Obgleich bey jeden Theile des Land - und Garten-Schatzes ein hinlaͤnglich Regiſter ge - druckt worden, ſo ſind doch von vielen Liebhabern die ſchriftli - chen Erinnerungen geſchehen, daß der Verleger ein Haupt-Regiſter uͤber dieſe Sechs Theile zum Druck befoͤr -) (2dernVorbericht.dern moͤchte, indem nicht einen jeden bekannt, in welchen dieſe oder jene Materie enthalten, weil das lange Nachſuchen allerdings etwas Ver - driesliches iſt; daher hat man ſich nicht entbrechen koͤnnen, den Wunſch vieler Beſitzer ſolches Werks ein Ge - nuͤge zu leiſten, und ein Univerſal-Re - giſter zu obbenannten Sechs Theilen zum Druck zu befoͤrdern.
Die Weisheit des Schoͤpfers, welche in allen ihren Werken eine Manch - faltigkeit erforderte, die alle menſchliche Begriffe weit uͤberſteiget, hat dieſe faſt unendliche Verſchiedenheit, welche) (2inVorrede. in allen Reichen der Natur herrſchet, auch unter den Blumen und Kraͤutern hervorbli - cken laſſen. Wir moͤgen uns den Anfang und die Veraͤnderungen unſers Erdbodens aus einem Geſichtspunkte vorſtellen, aus welchen wir wollen: ſo bleibt allemal ausge - macht, daß dieſe groſſe Manchfaltigkeit von Blumen anfaͤnglich in einer ſchoͤnen Unord - nung und ohne Unterſchied gewachſen, und daß dem Menſchen der Begrif eines Gar - tens urſpruͤnglich unbekannt geweſen.
So ſehr auch dieſe ſcheinbare Nachlaͤßig - keit der Natur den weiſen Abſichten eines un - endlichen Weſens gemaͤs iſt; ſo fiel es doch den eingeſchraͤnkten Kraͤften endlicher Weſen ſehr ſchwer, wo nicht gar unmoͤglich, bey die - ſer unzaͤhligen Menge das Brauchbare von den Unnuͤtzen, das Schoͤne von dem weniger Schoͤnen und Schlechten abzuſondern. Eswer -Vorrede. werden ſchon ſehr geuͤbte Kraͤfte des Verſtan - des erfordert, wenn man bey einer groſſen Anzahl verſchiedener eiuzeler Dinge, die durch keine in die Augen fallende Ordnung und Ver - haͤltniſſe mit einander verbunden werden, ſich fuͤr eine Verwirrung der Begriffe zu huͤten.
Die Beduͤrfniſſe des Menſchen, welche die Veranlaſſung zu allen Kuͤnſten und Wiſſen - ſchaften geweſen ſind, fuͤhreten ihn alſo nach und nach auf den Entwurf gewiſſe Kraͤuter und Blumen von andern abzuſondern, und unter der groſſen Menge derſelben eine noͤthi - ge Wahl zu halten: das heiſt ſich Gaͤrten an - zulegen.
Man ſiehet leicht, daß dieſe von ſo vielfa - cher Art ſeyn muſten, als vielfach die Abſich - ten desjenigen ſeyn konnten, der den Entwurf) (4bil -Vorrede. bildete, gewiſſe Kraͤuter von andern abzuſon - dern, und ſie durch dieſe Abſonderung zu ſei - nem Gebrauche bequemer zu machen. Ehe ich noch die verſchiedenen beſonderen Arten dieſer Abſichten anfuͤhre, ſo will ich nur zuvor zwey allgemeine Ausſichten eroͤfnen, die uns nach und nach zu mehrern beſondern leiten werden.
Alle Handwerke, Kuͤnſte und Wiſſenſchaf - ten, und mit einem Worte, alle Arten der Beſchaͤftigungen der Menſchen, ſie moͤgen nun vermittelſt der Gliedmaſſen ſeines Koͤr - pers, oder durch die Kraͤfte ſeiner Seele ver - richtet werden, laſſen ſich in Abſicht ihres Endzwecks in zwey Hauptarten eintheilen. Einige haben allein die Befriedigung unſrer nothwendigen Beduͤrfniſſe zum Gegenſtand; andere hingegen zielen auf die Erweckung undEr -Vorrede. Erhaltung unſers Vergnuͤgens ab. Man koͤnn - te noch eine dritte Art hinzufuͤgen, welche bey - de Endzwecke mit einander verbindet; aber das thut hier nichts zur Sache. Die erſte Art iſt der Zeit nach aͤlter; die zweyte konnte nicht ehe, als eine geraume Zeit, die oft Jahr - hunderte in ſich enthielt, nach der erſten ent - ſtehen.
Der Menſch, welcher nackt, huͤlflos und ohne Mittel den Erdball betritt, ſahe ſich gar bald in die Nothwendigkeit geſetzt, ſeinem Koͤrper die noͤthigen Nahrungs-Mittel zu er - theilen, ſich fuͤr die Wuth der Elemente zu ſichern und den wilden Thieren Widerſtand zu leiſten. Die Noth iſt ſinnreich. Aber die er - ſten Verſuche waren grob und ungebildet. Die erſten Kleider waren Felle der Thiere oder wohl gar Blaͤtter und Zweige der Baͤume;) (5dieVorrede. die erſten Wohnungen, Hoͤhlen oder Kluͤfte der Felſen. Nach und nach fieng man an, das Nothwendige, das Nuͤtzliche mit dem An - genehmen zu verbinden. Wie viele Jahr - hunderte wurden nicht erfordert, ehe ſich die Baukunſt von den Hoͤhlen und unfoͤrmlichen Huͤtten, den erſten Wohnungen des menſch - lichen Geſchlechts, bis zur praͤchtigen Faßade eines auf corinthiſchen Saͤulen ruhenden Pallaſts zu ſchwingen!
Wir wollen uns mit dieſer allgemeinen Ausſicht zu den Gaͤrten wenden. Sie haben ihren Urſprung unſtreitig dem lebhaften Ge - fuͤhl der menſchlichen Beduͤrfniſſe zu verdan - ken. Wir muͤſſen uns daher bey ihrem Ent - ſtehen noch keine Luſt - und Pracht-Gaͤrten verſprechen.
DesVorrede.Des Menſchen erſte Speiſe war dasjenige, was ihm die freygebigen Haͤnde der Natur von ſelbſt darboten. Wurzeln, Kraͤuter, Fruͤchte der Stauden und Baͤume dieneten anfaͤnglich zur Stillung ſeines Hungers. Er verſuchte ſie alle ohne Unterſchied. Die Erfahrung lehrete ihn aber bald, daß ſie we - der ſeinem Koͤrper alle gleich zutraͤglich, noch auch dem Geſchmacke gleich angenehnt waren. Was war natuͤrlicher, als das Gu - te, das Brauchbare von dem Schaͤdlichen oder Unbrauchbaren abzuſondern. Er ler - nete hier den erſten Unterſchied unter den Gewaͤchſen machen. Die Unbequemlichkeit, das, was zur Befriedigung der Nothdurft ſeines Koͤrpers dienlich war, oft an weit ent - legenen Orten zuſammen zu tragen, muſte ihn gar bald zu Verſuchen leiten, ſie durchVer -Vorrede. Verpflanzung den Ort ſeines Aufenthalts naͤher zu bringen; und ſo entſtand ein Gar - ten, und zwar ein Kuͤchen-Garten, der aber bey ſeinem erſten Entſtehen ſo roh und ungebildet war, als der erſte Begrif, oder vielmehr die erſte Anlage zu einem Begrif, den der Weltweiſe von einem ihm bisher un - bekannten Gegenſtand entwirft. Zeit und Erfahrung machten dieſen Garten brauchbarer und endlich auch angenehmer.
Eine andere Art von Beduͤrfniſſen leitete den Menſchen auch zu andern Verſuchen und Erfahrungen. Das gehoͤrige Verhaͤltnis der feſten und fluͤßigen Theile ſeines Koͤrperswur -Vorrede. wurde durch mancherley aͤuſſere Urſachen ge - hoben, er fuͤhlete die Annaͤherung einer Krank - heit, wofuͤr ihn die jedem Geſchoͤpf eingefloß - ne Liebe zum Leben zittern lies. Wer ſollte ihn aus dieſer Verlegenheit heraus reiſſen? Da war noch kein Galen, der das geruͤttete Gleichgewicht der Beſtandtheile ſeines Koͤr - pers mit weiſſen Haͤnden wieder herzuſtellen gewuſt haͤtte. Er muſte ſeine Zuflucht wie - derum zu der einfachen Natur nehmen. Es ſey nun, daß er den Unterſcheid der Kraͤuter und Gewaͤchſe in Beziehung auf ſeine Ge - ſundheit, durch eigene Erfahrung, oder von den Thieren erlernet: ſo lehret ihn die S[or -]ge fuͤr ſeine Selbſterhaltung auch dieſe Pflan - zen an einem beſondern Orte von andern ab -zu -Vorrede. zuſondern, und zu ſeinen Beduͤrfniſſen aufzu - bewahren. Und ſo entſtand daraus ein me - diciniſcher Garten.
Vermuthlich haben ſich die Menſchen mit dieſen beyden Arten von Gaͤrten eine lange Zeit beholfen, bis endlich, nachdem ihre noth - wendigen Beduͤrfniſſe befriediget worden, der zunehmende Geſchmack an dem Angenehmen und Schoͤnen, ſie gelehret, auch fuͤr ihr Ver - gnuͤgen zu ſorgen, die Schoͤnheit der Blu - men, ihren angenehmen Geruch zu unterſchei -[den], ſich Hecken zu ziehen und ſchattige Gaͤn - ge zu woͤlben. Die Neigung zur Abaͤnde - rung, die unſerm Herzen ſo natuͤrlich iſt, durchwanderte fremde Gegenden, das Schoͤ -ne,Vorrede. ne, das Seltene aller Welttheile in einem ei - nigen Garten zu vereinigen, und ſo entſtan - den endlich auch Luſt - und Pracht-Gaͤr - ten, die der fruchtbare Witz zu einem immer hoͤhern Grad der Vollkommenheit zu heben wuſte.
Es waͤre leicht, dieſe Betrachtungen noch weiter zu treiben, und ſie auf mehrere einzele Gegenſtaͤnde des Gartenbaues anzuwenden; allein, ich will meinen Leſern in dieſer Be - ſchaͤftigung nicht vorgreifen.
Es iſt mir genug, ihnen durch dieſe wenigen Gedanken einige Anleitung dazu gegeben zu haben. Es hat oftei -Vorrede. einen groſſen Nutzen, wenn man auf den erſten Urſprung unſrer Kentniſſe zuruͤck ge - het. Die Geſchichte unſers Verſtandes wird dadurch volkommener, und wir er - ſparen uns in andern aͤhnlichen Bemuͤhungen oft ſehr viele vergebliche Verſuche. Geſchrie - ben zu Erfurt in der Oſtermeſſe 1762.