Hier uͤbergeb ich dir diejeni - ge Schrifft / die ich in der Vorrede meiner Einlei - tung zur Ceremoniel - Wiſſenſchafft der Privat - Perſonen verſprochen. Jch muß bekennen / daß ich vor ein zehen oder zwoͤlff Jahren nicht gedacht haͤtte / von dieſer Materie etwas zu ſchreiben / indem mir das Ceremo - nien-Weſen allzu ſteril vorgekommen / und ich damahls ſo wohl als andere in den Gedancken ſtand / daß es an allen) (2undVorrede. und ieden Hoͤfen gaͤntzlich unter ſchie - den / und als ein Stuͤck des Juris Publici eines ieden Landes anzuſehen waͤre. Vor ein vier oder fuͤnff Jahren gab mir der Herr Hof-Rath Wolff in ſei - nen vernuͤnfftigen Gedancken von der Menſchen Thun und Laſſen die erſte Gelegenheit hiezu / als ich aus dem 179 §. des III. Capituls ermeldeter Schrifft erſahe / daß man mit gutem Grunde von den Ceremonien eine eigene Wiſſenſchafft machen koͤnte. Nachdem mir hernach faſt zu gleicher Zeit / bey Ubernehmung einer Arbeit vor einen andern / der die Ehre davon getragen / des Herrn Luͤnigs Theatrum Ceremonia - le in die Haͤnde gerieth / aus welchem ich eine und die andere Stelle auszeichnen muſte / und ich aus der allgemeinen Abhandlung / welche dieſer Schrifft an - gefuͤget / erſahe / daß man noch kein Syſtematiſch und Philoſophiſch Werck von den weltlichen Ceremonien haͤtte / ob ſchon dergleichen von der gelehrtenWeltVorrede. Welt laͤngſt verlangt worden / unter - ſchiedene Autores auch ſich hiezu anhei - ſchig gemacht / noch keiner aber zu Stan - de gebracht / ſo ward ich ſchluͤßig / ſelbſt einen kleinen Verſuch hierinnen vorzu - nehmen / und ſuchte ſo viel hiſtoriſche Schrifften auf / als ich erlangen konte / und zu meiner Abſicht vor dienlich er - achtete. Jch habe hierbey ſo wohl weit - laͤufftige und koſtbahre hiſtoriſche Tra - ctate, als auch die kleinſten Piécen und Beſchreibungen von Croͤnungen / Ein - zuͤgen / Illuminationen / Feuerwercken / Carouſellen u. ſ. w. mit zu rathe gezo - gen / und bin genoͤthiget worden / eine ſehr groſſe Menge der Geſchicht-Buͤ - cher theils mit Aufmerckſamkeit durch - zuleſen / theils mit fluͤchtigen Augen durchzulauffen. Die Ausarbeitung dieſer Schrifft iſt mit der groͤſten Muͤhe vergeſellſchafftet geweſen / ſo daß ich mehr als einmahl geſonnen war dieſe Arbeit liegen zu laſſen; ich habe biß - weilen gewiſſe Materien geſucht / und) (3dochVorrede. doch unmoͤglich allezeit die Schrifften wiſſen koͤnnen in welchen ich etwas da - von finden moͤchte / ſo habe ich auch den Jnhalt der neuen Lehr-Saͤtze / die ich geſucht / nicht vorher wiſſen moͤgen. Jch habe gar offters uͤber dreyßig hi - ſtoriſcher Beſchreibungen der Ceremo - niel-Handlungen die zu einerley Mate - rie gehoͤren / durchleſen muͤſſen / theils damit ich die Lehr-Saͤtze / die ich aus den vorigen Beſchreibungen heraus ge - zogen / pruͤfen moͤchte / ob ſie auch all - gemein ſeyn / und an allen Hoͤfen zu - treffen? theils auch um neue zu ſamm - len / die noch nicht vorgekommen. Es iſt alſo gar unangenehm geweſen / wenn ich bißweilen einige Stunden mit leſen zugebracht / und dennoch binnen der Zeit keinen neuen allgemeinen Lehr - Satz heraus bringen koͤnnen / ſondern lauter allzu ſpecielle hiſtoriſche Umſtaͤn - de angetroffen / die in den vorigen be - reits beruͤhret worden / und zu meiner Abſicht nicht gedienet. Waͤre mir mehrdaranVorrede. daran gelegen geweſen dieſen Tractat in kurtzer Zeit als mit gehoͤrigen Fleiß aus - zuarbeiten / ſo haͤtte ich mir vielmahls eine Erleichterung ſchaffen koͤnnen / wenn ich bey mancher Materie zu einem oder andern Autorem, der dieſelbige in eignen Schrifften abſonderlich abge - handelt / als der Wicqueforth und Wal - ſingham die Geſandtſchafften u. ſ. w. meine Zuflucht genommen / und alſo nicht noͤthig gehabt / ſo viel andere Schrifften dabey zu rathe zu ziehen. Es haben mich aber mancherley Bewe - gungs-Gruͤnde hievon zuruͤck gehalten. Jch habe geglaubt / daß es ruͤhmlicher ſey die Fontes ſelbſt aufzuſchlagen / als aus denjenigen / was andere zuſammen getragen / einen Auszug zu machen / und auch ſonſt erkandt / daß ermeldte Tra - ctate zu meinem Zweck nicht recht dien - lich. Einige Autores ſind zu alt / und beſchreiben nicht die neueſten Ceremo - niel-Handlungen der groſſen Herren / andere ſind bloß nach den juriſtiſchen Lei - ſten zugeſchnitten / ſie reden mehr von) (4denVorrede. den Staats-Rechten als Staats-Ge - braͤuchen / und noch andere mehr mit Antiquitæten als mit andern brauchba - ren Saͤtzen angefuͤllt / mehr nach der Weiſe der Gelehrten / als nach dem ge - nio Seculi abgefaſt.
Bey dieſer Arbeit habe ich meine Abſicht meiſtentheils auf die Gebraͤuche der Europæiſchen Hoͤfe gerichtet / ſinte - mahl die Ceremoniel-Handlungen der andern Regenten ſo auſſer Europa herr - ſchen / groͤſtentheils allzu ſeltzam / und die wenigſten davon in vernuͤnfftige Lehr-Saͤtze und allgemeine Claſſen ge - bracht werden koͤnnen. Unter den Eu - ropæiſchen hab ich als ein Teutſcher / der vor die Teutſchen geſchrieben / auch am meiſten auf die Teutſchen Hoͤfe geſehen. Nachdem auch der Unterſcheid der Re - ligionen bey den weltlichen Ceremoniel - Handlungen mancherley Unterſchied zu wuͤrcken pflegt / ſo hab ich hin und wie - der / und faſt in allen Capituln dasje -nige /Vorrede. nige / was ſich an den Hoͤfen ſo der Roͤmiſchen Kirche beypflichten / veraͤn - derliches hierbey ereignet / mit ange - fuͤhrt. Bey Beſchreibung der Hand - lungen hab ich die Ordnung in Betrach - tung gezogen / und dasjenige was von Anfang biß ans Ende dabey zu geſche - hen pflegt / vorgeſtellt. Weil viel Hand - lungen von einerley Art an allen Hoͤfen nicht auf einerley Weiſe vernichtet wer - den / ſo hab ich hierbey / damit dieſe Lehr - ſaͤtze allgemein werden moͤchten / die zwey - oder dreyerley Methoden / nach welchem ſie nach dem Unterſchied der Zeiten oder der Hoͤfe expedirt werden / vorgetragen.
Die Claſſen in welche ich die Cere - moniel-Handlungen der groſſen Herren eingetheilet / ſind mir am allernatuͤrlich - ſten geſchienen / ich haͤtte deren wohl mehr beſtimmen koͤnnen / ich habe aber geglaubt / daß dieſe zu einer Einleitung und zu dem Gebrauch der Anfaͤnger hin -) (5rei -Vorrede. reichend ſeyn. Vielleicht wird man - cher in den Gedancken ſtehen / als ob ich eine nothwendige Materie / nemlich die - jenige / die von den Ceremoniel-Weſen des Brief-Wechſels der groſſen Herrn handelt / unberuͤhrt gelaſſen: Jedoch ich habe dieſes mit guten Vorbedacht gethan / theils weil Herr Luͤnig dieſes Stuͤck gantz accurat und vollſtaͤndig in ſeinem Theatro Ceremoniali abgehan - delt / theils auch / weil man von dieſer Materie nicht gar wohl allgemeine Re - geln abſtrahiren kan / und denjenigen / die zu dergleichen Expedition gezogen wer - gen / und den Brief-Wechſel der groſſen Herren zu beſorgen haben / mit ſo kur - tzen Saͤtzen gar wenig gedienet ſeyn wuͤrde / die andern aber aus dieſer Schrifft ſich gar leicht dasjenige / was ihnen von dieſer Materie beliebet / ſelbſt auszeichnen koͤnnen.
Junge Leute / welchen ich dieſe Ar - beit hauptſaͤchlich gewidmet / werdenman -Vorrede. mancherley Nutzen hieraus ſchoͤpffen koͤnnen. Sie bekommen etwas wich - tigere und ordentlichere Begriffe von den Ceremoniel-Handlungen in Kopff als ſonſt / und koͤnnen den gantzen Zu - ſammenhang des Ceremonien-Weſens beſſer ins Gedaͤchtniß einpraͤgen / und ihn alſo voͤllig uͤberſehen und uͤberde - cken / da hingegen durch das bloſſe Le - ſen der weitlaͤufftig abgefaſten hiſtori - ſchen Schrifften / ſo die aller ſpecielſten Handlungen der groſſen Herren in ſich faſſen / ihre Gemuͤther nur beſchweret und gleichſam uͤberſchuͤttet werden / wenn ſie dieſes Compendium auf Reiſen bey ſich fuͤhren / ſo wiſſen ſie wornach ſie ſich an dieſen oder jenen Hof bey dem Ceremonien-Weſen inſonderheit zu er - kundigen haben / ſie finden ordentliche Claſſen / wohin ſie dasjenige was ſie ſelbſt erfahren und obſerviren / dazu tra - gen koͤnnen / ſie gelangen hierdurch in kurtze Zeit zu einer groſſen Erfah - rung / und finden dasjenige was an den meiſten Europæiſchen Hoͤfen / inſon -der -Vorrede. derheit den neueſten Zeiten nach / von ein dreyßig Jahren her biß ietzund im Gebrauch / an einem Orth beyſammen, welches ich allenthalben mit vieler Zeit und Gedult habe muͤſſen zuſammen ſuchen. Es werden auch diejenigen / die um der Zeit-Kuͤrtzung und Ge - muͤths-Erquickung wegen / hiſtoriſche Sachen leſen / vor ein weniges Geld / mancherley das ihnen angenehm ſeyn wird / zumahl in der letztern Abthei - lung hierinnen beyſammen antreffen / da ihnen ſonſt vielleicht ein paar hiſto - riſche Beſchreibungen einiger Ceremo - niel-Handlungen hoͤher zu ſtehen kom - men.
Jch beſitze keine ſolche Eigen-Lie - be / daß ich behaupten wolte / als ob durch gegenwaͤrtige Arbeit dem Ver - langen der gelehrten Welt ein voͤllig Genuͤgen geſchehen / und das Ceremo - niel-Weſen nach aller Vollkommenheit in die Regeln einer Wiſſenſchafft einge -ſchloſ -Vorrede. ſchloſſen; inzwiſchen glaub ich doch / daß die allenthalben zerſtreueten unor - dentlichen und weitlaͤufftigen Anmer - ckungen von dergleichen Handlungen / hiedurch in eine kuͤrtzere und beſſere Ordnung gebracht / und der Vortrag und Zuſammenhang dieſer Saͤtze / einer Syſtematiſchen Lehr-Art ziemlich gleich kommen werde. Von des Herrn Stie - fens Europæiſchen Hof-Ceremoniel, wel - ches ich gar nicht nachgeſchlagen / und vor vielen Jahren nur einmahl ein we - nig durchblaͤttert / wird ſich meine Ein - leitung darinnen abſondern / daß Herr Stief in ſeiner Schrifft in beliebter Kuͤr - tze von den Ceremonien / wie ſie itzund an den Europæiſchen Hoͤfen in Gebrauch ſind / ſpecielle hiſtoriſche Anmerckungen vorgetragen / und ich habe mir hinge - gen angelegen ſeyn laſſen / meinen Le - ſern allgemeine Lehr-Saͤtze mitzu - theilen. Es duͤrfften aber beyderley Schrifften ſich gar wohl mit einander vertragen / und ihren Beſitzern gemein - ſchafftliche Dienſte leiſten. Es wirddieſeVorrede. dieſe Einleitung gar gerne den vollſtaͤn - digen Wercken / ſo Staats-kundige Maͤnner die in Koͤniglichen oder Fuͤrſt - lichen Archiven ſitzen / und von den Ce - remonien einen beſondern und raren Apparatum eingeſammlet / kuͤnfftighin ausarbeiten moͤchten / den Rang und Vorzug goͤnnen; ich will inzwiſchen zufrieden ſeyn / wenn ich mit dieſer Ar - beit meinen Nachfolgern einige Erleich - terung / und den Anfaͤngern ſo lange biß iemand anders von dieſer Materie nach einer philoſophiſchen Lehr-Art et - was vollkommeners ſchreiben wird / ei - nigen Nutzen ſchaffe. Lebe wohl / Kirchhayn den 15. April 1729.
§. 1.
Das Staats-Ceremoniel ſchreibet den aͤuſſerlichen Handlungen der Regen - ten, oder derer die ihre Perſonen vor - ſtellen, eine gewiſſe Weiſe der Wohl - anſtaͤndigkeit vor, damit ſie hierdurch ihre Ehre und Anſehen bey ihren Un - terthanen und Bedienten, bey ihren Hoch-Fuͤrſt - lichen Anverwandten und bey andern Mitregenten entweder erhalten, oder noch vermehren und ver -Agroͤſſern.2I. Theil. I. Capitul. groͤſſern. Die Staats-Ceremoniel-Wiſſen - ſchafft reguliret die Handlungen der groſſen Her - ren, die ſie in Anſehung ihrer ſelbſt, ihrer Familie und ihrer Unterthanen vornehmen, und ſetzet auch dem, womit ſie andere Fuͤrſten oder ihre Geſandten beehren, eine gewiſſe Ziel und Maaße.
§. 2. Einige Ceremonien ſind gar vernuͤnfftig, und mit gutem Grunde etabliret. Sie ſind als Mittel anzuſehen, dadurch ein Landes-Herr einen gewiſſen Endzweck erreicht, immaſſen den Unter - thanen hiedurch eine beſondere Ehrfurcht und Ehr - erbietung gegen ihren Landes-Herrn zuwege ge - bracht wird. Sollen die Unterthanen die Maje - ſtaͤt des Koͤniges erkennen, ſo muͤſſen ſie begreiffen, daß bey ihm die hoͤchſte Gewalt und Macht ſey, und demnach muͤſſen ſie ihre Handlungen dergeſtalt einrichten, damit ſie Anlaß nehmen, ſeine Macht und Gewalt daraus zu erkennen. Der gemeine Mann, welcher bloß an den aͤuſſerlichen Sinnen hangt, und die Vernunfft wenig gebrauchet, kan ſich nicht allezeit recht vorſtellen, was die Majeſtaͤt des Koͤniges iſt, aber durch die Dinge, ſo in die Au - gen fallen, und ſeine uͤbrigen Sinnen ruͤhren, be - kommt er einen klaren Begriff von ſeiner Majeſtaͤt, Macht und Gewalt. S. des Hrn. Hofrath Wol - fens Gedancken von dem geſellſchafftlichen Leben der Menſchen, p. 499. und 501.
§. 3. Bey dem Urſprung mancher alten Cere - monien hat man dahin geſehen, daß ſo wohl die Regenten als Unterthanen durch dieſes oder jenesaͤuſſer -3Von dem Staats-Ceremoniel uͤberhaupt. aͤuſſerliches Zeichen, ſo in die Sinnen faͤllt, ſich ge - wiſſer Pflichten erinnern ſollen. Man hat aber nachgehends das Hauptwerck vergeſſen, und bloß das Nebenwerck behalten; man ſiehet auf das Zei - chen, und weiß doch nicht was dadurch angedeutet werden ſoll. Dieſe oder jene Handlung iſt nun einmahl ſo mode, ſie iſt von alten Zeiten her biß auf die jetzigen ſo beobachtet worden, und alſo macht man ſie mit, ſie mag bedeuten was ſie will.
§. 4. Viel Ceremonien ſind nach der Beſchaf - fenheit der damahligen Zeiten mit gutem Grunde angeordnet worden, die aber bey der gegenwaͤrti - gen Verfaſſung eines Landes oder Republic, weil die raiſon davon gantz und gar wegfaͤlt, in der That vor einfaͤltig und unvernuͤnfftig anzuſehen. Es ge - het damit, wie mit der application mancher Roͤmi - ſchen Geſetze in Teutſchland. Viel Roͤmiſche Ge - ſetze ſind hoͤchſt vernuͤnfftig in Abſicht auf die Roͤ - miſche Verfaſſung, ſchicken ſich aber im geringſten nicht vor unſere ietzige Beſchaffenheit in Teutſch - land.
§. 5. Manche Ceremonien ſind auch nach ih - rem Urſprunge laͤcherlich, die Gelegenheit dazu iſt wunder ſeltzam und bißweilen nicht allzu ruͤhmlich / und wenn ein Geſchichtſchreiber dieſelbige entdecken wolte und koͤnte, ſo wuͤꝛde er ſich bey manchen ſo we - nig merita machen, als ſich einer um ein adelich Ge - ſchlecht verdient machen wuͤrde, wenn er der Welt public machte, warum und bey was vor Gelegen - heit ſie dieſes oder jenes Stuͤck in ihre Wappen be - kommen haͤtten.
A 2§. 6.4I. Theil. I. Capitul.§. 6. Die ſich auf das Ceremoniel-Weſen le - gen, thun uͤberaus wohl, daß ſie bey allerhand Ce - remonien acht haben, ob ſie etwas bedeuten oder nicht, denn hiedurch bekommen ſie offters Gelegen - heit, daß ſie den Grund davon entweder gewiß, oder doch nach einer groſſen Wahrſcheinlichkeit entde - cken. Bleibt ihnen die Bedeutung hievon unbe - kannt, und koͤnnen ſie den Grund nicht allezeit fin - den, ſo muͤſſen ſie doch nicht gleich ſchluͤſſen, daß ſie keine Bedeutung habe, und ungegruͤndet ſey. Die Unvollſtaͤndigkeit der Geſchichte iſt ſchuld, daß wir bey vielen Gebraͤuchen und Verfaſſungen, den Grund, warum unſern Vorfahren dergleichen be - liebet, nicht anzuzeigen wiſſen. Trifft es bey einer Sache ein, quod non omnium, quæ â majoribus ſancita ſunt, reddi poſſit ratio, ſo trifft es bey dem Ceremonien-Weſen ein.
§. 7. Waͤren die Ceremonien weniger, ſo wuͤr - den ſie offters auch nuͤtzlicher ſeyn. Da aber bey manchen oͤffentlichen Handlungen allzuviel Cere - monien unternommen werden, ſo werden diejeni - gen, die hierbey ihrer Pflichten wahrnehmen ſolten, uͤber den allzuvielen Weſen gantz confuſe, und von der noͤthigen Aufmerckſamkeit abgehalten.
§. 8. Daß bey den Ceremoniel-Stuͤcken der groſſen Herren viel Dinge mit unterlauffen, die der Ehre GOttes, der Vorſchrifft ſeines Wortes, und der Verordnung der natuͤrlichen Rechte zuwider lauffen, iſt mehr als zu gewiß, es wuͤrde aber eine verhaßte Arbeit ſeyn, wenn man die hierbey herr -ſchen -5Von dem Staats-Ceremoniel uͤberhaupt. ſchende Jrrthuͤmer ſpeciell anzeigen wolte. Man - che Gebraͤuche nutzen zu nichts, als daß ſie den la - ſterhafften Neigungen der groſſen Herren ſchmei - cheln, und ihnen zur Erweckung und Unterhaltung ihrer Wolluſt oder ihres Ehrgeitzes dienen.
§. 9. Was vor Mißbraͤuche wird man nicht bey den auſſerordentlichen Titulaturen und Ehrenbe - zeugungen der groſſen Herren gewahr, wie inſon - derheit der Fußkuß des Pabſtes ein klares Exempel hievon abgiebt, welches die Paͤbſte in ihrem Cere - moniali Sacro Libr. I. Sect. III. Cap. III. durch ein beſonder Edict verordnet: Omnes mortales & præſertim Chriſti fideles, cujuscunque ſint di - gnitatis & præeminentiæ, cum primum in con - ſpectum Pontificis advenerint, diſtantibus ſpatiis ter debent ante illum genu flectere & in hono - rem Salvatoris noſtri JEſu Chriſti cujus vices ge - rit in terris, ejus pedes oſculari. S. §. XVIII. von D. Mayers Tractat, de oſculo Pedum Ponti - ficis Romani. Daß dieſe Ehren-Bezeugung vor einen ſuͤndlichen und ſterblichen Menſchen zu groß ſey, haben einige der Roͤmiſch-Catholiſchen ſelbſt erkannt. Der Cardinal Zabarilli ſchreibet von der Beehrung des Pabſtes, und in ſpecie von dem Fußkuß: Eſt etiam conſiderandum de reverentia facienda Papæ, ne in ea excedatur modus, ut vi - deatur non minus honorari Papa quam Deus.
§. 10. Was vor greuliche profanationes gehen nicht mit den beyden herrlichen hymnis vor, mit dem Veni Creator Spiritus, ingleichen mit demA 3Te6I. Theil. I. Capitul. Te Deum laudamus. Jenes ſtimmet man offt nur pro forma und zum Spott GOttes an, damit er die Hertzen derer, ſo ein gewiß Subjectum zu ei - ner weltlichen oder geiſtlichen Dignitaͤt erwehlen ſollen, alſo erleuchte, daß ſie den wuͤrdigſten erweh - len moͤchten, und man hat ſich doch allbereits vor der Wahl durch mancherley geiſtliche Intriguen de - terminiret, wer dazu gelangen ſoll. Dieſes ge - ſchicht ſo wohl bey der Gelegenheit, wenn gewiſſe Geiſtliche um das Vaticanum Proceſſions-weiſe herum ziehen, und dieſen Geſang abſingen, ſo bald die Herren Cardinæle ſich in das Conclave zur Paͤbſtlichen Wahl begeben, als auch bey andern dergleichen Faͤllen mehr. Das Te Deum lauda - mus wird ebenfalls wie ein pur Ceremoniel tra - ctirt, und offt bey ſolchen Faͤllen gebraucht, dadurch GOtt zu neuem Zorn und Straf-Gerichten wieder einen Regenten und wieder ein Volck bewogen werden moͤchte. Man koͤnte von den Mißbraͤu - chen des goͤttlichen Nahmens und der goͤttlichen Ehre, wie ſie bey dem Ceremoniel-Weſen vor - kommen, einen ziemlichen Tractat anfuͤllen, wenn man ſich dieſer Arbeit unterziehen wolte.
§. 11. Die Ceremonien uͤberhaupt, und die aͤuſſerlichen Ehren-Bezeugungen, ſind nicht allein nach dem Unterſchied der Zeiten, ſondern auch nach dem Unterſchied der Hoͤfe und der Voͤlcker unter - ſchieden. An dieſem Ort wird dieſe oder jene So - lennitaͤt vor etwas vortreffliches, ruͤhmliches und vernuͤnfftiges gehalten, und hingegen in einem an -dern7Von dem Staats-Ceremoniel uͤberhaupt. dern Lande wuͤrde man ſie vor ſchimpflich und ein - faͤltig achten, und daruͤber lachen; ſo veraͤndern ſie ſich auch gewaltig nach den unterſchiedenen Senti - mens der groſſen Herren, oder ihrer Staats-Mini - ſtres und ihrer Favoriten. Mancher groſſe Herr, der den Staat und die Magnificenze liebet, und der ambition ſehr ergeben, iſt uͤberaus pointilleus in dieſem Stuͤck; er will, daß Einheimiſche und Auswaͤrtige nach der groͤſten und ſchaͤrffſten accu - rateſſe das Ceremoniel gegen ihn beobachten ſol - len, zumahl wenn er dabey von ſehr hitzigen Natu - rell iſt, und will denen andern, die ihm gewiſſe Eh - ren-Bezeugungen abfordern, nicht einen Nagel breit nachgeben. Es kommt aber nach ihm etwan ein anderer Nachfolger des Reichs, der die Wol - luſt oder das Intereſſe den Ceremonien vorzieht: dieſer raͤumet den andern bey den Gelegenheiten, da ſie ſeine Paſſion contentiren, zu gantzen Haͤnden voll ein; da hingegen ſein Anteceſſor nicht einen Finger breit nachgeben wollen. Sind einige groſ - ſe Herren ſo ungluͤcklich, daß ſie ſich von ihren Mi - niſtris beherrſchen laſſen, ſo werden die Ceremo - nien nach dem Maaß der Liebe, womit ſie dem an - dern zugethan, oder des Nutzens, den ſolche Mini - ſtres davon tragen, zu der Zeit, ſo lange ſie das Steuer-Ruder in Haͤnden fuͤhren, ausgetheilt.
§. 12. Das Intereſſe giebt bey dem Ceremo - nien-Weſen, ſo wohl unter Privat-Perſonen als auch groſſen Herren, ein trefflich Gewichte. Wenn man die Leute braucht, ſo giebet man ihnen zu derA 4Zeit8I. Theil. I. Capitul. Zeit nach, ſo viel als moͤglich, und erzeiget ihnen alle nur erſinnliche Hoͤflichkeit, biß man ſeinen Zweck erreicht, alsdenn laͤſt man wieder nach. Der Au - tor der Quæſtion, ob Reichs-Fuͤrſten befugt waͤ - ren, Ambaſſadeurs zu ſchicken, ſagt bey dem Cas - ſandro Thucelio in den Electis juris Publici p. 307. Les plus habiles Princes ont eté fort prodigues de Civilités quand elles leurs ont eté utiles, & il n’y a point de liberalité, qui incommode moins, & qui acquiert plus d’amis.
§. 13. Nicht weniger geſchehen bey den Cere - moniellen ſo wohl vor der Fuͤrſten eigne Perſonen als auch vor ihre Geſandten gewiſſe Ausnahmen, nachdem ein groſſer Herr in Europa bey den an - dern Puiſſancen durch ſeine Meriten und durch ſei - ne Macht ſich einen groſſen Nahmen erworben, oder ſich ſehr victorieus erwieſen, viel Conqueten erlangt, Staͤdte und Laͤnder eingenommen; Dieſe werden ſchon mit groͤßerer honeur angeſehen als diejenigen, die bey ihren Unterthanen und bey ihren Nachbaren ſich nicht ſehr venerabel und formi - dable gemacht. Die neuen geſchloßenen Allian - cen und eheliche Buͤndniſſe, und die dadurch zu wege gebrachten Anverwandtſchafften, veraͤndern ebenfalls eines und das andre bey den Ceremo - nien; und die unterſchiedenen Umſtaͤnde der Zei - ten, der Perſonen und der Oerter, ſetzen gar oͤffters den ſolenneſten Handlungen eine ziemlich einge - ſchraͤnckte Ziel und Maaße. Wenn Sterbens - Laͤuffte einfallen, oder der Krieg im Lande, oderdoch9Von dem Staats-Ceremoniel uͤberhaupt. doch vor der Thuͤre iſt, oder die Geld-Caſſen er - ſchoͤpfft ſind, ſo ſetzet man die Ceremonielle treff - lich bey Seite, und richtet alles de ſimplici & plano ein.
§. 14. Es geſchicht bißweilen, daß einige groſſe Koͤnige und Koͤniginnen, Fuͤrſten und Fuͤrſtinnen, entweder aus groſſer Demuth, zu der ſie, ihrer Hoheit unbeſchadet, ihren tugendhafften Naturell nach geneigt ſind, oder aus beſondrer Liebe, wo - mit ſie dieſe oder jene Perſon, von geringer Digni - tæt diſtinguiren wollen, von denjenigen Ehren - Bezeugungen, die ihnen andre zu leiſten ſchuldig und willig waͤren, ein groſſes nachlaſſen. Als die Princeßin von Waldeck bey dem hoͤchſtſeligſten Koͤnig in Engeland Georgio, da ſie ſich anno 1723. in Hannover aufhielten, nach der gewoͤhnlichen Engliſchen Weiſe ihren Reverence kniend verrich - ten wolten, ſo wurden ſie von Jhrer Koͤniglichen Majeſtaͤt daran verhindert, und gar gnaͤdig em - braſſirt. So wurde es ebenermaſſen mit der Hoch-Fuͤrſtlichen Schwartzburgiſchen Familie gehalten. S. Einleitung zur neueſten Hiſtorie der Welt p. 891.
§. 15. Die Pflichten der Hoͤflichkeit und die Regeln des Wohlſtandes werden von den groſſen Herren auch gar oͤffters mitten unter der Krieges - Unruhe gegen die Feinde beobachtet. Der Autor des XIII Stuͤckes der Europaͤiſchen Fama ſagt p. 301: Groſſe Herren ſind nicht geartet wie ge - meine Leute, dieſe wiſſen nicht, wie ſie einanderA 5krumm10I. Theil. I. Capitul. krumm genug anſehen ſollen, wenn ſie Streitig - keiten mit einander haben, jene aber ſchlagen ein - ander ein zehntauſend Mann nach den andern todt, und mahlen einander in den Krieges-Manifeſten auf das ſchwaͤrzeſte ab, hingegen, wenn etwas un - ter ihnen vorgehet ſo das Ceremoniel betrifft, ſo iſt von nichts als von Freundſchaffts-Bezeugun - gen, Gluͤckwuͤnſchungen, Freude uͤber des andern Wohlſtand, und Betruͤbniß uͤber des andern trau - rige Zufaͤlle zu hoͤren.
§. 16. Obſchon einige Ceremonien, wie ich in den vorhergehenden angefuͤhret, uͤber die maßen veraͤnderlich, weil ſie von dem Willen der Regen - ten dependiren, und von mancherley Umſtaͤnden gelencket werden, ſo kan man doch dieſes nicht von allen ſagen, inmaßen einige durch die Fundamen - tal-Geſetze des Reichs, durch die Pacta Conventa, durch die von den Regenten mit den Reichs - Staͤnden errichtete Capitulationen und durch an - dre oͤffentliche Tractaten ſo feſt etablirt und ange - ordnet, daß ein groſſer Herr vor ſich, ohne die Ein - willigung des dritten, der hierbey mit intereſſirt, nicht das geringſte zu aͤndern vermag, ja es wuͤr - den manche dencken, daß die Pfeiler des Reichs geruͤhrt und bewegt wuͤrden, wenn einige von der - gleichen Ceremonien ſolten veraͤndert, oder gar aufgehoben werden.
§. 17. Uber die Fundamental-Geſetze des Reichs werden auch noch viel Ceremoniel-Puncten in den Friedens-Schluͤſſen, in den Allianzen, in denEhe -11Von dem Staats-Ceremoniel uͤberhaupt. Ehe-Stifftungen, in den Fuͤrſtlichen Teſtamenten, Freund Bruͤderlichen Vergleichen, am allermei - ſten aber durch die Obſervanz decidirt. Mit dem interdicto uti poſſidetis, beſchuͤtzen ſie ihren Rang und die einmahl erlangten Vorrechte, ſo lange ſie koͤnnen, und bemuͤhen ſich hiedurch mancherley Ce - remoniel-Querellen vorzukommen. Jedoch man - gelt es auch hierbey nicht den andern, die ihnen die Poſſeß nicht zuerkennen wollen, an Ausfluͤchten, bald fuͤhren ſie an, Gegentheil haͤtte ihnen vorhero eine auſſerordentliche Hoͤflichkeit und Gefaͤlligkeit erwieſen, die ſie hiedurch haͤtten erwiedern wollen; bald gedencken ſie daß ihre Hof-Marſchalle oder Staats-Miniſtri dieſes ohne ihre Ordre, und wi - der ihren Willen, oder aus Unwiſſenheit und Nach - laͤßigkeit gethan; ſie erinnern auch wohl, es waͤre damahls nur aus beſonderer Gunſt und Freund - ſchafft geſchehen, da ſie aber ſaͤhen, daß aus dieſer Continuation der Hoͤflichkeit ein Actus poſſeſſio - nis angefuͤhrt werden wolte, ſo wolten ſie dieſe nicht mehr zugeſtehen.
§. 18. Einige Regenten ſind in Vertheidigung ihrer Ceremoniel-Rechte / und in Abforderung der Ehren-Bezeugungen, die andre ihnen bißan - hero ertheilet, hitziger als die andern. Manche wollen gleich alles Commerce auf einmahl ab - brechen, und bezeugen ihren ernſten Widerwillen, es mag ihnen das unangenehme ſelbſt, oder ihren Geſandten begegnet ſeyn. Sie reiſen ohne Ab - ſchied fort, und befehlen dergleichen ihren Geſand -ten,12I. Theil. I. Capitul. ten, ſie drohen mit der Revenge, und erfuͤllen ſie auch bey der erſten Gelegenheit; ja es iſt auch oͤff - ters genug auf eine empfindliche Unhoͤflichkeit eine ſolenne Krieges-Declaration erfolgt; ie feuriger ihr Naturell, und mehr ſie zur Ambition geneigt, ie mehr Vergnuͤgen finden ſie ihre Ehre bey dem Ceremoniel-Weſen zu verfechten. Ein gewiſſer Autor ſagt von dieſer Materie: „ Dieſes iſt ein „ Punct, darinnen die Potentaten uͤberaus em - „ pfindlich ſind, und wofern hierinnen etwas ver - „ geben wird, ſcheinet es, ob koͤnte man ſolches mit „ allen Schaͤtzen und Reichthuͤmern der Welt „ nicht wieder erſetzen; man laſſe die Weltweiſen „ mit vollem Halſe vom Morgen biß an den Abend „ ſchreyen, daß die Ehre nichts als ein bloſſer Schat - „ ten, ſo wollen wir doch dieſe Sauertoͤpffe, ehe ſie „ ſichs verſehen, mit ihren eigenen Worten ſchlagen. „ Denn wenn es wahr, daß der Schatten ein ſo „ veraͤchtlich Nichts, ſo frag ich, warum der unflaͤ - „ tige Diogenes ſeine retirade ſo fleißig in dem „ Schatten ſeines Philoſophiſchen Faſſes geſucht, „ um ſolchergeſtalt von der Sonnen-Hitze verwahrt „ zu ſeyn. Geſetzt nun, die Ehre ſey ein bloſſer „ Schatten, ſo wird doch kein Verſtaͤndiger die „ Groſſen dieſer Welt verdencken koͤnnen, daß ſie „ die brennende Hitze ihrer Ehrſucht in dem ange - „ nehmen Schatten der zeitlichen Ehre abzukuͤhlen „ trachten; ich meyne nicht, daß mir iemand ohne „ Nachtheil der geſunden Vernunfft widerſprechen „ koͤnne.
§. 19.13Von dem Staats-Ceremoniel uͤberhaupt.§. 19. Andere Puiſſancen, oder deren Gevoll - maͤchtigte, laſſen ſich, zu Vermeidung der weit - laͤufftigen Jrrungen, die ſich ſonſt aus dergleichen Puncten entſpinnen koͤnten, mancherley Tempera - mente vorſchlagen, oder diejenigen, die ihnen ande - re vorſchlagen, gefallen; Sie erkennen ihre Feh - ler, und verreverſiren ſich, daß dergleichen in Zu - kunfft nicht wieder geſchehen ſolte, und daß ſie ihre Miniſtres, oder ſonſt die Jhrigen, erſtlich darum zur Rede ſetzen, auch wohl, nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde, gar beſtraffen wuͤrden, und alſo dem an - dern Satisfaction ſchaffen, ſie laſſen es auf die Ent - ſcheidung des Looſſes ankommen, ſie belieben eine alternation, ſie compromittiren auf den Ausſpruch eines unpartheyiſchen Fuͤrſtens, dem ſie die Deci - ſion dieſes Punctes uͤberlaſſen, ſie ſetzen ſich deßfalls mit einander in beſondern Conventionen, und was ſie ſonſt noch vor Mittel ergreiffen, nach Anleitung der beſondern Regeln der Klugheit, um den Frie - den zu erhalten.
§. 20. An den Hoͤfen, wo man das Ceremo - nien-Weſen mit groſſer Accurateſſe tractirt, hat man beſondre Ceremonien-Meiſter, die in Franck - reich und Jtalien am erſten aufgekommen, und von einigen Seculis her bereits etablirt. Dieſe muͤſſen alle die oͤffentlichen Handlungen reguliren, damit der Sachen nicht zu viel noch zu wenig geſchehe, und keinem Hofe noch ſonſt jemand einige Præju - diz zugezogen werde. Sie muͤſſen alle Ceremo - nien, bey den Hoch-Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen,Kind -14I. Theil. I. Capitul. Kindtaufften, ſolennen Eydesleiſtungen, praͤchti - gen Ein - und Auszuͤgen, Staats-Verſammlungen, oͤffentlichen Freuden-Bezeugungen, Leichen-Be - gaͤngniſſen, Errichtung der Begraͤbniß-Monumen - ten reguliren, die Ambaſſadeurs zuerſt introduci - ren, ſie beſuchen, tractiren und erkennen lernen, und den Hof, ſo viel als muͤglich, in guten Credit ſetzen.
§. 21. Man erwehlet mehrentheils zu dieſen an - ſehnlichen Chargen, die mit einem hohen Range verknuͤpfft ſind, Cavaliers von einem guten Hauſe, die eine ſchoͤne Perſon præſentiren, in den Geſchich - ten des Koͤniglichen oder Fuͤrſtlichen Hauſes, und der andern Fuͤrſtlichen Haͤuſer wohl erfahren, und dabey geſpraͤchig, hoͤflich und manierlich ſind. An einigen Hoͤfen hat man zweyerley Ceremonien - Meiſter, als Ober-Ceremonien-Meiſter und Un - ter-Ceremonien-Meiſter, an andern Hoͤfen gar keinen, ſondern nur beſondere Introducteurs des Ambaſſadeurs. An den Teutſchen Hoͤfen pflegen mehrentheils die Hof-Marſchall-Aemter dasjenige zu dirigiren, was ſonſt den Ceremonien-Meiſtern zukommt.
§. 22. Uber die Ceremonien-Meiſter findet man in einigen Laͤndern, auch noch gewiſſe Cere - monien-Aemter, Herolds-Aemter, oder andre Collegia, die ſich um dergleichen zu bekuͤmmern pflegen. Alſo iſt in Rom ein ſolches die Con - gregatione de riti, welchem ein Cardinal als Præ - ſes vorſtehet. Zu dieſen werden einige Cardinaͤle als Nuntii à latere ernennt, um mit denſelben zuuͤber -15Von dem Staats-Ceremoniel uͤberhaupt. uͤberlegen, wenn ein wichtiger Punct im Ceremo - niel-Weſen vorkoͤmmt, z. e. wenn man einen Koͤ - nig im Nahmen Jhrer Paͤbſtl. Heiligkeit entgegen gehen will.
§. 23. Unter den Ceremonien-Meiſtern ſtehen auch die andern Subalternen, die bey dergleichen ſolennen Handlungen mit gebraucht werden, als gewiſſe Secretarii, Aides des Ceremonies die Herolde und Pourſuivans. Unter des Koͤnigs von Engeland ordinairen Hof-Bedienten ſind drey Wapen-Koͤnige, ſechs Ober-Herolde und vier Unter-Herolde. Der erſte und vornehmſte unter den Wapen-Koͤnigen wird der Garter vom Ho - ſenband genennt, weil er hauptſaͤchlich die Cere - monien, ſo den edeln Orden vom Hoſenband be - treffen, dirigiren muß. Die ſechs Ober-Herolde muͤſſen zu Hofe aufwarten, oͤffentlichen Solenni - taͤten beywohnen, Krieg und Frieden proclamiren, und werden bey ihrer Erwehlung zu Rittern ge - ſchlagen. Die Unter-Herolde muͤſſen alle Edel - leute von Geburth ſeyn, und aſſiſtiren dem Grafen Marſchall in ſeinem Marſchalls-Gemach. S. die vollſtaͤndige Beſchreibung der Ceremonien, wel - che bey der Croͤnung Georgii II. in Engeland vor - gangen.
§. 24. Es hat ſeinen guten Nutzen, wenn alle Kleinigkeiten bey dem Ceremoniel-Weſen an ei - nem Hofe in eine gute Ordnung gebracht und dar - innen erhalten werden, es gereicht ſolches zu Ver - mehrung des Grandeurs, zur Conſervation dererlang -16I. Theil. I. Capitul. erlangten Prærogativen, zur Beybehaltung der Freundſchafft unter groſſen Herrn, und des Re - ſpects der Anverwandten, Miniſtres und Untertha - nen, zur etablirung der voͤlligen Subordinationen, zwiſchen den Obern - und Unter-Bedienten, zu Vermeydung aller Colluſionen zwiſchen denen in Gleichheit ſtehenden Unterthanen, zu Verhuͤtung des Ranges und andern Ceremoniel-Streit bey Auswaͤrtigen, zu commoder Ausfuͤhrung des Gouvernement und Commando, weil alle Fuͤr - fallenheiten dadurch decidirt werden, und zur Zier - de eines gantzen Staats, Hofes und Landes.
§. 25. Mit der ſteigenden Pracht und Magnifi - cenze nehmen auch die Ceremonien an den Hoͤfen ſo wohl in Teutſchland, als auſſer Teutſchland, ie mehr und mehr zu; Die Vermehrung und Ver - groͤſſerung des Anſehens der Hoͤhern, gereicht auch den andern, die ihnen an Dignitæten nachgehen, zur ſtetswaͤhrender Æmulation, ſo daß ſie auch nachgehends ſo wohl bey den Hoͤhern als auch bey ihres gleichen und den Geringern, die Verbeſſe - rung bey ihren Ceremonien ſuchen, wie aus gar vielen Exempeln der neueſten Geſchichte des Teut - ſchen Juris Publici erhellet.
§. 26. So werden auch faſt allenthalben bey den Unterthanen, zu Bezeugung ihrer Devotion gegen ihren Landes-Herrn neue und beſondre Ce - remonielle eingefuͤhrt, die ſonſt nicht in Gebrauch geweſen. Alſo ſoll in vorigen Jahren die Gewohn - heit des Fuͤrſtenthums Siebenbuͤrgen nicht mitſich17Von dem Staats-Ceremoniel uͤberhaupt. ſich gebracht haben, daß die Einwohner die Ge - burths-Nahmens - und andre dergleichen ſolennen Taͤge des Roͤmiſchen Kayſers gefeyert, nunmehro aber haben ſie ſich auch angewoͤhnt, ihre Vaſallen und Unterthanen Pflichten beſſer zu beobachten, und dergleichen Feſtins zu celebriren. S. Ein - leitung zum neueſten Geſchichten der Welt. XXV. Stuͤck p. 89.
§. 27. Jn unſerm Teutſchland hat man ange - fangen, von der Zeit an, da der Muͤnſteriſche und Oßnabruͤckiſche Friede geſchloſſen worden, ſich mehr um das Ceremoniel-Weſen zu bekuͤmmern: Die vielen fremden Geſandten der auslaͤndiſchen Puiſſancen, die allda zuſammen kamen, gaben den Teutſchen Fuͤrſten Gelegenheit, ihre Rechte in ei - nem und dem andern Stuͤck beſſer erkennen zu ler - nen, und von den Auslaͤndern bey den Ceremoniel - Puncten manches, das ihnen nicht bekandt geweſen, oder darauf ſie doch nicht ſo acht gegeben hatten, zu lernen. Fürſtenerius gedencket in ſeinem Tra - ctate de Suprematu & jure legat. Princ. daß vor ein 30 Jahren von der Zeit an, da er ſeinen Tra - ctat geſchrieben, zu rechnen, viel Raͤthe an den Fuͤrſtlichen Hoͤfen den Unterſchied zwiſchen einen Ambaſſadeur und Envoyé nicht gewuſt haͤtten.
§. 28. Brunneman meldet in ſeiner Diſſertation de jure Ceremoniali circa legatos, die alten Pu - bliciſten wuͤrden ſich gewaltig verwundern, wann ſie wieder aufwachen und von dem jure Ceremo - niali hoͤren ſolten, ſie wuͤrden dencken, daß vielleichtBnichts18I. Theil. II. Capitul. nichts anders als das ehmahlige Moſaiſche Geſetz darunter verſtanden wuͤrde; und wenn man die politiſchen Schrifften, die vor ein 60 oder 70 Jah - ren von dergleichen Materien abgefaſt worden, mit denen ietzigen conferirt, ſo ſind ſie wie Tag und Nacht von einander unterſchieden. Ein gewiſſer Autor urtheilt von den Schrifften, die von der Ma - terie der Geſandtſchafften in den damahligen Zeiten abgefaſt worden, darinnen die Autores von der Ab - geſandten Keuſchheit, Maͤßigkeit und Anſehen des Leibes viel Worte machen, daß ſie eher vor gemahl - te als lebendige Geſandten gehoͤrten.
§. 1.
An einigen Hoͤfen, wo die Regenten nicht allein ihren Unterthanen Geſetze, ſondern ſich auch ſelbſt bey ihren Handlungen ge - wiſſe Ordnungen vorſchreiben, iſt eine ge - wiſſe Stunde beſtimmt, in der die Hoch-Fuͤrſtli - chen Herrſchafften nebſt ihren Bedienten ſich zur Ruhe begeben, und des Morgens von ihren Lagern wieder aufſtehen, es muͤſte denn bißweilen bey eini - gen Solennitaͤten, oder bey dem Zuſpruch frembder Herrſchafften, eine Ausnahme von dieſer Regul vorgehen. An andern hingegen wird auf gewiſſeMaße19Vom Schlafengehen u. Aufſt. groſſer Hn. Maße die Nacht in Tag, und der Tag in Nacht verwandelt, ſie bringen einen groſſen Theil der zur Nacht-Ruhe beſtimmten Zeit mit Eſſen, Trincken, Spielen, Tantzen und andern Divertiſſemens zu, und halten hingegen biß faſt an die Mittags-Stun - den ihre Ruhe.
§. 2. Es iſt eine ſeltzame Sache, daß die Koͤnige in Spanien in dieſem Stuͤck gebunden ſind, und viel weniger Freyheit haben als alle ihre Untertha - nen, indem ſie, nach denen uͤber hundert Jahr ein - gefuͤhrten Hof-Reguln, im Sommer des Nachts um 10 Uhr, und des Winters um 9 zu Bette gehen muͤſſen. Die Geſchichtſchreiber gedencken, daß, als Koͤnigs Caroli II. erſte Gemahlin Maria Louyſe in Madrit angelangt, und ſich an dieſe vorgeſchrie - bene Stunde nicht kehren wollen, ſondern vermey - net, es waͤre alsdenn die beſte Zeit zu ſchlafen, wenn man dazu Luſt haͤtte, es oͤffters geſchehen waͤre, daß ihr Frauenzimmer, ohne ſie darum zu befragen, an - gefangen, des Abends, da ſie noch uͤber der Tafel geſeſſen, ſie auszuziehen; einige haͤtten ihr den Kopf zurecht gemacht, andere unter die Tafel gekrochen, ihr die Roͤcke auszuziehen, und waͤre ſie alsdenn ſo geſchwinde zu Bette gebracht worden, daß ſie manchmahl nicht gewuſt, wie ihr geſchehen waͤre. S. den I. Tomum von Luͤnigs Ceremoniel-Thea - tro, p. 336.
§. 3. Einige Hoch-Fuͤrſtliche Ehegatten ſchla - fen in einem Gemach und in einem Zimmer, andere aber ſind, den Betten und Schlaf-GemaͤchernB 2nach,20I. Theil. II. Capitul. nach, gantz von einander abgeſondert, und die Hoch-Fuͤrſtliche Ehemaͤnner muͤſſen mit vielen Ceremonien die Erlaubniß ſuchen, ihren Gemah - linnen in der Nacht Geſellſchafft zu leiſten. Jn Spanien ſoll der Koͤnig, dem daſelbſt eingefuͤhrten Reglement nach, auf folgende Weiſe zu der Koͤni - gin ins Zimmer gehen: Er hat ſeine Schuh als Pantoffeln angeſteckt, ſeinen ſchwartzen Mantel auf den Achſeln, an ſtatt des Schlafrocks, welcher eben ſo wenig als die Pantoffeln gebraͤuchlich - Sein Broquet oder Schild haͤngt ihm an dem lin - cken Arm, wie auch eine Flaſche, die an einem Baͤndgen angeknuͤpft, und nicht zum Trincken, ſon - dern zu einem andern naͤchtlichen Dienſt gebraucht wird. Ferner traͤgt er in der lincken Hand eine kleine Nacht-Laterne, und in der rechten einen groſ - ſen Stoß-Degen. Jſt er nun alſo bewaffnet, ſo darff er in der Koͤnigin Zimmer hinein treten. Ob dieſe Ceremonien, die Herr Luͤnig in ſeinem groſ - ſen Ceremoniel-Werck an vorhin angezogenem Orte anfuͤhret, und vielleicht aus einer alten Reiſe - Beſchreibung ausgezeichnet, heutiges Tages noch im Gebrauch, daran zweifle gar ſehr.
§. 4. An den meiſten Teutſchen Hoͤfen pflegen die Cavaliers zu der Zeit, da ſich der Fuͤrſt in ſein Schlaf-Zimmer begeben will, vom Hofe wegzu - gehen, auch ſo gar derjenige Cammer-Juncker, der das gewoͤhnliche Aufwarten hat, und uͤberlaſſen ih - ren Herrn alsdenn den Pagen und Cammer-Die - nern zum Auskleiden, er muͤſte denn unpaͤßlich ſeyn,da21Vom Schlafengehen u. Aufſt. groſſer Hrn. da einer, oder nach Gelegenheit auch wohl ein paar Hof-Cavaliere des Nachts bey ihm wachen muͤſ - ſen, nebſt dem Leib-Medico.
§. 5. Sind ſie in ihren Schlaf-Gemaͤchern al - lein, ſo muß entweder der Leib-Page, oder einer von ihren aͤlteſten und getreueſten Cammer-Dienern in der Nachbarſchafft ſchlafen, daß ſie ihn gleich ruf - fen, und bey der Hand haben koͤnnen. Dieſe legen ſich zur Ruhe, ſo bald die Nacht-Lichter angezuͤndet, und der Fuͤrſt ins Bette geſtiegen.
§. 6. Fruͤh Morgens ſtehen ſie auf, wenn es ih - nen gelegen, wie ſie ſich gewoͤhnet, wie es ihrem Temperament, oder denjenigen Verrichtungen, die ſie des Tages uͤber zu expediren haben, gemaͤß iſt. Die Krieges-Helden, oder die Liebhaber von der Jaͤgerey, ſind offters munterer als ihre Cava - liere, und pflegt es nicht ſelten zu geſchehen, daß ſie in der Campagne, oder wenn ſie auf die Jagt wol - len, fruͤh Morgens ihre Cavaliere aufwecken. Die - ſen wuͤrde bey ihrem Schlafengehen und Aufſtehen mit den Spaniſchen Ceremoniellen nicht gar viel gedient ſeyn.
§. 7. Einige haben im Gebrauch, daß ſie, auch bey ihrem geſunden Zuſtand, fruͤh Morgens im Schlaf-Rock biß um 9 oder 10 Uhr in ihrem Bet - te liegen bleiben, ob ſie ſchon gantz fruͤh aufgewacht. Sie laſſen alsdenn viele von fremden und ihren ei - genen Miniſtres und Cavaliers vor ſich, ſie ertheilen Audienzen, hoͤren die Vortraͤge an, unterſchreibenB 3die22I. Theil. II. Capitul. die Reſcripta und Befehle, und expediren die wich - tigſten Dinge.
§. 8. Auſſer dem aber, wo dieſes nicht eingefuͤhrt, wird niemand leicht erlaubet, in das Fuͤrſtliche Schlaf-Zimmer zu gehen, ſondern die meiſten muͤſ - ſen in den Vorgemaͤchern warten, biß der Fuͤrſt an - gekleidet. Jedoch haben, uͤber die Pagen und Cam - mer-Diener, die bey der Ankleidung des Fuͤrſten noͤthig ſind, auch nachfolgende Perſonen in dieſem Stuͤck bey einigen Fuͤrſten einen Vorzug, als (1) die Fuͤrſtlichen Kinder und Anverwandten, (2) die Favoriten, ſie moͤgen nun groſſe Miniſtri oder an - dere ſchlechte Leute ſeyn, bißweilen hat ein geringer Menſch Erlaubniß zum Eintritt in das Fuͤrſtliche Schlaf-Zimmer, der doch wohl einem Cavalier von ſehr hohem Range verſagt iſt, (3) die Leib - Medici, (4) die geheimen Secretairs, und (5) die Hof-Prediger, und bey den Roͤmiſch-Catholiſchen die Patres und Hof-Caplaͤne.
§. 9. Dieſen und einigen andern iſt bißweilen erlaubet, bey der Levée mit zu ſeyn, wenn die groſ - ſen Herren nur aus dem Bette gekommen, da hin - gegen andere nicht hinein gelaſſen werden, als biß ſie halb oder gantz angekleidet. Manche haben bey ihren Ankleiden eine groſſe Menge von Pagen und Cammerdienern um ſich herum, es muß auch wohl ein Cammer-Herr oder Cammer-Juncker zur Aufwartung mit dabey ſeyn, andre aber haben bey ihren Ankleiden und Auskleiden einen eintzigen Bedienten bey ſich, und findet man wohl bißwei -len23Vom Schlafengehen u. Aufſt. groſſer Hrn. len Leute von geringern Stande, die ſich hierbey mehr bedienen laſſen, als einige Fuͤrſten.
§. 10. An dem Koͤniglich Franzoͤſiſchen Hofe iſt das grand lever und pecit lever des Koͤniges bekannt, bey welchen unterſchiedene Einheimiſche und Fremde zugegen ſeyn duͤrffen. Au grand le - ver du Roy ſiehet man den Koͤnig in ſeinem Schlafzimmer das Hemde anziehen und ſich an - kleiden. Ein Fremder muß ein wenig vorher hin - auf gehen, und zuſehen, daß er mit der Suite hinein kommet, wenn die Thuͤre des Schlaf-Gemachs geoͤffnet wird. Kommt man etwan zu ſpaͤth, ſo wartet man im Vorgemach, biß entweder einer von den vornehmen Herrn hinein gehet, oder man kratzet gantz leiſe mit dem Nagel an die Thuͤre, da man dem Huiſſier oder Pfoͤrtner ſagt, wer man ſey.
§. 11. Bey dem petit lever du Roy, das iſt, wenn der Koͤnig aus dem Bette aufſtehet, und ſich den unterſten Theil des Leibes anziehen laͤſt, iſt niemand zugegen als die Printzen von Gebluͤthe, einige vornehme Herren denen die Entrée ins be - ſondre erlaubet, und dann die noͤthigen Cammer - Bedienten. Sind Printzen von Gebluͤthe bey dem lever du Roy zugegen, ſo reichet der vornehm - ſte unter ihnen dem Koͤnig das Hembde dar, in der Abweſenheit thut es einer von den vornehmſten Herrn am Hofe. S. Nemeitz Sejour du Paris p. 385.
§. 12. Die von Fuͤrſtlichen FrauenzimmerB 4pflegen24I. Theil. II. Capitul. pflegen groſſen theils eine lange Ze[i]t in ihren Habit negligée herum zu gehen, Caffé zu trincken / et - was zu leſen, und ſich ankleiden zu[l]aſſen, biß es faſt Zeit iſt zu Mittags zur Tafel zu gehen.
§. 13. So bald die Fuͤrſten angekleidet, muͤſ - ſen ſich die Cammer-Herren, Cammer-Juncker oder andere Hof-Cavaliere bey der geſetzten Stun - de in den Vor-Gemaͤchern zur Aufwartung parat finden laſſen, biß ſich hernach ein oder ein paar Stunden vor der Mittags-Tafel der groͤſte Theil von der Hof-Statt zuſammen findet.
§. 14. Die Leib-Medici muͤſſen vor andern die erſten mit ſeyn, die ſich Fruͤh-Morgens bey Durch - lauchtigſter Herrſchafft zeigen, es iſt auch mehren - theils in denen ihnen vorgeſchriebenen Inſtructio - nen anbefohlen, daß ſie ſich alle Morgen des Zu - ſtandes Durchlauchtigſter Herrſchafft erkundigen ſollen, es waͤre denn daß ſie bißweilen wegen hohen Alters oder eigener Unpaͤßlichkeit, davon diſpenſirt wuͤrden. Bißweilen haben ſie die Erlaubniß, wie ich oben geſagt, die Fuͤrſtlichen Perſonen zu beſu - chen, wenn ſie noch in Betten liegen, zuweilen aber, wenn ſie nicht in ſo gar groſſen Gnaden ſtehen, muͤſſen ſie in den Vor-Gemaͤchern warten biß ſie gefordert und gerufft werden.
§. 15. Bey den Roͤmiſch-Catholiſchen Potentaten finden ſich die Patres und Hof-Caplaͤne bey dem fruͤheſten Morgen zu Hofe mit ein; Sie muͤſſen ſichs aber auch bißweilen gefallen laſſen, wenn ſie den Beſcheid bekommen, ſie ſolten ſich vor dieſes -mahl25Vom Schlafengehen u. Aufſt. groſſer Hrn. mahl wieder nacher Hauſe begeben, man wolte ſie ein andermahl wieder hohlen laſſen, wenn man wuͤrde gelegenere Zeit haben.
§. 16. An einigen Hoͤfen wird des Abends und Morgens vor dem Schlafen-gehen und nach dem Aufſtehen, in Gegenwart der Durchlauchtigſten Herrſchafft und des mehreſten Theils von Dero Hofſtatt, von dem Fuͤrſtlichen Schloß - und Hof - Prediger Beth-Stunde gehalten, an andern aber iſt dieſes nicht Mode. Kayſer Ferdinandus II. war ſo devot, daß er gleich nach ſeinem Aufſtehen eine gantze Stunde vor einem Altaͤrlein, ſo zu ſol - chem Ende in ſeiner Schlaf-Cammer zugerichtet war, im Gebeth und andaͤchtiger Betrachtung zu - brachte. Als er nun einmahls auf der Reiſe ver - hindert ward, ſo ſchrieb er ſeinem Beicht-Vater, welcher dazumahl kranck zu Bette lag, folgendes Brieflein mit eigener Hand: Ehrwuͤrdiger Pater in Chriſto: biß dato hab ich iederzeit in Brauch ge - habt, mein Gebeth, eh ich mich angelegt / eine Stunde lang zu verrichten, welches mir aber auf dieſer Reiſe alſofort zu treiben, ziemlich ſchwehr ſeyn wuͤrde, weil ich alle Tage um 4. Uhr aufſtehen muß; ob nun wohl dißfalls einiges Geluͤbde nicht habe, nichts deſtoweniger begehr ich Eurer Ehr - wuͤrden Rath, ob ich nemlich in etwas diſpenſiren moͤge; ich bin GOtt Lob wohl auf. Straubingen den 24. Januarii 1637. S. Kevenhuͤllers Annal. Ferdinand. XII. Theil p. 397.
§. 1.
Es beruhet von der Gefaͤlligkeit groſſer Her - ren, ob ſie bey ihrer Kleidung eine beſon - dere Pracht erweiſen wollen, oder nicht. Einige bemuͤhen ſich in dieſem Stuͤck ſo wohl als in andern an Magnificenze alle ihre Be - dienten und Unterthanen zu uͤbertreffen, andere aber erwehlen eine ſchlechtere und modeſte Kleidung, und wollen ſich lieber mit den innerlichen Schmuck, der einen Regenten noͤthig iſt, auszieren, als mit den aͤuſſerlichen. Der Herr von Loͤhneyſen ſagt in ſeiner Hof-Staats - und Regier-Kunſt p. 119. „ Ein „ Fuͤrſt ſoll ſich nicht zu geringe halten, ſondern die „ Mittel-Straße in acht haben, in Kleidung und „ Schmuck nicht allzupraͤchtig, auch nicht allzu - „ ſchlecht ſeyn, ſondern betrachten, was auf eine „ Zeit einem groſſen Koͤnig gerathen worden, nem - „ lich daß es viel feiner waͤre, und einen Fuͤrſten „ beſſer anſtuͤnde ein weiſes und tugendhafftes Hertz „ fuͤr die Leute zu bringen, als ein ſtattlich Kleid am „ Leibe.
§. 2. Einige, die aus einem geringen Stand in einem hoͤhern geſetzt worden, welches in den vori - gen Zeiten noch gebraͤuchlicher geweſen als in den ietzigen, haben aus beſonderer Demuth und zuſtets -27Von der Kleidung. ſtetswaͤhrender Erinnerung ihrer Niedrigkeit, ihre ehmahligen Kleider Zeit Lebens aufgehoben, und ſie auch wohl bißweilen angelegt. Alſo melden die Geſchicht-Schreiber, daß der Hertzog in Poh - len Leſcus II. der anno Chriſti 776. erwehlt wor - den, alle Jahre einmahl, zum Andencken ſeines Bauer-Standes, ſeine Fuͤrſtlichen Kleider mit ſon - derbahren Ceremonien abgelegt, und an deren Statt ſeine Bauer-Kleider angezogen. Nach - dem er nun die gantze Zeit ſeines Lebens dieſe Ge - wohnheit beobachtet, ſo ſind auch alle ſeine Hof - Bedienten hiedurch bewogen worden, um ſolche Zeit gleichfalls in geringen Kleidern einher zu ge - hen. S. Connors Beſchreibung von Pohlen, p. 20.
§. 3. Die bey ihrer eigenen Kleidung die Koſt - barkeit und Veraͤnderung lieben, ſehen auch der - gleichen gerne bey ihrer Hofſtatt. Bey dem Kay - ſer Joſepho, glorwuͤrdigſten Andenckens, war die ſo genannte Hof - oder Mantel-Tracht, welche Imperiale genennet wird, allezeit ſehr koſtbar, und konte auch bey ſeinen Miniſtris die Veraͤnderungen in der Kleidung trefflich leiden. Einmahl ſchertz - te er, da er noch Roͤmiſcher Koͤnig war, mit ſei - nen Premier-Miniſtre dem Cardinal Lamberg, und ſagte zu ihm, weil er allzu offt bey Hofe mit einem Kleide erſchien: ich glaube du und dein Kleid haben einander zur Ehe genommen, worauf aber Lamberg verſatzte: wenn Jhro Majeſtaͤt die Polygamie von unſern Kleidern verlangen, ſo wer -den28I. Theil. III. Capitul. den ſie ſich viel ſchuldige Diener machen, welchen ſcharffſinnigen Schertz der Kayſer wohl vertragen konte. S. curieuſes Buͤcher-Cabinet VI. Ein - gang p. 887.
§. 4. Eine gewiſſe Façon in der Kleidung, die entweder von einer hohen Standes-Perſon er - funden, oder doch von ihr beliebet und approbirt wird, muß hernach gar oͤffters viel andern zu ei - nem Muſter und Exempel dienen. Als an. 1696. die Savoyiſche Princeßin Maria Adelheit mit dem Hertzog von Burgundien vermaͤhlet ward, und ſie ſich bey dieſer Solennitæt in ihren eigenen Haaren aufputzte, ſo gefiel dieſes dem Koͤnig in Franckreich Ludwig XIV. ſo wohl, daß er allen Damen, ſo ihr aufwarteten, anbefohl, mit Able - gung aller hohen Fontangen, einen niedrigen Kopf-Zierrath anzunehmen. S. Theatr. Europ. Tom. XV. des Jahrs 1696. p. 100.
§. 5. Der groͤſte Pracht, den die hoͤchſten Standes-Perſonen in ihrer Kleidung bey den ſo - lenneſten Feſtivitæten erweiſen, kan in nichts an - ders beſtehen als in Kleidern von Sammet oder golden und ſilbern Stuͤck, die mit Garnituren von Diamanten, die bißweilen zu vielen Tonnen Gol - des auch Millionen werth, beſetzt ſind. Die Schleppen des Fuͤrſtlichen Frauenzimmers, wer - den entweder von Pagen oder Cavalieren, auch wol gar bey groſſen Solennitaͤten von hohen Stan - des-Perſonen, maͤnnlichen oder weiblichen Ge - ſchlechts, getragen. Als anno 1716 des Czaarsaͤlteſte29Von der Kleidung. aͤlteſte Tochter, Princeßin Catharina, mit dem Her - tzog zu Mecklenburg Schwerin Beylager hielt, ſo hatte ſie einen Sammetenen mit Diamanten be - ſetzten Thalar um, davon ihr die Schleppe 6 Ca - valiers nachtrugen. S. Electa juris publici Tom. IX. p. 909. Bey der Croͤnung der Koͤnigin in Preuſſen, Sophien Charlotten, muſte gar die Hertzogin von Holſtein den Schweif des Kleides nachtragen, und die Schleppe des Rocks der Her - tzogin ward von einem Cavalier nachgetragen. S. Thucelii Acta publica Tom. I. p. 731.
§. 6. Gleichwie die Franzoͤſiſche Nation in dem - jenigen, was zu dem Kleider-Weſen gehoͤrt, ſehr zu raffiniren pflegt, alſo iſt es vor etwas beſonders zu achten, da Monſieur Le Bon, Cammer-Præſident zu Montpellier, anno 1710 angegeben, wie man aus Spinneweben eine Seide zubereiten ſoll. Er hat hievon, ſo wohl vor den Koͤnig in Franckreich Ludwig XIV. eine Veſte, ſo ſie hoͤher als alle andere Zeuge von Franckreich ſollen eſtimirt haben, als auch vor die Koͤnigliche Societaͤt der Wiſſenſchaff - ten ein paar Struͤmpffe, ſo mehr nicht als 2¼ Un - tzen gewogen, verfertigen laſſen, wie denn 13 Untzen ſolcher Spinnenhaͤußgen, 4 Untzen reiner Seide, und hievon 3 Untzen ein paar Struͤmpffe vor die groͤſte Manns-Perſon, 6 Quentlein aber ein paar Handſchuh geben ſollen. S. Memoires de Tre - voux a. 1710.
§. 7. Werden bey gewiſſen Solennitaͤten, an den Fuͤrſtlichen Nahmens - und Geburths-Taͤgen,oder30I. Theil. III. Capitul. oder auch bey Anweſenheit fremder Herrſchafften, Gala-Taͤge bey Hofe gehalten, ſo erſcheinen ſo wohl die Herrſchafften als auch ihre Bedienten in der beſten und praͤchtigſten Kleidung. An einigen Hoͤfen, als wie an dem Kayſerlichen und andern mehr, iſt bey gewiſſen Feſtivitaͤten die Spaniſche Kleidung eingefuͤhrt. So bringen auch die Statu - ta mancher Orden mit ſich, daß die Fuͤrſten, ſo mit einen gewiſſen Ritter-Orden beehret worden, bey einigen Solennitaͤten, die in des Fundatoris Fami - lie vorgehen, als Beylagern, Kindtauffen und Be - graͤbniſſen, wenn ſie denſelben mit perſoͤnlich bey - wohnen, ingleichen am erſten Oſter-Pfingſt - und Weyhnachts-Feyertage, uͤber ihre ordentliche Klei - dung noch die groſſe Ordens-Kette tragen.
§. 8. Bißweilen haben hohe Standes-Perſo - nen Gefallen, wann ſie ſich auf einem Land-Hauſe oder ſonſt bey einem gewiſſen angeſtellten Diver - tiſſement befinden, daß ſie nebſt ihrer gantzen Hof - ſtatt eine gantz auslaͤndiſche Kleidung anlegen. Al - ſo war vor einigen Jahren in Dresden bey einer angeſtellten Luſtbarkeit der gantze Koͤniglich-Pol - niſche und Chur-Fuͤrſtlich-Saͤchſiſche Hof in dem ſo genannten Tuͤrckiſchen Garten in Tuͤrckiſchen Habit eingekleidet. Es geſchicht auch wohl, daß ſie bey einem vornehmen auslaͤndiſchen und ihnen angenehmen Zuſpruch ſich ſelbſt und ihre gantze Hofſtatt nach der Façon der fremden Herrſchafft, ſo lange ſie ſich bey ihnen aufhaͤlt, in der Kleidung zu richten pflegen.
§. 9.31Von der Kleidung.§. 9. Halten ſie ſich bey fremden Voͤlckern oder an einem auslaͤndiſchen Hofe auf, ſo confor - miren ſie ſich auch in den allergeringſten Stuͤcken der Kleidung nach den fremden Gebraͤuchen, zu - mahl wo ſie vorher wiſſen daß der fremde Hof, oder das fremde Volck ſehr darauf zu ſehen pflege, und es ihre beſondern Staats-Raiſons erfordern, die Gunſt des Hofes, oder des Volcks zu erwerben, oder zu erhalten. Man hat unterſchiedene Exem - pel in den alten und neuen Geſchichten, daß einige Printzen die Gunſt einer fremden Nation nicht eher vollkommen erhalten, biß ſie ſich in ihrer Klei - dung und andern aͤuſſerlichen Stuͤcken nach den Sitten des Volcks regulirt.
§. 10. Die beſondern Kleidungen, mit denen ſie bey groſſen Solennitæten angethan geweſen, als etwan bey Croͤnungen u. ſ. w. oder bey denen ſich ſonſt etwas merckwuͤrdiges ereignet, als die im Kriege durchſchoſſen, ohne daß der Coͤrper verletzt worden, werden zu ſtetswaͤhrendem Andencken in denen Ruͤſt - und Raritaͤten-Cammern aufgeho - ben, und verwahrlich beybehalten.
§. 11. Bey denen Roͤmiſch-Catholiſchen wer - den in denen Garde roben gewiſſe Creutze, mit de - nen ſie von den Paͤbſten beſchencket worden, und welche ſie an ihrer Kleidung auf der Bruſt oder auch ſonſt zu tragen pflegen, zugleich mit aufgeho - ben. Alſo iſt in dem XLIII. Articul des Teſta - ments des Koͤnigs in Spanien Caroli II. enthalten:Jn32I. Theil. III. Capitul. „ Jn meinen Kleider-Behalter befindet ſich ein „ Crucifix, ſo mit vielen Indulgentien oder Ablaſ - „ ſen begnadiget, welche der Koͤnig, mein Vater / „ mir und meinen Nachfolgern hinterlaſſen. Die - „ ſes Creutzes haben ſich Kayſer Carl der V. mein „ Ur-Anherr und ſeine Nachfolger biß auf den Koͤ - „ nig meinen Vater bey der Stunde ihres Todes „ bedienet, wie ich denn auch bey meinem Ende „ mich deſſen zu bedienen gewillet. Solches Hei - „ ligthum hinterlaſſe ich hiermit gleichfalls meinem „ Succeſſori und deſſen Nachfolgern, als ein Denck - „ mahl der Gottesfurcht und Froͤmmigkeit meiner „ Vorfahren.
§. 12. An einigen Koͤniglichen und andern groſſen Hoͤfen, iſt die Ober-Aufſicht uͤber die Koͤ - nigliche Garde Robe, eine beſondre anſehnliche Charge. An den teutſchen Hoͤfen hat entweder ein Ober-Cammer-Herr oder auch der oberſte und aͤlteſte Cammer-Juncker die Garde robe un - ter ſich. Dieſe helffen etwan mit Zuziehung der Fuͤrſtlichen Gemahlin, oder auch mit Beyrath der Cammer-Diener, die Fuͤrſtliche Kleidung befor - gen, und was bey derſelben Einkauff, Verfertigung, Anzug und Erhaltung noͤthig, zugleich mit veran - ſtatten.
§. 13. Einige Fuͤrſten nehmen in dieſem Stuͤck keinen Bey-Rath an, ſie halten davor, daß ſie noͤ - thigere Sachen zu verrichten haben, als daß ſie mit Beſorgung ihrer Kleidung zu viel Zeit verder -ben33Von der Kleidung. ben ſolten; ſie achten dieſes vor Taͤndeley, und er - wehlen den Zeug, die Farbe und die Façon nach ihrem eigenen Gefallen, ohne iemand darum zu befragen. Einige Krieges-Helden achten einen ſchlechten Soldaten-Habit, zumahl wenn ſie zu Felde ſind, vor anſtaͤndiger, als ein praͤchtig ver - bordirtes Kleid. Die Liebhaber von der Jaͤgerey erwehlen am liebſten und am meiſten eine gruͤne Kleidung u. ſ. w.
§. 14. Die abgeſetzten Fuͤrſtlichen Kleider ſind mehrentheils ein Accidens der Leib-Pagen und der Cammer-Diener, bißweilen geſchicht es auch, daß mancher Cavalier, der nicht gar zu ſehr bemittelt iſt, etwas mit davon bekommt.
§. 15. Jn uͤbrigen iſt aus der alten und neuen Hiſtorie bekannt, daß einige kluge Regenten, aus beſonderer Politique, ihre Fuͤrſtlichen Kleider zu Zeiten mit gantz geringen verwechſelt und hiedurch theils zur Abend-Zeit in ihren Fuͤrſtlichen Reſi - denzen, theils und vornemlich aber an auswaͤrti - gen Oertern ihres Landes, eines und das andere ausgekundſchafftet und erfahren, welches ihnen ſonſt als Landes-Regenten, wenn ſie in ihrer groͤ - ſten Pracht angethan geweſen waͤren, nimmer - mehr, oder doch vielleicht nicht ſo bald, nicht ſo voll - ſtaͤndig und accurat wuͤrde zu Ohren gekommen ſeyn.
§. 1.
Ehriſtliche und weiſe Regenten erinnern ſich von ſelbſt desjenigen, ſo Jhnen von GOtt und dem Lande anvertraut: Sie wiſſen, daß ſie nicht allein Vaͤter ihres Hoch - Fuͤrſtlichen Hauſes, ſondern auch Vaͤter ihrer Un - terthanen, und alſo bemuͤhen ſie ſich, ſo viel als moͤg - lich, in allen Stuͤcken die ihnen zukommenden Pflichten zu erfuͤllen. Sie laſſen die Angelegen - heiten der Regierung ihre groͤſte Sorgfalt und be - ſten Zeitvertreib ſeyn. Kayſer Ferdinandus II. er - kannte ſolches ſehr wohl, welcher, ob er wohl in ſei - nen letzten Jahren an Kraͤfften mercklich abnahm, ſo unterzog er ſich doch der Arbeit auf eben die Art, wie er in ſeiner Jugend zu thun gewohnt geweſen. Wenn man ihn vermahnte, er ſolte ſich doch mit ſo viel Arbeit ein wenig verſchonen, die Suppliques, daran nicht ſo viel gelegen waͤre, andern durchzule - ſen geben, und ſeine Geſundheit in acht nehmen; ſo antwortete er: Er ſey von GOtt auf den Thron geſetzt worden, daß er arbeitete, nicht daß er muͤßig gienge, ein groſſer Potentate koͤnte ſeiner Geſund - heit nicht ſchonen, wenn er anders dem gemeinenWeſen35Von Hoch-Fuͤrſtl. Occupationen ꝛc. Weſen wolte gholffen ſehen, er wolte lieber ſich ſelbſt, als ſein Amt verſaͤumen. S. Kevenhuͤllers Annal. Ferdinaid. p. 2434.
§. 2. Einige pflegen ſo wohl die Zeit der Tage, als der Wochenauf das ordentlichſte einzutheilen. Alſo hat man beydem Kayſer Leopoldo, glorwuͤr - digſten Andenckens, als eine beſondere Regul an - gemerckt, daß erzu einerley Zeit und Stunde auf - geſtanden, die Meſſe gehoͤrt, geſpeiſet, ſpatzieren ge - gangen, Audienten gegeben, Rath gehalten, und ſich wieder niedergelegt, und dieſes alles ohne Ver - aͤnderung der Zeit.
§. 3. Viele ſind die Directores und Præſiden - ten von allen ihren Collegiis, und beſuchen dieſel - ben alle Wochen an gewiſſen Tagen. Dieſen Tag wohnen ſie dem geheimden Conſilio mit bey, einen andern begeben ſie ſich in die Landes-Regie - rung, und in das Juſtiz-Collegium, und noch an einen andern beſuchen ſie die Rent-Cammer u. ſ. w. Es iſt dieſes eine ſehr loͤbliche und gute Gewohnheit. Groſſe Herrn erlangen hiedurch eine groſſe Wiſ - ſenſchafft und Erfahrung, wenn die wichtigſten Sa - chen durch ihren Kopf muͤſſen, ſie erwerben ſich bey ihren Unterthanen eine ſehr groſſe Liebe und Hoch - achtung, ſie machen ſich bey den andern Mit-Re - genten einen groſſen Nahmen, und treiben hierdurch ihre Miniſtres und Raͤthe zu beſondern Fleiß und Accurateſſe an, richten es auch dabey ſo ein, daß al - le ihre Bedienten zwar voll Futter, aber auch volle Arbeit haben moͤgen. Sie ſetzen manchen Mini -C 2ſtris36I. Theil. IV. Capitul. ſtris die Inſtructionen ſelbſt auf, und ertheilen ih - nen die Vorſchrifften, wie ſie ſich bey dieſem oder jenem in ihren Functionen verhalten ſollen.
§. 4. Einige achten ihrem Fuͤrſten-Stande im geringſten nicht vor unanſtaͤndig, in ihren Reſiden - zien ſich in eigener hohen Perſon ſelbſt zu erkundi - gen, wie dieſe oder jene Stuͤcke des Policey-We - ſens beſtellet ſeyn, und in Obacht genommen wer - den. Beckmann erzehlet in dem V. Theile ſeiner Anhaͤltiſchen Geſchichte pag. 174. b. daß Fuͤrſt Joachim zu Anhalt kein Bedencken getragen, alle Wochen in der Stadt ſelbſt herum zu gehen, und in den Fleiſchbaͤncken, Brodtbaͤncken, und andern Orten mehr, Nachfrage zu halten, wie man hauß hielte, und ob auch den armen Leuten vor ihr Geld rechte Maaße gegeben wuͤrden.
§. 5. Andere erkundigen ſich durch eigene Rei - ſen, die ſie zu dem Ende anſtellen, auf das genaueſte des Zuſtandes ihres gantzen Landes, woher die Ge - brechen ruͤhren, wie die Nahrung zu verbeſſern, dem Lande wieder aufzuhelffen, und alles in beſſern Stand zu ſetzen ſey, ſie ſprechen bißweilen unver - muthet bey dieſen oder jenen Beamten ein, und ver - nehmen, wie er ſich bey ſeiner Gerichtsbarkeit auf - fuͤhre, und ob er nicht etwa derſelben mißbrauche, ſie unterſuchen ſelbſt die Maͤngel des Commercien - Weſens, der Manufacturen, u. ſ. w. und laſſen ſich gnaͤdigſt gefallen, einige Vorſchlaͤge der gemeinſten und geringſten Leute anzuhoͤren. Bey dem Mili - tair-Staat trauen ſie nicht allein den Relationendieſes37Von Hoch-Fuͤrſtl. Occupationen ꝛc. dieſes oder jenen groſſen Generals und Kriegs-Of - ficianten, ſondern forſchen auch ſelbſt bey den Ge - meinen nach, wie ſie mit ihren Officiers zufrieden ſind, ob ſie ihre Loͤhnung richtig bekommen, auf was vor Art ſie in Kriegs-Dienſte gekommen, u. ſ. w.
§. 6. Wie eine muͤhſame Application faͤhig ſey gute und qualificirte Regenten zu machen, iſt aus dem ruhmwuͤrdigen Exempel des letzt verſtorbenen Rußiſchen Kayſers Petri I. Majeſtaͤt zu erſehen, welcher durch ſeine viele Reiſen, die er nicht allein in ſeinen eigenen Laͤndereyen, ſondern auch in an - dern Europaͤiſchen Provinzien herum gethan, ſich eine ſo beſondere Erfahrung und groſſe Staats - Wiſſenſchafft zuwege gebracht, daß er dadurch ver - moͤgend worden, ſeine ehemahligen rohen Unter - thanen zu cultiviren, und die rauhen Laͤnder in ei - nen floriſantern Stand zu ſetzen. Jacobus, Koͤ - nig in Engeland, ſchrieb unter andern Staats-Ma - ximen in der Schrifft, welche er ein Koͤniglich Ge - ſchenck nennt, ſeinem Sohn folgende Regul mit vor: “Er ſolte alle Jahre ſeine Laͤnder durchzie - „ hen, das lamentiren der Unterthanen ſelbſt anhoͤ - „ ren, damit er dasjenige, was etwan durch die Be - „ dienten und die Miniſtres verſehen worden, wieder „ verbeſſern koͤnte. “
§. 7. Einige halten ihre eigene Diaria und Pro - tocolle, darein ſie dasjenige, was ſie bey Expedition der Regierungs-Geſchaͤffte noͤthig befinden, mit eigener hohen Hand einzeichnen. Alſo ruͤhmet derC 3Chur -38I. Theil. IV. Capitul. Chur. Saͤchſiſche Ober-Hof-Prediger, der ſeelige Herr D. Weller, in den Perſonalibus von Chur - Fuͤrſten Johann Georgen den I. Chriſt-mildeſten Andenckens, daß ſie nicht allein ein eigen Protocoll uͤber die einkommenden Reichs - und Land-Sa - chen gehalten, und auch bey waͤhrender Kranckheit offtmahls in einen Tage uͤber hundert Befehle und andere Sachen unterſchrieben, ſondern auch in ein beſonder Diarium und taͤgliches Handbuch aller - hand domeſtica und ſein hohes Hauß angehende Sachen angemerckt. Er haͤtte ſelbſt mit Her - tzens-Freude in Dero Chur-Fuͤrſtlichen Zimmer darinnen geleſen, wie ſie dem frommen GOtt ſo andaͤchtig fuͤr ſeiner Gemahlin, Printzen und Toͤch - ter Erhaltung gedancket, und daß weil ſie heute an dieſen Tage ihrer lieben Gemahlin einen neuen Hofemeiſter beſtellt, ſo baͤthen ſie GOtt, daß er ſolch Werck vom Himmel herab ſeegnen wolle. S. Hauſens Buſta Electorum Saxoniæ, pag. 1402. Chur-Fuͤrſt Friedrich der Weiſe, war ein guter Haußwirth, er durchſahe alle Morgen und Abend auch auf der Reiſe die Rechnungen und Regiſter ſelbſt, ſahe ſeinen Amtleuten und Schoͤſſern genau auf die Haube, und glaubte keinen weiter als er ihn ſahe. S. Lutheri Tiſchreden, C. 46. p. m. 485.
§. 8. Sie wohnen den Conferentien und Be - rathſchlagungen bey wichtigen Puncten in hoher Perſon ſelbſt bey, hoͤren die Vortraͤge mit an, und zeichnen ſich die Haupt-Reſolutionen in eine be - ſondere Regiſtrande. Kayſer Ferdinandus II. verließ39Von Hoch-Fuͤrſtl. Occupationen ꝛc. verließ nicht leichtlich die Conferenz-Zimmer, ob - ſchon die Berathſchlagungen bißweilen vier Stun - den nach einander gewaͤhret hatten. Wenn die Raͤthe wegen ſo ſchwerer Muͤhe und Arbeit muͤde und verdroſſen waren, ſo erfreuete er ſich, daß ihn nicht Gelegenheit gemangelt, tapffer zu arbeiten. Er pflegte zu ſagen: in drey Dingen wuͤrde ihm die Zeit nicht lang, im Gottesdienſt, im Rath, und im Jagen. S. Kevenhuͤllers Annal. Ferdinand. p. 2434.
§. 9. Eine ſehr loͤbliche Gewohnheit iſts, wenn einige Regenten an gewiſſen Tagen in der Wochen nicht allein fremden Miniſtris und Geſandten Au - dienz ertheilen, ſondern auch ihre Unterthanen gnaͤ - dig anhoͤren / und ſonderlich den nothleidenden und bedraͤngten einen freyen Zutritt verſtatten. An dem gottſeeligen Hertzog zu Sachſen-Gotha Erne - ſtum durffte ſich ein iedweder adreſſiren, er hoͤrte einen ieden mit vaͤterlicher Guͤte an, er nahm ihre Suppliquen ſelbſt an, und wenn ihre Bitten gerecht waren, oder er ihnen dieſelben accordiren konte, ſo bewilligte er dieſelben. S. die von Monſr. Teiſſier von ihm verfertigte Lebens-Beſchreibung, pag. 97. Einige haben die Geſchicklichkeit, auf die Vortraͤge der auslaͤndiſchen Miniſtres, und wenn ſie auch noch ſo weitlaͤufftig ſeyn ſolten, ſelbſt die gehoͤrige Antwort zu erſtatten. Kayſer Leopoldus beant - wortete alle Audienzen ſelbſt, und wenn in einem Vortrage zwantzig Puncte waren, wiederhohlte er ſolche in der vorgebrachten Ordnung, und beant -C 4wortete40I. Theil. IV. Capitul. wortete iedweden mit gehoͤrigem Beſcheide. Es wolte einſtens, gleich bey dem Anfang ſeiner Re - gierung ein Schwediſcher Abgeſandte, die Fertig - keit des Kayſers in der Lateiniſchen Sprache und uͤbrigen Studiis, von denen er viel gehoͤrt hatte, auf die Probe ſtellen. Als er Audienz verlangte, ward er von dem Obriſten Caͤmmerer gefragt, in was vor einer Sprache er die Rede thun wolte, woruͤber er ſich erklaͤrte, daß er ſich der Teutſchen bedienen wol - te. Als er aber fuͤr den Kayſer kam, legte er eine zierliche Lateiniſche Oration ab, woruͤber er wohl einige Wochen mochte ſtudiert haben. Den Kay - ſer bewegte dieſes im geringſten nicht, ſondern er beantwortete ſolche, ohne ſich lange zu bedencken, nicht allein mit gleichmaͤßiger Zierlichkeit, ſondern auch wohlgefaßter Eintheilung der Puncte, daß hernach der Geſandte geſtehen muſte, er habe ſich dergleichen Salomon nimmermehr einbilden koͤn - nen. S. die Lebens-Beſchreibung, die von ihm zu Leipzig heraus kommen, p. 33.
§. 10. Manche gehen in ihrer Regierungs - Sorgfalt ſo weit, daß ſie nicht allein ſich um das - jenige was in ihrem Lande, und an ihrem Hofe un - ter ihren Bedienten vorgehet, deren Staͤrcke und Schwaͤche ſie genau kennen lernen, auf das ange - legentlichſte bekuͤmmern, ſondern wenden auch alle Bemuͤhung an, den Hof-Staat der andern Hoͤfe / und alle hauptſaͤchlich ſich dabey er eignende Ver - aͤnderungen, mit denen ſie entweder in einiger Ver - bindung ſtehen, oder bey denen ſie ſonſt einig In -tereſſe41Von Hoch-Fuͤrſtl. Occupationen ꝛc. tereſſe haben auf das eigentlichſte zu erfahren. Sie unterhalten zu dem Ende die koſtbarſten Cor - reſpondencen, und theilen dieſerhalb viel Leuten gewiſſe Penſionen aus. Von dem Koͤnig in Franckreich Lidwig den XIV. ſagt man, daß ihm die redlichen und ungetreuen, die geſchickten und un - geſchickten Miliſtri an allen Europaͤiſchen Hoͤfen bekandt geweſen.
§. 11. Bey denjenigen Stuͤcken, die ſie bey ih - rer Regierung zu beſorgen haben, wenden ſie die meiſte Zeit auf die Angelegenheiten, die mit ihren Neigungen uͤbereinſtimmig. Die Liebhaber des Militair-Weſens laſſen Veſtungen anlegen, und Fortificationen repariren, Pulver-Muͤhlen er - bauen, Soldaten muſtern, u. ſ. w. Die an den Jagten ihr Vergnuͤgen finden, ſtellen ſehr fleißig Jagten an, und richten alles, was zum Jagt-We - ſen gehoͤrt, auf das ordentlichſte ein. Und alſo wird man allenthalben finden, daß dasjenige Objectum, ſo mit der Paſſion eines groſſen Herrn am meiſten harmonirt, auch am fleißigſten und eigentlichſten wird beſorgt werden.
§. 12. Unter allen Fuͤrſtlichen Occupationen iſt wohl keine nichtswuͤrdiger und einem groſſen Herrn unanſtaͤndiger, als diejenige, die der gottloſe Kayſer Domitianus unternommen, da er ſich zu vielen Stunden in ſeinem Gemach eingeſchloſſen, und mit einem ſilbernen Spießgen die Fliegen todt geſto - chen. Kluge Regenten bleiben eben diejenigen im Schertze, die ſie im Ernſt ſind, ſie fuͤhren ſich uͤber -C 5ein42I. Theil. V. Capitul. ein auf, bey ihrem Ausruhen als bey ihrer Arbeit, bey ihren Spielen und Luſtbarkeiten, die unten in einem beſondern Theile werden abgehandelt wer - den, als bey ihren Regierungs-Geſchaͤfften.
§. 1.
Daß die Gottſeeligkeit zu allen Dingen nuͤtz - lich ſey, und die Verheiſſung habe dieſes und auch des zukuͤnfftigen Lebens, haben die ruͤhmlichen Exempel einiger Chriſtli - chen Regenten der alten und neuen Geſchichte er - weißlich gemacht, die bey ihrer Gottesfurcht vor ſich und vor ihre Unterthanen manches geiſtlichen und leiblichen Seegens theilhafftig worden.
§. 2. Das Geſetz des HErrn iſt einigen lieber als ihre gantzen Koͤnigreiche und Fuͤrſtenthuͤmer. Sie leſen des Morgens und Abends entweder ſelbſt fleißig in der Bibel, oder laſſen ſich doch ihre Cava - liere und Pagen daraus vorleſen. Man findet in unterſchiedenen Fuͤrſtlichen Bibliothecken ſolche Bibeln, darein die groſſen Herrn ſelbſt eigenhaͤndig eingeſchrieben, wie vielmahls ſie dieſelben durchge - leſen. Sie zeichnen ſich diejenigen Spruͤche aus, die ihnen zur Lehre, zur Vermahnung, zur War - nung und zum Troſt dienen, und halten ihre Prin -tzen43Von den heiligen Handlungen. tzen und Princeßinnen, auch alle ihre Bedienten zum fleißigen Bibel-leſen an.
§. 3. Sie halten uͤber der Reinigkeit der Lehre, und wo ſie ſpuͤhren, daß ſich einige Jrrthuͤmer ein - ſchleichen wollen, veranlaſſen ſie nicht allein bey ih - ren einheimiſchen Theologis gewiſſe Synodos, ſon - dern auch ſolche Colloquia, zu denen auswaͤrtige eingeladen werden. Viel dergleichen Exempel fin - det man in Seckendorfs Hiſtoria Lutheraniſmi und in andern Schrifften, die von dem Religions - Weſen handeln.
§. 4. Sie betrachten gerne das Wort des Hoͤch - ſten, und reden mit denen Jhrigen davon. Fuͤrſt Joachim Ernſts zu Anhalt ſteter Gebrauch war, daß er nicht allein iederzeit allerley Fragen aus Got - tes Wort vorbrachte, ſondern inſonderheit auch an den Feſt-Taͤgen, Weyhnachten, Oſtern, Pfing - ſten u. ſ. w. von derſelben Nahmen, Geſchichten, Nutzen und Application, ihm ſelbſt zur Staͤrckung, und andern zum Unterricht viel angenehme Geſpraͤ - che veranlaßte. S. Beckmanns Anhaͤltiſcher Ge - ſchichte V. Theil p. 193. Zu unſern Zeiten koͤnnen die Chriſt-Fuͤrſtl. Andachten Jhrer Hoch-Fuͤrſtli - chen Durchlauchtigkeit Hertzogs Johann Wil - helms zu Sachſen-Eiſenach bey dieſem Satze das deutlichſte Zeugniß ablegen.
§. 5. Die ſich zur Evangeliſch-Lutheriſchen Re - ligion bekennen, halten die Schrifften des ſeeligen Vaters Lutheri in ſehr hohem Werth. Fuͤrſt Johann III. zu Anhalt-Zerbſt bewahrte ſtets dasExem -44I. Theil. V. Capitul. Exemplar des kleinen Catechiſmi Lutheri als ein Kleinod, welches er in ſeiner Jugend gebraucht, und als er nach der Zeit ſeine junge Herrſchafft unter die Hand eines Præceptoris thate, ſo iſt daſſelbe Ca - techiſmus-Buͤchlein das erſte geweſen / welches er in ihr Muſeum gegeben. S. Beckmanns V. Theil p. 406.
§. 6. Bey ihrem Gebeth erweiſen ſie ſich ſehr eifrig und andaͤchtig; ſie ſetzen ſich entweder ſelbſt kraͤfftige Gebethe auf, dadurch ſie ihre Andacht anfeuren und erhalten, wie der fromme Chur-Fuͤrſt zu Sachſen Johann Friedrich gethan, oder zeich - nen ſich doch diejenigen, die ihnen vor andern am beſten gefallen und das Hertz ruͤhren, aus, und tra - gen ſolche zuſammen. Bey dem Tiſch-Gebethe, oder auch in der Kirche und in ihren Zimmern, wenn oͤffentlich gebethet wird, heben ſie die Haͤnde, nach einer, unter denen Chriſten hergebrachten guten Ge - wohnheit, auf, ihre Ehrerbietigkeit dadurch gegen den groſſen GOtt an den Tag zu legen; Sie hal - ten ihre Hof-Cavaliers und Bedienten ebenfalls dazu an, und nehmen es nicht wohl auf, wenn ſie ſich zu der Zeit die Air eines Hofmanns geben wollen.
§. 7. Jn dem ietzigen Seculo iſt es wohl allent - halben eingefuͤhrt, daß die Hof-Prediger bey So - lennitaͤten, ſonſten aber die Pagen gewoͤhnlicher Weiſe das Tiſch-Gebeth an den Hoͤfen verrichten muͤſſen. Jn den alten Geſchichten der Hoch - Fuͤrſtlichen Haͤuſer findet man, daß einige groſſeHerren45Von den heiligen Handlungen. Herren in Teutſchland ihre Princeßinnen Toͤchter noch vor dem Tiſche bethen laſſen, ob ſie ſchon be - reits erwachſen, ja wohl gar an andere Printzen verſprochen geweſen; welches bey der heutigen Welt manchen trefflich ſpoͤttiſch vorkommen wuͤrde.
§. 8. Sie ſuchen ſich die ſchoͤnſten und herrlich - ſten Lieder aus, daran ſie in ihrem Leben ihr groͤſtes Vergnuͤgen gefunden, ſie befehlen, welche davon auf ihrem Sterbe-Bette ihnen ſollen vorgeleſen und vorgeſungen werden, und verordnen wohl gar, daß ſie ſollen zuſammen gedruckt werden, wie wir zu unſern Zeiten dieſes von der Allerdurchlauchtig - ſten und Großmaͤchtigſten Koͤnigin in Pohlen und Chur-Fuͤrſtin zu Sachſen, Frauen Chriſtinen Eberhardinen, deren Verluſt das gantze Chur - Fuͤrſtenthum Sachſen noch hoͤchſt-ſchmertzlich be - klaget, nachruͤhmen koͤnnen.
§. 9. An unterſchiedenen Hoͤfen muß der Hof - oder Schloß-Prediger des Morgens und Abends eine Bethſtunde halten, welcher die Durchlauch - tigſte Herrſchafft nebſt der gantzen Hof-Gemeinde mit beywohnen; an andern hingegen verrichten ſie dieſelben in den beſondern Beth-Stuͤbchen, die ſie zu dem Ende in ihren Fuͤrſtlichen Reſidentz-Haͤu - ſern anlegen laſſen, und darff ſich alsdenn kein Menſch unterſtehen ſie darinnen zu ſtoͤhren.
§. 10. Jn den Schloß-Kirchen wird entweder Fruͤh und Nachmittags geprediget, oder nur fruͤh Morgens. An einigen Orten ſind die Schloß -Kirchen46I. Theil. V. Capitul. Kirchen zugleich mit oͤffentliche Kirchen, welche nicht allein von der Hof-Gemeinde, ſondern auch von der Stadt-Gemeinde mit beſucht werden; an andern findet man nur kleine Schloß-Capellen, die bloß vor den Gottesdienſt der Durchlauchtigſten Herrſchafft und der Hofſtatt gewidmet ſind. Zu - weilen muß der Prieſter in der Stadt zugleich mit bey Hofe predigen; an vielen Hoͤfen aber iſt ein eigener Hof - und Schloß-Prediger beſtellt, der gar offters in einem anſehnlichen Range ſteht, und an einigen Orten uͤber die Fuͤrſtlichen Cammer-Jun - cker placirt wird. An groſſen Hoͤfen findet man zwey biß drey Hof-Prediger, und uͤber dieſe noch einen beſondern Ober-Hof-Prediger.
§. 11. Wo GOtt und ſein Wort geliebt und hochgehalten wird, ſo pflegen nicht allein die Fuͤrſt - lichen Perſonen ſelbſt der Predigt des Sonn - und Feſt-Tages Vormittags und Nachmittags mit beyzuwohnen, ſondern auch die Wochen-Predig - ten und Bethſtunden mit zu beſuchen, und genau Achtung zu geben, daß kein eintziger von ihren Be - dienten, zumahl von Cavalieren, ohne erhebliche Urſache aus der Kirche bleiben moͤge.
§. 12. Wie loͤblich iſt es doch, wenn man in ei - nigen alten und neuen Fuͤrſtlichen Hof-Ordnun - gen findet, daß, ſo bald des Sommers und Win - ters in die Kirche eingelaͤutet wird, der Hof - oder Hauß-Marſchall ſamt den Cavaliers, Pagen, La - queyen und andern Hof-Geſinde, ſich vor dem Fuͤrſtlichen Gemach einfinden, und mit in die Kir -che47Von den heiligen Handlungen. che begeben ſollen, und nicht, biß die Predigt ange - het, auf der Gallerie herum ſpatzieren, auch keiner, biß die Predigt ſamt dem gemeinen Gebeth oder die oͤffentliche Bethſtunde gaͤntzlich zu Ende, ſich ſelbſt heraus begeben, oder fuͤr ſich eigenes Willens da - von gehen. S. unter andern die Fuͤrſtl. Saͤchſiſch - Gothaiſche de anno 1648.
§. 13. Jn eben dieſer Hof-Ordnung findet man auch angefuͤhrt: weil man bißanhero wahrgenom - men, daß bey einigen Tiſchen, weder wenn ſie ſich geſetzt, noch wenn ſie aufgeſtanden, die gewoͤhnli - chen Tiſch-Gebethe weder vor-noch nach Tiſche verrichtet wuͤrden, vielweniger daß ſie bey den Ti - ſchen die Gaben Gottes mit entbloͤßten Haͤuptern zu ſich genommen; Als wuͤrde hiermit gnaͤdigſt an - befohlen, daß ſich hinfuͤhro keiner zu Tiſche ſetzen, noch davon abtreten ſolte, biß das Gebeth vor - und nach Tiſche gebuͤhrend verrichtet worden.
§. 14. Wenn eine ſehr tieffe Trauer einfaͤllt, ſo iſt es an unterſchiedenen Fuͤrſtl. Hoͤfen in Teutſch - land gebraͤuchlich, daß ſie ſich alsdenn ein acht, zehn biß zwoͤlff Wochen die Sonn - und Feſt-Taͤge uͤber in ihren Zimmern aufhalten, und den oͤffent - lichen Gottesdienſt in der Kirche nicht mit abwar - ten. Es muß alsdenn der Fuͤrſtliche Schloß - oder Hof-Prediger der Durchlauchtigſten Herrſchafft und der Hofſtatt in dem Gemach predigen. Ein gleiches pfleget auch zu geſchehen, wenn ſich eines von der Landes-Herrſchafft nicht wohl-auf be - findet.
§. 15.48I. Theil. V. Capitul.§. 15. Gleichwie gottſeelige Regenten mit dem Koͤnig David die Staͤte des Hauſes Gottes, und den Ort, wo ſeine Ehre wohnet, lieb haben; alſo finden ſie auch ihr beſonder Vergnuͤgen, wenn ſie zu dem Bau oder zu Auszierung der Schloß - und anderer Kirchen, ingleichen zu beſſerer Regulirung des Gottesdienſtes etwas anordnen ſollen. Sie laſſen neue Kirchen bauen, und die andern in beſ - ſern Stand ſetzen, ſie beſchencken die Kirchen und Prieſter, beſorgen die Kirchen Muſic auf das fleiſ - ſigſte, und laſſen gar offters zu ihrer Erweckung und Unterhaltung der geiſtlichen Freude das muſicali - ſche Concert, welches an den Sonn - und Feſt-Taͤ - gen in den Kirchen gehalten werden ſoll, des Tages vorhero in dero Gemaͤchern erſchallen.
§. 16. Jnſonderheit aber laſſen ſie ihre vor - nehmſte Sorge dahin gerichtet ſeyn, damit das Kirchen - und Schul-Weſen in guter Obſicht gehal - ten, und darauf geſehen werde, daß durch die auf - geſtellten Lehrer und Prediger nicht mit leeren Pre - digen Kirchen und Tempel allein gefuͤllet, viel - mehr durch unermuͤdete Wachſamkeit, Chriſtlichen Wandel und eifrige Seelen-Arbeit, die Gemein - den und Unterthanen zu wahrhaffter Gottesfurcht angeleitet, und bey Alten und Jungen die taͤgliche Beſſerung und Erbauung getrieben werde. S. die hoͤchſtloͤbliche Verordnung, welche Seine Hoch - Fuͤrſtl. Durchlauchtigkeit der ietzt regierende Herr Marggraf zu Brandenburg-Bayreuth in Einem gnaͤdigſten Reſcript an dero Hoch-Fuͤrſtliches Con -ſiſtorium49Von den heiligen Handlungen. ſiſtorium zu Bayreuth, die Verbeſſerung des geiſt - lichen Standes betreffend, vor einigen Jahren pu - blicirt haben.
§. 17. Laſſen ſie bey den allgemeinen Landes - Noͤthen, um den erzuͤrnten GOtt in die Ruthe zu fallen, in ihren Landen Faſt-Buß - und Beth-Ta - ge ausſchreiben, ſo ſchreiben ſie nicht nur ihren Un - terthanen vor, wie ſie ſich an dieſen Tagen bezeu - gen ſollen, ſondern auch ſich ſelbſt, und gehen bey einer innerlichen Hertzens-Buſſe, und bey einem guten aͤuſſerlichen und ſtillen Weſen, dem gantzen Lande mit einem hoͤchſt ruͤhmlichen Exempel vor. Sie verordnen die Faſt-Taͤge nicht ſo wohl aus Gewohnheit und den Schlendrian nach, als viel - mehr aus einem wahren Triebe der Gottſeeligkeit. Der Autor der Europæiſchen Fama urtheilet an einem Orte von den Faſt-Taͤgen, es waͤre gut, wenn Landes-Vaͤter Faſt-Taͤge ausſchrieben, noch beſſer aber, wenn manche durch ihren Ehr-Geitz und Eigennutz nicht verurſachten, daß ihre Unter - thanen Jahr aus Jahr ein ſtetswaͤhrende Faſt - Taͤge halten muͤſten.
§. 18. Bey froͤlichen Begebenheiten laſſen ſie das Te Deum laudamus nicht par Ceremoniel, wie es leider an viel Orten geſchicht, ſondern aus einem wahren Eifer vor die Ehre und das Lob des groſſen Gottes erklingen, bißweilen und zwar ge - meiniglich unter Trompeten - und Paucken-Schall, bißweilen aber auch wohl gar unter Abfeurung der Canonen; im uͤbrigen trifft es leider! an manchenDOrten50I. Theil. V. Capitul. Orten mehr als zu wohl ein, was ein gewiſſer Autor von dieſem Lob-Geſange ſchreibt: Daß man des Vormittags mit dem Mund ſaͤnge, HErr GOtt dich loben wir, des Nachmittags aber mit der That, HErr GOtt dir freſſen wir, HErr GOtt dir ſauffen wir, HErr GOtt dir tantzen wir, HErr GOtt dir ſpielen wir Opern und Comoͤdien.
§. 19. Der vormahlige Koͤnig in Franckreich Ludwig XIV. hat das Te Deum laudamus wohl manchmahl zur Unzeit anſtimmen, und deswe - gen an ſeinen Vetter dem Ertz-Biſchoff zu Pa - riß manche vergebene Verordnung ergehen laſſen. Der Autor der Europaͤiſchen Fama ſagt in dem XXIIſten Theil p. 797. Dieſes Briefſchreiben koͤmmt ſo offt, daß man ſich billich wundert daß der Koͤnig, welcher ſonſt ſehr gerne neue Bedienungen erdenckt, nicht zum wenigſten einen abſonderlichen Te Deum laudamus Secretair verordnet, oder dem Ertz-Supertent in Pariß allemahl eine Erkennt - lichkeit abfordert, wenn ihm von hoher Hand eine ſo ſchoͤne Schrifft zugeſtellet wird, denn ſolche wuͤr - de des Jahrs etwas anſehnliches eintragen.
§. 20. Wenn Chriſtliche und gottſelige Regen - ten zu dem heiligen Abendmahl gehen wollen, ſo be - reiten ſich ſich vorher zu dieſem heiligen Werck mit aller gebuͤhrenden Andacht, und genieſſen dieſes hei - lige Liebes-Mahl des HErrn zu Staͤrckung ihres Glaubens zu unterſchiedenen mahlen im Jahre. Chur-Fuͤrſt Johann George II. zu Sachſen com - municirten zum oͤfftern, und mehrmahls binnenzwey51Von den heiligen Handlungen. zwey Monathen, fuͤrnemlich aber an Dero Ge - burths-Tage, und in der heiligen Marter-Woche am gruͤnen Donnerſtage, wie auch an den hohen Feſt-Taͤgen mit hertzinniglicher Andacht, præpa - rirten ſich auch die gantze Woche vorher recht Chriſtlich darauf, mit Unterlaſſung aller andern Expeditionen, mit Faſten und Bethen, wie ſie denn auch mehrentheils dero taͤgliches Gebeth in dero ordentlichem Gebeth - und Kirchen-Stuͤblein auf den Knyen zu verrichten pflegten. S. die Per - ſonalien, die der von D. Geyern dieſem hochtheuren Chur-Fuͤrſten gehaltenen Leich-Predigt mit an - gefuͤgt.
§. 21. Jn den alten Geſchichten ſind hin und wieder lobwuͤrdige Beyſpiele gecroͤnter Haͤupter und anderer groſſen Herren anzutreffen, die das all - gemeine Mahl goͤttlicher Liebe durchaus nicht an - ders, als mit der Gemeine haben nehmen wollen. Der tapffere Fuͤrſt Hunniades, Koͤnigs Matthiæ in Ungarn Herr Vater, lag ſchon kranck danieder, auf welchem Lager er auch im Jahr 1457. ſtarb; als ihm ſeine Raͤthe vorſchlugen, in ſeinem Zimmer ſich das heilige Abendmahl geben zu laſſen: Er gab aber zur Antwort, er wolte nicht, daß ſein JEſus ihm ſolte nachgehen, nachdem er Menſchen zu Ge - fallen manchen Weg gefahren und geritten, ſon - dern ließ ſich in die Kirche fuͤhren, und nahm da - ſelbſt bußfertig das heilige Abendmahl. S. Buch - holtz Indic. Chronolog. p. 458. Ein gleiches that ein Schottlaͤndiſcher Koͤnig, ſo gar, ob er auch ſchonD 2ver -52I. Theil. V. Capitul. verſpuͤhrte, daß ſein Lebens-Ende vorhanden waͤre, ſich dennoch nicht werth achtete, daß das heilige Abendmahl zu ihm ſolte ins Hauß gebracht werden, ſondern gieng in die Kirche, und empfieng es allda nach verrichtetem Gottesdienſt auf den Knien. S. Zwingeri Theatr. Vit. human. Vol. 27. Lib. 3. f. 4171.
§. 22. Jn den neuern Zeiten pflegen zwar die der Evangeliſchen Religion zugethane Fuͤrſten das heilige Abendmahl groͤſtentheils in ihren Zimmern zu empfangen; iedoch hat man auch hin und wie - der einige Exempel, daß ſie es oͤffentlich und vor der gantzen Gemeinde mit ihrer Hofſtatt genieſſen. Jhro Hoch-Fuͤrſtliche Durchlauchtigkeit zu Sach - ſen-Merſeburg, Hertzog Chriſtian I., ruhmwuͤr - digſten Andenckens, haben in dero Schloß - und Stiffts-Kirche oͤffentlich gebeichtet und commu - nicirt. Als Fuͤrſt Emanuel Lebrecht zu Anhalt - Coͤthen anno 1681. in dem zehnden Jahre ſeines Alters vor tuͤchtig gehalten wurde das heil. Abend - mahl zu empfangen, ſo hat er ſich ſolches zugleich mit Fuͤrſt Johann Georgen, als Fuͤrſtlichen Mit - Vormund, in der Stadt-Kirchen zu Coͤthen oͤffent - lich reichen laſſen. S. des beruͤhmten Theologi zu Marpurg, Samuelis Andreæ Diſſertation, die er hieruͤber gehalten, unter dem Titul: Puer decen - nis ad S. Cœnam admiſſus. Als anno 1718. Jhro Hoch-Fuͤrſtliche Durchlauchtigkeit zu Sach - ſen-Zeitz zu derjenigen Kirche, vom welcher ſie auf eine kurtze Zeit ausgegangen warren, auf eine ſo -lenne53Vonden heiligen Handlungen. lenne Weiſewieder zuruͤck kehrten, ſo communi - cirten ſie auch den 16. October in der Kirche zu Pegau oͤffentlich und mit groſſer Andacht.
§. 23. Die ſich nun vor ihre Perſonen ſelbſt ge - fallen laſſen, in der oͤffentlichen Kirche zu dem hei - ligen Tiſch des HErrn, entweder mit ihrer gantzen Hofſtatt, oder doch mit ihrer Hoch-Fuͤrſtlichen Fa - milie zu treten, koͤnnen auch deſto weniger leiden, wenn ſich einer von ihren Hof-Bedienten abſon - dern, und des heiligen Abendmahls privatim be - dienen will. Der ſo fromme als gelehrte Hertzog zu Braunſchweig, Auguſtus, als wieder die bißher gehaltene Gewohnheit einer ſeiner vornehmen Mi - niſtrorum nicht mit bey dem heiligen Abendmahl geweſen, und doch bey der Tafel ſich hernach ein - gefunden, gab dem, wegen ſeiner Logirung ſich er - kundigenden Hof-Marſchall die Antwort: Er hat an des HErrn Tiſch heute nicht mit geſſen, darum ſoll er auch heute das Brod an meiner Tafel nicht eſſen. S. Tentzel in monathlichen Unterredungen anno 1690. pag. 1617, und uͤberhaupt von dieſer Materie Herrn Mag. Scharfens eroͤffnetes Buch ſeines Gewiſſens uͤber der Frage, ob vornehme Standes-Perſonen Evangeliſcher Religion, auſſer dem Nothfall mit unverletzten Gewiſſen das heilige Abendmahl allein zu beſonderer Zeit und an beſon - dern Ort nehmen koͤnnen.
§. 24. Wenn ſich bey frommen und Chriſtlichen Regenten, in Anſehung beſonderer Faͤlle, Gewiſ - ſens-Scrupel ereignen, ſo conſuliren ſie nicht alleinD 3ihre54I. Theil. VI. Capitul. ihre Beichtvaͤter, ſondern befragen ſich auch wohl bey ihren Conſiſtorialibus, und erlaſſen ihnen bey dieſem Fall ihrer Pflichten, mit denen ſie ihnen ſonſt als ihren Landes-Fuͤrſten verwandt ſind, damit ſie ihre Gedancken und Hertzens-Meynungen deſto freymuͤthiger entdecken koͤnnen. Es geſchicht auch wohl, daß ſie bey verwirrten Angelegenheiten bey auswaͤrtigen Theologiſchen Facultaͤten Conſilia und Reſponſa einhohlen laſſen, und erwehlen als - denn denjenigen Weg, bey dem ihr Gewiſſen am meiſten beruhiget wird.
§. 1.
Wenn groſſe Herren, entweder zu ihrem Vergnuͤgen oder zum Nutzen ihres Lan - des und ihrer Unterthanen, allerhand oͤf - fentliche Baue an Kirchen, Schloͤſſern, Bruͤcken / Pulver-Muͤhlen, Forſt-Jagt-Garten - und Luſt-Haͤuſern, auffuͤhren laſſen, ſo werden ſo wohl bey deren Bau, als auch nach geendigtem Bau, bey deren Einweyhung mancherley Solenni - taͤten wahrgenommen.
§. 2. Die meiſten Ceremonien gehen bey Le - gung des Grundſteines vor. Es iſt aber derſelbe mehrentheils ein viereckigter von ziemlicher Groͤſſeund55Von Einweyhung der Gebaͤude. und Dicke in zwey Theile zulegter, und inwarts gleich einem Kaſten ausgehauener, auch an dem Unterboden mit einer bleyernen Platte belegter Quaderſtein. Vielmahls laſſen ſich die Fuͤrſtli - chen Perſonen gefallen, den Grundſtein ſelbſt mit legen zu helffen, oder befehlen es dero Printzen an. Als anno 1695. Jhre Chur-Fuͤrſtl. Durchlauch - tigkeit zu Brandenburg den erſten Stein zu der Reformirten Pfarr-Kirche in Berlin legen lieſſen, ſo muſten Dero Chur-Printz mit ihren zarten Haͤn - den den Grundſtein mit beruͤhren helffen. Der Freyherr von Fuchß fuͤhrte in der ſolennen Ein - weyhungs-Rede mit an, daß Jhro Chur-Fuͤrſtli - che Durchlauchtigkeit Dero hertzgeliebten eintzigen Sohn und Chur-Erben mit an dieſen Ort bringen wollen, damit derſelbe nicht allein Zeuge desjenigen, was an dieſen Tage geſchiehet, und der theuren Verbindung, ſo Jhro Chur-Fuͤrſtliche Durch - lauchtigkeit auch vor ihn thun, ſey, ſondern daß Seine Chur-Printzliche Durchlauchtigkeit, auch ihre, ob gleich zarten Haͤnde zu dem Werck mit an - ſchlagen, und ſtets vor Augen haben moͤgen, daß ſie auch den Grundſtein zu dieſer Kirche mit legen helffen, und folglich zu Beſchuͤtzung derſelben vor ſich und ihre Nachkommen verbunden ſind. S. Reden der vornehmen Miniſtres II. Theil p. 684.
§. 3. Bißweilen werden in den Grundſtein ge - wiſſe darauf geſchlagene und mit beſondern Inſcri - ptionibus verſehene guͤldene und ſilberne Medail - len geleget, bißweilen aber nur allerhand gangba -D 4re56I. Theil. VI. Capitul. re Land-Muͤntzen, vom kleinen Pfennig an biß in - cluſive eines gantzen Thalers. Uber dieſes pflegt man ein ſauber geſchnitten Glaß mit Wein dazu zu ſetzen, zuweilen auch wohl gar zwey, als eines mit rothen und das andere mit weiſſen Wein. Bey den Evangeliſchen werden bey Erbauung der Kir - chen entweder zum Grundſtein oder in den Knopf des Kirch-Thurmes uͤber ein Exemplar einer ſau - ber eingebundenen Bibel auch noch die ſymboli - ſchen Buͤcher unſerer Kirchen gelegt, als der groſſe und kleine Catechiſmus Lutheri, die Augſpurgiſche Confeſſion, die Formula Concordiæ u. ſ. w. nebſt dem Geſang-Buche. Ferner werden auf Perga - ment-Boͤgen, den Nachkommen zum Beſten, Nachrichten mit beygefuͤgt, von dem gegenwaͤrti - gen Statu des Hofes, und alle Bedienten nach der Rang Ordnung von dem oberſten an biß auf den unterſten, von der Verfaſſung der Collegiorum, des Stadt-Raths und des Ehrwuͤrdigen Miniſte - rii. Gemeiniglich wird auch von einem Notario ein Inſtrument uͤber dieſen gantzen Actum verfer - tiget, und mit dem andern verwahrlich hinzu ge - than.
§. 4. Jſt es hohen Standes-Perſonen ſelbſt nicht gefaͤllig, der Legung des Grundſteines mit beyzuwohnen, ſo committiren ſie es einem von ih - ren Miniſtris, als einem geheimden Rath, oder dem Hof-Marſchall, oder dem Præſidenten des Conſi - ſtorii, der in ihren Nahmen dieſen Actum unter - nehmen muß. Dieſer haͤlt, nach dem Unterſchiedder57Von Einweyhung der Gebaͤude. der geiſtlichen oder weltlichen Gebaͤude, die erhoben werden ſollen, entweder in Beyſeyn des Miniſterii, oder des Stadt-Magiſtrats und der Deputirten von der Buͤrgerſchafft, der Soldateſque u. ſ. w. ei - ne ſolenne Rede, die hernach ein anderer von der Geiſtlichkeit, Stadt-Magiſtrat u. ſ. w. im Nahmen derer, denen zu Gefallen der neue Bau vorgenom - men wird, wieder beantwortet, und zugleich dem Landes-Herrn vor die Gnade, die er ihnen bey die - ſem Bau angedeyen laͤſt, unterthaͤnigſten Danck abſtattet.
§. 5. Die Legung des Grundſteines geſchiehet bey weltlichen Gebaͤuden gar offters unter Trom - peten - und Paucken-Schall, und unter Loͤſung der Stuͤcken. Bey den geiſtlichen Gebaͤuden aber werden bißweilen zu dieſer Zeit andaͤchtige und be - wegliche Danck-Lieder und Lob-Pſalmen ange - ſtimmt, zuweilen geſchicht es auch, daß man das Te Deum laudamus alsdenn unter Trompeten und Paucken abſinget. Es wird von einem Prediger eine beſondere Sermon dabey gehalten, und einige Collecten und Gebether, die darauf eingerichtet, verleſen.
§. 6. Jſt nun der Grundſtein, der bißweilen ein gemeiner Sand-Stein, bißweilen aber auch ein ſchwartzer oder anderer zierlich ausgehauener Mar - morſtein zu ſeyn pflegt, mit alle ſeinem Geraͤthe ge - hoͤrig eingelegt, und der Bedeckungs-Stein hin - auf gehoben, ſo pflegen die Standes-Perſonen oder Miniſtri, die bey der Legung mit zugegen ge -D 5weſen,58I. Theil. VI. Capitul. weſen, einige mahl mit einer Kellen Kalck auf den - ſelben zu werffen, ſchlagen mit den Hammer etliche Schlaͤge auf denſelben, in ſignum ratihabitionis, und uͤbergeben die fernere Befeſtigung der Mauren denen dabey befindlichen Maͤurern. Bißweilen pflegt das anweſende Volck bey Schlieſſung des Grundſteines ein offtmahliges freudiges Gluͤck zu! Gluͤck zu! noch auszuruffen.
§. 7. Jſt nun ein Gebaͤude voͤllig zu Stande und ausgebauet, ſo wird es mit beſondern Solen - nitæten eingeweyhet, die nach dem Unterſchiede der geiſtlichen und weltlichen Gebaͤude ebenfalls unterſchieden zu ſeyn pflegen. Bey Einweyhung der Kirchen pflegt die Durchlauchtigſte Herrſchafft mit ihrer gantzen Hofſtatt, allen Landes-Colle - giis, dem Stadt-Magiſtrat, und dem Miniſterio, Proceſſions-weiſe in die Kirche zu gehen, damit die Proceſſion deſto ſolenner ſey, wird die gantze Geiſtlichkeit in der Gegend herum mit dazu ver - ſchrieben; Vor und nach der Predigt hoͤret man eine wohl ordonirte Vocal - und Inſtrumental - Muſic, es wird von dem vornehmſten Geiſtlichen des Ortes oder des Landes meiſtentheils von dem oberſten Superintendenten oder Inſpectori eine beſondere Einweyhungs-Predigt gehalten, eigene auf dieſen Actum abgefaſte Gebethe und Colle - cten verleſen und abgeſungen, und der Gottesdienſt mit dem freudigen Te Deum laudamus, ſo unter Trompeten - und Paucken-Schall angeſtimmet worden, geſchloſſen. Es pflegen auch gemeiniglichvor59Von Einweyhung der Gebaͤude. vor oder nach geendigtem Gottesdienſt in der neuen Kirche allerhand ſonſt gewoͤhnliche Sacra, mit Hal - tung der Communion, Tauffe und Trauung, bey der Einweyhung vorgenommen zu werden. Biß - weilen pflegt es auch zu geſchehen, daß die Landes - Herrſchafft in der neuen Kirche, die ſie in ihrer Fuͤrſtlichen Reſidentz, oder in einer andern anſehn - lichen Stadt erbauen laſſen, zum erſtenmahl com - municiren, oder auch die Ordination eines Prie - ſters vornehmen laſſen.
§. 8. Bey den Roͤmiſch-Catholiſchen geſchehen bey den Einweyhungen ihrer Kirchen mancherley Beſprengungen mit dem geweyheten Waſſer, Sal - bungen mit dem heiligen Oehl und Chriſma, ver - ſchiedene Raͤucherwercke und Anzuͤndungen der Kertzen, vielfaͤltige Gebethe und Lob-Geſaͤnge. Dieſes alles thun ſie zu dem Ende, damit ſie den Ort von allem Boͤſen reinigen, und dadurch der hoͤchſten Majeſtaͤt Gottes eine wuͤrdige Wohnung, ſich aber in allen Noͤthen eine ſichere Zuflucht - Stadt zu bereiten. Werden gewiſſen Heiligen zu Ehren, wie es bey ihnen mehrentheils gebraͤuchlich iſt, Kirchen erbauet, ſo werden die Gebeine und Re - liquien deſſelben Heiligen von der gantzen Cleriſey beſonders verehrt, und unter Intonirung einer vor - trefflichen Muſic auf den hohen Altar niedergeſetzt. Es werden auch wohl die Reliquien deſſelben Hei - ligen unter einer ſolennen Proceſſion in der gan - tzen Stadt herum getragen. Erſtlich kommt ein Heer-Paucker und verſchiedene Trompeter, hier -auf60I. Theil. VI. Capitul. auf die Zuͤnffte der Handwercker, nach dieſen die Bruͤderſchafften mit ihren abſonderlichen Fahnen, Creutzen, Laternen, Bildern und andern Spielwer - cken. Und auf dieſe Weiſe marchiret die gantze Proceſſion durch unterſchiedene zu dem Ende er - baute Ehren-Pforten in die Kirche hinein und wie - der heraus.
§. 9. Bißweilen wird ſo wohl bey den Evange - liſchen als Roͤmiſch-Catholiſchen zu Ende der Ein - weyhung eine Salve aus Muſqueten gegeben, die Stuͤcken geloͤſt, und die gantze zu dieſer Handlung verſchriebene Geiſtlichkeit von der Herrſchafft auf das propreſte tractirt. Es werden auch oͤffters zum Gedaͤchtniß der erbauten Kirchen und andern oͤffentlichen Gebaͤuden goldene und ſilberne Muͤn - tzen geſchlagen. Als die ietzige glorwuͤrdigſt regie - rende Roͤmiſch-Kayſerliche Majeſtaͤt Carl der VI. anno 1716. dem heiligen Carolo Borromæo zu Ehren eine Kirche in der Vorſtadt von Wien er - bauen laſſen, ſo wurden unterſchiedene Medaillen geſchlagen. Auf der einen Seite ſtand des Kay - ſers Bildniß, und auf dem Revers: D. O. M. S. Imp. Cæſ. Car. VI. Aug. Pius P. P. Hujus in - tra pomœria Vindob. In fundo Princ. â Lichten - ſtain, XIV Auxiliatoribus dicatæ ædis ſacræ primum Lapidem & Pietatis Aug. monum. P. M. D. CC. XVI. S. Heræi Inſcriptiones und Gedichte p. 73.
§. 10. Zu der Einweyhung der weltlichen Ge - baͤude werden unterſchiedene frembde FuͤrſtlicheHerr -61Von Einweyhung der Gebaͤude. Herrſchafften eingeladen, ſie werden in dem neuen Gebaͤude auf das praͤchtigſte tractirt, und die Ein - weyhungs-Solennitaͤten mit mancherley Vocal - und Inſtrumental-Muſic, Tantzen, Balletten, Feuer - wercken, Illuminationen und andern Luſtbarkeiten vergnuͤgt geendiget.
§. 11. Jſt eine neue Bruͤcke zu Stande gebracht, ſo laſſen die Durchlauchtigſten Herrſchafften an das Ufer des Strohms, uͤber welchen die Bruͤcke gebauet, Gezelter aufſchlagen, und divertiren ſich in denſelben auf das beſte. Wollen fremde Reiſen - de zum erſten mahl uͤber die Bruͤcke paſſiren, ſo laſ - ſen ſie dieſelben bey dieſer erſten Uberfarth bey dero Anweſenheit Zoll - und Geleits-frey paſſiren, wuͤr - digen ſie dero Anrede / und befehlen an, daß ſie mit Eſſen und Trincken wohl verſorget werden ſollen.
§. 12. Laͤſt ein groſſer Herr ſeinem Herrn Va - ter oder Groß-Herr Vater zu Ehren eine mit ſinn - reichen Inſcriptionibus und ſchoͤner Bildhauer-Ar - beit gezierte Statue aufrichten, und ſie einweyhen, ſo ziehen bey der Einweyhung ein 24 Trompeter und einige Heer-Paucker vorher; auf dieſe folgen einige Herolde mit ihren beſondern Kleidern und Herolds Staͤben, und nach dieſen der Hof-Mar - ſchall und andere Hof-Officianten nach ihrem Ran - ge. Sie begeben ſich alle zuſammen Proceſſions - weiſe an den Ort / wo die Statue aufgerichtet. Der erſte Herold thut die Proclamation: Demnach Se. Hoch-Fuͤrſtl. Durchlauchtigkeit Herr N. N. ſeinem Herrn Vater oder Groß Herrn Vater zumſtets -62I. Theil. VII. Capitul. ſtetswaͤhrenden Nachruhm dieſe Statue haͤtten auf - richten laſſen, ſo haͤtten Sie ihm gnaͤdigſten Befehl ertheilet, allenthalben und zu iedermans Kundſchafft oͤffentlich auszuruffen und anzudeuten / daß ſie die - ſelbe, bey Vermeydung ernſtlicher Beſtraffung und ſchweren Ungnade, von iederman heilig, unverletzt, und in Ehren gehalten wiſſen wolten. Es wird nachgehends eine ſchoͤne Muſic dabey gehalten, die Soldateſque muß die Statue ſalutiren, und alle ho - neur erzeigen, und der March der Proceſſion gehet auf eben die Art wieder zuruck, wie er bey derſelben ankommen.
§. 1.
Jn den gantz alten Zeiten haben ſich ſo wohl die Teutſchen, als auch andere Europaͤi - ſche Landes-Regenten nicht ſo beſtaͤndig, als wie in den neuern in ihren Reſiden - tzien aufgehalten, ſondern ſind in ihrem Lande bald an dieſem Ort, bald an einem andern wieder her - um gezogen, wie es ihr Staats-Intereſſe, die Be - ſchaffenheit der Conjuncturen, und die Wohlfarth ihrer Unterthanen erfordern wollen. Alſo mel - det Lehmann in ſeiner Speyeriſchen Chronick in dem VII. Buch und deſſen XIV. Cap. pag. 754. daß63Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen. daß die Roͤmiſchen Kayſer und Koͤnige ihre Hof - haltung vor dieſen gar ſelten in ihren Laͤndern ange - ſtellt, ſondern dieſelbe gemeiniglich in den Reichs - Staͤdten aufgeſchlagen. Sie vertraueten ihre Kayſerlichen und Koͤniglichen Hoͤfe, welche Pfal - tzen Palaͤſte, oder Pahlentzen hieſſen, gewiſſen Be - amten, die im Nahmen der Roͤmiſchen Kayſer als Richter oder Grafen, wie ſie damahls genennt wor - den, bey den Einwohnern allerhand verrichten und entſcheiden muſten.
§. 2. Die Fuͤrſtlichen Reſidentz-Haͤuſer muͤſſen vor andern einer beſtaͤndigen Ruhe und Sicherheit genieſſen, und wer ſich unterſtehet auf dem Schloß - Platz oder gar in einem Fuͤrſtlichen Gemach den andern mit Verbal - oder Real-Injurien anzugreif - fen, wird mit weit haͤrterer Straffe angeſehen, als wer ſolches in einem andern Privat-Hauſe thut. Jn manchen Hof-Ordnungen iſt wohl gar die Ab - hauung der rechten Hand darauf geſetzt. Es heiſt dieſes den Burg-Frieden brechen, weil vor dieſen im Gebrauch geweſen, daß man bey den Schloͤſ - ſern gewiſſe Tafeln ausgehangen, und die Worte Burg-Frieden darauf ſetzen laſſen, zum Zeichen, daß an dieſen Orten eine allgemeine in violabilitaͤt ſeyn ſolte. S. Wehners Obſerv. Pract. voc. Burg - Friede.
§. 3. So darff ſich auch niemand unterfangen, aus den Fuͤrſtlichen Gemaͤchern von den Meublen etwas zu entwenden, zu vertauſchen, oder nur das allergeringſte Stuͤck / ſo in den Reſidentz-Haͤuſernange -64I. Theil. VII. Capitul. angetroffen wird, zu veraͤndern oder zu beſchaͤdigen. Daher iſt in den meiſten Pagen-Ordnungen anbe - fohlen, daß die Pagen in den Fuͤrſtlichen Gebaͤuden die darinnen befindlichen Thuͤren, Kaͤſten, Schraͤn - cke und Truhen, mit Abbrechung der Schloͤſſer, Baͤnder, Riegel und Handhaben, ingleichen Fen - ſter, Tiſche, Baͤncke, Bettſtaͤtten, Bett-Gewand - te, Tapezereyen, Contrefaits, Bilder, Gemaͤhlde, Welt-Land - und andere Charten und Tafeln nicht beſchaͤdigen, verwuͤſten, zubrechen und wegreiſſen, die Waͤnde, Tafelwerck, Geſpuͤnte, gegoſſene oder ſonſt ausgeſetzte Boͤden mit Fackeln, Lichtern, oder ſonſt in andere Wege nicht beſchmutzen, heßlich machen, begieſſen, oder verderben ſollen.
§. 4. Chur-Fuͤrſt Friedrich Wilhelm zu Bran - denburg reſcribirte ſub dato den 12. Januar. 1684, daß derjenige, welcher vom Chur-Fuͤrſtlichen Hof - Zimmer, ſo mit Dero Chur-Fuͤrſtlichen, oder De - ro Chur-Fuͤrſtlichen Gemahlin, oder auch des Chur-Printzens Nahmen oder Wapen bezeichnet, wie auch Kleinodien, oder Gold und andere Meu - blen zu ſtehlen ſich geluͤſten lieſſe, oder auch daruͤber betreten und uͤberzeugt wuͤrde, daß er mit Sperr - werck, oder Nach - und Diebs-Schluͤſſeln, die Ge - maͤcher auf dem Chur-Fuͤrſtlichen Schloß, es ſey zu Coͤln an der Spree, oder zu Potsdam, oder wo ſonſt Hof gehalten werden moͤchte, eroͤffnen, oder durch gefaͤhrliche Inſtrumente erbrechen wollen, ſolte, ob er gleich noch nicht wuͤrcklich geſtohlen, ohne Anſehen des Werths von dem geſtohlenenSilber65Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen. Silber oder Sachen, am Leben geſtrafft wer - den.
§. 5. Der ſeelige geheimde Rath Stryk gedenckt in ſeiner Diſſertation de ſanctitate reſidentiarum p. 36. eines curieuſen Caſus: Es haͤtte auf einem gewiſſen Brandenburg. Luſt-Schloß ein Mahler unter andern Phantaſien bey einem gewiſſen Jagt - Stuͤck ein etwas freches und leichtſinniges Wei - bes-Bild in einer Coquetten-Kleidung abgebildet. Wie ſich nun eine gewiſſe Frau dieſerwegen getrof - fen findet, und glaubt, daß ſie dadurch gemeynt und geſchimpffet ſey, ſo bekommt ſie einige Helffers - Helffer zu ſich, laͤſt die Thuͤre des Gemachs erbre - chen, und das Gemaͤhlde mit einer andern Farbe uͤberziehen; es iſt aber dieſes ſehr uͤbel aufgenom - men, und ſie von dem Procuratori fiſci dieſerwegen verklagt worden.
§. 6. Damit nun von den Fuͤrſtlichen Schloͤſ - ſern und Gemaͤchern allerhand boͤſe Leute deſto eher abgehalten werden, ſo ſind allenthalben / ſo wohl unten bey dem Eingange, als auch bey unterſchiede - nen Gemaͤchern, beſondere Wachen verordnet, die auf die Ein - und Ausgehenden ein wachſames Au - ge haben muͤſſen, und nicht leichtlich iemand von fremden, zumahl von verdaͤchtigen Leuten, ohne Er - laubniß des Hof-Marſchalls, oder des Schloß - Hauptmanns, in das Schloß einlaſſen duͤrffen.
§. 7. Zu den Schloß-Wachen werden entwe - der einige von der regulieren Milice genommen, als Granadiers u. ſ. w. oder andere handfeſte, anſehn -Eliche66I. Theil. VII. Capitul. liche und getreue Leute, auf die ſich die Herrſchafft verlaſſen kan, und die als Trabanten u. ſ. w. einge - kleidet werden. Die Schweitzeriſche Nation hat von einigen Seculis her vor andern die Ehre, daß gecroͤnte Haͤupter und andere groſſe Herren in Eu - ropa ſie zu ihren Leib-Wachen erwehlt. Die kei - ne Schweitzer annehmen, laſſen doch zum wenig - ſten ihre eigene Landes-Kinder nach der Kleidung der Schweitzer mondiren. Das Corps der Schloß-Wachen iſt nach dem Unterſchied der Hoͤfe, und nach dem groͤſſern oder kleinern Staat, den ein groſſer Herr formiren will, ſtaͤrcker oder ſchwaͤcher. Sie ſtehen entweder unter einen Ca - pitain Lieutenant, oder Capitain, oder auch unter einen Lieutenant.
§. 8. Jn den alten Hof-Ordnungen der Fuͤrſt - lichen Teutſchen Hoͤfe findet man, daß die Schloß - Thore zu Mittag und Abends, ſo bald man ſich zur Tafel geſetzt, zugeſchloſſen, und nicht eher, biß man wieder von der Tafel aufgeſtanden, ohne ſonderba - ren Befehl, geoͤffnet werden ſollen. Es muͤſſen in den damahligen Zeiten die Schloß-Thore entwe - der mit gar keiner, oder doch nicht mit ſo ſtarcker Wache beſetzt geweſen ſeyn, als ietzund, da ſie zu allen Zeiten mit Trabanten beſetzt ſind, und alſo nicht zugeſchloſſen werden duͤrffen.
§. 9. Uber die ordinairen Wachen werden biß - weilen bey gewiſſen Gemaͤchern, in denen beſonde - re Koſtbarkeiten von Gold, Silber und Kleinodien auf behalten werden, auch noch eigene Wachen vonOber -67Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen. Ober-Officiers, als zu welchen man ſich gemeinig - lich mehr honeteté zu verſehen pflegt, geſtellt, wie - wohl man in den neueſten Zeiten hin und wieder Exempel hat, daß auch dieſelben, aus Verleitung des Satans, die ihren Herrn ſchuldige Treue ge - brochen, und dasjenige, welches ſie haben bewachen ſollen, zu berauben geſucht, die aber auch ihren wohl - verdienten Lohn davor empfangen.
§. 10. Die zur Bewachung der Gebaͤude und Gemaͤcher geſtellten Garden muͤſſen von einem ie - den, Fremden und Einheimiſchen, aus Reſpect vor die Herrſchafft, und wenn es im uͤbrigen noch ſo ſchlechte und unanſehnliche Leute waͤren, vor dieje - nigen gehalten werden, die ſie ſind, will einer nicht bißweilen ein unangenehmes Tractament von ih - nen zu gewarten haben. Ein bey Hofe unbekand - ter, zumahl wenn er von geringerer Extraction, muß die Thuͤren nicht leichtlich von ſelbſt oͤffnen, ſondern ſelbige durch die Garden oͤffnen laſſen, nachdem er ihnen mit Hoͤflichkeit angezeigt, daß er gerne wolte hineingelaſſen ſeyn. Er muß ſich auch in acht neh - men, daß er ſich nicht in den Gemaͤchern umzuſe - hen verlange, wenn er in einem Surtout gehet, oder einen Mantel um ſich geſchlagen, weil dieſer Habit bey Hofe verhaßt und verdaͤchtig gehalten wird.
§. 11. Die allgemeine Ober-Aufſicht uͤber alle die Fuͤrſtlichen Luſt-Schloͤſſer und Jagt-Haͤuſer iſt entweder einem Ober-Land-Baumeiſter, oder ſonſt einen andern Intendant und Inſpecteur - General, oder wie er nach dem Unterſchied der Eu -E 2ropaͤi -68I. Theil. VII. Capitul. ropaͤiſchen Provintzien nur immer kan und mag ge - nennt werden, anvertrauet. Bißweilen wohnet zugleich auf dem ordinairen Reſidentz-Schloß der Herrſchafft noch ein Schloß-Hauptmann, oder Trabanten-Hauptmann, der uͤber die Trabanten geſtellt, und gemeiniglich uͤber dem Fuͤrſtl. Schloß - Thor einige Zimmer innen hat; bißweilen beſor - get aber auch der Hof-Marſchall oder Hauß-Mar - ſchall dasjenige, was dem Schloß-Hauptmann ſonſt zukommt.
§. 12. Das Hof-Marſchall-Amt, unter dem der Caſtellan, der Bettmeiſter und Hof-Verwalter ſtehen, helffen nebſt der Hoch-Fuͤrſtlichen Frau Hofmeiſterin, den Hof-Tapezierern, Hof-Mah - lern u. ſ. w. alles was bey Anſchaffung, Veraͤnde - rung und Verbeſſerung der Meublen noͤthig, or - doniren. Uber die uͤbrigen Schloͤſſer, die mit Meublen verſehen, und von der Herrſchafft zuwei - len beſucht werden, ſind eigene Caſtellane oder Bettmeiſter geſetzt. Bey den Fuͤrſtlichen Witt - wen, pflegen an ſtatt der Hof - oder Hauß-Mar - ſchalle, ihre Hofmeiſter Sorge davor zu tragen.
§. 13. An einigen Fuͤrſtlichen Hoͤfen in Teutſch - land hat der Hof - oder Hauß-Marſchall nicht die allgemeine Aufſicht uͤber alle Zimmer des Schloſ - ſes, ſondern einige ſtehen unter ſeiner Aufſicht, an - dere unter der Aufſicht des Ober-Hofmeiſters, noch einige andere, als wie die Retirade u. ſ. w. wieder unter einer andern Inſpection. So pflegen auch bey einigen Reſidentz-Schloͤſſern, deren Beſitzernicht69Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen. nicht allein weltliche Regenten des Landes, ſondern auch zugleich Adminiſtratores eines Biſchoffthums mit ſind, die hochwuͤrdigen Dom-Capitul gewiſſe Zimmer innen zu haben.
§. 14. Auſſer der Aufſicht, ſo uͤber das Schloß und deſſen Zimmer einigen Groſſen aufgetragen, haben noch einige andere geringere Subalternen die Inſpection uͤber gewiſſe Plaͤtze, Gemaͤcher und Be - haͤltniſſe, als, die Leib-Medici uͤber die Fuͤrſtlichen Apothecken, die Hof-Gaͤrtner uͤber die Fuͤrſtlichen Gaͤrten und Orengerien, die Hof-Grotiers uͤber die Fuͤrſtlichen Grotten und Caſcaden, die Biblio - thecarii uͤber die Bibliothecken, die Kunſt-Kaͤm - merer, oder wie ſie ſonſt genennt werden, uͤber die Kunſt-Kammern, Muſchel-Cabineter, und andere Naturalien, u. ſ. w.
§. 15. Die Fuͤrſtlichen Reſidentz-Haͤuſer in Teutſchland ſind zwar mehrentheils an einem be - ſondern, freyen, und von den andern Wohnungen der Stadt abgeſonderten Ort erbauet; iedoch fin - det man auch an einigen Orten, als wie in Hanno - ver, daß ſie mitten in der Stadt unter den andern Haͤuſern mit ſtehen.
§. 16. Bey einigen Schloͤſſern obſerviret man, daß, nach einer ſehr alten und bißweilen von einigen Seculis her eingefuͤhrten Gewohnheit, zu deren An - fang eine gewiſſe Geſchichte Gelegenheit gegeben, einige Voͤgel, als Raben, ſchwartze Stoͤrche u. ſ. w. beſtaͤndig auf behalten und gefuͤttert werden, welche ſich auf den Schloß-Plaͤtzen herum promeniren,E 3und70I. Theil. VII. Capitul. und taͤglich wegfliegen oder weg marchiren, und wieder zuruͤck kommen.
§. 17. Jn Anſehung der Einfarth der Caroſſen in den innern Schloß-Platz, hat man bey einigen groſſen Hoͤfen ebenfalls gewiſſe Reglemens. Alſo lieſſen anno 1693. der Kayſerliche Ober-Hof - Marſchall, Graf von Windiſchgraͤtz, an dem Kay - ſerlichen Hofe einen Anſchlag publiciren, wie es mit dem Einfahren der Waͤgen in die Kayſerliche Burg zu halten. Wenn iederman erlaubt wuͤrde in den innern Schloß-Platz zu fahren, ſo wuͤrde, bey der Stellung der Caroſſen und Pferde, durch das Geſchrey und Gelaͤrme der ein - und ausfahrenden Kutſcher mancherley Ungelegenheit verurſacht wer - den, ſo der Durchlauchtigſten Herrſchafft, und de - nen, auf dem Schloß gar offters zuſammen kom - menden Collegiis, ſehr verdruͤßlich ſeyn wuͤrde.
§. 18. Es wird entweder in beſondern Regle - mens, oder auch durch die bloſſe Obſervanz ausge - macht, welchen erlaubt ſeyn ſoll, in den innern Schloß-Platz zu fahren. Allen Fuͤrſtlichen Per - ſonen, wenn ſie als Gaͤſte bey dem andern Hofe einſprechen, iſt dieſes gemeiniglich zugelaſſen; ie - doch will bißweilen an einigen groſſen Hoͤfen ein Unterſchied gemacht werden, unter den regierenden Landes-Fuͤrſten und unter den apanagirten. Man - che wollen es auch denen Fuͤrſten, wenn ſie Vaſallen von ihnen, oder ſonſt einiger maßen dependant ſind, nicht wohl zugeſtehen, und ſetzt es bißweilen deswe - gen unter groſſen Herren einige Diſputen. Beyden71Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen. den Abgeſandten wird an einigen Hoͤfen ein Unter - ſchied gemacht, unter den Ambaſſadeurs und En - voyes. Denen Envoyés ſtehet dieſes nicht eher frey, als am Tage ihrer erſten Audienz und ihrer Abſchieds-Audienz. Uber dieſe Perſonen haben an einigen Orten manche Dames von hohem Ran - ge und einige groſſe Miniſtri die Erlaubniß, in den innern Schloß-Platz zu fahren. Die uͤbrigen Wagen und Pferde muͤſſen vor dem Schloß war - ten, und da ſich iemand unterfaͤngt, mit Gewalt einzufahren oder einzureiten, ſo werden ihm offters Wagen und Pferde verpfaͤndet.
§. 19. Bißweilen ſind die Fuͤrſtlichen Reſidentz - Haͤuſer ſo angelegt, daß die groͤſten und nothwen - digſten Hof-Officianten, die fleißig um die Herr - ſchafft ſeyn muͤſſen, entweder zugleich mit auf dem Schloſſe, oder doch in denen, dem Schloſſe mit an - geheffteten Neben-Gebaͤuden, logiren. Bey an - dern Hoͤfen hingegen wohnen die groͤſten Miniſtri und alle Hof-Cavaliere in der Stadt, und auf dem Schloſſe iſt auſſer denen Hof-Dames und den Pa - gen, niemand wohnhafft, als einige Bediente von der geringſten Sorte.
§. 20. Jn der untern Etage ſind gemeiniglich die Dienſt-Gemaͤcher, als, die Silber-Cammer, die Kuͤche und Conditorey, das Zimmer zum Waſſer - brennen mit der Kuͤch - und Keller-Stuben, ſammt dem Zehr-Garten in einer richtigen Ordnung anzu - treffen. Unter dieſen Gemaͤchern ſind die Keller zum Bier und Wein, ingleichen die Vorraths -E 4Keller,72I. Theil. VII. Capitul. Keller, welche offters dergeſtalt aptirt, daß man mit Pferd und Wagen gantz bequem hinein fahren kan.
§. 21. Bey den alten Schloͤſſern findet man meh - rentheils Wendel-Treppen mit ſchmahlen Stuf - fen. Bey den neuern hingegen ſind dieſe beſchwer - lichen und gefaͤhrlichen Treppen abgeſchafft, und an deren Statt breite und helle, mit beſondern Ruh - Plaͤtzen verſehene, und mit Statuen ausgezierte Stiegen angelegt. Nachdem das Steigen der Treppen einigen groſſen Herren incommode faͤllt, ſo hat man in den neuern Zeiten bequeme Seſſel erfunden, ſo an einem Gewichte haͤngen, durch de - ren Huͤlffe ſie ohne Treppe aus einem Zimmer in das andere fahren koͤnnen. Alſo haben Jhro Koͤ - nigliche Majeſtaͤt in Pohlen und Chur-Fuͤrſtliche Durchlauchtigkeit zu Sachſen dergleichen Seſſel in Dero Palais zu Alt-Dresden, ingleichen Jhro Hoch-Fuͤrſtliche Durchlauchtigkeit von Sachſen - Gotha auf dem Schloß zu Altenburg.
§. 22. Die Hof-Capellen ſind von vielen Jah - ren her an den allermeiſten Orten alſo erbauet, daß Fuͤrſtliche Perſonen aus ihren Gemaͤchern ſich tro - ckenes Fuſſes in die Kirche begeben, und dem Wort Gottes daſelbſt zuhoͤren koͤnnen. So zeigen ſich auch allenthalben auf den Fuͤrſtlichen Schloͤſſern groſſe und lange Saͤhle, welche theils zu mancher - ley Luſtbarkeiten, an den Fuͤrſtlichen Nahmens - und Geburths-Taͤgen, theils auch zu den Propoſi - tionen, die der Landſchafft vorzutragen, gewidmetſind;73Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen. ſind; an einigen Orten hat man eigene Propofi - tions-Saͤhle, auf welchen von Sereniſſimo bey Land - und Stiffts-Taͤgen denen getreuen Landſtaͤn - den die reſpective Allergnaͤdigſte und Gnaͤdigſte Propoſitionen eroͤffnet werden. Die Zimmer fol - gen mit ihren beſondern Vorgemaͤchern a plein pied hinter einander, damit man aus einem in das andere gehen koͤnne, und die Thuͤren alle nach per - ſpectiviſcher Ordnung, in gleicher Ordnung und Symmetrie geſehen werden. Die Fußboͤden der Zimmer ſind entweder mit allerhand raren und ſaubern Holtz ausgelegt, bey welchen mancherley kuͤnſtliche Deſſeins angebracht, oder von polirten Marmor, Jaſpis, und andern raren und geſchliffe - nen Steinen.
§. 23. Die Meublen und Tapiſſerien ſind nach dem Unterſchied der Gemaͤcher unterſchieden. Jn der erſten Antichambre ſind ſie nicht ſo koſtbar / als in der letztern. Je naͤher die Vorgemaͤcher den Herrſchafftlichen Gemaͤchern kommen, ie mehr nehmen die Meublen an Koſtbarkeit zu. So iſt auch ein Unterſchied unter den ordinairen Woh - nungs-Zimmern, und unter den Gemaͤchern die zur Aufnahme der fremden Herrſchafften gewidmet, ingleichen unter den Audienz-Gemaͤchern, Neben - Audienz-Gemaͤchern, Parade-Zimmern, Reti - raden u. ſ. w. Fallen Galla-Taͤge bey Hofe ein, ſo wird bey denſelben Solennitaͤten die Pracht der Meublen noch weit mehr vergroͤſſert, da zeigen ſich allenthalben, ſonderlich aber in den Parade-Zim -E 5mern /74I. Theil. VII. Capitul. mern, goldene und ſilberne Pretioſitaͤten, an Ti - ſchen, Spiegeln, Gueridons und Gheridonetten, Cron-Leuchtern, Wand-Leuchtern u. ſ. w.
§. 24. Jn den Tafel-Zimmern findet man zier - lich ausgearbeitete Bufets, die mit mancherley Trinck-Geſchirren von antiquen und neuen Sorten / aus Gold, Silber, Cryſtall, Perlen-Mutter u. d. g. ausgearbeitet / allerhand Trinck-Muſcheln und Schaalen, groſſen ſilbernen Flaſchen, Vaſen, Bas - ſins, Schweng-Keſſeln, und vielen andern mehr, gantz ordentlich und praͤchtig beſetzt ſind. Biß - weilen ſind auch in dieſen Zimmern Fontainen und Rafraichir-Waſſer durch die Kunſt gar artig an - gebracht. So wird man auch hier mancherley Tafeln gewahr, die ſehr ſinnreich ausgeſonnen, und nach allerhand Inventionen veraͤndert werden koͤnnen.
§. 25. Eine dergleichen kuͤnſtliche Tafel hat vor einigen Jahren der weyland beruͤhmte, nunmehro aber ſeelig verſtorbene Herr Gaͤrtner, Koͤniglicher Pohlniſcher und Chur-Fuͤrſtlich-Saͤchſiſcher Mo - del-Meiſter, in Dresden inventirt. Es wird eine unbedeckte Tafel aus dem Koͤniglichen Zimmer er - ſter Etage in das unter demſelben ſich befindliche Anrichtungs-Gemach durch eine beſondere Bewe - gung hinunter gezogen, hingegen kommt eine mit vollem Service und Speiſen beſetzte Tafel, nebſt vier Gueridons, deren ieder von 4 Fachen oder 4 Tellern, von unten durch den ſich eroͤffnenden Fuß - Boden hinauf, ohne daß Jhro Majeſtaͤt einer an -dern75Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen. dern beſondern Bedienung zu Aufhebung der Ta - feln dabey noͤthig haben. Jn der Tafel iſt noch eine a parte kleine Eroͤffnung, dadurch mit einer Schiefer-Tafel denen unten befindlichen Bedien - ten Nachricht gegeben werden kan, was Jhro Ma - jeſtaͤt von Getraͤncke oder ſonſt haben wollen, wel - ches denn unten durch gewiſſe Eroͤffnungen hinauf getrieben wird. Es heiſt dieſes eine Confidenz - Tafel, und dienet dazu, wenn Jhro Majeſtaͤt mit einigen vertrauten Miniſtris allein ſpeiſen wollen.
§. 26. Es darff ſich niemand von den Fremden unterfangen, an den Fuͤrſtlichen Hoͤfen die Herr - ſchafft ſpeiſen zu ſehen, es muͤſte denn ſolches die Herrſchafft oder der Hof-Marſchall erlauben. Bey manchen Solennitaͤten, wenn offene Tafel gehalten wird, iſt iederman vergoͤnnt in das Ta - fel-Zimmer zu treten, iedoch muͤſſen ſie in ſauberer und reinlicher Kleidung erſcheinen, und die Weibs - Perſonen duͤrffen keine Regentuͤcher, die Manns - Perſonen aber keine Maͤntel um ſich geſchlagen ha - ben. Es werden auch diejenigen, ſo kraͤncklich und ungeſund ausſehen, um der Herrſchafft bey der Ta - fel durch deren uͤbeln Anblick den Appetit zum Eſ - ſen nicht zu verderben, zuruͤck gehalten. Wollen Frembde in die Tafel - oder andere Zimmer ohne Erlaubniß eindringen, ſo werden ſie anfaͤnglich, wenn die Wache hoͤflich iſt, mit guter Manier ver - mahnt, zuruͤck zu bleiben, und wo ſie dem ungeach - tet weiter avanciren wollen, mit Gewalt, und durch ein paar Ribbenſtoͤſſe zuruͤck getrieben.
§. 27.76I. Theil. VII. Capitul.§. 27. Jnſonderheit ſind die Fuͤrſtlichen Schlaf - Zimmer vor andern ſehr privilegirt, und wird, zu - mahl in Teutſchland, nicht ein iedweder in dieſelben hineingelaſſen, ob er gleich ſonſt in den uͤbrigen Zim - mern des Schloſſes herum gefuͤhret wird. Es iſt auch wider den Wohlſtand, ſich auf die Fuͤrſtlichen Lehn-Seſſel oder Fauteüils niederzuſetzen / oder in dem Beſehen weiter zu gehen, als einem verguͤnſti - get, oder von dem, der die Frembden herum fuͤhret, gezeiget wird.
§. 28. An einigen Hoͤfen darff ſich niemand, auſ - ſer einigen Groſſen, weder in einer Antichambre noch in einem andern Gemach mit einem Spani - ſchen Rohr in der Hand ſehen laſſen, an andern hingegen iſt es erlaubt, iedoch muͤſſen die Cavaliere, wenn ſie in das Fuͤrſtliche Gemach zur Herrſchafft hinein treten wollen, den Stab in dem Vorgemach zuruͤck laſſen.
§. 29. An manchen Hoͤfen wird auch ſo gar dar - innen eine Diſtinction gemacht, daß nicht ein ieder Hof-Cavalier, ohne Unterſchied, die Erlaubniß hat, ſich bey naͤchtlicher Weile durch ſeine Bedienten mit Fackeln die Treppe hinauf leuchten zu laſſen.
§. 30. Auf den Fuͤrſtlichen Schloͤſſern in Teutſch - land darff ſich ein Frembder nicht mit ſolcher Frey - heit umſehen, als wie in Franckreich. Daſelbſt koͤnnen die Frembden in den meiſten Zimmern des Schloſſes zu Verſailles nicht nur frey und ungehin - dert aus - und eingehen, ob gleich die Wache da ſtehet, ſondern auch ſelbſt in des Koͤnigs Schlaf -Gemach.77Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen. Gemach. Das Anklopffen an den Thuͤren iſt in den Koͤniglichen Haͤuſern nicht erlaubt, ſondern wenn ſie zugemacht, und man weiß, daß die Leute oder Bedienten darinnen ſind, kratzet man nur mit den Naͤgeln an.
§. 31. Wie man an den Hoͤfen bey mancherley Handlungen gar ſehr auf den Rang zu ſehen pflegt, alſo werden auch bey den Zimmern gewiſſe Rang - Ceremonielle beobachtet, iedoch iſt man in dieſem Stuͤck an einem Hofe immer accurater, als an dem andern. Die vornehmſten Bedienten, ſo der Herr - ſchafft am naͤchſten ſeyn muͤſſen, duͤrffen ſich auch in den Vorgemaͤchern, die den Zimmern der Fuͤrſt - lichen Herrſchafft am naͤchſten ſind, aufhalten, da hingegen die weitern denjenigen Cavalieren gewid - met, ſo im Range den andern nachgehen.
§. 32. An einigen Hoͤfen ſind eigene und beſon - dere Reglemens publicirt, in welchen Zimmern ſich ſo wohl die Pagen als Cavaliers, die Frembden und Einheimiſchen, nach dem Unterſchied ihres Stan - des und ihrer Bedienungen, duͤrffen finden laſſen. Ob zwar die Dames faſt allenthalben in den mei - ſten Stuͤcken vor den Cavalieren einen Vorzug ha - ben, ſo iſt ihnen doch nicht an allen Hoͤfen ohne Un - terſchied erlaubt, in der erſten Antichambre ihrer Fuͤrſtin zu ſeyn, ſondern einige muͤſſen ſich in der an - dern Antichambre aufhalten.
§. 33. An dem Kayſerlichen Hofe hat man zwar zu allen Zeiten in dieſem Stuͤck eine beſondere Ac - curateſſe in Obacht genommen. Man hat aberdoch78I. Theil. VII. Capitul. doch wahrgenommen, daß es zu Zeiten Kayſers Joſephi noch viel accurater gehalten worden, als zu Zeiten Leopoldi. Bey dieſen wurden alle En - voyés in die letzte Anticamera gelaſſen, welche man ſo gar den Abgeordneten der Reichs-Staͤdte nicht verſagte. Bey jenem aber iſt in die letzte Antica - mera niemand anders als Grafen, und die ſo von gleichem Stande, eingelaſſen worden, und muſten die Abgeſandten der Fuͤrſten in der andern Anti - camera ſtehen bleiben. S. des curieuſen Buͤcher - Cabinets VI. Eingang p. 889.
§. 34. Jn den Zimmer-Ordnungen einiger Hoͤ - fe, werden die Perſonen in folgende vier Claſſen eingetheilet: (I.) in die Geiſtlichkeit, (II. ) in die Hof-Bedienten, (III. ) in die Kriegs-Officianten, und (IV. ) in frembde Durchreiſende. Dieſes iſt mehrentheils bey den Roͤmiſch-Catholiſchen Hoͤ - fen, da man die Vorgemaͤcher ſtets mit einem groſ - ſen Theil der Geiſtlichkeit angefuͤllet findet. Ob ſie zwar vor den andern einen groſſen Vorzug ha - ben, ſo duͤrffen ſie doch nicht an allen Hoͤfen allent - halben eindringen, wie ſie wollen, es wird auch un - ter ihnen ſelbſt, nach ihren beſondern Dignitaͤten und Range, eine Differenz gemacht.
§. 35. Jn die Retraiten und Retiraden iſt an vielen Orten niemand erlaubt zu gehen, als Fuͤrſt - lichen Perſonen, die ſich an dem Hofe aufhalten, ſie moͤgen nun den Anverwandten beyzuzehlen ſeyn, oder nicht, ingleichen den Abgeſandten und groͤſten Miniſtris.
§. 36.79Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen.§. 36. Die Pagen und Laqueyen duͤrffen ſich nicht weiter unterſtehen, in den Fuͤrſtlichen Zim - mern oder Antichambren aufzuhalten, als wenn ſie geruffen werden, oder ſo lange ſie etwas darin - nen zu verrichten haben, auſſer die Leib-Pagen, de - nen an allen Hoͤfen vor den andern eine Preference zuſtehet; iedoch haben ſie zu den Zeiten unſerer Vorfahren, da manche Leib-Pagen wohl dreyßig Jahr alt geweſen, in noch groͤſſern Anſehen geſtan - den, als ietzund.
§. 37. Wie der Staat allenthalben in gantz Teutſchland von ein 50. biß 60. Jahren her gewal - tig zugenommen; alſo haben ſich von dieſer Zeit an auf den Fuͤrſtlichen Schloͤſſern, ſo wohl in An - ſehung des Bauens als des Ausmeublirens, ge - waltige Veraͤnderungen ereignet. Zu Eingang des abgewichenen Seculi, wuſte man noch nicht ſo viel von ſo vielen Vorgemaͤchern, die hinter einan - der folgten, von den Gips-Decken, von den gebro - chenen Thuͤren, von den zierlichen Caminen und von mancherley praͤchtigen Meublen, die man heu - tiges Tages in den Fuͤrſtlichen Zimmern erblickt. Auf den Speiſe-Saͤhlen, ſahe man kuͤnſtliche aus - geſchnitzte Baͤncke von Linden-Baͤumen oder an - dern Holtze, auf denen die Cavaliers und Dames an den Marſchalls-Tafeln ſpeiſeten. Die Tape - ten ſind zwar eine ſehr alte Meuble, und von etli - chen hundert Jahren in Teutſchland bekandt. An - no 1500. waren bey dem Beylager, ſo mit Her - tzog Hanßen zu Sachſen mit Frau Sophia, ge -bohrner80I. Theil. VII. Capitul. bohrner von Mecklenburg geſchloſſen ward, auf dem Schloß zu Torgau mit Gold geſtickte und man - cherley Figuren und Hiſtorien durchwuͤrckte Tape - ten zu ſehen. S. aus einem alten Saͤchſ. Hiſtorico das III. Stuͤck von Struvens hiſtoriſch-politiſchen Archiv p. 50. Jedoch waren ſie nicht ſo gemein als ietzund, und nur bloß in den Fuͤrſtlichen Parade - Zimmern zu ſehen. An ſtatt der Tapeten ſahe man mehrentheils in den Vorgemaͤchern die Bildniſſe von den Hoch-Fuͤrſtlichen Anverwandten in Le - bens-Groͤſſe, oder auch Bilder von unterſchiedlich - gehaltenen Jagten, von jagtbahren Hirſchen, wil - den Schweinen, raren Hunden, u. ſ. w. Bißwei - len waren auch die Waͤnde mit Waſſer-Farben bemahlet, oder mit unterſchiedenen Spruͤchen der heiligen Schrifft beſchrieben.
§. 38. Einige Fuͤrſten ſind keine Liebhaber von Veraͤnderung der Meublen, ſondern diejenigen ſind ihnen die liebſten, die ſie von ihren Fuͤrſtlichen El - tern und Groß-Eltern noch herhaben. Andere hin - gegen finden ihr groͤſtes Vergnuͤgen an offtmahli - ger Abwechſelung, und in Nachahmung alles deſ - ſen, was bey den Auslaͤndern an Galanterien und Koſtbarkeiten wahrgenommen wird. Sie ſind bey der Architectur und Ausmeublirung ihrer Fuͤrſtlichen Reſidentz und Luſt-Haͤuſer nicht mit dem zufrieden, was ihnen die ſinnreichſten Meiſter in Franckreich und Jtalien, Holland und England an die Hand geben, ſondern ſie muͤſſen auch noch dazu, ſo wol bey der Bau-Art, als bey den Meublen,aus81Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen. aus der Tuͤrckey, China, und andern Laͤndereyen auſſerhalb Europa, neue Erfindungen herhohlen.
§. 39. Der ietzige Pabſt mag an praͤchtigen Zimmern und auslaͤndiſchen Galanterien kein ſon - derliches Gefallen haben, ſintemahl er bey ſeinem Einzug in das Quirinal alle Tapeten, Stuͤhle, und andere Meublen, die in den Apartemens des vori - gen Pabſtes auf dem Quirinal geſtanden, und mit groſſen Unkoſten aus Jndien von ihm angeſchafft, dem Prætendenten in Engelland verehret, welche ihm vermuthlich gantz willkommen werden geweſt ſeyn. S. das XXIXſte Stuͤck der Einleitung zur neueſten Hiſtorie der Welt / p. 294.
§. 40. Aus dem Teſtament des Koͤnigs in Spa - nien Carl II. erhellet faſt, daß die Koͤnige in Spa - nien nicht ſo freye Gewalt haben, wie andere Sou - verains, nach ihrem eigenen Gefallen mit den Meublen, die auf den Koͤnigl. Reſidentz-Schloͤſ - ſern anzutreffen, eine Veraͤnderung vorzunehmen, indem er in dem XLII. Articul diſponirte, daß ſein „ Pallaſt, wie auch alle andere Koͤnigliche Haͤuſer, „ in Madrit und andern Staͤdten und Orten ſeiner „ Lande, mit ſamt den Gemaͤhlden, Tapezereyen, „ Spiegeln und andern Geraͤthe, womit ſie ausge - „ zieret, ſeinem Succeſſori und Nachfolgern unver - „ aͤnderlich fuͤr eigen verbleiben ſolten. Dagegen „ benahm er ihnen alle Gewalt fuͤr ietzt und allezeit, „ daß ſie von dieſen Haͤuſern und Koͤniglichen Pal - „ laͤſten, nichts daraus wegzunehmen, oder darin - „ nen zu veraͤndern, Erlaubniß haben ſolten. „ ZuFVoll -82I. Theil. VII. Capitul. Vollziehung deſſen, befahl er, daß alle gegenwaͤr - tige Mobilien, nach den Inventariis, ſo ſchon in den Haͤuſern befindlich, collationirt, und dasjenige, was noch nicht eingeſchrieben, auch darein gezeich - net werde, damit allezeit geſorget werden koͤnne, daß von dieſen Mobilien, weder von ſeinem Succeſſore noch Nachfolgern, auſſer zu Beſchuͤtzung der Kirche und des Koͤnigreichs, etwas veraͤndert noch ver - ſchencket werde.
§. 41. Einige groſſe Herren halten viel auf koſt - bare Frantzoͤſiſche Tapiſſerien, die mit ihren eige - nen, oder ihrer Vorfahren beruͤhmten Thaten prangen, andere aber mehr auf andere koſtbahre Gemaͤhlde, und findet man bey ihnen, nach der, aus Jtalien ſich herſchreibenden Mode, die Saͤhle und Gemaͤcher von unten biß oben aus, nach einer ſehr guten Ordonance, mit den kuͤnſtlichſten Schil - dereyen ausgezieret. So erblicket man auch bey den Roͤmiſch-Catholiſchen, ſo wohl auf den Hoͤfen, als auch in den Gemaͤchern, hin und wieder Statuen von der Jungfrau Maria, und von einem und an - derm Heiligen, der bey ihnen in groſſer Hochach - tung ſtehet.
§. 42. Bißweilen werden zur Zeit eines decla - rirten Kriegs die Bildniſſe derjenigen Souverains, die ſich feindſelig erklaͤhrt, aus den Fuͤrſtlichen Zim - mern weggenommen. Alſo ſchaffte man an. 1706. die Portraite der beyden Chur-Fuͤrſten zu Coͤln und Bayern, nachdem ſie in die Acht erklaͤhret, und die vier aͤlteſten Bayeriſchen Printzen nach Clagen -furth83Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen. furth gefuͤhret worden aus den Kayſerlichen Zim - mern weg. Es iſt dieſes eine Revenge, die von dem Triebe der menſchlichen Natur entſpringt, dieweil niemand gerne die Bilder derjenigen lieben, oder in ſeinem Zimmer leiden will, die uns alles gebrandte Hertzleid angethan.
§. 43. Der zu Kayſers Leopoldi Zeiten be - ruͤhmte Miniſter am Kayſerlichen Hofe, Fuͤrſt Lobkowiz, erſann eine ſeltzame Meublirung, als er in eine Ungnade gefallen, und bey dieſem ſeinem Un - gluͤck ſo wenig die Freyheit als Unſchuld verlohren. Er ließ ſich ein Zimmer zurichten, welches die Helff - te mit Tapeten und mehrern Fuͤrſtlichen Meublen ausgezieret war, die andere Helffte aber die ſchlech - teſte Vorſtellung einer Bauer-Huͤtte an Tag leg - te; er erklaͤhrte ſich dabey, gegen alle, die ihn beſuch - ten, daß er an ſolchem Ort ſeines vorigen und ietzi - gen Zuſtandes am beſten eingedenck ſeyn koͤnte. S. das Leben des Kayſers Leopoldi, p. 249.
§. 44. Groſſe Herren finden bißweilen an man - chen Gegenden auf dem Lande einen beſondern Ge - fallen, und erbauen ſich nicht nur zu ihrem Plaiſir an denſelben Orten praͤchtige Schloͤſſer und ſchoͤne Land - und Luſt-Haͤuſer, ſondern ſie befehlen auch ihren hohen Miniſtris und vornehmſten Hof - und Kriegs-Officianten an, daß ſie ſich ebenfalls da - ſelbſt anbauen muͤſſen, theils, damit ſie dieſelben iederzeit um ſich haben, wenn ſie ihres Raths, oder ihrer uͤbrigen Dienſte benoͤthiget, theils auch, daß hiedurch diejenigen Oerter, die ſie gerne wollen an -F 2gebauet84I. Theil. VII. Capitul. gebauet wiſſen, peupliret, zur Nahrung und in Aufnehmen gebracht werden. Bißweilen veraͤn - dern ſie ihnen den Nahmen, als wie es ohnlaͤngſt in dem Chur-Fuͤrſtenthum Sachſen bey Oſchatz ge - legenen Jagt-Schloß Wermsdorff geſchehen / welches, nachdem es auf das neue praͤchtig ausge - bauet worden, von Jhro Koͤniglichen Hoheit dem Koͤniglichen Chur-Printzen zu Sachſen mit dem Nahmen Hubertus-Burg, beleget worden; ſie pri - vilegiren ſie auf mancherley Weiſe, und verwan - deln nicht ſelten die elendeſten Doͤrffer in ſchoͤne Staͤdte.
§. 45. Sie laſſen zur Beſchuͤtzung der Land - Schloͤſſer einige beſondere Compagnien unterhal - ten und zu deren Bewachung in der Naͤhe Wach - Haͤuſer anlegen. Wenn ſie ſich auf den Land - Haͤuſern aufhalten, ſo wird ein groſſer Theil des Ceremoniel-Weſens bey Seite geſetzt, und eine freyere Lebens-Art erwehlet. Jn Teutſchland iſt an viel Hoͤfen eingefuͤhrt, daß die Cavaliers bey der Herrſchafft, auf den Land-Haͤuſern ohne Degen erſcheinen, und wer aus Verſehen einen Degen angeſteckt, wird gemeiniglich mit einem groſſen Glaß Wein beſtrafft.
§. 46. Hier pflegen oͤffters die gecroͤnten Haͤu - pter des Mittags und Abends nicht nur in Geſell - ſchafft mit der Koͤniglichen Familie zu ſpeiſen, ſon - dern ziehen auch zuweilen einige von den anweſen - den Herren und Damen mit an die Tafel, welches ſonſt in ihren Koͤniglichen Reſidenzien nicht zu ge - ſchehen pflegt.
§. 47.85Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen.§. 47. Jn manchen Luſt-Schloͤſſern / die ſie alle Jahre zu gewiſſen Zeiten zu beſuchen pflegen, ſind alle Meublen, von den groͤſten biß zu den kleineſten, derer die Hoch-Fuͤrſtlichen Herrſchafften, und alle Hof-Officianten, maͤnnlichen und weiblichen Ge - ſchlechts, benoͤthiget ſind, in beſtaͤndiger Ordnung. Andere hingegen, die nur bißweilen beſucht werden, ſind nicht ſtets ausmeublirt, und bey dieſen pflegen die Fuͤrſtlichen Hof-Tapezierers voraus geſchickt zu werden, wenn ſich die Herrſchafft auf denſelben eine Zeitlang aufhalten will.
§. 48. Die Architectur dieſer Luſt-Haͤuſer iſt unterſchiedlich. Viele beſtehen aus einem groſſen Pavillon, der mit unterſchiedenen andern umgeben, dieſe ſind bißweilen wiederum in kleinere Pavillons eingetheilet. Jn dem Haupt-Pavillon logiren, der Fuͤrſt mit ſeiner Gemahlin, oder mit derjenigen, die ſie als Gemahlin lieben, und in den andern die Perſonen der Fuͤrſtlichen Familie, oder die vor - nehmſten von der Hofſtatt. Bey einigen ſind die Zimmer alſo eingerichtet, daß man in der Runde herum aus einem in das andere gehen kan; Mitten in dem Pavillon iſt ein groſſer achteckigter Sahl, in welchem publique Aſſembleen, Ballette und andere Luſtbarkeiten gehalten werden. Auf den Pavillons ſind Couplen, die mit einem Uhrwerck geziert.
§. 49. Oeffters ſind bey dieſen Luſt-Gebaͤuden Galerien, die ein plattes Dach haben, die zu einem Altan dienen, auf welchem man rund um den PlatzF 3zu86I. Theil. VII. Capitul. zu den Haupt-Gebaͤuden kommen kan. Die Daͤ - cher ſind in der Mitten, und an den Ecken mit Frontiſpices, in denen das Wapen des Hoch - Fuͤrſtlichen Hauſes, und ſonſt verſchiedene ſchoͤne Ornamenta befindlich. Auf dem Chapiteau ſie - het man viel Statuen, und durch die Bildhauer - Kunſt gemachte Kraͤntze Zweige und andere Zier - rathen.
§. 50. Auf den Hof-Plaͤtzen ſind entweder gruͤ - ne Terraſſen, die mit geſchliffenen Pflaſter-Stei - nen oder auf andere Weiſe eingefaßt oder mancher - ley mit Statuen ausgezierte Orengerien und Fon - tainen. Die Haupt-Treppen ſind mit Baluſtra - den und andern feinen Auszierungen von Alfreſco - Mahlerey propre garnirt. Jn den Gemaͤchern findet man kuͤnſtlich zubereitete Camine, in deren Baſſo reliefs mancherley Portraite ſtehen. Man admiriret oͤffters in den Gemaͤchern die ſchoͤnſten Spiegel von allerhand Façon, vor den Spiegeln liegen bißweilen marmorne oder andere geſchnitzte nackte Venus-Bilder, die mit ungemeiner Kunſt verfertiget.
§. 51. Auf vielen Luſt-Schloͤſſern obſerviret man beſondere, mit Gold und Bildhauer-Arbeit untermengt angelegte Porcelain-Gemaͤcher oder Cabinetter, in welchen die ſchoͤnſten von Porcelain aufſteigenden Zierrathen anzuſehen, an groſſen Toͤpffen, Vaſen, Schuͤſſeln, Aufſaͤtzen, Thé-Cho - colade-Coffe-Services, mit dazwiſchen geſtellten Spiegeln, Jndianiſchen Urnen, Pagoden, nacheiner87Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen. einer ſchoͤnſten Ordnung, und mit beſonderer Ma - gnificenze.
§. 52. Bey den Luſt-Haͤuſern findet man die ſchoͤnſten Gaͤrten, die in verſchiedene Quartiere ein - getheilt, und mit beſondern Haupt - und Neben - Fontainen ausgezieret. Die gepflantzten Hecken ſtellen mancherley Theatra und Amphitheatra vor. So muͤſſen auch die mancherley Reſervoirs Aqueducs, Fontainen und Grotten die Land-Luſt vermehren helffen. Bey den Grotten ſind ſchoͤne Caſcaden, welche das Waſſer in die Baſſins werf - fen, im Sommer eine angenehme Kuͤhlung und Geraͤuſche verurſachen. Auf der Erden ſind man - cherley Jets d’eau angebracht. Jn den dabey be - findlichen Cabinettern, deren ſich die Hoch-Fuͤrſt - lichen Herrſchafften zur Sommers-Zeit, wegen der angenehmen kuͤhlenden und ſpielenden Waſſerwer - cke, mit beſondern Plaiſir zu bedienen, und woſelbſt ſie oͤffters Tafel zu halten pflegen, zeigen ſich man - cherley Statuen und Baſſo reliefs. So ſind auch bey den Grotten nicht ſelten Bade-Zimmer, von weiſſen Marmor, oder auf andere Art kuͤnſtlich aus - gearbeitet, mit angeſchloſſen.
§. 53. Bey den Luſt-Gaͤrten ſind gewiſſe Me - nagerien von allerhand frembden und raren Thie - ren. Jn den Parcs ſiehet man vielfaltig ſchoͤne Alleen, curieuſe Alabaſter - und Marmor-Statuen, kuͤnſtliche Waſſer, groſſe und kleine Caſcaden, Voͤ - gel-Haͤuſer, und Teiche, in welchen und auf wel - chen mancherley rare Fiſche, wie auch Enten,F 4Schwaͤh -88I. Theil. VII. Capitul. Schwaͤhne und andere Waſſer-Voͤgel aufbehal - ten werden. Auf den Canaͤlen liegen propre Jach - ten, oder andere zierliche Schiffe, darauf man ſich zu divertiren pflegt.
§. 54. Bißweilen werden auch Eremitagen vor - geſtellet, die als Cabinetter, und nach Art der Ein - oͤden, wie verfallen, von Holtz - und Mauerwerck aufgefuͤhret werden. Man findet hier eine kleine Capelle, Schlaf-Cammer, Kuͤche, Garten und Studier-Stube, die mit Gemaͤhlden von mancher - ley geiſtlichen Hiſtorien verſehen, und mit mancher - ley Einſiedler-Geraͤthe beſetzt ſind.
§. 55. Die Orengerie-Haͤuſer ſind ebenfalls oͤffters von einer accuraten Architectur, und in dieſelben bißweilen mancherley Waſſer-Spiele an - gebracht. Die Orengerie-Gaͤrten auch von ei - ner ſchoͤnen Ordonance und Regularité. Die raren Gewaͤchſe formiren unterſchiedene Alleen, zwiſchen welchen die Spatzier-Gaͤnge von gruͤnen Raaſen ſchnur gerade abgetheilet und beſetzt, und wie ſie etwan weiterhin nach unterſchiedenen In - ventionen kuͤnſtlich angelegt.
§. 56. Die Veneria, ein Jagt-Hauß des Her - tzogs von Savoyen, und nunmehrigen Koͤniges in Sicilien, iſt eines von den ſchoͤnſten Pallaͤſten und Land-Haͤuſern / die man finden kan. Es iſt eine Niederlage der Koͤniglichen Jagt, mit den unter - ſchiedenen Geſtalten der Goͤttin Dianæ, und denen zur Jagt gehoͤrigen Sinnbildern ungemein ausge - ziert. Der Eintritt des Koͤniglichen Pallaſts zeigtbald89Von Schloß - u. Zimmer-Ceremoniellen. bald im erſten Gewoͤlbe das Bild der Dianæ, ſo die alten Heyden vor eine Goͤttin der Jaͤgerey gehal - ten. Neben an ſind die vier Arten der Jagt, nem - lich, der Vogelfang, die Fiſcherey, die hohe und nie - dere Jagt. Unter den artigſten Siñbildern auf dem groſſen Getaͤfel, ſind zehn beſondere Geſchichte, ſo mit der Goͤttin Diana paſſirt, die unmoͤglich beſſer auszuſinnen. Unter andern ſtehet Actæon, der, weil er die Dianam mit ihren Nymphen nackend badend ſiehet, durch Beſprengung etlicher Tropf - fen Waſſers in einen Hirſch verwandelt wird, mit der Beyſchrifft: Chi vuol troppo veder, vede il ſuo male, wer gerne zu viel ſehen will, ſiehet gemei - niglich ſein eigen Ungluͤck; imgleichen ſtehet die Diana mit ihren Nymphen in einem Armeniſchen Luſt-Wald, wo ſie ein grimmig Tiegerthier mit ei - nem liſtigen Netz gefangen haͤlt, mit den Beywor - ten: Piu che la forza un bell inganno e in pregio, ein artiger Betrug iſt ſchaͤtzbarer, als eine oͤffentli - che Gewalt. Nebſt den Tafeln ſtehen in den uͤbri - gen Zimmern nicht allein die ſchoͤnſten Princeßin - nen ſelbiger Zeit nach dem Leben in Jaͤger-Kleidung abgeſchildert, ſondern auch die Neben-Zierrathen ſtellen allerhand Jaͤger-Inſtrumenta vor, und wird man bey nahe keine Hiſtorie von der Diana bey den alten Poeten, oder beſondere Geſchichte von Jagt - Hunden, Hirſchen, Loͤwen ꝛc. leſen, welche nicht all - hier mit der ſinnreichſten Manier ihre Stelle von dem Kuͤnſtler erhalten.
§. 1.
Die groſſen Herren haben auf ihren Schloͤſ - ſern mehrentheils ihre beſondern Saͤhle und Tafel-Gemaͤcher, die auf das praͤch - tigſte ausmeubliret, und zumahl bey So - lennitaͤten mit ſehr vielen Luſtren, Girandolen, Cryſtallinen Spiegeln, und dergleichen Wand - Leuchtern gezieret ſind. Man findet daſelbſt praͤch - tige Credenz-Buffette, oder andere Credenz-Ti - ſche, die mit ſilbernen und guͤldenen, und andern koſtbaren Trinck-Geſchirren beſetzt ſind.
§. 2. Der Boden, worauf die Tafel ſtehet, iſt entweder mit rothen Scharlach, oder gar mit koſt - bahren Sammet beleget. Zuweilen ſind ſie, zu - mahl bey Solennitaͤten, etwas erhoͤhet, und muß man Staffeln-weiſe, gleich einem Theatro, hinauf ſteigen. Einige ſpeiſen a l’ordinaire unter einem Dais, andere aber nur bey Solennitaͤten unter einem ſammetenen geſtickten, mit goldnen oder ſilbernen Borten und Frangen beſetzten Himmel.
§. 3. Die Speiſen werden auf den Fuͤrſtlichen Tafeln entweder in ſilbernen oder verguͤldten, oder gar in goldenen Schuͤſſeln aufgeſetzt. Nach der neueſten Façon ſind die Schuͤſſeln iederzeit mit ſil - bernen Glocken bedeckt, theils, damit die Spei -ſen91Von dem Tafel-Ceremoniel. ſen darunter warm bleiben, theils und vornehmlich aber, damit ſie nicht durch den herabfallenden Poudre und andern Wuſt von denen, die ſie auf die Tafeln ſetzen, verunreiniget, und unappetitlich werden. Etwas beſonders iſts, was Herr Luͤnig in ſeinem Ceremoniel-Theatro pag. 362. von der Paͤbſtlichen Tafel anfuͤhret, daß des Pabſtes Schuͤſſeln mit einem Schloß verwahret waͤren / und daß niemand, bey Straffe hoͤchſter Excom - munication, in ſeine Kuͤche gehen ſolte. Die Speiſen kochte eine von ſeinen naͤchſten Befreund - tinnen; dieſe, und der Cardinal Nepote haͤtten die Schluͤſſel zu den Schuͤſſeln.
§. 4. Das oͤffentliche Tafel-halten der gecroͤn - ten Haͤupter geſchiehet auf unterſchiedene Weiſe. Einige ſpeiſen gantz allein / oder haben doch nie - mand an ihrer Tafel, als ihre Hoch-Fuͤrſtlichen Anverwandten / oder andere Fuͤrſtliche Perſonen, oder Abgeſandten. Andere hingegen laſſen auch unterſchiedene von ihren Miniſtris, Generals, und Hof-Cavaliers, mit ſpeiſen. Koͤnig Johannes Sobiesky in Pohlen hielt allemahl zu Mittag oͤf - fentliche Tafel, und ließ auch, wenn er auſſerhalb des Hofes ſpeiſete, ſeine eigene Bedienten, welche zu ſolcher Zeit das Aufwarten hatten, mit zur Tafel ziehen. Jhro Majeſtaͤt hielten dieſes fuͤr eine ſchlechterdings nothwendige Sache, maßen ſie be - ſorgten, daß der gantze Adel moͤchte ſchwuͤrig wer - den, wofern ſie dieſe Gnade einem aus deſſen Mit - tel verſagten. S. Connors Beſchreibung des Koͤ -nigreichs92I. Theil. VIII. Capitul. nigreichs Pohlen, p. 416. Wenn er aber bey Ho - fe ſpeiſete, hat ſich niemand, auſſer der Koͤnigin, den Koͤniglichen Kindern, und auslaͤndiſchen Miniſtris, bey ihm zur Tafel ſetzen duͤrffen.
§. 5. Der vorige Koͤnig in Franckreich, Lud - wig XIV. pflegte des Mittags in ſeinem Schlaf - Zimmer an einer kleinen Tafel zu ſpeiſen, welches aber des Abends nicht geſchahe. Zuweilen that er der Madame de Maintenon die Gnade, und ſpei - ſete bey derſelben zu Mittage, und die bath denn zur Geſellſchafft allemahl ein und die andere Dame von ihren Bekandten mit dazu. Daſelbſt wurden kei - ne frembden, ſondern nur die noͤthigen Bedienten hinein gelaſſen. S. Nemeitz Sejour de Paris, pag. 387.
§. 6. Bey beſondern Luſtbarkeiten wird auch bißweilen an den groͤſten Hoͤfen das ſonſt ſtrenge Tafel-Ceremoniel ein wenig bey Seite geſetzt, und an deſſen ſtatt, nach den unterſchiedenen Looſ - ſen, die ein ieder ausziehet, bey den Fuͤrſtlichen Ta - feln eine bunte Reyhe angeſtellt.
§. 7. Bey den Couverts findet man an einigen Hoͤfen, nach dem Unterſchied der Perſonen, die an einigen Koͤniglichen oder Fuͤrſtlichen Hoͤfen mit ſpeiſen, einen Unterſchied. Alſo zeiget ſich an der Tafel des Koͤnigs in Franckreich vor dem Ort des Koͤnigs und der Koͤnigin ein ſo genandtes Catenat oder viereckigt verguldt Beſtecken, darinnen Saltz, Pfeffer und dergleichen, in gewiſſen Faͤchern vor - handen, hingegen vor die Printzen und Princeßin -nen93Von dem Tafel-Ceremoniel. nen ein bloſſer Teller mit einem Couvert und Saltzfaß.
§. 8. Es iſt ebenfalls ein beſonderer Unterſchied, ob einer auf die Fauteüils, oder auf andere Lehn - Stuͤhle geſetzt wird. Fuͤrſtliche Perſonen, und die ihnen gleich geachtet werden, ſetzet man auf Fau - teüils, die andern aber auf bloſſe Lehn-Seſſel. Die bey den Stuͤhlen diſtinguirt ſind, werden auch ge - meiniglich vor und nach der Tafel, bey dem Waſ - ſer zum Waſchen, bey dem Abtrocknen mit der Serviette, bey der Aufwartung, und auf andere Art diſtinguirt.
§. 9. Bevor man zu den Fuͤrſtlichen Tafeln an - richtet, wird gemeiniglich mit Trompeten und Pau - cken angekuͤndiget, daß diejenigen, die die Speiſen aufſetzen ſollen, ſich vor der Kuͤche verſammlen. Man findet in vielen Fuͤrſtlichen Hof-Ordnungen diſponirt: Wenn zur Tafel geblaſen wird, ſollen ſich ſo bald die Pagen und Laqueyen vor der Kuͤche einfinden, dabey gebuͤhrlich verhalten und die Spei - ſen vorſichtig auftragen, damit nichts verſchuͤttet werde. S. unter andern die Fuͤrſtl. Saͤchſ. Go - thaiſche Hof-Ordnung de anno 1641. im XIV. Artic. §. 4. 5. Zuweilen laſſen ſich bey iedem Gange, der aufgetragen wird, Trompeten und Paucken hoͤren.
§. 10. Bey dem Croͤnungs-Feſtin des ietzigen Koͤnigs in Franckreich, Ludwig des XV, giengen die Cammer-Hautboıſten, Trompeter und Quer - pfeiffer, ſo einen Marſch ſpielten, voraus, nach die -ſen94I. Theil. VIII. Capitul. ſen folgten die Herolde, auch Ober - und Ceremo - nien-Meiſter, alsdenn zwoͤlff Hauß-Hofmeiſter, nach dieſen der Ober-Hofmeiſter vom Koͤniglichen Hauſe, vor der erſten Tracht her, wovon der Ober - Brodt-Meiſter die erſte Schuͤſſel trug, die uͤbrigen aber wurden durch die Koͤniglichen Hof-Junckern getragen, ſo die Bedienung hatten. Der Ober - Vorſchneider ſetzte die Schuͤſſeln in gehoͤriger Ord - nung auf die Koͤnigliche Tafel, hub die Stuͤrtzen davon ab, ließ die Speiſen credentzen, deckte die - ſelben wieder zu, und erwartete die Ankunfft Jhrer Majeſtaͤt. S. das Frantzoͤſiſche Croͤnungs-Cere - moniel, ſo anno 1723. in Leipzig gedruckt worden, p. 93.
§. 11. Das Auftragen der Speiſen geſchicht gemeiniglich durch die Pagen, auch wohl durch die Fuͤrſtlichen Laquais. Bey einigen Solennitaͤten pflegen auch wohl die Landſtaͤnde und Hof-Cava - liers die Schuͤſſeln den andern Bedienten abzuneh - men, und ſolche auf die Fuͤrſtliche Tafel zu ſetzen. An dem Hoch-Fuͤrſtlich-Wolffenbuͤtteliſchen Ho - fe, ſetzet der aͤlteſte von dem Adelichen Geſchlecht de - rer von Veltheim, als Lehntraͤger und Erb-Kuͤchen - Meiſter, mit bedecktem Haupt die Eſſen auf die Tafel. S. Luͤnigs Theatr. Cerem. p. 309.
§. 12. An dem Kayſerlichen Hofe werden die Speiſen, wenn der Kayſer in der Stadt ſpeiſet, durch die Kayſerlichen Cammer-Diener, auf den Luſt-Haͤuſern aber durch die Pagen mit bedecktem Haupt, mit Vortretung eines Kayſerlichen Hart -ſchierers,95Von dem Tafel-Ceremoniel. ſchierers, und Schlieſſung eines Trabanten, biß zur Credenz getragen, allwo ſelbige vom Silber - Diener in Ordnung geſetzt, und folglich von ihm mit unbedecktem Haupt biß zur Tafel getragen wer - den, allwo ſie ein Cammer-Herr abzunehmen und auf die Tafeln zu ſtellen pflegt.
§. 13. An den Kayſerlichen Nahmens - oder Ge - burths-Taͤgen werden die erſten Speiſen von den Cammer-Herren getragen, doch mit dieſem Unter - ſchied, daß ſie die Speiſen mit bedecktem Haupt biß zu des Kayſers Mund-Tafel tragen, und ſelber ein ieder ſeine Speiſe auf die Tafel ſetzen thut, im - gleichen muͤſſen 2 Hartſchierer vortreten, und ein paar Trabanten ſchlieſſen, wovor ordentlich bey den Cammer-Dienern oder Pagen nur einer vortritt und ſchließt. Die Hartſchierer und Trabanten be - gleiten nur iederzeit biß in die erſte Camera, allwo ſie ſtehen bleiben. Wenn Jhro Kayſerliche Ma - jeſtaͤt en Serviette, oder in ihrer Retirade ſpeiſen, ſo deckt ein Kayſerlicher in Dienſten ſtehender Cam - mer-Herr, mit Huͤlffe der Cammer-Diener, die Tafel. Hierauf werden die Speiſen durch die Cammer-Diener allein, und nicht durch die Kna - ben, es mag ſeyn wo es will, iederzeit auf die erſte Manier getragen. Wann Sie in Campagne ſpeiſen, ſo ſetzen die Kayſerlichen Pagen die Speiſen zur Tafel.
§. 14. Bey Koͤniglichen Ordinair-Tafeln wer - den die Speiſen von den Laquais aus der Kuͤche biß in das Vorgemach getragen, nach dieſem nehmenſie96I. Theil. VIII. Capitul. ſie die Pagen und tragen ſie ins Tafel-Gemach. Bißweilen werden ſie nicht gleich auf die Koͤnigliche oder Fuͤrſtliche Tafel, ſondern erſt auf eine andere Tafel geſetzt, biß ſie hernach von dem Kuͤchen-Mei - ſter u. ſ. w. rangirt werden. Bey der Koͤniglichen Engliſchen Tafel muß derjenige, ſo die Speiſen hin - ein getragen, niederknien.
§. 15. Bey der Vermaͤhlung des Chur-Fuͤrſt - lich-Saͤchſiſchen Chur-Printzens zu Wien, wur - den 60. Raths-Herrn aus der Stadt Wien, wel - che ſich mit ſchwartzen Sammet-Roͤcken und Ve - ſten aus ihren Mitteln kleiden muſten, dazu beſtellt, daß ſie den Hof - und andern Dames, auch Mini - ſtres die Speiſen auftragen, und ſie bedienen mu - ſten.
§. 16. Bey auſſerordentlichen Mahlzeiten wer - den die Speiſen durch Jaͤgerey-Bediente, durch die Cadets, Grenadiers u. ſ. w. auf die Tafel ge - hoben. Alſo muſten vor einigen Jahren bey ei - ner groſſen Solennitaͤt in Dresden die Cadets die Speiſen aus der Kuͤche biß an einen gewiſſen de - ſignirten Platz des Schloſſes tragen, von dar ſie durch die Chevaliers-Garde auf die Koͤnigliche Tafel geſetzt wurden. Vor den Speiſen giengen zwey Brigadiers von der Chevaliers-Garde mit ihren Staͤben und unbedecktem Haupte, welchen der Maitre d’hotel mit den zugedeckten Speiſen folgete, die hernachmahls derjenige, ſo vorſchneidet, in der ihm bewuſten Ordnung auf die Tafel ſetzte, hinten nach giengen 2 Sous-Brigadiers, die ſich ie -desmahl,97Von dem Tafel-Ceremoniel. des mahl, wenn die Speiſen aufgeſetzt, reterir - ten.
§. 17. Sind die Speiſen aus der Fuͤrſtlichen Kuͤche heran getragen, ſo werden ſie entweder von dem Kuͤchen-Meiſter, oder einem Cammer-Herrn, oder einem andern, nach dem Unterſchied der Hoͤfe, in Ordnung geſetzt.
§. 18. Speiſet der Roͤmiſche Kayſer in der Re - ſidentz, ſo gehet nach denjenigen, ſo die Speiſen her - an getragen, und nach den Hartſchierern, der Kay - ſerliche Huiſſier, welcher einen langen ſchwartzen mit Silber beſchlagenen Stock in Haͤnden traͤgt, und wenn er in die Anticamera kommt, wo die Creden - tzen ſtehen, thut er einen Streich an die Thuͤre, zum Zeichen, daß die Speiſen kommen, ihm auf dem Fuß folgen die Cavaliers, oder die Cammer-Die - ner. Speiſet er aber an dem heiligen Oſter - oder Weyhnacht-Feſt en public und en Majeſté, in der ſo genannten Ritter-Stube, ſo werden auf vorbe - meldte Weiſe, in Vortretung des Huiſſiers und des oberſten Staͤbel-Meiſters, die erſten Speiſen mit bedecktem Haupt auf die Kayſerliche Tafel getra - gen, und von ihm ſelbſt geſetzt, die uͤbrigen Speiſen aber von den Kayſerlichen Pagen, nur in Vortre - tung eines Hartſchierers, und Schlieſſung eines Trabantens, mit bedecktem Haupt auf die Cre - dentz, und davon ab unbedeckt zur Kayſerlichen Tafel getragen, und von dem Kayſerlichen Vor - ſchneider von ihnen abgenommen und auf die Ta - fel geſetzt. Speiſet der Kayſer in Campagne, ſoGſetzt98I. Theil. VIII. Capitul. ſetzt ſolche der oberſte Silber-Caͤmmerer auf die Tafel von der erſten Tracht. Es geſchicht auch wohl, daß daſelbſt die Cammer-Diener ſie den Dames in die Haͤnde geben, und dieſe dem Tren - chir-Fraͤulein zum Aufſetzen. Sie nehmen ſolche auch wieder von ihnen hinweg, und geben ſie den Cammer-Dienern zum Hinaustragen.
§. 19. An vielen Koͤniglichen und Chur-Fuͤrſt - lichen Hoͤfen gehet uͤber dem Kuͤchen-Meiſter der Cammer-Fourier voran, und jener ſetzt die Spei - ſen auf. An dem Koͤniglichen Spaniſchen Hofe uͤbergiebt der Aufſeher uͤber das Brodt und Back - werck, und der Frucht-Meiſter die Schuͤſſeln ihren Aemtern. Der Groß-Becken - oder Back-Meiſter ſetzt ſie auf die Tafel, nachdem er ſie vorher creden - tzet. Der Groß-Becken - oder Back-Meiſter, nebſt dem Vorſchneider decken die Schuͤſſeln auf, und geben ſie einen andern hierzu beſtellten Officianten, der deßwegen hinter dem Vorſchneider ſtehet. Hat ſie dieſer bekommen, ſo uͤbergiebt er ſie dem Saucier, welcher ſie in ſein Amt ſendet, um ſelbige warm zu machen, und folglich ſie auf die Tafel des Ober - Hofmeiſters, des Hofmeiſters und der Junckern, ſo ſervirt, zu ſetzen.
§. 20. An manchen Hoͤfen, wo das Ceremo - niel nicht ſonderlich geachtet wird, iſt ein bloſſer Maitre d’hotel, der die Speiſen auf der Tafel in Ordnung ſetzt. Bey groſſen Solennitaͤten hinge - gen pflegt auch wohl uͤber dem Kuͤchen-Meiſter und dem Cammer-Fourier noch ein Hof-Mar -ſchall99Von dem Tafel-Ceremoniel. ſchall in das Tafel-Gemach voran zu gehen; zu - weilen kommen auch noch uͤber den Hof-Marſchall zwey vornehme Hof-Miniſtri mit Marſchalls - Staͤben.
§. 21. Die ietzigen Speiſe-Ordnungen, und die Aufſaͤtze der Trachten, ſind von den Zeiten der grauen Vorfahren gar ſehr unterſchieden. Jetzund haben manche vom buͤrgerlichen Stande bey ihren ſolennen Gaſtereyen mehr Gerichte auf ihren Ti - ſchen, als vor ein hundert oder ein paar hundert Jahren Fuͤrſtliche Perſonen auf ihren Tafeln. Die alten Geſchichtſchreiber melden, daß es auf dem Begaͤngniß Hertzogs Albrechts zu Sachſen, der anno 1500. geſtorben, und in der Dom-Kir - che zu Meiſſen begraben worden, ſehr praͤchtig zu - gegangen, indem die Fuͤrſtlichen Tiſche den erſten Abend mit 13, und den andern Abend mit 16 Ge - richten geſpeiſet worden. Die andern Tiſche, an welchen die Aebte, Grafen, Herren, Praͤlaten, Jungfrauen und Frauen geſeſſen, waͤren den erſten Abend mit 9, und den andern Tag mit 12 Spei - ſen beſetzt geweſen. Das Getraͤncke aber auf al - len dieſen Tiſchen haͤtte in Reynfahl, ſuͤſſen Wein, zweyerley ſchlechten Weinen, und einerley Bier beſtanden.
§. 22. Heutiges Tages werden bey groſſen So - len nitaͤten auf die Fuͤrſtlichen Tafeln wohl 80, 90, 100 ja uͤber hundert Speiſen aufgeſetzt. Die un - terſchiedene Gaͤnge werden mit den mancherley Confituren wohl drey - biß viermahl veraͤndert,G 2und100I. Theil. VIII. Capitul. und man zehlet auf iedem Gange bißweilen dreyſ - ſig, vierzig und funfzig Speiſen. So offt als ein neuer Gang aufgeſetzet wird, werden gar offters die Tafeltuͤcher und die Services veraͤndert, und bey dem letzten Aufſatz der Confituren gemeiniglich Teller von dem ſchoͤnſten Porcelain herum ge - legt.
§. 23. Jedoch findet man auch wohl bey unſe - rer Zeit, hohe und gecroͤnte Haͤupter, die ſich ohne das Confect, wenn ſie auch ſchon en public ſpei - ſen, nicht mehr bey ihrer gewoͤhnlichen Tafel, als zwoͤlff biß achtzehn Speiſen in zwey Gaͤngen auf - ſetzen laſſen. Ja einige nehmen wohl gar mit 6 biß 8 Speiſen vorlieb, die nach gemeiner Hauß - manns-Koſt, und ohne die Franzoͤſiſchen Olapa - trien, ordentlich und ſchmackhafft zugerichtet.
§. 24. Die Fournirungen der Speiſen werden nach dem Befehl des Ober-Hof-Marſchalls, Hauß-Marſchalls, Ober-Kuͤchen-Meiſters, oder bloß des Kuͤchen-Meiſters, eingerichtet. Die Speiſe-Ordnungen ſind hoͤchſt different, und koͤn - nen unmoͤglich in allgemeine Regeln und Claſſen gebracht werden. Anders ſind ſie nach dem Un - terſchied der Jahres-Zeiten bey den Roͤmiſch-Ca - tholiſchen, anders bey den Evangeliſchen, anders bey den Teutſchen Puiſſancen, anders bey den an - dern Europaͤiſchen. Auf den Tafeln der Jtaliaͤ - niſchen Fuͤrſten ſiehet man viel Garten-Fruͤchte und Confituren, auf den Franzoͤſiſchen ungemein viel Gebackens-Werck, auf den Engliſchen undNor -101Von dem Tafel-Ceremoniel. Nordiſchen viel Fleiſchwerck, Wildpreth und Fiſch - werck, und auf den Teutſchen Tafeln iſt alles auf unterſchiedene Weiſe untermengt. Bißweilen wird folgende Speiſe-Ordnung beobachtet, daß erſtlich die Fleiſch-Speiſen, nachgehends die Fiſche und Gebackenſe, endlich die Braten, und vierdtens das Confect aufgetragen werden.
§. 25. Es geſchicht nicht ſelten, daß einige von den Fuͤrſtlichen Miniſtres praͤchtigere Tafeln fuͤh - ren, als die Fuͤrſten ſelbſt, oder eine beſondere deli - cateſſe zu mancher Zeit eher in ihre Kuͤchen einlaͤuft, als in die Fuͤrſtlichen. Der Roͤmiſche Kayſer Jo - ſephus, glorwuͤrdigſten Andenckens, ſchertzte ein - ſtens von einem gewiſſen Miniſtre uͤber der Tafel, als ihm ein Gerichte Krebſe aufgeſetzt worden, weil ſelbige gantz klein waren, fragte er, woher es kaͤme, daß ſo kleine Krebſe auf ſeine Tafel geſetzt wuͤrden? Als man nun zur Antwort gab, man haͤtte vor die - ſesmahl keine groͤſſere bekommen koͤnnen, ſo verſetz - te er: Jhr wiſſet nur nicht, wo ihr gute Sachen ſu - chen ſollt, waͤret ihr nur zu meines Vaters R. ge - gangen, da wuͤrdet ihr gewiß ſie ſehr gut angetrof - fen haben; womit er auf die groſſen Einkuͤnffte deſ - ſelben zielte, wodurch es manche zuwege bringen, daß ſie ſich oͤffters mehr, als der Kayſer ſelbſt zu gute thun koͤnnen. S. des curieuſen Buͤcher-Ca - binets VI. Eingang, p. 885.
§. 26. Die Schau-Eſſen ſind in den alten Zei - ten mehr mode geweſen als ietzund. Man findet bey den alten Geſchicht-Schreibern, daß auf groſ -G 3ſen102I. Theil. VIII. Capitul. ſen Feſtivitaͤten, wo es ſehr praͤchtig zugangen, biß - weilen mehr Schau-Eſſen zur Parade aufgeſetzt worden als andere Speiſen zum Vorſchneiden und Vorlegen. Heutiges Tages ſind ſie nicht ſo haͤuf - fig, werden aber davor mit deſto groͤſſerer Inven - tion, und auf eine ſinnreichere Weiſe inventirt; Jnſonderheit aber die Confituren gar oͤffters nach beſondern Kunſt-Regeln aufgeſetzt. Bißweilen werden gantze Geſchichte vorgeſtellt. Alle Colon - nen Geſimſe und Auſſaͤtze, alle Statuen und Figuren, und was nur zur Architectur gehoͤrt, alle Blumen, Baͤume und Blaͤtter, alle Kleider und Gewandte an den Perſonen, die durchſichtigen Wolcken, und was nur zu ſehen iſt, iſt aus lauter Zucker dergeſtalt gegoſſen, daß die Farben den Marmor, die Bronze, die Perſonen, Blumen und Blaͤtter und Fruͤch - te auf das natuͤrlichſte und vollkommenſte vor - ſtellen.
§. 27. Anno 1726 haben Jhro Chur-Fuͤrſt - liche Durchlauchtigkeit zu Pfaltz am 5 Martii, als am groſſen Carneval, eine ſehr magnifique Tafel gehalten, und an dieſer 120 Perſonen von Diſtin - ction mit 400 praͤchtigen Speiſen auf das delica - teſte tractiret, wobey das merckwuͤrdigſte geweſen, daß das von dem Conditore zubereitete ſonderbah - re Confect, unter andern ein foͤrmliches Caſtel, mit ſeinen Forder - und Hinter-Roundelen, oder Thuͤr - men, aus welchen die Canonen und Raqueten ab - gefeuert, die letztern auch biß zu der obern Decke des groſſen Saals ſteigend, aufgetrieben worden, præ -ſenti -103Von dem Tafel-Ceremoniel. ſentiret. Alles mit unbeſchreiblicher Freude und Vergnuͤgen der hohen Gaͤſte. Es ſoll dieſe ſplen - dide Tafel uͤber 10tauſend Guͤlden gekoſtet haben.
§. 28. Die Galanterie-Speiſen oder Figuren ſtellen bißweilen allerhand Goͤtter aus dem Hey - denthum vor, die ſich zu einem ieden Feſtin ſchicken, ſie ſind zu Zeiten einige Schuh hoch, und werden unter die Confecturen mit geſetzt. Bißweilen wird zum Spaß, als ein Schau-Eſſen, eine groſſe Pa - ſtete aufgetragen, daraus ein kleiner Zwerg, wenn man ſie aufſchneidet, heraus geſprungen kommt, der der Herrſchafft an ihren Nahmens - oder Ge - burths-Taͤgen, oder denen vornehmſten von den Gaͤſten, ein Carmen oder etwas anders uͤber - reicht.
§. 29. Bey Solennitaͤten werden allerhand In - ventions-Tafeln von mancherley Gattung ange - richtet, und auf eine ſonderbahre und anmuthige Weiſe mit Pyramiden, Fontainen und andern ſinn - reichen Inventionen ausgeziert. Die Fontainen ſpritzen die herrlichſten wohlriechenden Waſſer von ſich, als Roſen-Waſſer, Zimmet-Waſſer, u. d. g. Zwiſchen dieſen ſiehet man allerhand, Citronen - Pomerantzen - und andere rare Baͤume mit ihren Fruͤchten. Man findet auch wohl, nach gewiſſen Erfindungen, einige rauchende Berge, aus welchen eine kleine Oeffnung gehet, die die herrlichſten Par - fums ausrauchen, und einige kleine Flammen von ſich geben, und ſich alſo wie Feuerſpeyende Berge præſentiren.
G 4§. 30.104I. Theil. VIII. Capitul.§. 30. Manchmahl wird ein Garten vorgeſtellt, der von einem Ende der Tafel biß zum andern reicht. Der Grund der Parterre iſt gelber candirter Zu - cker, und um und um mit Buchsbaum beſteckt. Dieſe wird in vier Felder eingetheilet, ſo mit roth candirten Zucker uͤberſtreuet, und mit Buchsbaum bordirt; Jn der Mitten ſteht ein Becken mit einer Fontaine von fuͤnff Roͤhren, welche das Waſſer Schwibboͤgen-weiſe ausſpritzen. Der Rand iſt mit kleinen Alabaſternen ſehr zarten Figuren beſetzt, und an den Piedeſtalen ſtehet eine Reyhe Blumen - Toͤpffe mit Blumen von unterſchiedenen Farben. Die beyden Alleen ſtoſſen an die Parterre, von weiſſen candirten Zucker wird es wie Kieß gemacht, und an den Seiten mit Buchsbaum eingefaßt; in der Mitten aber hat man kleine, nach der Chineſi - ſchen Art gemachte Figuren in gewiſſen Diſtanzen von einander. Die Fruͤchte und Confecturen werden laͤngſt dem Garten hingeſetzt, und formi - ren, von dem Garten an zu rechnen die eine Rey - he, die Speiſen die andere, und die Bey-Eſſen die dritte.
§. 31. So laͤſt es auch gar manierlich, wenn die Tafeln rund herum an den Seiten mit Spie - geln belegt, auf dem Boden aber mit einem ſchoͤ - nen Blumen-Felde bedeckt ſind, ſo daß die daran ſitzenden, ſonderlich wegen der am Tiſche zwiſchen allerhand Laubwerck ſteckenden vielen Leute, bey - des dieſes Blumen-Feld und deſſen Parterre, als auch ſich unter einander beſtaͤndigſt ſehen koͤnnen,ohne105Von dem Tafel-Ceremoniel. ohne doch weiter, als nur vor ſich hin, und in die ge - gen uͤber ſtehenden Spiegel zu ſchauen.
§. 32. Zuweilen kommen oben von Decken Ta - feln herunter, und veraͤndern ſich zu unterſchiedenen mahlen, ſo daß immer die eine die andere vertreibt, und an der herabkommenden ſich niederlaͤſt, die vo - rigen aber von ſich ſelbſt ihr Raum machen, und ſich an den Boden herunter ſencken.
§. 33. Anno 1722. den 23. Martii wurde bey dem Nahmens-Tage / Hertzog Eberhards von Wuͤrtenberg, eine ſchoͤne Inventions-Tafel præ - ſentirt. Die Tafel war anzuſehen, als eine See, aus welcher 40 Strahlen Waſſer ſchoſſen, zwi - ſchen denſelben ſchwommen lebendige Enten und Fiſche. Um dieſen See war ein ſchoͤner Luſt-Gar - ten mit Pomerantzen - und Citronen-Baͤumen, der die Hertzogliche Tafel umgab. An derſelben ſaſ - ſen 48 hohe Fuͤrſtliche, Graͤfliche und andere Ade - liche Perſonen beyderley Geſchlechts, und wurden 148 Speiſen dabey aufgetragen.
§. 34. Es ſind zuweilen bey Abend uͤber den Ta - ſeln ſonderbahre Illuminationen angebracht. Die Saͤhle ſind nicht allein mit groſſen ſilbernen Cro - nen, die Aufſaͤtze und vielen Tafel-Leuchter unge - rechnet, ſondern auch mit groſſen Pyramiden, wor - an wohl etliche tauſend cryſtallene Lampen haͤngen / die der Hoch-Fuͤrſtlichen Perſonen Nahmen und Jahrzahl vorſtellen, ausgeziert; zwiſchen dieſen ſie - het man auch noch hin und wieder Gemaͤhlde, Sta - tuen, Deviſen und kleine Illuminationen, die ſichG 5zu106I. Theil. VIII. Capitul. zu ieder Solennitaͤt ſchicken, um die Tafel herum.
§. 35. Sind die Speiſen alle in ihrer gehoͤri - gen Ordnung auf die Tafel geſetzt, ſo pflegt der Hof-Marſchall ſolches der Fuͤrſtlichen Herrſchafft anzudeuten. An dem Kayſerlichen Hofe pflegt der oberſte Caͤmmerer es Jhrer Kayſerlichen Majeſtaͤt anzuſagen, der Jhm auch den Hut abnimmt, und ſolchen auf das Hut-Tiſchlein legt. Sonntags und Feyertags, wie auch an Galla-Taͤgen pflegen Sie in der Anticamera zu ſpeiſen, und hier behal - ten Sie bey der Tafel den Hut auf dem Kopffe. Jſt der Ober-Hofmeiſter abweſend, ſo ſagt es der oberſte Cammer-Herr Sr. Kayſerlichen Majeſtaͤt an. An den meiſten Teutſchen Fuͤrſtlichen und Chur-Fuͤrſtlichen Hoͤfen gehet der Hof-Marſchall oder Hauß-Marſchall, oder ein anderer, der in deſ - ſen Abweſenheit den Stab fuͤhret, mit allen Hof - Cavalieren zur Herrſchafft hinein / melden, daß zur Tafel angerichtet, und hohlen ſie ab.
§. 36. Alsdenn fuͤhrt entweder der Fuͤrſt ſeine Gemahlin ſelbſt bey der Hand zur Tafel, oder ſie wird von ihren Hof-Meiſter oder einen von den Geheimen Raͤthen zur Tafel gefuͤhrt. Jſt aber ein Cavalier von einem fremden Hofe anweſend, der nicht von dem unterſten Rang, ſo pfleget ſol - cher die Fuͤrſtliche Gemahlin zur Tafel zu fuͤhren. Gleich vor der Tafel pflegen auch mehrentheils junge Cavaliers die Gnade zu haben, den Fuͤrſtli - chen Perſonen beyderley Geſchlechts den Rock zukuͤſſen.107Von dem Tafel-Ceremoniel. kuͤſſen. An einigen Hoͤfen werden ſie vorher in das Fuͤrſtliche Zimmer zur Audienz gefuͤhrt, an andern aber machen ſie ihren Reverence bey den Fuͤrſtlichen Perſonen, wenn ſie in das Tafel-Ge - mach treten. Alsdenn bekoͤmmt der Hof-Mar - ſchall Befehl, welcher von ihnen an die Fuͤrſtliche Tafel oder an die Marſchalls-Tafel placirt wer - den ſoll.
§. 37. Bevor ſie ſich zur Tafel ſetzen, wird den Fuͤrſtlichen Perſonen, maͤnnlichen Geſchlechts, der Hut und die Handſchuh, den Fuͤrſtlichen Frauen - zimmer aber die Handſchuh nebſt der Eventail abgenommen. An einigen Hoͤfen geſchicht ſol - ches von vornehmen Cavalieren, von Cammer - Herrn u. ſ. w. an andern aber von Cammer-Jun - ckern, auch wohl nur gar von Pagen, nachdem die groſſen Herren ſehr auf das Ceremoniel ſehen oder nicht. Bey einigen groſſen Solennitæten nimmt ein Ober-Cammer-Herr den Hut und die Handſchuh von dem Souverain, dieſer giebt ſie einen Cammer-Herrn, der ſie denn einem Cam - mer-Juncker uͤberreicht, welcher ſie ſo lange haͤlt, biß ſie nach der Tafel wieder zuruͤck gegeben wer - den. Und in eben dieſer Ordnung geſchiehet es auch bey der Fuͤrſtin.
§. 38. Vor dem Tiſch-Gebeth wird gemeini - glich das Waſſer præſentirt. An groſſen Koͤni - glichen Hoͤfen, und bey groſſen Solennitæten pflegt es wohl zu geſchehen, daß unter Anfuͤhrung des Ober-Hof-Marſchalls, einer von den Cammer -Herrn,108I. Theil. VIII. Capitul. Herrn, ſo das Aufwarten hat, die Gieß-Kanne haͤlt, und der andre das Hand-Becken, und creden - zet das Waſſer. Der Ober-Hof-Marſchall uͤberreicht die Serviette. Bey der Koͤniglichen Gemahlin ſerviren hiebey ebenfalls zwey Cam - mer-Herren, und der Ober-Schenck præſentirt die Serviette. Sonſt aber wird nur von dem Hof-Marſchall oder einem andern Miniſtre, ent - weder das Gieß-Becken mit Waſſer oder auch nur bloß eine naſſe Serviette auf dem Credenz - oder Service-Teller uͤberreicht.
§. 39. An einigen Hoͤfen præſentirt ein Page das Waſſer vor die Hoch-Fuͤrſtliche Herrſchafft einen Cammer-Juncker, der Cammer-Juncker ei - nen Cammer-Herrn, der Cammer-Herr dem Hof-Marſchall, oder einem andern groſſen Mini - ſter, und dieſer der Herrſchafft. An andern Hoͤ - fen aber hat man dieſe vielen Ceremonien nicht, ſondern ein Page præſentirt das Glaß Waſſer nebſt der Serviette einen Cammer-Herrn oder Cammer-Juncker, der es denn hernach den Hoch - Fuͤrſtlichen Herrſchafften uͤberreicht, und auf dieſe Weiſe wird es wieder zuruͤck gegeben. Es ge - ſchicht zuweilen, daß ein andrer Officiante das Hand-Becken uͤberreicht, und einer von einer an - dern Bedienung das Hand-Tuch oder die Ser - viette.
§. 40. Man findet auch wie in andern Stuͤ - cken als auch hierinnen einigen Unterſchied, nach - dem ſie en public, oder in ihrer Retirade en Ser -viette,109Von dem Tafel-Ceremoniel. viette, oder en Campagne, auf den Land - und Luſt-Haͤuſern, oder anderwaͤrts ſpeiſen.
§. 41. An dem Koͤniglichen Spaniſchen Hof reicht der Ober-Mundſchencke dem Koͤnig das Waſſer, und der Groß-Becken - oder Brodt-Mei - ſter nimmt die Serviette aus den Haͤnden des Aufſehers uͤber das Brodt und Backwerck, und giebt ſie dem Hof-Meiſter, der die Woche hat, dieſer aber dem Ober-Hofmeiſter, um ſelbige dem Koͤnig zu uͤberreichen. Jſt aber der Hofmeiſter abweſend, ſo wird die Serviette von einem andern Grandes uͤberreicht.
§. 42. Es geſchicht auch wohl, daß ſich hohe Haͤupter bloß von einem Pagen den Hut und die Handſchuh wegnehmen, und das Waſſer nebſt der Serviette von ihm præſentiren laſſen. Biß - weilen laſſen ſie den Hut und die Handſchuh in ihrem Gemach zuruͤck, und laſſen ſich weder vor noch nach der Mahlzeit das Handbecken præſen - tiren.
§. 43. An den meiſten Hoͤfen, zumahl bey den Proteſtirenden, ſind die Tiſch-Gebether vor und nach der Mahlzeit gebraͤuchlich, die meiſtentheils von einem Pagen hergeſprochen, oder vielmehr dem Schlendrian nach fein geſchwinde hergeplappert werden. Bey Solennitæten verrichten ſolche der Hof-Prediger, oder ein Biſchoff, oder auch ein Hof-Diaconus. An dem Koͤniglich Spaniſchen Hof, ſpricht der vornehmſte Prælat, der zugegen iſt, das Benedicite, iſt aber kein hoͤherer als der Groß -Almo -110I. Theil. VIII. Capitul. Almoſenier zugegen, ſo ſpricht ers, und in ſeiner Abweſenheit thut es der Aufſeher uͤber das Orato - rium.
§. 42. Nach verrichteten Gebeth macht derje - nige Miniſtre der den Stab fuͤhrt, mit ſeinem Sta - be den Reverence erſt gegen diejenigen Fuͤrſtli - chen Perſonen, die an die Fuͤrſtliche Tafel placirt werden, und nachgehends auch gegen diejenigen Dames und Cavaliers, ſo die Gnade haben daran zu ſpeiſen; die Dames werden meiſtentheils gegen die lincke Seite der Fuͤrſtlichen Herrſchafft geſetzt, die Cavaliers aber zur rechten.
§. 45. Die Tafeln ſind bey ihren ordinairen Mahlzeiten mehrentheils oval, und der Ober - Sitz iſt meiſtentheils den Buffets und den unter - ſten Thuͤren, wodurch man in das Tafel-Gemach gehet, gegen uͤber. Die Stuͤhle werden an groſ - ſen Hoͤfen und bey groſſen Solennitæten, durch ei - nen vornehmen Hof-Cavalier, durch den Ober - Caͤmmerer, oder einen aufwartenden Cammer - Herrn geruͤckt, vielmahls durch die Cammer - Juncker, ſo das Aufwarten haben, und meiſten - theils wenn ſie nicht en Ceremonie ſpeiſen, durch die Jagt - oder andere Pagen.
§. 46. Wenn ſich der Souverain mit ſeiner Gemahlin geſetzt, ſo laſſen ſich die uͤbrigen von der Fuͤrſtlichen Familie auch nieder, die von maͤnn - lichen Geſchlecht, auf die Seite wo der Regente ſitzt, und die von weiblichen Geſchlecht, auf der Gemahlin Seite, alsdenn ſetzen ſich die uͤbrigenDames111Von dem Tafel-Ceremoniel. Dames und Cavaliers nach ihrem Range und Ordnung.
§. 47. Hinter die Tafeln placiren ſich unter - ſchiedene groſſe Hof-Miniſtri, als der Ober-Hof - Marſchall, die Ober-Cammer-Herren, andere Cammer-Herren, u. ſ. w. Bey groſſen Solennien bleiben diejenigen Cammer-Herren oder Cammer - Junckern, die das Aufwarten haben, die gantze Zeit, ſo lange als die Tafel waͤhrt, hinter den Fuͤrſtlichen Perſonen ſtehen, ſonſt aber nur ſo lange, biß die Fuͤrſtlichen Perſonen den erſten Trunck gethan / oder biß ſie ein Zeichen geben, daß ſie ſich reteriren ſollen, alsdenn gehen ſie nebſt dem Hof-Marſchall, Hauß-Marſchall, oder andern groſſen Hof-Offi - cianten, oder den uͤbrigen Hof-Cavalieren, an die vor ihnen zubereitete Tafeln, und laſſen nur die Pa - gen und Laquais bey der Tafel zur Aufwartung, biß die Confituren aufgeſetzt. An einigen Hoͤfen warten nur die Pagen bey den Tafeln auf, und darf ſich kein Laquay oder Cammer-Diener denſelben naͤhern.
§. 48. An dem Kayſerlichen Hof bleibt der Ober - Caͤmmerer ſtets hinter den Seſſel ſtehen, der Ober - Kuͤchenmeiſter befindet ſich nebſt dem Ober-Sil - ber-Caͤmmerer auch ebenfalls meiſt gegenwaͤrtig, und die Kayſerlichen Pagen tragen die Speiſen auf die Tafeln ab, und zu. Hierbey iſt zu wiſſen, daß die Truchſeſſe, Vorſchneider, Mundſchencken und Stabelmeiſter an dem Kayſerlichen Hofe lauter Edelleute von guten Geſchlechtern, auch wohl gar Grafen ſind.
§. 49.112I. Theil. VIII. Capitul.§. 49. An einigen Koͤniglichen Hoͤfen bleiben der Ober-Hof-Marſchall mit zweyen Hof-Mar - ſchaͤllen hinter den Koͤniglichen Perſonen bey der Tafel ſtehen. An andern haben die Dames biß - weilen zugleich mit die Aufwartung, und an man - chen wartet gar kein Cavalier hinter der Tafel auf, ſondern bloß die Pagen und Laquais. Bey beſon - dern Solennitaͤten ſtehen bißweilen uͤber die Cava - liers einige Trabanten mit ihren Partiſanen an der Tafel.
§. 50. Das Vorſchneiden wird an einigen groſ - ſen Hoͤfen, wo alles en Ceremonie zugehen ſoll, von ein paar Cammer-Herrn verrichtet. Zuweilen ſind gewiſſe hohe Aemter / denen das Vorſchnei - den zukommt, wie es denn bey den Oeſterreichiſchen Land-Taͤgen und Landes-Huldigungen von dem oberſten Landes-Vorſchneider unternommen wer - den muß.
§. 51. A l’ ordinaire pflegt ein Cammer-Jun - cker oder Hof-Juncker bey den Koͤniglichen, Chur - Fuͤrſtlichen und Fuͤrſtlichen Tafeln vorzuſchneiden. Dieſer uͤbergiebt die Speiſe mit dem Teller einem andern ſervirenden Cammer-Juncker, welcher um die Tafel herum gehet, und ſie mit einem verdeck - ten Teller den Perſonen von der Koͤniglichen oder Fuͤrſtlichen Familie præſentiret. Zuweilen uͤber - bringt er ſie ſelbſt, oder uͤbergiebt ſie dem Pagen, der den Teller an die Fuͤrſtlichen Perſonen præſentiren muß. Zuweilen, welches aber doch wohl an den wenigſten Hoͤfen, iſt gar kein aparter Vorſchnei -der,113Von dem Tafel-Ceremoniel. der, ſondern der Fuͤrſt oder Koͤnig nehmen ſich ſelbſt aus einer oder der andern Schuͤſſel, oder laſſen ſich von einem General, oder einem andern, der mit bey der Tafel ſitzt, etwas vorlegen. Die uͤbrigen an der Tafel greiffen ſelbſt zu, und laſſen ſich von dem - jenigen, bey dem die Schuͤſſel ſtehet, etwas ge - ben.
§. 52. An den Fuͤrſtlichen Teutſchen Hoͤfen pfle - get gemeiniglich ein Page vorzuſchneiden, wenn ſie allein ſind, und nicht en Ceremonie ſpeiſen. Die - ſer uͤbergiebt den erſten Teller entweder dem Hof - Marſchall oder Hauß-Marſchall, oder in deſſen Abweſenheit, dem naͤchſten, der nach ihm den Stab fuͤhret, oder auch wohl nur einem Cammer-Jun - cker, die ihm denn nachgehends an dem Fuͤrſten præſentiren. Wenn ſich die andern Cavaliers an die Marſchalls-Tafel begeben, ſo præſentiren die Pagen die Speiſen auf den Tellern ſo lange an die Fuͤrſtlichen Perſonen, biß die Cavaliers von der Marſchalls-Tafel wieder aufgeſtanden, und in das Fuͤrſtl. Tafel-Gemach zuruͤck kommen. Manch - mahl hat ein Jaͤger, ein Soldat u. ſ. w. ſo wohl die Freyheit, einem groſſen Herrn den Teller mit Speiſen zu præſentiren, als ein Hof-Cavalier oder Page.
§. 53. An einigen Hoͤfen iſt in dieſem Stuͤck ſo wohl, als bey andern ein Unterſchied, unter den Mit - tags-Tafeln und unter den Abend-Tafeln. Bey dem vorigen Koͤnig in Franckreich Ludwig den XIV ſervirte ihm einer von den Premiers Gentils hom -Hmes114I. Theil. VIII. Capitul. mes de la Chambre, und die Vornehmſten des Reichs, ja alle Printzen vom Gebluͤthe, Cardinaͤle, und Marechaux de France warteten bey der Ta - fel ſtehend auf, welches aber des Abends nicht ge - ſchahe.
§. 54. Bißweilen werden die Speiſen, nach dem Unterſchied der Hoͤfe, mit beſondern Ceremonien, die an einem ieden Orte eingefuͤhret, vorher creden - tzet. Es nimmt entweder der Vorſchneider ein Stuͤckchen locker Brodt, ſo an einer langen Gabel ſteckt, faͤhret damit uͤber alle Schuͤſſeln und Spei - ſen, und nachdem er ſolche credentzet / giebt er die Gabel an den Tafeldecker / oder ein gewiſſer Offi - ciante, der neben dem Vorſchneider ſtehet, deckt alle Schuͤſſeln auf, und zeiget ſie dem Fuͤrſten; zu welchen er nun Belieben traͤgt, die werden cre - dentzt, und bleiben auf den Tafeln ſtehen, die uͤbri - gen aber weggetragen. Diejenigen, ſo die Spei - ſen credentzet, muͤſſen auch gemeiniglich das Brodt hernach eſſen.
§. 55. Das Getraͤncke wird ebenfalls vorher, ehe ſie es den Koͤniglichen oder Fuͤrſtlichen Perſo - nen præſentiren, von dem Mundſchencken creden - tzet, und zu manchen Zeiten, wo man ſich etwan ei - niges Verdachts vermuthend iſt, noch groͤſſere Be - hutſamkeit dabey angewendet, als zu einer andern. Wenn Koͤnigliche oder Fuͤrſtliche Perſonen bey ſehr groſſen Solennitaͤten zu trincken begehren, ſo holen die ſervirenden Cammer-Juncker das Glaß, oder den Becher, und geben es dem Cammerherrn,der115Von dem Tafel-Ceremoniel. der Cammerherr uͤbergiebt es dem Ober-Cammer - Herrn, oder Ober-Hof-Marſchall, oder dem O - ber-Schencken u. ſ. w. die es denn nachgehends auf einen Credentz-Teller der Koͤniglichen oder Fuͤrſt - lichen Perſon præſentiren. Bey der Gemahlin wird es eben ſo gehalten, der Cammerherr uͤbergiebt es dem Ober-Hofmeiſter, und dieſer der Koͤnigin oder Fuͤrſtin; und dieſes Ceremoniel wird auf ei - nerley Art beobachtet ſo lange die Tafel waͤhret.
§. 56. Auſſer den Solennien aber pflegt nur der Ober-Marſchall, oder der Ober-Schencke, oder ein Cammer-Herr, oder Cammer-Juncker das er - ſte Glaß zu præſentiren, und ſo bald die Fuͤrſtlichen Perſonen den erſten Trunck gethan, ſo reteriren ſich dieſe hoͤhere Bedienten an ihre Tafeln, und uͤberlaſſen nachgehends die Uberreichung des Ge - traͤnckes den geringern Officianten.
§. 57. Jhrer Kayſerlichen Majeſtaͤt wird der Trunck iederzeit durch den Mundſchencken præſen - tirt, und wenn Sie in der Retirade ſpeiſen, durch den Obriſten Caͤmmerer. Es geſchicht auch wohl bißweilen, daß die Cammer-Fraͤuleins die Trinck - Geſchirre nehmen, eine Hof-Dame traͤgt auf einer Tazze den Trunck, die andere das Glaß, woraus getruncken wird, die Herrſchafft ſchenckt ſich ſelbſt ein, und von dieſem Trunck muß die Cammer - Fraͤulein iedesmahl etliche Tropffen auf die Tazze ſchuͤtten und trincken.
§. 58. An dem Koͤniglich-Spaniſchen Hofe ge - hen hierbey viel Ceremonien vor. Will der Koͤ -H 2nig116I. Theil. VIII. Capitul. nig trincken, ſo giebt er dem Ober-Mundſichencken ein Zeichen, daß er an den Schenck-Tiſch gehen und den Becher nehmen ſoll. Dieſer laͤſſt Wein und Waſſer durch den Cammer-Medicum koſten, und nimmt den Becher aus den Haͤnden des Kel - ler-Meiſters. Der Cammer-Thuͤrhuͤter gehet vor ihm her, und auf ſolche Art naͤhert er ſich der Tafel, laͤſt ſich ſodann vor dem Koͤnig auf die Knie nieder, und præſentirt ihm den Becher, haͤlt auch demſelben, waͤhrender Zeit, als er trinckt, eine Schaale unter. Hat der Koͤnig getruncken, ſo nimmt er den Becher wieder zuruͤck, deckt denſelben zu, macht einen tieffen Reverenz, traͤgt ihn wieder auf den Schenck-Tiſch, und gehet wieder an ſeine vorige Stelle bey der Tafel.
§. 59. An den Fuͤrſtlichen Hoͤfen in Teutſch - land, pflegen mehrentheils nur die Pagen das Ge - traͤncke den Fuͤrſtlichen Perſonen auf Credentz - Tellern zu reichen, ſo lange der Hof-Marſchall oder Hauß-Marſchall mit den andern Hof-Cavalieren an den Marſchalls-Tafeln ſpeiſen; wenn ſie aber wieder zuruͤck kommen, und hinter der Herrſchafft ſtehen, ſo uͤbergiebt der Page den Teller mit dem Getraͤncke dem Hof-Marſchall oder Cammer - Juncker, und dieſer bedienet wieder die Fuͤrſtlichen Perſonen. Werden aber die Fuͤrſtlichen Nah - mens - oder Geburths - oder andere Gala-Taͤge ce - lebrirt, ſo pflegen ein paar aufwartende Cammer - Juncker, ſo wohl dem Fuͤrſten als der Fuͤrſtin ſtets bey waͤhrender Tafel den Trunck zu præſentiren.
§. 60.117Von dem Tafel-Ceremoniel.§. 60. Bey dem Geſundheit-trincken der Fuͤrſt - lichen Perſonen werden Trompeten geblaſen und Paucken geſchlagen, oder auch, nach dem Unter - ſchiede der Koͤniglichen, Chur - und Fuͤrſtlichen Per - ſonen, die zuſammen an einer Tafel ſitzen, ſechs oder drey Stuͤcke, oder halbe Carthaunen abgeſeuert. Wann Kayſerliche oder Koͤnigliche Perſonen es Fuͤrſtlichen zutrincken, ſo pflegen dieſe ſo lange zu ſtehen, biß jene getruncken, ingleichen wenn ſie den Hoͤhern Beſcheid thun, oder deren Geſundheit trin - cken, wiewohl jene gar oͤffters einen Winck, oder ſonſt ein Zeichen zu geben pflegen, daß ſie ſich nie - derſetzen ſollen.
§. 61. Ob ſich gleich die von der Cleriſey auch noch heutiges Tages vor den andern bey den Roͤ - miſch-Catholiſchen Fuͤrſten eine ziemliche Freyheit heraus nehmen, ſo duͤrffen ſie es doch nicht ſo grob machen, wie in den vorigen Zeiten, ſondern muͤſſen in Worten und Geberden an Hoͤfen den Wohl - ſtand ſo wohl in Obacht nehmen, als andere. Jn den ietzigen Zeiten gehet das Compliment nicht mehr an, welches Johannes Magnus, ein Ertz-Biſchoff zu Upſal, dem Norwegiſchen Koͤnig Guſtavo I. machte, dem er ein Glaß zubrachte mit den Worten: Unſere Gnaden bringen es ewrer Gnaden. S. Hoyers Daͤniſche Geſchichte p. 125. Kaͤme ein Roͤmiſcher Geiſtlicher bey den itzigen Zeiten mit ſolchen Expres - ſionen angezogen, die mit dieſen einige Gleichheit haͤtten, ſo wuͤrde ihm ohnfehlbar durch ein ſtarckes Nota bene eine groͤſſere Hoͤflichkeit gelehret werden.
H 3§. 62.118I. Theil. VIII. Capitul.§. 62. Gleichwie Unſere Teutſchen von ſehr vielen Seculis her in den Ruff geſtanden, daß ſie Liebhaber des Trinckens, alſo findet man in den aͤlteſten Geſchichten der Teutſchen Hoͤfe, daß man ſich iederzeit bey Solennitæten mit einem guten Trunck beluſtiget. Die mancherley Trinck-Ge - ſchirre, ſind auch iederzeit in guter Ordnung gehal - ten worden. Gantz alte Hiſtorici erzehlen, wie bey dieſen oder jenen Solennitæten ſchoͤne koͤſtliche Credenz-Tiſche geſtanden von guͤldnen und uͤber - guͤldeten Scheyer-Koͤpfen, Schaalen, Flaſchen, Schenck-Kannen und Handfaſſen biß auf die Decke aufgerichtet, und uͤberluſtig gezieret. S. den III Theil von Struvs Hiſtoriſch-Politiſchen Archiv: p. 80. und 81.
§. 63. Uber das uͤbermaͤßige Sauffen, ſo in dem ſechzehenden Seculo an manchen Hoͤfen in Teutſch - land geherrſcht, haben auf eine ſehr loͤbliche und Chriſt-Fuͤrſtliche Weiſe einige gottſelige Regen - ten ſelbſt geeifert. Als Fuͤrſt Joachim zu Anhalt, ſich an Hertzog Georgens zu Sachſen Hof auf - hielt, ſo mahnte ihn ſein Herr Bruder, Fuͤrſt George Anno 1528 den 28. April in einem be - ſondern Schreiben von der Trunckenheit gar nachdruͤcklich ab: Unter andern ſtellte er ihm fol - gendes vor: Derohalben wollen ſich Ew. Lieb - den die gute Geſellſchafft dazu nicht bewegen laſ - ſen, welche um ihrentwillen nicht kranck werden, oder zum Teufel fahren will, ſondern vielmehr zum Schaden noch Spotten werden. Es iſt vielein119Von dem Tafel-Ceremoniel. ein herrlicher Lob, das redliche Leute einen geben der Tugend halber, welches auch die Feinde nicht tadeln koͤnnen, denn daß man einen lobet, daß man die Becher und Glaͤſer raͤumen kan. S. Beckmanns Anhaͤltiſcher Hiſtorie V. Theil. p. 174.
§. 64. Bey dem Beylager Hertzogs Johann Friedrichs zu Sachſen, welches mit Sybillen, Hertzogs Johannis zu Cleve Tochter Anno 1527. vollzogen ward, waren unter andern Hertzog Ernſt zu Luͤneburg, und Hertzog Heinrich zu Mecklen - burg. Mit dieſen ſpeiſte einmahl D. Luther a parte, als nun der Hertzog zu Luͤneburg ſehr heff - tig uͤber das unmaͤßige Sauffen bey Hofe klagte, und meldete, daß gleichwohl bey ſolcher Voͤllerey ein iedweder ein guter Chriſt ſeyn und heiſſen wolte, welches gar ein groſſer Ubelſtand waͤre / dem man billich wehren ſolte, antwortete D. Luther darauf: Da ſoltet billich ihr Herren und Fuͤrſten daran thun, ja ſagte Hertzog Ernſt wir thun freylich da - zu, ſonſt waͤre es laͤngſt abkommen. S. Müll. Annal. Saxon. p. 81.
§. 65. Der letzte Gang, der auf die Fuͤrſtl. Ta - feln koͤmmt, beſtehet in Confecturen. Wie die - ſelben auf unterſchiedene ſinnreiche Weiſe aufge - ſetzt werden, iſt in dem vorhergehenden geſagt worden. Anno 1705 ward uͤber der Fuͤrſtlichen Tafel zu Bareuth an einem Geburths-Tage bey dem Confect die neu erbaute Stadt S. Georgen nebſt ihren Hafen, groſſen See, und darauf liegen - den Schiffen ſehr kuͤnſtlich vorgeſtellt. So baldH 4nun120I. Theil. VIII. Capitul. nun die Confituren aufgeſetzt werden, pflegen biß - weilen einige Printzen und andre Fuͤrſten, ſo die Gnade gehabt bey den hoͤchſten Haͤuptern der Chriſtenheit uͤber der Tafel zu ſeyn, aufzuſtehen, und ihre Aufwartung hinter der Tafel mit zu ma - chen. An den Teutſchen Fuͤrſtlichen Hoͤfen pfle - gen alsdenn der Hof-Marſchall, Hauß-Marſchall oder wer ſonſt in ſeiner Abweſenheit den Stab fuͤhrt, von den Marſchalls-Tafeln aufzuſtehen, und mit den ſaͤmtlichen Cavalieren ſich bey der Herr - ſchafft zur Aufwartung einzufinden.
§. 66. Unter der Tafel werden bey Solennitæ - ten ſchoͤne Muſiquen gehoͤrt, bißweilen beſtehen ſie nur in Trompeten und Paucken, zuweilen aber auch in der ſchoͤnſten Vocal - und Inſtrumental - Muſic, es werden Caſtraten und Cantatricen da - bey gehoͤrt, die mehrentheils Jtaliaͤniſche Piecen dabey abzuſingen pflegen. Finden die Fuͤrſtlichen Herrſchafften ein Gefallen unter Krieges-Gezel - ten, oder in Jagt - und Forſt-Haͤuſern, oder nach Art einer Bauer-Hochzeit, oder bey einer andern Verkleidung zu ſpeiſen, ſo wird die Muſique, da - mit alles zuſammen harmoniren moͤge, darnach eingerichtet. Bißweilen wird um das Gebaͤude, darinnen Sie Tafel halten, wo es ſich ſchicken will, ein Gang den Fenſtern gleich angelegt, darinnen ſich ein Jahrmarckt præſentirt, bey dem die Buden mit lauter Galanterie-Waaren auf das zierlichſte ausgeziert, und den Fuͤrſtlichen Herrſchafften bey der Tafel zu einen angenehmen Spectacul dienet. Bey121Von dem Tafel-Ceremoniel. Bey Solennitæten pflegt es manchmahl zu geſche - hen, daß die gantze Tafel, wie ſie mit allen Spei - ſen und Confituren beſetzt geweſen, den Zuſchauern, zum Vergnuͤgen der Herrſchafft, Preiß gegeben wird.
§. 67. Jſt es den Fuͤrſtlichen Herrſchafften ge - legen von der Tafel aufzuſtehen, ſo ruͤckt der vor - nehmſte Miniſter, der hinter der Herrſchafft ſtehet, oder ein Cammer-Herr, oder ein Cammer-Jun - cker die Stuͤhle, die hernach ein Page vollends weg - nimmt, und an ihre gewoͤhnliche Stelle ſetzt, die uͤbrigen, die an der Fuͤrſtlichen Tafel mit ſitzen, wer - den von den andern Perſonen, ſo unter waͤhrender Tafel die Aufwartung bey ihnen gehabt, wegge - ruͤckt; wo ſie en Serviette oder ſonſt ohne Ceremo - nie ſpeiſen, pflegt auch wohl nur ein Page den Stuhl zu ruͤcken, und zugleich wegzuſetzen.
§. 68. Wenn Sie aufgeſtanden, ſo wird das Tiſch-Gebeth wieder von dem Hof-Prediger, oder einem andern Geiſtlichen, oder auch von einem Pagen wie vorher verrichtet. Hernach wird das Gieß-Becken oder das Glaß mit Waſſer nebſt Serviette, von eben denjenigen Miniſtris oder Be - dienten, wie vor der Tafel, den Herrſchafften ge - reicht. An den Hoͤfen wo es eingefuͤhrt, daß ſo wohl die Speiſen als Getraͤncke auf den Credenz - Tellern kniend uͤberreicht werden muͤſſen, wird auch das Waſſer zum Haͤnde waſchen kniend præſen - tirt. An einem und dem andern groſſen Hofe iſt es etwas beſonders, daß dem Fuͤrſten das WaſſerH 5nebſt122I. Theil. VIII. Capitul. nebſt der Serviette uͤberreicht wird, weil er noch bey der Tafel ſitzt. So findet man auch zuwei - len, daß ein Cammer-Diener oder Page einer Cam - mer-Fraͤulein die Serviette und das Gieß-Becken giebt, die denn hernach den Fuͤrſtlichen Perſonen damit aufwartet.
§. 69. Haben ſich die Fuͤrſtlichen Perſonen ge - waſchen, ſo begeben ſie ſich wieder in ihre Gemaͤ - cher. Zuweilen fuͤhrt der Fuͤrſt ſeine Gemahlin ſelbſt bey der Hand in ihr Gemach, mehrentheils aber ihr Ober-Hofmeiſter, oder ſonſt ein groſſer Miniſter, es muͤſte denn iemand von frembden Printzen oder vornehmen Cavalieren vorhanden ſeyn, der dieſes an ſtatt ihrer verrichtete. Als - denn bleiben die Fuͤrſtlichen Perſonen entweder eine Zeitlang beyſammen in einem Gemach, und laſſen diejenigen hinein ruffen, die ſie verlangen, oder eine iede verfuͤgt ſich in ihr Zimmer, oder wo ſie ſonſt hin will. An den Fuͤrſtlichen Hoͤſen in Teutſchland pflegt der Hof-Marſchall mit den Hof-Cavalieren vor der Herrſchafft wieder in die Zimmer zu gehen / auf eben die Art, wie ſie dieſelben zur Tafel ge - fuͤhret.
§. 70. Jmmittelſt wird die Fuͤrſtliche Tafel von den Fuͤrſtlichen Laquais abgeraͤumet, und die Spei - ſen, nebſt allem Tafel-Geraͤthe an gehoͤrige Oerter verwahrlich aufbehalten. An dem Kayſerlichen Hofe iſt es etwas beſonders, daß die Kayſerliche Herrſchafft, wenn ſie ſich auf den Land-Haͤuſern befindet, dem Trenchir-Fraͤulein ein Zeichen zumAuf -123Von dem Tafel-Ceremoniel. Aufheben giebt, dieſe giebt den Dames alle Spei - ſen, und von dieſen nehmen es wieder die Cammer - Diener; es ſoll dieſes bey iedem Gange, und bey den Confituren ebener maßen ſo gehalten werden. An dem Koͤniglich-Spaniſchen Hofe, wo man in allen Stuͤcken ungemein viel Ceremonien vor - nimmt, hat man auch bey dem Aufheben der Tafel ungemein viel ceremonieuſe Handlungen. Der Groß-Becken - oder Brod-Meiſter hebt die Schaa - len und das Saltzfaß von der Tafel ab, und giebt ſie dem Aufſeher des Brodts und Backwercks, der ſie auf einen Bey-Tiſch traͤgt, woſelbſt er eine ge - faltene Serviette nimmt, und ſelbige dem Groß - Becken - oder Brodt-Meiſter giebt, um ſie Jhrer Majeſtaͤt zu præſentiren, wenn Sie die Haͤnde zu waſchen begehren. Der Ober-Hofmeiſter nimmt ſodann das eine Tafel-Tuch ab, und giebt es dem Aufſeher uͤber das Brodt und Backwerck, der es kniend annimmt, und auf den Schenck-Tiſch traͤgt. Jſt das erſte Tafel-Tuch von der Tafel genom - men, ſo faltet der Groß-Becken - oder Brodt-Mei - ſter eine Serviette, nimmt dieſelbe an einem, der Vorſchneider aber am andern Ende, und laſſen ſich ſodann alle beyde vor den Koͤnig auf die Knie nieder.
§. 71. Hierauf kommt der Ober-Mundſchen - cke, und haͤlt in der rechten Hand eine Gieß-Kan - ne, in der lincken aber ein Gieß-Becken, laͤſt ſich ſodann auf ein Knie nieder, und giebt dem Koͤnig das Waſſer zu waſchen. Hat ſich der Koͤnig dieHaͤnde124I. Theil. IX. Capitul. Haͤnde gewaſchen, ſo trocknet er dieſelben an der Serviette ab, welche der Groß-Becken - oder Brod - Meiſter und der Ober-Mundſchencke uͤber der Ta - fel halten. Hat ſich der Koͤnig die Haͤnde abge - trocknet, nimmt der Groß-Almoſenirer das ande - re Tafel-Tuch von der Tafel, und giebt es dem Aufſeher uͤber das Brodt und Backwerck, welcher daſſelbe auf den Schenck-Tiſch traͤgt. Der Ober - Hauß-Marſchall und ſeine Gehuͤlffen nehmen die Tafel weg, und der Groß-Almoſenirer ſagt das Gratias, um welche der Koͤnig ſteht. Der Vor - ſchneider macht ſodann die Kleidung des Koͤniges, wegen der Serviette, ſo er die gantze Mahlzeit durch uͤber der Achſel gehabt, wieder zurecht, und kuͤſt Jhrer Majeſtaͤt die Hand. Der Koͤnig wird von dem Ober-Hofmeiſter und den Hofmeiſtern in ſein Zimmer begleitet, und der Ober-Hofmeiſter begiebt ſich nebſt allen Bedienten, ſo dem Koͤnig bey der Tafel aufgewartet, zur Mahlzeit.
§. 1.
Es geſchicht bißweilen, daß die Landes-Re - genten, theils ihres Plaiſirs, offtmahls aber auch ihres Beruffs und der unver - meidlichen Angelegenheiten des Landeshalber,125Von den Reiſen der Fuͤrſtl. Herrſchafft. halber, in auswaͤrtige Provintzien eine Reiſe antre - ten. Bevor ſolches geſchicht, pflegen diejenigen Fuͤrſten, ſo nicht vollkommen en Souverain regie - ren, ihren Reichs-Staͤnden, oder denjenigen Col - legiis und Verſammlungen, ſo dieſelben vorſtellen, als in Engelland den Parlaments-Haͤuſern, einige Notification davon zu ertheilen, und auf gewiſſe Maße, wenn dergleichen etwan den Pactis Con - ventis, Capitulationen oder Fundamental-Geſe - tzen des Reichs gemaͤß, nach Anfuͤhrung der Mo - tiven, ſo ſie zu dieſer Reiſe bewegen, ihre Einwilli - gung auf gewiſſe Maße zu verlangen. Alſo iſt in der neuen Koͤniglich-Schwediſchen Regierungs - Forme, ſo von den Reichs-Staͤnden anno 1719 publicirt worden, §. 10, ausgemacht, daß die Koͤ - nige, ohne Einwilligung und Genehmhaltung der Staͤnde, nicht aus dem Reich, noch auſſer deſſelben Grentzen reiſen ſollen.
§. 2. Bevor ſie die Reiſe antreten, tragen ſie die Regierung des Landes, entweder einem von ihren Printzen oder ſonſt iemand von den Fuͤrſtlichen An - verwandten auf, der im Nahmen ihrer alles beſor - get, und verweiſen muͤndlich und ſchrifftlich alle Be - diente und Unterthanen, die bey Hofe etwas zu ſuchen haben, an diejenigen, die ſie in ihrer Abwe - ſenheit zu Landes-Regenten beſtellet. Als Fuͤrſt Wolfgang von Anhalt anno 1517 ihm eine Reiſe auſſerhalb Landes vornahm, ſo erſuchte er Frau Margarethen, Fuͤrſt Ernſts von Anhalt Gemahlin, daß ſie geruhen moͤchte, bey ſeiner Abweſenheit dieAdmi -126I. Theil. IX. Capitul. Adminiſtration ſeiner Lande zu fuͤhren, ſie wei - gerte ſich auch deſſen im geringſten nicht, und ſchrieb mit eigener Hand die ſchertzhaffte Antwort zuruͤck: Weil mir Ewre Liebden die Haußhaltung anbe - fehlen, ſo will ich gern als ein alter Ketten-Hund bellen, ſo viel ich kan, es mag lauten wie es will.
§. 3. Wo es ſich aber nicht thun laͤſt, daß ſie die Regierung einem von ihren Fuͤrſtl. Anverwandten anvertrauen, ſo benennen ſie gewiſſe Raͤthe und Miniſtres, die in ihren Nahmen, und nebſt Com - munication mit den Reichs - oder andern Staͤn - den, bey wichtigen Angelegenheiten alles expedi - ren; ſie reſerviren ſich aber hierbey gewiſſe Pun - cte, und befehlen ihnen an, daß ſie bey dieſen alles mit ihnen uͤberlegen, und nichts ohne ihre Genehm - haltung, es muͤſte denn ſummum periculum in mora ſeyn, entſchlieſſen ſolten.
§. 4. Vor der Reiſe erwehlen ſie diejenigen Ca - valiere und andere Bediente, die ſie auf die Reiſe mitnehmen wollen, und reguliren, nachdem ſie ent - weder oͤffentlich ihrem Stande gemaͤß, oder, wie es mehrentheils zu geſchehen pflegt, incognito rei - ſen wollen, oder nach den unterſchiedenen Endzwe - cken / die ſie ſich bey ihrer Reiſe vorgeſetzt, eine groͤſſere oder kleinere Hofſtatt. Uber diejenigen Bedienten, ſo uͤber die Pferde und Waͤgen geſetzt, nehmen ſie, zu Beſorgung ihrer Seele, einen oder mehr Reiſe-Prediger zu ſich, zu Beſorgung ihrer Geſundheit einen Leib-Medicum, Reiſe-Apothe - cker, und Reiſe-Balbier, zur Erhaltung ihres Leibesdie127Von den Reiſen der Fuͤrſtl. Herrſchafft. die Bedienten, die bey der Kuͤche und Kellerey noͤ - thig, zum Staat einen Reiſe-Marſchall, oder Rei - ſe-Stallmeiſter, nebſt einen oder zwey Cammer - Junckern, und zur Aufwartung einige Pagen, Cam - mer-Diener und Laquais, vor allen aber einen Rei - ſe-Fourier.
§. 5. Nachdem ſie nun von ihren Fuͤrſtlichen Anverwandten und von ihren Miniſtres Abſchied genommen, ſo treten ſie im Nahmen GOttes ihre Reiſe an, nach dem Plan, den ſie ſich vorher ge - macht, damit ſie zu Mittag und Abends diejenigen Oerter erreichen, die ſie ſich zur Mittags-Mahlzeit, und zum Nacht-Lager auserſehen. Der Reiſe - Fourier muß allezeit voraus gehen, damit ſie aller Orten ſo wohl die benoͤthigten Poſt-Pferde, als auch ſonſt gute Anſtalten finden moͤgen. Wo in ihren eigenen Landen die Wege, entweder zur Winters-Zeit wegen des Schnees impracticabel worden, oder auch ſonſt uͤbel und gefaͤhrlich zu pas - ſiren ſind, ſo befehlen ſie ihren Beamten an, daß die Bauern die Wege ausbeſſern, die Bruͤcken re - pariren, und alles auf den Straſſen, ſo weit die Grentzen ihres Reichs und ihres Gebiethes gehen, in guten Stand ſetzen.
§. 6. Sie laſſen ſich ſo wohl in ihrem eigenen Lande als in fremden Laͤndern gnaͤdig gefallen, auf geſchehene Invitation, bey denjenigen einzuſpre - chen, die weit geringer ſind als ſie, und ſind mit der hoͤflichen Bewirthung, die ihnen ein iedweder nach ſeinem Vermoͤgen leiſtet, gar wohl zufrieden. Diehoͤch -128I. Theil. IX. Capitul. hoͤchſten Haͤupter der Welt ſtatten nicht allein bey ihrer Durchreiſe, zur Bezeugung ihrer Gnade, bey manchen Printzen und Grafen einen freundſchafftl. Beſuch ab, ſondern kehren auch wohl nur bey man - chen von Adel ein, um ihr Mittags-Mahl bey ihm einzunehmen, oder ihr Nacht-Lager in ſeinem Hau - ſe zu halten. Bey ihrer Abreiſe, pflegen ſie gemei - niglich diejenigen, ſo ſie bewirthet, auf das reichlich - ſte zu beſchencken.
§. 7. Die Roͤmiſch-Catholiſchen Fuͤrſten pfle - gen auf ihren Reiſen gerne in den Kloͤſtern einzu - kehren, und ſo wohl die Marien-Bilder, als auch andere Heiligen, vor die ſie etwan eine beſondere Veneration haben, oder denen ſie ein Geluͤbde ge - than, mit Gold, Silber und Kleinodien zu regali - ren, und wo ſie ſelbſt nicht zu dieſer Freygebigkeit geneigt waͤren, ſo wiſſen die Herren Patres, inſon - derheit aber die Jeſuiten ſie mit trefflichen Floſcu - lis der Beredtſamkeit und kraͤfftigen Argumenten hiezu zu animiren.
§. 8. Gleichwie ſie gemeiniglich auf Reiſen in vielen Stuͤcken ihren Fuͤrſtlichen Splendeur ein we - nig renunciren, alſo laſſen ſie viel leichter, als biß - weilen in ihrem eigenen Lande, manche Fremde, in - ſonderheit aber die Cavaliers und Dames, zum Hand-Kuß.
§. 9. Bißweilen reiſen ſie andern Fuͤrſtlichen Reſidentzen ſo weit aus dem Wege als ſie koͤnnen, wo entweder ihre Reiſe ſehr preſſant iſt, und ſie daſelbſt einigen Aufhalt vermuthen, oder wo ſiewegen129Von den Reiſen der Fuͤrſtl. Herrſchafft. wegen des Rang-Ceremoniels ſtreitig, oder ſonſt mit derſelben Herrſchafft in keinem guten Verneh - men ſtehen, und alſo kein recht angenehm Acceuil vermuthen. Wo ſie es aber nicht aͤndern koͤnnen / ſo reiſen ſie zwar durch, aber nur incognito, laſſen ſich bey Hofe nicht melden und ſchicken auch keinen Cavalier nach Hofe, um ein Compliment daſelbſt bey der Herrſchafft abzulegen.
§. 10. Auſſer dem aber, wo ſie bey einer Fuͤrſtli - chen Reſidentz anlangen, ſchicken ſie einen Cavalier zu der frembden Herrſchafft, laſſen ſich durch ein Compliment ihres Zuſtandes erkundigen, ihre An - kunfft zu wiſſen thun, und ſich entweder durch den Cavalier bey der Herrſchafft anmelden, oder ent - ſchuldigen, daß ihre eilfertige Reiſe nicht verſtatten wolte, daß Sie Jhnen ihre Schuldigkeit bezeugen, oder ihren Beſuch bey Jhnen abſtatten koͤnten. Die Herrſchafft derſelben Reſidentz laͤſt hierauf durch einen von ihren Cavalieren ein freundlich und obligeant Gegen-Compliment machen, und Sie entweder auf das hoͤflichſte zu ſich laden oder laſ - ſen Sie doch in dem Wirths-Hauſe oder Poſt - Hauſe, wo ſie abtreten, mit ihrer gantzen Hofſtatt defrayiren; Und wo dieſes nicht geſchicht, ſchicken ſie ihnen doch aus Jhrer Fuͤrſtlichen Kuͤche und Kellerey, mancherley Delicateſſen an Speiſen und Getraͤncken zu. Bißweilen fahren ſie auch ſelbſt zu Sie vom Schloß herunter, und geben Jhnen ei - ne kurtze Viſite.
J§. 11.130I. Theil. IX. Capitul.§. 11. Jn Jtalien iſt es mehrentheils gebraͤuch - lich, daß frembde durchreiſende Printzen von an - dern Fuͤrſten, oder auch von Republiquen und Staͤdten, mit raren Weinen, Confituren und man - cherley Arten friſchen Obſtes regaliret werden. Und wann die Fuͤrſten in Teutſchland durch die Reichs-Staͤdte oder andere anſehnliche Staͤdte paſſiren, ſo werden ſie, nach einer alten hergebrach - ten Gewohnheit, gemeiniglich von dem Magiſtrat mit dem Ehren-Wein, mit Hafer, und gewiſſen raren Fiſchen, als Forellen u. ſ. w. beſchenckt.
§. 12. Wenn andere Fuͤrſten den Durchreiſen - den beſondere Hoͤflichkeit erzeigen wollen ſo befeh - len ſie den Gouverneurs und Commendanten der Staͤdte und Feſtungen an, daß ſie Dieſelben nicht allein becomplimentiren, ſondern auch bey ihrer Ankunfft und Abreiſe mit Stuͤcken ſalutiren muͤſ - ſen. Es werden ihnen zu Ehren, vor ihre Quar - tiere, in denen ſie logiren, Wachen geſetzt, und die Milice aller Orten beordert, daß ſie ihnen Parade machen, und nach Soldaten Manier diejenige ho - neur erzeigen muͤſſen, die ſie ihrer eigenen Herr - ſchafft zu erweiſen pflegen.
§. 13. Haben die durchreiſenden Fuͤrſten et - wan unſichere Waͤlder oder andere ſchlimme Ge - genden zu paſſiren, ſo werden einige von der Milice oder von der Jaͤgerey befehliget, daß ſie dieſelben convoyren muͤſſen, es wird ihnen auch wohl zu ih - rer Ehre und Sicherheit eine eigene Eſcorte durch das gantze Land mitgegeben. Die Bauern wer -den131Von den Reiſen der Fuͤrſtl. Herrſchafft. den allenthalben aufgebothen, um die boͤſen Wege, ſo die frembde Herrſchafft treffen wuͤrde, auszubeſ - ſern. Wenn ſie die Grentzen eines Landes, deſſen Regente ihnen ſo viel Hoͤflichkeit auf ihrer Reiſe angethan, verlaſſen, ſo laſſen ſie ſich entweder durch ein abgelaſſenes Schreiben, oder durch einen von ihren Bedienten, den ſie zuruͤck ſchicken, bey dem Beſitzer des Landes auf das freundlichſte vor die - ſes civile Tractament bedancken.
§. 14. Begeben ſich geeroͤnte Haͤupter, oder an - dere groſſe Printzen auf die Flotten, die ſie ander - werts hin convoyiren muͤſſen, zu Waſſer, ſo wer - den aus den Staͤdten und Caſtellen alle Canonen geloͤſet, und eben dieſes thut man auf der gantzen Flotte, wenn der Fuͤrſt in ſein Leib-Schiff ſteigt. Es werden Schiffe voraus geſchickt, den benoͤthig - ten Piloten zuzuruffen, damit ſie ſich vor die Sand - Baͤncke in acht nehmen, auch ſich zugleich ihrer zur naͤhern Anlaͤndung bedienen zu koͤnnen.
§. 15. Derjenige Matroſe, ſo auf den groͤſten Maſtbaum ſteigt, und das Land zuerſt entdeckt, wird von dem groſſen Herrn beſchenckt. Wenn ſie anlaͤnden, werden ſie von den Caſtellen und al - len Schiffen des Ufers ſalutiret, worauf nachge - hends von des Fuͤrſten Haupt-Leib-Schiff, und folgends von der gantzen Flotte gedancket wird. Jſt nun die Ankunfft eines groſſen Printzen dem Herrn des Landes und des Volcks hoͤchſt erwuͤnſcht und angenehm, ſo kommt er ihm mit dem mehreſten Theil ſeiner Hofſtatt auf Schiffen entgegen, dieJ 2Matro -132I. Theil. X. Capitul. Matroſen ſind alsdann auf das praͤchtigſte geklei - det, auf dem Haupt-Schiff ſteckt eine vortreffliche Standarte, und an deſſen Vordertheil laſſen ſich Trompeter hoͤren. Andere von den Groſſen des Landes kommen ebenfalls entgegen, lagern ſich um das Leib-Schiff, und ruffen vielmahls mit dem am Ufer ſtehenden Volck ein hoͤchſt erfreuliches Vivat, Vivat aus.
§. 1.
Es geſchicht nicht ſelten, daß diejenigen, ſo ſonſt Laͤnder und Unterthanen zu beherr - ſchen pflegen, bey ihren Vermaͤhlungen ihren eigenen Willen beherrſchen, und ſich mit einem Ehegatten verbinden muͤſſen, nicht, wie ſie ihn ſonſt nach dem natuͤrlichen und freyen Zuge ihres Hertzens erwehlen wuͤrden, ſondern, wie ſie nach ihren beſondern Staats-Abſichten hierzu genoͤthiget werden.
§. 2. Bißweilen ſuchen ſie ſich nach ihrer eige - nen Willkuͤhr eine Gemahlin aus, ohne iemand darum zu befragen, bißweilen aber erwehlen ſie die - jenigen, die ihre Hoch-Fuͤrſtliche Eltern ihnen vor - ſchlagen, oder pflegen doch dieſerhalben des Bey - raths mit ihren Hoch-Fuͤrſtlichen AnverwandtenEs133Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. Es geſchicht auch wohl, daß entweder ſie ſelbſt, oder ihr Hoch-Fuͤrſtlicher Herr Vater, den hierunter geſaßten Schluß, oder ihre Hertzens-Meynung, auf welch Hoch-Fuͤrſtlich Hauß ſie inſonderheit refle - ctiren, den Staͤnden des Reichs und ihrer Lande, oder denjenigen Collegiis, welche die geſammten Staͤnde vorſtellen, vorher zu wiſſen thun; ſie ver - ſichern ihre Unterthanen, daß aus dieſer Eh-Al - liance viel gute Suiten entſtehen wuͤrden, und ver - langen auch wohl von ihnen einige Subſidien-Gel - der zur Beſtreitung der hierzu erforderlichen Un - koſten.
§. 3. Nachdem die groſſen Herren nicht ſo leicht zuſammen reiſen koͤnnen, als wie Privat-Perſonen, ſo laſſen ſie ſich gemeiniglich vorher die Portraite des Printzen oder der Princeßin, mit der ſie ſich zu alliiren gedencken, zuſchicken und befehlen den Mah - lern auf das ſchaͤrffſte, daß ſie ja nicht flatiren, oder die Copie ſchoͤner abſchildern ſollen, als das Ori - ginal iſt. Oeffters trauen die Printzen hierunter den Mahlern nicht, ſondern reiſen lieber ſelbſt an denjenigen Hof, und ſolten ſie es auch incognito thun, wo ſich ihre auserſehene Braut aufhaͤlt, und nehmen ſie in Augenſchein.
§. 4. Es iſt eine ſeltzame Sache, wenn zu Zei - ten, Hoch-Fuͤrſtliche Kinder, nach dem Schluß ihrer Eltern oder ihrer andern Anverwandten, in denjenigen Jahren, da ſie nicht verſtehen was Ver - lobung und Eheſtand iſt, mit einander aus Staats - Raiſons verlobet werden. Die alten und neuenJ 3Ge -134I. Theil. X. Capitul. Geſchichte ſind mit dergleichen Exempeln angefuͤllt. S. Carmons Diſſ. de Sponſalibus illuſtrium in incunabulis. Man hat aber auch gar oͤffters er - fahren, daß ſie, wenn ſie zu reifern Verſtande kommen, dergleichen Verloͤbniſſe ſelbſt eigenmaͤch - tiger weiſe trennen, die erſte Braut, die ihnen zu - gedacht geweſen, fahren laſſen, und ſich eine andre erwehlen. Dergleichen vorgeſchlagene Heyrath iſt auch bißweilen von den Hoch-Fuͤrſtlichen El - tern oder Angehoͤrigen, wegen der beyderſeits noch unzeitigen Jahre, nebſt gebuͤhrender Danckſagung durch eine hoͤfliche Vorſtellung declinirt worden. Zu Zeiten wird bey dergleichen Fall in den Ehe - Stifftungen beredet, daß der Braͤutigam der Braut, nach Verflieſſung ſechs oder acht Jahre, wofern inzwiſchen keine weitere prorogation er - folgt, zu ſeinem ehelichen Gemahl nehmen, und keine andre Gemahlin haben ſoll. Es wird auch wohl eine Conventions-Strafe darauf geſetzt, daß auf den Fall da einer von dieſen beyden contrahi - renden, und zwar in einigen Puncten, dieſen nicht nachgehen oder ſich ſaͤumig dabey erweiſen wuͤrde, dem andern ſo und ſo viel bezahlen ſolte.
§. 5. Gehen die unter den Fuͤrſtlichen Perſo - nen verabredeten Verloͤbniſſe wieder zuruͤck, ſie moͤgen nun unter denen die von juͤngern oder aͤl - tern Jahren ſind, ſeyn geſchloſſen worden, ſo wer - den gemeiniglich die Præſente und Verſprechungs - Pfaͤnder wieder zuruͤck genommen.
§. 6.135Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen.§. 6. Die Anwerbung um die Hoch-Fuͤrſtliche Braut, geſchicht bißweilen von einem Printzen ſelbſt bey den Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern, Vormun - den oder andern Angehoͤrigen, unter deren Dire - ction die Princeßin ſtehet. Jedoch iſt es bey Vermaͤhlung eines Roͤmiſchen Kayſers oder Koͤ - nigs durch eine lange Obſervanz hergebracht, daß derſelbe niemahls perſoͤnlich oder unmittelbahr in ſeinen Nahmen um die Braut, und kuͤnfftige Ge - mahlin, ſo nur Hertzoglichen oder Reichs-Fuͤrſtli - chen Herkommens iſt, anwirbt, oder anhalten laͤſt, ſondern es wird allezeit ein Churfuͤrſt oder andrer groſſe Fuͤrſt erſucht, bey dieſer Heyraths-Hand - lung einen Unterhaͤndler oder Procurator abzuge - ben. Dieſe Obſervanz ruͤhret aus einer beſon - dern Prærogativ her, die ſich ein Roͤmiſcher Kay - ſer oder Koͤnig als Ober-Haupt des gantzen Roͤ - miſchen Reichs vor andern groſſen Puiſſancen vor - behaͤlt.
§. 7. Gemeiniglich wird ein groſſer Miniſter als Abgeſandter mit einem Creditiv und Voll - macht von dem Fuͤrſten ſelbſt, oder von ſeinem Herrn Vater an den fremden Hof abgeſchickt, um bey den Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern oder ihren An - verwandten, und zugleich bey der Princeßin ſelbſt anzuwerben, und das Ja-Wort zu hohlen, und die uͤbrigen Tractaten als die Ehe-Stifftungen, Wit - thums-Verſchreibungen, Verzicht-Briefen, Leib - gedings, Wiederfalls, Gewiſſens-Freyheits und andre Verſicherungen auszuwechſeln und zu re -J 4guli -136I. Theil. X. Capitul. guliren. Der Herr Geheimbde Rath Ludwig gedencket in ſeiner Diſſertation de matrimoniis Principum per Procuratores, daß er einſten einen gewiſſen maͤchtigen Fuͤrſten in Teutſchland bedient geweſen, der es uͤbel aufgenommen haͤtte, daß er um den ehelichen Contract zu Stande zu bringen, bloß einen Hof-Rath abgeſchickt gehabt, da es doch gewoͤhnlich waͤre, daß bey Anwerbung um eine Braut, von demjenigen, die befugt waͤren einen Ambaſſadeur zu ſchicken, entweder ein Ambaſſa - deur oder doch ſonſt ein Geheimbder Rath und groſſer Miniſter abgeſchickt wuͤrde; es wuͤrde nicht wohl ſtehen, wenn die Fuͤrſtliche Braut an denje - nigen, der nicht von dem hoͤchſten Range, die Hand geben ſolte.
§. 8. Die abgeſchickten Miniſtri legen bey einer ſolennen Audienz eine wohlgeſetzte Anwerbungs - Rede ab, ſo wohl bey den Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern, Groß-Eltern, Vormuͤndern u. ſ. w. als auch bey der Princeßin; ſie entdecken die Intention ihres Hoch-Fuͤrſtlichen Herrn Principalen, und erſuchen Sie hierauf ihm mit einem vergnuͤgten Jawort zu erfreuen. Hierbey uͤberliefern ſie bißweilen das Portrait des Hoch-Fuͤrſtlichen Herrn Braͤutigams, welches ſtarck mit Diamanten beſetzt, zum Unter - pfand ſeiner Liebe mit der Verſicherung, daß er ſich ſelbſt reſervirte, bald im Original darzuſtellen.
§. 9. Bißweilen verweiſen die Princeßinnen die poſitive Reſolution und die anwerbenden Herren Geſandten zu ihren Eltern oder Vormuͤndern, undſtellen137Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. ſtellen es in deren Conſens und Vorwiſſen. Biß - weilen iſt aber ſchon alles richtig und bereits con - certirt, die Princeßin Braut iſt bey der Audienz und bey der Anwerbung ſelbſt gegenwaͤrtig. Sie wird von ihren Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern darum be - fragt, und ſie erklaͤhret ſich in Gegenwart des Herrn Abgeſandten, vermittelſt eines Reverence, in Fa - veur des Herrn Braͤutigams. Eines von den Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern haͤngt manchmahl mit ei - gener Hand das von dem Herrn Abgeſandten en mignature uͤberbrachte Bildniß des Herrn Braͤu - tigams der Princeßin an die Bruſt.
§. 10. Jſt der Abgeſandte bey ſeiner Anwerbung gluͤcklich geweſen, ſo ſtattet er im Nahmen ſeines Principalen eine ſolenne Danckſagung in einer zierlichen Rede ab, bringet vor den Fuͤrſtlichen Herrn Braͤutigam ein ander Præſent, welches ent - weder in einem hochſchaͤtzbaren Ringe, oder koſtbar eingefaßtem Bildniß der Princeßin beſtehet, mit zuruͤck, und wird von ſeinem Herrn, wegen des an - genehmen mit ſich zuruͤck gebrachten Jaworts, und gluͤcklich vollendeten Expedition, wohl recompen - ſiret; unterweilen bekommt er auch von dem an - dern Hofe, an dem er negociret, wenn ſeine Per - ſon angenehm geweſen, noch darzu ein Præſent.
§. 11. Mit Regulirung der Ehe-Pacten wird bißweilen lange Zeit zugebracht. Es wird darin - nen determiniret, wie viel der Braut Vater zur Ausſtattung mitgeben will, was ſie an Geld und Silber-Geſchirr / Kleinodien und Jubelen, PerlenJ 5und138I. Theil. X. Capitul. und Edelſteinen mitbringt, wie ſie wegen des Ge - gen-Vermaͤchtniſſes ſoll verſichert, und mit dem Leib-Gedinge verſorget werden. Von einigen Jahrhunderten her iſt in Teutſchland der beſtaͤndi - ge Gebrauch geweſen, daß an ſtatt der gewiſſen Rheiniſchen Guͤlden an Golde, die dem Braͤuti - gam zum Heyraths-Guth verſprochen worden, die Braut hingegen auf ſo und ſo viel tauſend Rheini - ſche Gold-Guͤlden jaͤhrlicher Nutzungen verleibdin - get; die Morgen-Gabe aber, theils nach einer ge - wiſſen ausgedruckten und verabredeten Summe, theils in genere nach dem Herkommen und der Ge - wohnheit eines gewiſſen Hoch-Fuͤrſtlichen Hauſes verſprochen wird.
§. 12. Vor Zeiten haben die Teutſchen Fuͤrſten bey den Fuͤrſtlichen Ehe-Beredungen zu mehrer Verſicherung vier von ihren Grafen, ſo viel von den anſehnlichen Staͤnden ihrer Ritterſchafft, und eben ſo viel von ihren Staͤdten zu Buͤrgen geſetzt. Heutiges Tages aber werden ſie nur von den Fuͤrſtlichen Contrahenten und Agnaten unterſchrie - ben, und gar oͤffters Jhrer Roͤmiſchen Kayſerlichen Majeſtaͤt zur Confirmation uͤbergeben.
§. 13. Damit nicht etwan zwey maͤchtige Rei - che in Europa, zum groſſen Præjudiz der andern Puiſſancen, inſonderheit aber der Nachbarn, uͤber lang oder kurtz, durch eine Heyrath mit einander vereiniget werden, ſo werden die Koͤniglichen Prin - ceßinnen als Braͤute genoͤthiget, in ihren Ehe-Pa - cten allen An - und Zuſpruͤchen, die ſie oder ihreNach -139Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. Nachkom̃en in ewigen Zeiten auf dieſe Laͤnder u. Koͤ - nigreiche machen koͤnten eydlich zu renunciren. Alſo muſte die Spaniſche Infantin, Fr. Maria Thereſia, als ſie mit dem Koͤnig in Franckreich Ludwig XIV vermaͤhlet ward, auf das buͤndigſte abſchweren, daß ſie ſich an den Spaniſchen Landen keine Ge - walt oder Rechte mehr anmaſſen wolte, ſie moͤch - ten ihr auch zufallen, woher ſie nur immer wolten, und dieſes alles ohn einige Widerrede, Exception, Reſtitution, Abſolution oder Diſpenſation Paͤbſt - licher Heiligkeit.
§. 14. Bey den Roͤmiſch-Catholiſchen wird ge - meiniglich in die Ehe-Pacta mit eingeruͤckt, daß ſich die Fuͤrſtlichen Contrahenten wolten gefallen laſ - ſen, den Pabſt zu erſuchen, daß er dieſe Heyraths - Abrede approbiren, und ſeinen Apoſtoliſchen See - gen daruͤber ertheilen moͤchte. Sind Braut und Braͤutigam etwan mit allzunaher Bluts-Freund - ſchafft und Verwandtſchafft einander zugethan, ſo wird in den Ehe-Stifftungen verſprochen, daß ſie Paͤbſtliche Diſpention vorher anſchaffen wollen. Die Paͤbſte ſind mit Ertheilung dieſer Diſpenſa - tionen gemeiniglich gar facil, und wenn auch gleich dieſe Verwandtſchafft, wie vielmahls am Franzoͤ - ſiſchen Hofe geſchehen, aus einem unehlichen Bet - te entſtanden waͤre.
§. 15. Wie der Roͤmiſche Hof auch in dieſem Stuͤck zu unterſchiedenen mahlen bey den Fuͤrſten in Teutſchland einige Unordnung anrichten wollen, iſt aus unterſchiedenen Exempeln der aͤltern undneuern140I. Theil. X. Capitul. neuern Zeiten bekandt. Jn dem II. Theil der von Herrn Luͤnig edirten Teutſchen Rechs-Cantzley findet man pag. 391. ein Schreiben, der auf dem Reichs-Tage zu Regenſpurg verſommleten Ge - ſandten der Evangel. Chur-Fuͤrſten und Staͤnde an den Kayſer Leopoldum, daß ſie das, dem Herrn Hertzog Chriſtian zu Mecklenburg, uͤber die vom Pabſt zu Rom erhaltene Diſpenſation, zu vorge - nommener anderweitigen Ehe, ertheilte decretum confirmatorium caſſiren, und dergleichen Unfug im heiligen Roͤmiſchen Reich wieder alle Reichs - Conſtitutiones einreiſſen zu laſſen, nicht verſtatten moͤchten.
§. 16. Jn den Ehe-Pacten werden auch die Ti - tulaturen, die Curialien, und andre Ceremonielle, wenn die kuͤnfftige Gemahlin entweder aus einem hoͤhern oder geringern Stande iſt, ausgemacht. Churfuͤrſt Rudolph IV. aus dem Anhaltiſchen Stamm, nennte ſeine Gemahlin Annam, Land - grafens Baltzers in Thuͤringen Tochter, in der ihr ausgeſtellten Leib-Gedings-Verſchreibung, ſeine eheliche Wirthin. Es bedeutete dieſes uhralte teutſche Wort damahls eine Hauß-Frau, und hat man von alten Zeiten her einen Hauß-Vater Wirth genennet, heutiges Tages aber will es nicht in einer ſo vornehmen Bedeutung angeſehen wer - den.
§. 17. Es iſt von einigen Seculis her braͤuchlich geweſen, daß die Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen an an - dere Procuratores oder Gevollmaͤchtigte geſchehen. Biß -141Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. Bißweilen ſind die beyden Braͤute den andern nur angetrauet, bißweilen aber auch gar zum Schein bey gelegt worden. Offtmahls vertreten Fuͤrſtliche Anverwandten dieſe Stelle, manchmahl aber auch andre groſſe Miniſtri oder Generals. Fuggerus ein Oeſterreichiſcher Scribent / erzehlet in dem V. Buch Cap. 26. n. 16. daß ſich Hertzog Ludwig von Bayern Anno 1474. als Stellverweſer, im Nahmen Ertz-Hertzogs Maximiliani, die Princeſ - ſin an die Hand trauen laſſen, und nach Fuͤrſtli - chen Gebrauch das Beylager mit ihr gehalten. Er waͤre am rechten Fuß und Arm mit leichten Har - niſchen angethan geweſen, und zwiſchen ihnen bey - den haͤtte ein bloß Schwerd gelegen. Die Her - tzogin Margaretha ſammt der Ober-Hofmeiſterin Frauen von Halwin haͤtten auf der einen, und die Raͤthe auf der andern Seite geſtanden, und waͤre dieſe Trauung den 26 April um Mitternacht ver - richtet worden. Der Roͤmiſche Kayſer Joſephus haben dergleichen Procuratorem zweymahl abge - geben, einmahl da er ſich im Nahmen ſeines Herrn Bruders die Wolffenbuͤtteliſche Princeßin Eliſa - beth Chriſtinen, als itzige Roͤmiſche Kayſerin an - trauen ließ, und zum andernmahl, da er Procurato - rio nomine des Koͤnigs in Portugall mit ſeiner leiblichen aͤlteſten Schweſter, Maria Anna Joſe - pha, copulirt wurde; Alſo wurde auch die Hanno - veriſche Chur-Princeßin, ſtatt des Cron Printzens von Preuſſen, am den Koͤniglichen Preußiſchen Ge - neral von Finckenſtein, durch Prieſterliche Hand gegeben.
§. 18.142I. Theil. X. Capitul.§. 18. Bey den Roͤmiſch-Catholiſchen werden dieſe Copulationen durch eine beſondre Einſegnung mit vielen Ceremonien wiederhohlet. Die Ein - ſegnung geſchiehet meiſtentheils in der vornehm - ſten Kirche, auf einer praͤchtigen Eſtrade, ſo eini - ge Stuffen erhoben, mit rothen Sammet beleget, und auf der Seite mit koſtbaren Tapeten behan - gen. Uber der Eſtrade iſt ein Baldachin von ro - then Sammet, der mit Gold und Silber ausge - ſteckt, und mit den Hoch-Fuͤrſtlichen Wapen ge - ziert. Uber den Baldachin haͤngen bey Koͤnigli - chen Vermaͤhlungen Koͤnigliche Maͤntel von Sammet, mit reichen guͤldnen Brocat gefuͤttert, und ebenfalls geſtickt. Jn der Mitten, von den 4. Seiten des Baldachin, haͤngt eine guͤldne Car - touche mit des Koͤnigs und der Koͤnigin Nahmen, uͤber dem Baldachin ſchweben einige Figuren, welche die guͤldnen Cordons und Quaſten halten. Es wird dieſer Baldachin nebſt den Maͤnteln auf eine gar ſinnreiche Weiſe uͤber der gantzen Eſtra - de ausgebreitet, alſo daß der gantze Platz, wo die Ceremonie der Einſegnung geſchicht, von dem Bal - dachin bedeckt iſt. Unter dem Baldachin ſtehet etwan ein guͤldner Tiſch zwiſchen 2 guͤldnen Gueri - dons mit guͤldnen Leuchtern. Um dieſen Platz ſte - het das Koͤnigliche Hauß nebſt den Grandes des Hofes, und vornehmſten Dames, welche dieſer Proceſſion gefolgt waren.
§. 19. Ob ſchon bey der mit einem Gevoll - maͤchtigten geſchehenen Vermaͤhlung, nach Able -ſung143Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. ſung der Vollmachten, die Princeßin Braut von dem Biſchoff, der die Copulation verrichtet, befra - get wird, ob ſie den Hoch-Fuͤrſtlichen Herrn Braͤu - tigam, deſſen Stelle gegenwaͤrtiger Herr Gevoll - maͤchtigter vertritt, zu ihren kuͤnfftigen Eh-Gemahl verlangen, und ſie auch dieſes mit einem deutlichen Ja bekraͤfftiget, ſo wird ſie doch wegen der vorhin durch den Gevollmaͤchtigten geſchloſſenen ehelichen Verbindung erinnert und befragt, das von beyden Verlobten wiederholte Ja-Wort wird von dem Biſchoff befeſtiget. Dieſe Einſegnung wird durch eine vortreffliche Vocal - und Inſtrumental-Muſic begleitet. Der Biſchoff ſpricht nach verrichteten Gebeth den Seegen GOttes uͤber diß Paar. Die Stuͤcke werden geloͤſet, die Soldatesque giebt auſ - ſer der Kirche Feuer, und die Herrſchafft begiebt ſich unter Trompeten - und Paucken-Schall wieder nach Hauſe. Mit dieſen Ceremonien geſchahe Anno 1708 die Koͤnigliche Spaniſche Einſegnung zu Barcelona in der Dom-Kirche zu unſrer lieben Frauen, von dem Ertz-Biſchoff zu Tarragona, wel - chen 4 Biſchoͤffe und andre Praͤlaten beyſtunden. Von den unterſchiedenen Kayſerlichen, Koͤnigli - chen und Fuͤrſtlichen Heyrathen, die in den aͤltern und neuern Zeiten durch Gevollmaͤchtigte vollzo - gen worden, kan des weltberuͤhmten Koͤniglichen Preußiſchen Geheimbden Raths des Herrn Lud - wigs Diſſertation de matrimoniis Principum per Procuratores nachgeſchlagen werden.
§. 20.144I. Theil. X. Capitul.§. 20. Vielmahls pflegen die Fuͤrſtlichen Her - ren Braͤutigams, zu Schlieſſung der Verloͤbniſſe und wuͤrcklicher Vollziehung der Vermaͤhlungen, in Perſon an diejenigen Hoͤfe zu reiſen, an denen ſich die vor ihnen deſtinirte Fuͤrſtlichen Braͤute aufhal - ten. Sie uͤberſchicken vorher einen Fourier Zed - dul, wie viel ſie an hoͤhern und niedern Bedienten, ingleichen an Pferden mit ſich bringen werden, da - mit die Fuͤrſtlichen Gemaͤcher vor ſie zurecht ge - macht, und alles uͤbrige zu ihrer Fuͤrſtlichen Auf - nahme veranſtaltet werden moͤge.
§. 21. Bißweilen geſchehen die Fuͤrſtlichen Bey - lager gantz in der Stille, und ohn alle Pracht. Das Hoch-Fuͤrſtliche Paar wird in einem Gemach ge - traut; Die Cavaliers und Dames werden durch ein paar Marſchaͤlle aufgefuͤhrt, und der Braͤuti - gam fuͤhrt ſeine Braut zur Copulation ſelbſt bey der Hand; Nach der Copulation wird Tafel ge - halten, das Hoch-Fuͤrſtliche Paar zu Bette ge - bracht und alles ohne große Ceremonien beſchloſ - ſen. Es wird auch wohl in gewoͤhnlichen Notifi - cation-Schreiben mit ausgedruͤckt, wenn die Bey - lager gantz in der Stille vollzogen worden.
§. 22. Jn den vorigen Zeiten ſind unter den Proteſtirenden Fuͤrſten die Trauungen in den Kir - chen gewoͤhnlicher geweſen als itzund. Man findet auch wohl, bey den alten Geſchicht-Schreibern, daß wenn die Fuͤrſtlichen Perſonen zur Copulation in die Kirche gefahren, einige Adeliche Dames vom Lande, oder nach dem damahlichen ſtylo, Ade -liche145Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. liche Jungfern, auf der Straſſe voran gegangen, und den gantzen Kirchweg, aus ſilbernen oder an - dern Koͤrbgen, mit Blumen beſtreuet, welches heu - tiges Tages manchen ziemlich ſpoͤttiſch anſcheinen wuͤrde.
§. 23. Es ſind auch ehedem die ſolennen Trau - Predigten gewoͤhnlicher geweſen, als zu unſrer Zeit. Anno 1548. den 8. Octobr. wurde Hertzog Au - guſtus von Sachſen an die Koͤnigliche Princeßin Annam, Koͤnigs Chriſtiani III. zu Daͤnnemarck Tochter, auf dem Schloß zu Torgau, bey einer, vom Fuͤrſten Georgio zu Anhalt abgelegten Trau - Predigt, auch von ihm copuliret; welche Trau - ungs-Predigt in ſeinen Schrifften f. 309, und in folgenden zu leſen. Es ſoll dieſes inſonderheit der Koͤniglichen Frau Mutter uͤberaus wohl gefallen, und ſie bezeuget haben, daß dieſes der praͤchtigſte Actus bey dem Fuͤrſtlichen Beylager geweſen, daß die Trauung durch eine Fuͤrſtliche Perſon geſche - hen.
§. 24. Etwas beſonders war es, daß dem ſeeli - gen D. Martin Luthero, bey der Vermaͤhlung Her - tzog Philips zu Pommern, mit Chur-Fuͤrſtens Johann Friedrichs zu Sachſen Schweſter, Ma - rien, die ebenfalls auf dem Schloß zu Torgau ge - ſchahe, einer von den Trau-Ringen ungefehr ent - fiel, er bewegte ſich hieruͤber in etwas, faßte ſich aber doch bald wieder, und ſagte: Hoͤrſt du Teufel, du wirſt nichts ausrichten, es gehet dich nichts an; die beyden Verlobten ſeegnete er mit den Worten:KWach -146I. Theil. X. Capitul. Wachſet, und euer Saame muͤſſe nicht unterge - hen. Jnzwiſchen iſt es doch geſchehen, daß die Hertzoge zu Pommern hundert Jahr hernach gaͤntz - lich ausgeſtorben. S. Muͤllers Annal. Saxon. p. 90.
§. 25. Man trifft ebenfalls in der alten Hiſtorie unterſchiedene Exempel an, daß die Fuͤrſtlichen Per - ſonen, ob es gleich im uͤbrigen ſehr ſolenn dabey her - gangen, auf den Saͤhlen und in den Gemaͤchern ihrer Schloͤſſer getrauet worden. Vorher gien - gen ein 12 paar Trompeter und ein Paucker, nach dieſen folgte eine anſehnliche Ritterſchafft von Adel, hernach acht brennende Fackeln, ſo die vornehmſten von Adel trugen, alsdenn Braut und Braͤutigam mit ihren Fuͤhrern, Hof-Cavalieren und Hof - Frauenzimmer; Alſo funden ſie ſich zur Copula - tion in dem Trauungs-Sahl ein. Nach der Trauung wurden Braut und Braͤutigam mit vor - hergehenden Trompetern und Heer-Pauckern von dem Trauungs-Sahl in die Tafel-Stube ge - bracht, in welcher ein herrliches Bette zugerichtet war, darein das Fuͤrſtliche Paar, dem damahligen Gebrauch nach, in Gegenwart des Hofes geleget ward, inzwiſchen wurde dem Ehe-Paar, und den andern, Confituren und ſuͤſſe Weine ausgetheilet; nach dieſem ward das zugerichtete Parade-Bette wieder aus einander genommen, und Braut und Braͤutigam unter Trompeten - und Pauckenſchall an die Fuͤrſtliche Tafel gefuͤhret. S. Becmanns Anhaͤltiſcher Geſchichte V. Theil, p. 205.
§. 26.147Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen.§. 26. Die Kleidungen des Hoch-Fuͤrſtlichen Braut-Paars ſind an dem Tage ihrer Copulation ſo praͤchtig, als ihnen entweder beliebig, oder nach ihren Einkuͤnfften moͤglich iſt. An dem Kayſerli - chen Hofe iſt die Kleidung meiſtentheils Spaniſch, und nach daſigem Gebrauch vom Haupt biß auf die Fuͤſſe Drap d’argent. Die Schleppen des Kleides oder Mantels der Braut werden von den vornehmſten Dames getragen. Bey Kayſerli - chen und Koͤniglichen Vermaͤhlungen tragen biß - weilen gar Fuͤrſtliche Perſonen die Schleppen der Princeßin Braut, und deren Schleppen hernach wieder Cavaliere oder Pagen.
§. 27. Der Hoch-Fuͤrſtliche Herr Braͤutigam und die Hoch-Fuͤrſtliche Braut, werden gemeinig - lich von ihren Hoch-Fuͤrſtlichen Anverwandten, als Herrn Vaͤtern, Bruͤdern oder Vettern, zur Trauung gefuͤhret, bißweilen aber auch von an - ſehnlichen Herren Abgeſandten und hohen Mini - ſtris, dafern keine andere Printzen oder hoͤhere Standes-Perſonen vorhanden ſeyn. Zu Zeiten fuͤhret der Herr Braͤutigam ſeine Braut ſelbſt bey der Hand.
§. 28. Soll ein ſolennes Beylager gehalten werden, ſo werden viel frembde Fuͤrſtliche Herr - ſchafften entweder muͤndlich oder ſchrifftlich darzu eingeladen. Auf dem Beylager Fuͤrſt Carls zu Anhalt, welches anno 1557. zu Zerbſt mit Prin - ceßin Annen, Hertzogs-Barnim zu Ponmern Tochter, vollzogen ward, hatten ſich ſo viel Fuͤrſt -K 2liche148I. Theil. X. Capitul. liche und andere hohe Standes-Perſionen dabey eingefunden, daß man 2384 Pferde zelylete. Die muͤndlichen Einladungen geſchehen heutiges Ta - ges meiſtentheils durch einen abgeſchiickten Cava - lier, der ein kurtz Compliment abſtattet. Vor die - ſen aber wurden gar offters groſſe und ſolenne Re - den bey dieſer Gelegenheit abgelegt, wie aus des Herrn Luͤnigs geſammleten Reden der vornehmen Miniſtres zu erſehen.
§. 29. An ſtatt der Trauungs-Predigten wer - den heutiges Tages von den Prieſtern, die das Hoch-Fuͤrſtliche Paar zuſammen geben, bey der Copulation nur Trau-Sermone gehalten. Nach der Trauung werden die Trompeten geblaſen und Paucken geſchlagen, die Stuͤcke geloͤſet, und von der auf dem Schloß-Platz ſtehenden Soldateſque Salve gegeben. Bißweilen werden auch bey dem Auswechſeln der Trau-Ringe die Canonen abge - feuert.
§. 30. Ob zwar die Trau-Sermone gewoͤhnli - cher, ſo ſind doch die Trauungs-Predigten nicht gantz und gar abgekommen, wo nehmlich die Co - pulationen noch in den Kirchen und oͤffentlichen Gottes-Haͤuſern vorgehen. Es wird eine vor - treffliche Vocal - und Inſtrumental-Muſic dabey ge - hoͤret, die auch bißweilen mit der Orgel accompa - gniret wird. Unterſchiedene Lob-Pſalmen ſind hierbey gewoͤhnlicher, als andere Geſaͤnge.
§. 31. Bey den Roͤmiſch-Catholiſchen pflegen die vornehmſten von der Geiſtlichkeit, als die Bi -ſchoͤffe;149Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. ſchoͤffe, Ertz-Biſchoͤffe u. ſ. w. die Copulation zu ver - richten, zuweien auch die Paͤbſtlichen Nuntii, die ſich an einen Hofe allbereits aufhalten. Dem Hoch-Fuͤrſtlichen Paar werden die Stolen um die Haͤnde gebunden, und die Ringe, die ſie einan - der geben, zuvor benedicirt. Heyrathen ſie et - wan in die nahe Freundſchafft, ſo werden die von dem Pabſt indulgirten Diſpenſationes vorher ab - geleſen. Es wird der Coͤrper, oder doch einige ſei - ner Gebeine und Reliquien, eines gewiſſen Heili - gen auf den Altar geleget, vor dem das Hoch-Fuͤrſt - liche Paar copuliret werden ſoll. Nach verrichte - ter Copulation werden die Ringe mit Weyhwaſ - ſer beſprenget. Zu Zeiten werden die Canonen 3 mahl abgefeuert, als zum erſten mahl bey Wech - ſelung der Ringe, zum andern mahl nach geſproche - nen Seegen, und zum dritten mahl nach Abgang der ſaͤmtlichen Durchlauchtigſten Perſonen in De - ro Gemaͤcher.
§. 32. Nach verrichteter Trauung uͤbergiebt ei - ner von des Hoch-Fuͤrſtlichen Herrn Braͤutigams Miniſtris oder Hof-Cavalieren die Morgen-Gabe, und zugleich die Verſchreibung mit dabey. Sie beſtehet mehrentheils in den allerkoſtbarſten Ga - lanterien, Kleinodien und Jubelen, die auf einem praͤchtigen geſtickten ſammeten Kuͤſſen, oder in einer ſilbernen oder guͤldenen Schaale præſentiret wer - den. Der Cavalier macht ein kuꝛtz Compliment da - bey, daß ihm anbefohlen waͤre, Jhrer Hoch-Fuͤrſtl. Durchlauchtigkeit, als gegenwaͤrtigem FuͤrſtlichenK 3Braut,150I. Theil. X. Capitul. Braut, dies geringe Andencken zu uͤbergeben, es waͤre zwar bey weitem nicht dem guten Vorſatz gleich, welchen Sie hierunter haͤtten, es hofften aber Seine Hoch-Fuͤrſtliche Durchlauchtigkeit, als ſein Principal, die Princeßin Braut werde damit vor - lieb nehmen, und nicht ſo wohl auf die Geringfuͤgig - keit des Geſchencks, als auf den Geber, den Hoch - Fuͤrſtlichen Herrn Braͤutigam, Jhr Abſehen rich - ten. Hierauf dancket die Braut, entweder in Per - ſon, oder ein Cavalier ſtattet in ihren Nahmen ein Danckſagungs-Compliment ab.
§. 33. Uber dieſe gewoͤhnliche Morgen-Gabe, werden nach der Obſervanz eines ieden Landes und Hofes, noch mancherley Præſente, entweder von dem Braͤutigam an die Braut, oder von der Braut an den Braͤutigam uͤberreicht. So pfle - gen auch die Eltern des Braͤutigams, entweder vor der Copulation, oder den Tag darauf, die Braut mit mancherley Silberwerck, Jubelen u. ſ. w. zu be - ſchencken. Nicht weniger bezeugen die Reichs - und Land-Staͤnde, durch Uberreichung eines an - ſehnlichen Donativs, ihre beſondere Devotion. Jn Pohlen præſentiren die Edelleute und Damen, nach der daſelbſt gebraͤuchlichen Weiſe, bey den Koͤnigli - chen Vermaͤhlungen der Princeßin Braut viel herrliche Geſchencke, als Z. E. einige feine ſilberne Gefaͤſſe, mit Diamenten beſetzte Uhren, und koſt - bare Kleinodien, wobey iede Perſon ein beſonder Compliment macht; es wird aber dieſe Gewohn - heit, da man die Braut zu beſchencken pflegt, nichtallein151Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. allein bey den Beylagern der Koͤniglichen Princeſ - ſinnen, ſondern auch bey den Vermaͤhlungen aller andern vornehmen Damen gehalten. S. Connor Beſchreibung von Pohlen, p. 237.
§. 34. Die Tafeln werden bey den Fuͤrſtlichen Beylagern auf eine ſehr propre und ſolen ne Wei - ſe angerichtet. Es wird niemand leichtlich daran gezogen, als Fuͤrſtliche Perſonen und frembde Ab - geſandten, und bey den Roͤmiſch-Catholiſchen die Cardinaͤle. Es pflegen vielmahls an dieſen merck - wuͤrdigen Taͤgen die Cavaliers die Speiſen auf die Tafeln zu ſetzen; Man ſiehet alsdenn ſo wohl bey den Confituren, als auch bey den andern Schau - und Parade-Speiſen, beſondere Erfindungen, mit Sinnbildern und Inſcriptionen, die ſich zu derglei - chen Feſtivitaͤten ſehr wohl ſchicken. Daß die ie - tzige Art zu tractiren von der Weiſe unſerer Vor - fahren gar ſehr unterſchieden geweſen, iſt in dem Ca - pitul von Tafel-Ceremoniellen angefuͤhret wor - den, und braucht hier keiner neuen Wiederholung. Man findet in den alten Beſchreibungen der Fuͤrſt - lichen Beylager, daß bißweilen nur gemeine Buͤr - gers-Leute zu Marſchallen der Tafeln der Hoch - Fuͤrſtlichen Hochzeit-Gaͤſte beſtellet worden, und die Maͤßigkeit, zum wenigſten in Anſehung der we - nigen Tractamente, die man aufgeſetzt, ſehr ge - herrſchet.
§. 35. Nach der Tafel, wird alter Gewohnheit nach, der gewoͤhnliche Ehren-Tantz mit Fackeln und Lichtern gehalten, wobey 12 Fackeln von Hof -K 4Cava -152I. Theil. X. Capitul. Cavaliers, bißweilen auch von Cammer-Herren und Generalen vorgetragen werden. Die Vor - taͤntze, wie einer dem andern von den Fuͤrſtlichen Perſonen nach Braut und Braͤutigam vortantzen ſolte, wurden vor dieſem allezeit vorher ausgethei - let; heutiges Tages iſt man in dieſem Stuͤck nicht mehr ſo accurat, und nimmt man es bey einer Luſt - barkeit ſo genau eben nicht, ob einer dem andern vortantzet.
§. 36. Nach geendigtem Tantze helffen die ſaͤmt - lichen Hoch-Fuͤrſtlichen Hochzeit-Gaͤſte, inſonder - heit aber die Hoch-Fuͤrſtlichen Anverwandten, Braut und Braͤutigam zu Bette bringen. Biß - weilen fuͤhret der Braut Vater, oder derjenige, ſo deſſen Stelle vertritt, den Fuͤrſtlichen Herrn Braͤutigam, wenn er in Nacht-Habit eingekleidet, gantz allein zu der Braut vors Bette, giebt ihm eine kleine Erinnerung, er verhoffte, er wuͤrde ſich ſo ge - gen ſeine Tochter zu bezeugen wiſſen, wie es einem ehrliebenden Fuͤrſten eignete und gebuͤhrte; wor - auf der Fuͤrſtliche Herr Braͤutigam in einem Com - pliment verſichert, dieſes Pfand als ſeinen eigenen Leib, ſeine eigene Ehre, ja ſeine eigene Seele zu hal - ten, und aus einem treuen, frommen, redlichen und Fuͤrſtlichen Hertzen alles dasjenige zu leiſten, was ein ehrliebender Fuͤrſt und Braͤutigam ſeiner gelieb - ten Braut zu leiſten ſchuldig waͤre. Vor Zeiten ſind auch bey dieſer Gelegenheit vor dem Braut - Bette von einem Miniſtre des Bꝛaͤutigams, ſolenne und weitlaͤufftige Reden gehalten worden, dem her -nach153Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. nach wieder ein anderer Cavalier in einer Gegen - Rede geantwortet.
§. 37. Die Gluͤck-wuͤnſchungs-Complimens von den anweſenden Hoch-Fuͤrſtlichen Hochzeit - Gaͤſten, von den anweſenden frembden Miniſtres, von den Deputirten der ſaͤmtlichen Collegiorum und der Staͤnde, werden meiſtentheils nach der Copulation vor der Tafel abgelegt. Die andern abweſenden Fuͤrſten pflegen nicht eher zu feliciti - ren, als biß die Notiſicationen wegen der geſchloſſe - nen ehelichen Alliance bey ihnen eingelauffen, als - denn gratuliren ſie entweder ſchrifftlich, oder laſſen durch ihre Miniſtres und hierzu Gevollmaͤchtigte, muͤndliche Felicitationen abſtatten, zuweilen auch dem neuen Hoch-Fuͤrſtlichen Paar einige Præſente uͤberreichen.
§. 38. So lange das Hoch-Fuͤrſtliche Beyla - ger waͤhret, werden mancherley Luſtbarkeiten vor - genommen, mit Carouſellen, Masqueraden, Wirth - ſchafften, Feuerwercken, Illuminationen, Fuß - Turnieren, Kampf-Jagten, Schnepper-Schieſ - ſen, Scheiben-Schieſſen, Opern und Comoͤdien und andern dergleichen, die in der letzten Abtheilung ausfuͤhrlich werden beſchrieben werden. Unter dieſen allen ſind die Turniere und Ritter-Spiele die aͤlteſten, welche von dem zehenden Seculo an / faſt bey allen Fuͤrſtlichen Beylagern, die man mit Solennitæt celebrirt, gehalten worden. Auf die Hochzeit-Feſtivitæten pflegen nach einen eben - maͤßigen alten Gebrauch in Teutſchland entwederK 5gewiſſe154I. Theil. X. Capitul. gewiſſe currente Muͤntzen oder Schau-Stuͤcken und Medaillen geſchlagen zu werden.
§. 39. Die Heimfuͤhrungen der Fuͤrſtlichen Braut geſchehen mit groſſen Solennitæten und praͤchtigen Einzuͤgen, die an einem andern Orte werden beſchrieben werden. Die Trouppen wer - den mit ihrer bey ſich habenden Artillerie auf die Parade gefuͤhrt, nebſt der gantzen Hof-Statt an denjenigen Ort, wo die Fuͤrſtlichen Herren Braͤu - tigams Dero Gemahlin mit ihrer Entgegenkunfft beehren wollen. Jn den vorigen Zeiten war es bey der Heimfuͤhrung gebraͤuchlich, daß viel hun - dert Kinder, welche alle in weiſſen Hembden einge - kleidet, auf den Koͤpffen Craͤntze, und in Haͤnden gruͤne Straͤuſer habend, auf den Straſſen und Gaſſen, durch welche die Hoch-Fuͤrſtliche Braut paſſiren muſte, in zwey Reyhen ſtunden / und ſie mit einem hoͤchſt-erfreulichen, und zu vielmahlen wiederhohlten es lebe ꝛc. beehrten, doch die ietzige Welt wuͤrde dieſe Parade vor Kinder-Poſſen hal - ten.
§. 40. Jſt die Hoch-Fuͤrſtliche Braut ange - langt, ſo werden auf das neue ihr zu Ehren, und zum Vergnuͤgen, viel Tage nach einander man - cherley Luſtbarkeiten angeſtellt, von denen die Bauer-Hochzeiten und andre Divertiſſemens, die man in Bauer-Kleidung vorgenommen, ebenfalls von langer Zeit her, ſo wohl bey den Beylagern als auch bey den Heimfuͤhrungen in Gebrauch gewe - ſen. Johann George III. lieſſen als Chur-Printzzu155Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. zu Sachſen Anno 1669 unter der Masque eines Wendiſchen Braͤutigams, an Dero Herrn Vater Chur-Fuͤrſt Johann Georgen den II. zu Sachſen, unter der Perſon eines Meißniſchen Bauer-Rich - ters, ein curieus Schreiben abgehen, worinnen ſie denſelben, zu dem, auf ſeine Hochzeit angeſtellten Aufzug und Ringrennen invitirt. S. den II. Theil von Luͤnigs Teutſchen Reichs-Cantzley pag. 783. Der Schluß dieſes Schreibens war folgender: Dannenhero will ich euch gantz hoͤchlich erſucht haben, mir dabey Geſellſchafft zu leiſten; So dann wollen wir erweiſen, daß Bauern auch noch Leute ſeyn, und ſehen, ob unſer Wendiſcher Heyde-Gruͤtze, oder euer Meißniſcher Hirſche-Brey mehr Staͤrcke in Armen habe.
§. 41. Nach beſchehener Heimfuͤhrung pflegen die Hoch-Fuͤrſtlichen Herren Schwieger-Soͤhne, wann ſie bey der Vermaͤhlung nicht ſelbſt gegen - waͤrtig geweſen, auf das obligeanteſte an Jhre Hoch-Fuͤrſtlichen Schwieger-Eltern zu ſchreiben, ſie dancken vor die Uberſendung einer ſo liebens - wuͤrdigen Braut, ſie verſichern ſich gegen ſie als ein getreuer Eh-Gemahl zu erweiſen, und Zeitle - bens mit aller Harmonie und Eintracht in der Verknuͤpffung dieſer Haͤuſer zu leben.
§. 42. Die Vermaͤhlungen der Fuͤrſten mit Frauenzimmer aus geringern Stande, ſind zu allen Zeiten bey ſehr vielen, ja ich moͤchte wohl ſagen bey den meiſten Koͤniglichen und Fuͤrſtlichen Haͤu - ſern in Gebrauch geweſen, und durch ſie ſolenniſirtworden.156I. Theil. X. Capitul. worden. Ob dergleichen Heyrathen dem Staats - Intereſſe der Hoch-Fuͤrſtlichen Haͤuſer, zumahl in Teutſchland / geziemend ſeyn oder nicht, unterſuchen die Staatskundigen. S. den Bericht eines ge - wiſſen Miniſtri eines Fuͤrſtlichen Hauſes, wegen ungleicher Heyrathen. S. Elect. Jur. Publ. Tom. VIII. p. 352. Einigen Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern ſind ſie ſehr verhaſt, und findet man, daß unter - ſchiedene Fuͤrſten ihren Printzen dergleichen mes Alliancen in den Teſtamenten, unter der Entzie - hung ihres vaͤterlichen Seegens, und gar unter Bedrohung eines Fluchs unterſagt. Bißweilen aber ſind ſie von den Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern und andern Anverwandten, wo nicht alſobald bey dem Anfang, iedoch mit der Zeit approbirt, und vor genehm geachtet worden. Hertzog Wilhelm zu Sachſen, heyrathete Anno 1482 Catharinam von Brandſtein, des Ritters Eberhards von Brand - ſtein zu Roßla Tochter, nach vorhergegangener Approbation der Chur - und Fuͤrſtlichen Agnaten, und wurde zu Weymar in Gegenwart des Chur - Fuͤrſtens von Sachſen Hertzogs Wilhelms zu Braunſchweig, Landgrafens zu Heſſen, und vieler andern anweſenden Fuͤrſtlichen Perſonen copulirt. Sie wurde von dem Chur - und Fuͤrſten zu Sach - ſen ſehr lieb und werth gehalten, und mit dem Ti - tul Jhre Liebden tractirt. S. Artic. III. des III. Theiles von Struvs hiſtoriſch-politiſchen Archiv p. 83 & 86. Der Braͤutigam hielt ſie ſo hoch, daß er ſie in den Fuͤrſtlichen Invitation-Schreiben dieedle157Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. edle und tugendhaffte Catharinam von Brand - ſtein benennte.
§. 43. Bißweilen ſchluͤſſen ſie mit einer Perſon geringern Standes eine Heyrath ad morganati - cam, zuweilen auch juſtum matrimonium, daruͤ - ber es denn unter den Hoch-Fuͤrſtlichen Herren Vettern, zumahl unter denen, die einſten eine Suc - ceſſion zu hoffen haͤtten, zu mancherley Jrrungen und Diſputen koͤmmt. Bißweilen errichten ſie, um die auf ſie geſtammte Fuͤrſtliche Dignitæt, Wuͤrde und Hoheit beſtens zu erhalten, mit ihrer Ehegenoßin ein ſolch Pactum, daß zwar dieſe Per - ſon als ihr rechtes Eh-Gemahl ſeyn und bleiben ſoll, iedoch mit dem Verſprechen, daß dieſelbe, ver - mittelſt dieſer ehelichen Verpflichtung, keines weges in den Fuͤrſten-Grafen - oder Freyen Stand erho - ben werden, ſondern bey ihren angebohrnen alten Adelichen Stand verbleiben ſoll, ſich daher auch des Fuͤrſtlichen Nahmens / Wapens / Tituls, Ehre und Wuͤrden zugleich enthalten, ingleichen daß die Kinder und Kindes-Kinder in infinitum bey dem Adel-Stande verbleiben, ſich aller Fuͤrſtlichen Prærogativen enthalten, und ihre Nachkommen mit einem gewiſſen verglichnen Nahmen zufrieden, und den andern Fuͤrſten, wie andere Adeliche Va - ſallen unterworffen ſeyn, ſie vor ihre ordentliche Obrigkeit erkennen, und ihnen treu, hold und ge - waͤrtig ſeyn ſollen. Ertz-Hertzog Ferdinand von Oeſterreich, Kayſers Ferdinandi I. Sohn, ver - maͤhlte ſich mit Philippina Welſerin, aus den Ge -ſchlech -158I. Theil. X. Capitul. ſchlechtern von Augſpurg, und reverſirte ſich gegen ſein Ertz-Hauß, daß ſich ſeine Kinder nicht Ertz - Hertzoge nennen und intituliren ſolten. S. Ke - venhuͤllers Annales I. Tom. p. 130.
§. 44. Vielmahls beſcheiden ſich die neu-Ver - maͤhlten in einem Pacte, welches ſie mit den andern Hoch-Fuͤrſtlichen Anverwandten errichten, daß ſie bey allen Occaſionen den andern Fuͤrſtinnen von Hauſe den Vorgang laſſen, und ſich allenthalben in Schreiben und uͤbrigen Vorfallenheiten ſo ge - gen ſie bezeugen wolten, daß die ſaͤmtlichen Hoch - Fuͤrſtlichen Herrn Vettern, die beſondre Conſi - deration, welche ſie vor ſie hegten, genugſam ab - zunehmen haben wuͤrden, hingegen erklaͤren ſich die - ſe hinwiederum, daß ſie alle ihre Deſcendenten vor rechtmaͤßige Fuͤrſten und Fuͤrſtinnen zu NN. halten und erkennen, und ſelbige aller und ieder, bey dem Fuͤrſtlichen Hauſe wohleingefuͤhrten Rech - te, als inſonderheit die Princeßinnen, bey der her - gebrachten Ausſtattung und Schmuckes-Geldern wollen erhalten helffen.
§. 45. Manchmahl geſchiehet es, daß die aus einer ungleichen Fuͤrſtlichen Ehe erzeugten Kinder mit dem von ihren Vater errichteten Pacto, daß ſie nemlich inferioris conditionis ſeyn ſollen, in geringſten nicht zufrieden ſind, ſondern nach ſeinem Tode ſich der Succeſſion in die Fuͤrſtlichen Lande und andrer Fuͤrſtlichen Vorzuͤge anmaſſen, ſie fuͤh - ren an, daß ein ſolch Pactum wiederrechtlich, und erregen den Herrn Vettern und andern FuͤrſtlichenAnver -159Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. Anverwandten oͤffters viel Verdruß. Hierdurch acquiriren ſie nicht ſelten durch eine Convention, die ſie mit dem Hoch-Fuͤrſtlichen Hauſe aufrichten, etwas aus dem Fuͤrſtlichen Wapen, und einen Ti - tul der etwas honorifiquer, iedoch mit ihren Per - ſonen ausgehet, und auf die Enckel und Enckelin - nen im geringſten nicht abſtammet. Die Diß - falls aufgerichteten Fuͤrſtlichen Receſſe und Ver - gleiche werden bißweilen von dem Kayſer con - firmirt.
§. 46. Jſt die Ehe allzu ungleich, und ein Fuͤrſt hat eine aus dem allergeringſten Poͤbel, die noch da - zu in ſehr ſchlechten Ruff ſtehet, ſich beylegen laſ - ſen, ſo pflegt die Roͤmiſche Kayſerliche Majeſtaͤt bißweilen an den Fuͤrſten zu reſcribiren, daß ſie auch nach der Vermaͤhlung den Fuͤrſtlichen Titul und Tractament weder der mit ihr copulirten Per - ſon, noch denen mit ihr erzeugten oder noch erzeu - genden Kindern ferner beylegen, oder dergleichen zu thun andern geſtatten ſollen.
§. 47. Sind bey einem gewiſſen Hoch-Fuͤrſt - lichen Hauſe die mes-alliancen ſtarck eingeriſſen, und der Hoch-Fuͤrſtliche Herr Vater, der aber kei - nen Gefallen an denſelben hat, vermuthet, daß ei - ner von ſeinen Printzen darauf fallen moͤchte, ſo wiederrathen ſie ſolche deſto eher in ihren Teſta - menten. Alſo hat der alte Fuͤrſt zu Anhalt-Bern - burg, Victor Amadeus, ſeinem Teſtament folgen - de Clauſul mit eingeruͤckt. Wir erinnern und re - commendiren unſern geliebten Soͤhnen hiermittreu160I. Theil. X. Capitul. treu vaͤterlich, ſich zufoͤrderſt vor ungleichen Hey - rathen zu huͤten, noch dadurch ihr uhraltes Fuͤrſt - liches Hauß zu vernachtheiligen, vielmehr ſolchen - falls auf Standesmaͤßige tugendhaffte Perſonen ihr Abſehen zu richten, und dadurch den luſtre ih - res Fuͤrſtlichen Hauſes zu befoͤrdern. S. Extra - ctum Teſtamenti, weyland Herrn Fuͤrſtens Vi - ctoris Amadei zu Anhalt Hoch-Fuͤrſtl. Durch - lauchtigkeit, bey dem Schreiben die an eine hoch - loͤbliche allgemeine Reichs-Verſammlung zu Re - genſpurg von Herrn Victore Amadeo Adolpho, Fuͤrſt zu Anhalt-Hoym, wegen der in dem Gra - fen-Stand als Grafen von Baͤhrenfeld erhoͤheten, der Landes-Succeſſion aber unfaͤhig erklaͤrten Ge - bruͤder, mit Beylagen ſub Lit. A. B. & C.
§. 48. Wann die bey dergleichen Heyrathen vermaͤhlte Perſonen beſondere Meriten vor ſich ha - ben, oder ſonſt kein erhebliches Bedencken hierbey vorwaltet, ſo werden die Gemahlinnen, auf vorher beſchehenes unterthaͤnigſtes Anſinnen, gar oͤffters von Roͤmiſcher Kayſerlichen Majeſtaͤt, entweder in den Reichs-Fuͤrſtlichen, oder doch in den Reichs - Graͤflichen Stand erhoben. Die Formalien ſind hierbey folgende: „ So haben Wir oben beſagter „ N. N. die Kayſerliche Gnade gethan, und Sie in „ des Heil. Roͤmiſchen Reichs Graͤflichen Stand „ geſetzt, gewuͤrdiget und erhoben, ordnen, wuͤrdi - „ gen, ſetzen und verordnen vorgemeldte N. N. hier - „ mit in den Stand, Ehre und Wuͤrde Unſerer und „ des Heil. Roͤmiſchen Reichs rechtgebohrnen Graͤ -finnen,161Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. finnen, zufuͤgen, vergleichen und geſellen ſie zu der - „ ſelben Schaar, Geſell - und Gemeinſchafft, erthei - „ len und geben ihr den Titul und Nahmen des hei - „ ligen Roͤmiſchen Reichs Graͤfin von N. N. und „ erlauben ihr, ſich alſo zu nennen und zu ſchreiben, „ ſetzen und wollen auch, daß ſie eine Reichs-Graͤ - „ fin von N. N. ſey, und ſich alſo ſchreibe, auch von „ Uns und ſonſt maͤnniglich davor geachtet, geehret, „ genannt, geſchrieben und erkannt werde, und da - „ zu alle und iegliche Gnade, Freyheit, Ehre und „ Wuͤrde, Vorgang, Stand, Sitz, Herrlichkeiten, „ Recht und Gerechtigkeiten, gleich andern Reichs - „ Graͤfinnen, Graͤflichen Stellen auf hohen und nie - „ dern Dom-Stifftern, geiſt - und weltliche Lehn „ und Aemter zu empfangen, zu haben und zu tra - „ gen, auch ſonſt von allen andern Orten des Graͤf - „ lichen Tituls mit allen Ehren gebrauchen ſoll, und „ vermoͤge, nicht anders, als eine andere aus uhral - „ tem Reichs-Graͤflichen Hauſe gebohrne und ent - „ ſproſſene Graͤfin, und immaſſen ſich andern unſern „ und des Heil. Roͤmiſchen Reichs Graͤfinnen von „ Rechts - und Gewohnheit wegen eignet und ge - „ buͤhret. “
§. 49. Betruͤblich iſts, wenn groſſe Herren, bey Lebzeiten ihrer Gemahlinnen, auf andere verehlichte oder ledige Dames ein unzuͤchtiges Auge werffen, ſie als Maitreſſen auf eine koſtbahre Art ernehren, und uneheliche Kinder mit ihnen zeugen. Anno 1487 ereignete ſich hierbey in Teutſchland ein im - portantes Exempel, ſo man bey auswaͤrtigen groſ -Lſen162I. Theil. X. Capitul. ſen Fuͤrſten ſo leicht nicht finden wird. Der anno 1481 regierende Hertzog, Johannes II, von Cleve, Graf zur Marck, hatte zur Eh-Gemahlin Princeſ - ſin Mechtildis, Landgrafens Henrichs zu Heſſen Tochter, mit ſelbiger zeugete er drey Fuͤrſtliche Kin - der. Naͤchſt dieſer hielt er etliche Concubinen, mit welchen er zuſammen 63 natuͤrliche Kinder er - zeugt, von denen er ſich oͤffentlich zum Vater er - kannte, und die mehreſten, nach geſchehener Legiti - mation, wohl verſorgte. S. Egbert. Hopp de Statu Cliviæ p. 170.
§. 50. Bißweilen werden ſie gar ſo weit von ih - ren Paſſionen hingeriſſen, daß ſie ihre rechten Ge - mahlinnen dabey verſtoſſen, ſich von ihnen ohne alle Urſach trennen, die Maitreſſe heyrathen, und nachgehends die Succeſſion, zum Præjudiz ihrer uͤbrigen Succeſſions-Folger, auf die, mit der Con - cubine erzeugte Kinder bringen wollen. Bevor nun die Verſtoſſung und anderweitige Heyrath er - folget, ſo ſtellen die verſtoſſenen Gemahlinnen, in den beweglichſten Schreiben bey ihren Hoch - Fuͤrſtlichen Ehegatten ihre Unſchuld, und zugleich das ihnen hiedurch zugefuͤgte Unrecht nach goͤttli - chen und weltlichen Rechten unter Augen, und re - ſerviren ſich alle competirende Mittel. Will die - ſes nichts verfangen, ſo uͤbergeben ſie bey der Roͤ - miſchen Kayſerlichen Majeſtaͤt den Caſum und Spe - ciem facti, bringen ihre Beſchwerden an, thun ihre Contradiction und Wiederrede, wie es zu Recht am beſtaͤndigſten ſeyn kan, und erſuchen den Kay -ſer163Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. ſer allerdemuͤthigſt, daß er doch Sein allerhoͤchſtes Kayſerliches Richter-Amt hierinnen interponiren moͤchte. Sie kommen auch zu gleicher Zeit bey dem Reichs-Convent ein, und erſuchen die ſaͤmt - lichen Staͤnde des heiligen Roͤmiſchen Reichs, daß ſie dieſelben, in puncto der von ihrem Herrn Ge - mahl wiederrechtlich prætendirten Eheſcheidung, ſie bey ihrer gerechten Sache nachdruͤcklich zu ſchuͤ - tzen, geruhen moͤchten. Wer einige Nachricht ver - langet, zu erkennen, wie eine Concubine vermoͤ - gend ſey, das Hertz eines klugen und weiſen Regen - ten von ſeiner rechten Gemahlin ab, und an ſich zu ziehen, und hiedurch die ungluͤckſeelige Gemahlin in die aͤuſſerſte Wehmuth und Betruͤbniß zu ſetzen - darff nur dasjenige Schreiben leſen, welches Frau Charlotta, Chur-Fuͤrſtin und Pfaltz-Graͤfin bey Rhein, an Kayſer Leopoldum abgehen laſſen, daß Derſelbe allergnaͤdigſt geruhen moͤchte, die von dero Herrn Gemahl Chur-Fuͤrſt Carl Ludwig zu Pfaltz, mit ihr vorgenommens Cheſcheidung zu hintertreiben, und ſie beyderſeits durch ſeine hohe Kayſerliche Interpoſition zu reconciliiren.
§. 51. Die Roͤmiſche Kayſerliche Majeſtaͤt wen - den ſodann alle nur erſinnliche Bemuͤhungen an, ſie wieder mit einander auszuſohnen, und die præ - judicirlichen Eheſcheidungen zu hintertreiben. Sie laſſen erſtlich nachdruͤckliche Handſchreiben an ſie abgehen, und dehortiren ſie von ihren Unterneh - men; wollen dieſe nichts verfangen, ſo verordnen ſie Kayſerliche Commiſſarios, ſie verſchaffen denL 2verſtoſ -164I. Theil. X. Capitul. verſtoſſenen Gemahlinnen Schutz und Sicherheit, und laſſen dieſes gantze Werck in den hoͤchſten Ge - richten des heiligen Roͤmiſchen Reichs, und auch ſonſt Reichs-Conſtitutions-maͤßig tractiren.
§. 52. Manche Regenten werden von dem Roͤ - miſch-Catholiſchen Clero aufgebracht, daß ſie an - fangen, einen Haß gegen ihre rechte Gemahlin, die etwan der Proteſtirenden Religion zugethan, zu werffen / und ſich hingegen an eine andere, die der Roͤmiſchen Kirche beypflichtet, zu haͤngen. Alſo meldet ſich der Pfaltz-Grafe zu Zweybruͤcken, Gu - ſtav Samuel, anno 1723 mit einem weitlaͤufftigen Schreiben bey Roͤmiſcher Kayſerlicher Majeſtaͤt, daß er nothwendig ſeine rechte Gemahlin verlaſſen muͤſte, weil ihm ſein Gewiſſen ſagte, keine Lutheri - ſche, die auf ihre Religion ſo beſtaͤndig erpicht waͤre, laͤnger um ſich zu dulden. Da nun der Biſchoff von Metz, aus Paͤbſtlicher Diſpenſation, dieſe Scheidung vorgenommen, als zweifelte er nicht, es wuͤrden Jhro Kayſerliche Majeſtaͤt ſeine gute In - tention und gottſeeliges Procedere gleichfalls al - lergnaͤdigſt vor genehm halten, und dieſes um ſo vielmehr, da er nunmehro die Reſolution gefaßt, eine Catholiſche, ob ſchon ſeinem Stand ungleiche Perſon, mit welcher erverhoffte geruhiger zu leben, zu heyrathen, damit ſeine Gemahlin nicht dereinſt ſagen ſolte, als wenn er aus einer andern eiteln Ab - ſicht ſich eine Princeßin von einem Fuͤrſtl. Hauſe beygelegt haͤtte. S. Einleitung zur neueſten Hi - ſtorie der Welt, p. 530. Was nun in dieſer Sa -che165Von den Fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen. che weiter unternommen worden, iſt aus der neue - ſten Hiſtorie bekandt.
§. 53. Jſt eine irregulaire und unrechtmaͤßige Ehe-Trennung und anderweitige Vermaͤhlung de facto vorgangen, ſo kommen vielmahls die ſaͤmmt - lichen Chur-Fuͤrſten, Fuͤrſten und Staͤnde des heiligen Roͤmiſchen Reichs, bey dem Kayſer in ei - nem allerunterthaͤnigſten Schreiben ein, berichten ihm, wie N. N. nicht allein ſeiner Gemahlin die Ehe aufgekuͤndiget, ſondern ſich auch mit einer an - dern Perſon vermaͤhlet, und daß, wenn dieſe Kin - der von ihm haben wuͤrde, ſolche aller Succeſſion faͤhig ſeyn ſolten. Sie erſuchen hierauf Kayſerli - che Majeſtaͤt, Seine allerhoͤchſte Kayſerliche Au - toritaͤt zu interponiren, daß entweder dieſe ander - weitige Vermaͤhlung annulliret, oder doch hiedurch den rechtmaͤßigen Succeſſoribus an ihrem einmahl erlangten Rechte zum Præjudiz nichts verhaͤnget werden moͤchte.
§. 54. Wann die Fuͤrſtlichen Gemahlinnen, wegen gepflogener unzulaͤßlichen Converſation, dem Fuͤrſten einen gegruͤndeten Verdacht gegeben, ſo enthalten ſie ſich von der Zeit an, da ſie Nach - richt hievon erlangt, ihrer Beywohnung, ſie laſſen ſie in leidliche Verwahrung bringen, und durch ih - re vertrauten Raͤthe und Miniſtres uͤber gewiſſe Puncte befragen. Sie laſſen ihre Diſputen an ihre Conſiſtoriales gelangen, denen ſie auch wohl noch darzu einen oder ein paar Adeliche Raͤthe ad - jungiren, erlaſſen ſie ihrer Pflicht, tragen ihnenL 3cogni -166I. Theil. XI. Capitul. cognitionem cauſæ auf, und befehlen ihnen an, daß ſie bey Theologiſchen und Juriſtiſchen Facul - taͤten einige bedenckliche Puncte ſollen eroͤrtern, und die Urtheile von ihnen einholen laſſen. Dieſe Ur - theile werden nachgehends in Beyſeyn der Fuͤrſt - lichen Anwaͤlde publiciret, und wenn dem ſchuldi - gen Theile alle die gewoͤhnlichen rechtlichen Bene - ficia nachgelaſſen worden, endlich nach dem Unter - ſchied der Verbrechen, nachdem ſie vorher durch die Interceſſiones der andern Puiſſancen auf das gelindeſte moderirt worden, und nach den Regeln der Klugheit, die bey iedem Fall in Obacht zu neh - men, in ſo weit zur Execution gebracht, daß dem unſchuldigen Theil eine anderweitige Vermaͤhlung verſtattet, dem ſchuldigen aber die Abſonderung, bißweilen auch eine, iedoch ihrem Stande gemaͤße Retraite, bey Fuͤrſtlichem Unterhalt / zuerkandt wird.
§. 1.
Die groͤſten Fuͤrſtlichen Haͤuſer erleiden ihre Veraͤnderungen und Periodos fatales ſo wohl, als die Privat-Familien. Einige alte Haͤuſer ſterben aus, und andere neuekom -167Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder. kommen wieder an ihre Stelle. Ja man hat in der alten und neuen Hiſtorie unterſchiedene Exem - pel, daß oͤffters diejenigen, die vor einigen Jahren noch ſo ſtarck und beſetzt geweſen, nach Verflieſſung einer kurtzen Zeit, wenn es goͤttliche Regierung ſo beſchloſſen, ihrem Untergang gantz nahe kommen. Bißweilen iſt auch wohl eine und die andere miß - traͤuiſche oder ſonſt irrige Meynung, wenn die Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern in den Gedancken geſtan - den, als ob ſie mit einer allzu ſtarcken Anzahl der Leibes-Erben von GOtt geſeegnet worden, auf ei - ne oder die andere Weiſe von GOtt geſtrafft wor - den. Der Maͤrckiſche Hiſtoricus, Nicolaus Len - tinger, meldet in ſeinen Commentariis P. VII. f. 12. bey Erwehnung der Stadt Ratenau, daß, als an - no 1318. 19 Marggrafen auf einem gewiſſen Ber - ge bey Ratenau, welcher daher noch der Marggra - fen-Berg genannt wuͤrde, zuſammen kommen, und ſich uͤber die Vermehrung, und das daraus zu be - ſorgende Unvermoͤgen ihrer Familie unter einander beklagt, ſo waͤre es geſchehen, daß ſie alle binnen zwey Jahren erloſchen. Fuͤrſt Magnus zu Anhalt war hierinnen anderer Meynung, er ſchrieb a. 1516 an Fuͤrſt Ernſts Gemahlin, Frau Margaretham, die ſich ebenfalls wegen der gar zu vielen Kinder beklaget hatte, ein Troſt-Schreiben, worinnen un - ter andern folgende Worte enthalten waren: Der Schatz der heiligen Ehe, nemlich die Kinder, ma - chen zwar viel Unruhe, weil aber ſonſt keine Ruhe allhier auf Erden, ſo iſt das eine ſeelige Arbeit, mitL 4den168I. Theil. XI. Capitul. den Seinigen ſich zu bekuͤmmern, und mit ſeinem Fleiſch und Blut die Welt zu mehren.
§. 2. Wie ſich nun einige uͤber die allzu groſſe Anzahl ihrer Deſcendenten faſt beſchweren wollen, alſo fehlet es hingegen manchen an ehelichen Leibes - Erben, ſo gar, daß einige bemuͤhet geweſen, in Er - mangelung der ehelich-gebohrnen, die Succeſſion ihrer Lande auf ihre unehlich-gebohrne Kinder zu transferiren, oder ſie zu adoptiren. Eine ſonder - bahre Veraͤnderung mochte es wohl heiſſen, da bey dem Anfang dieſes Jahres ein Laquey des Mar - quis de Capegna unvermuthet zu einem Fuͤrſten von Brancaccio im Neapolitaniſchen wurde. Denn der Fuͤrſt von Brancaccio hatte keine eheliche Er - ben, wuſte aber, daß gedachter Laquey von ihm mit einem Bauer-Maͤdgen, das er auf der Jagt angetroffen, gezeuget war. Er ließ ihn demnach legitimiren, oder fuͤr ſeinen ehelichen Sohn erklaͤh - ren, ſatzte ihn zum Erben aller ſeiner Guͤter ein, und uͤbergab ihm unterdeſſen eine ſeiner Herrſchafften in Calabrien / um ſich als ein Fuͤrſt aufzufuͤhren, in welchen Stand er ſich denn hochmuͤthig genug zu ſchicken wuſte. S. Theatr. Europ. T. XVII. pag. 346. des Jahrs 1705.
§. 3. So bald die Hoch-Fuͤrſtlichen Gemah - linnen ihre Schwangerſchafft antreten, wird es al - lenthalben public gemacht, und gemeldet, wie ſie von Monath zu Monath in ihrer Schwangerſchafft avanciren, es muͤſte denn ſeyn, daß es bey manchen Umſtaͤnden, aus beſondern Staats-Raiſons, ſe -cretirt169Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder. cretirt wuͤrde. Es wird dieſes an andere Hoͤfe ge - meldet, da ſie denn hernach ſo wohl von frembden als auch von ihren Unterthanen, inſonderheit von den Reichs - und Land-Staͤnden, durch ihre De - putirte die Gratulationen dieſerwegen erhalten. Es werden beſondere Kirchen-Gebethe angeord - net, und allenthalben alle nur erſinnliche und moͤg - liche Anſtalten gemacht, damit die Hoch-Fuͤrſtliche ſchwangere Frau Mutter vor allem Schaden und Gefahr erhalten, und der kuͤnfftige Erbe gluͤcklich auf die Welt gebracht werde. Wird von Lan - des-Herrn Unterthanen ein Printz gewuͤnſchet und erwartet, ſo fehlet es nicht an Poeten, die mit aller Gewalt einen maͤnnlichen Erben, ich weiß nicht, nach was vor einem prophetiſchen Geiſt, progno - ſticiren und erdichten wollen. Es werden bey Zeiten die Kind-Mutter, die Amme, die Ober - und Unter-Gouvernantinnen, die Ober - und Unter - Cammer-Frau, und alle die uͤbrigen Bedienten, ſo die Fuͤrſtin bey Jhrer Niederkunfft, und den neu-gebohrnen Printzen oder Princeßin bedienen ſollen, denominiret.
§. 4. Bey der Niederkunfft der Fuͤrſtlichen Ge - mahlin ſind die Gewohnheiten unterſchiedlich. An einigen Hoͤfen muͤſſen, der Landes-Obſervanz nach, gewiſſe Leute, ſo der Niederkunfft der Fuͤrſtlichen Gemahlin beywohnen ſollen, ſich in dem Neben - Zimmer des Gemachs, in dem ſie niederkoͤmmt, aufhalten, damit ſie das Kind in dem Augenblick, da es auf die Welt koͤmmt, gleich ſehen koͤnnen. L 5Alſo170I. Theil. XI. Capitul. Alſo iſt in Engelland der Printz von Wallis nebſt andern Perſonen, nach den Geſetzen des Landes, bey Entbindung der Princeßin ſelbſt gegenwaͤrtig. Es wird auch vielen andern aus dieſer curieuſen Nation alſofort erlaubet, den jungen Printzen in Augenſchein zu nehmen, und frembde Miniſtri fin - den in dieſen Lande viel eher Gelegenheit, als an - derwerts, das auf die Welt gekommene Kind zu ſehen, und ihre Felicitations-Complimens abzu - ſtatten.
§. 5. Bey der Geburth eines Dauphin in Franckreich, wird, allen Verdacht zu vermeyden, folgende Vorſichtigkeit wahrgenommen. Die Koͤnigin darff ſich nicht ſchaͤmen in Beyſeyn der Printzen von Koͤniglichen Gebluͤth niederzukom - men, und wird es alſo damit gehalten: Jn dem Saal, der zur Geburth beſtimmt iſt, werden zwey Gezelte aufgerichtet, in dem groſſen, ſo faſt zwan - tzig Ellen in Umcreyß haͤlt, und an den vier Enden mit Vorhaͤngen verſehen, ſitzt der Koͤnig, nebſt den Printzen des Koͤniglichen Gebluͤthes, ſamt etzlichen Fuͤrſtinnen; in der Mitte deſſelben iſt ein ander kleiner Gezelt, in welches ſich die Koͤnigin mit der Heb-Amme begiebt. Vorher aber, und ehe die Koͤnigin herein gehet, werden die Vorhaͤnge und Fluͤgel des Gezeltes aufgethan, daß iedermann ſe - hen kan, daß kein ander Weib noch Kind darun - ter ſey. Nach der Geburth wird das neugebohr - ne Kind, wie es aus Mutter Leibe kommen, den Fuͤrſtlichen und andern hohen Perſonen gezeigt,und171Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder. und damit aller Argwohn einer Suppoſition be - nommen.
§. 6. Solte bißweilen ein monſtröſes oder ſehr gebrechliches Kind auf die Welt kommen, ſo wird es bald auf die Seite geſchafft, daß niemand viel davon zu ſehen noch zu hoͤren bekommt. Vor einigen Jahren ſoll allererſt bekandt worden ſeyn, daß von dem Koͤnig in Franckreich Ludwig den XIV noch eine, und zwar Kohl-ſchwartze Tochter, in der Welt vorhanden, die in einem Cloſter ohn - weit Fontainebleau gantz geheim erzogen wird. S. das I. Stuͤck der Einleitung zum neueſten Ge - ſchichten der Welt p. 35.
§. 7. Nach der Geburth eines Hoch-Fuͤrſtli - chen Kindes gehen mancherley Solennitæten vor, ſie ſind aber faſt allenthalben groͤſſer bey der Ge - burth eines Printzens, als einer Princeßin. Jn - ſonderheit ſpuͤhret man an dem Kayſerlichen Hofe, daß bey der Geburth einer Ertz-Hertzogin, unter - ſchiedene Solennien, die ſonſt bey der Geburth ei - nes Ertz-Hertzogs vorzukommen pflegen, zuruͤck bleiben. Nach der gluͤcklichen Entbindung der Hoch-Fuͤrſtlichen Gemahlin, werden in der Fuͤrſt - lichen Reſidenz alsbald die Stuͤcken abgefeuert. Die Geburth wird nicht allein den gegenwaͤrtigen frembden Geſandten und Reſidenten muͤndlich, ſondern auch den frembden Puiſſancen und Staa - ten, abſonderlich denen, mit welchen ſie in Alliance ſtehen, ſchrifftlich notificirt, und ſind dieſe Notifi - cationen von langen Zeiten her in Gebrauch ge -weſen.172I. Theil. XI. Capitul. weſen. Als Hertzogs Johann Friedrichs zu Sach - ſen Gemahlin auf dem Grimmenſtein mit einem Printzen entbunden ward, ſo vermeldeten ſolches der Hertzog dem Chur-Fuͤrſt Auguſto in folgenden Schreiben: „ Daß GOtt uns abermahls einen „ jungen Sohn und Landes-Erben gnaͤdiglich gege - „ ben, darum wir denn ſeine Allmacht von Hertzen „ Lob, Ehr und Danck ſagen, und es Eurer Liebden „ um ſich mit Jhrer Liebden und Uns gleichergeſtalt „ zu erfreuen zu haben, hiermit freundlich vermel - „ den thun. „ Der Chur-Fuͤrſt antwortete: “Thun „ Uns deſſelben gegen Euer Liebden freundlich be - „ dancken, und wie Wirs mit beſondern Freuden „ empfangen und erfahren, alſo wuͤnſchen wir auch „ Eurer Liebden ſamt den freundlichen lieben Ge - „ mahl von dem Allmaͤchtigen Gluͤck und Heyl da - „ zu, damit dieſer und die andern Erben Eurer Lieb - „ den GOtt zu Ehren, und dem Hauſe Sachſen „ zum guten, ein langes Leben und ſelig Alter errei - chen. S. Rudolph Goth. Diplomat. I Theil. pag. 60.
§. 8. Die Chur-Fuͤrſten und Fuͤrſten des hei - ligen Roͤmiſchen Reichs laſſen bey Kayſerlicher Majeſtaͤt durch ihre Miniſtres in beſondern ſolen - nen Reden die Geburth ihrer Prinzen anbringen, und bitten, den neugebohrnen Sohn zu wuͤrdigen, ihn in dero Kayſerliche Gnade und Protection al - lergnaͤdigſt aufzunehmen; eben dergleichen thun ſie bey der regierenden Roͤmiſchen Kayſerin, und zuweilen auch bey denen verwittibten Kayſerinnen. Manch -173Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder. Manchmahl geſchicht es auch, daß die Regenten ihren oͤffentlichen Feinden, mit denen ſie in einem blutigen Krieg verwickelt ſind, par Ceremonie dergleichen Notifications-Compliment machen laſſen.
§. 9. Nachdem die Geburth entweder notifi - cirt, oder doch ſonſt public worden, ſo erfolgen die Gratulationen und Præſente. Die Hoch-Fuͤrſt - lichen Anverwandten, die ſich in der Reſidentz auf - halten, ſind die erſten, die ſich einfinden, und auf mancherley Weiſe ihre Freude und ihre Liebe ge - gen die Hoch-Fuͤrſtliche Frau Woͤchnerin und den neugebohrnen Printzen an Tag legen. Bey die - ſer Gelegenheit iſt es unter einigen groſſen Puis - ſancen, die beſondere Orden auszutheilen pflegen, gar etwas gewoͤhnliches, daß ſie den kleinen Prin - tzen mit einem Orden beehren. Als der vorige Koͤ - nig von Franckreich, Ludwig der XIVte, von der Entbindung der Hertzogin von Burgund Nach - richt erlangte, daß ſie mit einem Printzen niederge - kommen, gieng er zu der Hertzogin vors Bette, leg - te einen verbindlichen Gluͤcks-Wunſch bey ihr ab, und hieng dem jungen Printzen das Band des Rit - ter-Ordens vom Heiligen Geiſt um den Hals, und ſagte zu ihm: Hertzog von Burgund, ich mache dich zum Ritter. S. den XLIIſten Theil der Euro - paͤiſchen Famæ p. 129. So wurde auch der hoch - ſeelige Ertz-Hertzog, Printz Leopoldus, anno 1716 zum Andreas-Ritter gemacht. Der Kayſer fuͤhr - te uͤber dieſen Durchlauchtigſten Candidaten diedrey174I. Theil. XI. Capitul. drey gewoͤhnliche Ritter-Streiche, ſprechend: Efficiat Te Deus bonum & honorabilem Equi - tem in nomine Domini noſtri & S. Andreæ, er gab ihm darauf die guͤldene Ritter-Ordens-Kette um, und las ihm aus dem Ordens-Rituali vor: Ipſe Te hic ordo in ſodalitatem amicabilem ſuam recepit, in ſignum ejus rei, torquem hunc tibi ego circumdo, faxit Deus ut geſtare eum diu poſſis, idque ut ſimul ad divinam gloriam atque cultum exaltationem que Eccleſiæ cedat, nec non ad am - plificationem honoremque hujus ipſius ordinis in univerſum. S. Elect. J. Publ. Tom. IX. pag. 15.
§. 10. Andere Hoch-Fuͤrſtliche Anverwandten, die ſich an entfernten Orten aufhalten, regaliren nicht allein die Couriers oder Cavaliers, die ihnen von der Geburth eines Printzen die Notification uͤberbracht, ſondern uͤbermachen auch anſehnliche Præſente, die theils in koſtbahren Wochen-Betten und praͤchtigen Wiegen, theils in etwas anders be - ſtehen.
§. 11. Die Paͤbſte pflegen mehrentheils den neugebohrnen Roͤmiſch-Catholiſchen Printzen Windeln zu weyhen und ſie damit zu beſchencken, wenn ſie gegen die Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern eine beſondre Hochachtung wollen an Tag legen. Biß - weilen ſind ſie koſtbar, bißweilen aber ſoll die Krafft der Paͤbſtlichen Benediction die Koſtbar - keit erſetzen. Kinder muͤſſen bißweilen mit ſolchen Windeln vorlieb nehmen, uͤber deren Anſchaffungdie175Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder. die Paͤbſtliche Cammer nicht verarmen kan, und erwachſene Leute muͤſſen offtmahls mit Lumpen vorlieb nehmen, die zwar als Heiligthuͤmer beſchrie - ben werden, in der That aber offtmahls von man - chen unheiligen Bettler, aus einem unſaubern Ho - ſpital ihren Urſprung nehmen. S. Europaͤiſche Fama XXV. Theil. Etwas ſeltzames war es, daß Pabſt Clemens XI. Anno 1705 den neugebohr - nen Hertzog von Bretagne, ſehr koſtbare Windeln widmete, er ſtarb aber, ehe ſie von Rom wegge - fuͤhrt und uͤberliefert werden konten. Hierauf ent - ſchloß ſich der Pabſt, dieſelben als Altar-Tuͤcher zu gebrauchen, dieweil es dem Scheine nach nicht ſeyn ſolte, daß ſie einen jungen Fuͤrſten dienten, da drey derſelbigen, denen ſie deſtinirt geweſen, nem - lich der Portugieſiſche, Kayſerliche und Frantzoͤſi - ſche Printz, hintereinander geſtorben. S. den XVII. Tomum des Theatri Europæi p. 206.
§. 12. Es lauffen bey einer Hoch-Fuͤrſtlichen Entbindung, nicht allein von Fuͤrſtlichen Perſonen, mancherley Præſente ein, ſondern es geſchicht auch wohl, daß die Land-Staͤnde, von Ritterſchafft und Staͤdten, durch gewiſſe Deputirte, ja auch wohl eintzelne Collegia, Jnnungen und Gemeinden, zu Bezeugung ihrer Devotion und allgemeinen Freu - de des Landes, zum Wiegen-Bande gewiſſe Ge - ſchencke uͤberreichen. Es werden auch wohl gar bißweilen die Ammen koſtbar beſchenckt. Alſo regalirte der Cardinal Portocarero die Amme des Printzens von Aſturien mit einer mit Diamantenbeſetzten176I. Theil. XI. Capitul. beſetzten Taube, ingleichen mit einer, mit allerhand Jubelen angefuͤllten Schachtel, und einen Beutel von 150 Piſtohlen. S. den 74 Theil der Europaͤi - ſchen Fama p. 146.
§. 13. Nach der Niederkunfft werden unter Trompeten - und Paucken-Schall, Laͤutung aller Glocken, Loßfeurung der Canonen und einer drey - fachen Salve der in der Reſidenz liegenden Milice, beſondre Danck-Feſte gehalten; Es wird den, an frembden Hoͤfen ſubſiſtirenden Abgeſandten Or - dre ertheilet, dieſerhalben beſondre Illuminationen anzurichten, praͤchtige Feuerwercke anzuzuͤnden, Geld unter die Armen auszutheilen, Fontainen mit Wein lauffen zu laſſen, und ſonſt mancherley Freuden-Bezeugungen anzuſtellen. Die Roͤ - miſch-Catholiſchen verehren bey dieſer Gelegen - heit gar oͤffters, zur Bezeugung ihrer Danckbar - keit, entweder der Mutter GOttes, oder einen an - dern Heiligen, gegen den ſie ſich etwan durch ein beſonder Geluͤbde pflichtig gemacht, ein ſilbern Bild, ſo eben ſo ſchwehr als der neugebohrne Printz wieget.
§. 14. Bey der Geburth eines laͤngſt verlangten und erwuͤnſchten Printzens, werden nicht ſelten Ge - fangene loßgelaſſen, die Brunnen ſpringen mit Wein, man hoͤret und ſiehet einige Tage nach ein - ander in der Fuͤrſtlichen Reſidenz nichts als Illu - minationen, muſicaliſche Concerte, Opern und Comœdien, und mancherley Jubel-Geſchrey; un - ter das arme Volck wird Brod, Bier und Geldausge -177Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder. ausgetheilt. Bißweilen werden dieſe und andre Solennitæten, gleich bey dem Anbruch des Tages, durch die erſte Freuden-Bezeugung, mit Trompe - ten, Waldhoͤrnern, Paucken und Hautbois ange - kuͤndiget. Jn einigen Reichen werden die Prin - tzen einige Tage nach einander, dem, in groſſer Men - ge herzu lauffenden Volck, von den Balcons und Erckern der Koͤniglichen Pallaͤſte, gezeiget.
§. 16. Nicht weniger werden entweder nach der Geburth, oder nach beſchehener Tauffe, mancher - ley Muͤntzen und Medaillen gepraͤget. Bißweilen in der Forme allerhand Land-Muͤntzen, an Reichs - Thalern, Zweydrittel-Eindrittel-Stuͤcken u. ſ. w. die gaͤng - und gaͤbe ſind, bißweilen aber auch nur als Schauſtuͤcken. Als anno 1670 den 22 Dec. Hertzog Friedrichen zu Sachſen-Gotha die erſte Princeßin Anna Sophia gebohren wurde, ſo ließ Hertzog Ernſt einen Tauf-Thaler praͤgen mit un - terſchiedenen Dictis Biblicis. Auf dem Revers ſtunden folgende Reime: GOtt Vater durch die Tauf, zum Kind mich nimmet auf; GOtt Sohn mit ſeinem Blut, macht mich gerecht und gut; GOtt Heil’ger Geiſt zeucht ein, mein Lehrer, Troſt, zu ſeyn; Biß aus der Ei - telkeit, ich komm zur Ewigkeit. S. Wermuths Saͤchſiſches Medaillen-Cabinet IV. Theil p. 748. Auf die Welt erfreuliche Geburth des Durchlauch - tigſten Ertz-Hertzog Leopolds wurde folgende Schau-Muͤntze geſchlagen: Es zeiget die Ewig - keit des Durchlauchtigſten Ertz-Hauſes durch einMauf178I. Theil. XI. Capitul. auf der Welt-Kugel ſitzendes Kind, umgeben mit einigen Wolcken, als vom Himmel herunter gelaſ - ſen. Es haͤlt in der Rechten das Palladium, ein Bild der mit Erhaltung aller Wiſſenſchafften und Kuͤnſte genau verbundenen Erhaltung der Reiche, als ehemahls des Trojaniſchen, hernach des Roͤ - miſchen, nachdem es den Veſtalen ſammt dem ewi - gen Feuer zur Verwahrung anvertrauet, und als ein Pfand des unvergaͤnglichen Roͤmiſchen Reichs angeſehen worden. Die Uberſchrifft iſt: Aeter - nitas Auguſta, und unten: Nato Principe juven - tutis M. D. CC. XVI. d. XIII. April. S. Heræi Gedichte und Inſcriptiones p. 93. Manchmahl werden auch an Jhren Geburths-Taͤgen gewiſſe Muͤntzen gepraͤget. Als Fuͤrſt Leopold zu Anhalt Deſſau kaum ein Jahr alt war, wurde eine Muͤn - tze geſchlagen, welche um ſo viel remarquabler, ie mehr man ſchon auf derſelben von ſeinem zukuͤnff - tigen Helden-Muth und vortrefflichen Gaben aus den Merckmahlen der Jugend gleichſam geweiſſa - get. Auf der einen Seite ſind die Worte zu leſen: Leopoldo Princip. Anhalt. Principi juventutis, poſtquam III. Julii anno M. D. CC. XXVII. ex - pleviſſet feliciter annum, annis ſubditus octua - gies multis acclamat votis. Die andere Seite ſtellet vor, einen jungen Herculem, welcher in ieg - licher Hand eine Schlange fuͤhrt, um den etliche Bienen gemahlet ſind, mit der Umſchrifft: Dat ſerpens pugnæ, dat apis præſagia mentis. S. An - ton. Paullini Buͤcher-Cabinets VI Eingang p. 35.
§. 17.179Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder.§. 17. Gleichwie bey Geburth der Menſchen, zwiſchen Standes-Perſonen und gemeinen Leuten kein Unterſchied. Alſo bringen ſo wohl jene als dieſe Zwillinge auf die Welt. Wo das Recht der Erſt - geburth eingefuͤhrt, ſo iſt ein groſſes daran gelegen, daß man beobachte, welcher unter ſelbigen der erſte, oder der andere gebohrne. Einige Rechts-Lehrer ziehen in ſolchem Fall, bald den ſchoͤnſten, bald den ſtaͤrckſten, bald den verſtaͤndigſten und kluͤgſten vor, andere ſtellen hierunter die Determination dem Willen des Vaters anheim, noch andere ach - ten vor billich, daß die commoda Primogenituræ, wegen des ſonderbahren hiebey mit unterlauffenden Zweiffels, zwiſchen beyde getheilet werden; hinge - gen ſind wiederum viele, die allen dieſen Wegen das Looß vorziehen, als deſſen Fuͤhrer der allwiſſen - de GOtt ſelbſt waͤre.
§. 18. Die Roͤmiſch-Catholiſchen Printzen ha - ben vor vielen apanagirten Printzen, die ſich zu der Proteſtantiſchen Religion bekennen, und nicht Ge - legenheit haben, ſich im Kriege zu pouſſiren, den Vortheil, daß ſie in mancherley geiſtlichen Digni - taͤten aſcendiren, und dabey ihren Fuͤrſtl. Staat fuͤhren koͤnnen. Alſo hat das Hauß Bayern ſich einige Secula durch, bey den Stifften und Ertz - Stifften, zu deren Beſitz es gekommen, ſehr wohl befunden.
§. 19. An manchen Hoͤfen, bey manchen Um - ſtaͤnden, und zu manchen Zeiten, wird die heilige Tauffe ohne praͤchtige Ceremonien vollzogen;M 2Die180I. Theil. XI. Capitul. Die naͤchſten Gevattern, die am erſten zu erlangen, werden erwehlet, und alle eclatante Solennitaͤten dabey vermieden; vielmahls aber werden die Fe - ſtivitaͤten bey der Tauffe mit den groͤſten Solennien celebriret, und die heilige Tauffe, um der andern Anſtalten willen, manchmahl eine lange Zeit auf - geſchoben: Bißweilen werden nur drey oder vier Tauf-Zeugen genommen, bißweilen aber auch 24, und noch mehr. Mehrentheils werden hohe Fuͤrſt - liche Anverwandten oder andere frembde Puiſſan - cen dazu erwehlet, bißweilen aber auch andere. Jn den alten Zeiten iſt es gar nichts ungewoͤhnliches geweſen, daß Fuͤrſtliche Perſonen auch bißweilen einige von der Geiſtlichkeit mit zu Gevattern gebe - then. Bey der Tauf-Handlung Printzens Fran - ciſci Georgii, den Fuͤrſt Bernhard zu Anhalt an - no 1567 den 16 Octobr. mit ſeiner Gemahlin zeu - gete, war naͤchſt ſeiner Frau Groß-Mutter, Frau Clara, gebohrne Hertzogin zu Sachſen-Lauenburg, und andern Fuͤrſtlichen Perſonen, auch des Fuͤrſt - lichen Herrn Vaters Hof-Caplan, Jacob Stei - rer, welchen Fuͤrſt Bernhard ſonderlich liebte, mit Tauf-Pathe. S. Beckmanns Anhaͤlt. Geſchichte Vter Theil p. 178.
§. 20. Es pflegt auch wohl noch heutiges Ta - ges bey einigen Reichs-Fuͤrſten in Teutſchland zu geſchehen, daß ſie einige von ihren vornehmſten Land-Staͤnden, oder einige von den Magiſtrats - Perſonen der benachbarten Reichs-Staͤdte, oder andere anſehnliche Leute, aus denen, mit ihnen an -grentzen -181Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder. grentzenden Creyßen, zur Gevatterſchafft invitiren. Alſo hat Hertzog Ernſt zu Sachſen-Meinungen die Herren Directores, Hauptleute, Raͤthe und ſaͤmtliche Reichs-freye Ritterſchafft aller ſechs Or - ten in Francken, zu Gevattern bitten laſſen. Die Herren Hertzoge zu Holſtein haben zu unterſchie - denen mahlen die Stadt Hamburg, und die Marg - grafen zu Bayreuth, die Stadt Nuͤrnberg invi - tiret.
§. 21. Die Hoch-Fuͤrſtlichen und andere hohe erbetene Tauf-Zeugen, ſtehen entweder in Perſon, und heben das Kind aus der Tauffe, oder erſchei - nen durch ihre Abgeſandten und Deputirte. Es geſchicht auch wohl, daß die am Hofe anweſende Hoch-Fuͤrſtliche Anverwandten, oder hohe Offi - cianten, die Stelle der Abweſenden vertreten. Zu - weilen werden die in Dienſten ſtehenden Miniſtri und Dames zugleich mit invitiret. Alſo verrichte - te anno 1717 die Hertzogin von Sanct Alban, als erſte Dame d’honneur der Princeßin von Wallis, bey der Geburth Printz Georg Wilhelms in En - gelland die Function einer Pathe. S. Elect. Jur. Publ. Tom. XII. p. 288.
§. 22. Die Hoch-Fuͤrſtlichen Tauf-Zeugen werden gemeiniglich durch eine beſondere Abſchi - ckung zu dieſer Handlung eingeladen. Je hoͤher die Tauf-Zeugen, ie groͤſſere Miniſtri werden zu die - ſer Invitation ausgeſucht. Die ſolenne Einla - dung wird hinwiederum durch eine andere Danck - ſagungs-Rede beantwortet. Vielmahls werdenM 3auch182I. Theil. XI. Capitul. auch die Hoch-Fuͤrſtlichen Tauf-Zeugen zur Ge - vatterſchafft in Briefen invitirt, und findet man in des Herrn Luͤnigs Teutſchen Reichs-Cantzley viel von dergleichen Schreiben.
§. 23. Wenn Fuͤrſtliche Herrſchafften ſich ſelbſt in Perſon zur Gevatterſchafft einſtellen, ſo werden ſie von abgeſchickten Cavaliers auf den Grentzen angenommen. Die Cavaliers vermelden in einem Compliment, daß ſie von Jhrer Hoch-Fuͤrſtlichen Durchlauchtigkeit, als ihrer gnaͤdigſten Herrſchafft, befehliget waͤren, Sie, an ſtatt Jhrer Hoch-Fuͤrſt - lichen Durchlauchtigkeit, an gegenwaͤrtigen Gren - tzen Jhres Landes anzunehmen, und ferner biß zu Jhrer Hoch-Fuͤrſtlichen Durchlauchtigkeit zu be - gleiten, auch Jhnen, nebſt dem bey ſich habenden Comitat, ſo viel als moͤglich, Fuͤrſtliches Tracta - ment und Ausrichtung zu beſtellen, mit unterthaͤ - nigſter Bitte, Jhro Hoch-Fuͤrſtliche Durchlauch - tigkeit wollen damit freundlich vorlieb und zu willen nehmen. Die Fuͤrſtlichen Herrſchafften laſſen hin - wieder duꝛch einen von ihꝛen Cavalieren ein Danck - ſagungs-Compliment abſtatten. Vor dieſen wur - den, bey dieſen und andern dergleichen Faͤllen, weit - laͤufftige Reden gehalten, heutiges Tages aber ſind kurtze Complimens gebraͤuchlicher.
§. 24. Die Abgeſandten der Hoch-Fuͤrſtlichen Herrſchafften, die ſich zu dem heiligen Werck ein - ſtellen, wenn ihre Principalen ſelbſt verhindert wer - den, erſcheinen mit der groͤſten Pracht, und werden ebenfalls mit groſſen Solennitaͤten eingeholet, undwie183Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder. wie ihre Principalen empfangen und tractiret. Sie melden in einem Compliment, daß ihnen gnaͤdig aufgetragen waͤre, im Nahmen Jhrer Hoch-Fuͤrſt - lichen Durchlauchtigkeit das heilige Werck uͤber ſich zu nehmen, den Freund-Fuͤrſtlichen Wunſch abzuſtatten, und von beyderſeits Hoch-Fuͤrſtlichen Durchlauchtigkeiten gegenwaͤrtiges Præſent zu uͤberreichen, mit dem Anſinnen, nicht ſo wohl das Præſent an ihm ſelbſt, ſondern vielmehr die Freund - Vetterliche u. ſ. w. Wohlgewogenheit daraus zu erkennen. Dieſes Compliment wird mit einem Gegen-Compliment erwiedert, darinnen Sie ſo wohl vor die beſchehene Abſchickung, als auch Uber - ſchickung des Hoch-Fuͤrſtlichen Præſents, gehoͤri - gen Danck abſtatten.
§. 25. Die Arten der Eingebinder und Præſen - tes, ſo an die Hoch-Fuͤrſtlichen neugebohrnen Kin - der geſchehen, ſind unterſchiedlich. Bißweilen be - ſtehen ſie in jaͤhrlichen Penſionen. Alſo pflegen die Herren General-Staaten von Holland, gar oͤffters bey dergleichen Occaſionen, jaͤhrliche Pen - ſionen von einigen tauſend Hollaͤndiſchen Guͤlden einzubinden. Zuweilen auch in koſtbaren Schmuck, in Bouquetern von Brillanten, in Silberwerck, in einer groſſen Summe ſehr rarer, oder doch gantz neu-gepraͤgter guͤldenen und ſilbernen Muͤntzen, und andern dergleichen. Uber dieſe Eingebinde pfle - gen auch noch bißweilen andere Præſente auf das Hoch-Fuͤrſtliche Wochen-Bette abgegeben zu werden. Alſo verehrten anno 1716 die Vorder -M 4Oeſter -184I. Theil. XI. Capitul. Oeſterreichiſchen Staͤnde in Brißgau, Arlberg und Schwaben, bey der Geburth des hochſeeligen Ertz - Hertzogs Leopoldi, der Roͤmiſchen Kayſerin einen groſſen goldenen Medaillon von 16 Marck Goldes, zu einem allerunterthaͤnigſten Wiegen-Bande. S. Heræi Gedichte und Inſcriptiones, p. 103.
§. 26. Die Handlung der heiligen Tauffe wird nach den unterſchiedenen Obſervanzen der Hoͤfe, die an einem ieden Ort eingefuͤhret, oder nach den Umſtaͤnden des Kindes, nachdem es ſehr ſchwach, oder friſch und munter iſt, oder nach dem Unter - ſchied der Solennitaͤten, die vorgenommen ſollen werden, entweder auf dem Schloß in einem Ge - mach oder Sahle, oder in der Fuͤrſtlichen Schloß - Capelle celebriret. Unter den Proteſtirenden wird entweder bey der Tauffe, wenn ſie in der Kirche ge - ſchicht, nur ein kurtzer Sermon gehalten, oder eine beſondere Tauf-Predigt abgelegt. Alſo hielte der ſeelige D. Martin Geyer, als damahliger Chur - Saͤchſiſcher Ober-Hof-Prediger, bey der Tauffe des Chur-Printzens, Johann George des IV. eine Tauf-Predigt in der Schloß-Kirche zu Dres - den.
§. 27. Bißweilen geſchicht die Tauffe des A - bends, damit der Luſtre bey den brennenden Wachs-Fackeln deſto groͤſſer ſeyn moͤge. Die Schloß-Capellen werden auf das praͤchtigſte aus - meubliret, und die Cantzeln, Altaͤre und Taufſtein auf das ſchoͤnſte ausgeſchmuͤcket; Man findet al - lenthalben die Hoch-Fuͤrſtlichen Wapen mit derfeinſten185Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder. feinſten colorirten Seide, Gold, Silber und Per - len geſtickt und angehefftet. Solten auch ſchon ſonſt die Kirchen, wegen einer ſehr tieffen Landes - Trauer, mit ſchwartzen Tuch umhangen ſeyn, ſo findet man doch alles bey einer ſolchen Feſtivitaͤt in Galla. Uber den Taufſteinen ſiehet man biß - weilen ſehr koſtbahre Baldachine, ingleichen uͤber den Tiſchen, die in den Gemaͤchern ſtatt der Tauf - ſteine dienen, und mit brocatnen Teppichen und Sammet-Kuͤſſen beleget ſind. Bißweilen wer - den wohl gar, nach beſondern Erfindungen der Bildhauer und Tapezierer, gewiſſe Amphitheatra verfertiget, mit Statuen, Colonnaden und Tapiſſe - rien ausgezieret, und gewiſſe Sitze vor die Durch - lauchtigſten Herrſchafften, hohe Abgeſandten, und andere vornehme Anweſende zurecht gemacht, wel - che hernach von den Ceremonien-Meiſtern einen ieden angewieſen werden.
§. 28. Die hohen Tauf-Zeugen verfuͤgen ſich in einer ſolennen Proceſſion an den Ort, wo die Tauffe geſchehen ſoll. Sie werden vorher durch die Hof-Trompeter, Heer-Paucker, Herolde, Hef - Marſchaͤlle, Ceremonien-Meiſter und die ſaͤmt - lichen Cavaliere, die gewoͤhnlicher maßen nach ih - rem Range vor den Hoch-Fuͤrſtlichen Herrſchaff - ten gehen, aufgefuͤhret. Die groͤſten Miniſtri und Officianten des Reiches tragen eines und das an - dere zu dem Tauf-Geraͤth gehoͤriges Stuͤcke, als, bey den Roͤmiſch-Catholiſchen das Saltz, oder das Geſchirr mit dem Chriſma, bey den ProteſtantenM 5aber186I. Theil. XI. Capitul. aber das Tauf-Waſſer, oder Weſter-Hembdgen. Die Printzen werden unter einem praͤchtigen Him - mel von Sammet getragen, und in die ſchoͤnſten Parade-Wiegen gelegt, zuweilen auch in Sammet - Kuͤſſen, die mit goldenen und ſilbernen Frangen ausgezieret, eingewickelt. Nach dem Unterſchied der Diſtancen, werden die Fuͤrſtlichen Kinder ent - weder von den hohen Tauf-Zeugen ſelbſt, oder von den Hoch-Fuͤrſtlichen Miniſtres oder deren Wei - bern, in den Tauf-Sahl, oder in die Kirche getra - gen. An einigen Orten muͤſſen bey dem Tauf - Actu, entweder der gantze Adel, oder doch die vor - nehmſten des Hofes mit erſcheinen. Vor und nach der Tauffe hoͤret man eine vortreffliche Vocal - und Inſtrumental-Muſic, es werden alle Glocken dabey gelaͤutet, und bey Ertheilung des Nahmens gemeiniglich die Canonen abgefeuert; Jn einigen Reichen, als wie in Franckreich, iſt es auch ge - braͤuchlich, daß ein Herold alsdenn ausrufft: Es lebe mein Herr der Dauphin.
§. 29. Die Nahmen werden bey der Tauffe, entweder nach den Hoch-Fuͤrſtlichen Anverwand - ten, oder hohen Tauf-Zeugen ertheilet, und bey den Roͤmiſch-Catholiſchen nach gewiſſen Heiligen, die ſie ins beſondere veneriren, oder denen ſie ein be - ſonder Geluͤbde gethan; bißweilen auch nach den Tagen, an welchen ihre Tauffe einfaͤllt. Ob zwar die Roͤmiſch-Catholiſchen Printzen in der Tauffe bißweilen acht und mehr Nahmen beygelegt be - kommen, ſo pflegen ſie ſich doch mehrentheils nurdes187Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder. des erſten Nahmens zu bedienen, als welches der Haupt-Nahme iſt.
§. 30. Manchmahl giebt ein beſonderer Umſtand Gelegenheit, daß die Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern ih - rem Kinde einen gewiſſen Nahmen zulegen, der ſonſt in der Hoch-Fuͤrſtlichen Familie gantz und gar nicht gewoͤhnlich iſt. Man hat wahrgenom - men, als Kayſer Leopold a. 1615 den 19 Martii alle ſeine Reiche und Laͤnder dem heiligen Joſeph, Chriſti Pfleg-Vater, gewidmet, er zugleich die erſte Bitte an dieſen Heiligen aus dem I. Buch Moſis am XXX Capitul v. 1. mit den Worten: Da mihi liberos, Schaffe mir Kinder, gethan, dieſes die Haupt-Urſache geweſen ſeyn ſoll, warum der Kay - ſer dieſem ſeinen erſtgebohrnen Printzen den Nah - men Joſeph vornemlich beylegen laſſen, als welcher ſonſt, ſo wohl in den Oeſterreichiſchen als andern Durchlauchtigen Haͤuſern, nicht ſo gar oͤffters ge - brauchet worden. S. Leben des Kayſers Leopol - di p. 293.
§. 31. Aus der Hiſtorie iſt bekandt, daß manche Nahmen dieſem oder jenem Koͤniglichen oder Fuͤrſt - lichen Hauſe fatal oder gluͤcklich geweſen. Alſo fuͤrchten ſich die Koͤnige in Franckreich vor den Nahmen Henrich, weil alle Franzoͤſiſche Koͤnige, ſo dieſen Nahmen gefuͤhret, keines natuͤrlichen To - des geſtorben. S. M. Stenders Diſſertation de nomine Henrici Regibus Galliæ infauſto. Hin - gegen iſt eine bekandte und gewiſſe Anmerckung der Scribenten, daß der Nahme Friedrich dem Durch -lauch -188I. Theil. XI. Capitul. lauchtigſten Chur-Fuͤrſtlichen Brandenburgiſchen Hauſe iederzeit Gluͤck angezeiget, maßen alle gluͤck - liche Veraͤnderungen in dieſem Hauſe durch Fuͤr - ſten geſchehen, ſo den Nahmen Friedrich gefuͤhret. Die Gefuͤrſtete und maͤchtige Burggrafſchafft Nuͤrnberg, welche dem alten Stamm des Hauſes Hohen-Zollern den erſten Grundſtein zum kuͤnff - tigen Wachsthum gelegt, war von einem Friedrich erworben. Die Chur-Wuͤrde der Marggraff - ſchafft Brandenburg konte nicht eher ihren beſtaͤn - digen Sitz erhalten, biß GOtt einen Friedrich er - weckte, der ſelbige auf ewige Zeiten ſeinem Ge - ſchlecht einverleiben konte. Ein Friedrich ſatzte ſich die Preußiſche Crone auf. S. des Herrn Ge - heimbden Rath Ludwigs Cron-wuͤrdigen Preußi - ſchen Adler.
§. 32. Jſt die Tauf-Handlung geendiget, ſo ge - het der ſaͤmtliche Comitat auf eben die Art aus der Kirche, oder aus dem Sahl wieder zuruͤck, als ſie hinein gegangen. Die Hof-Marſchalle oder Ce - remonien-Meiſter, fuͤhren nach den Obſervanzen eines ieden Hofes, die Tauf-Zeugen, oder andere frembde Miniſtres und Deputirte, zur Fuͤrſtlichen Herrſchafft, um die Felicitations-Complimens abzuſtatten. Es wird bißweilen im Nahmen der Durchlauchtigſten Herrſchafft von einem vorneh - men Cavalier nach der Einſeegnung eine ſolenne Rede abgelegt, und darinnen Danck abgeſtattet, daß die ſaͤmtlichen Gevattern entweder in Perſon erſchienen, oder durch anſehnliche Abgeordnete derChriſt -189Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder. Chriſtlichen Einſeegnung beywohnen, dem jungen Printzen GOttes Gnade und Seegen und alle Gluͤckſeligkeit anwuͤnſchen, koſtbare Præſente uͤber - reichen, und ſich zu fernerer Freund - und Dienſt - willigkeit anerbiethen wollen.
§. 33. Nachgehends geſchicht unter Trompe - ten - und Paucken-Schall die Einladung zur Ta - fel, die auf das magnifiqueſte angerichtet wird, und es wird nicht allein dieſer Tauf-Tag, ſondern auch noch viel folgende Tage / die zur Celebration dieſer Feſtivitaͤten beſtimmet ſind, bey Hofe und in der gantzen Reſidentz mit mancherley Freuden-Bezeu - gungen, mit Feuerwercken, Illuminationen, muſi - caliſchen Concerten, Ballettern, Banquetern, Co - mœdien, Opern, und andern dergleichen zuge - bracht.
§. 34. Bey den Roͤmiſch-Catholiſchen geſche - hen die Tauffen von einem Cardinal und Ertz-Bi - ſchoff, dem noch zwey andere Biſchoͤffe in pontifi - calibus beyſtehen, bißweilen auch von einem Paͤbſt - lichen Nuntio. Die Cleriſey kommt den hohen Tauf-Zeugen mit brennenden weiſſen Wachs - Kertzen unter Trompeten - und Paucken-Schall entgegen, und ertheilet ihnen die Benedictionen; Nach geendigter Tauffe wird hohe Meſſe gehal - ten, und unter ſolcher das Te Deum laudamus bey Paucken - und Trompeten-Schall, unter vortreff - licher Muſic, abgeſungen.
§. 35. Es pflegen auch bey ihnen einige Tropf - fen von dem Waſſer aus dem Fluß Jordan unterdas190I. Theil. XI. Capitul. das Tauf-Waſſer mit gemiſcht, und mancherley Reliquien, entweder von unſerm Heyland oder von der Jungfrau Maria, auf das Tauf-Tiſchgen mit geſetzt zu werden, wie aus folgender Beſchreibung zu erſehen, wie es bey der Tauffe des Ertz-Hertzogs Leopoldi gehalten worden: Bey dieſer Tauffe ward in der Ritter-Stube ein Baldachin von gol - denem Stuͤck aufgeſtellt, und darunter ein Altar aufgerichtet. Auf dieſen ſetzte man ein groß ſilbern Crucifix mit 6 dergleichen koſtbahren Leuchtern, ingleichen das groſſe Kayſerliche Tauf-Becken, nebſt noch einem kleinen, ſo alle von purem Gold, auch mit koſtbaren Steinen beſetzt, und darinnen das Tauf-Waſſer geweſen, in welches man fuͤnf Tropffen von dem Waſſer aus dem Fluß Jordan, darinnen weyland der Heyland der Welt von Jo - hanne dem Taͤuffer getaufft worden, hinein gethan, wie auch verſchiedene koſtbare Reliquien, als das heilige Blut, ein Nagel damit unſer Heyland ans Creutz genagelt worden, ein Dorn von der Crone Chriſti, von unſer lieben Frauen etwas Milch, wel - ches alles aus der Regierenden Kayſerin Schlaf - Zimmer in iedesmahliger Begleitung zwey Kay - ſerlicher Trabanten abgeholet, auch nach der heili - gen Tauffe wieder dahin getragen worden. S. Elect. Jur. Publ. Tom. IX. p. 15.
§. 36. Sind die Tauf-Solennitaͤten einmahl geendiget, und die Hoch-Fuͤrſtlichen Tauf-Zeugen durch ihre abgeordneten Miniſtres erſchienen, ſo laſſen die Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern an die frembdeHerr -191Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder. Herrſchafft, die ſie dazu invitirt, ein Schreiben ab - gehen, welches ſie dem abgeordneten Miniſtre mit - geben. Sie vermelden darinnen, daß Jhrer Lieb - den Abgeſandter und Geheimbder Rath, ſich zu der, von Jhnen angeſtellten Chriſtlichen Tauf - Handlung zurecht eingefunden, dasjenige, ſo Jhre Liebden ihm mit aufgegeben, bey Jhnen muͤndlich verrichtet, Dero Fuͤrſtliche Stelle bey dem heiligen Tauf-Actu, und den anhaͤngigen Solennitaͤten vertreten, und ſonſt alles, was ſich hierzu geeignet, wohl verrichtet. Sie dancken, daß ſie nicht allein den aufgetragenen Gevatter-Stand willig und ger - ne an - und aufgenommen, und das Chriſtliche Werck durch einen eigenen Abgeſandten verrichten laſſen, ſondern auch den neugebohrnen Printzen ſo reichlich beſchencken wollen.
§. 37. Bey den Roͤmiſch-Catholiſchen werden die Tauf-Ceremonien, wenn die Kinder ein ſechs oder acht Jahr alt ſind, wiederholet. Die von der Cleriſey, nehmen alsdenn den Exorciſmum vor, weyhen das Saltz, thun es dem Printzen oder der Princeßin in Mund, entbloͤſſen ihm das Haupt und die Schultern, die Biſchoͤffe ſalben ſie mit dem hei - ligen Oehle der Catechumenorum, und befragen ſie, ob ſie dem Teuffel, und allen ſeinen Wercken, und allen ſeinem Weſen entſagten, und ſie muͤſſen die uͤbrigen Glaubens Fragen, die an ſie nach dem Rituali ergehen, ſelbſt beantworten. Hierauf de - clariren ſie Dieſelben vor diejenigen, die dem Schooß der Chriſtlichen Kirche einverleibet waͤren,und192I. Theil. XI. Capitul. und bethen nachgehends mit ihnen das Apoſtoliſche Symbolum und Gebeth des HErrn. Die Tauffe mit Waſſer aber bleibet auſſen.
§. 38. Wenn die Durchlauchtigſte Woͤchne - rin ihre Wochen geendiget, ſo wird ein ſolenner Kirchgang gehalten, bey welchem unter den Roͤ - miſch-Catholiſchen noch viel mehr Solennitaͤten ob - ſerviret werden, als unter den Proteſtirenden. Es wird aus dem Schloß biß in die Schloß-Capelle oder andere Kirche eine groſſe Proceſſion von der gantzen Hofſtatt gehalten. Die Straſſen oder die Gaͤnge zur Kirchen werden mit Tapeten, Gemaͤhl - den, Ehren-Pforten und dergleichen, auf das ſchoͤn - ſte geſchmuͤckt, die Garden muͤſſen allenthalben biß an die Kirch-Thuͤren und den hohen Altar paradi - ren. Die Heyducken, Laquais und Pagen wer - den von den Cammer-Fouriers aufgefuͤhrt, auf die - ſe folgen die Cammer-Junckern, Cammer-Herren und andere Hof - und Staats-Miniſtri nach ihrer Ancienneté, auf dieſe die Durchlauchtigſte Woͤch - nerin, welche entweder von ihrem Gemahl, oder ei - nem andern Hoch-Fuͤrſtlichen Anverwandten, oder einem groſſen Miniſter, gefuͤhret wird, und mit der reichſten Kleidung angethan, das Kind wird von einem vornehmen Frauenzimmer auf einem ſam - metenen mit Gold und Silber ausgeſtickten Kuͤſ - ſen in die Kirche getragen. Die Schloß-Capellen werden auf das propreſte ausgeſchmuͤckt, die Geiſt - lichkeit kommt ihnen unter Trompeten - und Pau - cken-Schall, und mit weiſſen Wachs-Kertzen inHaͤnden193Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder. Haͤnden haltend, entgegen; die Durchlauchtigſte Woͤchnerin naͤhert ſich mit ihrem Kinde dem hohen Altar, ſie kniet davor nieder, bekommt eine geweyhe - te weiſſe brennende Wachs-Kertze in die Hand, und erhaͤlt von dem Paͤbſtlichen Nuntio, einem Cardinal oder Ertz-Biſchoff, der in Pontifical-Ha - bit angethan, und deme 2. Prælaten aſſiſtiren, den Seegen. Der Cardinal oder Biſchoff leget den Printz oder die Printzeßin auf den Altar, und laſſen ſie ſo lange liegen, biß die gewoͤhnlichen Gebethe verrichtet worden, alsdenn giebt er das Kind der Woͤchnerin wieder zuruͤck, nachdem er ihm die Be - nediction mitgetheilet. Hierauf wird oͤffentlicher Gottesdienſt, und eine ſolenne Meſſe gehalten, und das Te Deum laudamus unter Trompeten - und Paucken-Schall, auch wohl unter Abfeuerung der Canonen abgeſungen; es wird auf dem hohen Al - tar viel Geld geopffert, und einem gewiſſen Heili - gen zu Ehren, uͤber die allgemeine, die an die Heilige Dreyfaltigkeit geſchicht, auch noch eine beſondere Danckſagung abgeſtattet. Die Proceſſion gehet auf eben die Weiſe, wie ſie in die Kirche gegangen, aus derſelben wieder zuruͤck; die Herrſchafft be - kommt von ihren Miniſtris und fremden Geſand - ten die Gratulationen; es iſt denſelben Tag bey Hofe Galla und ſolenne oͤffentliche Tafel, und auf den Abend ſiehet man mancherley Freuden-Feuer, Illuminationen und andere Luſtbarkeiten, die auch wohl zuweilen einige Tage continuiren.
§. 1.
Gleichwie nicht allein den Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern und hohen Anverwandten eines Hoch-Fuͤrſtlichen Hauſes, ſondern auch allen Unterthanen eines Landes und den benachbarten Provintzien ſelbſt, aus dem Bezeu - gen eines Regentens ein beſonder Intereſſe zu - waͤchſt, alſo haben iederzeit weiſe und vor das Heyl ihrer Unterthanen bemuͤhete Souverains, nebſt ih - ren vertrauten Miniſtres und Cooperation der Reichs - und Land-Staͤnde, ihre vornehmſte Sorg - falt dahin gerichtet / daß die kuͤnfftigen Nachfolger in Reichen und Fuͤrſtenthuͤmern, in den Jahren ihrer Jugend zu allen guten und einem vollkom - menen Regenten nuͤtzlichen Qualitaͤten erzogen werden moͤchten.
§. 2. Anno 1703. lieſſen der erſte Rußiſche Kay - ſer, Petrus I., eine wohlausgearbeitete Inſtruction publiciren, wornach ſich diejenigen zu richten haͤt - ten, welchen die Information von Seiner Hoheit dem Czaariſchen Printzen anvertrauet werden ſol - te. Es iſt darinnen enthalten, wie er zur Gottes - furcht anzufuͤhren, wie ihm eine Liebe zur Tugend,und195Von Auferziehung der Fuͤrſtl. Printzen. und ein Haß gegen die Laſter beyzubringen, wie des Printzens Hofſtatt zu reguliren, wie die Me - thode der Information beſchaffen ſeyn ſoll, wie die auslaͤndiſchen Sprachen mit ihm vorzunehmen, wie die Hiſtorie, die Geographie, die Politica nebſt den Exercitiis, Jure Civili und Studiis Mathema - ticis mit ihm zu tractiren. S. Thucelii Acta Publi - ca, Tom. II. p. 872.
§. 3. Jn der Koͤniglich-Schwediſchen a. 1719 zu Stockholm zum oͤffentlichen Vorſchein gekom - menen neuen Regiments-Forme, iſt § 3 enthalten, daß den Staͤnden Macht zukommen ſoll, mit Jh - rer Koͤniglichen Majeſtaͤt gnaͤdigſtem Belieben, geſchickte Perſonen zu ernennen und zu verordnen, ſelbige auch mit gehoͤrigem Unterricht zu verſorgen, zu anſtaͤndiger Erzieh - und Unterweiſung der Koͤ - niglichen Kinder in der reinen Lutheriſchen Lehre, und allen Koͤniglichen Tugenden, Sitten und Wiſ - ſenſchafften, als dem Grunde eines kuͤnfftigen or - dentlichen und verſtaͤndigen Regiments. Zu dem Ende muͤſſen auch diejenigen Perſonen, welchen dieſe hohe Angelegenheit zu rechtſchaffener eifriger Beſorgung anvertrauet wird, den Reichs-Staͤu - den Rede und Antwort geben, ob durch ihre Nach - laͤßigkeit und Verhaͤngniß etwas moͤchte zu Schul - den kommen; wie denn auch die Reichs-Staͤnde Macht haͤtten, wann es noͤthig befunden wuͤrde, mit ihnen Wechſel und Veraͤnderung zu treffen.
§. 4. Daß die Fuͤrſtliche Auferziehung der Prin - tzen nicht allezeit ſo beſorget wird, wie es wohl bil -N 2lich196I. Theil. XII. Capitul. lich ſeyn ſolte, haben einige groſſe Herren ſelbſt er - kandt. Fuͤrſt Johann Ludwig zu Anhalt erinnerte einſtens bey einer gewiſſen Gelegenheit gar beweg - lich, daß bey Auferziehung der Fuͤrſtlichen Kinder nicht allemahl der Fleiß angewendet wuͤrde, wie es von GOtt - und Rechts wegen ſeyn ſolte, und die Fuͤrſten in dieſem Stuͤck weit ungluͤcklicher als Pri - vati waͤren, auch wohl bißweilen ein Arcanum Po - liticum einiger Miniſtrorum darunter verborgen laͤge, es zu verhindern, damit Fuͤrſtliche Perſonen nicht kluͤger wuͤrden als ſie. S. Beckmans Hiſto - rie des Fuͤrſtenthums Anhalt V. Theil p. 446.
§. 5. Die Durchlauchtigſten Eltern laſſen ge - meiniglich ihre Printzen, zumahl die Erb-Printzen, nach der Weiſe erziehen, die ihren Neigungen ge - maͤß iſt. Sind ſie Liebhaber der Wiſſenſchaff - ten und Gelehrſamkeit, ſo muͤſſen ſich ihre Printzen, von ihrer erſten Jugend an, auf Studia appliciren, und zwar auf ſolche, die mit der Staats-Wiſſen - ſchafft einige Verbindung und Verwandtſchafft haben; Sind ſie dem Kriegs - und Militair-Weſen ergeben, ſo muͤſſen ſie bey Zeiten das Muſtern der Regimenter, das Commandiren, Exerciren, und was nur zum Kriegs-Metier gehoͤret, begreiffen ler - nen. Finden die Durchlauchtigſten Vaͤter vor andern Freude an der Jagt, ſo werden die Printzen mehr zur Jaͤgerey, als zu etwas anders erzogen. Bißweilen geſchiehet es, daß ſie ihren Printzen eine andere Education geſtatten, als ſie ehedeſſen ſelbſt gehabt, oder als ihrem eigenen Temperament ge -maͤß;197Von Auferziehung der Fuͤrſtl. Printzen. maͤß; theils, weil ſie an ſich gewahr werden, daß ih - nen bey ihrer Auferziehung eines und das andere er - mangelt, und ſie ihre Printzen zu einem hoͤhern Grad der Vollkommenheit bringen wollen; theils auch weil ſie ſpuͤhren, daß ihre Printzen von einem gantz andern Naturell, und ſie alſo ihre Neigungen nicht beherrſchen noch uͤbermeiſtern koͤnnen.
§. 6. Es iſt ſehr wohl gethan, wenn es die Hoch - Fuͤrſtlichen Eltern nicht allein auf die Sorgfalt ih - rer Informatorum und Hofmeiſter ankommen laſ - ſen, ſondern ſich ſelbſt angelegen ſeyn laſſen die Auf - erziehung ihrer Fuͤrſtlichen Jugend zu beſorgen, und deren Ober-Aufſeher zu ſeyn, ſie auch von Kindes - Beinen an zu aller Furcht, Ehrerbietung und Ge - horſam gegen ſie anhalten. Bey dem Roͤmiſchen Koͤnig Joſepho war die Auferziehung wegen der Aufſicht der Kayſerlichen Frau Mutter ſo ſcharff, daß, als die Kayſerin noch damit fortfuhr, da Joſe - phus ſchon zu Augſpurg zum Roͤmiſchen Koͤnig ge - croͤnet worden, der Printz einmahl ungedultig dar - uͤber werden wolte, und ſagte, es ſchickte ſich dieſes Tractament keinesweges vor ein zum andern mahl gecroͤntes Haupt. S. des curieuſen Buͤcher-Ca - binets VI. Eingang p. 878.
§. 7. Weil einige groſſe Herren wohl wiſſen, daß ihren Kindern von der Wiege an, das Hoch-Fuͤrſt - liche Weſen mehr als zu ſehr im Kopff ſtecket, ſo wollen ſie durchaus nicht haben, daß ihre Printzen vor der Zeit ihren Hoch-Fuͤrſtlichen Stand auf eine ſolche Weiſe ſollen kennen lernen, dadurch ſieN 3zu198I. Theil. XII. Capitul. zu einem eitlen Ehrgeitz, und zu einer uͤbermaͤßigen Verachtung derer andern verleitet werden; ſie ver - biethen auch daher ihren Hofmeiſtern, Exercitien - Meiſtern, Informatoribus u. ſ. w. auf das ſchaͤrff - ſte, daß ſie dieſelben nicht Gnaͤdiger Herr, oder Jhre Durchlauchtigkeit, ſondern nur Printz Wil - helm, Printz Auguſt u. ſ. w. nennen ſollen. An manchen Hoͤfen hingegen iſt es eingefuͤhrt, die klein - ſten Printzen, noch ehe ſie das zehende Jahr zuruͤck gelegt, mit den Titulaturen eines Gnaͤdigen Herrn, Jhrer Gnaden, und Jhrer Durchlauchtigkeit, be - ehret werden.
§. 8. Jn Anſehung der Beſtrafungen und Zuͤch - tigungen der Printzen, ſind die Gebraͤuche der Hoͤfe ebenfalls unterſchieden. Bißweilen bekommen die Informatores oder die Gouverneurs Erlaub - niß, den kleinen Printzen, wenn ſie es verdienen, ei - nige real Correction zu geben, zuweilen aber auch nicht / ſondern muͤſſen es bey dergleichen Faͤllen entweder an die Ober-Gouverneurs oder an die Durchlauchtigſten Eltern ſelbſt gelangen laſſen. Als der Informator des Roͤmiſchen Kayſers Leo - poldi ihn als damahligen kleinen Ertz-Hertzog mit der Ruthe ſtrafen wolte, riß er ihn dieſelbe aus der Hand, und uͤberreichte ſie dem Kayſer mit die - ſen Worten: Niemand in der Welt hat auſſer Eurer Kayſerlichen Majeſtaͤt die Macht, einen Ertz-Hertzog von Oeſterreich abzuſtrafen. S. das Leben des Kayſers Leopoldi p. 27.
§. 9. An einem Hofmeiſter, der verſtaͤndig,Gottes -199Von Auferziehung der Fuͤrſtl. Printzen. Gottesfuͤrchtig, aufrichtig, und in weltlichen Sa - chen wohl erfahren, welcher ſeines unſtraͤflichen Le - bens und Wandels halber ein gut Geruͤchte und Zeugniß hat, iſt viel gelegen, und daher wohl zu rathen, daß ein Fuͤrſt an einen ſolchen Mann kei - ne Koſten noch Beſoldung ſpahren oder ſich dauren laſſe, und wofern ein Fuͤrſt einen ſolchen Mann in ſeinem Lande nicht haben ſolte, muß er ihn anders - woher fordern und hohlen laſſen, weil auf die Er - ziehung und Unterweiſung junger Herren ſehr viel ankommt, damit ein Herr in guten Sitten, Tu - genden und Kuͤnſten wohl unterrichtet werde. S. Loͤhneyſen Hof-Staat und Regier-Kunſt VI Cap. pag. 5.
§. 10. Folgende Inſtruction ſo der von uns itzt allegirte Staats-Miniſter in der angezogenen Schrifft und deſſen VII Capitul vortraͤgt, iſt gar wohl gegruͤndet: „ Der Hofmeiſter ſoll auf ſeinen jungen Herrn, der ihn auf ſeine Eyd und Pflicht „ anvertraut und befohlen, fleißige Aufſicht haben, „ und nach ſeinem hoͤchſten Vermoͤgen und ver - „ ſtand ihn zu aller Gottesfurcht und Fuͤrſtlichen „ Tugenden erziehen, und von allen Untugenden und „ Leichtfertigkeiten abhalten, 2) des Morgens ſo „ zeitlich bey Hofe ſeyn, biß ſich der junge Herr an - „ gekleidet, ſeine Haͤnde gewaſchen, und ſein Ge - „ beth zu GOtt gethan, und dem Informatori uͤber - „ geben, 3) des Abends auch ſo lange bey ihm ſeyn „ und bleiben biß er gebethet, und ſich zu Bette ge - „ legt, 4) wenn er ſiehet daß der Herr Mangel hat, „N 4„ oder200I. Theil. XII. Capitul. „ oder etwas bedarff bey Zeiten dem Herrn Vater „ oder ſeine Frau Mutter anzeigen, damit ſolches „ gewendet werde, 5) ihn mit Ernſt anhalten, daß „ er ſich nicht wiederſpenſtig gegen ſeine Herren „ Præceptores, oder Exercitien-Meiſter erweiſe, „ 6) ihn nirgends hingehen oder hinreiten laſſen, er „ ſey denn bey ihm und was er thut, ſoll er mit Vor - „ bewuſt des Hofmeiſters thun, 7) niemand geſtat - „ ten, zu dem jungen Herrn ins Gemach zu gehen, „ es waͤren denn etzliche von Raͤthen oder andern „ vornehmen Leuten, auch das Geſinde, Pagen und „ andre Leute, die ihn mancherley boͤſe Sentimens „ beybringen koͤnten, nicht in das Gemach laſſen, „ uͤber die Pagen und alles andre Geſinde ſo einen „ jungen Herrn zugeordnet, zu gebiethen haben, und „ ſie nach ſeinem Geheiß und Befehl richten, 9) die „ Cavaliers, die Pagen u. ſ. w. die um ihn ſind, fleiſ - „ ſig vermahnen, daß ſie ſich in ihrer Aufwartung „ dienſtgewaͤrtig und emſig erweiſen, auch des uͤber - „ fluͤßigen Truncks enthalten, in Betrachtung, daß „ ihnen kein geringes anvertraut, und mit trunckenen „ Leuten weder in Feuers-Gefahr, Aufruhr, oder „ andern vorfallenden Sachen etwas zu beſtellen „ noch zu verrichten, 10) Aufſicht haben, daß kein „ Gelack oder Zeche in des jungen Herrn Gemach „ gehalten werde, vielweniger geſtatten, daß ein jun - „ ger Herr ſich mit dem Trunck uͤberlade, 11) wenn „ er aus ſeinem Hoflager verreiſet, des Nachts bey „ ihn in der Cammer in ſeinem Gemach bleiben, „ und fleißig aufſehen, daß er nicht von iedermannaller -201Von Auferziehung der Fuͤrſtl. Printzen. allerley Eſſen und Trincken nehme, 12) daß er „ fleißig und zeitig in die Kirche gehe, 13) daß ſein „ junger Herr des Morgens und Abends zu rechter „ Zeit eſſe, 14) alle Mahlzeiten mit zur Tafelſitzen, „ damit er auf ſein Eſſen und auf ſeine Geberden ach - „ tung geben koͤnne, und im Fall er ſich unhoͤflich „ verhielte, ihn darum beſtrafen, 15) daran ſeyn, „ daß der junge Herr in Kleidung, Waͤſche, und „ Equipage reinlich und ſauber gehalten werde, „ und 16) acht haben, daß der junge Herr weder „ durch Gewehr, noch ſonſt auf andre Weiſe eini - „ gen Schaden nehmen moͤge. “
§. 11. Wenn ein vornehmer Cavalier an ei - nem groſſen Hofe einem jungen Herrn zum Hof - meiſter vorgeſtellt wird, ſo pflegt ihm, in Beyſeyn des Durchlauchtigſten Herrn Vaters, und in deſ - ſen Nahmen, der junge Printz in einer ſolennen Rede, die ein groſſer Miniſtre ablegt, uͤbergeben und an ihn gewieſen zu werden. Es wird ſon - derlich darinnen vorgeſtellt, daß Sie zu Dero Hertz-geliebten Sohnes Durchlauchtigkeit das vaͤ - terliche gnaͤdige Vertrauen haben, dieſelben auch dahin anweiſen, daß Sie dieſen ihren vorgeſetzten Gouverneur, ſo lange ſie unter deſſen Erziehung ſtehen, in allen gleichwie ihnen ſelber gehorchen und folgen ſollen; Sie wollen auch, daß der Herr Hofmeiſter in allen wichtigen Vorfallenheiten ſeine Zuflucht zu ihnen nehmen, und ſich alles benoͤ - thigten Beyſtandes und Schutzes verſichert hal - ten ſolle. Der Hofmeiſter haͤlt wieder eine RedeN 5dage -202I. Theil. XII. Capitul. dagegen, und verſichert, alles beſtmoͤglichſt in Ob - acht zu nehmen. Es geſchicht auch wohl, daß der Hoch-Fuͤrſtliche Herr Vater oder Frau Mutter noch uͤber dieſes in einer beſondern Rede ſo wohl dem Printzen als dem Hofmeiſter zu Beobachtung ihrer Pflichten anmahnen.
§. 14. Es werden bißweilen zwey Hofmeiſter geſetzt, als ein Unter-Hofmeiſter und ein Ober - Gouverneur, und erwehlet man hierzu geſchickte und erfahrne Welt - und Staats-Leute; inſonder - heit ſucht man zum Ober-Gouverneur einen ſol - chen Miniſtre aus, der ein homme de lettres, und zugleich ein guter Hof - und Staats-Mann, oder ein braver Soldate. Sie bekommen beyde von den Durchlauchtigſten Eltern ihre Inſtructiones. Der Ober-Gouverneur hat die General-Aufſicht uͤber den Printzen und ſeine gantze Hofſtatt, von ihm dependirt der Unter-Hofmeiſter, er regulirt die gantze Auferziehung; es muß ihm alles, was den Printzen und ſeinen Hof angehet, hinterbracht werden, iedoch hat er nicht noͤthig, um die Perſon des Printzen ſtets zu ſeyn, ſondern dieſes kommt mehr dem Unter-Hofmeiſter zu.
§. 13. Uber dieſe Hofmeiſter werden die Prin - tzen einem Informatori oder Lehrmeiſter zur Infor - mation uͤbergeben, der ihnen die Grundſaͤtze der Religion, die Lateiniſche Sprache und andere Wiſ - ſenſchafften beybringen muß. Die Informatores werden auch bißweilen abgetheilt in Ober-Infor - matores und Unter-Informatores. An einigenHoͤfen203Von Auferziehung der Fuͤrſtl. Printzen. Hoͤfen haben unterſchiedne Printzen zuſammen nur einen Informatorem, an andern aber wird einem ieden Printzen ſein beſondrer Informator gehalten, ohne die Fechtmeiſter, Ballmeiſter, Tantzmeiſter, Sprachmeiſter, Zeichenmeiſter, maitres de Mathe - matique u. ſ. w.
§. 14. An den Teutſchen Fuͤrſtlichen Hoͤfen werden zu Informatoribus bißweilen Studioſi Theologiæ angenommen, die ſie auch manch - mahl zu Interims-Hof-Predigern, oder auch zu Vorbethern bey den Abend - und Fruͤh-Stunden fuͤglich mit gebrauchen; meiſtentheils aber Juriſten, oder ſo genannte Politici, die gemeiniglich in dem was zu den Staats-Wiſſenſchafften gehoͤrig, er - fahrner als die andern. Bey den Roͤmiſch-Ca - tholiſchen Hoͤfen laſſen ſich die Herren Jeſuiten an - gelegen ſeyn, daß ſie an der Information der Prin - tzen Antheil bekommen. Einige verwundern ſich, daß der Roͤmiſche Kayſer Leopoldus, da er doch die Jeſuiten ſo gar ſehr geliebet, dem Ertz-Hertzog und nachmahligen Kayſer Joſeph, in Religions - Sachen keinen Jeſuiten anvertrauet, ſondern einem Prieſter der keinen Orden hatte, nehmlich dem nachmahligen Biſchoff zu Wien, Rummel. S. den VI. Eingang des curieuſen Buͤcher-Cabinets pag. 878.
§. 15. Der Hertzog von Beauvilliers befahl als Ober-Hofmeiſter der Hertzoge von Anjou, Bour - gogne und Berry, deren Informatoribus an, ſie ſolten die Printzen mehr in Tugenden als Wiſſen -ſchaff -204I. Theil. XII. Capitul. ſchafften unterrichten. S. den XVI. Eingang des Buͤcher-Cabinets p. 8. Ob nun zwar eine ſolche Gelehrſamkeit, die nur auf eine hiſtoriſche Erkennt - niß mancherley Meynungen, auf unnuͤtze Subtilitaͤ - ten, auf ein leeres Woͤrter-kennen, und auf das bloſſe Gedaͤchtniß-Werck ankommt, einen groſſen Herrn im geringſten nicht anſtaͤndig, ſo gereicht es doch einem Landes-Herrn zu beſondern Nutzen, ei - genem Vergnuͤgen und groſſer Hochachtung, die er ſich bey den Auslaͤndern, bey ſeinen eigenen Die - nern und Unterthanen erwecket, wenn er aus man - cherley Wiſſenſchafften ſich diejenigen Lehrſaͤtze, die in die Staats-Wiſſenſchafft einen Einfluß ha - ben, bekandt gemacht, und inſonderheit diejenigen Wiſſenſchafften, die mit der Regier-Kunſt noth - wendig verbunden ſeyn muͤſſen, gruͤndlich ſtudiret. Es iſt Land und Leuten ſo wohl daran gelegen, wenn ein Landes-Herr verſtaͤndig und weiſe als fromm und tugendhafft iſt.
§. 16. Nachdem nun viel Regenten der alten und neuen Zeiten dieſes zur Gnuͤge erkandt, ſo ha - ben ſie auch ihre Printzen in ihrer zarten Jugend zu mancherley Studiis u. Wiſſenſchafften anhalten laſ - ſen. Als einige Hofleute den theuren Churfuͤrſten zu Sachſen, Johannem dem Beſtaͤndigen vermahn - ten, er ſolte aus ſeinen Soͤhnen keine Studenten und Schreiber machen, ſondern ſie zur Jagt und ritterlichen Ubungen anfuͤhren laſſen; ſo antwor - tete er ihnen: es lernet ſich ſo wohl von ſelbſt, wie man zwey Beine uͤber ein Pferd haͤngen, des Fein -des205Von Auferziehung der Fuͤrſtl. Printzen. des und der wilden Thiere ſich erwehren, oder einen Haaſen fangen ſoll; aber wie man gottſelig leben, chriſtlich regieren, auch Land und Leuten loͤblich vor - ſtehen ſoll, darzu beduͤrffen ich und meine Soͤhne gelehrte Leute, gute Buͤcher, nebſt GOttes Geiſt und Gnade. S. Rudolph. Goth. Diplomat. I. Theil p. 42. Er ließ ſeine Printzen ſehr wohl auferziehen. Hertzog Johann Friedrichen uͤber - gab er dem Spalatino zur Unterweiſung, und Her - tzog Johann Ernſten, Lucas Edenbergern; er hat - te eine ſonderbahre Freude, wenn er von deren Profectibus hoͤrete. Der junge Hertzog Johann Ernſt hatte ihm einſtens einen Lateiniſchen Brief geſchrieben, dem zeigte er Luthero mit groſſen Freu - den, und ſprach: Mein Sohn Hanß Ernſt hat mich in dieſem Brief gebethen, ich ſoll ihm einen Hirſch ſchencken, ich habe ihm ſelbſt einen geſchoſ - ſen, und geſchickt; ich will, daß er in ſeiner Jugend fleißig ſtudire, hernach wird er auch ſchon reiten ler - nen. S. aus Roſini Vita Johannis Conſtantis, Hauſens Glorioſa Electorum Saxoniæ buſta. pag. 78.
§. 17. Es ſcheinet faſt, daß die Lateiniſche Spra - che in den vorigen Zeiten beliebter geweſen, als ſie heutiges Tages an manchem Hofe zu ſeyn pflegt. An. 1642 den 28 May legte Hertzog Johann Frie - drich II und Mittlere zu Sachſen im 13. Jahr ſei - nes Alters auf dem Schloß zu Torgau in der ſo genannten Stein-Stube, in Beyſeyn ſeines Herrn Vaters und Herrn Vetters Churfuͤrſtens JohannFrie -206I. Theil. XII. Capitul. Friedrichs, und Hertzogs Johann Ernſtens zu Sachſen, wie auch anderer Fuͤrſtlichen Perſonen eine zierliche Oration in Lateiniſcher Sprache vom Amte eines frommen Fuͤrſten; ingleichen den 5. Julii dieſes Jahres Hertzog Johann Wilhelm im 12. Jahr ſeines Alters, und in Gegenwart einiger Fuͤrſtlichen und andrer gelehrten Perſonen zu Tor - gau auf dem Fuͤrſtlichen Schloß eine Oration vom Ritter Sanct Georgen ab. S. Müll. Annal. Sa - xon. p. 98. Nicht weniger perorirte Printz Wil - helm Ludwig zu Anhalt An. 1653. auf dem Gy - mnaſio zu Zerbſt in dem XV. Jahre ſeines Alters in Lateiniſcher Sprache de cura & cuſtodia ſcho - larum bey damahliger Einweyhung des neuen Rectoris, mit dem groͤſten Applauſu. Dieſe Ora - tion iſt noch in Druck zu haben.
§. 18. Damit nun die Durchlauchtigſten Vaͤ - ter, und andere hohe Anverwandten erfahren moͤ - gen, was vor profectus ihre Printzen von Zeit zu Zeit erlangt, ſo laſſen ſie bißweilen in Beyſeyn unterſchiedner hohen Standes-Perſonen, fremden Miniſtris und gelehrten Leute, ein ſolenn examen mit ihnen vornehmen, wovon man in der alten und neuen Hiſtorie unterſchiedene Exempel antrifft. Der Hochtheuerſte Hertzog zu Sachſen-Gotha Erneſtus der Gottſelige, ließ ſeine Printzen von Zeit zu Zeit durch ſeine Raͤthe examiniren, ob ſie in den Studiis Progreſſen gemacht; Er ſchrieb ſeinen Printzen ſelbſt gewiſſe Inſtructionen vor, und ver - ordnete auf das ſchaͤrffſte, daß ſie derſelben nach -gehen207Von Auferziehung der Fuͤrſtl. Printzen. gehen ſolten. Jhro Hoch-Fuͤrſtliche Durchlauch - tigkeit der itzo regierende Hertzog zu Hollſtein Got - torf wurden in Gegenwart des gantzen Hofes, und vieler Koͤniglichen Reichs-Raͤthe An. 1717 aus allen denjenigen Wiſſenſchafften befragt, die ein qualificirter Regente wiſſen muß. Der Lothrin - giſche Erb-Printz, der am Kayſerlichen Hofe auf - gezogen wird, wurde An. 1728. zu Anfang des Auguſti in Gegenwart der gantzen Kayſerl. Hof - Statt examinirt, wieweit er in ſeinen Studiis ge - kommen, da man nun befand, daß er durch ſeinen auſſerordentlichen Fleiß ſchon gute Progreſſen ge - macht, als ward er von Jhrer Kayſerlichen Ma - jeſtaͤt herrlich beſchenckt, damit er beſtaͤndig in ſei - nen Fleiß zu noch mehrern aufgemuntert werden moͤchte. S. Einleit. zur neueſten Hiſtorie XXXVI. Stuͤck. p. 732.
§. 19. Daß die jungen Herrn des Studierens nicht uͤberdruͤßig werden, ſondern nach ihrer Ar - beit wiederum einige Abwechslung und Erquickung des Gemuͤthes finden moͤgen, ſo iſt man auf aller - hand Veraͤnderungen bey ihnen bedacht. Man vergoͤnnt ihnen zum Divertiſſement allerhand Ar - ten Spiele, als Kegelſpiel, Volanten ſchlagen, Bi - liard-Tafeln u. ſ. w. es waͤre aber am beſten, wenn man ihre Spiele und ihren gantzen Zeitvertreib ſo einrichtete, daß ſie allezeit etwas nuͤtzliches dabey vornaͤhmen, ihre Sinnen und Gemuͤther nicht mit lauter Spiel-Ideen anfuͤllten, ſondern iederzeit lern - ten auch bey den Spielen ihre Gedancken auf et -was208I. Theil. XII. Capitul. was beſtaͤndiges nuͤtzliches und ernſthafftes zu ap - pliciren. Jn den vorigen Zeiten war unter den groſſen Herren das Drechſeln ziemlich mode, es iſt aber dieſes amuſement ziemlich abkommen, man kan auch in der That jungen Herrn einen an - dern Zeitvertreib machen, der ihnen plaiſanter und nuͤtzlicher iſt.
§. 20. Es iſt wohlgethan, wenn der Hofmei - ſter in den Promenaden und Luſt-Reiſen die er mit ihnen vornimmt, eines und das andere aus der Phyſic und Mathematie, ſo in die Cameral-Wiſ - ſenſchafft laͤufft, bey der Gelegenheit ihnen im Di - ſcours beybringt, oder ſie bißweilen zu allerhand Kuͤnſtlern in der Hoch-Fuͤrſtlichen Reſidenz her - um fuͤhret, oder die Naturalien - und Kunſt-Kam - mern mit ihnen beſucht, oder ihnen allerhand Mo - delle von Veſtungen, Schloͤſſern, Gebaͤuden, Ma - chinen u. ſ. w. erklaͤhret, auch ſie mit mancherley optiſchen Raritaͤten, mit kleinen Feuerwercken, Il - luminationen u. ſ. w. zu divertiren ſucht.
§. 21. Die Manége iſt ein ſolch Exercitium, zu welchem junge Printzen bey Zeiten angefuͤhret wer - den. Hierbey muß ein Hofmeiſter auf das ernſt - lichſte Sorge tragen, daß der Bereuter die junge Herrſchafft nicht uͤber die behoͤrige Zeit auf der Reitbahne aufhaͤlte, ingleichen ſie nicht zu zeitlich auf den Springer ſetze, und ſie bey dem Auf - und Abſteigen der Pferde wohl in acht genommen werden.
§. 22.209Von Auferziehung der Fuͤrſtl. Printzen.§. 22. Bey Umgehung mit dem Gewehr, und da ſie lernen mit Piſtohlen oder Flinten nach der Scheibe, nach dem Fluge und Lauff zu ſchieſſen, iſt acht zu geben, daß die Diener iederzeit das Gewehr laden und tragen, auch nicht nicht eher hingeben, biß die Printzen einen Schuß thun wollen; So muͤſ - ſen ſie auch das Gewehr, ehe ſie wieder nach Hau - ſe kommen, wieder loßſchieſſen und ledig machen, und alſo niemahls ein geladen Gewehr in der jun - gen Herrſchafft Zimmern, oder unter ihrer Hand dulten.
§. 23. Wenn die Printzen in ihren Studiis und Wiſſenſchafften es ſo weit gebracht, daß ſie ſich nachgehends ſelbſt helffen koͤnnen, ſo treten ſie ent - weder die Reiſen in fremde Laͤnder an, oder es wird ihnen von ihren Durchlauchtigſten Vaͤtern eines und das andere Stuͤck der Hoch-Fuͤrſtlichen Ad - miniſtration der Lande mit aufgetragen, damit ſie nach und nach lernen die Hand an das Steuer-Ru - der mit zu legen, und ihre in der Jugend begriffene Theorien in Praxin zu ſetzen. Heutiges Tages gehoͤret es unter die groͤſten Raritaͤten, wenn ein Printz Studierens halber die Academien beſuchen ſolte; in dem XV und XVI Seculo aber hatte man unterſchiedene Exempel der hoͤchſten Standes - Perſonen, die ſichs vor eine beſondere Ehre achte - ten, wenn ſie die Univerſitaͤten beziehen konten. Alſo ward unter andern Fuͤrſt George II. zu An - halt, nebſt ſeinem Bruder Fuͤrſt Joachim auf die Univerſitaͤt Leipzig geſchickt, und einem gelehrtenOMann,210I. Theil. XII. Capitul. Mann M. Georgio Helto von Pfortzheim, uͤber - geben, der ihm dann ſo wohl in den Humanioribus als in der Theologie ſo weit unterrichtet, daß er dem Colloquio zu Leipzig, zwiſchen Luthero, Carlſtad - ten und D. Eck, bey annoch zarten Alter und nicht vollendetem zwoͤlfften Jahre beywohnen konnte. Fuͤrſt George zu Anhalt, von dem noch eine Poſtil - le vorhanden, brachte es in der Theologiſchen Er - kaͤntniß gar ſo weit, daß er von dem ſel. D. Martino Luthero im Stifft Merſeburg zum Lehrer und Pre - diger beſtellet wurde. Die Anhaͤltiſchen Theologi ruͤhmen von ihm in der Vorrede uͤber das Anhaͤl - tiſche Glaubens-Bekaͤntniß, fol. 16. daß derglei - chen Exempel der Gottſeligkeit, daß nemlich ein ge - bohrner Fuͤrſt im heiligen Roͤmiſchen Reich Teut - ſcher Nation, das goͤtiliche Wort ſelbſt oͤffentlich geprediget, und ſo wohl muͤndlich als ſchrifftlich mit Lehren und Bekennen treulich fortpflantzen helffen, in keinem andern Hauſe, auſſer in dem Aſcaniſchen Stamm, anzutreffen. Die Printzen ſchaͤmeten ſich damahls ſo wenig die Theologie oͤffentlich zu ſtudieren und zu lehren, als vor dem Tiſch zu bethen. Es muſten auch ſo gar einige von den Fuͤrſtlichen Printzeßinnen vor der Tafel bethen, wenn ſie auch gleich ziemlich erwachſen. Der beruͤhmte D. Sel - neccer erzehlet in der Leichen-Predigt, ſo er der Durchlauchtigſten Fuͤrſtin und Frau, Frau Anna, Koͤnigs Chriſtiani III. zu Dennemarck Tochter gehalten, daß die Fuͤrſtliche Braut eben an dem Tage, da das Beylager gehalten werden ſollen,nebſt211Von Auferziehung der Fuͤrſtl. Printzen. nebſt andern mit aufgehabenen Haͤnden noch fuͤr dem Tiſch ſtehen und bethen muͤſſen.
§. 24. Die Reiſen in fremde Laͤnder, wenn ſie mit guter Precaution, und unter der Direction ei - nes chriſtlichen, tugendhafften und welt-klugen Hofmeiſters geſchehen, contribuiren gar vieles, um einen Fuͤrſten qualificirter und vollkommener zu machen; hingegen iſt es aber auch gewiß ge - nug, daß ſie manchmahl einem Printzen nicht al - lein gar keinen Nutzen zuwege bringen, ſondern auch manchen jungen Herrn mehr ſchaͤdlich, als nuͤtzlich ſind. Fuͤrſt Johann Ludwig zu Anhalt ge - dachte einſtens, daß er nicht wuͤſte warum man die edle Zeit mit dem guten Gelde durch die Reiſen nach Franckreich ſo verwitterte, und offt nicht mehr als etwan ein paar Franzoͤſiſche Taͤntze, oder die Faͤhigkeit auf einigen abgerichteten und ſich ſelbſt exercirenden Pferden zu reiten, mit heraus ge - bracht, oder wohl gar bloß eine Mode mit den Schneidern abgeſehen haͤtte, da wir doch in Teutſchland in Wiſſenſchafften und Exercitien die geſchickteſten Koͤpffe und Meiſter haͤtten, und alſo nicht erſt nach Franckreich reiſen duͤrfften. S. Beck - mans Anhaͤlt. Geſchichte V. Th. p. 446.
§. 25. Die Hoch-Fuͤrſtlichen Printzen reiſen bißweilen oͤffentlich nach ihrem ihnen angebohrnen Stande, meiſtentheils aber incognito als Grafen und Barons, theils zur Erſpahrung der Unkoſten, theils auch einigen verdruͤßlichen Rang-Ceremo - niellen und Streitigkeiten zu entgehen. Unter die -O 2ſem212I. Theil. XII. Capitul. ſem Character geben ſie andern fremden Printzen die Viſiten, und bekommen auch von ihnen die Ge - gen-Viſiten. Sie halten ſich gemeiniglich bey den Miniſtres und Abgeſandten auf, die von ihren Hoch - Fuͤrſtlichen Eltern an den fremden Hof abgeſchicket worden. Nachdem nun die gecroͤnten Haͤupter, an deren Hoͤfe ſie kommen, mit ihrem Hauſe in gutem Vernehmen ſtehen, oder ihre Familie zu die - ſer oder jener Zeit unter den Europaͤiſchen Puiſſan - cen in hoͤhern oder ſchlechtern Anſehen ſtehet, oder auch die jungen Herren ſich ſelbſt zu conduiſiren wiſſen, oder nicht, nach dem werden ſie auch mit mehrern oder wenigern Marquen der Gnaden, Freundſchafft und Hoͤflichkeit diſtinguiret.
§. 26. Die groͤſten Potentaten empfangen biß - weilen die jungen Printzen der Hoch-Fuͤrſtlichen Haͤuſer in Teutſchland, bey der Audienz auf das freundlichſte, erkundigen ſich des Zuſtandes ihrer Hoch Fuͤrſtlichen Eltern, offeriren ſich in allen und ieden Stuͤcken, ihnen auf ihrer Reiſe zu ihrem Con - tentement befoͤrderlich zu ſeyn, empfehlen ſie ihren Hofmeiſtern zu guter Vorſorge auf das fleißigſte, laſſen ihnen in ihren Reſidentien alle Merckwuͤr - digkeiten zeigen, und ſorgen, daß ſie bey den Solen - nitaͤten, die bey Hofe vorgehen, einen guten Platz bekommen, wenn ſie Zuſchauer dabey abgeben, oder ziehen ſie auch wohl ſelbſt mit dazu; bey ih - rer Abreiſe geben ſie ihnen obligeante Schreiben mit, entweder an ihre Hoch-Fuͤrſtliche Eltern, oder an andere Puiſlancen, deren Laͤnder ſie beſuchen wollen.
§. 27.213Von Auferziehung der Fuͤrſtl. Printzen.§. 27. Bevor ſie abreiſen, ertheilen die Durch - lauchtigſten Vaͤter, ſo wohl ihren Printzen, als de - ren Hofmeiſtern, die ſie ihnen mitgeben, gewiſſe In - ſtructionen, wie ſie ſich auf ihrer Reiſe verhalten ſollen und befehlen ihnen an, daß ſie von Monath zu Monath, oder von Woche zu Woche ihr gehal - ten Reiſe-Diarium einſchicken ſollen. Jnſonder - heit binden ſie ihnen auf das allernach druͤcklichſte ein, daß ſie ſich bey fremden Religions-Verwand - ten von demjenigen Glauben, zu dem ſie ſich beken - nen, im geringſten nicht ſollen abwendig machen laſſen. Wo eine Religions-Veraͤnderung beſorget wird, ruffen ſie dieſelben alſobald nach Hauſe, und wo ſie allbereits erfolget, ſtellen ſie ihnen ihren Un - beſtand auf das nachdruͤcklichſte zu Gemuͤthe. Ein ſehr eifriges und buͤndiges Schreiben, welches Graf Johannes zu Naſſau-Jdſtein an ſeinen Herrn Sohn Graf Guſtav Adolph, anno 1653 abgehen laſſen, worinnen er ihn auf das ſchaͤrffſte verweiſet, daß er zur Catholiſchen Kirche uͤberge - treten, kan in dem II. Theil von des Herrn Luͤnigs Europaͤiſcher Staats-Cantzley p. 935. nachgele - ſen werden.
§. 28. Kommen die Printzen von den Reiſen aus frembden Landen wieder zuruͤcke, ſo deſtiniren ſie nachgehends die Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern zu ge - wiſſen Geſchaͤfften, die ihren Hoch-Fuͤrſtlichen Stande anſtaͤndig und geziemend, und zugleich mit ihren natuͤrlichen Neigungen uͤbereinſtimmig. Die zum Kriege Luſt haben engagiren ſich bey ei -O 3ner214I. Theil. XII. Capitul. ner frembden Puiſſance oder Republic Krieges - Dienſte anzunehmen, und avanciren nachgehends von einer hohen Charge zu der andern. Andere die wegen ihrer Erkenntniß in der Staats-Wiſſen - ſchafft groſſe Renomme in der Welt erlangt, wer - den von dem hoͤchſten Souverains zu den wichtig - ſten Civil Chargen gezogen, und entweder zu Præ - ſidenten in den anſehnlichſten Collegiis, oder zu Ober-Land-Droſten, Gouverneurs und Statt - haltern gewiſſer Provincien declarirt. Den Erb - Printzen wird nach und nach ein Theil der Hoch - Fuͤrſtlichen Landes-Regierung mit aufgetragen, ſie werden zu den geheimeſten Conferenzen gezo - gen, und helffen vielmahls als Directores des Ge - heimbden Raths-Collegii das Heyl der Untertha - nen mit ihren Hoch-Fuͤrſtlichen Herrn Vaͤtern zu - gleich beſorgen, und ſeine ſchwehre Regiments - Laſt erleichtern.
§. 29. Nach Belieben des Regentens und nach Beſchaffenheit der Hoͤfe und deſſen Umſtaͤnde, wird dem Erb-Printzen entweder eine eigene und beſondere Hof-Statt zugeordnet, und eine eigene Tafel beſtellt, wenn ſie anfangen ihre muͤndigen Jahre zu erreichen, oder muͤſſen ſich bißweilen mit dem von ihren Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern ihnen gewidmeten appointement, und den wenigen ih - nen zugegebenen Bedienten eine lange Zeit behelf - fen, ob ſie ſchon vermaͤhlet, und wiederum andere Hoch-Fuͤrſtliche Deſcendenten haben.
§. 1.
Alle Vortheile und Prærogativen des Ran - ges, der Titulaturen, Ceremonielle, der Einkuͤnffte, Poteſtæt und Exemtion der Hoch-Fuͤrſtlichen Wittwen, der Printzen und Princeßinnen, und andern Hoch-Fuͤrſtlichen Anverwandten, von regierenden und apanagirten Herrn, dependiren theils von den Obſervanzen des Hofes und Landes, von den Fundamental - Geſetzen des Reichs, theils und inſonderheit aber von den Hoch-Fuͤrſtlichen Eheſtifftungen, Teſta - menten, Verſchreibungen, Belehnungen, Rever - ſalien, getroffenen Compactatis, Vergleichen und Receſſen.
§. 2. Die Hoch-Fuͤrſtlichen Wittwen bezie - hen nach dem Tode ihres ſeligen Gemahls dasje - nige Leib-Gedinge, welches ihnen ehedem ver - ſchrieben und ausgeſetzt, es waͤre denn daß ſie zu Vormuͤndern der Hoch-Fuͤrſtlichen Kinder in dem Teſtament waͤren beſtimmet worden, bey wel - chen Fall ſie ihren Wittwen-Stuhl nicht verruͤcken duͤrffen, ſondern ſich in der Hoch-Fuͤrſtlichen Re - ſidenz und auf dem Schloß ſo lange aufhalten,O 4und216I. Theil. XIII. Capitul. und die Adminiſtration der Lande fuͤhren, biß der Printz zu ſeinen vogtbahren Jahren gekommen, und zur Regierung ſelbſt faͤhig iſt. Zuweilen ge - ſchichts daß ihnen ein Theil des Schloſſes ein - geraͤumt und verguͤnſtiget wird, in denen ſie ſich biß an ihr Ende die Wohnung auserſehen, ob ſchon der Printz die Regierung ſelbſt angetreten, aber gar ſehr ſelten, indem die Hoch-Fuͤrſtlichen Schwieger-Toͤchter nicht allezeit mit ihren Hoch - Fuͤrſtlichen Schwieger-Muͤttern uͤberein ſtim - men.
§. 3. Die Fuͤrſtlichen Wittwen der apanagir - ten Herren werden ebenfalls von dem regierenden Hauſe verſorget, iedoch nach dem Unterſchied ih - res Einbringens, oder des hohen und maͤchtigen Hauſes mit dem ſie verbunden. Die wenig oder gar nichts eingebracht, und ſich bey Lebzeiten ihrer Gemahle bey dem regierenden Hauſe nicht in be - ſondere Gunſt geſetzt, oder viel vermoͤgende Inter - ceſſionales anzuſchaffen wiſſen, muͤſſen bißweilen mit einer gar ſchlechten apanage zufrieden ſeyn.
§. 4. Die Hoch-Fuͤrſtlichen Printzen und Princeßinnen, die aus einem rechtmaͤßigen Ehe - Bette erzeuget, werden ihres hohen Standes und Geburth wegen, allenthalben beſonders diſtin - guirt. Es werden ihnen, nach dem Unterſchied ih - rer Geburth, beſondere Benennungen und Titula - turen beygelegt, die nach dem Unterſchied der Laͤn - der unterſchieden. Jm Koͤnigreich Pohlen wer - den die Koͤniglichen Kinder, ob ſich ſchon daſelbſtein217Von der Hochfuͤrſtl. Familie uͤberhaupt. ein iedweder gemeiner Edelmann einbildet, er ſey nach den Reichs-Satzungen eben ſo gut als ſie, und koͤnne ſich mit ihnen ebenfalls Recht auf die Koͤnigliche Crone machen, dennoch bey allen Ge - legenheiten als Printzen vom Koͤniglichen Gebluͤth tractirt. Der aͤlteſte Sohn des Koͤniges fuͤhrt den Titul als Printz von Pohlen, und die uͤbrigen werden gleicher geſtalt Printzen genennt, wobey man aber ihre Tauf-Nahmen zuzuſetzen pflegt, als Printz Alexander, Printz Conſtantin von Pohlen. Die aͤlteſte Tochter des Koͤniges heiſt Princeßin von Pohlen, und die uͤbrigen nur ſchlecht weg Prin - ceßinnen mit dem Zuſatz ihres Tauf-Nahmens, z. e. Princeßin Maria von Pohlen. Wenn aber der Koͤnig ihr Herr Vater abgehet, und ein neuer an deſſen Stelle kommt, der ebenfalls Kinder hat, ſo laſſen ſie den Titul eines Printzen oder einer Princeßin von Pohlen fahren, und nennen ſich nur mit ihren Geſchlechts-Nahmen, oder von ihren Herrſchafften und Laͤndern, als Princeßin Sobies - ky, Princeßin Czartorinsky. Der Koͤnigliche Senat hat allezeit ein beſonder Abſehen auf ſie, er muß ſie mit Penſionen verſehen, und darauf den - cken daß ſie ihren Stand und Herkommen gemaͤß leben koͤnnen. S. Connor. Beſchreibung des Koͤ - nigreichs Pohlen p. 429.
§. 5. Die Koͤniglichen Printzen und Princeßin - nen werden in gantz Europa mit dem Titul Jhrer Koͤnigl. Hoheit beehret, und behalten die Princeſ - ſinnen dieſe Titulatur, ob ſie ſchon an andere Prin -O 5tzen,218I. Theil. XIII. Capitul. tzen, die nur aus Fuͤrſtlichen Gebluͤth entſproſſen, vermaͤhlet wuͤrden, es waͤre denn daß ſie aus be - ſondern Raiſons freywillig dieſem Ceremoniel renunciren wolten. Man muß ſich wundern, daß die Ertz-Hertzoge und Ertz-Hertzoginnen von Oeſterreich fuͤr den andern Printzen von Teutſch - land keinen Unterſcheid haben, indem ſie nur den Nahmen Durchlauchtigkeit annehmen, ohne daß die Aelteſte Ertz-Hertzogin die groſſe Frau genennt wird. Was waͤre billiger, als daß die Kinder des Kayſers ſich den Titul Koͤniglicher Hoheit bedien - ten. Wenn man auch gleich ſagen wolte, daß ſie dieſen Titul deswegen nicht brauchen koͤnten, weil das Kayſerthum nicht erblich waͤre, ſo ſind ſie doch Erb-Printzen und Erb-Princeßinnen von Ungarn und Boͤhmen, krafft deren beyden Reiche ihnen dieſer Titul mit Recht gebuͤhret.
§. 6. Den Koͤniglichen oder Fuͤrſtlichen Prin - ceßinnen iſt gemeiniglich von ſehr langen Zeiten her, nach den Fundamental-Geſetzen des Reichs und Verfaſſungen des Landes, eine gewiſſe beſtaͤn - dige Summe Geldes zum Heyraths-Guth und zur Ausſtattung ausgemacht. Es pflegen aber die Koͤniglichen oder Hoch-Fuͤrſtlichen Eltern, wenn ſie viel eingeſammlet, oder vor ihre Toͤchter und kuͤnfftigen Schwieger-Soͤhne beſondere Inclina - tion haben, aus ihrem eigenen Vermoͤgen bey die - ſer Summe noch ein groſſes zuzuſetzen. So wer - den auch bißweilen in einigen Laͤndern die Untertha - nen zur Ausſteuer durch eine beſondere Art der Col - lecten angehalten.
§. 7.219Von der Hochfuͤrſtl. Familie uͤberhaupt.§. 7. Hat ſich ein voͤllig ſouverainer Fuͤrſt eine Gemahlin von gantz geringen Stande ausgeſucht, ſo geneuſt ſo wohl die Gemahlin als auch die Kin - der, die er mit ihr im rechtmaͤßigen Ehebette erzeu - get, in allen Stuͤcken die Rechte und Privilegia, die ihrem reſpective Gemahl und Vater eigenthuͤm - lich ſind. Doch dieſes hat eine andere Bewandt - niß mit den Fuͤrſten in Teutſchland. Denn wo ſich dieſe bey ihrer Vermaͤhlung allzu ſehr erniedri - gen, ſo haben ſie bißweilen viel und groſſe Muͤhe, bevor ſie es bey des Roͤmiſchen Kayſers Majeſtaͤt und bey ihren Hoch-Fuͤrſtlichen Agnaten dahin bringen, daß ihre Ehegatten und ihre aus ſolcher ungleichen Ehe herkommenden Deſcendenten vor Fuͤrſtlich erkandt werden. Jſt die Vermaͤhlung auſſerhalb Landes geſchehen, ſo erfolgt wohl gar manchmahl vom Kayſerlichen Hof ein Verboth, daß ſie ihre Ehe-Conſortin in die Fuͤrſtlichen Lande nicht bringen ſollen. Zu Zeiten werden die Kinder in den Grafen-Stand erhoben, und inzwiſchen doch der Succeſſion der Lande vor unfaͤhig er - kandt.
§. 8. Ob es ſchon bey einigen barbariſchen, auch wohl in den aͤlteſten Zeiten bey einigen Europaͤi - ſchen und mitternaͤchtiſchen Voͤlckern im Gebrauch geweſen, daß die natuͤrlichen, oder von einer Mai - treſſe auſſer der Ehe erzeugten Kinder ihren Vaͤ - tern in der Succeſſion gefolget ſo ſind ſie dennoch in den neuern Zeiten / nach dem allgemeinen Voͤl - cker-Recht, und den Fundamental-Geſetzen derwohl -220I. Theil. XIII. Capitul. wohlgeſitteten Voͤlcker, groͤſtentheils davon ausge - ſchloſſen worden. Franckreich hat ihnen von der Zeit an, da die Crone von der Carolingiſchen auf die Capetingiſche Linie gekommen, die Hoffnung zur Reichs-Folge abgeſchnitten. Charles Loyſeau ſagt in ſeinem Traité des Ordres des Princes Chap. VII. n. 88. La troiſiéme ligne des Roys de France a toujours obſervé tres juſtement d’exclure les batards de la ſucceſſion du Royaume ſelon le droit commun, établi de preſent, comme je crois, en tous les Etats de Chretienté, ou la Po - lygamie & le Concubinage ſont defendus.
§. 9. Man findet hin und wieder in der Hiſtorie einige Exempel, daß manche Printzen aus einer all - zu groſſen Hitze gegen ihre Maitreſſen ſo weit ge - gangen, daß ſie ihre natuͤrlichen Kinder nicht allein vor Succeſſions-faͤhig erklaͤhren, ſondern ſie auch wohl gar ihren rechtmaͤßigen Leibes-Erben vorzie - hen wollen. Alſo wolte Albertus Degener dem mit der Kunigunda von Eiſenberg erzeugten Sohn Apicium in ſeinen Landen zum Erben einſetzen, und ſeine beyden rechten Soͤhne Fridericum mit dem Backenbiß, und Dicemannum davon ausſchlieſ - ſen, wie aus der Saͤchſiſchen Hiſtorie bekandt.
§. 10. Es iſt billich, daß die in der unordentli - chen Ehe, oder vielmehr auſſer dem Eheſtand er - zeugten Kinder, um eine Stuffe iederzeit geringer ſeyn, als die ehelich gebohrnen. Der vorhin alle - girte Franzoͤſiſche Autor, Charles Loyſeau, ſagt in dem V. Cap. ſeines Tractats n. 64. Les bâtardsdoivent,221Von der Hochfuͤrſtl. Familie uͤberhaupt. doivent, toujours ètre mis d’un degré plus bas, que leurs Péres, de ſorte que les batards des Roys ſont Princes, ceux des Princes ſont Seigneurs, ceux des Seigneurs ſont Gentils hommes, & ceux des Seigneurs ſont roturiers, afin que le concu - binage n’ait autant d’honeur que le loyal ma - riage.
§. 11. Die natuͤrlichen Kinder der groſſen Her - ren erlangen hoͤhere oder geringere Dignitaͤten und Prærogativen, nach dem Unterſchied des Standes ihrer Muͤtter, und nach dem Unterſchied ihrer Qua - litaͤten, die ſie von ſich erweiſen, und durch welche ſie ſich einer groͤſſern oder geringern Gunſt ihrer Durchlauchtigſten Vaͤter wuͤrdig machen. Die natuͤrlichen Soͤhne des vorigen Koͤnigs in Franck - reich Ludwigs des XIV., der Hertzog von Maine, und der Graf von Thoulouſe, brachten es ſo weit, daß ſie anno 1714 durch ein Koͤniglich Edict zu Printzen von Koͤniglichem Gebluͤth erklaͤhret wur - den. Der Premier-Preſident im Parlament zu Pariß, Herr Johann Anton de Meſme, legte vor - hero in der Gegenwart dieſer beyden Herren, ehe das Koͤnigliche Edict abgeleſen und regiſtrirt wur - de, eine ſolenne Rede ab; er fuͤhrte darinnen an, daß die groſſen Qualitaͤten, ſo der Koͤnig nach ih - rer abgelegten Kindheit an ihnen verſpuͤhret, die Ehre, daß ſie von einem ſo glorieuſen Gebluͤthe entſproſſen, und iederzeit ſo treulich bey der Perſon des Koͤnigs gehalten, haͤtten demſelben allbereits bewogen, daß er ſie durch einen beſondern Vorzugin222I. Theil. XIII. Capitul. in hohen Stand erheben wollen, indem er, vermit - telſt der im Monath May des 1694 Jahres publi - cirten Erklaͤhrung, ſo wohl ihnen als ihren Kindern, und aus ordentlicher Ehe gezeugten Nachkommen, bey allen Begebenheiten, den Rang und Sitz nach den rechtmaͤßigen Printzen vom Gebluͤthe, und alſo vor allen Printzen der auslaͤndiſchen ſouverainen Haͤuſer, ingleichen vor allen andern vornehmen Herrn des Reichs, von was vor Ehre, Wuͤrden und Qualitaͤten ſie nur immer ſeyn moͤchten, ge - geben.
§. 12. Jn Engelland werden die natuͤrlichen Soͤhne des Koͤniges nicht allein mit groſſen Bene - ficien begabet, ſondern auch mit illuſtren Digni - tæten verſehen; Alſo ertheilte Koͤnig Carl II. allen ſeinen natuͤrlichen Soͤhnen den Caracter Fiz-Roy i. e. filius Regis, und die Dignitæt von Hertzogen. Jn Dennemarck fuͤhren die natuͤrlichen Soͤhne der Koͤnige dem Caracter von Jhrer hohen Excel - lenz. Es iſt auch ſonſt in andern Provintzien und an andern Hoͤfen gebraͤuchlich, daß die natuͤrlichen Kinder der Dignitæt der Mutter folgen, wie es auch der Verordnung der Rechte gemaͤß: Jſt die Mut - ter eine Princeßin oder Fuͤrſtin, ſo werden ſie vor Printzen declarirt; iſt ihre Mutter eine Graͤfin, ſo bleiben ſie Grafen. Jſt ein groſſer Herr gegen ein Buͤrger-Maͤdgen entzuͤndet worden, ſo werden die aus dieſer Liebe gezeugten Kinder vor buͤrgerlich angeſehen, und tractirt.
§. 13. Jn der Hiſtorie des XVI. Seculi habenwir223Von der Hochfuͤrſtl. Familie uͤberhaupt. wir ein gantz beſonder Exempel, da der Landgraf zu Heſſen Philippus Magnanimus aus ſehr wich - tigen Urſachen, und bey auſſerordentlichen Umſtaͤn - den bey Lebzeiten ſeiner Gemahlin noch eine andere eheligte, nemlich die Margrethe von der Saale, und wurden vorhero von groſſen und gewiſſenhaff - ten Theologis, Luthero, Bucero, Philippo Me - lanchtone und andern beſondre Judicia geſamm - let, die in des Daphnæi Arcuarii Tractat koͤnnen nachgeleſen werden.
§. 14. Nach den toͤdtlichen Abgang der Hoch - Fuͤrſtlichen Eltern, fuͤhren die aus einem rechtmaͤſ - ſigen Fuͤrſtlichen Ehe-Bette erzeugten Printzen entweder eine Gemeinſchafftliche Regierung, oder die Regierung der Hoch-Fuͤrſtlichen Lande wird bloß dem aͤlteſten aufgetragen, und die uͤbrigen werden apanagirt, nachdem durch Obſervanzen, Pacta und Teſtamente das Recht der Erſtgeburth eingefuͤhrt oder nicht. Bey den Gemeinſchafft - lichen Regierungen reſolviren ſie alle Sachen zu - gleich; alle die Bedienten und Officianten von oberſten biß auf den geringſten werden in gemein - ſchafftliche Pflichten genommen, und die Mandata und Reſcripta in Nahmen der ſaͤmtlichen Hoch - Fuͤrſtlichen Herrn Gebruͤder publicirt. Daß bey dieſem Falle gar oͤffters mancherley Diſpüten un - ter Herrſchafften und Bedienten vorfallen, und es nicht gantz ohne Verwirrung und Unordnung im Lande abgehe, iſt aus einigen Exempeln der aͤltern und neuern Zeiten bekandt.
§. 15.224I. Theil. XIII. Capitul.§. 15. Nach dem das Recht der Erſt-Geburth heutiges Tages bey den meiſten Hoch-Fuͤrſtlichen Haͤuſern eingefuͤhrt, ſo uͤberkommen nur die aͤlte - ſten die Hoch-Fuͤrſtliche Regierung und die Lan - desherrliche Hoheit, und die uͤbrigen Herren Bruͤ - der werden entweder bloß mit gewiſſen Aemtern, daruͤber ihnen die Adminiſtration verguͤnſtiget wird, oder mit gewiſſen Einkuͤnfften verſehen. Die Art und Weiſe der Apanagen wird durch Ver - gleiche und Pacta ausgemacht. Bißweilen wird ihnen ein gewiſſes Amt, oder auch wohl ein Stuͤck - gen Landes zu ihrer voͤlligen Diſpoſition gelaſſen, daß ſie darinnen nach eignen Gefallen ſchalten und walten koͤnnen wie ſie nur ſelbſt wollen; Sie er - langen die voͤllige Landesherrliche Hoheit biß auf einige wenige Rechte, die dem regierenden Landes - Fuͤrſten durch Teſtament oder Vergleich ausge - dungen und vorbehalten worden. Manchmahl haben ſie nur einen Schatten der Superioritatis territorialis, der in der Ausuͤbung einiger wenigen Rechte beſtehet, die auch wohl bißweilen anſehn - lichen Unterthanen uͤberlaſſen werden.
§. 16. Manche apanagirte Herren bekommen bloß die Erlaubniß, daß ſie an einem gewiſſen Ort, der ihnen zu ihrer Reſidenz eingeraͤumet wird, woh - nen, und ihre Apanagen-Gelder daſelbſt verzehren ſollen, dieſe haben gar keine Jurisdiction uͤber den - ſelben Ort, ſondern die Hoch-Fuͤrſtlichen Beamten exerciren dieſelbe im Nahmen des regierenden Herrn; inzwiſchen muͤſſen ſie doch von dem Hoch -Fuͤrſt -225Von der Hochfuͤrſtl. Familie uͤberhaupt. Fuͤrſtlichen Beamten, und allen den Einwohnern deſſelben Ortes, ihrem Fuͤrſtlichen Stande gemaͤß hoͤflich und ehrerbietig tractirt werden.
§. 17. Andern wird nicht allein die Jurisdi - ction, das iſt, die Ober - und Unter-Gerichtsbar - keit uͤber das zu ihrer Apanage ausgeſetzte Amt uͤber - laſſen, ſondern auch das voͤllige Oeconomie-We - ſen, ſo daß ſie durch die Adminiſtration des Amtes ihre Apanagen-Gelder bekommen. Bey man - chen Fuͤrſtlichen Haͤuſern in Teutſchland ſind die Seniorate eingefuͤhret, vermoͤge welcher demjenigen von den Agnaten, ſo in dieſem Hoch-Fuͤrſtlichen Hauſe der aͤlteſte an Jahren iſt, nach gewiſſen al - ten hergebrachten Pactis, Gewohnheiten und Ob - ſervanzen beſondere Jura zuſtehen.
§. 18. Die apanagirten Hoch-Fuͤrſtlichen Her - ren Gebruͤder und Agnaten haben ein gemeinſchafft - liches Archiv, zu welchem ein jeder von ihnen einen beſondern Schluͤſſel beſitzt, und welchem ein ge - meinſchafftlicher Archivarius vorſtehet, der in den Pflichten des gantzen Hoch-Fuͤrſtlichen Hauſes ſtehet. So iſt auch das Erb-Begraͤbniß oder die Fuͤrſtliche Leichen-Grufft vor das gantze Hoch - Fuͤrſtliche Hauß beſtimmt. Nicht weniger wer - den die Hoch-Fuͤrſtlichen Anverwandten in die Kirchen-Gebether mit eingeſchloſſen, wiewohl gar offters Streitigkeiten ſich daruͤber ereignen, weil ſie bißweilen verlangen, daß ſie mit Nahmen und mit ihren beſondern Haͤuſern ausgedruckt werden; die regierenden Linien hingegen wollen ihnen dieſesPnicht226I. Theil. XIII. Capitul. nicht zugeſtehen, und verordnen meiſtentheils, daß die Vorbitte unter der Benennung der Hochfuͤrſt - lichen Herren Vettern und Frauen Muhmen ab - geſtattet werde.
§. 19. Bißweilen wollen die apanagirten Her - ren, die mit einer anſehnlichen und weitlaͤufftigen Apanage verſorget, ihre beſondern Regierungs - Collegia etabliren, und ihre eigenen Hof - und Ju - ſtiz-Raͤthe beſtellen. Sie finden aber hiebey nicht ſelten bey den Haupt-Haͤuſern mancherley Con - tradictionen. Bald wollen ſie ihnen das Recht der Cantzeleyen, aber nicht der Regierungen zuge - ſtehen, bald auch dieſes nicht einmahl erlauben, ſie muͤſten denn vor einen und dem andern eine gantz beſondere Conſideration haben. Vielmahls wird bey dieſen und andern dergleichen Umſtaͤnden den Vaͤtern etwas verguͤnſtiget, und bloß auf ihre Leb - zeiten eingeſchraͤncket, welches den Deſcendenten nicht verſtattet wird. Die Vaͤter muͤſſen ſich ver - pflichten und verreverſiren, daß ſie dieſes oder je - nes nur als ein precarium annehmen, und im ge - ringſten nicht als erblich anſehen oder machen wollen.
§. 20. Jn wie weit die apanagirten Haͤuſer dem Haupt-Hauſe unterworffen, und unter deſſen Ju - risdiction ſtehen, kan uͤberhaupt nicht determini - ret werden. Die Belehnungen, Teſtamenta, Vertraͤge und Receſſe geben hierinnen am beſten Ziel und Maaß. Das iſt gewiß, daß die regie - rende Linie allenthalben den Vorzug hat, inzwi -ſchen227Von der Hochfuͤrſtl. Familie uͤberhaupt. ſchen behalten doch die Neben-Linien ebenfalls ih - ren einmahl erlangten Fuͤrſtlichen Stand und Splendeur, nach welchem ſie den uͤbrigen Unter - thanen nicht gleich tractiret und angeſehen wer - den.
§. 21. Gleichwie es uͤberhaupt unter groſſen Herren gewoͤhnlich, daß ſie ſich bey mancherley Faͤllen und Veraͤnderungen, die ſich in ihren Haͤu - ſern ereignen, mit Notificationen gar freygebig erweiſen; alſo pflegen ſonderlich die Hoch-Fuͤrſt - lichen hohen Anverwandten einander alle Vermaͤh - lungen, Geburthen, Kindtauffen, Todes-Faͤlle, und was ſich nur in ihren Haͤuſern veraͤnderliches ereignet, reciproquement zu berichten, ſie muͤſten denn wegen einigen unter ihnen vorfallenden Diffe - rentien in einer kleinen Disharmonie mit einander ſtehen.
§. 22. Wollen ſich Streitigkeiten unter ihnen entſpinnen, ſo veranlaſſen ſie freundliche Zuſam - menkuͤnffte, da ſie ſelbſt zuſammen kommen, und ſich wegen der irrigen Puncte mit einander ver - gleichen, und hernach Freund-Bruͤderliche oder Freund-Vetterliche Pacta aufrichten, die in den kuͤnfftigen Zeiten bey dergleichen Vorfallenheiten ein principium regulativum abgeben, oder wo die Gemuͤther allzuweit von einander entfernet, daß ſie ſich bey ihrer perſoͤnlichen Zuſammenkunfft keines recht friedlichen Ausganges verſprechen, ſo inſtrui - ren ſie ihre Miniſtres, und geben ihnen gewiſſe Vollmachten, wie weit ſie gehen ſollen. DieſeP 2halten228I. Theil. XIII. Capitul. halten denn Conferentien mit den Gegenſeitigen Miniſtris, und bemuͤhen ſich, einen guten Vergleich zum Vortheil ihrer Herrſchafft zu treffen. Da es bißweilen unmoͤglich iſt, in den Tractaten, die bey - derſeits Hoch-Fuͤrſtliche Theile mit einander ſchlieſ - ſen, alle Faͤlle vorher zu ſehen, manche Puncte, auch in den Pactis, nicht mit aller Deutlichkeit, wie es wohl ſeyn koͤnte und ſolte, iederzeit exprimiret werden, ſo geſchicht es nicht ſelten, daß, uͤber die Haupt-Vergleiche, hernach noch gewiſſe Neben - Receſſe, oder, nach Verflieſſung einiger Zeit, be - ſondere Dilucidations - und Erlaͤuterungs-Receſſe aufgerichtet werden.
§. 23. Koͤnnen die Demeleen auf keinerley fried - liche Weiſe beygelegt werden, ſo provociren die Fuͤrſten in Teutſchland, denen dieſes zukommt, auf das Recht der Fuͤrſtlichen Austraͤge, oder ſie im - ploriren das allerhoͤchſte Kayſerliche Ober-Rich - terliche Amt, nachdem ſie vorher alle gelinde Mit - tel und Wege ergriffen, alsdenn werden die ſtrei - tigen Rechte entweder in dem Reichs-Cammer - Gerichte zu Wetzlar, oder in dem Kayſerlichen Reichs-Hof-Raths-Collegio zu Wien in Diſcus - ſion gezogen, und nach erfolgtem allerhoͤchſtem Ausſpruch einem ieden zu ſeinem Recht geholffen, und nach Jnhalt der Reichs-Geſetze den benach - barten Reichs - und Creyß-Fuͤrſten die Commis - ſion und Execution bißweilen aufgetragen.
§. 1.
Weiſe Regenten, die ſich die Regierung ih - rer von GOtt ihnen anvertrauten Fuͤrſt - lichen Staaten recht angelegen ſeyn laſ - ſen, wenden ihre Sorgfalt dahin, damit ſie nicht ſo wohl ihre Bedienten mit Aemtern und Bedienungen, als vielmehr ihre Aemter mit tuͤch - tigen Leuten verſorgen, ſo die Faͤhigkeit beſitzen, ihnen nach Wuͤrden vorzuſtehen. Sie verkauf - fen niemahls die Chargen um Geld, es muͤſte denn ein unvermeidlicher Nothfall ſolches auf eine kurtze Zeit erfordern wollen, und ſetzen dennoch auch bey dieſen Umſtaͤnden die Meriten nicht aus den Augen. Die ſich durch unrechtmaͤßige Wege in die Aemter eindringen, leiden ſie auch nicht lange in ihren Dien - ſten. Alſo machte es der theure Hertzog zu Sach - ſen Erneſtus Pius. Dieſer, wenn er erfuhr, daß iemand durch einen ſchlimmen Weg in das Amt eingedrungen, und ſolches erwieſen war, ſo entzog er ihm nachgehends alſobald ſolche Bedienung. S. die von Monſ. Teiſſier verfertigte Lebens-Be - ſchreibung dieſes frommen Fuͤrſtens.
§. 2. Sie erforſchen bey Annehmung ihrer Be - dienten, von dem oberſten biß zu dem unterſten, zuP 3was230I. Theil. XIV. Capitul. was ſie ſich am beſten ſchicken, und lernen ihre Staͤrcke und Schwaͤche kennen. Jetzt angefuͤhr - ter Erneſtus Pius erkundigte ſich auch ſo gar bey den Pagen, ob ſie von Studiis oder Degen Profes - ſion machen wolten, und wenn ers erfuhr, ſo gab er auch Acht, ob ſie ſich auf dasjenige, worauf ſie ſich legen wolten, recht applicirten. S. Teiſſier p. 105. Sie ſehen hierbey nicht ſo wohl auf ihr Vaterland und Landsmannſchafft, als vielmehr auf ihre Meri - ten, iedoch ziehen ſie die einheimiſchen, wenn ſie mit den fremden von gleicher Geſchicklichkeit und Tu - gend ſind, denen auswaͤrtigen vor; es muͤſten denn beſondere Regeln der Klugheit ein anders erfor - dern.
§. 3. Nach der Verfaſſung mancher Reiche und Provintzien, muͤſſen gewiſſe Bedienungen, zumahl von wichtigen Hof - und Reichs-Chargen, nur bloß mit einheimiſchen beſetzt werden. Alſo werden nach dem XXIII. Articul der Kayſerlichen Capitu - lation Kayſers Caroli VI., die Geſandtſchafften, die Chargen der Obriſten Hofmeiſter, Obriſten Caͤmmerer, Hatſchierer und Leib-Guarde, Haupt - manns und dergleichen, mit keinen andern beſetzt, als mit angebohrnen Teutſchen, oder aufs wenigſte mit denen, die dem Reich mit Lehns-Pflichten ver - wandt ſind. Als man nach Ankunfft der jungen Koͤnigin in Spanien, die eine Tochter des Hertzogs von Savoyen war, alle derſelben aus Savoyen mitgebrachte Bedienten, ohne ihren Vorbewuſt heimlich zuruͤck geſandt, und ihr an deren Stattlauter231Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. lauter fremde Perſonen zugegeben, ſoll ſie ſolchen Unmuth daruͤber verſpuͤhret haben, daß ſie wieder zuruͤck reiſen wollen. Nachdem aber ihre Ober - Hofmeiſterin, die Princeßin Urſini, ihr vorgeſtellet, daß die Gewohnheit der Spanier mit ſich braͤchte, keine andere Perſonen bey ihren Koͤniginnen zu lei - den, als die von ihrer Nation waͤren, ſo hat ſie ſich endlich wieder zufrieden geſtellet. S. curieuſen Buͤcher-Cabinets XVI. Eingang p. 262.
§. 4. Man findet zwar an allen regulieren und wohlbeſtellten Hoͤfen gewiſſe Ordnungen, die den Hof-Bedienten vorgeſchrieben, und darinnen ihre Pflichten etwas ſpecieller ausgedruckt ſind; doch ſcheinet es faſt, als ob man in den vorigen Zeiten, ſonderlich bey den Teutſchen Fuͤrſten, in dieſem Stuͤck noch accurater geweſen, als ietzund. Es werden dieſe Hof-Ordnungen entweder geſchrie - ben, oder gar gedruckt, und allen denjenigen die ſie beobachten, und in deren Wiſſenſchafft ſie kommen ſollen, publicirt, im uͤbrigen aber nach ihren Ori - ginalien in den Hof-Marſchalls-Aemtern aufbe - halten, und von Zeit zu Zeit veraͤndert, vermehret und verbeſſert.
§. 5. Unter andern findet man Frauenzimmer - Ordnungen, Pagen-Ordnungen, Kuͤchen-Ordnun - gen, Keller-Ordnungen und Stall-Ordnungen. Jn den Frauenzimmer-Ordnungen wird vorge - ſchrieben, wie ſich das adeliche und buͤrgerliche Frauenzimmer, ſo um die Durchlauchtigſte Herr - ſchafft iſt, der Zucht und Erbarkeit befleißigen, allenP 4boͤſen232I. Theil. XIV. Capitul. boſen Schein eines verdaͤchtigen Umgangs mit den Hof-Cavalieren vermeiden, der Hoch-Fuͤrſtlichen Gemahlin und der Frau Hofmeiſterin unterthaͤnig ſeyn, und bey dem Gottesdienſt, bey der Tafel, und bey der Fuͤrſtlichen Aufwartung auffuͤhren ſoll. S. Hertzogs Johann Caſimirs zu Sachſen-Co - burg Frauenzimmer-Ordnung de anno 1608. in dem V. Theile des Rudolphi Gothæ Diplomati - cæ p. 301. Die Pagen-Ordnungen diſponiren, wenn die Pagen aufſtehen, bethen, ihre Aufwartung antreten, zur Information und zu ihren Exercitiis ſich begeben, und ſich gegen die Durchlauchtigſte Herrſchafft, gegen die Hof-Dames und Hof-Cava - liers, wie auch gegen ihre Vorgeſetzten, gegen ih - ren Hofmeiſter, Informatores und Exercitien-Mei - ſter verhalten ſollen, ingleichen wie ſie ſich bey der Fuͤrſtlichen Tafel, bey dem Aufſatz der Speiſen, auf der Reiſe, und ſonſt allenthalben zu conduiſi - ren haben.
§. 6. Jn den Kuͤchen-Ordnungen wird expri - miret, was, wie viel, und auf was vor Art auf die Fuͤrſtlichen Tafeln, ingleichen auf die Marſchalls - Tafeln und Bey-Tiſche der Hof-Jungfern und Pagen aufgeſetzet und angerichtet werden ſoll; wie die Koͤche ſich zu rechter Zeit zum Feuer ſchicken, die Speiſen, ſo zu ieder Mahlzeit angeſetzt und ange - ſteckt, ſauber, rein, muͤrbe, und alſo zubereiten, daß wenn zur Tafel geblaſen wird, ſie alſobald parat ſeyn, wie ſie Acht haben ſollen, daß niemand, wer der auch ſey, einheimiſch oder auswaͤrtig, ſich in dieKuͤche233Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. Kuͤche, und zuvoraus um die Heerdſtatt dringe, damit aller ungleicher Verdacht vermieden werde; wie es bey dem Anrichten gehalten werden ſoll; was an Paſteten, Braten, Gebackenen und an - dern Speiſen aufzutragen, und hernach wieder auf - zuheben; wie es mit dem Einhauen und Lieferung der Victualien zu halten; wie mit Gewuͤrtze, Zu - cker, Schmaltz, Saltz und andern dergleichen raͤth - lich umzugehen, damit nichts veruntrauet oder ver - ſchwendet, noch weniger die Butter in das Feuer geworffen werde; wie an Wildpreth, Fleiſch, Fi - ſchen, Gewuͤrtz, Butter, Kaͤß, und allen andern, ſo wie ſie Nahmen haben, an niemand nichts heimlich noch oͤffentlich abzutragen, und kein ungewoͤhnlich Eſſen, an Kraͤhen, Elſtern, Fuͤchſen und andern der - gleichen zuzurichten.
§. 7. Jn den Keller-Ordnungen wird den Mund - ſchencken und Kellerſchreibern, oder wie ſie ſonſt genennet werden moͤgen, anbefohlen, wie ſie die Glaͤſer, ſilberne Becher, Flaſchen, und alles was ſie in ihren Verwahrſam bekommen, wohl aufheben und in Acht nehmen ſollen; wie ſie ſich bey dem Einſchencken auffuͤhren, wie viel, und von was fuͤr Sorte ſie einem ieden geben, wie viel ſie bey der Ta - fel und unter der Tafel weggeben, wie ſie weder in Kellern noch Keller-Stuben Unterſchleiff gebrau - chen, das Aus - und Einlauffen auſſer und unter den ordentlichen Mahlzeiten niemand verſtatten, vielweniger Winckel-Zechen zu laſſen, und ſelbſt da - zu Anlaß geben, auch mit Fleiß darob ſeyn, daß dieWeine234I. Theil. XIV. Capitul. Weine mit fuͤllen und wiſchen wohlgehalten und nicht verfaͤlſchet werden. Es wird ihnen darinnen angedeutet, daß ſie das Keller-Inventarium, an ſilbernen, kuͤpffernen, meßingenen, blechernen, hoͤl - tzernen und andern Gefaͤß, wie es bey der Recen - ſion befunden, in Acht nehmen ſollen, daß davon nichts verſchleifft oder entwendet, noch muthwillig zubrochen und vernichtet werde; ſondern was jaͤhr - lich darinnen verbeſſert, verneuert, vermehret und vermindert wird, ſteigt und faͤllt, alſobald in das Inventarium aufgezeichnet werde.
§. 8. Jn den Stall-Ordnungen werden die Pflichten aller Stall-Bedienten, vom oberſten biß auf den unterſten, vorſtellig gemacht, auch angezei - get, wie ſie ſo wohl die Reit-als Kutſch-Pferde, nebſt den Kutſchen / ingleichen dasjenige, was ih - nen, vermittelſt des Inventarii, an Satteln, Zeu - gen, Decken, Piſtohlen und andern Ruͤſtungen, auch ſonſten untergeben und vertrauet, in guter Verwahrung halten ſollen, damit nichts verderbe und etwan Schaden leide, von Futter im gering - ſten nichts verparthieren, auf die Leib-Pferde gute Acht haben, mit denſelben ſittſam und gemach um - gehen, keine fremde Pferde, ohne beſondern Fuͤrſt - lichen Befehl, in den Stall ziehen, und ſtallen laſ - ſen, auch ohne des Stallmeiſters Erlaubniß und Befehl niemand einig Pferd vorziehen, noch ver - leihen u. ſ. w.
§. 9. Das Anſehen und die Bedeutungen der Bedienungen ſind nach dem Unterſchied der Hoͤfevon235Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. von einander unterſchieden. Manche Charge iſt an dieſem Hofe mit einem groſſen Range und be - ſondern Dignitaͤt verknuͤffet, die hingegen an einem andern eben nicht vor ſo gar anſehnlich geachtet wird. Alſo iſt die Charge der Staats-Secretairs in Franckreich und Dennemarck ein gar vorneh - mes Amt, hingegen haben ſich bißanhero in Teutſchland viele von unſern Cavalieren keine Eh - re draus machen wollen, wenn man ihnen geheim - de Secretairs-Expeditionen zugedacht. Eine glei - che Bewandniß hats mit der Bedienung der Cam - mer-Herren, dieſe ſtehen an vielen Hoͤfen in einem vornehmen Poſto und hohen Range, an einigen Hoͤfen in Teutſchland aber findet man, daß dieſe Charge um einige Grade geringer geachtet wird. An dem Kayſerlichen Hofe ſind die Cammer-Her - ren-Schluͤſſel zweyerley, einige ſind hohl und of - fen, welche diejenigen Cammer-Herren tragen, ſo wuͤrcklich aufwarten; andere aber zu, welche vor die - jenigen gehoͤren, die nicht wuͤrcklich zur Aufwar - tung gebraucht werden.
§. 10. An dieſem Hofe iſt auch eine Charge, in dem Ober-Stallmeiſter-Amt, welche man den Sattel-Knecht nennet. Dieſes iſt ein ſo hono - rabler Dienſt, daß auch vornehme Leute ſolchen anzunehmen kein Bedencken tragen. Als nun zu Kayſers Leopoldi Zeiten einer, der ſolchen aller - erſt empfangen, anhielte, der Kayſer moͤchte doch die verhaßte Knecht-Benennung abſchaffen, und ſolche in einen andern Titul veraͤndern, ſagte derhoch -236I. Theil. XIV. Capitul. hochſelige Kayſer, wer den Nahmen nicht leiden koͤnte, ſchickte ſich auch nicht zum Dienſte; und bey allen ſolchen Veraͤnderungen pflegte er in dem Munde zu fuͤhren: Was ſeine Vorfahren haͤtten vertragen koͤnnen, koͤnte ihm auch gut ſeyn, und wuͤrde alſo bey ſeinem Leben nichts zu aͤndern ſeyn. S. das Leben des Kayſers Leopoldi p. 110. Der ietzt angezogene Autor meldet auch p. 112. daß die Kayſerlichen Edel-Knaben nicht Pagen genennet wuͤrden, weil man in Wien einen iedweden Jun - gen dieſen Titul gaͤbe.
§. 11. Es geſchicht bißweilen, daß einige kleine Fuͤrſten, die kein groß Land, und auch keine gar zu weitlaͤufftige Hofhaltung haben, dennoch in Aus - theilung hoher Characteres und groſſen Titulaturen den groͤſten Puiſſancen nachahmen, ſie muͤſſen aber auch nicht ſelten erfahren, daß ihre hoch-characteri - firte Miniſtres nicht allenthalben an denjenigen Hoͤ - fen, wo ſie dieſelben hinſchicken, in dieſer Qualitaͤt erkandt werden, zumahl bey denen, von welchen ihre Principalen einiger maßen dependant ſind.
§. 12. Die Vergebung der neuen Chargen de - pendiren, nach der unterſchiedenen Verfaſſung der Hoͤfe, entweder von den Landes-Herrn allein, oder von den Landes-Fuͤrſten und den Reichs - und Land - Staͤnden zugleich. Jn den neuern Zeiten ſind manche Collegia etabliret, und manche neue Char - gen ausgedacht worden, davon man in den vori - gen Zeiten nichts gewuſt. Gleichwie der Staat und die Magnificenze an den meiſten Hoͤfen zuge -nommen,237Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. nommen, alſo iſt auch die Menge der Hof-Bedien - ten, der Titulaturen, und der Chargen mit denſel - ben zugleich vermehret worden. Man findet hin und wieder bey den alten Geſchicht-Schreibern, daß man anſehnlichen und maͤchtigen Reichs-Fuͤr - ſten in Teutſchland als eine praͤchtige Hofhaltung nachgeruͤhmet, wenn ſie 6. oder 7. Ritter um ſich gehabt, da doch heutiges Tages manche Reichs - Grafen in dieſem Stuͤck eine groͤſſere Figur ma - chen. Chur-Fuͤrſt Friedrich der Weiſe hielt eine gar enge Hofſtatt; da er einſtens vorhatte ſeinen Dienern Koſt-Geld zu geben, und befand, daß ſol - ches 800 Guͤlden austragen wuͤrde, ſo rechnete er dieſes ſchon vor eine ſehr groſſe Summa Geldes. S. Zinckgraͤfs Teutſche Apophtegmata p. 98.
§. 13. Groſſe Herren ertheilen neue Aemter, Præ - dicata und Beſoldungen, wenn es ihnen beliebt, nachdem es entweder die Officianten verdienen, und ſich durch ihre Meriten den Weg zu weitern Avancemens gebaͤhnet, oder nachdem ſie ſich durch allerhand Methoden bey ihnen, oder bey ihren Fa - voriten maͤnnlichen oder weiblichen Geſchlechts, in Gnade geſetzt, oder nachdem ſie von andern Hoch-Fuͤrſtlichen Haͤuſern, mit denen ſie entweder in Freundſchafft oder Anverwandtſchafft ſtehen, oder vor die ſie beſondere Conſideration hegen, ſtarcke Recommendations - und Interceſſions - Schreiben mit ſich bringen. An vielen Teutſchen Hoͤfen iſt gebraͤuchlich, daß die Hoch-Fuͤrſtlichen Herrſchafften an ihren ſolennen Geburths-Taͤ -gen238I. Theil. XIV. Capitul. gen neue Chargen vergeben, und einige Diene avanciren laſſen.
§. 14. Wenn die Soͤhne entweder in die vaͤ - terlichen Fußſtapffen treten, oder das Gluͤck haben, die Gnade der Succeſſion ſo wohl zu erlangen, als ihre Vaͤter, ſo werden ſie ihren Vaͤtern gar offters adjungiret, und die Chargen werden hierdurch auf gewiſſe Maße erblich. An dem Kayſerlichen Ho - fe hatte man vor einiger Zeit ein denckwuͤrdig illu - ſtre Exempel: Es ſtarb anno 1716. den 16 Julii zu Wien, Herr Philip Sigmund, Graf von Die - trichſtein, Kayſerlicher Ober-Stallmeiſter, der Herr Bruder Fuͤrſt Ferdinand war des hochſeeli - gen Kayſers Leopoldi Ober-Hofmeiſter, deſſen Sohn Fuͤrſt Leopold, Kayſers Joſephi Ober - Stallmeiſter; der Vater Fuͤrſt Maximilian, Kay - ſers Matthiæ Ober-Stallmeiſter, Kayſers Ferdi - nandi II. und Kayſers Ferdinandi III. Ober-Hof - meiſter; der Groß-Vater Sigmund, Kayſers Rudolphi II. Miniſter, und Ertz-Hertzogs Ernſts Ober-Stallmeiſter; der Aelter-Vater, Kayſers Maximiliani II. Ober-Caͤmmerer, und Rudol - phi II. Ober-Hofmeiſter; der Uhrahne Sigmund, Kayſers Maximiliani I. Caroli V. und Ferdinan - di I. Miniſter. S. Heræi Gedichte p. 155.
§. 15. Die unterſchiedenen Objecta, die man - cherley Angelegenheiten des Landes, die unterſchie - denen Geſchaͤffte des Hofes, und die beſondern Neigungen der Herrſchafft verurſachen den Unter - ſchied der Aemter und Bedienungen, deren hiſtori -ſche239Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. ſche Beſchreibung, wie ſie heutiges Tages bey den meiſten Europaͤiſchen Hoͤfen anzutreffen, in eignen Schrifften zu leſen. Die vornehmſten Miniſtri des Kayſerlichen Hofes ſind, der Ober-Hofmeiſter, der Obriſte Caͤmmerer, der Obriſte Hof-Mar - ſchall, und endlich der Obriſte Stallmeiſter; die gantze uͤbrige Hofſtatt wird in dieſe vier hohe Aem - ter eingetheilet. Der Ober-Hofmeiſter-Stab iſt der vornehmſte; unter ihm ſtehen, der Ober-Hof - Kuͤchenmeiſter, der Ober-Silber-Caͤmmerer, der Unter-Silber-Caͤmmerer, der Obriſte Staͤbelmei - ſter, welcher voran gehet, wenn man dem Kayſer die Speiſen auftraͤgt; er klopfft mit einem Stabe an die Thuͤre, damit die in der Ritter-Stube und Anti-Camera ſtehenden Perſonen Platz machen. Die Truchſeße warten dem Kayſer bey der Tafel auf, und ſind deren eine groſſe Anzahl; unter ihnen ſtehen 13. Mund-Schencken, zwey Vorſchneider, die Hof-Capelle, die Hof-Secretarii, ingleichen alle Hof-Zehr-Garten-Kellerey-Tafel-Kuͤch-und Waſch-Bedienten.
§. 16. Der Obriſte Caͤmmer-Stab fuͤhret die Ambaſſadeurs, Envoyés und andere Standes - Perſonen zur Audienz, ihm wird das Creditiv - Schreiben der Herren Geſandten vorher eingelie - fert, und denſelben von ihm durch einen Thuͤrhuͤter von der Anti-Camera eine gewiſſe Stunde ange - ſetzt; Unter ihm ſtehen die Cammer-Herren, de - ren eine uͤberaus groſſe Menge, wie auch der Kay - ſerliche Beicht-Vater, die Leib-Medici, die Leib -Apo -240I. Theil. XIV. Capitul. Apothecker, die Leib-Balbierer, auch alle Cammer - und Garde Roben-Bedienten. Der Obriſte Hof - Marſchall hat nicht allein die Jurisdiction uͤber die Hof-Bedienten, ſondern auch uͤber die Frembden, als Abgeſandten, Reſidenten, Agenten, Sollicitan - ten; er macht Quartier wenn der Kayſer ſeine Re - ſidentz veraͤndert. Daher ſtehen unter ihm, das Hof-Quartier-Amt, und die dazu gehoͤrigen Ober - Hof-Quartier-Meiſter, Fourirer &c. ferner das Ober-Hof-Marſchall-Amt, ſamt ſeinen Raͤthen, Aſſeſſoribus und Bedienten.
§. 17. Dem Ober-Stallmeiſter iſt alles, was zum Stall gehoͤret, untergeben; er hilfft dem Kay - ſer zu Pferde oder Wagen, auſſer der Stadt aber pflegt er bey dem Kayſer mit entbloͤßtem Haupt in der Kutſche zu ſitzen. Es ſind auch die Exercitien - Meiſter bey Hofe an denſelben gewieſen. Zu ſei - nem Stabe gehoͤren die Kayſerlichen Edel-Kna - ben, ſo Graͤflichen und Freyherrlichen Standes, ingleichen alle Stall-Pferde - und Wagen-Be - diente. Auf dieſe vier Haupt-Staͤbe folgen, der Hatſchier-Hauptmann, der Leib-Garde Traban - ten-Hauptmann, der Obriſte Land-Hof - und Jaͤ - ger-Meiſter, der Ober-Hof-Falcken-Meiſter, und andere hohe Officianten mehr.
§. 18. An vielen Hoͤfen der gecroͤnten Haͤupter, und anderer hohen Puiſſancen findet man, uͤber die andern Staats-Miniſtres und andere hohen Offi - cianten, noch einen Miniſtriſſimum, einen Premier - Miniſter, einen Miniſtre principal d’Etat, einendiri -241Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. dirigirenden Staats-Miniſter, oder wie ſie etwan weiter koͤnnen genennet werden. Von dieſen bringt es, in Anſehung der fortwaͤhrenden Gnade und der Dauer dieſes hoͤchſten Ehren-Gipffels, einer im - mer weiter als der andere, nachdem einer Meriten hat, und ſich neceſſair zu machen gelernt, oder durch ſein gutes Bezeigen ſich bey der Herrſchafft und dem Hof beliebt zu machen weiß. Bißweilen ver - ſehen einige hohe Anverwandte des Hauſes dieſe Function, bißweilen aber auch andere Staats - kundige Maͤnner. An den Roͤmiſch-Catholiſchen Hoͤfen bemuͤhen ſich die Cardinaͤle, bey dieſer Char - ge einen groſſen Theil des Steuer-Ruders nebſt den Regenten zugleich mit in Haͤnden zu halten, wie aus der alten und neuen Hiſtorie bekandt iſt. Alſo beherrſchten in den vorigen Zeiten die beyden Cardinaͤle, Richelieu und Mazarin, als Premier - Miniſtres gantz Franckreich. Richelieu legte den Grund, und Mazarin bauete drauf.
§. 19. Auf gewiſſe Maße geben bißweilen einige Staats-kundige Damen, die das Hertz des Re - genten in Haͤnden fuͤhren, oder das Gluͤck haben, dem Miniſtriſſimo ſelbſt beſonders zu gefallen, und mit ihm vertraut zu ſeyn, Premier-Miniſtres mit ab, und dieſe ertheilen auf eine gewiſſe Zeit denjenigen Sachen, von denen ſie Erkaͤntniß erlanget, und zu denen ſie mit zu Rathe gezogen werden, ein ſehr ſtarck Gewicht. An einigen Hoͤfen ſind die Pre - mier-Miniſtres zugleich Favoriten, aber nicht al - lenthalben. Bißweilen muß ein Regent einenQPre -242I. Theil. XIV. Capitul. Premier-Miniſtre um ſich leiden, weil das Volck an ihm haͤnget, weil er ſich allenthalben inſinuiret, weil er von trefflicher Capacitaͤt, und die Regie - rungs-Sachen wohl innen hat, inzwiſchen iſt er ihn eben nicht vollkommen zugethan, und eine an - dere zuweilen ſchlechte Perſon, von keinen oder doch geringen Meriten, vertritt die Stelle des Favoriten. Ein beſtaͤndiger und getreuer Favorite des Koͤnigs in Engelland war Wilhelm von Bentheim Graf von Portland, der anno 1710. den 10 November im 62ſten Jahr ſeines Alters ſtarb. Vor ſeinem Lebens-Ende bath er, daß man ſeinen Leichnam ſo nahe an den Coͤrper Koͤnigs Wilhelms III. legen moͤchte, als ſichs thun lieſſe, und hatte auch die Eh - re, daß er in der Abtey zu Weſtmuͤnſter in der Ca - pelle Koͤnigs Henrichs des VII. beygeſetzt ward.
§. 20. Caſpar de Gutsmann Graf von Oliva - rez hatte das Gluͤck, daß er bey dem Koͤnig Phi - lippo III. in Spanien die Staats-Affairen des Koͤnigreichs XXII Jahr nach einander als Pre - mier-Miniſter dirigiren konte. Der Franzoͤſiſche Hiſtoricus, Michael Le Valſor, urtheilet in ſeiner Hiſtorie du Regne Louis XIII. liv. 56. p. 10. folgen - des von ihm: Olivarez gouvernoit & le Roy & toute l’Eſpagne avec un pouvoir abſolu, homme d’un eſprit altier, rempli de maximes ſeuéres & naturellement porté aux conſeils violens. Com - me il avoit inſinué a ſon maitre de prendre le ſurnom de grand, il cherchoit tous les moyens d’augmenter la puiſſance & la gloire de Phi -lippe;243Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. lippe; mais la fortune ſeconda ſi mal les pro - jets du Conte, que durant ſon adminiſtration la monarchie d’Eſpagne perdit ſon ancien ſplen - deur.
§. 21. An dem Paͤbſtlichen Hofe, der alles durch den Beyrath der Cardinaͤle expediret, verſiehet derjenige Cardinal, der ſich zu der Zeit am meiſten auf die Staats-Affairen appliciret, ſich in den Pabſt zu ſchicken, und von der Schwaͤche des Pabſtes zu profitiren weiß, die Stelle eines Pre - mier-Miniſtri. Einige wollen es einem groſſen Herrn vor einen Fehler anſchreiben, wenn er kei - nen Premier-Miniſter haͤlt, zumahl wenn er ſelbſt in ſeinen Verrichtungen ſehr langſam und bedaͤch - tig, und dennoch alles ſelbſt annehmen und anhoͤ - ren will; ſintemahl die Reſolutionen hierdurch gar ſehr gehindert, und viel Geſchaͤffte verabſaͤumet wuͤrden. Andere hingegen ſchreiben es einen Re - genten vor eine ſehr groſſe Weißheit an, wenn er ſelbſt Premier-Miniſter iſt, und keinen andern um ſich dultet.
§. 22. Es iſt uͤberaus loͤblich, und bringt einem Fuͤrſten einen beſondern Ruhm zuwege, wenn er die Dienſte, die ihm treue und fleißige Diener lei - ſten, auf mancherley Art und Weiſe an ihnen ſelbſt, oder an den Jhrigen belohnet. Fuͤrſt Joachim Ernſt zu Anhalt wird nachgeruͤhmet, daß er inner - halb 12 Jahren etliche 40 Paar Diener, adelichen und buͤrgerlichen Standes, deren Heyrathen er mehrentheils ſtifften und anbringen helffen, aufQ 2dem244I. Theil. XIV. Capitul. dem Schloß zu Torgau trauen und beylegen laſſen, und denſelben nicht allein ihre Hochzeiten ausge - richtet, ſondern ſie auch mildiglich begnadiget. S. Beckmans Hiſtorie von Anhalt V. Theil p. 194. Hertzog Friedrich von Gotha verordnete, daß die Witwen und Erben der Fuͤrſtlichen getreuen Die - ner nach ihrem Tode alle ihre Beſoldungen und Ac - cidentien noch folgende zwey Ouartale behalten ſolten. Einige goͤnnen den Witwen der groͤſten Miniſtres und anderer Officianten, die ihnen eine lange Zeit getreue und erſprießliche Dienſte gelei - ſtet, nach dem Tode ihrer Maͤnner anſehnliche Pen - ſionen, wenn ſie ſelbſt nicht ſo viel in Vermoͤgen haben, daß ſie Standes-maͤßig davon leben koͤnnen.
§. 23. Nachdem bey Veraͤnderung der Lan - des-Regenten gemeiniglich auch unter den Bedien - ten, hoͤhern und geringern Standes, ſich groſſe Veraͤnderungen ereignen, ſo wird vielmahls in die - jenigen Fuͤrſtlichen Pacta und Vergleiche, ſo unter den Durchlauchtigſten kuͤnfftigen Succeſſoribus aufgerichtet werden, dieſe Clauſul mit eingeruͤckt: Weil der Billichkeit gemaͤß, daß treuer und wohl - verdienter Raͤthe und Bedienten erwieſene nuͤtzli - che Officia nicht unbelohnet bleiben, ſo haben ſich die Fuͤrſtlichen hohen Herren Paciſcenten dahin gnaͤdigſt erklaͤhret daß ſie, und zwar ein ieder nach ſeiner Rata, fuͤr diejenigen Raͤthe und Miniſtros, ſo bey Abgang eines oder des andern Fuͤrſtlichen Theiles in dero Dienſten ſich wuͤrcklich befinden,und245Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. und wohl meritirt gemacht, dergeſtaltige Sorge tragen wollen, damit entweder durch anderweitige Accommodirung, oder nach Befindung durch eine erkleckliche Proviſion ihnen, ſo viel moͤglich, Unter - haltung und Subſiſtenz verſchafft werden moͤge.
§. 24. Gehet ein Kayſer mit Tod ab, ſo ſind alle Bediente des gantzen Kayſerlichen Hofes ſo gleich ihrer Dienſte erlaſſen, und der neue Kayſer nimmt ſodann diejenigen, welche ihm belieben, erſt wieder an. Der eintzige Reichs-Vice Cantzler bleibt un - verruͤckt in ſeinen Dienſten, weil ſeine Charge nicht ſo wohl von dem Kayſer, als vielmehr von Chur - Mayntz und dem Reich dependiret.
§. 25. Was der Autor der Perſianiſchen Brie - fe in ſeiner XXIX Lettre von dem vorigen Koͤnig in Franckreich Ludwig dem XIV. raiſoniret, geſchie - het auch bißweilen auſſer den Franzoͤſiſchen Gren - tzen bey einem andern Regenten: Il paye auſſi li - beralement les aſſiduites ou plutot l’oiſiveté de ſes Courtiſans que les Campagnes laborieuſes de ſes Capitaines, ſouvent il préfere un homme, qui le deshabille, ou qui luy donne la ſerviette l’ors qu’il Je met a table, à un autre, qui luy prend des villes, ou luy gagne de batailles; il ne croit pas, que la grandeur ſouveraine doit être genée dans la diſtribution des graces & ſans examiner, ſi celuy, qu’il comble de bien eſt homme de merite il croit que ſa choix va le rendre tel, auſſi luy a t’on vu donner une petite penſion, a un homme, de merite & un beauQ 3gou -246I. Theil. XIV. Capitul. gouvernement a un autre, qui auoit fuy deux lieux.
§. 26. Einige Hof-Officianten werden nach dem Unterſchied ihrer Bedienungen der Objectorum, die ſie zu verwalten haben, und der Obſervanz der Hoͤfe in Pflicht genommen, andere aber nicht; ei - nige werden auf Art eines Contracts in Dienſte gezogen; manchen wird ein beſonder Decret zu ih - rer honeur, auch mehrern Verſicherung ausgefer - tiget. Groſſe Miniſtri erhalten ihre Beſtallungen mit groſſen Solennitaͤten, die geringern Subalternen hingegen werden ohne beſondere Ceremonie ange - nommen. Wird einer zu einem Hoch-Fuͤrſtlichen Rath in ein Collegium aufgenommen, ſo wird er vorhero von einem Miniſtre, vermittelſt einer ſo - lennen Rede, introduciret. Derjenige ſo ihn introducirt, offeriret ihm nomine Sereniſſimi die vacante Stelle, und zweiffelt nicht, er werde, der Hoch-Fuͤrſtlichen Intention gemaͤß, ſolche willig annehmen, die gewoͤhnliche Vorhaltung anhoͤren, und daß er derſelben in allen pflichtmaͤßig nachleben wollen, mit dem Handſchlag angeloben, und ſodann der wuͤrcklichen Anweiſung ſeiner Seſſion gewaͤrtig ſeyn. Der neue Rath haͤlt wieder eine ſolenne Danckſagungs-Rede dagegen. Bißweilen in - ſtalliret ein Geringerer einen Hoͤhern, mehrmahls aber einer von einem groͤſſern und hoͤhern Range einen andern, der keine ſo hohe und anſehnliche Di - gnitaͤt beſitzet.
§. 27. Nimmt ein Rath oder Miniſter aus ei -nem247Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. nem Collegio Abſchied, und wird in ein anderes geſetzt, ſo haͤlt er bey dem Abſchied eine Rede, und bey dem Eintritt in das neue Collegium, in wel - ches er introduciret wird, wieder eine, wie ſehr viel Exempel, bey dieſen und andern dergleichen Faͤllen, in den Reden der vornehmſten Miniſtres nachgeſe - hen werden koͤnnen.
§. 28. Wird dem Erb-Printzen eine Hofſtatt formiret, ſo wird, mit Zuziehung der Herren Ge - heimden Raͤthe, auch bißweilen des Herrn Ober - Hof-Predigers, eine gewiſſe Ordnung, wie es in Zukunfft bey des Printzen Hofſtatt gehalten wer - den ſoll, abgefaſt, und zu Papier gebracht, auch wohl durch des Printzen Hofmeiſter, oder einen andern Cavalier, bey einer ſolennen Rede publi - ciret. Es wird anbefohlen, daß dieſe Ordnung in Gegenwart des Erb-Printzen den ſaͤmtlichen zu der Hofſtatt gehoͤrigen Officianten und Bedienten zu gewiſſer Zeit jaͤhrlich vorgetragen, wiederhohlet und abgeleſen werden ſoll.
§. 29. Zu manchen feindſeligen Zeiten, oder wenn ein Land mit einer ſehr groſſen Schulden-Laſt ge - druͤckt iſt, wird die allzu zahlreiche Hofſtatt vermin - dert / und von einem Hof-Miniſter durch eine ſo - lenne Rede dimittiret. Er dancket ihnen nomine Sereniſſimi vor ihre Dienſte, verſichert ihnen, daß ſie bey wiederhergeſtellter Ruhe, und bey ereignen - der Gelegenheit, wieder accommodiret, immittelſt aber ihren allerſeits biß hieher gehabten Rang vor wie nach, und den freyen Zutritt bey Hofe behaltenQ 4ſolten.248I. Theil. XIV. Capitul. ſolten. Ordentlicher Weiſe verbleibet den abge - danckten Bedienten ihr Character und gefuͤhrter Titul eigenthuͤmlich; zuweilen geſchicht es aber doch wohl, daß ſie bey einer ſehr groſſen Ungnade der Herrſchafft, und bey einem hoͤchſt unanſtaͤndi - gen und unwuͤrdigen Bezeigen, ihres Ranges und Tituls verluſtig werden; es wird ſodann allen Col - legiis des Landes verbothen, daß ſie dieſelben in de - nen an ſie abgelaſſenen Schreiben nicht mehr nach ihrem vorigen Character benennen ſollen.
§. 30. Nachdem ordentlicher Weiſe die Be - dienten nach ihren Gefallen aus den Dienſten ge - hen koͤnnen, wenn ihr Jahr geendiget, ohne daß ſie noͤthig haͤtten, ihre Dienſte ein Viertel-Jahr vor - her aufzukuͤndigen, wie etwan die Bedienten der Privat-Perſonen, ſo wird bißweilen ausdruͤcklich in ihre Beſtallungen mit eingeruͤckt, daß ihre Reſi - gnation mit der Einwilligung ihres Herrn, und ihre Loßkuͤndigung ein Viertel-Jahr vorher geſchehen ſoll; auſſer dieſem Fall ſind ſie nicht ſchuldig, nach der Reſignation noch ein Viertel-Jahr zu warten, und duͤrffen auch nicht Rede und Antwort davon geben, daß ſie ſolches nicht gethan. Bey den Cam - mer-Gerichts-Aſſeſſoribus iſt es ausdruͤcklich ver - ordnet, daß ſie die Reſignation ein Viertel-Jahr zuvor intimiren muͤſſen.
§. 31. Bißweilen verſprechen die Landes-Re - genten einigen Officianten vom hoͤhern Range, und die ſie von auswaͤrtigen Oertern herbekommen, bey Annehmung in ihre Dienſte, und zwar durch be -ſondere249Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. ſondere mit eigener Hand und Siegel ausgefertig - te Receſſe, daß ſie dieſelben ohne wichtige und recht - maͤßige Urſachen ihrer Dienſte nicht erlaſſen wollen. Nicht weniger machen ſie ſich anheiſchig bey denen, die ſie mit groſſer Muͤhe uͤberkommen, und an denen ihnen ein gar vieles gelegen, daß ſie nach ihrem To - de ihren hinterlaſſenen Weibern und Kindern eine Penſion deſtiniren wollen.
§. 32. Einige groſſe Herren verfahren nicht all - zu ſchnell mit Abdanckung der Bedienten, zumahl derer, die ihnen eine Zeit gute und erſprießliche Dienſte geleiſtet. Hertzog Wilhelm zu Sachſen - Weimar pflegte zu ſagen: Bey unſerm Fuͤrſtlichen Hauſe iſt es nicht herkommens, daß man alte treue Diener, die ſich um Uns und die Unſrigen ſo viel Zeit und Jahre wohl verdient gemacht, abſchaffe; Er ſoll auch einſtens gegen einen alten Diener dieſe Rede gefuͤhret haben: Hoͤret Alter, ihr ſeyd etlichen beſchwerlich, und lebet ihnen zu lange, man will euch von der Krippe ſtoſſen, die Jungen ſollen es beſſer koͤnnen; aber nein, es iſt ſo boͤſe nicht gemeynt, ich bin mit euren Dienſten gar wohl zufrieden, und bleibe euer gnaͤdiger Herr, wer euch verachtet, der muß mich, der ich aͤlter bin, als ihr ſeyd, auch ver - achten, ſterben wir aber beyde, ſo wird es gut ſeyn, wenn ſie es beſſer machen koͤnnen, als wirs gemacht haben. S. Muͤllers Annal. Saxon. p. 449.
§. 33. Wo die Regierung eines Regentens ei - niger maßen eingeſchraͤncket, als wie in Engelland, ſo pflegt man bey der auf dem Tapet ſeyenden Ab -Q 5dan -250I. Theil. XIV. Capitul. danckung eines groſſen Miniſtri, der zumahl bey dem Volck, oder bey einigen Groſſen des Hofes ziemlich wohl angeſehen, gar behutſam zu procedi - ren. Es werden nicht ſelten von den Reichs - oder Land-Staͤnden, oder von den hohen Collegiis, De - putirte an den Koͤnig abgeſchickt, die vor ihm in - rercediren, und bey dem Koͤnig reſpective Vor - ſtellungen thun muͤſſen. Durch dieſe laͤſt ſich denn ein Landes-Regent entweder von ſeinem Vorſatz abbringen / oder er ſtellet ihnen die Urſachen vor, warum er zu dieſer Dimiſſion geſchritten, verſichert aber im uͤbrigen, daß er nicht geſonnen waͤre weite - re Veraͤnderungen vorzunehmen.
§. 34. Einige Hof-Officianten, die ihres Lebens und zugleich ihrer Hof-Dienſte ſatt und uͤberdruͤßig worden, kommen bey Sereniſſimo ſelbſt muͤndlich oder ſchrifftlich ein, fuͤhren mit aller Submiſſion ihr hohes Alter, Unvermoͤgen und Leibes-Schwach - heit an, beklagen, daß ſie nicht vermoͤgend waͤren, denen ihnen gnaͤdigſt anvertrauten hochwichtigen und muͤhſamen Dienſten weiterhin nutzbarlich vor - zuſtehen, noch ihren ſchweren Pflichten ein ſattſa - mes Genuͤgen zu leiſten, und erſuchen ſie alſo ih - rer bißherigen Dienſte ſie in allen Gnaden zu er - laſſen.
§. 35. Wenn ſich nun die Landes-Regenten bey dieſen Umſtaͤnden entſchlieſſen muͤſſen, ſo dancken ſie ihnen wegen ihrer bißherigen lange geleiſteten treuen Dienſte, ſie verſichern ſie weiterhin und biß an ihr Ende aller Gnade, und laſſen ihnen auch ge -mei -251Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. meiniglich ihre gehabte Beſoldungen biß an ihr Ende. Sie bedienen ſich bißweilen ihres guten Raths, wenn ſie auch ſchon dieſelben ihrer Dien - ſte erlaſſen, und laſſen ſie zu ſich fordern. Sind ſie mit dem Podagra beladen, oder ſonſt wegen hohen Alters ſehr ſchwach und matt, daß ſie nicht wohl zu Fuß ſind, ſo erlauben ſie ihren alten Die - nern, daß ſie ſich duͤrffen in die Zimmer tragen laſ - ſen, und in einen Arm-Stuhl niederſetzen.
§. 36. Dafern einige groſſe Herren, entweder aus eigener freyen Bewegniß, oder auf Anſtifften anderer Bedienten, auf einen Officianten eine Un - gnade geworffen, der aber doch unſchuldig iſt, und durch ſein Bezeigen keine rechtmaͤßige Gelegenheit darzu gegeben, und den ſie doch auch nicht ſo gleich caſſiren und abdancken wollen, ſo laſſen ſie ihm ent - weder durch die dritte oder vierdte Hand unter dem Fuß geben, daß er ſelbſt aus einigen falſchen Schein-Gruͤnden um ſeine Dimiſſion und um die Ruhe anhalten muß, da doch manchen mit einer laͤngern Hof-Unruhe gedienet waͤre; oder ſie geben ihm ein Employ, und manchmahl noch ein ein - traͤglichers, als er gehabt, an einem andern Ort, der etwas von der Reſidentz entfernet, damit er ih - nen nur aus den Augen kommen moͤge, oder ſie re - legiren ihn gar auf eine honette Weiſe in ein an - der Land, das iſt, ſie ertheilen ihm in einer andern Provintz, die auch ihrer Bothmaͤßigkeit unterworf - fen, ein ander Amt und andere Occupationen.
§. 37.252I. Theil. XIV. Capitul.§. 37. Die disgraciirten Hof-Officianten kom - men bißweilen bey Durchlauchtigſter Herrſch afft mit einem unterthaͤnigſten Memorial ein, und bit - ten, daß ihnen gnaͤdigſt eroͤffnet werden moͤchte, wodurch ſie ſich einer ſolchen Ungnade ſchuldig ge - macht. Graf Abraham von Zinzendorf, nach - mahliger Ober-Hofmeiſter Kayſers Leopoldi, fuͤhrte in dem Schreiben, welches er an die Kay - ſerin Eleonoram, Kayſers Ferdinandi III. hinter - laſſene Witwe / allerunterthaͤnigſt uͤbergeben ließ, und darinnen er anno 1675. bey derſelben um al - lergnaͤdigſte Erlaſſung ſeiner Dienſte allerunter - thaͤnigſt anſuchte, unter andern folgendes an: Jm Fall einige Ubelgeſinnete bey Eurer Majeſtaͤt mich moͤchten angegeben haben, ſo bitte, mir die Klage zukommen zu laſſen, ich will antworten, und wenn ich uͤberwieſen, die Straffe des Verbrechens gerne ausſtehen. Dieſe Umſtaͤnde und das Verlangen Eure Majeſtaͤt voͤllig vergnuͤgt, und nach eigenem Belieben bedient zu ſehen, bewegen mich des Tro - ſtes, dero Dienſte mich zu berauben, und mit tief - ſter Ehrerbietung um die Erlaſſung zu einer reputir - lichen Retirade zu bitten, und nach dero Wohlge - fallen mit dem von mir verwalteten Officio zu dis - poniren. Eure Majeſtaͤt wollen befehlen, wenn, wie, und in weß Haͤnde ich ſolches zu uͤberlaſſen habe. Mein Nachfolger wird gluͤckſeliger, aber nicht eifriger dienſtbahrer und getreuer ſeyn koͤnnen. S. das LXXIII. Schreiben des IV. Theils von Luͤnigs Europaͤiſchen Staats-Cantzley.
§. 38.253Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten.§. 38. Jſt ein Miniſter bißweilen unſchuldiger weiſe angeſchwaͤrtzt worden, und bekommt bey Zei - ten Nachricht davon, ſo begiebt er ſich oͤffters unter fremde Protection, und fuͤhrt daſelbſt ſeine Sa - chen aus. Alſo begab ſich anno 1652. der vor - nehmſte Koͤniglich-Daͤniſche Staats-Miniſter, Herr Corfiz Ullefeld, unter die Protection der Koͤnigin Chriſtina in Schweden, und als der Koͤ - nig von Dennemarck darum ſchrieb, ſo antwortete die Koͤnigin: Es hat uns nicht wollen anſtehen, da es nicht von uns begehret worden, ohne vorher - gehende Verhoͤrung, mit unſerer Cenſur einigen Menſchen, er ſey hohen oder niedrigen Standes, Freund oder Feind præjudicirlich zu ſeyn; ſon - dern haben ihm dißfalls dieſe Freyheit und Sicher - heit vergoͤnnet, innerhalb unſern Grentzen und deſ - ſen Provintzien, und unter unſerer Jurisdiction ſo lange zu verbleiben, biß er ſeine Sachen bey Eurer Liebden ausgefuͤhrt und beygelegt haͤtte.
§. 39. Haben ſich einige gewiſſer Malverſatio - nen ſchuldig gemacht, ſo werden ſie mit Arreſt be - legt. Geſchicht die Arretirung an einem oͤffentli - chen Orte, oder bey einem ſehr groſſen Staats-Mi - niſter, ſo wird den andern Miniſtris fremder Puis - ſancen Nachricht davon gegeben, auch wohl die gantze Hiſtorie gedruckt, und der Welt kund ge - than, weil doch groſſe Herren ihre Facta und Ver - fahren in allen Dingen gerne juſtificiren wollen. Jn den Memoiren des Monſr. de Lamberty wird man hiervon einige Exempel antreffen.
§. 40.254I. Theil. XIV. Capitul.§. 40. Bißweilen werden ſie, nach Erlegung ei - ner gewiſſen Caution de judicio ſiſti & judicatum ſolvi, auf freyen Fuß geſtellet, bißweilen muͤſſen ſie aber auch, nach dem Unterſchied ihrer Verbrechen / in Arreſt verbleiben. Jhre Malverſation wird nachgehends durch gewiſſe darzu beſtellte Commis - ſarien unterſucht; bißweilen wird denen ordentli - chen Gerichts-Beamten ein oder mehr Hof-Raͤ - the, auch wohl nach Gelegenheit, noch ein hoͤherer characteriſirter Miniſter adjungirt; vielmahls aber werden eigene und auſſerordentliche Comiſſa - rien darzu erwehlet, und mit beſondern Pflichten belegt, daß ſie alles geheim halten ſollen.
§. 41. Manche behalten ihre Dignitaͤt und ein - mahl erlangten Character, ob ſie ſchon in Arreſt gebracht worden, andere aber werden deſſen bey beſondern Umſtaͤnden vorher verluſtig. Ein Pol - niſcher von Adel, welcher einmahl ein voͤlliges Amt uͤberkommen, und in deſſelben wuͤrcklichem Beſitz iſt, kan ſeiner einmahl erlangten Charge, wenn er ſich auch des allergroͤſten Verbrechens, wider die Crone oder wider den Staat theilhafftig gemacht, nicht ſo leicht beraubet und entſetzt werden, es muͤſte denn ſolches mit einmuͤthiger Bewilligung aller auf dem Reichs-Tage verſammleten Reichs-Staͤnde geſchehen, und wenn ſie auch alle, biß auf einen ein - tzigen, den er unter einer ſolchen Menge auf ſeiner Seite behalten, damit zufrieden waͤren, ſo wuͤrde dennoch die Proteſtation dieſes eintzigen ſo viel wuͤr - cken, daß er wider den Willen aller der uͤbrigen daseinmahl255Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. einmahl verliehene Amt die Zeit ſeines Lebens wuͤr - de behalten duͤrffen. S. Connor Beſchr. des Koͤ - nigreichs Pohlen p. 424.
§. 42. Man hat allenthalben gewiſſe Staats - Gefaͤngniſſe, in welchen die Priſoniers d’Etat ent - weder biß an ihren Todt, oder nur ein Zeitlang, in weiter oder enger Verwahrung aufbehalten wer - den. Es werden mehrentheils gewiſſe Veſtungen oder ſonſt alte Schloͤſſer darzu auserſehen, in wel - chen, nach dem Unterſchied der Verbrechen, und dem unterſchiedenen Stand und andern Umſtaͤnde der Miſſethaͤter, entweder uͤberirdiſche oder unter - irdiſche, ſchlechte oder praͤchtig ausmeublirte Be - haͤltniſſe angetroffen werden. Jn Franckreich wer - den die Staats-Gefangenen in die Baſtille geſetzt / vormahls aber in das Chateau de Vincennes. Es iſt einer ungluͤcklich, wenn einer in die Baſtille ge - ſetzt wird, man faͤngt gemeiniglich ab executione an / und mittlerweile muß einer manchmahl Jahr und Tag ſitzen, ehe man vornimmt, die Sache zu unterſuchen, warum einer eigentlich eingeſetzt wor - den. Die Gouverneurs haben ihren Profit da - von, als welche nach Proportion vor ieden Gefan - genen, und deſſen Unterhaltung, vom Hofe bezahlet werden. S. Nemeitz Sejour de Paris p. 432.
§. 43. Werden die Acta nach Verſpruch Rech - tens geſchickt, ſo wird die Urthels-Frage nicht ſelten unter verdeckten Nahmen abgefaßt, und das Urthel unter einen andern Nahmen publiciret, wenn es etwan bedencklich, daß die rechten Umſtaͤnde man -chen256I. Theil. XIV. Capitul. chen Leuten kund werden; manchmahl werden auch die gantzen Acta, die in der Sache ergangen, weggelegt und bey Seite geſchafft, daß ſie nachge - hends niemand mehr zu Geſicht kommen.
§. 44. Solte bey ſehr harten Verbrechen gar ein Todes-Urthel geſprochen werden, ſo geſchicht die Execution des Urthels entweder oͤffentlich, oder gantz in geheim, ohne daß iemand etwas davon er - faͤhret, im Gefaͤngniß nach der Wichtigkeit des Verbrechens, nach der Beſchaffenheit der Offician - ten, und nach Groͤſſe der Ungnade und des Zorns, die ein Regent auf ſeinen Diener geworffen, und nach den Regeln der Klugheit, die hierbey in Be - trachtung zu ziehen.
§. 45. Unter andern Hof-Gebraͤuchen die man bey den Hof-Bedienten wahrnimmt, iſt auch das Wehrhafft machen der Pagen, welches mit beſon - dern Ceremonien zu geſchehen pflegt. Jſt der Tag zum Wehrhafftmachen angeſetzt, ſo laͤſt der Fuͤrſt in Beyſeyn ſeiner Gemahlin, und des Hof-Mar - ſchalls oder Hauß-Marſchalls, und einiger andern von der Hofſtatt, den Pagen zu ſich fordern, ruͤhmet ſeine gute Auffuͤhrung, verehrt ihm einen Degen, ertheilt ihm gute Vermahnungen, wie er ſich dieſes Degens zur Beſchuͤtzung der Ehre GOttes, des Vaterlandes, und ſeines eigenen Lebens bedienen ſolle, und declarirt ihn hierdurch vor einen Cavalier. Will er ihm beſondere Gnade erzeigen, ſo verehret er ihm noch wohl uͤber dieſes ein ſchoͤn Pferd, ein neu Kleid, einen Beutel mit Geld, u. ſ. w. Wennes257Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. es der Fuͤrſt ſelbſt nicht thut, ſo haͤlt der Hof-Mar - ſchall, oder der ſonſt zu dieſer oder jener Zeit deſſen Stelle vertritt, und den Stab fuͤhrt, eine kleine Re - de an den Pagen, in Beyſeyn der Durchlauchtig - ſten Herrſchafft. Hierauf haͤlt der Page entweder ſelbſt eine Gegen-Rede, wenn ſich ſeine Geſchick - lichkeit ſo weit erſtreckt, und bedanckt ſich bey der Durchlauchtigſten Herrſchafft vor die Gnade, die ſie ihm hierunter erzeiget, oder er erſucht einen Ca - valier, daß er im Nahmen ſeiner, eine Danckſa - gungs-Rede bey der Durchlauchtigſten Herrſchafft ablegen ſoll. Nachgehends wird der wehrhafft gemachte Page denſelben Tag an die Fuͤrſtliche Tafel mit gezogen, und muß auch wohl an ſeinen Ehren-Tage ein groß Glaß Wein austrincken.
§. 46. An einigen Hoͤfen bekommen ſie auch bey ihrer Wehrhafftmachung, nach einem ſehr al - ten Gebrauch, noch eine Ohrfeige, welche eine Rit - ter-maͤßige Ohrfeige genennet wird. Caſpar Lerch meldet hiervon in ſeinem Diſcours von dem Ritter - Weſen der Teutſchen. Es wurde vor dieſem kei - ner ſo leicht zum Krieg oder Ritter-Weſen zugelaſ - ſen, man hatte denn ſeine Mannheit, Treue und redlich Gemuͤth vorher erkandt, alsdenn guͤrtete man ihm erſt die Waffen und Wehr an, und machte ihn damit wehrhafft; ſintemahl vor al - ten Zeiten bey Menſchen Gedencken her ein Her - bringen entſtanden, daß keiner, er ſey denn wehr - hafft gemacht und erkandt worden, die Wehre tragen duͤrffte, welche denen Jungen von AdelRund258I. Theil. XIV. Capitul. und reißigen Knechten mit einem Backenſtreich zu - geſtellet worden; es wurde nicht ein ied weder fre - cher und ungeſcheuter Juͤngling, Scribent und A - cker-Bube zum Waffen gelaſſen, wie ietzt, da ſie ein ieder faſt an ſich ſelbſt nimmt. Zu welcher Zeit dieſe Ohrfeigen-Ceremonie aufkommen, kan man ſo eigentlich nicht ſagen; ſie ſoll aber doch ſchon zu Zeiten Kayſers Caroli des Groſſen im Gebrauch geweſen ſey. Heutiges Tages iſt dieſe Solenni - taͤt an ſehr viel Hoͤfen in Teutſchland gantz und gar abgekommen. S. das VIII. Capitul und den gantzen Tractat, den der Hoch-Fuͤrſtlich-Sachſen - Gothaiſche Hof-Rath Foͤrſter von Wehrhafft - machen geſchrieben.
§. 47. Die Farbe der Libereyen, in welche man die Pagen und Laquais einkleidet, iſt an einigen Hoͤ - fen veraͤnderlich, und werden nach Belieben der Durchlauchtigſten Herrſchafft mancherley Ver - aͤnderungen damit vorgenommen; an andern aber hingegen wechſelt man nicht leichtlich, ſondern man behaͤlt die Farbe ſo die Durchlauchtigſten Eltern, Groß-Eltern und Vor-Eltern gefuͤhret. Jn vo - rigen Seculis war es mode, daß bey manchen So - lennitaͤten gewiſſe Worte, ſo ſich zu denſelben freu - digen oder traurigen, ſchertzhafften oder ernſthaff - ten Handlungen ſchickten, auf die Libereyen geſtickt und genehet worden, welches in der heutigen Welt manchen gewißlich gar ſehr ſpoͤttiſch vorkommen wuͤrde. Alſo meldet Georg Spalatinus in der Be - ſchreibung des Beylagers, welches anno 1500 zuTorgau259Von den Hochfuͤrſtlichen Bedienten. Torgau zwiſchen Hertzog Johanſen von Sachſen mit Frau Sophia, gebohrner von Mecklenburg, ge - halten worden, daß die Diener vieler Fuͤrſten, Praͤ - laten, Grafen, Herren, Frauen und Edlen auf dem rechten Ermel dieſe Worte gefuͤhret: Gluͤck zu mit Freuden! Man hat ſich damahls eingebildet, daß es trefflich ſchoͤne ſtehe, ſintemahl eben dieſer Spa - latinus nur darzu ſetzt, es waͤre geweſen ein faſt ſchoͤner wohlgeruͤſteter Zeug. Ob wohl Spalati - nus dieſes von den Herrſchafften ſelbſt geſagt, (ſ. Struvs Hiſtoriſch-Politiſches Archiv pag. 89. III. Stuͤck,) ſo vermuthe ich doch, daß dieſes von den Bedienten zu verſtehen, und daß der Hiſtoricus das Wort Diener ausgelaſſen. Es ſind mir unter - ſchiedene Exempel vorkommen, daß man in da - mahliger Zeit mancherley Worte auf die Libereyen gehefftet; ich habe aber auſſer dieſem noch keines gefunden, daß dieſes bey den Herrſchafften ſelbſt gebraͤuchlich geweſen. Chur-Fuͤrſt Johannes der Beſtaͤndige, ließ ſein Symbolum: Verbum Domini manet in æternum, ſeinen Hof-Die - nern ebenfalls auf die Ermel hefſten. Als nun der Chur-Fuͤrſt mit dieſem Staat zu Augſpurg auf dem Reichs-Tag geweſen, trieben ihrer viele uͤber dieſe Buchſtaben ein Geſpoͤtte, und ſagten: Verbum Domini manet in Ermel. S. Muͤllers Annales Saxon. p. 57.
§. 1.
Bey Verfaſſung der Rang-Ordnungen er - eignen ſich, wegen der mancherley Ab - ſichten und Umſtaͤnde, gemeiniglich vie - lerley Zweifel, indem bald das Amt, bald die Perſon und ihr Stand, bald die langwierigen Dienſte, bald andere Reſpectus dabey in Betrach - tung gezogen werden wollen. Jnzwiſchen thun doch groſſe Herren wohl, wenn ſie gewiſſe Regle - mens ſetzen, wornach ſich ihre Miniſtri und Be - dienten im Range zu richten haben. Denn ob - ſchon der Rang keine wahre Ehre geben kan, ſon - dern nur ein aͤuſſerlich Weſen darlegt, ſo iſt doch noͤthig, daß bey einem gemeinen Weſen auch diß - falls eine Ordnung vorhanden ſey; es wird man - chen Diſputen, Streitigkeiten, und wohl gar Duel - len vorgebeuget, wenn ein iedweder weiß, wie er ſich, nach der Intention und dem Ausſpruch ſeines Fuͤrſten, ſeinem Character und Function gemaͤß, ſo wohl bey publiquen und ſolennen, als Privat - Zuſammenkuͤnfften, des Ranges und Vorſitzes halber achten ſoll.
§. 2. Von Rechts wegen ſolte der Rang alle - zeit mit den Ehren-Tituln in gleichem Grade ſte -hen,261Von Rang-Ordn. Fuͤrſtl. Bedienten. hen, und die Ehren-Titul ſich nach eines ieden Ver - dienſten richten. Die aͤuſſerlichen Ehren-Bezei - gungen ſolten mit dem Stande und der Tugend harmoniren; ſo wuͤrden Rang und Titul zu Mit - teln werden ehrliebende Gemuͤther aufzumuntern, daß ſie etwas nuͤtzliches zum gemeinen Beſten lei - ſten wuͤrden, und die Rang-Ordnungen wuͤrden allezeit auf dieſe Weiſe ihren guten Grund haben. S. des Herrn Hof-Rath Wolfens Tractat vom Geſellſchafftlichen Leben der Menſchen pag. 401. Daß aber dieſes nicht allenthalben beobachtet wird, iſt aus der Erfahrung mehr als zu wohl be - kandt.
§. 3. Einige Rang-Ordnungen ſind auf alle Bedienten eines Hofes eingerichtet, andere aber erſtrecken ſich nur auf die Miniſtros und andere vornehme Officianten. Jene ſind manchmahl ſo noͤthig als dieſe; und erzehlet der Autor des VI. Stuͤckes des XII. Tomi der Electorum Juris Pu - blici, wie ihm ein Caſus bekandt, der ſich an dem Hofe eines Geiſtlichen Reichs-Fuͤrſten zugetra - gen, daß zwiſchen dem Hof-Gaͤrtner und Hof - Schneider ein Præcedentz-Streit entſtanden, und daß jener dieſen die Præcedentz, welche ſolcher nach der Rang-Ordnung gehabt, aus einem ſol - chen Capite quæſtionirlich machen wollen, weil er den Degen zu tragen pflegte, der Hof-Schnelder aber nicht.
§. 4. Es waͤre gut, wenn man allenthalben nicht nur accurate und ſpecielle Hof-Ordnun -R 3gen262I. Theil. XV. Capitul. gen haͤtte, in denen der Rang aller und ieder Hof - Bedienten vom oberſten biß auf den unterſten determinirt waͤre, ſondern auch allgemeine Rang - Ordnungen, die allen Unterthanen im Lande nach ihren unterſchiednen Staͤnden, Aemtern, Gewer - ben und Profeſſionen den Rang vorſchrieben, und die eben wie die Geſinde-Ordnungen und andere dergleichen ins Land ausgeſchrieben - und durch Landesherrliche autoritæt beſtaͤrcket wuͤrden, ſo wuͤrde manch Gezaͤncke bey allerhand oͤffentlichen und privat-Zuſammenkuͤnfften, ja auch wohl gar bey den heiligſten Handlungen, und mancher un - noͤthiger Proceß unterbleiben. Jetzund depen - dirt das meiſte bey dieſen Rangweſen, theils von Obſervanzen der Oerter, die bißweilen unvernuͤnff - tig und ungerecht ſind, theils von den Ausſpruͤchen der Facultæten und Schoͤppen-Stuͤhle, die keine gewiſſe Fundamenta vor ſich haben, und in dieſen Stuͤck ihre Urtheile nicht ſolten nach ihren Nei - gungen einrichten.
§. 5. Wenn neue Rang-Ordnungen projecti - ret und abgefaſt werden ſollen, ſo wird dieſe Arbeit mehrentheils einen von den Geheimbden Raͤthen, dem Hof - oder Hauß-Marſchall und einen oder ein paar von den Hof - und Juſtiz-Raͤthen aufgetra - gen, die muͤſſen ſich zuſammen ſetzen, und ein Pro - ject abfaſſen, welches hernach von dem Geheimb - den Conſilio und von Sereniſſimo ſelbſt unter - ſucht und geaͤndert, und nachdem es voͤllig in das reine gebracht, endlich unterſchrieben und publicirtwird.263Von Rang-Ordn. Fuͤrſtl. Bedienten. wird. Büßweilen werden, bevor ein voͤllig Ge - neral-Reglement zu Stande kommt, in Anſehung der vornehmſten Bedienten nur Particulier-Ver - ordnungen, in denen gewiſſen Miniſtris ihr Rang beſtimmt wird, autoriſirt, und bekandt gemacht. Jn einigen wird auch exprimirt, wie die Cavaliers von Lande, ingleichen die frembden, die ſich aber auf eine Zeitlang in der Fuͤrſtlichen Reſidenz wohnhafft niedergelaſſen, ob ſie ſchon nicht in Fuͤrſtlichen Dienſten ſtehen, placirt werden ſollen.
§. 6. Es erſtrecken ſich dieſe Reglemens auf alle Faͤlle, und auf alle Handlungen, bey welchen man ceremonieus zu ſeyn pflegt. Sie binden alle Bedienten und Unterthanen zum Gehorſam ſo wohl als wie andere Geſetze und Ordnungen, wenn ſie vorher publicirt, und zu eines ieden Wiſſen - ſchafft gebracht worden. Die Contravenienten verfallen bißweilen in eine Strafe von etzliche hun - dert auch wohl von tauſend Thalern, es wird ihnen der Zutritt bey Hofe nicht mehr geſtattet, und bey fernern und neuen Ungehorſam, werden ſie mit haͤrtern willkuͤhrlichen Strafen belegt, zuweilen auch wohl gar mit Verluſt ihrer Chargen be - ſtrafft.
§. 7. Jnzwiſchen behalten ſich die Durchlauch - tigſten Geſetzgeber freye Macht vor, ſolche nach ihren Gefallen, zu veraͤndern, zu vermehren, zu vermindern, und auch, wenn ſie es vor gut befin - den, gantz und gar zu caſſiren und aufzuheben. R 4Es264I. Theil. XV. Capitul. Es geſchehen hin und wieder caſus pro amicis, da man denen, welchen man beſonders gnaͤdig iſt, wider die Rang-Ordnungen bey manchen Gele - genheiten favoriſirt. Manchmahl bekommt auch ein gewiſſer Officiante aus beſondeter Conſidera - tion, ohne kuͤnfftige Conſequenz in dem neuen Rang-Reglement einen gewiſſen Platz, der in Zu - kunfft einem andern, der zu dem Beſitz eben dieſer charge kommt, verſagt wird.
§. 8. Die Hof-Reglemens leyden mancherley Veraͤnderungen, nicht allein bey Veraͤnderung der Regenten, ſo daß die Nachfolger nicht ſelten das vorige gantz und gar uͤber den hauffen ſchmeiſſen, und nach ihren Gefallen ein neues abfaſſen, ſon - dern auch durch Veraͤnderung der Collegiorum, und der Bedienungen, und dem Bezeugen der Be - dienten. Nachdem bey der zunehmenden Menge des Adels in den ietzigen Zeiten manche Chargen, die man ehedem vor buͤrgerlich angeſehen, von Cavalieren ambiret und bekleidet werden, ſo wohl bey den gelehrten Aemtern, als auch bey der Jaͤ - gerey und ſonſt hin und wieder, ſo bekommen auch dieſelben Aemter aus Conſideration vor die, die ſie erhalten, einen etwas hoͤhern Rang. Jſt ein Hof-Bedienter auf eine Zeitlang in Ungnade ge - fallen, ſo muß er ſichs gefallen laſſen, daß er bey Hofe, bey manchen Gelegenheiten, im Range ei - nigen andern, denen er von Rechtswegen nach der Vorſchrifft der Rang-Ordnung vorgehen ſolte, nachgeſetzt wird.
§. 9.265Von Rang Ordn. Fuͤrſtl. Bedienten.§. 9. Es giebt an allen Hoͤfen gewiſſe Reichs - und erbliche Bedienungen, welche ihren Rang und Subordination von ihren Urſprung bekommen, und durch eine langwierige Poſſeß dergeſtalt dar - innen beſtaͤtiget worden, daß ſie nicht leicht eine Aenderung zu befuͤrchten haben; auſſer dem aber iſt der Wille des Souverain dasjenige Princi - pium, welches den Chargen ihren Valeur und Rang zuſchreibt. Nachdem ein groſſer Herr vor dieſes oder jene Objectum mehr oder weniger ge - neigt iſt, nachdem theilt er auch bey den Chargen den Rang aus; Liebt ein Regent die Studia und Gelehrſamkeit, ſo werden die Staats-Miniſtri, die Geheimbden Raͤthe, und uͤberhaupt die Civil - Chargen ſehr wohl placirt, commandirt aber der Degen die Feder, ſo muß mancher wieder um eine oder ein paar Stellen tieffer herunter ruͤcken, und denen Herren Officiers Platz machen.
§. 10. Jn den Hof-Reglemens werden gemei - niglich die Hof-Bedienten der Hoch-Fuͤrſtlichen Frau Gemahlin zuerſt ausgedruckt, nachgehends die Bedienten des Fuͤrſtens, wiewohl es auch in etzlichen umgekehrt iſt; hierauf folgen die zur Hoch - Fuͤrſtlichen Hofſtatt der Printzen und Princeßin - nen, als Kinder vom Hauſe gehoͤren, und endlich die Officianten der andern Hoch-Fuͤrſtlichen An - verwandten, die ebenfalls ihren ſubordinirten Rang und Platz haben.
§. 11. Es iſt billich, daß die rechtmaͤßigen und ehlich gebohrnen Printzen allen Officianten, auchR 5den266I. Theil. XV. Capitul. den allergroͤſten Staats-Miniſtris vorgehen, wie denn auch wohl keinen einfallen wird, ein Dubium heruͤber zu erregen; Mit den natuͤrlichen Kindern aber hat es eine andere Bewandniß. Das Gluͤck das einige die von dem Koͤnig in Franckreich Lud - wig den XIV aus unaͤchten Ehe-Bette erzeuget, genoſſen, da ſie vor Printzen vom Gebluͤthe erklaͤ - ret worden, wiederfaͤhret nicht allen. Man hat bey den natuͤrlichen Kindern bißweilen ein gewiſſes Reglement. An einigen Hoͤfen wird ihr Rang in den Rang-Ordnungen mit exprimiret, ohne daß der Unterſcheid ihrer Muͤtter, von denen ſie gebohren worden, in Betrachtung gezogen wird, an andern aber bekommen ſie einen Platz nach dem Unterſchied ihrer Dignitæten, und des Stan - des den ſie erhalten, auch nach dem unterſchiednen grad der Liebe, mit dem ihre Durchlauchtigſten Vaͤter ihnen zugethan.
§. 12. Die Hoch-Fuͤrſtlichen Herren Vettern und hohen Anverwandten von Hauſe, haben die naͤchſte Stelle nach den Fuͤrſtlichen Kindern, und werden allen Officianten von Adelichen und Graͤf - lichen Stande vorgezogen. Bißweilen ſetzet es aber ſehr ſcharffe Diſputen nicht allein unter ihnen ſelbſten, ſondern auch unter den hoͤchſten Hof - Staats - und Kriegs-Miniſtern, die mit ihnen ei - nes gleichen Standes ſind, dieſe und andere der - gleichen Rang-Streitigkeiten werden meiſtentheils durch mancherley Temperamente beygelegt. Jm Monath December anno 1723. ward ein Rang -Streit267Von Rang-Ordn. Fuͤrſtl. Bedienten. Streit zwiſchen denen Printzen vom Gebluͤthe, und denen Hertzogen und Pairs von Franckreich im Parlament zu Paris auf folgende Weiſe entſchie - den, als ſie ſich wegen ihres Sitzes in dem Parla - ment nicht vergleichen konten. Die Printzen von Gebluͤth ſolten in einer Linie wegſitzen und hernach die Hertzoge und Pairs von Franckreich in ihrer Ordnung, jedoch mit dieſen Unterſcheid, daß die Printzen auf Sammet-Kuͤſſen ſitzen ſolten, und zwiſchen ihnen und den Pairs ſolte ein Platz von zwey Perſonen ledig bleiben. Siehe den II. Theil der Einleitung zur neueſten Hiſtorie. p. 91.
§. 13. Die auswaͤrtigen Printzen, die ſich an ei - nen Hof entweder beſtaͤndig aufhalten, daſelbſt in Bedienungen ſtehen, oder ſonſt im Lande anſeßig gemacht, haben nicht ſelten mancherley Streitig - keiten um den Rang mit den groͤſten Miniſtris der groſſen Koͤniglichen oder Kaͤyſerlichen Hoͤfe, da die - ſe jenen offt nicht weichen wollen / ob ſie ſchon nur Adelichen oder Freyherrlichen oder Graͤflichen Standes. Um ſolches point d’honeúr wird man - ches Gute gehindert, welches ſonſt durch gemein - ſchafftliche Cooperation, und durch die Harmonie der Gemuͤther weit geſchwinder, ſicherer und voll - kommener wuͤrde befoͤrdert und zu Wege gebracht werden koͤnnen.
§. 14. Es iſt ſehr billig, daß bey denen die in ei - nerley Collegiis ſitzen, oder ſonſt einerley Functio - nen vorſtehen, die Anciennité beobachtet wird, ſo daß diejenigen, die eher in ein Collegium gekom -men,268I. Theil. XV. Capitul. men, denen die ſpaͤter in daſſelbe aufgenommen worden, vorſitzen und vorgehen. Doch finden ſich auch hiebey bißweilen nach dem Unterſchied ihres hoͤhern oder geringern Standes und andern Um - ſtaͤnden einige Unterſchiede. An einigen Hoͤfen ha - ben die Grafen ein Præferenz vor den Cavaliern, und die Cavalier wieder vor denen die von civilen Stande. Die mit einen Ritter-Orden begnadi - get, werden auch nie beſonder vor den andern di - ſtinguiret. Manchmahl haben dieſe einen Vor - zug in den Collegio bey den Votiren Unterſchrei - ben, und allen Handlungen die in dem Collegio vorfallen, und hingegen jene auſſer dem Collegio, bey Hofe, in denen Geſellſchafften und Zuſammen - kuͤnfften.
§. 15. An einigen Hoͤfen wird bey den Officiis, die auf Studia und Gelehrſamkeit ankommen, keine Diſtinction gemacht, es moͤgen diejenigen ſo ihnen vorſtehen, adelichen oder buͤrgerlichen Standes ſeyn, an andern aber wird der Adelſtand den buͤr - gerlichen vorgezogen. Die buͤrgerlichen Raͤthe, es moͤgen nun Geheimde, Hof - und Regierungs - oder Cammer-Raͤthe ſeyn, gehen zwar an den meiſten Teutſchen Hoͤfen den wuͤrcklichen Adeli - chen nach, wenn ſie gleich aͤltere Beſtallungen als dieſe haben, in denen Collegiis aber behalten ſie ih - re Plaͤtze nach der Anciennité.
§. 16. Jn den Koͤniglich Daͤniſchen Reglement de anno 1717. iſt es etwas beſonders, daß dieje - nigen, welche einige von denen in den erſten Claſſender269Von Rang-Ordn. Fuͤrſil. Bedtenten. der Rang-Ordnungen ſpecificirte Chargen bedie - nen, ohne Unterſcheid ihres Standes, Herkunfft und Vaterlands, es moͤgen gebohrne Unterthanen oder fremde ſeyn, vor ſich, ihre Weiber und aus rechtmaͤßigen Ehebette erzeigten Deſcendenten zu ewigen Zeiten vor uhralte von Adel gehalten wer - den, und in allen Stuͤcken, mit denſelben gleiche Privilegien, Ehren, Wuͤrden und Prærogativen ge - nieſſen, ſie moͤgen von dem Koͤnig mit Schild und Wappen begnadigt ſeyn oder nicht.
§. 17. Die wuͤrcklichen Officianten, das iſt, die - jenigen die entweder in Collegiis Votum und Ses - ſion erlangt, oder ihre Beſoldung ziehen, und den Aemtern Dienſte leiſten, werden und zwar mit gu - ten Grunde allenthalben den Titulairen vorgezo - gen. Jn der Koͤniglich Polniſchen und Churfuͤrſt - lich Saͤchſiſchen Rang-Ordnung von anno 1716. wurde ausgemacht, daß diejenigen, ſo dato das Prædicat als wuͤrckliche Geheimbde Raͤthe erlangt haͤtten, denen Seſſionibus aber nicht beywohnten, ihren zwar daher gebrachten Rang unveraͤnderlich behielten, in Zukunfft aber ſolten nur allein diejeni - gen vor wuͤrckliche geheimbde Raͤthe geachtet wer - den, welche Votum & Seſſionem in dem ge - heimbden Conſilio erlangt, alle andere aber wuͤr - den fuͤr Titulares geachtet.
§. 18. Unter andere Temperamente, die bey dem Rang-Weſen vorfallen, gehoͤrt auch mit, daß einige Chargen nach ihrer Anciennité roulliren, und mit einander alterniren, nachdem ſie gekom -men,270I. Theil. XV. Capitul. men, oder in Dienſte getreten. Die entweder ſelbſt bey der Durchlauchtigſten Herrſchafft um Er - laſſung ihrer Dienſte anſuchen, oder ihre Dimiſſion erhalten, werden ihres einmahl erlangten Ranges nicht verluſtig, es muͤſte denn bey gewiſſen ſeltenen und auſſerordentlichen Umſtaͤnden das Abdancken cum infamia geſchehen ſeyn.
§. 19. Die Weiber gehen durchgehends nach dem Rang ihrer Maͤnner, und wiſſen ihrer Maͤnner Anciennité vielmahls beſſer als die Maͤn - ner ſelbſt; Haben aber einige aus dem Stan - de geheyrathet, ſo muͤſſen ſich die Weiber gar offters gefallen laſſen, daß ſie den andern nachge - hen, die Geſetze moͤgen behaupten wie ſie wollen, daß eine Frau mit den Strahlen ihres Mannes leuchten ſoll, die Opinion und die Mode iſt in die - ſen und andern Stuͤcken gemeiniglich ſtaͤrcker als die Vorſchrifft der Geſetze. Die Witwen behal - ten ſo lange den Rang ihrer Maͤnner, als ſie ſich nicht wieder veraͤndern.
§. 20. Solte man eine und die andere ſpecielle Rang-Ordnung nach der geſunden Vernunfft examiniren, ſo wuͤrde man bey mancher gar viel zu reformiren finden; Doch dieſe Arbeit wuͤrde gar verhaßt und unangenehm ſeyn, auch ſehr ſchlechten Nutzen haben, es wuͤrde deswegen doch alles blei - ben, wie es zuvor geweſen, das Tel eſt notre Plai - ſir ſetzt den Rang-Ordnungen Ziel und Maaße.
§. 21. An den Kaͤyſerlichen Hofe ſoll der Rang folgender ſeyn und unveraͤnderlich bleiben. DieKay -271Von Rang-Ordn. Fuͤrſtl. Bedienten. Kaͤyſerlichen Geheimbden Raͤthe gehen allen an - dern vor, und unter ſich haben ſie ihren Rang nach ihrer Anciennité. Sonſt giebt keine Charge am Kaͤyſerlichen Hofe den Rang. Denn ein Obriſter Hofmeiſter, Obriſter Cammerherr, Ober-Hof - Marſchall, Ober-Stallmeiſter, Reichs-Hofraths - Præſident, Kriegs-Præſident, General Feld - Marſchall, alle Generale, die Geheimen Raͤthe ꝛc. folgen einander.
22. Jm Felde gilt unter den Officirern der Rang von Cammerherrn und Geheimbden Raͤthen nichts, ſondern da bleibt es bey dem Rang der Chargen. Bey Hofe giebt keine Charge einen Rang, ſondern da geht es nach dem Rang der Ge - heimen Raͤthe, oder der Cammerherrn, und ſonſt nach nichts, auſſer daß die Hof-Aemter in ihren Functionibus den Rang vor allen andern haben. Denn der Ober-Hofmeiſter iſt ſonſt der erſte, aber auſſer dem Hofe in der Stadt und auf dem Lande hat der Ober-Stallmeiſter den Rang uͤber alle Hof-Aemter, und wenn der Ober-Stallmeiſter in den Hof-Wagen vor den Kaͤyſer herfaͤhret, ſo ſetzt er ſich oben an, und der Ober-Hofmeiſter, der Ober-Caͤmmerer, der Ober-Hof-Marſchall muß ſich unter ihn ſetzen, oder wenn ſie hinter des Kaͤy - ſers Caroſſe reiten, ſo reitet der Ober Stallmeiſter uͤber alle die andern. S. Luͤnigs Europaͤiſch - Staats-Ceremon. Theatr. II. Tomum.
§. 1.
Nachdem der Tod der Fuͤrſtlichen Pallaͤſte ſo wenig verſchonet als der Bauerhuͤtten, ſo pflegen Chriſtliche und weiſe Fuͤrſten und Fuͤrſtinnen ihr Hoch-Fuͤrſtliches Hauß bey Zeiten zu beſtellen, und in allen Stuͤ - cken zu verordnen, wie es ſo wohl bey ihrem Ende als auch nach ihrem Tode in einem und dem an - dern gehalten werden ſoll, damit ſie der Tod nicht unvermuthet uͤberfallen moͤge, ſondern ſie ihn mit guter Ordnung und Gelaſſenheit entgegen treten moͤgen.
§. 2. Sie ſuchen ſich bey Zeiten die herrlichſten Lieder, und die kraͤfftigſten Troſt-Spruͤche aus, die wider die Schrecken des Todes dienen, damit ſie ſich dieſelben auf ihrem kuͤnfftigen Tod-Bette zum Heyl ihrer Seelen von ihren Beicht-Vaͤtern, von ihren Hoch-Fuͤrſtlichen Anverwandten und Bedienten vorbethen und vorſingen laſſen, wie wir bey dieſen und andern Stuͤcken, die zu einer Chriſt-Fuͤrſtlichen Vorbereitung des Todes die -nen,273Von der Fuͤrſtl. Perſ. Vorber. zum Tode. nen, aus der neueſten Hiſtorie an der Aller-Durch - lauchtigſten und Großmaͤchtigſten Koͤnigin in Poh - len und Churfuͤrſtin zu Sachſen, Frau Chriſtinen Eberhardinen, ein hoͤchſt-ruͤhmliches Exempel haben, welches wir aus den unterſchiednen gedruck - ten wahrhafften hiſtoriſchen Berichten, bekandt iſt, nicht allein allen hohen Standes-Perſonen, ſondern auch Privat-Leuten zu einem vollkommnen und hoͤchſt-loͤblichen Muſter dienen kan. Fuͤrſt Wolffgang zu Anhalt ließ 15 Jahr vor ſeinem En - de allerhand Gemaͤhlde und Spruͤche von Toden, Auferſtehung der Toden u. ſ. w. vor ſein Bette haͤngen, um ſich dermahleinſten eines ſeligen Ab - ſchiedes hierbey zu erinnern.
§. 3. Sie befehlen vor ihrem Ende, wann GOtt der HErr uͤber ſie gebiethen wuͤrde, und ſie vielleicht aus groſſen Schmertzen ein Glied ihres Leibes, welches beydes GOtt und die Natur zu - zudecken befohlen, entbloͤſſen wuͤrden, daß ſie die - ſelben auf das allerfleißigſte zudecken, auch nicht leichtlich ohn Unterſchied und unangemeldet eine Perſon andern Geſchlechts, und wenn es auch ihre naͤchſten Anverwandten waͤren, zu ihnen vor das Krancken - und Sterbe-Bette laſſen ſolten.
§. 4. Einige verbiethen auf das ſchaͤrffſte alle unnoͤthige Schmuͤckung des Leibes, und alle praͤch - tige Ceremonien, die ſonſt mit und bey den todten Leichnahmen, zumahl bey Fuͤrſtlichen Perſonen pflegen vorgenommen zu werden. Die Gemah - lin Hertzogs Auguſti des Adminiſtratoris zuSHalle274I. Theil. XVI. Capitul. Halle pflegte zu ſagen: den Lebendigen gehoͤrten Schmuck und Kleinodien, den Verſtorbnen aber keinesweges, daher ſie auch dergleichen wenig in den Sarg mitgenommen. S. Müllers Annal. Sa - xon. p. 489. Die Roͤmiſche Kayſerin Eleonora Magdalena Thereſia verlangte in ihrem Leben, daß man nach Dero erfolgten Tode weder Dero Leib waſchen / noch von einem Manns-Bilde ent - bloͤßen, noch weniger eroͤffnen oder einbalſamiren ſolte, und ſie auf das allerſchlechteſte einkleiden. Es iſt auch ſolches geſchehen. Sie wurde in ei - nem weißen Habit und Himmel-blauen Scapulier von Cardis, auf welchen Scapulier oben auf der Bruſt das Bildniß der Mariaͤ Verkuͤndigung ge - weſen, und um den Leib mit einem gewoͤhnlichen eiſernen Kettlein, daran unten ein Todten-Kopff gehangen, umguͤrtet, das Haupt aber mit einen weißen Schleyer umgeben, in die Haͤnde wurden ihr ein braun hoͤltzern Creutz mit einem hoͤltzern Roſenkrantz gegeben. Der Habit war eine Klei - dung von der Geſellſchafft der Durchlauchtigſten Hoch-Adelichen ſo genannten Sclavinnen oder Leibeigene Dienerinnen Mariaͤ.
§. 5. So geſchicht auch manchen kein Gefallen, wenn ſie in den Leichen-Predigten oder Perſona - lien mit allzu vielen Lob beehret werden. Fuͤrſt Auguſt zu Anhalt-Coͤthen verordnete, man ſolte ihn bey ſeiner Beyſetzung kein Perſonal-Lob nach - leſen, mit beygefuͤgter Urſache, er haͤtte Ruhms genug davon, daß er wuͤſte daß ſein Nahme imHim -275Von der Fuͤrſtl. Perſ. Vorber. zum Tode. Himmel angeſchrieben ſtuͤnde, mit dieſen Ruhm wolte er ſich allein begnuͤgen, von keinen andern Ruhm in der Welt mehr wiſſen. S. Beckmanns Anhaͤltiſcher Geſchichte V Theil p. 452.
§. 6. Einige junge Princeßinnen ſind dem To - de ſo getroſt entgegen gangen, daß ſie ſich auch die Craͤntze und das andere Laubwerck, womit die Saͤrge haben ſollen ausgeziert werden, bey ihrem Leben ſelbſt zuſammen geſetzt und zurecht gemacht.
§. 7. Bey dem Roͤmiſch-Catholiſchen werden unterſchiedene wunderthaͤtige Bilder der heiligen Jungfrau Mariaͤ, ingleichen die Reliquien einiger Heiligen, auch wohl gar ihre Leiber, in die Fuͤrſt - lichen Sterbe-Zimmer und vor ihre Sterbe-Bet - ten getragen, ſie hertzen und kuͤſſen dieſelben, neh - men ſie in die Arme, getroͤſten ſich ihrer Vorbitte, und empfehlen ihnen ſich ſelbſt und ihr Land. Kommen ſie ihres Lagers wieder auf, ſo ſchreiben ſie es ihnen zu, und thun ihnen nachgehends beſon - dere Geluͤbden. Als Anno 1692 der Bayriſche Chur-Printz kranck war, und in ſolchen Zuſtande den heiligen Bennonem anruffen, auch deſſen Haube, welche zu Muͤnchen verwahret wird, auf - ſatzte, und darauf geſund ward, hat man alſobald den heiligen Bennoni zu Ehren auf den 16 Junii in dem gantzen Churfuͤrſtenthum Bayern einen neuen Feyertag angeſetzt, und celebriret. S. den XI. Eingang des Buͤcher-Cabinets p. 13.
§. 8. Einigen darff ihr gefaͤhrlicher Zuſtand und die Annehmung ihres Abſchiedes weder von denS 2Medi -276I. Theil. XVI. Capitul. Medicis noch von andern recht deutlich geſagt und entdeckt, ſondern koͤnnen die Schmeicheley vertra - gen, biß ihnen die Seele von dem Coͤrper getrennet wird, andere aber ſind bey ihren Tode gantz getroſt, und befehlen den Medicis an, wo ſie ihren nahen Todt nicht ſelbſt bey ſich fuͤhlen, daß ſie ihnen die wahre Beſchaffenheit ihrer Kranckheit entdecken ſollen. Alſo ſagte der theure Churfuͤrſt zu Sach - ſen Johann Fridrich kurtz vor ſeinem Ende wieder die Medicos; Jſts gefaͤhrlich, ſo ſagt mirs, denn ich fuͤrchte mich GOtt Lob vor dem Tode gar nicht. S. den wahrhafften Bericht von Churfuͤrſtens Jo - hann Fridrichs Abſterben in den Buſtis Electorum Saxoniæ des Hrn. M. Hauſens p. 184.
§. 9. Mehrentheils koͤnnen die Hochfuͤrſtlichen ſterbenden Perſohnen auf ihren Sterbe-Betten das Weinen ſo wenig vertragen, als andere, und ſprechen nicht ſelten, denen die ſie hinter ſich laſſen vor ihrem Ende ſelbſt den Troſt zu. Als die Ge - mahlin des Churfuͤrſtens zu Sachſen Chriſtiani I. weinete, ſo troͤſtete ſie der gottſeelige Churfuͤrſt: Ach was weineſt du, was biſt du fuͤr eine Chriſtin, du verliereſt mich ja nicht, ſondern ich entferne mich nur eine Zeitlang von dir, goͤnneſt du mir die See - ligkeit nicht.
§. 10. Sie nehmen bißweilen von ihrer gantzen Familie, von ihrer Hofſtatt, von denen Miniſtris und Bedienten, auch wohl von denen anweſenden vornehmſten Reichs - und Land-Staͤnden bewegli - chen Abſchied, ſie erkennen und beweinen ihre Feh -ler,277Von der Fuͤrſtl. Perſ. Vorber. zum Tode. ler, und bitten um Vergebung, daß ſie bey ihrer Regierung ihre Pflichten nicht in allen Stuͤcken ſo vollkommen beobachtet, als ſie wohl zu thun ſchul - dig geweſen waͤren.
§. 11. Sie erſuchen ihre Succeſſores, dasjeni - ge zu verbeſſern, was ſie verſehen, und dasjenige auszufuͤhren, was ſie unvollkommen haben muͤſſen liegen laſſen, und ertheilen ſonderlich ihren Kindern gute Vermahnungen, und ihren Erb-Printzen heylſame Regeln, wie ſie ihre Regierung anſtellen ſollen. Alſo hielt Churfuͤrſt Friedrich zu Sachſen vor deſſen Abſterben eine treffliche Abſchieds - und Vermahnungs-Rede an ſeine beyden Herrn Soͤh - ne, wie es in den II. Theil der von Herrn Luͤnig ge - ſammleten Reden derer groſſen Herren und vorneh - men Miniſtris p. 881. nachgeleſen werden kan. Der tapffere Fuͤrſt Landgraf Philip zu Heſſen der aͤltere, verließ nicht allein ein herrliches und hoch - weiſes Teſtament, dergleichen wohl nicht vielmehr zu finden / und darinnen er ſeinen hinterlaſſenen vier Soͤhnen treffliche Maximen zu leben, und wohl zu regieren vorſchrieb, ſondern redete auch ſeinen aͤl - teſten Sohn Landgraf Wilhelmen als derſelbe ein - ſtens fuͤr ſein Tod-Bette kam / folgender geſtalt an: Mein Sohn, wirſt du uͤber GOttes Wort halten, und die ſeeligmachende Lehre des heiligen Evangelii befoͤrdern, ſo wird dich GOtt an Land und Leuten, und an deinen eigenen Saamen und Geſchlechte ſeegnen und mit ewiger Seeligkeit kroͤnen, wirſt du aber ſolches nicht thun, ſo wirſt du an Land und Leu -S 3ten278I. Theil. XVI. Capitul. ten abnehmen, mit deinem Saamen und Geſchlecht ungluͤcklich auch ewig verlohren und verdammt ſeyn. S. Reinkings Bibliſch Policey Lib. III. Art. LV.
§. 12. Sie recommandiren den Succeſſoribus entweder alle ihre Bedienten und ihre gantze Hof - ſtatt zu kuͤnfftiger Vorſorge, oder doch diejenigen / die es am allermeiſten vor andern verdienet, und vor die ſo die groͤſte Gnade gehabt. Der zwar junge aber ſehr loͤbliche Regente Herzog George Wilhelm zu Liegnitz, Brieg und Wohlau, erſuch - te anno 1675. auf ſeinen Tod-Bette in einem aller - unterthaͤnigſten Schreiben des Roͤmiſchen Kaͤyſers Leopoldi Majeſtaͤt, ſeine treuen Diener zu gerech - teſter Beobachtung und Manutenenz ſich empfoh - len ſeyn zu laſſen, vornehmlich aber ſeine armen Un - terthanen bey ihren bißherigen Privilegiis und Glaubens-Ubung in Kaͤyſerlichen Hulden und Gnade allergnaͤdigſt zu erhalten. S. den XCVII. Brief des III. Tomi von des Herrn Luͤnigs Euro - paͤiſchen Staats-Cantzley. p. 286.
§. 13. So bald nun ein Regent verſtorben, wird die Hochfuͤrſtliche Leiche von Cavalieren Tag und Nacht bewacht, und nach Verordnung, die ſie bey ihrem Leben ausgeſtellt / oder nach den Gefallen der Hinterlaſſenen entweder ſecirt, und einbalſa - mirt, oder ohne Section gelaſſen; Man veranſtal - det die Auskleidung und Paradirung der Fuͤrſtlichen Leiche, es werden ſo fort Couriers und Staffetten an andere Hoͤfe abgeſchicket, um dieſen Todes-Fallden279Von der Fuͤrſtl. Perſ. Vor ber. zum Tode. den andern Puiſſancen ſonderlich den naͤchſten An - verwandten, und denen, auf welche die naͤchſte Suc - ceſſion der Lande verfaͤllt, zu notiſiciren. Die Obſignation der Hochfuͤrſtlichen Verlaſſenſchafft wird an allen Orten der Apert gewordenen Lande von des verſtorbenen Herrn hinterlaſſenen Mini - ſtris und Bedienten mit Zuziehung eines Notarii verrichtet, damit die Reſignation, Inventirung und Theilungen von allerſeits Fuͤrſtlichen Intereſſenten abzuordnenden Raͤthen mit guter Ordnung und Richtigkeit bewerckſtelliget werden koͤnnen.
§. 14. Meiſtentheils werden die Hochfuͤrſtlichen Leichen einbalſamiret, und zwar das Hertz beſon - ders, die uͤbrigen Eingeweide auch beſonders. Das Hertz wird gar offters in ein ſilbern oder ander koſt - bar Behaͤltniß verſchloſſen, und mit einer kurtzen Inſcription die noͤthigen Umſtaͤnde dabey erklaͤhrt. Die uͤbrigen Inteſtina werden etwan in einer Urna verwahrt. Bey den Roͤmiſch Catholiſchen wird das Hertz mit vielen Ceremonien in einen Kloſter, das der verſtorbene Fuͤrſt vor andern am meiſten geliebet, beygeſetzt, und eine eigene Proceſſion dabey gehalten. Nebſt den Hertzen wird zuweilen die Zunge auch mit zugleich abgeſondert; und mit dem Eingeweyde das Gehirn und die Augen, welche in einen vergoldten Keſſel in eine Capell oder an einen andern Ort mit gewiſſen Solennitaͤten getragen werden. Alſo ward das Hertz und die Zunge des Roͤmiſchen Kaͤyſers Leopoldi in einen ſilbern ver - guldeten Becher mit der Uberſchrifft: Cor LeopoldiS 4Primi280I. Theil. XVI. Capitul. Primi Romanorum Imperatoris mortui dies Maji 1705. in die Loretto-Capell beygeſetzt, und das Gehirn und die Augen nebſt den Inteſtinis in einen verguldten Keſſel aus der Ritter-Stube in die Kaͤyſerliche Hof-Capelle getragen. Der Keſ - ſel war auſſen her mit den Kaͤyſerlichen Adler, und der Umſchrifft: Inteſtina Leopoldi Primi Roma - norum Imperatoris mortui die 5. Maji anno 1705. bemerckt. Es wird gar offters von einen Cavalier der die Ehre hat, das Hertz oder die Inte - ſtina den Kloſter, oder den Vorſteher einer Ca - pelle zu uͤberbringen, eine kleine Rede gehalten, und diejenigen, die ſolche Stuͤcke annehmen, beantwor - ten ſie nachgehends wieder.
§. 15. Als Printz George von Heſſen-Darm - ſtadt in Catalonien geblieben, ſo ſolte ſein Cam - mer-Diener das balſamirte Hertz ſeines Principa - len anno 1706. nach Darmſtadt uͤberbringen, es ward aber das Engliſche Paquet-Boot ſo ſolches mitnahm, ſo ungluͤcklich, daß es von einem gewiſ - ſen Frantzoͤſiſchen Caper von Sanct Malo aufge - bracht wurde. Es war merckwuͤrdig, daß dieſer vortreffliche Printz, der die Zeit ſeines Lebens dem Hauſe Oeſterreich und Spanien wider Franck - reich ſo vortreffliche Dienſte geleiſtet, noch itzo nach dem Tode ſein Hertz den Feinden in ihrer Gewalt laſſen muſte. S. den XLVſten Theil der Europaͤi - ſchen Fama p. 508.
§. 16. Von der beſondern Begraͤbniß des Her - tzens und der Eingeweyde findet man keine Merck -mahle281Von der Fuͤrſtl. Perſ. Vorber. zum Tode. mahle in der alten Kirchen oder weltlichen Hiſto - rie. Weil man aber genoͤthiget worden, die er - blichenen Coͤrper der Standes-Perſonen zum oͤff - tern gar weit zu fuͤhren, ſo hat man, um dieſelben deſto beſſer zu conſerviren, das Eingeweyde daraus genommen, und ſolche an Ort und Stelle hernach begraben. Was nun anfaͤnglich aus Noth ge - ſchehen, hat man nach der Zeit zu einem point d’honeur gemacht, und ein ieder gern das Hertz, als das edelſte Theil des Menſchen, bey ſich haben wollen. Heutiges Tags beſtehet die Urſache war - um dieſes geſchicht, meiſtentheils aus der Hochach - tung oder Devotion gegen dieſen oder jenen Ort. S. Luͤnigs Theatr. Cerem. p. 765.
§. 17. So lange die Hoch-Fuͤrſtliche Leiche auf dem Schloß in den Zimmern ſtehet, wird ſie ent - weder von vornehmen Miniſtris, oder doch von an - dern Hof - oder Land-Cavalieren, nach dem Unter - ſchied der Hoͤfe und deren Obſervanzen, bewacht, die zu gewiſſen Zeiten, bißweilen alle Stunden ein - ander abloͤſen muͤſſen. Bey den Fuͤrſtinnen muͤſ - ſen die Hof-Dames an einigen Hoͤfen ihre Aufwar - tung dabey haben. Wenn aber die Fuͤrſtlichen Leichen in ein Gewoͤlbe in friſchen Sand biß zur Beerdigung auf einige Wochen, oder wohl gar noch laͤnger geſetzt werden, ſo hoͤrt gemeiniglich die Aufwartung der Cavaliers auf, und da werden ſie entweder gar nicht bewacht, oder es iſt ſchon genug, wenn Trabanten-Wache darbey iſt.
§. 18. Die Hoch-Fuͤrſtlichen Leichen pflegen ge -S 5meinig -282I. Theil XVI. Capitul. meiniglich eine Zeitlang, bißweilen einige Tage, und bißweilen wohl gar einige Wochen auf koſt - baren Parade-Betten geſtellt und gezeigt zu werden, die man auf unterſchiedene Art inventiret. Zu - weilen werden ſie auf eine Eſtrade geſetzt, ſo einige Stuffen hoch iſt; dieſe Eſtrade wird von einigen Pilaſtren, die mit Sammet und goldenen Treſſen bekleidet, unterſtuͤtzt, an welchen hernach die Wa - pen haͤngen. Andere ſind mit Sinnbildern, Wachs-Fackeln, Illuminationen, Statuen, Ur - nen und dergleichen ausgezieret. Es ſind magni - fique Baldachine daruͤber zu ſehen. Die Leichen ſind auf das praͤchtigſte in Sammet, Brocat und auf andere Weiſe eingekleidet. Die Fuͤrſtlichen Inſignia, als Cronen, Chur-Huͤte, Fuͤrſten-Huͤte u. ſ. w. liegen nach den Regeln der Kunſt nicht weit davon auf eine ſolche Weiſe, wie es am beſten in die Augen faͤllt, und die groͤſte Parade macht. Bey den Biſchoͤffen ſiehet man die Biſchoffs-Hauben und die Biſchoffs-Staͤbe. Bey den Kriegs-Hel - den, die gemeiniglich mit Harniſchen angethan, liegt auf der rechten Seite der Commando Stab, und auf der lincken der bloſſe Degen.
§. 19. An ſtatt der wuͤrcklichen Leichen wird biß - weilen ein Bild von Wachs auf die Parade-Bet - ten gelegt. Dieſes iſt aber wohl ein ſeltzamer Ge - brauch geweſen / deſſen Herr Luͤnig in dem II. Theil ſeines Theatri Ceremonialis p. 600. gedencket, der ſonſt in Franckreich uͤblich geweſen, daß man ſtatt der Koͤniglichen Leichen, die man eine Zeitlang aufdem283Von der Fuͤrſtl. Perſ. Vorber. zum Tode. dem Parade-Bette gezeiget / nicht allein ein waͤch - ſern Bild hingelegt, ſondern ſolches auch 40 Tage und 40 Naͤchte mit einer Mittags - und Abend - Mahlzeit bedienet.
§. 20. Bey den Roͤmiſch-Catholiſchen werden die Leichen mit beſondern Ceremonien, theils von der Geiſtlichkeit, theils auch von den naͤchſten der Familie mit Weyhwaſſer beſprengt. Zuweilen geſchicht es auch von den Hof-Officianten, und da muß dann ebenfalls der Rang und die Ordnung dabey in Obacht genommen werden. Es werden viel Seel-Meſſen dabey gehalten, mancherley Vi - gilien, unterſchiedene an die Heiligen gerichteten Gebether dabey abgeleſen, und ein hauffen Beraͤu - cherungen vorgenommen. Dieſe Ceremonien dauren bißweilen einige Wochen hinter einander, bald geſchehen ſie von einem Cardinal, bald von dem Paͤbſtlichen Nuntio, bald von dieſem Colle - gio, bald von einem andern.
§. 21. Bey den Fuͤrſtlichen Saͤrgen, ſie moͤgen nun in Zimmern oder in Kirchen ſtehen, werden ſehr viel ſilberne hohe Geridons geſetzt mit weiſſen Wachs-Fackeln, die ſo wohl Tag als Nacht bren - nen. Soll es noch proprer ſeyn, ſo ſiehet man zwiſchen den Geridons und Girendolen unterſchie - dene groſſe Flambeaux auf hohen verſilberten Fuͤſ - ſen. Die Wachs-Kertzen werden gemeiniglich mit Flohr umwunden, und gar offters mit Merck - mahlen der Durchlauchtigſten Ahnen, mit Schil - dern und Wapen ausgeziert. Man findet vonetlichen284I. Theil. XVI. Capitul. etlichen hundert Jahren her, daß die Saͤrge und Baaren mit ſehr viel Lichtern beſetzt geweſen, da an ieden ein kleines Schild aus dem Hoch-Fuͤrſt - lichen Wapen gehangen. Alſo iſt bey dem Leich - Begaͤngniß Hertzogs Albrechts zu Sachſen die Bahre mit 114. Lichtern, iegliches vier Pfund ſchwehr beſteckt geweſen, und eine iegliche Kertze, ſo die Grafen, Ritter und Edelleute bey Fuͤhrung der Schilder getragen, ſoll 18 Pfund gewogen haben.
§. 22. Die Saͤrge ſind bißweilen ſehr ſchlecht von gemeinen Holtz, mit ſchwartzen Tuch ausge - ſchlagen / und ohne alle Zierrath. Chur-Fuͤrſt Friedrich der Streitbahre zu Sachſen wurde in ei - nen Sarg von Kiefern-Holtz gelegt, und mit ei - nem langen ſchwartzen Rock, der ihm biß auf die Fuͤſſe gieng, von einer wollenen klahren Sarge an - gethan. S. Muͤllers Annal. Saxon. p. 14. Der Roͤmiſchen Kayſerin Eleonoræ Magdalenæ Sarg war ebenfalls ohn alle Zierrath. Die Aufſchrifft des Sarges war: Eleonora Magdalena Thereſia, arme Suͤnderin, geſtorben anno 1720. den 19. Januar. Oeffters werden ſie doppelt verfertiget / als erſtlich von eichnen, oder wenn es noch koſtbah - rer ſeyn ſoll, von Cypreſſen-Holtz, und nachgehends von Kupffer oder Zinn, oder wohl gar von Silber. Einige Fuͤrſtliche Perſonen belieben Saͤrge von ſchwartzen Marmor, als welche bey Kriegs-Zeiten und feindlichen Verheerungen eines Landes von den Feinden nicht ſo aufgeſucht werden, als wie das Metall.
§. 23.285Von der Fuͤrſtl. Perſ. Vorber. zum Tode.§. 23. Bey manchen Saͤrgen iſt bißweilen die allerſchoͤnſte Bildhauer-Arbeit und Architectur angebracht, und findet man zuweilen den gantzen Lebens-Lauff einer Hoch-Fuͤrſtlichen Perſon auf dem Sarge. Einer von den ſchoͤnſten Saͤrgen der neuern Zeiten iſt wohl derjenige, der auf Befehl Jhrer ietzo regierenden Koͤnigl. Majeſtaͤt in Preuſ - ſen vor Dero gottſeeligen Herrn Vaters Majeſtaͤt, durch den Herrn Wachter Profeſſor und Inventor der Inſcriptionen, inventirt und angegeben wor - den. Es iſt eine eigene Beſchreibung davon im Druck, unter dem Titul: Eigentliche Beſchrei - bung des groſſen Koͤniglichen Sarges, welchen Seine Koͤnigliche Majeſtaͤt in Preuſſen zu dem pompeuſen Leich-Begaͤngniß Dero in GOtt hoͤchſt-ſeeligen Herrn Vaters Koͤniglichen Maje - ſtaͤt, und Deſſen Beyſetzung in die Koͤnigliche Grufft, zum ewigen Andencken verfertigen laſſen, wie ſelbiger, unter Direction Dero Ober-Mar - ſchalln und wuͤrcklichen geheimen Staats-Miniſtri Herrn von Printzen Excellenz, mit allen ſeinen Figuren, Inſcriptionen, und bas reliefs bewerck - ſtelliget worden.
§. 24. Bißweilen pflegt man in die Saͤrge Ge - daͤchtniß-Muͤntzen zu legen. Bey dem Leich-Be - gaͤngniß Pabſts Innocentii XIII. der anno 1724. ſtarb / wurden 60 Gedaͤchtniß-Muͤntzen in ſeinem Cypreſſen Sarge mit verwahret, als 20 von Gold, und eben ſo viel von Silber und Metall, auf wel - chen des Pabſts Bildniß und deſſen vornehmſtenVer -286I. Theil. XVI. Capitul. Verrichtungen zu ſehen geweſen. S. das XXVIII. Stuͤck der Einleitung zur neueſten Hiſtorie der Welt p. 234. Bey den Roͤmiſch-Catholiſchen werden die Saͤrge gemeiniglich mit Weyhwaſſer beſprengt, und einige Tage nach einander Beth - ſtunden und Muſic dabey gehalten.
§. 25. Jn den Kirchen werden nach dem Hin - tritt der Hoch-Fuͤrſtlichen Perſonen gemeiniglich praͤchtige Caſtra Doloris aufgerichtet. Jſt ein Regent bey dem Roͤmiſch-Catholiſchen unter der Cleriſey ſehr beliebt geweſen, ſo werden ihm faſt in allen Kloͤſtern und von ieden Fraternitæten der - gleichen erbauet. Jn den alten Zeiten findet man in den Geſchichten wenig davon, und werden ſie in Teutſchland kaum von ein paar hundert Jahren her bekandt ſeyn. Sie werden mit den ſchoͤnſten Statuen, Architectur - und Bildhauer-Arbeit, mit Fackeln und Illuminationen ambellirt, und mit Piedeſtalen, Sinn-Bildern und Inſcriptionen ausgeziert.
§. 26. Bey den Trauer-Geruͤſten præſentiren ſich unterſchiedene Statuen oder Tugenden, die mit den wahren Umſtaͤnden der verſtorbenen Fuͤrſt - lichen Perſon harmoniren muͤſſen. Alſo wuͤrde ſich bey einem weltlich geſinnten Herrn, der ſich in ſeinem Leben trefflich nach der Weiſe der Welt lu - ſtig gemacht, die Gottgelaſſenheit, die Gedult, der beſtaͤndige Glauben und das Verlangen nach dem Himmel ſehr ſchlecht ſchicken, ob man ſchon der Devotion und Schmeicheley einige Freyheit ver -ſtatten287Von der Fuͤrſtl. Perſ. Vorber. zum Tode. ſtatten muß. Die Emblemata reguliren ſich ent - weder nach allerhand denckwuͤrdigen Handlun - gen, die der Verſtorbene in ſeinem Leben gethan, oder nach mancherley remarquablen Begebenhei - ten die er erfahren.
§. 27. Einerley Tugend wird bißweilen nach unterſchiedenen Deviſen vorgeſtellt, als die Hoff - nung in groſſen Noͤthen, die in aller Gefahr unbe - wegliche Hoffnung, die auf GOtt geſetzte Hoff - nung u. ſ. w. Bey den Caſtris Doloris ſiehet man auch hin und wieder unter andern Statuen, die entweder von Alabaſter und Marmor, oder von Holtz und Pappewerck errichtet werden, kla - gende Weibes-Perſonen, Knaben mit umgekehr - ten und ausgeloͤſchten Lebens-Fackeln, Romani - ſche Urnen, Inſcriptionen u. ſ. w. die hin und wie - der an den Geſimſen, an den Portalen, und zwi - ſchen die Colonnaden und Saͤulenwercke ange - bracht werden. An der Haupt-Facade des Ca - ſtri Doloris ſtehen gemeiniglich ein paar Mar - ſchaͤlle, und auf den Seiten herum andere Cava - liers.
§. 28. Uber dieſes werden die Kirchen gantz und gar mit ſchwartzen Tuch bekleidet, und auf den Fuͤrſtlichen und andern Empor-Kirchen, auch biß - weilen an andern Plaͤtzen der Kirche die Fuͤrſt - lichen Wapen angehefftet. Bißweilen iſt die gantze Kirche wie ein Mauſoleum ausgeziert, nach den vollkommenſten Regeln der Architectur und Bildhauer-Arbeit. Man ſiehet allenthalben Cy -preſſen -288I. Theil. XVI. Capitul. preſſen-Baͤume / Sinn-Bilder, Statuen, Illumina - tionen, und brennende Wachs-Kertzen, die an Chryſtallenen oder ſilbernen Cronen und Haͤnge - Leuchtern haͤngen. Die Pendanten von Leuchtern ſcheinen als feurige Obelisken, welche durch ihren Eclat die gantze Kirche dermaſſen erleuchten, als ob ſie von der Sonne erleuchtet wuͤrden; ein jeder Pendant beſteht offt wieder aus verſilberten lu - ſtris, deren ein ieder mit antiquen Urnen, Cronen und Fuͤrſten-Huͤten gezieret, und oͤffters die Jahre des Fuͤrſten oder Fuͤrſtin andeuten.
§. 29. Bißweilen ſcheinet ihr Anſehen um ſo viel herrlicher und wunderlicher, je weniger man gewahr werden kan, wie ſich die Lichter conſumi - ren, maßen man ſie durch eine ſonderliche Inven - tion alſo ordiniren kan, daß alle die Flammen allezeit in gleicher Hoͤhe bleiben. Manchmahl ſtehen auch unter und zwiſchen den Leuchtern Cry - ſtallene Lampen von einer ſonderlichen Compoſi - tion angefuͤllt, welche ohn einigen Rauch und Dampff uͤber 24 Stunden einen ſehr hellen und klaren Brand von ſich geben. Die Gewoͤlber des Chores werden entweder mit ſchwartzen Tuch oder mit ſchwartzen Sammt, bißweilen auch wohl gar mit einer ausdruͤcklichen dazu verfertigten ſil - bernen Gaze bedeckt, und mit brodirten Cronen oder gewiſſen Stuͤcken, die aus den Koͤniglichen oder Fuͤrſtlichen Wapen heraus genommen, be - ſtreuet.
§. 30. Die Statuen beſtehen manchmahl aus Fi -guren,289Von der Fuͤrſtl. Perſ. Vorber. zum Tode. guren, die aus weiſſen Wachs poſſiret, welche wie natuͤrliche Menſchen mit koſtbahren Stoffen be - kleidet, und auf den Haupt mit natuͤrlichen Haaren bedeckt. Der Fuß-Boden des Chores wird mit ſchwartzen Tuch oder gar mit Sammet belegt, und die uͤberkleideten Cantzeln, Altaͤre und Tauff - Steine mit goldenen Treſſen oder Frangen ge - ziert.
§. 31. Uber dieſes findet man noch koſtbahre Mo - numenta, die mit ſehr viel maſſiven Silber-Werck ornirt, von unten biß oben aus mit Wachs-Kertzen beſteckt, und gar offters die Verdienſte der Vor - fahren mit den ſinnreichſten Inſcriptionen vorſtel - len. Die Pfeiler der Kirchen ſind gar offters mit Emblematibus, ſo die beruͤhmten Thaten ab - ſchildern, ausgeziert. Man ſiehet auch bey einigen brodirte Wapen der ſaͤmmtlichen Provincien auf ſchwartzen Sammt, ſie ſind allenthalben mit ordo - nirten Empilaſtris, und maſſiven Silber-Werck ausgeziert.
§. 32. Dergleichen Mauſolea bleiben bißweilen einige Wochen, Monathe, auch zu halben Jahren ſtehn, bevor ſie abgetragen werden. Nachge - hends werden ſie in Kupffer geſtochen, und den ge - druckten Leich-Predigten mehrentheils angehaͤngt. Groſſe Herren bezeigen hierdurch ihre beſondere Hochachtung, Liebe und Reſpect gegen ihre Hoch - fuͤrſtliche Anverwandten, die ihnen durch den Tod entzogen worden, und erwecken nicht allein bey al - len ihren Unterthanen, ſondern auch bey allen fremb -Tden,290I. Theil. XVII. Capitul. den, die Zuſchauer hievon abgeben, beſondere Ideen des Mitleydens wegen eines ſo hohen Falles der Betruͤbniß und Wehmuth.
§. 1.
Groſſe Herren haben zwar bey ihren Leben vor ihren Unterthanen und andern pri - vat-Perſohnen vieles zum Voraus, bey ihren Tode aber gehet es ihnen wie an - dern Leuten. Sie tragen ihre zubrechlichen Huͤt - ten allenthalben mit ſich herum, und muͤſſen eben ſo wohl die Schuld der Natur bezahlen, als die elendeſten unter ihren Sclaven. Je mehr ſie ſich nun ihrer Sterblichkeit erinnern, und alle die ihrigen nach ihrem Tode in gute Richtigkeit und Ordnung geſetzt wiſſen wollen, je zeitlicher ſind ſie vor die Erklaͤrung ihres lezten Willens beſorgt.
§. 2. Sie verordnen in ihren Teſtamenten, wie es nach ihrem Tode mit dem Succeſſions-Weſen beſtellt ſeyn ſoll; Jſt ihr kuͤnfftiger Nachfolger im Reich noch unmuͤndig, ſo diſponiren ſie wie es mit deſſen Vormundſchafft zu halten, ſie beſehlen wer inzwiſchen biß zu deſſen erlangter Majorennitaͤt die Regierung des Reichs uͤbernehmen ſoll, ſie re -guli -291Von Teſtam., deren Aufr. Publ. u. Exec. guliren die gantze Auferziehung des Printzen, und beſtimmen die Gouverneurs und Informatores, ſie beſtellen die groͤſten Miniſtres bey den Kriegs - und Civil-Chargen, und richten den gantzen kuͤnff - tigen Hof-Staat ein. Jedoch machen nicht ſel - ten die Veraͤnderungen derer kuͤnfftigen Zeiten ei - nen ſehr groſſen Strich durch alle dergleichen Di - ſpoſitionen, wie aus vielen Exempeln klar am Tage lieget.
§. 3. Wo die Regenten voͤllig en Souverain herr - ſchen, ſo koͤnnen ſie wegen ihrer kuͤnfftigen Nach - folger im Reiche ſehr frey diſponiren, und iſt es wohl eher geſchehen, daß ſie den aͤlteſten und erſt - gebohrnen Printz von der Succeſſion ausgeſchloſ - ſen, wann ſie einige Unfaͤhigkeit zur Regierung bey ihm wahrgenommen, und hingegen den juͤngſten vorgezogen, wo aber die Succeſſion durch die Fun - damental-Geſetze des Reichs allbereits etablirt iſt, ſo koͤnnen ſie durch ihre Teſtamentliche Verord - nungen denſelben nichts derogiren.
§. 4. Es geſchicht bißweilen, daß wenn ein großer Herr nach ſeinem Tode keine Deſcendenten, oder auch andere nahe Angehoͤrige hinter ſich laͤſt, die ſeine Succeſſores abgeben koͤnten, andere Puiſſan - cen, denen ſeine Laͤndereyen treflich in die Augen fallen, noch bey ſeinem Lebzeiten dieſerwegen einen Theilungs-Tractat unter einander ſchluͤſſen. Ob es nun zwar einige Publiciſten vor wohlgethan ach - ten, wenn die kuͤnfftigen Prætendenten bey Zeiten durch einen guͤtlichen Vergleich ohne Blutvergieſ -T 2ſen292I. Theil. XVII. Capitul. ſen aus einander geſetzt wuͤrden / ſo halten es doch andere, und zwar mit guten Grunde vor unbillich, daß ſich jemand die Muͤhe naͤhme, uͤber eines an - dern Guͤter zu diſponiren; Sie meynen es wuͤrde es kein Privatus leyden, vielweniger hohe Poten - taten, als deren Ehre und Intereſſe hierdurch wuͤrck - lich geruͤhret wuͤrde, es ſtuͤnden auch uͤble Conſe - quentien hieraus zu beſorgen, es wuͤrde kein groſ - ſer Herr bey ſeinen Poſſeſſionen und Laͤndern ſicher ſeyn, wann ein dritter befugt waͤre, ihnen darinnen Eingriffe zu thun, und vorzuſchreiben wie er darin - nen diſponiren ſollte.
§. 5. Ereignet ſich nun ein ſolcher Caſus, ſo ſchreiben diejenigen Printzen deren Laͤndern man kuͤnfftighin wider ihren Willen gewiſſe Succeſſores obtrudiren will, an andere Hoͤfe, und beſchweren ſich dieſerwegen, ſie gedencken, ſie wuͤrden nicht ge - ſtatten, daß frembde einen in Vorſchlag braͤch - ten / ſie haͤtten allein das Recht uͤber Dero Lande zu diſponiren, und wuͤrden einen Fuͤrſten zur Succes - ſion ernennen, der am meiſten dazu berechtiget, und der Ruhe von Europa am zutraͤglichſten waͤre, es haͤtte niemand an dero Gerechtigkeit und Vorſich - tigkeit zu zweiffeln.
§. 6. Die groſſen Herren verordnen nicht allein in ihren Teſtamenten, wer ihre Erben ſeyn ſollen in Lehn - und Allodial-Guͤtern, ſondern auch wer ihre Pretioſa, Diamanten, Meublen und Equipage haben ſoll, ſie verſchreiben mancherley Legaten, ſie beſorgen die unterſchiedenen Succeſſions-Faͤlle,und293Von Teſtam., deren Aufr. Publ. u. Exec. und wer nach des einen Abgang dem andern zu ſub - ſtituiren, ſie ordonniren, wie viel die Princeßin - nen zu ihrer Ausſtattung und Braut-Schmuck bekommen ſollen, wovon ihre Schulden zu bezah - len, wie ihre Bedienten nach ihrem Tode mit Pen - ſionen zu verſorgen, und auf andere Weiſe zu be - gnadigen, wie ihr Leichen-Begaͤngniß anzuſtellen, u. ſ. w.
§. 7. Gleichwie die ſouverainen Koͤnige und groſſen Haͤupter ſich gar ſelten an diejenigen Geſe - tze ſo ſie ihren Unterthanen vorſchreiben, zu binden pflegen, alſo kehren ſie ſich auch bey ihren letzten Diſpoſitionen im geringſten nicht an die Ceremo - nielle und Solennitæten, ſo die Rechte ſonſt bey dieſen Handlungen andern Leuten vorſchreiben, ſondern ſie richten ihre Teſtamenta nach ihren ei - genen Willen und nach der ihnen zuſtehenden freyen Macht und Gewalt ein, wie ſie denn auch ſolches in den Formulen ihrer Teſtamente aus - drucken. Alſo lautet der LIX Articul von den Te - ſtament des Koͤnigs in Spanien Caroli II, ich will und befehle, daß dieſer mein Aufſatz und was darin - nen enthalten, ohne einigen Widerſpruch fuͤr mei - nen letzten Willen u. Teſtament gelten ſoll, und wo etwan dieſem meinem Teſtament einige Solenni - taͤt, oder etwas anders dergleichen, was es ſeyn kan / abgehen moͤchte, ſo erſetze ich ſolches durch mein ei - gen Belieben / gut Gewiſſen und vollkommene Koͤ - nigliche Gewalt, der ich mich hierbey bediene, und welche diß alles vor guͤltig angeſehen, und ohne ei -T 3nig294I. Theil. XVII. Capitul. nig Obſtacul davor gehalten. Jch will, daß der Jnhalt dieſes meinen Teſtaments ungeachtet aller Geſetze, Rechte, Gemeinen oder beſonderen Ge - braͤuche einiger meiner Koͤnigreiche, Staaten und Herrſchafften, ſo dieſen meinen Thun entgegen ſeyn moͤchten, ſoll vollzogen und erfuͤllet werden; ich will auch, daß jede Sache oder Theil, ſo darinnen enthalten, als ein Schluß der vor voͤlliger Reichs - Verſammlung mit reifer Uberlegung beſchloſſen worden, angeſehen werden ſoll.
§. 8. Es pflegen die ſouverainen Printzen biß - weilen mit eigner Hand bey ihren Teſtamenten al - lerhand Zuſaͤtze zu machen, und Legata oder anders dergleichen mit anzufuͤgen, und erklaͤhren ſich die - ſerwegen auf folgende Weiſe: Wir behalten uns die Macht vor, durch unſere Hand und Unterzeich - nung, alle dergleichen abſonderliche Legata und Verordnungen zu machen, als wir hernach vor gut befinden, und wollen, daß diejenigen ſo bereits durch uns allein geſchrieben und unterzeichnet, oder durch iemand anders geſchrieben und unterzeichnet werden moͤchten, von eben der Krafft und Wuͤrde ſeyn ſollen, als ob ſie in dem Teſtament allbereits eingezeichnet. Wir wollen, daß es vollkommene Wuͤrckung haben ſoll, als ein Teſtament, Codicill, Schenckung auf den Todesfall, oder wie es ſonſt die beſte Wuͤrckung haben kan. Bißweilen diſpo - niren ſie zugleich uͤber die Lehn - und Fidei com - miß-Guͤter, daruͤber andern Potentaten ein Jus quæſitum zuſtehet, woruͤber denn nachgehends viel und groſſe Mißhelligkeiten erwachſen.
§. 9.295Von Teſtam., deren Aufr. Publ. u. Exec.§. 9. Sie verclauſuliren ihre Teſtamenta zu deren Feſthaltung und Beobachtung mit den aller - buͤndigſten Ausdruckungen, die ſie nur finden koͤn - nen, und bißweilen wohl gar mit entſetzlichen Fluͤ - chen und Execrationen / die ſich unterſtehen wuͤr - den, auf einigerley Art und Weiſe ſie zu violiren, oder denſelben zu nahe zu treten. Alſo legte die Rußiſche Kayſerin Catharina Alexieiewna, in dem XIV. Articul ihres Teſtaments einen groſſen Fluch auf diejenigen, von ihren Kindern und von ihrer Fa - milie, die nicht ihr Teſtament ihrer Intention ge - maͤß, feſt halten, ſondern es behindern wolten.
§. 10. Damit ſie auch deſto ſicherer ſeyn, daß ihr letzter Wille nach ihrem Ableben in allen und ieden Puncten und Clauſulen werde erfuͤllet wer - den, ſo verordnen ſie in ihren Teſtamenten gewiſ - ſe Executores. Bißweilen conſtituiren ſie ihre Gemahlinnen dazu / und unterſchiedene in dem Te - ſtament ſpecificirte groſſe Miniſtres, und befehlen ihnen an, daß ſie bey allen und ieden, die ſich in ih - ren Koͤnigreichen, Staaten und Herrſchafften be - finden, oder auch allen den Auswaͤrtigen, ſie moͤgen Nahmen haben wie ſie wollen, auf einigerley Weiſe an dem kuͤnfftigen Regiment einig Antheil haben moͤchten, es zur Valor und zur Ausfuͤhrung ſolten bringen helffen.
§. 11. Oeffters werden auch fremde Puiſſancen und Fuͤrſten zu Executoren der Teſtamente ernen - net, und iſt einer von ihnen der Principal-Execu - tor. Vielmahls ſchreiben die Fuͤrſten eigenhaͤn -T 4dig296I. Theil. XVII. Capitul. dig an den im Teſtament zum Principal-Executor ernannten Fuͤrſten, recommendiren ihm das zu - gleich mitgeſchickte Teſtament zu getreuer Ver - wahrung, und bitten es nach ſeinem Abſterben exequiren zu laſſen. Hierauf antwortet der de - ſignirte Executor dem Teſtatori in hoͤflichen Ter - minis, bedancket ſich vor das gute Vertrauen, wuͤnſchet daß es zu der ausgebethenen Execution noch lange nicht kommen moͤchte, verſichert anbey, bey dem ſich ereignenden Fall alles beſtmoͤglichſt zu beſorgen, damit die Intention des Teſtatoris erfuͤllet werden moͤchte.
§. 12. Unter den Teutſchen Fuͤrſten iſts ſehr ge - braͤuchlich, daß ſie in ihren Teſtamenten gewiſſen hierzu deputirten Raͤthen, zu denen ſie ein gutes Vertrauen haben, gnaͤdigſten Befehl ertheilen, mit Erinnerung ihrer theuren Pflicht, daß ſie uͤber ſol - chem Teſtament halten, und dadurch dero zu Jhrer hochſeeligſten Hoch-Fuͤrſtlichen Durchlauchtigkeit iederzeit getragene unterthaͤnigſte Devotion erzei - gen ſollen.
§. 13. Die gecroͤnten Haͤupter pflegen die von ihnen verfertigten Teſtamenta mit beſondern So - lennitaͤten, entweder in ihre Reichs-Archiva bey - legen zu laſſen, und thun es ihren Reichs-Miniſtris und andern, die ſie zur Execution ihres letzten Wil - lens beſtimmt, kund, damit derſelbe nach ihrem Ab - ſterben publicirt und erfuͤllet werden koͤnne, oder uͤbergeben denſelben ihren Reichs-Collegiis, Par - laments-Verſammlungen, und wie ſie nach demUnter -297Von Teſtam., deren Aufr. Publ. u. Exec. Unterſchied der Laͤnder weiter heiſſen koͤnnen. Alſo ließ der Koͤnig in Franckreich Ludwig XIV ſein Te - ſtament bey ſeinem Parlament, deſſen Macht und Anſehen er ſonſt ziemlich geſchwaͤcht und gantz ent - kraͤfftet hatte, verwahren. Er uͤbergab es in einen Packet, und mit einem Edict, darinnen er befahl daß dieſes Packet deponiret und geheim gehalten werden moͤchte; er hatte mit eigener Hand darauf geſchrieben: Dieſes iſt unſer Teſtament, und un - ten gezeichnet, Ludewig. Monſieur de Joly Ge - neral-Advocat bey dem Parlament zu Pariß, hielt an die Parlaments-Verſammlung eine ſolenne Rede, und das Parlament ſtattete ihm eine devo - teſte Danckſagung ab, vor die Guͤte und das Ver - trauen, ſo er demſelben hiedurch zu erzeigen allergnaͤ - digſt geruhet.
§. 14. Die Regenten diſponiren auch, entwe - der in Teſtamentern, oder in Fuͤrſtlichen Hand - Schreiben, ſo denſelben beſonders mit beygefuͤgt, wie und welchergeſtalt dero letzter Wille publicirt werden ſoll, und wer von Fuͤrſtlichen Perſonen oder Abgeſandten mit dabey zu erſcheinen habe.
§. 15. Jn den vorigen Seculis, biß an die Zeit der Reformation, beſtellten die Fuͤrſten in Teutſch - land und ihre Gemahlinnen, ihr Teſtament und Seelen-Geraͤthe, wie ſie es damahls gar oͤffters zu nennen pflegten, mehrentheils bey denen Canoni - cis, weil ſie zu denſelben vor andern ein beſonder gutes Vertrauen hatten. Man findet auch ſonſt in den damahligen Zeiten dey den Teſtamenten vielT 5papi -298I. Theil. XVII. Capitul. papiſtiſche Taͤndeleyen, die trefflich nach den Aber - glauben ſchmecken. Die Graͤfin Theda zu Oſt - Frießland machte anno 1494. ihr Teſtament zu ihres ſeeligen Ehgemahls Grafens Ulrici, und ih - rer verſtorbenen Kinder Seligkeit. S. Brenney - ſens Oſt-Frießlaͤndiſche Hiſtorie Tom. I. Lib. IV. Hertzog Johannes, nachmahls Chur-Fuͤrſt zu Sachſen, richtete den 11. Dec. anno 1516. ſub dato Weymar, ein Teſtament auf, und zwar ſo - wohl im Nahmen der ewigen und unzertheilten al - lerheiligſten Dreyfaltigkeit, als auch im Nahmen 42 Heiligen, die alle mit Nahmen ſpecificiret werden.
§. 16. Churfuͤrſt Fridrich der Weiſe dictirte ſei - nen Secretario Johann Vilhelm ſein Teſtament vor ſeinen Ende. Er hatte zwar zuvor ſchon 2. Teſtamente gemacht, als das erſte anno 1493, da er nach Jeruſalem gereiſet, und das andere den 4. Octobr. 1517. in welchen letztern er ſeine Seele nicht nur dem Dreyeinigen GOtt befahl, ſondern auch der Vorbitte der Mutter GOttes, Sanct Bar - tholomæi ſeines Patrons, ſeines Schutz-Engels und aller Heiligen, und verordnete, daß man ihm einen gantzen Monath, taͤglich 50. Seel-Meſſen ſolte halten laſſen. Jedoch in den gantz letztern Teſtament unterließ er dieſes alles, und fieng ſein Teſtament folgender geſtalt an: Erſtlich bitte ich den Allmaͤchtigen GOtt durch das heilige und ei - nige Verdienſt ſeines Sohnes, daß er mir alle mei - ne Suͤnden und Gebrechen vergeben wolle, dennich299Von Teſtam., deren Aufr. Publ. u. Exec. ich zweiffle nicht, daß ich durch das theure Blut meines allerliebſten HErrn und Heylandes JEſu Chriſti erloͤſet ſey. Hernach befehl ich meine Seele um ſie ſeelig zu halten, ſeiner unerforſchlichen ewigen und unendlichen Gnade und Barmhertzig - keit, und in ſeine allmaͤchtigen Haͤnde; ich vergebe auch allen, die mir etwas zu leyd gethan, und bitte dagegen alle um GOttes willen, daß ſie mir um GOttes willen, und aus Chriſtlicher Liebe alles was ich ihnen zu Leyde gethan, von Hertzen ver - zeyhen, wie wir alle taͤglich von GOtt dem Vater der Barmhertzigkeit um Vergebung unſerer Suͤn - den bitten. S. Seckendorff Hiſtorie des Luther - thums p. 703.
§. 17. Die Reichs-Fuͤrſten in Teutſchland pfle - gen gar offters die von ihnen errichteten Teſtamen - ta und Codicille, dem Roͤmiſchen Kaͤyſer zur Con - ſirmation allerunterthaͤnigſt einzureichen, und des Kaͤyſers Majeſtaͤt pflegen dieſelben gemeiniglich, daferne kein rechtmaͤßig erheblich Bedencken dabey vorwaltet, mit folgender Clauſul zu confirmiren: Wir confirmiren und beſtaͤtigen ſothanes Teſta - ment und Codicill nach der uns zuſtehenden Kaͤy - ſerlichen Macht und Gewalt vollkommentlich und wohl wiſſentlich in Krafft dieſes Briefs, und mey - nen, ſetzen und wollen, daß ſolches Teſtament und Codicill mit allen Articulen, Puncten, Clauſulen, Worten, Jnhalten, Meynungen und Begreiffun - gen, allerdings verbindlich, kraͤfftig und maͤchtig ſeyn, ſtete, feſt und unverbruͤchlich gehalten undvoll -300I. Theil. XVII. Capitul. vollzogen, und dawider von niemand, wer der auch ſeyn mag, gehandelt und verfahren werden ſoll, doch uns, dem Heiligen Roͤmiſchen Reich, auch ſonſt maͤnniglich an ſeinen Rechten und Gerech - tigkeiten ohnvorgegriffen und unſchaͤdlich. Und gebiethen darauf allen und jeden Churfuͤrſten ꝛc. und inſonderheit des ſupplicirenden Fuͤrſten zu N. N. Eingangs benannten Soͤhnen und Enckeln ernſt und feſtiglich mit dieſen Brief, und wollen / daß ſie vor inſerirtes Teſtament und Codicill, und dieſe unſere daruͤber wohlbedaͤchtig ertheilte Con - firmation, Beſtaͤtigung und Manutenenz auf kei - ne Weiſe hindern, irren, oder anfechten, ſondern dieſelbe vielmehr mit allen Worten, Clauſulen und Beyruffungen, erhalten und verbleiben laſſen, ſol - chen allen ſich gaͤntzlich gemaͤß bezeugen, dawider nichts thun, handeln oder fuͤrnehmen, noch jemand andern zu thun geſtatten, in keine Weyſe noch Wege, als lieb einen jeden ſey unſer und des Reichs ſchwerer Ungnade und Straffe zu vermeyden.
§. 18. Ob es gleich nicht eben noͤthig, daß groſ - ſe Herren Zeugen und Notarien zu ihren Teſta - menten requiriren, wie die Privat-Perſohnen, ſo haben doch bißweilen einige mehrere, andere aber weniger Zeugen darzu genommen. Der Hertzog von Savoyen Carl der III. erforderte zu ſeinem Teſtament 12. Zeugen nebſt einem Notario; der Koͤnig in Sicilien Carl der II. einen Notarium Publicum, mit unterſchiedenen Bedienten des Reichs; der Koͤnig in Franckreich Ludwig XIII. bat301Von Teſtam., deren Aufr. Publ. u. Exec. bat die Printzen von Gebluͤthe, die Pairs, Hertzoge, Marſchaͤlle von Franckreich, und andere Miniſtres darzu und er forderte in Beyſeyn des Koͤniges und ſeines Bruders einen ſolennen Eyd von ihnen, daß ſie ſeine letzte Diſpoſition beſtens in Acht nehmen wolten. Koͤnig William III. in Engelland uͤber - gab ſein Teſtament, den 19 Octobr. 1698. in Ge - genwart zwey Zeugen, und eines immatriculirten Notarii Publici. S. den V. Theil der Europaͤiſchen Fama p. 477.
§. 19. Die Landes-Fuͤrſten in Teutſchland, weil ſie ſelbſt mit Landesherrlicher Hoheit verſehen, und alſo an die Roͤmiſchen Geſetze nicht gebunden, pfle - gen bey ihren Teſtamenten die Roͤmiſchen Solen - nitaͤten heutiges Tages nicht ſo in Acht zu nehmen, als wie vor dieſem. Jn den vorigen Seculis ha - ben ſie mehrentheils, nach der Vorſchrifft der Roͤ - miſchen Geſetze, ſieben Zeugen und einen Notarium darzu requiriret, die das Teſtament mit unterſchrei - ben muͤſſen. Sind die Zeugen in den Fuͤrſtlichen Dienſten geſtanden, ſo haben ſie dieſelben vor die - ſe Handlung ihrer Pflichten erlaſſen, womit ſie de - nen Fuͤrſten verwandt geweſen.
§. 20. Bißweilen ſind die Zeugen, wenn es et - wan Standes-Perſonen, oder auswaͤrtige Miniſtri geweſen, durch eine ſolenne Rede im Nahmen des Durchlauchtigſten Teſtatoris invitiret worden, und einer von ihnen hat hinwiederum im Nahmen der uͤbrigen eine ſolenne Gegen - und Danckſagungs - Rede gehalten; er hat die Intention des Serenis -ſimi302I. Theil. XVII. Capitul. ſimi hoͤchlich geruͤhmet, vor die Ehre dieſer Einla - dung gedancket, ſich zu præſtation dieſes Gezeug - niſſes gantz bereitwillig erklaͤhret, und anbey ge - wuͤnſchet / daß dieſe Chriſt-Fuͤrſtlichen und Lob - wuͤrdigen Gedancken noch lange Zeit ohne Effect ſeyn moͤchten.
§. 21. Soll ein Teſtament publiciret werden, ſo wird ein gewiſſer Tag dazu angeſetzt, und der an - beraumte Termin denen Fuͤrſtlichen Manns - und Weibes-Perſonen, Fuͤrſtlichen Abgeordneten, Grafen und Graͤfinnen, auch Praͤlaten, ingleichen der Ritter - und Landſchafft, zur Eroͤffnung und An - hoͤrung des Teſtaments eroͤffnet. Den Fuͤrſtli - chen Perſonen geſchiehet dieſe Notification biß - weilen durch ein Handſchreiben, bißweilen aber auch durch einige abgeſchickte Raͤthe, die in einer ſolennen Rede Jhnen anheim geben, ob dieſelben als Hoch-Fuͤrſtliche Anverwandten iemand von Dero Miniſtris und Bedienten, dieſer Eroͤffnung beyzuwohnen, zu deputiren belieben, auf welchem Fall ſie kein Bedencken haben wuͤrden, dieſelben zu admittiren, oder ob ſie in eigenen hohen Per - ſonen bey der Eroͤffnung zu erſcheinen geruhen wolten.
§. 22. Haben ſich nun alle diejeniger, die hierzu noͤthig ſind / eingefunden, ſo legt der Cantzler des Fuͤrſtens gemeiniglich vor der Publication eine ſo - lenne Rede ab / ruͤhmt darinnen die Meriten des hochſeelig verſtorbenen Fuͤrſten, und ſonderlich wie er loͤbliche und weiſe Anſtalten getriffen, nachſeinem303Von Teſtam., deren Aufr. Publ. u. Exec. ſeinem Tode unter den Hochfuͤrſtiichen Anver - wandten in ſeinen Lande, und allenthalben ſo viel als moͤglich gute Richtigkeit und Ordnung zu er - halten. Hierauf wird das gantze Teſtament vor - gezeigt, und allen den Anweſenden Fuͤrſtlichen Per - ſonen, Fuͤrſtlichen Herren Abgeſandten, ingleichen Prælaten, Ritterſchafft und Landſtaͤnden ad viden - dum & recognoſcendam manum & ſigillum vorgelegt, es wird das gantze Teſtament und Co - dicill und die daruͤber auf allen Seiten und Blaͤt - tern ſtehende Fuͤrſtliche Unterſchrifft, und das dar - anhangende groſſe Jnſiegel, ingleichen der Zeugen Unterſchrifft und Beſieglung, das zu Ende befindli - che Inſtrumentum Notarii, ſo dann deſſen Unter - ſchrifft und Signet examinirt.
§. 23. Der Cantzler bleibt bey einem jeden Punct ſtehen, und erinnert dasjenige was hierbey zu erin - nern noͤthig. Jſt nun das Teſtament vor richtig befunden worden, ſo bittet derjenige der es publi - cirt, die Hochfuͤrſtlichen Herren Gevollmaͤchtigten und Abgeordneten, ſie moͤchten ſich doch gefallen laſſen zu declariren, ob dieſelben das Teſtament ein jeder fuͤr ſeinen Theil in Dero Gnaͤdigſten Prin - cipalen hoͤchſten Nahmen fuͤr genehm halten, und demſelben in allen Puncten und Clauſulen nachle - ben wolten, da ſich denn ein jeder erklaͤhrt, daß er auf alle Weiſe bemuͤhet ſeyn wolte, damit dieſer Hochfuͤrſtliche Wille moͤchte erfuͤllet werden.
§. 24. Jſt dieſes geendiget, ſo wird das Fuͤrſtli - che Teſtament den geſchwohrnen Regiſtratori insArchiv304I. Theil. XVIII. Capitul. Archiv zu reponiren zugeſtellt. Nach der Publi - cation des Teſtaments haͤlt der Cantzler eine ſolen - ne Rede / wuͤndſchet dem hochſeelia verſtorbenen Fuͤrſten die ewige Ruhe, und dem Succeſſori alles Gluͤck und Heyl, und ſchaͤrfft ihm nach Jnhalt des Teſtaments, jedoch mit dem allerhoͤflichſten und freundlichſten Expreſſionen, die Pflichten eines Re - genten ein. Es wird auch wohl bißweilen nach der Publication ein Hand-Briefgen mit abgeleſen, welches der Vater an ſeinen Sohn geſchrieben, und viel heylſame Monita in ſich faſſet, die dem Durchlauchtigſten Succeſſori nicht eher als zu die - ſer Zeit, und bey der Gelegenheit haben ſollen hin - terbracht werden.
§. 1.
Man wird wohl in der gantzen Hiſtorie kein ſo ungewoͤhnlich Leich-Begaͤng - niß haben als dieſes, da ſich der Roͤ - miſche Kayſer Carolus V. noch bey ſeinem Leben einige Jahre vor ſeinem Tode eine Leich-Beſtattung halten ließ, nachdem die Exe - quien ſeiner Schweſter der Koͤnigin Eleonoræ, ſammt dem kurtz darauf begangenen jaͤhrlichenGedaͤcht -305Von Leich-Begaͤngn. u. Begraͤbniſſen. Gedaͤchtniß vor ſeine abgelebte Mutter, eine be - ſondere Begierde hierzu bey ihm erweckt hatten.
§. 2. Bey einigen Fuͤrſten, die in ihrem Leben auf die Ceremonien und Solennitæten nicht gar viel gehalten, werden gar keine ſolennen Proces - ſionen gehalten, man ſpuͤhret weder ein Caſtrum doloris, noch andern ausputz in der Kirche; Die Hoch-Fuͤrſtlichen Leichen werden in aller Stille beygeſetzt, die Hof-Bedienten gehen am Tage der Beerdigung ihres Herrn nicht Proceſſions-Weiſe / ſondern nur eintzeln in die Kirche, um die Leich - Predigt mit anzuhoͤren, oder zu ſehen, wie der Fuͤrſt in die Grufft werde geſencket werden.
§. 3. Wo aber ſolenne Exequien angeſtellet werden ſollen, da werden vorhero ſchrifftliche und bißweilen gar gedruckte Reglemens publicirt, wie es bey allen und ieden Faͤllen gehalten werden ſoll, damit keine Unordnung entſtehe, und ein iedweder ſeinen gewiſſen Platz, auch ſeine ihn zukommende Pflicht wiſſen moͤge. An einigen Orten wird am Tage vor der Beerdigung durch einen Herold mit Paucken und Trompeten ſo wohl Vor-als Nachmittages an den freyen Plaͤtzen der Koͤnig - lichen oder Fuͤrſtlichen Reſidentz ausgeruffen, daß die Koͤnigliche oder Fuͤrſtliche Beerdigung folgen - den Tag geſchehen ſoll.
§. 4. Zu dem Leich-Begaͤngniß werden andere Hoch-Fuͤrſtliche Perſonen, ſonderlich von den na - hen hohen Anverwandten meiſtentheils invitiret, und zwar entweder ſchrifftlich oder muͤndlich. SieUerſuchen306I. Theil. XVIII. Capitul. erſuchen dieſelben, ihnen den beſondern Gefallen, dem verblichenen Leichnahm aber die letzte Ehre zu erweiſen, und ſich gegen erwehnte Zeit perſoͤn - lich einzufinden, auch nebſt den uͤbrigen hohen An - verwandten, deren ſie gewaͤrtig, dem Leich-Be - gaͤngniß mit beyzuwohnen. Werden ſie ver - hindert, ſich einzufinden, ſo ſchicken ſie im Nah - men ihrer einen Cavalier, der etwan durch folgen - des Complimens die Entſchuldigungen anbringt: Nachdem Eurer Hoch-Fuͤrſtl. Durchlauchtigkeit gefallen, meinen gnaͤdigſten Herrn und meine gnaͤ - digſte Frau, zur angeſtellten Trauer-Begaͤngniß des Hochſelig verſtorbenen ꝛc. freund-bruͤderlich einzuladen, ſo haͤtten ſie beyderſeits gewuͤnſcht, daß ſie vor dißmahl ſich perſoͤnlich einfinden, und ſol - chen Actui beywohnen koͤnnen, allein es waͤren dieſelben beyderſeits durch viele Verrichtungen und Verhinderungen, ihre gute Intention werck - ſtellig zu machen, abgehalten worden, nichts deſto weniger haͤtten ſie ſeiner wenige Perſon aufgetra - gen, auf anberaumte Zeit bey Jhrer Hoch-Fuͤrſtl. Durchlauchtigkeit ſich einzufinden, um deroſelben Stellen und Vices zu vertreten, und ihn darneben anbefohlen, daß er ſich nach Jhro Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. Geheiß und Willen in allen richten ſoll.
§. 5. Wenn gecroͤnte Haͤupter zu den Exe - quien invitirt worden, ſo ſchicken ſie an ſtatt ihrer meiſtentheils einen Fuͤrſten als Abgeſandten zu die - ſer Trauer-Handlung. Es werden auch an allen Hoͤfen die vornehmſten und groͤſten Miniſtri hier - zu erkieſet.
§. 6.307Von Leich-Begaͤngn. u. Begraͤbniſſen.§. 6. Andere Hoch-Fuͤrſtliche Perſonen / ſie moͤgen nun zu der Leich-Beſtattung invitiret wor - den ſeyn oder nicht, laſſen gar oͤffters, ſo bald als ihnen der Trauer-Fall notificiret worden, in ihrem Lande, um ihre Liebe und Hochachtung gegen den Verſtorbenen an Tag zu legen, bey ihren Unter - thanen mancherley Trauer-Handlungen anſtel - len. Je naͤher ſie ihm mit Anverwandtſchafft oder Freundſchafft zugethan geweſen oder ie mehr ſie ſeine Verdienſte ſchaͤtzen und erkennen, ie haͤuf - figer und ie ſolenner ſind auch die Handlungen, dadurch ſie ſein Gedaͤchtniß verehren. Die Roͤ - miſchen Paͤbſte pflegen gar oͤffters denjenigen Printzen, die ihnen vor andern beſondern Gehor - ſam geleiſtet, und ihr Intereſſe auf mancherley Weiſe befoͤrdert, nach ihrem Tode zu ihren Ehren in dem geheimen Conſiſtorio ſolenne Leich-Re - den zu halten.
§. 7. Es laſſen auch nicht ſelten frembde Mi - niſtri und Abgeſandten an ihren Haͤuſern und Portalen, gewiſſe Illuminationen, die mit beſon - dern Sinn-Bildern, ſo ſich auf den gegenwaͤrtigen Trauer-Fall ſchicken, ausgezieret, zur Abends - Zeit anzuͤnden, um die Betruͤbniß und das Bey - Leyd ihrer Durchlauchtigſten Principalen dadurch oͤffentlich an den Tag zu legen.
§. 8. Es iſt mehr als zu bekandt, daß alle dieje - nigen, die ſich bey der Leich-Proceſſion finden laſ - ſen, in ſchwartzer Kleidung zu erſcheinen pflegen, ſo gar, daß ſich auch kein eintziger von den BedientenU 2der308I. Theil. XVIII. Capitul. der Cavaliers, oder der andern, die mit dabey ſind, in einem bunten Kleide, darff ſehen laſſen, er muͤſte denn weit voraus gehen, oder gantz hinten, nach - dem ſie voͤllig geſchloſſen, nachfolgen. Es iſt alſo etwas beſonders bey dem Leich-Begaͤngniß des Pabſtes Innocentii XII. geweſen, daß die Stall - Bedienten in roth gekleidet mit angezuͤndeten Wachs-Lichtern, und hernach die Laqueyen gleich - falls in roth gekleidet, aber mit dunckel blauen Maͤnteln, und angezuͤndeten Kertzen mitgangen, es muͤſte denn ſolches bey allen Paͤbſtlichen Leich-Pro - ceſſionen gebraͤuchlich ſeyn.
§. 9. Nachdem eine Proceſſion mit beſondern Solennien gehalten werden ſoll, oder nicht, nach - dem werden auch alle die Unterthanen durch ſchrifftliche Befehle beordert, daß ſie in ſtarcker oder ſchwacher Anzahl dabey erſcheinen ſollen; Biß - weilen muͤſſen die Land-Staͤnde, die Dom-Capi - tul, die Collegia, die Univerſitæten, die Geiſtlich - keit, auch wohl gar die Jnnungen / u. ſ. w. in cor - pore, bißweilen aber nur per Deputatos erſcheinen. Bey den Roͤmiſch Catholiſchen pflegen gar offters bey ſolennen Proceſſionen, inſonderheit bey denen die auf die Cleriſey ſehr viel halten, alle die Muͤn - che und Bruͤderſchafften mit zu gehen, als die Au - guſtiner, Bernhardiner, Fratres miſericordiæ, Minoriten, Carmeliter u. ſ. w. So iſt es auch bey denſelben gebraͤuchlich, daß eine groſſe Menge ar - mer Maͤnner und Weiber aus den Hoſpitelern oder von andern Orten her in die Proceſſion mitenge -309Von Leich-Begaͤngn. u. Begraͤbniſſen. eingeſchloſſen werden. Alſo giengen bey den Exe - quien des Churfuͤrſtens zu Pfaltz anno 1716. dreyßig Hauß-Arme mit verhuͤllten Koͤpffen und Maͤnteln, ingleichen 30. Studenten auch mit ver - huͤllten Koͤpffen und Maͤnteln, welche paarweiſe Fackeln trugen. Bey dem Leich-Begaͤngniß Hertzogs Albrechts zu Sachſen wurden 1500 arme Leute zu dreymahlen mit drey Gerichten Bier und Brodt geſpeiſet.
§. 10. Es werden zuweilen bey den Proceſſio - nen eine oder mehr Ehren-Pforten aufgerichtet, durch welche die Leiche und der gantze Trauer-Zug durchpaſſiret. Die Gaſſen werden zu beyden Seiten entweder von der Milice oder von der Buͤr - gerſchafft geſchloſſen, damit die Ordnung von dem neugierigem und andringendem Volck auf keinerley Weiſe etwas gefuͤhret oder getrennet werden koͤn - ne. Unter waͤhrenden Trauer-Zug werden die Glocken in allen Kirchen gelaͤutet, und in allen Haͤuſern wird auf das ſchaͤrffſte anbefohlen, daß ſich keine weder von den Handwerckern noch von andern unterſtehen ſoll, ein Getoͤſe oder Lermen unter waͤhrenden Trauer-Zuge zu machen. Ge - ſchicht eine Proceſſion des Abends, ſo werden die Fenſter auf den Gaſſen bey welchen der Zug vor - bey gehet, allenthalben mit Lichtern erleuchtert.
§. 11. Wird die Hochfuͤrſtliche Leiche von einen Ort zum andern zu ihren Fuͤrſtlichen Erb-Begraͤb - niſſen gefuͤhrt, ſo wird vor der Abfuͤhrung von ei - nem Cavalier gemeiniglich eine Rede gehalten, dieU 3man310I. Theil. XVIII. Capitul. man eine Stand-Rede zu nennen pflegt. Es werden nicht allein in allen Doͤrffern, durch welche der Trauer-Zug paſſiret, ſondern auch in allen um - liegenden, ſo bald ſie die Ankunfft der Leiche von ferne gewahr werden, die Glocken gelaͤutet. Jn den Staͤdten werden nicht allein die Glocken gelaͤu - tet, ſondern es muͤſſen auch die Schule, die Geiſt - lichkeit, und der Magiſtrat ſich vor der Stadt bey Ankunfft der Leiche in Trauer-Kleidern finden laſ - ſen hernach in die Ordnung des Marches mit ein - treten, und mit entbloͤßten Haͤuptern zwiſchen die auf beyden Seiten in Gewehr ſtehenden Buͤrger - ſchafft durchgehen, welche das Gewehr mit aller - hand Trauer-Zeichen, die bey dergleichen Faͤllen unter der Miliz gebraͤuchlich ſind, præſentiren. Aus den Feſtungen werden ſie unter Loßbrennung der Canonen begleitet.
§. 12. Es wird alles nach den vorhergehenden Reglement eingerichtet. Die hinter der Leiche herreitenden Guarden haben nach der gewoͤhnli - chen Trauer-Manier den entbloͤſten Degen unter dem Arm. Der Einzug des Nachts geſchiehet bey Wachs-Fackeln, welche bey der Leiche theils von den Pagen, theils aber von reitenden Guarden du Corps getragen werden. Der Ort, wo die Leiche des Nachts bleiben ſoll, wird mit ſchwar - tzen Tuch behangen, und mit einer genugſamen Menge Wachs-Lichtern verſehen. Die Wache dabey wird entweder von Cavalieren, von Pagen, oder von Trabanten verrichtet; So iſt auch einUnter -311Von Leich-Begaͤngn. u. Begraͤbniſſen. Unterſchied, unter der Wache, die in dem Gemache iſt, in welchem die Koͤnigliche oder Fuͤrſtliche Lei - che niedergeſetzt wird, und unter der Wache auſ - ſerhalb des Gemachs. jene geſchiehet von hoͤ - hern Perſonen, dieſe aber von geringern.
§. 13. Auf fremden Fuͤrſtlichen Grentzen wer - den die Leichen nebſt den Comitat der darzu gehoͤrt, mit einer ſolennen Rede angenommen, und wider biß an die andern Grentzen begleitet, auch der gan - tze Zug Fuͤrſtlichen Gebrauch nach bedienet; Auf die Annehmungs-Rede wird von einen andern unter deſſen Direction die Abfuͤhrung der Hoch - fuͤrſtlichen Leiche geſchiehet, wieder eine Gegen - Rede zu halten.
§. 14. Bey den Proceſſionen ordiniret man unterſchiedliche Marſchalle, die mit verdeckten An - geſichtern und mit ſchwartz uͤberzogenen Mar - ſchalls-Staͤben, theils die Hochfuͤrſtlichen Manns - Perſonen, theils das Hochfuͤrſtliche Frauenzim - mer, theils auch die anderen Corpora und Diviſio - nen der Proceſſion fuͤhren. Nachdem ein Trauer - Zug ſehr weitlaͤufftig iſt, aus vielen Abtheilungen beſtehet, oder nicht, nachdem ſind auch mehr oder wenigere Marſchaͤlle dabey. Uber die Marſchaͤlle ſind bey ſolennen Proceſſionen auch noch beſon - dere Herolde, in ihren Herolds - und Trauer-Habit, mit ihren Herolds-Staͤben, an welche Floͤhre ge - bunden, ingleichen eigene Ceremonien-Meiſter, welche allenthalben die Ceremonien reguliren, und inſonderheit den Leichbegleitern die Plaͤtze und Si -U 4tze312I. Theil XVIII. Capitul. tze in der Kirche anweiſen. Bißweilen wird inti - mirt, das ſich der Land-Adel, oder einige andere bey denen der Rang, den ſie untereinander haben, nicht recht gewiß beſtimmt iſt, ſelbſt nach Gefallen nntereinander ſtellen ſollen.
§. 15. Bey den Hoch-Fuͤrſtlichen Leich-Pro - ceſſionen gehet es mehrentheils wie bey den Ein - zuͤgen / daß die geringern vorweg marchiren, die hoͤhern und vornehmern aber darauf folgen. Der Anfang davon geſchiehet bißweilen mit einem Be - reuter / welchem einige Marſchaͤlle folgen. Biß - weilen macht ein vornehmer Officier den Anfang des Zuges, dem unterſchiedene Regimenter folgen; nach dieſen reitet ein Hof-Fourier mit einem lan - gen Mantel und Flohr auf dem Hut; als denn ma - chen die adelichen Marſchaͤlle die Ouverture mit der Leich-Proceſſion. Es geſchicht auch wohl, daß einige Trabanten mit verkehrten Gewehr vor andern vorweg marchiren, hernach folgen die Fa - ckel-Traͤger, und nach dieſen die Marſchaͤlle. Bey den unterſchiedenen Abtheilungen der Proceſſion kommen wieder, ein Fourier, einige Marſchaͤlle und Herolde. Dieſe letztern ſind nicht allezeit ſchwartz gekleidet, ſondern bißweilen mit einigen bundten Sammet - und verchamerirten Kleidern angethan, die mit dem Fuͤrſtlichen Wapen gezie - ret, und fuͤhren in der Hand Commando-Staͤbe.
§. 16. Die Trompeter und Paucker, die auf unterſchiedene Weiſe mit einander zu wechſeln pfle - gen, laſſen ſich auch bey den Proceſſionen hoͤren,aber313Von Leich-Begaͤngn. u. Begraͤbniſſen. aber mit ſtiller und gedaͤmpffter Muſic. Die Trompeter fuͤhren die ſilbernen Trompeten uͤber den Maͤnteln, die mit Floͤhren angehaͤngt. Manch - mahl reiten auch die Heer-Paucker allein ohne Paucken.
§. 17. Jn Teutſchland iſt es bey den Hoch - Fuͤrſtlichen Leich-Begaͤngniſſen von ſehr vielen Se - culis her gebraͤuchlich geweſen, daß bey Abgang der Landes-Regenten, Freuden - und Trauer - Pferde geritten worden; die Trauer-Pferde zei - gen den ſchmertzlichen Verluſt an, den das Land erlitten; die Freuden-Pferde aber, die Freude der Unterthanen, daß der Abgang des Landes-Regen - tens durch den Succeſſorem wieder erſetzt iſt.
§. 18. Die Freuden-Pferde ſind auf das aller - praͤchtigſte gezieret, mit Schabracken von der hel - leſten Couleur belegt, die mit Silber und Gold, auch wohl gar Edelgeſteinen geſtickt ſind, in Sum - ma, das gantze Pferde-Zeug brilliret mit allen dem - jenigen, ſo in die Augen fallen kan. Auf dem Kopffe und Schweiffe haben ſie groſſe Feder-Buͤſche, die der Couleur nach mit den uͤbrigen harmoniren. Bißweilen werden ſie von einen vornehmen Offi - cier gefuͤhret, und auf der Seite geht ein Reit - Knecht im langen Mantel, und mit der Spieß-Ru - the in der Hand. Bißweilen aber auch von einen Leib-Pagen, einen Cavalier oder Officier geritten. Zu den Freuden-Pferden werden mehrentheils die Springer erwehlet, und muͤſſen in ſteter Action geritten werden.
U 5§. 19.314I. Theil. XVIII. Capitul.§. 19. Der das Freuden-Pferd reitet, hat ei - nen vortrefflich-verguͤldeten und auf das zierlichſte emaillirten Harniſch an, auf dem Haupt ein der - gleichen Caſquet, worauf ein Bouquet mit man - cherley buntfarbigen Blumen, in der rechten Hand einen bloſſen Degen haltend, deſſen Gefaͤß mit Gold und Diamanten beſetzt. Jſt das eine Pferd abgeſondert vom Reuter, und wird nur, wie ich im vorhergehenden gemeldet, dabey hergefuͤhret, ſo iſt dasjenige Pferd, ſo geritten wird, ebenfalls mit Bouqueten von Blumen, an Schabracken, Piſto - len-Halfftern Halffter-Kappen, Hinter - und Vor - der-Zeuge, Zaum und Steigbuͤgeln, mit Gold, Silber und Edelſteinen auf das trefflichſte ausge - putzt. Auf der Seite pflegen entweder ein paar Reit-Knechte, oder mehrentheils ein paar Traban - ten neben herzugehen.
§. 20. Mit dem Trauer-Pferde hat es eine glei - che Beſchaffenheit. Es iſt uͤber und uͤber mit ſchwartzen Boy oder Friſet behangen / an ſtatt der Meenen mit Flohr friſirt, auch unten herum mit Flohr beſetzt. Dieſes wird mehrentheils nicht ge - ritten, ſondern von einem oder ein paar Cavalieren oder Officirern gefuͤhret. Darauf folgt ein Hof - oder Cammer-Juncker, der ein ander Pferd reitet. Das Pferd iſt traurig ausgeputzt, und auf dem Kopff und Schweiff traͤgt es Bouqueter von Blu - men. Der Reuter fuͤhrt einen gantz ſchwartzen Curaß und dergleichen Caſquet, in der rechten Hand den bloſſen Degen, der an einen ſchwar -tzen315Von Leich-Begaͤngn. u. Begraͤbniſſen. tzen Flohr angebunden, und die Spitze unterwaͤrts kehrt.
§. 21. Hierbey ſind auch Freuden - und Trauer - Fahnen. Die Freuden-Fahne iſt von der helle - ſten bunten Couleur, und muß mit den Farben der Schabracke des Freuden-Pferdes accordiren. Sie iſt mit goldenen und ſilbernen Frangen, auch dergleichen Banderolen reichlich beſetzt, worauf ſchoͤne Deviſen geſtickt, die ſich zu der Trauer - Handlung ſchicken, und wird gemeiniglich von ei - nem vornehmen Kriegs-Officier, als von einem Obriſten u. ſ. w. getragen. Die Trauer-Fahne iſt von ſchwartzen Doppel-Taffet, rings umher mit Flohr dichte friſirt, wird ebenfalls von einem Obriſten getragen.
§. 22. Zuweilen ſind, uͤber die groſſe und ſolenne Trauer - und Freuden-Fahne, auch noch unterſchie - dene andere Freuden-Fahnen von weiſſen Taffet, ingleichen einige mit ſchwartzen Taffet, darinnen die Hochfuͤrſtlichen Wapen geſtickt, oder darauf angehefftet. Bey der Proceſſion groſſer Kriegs - Helden, zumahl wenn ſie in der Bataille geblieben, wird auch noch eine Blut-Fahne von dunckel ro - then oder couleur de feu Taffet oder Damaſt gefuͤhrt, ingleichen das Bataillen-Pferd, welches eine propre Schabracke von couleur de feu Sammet traͤgt, und mit lauter Armaturen und Kriegs-Ruͤſtungen verſehen. Die Houſſe, Sat - tel und Piſtolen-Halfftern die Steigbuͤgel, der Zaum, das Hinter - und Voͤrder-Zeug ſind mitGold,316I. Theil. XVIII. Capitul. Gold, Silber, Diamanten, Schmaragden und Rubinen auf das reichſte beſetzt. Zur Seiten ge - hen ein paar Reut-Knechte in langen Maͤnteln, und mit Spieß-Ruthen in Haͤnden.
§. 23. So viel Landſchafften die Landes-Re - genten in ihren Tituln fuͤhren, ſo viel Wapen wer - den auch bey ihren Proceſſionen geſehen, die auf unterſchiedene Weiſe angebracht werden. Ge - meiniglich geſchiehet ſolches in beſondern Fahnen, ſo von den Cavalieren entweder zu Fuß oder zu Pferde gefuͤhret werden. Bißweilen wird das gantze Koͤnigliche oder Chur-Fuͤrſtliche Wapen, ſo von Kupffer oder Silber getrieben, und rings herum mit allerhand Kriegs-Ruͤſtungen gezieret iſt, von unterſchiedenen vornehmen Cavaliers, oder wohl gar von Cavalieren getragen, denen einige junge von Adel zu Huͤlffe gegeben werden.
§. 24. Das tragen der Koͤniglichen / Churfuͤrſt - lichen und Fuͤrſtlichen Inſignien, iſt eine Haupt - Solennitæt bey dergleichen Leich-Proceſſionen. Es beſtehen ſolche in unterſchiedenen Stuͤcken, die nach dem Unterſcheid der Koͤniglichen, Churfuͤrſt - lichen und Fuͤrſtlichen Dignitæten, und dem Un - terſchied der Hoͤfe, und deren Obſervanzen unter - ſchieden ſind. Es ſind ſolche gemeiniglich Cronen und Scepter, nebſt den Reichs-Aepffeln, Chur - und Fuͤrſten-Huͤte, die Chur-Schwerdter, die Majeſtaͤts-Siegel, die mit mancherley plamen be - ſetzten Casquetes, die Regiments - und Commando - Staͤbe, und die Ordens-Zeichen, die ſie von an -dern317Von Leich-Begaͤngn. u. Begraͤbniſſen. dern erhalten. Bey den Reichs-Grafen ſind die Inſignien, die verguͤldeten Spohren, verguͤldeten Casquetes, der Harniſch, die verguͤldeten Hand - ſchuhe und der Degen.
§. 25. Dieſe Inſignien ſind auf mancherley Art entweder auf eine traurige oder koſtbahre Weiſe mit Flohr, oder Sammet, oder Gold, Silber, und Edelſteinen ausgeputzt, und werden nach den Ge - braͤuchen, die an einem ieden Ort eingefuͤhret, ent - weder in goldenen oder ſilbernen Kaͤſtlein, oder auf Sammeten mit Gold oder Silber geſtickten Kuͤſ - ſen von den vornehmſten und hoͤchſten Officianten des Reiches oder des Hofes getragen, und von ei - nigen neben her gehenden Trabanten begleitet.
§. 26. Die Leichen-Tuͤcher, ſo uͤber den Sarg ausgebreitet, beſtehen gemeiniglich in einem weiſ - ſen Taffeten und ſchwartzen Sammeten. Zuwei - len ſind ſie mit Gold und Silber auf das praͤch - tigſte geſtickt, bißweilen aber gantz ſchlecht. Manch - mahl iſt auch wohl noch uͤber die andern Leichen - Tuͤcher ein gantz brocaten Leich-Tuch. An den Leichen-Tuͤchern und an den ſchwartz Sammeten Baldachins ſind die Wappen des Hoch-Fuͤrſtli - chen Hauſes zu ſehen. Die Schnur des Him - mels oder Baldachins pflegen von vornehmen Ca - valieren getragen zu werden, wie auch die Stan - gen. Die vier Ecken des Leichen-Tuches wer - den ebenfalls von Cavalieren oder Officirern in der Proceſſion ergrieffen, und werden dieſe Poſte vor places d’honeur gehalten. Wenn ſie naͤher andie318I. Theil. XVIII. Capitul. die Kirche ruͤcken, ſo pflegen bißweilen noch hoͤhere Reichs-Hof - oder Krieges-Officianten die vier Ecken des Leichen-Tuchs zu ergreiffen.
§. 27. Die Leiche wird von 6. oder 8. Pferden gezogen, die gantz langſam fort gehen, ſo daß ſie ſich nur zu ruͤhren ſcheinen; Die Pferde ſind gantz mit ſchwartzen Boy oder Sammet uͤberhangen, auf den Pferde-Decken ſind die Wapen des Koͤ - niglichen oder Fuͤrſtlichen Hauſes auf manch erley Weiſe angebracht; bißweilen ſind auch ſo gar bey den Pferden auf den Stirnen Wapen zu ſe - hen, ein iedes Pferd wird von einem vornehmen Officier gefuͤhret, neben dieſen gehen acht Reit - Knechte in langen Maͤnteln mit Spießruthen in Haͤnden, und auf beyden Seiten der Leiche 24 vornehme Cavaliers, bißweilen auch weniger, oder auch eine gewiſſe Anzahl Trabanten mit langen Maͤnteln, und ſchwartzen uͤberzogenen Partiſanen, ſo die Spitzen unterwerts gekehrt.
§. 28. Hinter der Leiche kommen Marſchaͤlle mit Viſiren und uͤberzogenen Staͤben, wiewohl die Viſirs nicht allenthalben gebraͤuchlich, in den vorigen Zeiten ſind ſie mehr in Gebrauch geweſen, als in den ietzigen. Darauf folgen die Hoch - Fuͤrſtlichen Leidtragenden Manns-Perſonen, de - ren Maͤntelſchleppen von Hof-Cavalieren getra - gen werden. Je naͤher ſie der Hoch-Fuͤrſtlichen verſtorbenen Perſon verwandt geweſen, ie naͤher ſind ſie der Leiche. Sie werden von großen Mi - niſtris und vornehmen Cavaliers begleitet, undTra -319Von Leich-Begaͤngn. u. Begraͤbniſſen. Trabanten gehen ihnen zur Seit. Je hoͤher die Hoch-Fuͤrſtlichen Perſonen unter ſich am Range und andern Umſtaͤnden, deſto groͤſſer iſt die An - zahl der Trabanten, ſo neben ihnen her gehen, ie hoͤher ſind auch die Officianten, ſo ihnen die Schleppen tragen, ſo, daß bißweilen groſſe Gene - rals dazu genommen werden. Den Durchlauch - tigſten Manns-Perſonen folgen die groſſen Mini - ſtri und Hof-Cavaliers, auch die Collegia, nach ih - rer Rang-Ordnung, von den oberſten biß auf den unterſten.
§. 29. Das Durchlauchtigſte Leid-tragende Frauenzimmer wird ebenfalls von hohen Stan - des-Perſonen, von Printzen, Grafen oder hohen Miniſtris gefuͤhret, und ſolget denen vor ſie be - ſtimmten Marſchaͤllen. Die Schleppen werden ihnen von Hof-Cavalieren getragen, und gehen auch Cavaliers hinter ihnen her. Auf beyden Sei - ten aber Trabanten. Dafern ſich bey einer Koͤ - niglichen oder Chur-Fuͤrſtlichen Leich-Proceſſion Graͤfinnen mit befinden, ſo iſt bey ihnen dieſe Di - ſtinction, daß ihnen keine Trabanten zur Seite gehen, daß ſie von keinen Cavalieren gefuͤhret wer - den, kein Cavalier ihnen die Schleppen nachtraͤgt, und auch keiner ihnen folget. Hinter dem Durch - lauchtigſten Frauenzimmer folget das Adeliche Frauenzimmer / als erſtlich die Hoch-Fuͤrſtliche Frau Hofmeiſterin nebſt den Hof-Dames, und hernach das andere Frauenzimmer nach ihren re - ſpective Maͤnnern und Vaͤtern.
§. 30.320I. Theil. XVIII. Capitul.§. 30. Jſt eine Proceſſion ſehr groß und weit - laͤufftig ordonirt, ſo gehen nicht allein alle Magi - ſtrats-Perſonen, Advocaten, und die gantze Buͤr - gerſchafft einer Koͤniglichen oder Fuͤrſtlichen Reſi - dentz mit, ohne den Adel, und die Deputirten aus den fremden Provintzien, ſondern es marchiren auch wohl ein oder etliche Regimenter von der Mi - lice mit, die ihr Gewehr nach Trauer-Manier ver - kehrt, und ihre Spieſe verdeckt fuͤhren.
§. 31. Zuweilen werden auch in der Proceſſion ſehr viel Hand-Pferde von den Stall-Bedienten mit zugleich gefuͤhret, die alle mit Trauer-Scha - bracken belegt, auf welchen das Koͤnigliche oder Fuͤrſtliche Wapen geſtickt zu ſehen; wiewohl die - ſes in den vorigen Zeiten noch gebraͤuchlicher gewe - ſen, als in den ietzigen. Bey der Leich-Proceſſion Chur-Fuͤrſtens Chriſtiani II. zu Sachſen wurden alle Pferde, die dabey mit gefuͤhret worden, mit Nahmen benennet, als der lichtbraune Altvater, der ſchwartzbraune Merſeburger, die alte Schecke, der graue Patron, der kleine Fahle u. ſ. w. S. die Ordnung der Leich-Proceſſion in M. Hauſens glo - rieuſen Buſtis Electorum Saxoniæ p. 1246.
§. 32. Es iſt von vielen Seculis her gebraͤuchlich geweſen / daß bey dem Hochfuͤrſtlichen Begraͤbniſ - ſen mancherley Muͤntzen ausgetheilet werden, es geſchicht ſolches nicht allein bey Koͤniglichen und Churfuͤrſtlichen, ſondern auch bey Reichs-Graͤfli - chen Exequien, da die Reichs-Grafen des Recht haben Muͤntzen zu praͤgen. Alſo wurdenbey demBegaͤng -321Von Leich-Begaͤngn. u. Begraͤbniſſen. Begaͤngniß des letzten Grafens zu Mannsfeld Jo - hann Georgens III. Muͤntzen in vielerley Sorten nemlich in Thalern, halben Thalern, Ortsthalern und Groſchen unter die Geiſtlichkeit, Schul-Be - dienten und allen bey der Proceſſion Anweſenden ausgetheilet. Manchmahl ſind es currente Land - Muͤntzen, bißweilen aber auch nur bloſſe Medaillen und Schauſtuͤcke. An einigen Orten werden ſie von denen Herolden unter das gemeine Volck aus - geworffen.
§. 33. Der Schluß der Leichen-Proceſſion be - ſtehet bey ſolennen Proceſſionen eines groſſen Herrn, meiſtentheils in einem Regiment oder Com - pagnie Milice, bißweilen in der Buͤrgerſchafft, oder in armen Leuten, und kan man hiervon keine gewiſ - ſe Regel geben, maßen die abwechſelnden Ord - nungen der Diviſionen oder Coͤrper, aus denen eine Proceſſion beſteht, auf vielfache Weyſe von einan - der unterſchieden.
§. 34. So bald die Proceſſion in die Kirche kommt, werden ſie von den beſonderen Ceremo - nien-Meiſtern oder von den Marſchallen nach ih - rem Stande und Rang, um der Leichen-Predigt und den Gottesdienſt mit beyzuwohnen, auf die Empor-Kirchen, oder in die Kirchen-Staͤnde pla - cirt, und der Gottesdienſt eroͤffnet ſich mit Abſin - gung der gewoͤhnlichen Sterbe-Geſaͤnge bey den Evangeliſch Lutheriſchen, und Anſtimmung beſon - derer Trauer-Cantaten, unter einer lieblichen, be - weglichen und gedaͤmpfften Trauer-Muſic.
X§. 35.322I. Theil. XVIII. Capitul.§. 35. Die Leich-Predigten ſind bey den Koͤ - niglichen und Hochfuͤrſtlichen Perſonen von Zeit der Reformation an unter den Evangeliſch Lutheri - ſchen in Gebrauch geweſen, und ſind deren man - chen Potentaten wohl zwantzig / dreyßig und noch mehr gehalten worden. Der theure Churfuͤrſt Auguſtus zu Sachſen und ſeine Gemahlin haben 46 Leich-Predigten bekommen. Jn den vorigen Zeiten findet man bey den wenigſten Leich-Pre - digten Perſonalien, und ſcheinet es, daß dieſelben nur erſt im XV Seculo aufkommen.
§. 36. Nachdem nun die Prediger Hertz und Muth haben, oder allzu groſſe Menſchen-Furcht und Heucheley beſitzen, oder nachdem ſie ſich Men - ſchen gefaͤllig machen wollen, nach dem erzeigen ſie ſich in Ausbreitung des Lobes der verſtorbenen Fuͤrſten-maͤßig oder unmaͤßig. Rechtſchaffene Lehrer und Prediger beobachten auch hiebey die Pflichten, die ſie als Diener Gottes, GOtt und ihren Gewiſſen ſchuldig, und zugleich die Pflichten, die ſie als treue und devote Unterthanen ihren ver - ſtorbenen Landes-Fuͤrſten und ihrer gegenwaͤrti - gen Landes-Herrſchafft abzuſtatten haben. Der ſelige D. Martin Luther ſagt in ſeiner Leich-Pre - digt, die er dem Chur-Fuͤrſten zu Sachſen Johan - nes dem Beſtaͤndigen gehalten: Wir wollen un - ſern lieben Herrn nicht ſo gar rein machen, wie - wohl er ein ſehr frommer freundlicher Herr gewe - ſen iſt, ohn allen Falſch, indem ich noch nie mein Lebenlang einigen Stoltz, Zorn noch Neid an ihmgeſpuͤh -323Von Leich-Begaͤngn. u. Begraͤbniſſen. geſpuͤhret, der alles leichtlich tragen und vergeben konnte, und mehr denn zu viel milde geweſen iſt. Dieſe Tugend laß ich ietzt fallen, ob er darneben zuweilen im Regiment gefehlet hat; wie ſoll man ihm thun? ein Fuͤrſt iſt auch ein Menſch, und hat allewege zehn Teufel um ſich her, wo ſonſt ein Menſch nur einen hat, daß ihn GOtt ſonderlich muß fuͤhren. Es ſind auch ſehr vernuͤnfftige Wor - te die ein gewiſſer Chur-Fuͤrſtlicher Hof-Prediger in der Leich-Predigt, ſo er einem groſſen Chur-Fuͤr - ſten gehalten, vortraͤgt: Es muß ein Unterſchied zwiſchen Hof-Predigern und Hof-Fuchsſchwaͤn - tzern bleiben; und wie wir groſſen Herren im Leben offt muͤſſen ſagen, was ſie nicht gerne hoͤren, ſoll an - ders ihr Blut nicht von unſern Haͤnden gefordert werden; Alſo koͤnnen wir auch nach dem Tode, was Unrecht iſt, nicht zu Recht und Tugend ma - chen. Gleichwohl iſts auch nicht unbillig, daß, was GOtt aus Gnaden bedeckt, und dort nicht mehr vorſuchen will, wir auch in Chriſtlicher Liebe ſchweigen, und ſein Werck hingegen aus ſchuldiger Danckbarkeit gegen GOtt und hertzlicher Liebe ge - gen die hohe Obrigkeit preiſen ſollen.
§. 37. Bißweilen pflegt anbefohlen zu werden / daß an eben dem Tage, da dem Hoch-Fuͤrſtli - chen Landes-Vater in der Reſidentz die Exequien gehalten werden, auch in allen Staͤdten, und in allen Dorff-Kirchen des gantzen Landes, ihm Leich-Predigten und ſolenne Proceſſionen ge - ſchehen.
X 2§. 38.324I. Theil. XVIII. Capitul.§. 38. Wird die Leiche in die Hoch-Fuͤrſtliche Grufft eingeſenckt, ſo werden bißweilen die Trom - peten dabey geblaſen, und die Paucken geſchlagen, auch die Canonen abgefeuert; und von der Mili - ce eine Salve gegeben. Jedoch pflegt dieſes nicht allenthalben zu geſchehen. Es wird auch gar off - ters die Fuͤrſtliche Leiche unter Muſicirung des in der gantzen Evangeliſchen Kirche eingefuͤhrten Lie - des, Mit Fried und Freud ich fahr dahin, einge - ſenckt. An einigen Orten werden zu der Zeit da die Leiche ſoll eingeſenckt werden, alle die Lichter in der Kirche mit aller Vorſichtigkeit ausgeloͤſcht, und es werden auf beyden Seiten der Kirche, Reyhen von Trabanten geſchloſſen, damit das eindringende Volck allenthalben abgehalten werde. Vornehme Hof-Cavaliers oder Officiers muͤſſen nebſt den Werckmeiſtern und andern geringern Subalternen helffen die Leiche in die Grufft ſen - cken.
§. 39. An der Grufft werden zuweilen rechte Portails aufgebauet, mit den ſchoͤnſten Arcaden, Pilaſtren, Statuen, Sinnbildern und Inſcriptio - nen ausgezieret, und hin und wieder Cypreſſen - Baͤumen, Urnen und andere Todten - und Trauer - Geraͤthe aus der Antiquitæt mit angebracht. Jn Franckreich ſollen der Ober-Hof-Meiſter von Franckreich nebſt den Haus-Hof-Meiſtern, ihre Staͤbe zubrechen, ſolche in die Grufft werffen, und ſo dann uͤberlaut ruffen: Der Koͤnig iſt ge - ſtorben. Der Wapen-Koͤnig ſoll die Worte:Der325Von Leich-Begaͤngn. u. Begraͤbniſſen. Der Koͤnig iſt geſtorben, laſt uns alle vor die Ruhe ſeiner Seelen bitten, dreymahl wiederhoh - len. Hierauf verrichtet man ein Gebeth, und end - lich rufft der Wappen-Koͤnig dreymahl uͤberlaut: Es lebe Koͤnig N. N. Die gantze Verſammlung thut desgleichen, und hierauf erſchallen Trompe - ten und Paucken. Bey dem Abſterben Printz Georgens von Dennemarck, der Koͤnigin Annæ in Engeland Gemahls, haben unter andern Cere - monien auch diejenigen Beamten, welche weiße Staͤbe trugen, dieſelben zubrochen und auf das Grab geworffen. S. den 84 Theil der Europaͤi - ſchen Famæ p. 919.
§. 40. Stirbt ein Fuͤrſt oder Herr, der der letzte von derſelben Familie, ſo wird bey dem Grabe der Regiments-Stab zerbrochen, das Siegel entzwey geſchnitten, des Hertzogs Hut ſammt der Trauer - Fahne entzwey geriſſen, und zugleich mit in des Fuͤrſtens Grab gelegt. Bißweilen werden die Worte darzu gefuͤgt, heute Fuͤrſt N. N., mit Vermeldung des gantzen Fuͤrſtlichen Tituls, und morgen nimmermehr, zum Zeichen daß kein ein - tziger mehr von dieſen Stamm und Nahmen mehr uͤbrig ſey.
§. 41. Die Zerbrechung des Wapens und Schildes bey dem Begraͤbniß derer, ſo die letzten eines Stammes und Nahmens ſind, iſt ſchon von langen Zeiten her ein Gebrauch geweſen. Es ge - dencket ein alter Hiſtoricus in den 11. Articul des 1ſten Theils von Struvens hiſtoriſch-politiſchenX 3Archiv326I. Theil. XVIII. Capitul. Archiv p. 177, daß mit dem letzten Burggrafen zu Leißnick Hugone, der Anno 1538. verſtorben. Schild und Helm, Pantzer, Kragen, Schwerdt Spieß und Meſſer, ſammt aller ritterlichen Wehr und Zierde dieſes loͤblichen Geſchlechts gantz und gar aufgehoben, in das Grab geworffen, und zu - gleich mit ihm eingeſcharret worden, zu einer An - zeigung daß nunmehr dieſes herrliche, alte, edle und hochloͤbliche Geſchlecht gantz dahin waͤre.
§. 42. Der Schild, Helm und Siegel werden zwar zubrochen, und ins Grab geworffen, nichts deſto weniger aber werden ein anderweitiges Schild, Helm, Commandir-Stab und Fahne in der Kirche, wo das Begraͤbniß iſt an unterſchie - denen Orten zum Andencken angehefftet. An an - dern Orten iſt die lobwuͤrdige Gewohnheit, damit den Nachkommen das Gedaͤchtniß des Wapens nicht entzogen werden moͤge, daß auf das Grab - mahl das Wapen verkehrt eingehauen, und der Schild gleichfalls verkehrt aufgehaͤngt wird.
§. 43. Wenn die Unterthanen vor ihre Landes - Regenten ſehr viel Liebe und Devotion gehabt, ſo hegen ſie auch vor Dero Graͤber eine beſondere Hochachtung, und verehren ſie, wie ſonderlich aus der alten Hiſtorie bekandt iſt, auf mancherley Art und Weyſe. Jnſonderheit iſt die Veneration des Roͤmiſch Catholiſchen Poͤbels gegen die Paͤbſte ſo groß, daß man oͤffters ihre Graͤber verbauen muß, weil ſich taͤglich viel Leute finden, welche daſelbſt auf den Knien liegen, und ihr Gebeth abſtatten,und327Von Leich-Begaͤngn. u. Begraͤbniſſen. und muß man bißweilen beſorgen, es moͤchte ihren Graͤbern, oder gar ihren Coͤrpern ſelbſt Gewalt wiederfahren, und die Stuͤcken an ſtatt der koſt - bahren Reliquien gebraucht werden.
§. 44. Viel groſſe Herrn die ihre Ehgatten ſehr zaͤrtlich geliebet, haben, da ſie ſich ihre Graͤber ver - fertigen laſſen, ausdruͤcklich verlangt daß ihre Ge - mahlinnen ihnen beygeſellet werden woͤchten. Da ſich Churfuͤrſt Johann Fridrich zu Sachſen in der Schloß-Capelle zu Torgau ein ſchoͤn Begraͤbniß machen laſſen, ſo befahl er bey Verfertigung ſeines Grabes dem Secretario ſeiner Gemahlin, Johann Rudolphen, er ſolte den Maͤurern ſagen, ſie ſolten ihm auch bey ſeiner Gemahlin einen Platz machen / denn er wolte ihr bald nachfolgen, und bey ihr ru - hen. S. Rudolphi Gothæ Diplomaticæ I. Theil p. 461.
§. 45. Jm XI. XII. und XIII. Seculo war es grand mode, daß die Biſchoͤffe und andere groſſe Herren ihre Bildniſſe wie ſie hergangen, mit vol - len Wapen auf ihre Graͤber hauen lieſſen. So war es auch in dieſen und folgenden Seculis ſehr gebraͤuchlich, daß die Fuͤrſtlichen Epitaphia mit halb teutſchen und halb lateiniſchen Grabſchrifften verſehen worden: Z. E. Hier liegt ein Fuͤrſte loͤbe - lich, quam vulgus flebile plangit, von Meiſſen Marggraf Friderich, cujus inſignia pangit &c. Jn den ſechzehenden Jahrhundert hoͤrten dieſer Art Grabſchrifften auf, und da erfolgten nachge - hends entweder gantz lateiniſche oder teutſche inX 4proſa328I. Theil. XIX. Capitul. proſa oder in Reimen, und hat man von dergleichen gantze Volumina angefuͤllt.
§. 1.
Es iſt unter den groſſen Herren, ob ſie ſchon einander mit naher Anverwandtſchafft eben nicht zugethan, gar gewoͤhnlich daß ſie einander die Trauer-Faͤlle, die ſich in ihren Hoch-Fuͤrſtlichen Haͤuſern zutragen, notifi - ciren. Doch geſchiehet dieſes eben nicht an alle ohne Unterſchied, ſondern an diejenigen, die an Di - gnitaͤten nicht allzu weit von ihnen entfernet, mit de - nen ſie bekandt ſind, vor die ſie eine beſondere Liebe und Hochachtung hegen, mit denen ſie in einiger Verbindung ſtehen, und mit denen ſie auch ſonſt in einiger Correſpondence ſind.
§. 2. So bald die Notifications-Schreiben einlauffen, ergehet alſobald die Antwort wieder darauf. Sind ſie nah mit ihnen verwandt, oder haben einen beſondern Egard und groſſe Ergeben - heit vor ſie, ſo ſchicken ſie ein eigenhaͤndiges Ant - wort-Schreiben an ſie ab. Es iſt auch unter den Evangeliſchen Fuͤrſten gar gewoͤhnlich, daß ſie den andern die gehaltenen Leich-Predigten zuſchicken. Dieſe329Von Hof - und Land-Trauern. Dieſe dancken in dem Antwort-Schreiben vor die uͤbermachten Leich-Predigten, und verſichern, daß ſie ſothane Trauer-Schrifften nicht nur zu ſchuldi - gen Ehren Seiner hochſeeligen Liebden durchſehen, ſondern auch zu Dero ſteten Andencken verwahr - lich beyzubehalten, ſich angelegen ſeyn laſſen wol - len.
§. 3. Nach eingekommenen Notification-Schrei - ben wird die Trauer bey Hofe, nach dem Unter - ſchied der nahen Anverwandtſchafft oder andern Conſiderationen, auf eine kuͤrtzere oder laͤngere Zeit angelegt. Bißweilen dauren die Trauern nur ein ſechs Wochen oder ein Viertel-Jahr, und dieſe werden insgemein die Cammer-Trauern ge - nennet, bißweilen aber auch ein halbes und ein gantz Jahr.
§. 4. Es iſt nicht ungewoͤhnlich, daß die groſſen Herren einander betrauren, ob ſie