PRIMS Full-text transcription (HTML)
Verſuch eines Schulbuches, fuͤr Kinder der Landleute, oder zum Gebrauch in Dorfſchulen.
Difficile eſt, proprie, communia dicere. (Hor. de Arte P. v. 128. ) ()
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Berlin,bey Friedrich Nicolai. 1772.

Einleitung.

Wenn ich, ohne meinem Werke einen Grad von Wichtigkeit beyzulegen, den es vielleicht nicht hat, mir Leſer verſpre - chen darf: ſo muß ich mit ihnen uͤber gewiſſe Fragen und Einwuͤrfe mich vergleichen, die dieſer Verſuch, hoͤchſtwahrſcheinlich, ver - anlaſſen wird.

Auf die erſte Frage, wer mich berufen hat, mich zum Lehrer des Landvolks auf - zuwerfen? iſt meine kurze Antwort dieſe:

Ich lebe unter Landleuten. Mich jam - merte des Volks. Neben den Muͤhſeligkei - ten ihres Standes werden ſie von der ſchwe - ren Laſt ihrer Vorurtheile gedruͤckt. Ihre Unwiſſenheit, in den noͤthigſten Kenntniſſen, beraubt ſie der Vortheile und Erſetzungen, welche die, fuͤr alle Staͤnde, gnaͤdige Vor - ſehung Gottes auch dem ihrigen gegoͤnnt hat. Sie wiſſen weder, das, was ſie haben, gut zu nutzen; noch, das, was ſie nicht haben* 2koͤn -Einleitung. koͤnnen, froh zu entbehren. Sie ſind we - der mit Gott, noch mit der Obrigkeit zufrie - den. Gott tadeln ſie durch Murren, uͤber die Einrichtung Seiner Welt, und halten Ihn fuͤr einen Stiefvater, der partheyiſch mit Seinen Kindern verfaͤhrt. Die Obrig - keit aber ſehen ſie, bey jeder noͤthigen Ein - ſchraͤnkung ihrer eigennuͤtzigen Wuͤnſche und Handlungen, als einen harten Statthalter an, der das zur befohlenen Pflicht hat, ih - nen das Leben zu verbittern.

Daher iſt ihre Religion, meiſtentheils, der verderblichſte Fatalismus. Die ganze vortrefliche Sittenlehre Jeſu Chriſti und Seiner Apoſtel liegt ihnen ganz außerhalb der Sphaͤre der Ausuͤbung. Sie wollen zur Noth, wohl durch Chriſtum ſelig, aber nicht durch Chriſtum vorher fromm werden.

Die Urſachen dieſer ſaͤmmtlichen, den Staat in ſeinem wichtigſten Theile, zerſtoͤ - renden Uebel, liegt an der vernachlaͤßigten Erziehung der laͤndlichen Jugend. Bringt man nichts in den Kopf, ſo koͤmmt auch nichts ins Herz; oder deutlicher zu reden: Ohne Begriffe und Grundſaͤtze entſtehen keine Entſchließungen kein moraliſches Urtheil, uͤber gut und boͤſe, wird gefaͤllt kein moraliſcher Vortrag verſtanden kei -neEinleitung. ne Regel angewandt; ſondern der Menſch bleibt ſinnlich, und iſt, ohne ein Wunder, (wozu aber die Verheißung fehlt,) keiner Art von moraliſcher Gluͤckſeligkeit faͤhig.

So fand ich die Landleute, und nun ſah ich mich nach Huͤlfe um, wodurch dieſe Laſt weggehoben werden koͤnnte.

Außer dem Catechismus und der Heils - ordnung, fand ich kein Schulbuch fuͤr den Landmann; und, außer dem Innhalte die - ſer Buͤcher, keine Wiſſenſchaft, die man deſſen Kinder lehrte.

Ich denke doch nicht, (um nicht bey die - ſer Sache zu wiederholen, was andre ſchon vortreflich geſagt haben,) daß man den Verſtand eines Bauerkindes und ſeine Seele fuͤr Dinge einer andern Gattung haͤlt, als den Verſtand und die Seelen der Kinder hoͤ - herer Staͤnde? Aber denn iſt mirs uner - klaͤrbar, wie, nach der herrſchenden Lehr - art, aus dieſen Leuten verſtaͤndige Menſchen und gar Chriſten gebildet werden ſollen.

Sie verſtehen, (wie es die Erfahrung lehrt,) nicht die Worte des Catechismus, und ſollen doch den Sinn faſſen, und durch ihr ganzes Leben thaͤtig werden laſſen. Da ich alſo nichts fand, was unmittelbar fuͤr den Landmann und ſeine Kinder mir zweck -* 3dien -Einleitung. dienlich ſchien ſo wagte ich dieſen Ver - ſuch, mit dem herzlichen Wunſch, daß beſ - ſere, weiſere Menſchenfreunde, als Arbei - ter, an dieſe Erndte ſich machen moͤgten, und daß mein Verſuch, bald, durch Mei - ſterſtuͤcke verdraͤngt werden moͤge.

Dies vorhergeſagte mag zugleich dem Einwurfe begegnen: Iſt denn aber auch dieſer Verſuch ein dienliches Mittel, mehr Erleuchtung in dieſen Stand zu bringen?

Nun will ich mich unmittelbar zu dem wichtigſten Einwurfe wenden. Man ſagt nemlich: Aber, iſt es denn der Einrich - tung des Staates nicht nuͤtzlich, wenn der Bauer dumm bleibt; nicht ſchaͤdlich, wenn er klug und verſtaͤndig wird?

Um dieſen ſcheinbaren Einwurf zu wie - derlegen, iſt es noͤthig, uͤber Worte ſich zu verſtehen.

Klug und verſtaͤndig werden, heißt bey mir nicht, argliſtig, treulos, rebelliſch, um der eingebildeten hoͤhern und beſſern Ein - ſichten wiederſprechend, (raiſonneur,) neue - rungsſuͤchtig, und ſeines Berufs uͤberdruͤ - ßig werden; ſondern ich nenne nur denjeni - gen klug, der in jedem Stande ſich ſo ver - haͤlt, daß ihm ſein Leben keine Hinderniß, zu einer ewigen Gluͤckſeligkeit, wird.

InEinleitung.

In ſolchem Sinne nimmt die Bibel das Wort Klugheit; und wir koͤnnen nicht ir - ren, wenn wir aus ihr Weisheit ſchoͤpfen.

Nach dieſer Erklaͤrung wird wohl die rechte Klugheit dem Landmanne nicht im Wege ſeyn; ein guter Arbeiter, ein treuer Dienſtbote, ein tuͤchtiger und gehorſamer Soldat, u. ſ. w. zu werden. Was ſchadet alſo der Unterricht in der rechten Klugheit dem Staate?

Aber, ach! welche Vortheile wuͤrde der Staat davon haben?

Wenn Einſichten, in den Zuſammenhang aller Wahrheiten, im Menſchen entſtehen; ſo giebt er Gotte recht Er hat Luſt an ſeinen Geſetzen Man darf ihm nur die Pflicht zeigen, ſo thut er ſie, um Gottes willen, der ſeinen Gehorſam, als ein ange - nehm Opfer, anſieht Er gehorcht dem guten Herrn, und auch dem wunderlichen Als Dienſtbote, iſt er treu; denn Gott ſieht dahin, wo der Herr, oft, nicht hinſe - hen kann Als gedungner Arbeiter, iſt er fleißig; er ſucht wirklich das Beſte desjeni - gen, der ihn lohnt; denn er weiß, daß ein ſolcher Menſch, von Gott, noch einen Gna - denlohn erwarten kann Als Soldat, weiß er, daß gewiſſe Mitglieder der Geſell -* 4ſchaftEinleitung. ſchaft ſeyn muͤſſen, die, als Ausgeſonderte, zum allgemeinen Beſten, fuͤr die Sicherheit des Ganzen, wachen und ſtreiten. Er ſieht alſo ſeinen Soldatenſtand fuͤr ſeinen Beruf an, und murret nicht wider den, der ihn dazu erkohr. Er weiß, daß ohne Gehorſam keine Ordnung erhalten wird Er gehorcht alſo freywillig; Er ſieht viel - leicht gar ein, daß man, um ein guter Sol - dat zu werden, gewiſſe koͤrperliche Fertigkei - ten erlangen muͤſſe daß Aufmerkſamkeit auf die Befehle des Vorgeſetzten unentbehr - lich ſey Er ſucht alſo an Fertigkeit und Aufmerkſamkeit vollkommen zu werden. Er weiß vielleicht, daß mehr Soldaten, durch Krankheiten, daran ſie ſelbſt ſchuld ſind, umkommen, als durch Schlachten und Be - lagerungen Er traͤgt alſo die noͤthige Sorge fuͤr die Geſundheit; damit, am Ta - ge des Streits, er nicht, zum Schaden des Staats, im Lazareth liege, und in ſeinem Gliede fehle. Weil Er, nach Gottes Be - fehl, gelernt hat, ſich an ſeinem Solde, zu jeder Zeit, genuͤgen zu laſſen ſo pluͤndert und raubt Er, auch im Feldzuge, nicht. Er iſt immer, da, wo Er ſeyn ſoll, und fuͤrchtet den Tod nicht, weil der Tod fuͤr den rechtſchaffnen Mann, auf dem Schlacht -feldeEinleitung. felde, nicht ſchrecklicher iſt, als auf dem Bette.

Wie, meine Herren! ſollte mit dieſen Leuten, ſollte mit Soldaten, die auf dieſe Art klug waͤren, ſich nicht gut marſchiren und der Feldzug thun laſſen? Ich daͤchte es wohl.

Aber, vielleicht will man ſagen: Es iſt unmoͤglich das haben wir, unter klug werden, nicht verſtanden; und wird denn der gemeine Mann, ſchon aus dieſem Ver - ſuch zum Schulunterricht, klug werden, ohne weitere Lehrer?

Das iſt freylich ein Ungluͤck, daß ſo viel Woͤrter in unſerer Sprache keine beſtimmte Deutung, wenigſtens bey manchen Leuten, haben. Vors zweyte, ſo dient zur Antwort: daß dieſer Verſuch eines Schul - buchs nur eine Anleitung fuͤr den Schul - meiſter ſeyn ſoll, nach welcher er ſeine gan - ze Lehr - und Erfindungsfaͤhigkeit, doch noch uneingeſchraͤnkt, anwenden kann. Auf die Methode koͤmmt alles an. Was von Methode in einem ſolchen Lehrbuche ſte - hen kann, das habe ich wenigſtens beruͤhrt, und auf den Ton hingewieſen.

Als ich bis auf das Capitel von der Land - wirthſchaft meinen Verſuch vollendet hatte,* 5er -Einleitung. erhielt ich des Herrn Hofrath Schloſſers Catechismum fuͤr das Landvolk. Auf - fallend ruͤhrte mich die Aehnlichkeit unſerer Abſichten, die gleiche Lehrart und Geſin - nungen gegen den zahlreichſten aber verach - tetſten Theil unſerer Mitmenſchen.

Wir ſind, ſo dachte ich, einander voͤllig unbekannt, und ſchreiben faſt zu einer Zeit, an entfernten Orten in Deutſchland, uͤber einen Vorwurf Vielleicht iſt dieſes ein Wink der Vorſehung Ich will ihn nicht verachten Und ſo entſchloß ich mich, meinen Verſuch durch den Druck bekannt zu machen. Nun ſey es mir erlaubt, ei - nen kurzen Abriß und die Gruͤnde meiner Anlage dem Leſer vorzulegen.

Ich habe mit Aufmerkſamkeit und Wißbegierde angefangen, und behaupte, daß mit dieſem Capitel, welches auf un - zaͤhlige Arten veraͤndert werden kann, faſt ein halbes Jahr lang, die Kinder geuͤbt werden muͤſſen. Denn, haben ſie erſt, aufs Wort und auf Sachen, merken ge - lernt; ſo iſt der uͤbrige Unterricht leicht, und eine Luſt, fuͤr Lehrer und Lernende. Man denke aber nicht, daß es eine leichte Sache ſey, den flatterhaften Sinn der Kinder dahin zu bringen. In die guteAn -Einleitung. Anwendung dieſes Capitels ſetze ich die ganze Kunſt des Lehrers.

Daß ich, gleich darauf, von Urſache und Wirkung handle, und dieſe Erkennt - niß unter die noͤthigſten zaͤhle, davon gebe ich folgende Gruͤnde an.

Bey tauſend Gelegenheiten braucht ein Kind, von der Wahrheit unterrichtet zu ſeyn, daß jede Wirkung ihre Urſache hat, und umgekehrt. Man ſagt, der Gehorſam richtet daſſelbe aus. Ich ſage, nein; denn, alle Beweggruͤnde, der Selbſtliebe z. E., kann ich viel ſtaͤrker mit dieſem Capitel verbinden, als mit dem Gehorſam gegen Befehle, ohne an - gefuͤhrte Urſachen oder Gruͤnde Es wird alſo viel Schaden verhuͤtet werden. Und was ſchadet es denn, ſo fruͤh, als moͤglich, zum Gebrauch der Vernunft zu kommen?

Die metaphyſiſchen und ontologiſchen Capitel, die darauf folgen, ſind, ſo wie das vorige, lauter Huͤlfsmittel, zur Vor - bereitung oder Zurechtſtellung des Ver - ſtandes, auf den Unterricht in der Reli - gion; der freylich, nach der jetzigen Ein - richtung der Welt, nicht ſo ſpaͤt, undnichtEinleitung. nicht auf die Art, erfolgen kann, als einige Schriftſteller wuͤnſchen.

Aber, um alles Guten willen! ſo ganz leer, von allem Menſchenverſtande, darf doch wohl der Kopf nicht ſeyn, den man den dogmatiſchen Theil der Religion, (und doch iſt ein ſolcher Theil in allen Catechismen enthalten,) lehren ſoll.

Daß man die abſtrakteſten Begriffe, durch ſinnliche Gleichniſſe und Behand - lung, in die Gemuͤther der Jugend brin - gen koͤnne, habe ich in einigen Capiteln ver - ſucht. Mit welchem Gluͤck?, Das iſt ei - ne andere Frage. Genung, daß es doch moͤglich iſt

Von dem Innhalte der Bibel ſcheint mir ein kurzer Auszug, fuͤrs Gedaͤchtniß des gemeinen Mannes, ein gutes Huͤlfs - mittel. Eine chriſtliche Moral, (nicht ein Wortregiſter der Tugenden,) habe ich, ſo wie eine natuͤrliche Theologie, auf Bitten eines Freundes, gewagt; weil ich, als ein Laye, mich in dieſes Fach nicht gern einlaſſen mogte. Doch ſind dieſe Ca - pitel nicht ſo, mit dem Ganzen verbunden, daß nicht beſſere, an ihre Stelle, geſetzt werden koͤnnten. Inzwiſchen habe ich alles das ſorgfaͤltig vermieden, was zwi -ſchenEinleitung. ſchen den verſchiedenen Sekten der Chriſten - heit ſtreitig ſeyn kann, und uͤberlaſſe den Lehrern in jeglicher Kirche die Ergaͤnzung der ausgelaſſenen Stuͤcke mit gegruͤndeter Be - ſcheidenheit.

Verhaͤltniß iſt ein nuͤtzlicher, aber, ſelbſt unter Gelehrten, nicht recht deutli - cher Begrif. Ich habe ihn durch ein Gleich - niß, das ein jedes Kind begreifen kann, er - laͤutert.

Wer die Landwirthſchaft verſteht, wird mit mir einſtimmen; daß, in den folgenden Capiteln viel, dem Landmanne nuͤtzliches, gelehrt werde.

Zum Nagelſchmieden, einem der ſim - pelſten Handwerke, haͤlt man doch wenig - ſtens drey Lehrjahre fuͤr noͤthig; iſt es nicht zu verwundern, daß man geringer von der Landwirthſchaft zu denken ſcheint, und daß man von ihr glaubt: ſie lerne der Bauer von ſelbſt?

Ja, er lernt ſie; aber wie? Mit allen Irrthuͤmern und Vorurtheilen ſeiner Vor - fahren, und zu der geringſten Verbeſſe - rung, durch Nachdenken und Kenntniſſe, unfaͤhig und auch unwillig.

Ein Landesherr, der die wichtige Wahrheit glaubt, daß im Ackerbau dieGrund -Einleitung. Grundkraft des Staates liegt, wird mit den beſten Edicten zur Verbeſſerung tau - ben Ohren predigen, wenn Er nicht, fuͤr die beſſere Einrichtung der Schulen, zur Bildung der Gemuͤther in der Jugend, durch Unterricht, in den nuͤtzlichſten oͤco - nomiſchen Erkenntniſſen, Sorge traͤgt.

Ich will kuͤrzlich meine Meinung ſagen, was verbeſſert, und wie verbeſſert werden muͤſſe.

  • §. 1. Mit Handwerkern und unwiſſenden Bedienten muß keine Dorfſchule mehr be - ſetzt werden: ſondern, wo moͤglich, mit Candidaten der Theologie, und aus ih - nen wuͤrden die Dorfprediger hergenom - men. Den Nutzen brauche ich nicht zu ſagen Sollte dieſes nicht angehen; doch mit geſchickten und fleißigen Leuten, die der Prediger, mit dieſer Lehrart, vertraut gemacht hat.
  • §. 2. Sie muͤßten alle, auf 100 Thaler jaͤhrlich, wenigſtens ſtehen; damit ſie ſich ganz dem Schuldienſte weihen koͤnnten.
  • §. 3. Es muͤßten Claſſen ſeyn, drey oder vier; damit kein Kind, laͤnger als eine Stunde, in der Schule bleiben muͤſſe;dochEinleitung. doch koͤnnte es auch bleiben, wenn es darum anſuchte.
  • §. 4. Die Schulgebaͤude muͤßten Vorzuͤge vor den uͤbrigen haben, die Stuben helle, und mit nuͤtzlichen und zweckmaͤßigen Bil - dern geziert ſeyn.
  • §. 5. Leſen und Schreiben muͤßte dieſem Un - terrichte vorgehen, und als eine Vorbe - reitung zu dieſem anzuſehen ſeyn. Man wuͤrde dabey wohl thun, den Kindern ausgeſuchte Lieder und andre kurze Ge - dichte, die ſehr gute Wahrheiten enthal - ten, leſen und ſchreiben zu laſſen. Man erreicht, auf die Weiſe, zwey Endzwecke auf einmal, und erleichtert, der uͤbrigen Lehre, den Eingang. Muſter ſolcher Gedichte ſind in den Baſedowſchen Schrif - ten zu finden.

Ihr Herren der Erde! moͤgtet ihr doch nichts gegen den zweyten Paragraphen einwenden! Hierauf kommt alles an. Und welche Ausgabe waͤre edler, oder wuͤrde reichere Zinſen tragen? Wo ſehr arme Herrſchaften ſind, muͤßten Kirchen - caſſen, ja ſelbſt die Unterthanen, zuſam - men ſchießen. Sonſt aber ſchließe ſichdochEinleitung. doch keiner aus, hier zuzulegen! Sind wir denn bloß

fruges conſumere nati?

Sind wir nicht Haushalter Gottes? Sol - len wir nicht Sein Reich vermehren, und das Reich der Finſterniß zerſtoͤren helfen? Ach daß doch dieſer edle Eifer in allen Seelen entbrennen moͤgte! daß allge - meine Menſchenliebe hier keinen Stand anſehen; daß, durch Ausbreitung ein - ſichtsvoller Tugend, in jedem Dorfe, Gluͤckſeligkeit wohnen, und daß Gerech - tigkeit und Frieden ſich uͤberall begegnen moͤgte!

Ver -

Verzeichniß der Capitel.

  • Erſtes Capitel. Aufmerkſamkeit und Wiß - begierde.
  • Zweytes Capitel. Urſache und Wirkung.
  • Drittes Capitel. Vom Ergruͤndlichen und Nichtergruͤndlichen.
  • Viertes Capitel. Wahrheit, Gewißheit, Wahrſcheinlichkeit, Irrthum.
  • Fuͤnftes Capitel. Glauben, Unglaͤubig ſeyn, Leichtglaͤubig ſeyn, Aberglauben.
  • Sechſtes Capitel. Von der Religion, oder dem Verhaͤltniß des Menſchen gegen Gott, in drey Abſchnitten.
  • Siebentes Capitel. Eine Tugendlehre nach der Bibel.
  • Achtes Capitel. Von der Geſellſchaft und der Obrigkeit, von Geſetzen und Soldaten.
  • Neuntes Capitel. Vom Verhaͤltniß.
  • Zehentes Capitel. Von der Hoͤflichkeit im Umgange, und im Reden, und vom noͤ - thigen Briefſchreiben.
  • Eilftes Capitel. Etwas von der Rechen - kunſt.
  • Zwoͤlftes Capitel. Etwas von Ausmeſ - ſung der Flaͤchen und Koͤrper; etwas Mechanik, dem ein Verzeichniß der ge - woͤhnlichſten Laͤngen - und Flaͤchen Maaße, Gewichte ꝛc. vorgeſetzt iſt.
  • Dreyzehentes Capitel. Vom Augen - maaße und vom Betruge der Sinne.
  • Vierzehentes Capitel. Von natuͤrlichen Dingen, zur Vermehrung nuͤtzlicher Er - kenntniß.
  • Funfzehentes Capitel. Von Mitteln, die Geſundheit zu erhalten; und einige einfa - che Vorſchlaͤge, die verlohrne wieder her - zuſtellen.
  • Sechzehentes Capitel. Von der Land - wirthſchaft, als einem Berufe; und Grund-Saͤtze, worauf es bey allen Arten der Landwirthſchaft ankommt.
Das
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Das erſte Capitel.

Aufmerkſamkeit und Wißbegierde.

Lieben Kinder! es war einmal ein Junge in einem Dorfe, der woll - te nichts lernen; weil[er auf] nichts Achtung gab, und wollte nicht einmal gerne in die Schule gehen. Die Ael - tern mußten ihn immer, vor ſich her, in die Schule treiben; wie man ein Vieh vor ſich hertreibt. Da ſeufzeten die Aeltern oft uͤber das Kind, und ſagten:

Du boͤſes Kind! aus dir wird nichts Gu - tes . In der Schule hatte der Schul - meiſter ſeine Noth mit dem Jungen: entwe - der, er ſaß nicht ſtille und hinderte die an - dern Kinder, oder gab nicht Achtung, und war nicht aufmerkſam auf das, was der Schulmeiſter lehrte. Erſt ermahnte ihn der Lehrer oder Schulmeiſter mit aller Guͤte, da aber das nicht half, ſo ſtrafte er ihn hart, mit allerley Strafen, die ſehr wehe thaten. ErAblieb2blieb aber, wie er war. Da ſagte denn der Schulmeiſter oft, im Zorn uͤber ſeine boͤſen Streiche:

Junge! dir wird es dein Lebetage nicht wohl gehen .

Ihr lieben Kinder! was geſchah? Als der Junge aͤlter und ſtaͤrker ward, da wollte er Niemand gehorchen, und ſich keiner Ord - nung unterwerfen. Er diente bey vielen Herren, aber keiner konnte mit ihm fertig werden.

Endlich beſtohl er ſeinen Herrn; und da ihn dieſer dabey betraf, ſo wehrte er ſich, und ſchlug ſeinen Herrn ſo, daß er daran ſterben mußte. Er wollte davon laufen; aber er ward ergriffen, und gefangen geſetzt. Die Obrigkeit ließ ihm, andern boͤſen Buben zum Schrecken, alle Glieder, bey lebendigen Leibe zerſchlagen, und toͤdten; ſeinen Coͤr - per aber auf das Rad legen, wo ihn die Raben freſſen.

Lieben Kinder! haͤtte dieſer Menſch, nicht in der Jugend, ſeinen Aeltern und Lehrern ſo viel Verdruß gemacht, ſo haͤtten ſie nicht uͤber ihn geſeufzt, und ihn verwuͤnſcht. Ihr habt gehoͤrt, daß bey ihm eintraf, was Ael - tern und Lehrer vorherſagten; denn es ward nichts Gutes aus ihm; es gieng ihm ſeinLe -3Lebetage nicht wohl; und er nahm ein ſchlech - tes Ende.

Wollt ihr alſo, lieben Kinder! daß es euch in der Welt wohl gehen ſoll; ſo ſeyd aufmerkſam und willig, was Gutes zu ler - nen! Macht euren Aeltern und Lehrern das Leben nicht ſauer, durch Ungehorſam; da - mit ſie euch mit Freuden, zum Guten an - halten koͤnnen, und nicht mit Seufzen: denn das iſt euch nicht gut! Verſprecht mirs alle, durch ein Ja, und durch einen Handſchlag, daß ihr euch, in der Schule, ſo betragen wollet, als aufmerkſame, lehrbegierige Kin - der.

Seht, Kinder! in dieſes Buch will ich nun eure Nahmen einſchreiben, und den Tag, an welchem ihr mir dieſes Verſprechen ge - than habt. Dieß Buch ſoll beſtaͤndig vor euren Augen liegen, und euch an euer Ver - ſprechen erinnern. Was man aber verſpricht, daß muß man halten; ſonſt traut einem kein Menſch mehr.

Du aber, gnaͤdiger und liebreicher Gott! ſiehe das Verſprechen dieſer Kinder! Du willſt, daß ſie zu Dir kommen ſollen! Sprich Ja und Amen dazu! Seegne jede Wahrheit, daß ſie in ihre Herzen eindringe; auf daß dieſe Kinder, durch Erkenntniß der Wahr -A 2heit,4heit, hier und dort gluͤckſeelig werden! A - men.

Das Erſte alſo, geliebten Kinder! was ihr lernen muͤßt, iſt, aufmerkſam ſeyn, oder Achtung geben.

Ihr muͤßt viel Dinge kennen lernen; aber ihr muͤßt auch die Dinge von einander unter - ſcheiden lernen.

Den Unterſchied der Dinge lernt man an gewiſſen Zeichen kennen.

Nicht wahr, Kinder! ein jedes von euch, kennt ſeine Aeltern und Geſchwiſter, ſo, daß ihr ſie von andern Leuten unterſcheiden koͤnnt? Ein jedes Kind kennt ſeinen Ball, oder den Koͤnig im Kegelſpiel?

Nun ſagt mir einen Unterſchied, oder Un - terſcheidungszeichen, woran ihr ſie kennt.

Nota. (Dieſer Unterricht kann, ſo lange als moͤglich, fortgeſetzt werden. Mit ſehr viel Dingen, als Steinen, Pflan - zen, Thieren, Baͤumen, und Werken der menſchlichen Kunſt, ihren Arten, und den aͤußerlichen und innerlichen Kennzeichen derſelben werden die Kin - der bekannt gemacht. Außer der Schu - le, wird jedem Kinde aufgegeben, Be - merkungen zu machen; und an dem Be - merkten wird die Lehrart fortgeſetzt. Nach -5Nachdem die Kinder ſattſam hierin geuͤbt ſind, iſt erſt der Uebergang, welcher hier anfaͤngt: Mein Sohn! du ſiehſt ꝛc. ꝛc. anzurathen.)

Mein Sohn! Du ſiehſt nach dem Bilde des Hahns, das dort haͤngt. Sieht es nicht recht aus, als wenn er leibhaftig da ſtuͤnde, und kraͤhte? Giebts hier einen Hahn, der ſo ausſieht? Aber, was iſt fuͤr ein Unterſchied, unter dieſem gemahlten Hahn, und jenem Hahn im Dorfe?

Nota. (Der Lehrer hilft hier den Kindern, nach Moͤglichkeit, auf die Unterſchei - dungs-Kennzeichen des Bildes vom ab - gebildeten.)

Recht, Kinder!

Es iſt alſo ein großer Unterſchied, zwi - ſchen dem Bilde, und dem wirklichen Dinge, das abgebildet iſt.

Kinder! man kann auch Brodt abbilden; aber, wenn man hungrig iſt, ſo iſt doch wohl ein wuͤrkliches Stuͤck Brodt beſſer, als ein gemahltes, welches man zwar fuͤr Brodt anſehen, aber nicht, als Brodt, eſſen kann.

Was alſo nicht die Sache ſelber iſt, ſon - dern ihr nur blos, dem Augenſcheine nach, aͤhnlich ſieht, das nennt man ein Bild.

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Je mehr Aehnlichkeit das Bild mit dem Abgebildeten hat, je beſſer iſt das Bild.

Dieſes Bild von dem Hahn, geliebte Kin - der! war mit Farben gemahlt, und alſo war es ein Bild fuͤr die Augen. Aber, wenn ich euch dieſen Hahn mit Worten beſchreibe, daß ihr die Aehnlichkeit meiner Beſchreibung mit dem wirklichen Hahne findet; ſo iſt dieß ein Bild fuͤr die Ohren, oder ein Bild in der Rede.

Lieben Kinder! unſere Sprache iſt voller Beſchreibungen und Bilder. Wer gut be - ſchreibt, den verſteht ein jeder leicht.

Nicht alles, was man fuͤr gut und nuͤtz - lich anſieht und haͤlt, iſt darum immer wuͤrk - lich gut. Itzt, und wenn ihr groͤßer wer - det, ſo wirds oft geſchehen, daß euch Dinge vorkommen, die euch gut ſcheinen, aber euch doch nicht gut ſind.

Z. E. Manches Kind kann denken: Heute iſt ſchoͤn Wetter, wenn du doch die Stunde ſpielen koͤnnteſt, anſtatt in die Schule zu gehen, das waͤre gut fuͤr dich.

Es iſt ihm aber nicht gut, ſondern ſchaͤd - lich; den es gewoͤhnt ſich zum Ungehorſam gegen die gemachte Ordnung, und will, als ein unwiſſendes Kind, ſchon beſſer wiſſen, was ihm gut iſt, als ſeine Vorgeſetzten.

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Wer ſich nun nicht oft ſo betruͤgen will, der muß wiſſen, und kennen lernen, was wirklich gut und boͤſe iſt, und ſich von er - fahrnen Leuten daruͤber belehren laßen.

Alſo Gutes, und Boͤſes oder Schaͤdliches, hat auch ſeine Unterſcheidungszeichen.

Mein ganzes Amt iſt, euch, Kinder! dieſe Kennzeichen bekannt zu machen, und euch in den Stand zu ſetzen, daß ihr als verſtaͤn - dige Menſchen, das Gute waͤhlen, und das Boͤſe oder Schaͤdliche verwerfen lernt.

Solche Kinder, die, in der Schule, viel Aufmerkſamkeit anwenden, die lernen diß balde, worin das Gute von dem Boͤſen oder Schaͤdlichen unterſchieden iſt. Die alten Leute ſind ſolchen Kindern gewogen, und freuen ſich uͤber ſie. Denn man kann auch ein boͤſes Kind bald von dem guten unter - ſcheiden. Ein boͤſes Kind iſt traͤge, unwil - lig, und ungehorſam; man muß es in die Schule treiben. Das gute Kind aber, iſt gern in der Schule; munter, und willig zu allen Guten; giebt Achtung, oder merkt auf alles, was der Lehrer ſagt. Wenn ſolche aufmerkſame und willige Schulkinder groß werden, ſo geht es ihnen wohl; denn alle Menſchen ſind ihnen gewogen, und helfen ihnen fort.

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Das zweyte Capitel.

Urſache und Wirkung.

Lieben Kinder! wer auf alles Acht giebt, und aufmerkſam iſt, der wird bald gewahr, daß oft ein Ding um des andern Dinges willen geſchieht. Z. E. Daß es Tag wird, wenn die Sonne aufgeht, des Morgens, und daß es, am Abend, dunkel wird, wenn die Sonne untergeht. Das heißt: Es giebt Urſachen und Wirkungen, oder Folgen.

Habt ihr heute gefruͤhſtuͤckt? Seyd ihr auch ſatt geworden? Nicht wahr? ihr ſeyd darum ſatt geworden, weil eure Aeltern euch genug Fruͤhſtuͤck gegeben haben.

Seht, Kinder! das reichliche Fruͤhſtuͤck, was euch eure Aeltern gegeben, iſt alſo die Urſache eurer Saͤttigung; und eure Saͤtti - gung iſt die Wirkung von dem reichlich ge - noſſenen Fruͤhſtuͤck. Da wißt ihr nun, was Urſache und Wirkung heißt.

Sage mir, mein Sohn! warum iſt es warm, hier in der Schulſtube? Nicht wahr? darum, weil es eingeheitzt iſt, oder die Sonne herein ſcheint. Alſo iſt die Sonne,oder9oder der eingeheitzte Ofen, die Urſache von dieſer Waͤrme, und die Waͤrme iſt die Wirkung des eingeheitzten Ofens oder der Sonne.

Kinder! wenn man erndten will, muß man nicht vorher ſaͤen? Recht, man muß vorher ſaͤen. Was iſt nun hier die Urſache vom Erndten? Recht, Kinder! das Saͤen; und die Wirkung oder Folge, vom Saͤen, iſt das Erndten.

Ihr lieben Kinder! wenn ihr, in der Schule fleißig ſeyd, ſo iſt es eben, als wenn ihr guten Saamen, oder gutes Korn in euch ausſaͤetet. Wenn ihr groͤßer und aͤlter werdet, denn werdet, ihr von dieſer Saat ſchoͤne Fruͤchte erndten. Das heißt: ihr werdet klug und verſtaͤndig ſeyn; ein jeder wird euch lieb haben; und es wird euch wohl gehen.

Welches iſt nun die Urſache hiervon? Recht, mein Sohn! Das Fleißigſeyn, oder der Fleiß in der Schule; und das klug und verſtaͤndig werden, iſt die Wirkung.

Aber, Kinder! waͤre es nicht thoͤricht, wenn einer die Wirkung wuͤnſcht, und will doch die Urſache, ohne welche dieſe Wir - kung nicht erfolgen kann, weglaßen?

A 5Z. E.10

Z. E. Wenn ein Kind ſatt werden will, und will doch nicht eſſen? Wenn einer im Winter nicht frieren will, bekuͤmmert ſich aber doch um kein Holz, oder will nicht einheitzen, oder in die Sonne ge - hen? Wenn einer zwar ſehen will, aber nicht will die Augen aufmachen? Wenn einer zwar erndten will, aber nicht will den Acker bearbeiten, und guten Saamen herein ſaͤen? Wenn ein Kind zwar wuͤnſcht, daß man es liebe, und daß es ihm, wenn es aͤlter wird, wohl gehe; aber es will nicht gehorſam ſeyn, und will auch nichts nuͤtzli - ches lernen, und Achtung geben, was ſein Lehrer ſagt?

Nicht wahr, Kinder? So thoͤricht und dumm iſt keines unter euch: Und man muͤß - te den, mit Recht, auslachen, der ſo naͤr - riſch, das iſt, ſo unverſtaͤndig thaͤte. Ein Menſch von der Art, wird daher ein Narr geheißen.

Aber, Kinder, manchmal koſtet es den Leuten gar das Leben, daß ſie ſich nicht um die Erkenntniß von Urſachen und Wir - kungen bemuͤht haben; oder aber, ſo naͤr - riſch und eigenſinnig ſind, und wollen zwar die Wirkung, aber nicht die Urſache, ſich gefallen laßen.

In11

In dem Orte, wo ich her bin, waren einmal viele Kinder krank. In dem Hauſe aber, wo ich wohnte, war ein einzig Kind, das wurde ploͤtzlich ſehr krank. Die Aeltern ſchickten gleich nach dem Arzte. Der Arzt kam, und brachte Arzeney mit, von derſelben Art, als er ſchon bey vielen Kranken mit Nutzen gebraucht hatte: Denn alle, die es, zu rechter Zeit, eingenommen hatten, waren beſſer geworden. Dieſes kranke Kind aber, wollte durchaus nicht die Arzeney einneh - men. Die Aeltern fragten dieſes Kind, ob es denn nicht wuͤnſchte, wieder geſund zu werden? O ja! liebe Aeltern! ich wuͤnſche, recht bald geſund zu werden, ſagte das Kind. Nun, ſo mußt du auch die Arze - neymittel brauchen, und ſie einnehmen; da - mit du geſund werden koͤnneſt ſprachen die Aeltern. Aber, das Kind blieb bey ſei - nem Eigenſinn. Es wollte gern geſund werden; aber doch keine Arzeney, die die Krankheit vertreibt, einnehmen. In wenig Tagen mußte das Kind ſterben. Zuletzt nahm es gerne ein, aber, da war es zu ſpaͤt, und die Krankheit hatte zu ſehr zuge - nommen.

Hier war die, zu rechter Zeit einzuneh - mende Arzeney, die Urſache vom wieder ge -ſund12ſund werden; und dieſes war die Wirkung von der eingenommnen Arzeney. Die Wirkung wollte das Kind; denn es wollte gerne wieder geſund werden, aber die Urſache wollte es nicht, nemlich die Arzeney, zu rechter Zeit, einnehmen: und an dieſem thoͤ - richten und naͤrriſchen Eigenſinn, mußte es ſterben. Alſo, Kinder! alles das, warum etwas da iſt, oder geſchieht, nennen wir Urſache, und was aus dieſer Urſache, da iſt, oder geſchieht, nennen wir Wirkung, oder die Folge, weil es auf die Urſache folgt.

Alle Dinge aber, die man ſehen, hoͤren, ſchmecken, fuͤhlen und riechen kann, ſind Urſachen, oder Wirkungen von andern Din - gen, und, ſo wie man ſie anſieht oder ſtellt, Urſache und Wirkung zugleich. Z. E. Die Waͤrme, hier in der Schulſtube, iſt die Wirkung des geheitzten Ofens, oder der in die Fenſter ſcheinenden Sonne; aber dieſe Waͤrme iſt zugleich die Urſache, daß ihr nicht friert. Das Fruͤhſtuͤck, welches euch eure Aeltern geben, iſt die Urſache eurer Saͤttigung, aber zugleich die Wirkung von der Liebe, die eure Aeltern gegen euch tra - gen, und von ihrer Vorſorge fuͤr euch. Haͤtten aber eure Aeltern keinen Vorrath von Brodt im Schranke gehabt, ſo haͤtten ſieeuch13euch auch kein Brodt geben koͤnnen. Daß ſie alſo Brodt in Vorrath hatten, das war wieder die Urſache davon, daß ſie euch Brodt geben konnten.

Seht, Kinder! So kann man, wie auf einer Leiter, von Wirkungen zu Urſachen, und von Urſachen zu Wirkungen, herauf und herunter ſteigen.

Wenn man aber auch alle moͤgliche Urſa - chen erforſchte; ſo muͤßte man doch, am Ende, bey einer Urſache ſtehen bleiben, wel - che die erſte Urſache waͤre.

Und dieſe erſte Urſache nennen wir Gott. Der Gott, zu dem eure Aeltern vor dem Tiſche beten, daß Er die Speiſe ſeegnen, und gedeyen laßen wolle, dieſer Gott iſt die erſte Urſache aller Dinge.

Eure Aeltern, ihr Kinder ſelbſt, ich und alle Menſchen, die Thiere, die Baͤume, die Gewaͤchſe, die Steine, die Erde, der Him - mel, Sonne, Mond, und Sterne, kurz, alles, was da iſt, alles hat dieſer Gott hervorge - bracht. Ihm haben wir alles, auch ſelbſt unſer Leben, zu danken; Er iſt die erſte Ur - ſache aller Wirkungen. Alles, was wir ſe - hen, hoͤren, und empfinden, nennen wir, mit Einem Worte, die Welt, oder den Innbe - griff aller Wirkungen Gottes, oder dieſer er -ſten14ſten Urſache. Denn Gott hat alles, was da iſt, gemacht, und werden laßen.

Von Gott, oder von dieſer erſten Urſa - che aller Dinge, werdet ihr, in dieſem Schul-Unterricht, taͤglich mehr erfahren. Denn es iſt Sein Wille, daß wir Men - ſchen Ihn kennen lernen. Und dieſe Er - kenntniß, iſt die Urſache aller menſchlichen Gluͤckſeeligkeit.

Das dritte Capitel.

Vom Ergruͤndlichen und Nichtergruͤnd - lichen.

Mein Kind! haſt du es ſchon gewagt, durch das tiefe Waſſer, Muͤhlenteich, Fluß oder Pful, zu waten? Warum nicht? Alſo meynſt du, es ſey kein Grund darin zu finden? Du irreſt dich, liebes Kind! mit einer rechten langen Stange will ich ſchon den Grund finden; wer groͤßer iſt, als du, kann auch vielleicht durchwaten, aber du biſt noch zu klein.

Wenn du nun aber, von einem boͤſen Menſchen, oder von einem grimmigen Thie - re verfolgt wuͤrdeſt, und muͤßteſt durch dastiefe15tiefe Waſſer, um dich zu erretten, wuͤrdeſt du nicht ſehr gerne ſehen, wenn ein großer Menſch kaͤme, und truͤge dich durch, und braͤchte dich in Sicherheit auf die andere Seite? Wuͤrdeſt du dich nicht gerne tragen laßen, und deinem Erretter herzlich danken?

Seht, lieben Kinder! Euer Leben iſt das tiefe Waſſer, wodurch ihr gehen muͤßt. Eure Unwiſſenheit in aller noͤthigen Erkennt - niß, und die ungluͤcklichen Wirkungen da - von, ſind die Feinde und grimmigen Thiere, die euch verfolgen. Wenn ſich Niemand um euch bekuͤmmerte, und euch huͤlfe, ſo wuͤrdet ihr nicht gerettet, ihr wuͤrdet un - gluͤcklich ſeyn. Gott aber will euch retten laßen, und gluͤcklich machen. Darum hat Gott, Lehrer und Schulen verordnet. Ich bin dazu geſetzt, daß ich eurer Unwiſſenheit zu Huͤlfe kommen ſoll; ich ſoll euch, ſo lan - ge ihr Kinder, am Leibe und Verſtande ſeyd, durch meine Lehre tragen, bis ihr euch ſelbſt helfen koͤnnt, das iſt, ſelbſt den Grund erreichen koͤnnt, und nicht in Gefahr ſteht, durch Unwiſſenheit umzukommen.

Ihr ſollt alſo, durch den Schulunter - richt, oder die Lehre, verſtaͤndig werden, und, ſo viel als moͤglich, in jeder wichtigen Sa - che, den Grund finden, worauf ihr veſtſtehen16ſtehen koͤnnt, damit euch eure erlangte Kenntniß Nutzen ſchaffe.

Weil aber alles darauf ankommt, lieben Kinder! daß ihr mich auch verſteht, was ich ſage; ſo erlaube ich euch, mich ſogleich zu fragen, wenn ihr etwas nicht recht verſtanden habt. Ja, ich will es, als ein Zeichen eines recht guten Kindes, dem an Erkenntniß recht viel gelegen iſt, anſehen, wenn es mich fraͤgt

Wenn ihr nun die Lehre gehoͤrig verſteht, ſo habt ihr den Grund gefunden. Aber alle Sachen laßen ſich nicht ergruͤnden. Denn unſere Erkenntniß in dieſer Welt, iſt noch unvollkommen, und wir wiſſen nicht alle Urſachen und Wirkungen auf einmal, daher iſt uns nicht alles ergruͤndlich. Aber wir ſollen nicht Kinder bleiben, an Erkennt - niß; ſondern, ſo wie unſer Coͤrper waͤchſt, ſo ſoll auch unſer Verſtand wachſen. Denn, uͤber manche Stuͤcke der Lehre, muß man, ſein ganzes Leben lang, nachdenken, und kann immer mehr lernen, je laͤnger man ſich damit beſchaͤftigt. Wie thoͤricht aber waͤre es, lieben Kinder! wenn man darum, weil man nicht alles ergruͤnden oder begrei - fen kann, nun gar nichts lernen wollte? Waͤre das nicht eben ſo thoͤricht, als, wennein17ein Bauer darum gar nicht pfluͤgen wollte, weil er nicht, in einem Tage, damit fertig wird, oder darum gar nicht ſaͤen, weil er nicht, den andern Tag, gleich erndten koͤnn - te? Manche Sachen ſind daher wahr, und kein Menſch kann ſie leugnen; aber man kann nicht den Grund zeigen das iſt, nicht erklaͤren, wie das zugeht. Und denn ſind ſie unergruͤndlich. Z. E. Lieben Kinder! ihr habt im vorigen Capitel gehoͤrt: daß ein Gott ſey, oder eine erſte Urſache aller Wirkungen. Daß dieſer Gott alles, was da iſt, hat werden laſſen, und gewirkt hat. Auch uns Menſchen, habe Gott erſchaffen, oder werden laſſen.

Wie nun das zugeht, oder wie es Gott macht, wenn Er alles, was da iſt, werden laͤßt, das iſt unergruͤndlich; und wer die Frage beantworten will, der muß Gott ſel - ber ſeyn. Denn Gott iſt ſehr viel verſtaͤn - diger, als der verſtaͤndigſte Menſch; Er kennt alle Urſachen und alle Wirkungen; und Gott allein, iſt daher keine Sache un - ergruͤndlich. Man nennt deswegen ſolche Fragen vorwitzig. Man muß ſich alſo, am meiſten, um ſolche Dinge bekuͤmmern, davon man den Grund finden kann, und die man deswegen Wahrheiten nennet, weilBman18man den Grund finden kann, warum ſie ſo, und nicht anders ſind, oder, weil uns ein andrer verſtaͤndiger Menſch davon Ver - ſicherung giebt.

Das vierte Capitel.

Wahrheit, Gewißheit, Wahrſchein - lichkeit, Irrthum.

Vier Nuͤße ſind mehr, als zwey Nuͤße Eure Kuh iſt groͤßer, als eure Katze Nicht wahr, Kinder? Seht! das iſt alſo eine Wahrheit: daß vier Nuͤße mehr ſind, als zwey Nuͤße Und die Kuh groͤßer iſt, als die Katze, das iſt auch eine Wahrheit. Denn ihr duͤrft nur die Augen aufma - chen, ſo werdet ihr gleich gewahr, daß es ſich ſo verhaͤlt, wie ich ſage.

Solche Wahrheiten nennt man, augen - ſcheinliche, oder in die Sinne fallende Wahr - heiten.

Zwey Nuͤße ſind mehr als vier Nuͤſ - ſe Eure Katze iſt groͤßer als eure Kuh. Seht Kinder! wer das ſagt, der ſagt etwas, was nicht wahr iſt, oder eine Un -wahr -19wahrheit. Denn es iſt wieder augenſchein - lich, daß das nicht wahr iſt.

Aber, alle Wahrheiten ſind nicht augen - ſcheinlich, oder in die Sinne fallend. Ueber manche Wahrheiten muß man ſich beſinnen, und eine Weile nachdenken, ehe man ſie als wahr annehmen, oder ihrer Wahrheit Beyfall geben kann. Z. E.

Gott verdient unſre hoͤchſte Liebe, denn Er thut uns alle Tage Gutes.

Gebt Achtung, Kinder! wie ich dis be - weiſe. Ihr wißt aus vergangnen Lehrſtun - den ſchon, daß wir die erſte Urſache aller Wirkungen, Gott nennen. Daß ihr lebt, geſund ſeyd, eßt, trinkt, ſchlaft; daß ihr Haͤuſer habt, worin ihr euch vor dem Wet - ter decken koͤnnt, davon iſt Gott die Urſa - che, das hat Gott, zu eurem Beſten, veran - ſtaltet. Wer uns aber ſo unzaͤhlig viel Gu - tes thut, verdient der nicht unſre hoͤchſte Liebe? Recht, Gott verdient ſie. Seht, Kinder! das war eine Wahrheit, die nicht, wie die vorigen, gleich in die Sinne fiel; ſondern die erſt durch den Verſtand mußte erkannt und bewieſen werden. Denn auch unſre Sinnen koͤnnen zuweilen fehlen, wie ihr kuͤnftig hoͤren werdet; und nur mit Huͤl - fe des Nachdenkens, uͤber das was unſereB 2Sin -20Sinne uns als wahrſcheinlich anſehen laſ - ſen, erkennen wir, ob die Sinne recht ha - ben oder nicht.

Alſo, durch den Verſtand erkennen wir die nuͤtzlichſten und wichtigſten Wahrheiten. Aber jede Wahrheit hat ein ſicheres Kenn - zeichen, woran ich ſie von der Unwahrheit unterſcheiden kann.

Durch Aufmerkſamkeit wird das Kennzei - chen der Wahrheit entdeckt. Nemlich, ich werde entweder, durch meine Sinnen ge - wahr, daß es wirklich ſo iſt, als es mir ſcheint, (als vorher bey der Kuh und bey der Katze, wenn nemlich die Katze in ein kleines Loch kriecht, wo die Kuh nicht durch kann,) oder, ich halte das, was mir als wahr angegeben wird, gegen andre Wahr - heiten, die ich ſchon weiß. Z. E. Wenn einer zu euch ſagte: Kinder! geht ja nicht in die Schule! wer in die Schule geht, der ſtirbt den Augenblick. Wuͤrdet ihr nicht gleich denken? Ich bin ſo oft herein gegan - gen, und bin nicht geſtorben; es wird wohl nicht wahr ſeyn, was der ſagt. Oder, wenn ich euch ſage; Kinder! lernt fleißig; ſo wißt ihr alle Tage mehr Werdet ihr nicht, aus eurer eignen Erfahrung, zugeſte - hen muͤßen: Das iſt wahr, was unſer Leh -rer21rer ſagt! Wir wiſſen jetzo vielmehr als den er - ſten Tag. Oder endlich, ich nehme die Sache fuͤr wahr an, um des Zeugnißes willen, (ein Zeugniß aber iſt: Was jemand von ſich, oder von andern fuͤr wahr an - giebt,) desjenigen, der da ſpricht oder ſchreibt. Z. E: Wenn ihr einmal hoͤren ſolltet, lieben Kinder! daß die erſte Urſache aller Wirkungen, oder dasjenige Weſen, welches wir, mit Einem Worte, Gott, nen - nen, euer Wohlthaͤter, von dem ihr Leben und alles habt, ich ſage, wenn ihr einmal hoͤrtet, daß dieſes guͤtige Weſen wichtige Nachrichten von ſich ſelbſt, den Menſchen gegeben haͤtte, die ſie, ohne dieſen goͤttlichen Unterricht nimmermehr wißen konnten Wuͤrdet ihr alle dieſe Nachrichten nicht fuͤr wahr annehmen, um des Zeugnißes Gottes willen? Recht, lieben Kinder! Denn was haͤtte Gott, der uͤber alles guͤtig iſt, wohl vor Urſache, uns armen Menſchen Unwahr - heit zu ſagen, ober uns zu betruͤgen? und was haͤtten eure Aeltern und Lehrer fuͤr Vortheile davon, euch Unwahrheit zu lehren?

Wie heißt du, meine Tochter! mit dem Taufnahmen? Iſt das wahr? Biſt du deſſen gewiß, daß das wahr iſt? Fuͤhre mir einen Grund, oder eine Urſache an, warum dasB 3wahr22wahr iſt! Maria, ſagſt du, ſo heißen dich deine Aeltern Weißeſt du nicht mehr Gruͤnde anzugeben, warum du ſo heißeſt? Recht, mein Kind! ins Kirchenbuch biſt du, unter dem Taufnamen, aufgeſchrieben. Seht! dieß Kind wußte das gewiß, was ſie ſagte: denn ſie konnte Gruͤnde anfuͤhren; alſo, ge - wiß iſt alles das, was man ſich und an - dern, durch Gruͤnde beweiſen kann. Ihr lieben Kinder! das allein hilft euch nicht viel, daß ihr Wahrheiten hoͤrt, oder auswendig lernt. Nein die Wahrheiten muͤßen auch, in euch, zu Gewißheiten werden. Das heißt ſo viel: Ihr muͤßt euch zugleich den Grund an - geben koͤnnen, warum eine Wahrheit wahr iſt. Alsdenn kommt euch die Erkenntniß der Wahrheit zu nutze, und wird lebendig in euch, ſo, daß ihr die Wahrheit liebt. Wer aber die Wahrheit liebt, der liebt auch Gott; denn alle Wahrheit koͤmmt von Gott.

Wenn es erſt ein paar Naͤchte gefroren hat, wagt ihr euch denn wohl, auf dem tie - fen Waſſer zu glitſchen, oder zu ſchlittern? Warum nicht? Weils alſo ungewiß iſt, ob es euch haͤlt, oder, wie ihr es nennt, unſicher, ſo giengt ihr nicht auf das Eis. Es iſt auch nicht zu vermuthen, daß, in ein paar Naͤch - ten, das Eis ſo ſtark und ſo dicke frieren ſoll -te,23te, daß es einen Menſchen traͤgt. Wenn es aber, im Winter, vier bis fuͤnf Naͤchte und Tage friert, ſo iſt es wahrſcheinlich, oder zu vermuthen, daß das Waſſer dick genung Eis hat, daß ihr drauf gehen koͤnnt, ohne durchzu - brechen. Es kann aber doch eine warme Stelle ſeyn, die nicht recht veſte gefroren iſt, da ihr herein fallet, und Schaden nehmt.

Seht, Kinder! das iſt der Fehler der Wahr - ſcheinlichkeit, daß ich niemals gewiß bin, ſon - dern immer unſicher bleibe. Wer ſich ſtets mit Wahrſcheinlichkeiten behilft, den ſichern Weg der Gewißheit verlaͤßt, und immer ſpricht: Es koͤnnte doch wohl gut gehen! Vielleicht gluͤckt es! Wir wollens probieren, es kommt darauf an! Von dem ſagen kluge Leute: er wagt. Es iſt dieß ein gewoͤhnlicher Fehler junger Leute, die nicht viel Urſachen und Wir - kungen kennen. Huͤtet euch davor, Kinder! Denn wer wagt, begiebt ſich in Gefahr, ohne daß es ſeine Pflicht erfodert, und kann zu Schaden kommen, oder irren. Behaltet aber, daß man das jenige wahrſcheinlich nennt, dem noch viel Gruͤnde, zur voͤlligen Gewißheit fehlen.

Sehr nahe bey der Wahrſcheinlichkeit, iſt der Irrthum.

B 4Wenn24

Wenn ihr, in der finſtern Nacht, aufge - ſtanden ſeyd, um zur Thuͤre heraus zu gehen, ſeyd ihr nicht oft vor der Thuͤre vorbey ge - gangen, und habt euch in der Stube verirrt, ſeyd an den Kachelofen gekommen, denn an den Schrank, ehe ihr die Thuͤre gefunden habt? Seht, Kinder! da habt ihr in eurem Gange geirrt: denn das nennt man irren, oder im Irrthum ſtecken, wenn man anders denkt, als man ſollte; anders urtheilt, anders thut und handelt, als man ſollte. Ihr, (z. E.) ſuchtet die Thuͤre beym Ofen War der Ofen noch heiß, ſo haͤttet ihr euch gar verbrennen koͤnnen; Denn ein Irrthum hat gemeiniglich ſchaͤdliche Folgen.

Warum aber verirrtet ihr euch damals in der Stube? Recht lieben Kinder! weil es dun - kele Nacht war, weil ihr nicht ſehen konntet.

Seht, Kinder! was das Tageslicht fuͤr un - ſere Augen iſt, das iſt die Wahrheit fuͤr unſern Verſtand. Wer die Wahrheit liebt, und nach Erkenntniß trachtet, in deßen Verſtande iſt Licht, er verirrt ſich nicht leicht, oder kommt doch bald wieder auf den rechten Weg.

Wer aber nach Wahrheit nichts fragt, und nichts Gutes lernen will, in dem iſt Finſterniß; denn jeder Irrthum iſt Finſternis im Verſtan - de; und ein ſolcher Menſch irrt alle Augenbli -cke.25cke. Wenn er nun, durch ſeinen Irrthum ver - kehrte Dinge gethan hat, ſo ſcheut er das Licht: denn ſeine Werke ſind boͤſe, und er will nicht, daß ſie ſollen offenbar werden, weil er die Verachtung der andern, und die Strafe ſeiner Thorheit fuͤrchtet. Alſo durch Aufmerkſamkeit und Wißbegierde lernt ihr die Wahrheit kennen. Wenn ihr den großen Nutzen erfahrt, den euch die Erkenntniß der Wahrheit bringt, ſo lernt ihr ſie auch lieben. Wenn ihr die Wahrheit liebt, ſo ſtrebt ihr auch nach Gewißheit, das iſt: Ihr betrachtet die nuͤtzliche Wahrheit ſo lange, bis ihr davon gewiß werdet, und euch und andre, durch Gruͤnde, uͤberzeugen koͤnnt. Alsdann aber kann auch die ungewiſſe Wahr - ſcheinlichkeit, nicht leicht betruͤgen, und in Irr - thum bringen. Denn ihr glaubt nichts ohne Gruͤnde, weil ihr wißt, daß alles, was man fuͤr wahr erkennt, entweder durch die Sinne, oder durch Gegeneinanderhaltung mit andern, ſchon bekannten Wahrheiten, oder um des Zeug - nißes willen, eines rechtſchafnen und verſtaͤn - digen Zeugen erkannt und geglaubt werden muß.

B 5Das26

Das fuͤnfte Capitel.

Glauben, unglaͤubig ſeyn, leichtglaͤu - big ſeyn, aberglaͤubig ſeyn.

Lieben Kinder! wenn Jemand die Erkennt - niß der Wahrheit zwar haͤtte, das iſt: die Wahrheit zwar von der Unwahrheit unter - ſcheiden koͤnnte; aber ſein ganzes Verhalten gar nicht darnach einrichtete, dem wuͤrde die bloße Erkenntniß wenig helfen, und er haͤtte ohne Nutzen die Schule beſucht. Denn, Kinder! von allem, was man in der Schule lernt, muß man Vortheil und Nu - tzen haben, ſo daß man Zeit ſeines Lebens dadurch gebeßert wird. Man wird aber, durch die Erkenntniß der Wahrheit, nicht eher gebeßert, als bis man an die Wahr - heit glaubt. Wenn ihr aber der Wahrheit zutraut, daß es euch gut iſt, ſie zu wißen, und ſie zum Rath und Fuͤhrer in eurem Leben anzunehmen, auch euer Thun und Laßen, nach der Wahrheit einzurichten; als - denn glaubt ihr an die Wahrheit. Und das heißt glauben, oder glaͤubig ſeyn.

Alſo der Glaube, iſt diejenige Entſchlieſ - ſung eines Menſchen, die durch ſorgfaͤltigeBe -27Betrachtung der Wahrheit gewirkt wird, nach welcher er der Wahrheit ferner Gehoͤr giebt, und ſein Leben nach ihrer Vorſchrift einrichtet.

Ihr koͤnnt nun gleich einſehen, lieben Kinder, was unglaͤubig ſeyn heißt: Nem - lich, man iſt unglaͤubig, wenn man der Wahrheit den angeruͤhmten Nutzen nicht zu - traut, und lieber im Irrthum bleibt, als ſich Muͤhe giebt, die Wahrheit kennen zu lernen. Dieſe Geſinnung laßt ja ferne von euch ſeyn, lie - ben Kinder! Gott, der ein Gott der Wahr - heit iſt, hat einen Abſcheu vor ſolchen un - glaͤubigen Leuten. Und Er hat gleich von Anfang, Seine Welt ſo eingerichtet, daß es den Unglaͤubigen, auch hier in der Welt, nicht wohlgeht.

Ich will euch eine wahre Geſchichte erzaͤhlen von dem Nutzen, den der Glauben an die Wahrheit ſchafft, und von dem Schaden, den man davon hat, wenn man unglaͤubig iſt, oder der Wahrheit nicht fol - gen will.

In einem Dorfe wohnten acht Bauren und der Prediger. Der Prediger war ein verſtaͤndiger, guter Mann, der viel Wahr - heiten wußte, und noch taͤglich mehr dazu lernte. Einſt kam, im Winter, eine anſte -cken -28ckende hitzige Krankheit in das Dorf; und in allen Haͤuſern waren Kranke. Da ſagte der Prediger: Lieben Leute! folgt meinem treuen Rath, haltet die Kranken nicht ſo heiß, mit Einheitzen und Zudecken mit De - ckebetten, ſie haben doch Hitze genung; braucht keine hitzige Arzeneyen, ſie ſind ſchaͤdlich; ſchickt in Zeiten zum Doktor in die Stadt; denn wenn ihr wartet, bis euch der Othem ausgehen will, denn kann der Doktor nicht mehr helfen. Laßt friſche Luft, alle Tage, durch die Fenſter in die Stuben; und trinkt, Geſunde und Kranke, viel Waſſer, mit etwas Weineßig, ſo wer - den viel Kranke beßer werden, und viel Geſunde werden vor der Krankheit be - wahrt bleiben.

Drey Hauswirthe glaubten dem Prediger, daß er die Wahrheit lehrte; denn ſie kannten ihn, daß er ein rechtſchaffener verſtaͤndiger Mann war, ſie machten es ſo, wie er ſagte; und fragten ihn um Rath, wo ſie ſich nicht zu rathen wußten. In allen dieſen Haͤu - ſern nahm die Krankheit nicht uͤberhand. Die andern fuͤnfe aber waren unglaͤubig. Sie ſprachen; Das wollen wir wohl blei - ben laßen! Warum iſt denn eingeheitzt, wenn man die Fenſter aufmachen ſoll? Das29 Das Holz iſt theuer. Hitze muß Hitze ver - treiben! Unſer Schaͤfer ſoll den Doktor noch was lehren koͤnnen. Branntewein und Pfeffer, (ſpricht er) wem das nicht hilft, dem kann nicht geholfen werden. Stark Bier muß der Kranke trinken, da - mit er Kraͤfte kriegt: er iſt ja ſchon ſo matt, und ſoll noch Waſſer mit Eßig trin - ken? Was geſchah? Die fuͤnf unglaͤubi - gen Hauswirthe ſturben, in kurzen, mit al - len Kindern und dem meiſten Geſinde dahin; und es blieb, in der ganzen Gegend, dieß Dorf bekannt, wegen dieſer Geſchichte.

So, wie dieſer Prediger in ſeinem Dorfe that; ſo, lieben Kinder! hat Gott unzaͤhlige mal, die Menſchen gelehrt, was ihnen gut oder ſchaͤdlich iſt. Er, von dem alle Wahr - heit herkommt, hat, in verſchiednen Zeiten, und durch viele rechtſchaffne Men - ſchen, die Wahrheit verkuͤndigen laſſen. Wir haben ein Buch, das heißt die Bibel, die heißt darum das Wort Gottes, weil die meiſten und wichtigſten und auch die nuͤtzlichſten Wahrheiten, darin ſtehen. Alles, was in dieſem Buche ſteht, das iſt Wahr - heit, die muͤßt ihr glauben, das heißt, es ihr zutrauen, daß ihre Erkenntniß euch nuͤtz - lich iſt; und nach ihrer Vorſchrift euer Le -ben30ben einrichten. Gott aber, muͤßt ihr, ſo oft ihr in der Bibel leſet, herzlich danken, daß Er, uns armen Menſchen, Sein Wort hat ſchenken wollen: denn dieß Wort iſt Wahr - heit, und vertreibt alle Finſterniß im Ver - ſtande; es iſt ein Licht auf unſerm Wege; und wenn wir in dieſem Lichte wandeln, das iſt: nach dem Worte Gottes uns rich - ten; ſo haben wir uns der beſondern Gna - de und Gemeinſchaft, mit Gott, zu getroͤſten, wie ihr hernach mit mehrerem erfahren werdet.

Alſo, lieben Kinder! haͤttet ihr gehoͤrt, und gelernt, was Glauben und Unglauben iſt, und daß man nur der Wahrheit glau - ben muͤße.

Denn ſeht! es giebt eine fehlerhafte Ge - ſinnung, die Leichtglaͤubigkeit heißt; da glaubt man oft an Unwahrheit. Es iſt beſonders, lieben Kinder! daß die Unglaͤubigen gemei - niglich dieſen Fehler haben. Der Wahrheit verſagen ſie ihren Glauben; aber es iſt kei - ne Thorheit ſo unſinnig, der ſie nicht Glau - ben geben ſollten. Seht! das iſt eine Stra - fe Gottes; dafuͤr, daß ſie die Wahrheit nicht lieben, und ſie nicht glauben wollen, laͤßt ſie Gott, in ihrem verkehrten Sinne dahingehen,31gehen, und es iſt ihrer Thorheit Frucht, das Uebel, welches ihnen wiederfaͤhrt.

Ihr habt, wenn ihr Achtung gebt, ſchon an der vorigen Geſchichte ſo etwas bemer - ken koͤnnen. Wer kann ein Exempel von Leichtglaͤubigkeit darin finden, und mir ſa - gen?

Recht, meine Tochter! Die fuͤnf Bauren glaubten dem Schaͤfer, der ſich nie um Wahrheiten von der Art bekuͤmmert hatte, lieber, als ihrem Seelſorger, der ſich Tag und Nacht, um ihr Beſtes, Muͤhe gab.

Ich will euch aber noch eine Geſchichte von Leichtglaͤubigkeit erzaͤhlen.

Ein Bauer hinterließ ein ſchoͤn Ackergut, und nur einen Sohn. Wie der Vater noch lebte, vermahnte er den Sohn oft zur Arbeit, und ſagte: Hans! wer fleißig arbeitet, der hat Brodt; aber der Faule muß darben. Hans aber ging lieber in die Schenke, und hoͤrte gerne was Neues. Als der Vater todt war, that Hans vollends gar kei - ne Ackerarbeit mehr, ſondern kam nicht aus der Schenke eher weg, als bis er nach Hauſe zu Bette gieng ..

Einſt kam ein Bergmann in die Schenke, ein liſtiger Betruͤger. Hans ſprach, und trank mit ihm; da merkte denn der Berg -mann32mann bald, daß Hans dumm und einfaͤltig war. Er fieng alſo an, vom Schatzgraben zu reden, und ruͤhmte, daß er verſchiedne Schaͤtze wuͤßte. Das gefiel Hanſen wohl. Er bezahlte einen Krug Bier nach dem an - dern fuͤr den Bergmann. Beym Trunke wurden ſie recht vertraut. Da erfuhr Hans vom Bergmanne, daß vor dem Dorf, im Buſch ein Schatz ſtuͤnde. Bruder! ſagte der Bauer, wenn du ihn weißt, warum haſt du ihn nicht ſchon gehoben? Ja, ſagte der Bergmann, das geht nicht ſogleich. Ich bin arm, wenn ich 33 Rthlr. 3 Gr. 3 Pf. in Gold, Silber, und Kupfergelde haͤtte, denn wollte ich ihn gleich heben. Bruder! rief Hans voller Freuden, ſo viel habe ich eben in der Taſche, und wohl mehr. Ich habe heut ein Pferd verkauft 11 Duka - ten, 3 Silbergroſchen, und 1 Kupferdreyer Nicht wahr? Das macht 33 Rthlr. 3 Gr. 3 Pf. und iſt dreyerley Geld. Gut, ſagte der Bergmann, um 12 Uhr in der Nacht, gehn wir hin, und du ſollſt die Haͤlfte vom Schatz haben, weil du das Geld hergiebſt.

Sie giengen alſo hin in den Buſch. Der Bergmann nahm die 33 Rthl. 3 Gr. 3 Pf. in Empfang, und ſtellte Hanſen an einen Eichbaum, und verbot ihm, bey Lebens-Ge -fahr,33fahr, zu reden, ſondern gebot ihm, dort 3 Stunden ſtille zu ſtehen.

Indeß der Bauer ſtille ſtand, ſo gieng der Bergmann, mit dem Gelde, uͤber die Graͤnze und davon. Am Morgen kam der Bauer, der lange gefroren und gewartet hatte, zu Hauſe, und wem er ſein Ungluͤck erzaͤhlte, der lachte ihn aus.

Seht, Kinder! dieſer Hans traute ſeinem eignen Vater nicht zu, daß er ſein Beſtes ſuchte, wie er ihm die Arbeit empfohl, und war unglaͤubig. Hernach aber, war er doch ſo leichtglaͤubig, daß ihn ein unbekannter Menſch betruͤgen und um das Seinige brin - gen konnte. Alſo leichtglaͤubig ſeyn, heißt ſolchen Zeugnißen trauen, die keinen Glau - ben verdienen.

Aberglaͤubiſch iſt man, wenn man Wirkun - gen erwartet, zu denen die Urſachen fehlen.

Lieben Kinder! es giebt falſche Menſchen in der Welt, die ſich gewißer Kuͤnſte ruͤh - men, die ſie ſehr geheim halten. Bald wol - len ſie machen, daß das Fieber ausbleibt; bald, daß der Dieb das Geſtohlne ſelber wiederbringen muß; daß die Kuͤhe keine Milch geben; daß jemand, der ihnen was zu Leide gethan hat, mit einemmal krummCund34und lahm wird, und wie die Poßen alle heißen.

Seht! wer glaubt, daß er dieſe Kuͤnſte kann; daß er durch bloße Worte und Zei - chen, dieß ausrichten kann, der iſt aberglaͤu - biſch Er erwartet eine Wirkung, ohne Urſache. Denn das bloße Wort eines ſchwa - chen Menſchen, kann nicht die Urſache ſeyn, woraus ſolche Wirkungen entſtehen. Und Gott, als ein hoͤchſtguͤtiger Vater, hat die Menſchen gewiß nicht der Gefahr ausſetzen wollen, daß ein jeder boͤſer und feindlich geſinnter Menſch, dem andern, bloß durch ein paar Worte, Gottes edelſte Gabe, die Geſundheit rauben, oder ihn um ſein Ver - moͤgen, heimlich und ungeſtraft, bringen koͤnnte. Der hoͤchſtguͤtige Gott liebt ja die Menſchen, ſeine Geſchoͤpfe: Denn, wenn das nicht waͤre, ſo haͤtte Gott keine geſchaf - fen. Wir ſollen Gott fuͤrchten, weil alles, was geſchieht, nach Gottes Willen geſchieht; wie ihr hernach auch mit mehrern hoͤren werdet. Wenn ihr alſo, ſchlecht unterrich - tete Leute, von Geſpenſtern, die des Nachts die Leute erſchrecken, von Kobolden und Hexen, die, auf den Beſen, durch die Luft reiten; von Kirchhoͤfen, daß die Todten des Nachts darauf ſich ſehen laßen, und allenſol -35ſolchen aberglaͤubiſchen Dingen, hoͤrt erzaͤh - len: ſo ſeyd nicht leichtglaͤubig, euch davor zu fuͤrchten, (wenn auch die Leute ſo gar ſagten; Sie haͤtten es mit ihren Augen geſehen; denn, entweder ihre Augen ſa - hen vor Furcht, damals unrichtig, oder ſie ſagen mit Vorſatz Unwahrheit:) Sondern fuͤrchtet, das iſt, ehret Gott uͤber alles, und folgt der Wahrheit, ſo duͤrft ihr euch nicht vor dieſen thoͤrichten Luͤgen fuͤrchten.

Das ſechſte Capitel.

Vom Verhaͤltniß, worin die Men - ſchen mit Gott ſtehen, oder von der Religion.

Geliebten Kinder! Was euch in allen vo - rigen Schul-Uebungen gelehrt worden iſt, das war ſchon, bloß um dieſes Capitels willen, noͤthig; weil ihr es ſonſt nicht ver - ſtehen konntet.

Die Erkenntniß der Religion, oder des Verhaͤltnißes, worin der Menſch mit Gott ſteht, iſt, unter allen Erkenntnißen, die wich - tigſte. Daß dieſes wahr ſey, werdet ihrC 2glau -36glauben, ſo bald glauben, oder fuͤr wahr annehmen, als ihr von der Religion werdet unterrichtet ſeyn.

Ihr ſeyd zu dieſem Endzweck vorberei - tet worden. Erſtlich: daß ihr die Huͤlfsmit - tel zu aller Erkenntniß, nemlich Aufmerk - ſamkeit und Wißbegierde, kennen gelernt, und euch, in deren Anwendung, geuͤbet habt.

Zweytens: Ihr habt gehoͤrt, daß alle Dinge, die wir ſehen, und empfinden, aus Urſach und Wirkung beſtehen, und daß Gott die erſte Urſach aller Dinge ſey, oder daß alles ſeinen Anfang, Gott zu danken habe.

Drittens: Daß ber Menſch zwar, ſeinen von Gott erhaltenen Verſtand, dazu brau - chen muͤße, ſo viel Urſachen und Wirkun - gen, als moͤglich, einzuſehen, und alſo weiſe und klug zu werden. Daß aber doch ſich nicht alles, durch eignes Nachdenken, oder Belehrung von andern, ergruͤnden laße.

Viertens: Ihr wißt, was Wahrheit iſt, und habt, die Zeichen derſelben zu kennen, eure Faͤhigkeit geuͤbt.

Fuͤnftens: Ihr ſeyd belehret, daß man ſich nach der[erkannten] Wahrheit auch richten muͤße, oder der Wahrheit glauben; ſowohl der Wahrheit, die man, aus eignen Nachdenken, fuͤr Wahrheit erkennt, als auch der Wahrheit, die man, auf dasZeug -37Zeugniß eines unverwerflichen Zeugen, fuͤr wahr annehmen muß.

Welcher Zeuge, geliebte Kinder! kann nun wohl unverwerflicher, und alſo glaubwuͤrdi - ger ſeyn, als die erhabne Urſache aller Wir - kungen?

Gott, von dem wir Leben und alles Gu - te haben; der Wohlthaͤter, der allen Speiſe giebt, und Brodt aus der Erden, und Klei - dung wachſen laͤßt; der guͤtige Vater, der alles ſo veranſtaltet hat, daß, wer Seinen Worten und Zeugnißen, in der Religion folgt, ſchon hier ſehr gluͤcklich iſt, und nach dem Tode, eine unausſprechliche Herrlichkeit zu gewarten hat; Gott hat uns nicht al - lein Verſtand gegeben, daß wir aus der Erkenntniß aller Dinge Ihn finden, und Ihn, die erſte Urſach aller Wirkungen nen - nen muͤßen: ſondern Er hat auch Sich, aus erbarmender Liebe, den Menſchen offenbart, und einen ganzen Schatz von Wahrheit, ih - nen geoͤfnet, den ſie ſonſt nicht wißen konn - ten. Ein Buch, welches die heilige Schrift oder Bibel heißt, enthaͤlt dieſen Schatz von Wahrheit. Gott ſelbſt bezeuget, daß die heilige Schrift Wahrheit ſey, und fordert von uns Gehorſam und Annehmung der Wahrheit oder Glauben.

Alſo38

Alſo, geliebten Kinder! Gott, in allen Sei - nen Verhaͤltnißen, aus Seinen Werken und aus der Bibel kennen lernen, das heißt, in der Religion unterrichtet werden, oder wah - re Weisheit lernen.

Hoͤrt deßwegen, mit aller Aufmerkſamkeit, dieſen Unterricht an! Bewahret, was ihr lernt, in einem feinen guten Herzen, und zeigt auch durch euer aͤußerliches Betragen, daß ihr das Verhaͤltniß wiſſet, worin ihr mit Gott ſteht!

Erſter Theil.

Natuͤrliche Erkenntniß von Gottes Ver - haͤltniß gegen den Menſchen; oder von den Eigenſchaften Gottes.

Lieben Kinder! Die erſte Urſach aller Wirkungen, Gott! von dem alle Dinge ih - ren Urſprung haben, iſt ſehr maͤchtig, das iſt: Gott iſt ſtaͤrker, als alle andere Dinge, Gott kann alles zwingen; kein Ding kann Gott widerſtehen: denn da Gott die erſte Urſache aller Wirkungen iſt, ſo ſteht Ihm auch alles zu Gebote, und ein jedes Geſchoͤpf, muß Gott fuͤr ſeinen Herrn erkennen.

Weil39

Weil nun Gott alles thun kann, was Er will, ſo nennen wir das kurz, Gott iſt all - maͤchtig.

Wer alles ſo einrichtet, daß allenthalben Ordnung gefunden wird, wo er gewirkt hat, ſo, daß er ſeines Endzweckes niemals verfeh - let, der heißt hoͤchſtweiſe.

Seht, lieben Kinder! die ganze Natur zeugt davon, daß ein weiſer Gott ſie ſo ein - gerichtet hat. Tag und Nacht, Sommer und Winter, ſind, unter unzaͤhligen Beyſpie - len, diejenigen, die ihr am leichteſten einſe - hen koͤnnt.

Sonſt will ich euch nur noch an eine Sache erinnern.

Das Brodt, was ihr eßt, iſt die gemein - ſte Speiſe; man braucht nicht ſehr reich zu ſeyn, um Brodt zu haben: Aber keine Spei - ſe bekommt dem Menſchen ſo gut, als Brodt. Wir koͤnnen es alle Tage eſſen. Der meiſte Roggen wird vor den Winter geſaͤet, und verdirbt nicht unter Eis und Schnee. Iſt alſo nicht der Gott hoͤchſtweiſe, der alles das, zu unſerm Beſten, ſo eingerichtet hat; unſern Leib zu der Nahrung des Brodts, und das Brodt zur Nahrung und Staͤrkung fuͤr unſern Leib?

Alſo, Gott iſt hoͤchſtweiſe.

C 4Wenn40

Wenn die Weisheit, durch ihre Wirkung, den Nutzen und die Gluͤckſeeligkeit aller an - dern Geſchoͤpfe befoͤrdert; ſo heißt dieſes die hoͤchſte Guͤtigkeit.

Lieben Kinder! Schon daß ihr das Le - ben habt, das iſt: daß Gott euch auserſe - hen hat, die Zahl der Geſchoͤpfe zu vermeh - ren, iſt eine große Guͤtigkeit. Was habt ihr Gott zu Gefallen thun koͤnnen, ehe ihr wart? Womit habt ihr Ihn zu dieſer Wohl - that bewegen koͤnnen? Es iſt Gottes freye Gnade und Guͤtigkeit, daß ihr lebt, und in Seiner ſchoͤnen Welt, taͤgliche Proben Seiner Vaterliebe genießt.

Erinnert euch ja, wenn ihr am ſchoͤnen Fruͤhlingstage ſpielt, oder gute Speiſen eßt, oder die Voͤgel ſingen hoͤrt, kurz; bey jeder frohen Empfindung, in eurem ganzen Leben, erinnert euch:

Daß Gott hoͤchſtguͤtig iſt!

Wer gar keinen Mangel, weder an Macht, noch Weisheit, noch Guͤtigkeit hat, der iſt vollkommen, das iſt: Alles Gute, was ſich nur gedenken laͤßt, iſt da beyſammen.

In Gott iſt dieſes einzig und allein zu finden: Denn es iſt kein Grund anzugeben, wie, und wodurch Gott ſollte unvollkommenwer -41werden koͤnnen; da Er die hoͤchſte Macht, Weisheit und Guͤtigkeit iſt.

Alſo, Gott iſt vollkommen.

Gerechtigkeit nennt man diejenige Guͤtig - keit, die einen Unterſchied macht, zwiſchen gut und boͤſe, gehorſam und ungehorſam. Heiligkeit aber, die mit Mißfallen begleitete Abſonderung von aller Unvollkommenheit.

Lieben Kinder! Wer weiſe iſt, das iſt: wer Ordnung erhalten will, wo er gewirkt hat, der muß alſo auch gerecht ſeyn; er muß einen Unterſchied, zwiſchen dem gehorſamen, der ſich die Ordnung gefallen laͤßt, und dem ungehorſamen, der der Ordnung widerſtrebt, machen. Daß Gott dieſes wirklich thut, wer - det ihr aus dem Worte Gottes, mit meh - rern lernen: Denn in der Bibel iſt der ei - gentliche Beweis der Gerechtigkeit Gottes zu finden.

Daß aber Gott heilig ſey, oder an Sich ſelbſt, oder andern nichts boͤſes leiden, oder das Boͤſe erlauben kann, iſt ſchon in dem Beweiſe der Vollkommenheit Gottes mit enthalten: Denn, wer an ſich ſelbſt das Boͤſe leidet, der iſt nicht vollkommen.

Alſo, Gott iſt heilig und gerecht.

Wer alle nur moͤgliche Einſicht in den Zuſammenhang aller Dinge hat; wer alleC 5Ur -42Urſachen und Wirkungen kennt, und den Er - folg einer jeden Handlung vorherſieht, der iſt allwißend, oder weiß alles. Weil aber Gott alle Dinge geſchaffen, oder hervorgebracht hat, und allenthalben Weisheit, oder abſichts - volle Ordnung, hervorblickt, und dieſe Ord - nung ſich noch erhaͤlt; ſo ſchließen wir mit Recht: daß Gott alles weiß, weil er es ſonſt ſo ordentlich nicht haͤtte einrichten koͤnnen.

Alſo, Gott iſt allwißend.

Wer alles vorher weiß, und die Macht hat, es ſo einzurichten, wie er es gut findet, der braucht ſeine Meynung nicht zu aͤndern, oder heute ſo, morgen anders, zu verfahren, und der iſt unveraͤnderlich.

Ihr habt gehoͤrt, daß Gott alles vorher - weiß, und die hoͤchſte Weisheit und Macht beſitzt, uͤberdem auch alle Vollkommenheit hat; was aber ſich beſtaͤndig veraͤndert, das iſt nicht ſtets vollkommen.

Alſo, Gott iſt unveraͤnderlich.

Was keinen Anfang braucht, um zu ſeyn, noch, wegen Verluſt ſeiner Kraͤfte, zu ſeyn aufhoͤren muß, das nennt man ewig, oder immerwaͤhrend. Gott iſt die erſte Urſache aller Wirkungen; haͤtte nun Gott einen Ur - ſprung noͤthig, ſo waͤre ja dieſer die erſte Urſach, und Gott waͤre die erſte Wirkung,alſo43alſo nicht vollkommen: Denn die Urſach iſt eher, als die Wirkung. Kinder! dieſes laͤßt ſich nicht denken. Wenn alſo Gott die erſte Urſach aller Wirkungen iſt; ſo muß Gott ewig ſeyn, das iſt: Gott muß immer gewe - ſen ſeyn, und immer Gott bleiben.

Was keinen ſolchen Coͤrper hat, den man ſehen, fuͤhlen, und einſchließen kann; was nicht durch Arbeit muͤde wird, noch Nah - rung und Schlaf braucht, um ſich zu erho - len, das nennt man einen Geiſt, oder ein un - coͤrperliches Weſen.

Denkt einmal, lieben Kinder! ob Gott nicht nothwendig ein ſolcher Geiſt ſeyn muͤße, wenn Ihm alle die Eigenſchaften zukommen ſollen, von denen ihr vorher gehoͤrt habt?

Freylich, Gott iſt ein Geiſt, der alles verſteht, dem alles zu Gebote ſtehet, vor dem keine Macht mich ſchuͤtzen, und keine Finſterniß mich decken kann. Gott, der die ganze Welt, oder alles, was iſt, geſchaffen hat, und durch Seinen Befehl erhaͤlt, Gott kann im Augenblick die Welt verwandeln, und uns zu Staub zermalmen. Waſſerflu - then, Donner und Sturm, Hagel und Schnee, dieß alles ſteht Gott zu Befehl. Aber nur ei - nes davon iſt noͤthig zu dieſem Endzweck: Denn, wenn es Gott als eine Strafe, brau -chen44chen will: ſo muͤßen Menſchen und Thiere verderben.

Fuͤrchtet alſo, das iſt: ehret Gott, lieben Kinder! von deßen Eigenſchaften ihr unter - richtet ſeyd, uͤber alle Dinge, mehr als alle Menſchen, und huͤtet euch, gegen Gottes Befehle wiederſpenſtig zu ſeyn: Denn das iſt die rechte Furcht Gottes, wenn man Gott eh - ret und Hochachtung fuͤr Ihn empfindet, und wenn man es nicht wagt, ungehorſam zu ſeyn, oder Gottes Ordnung zu wieder - ſtreben, ſondern ſich alle moͤgliche Muͤhe giebt, den Willen Gottes, ſeines Herrn, zu wiſſen, und, wenn man ihn weis, auch zu thun.

Zweyter Theil.

Geoffenbarte oder bibliſche Erkenntniß; von dem Verhaͤltniß Gottes gegen die Menſchen, und von der Beſchaffenheit des Men - ſchen ſelbſt.

Geliebten Kinder! Unſre Erkenntniß Got - tes wuͤrde ſehr mangelhaft bleiben, und von unſerer eignen Beſchaffenheit und Beſtim - mung auf dieſer Erde, wuͤrden wir wenig wißen, wenn der hoͤchſtguͤtige Gott nicht,durch45durch Offenbarung, oder Bekanntmachung ge - wißer wichtigen Wahrheiten, unſerm Ver - ſtande zu Huͤlfe gekommen waͤre. Gott hat dieſes wuͤrklich gethan, und, von Anfang, den Menſchen ſo viel Wahrheiten offenbart oder kund gethan, als noͤthig waren. Gott hat, entweder Selbſt Wahrheit gelehrt, oder den Verſtand guter Menſchen ſo regiert, daß ſie Wahrheit lehrten.

Im Anfang ward die Lehre Gottes durch muͤndliche Erzaͤhlung erhalten, denn die Menſchen konnten noch nicht ſchreiben. Endlich aber ſammleten und ſchrieben, gute und verſtaͤndige Menſchen, alles in ein Buch, welches die Bibel, oder die heilige Schrift, auch das Wort Gottes, heißt.

Dieſe Bibel iſt nun der Schatz von Wahrheit, aus dem ein jeder Weisheit ler - nen kann. Gott Selbſt erklaͤrt die Bibel fuͤr Sein Wort, und Sein Zeugniß iſt un - verwerflich.

So viele gute und verſtaͤndige Menſchen, bezeugen alle Tage, daß ſie durch Betrach - tung des Wortes Gottes, ruhig und gluͤck - lich, verſtaͤndig und weiſe geworden ſind; dieß ſind wieder Zeugniße, die Glauben verdienen. Ihr ſeyd alſo ſchuldig, gelieb - ten Kinder! dem Worte Gottes zu glauben,das46das iſt: es als Wahrheit anzunehmen, und euch darnach zu richten.

Wenn ihr das thut, ſo werdet ihr, bey euch ſelbſt, inne werden, und erfahren, daß die Lehre der Bibel von Gott iſt, und daß, ohne Gott, kein Menſch ſolche Weisheit wißen, oder finden konnte.

Seht, lieben Kinder! um die Bibel leſen und verſtehen zu koͤnnen, habt ihr bisher muͤßen unterrichtet werden. Und, um eu - ren fernern Unterricht in der Religion zu erleichtern, will ich eurem Gedaͤchtniß, mit Nachfolgendem zu Huͤlfe kommen.

Kurz gefaßter Innhalt der Bibel, bis auf die Himmelfahrt Chriſti.

Im Amfang ſchuf, oder machte, Gott Himmel und Erde, und Alles, was da iſt. Auch den Menſchen ſchuf Gott, zum Bilde Gottes auf Erden, und gab ihm einen Koͤr - per aus Erde, der wieder zu Erde wird, und in dieſen Koͤrper eine lebendige Seele, die nicht wieder vergeht.

Die erſten Menſchen hießen, Adam, der Vater, und Eva, die Mutter, aller Leben - digen.

Gott47

Gott offenbarte ſich ihnen gleich, das iſt, Er that ihnen ſeinen Willen kund.

Sie waren von Gott ſo geſchaffen, daß, wenn ſie Gott gehorſam waren, ſie beyde ſehr gluͤcklich blieben. Denn ſie blieben als - denn frey von boͤſem Gewißen, von Sorge, Krankheit und Tod. Aber ſie gehorchten nicht. Ihr Ungehorſam ward, von dem ge - rechten Gott, der einen empfindlichen Un - terſchied zwiſchen dem Gehorſamen und Ungehorſamen machen muß, beſtraft. Die Strafe der Suͤnde war der Tod, und der Verluſt des hohen Grades zeitlicher Gluͤckſeeligkeit, den ihnen Gott anfaͤnglich zugetheilt hatte. Daher wurde ihnen auch, der ſonſt ſo angenehme Landbau, wie alle Arbeit ſo ſauer, daß ſie oft ſehr ungern daran giengen, und traͤge und faul dabey waren.

Nach und nach vermehrten ſich die Men - ſchen! Weil ſie aber meiſtentheils ſehr boͤſe waren, und ſich vor Gott gar nicht mehr fuͤrchteten, ſo ließ Gott wohlverdiente Stra - fen uͤber ſie ergehen.

Waſſerfluthen ſchickte Gott, uͤber die Er - de; die laſterhaften Menſchen erſoffen, und nur Ein Mann, Nahmens Noah, mit ſei - ner Familie ſelb achten, ward, von Gott,in48in einem Schiffe, das die Arche heißt, wun - derbar erhalten.

Aus ſeinen Nachkommen entſtanden die Voͤlker, und unter andern die Juden, da - von noch einige, zum Beweis aller dieſer Wahrheit, unter uns wohnen. Dieſes Volk waͤhlte Gott, unter andern Voͤlkern, aus, um durch ſie, den uͤbrigen Menſchen recht bekannt zu werden. Ihnen gab Er einen kurzen Auszug Seines Willens, in den zehn Geboten, offenbarte Sich vielen Perſonen unter ihnen, und belehrte ſie, auf mancher - ley Weiſe, von dem Verhaͤltniß des Men - ſchen gegen Gott, oder von der Religion. Die zehn Gebote ſind, noch heute zu Tage, in ſolchem Anſehen, und wir lernen, in un - ſern Catechismus, dieſe Gebote auswendig, um ſie immer im Gedaͤchtniß zu halten. Den Juden alſo offenbarte ſich Gott, beſon - ders durch Lehre, und bewundernswuͤrdige Wohlthaten; und erweckte aus Ihnen, Pro - pheten und Lehrer, welche viel, von einem verheißenen Erloͤſer vorherſagten, durch wel - chen unter allen Voͤlkern Wahrheit und Er - kenntniß ausgebreitet werden ſollte. Dieſe Juden zeichneten endlich auch die von Gott vorzuͤglich empfangenen Wahrheiten auf; und dieſem Volke haben wir den groͤſten und er -ſten49ſten Teil der Bibel, welchen wir das Alte Teſtament nennen, zu verdanken.

Ob aber Gott gleich Sich den Juden ſo gnaͤdig erwies, ſo glaubten ſie doch nicht immer Gott; ſondern thaten, was Gott verbot, und richteten ſich nicht nach Gottes Ordnung. Wenn ſie denn Gott durch Krieg, Hunger und Krankheit ſtrafte, ſo bekehrten ſie ſich zwar, oder ſie aͤnderten ihre Geſin - nungen, aber nicht lange blieben ſie gehor - ſam. Denn von der Zeit an, da die erſten Menſchen geſuͤndigt, das iſt, ungehorſam ge - weſen waren, wurde des Abweichens immer mehr, die boͤſen Beyſpiele pflanzten das Boͤ - ſe fort. Der Menſch liebte das Boͤſe mehr, als das Gute, und hatte mehr Luſt an ſei - nem eignen Willen, als an dem Willen Got - tes. Endlich war die, von der Weisheit Gottes verſehene Zeit, da durch eine beſon - dre Perſon, dem Verderben des Menſchen ſollte geſteuret werden, erfuͤllet. Von einer juͤdiſchen Jungfrau, Namens Maria, ward der Verheißene geboren, den Gott den er - ſten Menſchen, als einen Tilger der verdien - ten Strafen und Wiederherſteller des, durch Ungehorſam verlohrnen Goͤttlichen Ebenbildes im Menſchen, verheißen hatte, und auf den die Juden, durch ihre Lehrer, die wegen ih -Drer50rer Gabe, das Kuͤnftige vorher zu wißen, auch Propheten heißen, ſo oft waren auf - merkſam gemacht worden.

Er wird in der Bibel, die in der damaligen Sprache geſchrieben iſt, genennt Meßias, Chri - ſtus, der Geſalbte, der Koͤnig, Jeſus, das iſt, ein Seeligmacher, ein Erloͤſer, oder der große Leh - rer und Prophet, der in die Welt kommen ſollte.

Von Ihm ſagt die Bibel: Er ſey Gottes Sohn; Gott habe, bey der Taufe Chriſti, Selbſt bezeuget: Dieſer iſt mein lieber Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe; und der heilige Geiſt habe, in ſichtbarer Geſtalt, bey dieſer Gelegenheit, uͤber Jeſ[u] Haupte ge - ſchwebt. Die Bibel legt Jeſu Chriſto goͤtt - liche Eigenſchaften bey. Er ſey erſchienen, oder gekommen, die Strafe, die ſonſt die Menſchen leiden mußten, nemlich den Ver - luſt der ſeeligen Gemeinſchaft mit Gott, da - durch aufzuheben, daß Er Selbſt, an ihrer Stelle, einen ſchmerzlichen Tod litte; zugleich aber, um den Menſchen ein Muſter, oder Vorbild zu ſeyn, wie ſie leben muͤßten, um Gottes Gnade wieder zu erlangen. Von den Menſchen aber forderte Gott, ſie ſollten dieſem Verheißenen, goͤttliche Ehre erzeigen; an Ihn glauben, das iſt: Ihn fuͤr den Lehrer, Suͤndentilger, und Verſoͤhner desmenſch -51menſchlichen Geſchlechts annehmen, in Sei - nem Namen beten, und auf Ihn, die ganze Hofnung einer ſeeligen Unſterblichkeit gruͤnden.

Chriſtus Jeſus lehrte die Menſchen viel mehr Wahrheit als ſie jemals gewußt hat - ten, verſtehen, oder begreifen. Das wichtig - ſte aber, was Er lehrte, war fuͤr die Men - ſchen: daß ein Leben nach dem Tode ſey, oder daß, wenn gleich der Menſch ſtirbt, und in der Erde verweſet, doch ein jeder Menſch, zu ſeiner Zeit, wieder auferſteht, das iſt, wieder zu leben anfaͤngt, und daß, nach dieſer Auferſtehung, ein jeder Menſch gerich - tet werden, oder den verdienten Lohn ſeiner Thaten empfangen ſolle.

Chriſtus Jeſus lebte eine Zeitlang, auf Erden, unter den Juden, war wohlthaͤtig gegen jedermann, und that ſolche Werke, die, nur Gott, aber kein bloßer Menſch, thun kann, und daher mit Recht Wunder genennt werden.

Er wußte, was die Menſchen dachten; ver - wandelte Waſſer in Wein; heilte die gefaͤhr - lichſten Krankheiten durch ein bloßes Wort, und machte die Todten lebendig; auf Sei - nen Befehl gehorchte der Wind, und das Meer ward ſtille; dieß und noch mehr, thatD 2er,52er, damit die Menſchen glauben ſollten: Er ſey der verheißene Heiland der Welt.

Seine Lehre war die vollkommenſte Weis - heit, und enthielt alles, wodurch ein Menſch Rechtſchaffenheit lernen; ein ruhiges Gewiſ - ſen, oder Bewuſtſeyn, daß Gott ihm gnaͤdig iſt, erlangen, und alſo, hier auf Erden, gluͤck - lich ſeyn, und nach dem Tode, eine gluͤckſee - lige Fortdauer erwarten kann.

Aber, ſo wie die Menſchen vorher nicht alle Gott geglaubt hatten, ſo glaubten ſie auch, dem von Gott verheißenen Erloͤſer, nicht alle. Nur im Anfang, einige Leute ge - ringen Standes, waren Ihm treu ergeben, und fanden, daß in Seinen Worten etwas Goͤttliches, und ein Vorſchmack des ewigen Lebens waͤre. Dieſe werden Apoſtel, d. i. Ge - ſandten genannt, weil ſie von Jeſu unmittel - bar ausgeſandt wurden, ſeine Lehre allen Voͤlkern der Erde zu predigen.

Die meiſten und maͤchtigſten im Volke der Juden waren Jeſu Feinde, und konnten die [u] ßerliche Niedrigkeit ſeines Betragens, nicht mit denen Begriffen reimen, die ſie ſich nach der Pracht und Hoheit dieſer Welt, von dem verheißenen Erloͤſer gemacht hatten. An - ſtatt, daß ſie Chriſto Jeſu danken, und an Ihn glauben ſollten, ſo haßten ſie Ihn ohneUr -53Urſach; bloß weil Er, bey aller Gelegenheit, ſie zurechte wies, und ihre verkehrte Ge - muͤthsart tadelte. Sie haßten Ihn endlich ſo ſehr, daß ſie ſich entſchloßen, Ihn zu toͤdten.

Wenn man aber einen Menſchen zum Tode verdammen will, ſo muß man ihn vorher eines Verbrechens beſchuldigen, und auch uͤberfuͤhren.

Das Erſte thaten die Juden, nemlich ſie beſchuldigten Jeſum: Er ſey ein Zauberer, das iſt, einer, der mit des Teufels Huͤlfe, boͤſe Dinge thut, hernach: Er wolle Koͤnig uͤber die Juden werden, endlich: Er habe Gott gelaͤſtert. Aber, von allen dieſen konn - ten ſie Jeſum nicht uͤberfuͤhren, oder bewei - ſen, daß ihre Beſchuldigungen wahr waͤren. Endlich ſtellten die Oberſten unter den Ju - den falſche Zeugen auf, die verſicherten, alle dieſe Beſchuldigungen waͤren wahr. Und Jeſus Chriſtus ward zum ſchmerzlichſten Tode, nemlich, an Haͤnden und Fuͤßen an ein Holz, das, wegen ſeiner Geſtalt, ein Creutz heißt, genagelt zu werden, und dar - an zu ſterben, verurtheilt. Ohngefaͤhr um die Zeit im Jahre, da wir, zum Gedaͤchtniß dieſer Begebenheit, Oſtern feyern, ward alſo Jeſus Chriſtus gekreuziget; nach der Gewohn -D 3heit,54heit, nachdem Er am Creutz geſtorben, in ein Grab gelegt, oder begraben; Aber, am dritten Tage ſtand Chriſtus Jeſus, aus eig - ner goͤttlicher Kraft, lebendig auf, und er - ſchien ſeinen, uͤber das Geſchehene, ſehr be - truͤbten Juͤngern. Zu ihrem Troſt und voͤl - liger Belehrung, oͤfnete Jeſus Chriſtus ih - nen die Schrift, das iſt: Er gab ihnen Ein - ſicht in den ganzen Zuſammenhang des Ver - fahrens Gottes mit den Menſchen, und wie Er, Chriſtus, der Sohn Gottes, habe ein Menſch geboren werden, und, als ein Menſch den Tod leiden muͤßen, um den Menſchen Begnadigung bey Gott, wegen alles bisheri - gen Ungehorſams, zu verſchaffen. Er be - ſtellte auch dieſe ſeine Juͤnger zu Lehrern der Menſchen, und befahl ihnen, die Leute zu unterweiſen, und ſie denn, durch die Taufe, zu Chriſten einzuweihen.

Durch dieſe Lehre und Unterricht wurde nun der Glaube der Apoſtel geſtaͤrkt, und ſie predigten dieſes Evangelium, oder dieſe froͤliche Botſchaft, auf Befehl Jeſu, allen Voͤlkern, wo ſie hinkamen, mit Freudigkeit.

Als Jeſus Chriſtus nun, auf Erden, al - len Willen Gottes Seines Vaters, vollendet hatte; ſo kam eine Wolke, und umhuͤllte Ihn vor den Augen ſeiner Apoſtel, und vie -ler55ler Menſchen, und Er gieng wie[d] er ein, zu Seiner Herrlichkeit im Himmel.

Aber, am Tage der großen Auferſtehung oder des allgemeinen Gerichts, wird Er wieder er - ſcheinen, und diejenigen, die Ihn fuͤr das, was Er iſt, gehalten, und Seiner Lehre gehorſam gewe - ſen, Theil an Seiner Herrlichkeit nehmen laßen; die andern aber, die keinen Theil an Ihm haben wollten, von der ſeeligen Gemeinſchaft mit Gott ausſchließen.

Geliebten Kinder! dieſe Apoſtel nun lehr - ten, wie es ihnen von Jeſu Chriſto, ihrem und unſerm Herrn, befohlen war, zuerſt die Juden, denn auch die verſchiedenen abgoͤtti - ſchen Voͤlker zu denen ſie kamen. Und die - ſe Voͤlker nennt die Bibel Heiden, d. i. ſolche Leute, die keine richtige Begriffe von dem einigen wahren Gott und von der Religion (welches die Lehre von dem Ver - haͤltniße der Menſchen mit Gott iſt) haben.

Eure Voraͤltern, Geliebten Kinder! wa - ren auch ſolche Heiden, voller Unwiſſenheit und Aberglauben, ehe ſie in der chriſtlichen Religion unterrichtet wurden; und es giebt noch ganze große Laͤnder voll ſolcher Hei - den Preiſet alſo und danket Gott da - fuͤr, daß Er eure Voraͤltern berufen hat von der Finſterniß zu dem herrlichem LichteD 4ſeines56ſeines Evangelii. Haltet es fuͤr die groͤſte Wohlthat Gottes, daß ihr Kinder chriſtli - cher Aeltern ſeyd, alſo durch Lehrer in Schu - len und Kirchen in aller Erkenntniß des Willens Gottes unterrichtet werdet; und wendet auch den empfangenen Unterricht ſo an, daß ihr Gott den ihm wohlgefaͤlligen Dank, durch ein tugendhaftes und chriſtli - ches Leben, opfert.

Das ſiebente Capitel.

Eine Tugendlehre nach der Bibel.

Philipper im 4. Cap. v. 8. 9.

Was wahr iſt, was ehrbar, was gerecht, was keuſch, was lieblich iſt, was wohl lau - tet, iſt etwa eine Tugend, iſt etwa ein Lob, dem denket nach das thut!

So, meine liebſten Freunde, redet euch die Bibel an, von welcher ihr gehoͤrt habt, daß ſie Gottes Willen enthalte. Sie will in allen Stuͤcken, euch vollkommen haben. Ihr ſollt nicht allein vor groben Laſtern, das iſt, vor ſolchen, die die weltlichen Ge - ſetze ſtrafen, euch huͤten, ſondern auch ver - borgene Suͤnden meiden; in allen Stuͤckeneuch57euch anſtaͤndig, und ehrbar, und als ſolche bezeigen, die da wißen, daß Gott alle Din - ge ſieht und weiß.

Weil nun hierzu vor allen Dingen noͤthig iſt, daß ihr gute Gedanken habt, gute Vor - ſaͤtze faßt, gute Mittel waͤhlt, ſie auszufuͤh - ren; zu allen Dieſen aber die beſten Anlei - tungen in der Bibel findet: So will ich euch eine Anweiſung geben, die euch nuͤtz - lich ſeyn wird.

Wenn ihr in der Bibel leſen wollt, ſo betet allemal vorher zu Gott:

Ach Herr, mein Gott! ich will in der Bibel leſen, oͤfne mir die Augen des Verſtandes, daß ich in der Er - kenntniß Jeſu Chriſti zunehme; Dein guter Geiſt bewahre mich vor Irr - thum, und fuͤhre mich auf richtiger Bahn! Amen.

Ihr werdet in der Bibel zweyerley fin - den. Erſtlich: Wie Gott Sich gegen die Menſchen bewieſen hat. Anderntheils: Wie die Menſchen gegen Gott ſich bewieſen ha - ben. Herablaßend, gnaͤdig, treu, gerecht und gut, iſt Gott; die Menſchen aber, nicht aufrichtig, nicht dankbar durch Gehorſam, der einzigen Art von Dank, die gegen Gott moͤglich iſt. Die meiſten in der Bibel be -D 5ſchrie -58ſchriebnen Menſchen, klebten mit ihren Her - zen an vergaͤnglichen Dingen, die nicht Gott ſind; ſuchten Ruhe, und fanden ſie nicht, weil ſie außer Gott Ruhe ſuchten. Sie thaten weder als Unterthanen, noch als Obrigkeiten, ihre Pflichten, und fuͤrchteten ſich hernach, wo nichts zu fuͤrchten war, weil ſie mit ihren Herzen von dem Gott gewichen waren, der allein mit Recht ſagen kann: Fuͤrchte dich nicht in der Noth, denn Ich bin bey dir.

Lieben Kinder! Wenn ihr den aufrichti - gen Wunſch bey euch empfinden werdet: Weil mich Gott zu einem verſtaͤndigen Weſen geſchaffen hat, und mir Geſetze ge - geben, das iſt, Seinen Willen bekannt ge - macht hat, damit ich gluͤcklich ſeyn koͤnne, ſo will ich mich mit Fleiß huͤten, vor alle dem, was Gottes Willen zuwider iſt. Als - denn wird euch euer Gewißen erinnern, wenn ihr gefehlt habt. Wenn euch eure Aeltern, Lehrer oder wahren Freunde zeigen, wo ihr gefehlt habt, ſo werdet ihr nicht widerſtreben, euern Fehler nicht entſchuldi - gen, ſondern ihnen Recht geben. Es wird euch leid ſeyn, daß ihr gefehlt habt, und die Reue wird euch behutſamer, und wach - ſamer auf euer Verhalten machen. Weilaber59aber doch durch dieſe Reue allein, das ge - ſchehene Boͤſe, vor dem heiligen Gott nicht gut gemacht werden kann: So werdet ihr die, in unſerm Heilande Jeſu Chriſto, euch angebotne Gnade herzlich annehmen, und euch dankbar freuen, daß es Gott gefallen, in Jeſu Namen, die Verſoͤhnung der bereu - eten Suͤnden zu ſtiften. Ihr werdet in Seinem Namen, eure Knie beugen, d. i. beten, und glauben, daß, nach Seinem Worte, welches Er mit Seinem Tod und Auferſtehung verſiegelt hat, ihr nicht mehr der Suͤnde Knechte ſeyn muͤßet, ſondern in Ihm, Gerechtigkeit und Staͤrke habt, der Suͤnde zu widerſtehen. Weil ihr auch den wahren Werth des vrrgaͤnglichen Lebens, und der irrdiſchen Guͤter, aus der Bibel habt kennen lernen, ſo werdet ihr euch nicht mit Unzufriedenheit plagen, ſondern in der Wahrheit empfinden: daß, wer nach Gottes Gnade zuerſt trachtet, zugleich in andern Dingen weiſe werde, und ſich in den meiſten Faͤl - len, nicht ganz huͤlf - oder rathlos befinde.

Da aber euer Beruf in der Welt, ſehr arbeitſam iſt, und zu fuͤrchten ſtuͤnde, daß es euch an Zeit fehlen moͤgte, die Erkenntniße, ſo ihr in der Jugend gelernt habt, fortzuſetzen: So iſt von Gott der Sonntag zum Ruhetag,ſo60ſo viel nur moͤglich iſt, von aller Arbeit, eingeſetzt worden. Bewundert, lieben Kin - der! die Guͤte Gottes in dieſer Sache Um euers Standes willen, hauptſaͤchlich, iſt dieſe Einrichtung vermuthlich getroffen. Ihr beduͤrft bey eurer Lebens-Art, Ruhe; und damit euch dieſe Ruhe, durch Muͤßiggang, nicht ſchaͤdlich werde, hat Gott euch die Be - ſchaͤftigung dieſes Tages nahe gelegt. Ihr ſollt Ihm, in der Gemeine, danken, euch in Seinem Tempel lehren laſſen; ihr ſollt Gu - tes thun, allerley Laſt wegreißen. Die Suͤn - de iſt die groͤßte Laſt, dieſe reißt am Feier - tage, aus euern Herzen, durch Pruͤfung eu - ers Wandels, durch Erinnerung an eure Pflichten, durch Wiederholung des Guten was ihr wißt, durch gute Vorſaͤtze, und ein aufrichtiges Gebet: So werdet ihr den See - gen Gottes in eure Haͤuſer bringen, der da wahrhaftig reich macht, und werdet auf den Geiſt ſaͤen, und das ewige Leben erndten.

Nichts aber iſt noͤthiger, als ſich ſelbſt zu kennen: Denn, geliebte Kinder! ein jeder Menſch hat vor irgend einem Laſter ſich be - ſonders zu huͤten, das iſt, er hat einen be - ſondern Hang zu dieſem Laſter. Wollt ihr alſo tugendhaft werden, ſo bemuͤhet euch ei - frig, euer Herz von dieſer Seite kennen zuler -61lernen, um gegen dieſe Verfuͤhrung beſonders zu wachen; und betet oft, wie David:

Erforſche mich, mein Gott, und pruͤfe, wie ichs meyne,

Entdecke mir mein Herz, und was ich hab im Sinn;

Gieb, daß ich kuͤnftig nie, mir gut und redlich, ſcheine,

Wenn in des Herzens Grund, ich doͤs und falſch noch bin!

Chriſtliche Tugenden werden ſolche Hand - lungen genannt, bey welchen man, um des Befehls Gottes und Jeſu Chriſti, unſers Er - loͤſers willen, etwas thut, oder, um Seiner Warnung oder um Seines Verbots willen, etwas unterlaͤßt.

Seht, meine lieben Kinder! ihr werdet, wenn ihr laͤnger lebt, oft in ſolche Umſtaͤnde kommen, da ihr, von der Uebertretung irgend eines von den Geſetzen Gottes, einen ſchein - baren und gegenwaͤrtigen Vortheil haben werdet. Wenn ihr nun ſo denkt, Dieſe Suͤn - de braͤchte mir was ein, ſie wuͤrde mir Gunſt zuwege bringen bey Menſchen, wenn ich ſie nicht thue, ſo werde ich verſpottet, gehaßt, verfolget werden, ich werde zuruͤcke kommen, in meiner Nahrung. Aber nein! Gott62 Gott hat ſie verboten. Gott ſagt: Wenn du die ganze Welt gewoͤnneſt, und litteſt Schaden an deiner Seele, was haͤtteſt du davon! Gott ſagt: Fuͤrchtet euch nicht vor Menſchen, ſondern vor Mir. Gott ſagt: Wenn ſie euch verſpotten und verfolgen, darum daß ihr Mir nachfolgt, und gehorſam ſeyd, ſo verzaget nicht, es ſoll euch wohl belohnet werden! Ich will alſo Gott mehr gehorchen, als den Menſchen, als demjeni - gen, was mein boͤſes Herz und meine boͤſe Neigungen (welche in der Bibel oft Fleiſch und Blut heißen,) mir angenehm vorſtel - len Seht, Kinder! denn, wenn ihr ſo denkt und verfahrt, ſo ſeyd ihr chriſtlichtu - gendhaft, denn ihr glaubt, daß Gott ſey; daß Er Seine Zuſage haͤlt; daß die Gnade Gottes hoͤher zu achten ſey, als alles in der Welt, und daß alſo alles, was Jeſus Chri - ſtus geordnet, wahr und gut ſey. Dieß nennt die Bibel Gottſeeligkeit, die zu allen Dingen nuͤtze iſt; Fruͤchte des Geiſtes, wor - an man erkennen kann, wie an den Fruͤch - ten eines Baums, ob der Glaube rechter Art iſt. Wenn die Bibel ſpricht: Laßt euer Licht leuchten vor den Leuten! Wandelt im Lichte! ſo meynt ſie das damit.

Ver -63

Verfahrt in allen euern Handlungen ſo, daß man ſehen kann, ihr glaubt es Gotte zu, daß der Gehorſam gegen Seine Gebote eure Gluͤckſeeligkeit ausmache.

Das Verzeichniß aller chriſtlichen Haupt - tugenden findet ihr in der Evangeliſten und Apoſtel Schriften, theils als Reden des Hei - landes Selbſt, theils als Lehren, die Seine Juͤn - ger, aus dem Unterrichte des Herrn Jeſu, ge - ſammlet, und nach Seinem ausdruͤcklichen Be - fehl, den Chriſten hernach verkuͤndigt, oder kund gemacht haben.

Eine Sache will ich noch beruͤhren. Bey dem redlichen Vorſatz, den ihr faßen werdet, euern Leib und Seele Gott zu uͤbergeben, werdet ihr doch zuweilen auf Abweichungen gerathen, und nicht immer ſtark genung ſeyn, Verſuchungen zu widerſtehen, und Fehler zu vermeiden. Und die Bibel ſagt uns: Wer kann merken, wie oft er fehle? Aber lange vorbedachte Einwilligung in die Suͤnde, muß es nicht ſeyn. Die Suͤnde muß nicht herrſchen in euch, ihr muͤßt keinen Gefallen daran haben; ſon - dern, ſo bald ihr ſie an euch gewahr werdet, oder euere Lehrer und redliche Freunde euch erinnern, wo ihrgefehlt habt, ſo muͤßt ihr das Unrecht, ſo viel als moͤglich iſt, wieder gut machen, und herz - lich betruͤbt werden, daß es geſchehen iſt,aber64aber nicht verzweifeln. Denn in unſerm Heilande Jeſu Chriſto, in der glaͤubigen An - nehmung Seiner Erloͤſung, koͤnnt ihr euch reinigen, von der begangenen, aber bereue - ten, Suͤnde. Die Bibel nennt Ihn daher einen offnen Born oder Brunnen, wider die Ungerechtigkeit. Euer erkannter Suͤnden - fall aber, wird euch vorſichtiger machen, die Gelegenheit zur Suͤnde, ſorgfaͤltiger als vorher, zu vermeiden; auch treiben, durch herzliches Gebet, euch mit euerm in Chriſto Jeſu verſoͤhnten Gotte, naͤher zu verbinden.

Auch das, geliebte Kinder! haben wir der Lehre Jeſu Chriſti zu verdanken, daß wir nun gewiß wißen koͤnnen, Gott ſey un - ſer rechter Vater, und wir Seine Kinder. Das iſt: Gott habe alles, was geſchiehet und geſchehen iſt, zu unſerm Beſten einge - richtet, weil Er uns liebt, als ein Vater ſeine Kinder, und unſre Gluͤckſeeligkeit will.

Denn, weil in Gott die hoͤchſte Weis - heit iſt, und wegen Seiner Macht, Ihm keine Abſicht fehl ſchlagen kann; ſo wird Er auch gewiß, mit den Menſchen, Seine Abſicht nicht verfehlen.

Wenn wir alſo, geliebten Kinder! von Gott wuͤrdiglich denken, Ihn ſehr ehren und lieben, folglich Ihm gehorchen, ſo koͤnnenwir65wir auch verſichert ſeyn, daß alles uns zum Beſten dienet, was uns begegnet.

Wir koͤnnen daher unſerm gegen uns vaͤ - terlich geſinnten Gott, alle unſere Schickſale ruhig anheim ſtellen; duͤrfen uns nicht mit Sorgen, und troſtloſer Verzweiflung uͤber un - ſer Fortkommen, quaͤlen; ſondern, bey Treue und Fleiß in unſerm Beruf, (das iſt, in der uns von Gott angewieſenen Stelle in ſeiner Welt,) und bey Gebet, koͤnnen wir das Kuͤnf - tige gelaßen erwarten.

Auch dieſe Geſinnungen heißen in der Bi - bel, Gottſeeligkeit. Denn ein ſo geſinnter Menſch iſt ſeelig, oder gluͤcklich, weil ihm ſein Gewißen ſagt; er habe Gott zum Freun - de. Seeligkeit aber iſt uͤberhaupt nichts anders, als Bewuſtſeyn der Freundſchaft Gottes. Und dieſe Gottſeeligkeit iſt das Reich Gottes, oder die Sinnesart, die, nach dem Willen Jeſu Chriſti, in unſerer Seele herrſchen ſoll.

Ein ſolcher gottſeeliger Menſch, geliebte Kinder! iſt froh und zufrieden, mit dem, was da iſt. Er verlangt nicht viel von andern Menſchen. Er iſt maͤßig, und begnuͤgt ſich mit ſeinem beſcheidnen Theile. Er iſt deß - halb auch gern gelitten, und kommt alſo viel leichter fort, als ein muͤrriſcher, unzufriede - ner, der verdrießlich ausſieht, und ſich immerEuͤber66uͤber Gott und die Menſchen beklagt, daß ihm nicht Gluͤck genung begegne.

Doch, auf lauter Roſen koͤnnen wir Men - ſchen, bey aller Gottſeeligkeit, dennoch nicht gehen. Es giebt auch nothwendiges Lei - den. In Gottes Entwurf aller Urſachen und Wirkungen, gehoͤrte dieſes mit Wenn aber ein guter Vater ſeinem lieben Kinde zwar uͤbelſchmeckende, doch heilſame, Mittel brauchen ließe, um es vor herrſchenden Krankheiten zu verwahren; ſo thaͤte das Kind unrecht, wenn es glaubte, der Vater waͤre ihm deßhalb nicht gewogen.

So macht es Gott, lieben Kinder! mit den Menſchen. Das Leiden iſt nuͤtzlich, aus vielen Gruͤnden. Oft dem, der es leidet; oft auch dem, der leiden ſieht, oder mit leidet.

Das gute Kind, das ſeine kranken Ael - tern oder Geſchwiſter pflegt, wuͤrde dieſe ſchoͤne Tugend nicht uͤben koͤnnen, wenn kein Kranker zu pflegen da waͤre. Die Aeltern ſelbſt ſind vielleicht, durch die Krankheit, vor groͤßern Ungluͤck bewahret und davon abge - halten worden.

Ich will euch eine Geſchichte davon er - zaͤhlen.

In67

In der Stadt waren einmal Schauſpie - ler, die fuͤr Geld, in einem großen Hauſe, des Abends, ihre Kunſt ſehen ließen. Ei - ner von meinen Bekannten wollte, mit ſei - ner Frau und zwey Kindern, hingehen, und hatte ſchon alles beſtellt. Die Kinder freu - ten ſich beſonders ſehr auf das Schauſpiel, auf die vielen Lichter, die bunten Kleider, die Muſik, und was ihnen ſonſt noch ange - nehm dabey vorkam. Auf den Mittag wird der Mann ſehr krank, da mußte die Frau zu Hauſe bleiben, und ohne ihre Ael - tern ſollten die Kinder nicht ins Schauſpiel gehen. Da weinten die Kinder ſehr, daß von ihnen dieſe Luſt vergebens gehoft waͤre. Das eine Kind war ſo unwillig, daß es gar ſagte: Warum mußte der Vater eben heute krank werden? Eben heute, da wir ein - mal eine Luſt haben ſollten? Aber hoͤrt, Kinder! was geſchah? Den Abend kam Feuer im Schauſpielhauſe aus, es brannte bis auf den Grund, ab, und die meiſten Zu - ſchauer wurden erdruͤckt im Gedraͤnge, oder erſtickten vom Rauch, oder verbrannten in der Flamme.

Da merkten die Aeltern, daß die Krankheit des Vaters eine wohlthaͤtige Schickung und Regierung Gottes geweſen, und lobten GottE 2da -68dafuͤr. Ihre Kinder aber belehrten ſie an dieſem Exempel: daß Gott, auch bey zuge - ſchickten Leiden, die beſten Abſichten habe, und daß, wenn wir oft nicht ſo gleich wiſ - ſen, wozu das Leiden uns gut iſt, wir doch hernach erfahren werden, wie gut es unſer himmliſcher Vater mit uns meyne.

Was uͤbrigens die Lehren der wahren Weisheit, die vor Gott gilt, betrift, ſo ſind in den Spruͤchen Salomonis, dem Buch der Weisheit, und Jeſus Sirach, alle die beſten Lehren enthalten, die man erfinden kann, um einen Menſchen klug zu machen; und im neuen Teſtament iſt davon ebenfalls ein Vor - rath, der nicht zu erſchoͤpfen iſt, wie ihr, bey fleißiger Leſung der Schrift erfah - ren werdet.

Nota. Von nun an koͤnnten die Schul - kinder, ohne Schaden von dem Seel - ſorger oder Prediger des Ortes, in den gewoͤhnlichen Unterricht genommen werden, der vor der Confirmation von ihm gegeben zu werden pflegt.

Das69

Das achte Capitel.

Von der Geſellſchaft und der Obrig - keit, von Geſetzen und Soldaten.

Geliebte Kinder! Wenn ihr in eurer Ael - tern Hauſe ſeyd, muͤßt ihr euch nicht nach der Ordnung richten, die eure Aeltern einge - fuͤhret haben? Muͤßt ihr nicht, z. E. kom - men, wenn ſie euch zum Eßen rufen; aufſte - hen, wenn ſie euch wecken; da oder dort hingehen, wenn ſie euch ſchicken? Alſo, ihr muͤßt euch die Befehle eurer Aeltern gefallen laßen, und der Ordnung nicht wi - derſtreben, die eue Aeltern eingefuͤhrt haben. Das heißt: Eure Aeltern befehlen, und ihr muͤßt gehorchen.

Welche Unordnung aber wuͤrde das im Hauſe ſeyn, wenn keiner befoͤhle, oder, wenn er befoͤhle, niemand gehorchte! Gewiß, Kin - der! ihr haͤttet keine warme Stube im Win - ter; kein Eßen, und kein Kleid auf dem Leibe; denn ein jeder wuͤrde fuͤr ſich nur ſorgen, und denn gienge alles zu Grunde.

Gott ſey alſo gelobet dafuͤr, daß Er, nach Seiner hoͤchſten Weisheit, die Welt ſo ein - gerichtet hat, wie ſie iſt, und auf Ordnung allenthalben, Gluͤckſeeligkeit folgen laͤßt.

E 3In70

In der Welt Gottes ſind verſchiedne Staͤnde, das iſt: Es giebt ſolche Menſchen, die andern befehlen, und ſolche Menſchen, die andern gehorchen muͤßen. Die, ſo be - fehlen, heißt man Aeltern, Herrſchaften, Obrig - keit, Vorgeſetzte; die, ſo gehorchen, ſind, Kinder, Beanne, Unterthanen, oder Knechte. Wer dem einen befiehlt, muß doch auch, fuͤr ſeine Perſon, wieder andern gehorchen.

Z. E. Ihr muͤßt euren Aeltern gehorchen; aber eure Aeltern muͤßen ihrer Gutsherrſchaft gehorchen; und die Herrſchaft muß wieder dem Landesherrn gehorchen; und Gott muͤſ - ſen alle Menſchen gehorchen.

Lieben Kinder! alle Menſchen konnten nicht Herren oder Vornehme ſeyn. Stellt euch einmal die Welt, als eine Kirche vor. Nicht wahr? Auf der vorderſten Bank konn - ten ſie nicht alle ſitzen: nur etliche haben Platz darauf, die andern ſitzen auf der zweyten, dritten, und ſo weiter.

Dieſe Ordnung hat der hoͤchſtweiſe Gott gemacht. Wer tugendhaft iſt, laͤßt ſich Gottes Ordnung gefallen.

Aber, wie mag es wohl zugegangen ſeyn, daß ein Menſch dem andern gehorcht, ihm dient, und mit ihm in Geſellſchaft, oder in gewißen Verhaͤltniß lebt? Haͤtte nicht einjeder71jeder koͤnnen ſein eigner Herr bleiben, und vor ſich leben, ohne ſich um den andern zu bekuͤmmern? Waͤre das nicht beßer ge - weſen?

Nein! geliebte Kinder! Denn, wie die Geſellſchaften, Geſetze, Obrigkeiten, und Sol - daten entſtanden ſind, das will ich euch kuͤrzlich erzaͤhlen.

Anfaͤnglich war, wie ihr aus dem kurzge - faßten Innhalt der Bibel gehoͤrt habt, nur ein Paar Menſchen, Adam, der Vater, und Eva, die Mutter aller Menſchen, die nach ihnen gelebt haben, und noch leben. Ihnen gehoͤrte die ganze Erde: Denn Gott hatte ihnen die Herrſchaft uͤber die Erde und al - le Thiere gegeben. Sie lebten in der Ehe, und hatten Kinder. So lange die Kinder klein waren, mußten der Vater und die Mutter, fuͤr ihren Unterhalt und fuͤr ihre Erziehung ſorgen, weil ſie ſich ſelbſt nicht helfen konnten, und die Kinder mußten den Aeltern unterthan ſeyn, das iſt, gehorchen.

Seht! das war die erſte Geſellſchaft oder Familie, nemlich von Aeltern und Kindern: und da war die erſte Herrſchaft oder Ge - walt, nmlich der Aeltern uͤber die Kinder; und die erſte Unterthaͤnigkeit oder Gehorſam, nemlich der Kinder gegen die Aeltern.

E 4Wie72

Wie die Kinder groß wurden, und ihre Nahrung und Erhaltung ſelbſt beſorgen konn - ten, wollten ſie auch Aeltern werden, oder Kinder haben, und eine Familie ſtiften. Die Aeltern gaben ihnen daher etwas Eignes, und ließen ſie von ſich. Als ſich nun die Menſchen immer mehr vermehrten; ſo gab es auch immer mehr Familien, und dieſe breiteten ſich endlich uͤber die Erde aus. So lange Platz da war, gieng das wohl an. Ein Fleck aber war doch beßer, als der andre, gut Waſſer, gute Aecker, gute Weide, gut Holz, war doch nicht allenthal - ben gleich gut zu finden. Eine jede Fami - lie wollte gerne das Beſte beſitzen. Wer aber was Gutes hatte, wollte es nicht miſ - ſen. Da entſtand Feindſchaft unter den Familien. Der Neid kam dazu, wie die Bibel ſagt. Daß Gott den einen mehr ge - ſeegnet hatte, weil er froͤmmer war, das verdroß den andern; da ward aus Feind - ſchaft, Gewaltthaͤtigkeit, und einer ſchlug den andern todt; oder wenn die eine Familie ſtaͤrker war, als die andre, ſo jagte die ſtaͤrkere, die ſchwaͤchere Familie weg, und raubte ihnen das Ihrige. Wenn nun die, die vertrieben waren, Gelegenheit fanden, ſo raͤchten ſie ſich, und thaten den Raͤubernwie73wieder alles zu leide, was ſie konnten. Wenn aber dieſes beſtaͤndig ſo fortgedauert haͤtte, ſo waͤre das menſchliche Geſchlecht bald zu Grunde gegangen. Da traten viele Fami - lien zuſammen, und ſagten: Wir wollen uns vereinigen: Wir wollen gemeinſchaftlich, uns und das Unſrige, gegen unſre Feinde beſchuͤ - tzen; und wollen uns auch ſonſt gemeinſchaft - lich beyſtehen, in ſolchen Arbeiten, die zwar al - len nuͤtzlich ſind, die aber, eine Familie allein, nicht zwingen kann.

Da entſtanden die großen Geſellſchaften, die man Voͤlker, Nationen, oder Staaten heißt.

Die Leute merkten aber bald, daß ſie, durch die bloße Vereinigung in eine groͤßre Geſellſchaft, noch nicht viel gebeßert waͤren. Denn, wenn Noth war, ſo half der eine fleißig, der andre war faul, und that we - nig; der eine kam fruͤh, der andre ſpaͤt; und ſie konnten auch nicht eins werden, was gethan werden ſollte, weil ein jeder wieder ſeinen beſondern Vortheil ſuchte, und das Beſte der ganzen Geſellſchaft, ſeinem eignen Nutzen, nicht vorzog.

Als nun daraus, in der Geſellſchaft, ſo viel Noth entſtand, daß einem jeden die Augen aufgiengen; ſo wurden die Men -E 5ſchen74ſchen wieder eins, daß etwas veſtgeſetzt wer - de, was in jedem Fall, gethan oder nicht gethan werden ſollte, oder was Recht und Unrecht waͤre, und ein jeder verſprach, mit dem Veſtgeſetzten zufrieden, und ihm ge - horſam zu ſeyn. Da entſtanden die Geſetze, oder die Verordnungen im Staate.

Nun kam es noch darauf an, daß auch ein jeder den Ausſpruch der Geſetze, wenn ſie ihm, etwas zu thun, auflegten, oder, wegen eines Fehlers ſtraften, ſich gefallen ließe.

Wer liſtig war, der ſagte: Das Geſetz geht mich nicht an; ich verſtehe das Geſetz ſo nicht, wie ihr andern, ſondern, wie es mir Vortheil bringt. Wenn das aber die Geſellſchaft litte, ſo war es eben ſo gut, als wenn gar keine Geſetze geweſen waͤren, denn ein jeder that, was er wollte. Sie wurden alſo wieder eins, es ſollten gewiße Leute un - ter ihnen ſeyn, die nach dem Geſetze urthei - len, und einem jeden, bey ſeinen Streitig - keiten, Recht ſprechen, oder richten ſollten. Denen wollten ſie alle gehorchen, und ſich von ihnen regieren laßen. Dieſe Leute ſoll - ten, durch gewiße Abgaben, von einem jeden der Geſellſchaft belohnet, und erhalten wer -den,75den, und keiner ſollte, bey Lebensſtrafe ihnen ſchaden duͤrfen.

Da entſtanden die Richter, Obrigkeiten, Fuͤrſten und Koͤnige.

Aber eine jede große Geſellſchaft, oder Volk hatte ſeine eigene Geſetze, und eigene Gebraͤuche, oder Verfaßungen. Darnach woll - ten ſich denn die andern Geſellſchaften oder Voͤlker nicht richten, wenn es ihnen Scha - den brachte, noch weniger ſich den Ausſpruch einer fremden Obrigkeit gefallen laßen.

Wenn denn nun einige Geſellſchaften oder Voͤlker uneins wurden, und ſich nicht, uͤber die ſtreitige Sache vergleichen wollten oder konnten, ſo handelten ſie feindlich gegen ein - ander, fielen ein, und raubten die Erndte, Vieh und Menſchen weg, und die Menſchen behielten ſie, als Knechte, und ſie mußten ihnen umſonſt dienen.

Das iſt: Es war Krieg unter ihnen.

Weil aber ein jeder im Volk, gemeinſchaft - lich, das iſt: gleich viel thun ſollte, um zu wachen, oder den Feind zu verfolgen, oder den Feind abzuhalten, wenn er einfiele; ſo konnte indeß keiner das Land bauen, und, im Sommer, Vorrath fuͤr den Winter und Fruͤhling ſammlen: Denn es durfte keiner zuruͤck bleiben, ohne beſchimpft, und aus derGe -76Gemeine gejagt zu werden. Dauerte nun der Krieg lange, ſo gieng in der Geſellſchaft alles zu Grunde. Da wurden die Leute endlich eins; Es ſollten die munterſten, juͤngſten und ſtaͤrkſten von ihnen, wachen, und im Kriege Dienſte thun, auch in Frie - denszeit, ſich in alle dem uͤben, was ſie im Kriege, ſchon koͤnnen muͤßten: damit die an - dern indeß ſicher zu Hauſe bleiben, und das Land bauen, und alſo das gemeine Beſte be - ſorgen koͤnnten. Und fuͤr deren Unterhalt, wollte die ganze Geſellſchaft ſorgen, weil doch ein jeder, Vortheil und Nutzen davon haͤtte. Daher ſind die Soldaten entſtanden.

Seht, lieben Kinder! ſo iſt es noch in der Welt. Laßt euch alſo dieſe Einrichtung, welche von Gott herkommt, und die beſte iſt, die gemacht werden konnte, gefallen! Danket Gott, daß ihr die Vortheile der Geſellſchaft genießen koͤnnt! Macht euch um die Geſellſchaft verdient, oder erwerbt die Liebe der andern, dadurch: daß ihr das all - gemeine Beſte, oder den Vortheil der gan - zen Geſellſchaft, ſucht; und, ſo viel moͤglich iſt, macht, daß andre von euch Vortheil haben! Haltet uͤber Geſetz und Ordnung, weil, eure eigne Gluͤckſeeligkeit ſowohl, als das allgemeine Beſte, davon abhaͤngt. Be -tet77tet fuͤr eure Obrigkeit, daß Gott ſie ſeegnen und mit Weisheit erfuͤllen wolle, und ge - horcht, um Gottes Ordnung willen, als Bauern oder Soldaten, euren Herren und Vorgeſetzten mit willigem Gehorſam!

Das neunte Capitel.

Vom Verhaͤltniß.

Lieben Kinder! Ihr habt, in verſchiednen Capiteln, viel vom Verhaͤltniß reden hoͤren.

Es hieß: die Religion waͤre die Lehre von dem Verhaͤltniß, worinn die Menſchen mit Gott ſtehen. Im vorhergehenden Ca - pitel aber, ward euch das Verhaͤltniß er - zaͤhlt, worinn der Menſch mit der Geſell - ſchaft ſteht, in welcher er lebt.

Was kann alſo nun wohl das Wort, Verhaͤltniß, bedeuten, oder was meynt man damit, wenn man ſagt: Dieſe Dinge ſtehen in Verhaͤltniß miteinander?

Ein paar Gleichniße, geliebte Kinder! ſol - len euch dieß ſchwere Wort erklaͤren.

Nicht wahr? Ihr habt alle, eine Knall - buͤchſe von Fliederholz geſehen, und ihr wißt alle, wie ſie gemacht wird? Wenn ihr alſoeine78eine Knallbuͤchſe von Fliederholz haben wollt; ſo nehmt ihr einen geraden Schuß vom Flieder-Baum, bohrt das Mark heraus, und ſucht euch einen geraden Stock von an - dern Holze, zum Stempel, und ſchneidet ihn ſo lange ab, bis er in die Roͤhre paßt. Warum muß der Stempel gerade ſeyn? Weil er ſonſt, zu der geraden Roͤhre, von harten Holze, das nicht nachgiebt, ſich nicht ſchickte.

Warum muß er nicht dicker ſeyn, als die Hoͤhlung in der Roͤhre? Weil der Stem - pel ſonſt nicht in die Roͤhre paßte.

Seht, lieben Kinder! das heißt: der Stem - pel iſt mit der Roͤhre in einem Verhaͤltniß, und denn kann daraus eine Knallbuͤchſe wer - den. Oder, ſolche Dinge, die zu einander gehoͤren, die muͤßen ſich zu einander ſchi - cken. Ein Spinnrad beſteht, wie ihr alle wißt, aus vielen Theilen. Wenn dieſe Thei - le ſich nicht ſo zuſammen ſchickten; ſo koͤnn - te keiner damit Garn ſpinnen. Wenn aber alle dieſe Theile am Spinnrade, mit einan - der in richtigen Verhaͤltniße ſtehen, ſo kann man damit fertig werden, und ſpinnen.

Der Pflug, oder die Heckerlingslade, wuͤr - de nicht zum Strohſchneiden und Pfluͤgen, dienen koͤnnen, wenn alle Theile, die daranſind,79ſind, nicht mit einander im Verhaͤltniß ſtuͤn - den. Waͤre der Stiel oder Griff zu dick, oder zu lang, die Raͤder zu hoch, das Eiſen zu kurz ꝛc. ſo koͤnnte kein Menſch damit handthieren.

Seht, lieben Kinder! ſo viel kommt auf Verhaͤltniß in allen Dingen an.

Wenn ich nun ſage, der Menſch ſteht in gewißem Verhaͤltniß mit Gott; ſo heißt das ſo viel, als, Gott iſt die Urſach, warum der Menſch da iſt, oder Gott hat dem Men - ſchen das Leben gegeben, alſo, Gott iſt un - ſer Herr, und wir Menſchen ſind Untertha - nen Gottes. Ohne Gott, kann der Menſch nicht hoffen, gluͤcklich zu ſeyn, weil alles Gott zu Gebot ſtehet, und Gluͤck und Un - gluͤck in Seinem Willen beruht. Alſo muß ſich der Menſch ſo verhalten, wie es Gott haben will, das iſt, Gott gehorchen.

Und wenn ich ſage: der Menſch ſteht in Verhaͤltniß mit der Geſellſchaft, worinn er lebt; ſo heißt das ſo viel, als, der Menſch hats noͤthig, mit andern Menſchen in Ge - ſellſchaft zu leben: Er muß alſo ſich zu der Geſellſchaft ſchicken; ihre Erhaltung, durch Liebe zur Ordnung und den Geſetzen befoͤr - dern, und nicht ſeinen eignen Nutzen, dem gemeinen Beſten vorziehen.

Denn80

Denn, lieben Kinder! wenn ein jeder ſei - nen Nutzen vorziehen duͤrfte, ſo ließen die Aeltern ihre kranken Kinder verhungern, die ihnen nichts, als Kummer machen; die Er - wachſenen ſchluͤgen ihre alten Aeltern todt, weil ſie nicht mehr Brodt verdienen koͤnnen; der Faule naͤhme dem Fleißigen ſein Brodt mit Gewalt; und keiner waͤre einen Augen - blick, des Seinigen ſicher.

Aber, die Dinge, die mit einander in Verhaͤltniß ſtehen, wirken auch, wechſels - weiſe, auf einander, und erhalten ſich, durch gemeinſchaftliche Kraͤfte. Daher kommts, lieben Kinder! daß viel Leute mehr thun koͤn - nen, als einer allein.

Es war einmal ein Dorf, voll boͤſer Bau - ern, die in Feindſchaft mit einander lebten. An ihrem Acker floß ein Strom, der einſt uͤberlief, und den Damm durchbrach. Des einen Bauern Acker lag gerade bey dem Lo - che des Damms, und litte großen Schaden. Er that ſein Moͤglichſtes, um das Loch im Damme zu ſtopfen: aber es war, fuͤr eine Familie, zu viel Arbeit; Und die andern wollten ihm nicht helfen, weil es ihnen noch keinen Schaden brachte, und keiner des an - dern Freund war, oder das gemeine Beſte ſuchte. Endlich ward das Loch ſo breit, undſo81ſo tief, daß der ganze Fluß da herausſtuͤrzte, und uͤber alle Aecker des Dorfes herfloß: Da gieng denn das ganze Dorf zu Grunde.

Haͤtten nun die thoͤrichten Bauern einan - der bey Zeiten geholfen, ſo waͤre ihr Scha - de nicht ſo groß geworden, und ſie waͤren im Wohlſtande geblieben.

Huͤtet euch ja vor ſolchen liebloſen Geſin - nungen, geliebte Kinder! Helft, wo ihr hel - fen koͤnnt, auch ungeheißen, Schaden verhuͤ - ten, oder Nutzen ſtiften: So wird euch ein jeder lieben! Und ihr koͤnnt das oft, wenn ihr nur wollt. Wie oft ſeht ihr Vieh in Schaden gehen, welches ihr wegtreiben koͤnnt! Wie oft ſeht ihr ſtehlen, welches ihr nicht verhehlen, ſondern anzeigen muͤßt; damit nicht oͤfter geſtohlen werde, oder damit derje - nige das Seine wiederbekomme, der beſtoh - len wird! Wie oft koͤnntet ihr, wenn ihr muͤßig gehet, z. E. einen Baum pflanzen, oder von Waſſerzweigen reinigen, wenn euch auch der Platz nicht gehoͤrte! Seht euch im - mer, von Jugend auf als Glieder der Ge - ſellſchaft an, mit welcher ihr in Verhaͤltniß ſteht, und ſucht, bey allen Gelegenheiten, das gemeine Beſte. Wenn ihr dieß redlich thut, ſo werden andere Leute wieder euer Beſtes ſuchen. Ihr werdet nie ohne Huͤlfe bleiben:FDenn82Denn Gott iſt ſolchen edlen Seelen beſon - ders gnaͤdig, die nicht blos ihren Nutzen ſu - chen, ſondern auch andern gerne nuͤtzlich werden.

Bey Gelegenheit des Wortes, Verhaͤltniß, geliebte Kinder! will ich euch auch die Woͤr - ter, groß, mittelmaͤßig, und klein, erklaͤren.

Nachdem ihr wißt, was Verhaͤltniß iſt: nemlich, Vereinigung vieler Urſachen zu ge - meinſchaftlichen Wirkungen; ſo muß es euch nicht ſchwer werden, zu verſtehen, daß an dieſen Wirkungen, nicht eine jede Urſach gleich viel Antheil hat; daß es ſolche Urſachen giebt, die viel wirken, und ſolche, die weniger wirken. Was nun viel wirkt, oder wirken kann, nennt man groß, und das andere klein. Z. E. In euers Vaters Garten, ſteht ein großer Apfelbaum Warum heiße ich den Baum groß? Weil es auch klei - ne Aepfelbaͤume giebt, die dieſem, an Staͤr - ke des Stammes oder der Aeſte, nicht gleich kommen, und weil dieſer große Apfelbaum mehr Aepfel tragen kann, als ein kleiner. Seht alſo, geliebte Kinder! darauf, daß ihr dieſes behaltet, und richtig anwendet!

Groß iſt das, was in Vergleichung mit andern, viel wirkt, oder wirken kann, viel Theile hat, oder viel Raum einnimmt.

Klein83

Klein iſt das, was in Vergleichung mit andern Dingen, wenig wirkt, oder wirken kann, wenig Theile hat, oder wenig Raum einnimmt.

Mittelmaͤßig iſt das, was zwiſchen inne ſteht, und weder zum Großen, noch zum Kleinen, in ſeiner Art, gezaͤhlt werden kann.

Wer nun alles recht anſieht, und recht benennt, von dem ſagt man: Er denkt rich - tig; und das iſt ein ſehr großes Lob. Durch Uebung und Nachdenken erlangt man dieſe Richtigkeit.

Lieben Kinder! es kommt ſehr viel auf die Richtigkeit eurer Erkenntniß an. Wer ſtets das Kleine groß nennt, den heißt man einen Aufſchnelder oder Prahler, und es iſt der Anfang, ein Luͤgner zu werden.

Ein Laſter, liebſten Kinder, welches Gott und Menſchen verabſcheuen!

Ich habe einen Menſchen gekannt, der hatte dieſen Fehler an ſich. Wenn Ein Hund ihn anbellte, ſo erzaͤhlte er gleich: Bey hunderten waͤren die Hunde um ihn geweſen, und haͤtten ſo gebellt, daß er das Gewitter nicht haͤtte donnern gehoͤrt. Ihm glaubte endlich keiner mehr.

Wer aber alles verkleinert, oder ſchlech - ter macht, als es iſt, der iſt gemeiniglichF 2ſtolz84ſtolz und aufgeblaſen; und das iſt der An - fang, ein Verlaͤumder zu werden. Denn wenn man alles geringer ſchaͤtzet, und ihm ſeinen Werth entziehet; ſo thut man das, aus Ge - wohnheit, auch an ſeinem Naͤchſten.

An den Ort, wo ich ſonſt war, kam ein - mal ein junger Menſch hin, der hatte, mit ſeinem Herrn, eine weite Reiſe gethan. Dem Menſchen war nichts gut genung. Er hat - te alles beßer geſehn, geſchmeckt und gehoͤrt. Er verkleinerte alles, und verachtete alles. Die Kirche im Dorf hieß er, einen Vogel - bauer, die Bauerhaͤuſer nennte er, Huͤner - ſtaͤlle. Kurz, es war ihm alles zu ſchlecht. Es war ihm aber auch kein Menſch gut. Und keiner wollte ſolchen hochmuͤthigen Menſchen in Dienſt nehmen. Endlich gieng es ihm ſo ſchlecht, daß ichs euch nicht beſchreiben kann.

Gewoͤhnt euch alſo, geliebte Kinder! an Richtigkeit, und treft das rechte Verhaͤltniß der Dinge, auch in euern Gedanken und Geſpraͤchen! Nennt alles bey ſeinem rechten Namen; vergroͤßert und verkleinert nichts; eure Rede ſey, Ja und Nein: So wird euch ein jeder, als aufrichtigen verſtaͤndigen Leuten, trauen.

Das85

Das zehente Capitel.

Von der Hoͤflichkeit im Umgange und im Reden; und vom noͤthi - gen Briefſchreiben.

Lieben Kinder! Es iſt nichts, was einen Menſchen in euerm Stande ſo beliebt macht, als ein beſcheidnes Weſen.

Wer beſcheiden iſt, der iſt gegen ſeines gleichen, dienſtfertig und freundlich; gegen hoͤ - here Perſonen, ehrerbietig; und gegen eine Obrig - keit, willig zum Gehorſam. Man kann es einem Menſchen leicht aͤußerlich anſehen, oder aus ſeinen Reden merken, ob dieſes al - les in ſeinem Gemuͤthe iſt, oder ob er ſich nach dieſen Regeln richtet; und die aͤußerli - chen Zeichen davon, nennt man Hoͤflichkeit.

Alle Voͤlker haben darinn etwas beſon - dres, worinn ſie ſich von einander unterſchei - den. Bey uns aber, geliebte Kinder! iſt man uͤber folgende aͤußerliche Zeichen, eins geworden.

Wenn man einander begegnet, ſo muß man ſich gruͤßen, das iſt, ſich Gutes wuͤn - ſchen. Wenn dir ein Hoͤherer, als du biſt, oder die Obrigkeit begegnet, ſo mußt du, beym Gruͤßen, ſtille ſtehen, das Geſicht nachF 3dem86dem Vorbeygehenden kehren, und den Hut oder die Muͤtze abnehmen. Wenn dieſe Perſon, oder deine Obrigkeit, dich anredet, ſo mußt du deutlich und verſtaͤndlich ant - worten. Wenn ſie dich an deine Schul - digkeit erinnert, die du thun ſollſt, ſo mußt du allemal, zu deiner Antwort, das Ver - ſprechen hinzuthun, du wolleſt gehorchen. Wenn ſie, wegen eines begangnen Fehlers, dich ernſtlich ermahnet, ſo mußt du um Vergebung bitten, und durch Verſprechen, ins kuͤnftige den Fehler zu vermeiden, ihren Unwillen beſaͤnftigen.

Lieben Kinder! das Sprichwort, ein gut Wort findet einen guten Ort iſt ſehr ge - gruͤndet. Manchem Verdruß, der euch Schaden bringt, koͤnntet ihr entgehen, wenn ihr dem ſchaͤndlichen Rechthabenwollen, dem Wiederſprechen, und den ſo gewoͤhnlichen Entſchuldigungen eurer Fehler, entſagtet. Gott und Menſchen koͤnnen dieſes nicht lei - den. Wenn ihr herzlich um Vergebung bit - tet, ſo iſt kein Menſch ſo hart, der euch nicht ſolche Fehler vergaͤbe, die keiner oͤffent - lichen Strafe beduͤrfen.

Warum der Wiederſpruch ſo ſehr belei - digt, das will ich euch kuͤrzlich erklaͤren.

Der87

Der Wiederſpruch verraͤth ein hochmuͤ - thiges Herz; denn wer wiederſpricht, der will den andern uͤberfuͤhren, daß er kluͤger iſt, und mehr einſieht, als der andre.

Der Wiederſpruch iſt das Zeichen eines wiederſtrebenden Herzens: Wer wiederſtrebt, der iſt ungehorſam. Ihr aber ſollt gehor - ſam ſeyn.

Der Wiederſpruch bringt Unwillen und Zorn in das Geſpraͤche, und noͤthigt den Vorgeſetzten, ſich harter Mittel oder Stra - fen zu bedienen.

Aus allen dieſen werdet ihr leicht einſe - hen, warum ich davor warne, und euch Hoͤflichkeit und Beſcheidenheit anpreiſe. Denn meine Lehre ſoll euch klug, verſtaͤndig und beliebt machen, und dadurch eure Ruhe und Zufriedenheit befoͤrdern.

Das Uebrige der Hoͤflichkeit beſteht mei - ſtentheils darinn, daß man einen jeden mit dem Namen nenne, der ſeiner Wuͤrde zu - kommt; daß man allen thoͤrichten Scherz vermeide, der gemeiniglich fuͤr Verachtung angeſehen wird; ſich immer des Verhaͤlt - nißes erinnere, worinn man mit Perſonen hoͤhern Standes, ſteht; und wenn ein ſol - cher, oder die Obrigkeit, dir etwa gnaͤdig iſt, dich nicht uͤberredeſt, oder dir einbildeſt,F 4nun88nun ſey gar kein Unterſchied mehr, zwiſchen Ihm und Dir.

Wer dieſes nicht beobachtet, den nennt man dummdreuſt, oder grob, und er wird gemeiniglich empfindlich gedemuͤthiget.

Aber lieben Kinder! man muß auch mit ſolchen Leuten umzugehen wißen, die nicht gegenwaͤrtig ſind. Das iſt, man ſteht oft mit Perſonen in Verhaͤltniß, die abweſend ſind, und mit denen man alſo nicht muͤnd - lich ſprechen kann.

Sollen nun dieſe Leute unſre Gedanken wißen, ſo ſchreibt man an ſie, und das Ge - ſchriebene heißt ein Brief.

Damit nun ein ſolcher Brief nicht von einem jeden, dem es nicht zukommt, geleſen werde; ſo wird er in ein ander reines Pap - pier eingelegt, dieſes wird mit Siegellack oder Oblate zugeklebt, und ein Zeichen, wel - ches ein Petſchaft heißt, darauf gedruͤckt. Auswendig aber wird der Name und Stand desjenigen, an den ich ſchreibe, darauf ge - ſchrieben, damit der Brief in die rechten Haͤnde kommt. Und die Poſten oder Boten, ſind dazu, daß dergleichen Briefe fortkommen.

Der Innhalt der Briefe, die ihr zu ſchreiben habt, wird wohl hauptſaͤchlich zweyerley be - treffen.

1) Mel -89
  • 1) Meldungsbriefe, darinn ihr andern et - was meldet, oder ihnen Nachricht gebt.
  • 2) Bittbriefe, darinn ihr von andern etwas begehrt.

Ehe ich euch einige Beyſpiele von ſolchen Briefen gebe, ſo muͤßt ihr kuͤrzlich noch lernen, wie das Aeußerliche, oder die Form eines Briefes, ſonderlich an Hoͤhere, ausſe - hen muß.

Wenn ihr an Hoͤhere ſchreibt, ſo nehmt einen ganzen Bogen rein und gut Pappier; beſchneidet ihn mit der Scheere am Rande, daß er gerade wird. Fangt, einen Daumen breit von oben und von der linken Seite an, den Titul zu ſchreiben. (Die Titel fin - det ihr in den Titular-Buͤchern.)

Ihr thut wohl, wenn ihr in der Unge - wißheit, welcher von zweyen Tituln, dem zukomme an den ihr ſchreiben wollt: Ihr irrt nicht, ſage ich, wenn ihr alsdenn den hoͤchſten oder vornehmſten waͤhlt.

Auf die erſte Blattſeite, ſchreibt ihr nur etwa fuͤnf oder ſechs Reihen, und bleibt zwey Finger breit, vom linken Rande, und eben ſo weit unten zuruͤck. Auf der zwey - ten und folgenden Blattſeiten, bleibt oben, unten, und von dem linken Rande, auchF 5zwey90zwey Finger breit zuruͤck; und ſo fahrt fort, bis der Brief zu Ende iſt.

Vergeßt nicht, daß alle eure Briefe an Vornehme, ſo kurz ſeyn muͤßen, als es moͤg - lich iſt. Denn Vornehme haben gemeinig - lich mehr Geſchaͤfte, als unnoͤthig lange Briefe zu leſen, und man kann, mit wenig Worten, viel ſagen. Am Ende ſchließt den Brief mit Verſicherung eurer Unterthaͤ - nigkeit; ſetzt wieder den Titul desjenigen, an den ihr ſchreibt; und ganz unten, zur rechten Hand, euren Namen; unten, zur linken Hand aber, den Ort, und den Tag, da ihr ſchriebt, und das Jahr.

Bey Briefen an eures gleichen, duͤrft ihr es in Anſehung des Pappiers und des Raums nicht ſo genau nehmen.

Muſter zu Briefen.

Meldungsbriefe.

1) An Aeltern.
Liebe Aeltern!

Ich melde Euch hiermit, daß ich, in Got - tes Nahmen, den Dienſt bey meiner jetzigen Herrſchaft angetreten habe. Gottlob! ichbin91bin geſund und vergnuͤgt: Denn ich habe den guten Vorſatz, daß meine Herrſchaft Nutzen von mir haben ſoll. Es iſt doch gar zu wahr, was Ihr immer ſagtet, wer ein gut Gewißen hat, der iſt froh. Meine Herr - ſchaft geht gut mit mir um; ſie giebt mir das Meinige, und ich nehme das Ihrige in Acht. Nun, Gott helfe weiter, und erhalte Euch geſund! Betet auch, liebe Aeltern, fuͤr

Euren gehorſamen und dankbaren Sohn.

2) An eine Herrſchaft vornehmen Standes.
Der Titul.

Meiner gnaͤdigen Herrſchaft melde ich, daß ich die mir befohlne Sache ausgerichtet, wie aus

  • dem Angeſchloßnen
  • der Beylage
mit mehrern zu erſe - hen
  • Die Wirthſchaft betreffend, ſo iſt:
    • 1)
    • 2)
    • 3)
    • 4) und ſo weiter. (Hier kann man aller -hand92hand Nachrichten, die Kinder erfinden hel - fen, und den Raum fuͤllen.)

Ich empfehle mich und die Meinigen, in meiner gnaͤdigen Herrſchaft Gnade und Vor - ſorge, als

Der Titul Ort. den 15ten Merz. 1772. unterthaͤnigſter treuer Knecht. N. S.

Bittbriefe.

1) An Aeltern.
Liebe Aeltern!

Das leinene Zeug faͤngt mir an ſchadhaft zu werden; ich bitte Euch alſo herzlich, mich mit einigen neuen Stuͤcken, als Hemden ꝛc. zu verſehen.

Wenn ich das Neue, von Eurer Guͤtig - keit erhalte, ſo will ich das Schadhafte zu - ruͤck ſchicken, vielleicht kann es die liebe Mutter, fuͤr die juͤngſten Geſchwiſter, noch brauchen.

Liebe Aeltern! Ihr habt mich ja noch in keiner Noth verlaßen; darum habe das Zutrauen,Ihr93Ihr werdet, auch dieſes mal, die Bitte ge - waͤhren

Eurem dankbaren und gehorſamen Sohne

2) An Vornehme.
Der Titul.

Ewr ----. wuͤrde mit meiner demuͤthi - gen Bitte nicht beſchwerlich fallen, wenn ich nicht Ewr --- Menſchenliebe und Guͤtig - keit, von jeden haͤtte ruͤhmen hoͤren. Ich bin ſchon, ſeit einiger Zeit, ohne Dienſt, und kann doch Zeugniße meines Wohlverhaltens aufweiſen.

Da es mir aber beſonders wichtig iſt, bey einem guten Herrn zu dienen; ſo wuͤnſchte ich auch vorzuͤglich, in Ewr ---- Dienſte als ---- zu treten.

Meine Treue und Dankbarkeit, wird nie aufhoͤren, wenn die demuͤthige Bitte erhoͤrt wuͤrde

Ews ---- Ort. den 15ten Merz 1772. unterthaͤnigſt gehorſam - ſten Dieners N.

Aber,94

Aber, Kinder! es giebt auch Briefe ver - miſchten Innhalts: Wo ihr etwas meldet, und zugleich um etwas bittet.

Z. E. Briefe, in welchen ihr jemanden, der unzufrieden mit euch iſt, oder ſeyn koͤnnte, die wahren Umſtaͤnde meldet, und ihn um Verzeihung des Fehlers bittet.

Briefe, vermiſchten Innhalts.

1) An Aeltern.
Liebe Aeltern.

Ich hatte zwar verſprochen, ſo bald, als ich hier ankaͤme, Euch Nachricht zu geben, aber es iſt bis jetzo noch nicht geſchehen. Nun habt Ihr zwar Recht, zu glauben, ich ſey nachlaͤßig, und machte mich aus Euch nicht viel. Ich will Euch aber alles geſte - hen, und denn werdet Ihr mir auch vergeben.

Die erſten Tage gieng keine Poſt, hernach ſchickte mich mein Herr auf die Reiſe, und wie ich vorgeſtern wiederkam, war eben die Poſt abgegangen. Ich haͤtte freylich die er - ſten Tage, im Vorrath ſchreiben ſollen, und daran denken, daß hernach eine Hinderniß vorfallen koͤnnte: Aber das iſt mir erſt jetzo beygefallen. Ich will mich auch hierinn beſ -ſern,95ſern, und vorſichtiger werden. Vergebt mir alſo, liebe Aeltern! nach Eurer Guͤtigkeit, mei - nen Fehler, und zweifelt nicht an der treuen Liebe

Eures Ort. den 15ten Merz 1772. dankbaren Sohnes.

2) An Vornehme.
Der Titul.

Ew. ---- bekenne mit ſchmerzlicher Reue, den Fehler, in meinem Verhalten. Ich traute andern Leuten, die ſich ehrlich ſtellen konnten, zu viel, und dadurch iſt nun der Schade geſche - hen. Mit Bosheit habe nicht Ew. ---- in Schaden gebracht, aber durch Nachlaͤßig - keit. Ich will mich beßern und vorſichtiger werden. Durch Wachſamkeit, und Treue, will ich wieder einzubringen ſuchen, was itzo verlohren gegangen iſt. Ew. ---- verzei - hen nur gnaͤdigſt dieſen Fehler, und erlau - ben mir, mein bekuͤmmertes Herz, durch dieſe Hofnung zu troͤſten, damit wieder mit Freu - den ſeyn koͤnne

Ew. --- Ort. den 15ten Merz 1772. unterthaͤnigſt gehorſamſter Knecht.

Das96

Das eilfte Capitel.

Etwas von der Rechenkunſt, als ei - ne Uebung des Verſtandes.

Wenn ich die Theile in einem Dinge zaͤh - le, und gegen andre, dieß Ding vergleichen will, ſo rechne ich.

Geliebte Kinder! Wenn ihr nicht in euern Leben, durch den Schein, oder boͤſe Leute, wollt betrogen ſeyn, ſo lernt rechnen.

Zaͤhlen (Numeriren) ſo viel ihr braucht, koͤnnt ihr an den zehn Fingern eurer Haͤnde lernen.

Die Finger an der linken Hand zaͤhlen vom Daum an, 1. 2. 3. 4. 5. und ruͤck - waͤrts, wenn ſie eingeſchlagen ſind, bis 10. Die Finger an der rechten Hand, 10. 20. 30. 40. 50. und ruͤckwaͤrts, wenn ſie ein - geſchlagen ſind, bis 100. Wer geſchickt iſt, kann dieß ſehr brauchen.

Zuſammenzaͤhlen (Addiren) iſt leicht.

47·5 354 / 829.

Der Punkt bey der 7 bedeutet, daß ihr die zehne zur vorſtehenden Zahl mitrechnet,denn97denn, ihr zaͤhlt zuſammen, von der Rechten zur Linken.

(Subtrahiren) Abziehen, eine Zahl von der andern, iſt: Wenn ich die groͤßte Zahl, von der abgezogen werden ſoll, oben ſetze, und darunter die kleine Zahl, welche ich von der andern abziehen will.

〈…〉

Hier bedeutet der Punkt, daß ich von der Zahl, die linker Hand ſteht, borgen muß, weil die Zahl vor ſich nicht zureicht, die nebenſtehende aber was abgeben kann.

Lieben Kinder! es geht in der Welt oft ſo, wenn der eine Nichts hat, ſo muß der andre, der mehr hat, etwas von ſeinem Ueberfluß abgeben. Ja, die Menſchen ſind ſich eben das ſchuldig, in der Geſellſchaft, worinn ſie ſtehen, was ſich die Zahlen, in einer Summa, ſchuldig ſind.

Multipliciren, oder eine Zahl durch die andre vermehren, wird ſo gemacht. Oben ſetze ich die Zahl, ſo durch die andre ver - mehrt werden ſoll, und unten die vermeh - rende Zahl.

G24098

$$\begin{array}{rr} 240\\ 8\\ \hline 1920 & \mathrm{Scheffel. }\\ \end{array} \end{array}$$ 240 Scheffel, ſollen 8 mal da ſeyn, wie viel Scheffel ſind nun da?

Es verſteht ſich, daß die oben und unten - ſtehende Zahlen, Dinge von einer Art ſeyn muͤßen, ſonſt kann man nicht multipliciren. Die - ſes gilt bey allen Arten der Rechen-Aufga - ben. Z. E. 15 Scheffel Gerſte und 18 Stein Wolle koͤnnen nicht in eine Summe gebracht werden.

Eintheilen, (oder dividiren) heißt, zuſe - hen, wie oft ein beſtimmtes Theil, in einer gewißen Summa zu haben iſt.

〈…〉

Wißt ihr wohl, warum $$\frac{6}{12}$$ Theile ſo viel ſind, als ½? Recht! weil die 6 die Haͤlfte von 12 iſt. Aber alle Bruͤche, (denn al - les, was nicht eine ganze Zahl iſt, heißt ein Bruch) laßen ſich nicht ſo leicht aufloͤſen. Wer unter euch beſondre Luſt hat, von der Rechenkunſt mehr zu wißen, den will ich ſolche, in beſondern Stunden lehren.

Das99

Das zwoͤlfte Capitel.

Etwas von Ausmeßung der Flaͤ - chen und Koͤrper, und etwas Mecha - nik; dem ein Verzeichniß der ge - woͤhnlichſten Laͤngenmaaße und Gewichte ꝛc. vorgeſetzt iſt.

  • Eine ordentliche Meile iſt ſo weit, als ein Mann in zwey Stunden gehen kann.
  • Eine halbe Meile iſt eine Stunde Weges.
  • Eine viertel Meile iſt eine halbe Stunde Weges.
  • Eine Ruthe iſt 10 Fuß.
  • Ein Fuß iſt 12 Zoll, oder ſtarke Daumen breit.
  • Eine Berliner Ele iſt 2 Fuß, oder 24 Zoll. (Sie wird eingetheilt, in halbe Elen, Viertel - und halbe Viertel-Elen.)
  • Ein Centner iſt 110 Pfund. (Fleiſcherge - wicht 100 )
  • Ein Pfund iſt 32 Loth.
  • Ein Loth iſt 4 Quentchen.
  • Eine Hufe iſt 30 Morgen.
  • Ein Morgen iſt 180 Ruthen (ließ Qua - drat-Ruthen.)
G 2(Es100
  • (Es giebt aber auch alte Morgen, die groͤßer ſind, weil man ſie noch nicht nach der neuen Maaße gemeßen und eingetheilt hat.)
  • Ein Winſpel iſt 24 Scheffel.
  • Ein Scheffel iſt 16 Metzen, oder 4 Viertel.
  • Ein Faß iſt 2 Tonnen.
  • Eine Tonne iſt 96 Quart.
  • Ein Faden Holtz iſt 8 Fuß breit, 8 Fuß hoch, und 3 Fuß tief.
  • Ein Klafter iſt 6 Fuß hoch, 6 Fuß breit, und 3 Fuß tief.
  • Eine Piſtole iſt 5 rthl.
  • Ein Dukaten iſt 2 rthl. 18 gr.
  • Ein Speciesthaler iſt 1 rthl. 8 gr.
  • Ein Reichsthaler iſt 24 gr.
  • Ein Gulden iſt 16 gr.
  • Ein Drittel Thaler iſt 8 gr.
  • Ein Groſchen iſt 12 Pfennige.
  • Ein Pfennig iſt 2 Heller.

Weil aber eine Muͤnze beßeren Werth hat, als die andere, ſo giebt man Aufgeld, wenn man ſie haben will, oder haben muß. Man nennt das Aufgeld, auch Agio.

Nachdem ihr die wichtigſten Unterſchiede, der Laͤngen - und Flaͤchen-Maaße, Gewich - te ꝛc. auswendig gelernt habt: So will icheuch101euch auch die Anwendung davon in eurer Wirthſchaft, begreiflich machen.

Sage mir, mein lieber Sohn, welches Feld iſt groͤßer: ein Feld, welches 100 Schritte lang, und 20 Schritte breit iſt, oder ein Feld, welches 80 Schritte lang, und 30 Schritte breit iſt? Dieß kannſt du wißen, weil du multipliciren kannſt.

[figure]

Das zweyte iſt alſo 400 Schritte groͤßer.

Aber102

Aber eine Wieſe zu tauſchen oder zu theilen, die nicht allenthalben gleich breit iſt?

[figure]

Das iſt ſchon ſchwerer zu wißen. Seht! ſo wie dieſe Figur ausſieht, ſo koͤnnt ihr euch helfen: Nemlich, ihr theilt die Wieſe in ſo viel große Vierecke ein, als moͤglich iſt; meßt mit der Ruthe, die Laͤnge und die Breite eines jeden Vierecks ab, und mul - tiplicirt, wie vorher, die Fuͤße, die heraus kommen; denn theilt ihr das, was ſich in Vierecke nicht will theilen laßen, in Drey - ecke oder Triangel; und um die kleinen Streifgen, vertragt ihr euch guͤtlich; denn ſie ſind ſicher keinen Proceß werth.

Seht! ſo koͤnnt ihr manche Geldausgabe ſparen, dadurch, daß ihr in der Schule fleiſ - ſig geweſen ſeyd.

Wenn einer unter euch, Holz kaufen will, und es ſteht in Klafterholz, zu 6 Fuß die Klobe; ſo iſt 1 Klafter ſo viel Holz, als2 Klaf -1032 Klafter, zu 3 Fuß die Klobe. Aber wenn nun einer in Faden kauft, der 8 Fuß Hoͤhe, und 8 Fuß Breite hat; wie viel Klafter, die nur 6 Fuß Hoͤhe, und 6 Fuß Breite haben, hat er in 4 Faden?

〈…〉

$$7\frac{1}{9}$$ tel Klafter in 4 Faden, iſt die Antwort.

Da hier auch der ſchicklichſte Ort iſt, lieben Kinder, euch ſowohl mit der nuͤtzli - chen Erkenntniß von Wirkungen, die aus der natuͤrlichen Kraft des Menſchen entſte - hen, bekannt zu machen, als auch von der Verſtaͤrkung dieſer Kraft, durch die Kunſt, euch Nachrichten zu geben: So will ich euch hiermit, den Hebel, die Schraube, und den Kloben erklaͤren; zugleich aber ſollt ihr alle dieſe Dinge ſehen, verſuchen, und euch von dem, was ich euch davon ſage, ſelbſt uͤberzeugen.

Seht! Kinder, die Kraͤfte eines Menſchen, welche ſich im Heben und Tragen, oderG 4Fort -104Fortſtoßen ſchwerer Laſten aͤußern, ſind zwar ſehr verſchieden, und koͤnnen, durch Uebungen in der erwachſenen Jugend ſehr verſtaͤrkt werden; aber der ſtaͤrkſte Menſch pflegt es ſelten dahin zu bringen, daß er ſchwerer, als 800 , heben, tragen oder fortſtoßen koͤnnte.

Weil es nun doch, bey vielen Gelegenhei - ten, noͤthig iſt, ſich mit weit ſchwerern Laſten abzugeben, ſo hat man darauf geſon - nen, die menſchlichen Kraͤfte, durch Kunſt zu verdoppeln.

Mein Sohn! haſt du nicht geſehen einen beladenen Wagen ſchmieren? Was that der - jenige, der ihn ſchmieren wollte? Recht! er ſteckte eine ſtarke Stange unter die Achſe, und hob den Wagen in die Hoͤhe Mehr brauchen wir nicht davon zu wißen. Dieſe Stange nun, heißt ein Hebel oder Hebe - baum. Hieran ſind 3 Punkte zu bemerken.

[figure]

Erſtlich, der Ruhepunkt des Hebels, ganz unten; zweytens, der Laſtpunkt, da wo dieLaſt105Laſt auf ihm liegt; und drittens, der Hebe - punkt, wo der Menſch ſeine Hand oder Schulter anſetzt, um zu heben.

Die wichtigſten Regeln beym Gebrauch des Hebels, ſind dieſe.

1) Sucht, unter der Laſt, dem Hebel ei - nen veſten Ruhepunkt zu ſchaffen.

2) Entfernt den Ruhepunkt, von dem Laſtpunkt, nicht zu weit. 3) Je weiter ihr den Hebepunkt, von dem Laſtpunkt entfer - nen koͤnnt, je leichter werdet ihr heben. Nun probirt ſelbſt, bey dem großen Blocke vor jener Thuͤre, die Richtigkeit dieſer Regeln. Ihren Nutzen werdet ihr kuͤnftig, bey ſehr vielen Sachen inne werden.

Die Schraube dient eben auch, (wenn man will) Laſten zu bewegen; aber auch, viel andre Wirkungen hervor zu bringen. Sie hat uͤberdem den Nutzen, daß ſie die Laſt ſehr allmaͤhlig ihre Stelle veraͤndern laͤßt, wobei ich Zeit behalte, ſie in jeder Stellung zu behandeln, und hat noch den Vor - theil, daß ſie ohne Unterſtuͤtzung traͤgt. Hier iſt eine Wagenwinde, von welcher der Deckel abgenommen iſt, daß ich euch das Inwendige ſehen laßen kann. Mit ihr koͤnnt ihr mehr heben, als mit dem Hebel. Dieſe Schraube da, nennt man ohne Ende, undG 5ſie106ſie unterſcheidet ſich von allen andern Din - gen dieſer Art, weil alle andere Schrauben, ſehr bald zu tief herein geſchroben werden, und alsdenn unbeweglich ſtecken: Bey die - ſer aber, faͤngt das Schrauben immer wie - der von vorn an.

Eben eine ſolche iſt an den Garnhaſpeln. Wer einmal eine ſolche Schraube geſehen hat, kennt ſie gleich.

Der Kloben, welcher da vor euch liegt, iſt eigentlich ein Rad, welches ſich um eine Spille bewegt, und darum ausgehoͤhlt iſt, damit der Strick nicht herausglitſche. Man braucht ihn zum in die Hoͤhe heben ſchwe - rer Laſten, auch zum Fortziehen derſelben. Je mehr Kloben ſind, je ſchwerere Laſt kann man ziehen, oder in die Hoͤhe ſchaffen. Ich will euch die Kloben anhaͤngen: Nun ver - ſucht einmal, wie leicht ihr den ſchweren Stein, den ich angebunden habe, werdet in die Hoͤhe bringen koͤnnen.

Bey dem Kloben iſt zu merken, daß, je leich - ter er ſich um die Spille bewegt, je groͤßer und je runder er iſt, deſto leichter wird es dem, der damit arbeiten ſoll. Je hoͤher, oder je weiter von der Laſt, er anzubringen iſt, deſto laͤnger muß der Strick ſeyn, und deſto leichter koͤnnt ihr die Laſt damit heben, oder fortziehen.

Wenn107

Wenn ihr, lieben Kinder, werdet Wirthe ſeyn, ſo freue ich mich, was fuͤr nuͤtzliche Verbeßerungen ihr werdet, in euern Geraͤ - the machen. Z. E: Am Wagen; Wie viel leichter wuͤrden die Pferde ziehen, wenn die Deichſel lang und ſtark gemacht, auch zwi - ſchen viel laͤngern Achsſchenkeln beveſtigt waͤre, als jetzt geſchieht; wenn die Raͤder recht rund, und die Achſe recht ins Rad paßte, auch die Hinterraͤder viel hoͤher, als die Vorderraͤder waͤren; ingleichen die Pfer - de, zwey und zwey, oder zwey an die Stange, und nur eins vorne, geſpannt wuͤrden?

Seht! alles dieſes habt ihr hieraus ler - nen koͤnnen. Die Deichſel iſt ein Hebel; die Raͤder ſind Kloben; das Langſpannen iſt die nuͤtzliche Entfernung von der Laſt, um deſto beßer ankommen und fortziehen zu koͤnnen.

Das dreyzehnte Capitel.

Vom Augenmaaß und Betruge der Sinne.

Es iſt ſehr nuͤtzlich, lieben Kinder, daß ihr diejenige Vollkommenheit euch anſchaffet, die man Augenmaaß nennet.

Das108

Das Augenmaaß iſt diejenige Geſchicklich - keit, da man vom Verhaͤltniß derer Dinge ſchnell, aber richtig, urtheilt; einen Raum im Augenblick uͤberſchlaͤgt, ohne Inſtrumente zum Meßen, noͤthig zu haben; da man es einem Coͤrper anſieht, wie viel Staͤrke dazu gehoͤrt, ihn zu bewegen, und ſich dabey ſo wenig, als moͤglich irret. Dieſe Geſchicklich - keit wird erlangt, durch Uebung. Bey eu - ern Spielen ſelbſt, lieben Kinder, braucht ihr ſchon Augenmaaß, ohne es zu wißen. Wenn ihr Kegel ſchiebt, ſo richtet ihr eu - ern Wurf ſtark oder ſchwach ein, nachdem ihr glaubt, daß es noͤthig iſt. Wer unter euch, am beſten Kegel ſchiebt, der hat das richtigſte Augenmaaß. Wenn ihr eine Schlit - terbahn habt, ſo richtet ihr den Anlauf ſo ein, daß ihr zu Ende kommt. Wenn ihr ei - nen Stein ſeht, ſo wißt ihr meiſtentheils vorher, ob ihr ihn heben koͤnnt, oder nicht.

Je aͤlter ihr werdet, deſto nuͤtzlicher wird euch dieſe Uebung werden; bey Verfertigung euers Ackergeraͤthes, bey Ladung eurer Wa - gens, und bey unzaͤhligen Vorfaͤllen kann es euch dienen, Augenmaaß zu haben.

Aber eure Sinne ſind nicht untruͤglich. Ich ermahne euch daher, das Augenmaaß nur in denen Faͤllen zu gebrauchen, da keineZeit,109Zeit, zur Erlangung mehrerer Gewißheit ſich findet. In der Ferne ſcheint alles kleiner, als es wirklich iſt. Wenn es neblicht iſt, ſo laͤßt alles groͤßer, als es iſt.

Seht dieſen Stock, in dem Glaſe mit Waſſer! Iſt er gerade, oder krumm?

Du irrſt, mein Sohn: Er iſt nicht krumm, ſondern gerade; aber im Waſſer ſchien er dir krumm.

Wenn die Luft abſteht, duͤnken dir die Glocken, welche gelaͤutet werden, viel weiter als ſie ſind.

Und wenn du krank werden willſt, ſo ſchmecken dir die Speiſen ſauer oder bitter.

Wenn ihr euch beſchaͤdigt habt, ſo glaubt ihr, man faße euch ſehr hart an, und wenn das Glied geſund waͤre, ſo wuͤrdet ihr kaum fuͤhlen, daß man euch anruͤhrt.

Seht hieraus, lieben Kinder, die Sinnen ſind nicht immer ganz richtige Richter, uͤber die Wahrheit einer Sache. Die Bibel nennt deswegen diejenigen, ſinnliche oder natuͤrliche Menſchen, die ſich bloß, in ihren Handlun - gen, nach ihren Sinnen richten, und daher keine wahre Weisheit beſitzen.

Ihr wuͤrdet alſo Zeitlebens in Gefahr ge - blieben ſeyn, euch zu irren, wenn euer Ver - ſtand nicht waͤre, durch die Erziehung inder110der Schule, in den Stand geſetzt worden, euern Sinnen zu Huͤlfe zu kommen.

Wenn alſo eure Sinne euch rathen wer - den: das iſt gut, das iſt boͤſe; ſo braucht allemal euern Verſtand dazu, daß ihr erfahrt, ob die Sinne recht haben.

Im folgenden Capitel, werdet ihr wichtige Dinge davon hoͤren.

Das vierzehnte Capitel.

Von natuͤrlichen Dingen, zur Ver - mehrung nuͤtzlicher Erkenntniß.

Ihr wißt, lieben Kinder! daß Gott alles, was iſt, geſchaffen hat, oder, daß Gott die erſte Urſach aller Dinge iſt.

Der Himmel und die Erde erzaͤhlen uns Wunder von ihrem Schoͤpfer.

Dadurch, daß die Menſchen ihren Ver - ſtand zu nuͤtzlichen Dingen angewendet haben, wißen wir: daß die Sonne ſehr viel groͤſ - ſer iſt, als ſie uns ſcheint, weil ſie ſehr weit von uns entfernt iſt. Ihr wißt aber, daß in der Entfernung, große Dinge in unſern Augen, klein ſcheinen. Sie hat ſo viel Licht und Waͤrme in ſich, daß ſie uns erwaͤrmenund111und erleuchten kann, ob ſie gleich ſo weit abſteht. Nach der Sonne berechnen wir un - ſre Tage.

Der Mond iſt, an und fuͤr ſich, dunkel, wird aber von der Sonne beſchienen; und da dieſes, wegen ſeiner verſchiednen Stellung gegen die Sonne, und die Erde, nicht im - mer gleich iſt, ſo hat er auch bald mehr, bald weniger Licht. Nach dem Monde wer - den die Wochen berechnet.

Die Sterne ſind theils Sonnen, theils Monde. Es iſt euch unglaublich, lieben Kin - der, und doch, durch richtige Berechnung, wahr, wie groß dieſe verſchiednen Himmels - koͤrper ſind; wie viel ihrer an der Zahl ſind, und welchen Raum ſie einnehmen.

Denkt alſo, ſo oft ihr den geſtirnten Him - mel ſeht, an die unbeſchreibliche Macht eu - res Gottes, der alle dieſe Dinge gemacht hat; an Seine Weisheit, nach der Er, alle dieſe ungemein großen Koͤrper, in Bewegung geſetzt hat, und in Ordnung erhaͤlt. Denn alle dieſe Koͤrper bewegen ſich um einander, nach richtigen Verhaͤltnißen, das iſt: Welche zuſammen gehoͤren, die ſchicken ſich auch zu einander. Diejenigen, zu denen unſre Erde gehoͤrt, ſind ſo eingerichtet, daß, nach der goͤttlichen Verheißung, nicht aufhoͤrt, Som -mer112mer und Winter, Kaͤlte und Waͤrme; daß Saatzeit und Erndte erfolgen kann; daß, wenn viel Arbeit iſt, lange Tage, und wenn weniger Arbeit iſt, kurze Tage ſind. Das Licht der Sonne iſt ſo gemaͤßigt, daß wir Menſchen ſowohl, als die Thiere, dabey ſehen koͤnnen.

Der Menſch iſt von Gott wunderbar be - reitet; das Auge zum Sehen, das Ohr zum Hoͤren; die Haut iſt mit empfindlichen Ner - ven verſehen, zum Empfinden. Die Augen ſtehen vorne im Geſicht, damit der Menſch, von weiten gewahr werden koͤnne, was vor ihm iſt; den Kopf aber kann er drehen, um nach allen Richtungen hinzuſehen. Im Au - ge mahlt ſich das Bild einer jeden Sache. Die Ohren ſtehen an jeder Seite, um durch jedes Geraͤuſch, den Menſchen aufmerkſam zu machen; Im Ohr prellt der Schall, das iſt, die auf verſchiedne Art bewegte Luft, ge - gen ein Haͤutchen an, das die Trommel heißt. Die Nerven ſind allenthalben in der Haut verbreitet um jede Beruͤhrung zu empfinden und durch eben dieſe Nerven entſteht in der Naſe der Geruch, und im Munde der Geſchmack. Durch den Mund nehmen wir die Speiſe zu uns, und nachdem wir die Speiſe mit den Zaͤh - nen zerkauet, und mit der Feuchtigkeit im Munde, zum Hinunterſchlucken tuͤchtig ge -macht113macht haben, ſo empfaͤngt ſie, durch den Hals, der Magen. Im Leibe ſind, uͤber dieß, das Herz, welches das Blut allent - halben herumtreibt, die Leber, welche das Grobe in dem Blute von dem Feinen ſchei - det; und die Lunge, welche, wie ein Blaſe - balg, die innerliche Hitze abkuͤhlet. Außer dem ſind noch, die Galle, welche die Spei - ſen im Magen aufloͤſen hilft, dle Milz und die Nieren, welche die untauglichen Feuch - tigkeiten abfuͤhren, bis endlich das, was der Koͤrper von den Speiſen nicht braucht, durch die gewoͤhnlichen Wege ſeinen Ausgang nimmt.

Seht, lieben Kinder, wie wunderbarlich iſt dieß alles eingerichtet! Die Erde, zu denen Himmels-Koͤrpern, die zu ihr gehoͤren; der Menſch, zu der Erde, die er bewohnet; ſei - ne Gliedmaßen, zu der Ernaͤhrung durch Speiſen; und die Speiſen, zur Verdauung durch dieſe Gliedmaßen! Dieſes Verhaͤltniß zeugt allein von der großen Weisheit des Schoͤpfers; und heißt uns Ihn in Demuth anbeten.

Die Haͤnde und Fuͤße ſind ebenfalls ſo genau, zu allen menſchlichen Verrichtungen geſchickt. Durch die Haͤnde koͤnnen wir uͤber die Thiere herrſchen, und uns allesHdas114das Noͤthige verſchaffen, oder verfertigen; durch die Fuͤße, uns von einem Orte zum andern bewegen.

So oft ihr eure Glieder anſeht, lieben Kinder, ſo dankt dem Schoͤpfer, der euch ſo herrlich bereitet hat. Und da ihr ſowohl als alle eure Glieder, Gottes Eigenthum ſeyd, ſo huͤtet euch, daß ihr eure Glieder nicht zur Suͤnde gebraucht, ſondern wendet ſie, durch rechtmaͤßigen Gebrauch, zur Ehre Gottes an.

Die Thiere, deren eine unzaͤhlbare Men - ge, groß und klein, auf der Erde, oder im Waſſer leben, ſind zu eurem Nutzen da. Ihr duͤrft ſie toͤdten, aber huͤtet euch, daß ihr ſie nicht unnoͤthig martert. Der Ge - rechte erbarmet ſich auch ſeines Viehes, ſagt die Bibel. Ich weiß gewiß, daß es euch ſchaͤdlich iſt, wenn ihr unbarmherzig mit den Thieren umgeht. Die boͤſen Kinder pflegen im Fruͤhling und Sommer die Vo - gelneſter zu zerſtoͤren; Laßt das nicht von euch geſagt werden. Die Voͤgel ſingen euch ihren Geſang, und die meiſten darunter ſchaffen die Raupen und anderes Gewuͤrme weg, die Fruͤchten und Menſchen ſchaͤdlich werden koͤnnten, wenn ſie ſich zu ſehr ver - mehrten. In allen Theilen der Welt giebt es andre Thiere. In den warmen Laͤndernandre115andre, als in den kalten. Einige Voͤgel fliegen auch, wenn der Sommer aufhoͤrt, nach ſolchen Laͤndern hin, wo es waͤrmer iſt, als hier. Denn, lieben Kinder! Die Erde, oder der Himmelskoͤrper, den wir be - wohnen, wird in vier Haupttheile eingetheilt: Europa, ſo heißt der Theil, in dem wir woh - nen. Aſia, darinn liegt das gelobte Land, oder Judaͤa. Afrika, darinn liegt Egypten, von woher, Gott die Kinder Iſrael wunder - bar, nach dem verheißenen Lande fuͤhrte. Und Amerika, dieſer letzte Theil liegt uͤber die See, und iſt vor nun bald 300 Jah - ren, von einem Seefahrer entdeckt, der Co - lumbus hieß. Es giebt noch viel Land, was nicht ganz entdeckt iſt. Was nun nicht Land iſt, das iſt Waſſer. Alles zu - ſammen aber, iſt eine mehrentheils runde Kugel. Und die Luft haͤlt alles zuſammen, weil ſie die Erde umgiebt.

Ihr werdet erſtaunen, wenn ich euch ſage, daß es Leute giebt, die uns die Fuͤße zukehren. Hier iſt die Abbildung der Erdkugel: ſtellet euch vor, daß hier eine Fliege kroͤche, und da unten auch eine, ſo werdet ihres einigermaßen begreifen.

Die Gewaͤchſe ſind eben auch verſchieden, ſo wie die Farben der Haut, an den verſchiedenen Menſchen, die die Erde bewohnen.

H 2In116

In den waͤrmeru Laͤndern wachſen andre Fruͤchte, Baͤume und Kraͤuter, ſo wie es andre Thiere, und anders ausſehende Menſchen giebt. Es iſt erſtaunlich, lieben Kinder, daß aus einem ſo kleinen Korne, ſo große, und in einem Erdboden ſo verſchiedene Gewaͤchſe wachſen koͤnnen. Vor allen Dingen aber muͤßen wir Gott preiſen, daß Er das Korn zur Haupterhaltung und Nahrung des Men - ſchen, geſchaffen hat; es, als Saat, unter Froſt und Schnee nicht verderben laͤßt, und daß daraus eine Speiſe werden kann, die wir Brodt nennen, und die man alle Tage leiden kann. Die allerwenigſten Gerichte, lieben Kinder, ſind von der Art, und wenn es die allerkoſtbarſten waͤren, daß der Menſch ſie alle Tage vertragen kann: Aber Brodt kann er alle Tage eßen, und es bekommt ihm wohl. Haltet daher das Dankgebet vor und nach Tiſche, fuͤr eure Schuldigkeit; und weil der Brodtmangel die groͤßte Landesnoth iſt, ſo bittet Gott, daß Er euch mit taͤglichem Brodte ſegnen, und vor der Geringſchaͤtzung Seiner Gaben behuͤten wolle.

In der Welt hat alles ſeinen Nutzen. Was dem einen ſchadet, das hilft dem an - dern. Der Tod iſt das Ende aller vergaͤng - lichen Dinge: Aber der Tod des einen, dientzur117zur Erhaltung des anderen. Wenn der Baum lange genug getragen hat, ſo ſtirbt er ab; man braucht ihn zu Brenn - oder Bau-Holz, oder macht hoͤlzern Geraͤthe davon. Wenn das Schwein fett iſt, ſo wird es geſchlachtet, und dient den Menſchen zur Speiſe.

Der Tod iſt alſo kein Uebel! denn es iſt das Loos aller erſchaffnen Dinge, daß ſie ſich veraͤndern muͤßen; und der Tod iſt nur eigentlich, eine Veraͤnderung der Geſtalt ei - nes Dinges. Die Raupe ſtirbt, aber es wird ein Schmetterling daraus. Und die Verweſung ſelbſt, oder der Miſt, waͤchſt von neuen, in vielen Geſtalten auf. Nur dem Menſchen iſt der Tod etwas mehrers, weil wir eine Vergeltung unſerer Thaten, ſie ſeyn gut oder boͤſe, nach Gottes Wort glauben. Die nicht gut gelebt haben, fuͤrchten ſich al - ſo vor den Tod. Und weil vor dem Tod ſchmerzliche Krankheiten hergehen, an deren vielen wir Schuld haben, das iſt, die wir hatten vermeiden koͤnnen, wenn wir weiſer geweſen waͤren, ſo iſt uns der Tod auch um deßwillen zuwider.

Von den Mitteln, wie ihr, ſo viel moͤg - lich geſund bleiben koͤnnt, wollen wir im folgenden Capitel handeln.

H 3Das118

Das funfzehnte Capitel.

Von den Mitteln, die Geſundheit zu erhalten; und einige einfache Vor - ſchlaͤge, die verlohrne Geſund - heit wieder herzuſtellen.

Lieben Kinder! wer iſt unter euch, der nicht wiße, wie dem zu muthe ſey, der krank iſt!

Nicht wahr, mein Sohn, wenn man krank werden will, denn thut einem dieß und das wehe, der Kopf iſt traͤge; man hat em - pfindliche Hitze oder Froſt? Seht! wenn man alles dieſes nicht fuͤhlt, munter und froh iſt, denn iſt man geſund. Wie ihr wißt, ſo beſteht der Koͤrper des Menſchen aus vie - len Theilen, und keine Uhr iſt ſo kuͤnſtlich eingerichtet, als eben dieſe Theile zu einan - der eingerichtet ſind.

Bey euch, in eurem arbeitſamen Berufe, wird es wohl hauptſaͤchlich auf 4 feindſee - lige Dinge ankommen, wodurch die meiſten in Krankheit verfallen.

Zum erſten iſt Erhitzung. Seht, lieben Kinder! wenn ihr ſpielt, oder wenn ihr er -wach -119wachſen arbeiten werdet, ſo kann es nicht fehlen, daß ihr nicht warm werden ſolltet. Dieſes nun wuͤrde euch wenig ſchaden, wenn ihr nicht oft, den daraus entſtehenden Durſt zu ſtillen, kaltes Getraͤnke zu euch naͤhmet. Hiervor huͤtet euch ſorgfaͤltig, denn dadurch, daß ihr euch innerlich ſo ploͤtzlich abkuͤhlet, entſteht eine Verhaͤrtung an Lunge und Le - ber, die ſich in Geſchwuͤre und Auszehrung, bald aber mit dem Tode, endigt. Wartet alſo eine Zeitlang, brockt Brodt ins Getraͤnk, laßt es weichen, und eßet es allmaͤhlig; ſo wird euch der Durſt vergehen, und ihr er - haltet eure Geſundheit.

Die zweyte Feindinn eurer Geſundheit, iſt Erkaͤltung. Kuͤhle Tage und Abende im Sommer nach heißen Tagen; das Liegen auf der kuͤhlen Erde nach Erhitzungen; die ungebuͤhrlich heißen Stuben im Winter, in denen man doch nicht ſtets bleiben kann, das ſind ohngefehr die gewoͤhnlichſten Urſa - chen der Erkaͤltung.

Seht, lieben Kinder! ein jeder Menſch muß beſtaͤndig durch die Haut eine feine Feuchtigkeit wegduͤnſten. Wenn ſie Schweiß wird, durch heftige Bewegung, denn kann man ſie ſehen und fuͤhlen. So lange Waͤr - me genung in der aͤußern Haut iſt, ſind dieH 4Schweiß -120Schweißloͤcher offen; ſo bald aber eine Er - kaͤltung die Haut betrifft, wird der Schweiß in den Schweißloͤchern zaͤhe, und gerinnt. Alsdenn koͤnnen die feinen Feuchtigkeiten nicht mehr durchdringen; ſie ſtocken, und haͤufen ſich; im Blute ſind ſie nichts nutze, denn davon ſind ſie ſchon einmal abgeſchie - den worden. Denn entſtehet Traͤgheit in den Gliedern, Huſten und Schnupfen, Zahn - ſchmerzen und andre Plagen; oft aber Schlagfluͤße, und ein ploͤtzlicher Tod. Wenn ihr alſo, in der Erndte, oder ſonſt, warm geworden, ſo zieht mehr Kleidung uͤber den Leib; ſetzt euch nicht warm auf die kuͤhle Erde; hitzt im Winter, nicht zur Ungebuͤhr eure Stuben. So werdet ihr manchem ſchweren Anſtoß entgehen.

Der dritte und gewoͤhnlichſte Fehler iſt, die Uebermaaß in Eßen und Trinken, oder Ueberladung des Magens. Lieben Kin - der! wenn ihr groͤßer werdet, ſo werdet ihr viel Leute ſehen, die da eßen, als aͤßen ſie nur einmal in ihrem Leben, und die nicht eher aufhoͤren zu trinken, als bis ſie ohne Verſtand hinfallen. Verabſcheuet ſolche! Huͤ - tet euch vor Uebermaaß in den Nahrungs - mitteln, ſie kommen euch nicht zu gute. Der Magen giebt die meiſten unverdauet von ſich,und121und ihr habt alſo die edle Gabe, davon ein Nothleidender haͤtte koͤnnen ſatt werden, verderbet. Ueberdem ſchadet euch der Ueber - fluß; euer Magen kann das nicht recht ver - dauen; er druͤckt und ſchmerzt Kopfweh, unruhiger Schlaf, und ein Eckel vor dem Eßen, ſind die Wirkungen davon. Wenn ihr alſo ſatt ſeyd, ſo hoͤrt auf zu eßen. Als - denn werdet ihr ſtets, mit Dankbarkeit, die Gabe Gottes anſehen, und genießen koͤnnen.

Der vierte Feind der Geſundheit bey euch, iſt der Gram und Kummer des Gemuͤths. Wenn Aergerniß und Nahrungsſorgen, den Menſchen quaͤlen und nagen, ſo wird er un - muthsvoll, und verdroßen zu Allem: Und weil, ſo lange der Menſch lebet, Koͤrper und Seele genau verbunden ſind; ſo leidet der Koͤrper mit, wenn die Seele ſich graͤmt.

Daraus kann Raſerey, und die unſeelige Narrheit entſtehen, daß ein Menſch Hand an ſich ſelbſt legt, und ſich toͤdtet, weil er den Verdruß nicht laͤnger ertragen mag.

Gottesfurcht, aus welcher wahre Weis - heit in allen Dingen entſpringt, kann euch, lieben Kinder, am ſicherſten vor Gram und Kummer bewahren. Wenn ihr das Eure thut, ſo wird Gott ſchon das Seine thun. Ihr ſollt nicht ſorgen, wie die, die von GottH 5nichts122nichts wißen, ſagt die Bibel. Alle eure Sorgen werft auf Ihn, denn Er ſorgt fuͤr euch. Vielmehr freuet euch allewege der Gnaden und Wohlthaten Gottes, und weh - ret damit der Traurigkeit uͤber irrdiſche Din - ge, welche, wie ihr nun wißt, den Tod bringet.

Aber, es iſt damit nicht geſagt, lieben Kinder, daß ihr gar nicht ſolltet krank wer - den koͤnnen. Man kann in Umſtaͤnde kom - men, wo man nicht Herr uͤber alles iſt, was geſchieht: Durch Anſteckung von an - dern kann man krank und auch, ohne Schuld, verwundet werden.

Ich will euch alſo aufrichtig wohlfeile Mittel, und eine Verfahrensart bey euern Krankheiten rathen, die euch nuͤtzlich ſeyn wird; zuvoͤrderſt euch aber mit gewißen Kenn - zeichen der Krankheiten bekannt machen, ſo daß ihr, wenn ihr keinen Arzt haben koͤnnt, (denn ſonſt iſt es eure Pflicht, ſeines Raths euch zu bedienen,) euch zur Noth, wo nicht helfen koͤnnt, doch nicht ſchadet.

Wenn ihr Ziehen in den Gliedern, Kopf - weh, bald Froſt, bald Hitze, habt, ſo habt ihr ein Flußfieber. Alsdenn trinkt kein an - der Getraͤnk, als eine Handvoll rein gewa - ſchene Gerſte, auf Ein Maaß Waſſer gekocht,bis123bis die Gerſte platzt, und denn in jedes Maaß davon, wenn es laulicht, Einen Loͤffel Weineßig gethan. Hiervon trinkt, je mehr, je beßer. Eßet nichts, als bis ihr wieder rechten Hunger habt, und denn doch maͤßig, und haltet euch maͤßig warm, daß ihr ſchwi - tzet.

Wenn die Kinder die Pocken noch nicht gehabt, und krank werden, ſo iſt dieſes Ge - traͤnk unvergleichlich. Wird der Hals, bey Pocken, Maſern ꝛc. ſchlimm, ſo thut Einen Loͤffel Honig in vier Loͤffel Eßig, und gebt dem Kranken alle Viertelſtunde eine Meßer - ſpitze voll davon. So bald ſie aber krank werden, ſo laßt alt und jung, mit einem Brech - und Purgiermittel, dergleichen etliche ein jeder Hausvater im Hauſe haben muß, den Leib reinigen. Macht denn die Stube nicht ſehr heiß; deckt den Kranken nicht heiß zu; und laßt ihn ſehr duͤnne Habergruͤtze trinken: Ihr werdet euch uͤber die Beßerung vieler freuen.

Ein Dreytaͤgiges Fieber, (das iſt, wo ein guter Tag, zwiſchen zwey Fiebertagen iſt) hat Kaͤlte, und denn Hitze. Wenn ihr es Einmal gehabt habt, ſo nehmt ein Brech - und Purgiermittel ein, denn gewoͤhnlich ha - ben dieſe Fieber ihren Sitz im Magen oderGe -124Gedaͤrmen,) hilft dieß nicht, ſo iſt es Zeit, den Arzt zu fragen.

Ein Viertaͤgiges Fieber iſt, wo zwiſchen zwey Fiebertagen, zwey gute Tage ſiud. Bey dem Viertaͤgigen und taͤglichen Fieber ſowohl, als bey dem, welches in einen fort mit Hitze anhaͤlt, und daher hitziges Fieber genennt wird, muß ſogleich der Arzt gefragt werden. Das Getraͤnk, wie oben, aber ſchadet nicht, ſo wenig, als die Verordnung, die Kranken nicht mit Hitze zu quaͤlen.

Die Ruhr, welche gewoͤhnlich die rothe Ruhr heißt, entſteht gemeiniglich von Ver - kaͤltung, und iſt mit heftigen Leibſchmerzen begleitet; es geht Gebluͤt durch den Stuhl - gang ab; und muß in Zeiten bey dem Arzt, Huͤlfe geſucht werden. Im Anfang ein Brech - und Purgiermittel, iſt ſehr noͤthig, ſonderlich, wenn ſich eine Beaͤngſtigung und Druͤcken in der Herzgrube aͤußert. Das Ge - traͤnk iſt duͤnne Habergruͤtze, ſo viel als moͤg - lich, und Kliſtiere von laulichten Waſſer, wo - zu ein paar Loͤffel Leinoͤhl gethan werden. Das beſte Purgier-Mittel vor die Ruhr, wird in der Apotheke aus Tamarinden zubereitet, und kann oͤfter, als einmal, gebraucht werden.

Wenn faule Fieber, das iſt, ſolche, die dem Patienten gleich Anfangs alle Kraͤfte be -neh -125nehmen, ſich aͤußern; ſo iſt der Trank von Gerſte, mit etwas Weineßig ſaͤuerlich ge - macht, anzurathen; aber die Huͤlfe eines Arztes ſehr bald noͤthig.

Das Hauptſaͤchlichſte bey allen Krankhei - ten, iſt, daß der Kranke nicht in einer dum - pfigen Stube gehalten werde; ſondern daß man, in der Mittagsſtunde, die Fenſter alle Tage oͤffne, den Kranken ſo lange wohl zudecke, und auf die Art, die Luft in der Stube rei - nige, daß man die Duͤnſte heraus, und rei - ne Luft herein, laße.

Vor Quetſchungen iſt, kalt Waſſer mit Eßig oft aufgelegt, das Beſte; vor Wunden aber, mit Lappen, in kalt Waſſer getaucht, alle Tage zweymal verbunden, und die Ma - terie ausgewaſchen, ſo heilen ſie ohne Pfla - ſter. Wenn Hitze in eine Wunde kommt, welches aber bey dieſem Verfahren nicht leicht geſchieht, ſo ſind die Blaͤtter von Weg - breit aufgelegt, ſehr gut; im Winter aber, da man dieſe nicht haben kann, Sauerteig zwiſchen zwey Lappen gethan, und aufgelegt.

Wenn ein Geſchwuͤr ſich zuſammen zieht, und ſich nicht zertheilen will, (welches ſonſt mit warmen trocknen Kraͤuterſaͤcken, von Camillenblumen, zu helfen iſt,) ſo kocht man Leinſamen in Milch, und ſchlaͤgt es zwiſchenzwey126zwey Lappen, ſo warm man es an der Ba - cke leiden kann, oft auf. Iſt Materie im Geſchwuͤr, welches an der Weiche deſſelben und am Pochen in demſelben zu ſpuͤren iſt, ſo laͤßt man es mit einer Fliete aufmachen; wenn die Materie herausgelaufen, ſo iſt auch Linderung da.

Vor allen Dingen aber wartet nicht mit dem Gebrauch aller Mittel, bis zum dritten oder vierten Tage der Krankheit; ſondern gleich im Anfange, wenn noch Kraͤfte da ſind, kommt der Natur in Zeiten zu Huͤlfe, da - durch, daß ihr die Haupturſache der Krank - heit, nemlich den angehaͤuften Unrath im Magen oder Gedaͤrmen, durch Brechen und Purgieren wegſchaffet; oder bey Erwachſenen, wenn viel Hitze da iſt, die Vollbluͤtigkeit, durch Weglaßung eines gehoͤrigen Theils des Blutes, vermindert; und huͤtet euch, als vor Gift, vor allen hitzigen Mitteln, die von Un - wißenden gerathen werden; denn ſie ſchaden euch ſicherlich, und es waͤre ein Mord, den ihr an eurem eigenen Leben begienget, wenn ihr hierinn leichtſinnig verfahren wolltet.

Das127

Das ſechzehnte Capitel.

Von der Landwirthſchaft, als einem Berufe, und Grundſaͤtze, worauf es bey allen Arten der Landwirth - ſchaft ankommt.

Ein Stand, den man nicht ſelbſt erwaͤhlet, heißt ein Beruf, oder als wenn man ſagte: Gott hat mich, ohne mein Zuthun, in dieſen Stand durch Mittel und Wege, die Ihm allein bekannt, gefuͤhret: Alſo will ich ge - troſt, auf dieſem mir von Gott gewieſenen Wege, fortgehen, und Seines Schutzes und See - gens gewaͤrtigen. Solch ein Stand iſt der Eu - rige, lieben Kinder! Ihr habt ihn nicht ſelbſt gewaͤhlt, und ſehr viel Urſachen ver - hindern es, daß ihr ihn nicht, gegen einen hoͤhern, vertauſchen koͤnnt. Ihr thaͤtet aber auch Unrecht, lieben Kinder, wenn ihr euch euern Stand nicht gefallen ließet. Sehr vieles von ſeinen Muͤhſeeligkeiten koͤnnt ihr vermindern, ſowohl durch Weisheit, Arbeit - ſamkeit, Treue, Gehorſam, Beſcheidenheit uͤberhaupt, als auch durch Erlangung aller - ley nuͤtzlicher Erkenntniße, in der Landwirth - ſchaft, als euerm Berufe. Die erſten Stuͤ - cke ſind Tugenden, die alle Staͤnde zierenwuͤr -128wuͤrden, und alſo auch eure Pflichten aus - machen; dieß letzte Stuͤck aber iſt von ſol - cher Wichtigkeit, daß wir es, in dieſem Ca - pitel, beſonders betrachten wollen.

Wenn irgend ein Stand der Geſellſchaft nuͤtzlich, ja unentbehrlich iſt, ſo iſt es der Stand der Ackerleute oder Bauern; und es iſt außerordentlich wichtig fuͤr euch, meine Freunde, die ihr zur Landwirthſchaft ſowohl, als zu der damit verknuͤpften Hauswirth - ſchaft, geboren ſeyd, daß ihr lernt und wißt, was eigentlich von euch gefordert wird.

Ein rechtſchaffner Landwirth, Ackersmann oder Bauer, Koßaͤte oder Halbhuͤfner, Tag - loͤhner oder Haͤusler, muß viel Erkentniſſe beſitzen Ihr werdet euch wundern, lieben Kinder, daß ich hier auch die Tagloͤhner oder Haͤusler mitrechne. Da aber ſehr oft ein Tagloͤhner, durch Heyrath oder Verguͤnſtigung ſeiner Herrſchaft, ſelbſt eine Ackerwirthſchaft be - koͤmmt, oder doch als Knecht oder Meyer, andern in ſolcher Ackerwirthſchaft dient; ſo ſchadet es ihm nicht, ſo viel Erkenntniſſe, als noͤthig, davon zu haben, und in dieſer Schu - le, wo die Kinder gleichen Unterricht genieſ - ſen, dazu angewieſen zu werden.

Der129

Der Kornbau, von allen Arten iſt nun die Hauptſache des Ackerbaues. Das Korn wird in die Erde geſaͤet, nachdem vorher uͤberdacht iſt, in welchen Erdboden ſich ei - ne jede Art Korn am beſten ſchicke. Wei - tzen iſt das theuerſte von allen Korn, aber deßwegen nicht das nuͤtzlichſte, und erfor - dert ſehr guten Boden, viel Duͤnger oder Miſt, und oͤfteres Pfluͤgen und Eggen, das iſt Lockermachen des Ackers, und Reinigung vom Unkraut, vornemlich von Quecken oder Paͤden. Von dem Weitzen wird Semmel und Kuchen gebacken, auch Bier gebrauet. Warum der Weitzen nicht das nuͤtzlichſte Getreyde iſt, werdet ihr gleich, bey dem Rocken hoͤren.

Rocken iſt nicht voͤllig ſo theuer im Verkauf, als Weitzen, aber doch weit nuͤtz - licher, weil erſtlich aus ihm, wenn er zu Mehl gemahlen iſt, unſere hauptſaͤchlichſte und unentbehrlichſte Nahrung, das Brodt, gebacken wird, da wir doch Semmel und Kuchen entbehren koͤnnen; ferner, der Ro - cken auf allerley Erdboden, gemeiniglich waͤchſt, alſo nicht ſo gut Land noͤthig hat, als der Weitzen, auch einer ſo muͤhſamen Bearbei - tung und Reinigung des Landes, als der Weitzen, nicht bedarf, ob er ſie gleich ohneIScha -130Schaden vertraͤgt, und endlich ſein Stroh und ſeine Abgaͤnge, (Aehr - Futter, Kaff) ein viel beßeres Futter fuͤrs Vieh, geben, als vom Weitzen. Dieſe beyden Arten Korn pflegt man Wintergetreyde zu nennen. Die folgenden ſind Sommergewaͤchſe.

Gerſte, die zum Bierbrauen unter andern pflegt gebraucht zu werden, und gewoͤhnlich weniger gilt, als der Rocken. Von der Gerſte hat man vielerley Sorten; Große oder Zweyreihigte, weil an der Aehre zwey Reihen Koͤrner ſitzen; und Kleine oder Vier - reihigte, weil vier Reihen Koͤrner an jeder Aehre ſind. Außerdem hat man auch Win - tergerſte, die an wenig Orten uͤblich, und ſehr gut Land erfordert. Die Gerſte uͤber - haupt, will guten, geduͤngten Erdboden, der weder zu naß noch zu trocken iſt, haben, und erfordert eine fleißige Bearbeitung, durch Pflug und Egge.

Haber, dieſes Getreyde iſt gewoͤhnlich das wohlfeilſte unter allen Arten Getreyde; nimmt mit dem ſchlechteſten Lande, und mit der we - nigſten Bearbeitung, vorlieb. Es giebt aber beßern und glatten Haber, wenn man ihn in gutes und wohlbeackertes Feld ſaͤet, ſonſt artet er bald aus, und wird rauh. Neben ſei - nem Gebrauch, bey gewißen Arten von Bier,und131und zu Gruͤtze, iſt er das gewoͤhnlichſte Pferd futter.

Sommerrocken, wird auf ſolch Land geſaͤet, wo der Haber nicht recht wachſen will. Er zehret aber das Land noch mehr aus als der Haber.

Lieben Kinder! im Erdboden ſind ge - wiße naͤhrende Theile, fuͤr jede Art Pflanzen, doch in manchem Erdboden, fuͤr die eine Pflanze mehr, als fuͤr die andre, daher ent - ſtehen die Redensarten: Dieſer Fleck Acker traͤgt nicht gut Winterkorn; der nicht gut Sommerkorn, das Korn hat keine Art ꝛc. Wenn ich nun oft einerley Getreydeart, auf einen Fleck ſaͤe, ſo erſchoͤpft ſich der Vor - rath von naͤhrenden Theilen, fuͤr dieſe Art Samen, und er waͤchſt ſchlecht; und daher ſind die drey Felder entſtanden, als Winter - feld, Sommerfeld, und Brache: denn durch die Abwechſelung mit Getreydearten, kann das Feld immer tragbar bleiben, und die Brache iſt die Zeit der Ruhe. Waͤhrend der Brachezeit ſammlet der Acker wieder Fruchtbarkeit und naͤhrende Theile, und kann ſein Gewaͤchs geben.

Dieſe Kenntniße ſind dem Landwirth von beſondrer Wichtigkeit.

I 2Erb -132

Erbſen und Bohnen ſind Schotenfruͤchte, das iſt, ihre Koͤrner liegen in Schoten; ſie ſind oft dem Weitzen an Preiſe gleich; ſie brauchen gutes und lockeres Land, und pfle - gen in die Brache geſaͤet zu werden.

Buchweitzen pflegt mit der Gerſte[wohl] an Preiſe gleich zu ſeyn, und vertraͤgt ſchlech - tes hohes Land. Die Naͤße und das Wet - terleuchten ſind ihm ſehr zuwider. Man hat gewoͤhnlich den beſten Nutzen von dieſem Getreyde, wenn man Land damit beſaͤet, welches in langer Zeit nicht geackert wor - den. Zu Gruͤtze wird er am meiſten ge - braucht.

Hirſe und Mohn ſind ſehr unterſchieden, denn die Hirſe giebt Mehl, und der Mohn Oehl: Sie werden gewoͤhnlich in die Brache, in gegrabenes Land geſaͤet; wohin man auch Lein, (woraus das Flachs wird,) gelbe Ruͤ - ben, weiße Ruͤben, und Erdtoffeln zu brin - gen pflegt, um ſie doch einiger maßen zu nutzen.

Ihr ſeht alſo, lieben Kinder, daß es vie - lerley Arten Getreyde und Erdfruͤchte giebt, die auf dem Acker gewonnen werden. Ich habe nur die gewoͤhnlichſten genannt; denn jedes Land hat deren noch mehrere. Weiſ - ſer und brauner Kohl, oder Kopfkohl undBlaͤt -133Blaͤtterkohl, rothe Ruͤben, Waſſerruͤben oder Knollen, Kichererbſen und Linſen, Fuchs - ſchwanz, (eine Art Hirſe,) und Manna, (ein kleines Geſaͤme, welches wohlſchmeckt) auch Faͤrbekraͤuter und Toback, werden an andern Orten, auch auf dem Acker gebauet; und koͤnnten vielleicht auch hier mit Nutzen ge - bauet werden, wenn es verſucht wuͤrde.

Alles dieſes iſt angefuͤhrt worden, damit ihr einſehen lernt, mit wie viel nuͤtzlichen Dingen ſich der Ackerbau beſchaͤftigen koͤnne. Dieß iſt es aber noch nicht alles. An ſol - chen Oertern, wo die Huͤtung oder Vieh - weyde nicht uͤberfluͤßig iſt, oder wo man ſo klug geweſen, die Huͤtung, als Wieſen, zu nutzen, und Acker genung oder ſolchen hat, der ſich dazu ſchickt; da hat man auch auf dem Acker, kuͤnſtliche Wieſen gemacht. Ich will euch von vielen Futterkraͤutern, nur den rothen Hollaͤndiſchen Kleeſaamen nennen, weil er der nutzbarſte iſt: Den hat man auf den Acker, der wohl geduͤngt und gepfluͤgt ward, geſaͤet und untergeegget, welcher vie - le Jahre dauert, und im zweyten Jahr et - liche mal kann abgemaͤht werden. Hiermit hat man die Kuͤhe auf dem Stall, im Som - mer, mit Gras oder Heu vermengt, gefut - tert, und außer dem Duͤnger, der nicht aufI 3der134der Weide verſchleppt wurde, ſo viel erhal - ten, daß vier Kuͤhe ſo viel Milch gaben, als vorher, (da das Vieh ausgetrieben wurde,) zehn Kuͤhe.

Nach dieſem Vorberichte, von dem, wo - mit ſich der Ackerbau beſchaͤftigt, wollen wir weiter gehen, lieben Kinder, und ſehen, was denn nun eigentlich der Landwirth da - bey thun muͤße.

Erſtlich. Er muß, ſo oft er kann, Miſt oder Duͤnger in ſeinen Acker bringen. Der Miſt macht das Land fruchtbar, durch die Fettigkeit, die er in ſich hat. Denn ihr wißt, lieben Kinder, daß der Miſt warm iſt, und einen Geruch von ſich giebt; nun, je ſtaͤrcker er riecht, je fetter iſt auch der Miſt. Dieſer Geruch entſtehet, aus dem Oehl und Salz, welches er in ſich hat; wenn dieß mit der Erde ſich vermengt, ſo klebt es der Er - de an, und die Erde wird warm und frucht - bar.

Ihr ſeht nun von ſelbſt ein, lieben Kin - der, wie thoͤricht es iſt, wenn man

  • a) Den Miſt nur auf den Acker faͤhret, und auswendig herum ſtreuet, aber nicht bald in die Erde bringet: Denn da verraucht der Miſt, das iſt, ſein Geruch oder die kleinſten Theile, worinneigent -135eigentlich die rechte Fruchtbarkeit ſteckt, verfliegen in die Luft.
  • b) Wenn man Stroh, das noch nicht recht verfault, und mit dem Urin und Miſt der Thiere ſich verbunden hat, fuͤr rechten Miſt haͤlt, und damit den Acker betruͤgt.
  • c) Zu wenig Miſt auf den Acker faͤhrt, um mit dem vorraͤthigen Miſte, deſto weiter zu langen: Denn da wird nir - gends eine rechte Verbeßerung ge - ſtiftet.

Zweytens. Der Landwirth muß zu rech - ter Zeit pfluͤgen, das heißt, den Acker locker machen, damit das Unkraut Zeit zu verſto - cken oder zu verweſen habe, welches durch den Pflug abgeſchnitten, und unter der Fah - re liegt. Alſo, der Landwirth muß, wenn er dreymal zum Winterkorn pfluͤgen will, in Zeiten Brache pfluͤgen, damit er bey der zweyten Pflugart, die darum Wendfahre heißt, nicht das Kraut wieder oben bringt, welches, weil es nicht Zeit gehabt, zu ver - ſtocken, noch lebendig waͤre, und bald wieder anwachſen wuͤrde. Hat er zur rech en Zeit Brache gepfluͤgt, ſo wird er auch zur rechten Zeit zur Saat pfluͤgen koͤnnen, denn er kann bald nach der Wendfahre zur Saat pfluͤgen,I 4weil136weil das Land locker genung ſeyn wird. Das Sprichwort: Je mehr Fahren, je mehr Ahren, iſt wahr; nur hat nicht ein jeder Zeit, mehr als drey Pflugarten zur Winterſaat, vorzunehmen, wer aber kann, hut wohl daran.

Drittens. Er muß auch tief genung pfluͤgen, wenn es der Erdboden zulaͤßt. Es iſt ein ſchaͤdlicher Fehler bey der Acker-Wirth - ſchaft, wenn man nur ſo oben hin, dem Lande die Haut abſchindet. Die Urſachen, ieben Kinder, ſollt ihr gleich begreifen.

  • a) Wird, durchs flache Pfluͤgen, bey dem Brach - und Wendfahrepfluͤgen, kein Un - kraut recht ausgewurzelt, welches doch ſehr wichtig iſt. Denn es iſt bekannt, daß das Unkraut uͤberhaupt ſehr tiefe Wurzeln ſchlaͤgt.
  • b) Kriegt das Korn nicht lockere Erde, oder Krume genung, worinn es ſich recht beſtauden kann. Es iſt alſo dem Verdorren oder Verſcheinen, ſonderlich im leichten Lande, ſehr ausgeſetzt;
  • c) Weil die Wurzel des Korns oben auf liegt, ſo kann der Wind, im leichten Lande, die Wurzel bald bloß wehen. Wenn denn das Korn einmal doch ge - raͤth, ſo giebt es leicht, Lagerkorn, dasheißt,137heißt, das Korn legt ſich um, und wird taub, oder hat wenig Koͤrner in den Aehren. Und die Urſach, warum es ſich umlegt, iſt, weil der Halm nicht tief genung in der Erde ſteckt, alſo von dem Regen und Winde ſchief gedruͤckt wird, und nicht wiederſtehen kann.

Viertens. Der Landwirth muß auch den Acker recht klein und klar eggen. Durch das Eggen wird der Saamen, mit Erde be - deckt, und zugleich allenthalben gleich ver - theilet, damit er fein gleich und ordentlich aufgehen koͤnne, auch werden die Erdkloͤße klein gemacht oder gebrochen; endlich aber, ſo wird das durch den Pflug losgerißne Un - kraut, mit der Egge zuſammen gebracht, daß man es hernach, wenn es trocken, von dem Acker wegfahren oder verbrennen koͤnne. Die Egge muß deßhalb lange Zaͤhne von Eiſen oder Holz haben, und oft geluͤftet (aufgehoben) werden, wenn ſich viel Un - kraut vorgeſetzt hat, weil ſie ſonſt nicht ihre Wirkung thun kann.

Fuͤnftens Der Landwirth muß guten Saamen ausſaͤen, das iſt, ſolch Korn, das nicht multricht oder ſchimmlicht, durch Feuch - tigkeit geworden, welches oft geſchieht, wennI 5man138man Korn naß in die Scheune faͤhrt, oder nicht lange genung im Felde trocknen laͤßt. Er muß, als Saͤemann betrachtet, den Saa - men nicht zu dicke ſaͤen, denn da bleibt der Halm kurz, und die Aehre klein; doch rich - tet ſich dieſes nach Erfahrungen, von der Guͤte des Ackers. In dem beſten Acker pflegt man aber, an Wintergetreyde nicht uͤber anderthalb Scheffel, auf den Morgen von 180 Ruthen, auszuſaͤen. Gar zu duͤnne iſt auch nicht gut; doch wenn eins ſeyn muͤßte, (welches doch nicht iſt, da man die Mittelſtraße halten kann,) ſo wuͤr - de bey duͤnner Ausſaat Vortheil ſeyn: Denn das Korn beſtaudet ſich aus der Wurzel, oder treibt viel Halme, zieht viel Nahrungs - ſaft an ſich, und waͤchſt ſtark und lang.

Weil nun aber der Kornbau, wie ihr ge - hoͤrt habt, nicht leicht mit Nutzen getrieben werden kann, ohne Zugvieh und ohne Duͤn - ger oder Miſt; der Miſt aber von Vieh meiſtens entſteht: So ſeht ihr ſelbſt, lieben Kinder, daß der Landmann auch Vieh hal - ten muͤße. Des Viehes giebt es nun ver - ſchiedene Arten: Rindvieh, Pferde, Schafe, und Schweine, ſind die vornehmſten Arten, von welchen auch der beſte Miſt oder Duͤn - ger fuͤr den Acker geſammlet wird. VomRind -139Rindvieh ſind die Kuͤhe dem Wirthe ſehr nuͤtzlich mit ihrer Milch, denn von ihr wird Butter und Kaͤſe gemacht; auch wird ſie als Milch, verſpeiſet. Der Landwirth thut wohl, wenn er auf ſtarkes Kuhvieh haͤlt, und fuͤr Bullen, oder Rinder, von großer Art, lieber mehr giebt, als ſich mit kleinen, wohlfeiler behilft. Der Nutzen iſt ungemein. Groß Rindvieh bringt auf alle Weiſe, mehr ein, und koſtet nicht mehr zu erhalten, als kleines.

Die Ochſen ſind das nuͤtzlichſte und beſte Spannvieh; ſie ſind wohlfeiler zu erhalten im Futter, als die Pferde; ziehen gut im Wagen und Pflug, zur Noth auch in der Egge; und wenn ſie alt ſind, gelten ſie, beym Schlaͤchter, mehr, als da ſie jung wa - ren, welches letztere bey den Pferden ſchon nicht zutrift. Auch iſt ihr Duͤnger beßer, als der von Pferden. Es iſt daher eine große Thorheit, lieben Kinder, wenn ein Ackersmann gar zu viel Pferde haͤlt, da er mit Ochſen weit leidlicher fertig wuͤrde, und manches erſparen koͤnnte. Die meiſten thun es um des Fuhrwerkes willen, und Lohnfuh - ren zu verdienen. Es iſt aber meiſtentheils das Zeichen eines ſchlechten Wirthes, wenn ſich Jemand mit ſolchen Nebendingen zu vielab -140abgiebt, und die Wirthſchaft geht gemeinig - lich dabey zu Grunde.

In einem Dorfe nahe bey der Stadt, war einmal ein Bauer, der hielt ſich vier ſtarke Pferde, und hatte ein treflich Ackergut. Da kamen die Leute aus der Stadt, haͤufig hin, und handelten mit ihm, daß er Lohnfuhren thun ſollte, ſie boten ihm viel Geld, und er fieng an zu fahren. Dem Knecht gaben ſie Biergeld, und ſchenkten ihm manch Glas Branntewein, daß er geſchwind zufahren ſollte. Dem Knecht gefiel das beßer, als die Acker - arbeit. Wrnn nun noͤthig zu pfluͤgen, zu eggen, Heu zu fahren ꝛc. war, und es kam eine Lohnfuhre, ſo rieth der Knecht immer zu: Der Herr ſollte das ſchoͤne Geld mitnehmen, es wuͤrde wohl Wet - ter bleiben; zum Pfluͤgen waͤre immer Zeit genug ꝛc. Der Herr hatte ſchon auf hun - dert Thaler verdient, und das gefiel ihm: Er ließ ſichs alſo ferner gefallen. Die Pfer - de waren oft uͤberjagt worden, wenn der Knecht zu viel geſoffen hatte, nun ſollten ſie auch noch alle verſaͤumte Ackerarbeit nach - thun. Aber es fiel Regenwetter ein, das Heu verdarb; es kam ein fruͤher Winter, der Acker blieb unbeſaͤet, oder eilig und ſchlecht beſtellt. Als der Winter kam, fielen diePfer -141Pferde alle nacheinander um. Und wollte der Bauer vier andre haben, ſo mußte er zu den mit den Lohnfuhren verdienten hun - dert Thalern, noch funfzig Thaler aus ſeinem Vermoͤgen zulegen, und litt doch noch an der kuͤnftigen Erndte Schaden. Durch Scha - den klug gemacht, ſchafte er den untreuen Knecht ab, und keiner in der Nachbarſchaft wollte ihn wieder annehmen; denn er hatte ſich bey den Lohnfuhren, das Saufen ange - woͤhnt.

Doch Pferde muͤßen zum Hofdienſt, Vor - ſpann ꝛc. von jedem Ackerwirth, dem derglei - chen oblieget, gehalten werden. Aber der kluge Wirth haͤlt deren nur ſo viel, als er noͤthig hat; um nicht in Futtermangel zu ge - rathen, und dem uͤbrigen, viel nuͤtzlichern Vieh, nicht die Nothdurft zu entziehen. Man thut beßer, mittelmaͤßig große, und dabey ſtarke Pferde, zu halten, als ſehr große, oder ſehr kleine; die Mittelſorte thut gemeiniglich die beſten Dienſte, und haͤlt ſich beßer am Leibe, als ſehr große Pferde. Von den klei - nen kann man wenig Arbeit fordern, und koſten doch faſt ſo viel Futter, als ſtarke Mittelpferde.

Wenn der Ackerwirth fleißig iſt, und zu rechter Zeit aufſteht, kann er mit vier Pfer -den142den, oder einem Spann, in Mittellande ganz gemaͤchlich ein Gut vou fuͤnf Hufen Acker, Jahr aus Jahr ein, beſtellen, und noch viel Tage frey behalten. Es verſteht ſich, daß dergleichen Pferde gut gefuttert und gewar - tet werden muͤßen. Acht Pfund gutes Heu, zwey Haufmetzen Haber, zwey Haufmetzen Heckerling, ſind zum taͤglichen Futter fuͤr ein ſolch Arbeitspferd hinlaͤnglich, oder Ahrfutter, und kein Futterkorn. Auf die Wartung aber kommt viel an. Warten heißt ſo viel als pflegen. Ein Pferd braucht ſowohl Pflege, als ein Menſch. Die beſten Mittel, ein Pferd gut zu pfl gen und zu warten, ſind folgende:

    • 1) Geſundes, nicht ſtinkendes Futter, hin - laͤnglich und zur rechten Zeit, und ja nicht, wenn das Pferd warm und erhitzt iſt, ge - geben.
    • 2) Nicht getraͤnkt, wenn das Pferd noch warm iſt, und wo moͤglich, das Waſſer im Winter im Stall etwas ſtehen laßen, daß ihm die groͤßte Kaͤlte vergeht.
    • 3) Alle Tage wenigſtens einmal, das ganze Pferd geſtriegelt, und mit der Kartet - ſche gebuͤrſtet, daß der Staub und freßende Schweiß herunter kommt, und das Pferd ruhig wird, wenn ihm nichts juͤckt und ſchmerzt.
    • 143
    • 4) Im Sommer den Stall kuͤhl, und wegen der Fliegen finſter, im Winter aber warm gehalten, iſt den Pferden ſehr heil - ſam.
    • 5) Unter dem Pferde, wo moͤglich, al - les trocken gehalten, ſonſt werden ihm die Huͤfe weich, und die Fuͤße werden von der Feuchtigkeit ſchadhaft, daß es leicht lahm wird, oder bloͤde geht. Auch dem Pferde, wenn es ruhen ſoll, reines Stroh unter - geſtreut.
    • 6) Vom Pferde in der Arbeit nicht mehr gefordert, als es thun kann Im Sande, Moraſt und bergauf, nicht getrieben, oder ſcharf gefahren. Ein jedes Pferd nach ſei - ner Staͤrke an den Wagen geſpannt; die fleißigſten links, und die, ſo ſich treiben laßen, auf die rechte Hand, weil ſie da beſ - ſer zu treffen ſind.

Die Fohlenzucht iſt gemeiniglich fuͤr den hieſigen Landwirth mit Schaden verknuͤpft. Vor dem vierten Jahre kann ein Fohlen ohne Schaden nicht ſtark gebraucht werden, und denn hat es gewiß mehr gekoſtet, als es werth iſt; oder es iſt wohl gar verbuttet und verdorben. Man thut alſo beßer, auf den Maͤrkten ſich mit guten brauchbaren Pfer - den zu verſehen, und die Muͤhe nebſt demFut -144Futter, an Rindvieh oder Schafen zu wen - den.

Schafe ſind, wegen ihres Duͤngers, Wolle Milch, und Verkaufs vortreflich, aber we - gen der Gefahr, verhuͤtet zu werden, an den meiſten Orten (ſonderlich wo niedrige, oder Gruͤnde mit Hoͤhen vermiſcht ſind,) in die Laͤnge ſelten nuͤtzlich. Doch uͤberwiegen die Vortheile einiger guten Jahre, an Nutzung, den Schaden meiſtentheils; ſonderlich, wo ein guter Hirte iſt, der die Weide kennt, und die Heerde verſtaͤndig huͤtet.

Schweine ſind in der Hauswirthſchaft nuͤtzlich; ihren Duͤnger haͤlt man fuͤr den be - ſten im Acker, wo Eich - und Buchwaͤlder ſind, werden ſie in die Maſt gethan, denn von der Frucht der Eiche und Buͤche neh - men ſie am Leibe ſehr zu, und werden fett. Hernach werden ſie geſchlachtet, und geben Schinken, Speck und Wuͤrſte, welche ihr Kin - der kennt, und oft gegeßen habt. Die Schweine gedeyen am beſten in trocknen warmen Staͤllen, und wenn ihnen alle vier - tel Jahr etwas rohes Spiesglas gepuͤlvert im Trank geruͤhrt wird. Man bekoͤmmt die ſes in der Apotheke, und um Einen Gro - ſchen iſt fuͤr vier große Schweine genung.

Seht145

Seht! lieben Kinder, das ſind die Hauptar - ten von Thieren, womit ſich der Landmann be - ſchaͤftiget. Außer ihnen giebt es Gaͤnſe, die an ſolchen Orten, wo große Waſſer und ſchlechter Erdboden ſind, ſowohl, als Enten, mit Nutzen gehalten werden. Wo aber guter Boden und wenig Waſſer iſt, da ſind dieſe Arten Thiere ge - meiniglich ſchaͤdlich. Huͤner halten faſt alle, und es ſind, wegen der Eyer, die Huͤner ſehr nuͤtzlich. Die Truthuͤner und Tauben ſind nicht aller Orten, dem Landmann, zu halten erlaubt.

Die Wieſen ſind ſolche Oerter, wo das Gras zum Winterfutter gemaͤht, getrocknet, und als Heu, hernach weggefahren und verwahret wird. Auf dieſe hat allerdings der Landmann zu ſe - hen, daß er durch ſeinen Fleiß, ſie in tragba - rem Stande erhalte, weil davon, daß er viel Heu, und gutes Heu gewinnt, alles abhaͤngt. Die Wieſen werden verdorben:

    • 1) Durch Mooß; dieſes Gewaͤchs uͤberzieht den ganzen Boden, ſo daß kein Gras durch - wachſen kann. Dieſes muß der Landmann im Herbſt, ſorgfaͤltig abharken oder eggen, wenn die Wieſe trocken iſt.
    • 2) Durch Huͤllen, oder Erdhuͤgel, die theils von Maulwurfshaufen entſtehen, die bewach - ſen ſind, theils auch von Behuͤten mit dem Vieh, bey naßen Zeiten: Denn da tritt dasKVieh146Vieh tief ein, und was zwiſchen ihren Tritte ſtehen bleibt, das bewaͤchſt, und wird dichte. Endlich wird die Wieſe ſo huͤgelicht und un - gleich, daß niemand glatt maͤhen kann, ohne ſich die Senſe zu verderben; man muß alsdenn das Gras hoch abhauen, alſo ſehr viel ſtehen laßen. Dieß wird verhindert, wenn man die Maulwurfhaufen auseinander wirft, und nicht bewachſen laͤßt, auch kein Vieh auf ſehr wei - chen Wieſen weiden laͤßt.
    • 3) Durch gar zu oͤfteres Abmaͤhen in einem Jahre; denn, Kinder! auf der Wieſe ſtehen vielerley Kraͤuter, und Grasarten. Viele zwar ſchlagen jaͤhrlich aus der Wurzel, oder dem Stiele aus; viele darunter aber tragen Samen, welcher ausfaͤllt, und eine neue Pflanze bringt. Laͤßt man dieſen nicht reif werden, ſondern maͤht das Kraut ab, ehe es reif wird, ſo kann er nicht ausfallen, und keine neue Pflanze kann daraus wachſen.

Sehr gut iſt es den Wieſen, wenn ſie zu ſolchen Zeiten uͤberſchwemmt werden koͤnnen, da es ihnen keinen Schaden bringt, als im Fruͤh - linge und Herbſt, oder Winter. Trockne Wie - ſen werden mit Aſche, oder andern Duͤnger, wenn ihn der Acker entbehren kann, mit Nutzen geduͤngt. Alle Arten von Vieh freßen nicht einerley Art Heu: Pferde, Rind - und Schaf -Vieh147Vieh lieben ihre beſondere Arten Heu, und die Kunſt des Landmanns aͤußertſich darinn, wenn er dieſe Arten zu kennen und zu waͤhlen weiß.

Diß ſey genung, lieben Kinder, von dieſen Hauptſtuͤcken des Landbaus. Nun muͤßt ihr auch wißen, wie der Ackersmann in ſeinem Hauſe die gehoͤrigen Pflichten ausuͤbt, ohne welche ſeine Wirthſchaft nicht beſtehen kann.

    • 1) Er muß auf Ordnung halten. Jedes Stuͤck Haus - oder Ackergeraͤthe, muß an ſei - nem Orte ſeyn, nicht krumm und verworfen, uͤber einander herliegen. Jedes muß verwahrt, oder doch ſo aufgehoben ſeyn, daß es nicht vor der Zeit abgaͤngig wird, und wieder erſetzt wer - den muß. Das hoͤlzerne und eiſerne Geraͤthe muß vor Faͤulniß und Naͤße; und Leder und Leinen Zeug, auch vor Beſchaͤdigung verwahrt werden. Ich will euch davon eine Geſchichte erzaͤhlen.
      • Ein gewißer Bauer war verarmt, und kei - ner wußte, wie das zugieng. Da war ein verſtaͤndiger Mann im Dorfe, der ſagte: Kin - der! das will ich euch wohl ſagen; den Mann , hat das Lohn an die Handwerker zu Grunde gerichtet. Er mußte Holz kaufen, das war theuer. Alles hoͤlzerne Ackergeraͤthe aber ließ er im Schnee und Regen, auf der naßen Er - de ſtehen und liegen, das war denn allezeitK 2 ver -148 verſtockt, und ſchadhaft; Lederzeug und Ge - ſchirr lag auf dem Fußboden im Stall, das fraßen die Ratzen; die Straͤnge ließ er an den Pfluͤgen, die verfaulten in weniger Zeit. Alles ſein eiſern Geraͤthe hatte der Roſt gefreſ - ſen, denn er ſahe nicht mehr darnach, wenn ers aus der Hand legte. Denn mußte er neues ſchaffen; und ſo iſt er verarmt. Die Leute gaben dem Mann recht, und nahmen das Ihrige, beßer als vorher, in Acht.
    • 2) Er muß alles mit moͤglichſter Sparſam - keit eintheilen, daß es zureicht, und noch Ueber - ſchuß iſt. Dieſes iſt bey dem Futter beſonders eine hoͤchſtnoͤthige Sache, wie ihr aus folgen - der Geſchichte merken koͤnnt.
      • Es war einmal ein Schaͤfer, der hatte, um Lichtmeßen, noch viel Heu auf dem Stalle. Da kamen Fruͤhlingstage; die Lerche ſang; die Sonne ſchien warm; und es wuchs allerley Gras auf dem Anger. Hui! dachte er, was ſoll das Heu auf dem Stalle, nun will ich die Schafe recht pflegen! Er holte ein Beil, und hieb die Schlieten entzwey, worauf das Heu lag, ſo, daß alles Heu in den Stall fiel, wie ein großer Haufen. Die Schafe kamen nach Hauſe, und fraßen, ſo viel ſie wollten; weil aber zu viel auf einmal da war, ſo ſuchten ſie das beſte aus, das fraßen ſie; das andere aber,wel -149welches ſie ſonſt wohl gefreßen haͤtten, traten ſie in den Miſt. Der Schaͤfer freute ſich, daß die Schafe ſo zunahmen. Seine Freude waͤhrte aber nicht lange. Im Maͤrz kamen Nachtfroͤſte, und es fiel ein Schnee, der uͤber eine Ele hoch lag, und wohl vierzehn Tage lie - gen blieb. Nun konnte der Schaͤfer nicht aus dem Dorfe kommen. Gefuttert im Stall muß - te werden, aber das Heu war alle, oder in den Miſt getreten. Nun wollte der Schaͤfer verzweifeln, und mußte, mit ſchweren Koſten Haber und Heu kaufen; ſonſt waͤren alle Schafe geſtorben.
      • Seht, Kinder! ſolchen Nutzen hat die Spar - ſamkeit; Man hat in außerordentlichen Faͤllen eine Zuflucht, und braucht nicht Noth zu leiden; und ſolchen Schaden bringt die Verſchwendung; denn was man heute nicht braucht, kann man morgen wohl gebrauchen, ja recht noͤthig haben.
    • 3) Er muß fleißig ſeyn, das heißt die Ar - beit lieben, und alle andre dazu anhalten, die zu ſeinem Hauſe gehoͤren: Denn durch ſeinen Fleiß erwirbt er ſich das Vermoͤgen; und die Erfahrung lehrt, daß der Spruch wahr iſt: Laͤßige Haͤnde bringen Armuth, aber wer fleiſ - ſig iſt, kommt empor.
    • 4) Er muß jede Arbeit zu ihrer Zeit thun, das iſt, er muß im Winter ſolche Arbeiten thun,K 3wo -150wozu er im Sommer oder Herbſt keine Zeit hat, als Ausbeßern der Zaͤune, Gebaͤude, Holzfuh - ren, Verfertigung des Ackergeraͤthes ꝛc. Wie ſchoͤn waͤre es, lieben Kinder, wenn ihr das lerntet! wenn ihr euer hoͤlzern Ackergeraͤthe euch ſelbſt machen lerntet! Wie luſtig iſt der - gleichen Arbeit! Manches Geld und Muͤhe wird erſpart, wenn man ſich ſelbſt helfen kann.
      • Vor eurer Zeit war ein Mann, der konnte gar nichts, als hinter dem Pfluge hergehn, und fahren; er war ſo unwißend, daß er nicht einmal einen Pflug ſtellen konnte. Wenn nun viele zuſammen waren, ſo lief er immer hin, und bat einen, daß er den Pflug ſtellen mußte. Ein jeder lachte, und ſie hießen ihn nur den dummen Michel. Brach ihm etwas, ſo zog er nach Hauſe; und es mogte noch ſo gering ſeyn, ſo gieng oder fuhr er damit nach der Stadt, und verſaͤumte die Zeit.
    • 5) Er muß eine fromme und arbeitſame Perſon zu heyrathen ſuchen; und dieſes, ſo bald er Wirth wird. Denn, Kinder, wenn ihr ſeht, wie noͤthig eure Muͤtter im Hauſe ſind, ſo werdet ihr leicht begreifen, daß eine Landwirthſchaft, ohne Hausmutter nicht lange gut geht. Auf eine gute Wirthin kommt vie - les an. Euer Wohl und Weh haͤngt von die - ſer Wahl ab. Bittet daher Gott um Weis -heit151heit zu dieſer Wahl; und wenn ihr groͤßer werdet, ſo ſehet nicht zuerſt nach Reichthum oder Anſehen, ſondern nach gottesfuͤrchtigen und arbeitſamen Perſonen. Denn durch eine fleißige und ordentliche Wirthin, wird der Mann reich. Leſet deßhalb die Spruͤchwoͤr - ter Salomons, Jeſus Sirach, und das Buch der Weisheit, an vielen Stellen, nach.

Nun will ich auch von den Dienſtpflichten des Landmanns gegen ſeine Obrigkeit, handeln. Was Obrigkeit iſt, wißt ihr; was verſchiede - ne Staͤnde ſind, und was Gehorſam gegen die Einrichtung Gottes in der Welt, iſt, wißt ihr auch. Es kann euch auch nicht unbekannt ſeyn, daß eure Aeltern gewiße Dienſte und Ga - ben an die Obrigkeit thun und abgeben. Hier - bey aber iſt noch noͤthig, daß ihr auch lernt, was es mit dieſen Dienſten vor eine Bewand - niß hat, und wie es gekommen iſt, daß ihr dienen und Pacht geben muͤßt.

Seht! Kinder, eure Voraͤltern haben die Guͤter, die ſie jetzt beſitzen, die Stellen, die ſie als Haͤusler, oder Tagloͤhner, bewohnen, un - ter der Bedingung von der damaligen Obrig - keit erhalten, daß ſie der Obrigkeit gewiße Ta - ge lang, mit Spanndienſten oder Handdienſten dienen, auch Paͤchte und Gaben geben ſollten. Wollten ſie dieſe Bedingungen ſich nicht gefal -K 4len152len laſſen, ſo wurden ſie nicht angenommen ſondern abgewieſen. Sie verſprachen es alſo ſchriftlich oder muͤndlich; und daher kommen die Dienſte, Paͤchte, und andere Abgaben; nemlich, eure Vorfahren haben angelobt, wenn man ihnen dieſes Gut, oder dieſe Stelle, ein - raͤumen wollte, ſo uͤbernaͤhmen ſie dafuͤr die geforderten Dienſte, Paͤchte, und Gaben, zu thun und zu geben. Ihr, als ihre Nachkom - men auf dem Gute oder in der Stelle, ſeyd auch in eben der Verbindlichkeit, das zu hal - ten, was eure Vaͤter gelobten, ſonſt wird euch das Gut genommen, oder ihr werdet der Stra - fe nicht entgehen, und uͤberdem noch euer Ge - wiſſen beflecken.

Der Dienſt muß ehrlich geſchehen; die Pacht ehrlich gegeben werden; ihr muͤßt der Herr - ſchaft Beſtes, bey dem Hofdienſte, wirklich ſu - chen; ſie nicht darum betruͤgen; den Hofdienſt nicht ſaumſeelig und ſchlecht thun; als ſchlecht pfluͤgen, eggen, ſaͤen, maͤhen, kleine Fuder la - den, wenig Holz zerhauen, wenig Futter und grob ſchneiden, und wie die Dienſte alle heißen koͤnnen, dazu ihr an den Hoftagen gebraucht werdet. Ihr muͤßt den Tag nicht verkuͤrzen, daß ihr ſpaͤt kommt, und zu lange Mittag macht, und fruͤh wieder abgeht: ſondern, ſo wie der Dienſt abgeredet iſt, muͤßt ihr dienen. Wer153Wer dadurch zum Betruͤger wird, der ladet ein ſchwer Gewißen auf ſich, und es geht ihm in ſeiner eignen Haushaltung gemeiniglich nicht gut. Die Paͤchte und Gaben muͤßt ihr ehr - lich abgeben, nicht das Schlechteſte ausſuchen, ſondern gerade durch, wie ihrs habt, hingeben. Eure Guͤter, als Aecker, Wieſen und Gaͤrten, muͤßt ihr nicht heimlich, ohne Vorwißen der Obrigkeit, vergroͤßern, noch eure Graͤnze ver - ruͤcken, und weiter machen, zum Schaden deſ - ſen, der an euren Aeckern oder Wieſe, und Gaͤr - ten graͤnzt. Gott hat in Seinem Wort einen Fluch darauf geſetzt und will den nicht unge - ſtraft laſſen, der ſeinen Fluch verachtet.

Ich habe von einem Ackermanne gehoͤrt, der wohnte unter einem Edelmann, der im Kriege diente, und in vielen Jahren nicht zu Hauſe kam. Die alte Mutter des Herrn wirthſchaf - tete indeß, und hatte einen Meyer, der war des Ackermanns Bruder. Dieſe beyden wur - den eins, die Herrſchaft zu betruͤgen. Der Ackermann pfluͤgte alle Jahr, wo er an herr - ſchaftlichem Acker graͤnzte, etwas Land ab, und den Graͤnzpfahl von den Wieſen, die an ſeine Wieſe ſtießen, ſchlug er alle Jahr einen Schritt weiter. Als er aber einſt an der Wieſe Weiden kroͤpfte, fiel er mit der Leiter um, und fiel auf den Graͤnzpfahl, den er dahin verruͤckt hatte.

K 5Die154

Die Rippen waren entzwey, und er litte große Schmerzen; da ließ er den Prediger kommen, und bekannte ihm die Sache, daß er juſt auf den verruͤckten Graͤnzpfahl haͤtte fallen muͤßen, der ſonſt nicht da geſtanden, wenn er ihn nicht ſo weit verruͤckt gehabt haͤtte. Er ſtarb, und der Meyer ward hart geſtraft, und als ein Schelm und Betruͤger, auf die Veſtung gefangen geſetzt.

Ihr muͤßt auch nicht mehr Freyheiten und Rechte begehren, als wie euch zukommen: Wenn ihr etwa ſelbſt kein Holz habt, und die Herr - ſchaft verſtattet euch das Holzleſen und aufraf - fen deſſen, was abfaͤllt, ſo muͤßt ihr nicht ab - hauen; denn das kommt euch nicht zu. Ihr muͤßt nicht weiter ſchreiten, als eure Erlaub - niß geht; ſonſt ſeyd ihr ſtraffaͤllig. Denn wie wollte ſonſt die Herrſchaft ſorgen koͤnnen, daß beſtaͤndig das Holz im Stande bliebe, ſo wohl fuͤr ſie jaͤhrliche Einkuͤnfte abzugeben, als zum Bau und zur noͤthigen Feuerung, fuͤr ſie und fuͤr euch auf immer zuzureichen. Wenn aber ein jeder hauen koͤnnte, was ihm gefiele, ſo wuͤrde ein jeder nach dem Beſten greifen, und keiner wuͤrde ans Sparen denken: Endlich wuͤrde al - les Holz ausgehen, und die Herrſchaft mit ſammt den Unterthanen wuͤrden Holz kaufen muͤßen.

Aber155

Aber, Kinder, man kann auch gewiße Ar - ten von Baͤumen verderben, daß ſie unbrauch - bar werden, ohne, daß man ſie abhauet. Z. E. Wenn man an den jungen Fichten, Tannen und Kiehnen, nur die Aeſte abſchneidet oder verhauet, ſo wird nimmer ein ſtarker Stamm daraus; denn der Saft dringt aus dem Hiebe, und der Baum hoͤrt auf zu wachſen. Auch bey der Holzwirthſchaft iſt die Sparſamkeit vortreflich. Das hoͤlzerne Geraͤthe in Acht ge - nommen; nach den Gebaͤuden zu rechter Zeit geſehen; die Gehege verwahrt; die Hoͤfe mit ſteinernen Mauern zugemacht; weniger Backoͤfen gehalten; die noͤthigen Backofens mit Spar - famkeit geheitzt, die Stubenofens nicht zur Un - gebuͤhr heiß gemacht So kann viel Holz ge - ſpart werden. Es iſt aber nicht genung, we - nig Holz zu verbrauchen, ſondern man muß auch wieder viel anlegen, weil es ſonſt doch alle wird. An die Gehege, Grabens, wuͤſte Oerter, ſind immer Gelegenheiten genung, Holz zu pflanzen, oder Holzſamen zu ſaͤen. Es iſt loͤblich, lieben Kinder, auf ſolche Weiſe wohl - thaͤtig zu ſeyn; denn wer einen Baum pflanzt, der thut, auch noch nach ſeinem Tode, der Welt gutes. Von ſeiner Frucht, oder in ſeinem Schatten, wird einmal einer gelabt, oder erfriſcht, und ſeegnet dafuͤr den, der denBaum156Baum pflanzte. Sehr nuͤtzlich ſind daher die - jenigen Leute, die Gefallen an der Gaͤrtnerey haben, und Obſtbaͤume pflanzen, auch durch Pfropfen und Oculiren, die wilden Staͤmme verbeßern. Seht! Kinder, faſt ein jeder, der auf dem Lande wohnt, hat einen Garten, und koͤnnte nuͤtzliche Baͤume darinn haben, wenn er wuͤßte damit umzugehen. Ein Baum traͤgt oft viel ein, und braucht nur einen kleinen Platz.

Ein Bauer hatte einſt vielen Schaden an Vieh gelitten, und brauchte dreyßig Thaler, um ſich wieder in Stand zu ſetzen. In ſeinem Garten ſtanden zwey große Apfelbaͤume, von der Art, die man Borsdoͤrfer nennt, die hatte noch ſein Vater gepflanzt. Seit einigen Jah - ren hatte der Bauer viel Fleiß an den Baͤu - men gewendet, weil einmal der Prediger von dem Nutzen der Obſtbaͤume mit ihm geredet hatte. Er hatte das ſchlechte Holz ausgehauen, die Raupenneſter vertilget, und die Baͤume geduͤnget. Das Jahr, wie es dem Bauer ſo ſchlecht gieng, fiengen die Baͤume wieder an, zu tragen, und brachten uͤber zwoͤlf Scheffel große ſchoͤne Aepfel. Sie waren nicht uͤberall gerathen, und der Mann konnte ſie, zu zwey Thaler, zwoͤlf Groſchen den Scheffel, los wer - den. Da hatte er die dreyßig Thaler, die erbrauch -157brauchte; und ſo halfen ihm ein Paar Baͤu - me aus der Noth.

Pfropfen heißt, in den abgeſaͤgten und ge - ſpaltenen wilden Stamm, ein keilſoͤrmig ge - ſchnittenes gruͤnes Reis, von einer guten Obſt - art, ſtecken, es mit Baumwachs verſchmieren, und zubinden, daß es darinn anwaͤchſt.

Oculiren, aber heißt, ein oder mehr Augen von guter Art, in die Rinde des Stammes, die vorher geoͤfnet wird, einſchieben, und ver - binden, daß ſie einwachſen.

Die Handgriffe koͤnnt ihr bald lernen, wenn ihr Achtung gebet, und vorher hier an abge - ſchnittnen Weidenſtoͤcken, probieren wollt, bis ihr es recht gut verſteht.

Nun will ich mit euch, geliebten Kinder, die ihr die Schule verlaßt, den Beſchluß machen, und euch danken, daß ihr mir mein Amt, durch eure Aufmerkſamkeit und Willigkeit, erleichtert habt. Die Wahrheiten, die ihr in der Schule gelernt habt, werden euch durch euer ganzes Leben begleiten, und entweder vor vielen Fehl - tritten bewahren, oder doch, wenn ihr ja fehlt, euch wieder zurechte weiſen und aufhelfen.

Dieß Buch, nach welchem ich euch gelehrt habe, ſoll nun ein jeder abſchreiben, und als eine[Erinnerung] an den Schulunterricht, und um an den Zuſammenhang der Wahrheiten, inder158der Folge denkeu zu koͤnnen, behalten und ver - wahren. Wenn ihr zuweilen in erwachſenen Jahren, in dieſem Buche nachſchlagen werdet, ſo kann es nicht fehlen, es wird eure Einſicht vermehren, und berichtigen helfen.

Das Uebrige muß nun an euern Seelen durch Predigten, Leſung der heiligen Schrift, eignes Nachdenken, und Gebet zu Gott um Weisheit und Kraft, Seinem Worte gehorſam zu ſeyn, gewirkt werden,

Dem Gott der Weisheit, des Raths, und der Staͤrke von dem alle rechte Erkenntniß kommt, empfehle ich euch herzlich!

[159][160][161][162][163][164]

About this transcription

TextVersuch eines Schulbuches für Kinder der Landleute, oder zum Gebrauch in Dorffschulen
Author Friedrich Eberhard von Rochow
Extent186 images; 29180 tokens; 5351 types; 194584 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationVersuch eines Schulbuches für Kinder der Landleute, oder zum Gebrauch in Dorffschulen Friedrich Eberhard von Rochow. . [9] Bl., 158 S. : graph. Darst. NicolaiBerlin1772.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Pädagogik; Wissenschaft; Pädagogik; core; ready; china

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