Wenn ich, ohne meinem Werke einen Grad von Wichtigkeit beyzulegen, den es vielleicht nicht hat, mir Leſer verſpre - chen darf: ſo muß ich mit ihnen uͤber gewiſſe Fragen und Einwuͤrfe mich vergleichen, die dieſer Verſuch, hoͤchſtwahrſcheinlich, ver - anlaſſen wird.
Auf die erſte Frage, „ wer mich berufen „ hat, mich zum Lehrer des Landvolks auf - „ zuwerfen? „ iſt meine kurze Antwort dieſe:
Ich lebe unter Landleuten. Mich jam - merte des Volks. Neben den Muͤhſeligkei - ten ihres Standes werden ſie von der ſchwe - ren Laſt ihrer Vorurtheile gedruͤckt. Ihre Unwiſſenheit, in den noͤthigſten Kenntniſſen, beraubt ſie der Vortheile und Erſetzungen, welche die, fuͤr alle Staͤnde, gnaͤdige Vor - ſehung Gottes auch dem ihrigen gegoͤnnt hat. Sie wiſſen weder, das, was ſie haben, gut zu nutzen; noch, das, was ſie nicht haben* 2koͤn -Einleitung. koͤnnen, froh zu entbehren. Sie ſind we - der mit Gott, noch mit der Obrigkeit zufrie - den. Gott tadeln ſie durch Murren, uͤber die Einrichtung Seiner Welt, und halten Ihn fuͤr einen Stiefvater, der partheyiſch mit Seinen Kindern verfaͤhrt. Die Obrig - keit aber ſehen ſie, bey jeder noͤthigen Ein - ſchraͤnkung ihrer eigennuͤtzigen Wuͤnſche und Handlungen, als einen harten Statthalter an, der das zur befohlenen Pflicht hat, ih - nen das Leben zu verbittern.
Daher iſt ihre Religion, meiſtentheils, der verderblichſte Fatalismus. Die ganze vortrefliche Sittenlehre Jeſu Chriſti und Seiner Apoſtel liegt ihnen ganz außerhalb der Sphaͤre der Ausuͤbung. Sie wollen zur Noth, wohl durch Chriſtum ſelig, aber nicht durch Chriſtum vorher fromm werden.
Die Urſachen dieſer ſaͤmmtlichen, den Staat in ſeinem wichtigſten Theile, zerſtoͤ - renden Uebel, liegt an der vernachlaͤßigten Erziehung der laͤndlichen Jugend. Bringt man nichts in den Kopf, ſo koͤmmt auch nichts ins Herz; oder deutlicher zu reden: Ohne Begriffe und Grundſaͤtze entſtehen keine Entſchließungen — kein moraliſches Urtheil, uͤber gut und boͤſe, wird gefaͤllt — kein moraliſcher Vortrag verſtanden — kei -neEinleitung. ne Regel angewandt; ſondern der Menſch bleibt ſinnlich, und iſt, ohne ein Wunder, (wozu aber die Verheißung fehlt,) keiner Art von moraliſcher Gluͤckſeligkeit faͤhig.
So fand ich die Landleute, und nun ſah ich mich nach Huͤlfe um, wodurch dieſe Laſt weggehoben werden koͤnnte.
Außer dem Catechismus und der Heils - ordnung, fand ich kein Schulbuch fuͤr den Landmann; und, außer dem Innhalte die - ſer Buͤcher, keine Wiſſenſchaft, die man deſſen Kinder lehrte.
Ich denke doch nicht, (um nicht bey die - ſer Sache zu wiederholen, was andre ſchon vortreflich geſagt haben,) daß man den Verſtand eines Bauerkindes und ſeine Seele fuͤr Dinge einer andern Gattung haͤlt, als den Verſtand und die Seelen der Kinder hoͤ - herer Staͤnde? Aber denn iſt mirs uner - klaͤrbar, wie, nach der herrſchenden Lehr - art, aus dieſen Leuten verſtaͤndige Menſchen und gar Chriſten gebildet werden ſollen.
Sie verſtehen, (wie es die Erfahrung lehrt,) nicht die Worte des Catechismus, und ſollen doch den Sinn faſſen, und durch ihr ganzes Leben thaͤtig werden laſſen. Da ich alſo nichts fand, was unmittelbar fuͤr den Landmann und ſeine Kinder mir zweck -* 3dien -Einleitung. dienlich ſchien — ſo wagte ich dieſen Ver - ſuch, mit dem herzlichen Wunſch, daß beſ - ſere, weiſere Menſchenfreunde, als Arbei - ter, an dieſe Erndte ſich machen moͤgten, und daß mein Verſuch, bald, durch Mei - ſterſtuͤcke verdraͤngt werden moͤge.
Dies vorhergeſagte mag zugleich dem Einwurfe begegnen: „ Iſt denn aber auch „ dieſer Verſuch ein dienliches Mittel, mehr „ Erleuchtung in dieſen Stand zu bringen? „
Nun will ich mich unmittelbar zu dem wichtigſten Einwurfe wenden. Man ſagt nemlich: „ Aber, iſt es denn der Einrich - „ tung des Staates nicht nuͤtzlich, wenn der „ Bauer dumm bleibt; nicht ſchaͤdlich, wenn „ er klug und verſtaͤndig wird? „
Um dieſen ſcheinbaren Einwurf zu wie - derlegen, iſt es noͤthig, uͤber Worte ſich zu verſtehen.
Klug und verſtaͤndig werden, heißt bey mir nicht, argliſtig, treulos, rebelliſch, um der eingebildeten hoͤhern und beſſern Ein - ſichten wiederſprechend, (raiſonneur,) neue - rungsſuͤchtig, und ſeines Berufs uͤberdruͤ - ßig werden; ſondern ich nenne nur denjeni - gen klug, der in jedem Stande ſich ſo ver - haͤlt, daß ihm ſein Leben keine Hinderniß, zu einer ewigen Gluͤckſeligkeit, wird.
InEinleitung.In ſolchem Sinne nimmt die Bibel das Wort Klugheit; und wir koͤnnen nicht ir - ren, wenn wir aus ihr Weisheit ſchoͤpfen.
Nach dieſer Erklaͤrung wird wohl die rechte Klugheit dem Landmanne nicht im Wege ſeyn; ein guter Arbeiter, ein treuer Dienſtbote, ein tuͤchtiger und gehorſamer Soldat, u. ſ. w. zu werden. Was ſchadet alſo der Unterricht in der rechten Klugheit dem Staate?
Aber, ach! welche Vortheile wuͤrde der Staat davon haben?
Wenn Einſichten, in den Zuſammenhang aller Wahrheiten, im Menſchen entſtehen; ſo giebt er Gotte recht — Er hat Luſt an ſeinen Geſetzen — Man darf ihm nur die Pflicht zeigen, ſo thut er ſie, um Gottes willen, der ſeinen Gehorſam, als ein ange - nehm Opfer, anſieht — Er gehorcht dem guten Herrn, und auch dem wunderlichen – Als Dienſtbote, iſt er treu; denn Gott ſieht dahin, wo der Herr, oft, nicht hinſe - hen kann — Als gedungner Arbeiter, iſt er fleißig; er ſucht wirklich das Beſte desjeni - gen, der ihn lohnt; denn er weiß, daß ein ſolcher Menſch, von Gott, noch einen Gna - denlohn erwarten kann — Als Soldat, weiß er, daß gewiſſe Mitglieder der Geſell -* 4ſchaftEinleitung. ſchaft ſeyn muͤſſen, die, als Ausgeſonderte, zum allgemeinen Beſten, fuͤr die Sicherheit des Ganzen, wachen und ſtreiten. Er ſieht alſo ſeinen Soldatenſtand fuͤr ſeinen Beruf an, und murret nicht wider den, der ihn dazu erkohr. Er weiß, daß ohne Gehorſam keine Ordnung erhalten wird — Er gehorcht alſo freywillig; Er ſieht viel - leicht gar ein, daß man, um ein guter Sol - dat zu werden, gewiſſe koͤrperliche Fertigkei - ten erlangen muͤſſe — daß Aufmerkſamkeit auf die Befehle des Vorgeſetzten unentbehr - lich ſey — Er ſucht alſo an Fertigkeit und Aufmerkſamkeit vollkommen zu werden. Er weiß vielleicht, daß mehr Soldaten, durch Krankheiten, daran ſie ſelbſt ſchuld ſind, umkommen, als durch Schlachten und Be - lagerungen — Er traͤgt alſo die noͤthige Sorge fuͤr die Geſundheit; damit, am Ta - ge des Streits, er nicht, zum Schaden des Staats, im Lazareth liege, und in ſeinem Gliede fehle. Weil Er, nach Gottes Be - fehl, gelernt hat, ſich an ſeinem Solde, zu jeder Zeit, genuͤgen zu laſſen — ſo pluͤndert und raubt Er, auch im Feldzuge, nicht. Er iſt immer, da, wo Er ſeyn ſoll, und fuͤrchtet den Tod nicht, weil der Tod fuͤr den rechtſchaffnen Mann, auf dem Schlacht -feldeEinleitung. felde, nicht ſchrecklicher iſt, als auf dem Bette.
Wie, meine Herren! ſollte mit dieſen Leuten, ſollte mit Soldaten, die auf dieſe Art klug waͤren, ſich nicht gut marſchiren und der Feldzug thun laſſen? Ich daͤchte es wohl.
Aber, vielleicht will man ſagen: „ Es iſt „ unmoͤglich — das haben wir, unter klug „ werden, nicht verſtanden; und wird denn „ der gemeine Mann, ſchon aus dieſem Ver - „ ſuch zum Schulunterricht, klug werden, „ ohne weitere Lehrer? „
Das iſt freylich ein Ungluͤck, daß ſo viel Woͤrter in unſerer Sprache keine beſtimmte Deutung, wenigſtens bey manchen Leuten, haben. — Vors zweyte, ſo dient zur Antwort: daß dieſer Verſuch eines Schul - buchs nur eine Anleitung fuͤr den Schul - meiſter ſeyn ſoll, nach welcher er ſeine gan - ze Lehr - und Erfindungsfaͤhigkeit, doch noch uneingeſchraͤnkt, anwenden kann. Auf die Methode koͤmmt alles an. Was von Methode in einem ſolchen Lehrbuche ſte - hen kann, das habe ich wenigſtens beruͤhrt, und auf den Ton hingewieſen.
Als ich bis auf das Capitel von der Land - wirthſchaft meinen Verſuch vollendet hatte,* 5er -Einleitung. erhielt ich des Herrn Hofrath Schloſſers Catechismum fuͤr das Landvolk. Auf - fallend ruͤhrte mich die Aehnlichkeit unſerer Abſichten, die gleiche Lehrart und Geſin - nungen gegen den zahlreichſten aber verach - tetſten Theil unſerer Mitmenſchen.
Wir ſind, ſo dachte ich, einander voͤllig unbekannt, und ſchreiben faſt zu einer Zeit, an entfernten Orten in Deutſchland, uͤber einen Vorwurf — Vielleicht iſt dieſes ein Wink der Vorſehung — Ich will ihn nicht verachten — Und ſo entſchloß ich mich, meinen Verſuch durch den Druck bekannt zu machen. Nun ſey es mir erlaubt, ei - nen kurzen Abriß und die Gruͤnde meiner Anlage dem Leſer vorzulegen.
Ich habe mit Aufmerkſamkeit und Wißbegierde angefangen, und behaupte, daß mit dieſem Capitel, welches auf un - zaͤhlige Arten veraͤndert werden kann, faſt ein halbes Jahr lang, die Kinder geuͤbt werden muͤſſen. Denn, haben ſie erſt, aufs Wort und auf Sachen, merken ge - lernt; ſo iſt der uͤbrige Unterricht leicht, und eine Luſt, fuͤr Lehrer und Lernende. Man denke aber nicht, daß es eine leichte Sache ſey, den flatterhaften Sinn der Kinder dahin zu bringen. In die guteAn -Einleitung. Anwendung dieſes Capitels ſetze ich die ganze Kunſt des Lehrers.
Daß ich, gleich darauf, von Urſache und Wirkung handle, und dieſe Erkennt - niß unter die noͤthigſten zaͤhle, davon gebe ich folgende Gruͤnde an.
Bey tauſend Gelegenheiten braucht ein Kind, von der Wahrheit unterrichtet zu ſeyn, daß jede Wirkung ihre Urſache hat, und umgekehrt. Man ſagt, der Gehorſam richtet daſſelbe aus. Ich ſage, nein; denn, alle Beweggruͤnde, der Selbſtliebe z. E., kann ich viel ſtaͤrker mit dieſem Capitel verbinden, als mit dem Gehorſam gegen Befehle, ohne an - gefuͤhrte Urſachen oder Gruͤnde — Es wird alſo viel Schaden verhuͤtet werden. Und was ſchadet es denn, ſo fruͤh, als moͤglich, zum Gebrauch der Vernunft zu kommen?
Die metaphyſiſchen und ontologiſchen Capitel, die darauf folgen, ſind, ſo wie das vorige, lauter Huͤlfsmittel, zur Vor - bereitung oder Zurechtſtellung des Ver - ſtandes, auf den Unterricht in der Reli - gion; der freylich, nach der jetzigen Ein - richtung der Welt, nicht ſo ſpaͤt, undnichtEinleitung. nicht auf die Art, erfolgen kann, als einige Schriftſteller wuͤnſchen.
Aber, um alles Guten willen! ſo ganz leer, von allem Menſchenverſtande, darf doch wohl der Kopf nicht ſeyn, den man den dogmatiſchen Theil der Religion, (und doch iſt ein ſolcher Theil in allen Catechismen enthalten,) lehren ſoll.
Daß man die abſtrakteſten Begriffe, durch ſinnliche Gleichniſſe und Behand - lung, in die Gemuͤther der Jugend brin - gen koͤnne, habe ich in einigen Capiteln ver - ſucht. „ Mit welchem Gluͤck?, Das iſt ei - ne andere Frage. Genung, daß es doch moͤglich iſt —
Von dem Innhalte der Bibel ſcheint mir ein kurzer Auszug, fuͤrs Gedaͤchtniß des gemeinen Mannes, ein gutes Huͤlfs - mittel. Eine chriſtliche Moral, (nicht ein Wortregiſter der Tugenden,) habe ich, ſo wie eine natuͤrliche Theologie, auf Bitten eines Freundes, gewagt; weil ich, als ein Laye, mich in dieſes Fach nicht gern einlaſſen mogte. Doch ſind dieſe Ca - pitel nicht ſo, mit dem Ganzen verbunden, daß nicht beſſere, an ihre Stelle, geſetzt werden koͤnnten. Inzwiſchen habe ich alles das ſorgfaͤltig vermieden, was zwi -ſchenEinleitung. ſchen den verſchiedenen Sekten der Chriſten - heit ſtreitig ſeyn kann, und uͤberlaſſe den Lehrern in jeglicher Kirche die Ergaͤnzung der ausgelaſſenen Stuͤcke mit gegruͤndeter Be - ſcheidenheit.
Verhaͤltniß iſt ein nuͤtzlicher, aber, ſelbſt unter Gelehrten, nicht recht deutli - cher Begrif. Ich habe ihn durch ein Gleich - niß, das ein jedes Kind begreifen kann, er - laͤutert.
Wer die Landwirthſchaft verſteht, wird mit mir einſtimmen; daß, in den folgenden Capiteln viel, dem Landmanne nuͤtzliches, gelehrt werde.
Zum Nagelſchmieden, einem der ſim - pelſten Handwerke, haͤlt man doch wenig - ſtens drey Lehrjahre fuͤr noͤthig; iſt es nicht zu verwundern, daß man geringer von der Landwirthſchaft zu denken ſcheint, und daß man von ihr glaubt: ſie lerne der Bauer von ſelbſt?
Ja, er lernt ſie; aber wie? Mit allen Irrthuͤmern und Vorurtheilen ſeiner Vor - fahren, und zu der geringſten Verbeſſe - rung, durch Nachdenken und Kenntniſſe, unfaͤhig und auch unwillig.
Ein Landesherr, der die wichtige Wahrheit glaubt, daß im Ackerbau dieGrund -Einleitung. Grundkraft des Staates liegt, wird mit den beſten Edicten zur Verbeſſerung tau - ben Ohren predigen, wenn Er nicht, fuͤr die beſſere Einrichtung der Schulen, zur Bildung der Gemuͤther in der Jugend, durch Unterricht, in den nuͤtzlichſten oͤco - nomiſchen Erkenntniſſen, Sorge traͤgt.
Ich will kuͤrzlich meine Meinung ſagen, was verbeſſert, und wie verbeſſert werden muͤſſe.
Ihr Herren der Erde! moͤgtet ihr doch nichts gegen den zweyten Paragraphen einwenden! Hierauf kommt alles an. Und welche Ausgabe waͤre edler, oder wuͤrde reichere Zinſen tragen? Wo ſehr arme Herrſchaften ſind, muͤßten Kirchen - caſſen, ja ſelbſt die Unterthanen, zuſam - men ſchießen. Sonſt aber ſchließe ſichdochEinleitung. doch keiner aus, hier zuzulegen! Sind wir denn bloß
— fruges conſumere nati?
Sind wir nicht Haushalter Gottes? Sol - len wir nicht Sein Reich vermehren, und das Reich der Finſterniß zerſtoͤren helfen? Ach daß doch dieſer edle Eifer in allen Seelen entbrennen moͤgte! daß allge - meine Menſchenliebe hier keinen Stand anſehen; daß, durch Ausbreitung ein - ſichtsvoller Tugend, in jedem Dorfe, Gluͤckſeligkeit wohnen, und daß Gerech - tigkeit und Frieden ſich uͤberall begegnen moͤgte!
Lieben Kinder! es war einmal ein Junge in einem Dorfe, der woll - te nichts lernen; weil[er auf] nichts Achtung gab, und wollte nicht einmal gerne in die Schule gehen. Die Ael - tern mußten ihn immer, vor ſich her, in die Schule treiben; wie man ein Vieh vor ſich hertreibt. Da ſeufzeten die Aeltern oft uͤber das Kind, und ſagten:
„ Du boͤſes Kind! aus dir wird nichts Gu - „ tes — “. In der Schule hatte der Schul - meiſter ſeine Noth mit dem Jungen: entwe - der, er ſaß nicht ſtille und hinderte die an - dern Kinder, oder gab nicht Achtung, und war nicht aufmerkſam auf das, was der Schulmeiſter lehrte. Erſt ermahnte ihn der Lehrer oder Schulmeiſter mit aller Guͤte, da aber das nicht half, ſo ſtrafte er ihn hart, mit allerley Strafen, die ſehr wehe thaten. ErAblieb2blieb aber, wie er war. Da ſagte denn der Schulmeiſter oft, im Zorn uͤber ſeine boͤſen Streiche:
„ Junge! dir wird es dein Lebetage nicht „ wohl gehen — ‛.
Ihr lieben Kinder! was geſchah? Als der Junge aͤlter und ſtaͤrker ward, da wollte er Niemand gehorchen, und ſich keiner Ord - nung unterwerfen. Er diente bey vielen Herren, aber keiner konnte mit ihm fertig werden.
Endlich beſtohl er ſeinen Herrn; und da ihn dieſer dabey betraf, ſo wehrte er ſich, und ſchlug ſeinen Herrn ſo, daß er daran ſterben mußte. Er wollte davon laufen; aber er ward ergriffen, und gefangen geſetzt. Die Obrigkeit ließ ihm, andern boͤſen Buben zum Schrecken, alle Glieder, bey lebendigen Leibe zerſchlagen, und toͤdten; ſeinen Coͤr - per aber auf das Rad legen, wo ihn die Raben freſſen.
Lieben Kinder! haͤtte dieſer Menſch, nicht in der Jugend, ſeinen Aeltern und Lehrern ſo viel Verdruß gemacht, ſo haͤtten ſie nicht uͤber ihn geſeufzt, und ihn verwuͤnſcht. Ihr habt gehoͤrt, daß bey ihm eintraf, was Ael - tern und Lehrer vorherſagten; denn es ward nichts Gutes aus ihm; es gieng ihm ſeinLe -3Lebetage nicht wohl; und er nahm ein ſchlech - tes Ende.
Wollt ihr alſo, lieben Kinder! daß es euch in der Welt wohl gehen ſoll; ſo ſeyd aufmerkſam und willig, was Gutes zu ler - nen! Macht euren Aeltern und Lehrern das Leben nicht ſauer, durch Ungehorſam; da - mit ſie euch mit Freuden, zum Guten an - halten koͤnnen, und nicht mit Seufzen: denn das iſt euch nicht gut! Verſprecht mirs alle, durch ein Ja, und durch einen Handſchlag, daß ihr euch, in der Schule, ſo betragen wollet, als aufmerkſame, lehrbegierige Kin - der. —
Seht, Kinder! in dieſes Buch will ich nun eure Nahmen einſchreiben, und den Tag, an welchem ihr mir dieſes Verſprechen ge - than habt. Dieß Buch ſoll beſtaͤndig vor euren Augen liegen, und euch an euer Ver - ſprechen erinnern. Was man aber verſpricht, daß muß man halten; ſonſt traut einem kein Menſch mehr.
Du aber, gnaͤdiger und liebreicher Gott! ſiehe das Verſprechen dieſer Kinder! Du willſt, daß ſie zu Dir kommen ſollen! Sprich Ja und Amen dazu! Seegne jede Wahrheit, daß ſie in ihre Herzen eindringe; auf daß dieſe Kinder, durch Erkenntniß der Wahr -A 2heit,4heit, hier und dort gluͤckſeelig werden! A - men.
Das Erſte alſo, geliebten Kinder! was ihr lernen muͤßt, iſt, aufmerkſam ſeyn, oder Achtung geben.
Ihr muͤßt viel Dinge kennen lernen; aber ihr muͤßt auch die Dinge von einander unter - ſcheiden lernen.
Den Unterſchied der Dinge lernt man an gewiſſen Zeichen kennen.
Nicht wahr, Kinder! ein jedes von euch, kennt ſeine Aeltern und Geſchwiſter, ſo, daß ihr ſie von andern Leuten unterſcheiden koͤnnt? Ein jedes Kind kennt ſeinen Ball, oder den Koͤnig im Kegelſpiel?
Nun ſagt mir einen Unterſchied, oder Un - terſcheidungszeichen, woran ihr ſie kennt. —
Nota. (Dieſer Unterricht kann, ſo lange als moͤglich, fortgeſetzt werden. Mit ſehr viel Dingen, als Steinen, Pflan - zen, Thieren, Baͤumen, und Werken der menſchlichen Kunſt, ihren Arten, und den aͤußerlichen und innerlichen Kennzeichen derſelben werden die Kin - der bekannt gemacht. Außer der Schu - le, wird jedem Kinde aufgegeben, Be - merkungen zu machen; und an dem Be - merkten wird die Lehrart fortgeſetzt. Nach -5Nachdem die Kinder ſattſam hierin geuͤbt ſind, iſt erſt der Uebergang, welcher hier anfaͤngt: Mein Sohn! du ſiehſt ꝛc. ꝛc. anzurathen.)
Mein Sohn! Du ſiehſt nach dem Bilde des Hahns, das dort haͤngt. Sieht es nicht recht aus, als wenn er leibhaftig da ſtuͤnde, und kraͤhte? Giebts hier einen Hahn, der ſo ausſieht? Aber, was iſt fuͤr ein Unterſchied, unter dieſem gemahlten Hahn, und jenem Hahn im Dorfe?
Nota. (Der Lehrer hilft hier den Kindern, nach Moͤglichkeit, auf die Unterſchei - dungs-Kennzeichen des Bildes vom ab - gebildeten.)
Recht, Kinder!
Es iſt alſo ein großer Unterſchied, zwi - ſchen dem Bilde, und dem wirklichen Dinge, das abgebildet iſt.
Kinder! man kann auch Brodt abbilden; aber, wenn man hungrig iſt, ſo iſt doch wohl ein wuͤrkliches Stuͤck Brodt beſſer, als ein gemahltes, welches man zwar fuͤr Brodt anſehen, aber nicht, als Brodt, eſſen kann. —
Was alſo nicht die Sache ſelber iſt, ſon - dern ihr nur blos, dem Augenſcheine nach, aͤhnlich ſieht, das nennt man ein Bild.
A 3Je6Je mehr Aehnlichkeit das Bild mit dem Abgebildeten hat, je beſſer iſt das Bild.
Dieſes Bild von dem Hahn, geliebte Kin - der! war mit Farben gemahlt, und alſo war es ein Bild fuͤr die Augen. Aber, wenn ich euch dieſen Hahn mit Worten beſchreibe, daß ihr die Aehnlichkeit meiner Beſchreibung mit dem wirklichen Hahne findet; ſo iſt dieß ein Bild fuͤr die Ohren, oder ein Bild in der Rede.
Lieben Kinder! unſere Sprache iſt voller Beſchreibungen und Bilder. Wer gut be - ſchreibt, den verſteht ein jeder leicht.
Nicht alles, was man fuͤr gut und nuͤtz - lich anſieht und haͤlt, iſt darum immer wuͤrk - lich gut. — Itzt, und wenn ihr groͤßer wer - det, ſo wirds oft geſchehen, daß euch Dinge vorkommen, die euch gut ſcheinen, aber euch doch nicht gut ſind.
Z. E. Manches Kind kann denken: Heute iſt ſchoͤn Wetter, wenn du doch die Stunde ſpielen koͤnnteſt, anſtatt in die Schule zu gehen, das waͤre gut fuͤr dich. —
Es iſt ihm aber nicht gut, ſondern ſchaͤd - lich; den es gewoͤhnt ſich zum Ungehorſam gegen die gemachte Ordnung, und will, als ein unwiſſendes Kind, ſchon beſſer wiſſen, was ihm gut iſt, als ſeine Vorgeſetzten.
We7Wer ſich nun nicht oft ſo betruͤgen will, der muß wiſſen, und kennen lernen, was wirklich gut und boͤſe iſt, und ſich von er - fahrnen Leuten daruͤber belehren laßen.
Alſo Gutes, und Boͤſes oder Schaͤdliches, hat auch ſeine Unterſcheidungszeichen.
Mein ganzes Amt iſt, euch, Kinder! dieſe Kennzeichen bekannt zu machen, und euch in den Stand zu ſetzen, daß ihr als verſtaͤn - dige Menſchen, das Gute waͤhlen, und das Boͤſe oder Schaͤdliche verwerfen lernt.
Solche Kinder, die, in der Schule, viel Aufmerkſamkeit anwenden, die lernen diß balde, worin das Gute von dem Boͤſen oder Schaͤdlichen unterſchieden iſt. Die alten Leute ſind ſolchen Kindern gewogen, und freuen ſich uͤber ſie. Denn man kann auch ein boͤſes Kind bald von dem guten unter - ſcheiden. Ein boͤſes Kind iſt traͤge, unwil - lig, und ungehorſam; man muß es in die Schule treiben. Das gute Kind aber, iſt gern in der Schule; munter, und willig zu allen Guten; giebt Achtung, oder merkt auf alles, was der Lehrer ſagt. Wenn ſolche aufmerkſame und willige Schulkinder groß werden, ſo geht es ihnen wohl; denn alle Menſchen ſind ihnen gewogen, und helfen ihnen fort.
Lieben Kinder! wer auf alles Acht giebt, und aufmerkſam iſt, der wird bald gewahr, daß oft ein Ding um des andern Dinges willen geſchieht. Z. E. Daß es Tag wird, wenn die Sonne aufgeht, des Morgens, und daß es, am Abend, dunkel wird, wenn die Sonne untergeht. Das heißt: Es giebt Urſachen und Wirkungen, oder Folgen.
Habt ihr heute gefruͤhſtuͤckt? Seyd ihr auch ſatt geworden? Nicht wahr? ihr ſeyd darum ſatt geworden, weil eure Aeltern euch genug Fruͤhſtuͤck gegeben haben.
Seht, Kinder! das reichliche Fruͤhſtuͤck, was euch eure Aeltern gegeben, iſt alſo die Urſache eurer Saͤttigung; und eure Saͤtti - gung iſt die Wirkung von dem reichlich ge - noſſenen Fruͤhſtuͤck. Da wißt ihr nun, was Urſache und Wirkung heißt.
Sage mir, mein Sohn! warum iſt es warm, hier in der Schulſtube? Nicht wahr? darum, weil es eingeheitzt iſt, oder die Sonne herein ſcheint. Alſo iſt die Sonne,oder9oder der eingeheitzte Ofen, die Urſache von dieſer Waͤrme, und die Waͤrme iſt die Wirkung des eingeheitzten Ofens oder der Sonne.
Kinder! wenn man erndten will, muß man nicht vorher ſaͤen? Recht, man muß vorher ſaͤen. Was iſt nun hier die Urſache vom Erndten? Recht, Kinder! das Saͤen; und die Wirkung oder Folge, vom Saͤen, iſt das Erndten.
Ihr lieben Kinder! wenn ihr, in der Schule fleißig ſeyd, ſo iſt es eben, als wenn ihr guten Saamen, oder gutes Korn in euch ausſaͤetet. Wenn ihr groͤßer und aͤlter werdet, denn werdet, ihr von dieſer Saat ſchoͤne Fruͤchte erndten. Das heißt: ihr werdet klug und verſtaͤndig ſeyn; ein jeder wird euch lieb haben; und es wird euch wohl gehen.
Welches iſt nun die Urſache hiervon? Recht, mein Sohn! Das Fleißigſeyn, oder der Fleiß in der Schule; und das klug und verſtaͤndig werden, iſt die Wirkung.
Aber, Kinder! waͤre es nicht thoͤricht, wenn einer die Wirkung wuͤnſcht, und will doch die Urſache, ohne welche dieſe Wir - kung nicht erfolgen kann, weglaßen?
A 5Z. E.10Z. E. Wenn ein Kind ſatt werden will, und will doch nicht eſſen? — Wenn einer im Winter nicht frieren will, bekuͤmmert ſich aber doch um kein Holz, oder will nicht einheitzen, oder in die Sonne ge - hen? — Wenn einer zwar ſehen will, aber nicht will die Augen aufmachen? — Wenn einer zwar erndten will, aber nicht will den Acker bearbeiten, und guten Saamen herein ſaͤen? — Wenn ein Kind zwar wuͤnſcht, daß man es liebe, und daß es ihm, wenn es aͤlter wird, wohl gehe; aber es will nicht gehorſam ſeyn, und will auch nichts nuͤtzli - ches lernen, und Achtung geben, was ſein Lehrer ſagt?
Nicht wahr, Kinder? So thoͤricht und dumm iſt keines unter euch: Und man muͤß - te den, mit Recht, auslachen, der ſo naͤr - riſch, das iſt, ſo unverſtaͤndig thaͤte. Ein Menſch von der Art, wird daher ein Narr geheißen.
Aber, Kinder, manchmal koſtet es den Leuten gar das Leben, daß ſie ſich nicht um die Erkenntniß von Urſachen und Wir - kungen bemuͤht haben; oder aber, ſo naͤr - riſch und eigenſinnig ſind, und wollen zwar die Wirkung, aber nicht die Urſache, ſich gefallen laßen.
In11In dem Orte, wo ich her bin, waren einmal viele Kinder krank. In dem Hauſe aber, wo ich wohnte, war ein einzig Kind, das wurde ploͤtzlich ſehr krank. Die Aeltern ſchickten gleich nach dem Arzte. Der Arzt kam, und brachte Arzeney mit, von derſelben Art, als er ſchon bey vielen Kranken mit Nutzen gebraucht hatte: Denn alle, die es, zu rechter Zeit, eingenommen hatten, waren beſſer geworden. Dieſes kranke Kind aber, wollte durchaus nicht die Arzeney einneh - men. Die Aeltern fragten dieſes Kind, ob es denn nicht wuͤnſchte, wieder geſund zu werden? „ O ja! liebe Aeltern! ich wuͤnſche, recht bald geſund zu werden, “ſagte das Kind. „ Nun, ſo mußt du auch die Arze - „ neymittel brauchen, und ſie einnehmen; da - „ mit du geſund werden koͤnneſt “ſprachen die Aeltern. Aber, das Kind blieb bey ſei - nem Eigenſinn. Es wollte gern geſund werden; aber doch keine Arzeney, die die Krankheit vertreibt, einnehmen. In wenig Tagen mußte das Kind ſterben. Zuletzt nahm es gerne ein, aber, da war es zu ſpaͤt, und die Krankheit hatte zu ſehr zuge - nommen.
Hier war die, zu rechter Zeit einzuneh - mende Arzeney, die Urſache vom wieder ge -ſund12ſund werden; und dieſes war die Wirkung von der eingenommnen Arzeney. Die Wirkung wollte das Kind; denn es wollte gerne wieder geſund werden, aber die Urſache wollte es nicht, nemlich die Arzeney, zu rechter Zeit, einnehmen: und an dieſem thoͤ - richten und naͤrriſchen Eigenſinn, mußte es ſterben. Alſo, Kinder! alles das, warum etwas da iſt, oder geſchieht, nennen wir Urſache, und was aus dieſer Urſache, da iſt, oder geſchieht, nennen wir Wirkung, oder die Folge, weil es auf die Urſache folgt.
Alle Dinge aber, die man ſehen, hoͤren, ſchmecken, fuͤhlen und riechen kann, ſind Urſachen, oder Wirkungen von andern Din - gen, und, ſo wie man ſie anſieht oder ſtellt, Urſache und Wirkung zugleich. Z. E. Die Waͤrme, hier in der Schulſtube, iſt die Wirkung des geheitzten Ofens, oder der in die Fenſter ſcheinenden Sonne; aber dieſe Waͤrme iſt zugleich die Urſache, daß ihr nicht friert. — Das Fruͤhſtuͤck, welches euch eure Aeltern geben, iſt die Urſache eurer Saͤttigung, aber zugleich die Wirkung von der Liebe, die eure Aeltern gegen euch tra - gen, und von ihrer Vorſorge fuͤr euch. Haͤtten aber eure Aeltern keinen Vorrath von Brodt im Schranke gehabt, ſo haͤtten ſieeuch13euch auch kein Brodt geben koͤnnen. Daß ſie alſo Brodt in Vorrath hatten, das war wieder die Urſache davon, daß ſie euch Brodt geben konnten.
Seht, Kinder! So kann man, wie auf einer Leiter, von Wirkungen zu Urſachen, und von Urſachen zu Wirkungen, herauf und herunter ſteigen.
Wenn man aber auch alle moͤgliche Urſa - chen erforſchte; ſo muͤßte man doch, am Ende, bey einer Urſache ſtehen bleiben, wel - che die erſte Urſache waͤre.
Und dieſe erſte Urſache nennen wir Gott. Der Gott, zu dem eure Aeltern vor dem Tiſche beten, daß Er die Speiſe ſeegnen, und gedeyen laßen wolle, dieſer Gott iſt die erſte Urſache aller Dinge.
Eure Aeltern, ihr Kinder ſelbſt, ich und alle Menſchen, die Thiere, die Baͤume, die Gewaͤchſe, die Steine, die Erde, der Him - mel, Sonne, Mond, und Sterne, kurz, alles, was da iſt, alles hat dieſer Gott hervorge - bracht. Ihm haben wir alles, auch ſelbſt unſer Leben, zu danken; Er iſt die erſte Ur - ſache aller Wirkungen. Alles, was wir ſe - hen, hoͤren, und empfinden, nennen wir, mit Einem Worte, die Welt, oder den Innbe - griff aller Wirkungen Gottes, oder dieſer er -ſten14ſten Urſache. Denn Gott hat alles, was da iſt, gemacht, und werden laßen.
Von Gott, oder von dieſer erſten Urſa - che aller Dinge, werdet ihr, in dieſem Schul-Unterricht, taͤglich mehr erfahren. Denn es iſt Sein Wille, daß wir Men - ſchen Ihn kennen lernen. Und dieſe Er - kenntniß, iſt die Urſache aller menſchlichen Gluͤckſeeligkeit.
Mein Kind! haſt du es ſchon gewagt, durch das tiefe Waſſer, Muͤhlenteich, Fluß oder Pful, zu waten? — Warum nicht? Alſo meynſt du, es ſey kein Grund darin zu finden? Du irreſt dich, liebes Kind! mit einer rechten langen Stange will ich ſchon den Grund finden; wer groͤßer iſt, als du, kann auch vielleicht durchwaten, aber du biſt noch zu klein.
Wenn du nun aber, von einem boͤſen Menſchen, oder von einem grimmigen Thie - re verfolgt wuͤrdeſt, und muͤßteſt durch dastiefe15tiefe Waſſer, um dich zu erretten, wuͤrdeſt du nicht ſehr gerne ſehen, wenn ein großer Menſch kaͤme, und truͤge dich durch, und braͤchte dich in Sicherheit auf die andere Seite? Wuͤrdeſt du dich nicht gerne tragen laßen, und deinem Erretter herzlich danken?
Seht, lieben Kinder! Euer Leben iſt das tiefe Waſſer, wodurch ihr gehen muͤßt. Eure Unwiſſenheit in aller noͤthigen Erkennt - niß, und die ungluͤcklichen Wirkungen da - von, ſind die Feinde und grimmigen Thiere, die euch verfolgen. Wenn ſich Niemand um euch bekuͤmmerte, und euch huͤlfe, ſo wuͤrdet ihr nicht gerettet, ihr wuͤrdet un - gluͤcklich ſeyn. Gott aber will euch retten laßen, und gluͤcklich machen. Darum hat Gott, Lehrer und Schulen verordnet. Ich bin dazu geſetzt, daß ich eurer Unwiſſenheit zu Huͤlfe kommen ſoll; ich ſoll euch, ſo lan - ge ihr Kinder, am Leibe und Verſtande ſeyd, durch meine Lehre tragen, bis ihr euch ſelbſt helfen koͤnnt, das iſt, ſelbſt den Grund erreichen koͤnnt, und nicht in Gefahr ſteht, durch Unwiſſenheit umzukommen.
Ihr ſollt alſo, durch den Schulunter - richt, oder die Lehre, verſtaͤndig werden, und, ſo viel als moͤglich, in jeder wichtigen Sa - che, den Grund finden, worauf ihr veſtſtehen16ſtehen koͤnnt, damit euch eure erlangte Kenntniß Nutzen ſchaffe.
Weil aber alles darauf ankommt, lieben Kinder! daß ihr mich auch verſteht, was ich ſage; ſo erlaube ich euch, mich ſogleich zu fragen, wenn ihr etwas nicht recht verſtanden habt. Ja, ich will es, als ein Zeichen eines recht guten Kindes, dem an Erkenntniß recht viel gelegen iſt, anſehen, wenn es mich fraͤgt —
Wenn ihr nun die Lehre gehoͤrig verſteht, ſo habt ihr den Grund gefunden. Aber alle Sachen laßen ſich nicht ergruͤnden. Denn unſere Erkenntniß in dieſer Welt, iſt noch unvollkommen, und wir wiſſen nicht alle Urſachen und Wirkungen auf einmal, daher iſt uns nicht alles ergruͤndlich. Aber wir ſollen nicht Kinder bleiben, an Erkennt - niß; ſondern, ſo wie unſer Coͤrper waͤchſt, ſo ſoll auch unſer Verſtand wachſen. Denn, uͤber manche Stuͤcke der Lehre, muß man, ſein ganzes Leben lang, nachdenken, und kann immer mehr lernen, je laͤnger man ſich damit beſchaͤftigt. Wie thoͤricht aber waͤre es, lieben Kinder! wenn man darum, weil man nicht alles ergruͤnden oder begrei - fen kann, nun gar nichts lernen wollte? Waͤre das nicht eben ſo thoͤricht, als, wennein17ein Bauer darum gar nicht pfluͤgen wollte, weil er nicht, in einem Tage, damit fertig wird, oder darum gar nicht ſaͤen, weil er nicht, den andern Tag, gleich erndten koͤnn - te? Manche Sachen ſind daher wahr, und kein Menſch kann ſie leugnen; aber man kann nicht den Grund zeigen das iſt, nicht erklaͤren, wie das zugeht. Und denn ſind ſie unergruͤndlich. Z. E. Lieben Kinder! ihr habt im vorigen Capitel gehoͤrt: daß ein Gott ſey, oder eine erſte Urſache aller Wirkungen. Daß dieſer Gott alles, was da iſt, hat werden laſſen, und gewirkt hat. Auch uns Menſchen, habe Gott erſchaffen, oder werden laſſen.
Wie nun das zugeht, oder wie es Gott macht, wenn Er alles, was da iſt, werden laͤßt, das iſt unergruͤndlich; und wer die Frage beantworten will, der muß Gott ſel - ber ſeyn. Denn Gott iſt ſehr viel verſtaͤn - diger, als der verſtaͤndigſte Menſch; Er kennt alle Urſachen und alle Wirkungen; und Gott allein, iſt daher keine Sache un - ergruͤndlich. Man nennt deswegen ſolche Fragen vorwitzig. Man muß ſich alſo, am meiſten, um ſolche Dinge bekuͤmmern, davon man den Grund finden kann, und die man deswegen Wahrheiten nennet, weilBman18man den Grund finden kann, warum ſie ſo, und nicht anders ſind, oder, weil uns ein andrer verſtaͤndiger Menſch davon Ver - ſicherung giebt.
Vier Nuͤße ſind mehr, als zwey Nuͤße — Eure Kuh iſt groͤßer, als eure Katze — Nicht wahr, Kinder? Seht! das iſt alſo eine Wahrheit: daß vier Nuͤße mehr ſind, als zwey Nuͤße — Und die Kuh groͤßer iſt, als die Katze, das iſt auch eine Wahrheit. Denn ihr duͤrft nur die Augen aufma - chen, ſo werdet ihr gleich gewahr, daß es ſich ſo verhaͤlt, wie ich ſage.
Solche Wahrheiten nennt man, augen - ſcheinliche, oder in die Sinne fallende Wahr - heiten.
Zwey Nuͤße ſind mehr als vier Nuͤſ - ſe — Eure Katze iſt groͤßer als eure Kuh. Seht Kinder! wer das ſagt, der ſagt etwas, was nicht wahr iſt, oder eine Un -wahr -19wahrheit. Denn es iſt wieder augenſchein - lich, daß das nicht wahr iſt.
Aber, alle Wahrheiten ſind nicht augen - ſcheinlich, oder in die Sinne fallend. Ueber manche Wahrheiten muß man ſich beſinnen, und eine Weile nachdenken, ehe man ſie als wahr annehmen, oder ihrer Wahrheit Beyfall geben kann. Z. E.
Gott verdient unſre hoͤchſte Liebe, denn Er thut uns alle Tage Gutes.
Gebt Achtung, Kinder! wie ich dis be - weiſe. Ihr wißt aus vergangnen Lehrſtun - den ſchon, daß wir die erſte Urſache aller Wirkungen, Gott nennen. Daß ihr lebt, geſund ſeyd, eßt, trinkt, ſchlaft; daß ihr Haͤuſer habt, worin ihr euch vor dem Wet - ter decken koͤnnt, davon iſt Gott die Urſa - che, das hat Gott, zu eurem Beſten, veran - ſtaltet. Wer uns aber ſo unzaͤhlig viel Gu - tes thut, verdient der nicht unſre hoͤchſte Liebe? Recht, Gott verdient ſie. Seht, Kinder! das war eine Wahrheit, die nicht, wie die vorigen, gleich in die Sinne fiel; ſondern die erſt durch den Verſtand mußte erkannt und bewieſen werden. Denn auch unſre Sinnen koͤnnen zuweilen fehlen, wie ihr kuͤnftig hoͤren werdet; und nur mit Huͤl - fe des Nachdenkens, uͤber das was unſereB 2Sin -20Sinne uns als wahrſcheinlich anſehen laſ - ſen, erkennen wir, ob die Sinne recht ha - ben oder nicht.
Alſo, durch den Verſtand erkennen wir die nuͤtzlichſten und wichtigſten Wahrheiten. Aber jede Wahrheit hat ein ſicheres Kenn - zeichen, woran ich ſie von der Unwahrheit unterſcheiden kann.
Durch Aufmerkſamkeit wird das Kennzei - chen der Wahrheit entdeckt. Nemlich, ich werde entweder, durch meine Sinnen ge - wahr, daß es wirklich ſo iſt, als es mir ſcheint, (als vorher bey der Kuh und bey der Katze, wenn nemlich die Katze in ein kleines Loch kriecht, wo die Kuh nicht durch kann,) oder, ich halte das, was mir als wahr angegeben wird, gegen andre Wahr - heiten, die ich ſchon weiß. Z. E. Wenn einer zu euch ſagte: Kinder! geht ja nicht in die Schule! wer in die Schule geht, der ſtirbt den Augenblick. Wuͤrdet ihr nicht gleich denken? Ich bin ſo oft herein gegan - gen, und bin nicht geſtorben; es wird wohl nicht wahr ſeyn, was der ſagt. Oder, wenn ich euch ſage; Kinder! lernt fleißig; ſo wißt ihr alle Tage mehr — Werdet ihr nicht, aus eurer eignen Erfahrung, zugeſte - hen muͤßen: Das iſt wahr, was unſer Leh -rer21rer ſagt! Wir wiſſen jetzo vielmehr als den er - ſten Tag. Oder endlich, ich nehme die Sache fuͤr wahr an, um des Zeugnißes willen, (ein Zeugniß aber iſt: Was jemand von ſich, oder von andern fuͤr wahr an - giebt,) desjenigen, der da ſpricht oder ſchreibt. Z. E: Wenn ihr einmal hoͤren ſolltet, lieben Kinder! daß die erſte Urſache aller Wirkungen, oder dasjenige Weſen, welches wir, mit Einem Worte, Gott, nen - nen, euer Wohlthaͤter, von dem ihr Leben und alles habt, ich ſage, wenn ihr einmal hoͤrtet, daß dieſes guͤtige Weſen wichtige Nachrichten von ſich ſelbſt, den Menſchen gegeben haͤtte, die ſie, ohne dieſen goͤttlichen Unterricht nimmermehr wißen konnten — Wuͤrdet ihr alle dieſe Nachrichten nicht fuͤr wahr annehmen, um des Zeugnißes Gottes willen? Recht, lieben Kinder! Denn was haͤtte Gott, der uͤber alles guͤtig iſt, wohl vor Urſache, uns armen Menſchen Unwahr - heit zu ſagen, ober uns zu betruͤgen? und was haͤtten eure Aeltern und Lehrer fuͤr Vortheile davon, euch Unwahrheit zu lehren?
Wie heißt du, meine Tochter! mit dem Taufnahmen? Iſt das wahr? Biſt du deſſen gewiß, daß das wahr iſt? Fuͤhre mir einen Grund, oder eine Urſache an, warum dasB 3wahr22wahr iſt! Maria, ſagſt du, ſo heißen dich deine Aeltern — Weißeſt du nicht mehr Gruͤnde anzugeben, warum du ſo heißeſt? Recht, mein Kind! ins Kirchenbuch biſt du, unter dem Taufnamen, aufgeſchrieben. Seht! dieß Kind wußte das gewiß, was ſie ſagte: denn ſie konnte Gruͤnde anfuͤhren; alſo, ge - wiß iſt alles das, was man ſich und an - dern, durch Gruͤnde beweiſen kann. Ihr lieben Kinder! das allein hilft euch nicht viel, daß ihr Wahrheiten hoͤrt, oder auswendig lernt. Nein die Wahrheiten muͤßen auch, in euch, zu Gewißheiten werden. Das heißt ſo viel: Ihr muͤßt euch zugleich den Grund an - geben koͤnnen, warum eine Wahrheit wahr iſt. Alsdenn kommt euch die Erkenntniß der Wahrheit zu nutze, und wird lebendig in euch, ſo, daß ihr die Wahrheit liebt. Wer aber die Wahrheit liebt, der liebt auch Gott; denn alle Wahrheit koͤmmt von Gott.
Wenn es erſt ein paar Naͤchte gefroren hat, wagt ihr euch denn wohl, auf dem tie - fen Waſſer zu glitſchen, oder zu ſchlittern? Warum nicht? Weils alſo ungewiß iſt, ob es euch haͤlt, oder, wie ihr es nennt, unſicher, ſo giengt ihr nicht auf das Eis. Es iſt auch nicht zu vermuthen, daß, in ein paar Naͤch - ten, das Eis ſo ſtark und ſo dicke frieren ſoll -te,23te, daß es einen Menſchen traͤgt. Wenn es aber, im Winter, vier bis fuͤnf Naͤchte und Tage friert, ſo iſt es wahrſcheinlich, oder zu vermuthen, daß das Waſſer dick genung Eis hat, daß ihr drauf gehen koͤnnt, ohne durchzu - brechen. Es kann aber doch eine warme Stelle ſeyn, die nicht recht veſte gefroren iſt, da ihr herein fallet, und Schaden nehmt.
Seht, Kinder! das iſt der Fehler der Wahr - ſcheinlichkeit, daß ich niemals gewiß bin, ſon - dern immer unſicher bleibe. Wer ſich ſtets mit Wahrſcheinlichkeiten behilft, den ſichern Weg der Gewißheit verlaͤßt, und immer ſpricht: „ Es koͤnnte doch wohl gut gehen! Vielleicht „ gluͤckt es! Wir wollens probieren, es kommt „ darauf an! „ Von dem ſagen kluge Leute: er wagt. Es iſt dieß ein gewoͤhnlicher Fehler junger Leute, die nicht viel Urſachen und Wir - kungen kennen. Huͤtet euch davor, Kinder! Denn wer wagt, begiebt ſich in Gefahr, ohne daß es ſeine Pflicht erfodert, und kann zu Schaden kommen, oder irren. Behaltet aber, daß man das jenige wahrſcheinlich nennt, dem noch viel Gruͤnde, zur voͤlligen Gewißheit fehlen.
Sehr nahe bey der Wahrſcheinlichkeit, iſt der Irrthum.
B 4Wenn24Wenn ihr, in der finſtern Nacht, aufge - ſtanden ſeyd, um zur Thuͤre heraus zu gehen, ſeyd ihr nicht oft vor der Thuͤre vorbey ge - gangen, und habt euch in der Stube verirrt, ſeyd an den Kachelofen gekommen, denn an den Schrank, ehe ihr die Thuͤre gefunden habt? Seht, Kinder! da habt ihr in eurem Gange geirrt: denn das nennt man irren, oder im Irrthum ſtecken, wenn man anders denkt, als man ſollte; anders urtheilt, anders thut und handelt, als man ſollte. Ihr, (z. E.) ſuchtet die Thuͤre beym Ofen — War der Ofen noch heiß, ſo haͤttet ihr euch gar verbrennen koͤnnen; Denn ein Irrthum hat gemeiniglich ſchaͤdliche Folgen.
Warum aber verirrtet ihr euch damals in der Stube? Recht lieben Kinder! weil es dun - kele Nacht war, weil ihr nicht ſehen konntet.
Seht, Kinder! was das Tageslicht fuͤr un - ſere Augen iſt, das iſt die Wahrheit fuͤr unſern Verſtand. Wer die Wahrheit liebt, und nach Erkenntniß trachtet, in deßen Verſtande iſt Licht, er verirrt ſich nicht leicht, oder kommt doch bald wieder auf den rechten Weg.
Wer aber nach Wahrheit nichts fragt, und nichts Gutes lernen will, in dem iſt Finſterniß; denn jeder Irrthum iſt Finſternis im Verſtan - de; und ein ſolcher Menſch irrt alle Augenbli -cke.25cke. Wenn er nun, durch ſeinen Irrthum ver - kehrte Dinge gethan hat, ſo ſcheut er das Licht: denn ſeine Werke ſind boͤſe, und er will nicht, daß ſie ſollen offenbar werden, weil er die Verachtung der andern, und die Strafe ſeiner Thorheit fuͤrchtet. Alſo durch Aufmerkſamkeit und Wißbegierde lernt ihr die Wahrheit kennen. Wenn ihr den großen Nutzen erfahrt, den euch die Erkenntniß der Wahrheit bringt, ſo lernt ihr ſie auch lieben. Wenn ihr die Wahrheit liebt, ſo ſtrebt ihr auch nach Gewißheit, das iſt: Ihr betrachtet die nuͤtzliche Wahrheit ſo lange, bis ihr davon gewiß werdet, und euch und andre, durch Gruͤnde, uͤberzeugen koͤnnt. Alsdann aber kann auch die ungewiſſe Wahr - ſcheinlichkeit, nicht leicht betruͤgen, und in Irr - thum bringen. Denn ihr glaubt nichts ohne Gruͤnde, weil ihr wißt, daß alles, was man fuͤr wahr erkennt, entweder durch die Sinne, oder durch Gegeneinanderhaltung mit andern, ſchon bekannten Wahrheiten, oder um des Zeug - nißes willen, eines rechtſchafnen und verſtaͤn - digen Zeugen erkannt und geglaubt werden muß.
Lieben Kinder! wenn Jemand die Erkennt - niß der Wahrheit zwar haͤtte, das iſt: die Wahrheit zwar von der Unwahrheit unter - ſcheiden koͤnnte; aber ſein ganzes Verhalten gar nicht darnach einrichtete, dem wuͤrde die bloße Erkenntniß wenig helfen, und er haͤtte ohne Nutzen die Schule beſucht. Denn, Kinder! von allem, was man in der Schule lernt, muß man Vortheil und Nu - tzen haben, ſo daß man Zeit ſeines Lebens dadurch gebeßert wird. Man wird aber, durch die Erkenntniß der Wahrheit, nicht eher gebeßert, als bis man an die Wahr - heit glaubt. Wenn ihr aber der Wahrheit zutraut, daß es euch gut iſt, ſie zu wißen, und ſie zum Rath und Fuͤhrer in eurem Leben anzunehmen, auch euer Thun und Laßen, nach der Wahrheit einzurichten; als - denn glaubt ihr an die Wahrheit. Und das heißt glauben, oder glaͤubig ſeyn.
Alſo der Glaube, iſt diejenige Entſchlieſ - ſung eines Menſchen, die durch ſorgfaͤltigeBe -27Betrachtung der Wahrheit gewirkt wird, nach welcher er der Wahrheit ferner Gehoͤr giebt, und ſein Leben nach ihrer Vorſchrift einrichtet.
Ihr koͤnnt nun gleich einſehen, lieben Kinder, was unglaͤubig ſeyn heißt: Nem - lich, man iſt unglaͤubig, wenn man der Wahrheit den angeruͤhmten Nutzen nicht zu - traut, und lieber im Irrthum bleibt, als ſich Muͤhe giebt, die Wahrheit kennen zu lernen. Dieſe Geſinnung laßt ja ferne von euch ſeyn, lie - ben Kinder! Gott, der ein Gott der Wahr - heit iſt, hat einen Abſcheu vor ſolchen un - glaͤubigen Leuten. Und Er hat gleich von Anfang, Seine Welt ſo eingerichtet, daß es den Unglaͤubigen, auch hier in der Welt, nicht wohlgeht.
Ich will euch eine wahre Geſchichte erzaͤhlen von dem Nutzen, den der Glauben an die Wahrheit ſchafft, und von dem Schaden, den man davon hat, wenn man unglaͤubig iſt, oder der Wahrheit nicht fol - gen will.
In einem Dorfe wohnten acht Bauren und der Prediger. Der Prediger war ein verſtaͤndiger, guter Mann, der viel Wahr - heiten wußte, und noch taͤglich mehr dazu lernte. Einſt kam, im Winter, eine anſte -cken -28ckende hitzige Krankheit in das Dorf; und in allen Haͤuſern waren Kranke. Da ſagte der Prediger: „ Lieben Leute! folgt meinem „ treuen Rath, haltet die Kranken nicht ſo „ heiß, mit Einheitzen und Zudecken mit De - ckebetten, ſie haben doch Hitze genung; „ braucht keine hitzige Arzeneyen, ſie ſind „ ſchaͤdlich; ſchickt in Zeiten zum Doktor in „ die Stadt; denn wenn ihr wartet, bis euch „ der Othem ausgehen will, denn kann der „ Doktor nicht mehr helfen. Laßt friſche „ Luft, alle Tage, durch die Fenſter in die „ Stuben; und trinkt, Geſunde und Kranke, „ viel Waſſer, mit etwas Weineßig, ſo wer - „ den viel Kranke beßer werden, und viel „ Geſunde werden vor der Krankheit be - „ wahrt bleiben. ‟
Drey Hauswirthe glaubten dem Prediger, daß er die Wahrheit lehrte; denn ſie kannten ihn, daß er ein rechtſchaffener verſtaͤndiger Mann war, ſie machten es ſo, wie er ſagte; und fragten ihn um Rath, wo ſie ſich nicht zu rathen wußten. — In allen dieſen Haͤu - ſern nahm die Krankheit nicht uͤberhand. Die andern fuͤnfe aber waren unglaͤubig. Sie ſprachen; „ Das wollen wir wohl blei - „ ben laßen! Warum iſt denn eingeheitzt, „ wenn man die Fenſter aufmachen ſoll? „ Das29„ Das Holz iſt theuer. Hitze muß Hitze ver - „ treiben! Unſer Schaͤfer ſoll den Doktor „ noch was lehren koͤnnen. Branntewein „ und Pfeffer, (ſpricht er) wem das nicht „ hilft, dem kann nicht geholfen werden. „ Stark Bier muß der Kranke trinken, da - „ mit er Kraͤfte kriegt: er iſt ja ſchon ſo „ matt, und ſoll noch Waſſer mit Eßig trin - „ ken? ‟ Was geſchah? Die fuͤnf unglaͤubi - gen Hauswirthe ſturben, in kurzen, mit al - len Kindern und dem meiſten Geſinde dahin; und es blieb, in der ganzen Gegend, dieß Dorf bekannt, wegen dieſer Geſchichte.
So, wie dieſer Prediger in ſeinem Dorfe that; ſo, lieben Kinder! hat Gott unzaͤhlige mal, die Menſchen gelehrt, was ihnen gut oder ſchaͤdlich iſt. Er, von dem alle Wahr - heit herkommt, hat, in verſchiednen Zeiten, und durch viele rechtſchaffne Men - ſchen, die Wahrheit verkuͤndigen laſſen. Wir haben ein Buch, das heißt die Bibel, die heißt darum das Wort Gottes, weil die meiſten und wichtigſten und auch die nuͤtzlichſten Wahrheiten, darin ſtehen. Alles, was in dieſem Buche ſteht, das iſt Wahr - heit, die muͤßt ihr glauben, das heißt, es ihr zutrauen, daß ihre Erkenntniß euch nuͤtz - lich iſt; und nach ihrer Vorſchrift euer Le -ben30ben einrichten. Gott aber, muͤßt ihr, ſo oft ihr in der Bibel leſet, herzlich danken, daß Er, uns armen Menſchen, Sein Wort hat ſchenken wollen: denn dieß Wort iſt Wahr - heit, und vertreibt alle Finſterniß im Ver - ſtande; es iſt ein Licht auf unſerm Wege; und wenn wir in dieſem Lichte wandeln, das iſt: nach dem Worte Gottes uns rich - ten; ſo haben wir uns der beſondern Gna - de und Gemeinſchaft, mit Gott, zu getroͤſten, wie ihr hernach mit mehrerem erfahren werdet.
Alſo, lieben Kinder! haͤttet ihr gehoͤrt, und gelernt, was Glauben und Unglauben iſt, und daß man nur der Wahrheit glau - ben muͤße.
Denn ſeht! es giebt eine fehlerhafte Ge - ſinnung, die Leichtglaͤubigkeit heißt; da glaubt man oft an Unwahrheit. Es iſt beſonders, lieben Kinder! daß die Unglaͤubigen gemei - niglich dieſen Fehler haben. Der Wahrheit verſagen ſie ihren Glauben; aber es iſt kei - ne Thorheit ſo unſinnig, der ſie nicht Glau - ben geben ſollten. Seht! das iſt eine Stra - fe Gottes; dafuͤr, daß ſie die Wahrheit nicht lieben, und ſie nicht glauben wollen, laͤßt ſie Gott, in ihrem verkehrten Sinne dahingehen,31gehen, und es iſt ihrer Thorheit Frucht, das Uebel, welches ihnen wiederfaͤhrt.
Ihr habt, wenn ihr Achtung gebt, ſchon an der vorigen Geſchichte ſo etwas bemer - ken koͤnnen. Wer kann ein Exempel von Leichtglaͤubigkeit darin finden, und mir ſa - gen?
Recht, meine Tochter! Die fuͤnf Bauren glaubten dem Schaͤfer, der ſich nie um Wahrheiten von der Art bekuͤmmert hatte, lieber, als ihrem Seelſorger, der ſich Tag und Nacht, um ihr Beſtes, Muͤhe gab.
Ich will euch aber noch eine Geſchichte von Leichtglaͤubigkeit erzaͤhlen.
Ein Bauer hinterließ ein ſchoͤn Ackergut, und nur einen Sohn. Wie der Vater noch lebte, vermahnte er den Sohn oft zur Arbeit, und ſagte: „ Hans! wer fleißig arbeitet, der „ hat Brodt; aber der Faule muß darben. ‟ Hans aber ging lieber in die Schenke, und hoͤrte gerne was Neues. Als der Vater todt war, that Hans vollends gar kei - ne Ackerarbeit mehr, ſondern kam nicht aus der Schenke eher weg, als bis er nach Hauſe zu Bette gieng ..
Einſt kam ein Bergmann in die Schenke, ein liſtiger Betruͤger. Hans ſprach, und trank mit ihm; da merkte denn der Berg -mann32mann bald, daß Hans dumm und einfaͤltig war. Er fieng alſo an, vom Schatzgraben zu reden, und ruͤhmte, daß er verſchiedne Schaͤtze wuͤßte. Das gefiel Hanſen wohl. Er bezahlte einen Krug Bier nach dem an - dern fuͤr den Bergmann. Beym Trunke wurden ſie recht vertraut. Da erfuhr Hans vom Bergmanne, daß vor dem Dorf, im Buſch ein Schatz ſtuͤnde. „ Bruder! ſagte der Bauer, „ wenn du ihn weißt, warum haſt du „ ihn nicht ſchon gehoben? Ja, ſagte der „ Bergmann, das geht nicht ſogleich. Ich „ bin arm, wenn ich 33 Rthlr. 3 Gr. 3 Pf. „ in Gold, Silber, und Kupfergelde haͤtte, „ denn wollte ich ihn gleich heben. ‟ Bruder! rief Hans voller Freuden, ſo viel habe ich eben in der Taſche, und wohl mehr. Ich habe heut ein Pferd verkauft — 11 Duka - ten, 3 Silbergroſchen, und 1 Kupferdreyer — Nicht wahr? Das macht 33 Rthlr. 3 Gr. 3 Pf. und iſt dreyerley Geld. Gut, ſagte der Bergmann, um 12 Uhr in der Nacht, gehn wir hin, und du ſollſt die Haͤlfte vom Schatz haben, weil du das Geld hergiebſt. ‟
Sie giengen alſo hin in den Buſch. Der Bergmann nahm die 33 Rthl. 3 Gr. 3 Pf. in Empfang, und ſtellte Hanſen an einen Eichbaum, und verbot ihm, bey Lebens-Ge -fahr,33fahr, zu reden, ſondern gebot ihm, dort 3 Stunden ſtille zu ſtehen.
Indeß der Bauer ſtille ſtand, ſo gieng der Bergmann, mit dem Gelde, uͤber die Graͤnze und davon. Am Morgen kam der Bauer, der lange gefroren und gewartet hatte, zu Hauſe, und wem er ſein Ungluͤck erzaͤhlte, der lachte ihn aus. —
Seht, Kinder! dieſer Hans traute ſeinem eignen Vater nicht zu, daß er ſein Beſtes ſuchte, wie er ihm die Arbeit empfohl, und war unglaͤubig. Hernach aber, war er doch ſo leichtglaͤubig, daß ihn ein unbekannter Menſch betruͤgen und um das Seinige brin - gen konnte. Alſo leichtglaͤubig ſeyn, heißt ſolchen Zeugnißen trauen, die keinen Glau - ben verdienen.
Aberglaͤubiſch iſt man, wenn man Wirkun - gen erwartet, zu denen die Urſachen fehlen.
Lieben Kinder! es giebt falſche Menſchen in der Welt, die ſich gewißer Kuͤnſte ruͤh - men, die ſie ſehr geheim halten. Bald wol - len ſie machen, daß das Fieber ausbleibt; bald, daß der Dieb das Geſtohlne ſelber wiederbringen muß; daß die Kuͤhe keine Milch geben; daß jemand, der ihnen was zu Leide gethan hat, mit einemmal krummCund34und lahm wird, und wie die Poßen alle heißen.
Seht! wer glaubt, daß er dieſe Kuͤnſte kann; daß er durch bloße Worte und Zei - chen, dieß ausrichten kann, der iſt aberglaͤu - biſch — Er erwartet eine Wirkung, ohne Urſache. Denn das bloße Wort eines ſchwa - chen Menſchen, kann nicht die Urſache ſeyn, woraus ſolche Wirkungen entſtehen. Und Gott, als ein hoͤchſtguͤtiger Vater, hat die Menſchen gewiß nicht der Gefahr ausſetzen wollen, daß ein jeder boͤſer und feindlich geſinnter Menſch, dem andern, bloß durch ein paar Worte, Gottes edelſte Gabe, die Geſundheit rauben, oder ihn um ſein Ver - moͤgen, heimlich und ungeſtraft, bringen koͤnnte. Der hoͤchſtguͤtige Gott liebt ja die Menſchen, ſeine Geſchoͤpfe: Denn, wenn das nicht waͤre, ſo haͤtte Gott keine geſchaf - fen. Wir ſollen Gott fuͤrchten, weil alles, was geſchieht, nach Gottes Willen geſchieht; wie ihr hernach auch mit mehrern hoͤren werdet. Wenn ihr alſo, ſchlecht unterrich - tete Leute, von Geſpenſtern, die des Nachts die Leute erſchrecken, von Kobolden und Hexen, die, auf den Beſen, durch die Luft reiten; von Kirchhoͤfen, daß die Todten des Nachts darauf ſich ſehen laßen, und allenſol -35ſolchen aberglaͤubiſchen Dingen, hoͤrt erzaͤh - len: ſo ſeyd nicht leichtglaͤubig, euch davor zu fuͤrchten, (wenn auch die Leute ſo gar ſagten; „ Sie haͤtten es mit ihren Augen „ geſehen; ‟ denn, entweder ihre Augen ſa - hen vor Furcht, damals unrichtig, oder ſie ſagen mit Vorſatz Unwahrheit:) Sondern fuͤrchtet, das iſt, ehret Gott uͤber alles, und folgt der Wahrheit, ſo duͤrft ihr euch nicht vor dieſen thoͤrichten Luͤgen fuͤrchten.
Geliebten Kinder! Was euch in allen vo - rigen Schul-Uebungen gelehrt worden iſt, das war ſchon, bloß um dieſes Capitels willen, noͤthig; weil ihr es ſonſt nicht ver - ſtehen konntet.
Die Erkenntniß der Religion, oder des Verhaͤltnißes, worin der Menſch mit Gott ſteht, iſt, unter allen Erkenntnißen, die wich - tigſte. Daß dieſes wahr ſey, werdet ihrC 2glau -36glauben, ſo bald glauben, oder fuͤr wahr annehmen, als ihr von der Religion werdet unterrichtet ſeyn.
Ihr ſeyd zu dieſem Endzweck vorberei - tet worden. Erſtlich: daß ihr die Huͤlfsmit - tel zu aller Erkenntniß, nemlich Aufmerk - ſamkeit und Wißbegierde, kennen gelernt, und euch, in deren Anwendung, geuͤbet habt.
Zweytens: Ihr habt gehoͤrt, daß alle Dinge, die wir ſehen, und empfinden, aus Urſach und Wirkung beſtehen, und daß Gott die erſte Urſach aller Dinge ſey, oder daß alles ſeinen Anfang, Gott zu danken habe.
Drittens: Daß ber Menſch zwar, ſeinen von Gott erhaltenen Verſtand, dazu brau - chen muͤße, ſo viel Urſachen und Wirkun - gen, als moͤglich, einzuſehen, und alſo weiſe und klug zu werden. Daß aber doch ſich nicht alles, durch eignes Nachdenken, oder Belehrung von andern, ergruͤnden laße.
Viertens: Ihr wißt, was Wahrheit iſt, und habt, die Zeichen derſelben zu kennen, eure Faͤhigkeit geuͤbt.
Fuͤnftens: Ihr ſeyd belehret, daß man ſich nach der[erkannten] Wahrheit auch richten muͤße, oder der Wahrheit glauben; ſowohl der Wahrheit, die man, aus eignen Nachdenken, fuͤr Wahrheit erkennt, als auch der Wahrheit, die man, auf dasZeug -37Zeugniß eines unverwerflichen Zeugen, fuͤr wahr annehmen muß.
Welcher Zeuge, geliebte Kinder! kann nun wohl unverwerflicher, und alſo glaubwuͤrdi - ger ſeyn, als die erhabne Urſache aller Wir - kungen?
Gott, von dem wir Leben und alles Gu - te haben; der Wohlthaͤter, der allen Speiſe giebt, und Brodt aus der Erden, und Klei - dung wachſen laͤßt; der guͤtige Vater, der alles ſo veranſtaltet hat, daß, wer Seinen Worten und Zeugnißen, in der Religion folgt, ſchon hier ſehr gluͤcklich iſt, und nach dem Tode, eine unausſprechliche Herrlichkeit zu gewarten hat; Gott hat uns nicht al - lein Verſtand gegeben, daß wir aus der Erkenntniß aller Dinge Ihn finden, und Ihn, die erſte Urſach aller Wirkungen nen - nen muͤßen: ſondern Er hat auch Sich, aus erbarmender Liebe, den Menſchen offenbart, und einen ganzen Schatz von Wahrheit, ih - nen geoͤfnet, den ſie ſonſt nicht wißen konn - ten. Ein Buch, welches die heilige Schrift oder Bibel heißt, enthaͤlt dieſen Schatz von Wahrheit. Gott ſelbſt bezeuget, daß die heilige Schrift Wahrheit ſey, und fordert von uns Gehorſam und Annehmung der Wahrheit oder Glauben.
Alſo38Alſo, geliebten Kinder! Gott, in allen Sei - nen Verhaͤltnißen, aus Seinen Werken und aus der Bibel kennen lernen, das heißt, in der Religion unterrichtet werden, oder wah - re Weisheit lernen.
Hoͤrt deßwegen, mit aller Aufmerkſamkeit, dieſen Unterricht an! Bewahret, was ihr lernt, in einem feinen guten Herzen, und zeigt auch durch euer aͤußerliches Betragen, daß ihr das Verhaͤltniß wiſſet, worin ihr mit Gott ſteht!
Lieben Kinder! Die erſte Urſach aller Wirkungen, Gott! von dem alle Dinge ih - ren Urſprung haben, iſt ſehr maͤchtig, das iſt: Gott iſt ſtaͤrker, als alle andere Dinge, Gott kann alles zwingen; kein Ding kann Gott widerſtehen: denn da Gott die erſte Urſache aller Wirkungen iſt, ſo ſteht Ihm auch alles zu Gebote, und ein jedes Geſchoͤpf, muß Gott fuͤr ſeinen Herrn erkennen.
Weil39Weil nun Gott alles thun kann, was Er will, ſo nennen wir das kurz, Gott iſt all - maͤchtig.
Wer alles ſo einrichtet, daß allenthalben Ordnung gefunden wird, wo er gewirkt hat, ſo, daß er ſeines Endzweckes niemals verfeh - let, der heißt hoͤchſtweiſe.
Seht, lieben Kinder! die ganze Natur zeugt davon, daß ein weiſer Gott ſie ſo ein - gerichtet hat. Tag und Nacht, Sommer und Winter, ſind, unter unzaͤhligen Beyſpie - len, diejenigen, die ihr am leichteſten einſe - hen koͤnnt.
Sonſt will ich euch nur noch an eine Sache erinnern.
Das Brodt, was ihr eßt, iſt die gemein - ſte Speiſe; man braucht nicht ſehr reich zu ſeyn, um Brodt zu haben: Aber keine Spei - ſe bekommt dem Menſchen ſo gut, als Brodt. Wir koͤnnen es alle Tage eſſen. Der meiſte Roggen wird vor den Winter geſaͤet, und verdirbt nicht unter Eis und Schnee. Iſt alſo nicht der Gott hoͤchſtweiſe, der alles das, zu unſerm Beſten, ſo eingerichtet hat; unſern Leib zu der Nahrung des Brodts, und das Brodt zur Nahrung und Staͤrkung fuͤr unſern Leib?
Alſo, Gott iſt hoͤchſtweiſe.
C 4Wenn40Wenn die Weisheit, durch ihre Wirkung, den Nutzen und die Gluͤckſeeligkeit aller an - dern Geſchoͤpfe befoͤrdert; ſo heißt dieſes die hoͤchſte Guͤtigkeit.
Lieben Kinder! Schon daß ihr das Le - ben habt, das iſt: daß Gott euch auserſe - hen hat, die Zahl der Geſchoͤpfe zu vermeh - ren, iſt eine große Guͤtigkeit. Was habt ihr Gott zu Gefallen thun koͤnnen, ehe ihr wart? Womit habt ihr Ihn zu dieſer Wohl - that bewegen koͤnnen? Es iſt Gottes freye Gnade und Guͤtigkeit, daß ihr lebt, und in Seiner ſchoͤnen Welt, taͤgliche Proben Seiner Vaterliebe genießt.
Erinnert euch ja, wenn ihr am ſchoͤnen Fruͤhlingstage ſpielt, oder gute Speiſen eßt, oder die Voͤgel ſingen hoͤrt, kurz; bey jeder frohen Empfindung, in eurem ganzen Leben, erinnert euch:
Daß Gott hoͤchſtguͤtig iſt!
Wer gar keinen Mangel, weder an Macht, noch Weisheit, noch Guͤtigkeit hat, der iſt vollkommen, das iſt: Alles Gute, was ſich nur gedenken laͤßt, iſt da beyſammen.
In Gott iſt dieſes einzig und allein zu finden: Denn es iſt kein Grund anzugeben, wie, und wodurch Gott ſollte unvollkommenwer -41werden koͤnnen; da Er die hoͤchſte Macht, Weisheit und Guͤtigkeit iſt.
Alſo, Gott iſt vollkommen.
Gerechtigkeit nennt man diejenige Guͤtig - keit, die einen Unterſchied macht, zwiſchen gut und boͤſe, gehorſam und ungehorſam. Heiligkeit aber, die mit Mißfallen begleitete Abſonderung von aller Unvollkommenheit.
Lieben Kinder! Wer weiſe iſt, das iſt: wer Ordnung erhalten will, wo er gewirkt hat, der muß alſo auch gerecht ſeyn; er muß einen Unterſchied, zwiſchen dem gehorſamen, der ſich die Ordnung gefallen laͤßt, und dem ungehorſamen, der der Ordnung widerſtrebt, machen. Daß Gott dieſes wirklich thut, wer - det ihr aus dem Worte Gottes, mit meh - rern lernen: Denn in der Bibel iſt der ei - gentliche Beweis der Gerechtigkeit Gottes zu finden.
Daß aber Gott heilig ſey, oder an Sich ſelbſt, oder andern nichts boͤſes leiden, oder das Boͤſe erlauben kann, iſt ſchon in dem Beweiſe der Vollkommenheit Gottes mit enthalten: Denn, wer an ſich ſelbſt das Boͤſe leidet, der iſt nicht vollkommen.
Alſo, Gott iſt heilig und gerecht.
Wer alle nur moͤgliche Einſicht in den Zuſammenhang aller Dinge hat; wer alleC 5Ur -42Urſachen und Wirkungen kennt, und den Er - folg einer jeden Handlung vorherſieht, der iſt allwißend, oder weiß alles. Weil aber Gott alle Dinge geſchaffen, oder hervorgebracht hat, und allenthalben Weisheit, oder abſichts - volle Ordnung, hervorblickt, und dieſe Ord - nung ſich noch erhaͤlt; ſo ſchließen wir mit Recht: daß Gott alles weiß, weil er es ſonſt ſo ordentlich nicht haͤtte einrichten koͤnnen.
Alſo, Gott iſt allwißend.
Wer alles vorher weiß, und die Macht hat, es ſo einzurichten, wie er es gut findet, der braucht ſeine Meynung nicht zu aͤndern, oder heute ſo, morgen anders, zu verfahren, und der iſt unveraͤnderlich.
Ihr habt gehoͤrt, daß Gott alles vorher - weiß, und die hoͤchſte Weisheit und Macht beſitzt, uͤberdem auch alle Vollkommenheit hat; was aber ſich beſtaͤndig veraͤndert, das iſt nicht ſtets vollkommen.
Alſo, Gott iſt unveraͤnderlich.
Was keinen Anfang braucht, um zu ſeyn, noch, wegen Verluſt ſeiner Kraͤfte, zu ſeyn aufhoͤren muß, das nennt man ewig, oder immerwaͤhrend. Gott iſt die erſte Urſache aller Wirkungen; haͤtte nun Gott einen Ur - ſprung noͤthig, ſo waͤre ja dieſer die erſte Urſach, und Gott waͤre die erſte Wirkung,alſo43alſo nicht vollkommen: Denn die Urſach iſt eher, als die Wirkung. Kinder! dieſes laͤßt ſich nicht denken. Wenn alſo Gott die erſte Urſach aller Wirkungen iſt; ſo muß Gott ewig ſeyn, das iſt: Gott muß immer gewe - ſen ſeyn, und immer Gott bleiben.
Was keinen ſolchen Coͤrper hat, den man ſehen, fuͤhlen, und einſchließen kann; was nicht durch Arbeit muͤde wird, noch Nah - rung und Schlaf braucht, um ſich zu erho - len, das nennt man einen Geiſt, oder ein un - coͤrperliches Weſen.
Denkt einmal, lieben Kinder! ob Gott nicht nothwendig ein ſolcher Geiſt ſeyn muͤße, wenn Ihm alle die Eigenſchaften zukommen ſollen, von denen ihr vorher gehoͤrt habt?
Freylich, Gott iſt ein Geiſt, der alles verſteht, dem alles zu Gebote ſtehet, vor dem keine Macht mich ſchuͤtzen, und keine Finſterniß mich decken kann. Gott, der die ganze Welt, oder alles, was iſt, geſchaffen hat, und durch Seinen Befehl erhaͤlt, Gott kann im Augenblick die Welt verwandeln, und uns zu Staub zermalmen. Waſſerflu - then, Donner und Sturm, Hagel und Schnee, dieß alles ſteht Gott zu Befehl. Aber nur ei - nes davon iſt noͤthig zu dieſem Endzweck: Denn, wenn es Gott als eine Strafe, brau -chen44chen will: ſo muͤßen Menſchen und Thiere verderben.
Fuͤrchtet alſo, das iſt: ehret Gott, lieben Kinder! von deßen Eigenſchaften ihr unter - richtet ſeyd, uͤber alle Dinge, mehr als alle Menſchen, und huͤtet euch, gegen Gottes Befehle wiederſpenſtig zu ſeyn: Denn das iſt die rechte Furcht Gottes, wenn man Gott eh - ret und Hochachtung fuͤr Ihn empfindet, und wenn man es nicht wagt, ungehorſam zu ſeyn, oder Gottes Ordnung zu wieder - ſtreben, ſondern ſich alle moͤgliche Muͤhe giebt, den Willen Gottes, ſeines Herrn, zu wiſſen, und, wenn man ihn weis, auch zu thun.
Geliebten Kinder! Unſre Erkenntniß Got - tes wuͤrde ſehr mangelhaft bleiben, und von unſerer eignen Beſchaffenheit und Beſtim - mung auf dieſer Erde, wuͤrden wir wenig wißen, wenn der hoͤchſtguͤtige Gott nicht,durch45durch Offenbarung, oder Bekanntmachung ge - wißer wichtigen Wahrheiten, unſerm Ver - ſtande zu Huͤlfe gekommen waͤre. Gott hat dieſes wuͤrklich gethan, und, von Anfang, den Menſchen ſo viel Wahrheiten offenbart oder kund gethan, als noͤthig waren. Gott hat, entweder Selbſt Wahrheit gelehrt, oder den Verſtand guter Menſchen ſo regiert, daß ſie Wahrheit lehrten.
Im Anfang ward die Lehre Gottes durch muͤndliche Erzaͤhlung erhalten, denn die Menſchen konnten noch nicht ſchreiben. Endlich aber ſammleten und ſchrieben, gute und verſtaͤndige Menſchen, alles in ein Buch, welches die Bibel, oder die heilige Schrift, auch das Wort Gottes, heißt.
Dieſe Bibel iſt nun der Schatz von Wahrheit, aus dem ein jeder Weisheit ler - nen kann. Gott Selbſt erklaͤrt die Bibel fuͤr Sein Wort, und Sein Zeugniß iſt un - verwerflich.
So viele gute und verſtaͤndige Menſchen, bezeugen alle Tage, daß ſie durch Betrach - tung des Wortes Gottes, ruhig und gluͤck - lich, verſtaͤndig und weiſe geworden ſind; dieß ſind wieder Zeugniße, die Glauben verdienen. Ihr ſeyd alſo ſchuldig, gelieb - ten Kinder! dem Worte Gottes zu glauben,das46das iſt: es als Wahrheit anzunehmen, und euch darnach zu richten.
Wenn ihr das thut, ſo werdet ihr, bey euch ſelbſt, inne werden, und erfahren, daß die Lehre der Bibel von Gott iſt, und daß, ohne Gott, kein Menſch ſolche Weisheit wißen, oder finden konnte.
Seht, lieben Kinder! um die Bibel leſen und verſtehen zu koͤnnen, habt ihr bisher muͤßen unterrichtet werden. Und, um eu - ren fernern Unterricht in der Religion zu erleichtern, will ich eurem Gedaͤchtniß, mit Nachfolgendem zu Huͤlfe kommen.
Im Amfang ſchuf, oder machte, Gott Himmel und Erde, und Alles, was da iſt. Auch den Menſchen ſchuf Gott, zum Bilde Gottes auf Erden, und gab ihm einen Koͤr - per aus Erde, der wieder zu Erde wird, und in dieſen Koͤrper eine lebendige Seele, die nicht wieder vergeht.
Die erſten Menſchen hießen, Adam, der Vater, und Eva, die Mutter, aller Leben - digen.
Gott47Gott offenbarte ſich ihnen gleich, das iſt, Er that ihnen ſeinen Willen kund.
Sie waren von Gott ſo geſchaffen, daß, wenn ſie Gott gehorſam waren, ſie beyde ſehr gluͤcklich blieben. Denn ſie blieben als - denn frey von boͤſem Gewißen, von Sorge, Krankheit und Tod. Aber ſie gehorchten nicht. Ihr Ungehorſam ward, von dem ge - rechten Gott, der einen empfindlichen Un - terſchied zwiſchen dem Gehorſamen und Ungehorſamen machen muß, beſtraft. Die Strafe der Suͤnde war der Tod, und der Verluſt des hohen Grades zeitlicher Gluͤckſeeligkeit, den ihnen Gott anfaͤnglich zugetheilt hatte. Daher wurde ihnen auch, der ſonſt ſo angenehme Landbau, wie alle Arbeit ſo ſauer, daß ſie oft ſehr ungern daran giengen, und traͤge und faul dabey waren.
Nach und nach vermehrten ſich die Men - ſchen! Weil ſie aber meiſtentheils ſehr boͤſe waren, und ſich vor Gott gar nicht mehr fuͤrchteten, ſo ließ Gott wohlverdiente Stra - fen uͤber ſie ergehen.
Waſſerfluthen ſchickte Gott, uͤber die Er - de; die laſterhaften Menſchen erſoffen, und nur Ein Mann, Nahmens Noah, mit ſei - ner Familie ſelb achten, ward, von Gott,in48in einem Schiffe, das die Arche heißt, wun - derbar erhalten.
Aus ſeinen Nachkommen entſtanden die Voͤlker, und unter andern die Juden, da - von noch einige, zum Beweis aller dieſer Wahrheit, unter uns wohnen. Dieſes Volk waͤhlte Gott, unter andern Voͤlkern, aus, um durch ſie, den uͤbrigen Menſchen recht bekannt zu werden. Ihnen gab Er einen kurzen Auszug Seines Willens, in den zehn Geboten, offenbarte Sich vielen Perſonen unter ihnen, und belehrte ſie, auf mancher - ley Weiſe, von dem Verhaͤltniß des Men - ſchen gegen Gott, oder von der Religion. Die zehn Gebote ſind, noch heute zu Tage, in ſolchem Anſehen, und wir lernen, in un - ſern Catechismus, dieſe Gebote auswendig, um ſie immer im Gedaͤchtniß zu halten. Den Juden alſo offenbarte ſich Gott, beſon - ders durch Lehre, und bewundernswuͤrdige Wohlthaten; und erweckte aus Ihnen, Pro - pheten und Lehrer, welche viel, von einem verheißenen Erloͤſer vorherſagten, durch wel - chen unter allen Voͤlkern Wahrheit und Er - kenntniß ausgebreitet werden ſollte. Dieſe Juden zeichneten endlich auch die von Gott vorzuͤglich empfangenen Wahrheiten auf; und dieſem Volke haben wir den groͤſten und er -ſten49ſten Teil der Bibel, welchen wir das Alte Teſtament nennen, zu verdanken.
Ob aber Gott gleich Sich den Juden ſo gnaͤdig erwies, ſo glaubten ſie doch nicht immer Gott; ſondern thaten, was Gott verbot, und richteten ſich nicht nach Gottes Ordnung. Wenn ſie denn Gott durch Krieg, Hunger und Krankheit ſtrafte, ſo bekehrten ſie ſich zwar, oder ſie aͤnderten ihre Geſin - nungen, aber nicht lange blieben ſie gehor - ſam. Denn von der Zeit an, da die erſten Menſchen geſuͤndigt, das iſt, ungehorſam ge - weſen waren, wurde des Abweichens immer mehr, die boͤſen Beyſpiele pflanzten das Boͤ - ſe fort. Der Menſch liebte das Boͤſe mehr, als das Gute, und hatte mehr Luſt an ſei - nem eignen Willen, als an dem Willen Got - tes. Endlich war die, von der Weisheit Gottes verſehene Zeit, da durch eine beſon - dre Perſon, dem Verderben des Menſchen ſollte geſteuret werden, erfuͤllet. Von einer juͤdiſchen Jungfrau, Namens Maria, ward der Verheißene geboren, den Gott den er - ſten Menſchen, als einen Tilger der verdien - ten Strafen und Wiederherſteller des, durch Ungehorſam verlohrnen Goͤttlichen Ebenbildes im Menſchen, verheißen hatte, und auf den die Juden, durch ihre Lehrer, die wegen ih -Drer50rer Gabe, das Kuͤnftige vorher zu wißen, auch Propheten heißen, ſo oft waren auf - merkſam gemacht worden.
Er wird in der Bibel, die in der damaligen Sprache geſchrieben iſt, genennt Meßias, Chri - ſtus, der Geſalbte, der Koͤnig, Jeſus, das iſt, ein Seeligmacher, ein Erloͤſer, oder der große Leh - rer und Prophet, der in die Welt kommen ſollte.
Von Ihm ſagt die Bibel: Er ſey Gottes Sohn; Gott habe, bey der Taufe Chriſti, Selbſt bezeuget: Dieſer iſt mein lieber Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe; und der heilige Geiſt habe, in ſichtbarer Geſtalt, bey dieſer Gelegenheit, uͤber Jeſ[u] Haupte ge - ſchwebt. Die Bibel legt Jeſu Chriſto goͤtt - liche Eigenſchaften bey. Er ſey erſchienen, oder gekommen, die Strafe, die ſonſt die Menſchen leiden mußten, nemlich den Ver - luſt der ſeeligen Gemeinſchaft mit Gott, da - durch aufzuheben, daß Er Selbſt, an ihrer Stelle, einen ſchmerzlichen Tod litte; zugleich aber, um den Menſchen ein Muſter, oder Vorbild zu ſeyn, wie ſie leben muͤßten, um Gottes Gnade wieder zu erlangen. Von den Menſchen aber forderte Gott, ſie ſollten dieſem Verheißenen, goͤttliche Ehre erzeigen; an Ihn glauben, das iſt: Ihn fuͤr den Lehrer, Suͤndentilger, und Verſoͤhner desmenſch -51menſchlichen Geſchlechts annehmen, in Sei - nem Namen beten, und auf Ihn, die ganze Hofnung einer ſeeligen Unſterblichkeit gruͤnden.
Chriſtus Jeſus lehrte die Menſchen viel mehr Wahrheit als ſie jemals gewußt hat - ten, verſtehen, oder begreifen. Das wichtig - ſte aber, was Er lehrte, war fuͤr die Men - ſchen: daß ein Leben nach dem Tode ſey, oder daß, wenn gleich der Menſch ſtirbt, und in der Erde verweſet, doch ein jeder Menſch, zu ſeiner Zeit, wieder auferſteht, das iſt, wieder zu leben anfaͤngt, und daß, nach dieſer Auferſtehung, ein jeder Menſch gerich - tet werden, oder den verdienten Lohn ſeiner Thaten empfangen ſolle.
Chriſtus Jeſus lebte eine Zeitlang, auf Erden, unter den Juden, war wohlthaͤtig gegen jedermann, und that ſolche Werke, die, nur Gott, aber kein bloßer Menſch, thun kann, und daher mit Recht Wunder genennt werden.
Er wußte, was die Menſchen dachten; ver - wandelte Waſſer in Wein; heilte die gefaͤhr - lichſten Krankheiten durch ein bloßes Wort, und machte die Todten lebendig; auf Sei - nen Befehl gehorchte der Wind, und das Meer ward ſtille; dieß und noch mehr, thatD 2er,52er, damit die Menſchen glauben ſollten: Er ſey der verheißene Heiland der Welt.
Seine Lehre war die vollkommenſte Weis - heit, und enthielt alles, wodurch ein Menſch Rechtſchaffenheit lernen; ein ruhiges Gewiſ - ſen, oder Bewuſtſeyn, daß Gott ihm gnaͤdig iſt, erlangen, und alſo, hier auf Erden, gluͤck - lich ſeyn, und nach dem Tode, eine gluͤckſee - lige Fortdauer erwarten kann.
Aber, ſo wie die Menſchen vorher nicht alle Gott geglaubt hatten, ſo glaubten ſie auch, dem von Gott verheißenen Erloͤſer, nicht alle. Nur im Anfang, einige Leute ge - ringen Standes, waren Ihm treu ergeben, und fanden, daß in Seinen Worten etwas Goͤttliches, und ein Vorſchmack des ewigen Lebens waͤre. Dieſe werden Apoſtel, d. i. Ge - ſandten genannt, weil ſie von Jeſu unmittel - bar ausgeſandt wurden, ſeine Lehre allen Voͤlkern der Erde zu predigen.
Die meiſten und maͤchtigſten im Volke der Juden waren Jeſu Feinde, und konnten die aͤ[u] ßerliche Niedrigkeit ſeines Betragens, nicht mit denen Begriffen reimen, die ſie ſich nach der Pracht und Hoheit dieſer Welt, von dem verheißenen Erloͤſer gemacht hatten. An - ſtatt, daß ſie Chriſto Jeſu danken, und an Ihn glauben ſollten, ſo haßten ſie Ihn ohneUr -53Urſach; bloß weil Er, bey aller Gelegenheit, ſie zurechte wies, und ihre verkehrte Ge - muͤthsart tadelte. Sie haßten Ihn endlich ſo ſehr, daß ſie ſich entſchloßen, Ihn zu toͤdten.
Wenn man aber einen Menſchen zum Tode verdammen will, ſo muß man ihn vorher eines Verbrechens beſchuldigen, und auch uͤberfuͤhren.
Das Erſte thaten die Juden, nemlich ſie beſchuldigten Jeſum: Er ſey ein Zauberer, das iſt, einer, der mit des Teufels Huͤlfe, boͤſe Dinge thut, hernach: Er wolle Koͤnig uͤber die Juden werden, endlich: Er habe Gott gelaͤſtert. Aber, von allen dieſen konn - ten ſie Jeſum nicht uͤberfuͤhren, oder bewei - ſen, daß ihre Beſchuldigungen wahr waͤren. Endlich ſtellten die Oberſten unter den Ju - den falſche Zeugen auf, die verſicherten, alle dieſe Beſchuldigungen waͤren wahr. Und Jeſus Chriſtus ward zum ſchmerzlichſten Tode, nemlich, an Haͤnden und Fuͤßen an ein Holz, das, wegen ſeiner Geſtalt, ein Creutz heißt, genagelt zu werden, und dar - an zu ſterben, verurtheilt. Ohngefaͤhr um die Zeit im Jahre, da wir, zum Gedaͤchtniß dieſer Begebenheit, Oſtern feyern, ward alſo Jeſus Chriſtus gekreuziget; nach der Gewohn -D 3heit,54heit, nachdem Er am Creutz geſtorben, in ein Grab gelegt, oder begraben; Aber, am dritten Tage ſtand Chriſtus Jeſus, aus eig - ner goͤttlicher Kraft, lebendig auf, und er - ſchien ſeinen, uͤber das Geſchehene, ſehr be - truͤbten Juͤngern. Zu ihrem Troſt und voͤl - liger Belehrung, oͤfnete Jeſus Chriſtus ih - nen die Schrift, das iſt: Er gab ihnen Ein - ſicht in den ganzen Zuſammenhang des Ver - fahrens Gottes mit den Menſchen, und wie Er, Chriſtus, der Sohn Gottes, habe ein Menſch geboren werden, und, als ein Menſch den Tod leiden muͤßen, um den Menſchen Begnadigung bey Gott, wegen alles bisheri - gen Ungehorſams, zu verſchaffen. Er be - ſtellte auch dieſe ſeine Juͤnger zu Lehrern der Menſchen, und befahl ihnen, die Leute zu unterweiſen, und ſie denn, durch die Taufe, zu Chriſten einzuweihen.
Durch dieſe Lehre und Unterricht wurde nun der Glaube der Apoſtel geſtaͤrkt, und ſie predigten dieſes Evangelium, oder dieſe froͤliche Botſchaft, auf Befehl Jeſu, allen Voͤlkern, wo ſie hinkamen, mit Freudigkeit.
Als Jeſus Chriſtus nun, auf Erden, al - len Willen Gottes Seines Vaters, vollendet hatte; ſo kam eine Wolke, und umhuͤllte Ihn vor den Augen ſeiner Apoſtel, und vie -ler55ler Menſchen, und Er gieng wie[d] er ein, zu Seiner Herrlichkeit im Himmel.
Aber, am Tage der großen Auferſtehung oder des allgemeinen Gerichts, wird Er wieder er - ſcheinen, und diejenigen, die Ihn fuͤr das, was Er iſt, gehalten, und Seiner Lehre gehorſam gewe - ſen, Theil an Seiner Herrlichkeit nehmen laßen; die andern aber, die keinen Theil an Ihm haben wollten, von der ſeeligen Gemeinſchaft mit Gott ausſchließen.
Geliebten Kinder! dieſe Apoſtel nun lehr - ten, wie es ihnen von Jeſu Chriſto, ihrem und unſerm Herrn, befohlen war, zuerſt die Juden, denn auch die verſchiedenen abgoͤtti - ſchen Voͤlker zu denen ſie kamen. Und die - ſe Voͤlker nennt die Bibel Heiden, d. i. ſolche Leute, die keine richtige Begriffe von dem einigen wahren Gott und von der Religion (welches die Lehre von dem Ver - haͤltniße der Menſchen mit Gott iſt) haben.
Eure Voraͤltern, Geliebten Kinder! wa - ren auch ſolche Heiden, voller Unwiſſenheit und Aberglauben, ehe ſie in der chriſtlichen Religion unterrichtet wurden; und es giebt noch ganze große Laͤnder voll ſolcher Hei - den — Preiſet alſo und danket Gott da - fuͤr, daß Er eure Voraͤltern berufen hat von der Finſterniß zu dem herrlichem LichteD 4ſeines56ſeines Evangelii. Haltet es fuͤr die groͤſte Wohlthat Gottes, daß ihr Kinder chriſtli - cher Aeltern ſeyd, alſo durch Lehrer in Schu - len und Kirchen in aller Erkenntniß des Willens Gottes unterrichtet werdet; und wendet auch den empfangenen Unterricht ſo an, daß ihr Gott den ihm wohlgefaͤlligen Dank, durch ein tugendhaftes und chriſtli - ches Leben, opfert.
Philipper im 4. Cap. v. 8. 9.
Was wahr iſt, was ehrbar, was gerecht, was keuſch, was lieblich iſt, was wohl lau - tet, iſt etwa eine Tugend, iſt etwa ein Lob, dem denket nach — das thut!
So, meine liebſten Freunde, redet euch die Bibel an, von welcher ihr gehoͤrt habt, daß ſie Gottes Willen enthalte. Sie will in allen Stuͤcken, euch vollkommen haben. Ihr ſollt nicht allein vor groben Laſtern, das iſt, vor ſolchen, die die weltlichen Ge - ſetze ſtrafen, euch huͤten, ſondern auch ver - borgene Suͤnden meiden; in allen Stuͤckeneuch57euch anſtaͤndig, und ehrbar, und als ſolche bezeigen, die da wißen, daß Gott alle Din - ge ſieht und weiß.
Weil nun hierzu vor allen Dingen noͤthig iſt, daß ihr gute Gedanken habt, gute Vor - ſaͤtze faßt, gute Mittel waͤhlt, ſie auszufuͤh - ren; zu allen Dieſen aber die beſten Anlei - tungen in der Bibel findet: So will ich euch eine Anweiſung geben, die euch nuͤtz - lich ſeyn wird.
Wenn ihr in der Bibel leſen wollt, ſo betet allemal vorher zu Gott:
Ach Herr, mein Gott! ich will in der Bibel leſen, oͤfne mir die Augen des Verſtandes, daß ich in der Er - kenntniß Jeſu Chriſti zunehme; Dein guter Geiſt bewahre mich vor Irr - thum, und fuͤhre mich auf richtiger Bahn! Amen.
Ihr werdet in der Bibel zweyerley fin - den. Erſtlich: Wie Gott Sich gegen die Menſchen bewieſen hat. Anderntheils: Wie die Menſchen gegen Gott ſich bewieſen ha - ben. Herablaßend, gnaͤdig, treu, gerecht und gut, iſt Gott; die Menſchen aber, nicht aufrichtig, nicht dankbar durch Gehorſam, der einzigen Art von Dank, die gegen Gott moͤglich iſt. Die meiſten in der Bibel be -D 5ſchrie -58ſchriebnen Menſchen, klebten mit ihren Her - zen an vergaͤnglichen Dingen, die nicht Gott ſind; ſuchten Ruhe, und fanden ſie nicht, weil ſie außer Gott Ruhe ſuchten. Sie thaten weder als Unterthanen, noch als Obrigkeiten, ihre Pflichten, und fuͤrchteten ſich hernach, wo nichts zu fuͤrchten war, weil ſie mit ihren Herzen von dem Gott gewichen waren, der allein mit Recht ſagen kann: Fuͤrchte dich nicht in der Noth, denn Ich bin bey dir.
Lieben Kinder! Wenn ihr den aufrichti - gen Wunſch bey euch empfinden werdet: „ Weil mich Gott zu einem verſtaͤndigen „ Weſen geſchaffen hat, und mir Geſetze ge - „ geben, das iſt, Seinen Willen bekannt ge - „ macht hat, damit ich gluͤcklich ſeyn koͤnne, „ ſo will ich mich mit Fleiß huͤten, vor alle „ dem, was Gottes Willen zuwider iſt. “ Als - denn wird euch euer Gewißen erinnern, wenn ihr gefehlt habt. Wenn euch eure Aeltern, Lehrer oder wahren Freunde zeigen, wo ihr gefehlt habt, ſo werdet ihr nicht widerſtreben, euern Fehler nicht entſchuldi - gen, ſondern ihnen Recht geben. Es wird euch leid ſeyn, daß ihr gefehlt habt, und die Reue wird euch behutſamer, und wach - ſamer auf euer Verhalten machen. Weilaber59aber doch durch dieſe Reue allein, das ge - ſchehene Boͤſe, vor dem heiligen Gott nicht gut gemacht werden kann: So werdet ihr die, in unſerm Heilande Jeſu Chriſto, euch angebotne Gnade herzlich annehmen, und euch dankbar freuen, daß es Gott gefallen, in Jeſu Namen, die Verſoͤhnung der bereu - eten Suͤnden zu ſtiften. Ihr werdet in Seinem Namen, eure Knie beugen, d. i. beten, und glauben, daß, nach Seinem Worte, welches Er mit Seinem Tod und Auferſtehung verſiegelt hat, ihr nicht mehr der Suͤnde Knechte ſeyn muͤßet, ſondern in Ihm, Gerechtigkeit und Staͤrke habt, der Suͤnde zu widerſtehen. Weil ihr auch den wahren Werth des vrrgaͤnglichen Lebens, und der irrdiſchen Guͤter, aus der Bibel habt kennen lernen, ſo werdet ihr euch nicht mit Unzufriedenheit plagen, ſondern in der Wahrheit empfinden: daß, wer nach Gottes Gnade zuerſt trachtet, zugleich in andern Dingen weiſe werde, und ſich in den meiſten Faͤl - len, nicht ganz huͤlf - oder rathlos befinde.
Da aber euer Beruf in der Welt, ſehr arbeitſam iſt, und zu fuͤrchten ſtuͤnde, daß es euch an Zeit fehlen moͤgte, die Erkenntniße, ſo ihr in der Jugend gelernt habt, fortzuſetzen: So iſt von Gott der Sonntag zum Ruhetag,ſo60ſo viel nur moͤglich iſt, von aller Arbeit, eingeſetzt worden. Bewundert, lieben Kin - der! die Guͤte Gottes in dieſer Sache — Um euers Standes willen, hauptſaͤchlich, iſt dieſe Einrichtung vermuthlich getroffen. Ihr beduͤrft bey eurer Lebens-Art, Ruhe; und damit euch dieſe Ruhe, durch Muͤßiggang, nicht ſchaͤdlich werde, hat Gott euch die Be - ſchaͤftigung dieſes Tages nahe gelegt. Ihr ſollt Ihm, in der Gemeine, danken, euch in Seinem Tempel lehren laſſen; ihr ſollt Gu - tes thun, allerley Laſt wegreißen. Die Suͤn - de iſt die groͤßte Laſt, dieſe reißt am Feier - tage, aus euern Herzen, durch Pruͤfung eu - ers Wandels, durch Erinnerung an eure Pflichten, durch Wiederholung des Guten was ihr wißt, durch gute Vorſaͤtze, und ein aufrichtiges Gebet: So werdet ihr den See - gen Gottes in eure Haͤuſer bringen, der da wahrhaftig reich macht, und werdet auf den Geiſt ſaͤen, und das ewige Leben erndten.
Nichts aber iſt noͤthiger, als ſich ſelbſt zu kennen: Denn, geliebte Kinder! ein jeder Menſch hat vor irgend einem Laſter ſich be - ſonders zu huͤten, das iſt, er hat einen be - ſondern Hang zu dieſem Laſter. Wollt ihr alſo tugendhaft werden, ſo bemuͤhet euch ei - frig, euer Herz von dieſer Seite kennen zuler -61lernen, um gegen dieſe Verfuͤhrung beſonders zu wachen; und betet oft, wie David:
Erforſche mich, mein Gott, und pruͤfe, wie ichs meyne,
Entdecke mir mein Herz, und was ich hab im Sinn;
Gieb, daß ich kuͤnftig nie, mir gut und redlich, ſcheine,
Wenn in des Herzens Grund, ich doͤs und falſch noch bin!
Chriſtliche Tugenden werden ſolche Hand - lungen genannt, bey welchen man, um des Befehls Gottes und Jeſu Chriſti, unſers Er - loͤſers willen, etwas thut, oder, um Seiner Warnung oder um Seines Verbots willen, etwas unterlaͤßt.
Seht, meine lieben Kinder! ihr werdet, wenn ihr laͤnger lebt, oft in ſolche Umſtaͤnde kommen, da ihr, von der Uebertretung irgend eines von den Geſetzen Gottes, einen ſchein - baren und gegenwaͤrtigen Vortheil haben werdet. Wenn ihr nun ſo denkt, „ Dieſe Suͤn - „ de braͤchte mir was ein, ſie wuͤrde mir „ Gunſt zuwege bringen bey Menſchen, wenn „ ich ſie nicht thue, ſo werde ich verſpottet, „ gehaßt, verfolget werden, ich werde zuruͤcke „ kommen, in meiner Nahrung. Aber nein! „ Gott62„ Gott hat ſie verboten. Gott ſagt: Wenn „ du die ganze Welt gewoͤnneſt, und litteſt „ Schaden an deiner Seele, was haͤtteſt du „ davon! Gott ſagt: Fuͤrchtet euch nicht vor „ Menſchen, ſondern vor Mir. Gott ſagt: „ Wenn ſie euch verſpotten und verfolgen, „ darum daß ihr Mir nachfolgt, und gehorſam „ ſeyd, ſo verzaget nicht, es ſoll euch wohl „ belohnet werden! Ich will alſo Gott mehr „ gehorchen, als den Menſchen, als demjeni - „ gen, was mein boͤſes Herz und meine boͤſe „ Neigungen (welche in der Bibel oft Fleiſch „ und Blut heißen,) mir angenehm vorſtel - „ len ‟ — Seht, Kinder! denn, wenn ihr ſo denkt und verfahrt, ſo ſeyd ihr chriſtlichtu - gendhaft, denn ihr glaubt, daß Gott ſey; daß Er Seine Zuſage haͤlt; daß die Gnade Gottes hoͤher zu achten ſey, als alles in der Welt, und daß alſo alles, was Jeſus Chri - ſtus geordnet, wahr und gut ſey. Dieß nennt die Bibel Gottſeeligkeit, die zu allen Dingen nuͤtze iſt; Fruͤchte des Geiſtes, wor - an man erkennen kann, wie an den Fruͤch - ten eines Baums, ob der Glaube rechter Art iſt. Wenn die Bibel ſpricht: „ Laßt euer „ Licht leuchten vor den Leuten! Wandelt im „ Lichte! ‟ ſo meynt ſie das damit.
Ver -63Verfahrt in allen euern Handlungen ſo, daß man ſehen kann, ihr glaubt es Gotte zu, daß der Gehorſam gegen Seine Gebote eure Gluͤckſeeligkeit ausmache.
Das Verzeichniß aller chriſtlichen Haupt - tugenden findet ihr in der Evangeliſten und Apoſtel Schriften, theils als Reden des Hei - landes Selbſt, theils als Lehren, die Seine Juͤn - ger, aus dem Unterrichte des Herrn Jeſu, ge - ſammlet, und nach Seinem ausdruͤcklichen Be - fehl, den Chriſten hernach verkuͤndigt, oder kund gemacht haben.
Eine Sache will ich noch beruͤhren. Bey dem redlichen Vorſatz, den ihr faßen werdet, euern Leib und Seele Gott zu uͤbergeben, werdet ihr doch zuweilen auf Abweichungen gerathen, und nicht immer ſtark genung ſeyn, Verſuchungen zu widerſtehen, und Fehler zu vermeiden. Und die Bibel ſagt uns: „ Wer „ kann merken, wie oft er fehle? ‟ Aber lange vorbedachte Einwilligung in die Suͤnde, muß es nicht ſeyn. Die Suͤnde muß nicht herrſchen in euch, ihr muͤßt keinen Gefallen daran haben; ſon - dern, ſo bald ihr ſie an euch gewahr werdet, oder euere Lehrer und redliche Freunde euch erinnern, wo ihrgefehlt habt, ſo muͤßt ihr das Unrecht, ſo viel als moͤglich iſt, wieder gut machen, und herz - lich betruͤbt werden, daß es geſchehen iſt,aber64aber nicht verzweifeln. Denn in unſerm Heilande Jeſu Chriſto, in der glaͤubigen An - nehmung Seiner Erloͤſung, koͤnnt ihr euch reinigen, von der begangenen, aber bereue - ten, Suͤnde. Die Bibel nennt Ihn daher einen offnen Born oder Brunnen, wider die Ungerechtigkeit. Euer erkannter Suͤnden - fall aber, wird euch vorſichtiger machen, die Gelegenheit zur Suͤnde, ſorgfaͤltiger als vorher, zu vermeiden; auch treiben, durch herzliches Gebet, euch mit euerm in Chriſto Jeſu verſoͤhnten Gotte, naͤher zu verbinden.
Auch das, geliebte Kinder! haben wir der Lehre Jeſu Chriſti zu verdanken, daß wir nun gewiß wißen koͤnnen, Gott ſey un - ſer rechter Vater, und wir Seine Kinder. Das iſt: Gott habe alles, was geſchiehet und geſchehen iſt, zu unſerm Beſten einge - richtet, weil Er uns liebt, als ein Vater ſeine Kinder, und unſre Gluͤckſeeligkeit will.
Denn, weil in Gott die hoͤchſte Weis - heit iſt, und wegen Seiner Macht, Ihm keine Abſicht fehl ſchlagen kann; ſo wird Er auch gewiß, mit den Menſchen, Seine Abſicht nicht verfehlen.
Wenn wir alſo, geliebten Kinder! von Gott wuͤrdiglich denken, Ihn ſehr ehren und lieben, folglich Ihm gehorchen, ſo koͤnnenwir65wir auch verſichert ſeyn, daß alles uns zum Beſten dienet, was uns begegnet.
Wir koͤnnen daher unſerm gegen uns vaͤ - terlich geſinnten Gott, alle unſere Schickſale ruhig anheim ſtellen; duͤrfen uns nicht mit Sorgen, und troſtloſer Verzweiflung uͤber un - ſer Fortkommen, quaͤlen; ſondern, bey Treue und Fleiß in unſerm Beruf, (das iſt, in der uns von Gott angewieſenen Stelle in ſeiner Welt,) und bey Gebet, koͤnnen wir das Kuͤnf - tige gelaßen erwarten.
Auch dieſe Geſinnungen heißen in der Bi - bel, Gottſeeligkeit. Denn ein ſo geſinnter Menſch iſt ſeelig, oder gluͤcklich, weil ihm ſein Gewißen ſagt; er habe Gott zum Freun - de. Seeligkeit aber iſt uͤberhaupt nichts anders, als Bewuſtſeyn der Freundſchaft Gottes. Und dieſe Gottſeeligkeit iſt das Reich Gottes, oder die Sinnesart, die, nach dem Willen Jeſu Chriſti, in unſerer Seele herrſchen ſoll.
Ein ſolcher gottſeeliger Menſch, geliebte Kinder! iſt froh und zufrieden, mit dem, was da iſt. Er verlangt nicht viel von andern Menſchen. Er iſt maͤßig, und begnuͤgt ſich mit ſeinem beſcheidnen Theile. Er iſt deß - halb auch gern gelitten, und kommt alſo viel leichter fort, als ein muͤrriſcher, unzufriede - ner, der verdrießlich ausſieht, und ſich immerEuͤber66uͤber Gott und die Menſchen beklagt, daß ihm nicht Gluͤck genung begegne.
Doch, auf lauter Roſen koͤnnen wir Men - ſchen, bey aller Gottſeeligkeit, dennoch nicht gehen. Es giebt auch nothwendiges Lei - den. In Gottes Entwurf aller Urſachen und Wirkungen, gehoͤrte dieſes mit — Wenn aber ein guter Vater ſeinem lieben Kinde zwar uͤbelſchmeckende, doch heilſame, Mittel brauchen ließe, um es vor herrſchenden Krankheiten zu verwahren; ſo thaͤte das Kind unrecht, wenn es glaubte, der Vater waͤre ihm deßhalb nicht gewogen.
So macht es Gott, lieben Kinder! mit den Menſchen. Das Leiden iſt nuͤtzlich, aus vielen Gruͤnden. Oft dem, der es leidet; oft auch dem, der leiden ſieht, oder mit leidet.
Das gute Kind, das ſeine kranken Ael - tern oder Geſchwiſter pflegt, wuͤrde dieſe ſchoͤne Tugend nicht uͤben koͤnnen, wenn kein Kranker zu pflegen da waͤre. Die Aeltern ſelbſt ſind vielleicht, durch die Krankheit, vor groͤßern Ungluͤck bewahret und davon abge - halten worden.
Ich will euch eine Geſchichte davon er - zaͤhlen.
In67In der Stadt waren einmal Schauſpie - ler, die fuͤr Geld, in einem großen Hauſe, des Abends, ihre Kunſt ſehen ließen. Ei - ner von meinen Bekannten wollte, mit ſei - ner Frau und zwey Kindern, hingehen, und hatte ſchon alles beſtellt. Die Kinder freu - ten ſich beſonders ſehr auf das Schauſpiel, auf die vielen Lichter, die bunten Kleider, die Muſik, und was ihnen ſonſt noch ange - nehm dabey vorkam. Auf den Mittag wird der Mann ſehr krank, da mußte die Frau zu Hauſe bleiben, und ohne ihre Ael - tern ſollten die Kinder nicht ins Schauſpiel gehen. Da weinten die Kinder ſehr, daß von ihnen dieſe Luſt vergebens gehoft waͤre. Das eine Kind war ſo unwillig, daß es gar ſagte: „ Warum mußte der Vater eben heute krank werden? Eben heute, da wir ein - mal eine Luſt haben ſollten? Aber hoͤrt, Kinder! was geſchah? Den Abend kam Feuer im Schauſpielhauſe aus, es brannte bis auf den Grund, ab, und die meiſten Zu - ſchauer wurden erdruͤckt im Gedraͤnge, oder erſtickten vom Rauch, oder verbrannten in der Flamme.
Da merkten die Aeltern, daß die Krankheit des Vaters eine wohlthaͤtige Schickung und Regierung Gottes geweſen, und lobten GottE 2da -68dafuͤr. Ihre Kinder aber belehrten ſie an dieſem Exempel: daß Gott, auch bey zuge - ſchickten Leiden, die beſten Abſichten habe, und daß, wenn wir oft nicht ſo gleich wiſ - ſen, wozu das Leiden uns gut iſt, wir doch hernach erfahren werden, wie gut es unſer himmliſcher Vater mit uns meyne.
Was uͤbrigens die Lehren der wahren Weisheit, die vor Gott gilt, betrift, ſo ſind in den Spruͤchen Salomonis, dem Buch der Weisheit, und Jeſus Sirach, alle die beſten Lehren enthalten, die man erfinden kann, um einen Menſchen klug zu machen; und im neuen Teſtament iſt davon ebenfalls ein Vor - rath, der nicht zu erſchoͤpfen iſt, wie ihr, bey fleißiger Leſung der Schrift erfah - ren werdet.
Nota. Von nun an koͤnnten die Schul - kinder, ohne Schaden von dem Seel - ſorger oder Prediger des Ortes, in den gewoͤhnlichen Unterricht genommen werden, der vor der Confirmation von ihm gegeben zu werden pflegt.
Geliebte Kinder! Wenn ihr in eurer Ael - tern Hauſe ſeyd, muͤßt ihr euch nicht nach der Ordnung richten, die eure Aeltern einge - fuͤhret haben? Muͤßt ihr nicht, z. E. kom - men, wenn ſie euch zum Eßen rufen; aufſte - hen, wenn ſie euch wecken; da oder dort hingehen, wenn ſie euch ſchicken? — Alſo, ihr muͤßt euch die Befehle eurer Aeltern