und billiger Beurtheilung eines muſikaliſchen Stuͤcks, nicht wenig Ein - ſicht, ſondern faſt der hoͤchſte Grad der muſikaliſchen Wiſſenſchaft erfodert werde; daß weit mehr dazu gehoͤre, als nur ſelbſt etwas ſingen oder ſpielen zu koͤnnen; daß man folglich, wenn man beurtheilen will, ſorgfaͤltig umdie281und eine Muſik zu beurtheilen ſey. die Kenntniß derjenigen Regeln bemuͤhet ſeyn muͤſſe, welche die Vernunft, der gute Geſchmack, und die Kunſt an die Hand geben. Es wird mir weiter hoffentlich niemand abſtreiten wollen, daß, weil nicht ein jeder, der ſich doch nicht ſelten zu einem Beurtheiler der Muſik aufwirft, mit dieſer Erkenntniß ausgeruͤſtet iſt, folglich dadurch der Muſik, den Ton - kuͤnſtlern, und den Liebhabern der Muſik, welche dadurch in einer beſtaͤn - digen Ungewißheit erhalten werden, großer Nachtheil erwachſen muͤſſe.

10. §.

Jch will mich bemuͤhen, die vornehmſten Eigenſchaften eines voll - kommenen Tonkuͤnſtlers, und einer wohlgeſetzeten Muſik, durch gewiſſe Merkmaale kennbar zu machen: damit ſowohl Tonkuͤnſtler, als Liebha - ber der Muſik, zum wenigſten eine Anleitung haben moͤgen, nach welcher ſie ihre Beurtheilungen anſtellen, und welchem Muſikus, oder welchem muſi - kaliſchen Stuͤcke ſie ihren Beyfall mit Rechte geben koͤnnen. Ein jeder, der beurtheilen will, ſuche daſſelbe dabey immer ohne Vorurtheile, ohne Affecten, und hingegen mit Billigkeit zu unternehmen. Man gehe behutſam und uͤberei - le ſich nicht. Man ſehe auf die Sache ſelbſt, und laſſe ſich nicht durch gewiſſe Nebendinge, die gar nicht dazu gehoͤren, blenden: z. E. ob einer von die - ſer oder jener Nation ſey; ob er in fremden Laͤndern geweſen ſey oder nicht; ob er ſich von einem beruͤhmten Meiſter einen Scholaren nenne; ob er bey einem großen, oder kleinen Herrn, oder bey gar keinem in Dienſten ſte - he; ob er einen muſikaliſchen Charakter, oder keinen habe; ob er Freund oder Feind, jung oder alt ſey; u. ſ. w. Ueberhaupt wird die Billigkeit nicht leicht uͤberſchritten werden, wenn man, anſtatt von einem Muſikus, oder von einem Stuͤcke zu ſagen: es tauget nichts, nur ſagen wollte: es gefaͤllt mir nicht. Das letztere hat ein jeder Macht zu ſagen: weil man niemanden zwingen kann, daß ihm eine Sache gefallen muͤſſe. Das erſtere aber ſollte man billig nur den wirklichen Muſikverſtaͤndigen, welche allenfalls den Grund ihres Urtheils zu beweiſen ſchuldig ſind, allein uͤberlaſſen.

11. §.

Von einem guten Saͤnger wird erfodert: daß er hauptſaͤchlich eine gute, helle, reine, und von der Tiefe bis in die Hoͤhe durchgehends egale Stimme habe, welche ohne die, aus der Naſe und der Gurgel oder dem Halſe (gola) entſpringenden Hauptfehler, und weder heiſcher noch dumpfich ſey. Die Stimme und der Gebrauch der Worte iſt das einzi - ge, wodurch die Saͤnger vor den Jnſtrumentiſten einen Vorzug erlangen. N nEs282Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein MuſikusEs wird ferner erfodert: daß ein guter Saͤnger das Falſet mit der Bruſt - ſtimme ſo zu vereinigen wiſſe, damit man nicht bemerken koͤnne, wo die letzte aufhoͤret, und das erſtere anfaͤngt; daß er ein gutes Gehoͤr, und eine reine Jntonation habe, um alle Toͤne in ihren Verhaͤltniſſen rein an - geben zu koͤnnen; daß er das Tragen der Stimme, (il portamento di voce) und die Haltungen auf einer langen Note, (le meſſe di voce) auf eine angenehme Art zu machen wiſſe; daß er folglich dabey eine Feſtigkeit und Sicherheit der Stimme beſitze, und nicht, bey einer nur maͤßig langen Aushaltung, entweder damit anfange zu zittern, oder aber, wenn er den Ton verſtaͤrken will, den angenehmen Klang einer Menſchenſtimme, in das unangenehme Kreiſchen einer Rohrpfeife verwandele: welches abſon - derlich einigen zur Geſchwindigkeit aufgelegten Saͤngern nicht ſelten be - gegnet. Von einem guten Saͤnger wird weiter erfodert: daß er einen guten Triller ſchlage, der nicht meckert, auch weder zu langſam, noch zu geſchwind iſt; daß er die gehoͤrige Weite des Trillers wohl beobachte, und unterſcheide, ob derſelbe aus ganzen oder halben Toͤnen beſtehen ſolle. Ein guter Saͤnger muß ferner: eine gute Ausſprache haben. Die Wor - te muß er deutlich vortragen, und die Selbſtlauter a e und o in den Paſſagien nicht auf einerley Art ausſprechen, und unverſtaͤndlich machen. Wenn er uͤber einem Selbſtlauter eine Manier machet, muß man im - mer bis zum Ende, denſelben, und keinen andern Selbſtlauter mit dar - unter vernehmen. Auch beym Ausſprechen der Woͤrter muß er ſich huͤ - ten, die Selbſtlauter mit einander zu verwechſeln, und etwan das e in a und das o in u zu verwandeln; damit er nicht z. E. im Jtaliaͤni - ſchen etwan genitura anſtatt genitore ausſpreche, und diejenigen, welche die Sprache verſtehen, zum Lachen verleite. Bey dem i und u darf die Stimme nicht abfallen: uͤber dieſen beyden Selbſtlautern darf man in der Tiefe keine weitlaͤuftigen, und in der Hoͤhe gar keine Manieren ma - chen. Ein guter Saͤnger muß eine Fertigkeit im Notenleſen und im Treffen haben, und die Regeln des Generalbaſſes verſtehen. Die Toͤne in der Hoͤhe darf er weder mit einem harten Anſchlage, noch mit einem heftigen Hauche der Bruſt ausdruͤcken; noch weniger aber heraus heulen: als wodurch die Anmuth ſich in eine Brutalitaͤt verwandelt. Wo die Worte erfodern gewiſſe Leidenſchaften auszudruͤcken, muß er die Stim - me zu rechter Zeit, doch ohne Affectation, zu erheben und zu maͤßigen wiſſen. Jn einem traurigen Stuͤcke darf er nicht ſo viele Triller und lau - fende Manieren anbringen, als in einem cantabeln und luſtigen: dennhier -283und eine Muſik zu beurtheilen ſey. hierdurch wird oftmals die Schoͤnheit der Melodie verdunkelt und ver - nichtet. Er muß vielmehr ein Adagio ruͤhrend, ausdruͤckend, ſchmei - chelnd, anmuthig, an einander hangend, unterhalten, mit Licht und Schatten, ſo wohl durch das Piano und Forte, als durch einen, den Worten und der Melodie gemaͤßen, vernuͤnftigen Zuſatz der Manieren, ſingen. Das Allegro muß er lebhaft, brillant, und mit Leichtigkeit ausfuͤhren. Die Paſſagien muß er rund heraus bringen, ſolche auch weder gar zu hart ſtoßen, noch auf eine lahme und faule Art ſchleifen. Von der Tiefe bis in die Hoͤhe muß er ſeine Stimme zu maͤßigen, und dabey zwiſchen Theater und Kammer, auch zwiſchen einem ſtarken und ſchwa - chen Acompagnement, einen Unterſchied zu machen wiſſen: damit ſich das Singen in den hohen Toͤnen nicht in ein Schreyen verwandele. Jm Zeitmaaße muß er ſicher ſeyn, und nicht bisweilen eilen, bisweilen und abſonderlich in den Paſſagien, zoͤgern. Den Athem muß er zu rechter Zeit, und geſchwind nehmen. Sollte ihm auch derſelbe etwas ſauer zu neh - men werden; ſo muß er ſolches doch, ſo viel moͤglich, zu verbergen ſu - chen; durchaus aber nicht ſich dadurch aus dem Tacte bringen laſſen. Endlich muß er das, was er von Auszierungen zuſetzet, aus ſich ſelbſt, und nicht, wie die Meiſten, als ein Papagey, durch das Gehoͤr von an - dern zu erlernen ſuchen. Ein Sopraniſt und Tenoriſt koͤnnen ſich weit - laͤuftiger in die Auszierungen einlaſſen, als ein Altiſt und Baſſiſt. Die beyden letztern kleidet eine edle Einfalt, das Tragen der Stimme, und der Gebrauch der Bruſtſtimme viel beſſer, als die aͤußerſte Hoͤhe, und der uͤberfluͤſſige Zuſatz von Manieren. Echte Saͤnger haben dieſes zu allen Zeiten als eine Regel angeſehen, und ausgeuͤbet.

12. §.

Finden ſich nun alle dieſe hier angefuͤhrten moͤglichen guten Eigen - ſchaften bey einem Saͤnger beyſammen: ſo kann man dreiſt ſagen, daß er nicht allein ſehr gut ſinge, und den Namen eines Virtuoſen mit Rech - te verdiene; ſondern auch, daß er bey nahe ein Wunder der Natur ſey. Es ſollte und koͤnnte zwar ein jeder, der den Nahmen eines ausnehmen - den Saͤngers mit Rechte fuͤhren will, auf die oben beſchriebene Weiſe beſchaffen ſeyn: allein ſo ſelten man einen mit allen Tugenden zugleich ausgezierten Menſchen findet; eben ſo ſelten findet man einen mit allen dieſen Vorzuͤgen zuſammen prangenden Saͤnger. Man kann deswegen bey dieſen, nicht ſo, wie bey den Jnſtrumentiſten, mit der Beurtheilung nach der Strenge verfahren: ſondern man muß ſich vielmehr begnuͤgen,N n 2wenn284Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikuswenn man, neben verſchiedenen Maͤngeln, nur einige von den oben erzaͤhle - ten guten Haupteigenſchaften bey einem Saͤnger antrifft: um ihm den gewoͤhnlichen Titel eines Virtuoſen nicht zu verſagen.

13. §.

Um einen Jnſtrumentiſten beurtheilen zu koͤnnen, wird erfodert, daß man, vor allen Dingen, die Eigenſchaften, und die damit verknuͤpften Schwierigkeiten der Jnſtrumente verſtehe: damit man nicht das Schwe - re fuͤr leicht, und das Leichte fuͤr ſchwer halte. Viele Dinge, ſo auf einigen Jnſtrumenten ſchwer, und oftmals unmoͤglich ſind, gehen hingegen auf andern ganz leicht an. Es kann deswegen nicht ein jeder Jnſtrumentiſt von eines andern ſeinen Verdienſten ein Urtheil faͤllen; wofern er nicht eben daſſelbe Jnſtrument ſpielet. Er wird ſonſt meh - rentheils nur das, was ihm auf ſeinem Jnſtrumente ſchwer vorkoͤmmt, an dem andern bewundern; und hingegen das, was ihm ſelbſt leicht faͤllt, bey dem andern fuͤr nichts halten. Man betrachte aber nur einmal den Unterſchied, der ſich zwiſchen gewiſſen Jnſtrumenten, welche doch in eini - gen Stuͤcken einander aͤhnlich ſind, befindet. Man erwaͤge z. E. den Unterſchied zwiſchen einer Violine und Viole d’amour; zwiſchen der Bratſche, dem Violoncell, der Viola da Gamba, und dem Contra - violon; zwiſchen dem Hoboe und dem Baſſon; zwiſchen der Laute, der Theorbe, und dem Mandolin; zwiſchen der Floͤte traverſiere und der Floͤte a bec; zwiſchen der Trompete und dem Waldhorne; zwiſchen dem Clavichord, dem Clavicymbal, dem Pianoforte, und der Orgel. Man wird finden, daß, ungeachtet der Aehnlichkeit die ſich dazwiſchen befindet, doch ein jedes, auf eine beſondere und ihm eigene Art, tractiret werden muͤſſe. Wie viel groͤßer muß nun der Unterſchied des Tractaments bey denen Jnſtrumenten ſeyn, die gar keine Aehnlichkeit mit einander haben.

14. §.

Um dieſes zu beweiſen, will ich nur zwey Jnſtrumente gegen einan - der anfuͤhren; woraus man hinlaͤnglich wird abnehmen koͤnnen, wie ein jedes Jnſtrument ſowohl ſeine beſondere Leichtigkeit als Schwierigkeit ha - be. Die, welche ich hier zum Beyſpiele nehme, ſind die Violine, und die Floͤte traverſiere. Auf der Violine ſind die Harpeggien, und die ge - brochenen Paſſagien ganz leicht; auf der Floͤte hingegen ſind ſie nicht nur ſehr ſchwer, ſondern ſogar meiſtentheils unbrauchbar: weil bey der erſten oft nur der Bogen allein; bey der letztern aber Finger, Zunge, und Lippen zu - gleich, in einerley Fertigkeit, zu wirken haben. Auf der Violine kann manviele285und eine Muſik zu beurtheilen ſey. viele Paſſagien, durch die Transpoſition von einem Tone zum andern, auf - oder unterwaͤrts, von der Tiefe bis in die aͤußerſte Hoͤhe, mit eben denſelben Fingern, ohne Schwierigkeit ſpielen; wenn man nur die Hand dabey verſetzet, ſ. z. E. Tab. XXIII. Fig. 12: auf der Floͤte hingegen muß man bey einer jeden Transpoſition andere Finger nehmen. Jn manchen Tonarten gehen ſie gar nicht an. Wenn ein Violiniſt nur einen einzigen guten Finger zum Triller hat; ſo kann er, durch Verſetzung der Hand, bey dem Triller die uͤbrigen Finger vermeiden: ein Floͤteniſt kann keinen Finger vermeiden, ſondern muß mit allen Fingern den Triller egal zu ſchlagen faͤhig ſeyn. Auf der Violine kann man den Ton, wenn man auch in langer Zeit nicht geſpielet haͤtte, doch immer heraus brin - gen: auf der Floͤte hingegen darf man, wegen des Anſatzes, nicht etliche Tage ausſetzen, wenn der Ton nicht darunter leiden ſoll: zu geſchweigen, daß eine widrige Witterung, Kaͤlte oder Hitze, auch gewiſſe Speiſen und Getraͤnke, die Lippen leicht außer Stand ſetzen; ſo daß man wenig oder gar nichts ſpielen kann. Der Bogenſtrich auf der Violine, und der Zungenſtoß auf der Floͤte, thun einerley Wirkung: der erſtere aber iſt leichter zu erlangen als der letztere. Der Violiniſt findet bey der Verſchiedenheit der chromatiſchen Tonarten, ſie moͤgen mit Kreuzen oder b geſchrieben werden, wenn auch deren gleich viele vorkommen, wenig Schwierigkeit; der Floͤteniſt aber deſto mehr. Wenn der Violiniſt ein gutes muſikaliſches Gehoͤr hat, und die Verhaͤltniſſe der Toͤne verſteht; ſo kann er ſein Jnſtrument, ohne ſonderliche Muͤhe, rein ſpielen. Wenn aber gleich der Floͤteniſt daſſelbe Gehoͤr auch beſitzet; ſo bleiben ihm doch, in Anſehung des Reinſpielens, noch große Schwierigkeiten uͤbrig. Paſ - ſagien in der aͤußerſten Hoͤhe zu ſpielen, iſt auf der Violine was allge - meines: auf der Floͤte aber, ſowohl wegen der Finger, als wegen des Anſatzes, eine beſondere Seltenheit. Doch giebt es im Gegentheile auch wieder einige Gaͤnge, die auf der Violine faſt nicht heraus zu bringen, auf der Floͤte aber leicht ſind; z. E. gebrochene Accorde, in welchen Spruͤnge in die falſche Quinte und in die uͤbermaͤßige Quarte vorkommen; Spruͤnge welche die Decime uͤberſteigen, und in der Geſchwindigkeit oͤfters wiederholet werden, u. d. m. ſ. Tab. XXIII. Fig. 13. und 14. Sollte nun ein Violiniſt einen Floͤteniſten, oder dieſer jenen beurtheilen; und beyde verſtuͤnden nur die Eigenſchaften von ihrem eigenen Jnſtrumente: ſo wuͤrden ſie, wenn ſie auch gleich beyde einen hohen Grad der muſika - liſchen Wiſſenſchaft erlanget haͤtten, zwar von dem Geſchmacke und derN n 3Ein -286Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein MuſikusEinſicht in die Muſik, keinesweges aber von den Verdienſten, die ein jeder auf ſeinem Jnſtrumente haͤtte, ein richtiges Urtheil faͤllen koͤnnen.

15. §.

Was alſo allen denen, die eine Einſicht in die Muſik haben, an einem Jnſtrumentiſten zuſammen zu beurtheilen uͤbrig bleibt, beſteht nur in ſolchen allgemeinen Dingen, die die meiſten Jnſtrumentiſten mit einander ge - mein haben. Die Beurtheiler koͤnnen Achtung geben: ob der Jnſtru - mentiſt ſein Jnſtrument rein ſpiele, und einen guten Ton heraus zu brin - gen wiſſe; ob er das Jnſtrument mit gehoͤriger Gelaſſenheit und An - muth ſpiele, oder ob er es auf eine rauſchende Art im Tone uͤbertreibe; ob er einen guten Bogenſtrich oder Zungenſtoß, auch Fertigkeit in den Fingern, und egale gute Triller habe; ob er im Zeitmaaße ſicher ſey, oder ob er die Paſſagien welche ihm ſchwer fallen, langſamer, und die leichten geſchwinder ſpiele, folglich das Stuͤck nicht ſo endige wie er es angefangen hat, und ihm die Accompagniſten deswegen nachgeben muͤſ - ſen; ob er ein jedes Stuͤck in ſeinem gehoͤrigen Zeitmaaße zu ſpielen wiſſe, oder ob er alles was Allegro heißt in einerley Geſchwindigkeit ſpiele; ob ſein Spielen nur aus Schwierigkeiten, oder auch zugleich aus Canta - belm beſtehe; ob er nur Verwunderung zu erwecken, oder auch zu gefal - len und zu ruͤhren ſuche; ob er ausdruͤckend oder kaltſinnig ſpiele; ob ſein Vortrag deutlich ſey; ob er dadurch einer ſchlechten Compoſition aufzu - helfen, und ſie zu verbeſſern wiſſe, oder ob er durch allzuvieles Kuͤnſteln und Verziehen der Noten eine gute Sache verdunkele, und den Geſang unbegreiflich mache: welches letztere man am beſten bemerken kann, wenn man daſſelbe Stuͤck von mehr als einer Perſon ausfuͤhren hoͤret. Man beobachte ferner: ob ein Jnſtrumentiſt das Allegro mit Lebhaftigkeit und Fertigkeit, nett, reinlich, und die Paſſagien darinne rund und deutlich ſpiele; oder ob er die Noten nur uͤberruſchele, und wohl gar einige auslaſſe; ob er das Adagio unterhalten und gezogen, oder ob er es tro - cken und platt ſpiele; ob er ein jedes Adagio mit ſolchen Manieren aus - zuzieren wiſſe, die dem Affecte, und dem Stuͤcke gemaͤß ſind; ob er da - bey Licht und Schatten beobachte, oder ob er alles ohne Unterſchied mit Manieren uͤberhaͤufe, und in einerley Farbe ſpiele; ob er die Harmonie verſtehe, um die Manieren darnach einzurichten, oder ob er nur aus dem Gehoͤre nach Gutduͤnken ſpiele; ob ihm alles was er unternimmt gerathe, und ſowohl mit der Harmonie als mit dem Zeitmaaße zutreffe, oder ob er nur auf ein Gerathewohl ſpiele, und eine Manier gut anfange, aberſchlecht287und eine Muſik zu beurtheilen ſey. ſchlecht endige. Das Spielen großer Schwierigkeiten trifft man haͤuſig, auch ſo gar bey ganz jungen Leuten an: das meiſterhafte Spielen des Adagio aber, welches eine gruͤndliche Einſicht in die Harmonie, und viele Beurtheilung erfodert, findet man nur bey geuͤbten und erfahrnen Tonkuͤnſtlern. Man unterſuche ferner an einem Jnſtrumentiſten: ob er in einem vermiſchten, oder nur in einem Nationalgeſchmacke ſpiele; ob er aus dem Stegreife, oder nur das was er ſtudiret hat, zu ſpie - len wiſſe; ob er die Setzkunſt verſtehe, oder ob er ſich nur mit fremden Stuͤcken behelfe; ob er alle Arten von Stuͤcken gut ſpiele, oder nur die - jenigen die er ſelbſt geſetzet hat, oder die fuͤr ihn geſetzet worden ſind; endlich ob er bey den Zuhoͤrern eine beſtaͤndige Aufmerkſamkeit zu unter - halten, und ein Verlangen ihn oͤfter zu hoͤren zu erwecken wiſſe. Alle dieſe vortheilhaften Kennzeichen, wenn ſie ſich beyſammen finden, ver - dienen Lob, die entgegen geſetzeten aber, Mitleiden. Will man wiſſen welches Jnſtrument vor andern leichter zu erlernen ſey; ſo nehme man zu einem nicht ganz unſichern Kennzeichen, daß dasjenige, auf welchem man viele beruͤhmte Leute zaͤhlen kann, leichter zu erlernen ſey, als das, worauf zwar auch viele ſpielen, wenige aber gluͤcklich fortkommen.

16. §.

Die Compoſition, und die Ausfuͤhrung einer Muſik im Gan - zen richtig zu beurtheilen, iſt noch weit ſchwerer als das vorige. Hierzu wird nicht nur erfodert, daß man einen vollkommen guten Geſchmack beſitze, und die Regeln der Setzkunſt verſtehe: ſondern man muß auch von der Art und Eigenſchaft eines jeden Stuͤckes, es ſey im Geſchmacke dieſer oder jener Nation, zu dieſer oder jener Abſicht verfertiget, eine hinlaͤngliche Einſicht haben; damit man nicht eine Sache mit der andern verwirre. Die Abſichten, worinne jedes Stuͤck geſetzet worden, koͤnnen ſehr verſchieden ſeyn; weswegen ein Stuͤck zu einer Abſicht gut, zu einer andern aber ſchlecht ſeyn kann.

17. §.

Ein jedes Stuͤck, nach allen ſeinen Eigenſchaften, insbeſondere zu unterſuchen, wuͤrde hier viel zu weitlaͤuftig ſeyn. Jch muß mich alſo bemuͤhen, hier nur die vornehmſten davon in der Kuͤrze zu beruͤhren.

18. §.

Die Muſik iſt entweder Vocal - oder Jnſtrumentalmuſik. Nur wenige Stuͤcke aber ſind den Singſtimmen allein gewidmet; viel - mehr hat die Jnſtrumentalmuſik an den meiſten Singſtuͤcken zu -gleich288Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wis ein Muſikusgleich auch ihren Theil, und iſt damit verbunden. Beyde Arten aber ſind nicht nur uͤberhaupt, in ihren Abſichten, und folglich auch in ihrer Einrichtung, gar ſehr von einander unterſchieden: ſondern auch jede Un - tereintheilung derſelben, hat wieder ihre beſondern Geſetze, und erfodert ihre beſondere Schreibart. Die Vocalmuſik iſt entweder der Kirche, oder dem Theater, oder der Kammer gewidmet. Die Jnſtrumentalmu - ſik findet an allen dieſen drey Orten auch ihren Platz.

19. §.

Die Kirchenmuſik muß man auf zweyerley Art betrachten, naͤm - lich: als die roͤmiſchkatholiſche, und als die proteſtantiſche. Jn der roͤmiſchen Kirche kommen vor: die Meſſe, die Veſperpſal - men, das Te Deum laudamus, die Bußpſalmen, die Re - quiem oder Seelenmeſſen, einige Hymni, die Mote - ten(*)Die Moteten von der alten Art, welche aus vielſtimmig, und ohne Jnſtrumen - te, im Capellſtyl, geſetzeten bibliſchen Spruͤchen, bey denen zuweilen der Can - tus firmus eines Choralgeſanges mit eingeflochten iſt, beſtehen, ſind in der roͤ - miſchkatholiſchen Kirche wenig, oder gar nicht mehr gebraͤuchlich. Die Fran - zoſen nennen alle ihre Kirchenſtuͤcke, ohne Unterſchied: des Motets. Von bey - den Arten iſt hier die Rede nicht. Jn Jtalien benennet man, heutiges Tages, eine lateiniſche geiſtliche Solocantate, welche aus zwoen Arien und zweyen Reci - tativen beſteht, und ſich mit einem Halleluja ſchließt, und welche unter der Meſſe, nach dem Credo, gemeiniglich von einem der beſten Saͤnger geſungen wird, mit dieſem Namen. Dieſe verſtehe ich hier., die Oratoria, Concerte, Sinfonien, Paſtoralen, u. d. m. Jedes von dieſen Stuͤcken hat wieder ſeine beſondern Theile in ſich, und muß nach ſeinem Entzwecke, und nach ſeinen Worten, eingerich - tet ſeyn: damit nicht ein Requiem oder Miſerere einem Te Deum, oder einer Auferſtehungsmuſik, oder in der Meſſe das Kyrie dem Gloria, oder ein Motet einer luſtigen Opernarie, aͤhnlich ſey. Ein Orato - rium, oder eine dramatiſch abgehandelte geiſtliche Geſchichte, unterſchei - det ſich nur mehrentheils durch den Jnhalt, und einigermaßen durch das Recitativ, von einer theatraliſchen Muſik. Ueberhaupt aber wird in der Kirchenmuſik der Katholiſchen mehr Lebhaftigkeit anzubringen erlaubet, als in der Proteſtanten ihrer. Doch ſind die Ausſchweifungen, die zuweilen hierbey begangen werden, vielleicht niemanden als den Com - poniſten beyzumeſſen.

20. §. Bey289und eine Muſik zu beurtheilen ſey.

20. §.

Bey der Kirchenmuſik der Proteſtanten kommen von oben er - zaͤhlten Stuͤcken noch vor: Ein Theil von der Meſſe, naͤmlich das Kyrie und das Gloria, das Magnificat, das Te Deum, einige Pſalmen, und die Oratoria, mit welchen die, aus dem proſaiſchen bibliſchen Texte, mit untermiſcheten Arien und einigen poe - tiſchen Recitativen, beſtehenden Paſſionsmuſiken einige Verwandt - ſchaft haben. Das uͤbrige beſteht aus Muſiken uͤber willkuͤhrliche Texte, die meiſtens im Cantatenſtyle, mit untermiſcheten bibliſchen Spruͤchen welche nach Art der Pſalmen ausgearbeitet werden, geſetzet ſind. Der Text hiervon iſt entweder auf die Sonn - und Feſttagsevangelien, oder auf gewiſſe beſondere Umſtaͤnde, als Trauer - und Trauungsmuſiken, ge - richtet. Die Anthems der Englaͤnder werden gemeiniglich nach Art der Pſalmen ausgearbeitet; weil ſie groͤßtentheils aus bibliſchen Worten beſtehen.

21. §.

Ueberhaupt wird zur Kirchenmuſik, ſie moͤge beſtehen worinn ſie wolle, eine ernſthafte und andaͤchtige Art der Compoſition, und der Aus - fuͤhrung, erfodert. Sie muß vom Opernſtyle ſehr unterſchieden ſeyn. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß ſolches, um den dabey geſucheten Entzweck zu erreichen, allemal, beſonders von den Componiſten gehoͤrig beobach - tet wuͤrde. Bey Beurtheilung einer Kirchenmuſik, welche entweder zum Lobe des Allerhoͤchſten aufmuntern, oder zur Andacht erwecken, oder zur Traurigkeit bewegen ſoll, muß man Acht haben, ob die Abſicht, vom Anfange bis zum Ende beobachtet, der Charakter einer jeden Art unter - halten, und nichts, was demſelben zuwider iſt, mit eingemiſchet worden ſey. Hier hat ein Componiſt Gelegenheit, ſeine Staͤrke ſowohl in der ſogenannten arbeitſamen, als in der ruͤhrenden und einnehmenden Schreib - art, (dieſe iſt aber der hoͤchſte Grad der muſikaliſchen Wiſſenſchaft,) zu zeigen.

22. §.

Man wolle nicht glauben, daß bey der Kirchenmuſik lauter ſoge - nannte Pedanterey vorkommen muͤſſe. Die Leidenſchaften, ob gleich ihre Gegenſtaͤnde unterſchieden ſind, muͤſſen hier ſowohl, ja noch ſorg - faͤltiger als auf dem Theater, erreget werden. Die Andacht ſetzet ihnen nur hier die Graͤnzen. Ein Componiſt, der in der Kirche nicht ruͤhren kann, wo er eingeſchraͤnkter iſt, wird daſſelbe auf dem Theater, wo erO omehrere290Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusmehrere Freyheit hat, gewiß noch weniger zu thun vermoͤgend ſeyn. Wer aber ungeachtet einiges Zwanges ſchon zu ruͤhren weis, von dem kann man ſich, wenn er voͤllige Freyheit hat, noch viel ein Mehreres verſpre - chen. Wuͤrde alſo wohl die ſchlechte Ausfuͤhrung der Kirchenmuſiken, an vielen Orten, ein hinreichender Bewegungsgrund ſeyn koͤnnen, ſo gleich alle Kirchenmuſiken als etwas ungefaͤlliges zu verwerfen?

23. §.

Die theatraliſche Muſik beſteht entweder aus Opern, oder Paſtoralen, (Schaͤferſpielen,) oder Zwiſchenſpielen, (Jntermezzen.) Die Opern ſind entweder wirkliche Trauerſpiele, oder Trauerſpiele mit einem froͤlichen Ende, welche den Tragikomoͤdien aͤhnlich ſind. Ob wohl eine jede Gattung der theatraliſchen Stuͤcke ihre eigene und beſondere Schreibart erfodert: ſo bedienen ſich doch die Componiſten mehrentheils, um ihren Einfaͤllen voͤllig den Zuͤgel zu laſſen, hierinn vieler Freyheit; welche ſie aber deſſen ungeachtet nicht von den Pflichten, ſich ſowohl an die Worte, als an die Eigenſchaften und den Zuſammenhang der Sache zu binden, frey ſprechen kann.

24. §.

Wer die Muſik einer Oper gruͤndlich beurtheilen will, muß unter - ſuchen: ob die Sinfonie entweder mit dem Jnhalte des ganzen Stuͤckes, oder mit dem erſten Acte, oder zum wenigſten mit der erſten Scene einen Verhalt habe, und die Zuhoͤrer in den Affect, welchen die erſte Handlung in ſich hat, er ſey zaͤrtlich, oder traurig, oder luſtig, oder heroiſch, oder wuͤtend, u. d. m. zu verſetzen vermoͤgend ſey(*)ſ. hiervon mit Mehrerm den 43. §. dieſes Hauptſtuͤcks.. Es iſt zu beobachten: ob das Recitativ natuͤrlich, ſprechend, ausdruͤckend, und fuͤr die Saͤn - ger weder zu tief, noch zu hoch geſetzet ſey; ob die Arien mit ſolchen Ri - tornellen verſehen ſeyn, die ſingend und ausdruͤckend ſind, um von der Folge, in der Kuͤrze, einen Vorſchmack zu geben; nicht aber nach dem allgemeinen Schlentrian der welſchen Alltagscomponiſten, wo das Ri - tornell von einem, und das uͤbrige von einem andern gemacht zu ſeyn ſcheint. Man gebe bey Beurtheilung einer Oper ferner Acht: ob die Arien ſingbar ſeyn, und dabey den Saͤngern Gelegenheit geben, ihre Faͤhigkeit zu zeigen; ob der Componiſt die Leidenſchaften, ſo wie es die Materie erfodert, ausgedruͤcket, eine jede von der andern wohl unter - ſchieden, und an ihren gehoͤrigen Ort gebracht habe; ob er einen jeden Saͤnger, vom erſten bis zum letzten, ohne Partheylichkeit, nach ſeiner Rolle, Stimme, und Faͤhigkeit eingekleidet habe; ob er das Sylben -maaß,291und eine Muſik zu beurtheilen ſey. maaß, ſo wie es die Poeſie und die Ausſprache erfodert, gehoͤrig beo - bachtet habe, oder ob er nur, wie es viele machen, ohne Noth, will - kuͤhrlich damit verfahren ſey, und zuweilen lange Sylben in kurze, und kurze in lange verwandelt habe: wodurch die Worte nicht nur verſtuͤm - melt werden, ſondern auch wohl gar eine andere Bedeutung bekommen. Dieſen Fehler findet man oͤfters bey ſolchen, von welchen man es am we - nigſten vermuthen ſollte. Er entſteht entweder aus Nachlaͤßigkeit; oder weil dem Componiſten nicht gleich, in der Eil, eine bequemere und den Worten gemaͤßere Melodie hat einfallen wollen; oder weil derſelbe die Sprache nicht verſtanden hat(**). Bey Beurtheilung einer Oper hat man weiter zu beobachten: ob der Componiſt die Einſchnitte der Rede, in den Arien, und abſonderlich in den Recitativen wohl beobachtet habe; ob er ſich bey den Verſetzungen gewiſſer Woͤrter wohl gehuͤtet habe, den Verſtand derſelben zu verdunkeln, oder gar das Gegentheil davon zu ſa - gen; ob die Arien, deren Text gewiſſe Actionen erfodert, ausdruͤckend, und ſo geſetzet ſeyn, daß die Saͤnger Zeit und Gelegenheit haben, ihre Actionen mit Gemaͤchlichkeit anzubringen; ob die Saͤnger aber auch nicht in mancher Arie, die einen heftigen Affect in ſich haͤlt, entweder durch allzugeſchwindes Ausſprechen der Worte, wie ehedem bey den Deut - ſchen uͤblich war, zum Schnattern verleitet, oder durch allzulange, uͤber jede Sylbe geſetzete, Noten, am lebhaften Vortrage der Worte, und an der Action gehindert werden; ob in dergleichen ſprechenden Arien, die Paſſagien der Singſtimme, welche gar nicht dahin gehoͤren, und das Feuer der Action hemmen, vermieden worden. Man ſuche endlich zu erforſchen: ob der Componiſt, in Anſehung des Zuſammenhanges der ganzen Sache uͤberhaupt, eine jede Arie an ihren rechten Ort geſetzet, und, damit nicht etliche Arien in einerley Tone oder Tactart gleich auf einander folgen moͤchten, die verſchiedenen Ton - und Tactarten, den Worten gemaͤß, zu vermiſchen geſuchet habe; ob er den Hauptcharakter des Stuͤckes, vom Anfange bis zum Ende unterhalten, auch eine pro - portionirliche Laͤnge dabey beobachtet habe; ob zuletzt die meiſten Zuhoͤ - rer durch die Muſik geruͤhret, und in die im Schauſpiele vorgeſtelleten Leidenſchaften verſetzet werden, ſo daß ſie endlich, mit einer Begierde die Oper oͤfters zu hoͤren, den Schauplatz verlaſſen. Finden ſich alle bisher erzaͤhlten guten Eigenſchaften in einer Oper beyſammen: ſo kann eine ſolche Oper fuͤr ein Meiſterſtuͤck gehalten werden.

O o 2(**) Unter292Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus
(**)Unter andern findet man in einer gewiſſen Serenate: il trionfo d’Imeneo benennet, welche 1750. in Jtalien neu iſt aufgefuͤhret worden, ſo wie in den uͤbri - gen Werken ihres Verfaſſers, bewundernswuͤrdige Beyſpiele dieſes Fehlers; und zwar von der Feder eines Welſchen, der entweder ſeiner eigenen Mutterſprache nicht maͤchtig zu ſeyn, oder zum wenigſten auf den Sinn der Woͤrter, und auf deſſen Ausdruck, gar ſelten Acht zu haben ſcheint.
(**)

25. §.

Bey Beurtheilung der Arien ins beſondere aber, wird ſich deſſen ungeachtet doch noch Mancher betruͤgen koͤnnen: weil die Meiſten immer nur nach ihrer eigenen Empfindung urtheilen, und allein diejenigen Arien fuͤr die beſten halten, welche ihnen vorzuͤglich gefallen. Die Einrichtung einer Oper erfodert aber, daß um des Zuſammenhanges des Ganzen wil - len, nicht alle Arien von gleicher Beſchaffenheit oder Staͤrke, ſondern von verſchiedener Art und Natur ſeyn muͤſſen. Die erſten von den recitirenden Per - ſonen muͤſſen, nicht nur in Anſehung der Poeſie, ſondern auch der Muſik, vor den letztern einigen Vorzug behalten. Denn gleich wie ein Gemaͤlde, welches aus lauter gleichfoͤrmigen ſchoͤnen Figuren beſteht, das Auge nicht ſo ein - nimmt und reizet, als wenn etliche Figuren von geringerer Schoͤnheit mit darunter vorkommen: ſo bekoͤmmt auch oftmals eine Hauptarie nur alsdenn erſt ihren rechten Glanz, wenn ſie zwiſchen zwo geringere einge - flochten wird. Nachdem die Gemuͤthtsbeſchaffenheiten der Zuhoͤrer un - terſchieden ſind, nachdem wird auch ihr Geſchmack an den Arien unter - ſchieden ſeyn. Einem wird dieſe, einem andern jene Arie am beſten ge - fallen. Man darf ſich alſo gar nicht wundern, wenn dem einem dasje - nige gefaͤllt, woran der andere gar nichts angenehmes findet; und wenn folglich die Beurtheilung eines Stuͤckes, und beſonders einer Oper, ſo verſchieden und ungewiß ausſchlaͤgt.

26. §.

Wenn man eine Singmuſik, welche zu gewiſſen Abſichten, entwe - der fuͤr die Kirche, oder fuͤr das Theater verfertiget worden iſt, und nun in der Kammer aufgefuͤhret wird, beurtheilen will; hat man großer Be - hutſamkeit von noͤthen. Die Umſtaͤnde, welche damit an dem Orte ihrer Beſtimmung verknuͤpfet geweſen ſind, die verſchiedene Art des Vortra - ges und der Ausfuͤhrung, ſowohl in Anſehung der Saͤnger, als der Jn - ſtrumentiſten, ingleichen, ob man das ganze Werk in ſeinem vollkomme - nen Zuſammenhange, oder nur ſtuͤckweiſe etwas davon hoͤret, tragen ſo - wohl zu einem guten, als zu einem ſchlechten Erfolge, ſehr viel bey. EineArie293und eine Muſik zu beurtheilen ſey. Arie mit Action, welche auf dem Theater einen beſondern Eindruck ge - machet hat, wird in der Kammer bey Weitem nicht ſo gefallen, als auf dem Theater: denn hier mangelt eines der weſentlichen Stuͤcke derſelben, naͤmlich die Action, und die damit verbundenen Urſachen derſelben: es waͤre denn, daß man durch Erinnerung dieſer Dinge, ſich noch eine leb - hafte Vorſtellung davon zu machen wuͤßte. Eine andere Arie hingegen, deren Worte eben nichts beſonders ausdruͤcken, die aber doch einen ge - faͤlligen, und fuͤr den Saͤnger vortheilhaften Geſang in ſich hat, auch von demſelben auf eine gute Art vorgetragen wird, iſt vermoͤgend, die vorerwaͤhnte Arie, in der Kammer, zu unterdruͤcken, und bey den Zu - hoͤrern einen Vorzug zu erhalten. Hierbey kann man nun wohl ſagen, daß die letztere mehr als die erſtere gefalle; nicht aber daß ſie deswegen beſſer ſey. Denn bey den Arien muß man nicht ſowohl auf den Geſang allein, als vielmehr auch auf die Worte, und derſelben Ausdruck ſehen. Eine Arie mit ſtarker Action muß uͤber dieſes mehr ſprechend als ſingend ſeyn, und erfodert folglich einen guten Saͤnger der zugleich ein guter Acteur iſt; wie nicht weniger auch einen erfahrenen Componiſten.

27. §.

Wird aber eine Serenate oder Cantate ausdruͤcklich fuͤr die Kammer geſetzet: ſo pfleget dieſer Kammerſtyl ſo wohl vom Kirchen - als vom Theatralſtyle unterſchieden zu werden. Der Unterſchied beſteht dar - inne, daß der Kammerſtyl mehr Lebhaftigkeit und Freyheit der Gedan - ken erfodert, als der Kirchenſtyl; und weil keine Action dabey ſtatt fin - det, mehr Ausarbeitung und Kunſt erlaubet, als der Theatralſtyl. Die Madrigale, welche, nach Art der Pſalmen, mit vielen Singſtim - men, mehrentheils ohne Jnſtrumente, arbeitſam ausgefuͤhrte Sing - ſtuͤcke ſind, haben auch in der Kammer ihren Platz. Nichtweniger ge - hoͤren hierher die Duetten und Terzetten ohne Jnſtrumente, und die Solocantaten.

28. §.

Wenn man eine Jnſtrumentalmuſik recht beurtheilen will; muß man nicht nur von den Eigenſchaften eines jeden Stuͤcks, welches dabey vorkoͤmmt, ſondern auch von den Jnſtrumenten ſelbſt, wie ſchon oben geſaget worden, eine genaue Kenntniß haben. Es kann ein Stuͤck, an und fuͤr ſich, ſowohl dem guten Geſchmacke, als den Regeln der Com - poſition gemaͤß, und alſo gut geſetzet ſeyn; dem Jnſtrumente aber zuwi - der laufen. Jm Gegentheile kann ein Stuͤck dem Jnſtrumente zwar ge -O o 3maͤß,294Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusmaͤß, an ſich ſelbſt aber nichts nuͤtze ſeyn. Die Singmuſik hat gewiſſe Vortheile, deren die Jnſtrumentalmuſik entbehren muß. Bey jener ge - reichen die Worte, und die Menſchenſtimme, den Componiſten, ſowohl in Anſehung der Erfindung, als der Ausnahme, zum groͤßten Vortheile. Die Erfahrung giebt dieſes handgreiflich; wenn man Arien, in Erman - gelung der Menſchenſtimme, auf einem Jnſtrumente ſpielen hoͤret. Die Jnſtrumentalmuſik ſoll ohne Worte, und ohne Menſchenſtimmen, eben ſowohl gewiſſe Leidenſchaften ausdruͤcken, und die Zuhoͤrer aus eine in die andere verſetzen, als die Vocalmuſik. Soll aber dieſes gehoͤrig be - werkſtelliget werden, ſo duͤrfen, um den Mangel der Worte und der Menſchenſtimme zu erſetzen, weder der Componiſt, noch der Ausfuͤhrer hoͤlzerne Seelen haben.

29. §.

Die vornehmſten Stuͤcke der Jnſtrumentalmuſik, wobey die Sing - ſtimmen nichts zu thun haben, ſind: das Concert, die Ouvertuͤre, die Sinfonie, das Quatuor, das Trio, und das Solo. Unter dieſen giebt es immer zweyerley Arten, des Concerts, des Trio, und des Solo. Man hat Concerti groſſi, und Concerti da camera. Die Trio ſind entweder, wie man ſagt, gearbeitet, oder galant. Eben ſo verhaͤlt es ſich mit den Solo.

30. §.

Die Concerten haben ihren Urſprung von den Jtaliaͤnern. Torel - li ſoll die erſten gemacht haben. Ein Concerto groſſo beſteht aus einer Vermiſchung verſchiedener concertirender Jnſtrumente, allwo immer zwey oder mehrere Jnſtrumente, deren Anzahl ſich zuweilen wohl auf acht und noch druͤber erſtrecket, mit einander concertiren. Bey einem Kammerconeert hingegen befindet ſich nur ein einziges concertirendes Jnſtrument.

31. §.

Die Eigenſchaften eines Concerto groſſo erfodern, in einem jeden Satze deſſelben: 1) ein praͤchtiges Ritornell zum Anfange, welches mehr harmoniſch als melodiſch, mehr ernſthaft als ſcherzhaft, und mit Uniſon vermiſchet ſey; 2) eine geſchikte Vermiſchung der Nachahmungen in den concertirenden Stimmen; ſo daß das Ohr bald durch dieſe, bald durch jene Jnſtrumente, unvermuthet uͤberraſchet werde. 3) Dieſe Nachah - mungen muͤſſen aus kurzen und gefaͤlligen Gedanken beſtehen. 4) Das Brillante muß mit dem Schmeichelnden immer abwechſeln. 5) Die mit -telſten295und eine Muſik zu beurtheilen ſey. telſten Tuttiſaͤtze muͤſſen kurz gefaſſet ſeyn. 6) Die Abwechſelungen der concertirenden Jnſtrumente muͤſſen dergeſtalt eingetheilet ſeyn, daß nicht eines zu viel, und das andere zu wenig gehoͤret werde. 7) Dann und wann muß nach einem Trio, ein kurzes Solo, von einem und dem andern Jnſtrumente, mit eingeflochten werden. 8) Vor dem Schluſſe muͤſſen die Jnſtrumente eine kurze Wiederholung deſſen, ſo ſie Anfangs gehabt ha - ben, machen, und das letzte Tutti muß 9) mit den erhabenſten und praͤchtigſten Gedanken aus dem erſten Ritornell, ſich endigen. Ein ſol - ches Concert erfodert ein zahlreiches Accompagnement, einen großen Ort, eine ernſthafte Ausfuͤhrung, und eine maͤßige Geſchwindigkeit.

32. §.

Der Concerte mit einem concertirenden Jnſtrumente, oder der ſogenannten Kammerconcerte, giebt es gleichfalls zwo Gattungen. Einige verlangen, ſo wie das Concerto groſſo, ein ſtarkes, die andern aber ein ſchwaches Accompagnement. Wird ſolches nicht beobachtet, ſo thut weder eins noch das andere ſeine gehoͤrige Wirkung. Aus dem erſten Ritornell kann man abnehmen, von was fuͤr einer Gattung das Concert ſey. Alles was ernſthaft, praͤchtig, und mehr harmoniſch als melodiſch geſetzet, auch mit vielem Uniſon untermiſchet iſt; wobey die Harmonie ſich nicht zu Achttheilen oder Viertheilen, ſondern zu halben oder ganzen Tacten veraͤndert; deſſen Accompagnement muß ſtark beſetzet werden. Was aber aus einer fluͤchtigen, ſcherzhaften, luſtigen oder ſingenden Melodie beſteht, und geſchwinde Veraͤnderungen der Harmonie machet; thut mit einem ſchwach beſetzeten Accompagnement beſſere Wirkung, als mit einem ſtarken.

33. §.

Ein ernſthaftes, oder fuͤr das Große geſetzetes einfaches Concert verlanget im erſten Satze: 1) ein praͤchtiges und mit al - len Stimmen wohl ausgearbeitetes Ritornell; 2) einen gefaͤlligen und begreiflichen Geſang; 3) richtige Jmitationen. 4) Die beſten Gedan - ken des Ritornells koͤnnen zergliedert, und unter oder zwiſchen die Solo vermiſchet werden. 5) Die Grundſtimme muß wohlklingend, und baß - maͤßig ſeyn. 6) Man mache nicht mehr Mittelſtimmen, als es die Hauptſtimme erlaubet: denn es thut oftmals beſſere Wirkung, wenn man die Hauptſtimmen verdoppelt; als wenn man die Mittelſtimmen hinein zwingt. 7) Die Bewegungen der Grundſtimme und der Mittel - ſtimmen duͤrfen die Hauptſtimme, weder an ihrer Lebhaftigkeit verhindern,noch296Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusnoch ſie uͤbertaͤuben oder unterdruͤcken. 8) Jm Ritornell muß man eine proportionirliche Laͤnge beobachten. Es muß daſſelbe wenigſtens aus zweenen Haupttheilen beſtehen. Der zweyte Theildavon, muß, weil man ihn am Ende des Satzes wiederholet, und damit ſchließet, mit den ſchoͤn - ſten und praͤchtigſten Gedanken ausgekleidet werden. 9) Sofern der Anfangsgedanke vom Ritornell nicht ſingend, noch zum Solo bequem ge - nug iſt: ſo muß man einen neuen Gedanken, welcher jenem ganz entge - gen iſt, einfuͤhren, und mit den Anfangsgedanken dergeſtalt verbinden, daß man nicht bemerken koͤnne, ob ſolches aus Noth, oder mit gutem Bedachte geſchehen ſey. 10) Die Soloſaͤtze muͤſſen theils ſingend ſeyn, theils muß das Schmeichelnde mit brillanten, melodiſchen, und harmoni - ſchen, dem Jnſtrumente aber gemaͤßen Paſſagien, untermiſchet, auch, um das Feuer bis ans Ende zu unterhalten, mit kurzen, lebhaften, und praͤchtigen Tuttiſaͤtzen abgewechſelt werden. 11) Die concertirenden oder Soloſaͤtze duͤrfen nicht zu kurz, die mittelſten Tutti hingegen, nicht zu lang ſeyn. 12) Das Accompagnement unter dem Solo muß nicht ſol - che Bewegungen haben, welche die concertirende Stimme verdunkeln koͤnnten; es muß vielmehr immer wechſelsweiſe bald aus vielen, bald aus wenigen Stimmen beſtehen: damit die Hauptſtimme dann und wann Luft bekomme, ſich mit mehrerer Freyheit hervor zu thun. Licht und Schatten muß uͤberhaupt immer unterhalten werden. Wenn es die Paſ - ſagien leiden, oder man ſie ſolchergeſtalt zu erfinden weis, daß die beglei - tenden Stimmen darunter etwas bekanntes aus dem Ritornell anbringen koͤnnen: ſo thut es eine gute Wirkung. 13) Man muß immer eine richtige und natuͤrliche Modulation beobachten, und keine allzufremde Tonart, welche das Gehoͤr beleidigen koͤnnte, beruͤhren. 14) Das Me - trum, auf welches man in der Setzkunſt uͤberhaupt ein genaues Augen - merk zu richten hat, muß auch hier genau beobachtet werden. Die Caͤ - ſur, oder die Einſchnitte der Melodie, duͤrfen im gemeinen geraden Tacte nicht auf das zweyte oder vierte Viertheil, und im Tripeltacte nicht auf den dritten oder fuͤnften Tact fallen. Man muß das Metrum, ſo wie man es angefangen hat, es ſey zu ganzen oder halben Tacten, oder im Tripeltacte zu zween, vier, oder acht Tacten, zu unterhalten ſuchen: weil auſſerdem die kuͤnſtlichſte Compoſition mangelhaft wird. Jm Tri - peltacte wird, bey einem Arioſo, wenn in demſelben die Melodie oͤftere Abſchnitte leidet, die Caͤſur zu drey und zween Tacten (nach einander zu - gelaſſen. 15) Die Paſſagien darf man durch die Transpoſition, nichtin297und eine Muſik zu beurtheilen ſey. in einerley Art bis zum Ekel verfolgen: man muß vielmehr zu rechter Zeit unvermerkt abbrechen, und ſie verkuͤrzen. 16) Am Ende darf man ſich nicht uͤbereilen, oder zu kurz abſchnappen: man muß daſſelbe viel - mehr wohl zu befeſtigen ſuchen. Man darf nicht mit lauter neuen Ge - danken ſchließen: man muß vielmehr die gefaͤlligſten Gedanken von dem, was vorher gehoͤret worden, im letzten Soloſatze wiederholen. 17) End - lich muß man im letzten Tutti, mit dem zweyten Theile vom erſten Ritor - nell, das Allegro, ſo kurz als moͤglich iſt, beſchließen.

34. §.

Zu dem erſten Satze eines praͤchtigen Concerts, ſchicken ſich nicht alle Tactarten. Soll derſelbe lebhaft ſeyn; ſo kann man den gemeinen geraden Tact, wo die geſchwindeſten Noten aus Sechzehntheilen beſte - hen, darzu nehmen; und die Caͤſur auf den zweyten Theil des Tactes fallen laſſen. Soll gedachter erſter Theil zugleich praͤchtig ſeyn: ſo er - waͤhle man ein laͤngeres Metrum, deſſen Caͤſur allemal einen ganzen Tact einnimmt, und nur auf den Niederſchlag des Tactes faͤllt. Soll ein dergleichen erſter Satz aber ernſthaft und praͤchtig ſeyn: ſo kann man, in der gemeinen geraden Tactart, eine Bewegung von maͤßigerer Ge - ſchwindigkeit, wo die geſchwindeſten Noten aus Zwey und dreyßigtheilen beſtehen koͤnnen, und die Caͤſur auf den zweyten Theil des Tactes faͤllt, dazu erwaͤhlen. Die zweygeſchwaͤnzeten punctireten Noten werden hier zur Pracht des Ritornells ein Vieles beytragen. Mit dem Worte: Allegretto, kann man die Bewegung beſtimmen. Dieſe Art Noten kann man auch im gemaͤßigten Allabrevetacte ſchreiben. Man muß nur die Achttheile in Viertheile, die Sechzehntheile in Achttheile, und die Zwey - und dreyßigtheile in Sechzehntheile verwandeln. Die Caͤſur aber kann alsdenn allemal auf den Anfang eines jeden Tactes fallen. Der ordent - liche Allabrevetact, deſſen geſchwindeſte Noten aus Achttheilen beſtehen, iſt wie der Zweyviertheiltact anzuſehen, und ſchicket ſich deswegen beſſer zum letzten, als zum erſten Satze: weil er, wenn man nicht immer ge - bunden und vollſtimmig darinne arbeitet, mehr Gefaͤlliges als Praͤchti - ges ausdruͤcket. Der Tripeltact wird uͤberhaupt wenig zum erſten Satze gebrauchet: es waͤre denn der Dreyviertheiltact, mit Sechzehntheilen vermiſchet; wobey die Bewegungen der Mittelſtimmen und der Grund - ſtimme aus Achttheilen beſtuͤnden, und die Harmonie ſich mehrentheils nur zu ganzen Tacten aͤnderte.

P p35. §. Das298Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus

35. §.

Das Adagio muß ſich uͤberhaupt, im muſikaliſchen Reimgebaͤude, in der Tactart, und in der Tonart, vom erſten Allegro unterſcheiden. Geht das Allegro aus einer der groͤßern Tonarten, z. E. aus dem C dur: ſo kann das Adagio, nach Belieben, aus dem C moll, E moll, A moll, F - dur, G dur, oder auch G moll geſetzet werden. Geht aber das erſte Allegro aus einer der kleinern Tonarten, z. E. aus dem C moll: ſo kann das Adagio entweder aus dem Es dur, oder F moll, oder G moll, oder As dur geſetzet werden. Dieſe Folgen der Tonarten auf einander ſind die natuͤrlichſten. Das Gehoͤr wird dadurch niemals beleidiget; und dieſer Verhalt gilt bey allen Tonarten, ſie moͤgen Namen haben ſie wollen. Wer aber den Zuhoͤrer auf eine empfindliche und unangenehme Art uͤberraſchen will: dem ſteht es frey, außer dieſen Tonarten, ſolche zu waͤhlen, die ihm nur allein Vergnuͤgen machen koͤnnen. Zum wenig - ſten wird große Behutſamkeit dabey erfodert.

36. §.

Um die Leidenſchaften zu erregen, und wieder zu ſtillen, giebt das Adagio mehr Gelegenheit an die Hand, als das Allegro. Jn vorigen Zeiten wurde das Adagio mehrentheils ſehr trocken und platt, und mehr harmoniſch als melodiſch geſetzet. Die Componiſten uͤberließen den Aus - fuͤhrern das, was von ihnen erfodert wurde, naͤmlich die Melodie ſingbar zu machen: welches aber, ohne vielen Zuſatz von Manieren, nicht wohl angieng. Es war alſo damals viel leichter ein Adagio zu ſetzen, als zu ſpielen. Wie nun leicht zu erachten iſt, daß ein ſolches Adagio nicht allemal das Gluͤck gehabt hat, in geſchikte Haͤnde zu fallen; und daß die Ausfuͤhrung ſelten ſo gelungen iſt, als es der Verfaſſer haͤtte wuͤnſchen moͤgen: ſo iſt aus ſolchem Uebel das Gute gefloſſen, daß man ſeit eini - gen Zeiten angefangen hat, das Adagio mehr ſingend zu ſetzen. Hier - durch erlanget der Componiſt mehr Ehre: und der Ausfuͤhrer brauchet weniger Kopfbrechens: das Adagio ſelbſt aber kann nicht auf ſo vielerley Art, wie ehedem oft geſchah, verſtellet oder verſtuͤmmelt werden.

37. §.

Weil aber das Adagio, unter den der Muſik nicht kundigen Zuhoͤ - rern, gemeiniglich nicht ſo viele Liebhaber findet, als das Allegro: ſo muß der Componiſt ſolches, auch denen in der Muſik nicht erfahrenen Zuhoͤrern, auf alle moͤgliche Weiſe gefaͤllig zu machen ſuchen. Er hat vornehmlich fol - gende Regeln dabey wohl zu beobachten. Er muß ſich 1) ſowohl in denRitor -299und eine Muſi zu beurtheilen ſey. Ritornellen, als in den Soloſaͤtzen, der moͤglichſten Kuͤrze befleißi - gen. 2) Das Ritornell muß melodiſch, harmonioͤs und ausdruͤckend geſetzet ſeyn. 3) Die Hauptſtimme muß einen ſolchen Geſang haben, der zwar einigen Zuſatz von Manieren leidet; doch aber auch ohne denſelben gefallen kann. 4) Der Geſang von der Hauptſtimme muß, mit den dazwiſchen vermiſchten Tuttiſaͤtzen, concertiren. 5) Die - ſer Geſang muß eben ſo ruͤhrend und ausdruͤckend geſetzet werden, als wenn Worte darunter gehoͤreten. 6) Dann und wann muß etwas vom Ritornell angebracht werden. 7) Man darf nicht in allzuviele Tonarten ausweichen; als welches an der Verkuͤrzung am meiſten hin - derlich iſt. 8) Das Accompagnement unter dem Solo muß mehr platt, als figuriret ſeyn: damit die Hauptſtimme nicht gehindert werde, Aus - zierungen zu machen; ſondern voͤllige Freyheit behalte, mit Beurthei - lung, und auf eine vernuͤnftige Art, viel oder wenig Manieren anzubrin - gen. Endlich muß man 9) das Adagio durch ein ſolches Beywort zu charakteriſiren ſuchen, welches den darinne enthaltenen Affect deutlich ausdruͤcket: damit man das erfoderliche Tempo leicht errathen koͤnne.

38. §.

Das letzte Allegro eines Concerts muß ſich nicht nur in der Art und Natur, ſondern auch in der Tactart, vom erſten Satze ſehr unter - ſcheiden. So ernſthaft das erſte ſeyn ſoll; ſo ſcherzhaft und luſtig muß hingegen das letztere ſeyn. Dieſe nachbenannten Tactarten, als: $$\frac{2}{4}$$ , $$\frac{3}{4}$$ , $$\frac{3}{8}$$ , $$\frac{6}{8}$$ , $$\frac{9}{8}$$ , $$\frac{12}{8}$$ Tact, koͤnnen hierbey gute Dienſte thun. Niemals muͤſ - ſen in einem Concert alle drey Saͤtze in einerley Tactart geſetzet werden: ſondern wenn die erſten zweene Saͤtze im geraden Tacte ſtehen: ſo muß der letzte im Tripeltacte geſetzet ſeyn. Jſt aber der erſte im geraden, und der zweyte im Tripeltacte: ſo kann der letzte ſowohl im Tripel - als im Zweyviertheiltacte geſetzet werden. Niemals aber darf er im gemeinen geraden Tacte ſtehen: weil dieſer zu ernſthaft waͤre, und ſich alſo eben ſo wenig zum letzten Satze ſchicken wuͤrde, als der Zweyviertheil - oder ein geſchwinder Tripeltact bey dem erſten Satze eine gute Wirkung thun wuͤr - de. Es duͤrfen auch nicht alle drey Saͤtze ihren Anfang in eben demſel - ben Tone nehmen: ſondern wenn die Oberſtimme bey dem einen im Grund - tone anfaͤngt; kann ſie bey dem andern in der Terze, und bey dem drit - ten mit der Quinte anfangen. Der letzte Satz geht zwar aus der Ton - art des erſten: doch muß man in Anſehung der Modulationen ſich huͤten,P p 2daß300Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusdaß man im letzten Satze die Tonarten nicht ſo nach einander beruͤhre, wie im erſten Satze geſchehen iſt: um die Aehnlichkeit zu vermeiden.

39. §.

Jm letzten Satze muß uͤberhaupt 1) das Ritornell kurtz, luſtig, feurig, doch dabey etwas taͤndelnd ſeyn. 2) Die Hauptſtimme muß einen gefaͤlligen, fluͤchtigen und leichten Geſang haben. 3) Die Paſſa - gien muͤſſen leicht ſeyn, damit man nicht an der Geſchwindigkeit gehin - dert werde. Mit den Paſſagien im erſten Satze aber, duͤrfen ſie keine Aehnlichkeit haben. Z. E. Wenn die im erſten Satze aus gebrochenen oder harpeggirten Noten beſtehen; ſo koͤnnen die im letztern Satze ſtufen - weiſe gehen, oder rollend ſeyn. Oder wenn im erſten Satze Triolen ſind; ſo koͤnnen die Paſſagien im letzten Satze aus gleichen Noten beſtehen: und ſo das Gegentheil. 4) Das Metrum muß auf das ſtrengſte beobach - tet werden. Denn je kuͤrzer und geſchwinder die Tactarten ſind: je em - pfindlicher iſt es, wenn dawider gehandelt wird. Die Caͤſur muß alſo im $$\frac{2}{4}$$ - und im geſchwinden $$\frac{3}{4}$$ - $$\frac{3}{8}$$ - und $$\frac{6}{8}$$ Tacte allezeit auf den Anfang des zweyten Tacts, die Haupteinſchnitte aber, auf den vierten und achten Tact fallen. 5) Das Accompagnement darf nicht zu vollſtimmig oder uͤberhaͤufet ſeyn. Es muß vielmehr aus ſolchen Noten beſtehen, welche die begleitenden Stimmen, ohne große Bewegung oder Muͤhſamkeit, her - aus bringen koͤnnen: weil der letzte Satz gemeiniglich ſehr geſchwind ge - ſpielet wird.

40. §.

Um auch bey einem Concert eine proportionirliche Laͤnge zu beobachten; kann man die Uhr dabey zu Rathe ziehen. Wenn der erſte Satz die Zeit von fuͤnf Minuten, das Adagio fuͤnf bis ſechs Minuten, und der letzte Satz drey bis vier Minuten einnimmt: ſo hat das ganze Concert ſeine gehoͤrige Laͤnge. Es iſt uͤberhaupt ein groͤßerer Vortheil, wenn die Zuhoͤrer ein Stuͤck eher zu kurz, als zu lang finden.

41. §.

Wer nun ein ſolches Concert zu machen weis, dem wird es nicht ſchwer fallen, auch ein ſcherzhaftes und kleines taͤndelndes Kammer - concert zu verfertigen. Es wuͤrde alſo unnoͤthig ſeyn, hiervon beſon - ders zu handeln.

42. §.

Eine Ouvertuͤre, welche zum Anfange einer Oper geſpielet wird, erfodert einen praͤchtigen und gravitaͤtiſchen Anfang, einen brillanten,wohl -301und eine Muſik zu beurtheilen ſey. wohl ausgearbeiteten Hauptſatz, und eine gute Vermiſchung verſchiede - ner Jnſtrumente, als Hoboen, Floͤten, oder Waldhoͤrner. Jhr Ur - ſprung koͤmmt von den Franzoſen her. Luͤlly hat davon gute Muſter gegeben. Doch haben ihn einige deutſche Componiſten, unter andern vornehmlich Haͤndel und Telemann, darinne weit uͤbertroffen. Es geht den Franzoſen mit ihren Ouvertuͤren faſt, wie den Jtaliaͤnern mit ihren Concerten. Nur iſt, wegen der guten Wirkung welche die Ou - vertuͤren thun, zu bedauern, daß ſie in Deutſchland nicht mehr uͤblich ſind.

43. §.

Die italiaͤniſchen Sinfonien, welche mit den Ouvertuͤren gleiche Abſicht haben, erfodern zwar, in Anſehung der Pracht, eben dieſelben Eigenſchaften. Da aber die meiſten von ſolchen Componiſten verferti - get werden, die ihren Geiſt mehr in der Sing - als Jnſtrumentalmuſik geuͤbet haben, ſo giebt es bis itzo nur noch ſehr wenige Sinfonien, die alle Vollkommenheiten beſitzen, und deswegen zu einem guten Muſter dienen koͤnnten. Es ſcheint zuweilen, als wenn es die Operncomponiſten bey Verfertigung der Sinfonien ſo macheten, wie die Maler bey Aus - arbeitung eines Conterfeyes; als welche ſich der uͤbrig gebliebenen Far - ben bedienen, um die Luft, oder das Gewand damit auszumalen. Jn - deſſen ſollte doch billig eine Sinfonie, wie oben ſchon gedacht worden, einigen Zuſammenhang mit dem Jnhalte der Oper, oder zum wenigſten mit dem erſten Auftritte derſelben haben; und nicht allezeit mit einem lu - ſtigen Menuet, wie mehrentheils geſchieht, ſchließen. Jch bin zwar nicht willens hiervon ein Muſter vorzuſchreiben: weil man nicht alle Um - ſtaͤnde, die bey dem Anfange einer jeden Oper vorkommen koͤnnen, in eine Claſſe bringen kann. Deſſen ungeachtet glaube ich doch, daß hier - inne ſehr leicht ein Mittel zu finden waͤre. Es iſt ja eben nicht noth - wendig, daß eine Sinfonie vor einer Oper allezeit aus drey Saͤtzen be - ſtehen muͤſſe: man koͤnnte ja auch wohl mit dem erſten oder zweyten Sa - tze ſchließen. Z. E. Der erſte Auftrit hielte heroiſche oder andere feuri - ge Leidenſchaften in ſich: ſo koͤnnte der Schluß der Sinfonie mit dem erſten Satze geſchehen. Kaͤmen traurige oder verliebte Affecten darinne vor: ſo koͤnnte man mit dem zweyten Satze aufhoͤren. Hielte aber der erſte Auftritt gar keine beſondern Affecten in ſich, ſondern dieſe kaͤmen erſt in der Folge der Oper, oder am Ende vor: ſo koͤnnte man mit dem dritten Satze der Sinfonie ſchließen. Auf ſolche Art haͤtte man Gele -P p 3genheit,302Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusgenheit, einen jeden Satz der Sache gemaͤß einzurichten. Die Sinfo - nie aber bliebe doch noch auch zu andern Abſichten brauchbar.

44. §.

Ein Quatuor, oder eine Sonate mit drey concertirenden Jnſtru - menten, und einer Grundſtimme, iſt eigentlich der Probierſtein eines echten Contrapunctiſten; aber auch eine Gelegenheit, wobey mancher, der in ſeiner Wiſſenſchaft nicht recht gegruͤndet iſt, zu Falle kommen kann. Der Gebrauch davon iſt noch niemals ſehr gemein geworden; folglich kann er auch nicht allen ſo gar bekannt ſeyn. Es iſt zu befuͤrchten, daß endlich dieſe Art von Muſik das Schickſal der verlohrenen Kuͤnſte werde erfahren muͤſſen. Zu einem guten Quatuor gehoͤret: 1) ein reiner vier - ſtimmiger Satz; 2) ein harmoniſcher guter Geſang; 3) richtige und kurze Jmitationen; 4) eine mit vieler Beurtheilung angeſtellete Ver - miſchung der concertirenden Jnſtrumente; 5) eine recht baßmaͤßige Grund - ſtimme; 6) ſolche Gedanken die man mit einander umkehren kann, naͤm - lich, daß man ſowohl daruͤber als darunter bauen koͤnne; wobey die Mit - telſtimmen zum wenigſten einen leidlichen, und nicht misfaͤlligen Geſang behalten muͤſſen. 7) Man muß nicht bemerken koͤnnen, ob dieſe oder jene Stimme den Vorzug habe. 8) Eine jede Stimme muß, wenn ſie pau - ſiret hat, nicht als eine Mittelſtimme, ſondern als eine Hauptſtimme, mit einem gefaͤlligen Geſange wieder eintreten: doch iſt dieſes nicht von der Grundſtimme, ſondern nur von den dreyen concertirenden Oberſtim - men zu verſtehen. 9) Wenn eine Fuge vorkoͤmmt; ſo muß dieſelbe, mit allen vier Stimmen, nach allen Regeln, meiſterhaft, doch aber dabey ſchmackhaft ausgefuͤhret ſeyn.

Sechs gewiſſe Quatuor fuͤr unterſchiedene Jnſtrumente, mei - ſtentheils Floͤte, Hoboe, und Violine, welche Herr Telemann ſchon vor ziemlich langer Zeit geſetzet hat, die aber nicht in Kupfer geſto - chen worden ſind, koͤnnen, in dieſer Art von Muſik, vorzuͤglich ſchoͤne Muſter abgeben.

45. §.

Ein Trio erfodert zwar nicht eine ſo muͤhſame Arbeit, als ein Qua - tuor; doch aber von Seiten des Componiſten faſt eben dieſelbe Wiſſen - ſchaft; wenn es anders von der rechten Art ſeyn ſoll. Doch hat es dieſes voraus, daß man darinne galantere und gefaͤlligere Gedanken anbringen kann, als im Quatuor: weil eine concertirende Stimme weniger iſt. Es muß alſo in einem Trio 1) ein ſolcher Geſang erfunden werden, dereine303und eine Muſik zu beurtheilen ſey. eine ſingende Nebenſtimme leidet. 2) Der Vortrag beym Anfange eines jeden Satzes, beſonders aber im Adagio, darf nicht zu lang ſeyn: weil ſolches bey der Wiederholung, ſo die zweyte Stimme machet, es ſey in der Quinte, oder in der Quarte, oder im Einklange, leichtlich einen Ueberdruß erwecken koͤnnte. 3) Keine Stimme darf etwas vormachen, welches die andere nicht nachmachen koͤnnte. 4) Die Jmitationen muͤſ - ſen kurz gefaſſet, und die Paſſagien brillant ſeyn. 5) Jn Wiederholung der gefaͤlligſten Gedanken muß eine gute Ordnung beobachtet werden. 6) Beyde Hauptſtimmen muͤſſen ſo geſetzet ſeyn, daß eine natuͤrliche und wohlklingende Grundſtimme darunter ſtatt finden koͤnne. 7) Soferne eine Fuge darinne angebracht wird, muß ſelbige, eben wie beym Qua - tuor, nicht nur nach den Regeln der Setzkunſt richtig, ſondern auch ſchmackhaft, in allen Stimmen ausgefuͤhret werden. Die Zwiſchenſaͤtze, ſie moͤgen aus Paſſagien oder andern Nachahmungen beſtehen, muͤſſen gefaͤllig und brillant ſeyn. 8) Obwohl die Terzen - und Sextengaͤnge in den beyden Hauptſtimmen eine Zierde des Trio ſind; ſo muͤſſen doch dieſelben nicht zum Misbrauche gemachet, noch bis zum Ekel durchge - peitſchet, ſondern vielmehr immer durch Paſſagien oder andere Nach - ahmungen unterbrochen werden. Das Trio muß endlich 9) ſo beſchaf - fen ſeyn, daß man kaum errathen koͤnne, welche Stimme von beyden die erſte ſey.

46. §.

Ein Solo zu machen, haͤlt man heutiges Tages fuͤr keine Kunſt mehr. Faſt ein jeder Jnſtrumentiſt giebt ſich damit ab. Hat er ſelbſt keine Erfindung: ſo behilft er ſich mit entlehneten Gedanken. Fehlet es ihm an Kenntniß der Compoſitionsregeln: ſo laͤßt er ſich den Baß von einem Andern dazu machen. Hierdurch kommen nun, anſtatt guter Mu - ſter, viele Misgeburthen zum Vorſcheine.

47. §.

Es iſt eben nicht eine ſo gar leichte Sache, ein gutes Solo zu ma - chen. Es giebt Componiſten, welche die Setzkunſt vollkommen verſte - hen, auch in vollſtimmigen Werken gluͤcklich ſind; aber ſchlechte Solo machen. Andern hingegen gerathen die Solo beſſer, als die vollſtimmigen Sachen. Gluͤcklich iſt der, dem beydes gelingt. So wenig aber, um ein gut Solo zu ſetzen, eben noͤthig iſt, alle die innerſten Geheimniſſe der Compoſition zu beſitzen: ſo wenig geht es auch an, ohne von der Har -monie304Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusmonie etwas zu verſtehen, was Geſcheides in dieſer Art zu Wege zu bringen.

48. §.

Soll ein Solo dem Componiſten und dem Ausfuͤhrer Ehre machen, ſo muß: 1) das Adagio deſſelben an und vor ſich ſingbar und ausdruͤ - ckend ſeyn. 2) Der Ausfuͤhrer muß Gelegenheit haben, ſeine Beurthei - lungskraft, Erfindung, und Einſicht zu zeigen. 3) Die Zaͤrtlichkeit muß dann und wann mit etwas Geiſtreichem vermiſchet werden. 4) Man ſetze eine natuͤrliche Grundſtimme, woruͤber leicht zu bauen iſt. 5) Ein Gedanke muß weder in demſelben Tone, noch in der Transpoſition, zu vielmal wiederholet werden: denn dieſes wuͤrde nicht nur den Spieler muͤ - de machen, ſondern auch den Zuhoͤrern einen Ekel erwecken koͤnnen. 6) Der natuͤrliche Geſang muß zuweilen mit einigen Diſſonanzen unter - brochen werden, um bey den Zuhoͤrern die Leidenſchaften gehoͤrig zu erre - gen. 7) Das Adagio muß nicht zu lang ſeyn.

49. §.

Das erſte Allegro erfodert: 1) einen fließenden, an einander han - genden, und etwas ernſthaften Geſang; 2) einen guten Zuſammenhang der Gedanken; 3) brillante, und mit Geſange wohl vereinigte Paſſa - gien; 4) eine gute Ordnung in Wiederholung der Gedanken; 5) ſchoͤne ausgeſuchte Gaͤnge zu Ende des erſten Theils, welche zugleich ſo einge - richtet ſeyn muͤſſen, daß man in der Transpoſition den letzten Theil wie - der damit beſchließen koͤnne. 6) Der erſte Theil muß etwas kuͤrzer ſeyn als der letzte. 7) Die brillanteſten Paſſagien muͤſſen in den letzten Theil gebracht werden. 8) Die Grundſtimme muß natuͤrlich geſetzet ſeyn, und ſolche Bewegungen machen, welche immer eine Lebhaftigkeit unter - halten.

50. §.

Das zweyte Allegro kann entweder ſehr luſtig und geſchwind, oder moderat und arios ſeyn. Man muß ſich deswegen nach dem erſten richten. Jſt daſſelbe ernſthaft: ſo kann das letzte luſtig ſeyn. Jſt aber das erſte lebhaft und geſchwind: ſo kann das letzte moderat und arios ſeyn. Jn Anſehung der Verſchiedenheit der Tactarten, muß das, was oben von den Concerten geſaget worden iſt, auch hier beobachtet werden: damit nicht ein Satz dem andern aͤhnlich werde. Soll uͤberhaupt ein Solo einem jeden gefallen; ſo muß es ſo eingerichtet ſeyn, daß die Gemuͤthsneigun - gen eines jeden Zuhoͤrers darinne ihre Nahrung finden. Es muß wederdurch -305und eine Muſik zu beurtheilen ſey. durchgehends pur cantabel, noch durchgehends pur lebhaft ſeyn. So wie ſich ein jeder Satz von dem andern ſehr unterſcheiden muß; ſo muß auch ein jeder Satz, in ſich ſelbſt, eine gute Vermiſchung von gefaͤlligen und brillanten Gedanken haben. Denn der ſchoͤnſte Geſang kann, wenn vom Anfange bis zum Ende nichts anders vorkoͤmmt, endlich einſchlaͤfern: und eine beſtaͤndige Lebhaftigkeit, oder lauter Schwierigkeit, machen zwar Verwunderung, ſie ruͤhren aber nicht ſonderlich. Dergleichen Ver - miſchung unterſchiedener Gedanken aber, iſt nicht nur beym Solo allein, ſondern vielmehr auch bey allen muſikaliſchen Stuͤcken zu beobachten. Wenn ein Componiſt dieſe recht zu treffen, und dadurch die Leidenſchaf - ten der Zuhoͤrer in Bewegung zu bringen weis: ſo kann man mit Rechte von ihm ſagen, daß er einen hohen Grad des guten Geſchmacks erreichet, und, ſo zu ſagen, den muſikaliſchen Stein der Weiſen gefunden habe.

51. §.

Dieſes ſind nun die vornehmſten Eigenſchaften der Hauptgattun - gen muſikaliſcher Stuͤcke, welche ſich bey jedem derſelben, nach ſeiner Art, finden muͤſſen, wenn es ein Kenner fuͤr gut und des Beyfalls wuͤr - dig erklaͤren ſoll. Es wird aber immer doch noch eine Anzahl von Zuhoͤ - rern uͤbrig bleiben, denen es nicht moͤglich ſeyn wird, ſo viel Einſicht in die Muſik zu erlangen, als deren noͤthig iſt, um die bisher angefuͤhreten Kennzeichen der Guͤte eines Stuͤckes an demſelben bemerken zu koͤnnen. Dergleichen Zuhoͤrer muͤſſen ſich alſo nur an gewiſſe, nicht die Perſon der Ausfuͤhrer, ſondern die Muſik uͤberhaupt betreffende Nebenumſtaͤnde halten, welche einigermaßen auch ein Zeugniß von der Guͤte eines Stuͤ - ckes ablegen koͤnnen. Sie werden am ſicherſten gehen, wenn ſie, bey großen Verſammlungen, (es muͤſſen aber ſolche Verſammlungen ſeyn, die aus keiner andern Abſicht, als nur um Muſik zu hoͤren, angeſtel - let ſind, und wo die Muſik nicht als ein bloßes Nebenwerk angeſehen wird, Verſammlungen, wo die Zuhoͤrer ſowohl aus Kennern, als der Muſik Unkundigen beſtehen,) indem ein Stuͤck geſungen oder geſpielet wird, auf die Minen und Geberden der Zuhoͤrer Achtung geben, und zu bemerken ſuchen: ob nur einige, oder der groͤßte Theil der Anwe - ſenden zur Aufmerkſamkeit erwecket werde; ob einer dem andern ſeinen Gefallen oder Misfallen zu erkennen gebe; ob ſich einige den Ausfuͤhrern der Muſik naͤhern, oder von ihnen entfernen; ob da - bey geſchwiegen oder laut geſprochen werde; ob man mit dem Kopfe den Tact markire; ob man den Verfaſſer des Stuͤcks zu wiſſen be -Q qgierig306Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusgierig ſey; ob von den Anweſenden, wenn das Stuͤck zu Ende iſt, ein Verlangen gezeiget werde, daſſelbe noch einmal zu hoͤren. Endlich muͤſ - ſen ſie auch ihrer eigenen Empfindung in etwas nachgehen, und unterſu - chen, ob die angehoͤrete Muſik ſie ſelbſt geruͤhret habe; wenn ſie auch gleich nicht allemal die Urſache davon ſagen koͤnnen. Finden ſich nun alle die hier bemeldeten vortheilhaften Umſtaͤnde bey einer Muſik: ſo kann auch ein der Muſik nicht kundiger Zuhoͤrer ſicher ſchluͤßen, daß das Stuͤck gut geſetzet, und gut ausgefuͤhret worden ſey.

52. §.

Der Unterſchied des Geſchmackes, der ſich bey verſchiedenen Nationen, welche an den Wiſſenſchaften uͤberhaupt Geſchmack finden, nicht ſowohl in Anſehung des Weſentlichen, als vielmehr des Zufaͤlligen der Muſik, aͤußert, hat in die muſikaliſche Beurtheilung den groͤßten Einfluß. Es iſt alſo noͤthig, dieſen Unterſchied des Geſchmackes, in der Muſik, noch etwas weitlaͤuftiger zu unterſuchen: ob ich gleich ſchon im Vorigen, an verſchiedenen Orten, wo es noͤthig war, etwas davon angefuͤhret habe.

53. §.

Jede Nation, die anders nicht zu den barbariſchen gehoͤret, hat zwar in ihrer Muſik etwas, das ihr vor andern vorzuͤglich gefaͤllt: es iſt aber theils nicht ſo ſehr von andern unterſchieden, theils nicht von ſolcher Er - heblichkeit, daß man es einer beſondern Aufmerkſamkeit wuͤrdig ſchaͤtzen koͤnnte. Zwey Voͤlker in den neuern Zeiten aber, haben ſich beſonders, nicht nur um die Ausbeſſerung des muſikaliſchen Geſchmackes verdient gemacht, ſondern auch darinne, nach Anleitung ihrer angebohrnen Gemuͤthtsnei - gungen, vorzuͤglich von einander unterſchieden. Dieſes ſind die Jta - liaͤner, und die Franzoſen. Andere Nationen haben dem Geſchma - cke dieſer beyden Voͤlker den meiſten Beyfall gegeben, und entweder die - ſem, oder jenem nachzufolgen, und etwas davon anzunehmen, geſuchet. Hierdurch ſind die gedachten beyden Voͤlker auch verleitet worden, ſich gleichſam zu eigenmaͤchtigen Richtern des guten Geſchmackes in der Mu - ſik aufzuwerfen: und weil niemand von den Auslaͤndern lange Zeit nichts dawider einzuwenden gehabt hat; ſo ſind ſie gewiſſermaßen, einige Jahr - hunderte hindurch, wirklich die muſikaliſchen Geſetzgeber geweſen. Von ihnen iſt hernach der gute Geſchmack in der Muſik auf andere Voͤlker gebracht worden.

54. §. Daß307und eine Muſik zu beurtheilen ſey.

54. §.

Daß in den alten Zeiten, die Muſik, ſo wie die andern ſchoͤnen Wiſ - ſenſchaften, wenn wir nicht bis zu ihrem erſten Urſprunge zuruͤck ſteigen wollen, von den Griechen auf die Roͤmer gekommen ſey; daß ſie ferner nach dem Untergange der Pracht des alten Roms, lange Zeit faſt im Staube der Vergeſſenheit gelegen habe: iſt gewiß. Welche Nation aber zuerſt wieder angefangen habe, die Muſik dem Untergange zu entreiſſen, und in ihrer erneuerten Geſtalt wieder herzuſtellen: dieſes iſt vielem Strei - te unterworfen. Es wuͤrde indeſſen, bey einer recht genauen und eigent - lichen Unterſuchung, der Ausſpruch vermuthlich zum Vortheile der Jta - liaͤner ausfallen muͤſſen. Freylich iſt eine lange Zeit dazu noͤthig geweſen, um die Muſik zu derjenigen Annaͤherung der Vollkommenheit zu bringen, worinne ſie itzo ſteht. Es kann zu gewiſſen Zeiten dieſe, zu gewiſſen Zei - ten aber eine andere Nation darinne etwas weiter fortgeruͤcket, die an - dere aber ihr wieder nachgefolget ſeyn. Kaiſer Karl der Große ſchon, er - kannte, bey ſeiner Anweſenheit in Rom, den welſchen Tonkuͤnſtlern, zumal in Anſehung der Singkunſt, den Preiß zu; und ließ ſogar deren viele nach ſeinem Hofe kommen. Er bemuͤhete ſich ſeine Muſik nach der Wel - ſchen ihrer einzurichten.

55. §.

Man hat gegruͤndete Urſache zu glauben, daß lange nach Kaiſer Karls des Großen Zeiten, die Muſik, bey den Jtaliaͤnern und Franzo - ſen, bey Weitem nicht ſo unterſchieden geweſen ſey, als itziger Zeit. Man weis, das Luͤlly, welchen die Franzoſen faſt als einen muſikaliſchen Be - fehlshaber anſehen, und ſeinem Geſchmacke noch bis itzo durch ganz Frank - reich Beyfall geben, ja denſelben, wenn etwan einige ihrer Landsleute davon abgehen wollen, ſorgfaͤltig wieder herzuſtellen, und ungeaͤndert im Schwange zu erhalten bemuͤhet ſind, ein Welſcher geweſen iſt. Jch will zugeben, daß dieſer beruͤhmte Mann, weil er ſehr jung nach Frankreich gekommen iſt, ſich der vorigen franzoͤſiſchen Muſik einiger maßen beque - met, und ihren Geſchmack angenommen habe. Niemand wird aber dar - thun koͤnnen, daß es ihm moͤglich geweſen ſey, den ſeiner Nation eigen - thuͤmlichen Geſchmack, wovon er doch ſchon etwas in Welſchland begrif - fen hatte, oder zum wenigſten ſein Genie, gaͤnzlich zu verlaͤugnen. Al - les wird darauf hinaus laufen, daß er den Geſchmack der einen Nation mit der andern ihrem vermiſchet habe. Da aber ſeit Luͤllys Tode, der Geſchmack in der Muſik, wie jedermann bekannt iſt, bey den JtaliaͤnernQ q 2ſich308Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusſich immer ſo merklich geaͤndert hat; bey den Franzoſen hingegen immer eben derſelbe geblieben iſt: ſo hat ſich auch der Unterſchied zwiſchen beyden, ſeit dieſer Zeit, erſt recht immer mehr und mehr gezeiget. Wir wollen denſelben etwas naͤher beleuchten.

56. §.

Die Neigung der Jtaliaͤner zur Veraͤnderung in der Muſik, hat dem wahren guten Geſchmacke viel Vortheil geſchaffet. Wieviel be - ruͤhmte große Componiſten hat man nicht, bis zum Ende der erſten dreyßig Jahre dieſes Jahrhunderts, unter ihnen aufzuweiſen gehabt? Seit dem ein Piſtocchi, gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, ſeine Sing - ſchulen eroͤfnet, und daraus der Welt ſo viele brafe Saͤnger mitgetheilet hat; iſt in eben dieſen dreyßig erſtern Jahren des itzigen Seculums, die Singkunſt auf den hoͤchſten Gipfel geſtiegen, und faſt alles, was nur die menſchliche Stimme von Ruͤhrendem und Verwundernswuͤrdigem her - vorbringen kann, durch unterſchiedene, mit Recht beruͤhmte Saͤnger, gezeiget, und in Ausuͤbung gebracht worden. Wie viele Gelegenheit ha - ben nicht die guten Componiſten daher genommen, die Singcompoſition auch immer mehr und mehr zu verbeſſern. Corelli und ſeine Nachfol - ger ſucheten dieſen, auf eine ruͤhmliche Art, in der Jnſtrumentalmuſik nach - zueifern(*)Dieſen italiaͤniſchen Geſchmack, ſo wie er bis auf den oben gedachten Zeitpunct, in Jtalien, durch ſo viele gruͤndliche Maͤnner nach und nach aufgebracht, und nachgehends durch einige beruͤhmte Auslaͤnder, welche dieſen gefolget ſind, noch mehr ins Feine gebracht worden, verſtehe ich vorzuͤglich, wenn ich des italiaͤni - ſchen Geſchmacks erwaͤhne..

57. §.

Jedoch die Veraͤnderung des Geſchmackes in der Muſik hat ſich, ohn - gefaͤhr ſeit den fuͤnf und zwanzig letztvergangenen Jahren, bey den Ton - kuͤnſtlern der welſchen Nation, auch auf eine ganz andere Art gewieſen. Jn den gegenwaͤrtigen Zeiten unterſcheidet ſich der Geſchmack ihrer Saͤn - ger und Jnſtrumentiſten uͤberaus ſehr von einander. Sie ſind darinne gar nicht mehr einig. Obwohl die italiaͤniſchen Jnſtrumentiſten, vor anderer Voͤlker ihren, den Vortheil voraus haben, daß ſie in ihrem Lan - de, von Jugend auf, ſo viel Gutes ſingen hoͤren: ſo gewoͤhnen ſie ſich in den itzigen Zeiten dennoch, einen von den Saͤngern ſo ſehr unterſchie - denen Geſchmack anzunehmen, daß man ſie kaum fuͤr einerley Volck hal - ten ſollte. Dieſer Unterſchied aber beſteht groͤßtentheils im Vortrage,und309und eine Muſik zu beurtheilen ſey. und in einem uͤberhaͤuften Zuſatze der willkuͤhrlichen Auszierungen. Er hat von einigen beruͤhmten Jnſtrumentiſten ſeinen Urſprung genommen, welche ſich von Zeit zu Zeit in der Setzkunſt, beſonders aber auf ihren Jnſtrumenten, durch Ausfuͤhrung vieler Schwierigkeiten, hervorgethan haben. Sie muͤſſen aber dabey auch von ſo unterſchiedener Gemuͤthsbe - ſchaffenheit geweſen ſeyn, daß der eine dadurch auf dieſen, der andere auf einen andern Geſchmack verfuͤhret worden; welchen nachgehends ihre Anhaͤnger immer weiter fortgepflanzet haben: ſo daß dadurch endlich aus einem gruͤndlichen, ein frecher und bizarrer Geſchmack entſtanden iſt. Die Eiferſucht, welche in Welſchland zwiſchen den Saͤngern und Jnſtru - mentiſten, und zwiſchen den Jnſtrumental - und Vocalcomponiſten im - mer herrſchet, kann auch etwas zu dieſer Abſonderung beygetragen haben. Die Saͤnger wollen den Jnſtrumentiſten den Vortheil nicht goͤnnen, durch das Sangbare, ſo wie ſie, zu ruͤhren: ſie maßen ſich ohne dem, oh - ne Unterſchied, eines Vorzugs uͤber die Jnſtrumentiſten an. Dieſe aber wollen jenen nichts nachgeben; ſie ſuchen alſo, ob es nicht moͤglich ſey, mit einer andern Art, eben ſo gut als jene, zu gefallen. Dadurch ſind ſie aber, zum Schaden des wahrhaftig guten Geſchmackes, faſt auf das Gegentheil verfallen.

58. §.

Zweene beruͤhmte lombardiſche Violiniſten, welche ohn - gefaͤhr vor etlichen und dreyßig Jahren, nicht gar lange nach einander, angefangen haben bekannt zu werden, haben hierzu inſonderheit viel bey - getragen. Der erſte war lebhaft, reich an Erfindung, und erfuͤllete faſt die halbe Welt mit ſeinen Concerten. Obwohl Torelli, und nach ihm Corelli hierinne einen Anfang gemachet hatten: ſo brachte er ſie doch, nebſt dem Albinoni, in eine beſſere Form, und gab davon gute Mu - ſter. Er erlangete auch dadurch, ſo wie Corelli durch ſeine zwoͤlf Solo, einen allgemeinen Credit. Zuletzt aber verfiel er, durch allzuvieles und taͤgliches Componiren, und beſonders da er anfieng theatraliſche Singmu - ſiken zu verfertigen, in eine Leichtſinnigkeit und Frechheit, ſowohl im Setzen, als Spielen: weswegen auch ſeine letztern Concerte nicht mehr ſo viel Beyfall verdieneten, als die erſtern. Man ſaget von ihm, daß er einer von denen ſey, die den ſogenannten lombardiſchen Geſchmack, welcher darinne beſteht, daß man bisweilen, von zwo oder drey kurzen Noten, die anſchlagende kurz machet, und hinter die durchgehende einen Punct ſetzet, ſ. V. Haupſt. 23. §, und welcher Geſchmack ohngefaͤhr imQ q 3Jahre310Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein MuſikusJahre 1722 ſeinen Anfang genommen hat, erfunden haben. Es ſcheint aber dieſe Schreibart, wie einige Merkmaale zu erkennen geben, der Schotlaͤndi - ſchen Muſik etwas aͤhnlich zu ſeyn; ſie iſt auch ſchon wohl zwanzig Jahre vor ihrem Aufkommen in Jtalien, von einigen deutſchen Componiſten, hier und da, ob wohl nicht ſo haͤufig, angebracht worden: folglich koͤnnte ſie bey den Welſchen nur als eine Nachahmung der itztbenennten angeſe - hen werden. Dem ſey nun wie ihm wolle, ſo hat doch dieſe Veraͤnde - rung der Art zu denken, den gedachten beruͤhmten Violiniſten, vor ſeine Perſon, in den letzten Zeiten ſeines Lebens, von dem guten Geſchmacke faſt ganz und gar abgefuͤhret.

59. §.

Der andere der oben erwaͤhnten beyden lombardiſchen Violiniſten, iſt einer der erſten und groͤßten Meiſter Schwierigkeiten auf der Violi - ne zu ſpielen. Er hat, wie man vorgiebt, ſich einige Jahre der muſi - kaliſchen Geſellſchaft ganz und gar entzogen, um einen aus ihm ſelbſt fließenden Geſchmack hervor zu bringen. Dieſer Geſchmack iſt aber ſo ge - rathen, daß er nicht nur des Vorigen ſeinem, in gewiſſer Art, ganz ent - gegen iſt, ſondern auch im Singen unmoͤglich nachgeahmet werden kann, folglich nur denen Violiniſten, die von der wahren guten Singart viel - leicht wenig Empfindung haben, allein eigen bleibt. Wie aber jener durch die Vielheit ſeiner muſikaliſchen Werke in eine Leichtſinnigkeit und Frechheit verfiel; und durch ſolche ſich von dem Geſchmacke der andern merklich unterſchied: ſo iſt dieſer hingegen, in Anſehung der Singart, oder vielmehr durch Verbannung des Guten und Gefaͤlligen ſo dieſelbe hat, von allen andern ganz und gar abgegangen. Deswegen hat auch ſeine Compoſition nicht, mit der vorerwaͤhnten, ein gleiches Schickſal er - halten. Es ſind in derſelben faſt nichts als trockene, einfaͤltige, und ganz gemeine Gedanken anzutreffen, welche ſich allenfalls beſſer zur komi - ſchen, als zur ernſthaften Muſik, ſchicken moͤchten. Sein Spielen hat zwar, weil es etwas neues zu ſeyn geſchienen, bey denen, die das Jn - ſtrument verſtehen, viel Verwunderung, bey andern aber deſto weniger Gefallen erwecket. Und weil er vielerley Arten und Schwierigkeiten des Bogenſtriches erfunden; wodurch ſein Vortrag ſich von allen andern un - terſcheidet: ſo iſt es denn auch geſchehen, daß verſchiedene deutſche Vio - liniſten, aus Neugierigkeit, aber nicht eben zu ihrem Vortheile, unter ſeine Jnformation gerathen ſind. Viele haben ſeine Art zu ſpielen ange - nommen und beybehalten: einige hingegen haben dieſelbe, weil ſie nach -hero311und eine Muſik zu beurtheilen ſey. hero durch die gute Singart eines beſſern uͤberzeuget worden, wieder ver - laſſen. Wie aber nur ſelten eine Copey dem Urbilde ganz aͤhnlich wird; man aber oftmals in dem Scholaren den Meiſter zu hoͤren glaubet, und jenen auf dieſes ſeine Unkoſten zu ſchaͤtzen pfleget: ſo kann es gar wohl ſeyn, daß einige von dieſes beruͤhmten Violiniſten ſeinen Scholaren, deren er ſeit geraumer Zeit eine ziemliche Anzahl gezogen, ein Vieles zu ſeinem Nachtheile beygetragen haben. Sie haben vielleicht, entweder ſeine Art zu ſpielen nicht recht begriffen; oder ſie ſind durch die Verſchie - denheit der Gemuͤthsart verleitet worden, dieſelbe noch bizarrer zu ma - chen, und alſo denen, die wieder von ihnen gelernet haben, in einer viel verſchlimmerten Geſtalt beyzubringen. Folglich iſt wohl zu glauben, daß er ſelbſt Vieles, an Unterſchiedenen, die ſich ruͤhmen in ſeinem Geſchma - cke zu ſpielen, nicht gut heißen wuͤrde.

Es iſt deswegen einem jeden jungen Muſikus anzurathen, nicht eher nach Jtalien zu gehen, als bis er das Gute vom Boͤſen in der Muſik zu unterſcheiden weis: denn wer nicht von muſikaliſcher Wiſſenſchaft etwas mit hinein bringt; der bringt auch, zumal itziger Zeit, ſchwerlich was mit heraus. Ein angehender Muſikus muß ferner, in Jtalien, immer mehr von Saͤngern, als von Jnſtrumentiſten, zu profitiren ſuchen. Wen aber nicht etwan das Vorurtheil verleitet, der findet nunmehro das, was er ſonſt in Jtalien und in Frankreich ſich haͤtte zu Nutzen machen koͤnnen, in Deutſchland.
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60. §.

Jch habe die vorhin erwaͤhnten beyden beruͤhmten, und, in mehr als einer Betrachtung, brafen Maͤnner nicht angefuͤhret, um ihre Ver - dienſte zu ſchaͤtzen, oder das, was ſie wirklich Gutes haben, zu verklei - nern. Jch habe es nur gethan, um einiger maßen den Urſprung zu ent - decken, woher es gekommen iſt, daß die heutigen welſchen Jnſtrumenti - ſten, beſonders aber die Violiniſten, mehrentheils einen beſondern, der guten Singart ſo ſehr entgegen ſtehenden Geſchmack angenommen haben: da doch der wahre und gute Geſchmack allgemein ſeyn ſollte. Einigen un - ter ihnen fehlet es zwar weder an der Erkenntniß, noch an der Empfin - dung deſſen, was zum guten Singen gehoͤret: dennoch ſuchen ſie ſolches auf ihren Jnſtrumenten nicht nachzuahmen: ſondern, was ſie bey den Saͤngern fuͤr was Vortreffliches halten, das finden ſie auf dem Jnſtru - mente zu ſchlecht, und zu gering. Sie loben den Saͤnger, wenn er deut - lich und ausdruͤckend ſingt; ſie hingegen finden es fuͤr gut, wenn ſie auf dem Jnſtrumente dunkel und ohne Ausdruck ſpielen. Sie billigen an dem Saͤnger einen modeſten und ſchmeichelnden Vortrag; der ihrige hingegeniſt312Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusiſt wild und frech. Machet der Saͤnger, im Adagio, nicht mehr Aus - zierungen, als es die Sache leidet; ſo ſagen ſie, er ſinge meiſterhaft: ſie hingegen uͤberhaͤufen das Adagio mit ſo vielen Manieren und wilden Laͤufen, daß man es eher fuͤr ein ſcherzhaftes Allegro halten ſollte, und die Eigenſchaften des Adagio faſt gar nicht mehr daran wahrnehmen kann.

61. §.

Man findet auch, daß die itzigen italiaͤniſchen Violiniſten faſt alle in einerley Geſchmacke ſpielen: wodurch ſie ſich aber von ihren Vorfah - ren nicht auf die beſte Art unterſcheiden. Der Bogenſtrich, welcher auf dieſem Jnſtrumente, wie der Zungenſtoß auf Blasinſtrumenten, die Leb - haftigkeit der muſikaliſchen Ausſprache wirken muß, dienet ihnen oͤfters nur, wie der Blaſebalk bey einer Sackpfeife, das Jnſtrument auf eine leyernde Art klingend zu machen. Sie ſuchen die groͤßte Schoͤnheit da, wo ſie nicht zu finden iſt, naͤmlich in der aͤußerſten Hoͤhe, am Ende des Griffbretes; ſie klettern darauf immer in der Hoͤhe, wie die Mondſuͤchti - gen auf den Daͤchern herum, und verabſaͤumen daruͤber das wahre Schoͤ - ne, das iſt, ſie berauben das Jnſtrument mehrentheils ſeiner Gravitaͤt und Anmuth, welche die dicken Seyten zu wirken faͤhig ſind. Das Ada - gio ſpielen ſie zu frech, und das Allegro zu ſchlaͤfrig. Sie halten es im Allegro fuͤr was beſonders, eine Menge Noten in einem Bogenſtriche her - zuſaͤgen. Die Triller ſchlagen ſie entweder zu geſchwind und zitternd, oder wohl gar in der Terze; welches ſie doch bey den Saͤngern fuͤr einen Fehler halten. Mit einem Worte, ihr Vortrag und ihre Art zu ſpielen iſt ſo beſchaffen, daß es klingt, als wollte ein geſchikter Violiniſt, einen ganz altvaͤteriſchen, auf eine laͤcherliche Art, vorſtellen. Diejenigen Zu - hoͤrer, welche von gutem Geſchmacke ſind, muͤſſen deswegen oͤfters alle Muͤhe anwenden, um das Lachen zu verbergen. Wenn dergleichen neu - modiſche italiaͤniſche Violiniſten alſo, in einem Orcheſter, als Ripieniſten gebrauchet werden ſollen; ſo verderben ſie gemeiniglich mehr, als ſei Gu - tes ſtiften.

Man koͤnnte deswegen gewiſſe beruͤhmte Orcheſter, deren Mitglieder mit Jtaliaͤnern vermiſchet ſind, zum Beyſpiele anfuͤhren. Man kann in denſelben bemerken, daß wenn etwan eine, bey ihnen ſonſt ungewohnte, Unordnung, oder ungleicher Vor - trag verſpuͤret wird, ſolches mehrentheils von einem ohne Augen und Ohren ſpie - lenden Jtaliaͤner herruͤhre. Sollte nun allenfalls ein gutes Orcheſter das Un - gluͤck treffen, durch einen ſolchen Jtaliaͤner, wie ich ihn hier beſchrieben habe, an - gefuͤhret zu werden: ſo haͤtte man wohl nichts gewiſſers zu gewarten, als daßdaſſel -
34313und eine Muſik zu beurtheilen ſey.
daſſelbe ſeinen vorigen Glanz gaͤnzlich verlieren werde. Gluͤcklich iſt alſo das Or - cheſter, welches davon befreyet bleibt. Zu verwundern aber iſt, daß ſolche italiaͤ - niſche Jnſtrumentiſten, von denen hier die Rede iſt, oftmals bey ſolchen Muſik - verſtaͤndigen Beyfall und Schutz finden, von welchen man es am allerwenigſten vermuthen ſollte; bey ſolchen Tonkuͤnſtlern, deren Einſicht und gereinigter Ge - ſchmack, uͤber dergleichen bizarre Art zu ſpielen, viel zu weit erhaben iſt, als daß ſie einigen Gefallen daran finden koͤnnten. Oftmals geſchieht es wohl nur aus Verſtellung, oder wer weis aus was noch fuͤr andern Urſachen.
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62. §.

Jn der Compoſition der itzigen italiaͤniſchen Jnſtrumenti - ſten, wenige davon ausgenommen, findet man mehr Frechheit und verwor - rene Gedanken, als Beſcheidenheit, Vernunft, und Ordnung. Sie ſuchen zwar viel Neues zu erfinden; ſie verfallen aber dadurch in viele nieder - traͤchtige und gemeine Gaͤnge, die mit dem, was ſie noch Gutes unter - miſchen, wenig Gemeinſchaft haben. Sie bringen nicht mehr ſolche ruͤhrende Melodieen vor, als ehedem. Jhre Grundſtimmen ſind weder praͤchtig noch melodiſch, und haben keinen ſonderlichen Zuſammenhang mit der Hauptſtimme. Jn ihren Mittelſtimmen findet man weder Arbeit, noch etwas gewagtes, ſondern nur eine trockene Harmonie. Auch in ihren Solo koͤnnen ſie einen Baß, der zuweilen einige melodiſche Bewe - gungen machet, nicht ausſtehen. Sie lieben es vielmehr, wenn der Baß fein trocken einhergeht, nur ſelten anſchlaͤgt, oder immer auf einem Tone trummelt. Sie geben vor, daß der Concertiſt dadurch am we - nigſten bedecket werde. Sie ſchaͤmen ſich aber vielleicht zu ſagen, daß ſie den Baß deswegen auf ſolche Art ſetzen, oder ſetzen laſſen, damit der, der Harmonie und ihrer Regeln ganz unkundige Virtuoſe, nicht ſo oft Gefahr laufe, ſeine Unwiſſenheit zu verrathen. Auf den ganzen Ver - halt der Sache, und auf das Metrum, geben ſie wenig Achtung. Jn der Modulation nehmen ſie ſich zu viel Freyheit. Sie ſuchen nicht die Leidenſchaften ſo auszudruͤcken und zu vermiſchen, wie es in der Sing - muſik uͤblich iſt. Mit einem Worte, ſie haben den Geſchmack ihrer Vorfahren, in der Jnſtrumentalmuſik, zwar veraͤndert, aber nicht ver - beſſert.

63. §.

Jn der Vocalcompoſitionder heutigen Nationalitaliaͤner iſt die Rolle der Singſtimme das Beſte. Hierauf wenden ſie den meiſten Fleiß; ſie machen ſie dem Saͤnger bequem, und bringen darinne nicht ſelten ar -R rtige314Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikustige Einfaͤlle und Ausdruͤcke an. Oefters aber verfallen ſie auch dabey in das Niedertraͤchtige und Gemeine. Was die Begleitung der Jnſtru - mente betrifft, ſo unterſcheidet ſie ſich nicht viel von der im vorigen §. beſchriebenen Jnſtrumentalcompoſition. Das Ritornell iſt meiſtentheils ſehr ſchlecht, und ſcheint manchmal gar nicht zu dieſer Arie zu gehoͤren. Das richtige Metrum fehlt auch ſehr oͤfters. Es iſt zu bedauern, daß die meiſten der itzigen italiaͤniſchen Operncomponiſten, deren einigen man das gute Naturell nicht abſprechen kann, zu fruͤhzeitig, ehe ſie noch was von den Regeln der Setzkunſt verſtehen, fuͤr das Theater zu ſchreiben an - fangen; daß ſie ſich nachgehends nicht mehr, wie ihre Vorfahren thaten, die Zeit nehmen, die Setzkunſt aus dem Grunde zu ſtudiren; daß ſie da - bey nachlaͤßig ſind, und mehrentheils zu geſchwind arbeiten. Jch getrauete mir eben nicht das Gegentheil zu erweiſen, wenn jemand behaupten woll - te, daß ſie vielleicht noch ſchlechter ſeyn wuͤrden, wofern nicht ein und der andere große Componiſt unter ihren nordiſchen Nachbarn, abſon - derlich ein beruͤhmter Mann, dem ſie den wahren guten und vernuͤnftigen Geſchmack in der Singmuſik faſt abgetreten zu haben ſcheinen, ihnen noch, durch ſeine haͤufig in Jtalien aufgefuͤhrten Singſpiele, mit gu - ten Exempeln vorgienge, und dadurch oͤfters Gelegenheit gaͤbe, ſich mit ſeinen Federn auszuſchmuͤcken. So viel iſt gewiß, daß die An - zahl der guten ingebohrnen welſchen Componiſten, vor mehr und we - niger als zwanzig Jahren, durch das, nicht gar lange nach einander erfolgte, fruͤhzeitige Abſterben dreyer jungen Componiſten, welche einen hervorragenden Geiſt ſpuͤren ließen, und große Hoffnung gaben, aber alle drey nicht voͤllig zur Reife gekommen ſind, einen ſtarken Verluſt er - litten hat. Dieſe unterſchieden ſich, in ihrer Art zu denken, merklich von einander. Der eine hieß: Capelli. Dieſer war zum Praͤchtigen, Feurigen und Fremden aufgelegt. Der andere war: Pergoleſe. Die - ſer hatte zum Schmeichelnden, Zaͤrtlichen und Angenehmen viel Natu - rell; und bezeigte dabey viel guten Willen zur arbeitſamen Compoſition. Der dritte hieß: Vinci. Er war lebhaft, reich an Erfindung, ange - nehm, natuͤrlich, und oͤfters ſehr gluͤcklich im Ausdrucke: weswegen er auch in kurzer Zeit, durch nicht allzuviele Singſpiele, in ganz Jtalien, ſchon einen allgemeinen Beyfall erworben hatte. Nur ſchien ihm die Ge - duld, und die Luſt zur ſorgfaͤltigen Ausbeſſerung ſeiner Gedanken, etwas zu fehlen.

64. §. Uebri -315und eine Muſik zu beurtheilen ſey.

64. §.

Uebrigens, wenn man die Fehler der Componiſten, von dem, was ſie wirklich Gutes haben, abſondert; ſo kann man den Jtaliaͤnern uͤber - haupt, die Geſchiklichkeit im Spielen, die Einſicht in die Muſik, die reiche Erfindung ſchoͤner Gedanken, und daß ſie es im Singen zu einer groͤßern Vollkommenheit gebracht haben, als irgend eine andere Nation, nicht abſprechen. Nur Schade, daß ſeit einiger Zeit, die meiſten ihrer Jnſtrumentiſten allzuweit von dem Geſchmacke des Singens abgegan - gen ſind: wodurch ſie nicht nur Viele, die ihnen nachzuahmen ſuchen, verfuͤhren, ſondern auch ſo gar manchen Saͤnger verleiten, die gute Sing - art zu verlaſſen. Es iſt daher nicht ohne Grund zu befuͤrchten, daß der gute Geſchmack in der Muſik, welchen die Jtaliaͤner ehedem vor den mei - ſten Voͤlkern voraus gehabt haben, ſich bey ihnen nach und nach wieder verlieren, und andern gaͤnzlich zu Theile werden koͤnne. Einige vernuͤnf - tige, und von Vorurtheilen befreyete italiaͤniſche Muſikverſtaͤndige ge - ſtehen dieſes ſelbſt zu. Sie wollen noch darzu behaupten, daß ſolches, ſowohl in Anſehung der Compoſition, als der Art zu ſpielen, bereits ge - ſchehen ſey. Dem ſey aber wie ihm wolle, ſo bleibt den Jtaliaͤnern doch die gute Singart, welche ſich auch ſogar gewiſſermaßen bis auf ihre Gon - delnfuͤhrer ausbreitet, vor allen andern Voͤlkern noch eigen.

65. §.

Bey den Franzoſen findet ſich das Gegentheil von dem, was ich von den Jtaliaͤnern geſaget habe. Denn ſo wie die Jtaliaͤner in der Mu - ſik faſt zu veraͤnderlich ſind; ſo ſind die Franzoſen darinne zu beſtaͤndig, und zu ſklaviſch. Sie binden ſich allzuſehr an gewiſſe Charaktere, wel - che zwar zum Tanze und zu Trinkliedern, aber nicht zu ernſthaftern Stuͤcken vortheilhaft ſind: weswegen auch das Neue bey ihnen oͤfters alt zu ſeyn ſcheint. Die Jnſtrumentiſten pflegen ſich zwar mit Ausfuͤhrung großer Schwierigkeiten, und mit vielen Auszierungen im Adagio, nicht weit einzulaſſen; doch tragen ſie ihre Sache mit vieler Deutlichkeit und Reinigkeit vor: womit ſie zum wenigſten die guten Gedanken des Com - poniſten nicht verderben. Wegen ihres deutlichen Vortrages, ſind ſie in einem Orcheſter, als Ripieniſten, beſſer zu gebrauchen, als die Jtaliaͤ - ner. Es iſt daher einem jeden angehenden Jnſtrumentiſten zu rathen, daß er mit der franzoͤſiſchen Art zu ſpielen den Anfang mache. Er wird dadurch nicht allein, die vorgeſchriebenen Noten, und die kleinen Aus - zierungen, reinlich und deutlich vortragen lernen; ſondern auch, mit derR r 2Zeit,316Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein MuſikusZeit, den franzoͤſiſchen Schimmer mit der italiaͤniſchen Schmeicheley zu vermiſchen, faͤhig werden, und eine um ſo viel gefaͤlligere Art zu ſpielen erlangen.

66. §.

Die franzoͤſiſche Art zu ſingen iſt ſo beſchaffen, daß dadurch nicht, wie bey den Jtaliaͤnern, große Virtuoſen koͤnnen gezogen werden. Sie erſchoͤpfet das Vermoͤgen der menſchlichen Stimme bey Weitem nicht. Jhre Arien ſind mehr redend als ſingend. Sie erfodern faſt mehr Fer - tigkeit der Zunge, im Sprechen der Woͤrter, als Geſchiklichkeit der Kehle. Der Zuſatz der Manieren wird von dem Componiſten vorgeſchrie - ben: folglich haben die Ausfuͤhrer nicht noͤthig die Harmonie zu verſtehen. Die Paſſagien ſind bey ihnen im Singen faſt gar nicht uͤblich: weil ſie vorgeben daß ihre Sprache dieſelben nicht erlaube. Die Arien werden mehrentheils, wegen Mangels der guten Saͤnger, ſo geſetzet, daß ſie ein jeder, wer nur will, nachſingen kann: welches zwar ſolchen Liebhabern der Muſik, die nicht viel davon verſtehen, ein Vergnuͤgen machet; den Saͤn - gern aber keinen ſonderlichen Vorzug giebt. Es bleibt ihren Saͤngern nichts beſonderes eigen, als die gute Action, welche ſie vor andern Voͤl - kern voraus haben.

67. §.

Jn der Compoſition verfahren die Franzoſen ſehr gewiſſen - haft. Jn ihren Kirchenmuſiken findet man zwar mehr Beſcheidenheit, aber auch mehr Trockenheit, als in den italiaͤniſchen. Sie lieben die na - tuͤrlichen Gaͤnge mehr, als die chromatiſchen. Jn der Melodie ſind ſie treu - herziger als die Jtaliaͤner; denn man kann die Folge der Gedanken faſt immer errathen: an Erfindungen aber ſind ſie nicht ſo reich als jene. Sie ſehen mehr auf den Ausdruck der Woͤrter, als auf einen reizenden oder ſchmeichelnden Geſang. So wie die Jtaliaͤner die Schoͤnheit der Com - poſition, groͤßten Theils, nur in der Hauptſtimme anzubringen ſuchen; wodurch zwar die Grundſtimme dann und wann verabſaͤumet wird: ſo legen hingegen die Franzoſen meiſtentheils mehr Schimmer in die Grund - ſtimme, als in die Hauptſtimme. Jhr Accompagnement iſt mehr ſim - pel, als erhaben. Jhr Recitativ ſingt zu viel, die Arien hingegen zu wenig: weswegen man in einer Oper nicht allemal errathen kann, ob man ein Recitativ oder ein Arioſo hoͤre. Wofern auf ein franzoͤſiſches Recitativ eine zaͤrtliche Arie folget, wird man ganz und gar eingeſchlaͤ - fert, und verliert alle Aufmerkſamkeit: da doch der Entzweck einer Opererfo -317und eine Muſik zu beurtheilen ſey. erfodert, daß die Zuhoͤrer beſtaͤndig mit einer angenehmen Abwechſelung unterhalten, und immer aus einer Leidenſchaft in die andere verſetzet, ja daß die Leidenſchaften ſelbſt bisweilen auf einen gewiſſen Grad der Staͤrke ge - trieben werden, und wieder abnehmen ſollen. Dieſes kann aber der Dich - ter, ohne Beyhuͤlfe des Componiſten, nicht allein bewerkſtelligen. Doch was den franzoͤſiſchen Opern, wegen des geringen Unterſchieds, der ſich zwiſchen Arien und Recitativen findet, an der Lebhaftigkeit abgeht; das erſetzen die Choͤre und Taͤnze. Wenn man den ganzen Zuſammenhang einer franzoͤfiſchen Oper genau betrachtet, ſo ſollte man faſt glauben, als wenn die allzuaͤhnliche Vermiſchung der Arien und Recitative mit Fleiß ſo eingerichtet wuͤrde, um die Choͤre und Ballette deſto mehr zu erheben. Ungeachtet nun dieſe, ſowohl als die Auszierungen des Schauplatzes, nur als ein Nebenwerk einer Oper anzuſehen ſind; wie denn abſonderlich die Choͤre in den italiaͤniſchen Opern wenig geachtet werden: ſo ſind ſie nichts deſto weniger faſt die groͤßte Zierde der franzoͤſiſchen Singſpiele. Es iſt unſtreitig, daß die Muſik der Franzoſen, ſich, zu dem in ſeiner Vollkommenheit betrachteten Tanzen, viel beſſer ſchicket, als keine an - dere: da hingegen die italiaͤniſche zum Singen und Spielen eine beſſere Wirkung thut, als zum Tanzen. Doch iſt auch nicht ganz zu laͤugnen, daß man in der franzoͤſiſchen Jnſtrumentalmuſik, vornehmlich aber in ihren charakteriſireten Stuͤcken, wegen des an einander hangenden und concertirenden Geſanges, viele gefaͤllige und annehmliche Gedanken an - trifft, die ſich, im italiaͤniſchen Geſchmacke, mit praͤchtigen und erhabe - nen Gaͤngen ſehr wohl vermiſchen laſſen.

68. §.

Alle italiaͤniſchen Opern ſind, wenn man ſie im Ganzen betrachtet, auch nicht lauter Meiſterſtuͤcke. Obgleich ihre vornehmſten Operndichter, ſich, abſonderlich ſeit dem Anfange dieſes Jahrhunderts, alle Muͤhe ge - geben haben, die Singſpiele von vielen Ausſchweifungen zu reinigen, und dem vernuͤnftigen Geſchmacke des franzoͤſiſchen Tragoͤdientheaters, ſo viel als moͤglich iſt, aͤhnlich zu machen; ob man wohl in Jtalien eine Menge vollkommen ſchoͤner Opernpoeſieen aufzuweiſen hat: da hingegen die Franzoſen, in ihren meiſten Opern, noch immer an den Fabeln kle - ben, und an einer Menge unnatuͤrlicher und abentheuerlicher Vorſter - lungen ſich beluſtigen: ſo werden doch noch in Jtalien, ſowohl durch manche Poeten, als durch die Componiſten und Saͤnger, große Fehler begangen. Die Poeten verbinden z. E. die Arien nicht allemal mit derR r 3Haupt -318Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein MuſikusHauptſache: ſo daß manche Arie, die mit dem Vorigen nicht den gehoͤri - gen Zuſammenhang hat, nur von ohngefaͤhr eingeſchoben zu ſeyn ſcheint. Manchmal mag es einigen Dichtern wohl an der Beurtheilung oder an der Empfindung gefehlet haben: zuweilen aber kann es ſeyn, daß ſie dem Componiſten zu Gefallen, und nach gewiſſen Nebenabſichten haben dich - ten muͤſſen: wenn naͤmlich die Worte nicht bequem in die Muſik zu brin - gen geweſen ſind; woran der Poet Schuld iſt; oder wenn etwan der Com - poniſt eine Arie ſchon fertig hat, deren Worte ſich nicht an den Ort, wo ſie hinkommen ſoll, ſchicken, und der Dichter alſo eine Parodie daruͤber machen muß; welche freylich nicht allemal zum beſten geraͤth. Biswei - len muͤſſen ſich die Dichter nur bemuͤhen, Worte mit ſolchen Selbſtlau - tern ausfuͤndig zu machen, die ſich gut zu Paſſagien ſchicken: wodurch denn, wenn die Dichter nicht reich an Veraͤnderung der Gedanken und der Ausdruͤcke ſind, dem Zuſammenhange der Sache, und der Schoͤn - heit der Poeſie, freylich nicht allezeit gerathen wird. Doch wird man wahrnehmen, daß die großen Operndichter, den einzigen Metaſtaſio ausgenommen, gemeiniglich bey Weitem nicht ſo bequeme Arien zur Mu - ſik machen, als die mittelmaͤßigen. Dieſe muͤſſen ſich dem Componiſten wohl bequemen, wenn ſie anders fortkommen wollen: jene aber wollen ſich, auch oͤfters nicht einmal in billigen und nothwendigen Stuͤcken, zum Vortheile der Muſik, von ihrer vermeynten Hoͤhe herab laſſen: ob es gleich gar wohl moͤglich iſt, daß die Poeſie und Muſik ſich mit einander ſo vereinigen koͤnnen, daß keine dabey zu kurz komme; wie nur noch erſt kuͤrzlich, in einem eigenen deutſchen Werke: von der muſikaliſchen Poeſie, mit beſonderer Gruͤndlichkeit iſt gezeiget worden.

69. §.

Die Franzoſen legen den Jtaliaͤnern, nicht ganz und gar ohne Grund, zur Laſt, daß ſie in den Arien, ohne Unterſchied, zu viel Paſſagien an - bringen. Es iſt zwar wahr, daß wenn es der Sinn der Worte erlau - bet, und der Saͤnger die Faͤhigkeit beſitzt, Paſſagien lebhaft, egal, rund, und deutlich heraus zu bringen, die Paſſagien eine ausnehmende Zierde im Singen ſind. Es iſt aber auch nicht zu laͤugnen, daß die Jtaliaͤner hierinne bisweilen zu weit gehen, und weder einen Unterſchied der Wor - te, noch der Saͤnger machen; ſondern nur mehrentheils der hergebrach - ten Gewohnheit, ohne Beurtheilung, nachgehen. Die Paſſagien moͤgen wohl Anfangs, einigen guten Saͤngern zu Gefallen, ſo haͤufig eingefuͤh - ret worden ſeyn, um die Geſchiklichkeit ihrer Kehle zu zeigen. Es iſtaber319und eine Muſik zu beurtheilen ſey. aber nachher ein Misbrauch daraus erwachſen; ſo daß man glaubet, eine Arie ohne Paſſagien ſey nicht ſchoͤn, oder ein Saͤnger ſinge nicht gut, oder tauge gar nichts, wenn er nicht auch gleich, wie ein Jnſtrumentiſt, viele ſchwere Paſſagien zu machen wiſſe: ohne zu bedenken, ob der Text Paſſagien erlaube, oder nicht. Es iſt abſonderlich nichts ungereimter, als wenn in einer ſogenannten Actionarie, worinn ein hoher Grad des Affects, er mag klagend oder wuͤtend ſeyn, liegt, und die mehr ſprechend, als ſingend ſeyn ſollte, viele Paſſagien vorkommen. Dieſe unterbrechen und vernichten an dieſem Orte den ganzen Ausdruck der Sache: zu ge - ſchweigen, daß dergleichen Arien bey vielen Saͤngern unbrauchbar werden. Saͤnger, welche die Faͤhigkeit haben, Paſſagien, mit voͤlliger Staͤrke und ohne Fehler der Stimme, rund und deutlich heraus zu bringen, ſind rar: da hingegen viele Saͤnger, ohne dieſe Geſchiklichkeit und Naturgabe zu beſi - tzen, dennoch gut ſeyn koͤnnen. Ehe man zu einer Leichtigkeit in den Paſſa - gien gelanget, muß ein großer Fleiß und beſondere Uebung vorher gehen. Diejenigen Saͤnger aber, welchen, ungeachtet alles angewendeten Fleißes, die Natur doch dieſe Leichtigkeit verſaget, duͤrften nur, anſtatt daß ſie ſich, um die Mode mit zu machen, mit Paſſagien martern, ihre Zeit auf etwas beſſers wenden, naͤmlich ſchmackhaft und ausdruͤckend zu ſin - gen; welches ſonſt oͤfters dabey verſaͤumet wird. Aus der uͤbertriebenen Luſt Paſſagien zu ſingen, entſteht auch oͤfters noch das Uebel, daß um einiger Saͤnger willen, denen zuwider zu ſeyn die Klugheit nicht allemal erlaubet, dem Componiſten, und dem Dichter, die Freyheit ordentlich zu denken benommen wird. Doch es ſcheint, daß itzo, der an den mei - ſten Orten in Welſchland eingeriſſene Mangel fertiger Saͤnger, den Paſ - ſagien oͤfters faſt gar zu enge Graͤnzen ſetzen werde.

70. §.

Der Urſachen, warum nicht alle Opern in Jtalien vernuͤnftig und gut ausgefuͤhret werden, kann es noch viel mehrere geben. Taugt vol - lends die ganze Erfindung und Ausfuͤhrung der Oper, von Seiten des Poeten, nicht viel; denn nicht einmal alle Materien ſind der Muſik be - quem: ſo kann es auch dem beſten Componiſten fehl ſchlagen; weil er felbſt durch die Poeſie nicht angefeuert wird. Wendete er auch alle ſeine Kraͤfte an, um etwas Gutes hervor zu bringen; ſo kann deſſen ungeach - tet ſeine Compoſition doch nicht den erwarteten Beyfall erhalten: weil die Meiſten, bisweilen aus Jrrthum, den guten oder ſchlechten Erfolg einer Oper nicht dem Poeten, ſondern dem Componiſten allein zuſchreiben:ob320Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusob gleich der eine eben ſo viel als der andere beytragen muß, wenn die Oper, von Seiten der Verfaſſer, vollkommen ſeyn ſoll. Eine gute, und durch den Dichter wohl ausgefuͤhrte Materie eines Singſpiels, kann eine mittelmaͤßige Muſik erheben: eine ſchlecht abgehandelte hingegen, kann verurſachen, daß eine daruͤber ſehr wohl geſetzete Muſik, wenn man ſie oͤfters hoͤret, Verdruß und lange Weile machet: beſonders wenn die Saͤnger und Accompagniſten das Jhrige nicht auch gehoͤrig dazu beytragen.

71. §.

Wenn aber der Poet eine gute Materie gewaͤhlet, und ſelbige nach aller moͤglichen Wahrſcheinlichkeit ausgefuͤhret hat; wenn er die Charakte - re der aufgefuͤhrten Perſonen wohl von einander unterſchieden, und ſol - che, ſo viel als moͤglich iſt, den Faͤhigkeiten, dem Alter, den Gemuͤths - neigungen, und der Geſtalt der Saͤnger gemaͤß eingerichtet hat; wenn er einen jeden ſo ſprechen laͤßt, wie es dem Charaktere, den er vorſtel - let, zukoͤmmt; wenn die Recitative nicht gar zu weitlaͤuftig, nnd die Worte der Arien nicht zu lang noch zu hochtrabend ſind; wenn in den Arien zwar zuweilen einige, mit der Muſik bequem nachzumalende Gleich - niſſe, vornehmlich und unumgaͤnglich aber die Sprache der Leidenſchaf - ten, eingefuͤhret worden; wenn die Leidenſchaften, ſo wohl an ihrer zu - und abnehmenden Staͤrke, als an ihrer Verſchiedenheit, geſchikt mit einander abwechſeln; wenn bequeme Versarten zu den Arien erwaͤhlet worden ſind; wenn auch auf die zum Singen vorzuͤglich bequemen Woͤrter eine vernuͤnfti - ge Abſicht gerichtet worden, die ungeſchikten aber nach Moͤglichkeit ver - mieden ſind; wenn ferner der Componiſt einen gereinigten Geſchmack, und das Vermoͤgen hat, die Leidenſchaften, den Worten gemaͤß, mit der Muſik auszudruͤcken; wenn er einen jeden Saͤnger nach ſeiner Staͤrke, und ohne Partheylichkeit eingekleidet hat; wenn er alles in ſeinem gehoͤ - rigen Zuſammenhange wohl mit einander verbunden, dabey aber eine bil - lige Kuͤrze beobachtet hat; wenn die Saͤnger ihre Rollen dem vorzuſtel - lenden Charaktere, und der Abſicht des Componiſten gemaͤß, mit Ernſt und Eifer ausfuͤhren; wenn die Accompagniſten der Vorſchrift des Com - poniſten, und ihrer Pflicht nachkommen; wenn endlich die Auszierungen des Theaters und die Ballette mit dem Jnhalte der Oper wohl uͤberein - ſtimmen: ſo iſt kein Zweifel, daß nicht eine ſolche italiaͤniſche, oder nach italiaͤniſcher Art eingerichtete Oper, jedermann gefallen, und fuͤr eines der angenehmſten Schauſpiele gehalten werden koͤnne.

72. §. Hier -321und eine Muſik zu beurtheilen ſey.

72. §.

Hieruͤber aber kann weder ein Jtaliaͤner, noch ein Franzoſe, wenn er zumal niemals aus ſeinem Lande gekommen, und nur immer einerley Art von Muſik gewohnet geweſen iſt, ein richtiges Urtheil faͤllen. Ein jeder wird die, welche ſeiner Landesart gemaͤß iſt, fuͤr die beſte halten, und die andere verachten. Es wird ihn immer, entweder eine lange Ge - wohnheit, oder ein eingewurzeltes Vorurtheil verhindern, das Gute des Gegentheils, und das Schlechte ſeiner Parthey einzuſehen. Ein dritter hingegen, wenn er anders Einſicht und Erkenntniß beſitzet, und unpartheyiſch iſt, kann hierbey den ſicherſten Ausſchlag geben.

73. §.

Jn Jtalien ſind meines Wiſſens niemals, weder franzoͤſiſche Opern oͤffentlich, noch Arien oder andere franzoͤſiſche Singſtuͤcke insbeſondere auf - gefuͤhret, noch weniger franzoͤſiſche Saͤnger dahin berufen worden. Jn Frankreich hingegen hat man, zwar keine italiaͤniſche Oper oͤffentlich, doch aber italiaͤniſche Arien, Concerte, Trio, Solo, u. d. m. insbe - ſondere aufgefuͤhret; auch italiaͤniſche Saͤnger dahin kommen laſſen, und unterhalten: wovon unter andern das italiaͤniſche Concert an der Tuil - lerie, und verſchiedene neuere Vorfaͤlle Zeugniß geben. Jn Deutſch - land ſind ſchon von mehr als ſiebenzig Jahren her, ſowohl franzoͤ - ſiſche als italiaͤniſche Opern, und, von noch laͤngern Zeiten her, andere, in beyderley Geſchmacke verfertigte Muſiken, oͤffentlich und ins beſon - dere aufgefuͤhret worden: folglich hat man ſich auch italiaͤniſcher und fran - zoͤſiſcher Saͤnger dazu bedienet. Nachdem es aber die Jtaliaͤner im Ge - ſchmacke immer weiter getrieben haben, die Franzoſen hingegen immer auf einer Stelle geblieben ſind: ſo hat man faſt ſeit 20 oder 30 Jahren, außer den Balletten, weder franzoͤſiſche Opern, noch andere von dieſer Art Muſik in Deutſchland mehr gehoͤret. Sowohl die im italiaͤniſchen Geſchmacke geſetzeten Opern, als Jnſtrumentalſtuͤcke, finden nicht nur bis itzo in ganz Deutſchland, ſondern auch in Spanien, Portugall, England, Pohlen und Rußland Beyfall. Der Franzoſen ihre Spra - che, Schriften, Poeſie, Sitten, Gebraͤuche, Moden, und was ſie ſonſt Gutes vorzubringen wiſſen, wird von den meiſten europaͤiſchen Voͤl - kern, beſonders aber von den Deutſchen, geliebet: nur die Muſik nicht mehr wie ehedem; ausgenommen von einigen jungen Leuten, deren erſte Ausflucht nach Frankreich geht, und die allda etwan ein Jnſtrument zuS sſpielen322Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusſpielen anfangen, die franzoͤſiſche Muſik aber bequemer zu ſpielen finden, als die italiaͤniſche.

74. §.

Man hat ſich zwar ſeit etlichen und zwanzig Jahren, inſonderheit in Paris, bemuͤhet, den italiaͤniſchen Geſchmack mit dem franzoͤſiſchen zu vermiſchen. Allein man findet von dem guten Erfolge bis itzo noch keine ſonderlichen Merkmaale. Jn der Singmuſik entſchuldiget man ſich im - mer mit der Sprache, daß dieſelbe zu der italiaͤniſchen Singart nicht be - quem ſey. Vielleicht aber hat es noch an geſchikten Componiſten, und guten Saͤngern gefehlet, um es gehoͤrig ins Werk zu ſetzen. Man hat ja wohl uͤber deutſche und englaͤndiſche Worte, welche bey den Franzoſen noch weniger im Credite ſtehen, mit gutem Erfolge im italiaͤniſchen Ge - ſchmacke Muſik geſetzet; warum ſollte es denn nicht auch uͤber die ſo ſehr beliebte franzoͤſiſche Sprache angehen? Um den Franzoſen dieſes Vorur - theil zu benehmen, ſollte man durch einen Componiſten, der in der ita - liaͤniſchen Art eine ſchoͤne Arie zu machen weis, und der die franzoͤſiſche Sprache ſo gut, als die italiaͤniſche verſteht, uͤber franzoͤſiſche Worte, die nach der italiaͤniſchen Weiſe eingerichtet waͤren, eine Arie verferti - gen, und dieſelbe durch einen guten italiaͤniſchen Saͤnger, der aber eine gute franzoͤſiſche Ausſprache haben muͤßte, abſingen laſſen. Dieſes koͤnn - te zu einer Probe dienen, ob die Schuld an der Sprache, oder an der Unwiſſenheit der franzoͤſiſchen Componiſten liege, wenn Muſik im italiaͤ - niſchen Geſchmacke ſich nicht zur franzoͤſiſchen Sprache ſchicken will.

75. §.

Jn der Jnſtrumentalmuſik moͤchten es die Franzoſen noch eher zu etwas bringen, wenn ſie ſowohl in Anſehung der Compoſition, als der Ausfuͤhrung, gute Muſter von andern Voͤlkern bey ſich haͤtten: oder wenn ihre Componiſten, Saͤnger, und Jnſtrumentiſten mehr Liebhaber waͤ - ren, andere Laͤnder zu beſuchen, um eine vernuͤnftige Vermiſchung im Geſchmacke zu machen. So lange ſie ſich aber noch von Vorurtheilen vor ihr eigenes Land beherrſchen laſſen; auch keine rechten echten und gu - ten Beyſpiele von Jtaliaͤnern, oder andern Nationen, die ſchon in einem vermiſcheten Geſchmacke ſetzen, ſingen oder ſpielen, in ihrem Lande ha - ben; ſo lange ſie den vermiſcheten Geſchmack in andern Laͤndern nicht zu erlangen ſuchen: werden ſie entweder bleiben wie ſie vor langen Zeiten geweſen ſind; oder es ſteht zu befuͤrchten, daß ſie, wegen des Mangels guter Muſter, wenn ſie ja was neues einfuͤhren wollen, aus der allzu -großen323und eine Muſik zu beurtheilen ſey. großen Modeſtie, endlich in eine deſto groͤßere Frechheit verfallen, und den ihnen immer noch eigen geweſenen netten und deutlichen Vortrag, in eine bi - zarre und dunkele Art zu ſpielen verwandeln moͤchten. Bey einer neuen und fremden Sache, wendet man mehrentheils nicht Zeit genug zur Unterſu - chung derſelben an; ſondern man faͤllt gemeiniglich von einem aͤußerſten Ende aufs andere: abſonderlich wenn es auf die Wahl junger Leute an - koͤmmt, welche durch alles, was nur neu iſt, verblendet werden koͤnnen.

76. §.

Wollte man endlich die italiaͤniſche und franzoͤſiſche Nationalmuſik, wenn man jede von der beſten Seite betrachtet, in der Kuͤrze charakte - riſiren, und den Unterſchied des Geſchmackes gegen einander halten; ſo wuͤrde dieſe Vergleichung, meines Erachtens, ohngefaͤhr alſo aus - fallen:

Die Jtaliaͤner ſind in der Compoſition uneingeſchraͤnket, praͤchtig, lebhaft, ausdruͤckend, tiefſinnig, erhaben in der Denkart, etwas bizarr, frey, verwegen, frech, ausſchweifend, im Metrum zu - weilen nachlaͤſſig; ſie ſind aber auch ſingend, ſchmeichelnd, zaͤrtlich, ruͤh - rend, und reich an Erfindung. Sie ſchreiben mehr fuͤr Kenner als fuͤr Liebhaber. Die Franzoſen ſind in der Compoſition zwar lebhaft, ausdruͤckend, natuͤrlich, dem Publicum gefaͤllig und begreiflich, und rich - tiger im Metrum als jene; ſie ſind aber weder tiefſinnig noch kuͤhn; ſon - dern ſehr eingeſchraͤnket, ſklaviſch, ſich ſelbſt immer aͤhnlich, niedrig in der Denkart, trocken an Erfindung; ſie waͤrmen die Gedanken ihrer Vor - fahren immer wieder auf, und ſchreiben mehr fuͤr Liebhaber als fuͤr Kenner.

Die italiaͤniſche Singart iſt tiefſinnig, und kuͤnſtlich; ſie ruͤh - ret, und ſetzet zugleich in Verwunderung; ſie beſchaͤftiget den muſikali - ſchen Verſtand; ſie iſt gefaͤllig, reizend, ausdruͤckend, reich im Geſchma - cke und Vortrage, und verſetzct den Zuhoͤrer, auf eine angenehme Art, aus einer Leidenſchaft in die andere. Die franzoͤſiſche Singart iſt mehr ſimpel als kuͤnſtlich, mehr ſprechend als ſingend; im Ausdrucke der Leidenſchaften, und in der Stimme, mehr uͤbertrieben als natuͤrlich; im Geſchmacke und im Vortrage iſt ſie arm, und ſich ſelbſt immer aͤhn - lich; ſie iſt mehr fuͤr Liebhaber als fuͤr Muſikverſtaͤndige; ſie ſchicket ſich beſſer zu Trinkliedern als zu ernſthaften Arien, und beluſtiget zwar die Sinne, den muſikaliſchen Verſtand aber laͤßt ſie ganz muͤßig.

S s 2Die324Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus

Die italiaͤniſche Art zu ſpielen iſt willkuͤhrlich, ausſchweifend, gekuͤnſtelt, dunkel, auch oͤfters frech und bizarr, ſchwer in der Ausuͤbung; ſie erlaubet viel Zuſatz von Manieren, und erfodert eine ziemliche Kennt - niß der Harmonie; ſie erwecket aber bey den Unwiſſenden mehr Verwun - derung als Gefallen. Die franzoͤſiſche Spielart iſt ſklaviſch, doch modeſt, deutlich, nett und reinlich im Vortrage, leicht nachzuahmen, nicht tiefſinnig noch dunkel, ſondern jedermann begreiflich, und bequem fuͤr die Liebhaber; ſie erfodert nicht viel Erkenntniß der Harmonie, weil die Auszierungen mehrentheils von dem Componiſten vorgeſchrieben wer - den; ſie verurſachet aber bey den Muſikverſtaͤndigen wenig Nachdenken.

Mit einem Worte: die italiaͤniſche Muſik iſt willkuͤhrlich, und die franzoͤſiſche eingeſchraͤnket: daher es bey dieſer mehr auf die Compoſition als auf die Ausfuͤhrung, bey jener aber, faſt ſo viel, ja bey einigen Stuͤ - cken faſt mehr, auf die Ausfuͤhrung, als auf die Compoſition ankoͤmmt, wenn eine gute Wirkung erfolgen ſoll.

Die italiaͤniſche Singart, iſt ihrer Art zu ſpielen, und die franzoͤ - ſiſche Art zu ſpielen, ihrer Singart vorzuziehen.

77. §.

Die Eigenſchaften dieſer beyden Muſikarten, koͤnnten zwar noch weitlaͤuftiger ausgefuͤhret, und noch genauer unterſuchet werden. Allein dieſes wuͤrde vielmehr in eine eigene und beſondere Abhandlung davon, als hierher gehoͤren. Jnzwiſchen habe ich mich doch bemuͤhet, die vor - nehmſten Wahrheiten und Kennzeichen derſelben, und des dazwiſchen befindlichen Unterſchiedes, in der Kuͤrze zu bemerken. Jch laſſe einem jeden die Freyheit, aus dem Angefuͤhrten den Schluß zu ziehen, wel - cher Geſchmack von beyden mit Rechte den Vorzug verdiene. Jch habe aber zu der Billigkeit meiner Leſer das Vertrauen, daß ſie mich um ſo - viel weniger hierbey einer Partheylichkeit beſchuldigen werden: da das - jenige, was ich etwan ſelbſt von Geſchmacke erlanget habe, ſowohl aus dem franzoͤſiſchen als aus dem italiaͤniſchen gefloſſen iſt; da ich beyde Laͤn - der, in der ausdruͤcklichen Abſicht, mir das Gute von beyden in der Muſik zu Nutzen zu machen, durchreiſet bin; und da ich alſo von beyden Muſikarten einen Augen - und Ohrenzeugen abgeben kann.

78. §.

Wenn man die Muſik der Deutſchen, von mehr als einem Jahr - hunderte her, genau unterſuchet: ſo findet man zwar, daß die Deutſchen es ſchon vor geraumer Zeit, nicht nur in der harmoniſch richtigen Setzkunſt, ſon -dern325und eine Muſik zu beurtheilen ſey. dern auch auf vielen Jnſtrumenten, ſehr weit gebracht hatten. Vom guten Geſchmacke aber, und von ſchoͤnen Melodieen, findet man, außer einigen alten Kirchengeſaͤngen, wenig Merkmaale; ſondern vielmehr daß ſowohl ihr Geſchmack, als ihre Melodieen, laͤnger als bey ihren Nach - barn, ziemlich platt, trocken, mager, und einfaͤltig geweſen.

79. §.

Jhre Compoſition war, wie geſagt, harmoniſch und vollſtimmig; aber nicht melodiſch und reizend.

Sie ſucheten mehr kuͤnſtlich, als begreiflich und gefaͤllig; mehr fuͤr das Geſicht, als fuͤr das Gehoͤr zu ſetzen.

Die ganz Alten brachten, in einem ausgearbeiteten Stuͤcke, zu viele und zu uͤberfluͤßige Cadenzen nach einander an: indem ſie faſt aus keiner Tonart in die andere, ohne vorher zu cadenziren, auszuweichen pflege - ten: durch welche Aufrichtigkeit aber das Gehoͤr ſelten uͤberraſchet wurde.

Es fehlete ihnen an einer guten Wahl und Verbindung der Gedanken.

Die Leidenſchaften zu erregen und zu ſtillen, war ihnen etwas un - bekanntes.

80. §.

Jn ihrer Singmuſik ſucheten ſie mehr die bloßen Woͤrter, als den Sinn derſelben, oder den damit verknuͤpfeten Affect, auszudruͤcken. Viele glaubeten dieſerwegen ſchon eine Gnuͤge geleiſtet zu haben, wenn ſie z. E. die Worte: Himmel und Hoͤlle, durch die aͤußerſte Hoͤhe und Tiefe ausdruͤcketen: wodurch denn oft viel Laͤcherliches mit unterzulaufen pflegete. Jn Singſtuͤcken liebten ſie ſehr die aͤußerſte Hoͤhe, und ließen in derſelben immer Worte ausſprechen. Hierzu moͤgen die Falſetſtimmen erwachſener Mannesperſonen, welchen die Tiefe gemeiniglich beſchwer - lich iſt, einige Urſache gegeben haben. Den Saͤngern gaben ſie unter geſchwinden Noten viele Worte nach einander auszuſprechen; welches aber der Eigenſchaft des guten Singens zuwider iſt, den Saͤnger ver - hindert die Toͤne in ihrer gehoͤrigen Schoͤnheit hervor zu bringen, und ſich von der gemeinen Rede allzuwenig unterſcheidet(*)Obgleich einige wenige Deutſche, durch Nachahmung des italiaͤniſchen Geſchma - ckes, dieſen Fehler, welcher nur in der komiſchen Muſik eine Schoͤnheit iſt, ab - geleget haben: ſo iſt er doch, auch zu itziger Zeit, noch nicht gaͤnzlich ausge - rottet.. Jhre Sing - arien beſtunden mehrentheils aus zwo Repriſen; ſie waren ſehr kurz; aber auch ſehr einfaͤltig und trocken.

S s 3Wie326Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus
(*)Wie die Singart der Deutſchen in den alten Zeiten beſchaffen geweſen ſey, kann man, noch bis auf dieſe Stunde, in den meiſten Staͤdten, an den Chor - oder Schul - ſaͤngern abnehmen. Dieſe bringen es zwar im Notenleſen weiter, als viele ga - lante Saͤnger anderer Voͤlker: allein mit der Stimme wiſſen ſie faſt gar nicht umzugehen. Sie ſingen daher meiſtentheils ohne Licht und Schatten, in einer - ley Staͤrke des Tones. Die Naſen - und Gurgelfehler kennen ſie kaum. Die Vereinigung der Bruſtſtimme mit dem Falſet iſt ihnen eben ſo unbekannt, als den Franzoſen. Mit dem Triller begnuͤgen ſie ſich ſo, wie ihn die Natur giebt. Von der italiaͤniſchen Schmeicheley, welche durch geſchleifete Noten, und durch das Vermindern und Verſtaͤrken des Tones gewirket wird, haben ſie wenig Em - pfindung. Jhr unangenehmes, uͤbertriebenes, allzurauſchendes Stoßen mit der Bruſt, wobey ſie ſich die Fertigkeit der Deutſchen das h auszuſprechen rechtſchaffen zu Nutzen machen, und bey allen Noten: ha ha ha ha hoͤren laſſen, verurſachet, daß die Paſſagien alle gehacket klingen; und iſt von der Art, mit welcher die welſchen Bruſt - ſtimmen die Paſſagien vortragen, weit entfernet. Den ſimpeln Geſang hengen ſie nicht genug an einander, und verbinden denſelben nicht durch vorhaltende No - ten: weswegen ihr Vortrag ſehr trocken und einfaͤltig klingt. Es fehlet dieſen deutſchen Chorſaͤngern zwar weder an natuͤrlich guten Stimmen, noch an der Faͤhigkeit etwas zu lernen: es fehlet ihnen vielmehr an der guten Unterweiſung. Die Cantores ſollen, wegen der mit ihrem Amte immer verknuͤpfeten Schular - beiten, zugleich halbe Gelehrte ſeyn. Deswegen wird oͤfters bey der Wahl mehr auf das letztere, als auf die Wiſſenſchaft in der Muſik geſehen. Die nach ſol - chen Abſichten erwaͤhleten Cantores treiben deswegen die Muſik, von der ſie ohne - dem ſehr wenig wiſſen, nur als ein Nebenwerk. Sie wuͤnſchen nichts mehr, als bald durch eine gute fette Dorfpfarre, von der Schule, und zugleich von der Muſik erloͤſet zu werden. Findet ſich auch ja noch hier und da ein Cantor, der das Seinige verſteht, und ſeinem muſikaliſchen Amte rechtſchaffen vorzuſtehen Luſt hat: ſo ſuchen an vielen Orten die Oberſten der Schule, einige geiſtlichen Aufſeher der - ſelben, unter denen viele der Muſik aufſaͤtzig ſind, nicht ausgenommen, ſowohl den Cantor, als die Schuͤler, an Ausuͤbung der Muſik zu hindern. Auch ſogar in denen Schulen, welche, beſage ihrer Geſetze, hauptſaͤchlich in der Abſicht ge - ſtiftet worden ſind, daß die Muſik darinne vorzuͤglich ſoll gelehret und gelernet, und muſici eruditi gezogen werden, iſt oͤfters der durch den Vorſteher unterſtuͤ - tzete Rector der abgeſagteſte Feind der Muſik. Gerade als wenn ein guter La - teiner und ein guter Muſikus Dinge waͤren, deren eines das andere nothwen - diger Weiſe aufhebt. Die mit den Cantordienſten verknuͤpfeten Vortheile, ſind an vielen, ja an den meiſten Orten, ſo gering, daß ein guter Muſikus Bedenken tragen muß, einen ſolchen Dienſt, ohne Noth, anzunehmen. Da es nun, auf ſolche Art, in Deutſchland an guter Anweiſung, vornehmlich in der Vocalmuſik, fehlet; da derſelben auch noch dazu an vielen Orten unuͤberſteigliche Hinderniſſe in den Weg geleget werden: ſo koͤnnen auch nicht leicht gute Saͤnger erzogen wer - den. Es iſt bey dieſen Umſtaͤnden zu vermuthen, daß bey den Deutſchen die gute Singart niemals ſo allgemein werden duͤrfte, als bey den Jtaliaͤnern; bey
(*)welchen327und eine Muſik zu beurtheilen ſey.
(*)welchen, ſchon von vielen Zeiten her, dießſalls die beſten Anſtalten vorhanden ſind: es waͤre denn, daß große Herren Vorſchub thaͤten, Singſchulen anzulegen, in welchen die gute nnd echte italiaͤniſche Singart gelehret wuͤrde.
(*)

81. §.

Die Jnſtrumentalmuſik der Deutſchen in den vorigen Zeiten, ſah mehrentheils auf dem Papiere ſehr bunt und gefaͤhrlich aus. Sie ſchrieben viele drey - vier - und mehrmal geſchwaͤnzten Noten. Weil ſie aber dieſelben in einer ſehr gelaſſenen Geſchwindigkeit ausfuͤhreten: ſo klangen ihre Stuͤcke deſſen ungeachtet nicht lebhaft, ſondern matt und ſchlaͤfrig.

Sie hielten mehr von ſchweren als leichten Stuͤcken, und ſucheten mehr Verwunderung zu erwecken, als zu gefallen.

Sie befliſſen ſich mehr, den Geſang der Thiere, z. E. des Kukuks, der Nachtigall, der Henne, der Wachtel, u. ſ. w. auf ihren Jnſtrumen - ten nachzumachen; wobey der Trompete und der Leyer auch nicht ver - geſſen wurde: als der Menſchenſtimme nachzuahmen.

Oefters war ein ſogenanntes Quodlibet, wobey entweder in Sing - ſtuͤcken laͤcherliche Worte, ohne Zuſammenhang, vorkamen, oder, in Jn - ſtrumentalſtuͤcken, die Sangweiſen gemeiner und niedertraͤchtiger Trink - lieder unter einander gemiſchet wurden, ihr angenehmſter Zeitvertreib.

Auf der Geige ſpieleten ſie mehr harmoniſch, als melodiſch. Sie ſetzeten viele Stuͤcke, wozu die Violinen umgeſtimmet werden mußten. Die Seyten wurden naͤmlich, nach Anzeige des Componiſten, anſtatt der Quinten, in Secunden, Terzen, oder Quarten geſtimmet; um die Accorde deſto leichter zu haben: welches aber bey den Paſſagien eine nicht geringe Schwierigkeit verurſachete.

Jhre Jnſtrumentalſtuͤcke beſtunden meiſtentheils aus Sonaten, Partieen, Jntraden, Maͤrſchen, Gaſſenhauern, und vielen andern oft laͤcherlichen Charakteren, deren Gedaͤchtniß itzo verloſchen iſt.

Das Allegro beſtund mehrentheils vom Anfange bis zum Ende aus lauter Paſſagien, da faſt immer ein Tact dem andern aͤhnlich war, und von einem Tone zum andern, durch die Transpoſitionen, wiederholet wurde; welches aber endlich nothwendig einen Ekel verurſachen mußte. Oefters blieben ſie nicht laͤnger als nur wenige Tacte bey einerley Tempo: ſie vermiſcheten vielmehr, in einem Satze, bald etwas Langſameres, bald wieder etwas Geſchwinderes, mit einander.

Jhr328Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus

Jhr Adagio hatte mehr eine natuͤrliche Harmonie, als gute Melo - die. Sie mache[t]en darinne auch wenig Manieren; außer daß ſie dann und wann die ſpringenden Jntervalle mit laufenden Noten ausfuͤlleten. Die Schluͤſſe ihrer langſamen Stuͤcke waren einfaͤltig. Anſtatt daß man itziger Zeit, wenn man z. E. im Cſchließen will, den Triller auf dem D oder H ſchlaͤgt: ſo ſchlugen ſie denſelben auf dem C, welchem ſie die Zeit einer pun - ctirten Note gaben, und ließen das H als eine kurze Note nur ſimpel hoͤren; der Endigungsnote C aber wurde noch eine, um einen Ton hoͤher ſte - hende Note, als ein beſonderer Zierrath angeſchleifet. Jhre Cadenzen waren ohngefaͤhr in der Ausfuͤhrung ſo beſchaffen, wie Tab. XXIII. Fig. 15. mit Noten ausdruͤcket zu ſehen iſt. Von vorhaltenden Noten, wel - che den Geſang an einander zu binden, und, auf eine angenehme Art, die Conſonanzen in Diſſonanzen zu verwandeln dienen, wußten ſie wenig oder gar nichts: weswegen ihre Art zu ſpielen nicht ruͤhrend noch reizend, ſondern platt und trocken war.

Vielerley Jnſtrumente, von denen man itzo kaum noch die Namen weis, waren bey ihnen uͤblich. Es iſt daher zu vermuthen, daß man, wegen Vielheit derſelben, mehr Urſach gehabt habe ihren Fleiß, als ihre Geſchiklichkeit im Spielen, zu bewundern.

82. §.

So ſchlecht es aber in den vorigen Zeiten, bey aller gruͤndlichen Einſicht der deutſchen Componiſten in die Harmonie, mit ihrem, und der deut - ſchen Saͤnger und Jnſtrumentiſten ihrem Geſchmacke ausgeſehen haben mag: ſo ein anderes Anſehen hat es doch nunmehr nach und nach damit gewonnen. Denn wenn man auch von den Deutſchen nicht eben ſagen kann, daß ſie einen eigenthuͤmlichen, und von den andern Nationalmu - ſiken ſich ganz unterſcheidenden Geſchmack hervor gebracht haͤtten: ſo ſind ſie hingegen deſto faͤhiger, einen andern, welchen ſie nur wollen, an - zunehmen; und wiſſen ſich das Gute von allen Arten der auslaͤndiſchen Muſik zu Nutzen zu machen.

83. §.

Es fiengen ſchon im vorigen Jahrhunderte, ſeit der Mitte deſſelben, einige beruͤhmte Maͤnner, welche theils Jtalien oder Frankreich ſelbſt be - ſuchet, und darinne profitiret hatten, theils aber auch die Arbeiten und den Geſchmack der verdienten Auslaͤnder zu Muſtern nahmen, an, die Aus - beſſerung des muſikaliſchen Geſchmackes zu bearbeiten. Die Orgel - und Clavierſpieler, unter den letztern vornehmlich Froberger, und nach ihmPach -329und eine Muſik zu beurtheilen ſey. Pachhelbel, unter den erſtern aber Reinken, Buxtehude, Bruhns, und einige andere, ſetzeten faſt am erſten die ſchmackhafteſten Jnſtrumentalſtuͤcke ihrer Zeit, fuͤr ihre Jnſtrumente. Abſonderlich wur - de die Kunſt die Orgel zu ſpielen, welche man großen Theils von den Niederlaͤndern empfangen hatte, um dieſe Zeit ſchon, von den oben - genannten und einigen andern geſchikten Maͤnnern, ſehr weit getrieben. Endlich hat ſie der bewundernswuͤrdige Johann Sebaſtian Bach, in den neuern Zeiten, zu ihrer groͤßten Vollkommenheit gebracht. Nur iſt zu wuͤnſchen, daß dieſelbe, nach ſeinem Abſterben, wegen der gerin - gen Anzahl derer, die noch einigen Fleiß darauf wenden, ſich nicht wie - der dem Abfalle, oder gar dem Untergange naͤhern moͤge.

Man kann zwar nicht laͤugnen, daß es in gegenwaͤrtigen Zeiten unter den Deutſchen viele gute Clavierſpieler gebe: die guten Organiſten aber ſind anitzo in Deutſch - land viel rarer, als vor dieſem. Es iſt wahr, daß man noch hier und da einen und den andern brafen und geſchikten Orgelſpieler findet. Allein es iſt auch eben ſo gewiß, daß man oͤfters, ſo gar in manchen Hauptkirchen großer Staͤdte, die Orgeln von ſolchen, durch ordentliche Vocation dazu berechtigten Stuͤmpern mishandeln hoͤret, welche kaum werth waͤren, Sackpfeifer in einer Dorfſchenke zu ſeyn. Es fehlet ſo weit, daß dergleichen unwuͤrdige Organiſten etwas von der Compoſition verſtehen ſollten; daß ſie vielmehr nicht einmal einen wohlklingenden und richtigen Baß zu der Melodie eines Chorals ausfinden koͤnnen; geſchweige daß ſie dazu zum wenigſten noch zwo richtige Mittelſtimmen zu treffen faͤhig waͤren. Ja nicht einmal die ſimple Melodie eines Choralgeſanges kennen ſie. Oefters ſind die bloͤkenden Currentjungen ihre Vor - ſaͤnger und Muſter, nach deren Fehlern ſie die Melodieen, wohl alle Monate, im - mer wieder aufs Neue verhunzen. Unter Orgel und Clavicymbal machen ſie keinen Unterſchied. Das der Orgel eigene Tractament iſt ihnen ſo unbekannt, als die Kunſt ein geſchiktes Vorſpiel vor einem Geſange zu machen: ungeachtet es nicht an geſtochenen und geſchriebenen Muſtern fehlet, woraus ſie beydes, wenn ſie wollten, erlernen koͤnnten. Sie ziehen lieber ihre eigenen, aus dem Stegreife erſchnappeten Gedanken, den beſten, mit Vernunft und Ueberlegung ausgearbeiteten Orgelſtuͤcken beruͤhmter Maͤnner, vor. Mit ihren ungeſchikten bockpfeiferhaften Coloraturen, welche ſie zwiſchen jedem Einſchnitte eines Cho - rals herleyern, machen ſie die Gemeine irre, anſtatt ihren Geſang in Ordnung zu erhalten. Von der Art wie man das Pedal brauchen ſoll, hat mancher nicht einmal reden hoͤren. Der kleine Finger der linken Hand, und der linke Fuß, ſtehen bey vielen in ſolcher Verbindung mit einander, daß niemals einer, ohne des andern Vorwiſſen und Uebereinſtimmung, einen Ton anzuſchlagen ſich ge - trauet. Jch will nicht einmal gedenken, wie ſie oͤfters eine ohnedem ſchlecht ge - nug ausgefuͤhrte Kirchenmuſik, durch ihr elendes Accompagnement, noch ſchlech - ter machen. Schade! wenn Deutſchland den Vorzug des Beſitzes guter Orgel - ſpieler nach und nach wieder verlieren ſollte. Freylich geben die, an den mei -
39T tſten330Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus
(*)ſten Orten, gar zu geringen Beſoldungen eine ſchlechte Aufmunterung zu dem Fleiße in der Orgelwiſſenſchaft. Freylich wird auch mancher geſchikter Organiſt, durch den Hochmuth und Eigenſinn einiger ſeiner geiſtlichen Befehlshaber, nie - dergeſchlagen.
(*)

84. §.

Den merkwuͤrdigſten Zeitpunct, worinne abſonderlich der Geſchmack der Deutſchen, in Anſehung der Vocalcompoſition, angefangen hat, eine beſſere Geſtalt zu gewinnen, koͤnnte man ohngefaͤhr um das Jahr 1693 ſetzen; als zu welcher Zeit, nach des, um die Vertheidigung und die Ge - ſchichtskunde der Muſik ausnehmend verdieneten Herrn Mattheſons Berichte, im muſikaliſchen Patrioten, S. 181. und 343. der Capellmeiſter Couſſer die neue oder italiaͤniſche Singart in den Hamburgiſchen Opern eingefuͤhret hat. Um eben dieſe Zeit fieng der beruͤhmte Reinhard Keiſer an, ſich mit ſeinen Operncompoſitionen hervorzuthun. Dieſer ſchien zu einem, mit reicher Erfindung verknuͤpfeten, angenehm ſingenden Weſen gleichſam gebohren zu ſeyn; er belebte alſo die neue Singart damit auf eine vor - zuͤgliche Weiſe. Jhm hat der gute Geſchmack in der Muſik in Deutſch - land, unſtreitig, viel zu danken. Die in Hamburg und Leipzig nach dieſer Zeit ziemlich lange in bluͤhendem Zuſtande geweſenen Opern, und die beruͤhmten Componiſten, welche, zugleich nebſt Keiſern, von Zeit zu Zeit, ungeachtet der oͤfters ſchlechten, und nicht ſelten gar niedertraͤch - tigen Texte, fuͤr dieſelben gearbeitet haben, haben zu dem Grade des gu - ten Geſchmackes, in welchem die Muſik in Deutſchland gegenwaͤrtig ſteht, gute Vorbereitungen gemachet. Es koͤnnte als ein Ueberfluß an - geſehen werden, wenn ich diejenigen großen Maͤnner, welche ſich in den itztgenannten Zeiten, ſowohl in der Kirchen-Theatral - und Jnſtrumental - compoſition, als auch auf Jnſtrumenten, unter den Deutſchen beruͤhmt gemachet haben, und deren einige entſchlafen, einige noch am Leben ſind, alle mit Namen anfuͤhren wollte. Jch bin verſichert, daß ſie in und außer Deutſchland ſchon alle ſo bekannt ſind, daß ihre Namen, meinen muſiklieben - den Leſern, ohne vieles Nachdenken, gleich beyfallen werden. So viel iſt ge - wiß, daß ihnen diejenigen, welche zu unſern Zeiten in der Tonkunſt her - vorragen, den groͤßten Dank ſchuldig ſind.

85. §.

Bey allen dieſen Bemuͤhungen brafer Tonkuͤnſtler aber, fanden ſich in Deutſchland doch noch immer unterſchiedene Hinderniſſe, welche dem guten Geſchmacke im Wege ſtanden. Man war oͤfters nicht ſo bemuͤht, denEr -331und eine Muſik zu beurtheilen ſey. Erfindungen dieſer beruͤhmten Maͤnner den gehoͤrigen Beyfall zu geben, und ihnen nachzufolgen, wie es wohl haͤtte ſeyn ſollen. An vielen Or - ten bekuͤmmerte man ſich nicht einmal darum: ſondern blieb immer bey dem Alten ſtehen. Ja was noch mehr iſt, es fanden ſich vielmehr un - terſchiedene Widerſacher, welche, aus einer ungereimten Liebe zu dem Alterthume, ſchon darinne, weil die Ausarbeitungen gedachter Maͤnner von der alten Art abgiengen, Urſache genug zu haben glaubten, alles als Ausſchweifungen zu verwerfen. Wie lange iſt es her, daß man noch die alte Weiſe, in Deutſchland, mit großer Hitze, obgleich deſto ſchwaͤchern Gruͤnden, zu vertheidigen ſuchte? Viele, die auch noch Luſt gehabt haͤt - ten zu proſitiren, hatten weder das Vermoͤgen, an ſolche Orte zu reiſen, wo die Muſik im Flore war, noch auch ſich Muſikalien von da zu ver - ſchreiben. Es iſt nicht zu laͤugnen, daß durch die Einfuͤhrung des Can - tatenſtyls, in die Kirchen der Proteſtanten, dem guten Geſchmacke auch ein beſonderer Vortheil zugewachſen iſt. Allein wie viel Wider - ſpruch hat es nicht zu uͤberwinden gekoſtet, ehe die Cantaten und Orato - rien in der Kirche einen feſten Fuß haben faſſen koͤnnen? Vor wenigen Jahren gab es noch Cantores, die in ihrem mehr als funfzigjaͤhrigen Amte, ſich noch nicht hatten uͤberwinden koͤnnen, ein Kirchenſtuͤck von Telemannen aufzufuͤhren. Es iſt daher nicht zu verwundern, wenn man zu gleicher Zeit an einem Orte in Deutſchland gute, am andern aber ſehr unſchmackhafte und ungeſalzene Muſik angetroffen hat. Wer nun von Auslaͤndern etwa, zum Ungluͤcke, an einem der letztern Orte Mu - ſik gehoͤret hatte, und alle Deutſchen hiernach beurtheilete; der konnte ſich freylich von ihrer Muſik nicht die vortheilhafteſten Begriffe machen.

86. §.

Die Jtaliaͤner pflegeten vor dieſem den deutſchen Geſchmack in der Muſik: un guſto barbaro, einen barbariſchen Geſchmack, zu nen - nen. Nachdem es ſich aber gefuͤget, daß einige deutſche Tonkuͤnſtler in Jtalien geweſen, und allda Gelegenheit gehabt haben, von ihrer Arbeit, ſowohl Opern als Jnſtrumentalmuſik mit Beyfalle aufzufuͤhren; da wirklich die Opern, an welchen man in Jtalien zu itzigen Zeiten den mei - ſten Geſchmack, und zwar mit Rechte, findet, von der Feder eines Deut - ſchen herkommen: ſo hat ſich das Vorurtheil nach und nach verlohren. Doch muß man auch ſagen, daß die Deutſchen ſowohl den Jtaliaͤnern, als auch eines Theils den Franzoſen, wegen dieſer vortheilhaften Ver - aͤnderung ihres Geſchmackes, ein Vieles zu danken haben. Es iſt bekannt,T t 2daß332Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusdaß an verſchiedenen deutſchen Hoͤfen, als: in Wien, Dresden, Ber - lin, Hannover, Muͤnchen, Anſpach, u. a. m. ſchon von hundert Jah - ren her, italiaͤniſche und franzoͤſiſche Componiſten, Saͤnger und Jnſtru - mentiſten in Dienſten geſtanden ſind, und Opern aufgefuͤhret haben. Es iſt bekannt, daß einige große Herren viele von ihren Tonkuͤnſtlern nach Jtalien und Frankreich haben reiſen laſſen, und daß, wie ich ſchon oben geſaget habe, viele der Verbeſſerer des Geſchmackes der Deutſchen, entweder eines, oder beyde dieſer Laͤnder beſuchet haben. Dieſe haben alſo, ſowohl von dem einen als von dem andern den Geſchmack angenom - men, und eine ſolche Vermiſchung getroffen, welche ſie faͤhig gemachet hat, nicht nur deutſche, ſondern auch italiaͤniſche, franzoͤſiſche, und englaͤndiſche Opern, und andere Singſpiele, eine jede in ihrer Sprache und Geſchmacke zu componiren, und mit großem Beyfalle aufzufuͤhren. Weder von den italiaͤniſchen noch franzoͤſiſchen Tonkuͤnſtlern kann man dergleichen ſagen. Nicht daß es ihnen am Talente dazu fehlete: ſondern weil ſie ſich wenig Muͤhe geben, fremde Sprachen zu erlernen; weil ſie allzuſehr von Vorurtheilen eingenommen ſind; und weil ſie ſich nicht uͤber - reden koͤnnen, daß außer ihnen, und ohne ihre Sprache, etwas Gutes in der Singmuſik hervorgebracht werden koͤnne.

87. §.

Wenn man aus verſchiedener Voͤlker ihrem Geſchmacke in der Mu - ſik, mit gehoͤriger Beurtheilung, das Beſte zu waͤhlen weis: ſo fließt dar - aus ein vermiſchter Geſchmack, welchen man, ohne die Graͤnzen der Beſcheidenheit zu uͤberſchreiten, numehr ſehr wohl: den deutſchen Geſchmack nennen koͤnnte: nicht allein weil die Deutſchen zuerſt dar - auf gefallen ſind; ſondern auch, weil er ſchon ſeit vielen Jahren, an un - terſchiedenen Orten Deutſchlandes, eingefuͤhret worden iſt, und noch bluͤ - het, auch weder in Jtalien, noch in Frankreich, noch in andern Laͤn - dern misfaͤllt.

88. §.

Wofern nun die deutſche Nation von dieſem Geſchmacke nicht wieder abgeht: wenn ſie ſich bemuͤhet, wie bishero ihre beruͤhmteſten Componiſten gethan haben, darinne immer weiter nachzuforſchen; wenn ihre neuangehenden Componiſten ſich mehr, als itziger Zeit leider geſchieht, befleißigen, nebſt ihrem vermiſcheten Geſchmacke, die Regeln der Setzkunſt, ſo wie ihre Vorfahren, gruͤndlich zu erlernen; wenn ſie ſich nicht an der puren Melodie, und an der Verfertigung theatraliſcherArien333und eine Muſi zu beurtheilen ſey. Arien allein begnuͤgen, ſondern ſich ſowohl im Kirchenſtyle als in der Jn - ſtrumentalmuſik auch uͤben; wenn ſie wegen Einrichtung der Stuͤcke, und wegen vernuͤnftiger Verbindung und Vermiſchung der Gedanken, ſolche Componiſten, welche einen allgemeinen Beyfall erhalten, ſich zu Mu - ſtern vorſtellen, um ihrer Art zu ſetzen, und ihrem feinen Geſchmacke nachzuahmen: doch daß ſie ſich dabey nicht gewoͤhnen, wie es von ſehr vielen geſchieht, ſich mit fremden Federn zu ſchmuͤcken, und etwa den Hauptſatz, oder den ganzen Zuſammenhang, von dieſem oder jenem aus - zuſchreiben, oder aufzuwaͤrmen; wenn ſie vielmehr ihre eigene Erfin - dungskraft dran ſtrecken, um ihr Talent ohne Nachtheil eines Andern zu zeigen, und aufzuraͤumen, und um nicht, anſtatt Componiſten zu werden, immer nur Copiſten zu verbleiben; wenn die deutſchen Jn - ſtrumentiſten ſich nicht, wie oben von den Jtaliaͤnern geſaget worden iſt, durch eine bizarre und komiſche Art auf Jrrwege fuͤhren laſſen: ſon - dern die gute Singart, und diejenigen, welche in einem vernuͤnftigen Geſchmacke ſpielen, zum Muſter nehmen; wenn ferner die Jtaliaͤner und die Franzoſen den Deutſchen in der Vermiſchung des Geſchma - ckes ſo nachahmen wollten, wie die Deutſchen ihnen im Geſchmacke nach - geahmet haben; wenn dieſes alles, ſage ich, einmuͤthig beobachtet wuͤrde: ſo koͤnnte mit der Zeit ein allgemeiner guter Geſchmack in der Muſik eingefuͤhret werden. Es iſt auch dieſes ſo gar unwahrſcheinlich nicht: weil weder die Jtaliaͤner, noch die Franzoſen, doch mehr die Lieb - haber der Muſik, als die Tonkuͤnſtler unter ihnen, mit ihrem puren Nationalgeſchmacke ſelbſt mehr recht zufrieden ſind; ſondern ſchon ſeit einiger Zeit, an gewiſſen auslaͤndiſchen Compoſitionen, mehr Gefallen, als an ihren inlaͤndiſchen, bezeiget haben.

89. §.

Jn einem Geſchmacke, welcher, ſo wie der itzige deutſche, aus einer Vermiſchung des Geſchmackes verſchiedener Voͤlker beſteht, fin - det eine jede Nation etwas dem ihrigen aͤhnliches; welches ihr alſo nie - mals misfallen kann. Muͤßte man auch gleich, in Betrachtung aller, uͤber den Unterſchied des Geſchmackes bisher angefuͤhrten Gedanken und Erfahrungen, dem puren italiaͤniſchen Geſchmacke, vor dem puren franzoͤſiſchen, einen Vorzug einraͤumen: ſo wird doch jedermann einge - ſtehen, weil der erſte nicht mehr ſo gruͤndlich, als vor dieſem iſt, ſon - dern ſehr frech und bizarr geworden, der andere hingegen gar zu ſimpel geblieben iſt, daß deswegen ein, von dem Guten beyder Arten zuſam -T t 3menge -334Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikusmengeſetzeter und vermiſchter Geſchmack, unfehlbar allgemeiner und ge - faͤlliger ſeyn muͤſſe. Denn eine Muſik, welche nicht in einem einzelnen Lande, oder oder in einer einzelnen Provinz, oder nur von dieſer oder jener Nation allein, ſondern von vielen Voͤlkern angenommen und fuͤr gut erkannt wird, ja, aus den angefuͤhrten Urſachen, nicht anders als fuͤr gut erkannt werden kann, muß, wenn ſie ſich anders auf die Vernunft und eine geſunde Empfindung gruͤndet, außer allem Streite, die beſte ſeyn.

ENDE.

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Regiſter

Regiſter der vornehmſten Sachen.

  • Die roͤmiſche Zahl weiſet auf das Hauptſtuͤck; die deutſche Ziffer auf den §.
  • Wenn aber zwo roͤmiſche Zahlen beyſammen ſtehen, ſo zeiget zwar die groͤßere das Hauptſtuͤck, die kleinere aber den Abſchnitt deſſelben an.
  • Das E bedeutet die Einleitung.

A.

  • Abnehmen der Staͤrke des To - nes, ſ. Ton.
  • Abzug eine kleine weſentliche Manier,VIII. 4.
  • Accompagnement einer Haupt - ſtimme,XVII. wo es am beſten er - lernet werde,XVII. iv. 12. auf dem Clavicymbal insbeſondere,XVII. vi. 1. u. f. eines RecitativsXVII. vii. 59
  • Adagio, die Art daſſelbe auszufuͤh - ren iſt zweyerleyXIV. 2. wie es aus - zufuͤhren iſtXIV. 5. u. f. die unter - ſchiedenen Arten deſſelbenXIV. 7. das Zeitmaaß dieſer ArtenXVII. vii. 49 - 51. wie es zu begleitenXVII. vii. 25. 37. auf dem Fluͤgel insbeſondereXVII. vi. 28. 30. 31. deſſen Vortrag auf BogeninſtrumentenXVII. ii. 12-14. eines ConcertsXVIII. 35-37. einesSoloXVIII. 48. wie es in alten Zei - ten geſetzet wurdeXVIII. 36.
  • cantabile ſein ZeitmaaßXVII. vii. 49-51.
  • di molto deſſen VortragXIV. 8-16. BogenſtrichXVII. ii. 26. Zeit - maaßXVII. vii. 49-51.
  • ſpiritoſo deſſen VortragXIV. 18. 19. BogenſtrichXVII. ii. 26.
  • Ad libitum ſ. Fermate.
  • Aeltern fehlen oft in Erwaͤhlung der Lebensart der KinderE. 3.
  • Affecten ſ. Leidenſchaften.
  • Affettuoſo ſein BogenſtrichXVII. ii. 26.
  • Albinoni ein welſcher ComponiſtXVIII. 58.
  • Allabrevetact wie er bezeichnet wirdV. 13. XVII. vii. 50. ſein ZeitmaaßXVII. vii. 50. 58.
U uAllaRegiſter
  • Alla Siciliana ſ. Siciliana.
  • Allegretto deſſen BogenſtrichXVII. ii. 26. ZeitmaaßXVII. vii. 49-51.
  • Allegro verſchiedene Arten deſſelbenXII. i. 2. wie es auszufuͤhren iſtXII. 3. u. f. Bogenſtrich dabeyXVII. ii. 26.XVII. iv. 5. Anmerkungen bey deſſel - ben BegleitungXVII. vii. 38. fuͤr das Clavier insbeſondereXVII. vi. 32. das Zeitmaaß der verſchiedenen Arten deſſelbenXVII. vi. 49-51.
  • Allegro, erſtes eines Concerts fuͤrs GroßeXVIII. 33. 34. eines SoloXVIII. 49.
  • letztes eines ConcertsXVIII. 38. 39. eines SoloXVIII. 50.
  • Altſtimme Triller derſelbenIX. 6. Anm.
  • Andante deſſen VortragXIV. 21. BogenſtrichXVII. ii. 26.
  • Anfang eines Stuͤckes, Anmerkung dabeyXVII. i. 5.XVIII. vii. 42.
  • Anfaͤnger in der Muſik ſ. Muſi - kus und Floͤtenſpieler.
  • Anfuͤhrer der Muſik ſind oftmals ſchlecht beſchaffen E. 8.XVII. i. 2. die Eigenſchaften eines gutenXVII. i. 3. u. f.
  • Anſatz auf der Floͤte traverſiereIV. 6. u. f. wie er zu erlangenIV. 8. u. f. Hinderniſſe des gutenIV. 6. 8. 15. auf dem Hoboe und FagottVI. Anh. i. 4.
  • Anſchlag eine ſo genannte willkuͤhrli - che AuszierungXVII. 41. harter beym SingenXVIII. 11.
  • Anſchlagende Noten ſ. Noten.
  • Anthems der EngellaͤnderXVIII. 20.
  • Application ſ. Fingerordnung.
  • Applicatur auf Bogeninſtrumenten,ſ. mezzo manico. des Contravioloni - ſtenXVII. v. 6
  • Arien wie ſie zu beurtheilen ſindXVIII. 25. 26. mit ActionXVIII. 24. 26. 69. franzoͤſiſcheXVIII. 66. italiaͤniſche63.
  • Arioſo deſſen VortragXIV. 20. Bo - genſtrichXVII. ii. 26. ZeitmaaßXVII. vii. 51
  • Athemholen Regeln davonVII. 1. u. f. XII. 13. XIV. 12
  • Aufmunterung zum Fleiße in der Muſik E. 8. XVI. 33.
  • Ausdruck im Singen iſt noͤthigXVIII. 69
  • der LeidenſchaftenVI. i. 11.XI. 15. 16. XII. 24. 25
  • Ausſprache Fehler derſelben beym SingenXVII. 11.
  • Ausziehen der Mittelſtuͤcken der FloͤteI. 13.
  • Auszierungen weſentlicheVIII. 1. u. f.IX. 1. u. f. XII. 26.
  • willkuͤhrlicheXII. 27.XIII. 2. u. f. wenn ſie anzubringen ſindXIII. 9.XIV. 14.XVII. iv. 3. ſind immer abzuwechſelnXIII. 29. duͤrfen nicht uͤbereilet werdenXIV. 16. allzuhaͤufi - ge werden verworfenXI. 6. 7. 18. dunkle e. d. Vorſicht die dabey noͤ - thig iſtXVI. 24. wo ſie zu vermeiden ſindXVII. iii. 6.XVII. iv. 3.XVII. vi. 7. 23.XVII. vii. 15. wo ſie bey einem Concert koͤnnen angebracht wer - denXVI. 27. bey einem QuatuorXVI. 24. bey einem SoloXVI. 29. bey einem TrioXVI. 24. beym con - certiren mit einer SingſtimmeXVI. 30.
  • Beyſpicle davon uͤber alle Arten der JntervalleXIII. 11. u. f. uͤber Bin - dungenXIII. 28. 29. uͤber die halbeCadenzder vornehmſten Sachen. CadenzXV. 33. 34. uͤber die Ein - ſchnitte der MelodieXIII. 35-39. uͤber die FermatenXIII. 36. uͤber lang - ſame punctirte NotenXIII. 40. uͤber ein ganzes AdagioXIV. 23. 24. und41-43.
  • des TheatersXVIII. 71.

B.

  • Bach (Johann Sebaſtian) ſeine Art die Finger auf dem Claviere zu ſe - tzenXVII. vi. 18. hat die Orgelkunſt zur Vollkommenheit gebracht. XVIII. 83.
  • Baͤnde auf dem VioloncellXVII. iv. 11. ſind auf dem Contraviolon noͤthigXVII. v. 4.
  • BalletteXVIII. 71.
  • Barre (la) ein franzoͤſiſcher Floͤten - ſpielerI. 6.
  • Baß ſ. Grundſtimme.
  • Baſſet wie es auf dem Fluͤgel zu ac - compagnirenXVII. vi. 27.
  • Baſſon deſſen UrſprungXVII. vii. 6. wie er zu halten iſtVI. Anh. 6. deſſen AnſatzVI. Anh. 1. u. f. Beſchrei - bung und Gebrauch des Zungenſtoßes auf demſelbenVI. Anh. 1. u. f. Tril - ler auf demſelbenIX. 6. Anm. wie der Ton darauf hoͤher oder tiefer ge - macht wirdXVII. vii. 7. 9. wodurch er unrein wirdXVII. vii. 7.
  • Baſſoniſten Fehler derſelbenVI. Anh. 5. ihr Platz bey einer MuſikXVII. i. 13-15.
  • Baßſtimme Triller derſelbenIX. 6. Anm.
  • Battement eine kleine weſentliche ManierVIII. 15.
  • Bau inwendiger der Floͤte, was erzum Tone beytraͤgtIV. 4.
  • Bauernſtolz in der Muſik ſchadlichXVII. vii. 36.
  • Begleitung einer Hauptſtimme ſ. Accompagnement.
  • Beſcheidenheit, zur Unzeit affectirte wird getadeltXVI. 32.
  • Beurtheilung einer Muſik wie ſie anzuſtellenXVIII. 1. 8. 9. 10. Fehler dabeyXVIII. 2-6.
  • Bewegung des Tactes ſ. Zeit - maaß.
  • Beyfall der Zuhoͤrer wozu er dienetXVI. 33.
  • Billigkeit iſt bey Beurtheilung einer Muſik zu beobachtenXVIII. 7-10.
  • Bindungen in der Grundſtimme ihr VortragXVII. iv. 8.XVII. vi. 28. auf dem FluͤgelXVII. vii. 29. will - kuͤhrliche Auszierungen daruͤberXIII. 28. 29.
  • Blasinſtrumente ſ. Jnſtru - mente.
  • Blavet ein franzoͤſiſcher Floͤtenſpie - lerI. 6.
  • BockstrillerIX. 3
  • Bogen uͤber den NotenVI. i. 10. 11.XVII. ii. 12. mit dem PuncteXIII. 36.
  • der Jnſtrumente, ſeine Staͤrke und SchwaͤcheXVII. ii. 28. wo er auf je - dem Jnſtrumente zu fuͤhrenXVII. ii. 28. des VioloncellsXVII. iv. 1.
  • Bogeninſtrumente ſ. Jnſtru - mente
  • Bogenſtrich Lehren davonXVII. 6.XVII. ii. 3-28. auf der Bratſche ins - beſondereXVII. iii. 7. u. f. auf dem ContraviolonXVII. v. 5. auf dem Violoncell insbeſondereXVII. iv. 2. 9. 10. bey der franzoͤſiſchen Tanzmu -U u 2ſikRegiſterſikXVII. vii. 58. der neumodiſchen italiaͤniſchen VioliniſtenXVIII. 61
  • BombartI. 5.XVII. vii. 6
  • Bourree ihr Zeitmaaß und VortragXVII. vii. 58
  • Bratſche Triller auf derſelbenIX. 6. Anm. wo der Bogen darauf zu fuͤh - ren iſtXVII. ii. 28.XVII. iii. 9.
  • Bratſchiſt deſſen Platz bey einer Mu - ſikXVII. i. 13-15. ſeine PflichtenXVII. iii. 1. u. f.
  • Brillant ſ. Schimmer.
  • Bruhns ein OrgelcomponiſtXVIII. 83.
  • Bruſt ihre Bewegung traͤgt etwas zum Tone der Floͤte beyIV. 25. Ge - brauch derſelbenVI. i. 11.
  • Bruſtſtimme menſchlicheIV. 17. 18. deren VorzuͤgeXVII. vii. 52.
  • Buͤffardin ein franzoͤſiſcher Floͤten - ſpielerI. 6
  • Buxtehude ein OrgelcomponiſtXVIII. 83

C.

  • CadenzXV. 1. ihr UrſprungXV. 2. MisbrauchXV. 3. 4. 6. AbſichtXV. 5. ihre FehlerXV. 18. ihr SchlußXV. 29. 36. was die Accompagniſten da - bey zu beobachten habenXVII. vii. 44.
  • einfacheXV. 9. Anweiſung da - zuXV. 7-18.
  • doppelteXV. 9. Anweiſung dazuXV. 19-31.
  • halbeXV. 32. 33. 34.
  • Caͤſur der MelodieXVIII. 33. 34. 39.
  • Canarie ihr VortragXVII. 7. 58.
  • Cantabile deſſen BogenſtrichXVII. ii. 26. VortragXIV. 20.
  • Cantatenſtyl in der KircheXVIII. 19. 20. wird in Deutſchland einge -fuͤhretXVIII. 85. in der KammerXVIII. 27.
  • CantoresXVIII. 80. Anm. eigenſin - nigeXVIII. 85.
  • Capelli ein italiaͤniſcher Componiſt, ſein CharakterXVIII. 63.
  • Chaconne ihr VortragXVII. vii. 58.
  • Chorſchuͤler deutſcheXVIII. 80. Anm.
  • ChortonXVII. vii. 6.
  • Chronomêtre von Mr. LouliéXVII. vii. 46.
  • Clavicymbal deſſen Platz bey einer MuſikXVII. i. 13-15. verſchiedener Ton deſſelbenXVII. vi. 18.
  • Clavieriſt ſeine Pflichten beym Ac - compagnement.XVII. vi. 1. u. f. be - ruͤhmte deutſcheXVIII. 83.
  • Componiſten angehende muͤſ - ſen den Contrapunct gruͤndlich erler - nen E. 16. XVIII. 88.
  • deutſche Erinnerung an die - ſelbe E. 15.XVIII. 88. beruͤhmte wer - den angefuͤhretXVIII. 84. haben den Geſchmack verbeſſertXVIII. 83. 84. haben von den Auslaͤndern Nutzen ge - zogenXVIII. 83. 86. ihre VorzuͤgeXVIII. 86. Vorzuͤge eines beruͤhmtenXVIII. 63.
  • gute ihre PflichtenXVII. vii. 60.
  • italiaͤniſche einige Fehler derſelben E. 14.XVIII. 24. 62. 63. 68. großeXVIII. 56.
  • Opern -XVIII. 24. 71. beruͤhmte deutſcheXVIII. 84. duͤrfen nicht par - theyiſch ſeynXVIII. 71. Fehler der heu - tigen welſchenXVIII. 63. 68.
  • ſelbſtgewachſene ihre Fehler. E. 14. 15. X. 21.
  • unwiſſende, ihre Fehler. E. 20.
  • Compoſition ihre Erlernung wird angerathenX. 18. XVII. iv. 7. wie ſie zu beurtheilen iſtXVIII. 5. 16. u. f.
derder vornehmſten Sachen.
  • der alten DeutſchenXVIII. 79. 80.
  • Jnſtrumental-der heutigen Jta - liaͤnerXVIII. 62.
  • Vocal-wird verbeſſertXVIII. 56. der FranzoſenXVIII. 67. der heuti - gen JtaliaͤnerXVIII. 62.
  • Concert deſſen UrſprungXVIII. 30. VerbeſſerungXVIII. 58. unterſchie - dene Arten deſſelben, e. d. ihre Beſchrei - bungXVIII. 30-40. was fuͤr willkuͤhr - liche Auszierungen dabey ſtatt findenXVI. 27. fuͤr einen großen Ort.XVI. 18.XVIII. 31. 33-40. fuͤr einen kleinen OrtXVI. 19.XVIII. 41. wie es auf dem Fluͤgel zu begleitenXVII. vi. 5.
  • Concertiſten ihre Pflichten ſ. Floͤ - tenſpieler. ſind in einem guten Orche - ſter zu erziehenXVII. i. 12.
  • Concerto groſſo ſeine Eigenſchaften. XVIII. 30. 31.
  • Contrapunct was darunter verſtan - den wird. E. 16. deſſen Nutzen, e. d. deſſen Misbrauch. e. d.
  • Contraviolon muß Baͤnde habenXVII. v. 4. wo der Bogen darauf zu fuͤh - ren iſtXVII. ii. 28.XVII. v. 5. rechte GroͤßeXVII. v. 2. 3. TrillerIX. 6. Anm.
  • Contravioloniſt deſſen Bogen - ſtrich insbeſondereXVII. v. 5. Pflich - tenXVII. v. 1. u. f. Platz bey einer Mu - ſikXVII. i. 13-15.
  • Copiſten ihre PflichtenXVII. vii. 60.
  • Corelli wird geruͤhmetXVIII. 56. 58. ſeine Sonaten werden angefuͤhretXV. 2.
  • Courante ihr VortragXVII. vii. 58.
  • Couſſer ein beruͤhmter deutſcher Com - poniſtXVIII. 84.
  • Currentjungen in deutſchen StaͤdtenXVIII. 83.

D.

  • Daͤmpfer ihr GebrauchXVII. ii. 29. 30. welche die beſten ſind, e. d.
  • Daumen Gebrauch derſelben bey Haltung der FloͤteII. 3. 4.
  • Deutſche ihr Geſchmack in der Muſik in den vorigen ZeitenXVIII. 78-82 in den itzigen ZeitenXVIII. 83-89. ihre alte SingartXVIII. 80. Anm. ihre alte Jnſtrumentalmuſik. XVIII. 81.
  • Deutſche Componiſten ſ. Com - poniſten.
  • Di eine Art des ZungenſtoßesVI. 2. deſſen Beſchreibung und GebrauchVI. i. 1. u. f. Stuͤcke ſo dazu dienenX. 6. auf dem Hoboe und BaſſonVI. Anh. 2.
  • Diebe muſikaliſche E. 14.
  • Did’ll eine Art des Zungenſtoßes ſ. Doppelzunge.
  • Diri eine Art des Zungenſtoßes,VI. ii. 7. 8.
  • Discant ſ. Sopran.
  • Discretion beym Accompagnement wo ſie ſtatt findetXVII. vi. 31.XVII. vii. 44. 59.
  • Diſſonanzen, ihre unterſchiedenen WirkungenXVII. vi. 12-16. ihr unter - ſchiedener VortragXVII. iv. 7.XVII. vi. 12-16.
  • Dolce deſſen BogenſtrichXVII. ii. 26.
  • Doppelſchlag eine kleine weſentliche ManierVIII. 14.
  • Doppelzunge oder Zungenſtoß mit did’llVI. 2. deren Beſchreibung und GebrauchVI. iii. 1. 2. 4. 5. auf der FloͤteVI. i. 9.VI. iii. 3. 7. u. f. was fuͤr Stuͤcke dazu dienenX. 8. was da - bey zu verhuͤten iſtX. 9. deren Ge - brauch auf dem BaſſonVI. Anh. 3.
  • Doublé ſ. Doppelſchlag.
U u 3DuettenRegiſter
  • Duetten deren Uebung wird einem An - faͤnger angerathenX. 14. fuͤr die Sing - ſtimmeXVIII. 27.
  • Dunkelheit des VortragesX. 19.XI. 6. 7.
  • Durchgehende Noten ſ. Noten.

E.

  • Eigenliebe iſt im Zaume zu halten. E. 20. uͤbelgeordnete, deren Schaden e. d.
  • Eigenſinn ſchaͤdlichXVII. vii. 18.
  • Eilen bey der muſikaliſchen Ausfuͤhrung iſt zu vermeidenXII. 5. 6. 7. Mittel dawiderX. 9.XII. 5.XVII. vii. 32.
  • Eingebildete Virtuoſen E. 14. 20.
  • Einklang willkuͤhrliche Anszierungen daruͤberXIII. 12.XIV. 26.
  • Einſchnitte, der Melodie ſ. Caͤſur. willkuͤhrliche Auszierungen daruͤberXIII. 35-39. des Recitativs, was bey Begleitung derſelben zu beobachtenXVII. vii. 59.
  • Eintheilung der Noten in den Tact, wie ſie zu erlernenV. 17. u. f. iſt ein noͤthiges Stuͤck des guten Vor - tragesV. 16.XVII. i. 5.
  • Eintritte des HauptſatzesXVII. vi. 32.XVII. vii. 28.
  • Embouchûre ſ. Anſatz, und Mund - loch.
  • Entrée ihr VortragXVII. vii. 58.
  • Erfahrung iſt noͤthig bey der Muſik. E. 14. XVII. vi. 14.
  • Erfindung der Floͤte traverſiereI. 1. 2.
  • Es des BaſſonsXVII. vii. 7.

F.

  • Fagott ſ. Baſſon
  • Fagottiſt ſ. Baſſoniſt.
  • Falſet deſſen GebrauchIV. 17. 18.
  • Feinde wozu ſie dienenXVI. 33.
  • Fermate, willkuͤhrliche Auszierungen daruͤberXIII. 36. ihr UrſprungXV. 2. im Anfange eines Stuͤcks wie ſie zu machen und auszuzieren iſtXV. 35. Anmerkungen uͤber ihre WaͤhrungXVII. vii. 43.
  • Fertigkeit, auf der Floͤte wie ſie zu erlangen iſtX. 10. Misbrauch derſel - benXVI. 16.
  • Fluͤgel ſ. Clavieymbal.
  • Finger was fuͤr welche zur Floͤte ge - ſchickt ſind, E. 4. 18. ihre BezeichnungII. 1. wie ſie beym Flotenſpielen zu ſe - tzen ſindII. 3. u. f. einige Misbraͤuche derſelben beym FloͤtenſpielenII. 7. 8. 9.X. 3. wie ſie auf dem Claviere zu hal - ten ſindXVII. vi. 18. der linken Hand, ihr Gebrauch auf BogeninſtrumentenXVII. ii. 32.
  • Fingerordnung auf der Floͤte tra - verſiereIII. 4. u. f. auf dem Hoboe, iſt von jener unterſchiedenIII. 12.
  • Fiſtel ſ. Falſet.
  • Fleiß erſetzet oft den Mangel des Un - terrichts E. 3.
  • Floͤte traverſiere ihr UrſprungI. i. 2. wird von den Franzoſen verbeſſertI. 4. 6. woraus ſie verfertiget wirdI. 18. ihre GattungenI. 16. wird in Deutſchland beliebtI. 7. wie ſie zu reinigenI. 19. wie ihre Stuͤcke zu - ſammen zu ſetzen ſindII. 2. ihre Hal - tung beym BlaſenII. 2. u. f.XVI. 10. gleichet der menſchlichen LuftroͤhreIV. 1. 17. wie der Ton darinne gezeuget wirdIV. 2. 4. ihr inwendiger Bau.IV. 4. ihr AnſatzIV. 6. u. f. wie ſie einzuſtimmen iſt.XVI. 2-10. wie der Ton darauf hoͤher oder tiefer wirdXVII. vii. 9. wodurch ſie unrein wirdXVII. vii. 7. kann gar wohl rein ge -ſpieletder vornehmſten Sachen. ſpielet werdenIX. 10. wie ihre Un - vollkommenheiten zu verbeſſern ſindIV. 16. 23. was darauf ſchwer zu ſpielen iſtXVIII. 14. ihre Ausuͤbung ſchadet der Geſundheit nicht. E. 21.
  • Floͤteniſt ſ. Floͤtenſpieler
  • Floͤtenmacher, Fehler der meiſtenIV. 4.XVII. vii. 7.
  • Floͤtenſpieler ein angehendeꝛ ſeine Naturgaben und Eigenſchaften E. 4. u. f. was er zu beobachten hatX. 1-22. wie lange er taͤglich ſpielen muͤſſeX. 23. Fehler der meiſten E. 9. X. 10.
  • mechaniſcheIV. 14. ihre FehlerIV. 16.
  • ein concertirender was er bey oͤffentlichen Muſiken zu beobachten hatXVI. 1. u. f. ſein Platz daſelbſtXVII. i. 13-15.
  • Forte und ſeine unterſchiedenen Grade beym Accompagnement werden be - ſchriebenXVII. vii. 19-30. ihre Be - zeichnungXVII. vii. 19. wie ſie auf dem Claviere ausgedruͤcket werdenXVII. vi. 17. Abwechſelung derſelben mit dem Piano ſ. Ton.
  • Franzoͤſiſche Muſik ſ. Muſik und Oper.
  • Franzoſen haben die Floͤte traver - ſiere verbeſſertI. 4. 7. ihre Fehler im SingenIV. 17. ihre Art das Adagio auszufuͤhrenXIV. 2. 3. 4. ihr Bogen - ſtrich beym Accompagnement wird angeprieſenXVII. ii. 26. haben zum Theil den Geſchmack in der Muſik ver - beſſertXVIII. 53-55. ihr Geſchmack in der Muſik wird beſchriebenXVIII. 65 - 67. 74. 75. und mit dem italiaͤniſchen verglichenXVIII. 76. 89.
  • Frechheit, ihr Ausdruck in der MuſikXII. 24. 26.
  • Freunde derſelben WerthXVI. 33.
  • Froberger ein beruͤhmter deutſcher ClaviercomponiſtXVIII. 83.
  • Fugen muß ein Anfaͤnger in der Muſik fleißig ſpielenX. 14. Regeln von der - ſelben AusfuͤhrungXVII. vii. 23.
  • Fuͤßgen der Floͤte, deſſen Theilung wird verworfenI. 14. kann nicht wohl verlaͤngert werdenI. 16.
  • Furchtſamkeit iſt einem Muſikus ſchaͤdlichXVI. 13.
  • Furie ihr VortragXVII. vii. 58.

G.

  • Gavotte ihr VortragXVII. vii. 58.
  • Gelaſſenheit iſt bey dermuſikaliſchen Ausfuͤhrung noͤthigXVI. 14.
  • Gelehrſamkeit ihr Nutzen bey der Muſik E. 19.
  • Geltung der NotenV. 8.
  • Generalbaß deſſen Wiſſenſchaft iſt einem angehenden Muſikus noͤthigX. 18.
  • Generalpauſe ſ. Fermate
  • Geſchmack in der Muſik iſt unter - ſchiedlichXVII. 52. 53. wer ihn in den vorigen Zeiten ausgebeſſert hatXVIII. 53. 55. hat nach und nach zugenom - menXVIII. 54. vermiſchter iſt der beſte.XVIII. 87-89. allgemeiner gu - ter wie er entſtehen koͤnneXVIII. 88.
  • deutſcher in den vorigen ZeitenXVIII. 78-82. in den itzigen ZeitenXVIII. 83-89. was er ſeyXVIII. 87. merkwuͤrdigſter Zeitpunct ſeiner Ver - beſſerungXVIII. 84. wird mit Unrecht barbariſch genennetXVIII. 86. Hin - derniſſe deſſelbenXVIII. 80. Anm. 85.
  • franzoͤſiſcher wird beſchriebenXVIII. 65-67. Vorſchlaͤge zu deſſen VerbeſſerungXVIII. 74. 75. wird mit dem italiaͤniſchen verglichenXVIII. 76. 89.
  • italiaͤniſcher was man ſo nennenkannRegiſterkannXVIII. 56. der vorigen Jta - liaͤnerXVIII. 56. der heutigen italiaͤ - niſchen JnſtrumentiſtenXVIII. 57-62. wird mit dem franzoͤſiſchen verglichenXVIII. 76. 89.
  • lombardiſcher, wer ihn aufge - bracht hatXVIII. 58. was er iſtV. 23.
  • Geſchwindigkeit in der Ausfuͤh - rung iſt nicht zu uͤbertreibenX. 3.XII. 8.XIV. 16.
  • Gique ihr VortragXVII. vii. 58.
  • Glottis ſ. Kopf der Luftroͤhre.
  • Gola ſ. Gurgel
  • Grave wie es vorzutragen iſtXIV. 17. deſſen BogenſtrichXVII. ii. 26.
  • Grimaſſen ſind zu vermeidenX. 3.
  • Grundſtimme wo ſie willkuͤhrliche Auszierungen leidetXVII. iv. 3. die Pflichten ihrer Ausfuͤhrer beym Re - citativ. XVII. vii. 59.
  • GurgelſtimmeIV. 1.
  • Guſto barbaroXVIII. 86.

H.

  • Haͤnde wie ſie auf dem Clavicymbal aufzuheben ſindXVII. vi. 30.
  • Haͤndel ein beruͤhmter deutſcher Com - poniſtXVIII. 42.
  • Haltung einer Note wie ſie zu ma - chenXIV. 10. was der Accompagniſt dabey zu beobachten hatXVII. vi. 24.
  • Harmonie deren Erlernung wird an - gerathenX. 18.XVII. iv. 3.XVII. v. 1.
  • Harpeggiren wo es nicht ſtatt fin - detXVII. vi. 7. 23.
  • Hauchen mit der Bruſt beym Floͤten - ſpielenIV. 25.VI. i. 11.VI. iii. 11.
  • Hauptnoten ſind nicht zu verdun - kelnXIII. 7.
  • Hauptſatz eines Stuͤckes, deſſen Vor - tragXII. 23.XIV. 14.XVII. iii. 13.XVII. vi. 32.XVII. vii. 28.
  • Hinderniſſe des Wachsthums in der Muſik E. 7. 8. 14. 20.
  • Hoboe deſſen UrſprungI. 5.XVII. vii. 6. deſſen AnſatzVI. Anh. 1. wie er zu halten iſtVI. Anh. 6. deſſen Finger - ordnung iſt von der auf der Floͤte un - terſchiedenIII. 12. Zungenſtoß auf demſelbenVI. Anh. 1. u. f. wie er un - rein wirdXVII. vii. 7. wie der Ton darauf hoͤher oder tiefer wirdXVII. vii. 9. Triller auf demſelbenIX. 6 Anm.
  • Hoboiſten ihr Platz bey einer MuſikXVII. i. 13-15.
  • Hotteterre le Romain ein franzoͤ - ſcher FloͤteniſtI. 6.

J.

  • Jmitationen ſ. Nachahmun - gen,
  • IngannoXVII vi. 11.
  • Jnſtrumente wie ſie bey einer Muſik zu beſetzen ſindXVII. i. 13-17. ihre Eigenſchaften muß ein Componiſt ver - ſtehenXVII. vii. 60. der vorigen Zei - tenXVII. vii. 6.
  • Blas - wie ſie zu ſtimmen ſindXVII. vii. 5. wie ſie zu daͤmpfenXVII. ii. 30.
  • Bogen - muͤſſen gut bezogen ſeynXVII. ii. 1. wie ſie zu ſtimmen ſindXVII. vii. 1-4. wie ſie rein zu ſpielen ſindXVII. vii. 8. 9. wie ſie zu daͤmpfen ſindXVII. ii. 29.
  • Jnſtrumentalmuſik ihre vornehm - ſten ArtenXVIII. 28. u. f. wie ſie zu beurtheilen iſt e. d.
  • altdeutſcheXVIII. 81.
  • franzoͤſiſcheXVIII. 65. Vor - ſchlaͤge zu ihrer VerbeſſerungXVIII. 75.
  • italiaͤniſcheXVIII. 56. 57. 62.
  • Jnſtrumentiſt angehender ſ. Floͤtenſpieler deſſen Naturgaben E. 4.
Jnſtru -der vornehmſten Sachen.
  • Jnſtrumentiſten wie ſie bey einer Muſik zu ſtellen ſindXVII. i. 13 -17. wie ſie zu beurtheilen ſindXVIII. 13 -15.
  • -- deutſche Erinnerung an die itzi - genXVIII. 88. der vorigen ZeitenXVIII. 81.
  • -- franzoͤſiche ihre EigenſchaftenXVIII. 65.
  • -- italiaͤniſche ihre FehlerIX. 4. XVIII. 57-62. ſchaden dem guten Ge - ſchmackeXVIII. 57 -62. richten in gu - ten deutſchen Orcheſtern Unheil anXVIII. 61. Anm. werden oft zur Un - zeit in Schutz genommenXVIII. 61. Anm.
  • Jnſtrumentmacher ihre FehlerXVII. vii. 7.
  • Jntermezzo ſ. komiſche Muſik.
  • Jtaliaͤner ihre Art das Adagio aus - zufuͤhrenXIV. 2 .3 .4 . ihre Vorzuͤge im SingenIV. 17 .XVIII. 64 . ihr Bogenſtrich beym Accompagnement wird widerrathenXVII. ii. 26. haben den Geſchmak in der Muſik verbeſſertXVIII. 53 -56. ſind darinne zur Ver - aͤnderung geneigtXVIII. 56 .57 . ihr Geſchmack in der Muſik wird beſchrie - benXVIII. 56 -62. mit dem franzoͤſi - ſchen verglichenXVIII. 76.
  • Jtaliaͤniſche Componiſten und Saͤnger ſ. Componiſten und Saͤnger, Jnſtrumentiſten ſ. Jnſtrumentiſten.

K.

  • Kaͤlte ihre Wirkung auf die Jnſtru - menteXVI. 3 .6.
  • KammerconeertXVIII. 30. 32-41.
  • Kammermuſik Stellung der Aus - fuͤhrer dabeyXVII. i. 15.
  • KammerſtylXVIII. 21 .22.27.
  • KammertonXVII. vii. 7.
  • Karl der Große liebt die Muſik der WelſchenXVIII. 55.
  • Keiſer (Reinhard) ein beruͤhmter deutſcher OperncomponiſtXVIII. 84.
  • Kenner der Muſik was fuͤr Stuͤcke vor ihnen zu ſpielen ſindXVI. 20 .21.
  • Kennzeichen, zufaͤllige der Guͤte einer MuſikXVIII. 51.
  • Kinn deſſen Bewegung beym Floͤten - blaſenIV. 9. u. f.
  • Kirchenmuſik ihre unterſchiedenen Arten und EigenſchaftenXVIII. 19 -21. ihr VortragXVII. vii. 12. was bey ihrem Zeitmaaße zu beobachtenXVII. vii. 53 .XVIII. 21.
  • KirchenſtylXVIII. 21 .22.27.
  • Klappe an der Floͤte traverſiere ihre ErfindungI. 4. wird in Deutſchland eingefuͤhretI. 7. der zweyten Erfin - dungI. 8. NutzenIII. 8 .9 . keine darf zur Unzeit eroͤfnet werdenII. 9.
  • Kneipen der Seyten auf Bogenin - ſtrumentenXVII. ii. 31.
  • Komiſche Muſik ihr VortragXVII. vii. 13.
  • Kopf wie er beym Floͤtenſpielen zu hal - ten iſtII. 5.
  • Kopf der menſchlichen Luft - roͤhreIV. 1. deſſen Gebrauch beym FalſetIV. 17.
  • Kopfſtuͤck der Floͤte traverſiereI. 10. kann getheilet werdenI. 15.

L.

  • Laͤnge eines ConcertsXVIII. 40.
  • Larghetto deſſen VortragXIV. 21.
  • Largo deſſen Vortrag und Bogen - ſtrichXVII. ii. 26.
  • Lehrmeiſter in der Muſik iſt noͤthigX. 1. die Schuldigkeiten deſſelbenE. 9. X x10. 11.Regiſter10.11.16. FehlerXI. 8. muß nicht oft abgewechſelt werdenE. 11. auf der FloͤteE. 9 -11.
  • Leidenſchaften wie ſie in der Muſik zu erregen und zu ſtillen ſindVIII. 16 .XV. 18 .XVII. vi. 10 -13. wie ſie in einem Stuͤcke zu erkennen und zu unterſcheiden ſindXI. 15 .16 . ihr AusdruckXII. 24.
  • Lento aſſai deſſen VortragXIV. 8 -16. BogenſtrichXVII. ii. 26.
  • Licht und Schatten in der Muſik, ein Theil deſſelbenXIV. 9.
  • Liebhaber der Muſik, ihre Fehler im UrtheilenXVIII. 1 -7.
  • Ligaturen, ſ. Bindungen.
  • Lippen welche zum Floͤtenblaſen ge - ſchickt ſindE. 14. ihre FehlerIV. 7. ihre Bewegung beym FloͤtenblaſenIV. 8. u. f.19. u. f. ihr Gebrauch beym Blaſen des Hoboes und des BaſſonsVI. Anh. 2 .4.5.
  • Lombardiſcher Geſchmack ſ. Geſchmack.
  • Loulié ſein Chronomêtre wird angefuͤh - retXVII. vii. 46.
  • Loure ihr VortragXVII. vii. 58.
  • Luſtroͤhre menſchliche, wie der Ton darinne hervorgebracht wirdIV. i. 17 .18.
  • LullyXV. 2 .XVIII. 42.55.
  • Luſtigkeit, ihr Ausdruck in der MuſikXII. 24 .26.

M.

  • MadrigalXVIII. 27.
  • Maeſtri italiaͤniſcheE. 14.
  • Manieren kleine weſentlicheVIII. 14. u. f. muͤſſen nicht uͤberhaͤufet werdenVIII. 19 .XI. 18.
  • Mannigfaltigkeit des Vortrages wird ausfuͤhrlich erlaͤutertXIV. 25 -43.
  • Marſch ſein VortragXVII. vii. 58.
  • Mattei (Nicola)XV. 2.
  • Mattheſon ſeine Verdienſte um die Muſik .XVIII. 84.85.
  • Menſchenſtimme wie ſie den Ton bildetIV. 1.
  • Menuet ſein VortragXVII. vii. 58.
  • Meſſa di voce wie ſie zu machen iſtXIV. 10. wie ſie mit dem Clavicymbal zu begleitenXVII. vi. 24.
  • Meſſe Muſik dabeyXVIII. 19.
  • Meſure ſ. Tact
  • Metaſtaſio ein großer Operndich - terXVIII. 68.
  • Metrum muſikaliſchesXVIII. 33 .34. Fehler dawiderXVIII. 62 .63.
  • Mezze tinteXIV. 25.
  • Mezzo forte wie es auf dem Clavicym - bal auszudruͤckenXVII. vi. 17. wie es bezeichnet wirdXVII. vii. 19.
  • Mezzo manicoXVII. ii. 33.
  • Mittelſtuͤcken der Floͤte traverſiereI. 9. was beym Auseinanderziehen der - ſelben zu beobachtenI. 13.
  • Mordant eine kleine weſentliche Ma - nierVIII. 14. wo er zu vermeiden iſtXVII. ii. 12.
  • Moteten, was ſie ſindXVIII. 19.
  • Mouvement ſ. Zeitmaaß.
  • Muͤſette ihr VortragXVII. vii. 58.
  • Mundloch der Floͤte traverſiere, deſ - ſen GroͤßeIV. 11. Regeln von Oef - nung deſſelbenIV. 811 .13.15.
  • Muſiei, alte, ihre FehlerXVII. i. 5 .XVII. vii. 16 . junge, ihre FehlerXVI. 16 .XVIII. i. 5 .12 .XVII. vii. 16 . große, ihre FehlerXVI. 23.
  • Muſik wie ſie zu beurtheilen iſtXVIII. 1. u. f.der vornehmſten Sachen. 1. u. f. etwas vom Unterſchiede der al - ten und neuenXVII. 3. ihre FeindeXVIII. 80. Anm. Unterſchied des Ge - ſchmackes in derſelbenXVIII. 52. u. f.
  • Muſik der DeutſchenXVIII. 78 -86.
  • -- franzoͤſiſche iſt ſklaviſchX. 13 .19 .XVIII. 76 . iſt gut fuͤr AnfaͤngerX. 13. wird mit der italiaͤniſchen ver - glichenXVIII. 76.
  • -- italiaͤniſche iſt freyX. 13 .19 .XVIII. 76 . in FrankreichXVIII. 73. wird mit der franzoͤſiſchen verglichenXVIII. 76.
  • -- Kirchen ſ. Kirchenmuſik.
  • -- Komiſche ſ. Komiſche Muſik.
  • -- Theatraliſche ſ. Theatraliſch.
  • Muſiken oͤffentliche, was ein Concer - tiſt dabey zu beobachten hatXVI. 1. u. f.
  • Muſikus, ein angehender, ſeine Na - turgaben und EigenſchaftenE. 4. u. f. ein gebohrner wer es ſeyE. 5. wie ei - ner zu beurtheilen iſtXVIII. 1 -15.

N.

  • NachahmungenXV. 23 -28. was bey deren Vortrage zu beobachtenXVII. iii. 13 .XVII. iv. 3.XVII. vi. 26.
  • Nachforſchen eifriges in der Muſik wird angerathenE. 12. deſſen Gegen - ſtaͤndeE. 17.
  • Nachſchlag des TrillersIX. 7. wo er nicht ſtatt findetXV. 35.
  • NaſenſtimmeIV. 1.
  • Naturgaben erſetzen oft den Man - gel des guten UnterrichtsE. 3 .11 . muͤſſen wohl gepruͤfet werdenE. 6. ſind allein nicht hinreichend einen guten Muſikus zu machenE. 14. wodurch man dem Mangel derſelben zu Huͤlfe kommen kannXVIII. vi. 14. eines ComponiſtenE. 4. eines Jnſtrumen - tiſten e. d. eines RipieniſtenE. 7. ei - nes SaͤngersE. 4.
  • Noten ihre GeltungV. 8. muͤſſen in der Ausfuͤhrung von einander unterſchieden werdenXI. 12. welche vornehmlich im Vortrage zu erheben ſindXVII. ii. 15 .XVII. iii. 13 .XVII. iv. 7 .9 .XVII. vi. 10 .16 . anſchlagendeXI. 12. durch - gehendeXI. 12. geſchwinde ihr VortragVI. iii. 1 .15 .XI. 12 .XVII. vii. 40 . ihr BogenſtrichXVII. ii. 8. u. f. lange ihr VortragXII. 18 .19 .XIV. 10 .XVII. ii. 15 .XVII. iii. 13 . lang - ſame punctirte willkuͤhrliche Aus - zierungen daruͤberXIII. 40. punctirte ihr VortragIV. 17 .V. 21 .22 .23 .VI. ii. 3 .VIII. 8 .9 .XII. 24 .XVII. ii. 13 .16 .XVII. iv. 10 .XVII. vii. 58 . ſynkopirete ihr BogenſtrichXVII. ii. 8.
  • Notenleſen, Fertigkeit darinn iſt noͤ - thigE. 17 .XVIII. 11. Mittel dazu zugelangen .X. 14.

O.

  • Octaven wie ſie auf der Floͤte her - auszubringen ſindIV. 14 .18 .19 . wie ſie auf Blasinſtrumenten unrein wer - denXVII. vii. 7.
  • Octavenſpruͤnge, willkuͤhrliche Aus - zierungen daruͤberXIII. 21. undXIV. 33.
  • Oper erfodert einen erfahrnen Compo - poniſtenE. 15. ihre vornehmſten gu - ten EigenſchaftenXVIII. 24 .25 .71 . deutſche in Leipzig und HamburgXVIII. 84. franzoͤſiſche wird be - ſchriebenXVIII. 67. ihre FehlerXVIII. 68. in DeutſchlandXVIII. 73. ita - liaͤniſche ihre FehlerXVIII. 68. Ur - ſachen derſelbenXVIII. 70. iſt in an - dern Laͤndern beliebtXVIII. 73.
  • Operncomponiſten ſ. Compo - niſten.
X x 2Opern -Regiſter
  • Opernpoeſie wie ſie beſchaffen ſeyn ſollXVIII. 71.
  • Opernpoeten ihre FehlerXVIII. 68 .70 . ihre PflichtenXVIII. 71.
  • Opernſtyl wird gemisbrauchetE. 15.
  • OratoriumXVIII. 19 .20.
  • Orcheſter wie es in Ordnung zu er - haltenXVII. i. 5 .6 . wie es zu beſetzen und zu ſtellen iſtXVII. i. 13 -17. wie es zu uͤben iſtXVII. i. 11.
  • Ordnung in den muſikaliſchen Ge - dankenE. 14.
  • Organiſten beruͤhmte deutſcheXVIII. 83. gute fangen an rar zu werdenXVIII. 83. ſchlechte e. d.
  • Orgelkunſt von wem ſie die Deut - ſchen empfangen habenXVIII. 83. wer ſie zur Vollkommenheit gebracht hatXVIII. 83.
  • Ort traͤgt viel zur Ausnahme der Mu - ſik beyXVIII. 8 .25.26.
  • Ouvertuͤre ihre EigenſchaftenXVIII. 42.

P.

  • Pachhelbel (Johann) ein beruͤhm - ter deutſcher TonkuͤnſtlerXVIII. 83.
  • Partheylichkeit bey der muſikali - ſchen AusfuͤhrungXVII. i. 10 .XVII. vii. 7 . der ComponiſtenXVIII. 29 .71.
  • Paſſagien wie ſie auszufuͤhren ſindX. 8. u. f.XII. 4 .16 . ſind fleißig zu uͤbenX. 10. wie ſie auf dem Fluͤgel auszufuͤhren ſindXVII. vi. 18. ſchwere fuͤr die FloͤteXVIII. 14. fuͤr die Vio - line, e. d. wie ſie ein Saͤnger auszu - fuͤhren hatXVIII. 11. ihr Misbrauch im SingenXVIII. 69.
  • Paſſecaille ihr VortragXVII. vii. 58.
  • Paſſepied ſein VortragXVII. vii. 58.
  • Pauſa generalis ſ. Fermate
  • Pauſen ihre GeltungV. 10 .24. Vor - ſicht bey deren AusfuͤhrungXII. 12 .XVII. i. 5 .XVII. vii. 34 . beym accom - pagnirten RecitativXVII. vii. 59.
  • Pauſiren Erleichterung deſſelbenXVII. vii. 34.
  • Pedanten muſikaliſcheXVI. 23.
  • Pergoleſe ein italiaͤniſcher Componiſt ſein CharakterXVIII. 63.
  • Pfeifen des Windes auf dem Baſſon, wie es zu verhuͤten iſtVI. Anh. 5.
  • Pfropf im Kopfſtuͤcke der Floͤte tra - verſiere, deſſen NutzenI. 10 .11.12.IV. 26.
  • Philibert ein franzoͤſiſcher Floͤtenſpie - lerI. 6.
  • PianißimoXVII. vi. 17.
  • Piano deſſen unterſchiedene Grade, und Zeichen derſelbenXVII. vii. 19. beym AccompagnementXVII. vii. 19 .30 . wie es auf dem Clavicymbal auszu - druͤckenXVII. vi. 17. wie es mit dem Forte abwechſeln muͤſſe ſ. Ton.
  • Pianoforte ein JnſtrumentXVII. vi. 9 .17.
  • Pincé ſ. Mordant.
  • Piſtocchi ein vortrefflicher italiaͤniſcher SangmeiſterXVIII. 56.
  • Pizzicato wie es zu machenXVII. ii. 31.
  • Poeſie, muſikaliſcheXVIII. 68 .71.
  • Pompoſo deſſen BogenſtrichXVII. ii. 26.
  • Pracht, deren Ausdruck in der MuſikXII. 24 .26.
  • Praͤtorius (Michael) wird ange - fuͤhretI. 3.
  • Preſto Bogenſtrich dabeyXVII. ii. 26.
Propre -der vornehmſten Sachen.
  • Propretaͤten franzoͤſiſche in der Aus - fuͤhrungVIII. 18.
  • PſalmenXVIII. 19 .20.
  • Pulsſchlag iſt ein Mittel den Tact einzutheilenV. 17. kann eine Richt - ſchnur des Zeitmaaßes ſeynXVII. vii. 47. u. f.
  • Punct hinter einer Note, ſeine Gel - tung und AusdruckV. 9. 20-23. uͤber einer Note, deſſen AusdruckVI. i. 11 .XVII. ii. 12.27.
  • Punctirte Noten ſ. Noten.

Q.

  • Quartenſpruͤnge, willkuͤhrliche Auszierungen daruͤberXIII. 23. undXIV. 35 .XIII. 34.38.
  • QuartfloͤtenI. 17.
  • Quatuor Eigenſchaften eines gutenXVIII. 44. was fuͤr willkuͤhrliche Aus - zierungen dabey ſtatt ſindenXVI. 24. Regeln zur Ausfuͤhrung deſſelbenXVII. iii. 14.
  • Querfloͤte ſ. Floͤte traverſiere
  • QuerpfeifeI. 3.
  • Quintenſpruͤnge, willkuͤhrliche Aus - zierungen daruͤberXIII. 21 .39 .XIV. 33 .XIII. 24 . undXIV. 36.

R.

  • Recitativ Regeln davonIV. 17. thea - traliſches wie es zu begleiten iſtXVII. vi. 33 .XVII. vii. 59 . der FranzoſenXVIII. 67.
  • Redlichkeit bey der muſikaliſchen AusfuͤhrungXVII. i. 10.
  • Reinken ein beruͤhmter OrganiſtXVIII. 83.
  • Reinigkeit der FloͤteIV. 4 .24. Hin - derniſſe derſelbenIV. 15.
  • Reinigung der FloͤteI. 19.
  • Reiſen iſt einem Muſikus nuͤtzlichE. 3 .XVII. i. 4. Vorſichtigkeit dabeyXVIII. 59 Anm.
  • Rigaudon ſein VortragXVII. vii. 58.
  • Ripieniſten, ihre NaturgabenE. 7. ihre PflichtenXI. 8.XVII. gute ſind rarXVII. 4 .5 . alte, ihre FehlerXVII. i. 5 .XVII. vii. 16 . junge, ihre FehlerXVII. i. 5 .XVII. vii. 16. Regeln des guten Vor - trags fuͤr ſieXI. 8 .XVII. vii. 10 . u. f.
  • Ripienvioliniſten insbeſondere ſ. Violiniſten.
  • Ritornell, wie es vorzutragen iſtXVII. ii. 26 .XVII. vii. 41. Pracht deſſel - benXVIII. 34. Fehler deſſelben in ArienXVIII. 24. leidet keine willkuͤr - lichen AuszierungenXVII. vii. 15.
  • Rohr am Hoboe und Baſſon, deſſen Beſchreibung und GebrauchVI. Anh. 2 .4.5.
  • Rondeau ſein VortragXVII. vii. 58.

S.

  • Saal, wie die Ausfuͤhrer einer Muſik darinne zu ſtellen ſindXVII. i. 14.
  • Saͤnger ſeine NaturgabenE. 4. ſei - ne vornehmſten EigenſchaftenXVIII. 11 .12 .69 . muß die Regeln des Athem - holens wohl verſtehenVII. 1. u. f. muß die kleinen Manieren gut zu machen wiſſenVIII. 1. u. f. muß einen guten Triller ſchlagenIX. 1. u. f. ſein Platz bey einer KammermuſikXVII. i. 14. wie ihm das Recitativ zu erleichternXVII. vi. 33. was bey deſſen Caden - zen von den Accompagniſten zu beob - achtenXVII. vii. 44. wie bequem fuͤr ihn zu componiren iſtXVII. vii. 60 .XVIII. 24 . wie er zu beurtheilen iſtX x 3XVIII. RegiſterXVIII. 11.12 . muß nicht durch Par - theylichkeit unterdruͤcket werdenXVIII. 71.
  • Saͤnger, deutſche, ihre FehlerXVIII. 80. Anm. fraͤnzoͤſiſche, ihre FehlerIX. 3 .XVIII. 66 . italiaͤniſche ihre VorzuͤgeIV. 17 .XVIII. 76. Feh - ler derſelbenVIII. 19 .XVIII. 11.
  • Sangmeiſter, ein beruͤhmter,XVIII. 56.
  • Sarabande, ihr VortragXVII. vii. 56.
  • Scala ſ. Tonleiter.
  • Schauſpielkunſt, muß ein Compo - niſt verſtehenE. 19.
  • Schimmer in der Ausfuͤhrung, was ihn befoͤrdertVIII. 15 .18.IX. 1.XII. 14.
  • Schluͤſſel an der Floͤte traverſiere ſ. Klappe
  • -- muſikaliſcheV. 1 .2.
  • Schluß der CadenzenXV. 29 .36.
  • Schmeicheley ihr Ausdruck in der MuſikXII. 24 .26.XVII. ii. 26.
  • Schraube am Kopfſtuͤcke der FloͤteI. 11.
  • Schulen, Verfall der Muſik in den deutſchenXVIII. 80. Anm.
  • SchweitzerpfeifeI. 3.
  • Schwitzen des Mundes beym Floͤ - tenblaſen, wie ihm abzuhelfenXVI. 13.
  • Schwung der SeytenXVII. v. 4.
  • Secundengaͤnge, willkuͤhrliche Aus - zierungen druͤberXIII. 13 -20. undXIV. 27 -32 .XIII. 28.29.30.33.
  • SerenateXVIII. 27. eine ſchlecht in Muſik gebrachteXVIII. 24.
  • Septimenſpruͤnge, willkuͤhrliche Auszierungen daruͤberXIII. 21. undXIV. 33 .XIII. 26 .27 . undXIV. 38 .39.
  • Sextenſpruͤnge, willkuͤhrliche Aus - zierungen druͤberXIII. 25. undXIV. 37.
  • Seyten muͤſſen gut ſeynXVII. vii. 1. wie ſich die Toͤne darauf verjuͤngenXVII. vii. 6.
  • alla Siciliana, deſſen VortragXIV. 22 .XVII. vii. 9. ZeitmaaßXVII. vii. 51.
  • Sinfonie, ihre EigenſchaftenXVIII. 43.
  • Singart der alten DeutſchenXVIII. 80. Anm. franzoͤſiſche wird beſchriebenXVIII. 66 .76 . italiaͤniſcheXVIII. 76. neue wird in Deutſchland uͤblicherXVIII. 84.
  • Singeompoſition wird verbeſ - ſertXVIII. 56.
  • Singkunſt, ihr WachsthumXVIII. 56. iſt angehenden Jnſtrumentiſten zu erlernen noͤthigX. 18.
  • Singmuſik, ihre GaͤttungenXVIII. 18 -27. wie ſie zu beurtheilen, e. d. was bey ihrem Zeitmaaße zu beobach - tenXVII. vii. 52. der alten DeutſchenXVIII. 80.
  • Soave, deſſen BogenſtrichXVII. ii. 26.
  • Solo Eigenſchaften eines gutenXVIII. 46 -50. was fuͤr willkuͤhrliche Auszie - rungen dabey ſtatt findenXVI. 29. Regeln zu deſſelben BegleitungXVII. iii. 16 .XVII. vi. 7.
  • SolocantatenXVIII. 27.
  • Soloſpielen auf dem VioloncellXVII. iv. 12.
  • Sopran, deſſen TrillerIX. 6. Anm.
  • Sordinen, ihr GebrauchXVII. ii. 29 .30.
  • Soſtenuto deſſen BogenſtrichXVII. ii. 26. wie es auf dem Claviere zu be - gleitenXVII. vi. 30.
Spiel -der vornehmſten Sachen.
  • Spielart, Unterſchied der franzoͤſi - ſchen und italiaͤniſchenX. 19.
  • Spielen, allzubuntes wird verworfenXIII. 9. uͤbermaͤßiges auf Jnſtrumen - ten iſt ſchaͤdlichX. 23.
  • Sprache, franzoͤſiſche, ob ſie zur ita - liaͤniſchen Muſik bequem ſeyXVIII. 74.
  • Sprachen, auslaͤndiſche, muß ein Muſikus lernenE. 19.
  • Spruͤnge, wie ſie vorzutragen ſindXII. 17. auf dem BaſſonVI. Anh. 3. duͤrfen auf den Baßinſtrumenten nicht verſetzet werdenXVII. iv. 5 .XVII. v. 6.
  • Spruͤnge, wie ſie mit durchgehenden Noten willkuͤhrlich auszufuͤllen ſindXIII. 42 .43 . in die Terze, willkuͤhrliche Auszierungen daruͤberXIII. 22. undXIV. 34 .XIII. 24 . undXIV. 36 .XIII. 31 .37 . in die Quarte, dergl .XIII. 23 . undXIV. 35 .XIII. 34 .38 . in die Quinte, dergl .XIII. 21 . undXIV. 33 .XIII. 24 . undXIV. 36 .XIII. 39 . in die Sexte, dergl .XIII. 25 . undXIV. 37. in die Septime, dergl .XIII. 21 . und undXIV. 33 .XIII. 26 .27 . undXIV. 38 .39 . in die Octave, dergl .XIII. 21 . undXIV. 33.
  • Staccato, deſſen VortragXVII. ii. 27.
  • Staͤrke, ab - und zunehmende des To - nes. ſ. Ton.
  • Stellung der Ausfuͤhrer bey jeder MuſikXVII. i. 13 -15.
  • Stimme, menſchliche, ihre Haupt - fehler im SingenIV. 1 .XVIII. 11.
  • Stimmung, der Ton derſelben iſt unterſchiedenI. 9 .XVIII. 6 .7 reine iſt nothwendigXVI. 2. XVII. vii. 1-3. wie ſie in einem Orcheſter zu erhaltenXVII. i. 8.
  • -- der Floͤte, wie ſie mit andern Jn -ſtrumenten gleich zu erhaltenIV. 26.XVI. 2 -9
  • Strich auf Bogeninſtrumenten ſiehe Bogenſtrich.
  • Striche uͤber den Noten, was ſie be - deutenXI. i. 10 .XVII. ii. 12.27.
  • Structur, inwendige der Floͤte tra - verſiereIV. 1 .4.
  • Studien ſind einem Muſikus dienlichE. 19.
  • Stuͤcke der Floͤte traverſiereI. 9.
  • -- muſikaliſche, welche zur Uebung der Anfaͤnger dienenX. 5 .13 . ſind ſorgfaͤltig zu waͤhlenXVI. 17 -23. fuͤr einen großen OrtXVI. 18 .XVIII. 31 .32 . fuͤr einen kleinen OrtXVI. 19 .XVIII. 32 . ſehr ſchwere vor wem ſie zu ſpielen ſindXVI. 21. gute ſind zu ſammelnX. 21.
  • Subſemitone, wie ſie auf Bogen - und Blasinſtrumenten heraus zu brin - gen ſindXVII. vii. 9. was der Clavie - riſt deswegen zu beobachten hatXVII. vi. 20.
  • Subordination, billige, iſt bey einem Orcheſter noͤthigXVII. i. 7. XVII. vii. 16
  • Synkopation, ſ. Noten.

T.

  • Tact, deſſen Beſchreibung und Einthei - lungenV. 11 -14. wie die Haltung deſſelben zu lernenV. 16 -26. Vor - theile dazuX. 14.
  • TadelſuchtXVI. 33.
  • Talent, muſikaliſches, ſ. Naturga - ben.
  • Tambourin, ſein VortragXVII. vii. 58.
  • Tanzmuſik, franzoͤſiſche, ihr verſchie -denesRegiſterdenes Zeitmaaß, Bogenſtrich, und VortragXVII. vii. 56 -58.
  • Telemann ſeine Trio werden ange - prieſenX. 4 .15 . ſeine KirchenſtuͤckeXVIII. 85. uͤbertrifft die Franzoſen in ſeinen OuvertuͤrenXVIII. 42. ſeine QuatuorXVIII. 44.
  • Temperament hat einen Einfluß in die MuſikXVIII. 55.
  • Temperatur des ClaviersXVII. vii. 9.
  • Tempo maggioreXVII. vii. 50.
  • Tempo minoreXVII. vii. 50.
  • Tenor deſſen TrillerIX. 6. Anm.
  • Tenuta ſ. Meſſa di voce.
  • Terzenſpruͤnge, willkuͤhrliche Aus - zierungen daruͤberXIII. 22. undXIV. 34 .XIII. 24 . undXIV. 36 .XIII. 31.37.
  • TerzentrillerIX. 4.
  • Terzett .XVIII. 27.
  • Theatraliſche Muſik, ihre Gattun - genXVIII. 23.
  • Thema ſ. Hauptſatz.
  • Theorbiſt, ſein Platz in einem Orche - ſterXVII. i. 13.
  • Ti eine Art des Zungenſtoßes auf der FloͤteVI. 2. ihre Beſchreibung und GebrauchVI. i. 1. u. f. iſt fleißig zu uͤbenX. 3. was fuͤr Stuͤcke dazu dien - lich ſindX. 5. auf dem Hoboe und BaſſonVI. Anh. 2.
  • Tiri, eine Art des Zungenſtoßes auf der FloͤteVI. 2. deſſen Beſchreibung und GebrauchVI. ii. 1. u. f. was fuͤr Stuͤ - cke dazu dienenX. 7.
  • Toͤne, ihre Zahl und BenennungIII. 2 .3 . wie ſie auf Bogeninſtrumenten rein zu greifen ſindXVII. vii. 8 .9.
  • -- halbe ihr UnterſchiedIII. 5 .8. VortragXVII. ii. 14 .XVII. vi. 11.
  • -- hohe, wie ſie auf der Floͤte tra - verſiere herauszubringen ſindIV. 13 .14 .X. 3 . im SingenXVIII. 11.
  • Ton, wie er in der menſchlichen Luft - roͤhre entſtehtIV. 1. Zeugung deſſelben in der Floͤte traverſiereIV. 2 .4 . der gefaͤlligſte auf der FloͤteIV. 3. Urſa - ſachen der Verſchiedenheit deſſelben auf der FloͤteIV. 4 .5.25. Hinderniſſe des guten auf dem BaſſonIV. Anh. 5. auf dem ContraviolonXVII. v. 2 .3 .4 . guter auf dem ClavicymbalXVII. vi. 18 .30 . auf BogeninſtrumentenXVII. ii. 28. ab - und zunehmende Staͤr - ke deſſelben, wie ſie zu wirkenIV. 22 .X. 3 . ihr Gebrauch bey einer concerti - renden Stimme wird beſchriebenXII. 18 .XIV. 9 .10 .11 .XIV. 24 -43. wo ſie beym Accompagnement anzubrin - genXVII. ii. 34 .35 .XVII. iii. 11 .12 .13 .XVII. vi. 24 .25 .XVII. vii. 30 . wie ſie auf Bogeninſtrumenten zu wickenXVII. ii. 28 .32 . wie ſie auf dem Clavicymbal herauszubringenXVII. vi. 9 .17.
  • -- der Stimmung im Orcheſter iſt verſchiedenXVII. vii. 6. PariſerXVII. vii. 6 .7 . roͤmiſcher e. d. veneziani - ſcherXVII. vii. 6. welcher der beſte ſeyXVII. vii. 7.
  • Tonarten,V. 4. ihre verſchiedenen WirkungenXIV. 6. ſind ein Kenn - zeichen der herrſchenden Leidenſchaft ei - nes StuͤckesXI. 16.
  • -- ſchwere, wenn man daraus ſpie - len ſollXVI. 21.
  • Tonkuͤnſtler ſ. Muſikus.
  • TonleiternIII. 2 .3.V. 6.7.
  • Torelli, wird fuͤr den Erfinder der Con - certe gehaltenXVIII. 30 .58.
  • Transpoſitionen der PaſſagienX. 16.
Trillerder vornehmſten Sachen.
  • Triller iſt nothwendigIX. 1. Erleich - terung deſſelbenII. 4 .7 . deſſen rechte GeſchwindigkeitIX. 2 .3.6. Eigen - ſchaftenIX. 5 .7. FehlerIX. 3 .4. Nach - ſchlagIX. 7. VorſchlagIX. 8 .9 .10 . in der Terze wird verworfenIX. 4. Bogenſtrich beym TrillerXVII. ii. 24. fleißige Uebung deſſelben wird angera - thenX. 10. Beſchreibung aller Tril - ler auf der FloͤteIX. 11 .12.
  • -- halberVIII. 14 .XII. 14 . wo er Statt findetXIII. 32.
  • -- beym Schluſſe der CadenzenXV. 36. wenn ihn die Accompagniſten zu unterbrechen habenXVII. vii. 44.
  • Trio Eigenſchaften eines gutenXVIII. 45. ſind einem Anfaͤnger dienlich zu ſpielenX. 14. von Telemannen werden angeprieſenX. 14 .15. Regeln zu Aus - fuͤhrung der TrioXVII. iii. 14 .16.XVII. vi. 6. Vorſichtigkeit dabeyXVI. 24 -26
  • Triolen ihre BeſchreibungV. 15. ihre Eintheilung gegen punctirte NotenV. 22. ihr VortragXII. 9 .10 . willkuͤhr - liche Auszierungen druͤberXIII. 32.
  • TrompeterE. 21.

U.

  • Ueberſetzen der linken Hand auf Bo - geninſtrumenten ſ. mezzo manico.
  • Uebung vor ſich, Regeln dazuX. 3 .5 .13 . eines OrcheſtersXVII. i. 11.
  • Umgang mit geſchickten Leuten iſt nuͤtzlichE. 3 .XVII. i. 4.
  • Uniſon wie er vorzutragenXVII. ii. 24 .XVII. v. 6 .XVII. vii. 27 .39 . wo er gute Wirkung thutXVIII. 31. 32

V.

  • Vaucanſon wird widerlegetIV. 14.
  • Veraͤnderungen ſ. Auszierun - gen.
  • Verbeſſerung einiger Blasinſtru - menteI. 5.
  • Vermiſchung des muſikaliſchen Ge - ſchmackesXVIII. 87 .88.89.
  • Verſtellungskunſt, loͤblicheXVII. vii. 17.
  • Vibration ſ. Schwung.
  • Vinci, ein italiaͤniſcher Componiſt, ſein CharakterXVIII. 63.
  • Violine muß gut bezogen ſeynXVII. ii. 1. wie ſie zu ſtimmen iſtXVI. 7 .XVII. vii. 4 . wo der Bogen darauf zu fuͤhren iſtXVII. ii. 28. wie ſie rein zu ſpielen iſtXVII. vii. 8 .9 . was dar - auf unbequem iſtXVIII. 14. Triller auf derſelbenIX. 6.
  • Violiniſten wie ſie bey einer Muſik zu ſtellen ſindXVII. i. 13 -15. ihre Pflichten beym AccompagnementXVII. ii. 2.
  • -- heutige italiaͤniſche, ihre FehlerXVIII. 58 -61. richten Unheil anXVIII. 61.
  • -- zweene beruͤhmte Lombardi - ſche werden charakteriſiretXVIII. 51 -60.
  • Violon ſ. Contraviolon.
  • Violoniſt ſ. Contravioloniſt.
  • Violoncell, wie er zu beziehen iſtXVII. iv. 1. wo und wie der Bogen darauf zu fuͤhren iſtXVII. ii. 28 .XVII. iv. 2. Triller auf demſelbenIX. 6 Anm. vom Soloſpielen daraufXVII. iv. 12. wie es mit dem Claviere zu begleitenXVII. vi. 21.
  • Violoncelliſt, deſſen Platz bey einer MuſikXVII. i. 13 -15. ſeine Pflich - tenXVII. iv. 1. u. f.
  • Virtuoſen, eingebildeteE. 14 .20.
Y yVittoriaRegiſter
  • Vittoria d’Imeneo eine ſchlecht compo - nirete SerenateXVIII. 24.
  • Vivace, deſſen BogenſtrichXVII. ii. 26.
  • Vocalmuſik ſ. Singmuſik.
  • Vorſchlagen der rechten Hand auf dem Claviere bey kurzen PauſenXVII. vi. 32. beym RecitativXVII. vi. 33.
  • Vorſchlag, eine kleine weſentliche Ma - nierVIII.
  • Vorſchlaͤge, ſind nothwendigVIII. 1. ihre BezeichnungVIII. 2. ihr GrundVIII. 3. ihr VortragVI. i. 9 .VIII. 4. Bogenſtrich dabeyXVII. ii. 19 -23. anſchlagende VorſchlaͤgeVIII. 5 .7 . durchgehende,VIII. 5 .6. Vorſchlaͤge bey punctirten NotenVIII. 8 .9 . bey TrillernVIII. 10 .IX. 8 .9 .10 . ihr eigentlicher SitzVIII. 12. ein Exempel davonVIII. 13. wo ſie Statt findenXIII. 32. wo ſie nicht Statt findenIX. 13. muͤſſen nicht zu haͤufig angebracht werdenVIII. 9. was der Clavieriſt deswegen beym Accompagnement zu beobachten hat .XVII. vi. 19.
  • Vortrag, muſikaliſcher wird mit dem in der Redekunſt verglichenXI. 1 .2 .3 . der geſchleifeten Noten auf der FloͤteVI. i. 10. der punctireten NotenV. 21 .22 .23 . der VorſchlaͤgeVI. i. 9 .VIII. 3 . u. f. bey der Kirchen - muſikXVII. vii. 12. bey der komiſchen MuſikXVII. vii. 13. bey der Tanz - muſikXVII. vii. 58. der neumodiſchen italiaͤniſchen VioliniſtenXVIII. 60 .61.
  • -- gleicher in einem OrcheſterXVII. i. 7 .9 .10 . wie er zu erlangenXVII. i. 11.
  • -- guter, ein Theil deſſelbenVIII. 18. die vornehmſten Eigenſchaften deſ - ſelbenXI. 10 -20. iſt noͤthigX. 22 .XI. 5 . im AdagioXIV. 5. u. f. im Alle - groXII. 3. u. f. auf dem Clavicym -balXVII. vi. 5. auf dem Contraviolon insbeſondereXVII. v. 8. der Ripieni - ſtenXI. 8. XVII. vii. 10-18.
  • -- ſchlechterXI. 6 .7 . deſſen Kenn - zeichenXI. 21.
  • Vorurtheil, darf nicht bey Beur - theilung einer Muſik herrſchenXVIII. 2 -5 .10 . von der Schaͤdlichkeit des Floͤtenſpielens, wird widerlegetE. 21. wider die Moͤglichkeit des Reinſpielens der Floͤte, wird widerleget .IX. 10.

W.

  • Wachſen der Staͤrke des Tones ſ. Ton.
  • Waͤrme, ihre Wirkung auf die Jn - ſtrumenteXVI. 3 .6.
  • Wahl, der Lebensart iſt behutſam an - zuſtellenE. 1 .3 . muſikaliſcher Gedan - kenE. 14. der Jnſtrumentiſten zu ei - nem Orcheſter, Fehler dabeyXVII. 1 .2.
  • Waldhorniſten, ihr Platz bey einer MuſikXVII. i. 13 .15.
  • Worte, wie in der Singcompoſition damit umzugehenIV. 17. Anm.XVIII. 71 .80. Anm.

Z.

  • Zaͤhne eines FloͤtenſpielersE. 4 .IV. 7.
  • Zeichen, muſikaliſche, werden erklaͤretIII. 3 .V. 27.
  • Zeitmaaß, was es ſeyV. 11. wer deſ - ſen Gleichgewicht bey der Muſik am be - ſten unterhalten kannXVII. iv. 6 .XVII. v. 1. Vortheile zu deſſen Haltung auf dem FluͤgelXVII. vi. 30. die unterſchie - denen Arten deſſelben werden beſchriebenXVII. vii. 49 .50. Regeln davonXVII. vii. 31 -44. wie bey jedem Stuͤcke das rechte zu treffenXVII. vii. 45. u. f. Fehlerder vornehmſten Sachen. Fehler ſo dabey vorgehenXVII. vii. 32 .45.
  • Zoͤgern in der AusfuͤhrungXVII. vii. 32.
  • Zuhoͤrer ſind von einem Concertiſten in Betrachtung zu ziehenXVI. 20 -23. wozu ihr Beyfall dienen ſollXVI. 33.
  • Zunehmen der Staͤrke des Tones ſ. Ton.
  • Zunge, ihr Gebrauch beym Blaſen der FloͤteVI. 1.
  • Zungenſtoß, deſſen EintheilungenVI. 2. FehlerXII. 6.
  • -- einfacher oder mit di und tiVI. 2. deſſen BeſchreibungVI. i. 2 .3.4. GebrauchVI. i. 1 .5.6.10. Stuͤcke ſo zur Uebung deſſelben dienenX. 6. auf dem Hoboe und BaſſonVI. Anh. 2.
  • -- mit diri, deſſen GebrauchVI. ii. 7 .8.
  • -- mit tiri, deſſen BeſchreibungVI. 2 .VI. ii. 2.4. GebrauchVI. i. 9 .VI. ii. 3 . u. f. Stuͤcke ſo dazu dienenX. 5.
  • -- doppelter oder mit did’llVI. 2. deſſen BeſchreibungVI. iii. 1 .2.4.5. GebrauchVI. i. 6 .VI. iii. 3 .7 . u. f. Stuͤcke ſo dazu dienenX. 8. Vorſich - tigkeit dabeyX. 9. deſſen Gebrauch auf dem BaſſonVI. Anh. 3.
  • Zwiſchenfarben, muſikaliſche,XIV. 25.
  • Zwiſchenſpiel ſ. Komiſche Muſik.

Druckfehler.

  • S. 94. l. 8. von unten: 13. §. lies 14.
  • S. 292. l. 2. il trionfo, lies la Vittoria.
  • S. 315. l. 4. von unten: Jnſtrumentiſten, ſetze dazu: abſonderlich Clavieriſten.

Die wenigen uͤbrigen wird die Guͤte eines geneigten Leſers leicht uͤberſehen.

Exempel zu Johann Joachim Quantzens Verſuche einer Anweiſung die Floͤte traverſiere zu ſpielen. Auf XXIV. Kupfertafeln.

dieſer Titel koͤmmt vor die Kupfertafeln.

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About this transcription

TextVersuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen
Author Johann Joachim Quantz
Extent403 images; 124843 tokens; 8993 types; 854726 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationVersuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen Johann Joachim Quantz. . [7] Bl., 334 S., [11], XXIV Bl. : Noten (Kupferst.). VoßBerlin1752.

Identification

SUB Göttingen SUB Göttingen, 4 MUS IV, 5210 [3]

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Musik; Gebrauchsliteratur; Musik; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:33:54Z
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Holding LibrarySUB Göttingen
ShelfmarkSUB Göttingen, 4 MUS IV, 5210 [3]
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