PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Beſchreibung ſeiner Reiſen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutſchland und Italien; in Beziehung auf Menſchenkenntnis, Induſtrie, Litteratur und Naturkunde inſonderheit.
Erſter Theil.
Leipzig,bei Friedrich Gotthold Jacobaͤer und Sohn,1783.

Dem Durchlauchtigſten Prinzen und Herrn, HERRN Friedrich, Marggraven zu Baaden und Hachberg, Landgraven zu Sauſenberg, Graven zu Hanau, Sponheim und Eberſtein, Herrn zu Roeteln, Badenweiler, Lahr, Wahlberg und Kehl u. ſ. w. Ritter des weiſſen Adlers - und des Stanis - laus Ordens, wie auch des Ordens de la Fidelité gebohrnem Ritter, General-Majorn der vereinig - ten Niederlande und Obriſten des Schwaͤ - biſchen Kreiſes. Meinem Gnaͤdigſten Prinzen und Herrn.

Durchlauchtigſter Prinz, Gnaͤdigſter Prinz und Herr,

Eure Hochfuͤrſtliche Durch - laucht haben meinen ſeeligen Sohn immer mit ſo huldreicher Herab - laſſung behandelt, und ihm ſo mannig -a 3faltigefaltige Gnade bewieſen, daß ſein Herz bis in die letzten Tage ſeines Lebens die lebhafteſte Dankbarkeit daruͤber em - pfand und oft durch fromme Wuͤnſche und andaͤchtige Fuͤrbitte ſo ſtark aͤuſſer - te, als nur ſeine Schwachheit geſtattete.

Nie werde ich vergeſſen, wie ſehr er Euer Hochfuͤrſtlichen Durch - laucht heiſſe Begierde, den groſſen Herrn aller Herren aus ſeinen vortref - lichen Werken der Allmacht, der Weis -heitheit und der Guͤte immer beſſer zu er - kennen und Dero warme Anhaͤng - lichkeit an unſern allerheiligſten Glau - ben ruͤhmte und wie ſehr viel aͤhn - liches wuͤrde ich noch anfuͤhren, wenn Euer Hochfuͤrſtliche Durch - laucht bey der gegebenen Gnaͤdigſten Erlaubniß, einen Theil ſeiner noch in Druck kommenden Aufſaͤtze, mit De - ro preißwuͤrdigen Namen, wie hiemit geſchieht, zu zieren, mir nicht beſtimmt befohlen haͤtten, alles, was den Scheina 4einereiner Lobrede haben koͤnnte, wegzulaſ - ſen, und wenn nicht auch in dieſem Fall Gehorſam allen noch ſo ſchuldigem und noch ſo reinem Opfer vorgehen muͤßte.

Dringendere Wuͤnſche, Durch - lauchtigſter Prinz, fuͤr Dero Wohlfarth und Zufriedenheit, als mei - ne ganze Seele thut, ſind kaum moͤg - lich, und der Fall iſt gewislich ſelten, da man in ſolcher Zuverſicht, als die meinige, Gott Lob! iſt, mit bibliſchenWortenWorten ſprechen darf: Der Herr ge - be dir, was dein Herz, dein Gotter - gebnes Herz begehrt! Und ſo geht es recht nach dem Wunſch der Groſſen der wahrhaftig Groſſen in der Welt.

Meine ehrerbietigſte zu Gnaden - Empfehlung laͤßt ſich uͤbrigens in Ab - ſicht der Sehnſucht und Staͤrke mit Nichts als mit der vollkommenſten, und, welches mit Gnaͤdigſter Erlaub - niß geſchrieben ſeyn ſoll, mit der zaͤrt -a 5lichſtenlichſten Ehrfurcht vergleichen, in wel - cher ich bis an das Ziel meines dem En - de ſich ſehr merklich nahenden Lebens beharre

Euer Hochfuͤrſtlichen Durchlaucht Koendringen, den 22. September 1783. unterthaͤnigſt gehorſamſter Nicol. Chriſtian Sander.

Vorbericht des Herausgebers.

Durch die hier ans Licht tretende vollſtaͤn - dige, und einzige aͤchte, Ausga - be aller Reiſen des ſeel. Prof. Sander’s wird nun das ſchon bei deſſen Leben von den Freunden ſeiner Schriften, und wie viele ſind deren nicht? oft und laut geaͤußerte Verlangen nach der Bekantmachung derſelben, geſtillt.

In der That konnte auch nicht leicht ein Wunſch gerechter ſeyn, da man wohl ſchwerlich,we -Vorberichtwenigſtens in Deutſchland, eine Reiſebeſchrei - bung wird aufweiſen koͤnnen, in der das Lehr - reiche und Nuͤtzliche mit dem Unterhaltenden und Mannichfaltigen auf eine angenehmere Art ab - wechſelte. Sander’s weitumfaſſender Be - obachtungsgeiſt blieb nicht blos bei Einem Ge - genſtande ſtehen. Daher wird auch beinahe jede Gattung von Leſern bei dieſem Buche ihre Rechnung finden. Den Menſchenforſcher wer - den haͤufige, oft mit eben ſo vieler Wahr - heitsliebe, als Freimuͤthigkeit entworfene Schilderungen der Karaktere ganzer Nationen ſowohl, als einzeler Perſonen, und Bemerkun - gen uͤber ihre Vorzuͤge und Gebrechen, uͤber ih - re gute und boͤſe Seite, intereſſiren. Der Na - turkuͤndiger wird neue Beobachtungen uͤber die Naturgeſchichte der vom Wohlſeel. bereiſten Laͤn - der mit umſtaͤndlichen Nachrichten von den von ihm beſehenen Naturalienkabinettern antreffen; eine Eigenſchaft, welche dieſes Buch dem in glei - cher Abſicht reiſenden Naturforſcher zum beinahe unentbehrlichen Handbuche macht. Eben ſo wenig wird es der Litterator, der Kunſtfreund,derdes Herausgebers. der Kameraliſt ꝛc. unbefriedigt aus der Hand legen. Aber auch der Leſer, dem’s bei ſeiner Lektuͤre blos um vernuͤnftige Unterhaltung zu thun iſt, und dem der Himmel ein fuͤhlbares Herz verlieh, wird durch gewiſſe allgemeine Be - trachtungen, in die ſich des guten Sander’s menſchenfreundliches und wohlwollendes Herz nicht ſelten ergießt, aufs angenehmſte uͤberraſcht und zum Mitgefuͤhl erwaͤrmt werden. Doch genug vom Lobe eines Buchs, das durch ſeinen innern Werth alle Empfehlung des Herausge - bers uͤberfluͤſſig macht. Alſo nur noch ein Paar Worte von des Letztern Bemuͤhungen bei der Bekanntmachung dieſes Werks. Die vom ſeel. Verfaſſer durchgaͤngig mit eigner Hand geſchrie - bene Handſchrift, war, wie ſie die Hrrn. Verle - ger aus ſeinem Nachlaſſe von ſeinem Hrn. Vater erhielten, ſchon ſo vollkommen ausgearbeitet und zum Drucke zubereitet, wie er ſie bei laͤngerm Le - ben bald ſelbſt*)Dies beſagt einer ſeiner Briefe an die Herren Ver - leger vom 8. Febr. 1782. worin er ihnen die Heraus - gabe ſeiner Reiſen, zu denen ihn das Publikum ſo ſehr auffordere, anzeigt. wuͤrde herausgegeben haben. AlſoVorbericht des Herausgebers. Alſo einige wenige unbedeutende Schreibfehler aus ſichern Quellen zu berichtigen und dann fuͤr korrekten Druk Sorge zu tragen, war alles, was ihm dabei noch zu thun uͤbrig blieb. Ob er ſich einige hier und da beigefuͤgte Anmerkun - gen haͤtte erſparen koͤnnen, uͤberlaͤßt er einſichts - vollen Leſern zu entſcheiden. Die vom ſeel. Ver - faſſer an ſeinen Hrn. Vater gerichtete Zueignung dieſer Reiſebeſchreibung, welche ſich vor der Handſchrift befand, hat man hier ebenfalls mit abdrucken laſſen, weil ſie einen Beweis ſeines tugendhaften Wandels und ſeiner zaͤrtlichen Kin - desliebe abgibt, ſeine Freunde ſie alſo gewis mit Zufriedenheit leſen werden. Um auch derſelben haͤufiges Verlangen nach ſeiner Lebensbeſchrei - bung zu erfuͤllen, ſoll dem zweiten Theile, der in laͤngſtens vier Wochen von jetzt an, die Preſſe gewis verlaſſen wird, eine kurzgefaßte vorgeſetzt werden. Geſchrieben am 20. Okt. 1783.

An

An meinen Vater.

b

Leſen Sie hier, beſter, zaͤrtlicher Vater, das Tagebuch meiner Wanderungen. Ihnen bin ich dieſe Nachrichten ſchuldig, und ich ha - be jeden Tag ſo gelebt, als wenn ich alle Aben - de zuruͤck kommen, und Ihnen Rechenſchaft geben muͤſte. Wenn Sie’s dann leſen, und mir wieder geben, und etwan einem Ihrer Freunde ſagen: Es reut mich nicht, daß ich ihm das Geld gab ach das iſt Luſt fuͤr mein Herz und ſuͤſſe Belohnung fuͤr jedeUnruheUnruhe und Muͤhe. Glauben Sie das Ih - rem juͤngſten Sohne, beſter, zaͤrtlicher Vater, und leben Sie noch lange von Gott fuͤr jede Liebe gegen Ihre Kinder belohnt und geſeg - net.

Heinrich Sander.

Heinrich
[1]

Heinrich Sander’s Tagebuch ſeiner Reiſe durch Frankreich, die Niederlande und Holland, in den Jahren 1776. und 1777.

Olim meminiſſe iuuabit.
A[2][3]

Reiſe von Carlsruhe uͤber Raſtadt nach Strasburg.

Den 11. und 12. April 1776.

Die Heide*)So wird die Ebene um Raſtadt herum genannt. Herausgeber. wird immer mehr angebaut. Die neue Straſſe daruͤber iſt zu beiden Seiten mit Kirſch - und andern Baͤumen beſezt. Die Doͤrfer ſehen meiſtens traurig aus, und ſind katholiſch. Vor Stol - hofen hat man auf der rechten Seite gegen den Rhein zu, ein ſehr ſchoͤnes ebenes Fruchtfeld; die Fahrenden machen aber neben der hinlaͤnglich breiten Landſtraſſe noch eine andre ſchaͤdliche, ziemlich breite, wodurch den Aeckern das Land entzogen wird; zur linken ſtoͤßt das Feld gleich an einen lichten Wald. Die Berge, welche man in der Ferne ſieht, waren noch ziemlich mit Schnee bedeckt. Stollhofen ſelber laͤßt der Reiſende links liegen; es ſoll artige Haͤuſer haben. Ein Dorf, Ulm genannt, iſt nur durch etwa 100. Schritt Mattfeld von einem nicht ganz unanſehnlichen Staͤdtchen Lichtenau unterſchieden. Ulm iſt Baadiſch, Lichtenau aber Hanauiſch. VonA 2da4da aus werden die ſonſt ſchoͤnen Chauſſeen durch die ſchweren Guͤterwagen, die nach Strasburg gehen, beſtaͤndig verdorben, und nicht wieder reparirt. Je - mehr man ſich Kehl naͤhert, deſtomehr ſieht man an - ſehnliche groſſe Bauerhoͤfe, doch ſind die Haͤuſer meiſt ganz von Holz, und beſtehen aus Riegelwaͤnden mit Thon ausgefuͤllt. Kehl iſt ein betraͤchtliches, langaus - gedehntes Dorf, wo viele Krambuden und Handwerker ſind. Es hat ſeinen eignen Amtmann, und Pfarrer. Die Feſtung Kehl iſt halb zerſtoͤrt, und hat jezt auch ihren eigenen lutheriſchen und katholiſchen Pfarrer. Von da iſts fuͤr den Fußgaͤnger noch eine Stunde bis zur Stadt. Man paſſirt die Rheinbruͤcke, und zahlt ein hohes Bruͤckengeld. Sie iſt nicht ſo breit und nicht ſo ſchoͤn als die Baſeler, man findet auch keine Boutiquen dar - auf; ſie iſt ganz von Holz, und hat in der Mitte eine, aber unbetraͤchtliche, Erweiterung. Bald darauf folgt eine andre, aber viel kleinere. Sie fuͤhrt nur uͤber einen Arm des Rheins. Kehl iſt der Sammelplatz aller Betruͤger, und Bankerutirer, die ſich jenſeits der Bruͤcke nicht mehr ſehen laſſen duͤrfen, und ſich ſchnell von Strasburg retiriren muͤſſen. Die Franzoſen ſind des - wegen dem Orte gar nicht gut. Und eben wegen dieſer Colluvies hominum laſſen ſich auch wenig gute Ord - nungen in Kehl einfuͤhren. Die Feſtung Kehl hat der Marggraf von Baaden zu einer Stadt erhoben, und den erſten lutheriſchen Prediger da beſtellt. Im Dorfe Kehl iſt ein Condominat von ſieben Herren, Baaden, Naſſau, dem Stifte Frauenhaus in Strasburg ꝛc.

Auf -5

Aufenthalt in Strasburg.

Den 12 15. April.

Ich beſah zuvoͤrderſt, Herrn Herrmanns, Prof. der Naturgeſchichte auf hieſiger Univerſitaͤt, vortreffli - ches Naturalienkabinet. Es zeichnet ſich theils durch die ſchon anſehnliche Menge, theils durch Ordnung und Nettigkeit vorzuͤglich aus. Man findet bei ihm ſehr viele Inſekten, beſonders kleine, die zum Theil noch auf Tafeln mit einem weiſſen Grunde unter Glas haͤngen, theils aber in Schubladen mit abgetheilten Faͤchern, ebenfalls auf einem weiſſen Grunde, unter genau aufge - paßten Glastafeln, und ſehr richtig beigeſchriebenen Na - men, auf bewahrt werden. Ich fand ſehr viele Am - phib. reptil. Linn. auch Rana Pipa; ein junges Kro - kodil in einem Glaſe; viele Schildkroͤtſchaalen; auch Teſtud. imbricat. ſehr viele Amphib. Nantes, als Chaetodon, Diodon, Cyclopt. etc. welche Fiſche nicht ausgeſtopft ſind, ſondern blos in der hohlen aber natuͤrlich geſtalteten Epidermis, und nur von einer Seite, jeder auf einem ſchwarzen gedrehten Fuß von Holz, verwahret werden; ſehr viele ausgeſtopfte Saͤug - thiere, als Dachs, Murmelthier, Genetkatze, Wieſel, Ratten ꝛc; groſſe Haarkugeln, ſo voͤllig abgerundet und ſo niedlich, als wenn ſie mit Fleis und Kunſt abgedreht waͤren, gar viele; und ſo wie alle, in Glasſchraͤnken. Dies alles nimt ein eignes mehr lang, als breites Zim - mer ein. Ferner, ſehr wohlerhaltene Voͤgel von allen Ordnungen und Geſchlechtern, wovon jeder wieder auf einem eignen Stativ ſitzt. Unter andern ſah ich da den Kardinal (den blutrothen Vogel, den man aus Oſtin - dien kommen laͤßt), auch noch etliche andre ſehr ſchoͤneA 3Voͤgel6Voͤgel vom Miſſiſſippi, den Kolibri, der voͤllig den langen ſpitzigen Schnabel hat, den ihm die Maler geben, uͤbrigens aber keine beſondre Schoͤnheit, auch keinen Gold - glanz am Halſe hatte; ſo wie denn auch Phal. Atlas, die ich da ſah, zwar die Spiegelflecken hatte, aber nicht die hohen hellen Farben, womit ſie Cramer vorgeſtellt hat. Von Schlangen ſah ich hier groſſe und kleine (zum Theil noch ſpezifiſch unbeſtimmte Arten), in Wein - geiſt; ſchoͤn und uͤberaus fein war das Cranium vom Kopf des Coluber Berus, wo man die zwei Giftzaͤhne von den uͤbrigen deutlich unterſcheiden konnte. Viele monſtroͤſe Eier; die pergamentartigen aber doch kalkhal - tigen Eier der Schildkroͤte; etliche Vogel - und Inſekten - Neſter; beſonders aber viele koralliſche Gewaͤchſe, Ma - drepor. Mill por. Sertular. Alcyon. Gorgon. ; Viele groſſe und kleine Spongiae, Gordius Medin. Taema Solium, und andre Arten vom Bandwurm; Aphrodit eine unzaͤhlbare Menge von Muſcheln, die in Schubladen auf einem weiſſen Grunde nach den ſyſte - matiſchen Geſchlechtern lagen; ein vortreflich wohlausge - dehntes, unter einer eignen Glastafel haͤngendes Medu - ſenhaupt (Aſter. Caput. Med. L), und viele andre groſſe und kleine, gedoͤrrte, in Schubladen liegende Meer - ſterne; eine eigne Lage von Fluß - oder Suͤßwaſſerconchy - lien, worunter ſich eine aus Aſien abſtammende Land - ſchnecke durch die bisher nicht bekannte Beſonderheit, daß ſie nemlich gegen den ſonſt gewoͤhnlichen Gang der Natur bei den Schnecken, die Spitze ihrer Windungen, und das Maul an einer und derſelben Seite gleich neben einander hat, auszeichnete. Unter den thieriſchen Petri - ſicaten waren Spongiae, Corn. Amm. zum Theil von ungeheurer Groͤſſe, viele mit einem metalliſchenGlanz,7Glanz, insbeſondre aber war ein groſſes 6 8. Pfund, meiner Schaͤtzung nach, wiegendes Stuͤck von einer Madrepora aus Champagne merkwuͤrdig, die ver - ſteinert, und zwar Terra ſilicina war, ſo gewis, daß ich durch den Stahl an allen Orten eine Menge Feuerfun - ken herausſpruͤhen ſah; der vielen Arten aus dem Krebs - geſchlecht, die uͤberall herum lagen, der Embryonen und monſtroͤſen Naturprodukte nicht zu vergeſſen.

Vom Pflanzenreich ward mir nichts gezeigt, als ein Verſuch, alle Fruͤchte mit Wachs auszufuͤllen, und ſie ſo zu erhalten, den aber der Beſitzer bald wieder vergaß.

In der Mineralogie fand ich nichts von Erden; etliche Salzproben, kein Sal Gemmae, keine Schwe - fel, als gediegenen vom Veſuv ꝛc. ; von Steinen nur Edelſteine, ein Diamant, der 3000. Livres gekoſtet ha - ben ſoll, und den Pierre de Straas darneben verdun - kelte; alle andre Edelſteine, auch ein Oculus Cati; ein Onyx; von jedem Metall viele Stufen, auch das Nagyager Golderz, auch Platina del Pinto in ziemli - cher Menge (wovon die Unze im Ankauf 100. Liver, bald hernach aber 300. koſtete); viele Haͤmatit., viele Queckſilberſtufen ꝛc. Hierauf beſuchte ich den hieſigen

Botaniſchen Garten. Man nennt ihn hier den Doktorgarten. Er liegt am Ende der Stadt, aber doch in derſelben. Er iſt mehr breit als lang. Es koͤnnen etwa 1500. Gewaͤchſe darin ſtehen. Er iſt in 4. Quar - tiere abgetheilt. Man kauft noch immer mehr dazu, das Bosket bedeutet noch nicht viel. Die Gewaͤchs - haͤuſer ſind lang, aber breit. Man findet nichts beſon - ders darin. Yuccae ſind einige da, aber keine Pal - mae, keine Muſa, etliche Citri, ꝛc. die Aufſicht hatA 4Hr.8Hr. Prof. Spielmann. Er ward damahls erſt wie - der beſaͤet und eingerichtet. Eine kleine Apotheke iſt auch dabei. Die Genera ſind nach Ludwig und Linné. Der Lehrer lieſt zwar Botanik alle Sommer oͤffentlich, laͤßt aber alles weg, was in die Materia me - dica gehoͤrt, ſchimpft nicht ſelten ſehr heftig auf Linné, weil er nach Tournefort gelernt hat, und jezt uͤber Linné leſen muß.

Die Univerſitaͤt in Strasburg iſt ein groſſer Koͤrper, der in allen ſeinen Gliedern lahm iſt. Es fehlt ein Haupt, das in alle einzelne Theile Leben und Thaͤ - tigkeit verbreitete. Die theologiſche und juriſtiſche Facultaͤten bedeuten faſt gar nichts, die mediciniſche hat gegenwaͤrtig noch zwei groſſe Maͤnner, Lobſtein und Spielmann, aber die jungen Zoͤglinge verſprechen nicht viel. Ein Kanzler oder Curator, iſt nicht da, der Praͤ - tor, und die Ammeiſter, die aber Bankiers, und keine Gelehrte ſind, dirigiren die Sachen. Sehr vieles wird nicht geleſen, z. B. Diaͤtetik, Clinik ꝛc. Im Sommer iſt fuͤr die Mediciner, auſſer der Botanik und Phyſiologie, nichts zu thun. Im Winter iſt die Anatomie vortref - lich, aber mit ſchweren Nebenkoſten verknuͤpft. Vieles wird ſehr langſam geleſen. Die Lehrer fangen in der Mitte des Sommers an und hoͤren auch in der Mitte des Halbjahrs auf. Die aͤlteſten Profeſſoren heiſ - ſen Canonici, haben eigue Haͤuſer, fette Beſoldungen, werden traͤge, ſind zum Theil Bonvivants, und haben keinen Ernſt im Dociren. Sie leſen in der Theologie und in andern Wiſſenſchaften, mehr uͤber ihre eignen Aufſaͤtze, die ſie den Studenten zum Abſchreiben geben, als uͤber Compendien. Viele ſind pedantiſch fuͤr das, was man ehemahls Philologie nannte, eingenommen. Viele9Viele ſind oft zu predigen genoͤthigt, und leſen dann Freitags und Sonnabends nicht. Die meiſten Vorle - ſungen werden lateiniſch gehalten, ſelbſt die Phyſik, und Moral. Leztre wird in lauter Definitionen von den Tu - genden vorgetragen, und dieſe lernen die Zuhoͤrer aus - wendig. Man bemerkt an den jungen Kandidaten eine groſſe Unbekanntſchaft mit der Bibel, die Quellen wer - den faſt gar nicht ſtudirt. Die Prediger ſind ſehr mit - telmaͤſſig. Schwulſt und Gallimathias heiſt hier Be - redſamkeit. Im Iure wird uͤber den Heineccius gele - ſen, und die Abweichungen des franzoͤſiſchen Rechts wer - den dazu diktirt. Die Profeſſoren am Gymnaſium bleiben oft lange an der Kette der niedern Schulen liegen, weil bei Beſetzungen der Stellen auf der Univerſitaͤt, Fa - milienverbindungen gemeiniglich den Ausſchlag geben. Auslaͤnder koͤnnen hier nie Profeſſoren werden. Die Studenten ſtudiren ſehr bequem, hoͤren 1. bis 2. Kolle - gia des Tags und geben etliche Stunden Information (vulgo ſchanzen), wofuͤr ſie Geld oder den herrlichſten Tiſch haben koͤnnen, und die Leute glaubens nicht, daß durch die elenden gedungenen Informatores, die Jugend nothwendig von einem Menſchenalter zum andern, immer mehr verdorben wird. Von Licentiaten, die ſich von Repetenten zu einer juriſtiſchen Diſputation haben praͤpa - riren laſſen, wimmelt die Stadt. Beſonders ſollen die Lothringer ſehr unwiſſende Leute ſeyn. Vom Geſchmack in der Theologie koͤnnen einige Diſſertationen zeugen, difficile eſt, Satyram non ſcribere. Sehr viele junge Leute wollen mit etwas Belliteratur und franzoͤſi - ſcher Geſchwaͤtzigkeit, und Façon Profeſſores werden. Viele Profeſſores ſetzen in den Lektionskatalog, daß ſie dieſes Halbjahr nicht leſen werden.

A 5Die10

Die Bibliothek, welche ich ebenfals beſuchte, be - komt wenig Zuwachs in den neuern Zeiten. Im theo - logiſchen Fach ſind einige alte Bibeln da, aber keine Hauptwerke. Mediciniſche, phyſiſche und naturhiſtori - ſche Buͤcher ſtehn noch beiſammen, und haben auch wohl Platz. Von neuern Schriften iſt gar nichts da, nicht ein - mahl Hallers groſſe Phyſiologie, nicht einmahl Reau - mur Hiſtoire des Inſectes etc. Ariſtoteles mit allen ſeinen Kommentatoren, Theophraſtus, Hippocra - tes, Galenus, Avicenna etc. ſind da, aber keine neue Schriften. Aus Engelland iſt faſt gar nichts vorhanden, Parſon of Hermaphrodites fand ich indes doch hier.

D. Corvinus Kabinet vergaß ich auch nicht zu beſehen. In der Mineralogie iſts am ſtaͤrkſten. Man findet da viele Queckſilberſtufen aus Spanien, Oeſter - reich, auch eine ſehr ſchoͤne aus Indien. Ferner Sil - ber - Blei-Erzſtufen aus dem Wuͤrtembergiſchen von Alpisſpach her, huͤbſche Stuͤcke von gewachſenem Silber aus dem Wuͤrtembergiſchen und Fuͤrſtenbergiſchen, Kupfer, viele Terrae ſigillatae, mit den Praͤparaten davon, die in die materia medica einſchlagen. Mooſe ſezt der Beſitzer nur ſo, wie ſie ſind, nach Wegnehmung aller erdichten Theile, in eine Schublade, ſie werden hart und konſerviren ſich gut. Alles iſt in Schubladen, die in Faͤcher abgetheilt ſind. Viel groſſe Stuͤcke Quarz, ſonderlich amethyſtfaͤrbige von der Moſel; Blutſteine die ungemein glatt ſind, wie polirter Stahl; ſchoͤne ame - thyſtfaͤrbige Quarzdruſen; wenig beſondre Muſcheln; eine Spina dorſi und Haͤute vom Crotalus horridus, aber noch ſehr jung und klein; Incruſtata; viel ſogenanntes verſteinertes Holz; Zaͤhne und Kieferſtuͤcke aus d[e]m Rhein ꝛc. Ein Stuͤck Bernſtein, worin eine MuſcaLinn. 11Linn. iſt; zu den Terr. ſigill. rechnet D. Corvinus nur die Terram albam und rubram, die ich auch habe, die Terra Lemnia iſt bei ihm eine ſchluͤpfrige ſeifenartige graulichte Erde, die jetzt nicht mehr, wie vormahls, von den alten Griechen in kleine Kuͤchelchen geformt und geſiegelt wurde. Darneben beſitzt er die ſo - genannte Pilgererde, die Erde, die das Baadener Bad (bei Raſtadt) und die, ſo das Baadener Bad in der Schweitz abſetzt; die letzte iſt ſalzichter als die erſte, und wird in der Schweitz wider die Kraͤtze auf die Haͤn - de gerieben und wirkt recht gut als ein austrocknendes Mittel. Die Erde vom Baadener Bad hat den Ge - ſchmack, wie Glauberſalz. Alaunſteine hat er aus dem Saarbruͤckiſchen, aus denen ſie dort ſehr ſchoͤne Alaun - cryſtalle machen, die aber die Luftfeuchtigkeit an ſich zie - hen und verwittern. Erden vom Aachener und Wiß - badener Bad in kleinen Schachteln. Salzcryſtalle von Bruchſal. Einige orientaliſche Marmor, die eine viel feinere Textur haben, als die occidentaliſchen, und viel glaͤtter und ſanfter anzufuͤhlen ſind. Eiſenminern, be - ſonders die minera ferri globoſa von Herrn v. Die - terichs Bergwerk. Steine, in denen ein Gemiſch von Quarz, Blei, Silber ꝛc. iſt, aus der Gegend bei Frei - burg im Breisgau. Sonderlich aber verdienen die Koboldminern Aufmerkſamkeit, die er 6 Stunden von Offenburg hinter Gengenbach im Gebuͤrge geſammelt hat. Dort iſt im ſogenannten Nordracher Thal ein groſſes Werk vor 10. Jahren von einem ehemahligen Praͤlaten in Gengenbach angelegt worden, an dem jetztgedachtes Kloſter und Offenburg Theil haben. Sie laſſen durch eigne Fuhren Koboldminern theils aus Boͤhmen, theils aus dem Walliſerland, theils ausdem12dem Naſſauiſchen, kommen, in dieſen iſt Arſenik und Kobold; dieſe werden erſt geroͤſtet, ſo daß ſich der Arſe - nik in einer langen Roͤhre, und in einer Stube aufſubli - mirt. Dieſe Stube wird alle halbe Jahr ausgeſchla - gen. Dann haben ſie dort eine eigne Art Kieſel, die in den Bergen bricht: mit dieſer calciniren ſie nun die Kobolderze, und wenn ſie im Fluß ſind, ſo laſſen ſie ſie in ein Waſſer fallen, da bekommen ſie alsdann ein wah - res ſchoͤn blaugefaͤrbtes Glas. Nachdem dieſes Glas vorher lange klein gepocht worden, reiben es hernach 2. uͤber einander laufende groſſe Muͤhlſteine, zwiſchen wel - che beſtaͤndig Waſſer geleiſtet wird, klein; da ſich dann unten der wahre Kobold praͤzipitirt. Dieſer beſteht in einem Pulver, davon ſie dreierlei Arten haben, und zu - letzt bleiben die kleinen blauen Glastheilchen, als ein Sand zuruͤck, der zur Schmalte gebraucht wird. Dieſen Ko - bold verkaufen ſie theuer an die Hollaͤnder, und dieſe verfuͤhren ihn nach Oſtindien und China. Und unge - achtet alle Minern durch eigne Fuhrleute zu Pferde und auf der Achſe dahingebracht werden; ſo ſollen ſie doch 8. bis 10. pro C. gewinnen; denn das Holz haben ſie im Ueberfluß. Dies iſt alles, was mir der Beſitzer dieſer Sammlung von einer ſo unbekannten und doch ſo ſehens - wuͤrdigen Anſtalt ſagen konte. Es ſind viele Gebaͤude da, man muͤßte ſich acht Tage dort aufhalten, um ins Detail zu ſehen, und muͤßte es ſich doch nicht merken laſſen, denn man thut etwas geheim damit.

Eine ſchmerzhafte Krankheit, von der ich in Strasburg befallen ward, unterbrach fuͤr diesmahl die Fortſetzung meiner vorgehabten Reiſe. Ich blieb dort viele Wochen unter den Haͤnden der Aerzte und reißte endlich im Julius wieder nach Carlsruhe zuruͤck. Im April 1777 abertrat13trat ich dieſe Reiſe von neuem an, ging nach Stras - burg, und nahm nun in Augenſchein, was mir von Merkwuͤrdigkeiten zu beſehen, das Erſtemahl zuruͤckge - blieben war. Dahin rechne ich;

Das Monument des Grafen und Marſchals von Sachſen in der Thomaskirche. Im Chor dieſer an ſich ſchon wegen ihrer groſſen Weite ſehr ſehenswuͤrdigen Kirche ſteht ſeit einem Jahr dies Werk, das der Nation, der Stadt, dem Erfinder und noch mehr dem Verfertiger, Hrn. Pigalle Ehre macht*)Er hat ſich damit den Michaelsorden erworben, der in Frankreich fuͤr Kuͤnſtler geſtiftet iſt.. Ein Werk, das mit dem Transport 300000. Liver gekoſtet hat, und das aus ungeheuren Steinmaſſen, wiewohl man’s ihm nicht anſieht, zuſammengeſetzt iſt. Es iſt breit, hoch, und macht gleich beim erſten Anblick ei - nen tiefen Eindruck. Der Kenner bewundert’s, und der Laie verweilt gern dabei, und wird durch den Anblick der vielen affektvollen Vorſtellungen warm. Es iſt aus ſchwarzem und weiſſem Marmor zuſammengeſetzt. In den Kupferſtichen die man davon hat, iſt der Marſchal zu klein vorgeſtellt; von weitem iſt ers auch. Alle andre Figuren ſind koloſſaliſch, er aber iſt in nur Lebens - groͤſſe. Er ſteht oben, ernſthaft, lieblich, und ſteigt auf einer Stufe herab. Die Bildſaͤulen ſind alle weis, der Sarg, der Deckel, und die obre und untre Wand aber alle ſchwarz. Der Held will in den Sarg ſteigen, der Tod ſteht zur Linken, gros, in ein Gewand gehuͤllt, die Knochen in ſeinem Geſicht ſind vortreflich ausgedruͤckt, er hat eine Sanduhr in der Hand, und hebt mit der ei -nen14nen Hand den Sargdeckel auf. Der Marſchal haͤlt in der Rechten den Marſchalsſtab hinter ſich, die andre ſtreckt er aus. Der Kuͤnſtler hat ſogar die Wellen, die das Cordon bleu wirft, ausgedruckt. Indem der Held mit heitrer Miene in den Sarg treten will, liegt Frankreich als eine Goͤttin vorgeſtellt, zu ſeinen Fuͤſſen, faßt ihn bei der Hand und haͤlt ihn mit flehendem Blick zuruͤck. Zu ihrer Linken ſteht der Genius Frankreichs, der zu wei - nen ſcheint, und des Todes Fackel umkehrt. Aber der hat ein Kasket auf dem Kopf! Auf eben dieſer Seite liegen zerriſſene Fahnen, Standarten, und uͤber ihnen ſtehen Frankreichs Fahnen mit den Lilien. Auf der linken Seite des Marſchals ſinkt der Reichsadler zu Bo - den, auch Leoparden und Loͤwen, Sinnbilder Engel - lands und Hollands, liegen wie niedergeworfen da. Dies hat der Stolz der Nation angebracht, die Kunſt aber hat dabei das Ihrige gethan. Das falticht und wellenwerfend uͤber den Sarg herabhaͤngende Tuch iſt die groͤßte Nachahmung der Natur. Aber das Meiſterſtuͤck iſt Herkules, der dem Tod gegenuͤber ſteht, mit dem rechten Arme in die linke Hand geſtuͤtzt, die linke auf der Keule ruhen laͤßt, die rechte bedeckt halb die Stirne. Alles was ſtillen Schmerz, was bittern Gram uͤber die Sterblichkeit des Helden ausdrucken kan, das alles hat Pi - galle’s herrlicher Meiſſel da angebracht. Falſch iſts, daß er weinerlich, heulend vorgeſtellt ſei, wie Schloſſer ſagt. Auch iſt der Tadel an der Lage des Sargdeckels, meines Erachtens, uͤberfluͤſſig. An der Seite des Monuments geht man durch eine krumme ſteinerne Treppe in ein klei - nes praͤchtiges Gewoͤlbe hinab, das die ganze Laſt traͤgt. In der Mitte ſteht ein ſteinerner Sarg aus Einem Stuͤck, in welchen die Aſche des Mannes gebracht werden ſoll,die15die jetzt noch in der Neuenkirche iſt. Oben iſt eine Oef - nung fuͤrs Herz, unten eine fuͤr die Eingeweide des Grafen.

Hinten in der Kirche ſoll Schoͤpflin’s Bild an ei - ner Urne mit einer Inſchrift hinkommen. Seine Schwe - ſter und Erbin, die von der Stadt wegen der Bibliotheck eine Penſion hat, laͤßt es ihm ſetzen.

Bemerkungen uͤber Strasburg.

Das Aeuſſerliche der Stadt wird durch beſtaͤndi - ges Bauen ſehr verſchoͤnert.

Aber alle reiche Leute halten ſich immer in Pa - ris auf.

Der Ton der Stadt iſt ein widriges Gemiſch von alten Reichsſtaͤdtiſchen, Teutſchen, und Franzoͤſiſchen Moden. Es gibt Stadtweiber hier, wie man ſie viel - leicht ſelten findet.

In den Haͤuſern trift man viele Marmorplatten auf Tiſchen an, die kommen von Schirmeck, 9 10. Stunden von Strasburg. Dort ſoll eine herrliche Marmorſchleife ſeyn.

In der Stadt ſelber ſind viele Kuhmelkereien und doch wird eine Menge Milch und Butter vom Lande von beiden Seiten hereingebracht.

Die Soldaten ſtricken auf der Wachſtube Filet; das Paar Mannsmanſchetten verkaufen ſie oft fuͤr 3. Liver.

In Bar nicht weit von Strasburg iſt eine groſſe lutheriſche Gemeinde, aber auch viele Katholiken. Esgab16gab immer Streit wegen der Zeit bei den lutheriſchen Kommunionen. Es ward daher befohlen, daß allemahl 3. Kommunikanten das Brod auf einmahl nehmen, und man die Worte der Einſetzung fuͤr alle 3. nur einmahl, und beim Kelch fuͤr 2. nur einmahl ſprechen ſoll; nun ſind die Streitigkeiten beigelegt.

Man trinkt hier in ſehr vielen Haͤuſern Thee von Schluͤſſelbluͤmchen; er ſchmeckt recht gut.

Unter den Sallat thun die Franzoſen viel Apium Petroſelinum.

Es gehoͤrt zum Karakter der Nation, daß ſie be - ſtaͤndig ſingt. Selten geht einer die Treppe hinauf, oder hinab, ohne zu trillern; die Koͤchin in der Kuͤche, der Soldat auf dem Poſten, die Kinderwaͤrterin, der Beckerjunge, der Ladendiener, kurz alles ſingt.

Drei Stunden von Strasburg hat der vortrefliche Staͤttmeiſter und Lieutenant, Hr. General von Hohen - hayn ein Landgut, das ein Meiſterſtuͤck der Oekonomie ſeyn ſoll, ſelbſt angelegt. Unter andern ſind ſeine Wein - berge als ein Amphitheater angelegt; an den Seiten ſte - hen Pfoſten, an dieſen ſind eiſerne Drathe durch den ganzen Weinberg gezogen, und an dieſen, nicht an Pfaͤh - len, ſind alle Rebſtoͤcke befeſtigt.

Die Abgaben an den Koͤnig ſind ſehr gros. Die Leute ſind auch meiſt ſehr arm, und wiſſen nie was ſie geben muͤſſen; es gibt beſtaͤndig Veraͤnderungen. Ein Becker, der nichts hat, als ein halbes Haus zu ſeinem Handwerk, gibt der Stadt, und dem Koͤnige alle Jahr 80. Gulden.

Im17

Im franzoͤſiſchen Hoſpital hat man ganz neuerlich ein wohlfeiles Mittel entdeckt, Plumaçons und Charpie zu bekommen. Man laͤßt von den Stuͤhlen, auf denen man leinene Baͤnder macht, die Flocken und Abfaͤlle, die an den Seiten des Stuhls haͤngen, ſammeln, und legt dieſe in die Wunde. Es ſieht aus, wie die fein - ſte Baumwolle, und ſaugt die Feuchtigkeiten der Wunde viel beſſer ein, als die ſonſt gezupften Plumaçons. Die Engellaͤnder zupfen auch die Leinwand nicht, ſondern ſcha - ben mit dem Meſſer die kleinen Faͤschen ab und bekom - men ſie auf dieſe Art ungemein fein. Im vorigen Jahre ſollen die Chirurg[j]ens-Majors ganze Kaſten und Kiſten voll ſchon gemachter Plumaçons bei ſich gehabt haben.

Unter dem Buͤrgerſtande iſt das Kaffeetrinken noch nicht ſo allgemein. Man macht ſich Viſiten des Nach - mittags, ohne daß Kaffee vorgeſetzt wird.

Die Feuerarbeiter in der Stadt brauchen Stein - kohlen. Man graͤbt ſie bei Lach, nicht weit von Wei - ler, einem Staͤdtchen im obern Elſaß, 4. Stunden von Strasburg. Die Steinkohlengruben liegen auf einem graͤflichen Gebiet. Kaufleute aus der Stadt neh - men ſie in Beſtand; man bringt die Kohlen zu Waſſer. Sie laſſen nach dem Verbrennen mehr Schlacken zuruͤck, als Aſche, und ſind auch ſehr reichhaltig zum Theil an Bleierz, zum Theil an Kupfer.

Beim Bad Niederbrunn, 9. Stunden von Strasburg, gibts rothe Sandſteine mit dendriti - ſchen Zeichnungen, die ſehr ſchoͤn ſind. Sie ſind dort ſo haͤufig, daß man damit mauert. Man ver -Bſicherte18ſicherte mich, daß die Zeichnungen durch den gan - zen Stein durchgehen. Es koͤnnen alſo keine bloſſe Ein - druͤcke und am wenigſten aus einander geſpruͤtztes flui - dum ſeyn. Das Bad ſelber hat Glauberſalz, Eiſen - ſafran und Asphalt. Den Brunnen hat ſchon Julian der Abtruͤnnige graben laſſen. Fuͤr Gliederſchmerzen ſoll er ſehr gut ſeyn, und wird auch ſtark genutzt; ſ. D. Leyſſering in Carlsruhe Diſſert. de Aquis Nie - derbrunnenſibus.

Zwei Stunden von Strasburg ſind Asphaltgru - ben, aus denen jaͤhrlich viele 100. Centner Wagen - ſchmier gemacht werden. Die Bauern ſchoͤpfen das Waſſer und laſſen’s abdampfen, bis das Steinoͤl zuruͤck bleibt. Aus dieſen Gruben kommt etwas Steinoͤl in jenes Bad.

Im ſogenannten Steinthal, einer gebuͤrgigen rau - hen Gegend bei Bar, findet man Stalactiten, viele Eiſenminern, Quarze, Schwefelkieſe, Blutſteine, auch Marmor, und Marienglas, nebſt Spat ꝛc.

Junge Huͤner und Gaͤnſe macht man hier auf folgende Art fett: Man nimmt 2. Theile Gerſtenmehl, und 1. Theil Welſchkorngruͤtze, thut ein wenig Salz dazu, machts im Sommer mit bloſſem Waſſer an, im Winter aber kocht man es ein wenig mit Waſſer und Milch. We - gen der Zaͤhigkeit thut man ein wenig Sand darunter, ſonſt bleibts ihnen im Kropf haͤngen. Dies ſtopft man ihnen des Tags 2mahl ein. Auch alte Gaͤnſe haben von Welſchkorn in 8. Wochen 10. Pfund Fett, und eine herrliche Leber bekommen.

Kraͤf -19

Kraͤftige Suppen macht man ſo: Man nimt Brod von Weitzen - und Roggenmehl, ſchneidet ſehr duͤnne Scheiben daraus, laͤßt ſie auf dem Ofen gelinde roͤſten, und kocht dann etliche davon mit der Bruͤhe auf.

In Frankreich darf kein Guͤterwagen uͤber 600. Centner laden und nicht uͤber 6. Pferde haben. Jeder Huiſſier darf, wenn der Fuhrmann mehr Pferde hat, ſie ihm abſpannen. Dadurch werden Bruͤcken und Wege geſchont.

Strasburg iſt der einzige Ort, wo die Komoͤ - dianten zur Beichte gehen. Ils font les Pacques, ſagt man. An andern Orten laͤrmt die Geiſtlichkeit uͤber ſie. Im Leben betet man ſie an, und nach dem Tode will man ſie nicht begraben. In Holland ſind ſie Handwerker, arbeiten am Tag, und ſpielen des Abends.

Der Luxus der Reichen bei Gaſtereien geht hier erſtaunlich weit. Zum Deſſert werden Beſtecke von Vermeille ſervirt. Am Meſſer iſt auch die Klinge von Silber, und damit ſie vom Obſtſchneiden nicht an - laͤuft, vergoldet. Jedem Chapeau wird eine eigne Bouteille fremder Wein in einem ſilbernen Gefaͤs hinge - ſtellt, mit einem Korb voll Kelchglaͤßchen. Der ſtarke Kaffee der Franzoſen koͤmt dann noch hintennach, und iſt wahres Gift.

B 2Reiſe20

Reiſe von Strasburg nach Paris.

Dieſe machte ich in der Diligence Royale. So heißt man’s, obgleich der Koͤnig nicht Entrepreneur iſt, ſondern eine Privatge - ſellſchaft in Paris. Nur allein der Wagen nach Strasburg koſtet ihr jaͤhrlich 72000. Liver. Der Weg geht durch Elſaß, Lothringen, Barrois, Champagne und Isle de France. Man rechnet 57. Poſten zu 2. Stunden, manche machen anderthalb Poſten. Die Namen ſtehen in jedem Almanac de Strasbourg, de Nancy ꝛc. Die Stationen ſind zum Theil elende Doͤr - fer, oft bloſſe Haͤuſer am Wege. Die Kutſche haͤngt in Riemen, iſt ziemlich bequem, darf aber nicht ſo bepackt wer - den, wie die teutſchen Poſtwagen. Die Thuͤren ſind hoch, man ſteigt durch eine eigne Leiter hinauf, die hernach zu - ſammengelegt und hineingenommen wird. Der Kom - mis hat vorn abgeſondert von den Paſſagiers, ein eignes, ſehr bequemes Kabriolet, und vor ſich einen Korb fuͤr die Porte-manteaux und Sacs de nuit. Mehr als 10. Pfund hat kein Reiſender frei. Fuͤr die Koffer hat man eigne Meſſageries Royales, wo das Pfund die Stunde 5. Sous, auf der Diligence aber 6. Sous koſtet. In der Kutſche iſt oben ein grobes Filet, fuͤr die kleinen Pa - ckete, an Naͤgeln befeſtigt, das ſich ganz und zum Theil abnehmen laͤßt, und vieles faſſen kan. Sie bleibt Nachts etliche Stunden liegen, und langt in fuͤnfthalb Tagen von Strasburg in Paris an. Die wichtigſten Orte durch die ich auf dieſer Route kam, ſind

Zabern, franzoͤſ. Saverne, wo der Kardinal-Bi - ſchof von Strasburg einen ſchoͤnen Garten und ein groſ -ſes21ſes Baſſin hat. Der Ort iſt bergicht. Von da geht die herrliche Straſſe nach

Pfalzburg. Sie iſt in ihrer ganzen Laͤnge zu beiden Seiten mit Steinen an den Reinen untermauert, und zieht ſich rings am Berg hinauf. Die Stadt Za - bern muß ſie durch eigne Leute unterhalten, hat aber da - fuͤr von allen Laſtwagen eine gewiſſe Abgabe, wovon aber Karoſſen frei ſind. Je hoͤher man hinauf koͤmmt, deſto - mehr ergoͤtzt ſich das Auge an der herrlicheu Ausſicht ins praͤchtige Elſas, das ſich immer mehr aufhellt, und in ſeinen majeſtaͤtiſch ſich kruͤmmenden, koſtbaren, Triften ganz darbietet. Pfalzburg ſelber hat ſchoͤne Haͤuſer, einen angenehmen Markt - und Paradeplatz, und ſcheidet Elſas und Lothringen.

Saarburg, ein kleines Staͤdtchen, hat auf der einen Seite einen waldichten Berg, aber auf der andern herrliche Gegenden. Zu meiner Verwunderung hoͤrte ich da gemeine Leute ſchlecht franzoͤſiſch, aber ausnehmend gut deutſch ſprechen. Die Bergart zwiſchen Zabern und Pfalzburg iſt ein rother, feiner, ſtark eiſenhaltiger Thon. Auf der Steig hoͤrte ich (den 13ten Mai) uͤberall Ku - kuke rufen.

Einige ſtolze Abteien praͤſentiren ſich auf den Sei - ten. Aber ohne Unwillen kan man’s nicht anſehen, wie in dem vortreflichen reichen Lande Armuth, Unwiſſenheit, Blindheit, Sittenloſigkeit und Elend unter dem gemei - nen Volk ſo gros ſind. Kaum haͤlt ein Reiſender an, ſo ſind Kinder, Maͤnner, und Weiber um ihn herum und betteln. Halbe Doͤrfer kommen ihm entgegen und bet - teln. In den Ohren thuts dem Menſchenfreunde weh, wenn Gottes Geſchoͤpfe im Paradies der Erden mit la - teiniſchen Gebetsformeln, die ſie nicht ausſprechen, nichtB 3nach -22nachlallen koͤnnen, weils der dickgemaͤſtete Pfaffe ſelber nicht kan, geſchweige verſtehen, um einen Liard eine Vier - telſtunde nachlaufen und winſeln. Die geiſtlichen Blut - igel haben alles, und die groͤßte Klaſſe der Einwohner ſchmachtet mitten im fruchtbarſten Lande vergeblich nach Bildung, Unterricht, oft um Ernaͤhrung. Und iſt auch irgendwo fuͤr viele Doͤrfer ein Pfaff von einem Klo - ſter angeſtellt, ſo bin ich verſichert worden, daß er ſelber fuͤr ſeine Perſon nichts Ueberfluͤſſiges habe. So un - begreiflich ſchlecht ſind die Anſtalten, wo ſie am beſten ſeyn koͤnten!

Die Chauſſeen ſind, wie uͤberall im Koͤnigreiche, praͤchtig, breit, mit Baͤumen zu beiden Seiten beſetzt, und uͤberall beſtaͤndig in gutem Stande.

Luneville, eine der anmuthigſten Staͤdte, von einer ſehr betraͤchtlichen Groͤſſe; die Buͤrger ſollen auch aufgeweckte Leute ſeyn. Lauter langgeſtreckte, grade, ſich ſchoͤn durchkreutzende, Straſſen, hohe ſteinerne Haͤu - ſer, ein vortreflicher Platz, ein ſehenswuͤrdiges Schloß, das inwendig viele Koſtbarkeiten enthalten ſoll, mit artigen Spatziergaͤngen findet man da.

Nancy, der Weg von Luneville nach Nancy iſt ſchoͤn, geht durch die ſchoͤnſten Felder, und hat herrliche Alleen. Die Vorſtaͤdte ſind ſchlecht, und verſprechen gar nichts. Deſtomehr wird man aber durch die Neu - ſtadt in Erſtaunen geſetzt. Sie iſt mit dem richtigſten Geſchmack angelegt, und wird immer ſchoͤner. Be - ſonders iſt la Place Royale ſehenswuͤrdig, wo Lud - wig’s des 15ten Bildſaͤule aufgerichtet iſt. Auch la Caliere, ein andrer Platz, iſt artig. Eben ſo la Place d’Alliance, und die Pepiniere. Aber das ſchoͤnſteiſt23iſt la Chapelle, wo die Herzoge von Lothringen bei - geſetzt ſind. Kaiſer Joſeph II. hoͤrte hier, uͤber der Aſche ſeiner Voreltern im April 1777. bei der Durch - reiſe nach Frankreich eine Meſſe.

Zwiſchen Nancy und Vilaine, der naͤchſten Sta - tion, zeigt man den Reiſenden zwei Plaͤtze, wo Koͤnig Stanislaus im Walde durch Ausfuͤllung ungeheurer Tiefen zwei Berge vereinigen wollte. Die Straſſe geht wirklich druͤberweg.

Toul hat nichts beſonders, der biſchoͤfliche Pallaſt auch nicht. La Dauphine heißt der Platz, der vier - eckicht, gros, und mit Baͤumen und ſteinernen Baͤnken eingefaßt iſt.

Bar le Duc. Iſt der letzte Ort in Lothringen. Es ſind groſſe und gute Aubergen da, weil verſchiedene Diligencen darin zuſammen kommen.

Saint Dizier. Der erſte betraͤchtliche Ort im eigentlichen Frankreich, in der Provinz Champagne. Auſſen vor dem Staͤdtchen iſt die Douane, wo unter einem Schuppen mit allem groſſen und kleinen Gepaͤcke der Reiſenden die genaueſte Viſitirung vorgenommen wird; ſogar die Nachtſaͤcke muͤſſen aufgemacht werden. Kar - ten, Toback und alles Neue iſt Kontrebande. Nur die Taſchen der Reiſenden werden nicht viſitirt. Wer ſei - nen Koffer, ohne daß er dabei iſt, auf eine Meſſagerie gibt, muß auf dem Bureau in Strasburg die Schluͤſ - ſel dazu laſſen, die daran gebunden werden, ſonſt wird er aufgeſchlagen. Nach Buͤchern fragt man nicht. Verſiegelte Briefe duͤrfen der Poſt nicht entzogen werden. Und gleichwohl wird in Paris beim Bureau, wo manB 4ab -24abſteigt, noch einmahl viſitirt. Im Staͤdtchen ſelber ſah ich die Truͤmmern von einer Menge Haͤuſer, die 1776. durch einen Brand verzehrt worden. Man baute ſie wieder auf, mit einer Art von weichen Steinen, die, wie Holz, mit Saͤgen von den Maͤurern ohne Muͤhe zerſchnitten wurden. So weit geht das Lothrin - giſche Salz: denn durch ganz Frankreich bedient man ſich des groben Meerſalzes, das nicht genug gerei - nigt iſt, und ſo ſchmutzig ausſieht, wie Pfeffer. Man nennt es Sel gris.

Champagne iſt ein herrliches Land. Man ſieht uͤberall die groͤßten Ebenen, wo die beſte Frucht, der herrliche Wein, Bohnen, Haber und auch viel Faͤrber - roͤthe (Garance) gebaut wird. Man ſieht den Geiſt der Nation, der auf Gaͤrten, Baumſchulen, lange Pro - menaden ꝛc. faͤllt. Oben iſt alles gruͤn, und unter der Dammerde iſt alles weißgrau: das iſt die Terre mar - neuſe. Marne heißt der Franzos, was wir Gyps nennen. Eine wahre Kreide iſts nicht (ſ. Sage in ſei - ner Mineralog. Docimaſtique). Regnet es darauf, ſo wird der Weg aͤuſſerſt ſchluͤpfrig. Die Reben werden neben der Straſſe zwiſchen den Fruchtfeldern und Wieſen ganz ſimpel gebaut. Die Kunſt, den guten Champa - gnerwein zu machen, beſteht in einer unterdruͤckten Gaͤh - rung. Der gewoͤhnliche champagner Trinkwein iſt roth, wie der meiſte franzoͤſiſche Wein, aber nicht ſonderlich ſtark. Der franzoͤſiſche rothe Wein trocknet auch nicht ſo aus, wie der deutſche. Der lothringer und champa - gner iſt auch nicht ſo dick und mampficht, wie der Vin d’Orleans und Vin de Bordeaux, den man in Pa - ris hat, und ohne Waſſer kaum trinken kan. Der Eſ -ſig25ſig von dieſem rothen Wein hat keine Kraft. Aus der weiſſen Erde baut man auch alle Mauren und Haͤuſer, und brennt Backſteine daraus, ſo daß alle Doͤrfer und Staͤdte weißgrau ausſehen. Der Fluß, die Marne, iſt in Chalons am betraͤchtlichſten; ſie hat ein ſchmutziges Waſſer, man muß oft uͤber ſie fahren, ſie theilt ſich in etliche Arme, und ergießt ſich bei Paris in die Seine.

In den Wirthshaͤuſern wird meiſtens auf lauter Porzellaͤn geſpeißt, das an vielen Orten in Frankreich und zum Theil recht ſchoͤn gemacht wird. Das meiſte aber iſt doch plump und hat keine ſchoͤne Weiſſe. Den Wirth ſieht man ſelten. Die Wirthin beſorgt alles, und die Filles warten auf. Ueberall iſt das Akkordiren nicht uͤblich. Zu Nachts muß man, ehe man zu Bett geht, bezahlen. Man hat meiſt Zimmer mit 4. bis 5. Betten. Die Decken ſind leicht, und duͤnn. Die Wuͤlſte ſtatt des Kopfkuͤſſens, fallen dem Deutſchen im Anfang ſehr beſchwerlich. Alle Waͤnde ſind tapezirt, oder nach Ta - petenart beſchmiert. Die Franzoſen feuern noch im Mai in ihren Kaminen, ſitzen davor, machen eine wich - tige Sache daraus, das Feuer recht zu ſchuͤren, ſonder - lich iſt das die Sache des Chapeau, wenn Damen da - bei ſind. Sie halten den Fuß mit Schuh und Struͤm - pfen in die Flamme. Ueberall findet man gute Lichter, aber ſelten gutes Waſſer. Das Eſſen wird faſt alles auf einmahl aufgeſetzt, und wird faſt allemahl kalt. Die Poſtillions haben keine eigne Kleidung und tragen auch kein Poſthorn. Sie gehen aber unbarmherzig mit den Pferden um. Trinkgeld iſt man ihnen auf der Sta - tion nicht ſchuldig, man zahlt es ſchon mit dem Poſtgelde, es wird ihnen von Zeit zu Zeit ausbezahlt, aber freilich vom Bureau ſehr ſpaͤt, daher betteln ſie doch.

B 5Cha -26

Chalons. Der Marktplatz hier wird ſchoͤn, wenn das neue Hôtel de Vi le fertig iſt. Im Wirthshaus heiſſen die Zimmer wie die groſſen Staͤdte Europens, Petersburg, London, Frankfurt ꝛc. Vor der Stadt ſind ſchoͤne Promenaden mit Orangerie. Weit vor der Stadt liegen die Maiſons de Campagne des Biſchofs. Die Bauart iſt alt, eng, hoch hinauf gebaut, von Holz, alles haͤngt an einander ꝛc. Die Muſik, die wir zu hoͤren bekamen, war herzlich ſchlecht. Auch lau - fen ſehr viele wuͤſte, ungeſtaltete, Leute in dieſer Stadt herum. Die Grenze dieſer Provinz iſt ein artiges Staͤdtchen, Chateau Thierry.

Isle de France iſt nicht ſo ſchoͤn wie Champa - gne. Sie iſt ganz bergicht und ſteinicht, bis man uͤber Meaux hinaus iſt. In den Bergen brechen herr - liche Achate. Hier geht die Chauſſeé du Roi an. Das mittelſte Stuͤck der ſehr breiten Straſſe iſt, àfin - qu’elle ne ſoit pas mangée par l’eau, mit Felsſteinen gepflaſtert. Das gibt freilich immer guten Weg; es iſt aber ein beſtaͤndiges Raſſeln und Laͤrmen, daß einem der Kopf betaͤubt wird. Wein waͤchſt hier herum nicht viel. Lichte und ausgehauene Waͤlder ſieht man uͤberall. Die Doͤrfer ſind ſchlecht, Koſt und Lager ebenfalls. Eper - nay und Meaux ſind ganz artig, und alsdann werden die Gegenden wieder angenehmer, aber die Straſſen, je naͤher man der Hauptſtadt koͤmt, wegen der unaufhoͤr - lichen Karoſſen, Diligencen, Voituren und Chariots aller Art, immer ſchlechter.

Man braucht die Eſel ſehr ſtark zum Tragen und zum Reiten, ſonderlich bedienen ſich ihrer die Weibsper - ſonen. Sie ſind klein, und doch muntrer als bei uns, ſpitzen die Ohren wie die Pferde, haben aber nicht alle cruceatra27atra dorſum notatum, die Farbe iſt oft etwas Fuchs - roth. Man ſpannt auch ein Pferd und einen Eſel zu - ſammen. Bald hatten wir ſehr groſſe, bald ſehr kleine elende Pferde, die aber alle gut laufen. Ihre Kummete haben groſſe Hoͤlzer, an denen der Franzos die groͤbſten Malereien anbringt.

Ankunft in Paris.

Den 17ten Mai

Man wird durch die groſſen Straſſen, das be - ſtaͤndige Fahren, Reiten und Laufen, und durch einen ganz eignen haͤßlichen Geruch ſchon von weitem auf dieſe, in aller Abſicht, unbeſchreibliche Stadt aufmerkſam gemacht. Es ſoll in Frankreich Leute geben, die mit verbundenen Augen herum gefuͤhrt, Strasburg, Bor - deaux, Paris ꝛc. blos durch den Geruch unterſcheiden koͤnnen. Die Einfahrt iſt geringſcheinend, die Bar - riere im Fauxbourg auch, aber kaum iſt man durch ein dickes, altvaͤtriſches Thor hereingekommen; ſo iſt man ſchon mitten im Gewuͤhl und Gelaͤrme, das weiter hinein immer ſtaͤrker wird. Man hoͤrt ein unaufhoͤrli - ches, von allen Gegenden herſchallendes Getoͤſe der Ka - roſſen, Fiaker, Verkaͤufer ꝛc. die ihre Sachen ausrufen, als Waſſer, Dinte, Obſt, Blumen ꝛc. der ſchwoͤrenden Fuhrleute, der Schilowachen, der Glocken ꝛc. Oft ent - ſteht vom Fahren ein ſolcher Laͤrm, daß die Erde zu zit - tern ſcheint. An Komoͤdien - und Operntagen, oder bei andern Feſtivitaͤten, kommen ganze Reihen von Karoſſen, an denen die Pracht des Laks, Silbers, Goldes, der Teppiche, Pferde ꝛc. aufs hoͤchſte ſteigt, oft hinter ein - ander, oft in einer Straſſe zuſammen. Buͤrger undEin -28Einwohner ſind unter der Menge der Bedienten, der Fremden, der Geiſtlichen, der Muͤſſiggaͤnger ꝛc. un - kenntlich. Aus allen Provinzen des Koͤnigreichs, ſo wie aus allen Gegenden Europens ſind beſtaͤndig Leute da, die entweder ihr Geld, um ſich zu amuſiren, lieber da verzehren, als in andern kleinen Staͤdten; oder die um der Wiſſenſchaften und ſchoͤnen Kuͤnſte willen, oder wegen des Handels und der Geſchaͤfte bei Hof und in der Regierung, oder blos um die Welt, die groſſe glaͤn - zende Welt, zu ſehen, oder um ein zuͤgelloſes Leben zu fuͤhren, und aufs Abwechſeln im Laſter zu ſtudiren ꝛc. da zuſammen kommen.

Das Erſte, was ein Fremder braucht, iſt ein Fia - ker oder Miethkutſche. Man rechnet uͤber 1500. in Pa - ris. Sie ſtehen auf allen Straſſen, haben 2. Pferde, die Kutſchen ſind zum Theil ſchlecht, eng, niedrig, ſtoſ - ſen gewaltig, ſind oft unſauber. Man bezahlt ſie Stundenweis zu 24. Sous. Sie fahren, wohin man’s verlangt, ſind gegen die Fremden oft grob, wenn man ihnen nicht gleich mit den Kommiſſaren droht, die uͤber ſie geſetzt ſind, und ihren Muthwillen mit dem Kerker beſtrafen.

In dieſen Miethkutſchen ſucht man mit ſeiner Equi - page ein Hôtel. So heiſſen hier, nicht blos Aubergen oder Wirthshaͤuſer, ſondern faſt alle Buͤrgerhaͤuſer, wo chambres garnies fuͤr Fremde offen ſtehen. Jedes Haus hat ſeinen angeſchriebenen Namen, z. B. Hôtel de Nevers, de Dauemarc, d’Eſpagne, d’Angle - terre, de l’Empire ꝛc. Man kan Zimmer haben, à plein pied, ſo nennt der Franzoſe die erſte Flur, die bei uns der erſte Stock heißt. Im dritten ſind die Zim -mer29mer kleiner und wohlfeiler, als im zweiten oder im erſten. Der Preis richtet ſich nach dem Quartier und der Straſſe. Man kan Zimmer haben zu 44. 36. 24. 18. 16. Liver des Monats. Man kan ausziehen, ſo oft und wenn man will, packt den Koffer und alle Hardes in einen Fiaker, und faͤhrt anders wohin. Die Stuben ſind ſelten mit hoͤlzernen Fußboͤden verſehen. Sie haben eine Art von Pflaſter, das aus lauter rothen ſechseckicht ge - ſchnittenen Plaͤttchen zuſammen geſetzt iſt, eine Kom - mode, ein Bett mit Vorhaͤngen, Schrank, Tiſch, Spie - gel und Stuͤhle. Der Pfoͤrtner richtet den Fremden wenig Kommiſſionen aus. Man hat einen eignen Jun - gen dazu, den man monatlich bezahlt. Man haͤlt ſich einen Savoyarden, oder Decroteur, der alle Morgen koͤmmt, und Schuh und Stiefel putzt.

Zum Fruͤhſtuͤck kan man haben, was man will, kan’s aufs Zimmer bringen laſſen, oder im Kaffeehaus nehmen. Eine Portion Caffée au Lait, die ei - nem mit Zucker und petit pain in einem Koͤrbchen aufs Zimmer gebracht wird, koſtet 5. Sous; Chokolade 10. Sous. Mittagseſſen bekoͤmt man wo und wie man will. Fuͤr 24. Sous hat man Suppe, Rindfleiſch, Ge - muͤs, oder Ragout, oder Braten, eine halbe Bouteille Wein, Brod, und ein Biſcuit. Das pariſer Rind - fleiſch und Brod ſind ſehr koͤſtlich. Abendeſſen kan man ſich ebenfalls vom Rotiſſeur, oder Cabaretier, wenn man Tiſchzeug hat, auf die Stube hohlen laſſen. In den groſſen Hotels kan man fuͤr 40. Sous an der Table d’Hôte treflich ſpeiſen. Beim Marchand de Vin muß man wegen des Weins akkordiren. Fuͤr Geld kan man in Paris haben, was und wie mans will. To -bak -30bakrauchen iſt nicht ſehr uͤblich, der ſchlechte Tobak iſt theuer, lange Pfeifen hat man nicht leicht, es gibt Bier - haͤuſer oder ſogenannte Tabagies, wo man raucht, aber auf den wenigſten iſts erlaubt. Das Tobakſchnupfen iſt allgemein, viele riechen nur in den Tobak; ſie wun - dern ſich, wenn ein Fremder nicht ſchnupft.

Den 18ten Mai.

Ich fing nun an, die Merkwuͤrdigkeiten der Stadt nach und nach zu beſehen*)Ueber alles, womit der wohlſelige Verfaſſer waͤhrend ſeines Aufenthalts in Paris taͤglich ſeine Wißbegierde zu ſtillen ſuchte, theilt er in dieſem Tagebuche unter je - dem Tage ſeine Gedanken und Bemerkungen mit. Herausgeber. , ging daher heute zu - erſt auf

Pont Royal. Die Seine laͤuft faſt mitten durch die Stadt, bildet an der einen Seite eine kleine Inſel zwiſchen 2. Armen, und dies war das alte eigentliche Paris. Was jetzt auf beiden Seiten angebaut iſt, iſt lauter Fauxbourg; im eigentlichen Verſtand aber iſt das jetzt Paris. Ueber dieſen Fluß ſind nun etliche Bruͤcken gebaut, von Steinen gros, breit und maſſiv. In der Mitte iſt ein breiter Platz zum Fahren, und zu bei - den Seiten ſind Erhoͤhungen von etlichen Schuhen fuͤr die Fußgaͤnger. Man hat auf dieſen Bruͤcken eine herr - liche Ausſicht auf die Seine, auf das Quay zu beiden Seiten, auf das Louvre und Palais Royal nach dem Thuilleries, und tout le monde ſe promene ici. Die Bruͤcken ſelber ſind mit Decroteurs und andern dienſtbaren Leuten, die Fiakers, Regenſchirme, oderWaa -31Waaren anbieten, beſetzt. Unter den Bruͤcken ſieht man Holz, kleine Schiffe zum Ueberſetzen, Schiffe mit kleinen Bedeckungen zum Baden ꝛc.

Pont Neuf. Dieſe liegt weiter unten. Sie iſt viel ſchoͤner, merkwuͤrdiger und breiter, hat zu beiden Seiten Buden mit allen moͤglichen Waaren, die alle praͤchtige Namen und Auſſchriften fuͤhren. Es ſind eigne Boutiquen da, mit engliſchen Waaren, ſpaniſchen Roͤhren ꝛc. Ueberall ſind Wachen geſtellt, und doch wird im Gedraͤnge oft genug geſtohlen, zuweilen werden auch Nachts ganze Boutiquen ausgeraͤumt.

La Statue de Henri IV. iſt eine der groͤßten Zierden dieſer Bruͤcke. Sie iſt koloſſaliſch, hat ein an - derthalb Mann hohes Fußgeſtelle mit Inſchriften und kleinen Statuen, worauf oben der Koͤnig zu Pferde ſitzt, in alter Kriegstracht mit einem ſchrecklichen Degen, und einer kriegriſchen Mine. Das Pferd iſt im Fortſchrei - ten begriffen, und ſo wie das Ganze, majeſtaͤtiſchpraͤch - tig. Alles iſt mit einem eiſernen Gitter eingefaßt. Die unterſten Stuͤcke aber bewachſen mit Moos, weil ſie nicht oft genug geputzt werden. Erſt ermordet man in Paris die Koͤnige auf den Straſſen, und dann ſetzt man ſie auf die Bruͤcken en ſtatue.

Le Palais du Luxembourg. Man unterſcheidet das groſſe und kleine Gebaͤude dieſes Namens. Hinter demſelben ſind die angenehmſten Promenaden, wo jeder - mann hinein gehen darf. Es ſind groſſe, freie, runde Plaͤtze, die nach allen Seiten die ſchoͤnſten und breiteſten perſpektiviſch gehauenen Alleen von Maroniers und Chataigners darbieten. Man iſt da, wie aufm Lande,ziem -32ziemlich ſtill, und entfernt vom Gelaͤrm der Stadt, da - her alles, was leſen oder ſtudiren will, beſonders des Morgens, hineingeht. Sie werden aber nicht eher als um 7. Uhr geoͤfnet. Man findet uͤberall eine Menge Stuͤhle uͤber einander gelehnt, die man fuͤr eine Kleinig - keit haben kan, denn ſie ſind an gewiſſe Leute verpachtet.

L’Egliſe de St. Sulpice. Iſt eine von den groſſen und praͤchtigen Kirchen. Der Thurm bekoͤmt, denn man baut noch wirklich daran, eine ſehr betraͤchtliche Hoͤhe. Beim Eingang iſt eine Menge Saͤulen von un - geheurer Dicke.

L’Egliſe du Couvent des Moines de la Ab - baye St. Germain. Iſt klein, war aber heute, als am Pfingſtfeſt, ſtark beſetzt, weil der Organiſt, Herr Miroir ſpielte, der wirklich der beſte Organiſt in der Stadt ſeyn ſoll. Ich habe ihm mit unendlichen Vergnuͤ - gen zugehoͤrt. Er ſpielte nur in kurzen Abſaͤtzen, weil der Pfaff die Veſperpſalmen gleich wieder zu brummen anfing, aber allemahl hoͤrte man den Meiſter im Spie - len auf eine andere Art. Die Orgel hat ein vortrefli - ches Pedal und einen gewaltigen Trompetenbaß. Die Kirche ſelber iſt, wie alle in Paris, mit Verzierungen uͤberladen. Das Auge ſieht ſich muͤde an den Gemaͤl - den, hohen Altaͤren, Kreutzen mit groſſen koſtbaren Steinen, Vergoldungen, Einfaſſungen, Heiligenbil - dern, Platfonds ꝛc. Die Meßkleider ſind koſt - bar. Um den Altar allein ſtanden 20. Wachskerzen, die alle wie groſſe Nuß - oder Hopfenſtangen waren, auch mit ſo einer angezuͤndet wurden. Ueberhaupt ſoll der Aufwand der Wachslichter in Paris ungeheuer ſeyn. Man brennt in allen Kirchen, Schauſpielen, Opern,groſſen33groſſen Hotels, reichen Partikuliershaͤuſern, Leichenſaͤlen ꝛc. Wachslichter. In allen Kirchen iſt eigentlich nur der mittlere Theil mit Stuͤhlen beſetzt. Zu beiden Seiten ſind breite Gaͤnge mit kleinen Altaͤren, Beichtſtuͤhlen, und Bildern hinter eignen Gittern. Auch ſind an bei - den Enden groſſe Veſtibules. Es ſtehen keine Baͤnke darin, ſondern lauter Strohſeſſel, ſo wie in Hamburg ꝛc. die man mit 2. Sous, oft noch hoͤher, bezahlen muß. Auch das iſt eine Ferme, die jaͤhrlich, auch nur in ſolchen Kloſterkirchen, ſehr viel betraͤgt, und fuͤr das Kloſter, und noch mehr fuͤr die Kirchſpiele eine betraͤchtliche Revenue iſt.

L’Abbaye St. Germain, Fauxbourg St. Ger - main. Da iſt in der Faſten der Markt, wo alles moͤgliche Schoͤne, Neue, und Angenehme zuſammenkoͤmt. So elend die Haͤuschen in dieſer Gegend ſind, niedre Stuͤbchen, enge, finſtre, gefaͤhrliche Treppen, oft ſchmu - tzige Loͤcher ſtatt der Abtritte, gar keine Kuͤchen, ſo daß man im franzoͤſiſchen Kamine kocht*)Und ſo iſts in den vornehmſten Straſſen; bei den beſten Leuten findet man die Wohnſtube in den Man - ſarden. In vielen Stuben kan man kaum aufrecht ſtehen, die Treppen ſind alle finſtre enge Winkel. Bei der Hitze, bei Donnerwettern, in Krankheiten, muß es eine erſchreckliche Plage ſeyn, in ſolchen Schlupf - winkeln zu wohnen. Und ſo ſind, die groſſen Ho - tels ausgenommen, die allermeiſten Haͤuſer in Paris. ; ſo ſind doch auch die kleinſten Winkel und jedes Fenſterchen oben im Dach, das ſo klein iſt, daß mans kaum fuͤr ein Tagloch halten wuͤrde, mit Menſchen beſetzt. Beſonders woh - nen da viele Uhrmacher, und andre Arbeiter, die nichtſelbſtC34ſelbſt Meiſter ſind, aber fuͤr die Leute in der Stadt ar - beiten. Denn in der Abbaye St. Germain iſt eine Maitriſe franche. Wer auch das Geld, das jetzt noch zur Maitriſe noͤthig iſt, nicht hat, kan doch, wenn er hier wohnt, und gute Bekanntſchaften mit an - dern Meiſtern hat, die bei ihm Waaren beſtellen, fuͤr ſich arbeiten. Es wohnen hier in jedem kleinen Raum ſo mancherlei und ſo viel ſchlechte Leute, daß keiner, wenn er auch in der Stube ſitzt, ſeinen Schluͤſſel in der Thuͤre ſtecken laͤßt, aus Furcht, er moͤchte ihm abgezogen wer - den. Wer ſich uͤberzeugen will, daß Carlsruhe und manche andre kleine Stadt, die freilich dem Freund der Vergnuͤgungen nicht ſo viel anzubieten hat, wie das koͤ - nigliche Paris, doch fuͤr Leben, Geſundheit, Bequem - lichkeit, Ruhe und frohe Sicherheit, tauſendmahl vorzuͤg - licher iſt, der ſehe ſich nur in dieſen und andern aͤhnlichen Gegenden der Franzoſenſtadt um.

Bemerkungen.

Die Kopfzeuge der Dames und Filles de Pa - ris ſind wirklich nicht gar gros. Als der Kaiſer hier war, misbilligte er etlichemahl dieſe Thorheiten. So viel Ach - tung hatte die ſonſt ſo ſtolze Nation doch fuͤr den Ge - ſchmack des Monarchen, daß die Flor - und Spitzenge - baͤude, wenigſtens ſo lang Er hier war, herabſanken.

Das Trinkwaſſer in der Stadt iſt alles aus der Seine, aller dahinein flieſſenden Unreinigkeiten unge - achtet. Man traͤgt es in der Stadt herum und verkauft es. Doch muß nicht jedes Glas Waſſer im Hotel be - zahlt werden. Den meiſten Fremden macht es entwe - der im Anfang eine Kolik oder einen Durchlauf. Manhat35hat Machines ſabuleuſes dazu, um es zu filtriren. Ganz hell wird es niemals, mir hats bisher nichts ge - than. Fontainen ſind aber keine in der Stadt.

Die petite Poſte iſt eine groſſe Bequemlichkeit fuͤr ſo eine groſſe Stadt. Man kan mit Huͤlfe derſelben ſei - nen Bekannten in den entfernteſten Gegenden der Stadt Brieſe zu ſchicken. Sie gehen zweimahl am Tage, Morgens und Abends. Und durch dieſelbe kan man auch Briefe auſſerhalb der Stadt auf die groſſe Poſt bringen. Nach Strasburg kan man alle Tage ſchrei - ben, nur am Mittwoch nicht.

Zur groſſen Bequemlichkeit iſt Paris ſeit etlichen Jahren mit Laternen in allen Straſſen verſehen. Sie haͤngen ſehr hoch, doch in groſſen Diſtanzen von einander; es ſind Reverberierlaternen von gutpolirtem Eiſenblech, und werden alle Nacht, auſſer im Vollmond, angezuͤndet.

Auch patroulliren beſtaͤndig und uͤberall Stadttrup - pen der Sicherheit wegen, in der Stadt herum.

Glockenlaͤuten hoͤrt man alle Sekunden bei Tag und bei Nacht. Es gibt ſehr viele ſchoͤne Gelaͤute in der Stadt. Nur am Charfreitag, dem einzigen Tag im Jahre, wird nicht ein einziges gezogen. Da ſagt man zu den Kindern in Paris: On les envoye à Rome ſur la riviere.

Den 19ten Mai.

La Morne beſuchte ich heute zuerſt. So heißt ein mit einem groſſen Thor verſehener und mit Schild - wachten beſetzter Hof, wohinten eine Art von Stall, unten mit Stroh belegt, und vorn ein eiſernes GitterC 2daran36daran iſt. In dieſen Stall legt man die Leichen, die man des Nachts und des Morgens in den Straſſen lie - gen findet. Man zieht ſie nackend aus, damit man ihre Wunden ſieht. Die Kleider, an denen ſie ihren Be - kannten kenntbar werden koͤnnen, haͤngt man dazu, und ſo laͤßt man ſie etliche Tage da liegen. Jedermann kan hinein gehen, und ſie beſehen. Werden ſie reklamirt, ſo liefert man ſie aus, wo nicht, ſo verſcharrt man ſie end - lich an einem eignen Ort. Oft findet man Leute da lie - gen, denen mit einem Saͤbel die ganze Bruſt aufgehauen iſt. Oft andre, denen der Hals recht kuͤnſtlich mit dem Federmeſſer aufgeſchnitten iſt. Es vergeht faſt keine Nacht, wo nicht 5. bis 6. Perſonen gefunden werden. Zwar lagen heute nur Kleider, keine Leichen da.

La Greve. Ein Platz, zu Hinrichtungen be - ſtimmt, der aber nicht gar gros iſt, und keine regelmaͤſ - ſige Figur hat. Galgen und Rad ſind nicht beſtaͤndig da aufgerichtet; man nimt die Gehenkten in Frankreich gleich wieder ab, und bricht den Galgen ſelber auch ab. An der einen Seite iſt das Rathhaus, ein altes grau - weiſſes Gebaͤude, wie die meiſten in Paris, an der andern verkauft man Holz, Steine, und ſonderlich wird das Getreide dort in Saͤcken hingebracht.

L’Arſenal et le Jardin d’Arſenal. Ein ſchoͤ - nes Gebaͤude, mit vortreflichen langen Gaͤngen an den Seiten, die hohl hinab toͤnen, wenn man daruͤber weg - laͤuft, weil unten alles gewoͤlbt, und mit Munition an - gefuͤllt iſt. Das Innre kan der Fremde nicht leicht zu ſehen kriegen. Die Kanonen, die da liegen, ſind nicht ſo ſchoͤn, als die in Strasburg. Der Garten dabei hat ſchoͤne, breite Spaziergaͤnge, die jedem offen ſtehen,und37und ſchoͤne Ausſichten auf die Seine, und die eine Haͤlfte der Stadt darbieten. Der Pallaſt des Kriegsminiſters ſteht nicht weit davon, hat aber nichts beſonders.

La Baſtille. Dieſes ſchreckliche Staatsgefaͤngnis macht gleich beim erſten Anblick einen gewaltigen Ein - druck. Vier hohe runde Thuͤrme, oben mit platten Daͤchern und durch Zwiſchengebaͤude verbunden, und was das traurigſte iſt, nur mit ſchmalen Spalten und Ritzen, ſtatt der Fenſter verſehen, wovon eine in 2. bis 3. von den Kerkern, etwas Licht geben ſoll. Darin ſchmachten oft lebenslaͤnglich alle, die etwas wider den Koͤnig, oder die hoͤchſte Regierung und Verfaſſung des Hofs geſagt haben. Spionen gibts uͤberall eine Menge. Man nimmt oft Leute 14. Tage ꝛc. nachher erſt weg, wo man ſie bekommen kan, man ſagt ihnen nicht, warum. Waſſer und Brod iſt ihre Nahrung, viele verfaulen bei lebendigen Leibe darin. Man darf nicht nahe hinzu gehen. Die Schildwachen leiden nicht, daß die Fremden oder Vorbeigehenden mit einander ſtehen bleiben oder ſprechen, weiſen ꝛc. Allez vôtre chemin, rief mir einsmahls eine zu.

La Place Royale, ou la Place de Louis XIII. Der Platz iſt ſchoͤn, viereckigt, hat eine Einfaſſung von groſſen vornehmen Haͤuſern, die unten Hallen haben, worunter man bedeckt gehen und allerlei Waaren ſehn kan. Der Platz ſelber iſt in 4. Viertel mit einem Raſenplatze abgetheilt. Da, wo dieſe zuſammen ſtoſſen, iſt ein breites Stuͤck gepflaſtert, und auf dieſem ſteht das Fuß - geſtelle, das 4. Seiten, und an denſelben franzoͤſiſche, und lateiniſche, proſaiſche und poetiſche, Inſchriſten hat, die voll praleriſchen Lobs ſind von Frankreich,C 3Lud -38Ludwig dem XIII. und dem Kardinal Richelien. Auf dem Geſtelle ſteht die Statue Ludwigs des XIII. zu Pferde, von Bronze. Die Arbeit hat das noch etwas rauhe Gepraͤge des damaligen Geſchmacks. Sie iſt nach meinem Geſchmack die ſchlechteſte unter allen Sta - tuͤen in Paris. Das Pferd hebt den linken Vorderfuß zu hoch auf, und hinten ſteht ſeine Schwanzruthe etwas zu lang und zu ſteif hinauf. Eben ſo ſind die Finger an der ausgeſtreckten Hand des Koͤnigs ſteif, und wider - lich. Hier hat der Koͤnig einen Helm mit einem Feder - buſch auf. Henri IV. hat gar nichts auf dem Kopf.

Le Boulevard. So heißt ein Spaziergang, der einem Wall gleich ſieht, faſt um die ganze Stadt geht, alle Gaſſen durchſchneidet, aber doch nicht der aͤuſſerſte Zirkel iſt, den man um die Stadt beſchreiben koͤnnte; denn es ſtehen noch viele Haͤuſer auſſerhalb demſelben. Er iſt breit, in der Mitte fuͤr die Karoſſen und zu bei - den Seiten fuͤr die Fußgaͤnger eingerichtet. Man findet eine Menge Caffées (der Franzoſe ſagt nicht, Kaffehaͤu - ſer), Bierhaͤuſer, kleine Gartenhaͤuſer, Joueurs de Farce, welche die groͤbſten Poſſen mit unendlichem Ge - ſchrei ſpielen, Marionetten, Marktſchreier, Filoux, Laternes magiques, allerhand Spiele, Savoyards, Gemaͤlde, Kupfer ꝛc. Ueberall findet man den taͤndeln - den, ſpielenden, Geiſt der Nation. Ueberall ſchmutzige, wolluͤſtige Gemaͤlde, Leichtſinnigkeiten ohne Ende, freche Darſtellungen der entſetzlichſten Laſter, mit allen Reizen der Malerei und der Zeichnung, Saulieder, Sammlun - gen von Zoten, kleine niedliche Schriften mit den ver - fuͤhreriſchſten Vignetten und Kupferſtichen ꝛc. Bildniſſe hoher Reiſenden; neuerlich Hingerichteter, der amerika -niſchen39niſchen Generals ꝛc. Es war einer da, der Struen - ſee’s und Brand’s trauriges Ende dem Poͤbel zum Ge - laͤchter vorſtellte; Charten von Paris, Almanache, Chanſons, Operetten, Komoͤdienzettel ꝛc. ça ne finit pas, wo man hinſieht. Wieder andre Dinge, eine un - erſchoͤpfliche Mannichfaltigkeit von Geckereien ꝛc. Alle moͤgliche Editionen von Menſchen, Kleidern, Karoſſen, Putzarten, Kinder, wie junge Narren angezogen, Uni - formen, Livereien, Schweitzer, Huren ꝛc.

La Place Vendome. Wiederum ein ſchoͤner, groſſer, runder, mit guten Haͤuſern umſchloſſener Platz. In der Mitte eine praͤchtige Statuͤe von Louis XIV. zu Pferde. Sie iſt ſchoͤner, als jene von Louis XIII., auch ſchoͤner, als die von Henri IV. Der Koͤnig hat auch nichts auf dem Kopf, und weiſt mit der rechten Hand auf das gegenuͤberſtehende Haus des Kanzlers. Er hat nicht einmahl etwas um den Hals, auch der Arm iſt unbekleidet. Der Kopf, die Ohren, die Bruſt, und die Hinterfuͤſſe des Pferds ſind Meiſterſtuͤcke. Die In - ſchriften am Fußgeſtelle ſind im Geiſt des Volks, ſie ſtrotzen von Viro immortali, Aeternitati etc. Victorioſo etc. der Platz um die Statuͤe iſt mit ſchwarzen und weiſſen Steinen belegt, und mit einem eiſernen Gitter umgeben.

Le Palais Royal und Jardin du Palais Royal. Dieſes lange und praͤchtige Gebaͤude ſteht in der Rue St. Honoré, hat eine Menge Saͤulen, groſſe Hofplaͤtze, und einen herrlichen Garten, voll der ſchoͤnſten, breite - ſten Alleen, der Laͤnge nach, und wo man durchſieht, wieder in die Breite. In der Mitte iſt ein mittelmaͤſ -C 4ſiges40ſiges Baſſin, darin rothe Fiſche ſchwammen. Am Eingang ſind Boutiquen von Galanteriewaaren. Um 1. 2. 3. Uhr wimmelt hier alles von Pariſern.

La Place Victoire. Der Platz iſt klein, aber die Bildſaͤule von Louis XIV. zu Fuß gibt ihm ein praͤchtiges Anſehen. Sie iſt auf einem hohen Fußge - ſtelle errichtet. An dieſem ſtehen an den 4. Ecken 4. Nationen, theils als weibliche, theils als maͤnnliche Fi - guren vorgeſtellt, zum Zeichen der uͤberwundenen Natio - nen oder Erdtheile. Dieſe Figuren tragen Ketten, ha - ben die Haͤnde auf den Ruͤcken gebunden, und machen grimmig ſchnaubende Geſichter. Oben ſteht der Koͤnig, koloſſaliſch, hinter ihm die Siegesgoͤttin, welche ihm ei - nen ſchoͤnen Lorbeerkranz uͤber den Kopf haͤlt.

Den 20ten Mai.

Heute ſah ich den Kaiſer Joſeph II. In der Rue Tournon, einer von den wenigen Straſſen in Paris, die breit, hell, lichtvoll und geſund ſind, ſteht le grand Hôtel de Treville. Da pflegte der Kai - ſer, ſo oft er in Paris war, zu ſpeiſen. Heute Nach - mittag verſammelten ſich vor der Thuͤre von 1. Uhr an bis 3. Uhr mehr als tauſend Menſchen, und drangen zu - letzt, wie der Regen kam, ins Haus. Thuͤre, Eingang, Treppen, Platz, Hof, alle Zimmer, alle Fenſter waren beſetzt. Er ſollte zum Diner zuruͤckkommen. Wirklich machte er in einer vierſpaͤnnigen Karoſſe Viſiten bei den Ambaſſadeurs, dann nahm er einen groſſen Umweg nach St. Moulins und kam erſt um 4. Uhr in einer zwei - ſpaͤnnigen Karoſſe ganz allein zuruͤck. Man machte das groſſe Thor auf, die Karoſſe fuhr langſam unter dieMenge41Menge und hielt. Der Monarch ſtieg aus, gruͤßte alles freundlich. Ein allgemeines freudiges Klatſchen empfing ihn. Er ſtrich durch die Menge ins Zimmer, und ward von jedem geliebt und geſegnet. Ganz das Widerſpiel der franzoͤſiſchen Putzſucht trug er ein Kleid ohne Gold und Steine, von Couleur de Puce, kein Band und keinen Stern, weiße ſeidne Struͤmpfe und einen ſilbernen Degen ꝛc.

Pont St. Michel geht weit unter dem Pontneuf uͤber die Seine, iſt wegen des Kommerzes lebhaft ꝛc.

Les Bateaux ſur la Riviere. Hat man ſich ermuͤdet mit Laufen nach den Bruͤcken, um in die andre Stadt zu kommen; ſo hat man die Bequemlichkeit, daß man ſich in Schiffen fuͤr 2. Liard uͤberſetzen laſſen kan. Man geht auf verſchiedenen Treppen hinunter, kan ſich uͤberall embarquiren, aber zum Anlanden iſt nur ein Ort, faſt in der Mitte, zwiſchen dem alten und neuen Louvre. Oft iſts zum Ausruhen gut. Auf den Schiffen trocknen die Waͤſcher oft die Waͤſche.

Place Maubert liegt mehr gegen das Ende der Stadt. Der Platz iſt dem Fiſchmarkte gewidmet, und die Fiſchweiber da, ſind wegen einer beſondern Bered - ſamkeit im Schimpfen beruͤhmt. Man kan ihnen 2. Sous geben, ſo ſchimpfen ſie einen aus. Jeder bleibt ſtehen und bezahlt ſie, damit ſie nur recht ſchreien und ſchimpfen ſollen.

C 5Be -42

Bemerkungen.

Die meiſten Vornehmen in Paris leben in einer groſſen Unordnung. Man ißt Mittags um 2, , 3, auch , und Abends um 11. Uhr, legt ſich um 2, 3 Uhr erſt zu Bett, ſteht um 9, 10, erſt auf, und fruͤh - ſtuͤckt alsdann.

Der Franzos iſt hitzig, aber auch geduldig. Wer ſich daruͤber moquiren wollte, wenn er geſtoſſen, beſpruͤtzt, getreten wird, der wuͤrde ecraſirt werden: man traͤte ihn mit Fuͤſſen auf den Bauch. Keiner aber ſagt was daruͤber, ſondern ſchweigt, und geht ſeinen Gang fort.

Eine Menge ſchlechte Leute findet man hier. Sie fangen ſehr hoͤflich an, wollen Bekanntſchaft machen, oder einem andre empfehlen. Oft ſprechen ſie einem viel von groſſen reichen Herren vor, die einen ſolchen Mann, der ſo franzoͤſiſch oder deutſch ſpricht, oder das und das verſteht, engagiren wuͤrden, man ſolle nur da und da hinkommen ꝛc. Wer unvorſichtig genug iſt, kan Ehre, Freiheit, Geſundheit, Geld und Leben dabei verlieren.

Man findet wenig geſundausſehende Geſichter. Alles ſchminkt ſich, auch viele Mannsperſonen thun’s oft, wenigſtens des Abends. Dann ſieht die Haut wuͤſt, gelb aus, und die Schweisloͤcher werden verſtopft. Schon das enge Wohnen, die ſchmutzigen Straſſen, der graͤsliche mannichfaltige Dampf und Geſtank ſchadet der Geſundheit. Leute aus den Provinzen, aus andern klei - nen Staͤdten, oder Laͤndern zeichnen ſich ſchon durch die Geſichtsfarbe aus.

Die43

Die meiſten Haͤuſer ſind alt, 5. 6. Stock hoch, beſtehen aus ſchmalen an einander geklebten Riemen, mit laͤcherlich hohen Kaminen. Faſt alles iſt Thuͤr oder Fenſter, oder Boutique. Man wundert ſich, wie ſo ein vielloͤcherichtes Ding nur noch ſtehen kan. Auch die neuen Haͤuſer werden ſchnell ſo aufgebaut. Man findet hier und da groſſe Aubergen, nach ihrem neuſten Gout, der ſich aber freilich alle Tage veraͤndert, und mir wenig - ſtens, wegen des Mangels der Simplicitaͤt, nicht ge - fallen hat.

Das Laſter der Beſtialitaͤt und der Sodomiterei herrſcht gewaltig in Paris. Mannsperſonen die ein - ander fuͤhren, werden als Sodomiten von den Schild - wachen augehalten und arretirt, weil man erfahren hat, daß ſich jene Abmenſchen Abends ſo zuſammen zu finden pflegen.

Es fahren beſtaͤndig in der Stadt Karren herum mit erſtaunlich ſtarken Pferden, die in ſchwerem Schritt la boue de Paris zuſammen fuͤhren.

Man begegnet oͤfters den Prozeſſionen, ſchlaͤgt ſich aber alsdann in eine Nebengaſſe, oder geht mit dem Hut in der Hand vorbei.

Selbſt Peruͤckenmacher und Puderhaͤndler leſen Romane, verliebte Briefe von Ladies an einander, wo kein Gran Verſtand darin iſt. Viele Kutſcher zie - hen gleich, wenn ſie vor einem Hauſe warten muͤſſen, ei - nen Roman heraus und leſen.

Ueberall ſtehen Weiber, Kinder, Maͤnner ꝛc. auf den Straſſen, und ſchlagen den Federball. Auch ſindgroſſe44groſſe Billardplaͤtze, die ſogar vom Comte d’Artois beſucht werden, in der Stadt, und die Paſſage iſt dar - neben.

Den 21ten Mai.

La Fontaine dans la Rue Grenelle beſah ich heute. Die Straſſe iſt eine von den aͤuſſerſten auf der Seite von der Fauxb. St. Germain. Louis XV. hat da einen vielfachen Brunnen bauen laſſen, mit Sta - tuͤen von Waſſergoͤttern aus weiſſem Marmor, ſo viel ich ſehen konnte. Das Waſſer dazu wird weit hergeleitet. Sonſt hat die Straſſe auch wegen ihrer Breite und Hel - ligkeit Vorzuͤge. Ich beſuchte hierauf

L’Aumonier & Secret. d’Amb. de Suede M. le Prof. de Baer. Er wohnt in dieſer Straſſe im Hôtel de Suede, aber eben nicht gar bequem, oder praͤchtig. Im Viſitenzimmer, hing ein Gemaͤlde vom Koͤnig Guſtav III. in Schweden, mit dem weiſ - ſen Schnupftuche um den linken Arm, das, ſeitdem der Koͤnig bei der letzten Revolution das zum Zeichen mach - te, eine Art von Orden geworden iſt. Herr von Baͤr arbeitet an einem neuen Geſangbuch fuͤr ſeine Gemeinde, das in Strasburg gedruckt wird, und mit Zuziehung der Neuern, auch des Baadenſchen, verfertigt iſt. Die Lieder von Paul Gerhard gefallen ihm beſonders wohl, daher iſt das: Wie ſoll ich dich empfangen ꝛc. von ihm mit allen ſeinen Fehlern beibehalten worden. Ein in der Sammlung befindliches Lied: von der Freund - ſchaft der Chriſten, iſt von ihm ſelber, und hat ſchoͤne Stellen. In ſeiner Bibliothek fand ich auſſer den Schwediſchen akademiſchen Abhandlungen kein ſehr wich -tiges45tiges Buch. Kaͤſtners deutſche Ueberſetzung verachtete er gar ſehr. Von Michaelis geſtand er, daß er viel gelernt haͤtte. Fuͤr die deutſchen evangeliſchen Hand - werksburſche hat er eine Krankenſtube angefangen, jeder muß monatlich nur 12. Sous geben, und wird dann, im Fall er krank wird, ganz frei beſorgt. Die Addreſſen, die er mir an die hieſigen Gelehrten gab, wenn bloſſe Namen der Gelehrten mit: de la part de Baer, ohne ſonſt etwas hinzu zu ſetzen.

Bemerkungen.

Man hat hier Portechaiſen, die auf 2. Raͤdern ſtehen, und eine Gabel haben. Der Kerl ſpannt ſich ein, und zieht den andern in der Portechaiſe fort.

Auch findet man hier ganze Magazine von Para - pluyes; nicht nur unies, ſondern auch geſtreifte, bunte ꝛc. traͤgt man.

La Charte, ou le Plan Routier de Paris, iſt eine Sache, die jedem Fremden unentbehrlich iſt, aber auch groſſe Dienſte leiſtet. Paris und Rheims haben in Frankreich allein die Bequemlichkeit, daß an allen Ecken der Straſſen in maͤſſiger Hoͤhe die Na - men der Straſſen eingegraben und angeſchrieben ſind. Und ſo hat man von der ganzen Stadt einen Plan, der alle Jahre neu herauskoͤmt. Man kan ihn ſchwarz, il - luminirt, en feuille, auf roth Tuch geleimt und zu - ſammen gelegt, haben, am Pontneuf, am Quay ꝛc. zu 4. 6. Liver. Man hat ſie auch von allen Envi -[r]ons de Paris zu 9. Liver.

Faſt46

Faſt immer gehen die vornehmen Frauenzimmer hier mit einem duͤnnen Stock in der Hand, der ſchlank, und lang ſeyn muß. Sie tragen ihn auch, wenn ſie ein Chapeau am andern Arme fuͤhrt. Sie haben ihn in der Chaiſe neben ſich ſtehen.

Eine unzaͤhlbare Menge Hunde gibts auch hier, von allen Farben, Geſtalten und Figuren. Es iſt un - glaublich, wie die Leute hier ſich von Jugend auf an dieſe Thiere gewoͤhnen. Jeder junge Menſch muß einen haben, der liegt des Nachts bei ihm im Bett, und am Tage auf dem Bett oder auf den Stuͤhlen ꝛc. Die Franzoſen koͤnnen ſich ganze Stunden lang mit ihren Hunden unterhalten. Manche dieſer Geſchoͤpfe bekom - men des Morgens Chokolade. Ich ſah einen, der ſei - nem Hunde Wein in Hals ſchuͤttete, und ſagte: es waͤre ſein Geld, er koͤnne damit thun, was er wolle. Nach einer gemachten Ueberzaͤhlung gibts uͤber 8000. Hunde in Paris Ach, und wie viele Menſchen in Ludwig’s Koͤnigreiche haben das taͤgliche Brod nicht, das Gott doch nicht fuͤr Hunde und Pferde wachſen laͤßt! Doch ſah ich in Verſailles hier und da, Koͤnigl. Befehle gegen das uͤberfluͤſſige Hundehalten angeſchlagen, aber man achtet nicht drauf. Die Franzoſen lachen uͤber laut, wenn man ſagt, ſehen Sie da des Koͤnigs Verbot und auch bei andern Gelegenheiten zeigen ſie wenig Achtung fuͤr die Geſetze. Sie prahlen mit dem Koͤnigl. Staat ge - gen die Fremden, und erheben ihren Monarchen aufs hoͤchſte, aber der Gehorſam fehlt. Eben ſo arg ſind die Frauenzimmer auf die Hunde verpicht. Selten haͤlt eine Damenkaroſſe, wo der Kutſcher nicht den Hund erſt herausheben muß. Es ſind kleine grimmige Geſchoͤpfe,die47die ein graͤsliches Geheul anfangen, wenn ſie einmahl anders, als ſo naͤrriſchzaͤrtlich behandelt werden. Man beſchuldigt die Frauenzimmer, daß die groſſe Achtung, die ſie fuͤr die kleinen Hunde hegen, ihren Grund in dem garſtigen Gebrauch habe, den ſie von ihnen machen. Mopſus fricator*)Deswegen ſie auch der Gazetier cuiraſſé, eine bittere Satyre auf franzoͤſiſche, und beſonders pariſer, Thorheiten, die vor einigen Jahren herauskam, Lexicons, nannte. Herausgeber. .

Es iſt hier auch eine deutſche Apotheke, nicht weit von la Place St. Victor.

Ziegenleder (Peau de Chevre), davon iſt hier ein erſtaunlicher Aufwand. Die gemeinſten Leute laſſen ſich Schuhe daraus machen. Der Schuhmacher fragt: Souliers, ou Eſcarpins? en Veau? ou en Peau de Chevre?

In den Strumpfladen hat man die Gewohnheit, um zu wiſſen, ob der Vorderfuß dem Kaͤufer nicht zu kurz iſt, man laͤßt ihn eine geballte Fauſt machen, kan man mit dem Vorderfuß die Fauſt umwickeln, ſo iſt er nicht zu klein.

Den 22ten Mai.

Le Jardin du Roi ward heute von mir beſucht. Er liegt faſt an der einen Ecke der Stadt, und die Straſſe dahin fuͤhrt eben dieſen Namen. Er iſt gros, auf der einen Seite eben, auf der andern aber hat er Erhoͤhungen zu den Baͤumen. In der Mitte geht einbreiter48breiter Gang durch, der ihn in 2. Haupttheile abtheilt, und auch ein Quergang. Jedes Quartier iſt in kleine Beete, manche aber durch Diagonalen getheilt. Die Rabatten ſind mannichfaltig. Alles iſt mit einer Mauer umgeben. An der einen Seite iſt der Laͤnge hin alles mit Treib - und Gewaͤchshaͤuſern beſetzt. Es gibt Ober - und Untergaͤrtner. Beim Eingange iſt das Kabinet der Naturgeſchichte, die Wohnungen des Hrn. Daubenton, und der Gaͤrtner. Der Garten iſt alle Tage offen, das Kabinet aber nur Dienſtags und Donnerſtags von 4 5. Uhr Nachmittags. Heute lernte ich

Mr. D’Anſe de Villoiſon, de l’Ac. R. des Inſcr. kennen. Ein lebhafter und galanter Mann, der die alte Litteratur liebt, auch etwas Kenntnis der neuern deutſchen hat, und die deutſche Nation mehr, als alle andre pariſer Gelehrte ſchaͤtzt, der ſchnell franzoͤſiſch, aber uͤbel lateiniſch ſpricht, ſchazet fuͤr jacet, poteritis, als wenns ein franzoͤſiſches Wort waͤre. Er behauptete aber, die Pronunciation der Franzoſen im Lateiniſchen kaͤme dem alten aͤchten naͤher, als der Deutſchen und En - gellaͤnder ihre, wiewohl er mir zugab, daß ſich das nicht ausmachen laſſe.

Pont Rouge und Pont Tournelle. Wieder 2. Bruͤcken uͤber die Seine. Jene iſt ſo benennt, weil ſie ſo angeſtrichen iſt, dieſe hat mehr Schoͤnes im Anblick.

L’Hôtel de Chirurgie, in der Rue des Cor - deliers. Ich beſah nur das Aeuſſere*)Den 26. Junii bekam ich auch das Innre zu ſehen. Louis XV. fing’s an zu bauen. Es ſtand vorher ein altes konigliches Gebaͤude da. Louis XVI. ließ esvol -, das aber ſchoͤniſt.49iſt. Vor dem Hotel liegt ein breiter Platz mit Saͤulen umgeben. Ueber dem Portal ſtehen einige vortreflich gearbeitete Buͤſten alter Gelehrten ꝛc. Das Ganze ſieht recht aus, wie eine Stoa oder Porticus der Alten. Es wird Chirurgie darin gelehrt.

Le Louvre. Eins der praͤchtigſten Gebaͤude Eu - ropens. Es nimmt uͤber die Haͤlfte des Platzes zwiſchen dem Pont neuf und Palais Royal ein. Man kan ſich darin verirren, man findet groſſe weite Plaͤtze darin, man faͤhrt, man geht durch, es laͤuſt Waſſer durch, man findet beſtaͤndig eine Menge Leute daſelbſt, es ſind koſt - bare Stuͤcke darin, und auch ſehr alte, ſchlechte, beſtaͤubte und wurmſtichige. Beſonders haben Bildhauer ihre Werkſtaͤdte daſelbſt. Man ſieht da praͤchtige Gemaͤlde, Kupferſtiche, Zeichnungen, Waaren. Ich ſah einen herrlichen Kupferſtich. Es war The Parting of Ro - meo and Juliet, dedicated to the unhappy Lo - vers. By Scorodoomov. Julie legt ihren rechten Arm auf Romeo’s linke Schulter, ihren linken ſtreckt ſie gegen ſeine Bruſt, und ſinkt mit dem muͤden Haupte unter ſein Geſicht hin. Die Traurigkeit ſelbſt, zaͤrtlicher Schmerz, ſtille Wehmuth, geſchloſſene Augen, am Hals alle Muſkeln, halb ſchlapp, halb angeſpannt. Gluͤck zu dem jungen Kuͤnſtler! Und wem haͤtte ſo ein herrli -ches*)vollenden. Inwendig iſt ein groſſes herrliches Am - phitheater, wo geleſen wird um 11 Uhr, und eine Menge junger Leute da iſt. Auch Accouchement wird in einem kleinern Saal den Hebammen gelehrt. Vorne ſtehen Inſchriften. Es iſt eine der neueſten Merkwuͤr - digkeiten. Mit Stock oder Degen darf man nicht hinein gehen.D50ches Stuͤck beſſer geweiht werden koͤnnen, als der ungluͤck - lichen Liebe? Man ſieht, man fuͤhlt, man wuͤnſcht mehr, wenn man nur das Bild ſieht, als wenn man den gan - zen Siegwart lieſt. Iſt etwas, das in groſſen Staͤdten der Erziehung vortheilhaft iſt, ſo iſt’s gewis der Anblick ſo vieler und mannichfaltiger Werke der Kunſt, die den Geſchmack beſſer ſchaͤrfen als Regeln; ſo ge - faͤhrlich freilich auch auf der andern Seite dieſe Plaͤtze jungen, unverſchloſſenen, Seelen werden koͤnnen. Denn neben einer Kreuzigung haͤngt eine nackte Danae, oder eine badende Suſanne, oder eine Venus, unter den Haͤnden der Grazien, wo die Nachahmung der Natur, der Reitz, die Feinheit, und die Verſchoͤnerung der Phan - taſie, kurz alles zuſammen fließt, das Laſter angenehm zu machen.

Le Cabinet de l’Hiſtoire Naturelle du Roi, beſuchte ich heute zum erſtenmahl. So ſteht mit goldnen Buchſtaben uͤber der einen Thuͤre. Das, was man den Fremden zeigt, iſt in 4 groſſen hohen Zimmern an den Waͤnden uͤberall herum, und zum Theil auch oben an der Decke angebracht. Alles iſt in wohlverſchloſſenen Schraͤnken mit vielen Schubladen und Faͤchern, Glas - thuͤren, und franzoͤſiſchen Zetteln. Viel Ordnung iſt nicht in der Anordnung, es ſcheint, es fehlt am Platz, oder man hat’s noch nicht weiter aus einander bringen wollen. Vieles ſteht im Schatten, vieles zu niedrig, vieles viel zu hoch. Man kans mit der Lorgnette in der Hand nicht ſehen. Wenns aufgemacht wird, welches alle Woche zweimahl geſchieht, ſo faͤhrt und geht immer eine Menge Menſchen von allen Geſchlechtern, Stand und Alter hinein. Es iſt ein Getuͤmmel, wie aufmMarkt.51Markt. Ich traf einmahl zwei Ober-Lothringiſche Bau - ern darin an, die beim Strauß, Krokodil und bei den Muſcheln ihre Verwunderung nicht laͤnger zuruͤckhalten konnten und durch ihr Deutſch viel Aufmerkſamkeit auf ſich zogen. Man kan ſich die tauſenderlei Anmerkungen und Fragen und Erklaͤrungen der Pariſer Schoͤnen, jun - gen Herren und Halbkenner mit der wichtigſten Mine ꝛc. leicht denken. Am Eingang und in der Mitte ſtehen Schildwachen, und ſonſt geht Hrn. D’Aubenton’s Be - dienter noch uͤberall herum. Es iſt auch nicht moͤglich, einen Schrank zu erbrechen, weil unten noch eiſerne Ha - ken und Ringe vor der Thuͤre ſind. Sauber abgeputzt und reinlich iſt alles, auch wohl verwahrt; aber wie ge - ſagt, zu ſehr gedraͤngt und enge geſtellt. Im Ganzen zu urtheilen, iſt das Mineralreich, wie gewoͤhnlich, das ſtaͤrkſte; wiewohl es auch Luͤcken hat, die ich nicht ver - muthet haͤtte. Hernach koͤmt das Thierreich, wo die Voͤgel und Inſekten am ſchoͤnſten und haͤufigſten ſind. Vom Pflanzenreich iſt am wenigſten da, doch Hoͤlzer, Saa - men, auch Bluͤten, und die Herbaria von Vaillant und Tournefort ꝛc. Petrificationen ſind nicht mehr da, als ſich gehoͤrt. Mehr kan man nicht ſagen, wenn man nur mit dem groſſen Haufen darin geweſen iſt. Die Geſchichte des Kabinets iſt mir verſchieden erzaͤhlt wor - den. Buffon ſoll es erſt angefangen, ſoll alles geſam - melt, und Reaumur ſoll nichts gethan haben! Es iſt unglaublich, wie des Letztern Verdienſte geſchaͤndet wer - den! Und doch ſchmeichelt ſich Buffon mit der Unſterb - lichkeit unter ſeiner Nation! Ich lernte hierbei

Mr. D’Aubenton, Garde du Cab. de l’Hiſt. Nat. et Membre de l’Ac. R. des Sc. kennen. EinD 2liebens -52liebenswuͤrdiger Mann, der unter allen Franzoſen, mir bisher noch am meiſten gefallen hat. Solid, ge - ſetzt, gelehrt, gefaͤllig, hoͤflich, fuͤr ſeine Thieranatomie aͤuſſerſt geſchaͤftig, ohne Flittergold im Putz, ging er da, an den Anblick gewoͤhnt, ruhig auf und ab, und un - terhielt ſich aufs gefaͤlligſte mit mir. Er beklagte ſich, daß deutſche Schriften z. B. Juſti’s, bei ihm ſo ſchwer zu bekommen waͤren. Er lobte die Durchl. Fr. Marg - graͤfin von Baaden, und erinnerte ſich an Profeſſor Murray in Goͤttingen, der bei ihm geweſen war. Mit - ten in den angenehmſten Unterredungen kam ein faſelnder Franzos und noͤthigte den denkenden, ernſthaften Mann, einen Faͤcher eines Frauenzimmers zu betrachten, der aus chineſiſchen Papier, mit chineſiſchen Voͤgelmalereien und vergoldeten Staͤben zuſammengeſetzt war, und 5 Louisd’or gekoſtet hatte. Der Faquin nannte das auch ein Na - turalienkabinet, als wenn ſo eine armſelige Kleinigkeit fuͤr einen Mann wichtig waͤre. Reſtez ici, ſagte er zu mir, nous cauſeront encore un moment en - ſemble. Und nachher beſtellte er mich auf den Sonn - abend um 11. Uhr wieder allein zu ſich hieher.

Bemerkungen.

Paris hat ein gutes Pflaſter, das beſtaͤndig un - terhalten wird. Die Steine an ſich thun nicht weh, ſie ſind gar nicht ſpitzig, ſondern ſehr breit; aber der Koth wird durch das unaufhoͤrliche Laufen und Fahren ſo herumge - ſchmiert, daß man alle Augenblicke glitſcht. Die Abſaͤtze an den Schuhen gehen gleich wieder ab, und die Schuhe faſeln aus in wenig Tagen.

Es53

Es iſt hier alles viel theurer, als z. B. in Stras - burg. In letztrer Stadt koſtet eine Taſſe Kaffee 2 Sous; hier 4; dort eine Taſſe Chocolade 8 Sous; hier 10. und dann iſt in verſchiedenen Kaffeehaͤuſern manches viel ſchlechter, als dort.

Zur Bequemlichkeit mit der petite poſte, laufen in allen Straſſen Maͤnner herum, die eine lederne Briefta - ſche anhaͤngen haben, und durch eine eiſerne Klapper oder dergleichen ſich ankuͤndigen.

Man findet hier uͤberall Troͤdler; einige handeln blos mit Manns-andre mit Frauen-andre mit Kinder - und mit Bedienten-andre mit bordirten Kleidern ꝛc.

Auch gibts eine Menge Mohren hier, und Nege - rinnen, die Kaufleute, Bediente, Unterhaͤndler ꝛc. ſind.

Man verkauft hier beſtaͤndig rothe Eier, wie bei uns ſonſt nur an Oſtern. Ich ſah uͤberall ganze Koͤrbe voll, und wuſte lange nicht, was es war. Sie werden hart gekocht, gefaͤrbt, und ſo zum Sallat in den Haͤu - ſern verkauft. Ueberhaupt pflegt man hier viele Eier zu eſſen. Man bringt ſie oft nach der Suppe auf den Tiſch. Manche koͤnnen 2-3. hintereinander zu ſich nehmen.

Den 23ſten Mai.

La Bibliotheque de l’Abbaye St. Germain, ou de la Congreg. de St. Maur. beſah ich heute. Das Kloſter ſelbſt iſt ein altes, aber weites, und groſſes, Ge - baͤude. In dem oberſten Stock koͤmmt man an eine eiſer - ne Grille, dieſe oͤfnet den langen Bibliothek-Saal. Am Ende deſſelben, der zu beiden Seiten Buͤcher -D 3ſchraͤnke54ſchraͤnke hat, geht man dann auf etlichen Stuffen in ei - nen andern, eben ſo langen und noch breitern, der auf der einen Seite die Theologie, auf der andern die Geſchichte, Antiquitaͤten, und die Katalogs enthaͤlt. Alle Buͤcher - ſchraͤnke ſind mit geflochtenen und verſchloſſenen Dratgit - tern vermacht, durch die man aber bequem die Titel der Buͤcher leſen kan. Verlangt man eins, ſo ſchlieſt der Bediente auf; man ſetzt ſich damit an Tiſch, und kan excerpiren, was man will. Fuͤr die Hiſt. Dogmat. Hiſt. eccl. Antiq. Chriſt. Hiſt. patrum, auch fuͤr die Exegetik und Kritik iſt dieſe Samlung ſehr betraͤcht - lich. Man findet alle Schriften der Patrum, Catenas und Biblioth. patrum, alle Miſſalia, alle Concilia, Decretalia und Epiſt. Pontific. hier. Doch ſind in der Exegetik mehr die Alten, als die Neuern, mehr katho - liſche, als andere Schriftſteller vorhanden. Crit. Angl. Poli Synopſ. Hammondi, Eraſm. Schmid. Schriften ꝛc. ſind da. Eine Menge ſtehen ſo hoch, daß ich nichts von ihnen ſagen kan. Die meiſten ſind alt, in ſchwar - zes oder braunes Leder gebunden. Viele Bibeln, Ori - geni Hexapla; Daniel ſecundum LXX. Trom - mii Concord. etc. Die Specialgeſchichte von Frankreich’s einzelnen Provinzen, die Antiquitaͤten von Paris, die Geſchichte der Orden und ſonderlich die Acta Benedictin. e Congreg. St. Mauri etc. alles iſt da. Man nennt ſie la Bibliotheque de l’Abbaye St. Germain de Prèz, das fand ich in einem Buch de Pratis uͤberſetzt. Der Pater Don Pater war jetzt Garde de la Bibl. ein ſehr hoͤflicher Mann, der ſeine Wohnung gleich vorn beim Eintritt in die Bibliothek hatte. In der Naturgeſchichte entſchuldigte er ſich, daß ſie nicht viel haͤtten, weil ihnen die Buͤcher wegen der Kupfer -ſtiche55ſtiche zu theuer waͤren. Ich ging heute Sibbaldi Pro - drom. Hiſt. nat. oder Scotia illuſtrata durch. Ver - gebens fragte ich hier nach ſeiner Balaenologia. Es ſtand nicht im Katalog, und am erſtern Buch war’s nicht angebunden.

Madem. Baſſeporte lernte ich auch heute kennen. Sie iſt eine Jungfer von 80. Jahren, mit der mich M. de Villoiſon bekannt machte. Sie wohnt im botani - ſchen Garten, hat Reiſen gethan, und ſich ſchon uͤber 46. Jahre im Zeichnen und Mahlen der Pflanzen und Thiere geuͤbt. Zum Erſtaunen iſt’s, wie ſie die Natur nachgeahmt hat. Alles iſt ausgedruckt, alles lebt, al - les, bis zum Entzuͤcken, mit einer Delikateſſe, die ihres gleichen nicht hat. Die genauſte Richtigkeit und die groͤßte Feinheit herrſcht in jedem Stuͤck. Sie wieß uns Ket - mia, Martinia, Helleborus, Convolvulus, Ama - ranthus etc. jedes war auf einem halben Bogen von feinem duͤnnen Pergament. Man konnte nicht reden, man mußte nur ſehen. In keinem Hortus, in keiner Flora iſt die Natur ſo erreicht worden. Sie wieß uns auch einige Phalaͤnen, z. B. die Portemiroirs, ſie waren auch praͤchtig, die kleinen Haare am Bauch, die Bordirungen, alles war dargeſtellt, doch haben Cra - mer, Drury, Clerck, auch Roͤſel ꝛc. dieſe eben ſo ſchoͤn abgebildet. Aber zwei Schlangen zeigte ſie uns, die das Auge nicht ſchoͤner ſehen konnte. Alle Flecken, alle Schuppen, ſelbſt die ſcharfen Kanten, das Schielende in den Farben, der Kopf, die doppelte Zunge, das Beiſ - ſige im Blick, die unmerklich kleinen Schuppen am Schwanz, alles hatte ſie bewundernswuͤrdig nachgeahmt. Sie hat natuͤrlich an den Augen ſchon ſtark gelitten, undD 4klagte56klagte gegen uns uͤber Mangel an Unterſtuͤtzung. Sie hat eine Penſion von nur 400. Livres, war uͤbel ge - kleidet, und ſchien mit dem hohen Alter kleinmuͤthig ge - worden zu ſeyn. Was ſie ſprach, war wohl uͤberdacht und gut ausgedruckt, aber es ſchien immer, als wenn ſie auf ihre ſchoͤne Arbeit weinen wollte. Thut’s nicht dem Freund der Menſchheit in der Seele weh, wenn der Tau - genichts in der weichen Karoſſe liegt, und auf wolluͤſtige Eroberungen ſinnt, die ſein Geld moͤglich machen ſoll, indes die Kunſt, das Verdienſt, der Fleis, die ſchoͤnſte Beſchaͤftigung, unter dem Druck der Duͤrftigkeit ſchmachtet, und ſeine Seufzer nicht laut genug auslaſ - ſen kan? Zum Ungluͤck fuͤr die vortrefliche Kuͤnſtlerin war unſer Kaiſer, als er Kabinet und Garten beſah, durch die Gobelinsmanufakturen ſo ermuͤdet, daß er ſich da nur ſehr kurz aufhielt, und Juſſieu, der ihm den Garten wies, unmoͤglich ihn auf dieſes Frauenzimmer aufmerkſam machen konnte. Wir trafen in dieſer Geſellſchaft noch die Demoiſelle Biheron*)Von dieſer Kuͤnſtlerin weiter unten weitlaͤuftiger. an. Auch lernte ich

Mad. de Bure kennen. Sie iſt die Frau eines Buchhaͤndlers, und beſitzt ſehr viel Beleſenheit und ge - ſunde Beurtheilungskraft. In ihrem Hauſe kommen oft viele Pariſer und fremde Gelehrte zuſammen. Sie ſpricht nicht gar viel, und das Franzoͤſiſche hab ich ſchon von andern beſſer ſprechen gehoͤrt. Sie iſt gros, hat ein blaſſes Geſicht, und eine etwas harte Stimme; ihr Putz war maͤſſig, ihre zwei Toͤchter waren ſehr an ſie attachirt. Die ganze Stube war mit Buͤchern garnirt. Der Mann ſtand ziemlich im Schatten, ſchwieg ſtill undputzte57putzte das Licht. Sie erkundigte ſich bey mir nach Mesd. Karſchin, Reiske ꝛc. von der ſie ein Portrait hatte, und empfahl mir ſehr das Koliſe’e zu ſehen, weil es faſt ein Paradis terreſtre waͤre. Um halb 10. Uhr Nachts fuhren wir fort.

Bemerkungen.

Bisher war in Paris beſtaͤndig Regenwetter. Kein Tag verging, an dems nicht etlichemahl anfing, und uͤberall war ein heßlicher Koth. Noch ſpuͤrte man gar nichts von der Sommerhitze. Man ſieht auch ſel - ten die Sonne. Zwiſchen den hohen Haͤuſern erblickt man immer nur einen kleinen Streifen vom Himmel. Es gibt viele Leute hier, die gar nicht wiſſen was Wind iſt; denn den phyſiſchen Wind ſpuͤrt man in der Stadt gar nicht. Fuͤr viele Deutſche iſt das ſehr unangenehm, ſie koͤnnens nicht gewohnen und werden krank.

Beſuche kan man hier keinem vor 11. Uhr Vormit - tags, und 4. Uhr Nachmittags machen. Auch geht keine Bibliothek vor 9. Uhr auf, die meiſten erſt um 10. Viele Viſiten macht man erſt Abends um 6. 7. Uhr. Morgens kan man vor halb 7. Uhr keinen Bedienten, keine Taſſe Kaffee ꝛc. bekommen.

Jetzt war’s Mode, mit groſſen ſchwarzblauen Stecknadeln zu friſiren. Tuppe’e und Locken wurden damit geſteckt, und jeder lachte uͤber die doppelten Haar - nadeln der Deutſchen.

In den Straſſen laufen beſtaͤndig Bierfiedler, Muſikanten, Saͤnger ꝛc. herum, wahre Muͤſſiggaͤnger und Bettler.

D 5Es58

Es gibt hier viele Boutiquen, wo Naturalien, Gemaͤlde, Meublen, Glas, Vergoldungen, Sekretaire, Orgeln, Kutſchen, Girandolen, alte Bronzen, Statuͤen, ausgeſtopfte Loͤwen, Voͤgel, Hunde ꝛc. alle moͤgliche Sa - chen unter einander zu verkaufen ſind. Ueber dem Laden haben ſie 2. 3. ꝛc. Magazine, wo das Auge ermuͤdet zu ſehen. Ich fand bei einem ſolchen Naturalienhaͤndler ei - nen hohen Glaskaſten, wo alle Arten von franzoͤſiſchen Voͤgeln ausgeſtopft, auf einem Baume ſaſſen. Man konnte ihn auf dem vergoldeten Geſtelle herum drehen. Ich kaufte ihm eine Seepflanze auf einem Daumen von einem Meer - oder Seethiere, angewachſen; ein herrlich Stuͤck Marienglas aus Rußland; eine Kon - chylie mit angewachſenen Corallen, und eine Tubula - ria etc. um geringe Preiſe ab. Man findet hier und da ſchoͤne Stuͤcke, aber Schade, daß man ſie nicht ſorgfaͤltig genug aufbewahrt.

Man ſpeißt hier Linſen, die noch einmahl ſo gros ſind, als unſre in Deutſchland. Sie werden ſauer gekocht, und ſchmeckten mir wenigſtens treflich. Viel - leicht deſto beſſer, weil ein Teller voll Gemuͤs hier, ſo eine groſſe Seltenheit, ſo ein beſchwerlicher Mangel fuͤr den Deutſchen iſt.

Der Sand, den man hier zum Theil hat, iſt eine graue feine Stauberde, und kein eigentlicher Sand.

Den 24ſten Mai.

Le Cabinet de l’Hiſt. Nat. de Roi. beſah ich heute wieder. Herr D’Aubenton lies es fuͤr mich oͤfnen,und59und gab mir Erlaubnis, alles im Detail anzuſehen. Ich fing alſo an beim Erſten Zimmer, und fand im*)Ich fuͤhre die natuͤrlichen Koͤrper hier und im Folgen - den ſo an, wie ich ſie im Sommer 1777. in jedem Zimmer, in jeden Schranke, Fache ꝛc. fand, und ſo wie ſie neben und bei einander lagen; um dadurch ei - ne Probe von der Ordnung, oder vielmehr franzoͤſi - ſchen Unordnung, die in dieſem Kabinette herrſcht, zu geben.

  • I) Erſten Schrank, rechts, gleich beim Eintritt
    • 1) verſteinert Holz, vom Carpath Gebuͤrge, von Soiſſons, aus Touraine, von Bambos, vom Amazonenfluß, aus der Donau, von Fels - berg in Oeſterreich.
      • a) Auch bois petrifié d’eſtampes, worauf ich aber nichts beſonders ſah.
      • b) Eins von Soiſſons, von dem ſich die Fi - bern, wie von Amianth trennen lieſſen.
      • c) Im Seitenſchrank war noch viel aus Me - xiko, von Konſtantinopel, Koburg aber manches ſah ich nicht dafuͤr an.
    • 2) Gummata, Laques, Encens, eine Men - ge Arten, aber alle ohne botaniſche Beſtimmung, und in vieler Unordnung.
      • a) Aloes, Lucide, Myrrhen en larmes, Storax, Manna in vielen Formen, Wachs - lichter aus Amerika. Viele andre Glaͤſer mit indianiſchen Namen. Drei Glaͤſer mit einerſchwarzen60ſchwarzen Materie, Mani brute. Wachs aus Peru. Wachs vom wilden Muſkaten - baum. Gruͤne, gelbe und weiſſe Lichter vom Wachsbaum.
      • b) Kopal von Madagaſkar, theils braun, theils ſchwarz, theils geſchnitzt. Es war ein groſſes Stuͤck von letzter Inſel da, daß ganz blaßgelb durchſichtig war.
      • c) Gomme elaſtique, oder Federharz, aber auch faſt alles geſchnitzt. Gomme ſeraphi - que, ohne Benennung des Orts. Gummi von Acajou und Acacia, aus der Levante, Amerika, Domingo, roth, braun, en lar - mes, en planches. Viele Arten Bdel - lium etc.
  • II) Zweiter Schrank, enthielt Holzarten und Rin - den. Es waren eine Menge auslaͤndiſcher Arten da, aber keine inlaͤndiſche, zum Theil in Glaͤſern mit Eti - ketten, noch viel mehr aber in kleinen Staͤben oder Wuͤrfeln mit angeklebten Namen, aber
    • a) Manches kam doppelt, dreifach, in verſchiede - nen Arten vor.
    • b) Und wer verſteht das: Bois de lettres; Bois ſauvage; Bois jaune; Bois Mahaleb?
  • III) Dritter Schrank hatte Bois etrangers eben - falls, und oben Vaillant’s, Herbar. in vielen Baͤnden. a) Die61
    • a) Die meiſten Holzarten waren verarbeitet.
      *)Unter die ſchoͤnſten Holzarten gehoͤrt das Violetholz und das Marmorholz. Außerordentlich ſchwer iſt das Eiſenholz, (bois de fer) und ſehr hart das Ei - benholz (bois d’If.)
      *)
    • b) Es ſtanden 5. Arten (in der Thuͤr nach einem kleinen Zimmer) neben einander, die alle ſehr ver - ſchieden waren, und alle hieſſen Bois de ſatin!!!
  • IIII) Vierter Schrank, enthielt immer noch Hoͤl - zer und Tournefort’s Herbar. wie obiger:
    • a) Das Baͤnderholz (bois de ruban) an der Seite war gar ſchoͤn, roth und gruͤnblau, wie man Strickbeutel von ſeidenen in einander geſchlungenen Baͤndern hat.
    • b) Ecorce de Bois à dentelle, ſehr fein, weiß, in einander gekettet, wie Filet, viele andre Ecorces und fils.
    • c) Zeug von Otaheite, roͤthlich, weich.
  • V) Fuͤnfter Schrank, enthielt Fruͤchte von aus - laͤndiſchen Pflanzen. Ruͤſſe, Kerne, Schalen, zum Theil in der Mitte aufgeſchnitten. Eine unge - heure Menge kleiner Saͤmereien in Glaͤſern, aber lau - ter franzoͤſiſche halbindianiſche Namen. Unter an - dern,
    • a) Ungeheure Cocosnuͤſſe von den Maldiviſchen Inſeln, welche in der Mitte zertheilt waren. Wie groß muß der Baum ſeyn, der eine ſolche Frucht traͤgt?
    • 62
    • b) Eine Frucht vom Cacaotier, oval, wie eine derbe Fauſt.
    • c) Ourſin vegetal. Fruͤchte, deren Schalen ganz ſtachlicht ſind, ohne naͤhere Beſtimmung.
  • VI) Sechſter Schrank, enthielt auch Fruͤchte, theils trocken, theils in Glaͤſern; merkwuͤrdig waren
    • a) Eine Vanillenſchote, lang, ſchmal, faſt Spannenlang, ſchwarz.
    • b) Weiſſe Limonien, in Weingeiſt.
    • c) Fruͤchte vom Corallodendron, faſt wie un - ſre Kirſchen, roth mit ſchwarzen Streifen.
    • d) Grains de Thé, gros und graulicht.
    • e) Fruͤchte von Cotonier und Goſſampin, (ſolls unſer Goſſypium Linn. ſeyn?) und Apo - cyn. die alle Semina multalana ob - et cir - cumvoluta hatten.
    • f) An der Wand waren Spathae Palmarum mit Fruͤchten, angenagelt.
    • g) An der Seite, in der Mitte zwiſchen den 6. und 7ten Schranke ſtand
      • a) Ein langes Stuͤck Bois foſſile d’Islande, grade ſo, wie Lign. foſſ. bei Caſſel.
      • b) Eine Coupe transverſale du ſecond des Marroniers d’Inde, qui fut planté au Jardin du Roi 1656. et eſt mort 1767. Der Diameter war ſtarke Spannen, ſchrecklich hart, blaßgelb, mit grauen irregulaͤ - ren, cirkelfoͤrmigen Linien.
      • 63
      • c) Ein Stuͤck Bois bitumineux d’Islande.
      • d) Feuille du Cocotier des Maldives, war uͤber Mannslang, an der Wand angena - gelt, unten breit, oben zugeſpitzt, gelb, viel - eckicht, mit ſcharfen Kanten. Fleurs males de ce Cocotier, waren ſcharf und hatten Arms-Laͤnge.
      • e) Cones du Cedre de Libanon, rund wie ein Apfel, aber ſchuppicht wie Tannzapfen, nur, daß die Schuppen in die Runde herumgehen.
  • VII) Siebenter Schrank. Darin fand ich
    • a) Unten Tourbe, viele Torfarten; Gazon ſuperieur du pré, qui tremble,
      *)Vermuthlich ein Torfmoor, das mit der Zeit das al - zuviele Waßer verlieren und feſter werden wird.
      *) an - dre Bois bitumineux.
    • b) Oben wieder viele Wurzeln, Rinden, Rha - barber aus China, aus Moſkau ꝛc.
    • c) Papyrus, an den Seiten angenagelt, ein lan - ger, rohrfoͤrmiger, blaßgelber, Koͤrper.

Von hier ging ich und beſah

L’Egliſe de St. Euſtache. Am Aeuſſern und Innern dieſer Kirche iſt unbeſchreiblich viel Arbeit. Die Menge Saͤulen mit praͤchtigen Verzierungen, die Kapi - taͤle, die Geſimſe, die Decken ꝛc. ſind alle mit dem herr - lichſten Schnitzwerk geziert. In der Kirche ſieht man oben linker Hand ein Mauſoleum von ſchwarzen Mar -mor,64mor, der die tieffte Schwaͤrze hat. Die Kanzel iſt von Holz, geſchnitzt, ſteht aber fuͤr ſo eine groſſe weite Kirche zu niedrig. Die Orgel iſt klein.

L’Egliſe de St Roch in der Rue St. Honoré, gehoͤrt zu den ſchoͤnſten. Am hohen Altar iſt eine praͤch - tige Grille von vergoldetem Eiſen. Alle Saͤulen ſind hier in Mannshoͤhe mit roth - und weißgefleckten Mar - mor belegt. In andern Kirchen iſt dies mit alten Ta - peten geſchehen. An den Seiten ſind ſehenswuͤrdige Ge - maͤlde. Nur an einem, das: Laſſet die Kindlein zu mir kommen, vorſtellt, hat der Maler einen Fehler gemacht: Ein Engel koͤmt und haͤlt Chriſto einen Lorbeer - kranz uͤber das Haupt. An den Fenſtern iſt allerwegen eine Einfaſſung rings herum von gemahltem Glas, wo ein praͤchtiges Blau uͤberall ſchimmert. Man findet aber auch viele Stoͤcke pour la Decoration de l’Egliſe. An einem ſteht: Donnez ici, vous rachéterez vos pechés. Doch das praͤchtigſte Stuͤck iſt im Chor. Hinter dem Hochaltar iſt der Chor ganz abgeſondert, und perſpektiviſch gebaut. Das Vorderſte iſt theils Bildhauerarbeit, theils Malerei, oben an der Decke, und ſtellt die Geſetzgebung Exodi XX. vor. Die Wolken, das Wetter, der Blitz, alles iſt da. Der Blitz iſt durch ſtark vergoldete, nach allen Seiten ſtehende, Bleche vorge - ſtellt, die durch die ganze Kirche ſchimmern. Darzwi - ſchen iſt das dicke Gewoͤlk vom Gewitter, und kleine En - gelkoͤpfe, freilich mit Bausbacken und Fluͤgelein! Hinter dieſem Stuͤck, hinter der Figur Moſis iſt die Bundeslade mit den Cherubinenfluͤgeln bedeckt. Von der Lade ſelber ſieht man faſt nichts. Ganz im tiefen ent - fernten Hintergrunde haͤngt unſer Erloͤſer am Kreuz. Warlich65Warlich eine vortrefliche Erfindung, und herrlich aus - gefuͤhrt. Ich beſuchte von da

Mr. Morand, Doct. en Med. & de l’Ac. R. des Sc. Schon ein etwas alter Mann, aber lebhaft und affabel, hat ein kleines, hagres, blaſſes Geſicht, prakti - cirt wenig oder gar nicht, und bearbeitet beſonders die Ge - ſchichte der Steinkohlen. Er erkundigte ſich gleich ſehr umſtaͤndlich, ob ich auch eine graduirte Perſon waͤre, und ſprach hernach von nichts, als von ſeinem Werk ſur l’Exploitation des charbons de terre. Er hohlte die beiden Folianten her, und zeigte mir alle Kupferplat - ten. Er hat ſelber eine ſtarke Steinkohlenſammlung, wuſte aber doch nicht, daß es auch in unſerm Lande welche gaͤ - be. Er verſprach mir, mich in die Koͤnigl. Akad. einzu - fuͤhren.

Den 25ſten Mai.

Heute hoͤrte ich den

Diſcours de Mr. Baer, dans l’Egliſe de l’Ambaſſad. de Suede an. Die Kapelle iſt eigentlich nur ein langes ſchmales Zimmer, hinten im Garten, der am Hotel liegt, und ſieht recht laͤndlich aus. An dem einen Ende ſteht die Kanzel, am andern eine kleine Or - gel, in der Mitte ein Tiſch mit vergoldeten Fuͤſſen und ſilbernen Leuchtern darauf, ſtatt des Altars, und uͤberall Stuͤhle, die von allen ohne Unterſchied beſetzt werden. Allemahl am letzten Sonntag im Monat wird franzoͤſiſch gepredigt, und ſo wars heute, ſonſt aber deutſch. Der Gottesdienſt ward in folgender Ordnung gehalten. Man kam um 11. Uhr zuſammen. Baer ſprach zuerſt einEfranzoͤ -66franzoͤſiſches Gebet, und denn das hat man hier auch eingefuͤhrt, die Abſolution; dann ward ein ſchoͤner franzoͤſiſcher Geſang uͤber den 19. Pſalm, und auch recht ſchoͤn, geſungen. Weil es die Melodie war: Solt ich meinen Gett nicht lieben? ſo ſangen ihn die Deutſchen, die kein Franzoͤſiſch verſtanden, auch mit, und Baer, der den franzoͤſiſchen Geſang allemahl an - kuͤndigte, ſagte auch den Deutſchen jenes Lied. Man theilte auch beide Geſangbuͤcher aus. Das bisheruͤbli - che deutſche iſt das Darmſtaͤdtiſche fuͤr die Grafſchaft Hanau-Lichtenberg. Nach den 4. erſten Verſen ward das franzoͤſiſche Evangelium von der Kanzel verle - ſen, denn nach der Abſolution ſetzte ſich Baer gleich auf die Kanzel, wie in Strasburg, und hatte eine Bibel in gros Folio bei ſich. Nach dem Verleſen ſang man wieder 4. Verſe aus dem vorigen Liede, dann las er die Epiſtel Roͤm XI. 30. ꝛc. und fing die Predigt mit dem lauten Notre père etc. an, wobei alles aufſtand. Im Eingang gab er folgenden Zuſammenhang an: die Juden waͤren von Gott blos deswegen unterſchieden ge - weſen, damit die Genealogie des Meſſias ſolte erhalten werden; und dann kam er uͤberhaupt auf die Dun - kelheiten bei den Wegen der Vorſehung, und auf die da - her entſtandenen Irrthuͤmer. Er predigte von der Vorſe - hung; I) daß eine ſei; II) unſre Pflichten dabei. Den erſten Theil nahm er aus den Worten: De lui, par lui, et pour lui ſont toutes les choſes etc. Er rech - nete zur Vorſehung, a) Schoͤpfung, dazu mußte ſich das Wort de lui brauchen laſſen, da wurde der Jude Spinoza herbeigeholt und abgefertigt. Er ſagte auch, daß man ja die moſaiſche Schoͤpfungsgeſchichte nicht von der ganzen Welt verſtehen ſollte. b) Erhaltung, daslag67lag ganz deutlich in dem Woͤrtchen par lui. Da traf ſeine polemiſche Geiſſel die, welche die Welt mit einer Uhr vergleichen, aber nicht ſtark genug; er ſagte kurz weg, daß Gleichnis paſſe nicht, die Welt ſei keine Uhr, und damit Gott befohlen; ſodann widerlegte er die, welche glauben, Gott bekuͤmmre ſich ums Ganze, aber nicht ums Einzelne; er waͤre nicht wie Menſchen, die ihre Groͤſſe im Verachten andrer ſuchten ꝛc. Und hier brach - te er die Beweiſe aus der Bibel herbei. (In Paris moͤgen ſolche polemiſche Predigten nicht uͤberfluͤßig ſeyn, wenn die Beantwortungen der Zweifel und Einwendun - gen nur allemahl gruͤndlich und uͤberzeugend waͤren. ) c) Regierung, nach Anleitung des Ausdrucks pour lui. Es ſei nicht Ehrgeiz, ſondern Leitung zum Zweck. Gott wache uͤber das Schickſal eines jeden Menſchen. Im andern Theil leitete er daraus die Verpflichtung zum Ge - horſam her, auch beim Leiden, aber ſehr kurz. Die Pre - digt dauerte ¾ Stunden. Beim zweiten Theile ruhte er eine Zeitlang aus, ut lateribus conſuleret wie Pli - nius ſagt. Der Accent war gut, die Sprache lang - ſam, oft zu ſtark gedehnt, die Geſtus ſehr mittelmaͤſſig, oft widrig, das Schnupftuch lag auf der Bibel an der Seite, und ward oft gebraucht: in meinen Augen ein wahrer Uebelſtand an einem oͤffentlichen Redner. Muß doch in jeder geſitteten Geſellſchaft jeder ſein Schnupftuch in der Taſche haben, und darfs dem andern nicht vors Geſicht legen. Zum Gebet ſtand alles auf, man betete erſt fuͤr den Schwediſchen, dann fuͤr den Franzoͤſiſchen Koͤnig, und beide Koͤnigl. Haͤuſer, und Beider Koͤnigl. Bedienten. Aber da fehlte die edle Simplicitaͤt, die wahre Schoͤnheit, zuviel Titel, zuviel Worte. Sodann noch fuͤr den Schwediſchen Geſandten, und zulezt mit ei -E 2nem68nem herrlichen Schluß fuͤr alle Menſchen. Drauf ging der Kuͤſter mit einem Teller herum, das Allmoſen zu ſam - meln. Dann ſang man den 23. Pſalm wieder franzoͤ - ſiſch, nun noch ein Dankſagungsgebet, und dann folgte der Segen. In der Kirche hingen veraltete Gemaͤl - de, und ein Kruzifix. Der Geſandte war heute nicht da; ſonſt aber wohl eine Verſamlung von 200 250. Men - ſchen. Ich ging hierauf und beſah

L’Egliſe de Ste. Genevieve. Sie gehoͤrt wenig - ſtens zu den aͤlteſten, wenn gleich nicht zu den ſchoͤnſten Kir - chen hier. *)In Bruͤſſel wird à la place Royale eine Kirche im kleinen gebaut, wie dieſe hier.Die Jungfrau Genofeva iſt die Schutzheilige von Paris. Die ihr gewidmeten Gebaͤude ſtehen beiſammen auf einem Berge, La Montagne de Ste. Genevieve genannt. Man baut darneben ſchon viele Jahre an ei - nem neuen Gebaͤude, das praͤchtig laſſen wird. **)Man hat von der neuen Kirche ein Modell in Paris, Bruͤſſel ꝛc. lange herumgeſchleppt, das von Holz war, die Form eines griechiſchen Kreuzes, und 7. Toiſen, oder 42. Schuh in der Cirkumferenz hatte. Granet hat den Bau dirigirt. Man konte das Modell in al - len ſeinen Theilen mit Lichtern illuminiren.Ein Bild von Ludwig XV. unter dem der Bau entſtand, fand ich darinn. Ich hoͤrte hier einen Geiſtlichen katechiſi - ren; das ſollt es wenigſtens ſeyn, er ſaß ganz ungenirt auf einem Stuhle, das Kind ſtand vor ihm, er dekla - mirte, fragte, und redete zuviel und myſtiſch, von der Vereinigung, die das Kind mit dem heil. Geiſt in der Konfirmation gemacht haͤtte. ꝛc. Das Maͤdchen mußt auch nicht das geringſte zu antworten.

L’Egliſe69

L’Egliſe des Mathurins; iſt klein, hat aber ei - nige ſchoͤne Gemaͤlde, und empfiehlt ſich durch eine in den Pariſer Kirchen ſonſt ungewoͤhnliche Helligkeit. Die Kanzel ſteht niedrig, wie uͤberall.

L’Egliſe de Sorbonne, iſt ſonſt nicht immer offen, heut am Sonntag aber konnte man hinein gehen, und ſie verdient es. Ein ganzes Quarré von alten hohen Gebaͤu - den, mit einem ſchoͤnen Hof heiſt die Sorbonne. Da wohnen die D. Theolog. und Sorbonn. die Saͤulen der franzoͤſiſchen Orthodoxie. Die Kirche ſieht von auſ - ſen gros aus, und inwendig ſcheint ſie nur eine Kapelle zu ſeyn. Aber unbeſchreiblich ſchoͤn iſt ſie. Der Kardinal Richelieu liegt vor dem Hochaltar begraben, und hat ein Mauſoleum von weiſſem Marmor. Der Sarg, die Stangen und Draperie, und ein paar Genii ſind herrlich daran. Es iſt nicht gar hoch, aber mit ei - nem eiſernen vergoldeten Gitter eingefaßt. Der ganze Fußboden der Kirche iſt mit Quadrattafeln aus ſchwar - zen und weiſſen Marmor belegt. Am Altar ſtehen 6. praͤchtige korinthiſche Saͤulen, von braun und weis ge - flecktem Marmor mit vergoldeten Kapitaͤlen. Die Geiſtlichen, die da ohne andre Zuhoͤrer, Gottesdienſt hiel - ten, hatten die allerpraͤchtigſten Meßgewande an. Zwi - ſchen den Saͤulen war am Altar ein goldenes Kruzifix mit der lateiniſchen Umſchrift: Alſo muſte Chriſtus lei - den ꝛc. In der Kirche ſind gar keine Stuͤhle.

La Cathedrale, ou l’Egliſe de Nôtre Dame, auch von auſſen betrachtet, eine Antike von Paris. Was inwendig fuͤr Gemaͤlde an jeder Saͤule, was fuͤr Verzierungen am Gitter, am Altar, an den Fenſtern, und ſonderlich oben am Gewoͤlbe des Chors, an allenE 3Flaͤchen,70Flaͤchen, an allen Seiten angebracht ſind, das laͤßt ſich nicht ſagen, man muß es ſehen. Das Auge ermuͤdet endlich und das Fernglas thut den Augen weh. Vor dem Eintritt ins Chor iſt an einer Saͤule ein Gemaͤlde von Philipp dem Schoͤnen, der eine Schlacht ad Montem gegen die Flandros gewonnen, und, ſo wie er aus dem Kriege kam, in dieſe Kirche ging, ſeinen Sieg der Mutter Gottes zuſchrieb, und zum oͤffentlichen Be - kentnis dieſer ſeiner Demuth, ſich in dem Kleide, und auf dem Pferde, das er in der Schlacht geritten hatte, da abmalen lies. Das Kleid iſt ſteif, ſchwerfaͤllig, blau mit goldgeſtickten Lilien. Und auch das Pferd, iſt in ſo eine Decke ganz eingewickelt. Unter der Tafel iſt die Inſchrift mit der Jahrzahl 1304. Neben der Kirche liegt der biſchoͤfliche Pallaſt mit einem artigen Garten. Der Thurm an dieſer Kirche iſt ſehr hoch. Man kan von demſelben faſt ganz Paris uͤberſehen; ich ſtieg aber diesmahl nicht hinauf, weil truͤbes Regenwetter war, ſon - dern eilte in die

Opera. Dieſe iſt eins der praͤchtigſten Schauſpiele, die man in Paris haben kan. Ueberall ſieht man an den Mauern der Kirchen, an den Ecken der Straſſen, im Louvre, im Palais, an den Bureaux ꝛc. die gedruck - ten Komoͤdien - und Opernzettel beſtaͤndig angeklebt. Die Oper wird ſo angekuͤndigt. L’Acad. R. de Muſique donneras Das Opernhaus iſt ein Theil vom Palais Royal in der Rue St. Honoré.*)Nun nicht mehr, nachdem’s im Jahr 1780. abbrann - te. Das neuerbaute liegt près la Porte St. Martin. Herausgeber. DasBureau,71Bureau, wo man die Billets dazu nach 3. Uhr ausgibt, hat eine Wache. Der Opernſaal ſelber iſt nicht gar gros. Der Schauplatz iſt praͤchtig, das Parterre iſt im Strasburger Komoͤdienhauſe dreimal groͤſſer. In der Mitte ſind 5. Gallerien uͤber einander, an den Seiten nur 4. Au premier zahlt man 12. Livr., au ſecond 6. au troiſieme und quatrieme 3. Livres; und im Parterre 40. Sous. Auch aufm Parterre koͤnnen an den Seiten herum viele ſitzen. Am Sonntag muß man das Billet wenigſtens ſchon um 4. Uhr holen laſſen, und um 5. Uhr hineingehen. Sie faͤngt ¾ auf 6. Uhr an, und dauert 2. Stunden. An allen Ecken ſind Soldaten geſtellt mit Feuerſpruͤtzen, wenn etwan ein Ungluͤck entſtehen ſollte. Das Stuͤck, welches heute aufgefuͤhrt ward, war ein he - roiſches Ballet, Cephale et Procris. Es iſt unbe - ſchreiblich, wie Auge und Ohr beluſtigt werden: durch die Muſik, da das ganze Orcheſter auf einen Coup d’archet losgeht, da bald die groͤßte franzoͤſiſche Deli - kateſſe, bald die heftigſte Gewalt der Muſik die Seele durchſchuͤttert; durch die Dekorationen, da bald Wolken mit Goͤttinnen darauf, von oben langſam herab - ſinken, bald von unten herauf Siegeswagen ſteigen und wieder verſinken, bald alles in den lieblichſten Wald, bald alles in einen koͤniglichen Saal verwandelt wird; durch die Akteurs und Aktricen, die den herrlichſten Ge - ſang, die hoͤchſte Stimme des Affekts, die paſſionirteſte Mine, die einnehmendſte, ruͤhrendſte, beweglichſte Stel - lung, den bebenden Gang, die herrlichſte Wendung, die affektvollſte Pauſe, die unnachahmlichſte Erhebung des Tons, alles was einen in Glut ſetzen, und ſchmelzen kan, in ihrer Gewalt haben. (Es war ein Akteur da, M. Gros, man konnte ihn nicht genug ſehen und hoͤren); E 4durch72durch die kuͤhnſten niedlichſten Taͤnze, durch die harmo - niſchſten Konfuſionen, wenn 60 70. Taͤnzer auf dem Schauplatz erſcheinen, bald alle, bald einer, bald zwei tanzen, und ſich jeder verſteht, keiner den andern ver - wirrt, alles nach dem abgemeſſenſten Takt geht, wenn oft eine Taͤnzerin mit ſpeiendem Feuer unter ihnen herum - ſchwaͤrmt, und kein fliegendes, kein ſchleppendes Kleid, kein Stuͤck der Dekoration verſehrt wird. Man ſollte es kaum glauben, daß das alles, was man da ſieht, Men - ſchen moͤglich ſei. Der Schauplatz ſoll unten in eine un - geheure Tiefe mit unendlichen Koſten ausgegraben wor - den ſeyn, um die Balanciers, die Maſchinen und das Raͤderwerk, wodurch alle Dekorationen veraͤndert werden, anzubringen. Im Augenblick iſt alles weg, nach den Seiten, nach oben, oder nach unten, und doch ſtetig, langſam, feierlich, majeſtaͤtiſch; freilich der Qualm der Lichter, die Ausduͤnſtungen ſo vieler zuſam - mengedraͤngter Menſchen, der Staub, der von den Taͤnzern ꝛc. aufſteigt, das unaufhoͤrliche Klatſchen vom ganzen Auditorium, und die Muſik, dritte - halbe Stunden lang, nehmen den Kopf zuletzt doch ein. Luſtig iſt’s auch zu hoͤren, wie alle Augen - blicke das, Très joliment fait; Ah, par Dieu, ſacre Dieu, quelle danſe! ah, charmant, il faut encourager! Ha, il revient; Elle danſe comme un ange! von allen Seiten her toͤnt. Man kann dies Schauſpiel alle Sonntag, Dienſtag, und Freitag, in Paris haben.

Bemer -73

Bemerkungen.

Wenn man aus Komoͤdien oder Opern geht, und es bereits Nacht iſt, ſo kan man die Ehre haben, von Frauenzimmern mit nach Haus zu gehen gebeten zu werden. Solcher Accrocheuſes gibt es beſonders in der Rue St. Honoré gar viele.

Die Frauenzimmer haben hier auch ihre eignen Schuhmacher, ſo wie die Mannsperſonen die ihrigen.

Schon im Mai geht alles, was Landhaͤuſer hat, aus der Stadt aufs Land. In der Stadt ſelber weiß man nichts von Jahrszeiten, Feldgeſchaͤften, friſcher Luft, Erndte, Heumachen ꝛc. Eine Menge Menſchen leben hier, ohne daß ſie wiſſen, wie Brod und Obſt wachſen. In der Stadt iſt ein ewiges Rennen und Fahren nach Schauſpielen und Vergnuͤgungen der herrſchende Ton. Es gibt viele Leute, die um 4. Uhr vom Tiſch aufſtehen, und dann eben alle Tage in die Spektakel fahren, und den andern Tag vor 10, 11. Uhr weiter nichts anfangen.

Den 26ſten Mai.

La Bibliotheque du Roi ward heute von mir be - ſucht. Dieſer wirklich koͤnigliche Buͤcherſchatz ſteht in der Rue Richelieu, hinter der Rue St. Honoré in ei - nem alten, unſcheinbaren, aber groſſen und weitlaͤuftigen Gebaͤude. Man geht auf breiten Treppen, zwiſchen de - nen allerlei Buͤſten, Urnen, Monumente ꝛc. ſtehen, hin - auf. Sie empfiehlt ſich gleich ſehr durch das Aeuſſre. Die Buͤcher ſind alle in braunes oder rothes Leder gebun - den, mit Gold. Faſt die meiſten haben Titel. Sie ſtehen in langen Zimmern neben einander, und hinterei -E 5nander,74nander, aber ſo hoch, daß keine Leitern zu brauchen ſind, ſondern in der Hoͤhe des letzten Buͤcherſchafts iſt wieder ein Gang mit einer Bruſtlehne durch alle Zimmer durch. Da laufen die Aufſeher und Bedienten herum, ſchlupfen auf dem Gang durch kleine Thuͤren aus einem Zimmer ins andre, hohlen die Buͤcher, und ſteigen durch kleine in jeder Ecke angebrachte Treppen wieder herab. Die Frem - den duͤrfen aber da nicht hinaufſteigen. Alle Schraͤnke ſind mit geflochtenen Gittern von Meſſingdrat vermacht. Im zweiten Zimmer ſas der Garde de la Bibl. Mr. l’Abbé Deſaunays, ein Mann von mittlern Jahren, hoͤflich, doch nicht ſo, wie der Bibliothekar der Abtei St. Germain. Er ſtand[v]or ganzen Geſellſchaften von Fremden mit Damen nicht einmal auf, ſchnupfte alle Augenblicke, und lies ſie allein herumgehen. Im Lateiniſchen merkte ich eine haͤßliche Pronunciation an ihm; er ſagte immer de cochlẽis, Obſervationes Redi de Vipẽris. Weder auf dieſer, noch auf einer andern Bibliothek fand ich nur Ein deutſches Buch, oder nur Eine deutſche gelehrte Zeitung, ein Journal, eine Bi - bliothek ꝛc. Die Bibliothekare wiſſen auch nicht das Geringſte von der deutſchen Litteratur. Engliſche Buͤ - cher findet man auch ſehr wenige, deſto mehr franzoͤſiſche und italiaͤniſche. Ihre Dictionaires encyclop. und portatifs, ihre Memoires, Contes, Tableaux, Recueils, Hiſtoires abregées etc. findet man da - gegen in Menge. Er gab mir den Katalog der Buͤcher in der Naturgeſchichte, es war der IX. T. des Cata - logi*)Man kennt den gedruckten Katalog dieſer Bibliothek. Welch eine erſchreckliche Menge von Dingen, die desNennens, den er in einem Kaſten neben ſich liegen hatte. Der75Der Band hatte 2. Buchſtaben, unter T. ſtand die Phi - loſophie, unterm S. die Naturgeſchichte. Dieſe Num - mer hatte folgende Abtheilungen: Naturgeſchichte uͤber - haupt, Thiergeſchichte, Pflanzengeſchichte, Gaͤrtnerei und Oekonomie, Warme Waſſer und Baͤder, Minera - lien und Salze, und Succina, Miſcellan-Naturge - ſchichte. Zur Thiergeſchichte war auch die Vieharznei - kunſt, die Jaͤgerei, Falknerei, Reitkunſt, Seidenzucht ꝛc. gerechnet. Alle dieſe Buͤcher waren wieder nach ih - rem Format aufgeſchrieben, und hatten Zahlen und Num - mern. Dabei hatten ſie einen angefangenen Supple - mentband nach eben dieſer Ordnung, wiewohl im Kata - log ſelber, nur die eine Haͤlfte des Blatts vollgeſchrieben war. Der Katalog war beſſer in Ordnung als der Sup - plementband. Es waren alle alte Autores und die mei - ſten in vielerlei Ausgaben, mit ihren Kommentarien da. Im Supplementband kamen Linne’’s Schriften, aber bei weitem nicht alle, und ſehr zerſtreut vor. Von Daͤni - ſchen, Ruſſiſchen, Schwediſchen, Engliſchen Natur - forſchern war nicht ein Blatt da. Scopoli’s Sachen, Becmanni Hiſt. Nat. Veter. waren da, aber von Pallas, Muͤller, Martini ꝛc. nichts. Roeſel’s Hiſt. ran. noſt. und einiges von Haller war auch da. Aber vergebens fragte ich auch hier nach Sibbaldi Ba - laenologia. Der Abt Desaunays ſah, wie ich glau - be, nicht gern, daß ich ein ſeltnes altes Buch verlangte, das er nicht hatte. Ich lies mir heute Redi Experim. natural. *)Nennens nicht werth ſind! Man ſollte ſie wenigſtens nicht unter die guten ſtellen! Welch eine Menge Editionen! Daher die groſſe Anzahl. z. B. von Au - guſtin. ſind im Katalog 100 Nummern aufgefuͤhrt.76natural. geben, und las darin, bis man um 12. Uhr aufbrach. Ich lernte auch heute

Mr. Hisgerto kennen. Er iſt zweiter Garde des K. Span. Kabinets der Naturgeſchichte, von Ge - burt ein Spanier, ein groſſer, wohlgewachſener Mann, von ſtarken Gliedmaſſen. Er thut eine Reiſe durch Frankreich, Engelland, Schottland, Deutſchland ꝛc. Ich machte ſeine Bekantſchaft im Hauſe der Md. de Bure, wohin ihn Villoiſon beſtellt hatte. Er ſprach das Lateiniſche beſſer als die Franzoſen, das Franzoͤſiſche aber etwas hart aus. Er kannte die vornehmſten Schriftſteller in der Naturgeſchichte, dachte von Buf - fon und D’Aubenton wie ich; doch muſt ich ihm eine kurze Widerlegung der Buͤffonſchen Hypotheſe von der Zeugung aus Hallers Phyſiologie ſagen, er konnte aber weder deutſch leſen, noch reden. Er will mich nach einem Jahr in Carlsruhe beſuchen.

M. de Villoiſon machte mir heut ein Geſchenk mit ſeinem Epithalamium auf den Herzog von Weimar, wieß mir auch 2. Briefe von ihm, und eine goldne Ta - batiere, wo oben aufm Deckel des Herzogs Kopf, wie ein Roͤmiſcher Kaiſer, befindlich war.

Bemerkungen.

Das Geſchlecht der hieſigen Abbe’es iſt bekannt. Variat, colore, vita, lingua, veſtitu, foecun - diſſimum, aliis ſaepe moleſtum. Ihre gewoͤhnli - che Kleidung iſt ſchwarz, mit einem ſeidenen Mantel bis auf die Knie, einem ſchwarzen Kaͤppchen aufm Hinter - kopf, und einer runden Friſur, die aber bis uͤber die Schultern herabfaͤllt.

Die77

Die Pariſer Studenten machen eine traurige Figur.

Auf der Koͤnigl. Bibliothek hat man um das Din - tenfaß herum einen Schwamm, der das ganze Geſchirr ausfuͤllt, und beim Ausſpruͤtzen alle Tropfen auffaͤngt. Man muß da das Buch vom Bibliothekar fordern, der ſagts dem Bedienten, dieſer holts dann, gibt’s erſt dem Garde, der ſiehts an, und gibt’s endlich dem Frem - den. Will man das nehmliche Buch den andern Tag wieder haben; ſo muß mans vom Tiſch wegnehmen, und irgendwo hin ſtecken, wo man’s wieder findet. Es ſind nach Maasgabe der Fremden, die beſtaͤndig hier ar - beiten, zu wenig Aufwaͤrter da.

Zum Erſtaunen iſts, wie die Franzoſen die deut - ſchen Namen verderben. Nicht ein einziger ſpricht ſie recht aus. Kein einziger verſteht deutſch, ſie ſagen, die Sprache ſei zu ſchwer, und habe gar grobe Woͤrter.

Die Miethkutſcher, Decroteurs, Holztraͤger ꝛc. ſchlafen am Tage mitten auf den Straſſen, auf harten Holz, auf ihrem Bock, auf den Steinen. Mitten im Laͤrmen, im Getuͤmmel um ſie herum, beſucht ſie der ſuͤſſe Schlaf. Ein Gluͤck, das manchem in der praͤchti - gen Kutſche, und im ſeidenem Bett in Paris fehlt.

Den 27ſten Mai.

Le Cabinet de l’Hiſt. Nat. du Roi. Dieſe herr - liche Sammlung, ging ich heute weiter durch, und zwar im zweiten Zimmer, und fand beim Eingang linker Hand gegen den Jardin du Roi zu, im

I) Erſten78
  • I) Erſten Schranke
    • 1) Eiſenminern, aus allen Reichen, mit Quarz, mit Kupfer, einen Haematit. ſtalactite von Gabelen, aus dem Trieriſchen, mit Arſenik; mit Topaſen aus Schemnitz; cubi - que, arenacée, cryſtalliſée mica - cée, en ſtalactite, ein groſſes herrliches Stuͤck aus England; eine andere ſtalaktitiſche Ei - ſenminer mit Berggruͤn bedeckt; mit Selenit, in einer Madrepore beim Carlsbad, gra - nuleuſe, fer ſolide de Dreſde, Magnet - minern aus Siberien, aus Ungarn.
    • 2) Kieſe, alle moͤgliche Geſtalten, octaedre, dodecaedre, cubes allongés etc.
    • 3) Fer natif de Siberie.
    • 4) In der zweiten Haͤlfte des Schrankes:
      • a) Schwarze Haͤmatiten aus der Tartarei und dem Pays de Foix.
      • b) Pyrite des Incas aus Dauphine, aus Peru, hell, durchſichtig, ſchoͤn.
      • c) Mine de fer avec Baſalte ſpatheux de Cronſted Mine de ſer ſpathique, und eine dito mit Kupfer von Begorry, herrlich gros. Viele ohne Etiketten. Viele aus Schweden, Daͤnnemark, Frankreich, Lothringen, in Glaͤſern, Mine de fer engrainé.
      • d) Gediegener Schwefel, rother, grauer ohne Etiketten, cryſtalliſirter gelber mit Spath aus Spanien.
      • 79
      • e) Haͤmatiten roth, geſtreift, en mam - melons, avec cryſtaux, aus Siberien, Sachſen, der Tartarei, Schweden; mit Quarz vom Harz, von Schmalkalden, aus Boͤhmen. Sanguine fine, commu - ne, iſt eben das; Emeril; De l’Isle erklaͤrts fuͤr Schmirgel der Teutſchen. Eiſen - haltiger, grauer, rother, von Luͤttich. Auch noch Magnetminern von der Inſel Elba, aus Siberien.
      • f) Adlerſteine, groſſe, kleine in Stuͤcken, aufgeſchnitten, meiſt in Glaͤſern, meiſt ohne Etiketten, an einigen wars angeſchrieben, aber unleſerlich.
  • II) Zweiter Schrank, gegen den Jardin du Roi zu.
    • A) erſte Haͤlfte enthielt
      • 1) Unten Kieſe, mit Kupfer, mit etwas Gold aus Ungarn, mit Asbeſt aus Fahlum, ein herrlicher 12eckigter vom Harz, einer mit Kupfer und Arſenik aus Island.
      • 2) Zinnober, aus Moͤrsfeld in der Pfalz, aus Ungarn, auf Schiſtus aus Boͤh - men, mit grauem Silber aus Zweybruͤcken, mit Quarz von Wolkenſtein in Sachſen, mit Bley aus Oberdauphine, mit einer Ei - ſenminer aus Steyer in Steiermark, aus Friaul, aus Tyrol; cryſtalliſirt aus Friaul; gediegen mit groſſen Chriſtallen aus U[n -]garn, Spanien, Peru, Almaden; Mi -nes80nes de Mercure coulant, herrliche groſſe Stuͤcke aus der Pfalz ꝛc.
      • 3) Kobold; Hier waren alle Arten nach der Ordnung mit Etiketten ohne rothe Borduren, was oben iſt, hat Bordure, und iſt Dublette oder Dif - ference. Die Etiketten ſind kleine Karten mit 2. Wachsſcheibchen angeklebt.
        • 1) Koboldglanz, Kobolderz, Kupfernickel, roth, gelb, cryſtalliſirt, in Spath, gediegen, in Druſen, aus Annaberg, Schnee - berg; Fleurs blanches, rouges, priſmatiques dans la Galène de Saxe; die meiſten unbeſchreiblich ſchoͤn. Orpin (unſer Auripigment), natif de Felſobania, mit Silber, mit Quarz, mit Feldkryſtallen, ein unvergleichliches Stuͤck mit Silber und Kupfer von Saalfeld.
      • 4) Arſenik. Rubis d’Arſenic vom Aetna iſt noch bei Kobold, herrlich; mit Silber, Blei, mit Kupfer, mit Wißmuth, vom Harz. Ar - ſenic cryſtalliſé ſur ſcories de Goslard,
        *)So iſt das Wort immer hier geſchrieben, Saalfelds ſtatt Saalfeld, Calmia ſtatt Galmia.
        *) cubiſch mit Quarz und Blende. Arſenic noir, en boulle avec Vitriol près Saalfeld.
      • 5) Calamine; Zinkminern, rothe, weiſſe, gelbliche, cellulaire, aus Limburg, Derby, Nottingham, Namur, Caſp. Meer, von Anjou.
      6) Nun81
      • 6) Nun wieder ganze Seiten von ſaͤchß. Kobold; darzwiſchen Cryſtalliſat. du ſel marin. Dann oben in Glaͤſern, Tutia, Zink, Matiere de Bismuth, Antimoine. Orpin, rothes gelbes, graues.
    • B) Zweite Haͤlfte:
      • 1) Unten. Sels foſſils aus der Grotte de Cardone. Sal gemmae aus Siebenbuͤr - gen, aus der thebaiſchen Wuͤſte; Sal gem - mae, qui renferme de l’eau aus der Schweiz. Keins aus Pohlen, aus Wuͤrtemberg, von Wichtigkeit, nur ein Brocken.
      • 2) Zink, Spießglas, Blende, (mit Kry - ſtallen, Ecailles, Silber, Spat, Quarz, Cry - ſtall, Blei, vom Harz, von Kongſperg ). Calamine, Magneſia, Sal gemmae, alles unter einander. Darunter folgende Merkwuͤr - digkeiten:
        • a) Mine d’Antimoine, irriſeé oder en Iris von Felſobania aus Ungarn, in einem eignen glaͤſernen Kaͤſtchen, ruht unten auf groſ - ſen Cryſtallen, hat die feinſten ſchoͤnſten Spieſſe, roth, blau, ſchwarz ꝛc.
          *)In Hunter’s Kabinet in London ſoll ein Spießglas ſeyn mit ſo langen zarten Spieſſen, daß ſie zittern, wenn man nur gegen den Schrank laͤuft.
          *)
        • b) Blende cryſtalliſè ſur Spath fuſible avec pyrite d’Angleterre.
        • c) Maganeſe ſur Spath blanc de Saxe.
        • 82
        • d) Blende noir cryſtalliſé ſur pyrite avec argent natif capillaire de Kongsberg, gros; es laͤßt ſich nicht beſchreiben, wie ſchoͤn das war.
        • e) Mine du Zink dans de Spath fuſible violet d’Angleterre.
        • f) Antimoine; geſtreiſt, roth, weis, mit Sternen, aus Siebenbuͤrgen, Japan, Bretagne, Bayreuth, Poitou, Auvergne, Lappland; mit Kies und Schwefel; mit Gold aus Ungarn. Regule d’Anti - moine cryſtalliſé et etoilé, groſſe und klei - ne Scheiben, mit Criſtaux luiſans. Sur Quarz aus Schemnitz in Ungarn.
        • g) Biſmuth, von Schneeberg, Johann - georgenſtadt, Goslar.
        • h) Darzwiſchen wieder Cinnabre cryſtalliſé avec Quarz, en Corne. Sels foſſils, fibreux, ſel vitr. natif en ſtalact. de Fahlum, war ein Sinter.
          • 1) Alun de plume, in Glaskaſten, gros, und
          • 2) Sal ammon. natif, beides ohne Orts - anzeige.
      • 3) Vitriolminern; vom Rammelsberg von unſerm Joͤckel, Alaunminern; zum Theil Schiefer von Skania in Schweden, zum Theil weiſſe Brocken ohne Etiketten.
      • 4) Soufre natif, in groſſen und kleinen Kryſtal - len, mit Spat; zum Theil herrliches Hellgelb;aus83 aus der Solfatara, dem Archipel, Spa - nien, Californien. Von St. Domingo in ſehr kleinen Kryſtallen, wie eine feine Quarzdruſe.
        • a) Gediegener, cryſtalliſirter Schwefel, auf Selenit, auf Stuͤcken, die halb ſimpler Gyps, halb ſchoͤn lamellirtes durchſichtiges Frauenglas waren; etliche 20. Stuͤcke von dieſer Art, groſſe und kleine, alle vom Berg Cazan in Siberien.
        • b) Pierres ſulphureuſes aus der Solfata - ra. Gruͤner, gediegener Schwefel; rother mit Arſenik vermiſcht, vom Veſuv, ein koſtbares Stuͤck. Durchſichtiger, gelber und rother an einem Stuͤck. Gediegener grauer aſch - foͤrmiger Schwefel aus Island.
      • 5) Gewachſen Salz; cypriſcher Vitriol; gruͤ - ner, weiſſer. Alaunminern von Soißons, aus Siebenbuͤrgen, Ungarn, in Glaͤſern.
      • 6) Natron aber ohne Beiſatz des Orts, in Glas.
  • III. Ein ſchmahler Nebenſchrank, in der Ecke, nicht voll; enthielt die Alabaſter, meiſt in Rauten ge - ſchnitten, alle ohne Angabe des Orts, auf einigen wars geſchrieben,
    • a) Oriental. herboriſé, fleuri, à 4. couleurs.
    • b) Veiné Albâtre onyx. Alb. achatato Alb. fiorito, de 4. à 5. cou - leur et cet.
    • 84
    • c) Bauſteine, Felsſteine, falſche Porphyre, meiſt aus Frankreich.
    • d) Zwiſchen den 2. Fenſtern ſtanden einige Mar - mor ohne Glas; eine rothe Art aus Liſſabon; eine ſchwarze und eine weiſſe aus Norwegen; ei - ne gruͤne Art mit ſchwarzen Flecken, aber ohne Eti - kette, wenn ſie hinten nicht angeklebt war.
  • IV. Der erſte Schrank beim Eingang rechter Hand, war der Eckſchrank. Enthielt Kupfer, davon eine unbeſchreibliche Menge Stuffen da war, als:
    • 1) Cuivre natif; en vegetation, precipité, aus Rußland, von Kamsdorf, Schneeberg, aus Kamtſchatka, ein groſſes Stuͤck aus Mar - tinique; eins von der Inſel Timor, ſah ſo feu - rig aus, als wenns der Kupferſchmidt uͤberzogen haͤtte.
    • 2) Mines de Cuivre; griſe, jaune, pale, Gorge de pigeon, (ſo heißt hier das ſchoͤne blaue) aus Neuſohl, Rußland, Camsdorf. Octaedre de Ruſſie, Cuivre precipité, ſur l’ecorce d’un arbre; hepatique, tigreuſe; dieſe beide Arten haben den Namen von der dunkeln Farbe und von den ſchwarzen Flecken auf dem gelben Grunde, mit Schoͤrl. Bois cuivreux en ſable de Veldenz, auch mit Quarz daher; mit Gyps aus Norwegen, aus Shagir in der Tartarei, aus Dalecarlien, Lui - ſiana.
    • 3) Im andern Ecke unten Produits des Volcans die fortlieſen bis in andre Schraͤnke.
    • 85
    • 4) Oben Schwediſches, Siberiſches Berggruͤn und Bergblau; en ecailles, en moules, en larmes, en ſtalactite cryſtalliſeé à une baſe de plomb.
  • V. Sechs Schraͤnke ſtanden nun in einer Reihe bis hinauf ans 3te Zimmer; davon enthielt der Er - ſte
    • A) Erſte Haͤlfte, unten vulcaniſche Pro - dukte, und zwar,
      • a) oben Malachiten, auch Kupfer, aus Tor - neo in Lappland, ſoyeuſe aus China, en Mammelons
        *)Mammelon, partie ronde et relevée, qui ſe voit ſur la robe des Ourſins, et dont le petit bout s’engraine dans les pointes ou piquans. D’Argenville.
        *) ſcieé et polie, wie die Feſtungsmaͤßigen Zeichnungen aufm Achat; Bergblau, Malach. herboriſeé, war gar zierlich mit dendritiſchen Zeichnungen.
      • b) Sonſt lag der ganze uͤbrige Theil dieſer Haͤlf - te noch voll Kupfer.
    • B) Zweite Haͤlfte; Blei, geſtreiftes, ſtrichlich - tes, en lames, avec Spath, Quarz, Blende, ſpath cryſtalliſé; ſchwarz, weis, en ſtalactite ſpeculaire, verte, das heiſt hier en Mamme - lons; aus der Pfalz. Mine de plomb, blan - che cryſtalliſée ſur mine de fer cellulaire, du Harz, ein herrliches Stuͤck mit den feinſten weiſſen Spieſſen.
F 3Bei86

Bei einem Kaufmann fand ich heute den Daſypus novemcinctus, und beſchrieb dieſes Thier noch denſelben Abend, fuͤr den Walchiſchen Naturforſcher.

Indes ich bei dem Kaufmann war, entſtand auf der Straſſe ein Laͤrm, deſſen Gelegenheit ſelbſt dem Na - turkundigen nicht gleichguͤltig war. Ein Junge, der nicht aͤlter ſeyn konnte, als 10 bis 12. Jahr, trug eine Leiter von 15. Sproſſen, zwiſchen den Zaͤhnen ſchnur - grade in die Hoͤhe geſtellt, eine Zeitlang herum, und ba - lancirte ſie. Er nahm auch einen Stuhl, faßte ihn un - ten mit den Zaͤhnen, ſetzte oben einen andern Jungen dar - auf, und trug ihn. Er nahm ein groſſes Wagenrad, das an der Mauer ſtand, und ſo ſchwer war, daß ers kaum mit beiden Haͤnden in die Hoͤhe heben konnte, und ſtellte es etliche Minuten zwiſchen die Zaͤhne. Wie er - ſtaunend, dacht ich, iſt die Kraft der Muſkeln, und der Nerven in unſerm Koͤrper? Welche Berge wuͤrden wir nicht, wie Bleikugeln wegſchleudern koͤnnen, wenn wir uns von Jugend auf nur in koͤrperlichen Kuͤnſten uͤben wolten? Aber wie viel edlere, ſanftere Freuden, die aus der Kultur des Geiſtes flieſſen, wuͤrden wir dann entbeh - ren muͤſſen.

Bemerkungen.

Noch immer ſpuͤrte man in Paris keinen Fruͤhling, keinen Sommer, keine Waͤrme. Und wenn auch ein halber Tag ſchoͤn war, ſo kam der Regen gleich wieder.

Schon zwei Tage litt ich nun auch die Krankheit aller Fremden, ich hatte den Durchfall, den man dem Waſſer der Seine zuſchreibt.

Der87

Der Tabak, den man in Frankreich zu rauchen bekomt, iſt ſchlecht und grob; die Unze koſtet 5. Sous.

Den 28ſten Mai.

La Biblioth. de l’Abbaye St. Victor. Das Gebaͤude iſt geraͤumig, alt, hat groſſe, lange Gaͤnge, huͤbſche Saͤle, große und kleine Gaͤrten, einen ſchoͤnen Hof, und man baut wirklich noch einen Fluͤgel daran, um der Bibliothek, die wirklich in vielen Zimmern, an 3. 4. Ecken oben und unten zerſtreut iſt, ein eignes Ge - baͤude zu verſchaffen. Herr Muͤller, der Bibliothekar, hatte die groͤßte Guͤtigkeit fuͤr mich. Er iſt ein gelehrter und gefaͤlliger Mann. Durch Herrn de Villoiſon’s Empfehlung erhielt ich koſtbare Buͤcher aus dem ihm an - vertrauten Schatze auf mein Zimmer, und konnte ſie be - halten, ſo lang ich wollte. Er zeigte mir erſt in der Bi - bliothek, die auſſer den Bildniſſen ihrer Stifter im Aeuſ - ſerlichen nichts merkwuͤrdiges hat, eine ſchoͤne Ausgabe vom Hieronymus, eine Biblia Polyglotta, Walto - nii Polyglotta, dann den Katalog der Naturgeſchich - te, und der Medicin, wo zwar die Alten, aber auſſer den Franzoſen, nichts Neues war. Sibbaldi Balaenolo - gia war auch hier nicht. Dann fuͤhrte er mich in das Manuſkripten-Zimmer, wo er eben an einem Verzeich - niſſe derſelben arbeitete. Es iſt ein vortreflicher Vorrath da, und die meiſten noch ungedrukten ſollen gedrukt werden. Mir waren darunter merkwuͤrdig: 1) ev - clidis Elementa, griechiſch vom Angelus Bergi - cius, Cretenſis, der ſie, nach der hinten ſtehenden Nachricht 1537. zur Zeit des Pabſts Paul III. im Hau - ſe des Geſandten des Koͤnigs Franz I. von FrankreichF 4von88von einem Exemplar in Rom abgeſchrieben hat. Sei - ne Tochter hatte mit der groͤſten Feinheit die Figuren dazu an den Rand gezeichnet. 2) Decretum Gratiani, cum Gloſſa Barthelemi, das ſehr ſchoͤn, reich an Gold, und vortreflich ſchwarz auf Pergament iſt. Bei jedem Abſatz ſind Malereien und Goldbleche. 3) Livius, aus dem 13. Jahrh. auf Pergament; leſerlich geſchrieben mit herrlichen Rubris. Beim Anfang des 2ten Buchs iſt eine koſtbare Zeichnung von Carthago victa. Alles, Zelter, Pferde, Menſchen, Kleidung iſt aͤuſſerſt feine Mi - niaturmalerei, Scipio auf der einen, und Hannibal, je - der mit ſeiner Generalitaͤt, auf der andern Seite. Dar - nach iſt Graevii Edit. verfertigt. 4) Viele Tuͤrkiſche, Perſiſche, Arabiſche, Chineſiſche Handſchriften auf Per - gament oder Seidenpapier. 5) Ein Buch auf hoͤlzer - nen, ſchwarzen Tafeln, geſchrieben, noch ziemlich le - ſerlich. Es iſt ein Koſtenverzeichnis von einer Reiſe, die Koͤnig Philipp der ſchoͤne von Frankreich durch die vornemſten Provinzen ſeines Reichs, 1301. vom En - de des Okt. an, bis Ende Maͤrz vom nemlichen Jahre that; denn damals zaͤhlte man noch den Anfang des Jahrs von Oſtern an. Der Koͤnig reißte, um das Volk, we - gen der Unruhen, die man damals vom Pabſt befuͤrchte - te, in Liebe und Reſpekt zu erhalten. Die Koͤnigin war an den meiſten Orten dabei. Man hat es kopirt, die Koſten ſind Tag fuͤr Tag aufgeſchrieben. Ein Himmel - weiter Unterſchied gegen jetzt! Man kan die Namen man - cher Offiziers und Miniſters daraus noch lernen. 6) Ein kuͤrkiſcher Koran, ſo ſchoͤn, daß der lezte tuͤrkiſche Am - baſſadeur der hier war, die groͤßten Lobſpruͤche hinten drein, aber arabiſch geſchrieben hat. Er ſagte, der Grosherr habe keinen ſchoͤnern. 7) Geographia Blaviana, et -liche89liche 20. Folianten, Lateiniſch, auch Franzoͤſiſch, mit herrlichen Charten. Es iſt auch viel Aſtronomie und Naturgeſchichte des Meers darin. Ueberhaupt hat man in der Geographie hier einen herrlichen Vorrath. 8) Kupferſtiche nach Rubens ꝛc.

Ich bat mir D’Argenville’s Conchyliologiſche Schrif - ten, und Remmelini*)Ein Doctor in Ulm, der den Wundaͤrzten gern die Anatomie recht wohlfeil in die Haͤnde geben wollte. Er ließ daher das noͤthigſte in Kupfer ſtechen, ſo daß die einzelnen klein ausgeſchnittenen Blattſtuͤcke uͤber einander lagen, wie die Theile im Leibe einander de - cken. Theatr. Microcoſm. von Herr Muͤller aus, und er hatte ſogleich die Gefaͤlligkeit, ſie mir in mein Hotel nachtragen zu laſſen.

Le Cabinet d’Anatomie artificielle beſah ich hierauf. Hier mus man anbeten. Es liegt Rue d’E - ſtrapade, près la Ste. Genevieve. Madem. Bi - heron, ein Frauenzimmer, die ihres gleichen ſucht, hat es angefangen. Sie hatte von Jugend auf einen unuͤber - windlichen Hang zur Anatomie des Menſchen, fand aber, als die Tochter eines gemeinen Buͤrgers in Paris, dazu keine Gelegenheit. Aber ſie las, ſie ſah, was ſie bekom - men konnte, und fing, ohne Kollegia und Unterricht, ſelber an zu anatomiren. Ihre Eltern und Freunde wider - ſetzten ſich, wie Dummheit immer dem Guten; ſie lies Kadaver durch Soldaten ſtehlen, wo ſie ſie be - kommen konnte, verſteckte ſie, wo unſre modiſchen Schoͤ - nen den Crebillon, die Pucelle ꝛc. unters Bett, wenn ſie gleich ſchon halb faul waren, und ſtudierte daran Zer -F 5gliede -90gliederungskunſt. Endlich, wie ſie alles geleſen und ge - ſehen hatte, ſing ſie an, den Koͤrper mit Wachsboßiren nachzumachen. Sie geſteht, daß ſie nicht die erſte ge - weſen, aber die Dauer, die Vollſtaͤndigkeit, die Genauig - keit, und die Soliditaͤt an ihren Werken ſind ihr Ver - dienſt und ihre unſtreitig groſſe Ehre. Sie war gluͤck - lich, erfand ſich ſelber Mittel und Kuͤnſte, die ſie nieman - den ſagt, arbeitete 47. Jahr in dieſen Sachen, ging nicht aus, als in die Kirche und zur Madem. Baßeporte, ſaß immer allein, und ſtudirte und arbeitete. Alle Me - dici und Chirurgi und ihre ganze Verwandſchaft wider - ſetzten ſich, und der Neid dieſer nichtswuͤrdigen Leute hat auch gemacht, daß ſie keine Eleven annehmen konnte. Man hat’s ihr auf alle moͤgliche Art ſchwer gemacht, aber ſie uͤberwand alles. Sie arbeitete ſo viel, daß ihre Ge - ſundheit daruͤber gelitten hat. Jetzt iſt ſie etliche 60. Jahr alt. Um ſich von vielen Arbeiten zu erhohlen, und ihre Sachen bekannt zu machen, war ſie zweimahl in Lon - don, wo ſie unter andern auch mit Hunter und Hew - ſon wohl bekannt ward. Jetzt lebt ſie in der Stille, hat ihre Sachen auf Veranſtaltung des Ambaſſadeurs nach Rußland ſchicken muͤſſen, arbeitet noch immer, beſon - ders, wenn was bei ihr beſtellt wird, hat den Mittwoch von 103. Uhr an dazu ausgeſetzt, ihre Sachen jedermann zu zeigen. Wer einmahl 3 Liver zahlt, kan hernach kommen, ſo oft er will. Sie beklagt ſich, daß noch kein Fuͤrſt ihre Sache unterſtuͤtzt hat, da’s doch gewis fuͤr Prinzen, Prinzeſſinnen, vornehme Kinder, fuͤr Studi - rende, im Sommer, wo man auf der Anatomie nichts machen kan, im Feld, fuͤr Frauenzimmer, fuͤr die Ge - burtshuͤlfe bei gemeinen Weibsperſonen ꝛc. gewis nuͤtz - lich waͤre; ſo wie’s uͤberhaupt in der Geſchichte der menſch -lichen91lichen Kunſt eine vorzuͤgliche Stelle verdient. Weder der vorige noch der jetzige Koͤnig hat es geſehen. Bis itzt war der Kaiſer auch nicht bei ihr geweſen. Der Marggraf von Baden, und der Herzog von Weimar aber habens geſehen. Sie hat wenig Vermoͤgen, ihre Kleidung und ihr Zimmer zeigens; ſie hat eine Magd, und wenige Bekanntſchaft. Jußieu und Villoiſon ſchaͤtzen ſie, die andern Aerzte aber unterſtuͤtzen ſie nicht. Man ſicht zuerſt im Zimmer auf einem groſſen Schemel, der ſich drehen laͤßt, einen hoͤlzernen Kaſten, der auſſen mit Papier uͤberzogen und inwendig mit blauem Taffet aus - geſchlagen iſt, wie ein Bett, mit Kuͤſſen und Decken. Darin liegt ein ordentlicher Menſch von Wachs, ein weib - licher Koͤrper von mittler Groͤſſe. Wenn die blauen Kleider zuruͤck geſchlagen, und die Schnuͤre in der Mitte aufgemacht ſind, ſo ſieht man den Kopf, die Bruſt, den Bauch; Arme und Fuͤſſe fehlen. Sie hats ſo eingerich - tet, daß ſie die innern Theile alle nach den 3. groſſen Hoͤ - lungen zeigen kan. Der Kopf hat hinten eine Kappe, und vorne iſt das Geſicht ſo natuͤrlich, wie an einer Maſ - ke. Wenn ſie das Innere des Kopfs zeigen will, ſtellt ſie den Wachsmenſchen auf den Boden und bindet die Kap - pe ab, ſo ſieht man ein ordentliches Cranium mit ſei - nen Naͤthen. Sie nimmt das weg, ſo kommen die Me - nynges zum Vorſchein. In der dura hat ſie eine Stel - le gelaſſen, wo man die Arachnoidea ſehen kan. Die Sinus hat ſie auch nicht vergeſſen, die pia, die Sub - ſtantia corticalis, medullaris, die zwei Haemiſphe - ria, der proceſſus falciformis, die glandula pinea - lis, das corpus calloſum, die cryſta galli, das ce - rebellum, die ventriculi, die Inſinuationes cor - ticis, die origines nervorum et medullae ob -long.,92long, die orificia arter. carotid. ꝛc. Alles iſt hoͤchſt natuͤrlich nachgemacht. Jedes von dieſen Stuͤcken iſt einzeln, kan herausgenommen werden, paßt aufs genau - ſte hinein, und iſt durch Nadeln, oder ſeidene Schnuͤre be - feſtigt, ſo daß das Ganze herrlich iſt. Die Arterien ſind blau, die Venen roth, die Nerven weis, die Subſt. cortic und medull. der pars oſſea und cutac. alles iſt unterſchieden. Wer auch vorher nicht au fait iſt, kan ſich da ſchnell eine Idee machen. Die Theilung zwiſchen der Bruſt und dem Bauch durch das Zwerg - fell hat ſie wohl nachgeahmt, und am Zwergfell den pars tendinoſa und muſculoſa unterſchieden. Alles was zur Bruſt gehoͤrt, konnte ſie heraus nehmen. Man ſah das Mediaſtinum, die beiden Lungen, die Bron - chi oben, ſie konnte ſie aufblaſen durch die arter. aſpe - ra, der Oeſophagus unterſchied ſich ſchon durch ſeine Farbe von der arter. aſp. Von der linken Lunge konte man ein Stuͤck abnehmen, ſo ſah man das Herz mit der lebhafteſten Farbe, mit den arter. und ven. coron. recht in ſeiner natuͤrlichen Lage. Die Rippen, die wah - ren und die falſchen, hatte ſie ſichtbar unterſchieden. Man ſah das Sternum, die Claviculas, Muſculos intercoſt., in der Pleura die Nerven. Das Cavum war gar ſchoͤn, wenn man es leerte, und dann hinein ſah. In dem Bauch machten wiederum alle dazu gehoͤrige Theile einen Klumpen aus. Sie hob das Diaphragma und Epiploon auf, ſo konnte man die Maſſe heraus nehmen, und um uns von der Feſtigkeit ihrer Arbeit zu uͤberzeugen, warf ſie den Magen und den ganzen Tra - ctum inteſtinorum auf den ſteinern Stubenboden, und es wurde nichts verſehrt. Auch am Magen ſah man die ernaͤhrenden Gefaͤſſe, die Cardia, den Pylorus,und93und durch die Cardia blies ſie den Magen auf. Die dicken und duͤnnen Gedaͤrme lagen in ihren Windungen neben einander, die Namen hatte ſie drauf geſchrieben. An der Leber war voͤllig die Farbe der Natur. Das Ligam. ſuſpenſor. die Gallenblaſe, der ductus cho - ledochus, das Pancreas, die Milz, die beiden Nie - ren, die Aorta, gar herrlich, die Urinblaſe, wie ſie beim weiblichen Geſchlecht iſt, die Gebaͤhrmutter, die Eierſtoͤ - cke, die Fallopiſchen Roͤhren, wo ſie am Ende ſogar die Lacinias, die ſich im Beiſchlaf aufrichten, nicht vergeſ - ſen hatte, und die vagina uteri, alles war hoͤchſt natuͤr - lich da. Die vagina unterſchied ſich durch ihre weiſſe Farbe, als ein pars cutanea von der roͤthern Gebaͤr - mutter, die ein pars muſculoſa iſt. An den Seiten waren die Bauchmuſkeln, und oben war die weiſſe Linie deutlich zu ſehen.

Darneben hatte dieſes wuͤrdige Frauenzimmer in zwei Glasſchraͤnken alle dieſe und noch mehrere Theile ein - zeln nachgemacht. Sie hatte ſie, wie man die Voͤgel aufſtellt, jedes auf einem eignen Fuß ſtehen. Sie zer - legte noch einmahl einen Kopf, wo alle obengenannte Thei - le noch herrlicher waren. Sie zeigte uns ein Herz mit ſeinen Auriculis und Ventriculis. An jeder Hoͤlung war eine kleine Thuͤre, ſie zog die Nadel heraus, ſo fiel die Thuͤre herab, und man konte innwendig die Kommu - nikation dieſer Hoͤlungen ſehen. Und, was noch merk - wuͤrdiger war, die Valvulas mitrales, ſemilunares, tricuſpidatas hatte ſie aͤuſſerſt fein nachgeahmt. Sie zerlegte das Herz in der Mitte, und lies uns das Septum transverſale ſehen. Sie zeigte uns den Lauf der Fi - bern im Herzen, ſie hatte die Gefaͤſſe des Herzens in ih -ren94ren natuͤrlichen Kruͤmmungen angebracht, hatte ſogar dem linken Herzen eine roͤthere Farbe gegeben, als dem rech - ten, um nur nichts zu vergeſſen. Sie zeigte uns einen langen Darmkanal, den ſie am Meſenterio, grade, wie die Natur es macht, angebracht hatte, eine Leber, die in zwei Haͤlften zerſchnitten war, wo man den wunderba - ren Lauf der Pfortader in dieſem Laboratorium ſehen konte. Eben ſo hatte ſie die Nieren in der Mitte zerſchnitten, um uns die arter. ſecern., die papillul., die infundib. das pelvis ren., die ureter. zu zeigen, und man kon - te nichts ſchoͤners ſehen. Sie zeigte uns den ductum Pequet. und ſeine Inſertion mit 2. orific. in die venam ſubclav. ſiniſtr. der war ganz weis und unvergleichlich. Sie hatte einen Uterus, der recht ſanguine turgidus war, darin ſas ein Kind in 7 8ten Monat, daran Kopf und Lage ein wahres Meiſterſtuͤck waren; Nabelſchnur und Mutterkuchen waren aufs ſchoͤn - ſte nachgeahmt. Davon hatte ſie 2. Exemplare, ein groͤſſeres und ein kleineres. Sie hatte einen Mutterku - chen, den ſie in der Mitte durchſchneiden konte, um das Verſchlingen der Gefaͤſſe zu zeigen, ſie hatte ihn nach ei - nem nachgemacht, der ihr in der Stunde, wo er geboh - ren wurde, gebracht ward. Sie beſaß kleine Foetus von den erſten Tagen nach der Schwaͤngerung an, die an Stecknadeln in Glaͤſern haͤngen. Sie hatte Kinnladen mit Zaͤhnen von allen 3 Gattungen, nahm ſie heraus, und zeigte die Verſchiedenheit in den Wurzeln daran. Den nemlichen Kinnbacken hatte ſie in der Mitte geſpal - ten, und wie er in 2. Haͤlften zerfiel, ſah man mit Er - ſtaunen die feinſten Arterien, Venen und Nerven unter - einander laufen. Sie hatte das Auge mit ſeinen Haͤuten, die Cryſtalllinſe war von Glas, die glaͤſerneFeuch -95Feuchtigkeit auch von Glas darin angebracht. Man konnte ſich daran vom Staarſtechen einen ſchnellen Begrif machen. Die Corona ciliaris hatte ſie auch nachge - ahmt, doch war das freilich weit unter der Feinheit, wo - mit die Natur arbeitet. Aber das Ohr mit allen ſeinen innern und aͤuſſern Theilen, die vier kleinen Gehoͤrkno - chen, den Labyrinth, die Pauke, die Fenſter ꝛc. das alles war nicht genug zu bewundern. Sie zeigte uns Fuͤſſe, an denen alle Muſkeln mit ihren Flechſen ausge - druͤckt waren. Sie hatte das Nervenſyſtem in Haͤnden und Fuͤſſen in aͤuſſerſt ſeinen Wachsfaͤden, doch ohne plexus und involucra nervorum, in einem Glaskaͤſt - chen auf einem ſchwarzen Grunde mit ſubtilen Steckna - deln befeſtigt. Sie hatte alle Theile der Muſkeln ein - zeln. Sie hatte Monſtra nachgemacht, beſonders eins, das in der Rue St. Honoré von einer gemeinen Frau gebohren war, nur ein Auge, wie der Cyclop des Homer, in der Mitte der Stirn hatte, und erzaͤhlte dabei die inn - re Abweichungen im Gehirn. Sie zeigte uns endlich in einem Glasſchranke, ein herrliches Bruſtbild von Hen - ry IV. das ſie nach einem Bilde, das der Prinz von Conde in Chantilly hat, nachgeahmt hatte. Der Koͤnig ward abgemahlt, wie er ausſah, als er an den, in der Rue La Ferroniere, von Ravaillac empfangenen Wunden ſtarb. Der Koͤnig hat die ſchoͤnſten Augen, ein liebliches Geſicht, und einen ehrwuͤrdigen Bart. Er wird auch noch immer von der Nation geliebt und be - dauert.

Fuͤr mich hatte das Frauenzimmer noch die Gefaͤllig - keit, daß ſie mir eine Addreſſe an Jußieu gab, die von ihrer eignen Hand recht ſauber geſchrieben war. Konteman96man auch in zwei Stunden mehr Schoͤnes und Wichti - ges in Paris ſehen. Welch eine liebliche Ausſicht fuͤr das Wachsthum der angenehmſten und der gemeinnuͤtzig - ſten Wiſſenſchaften! Dank ſei’s der Vorſehung, die un - ſer Jahrhundert ſegnet, und mitten in einer wolluͤſtigen Stadt verachtete Werkzeuge aufſtellt, welche die Maje - ſtaͤt Gottes jedem Menſchen fuͤhlbar machen! Ich ging von da in die

Acad. R. des Sc. Sie verſammelt ſich alle Mitt - woch und Sonnabend Nachmittag um 3. Uhr, linker Hand im Vieux Louvre, oben in einem groſſen Saal, der mit Koͤnig Ludwigs 14. Bildnis, mit den Buͤſten ei - niger Gelehrten, als Caſſini’s ꝛc. mit etlichen Landkar - ten, einer praͤchtigen Wanduhr, und mit ſchwarzen Ta - feln, die an Schnuͤren hoch und niedrig gehaͤngt werden koͤnnen, geziert iſt. Man kan hinein kommen, wenn ein Mitglied der Akademie den Direktor um Erlaubnis fragt, und dann den Fremden einfuͤhrt. In der Stube ſtehen rings herum ſchmale Tiſche, gruͤn uͤberzogen, an denen ſitzen die Mitglieder. In der Mitte ſteht ein Tiſch fuͤr die vorzuzeigenden Sachen. Die unſterblichen Verdienſte dieſer Akad. ſind bekant, ich will indeſſen hier beſchreiben, was ich geſehen und gehoͤrt habe. Es iſt ein Getuͤmmel darin, wie in einer Judenſchule. Die Mitglieder plaudern, lachen, laufen herum, hinaus, der Direkteur hat eine Glocke bei ſich, die er braucht, wenn was vorge - leſen werden ſoll, aber es herrſcht doch keine Stille. Ich ſaß bei Buffon und D’Aubenton und konte doch nicht alles hoͤren. Alle Augenblicke ruft er: Meſſieurs, ecoutés donc; on n’entend point; Meſſieurs, voulez vous bien ecouter; o Meſſieurs, ecoutezdonc;97donc; Apparemment nous perdrons le tems; Eh bien, Meſſieurs, ecoutez à preſent; Meſ - ſieurs, on demande votre attention &c. Beim Votiren iſt auch wenig Ordnung. Die Wenigſten voti - ren. Wenn der Sekretaͤr lieſt, wird geplaudert, wer will, faͤllt ihm in die Rede, zwanzig mahl faͤngt er wie - der an; es war einer da, der lief beſtaͤndig herum, ſas wenigſtens an ſechs Plaͤtzen; oft iſt ein Geſchnatter, das man eben nicht von Gelehrten erwarten ſollte; viele ſind hitzig, ſchwoͤren eins daher, daß man anderswo zu ſeyn glaubt, viele ſchreien. Portal war nicht da, Morand ſchrieb was anders fuͤr ſich. D’Aubenton, plein de merites & plein de modeſtie, ſprach in der ganzen Sitzung zu Allem, was vorkam, nicht ein Wort. Erſt wurden Briefe vorgeleſen, vom Abbe Rochon und Abt Boscowich, von der Anwendung der Felscryſtallen zu Priſmen, ſtatt des bisher gewoͤhnlichen gemeinen Gla - ſes. Die beiden Abbe’s ſaſſen dabei. Und nun ward von 3. bis nach 5. Uhr uͤber die Ehre dieſer Erfindung ge - ſtritten. Eine Menge Certifikate, Briefe ꝛc. wurden vorgeleſen. Jeder von den Abbe’s hatte einige Mitglie - der auf ſeiner Seite, es ſetzte heſtige Debatten, der Se - krekaͤr ſetzte endlich ein Certifikat auf, nach welchem die Akad. dem Abbe Rochon dieſe Ehre zuerkannte, ſobald ers aber verlas, ward von einigen heftig widerſprochen, lange ward auch vom Abt Fontana geredet, endlich that der Direkteur, nachdem er ſeine Schelle faſt zerſprengt hatte, der Akad. den Vorſchlag, zur Entſcheidung dieſer Sache Kommiſſarien zu ernennen. Auch das fand Wi - derſpruch. Dem Abbe Rochon lief endlich die Galle uͤber, er fing ſelber an, erſt mit vieler Ehrerbietung, und dann ward er hitzig, der Direkteur aber drang durch, undGlies98lies wegen der Kommiſſarien votiren, und es wurden Caſſi - ni, der Sohn, und noch einer, ernannt. Nachdem dann dieſe ſo wichtige Sache endlich mit vieler Muͤhe und nach langem Geſchrei auf die Seite geſchaft war; ſo las noch einer einen kurzen Aufſatz vor, von einer neuen Art, Sei - de weis zu bleichen, auf dem Tiſch lagen Proben davon, aber, wiewohl er die Wichtigkeit dieſer Sache fuͤr Europa, und beſonders fuͤr Frankreich vorſtellen woll - te; ſo ſtand man doch auf, plauderte, und alles lief aus einander. Ich ſah die Seide, ſie war ziemlich weis, aber hart und rauh. Fuͤr die Fremden iſt hinter dem Tiſch der Ak. ein Kanape geſetzt. Heut ſah ich hier auch den alten Bernard de Juſſieu, der ſonſt nicht mehr aus - ging und auch bald nachher in die Ewigkeit gegangen iſt. Ehrwuͤrdig, mild, und ruhig ſah ſein noch rothes, aber faltenvolles Geſicht aus. Man fuͤhrte ihn die Treppe herab, und hob ihn in ſeine Chaiſe. So dacht ich, wuͤrd auch ſein alter Freund Linne, ausſehen. Es war ein ſuͤßer, aber auch ein wehmuͤthiger Gedanke fuͤr mich, dieſe beiden Maͤnner, die mit einander im Gar - ten der Natur grau geworden und der Welt ſoviel Nutzen geſchaft haben, beiſammen am Rande der Ewigkeit zu denken. Lange ſah ich der Chaiſe nach, worinn der liebenswuͤrdige Greis hinfuhr und freute mich, auch die - ſen Mann geſprochen zu haben, weil’s mir doch ſo gut nicht worden iſt, Linne zu ſprechen und ihm fuͤr ſeine lehrreichen Schriften zu danken. Von hier ging ich zu

Mr. de Portal. Er wohnte Rue Cimetiere. Ein etwas alter, duͤrrer, hagrer, langer, Mann. Sein Geſicht hat die blaſſe Farbe des Gelehrten. Im Win - ter haͤlt er oͤffentliche Vorleſungen uͤber die Anatomie undbeſucht99beſucht zugleich Kranke in der Stadt. Er hat eine Ge - ſchichte der Anatomie geſchrieben. Jetzt arbeitet er an einer neuen Ausgabe der Hiſt. anatom. & pratiq. de M. Lieutaud mit ſtarken Anmerk. T. I. II. ſind ſchon heraus. Die Membrane im ſtapede auris, die ich bei der Mdlle. Biheron ſah, (deren Freund er nicht iſt) hat er nie geſehen; Haller ſieht ſie fuͤr ein Perioſt. an, wir ſchlugen die Stelle im Lieutaud auf. Sib - baldi Balaenol. kannt er auch nicht. Das Graduiren der Aerzte ſah er fuͤr das an, was es iſt. Von den De - batten in der Akad. ſagte er: C’eſt une choſe terri - ble dans les Societés.

Den 29ſten Mai.

Frohnleichnamstag (la Fête Dieu) war heute und auch einmahl ein ſchoͤner Tag, doch Abends ſchwaͤrz - te ſich der Himmel ſchon wieder. Man hoͤrte den gan - zen Vormittag nichts als Laͤuten, Trommeln, Schellen, Singen, Beten. Alle Straſſen wurden mit Tapeten behangen, die bald recht ſchoͤn, bald recht ſchlecht waren; aus allen Kirchen gingen Prozeſſionen, man ſah praͤchti - ge Meßkleider, Blumen, Lichter, Rauchwerk, Mon - ſtranzen, die zum Theil uͤber 1000. Louisd’or koſten. Bei jeder Prozeſſion waren Wachen. Es war nicht rathſam viel auszugehen, man wird zum Knien, wenn die Hoſtie vorbeigetragen wird, gezwungen, und alle Bi - bliotheken und Kabinette ſind ohnehin geſchloſſen. In - des der Aberglaube ſein praͤchtiges Spiel trieb, ſtudirte ich in D’Argenville’s Conchyliologie die Wunder der Natur im Meer an den veraͤchtlichen Thieren, und ſah Nachmittags

G 2Le100

La Cabinet de Phyſique de Mr. Delor. Es war in der Rue de Seine, weil da die Vorleſungen gehal - ten werden. Mr. Delor wohnte in der Rue St. Jac - ques beim Cure St. Benoit. Ein alter, zitternder Mann, der bei der Mechanik und Phyſik grau geworden iſt, von Jugend auf einen groſſen Hang zur Mechanik hatte, und ſich ſeine Maſchinen faſt alle ſelber gemacht, oder durch Kuͤnſtler unter ſeinen Augen machen laſſen, zum Theil auch Noller’s Maſchinen verbeſſert hat. Al - le Mittwoch und Freitag Nachmittags lieſt er franzoͤſiſch ſeine Phyſik, weil jederman hinein kommen kan. Das Zimmer iſt klein, an der Wand ſtehen Schraͤnke mit Faͤ - chern zu den Glaͤſern, Flaſchen, Magneten, Buſſolen, in den Ecken eine Luftpumpe und elektriſche Maſchinen. *)Nollet hat dieſes Kabinet ſchon vor 12. Jahren auf 12000. Livres werth geſchaͤtzt. 1776. wolte es die Univerſitaͤt in Freiburg kaufen, aber der Kaiſer gab ſeine Einwilligung nicht dazu, ſondern will ihr die feh - lenden Sachen in Wien machen laſſen. Im Jul. 1777. hat Herr Delor es an das College de la Fle - che, das unter der Aufſicht der Peres de la doct. chret. ſteht, fuͤr 10000. Livres verkauft.Ich war begierig, den Electrophore perpetuel des Herrn Alexander Volta zu ſehen, (ſ. Journal des Savans a Amſterd. n. XIII. T. VII.) Die Ma - ſchine iſt klein. Auf einem hoͤlzernen Fuß wird eine duͤn - ne Platte von Sturzblech geſetzt, dieſe war nur einen franzoͤſiſchen Schuh im Durchmeſſer, und duͤnn. Sie wird mit einer Lage vom feinſten ſpaniſchen Wachs oder rothen Siegellack uͤbergoſſen. Auf dieſe ſetzt man eine andre eben ſo groſſe Platte von Sturzblech, die einen indie101die Hoͤhe gehenden Rand, und in der Mitte einen Zapfen zum Anfaſſen hat, der aber groͤßtentheils ein eigner elektri - ſcher Koͤrper, Glas ꝛc. ſeyn muß. Alſo ſind die ſeidne Schnuͤre zum Aufhaͤngen der obern Platte, wie das Jour - nal ſagt, nicht noͤthig, auch braucht die Maſchine nicht 2. Schuh breit zu ſeyn. Das Laden geſchieht blos durchs Reiben, auf der Lage von Siegellack. Mr. Delor rieb oft nur mit ſeiner Hand, weil man nur die elektriſchen Theile losmachen will; das wolt aber doch heut nicht viel helfen, weil’s immer noch feuchtes Wetter war. Man kan auch mit Leder reiben. Wir rieben mit einem Bal - len von Katzenfell. Wilder Katzenbalg iſt am beſten. Iſt eine Zeitlang ſtark gerieben worden, ſo ſetzt man die obre Platte darauf, druckt ſie feſt an, laͤßt ſie einige Mi - nuten darauf ſtehen, ſo kan man alsdann auch aus der obern Platte Funken heraus ziehen. Die elektriſche Ma - terie theilt ſich der obern mit. Auch aus beiden, zu - gleich beruͤhrt, oder wenigſtens ſchnell hintereinander, ge - hen Funken heraus. Stellte man die untere iſolirt auf einen Glaskoͤrper, ſo konnte man aus ihr allein Funken herauslocken. Iſt ſie recht geladen, ſo kan man das 24. Stunden lang fortſetzen, ohne von neuem zu laden. Im gedachten Journal ſteht, man locke Blitze heraus, auch bei Regen und Nebel, da zweifle ich aber ſehr dran. Der ganze Apparat koſtet etwa einen Louisd’or, man kan ihn auch uͤberall machen. An Delor’s elektriſcher Ma - ſchine hing eine meſſingne Kette, dadurch theilte ſich die Materie auch dem in Tiſch eingelegten Kupfer mit, und gab ohnverſehens, einen ziemlichen Schlag. Er zeigte mir noch eine Vorrichtung an ſeiner Luftpumpe, ſeine Ge - raͤthſchaften, kuͤnſtliche Magnete zu machen, und erbot ſich, mich kuͤnftigen Sonntag zu Mr. Rozier zu fuͤhren. G 3Von102Von da ging ich in die oͤffentlichen ſchoͤnen Spazier - gaͤnge

Les Thuilleries. Gleich an der Seite vom Pont Royal und dem Louvre geht dieſe in der That angenehme Parthie von Paris an. Man findet breite Gaͤnge, kleine eingefaßte Gaͤrtchen, groſſe ſchoͤne Alleen, eine Menge herrlicher Statuen, aus den Antiquit. und der Mythologie; ſie ſind aus weiſſem Marmor, die Fuß - geſtelle aber aus graulichten Alabaſter; etliche Baſſins ꝛc. immer eine Menge Leute aller Art, in allen moͤglichen Kleidungen, in Karoſſen, in Pracht, wolluͤſtigem Anzuge, Kinder in franzoͤſiſche Moden gekleidet. Am Ende der eigentlichen Alleen liegt ein groſſes Baſſ in mit Saͤulen eingefaßt, und dann

La Place de Louis XV. In Paris hab ich nichts ſchoͤners geſehen als dies. Ein groſſes hohes Fuß - geſtelle, oben Louis XV. zu Pferd, in Kriegs-Klei - dung; Pferd und Mann, alles iſt praͤchtig. Sie ſteht ſeit 1763. freilich mit prahleriſchen Inſchriften. Vier Nebenſtatuͤen, tragen ſie. Alles iſt mit einem eiſer - nen Gitter eingefaßt. Vor dem Koͤnig zur linken Hand iſt Merkur auch auf einem hohen Pferde, und gegen ihm uͤber Fama, ebenfalls zu Pferde, La Renommée, ſagt man hier, mit der Poſaune gegen die Stadt gekehrt. Linker Hand liegen die praͤchtigen Gardes des Meubles du Roi. Dies ſind lange Haͤuſer von weiſen Quadern, an denen alles mit korinthiſchen Saͤulen, Bildhauerar - beit, Vaſen, Laubwerk, Bildern, Schnitzwerk unbe - ſchreiblich, unendlich uͤberladen iſt. Rechter Hand oben weiter hinaus, das praͤchtige Hotel de Bourbon, und darzwiſchen die niedlichen Gaͤrten. Dieſer Platz iſt be -feſtigt,103feſtigt, hat Mauern, Wall, Graben, und in dieſen ſind kleine Blumenbeete angelegt. Hinter dem Platz auf der Seite liegt das Schlos und der Garten der Mad. de Pompadour, und dann

Les Champs-Eliſeés; groſſe, lange, brei - te, mit Baumgaͤngen nach allen Richtungen durchſchnit - tene Spatziergaͤnge, die mit Kaffee - und andern Haͤu - ſern, mit Jeux des Pommes, mit Chevaux de bois à piquer à un anneau etc. und mit einer unzaͤhlbaren Menge Menſchen an allen Sonn - und Feiertaͤgen, mit Reihen von Karoſſen und Pferden beſetzt ſind. Den rei - zenden Namen verdient uͤbrigens dieſe Gegend noch lange nicht. Wieviele eliſaͤiſche Felder haͤtten wir in Deutſchland, wenn wir unſre Sachen auch ſo ſehr aus - ſchreien wollten, wie die prahlenden Franzoſen! Zuletzt noch das Coliſée, und das Dorf Chaillot, denn bis dahin reichen die ſchoͤnſten Straſſen und Spatzier - gaͤnge.

Bemerkungen.

Eine Probe vom pariſer Luxus; denn heute Nach - mittag glaͤnzte alles. Mein Hauswirth, ein Sudelkoch, der die ganze Woche im grauen Wams hinter dem Heer - de ſteht, aufm Heerd mit ſeinen Leuten ißt ꝛc., zog heute Nachmittag ein rothes Kleid von feinem Tuch, mit gold - geſtickten Knoͤpfen an, trug weisſeidene Struͤmpfe und ein ſpaniſch Rohr mit einem vergoldeten Knopf ꝛc. Uhr - macher ſah ich in ganz ſeidnen Kleidern ꝛc.

Eine Probe vom exorbitanten Preis aller Sachen. Aux Champs Eliſeés koſtet ein kleines Trinkglas Li -G 4monade104monade 5. Sous, ein wenig Salat 3. Sous, und als wir weggingen, ſtand der Aufwaͤrter noch an der Thuͤr und ſagte: Pour le garçon, Meſſieurs, à boire. Und die Frau vom Haus ſas in einem Kaſten darneben, und theilte Echaudes aus, kleine leere luftige Kuͤchel - chen zu ½ Sous.

Doch aber auch eine Probe, daß etwas wohlfeil iſt. Man verkauft uͤberall Hippelchen, die nennt man Plaiſirs, man macht ſie wie groſſe Trichter oder Spruͤtz - becher, 3. mahl ſo gros als unſre, und recht gut, da ko - ſtet eins nur 2. Liards.

Den 30ſten Mai.

M. A. de Juſſieu, Profeſſ. en Bot. Doct. en Med. beſuchte ich heute. Er iſt ein langer, junger Mann, ein Neſſe von Bernhard de Juſſieu, den man Morgens fruͤh beſuchen muß. Er haͤlt vom Junius an oͤffentli - che Vorleſungen uͤber die Botanik, und muß die Frem - den, die den Koͤnigl. Garten ſehen wollen, empfangen. Er iſt ein groſſer Verehrer von Linne, der Garten hat auch lauter Linne’iſche Namen, aber er iſt nicht nach Linne’’s Ordnung eingerichtet. Er hatte die Hoͤflichkeit fuͤr mich, mir den Garten alle Tage zu oͤfnen, und mir eine ſauber geſchriebene Addreſſe und Empfehlungen an Mr. Vicq. d Azyr mit zu geben.

La Biblioth. du Roi. Da ging ich hierauf wieder hin, las Redi Experim. nat. gar aus, und lies mir Ioa. Aemyliani, Ferrarienſis, de Ruminantibus Hiſt. 4to Venet. 1584. geben. Es war neu in ro - then Saffian gebunden, und mit den 3. goldnen franzoͤſi -ſchen105ſchen Lilien, wie die meiſten Buͤcher hier, beſtempelt. Man ſieht an dieſem Buche ſo recht den Geſchmack der vorigen Zeiten, und beſonders der Italiaͤner. Eine Menge Stellen aus den Alten, Griechen und Lateinern und ihre Scholialiſten dazu. Zwiſchen phyſiſchen Sa - chen alle Augenblicke eine Digreſſion, um ihre Kollekta - nen anzubringen. Man muß das, was zum Zweck ge - hoͤrt, erſtaunlich zuſammen klauben. Es iſt ganz uner - traͤglich geſchrieben, obs gleich noch manch Gutes ent - haͤlt. Phyſik, Hieroglyphen, Mythologie, philoſophi - ſche Streitfragen von Definitionen ꝛc. philologiſche und etymologiſche Unterſuchungen, Fabeln, Poeſien, Epigrammen, Stellen aus den Kirchenvaͤtern, vom Geier und den Egyptern angefangen, und nach zwei Quartblaͤttern endlich zur Sache; und alles verbraͤmt mit Antiquitaͤten, ſo daß das Brauchbare davon auf 2. Bogen ging. Zum Erſtaunen iſts, wie Anguſtinus bei allen ſeinen ſuperficiellen Kenntniſſen, und bei ſeiner ſchwachen Beurtheilungskraft, doch ſo ein groſſes Anſehen erhalten konte. Ihm ſagt Aemilian S. 1. nach; Pferde und Geier wuͤrden vom Winde ſchwanger, bald von die - ſem, bald von jenem, je nachdem ſie ſich dreheten. Da - her waͤren die Geier alle Weibchen, und niſteten deswe - gen ſo hoch, damit ſie der Wind recht treffen koͤnnte!! Wenn ein Prediger in unſern Zeiten ſolch abge - ſchmaktes Zeug vorbringen wollte, wieviel wuͤrde er lei - den muͤſſen. Noch ein Proͤbchen vom damahligen Ge - ſchmack in der Naturkunde. Das Buch iſt dem Kard. Buoncompagni zugeeignet; Weil das oͤftere Nach - denken in der h. Schrift Wiederkaͤuen genannt werde, und da die wiederkaͤuenden Thiere den Huf ſpalten; ſo bedeute dies das lautere Verſtaͤndnis der Bibel ꝛc. G 5Zum106Zum Gluͤck iſt am Rande alle Fingers lang der Inhalt angegeben. Das Buch iſt alt, und unbekannt. Hier - auf machte ich einen Beſuch bei

Mr. Felix Vicq. d’Azyr, Doct. Reg. de la Fac. de Med. etc. O! ein allerliebſter Mann, voll Freundſchaft und Gefaͤlligkeit fuͤr mich. In ſeinem Zimmer war eine kleine Bibliothek, mit einigen Kupfer - ſtichen, und die jetzt ſehr gewoͤhnlichen Schraͤnke von Ro - ſenholz, darneben ein Saal, wo ſich die mediciniſche Fa - cultaͤt Dienſtags und Freitags Nachmittags verſammelt. Wir ſprachen uͤber Buffon, D’Aubenton und Reau - mur, deſſen Mem. des Inſectes, wie er meint, zu weitlaͤuftig ſind, und in 2. Baͤnde zuſammengedraͤngt werden ſollten; uͤber ſeine Feuille pour ſervir à l’hiſt. anatom. et natur. des corps vivants, die er zu ſei - nen Vorleſungen im Winter beſtimmt hat, uͤber D’Au - benton’s Verdienſte ums Cab. du Roi, das vor 25. Jahren eine kleine unbetraͤchtliche Sammlung von Hoͤl - zern, Madreporen und Verſteinerungen war, und jetzt ſo wichtig iſt. Nach Reaumur’s Tode, ſagte er mir, haͤtte man das Unnuͤtze oder Ueberfluͤſſige aus ſeiner Sammlung verkauft, und das Meiſte davon ins koͤnigliche Kabinet geſteckt, das uͤbrige ſtuͤnde noch in eignen Zim - mern ungeordnet darneben. Er ſprach von der letzten Sitzung der Akademie, und ſagte mir, der Abbe Ro - chon haͤtte Verdienſte um die Marine, haͤtte Reiſen mit einem Schifskapitain nach Amerika gethan, haͤtte aller - dings die Ehre der Erfindung, haͤtte es dem Miniſter uͤbergeben, und ſein Etabliſſement, ſein Gehalt hinge da - von ab; Boscowich waͤre ein Italiaͤner, ein Exprofeſ - for von den Exjeſuiten, haͤtte nur eine Verbeſſerung darangemacht,107gemacht, und wolte ſich nun eindraͤngen ꝛc. Er nahm meine Addreſſe, und verſprach mir eine Addreſſe an D. Mauduit zu ſchicken, der eine herrliche Sammlung in der Ornithologie haͤtte. Von da ging ich, um

Le Cab. de l’Hiſt. Nat. de Mad. la Preſid. de Bandenville, zu beſehen. Die Herren Hay und Eſchenauer hatten mich an die Bankiers, die Herren Tourton und Bauer empfohlen, und Herr Tourton ſchrieb mir à la petite Poſte, daß ich Erlaubnis haͤt - te, dieſes herrliche Kabinet zu ſehen. Der Abbe Gruel war Aufſeher daruͤber; ein alter Mann, der ſchon die Bril - le brauchte, wenig ſolide Kenntnis darin hatte, einen Gys - ſpat aus Norwegen fuͤr Zeolith ausgab, die Voͤgel gar nicht leiden konnte, ſchon lange an einem Katalog arbeitete, und mich mit vieler Hoͤflichkeit ins Kabinet fuͤhrte. Na - turalien, Buͤcher, Kunſtſachen, Bildſaͤulen, Gemaͤlde ꝛc. ſtanden unter einander. Verſteinerungen machten den Anfang. Korallen, verſteinerte, und aufm Bruch noch roth. Agatiſirte Cornua amm. viele Belemniten, Pektiniten, Chamiten, Echiniten, aber keins mit Sta - cheln; groſſe Gloſſopetern, verſteinerte Fungiten, verſtei - nertes Holz ꝛc. Viele ſchoͤne Voͤgel, Colibris aller Art, eine noch unbekannte Art von Grus aus Martinik, der Kardinalsvogel, einige Waſſervoͤgel, von einigen auch die Eier, ein wilder Schwan, viele Pelikane. Affen, Fiſchottern, Feldmaͤuſe, drr Zahn vom Monodon, afri - kaniſche, amerikaniſche, franzoͤſiſche Schlangen, Klap - pern vom Crot. horr. Wenige Fiſche. Skorpionen, Krebſe, Skolopendern. Schoͤne Inſektenſammlungen, praͤchtige Wanzen aus Amerika, Bupreſtes, herrliche Cikaden, Schroͤter, Schmetterlinge, aber ſchlecht konſer -virt,108virt, vielen fehlte ein, vielen beide Fuͤhlhoͤrner, in kleinen Glasſchraͤnken alle unter einem Glaskaſten, und ſchlecht rangirt. Marmor, nachgemachte, natuͤrliche. Acha - te, Jaspiſſe, auch orientaliſche, Alabaſter. Ein eig - nes Zimmer zu den Seekoͤrpern, ein groſſes Stuͤck Tu - bularia, groſſe Madreporen, ein Admiral, Arche Noe, groſſe Davidsharfen, kleine Nautili, uͤberhaupt hier we - nig Conchylien. Die Beſitzerin hat aber noch eine praͤch - tige, groſſe Sammlung in ihren Zimmern. Seepflan - zen auf einer weiſſen Tafel unter Glas an der Wand. Wenige Stuffen, ein rother Jaſpis aus Norwegen, der auf der einen Seite rayons divergens hatte. Achat mammelloné, grauweis, hell, ein herrliches Stuͤck aus Norwegen, das D’Aubenton nicht hat. Groſ - ſe Quarzdruſen, vielfaͤrbige, alles huͤbſch konſervirt, in niedlichen Zimmern ꝛc. Dieſe Dame hat ſchon 25. Jahr geſammelt und ganze Kabinette gekauft.

Den 31ſten Mai.

Le Cab. de l’Hiſt. nat. du Roi ward abermals von mir heute beſucht. Ich konnte in dem zweiten Zim - mer, im zweiten Schranke in der Mineralogie heute nicht fortfahren, weil D’Aubenton ſelbſt da zu arbeiten hat - te, nahm alſo im dritten Zimmer das Thierreich vor.

Drittes Zimmer, da fand ich

  • I) Conchylien. Und zwar ſtanden dieſe
    • I) Rechter Hand, beim Eingang, im Eckſchranke;
      • 1) Unten. Pecktiniten, 2. groſſe Haͤlften von Mu - ſcheln, auf der innern glatten Seite.
      • 109
      • 2) Solenes, graue, weiſſe, ganz violette, roͤthliche mit Streifen. Sie lagen nur nebeneinander.
      • 3) Moules, gruͤne, violette, rothe, groſſe, kleine.
      • 4) Perlen, in glaͤſernen Schuͤſſeln, Groupes des Perles, groſſe wie Haſelnuͤſſe; Perles d’Ecoſſe, graue, einzeln in Auſtern ſitzend; Semence de Per - les, z. B. aͤuſſerſt kleine, violette, Perles d’Oreil - le, de Mer, gros und krumm gebogen.
      • 5) Cardia, ſtanden hinter den Perlen, eine Menge Arten, eine ſchwefelgelb, eine andre halb ſo mit rothen Kreiſen.
      • 6) Peignes, einige ſtanden; andre lagen, auch ein - zelne Haͤlften.
      • 7) Huitres, lagen alle unordentlich untereinander, man ſah keine recht.
      • 8) Meres-perles, groſſe halbe Schalen, inwendig nacres, z. B. mit Perlemutter ausgekleidet.
      • 9) Spondiles, ganz weiſſe, ganz rothe, mit beiden Farben.
      • 10) Huitres epineuſes, da war ein Stuͤck, wo 4. an einander collées par le glu waren, und an der ei - nen klebte noch ein andrer Seekoͤrper.
      • 11) Coeurs, Ochſenherzen.
      • 12) Pinnes marines und Jambons, ſehr groſſe Stuͤ - cke mit der Pinna.
      • 13) Benitiers, und oben wieder Moules.
    • II) Linker Hand ſtanden 2. Schraͤnke. Alſo imA) Erſten110
      • A) Erſten Schranke, unten, Vermiculiten, Tur - biniten, groſſe Stuͤcke Verſteinerungen, gemeine Schnecken;
        • a) Erſte Haͤlfte.
          • a) Coquill. univalves, terreſtres, Schnecken, das wahre und das falſche Midasohr, geſtreifte, glatte, à bouche dentée, das groſſe und das kleine Band, la Nonpareille, le grain d’avoi - ne, le Planorbe mit 5. Spiralen, le Bouton.
          • b) Tuyaux, groſſe, kleine, 2. gruͤne Hakenfoͤr - mige, Brocken von einzelnen, Klumpen von vie - len in einander geſchlungenen. Ging durch bei - den Haͤlften.
          • c) Nautiles, groſſe, auch aufgeſchnittene, viele papyracés, geſchnitzte.
          • d) Limaçons, allerlei untereinander.
          • e) Geographiques und Taupes, ſo heiſſen hier die Porzellaͤnen mit Flecken, Zuͤgen, Streifen.
          • f) Culottes de Suiſſe, Bojaux, Rochers, Trompettes de Mér, Tuyaux oben wieder.
        • b) Zweite Haͤlfte.
          • a) Coquill. univalv. d’eau douce, eine herrli - che Sammlung von Neriten, und viele mit Sta - cheln. Hinten Meerohren; Le Cornet de St. Hubert, ſind gewundene platte Schnecken, mit weiſſen Grund und gelben und braunen Baͤndern.
          • b) Troches, Kraͤuſelſchnecken, ganze Neihen vom lieblichſten Roth, eine kleine mit einem me - talliſchen Glanz.
          • 111
          • c) Porcellaines, kleine, groſſe. Man weis bei dieſer ganzen Parthie nicht, wo man das Auge verweilen laſſen ſoll.
          • d) Geographiques, Leopards, was wir Ty - germuſcheln nennen; Oeufs, ganz weiſſe, lauter Cypraeae Linn.
          • e) Tonnes, cannclées mit Streifen und Knoͤ - pfen. Perdrix mit braunen Flecken.
          • f) Eine groſſe Schnecke, mit einem Bernh. Erem.
      • B) Zweiten Schranke.
        • a) Erſte Haͤlfte.
          • a) Ganz gemeine weiſſe Turbines, Buccinae.
          • b) Ungeheure Cylinder ohne Ortsangabe, wo Ivoire foſſile darauf ſteht. D’Aubenton ſagte mir, daß es in der Struktur alle Karaktere der Elephantenzaͤhne habe
            *)Elle ſe ſepare en lames, et en couches, D’Argenville Oryctol. p. 332. auch eine Probe aus Kalabrien.
            *); ich ſah es fuͤr terrificir - tes Holz an. Fuͤr Zaͤhne war’s zu grob, dick, und gar nicht forma.
          • c) Rhombes, Olives, Bois veinés, Muſi - ques, Araignés, Buccins, Oreilles de Cochons.
          • d) Lambis, ſo heiſſen hier unſre Sturmhauben. In einer war auch ein Krebs.
          • e) Conques perſiques.
        b) Zweite112
        • b) Zweite Haͤlfte.
          • a) Buccins, die meiſten waren ailés, Har - pes, einige aͤuſſerſt ſein, mehr grau als roth. Tiares, Aiguilles, Chicorées, eine ganz Meer - gruͤn, herrlich.
          • b) Becaſſes epineuſes, ein koſtbares Stuͤck auf beiden Seiten. Fuſeaux wenige.
          • c) Robes de Perſe, Maſſues, Caſques, eine war auf der einen Seite aufgeſchnitten, damit man das innere Gebaͤude ſehen kan.

Im Eckſchranke lagen Peignes, Cames, Hui - tres, Buccins etc. mit den Thieren in Weingeiſt, meiſt aus dem mittellaͤndiſchen Meer, aber meiſt geſchloſ - ſen. Sie ſtanden im Dunkeln; die Schalen ſah man, das Thier war verſchrumpft, aus D’Argenvilles Zeich - nung lernt man mehr. Schade, daß dieſer Artikel ſo mager, ſo ſchlecht war. Schalen, Gchaͤuſe ſieht man uͤberall genug, aber die Thiere zu konſerviren, das waͤre fuͤrs Koͤnigl. Kabinet.

Und auch unter den Gehaͤuſen waren keine ſeltene, keine koſtbare Arten. Von der blauen Farbe war keine einzige da. Alle waren ohne ſpecifiſche Namen, und ohne Ortsangabe, nur ſo nach der Symmetrie hingelegt.

  • II) Voͤgel, meiſt auslaͤndiſche, wenig franzoͤſiſche darunter; ſtanden alle auf hoͤlzernen Geſtellen. Kein ein - ziger hatte beſtimte ſyſtematiſche Namen. Viele ſtanden da ohne ihr Vaterland, von einigen wars Maͤnnchen und Weibchen da, doch waren die meiſten gut konſervirt. Sie ſtanden rechter Hand an der Wand hinauf. Ich merkte mir folgende:A) Im113
    • A) Im erſten Schranke, unten waren
      • 1) einige Eier, aber viele ohne Namen, von kleinen Voͤgeln gar keine: eins von der Gans in Canada, an einem ſah man gar nichts weiſſes, es war ganz ſchmutziggrau.
      • 2) Martin pecheur, mit Hubeln, ſchwarz mit dem rothen Kopf und blauen Fluͤgeln, von Domingo, Loui - ſiana, China, Pondichery, Madagaſkar, Vor - geb. d. g. Hofn. ꝛc.
      • 3) Manchot, des sles Malouines. An dieſem Vo - gel liegen die Fluͤgel nicht am Koͤrper an, ſondern haͤn - gen herab, haben auch keine Federn, ſondern ſcheinen eine Haut mit ſchwarzer Wolle, wie Pflaum, oder wie Sammt, zu ſeyn. Sie ſind ſchmal. Der Ruͤcken iſt ſchwarz, der Bauch grau, das Genick gelb, der Schnabel lang, die Fuͤſſe kurz. Er gehoͤrt zu den Picis.
      • 4) Pinguin male. Der Schnabel iſt platt gedruckt, wohl 3. Finger breit, am Weibchen iſt er ſchmaͤler und kuͤrzer. Das Maͤnnchen iſt am Bauch roͤther, das Weibchen weiſſer.
      • 5) Flamand, 2. herrliche Stuͤcke.
        • a) aus Senegal. Der Hals iſt ſo lang, als der Hals des wilden Schwans, der neben ihm ſtand, aber nicht ſo dick, gar duͤnn, ſchlank, und roͤthlich. Der Ruͤcken iſt weis, die Fluͤgel ſind am Koͤrper roſenroth und von auſſen ſchwarz, die Fuͤſſe gelb, der Koͤrper iſt duͤnne, und klein.
        • b) aus Amerika. Der Schnabel iſt bucklichter, als an jenem, und halb gelb, halb ſchwarz. Der HalsHiſt114iſt etwas kleiner, gegen den Kopf zu mehr gebogen, aber ganz roth, auch ſind Koͤrper und Fluͤgel ganz roth mit weiſſen Flecken, aber das Roth iſt nicht ſo hell wie an jenem, oder es iſt vielleicht verſchoſ - ſen, oder der Unterſchied kan ſeinen Grund im Ge - ſchlecht, im Alter haben. Der Schwanz hat ſchwarze Federn, die Fluͤgel aber nicht. Die Schenkel ſcheinen mir an dieſem laͤnger zu ſeyn, als an jenem.
      • 6) Eydervogel. Das Maͤnnchen iſt unten braun mit ſchwarzen Flecken, und kleiner. Das Weibchen iſt viel volumineuſer; Hals und Bruſt ſind an ihm weis, und der Bauch ganz ſchwarz.
      • 7) Pelican, tué en Dauphiné. Der Groͤſſe nach eine kleine Gans. Der Schnabel blaßgelb, wohl ¾ Elle lang, hat vorne am obern Theil, wie Man - delslo richtig bemerkt hat, einen Haken. Der Sack am untern Theil iſt wie eine groſſe, aufgeblaſene, Ochſen - blaſe, und iſt eine duͤnne Membrane, die untere Kinn - lade iſt geſpalten. Die Farbe iſt blasweis. Zaͤhne kan man keine ſehen.
      • 8) Albatros, vom Vorg. d. g. Hofn. Hals und Bauch ſind von den vielen Federn ganz pauſicht, Ruͤ - cken und Fluͤgel ſind ſchwarz, mit weiſſen Federn.
      • 9) La grande Fregatte de Cayenne. Der Koͤr - per iſt klein und gelb, aber die ausgebreiteten und an - genagelten Fluͤgel nahmen oben uͤber alle andre Voͤgel den ganzen Schrank ein, und ſind ſchwarz.
      • 10) Plongeons. Viele aus Norden. Welch ein unbeſtimmter Ausdruck im Munde eines Natura -liſten!115liſten! Aber Ordnung und Genauigkeit ſuche man nur nicht bei den meiſten Franzoſen.
    • B) Im dritten Schranke waren unten
      • 1) Neſter, vom Remitz, vom Pendulino, viele mit der Etikette aus Pondichery, ohne den Namen des bewohnenden Vogels, wie Saͤcke, wie Flaſchen, mit Haͤlſen, einer ganz aus Flockwolle, mit langen An - haͤngſeln.
      • 2) Ein ganz gruͤnes Ey, vom Courly rouge, (ſ. d. 2ten Schrank unten) maͤſſig gros, ein anders halb weis, halb gruͤn.
      • 3) Barbu, ein Vogel aus Cayenne mit rothen, gel - ben und gruͤnen Farben am Hals und Kopf. Am Schnabel ſitzen oben und unten ſtarke Federn, daher der Name. Oben ſchiens mir an einigen, als wenns Haare waͤren.
      • 4) Kukuke, aus Jamaika, Oſt-Indien, Coucous.
      • 5) Touraco, aus Abiſſynien, vom Vorg. d. g. Hofn. faſt ganz gruͤn, der Schnabel roth, der Schwanz breit, auf den Fluͤgeln rothe Flecken mit Hubeln.
      • 6) Toucan, gruͤne, rothe, ſchwarze.
        • a) alle haben einen krummen und ſehr breiten Schnabel, die obere Kinnlade iſt gelb, die untre ſchwarz. Der aus Cayenne hat wohl einen Handbreiten Schnabel.
        • b) Alle haben Zaͤhne, die am Toucan aus Cayen - ne gar ſichtbar ſind und unten Eintiefungen.
      H 27) L’Ai -116
      • 7) L’Aigrette de la Louiſiane, ſo gros, wie ein Rei - her, hat 3. Zaͤhen vorne, und 1. hinten, einen gebo - genen Hals, der weis iſt. Aus den weiſſen Fluͤgeln ſtehen weiſſe, duͤnne, ſchlanke, Federn heraus, die eben ſo zierliche Vexilla an der Rachis haben, wie ich im Naturforſcher die Federn am Ohr der Trap - pe beſchrieben habe, nur mit dem Unterſchied, daß die Faſern alle nur auf einer Seite haͤngen. Der Schna - bel iſt eben ſo, wie an Ardea Grus.
      • 8) Le Jabiru de Cayenne. Viel groͤſſer, der Schnabel grade, kohlſchwarz bis uͤber die Mitte des ſehr dicken Halſes, ſo dick hab ich ihn noch an keinem Vogel gefunden, dann ein ſchoͤnrothes Stuͤck bis her - ab zum Interſcapulium; Koͤrper und Fluͤgel ſind ganz weis, Fuͤſſe, Schenkel, Zaͤhen, alles kohlſchwarz. Auch eine Gralla.
      • 9) L’oiſeau Royal, ſo hies ein wuͤſter Reiher, mit einem kurzen krummen Schnabel. Die Krone auf dem Kopfe war verſchrumpft
        *)Perrault’s Hiſt. Nat. des Anim. III. tab. 28. 29.
        *).
      • 10) La Vierge de Numidie. Den Namen fuͤhrte hier eine Reiherart, die oben und an den Fluͤgeln grau, am untern Schnabel, Hals, Bruſt, und herabhaͤn - genden Federn ſchwarz war.
      • 11) Ein ganz ſchwarzer Storch.
    • C) Im zweiten Schranke
      • a) Eine Menge Gobe-Mouches, Merles, Plu - viers, Fourmilliers, Tyrans, Jaſeurs.
      • 117
      • b) Catinga, darunter ein herrlicher blauer Vogel, wie der ſchoͤnſte Sammt, eine purpur, eine violet, eine Meergruͤn, eine ſchwarz und rothfarbig. Man konnte die Pracht der Natur nicht oft genug betrachten.
      • c) Courly, aus Amerika, duͤnner, gebogner Schna - bel, gruͤn, ſchwarz, roth, wie der ſchoͤnſte Karmin.

Dieſen Morgen brachte Herr D’Aubenton ein neues wichtiges Stuͤck mit mir herunter ins Kabinet. Es war Soufre natif en Cailloux. Man hatte ihm aus der Franche Comte, einen groſſen Silex geſchickt, der die ganze Hand fuͤllte, und wie man ihn zerſchlug, war inwendig wahrer natuͤrlicher Schwefel, und ein Theil der materia ſilicea umgab ihn. Vom Zerſchlagen fiel ein Theil, wie ein Puderſtaub, herab. Von hier ging ich und beſah

Les Manuſcrits de la Biblioth. de l’Abbaye St. Germain. Dieſe machen eine eigne Bibliothek aus, ſtehen einen Stock tiefer unten, als die Buͤcher; ſind alle gebunden, und belaufen ſich ungefaͤhr auf 20000. Stuͤck. Es ſind Lateiniſche, Griechiſche, Ebraͤiſche, Coptiſche, Arabiſche, Franzoͤſiſche darunter. Man gab folgende fuͤr die ſeltenſten und koſtbarſten aus: 1) Ein Pſautier, auf violettem Pergament den Moͤnchen be - ſonders wichtig, weil St. Germanus, der Stifter dieſes Kloſters, dies Exemplar als ſein Handbuch ſelber brauch - te. 2) Ein griechiſcher Codex von den LX. auf Pergament, caractere unciali et quadro ſcriptus, aus dem 7ten Jahrh. Accente und Spiritus kommen zu - weilen vor, zuweilen ſind ſie ausgelaſſen. 3) Frag - mente vom Evangelio Mathaͤ[i]und Marci auch ausH 3dem118dem 7ten Jahrh. Lateiniſch auf violettem Pergament, mit lauter goldnen Buchſtaben geſchrieben, von vorne bis hinten. 4) Ein Martyrologium Coptorum, Coptiſch geſchrieben, aber es zu leſen, langte meine Sprach - kenntnis nicht zu. 5) Ein praͤchtiger Koran auf Sei - den-Papier. 6) Auguſtini Briefe, alſo lateiniſch, aus dem 7ten Jahrh. auf Baumrindenpapier! recht leſer - lich. Das hat man in ganz Frankreich nicht als hier. Dieſes Papier iſt nicht weis, und auch nicht braun, eher blaßbraun roͤthlich, und nicht grob anzufuͤhlen. An ei - nigen haͤngen am Rand die Fibern herab. 7) Tuͤrki - ſche Geſchichte, arabiſch. 8) Perſiſche Geſchichte in un - endlicher Menge. 9) Ein ebraͤiſcher Codex aus dem 14ten Jahrh. Beim Pentateuchus iſt das Chaldaͤi - ſche Targum. Kennicott hat ihn verglichen. Nicht ſo ſchoͤn als der Carlsruher. 10) Eine franzoͤſiſche Bibel, denn franzoͤſche Manuſkripte hatte ich noch keine geſehen. Zwei Foliob. Text und Gloſſe. Viel Verzie - rungen, auf Pergament, aus dem 13ten Jahrh. War ſchwerer zu leſen, als die Ebraͤiſchen, Griechiſchen und Lateiniſchen, doch kont ichs an einigen Orten, es war auch ſchlecht franzoͤſiſch.

Dann ging ich wieder in die Bibliothek, und lies mir Rondelet de piſcibus geben, wo ich heute noch manche ſchoͤne Anmerkung fand, und bis Seite 57. kam. Ich hatte Artedi Ichtyologia gefordert, weil das aber ein Oktavband iſt; ſo durfte mirs der Garçon de Bi - blioth. nicht geben. Das iſt hier auf allen Bibliothe - ken ſo, Oktav - oder noch kleinere Baͤnde geben ſie einem ſelten, aus Furcht, man moͤcht es einſtecken, und damit davon gehen. Dergleichen Buͤcher muß man vom Bi -bliothek -119bliothek-Aufſeher ſelber fordern, und oft macht auch der Schwierigkeit. Auf der Koͤniglichen gab man mir Re - di Exper. nat. und es war doch Duodezband. Jetzt hatte der Aufſeher hier ſchon wieder andre Fremde herum zu fuͤhren. Geplagt ſind dieſe Leute allerdings, und man darf nicht empfindlich ſeyn, wenn ſie auch einmahl muͤde werden, wiewohl die franzoͤſiſche Politeſſe es immer zu mildern weis.

Bemerkungen.

Geſtern Abend noch zeigte mir Mad. de Bure alle Gold - und Silbermuͤnzen vom jetzigen Koͤnige, die gewis herrlich ſind.

Die Franzoſen ſind unendlich hart gegen das Vieh. Heute ſah ich einen Kutſcher, der, um einen Umweg zu vermeiden, in einer engen Straſſe, wo er nicht umkehren konte, lieber die ganze Gaſſe mit entſetzlichem Zerren, Fluchen und Peitſchen hinter ſich fuhr, bis er wieder in die Straſſe kam. Beſtaͤndig rief er Gare derriere! Es war erſchrecklich, wie die Pferde auf die Bruſt geſchla - gen wurden, und wie viel Ungluͤck hinten, wo jedermann ging und fuhr, haͤtte entſtehen koͤnnen!

Den 1ſten Junius.

Mr. L’Abbé Rozier. Mr. Delor hatte die Guͤ - tigkeit, mich heute mit ihm bekannt zu machen. Er iſt ein ſtarker, langer Mann in mittlern Jahren. Er wies mir gleich ein Stuͤck Schoͤrl, das er aus Corſika erhalten hatte und abzeichnen ließ. Die Franzoſen liefern ſo viele unnuͤtze Zeichnungen von Mineralien. Ferner einen aus -H 4geſtopften120geſtopften kleinen Hund, der keine Vorderfuͤſſe gehabt hatte, immer auf dem Sternum gegangen und fortge - hutſcht, ganze Treppen hinauf gekommen war, und doch 7. Jahr ſo gelebt hatte. Wir ſprachen uͤber Bertho - lon’s elektriſche Illuminationen. Er zeigte mir den Auszug davon in ſeinen Obſerv. ſur la Phyſique, T. VII. 1776. Mr Delor hatte ſchon vor vielen Jahren, als er vor Louis XV. elektriſche Verſuche machen muſte, gleich das erſtemal das Koͤnigl. Wappen malen laſſen, und es durch kleine metallne Staͤbe ganz im Feuer dar - geſtellt. Hierauf hoͤrte ich die

Teutſche Predigt in der Schwediſchen Kapel - le. Alles war eben ſo, wie vor 8. Tagen, nur alles deutſch. Herr Baͤr hatte die franzoͤſiſche Predigt gele - ſen, die deutſche ward meiſt aus dem Gedaͤchtnis herge - ſagt. Die deutſchen Lieder waren ſchlecht, und wurden noch dazu matt und langſam geſungen. Das Evange - lium ward verleſen, aber doch wieder uͤber die Epiſtel ge - predigt, wiewohl des Textes mit keinem Wort erwaͤhnt ward. Die Predigt handelte von der Liebe zu Gott: I) Sie hebt allen irdiſchen Kummer und Verdrus. Von dem Kummer gab er 3. Quellen an, a) unſre Suͤnden mit ihren natuͤrlichen Folgen. Die Liebe zu Gott hebt die Folgen, indem ſie die Urſachen hebt. b) Die uͤber - triebene Sinnlichkeit; die Liebe zu Gott daͤmpft das. c) Die Verhaͤngniſſe Gottes auch uͤber die Chriſten; die Lie - be zu Gott unterwirft ſich ihnen. II) Sie fuͤhrt uns zur Quelle der wahren Gluͤckſeligkeit, indem ſie uns den Ge - horſam gegen Gott lehrt, und ohne den gibts keinen recht - ſchafnen Monarchen. Hier ward ſichtbar auf den K. v. Pr. geſtichelt, und der Schwed. Koͤnig Guſtav genanntund121und erhoben: keinen rechtſchafnen Lehrer, hier ward ge - klagt, daß oft Schaafe aus dieſer Kirche die beſten Er - mahnungen mit Gelaͤchter belohnten: keinen rechtſchaf - nen Unterthan, ſonſt ſchuͤttle man bei Gelegenheit das Joch des Zwangs ab: keinen ruhigen Tod, aber Furcht, ſagte er da, iſt nicht in der Liebe ꝛc. Der Text ward mit keinem Worte erklaͤrt, im Eingang wurden aus der Kir - chengeſchichte Anekdoten vom Johannes erzaͤhlt. Das Deutſche war herzlich ſchlechtes katholiſches, der Ton uͤber - haupt ſtrasburgiſch, die Geſtus fehlerhaft, z. B. es ward mit der Hand lange gezittert, lange damit bald auf die rechte, bald auf die linke Bruſt getaͤtſchelt, beide Haͤnde zu hoch in die Hoͤhe geſtreckt, oben auf der Peruͤke zuſam - men gelegt, an die Seiten der Kanzel gelegt, mit dem Schnupftuch ſich viel zu thun gemacht ꝛc. Der Kirchen - rock iſt eigentlich nur ein halber, vorne auf der Bruſt iſt nichts, er haͤngt nur auf den Achſeln. Es wurden ein Paar neue Eheleute aufgebothen, und die Beichte zur Kommu - nion uͤber 8. Tage, eine Stunde vor der Kirche verkuͤn - digt. Nachher ging ich nach

St. Clou, einem Koͤnigl. Luſtſchloſſe bei einem Dor - fe 2. Stunden von Paris. Wohnt’ich in Paris, ſo ging ich gewiß oft aus der ungeſunden, dumpfigen, laͤr - menden Stadt dahin. Man geht dahin durch die Thuil - leries, durch das angenehme Waͤldchen von Boulogne, wo uͤberall luſtige Geſellſchaften im Graſe ſaſſen, durch das ſchoͤne Voulogne ſelber uͤber einen Platz, wo lau - ter Stecken zum Troknen der Waͤſche ſtecken, als wenns Reblaͤnder waͤren, und uͤber eine groſſe Bruͤcke uͤber die Sei - ne, die hier ſehr breit iſt. An dieſer Bruͤcke hat man viel groſſe und breite Netze angebracht, die man an Ha -H 5ſpeln122peln hinablaͤßt, um Menſchen und Sachen, die in Pa - ris in den Strom fallen, damit aufzufangen. Man muſte heut nach St. Clou gehen, weil allemahl in den 6. Sommermonathen am erſten Sonntag im Monat die Waſſerkuͤnſte ſpringen, und das iſt eine fuͤr jeden Frem - den wichtige Sache. Zum Gluͤck war auch heut einmahl ein warmer ſchoͤner Tag. Beim Eingang in den Schlos - garten ſieht man Boutiquen und einzelne Fontainen, die aber nicht viel bedeuten. Weiter hinunter kommen ſchon hoͤhere, zu beiden Seiten ſind welche im Grasboden, wo ringsum die hohe Fontaine kleine paraboliſch werfende Jets d’eau angebracht ſind. Waſſer belebt immer die Natur und gibt den Landſchaften ein heiteres Anſehen. Weiter hinab ſieht man auf einmahl eine groſſe Kaſkade, die oben auf dem Schlosberge anfaͤngt, in 3. Abſaͤtzen der Breite und der Laͤnge nach, vertheilt, und mit einer Menge groſſer und kleiner Statuͤen geziert iſt. Unten an dieſen Abſaͤtzen iſt ein rundes Baſſin, das eine lange gradefortlaufende Fortſetzung bis hinunter hat, wo’s wie - der rund, weit, und breiter wird. Oben an den Abſaͤ - tzen ſind uͤberall kleine Springbrunnen angebracht. Auf allen Flaͤchen, auf allen Seiten, ſtehen Menſchenkoͤpfe, liegen Fiſche, Crocodile, Wallſiſche aus Steinen, die Waſſer ſpeien. Erſt war alles ruhig, . Uhr aber wur - den die Maſchinen angelaſſen, da ſtuͤrzte ploͤtzlich das Waſſer uͤber alle dieſe Abſaͤtze herab. Alle Springbrun - nen gingen. Auch in dem langen Baſſin ſind zu beiden Seiten auf den Kanaͤlen kleine Springbrunnen vorhan - den. Nun ſtelle man ſich das herrliche Schauſpiel an ei - nem ſchoͤnen Sommerabende, und den praͤchtigen Contour von Menſchen in den ſchoͤnſten Kleidern rings herum vor! Geht man auf der linken Seite hin, ſo findet man nocheine123eine Fontaine, die das Waſſer 130. Schuh hoch treibt. Ehemals warf ſie’s noch hoͤher, ſie zerſchmetterte aber die Maſchinen, da ward ſie auf 130. Schuh eingerichtet. Da bekam ich auch Mde. la Duch. de Chartres mit ihren Kindern in der Karoſſe zu ſehen. Steigt man noch hoͤ - her zum Schlos hinauf, ſo findet man da Fontainen, die das Waſſer ſchief gegeneinander werfen, und den ange - nehmſten Staubregen machen. Im Schlos ſelber konn - te man die Apartements ſehen, beſonders eins, wo die Gemaͤlde vom Koͤnigl. Haus, auch von der Duch. d’Or - leans aus dem Hauſe Baaden haͤngen. Dies Werk iſt grade im Kleinen das, was der Winterkaſten bei Caſ - ſel im Groſſen iſt.

Chateau la Muette. Ein kleines Schlos am Wege, auf der Seite im Walde. Das eigentliche Schlos hat nur 2 Stockwerke, es ſind viele Nebengebaͤu - de da. Der Garten dabei iſt gros, aber altmodiſch. Hierhin geht die Kgl. Familie, wenn eine Trauer ein - faͤllt. Wie gluͤcklich bin ich, daß ich das alles nicht brau - che! Auf meiner Stube bin ich immer bei mir ſelbſt. Da bin ich oft freudig, oft traurig, da mach ich Plane und vernichte ſie wieder. Da erinnere ich mich an den eitlen Prunk der Welt und ſamle mir beſſere Weisheit. Wozu die vielen Schloͤſſer und Pallaͤſte? Die ſchoͤne Na - tur iſt mein Tempel und der Geiſt der edelſten, beſten Menſchen beſucht mich in meinem Muſeum, wenn ich ihm rufe. Der Menſch braucht wenig, wenn er ſich ſel - ber leben, ſich genieſſen will. Der Menſch braucht viel, wenn er eine falſche Groͤſſe annehmen will oder muß.

L’Ecole Royale Milit. beſuchte ich ebenfalls heute. Sie liegt an der Seite von Paris. Es iſt ein herrlichesGebaͤude,124Gebaͤude, mit einer groſſen praͤchtigen Reitbahn. Louis XV. hat ſie angefangen, Louis XVI. aber hat ſie ein - gehen laſſen, und es ſoll alles verkauft werden. Es ſind weder Lehrer, noch Maitres mehr da. Im Hof hinter dem Gebaͤude ſteht eine ſchoͤne Statue von Louis XV. aus weiſſem Marmor auf Alabaſter, zu Fuß, in Lebens - groͤſſe; das Geſicht iſt nach der Stadt gekehrt, hinter ihm ſind Fahnen und Kriegsgeraͤthe. Die ſchoͤnen Gril - les de fer haben uͤberall Trophaͤen, Statuͤen der Bel - lona, der Pallas ꝛc. und der ganze Hof iſt mit einer Ko - lonnade eingefaßt.

Den 2ten Jun.

La Biblioth. du Roi. Da ging ich heut wieder hin, und ſah den Aemylianus, Schoͤnewalde, Doct. Hamburg. von den Fiſchen, und Wurfbainii Sala - mandrologia durch, und von da beſucht ich

Le Cab. de l’Hiſt. Nat. au St. Sulpice. Hier iſt die Pflanzſchule fuͤr die geſamte franzoͤſiſche Geiſtlichkeit. Die jungen Leute tragen ſich eben ſo, wie die Stipendiaten in Tuͤbingen. Das Gebaͤude hat einen groſſen Umfang mit vielen Gaͤngen, Trep - pen, Zimmern ꝛc. Die Bibliothek bedeutet nicht viel, und iſt blos theologiſch. Das Naturalienkabinet hat ſchon mehr zu ſagen, wenns gleich klein iſt. Es ſe - hens die wenigſten Reiſenden, weil man’s nicht kennt, aber wahrlich, es verdient geſehen zu werden. Mr. De - lor hatte die Guͤtigkeit, mich zu ſeinem Freunde, dem Bibliothekar, dem Abbe Moriou zu fuͤhren. Es war ein alter, aber noch muntrer Mann, der auch gute Kennt - niſſe in der Naturgeſchichte hatte. Die Beſonderheitfand125fand ich an ihm, er trug ein blaßblaues Ueberſchlaͤgelchen und einen Hut ohne Krempe, den er auch im Zimmer auf - ſetzte. Ich ſah hier folgende Merkwuͤrdigkeiten:

Im Naturalienkabinet, das in einigen kleinen Zimmern, in Glasſchraͤnken wohl konſervirt ſtand: 1) Ei - dechſen mit 5. Zaͤhen vorne und hinten; eine mit gezaͤh - neltem Schwanz zu beiden Seiten, auch Lezards ecail - lés. 2) Pennatula. Zum erſtenmahl in meinem Leben nahm ich mit innerm Gefuͤhl der Allmacht Gottes dieſen koſtbaren Naturkoͤrper in die Hand. Es waren 2. Exem - plare da, eins groͤſſer und roͤthlich, eins kleiner und weis. Der Stiel war vertrocknet, das uͤbrige ſah voͤllig dem Vexillo pennae gleich. 3) Den Admiral, Vice - admiral, Orangeadmiral. Die wahre (ſehr klein) und die falſche Wendeltreppe. Eine Madrepore auf einer Arche Noaͤ. Die Ebraͤiſche Muſchel, es waren ſchwarze krumme Striche, etwa wie ſchnell geſchriebene Reſch ausſehen wuͤrden, viele Reihen uͤbereinander. Bonnet de Dragon (ſ. D’Argenville) die ſehr ſelten ſind. 4) Macon, ein ſo ſchwache Coquille, daß ſie kleine Steine, Cailloux, ꝛc. an ſich anklebt, um ſich zu befeſtigen; eine andre Art, wo kleine Conchyl. andrer Art angeklebt waren. 5) Merkwuͤrdige Verſteinerungen von Muſcheln, bivalves, die auf einander paßten, wenn man die obere Haͤlfte wegnahm. Und auf der obern ſaß wieder eine andre von eben der Art, aber kleiner, da man auch die obere Haͤlfte abheben, und in alle Zaͤhne wieder einſetzen konte. 6) Viele ſonderbare Schwaͤmme, groſ - ſe Stuͤcke von Madrep. Millep. 7) Einige violette, blaue Muſcheln, auch violette Stuͤcke von Seekoͤrpern an andern. 8) Tubularia, les Orgues, gar grosund126und roth. 9) Caput Meduſae, ſo gros, ſo in einan - der geſchlungen, daß es ausgebreitet von einer Ecke des Schranks zur andern reichte. 10) Aſteriae, einen von 10. Strahlen, Mr. Delor ſagte mir dabei, daß er ſie in Nantes bei der Ebbe habe auf ihren Strahlen wie Raͤder und ſehr ſchnell und beſtaͤndig laufen ſehen, auf - gerichtet ſich drehend ꝛc. 11) Corallia, auſſer den gewoͤhnlichen rothen, auch Cinnoberrothe; noch a) Ge - niculatum. 3. Stuͤcke, die Koralle war weis, die Ge - nicula ſchwarz. An einem war noch das Encrou - tement, der Drap marin zum Theil. b) Articu - latum, weiß, aber auch 2. herrliche gelbe Stuͤcke mit den feinſten rothen Punkten. Man konnte es nicht ſehen ohne Entzuͤcken! Biegſam, platt, aber gar fein, und die Farben, o! Alle ſtanden auf ſchwarzen hoͤlzernen Fuͤſ - ſen. 12) Hoͤrner vom Condoma einer wilden Ziege, wie der Abbe Moriou ſagte, ich ſah ſie aber fuͤr Cornua Ibicis an. So gedreht ſie waren, ſo konnte man doch den Kern ganz heraus nehmen, und dann ſah man eine duͤnne hornene durchſichtige Schale.

In der Bibliothek. Zwei groſſe Globi; a) Terreſtr. Der Italiaͤner Coronelli hat ſie 1693. in Paris gemacht. Unſer Land war gar nicht darauf, Lothringen, und Freiburg, und Baſel ꝛc. Er hat - te einen herrlichen Meridian. b) Coeleſtis, war gar ſchoͤn, die Geſichter der Menſchen unter den Sternbildern, ſind von damahligen Herrn am Hofe genommen. Die verſchiedene Groͤſſe der Sterne war ſehr gut ausgedruckt.

In der Kupferſtich-Sammlung. Man hatte da in 3. Folianten das ganze Werk des beruͤhmten Cal - lot’s. Dieſer Kuͤnſtler beſaß die allerausſchweifendſteEin -127Einbildungskraft. Ohne zu ſehen, kan man ſich die ſingu - laͤren Ideen dieſes Mannes nicht vorſtellen. z. B. auf der Verſuchung des H. Antonius ſind alle moͤgliche Bil - der und Figuren vom Teufel, die man nur in der Fieber - hitze und Geſpenſterfurcht und in einem Ganshirn zuſam - menſetzen kan, mit Schwaͤnzen, Hoͤrnern, Fuͤſſen, Dra - chenfluͤgeln; man weis ihnen oft keinen Namen zu geben; einmal ſchießt er mit Kanonen aus ſeinem Maul ꝛc. Die Thorheit, alles zu haben, was dieſer Kuͤnſtler verfertigte, geht, weil ſo viele ſammeln, ſo weit, daß der geringſte Unterſchied am nemlichen Blatte und waͤrs nur eine Bor - dure, oder in den Wappen eine Lilie mehr ꝛc. einen Un - terſchied von 10. Louisd’or im Preiſe machen kan. Ich glaube, der Mann haͤtte Milton’s verlornes Paradies mit Kupfern und Vignetten heraus geben koͤnnen.

Les Illuminations electriques. Mr. Delor und ich, machten Bertholon’s Verſuche, wenigſtens im Weſentlichen, nach. Auf einer langen und ſchmahlen Glastafel wurden kleine Lozanges von Blech an den Ecken nebeneinander im Zickzag gekuͤttet, das Glas war oben und unten auch ſo eingefaßt, uͤber der[elektriſchen] Maſchine war ein Leiter, der durch eine Kette mit der Maſchine kommunicirte. Delor drehte, ich hielt das Glas an den Leiter, das Feuer lief von einem Lozange zum andern. Es war feuchtes Wetter, da kont es nicht bis herabkommen. Unten faßt man an, um es aufzu - halten. So kan man nun Blumen, Geſichter, Thiere, Karaktere ꝛc. vorſtellen. Kein Blaͤttchen darf fehlen, ſonſt iſts Luͤcke im Lauf der Funken. Will man es von einer Seite auf die andre leiten, ſo muß am Rand eine Kommunikation ſeyn. S. Obſerv. de Phyſ. p. Ro - zier.

Bemer -128

Bemerkungen.

In allen Kngl. Gaͤrten hab ich noch keine Erfin - dung geſehen, die wir in Carlsruhe nicht auch haͤtten, auſſer daß in einer Gegend der Thuilleries unterirdi - ſche Alleen ſind, oben bedeckt mit Gitter und Laubwerk, mit kleinen Treppen an den Enden. Kuͤhl mag es un - ten ſeyn, und ſehr angenehm in der Hitze.

Eins der unangenehmſten Dinge hier iſt wohl der beſtaͤndige Geſtank von verbrannten Hufen. Denn, weil ſo eine unendliche Menge Pferde hier ſind, und ſie alle Tage unaufhoͤrlich gebraucht werden; ſo ſind auch Schmiede in allen Straſſen, und beſonders ſteigt des Morgens der haͤßliche Horngeſtank uͤberall auf. Man darf da kein Fenſter aufmachen, um friſche Luft zu be - kommen. So unangenehm iſt’s, in groſſen Staͤdten zu wohnen. Die natuͤrlichſten Gluͤckſeligkeiten muß man entbehren. Wo man geht, iſt man mit Pferden und Hunden geplagt. Man ſtriegelt die Pferde alle des Mor - gens auf der Straſſe.

Den 3ten Jun.

Le Cab. de la Biblioth. de l’Abb. St. Ger - main. Ich war hier heute der Erſte nach dem Biblio - thekar, weil ich heute von dieſer herrlichen Sammlung Abſchied nehmen wolte. Nachdem ich den Rondelet vollends durchgegangen war, lies ich mir das Kabinet oͤfnen. Es war eine kleine ſchmale Stube oben an der Seite der Bibliothek, wo in etlichen Glasſchraͤnken Natu - ralien, Antiken, Gemmen, Statuͤen von Bronze, Kunſt - ſachen von Elfenbein ꝛc. ſtanden, alles untereinander. Fuͤrmich129mich war merkwuͤrdig: a) von Conchylien: Hammer; Orangeadmiral. b) Eine ſchoͤne Sammlung von Be - zoars, die meiſten weisgrau, einige ſchwarzbraun. Einige waren mammellonés, wie Traubenbeeren. Einige hatten einen Metall-Glanz. Einer war ſehr gros, wie ein Strauſſenei, und es lag ein Certificat da - bei, daß er in einem Pferde gefunden worden. Einige waren angebrochen, ſo daß man die verſchiedenen Cou - ches, die ſucceſſive Bildung ſehen konnte. Zum Un - terſchied lagen auch kuͤnſtliche aus Portugall darneben. c) Sehr groſſe Stuͤcke von Aſtroiten. d) Solenes, violet und geſtreift. e) Zwei groſſe Seegewaͤchſe von einer ganz beſondern Art, aber hinter andern Sachen verſteckt. f) Alle drei Arten vom Nautilus, auch der gefleckte braune. ſ. d’Argenville. g) Zwei Zaͤh - ne vom Monodon. Einer war anderthalb mahl ſo lang als ich. h) Ein Tiſch aus lauter Quarrés von Mar - morſorten zuſammengeſetzt, ein guter Einfall fuͤr das Arrangement, ſchwarze, gruͤne, blaue. i) Ein Our - ſin (Echinus) mit vielen Stacheln, noch ein koſt - bares Stuͤck. Zu meiner groſſen Freude traf ichs an, wo ichs nicht ſuchte. Ein Beweis, daß die kleinſte Sammlung geſehen zu werden verdient. Das Thier war nur halb, war klein, hatte die blaßbraune Farbe. Die Stacheln ſtanden nach allen Richtungen, hatten eine ſchwarzgraue Farbe oben mit hellen Umriſſen, und be - deckten faſt die ganze Haͤlfte des Thiers. Ich war allein im Kabinet und konnte mich nicht erkundigen, wo das Stuͤck her waͤre. k) Dendriten. Florentiniſche Stei - ne, wo Zeichnungen von ganzen Staͤdten vorkamen. Man muß geſtehen, die Aehnlichkeit iſt gros, man meint, man ſehe Thuͤrme, hohe Schorſteine, Daͤcher,JFeſtungen,130Feſtungen, Mauern, Kirchen ꝛc. l) Einige ſchoͤne Moſaiken. Die Mineralien bedeuteten hier gar nichts, Achate waren einige da; auch Inſekten, Papilionen ꝛc. ꝛc. und Verſteinerungen*)Perrault redet in ſeiner Hiſt. Nat. des Anim. III. p. 87. von der Depouille d’un Lezard ecaillé, die hier waͤre. Entweder war ſie eingeſchloſſen oder weg - gekommen? In dem kleinen Kabinette haͤtt ich ſie ſchwerlich uͤberſehen koͤnnen.. Ich beſuchte heute ferner

La Biblioth. de l’Abb. Ste. Genevieve. Auf einem Berge gleiches Namens ſteht nebſt vielen an - dern Gebaͤuden, auch ein weites geraͤumiges, wo Or - densmaͤnner wohnen, die ein weisgraues Kleid und ein weisleinenes Chorhemd daruͤber, nebſt einer ſchwarzen Muͤtze tragen. Jetzt war Don Pingre Bibliothekar: ein alter Mann mit ſchneeweiſſem Haupte, der ſich aber 3 Stunden mit mir abgab, und mich gleich in ſeine Bi - bliothek fuͤhrte. Der Saal hat die Form eines Kreu - zes, auf allen Schraͤnken ſtehen Buͤſten alter Schriftſtel - ler, Kaiſer, und Helden, auch die vom Kardinal Tel - lier, der uͤber 16000. Baͤnde in dieſe Bibliothek ſchenkte. In den meiſten Buͤchern ſteht vorne der gedruckte Zettel von ihm. In der Mitte des Kreuzes iſt der Platfond hoch ausgeſchnitten, und oben eine herrliche Malerei an - gebracht. Alle Schraͤnke ſind auch hier mit Dratgit - tern vermacht. Sie ſteht Montags, Mittwochs und Freitags von 2. bis 5. Uhr offen. Ich ſah

In der Bibliothek, aus allen Faͤchern etwas; (Manuſ kripte, ſagt er zu mir, bedeuten bei uns nicht viel;) 1) Die erſte Bibel in Maynz gedruckt, 2. Fo -lianten131lianten auf Pergament, Lateiniſch, vom Jahre 1462. 2 ) Eine Spaniſche Bibel von Duarte Penil, vom Jahre 1553. Ferrara. Man hat nur 2. Ausgaben; eine fuͤr die Juden; eine fuͤr die Chriſten. Beide ſind von Einem Jahre. Der Unterſchied liegt blos in der Zueignung. Das Papier iſt ſehr grob. Die Inquiſition gab doch die Er - laubnis dazu. Es iſt gar nicht ſchwer zu verſtehen. 3) Ei - ne neuere Spaniſche Bibel, vom Jahre 1596. 4to von Caſſiodoro Reyna. Ich ſchlug die Stelle 1. Cor. XV. 29. auf: Warum laſſen ſie ſich taufen uͤber den Todten? es war aber grade ſo woͤrtlich, wie Luther es hat. Drauf ſchlug ich auf Roͤm. IX. 3. ich habe gewuͤnſcht verban - net zu ſeyn von Chriſto. Der Spanier ſagt: Ser a partado del Chriſto por mes Hermannos. Hermannos iſt voͤllig das lateiniſche Germanus, apar - tado das ſeparatus ꝛc. 4) Eine Coͤllniſche deutſche Bibel, von Ulenberger, vom Jahre 1630. Herr Pingre zeigte mir hier, daß er auch deutſch leſen, und es uͤberſetzen konnte. Mit Huͤlfe eines Diktionaͤrs leſe er alles, das war was ſeltnes bei einem Franzoſen. Die Bibel war klein Folio. 5) Eine Moſcowitiſche Bi - bel. Die Karaktere kommen ſehr den Griechiſchen bei. Da konnte aber weder er noch ich, leſen. 6) Eine Ita - liaͤniſche Bibel, vom Jahre 1461. aber ohne Ortsan - gabe, die findet man ſehr oft an den aͤlteſten Ausgaben nicht. Das Papier war ſehr grob. 7) Ein Pſalte - rium Davidis Latino-Saxonicum vetus, 1640. Londini 4. a Ioanno Spelmanno. Zwiſchen dem lateiniſchen Texte war eine Verſio interlinearis in der alten Saͤchſiſchen Sprache: es iſt aber eine ganz eigne Sprache. Wir konten nichts dechiſriren, es iſt weder Lateiniſch noch Teutſch, auch die Karaktere ſind beſonders. J 2Bei132Bei jedem Pſalm iſt ein Gebet. 8) Ein Novum Teſta - mentum graecum. Lutet 1550. klein Folio, un - gemein nett; man konts wegleſen, wie ein ABC. die Ad - jurat. hinten, war ohne Abſatz in einem weggedruckt. 9) Wedloc’s arabiſch und lateiniſches Neues Teſtament mit kleinen Noten, London. 1650. 10 ) Kennicott. Den wollte man mir uͤberall als eine wichtige Neuigkeit zeigen, aber ich ſchlug ihnen immer vorn die Subſkription unſers Durchl. Marggrafen auf. Als ich dem Don Pingre wegen des Gebrauchs, Michaelis Urtheil in der Orientaliſchen Bibel ſagte, war er voͤllig einſtimmig. 11) Edward’s Werke. Aublet’s praͤchtiges Werk, Plants of Guyana, ſah ich da zum erſtenmahl. Es ſind 4. Quartanten, zwei enthalten die Erklaͤrung und zwei die Kupfertafeln, und zwar ausgemahlte. Fors - kaͤhl’s, Schaͤfer’s Schriften, alle deutſche und Ruſ - ſiſche Akademiſche Schriften. 12) Vincent de Beau - vais Hiſtoria rerum omnium, etliche Folianten Argentor. Der Mann hatte den ungeheuren Einfall, alle Buͤcher excerpiren zu wollen, ſammelte alſo Phyſik, Moral, Hiſtorie ꝛc. Quoniam tempus breve, me - moria labilis, librorum multitudo etc. ſo faͤngt er an. 13) Ovidii Metamorphoſes, 1477. Seite 174. ſteht der Ort Mayland. Recht ſchoͤn. Mattaire kennt dieſe Ausgabe nicht. 14) Ein Cicero vom Jahre 1477. Ein Virgil mit hoͤlzernen Typen, aber doch leſer - lich, ein andrer 1486, Venet. ſehr ſchoͤn. 15) Catho - licon Latinitatis, ein Diktionarium. Maynz, 1460. 16 ) Hevelii Machina coeleſtis, Gedani 1679. Fol. voll aſtronomiſcher Obſervationen, praͤchtig, mit Figu - ren, die er ſelbſt zeichnete. Das Buch iſt ſehr ſelten, er hatte nur ſeinen Freunden einige Exemplare geſchenkt,und133und nachher verzehrte das Feuer auf ſeiner Sternwarte den uͤbrigen Vorrath. Darneben ſtanden die neueſten aſtronomiſchen Sachen von Maſkelyne. 17) D. Weinmanni Phytanthoza iconographica etc. Re - genſp. 1737. und noch ein langer deutſcher Titel. Das Buch iſt auch deutſch, aber ich muſte geſtehen, ich kannt es nicht. Es ſind 6. Folianten, 2. Text, 4. mit illum. Kupfern, die alphabetiſirt ſind. 18) The Natural Hi - ſtory of Barbadoes by Hughes. London, 1750. gros 4. mit Kupfern. 19) Les Oeuvres de Fonte - nelle, eine herrliche Ausgabe à la Haye 1757. klein Folio, mit den niedlichſten Kupfern, ſonderlich bei la Pluralité des Mondes etc. 20) Oſteologie de M. Monro, herrliche Kupfer, allemahl auf 2. Seiten je - des Stuͤck; der Contour und das Ganze. Eine fran - zoͤſiſche Ueberſetzung aus den Engliſchen, Paris 1769. Fol. 21) Plinii Hiſt. Nat. Venet. 1472. ſehr ſchoͤ - ner Druck, 4to. 22) Katalog der arabiſchen Ma - nuſkripte aus der Bibliothek des Eskurials, vom je - tzigen Koͤnig in Spanien befohlen, Fol. I. Theil, Ma - drit, 1760. praͤchtig. 23) Katalog der Manu - ſkripte im Vatikan in Rom ꝛc. 24) Auguſtin. de Civit. Dei. Romae, ſchon 1468. (muſte das ſchon ſo fruͤh gedruckt werden?) 4. huͤbſch. 25) Luther’s Schriften waren auch da, etliche Editionen, 2. von Wit - tenberg 1545, und 1582, auch eine von Jena; Huſ - ſens Geſchichte, Wicleff’s-Schriften, Mosheims Kir - chengeſchichte, Calvin’s, Veza Schriften ꝛc. 26) Bar - toli Recueil des Peintures antiques. Paris 1757. Fol. Davon ſind nicht viel uͤber 30. Exemplare gemacht worden. Zum Entzuͤcken ſchoͤn! Wir gingens ganz durch. Der liebe Alte ruhte aus, indes ich mich auchJ 3erquickte.134erquickte. Herrliche Vorſtellungen von den rebus ſe - pulcralibus der Alten, von ihren Gladiatoren, Trium - phen und tauſend andern Dingen. Zuletzt war hinten noch ein praͤchtiges Stuͤck, das beide Folio-Seiten ein - nahm, La Moſaique de Paleſtrine etc. 27) The Ruins of Balbec and Palmyra. 28) Die Herkula - niſchen Alterthuͤmer ꝛc. 29) Zwei groſſe Globi von Coronelli, noch ſchoͤner, als die in der Abtei St. Germain. Der gute Pingre verlangte, ich ſollte ihm auf der Erd - kugel mein Vaterland zeigen, aber es war gar nicht an - gegeben. Zwiſchen Lothringen, Freyburg, Baſel, Strasburg, konnt ichs ihm begreiflich machen.

Im Naturalienkabinet. Ach da waren die Sa - chen mit Staub bedeckt, und in Winkeln verſteckt. Der ehrliche Alte verſtehts nicht, iſt wohl ein ſehr guter Aſtro - nom, und muß Niemanden haben, ders beſſer rangirte. Aus dem Thierreich war einiges Merkwuͤrdiges da; als arabiſcheund braſilianiſche Eidechſen; ein klein Chamaͤleon; etliche Daſypus; etliche Crocodille, groſſe und kleine; Fi - ſche; Scelete; Geſchlechtstheile; ꝛc. aber das alles hing beſtaͤubt und unkenntlich hoch oben an der Decke und an den Waͤnden umher; das Glas erreichts kaum. Zettel waren daran, es muß es einmahl ein Kenner unter ſeiner Aufſicht gehabt haben. Die Minern lagen in Schraͤn - ken mit Faͤchern; artige Conchyl. ; verſteinerte Solenes; groſſe Seekoͤrper; aber in der Seele thuts einem weh, wie der gute Pingre die Sachen verderben laͤßt.

Im Antikenkabinet, einem groſſen Saal, voll merkwuͤrdiger Sachen, ſah ich a) Dypticha Graeco - rum, Gothorum, zum erſtenmahl in meinem Leben. b) Vas135b) Vas olei pro infirmis, aus der aͤlteſten Kirche, Marci K. 6, v. 13. Jacobi K. 5, v. 14. c) Hetru - riſche Gefaͤſſe. Einen Herkules. Einen Kanopus, ein huͤbſcher rother Thon. Freilich konnt ich ſie nicht mit Heyne’s Augen betrachten. Die Malerei ſchien etwas mit dem Chineſiſchen Geſchmack gemein zu haben. d) Egyptiſche Alterthuͤmer. Iſis, Oſiris. Apis, ſchien kein rechter Ochs zu ſeyn, war hinten mehr Loͤwen - maͤſſig, klein, mit einem ehrwuͤrdigen Schimmel uͤberzo - gen. Ibis, man konnte nicht dechifriren, was es etwa fuͤr ein Vogel waͤre. Die Egyptiſchen Figuren ſind alle ſteif, geſchmacklos, haben nicht einen Zug von der Grie - chiſchen Feinheit, und Nachahmung der Natur. Gan - ze Mumien, hart, wie Felsſteine, wie Kloͤtze. Ein merkwuͤrdiger Fuß von einer Mumie, der im erſten Theil der Ac. des Inſcript. beſchrieben iſt. e) Grie - chiſche Gottheiten, ein Kupido, der mir eben nicht ſo gefaͤhrlich vorkam, nichts zaͤrtliches, ſchalkhaftes ꝛc. in der Mine hatte. f) Lateiniſche Gottheiten. Da war ein Opferprieſter, auf einer kleinen Tafel, en Mo - ſaique, ein koſtbares Stuͤck. Deus vagitans, eine Buͤſte von einem Gott aus weiſſem Alabaſter, der das Maul aufſperrt und verzerrt, wie ein weinendes Kind. Viel Natur und Kunſt iſt daran, aber ein abſcheulicher Auswuchs des Menſchenverſtandes; Gott zur Tiefe der ſchwaͤchſten Menſchheit herabzuſetzen! Etliche Ampho - rae, etliche geraͤumige Stuͤcke, ſo wie ſie Vater Horaz gern hatte mit Wein von Chios. In der Mitte ein Tiſch, eine Nachahmung der alten Moſaik, eine Kom - poſition von einem Benediktiner, der ihn der Duch. d’Orleans ſchenkte, von der er wieder hieher kam. DerJ 4Name136Name des Kuͤnſtlers und das Wappen der Ducheſſe iſt auch darin. *)Einige nennen das Kabinet, le Cabinet du Duc d’Orleans. Eigentlich hat er Kameen geſammelt, die gar ſchoͤn ſind.

Les Porcherons. Wenn man in Paris alles, was erhaben, was gros, was lobenswuͤrdig iſt, ſieht; ſo muß man auch die Gegenden beſuchen, wo der groͤßte Verfall, die abſcheulichſte Sittenloſigkeit und die ſchaͤnd - lichſten Denkmale vom ſittlichen Elend der Nation ſicht - bar werden. Und eine ſolche Gegend der Stadt heiſt in Fauxbourg Montmartre, Rue de Porcherons. In dieſer Straſſe wohnt faſt niemand, als Cabaretiers, Rotiſſeurs, und Huren. Zu beiden Seiten ſind Wirthshaͤuſer an Wirthshaͤuſer, und, weil ich’s nun einmahl ſehen wolte, ſo ging ich auch in alle auf der ei - nen Seite, und durch alle auf der andern Seite wieder zuruͤck. Kuͤche, Wirthsſtube, Tanzboden, Hof, Gar - ten, das iſt unten alles en plein pied, ein einziges Ganzes. Man muß gegen die Nacht kommen, wenn man ſehen will, wie’s da zugeht, und beſonders an Feſt - und Sonntagen, wo auch oben alle Stuben angefuͤllt ſind. Kurz, es iſt die aͤrgſte Sauerei, die man ſich nur denken kan. Spielleute ſind beſtaͤndig da, und in jedem Hauſe eine Menge Huren, die zum Theil noch gut genug ausſehen, und ſich putzen, daß man ſie fuͤr die Vor - nehmſten anſehen ſollte, aber alle Schamhaftigkeit, alle Reſte der weiblichen Sittſamkeit ausgezogen haben. Man kan leicht denken, daß ſich alle Abend Soldaten, Bedien - te, Handwerksburſche, Reiſende, Fremde, andre ſchlech -te,137te, muͤſſige, auch vornehme Leute, mit den Fuhrleuten, Wagenknechten, Schuhputzern und Peruckenmachern, da ſammeln, eſſen, tanzen, und huren. Das Eſſen ſieht appetitlich aus, der Wein iſt nicht ſo lieblich, wie man ihn in der Stadt bekoͤmmt, aber er iſt natuͤrlicher und wohl - feiler, die Bouteille zu 8. Sous. Hof und Gartenplatz ſind mit lauter Stuͤhlen und kleinen Tiſchchen beſetzt. Ue - berall herrſcht die groͤſte Wildheit, und alle nur erdenkli - che Ausgelaſſenheit. Ein Fremder, ein Deutſcher er - ſtaunt uͤber die Schamloſigkeit der Franzoͤſinnen. Zur Ehre der deutſchen Nation iſts doch bei uns*)Eine der groͤſten Staͤdte Deutſchlands vielleicht aus - genommen. Herausgeber. ſo weit noch nicht gekommen. Die Dirnen reiſſen ſelber die Fremden zum Tanz auf, embraſſiren jeden, der herein - kommt, ſetzen ſich zu jedem, der Eſſen oder Trinken fo - dert, und laſſen etwas bringen, wenn man auch nichts verlangt, machen ſich gleich aufs genauſte bekannt, erzaͤh - len ihre Geſchichte, ihre Kindbetten, ihre Siege von heu - te, von geſtern, bieten Blumen an, und machen allerlei haͤsliche Geberden mit den Stielen, trinken Wein wie Waſſer ohne Brot, legen ſich auf die Bank lang aus - geſtreckt hin, nehmen die Bouteille, biegen ſich bis auf den andern Tiſch zuruͤck, trinken ſie aus, und ſchwoͤren ein Sacre Dieu, wenn nichts mehr darin iſt, ſingen gar - ſtige Zoten, ziehen ſich an und aus, heben den Fuß auf den Tiſch und ſagen: Voilà ma jambe, qui eſt bien faite, mais la cuiſſe etc. laſſen die Leute nicht fort, ſtellen ſich unter die Thuͤre, nennen einen: O mon bon Enfant, ah! tu cher, ſagen, ſie haͤtten einen ſchonJ 5hundert -138hundertmahl geſehen, ſetzen ſich ſo hart ſo eng auf einen hinauf, daß man der Einladungen endlich uͤberdruͤſſig wird. Sie kuͤſſen nach dem Tanz den Mannsperſonen die Hand, klopfen einen ſanft auf den Backen ꝛc. J’ai faim des garçons, ſagte unter andern eine, und viele andre garſtige Ausbruͤche der Frechheit und der groͤbſten Sauerei mehr. Man muß gar kein Gefuͤhl und keinen Funken von Menſchenfreundſchaft haben, wenn man hier ſelber leichtſinnig werden will. Ich wuſte nicht, was ich denken, was ich ſagen ſollte. Es war ein junges Weibsbild da, das ſchon 2. Kinder gehabt hatte, wie ſie ſelber ſagte, und durch den fruͤhen Mißbrauch an Ver - ſtand und Sinnen, fuͤr mich zur niederſchlagenden Be - ſtaͤtigung der Tiſſotſchen Wahrnehmungen, geſchwaͤcht war. Sie ſah an Haͤnden und im Geſicht ſo mager, ſo abgezehrt, und bleich aus, daß man ſie fuͤr 60jaͤhrig haͤtte halten ſollen. In ihren Augen, womit ſie noch ſpielen wolte, war ein mattes, verloſchenes Feuer, ganz das klaͤgliche Bild von den Strafen, womit die Natur zuͤchtigt, und doch noch immer ein Herz voll unerſaͤttlicher Luͤſternheit, vielleicht ohne die geringſte Anlage zur mora - liſchen Beſſerung. Man durfte ſie nur anſehen, wenn man ernſthaft bleiben wolte. Aber ſo gros, ſo zuͤgellos iſt die Wildheit hier, daß ich wenigſtens ſechs kleine jun - ge Maͤdchen von 11. 12. Jahren bemerken konnte, die ſchon jetzt zu eben dieſen traurigen Beſtimmungen ge - bildet wurden. So vielen laſtbaren Thieren, die den ganzen Tag in der Stadt unter Hunger und Durſt be - ſtaͤndig den Willen andrer Menſchen thun, und die ſchlechteſten Dienſte, ſo lang ſie leben, verrichten muͤſſen, moͤchte man wohl Tanz und Freiheit goͤnnen; aber ſollte nicht die Polizei Aufſicht auf dieſe Plaͤtze der Beluſtigungtragen,139tragen, damit nicht Menſchen in ihrer Jugend aufge - opfert, die Ausgelaſſenheit gepflanzt, und das Menſchen - geſchlecht endlich verſchlimmert werde? Es iſt unter die - ſen Haͤuſern ein eignes, das den Deutſchen gewidmet iſt; da koͤnnten unſre Patrioten ſehen, ob’s rathſam ſei, jeden Handwerksburſchen wandern zu laſſen? Die Huren vertheilen ſich und laufen aus einem Hauſe ins andre. ꝛc.

Bemerkungen.

Jetzt kam die Hitze, und gleich ſo ſtark, daß ſelbſt die gemeinſten Verkaͤufer und Decroteurs aufm Pont - neuf Paraſols uͤber ſich hielten. Alle Frauensperſonen gehn mit weiſſem oder ſchwarzen Flor vorm Geſicht, und ſelbſt die Mannsperſonen nehmen Paraſols zum Herum - laufen mit.

Die Geiſtlichen ſtehen zum Theil hier in groſſem An - ſehen. Denn ſonſt ſind ſie ſehr verachtet. Jeder - mann haͤlt ſich uͤber ſie auf. Nur in der Kirche ſind ſie reſpektirt. Auf die Bibliothek kam heute Vormittag ein Prior, oder Vorſteher eines Kloſters ꝛc. der hatte ſeinen Kirchenrock an, und brachte einen jungen Menſchen mit, der ihm die Schleppe trug, und beſtaͤndig heben muſte, bis er wieder ſo mit ihm fortging.

Wenn die Franzoſen nach langer Trennung wieder zuſammen kommen, ſprechen ſie wenig, drucken nur die beiden Backen aneinander, ohne einander recht herzlich zu kuͤſſen, und ſo auch beim Abſchiednehmen.

Der Staub war gleich ſo erſtaunend groß, beſonders in lebhaften Straſſen, daß jeder ſeine Taſchenbuͤrſte beiſich140ſich trug. Die Kirchen, wodurch man immer geht, ſind am kuͤhlſten.

Den 4ten Jun.

Mr. le Comte de Buffon, lernt ich heute kennen. Mr. D’Aubenton hatte die Guͤtigkeit, mich ihm vorzu - ſtellen. Ein anſehnlicher Mann, ſechshalb Schuh gros, ſoll aber dicker geweſen ſeyn, als er jetzt iſt. Er mag uͤber 70. Jahr alt ſeyn, hat viel freundliches, fuͤr mich aber nicht das Einnehmende D’Aubenton’s. Er er - kundigte ſich nach dem Zuſtande der Naturgeſchichte, und beſonders der Anatomia comparata in Teutſchland, nach meinem Studiren, nach Goͤttingen, nach unſerm Fuͤrſten ꝛc. machte mir einige Komplimente, und fragte beſonders, ob wir auch die Alten ſtudirten. Er war im Begrif, fuͤr dieſen ganzen Monat zu verreiſen, und lobte meinen Plan im Arbeiten, und im Reiſen ꝛc. Der Theil der Nation, der nur lieſt, um unterhalten zu wer - den, betet ihn faſt an, die wahren Gelehrten aber wiſſen den Werth ſeiner Schriften richtiger zu beſtimmen. Nachmittag iſt er beſtaͤndig von einer Menge Leute um - ringt. Man ſiehts ihm an, daß er ein lebhafter, groſ - ſer Kopf iſt.

Le Cab. de l’Hiſt. Nat. du Roi. Ich ging von Buffon weg, um meine Arbeit im Kabinet fortzuſetzen, und war beim

  • D. Vierten Schranke. (ſ. den 31. Mai.) Da fand ich
    • a) Das Neſt eines Eydervogels.
    • b) Viele Spechte, varié, tacheté, aus Louiſia - na, Senegal, Cayenne; einigen hing die ſehrfeine141ſeine Zunge aus dem Schnabel; einer aus Louiſiana war ſchwarz mit rothen Hubeln.
    • c) Daß die Regel von den hellern und dunklern Far - ben der vierfuͤſſigen Thiere bei Voͤgeln gewis nicht ſtatt hat, alſo nicht allgemeine Regel der Natur iſt, beweiſen folgende Beiſpiele:
      • 1) Grand Pic à tete rouge de Cayenne, iſt oben dunkelbraun, unten blutroth.
      • 2) Perroquet des Moluques, oben nur gruͤn, am Bauche das ſchoͤnſte Roth, Gelb, Berliner - blau ꝛc.
      • 3) Ein Peroquet aus Senegal, oben gruͤn, un - ten rothgelb.
      • 4) Einer aus Guinea, oben ſchlechtgrau, unten hellgruͤn.
      • 5) Gilolo des Philippines, gruͤne Fluͤgel, oben und unten blutroth. Und Lory des Indes ori - ent. und Lory de la Chine waren eben ſo.
      • 6) Peroquet Amaz. à gorge jaune, oben und unten gruͤn, aber oben war die Farbe heller.
        *)Ueberhaupt iſt hier eine Sammlung von Papageien, die man nicht genug betrachten kan. Einer hatte noch auf dem Schwanz Purpurflecken.
        *)
    • d) Eine auffallende Verſchiedenheit zwiſchen Male und Femelle bemerkte ich am
      • Coq de Roche; male war ganz Cinnoberroth, fe - melle aſchgraubraun.
E) Fuͤnfter142
  • E) Fuͤnfter Schrank. Enthielt Strauſſeneier und ferner,
    • 1) Colibrineſt, irregulaͤr, gar weich, wenig vertieft, braun.
    • 2) Oiſeau Mouches und Grimpereau. Die von Cayenne haben Gold und gruͤne Flecken am Bauch, oben ſchmutzig. Einige hieſſen Rubin, weil der Hals feuerroth, Topas, weil er gelb war. Saſſen auf gemachten Roſenſtengeln.
    • 3) Grimpereaux, aus Braſilien, oben ſchwarz, unten das ſchoͤnſte Berlinerblau, einer war unten gruͤn.
    • 4) Le grand Promerops de la nouvelle Guiane hat einen groſſen gebogenen Schnabel, eine herrliche Schwaͤrze, blaue Stellen auf den Fluͤgeln, und lan - ge Schwanzfedern.
    • 5) Bec de l’oiſeau Rhinoceros, breite dicke Plat - ten. Sie hingen an der Wand. Iſt ſerrata.
    • 6) Spatule de Louiſiane. Zwei, eine mit roſenro - then Fluͤgeln, hoch, der Schnabel ordentlich wie ein Spatel; eine kleinere mit verwachſenen rothen Fluͤgeln.
    • 7) L’Autruche. Male, der Hals iſt anderthalb Ellen lang, und ſo wie alles, ſchmutzig grau. Die Fuͤſſe ſind wie junge duͤnne Eſpenbaͤume. Femelle, bei ihr iſt der Hals noch groͤſſer, die Fuͤſſe duͤnner. Sporen ſieht man an keinem. Die Federn ſind alle, wie die am Ohr der Trappe.
    • 8) Calao, der aus Abyßinien hat einen graden, der aus Senegal einen gebogenen Schnabel; In uno genere?
    • 143
    • 9) Kamichi de Cayenne, hat vorne an der Bruſt 2. Hauer, etliche Zoll gros, ſtehen gegen einander.
    • 10) Outarde, male et fem. Beide waren nicht ſo gros, und nicht ſo ſchoͤn, wie die, die ich im Natur - forſcher beſchrieben habe.
    • 11) Tanagra de Cayenne hat einen gruͤnen Kopf und iſt unten gruͤn, oben ſchwarz mit einem rothen Flecken.
    • 12) Cardinal. Der aus Canada war ſchoͤner, als der halbrothe aus Mexiko und der aus Louiſiana.
    • 13) Ammern oder Grosbecs und Eulen.
  • F.) Sechſter Schrank, enthielt
    • a) Eier de la Rouſſette, blasblaugruͤn; de l’Aigle, ganz weis, in der Mitte ſehr hoch, am Ende zugeſpitzt, nicht gar gros.
    • b) Sperber, Geier, Weiher, Adler, ſ. Buffon’s Voͤgel.
  • G.) Siebenter Schrank. Darin ſah ich
    • 1) Serin ſans ailes. Der Anſatz war da, aber keine Federn daran.
    • 2) La Veuve des ailes rouges du Cap de b. Eſp. mit langen Schwanzfedern.
    • 3) Pigeon des Moluques, ſo gros wie eine Ente.
    • 4) Choucas des Alpes, ganz ſchwarz mit blutrothen Fuͤſſen.
    • 5) Faſane, viele Arten; ein ſchmutzig weiſſer Pfau.
    • 144
    • 6) Auerhahn. Das Maͤnnchen iſt viel groͤſſet, und hat eine dunklere Schwaͤrze, als das Weibchen.
    • 7) Vier Paradiesvoͤgel. Haben alle groſſe Fuͤſſe, und an jedem 4. Zaͤhen, haben auch aus dem Schwanz groſſe lange Schwanzfedern hinaus ſtehen; der aus Amboina hat auſſen noch kleine Kleeblaͤttchen dran.
    • 8) Baltimore. Der Vogel hat ein praͤchtiges Gelb.
    • 9) Im ſchmalen Eckſchranke lagen noch
      • a) Eier, ein ganz blaues; von einem Rebhuhn aus Cayenne ein dunkelbraunes; monſtreuſe, amorpha wie Flaſchen, Hoͤrner, Birnen mit Warzen ꝛc.
      • b) Rollier, von Strasburg, aus Madagas - kar, blau, gruͤn, ſchwarz, zum Theil mit lan - gen Federn hinten hinaus.
  • III.) Inſekten (ſ. d. 31. Mai). Linker Hand herab ſtanden dieſe. Erſt einige ſchlechte Phalaͤnen, Porte - miroirs, groſſe Spinnen aus Cayenne, ſodann im
    • I) Erſten Schranke, in der
      • A) erſten Haͤlfte: Papilione, Sphinxe, Phalaͤ - nen, alles unter einander; Jedes in einem kleinen glaͤ - ſernen Kaͤſtchen mit goldenen Papierrahmen einge - faßt, und dieſe alle nebeneinander befeſtigt, aber
        • a) Eine Kritik hieruͤber. Gar keine ſyſtematiſche Namen, La belle Dame; Le Deuil; le pe - tit nacré; Phal. de Martin., de Senegal; Le Ver à ſoie; La Veuve; l’Arlequine; Viele haben gar keinen Namen, viele ganz ver - ſchiedene fuͤhren einerlei Benennung; viele ſtreckendie145die Fuͤſſe ſtatt der Fuͤhlhoͤrner in die Hoͤhe. Die meiſten ſind alt, haͤngen, ſind verdorben, ver - dreht, vielen fehlen die Fuͤhlhoͤrner; bei etlichen weni - gen iſt die Puppe da; die allerwenigſten ſind auf beiden Seiten vorhanden. Einige ſind, blos um der Schoͤnheit willen, nur auf der untern Seite da. Viele ſind haͤslich zerriſſen. Viele ſtecken ſchief in den Ecken, fallen vom Klopfen ꝛc. herab; bei den wenigſten iſt der Geſchlechtsunterſchied be - merkt ꝛc. ꝛc.
        • b) Eine Phalaͤne aus Senegal, wo auch der Bauch ſchoͤne rothe, blaue, weiſſe Baͤnder hat.
        • c) Phalaͤnen aus Domingo, ſind gros, breit, haben aber faſt alle eine dunkelbraune widrige Farbe.
        • d) Todtenkoͤpfe, einige ſtanden im Schatten, man ſah nichts darauf; weiter oben waren einige vollkommene aus der Isle de France.
      • B) Zweite Haͤlfte. Meiſt Papillions, aber wie - der ganze Reihen de la China, de Cayenne, de Surinam, Guadeloupe, et cet. Bei einem ſtand: Sans nom. Bei vielen hies es: Papillon donné par le Roi!!
        • a) Die aus China haben blaßbraune Farben, aufs hoͤchſte mit einem Streifen, Flecken oder Band von hellern Farben.
        • b) Die aus Surinam, und vom Amazonen - fluſſe haben meiſt ein helles, brennendes Berliner - blau mit einer ſchwarzen Einfaſſung.
        • c) Viele aus Madagaſkar, haben unten Gold - flecken.
        • 146
        • d) Le Decoupé de Canade hat alas trunca - tas, nicht ausgerundet.
    • II) Zweiter Schrank.
      • A) Erſte Haͤlfte. Coleoptera, Tenebr., Caſſi - dae, Cicindelae, Bupreſt., Dytiſci;
        • a) aber ſie waren meiſt ſchlecht, verfallen, werden nicht rekrutirt, oft ſtanden 5. 6. in einem Kaͤſt - chen.
        • b) Viele hatten fremde Namen, als Taupin.
        • c) Richardets, ein herrlich gruͤner Goldglanz mit rothen Flecken.
        • d) Scarab. naſicor. portefaix, taureau vo - lant und der mit den allerlaͤngſten Hoͤrnern ꝛc. waren hier herrlich.
      • B) Zweite Haͤlfte. Lepturae, Stincore, Ra - vets, Blattae; nur auslaͤndiſche, keine inlaͤndiſche.
        • a) Cacrelac war da, aber nur aus Amerika.
        • b) Capricornes, einer aus Cayenne, eine hal - be Spanne lang.
        • c) Charanſons, einige ganz koſtbare.
        • d) Sauterelles, Mantes, Criquets, unterein - ander, einige mit Ovariis. Die arabiſche Heu - ſchrecke fehlte.
        • e) Criquet, vom Vorgeb. d. g. Hofn. mit blutrothem Kopf, gruͤnen Ober - und blutrothen Unterfluͤgeln.
    • III) Dritter Schrank, ſchmal, vermiſchte vorige Arten, Chryſomelae, Galli, auf Blaͤrtern.
    IV) Vierter147
    • IV) Vierter Schrank, enthielt eine ſchoͤne Samm - lung von Wanzen;
      • a) Libellulae, hieſſen hier Amarante, Roſine, Chloe, Amaryllis, Iris etc.
      • b) Fourmis, Phrygan. Cynips. Ichneum.
      • c) Mouches à ſcie du Roſier, verſchrumpft.
      • d) Weſpen mit Neſtern; eins mit einem Ei; eins wie eine Schlafmuͤtze; mit einem Zipfel.
      • e) Viele Arten von Bienen, Muͤcken, Oeſtrus, Pucerons, Scolopend. Aſilus.
    • V) Fuͤnfter Schrank, auch ſchmal, Cochenille.
      • a) Wanzen, gros, ſchoͤn, ſonderlich von der Inſel Bourbon, roth mit ſchwarzen Flecken; von Do - mingo, blau mit ſchwarzen Flecken.
      • b) Laterntraͤger, aus China, Madagaſkar, Cayenne. Das Horn iſt meiſt roͤthlich, duͤnn wie Trappenfedern, an einigen Zoll lang, ſonſt ½ Zoll.
      • c) Gefluͤgelte Ameiſen von Pondichery, haben kleine Koͤrper mit groſſen Fluͤgeln.
      • d) Skorpione, der groͤſte, ſonderlich am Schwanz, war von der Inſel Bourbon.
      • e) Skolopendr. aus Algier und Domingo wa - ren 2. da, faſt ſo dick, wie ein Strobilus Pini.
      • f) Spinnen. Viele Arten mit Neſtern, einige wie Blaumeiſen ſo gros.
      • g) 2 Cloporten, ohne Ortsangabe ꝛc.
K 2Bemer -148

Bemerkungen.

Man brennt hier den Kaffee auf den Straſſen, das Kaſſerole wird uͤber einem Kohlenbecken herumgedreht.

Man findet Leute, die allerlei Sachen, alles fuͤr 4. Sous verkaufen, und das ſchreien ſie beſtaͤndig aus.

Geht man Nachts uͤber den Pontneuf, ſo machen die vielen Lichter zu beiden Seiten am Waſſer hinunter einen herrlichen Anblick. Bis 10. Uhr bleiben auch alle Boutiquen offen und haͤngen voll Lichter.

Den 5ten Jun.

Les Tapiſſeries des Gobelins, beſah ich heute. Faſt am aͤuſſerſten Ende der Stadt ſtehen etliche Koͤnigl. alte Gebaͤude, die ſo heiſſen, und der bekannten praͤchti - gen Tapetenmanufaktur gewidmet ſind. Heut war La petite Fete Dieu, und die ganze Stadt wieder mit Tapeten behangen, aus jeder Kirche zogen Prozeſſionen aus, beſonders war die aus St. Sulpice ſehr praͤchtig, und im Hof des Gobelins war in der Kapelle auch ein praͤchtiger Altar errichtet. Die Proceſſion ging etliche - mahl dadurch, und da hingen dann vorne, im Eingang und inwendig, an allen Waͤnden der beiden Hoͤfe die koͤniglichen Tapeten aus. Man hatte eine kurze Anzeige davon gedruckt, verkaufte dieſe am Thor, und lies jeder - man hinein. Was ich da geſehen habe, iſt unbeſchreib - lich. Alle meine Freunde, und jeden, der fuͤrs Schoͤne empfindſam iſt, haͤtt ich gern dahin gewuͤnſcht. Groſſe Tapeten, breit, hoch, alle voll Figuren, Thiere, Blu - men, Geraͤthe, mit den ſchoͤnſten Einfaſſungen, in den hoͤchſten Farben, mit den feinſten Zuͤgen; alles wunder -bar149bar in einander gewirkt. Man ſieht Stuͤcke, die ſo voll ſind, wie das feinſte Gemaͤlde. Einige glaͤnzen mit Gold und Silber, daß das Auge geblendet wird. Auf allen ſind oben oder unten die Koͤnigl. Lilien in einem herrlichen blauen Felde. Die meiſten Vorſtellungen ſte - hen unten in eingenaͤhten Buchſtaben. Sie ſind entwe - der aus der Mythologie, oder vom Theater, oder aus der bibliſchen, oder aus der franzoͤſiſchen Geſchichte, oder aus der Natur genommen. In Geſichtern iſt man nicht gar gluͤcklich, wenigſtens unter den weiblichen Figuren, iſt es ſelten vorzuͤglich; maͤnnliche ſind viele herrlich. Aber was die andern Gliedmaßen, beſonders Schenkel, Fuͤſſe, was Stellungen, was Kinder, Blumen, Laub - werk ꝛc. betrift, und antike Trachten, das iſt alles unbe - ſchreiblich ſchoͤn. Pferde, groſſe Thiere, Voͤgel ſind herrlich, Schlangen und kleinere Thiere aber mittelmaͤſ - ſig: uͤber die Nachahmung des Laubwerks der Blu - men, der Fruͤchte hingegen, geht nichts. Faſt alle Stuͤ - cke ſind mit ſolchen Kraͤnzen, an denen ich mich nicht ſatt ſehen konnte, eingefaßt. Unter den Stuͤcken, die ich ſah, gefielen mir folgende am beſten: Die Jahrszei - ten; und Jaſon und Medea; man ſieht ihr die auf - wallende Liebe, das ſchuͤchterne Mistrauen, und die Zwei - fel an ſeiner Treue an, und er liegt ſo vor ihr, als wenn er ſchon Willens waͤre, untreu zu werden; Medea er - mordet ihre Kinder; die beiden Schlachtopfer liegen ganz vortreflich da, und die erhitzte Furie ſtuͤtzt ſich trotzig auf ihren blutigen Dolch. Ewig Schade, daß das Ge - ſicht nicht noch mehr ausgedruͤckt! Die kriegeriſchen Auf - tritte von Ludwig XIV. wie er 1660 1672. bei der Armee in Flandern und Lothringen war, kommen ei - nem laͤcherlich vor; er reitet auf Schimmeln, in ſo ſon -K 3derbarer150derbarer Kleidung, in ſeidnen Schuhen mit groſſen ro - then Bandſchleifen, in ſolcher weibiſcher geputzter Tracht, daß man eher an jemand anders, als an einen Helden denken moͤchte. Die Leibgarde neben ihm, und die Pferde, ſind aber allemahl, was man ſchoͤn ſagen kan. Die Belagerung von Douay 1667. wo ein Ka - nonenſchuß hart hinterm Koͤnig einen Garde du Corps toͤdtet. Das Pferd mit dem Blut, das aus der groſſen Wunde am Hinterbacken praͤchtig roth auf dem weiſſen Grund herausquillt, im Niederſtuͤrzen, und der Garde du Corps todt hingeſchmettert, darneben, ſeine Muͤtze auf der Erde, der Koͤnig herumgekehrt, voll Schrecken und Erſtaunen, der vordre Garde du Corps ſchon herab von ſeinem Pferde, und hinten das ganze Gefolge voll Beſtuͤrzung; das iſt ein Anblick, den man keinem beſchreiben kan. Le Sacre de Louis XIV. auch ein koſtbares Stuͤck. Er kniet in einem blauſammtnen Mantel mit einem goldnen und purpurnen Kragen, auf einem ebenfalls blauſammtnen Teppich vor dem Erzbiſchof von Rheims. Mantel, Teppich, Kuͤſſen, alles iſt mit goldnen Lilien beſaͤet. Der Erzbiſchof faßt die Kro - ne an beiden Seiten an, 2. andre Biſchoͤffe darneben he - ben noch an den Seiten, der Koͤnig kniet, hinter ihm ſteht ein Tiſch auch mit einem blauen und goldenen Tep - pich, die ganze Kirche iſt voll von dem praͤchtigen Koͤnigl. Hofſtaat. Von der Flaſche mit dem heiligen Oele ſieht man nichts. Tempelreinigung. O lang hab’s ichs angeſehen, und indem ichs ſchreibe, moͤcht ichs noch ein - mahl ſehen! Chriſtus im Mannseifer ſtreckt beide Arme in die Hoͤhe, in der einen einen Strick haltend, das Auge ſagt viel, das Geſicht gluͤht ihm, die Schafe draͤn - gen ſich; dort hat einer einen Ochſen am Strick, undzerrt151zerrt und zerrt, will fort mit ihm, ſo ſchnell er kan; da kommt eine Frau, im Zorn ſchluͤpft ihr die linke Bruſt aus der Kleidung heraus; ſie ſchießt auf Chriſtum los, und raft mit der andern Hand Geld vom Boden zuſam - men ꝛc. Chriſtus war herrlich, weil er hier orientaliſch, vorgeſtellt iſt, wenn er nur keinen Heiligenſchein um den Kopf haͤtte! Krankenheilung, Lazari Auferwe - ckung, unglaublich iſts, wie viel auf ſo einer Tapete iſt. Man muß die Lorgnette nehmen, wenn man alles ſehen will. Chriſti Nachteſſen beim Phariſaͤer, Luc. VII. O, die Suͤnderin liegt da, ein herrlicher Anblick, und der Phariſaͤer faͤhrt zuruͤck, daß er ja nicht angeſteckt werde. Chriſti Fußwaſchen, er kniet vorm Pe - trus, das Becken ſteht neben ihm, unten ſteht aus der Vulgata: Exemplum dedi vobis, es macht, beides ſchnell geſehen, einen maͤchtigen Eindruck. Ei - ne Akademie zu Athen, nach einem Gemaͤlde von Raphael ausm Vatikan; alle Wiſſenſchaften, jede durch einen Philoſophen vorgeſtellt, in einer andern Stel - lung, einer ſchreibt, ein andrer mißt mit dem Zirkel, ei - ner meditirt, obſervirt ꝛc. Conſta[ntin]’s Geſicht, man glaubts nichts, wie viel Kunſt, Pracht, Verwicklung ohne Verwirrung auf ſo einem Teppich iſt, bis man’s ſieht. Jakob, Laban, und Rahel und Lea Ach, unbeſchreiblich ſchoͤn! Die Scene iſt natuͤrlich, ganz laͤndlich, Baͤume, Gras, Blumen, Schafe, Men - ſchen nur halb gekleidet; Lea in der Ecke, mit rothem Haar, und Pockennarben bis auf die Bruſt herab; aber Rahel unterm Baum, ganz herrlich blicktſie auf den ſchoͤ - nen Juͤngling ſo halb hin, Jakob ſpricht mit dem Geiz - hals, der immer nach den Heerden ſchielt. Noch viel vortreflicher iſt Joſephs Unterredung mit ſeinenK 4Bruͤdern,152Bruͤdern, Benjamin ruht lieblich auf ſeiner linken Schulter, die andern ſind alle ebenfalls in den affektvollſten Stellungen, einer kuͤßt ihm die rechte Hand, einer druͤckt ihm die linke, einer liegt unten zu Fuͤßen, einer faßt auf dem Boden ſein Kleid, einer ſchlaͤgt die Haͤnde uͤberm Kopf zuſammen, einer ſtuͤrzt mit beiden Armen auf ei - nen Stuhl ꝛc. Stundenlang haͤtt ichs anſehen koͤnnen. Salomo’s Richterſpruch, und ſein tiefer Blick ins warme Gefuͤhl des Mutterherzens. Wenn er nur keine Krone aufm Kopf haͤtte! Die Moͤrderin, frech, ſchamlos, zeichnet ſich gleich aus, die rechte Mutter hat das Kind noch halb aufm Arm, halb reißt es ihr ſchon ein Trabant aus der Hand, und der andre ſtreckt ſchon das Schwert dazu her; recht orientaliſch, wo der Trabant des Koͤnigs auch zugleich Scharfrichter war. Auf eben der Seite Joas Kroͤnung. Hoch oben ſitzt der jun - ge Prinz, furchtſam, und ſucht in der laͤrmenden Menge ſeinen Hohenprieſter, der auch immer mit dem einen Auge nach ihm ſieht, und auf der andern Seite die raſende Athalia zuruͤckhaͤlt. Zwei ſtammhafte Maͤnner fallen ihr in die Arme, faſſen ſie um die Weichen, und ſchuͤtteln das Weib ꝛc. Laͤcherlich kam mir vor, Engel zu ſehen, klein, mit groſſen Fluͤgeln oben an der Schulter, und gewaltig groſſen Zeugungsgliedern, die ſie nie haben ſoll - ten, und mit ihrem Koͤrper in gar keinem Verhaͤltnis ſtan - den. Oft ſtanden auch an ſo einem herrlichen Stuͤck ein Paar Worte aus der Vulgata ohne Zuſammenhang und Verſtand. Recht moͤnchiſch und luſtig wars, die vie - lerlei Pronunziationen der Franzoſen an der Seite mit anzuhoͤren. In der Kapelle hatten der Aberglaube und die Ceremonienreligion ihre Spielſachen fuͤr kleine und groſſe Kinder ausgekramt.

Aber153

Aber noch viel ſchoͤner, als dies alles, ſind die Ta - piſſeries à ſoie, die man Nachmittags in einem groſſen Saal zu ſehen bekam. Da hoͤrt alle Sprache, alle Be - ſchreibung auf, man wird entzuͤckt, wenn man’s ſieht, weis nicht, wo man anfangen, wo man aufhoͤren ſoll. Schwerlich kan man die Nachahmung der Natur hoͤher treiben, und man geraͤth wirklich zuweilen in Verſuchung, mit dem Franzoſen zu ſagen: die Natur kans nicht ſchoͤ - ner machen. Die groͤſte Feinheit, die hoͤchſte Schoͤnheit im Kolorit, die moͤglichſte Delikateſſe in jedem Zug, die beſte Symmetrie; kurz, alles was praͤchtig, majeſtaͤtiſch, eingreifend iſt, iſt da vereinigt. Die Tapeten ſind uͤber 12. Schuh hoch, und einige 6. Schuh, andre 3. Schuh breit. Ganze Buͤſchel von Roſen, Ranunkeln, Ane - monen, und kleine Fruͤchte, Affen und Papageien und bunte ſchimmernde Voͤgel darzwiſchen, Scenen aus dem Don Quichotte, ganze Gruppen von Genien, Goͤt - tinnen, Koͤniginnen, Kriegshelden, Baurenſcenen, Opfer - prieſter, Thiere, Ausdruͤcke von Leidenſchaften, Trennun - gen, voll Ruͤhrung und Wehmuth, ſchoͤne Stellungen, nackte Menſchenfiguren im voͤlligen goͤttlichen Ebenmaas, Koͤniginnen im Prachtkleide, und im Neglige’e, Goͤttin - nen ſchlafend, und alles in lauter paradieſiſchen Gegen - den. Die brennenden Farben, das Einnehmende in den Geſichtern, ſonderlich in den Augen, die feinen Pin - ſelſtriche, die Wellen, der Wurf, die Falten in den Klei - dungen, die Abwechslung, die Zuſammenſtellung, die Anordnung des Ganzen, die Sorgfalt, die auf jedes Theilchen gewendet iſt, der Ausdruck der Seelenbewegun - gen, das uͤberall leuchtende Zeugnis von der Kunſt, Na - turſcenen bis auf die groͤßten Kleinigkeiten zu beobachten und ſie auf Seide und Leinwand zu ſchaffen, wo ſie vor -K 5her154her nicht waren; das alles und noch viel mehr, was ich, nicht eingeweiht in Kunſtſachen, nicht entdecken, nicht ſagen kan, iſt da zu ſehen, und ein Narr iſt der, ders ſehen kan, und nicht ſehen mag. Es ſtehen die Namen Audran und Cozette und die Jahrzahlen 1740. 1760. 1771. daran, und ich denke, die groſſen Maͤnner werden des Andenkens eben ſo werth ſeyn, als Praxiteles und Apelles. Wer ein junges Genie weis, das Anlage zur Malerei und Stickerei hat, und er ſchickt es nicht hier her, daß ers einſaugt, wie der Saͤugling Milch, und nachahmt, ſo iſts wahrlich Diebſtahl am Menſchenge - ſchlecht. Faͤngt er da nicht Feuer, ſo hat ihn Mutter Natur nicht zum Maler beſtimmt. Alle Woche ein - mahl moͤcht ich dahin ſitzen, und vor jedem Stuͤck Stun - denlang weilen, und ſo fort ruͤcken, und immer wieder neue, erſt uͤberſehene Schoͤnheiten entdecken. Schwatz mir einer lang in der Aeſthetik vom Empfinden des Schoͤ - nen vor. Sehen, ſehen muß ers, Regeln brauchen wir nicht viel. Es iſt eine Tapete da, wo Angelica und Medor ſich mit einander verſprechen. Ha, ſo ſchoͤn koͤmts gewis in der Natur nicht oft vor. Medor liegt im Kuͤraß als Soldat vor ihr, Liebe thront im Auge, und ſie, o wie herrlich iſt alles, der Arm ſo zier - lich aufgehoben, ihr Aug, Mund, Stirn, nein, nein, es iſt unique, keine Sprache druckts aus. Was ſoll man von dem denken, der in die Gobelins geht, und das alles ſuͤndliche, eitle Pracht nennt, oder mit der ſtum - pfeſten Seele von der Welt ſein Sapientis eſt nil mirari daher gaͤhnt? Hierauf machte ich einen Be - ſuch bei

Madame Chenier. Wiederum eine merkwuͤrdige Erſcheinung. Eine Griechin mitten in Paris, vonKonſtan -155Konſtantinopel gebuͤrtig, die griechiſch ſpricht, griechi - ſche alte Dichter lieſt, ſchoͤn, obwohl langſam franzoͤſiſch ſpricht, auch etwas Engliſch verſteht, Deutſch lernt, und uͤberhaupt ein Frauenzimmer von vielem Verſtande iſt. Ihr Mann, Mr. Chenier, iſt wirklicher Koͤnigl. franz. Konſul in Tunis. Wir ſahen ihn nur im Portrait. Sie hat eine, meiſt erwachſene Tochter, die aber weder an Koͤrper, noch Seele, der Mutter gleich werden wird. Ihre Kleidung iſt noch ganz griechiſch, recht natuͤrlich, voͤllig ſo, wie ſich die Veſtalinnen der Roͤmer trugen. Ein weiſſes Unter - und Ober-Kleid, mit einem blauen Band in der Mitte des Leibes gebunden. Auf der Bruſt Spitzen, auf den Achſeln ſilberne Schnuͤre, an der lin - ken Bruſt eine goldene Kette, unter dem Band auf eben der Seite, ſilberne Troddeln, die an ſilbernen und ſchwar - zen Schnuͤren hinabhaͤngen, und womit das blaue Band geknuͤpft wird, und womit ſie jetzt ſpielte. Die Haare trug ſie faſt wie in Strasburg, mit einem grau und weiſſem Bande umſchlungen, das hinten weit hinabfiel, oben drauf ſteckten Zitternadeln, und eine kleine Strauſ - ſenfeder. An den Seiten hingen einige geflochtene Zoͤpfe, einige Locken fielen herab, und uͤber und unterm Ohr trug ſie groſſe Ohrengehaͤnge. Grade ſo war auch die Toch - ter gekleidet. Auch dies gehoͤrt mit in die Beſchreibung einer naturhiſtoriſchen Reiſe. Daher gab ich auf alles Acht, und koͤnnte wohl noch mehr von ihrer Toilette ſa - gen. Zu meinem großen Vergnuͤgen ließ ſie ſich bere - den, daß ſie Herrn Villoiſon und mir ganz im griechi - ſchen Ton mit ihrer Tochter eine Ode aus dem Anakreon vorſang, und hernach noch eine allein. Es klang ungemein harmoniſch, und unbeſchreiblich ſuͤß. Sie las das Grie - chiſche, wie ich, denn ſie wollte mich leſen hoͤren, und156und wir machten, theils im Leſen, theils im Ueberſetzen die Probe, nur ακαρβη ſprach ſie Acarvi aus, ſonſt aber las ſie, wie ich. Sie zeigte mir Huber’s franz. Ueberſetzung von Gesner’s Idyllen, bat mich, ihr zu ſagen, ob die Ueberſetzung treu und gut waͤre. Ich las das Gemaͤlde aus der Suͤndfluth durch, und fand ſie meiſt treu, flieſſend, gut, nur war oft eine Paraphraſe, wo der Teutſche ein einziges Wort hat. Sie war mit mir einig, daß es eins der ſchoͤnſten Stuͤcke waͤre. Bei Abels Tod, ſagte ſie, haͤtte ſie oft geweint, ſie wuͤnſchte ſehr, daß ſie das Teutſche vollkommen verſtuͤnde, und ſie wuͤrde mich ohne Zweifel zu ihren Sprachmeiſter ange - nommen haben, haͤtte mich nicht, ich weiß nicht ein boͤſer oder guter Genius von Paris weggefuͤhrt. Sie ſagte, in Corfu, in Cephal. in allen venetianiſchen In - ſeln ſpraͤche man ſehr gut Griechiſch. Sie wies mir alle Trachten der Griechen von den verſchiedenen Inſeln, auf Gemaͤlden; Gemaͤlde vom Grosherrn zu Pferde, in der Audienz, den Anzug der Sultaninnen zum Kaffee bei ihm; Audienz des Kaiſers von Marocco, im Felde alle - zeit zu Pferde unterm Regenſchirm, und der Dolmetſcher erſt in der Proſternation, ehe er ſprechen darf; ihre Fa - milie, von ihrer eignen Hand; eine Hochzeit in Tunis, der Braͤutigam verhuͤllt zu Pferde, und ſeine Freunde mit Flinten bei ihm ꝛc. Sie tanzte auch aus Gefaͤllig - keit fuͤr mich mit ihrer Tochter einen griechiſchen Tanz, der ſehr ſchoͤn, aber ermuͤdend war, in der langen, na - tuͤrlichhaͤngenden Kleidung aber gar wohl ausſah. Sie hatte auch Buͤſten der alten und neuern Gelehrten ꝛc. Heute Abend ging ich auch ins

Vauxhall. Ein groſſes Haus auf dem Boule - vard, das nur Donnerſtag Abends von 8. 10. Uhrbeſucht157beſucht wird. Man muß 30. Sous Entre’e bezahlen. Leute von Stande verſammeln ſich da. Es iſt ein groſſer Saal, wo man plaudert, und hinten ein Hof, der oben Gallerien hat. Im Hofe ſind kuͤnſtliche Feuerwerke zu ſehen, Tempel der Venus, des Mars, Apollo, gewoͤlbte Haͤuſer, Boͤgen, Inſchriften, alles meiſt mit gefaͤrbtem Feuer illuminirt. Das Ganze iſt eine Nachahmung der Engellaͤnder, und eine von den vielen Erfindungen, um den Muͤſſiggaͤngern die Zeit zu vertreiben. Wenigſtens eine Viertelſtunde weit ſtanden hauſſen Chaiſen an Chai - ſen. Fuͤr die gemeinen Leute ſind um eben die Zeit alle Koffeehaͤuſer illuminirt, und mit Muſik und Saͤngerin - nen beſetzt. Auch ſpielen die Joueurs de farces bis in die ſpaͤte Nacht ihre Poſſen, klopfen ſich oben auf ih - ren Geruͤſten weidlich herum, und machen abſcheuliche Grimaſſen ꝛc. Man kan ſich das Getuͤmmel, das Ge - wuͤhl, das Laufen unter einander nicht vorſtellen.

Bemerkungen.

In den Kaffeehaͤuſern hat man auch Ponche au lait. Man nimmt den Punſch, ſchuͤttet warme Milch dar - an, und tunkt Biſcuit hinein; es ſchmeckt herrlich. Ei - ne Portion fuͤr 2. Perſonen koſtet 15. Sous. Auch ein Paar Worte uͤber

Les Accrocheuſes. Was ich oft hoͤrte und nie glaubte, hab ich geſehen. Schon um halb 10, und noch mehr nach 10. gegen 11. Uhr ſtehen faſt in allen Straſſen les filles de Paris, und warten auf die jun - gen Leute. Sie laufen einem nach, zupfen, reiſſen, pfeifen, ziſcheln, Ah, mon cher, veux-tu mon - ter avec moi? Ah, il fait beau chez moi. Ve -nez158nez donc, tu t’amuſeras &c. In der Rue mau - vais Garçons, Rue Macon, Rue Galande, Rue St. Honoré ſonderlich, da ſtehen ſie Dutzendweis ge - putzt unter den Thuͤren, ſitzen auf den Steinen, ſehen in die Scheidewege hinein, ohne Scham und Zuruͤckhal - tung. Demain, ſagte ich einsmahls, im Augenblick war die Antwort: A quelle heure? après midi? Sagt man: Oui, eſt-ce que vous demeurez, ſo kehren ſie gleich um, il n’y a que deux pas. Ici, mon ami &c. Trauriges Zeugnis vom ſittlichen Zuſtande der Nation! und welch eine gefaͤhrliche Lock - ſpeiſe fuͤr den, der ſonſt Gelegenheiten von der Art macht, weil er ſie nicht ſo leicht findet! Aber wahr iſts, Paris und unſer Jahrhundert hat das nicht aufgebracht, es iſt kein Beweis vom ſteigenden Verfall. In Jeruſa - lem zu Salomo’s Zeiten wars eben ſo, es paßt nichts genauer, als ſeine Beſchreibungen in der Miſchle, von den oͤffentlichen Weibsperſonen. Wer ſie nur einmahl geleſen hat und ſieht das, der muß ſich daran erinnern. Semper eadem fabula luditur.

Den 6ten Jun.

Le Cabinet d’Eſtampes du Roi. In eben dem Hauſe, wo die Koͤnigl. Bibliothek ſteht, iſt unten, aber auf der Seite, auch dieſe herrliche Sammlung. Die Kupferſtiche ſind alle auf Folioblaͤtter aufgeklebt, oder liegen doch in Cartons in Folio zwiſchen weiſſem Papier. Man ſieht alſo wiederum eine kleine Bibliothek, alles iſt in rothen Saffian mit goldenen Lilien eingebunden. Mr. Joly, der Garde du Cab. d’Eſtampes du Roi, iſt ein hoͤflicher, liebenswuͤrdiger Mann. Das Zimmer iſt beſtaͤndig, noch vielmehr als die Koͤnigl. Bibliothek, mitFremden,159Fremden, ſonderlich mit Damen, angefuͤllt. Man darf ſich nur hinter eine Portefeuille ſetzen, ſo hat man gleich eine Menge Leute, die keine Addreſſen haben, und doch ſehen wollen, um ſich. Ich ſah einige von den vornehm - ſten Werken durch, und zwar: Von den Franzoſen, L’Oeuvre de Boucher und de Hyac. Rigaud. Von den Italiaͤnern, Blaͤtter von L. da Vinci; Baccio Bandinelli; Andr. del Sarto; Dan. di Volterra; Fr. Salviati; M. Angelo. Von den Hol - laͤndern, das Werk des Lucas v. Leyden in 2. Folio - baͤnden. Ich betrachtete ferner

Ein Recueil des Plantes en Migniature. Das ſind keine Kupferſtiche, ſondern 60. Baͤnde von gemahl - ten Pflanzen, die im Kngl. Garten geweſen ſind, und noch ſind. Mat hat ſchon zu Louis XIII. und Duc Gaſton d’Orleans Zeiten dieſe Sammlung angefangen. Sie iſt von etlichen Artiſten, die auf einander gefolgt ſind. Man findet die Namen Aubriet, N. Rob. &c. auch ſind von der Madem. Baſſeporte Stuͤcke darin. Freilich nicht in natuͤrlicher Groͤſſe, aber doch alle in Kleinfolio, auf Pergament mit vergoldeten Einfaſſungen. Jedes Blatt iſt einzeln, und liegt zwiſchen weiſſem Pa - pier, auf dem eine kurze botaniſche Nachricht geſchrieben iſt. Die Benennungen der Pflanzen ſind aus Caſpar Bauhin, Lobelius, Tournefort, Rai, Cluſius ꝛc. Bei den Meiſten iſt die Wurzel und die Bluͤthe noch be - ſonders. Ich ſah die Geſchlechter Convolvulus, Gentiana, Malva, Tythimalus, Ketmia, Alcaea, Goſſypium &c. durch, und alles war unvergleichlich ſchoͤn. Die ſchoͤnſten blauen, rothen, und gruͤnen Far - ben, folia tomentoſa, das verdaͤchtige Gruͤne am So -lanum,160lanum, das Braune der Wurzeln ꝛc. war gar wohl ausgedruckt. Ich wuͤrde dieſe 60. Baͤnde da nicht ge - ſucht haben, wenn mich nicht Mr. de Juſſieu darauf aufmerkſam gemacht haͤtte. Heute ſah man auch

Les Affiches du Cours de Botanique, im Kngl. Garten an den Waͤnden angeklebt. Die Gelehr - ten drucken immer den ganzen Titel mit allen Societaͤten ꝛc. und ſobald ſie einen andern nennen, auch wieder deſ - ſen Titel alle zu dem Namen. Die Botanik war doch noch hinausgeſetzt auf den 10ten Jun. Nachmittags um 4, und dann die Demonſtrationen der Pflanzen auf Morgens fruͤh um 7. Uhr. Die Studenten, wies ſcheint, haben hier gute Tage, der Franzos ſtudirt nicht ſo ernſt - lich und in der Ordnung, wie der Teutſche. Unten an den Affiches ſtand: Defenſe d’entrer à l’Amphi - theatre avec canne, ni epée. Man muͤſſe, ſagte man mir, 2 Sous zahlen, wenn man einem mitbringen wolle ꝛc.

Ich ging von da auf die Bibliothek der Abtei Ste. Genevieve, und ſah

Les Planches de Mr. Fuſée Aublet, eine herr - liche Sammlung zur Botanik, durch. Schade, daß das Papier nicht weiſſer iſt, zum Text T. I. II. iſts weis genug. Aber ſo ſehr man ſich an dieſem Anblick labt, ſo unwillig wird man, wenn man im Vorbericht, welcher die Lebensbeſchreibung des Verfaſſers von ihm ſelber, mit Briefen und Certificaten belegt, enthaͤlt, die vielen Laͤſterungen, Verleumdungen, und Widerſtrebun - gen lieſt, die ein ſo fleiſſiger und rechtſchaffner Mann noch neben den, von ſeinen Beſchaͤftigungen unzertrennli -chen161chen Laſten zu uͤberwinden hatte. Welch ein abſcheuli - ches Ungeheuer iſt der Neid! Ihn ergriff er in Amerika, und in Frankreich fand er ihn wieder.

L’Hotel des Invalides. Faſt außen vor der Stadt ſteht ein groſſes Gebaͤude, das Mauer und Gra - ben, Thore und eine Art von Befeſtigung hat. In - wendig iſt ein groſſer Platz, auf dem liegen Kanonen, die, wenn der Koͤnig oder die Koͤnigin vorbeifaͤhrt, ge - loͤſt werden. Ueberall ſtehen Schildwachen. Ueber dem Hauptthor ſteht Ludwig XIV. zu Pferde mit einer klei - nen Inſchrift. Das Haus ſelber hat noch eine Menge kleiner Bildſaͤulen oben auf dem Dache, iſt aber, wie ganz Paris, aus dem weisgrauen weichen Steine ge - baut, der, wenn er eine Zeitlang der Luft ausgeſetzt iſt, haͤslich ſchmutzig wird. Der Hof iſt inwendig viereckigt, und das Haus hat ringsum bedeckte Gaͤnge mit Schwib - bogen. Ueberall begegnen einem die ausgedorrten Men - ſchen an einer, an zwei Kruͤcken, mit hoͤlzernen Fuͤſſen, mit Rockermeln ohne Arm darin, mit zerfetzten Geſich - tern ꝛc. Alle tragen eine blaue Kleidung und gehen am Stock. Im langen Eßſaal ſtehen marmorne Tiſche an den Seiten, und die Teller und Kannen ſind alle von Zinn. Sie kamen grade vom Abendeſſen und hatten Eier und Fiſche gehabt. In der Kuͤche findet man lau - ter kupferne, aber inwendig verzinnte Gefaͤſſe, Gardes à manger, ungeheure Keſſel, und eine praͤchtige Bra - tenwendermaſchine, die von einem der beſten Uhrmacher in der Stadt gemacht iſt. Das Brod, das ſie bekom - men, iſt weis und gut ausgebacken. Ihre Zimmer ſind ſimpel, und die Betten auf franzoͤſiſche Art. Hinten liegt ein huͤbſcher Garten zum Spazierengehen, worinLſich162ſich auch einige der Invaliden mit der Gaͤrtnerei amuͤſi - ren. Der Brunnen, der die Kuͤche und alle Zimmer mit Waſſer verſieht, iſt ein Meiſterſtuͤck und ſteht in ei - nem eignen Hauſe. Alles Waſſer komt von Arcueil, Stunden weit her, in hoͤlzernen Roͤhren, und iſt geſun - des reines Quellwaſſer. Der Brunnen iſt 100. Schuh tief, und 16 Schuh breit. Das Waſſer ſteigt durch groſſe Kanaͤle herauf und faͤllt wieder hinab. Dieſe Ma - ſch[i]ne wird beſtaͤndig von 4. in die Runde gehenden Pfer - den getrieben. In jeder Stunde ſteigen 124. Muits*)Ein Muit iſt 2. Tonneau; ein Tonneau iſt 122. Maas. Waſſer herauf. Dieſes Waſſer vertheilt ſich im Hotel in 248. Roͤhren, und fuͤllt noch 2 groſſe Baſſins, eins im Hotelgarten und eins im Garten des Gouverneurs. Ne - ben dem Brunnenhaus iſt der Stall fuͤr dieſe 4. Pferde. Oben im Hotel iſt die Chambre de Conſeil. Un - ten haben die Invaliden eine eigne Kirche, aber ſo ſim - pel dieſe iſt, ſo koͤniglich, ſo weit uͤber alles, was ſich ſa - gen und vorſtellen laͤßt, iſt die Kuppel der Kirche des Invalides. Hinter dem hohen Altar iſt noch ein ge - raͤumiger Platz, in Geſtalt eines Kreuzes, in der Mitte ein groſſer Kreis und neben dem 4. kleine, zu denen man auf 6. marmornen weiſſen Stuffen hinauf ſteigt. Der Fußboden dieſes Gewoͤlbes iſt mit weiſſem, rothem und ſchwarzem Achat gepflaſtert, ſo nennt mans, es iſt aber mehr Jaſpis. Die Zeichnung dieſes Pflaſters iſt unbeſchreiblich mannichfaltig. Sterne, Zirkel, Rin - ge, Blumen, verzogene L. G. (Louis le Grand), und das alles mit der Farbenabwechslung der verſchiede - nen Steinarten. Beſonders iſt aufm Fußboden desmittelſten163mittelſten Gewoͤlbes ein unendlichpraͤchtiger, ſehr vielecke - ter, ſchwarz und rother Stern mit einer weiſſen Einfaſ - ſung. Auf den darf niemand gehen, nur der Koͤnig koͤmmt des Jahrs einmahl, ſteigt bei der Thuͤre, dieſem Stern gegen uͤber, aus der Karoſſe; in den Stern wird dann ein ſammtner Stuhl geſetzt, auf den ſetzt er ſich, mit dem Geſicht gegen die Kirche gekehrt, und da wird Meſſe geleſen. Aber das iſt nur der Fußboden. In den 4. Seitennavaten ſtehen rings herum Statuͤen aus Gyps, Apoſtel, Kirchenvaͤter, Heilige, da traf ich bei Moni - ca, Marcelline &c. auch eine Ste. Satyre an, die ich ſonſt nicht die Ehre hatte zu kennen. Unter dieſen Statuen zeichnet ſich Paulus durch ſein groſſes, edles, aber unter den Schmerzen verfallenes Geſicht, ſo wie Auguſtinus durch ſeine groſſe Biſchofsmuͤtze, aus. Ue - ber den Niſchen, in denen dieſe Statuen aufgeſtellt ſind, geht eine andre Parthie des Gewoͤlbes an. Dieſe iſt mit einer unbeſchreiblichen Menge Verzierungen geſchmuͤckt. Alles iſt Stukkaturarbeit, ſo fein, ſo praͤchtig, ſo delikat, daß man’s auf Leitern Stuͤck vor Stuͤck betrachten ſollte. Dieſe Verzierungen gehen ſo fort, bis oben, wo die Seg - mente, die bis ins Gewoͤlbe hinauf laufen, anfangen. Denn jedes von dieſen Gewoͤlbern iſt in 6. Abtheilungen getheilt; in jedem ſind 6. Gemaͤlde, und zwiſchen den Gemaͤlden iſt alles mit vergoldeten Zierathen ausgefuͤllt. Die Gemaͤlde erheben ſich auf dem praͤchtigen Grunde in der Hoͤhe vortreflich; ſie ſind alle von dem beruͤhmten Le Brun*)Der Kaiſer war uͤber ſie ganz entzuͤckt, und ſprach mit dem Koͤnige davon, der hatte ſie aber noch nicht ge - ſehen. So erzaͤhlte mir Mr. Delor. gemalt und ſtellen geiſtliche Sujets vor. L 2In164In jedem von dieſen 4. Seitennavaten, die mit einander communiciren, findet man neue Koͤnigl. Pracht, neue Meiſterſtuͤcke der Kunſt. Gold, Farben, Arbeit, De - likateſſe, alles iſt hier recht verſchwendet. In der Mitte uͤber dem oben genannten praͤchtigen Stern iſt wiederum ſo ein koſtbares Deckenſtuͤck, das faſt den ganzen mittlern Kreis einnimmt. Ringsherum ſtehen Buͤſten von Koͤ - nigen und Kriegshelden. Am hohen Altar ſind gedrehte Saͤulen und alles iſt mit Gold uͤberzogen. Zuletzt kan man den Kopf nicht mehr in die Hoͤhe ſtrecken, das Auge leidet von dem Glaſe, und dem uͤberall entgegen ſchim - mernden Golde und Gluͤhen der Farben. Und ſo - bald man das Auge von dieſen Koſtbarkeiten wegwen - det; ſo erblickt man vorne in der Kirche Bilder des menſchlichen Elends; alte abgelebte Krieger, zitternde Greiſe, wandelnde Gerippe, Denkmaͤ - ler des verwuͤſtenden Krieges, Menſchen, die mit geheimer Freude an vormahlige Feldzuͤge zuruͤckdenken, ihre verſtuͤmmelten Glieder, ihre Kruͤcken, alle Tage herumſchleppen, in frommer Einfalt, auch aus Langer - weile, den Roſenkranz beten, ihren Kameraden erzaͤhlen, was ſie ihnen ſchon tauſendmahl erzaͤhlt haben, ſich an ihre umgekommene Freunde erinnern, zuweilen gegen Fremde mit Thraͤnen im Auge die Gnade ihres Koͤnigs und die ihnen verſchafte Ruhe im Vergleich der ausge - ſtandenen Gefahren ruͤhmen, groͤſtentheils der Welt ſchon abgeſtorben ſind, und nun unter ihren Bruͤdern den Tod erwarten, der ſie im Gewuͤhl der Schlacht nicht fand. Ein alter, ehrwuͤrdiger Greis, dem meine Jugendfarbe gefiel, wie mir ſein unterm Kriegshute graugewordenes Haar, fragte mich, was ich zu dieſer Anſtalt ſagte, und gab mir dabei mit einem Tone, der mehr die Spracheeines165eines Vaters, als eines Hofmeiſters war, die Erinne - rung, daß man erſt arbeiten, leiden, viel ausſtehen muͤſſe, eh man ruhig leben und verpflegt werden wolle. Und in meinem ganzen Leben hab ich keine Lehre ſo wil - lig angenommen als dieſe hier, die mir ſo recht ſuo lo - co, ſuo tempore, obgleich von einem Fremden, ge - geben ward.

Den 7ten Jun.

Le Cab. de l’Hiſt. Nat. du Roi. Ich fuhr heu - te im Beſehen dieſes Kabinets fort, und fand noch im dritten Zimmer

  • IIII) Seekoͤrper, an der Seite linker Hand der Thuͤre, wodurch man in das 4te Zimmer geht. So gar viel Merkwuͤrdiges und Seltnes ſah ich eben da nicht, es waren groſſe, wohlerhaltene, aber gewoͤhnliche Stuͤcke. Und bei den Wenigſten war das Meer, und die eigentliche Gegend bemerkt. Doch ſah ich
    • a) Eine Tubipore, ſo gros, wie bei uns eine von den groͤſten Kuͤrbiſſen.
    • b) Madreporen, Aſtroiten ꝛc. mit allerlei Beina - men, Bois de Cerf, Soleil oder Chou de mer, Cerveau de Neptune etc. Was lernt man da - raus? von allen Farben.
    • c) Dentelle de mer, gar fein, ein paſſender Na - me, blasgelb, wie Marli. Retepore.
    • d) Corallen; auf Steinen, weiſſe, fleiſchfarb - ne. Zwei Stuͤcke, die unten ſchoͤn roth, und oben noch weis waren! alle Nuͤancen vom Roth, mit der Rinde noch.
    • 166
    • e) Corallen mit Polypen, in einem Glaͤschen mit Meerwaſſer, vermuthlich; ſo ſtands oben, ma ſah auf jedem, kleine, weiſſe, irregulaͤre Huͤbelchen.
    • f) Madreporen, blaue, blaßgruͤne, ſtarkgruͤne; groſſe Stuͤcke, die uͤberall auf dem Anbruch inwendig blau waren; ſchwarzbraune.
    • g) Alle Figuren von Schwaͤmmen.
    • h) Lithophyte, ſur un pot de terre, und auf dem Kruge noch Vermiſſeaux, ſ. Ellis Hiſt. d. Corall

Und nun ging ich wieder ins zweite Zimmer zuruͤck, wo ich den 27. Mai (ſ. S. 77.) angefangen hatte, und fuhr fort in des

  • I) Erſten Schranks
    • B) Zweiter Haͤlfte, (ſ. S. 85.) da war Silber.
      • 1) Gediegen; en Lames, en boutons, cry - ſtalliſé, tetraédre, capillaire, en filets, den - dritiſch; mit Schoͤrl, auf ſchwarzem Fels, in Hornſtein, aus Ungarn, Sachſen, in Thon, etliche Ringe mit Spat und Haarſilber und Kies aus Kongsberg.
      • 2) Alle Sorten von Roth - und Weis-guͤlden Erz; eine unendliche Menge mit Spat, Kupfer, Quarz, Kobold, mit Gold aus Schemnitz, auch cryſtalliſirt ꝛc.
      • 3) Zinn; ſchwarze groſſe Zinn-Kryſtalle aus Boͤhmen, weiſſe, gelbe, mit Molybdena.
  • II) Neuer Schrank, (es war nicht ſo genau abgetheilt; es waren kleine Schraͤnke darzwiſchen.) Ich fand darina) Unten167
    • a) Unten Cryſtall, aus Soiſſons, aus der Schweitz, eine herrliche Gruppe, groſſe dicke Stuͤcke. Schoͤrl, auch ein groſſes Stuͤck.
    • b) Oben auf dem 1ten Schaft noch
      • a) kleine Cryſtalle, polis, en aiguilles.
      • b) Pierres precieuſes,
        • a) Rubis, alle Nuͤancen auch ganz weiſ - ſe; die ſchoͤnſten aus Braſilien; die groͤſten ausm Orient.
        • b) Granate; aus Boͤhmen, aber keine von Freiburg; ſehr kleine, brutes, auch aus Meiſſen, ſo groſſe wie Kalbsaugen, wie Kir - ſchen.
    • c) Hyacinthe ganze Schuͤſſelchen voll, welche ſo gros wie eine Kinderhand.
    • d) Topaſe hellgelbe, auch ganz dunkelbraune; viele aus Indien neben den Saͤchßiſchen, manche ſehr gros.
    • e) Péridot, ſchien mir auch eine Art Topaſen zu ſeyn, bald hell, bald dunkelgruͤn.
    • f) Emeraudes, Stuͤcke, die eine Hand voll machten, en canon d. i. langſchmal.
    • g) Saphire und Amethyſten; alle moͤgliche blaſ - ſe und ſtarke Farben unter einander.
    • h) Diamanten; lagen hinter dieſen.
    • i) Oeil de Loup gros, oval, dunkelgelb.
    • k) Pierres chatoyantes; alle Farben.
    • l) Aventurine naturelle; rothgelb, dreierlei Sor - ten. Oeil de poiſſon.
    L 4m) Mi -168
    • m) Mines d’Opal. Opal en Zones brillantes. Opal en points brillants. Man kan nicht ſagen, wie praͤchtig dieſe waren.
    • n) Cryſtal iriſé, Cryſtal avec une goutte d’eau.
    • o) Noch hinten die ſchoͤnſten Edelſteine.
    • p) Gold, gediegenes, en feuilles, lames, pail - letes, en vegetation, von Peru ein Stuͤck Spannenhoch; aus Siebenbuͤrgen, Sachſen, Ungarn, Goldkies. Mit Blei aus Siebenbuͤrgen. Ein Collier d’or d’Indiennes.
    • q) Saͤulen und Druſen von Amethyſt. Man hatte den Schaft mit groſſen Amethyſtſtuͤcken, die oben ver - goldete korinthiſche Dekorationen hatten, unterſtuͤtzt.
    • r) Quarze, Kryſtalle, ſonderlich ausgeſchnittene Stuͤcke mit ſchoͤnen gefaͤrbten Flecken.
  • III) Achate, Onyxe, Kachelons, Chalcedonter, alles unter einander. Ein Anblick, der nicht zu beſchreiben iſt. Wie die Natur die Farben miſcht! Darunter
    • a) Eine groſſe Tafel, von rothem Jaſpis aus Si - berien, auch viele gruͤne.
    • b) Caillou d’Egypte mit gar koſtbaren Adern; Dendriten dabei.
    • c) Oben Vaſen von Sardoine, Sardonyx.
  • IV).
    • a) Marmor, nur die groͤbern Arten.
    • b) Flußſpate, gelb und durchſcheinend, ſchwarz und weiſſer.
    • c) Bolus, Thon, Tripel, Speck und Serpentinſtein, Kreide.
    • 169
    • d) Lapis ollaris fibr. ein langes Stuͤck.
    • e? Porphyr, Granit, Schiefer ꝛc.
    • f) Zeolith, viele Arten, gruͤn, geſtreift, feuilleté de Silienski, d’Oudenski.
  • V)
    • 1) Stalactiten von Antiparos, ſieht ſo mammel - lonée aus, glatt, braun, gros; ein Stuͤck ſo dick, wie ein Fichtenbaum, de la Grotte d’Auxel, entre Be - ſançon et Dole ſur le Doux.
    • 2) Albatre; von Antiparos.
    • 3) Kalkſpate; alle moͤgliche Formen; einer wie ein Smaragd gefaͤrbt.
    • 4) Pierre de Florence; wie eine Stadt, wieder viele Herboriſationen, aber kein Mohrenkopf, ſ. D’Argenville.
    • 5) Gypſe, en rayons, étoilé, feuilleté, auch ein gruͤner, ohne Ort.
    • 6) Kalkſteine, Steinmark in Glas.
  • VI) Linker Hand der Thuͤr zum 3ten Zimmer,
    • a) Italiaͤniſche Marmor, viele weiſſe, mit Verſtei - nerungen.
    • b) Steinkohlen, mit ohne Minen.
    • c) Naphtha, Asphalt in Glaͤſern.
    • d) Ambre jaune avec des Inſectes. So heiſt der Bernſtein bei den Franzoſen.
    • e) Verſteinerungen.
      • a) Cornu Amm. wie ein vordres Wagenrad ſo gros.
      • b) Zaͤhne vom Hippopotamus und Elephanten.
      • 170
      • c) Wirbel von einem Wallfiſche ſo wie ein groſſer Teller.
      • d) Terebratuliten im Achat, aber beides ohne Orts Angabe.
      • e) Nautiliten en Cailloux.
      • f) Encriniten, der Kopf und ein Stuͤck vom Stiel.
    • f) Laven und Baſalt, pentagone und hexago - ne du Val en Vivarais.
    • g) Kalkſtein im Baſalt von Rochemaure. Das Stuͤck war nicht gros, aber man ſah den Kalk deutlich darin.

L’Obſervatoire Royal, beſuchte ich heute auch noch. Ein praͤchtiges ganz von Steinen aufgefuͤhrtes Gebaͤude. An der Wendeltreppe, die von unten bis oben hinauf geht, und Stuffen von einem weiſſen Mar - mor hat, iſt kein Eiſen, keine Klammer, als eine praͤch - tige Grille de fer, worin die Franzoſen Meiſter ſind. Alles iſt aus den groͤſten, genau auf einander paſſenden, Stuͤcken zuſammengeſetzt. Man ſieht gleich unten eine Oefnung, die aus dem ſehr tiefen Keller herauskoͤmt, und durch alle Stockwerke durch bis zum oberſten Platz hinauf fortlaͤuft, und zum Beobachten der Sterne im Zenith, und zu Verſuchen uͤber die Naturgeſetze des Falls ver - ſchiedener Koͤrper, beſtimmt iſt. Auf dem erſten Stock findet man hinten die vortreflichgebaute Ellipſe, oder den ovalen Platz, wo man wegen der Reflexion der Schall - ſtrahlen an der gegenuͤberſtehenden Seite hoͤren kan, was der andre dort noch ſo leiſe an der Wand hinauſ ſagt. Der gute alte Delor und ich, riefen einander das:Si171Si vales, bene eſt etc. zu. Mr. Jeaurat, der Aſtro - nom, wohnte da, und hatte unſtreitig eine der geſuͤndeſten und angenehmſten Wohnungen in Paris. In ſeinem Zimmer waren unter vielen andern ſchoͤnen Sachen ein herrlicher Quadrant mit einem Mikrometer, und eine ſim - ple, aber ſchoͤne Vorrichtung, die Menge des jaͤhrlich ge - fallenen Regenwaſſers zu meſſen. Es ſteht naͤmlich oben auf dem Platz ein Gefaͤs von 2. Schuh im Durchmeſſer, aus dieſem ſammelt ſich das Waſſer durch eine blecherne Roͤhre, die bis in einen Wandkaſten in Jeaurat’s Zim - mer fortlaͤuft, in eine Art von Gieskanne, die einen Hahn hat. Dreht man den auf, ſo laͤuft es in ein Gefaͤs, das innen ſeine Grade, ſeine Maaſſe hat, und ſo kan man ohne Muͤhe, und doch genau beſtimmen, wie viel herab - faͤllt. Steigt man hoͤher, ſo findet man auf einem groſ - ſen Platz eine Schuhbreite Linie von weiſſen Marmor durchs ganze Haus laufen; zwiſchen dieſen Platten recht genau in der Mitte ſteckt eine duͤnne Lage von Kupfer. Dieſe kupferne Platte iſt der ſchoͤne Meridian, der durchs ganze Koͤnigreich von Coullour an den Pyrenaͤen an bis nach Duͤnkirchen geht. In den Marmorplatten, die den kupfernen Meridian einſchließen, ſind die Grade und Zeichen des Thierkreiſes alle angegeben. Hoch oben am Fenſter iſt eine kleine Oefnung, wodurch die Sonnen - ſtrahlen einfallen und einen Gnomon machen. Der ober - ſte breite Platz iſt mit Quadraten von ſchwarzen Kieſeln gepflaſtert, aber in dem Kuͤtt darzwiſchen ſickert das Waſ - ſer hinunter und verderbt das Gebaͤlke; es war auch wirk - lich alles unterſtuͤtzt, wir muſten unten durchkriechen. Da erblickt man wieder die Oefnung aus dem Keller, den Thurm nach Oſten und nach Weſten zum Obſerviren; ein Zeichen, die Richtung des Windes zu erfahren. SechsStunden172Stunden von dieſer Sternwarte auf der einen Seite hin - aus und zu Montmartre auf der andern, hat man Thuͤrme, worauf die Akademiſten mit Kanonen und Pen - duluhren Verſuche uͤber die Geſchwindigkeit des Schalls gemacht haben. Man kan zugleich hier ganz Paris uͤberſehen, wiewohl auch bei ſchoͤnem Wetter beſtaͤndig ein Theil der Stadt im Nebel, Rauch, Wolken und Duͤn - ſten eingehuͤllt iſt. Dieſer Ort iſt viel beſſer dazu; und viel hoͤher, als der Thurm an der Kirche des Erzbiſchofs. Denn von hier aus geht man beſtaͤndig hinunterwaͤrts bis an jene Kirche. Maſchinen ſind nicht viele da, die Aſtronomen obſerviren meiſt in ihren Haͤuſern. An der einen Seite ſieht man den Garten, den Caſſini aus ei - ner ſonſt ſchlechten Gegend gemacht hat, eben der groſſe Mann, der auch den herrlichen Meridian hier und in Carlsruhe gezogen hat.

L’Antiquité Romaine de Paris. Hierum darf man ſich kuͤnftig nicht mehr bemuͤhen. Es iſt nichts mehr zu ſehen, als der Platz. Noch vor 30. Jahren ſtand in der Rue de la Harpe ein roͤmiſches Badhaus, damals ſah man noch die Gewoͤlber ꝛc. aber es iſt theils von ſich ſelbſt eingeſtuͤrzt, theils hat man es nachher ein - geriſſen. Jetzt iſt es ein Privathaus. Wems kein al - ter Pariſer ſagt, der ſiehts fuͤr nichts weiter, als ein ge - woͤhnliches Haus an. Weil ich darnach fragte, ſo zeigte es mir Mr. Delor. Ich wohnte heute auch noch den

Experiences phyſiques et chymiques ſur l’air fixe des differentes ſubſtances bei Mr. Broignard bei. Der Mann iſt ein Apotheker, der ſich gerne Praxis verſchaffen moͤchte, gibt daher zuweilen Gelegenheit, zu ihm zu kommen, und die Nachahmungen der Engliſchen undandern173andern Verſuche zu ſehen. Es war eine ſtarke Gefell - ſchaft von Pariſer Herren da, in einer kleinen Stube. Er hatte einen ſchoͤnen Vorrath von glaͤſernen Roͤhren, Fla - cons, Recipienten, Vorlagen ꝛc. Mr. Hisgerto, Mr. Delor und ich, gingen mit einander hin. Es wurden Verſuche gemacht mit dem Gas ſpathique, das ſehr cauſtiſch iſt, mit dem Acide nitreux, mit andern Luft - gattungen, Vermiſchungen mit dem Queckſilber ꝛc. ſ. Prieſtley on different Kinds of air.

Den 8ten Jun.

Heute beſah ich

Le Mauſolée de Mr. Molinaeus. Der Mann war Lieutenant du Baillage du Palais Royal. Es iſt klein, wenig bekannt, ſteht in der Kirche la Croix (wo ich mich nicht irre,) iſt aber wohl ausgedacht. An der Wand iſt eine ſchwarze Tafel mit ſeinem Namen und Inſchriften. An dieſe Tafel lehnt ſich ein Frauenzim - mer, bedeckt das Geſicht mit der Hand und weint. An der Seite ihres Arms iſt ein Todtenkopf, der herrlich ge - arbeitet iſt. Unten ſitzen zwei Genien, gar niedlich. Oben ſteht eine Urne, und A. und Ω. darne - ben. Aber noch viel praͤchtiger iſt

Le Mauſolée de Mr. le Brun. Es ſteht in der Kirche St. Nicolas de Chardonnet, Rue St. Victor, rechter Hand des hohen Altars. Man ſieht einen ſchwarz marmornen Sarg, an dem der Deckel eben ſo wie an des Marſchalls von Sachſen in Strasburg, hinten hinab - faͤllt. An der vordern Seite des Sargs haͤngt die Dra - perie herab, nicht ſo gros, aber die Falten ſind ſchoͤn, wie -wohl174wohl eine Inſchrift aus dem 16ten Pſalm Saturabor etc. nach der Vulgata daran iſt. Ueber dieſen Sarg ſenkt ſich ein Engel vom Himmel herab mit einer Poſaune am Muͤnde, die gegen den Sarg gerichtet iſt. Aus dem Sarge erhebt ſich halb die Mutter des Kuͤnſtlers, eine alte Frau, aber ein Meiſterſtuͤck des Meiſſels; ſie ſieht nach ihrem Sohn, faltet die Haͤnde, und hat den Mund halb offen, und ein redendes Geſicht. An der Seite ſteht an einer Pyramide das Portrait von Le Brun mit einer Inſchrift. Unten an der Pyramide liegen weibliche Fi - guren aus weiſſem Marmor, der durch die Zeit gelb ge - worden iſt, vermuthlich Sinnbilder von den bildenden Kuͤnſten, die ſich freuen, die Buͤſte des groſſen Mannes uͤber das Grab zu erheben. Hat nicht die Idee: daß bei des Kuͤnſtlers Tode ein Engel die Mutter aus dem Gra - be ruft, um ihren groſſen Sohn zu ſehen, etwas erhabe - nes, etwas feierliches? Die Kirche hat auſſer dieſem Mauſoleum noch fuͤr ſich ſelber viel Schoͤnes. Le Brun aber verdient alle dankbare Hochachtung. Man darf von ſeiner Aſche nicht gar weit gehen, ſo ſieht man ein koſtbares Stuͤck von ihm*)Seine busfertige Magdalene, deren unterm 11ten Jun. Erwaͤhnung geſchieht. Herausgeber. . Nicht weit davon iſt auch

Val de Grace; eine Art von Kapelle, ohne Kir - chenſtuͤhle, blos mit einem Hochaltar und Prie-Dieu verſehen, die aber geſehen zu werden verdient. An den Saͤulen und Geſimſe iſt viele Stukkaturarbeit. Der Altar hat gedrehte, ſtark vergoldete Saͤulen. Der Bo -den175den in der ganzen Kirche hat Wuͤrfel, Steine, Rhom - boidal. Figuren vom ſchwarzen Marmor und roͤthlichem Jaſpis. Um den Altar herum ſteht hoch oben der Na - me der Erbauerin, Anna Auſtriaca, D. G. Regina Francorum et Navarrae 1650. Auch ſieht man uͤberall an den Fenſtern in der Mitte ihren Namen ge - mahlt. Es ſcheint ein Geluͤbde von der Koͤnigin gewe - ſen zu ſein.

L’Egliſe des Benedictins Anglois. Eine ſchlechte Kirche, aber gleich dem Eingange gegen uͤber ſteht der bleierne und hoͤlzerne Sarg des Engliſchen Koͤ - nigs Jakobs des 2ten, nebſt dem Sarg ſeiner Prinzeſ - ſin, Louiſa. Die beiden Saͤrge ſind mit Tuͤchern be - deckt, auf dem Sarg des Koͤnigs ſteht oben eine nach - gemachte Krone, ganz im Modell der Krone von Gros - brittanien, und an der Seite herab haͤngt das Koͤnigl. Wappen. Darneben hat man in einem Kaͤſtchen eine Buͤſte vom Koͤnige aus Wachs, die unter einem Glas - deckel den Fremden gezeigt wird. Sie iſt anderthalb Viertelſtunden nach ſeinem Tode verfertigt worden. Das Geſicht hat die tiefen eingegrabenen Zuͤge des Grams und der Ernſthaftigkeit, hat aber gewis viel Groſſes, und doch Liebliches. In dieſer Kirche verſammeln ſich die katholiſchen Engellaͤnder, und die Vornehmen werden auch da begraben.

Le Jardinier galant, und Les Près de St. Ger - vais. So heiſt ein Theil von den Environs de Pa - ris, wenn man rechter Hand am Ende der Rue St. Martin hinabgeht. Dieſe Gegend iſt ſchoͤner, als die zunaͤchſt um die Stadt gegen Boulogne zu. Man findet ganze Felder mit Bohnen, Erbſen, ganze Feldermit176mit Erdbeeren, mit Nelken, Ranunkeln, Roſen, Apri - coſen ꝛc. wegen der erſtaunlichen Conſumtion in der Stadt, und es ſoll, wenn z. B. die Nelken bluͤhen, ein herrli - cher Anblick ſeyn. Le Jardinier galant, heiſt ein oͤf - fentliches Haus und Garten mit einer Menge kleiner Huͤt - ten und Laubhaͤuschen, wo man Eſſen, Trinken, Muſik und Tanz haben kan. In der Stube haͤngt ein wolluͤ - ſtiges Gemaͤlde, im Geiſt der Nation. Im Garten ſteht ein Gaͤrtner aus gefaͤrbten Thon mit dem Grab - ſcheid, vermuthlich hat’s daher den Namen, denn er iſt ſehr galant und ſtutzermaͤſſig angezogen. Von da ſteigt man einen kleinen Berg hinan, geht durch angenehme Felder nach dem Dorf St. Gervais, und kan von oben Paris faſt ganz uͤberſehen, auch St. Denys ꝛc. Auch hier iſt das Waſſer das man bekommt, ſo wie uͤberall, nie recht kalt und erfriſchend, ſogar unterm Wein machts ihn gleich laulich. Es iſt Seinewaſſer, wird auch in groſſen Gefaͤſſen daher geſchleppt. In der ganzen Ge - gend ſah ich nur ein einzigs Quellchen, und das war truͤ - be. Man hoͤrt uͤberall das Klappern der Windmuͤhlen, die der Reihe nach oben auf dem Berg ſtehen.

Le Coliſée. Auch eine der ſchoͤnſten Ergoͤtzun - gen, die man in Paris haben kan. Am Ende von la Place de Louis XV. zwiſchen den Champs Eliſeés ſteht ein groſſes Gebaͤude, hoch, leer, zirkelrund ange - legt, mit Nebenzirkeln und Nebengebaͤuden, meiſt mit einem gruͤnangeſtrichenen hoͤlzernen Gitterwerk eingeſchloſ - ſen, oben durchbrochen, und auch mit koſtbarem Gitter - werk verſehen, an den Seiten oben breite Plaͤtze zum Spaziergehen und Ueberſehen der Gegend. Auf der ei - nen Seite ſind Spaziergaͤnge und ein ſimpler Garten,auf177auf der andern vor dem Haus ein See mit einer Mauer eingefaßt, und Einrichtungen zum Feuerwerk. Dieſes niedliche, wohlangelegte Gebaͤude heiſt das Coliſe[]e. In - wendig trift man erſt groſſe Gaͤnge an, da ſtehen Bouti - quen, die alle Galanteriewaaren auskramen. Dann ſind an den Seiten die Treppen nach oben zu. In der Mitte iſt ein groſſer Zirkel, in dem ſtehen die praͤchtigſten Saͤulen, die groͤſten ſilbernen Leuchter haͤngen uͤberall herab; am Platfond ſieht man koſtbare Gemaͤlde, im Ton, den die Nation liebt; man geht durch kleine Stufen hinab, da ſitzen Muſikanten, Saͤngerinnen; die Leute verſammeln ſich da, man tanzt, plaudert ꝛc. an den Waͤnden umher ſtehen Stuͤhle, Canape’s. Oben ſind 2. Gallerien uͤbereinander, mit rothem Pluͤſch ausge - ſchlagen, und mit rothen Stuͤhlen, von da ſieht man herab auf das Gewuͤhl unten. Alles, was beau mon - de in Paris iſt, verſammelt ſich Mittwochs und Sonn - tags Abend um halb 8. 10. 11. Uhr hier. Gan - ze Reihen von Karoſſen, Chaiſen, Kabriolets, Portechai - ſen ꝛc. ſtehen in der Ferne hinter einander. Heute waren etliche tauſend Menſchen da. Man bezahlt 30. Sous Entre’e, bekomt ein Billet, und paſſirt durch Wachen. Erſt ſieht man im Garten einen Drachen, an einer ho - hen Stange, mit Pulver gefuͤllt, nach dem ſchieſt man oft 6. 8. Wochen mit Raketen, bis ihn einer endlich anzuͤndet, und den Preis davon traͤgt. Man lief herum, beſah die Waaren, hoͤrte Muſik, plauderte, um halb 9. Uhr ſetzte ſich alles vor den See, und erwartete das Feuer - werk. Um 9. Uhr gings an, etliche ſchwache Schuͤſſe hinter der Mauer verkuͤndigten es uns. Es dauerte faſt eine halbe Stunde, war meiſt ſchoͤn, einige Stuͤcke reuſ - ſirten nicht wegen des Winds. Weil alles im WaſſerMwar,178war, wars doppelt ſchoͤn. Ein brennender, beſtaͤndig knallender, Tempel beſchlos. Drauf ſetzte man ſich, lief herum, unten und oben, ſah in der Mitte kleine Kinder recht niedlich tanzen. Alles war um eine ſchoͤne Engel - laͤnderin herum. Dann ging eine Geſellſchaft nach der andern nach Haus, an der Thuͤre entſtand von den vie - len Bedienten und Karoſſen ein wildes, betaͤubendes Ge - ſchrei, hier und da accordirten die Chapeaux mit den pa - riſer Schoͤnen, die ſich zum Theil oben halbnackend, feil boten, und in den praͤchtigſten Kleidern erſchienen, wenn man gleich die Einfalt, die Gansdummheit auf ihren Geſichtern laß, und die groſſe Leere im Gehirn bei jedem Worte hoͤrte. Auf dem Wege war ein Geklingel, und eine beſtaͤndige Gefahr, von den Karoſſen uͤberfahren zu werden; das Gedraͤnge, der Staub, die Ausduͤnſtun - gen von Menſchen und Lichtern, und die vermiſchten Ge - ruͤche von Vapeurs, Eaux und Flacons machten mir Kopfweh. In der Rue St. Honoré und uͤberall lauer - ten noch die Accrocheuſes auf die Meſſieurs. Voi - le Coliſée.

Bemerkungen.

Auch in Paris ſollen die Rotiſſeurs, Cabare - tiers, Marchands de Vin etc. am Sonntag un - term Gottesdienſt nichts weggeben, keine Leute einnehmen, wenigſtens ſie nicht lange behalten; die Leute thuns auch nicht, ſie fuͤrchten ſich vor den Kommiſſairs, die uͤberall ihre Spionen haben, und gleich da ſind. Oder, ſie nehmen die Leute an, und machen, ſo viel als moͤglich, alles zu.

Mit179

Mit den Aubergen iſts eine aͤrgerliche Einrichtung. So viel ihrer auch ſind, ſo muß man doch oft halbe Stunden lange Wege machen, bis man nur was zum Fruͤhſtuͤck, oder zum Abendeſſen bekommt, wenn man nicht in ein Kaffeehaus geht. Denn der eine verkauft blos Wein, der andre blos Butter, der dritte blos Brod, der vierte blos Kaͤſe, der andre hat nichts als Braten, oft nicht einmahl eine Stube, einen Platz, einen Tiſch, einen Teller, wo man’s eſſen koͤnte. Sie holen’s einem aus 5. 6. Haͤuſern zuſammen, rechnens aber mit ein im Conto, oder ſie ſchickens einem aufs Zimmer, geben’s einem mit, und laſſen ihn zuſehen, wo ers eſſen kan. Bei der groſſen Ausdehnung der Stadt, bei der weiten Ent - fernung, in der man oft von ſeinem Logis iſt, iſt das keine geringe Unbequemlichkeit, die man in kleinen Staͤdten nicht hat.

Noch immer vergroͤſſert ſich die Stadt, und die Wenigſten glauben, daß das ſchaͤdlich iſt. Man baut immer mehr, und ſorgt nicht fuͤr die Zukunft. Louis XV. befahl, in jeder Communauté ein Magazin anzulegen, es geſchah hie und da; man lies aber die Frucht verderben, der Befehl ward vergeſſen, niemand denkt dran, wie gros das Elend ſeyn muͤſte, wenn in Bour - gogne, Provence ꝛc. woher man die Sachen ſchleppt, Theurung, oder Miswachs entſtehen ſolte. Jezt, ſagte mir Mr. Delor, ſei ganz gewis nicht ein einziges Ma - gazin da, man faͤngt viel an, und ſetzt nichts durch.

Um den Staub zu daͤmpfen, fahren auf dem Boulevard immer Karren mit Faͤſſern voll Waſſer, das unten durch viele Spritzen herabfaͤllt, auf und nie - der.

M 2Die180

Die Feuerarbeiter brauchen hier viel Steinkohlen, das gibt einen haͤslichen Geſtank fuͤr einen Fremden.

Den 9ten Jun.

Auf der Koͤnigl. Bibliothek erfuhr ich heute was mir Villoiſon geſagt hatte. Ich konte mit aller Hoͤf - lichkeit kein Buch bekommen. Ich forderte Sachſii Monocerologia. Vielleicht iſt nichts daran, aber ich fands im Katalog, ſelten iſt’s, zur Litteraturgeſchichte der Naturgeſchichte gehoͤrts; vielleicht, dacht ich, ſind da alle falſche und wahre Geſchichten geſammelt, aber vergebens. Der Abbe Deſaunays, der ſich auf ſei - nen Stuhl erſtaunend viel einbildet, legte das Billet mit dem Titel erſt lange hin, ich erinnerte ihn, bat ihn mit aller moͤglichen Hoͤflichkeit, erbot mich ſelber die Num - mer im Katalog unter S. aufzuſuchen, aber vergebens. Er ſchickte Buͤcher weg, lies hohlen, ich wartete uͤber ¾. Stunden, und bekam nichts. Wie ich ihn noch ein - mahl bat, ſo that er, als wenn ers dem Bedienten geſagt haͤtte, und die Schuld an dieſem laͤge. Ich fragte den Bedienten, der war, wie ſein Herr, grob, unhoͤflich, da nahm ich Stock und Hut und ging fort, weil mir die Zeit zu lieb war, ſie bei dieſen hoͤflichen Franzoſen zu ver - lieren. Viele Leute waren nicht da, kaum uͤber 7. ſaſſen und excerpirten. Der Abbe Deſaunays iſt ſchon bekannt, daß er den Fremden das zweite und drittemahl ſo begegnet. Hr. Hisgerto, und andern von meinem Fach wars nicht beſſer ergangen. Das Maͤnnchen hat einen Egoiſmus groͤſſer als es ſelber iſt, und die Bedien - ten wiſſen entweder ſeine Maximen ſchon, oder er kan ſie ſelber nicht in der Subordination erhalten. Manſieht181ſieht daraus, daß nicht alles uͤberall wahr iſt, was man von der Lebensart der Franzoſen erzaͤhlt. Es gibt, und nicht nur unterm menu peuple, ſo viele Grobe unter ihnen, als in Teutſchland. Ueberhaupt iſt erſtaunlich viel Schimmer, Windbeutelei und Prale - rei in allen Dingen der Franzoſen. Bei jedem Schritt findet man an allen Bretern angeſchmiert; De par le Roi, Magaſin des Souliers, des Bourſes, des Chevaux etc. Das Wort Bureau brauchen ſie be - ſtaͤndig, da heiſts: Bureau de l’encre, Bureau, òu on ecrit, und das iſt ein hoͤlzerner Kaſten auf der Straſſe, worin oft eine Frau, wenns hoch koͤmmt, ein ſteifgewordener Tanzmeiſter, ein alter Schneider, ein halbblinder Peruckenmacher ſizt, der ſelber nicht ſchrei - ben kan. Weil man mir hier ſo uͤbel begegnet hatte; ſo ging ich von dort weg und beſah

Le Cabinet des Manuſcrits du Roi. Der Garde dieſer Samlung, Mr. Bejot, ein ſchon bejahrter, wuͤrdiger Mann, war in ſeinem Zimmer, und wurde im - mer hoͤflicher, je laͤnger ich mit ihm ſprach. Er ging zwar heute nicht hin, hies mich aber, als ich ihm die immer viel geltende Empfehlung von Herrn D’Auben - ton uͤberreichte, nur ſeinen Namen nennen, und fordern, was ich wollte. Ich fand dieſe erſtaunend zahlreiche Sammlung, deren Wichtigkeit Europa laͤngſt kennt, uͤber dem Kupferſtichkabinet in etlichen langen Saͤlen, und traf einen jungen Mann an, der auſſerordentlich gefaͤllig war, mich uͤberall herumfuͤhrte, und mir zuletzt den ge - druckten Katalog vorlegte. Es ſind 4. ſtarke Folianten, der 1te enthaͤlt die Orientaliſchen, der 2te und 3te die La - teiniſchen, und der 4te die Griechiſchen Handſchriften. M 3Man182Man muͤſte ganze Jahre haben, wenn man alles durchſe - hen wollte. Ich lies mir aus allen Faͤchern welche zei - gen, und zwar: I) Aus den Griechiſchen, N. 2712. Codex Membranaceus, nondum collatus, ausm 13. Jahrh. wo Ariſtoph. Eurip. und Sophoc. enthal - ten waren. Das Pergament iſt dick, aber nicht ſchoͤn. Deſto beſſer iſt die Schwaͤrze, deren Dauerhaftigkeit man bewundern muß. Zwiſchen dem Texte und am Rande waren Noten mit einer rothen Dinte. Es war meiſt leicht zu leſen, doch kamen viele Abbreviaturen vor. II) N. XVII. Codex membran. vom Alt. Teſt. Montfaucon in ſ. Palaeogr Libr. III. p. 186. ſagt von ihm; er ſei der aͤlteſte, den wir haben. Er iſt ganz caractere quadrato geſchrieben. Ich konnte auch uͤberall darin leſen. Es war eine Verſion von den LXX. Ich ſah auch noch einen wuͤrklich hebraͤiſchen Codex in kl. Fol. Vermuthlich iſt er am Ende des 10ten oder am Anfang des 11ten Jahrh. geſchrieben. So was herrliches gibts wohl in Sachen von der Art nicht viel mehr in der Welt. Er iſt auf Pergament, und ſo ſchoͤn geſchrieben, daß man glauben ſollte, er ſei gedruckt, die Karaktere ſind gar ſchoͤn, und in einer vortreflichen Proportion. Man vermuthet mit Recht, daß er fuͤr rei - che Juden, fuͤr einen Mann vom erſten Range geſchrie - ben worden, vermuthlich fuͤr den Rabbi Samuel Levi, der damahls das Haupt der Nation und geheimer (nach einer beiliegenden Nachricht) Staatsſekretaͤr beim Koͤnige von Granada war. Die Genauigkeit des Kopiſten ging ſo weit, daß die kleinen Punkte und Accente mit einer viel ſchwaͤrzern Dinte geſchrieben ſind, als die an - dern Karaktere, damit man ſich im Leſen mit dem Text nicht confundire. Scheint es nicht, daß ſich der richtigeGedanke,183Gedanke, daß die Punkte und Vocalen nicht zur Spra - che gehoͤren, laͤnger ſelbſt unter den Juden erhalten habe, als ein großer Theil unſrer Orientaliſten gemeiniglich glaubt? Die kleine Maſora iſt blos an den Rand, aber ſchoͤn geſchrieben, die groſſe ſteht oben und unten auf jedem Blatte. Vorne ſind koſtbare Malereien; wo ein ander Buch anfaͤngt, da iſt ein bloſſer Abſatz ohne Aufſchrift. Doch bemerkte ich, daß nicht bei allen Buͤchern der Na - me oben geſchrieben iſt, und im Buch der Richter fand ich einige Blaͤtter, wo Jehoſhua, andre wo Scho - phetim, andre wo wieder kein Name ſtand, da hat al - ſo die Genauigkeit des Abſchreibers ein wenig nachgelaſ - ſen. Ich moͤchte wohl wiſſen, wie viel Jahre man da - mahls brauchte, um ſo was Schoͤnes zu ſchreiben? III) Aus den Lateiniſchen. 1) Plinii Hiſt. Nat. aus dem 15. Jahrh. gar ſchoͤn auf Pergament. Der In - halt des Kapitels iſt allemahl mit rother Dinte beige - ſchrieben, und die Anfangsbuchſtaben ſtehen uͤber die Li - nie herausgeruͤckt mit Gold oder andern Farben am Ran - de. Der erſte Buchſtabe von jedem Buche iſt gemahlt. Eine Menge Abbreviaturen ſind darin, man verſteht ſie aber gleich; die großen S. am Ende der Woͤrter ſehen wie die Zahl 5. aus, das verſtellt manches Wort. Vor - ne ſind die beiden Briefe des juͤngern Plinius an den Marcus und Tacitus, und das Leben des Naturfor - ſchers ex Tranquilli (Suetonii ſteht nicht dabei) ca - talogo virorum illuſtrium. Dieſe iſt kurz, enthaͤlt aber die Nachricht, der groſſe Mann habe im Dampf (deficiente aeſtu) ſeinen Sklaven gebeten, nach dem Geruͤcht das damals ging (ut necem ſibi maturaret. ) 2) Plin. Hiſt. Nat. aus dem 9ten Jahrh. da war ich ſehr begierig. Allein dieſer Codex war gradeM 4ausge -184ausgeliehen, wie man ſagte; man gab mir aber den, der gleich im Katalog darauf folgt, und nicht viel juͤnger iſt, nehmlich aus dem 11ten Jahrh. Es iſt aber nur ein Stuͤck vom L. 14. L. 24. auch auf Pergament, ſehr leſerlich, aber oft enger, oft weiter geſchrieben. In eini - gen Blaͤttern ſind ſchadhafte Stellen, runde Loͤcher. Man muß uͤber die Schwaͤrze, die das Buch jetzt noch hat, billig erſtaunen. IV) Malabariſche und viele arabiſche Handſchriften in blauen Papp-Kaſten auf Baumblaͤttern und Rinden. Von dieſen viele ſchoͤne Korane, Cod. bombycini zum Theil ꝛc.

L’Ouvrage des Tapiſſeries aux Gobelins. Um dieſe ſo vortrefliche Arbeit machen zu ſehen, ging ich heute dahinaus, und ſah in langen Stuben erſt

a) Haute-lice machen. Es ſind Maͤnner und Weiber, welche arbeiten. Die ganze Sache hat viel Aehnliches mit dem Weberſtuhl, und mit dem Kloͤppel - kuͤſſen der Frauenzimmer bei uns. Das Deſſein wird ihnen nur auf Wachstuch gemahlt hingegeben, der Kerl ſitzt zwiſchen 2. Maſchinen; von deren vordern Balken gehen eine Menge wollne Faͤden herab, die ſind ſtraff an - geſpannt; und unten, ſo wie ein Stuͤck gewuͤrkt iſt, rollt man’s auf eine Welle auf. Dieſe Faͤden ſind gleichſam der Zeddel auf der aͤuſſern Seite, nicht da, wo der Arbei - ter ſitzt, iſt das Bild blos mit einer Kohle ſchlecht vorge - riſſen. Nun ſitzt er hinten und hat eine Menge hoͤlzer - ner Spulen, auf denen Wolle oder Faden von Seide von allen moͤglichen Farben aufgewickelt ſind, neben ſich, knuͤpft von denen an, welche und ſo viel, als er braucht, und wirft ſie nun eben ſo untereinander, wie das Kloͤppel - maͤdchen ihre kleine Kloͤppel am Kloͤppelkuͤſſen. Er ziehtden185den Faden, bald den, bald jenen, zwiſchen den herabge - henden Faͤden, bald da bald dort durch; das iſt gleich - ſam der Eintrag, oder ſo entſtehen Maſchen, die er alle nach den durchſcheinenden ſchwarzen Strichen macht, und ordnet. Auf das hinter ihm haͤngende Bild ſieht er nur, wenn er die rechte Nuͤance der Farbe waͤhlen will. Die Maſchen druͤckt er mit dem vorne zugeſpitzten Ende des Kloͤppels feſt aneinander. Einige haben auch dop - pelte Kaͤmme von Bein ꝛc. Ich ſah an einem Pfauen - ſchweif arbeiten, an einem Kopf, an Blumen ꝛc. es geht geſchwind, bis aber ein kenntbares Ganzes herauskomt, waͤhrts doch lange. Damit ſich das Stuͤck unter der Ar - beit nicht beſchmutze, oder ſchwaͤrze; ſo wird gleich uͤber ein Geſicht ꝛc. ein Lappen Zeug angeheftet, der herabfaͤllt, und es bedeckt, wenn weiter hinauf die Hand des Arbei - ters beſtaͤndig darauf herumfaͤhrt. Ich hatte Stuͤcke von Goldfaͤden geſehen, und fragte auch darnach, wie ich die halbſeidne Arbeit ſah: On ne fait pas encore cela, ſagte man, ça coute trop, et ſe noircit. Die Farben mit der Seide ſind eben ſo ſchoͤn. Ich fragte nach dem Preis, man ſagte: die Quadratelle von Wolle und Seidentapeten koſte 500. Livres. Der Koͤnig macht Geſchenke damit. Die Koͤnigin hat dem Kaiſer alle Stuͤcke geſchenkt ꝛc.

b) Baſſe-Lice. Ich ſah das noch fuͤr weit kuͤnſt - licher an, wenn ich gleich wenig davon ſagen kan. Da iſt gar keine Maſchine, kein Stuhl, ſondern nur aufge - ſpannte Rahmen in gewoͤhnlichen Tiſchen, daran die Faͤ - den feſt ſind. Das Gemaͤlde liegt unter dem werdenden Stuͤcke. Der Kerl legt ſich uͤber den Tiſch hin; es ſcheint ihm durch. Alle Kloͤppel hat er vor ſich, wirftM 5ſie186ſie untereinander, ſchaft dadurch das Stuͤck, wiewohl das, was man ſieht, was er unter den Haͤnden hat, die untre falſche Seite iſt, wo eine Menge Reſte von Faͤden anhaͤngen. Man wundert ſich, wie ſo ſchoͤne Stuͤcke ſo ſimpel entſtehen koͤnnen. Von da beſucht ich

Le Chateau Royal de Bicêtre. Es liegt eine kleine halbe Stunde vor der Stadt uͤber den kleinen Bou - levard, einem ſchoͤnen Spaziergange, wo nicht immer ein Denken - und Fuͤhlen-verſcheuchendes Getoͤſe, wie auf den groſſen iſt. Durch ſchoͤne Fruchtfelder und bei einer Menge Windmuͤhlen vorbei, koͤmmt man an dieſes Gebaͤude, das Narren-Zucht - und Arbeits - haus zugleich iſt. Es iſt helle, geraͤumig, und hat ſchoͤne breite Gaͤnge, einen gepflaſterten mit Hallen einge - faßten Hof, eine eigne groſſe Kirche, eine Kapelle, ein unterirdiſches Gefaͤngnis ꝛc. Beim Eingang iſt erſt kuͤrzlich ein eignes Gebaͤude erbauet worden, fuͤr die von der geilen Seuche angeſteckte Weibsperſonen, und es iſt beſtaͤndig mit Perſonen von dieſem Schrot und Korn an - gefuͤllt. Auf der einen Seite findet man Penſionaͤrs, ein ganzes Haus durch alle Stockwerke voll; dies ſind mauvais ſujets, oft aus den vornehmſten Familien, die zur Strafe hierher gethan werden. Die ſittenloſen Kerle ſchreien und raſen den ganzen Tag, ſonderlich ſo - bald ſie Fremde ſehen: ſie wetten mit einander, wie viel es ſeyn, ob einer werde da bleiben muͤſſen, rufen einander uͤber die Daͤcher zu, haben Spiegel, und blenden einan - der; es iſt ein Geſchrei, daß man ſich unten ſelbſt nicht mehr verſteht. Sie ſingen und pfeiffen ihre Lieblingslie - der, und die Aufſeher erlauben ihnen das alles, weil ſie ſonſt keinen Troſt, keine Zerſtreuung haben, und die Zucht -meiſter187meiſter ſonſt beſtaͤndig pruͤgeln muͤſten. Da ſieht man recht, daß Strafen die Unmenſchen nicht beſſer machen! Aber es waͤre auch eine Aufgabe fuͤr unſre Staatskluͤgler, Mittel auszudenken, wodurch man ſolche verderbte Juͤng - linge auf eine nuͤtzliche Art beſchaͤftigen koͤnnte. Denn ſo wie der Muͤßiggang der erſte Anfang ihrer Thorheiten war, ſo werden ſie hier durch eine ewige Unthaͤtigkeit vol - lends verdorben. Die Leidenſchaften ſchweigen nicht, die boͤſen Fertigkeiten bekommen keine andre Richtung, und die rege, und durch den Mangel noch mehr erhitzte, Phanta - ſie zeigt ihnen beſtaͤndig in ihrem Zauberſpiegel die taͤu - ſchenden Freuden, die ſie gemißbraucht haben. Man findet auch viele Kruͤppel, Lahme, Arme ꝛc. viele Ver - brecher, welche die Polizei hierher geſchickt hat. In der andern Haͤlfte des Hofs ſieht man hinter etlichen Thuͤren eine Menge Narren und Verruͤckte, die ſo klaͤglich unter einander laufen, ſchreien, lachen, ſich beſchmutzen ꝛc. daß mans ohne Mitleiden nicht anſehen kan! Gott im Him - mel! von wie vielen Scenen des menſchlichen Elends am Leib und an der Seele war ich in dieſem einzigen Gebaͤude Zeuge! So lange ein Paris in der Welt iſt, muß es freilich auch ein Bicetre geben: das iſt ein nothwendi - ges Uebel, welches an dieſer Stadt haͤngt. Aber das gefiel mir nicht, daß ſo viele Narren beiſammen in Ei - nem Gemache ſind, und einander noch verwirrter ma - chen. Moͤchte doch einmahl ein Reicher ein anſehnliches Kapital zur Unterhaltung gewiſſer Maͤnner es muͤſten ja eben nicht Candidati Theologiae ſeyn ausſetzen, die Pſychologie, Diaͤtetik, Weltkenntniß, Moral und Menſchenliebe ſtudieren, und ſich ſodann dem ſchweren, aber gewiß Verdienſtvollen Geſchaͤft widmen wollten, an Verruͤkten einen Verſuch zu machen, ob ſie nicht durcheinen188einen beſtaͤndigen Umgang mit dieſen Ungluͤcklichen, durch geduldiges und ernſthaftes Anhoͤren und Beantwor - ten ihrer Zweifel, Grillen, Fragen, durch vaͤterliche Ruͤckſicht auf alle ihre Beduͤrfniſſe und Aengſtlichkeiten, zuweilen auch durch ſorgfaͤltige Vermeidung der Einſam - keit hier und da einen Halbvernuͤnftigen wieder zum nuͤtz - lichen Gliede der menſchlichen Geſellſchaft umſchaffen koͤnn - ten. Herkuliſche Arbeit waͤrs freilich, mit ſolchen Leuten umzugehen, aber, nach einigen Erfahrungen zu urtheilen, duͤrfte mein Vorſchlag nicht ohne fruchtbaren Erfolg ſeyn. Kan mans ohne Jammer anſehen, wie einige, wie Ty - ger, in die Kette beiſſen, die ſie druͤckt, wie andre ſtill ſi - tzen, in ſich ſelbſt zuruͤckgezogen und jammern, im Kum - mer verſinken wollen ꝛc. Freilich iſts nur eine ein - gebildete Laſt, die ſie druͤckt, aber doch muß ſie den Elenden unſaͤglich ſchwer auf dem Herzen liegen. Zum Theil lernen die Zuͤchtlinge feine Stroharbeiten ma - chen, die ſie den Fremden am Fenſter verkaufen, Buͤch - ſen, Flacons, Doſen mit Silber und Gold, Arbeiten, die 30. 40. Sous werth ſind, und in der Stadt theurer verkauft werden. Man wies mir in der Kapelle ein Ge - maͤlde, das einer von den Gefangnen gemacht hat. Der vorige Dauphin liegt krank im Bett, die Biſchoͤffe ſtehen ſchon mit den Kerzen vor ſeinen Lager, und ſich mahlte der arme Kerl ſelber zu den Fuͤſſen des Dauphins hin auf den Knien um Gnade flehend, die Feſſeln haͤngen ihm am Fuſſe. Es iſt recht artig gemacht, der Burſche ſtarb aber 6. Wochen, nachdem es fertig war. Jetzt waren 4500. Menſchen hier. Ihre Uniform iſt ein ſchmutzig - graues Kleid. Es liegen alte Soldaten zur Wache da - rin. Eine der groͤſten Merkwuͤrdigkeiten iſt der Brun - nen. Es iſt Quellwaſſer, und hat eine erſchreckliche Tie -fe,189fe, uͤber 100. T[o]iſen. Hineingeſchuͤttetes Waſſer fiel erſt nach einer halben Minute hinab; 4. Pferde darneben trei - ben Tag und Nacht die Maſchine; ſie iſt ſo eingerichtet, daß, indem an den Ketten ein Eimer heraufkoͤmmt, ſich der andre unten anfuͤllt. Die Eimer ſind gros, und ha - ben im Boden 3. ausgeſchnittene Kegel, wie an den Pum - pen, das Waſſer ſtoͤßt dieſe auf, dringt hinein und ſtoͤßt ſie ſelber zu. Koͤmmt der Eimer zum Behaͤltnis herauf, ſo faßt ihn ein groſſer eiſerner Haken, hebt ihn ganz in die Hoͤhe, daß alles bis auf den letzten Tropfen heraus - faͤllt. Das iſt eine herrliche Einrichtung. Das Be - haͤltnis iſt ein wahrer See, in einem praͤchtigen wieder - hallenden Gewoͤlbe, worin aber das Waſſer ganz gruͤn ausſieht. Aus dieſem flieſt es unten durch eine Roͤhre ins Haus, und vertheilt ſich nach allen Gegenden des Schloſ - ſes, ſo daß es nirgends darf hingetragen werden. Die - ſe Einrichtung gefiel mir ungemein, auch wegen der vie - len Boͤſewichter und Narren ꝛc. Tiefe, Maas, und alle Zahlen von dem Brunnen ſind auf einem gedruck - ten Zettel, den ich aber von dem Kerl zu fordern unter dem wilden Geſchrei der Koſtgaͤnger vergas.

Den 10ten Jun.

Le Cabinet des Medailles du Roi. In eben dem Gebaͤude, wo Buͤcher, Handſchriften und Kupfer - ſtiche ſind, ſteht auch in einem groſſen Saal dieſe koſtba - re Sammlung. Der jetzige Garde, der Abbe Barthe - lemy, iſt ein ſehr belebter, hoͤflicher Mann, der mich auf meines lieben D’Aubenton’s vielgeltende Empfeh - lung allein zu ſeinen Muͤnzen fuͤhrte. Sie ſtanden in 5. 6. gelb angeſtrichnen Kaͤſten, die auf Tiſchen ſtehen,die190die inwendig eine Menge Faͤcher und Bretchen hatten. In dieſen waren runde Loͤcher, darin lag der Zettel, und auf jedem die Muͤnze. Weil ich ſchon roͤmiſche Silber - muͤnzen genug geſehen hatte, ſo gingen wir daran faſt ganz vorbei. Das Wichtigſte von dem, was ich geſehen, war I) Goldne Muͤnzen; ganze Suiten von Kaiſern, vom Jul. Caͤſar an bis ins 4te Jahrh. Man ſieht ſehr deutlich an den Stempeln, wie die Kunſt bald ge - ſtiegen, bald geſunken iſt. Auch vom Lepidus, Pom - pejus, Brutus, ſind welche da. Auf der rechten Sei - te ſind meiſt Koͤpfe, auf der Kehrſeite Tempel, Goͤttin - nen, Opferthiere, Kronen ꝛc. Ich fand a) vom Au - guſt eine Muͤnze auf die Erobrung von Egypten. Die - ſes Land iſt durch ein Crocodil vorgeſtellt. b) Von eben demſelben eine andre, worauf ein Krebs einen Schmet - terling mit den Scheeren faßt, daß er nicht mehr fort - fliegen kan, weil der Wahlſpruch des Kaiſers war: Fe - ſtina lente. c) vom Nero, eine mit geſchloſſenem Janustempel. d) Von der Domitilla, Veſpa - ſian’s Gemahlin. e) Veſpaſian und Domitilla, nebeneinander. *)Wo 2. Koͤpfe ſind, da ſind ſie entweder gegen einan - der gekehrt, oder ſie ſehen hinter und nebeneinander vor.f) Von der Julia, des Titus Tochter. g) Von der Domitia, Domitian’s Ge - mahlin, und auf dem Revers ein kleines Kind zwiſchen Sternen, das fruͤh ſtarb. h) Adrian mit den Um - ſchriften von den Provinzen, wo er oft war, Aſien, Afri - ka. i) Vom Trajan und ſeiner Gemahlin Plotina. k) Mark. Aurel. Anton. ein ſchoͤnes Geſicht, das Geſicht eines großen Mannes, dem ich von Herzen gutbin.191bin. Es iſt eine Muͤnze von ihm da, nach ſeinem Tode, worauf Div. Marc. Aur. Ant. ſteht; auf der andern Seite iſt der Rogus, wo ſeine depouille mortelle verbrannt wurde. Auguſtin, der Vater des ſchreckli - chen Satzes, ſplendida peccata, haͤtt ihm wohl dieſe Muͤnze nicht ſchlagen laſſen. Dieſe Muͤnzen ſind alle nicht voͤllig ſo gros, wie unſre Dukaten; etwa ſo wie ein Goldgulden, aber viel dicker und ſchwerer. Es ſind aber auch gar viele kleine halbe da, die nannte Barthe - lemy Guine’en und dieſe waren gar niedlich. II) Von Griechiſchen Kaiſern aus Konſtantinopel. Zwar auch goldne Muͤnzen, aber viel ſchlechter; mit grober Zeichnung, ſelbſt vom Michael, von den Leonen ꝛc. III) Medaillen von Roͤmiſchen Kaiſern, die ſie zum Austheilen ſchlagen lieſſen, gros und herrlich; man wuͤrde viele von den unſrigen kaum unterſcheiden koͤnnen. Viele ſind mit der Goͤttin der Freiheit geziert. Vom Juſtinian iſt eine da, die eine kleine Platte vorſtellt, gar ſchwer. IV) Griechiſche Muͤnzen, von Silber, aber ſchlecht gearbeitet, und dick, plump; a) die von Athen haben die Minerva oder Pallas auf der einen, und eine Eule, Noctuam Athenas auf der andern Seite. b) Die vom Philipp ſind um vieles ſchlechter, als die von Alexander dem Gr. V) Juͤ - diſche Muͤnzen, von Jonathan, vom loͤblichen Fuͤrſt Simeon, von den Heroden ꝛc. VI) Eine egypti - ſche Muͤnze, die man unter der Zunge einer Mumie ge - funden hat. Sie iſt von Gold, hat eine elliptiſche Ge - ſtalt, mit Seitenſtrichen, ohne alle Karaktere, ſtellt ein Goldblech vor, iſt aus den aͤlteſten Zeiten der Gelderfin - dung; die Zeichnung ſieht aus, wie die Saamenreihen auf dem Filix polypod. mas L. Sie iſt etwa ſo dickwie192wie duͤnn geſchlagenes Blech, laͤßt ſich aber doch nicht ſonderlich biegen. Wenn Charon lauter ſolche Obo - los bekam; ſo haͤtt er ſich ſchon lange einen neuen Rock und ein neues Schifchen anſchaffen koͤnnen. So ganz Unrecht haben alſo die Tuͤrken doch nicht, daß ſie keine Mumien mehr noch Europa laſſen wollen, weil dieſe oft Geld bei ſich haben ſollen. VII) Goldne Franzoͤſi - ſche Medaillen. Von Henri IV. mit ſeiner Ge - mahlin von Medicis; damals trugen noch alle Manns - leute ihren Bart. Vom Kardinal Richelien, deſſen Kopfputz etwa ſo ausſieht, wie jetzt ein ſtark abgeſchabter Bauerhut. Von Ludwig dem 1[4]ten hat man 318. Muͤnzen, viele von Gold und erſtaunlich gros, aber die groͤſte iſt hohl; ſeine Vermaͤhlung mit der Anne d Au - triche; ſeine Einnahme von Duͤnkirchen; der Ein - zug der Koͤnigin in Paris, wo ein Genius Kutſcher iſt, und ſie mit dem Scepter da ſitzt; die Geburt des Dau - phins, wo alle Zeichen des Thierkreiſes ausgedrukt ſind; eine goldne Muͤnze daruͤber, wie Louis XIV. einmahl in Verſailles ſeine Musquetiers kommandirte. Man denke nur, wie unerhoͤrt, wie hoͤchſt wichtig dieſe an ſich unbedeutende Sache fuͤr die Franzmaͤnner war! Gleich muſte eine Muͤnze drauf geſchlagen werden, da - mit ja die Welt nicht um das Andenken der unſterblichen That kaͤme! Als ich dieſe und andre Vergoͤtterungen die - ſes Koͤnigs ſah, deſſen ſchreckliche Heere die Pfalz und mein Vaterland ſo jaͤmmerlich verheerten, da er - wachte allemahl deutſcher Sinn, deutſches Gefuͤhl in mir. Ueberall und auch uͤber dieſem Schranke haͤngt ſein Bildnis. Eine Muͤnze ſah ich noch von der Anne d Autriche, wo Val de Grace darauf ſteht ꝛc. VIII) Eine falſche Muͤnze, aus den Zeiten der Roͤmer, diedamals193damals ſchon gemacht ward. Ein Beweis, daß die Welt nicht alle Tage ſchlimmer wird. Es iſt vergoldete Bronze, an einer Seite angebrochen ꝛc. Als wir eben die paͤbſtlichen Muͤnzen, nach denen ich gefragt hatte, nachſehen wolten, ward mein gefaͤlliger Abbe abgerufen. Er muſte fortgehen, und ſo verlor ich dieſe Gelegenheit. Ich ging hierauf zum

Cabinet d’Eſtampes du Roi zuruͤck, und fuhr da fort, (S. d. 6. Jun.) die vornehmſten Werke jeder Nation durchzuſehen; forderte alſo IV) von den Teut - ſchen, Albert Duͤrers und Rubens Werke. Des lez - tern Kupferſtiche nach ſeinen Malereien fuͤllen 5. groſſe Folianten. Ich bewunderte eine Menge herrlicher Blaͤt - ter, doch hat er ſehr viel katholiſche Sujets behandelt. V) Von den Engellaͤndern wolt ich L’Oeuvre de Hogarth ſehen, aber Mr. Joly geſtand, daß ers ſelber noch nicht habe. VI) Les Animaux en Migniatu - re, illuminirt, auf halben Bogen von Pergament. Die meiſten ſind von Aubriet und von der Dem. Baſſepor - te, die Kunſt iſt herrlich, die Natur iſt aber nicht uͤber - all treu nachgeahmt; es ſind vierfuͤſſige Thiere, Voͤgel, Eidechſen, Schlangen, Inſekten und Conchylien vorge - ſtellt. Man ergoͤtzt das Auge, man lockt alle Leute mit dieſen Folianten zu ſich, aber man lernt nichts. Die Namen ſind entſetzlich verdorben und aͤuſſerſt falſch ge - waͤhlt, ſonderlich die lateiniſchen. Von der Dem. Baſ - ſeporte war ein groſſer Bezoar gemahlt, alle Nuͤancen ſind darin ausgedruͤckt. Er ſieht wie eine Erdkugel, wie eine Landcharte von weitem aus. Ich beſah hier - auf

Le Mauſolée de Guill. Franç. Joly de Fleu - ry. Das iſt, was mir unter allen Grabmaͤhlern undNverbli -194verblichenen Gemaͤlden in der Kirche St. André des Arts am beſten gefallen hat. Eine Inſchrift auf einem weiſſen, ſchwarz bandirten Marmor, in welcher unter andern die ſchoͤnen Worte vorkommen: Avitae tenui - tatis aemulator ſeverus, laborem aſſiduum prece interpungebat. Oben liegt eine weibliche Fi - gur mit geſchloſſenen Augen und mit dem Kopfe unter der linken Hand, in Traurigkeit verſunken. Seine Frau und Kinder habens ihm ſetzen laſſen. Mein letztes Ge - ſchaͤft von heute war, daß ich noch

Le Diſcours botanique de Mr. Juſſieu abwar - tete. Dieſe erſte Sommer-Vorleſung geſchah im Am - phitheater. Dies iſt ein elendes Auditorium, ein Platz, wo viele chymiſche Gefaͤſſe ſtanden, weil Macquer ſeine Chymie auch darin lieſt. Der Lehrer hatte ein ſchlechtes hoͤlzernes Tiſchchen und ſo einen elenden Stuhl, wie kaum bei uns in einer Dorfſchule der Schulmeiſter hat. In halben Zirkeln um ihn herum war Platz genug fuͤr die Zu - hoͤrer, aber enge, gefaͤhrliche Treppen, 6 kleine Fenſter, kleine Pulte, uͤberhaupt alles ſehr eng ꝛc. Um 4. Uhr ſollte die Vorleſung angehen und um 5. Uhr auf hoͤren, aber Juſſieu kam erſt um halb 5. und las dann fort bis 6. Uhr. So iſt alles in Paris, nichts geſchieht zu rechter Zeit und in der Ordnung. Darunter leidet der Fremde, dem die Zeit koſtbar iſt, gewaltig. Die Thuͤ - re ward erſt um 4. geoͤfnet, und dann wurden innen und auſſen Wachen geſtellt. Man empfing die Frauenzim - mer, die auch herein kamen, mit einem hoͤhniſchen Ge - klatſche. Das haͤtt ich in Paris nicht erwartet! Einige verdroß es, andre aber klatſchten mit. Es ka - men Leute aller Art, eine Menge Abbe’s, Chymiſten,Wund -195Wundaͤrzte, Mediciner ꝛc. aber von Stande ſah ich kei - nen. Die Wache ging vor dem Profeſſor her, wie er kam, und das Auditorium empfing ihn, wie den Akteur in der Komoͤdie, mit Haͤndeklatſchen, man klaſchte auch, wie er aufhoͤrte zu ſprechen. Juſſieu hatte einen Kirchenrock an, mit einem Handbreiten Kra - gen, und trug auf der linken Schulter einen langen Strei - fen rothgeſticktes Tuch mit weiſſen Spitzen und Quaſten am Ende. Vermuthlich eine alte Univerſitaͤtstracht, welche die ſonſt ſo modiſche Nation beibehalten hat. Er las uͤber die Phyſiologie der Pflanzen, und uͤber das Sy - ſtem in der Botanik. Schoͤnes, flieſſendes, uͤberall verſtaͤndliches, leichtes Franzoͤſiſch ſprach er, ſaß aber hinter ſeinem mit Blumen bedeckten Tiſch ohne Bewe - gung, als zuweilen mit dem Kopfe, hatte ſeinen auch alt - modiſchen Fakultaͤtshut in der Hand, las viel aus dem Hefte, und wenn er auch eine Pflanze in die Haͤnde nahm, ſo ſahen wir in den vorderſten Reihen ſie wohl, aber die hintern nicht. Die Demonſtratores ſaſſen ne - ben ihm. Erſt behauptete er: zur Botanik gehoͤre auch die Kenntnis der Kraͤfte der Pflanzen, man muͤſſe dies nicht trennen, und zur Medicin rechnen. Dann kam er auf die Begriffe von Mineral Vegetal Animal. Die Mineralien koͤnnten, ſagte er, nur zeugen, wenn man ſie ganz zerlegte. Pflanzen und Thiere hingegen blieben ganz, und gaͤben bei der Fort - pflanzung nur einen kleinen Theil von ſich. Hier lief auch eine kleine Unrichtigkeit mit ein. Weil den Mi - neralien, meinte er, gewiſſe Organen, naͤmlich die Ner - ven fehlten, ſo haͤtten ſie weder Reizbarkeit, (Irrita - bilité,) noch Empfindlichkeit (Senſibilité). Als wenn Haller nicht bewieſen haͤtte, daß der Sitz der Reiz -N 2barkeit196barkeit nicht in den Nerven, ſondern daß ſeine Irritabi - litaͤt eine Eigenſchaft der Faſer iſt und daß ein Theil reiz - bar und doch nicht empfindlich, und ein andrer empfind - lich und doch nicht reizbar ſeyn kan! Bei den Thei - len der Pflanze unterſchied er nur das Mark, das Holz und die Rinde, den Splint (aubier) vergas er. Bei der Rinde machte er die Anmerkung, dies waͤre der einzi - ge Theil an der Pflanze, der auf der einen Seite immer trocken ſei, weil er beſtaͤndig der Luft ausgeſetzt ſei. Das war das einzige Neue, was ich gehoͤrt habe; und doch ſcheints mir nicht allgemein wahr zu ſeyn. Die Pflanzen, die viel Druͤſen und Haͤrchen haben, ſind auch oft auſſen feucht. Wo der Blumenkelch fehle, ſei al - lemahl etwas anders da, z. B. Gluma, Spatha, oder ſonſt ſo was: aber bei der Tuipe und dem Maibluͤm - chen erinnere ich mich wenigſtens nicht, je was anders geſehen zu haben. Bei den Blaͤttern erzaͤhlte er Bon - net’s Verſuche von den pores abſorbans à ſurface inferieure und pores exhalans à ſurface ſupe - rieure. Er nahm eine Art von Kreislauf bei den Pflan - zen an, aber ob’s eben derſelbige Saft, qui monte et qui deſcend, und ob’s in denſelben, oder in verſchiede - nen Gefaͤſſen geſchehe, das habe noch nicht ausgemacht werden koͤnnen. Von den vielen deutſchen und engliſchen Verſuchen, die das Gegentheil auſſer allen Zweifel ſetzen, wuſte er alſo nichts. Er ſprach auch uͤber die Geſchwin - digkeit, womit der Saft ſteigt,*)In dem Garten an meinem Hauſe iſt im Sommer 1779. eine Sonnenblume in 4. Tagen eine Spanne lang gewachſen. entſchied aber nicht, ob’s durch innere Attraktion oder Cohaͤſion, oder durchaͤuſſern197aͤuſſern Druck geſchehe. Dann ſprach er von der Ver - ſchiedenheit aller dieſer Theile, wobei er aber die lateini - ſchen Woͤrter aus der Philoſ. botan. L. zum Lachen elend ausſprach. Dann kam er auf das Syſtem, und gab Buffon die Ehre, daß er zuerſt den Begrif, daß eine Species eine fortdauernde Reihe von Etres, qui ſe produiſent, ſei, erfunden haͤtte: wieder ein Beweis von der Franzoſen Unbekanntſchaft mit der Litteratur der Auslaͤnder. Von da, denn viele Ordnung hatte er nicht, ſprang er wieder zuruͤck auf die Verrichtungen der Pflanzen, verglich die Entſtehungsart der Saamen - kerne und der Keime mit dem Ei und ſeinen Beſtandthei - len, und bemerkte uͤberhaupt, daß die Abnahme aller or - ganiſirten und lebendigen Weſen vom Uebergewicht der feſten Theile entſtehe. In der Geſchichte der Entdeckung des doppelten Geſchlechts im Pflanzenreich nannte er mit Recht Camerarius, Vaillant, Linne. Von Tour - nefort geſtand er aufrichtig, daß er die Etamines nur fuͤr tuyaux excretoires de l’humeur abundante gehalten habe, und aller Theile der Bluͤte wahren Nu - tzen nicht gekannt habe. Er erzaͤhlte weitlaͤuftig alle Klaſſen und Abſchnitte in Tournefort’s Syſtem, und nachher eben ſo alle Klaſſen im Linne’iſchen. Den Vortheil, den ich bei meinem Unterricht wichtig und un - ſchaͤtzbar finde und vom großen Puͤtter in Goͤttingen ſo oft empfohlen gehoͤrt und genutzt geſehen habe, den Vortheil, den die Zuhoͤrer davon haben, wenn Einthei - lungen, die bei einer ganzen und beſonders bei einer weit - laͤuftigen Wiſſenſchaft zum Grunde liegen, in eine Ta - belle gebracht und ſo dem Auge zur ſchnellen und deutli - chen Ueberſicht des Ganzen dargeboten werden; die - ſen Vortheil kennen die franzoͤſiſchen Lehrer nicht. DraufN 3verglich198verglich er beide Syſteme, tadelte die Unbeſtaͤndigkeit an Tournefort, daß er ſelbſt von ſeinem aufgeſtellten Prin - zipium abgewichen ſei, lobte aber, daß er nicht ſo viel wie Linne die Namen der Alten verlaſſen haͤtte. Am Linne lobte er die Praͤciſion, die ſich gleichbleibende Be - ſtimmtheit, die Feſtſtellung der Trivialnamen, die er auch gegen Haller in Schutz nahm, tadelte aber, daß er ſich zu ſehr vom Ordre naturel entſernt und ſo un - gleiche Pflanzen, nur um ſein Syſtem zu errichten, zu - ſammengeordnet haͤtte, es ſei deswegen inferieur du Syſteme de M. Tournefort &c. Ein Tadel, der ſchon ſo oft beantwortet iſt, und den ich von Juſſieu wahrhaftig nicht erwartet haͤtte. Er nannte z. B. die Pentandria, wo Solanum mit vielen andern ganz ent - fernten Pflanzen in einer Klaſſe ſtuͤnde. Das glaub ich, kan man ſagen: Tournefort’s Klaſſe fleurs à fleu - rons, fleurs à demifleurons, und fleurs radiés iſt natuͤrlicher und leichter, als Linne’s Syngeneſie.

Den 11ten Jun.

Le Tableau de la Madelcine par le Brun, in der vierten Kapelle der Kirche des Carmel. Rue St. Jacq. Fauxbourg St. Jacques. Ein vortrefliches Stuͤck. Sie ſteht nur im Hauskleide da, das rothe Oberkleid haͤngt auf der linken Schulter herrlich gemacht herab, im blauen Unterkleid iſt ſie oben nachlaͤſſig zuge - ſchnuͤrt, die Haare haͤngen vom Kopf herab, und das iſt eben nebſt dem Geſicht das Meiſterſtuͤck davon. Sie ſcheint zu beten, iſt voll Andacht. Das Evangelienbuch vor dem ſie halb kniet, liegt zu ihren Fuͤſſen aufgeſchla - gen, darneben ſind etliche Schaafe, Spindel und Rocken,und199und Hausſchluͤſſel darneben, aber die feinſte Zeichnung, und das waͤrmſte Kolorit.

La Statue du Card. Beroulle ſieht man auch in dieſer Kirche. Sie iſt von weiſſem Alabaſter, kniend mit dem Kardinalshute in der Hand. Falten, Stickereien unten am Gewande, die Kleidung am Hals, die Mine der Andacht, die geſchloſſenen Augen, die Runzeln des Alters im Geſicht; alles iſt herrlich ausgefuͤhrt. Die Figur iſt gegen ein Gemaͤlde von der Mutter Gottes ge - wendet, das auch alle nur moͤgliche Schoͤnheiten enthaͤlt. Nur unten zu ihren Fuͤſſen liegt ein offen Juwelenkaͤſt - chen, mit vielen Kleinodien das hatte ſie nun wohl nicht. In einer Kapelle weiter oben in der nehmli - chen Kirche haͤngt auch ein koſtbares Gemaͤlde von Phil. de Champagne. Es ſtellt vor, wie der Engel dem Joſeph im Traume erſcheint.

Le Monument de M. de la Peyronnie. Er war Leibchirurgus des Koͤnigs, und ſtarb 1747. Es be - findet ſich in der Kirche St. Come, Rue des Corde - liers. Im Vorbeigehen kan mans mitnehmen. Sein Kopf ſieht ehrwuͤrdig aus. Die Inſchrift iſt auch nicht zu ſehr panegyriſch. Ich ging drauf wieder ins

Cabinet de l’Hiſt. Nat. du Roi wo ich das Vier - te Zimmer durchzuſehen hatte. Ich beſah daſelbſt

  • I) Rechter Hand, beim Eingang, gerade hinab
    • A) Bis in die Mitte, die obre Haͤlfte. Thiere, Quadrupeda ausgeſtopft.
      *)Den 4. Jul. waren darunter Mumien, Mann und Weib, von der Juſel Teneriffa rangirt worden. Sie waren ſehr ſchoͤn, aber nicht gros.
      *)Amphib. und Fiſche,N 4alle200alle in groſſen Zuckerglaͤſern und an Schnuͤren in Wein - geiſt.
      • I) Erſte Tablette,
        • 1) Eine Gazelle, oben gelbbraun, unten weis, oben auch hinten weis, desgleichen am Anus. Der Kopf, klein, groſſe Ohren, ein artiger Schwanz, ſchwarze fingerslange gedrehte Hoͤrner; un joli animal.
        • 2) Foetus, von Affen, Singe à Selle 1749. Lapin au poil de Lievre.
        • 3) Foet. de Hippopot. Der Kopf iſt ſchon ſehr breit, die Augen ſtehen Fingerslang von einander, die Zunge liegt zwiſchen den Kinnladen, an beiden Kinnladen ſieht man viele Warzen, aus denen nach - her vermuthlich Haare ſproſſen, die hornigen Zehen ſind ſchon ſehr breit. Das Alter war nicht angegeben.
        • 4) Crocodile. Das Ey grau, nicht ſo gros, aber laͤnger als ein Gansei. Aus Amerika, klein, aufm Ruͤcken ſtehen ſtachlichte Schuppen hinaus. Des grand Indes, die Augen ſtehen wohl eine halbe Elle von der Spitze der beiden Kiefern weg, die ſchmal aus - laufen und mit vielen ſcharfen, alternatim poſitis dentibus beſetzt ſind.
        • 5) Schlangen, von allen Arten, duͤnne und dicke; die meiſten waren ganz weis. Depouille du Ser - pent, einige hatten Stacheln zwiſchen den Schuppen. Eier, braun, oval. Darzwiſchen wieder ein Bupre - ſtis!! Ceraſte Vipere cornue d Egypte 2. Stuͤ - cke, und beide hatten wuͤrklich uͤber dem Auge gra - de hinaus 2. natuͤrliche ſcharfe ¼ Zoll groſſe Stacheln ſtehen. Serp. 201
          • Serp. Imperial, ohne Ortsangabe, weis mit In - fuln, die einen braunen Umkreis haben. Sonnets, Crochets, Serp. Dieu des Negres, iſt aber nicht Boa conſtrictor. Serp. Tygre wegen der Fle - cken. Eine aus Amerika hatte von Diſtanz zu Di - ſtanz um den weiſſen Leib 2. braune Baͤnder.
      • II) Zweite Tablette. Viele Misgeburten von Ka - tzen, Hunden, Haſen, mit 2. Koͤpfen, 2. Leibern, 4. Ohren, 6. Fuͤſſen.
        • a) Beutelthier; mit den Jungen im Beutel, man konnte aber nichts genau ſehen.
        • b) Hermine de Siberie, weis, mit fuchsrothen Haaren am Schwanz.
        • c) Foetus von fliegenden Eidechſen und Eichhoͤrn - chen von Manis und Armadill (die Furchen der Schuppen ſah man ſchon). Ferner von Camaͤleo - nen.
        • d) Camaͤleons. Einige haben in der Mitte des Bauchs, andre an der Seite eine Reihe aufrechtſte - hender Schuppen.
      • III) Dritte Tablette.
        • a) Zungen, Larynges, Genitalia, Sedimente aus der Allantoidea verſchiedener Thiere, z. B. des Eſels, ein braunes Concrementum.
        • b) Die Zunge eines Ameiſſenfreſſers, ſchwarz; Schade, daß ſie ſo uͤbel angebracht war, hinter einem Schloße.
        • c) Der Magen eines Foetus vom Hippopot. ſchon ſehr gros. Femur d’un foet. d’Hipp. war ſoN 5gros,202gros, wie die gewoͤhnlichen Stubenmaͤuſe bei uns, den Schwanz abgerechnet.
        • d) Des Os des animaux nourris avec Garence, (Faͤrberroͤthe,) hatten wirklich ſchon eine rothe Tein - ture.
        • e) Viele Maͤuſe, die Zunge eines Loͤwen und ei - nes Tygers, ſonderlich ad radicem war ſie wie ein Reibeiſen.
      • IV) Vierte und fuͤnfte Tablette,
        • a) Die Ruthe eines Zebra, gros, und ſo dick wie ein Faßzapfen, grau, ſchorficht, uneben. Theile ei - ner Phoca.
        • b) Ein Haſe ohne Haare gebohren; vorne am Maul hatte er doch groſſe lange Haare.
        • c) Schildkroͤten in Weingeiſt. Gruͤnliche von der Inſel Aſcenſion. Die Ruthe einer Schildkroͤte, braun, dick, und Fingerslaͤnge.
      • V) Sechſte Tablette und oben
        • a) Ein Orangoutang; das war der, welcher hier war. Ueber die Bruſt iſt er ſehr breit, die Haut iſt braun, die Haare ſind ſchwarz, wie am Baͤren. Er ſitzt hier mit dem Stock, ſperrts Maul auf ꝛc.
        • b) Coaita, kohlſchwarz, hat aber die ſchoͤnſten weiſ - ſen Zaͤhne. Eine andre Art oben ſchwarz, unten weis, mit rother Naſe.
        • c) Singe Lion. Ein Affe, mit einem groſſen Schwanz, der ihm uͤber den Ruͤcken geſchlagen iſt, und ſo bis uͤbern Kopf vorgeht.
    B) Die203
    • B) Die untre Haͤlfte, nach der Mitte. Das Merk - wuͤrdigſte in dieſer Parthie war:
      • 1) Eine Sammlung von Eidechſen. Gouetreux hieſſen die, welche ein huͤbſches Meergruͤn hatten. Jguana, ſehr gros. Lezard verd hieß eine, in Weingeiſt, die aber ganz roth worden war. Sala - mander aller Art, einer war ſo praͤchtig marmorirt, wie oft Fiſche.
        *)Eine Probe der franzoͤſiſchen Terminologie. Lezard trouvé dans le Jardin. Lezard de l’Amerique. Ein Fiſch hieß ſoufre, weil er gelb war.
        *)
      • 2) Serp. Aeſculape von Rom geſchickt; war praͤch - tig gruͤnlicht marmorirt. Serp. de l Amerique. Es war eine da, die hatte auf einem weiſſen Grund braune, eine andre auch auf einem weiſſen Grund ſchwarze Baͤnder.
      • 3) Fiſche. Amphib. Nant. und Piſces, und Stincs marins, und Vertebr. des Chiens de mer etc. ſtanden hier unter einander.
        • a) Wirbel vom Seehunde, hatten auſſer den Loͤchern fuͤr die medull. ſpin. und nerv. noch ei - ne Menge kleine Loͤcher nach allen Richtungen, ſo wie die Ribben vom Wallfiſch, ſie ſahen aus wie Pantoffelholz oder wie Mandelſchalen.
        • b) Uranoſcopus. Dieſer Fiſch iſt Hand lang, oben aufm Kopf ſtehen die Augen nebeneinander, die Breite eines kleinen Fingers iſt darzwiſchen.
        • c) Viele Machoires von Fiſchen.
        • 204
        • d) Oeufs de Poiſſons. Glaͤſer voller ausge - duͤnſteter Blaͤschen, die duͤnnſten Haͤute; ſah aus wie Huͤlſen. Aber wichtig waren
          • Oeufs de Poiſſons. Leider fehlte der Na - me, ein Klumpen, ein Buͤſchel von Koͤrpern, die wie graue Schoten ausſahen, und innen kleine durchſcheinende Knoͤpfchen hatten ꝛc.
        • e) Poiſſons volans, die meiſten von der Bour - bonsinſel: die pinna pector. iſt multifida, fiſſa, und geht weit uͤber die pinnam analem herab.
        • f) Poiſſons armés, heriſſés: ſtarke Stacheln.
        • g) Aus Teutſchland nur 2, Lampreten, und Poiſſ. Thermometre (Wetterfiſch).
        • h) Poiſſon rouge de la Chine, das waren die, ſo ich im Jardin du Pal. Roy. im Baſſin ſah, aber das Rothe war hier faſt ganz verſchoſſen.
        • i) Remora, einer aus Domingo, hatte einen plumpen platten Kopf; aber weiter oben war einer, der eine ſchoͤne ovale Platte oben hatte, durch die in der Mitte ein Strich ging, von dem nach bei - den Seiten 17. Seitenſtreifen hinausliefen, es ſah aus, wie fol. pinnata; der Fiſch ſelber war Zeigefinger lang. Wie weit iſt alſo die Fabel von der Natur abgewichen!
        • k) Poiſſon d’argent, dick, aber gar ſchoͤn; Poiſ - ſon de Banc de Terreneuve hatte aufm blauen Grunde ſchoͤne ſchwarze Flecken.
        • l) Congre, weis, unten roͤthlich, ſilberfaͤrbig.
      4) Oben205
      • 4) Oben uͤber dieſen Sachen ſtanden:
        • a) Kevel; ein ziegenartiges Thier, lang geſtreckt, mit groſſen Laͤuffen und Handhohen, ſchwarzen, ge - drehten, oder beſſer, geringelten Hoͤrnern.
        • b) Wieſelartige; Genette, Caſtore.
        • c) Stachelſchweine.
      • 5) Hinten in der Ecke: Eſpece de Brochet de Senegal, roth, mit einem Goldſtreifen. Aiguilles de Mer, lang, roth, ſchmal; einige waren tirés de l’Eſtomac du Merlan. Oben ſtanden ſchwarze Baͤre.
  • II) In der Mitte des Zimmers ſtand hinten ein Glas - Schrank, darin war wichtig:
    • 1) In der Mitte ein Zebra, gar niedlich. Der Grund iſt weis, mit ſchwarzbraunrothen Streifen, die vorne an Kopf und Hals ſchmal ſind; der Schwanz iſt am Ende dick, ſchwaͤrzer, es iſt aber nicht blos Extremitas caudae, ſondern eine halbe Elle.
    • 2) Um den Eſel herum lagen Fiſche, und zwar
      • a) Le Bauldroy, ou le Diable de Mer. Im Rachen hat er 2. Reihen Zaͤhne, einige groͤſſer, die andre kleiner, noch ad radicem linguae ſitzen viele; Ueber die Bruſt iſt der Fiſch ſo breit, daß man ſich darauf legen koͤnnte. Er ſchien mir von einem Firnis zu glaͤnzen.
      • b) Le Pourbon, lang, ſchmal, male & fe - melle.
      • c) Le Miraillet, ſehr breit und kurz.
      • d) Saumon, lang, ſchmal ꝛc. Morue &c.
    3) Oben206
    • 3) Oben auf dem Schrank, aber mit Staub be - deckt, lagen
      • a) Poiſſon lune, wegen ſeiner breiten ausge - ſchnittenen Geſtalt ſo genannt: hat einen fuͤrchter - lichen Rachen.
      • b) Lezards de l Amerique, viele Ellen lang war eine; eine andre anderthalb ꝛc.
      • c) Ein Crocodil, oben auf den Ruͤcken hat es 4. 5. Reihen von Boutons oder Erhoͤhungen.
        *)Perrault ſagt in der Anatom. des Lezards. Les apo - phyſes epineuſes des Vertebres du dos, qui ne paroiſ - ſent point a la queue.
        *)Im Rachen, der uͤber eine Elle lang geſpalten war, und einen ſchrecklichen Rictus bildet, ſtanden Zaͤh - ne wie Faßſpunde.
    • 4) Zu denen in der Ecke kam noch ein junger See - hund, mit der Blaſe. Sie iſt nicht weit vom Hals befeſtigt, und hat die Geſtalt einer groſſen Feige.
  • III) Auf der linken Seite, von unten herauf, fand ich
    • 1) Anemones, Orties, Tethys, Holothuries, Truffes, Polypiers, Madrep. mols. de Mer, aber leider alles unkenntlich, verſchrumpft, verſchlun - gen. Sind glutineuſe Koͤrper. Plumes, Penna - ches de mer, man ſieht am Kupfer noch mehr.
    • 2) Krebſe eine Menge, Squill. Tarant. Scor - pionen ꝛc. alles unkenntlich, ſtanden auch im Schat - ten.
    • 3) Oben einige kleine Armadills und Faons mon - ſtrueux.
Von207

Von hier ging ich und beſah

La Galerie des Tableaux au Palais du Lu - xemburg. Eine unſchaͤtzbare Sammlung von Ge - maͤlden, die alle Mittwoch und Sonnabend von 4. Uhr an, jedem offen ſteht. Man ſieht erſt im Corps de Logis in etlichen Zimmern Gemaͤlde von den groͤſten Meiſtern in Frankreich, die faſt alle ein dunkles Kolorit haben, und daher nicht jedem gefallen. Die Sujets ſind aus der Bibel, aus dem menſchlichen Leben, aus Ludwig des 14. Feldzuͤgen ꝛc. genommen. Alle herrlich, aber nichts reicht an die praͤchtigen 24. Stuͤcke, in denen Ru - bens die Geſchichte der Maria von Medicis, der Ge - malin Heinrich des 4. hinterlaſſen hat. Sie haͤngen im Pavillon rechter Hand, oben in einem langen Saal. Die Sujets dieſer Gemaͤlde ſind in jedem Almanac de Paris angegeben. Mir thaten von vielen Anſchauen end - lich die Augen weh; ich wolt immer fort und konnte nicht, kam wieder, fing noch einmahl an, und bewunderte im - mer den groſſen Pinſel des Malers.

Den 12ten Jun.

Le Jardin Royal. Da meine Arbeit auf dem Koͤnigl. Kabinet der Naturgeſchichte zu Ende ging, und jetzt das Wetter auch etwas beſtaͤndiger, und fuͤr die Bo - tanik guͤnſtiger wurde; ſo fing ich eine andre Beſchaͤfti - gung mit den Pflanzen an. Aber es iſt aͤuſſerſt abmat - tend, 3. 4. Stunden nach einander mit dem Buche in der Hand in den Sonnenſtralen gebuͤckt ſtehen, und ſehen und vergleichen. Doch die Natur belohnt die, wel - che ſie lieben, und fern vom laͤrmenden Geraͤuſch der Stadt, war’s mir zugleich eine angenehme Erinnerung andie208die ſchoͤnen Tage, die mir ehmals in Goͤttingen in eben ſo bluͤhenden angenehmen Feldern verfloſſen. Die linke Seite des Gartens iſt den eigentlichen Herbis gewidmet, Frutices, Suffrutices, Arbores, ſtehen dort auf der andern Seite, vermuthlich iſt dies noch die Einrichtung von Tournefort oder noch aͤltern Botanikern. Die linke Seite hat 2. Quartiere, die durch breite Wege und Huͤgel abgeſchnitten werden. An der einen Seite ſtehen lauter Wohnhaͤuſer der Gaͤrtner, der Madem. Baſſepor - te u. ſ. w. Es war ein Obergaͤrtner da, Namens Thouain, und viele andre. Das unterſte Quartier gehoͤrt der Cryptogamie, und ſo ſehr ich auf dieſe begierig war, ſo muſt ich doch wegen des ſchoͤnen Wetters bei den bluͤhenden anfangen; alſo

  • I) Linker Hand. Vom Eingang am gruͤnen Gitter hinauf.
    • A) Das obre Quartier. Ich ging viele Geſchlech - ter aus der
      • a) Hexandria durch, als Bromelia, Lil. Tul. Pancrat. Narc. Crin. Amaryll. Haemanth. Galant. Leucoj. Fritill. Uvular. Hypox. Glorioſa, Aſparag. Allium, Aloe, Agave etc.
        • a) Bei den Aloes waren auch viele Varietaͤten da, die Linne nicht fuͤr Spec. haͤlt, z. B. die ſchoͤne Aloe picta.
        • b) Aloe plicatilis, ſchien mir doch eine eigne Art zu ſeyn. Auf beiden Seiten liegen en Even - tail 2. Blaͤtter uͤbereinander. Unten haben ſie ei - ne rothe Inſertion. Je hoͤher man hinauf koͤmmt,deſto209deſto mehr nehmen die Blaͤtter ab, doch ſind in der Mitte kleine und groſſe.
        • c) Allium Liliflorum war auch da; das hat Linne nicht.
        • d) Amaryll. formoſ. hatte ſchon verbluͤht, das war ſehr fruͤh, zumal in dem haͤslichen Mai. Die Blumenblaͤtter hingen welk und verdorrt herab.
      • b) Aus der Gynandria, ſtanden Ophrys, Or - chides, Satyrium da ꝛc.
        • a) Aber vergebens ſucht ich Ophr. inſectifera.
        • b) Satyr. war mir eine angenehme Erſcheinung.
      • c) Rheum und Rumex waren ſehr zahlreich da, auch die aͤchte Rhabarberpflanze, (Rheum palmatum L.) neben den andern nicht aͤchten Arten, doch waren die Blaͤtter nicht ſo gros, und nicht ſo breit, als im Goͤttinger Garten. Vielleicht iſt das Clima zu warm dazu.
      • d) Von Lil. Martagon, konnt ich Samen haben, und bei den Plantag. hoͤrt ich auf.

Drauf ging ich weiter und beſah

L’Egliſe de grands Auguſtins. Da ſind 4. Gemaͤlde von der Ceremonie, womit die Ritter vom heil. Geiſtorden aufgenommen werden, unter Henr. III. IV. Louis XIII. und XIV. Man ſieht darin den ver - ſchiedenen Geſchmack der Nation in Kleidern. Aber zwei andre Stuͤcke ſind mir noch ſchoͤner vorgekommen, das iſt: 1) Petrus heilet die Kranken, mit der Unter - ſchrift: Umbra ſua ſanans infirmos, von Jouve - net, und 2) Thomas Maͤrtyrertod, das untenOin210in der Kirche neben der Kanzel haͤngt. *)Den Maler hat der Verfaſſer nicht angezeigt. Herausgeber. Wenn ich nur unter ſo vielen Gemaͤlden in Paris auch eins von der Bluthochzeit, von Coligny’s Tode ꝛc. zu ſehen be - kommen koͤnnte! Aber die Nation leidet nicht, daß ein Fremder darnach fragt. Sie decken die Schande zu, ſo viel ſie koͤnnen, und kein Menſch redet davon.

Le Cenotaphe du Comte de Caylus, der 1747. ſtarb. Man findet es in der Kirche St. Germain de l’Auxerrois in der Rue de l’Arbre ſec. In einer Seitenkapelle dieſer Kirche ſteht dies ſehenswuͤrdige Mo - nument. Der verdiente Mann hat es zum Theil ſelber vor ſeinem Tode angegeben. Man ſieht ſeinen Medail - lon in Bronze, wie’s ſcheint, alt, mit Runzeln, aber ehrwuͤrdig. Ueber dem Medaillon haͤngt zu beiden Sei - ten ein Laubzweig herab. Unter dieſem ſteht ein Sarco - phag von altem rothen Porphyr, der praͤchtig und fein, und vortreflich polirt iſt. Unter dieſem iſt ein Unterſatz von ſchwarzem Marmor. Die Inſchrift iſt kurz. Der Graf war Mitglied verſchiedener hieſiger Akademien.

Ein Gemaͤlde auf ſchwarzem Marmor, von le Bruͤn, in eben dieſer Kirche, haͤngt nur einen Schritt davon an einer Saͤule. Ein beſondres Stuͤck, oval. Es ſtellt den Kopf einer ſterbenden Frau, deren Name unten ſteht, vor, iſt vortreflich gemacht und hat eine weiſ - ſe Einfaſſung, die es ungemein hebt. Es ſieht nicht anders aus, als wie die zaͤrteſte ſubtilſte Tuſchirung. Das Auge bricht ſchon, die Muſkeln erſchlappen, alles iſt matt ꝛc.

Le211

Le Tombeau de Mr. Pierre Mignard, eines beruͤhmten franzoͤſiſchen Malers. Es ſteht an einer Saͤule, recht im Licht, nicht, wie die meiſten in Paris in kleinen Kapellen, mitten im Gange der Kirche du Couvent des Jacobins, Rue St. Hono - . An der Wand erhebt ſich eine Pyramide von weis und ſchwarzem Marmor, um die ein Gewand geſchlagen iſt. Mignard’s Bruſtbild aus weiſſem Marmor ſteht in der Mitte. Locken und Lineamenten ſind ſehr gut aus - gedruͤckt. Neben ihm liegt eine weibliche Figur, ver - muthlich eine allegoriſche. Sie ſchlaͤgt die Haͤnde zu - ſammen, hat ein Tuch dazwiſchen, und ſieht mit truͤben Blick gen Himmel. Neben ihr ſitzt ein Genius, der ſich die Augen reibt, und weint. Unten ſpielt noch ein an - drer mit einem Schwan, der den Hals zwiſchen des Wei - nenden Fuͤſſen heraufſtreckt, und den einen Fluͤgel uͤber den Schenkel des Genius ſchlaͤgt; ſehr natuͤrlich. Es iſt von J. B. le Moine verfertigt.

Bemerkungen.

Ich war Abends nach 8. Uhr aufm Boulevard in einem Kaffeehauſe, wo inner - und auſſerhalb eine Men - ge Menſchen beiſammen war. Man plauderte, die Muſik ging eben an, und die Saͤngerinnen lieſſen ſich hoͤren; ſo ſchrien die drauſſen mit einmahl: Silence, Silence! Jeder erſchrak. Le bon Dieu, le bon Dieu! und alles ſollte knien. Das Hochwuͤrdige ward vorbei getragen. Die Leute thaten alle als knieten ſie, die Muſik ſchwieg 3. Minuten, man lachte, ſchrie und fing wieder an. Was iſt die Ceremonienreligion nicht fuͤr ein kindiſches Spiel!

O 2Juden212

Juden gibts hier auch viele, ſie gehoͤren aber zum allerniedrigſten Stande, wiewohl es welche unter ihnen gibt, die Millionen beſitzen ſollen. Ihre Beſchaͤftigung iſt auch hier Laufen und Schachern. Einige tragen ih - ren Bart, aber nicht alle. Man ſieht ſie ſelten, im Palais Royal zuweilen.

Den 13ten Jun.

Le Jardin Royal ward heute abermahls von mir beſucht. Es kamen in der Ordnung viele Geſchlechter vor,

  • 1) aus Didynamia angioſp. z. B. Chelone; Digitalis; Scrophularia; Celſia; Bignonia; Erinus; Sibthorpia; Browallia; Ruellia; Acanthus etc. und dann wieder
  • 2) aus der Pentandria, Spigelia, Verbaſcum, und ein eignes Feld zu den Solanis, und zwar fand ich
    • 1) Solanum Quitöenſe da, in einem Glaskaſten. Linne hat’s noch nicht; es hat folia octangu - lata.
    • 2) Solanum Macrocarpon, war in der Frucht von der Groͤſſe und Farbe eines Gallapfels an den Eichen.
    • 3) Sol. Verbaſcifol. Linne ſagt nur caule fruticoſo, aber es iſt wahrhaftig, wenig - ſtens hier, ein ordentliches Baͤumchen, wie ein junges Zwetſchenbaͤumchen.
    • 4) Sol. pſeudocapſic. war auch in der Frucht. Hier iſt die Frucht mehr roth und rund, wie eineKirſche.213Kirſche. Am ſpaniſchen Pfeffer (Capſ. L.) ſelber iſt ſie laͤnglicht, wie Hambutten.
    • 5) Sol. melongena Aethiop. etc. waren abge - gangen.
    • 6) Sol. abyſſinicum, das Linne auch nicht hat, fol. ſinuatis tomentoſis utrinque aculeatis, caule fruticoſo aculeato, fructu luteo ma - ximo. Die Stacheln auf den Blaͤttern ſind, wie am Solano mamoſo.

Aber ſchon um 10. Uhr kam die Wache, hies uns fortgehen, und die Grille ward verſchloſſen. Juͤſſieu war da, und demonſtrirte im Garten, wie ich kam. Es ward mir mein Stock gleich genommen, und ich muſte ihn um 10. Uhr mit 2. Sous loͤſen. Er ſtand aber in einer groſ - ſen Geſellſchaft. Wie die Demonſtration aus war, ward wieder geklatſcht, wie wenn ein Baͤr getanzt haͤtte.

La Bibliotheque de l’Abbaye St. Victor. Hr. Muͤller hatte mir Malpighi Exercit. anatom. de viſc. ſtruct geliehen, und heute hatte er die Hoͤflich - keit fuͤr mich, mir wieder die 3. aͤlteſten Baͤnde der Mem. de l’Acad R. des Sc zu leihen, ſonderlich wegen den 3. Theilen des Vol. III. wo Perraull’s Unterſuchungen der thieriſchen Anatomie bekannt gemacht wurden; D’Au - benton hatte mir wegen dieſem Buch die Addreſſe an ihn gegeben, und ich bekam alle 5. Baͤnde mit mir nach Hauſe.

Le Monument de Mr. Colbert. Steht in der Kirche St. Euſtache, vielleicht waͤrs einer Erneuerung wuͤrdig. Le Bruͤn hat es angegeben. Auf einem Fußgeſtelle von ſchwarzem Marmor kniet Colbert mitO 3gefal -214gefaltenen Haͤnden. Geſicht, Peruͤcke, Haͤnde, und das wellenwerfende Kleid ſind vortreflich. Vor ihm ſteht ein Engel, und haͤlt ihm das aufgeſchlagene Evangelium - buch vor. Unten liegen 2. weibliche Figuren, die Reli - gion mit einem Schluͤſſel und der Ueberfluß mit Fruͤchten, Trauben ꝛc. im Schoos. An der Seite ſteht in einem vergoldeten Schilde: Acceptus eſt Regi Miniſter intelligens Prov. XII. und gegenuͤber: Culpa et ſuſpicio non eſt inventa in eo. So ſchoͤn jene Inſchrift gewaͤhlt iſt, ſo unſchicklich und uͤbertrieben iſt dieſe. Oben uͤber dieſen Auffchriften iſt auch in vergolde - tem Bronze: Joſeph, der Getreide in Egypten austheilt, vorgeſtellt, zu beiden Seiten, und dieſe kleinen Stuͤcke ſind wieder von Le Bruͤn ſelbſt.

An einem Medaillon von Koͤnigl. Leibarzt de la Chambre, dem Monument des Miniſters gegen uͤber, ſteht die Inſchrift: Spes illorum immortalitate ple - na eſt.

Le Tombeau de Mr. Languet. Ein Prediger, voll Geſchicklichkeit und Rechtſchaffenheit, der die praͤch - tige Sulpiciuskirche anfing zu bauen, und dafuͤr auch inwendig ein Denkmahl bekommen hat, das unter die ſchoͤnſten in Paris gehoͤrt. Es ſteht an der Seite, rech - ter Hand vom groſſen Portal. Die hintre Pyramide an der Wand iſt rother, die vordern Sachen ſind theils gruͤner, theils weiſſer Marmor. Alle Figuren ſind vor - treflich, und der Gedanke gros. Der juͤngere Slodtz hat es ausgefuͤhrt. Der Tod will den Languet umwer - fen und bedecken. Die Unſterblichkeit, eine groſſe herr - liche weibliche Figur mit einem Griffel in der Hand, koͤmt ploͤtzlich vom Himmel herab, wirft Deckel undSargſtuͤcke215Sargſtuͤcke weg, ſtoͤßt mit der rechten Hand den Tod zu Boden, dort liegt er, ſtreckt ſeine ſkeletirte Finger von ſich, die Senſe faͤllt neben ihm, und Languet bleibt ſichtbar. Unter dem linken Arm der Gottheit liegt eine Karte, worauf der Plan dieſer Kirche auf Bronze ge - zeichnet iſt. Vor ihr kniet Languet in ſeiner natuͤrli - chen Groͤſſe im Predigerkleide, hebt beide Haͤnde in die Hoͤhe, und iſt voll Andacht. Unten ſind 2. niedliche Genien angebracht, die Religion und die Menſchenliebe vorſtellend, und unter ihnen iſt auf einer weiſſen Platte eine groſſe Inſchrift eingegraben. Viele haben ihn noch gekannt. Er iſt in den 60ger Jahren geſtorben. Den koſtbaren Bau dieſer Kirche, der noch immer fortgeht, nennen viele eine Thorheit, aber Languet ſelber iſt uͤber - all beliebt. Der hohe Altar dieſer Kirche iſt, wie die Bundeslade der Juden, nur ſind oben Engel daran, und keine egyptiſche Sphinxe. Ein herrlicher, runder, ſtark vergoldeter Deckel haͤngt oben druͤber. Im Chor ſte - hen Statuͤen von Chriſto, Maria und den Apoſteln. Auf den Abend ſah ich

L’Alceſte, donnée à l’Opera, par l’Ac. R. de Muſique. C’eſt un morceau ſuperbe, ſag - te jeder, wie das Stuͤck aus war. Mr. Milon hat auch in Frankreich dies Sujet bearbeitet, vielleicht auch unſern Wieland benutzt, ihn aber weit uͤbertroffen. Das Stuͤck hat 3. Akte, iſt vom Anfang an bis zuletzt voll Affekt, der frappanteſten Abwechslungen, und der ruͤhrendſten Scenen. Von der Muſik darf man weiter nichts ſagen, als: der Ritter Gluͤck hat ſie geſetzt. Die ſtroͤmte dann wieder mit allen ihren maͤchtigen und ſanf - ten, einnehmenden, ſchmelzenden Schoͤnheiten in meineO 4Seele.216Seele. Das Stuͤck hat ſchon im vorigen Jahre hier viel Aufſehen gemacht, und noch vor kurzem ward es auf Befehl, vermuthlich der Koͤnigin, vor dem Kaiſer aufge - fuͤhrt. Auch heute waren der Comte d’Artois, und der Duc de Chartres wieder darin. Die Illuſion, die Zartheit der Stimme, der Ausdruck der Leidenſchaften, die Schoͤnheit der Muſik, das genaue Halten des Takts, die Pracht der Kleider und der Dekorationen alles ſteigt darin aufs hoͤchſte. Madem. Veſteis hies die Aktrice, welche die Alceſte, und Gros der Akteur, ſo den Admet machte; Beide ſpielten herrlich. Die Bild - ſaͤule des Apolls war an ſich nichts beſonders, aber an dem Raͤuchern, Anbeten, Feuer auffliegen laſſen, am heiligen Tanz, an Prieſtern, und Oberprieſtern konnte man ſo recht das Pfaffenſpiel der alten Welt, und ihre tauſendfaͤltige Gaukelſpiele und Mummereien kennen ler - nen. Der Kampf der Liebe, der Natur, und der Pflicht im Admet, und in Alceſten, man kann’s nicht ſagen, wie’s die Leute vorſtellen. Sie fallen vor, fahren zuruͤck, zittern in allen Muſkeln, ahmen die Ohn - machten ſo natuͤrlich nach, werden heftig gegeneinander, kehren ſich mit einmahl um, und ſchreiten majeſtaͤtiſch, gedankenvoll, uͤbern Schauplatz hin, ſpannen die Stim - me aufs hoͤchſte ꝛc. Es kamen 2. kleine Kinder, von denen Alceſte Abſchied nimmt, die dem Herkules alle moͤgliche Schmeicheleien machen, die ihm hernach die Hand kuͤſſen. Herkules, mit ſeinem entſcheidenden Ton war gar vortreflich. Der Eingang der Hoͤlle war eine Wildnis, verfallne Baͤume, Felſen, Loͤcher, Ritzen ꝛc. wenig Licht dabei. Da ſchweifte Alceſte herum, ganze Schaaren von hoͤlliſchen Gottheiten waren hinten, beſtaͤndig flammte an allen Gegenden Feuer auf Admetkoͤmmt217koͤmmt auch hinab, ſie bittet ihn, zuruͤck zu gehen, end - lich ruft ſie Charon, und ehe man’s ſich verſieht, fuͤhrt ſie Herkules unten zwiſchen lauter Feuer und Felſen herauf ꝛc. Ich bin muͤde, aber Rouſſeau’s Stelle faͤllt mir noch ein: Les paſſions violentes ont tou - jours dans leurs excès quelque choſe de puerile, qui nous amuſe, ſeduit, et nous fait aimer ce qui ſeroit à craindre. Voilà pourquoi nous aimons tous le theatre, et pluſieurs entre nous les romans.

Den 14ten Jun.

Mr. Delor und ich wolten heute Mr. de Bomare beſuchen, um ſein Kabinet, Rue Ferrerie zu ſehen; er war aber fuͤr den ganzen Sommer in Chantilly beim Prinz von Conde. Es iſt unglaublich, was das fuͤr eine Laſt iſt, in Paris des Morgens Stundenlang her - um zu laufen und doch ſeinen Zweck nicht zu erreichen. Alles laͤuft auf und vom Markt, beſtaͤndig glitſcht man aufm Pflaſter, ganze Straſſen lang muß man oft hinter den Laſtwagen herkriechen, die mit Steinen, Ziegel, Holz ꝛc. ſo beſchwert ſind, daß ſie alle Augenblicke bre - chen und 50. Menſchen die Fuͤſſe entzwei ſchlagen koͤnnen. Man bekoͤmmt Kopfweh nur von dem ewigen Schlagen, und Trampeln der Pferde, und dem Schreien und Fluchen der Leute. Wer ſtrepitum tumultumque urbis nicht kennt, kan’s hier erfahren. Sieht man’s nicht an den Einwohnern von Paris ſelber, daß ihnen das be - ſtaͤndige Getuͤmmel zur Laſt iſt, da ſie aufs Land gehen, ſobald die Natur wieder ſchoͤn wird? Wie arbeiten oft Menſchen, um die beſten natuͤrlichen Vergnuͤgungen zuO 5verjagen!218verjagen! Da baut man noch immer an einer Stadt, die das Grab der Bevoͤlkerung, die Klippe ſo vieler Juͤng - linge, der Abgrund fuͤr die allermeiſten Frauenzimmer, der offne Schlund fuͤr Rechtſchaffenheit, ſtille Arbeitſam - keit und Tugend, die Pflanzſchule der Frivolitaͤt, der Spielſucht, des Muͤſſiggangs, der Kleiderpracht, der Unzucht, der Irreligion, und zugleich, denn in jeder Stunde ſieht man dieſe Schande der Menſchheit und muß ſtille dazu ſeyn, der Marterplatz fuͤr viele Tauſend der laſttragenden Geſchoͤpfe Gottes iſt.

Le Cab. de l’Hiſt. Nat. du Roi. Noch ein - mahl hatte ich da zu arbeiten und fand heute (S. d. u. Jun.)

    • 4) In einem Kaſten, von unten herauf ꝛc.
      • a) Kroͤten vom Miſſiſippi und Surinam. An der Pipa konnte man nichts beſonders ſehen, als daß ſie ſehr breit iſt, und einen braunen und gefleckten Ruͤcken hat.
      • b) Froͤſche aus Amerika, ſonderlich einer mit ſehr groſſen Schenkeln, von Demingo; auch in der Entwickelung.
      • c) Spinnen, eine koſtbare Sammlung. Die von Domingo ſonderlich ſind gros und haaricht.
      • d) Eier, von Waſſerinſekten; auch von den Zug - Heuſchrecken.
      • e) Perles orient. d’Ecoſſe Glaͤſer voll.
      • f) Coccus polonicus in Weingeiſt.
      • g) Bock von Angora, oben. Hatte groſſe weiſſe, faltigte, lockigte, ſeidenartige Haare bis auf den Bauch.
    5. Ichneum. 219
    • 5) Ichneum. Scolopend. Hippocampus, (die hier auch einmahl Hippopot. hieſſen,) 2. Stuͤcke, eins von der gewoͤhnlichen, und eins von einer auſſerordentlichen Groͤſſe. Krebſe, Eier, Pucerons auf Blaͤttern, Coc - cons &c. Oben ſtanden,
      • a) ein Wolf, rothgelblicht. Oben bei der Thuͤre ſtand ein ſchwarzer aus Canada, faſt wie ein Hund, mit weiſſen Zaͤhnen, und rothem Gaumen.
      • b) Ein Louvetau, ganz weis.
    • 6) Vers ſolitaires, aus dem Wolfe, Katzen, Hun - den, Pferden, Salmen, ausm Zebra, ſind ſonſt gar breit. Eine Solit. artig dentelé, hatte auch Strei - fen, die in die Quere gingen, der Name fehlte. Larven von Oeſtris, die hier auch Vers hieſſen; Vers marins, qui rongent les bois des vaiſſeaux; ſind Teredi - nes navales L. Oben ſtanden auch bloſſe Tuyaux von dieſen Thieren. Ein Wurm aus einer Blaſe eines Menſchen. Indianiſches Wachs en batons. Oben ſtand ein Luchs, ſo gros wie ein Wolf, aber ſchmal, mit gelbbraunen Flecken.
    • 7) Raupen, die meiſten gut konſervirt, einige ſo groß wie Bratwuͤrſte ꝛc. unter andern
      • a) Chenille du Corne, du Manioc, du Chou-Pal - miſte.
      • b) Chen. du Caffêe, gruͤn mit Goldflecken.
      • c) Lievres, Mains, Orties de Mer.
      • d) Chen. epineuſe, aus jedem Ringe ging zu bei - den Seiten ein Plumaſſeau heraus, an den die Faͤ - ſerchen nach allen Seiten hinausſtanden, ſehr ſchoͤn und fein.
      • 220
      • e) Oben ſtand ein weiſſer Haſe von Stockholm, ſchneeweis. Porte Muſc, braun, hat die Geſtalt eines Bocks, die 2. canini ſtanden herabwaͤrts. ꝛc.
    • 8) Coguar, Coati Ra[t]on, male & femelle. Bei dem ſchwarzen Wolf waren herrliche Tiegerfelle ausgebreitet.
      • a) Fourmiller, Martini’s Zeichnung koͤmmt ihm am naͤchſten. Mit dankbarer Empfindung der Guͤte Gottes fuͤr jedes Thier im Walde ſah ich zum erſten - mahl in meinem Leben dieſes ſimple Wunder der Na - tur. Die Kinnladen ſind ſchmal, die Augen ſtehen wohl eine Spanne lang vom Maul zuruͤck, die Zun - ge war an der Seite heraus gezogen, war ſchwarz und hatte vorn einen Abſatz. Auch unten am Kinnba - cken ſtanden lange Haare ruͤckwaͤrts gegen die Bruſt. Alle Haare waren eine Art Borſten, wie am Schwei - ne, dem das Thier uͤberall gleich ſah. Ueber den Leib laͤuft ſo, wie die linea lateralis piſcium, ein ſchwarzer Streifen auf jeder Seite. Die Klauen oder Zehen nur waren ſchwarz und dick. Vor - ne war das Thier viel niedriger, als hinten.
      • b) Ein ſechsfuͤßigter Hammel, eine Misgeburt neben dem herrlichen Werke der Natur! Gleich hin - ter der Bruſt hingen noch einige kleine Fuͤſſe herab.
    • 9) Vari aus Madagaſkar, ſchwarz und weis. Ein Luchs aus Kanada, hatte graue Flecken auf einem weiſſen Boden. Eine Tygerkatze, ein ſchoͤnes Thier, hatte einen weiſſen Grund und ſchwarze Flecken.
  • IIII) Oben an der Decke hingen durchs ganze Zim - mer Crocodile, Caimans, Caretten, Schlangenhaͤute,Cou -221Couleuvres, Phocae, Fiſche, La Morſe, Roſet - te, Gebiſſe ꝛc.

Und nun beſchloß ich dieſe Arbeit, ging zu meinem vortreflichen D’Aubenton, dem Gott fuͤr alle Freundſchaft gegen mich, Jahre an Leben und Kraft in der Arbeit geben wolle! und ſprach mit ihm von verſchiedenen Dingen, bis er mich auf den Mittwoch um 10. Uhr wieder kommen hies, um noch mehr Schoͤnes zu ſehen.

Bemerkungen.

Man hat hier Erdbeeren wie Nuͤſſe gros und zu - ckerſuͤß. Aber Ribes groſſularia, traͤgt kleine ſchlech - te gruͤnbleibende Fruͤchte.

Den 15ten Jun.

Heute beſah ich

Le Mauſolée du Card. Fleury. Unter allen Monumenten, die ich hier geſehen, iſt dieſes das ſchoͤnſte und das ruͤhrendſte. In der kleinen Kirche St. Louis, Rue St. Thomas gleich beim Eingang linker Hand praͤ - ſentirt es ſich herrlich. Alle Statuͤen ſind aus weiſſem Marmor, die Pyramide, die hinten in der Niſche auf - ſteigt, iſt rothbraun, und die Zeichen der geiſtlichen Wuͤr - den ſind auch ſo. Le Moine heiſt der vortrefliche Bild - hauer, der ſo herrlich den Meiſſel fuͤhren konnte. Der Kardinal liegt da ſchon mit halb gebrochenen geſunkenen Augen, ſterbend, mit gefalteten Haͤnden; die Religion, eine etwas aͤltliche ernſthafte weibliche Figur, ſteht hinter ihm, haͤlt ihn in den Armen, wie er ſterben will, undſtellt222ſtellt ein Kreuz neben ſeine linke Hand. Zu ſeinen Fuͤſ - ſen ſteht Frankreich, als ein Frauenzimmer mit dem Schild an ſich gelehnt, deckt mit der rechten Hand die Haͤlfte des Geſichts zu, und ſieht beſtuͤrzt aus. Hinter ihm ſteht die Pyramide. Vor einer Urne ſteht ein An - ker, neben dem ſitzt die Hofnung, auch als eine weibliche Figur, ſtreckt die eine Hand gegen den Sterbenden aus, ſieht auf ihn hinab und troͤſtet ihn. Unten liegt der Kar - dinalshut, ein Cordon mit vielen Quaſten, der Biſchofs - ſtab ꝛc. Alles iſt gar ruͤhrend, einnehmend, hat etwas Sanftes, Bezauberndes ꝛc.

Le Tombeau de Mad. Girardon. In der alten Cité de Paris in einem vieleckichten Winkel in der kleinen finſtern Kirche St. Landry, wo niemand, dem mans nicht ſagt, etwas Sehenswuͤrdiges ſucht, ſteht dies herrliche Stuͤck. Girardon ein beruͤhmter Bild - hauer und zaͤrtlicher Ehegatte hat es fuͤr ſeine Frau ent - worfen, und zwei ſeiner Schuͤler habens ausgefuͤhrt. Un - ſer Erloͤſer liegt todt zu den Fuͤſſen ſeiner Mutter. Der ſtille, finſtre, muͤtterliche Schmerz iſt unvergleichlich in ihrem Geſicht ausgedruͤckt: Gegen uͤber ſtehen drei En - gel, die auch durch die ſchoͤnſten Stellungen ihren Kum - mer ausdruͤcken. Oben ſteht noch das Kreuz mit einem Tuch umwunden.

La Galerie des Tableaux du Palais Royal. Dieſes praͤchtige Gebaͤude hat die ſchoͤnſten Façaden, toſ - caniſche Saͤulen, breite Treppen, hohe praͤchtig meublir - te Apartements, Spiegel 9. Spannenbreit, Bronzen in Menge, und ſonderlich ſo groſſe hohe Zimmer hinter - einander, die alle voll Malereien ſind, von den beiden Coypels und andern groſſen franzoͤſiſchen Malern. Ichwuͤrde223wuͤrde nicht fertig werden, wann ich alles beſchreiben woll - te. Man ſieht in einer Stunde zu viel, man kans nicht alles ſagen. Man findet auch koſtbare Buͤſten von Louis XIII. XIV. XV. und eine vom Herzog-Re - genten, der ein herrliches Geſicht gehabt haben muß. Von Titian, Raphael, Annib. Carracci ꝛc. ſind ſehr koſtbare Stuͤcke da. Die Tiſche ſind alle vom ſchoͤn - ſten Marmor, mit Vaſen aus Felscryſtall, Achat, Por - zellan ꝛc. geziert. Unter den Gemaͤlden gefielen mir be - ſonders: 1) Ein Stuͤck, wo Leoparden, Tyger und Menſchen liegen die ſchreckliche Majeſtaͤt dieſer Thiere im Blick, die herrliche Zeichnung der fleckichten Haut, die groſſe Lage des Schwanzes, der Tatzen ꝛc. 2) Der Bethlehemitiſche Knabenmord von Le Bruͤn. Ich kan den Eindruck, den dieſes Gemaͤlde auf mich machte, nicht beſchreiben. Ich glaube, haͤtte Herodes dieſes Gemaͤlde ſehen koͤnnen; er haͤtte den Blutbefehl zuruͤckgenommen. 3) Alexanders Tod. *)Von No. 1. und 3. hat der Verfaſſer die Maler nicht angegeben. Herausgeber. 4) Ein runder Saal nicht gar gros, aber voll Vergol - dungen und Gemaͤlde. Oben iſt eine Gallerie, auf der man im Zimmer herumgehen, und in die Stadt, und in den Garten ſehen kan. Darneben iſt 5) La Ga - lerie d’Enée. Hier hoͤrt alle Sprache, alle Be - ſchreibung auf. Ein langer Saal von 12. Kreutzſtoͤcken, darin 14. groſſe Gemaͤlde von Anton Coypel, die gan - ze Geſchichte des Aeneas vorſtellend, haͤngen. Das Anlanden des Helden in Afrika, die Verliebtheit der Dido ꝛc. und oben im Deckenſtuͤck, ſo lang es iſt, allesmit224mit der feinſten Arbeit uͤberladen. Ich glaube, man ſieht hier die ganze Mythologie.

Le Treſor de l’Abbaye St. Denys. Zwei Stunden hat man vom Mittelpunkte von Paris an ge - rechnet, zu gehen, bis man nach St. Denns koͤmmt. Man paſſirt am Ende der Rue St. Denys die Porte St. Denys, die maſſiv, hoch, mit Statuͤen von Louis XIV. mit Bildhauerarbeit aller Art innen und auſſen nach dem Fauxburg zu, zu beiden Seiten von oben bis unten herab, geziert iſt, und die Ueberſchrift hat: Lu - dovico ſacrum. Um der vielen Kunſt willen iſts Schade, daß auch dieſes Thor, ſo wie alles in Paris, aus dem gelblicht weiſſen Stein erbaut iſt, der Anfangs ſo ſchoͤn ausſieht, nnd nach einiger Zeit von der Luft, vom Staub, und den tauſenderlei aufſteigenden Daͤm - pfen ſo haͤslich geſchwaͤrzt wird. Man geht, wenn man einmahl das Gedraͤnge los iſt, und das wehthuen - de Pflaſter uͤberſtanden hat, noch eine Stunde uͤber die ſchoͤnſten breiteſten Fruchtfelder, wo man, ich we - nigſtens ſpuͤrte den Unterſchied gleich in der Lunge, doch auch wieder friſchere und geſuͤndere Luft athmen kan, als in Paris. St. Denys iſt ein Dorf, das auſ - ſer der Abtei dieſes Namens gar nichts merkwuͤrdiges hat. Dieſes Kloſter mit ſeiner Kirche zeichnet ſich gleich von weitem durch ſeine Hoͤhe und alte gothiſche Bauart aus, doch iſt an der Kirche auch ein zugeſpitzter Thurm, wie man in Paris ſelber nie einen zu ſehen bekommt. Die Moͤnche tragen ſich ganz ſchwarz mit langen Ueberklei - dern, an denen Kappen angeſchnitten ſind, die ſie uͤber - ſchlagen, wie die in der Congreg. de St. Maur. Die Kirche hat dicke Balken ſtatt der Thuͤren, die mit Meſ -ſing,225ſing, an dem eine Menge Schnitzwerk praͤchtig gegoſſen iſt, dick uͤberzogen ſind. Das Schiff der Kirche hat zu beiden Seiten Saͤulen, hinter denen Gaͤnge und Kapel - len ſind. Im Almanac wird ſie 90. Schuh hoch und 335. Schuh lang, angegeben. Die groſſe Orgel ſteht uͤber dem Portal auf einem herrl. hohen Gewoͤlbe. Die Fenſter zu beiden Seiten ſind nach der alten Kunſt gemahlt und zwar nicht blos auf einzelnen Scheiben, ſon - dern es ſind, wie mans nicht uͤberall findet, ganze Heili - genbilder in herrlichem Blau und Roth auf den Fenſtern. Um den hohen Altar herum, der nur von weiten ſeine Schaͤtze und Edelſteine zeigt, iſt eine hohe Grille de fer, die wieder ein Meiſterſtuͤck iſt. Die Pfaffen haben bei ihrem ausſchweifenden Stolz die Sachen da nur an - gebracht, um das Volk abzuhalten, daß ja keiner vom unterſten Stande an ſo einen heiligen Mann ſtreiffe, und ſeine Heiligkeit anlaufen mache, wie das Glas vom An - hauchen truͤbe wird. Jetzt haͤngen ſie noch das Gold daran, das ſie gar nicht haben ſollten; indeſſen hat dies Vorurtheil, der Kloſterſtolz, doch der Kunſt dieſer Na - tion beſonders einen Schwung gegeben. Ueberall, und ſonderlich auch in der Abtei St. Germain iſt eine koſtba - re Grille. Das im Feuer vergoldete Eiſen ſieht gar fei - erlich aus. An der Grille muſte eine Menge Leute war - ten, bis die etliche 30. Pfaffen ihre Vêpres gebrummt hatten. Das Brummen hat doch wenigſtens den Nu - tzen, daß es ihnen nach einer fetten ſtarken Mahlzeit den Wanſt erſchuͤttert und zu einem neuen Schmauſe Appe - tit macht. Dann draͤngte ſich alles an der Seite inner - halb der Grille durch einige Treppen in ein Zimmer, wo 5. mit einer Barrierre eingefaßte Schraͤnke von Holz, worin der Schatz iſt, ſtanden. Einer von den MoͤnchenPkam226kam und machte mit vieler Hoͤflichkeit den Demonſtrateur. Man ſah Buͤſten von den Koͤnigen. Die von Louis XV. war gar ſchoͤn; ferner ganze Suiten von Kronen, von Louis XIII. XIV. XV. XVI. Kronen von Koͤniginnen, Dauphins, Dauphinen; eine Krone im Ge - ſchmack der Krone von Karl dem Groſſen, die Louis XVI. oben wieder verſchoͤnern laſſen; alle Kroͤnungs - Kleider vom jetzigen Koͤnige, wozu auch ein paar geſtickte Stiefel gehoͤrten, Krone und Scepter von Karl dem Gr.*)Beim Sacre du Roi brauchen ſie die Krone, den De - gen, die Sporen, das Scepter und den Stab mit der Hand oben darauf, von Karl dem Gr. Zu Louis XVI. Kroͤnung hat man ein neues Gehenke an den Degen und eine mit Gold geſtickte Scheide gemacht. Staͤbe von Dagobert und andern alten Koͤni - gen, viele Reliquien von Ludwig dem Heiligen, oder ihm im Orient geſchenkte Sachen, ganze Suiten von den Muͤtzen, welche die Aebte in dem Kloſter getragen, wo die Zipfel und die Formen eben ſo abwechſelten, wie an unſern Huͤten, Vaſen aus Achat, Porphyr, goldene mit Edelgeſteinen beſetzte Kreuze, goldne Buͤſten vom Stifter, dem Heil. Dionyſius, ein Kreuz aus Fels - Cryſtall ꝛc. Die Krone von Louis XVI. war gar koſt - bar. C’eſt le dernier gout, ſchrie dabei freilich je - der, wiewohls im Grunde nur verſchoͤnerte Copie von Louis XV. ſeiner war ꝛc.

Die Mauſoleen unten, ſind aus den Zeiten Franz I. Louis XII. ꝛc. und bedeuten nicht viel. Was man von den Grabſtaͤten der aͤlteſten und neueſten Koͤni - ge ſehen kan, iſt wenig; man ſieht nur den Eingang in die Gruft, und es ſieht ſchauerhaft majeſtaͤtiſch aus. Weil227Weil heute zu viel Leute hier waren, ſo beſah ich dieſe den 6ten Jul. noch einmal. Davon alſo das Weitere unter dieſem Tage. Der Schweizer war ein grober Kerl.

Bemerkung.

Heute ging ich wieder bei La Morne vorbei, da lag ein Menſch! Ein gemeiner Mann, vermuthlich aus der Seine aufgefiſcht, denn er war ganz mit Koth bedeckt, und ſchon ſtark aufgetrieben. An den Haͤnden ſah ich Wunden, und Blut im Koth geronnen, die wichtigern kont ich nicht ſehen. Gott im Himmel! welch ein ungluͤckliches Schickſal haben doch viele Menſchen auf deiner Erde! Menſchen opfern Menſchen auf, und das ſehen Tauſende, ſchwatzen davon, und der ganze tauſend - fache Troß der Stadt laͤuft nachher, wie zuvor, dem Ver - gnuͤgen und dem Laſter nach!

Den 16ten Jun.

Ich beſah heute

Le Cabinet du Pere Nicolſon, au Couvent des Jacobins, Rue St. Honoré, proche de l’Egliſe St. Roch. Der erſte Vormittag, den ich hier zuge - bracht, ſoll mir noch lange koſtbar und werth ſeyn. Wie geſchwinde knuͤpfen die Wiſſenſchaften das Band der Freundſchaft zwiſchen ſonſt unbekannten Seelen! Und be - ſonders Maͤnner, welche die Natur lieben, wie leicht fin - den ſie ſich, ziehen ſich an, lieben ſich, theilen ſich mit, und vergeſſen des Flugs der Stunden in den angenehm - ſten Unterhaltungen! In dieſes Kloſter, wohl eine Stunde von meinem Quartier entfernt, ging ich oh -P 2ne228ne Addreſſe und Bekanntſchaft, blos weil ich im Al - manac de Paris geleſen hatte, daß da eine Bibliothek und Kabinet zu finden ſei, lies mich auf die Bibliothek fuͤhren, und fand da einen alten, ganz weis gekleideten Ordens-Mann, deſſen Namen ich nicht mehr weis. Er ſchien ſehr ernſtlich zu ſtudieren, wies mir aber doch mit der groͤſten Hoͤflichkeit die Bibliothek. Er hatte ſich uͤber den groſſen Katalog noch ein Repertorium nach dem Al - phabet der Autoren gemacht, die Zimmer haben Namen, die Schraͤnke Zahlen, und die Buͤcher Nummern; ſo konnten wir in einem Augenblick finden, was wir wolten. Und in jedem Buch ſelber ſteht allemahl wieder der Name oder der Buchſtabe des Zimmers, die groſſe Zahl des Schranks und die arabiſche Zahl des Buchs, ſo konnte man auch leicht eine groſſe Menge gebrauchte Buͤcher wieder an ihre gehoͤrige Stellen bringen. Von Theologi - ſchen, Hiſtoriſchen, Mediciniſchen, Philoſophiſchen, Na - turhiſtoriſchen fand ich einen groſſen Vorrath, ſonderlich in der Litteraturgeſchichte, vollſtaͤndige Suiten vom Jour - nal des Savans, Gazette de France &c. die ſonſt ſelten complet ſind, auch Luthers, Erasmus ꝛc. Wer - ke. Im Katalog uͤber die Naturgeſchichte fand ich zwar eine andere noch aͤltere Edition vom Sibbaldus, aber ſeine Balaenologia wieder nicht. Honoratus Fabri de generat. anim. et plant. wollt ich mir geben laſ - ſen, als mein gefaͤlliger Pater abgerufen ward, nnd mich noch einen Blick aufs Naturalienkabinet thun ließ. Da fand ich aber ſo viel Schoͤnes, daß ich ihn um Erlaub - nis bat, das alles durchzugehen, worauf er mich zum P. Nicolſon fuͤhrte, der von dem Augenblick an mein ge - liebter Freund ward. Ein Mann, mit einem ſilber - grauen Kopfe, von einem drittehalbjaͤhrigen Aufenthaltauf229auf Domingo zuruͤckgekommen, voll Eifer fuͤr die Na - turgeſchichte, und doch noch bei einer ſtarken Geſundheit, und einem dauerhaften Koͤrper. In Domingo war er einmahl ſehr krank, aber nachher nicht mehr. Sein Eſſay ſur l’hiſt. natur. de St. Domingue war eben unter Adanſon’s Cenſur gedruckt worden, und blos durch ein Verſehen iſt, wider ſeinen Willen, der Name des Verfaſſers auf dem Titelblatte weggeblieben. Was im Kloſterkabinet ſehenswuͤrdig iſt, hat er angeſchaft, oder mitgebracht. Da ſind auch die Urbilder zu den Platten, die er in Kupfer ſtechen laſſen. In der Thiergeſchichte iſt er nicht ſonderlich ſyſtematiſch feſt, wiewohl er auf je - de kleine Erlaͤuterung, die ich ihm geben konnte, begie - rig war. In der Kraͤuterkunde fand ich doch Linn. Spec. plant. bei ihm. Wir gingen ins Kabinet, und das Wichtigſte von dem, was ich geſehen habe, iſt fol - gendes: 1) Cryſtalliſirte Krei[d]e, eigentlich dreyecki - ge Pyramiden, an einander geklebt; aus De l’Isle de Rome’s Sammlung, aus la Carriere de Belle Croix bei Fontainebleau. Ich habe auch ein großes Stuͤck davon. 2) Violetholz aus Domingo, unvergleich - lich ſchoͤn zu Meublen: In meiner Holzſammlung ge - faͤllt es immer allen, die Geſchmack haben, am meiſten. 3) Krebſe, in einer halben Bivalve, die auf dem Ruͤ - cken eine harte Kruſte, am Bauch aber eine weiche Haut haben, alſo den Uebergang oder wenigſtens ein Ketten - glied zwiſchen den Molluſcis und Cruſtaceis machen. Das Thier bewohnt immer nur die eine Haͤlfte der Kon - chylie und traͤgt ſie uͤber ſich im Gehen, wie ein Dach. 4) Eierſchnuͤre von Molluſcis und Teſtaceis, wel - che die Natur ſelber enfilirt hat. ſ. die Kupfer zu ſeinem Werke. 5) Eine verſteinerte Auſter von St. Do -P 3mingo,230mingo, wovon man beide Haͤlften abnehmen kann. 6) Eine Suite von verſteinerten Muſcheln, groſſe und kleine, wie kleine Blaͤtchen. Man heiſt ſie in Bre - tagne Monnoye de Neptune. Ueberm Feuer oͤffnen ſie ſich, man ſieht aber kein Charnier, und kennt das Original nicht, wie Nicolſon ſagte. 7) Pinceau de mer, groſſe und kleine. Man denke ſich die Allmacht Gottes an dem ſonderbaren Thiere. 8) La Fripiere, die alle Muſcheln an ſich klebt. Dieſes Stuͤck war be - ſonders koſtbar, weil oben eine vollkommne Arche Noaͤ darauf ſaß. 9) Schnecken mit einem Bouche d’or, das Labium war goldgelb, wie im Feuer vergoldet. 10) Kleine Zebramuſcheln aus Domingo, die ſolche Zeich - nungen haben, wie dieſer afrikaniſche Eſel. 11) An vie - len Krebsfuͤſſen Klauen, hornartig, ſchwarz, einige noch mit Stacheln. 12) Natuͤrlich rothe Krebsſcha - len, mit herrlichen, weiſſen, gelben Flecken darauf. 13) Meerohren aus Domingo, in denen nicht ein ein - ziges Loch war. Ob nicht eins darin geweſen, oder ob das Thier ſie alle verſtopft hatte, konnt ich nicht entſcheiden. 14) Groſſe Eidechſen von da her, die ein recht gutes Eſſen ſind. 15) Bois dentellé, Bluͤte, Frucht und Rinde in Weingeiſt. Es iſt die mittelſte Rinde, La - jette nennt Sloane den Baum in Domingo. Man macht Manſchetten davon, die man in ein Glas mit Sei - fenwaſſer geſchuͤttelt waͤſcht. Vom Reiben wuͤrden ſie zerreiſſen. 16) Viele Conchylien mit ihren natuͤrli - chen Deckeln, welche die Fiſcher aus Unwiſſenheit weg - werfen. 17) Ein herrlicher Meerigel mit vielen Sta - cheln noch, den er auch beſchrieben hat. 18) Calebaſ - ſen, viele Wurzeln, Saͤmereien ꝛc.

Zu231

Zu den Nachrichten, die er mir gab, gehoͤrt, daß er Delor’s Auſſage von der Bewegung der Seeſterne gra - de zu widerſprach. Er haͤtte ſie immer auf dem Ruͤcken ſchwimmen ſehen, und kleine Bewegungen machen, wie die Schnecken mit ihren Hoͤrnern, ſo dieſe mit ihren Ra - diis. Der Radius ſei breit, in der Mitte laufe ein Tentaculum durch, die vielen Zaͤhne dienten zur Be - ſchuͤtzung. Wenn er ſie umgekehrt habe, waͤren ſie gra - de liegen geblieben.

Zu den Geſchenken die er mir machte, gehoͤrten; Bois dentellé, Tuͤrkiſſe, Pinceau de mer, Mon - noye de Neptune, groſſe, mittlere, kleine, 2. ganz weiſſe Seeigel. Ein groſſes Oſcabiœrn, das an der Seite ein Haͤutchen mit vielen Koͤrnchen hat: Eine Ze - bramuſchel von Domingo; 3. Conchylien mit ihren na - tuͤrlichen Deckeln; ein kleines Oſcabiœrn, das innen nicht blau, und jene Haut, und die Koͤrner nicht hat; Ein Seeigel mit grauen und weiſſen Baͤndern; noch ein herrliches Schneckchen mit dem Deckel.

La Biblioth. du Coll. de Mazarin, ou de quatre Nations. Die letztere Benennung ruͤhrt daher, weil der Kardinal Mazarin eine Schule dabei geſtiftet hat fuͤr Kinder aus Teutſchland, (man nimmt ſie aber jetzt aus der Franche Comte) aus Italien, Flan - dern und Holland. Sie fuͤllt nur 2. Zimmer, hat aber viel aͤuſſerliche Schoͤnheit. In allen Faͤchern iſt ein ſchoͤ - ner Vorrath da, aber keine Kupferſtiche, keine Hand - ſchriften, keine Muͤnzen, keine Naturalien. Der Unter - Bibliothekar, der Abbe Le Blond, an den ich von Vil - loiſon Addreſſe hatte, lies mir den Katalog vorlegen, ſei - ne Polyglotta und alte Bibeln von Maynz zeigen, dieP 4aber232aber defekt waren, und gab mir was ich verlangte. Ich ſah ferner noch 1) William’s Oxonia depicta, LXV. Tafeln in Folio. Es ſind nichts als Beſchreibungen und Abbildungen der Gebaͤude, die zur Univerſitaͤt in Ox - ford gehoͤren. Wie viel ſolte man ſich nicht von einer Univerſitaͤt verſprechen, die ſo viel Platz hat, ſich auszu - dehnen? wo jeder Profeſſor eine Stoa, einen Porticus haben koͤnnte? 2) Bonnani Recreationes mentis et oculorum in Conchyliis, in 4to. Die Kupfer ſind herrlich, aber der Text iſt weitſchweifig, gedehnt, ariſto - teliſch, alles koͤnnte man auf wenige Blaͤtter reduciren. Der Karakter des Verfaſſers muß gut geweſen ſeyn. 3) Latini Tancredi de Antiperiſtaſi omnigena, ſive de Naturae miraculis. Neapoli 1621. 4to. Der Titel lokte mich. Ich fand lauter Philoſophiſche, Me - diciniſche, Phyſiſche Diſſertationen. Was andre qua - litas occulta nennen, z. B. daß man im Winter beſſer verdaue, daß der Nil ſtatt des Regens Egypten uͤber - ſchwemme ꝛc. das nennt er Antiperiſtaſis, und ihm iſt alles qualitas occulta. Unglaublich iſts, wie weit ehe - mals die Vergoͤtterung des Ariſtoteles ging. Ueberall ward von ihm angefangen, er beſtaͤndig citirt, bis auf alle Woͤrter vertheidigt, und wenn er offenbar geſchlegelt hatte, ward eher der Text veraͤndert, und Muthmaßun - gen erdacht, eh Vater Ariſtoteles verlieren durfte. Welch eine Schande fuͤr den Menſchenverſtand, beſon - ders fuͤr die Naturforſcher! Auch kan man ſich des La - chens nicht enthalten, wenn man die traurige Geſtalt der vorigen Phyſik ſieht, und die kindiſchen Fragen, woruͤber man ſich die Koͤpfe zerbrach! daher betruͤgt man ſich oft ſo ſchrecklich, wenn man eine alte Naturkunde in die Haͤnde nimmt z. B. da ſind etliche Cap. darin, obdie233die Erde in ihrem Mittelpunkt wohl hart, ſolid, oder lockrer Staub ſei? Wie’s wohl mit der obern Region der Luft ausſehen moͤge ꝛc. Da ſtritt man uͤber die Eingewei - de und uͤber die oberſten Decken der Erde, und kannte die Erde unter den Fuͤſſen, ſich, und die bekannteſten Ge - ſchoͤpfe nicht. Trauriger Blick in die Geſchichte des Menſchenverſtandes! Erſt hundert Irrwege, bis endlich die gebahnte Straſſe zum Tempel der Wahrheit entdeckt wird!

Der Abbe le Blond ſchrieb mir noch, eh ich ihn verlies, einen Empfehlungs-Brief an De l’Isle Rome, um deſſen Kabinet zu ſehen.

Den 17ten Jun.

Heute hoͤrte ich

Le Diſcours exegetique de M. Aſſeline, Doct. de Sorbonne et Prof. en Langue hebraique mit an. Ich hatte dieſen Vormittag fuͤr die Sorbonne be - ſtimmt, ging alſo hin, praͤſentirte dieſem Manne meine Addreſſe von M. de Villoiſon, und ward mit der groͤ - ſten Hoͤflichkeit empfangen. Ein kleiner, blaſſer, ſchon alter Mann. Er erbot ſich, mir alles zu zeigen, was in der Sorbonne zu ſehen iſt. Wir ſprachen uͤber exe - getiſchkritiſche Sachen, und kamen auf die oͤffentlichen Vorleſungen, und weil er um 11. Uhr uͤber die Pſalmen las, und bei dem beſtaͤndigen Regenwetter im Koͤnigl. botaniſchen Garten nichts fuͤr mich zu thun war, ſo kam ich um 11. Uhr wieder, und ging in ſeine Vorleſungen. Ich ward in einen groſſen Saal gefuͤhrt, worin kein Kathe - der, ſondern eine wahre Kanzel ſtand, die ganz ſchwarz an -P 5geſtrichen234geſtrichen war. Alles ſah uͤberhaupt ſehr duͤſter und trau - rig aus. Die Studenten tragen ſich alle ganz ſchwarz, mit runden Haaren, und runden Huͤten, die ſie auch im Collegio auſſetzen. Dr. Aßeline trug ebenfalls eine groſ - ſe ſteife altmodiſche Kappe, die er nur beim Gebet ab - nahm. Viel Ordnung, Sittſamkeit und Beſcheidenheit fand ich nicht. Die Zuhoͤrer haͤtten alle ſitzen koͤnnen, aber ſie ſtanden zum Theil auf den Baͤnken, und ſchrieben am Fenſter. Unter der Kanzeltreppe ſaßen fuͤnfe und ſchaͤkerten. Man ging, man kam, wie man wollte, vor des Lehrers Augen las man Zeitungen, die wenigſten hat - ten Bibeln. Kurz, ich bemerkte keinen Eifer, keinen Ernſt. Mein buntes Kleid mochte hier eben keine ge - woͤhnliche Erſcheinung ſeyn, ich merkte, daß es nicht Mode war; doch wiederfuhr mir nichts unangenehmes. Man hielt mich oft fuͤr einem Engellaͤnder, aber ſobald ich dies merkte, bekannte ich frei mein teutſches Vater - land. Als der Profeſſor kam, ging ein Student mit ihm auf die Kanzel und las den 64ten Pſalm in der Grund - ſprache vor, ſodann eine lateiniſche Ueberſetzung, ging dann wieder herunter, und nun fing Aßelyne an. Die ebraͤiſche Pronunciation der Franzoſen iſt von der teut - ſchen wenig unterſchieden. Das Vau copulat. und converſ. ſprach er immer wie ein Schureck aus. Das Schewa quieſcens aber kan der Franzos herrlich ſchlei - fen, auch 3. 4. Worte, welche die Linea Makkeph ver - bindet, ſprach er ſehr gut mit einander aus. Dagegen aber war ſein Lateiniſch unertraͤglich, ſcribītur, Sche - hova (ſtatt Jehova), lonſche (ſtatt longe), fu - ſchient (ſtatt fugient), ſchaculati (ſtatt jaculati). Er ging jeden Vers durch, gab aber nur den Wortver - ſtand an, ohne ſich in die Grammatik, oder in die Mo -ral235ral, oder in die Entwickelung der poetiſchen Schoͤnheiten einzulaſſen. Lamnazeach las er gerade zu, und uͤber - ſetzte es Praecentori, doch gefiels ihm nachher, als ich ihm ſagte, daß ich Leminzach laͤſe. Beim 8ten und 9ten Vers verglich er die LXX. mit der Vulg. und ver - theidigte beſtaͤndig die letztere. Er bemerkte, daß die Griechen ידם von דרם von פית hergeleitet haͤt - ten. Beim 9ten Vers geſtand er, daß er gar nicht wiſ - ſe, wie ſie: Infirmatae ſunt lingue eorum haͤtten herausbringen koͤnnen. Der 65te Pſalm ward noch an - gefangen. Der Aufſchrift der LXX. daß ihn Jere - mias, oder Ezechiel gemacht, daß er auf die Gefangen - ſchaft der Juden eine Beziehung habe ꝛc. ſprach er alle Wahrſcheinlichkeit ab. Der Vortrag war ganz latei - niſch, monotoniſch, todt, unangenehm. Kaum ſchlug es 12. Uhr, ſo waren alle Zuhoͤrer ſchon zur Thuͤre hinaus, und er und ich waren die Letzten. Weil man mir Aße - line als den geſchickteſten Lehrer geruͤhmt hatte, hatt ich weiter keine Luſt, theologiſchen Vorleſungen in Paris bei - zuwohnen, und ſegnete Deutſchland und ſeine Michaeliſ - ſe, Semlere, Griesbache ꝛc. Hierauf beſuchte ich

La Manufacture des Glaces, in der ſchoͤnen An - tonius-Vorſtadt. Auch das Gebaͤude ſieht viel ſchoͤner und beſſer aus, als die Werkſtaͤtte der Gobelins. Man ſieht groſſe, aber niedere Saͤle, wo dreierlei Arbeiten vor - genommen werden. Die Arbeiter werden nicht Tagwei - ſe, ſondern Stuͤckweiſe bezahlt. Die Verqueckſilberer haben Appointements, und erhalten ſie auch, wenn ſie krank ſind, denn zum Theil iſt die Arbeit hart, zum Theil ungeſund. Man ſieht Weiber und Maͤnner arbeiten. Die Glasplatten werden aus der Pikardie hieher ge -bracht;236bracht; der Sand iſt in Menge vorhanden. Die Potté und das Queckſilber werden von den Materialiſten ange - ſchaft. Im Magazin der Glaͤſer ſieht man Tafeln al - ler Art; es ſind Stuͤcke von 100. auch 102. Zoll hoch. Je hoͤher die Tafeln ſind, deſto mehr ſteigt auch der Preis, nicht nur vom Ganzen, ſondern von jedem Zoll, ſo wie das ſechzehnte Theilchen eines Karats an einem groſſen Diamanten ſo viel werth wird, als das ganze Karat eines Diamanten von gewoͤhnlicher Groͤße. Die Glasplatte wird 1) geglaͤttet, doucir nennts der Fran - zoſe, um die groͤbſten Unreinigkeiten herab zu bringen. Die Tafeln ſind, wenn ſie ankommen, ſehr dick, rauh, uneben, werden daher faſt zur Haͤlfte auf beiden Seiten abgerieben. Sind Blaſen im Glas, ſo bleiben dieſe. Es iſt ein Fehler, der an der Materie, nicht an der Ma - nufaktur liegt. Man legt das Glas auf einen Tiſch, machts naß, hat dabei auf einem Brete einen gelblichten Sand neben ſich, der auch ſtark angefeuchtet iſt, ſtreut den uͤber die ganze Platte hin, und faͤhrt nun mit einem hoͤlzernen Bret, das faſt ſo iſt wie das Kaͤſtchen am Krauthobel, drauf herum, und ſchleift mit den ſpitzi - gen Ecken des Sandes die glaͤſernen Unebenheiten ab. Iſt die Platte breit und gros, ſo beſchweren die Arbeiter ſie mit mehrern ſolchen Druckmaſchinen, oder mit einer einzigen groſſen. Auf dieſe wird ein Rad gelegt, das nur aus Baͤndern, aus Rinden von Eſpen, Tannen ꝛc. gemacht wird, und an den Speichen dieſes Rades treiben ſie die Maſchine leicht von einer Seite zur andern, und ſchicken ſie einander zu. Jeder hat unten einen Kaſten zum Sand, und einen fuͤr das ablaufende Waſſer ꝛc. 2) Polirt, polir nennt mans hier auch, oder geſchlif - fen, daß es noch ebener, glatter, ſchlichter, ſchoͤner wird. Dieſe237Dieſe Arbeit geſchieht in andern Zimmern, weiter oben, und iſt ſchon wichtiger. Sie nehmen die geglaͤtteten Ta - feln, legen ſie wieder auf Tiſche vor ſich, und haben Pot - eine Art von Colcothar Vitrioli, oder ſo ein Reſiduum neben ſich. Dies wird mit einer Buͤr - ſte in Waſſer getunkt, abgerieben und damit auf dem Glas hin - und hergefahren. Dieſe Buͤrſten ſind nichts als Buͤndel von den Liſieres, deutſch Tuchſchroten, an ſchlechten, dicken, wollenen Tuͤchern. Die ich ſah, waren alle von ſchwarzem Tuche, vielleicht iſt das aber nicht noͤthig. Sie nehmen breite, handbreite Stuͤcke da - zu, binden ſie 10, 11 mahl zuſammen, und parallel neben einander; das iſt die Buͤrſte. Sie wird an einen Spannbengel befeſtigt; dieſer iſt gebogen und hat oben einen Stift, den der Arbeiter oben in die Decke vom Zim - mer einſteckt, und bald da, bald dorthin ſteckt, wie ers braucht; daher iſt dies 2te Zimmer ſehr niedrig, dunſtig und heis. Der Qualm kam mir ſchon auf der Treppe entgegen. Von dieſer Arbeit wird nun das Glas auf beiden Seiten roth, und faſt undurchſichtig. Iſt’s ge - nug geglaͤttet und polirt, ſo wird es abgewaſchen, dazu legen ſie es auf einen alten Filz, oder grobes Tuch, und ſtellen es dann an die Luſt oder die Sonne, da’s denn viel duͤnner iſt, als im Magazin. An einem groſſen Stuͤck, kan, ſagte man mir, einer 3. Wochen arbeiten, auch wohl laͤnger. 3) L’Etamage. ſo nennen ſie die 3te Arbeit, wenn die Tafel wirklich Spiegel wird. In ei - ner andern Stube, wo ordentlich, bei nicht gar groſſen Tafeln, nur 2. Leute arbeiten, ſtehen Tiſche mit Tuch und am Rande mit Papier uͤberzogen, und mit Kanaͤlen ringsum eingeſchnitten. Auf dieſe legt der Arbeiter eine duͤnngeſchlagene Platte von Zinn. Ueber dieſe gießt erſein238ſein Queckſilber, das bringt man daher in ſo groſſer Menge, als wenns Waſſer waͤre. Doch wiegt die ge - woͤhnliche Schoͤpfſchuͤſſel 30. Pfund, und ſie iſt nicht viel groͤſſer als eine Suppenſchuͤſſel zu Einer Portion, aber von Holz. Das gießt er druͤber, dann nimmt er Kehr - beſen, Kehrwiſche, und wieder ſolche Buͤrſten von Tuch - ſchroten, und fegt das Queckſilber auseinander. Er verwiſchts ſo lange, bis es ziemlich gleich vertheilt iſt. Dann ſchuͤttet er noch etlichemahl daruͤber, mißt mit ei - nem glaͤſernen Winkelmaas das Feld des Spiegels, ſchuͤt - tet noch immer daruͤber, kein Korn laͤuft uͤber die Grenze des Zinns herab, wenn das Queckſilber gleich noch ſo dick aufgeſchuͤttet wird. In der Mitte bildet ſich ein Schaum. Um mich etwas Schoͤnes ſehen zu laſſen, nahm der Arbeiter ſeine Buͤrſte, und fuhr unten uͤber ei - nen Strich des Queckſilbers hin, er nahm dadurch den Schaum weg, und lies mich hineinſehen. O da war ſchon ein Spiegel! ohne Glas im bloſſen Queckſilber, und ein viel ſchoͤnrer und hellrer, als der neugemachte, der neben dem werdenden lag, den ich hatte entſtehen ſehen. Man durfte nur in beide ſehen, ſo ſah man den Unter - ſchied deutlich. Das Glas nimmt einen Theil der Hel - le, der Lebendigkeit im Darſtellen weg. Koͤnnte man das Geheimnis ausfuͤndig machen, das die Natur bisher noch nicht wolte ſehen laſſen, das Queckſilber, ohne ſo ei - ne Glas-Tafel darauf zu drucken, feſt ſtehend zu ma - chen; ſo haͤtte man ſo viel hellere Spiegel, aber ich griff nur hinein, weg war der Spiegel. Um ihn nun aus - zumachen, ward der Tiſch unten an Schrauben herab - gelaſſen, damit man die Glas-Tafel deſto bequemer hin - auf bringen konnte. Und um die Tafel, ſobald ſie auf - gelegt waͤre, gleich an zu drucken, ſo daß ſie nicht wei -chen239chen koͤnnte, wurden vorher 5. 6. 8. eiſerne Kugeln, in ſteinernen viereckigten Einfaſſungen herbeigeſchaft, da - mit man ſie nachher gleich darauf ſetzen konnte. Und nun wurde der untere Rand des Tiſches mit Papier uͤber - zogen, bis an die aufgethuͤrmte Platte von Queckſilber hin. Die Leute holten die Tafel, fanden aber, als man ſie uͤberſtoſſen wollte, daß ſie wirklich um der Fremden willen zu viel Queckſilber darauf geſchuͤttet hatte, das wurde alſo vermindert, dann die Tafel uͤbergeſchoben und gleich beſchwert. Was hervorſpritzte und lief, fingen die im Tiſch eingeſchnittenen Kanaͤle wieder auf. So bleibt die Tafel einige Zeit liegen, und wird dann eingemacht. Daß dieſe Arbeit ungeſund iſt, zeigt die elende Farbe die - ſer Leute, ihre keichende Sprache, ihre welke Haut ꝛc. Es ſind ihrer 10. ſie wechſeln alle Tage ab, jeder arbeitet nur 3. Wochen im Monat ꝛc. Ich wuͤrde von einer ſo praͤch - tigen Arbeit, um meinem Vergnuͤgen bei Manufakturen Genuͤge zu thun, noch mehr Erkundigungen eingezogen haben, haͤtte nicht das Weib, das mich herumfuͤhrte, ſo gar unverſtaͤndlich und ſchlecht geſprochen. Von da be - ſuchte ich

L’Hôtel des Enfans trouvez; nahe bei der Kir - che Notre Dame. Ein ſchoͤnes wohleingerichtetes Haus mit langen Saͤlen, breiten Treppen, der Erziehung der armen und unehlichen Kinder gewidmet. Unten iſt eine eigene Kirche, oben ein Bureau fuͤr dieſes wichtige und in Paris freilich unentbehrliche Inſtitut. Eine Menge Frauen verwenden da ihre Liebe und chriſtliche Sorgfalt an huͤlfloſe Kinder, die ſonſt fuͤr den Staat verloren gingen. In einem großen Saal ſtehen lange Reihen von Wiegen, an und neben einander; es ſind aber nurkleine240kleine und mit Recht unbewegliche Bettſtaͤtten. Zwi - ſchen 12. auf dieſer und 12. auf jener Seite iſt allemahl ein Durchgang. An den Waͤnden hinauf ſtehen ihrer ebenfalls; ſo daß ich 150. in dieſer Stube zaͤhlen konnte. Die Betten ſind alle recht gut, ſauber, weis, warm, nicht zu ſchwer, und haben alle einen Himmel von weiſ - ſen Tuch uͤber einem Bogen aufgeſpannt. An der Wand haͤngt ein Gemaͤlde, das die Menſchenliebe vorſtellt, mit der paſſenden Unterſchrift: Mein Vater, und meine Mutter verlaſſen mich, aber der Herr nimmt mich auf! In einem andern Saal ſah ich 6. 8. bis 10jaͤhrige Knaben zu Abend eſſen. An ſchmalen Tiſchen ſitzt Kind gegen Kind, alle eſſen auf zinnernen Tellern. Es wurden recht gute, kraͤftige Suppen und gebratene Huͤhner aufgetra - gen. Die Knaben tragen alle ſchwarze graue Fourreaux (Kinderkappen) mit Kappen, die unterm Kinn zugebun - den werden. Sie unterſcheiden ſich aber durch eine ſchwarze Maſche, die hinten an der Kappe angenaͤht iſt, von den eben ſo gekleideten Maͤdchen. Einer von den oberſten ſtand gleich auf, kam auf mich zu, machte mir im Namen ſeiner Bruͤder ein Kompliment, und bat mich, ihn anzuhoͤren, weil er mich haranguiren wollte. Ich thats, und er deklamirte allerliebſt ein auswendig gelern - tes Lied und Gebet, das ſich auf die Umſtaͤnde dieſer Kin - der bezog, her, und empfing das kleine Geſchenk mit der artigſten Verbeugung. Andre groͤſſere Knaben warteten den kleinern auf, und halfen ihnen an der Kleidung uͤberall. Ohne daß ein Aufſeher da war, herrſchte uͤberall die ſchoͤn - ſte Ordnung. Bei den Maͤdchen fand ichs eben ſo. Zuweilen ſagte ein kleiner Schalk: O! mon cher Pa - pa, mon cher Pere etc. aber ſonſt war kein Getoͤſe, kein Lermen. Man ſieht mit Ergoͤtzen hier alle moͤglichePhy -241Phyſiognomien; unter den kleinſten war eins ganz gelb, man findet auch Mohrenkinder, einige ſind ſehr klein, an - dre ſtarkgliedrig, die meiſten ſind lebhaft, ſehen hell aus; ſind jovialiſche Kinder. Ich verlies nicht ohne freu - digen Dank gegen Gott und den Koͤnig, dieſen Zufluchts - ort und ſegnete im Weggehen die zaͤrtlichen Weiber, die das beſtaͤndige Wimmern fremder Unmuͤndigen nicht un - geduldig macht, nicht ermuͤdet. Wie viel ehrwuͤrdiger und Gott werther ſind dieſe theuern Helferinnen, als jene Schwaͤrme von Pfaffen und Moͤnchen, die ſich mit Mark und Wein maͤſten, den Gipfel menſchlicher Vollkommen - heit erreicht, die groͤſten Schwierigkeiten der Tugend uͤber - wunden zu haben glauben, und oft in ihrem Muͤßiggan - ge nicht eine einzige gute Handlung fuͤrs Menſchen - Geſchlecht verrichten. Ihr verborgenen Opfer, die ihr taͤglich im Stillen auf dem Altar der Religion dargebracht werdet! fuͤr euch, fuͤr euch, ſind die Belohnungen des Him - mels, weil euch die Welt nicht belohnen kan!

L’Hotel Dieu, nahe dabei, auch eine der vereh - rungswuͤrdigſten Anſtalten, die Paris aufweiſen kan. Man begreiſt leicht, daß ein Fremder das Ganze ohn - moͤglich uͤberſehen kan, und, wer dabei angeſtellt iſt, hat beſtaͤndig ſo viel mit den Kranken zu thun, daß es Suͤn - de waͤre, ihn mit neugierigen Fragen zu beunruhigen. Der Brand hat leider! im Jahre 1776. einen groſſen Theil dieſer Gebaͤude in die Aſche gelegt, und auch viele Kranke ſind dabei ein Opfer der Flammen geworden, aber doch ſtehen noch ganze Haͤuſer, die alle mit Kranken an - gefuͤllt ſind. Man geht durch lange an einander gebaute Saͤle, die alle voll Betten ſind. Die Betten ſind gut, haben alle rothe Vorhaͤnge und Himmel, ſind numme -Qrirt,242rirt, in einigen liegen 2, in den meiſten nur eine Perſon. Nachtſtuͤhle ſtehen im Wege. Prediger, Aerzte, Wund - aͤrzte, Wartfrauen, Aufwaͤrter, Apotheker, Jungen, Koͤche, Waͤſcher ꝛc. ſind uͤberall in Menge. Es iſt ein eigener Saal fuͤr Kindbetterinnen ꝛc. da, eine eigne Kir - che, eine eigne Apotheke ꝛc. Die Hoͤfe haͤngen immer voll gewaſchener Kleidungs - oder Bettſtuͤcke. Die Obrig - keit gibt Wachen dazu her. Man ſieht die Mannichfal - tigkeit des menſchlichen Elends, uͤberall hoͤrt man klagen, ſeufzen, ſpeien, ſchreien, troͤſten, jammern, ſich auslee - ren, roͤcheln, den Tod rufen ꝛc. Man bekoͤmmt alle moͤgliche Geruͤche, ſieht alle Situationen, Wunden, Krankheiten. Dort ißt einer Suppe und gebratene Huͤ - ner, darneben ſegnet der Geiſtliche einen Sterbenden ein. Fremde laufen beſtaͤndig darin herum; doch iſt das Ge - tuͤmmel bei der Menge der Leute noch maͤſſig. Gott ſei gelobt fuͤr dieſe Anſtalt! Wie groß wuͤrde ohne eine ſolche das Elend in Paris ſeyn!

Den 18ten Jun.

Le Jardin du Roi beſuchte ich heute wieder. Wie - wohl das Wetter ſehr zweideutig ausſah, und auch ſtark abwechſelte, ſo eilt ich doch, im Garten fortzufahren, und ging heute (ſ. 13ten Jun.) die

  • 3) Geſchlechter Salvia; Olea; Citharexylum; Teucrium; Satureja; Hyſſopus; Duranta; Betonica; Mentha; Galeopſis; Phlomis; Chlinopodium; Molucella; Thymbra; Thy - mus; Oryganum; Heliotropium; Symphy - tum; Scutellaria; Pulmonaria; Onorma; Lithoſpermum; Echium; Convolvulus; Cor -dia;243dia; Ehretia; Tournefortia; Elliſia; Hydro - phyllum; Ipomea; Apocynum; Periploca; Chynanchum; Kalmia; Empetrum; Rho - dodendrum; Momordica; Cucumis durch.
  • 4) Folgendes fand ich fuͤr mich anmerkungswerth:
    • 1) Von der Salv. offic. waren hier die Spielarten: tricolor, alba, purpuraſcens, latifolia, te - nuior, aurita.
    • 2) Salv. ſylveſtr. ſoll, wie Linne ſagt; fol. ma - culata haben, hier konnt ich aber auf keinem einzi - gen Blatte einen Flecken entdecken. Vielleicht iſts mit den Flecken und Farben im Pflanzenreiche eben ſo wie im Thierreiche.
    • 3) Beim Hyſſop. lophantus, waren die ſtamina infer. faſt in keiner Blume kuͤrzer als die Blumen - decke.
    • 4) Galeopſis Galeobdolon hatte auch keine fol. al - bomaculata, uͤberhaupt, duͤnkt mir, ſolte dieſes Ge - ſchlecht noch genauer beſtimmt werden.
    • 5) Es war ein Lithoſp. aegyptiacum da, an dem einige Blumen ganz weis, andre ganz blau waren. Linne hats nicht. Tubus corollae clauſus, flo - res omnes laterales, calyx tomentoſus, fol. linearia, carinata, ciliata, caulis herbaceus, diffuſus.
    • 6) An der Peripl. graeca war ſehr wenig von einer Hirſuties zu erkennen.
    • 7) Cynanchum monſpel. hat wahrhaftig keine fol. reniformia, ſondern fol. oblongocordata.
    • 244
    • 8) Es war ein Cynanchum aphyllum da, das Lin. nicht hat. Der Name iſt ſignificant. Eine Menge caules lumbriciformes, voll Saft, aber nicht ein Blaͤttchen daran; gegen das Ende waren einige Cau - les gedreht, wie Cirrhi, wurden auch duͤnner; von Bluͤthen war jezt nichts zu ſehen.
  • 5) Da ich heute ſo viele Blaͤtter mit Haͤrchen fand, ſo fiel mir bei: Ob wohl dieſe feinen Haare auch wohl auf den Pflanzenblaͤttern zur Abſonderung gewiſſer uͤber - fluͤſſiger Feuchtigkeiten dienen ſolten, ſo wie im Thierreich? und ob eine Pflanze wohl Schaden leiden wuͤrde, wenn man ſie alle recht ſauber von den Blaͤttern wegraſirte?

Hierauf beſuchte ich

Le Cabinet des Squelettes des animaux. Hr. D’Aubenton lies mir jezt auch dieſes Kabinet aufma - chen. Wiederum eine herrliche Sammlung, die eine Treppe tiefer, als das Kabinet ſteht; nur ſchade, daß der Platz zu eng iſt, und alles ſo verſtellt und untereinan - der geſteckt werden muß. Es ſind faſt von allen vierfuͤſ - ſigen Thieren Skelette da; doch fehlen aus der Klaſſe der Ferarum und Brutorum die meiſten. Sie haͤngen an der Wand, ſtehen, liegen uͤberall herum, und haben Zettel und Nummern. In eignen Kaͤſten ſind noch die Knochen der Vierfuͤßigen, Calloſitaͤten, Monſtroſitaͤten ꝛc. Vom Menſchen ſind beide Geſchlechter, Kinder, Zwerge, Bucklichte und Rachitiſche da. Von den Voͤ - geln ſah ich den Straus, den Adler, den Schwan. Von Fiſchen waren einige unter einem Glaskaſten. Eine Men - ge Koͤpfe ſtanden noch auf den Schraͤnken. Die Enge, in die das alles geſtellt iſt, hindert, daß man nicht viele Beobachtungen daruͤber machen kan. Doch ſah ich fol -gendes:245gendes: 1) Eine Seeſchildkroͤte lag aufm Boden; ſie war ganz ſchwarz, ſo gros wie ein junges Kalb, das auf dem Boden liegt. D’Aubenton ſagte mir, ſie waͤre eine groſſe Seltenheit, weil ſie im Kanal gefangen wor - den waͤre. Sie war nicht ſtark verwahrt, man konte mit dem Finger den Ruͤckenſchild hinab biegen, es waren auch ſchon viele Spalten und Riſſe darin. Man ſieht dem Thier das dumme traͤge Weſen an, es iſt wie ein Klotz. Wie weit iſts von da bis zur kleinſten Buͤcher - laus, die in einer halben Minute mit dem kleinſten Koͤr - per uͤber einen ganzen Bogen Papier hinlaͤuſt. So man - nichfaltig iſt die Natur, ſo veraͤndert ſie ihre Werke, und uͤberall iſt doch Vollkommenheit; alles iſt gut! 2) Ein Paar Huͤftbeine vom alten Elephanten; ich konnte keins aufheben, es war wie ein Stummel von ei - nem Baume, und ſo ſchwer wie ein Stein. 3) Ein Skelet von einem jungen Elephanten, der in der Menagerie von Verſailles war; den Ruͤſſel hat man von Leder daran gemacht, daß er kenntlich iſt, das Co - lon haͤngt noch nicht. 4) Ein Kopf von einem Hip - popotamus; der groͤſte Kuͤrbis bei uns iſt vielleicht ſo faſt das Maas davon. 5) Ein Tapir, wie ein groſſes Schwein; die Haut war noch daruͤber, mit wenigen Haa - ren darauf; es hat aber hoͤhere Fuͤſſe als unſre Schweine. 6) Ein Kopf vom Sus Babyruſſa. So viel ich ſehe, ſo viel Verſchiedenheit! An dieſem gingen nun die obern Zaͤhne wieder nicht ans Os frontis, ſie ſtanden uͤber einen Zoll davon ab. 7) Ein Maul vom Kachelot; nemlich die beiden Kinnladen, darin noch die meiſten Zaͤhne ſtanden. So lang wie ich, waren ſie gewis, wo nicht laͤnger. 8) Bois d’Elan, wie Schaufeln ſo platt, eine Menge andrer Hoͤrner ꝛc.

Q 3Hierauf246

Hierauf ging ich

La Comedie françoiſe zu beſuchen. Denn was wuͤrden viele Leute ſagen, wenn ich in Paris gewe - ſen, und nicht einmahl in die Komoͤdie gegangen waͤre? Man gab heute Phedre, ein Trauerſpiel von Racine, ein Stuͤck, das fade, aber auch herrliche Stellen hat. Das Komoͤdienhaus iſt ein Theil der Koͤnigl. Gebaͤu - de,*)Jetzt ſvielt die Comed. franç. in dem neuen in der Fauxbourg St. Germain erbauten und am 9ten April 1782. eingeweihten Schauſpielhauſe. Herausgeber. die gleich unterm Pontneuf anfangen, und bis in die Thuilleries fortlaufen. Der Schauplatz und das Auditorium iſt bei weitem nicht ſo gros, wie in Strasburg, die Muſik iſt herzlich elend, etliche Akteurs und Aktricen, ſonderlich Vater und Sohn, machten die Scenen, wo ſie ſich mit einander ausſoͤhnen ſollen, vor - treflich. Es herrſcht bei weiten hier nicht die Stille und Ordnung, wie in der Oper. Wiewohl man alle Tage hinein gehen kan, ſo iſt doch immer ein gewaltiges Draͤn - gen und Druͤcken um den Platz. Den Akteurs ſieht mans zum Theil wohl an, daß ihnen das Deklamiren, das Weinen, das Lamentiren, das Exſpiriren zur Ge - wohnheit worden iſt. Die franzoͤſiſche Sprache ſchickt ſich dazu, man kan darin erſtaunlich ſchnell, und ſehr energiſch, pathetiſch reden. In dem ganzen Stuͤcke war die Dekoration ein ſimpler Saal, der nie veraͤndert wur - de. Es geht uͤbrigens dem Schauſpieler wie dem Pre - diger und dem Profeſſor, man ſchwazt, lacht, gaͤhnt, laͤrmt ꝛc. Das Parterre koſtet 20. die 3te Gallerie 40. Sous,247Sous, das Parterre iſt aber hier nicht ſo honett, wie in der Oper.

Bemerkung.

Heut muſt ich bei Mr. Lavabre, Rue Mail ſou - piren. Ich hatte auf der petite poſte ein gedrucktes Einladungs-Billet bekommen. Ich ging daher um halb 9. Uhr hin, die Geſellſchaft ſtieg bis auf 18. Perſonen: um halb 10. Uhr ſolte ſervirt werden, man plauderte aber vom Spektakel, Coliſee, neuen engliſchen Gaͤrten, Chan - tilly, Moden, ꝛc. fing um halb 10. an zu ſpielen, und erſt um halb 11. Uhr ward ſervirt. Mad. Lavabre gehoͤrt zu den vernuͤnftigen Franzoͤſinnen. Sie nannte ſelber das allzuhohe Coeffiren der Pariſerinnen die groͤſte Thor - heit, und misbilligte den Luxus. Ich lernte da einen Italiaͤner aus Lucca kennen, einen ſchon geſetzten Mann, der auch nicht ſpielte, von hier nach Engelland und Hol - land reiſte ꝛc. Man as unten in einem Saal, und im Nebenzimmer hatten noch einige ihren Tiſch. Wir hat - ten ein kleines niedliches Souper. Alles ward auf ein - mahl aufgeſetzt. In der Mitten ſtanden Platmenagen mit Bouquets darneben, kalte und warme Speiſen; aber auch alle warme wurden kalt. Wir bekamen gebratene Huͤner, Spargel, Erdbeeren und ein kleines Backwerk. Das Trinken ward gar nicht auf den Tiſch geſetzt. Die Bedienten (und faſt hinter jedem Stuhle ſtand einer) ſchenkten rothen Wein mit Waſſer ein. Zuletzt ward Burgunder und herrlicher Mallaga praͤſentirt. Der Ita - liaͤner verſchwendete all ſein Franzoͤſiſches am Mallaga, ihm war aber vorher ſein rother Rock damit begoſſen wor - den. Von verſchiedener Kochart hab ich nichts bemerkt,Q 4auſſer,248auſſer, daß die Artiſchocken, die ich vorlegen muſte, und daher nicht verſuchte, ganz geroͤſtet und gebraten, faſt ſchwarz und ſehr hart waren, und ſo ohne Bruͤ - he begierig gegeſſen wurden. Um 12. Uhr ſtand man auf. Oben beſetzte gleich alles wieder die Spieltiſche. Die Karoſſen rangirten ſich vorm Hauſe, auf mich war - tete keine, ich ſuchte daher um 1. Uhr den Weg nach Hau - ſe. Paris iſt bei Nacht, wie am Tag; der Unterſchied im Getuͤmmel iſt wahrhaftig nicht gros. Das aber iſt eine haͤßliche Gewohnheit, daß des Nachts die Millionen Nachtgeſchirre alle oben herab ausgeleert werden. Was Wunder, daß Geſtank und Koth in Paris nie aufhoͤren?

Den 19ten Jun.

Le Palais Marchand, ou on plaide. Da ging ich heute hin, um die Form der Gerichtsbarkeit in Frank - reich, und das Parlament ſitzen zu ſehen. Die Gerech - tigkeit wohnt eben nicht praͤchtig. Es iſt ein altes viel - winklichtes Gebaͤude aufm Platz Dauphine in der alten Stadt Paris, zwiſchen dem Waſſer, dem Pontneuf gegen uͤber. Die breiten Plaͤtze darin ſind mit Bouti - quen angefuͤllt, aber die Zugaͤnge zu den Chambres ſel - ber ſind eng, krumm, finſter, ſchmal. Ich ging ſon - derlich in die grande Chambre, wo das Parlament wuͤrklich verſammelt war. Der Platz zur Sitzung iſt mit Schranken eingefaßt, an denen auſſen die Fremden und Zuſchauer ſtehen. An den Waͤnden herum ſitzen die Par - lamentsherren in ſchwarzen Roͤcken wie unſre Kirchenroͤcke, mit langen Ueberſchlaͤgen, und rothſcharlachenen Ueberroͤ - cken, und ziemlichen Peruͤcken, ſo auch der Advocat general, der etwas niedriger ſitzt. Die Pulte ſind mitblauen,249blauen, mit goldenen Lilien geſtickten, Sammt beſchlagen. Dann ſitzt das Heer der Advokaten, ebenfalls ſchwarz ge - kleidet, mit langen herabhaͤngenden Haaren. Ich hoͤrte einen gewiſſen Toußaint ſehr flieſſend, ſehr heftig, aber oft ſehr ſchoͤne Stellen, deklamiren. Die Sache betraf eine Subſtitution fideicommiſſaire. Es war ein Sieur Thomas und eine Madem. Brunette in Streit wegen eines Teſtaments: die Sache muſte ſchon einmahl debattirt worden ſeyn; denn er berief ſich ſehr oft auf vo - rige Unterſuchungen. Zuweilen las er Geſetze vor, das Lateiniſche ſprach er, wie gewoͤhnlich, ſchlecht aus. Nur der, welcher wirklich ſpricht, ſteht und hat ſein ſchwarzes ſteifes Bonnet auf dem Kopf. Alle Augenblicke hoͤrt man: Meſſieurs, j’oſe vous dire je ſoutiens, prouverai, or Meſſieurs, ce que les autres Mais Meſſ. vous avez vu En ſecond lieu etc. Er ſprach eine kleine Stunde, dann fing der Avo - cat general an, die Sache dem Praͤſidenten zu concen - triren, und proponirte die Sentenz, deren Abfaſſung ich, weil mir an der Sache nichts gelegen war, nicht abwar - tete. Der Greffier rief ſehr oft: Silence, Silence, aber man handelt grade darneben, man plaudert, man ſpaziert, man baut im Hauſe, und es iſt bei allem Ange - nehmen, was das Plaidiren hat, doch ein erſtaunliches Ge - ſchwaͤtz fuͤr den Franzoſen, der ohnehin uͤber Alles viel Lee - res zu ſagen weis. Die liebe Gerechtigkeit ſoll auch hier ſehr theuer ſeyn.

La Sorbonne. Ich unterlies nicht, mich bei Mr. Aſſelyne einzufinden, und er wies mir dann heute nach ſeinem Erbieten mit vieler Gefaͤlligkeit, ſo weit es ſein trockner Karakter, in dem alle Folgen des Sprachſtudiums ſichtbar ſind, zulies, Folgendes:

Q 51) Seine250
  • I) Seine Bibliothek. Der Bibliothekar war nicht da; er nahm daher die Schluͤſſel ſelbſt. Wir fan - den alles beiſammen in einem groſſen Saal. Jeder Schrank hat Grillen und Schloͤſſer. Ich ſah da
    • 1) An Handſchriften; keine ſonderlich alte, aber lauter ſchoͤne und wohlerhaltene;
      • a) An Griechiſchen. 1) eine Sammlung Kon - ſtantinopolitaniſcher Liturgien, davon die aͤlteſte die Liturgie des Apoſtels Jacobi heiſt. Man weis aus der Kirchengeſchichte, wie das zu verſte - hen iſt. 2) Pindar. Ariſtoxen. Polybius. 3) Nemeſii Schriften, wo auch viel Phyſiſches und Phyſiologiſches vorkommt. 4) Griechiſche Grammaticken. 5) Einiges zur Kirchen-Dog - matiſchen - und Staatsgeſchichte des Orients.
      • b) An Hebraͤiſchen. Einen Codex, der den Pen - tateuchum enthaͤlt, mit dem Targum chal - daicum und andern Zuſaͤtzen. Grade ſo, wie unſrer von Reuchlin in Carlsruhe, aber dieſer hier iſt nicht ſo gut konſervirt.
      • c) Viele Arabiſche, Chineſiſche, Lateiniſche, Rab - biniſche ꝛc.
    • 2) An gedruckten Buͤchern.
      • 1) Speculum ſalvationis humanae, das erſte Buch, das gedruckt worden iſt. Ueberall ſieht man die Kindheit der Buchdruckerkunſt. Die Typen ſind von Holz. Man konnte damals nur erſt auf der einen Seite drucken. Durchs ganze Buch ſind die Moͤnche; zwiſchen 2. gedruckten Sei - ten ſind wieder 2. leere; unten iſt ein lateiniſcherText,251Text, oben elende Holzſchnitte von bibliſchen Ge - ſchichten. Jonas ſteht dem Fiſch recht im Rachen. Loths Frau, halb Weib, halb Saͤu - le. Moſes mit dem Stecken recht wie ein Dorf - Schulmeiſter, vor einem Haufen Leute: das ſoll den Ausgang aus Egypten vorſtellen.
      • 2) Die Bambergiſche Ausgabe des Talmuds, in Folio, an der man von 1520. 1535. in Ve - nedig gedruckt hat. Sie hat 100, 000. Thaler gekoſtet. Aßeline geſtand mir doch ſelber, daß er des Leſens nicht werth, und dies ein unſinniger Preis ſei. Er haßt die Rabbinen aufs aͤuſſerſte ꝛc.
      • 3) Eine ganze Bibel in Pohlniſchen Verſen, die 1761. in Nancy in Folio unterm Koͤnig Sta - nislaus gedruckt und ihm auch zugeeignet ward.
      • 4) Die neue Daͤniſche und die Islaͤndiſche Bi - bel, vom Koͤnig von Daͤnnemark hierher ge - ſchenkt. In der Islaͤndiſchen Sprache ſind viele alte deutſche und engliſche Woͤrter.
      • 5) La Bible Royale, eine praͤchtige Ausgabe der Vulgata in Folio, in der hieſigen Koͤniglichen Buch - druckerei 1642. in 8. Baͤnden. Iſt jetzt ſehr ſel - ten.
      • 6) Auch das Neue Griechiſche Teſtament ſo. Gar praͤchtig.
      • 7) Sabatier’s Bibel geſammelt aus den Citatis der Patrum, 3. Folianten.
      • 8) Benedicti XIV. Opera, 16. Vol. Fol. Der gelehrte Pabſt ſchenkte ſie ſelbſt hierher. Sie ſind roth mit Gold und dem paͤbſtlichen Wappen gebunden.
      • 252
      • 9) Le beau Pline, wie Aßeline ſagte. Eine Ausgabe von Plin. Hiſt. Nat. 1472. Vene - dig, Fol. Es iſt die ſchoͤnſte die man hat.
  • II) La Sale de l’Aſſemblée. Unten verſam - melt ſich am erſten Monatstag allemahl die theologiſche Fakultaͤt. Es ſteht eine Kanzel darin, weil auch da die theologiſchen Disputationen gehalten werden. Auch haͤn - gen darin die Gemaͤlde a) von Ben. XIV. Clemens XIII. XIV. in der Kleidung wie die Paͤbſte im Kon - ſiſtorio ſitzen, in einem Seſſel mit einer rothen Muͤtze, und in einem rothen Ueber - und weisgelblichten Unterklei - de. Jeder hat ſein Bildnis ſelbſt hierher geſchenkt. Vom jetzigen Pabſte wars noch nicht da. Clemens XIII. haͤngt, wie billig, im Schatten. Aber das ehrli - che, gute, fromme Geſicht des ſeel. Ganganelli! Ar - mer Mann, es koſtete dich das Leben, daß du der Welt Ruhe ſchaffen, die Schande der Religion zudecken, der Menſchheit freien Lauf laſſen, und dem Aberglauben ſeine Stuͤtzen zerbrechen wollteſt! b) Von Louis XV. herrlich gemahlt, Koͤnig Stanislaus, das Bildnis eines frommen Fuͤrſten. Richelieu, Fleury, Rohan ꝛc.
  • III) Le Mauſolée du Card. Richelieu. Ich habe oben ſchon etwas davon gedacht, aber damals ſah ich’s nur von ferne. Izt trat ich dazu hin und geſtand, daß es ein morceau ſuperieur ſei. Alles iſt weiſſer Alabaſter, die Franzoſen nennens aber Marmor. Es ſcheint, daß Fleury’s Grabmahl eine Nachahmung da - von iſt. Das Ruͤhrende, Einnehmende, hat jenes, mei - nem Geſchmacke nach, immer vor dieſem voraus. Die Erfindung iſt faſt die naͤmliche. Die Religion, als ein Frauenzimmer vorgeſtellt, kniet auf den Unterſatz undhaͤlt253haͤlt den ſterbend hinſinkenden Kardinal, der im faltigten Kleide mit dem Kreutz auf der Bruſt, und die Muͤtze vor ſich habend, da liegt. Hinter ſeinem Kopf, der in ihrem Arme ruht, ſtehen 2. Genii, und halten ſein Wap - pen zu ſeinen Fuͤſſen. Aber das Koſtbarſte, Unbe - ſchreiblichſte iſt eine weibliche Figur, die mit einem auf - geſchlagenen Buch auf ihren Knien, die Wiſſenſchaften vorſtellt. Sie iſt auf die rechte Seite hingelehnt, haͤlt die Hand vors Geſicht, und trauert, weint um ihn. Dra - perien, Stellungen, Geſichtszuͤge, Ausdruck des Affekts, kurz alles iſt herrlich. Fr. Girardon Tricaſſin invenit et ſculpſit. 1694. ſteht an der Leiſte des Un - terſatzes auf der Geſichtsſeite des untenliegenden Frauen - zimmers.
  • IV) Die Kuppel (Dome) dieſer Kirche. Sie iſt oben mit Gemaͤlden und Gypsarbeiten unvergleichlich geziert, und wird von 4. ſo dicken Pfeilern getragen, daß man die Paſſage von einem zu dem andern zu Betkapel - len aptiren konnte. Iſt man in ſo einem Oratorio, ſo ſieht man, daß es nichts iſt, als die einzige Mauer, und oben ein Theil vom Gewoͤlbe. Auf den Abend be - ſuchte ich

La Comedie italienne. Auch das muß man in Paris ſehen, und ſie verdient’s mehr, als die franzoͤſi - ſche. Man nennt ſie ſo, weil dreimahl in der Woche italiaͤniſche Stuͤcke da aufgefuͤhrt werden, und ſonſt auch mehr geſungen wird. Die Muſik iſt nach der Oper hier am ſchoͤnſten. Das Theater und das Gebaͤude iſt viel groͤſſer. Die Komoͤdianten ſingen und ſpielen alle ſehr gut. Ich ſahe Lucile auffuͤhren. Es ſpielte einer eine Rolle im Schlafrocke, die er unvergleichlich natuͤrlichmachte.254machte. Man glaubt aber nicht wie dickroth ſich Manns - und Weibsperſonen anſtreichen.

Den 20ſten Jun.

Das haͤsliche Wetter verdarb mir wieder die botani - ſche Excurſion, im Jardin Royal. Es regnete heute wie ichs noch nie geſehen habe, und geſtern war die Hitze gegen Abend ganz erſchrecklich. Und kaum regnets eine Stunde, ſo iſt Paris der allerhaͤslichſte Ort in der Welt. Alle Goſſenwaſſer laufen uͤber, ſpuͤlen den Koth aus allen Loͤchern, ſchlemmen ihn von den Bergen, dergleichen vie - le in der Stadt ſind, aus den Staͤllen, aus den Schlacht - haͤuſern, aus den vielen Marktplaͤtzen ꝛc. zuſammen. Ei - ner beſpruͤtzt den andern, es ſtinkt uͤberall, als wenns ein einziges groſſes Kloak waͤre. Kommen dann noch die groſſen Laſtwagen darzu, die ſo ſchwer daher fallen und den Koth an den Haͤuſern hinaufſpruͤtzen, ſo iſts das al - lerunangenehmſte Schickſal, wenn man weit zu gehen hat. Ich war heute ſo ungluͤcklich, ich muſte auf

La Bibliotheq. de Couvent des Jacobins ge - hen, wenn ich ein ſeltenes Buch, den Honoratus Fa - bri, das ich noch nie durchgeſehen, kennen lernen wollte. Das Buch verraͤth einen Kopf, der in unſern Zeiten viel Wiſſenſchaften wuͤrde geſammelt haben. Nur die un - gluͤckliche Gewohnheit der vorigen Zeiten, die man vom Ariſtoteles gelernt hatte, und fuͤr Philoſophie hielt, die Erklaͤr - und Demonſtrirſucht aller Erſcheinungen der Na - tur verdarb ihm die Zeit, und hinderte ihn am Beobach - ten. Ich ging den erſten Theil von den Pflanzen durch, und fand darin ſchon manches, das ich nicht erwartet hatte.

Den255

Den Reſt des verregneten Tages widmete ich theils dem 2ten Theil der Naturgeſchichte der Thiere von Per - rault, theils dem Brieſſchreiben, und Abends ging ich noch zu

Mr. Delisle Romé, à la Maiſon de M. d’En - nery, Rue neuve des bons Enfans, grade neben dem Hôtel de Varſovie. Ein Mann, der jedem Fremden hoͤflich und freundſchaftlich begegnet. Ich hat - te Addreſſe an ihn vom Abbe le Blond, und traf ihn uͤberm Schreiben an Hr. Prof. Herrmann in Stras - burg an, wegen eines Stuͤcks mit gruͤnen Bleikryſtallen, das ihm Letz[t]er geſchickt hatte. Er wies mir deſſen Brief. Hr. Prof. Herrmann erhielt von Girognany in Loth - ringen, einem Orte, wo man nie Blei entdeckt hatte, ein Stuͤck Quarz mit kleinen gruͤnen priſmatiſchen Kry - ſtallen, die gruͤnes Blei waren. Hr. Delisle hatte es zerſchlagen, und gefunden, daß es kein Stuͤck war, das man aus Schaͤchten herausgegraben, ſondern es hatte an der Luft gelegen, hatte Hoͤlungen unten, wo groſſe Wuͤr - fel von Blei darin geweſen waren, inwendig ſas auch wuͤrklich noch ein Stuͤck von der Bleiminer. Man ſah Humum, kleine Wuͤrzelchenfaſern ꝛc. noch darin haͤn - gen, alſo kam es wohl nicht aus dem Schachte, an dem Orte, wo’s gefunden worden war: denn vorher hatte man nie Blei an dem Orte entdeckt. Die Bleikryſtalle waren doch nicht ſo ſchoͤn als unſer gruͤnes Blei hinter Freiburg. Weil der Brief noch auf die Poſt ſollte, hielt ich mich jetzt nicht auf; wiewohl er mir gleich ſeine Kryſtallen-Sammlung zeigen wollte. Wir verabre - deten die Durchſicht ſeines Kabinets auf Morgen Nach - mittag, und ich ging weg voll Freuden, wieder einenMann256Mann kennen gelernt zu haben, dem die Natur, indem ſie ihre Schaͤtze aufſchlieſt, und ihre Schoͤnheiten ſehen laͤſt, auch zugleich das Herz veredelt, und einen Karak - ter gibt, in dem die Menſchlichkeit, die Geſelligkeit und Guͤte die Hauptzuͤge ſind.

Bemerkungen.

In der Rue St. Honoré ſah ich heute die Wache, welche beſtaͤndig patroullirt, einen Menſchen fort - ſchleppen, der vermuthlich irgendwo ſtehlen wollte, und erwiſcht wurde. Man ſahs ihm an, daß er ein Fremder und kein Franzos war. Der Kerl hatte ihn vorne an der Bruſt gefaßt, und fuͤhrte ihn ſo, umringt von den andern, ohne Hut im Regenwetter neben ſich her, und zog ihn ziemlich ernſtlich fort, uͤber alles was im Weg war. Der Gefangne ſah noch frech aus, und ſchnaubte gegen ſeinen Baͤndiger. Wie abſcheulich iſt das Laſter, wenns nicht einmahl Laſter ſeyn will!

Noch immer wird der ungluͤckliche Desroues in den elendeſten Kupferſtichen herum getragen, und haͤngt an allen Staͤnden, neben dem Koͤnig, der Koͤnigin und dem Kaiſer. So erhaͤlt der ſchlechtdenkende Theil der Deutſchen eben ſo lang das Andenken an Werther, der Verachtung und Vergeſſenheit verdient.

Ich habe hier Leute kennen gelernt, die mich verſi - cherten, daß ſie oft in 5. 6. 8. Wochen nicht aus ihrem Quartier kaͤmen, ſich alles was ſie brauchen, holen lieſſen, und von oben herab dem Pariſer Leben zu - ſaͤhen. Was fuͤr ſonderbare Menſchen es doch in der Welt gibt! Einigen wird wehe, wenn ſie eine Stundeauf257auf der Stube ſind, andre gehen, wie die Schnecken, nie aus ihrem Gehaͤuſe. Einige gaͤben einen Finger von der Hand, wenn ſie alle Tage in Paris an den oͤffentlichen Plaͤtzen ſeyn koͤnnten; andre ſind in Paris, als ob ſie in einer Einſiedelei waͤren, und Jeder meint, er habe Recht!

Den 21ten Jun.

Auch heute erlaubte mir das beſtaͤndige Regenwetter keine botaniſche Beſchaͤftigung. Ich war Vormittag auf der Bibliothek der Abtei St. Victor mit Per - rault’s Hiſt. nat. des anim. beſchaͤftigt, und Nach - mittags beſah ich

Le Cabinet de Mr. Delisle Romé. In der Lehre von der Kryſtalliſation durch alle Faͤcher durch, (ausgenommen die Salze, von denen keine einzige Pro - be da war,) und von den Metallen kan man wohl nicht leicht eine vollſtaͤndigere, ausgeſuchtere und lehrreichere Sammlung ſehen, als dieſe. Er wies mir

  • I) Seine Boete des Cryſtaux, die den Stoff und die Originalien zu ſeinem Eſſay de Cryſtallogra - phie enthaͤlt. Merkwuͤrdig war fuͤr mich: 1) Ein Kryſtall im Kryſtall; ganz weis, der innre war klein, aber ſchoͤn. 2) So kleine Kryſtalle, wie der kleinſte Moosſaamen, die man mit der Loupe beſehen muſte. Wie fein, wie herrlich arbeitet die Natur! Wie ſchoͤn ſahen dieſe aus, ganz weisglaͤnzend, auf einem ſchwar - zen Grunde!
  • II) Seine Minern von Metallen. Die De - ſcription methodique des Mineraux, die ich beim Koͤnigl. Kab. auf D’Aubenton’s Rath zu Rathe gezo -Rgen,258gen, enthaͤlt die Beſchreibung der koſtbarſten Stuͤcke in dieſer Sammlung. Ich bemerke alſo hier nur folgende: 1) Herrliche Eiſenkryſtalliſationen von der Inſel El - ba, an der Seite von Toſcana; viel ſchoͤnre Stuͤcke als im Koͤnigl. Kab. ſind. 2) Granaten in Kupfermi - nern aus Daͤnnemark, 2. groſſe und viele kleinere. 3) Eine ganz ſonderbare Eiſenſtufe von Bergamo in Italien, die geſehen zu werden verdient. 4) Weiſ - ſes Zinn, aus Sachſen. 5) Ein Stuͤck Blei, unten Blende, und unter dieſer Eiſenkies. Wird in einem Werke, das wirklich unter der Feder iſt, in Kupfer geſto - chen erſcheinen. 6) Galene en facettes grandes en petites en plus petites en ſable en Bitume en Onyx weiſſes Blei von Ge - roldseck; weiſſes und gruͤnes an einem Stuͤck; rothes, weiſſes und ſchwarzes an einem Stuͤck; en ſtalactite; en maſſe, wie Stahl, ohne Blaͤtter: Galene nennen die Franzoſen Blei, wenn Schwefel dabei iſt, in allen andern Bleiminern, behaupten ſie, ſei kein Atom Schwefel. 7) Mercure d’Almada en Eſpagne, en Hematit. 8) Antimoine de Toſcana, rou - ge & gris im Selenit, von Felſobania in Un - garn. 9) Kobold en Etoiles, von Saalfeld in Thuͤringen. Man konnte nichts ſchoͤners ſehen. 10) Regule d’Arſenic natif, ganz pur Arſenick. 11) Py - rite fiſtuleux, es war eine ſeidene Schnur durchge - zogen. In Henkel’s Pyrithologie iſt grade ſo ein Stuͤck in Kupfer geſtochen. Neulich ſagte Jemand, als er meine Kieſe beſah, der Kies mache in der Natur den Hanswurſt.
  • III) Alabaſter, Marmor, Spate und Fluores. Hier geriethen wir in einen freundſchaftlichen Streit we -gen259gen der Begriffe, welche die neuern Franzoſen allen bis - her in Deutſchland, England und Schweden uͤbli - chen Erklaͤrungen und Eintheilungen dieſer Koͤrper entge - gengeſetzt haben. Hr. Delisle war der Meinung, die D’Aubenton 1754. in den Mem. de l’Acad. R. d. Sc. geaͤuſſert hatte, und die vielleicht mehr Eingang gefunden haͤtte, haͤtte nicht gleich nachher Mr. Guettard in eben dieſen Schriften die alte Meinung wieder vertheidigt. Nemlich: A) der wahre eigentliche Alabaſter der Alten ſoll eine Terre calcaire ſeyn, formée par depots, à la maniere des ſtalactites, par undulations; 1) daher ſei er allemahl rubané, welches der Marmor nicht ſei. 2) Daher faͤnde man ihn auch immer in caver - nes, in Maſſen, nicht en couches, wie den Marmor. 3) Man muͤſſe Marmor und Alabaſter in ein Genus ſe - tzen. 4) Es gebe Albâtre calcaire, gypſeux, vi - treux. 5) Spate nennen die Franzoſen die ungefaͤrb - ten, Albâtre die gefaͤrbten mit Eiſentheilen geſchwaͤn - gerten Spate. B) Er laͤugnete auch die gewoͤhnliche Erklaͤrung des Gypſes. Er ſei keine terre calcaire mit dem acide vitriol. verbunden, ſondern eine terre ab - ſorbante, die man bisher mit der Kalkerde vermiſcht haͤtte, und da berief er ſich auf Sage Mineralogie do - cimaſtique, die wirklich noch nicht ganz herausgekom - men war. C) Er zeigte mir Koͤrper, die ich fuͤr Ala - baſter erkannte, und ſagte, ſie wuͤrden nicht brauſen mit den Saͤuren. Aber als wir die Saͤuren aufgoſſen, brau - ſten ſie doch, und das waren die Albâtres calcaires, transparens, an denen man immer Radiations und Undulations bemerken konnte. D) Er wies mir ein Memoire, das er daruͤber der Kaiſ. Akad. der Nat. cur. uͤbergeben hatte, in Handſchrift, ich las es vor, und ſoR 2wie260wie ich las, zeigte er mir die Koͤrper, welche die Beweiſe dazu abgaben. Es waren die ſchoͤnſten Alabaſter, aber alle par depots, par undulations gebildet, man ſah die Runzeln gar deutlich daran. Er zeigte a) mir Sta - lactiten, die in der Mitte angeſchliffen, der ſchoͤnſte Ala - baſter waren. b) Einen Menſchenkopf aus dem Ori - ent, der eine Inkruſtation und zwar ſichtbar à la ma - niere des ſtalactites hatte, aber wo er angeſchliffen war, den ſchoͤnſten Alabaſter zeigte. c) Einen braunen Alabaſter, aus dem Carlsbade, der Lage uͤber Lage hatte, und ſo entſtanden war. E) Er ſagte mir, daß unter allen Naturkundigen Ferdin. Imperati und Aldrovan - di, weil ſie in Italien die vielen Gefaͤſſe aus dem Ala - baſter der Alten geſehen, darin nicht geirrt, und den Ala - baſter auch fuͤr einen Kalkſtein angeſehen, und daß auch Theophraſt’s Alabaſter eine terre oder pierre calcai - re ſei, wie’s auch Hill in ſeinem Commentar uͤbern Theophraſt richtig fuͤr Kalk erklaͤrt haͤtte, daß auch der Alabaſtrites Plin. aus dem die Alten viele Gefaͤſſe, ſonderlich Balſambuͤchschen, Flaͤſchchen, machten, ſchon nach dieſer Beſtimmung und Anwendung zu urtheilen, unmoͤglich ein Gyps geweſen ſeyn koͤnne, um ſo viel we - niger, da nach den neuen Entdeckungen (ſ. den Natur - forſcher,) der Gyps ſich auch im Waſſer aufloͤſen laſſe. Mir fiel hierbei die Stelle Matth. 26, 7. ein, die ſich nun auch leichter erklaͤren laͤßt. Matthaͤus und Mar - cus nennen das Balſamflaͤſchchen αλαβαςρον. Jener ſetzt nur η γονη κατεκεεν, dieſer aber συντριψαςα. Das Letzte hat den Exegten viel Muͤhe gemacht. Unſer Ala - baſter ſaͤßt ſich nicht ſo leicht in der Hand entzwei brechen. War aber der Alabaſter der Alten nicht unſer Alabaſter; ſo laͤßt ſich das leichter erklaͤren. Es kan ein Flaͤſchchenaus261aus Marmor, aus Kalkſpat, aus vielfarbigem Tropf - ſtein ꝛc. geweſen ſeyn. Doch dies bleibe einem Michae - lis zu unterſuchen uͤberlaſſen.
  • IV) Seine Bibliothek, die nicht gros, aber in der Mineralogie ziemlich vollſtaͤndig war. Ich fand dar - in: 1) Eine Engliſche Ueberſetzung von Cronſtedt’s Mineralogie, durch Guſtav von Engeſtroͤm, Lon - don, 1770. gr. 8. die viel vermehrt und ſehr brauchbar iſt. 2) Ganz anders aber iſt die Franzoͤſiſche Ueberſe - tzung von Dreux, die ſo viele Fehler als Zeilen hat, zum Theil ſehr laͤcherliche, als: S. 112. nennt er den Tufſtein, fonts baptismaux, als wenn Taufſtein im Teutſchen ſtuͤnde. S. 171. ſagt er: la Topaſe ſe trouve avec la Cochlite en Saxe, ſoll heiſſen: To - pas vom Schneckenſtein; der Franzos meinte, der Topas breche in einer ſchneckenartiger Mutter oder Berg - art. Riſum teneatis amici! Mein gefaͤlliger Freund lies mich nicht von ſich, ohne eine Andenken an einen ſo ſchoͤnen Nachmittag. Die Geſchenke, ſo ich von ihm erhielt, waren folgende: 1) Pyrite cuivreux avec Quarz aus Lothringen. 2) Blende et Ga - lene d’Angleterre. 3) Albatre oder Spat vitreux, de Girogmany in Lothringen, wo auch das Stuͤck von Hr. Herrmann her war, das ich geſtern ſah. 4) Drei Stuͤck Eiſen-Kryſtalliſationen von der Inſel Elba.

Den 22ſten Jun.

Heute beſah ich einen Theil von den Environs de Paris, zwei Koͤnigl. Luſtſchloͤſſer oder Landhaͤuſer, nem - lich:

R 3I) Choiſy262
  • I) Choiſy le Roi, 2. Stunden von Paris gele - gen. Der Weg dahin iſt, wie alle Straſſen, in einer Diſtanz von 40. Stunden um Paris herum, gerade, in der Mitte gepflaſtert, ſehr breit, und zu beiden Seiten mit Baͤumen beſetzt. Man geht zwiſchen Feldern, die im Jun. mit Wicken, Gerſten ꝛc. beſaͤet waren, hin, hat rechter Hand Bicetre, und die Pariſer Steingru - ben neben ſich, und paſſirt Vitry, ein artiges Dorf, das einen praͤchtigen Garten eines reichen Partikuliers hat. Man trift Schaafe an, die klein ſind, aber zweimahl im Jahr geſchoren werden. Choiſy le Roi ſelbſt iſt nur ein Dorf, das freilich viel ſchoͤner iſt, als die andern Doͤrfer in den Provinzen. Es ſteht eine unter Louis XV. erbaute Kirche darin, die nach der Inſchrift auf einer Tafel, vom Erzbiſchof in Paris und vielen andern Erz - und Biſchoͤffen eingeweiht ward. Sie hat aber nichts merkwuͤrdiges, als den Hochaltar, der Stufen von Marmor, zu beiden Seiten praͤchtige Gemaͤlde, und ne - ben dem Kreuz von Silber, 2. groſſe Engel, wie gewoͤhn - lich mit Fluͤgeln von Gyps, hat, die au dernier gout gearbeitet ſind.

Das Wichtigſte iſt das Koͤnigl. Schlos, das um die Herbſtzeit von der Koͤnigl. Familie beſucht wird, weil in der Gegend viel Weinberge ſind. Die Gebaͤude ſind Theils neu, Theils alt, aber alle nur ein Stock hoch mit Manſarden. Das Schlos iſt mit Gaͤrten umgeben, die groſſe breite Alleen haben, die nicht beſonders waͤren, wenn nicht auf der einen Seite die Seine floͤſſe, die frei - lich die angenehmſte Ausſicht darbietet. Am Ufer ſind groſſe mit koſtbaren Grillen eingefaßte Terraſſen. Auf der Waſſerſeite iſt das Schlos am ſchoͤnſten. Eine derartigſten263artigſten Parthien des Gartens iſt das groſſe Labyrinth, ein in viele in einander laufende Kreiſe eingetheilter Platz. Da bluͤhte jetzt Liguſtrum vulgare ſativum und ver - breitete ſeinen lieblichen Geruch uͤberall.

Man wies mir die Apartemens, in denen der Fus - boden ausgenommen in den Schlafzimmern ebenfalls ſteinern iſt, wie durchgaͤngig in Paris. Die groͤſten Spiegel, die koſtbarſten Vaſen von Porzellaͤn, die herrlichſten Tapeten, die niedlichſten Vorhaͤnge, Bet - ten, Stuͤhle ꝛc. fanden wir uͤberall. Der Schweizer war gar zu dienſtfertig, und wies mir ſogar mit vielem Gepraͤnge die Kommoditaͤt des Koͤnigs, grade neben dem Schlafzimmer. Unter den Gemaͤlden gefiel mir ein Portrait der Koͤnigin im Schlafzimmer des Koͤnigs vor - zuͤglich. Neben dem Schlafzimmer iſt die Kapelle fuͤr die Koͤnigl. Familie. Sie iſt klein. Es ſtand ein Bet - ſchemmel mit rothem Sammtbeſchlagen darin und an den groͤſten Fenſtern waren vergoldete Namen. Das De - ckenſtuͤck ſtellt der Mariaͤ Himmelfahrt vor, und iſt unge - mein ſchoͤn. Hierauf lies man mich.

La Table mouvante, eine der groͤſten me - chaniſchen Erfindungen, die vielleicht in der Welt iſt, ſo - hen. Ein Arzt, D. Girard, aus Languedoc, unter Louis XV. iſt der Urheber davon. Im Speiſeſaal ſteht ein runder, ſehr groſſer Tiſch, an dem wohl 12. Per - ſonen ſitzen koͤnnen. Dieſer Tiſch iſt etwa eine Hand breit, vom aͤuſſern Rande einwaͤrts gerechnet, ausgeſchnit - ten, und dies innre Stuͤck der Tafel laͤuft, wenn es ſtark, (weil die Tafel von Nußbaumholz, und ſehr dicht iſt) angetrieben wird, herum. Unten iſt ein Zirkel von Ei - ſen, der eine Vertiefung hat. In dieſer laufen die klei -R 4nen264nen Stollen der Tafel, wohl mit Oel eingeſchmiert, her - um. Doch das iſt das Wenigſte. Steigt man eine Treppe hinunter in einen Keller, wo viele Lichter angezuͤn - det werden muͤſſen, ſo ſieht man, daß der ganze Tiſch auf einem eiſernen Roſt ſteht, an dem die Stangen pa - rallel und ins Kreuz laufen. Und dieſe ganze Vorrich - tung kan durch Hebel und mechaniſche Werkzeuge ganz ſtaͤte herabgelaſſen werden, ſo daß er, wenn oben die Koͤ - nigl. Familie daran ſpeißt, mit allem Service, und mit allem, was darauf ſteht, vor ihren Fuͤſſen in die Tiefe hinabſinkt, und verſchwindet. Sieht man unten dem kommenden Tiſche zu, ſo entdeckt man, daß er mit ſeinem Roſt, mit allen ſeinen Stangen, in Einſchnitte im Bo - den, die voͤllig paſſend ſind, hinabſinkt, und einem an - dern Tiſche von der nemlichen Groͤſſe und Rundung, der an der Seite ſteht, und jetzt in die Mitte gezogen wird, Platz macht. Dieſer Tiſch iſt indeſſen, daß der Koͤnig mit ſeiner Geſellſchaft vom erſten Service ſpeiſt, mit dem andern bedeckt worden, und wird nun durch eben dieſe Kraͤfte, mit leichter Muͤhe, und in wenig Minuten, ins Zimmer hinauf vor die Fuͤſſe des Koͤnigs gewunden, ſo daß die ganze Geſellſchaft ſitzen bleibt, und keine Bedie - nung ſich ſehen laͤßt, und doch das ganze Eſſen und alles Geraͤthe veraͤndert wird. Ich ſtieg, weil ich hier unten die eigentlichen Triebwerke noch nicht ſehen konnte, noch eine Treppe tiefer in das Gewoͤlbe hinab, und fand an der Wand ein oder zwei Kurbeln, die ein Lakai treiben kan, wodurch das ganze herrliche Werk, das, ohne viel Platz einzunehmen, nur an den Waͤnden herum vertheilt, und doch ſo ſchoͤn eingerichtet iſt, daß eins immer ins an - dre greift, ohne Laͤrmen und Geraͤuſch zu machen, in Be - wegung geſetzt wird. Ueber dieſer Tafel ſind noch 4. Servi -265Serviteurs angebracht; dies ſind Aufſaͤtze von Holzrah - men oder Leiſten mit 4. 5. meſſ ingnen Platten, die man auf und niederſchrauben, und Wein, Brod ꝛc. darauf zu legen, brauchen kan. Sie koͤnnen ebenfalls mit geringer Muͤhe hinabgewunden, und wieder mit andern Sachen hinaufgeſchickt werden. Es iſt ſo eingerichtet, daß an der Tafel und an jedem von dieſen kleinen Tiſchen kleine verſteckte Dratzuͤge ſind, an denen unten eine Glocke haͤngt. Sobald man oben klingelt, wird der Serviteur abgehaſpelt, von neuen ſervirt, fehlt etwas, ſo liegt eine Karte darauf, und ſo wieder hinaufgewunden. Die groſſe Tafel ſah ich nicht ſteigen und ſinken, aber die klei - ne ſah ich, wie ich wollte, ſteigen und verſchwinden. Man hat auch erſt vor Kurzem bei der Gegenwart des Kaiſers Gebrauch von dieſer Einrichtung gemacht. *)Solche Tables mouvantes oder Konfidenztafeln mit den darzu gehoͤrigen Serviteurs oder Kammerdienern, wie der Verfaſſer hier beſchreibt, trift man auch auf den Schloͤſſern andrer groſſen Fuͤrſten in und auſſer Teutſchland an. Man nennt ſie auch Maſchinentafeln. Herausgeber.

Bemerkungen.

Der Schweizer bei dieſem Schloſſe machte zugleich den Wirth. Ich muſte aber am hellen Tage thun, was ich noch nie des Nachts gethan habe, und zum Fen - ſter hineinſteigen, wenn ich was haben wollte. Bei al - ler ſorgfaͤltigen Nachſuchung war im ganzen Hauſe keine Thuͤre zu finden. An jedem Fenſter ſtand eine kleine Treppe, wie bei uns die Huͤnerſteigen, da muſten wirR 5hinauf -266hinaufklettern, und als wir hinauf waren, nahm jemand die Leiter weg. Ich weiß nicht, wars Armuth, oder Furcht vor Ueberfall, oder ein Mittel, die Gaͤſte zu be - halten, bis ſie bezahlt haben? Inwendig waren ſo ſchmale Stuͤhle, daß ich Muͤhe hatte, einen zu finden, auf dem ich ſitzen konnte.

Wiewohl er aber nur ein Schweizer, daß heiſt ein Bedienter war, ſo ſah man doch den Luxus der Fran - zoſen. Seine Zimmer waren alle tapeziert, und ſeine beiden Toͤchter, die aus der Meſſe kamen, gingen im bloſ - ſen Kopf mit Aufſaͤtzen in den Haaren, und in ſeidenen Kleidern. Sie waren kaum da, ſo fingen ſie an tuͤchtig zu fruͤhſtuͤcken, es war um 10. Uhr, bei einer ziemlichen Schuͤſſel voll Brei und einem guten Stuͤcke Brot.

  • II) Charenton. Um nach dieſem Schloſſe zu kom - men, muſte ich mich von hier aus uͤber die Seine ſetzen laſſen. Das alte Schlos hier heiſt Chateau d’Alfort, und iſt jetzt, glaub ich, ganz der Ecole veterinairc gewidmet, und eben dies war’s, was mich hierher trieb. Gleich unten beim Eingang findet man
    • 1) La Salle de Diſſection; wo viele Tiſche ſte - hen, an denen ſich die Eleven deren jetzt uͤber 80. wa - ren in der Zootomie uͤben. An den Waͤnden hin - gen an einer Tafel die gedruckten Namen und Klaſſ iſi - kationen dieſer Leute, an der andern die Koͤniglichen Ge - ſetze fuͤr dieſes Inſtitut, wo mir unter andern die loͤbliche Verordnung in die Augen fiel, daß kein Eleve Hunde oder andre Thiere halten ſoll, weil dieſe nur die Wohnung verunreinigen ꝛc. Auch ward ihnen das Studium der Botanik ſehr dringend empfohlen.
    • 267
    • 2) Der Hoͤrſaal darneben. Freilich ſchoͤner, als auf mancher Fuͤrſtenſchule in Deutſchland, wo man vom Staub bedeckt wird und oft des Lebens nicht ſicher iſt! Die Baͤnke liefen im Amphitheater an den Waͤnden herum. Oben ſtand in einem Glasſchranke ein eingeſpruͤtzter Menſchenkoͤrper, vermuthlich um erſt das Nothwendigſte aus der Menſchenanatomie vorzutragen, eh man an die Anatomia comparata denken kan.
    • 3) Oben war dàs Cabinet Veterinaire, eine ſe - henswuͤrdige Sache, die ſchon zu einer ziemlichen Voll - kommenheit gelangt iſt, 2. Zimmer einnimt und in Glasſchraͤnken aufbewahrt wird.
      • 1) Im erſten Zimmer waren ausgeſtopfte Voͤgel, Hunde, Iltiſſe, Fuͤchſe, Wieſel, Marder, Haſen, Kaninichen, Igel ꝛc. a) unter den Voͤgeln, die alle entweder noch ganz neu, oder doch vortreflich er - halten waren, moͤchte wohl manche noch unbekannte Art ſeyn, allein jetzt konnt ich mich nicht ins Detail einlaſſen, und weils grade Feiertag war, ſo konnte man auch niemanden von den Lehrern oder Auf - ſehern ſprechen. b) Eine Muſtela war da, ganz weis, mit einer ſchwarzen Schwanzſpitze, vermuthlich eine einheimiſche. c) Viele herrliche Injektionen von den innern Theilen der oͤkonomiſchen Thiere.
      • 2) Im zweiten ſtanden Skelete von Pferden, Hirſchen, Ochſen, Eſeln, Schafen, Ziegen, Boͤcken ꝛc. a) Ganze Stuͤcke und wieder einzelne, aber der Fuͤrnis duͤnkte mir, war gar zu dick aufgetragen. b) Es waren auch Bezoars und Monſtra da, z. B. ein Pferd mit 3. Fuͤſſen, daran der Huf am Vorderfuß ſichelfoͤrmig umgebogen war. c) Viele Magen, Ge -daͤrme,268daͤrme, Leber, Nieren, Milz, Ruthen ꝛc. alles herr - lich eingeſpruͤtzt und erhalten, mit Nummern an je - dem Stuͤcke. d) Auf Pferdeſkeleten ſaſſen Men - ſchen. Kleine Knabenſkelete mit blauen ſeidnen Zuͤgeln in den Kinnladen der Pferde, und mit Peit - ſchen in der Hand. Sieht man nicht den ſpielen - den Geiſt der Nation auch da, wo ſie wirklich ſo was Groſſes und Edles unternimmt, daß das ſpieleriſche, das taͤndelnde Weſen doch unterbleiben ſolte?

Bemerkung.

Da ich heute auf dem Felde wieder reinere, freiere Luft geathmet hatte, als ich ſonſt in der Stadt bekomme, und daher mich auch gern zweimahl beregnen lies; ſo wars mir nachher deſto empfindlicher, als ich wieder in die Stadt kam. In der Stadt, ſelbſt in der Rue St. Antoine, kam mir gleich ſo ein haͤslichſtinken - der, ſaurer Geruch entgegen, daß ich mich ordentlich ent - ſchlieſſen muſte, meine Naſe wieder daran zu gewoͤhnen.

Ich ging in eben dieſer Straſſe an einem Hauſe vor - bei, wo mich die Aufſchrift: Hôtel de M. Turgot, aufmerkſam machte. Da, dacht ich, ruht der groſſe verkannte Mann, ſua virtute involutus!

Den 23ten Jun.

Auch an dieſem Tage war ein beſtaͤndiges haͤßliches Regenwetter, ſo daß ich nun die Hofnung aufgab, jemals den Koͤniglichen Garten ganz durchgehen zu koͤnnen. In - deſſen lief ich mit krankem Magen und Kopf, ſchon um 7 Uhr, auf

La269

La Bibliotheque du Couvent des Jacobins, um den Honoratus Fabri vollends durchzugehen und brach - te ihn auch wirklich zu Ende. Man ſieht es, wenn man oft dergleichen Buͤcher durchgeht, daß die Alten wahrhaf - tig ſchon auf dem Wege zu allen den Kenntniſſen waren, die wir jetzt erweitern und berichtigen. In der Lehre vom Kreislauf des Bluts merkt man’s ihm an, daß er die Ehre der Entdeckung mit dem Harvey theilen will. Er ſagt, er mache nicht viel Weſens mit ſeinen Sachen, indeſſen: licet liberi deformes fint, adhuc tamen parentibus placent. Drauf machte ich einen Beſuch bei

Mr. Sage im Jardin Royal. Er iſt Mitglied der Koͤnigl. Akad. d. W. ein groſſer Chymiker und Korre - ſpondent unſers Durchl. Marggrafen von Baden. Ich durfte auch nur dieſen hohen Namen nennen; ſo ward ich mit der groͤſten Gefaͤlligkeit empfangen. Wir ſprachen von Carlsruhe, von der Chymie, ꝛc. und er erbot ſich gleich, mir, wenn ich von Verſailles zuruͤckkaͤme, weil er und ich jetzt nicht Zeit haͤtten, ſein Kabinet zu zeigen. Beim Weggehen machte mir dieſer gefaͤllige Gelehrte ein Ge - ſchenk mit ſeiner Mineralogie docimaſtique, wovon der erſte Theil mit ſeinem Bildnis geziert iſt, und der an - dre eben in der Druckerei fertig worden war. Er hatte mich ſchon im Koͤnigl. Kabinet arbeiten geſehen, und mit D’Aubenton von mir geſprochen, mich aber, wie er ſag - te, in meiner Induſtrie mit der Leiter nicht ſtoͤren wollen, weil D’Aubenton ihm verſprochen, daß ich zu ihm kom - men wuͤrde. Er iſt ein Mann in mittlern Jahren, voll Fleis und Eifer in der Chymie, und voll Freundlichkeit gegen jeden Freund, und Liebhaber der Wiſſenſchaften. Ich erkundigte mich bei ihm, wo ich Platina del Pintehaben270haben koͤnnte, und erfuhr, daß der Apotheker Rouelle, der Chymie lieſt, vielleicht noch etwas zum Verkauf ha - ben wuͤrde. Von da lief ich fort ins

Hôtel de la Charité, Rue Tarane. Wieder eine von den koſtbaren Anſtalten zum Beſten der Armen, und der Kranken. Haller ſagt, man ſolt es eher - tel de Cruauté heiſſen. Vielleicht war dieſes Urtheil damahls, wie er hier war, nicht ungegruͤndet, aber jetzt, duͤnkt mir, hieſſe das menſchenfeindlich urtheilen. Ich habe nichts geſehen, was nicht zweckmaͤſſig und gut war, wenn gleich bei einer Anſtalt, die wie dieſe, ins Groſ - ſe, ins Weitlaͤuftige geht, eine Menge Unvollkommenhei - ten nicht unterbleiben koͤnnen. Oben am Eingange in die Straſſe iſt eine groſſe Fontaͤne, die das Hotel ohne Zweifel mit Waſſer verſieht. Doch wird auch alles von da weggetragen. Der erſte Theil dieſes weitlaͤuftigen Ge - baͤudes iſt die Charite ſelbſt, mit der Inſchrift: Deus eſt Charitas. Dann koͤmmt man zum Spital ſelber. Der Hof iſt klein, aber mit Baͤumen beſetzt, unter denen die Geneſenden friſche Luſt ſchoͤpfen. An den Thuͤren, die wie an den Kirchen, damit kein Geraͤuſch entſteht, von Tuch mit Haaren, Wolle, Werg ꝛc. ausgeſtopft ſind, ſteht noch in und auswendig angeſchrieben; Fermez la porte doucement. Es iſt auch alles viel ſtiller hier, als im Hôtel-Dieu. Man hoͤrt nur das ſchwa - che Sprechen der Kranken, das leiſe Schleichen der Aerz - te und Bedienten, und zuweilen das aͤngſtliche Schreien derer, die bald hier bald dort in Nebenzimmern, unter den ſchmerzhaften Inſtrumenten der Wundaͤrzte leiden muͤſ - ſen. Ein Anblick, der mir Straßburg mit einmal wieder ganz ins Gedaͤchtniß brachte, und bald wehmuͤthi -ge,271ge, bald dankbare Empfindungen gegen Gott erweckte. Die Betten ſtehen hier weiter von einander, als im Ho - tel-Dieu, haben weiſſe Umhaͤnge mit Nummern und gruͤne Tuͤcher und Teppiche. Sie ſind alle nur einſchlaͤf - rig, die Gaͤnge ſind auch etwas breiter. Auch iſt das Zimmer ziemlich hoch, und die Fenſter werden rein ge - halten. Ventilators koͤnnen da ſeyn, ich habe ſie aber nicht bemerkt, und wieviel wuͤrden auch ſolche kleine Din - ger in ſo einem Saale ausrichten. Die Saͤle ſind ins Kreuz gebaut, dazwiſchen ſind kleine Nebenzimmer. Man ſieht hie und da groſſe mit Grillen eingefaßte Altaͤre in den Saͤlen, an denen Meſſe geleſen wird. Die Klei - dung der Kranken, die hier herumſchleichen, iſt durch - gaͤngig ein Matin von dickem gruͤnen Tuch. Darneben iſt eine wohl verſehene Apothecke. Die Wundaͤrzte ſind hier wie junge Moͤnche gekleidet, ganz ſchwarz. Sie laufen beſtaͤndig mit den Schreibtafeln von einem Bette zum andern, fragen, fuͤhlen den Puls, ſchreiben vor, troͤſten ꝛc. In ſolchen Spitaͤlern findet der Menſch, der Phi - loſoph, der Chriſt, ſo viel Gelegenheit zu den ſanfteſten und zu den ernſthafteſten Betrachtungen, daß ich mich recht wohl an ſo einem Ort befand, und vom Eckel ꝛc. nicht die geringſte Anwandlung hatte. Darauf beſah ich

L’Hôtel de Monnoie, au Quay des petits Auguſtins, zwiſchen dem Palais Royal und dem Pont Neuf. Ein groſſes, herrliches, neues Gebaͤu - de, das noch die gelbe Farbe des Pariſer Steins hat. Man praͤgt hier Geld, man hoͤrt auch faſt in allen Zim - mern Geld zaͤhlen, Silber waͤgen ꝛc. aber man bekommt nichts zu ſehen, faſt vor jeder Thuͤre iſt eine eiſerne Gril - le und allerwegen Schildwachen. Das Hotel iſt weit -laͤuftig,272laͤuftig, hat eine Menge toſkaniſcher kannelirter Saͤulen, uͤberall die ſchoͤnſten Verzierungen ꝛc. in dem Geſchmack, wie die Gardes des Meubles du Roi, aber, wie ge - ſagt, weiter bekoͤmmt man nichts zu ſehen. Ich haͤtte gar nicht dran gedacht, wenn mich nicht ein Fremder ſchon vor etlichen Tagen, weil er den Weg dahin nicht wuſte, darnach gefragt haͤtte.

Den 24ſten Jun.

Auch heute war, wie der Franzos ſagt, eine Tem - pete furieuſe. Von Morgens fruͤh an, war ein be - ſtaͤndig anhaltender Regen. So unluſtig wird Paris dadurch, daß man ſich lieber ins kleinſte Staͤdtchen, auf jeden Landſitz wuͤnſcht, als in dieſer Stadt zu bleiben. Man ſetzt Geſundheit und Kleider zu, wenn man in dem Kothe herumlaufen will. Es war La Fête de St. Jean, wo in Seaux die groſſen Jets d’eau ſpielen ſol - ten. Ich hatte geſtern mit Hr. Delor abgeredet, heute Vormittag das Kabinet des Dr. Mauduit zu ſehen, der die ſchoͤnſte Voͤgel-Sammlung in ganz Paris haben ſoll, und Nachmittags ſolt ich mit einer Geſellſchaft nach Seaux gehen, aber man muſte ſich gram ſeyn, wenn man in der Wohnung des Koths und der Unſauberkeit immer laufen wollte. Ich endigte den 3ten Theil der Hiſt. Nat. des Anim. de Mr. Perrault, und muſte ohnehin eine Diarrhoe abwarten, die ich ſeit Sonntags Abends wieder bekommen hatte Was Wunder, wenn man beſtaͤndig an Fuͤſſen und in allen Kleidern naß iſt, und das unſauberſte, truͤbſte Waſſer trinken muß? Ich will alſo an dieſem Tage wieder einige Bemerkungen ſammeln, die das Ganze der Stadt, ſo weit ichs kennen gelernt, betreffen.

Bemer -273

Bemerkungen.

Da die Stadt ſo ungeheuer gros iſt, und beſtaͤn - dig alle moͤgliche Scenen darbietet; ſo iſt jeder, der lang hier iſt, gegen alles, was ſonſt Schrecken, Mitleiden, Ernſthaftigkeit, oder nur Unruhe erweckt, ſo gleichguͤltig, daß ein Fremder alle Augenblicke unwillig wird, uͤber die Froſtigkeit der Nation, uͤber die Frivolitaͤt, und uͤber den unendlichen Leichtſinn, womit Alles von Allen beurtheilt wird. In der That, man ſollte zuweilen meinen, alles Menſchengefuͤhl ſei erſtorben. Dort haut ein Fuhrmann einem andern mit der Peitſche ins Geſicht; dort ſchmeißt ein Wagen um, und zerſchmettert dem einen das Bein, verderbt dem andern das Kleid, wirft dem dritten die Waaren in Koth. Was hoͤrt man? Fluchen daß einem die Haare zu Berge ſtehen, Schwoͤren, daß einem in der Seele ſchauert, Lachen, recht hoͤhniſches, wie Teufel ſich freuen uͤbers Ungluͤck des andern, und die mit Kar - min uͤberſchmierte Dame ſitzt in ihrem Wagen, hat den Hund am Backen, den Stock, das Parapluye, das Riechflaͤſchchen in der Hand, und ſeufzt nach der Komoͤ - die, wo ſie ſchon hundertmahl geweſen iſt. Ein Pferd wird gepeitſcht, bis es den Berg hinauf keicht, Feuer - funken ſpruͤhen unter den Fuͤſſen herum, wie vom gluͤhen - den Eiſen unterm Hammer des Schmidts, jetzt ſtuͤrzts, die menſchliche Beſtie pruͤgelt es ſo lange unter den ab - ſcheulichſten Verwuͤnſchungen, bis es wieder aufſteht, und dem nachjagenden Wagen Platz macht. Man findet in der Straſſe einen Todten, à la Greve henkt man einen, Kinder werden getreten, uͤberrennt, man bringt einen Kranken auf der Tragbahre, da faͤhrt ein Leichenwagen hin, dort faͤllt einer, glitſcht aus, und die Pferde tram - peln ihn todt. Das iſt alles einerlei, kein MenſchSbekuͤmmert274bekuͤmmert ſich darum. Sobald aber ein Baͤrenfuͤhrer mit dem tanzenden Affen kommt, eine Hure, wie eine Koͤ - nigin geputzt, mit herausſchluͤpfenden Bruͤſten, am hel - len Tage vom Fenſter jedem geputzten Narren zupfeiſt und laut hinausruft; wenn ein Farcenmacher, ein Gaul - ler kommt, der ſchreit und das duͤmmſte Zeug macht; da ſammelt ſich gleich alles, alles iſt Ohr, ſchließt einen Kreis, gaft die Hure oder die Meerkatze an, und in Ge - ſellſchaften ſpricht man einen ganzen Tag davon. Jeder laͤuft ſeinen Trab fort. Man thut gros, borgt beſetz - te Kleider, um ein - oder zweimahl im Spektakel zu glaͤnzen, man gibt ſich fuͤr adlich, fuͤr graͤflich aus, nimmt von allen Dingen das Maul recht voll, und urtheilt in Tag hinein ꝛc. Wers nicht ſieht, glaubts nicht. Es gibt Leute, die gleich die Unterredung von der Religion anfangen, uͤber alles lachen, ſagen, ſie waͤren in Engel - land geweſen, da predige man ſelber auf den Kanzeln, daß das alles nicht wahr ſei, bieten ſich an, einen mit Paris recht bekannt zu machen, man ſolle ſich an ſie hal - ten, mit ihnen gehen, ſie haͤtten groſſe Connoiſſancen ꝛc. Wie die juͤngſten Kinder ſchon ſo ſtolz, ſo verwahrloßt ſind, iſt unbeſchreiblich. Es gibt eine Menge Maͤnner, Erwachſene u. ſ. w. die nicht einen Buchſtaben leſen, oder ſchreiben koͤnnen. Man ſieht und hoͤrt nichts von Schul - anſtalten. Ich habe mich bei Gelehrten darnach erkun - digt, ſie wiſſen einem keine Nachricht zu geben. Vil - loiſon, der doch alles was Wiſſenſchaft und Litteratur in Paris heiſt, haben ſoll, konnte mir nicht ein Wort von den paͤdagogiſchen Anſtalten der Stadt ſagen, konnte mir kein Buch zeigen, das in Schulen eingefuͤhrt iſt, oder die Anfangsgruͤnde der Wiſſenſchaften, ſo wie ſie jungen Leuten beigebracht werden, enthielte. In ihren Buͤcher -ver -275verkaufungen ſieht man zwar immer: Geographie ſans maitre; Hiſtoire pour les jeunes gens; Hi - ſtoire de tout le Monde; Abregé etc. Wenn Jußieu Botanik im Garten ließt, uͤberſetzt er Linne’s ſpecifiſche Beſchreibung der Pflanzen ins Franzoͤſiſche. Das ſchreiben die Zuhoͤrer alle nach, und weiter ſagt er nichts dazu, kaum bei den Wichtigſten ihre Anwendung und Heilkraͤfte ꝛc.

Man kan ſich auch nicht vorſtellen, wie die Leute ſo verſchieden urtheilen, und gegen die Fremden geſchieht das alles im entſcheidenden Tone. Der eine ſagt: Gehen Sie ja bald nach Verſailles. Ach, ſagt der an - dre, in 3. Stunden haben Sie alles geſehen. Nach St. Denys zu gehen, ſagt einer, iſt der Muͤhe nicht werth. Haben Sie noch keine Steine geſehen, die glaͤnzen? Und der andre: Viele Fremde gehen weg von Paris, und ſehen unſre Koſtbarkeiten nicht. Mon Dieu, was iſt nicht in St. Denys, in Ver - ſailles, in Choiſy le Roi zu ſehen? und das Coliſe’e! In der Welt iſt nichts ſchoͤners, Hors de Paris point de ſalut ꝛc. Ich will die Namen der Perſonen weglaſſen, die ſo ſprachen; es waren Leute, die ich hier ſchon oft genennt habe, und denen ich ſonſt Dank ſchul - dig bin. Kurz, zwei, drei, vier Maͤnner abgerechnet, hab ich noch wenig ſolide, geſetzte, edeldenkende Franzo - ſen hier gefunden. Eine greuliche Unwiſſenheit in allen auslaͤndiſchen Sachen, eine unglaubliche Verachtung der Engellaͤnder, der Italiaͤner nnd auch der Teutſchen; ein beſtaͤndiges Rennen und Sinnen, wie man die Zeit toͤd - ten, Kleider ausſuchen, Zimmer aufputzen und ſich di - vertiren will: das ſind weſentliche Zuͤge im KarakterS 2des276des Franzoſen. Aber nun hoͤre man J. J. Rouſſeau in ſeinen Penſées, Amſterd. 1763. 8 v o. S. 188. art. Gout. Il paroit peu de livres eſtimés dans l’Europe, dont l’Auteur n’ait été ſe former à Paris. Si vous avez une étincelle de génie, allez paſſer une année à Paris: bientôt vous ſerez tout ce que vous pouvez être, ou vous ne ſerez jamais rien. Iſt’s moͤglich, daß ein Mann, der ſonſt in vielen Sachen ſo ſcharf ſah, ſo was Dummes, Kindiſchſtolzes, ſo was Unſinniges, was das Gepraͤge der tiefen Unwiſſenheit, und des unbaͤndigſten Nationalſtolzes an der Stirne traͤgt, ſchreiben konnte? und das in eben dem Buche, wo er oft gegen Paris und London Invektiven ſchreibt?

Man ſagt den Franzoſen nach, daß ſie ſehr maͤſ - ſig im Eſſen und Trinken ſeyn. Und in der That ißt der Deutſche, der Engellaͤnder ꝛc. hier dreimahl mehr, als ſonſt, beſonders im Anfange. Indeſſen ſollte man ſagen, die Franzoſen koͤnnen nicht kochen wie die Deut - ſchen. Man gehe in Kaufmannshaͤuſer, in groſſe Ho - tels oder in kleine, ihr Bouilli, ihr gekochtes Rindfleiſch, das iſt ewig ihre Speiſe. Schon ihre Braten ſind ſchlecht, gemeiniglich noch etwas blutig, roth ꝛc. und das Gemuͤſe iſt auch bei weitem nicht, wie bei uns. Ihr Brot iſt auch nicht alles genug ausgebacken. Es iſt hier, wie in Sachſen. Man wendet alles an den Klei - derſtaat und Haͤuſerputz; zum Tiſch hat man nicht viel uͤbrig. Der Franzos ſetzt ſich geputzt, im praͤchtigſten Kleide, an den elendeſten Tiſch. Von einem Broͤt - chen und einem Stuͤcke Kaͤſe leben viele, die man auf der Gaſſe fuͤr die groͤſten Leute halten ſollte. Und ihre Maͤſ -ſigkeit277ſigkeit iſt von einer beſondern Art. Beſtaͤndig trinken ſie Liqueurs, Ratafia, Fleur d’Orange; zum Fruͤh - ſtuͤck eſſen ſie oft ſo viel, als bei uns mancher Mittags; da haben ſie denn hernach keinen groſſen Appetit. Die Bauern um die Stadt herum ſind wahrhaftig im Eſſen wie unſre. Und weiter hinein in die Provinzen haben die armen Leute nichts, muͤſſen wie das Vieh arbeiten, um die Abgaben aufzubringen, leben auch, wie das Vieh ꝛc. Weil der ganze Hang der Nation aufs Weiche, Wolluͤſtige geht: ſo ſaufen ſie freilich nicht ſo ſtark, wie in Deutſchland, doch ſind mir auch ſchon am hellen Ta - ge Beſoffene vorgekommen.

Schoͤne Menſchen muß man gar nicht in Paris ſuchen, unter keinem Stand oder Geſchlecht. Faſt alle Weibsperſonen ſind gefaͤrbt, und wenn ſie’s nicht ſind, ſo ſind ſie blaß, gelb, eingefallen, haben keine lebhafte Far - be. Es kan auch nicht anders ſeyn, ſie ſitzen beſtaͤndig lang bei Tiſche, dann in der Karoſſe, dann im Spekta - kel, dann am Spieltiſch, dann in den Thuilleries, dann beim Soupe, und wieder am Spieltiſche, beſtaͤndig in der dicken, ungeſunden Stadtluft, kommen nie ins freie Feld, werden von Jugend auf gemisbraucht, verzaͤrtelt, verwoͤhnt, bewegen ſich wenig, zu Fuß faſt nie, arbeiten nicht ernſtlich, ſtecken in engen Zimmern ꝛc. Kinder haben noch eine leichte fliegende Kleidung, aber ohne Mitleiden kan man ſie nicht anſehen. Wie der Baum iſt, ſo iſt die Frucht! Ungluͤckliche Geſchoͤpfe, die ihre Lebensſaͤfte verdorbenen unreinen Quellen zu danken haben!

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Den 25ſten Jun.

Dieſer Tag war nicht viel beſſer als der vorige. Re - genwetter und Sonnenblicke wechſelten beſtaͤndig ab. Die Leute, die ich beſuchen wollte, traf ich meiſtens nicht an. Weil ich bald nach Verſailles reiſen wollte, ſo brachte ich meine Sachen in Ordnung, war bei dem Kaufmanne, an den ich angewieſen war, trieb meine Waͤſche ein, be - ſtellte Briefe nach Holland, gab die Buͤcher, die ich noch hatte, auf die Abtei St. Victor zuruͤck, erkundigte mich wegen der Poſten nach Verſailles, nach Chan - tilly, und nach Bruͤſſel, und arbeitete uͤbrigens auf meinem Zimmer, unter beſtaͤndiger Plage von der un - gluͤcklichen Pariſer Diarrhoe. Ich habe bereits viele Dinge beſchrieben, ich muß fortfahren, die Menſchen zu ſchildern.

Bemerkungen.

Die Moden, die beſtaͤndig hier in Ebbe und Flut ſind, ſind die Erfindungen der Kuͤnſtler, und werden durch die Leute, die beſtaͤndig was Neues haben wollen, und eine Menge Geld an Putz und Staat wenden koͤn - nen, in Gang gebracht. Bei einem Juwelier Koenig et Comp. Rue St. Honoré, Hôtel d’Aligre, proche la Rue de l’Arbre ſec ſah ich heute, eine neue Mode von Coeurs und Bracelets, die eine Phantaſie von ihm iſt. Das Herzchen wird aus 2. Haͤlften von Glas zu - ſammengeſetzt. Die Einfaſſung iſt von Gold. Zwi - ſchen den Glashaͤlften macht er einen Buͤſchel feiner Frau - enzimmer - oder Kinderhaare in Form einer Fruchtgarbe. Dieſe Haare ſind durch eine Schleife von Gold, die mit Edelſteinen beſetzt iſt, zuſammengebunden. Er hatCailloux279Cailloux de Cayenne, die er ſchleifen laͤſt, und die in einer ſchoͤnen Einfaſſung herrlich ausſehen. Es iſt leicht zu denken, daß der Erſte, der ſo was macht, es ſei auch ſo gering, als es wolle, den Preis beſtimmen kann, wie er will. So ein Herzchen koſtete einen Louisd’or. Kaum waren welche verkauft, ſo kam einer, und wollte die Garbe groͤſſer haben, und in einem Bracelet, auch das machte er. Dann kam ein andrer und wolte noch eine Deviſe um die Garbe haben, auch aus Haaren ge - flochten, die Erfindung der Deviſe uͤberlies er dem Ju - welier; Ce champ eſt bien fourni, hies eine, weil das kleine Feld ganz voll war*)Unter dieſer Deviſe lag vermuthlich eine kleine Poliſ - ſonnerie verborgen. Herausgeber. . Dieſer Mann hat beſtaͤndig ein Kaͤſtchen voll Ringe, Bracelets, Herzchen, Nadeln, Aigretten ꝛc. bei ſich, und veraͤndert die Zuſammenſetzung alle Tage. Wer koͤmmt, Arbeit be - ſtellt, oder etwas ausbeſſern laͤßt, ſieht die Sachen an, bekoͤmmt Luſt zu kaufen, waͤhlt aus den verſchiedenen Sorten wieder ein neues Deſſein; der Kuͤnſtler machts, bringt ſeine Phantaſie, ſeine Verzierungen wieder dabei an. Solcher Leute hat Paris eine unendliche Men - ge, einer ſieht in den Boutiquen des andern Waaren, die Fremden bringen die Erfindungen auswaͤrtiger Natio - nen mit ſich hieher, ſo wird es begreiflich, wie in Zeit von 8. 14. Tagen beſtaͤndig andre Sachen Mode werden koͤnnen. Alles iſt ſo gearbeitet, daß es ins Auge faͤllt. Die Politur, das Drehen, das Schleiffen, das Putzen, das Feilen, das Bohren ꝛc. wird aufs aͤuſſerſte getrieben. Die meiſten Arbeiter von der Art haben 2. 3. MicroſcopeS 4neben280neben ſich liegen, und beſehen die Arbeit beſtaͤndig damit. Sie haben immer Migniatur - und Paſtellmaler an der Hand, die ihnen die Gemaͤlde an die Uhren, auf die To - baksdoſen, auf die Armbaͤnder machen muͤſſen. Auch dieſe arbeiten mit dem Vergroͤſſerungsglaſe, malen auf Elfen - und anderes Bein fuͤr 3. 4. Louisd’or die niedlich - ſten Gemaͤlde. Viele junge Leute, die Kopf und Ge - ſchick zur Malerei haben, ſtehen bei ſo einem feinen Galanteriearbeiter gleichſam in Dienſten, ziehen gleich, wenn ſie ſeine Bekanntſchaft haben, in ſeine Nachbar - ſchaft, erhalten von ihm Kundſchaft, beſonders ſchickt er ihnen die Fremden zu, dafuͤr malen ſie ihn und ſeine Freunde faſt umſonſt ꝛc. Lumpen ſind die meiſten Ma - ler auch hier, wie uͤberall. Der Juwelier, dem die ge - ringſte Arbeit ausſchweifend bezahlt wird, ſchießt zuwei - len vor, dadurch hat er die Leute im Zwange ꝛc. In den elendeſten Stuben, im 4ten Stock, in den Neben-Gaſ - ſen, hintenhinaus in Winkeln, die nur ein Fenſter haben, entſtehen die Modeſachen. Millionen koͤnnten die Kuͤnſt - ler verdienen, wenn ſie ſparen wollten.

Mit den Malereien geht der Luxus auch ſehr weit. Faſt alles in Paris laͤßt ſich malen. Auf den Straſſen bieten ſich oft Maler an. Mit den Uhren iſts eben ſo. Viele tragen gar zwei Uhren, auf jeder Seite eine. Re - petir-Uhren fuͤr 30. 40. Louisd’or macht man hier; oft koſtet das bloße Gehaͤuſe 4. Louisd’or. Fuͤr die geringſte Emaille, ſo wie fuͤr alle Arbeiten, die durchs Feuer ge - hen, weil ſie gar leicht verungluͤcken, muß man 3. 4. Louisd’or bezahlen. Sieht man aber die innern Theile einer zerlegten Repetir-Uhr, beſonders die vom Schlag - werk, ſo muß man uͤber die Feinheit, uͤber die Verviel -faͤl -281faͤltigung des Mechanismus erſtaunen. Eine kleine Kin - derkaroſſe ſah ich heute, die doch ſo gemacht war, daß ſie von einem kleinen Pferde gezogen werden muſte. In allen Straſſen, wo ſie der Verfertiger durchfuͤhrte, entſtand ein Auf lauf; das Volk blieb zu beiden Seiten wie Mauern ſtehen, und applaudirte den Kuͤnſtler. Man ſieht ganze Hoͤfe voll Buͤſten, Statuͤen von Gypsar - beit, wo die Erde auf hundertfache Art gefaͤrbt iſt, wo Koͤnige, Thiere, Blumen, Philoſophen, Goͤtter, Fech - ter, Gladiatoren, Amors, Venuſſe ꝛc. in Menge ſtehen, Es gibt Leute, die Schraͤnke, Kaͤſtchen, Tiſche ꝛc. von allen Groͤſſen, alle Arten, aus allen moͤglichen Holzarten machen ꝛc. Jetzt brachte man die Blumen Wagen - voll herein ꝛc. Voͤgel in Kaͤfichen ſind beſtaͤndig feil ꝛc.

Buͤcher kan man an allen Ecken an allen Straſſen kaufen. Beſonders iſt das Quay des Auguſtins vom Pont Neuf bis zum Pont St. Michel ganz voll von Buchhaͤndlern. Die meiſten neuen Buͤcher kan man ſchon geheftet und gebunden haben, wie man will. Die Franzoſen binden recht gut, und mit vieler Pracht. Aber die Buchbinderſtuben ſind erbaͤrmliche Loͤcher aufm Bo - den.

Man hoͤrt alle moͤgliche Inſtrumente, uͤberall wird geſungen und gepfiffen. Das iſt der Geiſt der Nation, beſtaͤndig zu trillern und zu ſpielen. Es gibt Leute, die den ganzen Tag mit ihrem Inſtrument in der Hand, mit der Floͤte am Maul, am Fenſter ſtehen. Das waͤhrt bis in die ſinkende Nacht; morgens um 3. Uhr hab ich eins - mahls einen noch gehoͤrt. Die ſchlechteſten Fiedler liegen auf den Bruͤcken auf den Steinen, und haben die Geige unterm Kinn.

S 5Es282

Es iſt nicht wahr, daß auch niedrige und gemeine Leute in Fraukreich eine Art von Politeſſe haben, wo - durch ſie den deutſchen Bedienten uͤbertreffen. Nicht ein - mahl ſo viel Erziehung haben ſie, als Ablaͤder bei uns, z. B. ſie kommen in die Stube mit dem Hut aufm Kopf, behalten ihn auch auf. Perukenmacher, Decroteurs, Schuhmacher, Waͤſcherinnen kommen herein, ohne je - mals Bon jour, bon ſoir etc. zu ſagen, oder die Thuͤre zuzumachen ꝛc. Das wird man doch in Weſt - phalen nicht finden. Dies iſt nicht Mikrologie. Will man das Eigne der Nation beurtheilen, ſo muß man auf Kleinigkeiten gehen und auch gemeine Leute ta - xiren. Man ſage auch nicht, daß man in 6. Wochen das nicht ſehen kan. Ein Fremder, der viel ſehen will, kommt in der ganzen Stadt herum, und hat oft in einem Tag mit zwanzigerlei Leuten zu thun. Ueberall muß man ſich durch einen Schwarm von Bedienten durchar - beiten, und ihre Poliſſonerien nicht achten, wenn man zu ſeinem Zweck kommen will. Und Rouſſeau ſelber ſagt: Wer zehn Franzoſen geſehen hat, hat ſie alle geſe - hen. Sie gleichen einander alle, die Dame traͤgt den Hund mit in die Kutſche, und wenn das Kuͤchenmaͤdchen auf der Straſſe laͤuft, um etwas zu holen, ſo bleibt ſie ſtehen, ruft und wartet, bis der theure Hund nachkoͤmmt.

Den 26ſten Jun.

Das Regenwetter hoͤrte doch ein wenig auf. Wenn gleich das Wetter weder lieblich noch ſchoͤn war; beſuchte ich doch heute

Mr. Aublet, einen der beſten franzoͤſiſchen Botani - ſten, der das Werk, von dem ich oben geredet, geſchrie -ben283ben hat. Ich ſah es auf der Bibliothek der Abtei Ste. Genevieve durch, und ruhte nachher nicht, bis ich den wuͤrdigen Mann ausgekundſchaftet hatte. Denn in ei - ner ſo groſſen und mit Menſchen angefuͤllten Stadt iſts nicht leicht, jemanden, zumal einen Gelehrten, der im - mer uͤber der Arbeit ſitzt, zu erfragen. Uneinigkeiten und Mishelligkeiten herrſchen unter den Gelehrten in Paris, ſo wie uͤberall. Einer will nichts vom andern wiſſen, oder er will doch nicht, daß Fremde den andern beſuchen ſollen ꝛc. Indeſſen fragte ich ſo oft und an ſo verſchiede - nen Orten nach ihm, bis ich endlich zum Zweck kam, und erſtaunte, daß Aublet, den ich in ganz Paris aufge - ſucht hatte, nur etliche Schritte von mir wohnte. Er iſt aus der Provence gebuͤrtig, iſt etliche 20. Jahr in Domingo, Cayenne und Guiana geweſen, hat jetzt geheurathet, und kam eben hierher, um ſeine Sachen von hier nach der Provence wegzubringen. Er wird noch mehr Zeichnungen und Beſchreibungen von Pflanzen liefern, ob er gleich ſchon eisgraue Haare, ein ſehr ge - ſchwaͤchtes Geſicht, verdorrte Haͤnde, und uͤberhaupt ei - nen kraftloſen Koͤrper hat, und doch erſt 57. Jahr alt iſt. Er hat einen Mohren zum Bedienten; iſt wie die Leute ſind, die viel und weit gereiſt ſind, faſt gegen alles gleich - guͤltig, beklagt ſich aber beſtaͤndig uͤber die vielen Dieb - ſtaͤhle, die ihm an ſeinen Sachen geſchehen ſind, bis er wieder aus Indien zuruͤckkam. Er zeigte mir

  • 1) Seine Pflanzen; aber man muͤſte 8. Tage haben, wenn man ſie alle durchſehen wollte. Ich ſah viele von denen, die ſchon geſtochen ſind, und viele von de - nen, die er erſt ſtechen laſſen wird, die aber doch ſchon ſehr verdorrt ausſahen. Es war ein ganzes Zimmer, einHaufen284Haufen hoͤlzerner Kaſten uͤber einander, alles voll Pflan - zen, aus Frankreich und Oſt und Weſtindien.
  • 2) Seine Saͤmereien und Holzarten. Von Fruͤchten kont ich nichts von ihm bekommen, als Fruit d’un palmier. Die rarſten und merkwuͤrdigſten ſtehen in ſeinem Werk. Er hatte alle Werkzeuge der Wilden zu ihrem Maniok, die ſchoͤn gearbeitet ſind. Bois de Cayenne hatte er ſehr viel. Eine Art Cedrus aus der Provence, die den lieblichſten Violengeruch verbreitet, ſtaͤrker als der Violenſtein.
  • 3) Seine Konchylien. Dieſe lagen in Schub - laden auf dem weichen vegetabiliſchen Weſen, das Tour - nefort Saiba, Linne aber Bombax nennt. Er hatte faſt zu allen Geſchlechten eigne Schubladen, und bei je - der Art viele Varietaͤten, ſonderlich die kleinen Spielar - ten, die groſſen hat er meiſt weggegeben. Er ſagte mir, er haͤtte ſeit einem Jahr die Kaſten nicht aufgemacht; er hatte auch keine Zettel dabei. Um die ſyſtematiſchen Namen bekuͤmmert er ſich auch eben nicht viel, aber mit einem Blick konnte er gleich wiſſen, welche Stuͤcke nach Oſtindien gehoͤren, und welche aus Amerika ſind. Er kennt ſie an der Bildung, die immer anders iſt, und an den Farben, die immer brennender und lebhafter ſind an den oſtindianiſchen Stuͤcken, als an denen aus Ame - rika. Es laͤßt ſich nicht beſchreiben, aber ich ſelber er - rieths nach einer Viertelſtunde, ſo wie wir von einem Schrank zum andern kamen, faſt immer. Vielleicht ſind wenig Konchylienſammlungen in Paris, wo die Stuͤcke alle ſo ganz, ſo wohl erhalten ſind, wie hier. Er hat ſie alle meiſt ſelbſt geſammelt, und in Kuffern, die Etagen uͤber Etagen hatten, nebſt dem Pflanzen, mitvieler285vieler Muͤhe herausgebracht. Mir gefielen beſonders 1) Ein Cardium aus 4. Stuͤcken zuſammengeſetzt. 2) Huitre vitreuſe de la Chine, gros, platt, wie eine Hand, durchſichtig, wenig Zwiſchenraum; man macht dort Fenſter daraus. 3) Eine Huitre, die man allezeit percée findet. 4) Huitre de Cayenne mar - brée. Eine Muſchel, die ſich beſtaͤndig an Baͤume anſetzt. Man ſah deutlich unten, wie ſie angeſeſſen war. 5) Groſſe Pinnae, die eine ſpitzige Einklammerung hat - ten, oben breit waren, und doch, wie er mich verſicherte, immer aufrecht gingen. Einige hatten oben Stacheln, in denen ſteche man ſich oft. 6) Eine Bivalve, die dop - pelt aus zwei Exemplaren zuſammengeſetzt zu ſeyn ſchien, und immer ſo vorkoͤmmt. 7) Coeurs, die klein, hohl, und doch auſſerordentlich ſchwer waren. 8) Ein ganz ſchwarzer Strombus aus Afrika. Africa ſem - per aliquid portenti habet. 9) Eine Coquille in einer Madrepore. 10) Eine Pholade, wo man die 8. Stuͤcke recht ſehen kan.
  • 4) Seine Mineralien. Dieſe bedeuteten nicht viel; ich wuͤrde ſie auch nicht anfuͤhren, wenn ich nicht hier doch 1) Blei aus Engelland, ein Stuͤck, das man biegen konnte, wie Holzfaſern, und das alsdann allemahl ein wenig knarrte; und 2) Bernſtein aus Mada - gaſkar geſehen haͤtte. Das Stuͤck war ziemlich gros, braungelb, ganz durchſichtig, ſehr rein, auſſer daß in der Mitte auch ein Accidens war, das ich aber nicht recht er - kennen konnte. Es ſchien durchs ganze Stuͤck zu gehen, wie ein Staͤbchen, oder wie ein Wuͤrmchen ꝛc.
  • 5) Aus dem groͤſſern Thierreiche hatte er nichts als eine neue Art Schildkroͤten, die er in Kupfer ſtechenlaſſen286laſſen wuͤrde, wenn ſie nicht ſchon zu ſehr verdorret waͤre, und eine andre, welche die Beſonderheit hat, daß der Kopf beſtaͤndig roth iſt, auch jetzt noch roth war.

Die Geſchenke die er mir machte, waren La Veu - ve, Les fruits de palmier, Bombax, und etwa 2. Dutzend kleiner, recht ſchoͤner Muſcheln. Zuletzt gab er mir noch die Addreſſe an den Apothecker Mr. Rouelle, wo ich mich mit Platina del Pinto verſorgen koͤnnte, den ich aber nicht antraf. Aublet hatte keins, wie er mir ſagte. Da koſtete das halbe Loth 12. Livres. Von ihm ging ich und beſah noch

Le Cabinet de Mr. le Duc de Chaulnes. Es beſteht aus einer unendlichen Menge ſehenswuͤrdiger Sa - chen, die dieſer Herzog auf einem kleinen Landhauſe, das am neuen Boulevard ſteht, zuſammen gebracht hat. Er hat ſelbſt, wie man ſagt, gute Kenntniſſe, iſt in der Ju - gend von Delor unterrichtet worden, iſt einen Theil von Teutſchland, auch Engelland, Holland und Egy - pten durchreiſt, und hat ſonderlich aus Engelland die herrlichſten Sachen mitgebracht und kommen laſſen. De - lor holte fuͤr mich ein Billet vom Herzog an ſeinen Maitre d’Hotel, wodurch dieſer Befehl erhielt, uns alles zu zeigen. In 4. 5. Zimmern ſtanden eine Menge Sachen: wo man hinſah, waren alle Flaͤchen, alle Ecken ausgefuͤllt, was nur die Kunſt und Natur ſchoͤnes hat, war alles da. Naturalien, ſonderlich Konchylien, Meer - koͤrper, und Kryſtalliſationen, Gemaͤlde, Kupferſtiche, Tapeten, Umhaͤnge, Bodenarbeit, Decken, Tiſchlerar - beiten, Antiken, Vaſen, Porzellaͤn, Elfenbein, Gro - tesken, Chineſiſche Arbeiten, Bildhauereien, Stickereien, Maſchinen fuͤr alle Theile der Mathematik, Phyſik undAſtro -287Aſtronomie, Vergoldungen, Betten, Chymiſche Gefaͤſ - ſe ꝛc. kurz alles was ſchoͤn und geſchmackvoll ſeyn kan, war da beiſammen. Schade, daß kein groͤſſerer Platz da war, die Sachen beſſer auseinander zu ſtellen. Ich habe kein Wort geredet, nur geſehen, nur mich immer umgedreht, aber wenn ich wieder kam, ſah ich allemahl wieder was anders. Alles war praͤchtig aufgeſtellt, faſt alles hatte ſein Glaskaͤſtchen, ſein Geſtelle ꝛc. Man mußte Degen und Stock zuruͤcklaſſen, wenn man keinen Schaden anrichten wollte. Was mir am merkwuͤrdig - ſten war, aber unter der Menge hab ich gewis vie - les uͤberſehen war: 1) Eine der groͤſten Elektriſir - Maſchinen, die in Europa iſt. Die Glasſcheibe dar - an hatte 5. Schuh im Durchmeſſer. 2) Das Cuffi - ſche Microſcop aus London. Es hatte 10. Louisd’or gekoſtet. Das Auge ward von der Politur, auch im Glas - kaͤſtchen geblendet. Das Herz wurde mir ſchwer, wie ich ſo was herrliches fuͤr einen Naturforſcher ſah. Bei dem einzigen Stuͤck dacht ich: ach wenn du das haͤtteſt! Wie vergnuͤgt koͤnnten dich 10. Louisd’or machen? wolteſt ſie gleich nach London ſchicken. 3) Glasplatten mit den Rauten zu allerlei elektriſchen Illuminationen. Man konnte ſehr leicht die Deſſeins auf hunderterlei Art veraͤndern. 4) Ein Seeigel mit ſeinen Stacheln. Einige waren Fingerslang und Fingersdick. Ob nicht welche, wenn ſie abfallen angeklebt worden waren, konn - te man nicht ſehen. Doch das waͤre auch keine Verfaͤl - ſchung der Natur. 5) Eine Kugel aus Elfenbein, mit unzaͤhlbar vielen andern Sachen inwendig, aufs fein - ſte gearbeitet. 6) Eine chymiſche Werkſtaͤtte, der Studirſtube und dem Bibliothekzimmer gerade gegen uͤber; hell, gros, mit allem moͤglichen verſehen, vieleOefen,288Oefen, Alembics, ein ganzer Apparat zur fixen Luft; ei - ne Menge Liqueurs, Acides, Terres, Sels, Hui - les etc. in Glaͤſern. Am Kamin ſtanden alle chymi - ſche Zeichen angeſchrieben ꝛc. 7) Die ſchoͤnſten Lampen von blauem Glaſe hingen uͤberall im Hauſe, und ſahen gar gut aus. 8) Viele koſtbare Gemaͤlde, Statuͤen ꝛc. Und mit dieſer herrlichen Sammlung beſchlos ich eins - weilen meine Geſchaͤfte in Paris, und ging nach Hauſe, um mich zur morgenden

Reiſe nach Verſailles

vorzubereiten. Der Mantelſack ward einer Voiture mit - gegeben. Hr. Hizig und ich, entſchloſſen uns, um die Merkwuͤrdigkeiten von Marly unterwegs mit zu nehmen, zu Fuſſe zu gehen, da ich Hofnung hatte, daß die, mich ſo ſehr ſchwaͤchende Diarrhoe, die ich nun ſchon zum drit - tenmahl hatte, endlich aufhoͤren wuͤrde. Die Franzoſen ſchreiben die Addreſſe eines Mantelſacks auf ein Karten - blatt, und naͤhen es auf den einen Riemen vorn an, wo - mit es zugeſchnallt wird.

Den 27ſten Jun.

Auch heute fruͤh war wieder haͤßliches Regenwetter. Wir muſten unſern Plan fahren laſſen, aufs Bureau beim Pont Royal gehen, und eine Chaiſe nehmen. Man kan zu allen Stunden des Tags fortfahren. Ge - meiniglich wartet man, bis 3. oder 4. zuſammen kommen, und eine Voiture mit einander nehmen. Wir trafen 2. Fremde an, die ſchon in einer Chaiſe ſaſſen, und ſich ſehr uͤber unſre Ankunft freuten. Der eine davon war ein Franzos, Mr. Barthelemon, der in London Directeurvon289von Vauxhall, und Maitre de la Chapelle de Mu - ſique iſt. Er kam von einer muſikaliſchen Reiſe nach Manheim, Stuttgard, Muͤnchen und Italien hierher, hatte einen Brief von der Koͤnigin von Nea - pel, vor der er ſich hoͤren laſſen, an ihre Schweſter, die Koͤnigin von Frankreich, und reißte nach Verſailles, um ihr ihn zu uͤberreichen, und von dieſer Empfehlung Gebrauch zu machen. Beim Geſpraͤch uͤber die franzoͤ - ſiſche Muſik urtheilte er ſehr gruͤndlich, daß das Singen der Franzoſen immer den Fehler haͤtte, daß ſie keine No - te ſoutenirten, ſondern immer mit der Stimme zitterten: ein Fehler, den ich oft bemerkt hatte. Er meinte, daß dieſer Uebelſtand, den ein deutſches und ein engliſches Ohr gleich bemerkt, daher komme, weil man die Kinder ſingen lehre, ohne ein Klavier dabei zu gebrauchen, und darauf den Ton anzugeben, wobel ſie weder Melodie, noch Harmonie lernen koͤnnten. In dem in ſolchen gemiſchten Geſellſchaften ſo gewoͤhnlichen Discours uͤber die Vorzuͤge und wechſelſeitige Verhaͤltniſſe der verſchiede - nen Nationen gab er den Deutſchen groſſe Lobſpruͤche, wegen ihrer Solidite und Ehrlichkeit. Er erzaͤhlte eine Anekdote, die zu ſchoͤn iſt, daß ich ſie vergeſſen ſollte. In Bruchſal trank er 2. Taſſen Kaffee, ſeine Frau auch 2. ſein Kind 2. Taſſen Thee, und ein Butterbrod dazu; dafuͤr foderte der Poſthalter 4. Gulden: Barthelemon ward unwillig, gab ihm aber doch 2. Gulden, der Po - ſtillion hoͤrte das, kam herein, ſchlug mit ſeiner Peitſche auf den Tiſch, zankte mit ſeinem Herrn, und fluchte, daß er ſo einem oͤffentlichen Spitzbuben nicht mehr dienen wolte. Es ſaß ein Franzoſe neben uns, der noch nie von ſeinem Seinewaſſer weggekommen war, und bei die - ſer Gelegenheit manche bittre Wahrheit hoͤren muſte. TIn290In Frankreich und Engelland, am wenigſten in Ita - lien, geſtand Barthelemon, wuͤrde man ſo was nicht erleben, und ich verſicherte ihn, daß er in Paris und auch in kleinern franzoͤſiſchen Staͤdten ehrliche Leute, ehr - liche Dienſtboten, auch nicht ſuchen muͤſſe.

Der Weg von Paris nach Verſailles iſt 4. Stun - den. Man faͤhrt an der Seite der Thuilleries hin, und hat bis an die Reſidenz eine ſchoͤne, breite, mit Baͤu - men beſetzte, in der Mitte gepflaſterte Allee, die durch ei - nige Doͤrfer, und durch Seve geht. Das Schoͤnſte iſt, daß auf dem ganzen Wege von Diſtanz zu Di - ſtanz gruͤn angeſtrichene Saͤulen ſtehen, von denen quer uͤber den Weg Schnuͤre gezogen ſind, an denen vortrefli - che Laternen haͤngen. Nachts iſt alſo der ganze Weg er - leuchtet, weil auch keine Stunde iſt, in der nicht Wagen und Karoſſen hin und herfahren. Oeſters kehrt die Koͤ - nigin, wenn ſie in Paris im Spektakel iſt, noch des Nachts nach Verſailles zuruͤck. Vor Verſailles wer - den die Straſſen ſehr breit, und ſind zu beiden Seiten mit Baͤumen beſetzt, ſowohl fuͤr die Spaziergehenden, als fuͤr die Karoſſen.

Verſailles ſelber hat wenig aͤuſſerliche Pracht. Die Anlage iſt ganz laͤndlich, hat viel aͤhnliches mit Carls - ruhe, und ſieht einem Dorfe aͤhnlicher als einer koͤnigl. Reſidenz. Die Straſſen ſind alle breit und man athmet eine viel beſſere Luft da, als in dem haͤßlichen Paris. Die Haͤuſer ſind alle niedrig, klein, wenigſtens von den alten haben die meiſten nur einen Stock, es gibt aber auch ſehr groſſe und ſchoͤne, und uͤberall wird gebaut. In Zeit von 15. 20. Jahren wird Verſailles ein herrli - cher Ort ſeyn. Die Straſſen ſind alle gerade, durch -kreutzen291kreutzen einander, werden alle eben gemacht, und dazu ſind eigene Regimenter, z. B. das Corps de Pion - niers, errichtet, wovon jeder Kerl taͤglich 12. Sous und ſein Eſſen und Bette da, wo ſie arbeiten, in einer Art von Zelt bekoͤmmt. Die Stadt ſoll groͤſſer ſeyn, als Stras - burg, ich glaube nicht, daß ſie nur eben ſo gros iſt. Die meiſten Thore ſind bloſſe Barrieren, oder Grilles de fer. Man unterſcheidet das alte und das neue Ver - ſailles. Ueberall um die Stadt herum ſind die ange - nehmſten Ebenen, Fruchtfelder, Waͤlder, Berge kurz, die Situationen und die Gegenden ſind vortreflich. Die Straſſen haben ihre Namen von den Avenuen, von Paris, von Trianon, von Marly, St. Cloud ꝛc. Hier hoͤrt was das wilde Geſchrei von Paris nicht. Man traͤgt das Waſſer auch in die Haͤuſer, aber man darfs hier ſo wenig, als andre Sachen ausſchreien. Da ruhen die Ohren, die in Paris Tag und Nacht gepei - nigt werden, wieder aus. Man meint, man ſei in ei - ner kleinen Stadt in Deutſchland, und iſt doch an der Seite des Koͤnigs von Frankreich. Das, was ich heute noch ſah, war:

Le Chateau Royal. Man hat viele Almana - che, Kupfer und Beſchreibungen davon, ich ſage alſo nur, wie ichs angeſehen habe. So gros, ſo praͤchtig, ſo kuͤnſtlich, ſo reich es iſt, ſo macht’s doch auf die Fremden gar wenig Eindruck, wenn man’s von auſſen anſieht. Man ſieht nichts, als eine Aſſemblage von vielen ſchwar - zen, duͤſter ausſehenden Thuͤrmen, Saͤulen, Fenſtern und Statuͤen. Ewig Schade, daß dieſes Meiſterſtuͤck der Baukunſt und der Bildhauerei, aus den gelblichweiſ - ſen Steinen, wie Paris und Verſailles, gebaut iſt, dieT 2an292an der Luft nach einigen Jahren ſo haͤßlich ſchwarz wer - den. Man muß es ſehr in der Naͤhe betrachten, wenn man’s bewundern ſoll. Dann ſieht man aber an jedem Fenſtergeſimſe, ꝛc. Menſchenkoͤpfe, Blumen, Laubwerk, Saͤulen, und auf dem Dache uͤber jedem Fenſter eine Statuͤe. Praͤchtig, goͤttlich muͤſt es ausſehen, wenn das alles aus einem Steine gemacht waͤre, der eine dau - erhafte Farbe, die hell in’s Auge fiele, haͤtte, aber ſo iſt der groͤſte Theil dieſer kunſtvollen Sachen fuͤr die meiſten Augen verloren. Es hat einen ungeheuern Umfang, ſteht hoch, und geht weit herab in die Stadt, hat er - ſtaunlich breite Treppen, eine Menge Thore und Neben - thuͤren, und eine unzaͤhlbare Menge Fenſter. Das was man immer in der groͤſten Entfernung oben hervorſtechen ſieht, iſt die Kuppel der Kapelle, von der ich nachher ſprechen will. Ich beſah drauf

Les Appartements, ou les grands Apparte - mens. Geht man eine groſſe Treppe hinauf, ſo findet man zu beiden Seiten die praͤchtigſten Sachen ausgeſtellt. Man kan beſtaͤndig in eine Reihe von Zimmern hinein - gehen, wo man auf dem Boden, an den Waͤnden, an der Decke, an Spiegeln, Saͤulen, Girandolen, uͤberall Vergoldungen, und unbeſchreibliche Koͤnigl. Pracht fin - det. Es iſt unmoͤglich, alles zu beſchreiben, man ſieht ſo viel, es iſt alles ſo nett, ſo uͤberhaͤuft und beſtaͤndig mit ſo vielen Fremden umſtellt, daß man ſich Jahre dazu nehmen muͤſte, wenn man alles ſehen wollte. Auf die - ſer Seite war fuͤr mich merkwuͤrdig: 1) Das Ochſen - auge, ein groſſes Zimmer, welches nur ein Fenſter hat, das aber ein groſſes Oval iſt. 2) Die groſſe Gallerie 37. Toiſen lang, und 18. breit. Das Gewoͤlbe oben iſtvon293von le Brun gemahlt; es ſind die Kriege von Louîs XIV. Aber, beſchreib’s einer, wenn er kan! Sehen muß man’s, und dann ſteht man da, ſtaunt, und kann nimmer weg - kommen. Die im Palais Royal in Paris iſt ge - wis ſchoͤn, aber es iſt nichts gegen das! Unten ſtehen al - te Saͤulen aus weiſſem Marmor. Ueberall erblickt man Marmorſaͤulen, die ſo fein in ihrer erſtaunenden Hoͤhe zu - ſammengeſetzt ſind, daß man ſie leicht fuͤr Ein Stuͤck hal - ten koͤnnte. Wenn dieſe Gallerie bei den Hoffeſten illu - minirt wird, ſo ſoll die Pracht unbeſchreiblich ſeyn. 3) Ein Gemaͤlde von Vandyck, das Koͤnig Karl den 1ten aus Engelland vorſtellt. Man haͤlt es fuͤr das Mei - ſterſtuͤck dieſes Kuͤnſtlers, und ſchaͤtzt es 30000. kleine Tha - ler werth. Der Koͤnig ſteigt vom Pferde, ein Bauer haͤlt es. Er ſieht ehrlich gutdenkend aus, hat das Haar hinten hinabfliegend wie Bauern, einen runden Hut ohne Krempen, einen ſchlechten Rock, ein Waͤmschen ꝛc. aber alles iſt unbeſchreiblich ſchoͤn. 4) Eine Stockuhr, die ein Meiſterſtuͤck der Mechanik iſt. Man kan das Raͤ - derwerk auf beiden Seiten durchs Glas ſehen. Sie iſt von Morand gemacht. Die Stunden ſchlagen Maͤn - ner mit einem Stabe. Es iſt ein Glockenſpiel daran, und, wenn das geſpielt hat ich hoͤrte es um 1. Uhr; ſo ſpringen oben kleine Thuͤren auf, und man ſieht eine Statuͤe von Louis XIV. heraustreten, wie er à la Place Victoire iſt, und nachher geht die Statuͤe wieder zuruͤck, und die Thuͤrchen verſchlieſſen ſich wieder 5) Ein Portrait von Louis XV. von Rigaud. 6) Eins von ſeiner Gemalin, Stanislai Tochter von Vanloo. Es ſind 20000. Gemaͤlde hier. Man hat ſie in groſſen Saͤ - len hintereinander wie Buͤcher aufgeſtellt, weil man nicht Platz hat, ſie alle aufzuhaͤngen. Die in den Zim -T 3mern294mern werden faſt alle Jahre veraͤndert, und umgehaͤngt. Drauf beſah ich

La Menagerie. Sie liegt nicht weit von der Stadt in einem Hauſe, das vorn beim Eingang ſteht, und wenigſtens ſo meublirt iſt, daß die Koͤniglichen Herr - ſchaften zuweilen beim Spazierengehen hier abtreten koͤn - nen. Man ſieht eine Menge Spiegel, ſilbergeſtickte Stuͤhle, in einem Zimmer die Gemaͤhle von den hier vor - handenen Thieren, in einem andern die aus La Fon - taine’s Fabeln, in einem andern die alten Turniere und Ritterſpiele; und eine praͤchtige Wendeltreppe durchs gan - ze Haus. Der Aufſeher uͤber die Menagerie wohnt vortreflich in einem Luſtwaͤldchen, mit vielen kleinen Haͤus - chen hier und da beſetzt. Die Stille der Nacht wird durch das Bruͤllen der aſiatiſchen Thiere unterbrochen. Am Tage hat man an jedem Fenſter eine andre Ausſicht. Nachmittags ſind immer Fremde da. Der Anblick ſo vieler und verſchiedener Thiere bietet immer ein abwech - ſelndes Vergnuͤgen dar. Die Thiere ſelber ſind in Haͤus - chen in dem groſſen Platz vertheilt. Unter den Thieren waren mir folgende 4. merkwuͤrdig; die 3. letzten hatte ich noch nie geſehen.

  • 1) Der Elephant. Er war (1777.) 5. Jahr alt, aber ſchon ſehr gros, viel hoͤher als der Groͤſte von unſrer Geſellſchaft, und ganz ſchwarz. Er kam ganz weis - grau hierher. Weil man ihm aber alle Tage die Haut mit Oel ſchmiert, ſo wird er ganz ſchwarz. Am Halſe war er mit einer Kette gebunden. Er hatte ſchoͤnere Fuͤſſe, als ich ſie noch nie am Elephanten geſehen hatte, war ein Weibchen, und genitalia foeminina inter pedes poſteriores emicuerunt rubro colore. Die295Die Zaͤhne waren ſehr klein, und noch ſtumpf, und ſchie - nen doch nicht abgeſtoſſen zu ſeyn. Wir hatten eine Bouteille Wein mitgebracht, um ihn zu tractiren. Dieſe ſtieß er in ſeinen Ruͤſſel aus. Er koſtet dem Koͤnige alle Tage 6. Liver. Alle Morgen wird er ſpazieren gefuͤhrt. Er hatte grade die Hoͤhe ſeiner Thuͤre. Von allem dem, was Perrault von der Oberhaut des Thiers geſagt hat, kan man nichts ſehen, und nichts fuͤhlen. Ich ließ mir etliche von den ſchwarzen Schwanzhaaren ausreiſſen und habe ſie noch zum Andenken an dieſes Thier, das man immer mit Vergnuͤgen ſieht, beſonders, weil es mehr, als alle andre Thiere, unſere Sprache, unſere Winke, und unſere Pantomimen zu verſtehen ſcheint, und ſie durch ſeinen gelehrigen und folgſamen Karakter beſſer, als an - dre Thiere beantwortet.
  • 2) Das Rhinoceros. Man jagte das Thier aus einer Miſtpfuͤtze auf, in welcher es, ſo gros es war, ganz verſunken lag, und es begab ſich ungern aus dieſer Lache heraus. Ich machte groſſe Augen, wie ichs herauf ſtei - gen, und auf mich zukommen ſah. So viel ich ſehen und fuͤhlen konnte, beobachtete ich. Schreber hat, glaubt ich, eine gute Zeichnung davon geliefert, aber alle Nach - richten, die wir vom Horn des Thiers haben, ſind, denk ich, falſch. Es iſt kein hervorſtehendes Horn, es iſt kein amas von Poil heriſſé, epars, confondu, wie man in Goͤttingen meint. Das was hier Horn heiſt, iſt eine groſſe knochenharte mit keiner Haut uͤberzogene Stelle, 2. Finger uͤber dem Muſeau. Dieſe Verhaͤr - tung, die im Knochen ihre Wurzel zu haben ſcheint, war laͤnger als meine Spanne, und faſt eben ſo breit. Kei - ne Spitze von Haareu war oben, oder an der Seite zuT 4ſehen.296ſehen. Klopfte man mit dem Schluͤſſel, mit einem Meſ - ſer darauf, ſo toͤnte es, wie wenn man auf Knochen ſchlaͤgt. Die obere Lippe hatte vorne auch ſo eine zugeſpitz - te Verlaͤngerung, ſo eine Art von Finger, wie der Ele - phant hat ꝛc.
  • 3) Le Rat Muſc, wie man ſagte, hatte kleine bor - ſtige Haare, ſchwarzbraun weis ꝛc.
  • 4) Ein Onocrotalus. Die Taſche war doch nicht ſo gros, wie man ſie oft mahlt. Die obere Mandibula hatte ſehr deutliche Lacinias und vorne einen Hacken. Die Schwimmhaut war ein ſehr groſſer Lappen und doch konnte der Vogel ſehr ſchnell laufen.

Es war auch ein Baͤr da, der jetzt ganz ſchwarz - braun war, der aber vor 10. Jahren, wie er ankam, ganz weis geweſen ſeyn ſoll. Desgleichen ein Hirſch, dem das eine Horn auf, das andere abwaͤrts gebogen war. Man wies mir auch ein Thier, das vom Wolf und Hund erzeugt ſeyn ſoll. S. Buffon’s Nat. Geſch.

Heut Abend ſah ich auch noch im Vogelhauſe eines Privatmanns einen Kanarienvogel, der auf dem Ruͤ - cken braun war.

L’Orangerie. Sie iſt ſehr anſehnlich, zahlreich, und beſonders deswegen merkwuͤrdig, weil ſo viel al - te Baͤume darin vorhandeu ſind. Sie ſind zum Theil noch von Franz I. aus Italien gebracht worden. Einer iſt 362. Jahre alt, iſt noch vom Vater des groſſen Konnetable von Bourbon gekauft worden, und hat gra - de die Hoͤhe der Thuͤre, wo im Winter die Kaſten hinein kommen. Deswegen heißt er auch der Konnetable Bourbon und traͤgt noch. Seine Krone hat 18. Schuh297Schuh im Durchmeſſer, und 54 Schuh im Umkreis. *)S. das erſte Stuͤck des Groſſen und Schoͤnen in der Natur.Im Orangeriehauſe, das wegen ſeinen majeſtaͤtiſchen Gewoͤlben merkwuͤrdig iſt, ſteht eine Egyptiſche Goͤttin, die Turenne an Louis XIV. ſchickte, und die, wie man verſicherte, in der Donau ſoll gefunden worden ſeyn. Da wo die Gewoͤlber von beiden Fluͤgeln zuſammenſtoſ - ſen, laͤßt die Koͤnigin denn es iſt gleich unter der Teraſſe vor dem Schloſſe, zuweilen Koncert machen, und die Wirkung, die’s hier thut, ſoll ganz unvergleich - lich ſeyn. In der Mitte der einen Haͤlfte ſteht in einer Niſche eine Bildſaͤule von Louis XIV. von Dujardin. Die Unterſchrift: Pace beat totum belic qui ter - ruit orbem, iſt im Tone der Franzoſen, aber die Roͤ - miſche Kleidung, die er dem Koͤnig gegeben hat, iſt ein Meiſterſtuͤck.

Les Grands Eſcaliers. Auf eben dieſer Sei - te ſind hinter dem Schloſſe, gegen den Park zu, unten an der Terraſſe 2. groſſe Treppen, die eben ſo praͤchtig, als wichtig ſind. Sie ſind auſſerordentlich breit. Je - de hat in 4. Abſaͤtzen 110. Stuffen. Unten ſind Gewoͤl - ber, und zwiſchen innen liegt die ganze Orangerie. Dieſe 2. groſſen Treppen ſtuͤtzen den ganzen Berg, auf dem das Schlos gebaut iſt. Sie ſind die Baſtionen, die Con - treforts von der ganzen ſchrecklichen Maſſe: denn der Berg, auf dem das alles, was Ludwig der 14. zu dem ſchon vorhandenen Schlos von Louis XIII. hinzubaute, aufgefuͤhrt iſt, iſt groͤſtentheils auch erſt durch Menſchen - haͤnde zuſammengefuͤhrt worden, und ſoll unten faſt ganzT 5hohl298hohl ſeyn. Alſo ruht die ganze Maſſe auf dieſen 2. groſ - ſen Treppen. Sie ſind aber auch ſo ſtark und ſchoͤn, als man ſie wuͤnſchen kan. Sie ſind aus einem weiſſen glatten Steine, den man weither aus Frankreich her - beigefuͤhrt hat, und haben auch noch ihre hellweiſſe Farbe.

Bemerkungen.

Ueber der mittelſten Thuͤre des aͤlteſten Theils des Schloſſes ſteht eine Uhr, die ſtillſteht, ſo lang der Koͤ - nig lebt; ſobald er aber ſtirbt, laͤſſet man ſie laufen, rich - tet ſie aber auf die Stunde, wo der Koͤnig geſtorben iſt, und da muß ſie dann wieder ſo lang ſtehen, als der Koͤ - nig lebt, um den Koͤnig durch die Todesſtunde ſeines Vorgaͤngers beſtaͤndig an die Sterblichkeit zu erinnern. Jetzt ſteht ſie auf 3. Uhr, denn dies war die Stunde, in der Louis XV. ſtarb.

Man rechnet die Menge der Leute hier auf 80,000. Wenn der Koͤnig nach Compiegne geht, ſo gehen 18000, und nach Fontainebleau 20000 Menſchen mit. Der Weiſe, der Mittelsmann nimmt ſeinen Freund mit, und iſt gluͤcklicher als der Monarch, den das beſtaͤndige Gewuͤhl umgibt.

Man hat hier Parapluyes, an denen die Staͤbe von Stahl ſind, und in der Mitte die ſchnellſten und ſchoͤnſten Springfedern haben. Man kan daher den groͤſten Parapluye ſehr klein zuſammen legen. Sie ſprin - gen von ſich ſelber auseinander, brechen aber gar leicht. Das Stuͤck koſtet 37. Liver.

Den299

Den 28ſten Jun.

Les petites Ecuries du Roi. Ich ging ſehr fruͤh aus, um die herrlichen Gegenden von Verſailles recht zu beſehen, und die friſche Luft, die mir bisher ge - mangelt hatte, zu genieſſen. Da fuͤhrte der Weg bei den kleinen Koͤnigl. Marſtaͤllen vorbei; denn nicht weit von da ſind noch viel groͤſſere, und die Prinzen vom Gebluͤt haben wieder ihre eigenen. Der Koͤnig haͤlt 3000. Pferde die meiſten ſind Normannen und Engellaͤnder. Faſt al - len wird der Schwanz, und noch dazu ganz nahe am After abgeſtumpft. Sie ſagen, das mache die Pferde ſtark, daher thun ſie’s bei Jagdpferden, und bei allen, die nicht zur Parade beſtimmt ſind. Jedes Pferd hat uͤber ſei - nem Stande ein weiſſes Taͤfelchen mit ſeinem Namen, z. B. le Railleur. Der Stall iſt etwas niedrig und finſter. Er iſt in der Runde herumgebaut. Die Ker - le muſten ganze Kuppeln Pferde des Morgens ſpazieren reiten.

Les Statües du Parc. Park heiſt hier der Koͤ - nigl. Schlosgarten. Er liegt hinter dem Schlos, hat eine erſtaunliche Breite und eine unabſehbare Laͤnge. Das Mittelſtuͤck iſt faſt ganz den Baſſins gewidmet. Dieſe ſind bald gros, bald klein, haben auf ihren Einfaſ - ſungen die ſchoͤnſten Statuͤen von Bronze, und inwen - dig eine Menge Jets d’eau von allen nur moͤglichen Er - findungen. Zuletzt kommt unten ein groſſer herrlicher Kanal, auf dem niedliche rothgemahlte Schiffe liegen, in denen es zwiſchen dem gruͤnen Luſtwaͤldchen hinzufah - ren, ein Vergnuͤgen ſeyn muß. Auf beiden Seiten ſind eine unzaͤhlbare Menge Statuͤen und Vaſen uͤberall ver - theilt. Darzwiſchen ſind wieder allerlei andre Erfindun -gen300gen zu Waſſerſpruͤtzen, einige bricht man ab, andre baut man von neuem. Weil das Schlos auf einem Berge liegt; ſo hat der Garten eine etwas haͤngende Lage, man kommt immer auf den Terraſſen weiter hinab, kehrt man ſich aber um; ſo praͤſentirt ſich das Schlos ganz unver - gleichlich. Die Namen der Bildſaͤulen und ihrer Erfin - der und Verfertiger ſtehen in jedem Almanac de Ver - ſailles. Sie ſind alle ganz aus weiſſem Marmor, das Fußgeſtelle iſt gewoͤhnlich feſter, haͤrter, und ſehr hoch. Ich bin von 10. Uhr bis 2. Uhr darinn herumgegangen, und konnte doch nicht fertig werden; was mir am beſten gefallen hat, iſt Folgendes:

  • 1) Die Latona. Sie ſteht in der Mitte in einem tiefen Baſſin, aber auf etlichen Stufen von Marmor er - hoͤht, in der ſchoͤnſten Stellung. Sie ſtreckt die Hand von ſich, um ſie herum ſind die angenehmſten gruͤnen Fel - der, und eine Menge Froͤſche, die alle, wenn die Ma - ſchinen angelaſſen werden, Waſſer ſpeien.
  • 2) Ganymed mit einem Adler. Der Adler iſt doch unvergleichlich. Die dicken Pflaumfedern am Bauch und Fuͤſſen, die runzliche Haut an den Fuͤſſen; die Klauen, die Fluͤgel, beſonders die aͤuſſerſte lange Fe - der an dem linken aufgehabenen Fluͤgel iſt natuͤrlich wie am Adler.
  • 3) Ceres mit Kornaͤhren. Die Garbe iſt etwas coloſſaliſch, wie alle Sachen von der Art, aber das gan - ze Stuͤck hat etwas Einnehmendes, Liebliches.
  • 4) Bacchus. Er iſt oft da, aber hier in dieſer Nachbarſchaft am ſchoͤnſten. Er hat Trauben in der Hand, haͤlt mit der linken die Schuͤſſel unter, mit derrechten301rechten quetſcht er ſie zuſammen, der Saft tropft ſo na - tuͤrlich herab, und er macht eine lachende freundliche Mie - ne dazu.
  • 5) La Fourberie; ein Frauenzimmer mit einer Maſke in der Hand und einer gezwungenen Miene. Un - ter ihren Fuͤſſen iſt ein Fuchs.
  • 6) Eine Vaſe mit verſchraͤnkten LL. in einem Kranz von Eichen und Pomeranzen. Laub und Fruͤch - te ſind unvergleichlich gemacht. Die kleinen Loͤcher an den Eicheln einige ſind ausgefallen, da ſah man die runde Hoͤlung und die kleinen Buͤſchel von Pomeraͤnz - chen!
  • 7) Die Mediceiſche Venus; vermuthlich eine Kopie von der in Florenz. Ein koſtbares Stuͤck. Die Feigenblaͤtter, die man jetzt hie und da an dieſen Sta - tuͤen findet, ſind auf Veranlaſſung der Gemalin von Louis XV. dran gemacht worden. Sie hielt den Faͤcher vors Geſicht, als ſie das erſtemahl mit ihm im Park ſpazie - ren ging.
  • 8) Apollo auf ſeinem Wagen; in einem Baſ - ſin, mit 4. Pferden, alles von Bronze, und die Jets d’eau im Maul. Viel Majeſtaͤt, viel Pracht herrſch - ten in dieſem Stuͤcke. Es ſoll das Waſſer 57. Schuh hoch werfen, wenn alle Roͤhren ſpielen.
  • 9) Ein roͤmiſcher Senator; der ganze Ausdruck vom Senatorius decor; ein Greis mit einem glatten runden Kopf. Der Bart iſt ein Meiſterſtuͤck. Die Rolle Pergament, vermuthlich Geſetze, in der linken Hand. Toga am Leibe, mit der rechten Hand ſpricht er. Das ganze Stuͤck iſt in einem hohen Styl und doch in einer gefaͤlligen Manier.
10) Der302
  • 10) Der Fruͤhling, (auf der Seite gegen Mittag. Von unten kam ich herauf, auf der Seite gegen Mitter - nacht ging ich hinab.) Ein Gott, ein ſtilles Geſicht, aber die Blumenkraͤnze, die er an ſich haͤngen hat, koͤnn - ten nicht ſchoͤner ſeyn. Serta florum ſah man da recht.
  • 11) Ino und Melicertes, ein herrliches Stuͤck; man kans nicht beſchreiben.
  • 12) Pluto’s Entfuͤhrung der Proſerpina. Die - ſes Stuͤck muß man ſich zeigen laſſen, es iſt hinter 2. Thuͤren, da, wo vorher der Labyrinth war. Es iſt ſehr hoch, aber die 3. Figuren ſind ganz meiſterhaft. Er faßt ſie bei den Weichen feſt an, ſie windet ſich, ſtreckt beide Haͤnde in die Hoͤhe, ihre Geſpielin ſchreit unten ꝛc. alles iſt voll Ausdruck der Leidenſchaft. Am Fußge - ſtelle ſind im Kleinen die einzelnen Scenen dieſer Ge - ſchichte alle ausgehauen, wie ſie Blumen ſucht, wie er ſie entfuͤhrt, wie die Mutter und die Furien ſie ſuchen ꝛc. Dieſe herrliche Gruppe iſt von Franz Girardon’s Meiſ - ſel. Das Labyrinth war abgebrochen. Die vielen Meerohren, aus denen die Grotten zuſammengeſetzt wa - ren, lagen zerbrochen da; die Fabeln Aeſops auch ꝛc. Das war aber alles Kinderei gegen das Stuͤck in der Mitte.
  • 13) Dieſer Grille gegenuͤber auf der Nordſeite iſt ei - ne andre, wo kleine Pavillons ſtehen, an denen allegori - ſche Vorſtellungen aller Welttheile in vergoldeten Blei ſe - henswuͤrdig ſind. In der Mitte iſt ein Baſſin, und lin - ker Hand ein Basrelief, wers nicht weis, ſuchts nicht, aber es iſt koſtbar. Es ſtellt den Herkules vor, der den Loͤwen erwuͤrgt. Die Keule ſchmeiſt er weg, und packt ihn mit den Haͤnden am Rachen.
14) Die303
  • 14) Die Treue. Eine weibliche Figur mit einem redlichen offenen Geſicht, hat ein Herz in der Hand, und einen Hund bei ſich.
  • 15) Le Bain d’Apollon. Auf der Seite lin - ker Hand iſt alles mit Bouillons d’eau uͤberhaͤuft. Apollo ſitzt; 3. Nymphen ſind auf der einen, 3. auf der andern Seite; und darneben Gruppen von Pferden ꝛc. Franz Girardon hat dieſes vortrefliche Kunſtwerk ver - fertigt. Alles ſteht unter chineſiſchen Haͤuschen.
  • Wallfiſche mit einem breiten Kopf und einem Fiſch - koͤrper, oben und unten mit breiten Schuppen, Ruͤcken - floſſen uͤber den ganzen Leib hin ꝛc. und viele ſolche Al - bernheiten, welche die Natur nicht kennt, kommen hier doch mit unter vor.

La Machine de Marly beſah ich heute auch noch. Sie iſt eine der groͤſten Merkwuͤrdigkeiten in dieſer Ge - gend. Der Weg von Verſailles dahin iſt die ſchoͤnſte angenehmſte Allee. Ohngefehr eine kleine halbe Stun - de vor Marly hauſſen, iſt in der Seine die koſtbare praͤchtige Maſchine erbaut, die das Waſſer heraufſchoͤpft.

Es ſind 14. groſſe Raͤder da, davon jedes 36. Fuß hoch iſt und 107. Schuh im Umkreis hat. Sie gehen nicht uͤber den ganzen Fluß hinuͤber, machen aber ein groſſes Werk zuſammen aus, das ſich von weitem ſchon ankuͤndigt; nur wundern ſich die Fremden, daß es nicht bedeckt iſt. Die Raͤder ſind alle von einander abgeſon - dert. Von jedem faͤllt oben ein beſtaͤndiger Staubregen herab, der, wenn die Sonne drein ſcheint, die ſchoͤnſten Regenboden bildet. Dieſe ſchoͤpfen das Waſſer in Pum - pen mit Ventilen, die das Waſſer ſelber oͤfnet und ver -ſchlieſt.304ſchlieſt. Unten und oben ſind die Leitungen (Conduits) fuͤr das Waſſer angebracht. Bei dieſem Werke ſind al - le Tage 45. Menſchen beſchaͤftigt. Es ſind 64. Pum - pen, und von da weg gehen 5. Waſſerleitungen.

Von dieſen Raͤdern oder vom erſten Schoͤpfen ſteigt das Waſſer in den 5. Leitungen 150. Schuh den Berg hin - auf. Die Maſchinen dazu ſind halb von Holz, halb ei - ſerne Stangen. Dieſe Stangen werden bei einem Don - nerwetter alle elektriſch, und das ſoll der ſchoͤnſte Anblick ſeyn, den man in der Natur haben kan. Durch die 5. Leitungen ſteigen in einer Stunde 1000. Muids Waſſer den hohen Berg hinauf. Sie gieſſen es oben in ein all - gemeines Baſſin, wo man ſehen kan, wie mit jedem Druck der Maſchine eine neue Ladung ankommt.

Aus dieſem allgemeinen Baſſin fließt das Waſſer durch einen Conduit univerſel von Metall, der er - ſchrecklich gros und bauchicht iſt, in 2. eigne oben auf dem Berge erbaute Haͤuſer voller Pumpen, die ihm neue Gewalt geben, daß es von dieſem zweiten Schoͤpfen wie - derum 150. Schuh den Berg hinauf ſteigen kan. Man lies mich da ſehen, welche Gewalt das Waſſer hat. Der Kerl zog einen Zapfen an den Leitungen, die aus dem Hauſe voller Pumpen nach dem Berg hinaufgehen, her - aus, und bei jedem Druck ſtuͤrzte eine Menge Waſſer mit erſtaunlicher Heftigkeit heraus. Im Hofe zwiſchen dieſen beiden Haͤuſern hat man auch eine Quelle gefun - den, und auch dieſes Waſſer wird durch Pumpen hinauf - getrieben.

Von dieſem zweiten Schoͤpfen alſo ſteigt das Waſſer in 2. Wegen, wie geſagt, wieder 150. Schuh den Berghinauf.305hinauf. Dieſe kommen oben wieder in einem Hauſe vol - ler Pumpen zuſammen, die ihm neue Kraft geben, daß es von da bis zu den Arcades de Marly noch 202. Schuh ſteigen kan. Auch hier ſah ich, wie das Waſſer mit entſetzlicher Gewalt herausfaͤhrt. Auf jeden Pum - penſtoß avaneirt es in den Leitungen 4. Schuh. Aus dieſem Hauſe laͤuft es in 13. Leitungen heraus. Dieſe 13. endigen ſich weiter hin in 5. und dieſe 5. weiter hin in 3. Leitungen.

Aus dieſen 3. koͤmmt es wieder in Pumpen, und von da in den groſſen Aqueduc. Auf dieſem kan man ſpa - zieren gehen. Es iſt eine Hoͤlung in der Mauer, man geht 112. Staffeln hinauf. Ehe ſich dieſer groſſe Aque - duc theilt, iſt er 95. Schuh lang, hie und da ſind wie - der groſſe Reſervoirs in Thuͤrmen angebracht: dann theilt er ſich endlich in 3. Loͤcher, das Mittelſte geht nach Tria - non und das rechte nach Marly; dieſe beide erhalten al - les Waſſer aus dieſer Maſchine, und haben beide viele Jets d’eau; das linke und das iſt das kleinſte, geht nach Verſailles, denn da hat man auch viele und recht gute Quellen*)Rechnet man nun zweimahl 150. und 202. Schuh zuſammen; ſo kommen 502. Schuh heraus, welches alſo die ganze Hoͤhe iſt, zu welcher das Waſſer durch dieſe Maſchine gehoben wird..

Iſt irgend etwas Groſſes und Praͤchtiges, das Louis XIV. gemacht hat, ſo iſt es dieſe wahrhaftig koͤnigliche An - ſtalt. Das Waſſer ſteigt einen Berg hinauf, auf dem der muthigſte Reiſende muͤde wird, und keicht. Es iſtvonU306von oben herab eine herrliche Ausſicht, auf alle die Reihen von Maſchinen und die lieblichen Gegenden jenſeits der Seine.

Von da konnt ich auch das Schloͤschen St. Ger - main ſehen, wo Koͤnig Jakob II. von Engelland reſi - dirte. Oben liegt auch das Dorf Lucienne, wo die be - kannte Graͤfin du Barry ein Schlos mit einem herrli - chen groſſen Garten hat.

Le Chateau de Marly. Dieſes kleine Schlos, deſſen Inwendiges man nicht ſehen kan, liegt ganz in ei - ner Tiefe. Die Einfahrt dazu geht einen hohen ganz gepflaſterten Berg hinab. Der Garten an der Seite iſt ſehr angenehm, hat Waſſer, Bosquets, und laͤngſt hin - ab ſtehen zu beiden Seiten kleine Haͤuſer, die von den Miniſtern, wenn der Hof da iſt, bewohnt werden. Es iſt nur eine Chambre, ein Sale à manger, eine Chambre de Domeſtiques da.

Den 29ſten Jun.

La Chapelle du Roi. Dieſes praͤchtige Gebaͤu - de, durch das ich ſchon einigemahl gegangen war, war heute, als am Sonntage, auſſerordentlich mit Menſchen angefuͤllt. Ein Buch muͤſte man ſchreiben, wenn man die Pracht dieſer Kirche beſchreiben wollte. Die Schlos - kirche in Carlsruhe hat das nemliche Deſſein, nur daß die Kanzel hier in der Mitte ſteht, und unter der Orgel der hohe Altar iſt. Der Fußboden iſt aus ſchwarzen, rothen und weiſſen Marmor. Unten im Schiff der Kir - che ſtehen gar keine Stuͤhle, zu beiden Seiten ſind unten und oben Altaͤre und kleine Kapellen. Zwiſchen der un -tern307tern und obern Porkirche ſtehen die praͤchtigſten weiſſen korinthiſchen kannelirten Saͤulen. Oben ſind gar keine Plaͤtze, aber das ganze obre Gewoͤlbe iſt mit den ſchoͤn - ſten Gemaͤlden angefuͤllt. Sie ſtellen Sujets aus der Bibel vor, ſind aber ſo hoch, und ſo fein, daß man ſie auch mit der Lorgnette nicht erkennen kan.

Der Hochaltar iſt faſt ganz von Gold. Zwei En - gel mit groſſen Fluͤgeln ſind darneben. Das Schoͤnſte fuͤr mich war immer die herrliche Stukkaturarbeit von Gyps, die alles uͤbertrift, was man ſonſt ſehen kan. Die Bruſtlehnen an dem Koͤnigl. Stuhl und an den Galle - rien ſind von rothem und weiſſem Marmor. Der Koͤ - nigl. Stuhl hat zwei Fluͤgelthuͤren, die faſt ganz vergol - det ſind. Eh der Koͤnig kam, kam ein Bedienter, und breitete noch eine rothſamtne Decke mit goldnen Franzen daruͤber. Fenſter ſind nicht dran, auch ſtehen keine Stuͤh - le darin, ſondern lange, ſchmale, rothſamtne Baͤnkchen. Darneben ſteht auf jeder Seite eine Art von Prie Dieu, wie ein Schrank mit Glasthuͤren, vergoldeten Leiſten, und oben darauf eine ſtarke vergoldete Krone. Die Kanzel hat viel Gold, aber ſonſt nichts beſonders, und ſteht ſehr niedrig: ein Fehler, den ich in proteſtantiſchen und katho - liſchen Kirchen gar oft gefunden habe. Die Orgel iſt gros und ſehr durchdringend. Die Fenſter haben alle ei - ne Einfaſſung von gemahlten Scheiben. Die Kapellen, wo der Comte de Provence mit ſeiner Gemalin, und die Comt. d’Artois Meſſe hoͤren, ſind unten. Schon am Freitag ſah ich die Comt. d’Artois mit ihrer Da - me d’honneur in einem rothen Kleide herausgehen, und heute die Comt. de Provence. Die Koͤnigin hoͤrt am Sonntag die Meſſe oben im Koͤnigl. Stuhl nachU 2der308der Meſſe des Koͤnigs, weil ſie ihren eignen Aumonier hat; aber heute war ſie nicht recht wohl, hoͤrte daher die Meſſe en particulier in einer Kapelle linker Hand des Koͤnigl. Stuhls um halb 12. Uhr. Eine Menge Gar - des du Corps beſetzten ſchon vorher mit ihren Hellebar - den den Platz. Sie kam mit ungemein vieler Gra - zie und Majeſtaͤt, in einem weiſſen ſeidenen Kleide, maͤſſig coifirt, geſchminkt, und ſah nicht uͤbel aus. Ei - ne Dame d’honneur in einem gelben Kleide und noch mehr Gardes du Corps mit Gewehr begleiteten ſie. Sie kniete ſehr andaͤchtig auf ihrem Stuhl, und ging wieder freundlich und reizend durch die gedraͤngte Menge der Zuſchauer hindurch zuruͤck. Viele tauſend Augen zog ſie auf ſich, ſobald ſie nur die geringſte Bewegung machte, und eben ſo viele tauſend folgten ihr nach, bis ſie der luͤſternen Menge verſchwand. Um 12. Uhr kam der Koͤnig ſelbſt. Eine noch ſtaͤrkere Wache brachte ihn mit einem, freilich nicht feierlichen und nicht anſtaͤndigen, Laͤrm zu dem wartenden Volke, und beſetzte die Kirche oben und unten. Beim Eintritt in die Kirche ward ſtark getrommelt, die Garde trieb das Volk aller Orten weg, und ſtellte ſich zu beiden Seiten. Die Muſik hob an, die unbeſchreibliche Menge Menſchen ſah jetzt auf den Koͤnigl. Platz. Erſt kam die Garde, ſtellte ſich hin - ten und an den Seiten hin, dann bracht ein andrer das Gebetbuch aufgeſchlagen; drauf kam der Comte d’Ar - tois, und dann der Koͤnig. Man hat ſo viele Kupfer - ſtiche von ihm, daß ich nichts ſagen darf. Er iſt nicht ſo gros, wie ich, hat wenig Farbe, trug ein fleiſchfarbnes ganzes Kleid mit Silber reich beſetzt, auch auf den Ach - ſeln, einen ſilbernen Degen mit Brillanten beſetzt und weiſſe ſeidene Struͤmpfe. In der Meſſe, die ganz ge -ſungen309ſungen wurde, und mit einer feierlich langſamſchweben - den Kirchenmuſik begleitet war, gab er den Hut weg, und nahm ihn nachher wieder. Es kam auch mehr als ein Aumonier, ſchwarz gekleidet, mit ihm. Nach der Meſſe drang die Menge des Volks alles in den ſchoͤnſten Kleidern, (ich ſah einen aus der Kirche wegfuͤh - ren, der keinen Degen hatte,) nach der groſſen Galle - rie, wo der Koͤnig durchkommen muſte, und da ging er dann wieder von der Garde mit Gewehr umringt, ſehr gnaͤdig und freundlich durch die Menge hindurch. Was da fuͤr ein Gewuͤhl in den Grands Appartemens iſt, iſt unbeſchreiblich. Eine Menge Geruͤche aus ſo vielen Flacons nehmen einem den Kopf ein. Alle Nationen findet man da, unten in Park hoͤrt man das Getuͤmmel ſogar, es iſt wie die Meſſe in Strasburg, wie die Boͤrſe in Hamburg ꝛc.

Les Appartements des Mesdames, der Tan - ten des Koͤnigs. Weil die Koͤnigin eine Anwandlung vom Fieber hatte, ſo war’s nicht moͤglich, ihre Zimmer zu beſehen: aber die Mesdames waren in Bellevue, und die Schweizer verdienen gern Geld von den Frem - den. Was man da ſieht, iſt Koͤniglich, und in jedem Zimmer ſieht man viel, und vielerlei. Die Umhaͤnge und Betten waren uͤberall unies, eben der geflamte herrliche Zeug, den ich in Choiſy le Roi ſchon bewun - dert hatte.

Bei der Mdme. Sophie ſah ich beſonders 1) Por - zellaͤn von Seve, das an Schoͤnheit, Weiſſe und Ver - goldungen dem Meißner wahrhaftig nicht viel nachgibt. Nur, duͤnkt mir, iſt es nicht ſo leicht wie jenes. 2) Ei - ne Platte en Moſaique von den Gegenden um Ver -U 3ſailles. 310failles. Der Kerl machte mir eine drollige Beſchreibung von der Arbeit, weil er ſie nicht zu nennen wuſte; ſie war aber in der That ſchoͤn. In Frankreich gibts noch we - nig Leute, die das koͤnnen. 3) Ihre Toilette; alles war mit einem koſtbaren Umhang verdeckt. Wir hoben ihn auf, und ſahen die ſchoͤnſten Doſen, Buͤchſen, Fla - cons ꝛc. 4) Gemaͤlde von der Koͤnigl. Familie. Mme. Clotilde als Piemont mit der Guitarre in der Hand, war, nach meiner Empfindung, die ſchoͤnſte.

Bei der Mad. Victoire auf der andern Seite fand ich noch die Wintermeublen, viele Sachen von gruͤnem Sammt. Man veraͤndert im Schloſſe nur zweimahl, Sommermeublen und Wintermeublen. Die gruͤnen Betten waren reich und ſchwer mit Gold geſtickt. Sie hatte a) Ein Gemaͤlde vom verſtorbenen Dauphin und ſeiner Gemalin. b) Die jetzige Koͤnigin in Mi - gniatur in einer Roſe, gar fein. c) Clavier und eine Orgel in einem Kaſten von Roſenholz. d) Einen Al - manac aſtrologique, eine kleine Bibliothek, La Ste. Bible etlichemahl ꝛc. ꝛc.

La Salle de l’Opera. Eins der groͤſten Meiſter - ſtuͤcke in Verſailles, das einen Theil des Schloſſes aus - macht. Es ſind 5. Reihen Logen uͤber einander. Die oberſte hat Ochſenaugen ſtatt der Fenſter. Die Koͤnigl. Loge hat nicht viel praͤchtiges. Die Gallerien ſind nach dem Rang der Perſonen vertheilt. Das Theater hat ei - nen erſtaunlichen Umfang, iſt ſehr hoch und eben ſo tief. Man macht kleine Loͤcher auf, und laͤßt hinabſehen, wie tief alles ausgegraben iſt, um die mechaniſchen Werkzeu - ge zur Veraͤnderung der Dekorationen anzubringen, und man ſieht auch wirklich ein auſſerordentlich zuſammenge -ſetztes,311ſetztes, verwickeltes Werk. Oben haͤngen eine Menge duͤnner gemahlter Breter, man ſieht Saͤulen, Stangen, ſo viele Stricke, wie an groſſen Schiffen. Zu beiden Seiten ſind hohe Treppen, kleine Leitern mit Lichtern, Haſpeln, Raͤderwerk, Rollen, Zuͤge ꝛc. kurz, wenn man das ſieht, kan man den Zauber der Oper bald be - greifen. Dieſer Platz iſt nie herrlicher geweſen, als vor 6. oder 8. Wochen, da man dem Kaiſer zu Ehren die Oper Caſtor et Pollux ſpielte. Jeder, ders geſehen hat, war davon bezaubert. Ich ſah noch Reſte von den dazu ganz neu verfertigten Dekorationen. Man findet weitlaͤuftige Beſchreibungen dieſes Opernſaals in dem Al - manac de Verſailles.

Les Appartemens du Roi. Um 5. Uhr ging der Koͤnig mit dem Comte und der Comt. d’Artois wieder in die Kapelle aux Vêpres. Ich ſah ihn wie - der in der großen Gallerie, und konnte das blaue Band und den heil. Geiſtorden nun noch beſſer beſchauen. Kaum war er weg, ſo drang die ganze Menge in ſeine Zimmer, und beſah ſeine Meublen. Die Schweizer zeigten alles, nur das nicht, was ich am liebſten geſehen haͤtte, die Bibliothek. Ich ſah ſein Schlafgemach, Audienz - zimmer, das Kabinet, wo er eben Briefe geſchrieben hatte, ſeine praͤchtige Pendulen, die beſonders fuͤr ihn ge - machten wahrhaftig Koͤnigl. Vaſen aus Porzellan von Seve, die Bronzen, die Spiegel ꝛc. Man kann die Delikateſſe, die Majeſtaͤt, den Geſchmack, den Aufwand, womit alles eingerichtet iſt, nicht genug beſchreiben. Es ſind ſimple Betten von gruͤner Seide da mit einem Him - mel, ganz franzoͤſiſch, duͤnn, leicht, ohne Kuͤſſen mit Wuͤlſten, und wieder andre, ſo reich, ſo ſchwer mit GoldU 4beſetzt312beſetzt und geſtickt, daß es ſchwer wird, den Umhang aufzuheben. Vor allen ſind vergoldete Barrieren. Man ſieht Bronzen von allen Koͤnigl. Statuͤen in Paris da. Eine groſſe Tiſchplatte aus Achat. Eine groſſe weisala - baſterne Buͤſte mit einem kohlſchwarzen Kopf darauf, zu - gleich eine herrliche Antike. Ein runder Tiſch von Ma - hoganyholz, deſſen Durchmeſſer 36. Fuß hat. Sie iſt ohne Fehler, und wird alle Tage gewichſt, damit ſie nicht ſpringt. Sie iſt ſo ſchwer, daß als ſie, wie man ſie auf - ſtellte, umſchlug, ſie einen vorwitzigen Tiſchlerjungen wie einen Pfannkuchen platt ſchlug. Sie ſoll aus einem ein - zigen Stamme geſchnitten ſeyn. Ich ſah ferner Uhren, die der Kenner goͤttlich nennt, mit aſtronomiſchen Ein - richtungen, Lichtſtoͤcke von maſſivem Gold mit Verzierun - gen; ſilberne mit den ſchoͤnſten Façons, wieder auf ſilber - nen Platten. Kleine Buͤffets von eingelegtem Holz, al - le Leiſten vergoldet. Kunſtſachen, Gemaͤlde, kurz, Dinge, die ich nicht zu nennen weis.

Den 30ſten Jun.

Ich ging heute ſehr fruͤh nach der Koͤnigl. Menage - rie hinab, und betrachtete das Rhinoceros genau, um der Berliner Naturforſchenden Geſellſchaft die Be - ſchreibung davon vorzulegen. Auſſerordentlich lieblich und angenehm iſts, am fruͤhen Morgen im Park und am Kanal hinab in den Alleen an den Seiten ſpazieren zu ge - hen. Man hat die Pracht der Bildhauerei, der Bau - kunſt, der Gaͤrtnerei, und zugleich die Majeſtaͤt der Na - tur um ſich herum. Ein tauſendfaches Konzert der Voͤ - gel toͤnt von den Zweigen der Baͤume herab. Schiffe ſpielen im Waſſer, Feldhuͤner laufen im Wege, und inder313der Menagerie ſind die groͤſten, die fremdeſten, die grau - ſamſten, die ſchoͤnſten Thiere Aſiens, Afrika’s und Ame - rika’s beiſammen. Menſchen ſieht man des Morgens in dieſer ſchoͤnen Gegend nicht viel. Der Franzoſe faͤngt den Tag nicht fruͤh an; alle Bedienten liegen faſt immer bis 7. Uhr in den Federn, weil man vor 10. Uhr nicht zu Abends ſpeiſt, und manche Geſellſchaften vor Morgens 2. 3. Uhr nicht auseinander gehen. Selig iſt, der dem Wirbel der groſſen Welt um ſich herum zuſehen, und doch der Natur folgen und ſie ſtudiren kan. Ich kam eben zum Fruͤhſtuͤcken der eingeſperrten Thiere, und er - goͤtzte mich vortreflich an dem Anblick. Die Haut des Rhinoceros iſt ſo hart, daß ſein Waͤrter, indes ich das Thier beſichtigte, und in meiner Schreibtafel ſchrieb, mei - nen Stock unten voͤllig auf der Haut entzwei ſchlug, eh ichs merkte. Von da ließ ich mich in

Le Depôt, ou les Archives du Bureau des Af - faires etrangères fuͤhren. In Teutſchland hat man gemeiniglich wenig Freude, wenn man ein Archiv ſieht. Da ſtehen alte ſtaubigte Schraͤnke, an denen man die Klei - der ſchmutzig macht. Aber das Archiv in Verſailles wird billig von jedem Reiſenden beſucht. Es iſt die ſchoͤn - ſte Gallerie, eine Reihe von Zimmern, die alle Licht genug haben, mit vergoldeten Thuͤren, mit Schraͤnken nur an den Waͤnden, und mit ſchoͤnen Gemaͤlden geziert. Die Schraͤnke ſind mit feinen Dratgittern, hinter denen rothe ſeidene Vorhaͤnge haͤngen, verſchloſſen. Ueber dieſen haͤngen die Gemaͤlde vom Koͤnigl. Hauſe und von allen regierenden Koͤnigen und Fuͤrſten, mit denen Frank reich zu thun hat, alle von den groͤſten Malern in jeder Reſidenz verfertigt. 1) Im Salle de Traités ſah ichU 5beſonders314beſonders den Duc de Choiſeul, den ich noch nie geſehen hatte. 2) Jeder Saal hat ſeinen Namen, als: Salon d’Jtalie, de France, Salle des Puiſſances du Nord, Salle des Puiſſances du Midi, Salle d’Allemagne, wo der Kaiſer, ſeine Mutter, Bayern, Koͤlln, Pfalz ꝛc. haͤngen. 3) Da ſah ich auch Pius VI. den die Sorbonne noch nicht hat. Er ſah ſehr ſchoͤn und noch jung aus. 4) Die Kaiſerin von Rußland war gar koſtbar mit einem Lorbeerkranze um den Kopf. 5) Der Duc de Parme aber iſt le plus beau Prince, que j’ai jamais vu, et denn ſie ſind faſt alle da peutêtre dans l’Europe. 6) Im Salon de Fran - ce haͤngt eine Vorſtellung von der Tripleallianz, den Muͤnzen von den 3. Koͤnigen, und uͤber den beiden Thuͤ - ren, Madrid und Neapel. 7) Dann haͤngt uͤber je - der Thuͤre allemahl ein ſehr ſchoͤnes Gemaͤlde von den groͤſten Staͤdten in den Staaten, zu deren Aſſairen die - ſer Saal beſtimmt iſt, z. B. im Salon des Puiſſ. d’Al - lemagne haͤngt Wien und Berlin, im Salon d’Jta - lie, Genua und Turin. 8) Im Salon de France ſah ich auch in einem Schranke die verſchloſſne Boete voller Originalien von den Hausvertraͤgen mit Spanien und Neapel. Zugleich erblickt man auch die Buͤſten von den alten Miniſtern, Richelien, Mazarin, Col - bert ꝛc. 9) Auch traf ich hier ein Portrait vom Koͤnig von Preuſſen, das neu iſt, ihn ſchon alt vorſtellt, und erſtaunlich viel Aehnlichkeit haben ſoll. Man kan die Augen dran nicht genug bewundern. 10) Im Salon des Traités haͤngt ein Gemaͤlde von der Peterskirche in Rom nebſt dem Vatikan und dem Obeliſk. Man kan nicht aufhoͤren es anzuſchauen.

Indes,315

Indes, daß ich da war, kam auch der Prinz von Monaco, ganz ſimpel, und lies ſich durchfuͤhren. Drauf ging ich in

Les Ecuries de Mad. la Comt. d’Artois. Der Comte d’Artois hat da blos fuͤr ſeiner Gemalin Pferde einen erſtaunlich weitlaͤuftigen Bau angefangen, er ſteht aber ſchon uͤber ein Jahr ſtill. Man kan endlich auch einen Schatz erſchoͤpfen. Man findet hier die ſchoͤnſten Zug - und Reitpferde. Einige fuͤhren die Na - men, le Prince, le Cerf, le Chevreuil, le Non - pareil, la Truite &c. Man findet in jeder Abthei - lung Madratzen fuͤr die Stallwache, die man in den deut - ſchen Marſtaͤllen nicht antrift. Gemeiniglich ſtehen 10. Pferde bei einander, 8. in den Zug an die Karoſſe, und 2. werden nachgeritten, damit wenn eins fehlt, gleich ein anders da iſt. Sehr viele Braune mit ſchwarzen Maͤh - nen, Schwanz und Extremitaͤten ſah ich da. Desglei - chen kleine, die mir bis an die Mitte des Bauchs gin - gen; ſie hatten aber alle einen ſchlechten unproportionir - ten Hals. In den Remiſen darneben ſah ich Karoſ - ſen, wo eine 2, 300,000. Livers koſtete, alles glaͤnzte von Gold, bis oben hinauf, das Wagenwerk, alle Schnallen ꝛc. ſtrotzen von Gold. Auf allen Flaͤchen des Kaſtens ſind die Koͤnigl. Franzoͤſiſchen und Sardi - niſchen Wappen mit einer unbeſchreiblichen Delikateſſe gemalt, und jede Seite hat Einfaſſungen von Blumen, und uͤber das alles iſt der koſtbarſte Lack gezogen. In - wendig haben ſie eine ſchoͤne Breite, die hellſten Fenſter, ſammtne Kuͤſſen mit Gold. ꝛc. Beſonders fand ich 2. Einrichtungen daran ſehr ſchoͤn: 1) damit die Portiere nicht aufſpringen kan, ſo iſt in dem Ring, wo die Fallehinein -316hineinkommt, ein Reiberle, das uͤber die Falle im Ringe hinlaͤuft, und den uͤbrigen Raum im Ring genau ver - ſchlieſt. Nun kan kein Stos, und keine Erſchuͤtterung die Portiere nach und nach herausſtoſſen, ſie kan gar nicht weichen, bis man das Reiberle znruͤckzieht, und das iſt doch commoder, als das Schlos, das einige daran ma - chen. 2) Die Kutſchen haͤngen in Sousbaͤndern, aber der Theil der Unterlage, auf dem der Kaſten der Kutſche ruht, iſt aus 8 10. duͤnnen eiſernen Schienen, die uͤber einander liegen, und in einander gefuͤgt ſind, zu - ſammengeſetzt. Das Uebrige hinten und vorn iſt aus Leder. Nun ging ich nach

Le Chateau de Trianon. Ohnſtreitig eins der angenehmſten Luſtſchloͤſſer des Koͤnigs, nur eine halbe Stunde vom Schlosberg, rechter Hand im Park, unten an der Seite des groſſen Kanals gelegen. Man unter - ſcheidet 1) Le grand Trianon, ein Korps de Logis mit 2. Fluͤgelgebaͤudēn, die viel Umfang haben und weil ſie nur ein Stockwerk hoch ſind, deſto angenehmer ſind. Das Korps de Logis iſt eine Kolonnade von etliche 20. praͤchtigen rothen Marmorſaͤulen. Das Dach iſt auf orientaliſche Art, platt, zu beiden Seiten mit Balluſtra - den, auf denen die ſchoͤnſten weisgelben Statuͤen und Vaſen zu beiden Seiten ums ganze Schlos herumſtehen. Innerhalb des Gebaͤudes hingen jetzt kaum noch einige Gemaͤlde, es war ganz mit Arbeitern beſetzt, und ward reparirt. Der Hof hat nur eine Grille. Die Ave - nuen dazu ſind die ſchoͤnſten Alleen, in denen man Ver - ſailles und das Koͤnigl. Schlos ſehen kan. Hinten und neben dem Schlos ſind Gaͤrten, ohne viele Pracht, aber mit einer Menge ſchoͤner Blumen beſetzt. Gefaͤllt mirirgend317irgend ein Ort in Frankreich auſſerordentlich wohl, ſo iſt es hier. In einer Viertelſtunde iſt man in der Stadt, am brillanteſten Hof, und wieder in einer Viertel - ſtunde, ſo genießt man alle Annehmlichkeiten des Land - lebens. Kan man ſich eine beſſere Lage wuͤnſchen? 2) Le petit Trianon, einen Buͤchſenſchuß davon, in ge - rader Linie mit jenen durch den Garten verbunden. Es iſt ein einziges viereckigtes Gebaͤude 3. Stock hoch, wird ſehr oft von der Koͤnigin beſucht, und hat einen chineſi - ſchen Garten, aber en migniature, darneben.

Indem ich von Trianon heraufging, fuhren der Comte und die Comt. d’Artois und der Comte de Provence dahin ſpatzieren. Da ſah ich dann die Pracht und die Menge der Vorreuter und Begleiter. Gott im Himmel! wenn Abraham, der 10. Koͤnige klopfte, und einen andern im Zelt bewirthete, wieder kaͤme, oder wenn Vater Homer das ſaͤhe, was wuͤrde der ſagen!

Den 1ten Jul.

Heute war mein erſter Gang,

Les Ecuries de la Reine zu beſehen. Sie liegen Rue de la Pompe. Da ſtanden wenigſtens 350. Pfer - de. Das Auge muſte man an manchen weiden. Be - ſonders waren viele Geſpanne von Schimmeln und Grau - ſchimmeln hier. Die grauen und weiſſen hatte man durch alle Nuͤancen durch. Zu 4. Pferden gehoͤrt alle - mahl ein Stallknecht, daher ſtehen allemahl uͤber dem 4ten Pferde 2. Zettel; auf dem untern ſteht der Name des Kerls, und auf dem obern der Name des Pferdes. Ich318Ich ſah die meiſten blos Stroh freſſen, und erkundigte mich deswegen. Man ſagte mir, alle die, welche jetzt ſtark und geſund waͤren, bekaͤmen Stroh, nur den ma - gern oder kranken gebe man Heu. Fuͤr ſo viele Pferde duͤnkt mir der Stall viel zu ſchmal. Man konnte kaum nebenher gehen, wenn man nicht zu nahe kommen wollte, und im Sommer iſt’s gar zu dumpfigt darin. Aber alle Marſtaͤlle ſind hier ſo. Unter den Pferden waren viele Hollaͤnder und Normaͤnner ꝛc. Ich lies mir auch die Staatswagen der Koͤnigin zeigen, und ward von der Dienſtfertigkeit eines Stallknechts uͤberraſcht. Die Kut - ſcher waren nicht da, ich ſollte daher wiederkommen, das wollt ich nicht. Da ging doch einer und holte die Schluͤſſel, und nachher wollt er dennoch nicht das Ge - ringſte von mir annehmen, er ſei nicht ſo intereſſirt, ſagte er, er freue ſich uͤber jeden Deutſchen; der Kaiſer waͤre auch da geweſen. ꝛc. ꝛc. Er nahm ſchlechter - dings nichts, zeigte mir aber einen andern aermern, dem ichs ſtatt ſeiner geben ſollte, wenn ich doch wollte. Iſt dies nicht eine ſeltne Geſinnung unter Leuten von der Art? Ich freue mich allemahl daruͤber mehr, als wenn ich hoͤre, daß ein Monarch einem Muſikanten 100. Louis - d’or geſchenkt hat. Von den Karoſſen der Koͤnigin aber kan ich nichts ſagen! Das laͤßt ſich nicht beſchrei - ben. Da iſt an einer von den praͤchtigſten fuͤr 800,000. Livres Arbeit daran, ſo gewis als fuͤr einen Sous, und das Gold daran, o!! Ein Kuͤſſen lag darin, wer in ſeinem Leben auf ſo einem ſitzt, kriegt gewis keine Fiſtel, doch ſtill, Ludwig der 14te hat ſie doch gehabt. Ich fand hier auch Karoſſen fuͤr die Ambaſſadeurs. ꝛc. ꝛc.

Bemer -319

Bemerkungen.

Als ich nach meinem Quartier zuruͤck kam, ſah ich eine ganz andre Scene. Zwei Garde du Corps hat - ten mit einander, um einer Frau, (um einer Hure ) willen vor dem Thor duellirt, und der eine war ſo gut als todt. Der andre hatte ihm den Degen unten in Leib und oben wieder herausgejagt. Man brachte den Verwundeten herein, und vor meinem Quartier ſank er um, die Koͤchin ſprang heraus, brachte Eſſig und Eau de Carmes, das half doch ſo viel, daß er da wegkam, um vermuthlich an einem andern Orte zu ſterben, Nachher hoͤrt ich, man habe ein Rencontre draus gemacht. Eheliche Treue ſcheint in Frank - reich immer ſeltner zu werden. Ich habe manche Sce - ne geſehen, die ich nicht ſchildern mag. Auch ſcheut man ſich nicht vor den Fremden, und das allein aͤrgerte mich immer dabei, weil es ein offenbarer Beweis iſt, daß ſie jeden Fremden fuͤr einen Menſchen von eben ſo ſchlech - ter Denkungsart halten. Viele Franzoſen ſagens einem grade ins Geſicht, daß man ohne Zweifel um der Wol - luſt willen zu ihnen komme ꝛc. Das ſoll dann franzoͤſi - ſche Lebensart, ungenirtes Weſen, ſavoir vivre ſeyn!

Wenn Hochzeiten in Frankreich gehalten werden, ſo halten die Ehrengeſellen, wie ſie bei uns heißen, einen Seidenzeug, oder Stoff uͤber die Koͤpfe des Brautpaars, waͤhrend der Geiſtliche die Benediktion gibt. Der Arm wird den jungen Burſchen oft ganz muͤde, es waͤhrt wohl eine Viertelſtunde. Dafuͤr ſchickt die Braut nachher jedem ein Geſchenk, ein Noeud d’Epe’e ꝛc. Iſt dies nicht eine Nachahmung von der Chüppa der Juden? Oder vielleicht ein Reſt aus der alten Kirche?

In320

In groſſen Haͤuſern findet man hier ſchoͤnes weiſſes Salz, wie bei uns. Es iſt aber das nemliche grobe ſchmutzige, das man ſonſt in ganz Frankreich und in Patis uͤberall hat. Die Koͤchin laͤßt es nur noch ein - mahl im Waſſer zergehen, gießt das ſchmutzige Waſſer ab, reinigt drauf das Salz, waͤſcht es, und laͤßt es nach - her wieder kryſtalliſiren. Ein Abgang muß freilich da - bei ſeyn.

Von einem Kavalier hab ich hier eine ſparſame Art zu ſoupiren gelernt. Alles, was er nimmt, iſt ein Glas Waſſer, darin laͤßt er ein groſſes Stuͤck Zucker zergehen und dann tuͤtſcht ers mit Weisbrod aus et voilà tout.

Auf die Kroͤnung des jetzigen Koͤnigs hat man eine ſilberne Muͤnze gepraͤgt, 9. Liver werth. Auf der einen Seite iſt ſein Bild mit der Krone auf dem Kopf, und auf der Kehrſeite ein Altar; vor dem kniet der Koͤ - nig, ein Genius ſalbt ihn, nebendran ſind Wolken und die Sonne uͤber dem Salboͤlflaͤſchchen. Neben dem Al - tar iſt ein Kuͤſſen, auf dem Krone und Scepter liegt. Die Aufſchriften ſind: Ludov. XVI. R. Chriſt. und auf der andern Deo Conſecratori oben, und unten: Unctio Regia Remis. XI. Jun. 1775. in roͤmiſchen Zahlen. In eben der Sammlung, wo ich dieſe Me - daille ſah, fand ich auch eine andre auf den Badener Frieden, in Silber, die wohl ausgedacht iſt, dick und ſchwer. Die Stadt Baden ſteht auf der einen Seite, oben haͤlt ein Genius ihr Wappen, unten flieſt das Waſ - ſer, Mars ſitzt dabei, und waͤſcht ſeinen Degen, mit der Umſchrift: Hos tandem ad thermas, feſſus Mars abluit enſem. Auf der Kehrſeite ſteht derKaiſer,321Kaiſer, ſtreut Weihrauch auf den Altar, der Rauch da - von ſteigt zu den Wolken empor, in denen die Sonne glaͤnzt. Hinter dem Kaiſer koͤmmt Deutſchland als ein Frauenzimmer, mit dem Adler auf dem Kleide, faltet die Haͤnde, und will knien. Vor den Fuͤſſen des Kai - ſers liegt der Reichsapfel, das Scepter, und die Krone. Hinter dem Frauenzimmer pfluͤgt ein Bauer mit 2. Och - ſen auch wieder einmahl. Man ſieht die Furchen auf dem Felde, und hinten waͤchſt wieder ein junger Wald auf. Umher ſteht: Exſolvunt grates Caeſar et Impe - rium. Im Abſchnitte unten lieſt man: IanI teM - pLo BaDenæ In argoVIa CLaVſo. In den groſſen Buchſtaben liegt die Jahrzahl .*)M. 1000.D. 500.CLL. 200.VV. 10.IIII. 4.1714.. Alles iſt ſchoͤn, nur die Stellung des Kaiſers iſt etwas ſteif, und wunderbar.

In Verſailles hat man noch mehr Gelegenheit, die Societés brillantes, und zugleich den Geiſt der Na - tion kennen zu lernen, und es iſt wahr, was in den Let - tres de Milady Catesby ſteht, Lettr. XII. Ils ſe cherchent ſans s’aimer, ſe voyent ſans ſe plaire, et ſe perdent dans la foule ſans ſe regretter. Quels liens, et quels amis pour moi!!

L’Egliſe de St. Louis, Rue Satory. Ganz neu von Louis XV. erbaut. Ihre groͤſte Pracht ſind die Gemaͤlde, unter denen mir am beſten gefielen. 1) LaDeſcenteX322Deſcente de Croix, von Pierre. Ach! ſo eine Todtenfarbe, ſo eine Erſchlaffung in allen Gliedern; Tod in jedem Muſkel. Er liegt den geſchaͤftigen Frauen auf dem Schoos, und die linke Hand faͤllt ſo lahm, ſo erſtorben, uͤber den Arm einer andern hin, daß mans nicht genug anſehen kan. 2) Le Sommeil de St. Joſeph, von Jeaurat. Recht ſo, wie ein gemeiner Mann nach der harten Arbeit in ſeinen Kleidern ſitzend einſchlaͤft, die ehrliche ungekuͤnſtelte Mine im Geſicht, die Runzeln des Alters, der Engel ihm zur Seite. 3) St. Jean dans le Deſert, von Boucher. Man darf nichts weiter ſagen, als von Boucher! 4) Le bon Paſteur, von Le Sueur hat auch viel liebliches. Noch ſind in der Sakriſtei 2. koſtbare Stuͤcke, nem - lich: 5) La Chûte de St. Paul, von Deshayes. Die Bibel ſagt nicht, daß er nach Damaſcus geritten, und wenn’s waͤre, ſo waͤr ein Eſel ſchicklicher geweſen als ein Pferd. Aber als Malerei betrachtet, muß man vor dem Stuͤcke niederfallen. Der Hinterſus des niederge - worfenen Pferds, das feurige beſtuͤrzte Geſicht des jun - gen Eiferers, ſeine ſtraͤubende Haare ꝛc. ſind unvergleich - lich ſchoͤn. 6) St. Pierre ſur les Eaux, von Bou - cher. So hab ich noch nie Wellen gemalt geſehen. Man glaubt, man ſehe das Waſſer ſich bewegen, in ein - ander ſchlagen. Das Stuͤck iſt herrlich in ſeiner Art. Ich beſuchte nun weiter noch

Les grandes Ecuries du Roi. Die und die Ecuries des Comte d’Artois ſind die ſchoͤnſten. Die Koͤnigl. ſind auch hoͤher, weiter, und breiter als die an - dern. Man athmet freie Luft, und kan bequem hin und her gehen. Die Gebaͤude gehen in einem groſſen halbenZirkel323Zirkel herum, ſtehen doppelt und dreifach, haben die ſchoͤn - ſten Hoͤfe, ſind zweiſtoͤckig, und viel groͤſſer als das Schlos manches teutſchen Fuͤrſten. Da fand ich die muthigſten Pferde, die in Verſailles ſind. Aber eine Freude wars, die ſchoͤn gedrechſelten Fuͤſſe, die geputzten Schen - kel, die niedlichen Koͤpfe, die hellen Augen, die propor - tionirten Haͤlſe, die kleinen runden Baͤuche ꝛc. an je - dem nach einem andern Modell zu beſchauen. Wie mannichfaltig iſt doch die Natur! Wie ſpielt ſie in Zeichnung, in Farbe, in Groͤſſe, und ſtellt doch im - mer ein Meiſterſtuͤck auf! Die Koſten ſollen unglaub - lich ſeyn. Jedes Pferd hat eine ſtarke zwilchene De - cke, mit rothen und blauen Zierrathen, die das ganze Pferd bis an den Hals bedeckt. Sie wird uͤber den Kopf des Pferdes vorne am Stand angebunden. Die Raufen haben die ſchoͤnſten ſchwarzen gedrechſelten Balu - ſtraden. An der Krippe iſt durch alle die Koͤnigl. Mar - ſtaͤlle vorne, wo das Pferd frißt, ein Ueberzug von Ku - pfer angebracht, damit ſie nicht in die Krippe beiſſen ſol - len. Indes, daß ich da war, kamen 3. Cochons d’Jnde, die man hier haͤlt, und ſuchten Futter. Sie ſind ganz grau und haben, wie die wilden Schweine, ſchwarze Streifen uͤber den Ruͤcken und Borſten.

Les Voitures du Roi. Man findet hier faſt lauter Chaiſen, in denen die Koͤnigl. Familie Reiſen nach Compiegne, Fontainebleau ꝛc. macht. Das Wa - genwerk iſt allemahl roth, das Eiſenwerk und alle Knoͤ - pfe und Leiſten aber ſind vergoldet; die Kaſten ſind mei - ſtens gelb, und das Innere roth. Es ſind Lilien und andre Blumen daran, die wie eingelegte Arbeit von Perl -X 2mutter324mutter ausſehen. Neben dem franzoͤſiſchen Wappen iſt das von Navarra gemahlt. Es ſind Voituren da, zu 6. zu 8. Perſonen fuͤr die ganze Familie; dieſe haben 2. Portieren, 2 mahl das Wappen auf jeder Seite, ſind ſehr lang und haben 4. Sitze, als wenns 2. Karoſſen waͤ - ren. So eine koſtet, ſagte man mir, etwa 40, 000. Livres. Die allerpraͤchtigſten ſtehen in Paris in der Vorſtadt St. Denys, au Chantier, petites Ecu - ries du Roi. Da ſah ich auch eine Menge Toͤpfe mit Farben und Leim und Fuͤrniſſen aller Art. Ueberhaupt, was zum Staat des Hofes gehoͤrt, hat man hier al - les im Ueberfluß. Wuͤſte man etwas, das noch mehr koſtete, ſo wuͤrde mans anſchaffen.

Le Chenil du Roi. Das ſind die Koͤnigl. Hun - deſtaͤlle. Ich hatte Addreſſe an Mr. Polaſtron, Inſpecteur de Venerie, allein die 200. Hunde waren alle, theils auf der Jagd, theils auf dem Lande. Viele ſind fuͤr die Hirſch - andre fuͤr die Schweinsjagd, fuͤrs Fe - derwild ꝛc. Die bloſſen Staͤlle mocht ich nicht ſehen, es regnete ohnehin den ganzen Tag, und Verſailles hat noch viele ungepflaſterte Gaſſen, und wuͤſte Plaͤtze.

Le Potager du Roi. Ein groſſer in viele Theile abgetheilter Kuͤchengarten, der recht wohl mit Allem ver - ſehen iſt. Es gibt aber ſo viele Maͤuſe darin, daß an den Waͤnden auf den gruͤnen Latten der Spaliere Maus - fallen ſtehen. Die Schnecken ſind ebenfalls in ſo unge - heurer Menge da, daß alle Morgen 4. Kerle im ganzen Garten herum gehen muͤſſen, die ſie aufleſen, und dann zertreten. Auch iſt ein eigner Taupier da, der die Maulwuͤrfe beſchleicht, wie bei uns. Man zieht hier ei - ne Menge Erdbeeren aus Chili, Kanada ꝛc. ehemalsmachte325machte man durch Zuſammenſtellung mehrerer Arten in der Bluͤtezeit unter und gegen den Wind Mariages de Fraiſes, um neue Arten zu bekommen, aber jetzt unter - laͤßt mans, denn der Koͤnig liebt die gemeine, und davon waren ganze Felder da.

Bemerkungen.

Von Hrn. Pfeffel*)Dieſer wuͤrdige Mann iſt Iuris-Conſulte du Roi aux affaires etrangères. In ſeinem Hauſe ward ich mit der groͤſten Liebe[u]nd Gefaͤlligkeit aufgenom - men, durfte mit ihm uͤber Tiſche Mittags und Abends vertraulich ſprechen, da er ein alter und hoͤchſtſchaͤtz - barer Freund von meinem Vater und zugleich ein Bru - der des liebenswuͤrdigen, aber leider! blinden Dich - ter dieſes Namens in Colmar iſt, deſſen Liebe ich von Jugend auf genoſſen habe. erfuhr ich heute folgende wahre und wichtige Nachrichten und artige Anekdoten:

Unterm jetzigen Koͤnige den man Louis po - pulaire nennt ſind ſchon, wiewohl er jetzt erſt 3. Jahr regiert hat, uͤber 60. Millionen Liver gepraͤgt wor - den.

Die franzoͤſiſchen Schiffe haben 20. Mann, da die hollaͤndiſchen nur 10. haben. Die franzoͤſiſchen Ma - troſen werden mit Wein, Brantewein und Zwieback wohl verſorgt. Sobald ſie an die Linie kommen, wird der Schluͤſſel in die Brodkammer geſteckt, und jeder darf eſ - ſen, ſo viel er will. Sobald das Waſſer einmahl weis wird, es wirds 3 mahl, bekoͤmt keiner keins mehr ohne Eſſig. Dafuͤr koͤnnen ſie hernach aber auch ar -X 3beiten,326beiten, wenn ein Sturm koͤmmt. Hollaͤndiſche Schiffe gehen da hingegen faſt alle zu Grunde, weil die Kerle nicht arbeiten koͤnnen. Bougainville iſt um die Welt ge - reiſt, und verlor ſehr wenige Mann*)Verlohr doch Kapit. Cook auf ſeiner Reiſe um die Welt, bei der ihn die beiden Hrn. Forſter begleiteten, von 118. Mann, nur einen einzigen, der noch dazu ſchon bei der Ausfahrt aus Engelland lungenſuͤchtig war. Herausgeber. .

Engliſche Kriegsſchiffe wagen ſich nicht**)So ſprach der ehrliche Hr. Pfeffel vorm 12. April 1782. und vor Howe’s Entſatz von Gibraltar. Was wuͤrd er denn jetzt ſagen? Herausgeber. an franzoͤſiſche, wenn die Staͤrke gleich iſt, weil die franzoͤſiſchen viel ſchneller ſchieſſen. Der franzoͤſiſche Ma - troſe ſteigt auf die Kanone hinaus, und ladet auſſen, da werden ſie aber von Piſtolenſchuͤſſen wie Muͤcken wegge - blaſen. Die Engellaͤnder ziehen die Kanone zuruͤck ins Schiff, und laden inwendig, das verzoͤgert das Feu - ern. Aller angewandten Muͤhe ohngeachtet, laſſen ſich die franzoͤſiſchen Matroſen vom Hinausſteigen nicht abbringen.

Wer am Oſtindiſchen Handel gewinnen will, muß 150. Procent haben, weil der Weg ſo weit, und die Koſten mit den Schiffen und Matroſen ſo gros ſind.

Frankreich verliert im Handel gegen keine Nation. Ich wandte den Thee ein, den ſie doch den Chineſern auch mit ihrem baaren Gelde werde bezahlen muͤſſen. Aber327Aber nein, die Schiffe, die dahin gehen, laden franzoͤ - ſiſche Waaren, die verkaufen ſie in Cadix, und mit den ſpaniſchen Piaſters, die ſie dafuͤr bekommen, kaufen ſie den Thee. Gegen Schweden verlieren ſie ein wenig, man rechnets aber nicht beſonders. Im Commer - ce du Nord zuſammengenommen iſt kein Verluſt.

Eine Probe von der ehemaligen Sparſamkeit der Koͤnige. Chriſtian der 4te von Daͤnnemark nahm eine Graͤfin zur Oberhofmeiſterin ſeiner Kinder an. In ihrer Inſtruktion ſteht beſtimmt: weil die Prinzen jetzt Kleider von ſtarken blauen Tuch haͤtten; ſo ſolle ſie dieſe, wenn ſie alt waͤren, nicht verkaufen, wie bisher geſche - hen, ſondern man koͤnne ſie ſchwarz faͤrben laſſen, und aufheben, daß man ſie bei einer Trauer brauche. Iſt der Urſprung des Preuſſiſchen ſchwarzen Huſaren - Regiments beſſer?

Hr. Pfeffel ſchenkte mir, ehe ich ihn verlies, ſeinen Abregé chronologique de l’Hiſt. d’Allem. & du Droit public, II. Tom. 8. praͤchtig gebunden, den Almanac Royal von dieſem Jahre, und eine Uhr - kette von Similor ꝛc. ꝛc.

Den 2ten Jul.

Dieſer Tag war der Ruͤckreiſe nach Paris gewid - met. Unterweges paſſirte ich Seve, um da noch

La Manufacture des Porcelaines zu beſehen. Ein groſſes weitlaͤuftiges Gebaͤude mit einem ſchoͤnen Garten. Das Haus iſt voll kleiner Zimmer, wo die Arbeiter ſitzen und malen. Man zeigt den Fremden aber nichts, als die Vorraͤthe. Da ſind hoch oben etli -X 4che328che groſſe Stuben aneinander, ganz voll von den herrlich - ſten Sachen. Die Malereien ſind aͤuſſerſt fein, und die Farben brennend, obgleich die Maſſe ſelbſt doch nur eine ſchoͤne, ſehr feine Fayence iſt. Es wird hier eine Men - ge Gold konſumirt. Von allen moͤglichen Formen und Deſſeins werden Sachen verfertigt, aber alles iſt auch hoͤchſttheuer. Kleine Eierſchaͤlchen koſten ſtuͤckweiſe 3. Li - ver; kleine Pomadentoͤpfe 6 Liver; Taſſen 2, 3. Louis - d’or; Vaſen 12-20. Louisd’or. Man macht blos weiſſe kleine Medaillons vom Koͤnige und der Koͤnigin zu 3. Li - ver; ferner eine Menge Buͤſten, Statuͤen ꝛc. die ganz unvergleichlich ſind. Handeln kan man da nicht. Je - des Stuͤck hat ſeinen Zettel mit der Zahl und ſo iſt ſie auch im Katalog eingetragen. Man zeigte mir eine Buͤſte vom Kaiſer, die alle moͤgliche Schoͤnheiten hat, ihm ungemein gleicht, und 8. Louisd’or gelten ſollte. Das Stuͤck war eben fertig worden und ward der Koͤni - gin uͤberreicht. Und noch vor einem halben Jahre ko - ſtete, was jetzt 6. Liver gilt, 12. Liver. Weil man einem das Magazin nicht zeigt, wenn man nicht etwas kauft; ſo nahm ich 2. recht ſchoͤn gemahlte Stuͤcke mit, ein Thee - und ein Zuckerbuͤchschen. An jenem iſt die Malerei eine laͤndliche Scene, und gar niedlich. An dieſem gefielen mir die Farben, beſonders die herrliche Schmalte und das edle Gold. Uebrigens thut man hier ſehr geheimnißvoll. So hoͤflich ich auch nach der Erdart und nach den Kieſeln fragte; ſo oft ich auch ſagte, daß ich von beiden Materialien, wenn man ſie an - ders brauchte, nichts mitnehmen wollte, daß ich ſie nur zu ſehen wuͤnſchte: ſo war der hieſige Schweizer doch der groͤbſte, der mir in Frankreich vorgekommen iſt. In - des hab ich die Erdart doch nachher von Hrn. Sage er -halten329halten und gluͤcklich mit mir herausgebracht. Ich durf - te uͤberhaupt hier keine Fragen thun: denn auch die an - dern Bedienten nahmen die wichtige, kalte, geheimniß - volle Mine des Staatsmanns an und ich erinnerte mich nachher, daß wir gedruckte Nachrichten von Seve, aus Frankreich ſelber bekommen haben.

Von Seve geht alle Tage 2 mahl eine Galliotte nach Paris, wo man fuͤr 5. Sous hin kommen kan. Weil ich aber um Uhr in Seve ſchon fertig war, ſo wolt ich nicht bis 5. Uhr warten, und machte auf dem beſtaͤndig frequenten Wege meine

Ruͤckreiſe nach Paris

zu Fuß, und da traf ich denn, wie gewoͤhnlich, Koth, Gewuͤhl, ſtinkende Luft an, und, ſo wie ich kaum nach Hauſe war, fiel garſtiges Regenwetter ein. Es regnet wuͤrklich hier ſo oft, daß es Flecken in den Kleidern macht, wenn die Farbe ein wenig delikat iſt. Vielleicht iſt dies die Urſache, warum in Paris das Stutzerweſen, das be - ſtaͤndige Fahren in der Karoſſe, die vielen groſſen, kleinen Spiegelbuͤrſten, und das Decrotiren Mode worden iſt.

Bemerkungen.

Mit dem Calendrier Royal ou Almanac de Verſailles, der alle Jahre herauskoͤmmt, wird in Pa - ris auch viel Verſchwendung getrieben. Das kleine Ding iſt an ſich ſchon theuer, dann laͤßt mans noch ſo praͤchtig binden, als man nur kan, ſchlaͤgt die Armes de Fran - ce darauf, kauft des Koͤnigs Bildnis dazu, und ſchenkts den Fremden. Viele verlieren ihn, brauchen des JahrsX 5wohl330wohl 6. dergleichen, und ſo ſind in mittelmaͤſſig reichen Haͤuſern ſchon die Kinder an eine Menge kuͤnſtlicher Be - duͤrfniſſe, groſſer Ausgaben und uͤberfluͤſſiger Sachen ge - woͤhnt ꝛc. Ans Halsband des Hundes kaufen ſie die kuͤnſtlichſten Schloͤſſer oder Cadenats, ſeidene Baͤnder, den Hund zu fuͤhren, und dergleichen Laͤppereien mehr. Was Wunder, daß feſter, maͤnnlicher Ernſt, und geord - nete Maͤßigkeit und Munterkeit ohne Ausſchweifung und Laſter, nie das Erbtheil dieſer Nation werden kan, wenn man dem jungen Aufſchoͤßling alles erlaubt, was er an andern ſieht, was ſeine immer rege Einbildungskraft ver - langt.

Einsmahls gab ich auch in einem vornehmen und reichen Hauſe einen Zeugen ab, wie der Herr Sohn un - terrichtet wurde. Er hatte von Jugend auf, Hausleh - rer gehabt, aber er war noch ſo roh, ſo leer, ſo ungebil - det, ſein Karakter war noch ſo wildfangsmaͤſſig, daß ich den verſaͤumten Juͤngling bedauern, und nur auf die Ab - be’s boͤſe werden muſte. Um 11. Uhr traf ichs grade, daß ſo ein franzoͤſiſcher Abbe den Livius mit ihm leſen ſollte. Er war aber zu faul, das Maul aufzuthun, war zufrieden, daß der junge Herr mit dem Hunde ſpielte, oder ſonſt herumlief, lies ſich nieder und wartete ganz ru - hig bis es dem jungen Herrn gefaͤllig war. Endlich muſte denn der Bediente die Buͤcher herbei hohlen. Der junge Herr las den Livius vor, und ſollte ihn nun ins Franzoͤſiſche uͤberſetzen. Der Abbe ſaß daneben, hatte gar keinen Autor in der Hand, hoͤrte nur zu und verbeſ - ſerte zuweilen. Die Genauigkeit, die Buͤndigkeit und Schoͤnheit dieſer Ueberſetzung kan man ſich alſo leicht den - ken; zumahl da der Abbe und der Schuͤler ſchlecht la - teiniſch laſen. Ich ſprach daruͤber mit dem Abbe, derverſicherte331verſicherte mich aber, er habe das Original im Kopfe, die lateiniſche Sprache waͤre ja, wie alle andre, rauh, hart und ſchlecht, ſein Eleve werde den Tite Live vermuth - lich heute fruͤh ſchon geleſen haben. Wirklich ſieht man hier bei Jedermann von allen Griechen und Latei - nern elende franzoͤſiſche Ueberſetzungen. Die vom Vir - gil uͤberſchwemmt die ſchoͤnſten Stellen mit einem unaus - ſtehlichen Geſchwaͤtz ꝛc. Der Abbe hatte fuͤr ſein Da - ſitzen, taͤglich 2. Stunden, des Monats 4. Louisd’or, und er ſollte einer der Beſten ſeyn, der Miniſter - und Am - baſſadeur-Soͤhne zu unterrichten hatte.

Den 3ten Jul.

Das Regenwetter hielt an, im Koͤnigl. Garten konnt ich alſo nichts beſehen. Dieſes Zuhauſebleiben ward mir durch einige Geſchenke vergolten, die ich erhielt und mir ſehr willkommen waren.

Hr. Vicq d’Azyr ſchickte mir mehrere Exemplare von ſeiner Table ſur l’Hiſt. anatom. & natur. des Corps vivans mit einem ſehr verbindlichen Schrei - ben, worin er mir ſeinen Briefwechſel anbot, und wegen meiner Migraine guten Rath ertheilte. Dieſes haͤs - liche Uebel verlies mich ſamt der Diarrhoe in dem heitern, geſunden, luftvollen Verſailles, und kaum war ich wie - der in der Pariſer Laft und trank Pariſer Waſſer, ſo war Kopf und Magen wieder verderbt.

Der Juwelier Hr. Koͤnig hatte in meiner Abweſen - heit eine kleine Steinſamlung fuͤr mich zuſammen gebracht, und dieſe ſchenkte er mir heute. Es waren boͤhmiſche Granaten; Vermeille, auch eine Art davon; Tuͤrkiſſe,Ame -332Amethyſten, Rubis balais, Jargons, Emeraudes, Topaſes, Cailloux de Cayenne, brutes, und ge - ſchliffene ꝛc. die mir denn das Andenken dieſes lieben Mannes erhalten ſollen.

Bemerkungen.

Ein Donnerwetter in Paris iſt mit ſo vielen Verdrieslichkeiten verknuͤpft, daß ichs hier anfuͤhren muß. Wir hatten heute Abends eins von 6. Uhr bis halb 11. Uhr des Nachts. Vorher wars ſo ſchwuͤl, daß man in den kleinen Stuben nicht bleiben konnte. Dann kam ein heftiger Regen, der in den 5. Stunden nicht nachlies. Ich war ausgegangen, und mit dem Hin - und Herlau - fen eine volle Stunde im Wetter. Da erfuhr ich von neuem, daß alles, was ſonſt unangenehm oder ſchrecklich iſt, in Paris noch zehnmal unangenehmer und ſchreckli - cher wird. Denn einmahl, entſteht bei ſo heftigen Regen der haͤslichſte Geſtank in allen Straſſen, auch in den breiten. Das Waſſer waͤſcht den vielen alten Urin und Koth, von ſo vielen Menſchen, Pferden, Hunden, Voͤ - geln, aus allen Ecken hervor. Es entſteht ein Moraſt in Zeit von einer halben Stunde, die Straſſen ſehen ſchwarz - gruͤn aus. Dazu koͤmmt die Lebensgefahr, in der man alsdann wegen der Karoſſen und Fiaker iſt. Die fahren mit den furchtſamen Franzoſen, was ſie fahren koͤnnen; alle leere Chaiſen werden beſetzt. Sind ſie wie - der leer, ſo ſucht der Kerl wieder andre, oder rennt nach einer Porte-cochere, wo er unterkommen kan. Da - durch entſteht ein ſolches Rennen und Fahren unter ein - ander, daß man an den Haͤuſern mit Koth ganz beſpruͤtzt wird, und wahrhaftig hundert Augen haben moͤchte. Oftweis333weis man nicht, wie man ausweichen ſoll, an allen Ecken kan man geraͤdert werden ꝛc. Mit den vielen Para - pluyes ſtoͤßt man einander faſt die Augen aus, verdeckt einander den Weg ꝛc. Man muß es ſehen, um ſich ei - nen vollſtaͤndigen Begriff zu machen. Und manche Straſſen ſehen gleich wie ein Strom aus. Da muß man denn, wenn man hinkoͤmmt, erſt wieder einen Um - weg nehmen, und an der andern Seite kans wieder ſo ſeyn. Wer weit zu gehen hat, dem kan das in einem Quartier 5. 6 mahl begegnen. Dem wollen nun die Sa - voyarden abhelfen, und legen hier und da Dielen, Bre - ter, mit Rollen, vorne und hinten, uͤber die grosgewor - denen Baͤche, daß man hinuͤber gehen kan. Das koſtet einen Liard, oft, wenn viele darauf warten, zwei. Sie verdienen Geld bei ſolchen Gelegenheiten. Mit den elen - deſten Kleidern ſtehen dieſe Leute um etwas zu verdienen, 5. 6. Stunden oben im Regen, und unten im Waſſer. Bei ſolchen Paſſagen fallen dann hundert Kleinigkeiten vor, die oft luſtig genug ſind, und was zu lachen geben. Der will nicht zahlen, jener hat kein klein Geld. Da entſteht denn ein Geſchrei. Mancher plumpt halb in Koth. Das Verdrieslichſte iſt, wenn Karoſſen kom - men, und der Savoyarde das Bret nicht geſchwind genug wegzieht, da faͤhrt ſie dann druͤber und das Bret geht oft morſch entzwei, oft faͤllts in den Koth, da laͤrmen die Savoyarden, und die Leute fluchen auf beiden Sei - ten ꝛc. Ein Moͤnch wolte heute uͤber ſo ein Waſſer, wo kein Bret war. Er ſtand lange und konnte unmoͤg - lich den Sprung wagen. Endlich bot ſich ein Savoyard an, ihn hinuͤber zu hucken. Der Moͤnch wolte lange nicht. Alles ſah aus den Fenſtern herab, und lachte den Moͤnch aus. Endlich entſchloß er ſich doch, undder334der Savoyarde nahm ihn auf den Ruͤcken. Die dicke, plumpe, ſchwerfaͤllige Maſchine, in einem ſchleppenden ſchwarzen Rocke auf dem kleinen lumpichten Savoyar - den. Man ſtelle ſich die Figur vor. Ueberall war von unten bis oben alles an den Fenſtern und lach - te den Moͤnch aus, beſonders wie er nachher zahlen mu - ſte, und der Savoyarde nicht gleich zufrieden war.

Den 4ten Jun.

Heute Vormittag fing ich bereits an, Abſchiedsviſi - ten zu machen, und meine Empfehlungs-Briefe nach Holland zuſammen zu bringen. Hr. Delor gab mir deren nach Chantilly an Hrn. Bomare, nach Mann - heim an Hrn. Abt Hemmer, nach Bruͤſſel an Hrn. Needham: Hr. de Villoiſon einen nach dem Haag an Hr. von Meermann, nach Leyden an Hrn. Woor - da, nach Amſterdam an Hrn. Cras, nach Leyden an Hr. Ruhnken ꝛc. Drauf nahm ich auch bei

Hr. D’Aubenton Abſchied. So wie ich ehemals vom Univerſitaͤtsleben ſehr gern, und von einigen meiner Lehrer in Goͤttingen ſehr ungern wegging; ſo koͤnnt ich auch heute ſchon den ganzen Pariſer Laͤrmen fahren laſ - ſen, ohne daß ich ihn im Geringſten regrettiren wuͤrde: aber von dem Manne Abſchied nehmen, ward war - lich meinem Herzen ſchwer. Er hat ſo viel maͤnnliches im Karakter, als man ſelten beim Franzoſen findet, er hat die ganze ſtille Heiterkeit, und groſſe Ruhe, welche die Naturgeſchichte ihren Freunden zur Belohnung aus - theilt. Er gab mir die Addreſſe an Hrn. Prof. Alle - mand in Leyden, und ich muſte ihm meine Addreſſe in ſeine Schreibtafel ſchreiben. Ich fand ihn im Kabi -net,335net, wo er wieder einiges Neue rangirte. Wir ſprachen wenig, er ſagte mir mehr als einmahl mit der redlichſten Mine: Je ſuis bien aiſe, d’avoir fait vôtre con - noiſſance. Vous reviendrez encore une fois chez nous und ich wiederholte ihm immer meine Dankſagungen. Zuletzt druckte er mir noch die Hand, und ſagte: Ah, vous reviendrez encore une fois à Paris und damit warf ich noch ei - nen Blick aufs Kabinet und Garten, und ging traurig von dem ſchoͤnſten Theil der Stadt in das ſeelenloſe, graͤß - liche Gewuͤhl zuruͤck, wo nur Frivolitaͤt, Luͤgen, Be - trug, Unzucht, Grosthun, Fluchen und Schwoͤren den Fremden umringt. Wohl dem Manne, der ſein Leben den ſchoͤnſten Beſchaͤftigungen widmet, und gerne jedem durſtigen Juͤngling den Weg zeigt, den er auch gegangen iſt. Segen und Gluͤck, Leben und Geſundheit ſei uͤber ihm, dem Kenner, Befoͤrderer und Liebhaber der Thier - geſchichte, die den Verſtand aufſchließt, und kein Men - ſchenherz kalt laͤßt!

Nachmittags nahm ich Abſchied von Hr. Baͤr, den ich nie antraf, von Hr. Nicolſon, von Hr. Guettard; ich fand aber keinen von allen zu Hauſe. Hr. Tollius, Prof. in Harderwyck, bekam noch Abends um 8. Uhr einen Beſuch von mir. Er war hier, und machte auf der Bibliothek von St. Germain Excerpte aus alten Noten uͤber die alten Schriftſteller.

Bemerkungen.

Ein Confiturier Faciot, Rue St. Denys vis à vis le grand Cerf wohnhaft, verkaufte anjetzo ein Pou - dre à la Limonade ſéche. Alle Schiffe nehmendavon336davon wider den Scharbock mit. Es ſoll groͤſtentheils Weinſteinrahm ſeyn ꝛc. Das Pfund koſtete 3. Liver. Es iſt in Bouteillen. Man kan halbe und ganze haben. Man macht aus der Verfertigung ein Geheimnis, die Anweiſung es zu gebrauchen, die ſehr ſimpel iſt, iſt an der Bouteille angeklebt. Es wird uͤberall unter ſeinen Namen hin verſandt. Ueber dem Laden ſteht: Poudre à la Limonade ſéche pour la Marine.

In der Stadt fahren beſtaͤndig Karren mit ſchwar - zen Saͤcken herum. Ich wußte lange nicht, was das ſeyn ſollte; das ſind die Schornſteinfeger, die ihren vielen Ruß in Saͤcken auffaſſen, und aus der Stadt bringen muͤſſen.

Den 5ten Jun.

Heute bekam ich noch zum Beſchluß meines hieſigen Aufenthalts

Le Cabinet d’Ornithologie de Mr. le Doct. Mauduit zu ſehen. Unſtreitig das ſchoͤnſte Voͤgelkabi - net in Paris. Der Beſitzer iſt von der mediciniſchen Facultaͤt, practicirt aber nicht, iſt reich, und ſtudirt fuͤr ſich. Ein gar poſſirliches, kleines, bucklichtes Maͤnn - chen, aber voller Geiſt und Leben. Das Kabinet beſteht aus Kaſten mit Glasfenſtern, die man in die Schraͤnke hineinſchieben und heraus ziehen kan. Aus allen Ge - ſchlechtern waren Voͤgel da, alle ſehr wohl erhalten, nichts als die bloſſe Haut mit den Federn ohne die geringſte Fa - ſer. Er hatte einen Menſchen an der Hand, der ſie aus - balgt, und dann mit Baumwolle ausſtopft. Er und D’Aubenton haben alle zur Erhaltung der Voͤgel vor - geſchlagene Mittel verſucht, und ſind uͤberzeugt worden,daß337daß kein allgemeines Mittel gegen alle Inſekten, zu hof - fen iſt. Daher braucht er weder Salmiak, noch Alaun, noch ſonſt etwas, als bloßes Raͤuchern mit Schwefel. Dazu hat er in ſeinem Hofe eine Art von Tonne (Boete), wo er die meiſten Voͤgel im November und December hineinſetzt, und beraͤuchert, um die etwa aus Eiern aus - geſchlupften Larven zu toͤdten. Die Voͤgel ſitzen meiſt auf kuͤnſtlich gemachten Baͤumen mit Laub. Doch ſind vielleicht um der Schoͤnheit willen einige in un - natuͤrlichen Stellungen aufgeſtellt, z. B. mit aufgeſperr - tem Schnabel, oder mit auseinandergebreiteten Fluͤgeln. Er braucht auch keine Gifte gegen die Inſekten, weil er ſo raiſonnirt: die Inſekten, die ſich durch einen Saͤug - ruͤſſel naͤhren, koͤnne man vielleicht durch toͤdtliche Fluͤſſig - keiten vergiften, aber nicht die, ſo ſich durch Kinnladen ernaͤhren, denn dieſer ihre Werkzeuge ſind fein und ſubtil genug, um die ihnen ſchaͤdlichen Theilchen von den guten zu unterſcheiden, aber eben dieſe ſind die Feinde der Voͤ - gelkabinette. Die Namen der Voͤgel waren franzoͤſiſch, ſo wie im Koͤnigl. Kabinet, nicht ſyſtematiſch. Er kennt Briſſon, Edward, Catesby, Albinus, aber nicht Linne, Klein ꝛc. Ich fand bemerkenswuͤrdig

1) Le Pigeon couronné de Banda. Dieſer Vogel hat wohl die groͤſte und hoͤchſte Hubel, die irgend einer hat. Man bringt ihn von Banda, einer der Molukken, aber er iſt in Neuguinea zu Hauſe. 2) Le Canard de Nankin, den Bomare in ſeinem Di - ctionaire beſchrieben hat. Das Maͤnnchen hat auf den beiden Fluͤgeln eine ſonderbare Erhoͤhung, welche dem Weibchen fehlet. 3) Le Mangeur de Ris; Cates - by hat ihn beſchrieben. Die Spitzen der Schwanzfe - dern ſind Pikenfoͤrmig. 4) Le Canard de Louiſia -Yne;338ne; dieſer Vogel hat einen am Ende ſtachlichten Schwanz. Wozu dieſe Stacheln am Ende? Stuͤtzt ſich die Ente etwa darauf? Sollten ſie dazu ſtark genug ſeyn? 5) La Foulique de Cayenne hat die Beſonderheit, daß die Schwimmhaut einen gelblichten Grund hat, uͤber den ſchoͤne ſchwarze Streifen laufen. 6) Paraqua; ein Vogel, bei dem die Trachea ſ. aſpera arter. unter den Muſculis pectoralibus hinablaͤuft, ſich dem After naͤ - hert und denn wieder herauf ſteigt, und ſich in die Bruſt - hoͤle hinabſenkt. Groſſer und unbegreiflicher Gott! was wird uns die Natur nicht noch fuͤr wunderba - re Geheimniſſe aufſchlieſſen! Ach wenn nur kuͤnftige Jahrhunderte nicht muͤde werden, ſie zu unterſuchen! 7) Le Caſuar; hat ein leichtes, holes, 3. Queerſinger hohes Horn auf dem Kopfe. Die Ohrloͤcher ſind hinter den Augen, gros und ſichtbar. Man ſah deutlich, daß aus jeder Federwurzel 2. Kiele kommen; im Anfuͤhlen ſind die Federn rauh wie Borſten. Das ſind einige von den ſeltenſten Voͤgeln dieſer Sammlung. Sie ſind zum Theil noch nicht beſchrieben, zum Theil ſtehen ſie im Jour - nal de Phyſ. p. Rozier, und vom Paraqua wird die Koͤnigl. Akad. d. Wiſſ. die anatomiſche Beſchrei - bungen liefern, die ich ſehr begierig erwarte. Hierauf beſah ich noch

Le grand Miroir ardent. Ein auſſerordentli - ches Stuͤck! Es ſteht in einem eigenen hoͤlzernen Hauſe im Garten beim Louvre. Der Boden des Brenngla - ſes hat Raͤder, und kan heraus geſchoben werden, wenn die Akademie Verſuche damit anſtellen will. Das Glas ſelber hat 4. Schuh im Durchmeſſer, und oben einen Maſtic, wodurch die 2. Glaces courbes, die durch meſ -ſingene339ſingene Reiſe und eine Menge Schrauben zuſammen ge - halten werden, koͤnnen geoͤfnet werden, damit man Wein - geiſt hinein gieſſen kan. Jetzt war er nur halb voll, es gehen aber 160. Pinten hinein. Er ſteht auf groſſen Stangen mit eiſernen Schrauben, wodurch er niedriger und hoͤher geſtellt werden kan. Vorne hat man einen Fuß gemacht, auf den die Sachen, die man ſchmelzen will, gelegt werden. Es iſt bekannt, daß man vermit - telſt dieſes Werkzeuges ſchon Diamanten geſchmolzen hat. Jetzt iſts aber uͤber ein Jahr, daß die Akademie keine Verſuche mehr damit gemacht hat. Der Kaiſer beſah es, lies es aus dem Hauſe herausbringen, und ob - wohl das Wetter nicht gar guͤnſtig war, that es doch ſei - ne Wirkung zum Erſtaunen des Monarchen.

Bemerkungen.

Die ſteinernen Fußboden, die man hier durch - gaͤngig findet, zu putzen, hat man grobe Buͤrſten; dieſe nimmt die Magd, oder der Bediente unter den Fuß, und faͤhrt damit im Zimmer herum, um den Staub aus den Ritzen heraus zu bringen, und ihn dann mit dem Beſen wegzufegen. Der Boden wird dadurch wieder herrlich roth, aber es iſt eine ſchweistreibende Arbeit.

In dieſen Tagen ward à la Greve ein Menſch ar - retirt, der um Mitternacht in einem weiſſen Schlafrock, mit einer weiſſen Muͤtze auf dem Kopf, da ſpazieren ging, und der Wache zur Antwort gab: Je ſuis l’ombre de Desroues. Iſt der Menſch verruͤckt geweſen, oder iſt dies wieder ein Beweis von der hohen Stufe der Frivo - litaͤt und des Leichtſinns, zu dem ſich kein andres Volk in Europa, als die Franzoſen, erheben kan?

Y 2Heut340

Heut ſah ich auch einen Abbe, der auf dem Hin - terkopf, auf der Sutura cranii, 2. groſſe aufrechtſtehen - de Locken hatte, wie an den Seiten. Eine bizarre Figur! Aber ſo weit geht die Putzthorheit, und die Sucht, was neues zu haben, ſelbſt unter den Mannsperſonen die - ſer Nation!

Noch bemerkte ich heute eine bequeme Einrichtung eines Schreibtiſches bei dem Kaufmanne, Hrn. La - vabre, wo ich neulich zu Abend ſpeißte. Damit der Sand nicht auf dem Tiſche liegen bleibt, hatte er gar kei - ne Sandbuͤchſe, ſondern unter dem Tiſchblatt eine Schub - lade mit Faͤchern, da war ſein Sand, naͤmlich Saͤ - genſpaͤne von Buxbaumholz darin; das Geſchrie - bene haͤlt er in die Schublade und beſtreut es. So kam kein Koͤrnchen Sand auf den Tiſch; ça uſe les habits, ſagte der Franzos.

Viele Franzoſen bewunderten meine Schreibtafel von Pergament. Sie fanden ſie ſehr bequem, und auf Reiſen gar gut, daß man ſie mit Oehl wieder ausloͤſchen kan. Ihre Tabletten ſtecken voll Kartenblaͤtter, Korkzie - her, Flaͤſchchen, kleine Kaͤmmchen ꝛc. denn Spielzeug muͤſſen ja die groſſen Kinder beſtaͤndig haben, wenn ſie zufrieden ſeyn ſollen.

Zu den Lieblingsgeſpraͤchen der Nation gehoͤrts mit, vor die Karte von Paris hintreten und ſtreiten, welches Quartier das ſchoͤnſte ſei. Stundenlang koͤnnen ſie daruͤber ein Geſchrei machen, daß man unwillig wer - den moͤchte. Und lobt ein Fremder etlichemahl Ver - ſailles, ſo verliert er ganz gewis bei den Pariſern allen ſeinen Kredit. Da heißts: Il eſt bien ennuyant, iln’y341n’ya pas beaucoup de choſes à voir. La Cour, Oui, la Cour, mais quand elle eſt à la cam - pagne, c’eſt un ſejour penible. A Paris, mon Dieu, à Paris, ah, je ne voudrois pas vi - vre hors de Paris, ſo raiſonnirt der groͤſte Theil der Franzoſen.

Den 6ten Jun.

Das Regenwetter hielt geſtern und heute, wie ge - woͤhnlich an, damit Paris nie trocken werden kan! Nachmittag wollt ich noch einmahl nach St. Denys. Man hat au Fauxburg St. Denys ein eignes Bureau de Poſte dazu, es gehen zu allen Stunden Wagen zu 6 8. Perſonen ab, an denen S. D. ſteht. Es iſt eine bequeme Art von Diligencen, lang, man ſitzt an den Seiten gegeneinander, und ſteigt hinten hinein. Vorne geht ein einziges Pferd in der Gabel, wie am Cabriolet. Fuͤr 12. Sous fuͤhrt man einen die 2. Stunden in einer. Ich war alſo heute in

St. Denys, und beſah da Les images en cire des Rois morts. Ueber den Schraͤnken, in denen der Schatz iſt, ſtehen noch andre, die nicht geoͤfnet werden, wenn man nicht darnach fragt. Hr. Pfeffel aber hatte mich darauf aufmerkſam gemacht. Ich bekam ſie alſo zu ſehen. Es war ehemals die Gewohnheit, die Koͤni - ge von Frankreich, in der Stunde da ſie ſtarben, in Wachs zu boſſiren, und dieſes Bild wurde dann, wenn man den Koͤrper hier beiſetzte, hinter dem Sarge herge - tragen, und hernach hier oben aufgehoben. Man ſieht al - ſo hier die Koͤnige von Karl VIII. an bis auf Koͤnig Louis XIII. Bei Louis XIV. hats aufgehoͤrt. Sie ſi -Y 3tzen342tzen da oben in einem rothen tuchenen Kleide mit Lilien geſtickt, mit ſchlechten Kronen auf dem Kopfe und Sceptern in den Haͤnden. So ehrwuͤrdig dieſe Reihe koͤniglicher Todten gebildet iſt; ſo haͤtt ich doch die Scepter und Kronen lieber weggewuͤnſcht. Es ſind in 4. Schraͤnken, Karl VIII. und Ludwig XII. Franz I. und Heinrich II. Karl IX. (den mocht ich gar nicht anſehen, den Proteſtantenmoͤrder,) und Heinrich III. endlich Hein - rich IV. und Ludwig XIII. Franz I. ſieht lieblich aus; die beiden Heinriche haben nichts beſonders; das ſchoͤnſte Geſicht hat immer Heinrich IV. Wer im Palais Royal des Rubens Gemaͤlde von ihm geſehen hat, kennt ihn hier den Augenblick. Dieſer Koͤnig muß im Alter, im Tod, nach ſo vielen Strapatzen, ausgeſehen haben, wie in der erſten Kindheit. Aber ich weis nicht, warum ich immer mit einer gewißen Ruhe und Zufrieden - heit, worin ſich Mitleiden und Bedaurung miſchte, auf dem edeln, freien, ofnen Geſichte dieſes wahrhaftig guten und auch in ſeinen Schwachheiten liebenswuͤrdigen Mo - narchen verweilte. Wir verließen endlich nach vielen Unter - redungen und Fragen, dieſen wahrhaftig Koͤnigl. Schatz, und ein enger Ausſchuß aus der Menge, eine anſehnliche, aber doch nicht zu ſtarke Geſellſchaft erhielt die Erlaubnis

Les Tombeaux des Rois avec les Mauſoleés zu beſuchen, und da wir eben Kron und Scepter bewun - dert und angeſtaunt hatten, nun auch den Ort zu ſehen, wo die Majeſtaͤt der Menſchheit weicht, wo der goldene Reif mit Purpur gefuͤttert und mit Edelſteinen beſetzt, nichts mehr gilt; wo große Entwuͤrfe, Thaten, Laſter und Suͤnden begraben worden, wo Regenten aus Reihen von Jahrhunderten ruhig neben einander liegen, laͤngſtin343in Staub zerfallen ſind. Es ſcheint, die Kirche ſei hin - ter der Grille faſt eben ſo lang, als vor derſelben. Da iſt noch ein erſtaunlicher Platz, voll der groͤſten Merkwuͤr - digkeiten, die man alle genau unterſuchen muͤſte. Da liegt die lange Reihe der franzoͤſiſchen Koͤnige vom Klo - dowich an einige fehlen, z. B. Karl der Groſſe, den ich einige Monathe nachher in Aachen fand, bis Ludwig XV. Das ganze Chor der Kirche mit allen Fluͤgel - und Nebengebaͤuden iſt damit angefuͤllt. Bei den meiſten liegen ihre Gemahlinnen und Kinder. Man zeigte die ſteinerne Platte, wo der Eingang zur Koͤnigl. Gruft iſt, und zu der man 12. Stufen hinunter ſteigt. Man hatte ſonſt die Gewohnheit, daß man die Koͤnige entweder in Koͤnigl. Kleidung, oder ſonſt in einer langen, faltigen Draperie in Stein aushaute, und dieſes Bild uͤber die Stelle, wo ſie begraben ſind, legte. Dieſe Bil - der ſind es eben, die man hier ſieht. Man koͤnnte ſie beſſer betrachten, wenn ſie aufrecht ſtuͤnden. Weil ſie aber alle ſo lang geſtreckt da liegen, tod, blas, ſtille, oh - ne Handlung, in keiner redenden Stellung, meiſt mit ge - faltenen Haͤnden; ſo ſiehts ſo fuͤrchterlich, ſo ſchauerlich aus. Wo man hinblickt, ſind alle Ecken mit einer oder mehrern Familien angefuͤllt. Das Valeſiſche Haus liegt ganz beiſammen. Es wandelt den Zuſchauer ein heiliges Grauſen an, wenn er ſo das nur von ſeinem Reiche angefuͤllte Feld des Todes, und in jeder Ecke ein oder mehrere Familien, die ſchon lange vom Schauplatze dieſer Welt abgetreten ſind, erblickt. Ich glaube, es iſt unmoͤglich, ein ganzes ausgeſtorbenes koͤnigliches Haus, die geſtuͤrzte irdiſche Groͤße und das Nichts der Welt oh - ne Empfindung vor ſich zu ſehen. Karl der Kahle liegt allein in der Mitte des Chors, und hat, weil erY 4auch344auch Kaiſer war, den Reichsapfel in der Hand. Louis XII. und Anne de Bretagne liegen auch bei einander, und haben unſtreitig das praͤchtigſte Grabmahl. Die 4. Haupttugenden in weiblichen Geſtalten, ſitzen an den 4. Ecken des Grabmahls und ſind vortreflich. Die aͤlte - ſten Grabmaͤhler verfallen und werden unſcheinbar, und ſcheinen aus ſchlechtem Gyps zu ſeyn. Gleich beim Ein - gang in die Mitte des Begraͤbnisplatzes, ſteht noch jetzt ein erſtaunlich hohes, prachtvolles Paradebette zu Ehren Ludwigs XV. Der Sarg, worin der Koͤnigl. Leich - nam liegt, iſt mit ſchwarz und weiſſem Sammt bedeckt, und hat die praͤchtigſten Stickereien des Koͤnigl. Wap - pens, das 2. mahl auf jeder Seite ſteht. Wachskerzen, wie ein Mannsarm dick, und eben ſo hoch als dieſes Prachtbette, ſtehen beſtaͤndig um daſſelbe herum, und duͤrfen, gleich der Veſta heiligem Feuer, nie ausloͤſchen. Man ſagte uns, daß in dieſem Leichengeruͤſte noch Louis XV. liege, und unmittelbar unter ihm Louis XIV. und daß Louis XV. ſo lange hier uͤber der Erde ſtehen bleibe, bis ſein Nachfolger ſtirbt, deſſen Leichnam alsdann wieder in deſſen Stelle, erſter aber hinunter ins Gewoͤlbe koͤmmt, und daß man bis dahin dieſe Wachskerzen un - auf hoͤrlich ums Leichengeruͤſte brennen laſſe, welches ich aber immer noch nicht glauben kan. Man denke ſich nur den unermeßlichen Aufwand des Wachſes! *)Dieſer Gebrauch hat allerdings, auch nach dem Zeug - niſſe andrer Reiſenden, ſeine Richtigkeit. Herausgeber. Tu - renne hat die Ehre, neben Koͤnigen begraben zu ſeyn, und ſein Grabmahl, das durch eine eigne Grille von den andern abgeſondert iſt, iſt wiederum ein Meiſterſtuͤckder345der franzoͤſiſchen Bildhauerkunſt. Blos um deswillen moͤcht ich noch einmahl hingehen. Da wird einem, man weis nicht, wie? wenn man davor ſteht. Der Gedanke des Groſſen, des Erhabenen, haͤngt durchgaͤn - gig daran. Schon die Kriegstrophaͤen zu beiden Seiten der hintern Pyramide, kann man nicht genug betrachten. Er ſinkt zuſammen, vom Blitz getroffen, und faͤllt hinter ſich der Goͤttin Unſterblichkeit in die Arme, die ihm ei - nen Lorbeerkranz uͤber den Kopf haͤlt. Unten iſt eine Gruppe vom vorigen Kriege. Ha quel ouvrage! Zu beiden Seiten ſtehen 2. weibliche Figuren, Frank - reich oder Tugenden ꝛc. verdecken das Geſicht, ſehen weg, und man meint ſie weinen wirklich uͤber den Helden. An dieſem Orte fuͤhlt man recht, daß auch Koͤnige Men - ſchen ſind, und ſich durch Millionen Goldes nicht vom Geſetz der Verweſung und des Todes loskaufen koͤnnen. Was iſt dieſe Pracht? Ein Beweis, daß man gern der Natur trotzte, wenn man koͤnnte, gern nach dem Tode noch glaͤnzen, vom uͤbrigen Haufen unterſchieden ſeyn will. Aber unter dem vergeſſenen Grabhuͤgel ſchlaͤft der ſterbliche Reſt des Weiſen, des Chriſten, eben ſo ruhig, als unter dem panegyriſchen Marmor, und der goldenen Ehrenſaͤule.

La Montagne de Chaux Mont. Wenn man von St. Denys nach Paris geht, hat man linker Hand einen langen Berg hinter einem Dorfe, der ganz voll Kalk iſt, und aus dem aller Kalk fuͤr Paris herausge - nommen wird. Im Kalk kommen kleine Stuͤcke von Mica vor. Das ſchoͤnſte iſt, daß dieſer ganze Berg, ſo hoch und langgeſtreckt er iſt, aus Lagen uͤber Lagen auf - gefuͤhrt iſt. Einige ſind maͤchtig, andre duͤnn und nie -Y 5drig.346drig. Man ſiehts deutlich, daß das Waſſer durch ſeine Schwankungen und oͤftere Ueberſchwemmungen dieſen Berg aufgefuͤhrt hat. Geht man hinein, ſo ſieht er aus, wie man uns die Catocomben in Rom beſchreibt. Man treibt groſſe mit einander communicirende Gewoͤl - ber, lange, hole, dunkle Gaͤnge hinein, die keiner Unter - ſtuͤtzung beduͤrfen, und durch das oͤftere Ausgraben des Kalks taͤglich groͤſſer werden. Waſſer findet man in - wendig gar nicht, am Fuße des Bergs aber etwas we - niges. Oben und an den Seiten iſt eine duͤnne Rinde ſchwarzbrauner Erde, die von verfaulten Pflanzen ent - ſtanden iſt. Man findet nichts Merkwuͤrdiges darauf. Da iſt noch ein Vorrath fuͤr Millenarien. Doch ſind ſchon gewaltig tiefe Gewoͤlber und Loͤcher hinein gegra - ben. Von dieſem Werke der Natur, das mit dem Stempel der Groͤſſe des Schoͤpfers bezeichnet iſt, und ſich gleich durch den maͤchtigen Eindruck, den’s in die Seele macht, als Naturwerk verkuͤndigt, ging ich weg und zu einem ſchimpflichen Beweiſe von dem elenden grauſamſpieleriſchen Geiſt der Franzoſen, naͤmlich zum

Combat des Betes ſauvages. Wer ſollt es glauben, daß dieſe unmenſchliche Art, die Zeit durch Thierhetzen zu toͤdten, und ſich im Muͤſſiggange zu belu - ſtigen, noch in unſern Zeiten in Paris Beifall und Un - terſtuͤtzung finden koͤnnte? Schon von weitem hoͤrt man das Bellen, Gilfern, Schreien, Toben, Raſen und Laͤrmen wilder, beiſſiger Thiere, die der Menſch welche Schande! gegen einander erhitzt und reizt. Man hat ein groſſes, hohles Haus erbaut, hinten gehen Treppen hinauf, inwendig ſind 2. Gallerien, unten iſt ein Kampfplatz, und ums Haus herum befinden ſich eineMenge347Menge Staͤlle fuͤr Hunde, Baͤre, Woͤlfe, wilde Schwei - ne, Loͤwen, Tyger, Hirſche ꝛc. Der Entrepreneur da - von iſt ein Partikulier. Die Obrigkeit gibt Wachen dazu. Alle Sonntage Abends von 5-8. Uhr iſt da ein Thierge - fecht. Die Entre’e koſtet 24. Sous. Die Gallerien werden, wie im Opernhauſe, von der Menge der Pa - riſer beſetzt. Auch weiche, dumme, wolluͤſtige, ge - ſchminkte, franzoͤſiſche Damen kommen in groſſer Menge daher, und ſehen zu, wie man Gottes Geſchoͤpfe mis - braucht. Man laͤßt eine gewiſſe Anzahl Woͤlfe, Hunde, Schweine ꝛc. herein, ſie ſind ſchon abgerichtet, einander anzufallen, man reizt ſie, ſchießt unter ſie, wirft Schwaͤr - mer unter ſie. Da entſteht dann ein klaͤgliches Schreien, Beiſſen, Stoſſen, Schlagen ꝛc. Der Grimm dieſer Thie - re ſteigt aufs hoͤchſte, um ſo mehr, da man ſie hindert, einander zu toͤdten. Groſſe engliſche Doggen kaͤmpfen mit Woͤlfen. Auch der nuͤtzliche Stier wird vorgefuͤhrt, und wenn dann in einem Abend 2, 3. aufgeopfert wer - den, das ſchwarze rauchende Blut den Sand faͤrbt, und das koſtbare Thier da liegt, und unter Schmerzen und Bluten aͤchzt, noch immer gebiſſen wird, und endlich ſei - nen Athem aushaucht; ſo ſagt der verachtungswuͤrdige Franzos: das iſt ja kein ſeltnes, beſonderes Thier, dar - um iſts nicht Schade ꝛc. Die uͤbrigen Thiere in den Staͤllen machen indeſſen einen abſcheulichen Laͤrm. Die Hunde, die kaͤmpfen muͤſſen, erhitzen ſich ſo, daß man ſie nachher ſpazieren fuͤhren muß. Das gottloſe Volk lacht aus vollem Halſe, wenn der Baͤr recht zerzauſt und ergrimmt wird. Ich dachte an Salomo: Der Gerechte erbarmt ſich auch ſeines Viehes, verachtete laut Frankreichs niedertraͤchtiges, grauſames Volk, und freute mich, daß ichs bald verlaſſen konnte. So wiedas348das Leben eines Menſchen in Paris keinen groſſen Werth hat; ſo gehen ſie auch mit den andern Thieren grauſam um. Uebertriebne Wolluͤſtigkeit und Grauſamkeit graͤn - zen nahe aneinander. Wahr iſts, der Philoſoph mags erklaͤren wie eine Leidenſchaft in die andre uͤber - gehen kan. Ein Volk, das eine Ceremonien-Reli - gion hat, fuͤhrt manches ein, ohne ſich um die Sittlich - keit der Sache zu bekuͤmmern. Ein Volk, das alles wagt und thut, was nur Zerſtreuung, und Beluſtigung verſchaffen kan, wird im hoͤchſten Grad leichtſinnig und frivol.

Den 7ten Jul.

Le Cabinet de Mr. Sage bekam ich heute noch zu ſehen. So wie jetzt in Paris D’Anbenton in der Thiergeſchichte, Juſſieu und Aublet in der Kraͤuter - kunde, Delisle in der Mineralogie, Portal in der Ana - tomie, Villoiſon in der Philologie, Delor, Rozier und Briſſon in der Phyſik ꝛc. gros ſind, ſo iſt Sage unſtreitig einer der groͤſten franzoͤſiſchen Chymicker. Er hat uͤber 40. Jahr gearbeitet, und in ſeiner Mineral. docimaſtique ganz neue Ideen aufgeſtellt. Das Buch war eben fertig, als ich zu ihm kam, und ich habe davon einen Beweis ſeiner Freigebigkeit und Gefaͤlligkeit gegen mich. Er wohnte im Jardin Royal, aber ſein Kabi - net ſtand in der Rue de Sepulcre, wohl eine halbe Stunde von ſeiner Wohnung. In dem Kupferſtiche vor ſeinem Buche iſt er wohl getroffen. Er hat die Koͤr - per, welche die Natur ſchaft, zerlegt, und ſo lange unter - ſucht, bis er im Stande war, die meiſten nachzumachen. Sein Kabinet iſt kein groſſer Schauplatz, nur eine kleine Stube mit einigen Glasſchraͤnken, aber ſo klein die Stuͤ -cke349cke ſind, ſo ſehr lehrreich ſind ſie gleichwohl. Darneben ſtehen im chymiſchen Laboratorium viele hundert Glaͤſer, in denen er die gluͤcklichſten Nachahmungen der Natur aufbewahrt. Bisher hat er ſich blos mit der Mineralo - gie beſchaͤftiget. Vom December bis zum April macht er in ſeinem Cours chymique alle dieſe ſchoͤnen Arbei - ten vor den Augen ſeiner Zuhoͤrer. Wollte Gott, ich koͤnnte einer davon ſeyn! Es iſt unnoͤthig, die ſeltenſten und ſchoͤnſten Stuͤcke ſeiner Sammlung anzufuͤhren; ſie ſind alle in ſeinem vorgedachtem Buche beſchrieben, und hier findet man die Belege dazu. Aber mir faͤllt immer dabei der Gedanke ein, daß ſtatt der Deutlichkeit und Gewisheit, vielmehr Unordnung und Ungewisheit in die Mineralogie gebracht wird, wenn jeder Mineralog die Stuͤcke, die er beſitzt, unterſucht, und darauf ein Syſtem baut. Die Natur miſcht offenbar die Mineralien unor - dentlich. Was ſie im Thier - und Pflanzenreiche nie thut, das thut ſie hier: ſie verbindet in einem Klumpen zwanzig Species untereinander. Der eine Kieſel entſteht ſo, enthaͤlt die Theile; ein andrer hat die Entſtehung, ein andres Lokale bei ſeiner Entſtehung, und wegen des praͤdominirenden Theils ſind doch beide Kieſel. Iſt es nicht ein kleiner Sprung, eine Verwegenheit, die Frucht der Eigenliebe, wenn jeder nach den Beſtandtheilen, die er in ſeinem Probeſtuͤcke findet, berechnet, wie viel abſorbi - rende Erde, wie viel Waſſer, wie viel Kupfer, wie viel Kobold ꝛc. allemahl im Zentner von dem und dem Mine - ral ſei? Jeder nimmt eine Hypotheſe fuͤr Gewisheit, fuͤr den allgemeinen Maasſtab an. So wie man jetzt in der Phyſik alles aus der Elektrizitaͤt erklaͤrt, ſo nimmt Sage in der Chymie uͤberall acide marin, air fixe, air mephitique an. Man zaͤhlt die Facetten, dieSeiten350Seiten der Pyramiden und Spitzen an den Kieſeln, an allen Kryſtalliſationen, und macht daraus allgemeine Regeln. Man nennt den Stein, das Mineral ſo, weil es ſich ſo im Feuer verhaͤlt, wie das andre, weil es groͤ - ſtentheils eben die Beſtandtheile hat. Kan es aber nicht demungeachtet ſehr weit von ihm in andern Stuͤcken ver - ſchieden ſeyn? Kan dieſe groſſe Aehnlichkeit nicht blos von der individuellen Beſchaffenheit der Mutter her kom - men? Sage ſagt, Baſalte ſind nicht durch Vulkane hervorgebracht. Warum nicht? Weil man beim Aet - na und Veſuv keine findet. Kan man den Schlus gel - ten laſſen? Wer ſagt uns denn, daß die Natur allerwe - gen einerlei Wirkungen hervorbringen muͤſſe, wenn auch die Urſachen die naͤmlichen ſind? Vielleicht ſcheint es uns auch nur, daß alle Umſtaͤnde und Urſachen ſich gleich ſind. Vielleicht ſind Baſalte dort vor tauſend Jahren geweſen, und die Natur hat ſie ſelber wieder zerſtoͤrt, ſo wie ſie Quarzberge zerſtoͤrt und Kometen ausbrennen laͤßt. Doch ich will ja nur erzaͤhlen, nicht raiſonniren. Man muß geſtehen, die Aehnlichkeit im Nachahmen der Mineralien geht erſtaunend weit. Eine der groͤſten Vor - zuͤge dieſer Sammlung ſind die Sachen von den Pyre - naͤen und aus Korſika. Er machte die Bemerkung, daß Korſika in Abſicht der Mineralien Schweden ſehr nahe komme. Die von den Pyrenaͤen ſind meiſt ſehr piquant und ſingulaͤr. Mir war beſonders merkwuͤrdig 1) Ein Stuͤck Bernſtein von den Pyrenaͤen, wo Ein - druͤcke von Molluſcis, und andre Konchylien waren. 2) Gediegen Zinn aus Cornwallis, 3) viel Waſſer aus Steinen, Metallen ꝛc. ausgezogen. 4) Die Be - ſtandtheile des goldhaltigen Kieſes aus Ungarn. 5) Steinkohlen mit Konchylienabdruͤcken. 6) Ba -ſalt,351ſalt, der treppenweiſe gebildet iſt, aus Schweden, wo er auch Trapp heiſt. 7) Magneſien, die Sage zu den Zinkminern rechnet. Ganze Suiten, einige wa - ren ſehr ſchwer, andre wieder viel ſpecifiſch leichter, und noch viele andre ſeltne Sachen, die alle in ſeinem Buch beſchrieben ſind.

Bemerkungen.

Von der Unſauberkeit der Franzoſen ſieht man hier und da haͤsliche Beweiſe. In den Rues de Bouche - ries, dergleichen in allen Quartieren etliche ſind, und ſeyn muͤſſen, ſieht es nicht nur auf der Straſſe ſelber unbeſchreiblich garſtig aus, das kan nun wohl nicht an - ders ſeyn; aber die Kerl ſelbſt ſehen den Teufeln gleich. An den Armen haben ſie weder Kleider noch Hemde, an den Fuͤſſen keine Struͤmpfe, wohl aber groſſe hoͤlzerne Latſchen. Das uͤbrige iſt weis, aber ganz mit friſchem Blut beſtaͤndig beſpruͤtzt, mit Fett beſchmiert, und mit Haaren beklebt. So ſtehen die Kerl um Mittag da, ruhen aus, und haben ihr Mittageſſen in der Hand.

In den Hotels ſind die Kuͤchen dunkel, klein, fin - ſter, enge; alles wird im Kamin gekocht, der kaum ei - ner Hand hoch uͤber dem Fußboden iſt, oder in eingemau - erten Keſſeln. In den Cabarets kochen Mannsperſonen alles; bei keinem Rotiſſeur, als in den Porcherons, hab ich noch eine Weibsperſon kochen ſehen; die Elſaſ - ſer oder die Teutſchen ausgenommen. Vor der Stadt findet man Schindanger. Das gibt bei der Hitze einen unertraͤglichen Geſtank. In einem Garten vor der Rue St. Martin, der ganz mit Melonen, Feigen ꝛc. bepflanzt war, hatten ſie hinter der gruͤnen Hecke noch eine ganzeMauer352Mauer von Ochſen - und Pferdeknochen ꝛc. die auf ſolchen Roßplaͤtzen gebraucht werden. Die Franzoſen brauchen ſie, die beinernen Knoͤpfe auszuſchneiden; denn ich fand hernach uͤberall im Weg die Reſte, die Knochenſcheiben mit den Loͤchern ꝛc. die ſtreuen ſie auch in Weg hin, und laſſen ſie da verfaulen. Und wenn ſie im Garten ſitzen, ſo koͤnnen ſie die faulenden Knochen hinter und ums Bos - quet herum leiden; da brauchen ſie dann ihre Flacons. Welch eine Thorheit! Sich den Geſtank ſelber machen, damit man ihn durch kuͤnſtliche, ſchaͤdliche, koſtbare Mit - tel vertreiben kan! ça donne de la force aux nerfs, ſagen ſie gleich, und da wird man eher einen Moh - ren weis waſchen, als ſo einen plappernden Franzoſen uͤberzeugen, daß die ſtark riechenden Waſſer grade das Gegentheil thun und die Nerven ſchwaͤchen.

Ich ſah heute eine Uhr, die einem reichen Kauf - manne gehoͤrte, und 3000. Livers koſtete. Sie war mit Diamanten beſetzt, hatte hinten das Miniaturgemaͤlde von ſeiner Maitreſſe in Emaille. Die Uhr ſelber war en Cylindre mit Repetition, und mit gruͤn und rothem Laubwerk in Emaille verziert. Ich konnte ſie nicht auf - machen, ſie hatte eine Charniere perdue, oder en ſe - cret. Die Charniere war innen, ſehr ſein, grade gegenuͤber war nur ein merkbarer Punkt, wo man ſie auf - machte. Alſo war die Uhr ganz rund, man ſah auſſen nichts von der Charniere. Am Ring, woran eine herrliche Kette hing, waren noch Steine.

Es iſt bequem in Paris, daß man in die Maga - zins des Gazettes gehen kan, am Quai, da Thee ꝛc. trinken, und deutſche, franzoͤſiſche, hollaͤndiſche Zeitun - gen leſen, welche man will.

Den353

Den 8ten Jul.

Bei dem allerhaͤßlichſten Wetter und Wege war ich gezwungen, in der Stadt herum zu laufen, meine Sa - chen in Ordnung zu bringen, und mich zur Abreiſe anzu - ſchicken. Ich nahm von Hrn. Sage Abſchied. Er wies mir noch ſein Laboratorium, das in ſeinem Hauſe im Jardin Royal war. Es war geraͤumig, hell, bequem, und mit einer ſchoͤnen Einrichtung zur Sublimation des Arſeniks. Er machte mir auch noch folgende Ge - ſchenke: 1) Kaolin d’Auvergne; das iſt die Erdart, die man in Seve braucht, und woraus man dort ſo ein Geheimnis macht. Sie koͤmmt aus Auvergne. Er hat ſie in ſeinem Werk beſchrieben. Man ſetzt noch ei - nen feinen Thon darzu, um ihr deſto mehr Haltung und Zuſammenhang zu geben. 2) Mine de Fer ſpatique; 2. Echantillons von Dalavar in Dauphine, an den Graͤnzen der Alpen. 3) Crete cryſtalliſée; von Fontainebleau ein herrliches, groſſes Stuͤck. Und ſo verlohr ich auch den Mann, deſſen Umgang fuͤr mich lehr - reich und angenehm ſeyn wuͤrde.

Ich ging hierauf mit Hrn. Tollius zur Mde. de Bure, und nahm Abſchied von dieſer Frau, die ſich in Paris zur Maͤcenatin aufgeworfen hat. Hr. Tollius gab mir ſeine Empfehlungsſchreiben, und zwar nach Bruͤſſel an Mr. Gerard, Maitre des Contes, et Conſeiller de la Chambre Imper. des Contes; nach Rotterdam, an Myn Heer Den Creet; nach Amſterdam, an Myn Heer Lublink de Jonge auf dem Buitenkant, ohnweit der Schipperſtraet, und an Myn Heer Shoorn einen Advokaten und ſeinen Schwa - ger.

ZDen354

Den 9ten Jul.

Und zugleich der letzte Tag, den ich in Paris zu - brachte. Er ging mit Packen, Briefſchreiben und Poſt - beſtellungen groͤſtentheils weg, und mit Zahlen!

Die Kaufleute, die den Fremden ihr Geld zahlen, konnten faſt kein Gold auftreiben. Ich muſte es von allen meinen Bekannten zuſammen betteln. Man gab mir aber eine vernuͤnftige Urſache an. In 8. Tagen geht die Koͤnigl. Familie nach Kompiegne, und mit ihr eine ungeheure Menge Menſchen. Der Hof, und alle dazugehoͤrige laſſen Geld von Paris kommen; die Aus - zahler muͤſſen Gold ſchicken, die treiben alſo alle moͤgliche Louisd’or aus Paris zuſammen, und ſo wird’s um die - ſe Zeit ſchwer, Gold hier zu bekommen. Oft verkauft man die Louisd’or gegen das Silber, jedes Stuͤck mit 4. Sous Agio.

Und ſo beſchlos ich denn heute mit dem freudigſten Dank gegen die Vorſehung, die zur erſten Haͤlfte meiner Reiſe Segen und Gluͤck gegeben hatte, und jetzt wieder neue liebliche Ausſichten vor mir aufdaͤmmern laͤßt, den Aufenthalt in dem Pracht - Kunſt - und Gewuͤhlvollen Paris, und begab mich auf die

Reiſe nach Chantilly.

Den 10ten Jul.

Zehn Stunden iſt ſie alſo nun hinter mir, die von ſo vielen Menſchen angebetete, an Himmel erhabene Stadt, und voruͤber iſt ſie, die Periode meines Lebens, wo ich auf der einen Seite herrliche Gelegenheiten zum Lernen,und355und auf der andern tauſend Reizungen und Verfuͤhrun - gen zum Laſter um mich herum hatte. Wohl dem, der ohne Gewiſſensbiſſe hinausfaͤhrt, und ſeinen feſten Karakter unter der Menge der Leichtſinnigen nicht verloh - ren hat. Wie viel koͤnnt ich noch ſagen! aber nur dies einzige will ich ſagen: Ach, wenn ich allen Ungluͤck - lichen in Paris helfen koͤnnte! Unzaͤhlbar iſt die Menge der Ungluͤcklichen, und die wenigſten glauben, daß ſie’s ſind. Man muß gar keine Menſchenliebe haben, wenn man das nicht denken wollte! Den letzten Abend, da ich in der Rue de Seine von der Poſt zuruͤck kam, traf ich 2. deutſche Handwerksburſche aus Maynz an, die ſich nicht nur durch ihr ganzes Betragen, ſondern haupt - ſaͤchlich durch ihre friſche lebhafte Farbe, durch ihre ſtarken maͤnnlichen Glieder, und durch die deutſche Ehrlichkeit und Offenherzigkeit im Geſicht auszeichneten. Die zwei Freunde gingen da in die weite groſſe Stadt hinein, ohne einen Menſchen zu kennen, ohne die Sprache im gering - ſten zu verſtehen. So wie ich meine Landsleute hier mit Freuden erblickte, mit der Freude, von der man, wenn man nie gereiſt iſt, keine Empfindung haben kan; ſo wuͤnſcht ich ihnen auch laut und noch mehr im Herzen Segen, und Bewahrung von Gott zu ihrem Aufenthalt in Paris, und von ihnen hoͤrt ich auch warme, gute Wuͤnſche fuͤr die Fortſetzung meiner Reiſe. Denn bei den Franzoſen hoͤrt man das: Unſer Herr Gott erhalte ſie geſund, niemals beim Abſchiednehmen. Und man wuͤrde wider den guten Ton verſtoſſen, wenn man bei der Trennung einem die Hand geben, oder Gottes Namen brauchen wollte. Die Franzoſen machen einen Scherz draus, ohne herzliche Theilnehmung. Die meiſten ſind das Ankommen und Wegreiſen der Fremden ſo gewohnt,Z 2daß356daß man zum letztenmahl eben ſo von ihnen weggeht, wie aus der Viſite nach Hauſe. Ich weis nicht, warum der Auftritt mit den ehrlichen Teutſchen ſo einen Eindruck auf mich machte. Ich hatte lange keine geſe - hen. So gern ich von Paris nach Holland reiſte; ſo ward mir doch beim Packen und Beſtellen das Herz ſchwer, wenn man ſo aus der Carriere wieder in den Poſt - wagen ſteigen ſoll; und beim Reiſen von einem Orte zum andern, wird man ſo muthlos, ſo unruhig, man ſtellt ſich hunderterlei moͤgliche Dinge zugleich vor; ich hatte eben die Ungenuͤgſamkeit und Grobheit der Franzoſen beim Fiaker noch erfahren. Ich ſah dieſe zwei gute Leute wie verlaſſene Schaafe an, und dachte an die erſten Ta - ge, wo’s mir unmoͤglich vorkam, in einer ſo groſſen Stadt mir ſelber zu helfen. Dann dacht ich wieder, daß viele tauſend Handwerksburſche zu Fuß viel weiter in der Welt herumkommen, als ich mit allen meinen Kredit - briefen und Empfehlungsſchreiben. Ich ſah, daß ſie Ein Herz und Eine Seele waren, ſich eine beſtaͤndige Treue, eine ewige Freundſchaft geſchworen hatten, und hier empfand ich Gottes Guͤte und Weisheit, die den ge - ringſten Menſchen das Leben leicht und angenehm macht. Kurz, ich fing an zu weinen, wie ich ſie mitten in der Straſſe verlies, und verlohr ganz Paris aus dem Geſicht. Nachher fiels mir erſt ein, daß ich doch etwas vom Reiſegeld haͤtte entbehren, und ihnen ſchenken koͤn - nen, und nun konnt ich mir die Freude nicht mehr ma - chen. Ich ſprach mit einem meiner Bekannten nur ein paar Worte davon. Sie werden bald die Por - cherons kennen lernen, das war das Erſte, was er da - bei dachte, und da muſt ich freilich das Geſpraͤch abbre - chen. Aber ich habe dieſe Scene und dieſe Empfindun -gen357gen beim Abſchied von Paris lieber gehabt, als wenn ich noch einmahl ins Coliſe’e gegangen waͤre!

In der Rue Montorgueil au Compas d’or iſt das Bureau pour Chantilly. Man rechnet 10. Stunden dahin. Um 2. Uhr waren wir zu.

Chantilly. Die Geſellſchaft war nicht fuͤr mich, ich hatte eine Menge Dinge im Kopfe, eine Diarrhoe im Un - terleibe, den Schnupfen in der Naſe, und hatte mich, wie ich um 5. Uhr nach der Poſt ging, und man eben den Pari - ſerkoth aufruͤhrte, noch zuletzt mit Kop[f] ſchmerzen erbrechen muͤſſen. Das Regenwetter lies gegen Mittag nach, und in Chantilly empfand ich eine herrliche Witterung. Die Doͤrfer, durch die wir kamen, bedeuteten nichts, zu beiden Seiten lagen Frankreichs herrliche Fruchtfelder, zuweilen ein wenig junger Wald. Der Ort ſelber iſt eine einzige lange, meiſt gradelaufende Straſſe, mit Haͤu - ſern auf beiden Seiten. Linker Hand liegt das Schlos mit den herrlichen Gaͤrten des Prinzen von Conde, und dies ſind auch hier die einzigen Merkwuͤrdigkeiten. Der Ort iſt uͤbrigens wegen dieſer Hofhaltung und der Nach - barſchaft von Paris wohlhabender, als die andern fran - zoͤſiſchen Doͤrfer, hat eine ungemein anmuthige Lage, und wegen der vielen Fremden eine Menge Wirthshaͤuſer. Ich logirte à l’Ecu de France bei der Kirche. Ich eilte ſogleich,

Le Jardin du Prince de Condé zu beſehen. Bis - her hatt ich auſſer den unterirrdiſchen Alleen in den Champs Eliſées, auſſer den Kaſcaden in St. Clou, und auſſer den vielen herrlichen Statuͤen im Park zu Ver - ſailles nichts in Gaͤrten geſehen, das mich ſehr uͤberraſcht haͤtte, aber hier, ich muß es geſtehen, ſind dieZ 3Gaͤrten358Gaͤrten lieblicher, angenehmer, als ich ſie irgend wo geſe - hen habe: von einem unuͤberſehbaren Umfange unendli - cher Mannichfaltigkeit, und gar vortreflicher Anlage. Le Notre, der ſo viele in Frankreich angelegt hat, hat hier, glaub ich, ſein Meiſterſtuͤck gemacht. Sie gehen ums neue, ums kleine, und ums alte oder groſ - ſe Schlos herum, und ſind uͤberall mit den herrlichſten Blumen geziert. Mit Wonne ſah ich uͤber die bunten Teppiche zwiſchen den gruͤnen Fluren, und dem cryſtall - hellen Waſſer hin: denn das iſt einer von den Vorzuͤgen des Gartens, daß er ungemein viel Waſſer hat. Es fließt ein eigner kleiner Fluß La Nonnette darin. Das kleine Schlos iſt ganz mit Waſſer umfloſſen, und hat et - liche gewoͤlbte Bruͤcken, ſo daß es wie eine kleine Feſtung ausſieht. Ueberall ſind Baſſins, Fontainen, Jets d’eau, Waſſergoͤtter, ſpeiende Thiere, und andre Erfindungen angebracht. Die Sonne ſpiegelt ſich allerwegen. Schnee - weiſſe Schwane ſchwimmen uͤberall. Kleine, ſchoͤne, leichte Fahrzeuge mit bunten Flaggen liegen aller Orten. Man hoͤrt uͤberall das Plaͤtſchern des fallenden Waſſers. Einige Baſſins ſind ſchief hinab mit Steinen beſetzt, an denen ſtoͤßt das Waſſer vom Wind getrieben, beſtaͤndig an; man hoͤrt von weitem das Schlagen. Alles ſieht ſo friſch, ſo lebhaft aus. Ueber das viele Waſſer ſind eine Menge Bruͤcken mit Tempeln, und andern Haͤuschen von gruͤnangeſtrichenem Lattenwerke, ſo wie das Colliſee auſſen gebaut iſt, mit unendlich vielem Laub - werk und der kuͤnſtlichſten Arbeit angebracht; oft liegen 2. 3. perſpektiviſch hinter einander, und in der Mitte iſt wieder ein breiter Jet d’eau. Ein ſolches gruͤnes Git - terhaus iſt ganz mit Waſſer, das uͤber Terraſſen herab - faͤllt, umgeben, einen ſchmalen ganz mit Blumen beſetz -ten359ten Weg, der dazu fuͤhrt, ausgenommen. Wie ange - nehm, wie begeiſternd, wie empfindſam! das laͤßt ſich nicht beſchreiben. Der Garten hat heitre und dunkle Gaͤnge, Berge und Thaͤler, aber die laufen alle ſo angenehm untereinander, und bis zu den Alleen im Walde hinaus, daß mans nicht merkt, wenn mans nicht von einer Hoͤhe uͤberſieht. Es ſtehen auch hier und da Statuͤen, die aber nicht beſonders ſind. Ich traf den Jungen an, der ſie mit weiſſer Farbe wieder anſtrich. Menſchenkoͤpfe mit Loͤwentatzen und Schwaͤnzen kommen auch noch vor ꝛc.

Die Schwane konnt ich nicht genug anſehen. Es iſt faſt gar nichts am Koͤrper, wenn die Fluͤgel in die Hoͤhe ſtehen. Sie ſtrecken die Fuͤſſe, an denen die Schwimmhaut ſehr breit, und ganz ſchwarz iſt, hinter ſich, und ſtoſſen ſich nur zuweilen damit fort. Ihre Wachshaut iſt ſchwarz, der Schnabel iſt roth. An den Jungen, die auch ſchon untertauchten, und ſich umſtuͤrz - ten, war der Schnabel ganz ſchwarz. Man ſollte die Zeit bemerken, und die Umſtaͤnde, unter denen ſich das Rothe zeigt. Sie waren auch ganz grau, da hingegen die Alten weis ſind. Am Bauch und unterm Halſe wa - ren auch ſchon die Jungen weis. Wenn ihnen etwas am Schnabel haͤngt, ſo ſtreichen ſie’s an den Ruͤckenfedern der Alten ab. Das Maͤnnchen iſt viel groͤſſer, als das Weibchen. Ihre Federn, die vielleicht noch leichter ſind, als die Federn aller andern Voͤgel, lagen im ganzen Garten herum. Das Thier hat die Geſellſchaft der Menſchen gern. Sie kommen gleich, ſtellen ſich hin, und werden vertraulich. D. Luther hatte ja immer ei - nen bei ſich. Drauf nahm ich auch

Z 4La360

La Statue equeſtre du Connet. de Montmo - renci in Augenſchein. Sie ſteht auf der groſſen Terraſ - ſe vor dem Schloſſe, wo die Avenue von Paris iſt. Der Connetable ſitzt zu Pferde, und haͤlt den bloſſen De - gen in der rechten Hand. Der linke Vorderfuß des Pfer - des tritt auf einen Helm. Der Schwanz des Pferdes iſt kindiſch, gekraͤuſelt, falſch, unnatuͤrlich. Sonſt iſt das Pferd herrlich und des Connetable aufgehobene rech - te Hand auch. Das Fußgeſtelle iſt ſehr hoch und mit ſeinem Wappen und Inſchriften verziert. Sie ſteht ſchoͤner, als alle in Paris, Louis XV. ſeine ausge - nommen. Der Platz iſt hoch, breit, und es ſtehen Ka - nonen auf Lavetten herum ꝛc.

Bemerkungen.

Es kam mir ganz fremd vor, daß einen die Leute hier gruͤſſen, wenn man vorbei geht. Koͤmmt man von Paris, ſo weis man nicht, was das ſeyn ſoll.

Die Haͤuſer ſind hier ſchlecht. Es ſcheint, man bekuͤmmere ſich in Frankreich nur um die Hauptſtadt und die groſſen Staͤdte. Die Hausthuͤre iſt zugleich die Kuͤchenthuͤre. Einen Heerd findet man gar nicht, alles wird im Kamin uͤber der Flamme gekocht. Ihr Holz iſt Wellenholz,*)Es iſt klein, und das Hundert koſtet 4. Francs. das ſchleppen ſie die elendeſten Treppen auf den Boden hinauf. Die Zimmer mit 2. 3. Betten ſind gut, aber die mit Einem ſind ſchmale elende Winkel. Ich habe mein Fenſter aushaͤngen muͤſſen, da - mit ich dies ſchreiben konnte.

Aber361

Aber ehrlicher ſind hier die Leute, als in Paris, weit gefaͤlliger, nicht ſo betruͤgeriſch: den Taback, den ich in Paris kaufte, hatte der Spitzbube von Kaufmann alle - mahl ſo genetzt, daß ich ihn erſt trocknen muſte; fuͤr ihn wog er aber deſto ſchwerer. Hier bekam ich den naͤmli - chen um den naͤmlichen Preis, aber trocken, wie bei uns, auch weit mehr ꝛc.

Den 11ten Jul.

Le Cabinet de l’Hiſt. nat. du Prince de Con - , ward heute von mir beſehen. Hr. Delor, der alte, ehrliche Mann, der ſich in Paris meiner ſo freundſchaft - lich annahm, hatte mir einen Brief an Hr. de Bomare mitgegeben, der hier beim Prinzen gemeiniglich den Som - mer zubringt, Aufſeher ſeines Kabinets und zugleich Leh - rer der Naturkunde ſeiner Kinder iſt. Ich fand den Mann ſo, wie man mir ihn in Paris beſchrieben hatte, und wie mich ſeine zuſammengeſtoppelten Schriften ver - muthen lieſſen. Das Kabinet ſteht auf der Seite des groſſen Schloſſes, gleich neben der groſſen Gallerie, und nimmt 4. kleine Zimmer ein. Das Erſte enthaͤlt die phyſiſchen und mathematiſchen Inſtrumente. Alles iſt in Glasſchraͤnken mit Zetteln recht wohl verwahrt. Die Ordnung iſt die Bomariſche, wenigſtens in der Mi - neralogie. Das Pflanzenreich liegt meiſt in den untern Lagen der Schraͤnke. Da ſtehen Wurzeln, Blaͤtter, Bluͤthen, Fruͤchte ꝛc. in Glaͤſern; Inſekten ſind neben den Fenſtern an den ſchmalen Flaͤchen hinauf in glaͤſer - nen Kaͤſtchen angebracht, und ſind viel ſchoͤner, als im Koͤnigl. Kabinet in Paris. Ueberhaupt aber ſcheint’s, daß man nur die Zimmer hat anfuͤllen, und die Scene gros machen wollen; denn es ſind unendlich viel Dublet -Z 5ten362ten da. Der Ort der Naturalien fehlt auch gar zu oft, iſt oft unbeſtimmt, Z. B. d’Allemagne. Ich war heute drittehalb Stunden darin. Hr. de Bomare ſetzte ſich hin und arbeitete. Indes ging ichs durch und fand heute folgende Merkwuͤrdigkeiten: 1) Amethyſte co - lombine, in der That, ein groſſes Stuͤck und ſo breit, wie eine kleine Saͤule; aus Siberien, aber nur blaß - roth. 2) Amethyſte blanche et violette aus Chi - na, ein ſehr ſeltnes Stuͤck. 3) Rubis dur, moitié Topaſe. Die innre Flaͤche war gelb. Aus Bisna - gar in Oſtindien wie Bomare ſagte. 4) Mi - ne d’Hyacinthes, ein groſſes Stuͤck, ganz voll Hya - cinthen. 5) Emeraudes in Quarz. Man weis, daß die Muͤtter der Edelgeſteine ſehr ſelten ſind. 6) De - mi-Diamant de Breſil, 123. Karat, 1. Gran ſchwer. So nante Bomare einen glaͤnzenden, weiſſen, durch - ſichtigen, feſten Stein, der nur nicht voͤllig die Haͤrte des Diamants hat. Die Groͤſſe war erſtaunend. Ein an - drer wog gar 263. Karat, 1. Gran. 7) Ein Modell von dem groſſen Diamanten des Koͤnigs, aus ei - nem ſehr ſchoͤnen Felskryſtall. Die Groͤſſe, die Facet - ten, alles iſt daran ſehr genau nachgeahmt. Der Ein - fall war gut,, weil man doch den groſſen Diamant ſelten zu ſehen bekoͤmmt. Er befindet ſich in der Hauskrone zu Verſailles. Nach dieſem Muſter iſt er mehr, als 2. Finger breit, wie eine recht groſſe welſche Nuß. Um dieſes Modell herum lagen auch aͤhnliche Modelle von den Diamanten, die ſich im Hl. Geiſtorden des Prinzen befinden. Einige waren halb ſo gros. 8) Felskryſtalle mit Silber, in Vegetation. 9) Hyacinthen und Granaten in Einer Mutter von Amethyſten. 10) Cail - lou de Roche, contenant de l’Asbeſte, man ſahoben363oben viele irregulaͤr unter einander liegende Faͤden. Obs Asbeſt war? 11) Opales, brutes, des Indes, 2. groſ - ſe Stuͤcke; polies am Fenſter gegenuͤber; auch 2. wel - che die Prinzeſſin von Monaco daher geſchenkt hat. O Gott! welch eine Schoͤnheit im Steine! 12) Onyx de Danemarc; waren nach meinem Urtheil groſſe Stuͤcke von Kaſchelon. 13) Sauſtein mit Abdruͤcken von Inſekten aus Billingen in Weſtgothland; Ich konnte die Figuren nicht dafuͤr erkennen, und rief Bo - mare dazu, er verſicherte aber, daß es nach ſeinen Un - terſuchungen mit dem Microſcop ganz gewis Coleopte - ra waͤren. 14) Sel gemme, rouge, aus Aethio - pien und Spanien. Da war mir nur der Ort noch unbekannt. 15) Pierre d’Iris, ein Stein, der bei den Edelgeſteinen lag, Regenbogenfarben ſpielt, breit, duͤn - ne. 16) Amiant auf Felskryſtallen. Wie die Natur die Mineralien miſcht! Die trennbarſten Koͤrper ſchaft ſie auf den haͤrteſten. 17) Limonium Erina - ceum Creticum. Eine Pflanze, die ich wohl in mei - nem Leben ſchwerlich wieder ſehen werde. Hr. Beau - me, Konſul in Kandia, fand ſie auf dem Berge Ida den 20. Jul. 1730. Sie war eine Spanne lang nach allen Dimenſionen, und rund. Sie lag in einer Glas - ſchuͤſſel. Man ſah nichts als an beiden Seiten zuge - ſpitzte, blaßgelbe, halbzolllange, Theile, die auf der gan - zen Flaͤche unter einander lagen. 18) Eine Gruppe von der Inſel Elba. Da waren 12eckigte Markaſite, Felskryſtall, Eiſen, kryſtalliſirtes Eiſen, mehr oder we - niger durchſcheinend, alles beiſammen. Verdiente nicht dieſe kleine Inſel einen eignen Beſuch von 3. Naturfor - ſchern, wovon jeder ein Reich der Natur fuͤr ſich naͤhme? Welche Schaͤtze! Welche Kabinette wuͤrden dieſe mit -bringen!364bringen! Ich hab einen gebrechlichen Koͤrper, aber gebt mir Geld und noch einen botaniſchen Freund, voll Leben und Geiſt, morgen will ich hin. So denk ich allemahl, wenn ich Sachen von dieſer Inſel ſehe. 19) Markaſit auf einer Schiefertafel; die Platte war ganz duͤnn damit uͤberzogen. Sloane hatte ſie dem Prinzen geſchenkt. 20) Aſtroite agatiſée, groſſe und kleine Stuͤcke, weis wie Chalcedonier, waren herr - lich, voller Abdruͤcke von Aſtroiten. 21) Ambre jau - ne contenant un poiſſon. Ah! j’ouvrois des grands yeux; das Stuͤck war faſt einen kleinen Finger lang. Der Fiſch ſchien mir ein junger Karpen zu ſeyn; Er liegt ganz darin, man ſiehts ihm an, wie er, um - floſſen von der Materie, ſich losarbeiten wollte und ago - niſirte. Er ſperrt das Maul auf und der Schwanz iſt in die Hoͤhe geſchlagen. Die Ortsangabe fehlte. 22) Tabatiere de Cornaline, ſo heiſſen hier unſre Carniole du grand Condé Ein Familienſtuͤck, aber auch ein wichtiges Naturale wegen ſeiner Groͤſſe. Sie hat die Form einer Flaſche, oben mit einem Zaͤpf - chen im Halſe, und mit einem dicken Bauche. 23) Aga - the oeillée, kleine, rundlichte Stuͤcke mit Ringen und ſchwarzen Punkten darin. 24) Pierre fuſiliere, qui repreſente un Mouton. Der Hammel iſt ganz natuͤrlich in Migniatur darin zu ſehen. Bomare wunderte ſich nicht, wie ich zweifelte, ob die Zeichnung natuͤrlich ſei. Er ſagte aber, daß er den Stein in einem Pokal gefunden, und alles angewendet habe, zu entde - cken, ob er gekuͤnſtelt ſei aber vergebens. 25) Tran - che du Bois flotté, gelb mit ſchwarzen irregulaͤren Zeichnungen qui porte le même deſſein par toute ſa longeur; das duͤnkt mir, iſt fuͤr die Phy -ſiologie365ſiologie der Pflanzen eine ſchwere Aufgabe. 26) Ba - ſalte de Volcan. Hr. Sage hatte mir behauptet, man faͤnde nie Baſalt bei Vulcanen!! 27) Soufre na - tif ſur ſpath calcaire triangulaire, aus Spanien. Bomare verſicherte, daß das Stuͤck 30. Louisd’or ko - ſtete. 28) Groſſe Stuͤcke aus Soufre fondu, aus Italien. Man hatte aber allerlei darein geſchnitzt. 29) Ein artiges Arangement, Bluͤten und Saamen ſichtbar zu machen, fand ich zwiſchen 2. Zimmern an bei - den Seiten. Dieſe Flaͤchen waren ganz mit kleinen glaͤ - ſernen Kaͤſtchen beſetzt, wie man ſie zu den Inſekten hat. In dieſen waren auf weiſſem Papier die Bluͤten aufge - klebt, und auſſen der Name angeſchrieben. Um die Samen anzubringen, waren dieſe Kaͤſtchen wieder in an - dre kleinere abgetheilt, und darin lag der Same. Schoͤn, aber muͤhſam, auch waren nur wenige da. 30) Our - ſins avec des pointes, einige maͤchtig gros, einige violet. Bomare verſicherte, alles ſei natuͤrlich. 31) Zwei Priapoliten; es iſt wahr, die Aehnlichkeit war ſehr gros. 32) Molaire d’Elefant foſſile, das mag ſeyn, aber Ivoire foſſile lag darneben, das ſah ich fuͤr gutes terrificirtes Holz an, und es ſah auch gar nicht ſo aus, wie das, welches ich bei D’Aubenton im Koͤnigl. Kabinet ſah. 33) Pinne marine mit Seide. Die Groͤſſe an einer frappirte mich, ſie war wahrhaftig uͤber eine Spanne lang. 34) Chame Chinoiſe und l’Ecriture arabique. 35) Lithophyton aus Spitz - bergen. Ich ſeh es an, mich friert. Ein ſchwar - zes Baͤumchen mit kleinen Haͤrchen. Auch ein violet - tes. Beide Farben ſind ſelten. 36) Auſtern, wo in jeder Haͤlfte ein Haufen Perlen ſaß, ſo gros wie eine Kindshand von 6. bis 8. Jahren. 37) Priape deNeptune,366Neptune, ein ſonderbarer Koͤrper, eine halbe Elle lang, graubraun, flockhaaricht ꝛc. 38) L’Oreille de mer, allongé, ſchmal, als wenn ſie zuſammengedruckt waͤren, auch mit Perlen darin. 39) Cornua am - mon. mineraliſata, daß man ſie ſaͤgen und poliren konnte. Eins mit 7. Circumvolutionen, und dazwi - ſchen Spat albatré, aus Lothringen. 40) La Sau - terelle Baton des Antilles. Der duͤnne Koͤrper iſt faſt eine Spanne lang; 2. Fuͤſſe ſitzen vorne, und weit hinter dieſen, faſt in der Mitte, ſind noch 2. paar nahe bei einander. 41) La grande Blatte. Vermuthlich der Tarokan, den ich im Koͤnigl. Kabinet vergeblich ſuch - te. Die Fluͤgel ſind ganz weis und durchſichtig. 42) Rothe Perlen aus der Pinna marina. laͤnglicht, dunkel, fuchsroth. 43) Betzoare, faſt von allen Thie - ren, auch aus Affen, Elefanten, Rhinocer. ꝛc. In ei - nem war der Kern ein Kieſel. 44) Ein Stein aus dem Ductu ſalivali eines Pferdes, weis, hatte faſt die Figur und voͤllig die Groͤſſe einer Mandel in der Schale. Der Kern war das Oberhaͤutchen eines Haberkorns. 45) Scarabécs Tortues, hatten einen braunen Grund mit gelbrothen Tuͤpfelchen. 46) Bouche de Carmin, eine Schnecke mit einem rothen Labio. 47) Admi - raͤle; La Scalata, die wahre, von einer auſſerordentli - chen Groͤſſe, mit 4 - $$\frac{5}{2}$$ . Windungen. Sie hatte in Hol - land, wie Bomare verſicherte, 1000. Ecus gekoſtet. 48) Ein weiſſer Hammer, auch der gewoͤhnliche brau - ne; aber erſter hatte 70. Louisd’or gekoſtet. 49) Fa - non de Baleine; ſo hieß eine von den Laminis cor - neis ex ore Balaenarum, war klein, ſah dunkel aus, und war ſonderlich vorne ſtark mit lichtgelben Haaren be - ſetzt. 50) Petite Nageoire de la vraie Baleineund367und 51) Cote d’une Baleine foſſile hingen da - bei; die Rippe war halb verſteinert, wie Bomare ſagte. Der Ort fehlte. Die, ſo ich in Goͤttingen ſah, war groͤſſer und dicker. Aus dem Kabinet ging ich und be - ſuchte

Les Bosquets du Jardin. Man kan ſich keine angenehmere Spaziergaͤnge wuͤnſchen. Es iſt ein Stuͤck Wald, das mit graden und Seitenalleen durchſchnitten iſt. Man hat uͤberall Waſſer um ſich, man findet hier und da Statuͤen, die aber zerfallen. In einigen Grot - ten unter den Treppen hat man die Stalaktiten, die das Waſſer bildet, nachgemacht. Es iſt auch eine Mena - gerie da, aber es werden keine Thiere unterhalten, ein Baͤr war da, der hat ſich abgefuͤhrt, jetzt lebten nur noch ein Paar Affen ꝛc. Ich fand viele Inſekten auf den Baͤumen, ſonderlich Spinnen und Kaͤfer, und waͤ - ren ſie nicht ſo muͤhſam auf Reiſen fortzubringen; ich wuͤrde hier viel haben ſammeln koͤnnen. Auf der Waſ - ſerſeite fand ich auch drei verſchiedene Arten von Schne - cken auf den Baͤumen am Laube ſitzen, aber die dritte Art war ſo klein, und ſo zerbrechlich, daß die Schale zerbrach, wie ich das Thier heraus haben wollte. In den Waſ - ſern ums Schlos herum, ſah ich Fiſche, Karpen oder Barben ꝛc. die ganz vortreflich marmorirt waren.

Les Appartemens du Prince. Er war auf der Jagd, da konte man ſie ſehen. In ſeinem Kabinet la - gen Buͤcher, Muſikalien, Papiere ꝛc. Der Staat iſt uͤberhaupt nicht gar gros, es ſieht alles mehr laͤndlich, und natuͤrlich aus. Das ſchoͤnſte ſind die Gemaͤlde in der Gallerie, welche die Thaten des groſſen Conde unter Louis XIV. im vorigen Jahrhunderte in Flandern undDeutſch -368Deutſchland vorſtellen. Ganze Bataillen, entſetzte und belagerte Staͤdte, das Schlachtgewuͤhl, alles iſt da abgemahlt. Ach! ſie pralen mit Deutſchlands Un - tergang, mit den Ruinen Philippsburgs! Von Corneille hing ein groſſes Gemaͤlde da, das allegoriſch iſt, und Hr. Bomare mir erklaͤrte. Conde hatte nach ſo vielen herrlichen Unternehmungen das Ungluͤck, dem Premierminiſter von Louis XIV. zu misfallen. Der Miniſter vermochte alles uͤber den Koͤnig. Man nahm dem Prinzen das Kommando, und verwies ihn nach Vincennes. Conde bot ſeinen tapfern Arm den Spaniern an, da merkte man am Hofe den Fehler. Auf dieſem Gemaͤlde ſteht Conde mit ausgeſtrecktem Arm im Kriegskleide, und tritt einen fliegenden in einander geſchlungenen Zettel, worauf alle ſeine fuͤr Frankreich gelungene Thaten ſtehen, mit Fuͤſſen. Weil aber die Koͤnige zuweilen hierher kommen, und das nicht gern ſe - hen; ſo lies man auf der rechten Seite des Prinzen oben den Genius von Frankreich malen, mit einem Zettel in der Hand, worauf ſteht: Quantum poenituit! Al - lein Conde’s Anhaͤnger wollten das den Koͤniglichgeſinn - ten nicht zugeben. Man mahlte alſo linker Hand einen andern Genius, der gegen jenen hinſieht und einen Zettel mit dem Worte: Sileat! haͤlt. Rechter Hand unter dem Genius von Frankreich ſitzt die Geſchichte als ein Frauenzimmer, und reißt ein Stuͤck aus der Lebensge - ſchichte des Prinzen heraus. Dem gegenuͤber hat man in den Zettel von ſeinen Siegen eine Trompete gemahlt, aber gebogen und gebrochen ꝛc. Wenn der Koͤnig koͤmmt, geht er ſchnell durch dieſe Gallerie durch, und uͤber dieſes Gemaͤlde wird eine Gardine gezogen.

In369

In dieſer Gallerie ſteht auch eine Chaiſe percée, deren ſich der Kardinal Mazarin bediente. Sie iſt koſt - barer, als der koſtbarſte Stuhl manches kleinen Fuͤrſten. Der Mann mag ganz gut darauf geſeſſen haben. Und das herrlich gemahlte Buch, das einen betruͤgt, wie die Trauben des griechiſchen Malers die Voͤgel. Auch fin - det man Barometer hier, wie eine Uhr, wo der Zeiger das Steigen und Fallen ausdruͤckt, das Thermometer iſt oben.

Les Appartemens de Mesdames les Prin - ceſſes. Ach, die waren delicieus! der feinſte, der herlichſte Geſchmack herſchte hier in Allem. Ihre Ma - lereien, ihre Muſikalien, ihre Buͤcher lagen da. Ich fand, daß eine im 4ten Bande der franzoͤſiſchen Ueberſe - tzung der Engliſchen Geſchichte von Hume las. Ein Cabinet de Vue haben ſie, uͤber den Garten, uͤber das Waſſer hin, man kan ſich nichts ſchoͤners wuͤnſchen.

Les Appartemens du Roi et de la Reine ſind oben, ſehr ſimpel, aber eben wegen der angenehmen Aus - ſicht uͤber die vielen Jets d’eau unvergleichlich. Darin haͤngt ein koſibares Bild von Louis XV. in ſeiner Ju - gend. Er kam oft hierher. Louis XVI. war nach der Vermaͤhlung auch einmahl da. Im Kabinet des Koͤnigs ſteht ein Buͤffet von lauter franzoͤſiſchen Achat - ſtuͤcken in Hoͤlzern aus Indien und Amerika eingefaßt, mit kleinen Nebenſaͤulen von Jaſpe fleuri. Es iſt eine Chambre de Conſeils da, auch eine Chambre de Glaces. Der Anblick der Jets d’eau hoͤrt auch im Winter nicht auf. Nur 1768. wo ich nicht irre, wie es ſo erſtaunlich kalt war, froren ſie zu, aber doch ſah man noch immer einige Tropfen herausfahren, es ſties doch noch ꝛc.

A aLa370

La Chapelle, gleich darneben. Sehr hoch oben ſind die Schemel zum Knien hinter einer Grille, die bis an die Bruſt reicht. Man ſieht hoch hinab auf den ſtark vergoldeten hohen Altar, wo ein einziges Gemaͤlde an der Seite iſt.

La Statue du grand Condé. Sie ſteht in ei - ner Niſche auf der groſſen Haupttreppe des Schloſſes. Coyzevox hat ſie zu ſeiner Ehre verfertigt. Der Prinz ſteht in Roͤmiſcher Kleidung da, mit dem Kommando - ſtab in der Hand. Sie gefiel mir ſo gut als die von Louis XIV. in der Verſailler Orangerie.

Nun ſtellt ich mich hin und wartete, um Mad. la Princ. und Mad. la Duch. de Bourbon ſpazieren fah - ren zu ſehen. Die Voituren hatten 2. Sitze und 2. Por - tieren. Die Herrſchaften ſaſſen vorne, und die Bedien - ten ihnen vor dem Geſicht. Man fuhr nur mit 4. Pfer - den. Dann ſah ich noch den groſſen Saal, wo 2. Billards ſtanden, und hierauf

La Sale de Muſique. Er iſt zur Muſik zu klein, hat aber einen herrlichen von ſchwarzen und weiſſem Mar - mor eingelegten Fußboden.

Den 12ten Jul.

Nahm ich

La Machine de l’eau in Augenſchein. Unten am Ende des Dorfs ſteht ein eignes Haus zu dieſen Ma - ſchinen. Ein groſſes Schaufelrad treibt ein anders, die - ſes hebt das Waſſer in 2. Pumpen, dieſe kommuniciren mit einem Conduit; in dieſem ſteigt das Waſſer 70. Schuh hoch hinauf, oben ergießt es ſich in einen Kanal,und371und faͤllt aus dieſem durch einen andern Conduit an der hintern Ecke des Hauſes wieder herab. Von da geht es nach den groſſen und kleinen Kaſkaden, nach den Mar - ſtaͤllen, nach dem Hundeſtalle ꝛc. Es iſt ein recht gutes Quellwaſſer. In Zeit von 24. Stunden liefert dieſe Maſchine 8800. Muids.

La Manufacture de Fayence liegt nahe dabei, bedeutet aber nicht viel. Man nennts auch Porzellaͤn, es iſt leichter und durchſichtiger, als das von Seve. Ich beſah die Niederlage. Sie iſt klein, man ſieht keine an - dre Sachen, als Kaffee - und Theezeug, und Teller, und keine andre Farben als ein ſchlechtes Blau auf einer ſau - bern weiſſen Glaſur.

Le Cabinet de l’Hiſt. nat. du Pr. Ich fuhr heute da fort, wo ich geſtern aufgehoͤrt hatte, und fand folgende vorzuͤgliche Stuͤcke: (ſ. S. 367.) 52) Porte-lanter - ne, das Maͤnnchen hat eine laͤngere, das Weibchen eine breitere Laterne. Man ſieht ſie ſelten beiſammen. 53) Feuille ambulante, iſt in der That ganz gruͤn mit weiſſen Flecken. Wenn man den Kopf nicht ſieht, ſollte man dieſes Inſekt wohl fuͤr ein Blatt halten. 54) Ser - pent de Surinam, ſtand ausgeſtopft da; war koſtbar, roth, gelb, mit ſchwarzen Einfaſſungen der Schuppen. Man konnte ſie nicht genug betrachten. 55) Phoca du Cap de b. E. So nennt Bomare ein Thier, das in Ewigkeit keine Phoca ſeyn kan. Ich ſprach mit ihm daruͤber. Er ſchlug ſeine Beſchreibung im Diktionair auf, aber dieſe iſt auch nicht genau. Dieſes Thier muß eine eigne Species, vielleicht ein eignes Genus ausma - chen. Es iſt graubraͤunlicht, hat viele Myſtaces, iſt etwa 2. kurze Ellen lang, hat keine dentes exſertos,A a 2aber372aber viele kleine, ſchoͤn weiſſe, ſehr ſcharfe Zaͤhne; von Oh - ren ſieht man gar nichts, ſie muͤſſen unter den Haaren ſeyn. Die Vorderfuͤſſe ſtehen weit hinter der Bruſt, und die hintern ſind nicht mit einander verbunden, ſondern abgeſondert, und jeder iſt fuͤr ſich wie eine Fiſchfloſſe ge - bildet. Zwiſchen beiden iſt ein kleines Schwaͤnzchen, das in die Hoͤhe ſteht. Iſts nun Phoca? Iſts Tri - chechus? 56) Patte de Manati. Man kan nicht genau ſehen, obs 4. oder 5. Zehen ſind. 57) Grande Truite de Geneve, breit, und ſehr lang, aber die Farben waren alle verſchoſſen. 58) Eguillon, ein Fiſch aus dem Laurentſtrom. Die beiden Kinnbacken ſind ſehr verlaͤngert, ſehr ſchmal, haben zweierlei Arten Zaͤh - ne, groͤſſere und kleine, die alternantes ſind. 59) Le Pierre de Cayenne. So heiſt hier ein Vogel, den ich gleich, wie ich ihn anſah, zwiſchen die Trappe und den Caſuar in die Mitte hinein dachte. Er iſt kleiner, als der Caſuar, ganz ſchwarz, aber Fuͤſſe und Zehen oder Finger ſind ſo, wie an der Trappe, und auf dem Kopf hat er ein Horn, eben ſo geſtaltet, wie der Caſuar, nur fand ich beim Angreifen, daß es nicht hohl iſt, wie das Horn des Caſuars, ſondern ganz ſolid, ſchwer und feſt, daher ruͤhrt, wie Bomare ſagt, der Name, als wenn der Vogel einen Stein auf dem Kopfe haͤtte. 60) La Poule de ſoye, Huͤner mit ganz weiſſen feinen Federn. 61) Faiſan de France, ſchwarzbraun. Den grau - weiſſen und ſchwarzen nennen ſie Faiſan de Tartarie. 62) Albatros in der Groͤſſe einer Trappe, Schna - bel und Koͤrper weis, (ſonſt hat bei den Voͤgeln der Schnabel ſelten die Farbe des Koͤrpers;) die Fluͤgel ſind gros und ſchwarz; der Kopf iſt dick; die Fuͤſſe haben hinten hinaus einen Sporn. 63) Straus aus Ame -rika,373rika, oder Jabiru; hat einen langen, ſchwarzen, meſ - ſerfoͤrmigen Schnabel, einen ſchwarzen Hals, rothe Bruſt, weiſſen Leib, hohe ſchwarze Fuͤſſe. 64) Ein Menſchen-Kopf aus Wachs. (ſ. unter der Rubrik: Cab. d’Anat. artif. in Paris.) 65) Ein Renn - thier. Dieſes Thier, dadurch Gott eine ganze Nation erhaͤlt, ſah ich mit groſſem Vergnuͤgen. Der Koͤnig von Schweden hatte ein Paar in die Menagerie ge - ſchenkt, ſie lebten aber nicht lange. Das Maͤnnchen, davon das Skelet da war, hat auch 7. Halswirbel, wie uͤberall. Die Hinterfuͤſſe ſind viel laͤnger als die vordern. Hat 2. Hoͤrner vor - und 2. hinterwaͤrts, ſie ſind aber ſchmal und nicht ſehr platt am Ende. (ſ. no. 69.) Das Weibchen, ſtand ausgeſtopft da; es hat weiſſe borſtige Haare, die klumpenweiſe an einander ſitzen. 66) Stink - thier, Viverra Ichn. Aguti. 67) Zwei Kaͤlber, ſo an einander gewachſen, daß ſie nur einen ge - meinſchaftlichen Hintern, und nur 4. Fuͤſſe haben. 68) Cerf de Ganges, nicht ſo hoch, wie unſre, langgeſtreckt, lange Hoͤrner ohne Zinken, am Ende des einen war doch einer. 69) Daim blanc, aus dem Walde bei Chantilly, mit ſehr platten, ſchauflichten Hoͤrnern. 70) Tamandua aus Braſilien. Vom Muſeau bis zu den Augen iſts wenigſtens eine Spanne; am Ende des Schwanzes ſitzt ein ſehr groſſer Flock von Haaren. Im Koͤnigl. Kabinet hab ich das, glaub ich, nicht ſo ge - funden. 71) Ein Charanſon, von der Inſel Cele - bes, den Bomare ſeiner Schoͤnheit wegen beſtaͤndig ein - geſchloſſen hat. Wenn nicht zuviel Sonnenlicht drauf faͤllt; ſo kan man die feine Arbeit der Natur, das Gold, das Schwarze, das Gruͤne daran nicht genug bewundern. 72) Les Guepieres de Cayenne, groſſe breite NeſterA a 3mit374mit vielen Abtheilungen: und Alveoles des fourmis de viſite, ſchwarzbraune, hohle Koͤrper mit Knoten, vermuthlich hohl, laͤnglicht. 73) Petit Hippopota - me. Etwa ſo lang wie ein junger Wolf, breiter Kopf, die Farbe iſt uͤberall voͤllig gleich, naͤmlich die Haut iſt lederartig, und hat eine ſchmutzige ſchwarzbraune Farbe, der Schwanz iſt Fingerslang. 74) Maxillae Hip - popot. ſeparatae. 1) Infer. hat 8. Molares auf jeder Seite, 2. Inciſ. erectos, 2. laniarios, die halb - zirkelfoͤrmig heraufgebogen ſind. 2) Super. 8. mola - res auf jeder Seite, 4. herabſtehende Inciſores, ein kurzer, abwaͤrtsſtehender Caninus auf jeder Seite. 75) Vertebre de Baleine. Kein Mann kan ſie uͤber - ſpannen. 76) Viele von den groſſen molukkiſchen Krebſen, (ſ. davon den Naturforſcher.) 77) Saͤ - gefiſch, ganz vollſtaͤndig. Ueber dem Ruͤcken koͤnn - ten 2. Mann gemaͤchlich ſtehen. 78) Haut und Hoͤr - ner vom Condoma, vom Vorg. d. g. H. ſchoͤ - ner noch, als die, ſo ich in Paris zu St. Sulpice ſah.

Le Cabinet de Phyſique, Mathem. Anti - quité etc. Das alles, nebſt Muͤnzen, Bronzen ꝛc. ſteht in dem letzten Zimmer, alles untereinander. Mir gefiel beſonders: 1) Eine ſimple Maſchine, ſich zu waͤgen, aus Stahl. Sie beſteht aus 2. aufrecht ſtehen - den graden Stangen; zwiſchen denſelben ſtellt man ſich auf eine Platte von Meſſing: oben iſt ein Kreis mit einem Zeiger beſindlich, und hinten noch einiger Mecha - nismus. Sobald man darauf tritt, faͤhrt der Zeiger herum, und ſtellt ſich dahin, wo die Zahl des wahren Gewichts iſt. In dem Augenblick, da man an die Stangen faßt, weis man es ſchon. Man kan den Zei -ger375ger richten, daß er auf die kleinſten Kreiſe geht. Eine noch ſchoͤnre Sache aber iſt, daß ſo lange man drauf ſteht, der Zeiger beſtaͤndig ſchlaͤgt, und dieſe Schlaͤge correſpon - diren ziemlich genau mit den Pulsſchlaͤgen deſſen, der ſich waͤgt. Der andre darf ihm nur an den Puls greifen, ſo merkt er’s. Es hat ſie vor etlichen Jahren jemand aus der Normandie gefunden, und dem Koͤnige praͤſen - tirt. Der Prinz von Conde war eben beim Koͤnige und beſtellte ſich auch eine. Ich wog 120. Pfund, alſo weniger als vorm Jahr in Oberweiler um eben dieſe Zeit, wo ich 124. Pfund ſchwer war. 2) Eine goldne Medaillenſammlung von allen franzoͤſiſchen Koͤnigen, von Pharamund an bis auf Louis XV. Der Platz zu Louis XVI. iſt ſchon da, aber er kommt erſt nach dem Tode hinein. Varin, ein groſſer Medailleur unter Louis XIV. hat die beſten Abbildungen von den aͤlte - ſten Zeiten und Koͤnigen geſammelt, und von dem ſind ſie. Es ſind auch ſonſt noch viele Medaillen da. 3) Eine Boëte de Mythologie, wo auf geſchnittenen Stei - nen (einige ſchienen mir gefaͤrbtes Glas zu ſeyn,) die Goͤtter, Tempel, Opfer, Prieſter, Philoſophen, Dich - ter ꝛc. der Alten vorgeſtellt ſind. Ein Abbe hat ſie hier - her geſchenkt, und nun wundert man ſich nicht mehr, wenn man die Kreuzigung Chriſti, die Anbetung der Weiſen ꝛc. neben den Bachanalien und Lupercalien findet.

Um 1. Uhr nahm ich Abſchied von Hrn. de Bo - mare. Wir ſprachen noch von allerlei. Er wuſte noch nicht, daß Martini eine deutſche Umarbeitung ſeines Diktionairs angefangen hatte, und wunderte ſich, daß er, wie er ſagte, die Hoͤflichkeit nicht haͤtte, ihm ein Exemplar zu ſchicken, wiewohl er kein deutſches Buch le -A a 4ſen376ſen kan. Er ſchrieb mir einen Empfehlungsbrief an Hrn. Vosmaer, Inſpektor des Naturalienkabinets des Prin - zen Stadthalters im Haag, und ſchenkte mir auch ein Stuͤck von dem Puddingſtein bei Chantilly, der polirt ſehr ſchoͤn ausſieht, die einzige mineraliſche Merkwuͤrdig - keit dieſer Gegend iſt, und in einer Kalkmutter, die mit Vis und Chames angefuͤllt iſt, vorkommt. Von die - ſem Stein hatte er ein groſſes Stuͤck vor die Thuͤre des Kabinets geſtellt, und nannte es le Suiſſe pierreux. Er lies mich noch einen in Wachs gemachten Kopf und Hand von dem ungluͤcklichen Grafen Struenſee ſehen, der hier auch mit dem Koͤnige von Daͤnnemark war. Der Kuͤnſtler in Koppenhagen hatte den abgehauenen Kopf und die Hand ſo natuͤrlich, als moͤglich, nachgemacht. Die Haare am Kopf waren natuͤrlich, das geronnene Blut war unten in der Schale ungemein kuͤnſtlich nach - gemacht, und Bomare verſicherte mich, das Bild haͤtte die vollkommenſte Aehnlichkeit mit dem Ungluͤcklichen. Gott im Himmel! wie wars mir in der Seele, als ich das Haupt des bedauernswuͤrdigen Mannes vor mir lie - gen ſah! das Bild der Abwechslung menſchlicher Schick - ſale! der lebendige Beweis vom Hofwind, und von der Gefaͤhrlichkeit eines erhabenen Poſten. Ich legte ſchaudernd alles wieder in den Glaskaſten und eilte fort. On ſe voit une fois, ſagte Bomare, wie ich weg - ging. Voilà le ſort des Savans, voilà un mal - heur ſenſible, quand on fait un voyage. Er hatte in den Brief an Vosmaer geſchrieben: Vous ſerez bien content de Mr. Sander, ſi vous paſ - ſerez quelques momens avec lui. Wir wuͤrden recht gute Freunde geworden ſeyn, wenn wir uns laͤnger geſehn haͤtten. Drauf beſah ich weiter

L’Oran -377

L’Orangerie. Ein ganz herrliches Gebaͤude von Quaderſteinen aufgefuͤhrt. Die Orangerie ſtand jetzt im Garten herum. Im Hauſe waren 24. Kreuz - ſtoͤcke, jeder hatte 8. Fenſter und 8. kleine Laͤden, die im Winter mit eiſernen Klammern und Stangen wohl ver - ſchloſſen werden. Es ſind viele Oefen darin mit langen Roͤhren, die endlich zu einer Scheibe hinausgehen. Fen - ſter und Oefen ſind alle auf einer Seite. Gegenuͤber ſind viele eiſerne Ringe an der Wand, die Baͤume zu be - feſtigen. Ein anſehnlicher Vorrath von Raͤdern, Lei - tern, Walzen, Rollen, Schleifen ꝛc. kurz, alles iſt ſo wohl eingerichtet, wie in der Koͤnigl. zu Verſailles. Oben ſind Wohnungen, beſonders iſt da.

Le Cabinet d’armes. Es beſteht aus etlichen Zimmern, voll alter Kuͤraſſe, Schwerter, Helme, Jagd - flinten. Panzer, alter Flinten, von verſchiedenen Model - len, Jagdwerkzeugen der Wilden ꝛc. Beſonders waren merkwuͤrdig: a) Ein Roͤmiſcher Schild mit vielen Zeichnungen. b) Der Kuͤras und Degen vom groſ - ſen Conde. c) Der ritterliche Degen und Panzer von Heinrich dem 4ten. d) Der Degen vom Conne - table de Montmorency. e) Der Kuͤras der Pucel - le d’Orleans. Das muß ein Maͤdchen mit Nerven und Muskeln geweſen ſeyn! Schaͤmen muͤſſen wir uns Maͤnner - und Weiber, wenn wir das ſehen! Wo ſind unſre Kraͤfte! wo iſt die Natur, wenns ehmals ſolche Menſchen gab? f) Ein Modell vom Kriegsſchiffe Bourbon, das, wo ich nicht irre, in Breſt liegt. g) Ceremonienkleider; viele Edelſteine, emaillirte Steigbuͤ - gel, ein koſtbares Stuͤck. h) Die Standarte, womit die Unterthanen die Gemahlin des Duc de Bourbon eingeholt haben.

A a 5Les378

Les Ecuries du Prince. Der Prinz hat 240. Pferde und 70. Stallleute dazu, ohne die Kutſcher. Es waren meiſt Fuͤchſe und Schimmel. Der Stall gehoͤrt unter die ſchoͤnſten, die man weit und breit ſehen kan, iſt ganz gewoͤlbt, ſehr hoch, mit vielen Laternen, und an den Waͤnden mit Hirſchgeweihen geziert. In der Mitte iſt ein groſſes Gewoͤlbe mit einer Gruppe von Pferden und Hirſchen von Bildhauerarbeit, und oben daruͤber die In - ſchrift, daß Louis und Henri VII. Prinzen von Conde den Stall im Anfang dieſes Jahrhunderts bauen laſſen. Ich traf einen Stallknecht an, der einen dialogiſch ge - ſchriebenen Abregé de l’Hiſt. de France las. Die Staͤlle haben 2. praͤchtig gebaute Seiten, wo oben die kuͤhnſten Statuͤen von Pferden ſind, und inwendig die Reitſchule.

Es war auch ein eigenes Komoͤdienhaus da, ne - ben der Orangerie.

La Glaciere du Prince, oder der Eiskeller ein kleines Haͤuschen im Walde gelegen, das 40. Schuh tief in den Boden hinunter gemauret iſt.

Le Labyrinthe liegt weiter hinten. Man mach - te viel daraus; aber auſſer dem chineſiſchen Haͤuschen in der Mitte und der Statuͤe des Kindes, das zu weinen ſcheint, und mit der Hand den Weg nach der Mitte zeigt, iſt nichts beſonders daran.

Ein kleines Kabinetchen auf dem Wege nach dem Kuͤchengarten des Prinzen iſt viel ſchoͤner. Es iſt ein kleines Haͤuschen, das einen Saal hat, an denen die Waͤn - de ſo gemahlt und vergoldet ſind, daß man’s, ehe mans befuͤhlt, fuͤr hoͤlzernes Gitterwerk anſieht. An beidenEcken379Ecken des Kabinets ſind Jets d’eau, die man auch den Fremden zu Gefallen ſpringen laͤßt. So ein Kabinet - chen im Sommer, Morgens und Abends, mit guten Freun - den, iſt warlich mehr werth, als ein Platz im Staats - rathe.

Le Potager du Prince, iſt ſehr weitlaͤuftig, in viele kleine Gaͤrtchen abgetheilt, die alle mit Mauern und Thuͤren abgeſondert ſind, und immer hoͤher ſteigen. Er iſt wohlbeſetzt, ſo gut als der koͤnigliche, aber der Gaͤrtner klagte mir, daß das bisherige dreimonatliche Regenwetter ihm gar viel verdorben haͤtte.

La grande Caſcade, liegt im Walde, weit un - ten. Man ſieht eine Kleinigkeit, wenn man die beim Weiſſenſtein, und die in St. Clou geſehen hat. Un - ter den Stuffen, auf denen die Bouillons, Nappes d’eau und Chandeliers ſtehen, hat man Stuͤcke von Feuerſteinen mit Drat befeſtiget, um ihnen ein natuͤrli - ches Anſehen zu geben. Sie ſpielt nur allein an Pfing - ſten. Artig iſt’s, daß uͤber dem Fluſſe in einer groſſen Entfernung ein Berg iſt, auf dem das Springen und Fallen des Waſſers herrlich zu ſehen ſeyn muß, wenns nicht zu weit abgelegen iſt.

Bemerkungen.

Heute ſah ich einen Eſel den Berg hinauf gallopi - ren nach Vigneil zu, ſo ſchnell, daß ich ihm wahrhaftig nicht haͤtte nachlaufen moͤgen. Und er war noch dazu traͤch - tig und hatte 2. Koͤrbe auf dem Ruͤcken. Der Schwanz war nicht nur extremitate ſetoſa, wie Linn. ſagt, ſondern bei allen Eſeln in Frankreich bemerkte ich, daßer380er ganz haaricht iſt, etwa einen Fingerbreit oben, wo die Schwanzwirbel anfangen, abgerechnet.

Der Prinz haͤlt hier auf gute Policei. Ueberall ſind ſtrenge Ordonanzen wegen des Straſſenreinigens, Eſſenkehrens, Sonntagsfeier, Hazardſpiele ꝛc. angeklebt. Schwoͤren in den Wirthsſtuben iſt verboten. Schulen - gehen iſt ſtreng anbefohlen. Schon geſtern fruͤh kam der Huiſſier mit einem Buch zu mir, wo ich Namen, Va - terland und Karakter einſchreiben muſte. Auch iſt ein eignes Hôtel de Juſtice hier.

Die Leute gefallen mir hier recht wohl. Geſtern Abends ſah ich die drei Knechte aus dem Wirthshauſe mit dem Jungen in ihrer Kammer, eh ſie ſich ſchlafen legten, jeden vor einen Stuhl knien und ihr Gebet verrich - ten. Der Menſch iſt fuͤr mich auf der Reiſe im - mer der wichtigſte Gegenſtand, aus allen Geſichtspunk - ten betrachtet. Welch ein Unterſchied zwiſchen Chan - tilly und Paris!

Den 13ten Jul.

Ich wachte heute Morgen durch ein Getuͤmmel auf, das ich am Sonntag fruͤh hier nicht erwartet haͤtte, und ſah den Wochenmarkt viel ſtaͤrker, als er am Freitag geweſen war, vor meinem Fenſter. Das fand ich an - fangs ſonderbar, man ſagte mir aber, daß er alle Sonn - tage den Sommer durch gehalten wuͤrde, um der benach - barten armen Doͤrfer willen, die nicht viele Werkeltage mit dem Einkauf der Lebensmittel verlieren koͤnnten, und nachher ſah ich ihm mit Vergnuͤgen zu. Eine Menge guter, froher, muntrer Landleute kam zuſammen. Dreivon381von den Gerichtsherren gingen mit den Wachen, im Kir - chenrocke und Ueberſchlage herum, und wogen das Brod, die Butter ꝛc. Es war auſſerordentlich ſchoͤnes Wetter, wie ichs in Frankreich noch nie erlebt hatte; alles war munter, zufrieden, ich ging ſelber im Schlafrock auf den Markt, und kaufte mir Kirſchen, Erdbeeren und Johannisbeeren. Praͤchtiger Anblick des Feſts der Froͤlichkeit und Heiterkeit unter den fleiſſigen Landleuten! Ich ſprach mit vielen, und fand recht brave, wackre Leu - te. Gegen Mittag wurden die Aubergen mit dem flat - terhaften Pariſervolk angefuͤllt, die ihre Hunde herum - ſchleppten, und bei weitem die Freude nicht empfanden, die ich im Garten der Natur fuͤhlte. Sie goſſen ihre Flacons da aufs Schnupftuch aus, wo die Natur die an - genehmſten Balſamduͤfte verbreitete. Ich hatte Luſt, noch einmahl die ſchoͤnſten Gegenden des Gartens am Schloſſe zu beſuchen, und ging alſo, um zu der Zeit, wo in meinem Vaterlande in den Tempeln des Herrn Loblieder erſchallen, auch meine Seele zu den Empfin - dungen der Guͤte und Liebe Gottes noch mehr anzufeuren in die

Isle d’Amour. So heiſt eine Gegend im Gar - ten, die ich nicht ſtark genug werde beſchreiben koͤnnen. Hab ich mir je Rubens Zauberpinſel, oder Gesner’s maleriſche Sprache gewuͤnſcht; ſo war’s jetzt. Zwiſchen zwei Waſſerkanaͤlen findet man Alleen, Haͤuschen, Run - dele, Rabatten und Zirkel mit Blumen angefuͤllt, Ka - napees, Statuͤen, ſpringende Waſſer, allerlei Motions - Maſchinen, Bruͤcken, chineſiſche Pavillons, fremde Baͤume, und noch tauſend andre Dinge, alles mit der groͤſten Delikateſſe, mit dem feinſten Geſchmacke vertheilt. Man382Man kommt nicht mehr weg, wenn man einmahl drin iſt. Man ſetzt ſich nieder, man ſteht wieder auf, man ſieht ins Waſſer, man blickt zum Himmel auf, man ſeufzt, man weis nicht, was einem fehlt, man wird allen Menſchen gut, man fuͤhlt in allen Nerven, man ſegnet den Prinzen, man weis, daß man Menſch iſt. Hier war’s, wo ich alle meine Freunde um mich herum ver - ſammelt wuͤnſchte. Hier war’s, wo ich die Freuden der Natur, das Gluͤck des Lebens auf Erden, die Vortheile einer Reiſe in ſchoͤne Laͤnder, und den Werth einer empfin - denden Seele von neuem fuͤhlte. Hier war’s, wo ich alle Schmerzen vergas, und alle Scenen meines Wal - lens auf Erden zuruͤckrief. Hier war’s, wo ich ſchwur, leiſe und laut ſchwur, ein dankbares, froͤliches, menſchen - freundliches Herz zu unterhalten, und den Gram, die fin - ſtere Schwermuth, nie in die Seele einſchleichen zu laſſen. Hier war’s, wo ich freudig ins Leben hinausblickte, und Muth und Vertrauen faßte. Hier war’s, wo ich doch lebe wohl, du geliebte, du koſtbare Inſel, du Paphos des Weiſen, du Tempel Galliens; leb wohl, du reitzende Gegend, wo ich meine geheimſten Empfin - dungen aufwallen, Liebe, Munterkeit, Zufriedenheit und ſchmachtende Sehnſucht nach nie genoſſenen Freuden un - tereinander laufen ſah. An dich will ich oft zuruͤck den - ken, du gluͤcklicher Tag, du Stunde der Wonne, die Gott mir gab, und die meine ganze Seele, wie die Blume den Regen, auffaßte. Die andre eben ſo herrliche Ge - gend iſt

Le Jardin chinois. Sie liegt hinter dem Schloſ - ſe. Im Grunde iſts ein engliſcher Garten, (Les Ha - meaux nennen ihn hier die Leute,) in dem man alle Sce -nen383nen der Natur ohne viele Kunſt antrift, und wiederum alles, was die Kunſt verſchoͤnern kan. Es ſind kaum 2. Jahre, daß er angelegt iſt. Ohnſtreitig iſt dieſer neue Geſchmack, Gaͤrten anzulegen, der natuͤrlichſte. Man findet die ewigen langen hohen Alleen nicht immer, man iſt nicht eingeſperrt, man meint nicht, daß man in einem Garten ſei, und bekommt doch immer viel zu ſehen; erſt Waſſer, dann einen groſſen Grasplatz, dann Buſchwerk, dann eine kleine Muͤhle mit einem Rollgange, dann vie - le kleine Haͤuschen, nicht weit von einander liegend. In einem iſt eine vollſtaͤndige Kuͤche, mit ſehr vielem kupfer - nen Geraͤthe. Das andre iſt der Speiſeſaal, der inwen - dig mit Jagdſtuͤcken bemahlt iſt, wie ein Operntheater ausſieht, alles beſteht aber nur aus duͤnnen Bretern. Auf dem Boden ſind Raſen mit Blumen. Das dritte iſt eine kleine Bibliothek. Milton und Robinſon ſtan - den nebeneinander, Lettres de la Valiere etc. Chi - neſiſche Mahlereien waren auf den Tapeten, es ſtanden herrliche kleine Tiſchen, Claviere ꝛc. drin. Das vierte iſt der Compagnieſaal, und war das koſtbarſte. Stuͤhle und Kanapees, Vorhaͤnge und Tapeten waren rothe Sei - de mit vielem Silber verbraͤmt. Die Lehnen der Stuͤhle ſah ich fuͤr paille argentée an. Die herrlichſten Spie - gel und Porzellane waren darin. Hinter dieſen Haͤus - chen iſt ein Weideplatz und Viehheerden, und hintendran wieder Waſſer. Auf einer andern Seite fließt wieder ein Bach, mit Forellen, mit rothen Fiſchen beſetzt. Ue - ber dem iſt ein Gewoͤlbe, mit vielen Abtheilungen, aus duͤnnen Bretern zuſammengeſchlagen, die ſo verwaͤſ - ſerte Farben und plantas ſcandentes haben, daß man ſie fuͤr natuͤrlich halten ſollte. Steine, rauh, ohne Ord - nung, liegen uͤberall, als wenn ſie abgefallen waͤren. Der384Der Bach unter dem Gewoͤlbe fuͤhrt an einen Teich, wo gruͤne, rothe, gelbe, leichte Fahrzeuge liegen, die Flag - gen ſind nur aus ſchlechter Leinwand. Dann findet man aufgefuͤhrte Felſen und Terraſſen von Gras, wie die Carlsruher auch ſind. Aber das Angenehmſte bei die - ſen Felſen iſt, daß von oben herab das Waſſer auf allen Seiten herabfaͤllt; es rauſcht, es murmelt aller Orten gar lieblich. Weiter hin ſind Sandwege mit kleinen Kinder - ſtuͤhlen, halbe Haͤuschen, Baͤnke ꝛc. Man findet ein Stuͤck Weizenfeld, Kirſchbaͤume, Hundeſtaͤlle ſind bei der Muͤhle ꝛc. kurz eine angenehme, ſehr natuͤrliche Mannichfaltigkeit von Sachen. Iſt irgend etwas ver - nuͤnftiges in dem Geſchmacke der Chineſer, ſo ſind es ihre Gaͤrten. Aber freilich gehoͤrt ein groſſer Platz dazu.

Die Schauckeln in der Isle d’amour ſind ſo ſim - pel, und ſo ſicher, daß ich doch noch davon ſprechen muß. Die eine iſt ein groſſer langer Balken, der horizontal auf einem andern viel kleinern liegt, der perpendikulaͤr in der Mitte des dazu beſtimmten Platzes aufgerichtet iſt. An dem Querbalken iſt an jeder Seite ein Sitz mit einer Leh - ne hinten, und einer Bruſtwehre vorn. Dieſe Sitze ſind mit einem Kuͤſſen uͤberzogen. Damit der Queerbal - ken, der in dem gradeſtehenden eingeſchraubt iſt, nie zu weit auf einer Seite in die Hoͤhe ſteigen kan, ſo iſt eine duͤnne eiſerne Queerſtange in den Fußbalken eingemacht. Und damit der Balken, auf dem man ſitzt, nie zu weit herabſinke, iſt auf jeder Seite, da, wo er herabkoͤmmt, ein groſſer Stein in den Boden eingeſchlagen, auf dem er anſtoͤßt. Damit das aber nicht wehe thut, ſo iſt unter jedem Sitz ein ſchiefherabgehender eiſerner Stab durch Schrauben feſt. Die andre iſt noch beſſer. Es ſind2. Stan -3852. Stangen gegeneinander aufgerichtet. Hoch oben ſind dieſe durch eine Queerſtange verbunden, und von dieſer haͤngen an 2. Punkten 4. ſtarke Taue herab; dieſe tragen unten eine kleine, leichte, hoͤlzerne Kaleſche, in der 2. Si - tze ſind, die gegeneinander uͤber ſtehen, die Stricke gehen unter der Kaleſche durch eiſerne Ringe durch, ſie iſt etwa einen Schuh uͤber der Erde, und ſchwingt ſo darinnen. Mit leichter Muͤhe kan man ſie zuruͤckziehen und ihr einen Stos geben. Alles iſt mit gruͤner Oelfarbe angeſtrichen: an den Seiten ſind Baͤnke fuͤr die Zuſchauer.

Nachmittags verlies ich dieſen angenehmen Ort, den Ort, wo mir Frankreich am beſten gefallen hat, und reiſte nach Senlis ab, um da den folgenden Mor - gen die Diligence von Paris abzuwarten, die mich nach Valenciennes bringen ſollte.

Der Weg dahin iſt . Stunden lang und geht durch kleine Doͤrfer zwiſchen angenehmen Fruchtfeldern hin. Man ſieht Senlis wohl ¾. Stunden vorher, weil’s hoch auf einem Berge liegt. Vor der Stadt findet man gan - ze Felder mit Artiſchocken, die reihenweis an Stecken, wie bei uns die Bohnen, gepflanzt werden.

Senlis. Die Vorſtadt iſt ſchoͤner und regelmaͤſſi - ger gebaut, als die Stadt ſelbſt, die bergicht, uneben und eng iſt. In einer Kirche fand ich die ſchoͤnſten Ma - lereien auf den Glasfenſtern, die ich je geſehen habe. Es ſind ganze Stuͤcke, die ganze Lebensgeſchichte Chriſti vor - ſtellend, mit Inſchriften, mit alten lateiniſchen Buchſta - ben, dergleichen mir noch nicht vorgekommen iſt. Be - ſonders ſind die Taufe Chriſti, die Einſetzung des heil. Abendmahls und die Kreuzigung auf dem kleinen RaumB beines386eines Fenſters, wie dieſe ſind, wahre Meiſterſtuͤcke. Sonſt kan man die aͤuſſerliche alte Bauart der Kirche mit ſo vielen Winkeln und Ecken faſt nicht ohne Lachen anſehen. In der Stadtkirche, der Groͤſſe nach zu urtheilen, fand ich, daß man noch baute, aber nach neuem Geſchmack. Ich hoͤrte da mit Vergnuͤgen einer vortreflichen Vokal - und Inſtrumentalmuſik zu. Die Leute ſchienen mir auch nur um der Muſik willen da zu ſi - tzen, die Chapeaux unterhielten ſich mit dem Frauenzim - mer, wie in einem Konzerte. Ich hatte mich kaum nie - dergeſetzt, ſo mußt ich auch meinen Platz bezahlen. In dem Wirthshauſe au Sauvage, an der Straſſe von Paris, wo ich logirte, fand ich die Leute, wiewohl es Sonntag war, recht ernſtlich mit der Waͤſche beſchaͤftigt: aber die Kindererziehung war gut, die 3. halberwachſe - nen Kinder des Wirths kamen ohne Schuͤchternheit, voll Freuden uͤber den Fremden, Abends auf mein Zimmer, ſprachen recht artig, und brachten mir die ſchoͤnſten Blu - men.

Reiſe nach Valenciennes.

Den 14ten Jul.

Die Diligence, die um halb 5. Uhr aufs ſpaͤteſte kommen ſollte, nach den ſchriftlichen Anweiſungen vom Pariſer Bureau, kam erſt um halb 6. Uhr. Man rech - net von Paris nach Valenciennes 57. Stunden, dieſe ſind in 18. Poſten abgetheit. Das Bureau zahlt den Poſtmeiſtern fuͤr jedes Pferd von jeder Stunde 25. Sous, und der Commis hat des Tags 25. Sous. Sechs Pfer - de und 2. Kerl dazu muß der Poſthalter geben. Gibt er oft 8. um die Pferde zu ſchonen, ſo werden ihm dochnur387nur 6. bezahlt. Der Weg iſt von Paris bis Valen - ciennes in der Mitte gepflaſtert, und mit Baͤumen be - ſetzt.

Bis gegen Cambray zu iſt uͤberall die terre mar - neuſe, und der Bauſtein, der ſchon in Champagne an - faͤngt. Daher ſehen auch alle Haͤuſer weis, und wenn ſie alt ſind, ſchwarz aus. Man findet meiſt die herrlich - ſten Gegenden, die ſchoͤnſten Fruchtfelder, unabſehliche Ebenen zu beiden Seiten, hie und da kommen kleine Ber - ge und Waͤlder vor.

Man paſſirt ſehr viele Doͤrfer, ſie ſind aber klein, ſchlecht und arm.

Die Poſten ſind gut beſtellt. Sie fahren mit der beladenen Diligence oft ſchneller, als die Extrapoſten in Deutſchland. Oft ſind die Poſthaͤuſer bloße Haͤuſer an der Straſſe. Sie bringen aber die Pferde ſchon, ehe die andern abgeſpannt ſind. Die Poſtillons tragen meiſt blaue Roͤcke mit rothen Aufſchlaͤgen, aber kein einziger hat ein Horn. In ihre groſſen Stiefeln fahren ſie mit Schuh und Struͤmpfen.

Die Reiſegeſellſchaft war nicht fuͤr mich. Ein paar laͤppiſche Franzoſen, davon der eine ein junger Of - fizier, und der andre ſchon ein Mann von etlichen vierzig Jahren war, trieben mit einer vornehmen franzoͤſiſchen Metze allen moͤglichen Muthwillen, und ihr war damit gedient. Der Offizier erlaubte ſich alles vor ſeinem Be - dienten, der dabei ſaß; die Dame lies auch alles mit ſich machen, und dies in Gegenwart eines andern Frauenzim - mers, das noch den Blick, welchen die Tugend und Sitt - ſamkeit hat, in ſeiner Gewalt hatte, und ſtillſchweigendB b 2wie388wie ich, ihren Unwillen zu erkennen gab. Die Nym - phe hatte ſuͤſſen Wein bei ſich, und ſchenkte, ſo oft wir hielten, ihren beiden Galans ein. In Deutſchland wird keine Braut, keine Frau ihrem Manne in Gegen - wart andrer, ſonderlich Frauenzimmer, das erlauben, was dieſes Weibsbild hier alle Augenblicke. Sie ſtiegen einmahl aus, und der alte Geck langte mit dem Stock den Pferden an die Ruthe, und zeigte ſie ſeiner Geſell - ſchaft. Ah, qu’il etoit indigne! doch ich erin - nerte mich, daß ich noch in Frankreich waͤre, und ſtieg bald ab, und ſaß hernach die ganze Reiſe durch, auſſen im Cabriolet bei einem Commis, der viel hoͤfli - cher war, als der, den ich von Strasburg nach Paris hatte.

Es war beſtaͤndig ein ſonderbares Wetter. Bis - her Regenwetter, nun Hitze, und doch ſtieg um 6. Uhr einer der dickſten Nebel auf, und es ward recht kalt, bis gegen 8. Uhr die Sonne kam. Um 4. Uhr des Mor - gens war noch das heiterſte Wetter. Oft ward es am Tage ſo dunkel, daß man gleich Regen vermuthete, und doch kam keiner.

Die Armuth iſt hier bei den gemeinen Leuten gros. Kaum haͤlt der Wagen, ſo ſind uͤberall Bettler da, und man ſieht keine Anſtalten dagegen. Es iſt betruͤbt und ſchrecklich zu hoͤren, wenn junge Buben lateiniſche und franzoͤſiſche Gebetsformeln, Vater Unſer, Ave Ma - ria, und dergleichen, die ſie gewis nicht verſtehen, her - plappern. Man kan ſich vorſtellen, wie dieſe Buben das Moͤnchslatein ausſprechen, Z. B. frictus vantris tui etc. Man ſieht auch uͤberall Strohdaͤcher.

Ueber389

Ueber Mittag waren wir in Gournay, einem Dorfe, Nachmittags ſahen wir ein Staͤdtchen Rouay, das artig war, und mir ſehr volkreich zu ſeyn ſchien. Auſſen lag ein Mann auf der Straſſe, dem vermuthlich das Rad die Hand geklemmt hatte, er zeigte uns den blutigen Arm. Nachts waren wir in

Peronne, einem kleinen aber feſten Staͤdtchen, man paſſirt wenigſtens 3. Graͤben mit Mauren, Wall und Bruͤcken, bis man zur Vorſtadt koͤmmt. Hier ſind ſchon alle Haͤuſer von rothen Backſteinen gebaut, aber in den Vorſtaͤdten waren noch viele Haͤuſer mit Stroh ge - deckt. Die Stadt ſelbſt iſt mittelmaͤſſig, hat aber einen ſehr ſchoͤnen langen Platz. Wir fuhren ganz durch, weil der Gaſthof, Hôtel de Flandre, vor der Stadt liegt. Da waren wiederum die Zimmer mit einem Bett ſo klein, ſo eng, daß man ſich faſt nicht umkehren konnte, und in - wendig konnte man ſie nicht einmahl zuſchlieſſen. Weil Peronne das Graͤnzſtaͤdtchen vom eigentlichen Frank - reich iſt, ſo paſſirten wir die Douane. Allein, hier erfuhr ich, daß man auf dem Bureau in Paris vergeſſen hatte meinen Kuffer auf die Diligence zu ge - ben. Der Poſtſekretaͤr hatte ihn in meinem Billet er - kannt, ich ſtand in der Karte, la malle auſſi, und doch war er vergeſſen. So gros war die Vorlegen - heit, in die ich noch am letzten Tage in Frankreich ge - rathen mußte! So gewis iſts, daß Schwatzen, Viel - verſprechen, und Windbeutelei der Karakter der meiſten Franzoſen iſt! Die Geſellſchaft nimmt an dem, was dem Auslaͤnder begegnet, nicht den geringſten Theil. Ich war froh, daß nur der Poſtſekretaͤr es in die Karte ſchrieb, die morgen nach Paris zuruͤckging, und gingB b 3traurig390traurig und niedergeſchlagen weg, und ſchrieb an Hr. Hi - zig nach Paris, und machte mir die Regel zur erſten auf der Reiſe, die mir noch Niemand gegeben hatte: kuͤnftig nie mehr ohne meinen Kuffer zu reiſen. Ein Umſtand, der mir manches Vergnuͤgen der Reiſe und des Aufenthalts in Valenciennes verbitterte.

Den 15ten Jul.

Nach einigen Stunden verließ ich die Pikardie, Artois, Frankreich ganz, und war in Flandern. Wie gern haͤtte ich Frankreich verlaſſen, haͤtt ich nicht eine ſo wichtige Forderung an Paris zu machen gehabt.

Flandern hat viele kleine Berge, ſehr wenig und faſt gar keine Waldungen, keinen Wein, aber brave, gute Leute, in deren ganzen Charakter und Weſen ſchon mehr deutſche, geſetzte, maͤnnliche, ehrliche Art iſt. Man hoͤrt da nicht immer ſingen, leiern, taͤndeln, fluchen, ſchwoͤren, luͤgen, zotteln, wie in Frankreichs groſſen Staͤdten. Die Leute ſind dienſtfertig, ſtille, und doch weder muͤrriſch, noch grob. Die Straſſen ſind von Bomtaim einer Station zwiſchen Cambray und Valenciennes, aus, faſt ganz grade, und zu bei - den Seiten, mit Baͤumen, wie Alleen, beſetzt.

Man baut erſtaunend viel Mohn. An manchen Orten koͤmmt einem der betaͤubende Geruch, wenn ihn der Wind herweht, ſo ſtark in die Naſe, daß man faſt dumm wird. Die rothen Mohnblumen ſind aber auch unterm Getreide ſo ſtark ausgebreitet, daß manche Felder wie ein recht ſchoͤner rother Teppich aus - ſehen.

Die391

Die Leute trinken viel Bier und rauchen Tobak, auslangen hollaͤndiſchen Pfeifen. Schon ein Vorſchmack von Holland.

Cambray. Da war ich etliche Stunden uͤber Mit - tag. Die Avenue iſt ganz mit Hollunderbaͤumen beſetzt, auch auf der andern Seite. Die Feſtungswerke ſind herrlich, doch waͤchſt in den Graͤben allerlei. Von weitem bekoͤmmt man ſchon den Steinkohlengeruch. Die Haͤuſer ſind alle von Backſteinen, alt und eng, aber luf - tiger, als in Paris. Die Straſſen ſind meiſt regulaͤr. In der Stadt ſind ſehr viele freie Plaͤtze, und der Markt - platz iſt groͤſſer als einer in Paris. Hier koſtet eine Bouteille neuer, rother, ſehr mittelmaͤßiger Wein ſchon 30. Sous. Das Rathhaus hat viele Baukunſt und ein ſtarkvergoldetes Zifferblatt. Der Zeiger der Uhr liegt auf einer Sonne, das macht einen herrlichen Effekt. War’s vielleicht hier, daß 1509. der Pabſt, der Kaiſer, und der Koͤnig von Frankreich den Bund machten, der Venedig ſtuͤrzen ſollte? Ich ſah es lang an, und aus der Geſchichte fiel mir der Bund ein.

Der Weg von hier nach Valenciennes, 7. Stun - den, die wir in 3. fuhren, iſt ganz ſchwarz, weil beſtaͤn - dig Steinkohlenwagen, auf denen ich die groͤſten Stuͤcke liegen ſah, auf - und abfahren.

Valenciennes. Die Douane war hier ſchaͤrfer, als anderswo, weil es eine Graͤnzfeſtung iſt.

Ich ſuchte auf dem Magazin des Malles meinen Kuffer; aber vergebens. Der Commis der Diligence glaubte immer, daß er ſchon vor mir hergekommen waͤre. Den Kummer nahm ich mit in meine neue Wohnung, die ich à l’Empereur recht gut fand.

B b 4Unter392

Unter dem Thor gab man Dinte, Feder und Pa - pier in den Wagen, damit das Fragen und Wiederfra - gen keine Zeit wegnaͤhme.

Von Paris aus kommt man durch die Citadelle, die nicht ſo gros, und nicht ſo ſchoͤn iſt, als die bei Stras - burg, und paſſirt die Schelde.

Den 16ten Jul.

L’Intendance à Valenciennes. Das war ein Gluͤck fuͤr mich, daß Hr. Morand in Paris mir eine Addreſſe an dieſes Haus mitgegeben hatte. Der Inten - dant Mr. de Senac hat den Titel Monſeigneur; ſeine beiden Sekretaͤre waren Mr. Guineux und Mr. Dehault. Ich hatte einen Brief an Mr. Guineux, den Sohn, der Dillettant in der Naturgeſchichte iſt, aber als ich ins Haus kam, war er eben mit der Diligence nach Paris abgereiſt. Indeſſen uͤbernahm es Mr. Dehault mit der groͤſten Hoͤflichkeit, fuͤr mich zu ſorgen und ſchrieb deswe - gen einen Brief an Mr. Matthieu, Avocat en Par - lement in Anſin, der Direkteur von den Steinkohlen - bergwerken iſt, die ich eigentlich kennen lernen wollte. Er gab mir auch ſeinen Bedienten mit, der mich herum - fuͤhren, und zugleich das Zeughaus und das Hôpi - tal general, 2. wichtige Gebaͤude in Valenciennes, von denen ich vorher nichts gewuſt hatte, zeigen ſollte. Vor der Porte à Tournay fand ich

Les Machines à Feu fuͤnf allerdings ſehr merkwuͤrdige Maſchinen. Sie ſtehen meiſt nahe beiſam - men, und ſind mit Kohlenmagazinen, und andern klei - nen Wohnhaͤuschen, fuͤr die Arbeiter umgeben. EtlicheParti -393Partikuliers ſind die Unternehmer davon. Das ganze Terrein in dieſer Gegend hat die Natur in der Tiefe mit den koſtbarſten Steinkohlen angefuͤllt, und oben ſind die ſchoͤnſten Fruchtſelder und Wieſen. Vor der Porte à Mons haben andere Partikuliers auch zu graben ange - fangen; allein ſie graben ſchon 8. Jahre ohne gute Koh - len zu finden, indes ſind gute Anzeichen dazu da. Ehe man die guten Steinkohlen findet, trift man eine Art blaulichter Steine an, die man nicht zum Brennen brau - chen kan. In den Gruben, die ſchon lange angefangen ſind, hat man ſchon ſo groſſe weite Gaͤnge getrieben, daß ſie zum Theil bis unter die Stadt gehen. Die Arbeiter arbeiten allemahl nur 6. Stunden, dann fahren ſie aus, und werden von andern abgeloͤßt. Man unterſcheidet die guten, groſſen, und die kleinen, ſchlechten Steinkoh - len, und den Grus, oder das Pulver davon. Von jenen koſtet der Elmer 22. Sous, von dieſen nur 11. Sous.

Um die Steinkohlen zu Tage auszufoͤrdern, iſt uͤber den Gruben ein groſſes Haus gebaut. Ueber der Oefnung iſt eine Einfaſſung, wie an einem Brunnen. Der ganze uͤbrige Theil des Hauſes iſt mit einer Maſchine an - gefuͤllt, die von 3. Pferden getrieben wird. Ein groſſes Rad treibt einige andre kleinere, an denen haͤngen an Seilen groſſe Eimer in die Grube hinab. Indem der eine herauf koͤmmt, ſinkt der andre. Unten ſind Leute zum Einfuͤllen, und oben zum Ausleeren. Die Pferde gehen ſo lange, bis ein Eimer heraufkoͤmmt, alsdann kan man ſie durch einen eigenen Ton, an den die im Kreis gehenden Thiere gewoͤhnt ſind, ſtill ſtehen und wieder ge - hen machen. Die Grube, an der ich heute ſtand, war 110. Toiſen tief, und doch waͤhrte es nicht lange, ſo kamB b 5ein394ein Eimer herauf. Man ſchlaͤgt unten, wenn er voll iſt, einige kleine Ketten uͤbers Kreuz daruͤber, um zu verhuͤ - ten, daß ſie nicht herausfallen. In den leeren Eimer, der wieder hinabgehen ſoll, thut man einige Hoͤlzer, um unten das Terrein zu unterſtuͤtzen. Man zieht die Stein - kohlen mit Haken heraus, wirft ſie mit Schaufeln in Schubkarren, und ſo werden ſie in die Magazine gebracht, aus denen taͤglich eine Menge verkauft wird.

Um aber das Waſſer aus den Steinkohlengru - ben wegzuſchaffen, ſo ſind dazu eigentlich die groſſen merk - wuͤrdigen Machines à feu, oder die Pompes à feu beſtimmt, von denen die Koͤnigl. Akad. d. W. in Paris durch D. Morand ein eignes Buch mit vielen Kupfer - tafeln herausgegeben hat. Man bedient ſich des Feuers und der Luft, um aus der Tiefe der Erde das Waſſer herauszubringen, das ſonſt die Gruben anfuͤllen wuͤrde. So herrſcht der Menſch durch ſeinen Verſtand uͤber alle Elemente, und braucht das Eine, um das an - dre zu uͤberwaͤltigen.

Zu jeder von dieſen Maſchinen iſt nicht weit von der Grube ein groſſes ſehr hohes Haus gebaut, das in eini - ge Stockwerke abgetheilt iſt. Man ſieht von weitem den Rauch, von denen die wirklich im Gange ſind, ſchwarz - braun in die Hoͤhe ſteigen, denn man kan ſie nach den Umſtaͤnden und Beduͤrfniſſen der Gruben ſtillſtehen oder gehen laſſen. Die Maſchine iſt groͤſtentheils von Eiſen, doch ſind auch groſſe hoͤlzerne Hauptbalken daran, und man verſicherte mich, daß ſie ſehr viel Holz koſteten. Unten im Hauſe iſt der Ofen, ſodann koͤmmt der Keſſel mit dem Cylinder, und weiter oben iſt das Baſſin, und der Konduktor fuͤr das hinaufgebrachte Waſſer zum Hin - abfallen.

Unten395

Unten iſt ein Ofen, der beſtaͤndig mit Steinkohlen geheizt wird. Der Kerl lies mich hinein ſehen. Es war ein erſchreckliches Feuer. Die Hitze ſpuͤrt man wohl, aber keinen Geſtank. Entweder vertreibts der Wind gleich, oder ich war ſchon daran gewoͤhnt.

Ueber dem Ofen iſt ein Keſſel mit Waſſer einge - mauert, der nicht hoch iſt, aber eine groſſe weite Peri - pherie, und darunter einen ſehr breiten Herd hat.

Die Luft oder die Duͤnſte, die von dem kochenden Waſſer aufſteigen, ſind es eigentlich, die da machen, daß das Waſſer in den Pumpen in die Hoͤhe ſteigt. Denn alle dieſe Duͤnſte ſteigen in einen weiten Cylinder, der uͤber dem Keſſel haͤngt. Dazu ſind ringsherum am Keſſel mehrere kleine Gaͤnge angebracht. Der Mann, der mir die Sachen wies, wollte mich die Menge und die Gewalt der Duͤnſte, die von dem kochenden Waſſer be - ſtaͤndig aufſteigen, ſehen laſſen, oͤfnete daher eine von die - ſen kleinen Roͤhren. Haͤtte er mir nicht vorhergeſagt: Monſieur, n’ayez pas peur, ſo haͤtt ich geglaubt, ich muͤſte hier in meinem naturhiſtoriſchen Beruf erſti - cken. Es fuhr eine ſolche ungeheure Menge Duͤnſte mit einer ſo ungeheuren Heftigkeit heraus, daß ich erſtaunen mußte. Da kan man ſehen, wie viel Luft im Waſ - ſer ſteckt, und wie wenig ſie ſich preſſen laͤßt, wie er - ſchrecklich ſie verduͤnnt werden kan, wie gern ſie ſich in ei - nen weiten Raum ausdehnt.

Doch im Cylinder wird dieſe Menge und Gewalt der Duͤnſte gleich gedaͤmpft. Denn durch einen Hammer, der immer ſteigt und faͤllt, und durch eine eiſerne Stan - ge, die bald vorwaͤrts geht, bald zuruͤckſtoͤſt, fließt be -ſtaͤndig396ſtaͤndig aus einem Jet d’eau eine Quantitaͤt friſches Waſſer in den Keſſel, und nun zieht ſich

Der Stempel in den groſſen Pumpen in die Hoͤ - he, und das Waſſer ſteigt unten in die Pumpen, kan dann nicht mehr zuruͤck, und wird durch den Druck der Maſchinen 700. Schuh hoch hinaufgetrieben.

Oben fließt es durch einen Kanal in groſſe Kuffen, aus denen es am Ecke des Hauſes in Roͤhren herabſteigt, und in einen kleinen Bach flieſt.

Sobald man den Hammer haͤlt, ſo kan kein Waſſer in den Keſſel fallen, und die ganze Maſchine ſteht ſtill, faͤngt aber gleich wieder an, ſobald man den Hammer ſpielen laͤßt.

In den Steinkohlengruben bahnt man dem Waſſer zur Maſchine einen Weg mit Schiespulver. Das Waſſer ſieht oben, wie leicht zu denken, ſehr blaͤulicht - ſchwaͤrzlich aus, und reitzte mich gar nicht, es zu verſu - chen. Mit dem Finger auf der Zunge ſpuͤrte man aber doch nicht viel Widerliches.

Nachdem ich das geſehen hatte, konnte ich den Di - rekteur ſprechen. Er wohnte noch eine kleine halbe Stun - de davon, empfing mich aber mit vieler Hoͤflichkeit, und verſprach mir nach 3. Tagen alles in der Teufe zu zeigen, wenn ich einfahren wollte. Von ihm ging ich und beſah

L’Arſenal; ein altes Gebaͤude, aber mit Kriegs - werkzeugen angefuͤllt, auch wird noch beſtaͤndig darin ge - arbeitet. Das Geſchuͤtz liegt theils vor dem Hauſe, ſon - derlich die Bomben und Moͤrſer, theils auf dem Walle. Weil ich aus der Intendence kam; ſo machte man garkeine397keine Schwierigkeit, mir die vornehmſten Sachen zu zei - gen. Ich ſah beſonders einen Saal, in dem 37000. Flinten aufgeftellt waren. Er war faſt ſo lang, als das Haus und hatte die voͤllige Breite. Die Flinten ſtanden wie Buͤcher in einer Bibliotheck, hinten, und uͤbereinan - der. Eine Menge war fuͤr die Dragoner, die andern waren mit Bajonets verſehen. Ich ſah auch Spontons aus den Zeiten Ludwigs des XIV. ſie waren hoͤher, als ich mir ſie vorſtellte, von duͤnnen biegſamen braunen Holz, oben eine Sonne von Stahl und dann der Spies darauf, auch eine Menge andrer Sachen, denen ich gerne Ruhe und ſtilles Lager wuͤnſchte.

L’Hôpital general. Ein herrliches Viereck von Ludwig dem 14ten erbaut, ganz vortreflich eingerichtet, den Waiſenkindern, den Armen, den Verruͤckten und zu - gleich den Gefangenen gewidmet. Der vierte Theil des Gebaͤudes iſt noch leer. Im Hofe exerciren die Rekru - ten; dafuͤr zahlt das Regiment eine Summe an das Hospital. Durchs ganze hohe und lange Gebaͤude geht eine runde Oefnung bis unters Dach, um das Getreide hinauf zu bringen. Die Treppen ſind aus dem blaulich - ten Steine, der hier haͤufig iſt, und die Gaͤnge alle ſehr breit, helle und herrlich gewoͤlbt. Die Stuben zum Schlafen, zum Arbeiten, zum Eſſen, ſind alle ſehr gros, und ungemein reinlich. Die Betten ſind alle niedrig und mit weisgrauen wollenen Decken verſehen, wie man ſie hier in den Haͤuſern durchgaͤngig hat. In den Ar - beitsſtuben ſah ich mit vielen Vergnuͤgen eine Menge Maͤdchen von 8. -14.-16. Jahren unter der Aufſicht eini - ger Frauen, den feinen Lein, den man hier baut, verar - beiten. Einige zwirnten, andre ſpannen, andre kloͤppel -ten398ten die feinſten Spitzen daraus. Man ſieht mit Er - ſtaunen, wie kleine Kinder die ſchoͤnſten Deſſeins mit vie - ler Leichtigkeit und Geſchicklichkeit machen. Jedes hat ein Kloͤppelkuͤſſen mit braunem Papier vor ſich, und ar - beitet oft mit 200, mit 400. Kloͤppeln, die alle aus Buchs - baumholz gemacht ſind. Die Kinder ſahen alle geſund, heiter und munter aus, waren wohl gekleidet, im Saal herrſchte uͤberall Ordnung und Stille, und doch waren ſie gar nicht ſchuͤchtern gegen den Fremden. Es iſt unten eine eigne Kapelle fuͤr die Kinder, wo ſie die Meſſe hoͤ - ren; an dieſer Kapelle iſt viel Baukunſt, das Schiff der Kirche iſt ein herrliches Gewoͤlbe. Die Maͤdchen und Frauen ſtehen oben auf einer Gallerie, die mit einem ei - ſernen Gitter eingefaßt iſt. Unter ihnen ſitzen die Vor - ſteherinnen und Lehrerinnen auf Stuͤhlen. Hinter ih - nen ſind die Knaben und Maͤnner, ſo daß ſie jene oben gar nicht ſehen koͤnnen. Der uͤbrige Theil der Kirche iſt fuͤr die Leute aus der Stadt. Auch das Refectorium oder der Speiſeſaal iſt fuͤr beide Geſchlechter abgetheilt. Sie eſſen aus hoͤlzernen Schuͤſſeln, und bekommen Bier aus groſſen Schleifkannen. In der Kuͤche fand ich al - les ſehr reinlich, und viel meſſingenes Geraͤthe. Man kocht ihnen viel Suppe, Gerſten, Gemuͤſe. Es ſah al - les ſehr appetitlich aus; man richtete eben die Suppe an. Das Brot war freilich in groſſen Brocken eingeſchnitten. Alle 14. Tage bekommen ſie Kuhfleiſch. In einer an - dern Stube war ein andrer beſſrer Tiſch fuͤr die Aufſehe - rinnen gedeckt. Fuͤr die Mannsperſonen ſind keine Leh - rer da, man laͤßt ſie in der Stadt das Handwerk lernen, wozu ſie Luſt haben, ſie kamen aber eben um halb 1. Uhr zuruͤck, und ſetzten ſich zu Tiſche. Man fuͤhrte mich auch zu den Narren und Verruͤckten; denn der Bediente ausder399der Intendance hatte von Mr. Dehault Befehl an alle Thuͤrhuͤter, mir alles zu oͤfnen. Dieſe Ungluͤcklichen ha - ben in einem andern Theile des Gebaͤudes auf einem ſchma - len Gange kleine Zellen oder kleine Winkel in der Wand, worin ein Bett und ein Stuhl ſteht. Gottlob! es waren nicht viele da, aber es war allemahl ein niederſchlagen - der Anblick. Einige Mannsperſonen ſtanden im Hem - de in den Thuͤren und fragten den Thuͤrſteher, ob er denn nicht ſchon lange geſtorben waͤre? ꝛc. Andre waren ſtill und machten mir tiefe Verbeugungen. Unter denen iſt ein andrer Gang fuͤr Weibsperſonen, in dieſen betruͤbten Umſtaͤnden. Ueber dieſe iſt auch eine Frau zur Aufſe - herin beſtellt. Da waren mehr als unten; ſie hatten aber heute faſt alle Luſt beſtaͤndig im Bett liegen zu blei - ben. Eine groſſe, gutgekleidete Frau, wohlgebaut und nicht naͤrriſch ausſehend, kam mir entgegen, und ſing unverſtaͤndlich an zu reden. Ein andres junges Frauen - zimmer lag wie immer, mit den Knien bis auf die Bruſt heraufgezogen, ganz ſtill und ruhig auf dem Bett. O Gott, es thut weh, daß man fuͤr ſolche Menſchen nichts thun kan, als ſeufzen! Man wies mir ferner die unterirdiſchen Gewoͤlbe, die unter dem ganzen Hauſe durch - gehen, und zu den Magazinen fuͤrs Brot, Holz ꝛc. be - ſtimmt ſind. Da fand ich viele Becker, die alle Tage backen, und, wie ſie mir ſagten, in jeder Woche 18. Saͤ - cke Roggen verbacken, jeder Sack wiegt 158. Pfund. Das Brot war ſehr gut gebacken und ſchmeckte nicht uͤbel. Das Holzmagazin ging durch das ganze Gebaͤude fort bis hinten an die Schelde. Hierauf nahm ich

La Statue de Louis XV. in Augenſchein. Sie ſteht auf dem Platze der Stadt, der ſehr ſchoͤn iſt, aufder400der einen Seite das Rathhaus und Komoͤdienhaus, und auf der andern ein groſſes Gebaͤude hat, das von Kauf - leuten bewohnt wird. Die Stadt hat ſie dem Koͤnige nach dem Frieden ſetzen laſſen. Hat man die à la Pla - ce de Louis XV. in Paris geſehen; ſo kan die einem nicht ſonderlich gefallen. Sie iſt aus einem weiſſen Steine auf einem weiſſen Fußgeſtelle mit einer Grille ein - faßt. Der Koͤnig ſteht in Roͤmiſcher Kleidung mit nack - ten Fuͤſſen da, ſtreckt die rechte Hand von ſich, und legt die Linke, in der er einen Degen haͤlt, auf eine kleine Saͤule. Die Innſchrift iſt lateiniſch, und ſchon halb unleſerlich. Kleidung und Fuͤſſe ſind das Schoͤnſte am ganzen Stuͤcke.

Le Rempart de la Ville mußt ich auch noch beſu - chen. Er iſt ſchmal, hat aber an den Seiten artige Spaziergaͤnge und einige Gaͤrten. Man hat eine Stun - de zu gehen, wenn man herum kommen will. Von da aus kan man die ſtarke Befeſtigung der Stadt am beſten uͤberſehen. Man findet viele Pulvermagazine und Ber - ge von Kugeln. Heute war grade der Inſpecteur ge - neral da, der das Pulver waͤgen lies und Viſitation hielt. Das Magazin uͤber der Porte à Tournay iſt im Klei - nen gebaut, wie die Baſtille in Paris. Le Fort des Canons heiſt der Theil, wo die meiſten Kanonen liegen. Nur die beim Deſertiren der Soldaten geloͤſet werden, lie - gen auf Lavetten, die uͤbrigen Lavetten ſtehen im Zeug - hauſe, oder unterm Thore in der Citadelle. Mein Ge - ſchmack an Manufakturen trieb mich an, auch

La Fabrique de Batiſte zu beſehen. Die Spi - tzenarbeiten der kleinen Maͤdchen im Hôpital general gefielen mir ſo wohl, daß ich nach den Weberſtuͤhlen, woBatiſt401Batiſt gemacht wird, fragte. Es ſind viele in der Stadt, man muß ſie aber in Kellern unter der Erde ſu - chen. Man wies mich in ein Haus, wo er am beſten gemacht wird; da fand ich auch ſtatt der Kellerloͤcher groſſe Fenſter, die unten von der Erde ſchief heraufgingen. Ich konnte auf der kleinen Treppe nicht hinunter kommen, ohne Degen und Hut oben abzulegen. Ich fand 2. klei - ne Weberſtuͤhle, auf denen wirklich gearbeitet wurde. Der eine webte, der andre fing an, ſeinen Zettel aufzu - ſpannen. Der Stuhl ſelber iſt klein, hat nicht viele Theile; alle Werkzeuge ſind fein, im Grund iſt es ein gemeines Weben, nur daß der Faden ſo ſein iſt, daß man einen allein auf dem Finger kaum ſieht. Auch das Schiffchen und die Spulen ſind ſehr niedlich, fein und nett. Es gehoͤrt viele Geduld zur Arbeit, denn man ſiehts kaum, wie das Stuͤck avancirt, und wegen der Feinheit reißt der Faden gar oft ab. Meine erſte Frage war, warum man denn im Keller arbeite? und die Antwort war: die Feuchtigkeit, die auf die Arbeit im Keller faͤllt, ſei zum Arbeiten unentbehrlich, man wuͤrde wegen dem oͤftern Zerreiſſen des Fadens nichts zu Stan - de bringen, wenn der Faden oben an der trocknen Luft duͤrr wuͤrde. Im Winter ſei’s darin warm, man muͤſſe frei - lich bei Licht arbeiten, und im Sommer ſei’s doch ſehr kuͤhl. Wenn man den Zettel aufſpannt, wird er, eh man den Eintrag macht, mit einer Materie, die aus der feinſten Kleie mit Waſſer, wie ein Brei gemacht iſt, vermittelſt zweier Buͤrſten uͤberſtrichen, ſonſt zerreiſt er. Der Baum, auf den das Stuͤck gerollt wird, wird mit ei - nem weiſſen ſpeckartigen Steine aus eben der Urſache ge - glaͤttet. Wenn der Faden zerreiſt, und der Arbeiter ei - nen Knoten machen muß; ſo hat er ein Stuͤck Schoͤpſen -C ctalch402talch bei ſich, mit dem beſchmiert er ſich, auch wegen der Feinheit des Fadens, die Haͤnde. Auch haben ſie har - tes glattes Holz, um die Inſtrumente zu glaͤtten. Die Stuͤcke ſind von verſchiedener Feine, aber alle gleich breit, und alle 20. Ellen lang. Man verkauft den Ba - tiſt Stuͤckweis, der Preis richtet ſich nach der Feine. *)Die Spitzen im Hôpital general werden Garnitu - renweis fuͤr Mannsperſonen und fuͤr Frauenzimmer verkauft.Ich ward verſichert, daß der Arbeiter ſehr geſchickt, und der Faden ſehr ſtark ſeyn muͤſſe, wenn er des Tags eine Elle machen wolle. Viele machen nur eine halbe Elle des Tags.

Bemerkungen.

Die Stadt ſelber iſt ziemlich ſchoͤn, die Straſſen ſind gepflaſtert, meiſt breit, einige aber bergicht. Sie hat 5. Thore. Man ſieht Bettler, aber doch wenige. Es iſt Stadt - und Landwirthſchaft bei einander. Der Staat iſt maͤſſig, die Leute, auch die von Stande, ſi - tzen unter den Fenſtern an den Haͤuſern und arbeiten. Es iſt eine ganz andre Nation als die Pariſer, ich war mit Vergnuͤgen bei ihnen. Mein Wirth gab mir mehr, als wir akkordirt hatten. Oft gab er mir ſeinen Sohn zum Wegweiſer mit. Er entſchuldigte ſich wegen des Schreiens des kleinen Kindes, (das nicht gewickelt, ſon - dern nur in einer wollnen Decke mit Leinwand getragen wurde,) wenn ich dadurch des Nachts waͤre geſtoͤrt worden ꝛc. Das kam mir alles gegen Paris ſonderbar vor. Ich freute mich aber herzlich, daß ich auch wiederbei403bei Leuten war, die menſchlich denken und menſchlich han - deln. Der Ort iſt eine Feſtung, und doch iſt man nicht im Geringſten genirt. Die Leute rauchen aus langen Pfeifen auf den Straſſen. Gemeine Soldaten und Of - fiziere ſind hoͤflich ꝛc. Haͤtte das Pariſer Bureau mir meinen Kuffer geſchickt; ſo waͤre ich jede Minute voll herzlicher Freude geweſen.

Anjetzt machten die Leute erſt ihr Heu. Das Re - genwetter hatte es verſpaͤtet. Das Heu, das ich auf der Straſſe, wie ich hierher reiſte, fand, war auch alles ſchwarz. Man ladete es in den Straſſen ab, und zog es an Seilen oben aufs Haus hinauf. Aber es hatte keinen angenehmen Geruch, ich fand auch Anthoxan - thum odoratum nicht darunter. So haͤufig, wie in Deutſchland, iſt die Pflanze hier gewis nicht.

Mein Eſſen ward mit Holzkohlen gekocht. Das Kamin war in der Wohnſtube. Das Feuer ohne Koſten zu erhalten, legt man um 1. Uhr eine Scheibe von Torf auf den Herd, ſo gros wie ein kleiner Teller, und ſo dick wie ein Schaafkaͤſe, zuͤndet ſie an einer Stelle an, das brennt langſam, bis Abends koſtet es kaum den achten Theil, und man hat doch immer gluͤhende Kohlen zum Schwefelhoͤlzchen. Dazu nehmen die Leute hier aber kein Holz, ſondern Hanfſtengel, den ich hier ſtark bauen ſah. Die Scheiben von Torf verkauft man hier noch etwas theuer; jeder Hauswirth aber kauft ſie Tauſend - weis.

Auch hier ſind die Namen der Straſſen an den Ecken angeſchrieben.

C c 2Den404

Den 17ten Jul.

Dieſen und den folgenden Tag hatte ich mir vorge - nommen auf dem Lande zuzubringen, um die Abtei St. Amand und die dabei gelegenen heilſamen Baͤder, und Moraͤſte, die man mir in Paris als wichtig beſchrieben hatte, zu beſichtigen. Ich that die kleine Reiſe von Stunden am fruͤhen Morgen zu Fuß, und erquickte mich ungemein an den herrlichen Frucht-Lein - und Hanf - feldern, durch die der Weg hingeht. Gegen St. Amand hin, wird die Gegend etwas waldichter, ſonſt iſt ſehr wenig Holz da. Man findet ein Doͤrfchen, und ein klei - nes Staͤdtchen am Fluſſe Scarpe, die beide von der Abtei ihren Namen haben. Das Staͤdtchen hat einen ſchoͤnen Platz und ein praͤchtiges Rathhaus. Die hohen alten Thurmſpitzen der Abtei ſind ſchon von weitem ſicht - bar. Das Wichtigſte darin iſt

Die Kirche der Abtei St. Amand. Der hl. Amandus, der den franzoͤſiſchen Koͤnig Childerich, wie man mir ſagte, taufte, hat hier eine Auguſtinerab - tei, worin wirklich 50. Moͤnche ſind, geſtiftet, und zu der Kirche, die ſelbſt von Blondel als ein Meiſter - ſtuͤck der Baukunſt betrachtet wurde, den erſten Grund gelegt. Vor 113. Jahren hat der Abt Don Nicolas Dubois ſie zu der gegenwaͤrtigen Pracht erhoben. Der jetzige Abt iſt aus dem Hauſe Stuart und Ritter vom St. Georgen-Orden. Die Kirche iſt 400. Schuh lang, uͤber 200. Schuh breit, und erſtaunend hoch. Der Chor iſt eigentlich Kirche uͤber Kirche, denn unter dem gegenwaͤrtigen Chor iſt noch die ganze alte Kirche vom Abt St. Amand wirklich vorhanden. Man braucht ei - ne volle Stunde, wenn man alles beſehen will, und ambeſten405beſten iſts, wenn man im Chor anfaͤngt. Die Kirche hat uͤbrigens, wie faſt alle, die Form eines Kreuzes. Fuͤr die Stadt iſt noch eine eigne Kirche, und eine eigne fuͤr das Doͤrfchen da.

Steigt man erſt aus dem Chor durch groſſe Treppen in die alte Kirche hinunter; ſo koͤmmt man in ein man - nichfaltiges, leeres, ſehr kuͤhles Gewoͤlbe, worinnen noch der ſchlechte Stein zum hohen Altar und die Seiten-Ka - pellen ſind. Auch iſt ein Brunnen da, ein groſſer Kaſten, in dem alle Gebeine der Moͤnche dieſer Abtei aufbewahrt werden, die im 11ten Jahrhunderte von den Gothen ſollen umgebracht worden ſeyn, und jetzt als Maͤrtyrer betrachtet werden. Auch iſt ein Grab - mahl vom Grafen Egmont darin, der in Utrecht lebte und hier begraben iſt. Jetzt dient dieſe alte Kirche nur zum Begraͤbnis der Moͤnche dieſer Abtei.

Ueber dieſes Gewoͤlbe hat man denn vor 113. Jah - ren, eine ſolche ungeheure Maſſe aufgefuͤhrt, daß die Gewoͤlber, die doch ſo dick und ſtark ſind, ſich geſenkt ha - ben. Man ſieht es an einigen Saͤulen, daß nicht alles mehr waſſerpaß iſt. Man nennt es La Voute ecra - ſée oder les Colonnes fondues, ou abaiſſées. In - des hats keine Gefahr. Man kan aber daraus auf die Groͤſſe der obern Kirche den Schlus machen. Der Chor iſt ſo hoch, daß man 430. Stuffen in die alte Kir - che hinab zu gehen hat, und in die neue Kirche fuͤhrt auch eine ungeheure groſſe Treppe von ſchwarzem Mar - mor herab.

In dieſem Chor iſt nun der Hochaltar unbeſchreib - lich ſchoͤn, reich und praͤchtig. Oben geht die Gallerie,C c 3die406die durch die ganze Kirche an den Saͤulen herumlaͤuft, auch uͤber ihn weg, er geht aber uͤber der Gallerie immer weiter hinauf. Darneben ſind 2. Wandſchraͤnke auf je - Seite, und in jedem die allerkoſtbarſten mit Gold. Edel - ſteinen und der feinſten Arbeit beladene Caiſſes von al - lerlei Façons, mit Deckeln, mit Fuͤſſen ꝛc. fuͤr die Reli - quien ihrer Heiligen, des St. Amand ſeine iſt die aller - praͤchtigſte, der hl. Urſula, Cyr ꝛc. ihre, ſind auch da.

Zu beiden Seiten ſind die Stuͤhle fuͤr die Pfaffen, und hinter denen an den Lehnen das allerkuͤnſtlichſte und natuͤrlichſte Schnitzwerk in braunen Holz. Eine ungeheure Arbeit! Pflanzen, Kroͤten, Fiſche, Krebſe ſind ſo natuͤrlich, ſo fein ausgeſchnitten, daß man gerne da verweilte, und das allein betrachtete.

Hinter dieſem Chor iſt noch ein kleiner, wo uͤber dem kleinen Hochaltar ein Gemaͤlde von Jordans haͤngt, das Maria mit ihrem Sohne vorſtellt. Er iſt etwa ein Jahr alt, lernt gehen, hat das blonde Haar der Kin - der, einen bloßen Kopf, ſie faßt ihn ſo in der Mitte, iſt nur haͤuslich angezogen ꝛc. Man kan nichts natuͤrlicher ſehen.

An der groſſen Treppe aus dem Chor herab, ſind zu beiden Seiten in Alabaſter die Todesarten jener Moͤnche unter den Haͤnden der Gothen, ausgearbeitet. Die Feinheit, die Mannichfaltigkeit uͤbertriſt alles.

Geht man oben auf den breiten Gaͤngen vom Chor weg nach den Seitenaltaͤren, die an den aͤuſſerſten Enden der Kirche ſtehen, ſo findet man da auf dem Weg an der Wand ein Gemaͤlde von Pauli Taufe. Ana -nias,407nias, Paulus, der Junge, der Waſſer in der Schuͤſſel bringt, alles verraͤth den hoͤchſten Gipfel der Kunſt. *)Schade, daß der Verfaſſer den Maler nicht angab. Herausgeber.

An den beiden Altaͤren ſind braune Marmorſaͤulen, mit vergoldeten Laubwerk umſchlungen, und in der Mitte haͤngt an jedem auf einer langen Tafel ein praͤch - tiges Gemaͤlde von Rubens, der viele Jahre hier gear - beitet hat. Das am Altar rechter Hand ſtellt Stepha - ni Maͤrtyrertod vor. Er liegt halb zuſammenge - ſtuͤrzt da, ſieht noch unten herauf gen Himmel. Je - ſus erſcheint oben, man meint, er komme herab. Ein Engel koͤmmt, und haͤlt ihm ſchon einen Siegeskranz uͤber das Haupt. Die ergrimmten Juden! Ach! einer hebt einen ſo ſchweren Stein auf, daß er ihn mit beiden Haͤnden kaum in die Hoͤhe heben kan, und will ihn ſo recht aufs Hirn treffen. Ach, man weis nicht was man ſagen ſoll! Es iſt von Rubens von Rubens!

Von da weg gegen den Altar auf der linken Hand zu, geht man unter der Orgel unter einem Gewoͤlbe durch, das in der Mitte ſehr weit ausgeſchnitten iſt. Sonſt ſind alle Gewoͤlber durch den Schlusſtein in der Mitte feſt; dies hier hat aber in der Mitte eine groſſe Run - dung, und iſt nur an den 4. Ecken und Seiten feſt, und unten ſieht man deutlich, daß es ein groſſes Gewoͤlbe iſt.

An dem Altar linker Hand iſt ein Gemaͤlde auf Holz, ebenfalls von Rubens, das man herum drehen kan. Es geht in der Mitte auf einem Gewinde herum, und praͤſentirtC c 4auch408auch die hintre Seite. Jenes am Altar rechter Hand iſt auf Leinwand und viereckigt, iſt feſt ꝛc. Auf der einen Seite bildet dieſes Gemaͤlde wieder zweierlei ab: Ste - phani Predigt in der Rathsſtube und ſein Begraͤb - nis. In der Mitte iſt eine Scheidung. Die Reli - gionswuth der juͤdiſchen Tartuͤffen, aber noch mehr ſein gluͤhendes Geſicht, und nachher ſein todter, ſchlap - per, zermalmter, welker Koͤrper, im grauen Leichen - tuch, ein alter Mann, der ſich aufs Grab ſetzt, ihn dem andern abnimmt, allein zu halten ſcheint Ach, keine Sprache ſagts ganz, was Rubens Pinſel ausdruͤcken kan! da iſt die Natur im Kolorit! Auf der andern Seite iſt die Verkuͤndigung Mariaͤ. Neben dem groſſen Engel mit Fluͤgeln, ſind noch verſchie - dene kleinere. Dieſe beiden Gemaͤlde ſind gewoͤhnlich durch einen Vorhang bedeckt. Es iſt aber unten ein klei - nes Thuͤrchen, wo man den Vorhang durch eine Maſchi - ne auf der Walze aufrollen kan. Man laͤßt dieſe Ge - maͤlde nur an hohen Feſttagen ſehen.

Alle Saͤulen in der Kirche ſind vierfach und hoch. Oben laͤuft an ihnen eine Gallerie herum, die man nicht ſchoͤner ſehen kan. Ueber jenem kuͤnſtlichen Gewoͤlbe iſt die Orgel, und oben an der weiſſen Decke viel Stukka - turarbeit, hier und da vergoldete Sterne auf einem blauen Grunde, die ſich herrlich ausnehmen. In der Mitte der Kirche hat die Decke eine rund ausgeſchnittne Oefnung, die ganz bemahlt iſt, viel feiner als man ſe - hen kan, und bis auf eine bewundernswuͤrdige Hoͤhe fort - geht.

Aber Kanzel und Taufſtein ſind in dieſer Kirche nicht. Die Moͤnche leſen Meſſe, brummen ihre -pres409pres und Horas, und ſind zum Predigen und Katechi - ſiren zu faul. Welch ein Unterſchied zwiſchen dieſen und den erſten Zeiten der chriſtlichen Kirche! Chriſtus und ſeine Apoſtel hatten kein andres Geſchaͤft, als den Unterricht des Volks. Fuͤr ſie war jeder Ort gut genug. Die katholiſche Religion baut ungeheure Tempel, ſchmuͤckt ſie mit allen Werken der Kunſt, uͤberzieht ſie mit Gold, und laͤßt ſie das unwiſſende Volk angaffen.

Die Bibliothek der Abtei St. Amand. Ei - ner von den Moͤnchen ging bei mir vorbei, als ich in der Kirche etwas in meine Schreibtafel ſchrieb. Da dachte er vielleicht, der duͤrfte wohl kein Laye ſeyn, und befahl dem Pfoͤrtner, mir auch ihre Bibliothek zu zeigen. Ich fand einen groſſen, ſchoͤnen, hellen Saal, wo alles wohl eingerichtet war. Ueber jedem Schranke ſtand eine Ta - fel mit der Inſchrift der Materie der Buͤcher. Die Buͤ - cher aus meinem Fache ſtanden bei der Medizin. Viel Moraliſten, Aſcetiker, Kirchenvaͤter ꝛc. waren da. Ue - ber dem Eingange ſtand das Motto: Sapientia aedi - ficavit ſibi domum. In dem Gebaͤude ſelber ſind Brunnen und Fontainen vor den Thuͤren. Nachmittags reißt ich von da ab, und ging

Les Fontaines de l’Abbaye St. Amand zu be - ſehen, die eine halbe Stunde davon liegen. Vor dem Thore des Staͤdtchens auf dieſer Seite findet man Schif - fe auf der Scarpe, die 100. Schuh lang, 14. Schuh und 7. Zoll breit ſind, nach Cale, Lille ꝛc. gehen, und Steinkohlen, Holz ꝛc. hohlen. Man findet ein Dorf, das 2. lange Straſſen hat, die wie ein Winkelhaken, an - einander ſtoſſen. Faſt alle Haͤuſer ſind Aubergen, Caba - rets, Traiteurs ꝛc. Die vornehmſten ſind: Le petitC c 5Ver -410Verſailles, la Chaſſe Royale, le Palais Royal etc. ich logirte au petit Verſailles. Eine Parochial - kirche, etliche Teiche, ein Hoſpital fuͤr die Soldaten, Al - leen im Walde ꝛc. findet man da, und wegen des Bades kommen Leute von verſchiedenen Nationen hierher. Ich ſah einen Spanier da, der ohngeachtet der auſſerordent - lichen Hitze eine dicke ſammtene Weſte recht wohl zuge - knoͤpft, uͤber ſeinem Bauche trug. Die Baͤder, die man hier braucht, ſind von zweierlei Art:

  • I) Les Boues minerales, oder le grand Marais. Eine ſo ſonderbare Sache, daß man’s faſt, ohn es zu ſe - hen, nicht glauben kan. Am Ende des Dorfs vor dem Walde liegt ein groſſer, ſchwarzer, dicker, ſtinkender, mit Quellwaſſer uͤberfloſſener Moraſt, der nach langen und vielen Erfahrungen fuͤr allerlei Krankheiten, Schaͤ - den, fuͤr das Huͤftweh, fuͤr jambes tortues, fuͤr die Folgen eines Falls, fuͤr Nervenzufaͤlle, fuͤr Gliederſchmer - zen ꝛc. gut iſt. Ueber dieſen Moraſt hat man ein hoͤl - zernes Haus gebaut, das gar keine Mauren, an allen Seiten nichts als Fenſter, und oben ein Schieferdach hat und in den Moraſt hat man Balken, der Laͤnge und der Quere nach, gelegt, damit er ein bischen feſt wuͤrde, weil unten kein feſter Boden, und noch eine Menge Quel - len ſind, aus denen an allen Orten beſtaͤndig Waſſer her - aufquillt. Auf einem von den Querbalken iſt inwendig im Hauſe eine Abtheilung, oder Verſchlag, halb ſo hoch, als das Haus iſt, gemacht. Der Raum hinter dieſer Bretwand iſt den Soldaten und andern gemeinen Leuten uͤberlaſſen. In der vordern Haͤlfte iſt der Moraſt ver - mittelſt der Balken in kleine Zellen oder Quarre’s abge - theilt. Jedes Stuͤck des Moraſts iſt mit einem Reifuͤberſpannt,411uͤberſpannt, an dem Reif haͤngt die Nummer auf einem Kartenblatt, und uͤber dem Reif ein Tuch, das dem, der in dem Moraſt ſitzt, zum Umhange dient. Fuͤr jede Perſon ſind etwa 2. Quadratſchuhe Raum. Solcher Abtheilungen ſind an die 200. in dem Hauſe. Die Kran - ken ſetzen ſich mit den Fuͤſſen, mit den Schenkeln, man - che mit dem halben Leibe hinein, manche ſtecken bis an Hals darin, manche halten nur das kranke Glied hinein ꝛc. Man ſetzt ſich des Morgens um 9. Uhr, oder, wenns da noch zu kalt iſt, Nachmittags um 1. und 2. Uhr hinein, und bleibt 3-4. Stunden darin. Setzt man ſich nur mit den Fuͤſſen hinein; ſo zahlt man fuͤr jedes Moraſt - bad 15. Sous; ſetzt man ſich bis an Hals hinein, 25. Sous. Die Badenden leſen, ſingen, plaudern darin; die Soldaten ſchreien, laͤrmen, jauchzen ꝛc. Kommen ſie heraus, ſo ſehen ſie wie gemahlte Teufel aus. Un - ten in dem Hauſe ſind Kammern mit Roͤhren und Waſ - ſerwannen, da waͤſcht man ſich dann ab, zieht ſich an, und geht ſpazieren. Die meiſten ſitzen nackend darin, einige verhuͤllen ſich oben. Alle ſagen, es ſei darin ſehr warm; man ſpuͤre aber gleich nach einigen Tagen Linderung. Wer zum erſtenmahl hinein kommt, ſpuͤrt einen haͤslichen Geſtank, wer aber alle Tage hineingeht, gewoͤhnt ſich gleich daran. Fenſter laͤßt man nicht aufmachen. An den Thuͤren ſind die gedruckten Befehle daruͤber von Mr. Taboureau angeklebt, wo auch die Preiſe von allen Sa - chen den Wirthen vorgeſchrieben ſind. An Per - ſonen, die alle Tage die Boue brauchen, merkt man nicht den geringſten Geruch. In der Boue ſelber haben freilich viele die Tobacksdoſe offen neben ſich ſtehen.
  • Die Reflexionen uͤber dieſe ganze Gegend gehoͤren in die Naturgeſchichte; aber wie gut iſt Gott! Auch im Mo -raſt412raſt iſt Arznei, iſt Staͤrkung, und Linderung fuͤr den Menſchen!
  • II) Les Eaux. Neben dem Moraſt iſt ein noch viel groͤſſeres Haus fuͤr die Waſſer von St. Amand. Man ſieht in die Quelle hinunter; darneben ſind Kuͤchen, Keſſel, eine Menge Badezimmer, oben Saͤle, Platz fuͤr Kaufleute, Buchlaͤden ꝛc. Der Grund der Quellen iſt ein beweglicher Sand; man kan nie auf den Boden kommen. Es iſt der naͤmliche ſchwarze Moraſt, wie darneben, nur daß oben eine groͤſſere Menge Waſſer iſt. Um das Haus zu bauen, hat man ebenfalls den Moraſt durch viele verbundene Balken erſt feſt machen muͤſſen. Das Waſſer iſt nicht uͤbel zu trinken, es ſchmeckt ein Bischen brenzlicht, weil viel Oel von der Natur darin verbreitet iſt. Am Hauſe ſteht das franzoͤſiſche Wap - pen, und eine Inſchrift des Inhalts, daß die Roͤmer be - reits dieſe Quellen gekannt haͤtten, daß ſie aber nachher in Vergeſſenheit gerathen, im Moraſt verſunken, aber unter Ludwig dem Groſſen, durch den Marſchal von Bouffleur, der Commandant general de Flan - dres war, 1698. wieder erbaut und eingerichtet worden waͤren. Die Schildwachen, die an den Alleen im Wal - de ſtehen, ſind blos wegen der Soldaten da, damit dieſe nicht entwiſchen; dieſe duͤrfen daher auch da nicht ſpazie - ren gehen. Im Walde iſt eine Quelle ſo voller Schwefel, daß ſie in wenigen Minuten ein Silberſtuͤck ganz goldgelb macht, und nur ein paar Schritte davon iſt eine ganz geſunde Quelle.

Das Reiſen und die Hitze hatten mich ſo muͤde, ſchlaff und ſchmutzig gemacht, daß ich mir auch eine Badſtube oͤfnen lies und mich ¾ Stunden lang in ein kaltes Badſetzte.413ſetzte. Das koſtete 30. Sous. Ach wie gut waͤr’s, wenn man alle 8. Tage dies herrliche Staͤrkungs - und Reinigungsmittel haben koͤnnte! Ich fand, daß das Waſ - ſer ſehr ſchwer iſt; ich kam aber ſo friſch, ſo munter her - aus, als wenn ich geſtaͤhlt waͤre.

Den 18ten Jul.

Schon Morgens um . Uhr war ich in dem liebli - chen Walde und ging ſpazieren.

Die Leute ſchonen das bischen Holz nicht genug. Um 6. Uhr ward die ganze Kuhherde mitten in den Wald getrieben.

Polizei iſt uͤberhaupt keine hier, denn mit dem fruͤ - hen Morgen faͤngt ſchon das allerunverſchaͤmteſte Betteln an, und waͤhrt bis in die ſinkende Nacht.

Als ich aus dem Walde zuruͤck kam, ſolt ich im Ernſt katholiſch werden, der Abbe Chatelain de l’Archeveché de Paris mochte, wie ich vermuthe, durch etliche Damen, mit denen ich geſtern Abends ſprach, ohne mich im geringſten zu erkennen zu geben, aufmerk - ſam auf mich gemacht worden ſeyn, kam daher aus einer andern Auberge auf mich zu, fing gleich von der Religion an und fragte mich: warum ich nicht katholiſch wuͤrde? Der Diſcours nahm aber in dem Augenblick, da ich ihm ſagte, daß ich nicht blos naturhiſtoriſche Kenntniſſe ſam - melte, ſondern auch Theologie ſtudirt haͤtte, und durch die Kirchengeſchichte vor dieſer Religionsveraͤnderung be - wahrt waͤre, eine ganz andre Wendung, als er vielleicht vermuthete. Er wunderte ſich, daß Boßuets Expo - ſion de la ſoi etc. und ſeine Hiſtoire des Varia -tions414tions, mich nicht uͤberzeugen koͤnnten. Er fuͤhrte mir Heinrich des 4ten Beiſpiel an, der das Sicherſte ge - waͤhlt haͤtte ꝛc. Er fragte mich, was ich denn an der katholiſchen Kirche auszuſetzen haͤtte, da ich ihm ſelbſt ge - ſtand, daß ich glaubte, viele tauſend Katholicken wuͤrden ſelig werden. Ueber die Maͤrtyrer, uͤber der Heiden Schickſal, uͤber Juda’s, uͤber die Authoritaͤt der Paͤbſte ꝛc. waren wir nun freilich ſehr verſchiedener Meinung, und da klebte er feſt an den groͤbſten Vorurtheilen. Auſ - ſerordentlich betreten war er, als ich ihm verſicherte, das Reſultat unpartheiiſcher Unterſuchungen in der Kirchen - geſchichte waͤre, daß es ſich nicht beweiſen laſſe, daß Pe - trus je in Rom geweſen ſei. Die hiſtoriſche Erklaͤ - rung der Stelle Matth. XVI. 18. war ihm auch neu. Ueber die Stelle im Daniel von den Allmoſen ſtritten wir auch lange. Zuletzt wurden wir aber gute Freun - de, und er verſprach mir ſeine taͤgliche Fuͤrbitte mit den beſten Wuͤnſchen auf die Reiſe. Ich muſte ihm meine Addreſſe auf eine Karte ſchreiben, und er bat mich ſehr, wenn ich je wieder nach Paris kommen ſollte, ihn zu be - ſuchen, und ihm auch einmahl zu ſchreiben. Wir waren darin einig, daß nur allein die Religion, und ihre Beleh - rungen von Jeſu Chriſto Troſt fuͤrs Herz gaͤben. Er bat mich ſehr, ihm nicht uͤbel zu nehmen, daß er gleich davon angefangen haͤtte, er ſei es ſeinem Glauben ſchuldig ꝛc. Er ging an der Kruͤcke nach dem Moraſt, weil er auf dem Eiſe in Paris gefallen war. Vier und ſechzig Erklaͤrungen, ſagte er, habe man von den Einſe - tzungsworten aufgeſtellt ꝛc. Beim Weggehen fiel mir der Mann recht zaͤrtlich um den Hals und verſicherte mich, daß er mich ſehr ungern da wieder verliere, wo er mich kaum gefunden habe.

Auf415

Auf dem Ruͤckwege bemerkte ich ſo hohen und ſchoͤ - nen Lein, daß mir die meiſten Stengel bis an die Bruſt reichten, aber der Hanf ſtand noch ſehr niedrig. Den Lein rupft man auch aus, legt Stecken, Reiſer ꝛc. auf das Feld, breitet ihn darauf aus, und laͤßt ihn liegen, bis er recht trocken iſt; dann macht man kleine Buͤndel daraus, und ſtellt viele von dieſen in groͤſſere Haufen zu - ſammen.

Bei der Abtei St. Vicorne (andre ſprechen Vi - cogne) fand ich auf der Straſſe ein Kreutz mit einem Todtenkopfe und der Inſchrift: Ici eſt mort ſubite - ment le XVII. Decbr. 1770. Amand Chotieau, Peruquier à St. Amand. Nah dabei ſteht im ſchoͤn - ſten Felde die Abtei St. Vicorne, ich ging hinein, und beſah

Die Kirche dieſer Abtei. Wiewohl ſie die Pracht jener von St. Amand nicht hat, ſo fehlt es ihr doch auch nicht an eignen groſſen Schoͤnheiten. Der Fußboden iſt ganz von ſchwarzen und weiſſem Marmor; 10. vierſache weiſſe Saͤulen tragen im Schiff der Kirche die obere Gal - lerie, und auf jeder ſteht eine herrliche Statue von Apo - ſteln oder Heiligen. Mitten in der Kirche befindet ſich ein Weihkeſſel von braunem Marmor, weiter in der Pe - ripherie als die groͤſte Brunnenſchale, in der Mitte ſteht ein Gueridon von ſchwarzem und weiſſem Marmor. Hin - ter den Saͤulen iſt an den beiden Gallerien eine unbe - ſchreibliche Pracht, eine unendliche Arbeit; alles iſt voll von Bildern. Alle Leiſten ſind vergoldet, mit einem blauen Grunde darzwiſchen. Das Praͤchtigſte im Schiff der Kirche aber iſt das Gewoͤlbe uͤber der Thuͤre, fuͤr die Orgel. Es iſt inwendig mit Marmor bekleidet, und8. Mar -4168. Marmorſaͤulen tragen es. Die Orgel ſelbſt uͤbertrift alles, was man in Verſailles, St. Denys, St. Amand in der Art haben kan. In dem Gewoͤlbe ſind alle muſikaliſche Inſtrumente ſtark vergoldet angebracht. Die Orgel hat 2. Etagen von braunem Holz. Das macht mit den Pfeifen, mit dem goldnen Blaͤtterwerk, mit den kleinen Statuͤen, die oben und an den Seiten ſtehen und wieder eine eigne kleine Orgel halten, einen herrlichen Anblick. Sie iſt 1734. gebaut worden. Der Ein - gang ins Chor hat viele Stufen, und das Gewoͤlbe druͤber iſt wieder uͤberladen. Das uͤberhaͤngende Ge - woͤlbe gibt ihm ein dunkles, majeſtaͤtiſches, perſpektivi - ſches Anſehen. Ueber jedem Stuhl der Paters iſt eine ſilberne, ſehr fein gearbeitete groſſe Reliquienkapſel und eine rothſammtne Kapſel darneben, an wel - cher der Name des Heiligen ſteht. Am Hochaltar ſind Aufſaͤtze uͤber Aufſaͤtze. Alle Flaͤchen und Geſimſe wechſeln mit Gold, Silber, ſchwarzen, weiſſen Marmor und Malerei ab. Hoch oben iſt Chriſtus in ſeiner Herr - lichkeit gemahlt. Dem gegenuͤber ſteht uͤber der Thuͤre ein groſſes Krucifix mit Edelſteinen. Man muß geſte - hen, ſo ein groſſes Gemaͤlde von Chriſto in ſeiner Kirche, ſollte doch in groſſen proteſtantiſchen Kirchen nicht ſo was ſeltenes ſeyn, als es wirklich iſt. Die Nebenaltaͤre ſind ebenfalls mit gewundenen und kannelirten, zur Haͤlf - te vergoldeten Saͤulen herrlich geziert. Man findet auch ſonſt in dieſer Kirche noch eine Menge Buͤſten von Aeb - ten mit vergoldeten Muͤtzen und Staͤben; Herrliche Gemaͤlde von Blaſii (des Schutzheiligen) Enthauptung, von Chriſti Einzug, Hinausfuͤhrung, Noli me tange - re &c. Kanzel und Taufſtein ſind nicht in dieſer Kirche, als wenn die Moͤnche nicht auch noͤthig haͤt -ten,417ten, daß ihnen zuweilen geprediget wuͤrde, als wenn ſie nicht eigne Pflichten, eigne Suͤnden, eigne Gefahren, eigne Reizungen haͤtten. Ueberall ſind Grabſtei - ne mit Inſchriften. Kurz, kein Fuͤrſt in Deutſchland hat ſo eine kunſt - und prachtvolle Kirche, als hier dieſe Pfaffen. Die Abtei haͤlt ſehr groſſe Schaafheerden.

Als ich hierauf nach Hauſe kam, fand ich meinen Kuffer. Er war am 17ten Abends, mit der Poſt von Paris gekommen, alſo wirklich dort vergeſſen worden. Mit unendlichem Vergnuͤgen ſah ich ihn nun auf meinem Zimmer, und machte noch dieſen Abend einen ſehr wich - tigen Gebrauch von den darin befindlichen Pariſer Brie - fen. Der Directeur des Caroſſes pour Bruxelles, Mr. Maladery, Rue de Cambray, vis à vis le Lion d’argent, bei dem ich einen Platz nach Bruͤſſel beſtellte, forderte einen Paß, ohne den ich nicht aus Frankreich kommen wuͤrde. In dieſer neuen Verlegen - heit ging ich wieder zu Mr. Dehault, der nicht ermuͤ - dete, ſich meiner anzunehmen. Er fragte, ob ich gar keine pieces juſtificatives haͤtte, ich holte meine Brie - fe hervor, er ſah ſie an und ſchrieb mir ein Billet an Mr. Maladery; der war damit zufrieden, verlangte keinen Paß mehr, und gab mir ein Kartenblatt, worauf ſtand: Laiſſez paſſer le porteur du preſent billet. Ferraud. Mr. Ferraud iſt Commandant general de la Place. Dieſes Billet ſollte ich am Thore abgeben, und nun nahm ich Abſchied von dem lieben Mr. Dehault, den ich ungern verlor, und nie vergeſſen werde. Aber ſo viel Schwierigkeiten hatt ich, nur um aus dem Koͤ - nigreiche zu kommen!

D dBemer -418

Bemerkungen.

Die Leute haͤngen hier den groſſen Hunden ein Kummt an, und ſpannen ſie an Schubkarren, in die man allerlei ladet, man treibt ſie dabei mit der Peitſche, wie die Pferde. Eine ſehr vernuͤnftige Gewohnheit, wenn der Staat doch ſo viele von dieſem Geſchlechte ernaͤhren ſoll.

Den Merrettig richtet man hier mit Weineſſig zu, aber er iſt doch gut. Und am Faſttage Stockfiſch dazu zu eſſen, iſt warlich kein ſchlechtes Futter.

Auf dieſer Reiſe hatt ich auch Gelegenheit, ein in Deutſchland, ſo viel ich weis, nicht bekanntes Inſekt kennen zu lernen, wovon ich dann eine genaue Beſchrei - bung fuͤr die Geſellſchaft in Berlin verfertigte.

Den 19ten Jul.

Das war der Vormittag, den ich dazu beſtimmt hatte, in die Steinkohlengruben zu fahren. Mr. Matthieu und ſein Sohn hatten Geſchaͤfte, ſie konnten mich nicht begleiten, gaben aber dem Aufſeher uͤber die Arbeiter, dem Steiger, wie wir in Deutſchland ſa - gen, Mr. Boiſſeau, einen ſchriſtlichen Befehl, mit mir in die Foſſe du Jardin, weil das die ſchoͤnſte und reich - ſte iſt, einzufahren. Sie heiſt ſo, weil ehemals an dem Platz, wo jetzt die Grube und die Feuermaſchine iſt, ein Garten war, man hat aber Baͤume und alles weggehauen. Mr. Matthieu, der vor 48. Jahren zuerſt die Ent - deckung dieſes wichtigen Minerals in dieſer Gegend mach - te, meinte, daß ich am ſicherſten waͤre, wenn ich aupanier419panier (im Korbe) einfuͤhre. Boiſſeau widerrieth mirs aber, weil die Seile am Korbe ſchlecht waͤren; bequemer waͤr’s freilich geweſen, aber weil bei ſolchen Expeditionen man auf die Bequemlichkeit Verzicht thun muß, ſo waͤhl - te ich den andern Weg, par les Echelles (auf den Fahr - ten) und ſo fuhr ich zwiſchen ihm und noch einem Mi - neur, der den Arbeitern die bleierne Zeichen fuͤrs Bu - reau austheilt, in Zeit von einer ſtarken Viertelſtunde 660. Schuh, oder 110. Toiſen, (6. Schuh auf die Toiſe gerechnet) in die Teufe. Man gab mir graue Ueberho - ſen, ein graues Weſtchen, daß vorne durch einen Neſtel zugemacht wurde, eine Muͤtze, und einen Schlapphut; ſo komiſch hab ich in meinem Leben nicht ausgeſehen. Meine Kleider wurden indeſſen oben in einem Kuffer verſchloſſen. Die beiden Fuͤhrer nahmen ihre Lichter auf den Hut, der hintre muſte noch 3. zum Vorrathe mitneh - men, und ſo fingen wir an einzufahren, um halb 9. Uhr. Die erſten 40. Toiſen ging der Weg gerade ne - ben der Waſſerpumpe hinab; da war’s nicht anders, als waͤr ein kuͤnſtliches Donnerwetter um mich herum. Das beſtaͤndig herabſallende Waſſer macht naß, wie der Re - gen, und die Schlaͤge der Maſchine ſind in dem hohen engen Schachte ſo heftig, wie der Donner am Himmel. Von da gehen die unterirdiſchen Gange an, die man in die Steinkohlenminen getrieben, und jetzt mit Holz aus - gezimmert hat. Die Mine ſtreicht immer von Morgen gegen Abend, oder je nachdem man ſich ſtellt, von Abend gegen Morgen, und enfoncirt ſich gegen Mittag. Die Ader von dieſem Gange iſt 3. Schuh, oder nach dem Decimalmaas 30. Zoll breit oder maͤchtig, es gibt andre, die nur 25. 20. Zoll maͤchtig ſind. Jede Ader wird inD d 2ver -420verſchiedenen Stockwerken uͤbereinander gebaut; und alle dieſe ſchon ausgeleerte Gaͤnge ſind jetzt oben und zu beiden Seiten mit Holz ausgezimmert und unterſtuͤtzt, damit die Steine von beiden Seiten nicht hinabfallen und den Weg verſchuͤtten. Jedes Stockwerk hat eine Treppe, auf der man trocken, bequem, und ſicher hinabſteigen kan. Von einem Stockwerke zum andern geht ein klei - ner Weg mit einer Thuͤre, wo man freilich nicht aufrecht ſtehen kan. Aber zwiſchen 2. Lichtern in der Mitte kommt man recht gut fort, und ſieht zu beiden Seiten immer die Reſte von der alten ſchon lange ausgeleerten Grube. In dieſen unterirrdiſchen Gaͤngen iſt’s ſo ſtill, ſo ruhig. Man hoͤrt und ſieht nicht was oben vorgeht. Recht ma - jeſtaͤtiſch, dunkel, ſchweigend, ſiehts uͤberall aus. Die Arbeiter, die unten ihr Tagwerk haben, begegnen einem, und dieſe Leute ſind es ſo gewohnt unter der Erde zu ſeyn, daß ſie mit ihrem Licht auf dem Hut herumkriechen, wie wir in Zimmer herumgehen. Da wir endlich unten an der Gallerie waren, oder an der Grube, die wirklich gebaut wird, ſo fuhren wir: 1) linker Hand hin nach dem Schachte, wo die Kuͤbel herabgehen und hinaufſtei - gen. Und Beides ſah ich da in der Tiefe von 660. Schuh, wie ichs oben auf der Oberflaͤche der Erde geſe - hen hatte. Und doch gingen die Kuͤbel noch viel tiefer hinab, und man ſah die Lichter der Arbeiter in einer un - geheuren Entfernung, ſehr klein, im Dunkeln aber lieb - lich ſchimmern. 2) Dann fuhren wir rechter Hand in den mit Holz ausgezimmerten Gang hinein, bis wir die Arbeiter wirklich antrafen. Das war ein Weg von 140. Toiſen oder 840. Schuh unter der Erde. Durch den Kompaß weis man, in welcher Gegend man iſt. Wir421Wir fuhren unter der Schelde weg, ohne einen Tropfen Waſſers zu ſehen, unter einem groſſen Fluſſe, ohne naß zu werden. Freilich kan man in dieſen Wegen nur ſel - ten grade ſtehen. Man muß ſich faſt immer zwiefach zuſammen biegen, auf ein kleines Holz ſtuͤtzen und ſo fort - kriechen. Zuweilen muß man ſich niederlegen, und auf allen Vieren, wie die Baͤre, daher kriechen. 3) An der Grube ſah ich deutlich das Haͤngende und das Lie - gende, oder die zwei Steinarten, zwiſchen denen die Steinkohlen brechen. Die Leute ſitzen da, ſchwarz wie man Teufel mahlt, und verrichten wahrhaftig ſaure Arbeit. Das Licht ſteht neben ihnen, jedem iſt die Hoͤhe ſeiner Arbeit durch ein Bret, das uͤber einen Bengel, der zwiſchen dem Hangenden und dem Liegenden einge - macht iſt, liegt, vorgezeichnet, uͤber ihm ſitzt noch einer, uͤber dem wieder ein andrer; ſo ſieht man hier und da Lichtchen, und hoͤrt ſie an den feſten harten Steinen haͤmmern. Sie treiben, wenn ſie erſt unten lange mit dem Spitzhammer losgehackt haben, groſſe ſtarke eiſerne Keile hinein, und ſpalten dadurch ihr Stuͤck, dann bre - chen ſie groſſe ſtarke Stuͤcke heraus, und klopfen dieſe wie - der klein. Ich hab’s ſelber verſucht, ein Stuͤck los zu ſchlagen, und erfahren, daß es wirklich harte Arbeit iſt. 4) Was nun aus der Grube losgebrochen worden iſt, wird in groſſe Kuͤbel mit Schaufeln geworfen, und dieſe muͤſſen eigne dazu beſtellte Leute, die ſie Traineurs (Karrenlaͤufer) nennen, nach und nach in dem Gange fortziehen, bis an den Ort, wo der Schacht iſt und die Kuͤbel auf und abſteigen. Dazu iſt an den Banquets ei - ne Art von Kummt, oder Geſchirr von Leder mit 2. Ket - ten, worin ſich die Leute einſpannen, wie Pferde. Ei - ner muß es allemahl 10. Toiſen fortziehen, das StuͤckD d 3iſt422iſt durch Holzſtuͤcke bezeichnet. Auch das iſt ſaure, ſchwe - re Arbeit. Ich lies mich einſpannen, und konnte kaum ſo einen geladenen Kuͤbel von der Stelle ziehen. 5) In allen Gruben um Valenciennes herum, arbeiten beſtaͤn - dig 1500. Arbeiter. Die Arbeit geht ohne Aufhoͤren, Sonn - und Feiertage abgerechnet, Tag und Nacht fort, und fuͤr dieſe Leute, die beſtaͤndig bei Licht arbeiten, und von der Welt nichts ſehen und hoͤren, iſt Tag und Nacht einerlei. Sie arbeiten alle nach der Taxe, koͤnnen ſie ihre aufgegebne Arbeit in 6. Stunden machen, ſo iſts gut fuͤr ſie, brauchen ſie 9, ſo zahlt man ihnen doch nur ihre Arbeit, aber alles wird gut bezahlt. Ein Mineur (Haͤuer) muß 3. Schuh in die Grube hinein avanciren, und das 9. Zoll hoch, dafuͤr zahlt man ihm 17½ Sous. Ein Traineur (Karrenlaͤufer) muß den geladenen Kuͤ - bel 10. Toiſen fortziehen, dafuͤr bekoͤmmt er 15. Sous. Der Chef der Arbeiter (Steiger), Hr. Boiſſeau, hat 18. kleine Thaler des Monats. Mr. Matthieu iſt ſelbſt einer von den Gewerken. Es iſt einer da, der am Ende des Ganges am Anfang der Fahrten ſitzt, und den Mineurs und Traineurs die Plombs (es ſind aber Meſſingſtuͤcke) austheilt, wofuͤr ſie auf dem Bu - reau bezahlt werden. Dieſer hat 20. Sous des Ta - ges. Ungeſund iſt die Arbeit nicht; daß Arbeiter an boͤſen Duͤnſten oder Schwaden geſtorben waͤren, davon hat man wenig Beiſpiele. Sobald das Licht an einem Orte nicht brennen will, faͤhrt man nicht dahin, und durch die Thuͤren an den Fahrten hat die Luft beſtaͤndig eine Kommunikation mit der aͤuſſern. Oft uͤberarbeiten ſie ſich, und erkaͤlten ſich dann, wenn ſie voll Schweis ausfahren. Einige machen 3. Journées in Einem Tage. Eben der, welcher den Arbeitern die Zeichenaustheilt,423austheilt, verſchaft ihnen auch die Lichter. Es ſind duͤnne Talchlichter mit groben Tochten. Ein Mineur bekoͤmmt deren des Tages 3, ein Traineur 2. Man verbraucht jaͤhrlich 15000. Pfund, das Pfund koͤmmt ih - nen 8. Sous zu ſtehen. Der Lichtſtock iſt von Holz und zugeſpitzt, damit ſie ihn ins Holz, oder durch die Schlei - fe am Hut ſtecken koͤnnen. Holz braucht man hier alle Jahr ebenfalls 15000. Quarrés, das Quarré hat 25. Combes oder Stuͤcke. Alle dieſe Stuͤcke bringt man durch die leeren Kuͤbel in die Grube hinab, unten ſtellt und legt man ſie uͤber einander wie Holzſchragen, und von denen kommt kein einziges wieder ans Tageslicht. Ich ſah auch die Loͤcher zum Schiespulver in dem Haͤngenden und Liegenden. Sie ſind nicht uͤber Fin - gerslaͤnge tief. Auf den Fahrten iſt gar keine Gefahr. Die Fahrt-Sproſſen werden alle 14. Tage, von ei - gen dazu beſtellten Leuten viſitirt, weil’s der gewoͤhnliche Weg fuͤr alle Arbeiter iſt. Es arbeiten Knaben und Maͤdchen in Hoſen von 10. 12. Jahren da, und fah - ren alle des Tags auf und nieder, ſo oft man will. Vor Kurzen ward ein dicker Mann beim Ausfahren ohnmaͤch - tig, er kam aber durch Waſſer wieder zu ſich. Man hat beim Ausfahren mehr Muͤhe als beim Einfahren, kan aber uͤberall ausruhen, und welch eine Freude, wenn man die Sonne, das Tageslicht wieder ſieht! Die Leute wiſſen aus langer Gewohnheit die Zeit in dieſer Tiefe ganz genau. Es rieth einer, daß es jetzt halb 10. Uhr waͤre, ich ſuchte unter den Ueberhoſen meine Uhr, und es war halbzehn. Er war ſchon um 4. Uhr des Mor - gens eingefahren.

Nachmittag ward die Abreiſe beſorgt, auch hatt ich der Ruhe auf das Steigen und Kriechen hoͤchſt noͤthig.

D d 4Reiſe424

Reiſe nach Bruͤſſel.

Den 20ten Jul.

Von Valenciennes aus geht à la Cour de Fran - ce alle 2. Tage eine Diligence nach Bruͤſſel. Sie hat 2. Cochers, die einander abloͤſen und zugleich Poſtil - lions dabei ſind. Sie fahren mit 6. Pferden aus ihrem Cabriolet, nehmen aber auch, wie die deutſchen Konduk - teurs, Weibsperſonen, Kinder, Handwerksburſche ꝛc. ein. Man rechnet den Weg auf 20. Stunden; freilich ſind die Straſſen nicht durchgaͤngig ſo gut, als in Frank - reich.

Es iſt aͤuſſerſt unangenehm auf den Grenzen zu rei - ſen. Erſt forderte man unterm Thor die Karte von Mr. Ferraud, dann viſitirte man auf dem letzten franzoͤſiſchen Bureau in

Quevrain noch einmahl unſre Kuffer und Man - telſaͤcke. Nur ein paar Schritte weiter hinunter in dem Orte, ſo waren wir in Kaiſerlichen Landen, und nun nahm man gleich wieder die Sachen aufs Bureau, und viſitirte ſie. Hier griff mir der Kerl gar in die Rockta - ſche und fuͤhlte auch an die andern in der Weſte und in den Hoſen. Weil es regnete, wollte man ſich nicht mit den Kuffern abgeben, der Wagen ward alſo hinten auf beiden Seiten mit einem groſſen Schlos verſchloſſen, das erſt in

Mons (Bergen) geoͤfnet wurde. Dieſe Stadt liegt, wie ſie auch deswegen heiſt, an einem Berge. Sie iſt breit, gros, und ziemlich befeſtigt. Die Mau - ern ſind hoch, die Graͤben breit, und wie groſſe Seen, beſtaͤndig voll Waſſer. Die Haͤuſer ſind meiſt von Stein, die Straſſen alle gepflaſtert, aber bergicht. DieſeKruͤm -425Kruͤmmungen und Huͤgel abgerechnet, ſcheint ein gewiſſer regelmaͤſſiger Plan in der Anlage der Stadt zu herrſchen. Man ſagte mir, daß 10000. Buͤrger da waͤren, und ſehr viele Adliche. Es ſind uͤber 150. Karoſſen in der Stadt. Ob es gleich Sonntag Vormittags war, ſtanden doch alle Boutiquen offen. Vor der Stadt ſah ich vielen Toback pflanzen. Hier ſtieg nun der Kaiſerliche Kommis gleich vor der Stadt in die Kutſche, und be - gleitete uns bis ans Zollhaus, wo der ganze Wagen ab - gepackt, und alles, zum Theil auf eine ſehr grobe und niedertraͤchtige Art, viſitirt ward. Die Anſtalt haͤlt die Fremden auf, macht ſie alle unwillig, und in der That man braucht es nur geſehen zu haben, ſo glaubt mans man erreicht doch ſeinen Zweck nicht. Auch ohne Schleich - handel wollt ich doch eine Menge verbotener Sachen aus - und einfuͤhren. Legt man den Kufferſchluͤſſel und ein paar Eſcalins, oder 30. Sous, oder gar 3. Liver neben - einander, und zeigts dem Viſitator, ſo nimmt er das Silber und laͤßt das Eiſen liegen.

Von da hat man noch 10. ſtarke Stunden bis nach Bruͤſſel. Der Weg geht beſtaͤndig auf und ab. Die meiſten Gegenden ſind ſchoͤne Ebenen, mit Frucht, Heu, Hafer bedeckt. Man paſſirt einige kleine Staͤdte, Soignies, Brunn le Conde, Notre Dame de Ha - le ꝛc. Die Straſſen waren Abends ſehr lebhaft, weil in Loͤwen und Bruͤſſel Kermeß war.

Bruͤſſel. Die Avenue von Paris her, iſt eine etwas langweilig herum gezogene Allee; weil man lange vorher die Stadt geſehen hat, und ſie nun aus dem Ge - ſicht verliert. Unter dem Thor wollte der Viſitator ſchon wieder einſteigen, ich ſagte ihm aber etwas ernſtlich, daß er ſich gar keine Muͤhe weiter geben ſollte.

D 5Das426

Das Geld, das in Quevrain anfaͤngt, heiſt Mon - noie de la Reine, und iſt ein Miſchmaſch von deut - ſchen und franzoͤſiſchen Geldſorten. Man rechnet nach Gulden ſtatt der Liver, nach Eſcalins*)Eſcalin iſt hier das, was in Brabant, Luͤttich, Hol - land der Schilling iſt. ſtatt der Pie - ces à ſix, à 12. Sous, aber doch nach Sous und Li - ards. Ein Sous de France iſt nur ein halber Sous de la Reine. Ein franzoͤſiſcher Louisd’or gilt hier 13. Gulden, 13. Sous. Ein Ecu à ſix francs gilt eine Krone, oder 3. Gulden, 3. Sous und 1. Liard (hie - ſigen Geldes). Man wechſelt einen 6. Liversthaler mit 9. Eſcal. 9. Liards. Ein petit Ecu gilt eine halbe Krone, anderthalb Gulden und drittehalb Sous. Ein Sous de France iſt hier ½. S. oder 2. Liards. Ein Eſcalin iſt 12½. Sous de France, oder 7. Sous hieſi - gen Geldes. Man hat Stuͤcke von 5. Sous und auch welche von 10. Liards, die nur in der Groͤſſe etwas verſchieden ſind. Man hat halbe Eſcalins oder Bla - quets zu . ferner doppelte Eſcalins oder 14. Sous. Man hat auch 9. Sous moins un Liard. Zwanzig hieſige Sous rechnet man auf einen Gulden; ſo rechnet man auch hier auf 1. Sous 4. Liards. Auf den Liards und 2. Liards ſteht der Kaiſerin Bildnis, auf der andern Sei - te: ad uſum Belgii Auſtr. 1777. Man hat auch noch andre mit verzogenen Namen und Wappen, die ſind aber aͤlter.

In der Stadt findet man 3. Nationen, und 3. Sprachen; Franzoͤſiſch, ſchlechtes Deutſch und Flam - laͤndiſches Deutſch; denn dies letztere koͤmmt dem in Nie -der -427derſachſen und Hamburg uͤblichen Plattdeutſchen naͤ - her, als dem Hollaͤndiſchen. Man hat viele Muͤhe, es zu verſtehen. Die Leute reden ſehr zwiſchen den Zaͤhnen durch, faſt mit geſchloſſenen Lippen. Man verſicherte mich aber, daß die Sprache ihre eigne Reichthuͤmer und Schoͤnheiten habe.

Meine Wohnung fand ich à la Maiſon rouge recht ſehr gut, und ruhte von der unterirdiſchen Prome - nade zwiſchen den Steinkohlen bei Valenciennes noch erſt recht aus.

Den 21ten Jul.

Mein erſter Gang heute war zu

Mr. Needham. Ich fand einen ſehr kleinen, ſchon ſehr alten, aber aͤuſſerſt hoͤflichen und guͤtigen Mann an ihm. Hr. Delor’s Brief that die beſte Wirkung. Er war mit der Brille geſchrieben und ward auch durch die Brille geleſen. Seine eben ſo alte Schweſter ſchenk - te ihm grade den Thee zum Fruͤhſtuͤck ein, und da ſah ich, daß die Engellaͤnder einen beſondern Geſchmack dar - an finden, Moutarde oder Senf unter den Thee zu mi - ſchen, und Madem. Needham verſicherte mich auch, daß man in Eugelland Senf und Kaffee mit einander kocht. *)Perſonen, die in Engelland geweſen ſind, haben die - ſe Erfahrung nie gemacht. Darunter gehoͤrt auch der Herausgeber. Mr. Needham lies mich gleich ſeine kleine Mineralienſammlung ſehen, wo einige nicht gewoͤhnlicheStuͤcke428Stuͤcke vorkamen. Er gab mir auch einen Brief an Mr. Maldeck, den Aufſeher des hieſigen Naturalienka - binets, und auch noch andre Addreſſen fuͤr die Merkwuͤr - digkeiten der Stadt, und lud mich auf Morgen um 8. Uhr zum Fruͤhſtuͤck ein. Ich muſte nun einen Lohnbedienten annehmen, und unter ſeiner Fuͤhrung beſah ich, waͤh - rend des allerſchrecklichſten Regenwetters, das den vielen Fremden, welche die Kermes in die Stadt gezogen hat - te, ihren Spaziergang im Park verdarb,

Le Cab. de l’Hiſt. Nat. de S. Alt. R. Mſgr. le Prince Charles de Lorraine. Im Schloſſe ſelber iſt ein einziger groſſer Platz dazu gewidmet. Dieſer Saal iſt daher ganz vollgepfropft von allerlei Sachen, und man hat auf allerlei ſonderbare Anordnungen geſon - nen, nur um die Sachen aufzuſtellen. Einiges iſt in Glasſchraͤnken, andre Sachen z. B. Inſekten, Konchy - lien, Marmore ꝛc. liegen in verſchloſſenen Schubladen unter den Tiſchen, uͤber denen Glastafeln liegen, unter denen Fiſche und Krebſe rangirt ſind. Der Aufſeher daruͤber hat keine tiefe Kenntnis von dieſen Sachen, auch keine betraͤchtliche Bekanntſchaft mit Gelehrten, weder in Frankreich, noch in Deutſchland. Er ſprach franzoͤſiſch und auch etwas deutſch, kannte aber die neuern deutſchen Schriften uͤber die Naturgeſchichte nicht. Sei - ne Mineralien hat er Pyramidenweis, jedes Stuͤck auf einem Fuß mit einer eignen Glasglocke daruͤber, aufgeſtellt. Das Vornehmſte, was ich hier antraf, war folgendes: 1) Ein fliegendes Eichhorn, klein, aber ganz weis, aus Virgimen. 2) Eine Tygerkatze. Der Grund war ganz weis, und darauf ganze gelbe Streifen, Baͤn - der ohne Abtheilungen, nicht rund, nicht ruthenfoͤrmig. Das429Das Thier lebte lange hier, weil aber keine Menagerie hier iſt, ſo wars wegen ſeiner Wildheit immer im Stalle eingeſperrt, und ſtarb endlich vor lauter Fett, alle Ge - daͤrme und Adern waren damit beſetzt. 3) Eine ſehr groſſe Purpurſchnecke. 4) Ein Klumpen von kleinen Meerwuͤrmchenroͤhrchen, Schuh hoch, die meiſten waren hohl, und in einander geſchlungen. Man konnte nichts Schoͤners ſehen. 5) Eine Pipa in Weingeiſt. Auf dem Ruͤcken ſah man die Jungen; ſie waren zum Theil ſchon halb heraus, man meint, jedes habe eine eig - ne Oefnung, die durch die Haut hineingehe. 6) Feis - Kryſtalle im Kalkſpat, Spiesglas in Kalkſpat. 7) Cinnabre en terre, aus Idria. Hr. Maldeck verſicherte mich, daß auch fuͤr ſie hier in Bruͤſſel eine eigne Erlaubnis vom Departement noͤthig ſei, wenn man von Idria aus ſolche Stuͤcke haben wolle. 8) Gedie - gen Gold, 11. Unzen ſchwer; ein Stuͤck, wie’s nicht viele gibt. Es lag ein Certificat dabei, daß es an dem und dem Tage im Amazonenfluſſe gefunden worden. 9) Or en cheveux; auf einer Miner, wo’s auch in Koͤrnern vorkoͤmmt, aus Siebenbuͤrgen. 10) Ver - ſteinerte Schildkroͤten-Rippen und Sternum. Man ſah ſehr deutlich, daß es keine bloſſe Eindruͤcke von den Rippen, ſondern wuͤrklich wahre Verſteinerungen ſind. Es fiel ein Stuͤckchen von einer ab, das war fuͤr mich. 11) Eine Verſteinerung im Baſalt. Es waren etliche ſchiefherabgehende Schwanzrippen, aber von welchem Thiere? Ich ſah es fuͤr die Vertebras einer Eidechſe an. Vielleicht bekommen wir davon eine Abbildung in Rozier’s Journal de Phyſique. 12) Ein Model vom groſſen toſcaniſchen Diamanten, ſ. Le Cab. de l’Hiſt. Nat. à Chantilly, S. 362. 13 ) Tabatierenaus430aus weislichtem Achat, und aus gruͤnlichen Jaſpa - chat, aus Boͤhmen. 14) Gediegenes kryſtalliſir - tes Kupfer, aus Ungarn. Hr. Maldeck verſicher - te, daß es uͤberall die feinſten Kryſtalle habe. Ich ſah etwas Aehnliches. 15) Alle Lagen in der Erde, bis man zu den Steinkohlen koͤmmt. Billig ſollte man das von jeder Grube, von jedem Bergwerk in Glaͤſern ſammeln. Dann koͤnnte man Vergleichungen anſtellen. 16) Eine Meerpflanze, die faſt ganz weis war, aber im Kabinet angefangen hatte, am Rande roth zu wer - den. Eine Bemerkung, die ganz neu waͤre. 17) Eine kleine Lamina oſſea Cetacea, mit den ſchwarz - braunen Haaren an beiden Seiten. Hing oben an der Decke. Man hat den kleinen Wallfiſch, von dem ſie iſt, hier bei Oſtende und Nieuport gefangen. Auch eine Maxilla von einem Kaſchelot, der auch bis hieher kam. 18) 32. ruſſiſche Marmorarten; unter denen einige ſehr ſchoͤn, und die meiſten ſehr derb ſind. Man findet die ruſſiſchen Arten nicht oft. Die Marggraͤfl. Baaden - ſchen ſind auch hieher gekauft worden.

Unter den Kunſtſachen muſte ich beſonders bewun - dern: 19) Eine Boete mit Kameen, die 100,000. Gulden gekoſtet hat. Die meiſten waren von der Schwe - diſchen Koͤnigin Chriſtina verſetzt worden. 20) Viele Vaſen, darunter eine ganz herrlich emaillirte, von der feinſten Zeichnung, mit vielem Golde. Sowohl die Vaſe als der Deckel ſind in - und auswendig emaillirt. Auch ſind viele Edelſteine daran. 21) Zwei Pyra - miden, die man auch, wie die zu den Mineralien, auf dem Fußgeſtelle herumdrehen konnte. Sie hatten 64. Abtheilungen mit Glasfenſtern, die alle mit den nied -lichſten431lichſten Werkzeugen von Handwerkern und Kuͤnſt - lern angefuͤllt waren. Ein vortreflicher Gedanke von Hrn. Maldeck, und der, nach ſeiner Verſicherung, zu den Pariſer Deſcript. des Arts et Metiers Anlaß gegeben hat. Sehr inſtruktive Sachen. Die ganze Werkſtadt des Kunſtdrechslers, Uhrmachers, die Inſtru - mente des Wundarztes, eine Apotheke; auch eine Bau - erhuͤtte mit allen oͤkonomiſchen Werkzeugen ꝛc. Eine Sache, die nur ſo, wie ſie jetzt iſt, ohne das Arrange - ment, wenigſtens 250. Dukaten gekoſtet hat, die aber eben ſo noͤthig und wichtig iſt, als Steinſammlungen und Saͤmereien. Hierauf beſah ich

Das Rathhaus. Es ſteht auf einem ſchoͤnen und groſſen Platze, der mit verſchiedenen gutangegebenen Pri - vatgebaͤuden umgeben iſt. Die Staaten von Brabant halten darin ihre Verſammlungen. Die 4. dazu gewid - meten Zimmer ſind mit herrlichen Tapeten behaͤngt, da - von man hier eine Fabrick hat, die eine Nachahmung der Gobelins in Paris iſt; und in der That Stuͤcke lie - fert, die jenen nichts nachgeben. Man gibt auch den Fremden von dieſen Stuͤcken einen gedruckten Zettel, wie in Paris.

Erſt koͤmmt man auf eine kleine Gallerie, wo die Bildniſſe der Herzoge von Brabant von Philipp dem Schoͤnen an bis auf Karl II. von Grange ge - mahlt, haͤngen. Philipp der Schoͤne hat wirklich ein liebliches Maͤdchengeſicht, ein blondes Kinderhaar, und trug, nach dieſem Gemaͤlde zu urtheilen, keinen Bart. Karl V. war ein ſchoͤner Mann, hatte wie Heinrich der[4]te von Frankreich, etwas Groſſes, Feuriges, Un - ternehmendes ꝛc. Philipp II. ich weis nicht, warsIdeen -432Ideenaſſociation, oder iſts wirklich ſo? Die blinde Re - ligionswuth, die unmenſchliche Grauſamkeit, welche er die Niederlaͤnder erfahren lies, liegt in ſeinem Geſichte. Unter den Tapeten in den vier Zimmern gefielen mir vor - zuͤglich, Klodowich auf dem Todtenbette, macht ſein Teſtament. Das ſchon verfallne Geſicht iſt herr - lich ausgefuͤhrt. Am Nebentiſch ſitzt einer und ſchreibt. Der Koͤnig ſtreckt den Arm gegen ihn aus; alles iſt ſehr redend. Le Brun hat die Zeichnung dazu gemacht. Es ſind auch noch andre Stuͤcke von dieſem Fuͤrſten da, als ſeine Taufe, Vermaͤhlung ꝛc. Ueber dem Ka - min in dieſem 3ten Zimmer haͤngt ein Gemaͤlde vom Maxim. von Oeſterreich und der Maria von Bur - gund, welche die Karte von den 17. Provinzen in der Hand haͤlt; zwei ſchoͤne junge Leute: er ſchielt ſo huͤbſch auf das Kind, und auf den herrlichen Brautſchatz hin ꝛc. Doch der Saal, worin die Staatsverſammlungen gehal - ten werden, iſt das ſchoͤnſte. Oben iſt ein Deckenſtuͤck, das geſehen zu werden verdient, ſo gut als die in Paris. Janſen, ein groſſer Maler aus dieſem Lande, hat die ganze Verſammlung der Goͤtter darin vorgeſtellt. Oben an im Saale ſteht der rothe praͤchtige Thronhimmel fuͤr den Souverain, darneben ſind zu beiden Seiten groſſe Spiegel, und vor dieſen ſtehen 2. ziemlich groſſe Tiſche mit ſchwarzem Marmor eingefaßt. Die Platten ſelbſt aber ſind von weiſſem Gyps, und man ſollte ſchwoͤren, daß es weiſſer natuͤrlicher Marmor waͤre. Auf dem Gyps ſind die Karten vom Herzogthum Brabant aller - liebſt abgezeichnet, linker Hand das ſuͤdliche, rechter Hand das noͤrdliche Braband. Dieſen artigen Einfall hat - ten zwei Italiaͤner. An der Wand unter dem Balda - chin haͤngt ein Gemaͤlde, von der Kaiſerin MariaThe -433Thereſia, von Doffy gemahlt, das gleich jedem, der hereintrit, Ehrfurcht einpraͤgt. An dem Deckenſtuͤ - cke ſind die herrlichſten Schildereien und Vergoldungen. An der Wand haͤngen wieder Tapeten aus der Spani - ſchen Geſchichte, unter denen mir Karls V. Abdankung am beſten gefallen hat. Hinge das Stuͤck unter den Gobelins-Tapeten in Paris, man wuͤrde es nicht un - terſcheiden. Die Zeichnungen dazu ſind alle von V. H. Janſens, und die Tapeten von Leyniers aus Bruͤſ - ſel. Karl ſitzt, wie ein alter abgelebter Greis im Sorgſtuhle, Philipp kniet vor ihm nieder und umfaßt des Vaters Fuͤſſe, iſt furchtſam und aͤngſtlich. Karl ſpricht mit ihm, das Geſicht druckt viel aus. Ein Edel - knabe koͤmmt von der Seite, und bringt aufm Kuͤſſen, Krone und Scepter, die dem alten Kaiſer zu ſchwer wur - den ꝛc.

La Cour de S. Alt. Das Schlos iſt nicht gros, nicht hoch, hat auſſen keine Baukunſt, iſt aber inwendig deſto ſchoͤner. Es liegt auf der Montagne de la Cour. Unten an der Treppe ſteht ein Herkules von Alabaſter, unter ſeinen Fuͤſſen liegen Schlangen, wilde Schweine ꝛc. Er ſelber iſt nackend; Bart, Haare, Fuͤſſe, Armmuſkeln, Kleidung, die hinten herabhaͤngt, die Keule, die Thiere ꝛc. kurz, alles iſt herrlich daran. In der Grille an der Treppe ſind meſſingne ſtark vergol - dete Figuren von Thieren. Oben iſt ein herrliches De - ckenſtuͤck, und an der Wand herum ſieht man Blumen, Fruͤchte, Aehren, Krebſe ꝛc. aus Stukko. Inwendig iſt ein Chineſiſches Zimmer, darin Stuͤcke ſtehen, die 1000. Dukaten gekoſtet haben Kunſtſachen aus El - fenbein ꝛc. Buffets mit Malereien ꝛc.

E eLa434

La Sale à Compagnie. Die eingelegte Arbeit am Fußboden die Spiegel an der einen Seite, man kan nichts ſchoͤners ſehen. Ein Zimmer mit den Bildniſſen der ganzen Kaiſerlichen Familie. Ma - ria Thereſia und Joſeph in der Mitte, nebſt allen Herrn Schwaͤgern des Kaiſers mit ihren Gemahlinnen. Das Zimmer, wo der Erzherzog Maximilian logirte, im hoͤchſten Geſchmack. Eine ganze Gallerie von Ge - maͤlden. Man erſtaunt uͤber die unzaͤhlbare Menge. Mit den Tapeten aus der hieſigen Manufaktur ſind, wie billig, faſt alle Zimmer ausgeſchlagen. Sie ſind auch hier weit ſchoͤner als jene aufm Rathhauſe, und es iſt kein Stolz, wenn man ſie den Pariſern an die Seite ſetzt. Sie ſtellen meiſt das Landleben vor. Ein Bauer, der Toback raucht, mit einem Schlapphute, und dem kurzen Pfeifchen, iſt ſo natuͤrlich, als er nur ſeyn kan, und ſo ſind viele hundert Stuͤcke da. Drauf ging ich, um

Die Federzeichnungen der Demoiſelles Rid - derboſch zu beſehen. Ich beſuchte 3. Jungfern, Rue d’Hôpital wohnhaft, auf die mich Hr. Needham auf - merkſam gemacht hatte. Ich ſah in ſeinem Zimmer einige ganz vortrefliche Federzeichnungen, welche dieſe Frauenzimmer gemacht hatten. Kein Kupferſtich, kei - ne Tuſchirung kan feiner ſeyn. Ein Stuͤck, das er hat - te, die ſaͤugende Mutter, war ſo herrlich, als man’s nur ſehen konnte. Sie zeigten mir noch viele andre, die Jahrszeiten, Jagdſtuͤcke, Landſchaften, einen nackten Menſchenkoͤrper ꝛc. ein kleines Stuͤck, wo 10. Menſchen - koͤpfe drauf waren. Ich fand 3. Schweſtern, die ſich davon naͤhren, und in der Jugend, wie ſie mir ſagten, nur im Crayonniren Unterricht bekommen haben. Manlaͤſtert,435laͤſtert, daß manches mit dem Pinſel gemacht werde, und nachher fuͤr eine Federzeichnung verkauft wuͤrde. Sie gaben mir ein Mikroſkop, womit ich das Punktirte, wo ich wollte, ſehen konnte. Und die Stuͤcke, die noch nicht punktirt ſind, ſehen auch ganz anders aus. Sie fuͤhrten mich in ihr Arbeitszimmer, wo jede ein Pult vor ſich hat. Ich ſah ſie an einem Bildniſſe der Kaiſerin und an ei - nem groſſen Jagdſtuͤcke arbeiten. Ihre Werkzeuge ſind die ſchlechten duͤnnen durchſcheinenden Gansfedern. Man beſtellt oft Stuͤcke bei ihnen; die Arbeit geht ſehr lang - ſam; ſie verkaufen die kleinſten Stuͤcke nach Louisdoren. Needham’s praͤchtiges Stuͤck hatte 4. gekoſtet ꝛc. Nun nahm ich noch

La Statue de Mnſgr. le Prince Charles in Au - genſchein. Sie ſteht auf dem Place Royale. Der Platz wird durch die neuen groſſen Haͤuſern, die man rings - herum baut, in einigen Jahren ein praͤchtiges Anſehen be - kommen. Die Statue hatte jetzt noch eine ſchlechte bre - terne Einfaſſung. Der Prinz ſteht, in roͤmiſcher Kriegs - kleidung da, mit dem Degen an der Seite, mit dem Spon - ton in der Hand, und mit bloſſem Kopf. Man ſieht von da nach dem Park, einem oͤffentlichen Spaziergan - ge, der bei beſſerm Wetter, als jetzt war, ſehr angenehm ſeyn muß.

La Place d’Armes iſt ein andrer noch groͤſſerer Platz in der Stadt, der durch einen Brunnen mit einer Statue merkwuͤrdig geworden iſt. Ein Engellaͤnder, Thomas Bruce, der lange hier gewohnt hat, vermach - te in ſeinem Teſtamente das Geld dazu. Man leitete eine Quelle auſſerhalb der Stadt hierher, und lies ſie zu bei - den Seiten aus Menſchenkoͤpfen herausſpringen. AufE e 2dieſes436dieſes Fußgeſtelle ſetzte man eine ſtehende weibliche Figur, dit einen Medaillon haͤlt, auf dem die Bildniſſe vom Kai - Franz I. und ſeiner Gemalin nebeneinander zu ſehen ſind. Um die weibliche Figur herum erblickt man einige Figuren mit Trompeten. Unten lieſt man eine lateiniſche Inſchrift. Den weiſſen Marmor dazu hat man aus Italien kommen laſſen. Bergé, ein Kuͤnſtler aus Bruͤſſel, hats 1751. gemacht. Der Medaillon und das Gewand der weiblichen Figur iſt das Schoͤnſte daran. Hierauf beſah ich

Le Cabinet de l’Hiſt. nat. de Mr. Burtin, Doct. en Med. et Med. Conſ. de S. Alt. R. Auf dem Kabinette des Prinzen Karls hatte man mir eine Addreſſe hierher gegeben, und ich fand ein viel lehrreichers und zum Theil vollſtaͤndigers Kabinet, als jenes iſt. Hr. Burtin, ein gefaͤlliger und geſchickter Mann, iſt aber ſo mit andern Geſchaͤften und mit der Praxis beladen, daß er oft 6-8. Wochen lang ſein Kabinet nicht betritt, und noch viel weniger Zeit hat, die Merkwuͤrdigkeiten deſſelben bekannt zu machen. Es iſt in der Mineralo - gie, in den Verſteinerungen und in der Konchyliologie am ſtaͤrkſten. Ich erfuhr und ſah hier: I) daß die Reichthuͤmer dieſer Gegend von Brabant in Petre - fakten beſtehen. Die Konchylien darin ſind a) voͤllig dieſelben, wie man ſie in Champagne findet. b) Sie liegen hier in einem weiſſen Sande, und auch in der Terre marneuſe. Man darf viele Stuͤcke kaum an - ruͤhren, ſo faͤllt der Sand und die Konchylie herab. c) Sonderbar iſts, daß man Stuͤcke hier hat, an denen die Konchylien agatiſirt ſind, die Mutter aber iſt noch Kalk geblieben. d) Und wieder andre, an denen die Mut -ter437ter ſo agatiſirt iſt, daß ſie Feuer gibt, und die Konchy - lien ſind noch Kalk; und dieſe Stuͤcke liegen an der Sei - te von jenen. e) Man findet auch ſehr groſſe monſtreu - ſe Orthoceratiten. f) Man zeigte mir ſehr viel verſtei - nertes Holz, das ehemals zu Schiffen gebraucht wor - den, ganz vom Teredo navalis zerfreſſen, und nun in allen dieſen Hoͤlungen mit recht guten Chalcedonier ange - fuͤllt, und oft am Ende mit Aßbeſt beſetzt iſt. II) Un - ter den Konchylien bemerkte ich beſonders: 1) Den We - berſpul, eine der ſeltenſten Konchylien aus Oſtindien, die in Europa iſt; ſie iſt noch groͤſſer, als die Vander - moelen hat. 2) Eine andre, an der das Thier, weil die Schale vermuthlich zerbrochen war, vorn einen Ueber - zug und einen bloſſen hohlen halben Zirkel mit noch einem Munde anbrachte. Ein Stuͤck, das allein eine Abzeich - nung verdiente. 3) Ein Oculus mundi, oder Welt - auge; ein Steinchen von kaum ¼ Zoll lang, wie ein un - gleichſeitiges Dreieck. Hr. Burtin hatte Sachen darum hingegeben, die ohne prix d’amateur darauf zu ſetzen, 300. Louisd’or werth waren. Als ich mich heute hatte melden laſſen, hatte der Stein ſchon, eh ich kam, im Waſſer gelegen, und als wir ihn herausnahmen, ſo war er gelblicht, wie Bernſtein, und ſah hell und durch - ſcheinend aus. Hr. Burtin legte ihn drauf ins Trock - ne, damit ich morgen die Veraͤnderungen daran ſehen koͤnnte*)Den andern Tag fing der Stein an undurchſichtig zu werden. Weil er aber faſt 24. Stunden im Waſ - ſer gelegen hatte; ſo blieb er auch 24. Stunden gelb; dann wird er weis, wie ein Stuͤck Elfenbein.. Wir wurden bald recht gute Freunde. Er hatte aber heute ſo viel Kopfweh, daß wir aufhoͤrten undE e 3den438den Reſt auf Morgen Abend erſparten. Er lud mich auf Morgen Nachmittag zum Kaffe ein, ich war aber ſchon zu Hr. Gerard zum Kaffe gebeten ꝛc.

Bemerkungen.

Von der Lebensart der Leute in der Stadt hab ich wenig oder nichts zu bemerken. Der ehrliche, geſetz - te, vernuͤnftige Geiſt der Teutſchen herrſcht hier groͤſten - theils in Wohnungen, Kleidern und Speiſen. Man iſt hoͤflich, ohne franzoͤſiſche Windbeutelei, und aufgeweckt ohne Unſinn und Frivolitaͤt.

Den 22ſten Jul.

Heute gleich am fruͤhen Morgen beſucht ich

La Manufacture des Tapiſſeries de la Ville, um zu ſehen, ob die Arbeit von der in den Gobelins zu Paris verſchieden waͤre, und fand, daß alles nur Baſſe Lice war, und bei weitem nicht die Menge von Kloͤppeln hatte, die man dort dazu braucht. Man bezahlt die Ar - beiter nach der Quadratelle. Sie koͤnnen, je nachdem das Deſſein leicht oder ſchwer iſt, in einem Tage mehr machen, als an einem andern. Ich fand, daß ſie ſich hier nicht uͤber einen Tiſch legen, ſondern auf ſehr hohen Baͤnken vor dem Tiſche ſitzen. Im Magazin waren viele ſchoͤne Stuͤcke, man ſpannte etliche meinetwegen auf, ein Fleiſcher, der ein Schwein ſchlachtet, eine Magd, die eine Kuh melkt, Baͤume, Viehheerden ꝛc. Alles war ſehr natuͤrlich, nur waren die Farben nicht ſo einneh - mend, und die Wolle nicht ſo fein, wie an den Pariſern. Hautelice und Seidentapeten ſind gar keine da. Von da ging ich zu

An439

An engliſh breakfaſt bei Hrn. Needham. Wir tranken Thee, und aſſen Toaſts oder duͤnnes, ſchoͤn - geſtrichenes Butterbrod dazu. Hr. Needham lebt nach ſeiner Landesſitte. *)Er war zu London d. 10 Sept. 1713. gebohren, und ſtarb in Bruͤſſel d. 30. Dec. 1781. Herausgeber. Ich ſah ſeine Bibliothek durch und fand darin auch ein griechiſches N. Teſt. Sau - rins Reden ꝛc. Wir ſprachen 1) Ueber die Mikro - ſkope. Das, was er bei ſeinen Beobachtungen am beſten gefunden, iſt das achromatiſche Mikroſkop von Dellebarre in Paris. Es koſtet aber 20. -25. Duka - ten, iſt ſehr ſimpel, hat nur 3. Linſen, die gar nicht klein ſind, und deren Brennweite 1. Zoll iſt, alſo ganz anders, als man ſonſt glaubte, daß es ſeyn muͤſſe. Man gibt ihnen aber die ſtaͤrkſte Kraft dadurch, daß man die Roͤh - re verlaͤngert, und die Ocularglaͤſer kombinirt. Er hat dem Verfertiger ein Certiſicat gegeben, worin er ihm die herrliche Wirkung dieſes ſimplen Mikroſkops bezeugt. 2) Ueber ſeine Theorie der Erde, von der er im 2ten Theil ſeiner mikroſkopiſchen Beobachtungen eine Skitze entworfen, die er bei der zweiten Auflage weitlaͤuftiger darſtellen will. Er leitet alles aus der force expanſi - ve und force reſiſtante her. Das Oel oder Phlogi - ſton iſt die force expanſive, die Salz - Erd - und Waſ - ſertheile ſind die force reſiſtante. Er beruft ſich auf die Analogie in der ganzen Natur, und iſt, wie alle Hy - potheſenmacher, erſtaunend fuͤr ſeine Meinung eingenom - men. 3) Ueber die Saamenthierchen. Er ſieht ſie, wie bekannt, fuͤr parties vitales an, und ſagt, man muͤſſe Infuſionsthierchen und ſolche parties vitales wohlE e 4unter -440unterſcheiden. Man habe nie geſehen, daß die Saa - menthierchen ſich vervielfaͤltigen; alle dieſe parties vita - les verminderten ſich vielmehr immer. Dem Bonnet - ſchen Syſtem ſprach er alle philoſophiſche Gruͤndlichkeit ab, und Haller’s Memoires ſur etc. bewieſen gar nichts. Man muͤſſe weiblichen Saamen ſtatuiren, weil er, Buffon, und D’Aubenton, die naͤmlichen par - ties vitales, die naͤmliche Vegetation im Liquor, wie im maͤnnlichen Saamen gefunden haͤtten. Er war mit mir einig, daß friſcher aus dem Koͤrper genommener Saame keine parties vitales zeige, aber nach 5-6. Se - kunden, wenigſtens nach ſo viel Minuten, ſehe man ſie: darin aber waren wir verſchieden, daß dieſer Saame als - dann ſchon faul, und zur Zeugung untuͤchtig ſei. Denn nun konnt ich ihm meine Befremdung, daß er und Buf - fon demungeachtet auf dieſe Phaͤnomene das Syſtem der Epigeneſie bauen wollen, nicht verſchweigen ꝛc. Von ihm ging ich und beſah

Hrn. Dancot’s Gemaͤldeſammlung. Der Be - ſitzer iſt ein reicher Bankier, der viele Kenntnis von Ge - maͤlden, und bei meiner Addreſſe von Needham fuͤr mich ungemein viel Gefaͤlligkeit hatte. Zwei groſſe Zimmer waren mit den herrlichſten Malereien angefuͤllt. Man ſah darin Stuͤcke von alten und neuen hollaͤndiſchen, deut - ſchen, franzoͤſiſchen, italiaͤniſchen ꝛc. Meiſtern. Der Beſitzer ſah es nicht gern, wenn man mit der Schreibta - fel in der Hand herum ging, doch eins hab ich ſeiner Seltenheit wegen behalten. Es iſt ein Gemaͤlde des L. da Vinci fuͤr den Koͤnig Franz I. verfertigt, und ſtellt die Donna Monalyſa di Franceſco ſecondo, die ſchoͤnſte Frau ihrer Zeit, vor. Es iſt unvergleich -lich,441lich, beſonders die linke Bruſt, die entbloͤſt iſt, und dann die linke Hand, die ſie gegen das Geſicht zu hebt. Das gelbe und blaue Gewand hat ſein herrliches Kolorit in 260. Jahren nicht im Geringſten verloren. Von hier ging ich, das noch praͤchtigere

Cabinet des Peintures de Mr. le Chev. Ver - hulſt zu beſehen. Die Koͤnige von Schweden und Daͤnnemark habens beſehen, und alle die mit Kennt - niſſen und um der Kuͤnſte willen, reiſen, gehen dahin, ſehen, bewundern, und ſtaunen. Im Hauſe eines rei - chen Kapitaliſten, der ſeinen Bedienten die praͤchtigſte Livre’e gibt, und alles kauft, was ſchoͤn, ſelten und koſt - bar iſt, ſind 4. groſſe Zimmer an allen Waͤnden mit den ſeltenſten Gemaͤlden von Rubens, Rembrand, Duͤ - rer, Carracci, Lucas von Leyden, Teniers, Carlo Dolce, Mignon, Peter Neefs, Titian, Van Dyck, Oſtade ꝛc. behangen. Ich ſah mich faſt blind mit der Lorgnette, man weis nicht, wo man hintreten, wo man bewundern ſoll. Aus der Flandriſchen Schule findet man die ſeltenſten, die ausgeſuchteſten Stuͤcke. Auch die Werke der Neuern fehlen nicht. Wenn ein Stuͤck nicht 100. Dukaten koſtet, kauft Verhulſt es gar nicht. Es ſind Gemaͤlde da, zu 200. zu 300. Louisdor. Ich bewunderte unter andern: 1) Eine alte Frau ꝛc. von Nogari. Die grauweiſſen Haare ſtoſſen unter der Hau - be hervor, ſie hat ein Glas rothen Wein in der Hand. 2) Tenier’s, Frau, ſein Gaͤrtner, ſein Haus; eine Landſchaft, die Erndte vorſtellend; eine Winterlandſchaft, wo’s ſchneiet; ein Seeſturm ꝛc. Alle von Teniers ſelbſt. 3) Die herrlichſten Stuͤcke, voll Ausdruck, von Vandyck. 4) Ein baͤrtiger alter Kopf von Titian. E e 5Es442Es iſt nicht moͤglich, der Natur naͤher zu kommen. 5) Eine Madonna von Carlo Dolce. Ach, welch ein Stuͤck! 6) Verſchiedene Stuͤcke von Oſtade. Jezt zaͤhlt man die Figuren auf jedem Gemaͤlde von dieſem Meiſter, unb zahlt fuͤr jede Figur 1000. hollaͤndiſche Gul - den. 7) Melonen, Aprikoſen, Pflaumen, Trauben, Pfirſchen, Eidechſen, Schlangen ꝛc. von Mignon. 8) Perſpektiviſche Stuͤcke von Peter Neefs. Groſſe Tem - pel, Reihen von Hallen ꝛc. Man meint, man muͤſſe hinein gehen. Ueberall ſtand das herrlichſte Porzellan, und in einem Glasſchranke Modelle von Schiffen aus Elfenbein, die unbeſchreiblich fein waren. Das alles, und vieles andre noch gehoͤrt einem reichen Thoren, den ich im 4ten Zimmer und auch im Portrait antraf. Ein Mann, welcher der groͤſte Hypochondriſt auf Gottes Erd - boden iſt, der ſeit 28. Jahren nicht aus dem Hauſe ge - kommen iſt, der ſich vor der Luſt fuͤrchtet und krank wird, wenn ohngefaͤhr ein Fenſter aufſpringt ꝛc. Ein Mann, der ſich ſelbſt im goldgeſtickten Schlafrocke, mit dem Bande um die Schlafmuͤtze, und den koſtbarſten Manſchetten abmalen, und in dieſes Zimmer ſetzen laſſen: der ſich in Kupfer ſtechen lies, und die Abdruͤcke den Fremden ſchenk - te, bis man ihm endlich ins Geſicht lachte. Ein Mann, der alles à tout prix kauft, die Namen der Maler wie ein Papagey weis, und Abends durch die Zimmer geht, und ſich ſchlafen legt. So gewis iſt es, daß man des - wegen nicht gluͤcklich, weiſe, und zufrieden lebt, wenn man viele Guͤter hat. Der Mann gibt oft fuͤr ein Ge - maͤlde mehr, als mich meine ganze Reiſe koſtet und koſten wird; aber er kan nicht aus einer Stadt in die andre rei - ſen, zu Waſſer und zu Lande auf dem Meer und im In - nern der Erde, beſtaͤndig in Gottes Natur herum wan -deln,443deln, alle Tage neue Menſchen, neue Sachen kennen ler - nen, um Mitternacht den Mond, am fruͤhen Morgen die aufgehende Sonne ſehen und bewundern. Ich ver - ließ dieſes herliche Kabinet*)Dieſe auserleſene Sammlung iſt nun nicht mehr vor - handen, weil ſie nach dem 1778. erfolgten Tode ihres Beſitzers im Jahre 1779. durch oͤffentliche Verkaufung vereinzelt worden iſt. Herausgeber. , und beſah weiter

La Chapelle du Prince Charles de Lorraine, Man ſagt alles, wenn man ſagt, daß ſie im Kleinen das iſt, was die Koͤnigl. Kapelle in Verſailles im Groſ - ſen iſt.

La Bibliotheque de S. Alt. R. Hr. Gerard, dem ich Hrn. Tollius Brief (ſ. S. 353.) ge - ſtern zuſchickte, hatte mich auf den Nachmittag zu ſich beſtellt. Ein Mann ſchon bei Jahren, der beſonders die Geſchichte der Niederlande ſtudirt hat, kein Freund vom Stolz und Schwatzhaftigkeit der Franzoſen iſt, und in der Stadt, wie ich beim Spazierengehen bemerkte, in groſſem Anſehen ſtehen muß. Wir tranken erſt Kaffee und gingen dann auf die Bibliothek. Der Platz, den ſie jetzt hat und einnimmt, iſt ein einziger, maͤſſiger, run - der Saal, ſie bekoͤmmt aber bald einen groͤſſern. Es iſt kaum etliche Jahre, daß man ſie angefangen hat, und der einzige Fond ſind die Geſchenke der Fuͤrſten, Staa - ten und Gelehrten. Es ſind aber ſchon anſehnliche Wer - ke da, z. B. die Philoſ. Transact. vollſtaͤndig, die Mem. de l’Acad. des Sc. auch die Deſcr. des arts et metiers. Die letztern ſind von den Staaten vonBrabant444Brabant hierher geſchenkt worden ꝛc. Jetzt wird ſie durch die Verlaſſenſchaft der Jeſuiten von hier und Ant - werpen betraͤchtlichen Zuwachs an Buͤchern und Manu - ſkripten erhalten. Das Vornehmſte, was ich hier fand, war: 1) Ein Miſſale der roͤmiſchen Kirche, vom 1ten Advent an ꝛc. vom Jahr 1485. Man verwahrte es in einem eignen Beutel. Alle Reiſende ſagen, in Rom ſelbſt ſei nichts ſo ſchoͤnes. Man ſieht eine unendliche Menge Verſchoͤnerungen. Zwiſchen den beiden Kolum - men auf jeder Seite laͤuft allemahl eine breite Malerei, unten iſt auch unendliche Arbeit. Es ſind ganze Lagen von Gold darin. Ganze Blaͤtter ſind bemahlt. Eben ſo merkwuͤrdig iſt die Geſchichte dieſes Buchs: Es be - fand ſich erſt in der groſſen Bibliothek des Koͤnigs Mat - thias Corvinus von Ungarn, die wie bekannt, da - mahls die erſte oͤffentliche Bibliothek in Europa war; drauf brachte es die Prinzeſſin Maria, Gouvernantin der Niederlande, hieher. Es ſind Gemaͤlde vom Koͤ - nig von Ungarn und von den Staaten von Brabant ꝛc. darin. 2) Eine feingeſchriebne Bibel des Heil. Hie - ronymus, vom Anfang bis zum Ende ſo niedlich ge - ſchrieben, daß mans fuͤr gedruckt halten ſolte. Ich moͤchts nicht leſen. 3) Ein herrliches Pſalterium, wo die eine Kolumne allemahl mit goldenen, die andre mit blauen Buchſtaben geſchrieben war. 4) Franzoͤ - ſiſche Romane in Handſchrift, als: Roman de la Roſe; Le Champignon des Dames; Les Metamorphoſes d’Ovide. Jagdbuͤcher ꝛc. in denen uͤberall die allerfeinſten ſchoͤnſten Zeichnungen ſind, die man nicht genug betrachten konnte. Eben ſo wars in 5) einem Chronicon de Piſe und in einem An - dachtsbuche vom Koͤnig Renaud d’Anjou. 6) Ein al -tes445tes Andachtsbuch aus dem 13. Jahrh. Es war erſtau - nend viel Gold darin. 7) Les Miracles de la Ste. Vierge. Ewig Schade, daß die herrlichen Gemaͤlde nur Thorheiten vorſtellen, als, wie die Jungfrau Maria die verborgenen Schwangerſchaften, und verheimlichten Kinder der Aebtiſſinnen und Nonnen entdeckt u. ſ. w. 8) L’Hiſtoire de la Ste. Catherine. Auch wegen der vielen Zierrathen wichtig. Da iſt aber die Myſtick ſo weit gegangen, daß man, wie ich’s beim abſichts - loſen Blaͤttern fand, Chriſtum am Hochzeitaltar mit der heil. Katharine vorgeſtellt hat. Er ſteht recht ge - putzt da, und die Braut auch, er gibt ihr die Hand, ſie ihm darneben wird alles erklaͤrt ꝛc. Unter den ge - druckten Buͤchern war mir merkwuͤrdig: 9) Das Mu - ſeum Florentinum, in 10. Folianten, mit einer Menge Kupferſtiche. 10) Virgilius, die groſſe Ausgabe von Rom in 3. Quartbaͤnden mit den Kupferſtichen von allen Antiken, die man in Rom dazu hat. Es koſtet 8. Dukaten. 11) Noch ein geſchriebenes Buch, worin die Namen und Verzeichniſſe aller geſchenkten Buͤcher und Wohlthaͤterzu leſen ſind, nebſt herrlichen Federzeichnungen von Durandeaux, einem jungen Kuͤnſtler aus Bruͤſſel. Der Bibliothekſaal und die Wappen waren darin abge - zeichnet.

In kurzer Zeit hoft man hier noch eine Seltenheit zu beſitzen, nemlich Plinii Hiſt. Nat. auf Perga. ment gedruckt vom Jahr 1469. Man hat ſie in Antwerpen gefunden. *)Nach dem Abſterben des Prinzen Karls von Lothrin - gen ſind mit deſſen Bibliothek und uͤbrigen Samm -lungen,

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Die Kirche der heil. Gudula, oder La gran - de Egliſe, denn ſie iſt ungeheuer gros, zugleich aber ſchoͤn*)Sie liegt ſo hoch, daß man von dem Platze vor der groſſen Thuͤre einen Theil der Stadt, und das hinter derſelben liegende Feld uͤberſehen kan. Herausgeber. . Ich fand darin merkwuͤrdig: Die Bild - ſchnitzereien in Holz unter der Kanzel. Sie ſtellen vor, wie Adam und Eva aus dem Paradies verjagt werden. Ein Engel mit dem blanken Schwerte, uͤber ihnen, treibt ſie fort. Adam ſteht verſenkt in Schmerz, ſieht Even nicht an, und verdeckt das Geſicht. Unter ihnen ſieht man vielerlei Thiere. Eine kuͤnſtliche Schlange, die ſich hinten an der Kanzel, es ſind 2. Seitentreppen dar - an, hinauf windet, und mit ihrem Kopfe grade un - ter der Maria Fuͤſſen, die oben ſteht, hervorkoͤmmt. Die Erfindung iſt nach katholiſchem Glaubensbegrif, die Aus - fuͤhrung aber herrlich. 2) Der Hochaltar, der heut, weil Kermes iſt, ſo aufgeputzt war, wie er nur 8. Tage ſtehen bleiben wird. Vor Gold und maſſivem Sil - ber konnt ich zuletzt nicht mehr ſehen. Er iſt erſtaunlich hoch, und hinter und neben ihm haͤngen die herrlichſten Tapeten aus der Stadtmanufaktur. 3) Ein Gemaͤl - de von Rubens, wie Petrus von Chriſto die Bin - deſchluͤſſel empfaͤngt, vorſtellend**)Es iſt auf dem erſten Altare rechter Hand in der Ka - pelle des heil. Sakraments zu finden. Gehoͤrt esgleich. 4) Das Grab -mahl*)lungen, die der ſeel. Verfaſſer hier beſchreibt, viele Veraͤnderungen vorgegangen; indem der Kaiſerl. Hof, als Erbe, Vieles davon, theils nach Wien ſchaffen, theils oͤffentlich verkaufen laſſen. Herausgeber. 447mahl eines Grafen von Iſenburg im Chor, ſchwarz und weis. Es herrſcht viel Schmerz darin*)Von Verſpoel, einem geſchickten Bildhauer. Herausgeber. .

Mr. Burtin ſchrieb mir ein Billet, daß er wegen Kopfweh zu Bett liege, und ſchickte mir dabei ein Stuͤck von dem wichtigen Lithoxylon aus Flandern, und zu - gleich eine Addreſſe an den Optikus, Hr. Bataille in Antwerpen: ſo wie mir Hr. Maldeck eine an Hr. Hellin, Bankier, à la Place de Mer mitgab. Ich beſuchte in der Empfindung des ſchrecklichen Uebels, am Kopf zu leiden, meinen kranken Freund, und nahm von ihm Ab - ſchied und machte mich hierauf fertig nach Antwerpen zu gehen, und verlies ungern eine angenehme Stadt, die mich wieder an mein geliebtes Teutſchland erinnerte.

Reiſe nach Antwerpen.

Den 23ten Jul.

Auf dieſer lernte ich zum erſtenmahl die Treckſchuy - ten, oder die Barken, die von Pferden gezogen werden, kennen. Man rechnet den Weg nur 8. Stunden, und ich kam gleichwohl erſt Abends um 5. Uhr in Antwer - pen an. Um 8. Uhr geht die Barke alle Tage in Bruͤſ - ſel ab. Die Treppe dazu und das Bureau, wo manzahlt,**)gleich nicht unter Rubens beſte Stuͤcke, ſo verdient es doch der Zeichnung, der ſchoͤnen Koͤpfe, und des Kolorits wegen, Lob. Es ſieht noch ſo friſch aus, als wenns erſt fertig worden waͤre. Herausgeber. 448zahlt, wird halb 8. Uhr geoͤfnet. Man zahlt fuͤr ſich und den Kuffer bis Antwerpen nicht mehr als 29. Sous, und erhaͤlt dann ein gezeichnetes Stuͤckchen Blei. Wer ſich nur der Barken bedient, und dann da, wo die Voi - turen anfangen, zu Fuß gehen will, zahlt weniger, und bekoͤmmt eine Karte. Die Barken ſelbſt ſind gros, hoch und ſchoͤn. Hinten iſt ein Theil davon bedeckt, und es ſind etliche Reihen Sitze mit Kuͤſſen darin. In der Mitte und vorn ſetzt man die Kuffer hin, die kleinern Packete legt man in geflochtene Koͤrbe, auf die man ſich ſetzt. Unten ſind kleine artige Zimmer, eine Kuͤche mit einem Kamin, Thee, Koffeezeug und dergl. Wer bedeckt und auf einem Kuͤſſen ſitzen will, zahlt fuͤr jede Stunde noch 6. Liards, auch muß man in den untern Zimmern fuͤr die Plaͤtze zahlen. Die Pferde werden an ein groſſes Tau geſpannt, das oben vom Maſt herabfaͤllt, und daran ziehen an der Seite des Kanals oft 2-3. Oft ſitzt ein Kerl darauf, oft geht er nur neben her. Die Pferde und die Barken wechſelt man auf dem Wege viermahl. Gemeiniglich iſt der Wechſel bei einem kleinen Dorfe, wo die Leute Backwerk, Schinken, Wuͤrſte u. dergl. ſchon bereit haben. Jeder Reiſender nimmt ſeine kleine Hardes mit ſich, die Kuffer aber werden auf einer Schleife die auch in der Barke iſt, durch den Schiffer von einem Schiffe zum andern gebracht. Jeder rennt und laͤuft, um wie - der einen guten Platz zu kriegen. Wenn man wieder ab - ſtoͤßt, blaͤſt man mit Hoͤrnern, um die Reiſenden aus den Haͤuſern zuſammen zu rufen. Die Pferde ziehen die Barke Stunde vor Stunde. So unangenehm das fuͤr die Reiſenden iſt, ſo kans doch nicht anders ſeyn. Das Waſſer iſt ein Kanal von der Schelde. Er iſt fuͤr 2. Barken breit genug, und laͤuft 5. Stunden lang gradefort,449fort, wird aber, gegen das Land beurtheilt, immer nie - driger. Anfangs ſind die herrlichſten Spaziergaͤnge von Bruͤſſel zu beiden Seiten, hernach Wieſen, dann Frucht - felder, Landhaͤuſer, kleine Doͤrfer, auch etwas Wal - dung. Bei jedem Wechſel der Barken iſt ein Baſſin, und darin Maſchinen, die das Waſſer aufheben und wie - der in den folgenden Kanal bringen. Man koͤmmt im - mer tiefer herab,*)Bei Willebroeck ſteht ſchon ein groſſer Theil der Haͤuſer tiefer in der Erde, als das Waſſer. und merkt, daß man ſich Holland naͤhert. Zuletzt wird das Schiff gar mit vieler Umſtaͤnd - lichkeit in das Baſſin herabgebracht. Man macht 5. Stunden zu Waſſer. Der Ort, wo man abſteigt, und die Schelde ſelber paſſiren muß, heiſt Willebroeck. Die Schelde iſt nicht tief, wenigſtens war ſie jetzt ſehr ſeicht; an vielen Orten ſah man den Sand; aber gewal - tig breit. An gedachtem Orte liegen 2. Schiffe fuͤr die bereit, welche Bleizeichen, und fuͤr die, welche Karten abgeben. Kaum iſt man aus dem erſten Schiffe druͤ - ben; ſo reißt man ſich beinahe wieder um den Platz in den Voituren. Ich ſtieg in eine zum Fenſter hinein. Es waren 15. Perſonen darin. Man ſitzt ſehr gepreßt. Der Weg von da nach Antwerpen, iſt eine einzi - ge, gerade, Stunden lange, ſehr angenehme Allee. Man ſieht die Stadtthuͤrme wohl Stunden vorher. Ich hoͤrte ſagen, man haͤtte ehemals zu Waſſer bis nach Antwerpen fahren koͤnnen, aber ſeitdem 3. Schiffe mit Mann und Maus verungluͤckt waͤren, habe man die jetzi - ge Einrichtung gemacht.

Ant -F f450

Antwerpen. Die Schelde fließt wiederum ſehr breit an der Stadt vorbei. Die Stadt iſt gros, breit auseinandergezogen, hat viele oͤffentliche Plaͤtze, viele ſehr breite Straſſen, meiſt ſehr hohe Haͤuſer, und eine Menge Einwohner. Sie iſt ganz gepflaſtert, hat gutes Waſſer, und das hieſige Weisbier iſt beſſer, als das uͤbrige weiſſe in Flandern. Ich nahm meine Woh - nung im goldnen Einhorn, wo freilich kein Na - turkundiger einkehren ſolte, aber dieſe Auberge liegt grade der Abfahrt nach Holland gegenuͤber. Noch dieſen Abend ſuchte ich Hrn. Bataille auf. Man wies mich erſt zu einem andern Optikus, der es wuſte, wo jener wohnte, und bei meinem Wegweiſer, der nichts als flaͤ - miſch ſprach, den Dolmetſcher machte. Ich fand endlich das Haus, der Vater war nach Bruͤſſel verreiſt, der Sohn war aber zugegen, und erbot ſich, mir alles zu zeigen.

Bemerkungen.

Die Reiſe hieher war ſehr komiſch. Es fiel man - ches vor, das fuͤr die Reiſenden angenehm und unterhal - tend iſt, hier aber uͤberfluͤſſig waͤre zu erzaͤhlen. Es war ein Geiſtlicher in unſrer Geſellſchaft, der Lancelots griechiſche Grammatik in franzoͤſiſcher Sprache beſtaͤn - dig offen in der Hand hatte. Desgleichen ein Kanoni - kus aus Maſtricht mit 2. jungen Frauenzimmern, davon die eine Madem. Poulfache hies, und ſeine Nichte war. Dieſer Mann zog, ſobald wir etwa wieder eine halbe Stunde auf der neuen Barke gefahren waren, ſein Ge - betbuch heraus, und betete unter der Menge der Leute von allerlei Stand und Karakter. Gab es etwa ſchnell einen Laͤrm bei einer Bruͤcke, die wir paſſirten, oder ſonſt einenSpas,451Spas, oder mußte man ſchnell abſteigen; ſo ſah mans ihm an den Lippen an, wie er eilte, um ja das Gebet ganz zu abſolviren. Ich dachte, ich ſaͤhe den Phariſaͤer, den Chriſtus ſchildert. Die beiden Frauenzimmer konn - ten mir vom Aufenthalt des Prinzen Friedrichs von Baaden in Maſtricht Nachricht geben. Da ich eine Viertelſtunde nach der Ankunft in Antwerpen durch die Kathedralkirche ging, gefiel mirs doch, daß der Mann mit ſeinen beiden Frauenzimmern ſchon da war, und auf den Knien der Vorſehung fuͤr die vollbrachte Reiſe dankte.

Den 24ten Jul.

Das Regenwetter peitſchte ſchon in der Fruͤh meine Fenſter, und, weil ich nun nach Holland wollte, muſte ich auch auf den Wind, wie der ſtrich und ſich drehte, Acht geben.

Ich hatte Hrn. Bataille den Sohn zum Fruͤhſtuͤck gebethen. Nachher gingen wir aus, und trafen, da wir an der Schelde hinauf gingen, eine Reihe Wagen an, die mit Faͤſſern voll Moules (Pinn. Linn.*)Das ſind die Muſcheln, an denen die unter den Kon - chylien ſonſt ſeltenſte Farbe die gewoͤhnliche iſt. So iſt nichts in der Natur ohne die frappanteſte Aus - nahme! ) beladen, nach Bruͤſſel fuhren. Die Bootsknechte aſſen ſie am Morgen ohne Brod aus den Schalen heraus. Ich ſah hier das Thier in ſeiner natuͤrlichen Lage. Einen kleinen braunen, dunkeln Theil, faſt in der Mitte, nannten die Leute die Zunge des Thiers. Zu meinem Erſtaunen fraſ - ſen auch die Hunde von dieſen Thieren.

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Ohngeachtet meines Begleiters muſt ich doch einen franzoͤſiſchen Lohnbedienten haben, und auch dieſer war nicht hinreichend. Ich muſte die Deſcription des princ. Ouvrages de Peint. et de Sculpt. exiſtans à Anvers, 1757. 8.*)Ein kleines Buch, worin die in dieſer Stadt vorhan - denen Gemaͤlde beſchrieben ſind, das daher dem um der Kunſtwerke willen hierher Reiſenden ſehr brauch - bar iſt. Herausgeber. kaufen. Mit dieſer ging ich dann in den Kirchen, und an den oͤffentlichen Plaͤtzen herum, die herrlichen Gemaͤlde zu beſehen. Denn auſſer den Gemaͤlden, die hier in Kirchen und in vielen Privathaͤuſern vorhanden ſind, iſt nichts Merkwuͤrdiges in Antwerpen. Die Stadt iſt bei weitem nicht ſo leb - haft wie Bruͤſſel, und mag bei der groſſen Unwiſſenheit und dem gaͤnzlichen Mangel aller Litteratur im Winter ſehr todt ſeyn. Zuvoͤrdeſt beſuchte ich

Die Kathedral - oder Frauenkirche. Dieſe an ſich groſſe, weitlaͤuftige, praͤchtige**)Sie iſt von gothiſcher Baukunſt, aber in ihrer Art ſchoͤn. Die Laͤnge betraͤgt 500, die Breite 240, und die Hoͤhe 360. Fuß. Sie ruht auf 125. Pfeilern und iſt ſehr helle. Der dazu gehoͤrige Thurm iſt 466. Fuß hoch, und verdient ſeiner Bauart wegen Bewun - derung. Johann Amelius hat ihn 1422. zu bauen angefangen: doch ward er erſt 1518. zu Stande ge - bracht. Es iſt auch ein ſchoͤnes Glockenſpiel darauf. Herausgeber. Kirche iſt voll der ſchoͤnſten Gemaͤlde. Man koͤnnte mehr als einen Tag zubringen, wenn man alle Malereien, Grabmaͤler,Bildhauer -453Bildhauerarbeiten, Verzierungen, Saͤulen ꝛc. in Au - genſchein nehmen wollte. Man verliert ſich darin, man geht heraus, der Kopf iſt einem warm, voll, und vor Menge der Sachen weiß man nichts. Doch merkte ich mir a) die Holzſchnitzereien von A. Quellinus, dem Altar der neuen Schuͤtzengeſellſchaft gegenuͤber. Sie ſind herrlich. Er hat den heil. Sebaſtian, der am Al - tar von Wenzeslaus Koeberger gemahlt iſt, in Holz ſo ſchoͤn geſchnitten, daß die Acad. de la Peint. einen ſilbernen dafuͤr geben wollte, man gab ihn aber doch nicht her. b) Ein Gemaͤlde von M. de Vos, die Spei - ſung der 5000. Mann. Chriſtus, die Juͤnger, und die viel tauſend Menſchen um ihn herum! c) Die Abnehmung vom Kreuz. Waͤre auch ſonſt nichts in dieſer Kirche zu ſehen, ſo verdiente ſie allein dieſes Stuͤcks wegen eine Reiſe. Das iſt das groſſe herrliche Gemaͤlde von Rubens, das uͤber dem Altare der Schuͤtzengeſell - ſchaft haͤngt, und mit 2. Thuͤren verſchloſſen wird, die in - und auswendig auch von Rubens vortreflich be - mahlt*)Sie ſtellen inwendig die Heimſuchung und die Reini - gung Mariaͤ, und auswendig den heil. Chriſtoph, der das Kind Jeſus durchs Waſſer traͤgt, vor. Herausgeber. ſind. Ludwig XIV. bot 80,000. Livers fuͤr die Abnehmung, und der Prinz von Oranien fuͤr die beiden Thuͤren 40,000. Livers, aber die Schuͤtzengeſell - ſchaft, uͤber 200. Perſonen ſtark, der es gehoͤrt, gabs doch nicht her. Rubens hat an den Koͤpfen auf dieſem Stuͤcke ſich ſelbſt, ſeine beiden Frauen und ſein Kind ge - mahlt. Der todte, welke Koͤrper, die gaͤnzliche Erſchlaf - fung aller Muſkeln, die blutloſen Glieder, die gebroche -F f 3nen454nen Augen, die haͤngenden Haͤnde, die durchwuͤhlten Fuͤſ - ſe, das wimmernde Geſicht des todten Erloͤſers, und die zaͤrtliche Sorgfalt ſeiner beherzten Freunde, das Eilen der Maͤnner, das Heben, das Tragen, das Unterſtuͤtzen der Weiber, denen die Thraͤnen aufm Geſicht haͤngen, die Muͤhe die ſich jede gibt, mehr, als der beſte Be - obachter ſagen kan, dies alles druckt dies Gemaͤlde aus. Die Gemaͤlde gefielen oft noch weit mehr, wenn kei - ne Sticheleien auf die Ketzer, keine Dummheiten und Unrichtigkeiten in die Augen fielen. Von jenen findet ſich in der Deſcr. des princ. Peint. N. 36. ein Bei - ſpiel; Adam und Eva haben Nabel; in der Anbetung der Weiſen erblickt man Koͤnige mit Kronen und im Purpur ꝛc.

Die Walpurgiskirche. Die Einſetzung des heil. Abendmahls von de Vos, und Rubens Ge - maͤlde am Hochaltar, die Kreuzigung und Auferſte - hung ꝛc. vorſtellend, ſind hier das Beſte. Die letztern Stuͤcke ſind ſo wie die ſchoͤnſten in allen Kirchen, ver - ſchloſſen, damit ſie beſſer erhalten werden; zugleich aber iſts ein Mittel, den Fremden Geld abzulocken, und man hat oft Gelegenheit, die Grobheit dieſer Leute kennen zu lernen. Sie ſind im Stande eine Krone zu fordern, wenn ſie die Gallerie zu einem Hochaltar aufmachen, und einen Umhang aufrollen, wiewohl mir nichts Unan - genehmes wiederfahren iſt. Einer in der Kathedralkir - che, der mir die Chapelle de la Mort, die ich offen fand, zuſchlos, wollte nachher mit Ungeſtuͤm, la profi - te, wie er ſagte, la profite, Monſieur, haben. Er meldete ſich um 11. Uhr, als ich wegen der Abneh - mung ꝛc. wiederkam, noch einmahl, bekam aber nichts, und die andern lachten ihn aus.

Die455

Die Jakobskirche. Otto van Veen, Rubens Lehrmeiſter, hat hier uͤber dem hohen Altar die Einſe - tzung des heil. Abendmahls gemahlt. Nur das Stuͤck moͤcht ich alle Tage ſehen! Unſer Erloͤſer ſitzt, wie ein reſpektirter, zaͤrtlicher und geliebter Vater, der mit ſeinen Kindern von ſeinem Tode ſpricht, da, alles um ihn herum iſt Ohr; einer ſieht uͤber den andern hin, um den Ausdruck, die Mine Jeſu zu ſehen ꝛc. Kein Wun - der, daß ein ſo groſſer Mann noch einen groͤſſern Schuͤ - ler hatte. Jakobs Enthauptung von M. de Vos, iſt wegen der Menge der Figuren auch ein wahres Meiſterſtuͤck. Rubens und ſeiner Familie Grab - mahl und Gemaͤlde*)In der Begraͤbniskapelle der Familie dieſes beruͤhm - ten Kuͤnſtlers hinterm Chor der Kirche. Herausgeber. von ihm ſelber. Niemand hat mir noch etwas von ſeinem Karakter geſagt, aber das Geſicht, die Seele, die beiden Frauen, das Kind, wie viel verſpricht nicht das alles! Willemſen’s Sta - tue von Johannes in der Wuͤſten, iſt ſo ſchoͤn, als irgend eine in Frankreich. Der Kopf ſcheint zu leben, und hat einen edlen Karakter. In der

Jeſuiterkirche waren ehemals auch herrliche Ge - maͤlde**)Beſonders zwei der allervorzuͤglichſten Stuͤcke von Rubens: das eine ſtellt den heil. Ignatius vor, wie er einen Teufel austreibt, das andre, den heil. Xaver, wie er einen Todten auferweckt. Herausgeber. , allein ſie iſt nach der Aufhebung des Ordens geſchloſſen, und alle ſchoͤne Stuͤcke ſind nach Wien***)Wo ſie nun die Kaiſerl. Gallerie verſchoͤnern. Herausgeber. F f 4geſchaft456geſchaft worden. In allen andern Kirchen und bei vie - len Partikuliers ſind Gemaͤlde. Ich habe ſo viele geſe - hen, daß mir die Augen zngleich dunkel wurden. Ich beſah ferner noch

Die Boͤrſe; ſie iſt natuͤrlich klein,*)Sie iſt doch 194. Fuß lang, und 154. Fuß breit. Herausgeber. aber artig und beſteht in einem Viereck mit Arkaden umgeben, die auf 50. Pfeilern ruhen, davon kein einziger dem andern gleich iſt, alle haben ein anderes Deſſein. Oben uͤber der Boͤrſe iſt

Die Malerakademie. Man koͤmmt erſt in das Amphitheater, wo die Schuͤler zeichnen lernen, und dann in einen groſſen Saal, worin wieder von Rubens, Vandyck ꝛc. die ſchoͤnſten Stuͤcke haͤngen. Ich be - wunderte beſonders einen alten Mann mit einem Bar - te, der ſo fein, und ſo weisgrau iſt, daß man darnach greifen moͤchte. **)[ **)] Vermuthlich meint der Verfaſſer hier das Bildnis eines vormahligen alten Aufſehers der Akademie, der nach Landesſitte das Wappen der Akademie auf ſil - bernen Schilden um den Hals traͤgt, von Cornel. de Vos ſo ſchoͤn und ausfuͤhrlich gemahlt, das mans von Vandycks Hand zu ſeyn, glauben ſollte. Herausgeber. Abraham und Hagar, vom aͤl - tern Eyckens. O, man moͤchte weinen, wenn man es anſieht. Hagar mit dem Knaben, der noch immer zuruͤckſieht, laͤuft fort, weint, verdeckt das halbe Geſicht; Abraham etwas grimmig, ſtoͤßt ſie fort, hinten ſchielen Sarah und Iſaac vor. Nur ſind die Kleider et - was zu praͤchtig, das iſt gegens Koſtum.

La457

La Place de Mer. Vielleicht einer der ſchoͤnſten Plaͤtze in Europa. La Place Royale in Paris iſt gewis herrlich, aber nicht ſo gros und lang, wie dieſer in Antwerpen. Oben konnt ich das Ende davon nicht ſehen. Auf der einen Seite ſind nur die Haͤuſer fuͤr die - ſen praͤchtigen Platz nicht hoch genug. An dem Kruzi - fix von Bronze, das darauf ſteht,*)Es iſt 33. Fuß. hoch. Die Figur Chriſti iſt ſehr ſchoͤn. Der Meiſter iſt Johann Goethals. Herausgeber. haͤngt noch eine praͤchtige Lampe, die des Nachts einen herrlichen Anblick machen muß.

Das Rathhaus. Davon konnt ich nur das Aeuſ - ſere beſehen. Es ſteht auf einem Platz, der viel kleiner iſt, aber verzierte Haͤuſer hat. Man ſetzt hier, wie in Bruͤſſel, faſt auf alle Fenſter und Tagloͤcher von wichti - gen Haͤuſern vergoldete Zapfen, die artig gedreht ſind. Nur Schade, daß das Rathhaus ſo ſchmal iſt. **)Die Vorderſeite iſt doch 250. Fuß breit. Die aͤuſ - ſere Architektur verraͤth einen kleinlichen unedlen Ge - ſchmack, aber inwendig ſind groſſe, wohl verzierte Saͤle, in denen viele ſchoͤne Gemaͤlde, beſonders ein allegotiſches von A. Janſens haͤngen. Herausgeber. Oben ſtehen Figuren von Adlern und Loͤwen, dem Wappen vom Roͤm. Reich und Brabant, und auf dem aͤuſ - ſerſten Giebel ſteht ein Adler mit ausgebreiteten Fluͤgeln.

Das Gemaͤldekabinet des Kanonikus Knyff. Dieſer Kanonikus kan auch nicht ſagen: Silber und Gold hab ich nicht, oder: Ich habe gelernt, mit al -F f 5lem458lem zufrieden zu ſeyn, wie Paulus. Man findet bei ihm 4. Zimmer, davon beſonders das zweite ein groſſer Saal iſt, die alle praͤchtig und voller Male - reien ſind. Hier in Antwerpen erhebt man es freilich uͤber das Verhulſtſche in Bruͤſſel; ich beſitze auch nicht genug Kunſtkenntnis, um daruͤber zu entſcheiden. Mir gefielen am beſten: 1) Rubens Mutter, von ihm ſelbſt gemahlt. Eine Frau, wenigſtens von 80. Jahren, in flam - laͤndiſcher Kleidung. Heil dem dankbaren Sohne, der ſeinen Meiſterpinſel ergrif, und die Mutter ſchilderte, die ihn erzogen, ehe er ſo gros war! Die rothen Augen, die Falten unten am zahnloſen Munde, die Reſte der lebhaf - ten Farbe, die Mutterfreude, die Haare ꝛc. ! 2) Chri - ſtus zu Tiſche beim Phariſaͤer. Er ſitzt ſo freund - lich, ſo liebreich da, und die Frau unten, ach ſo zaͤrt - lich, halbſchuͤchtern! Der Phariſaͤer laͤßt Meſſer und Ga - bel fallen, ſtreckt beide Haͤnde gen Himmel, wie ein Cy - rillus, oder ein andrer abſcheulicher Menſchenverfolger. 3) Das Paradies. Die erſten Eltern, die Thiere, ſonderlich rothe und blaue Papageien auf den gruͤnen Baͤumen ꝛc. Thierſtuͤcke, Jagden ꝛc. *)Schade, daß der Verfaſſer die Maler dieſer Stuͤcke nicht angab! Herausgeber.

Drauf machte ich einen Beſuch bei Hr. Hellin, Bankier à la Place de Mer. Hr. Maldeck in Bruͤſ - ſel hatte mir eine Empfehlung an ihn mitgegeben, um hollaͤndiſche Dukaten fuͤr franzoͤſiſche Louisd’or zu bekom - men. Der Mann ſagte mir aber mit vieler Freundlich - keit grade das Gegentheil von dem, was ſo viele andregeſagt459geſagt hatten. Ich ſollte die Louisd’or mitnehmen, ich wuͤrde vielweniger verlieren, als wenn ich hier Dukaten naͤhme; er wuͤrde mir das rathen, wenn ich ſie auch ha - ben koͤnnte, wiewohl er keinen einzigen haͤtte ꝛc. Man muß nie gereiſt ſeyn, wenn man nicht weis, wie ſo ver - ſchiedene Nachrichten, Sagen, Rathgebungen und An - weiſungen fuͤr den Reiſenden eine ſo beſchwerliche Sache ſind.

Doch, auch etwas zur Naturgeſchichte: Bei Hr. Bataille ſah ich: 1) Eine Art Kieſel aus Ceylon, die man weiſſe Saphire*)Von den Felskryſtallen unterſcheiden ſich dieſe durch ihre hellere, weiſſere Farbe. Jene ſind faſt immer etwas braͤunlichter. nennt, und aus denen er die Modelle der groſſen Diamanten ſchleift. Er hatte auch das gemacht, das mir Hr. Maldeck in Bruͤſſel zeigte fuͤr 26. Ecus à ſix francs. Man hat dazu eiſerne, ku - pferne und meſſingne Maſchinen, Raͤder, Feilen ꝛc. Man kan ſie ſo ſchoͤn ſchleifen, daß ſie mit ungemeinem Feuer, wie Diamanten ſpielen. Die weiſſen Saphire ſind die naͤmlichen, die ich von Hr. Koͤnig in Paris er - halten habe. (ſ. S. 332.) 2) Das Microſcope achromat. wir konnten 4, 5, 6, 7. Linſen einſetzen. Ganz iſt es nicht das naͤmliche wie S. 439. Streu - ſandkoͤrnchen ſahen zuletzt wie Pflaſterſteine, eine Steck - nadel wie ein Orthoceratit aus; am Knopfe ſah man das Entrelacement deutlich, es ſah wie Stricke aus. 3) Bemerkte ich, daß hier die Erde bei weitem nicht die Feſtigkeit hat, wie an andern Orten. Sie iſt ſchon et - was locker, hohl, und voll Waſſer. Ein Zeichen, daßich460ich bald in Holland ſeyn werde. Faͤhrt ein groſſer Kar - ren ſchnell durch die Straſſen, ſo laͤrmt das ſo ſtark, daß man nicht mehr hoͤren kan, uud ich bekam gleich Kopf - weh. Als ich uͤber dem Mikroſkop war, zitterte, wenn etwas vorbeifuhr, gleich das ganze Haus, das doch kein Pariſer Haus war, und man konnte nichts erkennen. So macht die Natur alles Stufenweiſe. (ſ. die Natur - geſch. von St. Amand S. 310. 311. )

Ich ſprach mit dem Kapitain Neiche, der des fol - genden Tages mit einem groſſen Schiffe nach Holland abſegeln wollte. Franzoͤſiſch konnt er nicht, ich ſprach alſo deutſch mit ihm, darauf antwortete er flaͤmiſch, und doch verſtanden wir einander. Fuͤr einen Platz in ſeiner Kajuͤte forderte er einen Dukaten, das iſt die Taxe; aber fuͤr den Kuffer 1. Gulden, das ſchien mir zu viel auf dem Waſſer. Ich lies durch andre Leute mit ihm handeln, er beſah meine Equipage, blieb aber bei ſeiner Forderung. Naͤchſtdem muß noch jeder Paſſagier fuͤr die Abfahrt von hier zahlen. Fuͤr Eſſen und Trinken mußt ich auch noch ſorgen, ja auf den Fall einer langen Reiſe einen guten Vorrath mitnehmen. Und nun wieder eine andre Rech - nung, andres Geld, andre Menſchen, andre Sprache, und ein gewinnſuͤchtiges Volk, ein theures Land. Sind das nicht Beſchwerden fuͤr einen armen Reiſenden!

Indem ich dies ſchreibe und dann in ein neues Land hineinblicke, regnet es vielleicht zum zehntenmale an die - ſem Tage gewaltig, und der Wind iſt unbeſtaͤndig. Alle Nachrichten von Holland ſind ſo widerſprechend, daß man ungewiß wird, ob man hingehen ſoll oder nicht. Doch im beruhigenden Gedanken, daß eben der Gott, der mich bisher beſchuͤtzte, auch dort Bahn und Wege fuͤrmich461mich machen wird, verlaſſ ich morgen Brabant und Flandern, und trete die

Reiſe nach Rotterdam

an. Man rechnet zu Lande etliche 20. Stunden. Mit einer Piſtole kan man in einem Tage hinkommen. Auf dem Waſſer aber rechnet man etliche 40. bis 50. Stun - den, und die Zeit, die man dazu braucht, beruht auf dem Winde.

Den 25ſten Jul.

Ein Schiff iſt in der That das Bild einer guten Ordnung und Einrichtung. Man erſtaunt, wie vieler - lei Dinge in den Raum hinein gebracht werden. Alles iſt hohl, alles iſt Schrank. Jeder Sitz hat unten ſeine Hoͤhlung, ſeinen Kaſten. Hinter jeder Wand kan man etwas verwahren, und in den vieleckichten, vielwinklich - ten, irregulaͤren Kaſten findet ſich immer ein oder das andre Gepaͤcke, das recht gut hinein paßt. Der hinter - ſte Theil heiſt die Kajuͤte, und iſt ein ordentliches Zim - mer mit Fenſtern, Spiegel, Glaͤſern, Stuͤhlen, Betten ꝛc. Der Leuchter iſt an die Wand geſchraubt, und hat uͤber ſich einen Deckel von Meſſing. Der Spiegel haͤngt an einem Schranke. Der Tiſch kan zuſammengeklappt werden. Die Stuͤhle ſind Tabourets; die Betten ſind ſchmal, neben und uͤber einander gegen die Mitte des Schiffs zu angebracht, und mit Vorhaͤngen und Unter - ſchieden verſehen. Der Abtritt iſt ein Sitz, den man aufhebt; unter dem Brete iſt ein Loch, das grade in die See geht. Die Kelchglaͤſer haͤngen in Einſchnitten in einem Wandſchranke. Die Teller ſtehen zwiſchen denSchaͤften,462Schaͤften, wie in der Kuͤche. Zu den kleinen Sachen hat man Koͤrbe, alles Unnuͤtze wird grade zum Fenſter hinaus geworfen. Das Feuer erhaͤlt man hauſſen an ei - nem Stuͤcke Torf*)In Bruͤſſel haͤngt wo ein Schild, worauf ein erfror - ner Bauer ſich an einem Torffeuer, das langſam brennt, waͤrmen will. (In Frankreich hat man in den Reißbuͤndeln noch duͤrres Laub, und auſſen Schwefel, das brennt gleich lichterloh. ) und um den Schild herum ſteht: La Patience hollandoiſe. Koͤnn - te man nicht eben ſo einen Schild erfinden, und dazu ſchreiben: La Frivolité françoiſe? in einem eiſernen Keſſel. Oben uͤber der Kajuͤte iſt das Steuerruder, das beſteht in einer groſſen eiſernen Stange, oben mit einem gemahlten Kopf, uͤber dem eine Stange ſteht, an der ein gemahltes Stuͤck Tuch haͤngt, das der Wimpel heiſt, und alle Nacht ab - genommen wird. In der Mitte des Schiffs ſind unter - ſchlagne Kammern fuͤr die Reiſenden, und groſſe weite Plaͤtze, wo das Gepaͤcke, die Waſſerfaͤſſer, das Holz ꝛc. aufgehoben werden. Vorne iſt das Roeff, ein etwas beß - rer Platz fuͤr die Reiſenden, wo die Kuͤche, das Kamin, Betten und Schraͤnke ſind. Statt der Treppen ſind uͤber - all kleine Leitern angeſtellt. Oben iſt auf dem Verdeck uͤber dem Roeff das Kamin, wo der Rauch herausgeht. Ueber dem Roeff iſt der Anker und eine groſſe Welle, die durch Hebebaͤume herum gewunden wird. In der Mit - te des Verdecks ſteht der Maſt mit den Segeln, den Rhaen, Rollen, Stricken, und eiſernen Ringen, ver - mittelſt deren ſie von einer Seite des Schiffs zur andern gewendet werden.

Das463

Das Laden des Schiffs geſchieht durch Rollen und Flaſchenzuͤge. Das waͤhrte ſo lange, daß wir erſt um 10¾. Uhr den Anker lichten und aftrecken konnten. Es gingen bald hernach 8. Schiffe von Rotterdam bei uns vorbei.

Um 12. Uhr waren wir bei der Phlippe, dem letz - ten Kaiſerlichen Fort. Wir ſollten viſitirt werden, der Kapitain ging aber im kleinen Boot, das hinten am Schiffe angebunden nachſchwimmt, mit ſeinen Briefſchaf - ten hin, und guarantirte fuͤr jeden, der bei ihm in der Kajuͤte war. Der Kommis kam mit ihm zuruͤck, und ward mit einem Glaſe Wein traktirt.

Um halb 2. Uhr waren wir bei Lillo, dem erſten hollaͤndiſchen Fort. Und weil grade in der Schelde Ebbe war, und der Wind ſehr ſchwach, ſo muſten wir da ſehr lange warten. Indeſſen fuhr der Kapitain mit ſeiner Frau und Tochter wieder hinuͤber, und bewahrte meinen Kuffer vor der Unterſuchung. Die Schiffsbe - dienten ruhen indes auch aus, eſſen, und waſchen be - ſtaͤndig das Schiff. Denn hier ſieht man ſchon die Rein - lichkeit der Hollaͤnder. Keine Erdbeere, kein Kirſch - kern ꝛc. darf auf dem Schiffe bleiben. In der Kajuͤte gibt man jedem, der Toback raucht, ein zinnernes Spuck - naͤpfchen, und ſelbſt die Kajuͤte wird alle Tage durch den Schiffsjungen mit wollnen Beſen gekehrt.

That es mir nicht ordentlich wohl, daß ich auch wie - der bei Menſchen war, die ihre Geſchaͤfte, ohne beſtaͤn - dig das Sacre Dieu im Maule zu haben, verrichten, und bei Proteſtanten, die vor und nach dem Eſſen beten? Man ſagt viel von der Wildheit der Matroſen, aber ichfand464fand viel Gutes an ihnen. Der Kapitain iſt ſehr reſpek - tirt; er betrachtet aber auch alle von der Schiffsmannſchaft als Glieder ſeiner Familie, ſie eſſen und trinken mit ihm, und haben, was er hat. Die Hoͤflichkeit des Hollaͤnders iſt wahre, vernuͤnftige Hoͤflichkeit, ohne viele Worte. Bietet man ihm etwas an, er nimmts, und theilt mit der andern Hand alles mit, was er hat. Er unterſtuͤtzt den Fremden, wo er kan. Begegnet einem ein kleines Ungluͤck, er lacht nicht wie der Franzos, er hilft gleich. Die Frau des Kapitains arbeitete beſtaͤndig, das Kind hatte ſeinen Katechismus, und ſein Papier, und lernte und ſchrieb. Der Hollaͤnder laͤßt jeden machen, was er will; er hebt ſein Vaterland nicht bis an den Sternen - himmel, er zeigt ſein Kind, und fragt den Fremden, wies ihm gefaͤllt, ohne daß ers zur Parade aufſtellt, wie in Paris. Mann und Frau leben ganz anders mit einander, als in Frankreich, kurz, ich freute mich ſehr, unter dieſen guten Leuten zu ſeyn.

Aber gegen Abend bekamen wir Sturm, die Fluth kam, die Schelde ſchwoll erſtaunend an, es regnete, der Wind ward uns zuwider, wir ſingen an zu laviren, und kamen in 3. Stunden nicht weit. Um 10. Uhr lies man den Anker fallen, das Schiff ruhte, ich ging aufs Ver - deck, und ſah mit Vergnuͤgen die Bewegungen des Waſ - ſers, der graue gewoͤlbte Himmel verhuͤllte die Ausſicht; hie und da kreuzten noch Schiffe herum, bis endlich jedes ſtille lag; da ſang ich:

Gros iſt der Herr und ſeiner Schoͤpfung Werke
Verkuͤnd’gen Erde, Land und Meer.
Wer iſt wie Er? Betrachtet ſeine Werke
Und betet an. Gros iſt der Herr.
Da465
Da rauſcht der Sturm. Die Waſſerwogen heben
Im Schaum das Schiff zum Himmel auf.
Seid ohne Furcht. Was ſoll die Angſt, das Beben?
Gott zeichnet jedem ſeinen Lauf.
Der Fluß ſchwillt auf. Gott tritt ſie alle nieder,
Die Wellen ſinken unter ihm.
Sanft glitſcht das Schiff, o ſteiget auf ihr Lieder!
Steig auf mein Dank, ſteig auf zu ihm!
Bin ich nicht Menſch? von Millionen Einer?
Und dennoch ſieht und liebt Er mich.
Dein ſind die Himmel, aber keiner,
Der Dich verehrt, iſt ohne Dich!

Den 26ſten Jul.

Mein Bett in der Kajuͤte war recht gut. Bei dem ſanften Schwanken des Schiffs ſchlaͤft man ruhig; wiewohl meine Exiſtenz diesmahl in einen Raum von Spannen breit, eingeſchloſſen war.

Es regnete und ſtuͤrmte ſo heftig, daß das Schiff bis gegen Mittag erſtaunend herum geworfen ward. Alle 6. Minuten riß man die Segel von einer Seite zur andern mit ſchrecklichem Gepolter herum. Wir muſten beim Fruͤh - ſtuͤck den Kaffeetopf an den Leuchter binden, und nachher ſtuͤrzte er doch herunter und zerſchlug einiges. Ich be - ſuchte die Reiſegeſellſchaft, aber allerwegen tanzte alles. Das Schiff ſah bald aus, wie ein Hoſpital. Jetzt konn - te ich noch einem andern, der ſich erbrach, den Kopf hal - ten, aber bald nachher muſte ich ſelber alles von mir ge - ben, und vor jedem Fenſter, vor jedem Topf ſtand einer ꝛc. Selbſt des Kapitains Frau ward krank, legte ſich nieder, und ſtand wieder auf. Eine traurige, verdruͤs -G gliche466liche Lage, die man nicht beſchreiben kan. Man weis nicht, was man thun und nicht thun ſoll ꝛc. Kopf und Magen leiden, man iſt muͤde, und arbeitet doch nicht. Man iſt krank, und hat doch eigentlich keine Schmerzen. Jeder ſieht todtenblas, wie ein Schatten aus, und wenns wieder ruhig wird, lebt jeder wieder auf.

Um 4. Uhr paſſirten wir Willemſtadt,*)Ein kleines, feſtes, rundgebautes Staͤdtchen mit gra - den Gaſſen in einem Winkel am Hollands-Diep gele - gen. Es hat einen Hafen, in den die Einfahrt zu gewiſſen Zeiten gefaͤhrlich iſt. Herausgeber. und ſahen um 5. Uhr, 4. ziemlich groſſe zweimaſtige engliſche Schiffe mit Kanonen. Bald nachher ging ein noch groͤſſeres hollaͤndiſches nahe bei uns vor Anker.

Um 6. Uhr verlieſſen wir die Schelde, und kamen mit gutem Winde in den Kanal. Da war nun beſtaͤn - dig eine Menge Schiffe um uns herum. Wir fuhren an vielen Doͤrfern vorbei, wo ich ſchon die Pfaͤle im Waſ - ſer erblickte.

Ein Handwerksburſche aus Hamburg, der ſich mit Schinken und Toback ernaͤhrte, klagte jetzt ſchon uͤber eine ſtarke Schaͤrfe am Zahnfleiſch.

Um 9. Uhr fuhren wir bei Dortrecht vorbei, und blieben halb 11. Uhr liegen.

Den 27ſten Jul.

Die ganze Nacht hatt ich ruhig geſchlafen. Um 1. Uhr ſegelte das Schiff wieder. Um halb 5. Uhr weck -te467te mich der Kapitain mit: Myn Heer, wir ſint al te Rotterdam! Ich ſtand auf und ſah die Stadt vor mir, und uͤberall einen herrlichen Himmel. Die Geſell - ſchaft war ſchon fort. Ich machte mich auf den Weg und ging fort nach

Rotterdam. Da weckte ich den Wirth in het groote Shippershuys, und fand bei einem ſehr arti - gen Manne, der etwas franzoͤſiſch und deutſch ſprach, mein Quartier.

Um 9. Uhr ſuchte ich aufm Oppert Myn Heer Creet auf. Der Brief von Hr. Tollius (ſ. S. 353.) that die beſte Wirkung. Doch mußt ich lateiniſch mit ihm ſprechen, bis er mit dem Franzoͤſiſchen wieder ein we - nig im Gange war. In Rotterdam war freilich nicht viel Merkwuͤrdiges fuͤr mich zu ſehen; indeſſen gingen wir doch aus und beſahen die Kirchen, ob ſie zwar eben nichts Beſonderes haben, und bemerkte darin Folgendes: In der

Groſſen Stadtkirche ſind die ſchoͤnen Grabmaͤhler der beruͤhmten Admiraͤle, de Witt, Brakel, und Kortenaer. Alle militaͤriſche Ehrenzeichen und faſt ein ganzes Schiff iſt da allemahl in weiſſem Marmor ausge - hauen. Es war eben hier Gottesdienſt. Der groͤſte Theil der Zuhoͤrer ſtand und lief unter der Predigt herum, und jeder mit dem Hut auf dem Kopfe. Die Prediger ſind wie unſre gekleidet.

Die Kirche der Arminianer war viel beſſer ein - gerichtet, aber klein und eng.

Die Engliſche Episkopalkirche iſt ein ſchoͤnes Gebaͤude mit dem Wappen von England und dem desG g 2Herzogs468Herzogs von Marlborough geziert. Sie iſt durch Un - terzeichnung erbaut worden. Der Herzog unterſchrieb zuerſt 200. Pf. Sterl. und wirkte die Erlaubnis aus. Die Prediger haben alle Freiheiten, wie in Engelland, nur daß ſie das weiſſe Chorhemde uͤber das ſchwarze Kleid nicht tragen koͤnnen. Die Hollaͤnder ſagen, das ſei zu katholiſch. Eine Engliſche Predigt iſt angenehm zu hoͤ - ren. Auf der Kanzel liegt ein rothſammtnes Kuͤſſen mit Gold, und darauf die Handſchrift.

Die Presbyterianiſche Kirche iſt bei weitem nicht ſo gros. An jedem Sitze iſt ein Lichtſtock, weil man auch Abends zuſammen kommt. Auch um 8. Uhr war die groſſe Stadtkirche noch ungemein voll Leute. Aus den Kirchen ging ich noch weiter und beſah

Die Stadtkanaͤle. Dieſe machen eine der groͤſten Zierden der Stadt aus. Sieben anſehnliche Kanaͤle durchſchneiden der Laͤnge nach die Stadt. Zu beiden Seiten ſind ſie mit Baͤumen beſetzt, und auf jedem lie - gen eine Menge Schiffe. Auch hat man hier die ſchoͤn - ſten Ausſichten und Spaziergaͤnge. Die meiſten Kanaͤle kommen aus der Maas, und einer aus der Rotte, ei - nem kleinen Fluſſe, welcher der Stadt den Namen gege - ben hat.

Die Bildſaͤule des Deſid. Erasmus. Neben der Boͤrſe auf dem Erasmusmarkt, ſteht in einer eiſer - nen Einfaſſung auf einem Fusgeſtelle von weiſſem Mar - mor die metallne Statue dieſes groſſen Buͤrgers von Rotterdam mit lateiniſchen und hollaͤndiſchen Inſchrif - ten verſehen*)Die Stadt hat ſie ihrem beruͤhmten Landsmanne 1622. ſetzen laſſen. Der Kunſtkenner findet ſie in derThat. Kleidung und Geſicht ſind ſehr gut,wiewohl469wiewohl alles kohlſchwarz ausſieht. Er hat einen groſ - ſen Folianten in der Hand, und ſchlaͤgt etliche Blaͤt - ter um. Man geſteht aber, daß es noch nicht ge - wis iſt, ob Erasmus wirklich hier gebohren worden, wiewohl man nicht weit davon in einer kleinen Straſſe ei - ne goldne Inſchrift*)Sie lautet ſo:Aedibus hic ortus mundum decoravit Eraſmus, Artibus ingenuis, Religione, fide. Herausgeber. an ein Haus geſetzt hat, worin man glaubt, daß dieſer beruͤhmte Gelehrte gebohren wor - den. Hierauf machte ich einen Beſuch bei

Hrn. Dr. Bicker, einem hieſigen Arzte, mit dem man mich bekannt machte, weil er Direktor ei - ner gelehrten Geſellſchaft iſt, die hier ſeit einigen Jahren errichtet worden iſt, und ſchon 3. Quart-Baͤnde von ih - ren Aufſaͤtzen, aber alle in hollaͤndiſcher Sprache heraus - gegeben hat, die vielleicht ins franzoͤſiſche uͤberſetzt wer - den**)Dieſe gelehrte Geſellſchaft fuͤhrt den Namen: Ba - taafſch Genootſhap der profondervindelyke Wis - begeerde te Rotterdam. Sie iſt 1771. errichtet worden. Ihr vornehmſter Urheber war Stephan Hogendyk, der ihr auch 150000. Gulden vermacht hat. Hiernaͤchſt hat ein Arzt, Namens Stock, das meiſte beigetragen, die Beſchaͤftigungen der Geſell - ſchaft auf die Erweiterung der Experimentalnaturlehre zu leiten. Sie beſitzt auch eine ſchoͤne Sammlungvon. Er verſprach mir, morgen die Boͤrſe und den Akademieſaal zu zeigen.

G g 3Hr.

*)That nicht ſo beſonders, als man ſie in Rotterdam zu ſeyn glaubt. Herausgeber.

470

Hrn. Fried. Reinwille, einem alten, gelehrten und bedauernswuͤrdigen Manne, mit dem mich der junge En - gellaͤnder, Mr. Waltnuſh bekannt machte. Ehemals war er Lehrer der Botanick in Lyon, aber ſeine aſthma - tiſchen Umſtaͤnde und erſchrecklichen Kraͤmpfe im Unter - leibe, noͤthigten ihn zu privatiſiren. Ein Mann, der in der Botanik der Niederlande viel gethan, auch andre Theile der Naturgeſchichte bearbeitet hat, aber durch ſei - ne Krankheit abgehalten wurde, jemals etwas bekannt zu machen. Ich ſah ſeine Grasſammlung aus dieſen Gegenden durch, worin viele neue, unbekannte Arten vor - kamen. Er hat Briefe von Hallern, Linne und an - dern Kraͤuterkundigen, denen er viel geſchickt hat. Er beklagt ſich aber uͤber manche Gelehrte, daß ſie ihm nicht antworten und nichts wieder ſchicken. Von Banks in London, der ihn hier beſuchte, hat er viele ſuͤdlaͤndiſche Pflanzen bekommen. Sein Zimmer iſt mit den ſchoͤn - ſten Kopien von Roͤſel’s Inſektenwerk tapeziert, die er alle ſelbſt gemacht und illuminirt hat. Er beſitzt auch eine Muͤnzſammlung, worin viele ſeltene Stuͤcke vor - kamen. Aber ſeit 12. Jahren leidet der gute Mann er - ſtaunend viel, und hat, weil er taͤglich den Tod erwartet, bereits uͤber ſeine Sachen disponirt. Indes, daß der Engellaͤnder und ich die Sachen durchſahen, ſchrie er oft und winſelte. Sobald ich zu ihm kam, und wir uͤber hunderterlei Dinge in der Natur ſprachen, vergas er alleSchmer -**)von Inſtrumenten, die der dortige geſchickte Inſtru - mentverfertiger Klay verfertigt. Die von dieſer Ge - ſellſchaft herausgegebenen Schriften ſind betittelt: Verhandelingen van het Bataafſeh Genootſhap et cet. Herausgeber. 471Schmerzen und lebte wieder auf. So gros iſt die Liebe dieſes Mannes noch im traurigen Alter fuͤr die Naturge - ſchichte. Er ward zuletzt recht munter, ſtand auf, und dankte mir herzlich, daß ich ihn beſucht haͤtte. Es ſei ein Werk der chriſtlichen Liebe, ſagt er ꝛc. Ach Gott, dacht ich, im Weggehen, was iſt der Menſch am Ende eines geſchaͤftigen Lebens! Doch die Liebe zur Naturge - ſchichte ſtirbt nie in der Seele. Sie jagt den Juͤngling durch die Welt und erfriſcht den Greis auf dem Schmer - zensbette! Ich ſah auch bei ihm eine von den kleinen niedlichen Tobakspfeifen, davon nur 5. in der Welt ſind, und davon der Prinz von Oranien eine be - ſitzt ꝛc. Myn Heer Danens, der wirklich die groͤſte und ſchoͤnſte Tabakspfeiffenfabrike in Gouda beſitzt, hat ſie gemacht.

Der Engellaͤnder und ich gingen hierauf ſpatzieren, beſahen die Spaziergaͤnge der Stadt, die Maſchinen, groſſe Moraͤſte auszutrocknen, und die Windmuͤhlen, worauf die Hollaͤnder das Holz, das ſie in der ganzen Welt aufkaufen, ohne Koſten und ohne viele Menſchen in Breter ſchneiden: ferner das Peſthaus, oder ein La - zareth, eine halbe Stunde vor der Stadt, das auf einer Inſel ſteht und durch Kanaͤle vom andern Lande abge - ſchnitten iſt. Ein Engellaͤnder, der vor einigen Jah - ren, weil man in London ſtatt des Gefaͤngniſſes von Newgate ein neues bauen wollte, blos deswegen her - umreiſte, um allerlei Einrichtungen dieſer Art zu ſe - hen, fand ſonſt nirgends in der Welt ſo eine beque - me Lage*)Dies war Howard, der um die Gefaͤngniſſe, Zucht - und Arbeitshaͤuſer und dergleichen in Frankreich,Holland, als hier. Aber die Einrichtung iſt, wie dieG g 4Aerzte472Aerzte in der Stadt mir ſelber geſtanden, ſehr ſchlecht. Man hat 200. Betten darin, und der Magiſtrat nimmt doch immer nur 20. Perſonen auf, und mit veneriſchen, auch nur mit chroniſchen Krankheiten behaftete, laͤßt man gar nicht hinein. Und doch legt man 2. Kranke in ein Bett! Wir ſahen auch einen groſſen Teich, als Spuren der groſſen und erſtaunend ſchaͤdlichen Ueberſchwemmung im vorigen Winter ꝛc.

Auf den Abend war ich noch bei Myn Heer Creet zum Eſſen gebeten, und konnts ihm nicht wohl abſchla - gen. Wir kriegten nicht eher als um 10. Uhr was zu eſſen, und um 12. Uhr kam ich erſt nach Hauſe. Die Kochart fand ich voͤllig deutſch.

Bemerkungen.

Die Straſſen in Rotterdam ſind wie in ganz Holland unvergleichlich. Sie ſind breit, helle, und in der Mitte mit Steinen gepflaſtert; zu beiden Seiten aber iſt ein Weg fuͤr die Fußgaͤnger mit Backſteinen be - legt, auf den kein Wagen oder Karoſſe kommen darf*)Die ſchoͤnſte iſt die Heereſtraet, und die angenehm - ſte der Boompaes, der zugleich zu einem anmuthigen Spaziergange laͤngſt der Maas dienet. Ueberhauptgibt. An*)Holland, Deutſchland, den nordiſchen Staaten ꝛc. zu beſehen und kennen zu lernen, eine Reiſe machte, und hernach davon ein Buch ſchrieb, darin er Vor - ſchlaͤge zur Verbeſſerung ſolcher Haͤuſer in ſeinem Va - terlande thut, und das ſeiner menſchenfreundlichen Denkungsart zur Ehre gereicht. Es iſt auch ins deutſche uͤberſetzt. Herausgeber. 473An manchen Orten ſind noch Pfaͤhle geſetzt. Nebſt dem iſt an den Haͤuſern noch ein breiter Weg fuͤr die Fußgaͤn - ger mit ſchwarzen ſteinernen Platten belegt. Da kan man auch, wenns regnet, trocken und unbeſpruͤtzt zu Fuſ - ſe gehen. Das Dachtraufenwaſſer wird aufgefaßt und laͤuft an den Ecken der Straſſen in die Kanaͤle herab, ſo hat man nicht hundertmahl auf einem Wege noͤthig, ſich dekrotiren zu laſſen, wie in Paris. Bei der Boͤrſe ſah ich ein einziges mahl einen Dekroteur, er hatte aber nichts zu thun.

Die kleinen unterirdiſchen Haͤuschen an der Sei - te der groſſen, duͤnkten mir Anfangs laͤcherlich. Man geht eine Treppe, wie in einen Keller, von der Straſſe hinab, oben liegt ein Fenſter queruͤber, dadurch faͤllt das Licht ein, und unten kauft und verkauft man. Es woh - nen ganze Familien darin ꝛc.

Ich bemerkte, daß die Hunde hier uͤberall an den Haͤuſern mit Ketten angelegt waren, und man ſagte mir, daß die Polizei das in den heiſſeſten Sommermonaten ge - biete. Wieder ein Blick nach Paris zuruͤck. Wer iſt nun geſcheuter? Der Magiſtrat in Rotterdam, oder die groſſen Raiſonneurs, die homines effeminati, delicatuli, molles, graculi in Gallia?

Rotterdam iſt die Stadt, wo eigentlich das Kom - merz zwiſchen Engelland und Holland ſeinen SitzG g 5hat.*)gibt es hier einen ganz unvergleichlichen Anblick, das Gemiſche von Haͤuſern, Baͤumen und groſſen dreima - ſtigen Schiffen mit ihren Flaggen in den Gaſſen zu ſehen. Herausgeber. 474hat. *)Dies hat allerdings ſeine Richtigkeit, denn man rech - net ja, daß Rotterdam $$\frac{9}{10}$$ des ganzen engliſchen Han - dels mit Holland an ſich gezogen hat. Auch am oſt - indiſchen Handel hat dieſe Stadt naͤchſt Amſterdam den wichtigſten Antheil. Ueberhaupt zieht ſich die Handlung von Amſterdam immer mehr nach Rotter - dam, daher auch der erſtern ſichtbare Eiferſucht auf letztere herruͤhrt. Auch faͤllt der Preiß der Haͤuſer in Amſterdam, ſo wie er hingegen in Rotterdam ſteigt. Herausgeber. In Holland findet man nirgends ſo viel En - gellaͤnder als hier. Alle 8. Tage ſegelt ein groſſes Schiff nach dieſer Inſel und holt engl. Waaren aller Art, ſo - gar Schuhe ꝛc.

Den 28ſten Jul.

Heute Morgen hatten wir Regenwetter, und ich mei - ne boͤſe Migraine wieder, die mich den ganzen Tag quaͤlte.

Um 9. Uhr fuͤhrte mich Myn Heer Creet zu Myn Heer Nozemann, einen Prediger, der Freund und Ken - ner der Naturgeſchichte iſt. Da mußt ich wieder latei - niſch ſprechen. Er zeigte mir das Werk von den hollaͤndiſchen Voͤgeln, das er bald voͤllig herausgeben wird**)Von dieſem Werke, das man nicht ohne Entzuͤcken anſehen kan, hat Nozemann bis jetzt 12. Hefte im groͤſten Royalfolio mit hollaͤndiſcher Beſchreibung ge - liefert. Jeder koſtet 2. Dukaten Praͤnumerations - preiß. Er gibt es nun auch in franzoͤſiſcher Spra - che mit den Originalplatten heraus, doch iſt davon erſt ein Heft erſchienen. C. Sepp und deſſen Sohn,J. C. . Die Zeichnungen moͤgen wohl genau ſeyn,aber475aber ſie ſind im Geringſten nicht angenehm, alle haben etwas Rauhes, die Farben ſind etwas grob. Das ſagt ich ihm nun freilich nicht, aber das konnt ich ihm doch nicht bergen, daß die Voͤgel faſt alle in unnatuͤrlichen Stellungen gezeichnet ſind, ihm ſchien dies aber kein Feh - ler zu ſeyn. Unter den wenigen Naturalien, die er mir ſonſt aus dieſer Gegend wies, waren mir bemerkenswuͤr - dig: Ein Flußſchwamm. Er wollte nicht glauben, das er die Wohnung eines Thieres ſei, und hatte doch ſel - ber kleine Eier darin gefunden, die er ſehr vergroͤſſert ab - zeichnen laſſen. Petrefakte in Achat. Das Neſt eines Oriolus. In der That ſehr merkwuͤrdig. Der Vogel hat Bindfaden, kleine Schnuͤre gefunden, und mit dieſen hat er ſein Neſt an ein Stuͤck Holz, das meh - rere Aeſte oder Zinken hat, angebunden. (ſ. ſein nur ge - dachtes Werk.) Er gab mir Addreſſen an Myn Heer Vriends, einen Kaufmann, und von Brahel in Har - lem, und der Engellaͤnder, mein Freund, eine nach Am - ſterdam an Myn Heer Hope, der ein vortrefliches Ge - maͤldekabinet beſitzt. Nun beſah ich weiter

Das Naturalienkabinet von Myn Heer Gevers. Er iſt Buͤrgermeiſter hier und ein Mann von wenigſtens 400,000. Gulden Vermoͤgen, und iſt dabei ein Liebha - ber der Naturgeſchichte. Myn Heer Creet hatte ihm von mir Nachricht gegeben, und ſo zeigte er mir alles mit der groͤſten Gefaͤlligkeit, und mehr als ich bei den Kopf - ſchmerzen behalten konnte. Es iſt ein einziges Zimmer,aber**)J. C. Sepp, (die Verfaſſer des bekannten herrlichen Inſektenwerks) ſind ſeine Mitarbeiter. Herausgeber. 476aber mit Naturalien vollgepfropft; die Seekoͤrper und die Konchylien ſind die ſchoͤnſten Faͤcher. Die erſtern hat er in Glasſchraͤnken, die andern in Schubladen auf blauem Tuch: desgleichen ſehr viele Inſekten, die in dem hoͤl - zernen Schubladen, worin ſie ſtecken, umgekehrt, und in andre Schubladen gelegt werden. Er beſaß unter an - dern: Neun Admirale. Fuͤr 30. Hollaͤnd. Gulden kan man deren jetzt ſchon haben. Alle die ſeltenen Stuͤ - cke, die doppelt geſtreift, doppelt bucklicht ſind ꝛc. Zwei Weberſpulen, aber Hr. Burtins ſeiner iſt doch ſchoͤner. Ganze Klumpen von 5. 6. 7. Stuͤcken, und alle von verſchiedener Farbe. Winkelhacken, Ham - mer, Mantel, Scalata ꝛc. Viele Seekoͤrper, die wenn ſie nicht in Pallas ſtehen, nicht bekannt ſind. Ein Onyx, der ſehr gros iſt, und zu beiden Seiten 2. voͤllig runde weiſſe Flecken hat. Die Marggraͤfl. Baden. Marmor, die bei den Italiaͤniſchen lagen. Er hatte ſie von der Frau Marggraͤfin Durchl. ſtatt uͤber - ſchickter Schmetterlinge zum Geſchenke bekommen. Nur allein die Dubletten dieſes reichen Mannes geben noch ein herrliches Kabinet*)Außer dem Naturalienkabinette beſitzt er auch noch eine vortrefliche Bibliothek und viele in Holland aus - gegrabene roͤmiſche Alterthuͤmer: beſonders aber die herrlichen Originalzeichnungen von Rubens, zur lu - xemburger Gallerie in Paris, in einem Folianten. Er hat ſie aus des Herzogs de la Valliere Bibliothek in Paris um einen geringen Preiß erſtanden; ſeitdem hat man ihm ſchon etliche tauſend Gulden dafuͤr geboten. Herausgeber. .

Die477

Die Boͤrſe. Ein ſehr ſchoͤnes, viereckigtes, mit Arkaden verſehenes, geraͤumiges Gebaͤude, das die Am - ſterdamer uͤbertrift. Um 1. Uhr war ſie am ſtaͤrkſten beſetzt. Von hier holte mich Hr. Dr. Bicker ab, und zeigte mir

Den Verſammlungsſaal der naturhiſtoriſchen Geſellſchaft. Im Seſſionszimmer ſteht an der Wand uͤberm Kamin ein Frauenzimmer, das die Erfahrung vorſtellt, und einen Magnet mit einem Eiſen haͤlt, zu ihrer Rechten ſieht man Feuer auf einem Heerde, und zur linken eine Wage. Ich haͤtte gewuͤnſcht, daß unten eine herrliche Gruppe von Pflanzen, Thieren und Mineralien angebracht waͤre. Philoſ. exper. dabit fructus oder ſo was ſteht oben. Das Staatszimmer liegt dar - neben. In der Mitte zwiſchen den Stuͤhlen iſt ein praͤch - tiger Sitz fuͤr den Prinzen von Oranien, der Protektor und ſelbſt ſchon da geweſen iſt. Im Archiv iſt noch al - les in groſſer Unordnung, und ein Kabinet hat man auch noch nicht angefangen zu ſammeln. Etliche reiche Buͤr - ger haben zur Errichtung Geld hergeſchoſſen ꝛc. Die Zimmer ſind alle linker Hand uͤber der Boͤrſe.

Ich wolte von hier nach Gouda, die Pfeifenfabrik zu ſehen. Zu Waſſer konnte man nicht, zu Lande iſt es 3. Stunden, und ſoll ein haͤslicher Weg ſeyn. Das al - lein ſchreckte mich nicht ab, aber das: Man arbeitete in dieſer Woche nicht dort, weil Marktwoche da war. Daher wolt ich noch dieſen Nachmittag von Rotterdam nach dem Haag gehen, aber es regnete beſtaͤndig, mein Kopf erlaubte es nicht, ich brauchte die Ruhe, blieb alſo noch da.

Bemer -478

Bemerkungen.

Wenn die Schiffe in den Kanaͤlen ſelbſt weiter gehen; ſo hebt man die Bruͤcke uͤber dem Kanal auf, damit der Maſt durchgehen kann. Sieht man nun von weitem den Maſt zwiſchen den Leuten und kein Schiff; ſo weis man nicht, was das iſt. Es geht ſehr ſchnell, und die Bruͤcke faͤllt gleich wieder zu.

Alle Morgen gibt man die Aſche aus der Kuͤche weg. Es ſind eigene Leute dazu beſtellt, die ſie alle Morgen ho - len. Man ladet ſie auf Schiffe und verkauft ſie an die Bauern, die ſtreuen ſie aufs Feld.

Auch in dem Hauſe, wo ich logirte, war der groͤſte Theil von der Hofwohnung in der Erde, und hatte deswegen oben Fenſter.

In Seeland ſoll ſo eine kleine arme Inſel ſeyn, daß nur Eine Uhr auf der ganzen Inſel iſt. Die Leute kuken aber alle nach dem Thurm an der Kirche.

Man ißt in Holland zwiſchen der Zeit, um 10. und 4. Uhr, gedoͤrrte Fiſche, eine Art Plattſiſche. Man zieht ihnen die zaͤhe Haut ab und ißt das Fleiſch ohne Brod und Trinken, wie wir Brod eſſen.

Man hat hier, auch in Gever’s Hauſe, ganze groſ - ſe Schiffe aus Papier, fein mit der Scheere ausgeſchnit - ten, als eine der ſchoͤnſten Zierden im Zimmer. In Glaskaſten ſolte man das von weitem fuͤr Elfenbein hal - ten. Solche Stuͤcke koſten aber 2 3. Dukaten.

Abends trinken alle Maͤgde und Bediente in Hol - land Thee. Sie wundern ſich, wenns ein Fremder nicht thut. Freilich haben ſie nur Theepulver, aberBontekoe479Bontekoe hat doch ſeine Abſicht bis auf dieſen Tag er - reicht.

Paris hat ſteinerne Stubenboͤden, der Hollaͤnder legt uͤber ſeine hoͤlzerne, auch noch auf der Treppe, koſtbare Tapeten.

Den 29ſten Jul.

Das Regenwetter und mein Kopfſchmerz dauerten fort. Es iſt aber eine traurige Ueberlegung, ob man lie - ber in dieſer oder in jener Stadt krank ſeyn will. Ich trat daher die

Reiſe nach dem Haag

an. Mit den Treckſchuyten, die ſo puͤnklich, und ſo oft als man nur will, bei Tag und bei Nacht, ſo bequem, daß viele darin arbeiten, ſchreiben, ſpielen, hat man al - lerdings eine groſſe Bequemlichkeit. So wie die Stun - de ſchlaͤgt, wird mit einer Glocke am Schifferhaͤuschen gelaͤutet, das Pferd angeſpannt, und in dem Augenblick, da die Glocke ſchweigt, bindet der Kapitain das Schiff los, und ſteigt ein. Man zahlt unterwegs, damit man nirgends aufgehalten wird. In der Kajuͤte ſind ſogar ſammtne Kuͤſſen fuͤr die Reiſenden. Unter dem Tiſche iſt ein Schrank zu Pfeiffen, und das Feuerſtovchen geht beſtaͤndig auf dem Schiffe herum. Das Verdeck des Schiffs iſt mit Sand und klein geſtoſſenen Konchylien - ſtuͤcken uͤberſtrichen, damit das Holz unter Wind und Regen lang daure. Die Kanaͤle ſind ganz mit Meer - linſen bedeckt, die Schiffe machen eine Straſſe durch die gruͤne Decke, durch welchen man das kryſtalle Waſſer er -blickt.480blickt. Da kan man recht ſehen, wie ſich die geringſte Pflanze, wenn ſie Platz hat, ausbreitet. Faͤllt das Seil, an dem das Pferd zieht, einmahl hinein, ſo wird es ſchwer von den vielen Pflanzenfaͤden die ſich anhaͤngen. Von Rotterdam geht der Weg uͤber

Delft. Dieſe Stadt iſt 2. Stunden von erſtrer, und ſo, wie alle hollaͤndiſche Staͤdte, nett, ſauber, an - genehm, mit Kanaͤlen durchſchnitten, aus Backſteinen gebaut, hat viele ſchoͤne groſſe Haͤuſer, z. B. die Maga - zine der oſtindiſchen Kompagnie von Delft, die Burger - meiſtershaͤuſer, das Rathhaus ꝛc. Man reiſt gemei - niglich nur durch, ich blieb aber uͤber Mittag, einige Stunden in dem Wirthshauſe, die Stadt Rotterdam genannt, und beſah

Den Marktplatz; er wird immer ſo ſauber gehal - ten, daß eigne Weiber dazu beſtellt ſind, die das Bis - chen Gras, das zwiſchen den Steinen hervorwaͤchſt, be - ſtaͤndig ausrupfen und in Schubkaͤrren fortſchaffen muͤſ - ſen.

Das Rathhaus. Zwiſchen den rothen Backſtei - nen machen die Fenſtergeſtelle, die gelb ſind, mit den Saͤulen und Vergoldungen daran einen herrlichen An - blick*)Es iſt von Heinrich de Keizer, einem guten Bild - hauer und geſchickten Architekten, der zu Amſter - dam 1565. gebohren ward und auch daſelbſt 1621. ſtarb, angegeben. Er hat in ſeinem Vaterlande viele Beweiſe ſeiner Geſchicklichkeit hinterlaſſen, wie denn auch des Erasmus Statue in Rotterdam von ſeiner Hand iſt. Auf dem hieſigen Rathhauſe ſiehtman.

Die481

Die Kirchen. In allen hollaͤndiſchen Kirchen iſt kein Altar. Man ſtellt zum Abendmahl einen Tiſch hin, um den alles herumſitzt. An allen Seiten der Kanzeln wird der Pſalm, denn das ſind die gewoͤhnlichen Geſaͤn - ge der Hollaͤnder, angeſteckt. In der neuen Kirche iſt das vortrefliche Grabmahl des Prinzen Wilhelms des 1ten von Oranien. Die Generalſtaaten habens ihm 1609. ſetzen laſſen. Das Grabmahl ſteht unter ei - nem von ſchwarzem Marmorſaͤulen getragenen Himmel. Eine Bildſaͤule des Prinzen aus weiſſem Marmor liegt oben darauf, und am Kopf und an den Fuͤſſen dieſer Sta - tuͤe ſitzen aus Bronze 2. Krieger mit Gewehr, die gleich - ſam Wache bei ſeiner Aſche halten*)Von dieſen beiden kriegeriſchen Figuren iſt die eine, die geharniſchte Bildſaͤule des Prinzen ſelbſt, zu deren Fuͤſſen ein Helm liegt, und an der unter der linken Schulter die Stelle angedeutet iſt, wo ihn die moͤrde - riſche Kugel traf: die andre iſt eine Fama, die nur auf einem Fuſſe ruht, eine herrliche Figur. Man er - blickt auch an dieſem Grabmahle des Prinzen getreuen Hund, der den Moͤrder angebellt haben und aus Gram geſtorben ſeyn ſoll. Auſſer dieſem Grabmahle ſieht man auch das wohlausgedachte des beruͤhmten H. Grotius, das ihm deſſen Verwandte erſt vor wenig Jahren haben errichten laſſen. Herausgeber. . In der alten Kirche waren mir merkwuͤrdig: Die Denkmaͤhler der groſſen Admiraͤle, 1) des Peter Heins. Die Statue dieſes beruͤhmten Seehelden iſt aus weiſſem Marmor,und*)man auch ein ſchoͤnes Gemaͤlde, die Ermordung des Pr. Willh. von Oranien vorſtellend. Herausgeber. H h482und liegt auf einem Kopfkuͤſſen, und mit dem uͤbrigen Leibe auf einer doppelten Matratze, die ganz herrlich iſt, und grade ausſieht, wie geflochtene Arbeit. Alles iſt Stein und Bildhauerarbeit. So was herrliches iſt in Frankreich nicht. 2) Des Tromp. Mit Erſchuͤtte - rung ſah ich den groſſen Mann auf dem ſteinernen Bette der Ehren. Der Kopf und das Geſicht eines denkenden Geiſtes iſt, ſo wie der ganze Leib im Harniſch, ein wah - res Meiſterſtuͤck. Der Kopf ruht auf einer Kanone, und der Koͤrper auf einem Steuerruder. Orden und mi - litaͤriſche Ehrenzeichen liegen an und um ihm. Vor ihm halten Engel ſein und der Staaten Wappen. An den Seiten ſind Helme, Segel, Waffen ꝛc. angebracht. Unten iſt am Fußgeſtelle das tauſendfache Schlachtge - wuͤhl, in dem Tromp (1653.) blieb, ſelbſt der Rauch und die Wellen, alles in weiſſem Marmor vorgeſtellt. Das ganze Stuͤck iſt koͤniglich. 3) Nahe beim Aus - gang aus dieſer Kirche ſteht Leuwenhoecks Buͤſte aus weiſſem Marmor, mit einer Bandſchleife an einem Obe - lisk von grauem Marmor. Es iſt ihm von ſeiner Toch - ter 1739. errichtet worden. Die Inſchrift ruͤhmt ſeine mikroſkopiſchen Entdeckungen. Er war hier den 14ten Oct. 1632. gebohren und ſtarb auch hier den 26. Aug. 1723. *)Es iſt in dieſer Kirche noch ein vortrefliches Monu - ment der Aufmerkſamkeit des Reiſenden wuͤrdig, nem - lich der Eliſabeth von Marnix, einer Tochter des Hrn. von St. Aldegonde. Herausgeber.

Die Porzellanfabrik. Es iſt nur Fayence, aber eine feine, und die nicht ſchwer iſt. Man macht darinauch483auch Figuren von Thieren, die recht artig ſind. Man bringt gelblichtes engliſches Steingut hierher, und mahlt es hier beſſer als in Engelland.

Haag. Eins der groͤſten, der ſchoͤnſten, der an - genehmſten Doͤrfer in der ganzen Welt. Feſt iſts im geringſten nicht, hat auch keine Thore. Was ihnen aͤhnliches davon da iſt, ſind Einfahrten, Portale ꝛc. an denen Schildwachten ſtehen. Man koͤmmt auf der einen Seite auf dem Kanal gleich mitten hinein, und auf jeder andern Seite ſind ebenfalls Alleen, Kanaͤle, Teiche, Gehoͤlze ꝛc. Ich kam des Abends an, logirte in te ze - ven Kerken van Rom, und ging noch mit dem Re - genſchirm in der Hand herum, den

Haag zu beſehen. Alles iſt hier nett, ſchoͤn, ſau - ber, angenehm, luftig, eben, man iſt wie in einer Stadt, und doch aufin Lande. Im Orte ſelber ſind groſſe breite Spaziergaͤnge, darneben Seen, Teiche ꝛc. und das alles iſt mit ſchattigten Baͤumen beſetzt. Man erblickt eine Menge vortreflicher groſſer Haͤuſer, die zwar oft nur ſchmal ſind, demungeachtet aber inwendig die ſchoͤnſten Zimmer haben, denn die Mauern ſind nur 2. Backſteine dick, die Hausgaͤnge ſind ſchmal, und jedes Plaͤtzchen iſt geſpart. Sehr viele Haͤuſer nehmen ganz allein eine Reihe ein, viele haben vorne nach der Straſſe zu groſſe Plaͤtze mit praͤchtigen Einfaſſungen. Zuweilen ſind die Thuͤren und Fenſter aus einem gelben Stein, zuweilen iſt es nur gemahlt, es ſieht aber in beiden Faͤllen ſchoͤn aus. Das Bauen iſt hier ſehr koſtbar. Holz und Mauer - und Wackenſteine hat man nicht, und ſelbſt von den Backſteinen koſtet einer 2. Stuͤber. Soll ein Grund gelegt werden, wie ich heute da ſah, wo man dasH h 2neue484neue Geldmagazin baut, ſo muß man erſt eine un - endliche Menge Pfaͤhle, wegen des Waſſers, um den Boden mehr Feſtigkeit zu geben, einrammen. Ich be - ſah noch den

Paradeplatz, ein groſſes Viereck mit Baͤumen beſetzt. Die Wache zieht drauf um 11. Uhr auf. Jetzt wohnte der Herzog Ernſt Ludwig von Braunſchweig nicht weit davon.

Den groſſen Saal; in der Mitte des ſogenannten Hofs, (la Cour) oder des Pallaſts, worin der Erb - ſtatthalter reſidirt. Ein altes verlaſſenes Gebaͤude, das nur deswegen von den Fremden beſucht wird, weil man die alten Fahnen und Standarten, welche die Hollaͤnder den Spaniern abgenommen haben, darin aufgehaͤngt hat. Sonſt zieht man auch da die groſſe hollaͤndiſche Generalitaͤts-Lotterie, und ſtellt oft Buͤcherauktionen darin an.

Einige Kirchen. Es gibt deren von allerlei Re - ligionen und Nationen hier, aber in keiner iſt etwas merkwuͤrdiges. Gemaͤlde ſind gar nicht darin. Alles was an der Wand haͤngt, ſind in Gold geſtickte Wap - pen von reichen und vornehmen Familien auf ſchwarzen Tafeln. Doch iſt in der groſſen Kirche des Admirals Obdams Grabmahl ſehenswuͤrdig. Die Juden haben hier auch 2. Synagogen: die portugieſiſche iſt darunter die groͤſte.

Bemerkungen.

In Holland bekoͤmmt man ſchoͤne groſſe Men - ſchen zu ſehen. Nach Delft hatte ich einen Schiffs -kapitain485kapitain, der war ein homo quadratus! Zwoͤlf Pari - ſer haͤtt er wie Muͤcken weggeſchleudert. Auch Weibs - perſonen findet man hier, wie Baͤume ſo groß, und da - bei ſtarkgliedrig. Der kaͤltere Himmelsſtrich, die Ent - fernung vom Luxus, die fruͤhe Angewoͤhnung zur Arbeit, machen den Koͤrper feſt und dauerhaft.

Die Reinlichkeit der Hollaͤnder geht erſtaunend weit. Oft weis man nicht, wo man hinſpucken ſoll. Sie ge - ben einem gleich ihr Quispedoordje (Spuknaͤpfchen)*)Holberg ſagt daher wohl mit Recht von der Reinlich - keit dieſer amphibiſchen Nation: Die Haͤuſer der Hol - laͤnder ſind aus lauter Reinlichkeit ſchmutzig. Sie ſpeien nicht auf den Fußboden, beſetzen aber die Ti - ſche mit Spucknaͤpfchen. Dieſen ekelhaften Ge - brauch unterlaſſen ſie auch nicht bei Tiſche, wenn gleich Frauenzimmer oder Fremde zugegen ſind, oder die Speiſen noch auf dem Tiſche ſtehen. Mit Ver - luſt ſeines Appetits erfuhr dies auch der Herausgeber. . Kommt man mit dem naſſen Regenſchirm nach Hauſe, ſo nimmt ihn die Aufwaͤrterin einem gleich ab, und trock - net ihn in einer ſchlechten Stube. In mein Zimmer durft ich ihn nicht mitnehmen. **)Mit Stiefeln uͤber die Schwelle eines Hollaͤnders zu kommen, wuͤrde fuͤr die groͤſte Unhoͤflichkeit gehalten werden. Herausgeber.

Den 30ſten Jul.

Dieſer Morgen war beim allerhaͤslichſten Regenwet - ter dazu beſtimmt, die Empfehlungsſchreiben, die ich vonH h 3Paris486Paris aus hatte, zu uͤbergeben. Aber ich war ungluͤck - lich damit.

Der Herr Baron von Meermann, an den mir Villoiſon eine Addreſſe gegeben hatte, war auf ſeinen Landſitz, der ſehr weit entlegen iſt, verreiſt. Ich fand ein erſtaunend groſſes Haus, wo der Bediente unter der Treppe ſeine Wohnung hatte. Erſt ward ich zu einem alten Offizier dieſes Namens gewieſen, der aber mir gleich eine andre Straſſe nannte, wo ſein Vetter logir - te. Sie ſind wegen einer Maitreſſe keine guten Freunde.

Hr. Voſmaer, Aufſeher des Naturalienkabinets des Erbſtatthalters, war nach Deventer verreiſt. Nach - her hatt ich auch keine groſſe Urſache, ſeine Abweſenheit zu bedauren*)Hr. Crevenna, ein italiaͤniſcher Kaufmann in Am - ſterdam, der eine ſchoͤne Bibliothek beſitzt, und davon ein Verzeichnis 1775. drucken laſſen, wirft ihm darin ſeine Unhoͤflichkeit gegen die Fremden ſehr derb vor..

Hr. Treuer, Geſandter der Baadenſchen, Darm - ſtaͤdter und Anſpacher Hoͤfe, erwartete mich ſchon lan - ge, hatte ſelbſt von Ihro Durchl. dem Herrn Marggra - fen von Baaden, Briefe meinetwegen erhalten, und empfing mich mit der groͤſten Hoͤflichkeit. Ich ſpeiſte bei ihm zu Mittage, und nachher beſahen ich und einige Engellaͤnder ſeine Inſekten - und Konchylienſamm - lung, die beide vortreflich ſind. Er hat ſie nach den Welttheilen abgetheilt, beſitzt viele herrliche Stuͤcke, ſam - melt ſeit 50. Jahren, und unterhaͤlt einen weitlaͤuftigen Briefwechſel. Von da beſah ich

Die487

Die Wachparade mit vielem Vergnuͤgen. Die 4. Regimenter, die hier in Beſatzung liegen, haben ſehr ſchoͤne Leute. Ihre Muſik iſt unvergleichlich. Der Herzog Ernſt Ludwig von Braunſchweig kam ſelber auf die Parade. Er iſt ein alter, ſehr ſtarker, aber noch lebhafter Herr*)Wegen einer Wunde muß er ſich ſein Waſſer beſtaͤn - dig mit dem Katheter abzapfen laſſen, und wird alle - mahl, wenn er 4. Stunden geſchlafen hat, aufge - weckt.. Von da ging ich aufs

Naturalienkabinet des Prinzen Erbſtatthalters. Man zeigt es alle Tage von 12. - halb 2. Uhr,**)Hr. Dr. Titius in ſeiner im 9ten Theile der Ber - nonilliſchen Sammlung kurzer Reiſebeſchreibungen befindlichen Reiſe ſagt, es werde nur Montags und Freitags von 12. 1. Uhr oͤffentlich gezeigt, die uͤbrigen Tage koͤnne mans zwar auch beſehen, man muͤſſe aber 3. Gulden dafuͤr zahlen. Ueberhaupt theilt dieſer Gelehrte von dieſen und andern, ſowohl Naturalien - als Kunſtſammlungen, Gelehrten ꝛc. die er in Holland beſah und kennen lernte, im vorgedach - tem Buche ſehr ausfuͤhrliche und gute Nachrichten mit. Herausgeber. denn man ſpeißt hier erſt um 2, viele erſt um 3. Uhr. Es ſteht in 7. Zimmern, die man oͤfnet. Zwei im obern Stock ſind, auſſer einigen Skeletten, meiſt mit Kunſtſa - chen angefuͤllt, z. B. mit Modellen von Schloͤſſern, aus Papier ausgeſchnitten, mit koſtbaren Sachen aus Elfen - bein, darunter iſt z. B. ein Stuͤck die Pruͤfung Abra - hams vorſtellend. Alles aus Elfenbein. Eine erſchreck - liche Kuͤhnheit in den Figuren. Der Engel iſt oben halbfliegend, ſchwebend daruͤber ꝛc. Im untern StockH h 4war:488war: 1) im erſten Zimmer die Inſektenſammlung. Sie ſteht in Glasſchraͤnken an der Wand hinter Vorhaͤn - gen, die aufgerollt werden, viele ſtecken auch noch unten in Menge in Schublaͤden, auch in Glasſchraͤnken. Es uͤbertrift die Koͤnigl. Sammlung in Paris weit. In jeder Ecke ſteckte ein Stuͤck Kampher. Zu naͤhern Be - obachtungen fehlte mir Zeit und Gelegenheit. 2) In einem andern Zimmer ſtand der groſſe ausgeſtopfte Hippopotamus. Das Thier iſt laͤnger als das Rhino - ceros in Verſailles, hat eine feſte, dicke, harte Haut,*)Sie wog 1500. Pfund, hatte eben 2. Jahre im Ma - gazine gelegen, und war ſo zuſammengetrocknet, daß man zweifelte, ob ſie ſich wuͤrde zubereiten laſſen, und ob man dem Thiere ſeine natuͤrliche Geſtalt wuͤrde wieder geben koͤnnen; aber Dr. Kloͤckners Kunſt wars nicht unmoͤglich. Er hat vielmehr den groſſen und kleinen Hippopot. ſehr natuͤrlich ausgeſtopft. Er iſt ein Arzt in Amſterdam, der im Zubereiten und Aus - ſtopfen der Thiere große Geſchicklichkeit und gewiſſe Geheimniſſe beſitzt. Herausgeber. iſt oben und unten kohlſchwarz, ſieht maſſiv aus, hat aber doch die plumpen Fuͤſſe nicht, die der Elefant oder Rhinoceros hat, die dentes laniarii ſind breit, ſehr glatt; alle ſeine Zaͤhne ſind wie Elfenbein, aber in der Laͤnge ſehr verſchieden, der Schwanz iſt klein; viel Haare hat das Thier nicht, es ſitzen aber auch mehrere kurze fuchsbraune immer bei einander. Ein junger und kleiner, beide von Dr. Kloͤckner ausgeſtopft, ſteht noch neben dem groſſen und alten. 3) Unter den See - koͤrpern fand ich Korallengewaͤchſe zwiſchen Schwaͤm -men. 489men. 4) Ein orientaliſcher Topas, 12. Pfund ſchwer*)Man hat 6000. Gulden dafuͤr bezahlt. Herausgeber. . Ein deutſcher Jude, der ihn geſtohlen, iſt daruͤber gehan - gen worden. 5) Eine herrliche Menge von Schlan - gen, wo ein andrer Gelehrter viel zu thun finden wuͤrde. 6) Paradiesvoͤgel, gar vortrefliche, in doppeltglaͤſer - nen Kaſten, fuͤr ihre langen Schwanzfedern. 7) Ein Orangoutang. Er ſtand im letztern Zimmer aufm Tiſch unter Glas. Das Thier war hier noch vorm Jahr lebendig, und der Prinz und Jedermann hatte eine groſſe Freude daran, weil es zutraulich war, alles durchſuch - te, als z. B. den Damen die Bracelets u. ſ. m. Es putzte ſich die Zaͤhne mit einem Strohhalm, umarmte die Leute gern, kannte ſeinen Waͤrter genau, war uͤber jedes harte Wort empfindlich ꝛc. Vosmaer hatte es aber vernachlaͤſſigt, es ſtarb, eh es hier ein Jahr erlebte. Der Prinz lies Prof. Campern von Groͤningen kom - men, der ſollte es zergliedern. Vosmaer wollte es aber thun, verheimlichte den Tod, that die Eingeweide in Weingeiſt und ſtopfte das Thier aus. So fands Cam - per, als er ankam; er ging zum Prinzen und ſagte es ihm. Da fehlte nicht viel, Vosmaer waͤre kaſſirt worden. Der Neid, der Stolz, der die Unwiſſenheit ge - meiniglich begleitet, brachte alſo die Wiſſenſchaften um dieſe Entdeckungen. Dieſer Orangoutang hat faſt gar keinen naſum externum, und bis zu den naribus hinauf im Geſicht auch keine Haare, und eben ſo weit unter dem Maul herab eben ſo wenig welche. Um die orbitas herum macht die Haut einen rothen Kreis. Sonſt iſt die Haut im Geſicht blaͤulich. Die HaareH h 5ſind490ſind lang, rothbraun. Das Thier hat auch einen bau - chigten Unterleib. 8) Tapir. Im vorletzten Zimmer ſteht auch ein Thier ausgeſtopft, das ich ſonſt ſo nicht geſehen hatte, und das ich fuͤr den Tapir erkennen muſte. Hinten und vorne hat es 3. Zehen, die obere Maxilla iſt elongata, die Haare ſind ſchwarzbraun. Auf der Stir - ne und auf dem Ruͤſſel hat das Thier einen Streif von dicken ſchwarzen Haaren. Das Schwaͤnzchen iſt klein, und nur wie ein kleiner Finger. Die Haut iſt duͤnn, aber hart und ſchilfert ſich. Die Auriculae ſtehen 6. Finger breit hinter den Augen, ſind weit, aber nicht zu - geſpitzt, ſondern rundlicht. Die untre Maxilla iſt 3. Fin - ger breit hinter der obern. Die Nares ſtehen in der Mitte des obern Kinnbackens. Mit dem Schwein hat es allerdings die groͤſte Aehnlichkeit, aber die Fuͤſſe ſind hoͤher, es traͤgt auch den Kopf hoͤher, und auf dem Ruͤ - cken ſind keine Borſten ꝛc. Das Thier hat hier ſeinen Waͤrter umgebracht. 9) Auch eins von den Thieren, die Anſon in ſeiner Reiſe um die Welt beſchreibt. Es hat vorne 5. hinten auch 5. verwachſene Zehen, und doch zwiſchen den Hinterfuͤſſen einen Schwanz, und einen voͤl - ligen Fiſchkopf, nur daß eine Menge Myſtaces daran ſitzen; in den Zehen ſind lange, gebogene, ſchwarze, hornartige Naͤgel; die Haut hat einen grauweiſſen Grund, oben auf dem Ruͤcken mit dunkeln blasbraunen Flecken. Die Naſenloͤcher ſind nahe bei einander, und juſt in der Oberflaͤche des Kopfs. 10) Ein ganz herrlicher Doſen - deckel von Agate arboriſé, mit Diamanten eingefaßt. ꝛc. So viel konnte ich heute in der kurzen Zeit und un - ter andern Leuten bemerken. Es iſt vieles da, das ich anderswo eben ſo, oder ſchoͤner geſehen habe. Die Ord - nung iſt eitel Unordnung und beſtaͤtigt mir das, wasandre491andre Gelehrte mir von Vosmaer geſagt haben. In Schubladen mag noch manches verſchloſſen ſeyn, aber die Kaſtellane ſind gewinnſuͤchtige grobe Kerle. Es iſt ver - boten, etwas im Kabinet aufzuſchreiben, noch einen mehr als einmahl hinein zu laſſen. Die angeſehenſten Leute in der Stadt haben verſucht, Erlaubnis zu bekommen, darin zu arbeiten, aber vergebens. Vosmaer ſteht mit keinem einzigen hieſigen Gelehrten in dieſem Fache in gutem Vernehmen. Morgen und uͤbermorgen wird noch dazu im Kabinet aufgeputzt ꝛc. Iſts nicht ewig Schade, daß in einem Lande, wo die Schifffahrt nach allen Weltgegenden, und Geld im Ueberfluß alle Schaͤ - tze der Natur aufhaͤufen und alle Fremden herziehen koͤnn - te, kein vollſtaͤndiges wohleingerichtetes Muſeum errichtet wird?

Bemerkungen.

Den hollaͤndiſchen gemeinen Weibern wuͤnſcht ich nicht in die Haͤnde zu fallen. Ein Franzoſe ſchimpfte eine in einer Straſſe, und ſchlug ſie mit dem Stocke nur ein wenig an die Fuͤſſe. Aber das Schlagen auf der Straſſe kan der geringſte Menſch in Holland nicht ver - tragen. Es wird auch faſt mit dem Leben geſtraft. Die Weiber zogen alle ihre groſſen hoͤlzernen Schuhe aus, kamen zu funfzigen zuſammen, pruͤgelten den Franzoſen derb ab, und wolten ihn in den Kanal werfen, bis ihn endlich noch ein Paar Bediente ihren Haͤnden entriſſen.

Man faͤhrt hier in ſo kleinen Kabriolets, daß faſt gar nichts daran iſt, kaum ein Sitz. Es geht aber auf den ebnen Wegen noch viel ſchneller als die Franzoͤſi - ſchen. Man nennt ſie Fargons.

Den492

Den 31ſten Jul.

Heute war ich beim

Hrn. Legationsrath Meuſchen, den ich ſchon als einen Kenner und Freund der Naturgeſchichte aus dem Naturforſcher kannte. Ich fand ihn zwiſchen ſeinen Schraͤnken mit kleinen naturhiſtoriſchen Zaͤnkereien mit Walch, Schroͤter, Spengler ꝛc. beſchaͤftigt. Er ſammelt in der Konchyliologie, und arbeitet auch an ei - nem neuen Werke, an einer neuen Eintheilung, an neuen Zeichnungen von Konchylien. Die Multivalv. ſieht er nur fuͤr Coarticul. an, die Echinos bringt er als eine eigne Klaſſe zu den Konchylien, weil wir doch bei den Konchylien auch nur die Schale kennen ꝛc. Ich ſah bei ihm unter andern: 1) Die Herkuleskeule, welche Walch im 9ten Stuͤck des Naturforſchers beſchrieben hat. Ein Stuͤck von einer Wurmpfeife. Meu - ſchen meinte, die kleinen Koͤrperchen inwendig dienten dem Thier darzu, auf - und niederzuſteigen, und das ſpi - tzige ginge wohl in ſeinen Koͤrper hinein, und helfe zur Verdauung. Er hat noch eine, die nicht klappert, worin die Koͤrperchen feſt ſitzen. 2) Ein Koͤrper, den ich fuͤr eine Lepas, Meuſchen aber mit Gewalt fuͤr eine Fiſch - ſchuppe halten wollte. Man bringt ihn aus Frank - reich und aus Indien. Beobachtung muß entſcheiden. 3) Walchs neritenfoͤrmige Patelle, woruͤber Meu - ſchen ganz anders dachte. 4) Das langgetopte Fluͤ - gelhorn, eine groſſe Seltenheit in Kabinetten. 5) Ein Murex mit einem Zahn. An der Seite des Labii ſteht ein kleiner ſpitziger ſcharfer Zahn gerade heraus. Von den Malouinen. Lyonet hat auch welche. 6) Eine Schnecke, die noch ein Ei uͤber ſich hat. Je -de493de Muſchel hat eine Membrane uͤber ſich, aber dieſe ſteckt gewoͤhnlich noch in einem Ei, das ordentlich, wie ein Vo - gelei iſt, kalkicht, weis, hart, rund ꝛc.

Mit vielem Sehen, Plaudern, Schwatzen, war der ganze Vormittag hingegangen, und wir waren doch nicht fertig. Auf den Sonntag Vormittag ſollt ich feſt wieder beikommen, wie der Hollaͤnder deutſch redet. Von da beſuchte ich

Hrn. Lyonet und ſein Konchylienkabinet. Ach das war ein feſtlicher Abend fuͤr mich bei dem Manne, dem die Natur ſo viel Schoͤnes aufgedeckt hat! Ich hat - te kaum erfahren, daß Lyonet noch lebe, und daß er hier ſei; ſo ſchickt ich den Bedienten zu ihm, und lies mich melden. Ich ward gleich dieſen Abend beſtellt, und er lies mir ſagen, ich ſollte nicht fehlen, damit wir allein waͤren. Ich fand einen ſiebzigjaͤhrigen Mann, aber im Schooſſe der Naturfreuden erzogen und grau gewor - den, und wenn die Rede von ſeiner Lieblingswiſſenſchaft iſt, noch ſo munter und lebhaft, als ich. So ein Alter, o Gott, iſts dein Wille, daß ich ſo alt werden ſoll! In wenigen Minuten waren wir gute Freunde, er ſchickte den Bedienten auf 3. Stunden fort, und nun war ich al - lein mit dem Manne, der mich ſo viel lehren ſollte. Das Vergnuͤgen, die groſſe edle Ruhe, die ſich allemahl in meiner Seele verbreitet, wenn ich in Geſellſchaft mit ſo einem Naturforſcher bin, iſt mir koſtbar aber unbeſchreib - lich. Lyonet erzaͤhlte mir von ſeinen Lebensumſtaͤnden, von ſeinen Studien, von ſeinem Amte, ſeiner jetzigen Lage ꝛc. Er hat in Leyden erſt Theologie ſtudirt,*)Schon damahls lies er groſſe Talente und Neigung zur Kunſt blicken; denn er ſchnitzte blos mit einemFeder -iſt494iſt nun ſeit 40. Jahren nicht mehr aus dem Haag ge - kommen, hat uͤberhaupt nie ein andres Land geſehen, hat hier dreierlei Aemter, die mit der Spedition der Schiffe, und dem Dechifriren der Depechen*)Er iſt eigentlich Sachwalter des Gerichtshofes von Holland, Dolmetſcher, Patentmeiſter und Dechifreur der Generalſtaaten, und iſt zu Maſtricht 1708. geboh - ren. Umſtaͤndlichere Nachrichten von dem Leben die - ſes vortreflichen Naturforſchers findet man nebſt ſei - nem Bildniſſe in van Gool’s nieuwe Schoubourg der nederlantſche Kunſtſchilders, 2. D. S. 330. u. f. Herausgeber. zuſammen haͤn - gen, und ihm die ganze Zeit wegnehmen. An dem Traité anatomique de la chenille qui rogne le bois de ſaule hat er uͤber 8. Jahre gearbeitet. Er hat ihn auf ſeine Koſten drucken laſſen, hat die Kupfertafeln ſelber dazu gezeichnet und geſtochen, und verkauft das Werk auch ſelber fuͤr 10. Gulden, den Buchhaͤndlern gibt er 30. Stuͤber Rabat. Die Koſten hat er zwar wieder, aber nichts fuͤr ſeine Muͤhe, als den Eintritt in 4. Akade - mien, in die Ruſſiſche und Kaiſerliche Acad. Nat. cu - rioſ. **)Auch in die Londoner Soc. d. W. Herausgeber. Zeichnen hat er von Jugend auf gelernt, das Kupferſtechen aber von Vandelaar der die Kupferzu*)Federmeſſer, und ohne einen Lehrmeiſter zu haben, ein Basrelief, Apollo mit den Muſen vorſtellend, in Pal - menholz ſo ſchon, daß es der beruͤhmte Maler, der Ritter de Moor bewunderte, und ihn ſeine Unterwei - ſung in der Zeichenkunſt anbot, die Lyonet auch freu - dig annahm. Herausgeber. 495zu des Albinus herrlichen Werke geſtochen hat, ge - lernt. Er that deswegen eine Reiſe zu ihm nach Am - ſterdam, lernte aber das Aetzen mit Scheidewaſſer, und das Stechen mit dem Grabſtichel in Zeit von einigen Stunden. Ich ſah die erſten Schmetterlinge und Ge - ſichter, die er zu ſeines Lehrers Erſtaunen gleich beim er - ſten Verſuch machte. Er hat auch die letztern Platten zu Trembley’s Eſſay ſur les Polypes et cet. geſto - chen, und endlich fing er an ſein eignes Werk zu ſtechen. Da fand er, daß man hier oft ſchlecht abdruckte, drauf lies er ſich auch eine eigne Preſſe machen, und lernte das Kupferdrucken, ſo ſchmutzig dieſe Arbeit iſt ꝛc. Es fehlt noch die Geſchichte des Schmetterlings von der Raupe, davon ſein Werk handelt. Text und Zeichnungen ſind faſt ganz fertig, aber zum Stechen dieſer und vieler an - drer koſtbarer Unterſuchungen uͤber alle Inſekten in der Gegend des Haags, fehlt ihm die Zeit, und alle Buch - haͤndler ſind arm, koͤnnen nichts unternehmen; auch fan - gen jetzt ſeine Augen an ſchwaͤcher zu werden. Er zeigte mir die Maſchine, die er ſich ſelbſt zu ſeinen Arbeiten er - dacht hat. Ganz einfach iſt ſie! Er nahm den Appa - rat von einem guten engliſchen Mikroſkop, legte ihn aus - einander, befeſtigte auf einem hoͤlzernen Kaͤſtchen ein meſ - ſingnes Staͤngelchen mit einem Ringe, das Mikroſkop einzuſetzen, und mit einem Gewinde, um es hin und her zu fuͤhren. Auf dem Kaͤſtchen liegen die beiden Haͤnde zum Zerſchneiden auf ꝛc. Unter dem Staͤngelchen iſt ein Spiegel, die undurchſichtigen Objekte zu erleuchten. Darneben hat er gezeichnet ꝛc. Als man nicht glauben wollte, daß er alles in ſeinem Traité anatomique Be - ſchriebene geſehen haͤtte, machte er ein Kupfer und Be - ſchreibung der Maſchine bekannt, und gibt das ſelber zujedem496jedem Exemplare ꝛc. Von Le Cat war er ein guter Freund, und der nahm ihn auch in die Akademie zu Rouen auf. Ueber Buffon’s Dreiſtigkeit und Phan - taſien war der Beobachter der Natur, wie billig, recht aufgebracht. Ueber Banks in London klagte er auch, er haͤtte ſeine Konchylien geſehen, und ihm ſelbſt angebo - ten, die fehlenden Stuͤcke von Otaheite zu ſenden, und nach 6. Monate ihm doch nichts geſchickt, Lyonet habe ſich gegen ihn ſchriftlich erboten, wenn Banks ſein Ver - ſprechen halte, wolle er die von Banks Kupferſtecher im Haag gemachte Schulden bezahlen ꝛc. und Banks ge - be ihm keine Antwort ꝛc. Von unſrer Frau Marggraͤ - fin*)Dieſe erhabene Fuͤrſtin ſtarb 1782. Herausgeber. hatte er einen Brief und eine Zeichnung von ihrer eignen Hand. Sein Kabinet beſteht jetzt blos in den herrlichſten Konchylien. Er hat 6. Kabinette zuſammen gekauft, daher zeichnet ſich ſeines unter allen hier im Lan - de aus. Zum Futter in die Schubladen hat er einen Hutmacher vermocht, ihm aus blauer Wolle eine Art Filz zu machen, weil das etwas nachgibt, und ſeitdem haben Meuſchen, Gevers, Treuer, Vosmaer ꝛc. keine andre Unterlagen als ſolchen Filz. Ich ſah heute nur die Univalven, und unter denen beſonders: 1) den Cedonulli, den Einzigen, der jetzt hier im Lande iſt. Der Name iſt billig. Sieht man die Schnecke genau an, ſo kommt nichts der feinen Arbeit der Natur gleich. Es iſt wie Basrelief zwiſchen den Baͤndern und Streifen. Lyonet hat ihn in einem Kabinet um 1500. Gulden ge - kauft**)Hr. Titius an angefuͤhrtem Orte ſagt, er waͤre mit 3600. Gulden bezahlt worden. Herausgeber. . Darin waren viele andre Stuͤcke, die er ſchonhatte,497hatte, alſo verkaufte er ſie nach Frankreich und ſo theu - er, daß er den Cedonulli umſonſt hatte. Dieſes Stuͤck war ſchon in Daͤnnemark. Der vorige Beſitzer ſchickte ihn an Koͤnig Friedrich V. der ſtarb aber, ehe die Sa - chen bezahlt wurden, darauf reiſte der Eigenthuͤmer hin, und holte ihn wieder. 2) Die Originale von d’Argens - ville’s Supplementen, auch einige Originale, die Rumph abgezeichnet hat, und die man ſeither nicht wieder geſehen hat. 3) Eine Haliotis von Otaheite, deren Nacre unbeſchreiblich iſt. 4) D’Argensville’s L’unique gar ſchoͤn, aber Lyonet hat ſo viel Linksgewundene aus allen Geſchlechtern, daß er jene Malnommé nennt. 5) Eine, die inwendig Kanneluren zu haben ſchien, und wenn man hinein fuͤhlte, doch ganz plan, glatt war, es lag nur im Nacre. 6) Aus jedem Geſchlecht ganze Suiten von Farbennuancen ꝛc. Eine Menge klei - ne, die Lyonet an der Wolle angeklebt hatte. Auch granulirte Admiraͤle hatte er. Mit der Erlaubnis, mor - gen wieder zu kommen, hoͤrten wir am ſpaͤten Abend bei den Univalven auf, und ſprachen noch vieles mit einan - der, wobei ich uͤber die Laune dieſes Mannes im Alter er - ſtaunen mußte, bis ich endlich mit innigem Vergnuͤgen meinen lieben Lyonet verlies.

Den 1ſten Aug.

Um 8. Uhr fruͤh war ich bei Hr. Paſtor Muzenbe - cher, dem einzigen Goͤttinger Bekannten, den ich bis - her auf der ganzen Reiſe wiedergefunden hatte. Von da ging ich nach

Schevelingen, an die Nordſee. Eine kleine Stunde vom Haag liegt ein Dorf, das hinter ſich dieJ iNordſee498Nordſee hat. Es lebt blos vom Fiſchfange und See - fahrt. Der Weg dahin iſt eine praͤchtige, 25. Fuß breite Allee, ganz mit aufrechtſtehenden Backſteinen belegt, fuͤr die Fahrenden, Gehenden, und Reitenden abgetheilt, und ſauber, ſo wie alles in Holland. Man begegnet beſtaͤn - dig den kleinen Karren, die mit Menſchen und Fiſchen be - laden, durch groſſe Hunde nach dem Haag gezogen wer - den. Man ladet den Hunden ſchwer auf, und ſie wer - den in kurzer Zeit ganz ſteif vom Laufen und Ziehen. In Schevelingen gibts ſehr reiche hollaͤndiſche Bauern, und die herrlichſten Kuh-Melkereien. Ich fand, daß die Leute hier ſchon neue Grundbirnen aſſen. Im Dor - fe ſelber handeln einige mit Konchylien. Oben ſteht eine kleine Kirche, in der inwendig einige Wallfiſchknochen waren. Bei dieſer Kirche hat man die herrlichſte Aus - ſicht in die See. Was ſoll ich davon ſagen? Koͤnnt ich mir alle Tage dieſen koſtbaren Anblick verſchaffen?

Da rauſchts Anbetung Gottes in die Seele,
Da liegt die Allmacht aufgedeckt.

Das majeſtaͤtiſche Brauſen des Meers, das Auſſchwel - len, Sinken und Anſchlagen des Waſſers, die unzaͤhli - gen Berge von Schaum, die ſich in der Ferne bilden, fuͤrchterlich daher waͤlzen, und unter den Fuͤſſen des Men - ſchen ſich brechen, und das unzaͤhlbare Heer von man - nichfaltigen, groͤſtentheils noch unbekannten Seegeſchoͤpfen, und das Ufer des Meers mit Schiffen beſetzt, die See - moͤven, die beſtaͤndig hin und herfliegen, die Windſtoͤſ - ſe, die unaufhoͤrlich von der ebenen Flaͤche unter dem Gewoͤlbe des Himmels daher fahren, die Sand-Duͤnen, welche die See ausſchaͤumt, und wieder wegſpuͤlt; das alles fuͤllt die Seele mit groſſen unbeſchreiblichen Em -pfindungen,499pfindungen, die Jedem, der das nicht zu ſehen gewohnt iſt, wichtig und eindringend ſeyn muͤſſen. Ich ging lan - ge am Geſtade herum, ſah uͤber das Wogen-Meer hin, empfand die Pracht der Natur, ſah den Allmaͤchtigen, ſah den Allwiſſenden vor mir, und ſchwieg. Jede Welle wirft eine ungeheure Menge von Muſcheln, Fi - ſchen und andern Meerkoͤrpern aus; ich nahm manches Produkt in die Hand, von dem ich mich auf keine Be - ſchreibung, auf keine Zeichnung beſinnen konnte, und wie lebhaft ſah ich da das Bild der menſchlichen Unwiſſenheit, und die Majeſtaͤt der allſehenden Erkenntnis Gottes! Koͤnnten wir doch, dacht ich, die verborgenen Reichthuͤ - mer des Oceans kennen lernen! Koͤnnten wir doch in die Tiefe ſteigen, und den Schoͤpfer im Meer bewundern! Zuletzt muſt ich fort vom rauſchenden Schauplatz der Groͤſſe Gottes, und nahm zum Andenken an dieſe frohe Stunden, einen ſtarken Vorrath von Muſcheln und Schnecken mit mir.

Aufm Ruͤckwege ging ich rechter Hand in der Mitte der Allee nach Sorgvliedt, einem groſſen altmodiſchen Garten, und Landſitze, ehemals dem Lieblings-Dichter der Nation Cats, jetzt aber dem Grafen von Bentink gehoͤrig. Das Schoͤnſte waren 2. kleine Haͤuschen, in denen ſehr kuͤnſtliche Fontainen zwiſchen unmerklichen Ritzen angebracht waren. Der Bediente durſte nur eine kleine Welle ein wenig umdrehen, ſo kam aus allen Or - ten der feinſte Staubregen, nach allen Direktionen unter - einander und gegeneinander hervor*)Durch den jetzigen Beſitzer iſt dieſer Garten nun ganz umgeſchaffen, nach engliſcher Art eingerichtet, und ungemein verſchoͤnert worden. Herausgeber. .

J i 2Beim500

Beim Eingang in den Haag ſah ich das Wappen vom Haag. Es werden an der Seite eines Markt - platzes beſtaͤndig 6. 8. Stoͤrche unterhalten; das iſt das Wappen dieſes Orts. Ihr Aufwaͤrter ſoll ein ſehr groſſes Einkommen haben.

Den Gerichtsplatz. Vor dem Rathhauſe im Haag ſelber ſind Loͤcher in der Erde, die man bei Hin - richtungen oͤfnet, um das Blutgeruͤſte aufzurichten.

Das Mittagseſſen nahm ich bei Hrn. Paſt. Muzen - becher ein, und nachher gingen wir miteinander nach dem

Haus im Buſch. So heiſt ein Luſtſchloß des Erb - Statthalters, weil es mitten in einem angenehmen Wal - de liegt. Amalia, eine gebohrne Graͤfin von Solms, die Gemalin des Prinzen Friedrich Heinrichs, hat es zur Ehre ihres Gemahls im Wittwenſtande erbaut, es iſt aber nur das Corps de Logis fertig. Vor der groſ - ſen Treppe ſtehen 2. Statuen, Ceres und der Her[b]ſt. Man findet ein Zimmer mit chineſiſchen Tapeten und Meublen, oſtindianiſchen Porzellan ꝛc. Desgleichen ei - nen herrlichen Kronleuchter von Berliner Porzellan, den der Koͤnig von Preuſſen hierher geſchenkt hat, und der mit vielem Geſchmack gearbeitet iſt. Im Speiſeſaal haͤngen Gemaͤlde, grau in Grau von de Witt gemahlt. Im Kabinetchen waren Familiengemaͤlde, welche die verſtorb. Erbſtatthalterin, die Prinzeſſin Anna, ſelbſt ge - macht hat ꝛc. Auch eine Statue von Wilhelm I. mit ſeinem Hunde, von dem man erzaͤhlt, daß er den Moͤr - der des Prinzen nachher angebellet habe. Aber das Merkwuͤrdigſte und Groͤſte im Schloſſe iſt der Oranien -ſaal,501ſaal, ein groſſes, rundes Zimmer, gegen den Garten zu, ganz mit Malereien behangen, und mit einer herr - lichen Kuppel verſchoͤnert. Die eine Seite fuͤllt ein ein - ziges groſſes Gemaͤlde von Jordaens, das den Prinzen Fried. Hein. auf dem Triumphwagen vorſtellt. Die Zwietracht unter ſeiner Pferde Fuͤſſen, eine Menge Men - ſchen um ihn herum, und der Prinz ſelber ſind ganz vor - treflich gemahlt. Rings herum im Zimmer ſind an klei - nen Waͤnden 4. Schildhalter, ſo natuͤrlich gemahlt, daß man meint, die Kerle ſtehen wirklich da. Jenem Meiſterſtuͤck gegenuͤber haͤngt ein andres von Rubens, das die ſchmiedenden Cyklopen vorſtellt. Der Pinſel dieſes groſſen Malers hat wieder alles erſchoͤpft. Man ſieht ſogar die Feuerfunken, man ſieht in dierothe Schmiede - eſſe hinein, und dann die derben Muſkeln am Koͤrper dieſer Kerle, ihre Stellungen da ſieht man recht Virgils Illi inter ſeſe etc. Die andern Stuͤcke ſind die 4. Welttheile und Allegorien von Einnahmen der Staͤdte und allen Thaten des Prinzen Friedrich Heinrichs, von Everdingen, Honthorſt, Soutmann, Laireſſe und Thulden gemahlt. Oben in der Kuppel iſt die zaͤrtliche Gemahlin im Wittwenkleide abgebildet, mit Geniuſſen und lateiniſchen Inſchriften. Der Geſchmack der Hollaͤnder iſts, uͤberall das Todtengerippe dabei anzudringen. Von da beſucht ich nun wieder

Hrn. Lyonet und ſein Kabinet. Ach, das war wieder ein heiliger, feſtlicher, unſchaͤtzbarer Abend fuͤr mich! Ich ſah und redete, und hoͤrte ſo lange bis ich muͤde war, und die Trennung von dieſem Manne mir eine traurige Viertelſtunde machte. Wir ſahen I) die Bivalven durch. Bei der Ueberſicht der vielen koſtba -J i 3ren502ren Stuͤcke machte ich in der Eile folgende Bemerkungen, um doch auch etwas zu behalten: 1) Hier ſind die Ori - ginalien vom Crete de coq, die ich in Paris nur ver - ſteinert ſah. 2) Es gibt Konchylien, deren beide Bat - tans wenig ſelten beſtaͤndig ziemlich und ganz und gar verſchieden ſind. 3) Es gibt eine Noahsarche, an der das Gewinde gegen die ſonſtige Gewohnheit der Natur nicht hinten, ſondern faſt in der Mitte iſt. 4) Die ſogenannten Jakobsmuſcheln oder Maͤntel, (die ſich die Pilgrimme nach St. Jacques de Compoſt. auf die Kleider heften,) haben die obre Haͤlf - te ganz platt, die untre ganz hohl. 5) Es gibt eine Bivalve, die ganz weis iſt, nur an beiden Seiten des Gewindes einen kleinen rothen Fleck hat. 6) Es gibt eine einzige Bivalve, die inwendig eine Cloiſon hat. 7) Es gibt eine Bivalve, die 2. Lippen hat, und an denen ſitzen erſt die genaupaſſenden Zahnreihen. 8) Es gibt Konchylien wie Poſtpapier, andre erſtaun - lich ſchwer. 9) Man kan nicht begreifen, wie ſich die Pholaden naͤhren, denn das Loch, darin ſie in dem har - ten Kieſel ſtecken, iſt ſo eng, daß man gar nicht ſieht, wie ſie die 2. Schalen von einander thun koͤnnen. II) Eine Samlung von gemahlten Abbildungen dieſer Kon - chylien. Ein gewiſſer Daniel Marot hat ſie unter Lyonet’s Augen abgezeichnet, ſo ſchoͤn als moͤglich, ſo ſchoͤn als Madem. Baßeporte. Der Kuͤnſtler ſtarb aber, eh er ſie verkaufen konte. Da fi[e]len ſie als ein Vermaͤchtniß an Lyonet. Seitdem hat er freilich wie - der viele Stuͤcke bekommen, die noch nicht abgemahlt ſind. Ich wuͤnſchte, daß die Goͤttinger Bibliothek ſie kaufte. Er ſchaͤtzt ſie auf 1000. Thaler ꝛc. III) Die vielen Zeichnungen von Inſekten, die Lyonet ge -macht503macht hat, aber nie herausgeben wird. Zum Erſtau - iſt’s, was der Mann gearbeitet hat, und ewig Schade waͤr’s, wenn nach ſeinem Tode dieſe koſtbare Papiere und Zeichnungen fuͤr unſre Wiſſenſchaft verlohren gehen ſoll - ten. a) Er hat ſogar die Oſteologie im Kopfe der kleinſten Inſekten abgezeichnet. b) Auch an der Ty - gerſchnecke hat er Laͤuſe, vermuthlich acaros ent - deckt. c) An der Mouche de St. Jean, die gleich im Fruͤhjahr die erſten Blaͤtterchen abfrißt, fand er auſſer den 2. halbkuglichten Augen an der Seite des Kopfs, hin - ten am Kopf noch ein Knoͤtchen mit 3. Augen. d) Am Acarus auf einem Adler, bemerkte er, daß er ſeine Eier am letzten Fußgelenke traͤgt, bis ſie ausgeſchluͤpft ſind. e) Auch auf der Weidenbohrraupe von der ſein Traité anatomique etc. handelt, fand er einen aca - rus. Man kan aus ſeinem Kopfe 2. Koͤrper mit einer Art von Krebsſcheeren ausdruͤcken; durch dieſe ſaugt das Thier die Raupe aus. f) Auf dem Auerhahn fand er 3. verſchiedene Arten. g) Alle dieſe Thierlaͤuſe ſind ſehr ſchoͤn mit Schuppen. Er ſagte, Redi habe ſie ſo ſchlecht abgezeichnet, daß man glauben ſolte, der Schoͤpfer habe nicht im Kleinen arbeiten koͤnnen. Oft ſei das Weibchen gar ſehr verſchieden, alle ihre Haare ſind ſtachlicht. h) Um dieſe Kleinigkeiten zu meſſen, hat er ſich aus den Augen der Libellen Mikrometer gemacht, auch andre Mi - krometer, nach denen er ein Objekt 8000. mahl groͤſſer fand ꝛc. i) An den Hundslaͤuſen fand er zum Ein - beiſſen 4. Reihen Haken. k) Die Saͤgen der Saͤ - genfliegen ſind gar ſehr verſchieden, aber alle herrlich ge - arbeitet. Und jeder Zahn iſt wieder eine eigne Saͤge. l) Auf Weiden traf er ein gewiſſes Inſekt mit ſchwar - zen Flecken an. Druckt man dieſe, ſo koͤmmt ein ſoJ i 4erſtaunlich504erſtaunlich ſtinkender Milchſaft heraus, daß er von der Abzeichnung weggehen, und das Fenſter aufmachen muſte. m) Einen Waſſerwurm hat er beobachtet, der kein Maul, aber 2. Haken hat, mit denen er Froͤſche aus - ſaugt. n) Eine Larve von einem Kaͤfer, die gleich 4, 5. mahl groͤſſer mit Erde oder Waſſer angefuͤllt? aus dem Ei koͤmmt, als das Ei ſelber iſt. Er ſchlieſt daraus, daß ſie alſo ſchon preformirt ſei, und nur verhaͤrte. o) Die Zeugungsglieder des Maͤnnchens der Spinne habe er entdeckt. Reaumur ſchrieb ihm, er ſei ſehr erſtaunt, daß er und ſeine Geſellſchaft das nicht bemerkt haͤtten, als ſie Spinnen aufzogen. Er habe ge - ſehen, daß eine Feldſpinne das Maͤnnchen lockte, und, wie es kam, doch gleich toͤdtete. Die Zeugungsglie - der liegen vielleicht am Halſe, um gleich entfliehen zu koͤn - nen. p) Die Knoͤchelchen beim Schneckenbegat - ten kennt er weder aus Swammerdam, noch aus der Natur. Wie viel wuͤrde die Naturgeſchichte gewin - nen, wenn das alles bekannt gemacht wuͤrde! Wie ſchmerz - lich wehe that mir der Abſchied von Lyonet! Wenn ich todt bin, ſagte er, werd ich in der Ewigkeit die Ach - ſeln zucken und ſagen: Ach, wie wenig kannt ich die Natur!

Den 2ten Aug.

Das Gemaͤldekabinet des Prinzen Erbſtatthalters beſchaͤftigte mich heute zuerſt. Ein langer Saal nebſt einem kleinen Zimmer ſind mit den herrlichſten Stuͤcken vollgepfropft. Der Prinz liebt die Gemaͤlde ſehr, und wendet viel darauf. Nach meinem Urtheil waren fol - gende Stuͤcken die ſchoͤnſten: Rindvieh mit einem Bauer dabei, von Paul Potter. Schwerlich kan man dieNach -505Nachahmung der Natur weiter treiben. Das Stuͤck ſoll dem Prinzen 20000. Gulden koſten. Die Kaskade von Tivoli, von Vernet. Das Waſſer faͤllt im Staubregen herab. Ein Gemaͤlde von Seb. Frank, wo er alle Meiſter in kleinen Vierecken nachgeahmt hat. Die Jahrzeiten von Breughel und Rottenhammer. Blumen, durchſchnittne Melonen und Pfirſiche, ein Vo - gelneſt mit den jungen Gelbſchnaͤbeln ꝛc. von Jan von Os*)Einer der vorzuͤglichſten jetztlebenden Blumen - und Landſchaftsmaler. Er iſt aus Zeeland gebuͤrtig und jetzt etwan 50. Jahr alt. Er mahlt Thautropfen mit der hoͤchſten Taͤuſchung, Nebel auf der See in Seeſtuͤcken, die ganz Natur und Wahrheit ſind u. dergl. Er hat auch nie einen andern Lehrmeiſter ge - habt, als die Natur. Fuͤr die Kaiſerin von Rußland hat er ſchon Stuͤcke zu 1000. Gulden verfertigt. Herausgeber. . Eins koſtet 2000. Gulden. L. Coſter’s Bildnis von Albr. Duͤrer. Ein Jagdſtuͤck von Sneyders. Die Hunde hinter den Hirſchen, o! Rubens, beide ſchoͤne Weiber, von ihm ſelbſt. Eine Schlacht der Kaiſerlichen mit den Spaniern, von Wou - vermann, koſtet 14000. Gulden. Chriſtus, Jo - ſeph und Maria, von Titian. Ein Falkenier, von Holbein. Eine Schweizerbaͤuerin von da Vinci. Koſtet 4000. Gulden, aber Dancot’s in Bruͤſſel iſt doch noch ſchoͤner. Karl I. von Engelland, von Heinr. Pot. Er hat ein lichtrothes Haar, und ein Spitzbaͤrtchen. Die Engellaͤnder ſagen, es gleiche dem ungluͤcklichen Koͤnige ſehr. Aber das Bildnis im Schloſ - ſe zu Verſailles iſt doch ſchoͤner. Verſchiedene StuͤckeJ i 5mit506mit Pferden von Wouwermann. Hierin lag die - ſes Kuͤnſtlers Staͤrke. Man kan ſie auch nicht beſſer malen. Ein ſolches Stuͤck koſtet 4500. Gulden. Eine Menagerie, wo gefuͤttert wird, von Jan Steen. Si - meon im Tempel, von Rembrand. Das Paradies, worin die beiden erſten Menſchen von Rubens, und die Thiere und Blumen von Breughel, gemahlt ſind. Das Stuͤck koſtet 8500. Gulden. Schoͤner hab ich’s noch nirgends geſehen. Aber doch ein Fehler, Fiſche lie - gen auf der Erde. Eine Frau mit einem Kleide von weiſſem Atlas, von Netſcher. Die Kathedralkirche von Antwerpen, von P. Neefs. Konnte man auch in einigen Stunden mehr Schoͤnes ſehen?

Die Generalſtaatenkammer, wo die Hoogmo - gende Heeren Staaten der Vereende Nederlan - den ihre Vergadering oder Verſammlung halten. Das ganze Haus iſt ein Theil vom Hofe, und iſt mit gruͤnen Tapeten ausgeſchlagen, die alle mit der Nadel gemacht ſeyn ſollen. An einigen hat man, wie man ſagt, 100. Jahre gearbeitet. Auſſer vielen andern Seſſionszim - mern ſieht man oben einen Saal, wo die groſſe Verſamm - lung gehalten wird. An den Stuͤhlen ſteht das Wappen jeder Provinz. Jeder Stuhl iſt mit einer Grille um - ſchloſſen. Auf der einen Seite ſitzen die von Suͤd - auf der andern die von Nord-Holland. In der Mitte iſt der Sitz des Prinzen, der noch von Koͤnig Wilhelm III. ſeyn ſoll. Auf dem Tiſche vor ihm liegt ein hoͤlzerner Hammer, mit dem der Statthalter auf den Tiſch klopft, wenn endlich das Debattiren ein Ende nehmen, und der Schluß gefaßt werden ſoll. An beiden Waͤnden ſind Kamine, und in jedem befindet ſich eine aus Meſſinggegoſ -507gegoſſene Platte mit dem hollaͤndiſchen Loͤwen, wovon je - de 2700. Pfund wiegt. Sie ſind faſt Fauſtdick.

Nachmittags ging ich aus dem Haag, nach dem angenehmen Dorfe Leidſendam, auf dem Wege vom Haag nach Leiden, um das

Torfſtechen und das Backern zu beſehen. Ganz Holland hat keine andre Feuerung als den Torf. Den Rauch empfand ich zuweilen ziemlich ſtark, aber an den Speiſen merkt ich nie einen unangenehmen Geruch oder Geſchmack. Die Leute haben mit der Gewinnung des Torfs nicht viel Muͤhe. Sie finden ihn uͤberall gleich unter der Damm-Erde, und bis auf eine betraͤchtliche Tiefe hinab. Man braucht einen Spaten oder ein Grab - ſcheid dazu, und ſticht ihn eben ſo heraus, wie man in Deutſchland die Waͤſſerungsgraͤben auf den Wieſen macht. Man hebt lauter kleine Parallelepipeda heraus. Da man in der unbetraͤchtlichen Tiefe in Holland gleich eine Menge Waſſer antrift, ſo iſt der Torf im Anfang natuͤrlich weich, und ſchmierig, daher legt man die Stuͤ - cke neben, auch uͤber einander hin, und laͤßt ſie an der Luft ausduͤnſten und verhaͤrten. Sind ſie ſo feſt geworden, daß man ſie heben und tragen kan, ſo ſetzt man ſie in hoh - len Pyramiden auf, doch ſo, daß die Luft uͤberall durch - ſtreichen, und ſie voͤllig austrocknen kan. Man ſieht von weitem ſolche ſchwarze Lagen, und ſchwarze Pyramiden in Menge ſtehen. Sind ſie da hart genug geworden, ſo bringt man ſie in groſſe Schuppen oder Scheunen, zu de - nen wiederum die Luft uͤberall Zugang hat. Da werden ſie ſehr hart, bekommen einen weiſſen Beſchlag, und werden da von den Torfbauern verkauft. Das Stuͤck koſtet ein Duit, oder den achten Theil eines Stuͤbers. Koͤmmt508Koͤmmt man in den Torfgruben auf das Ende des Torfs, ſo findet man eine Lage von Thon, die dicker ſeyn ſoll, als ein Haus, und dann fuͤllt das Waſſer die Gruben bis oben an. Daher die groſſen weiten Seen, die man uͤber - all mitten auf den Wieſen ſieht. Den Schlamm, der in dieſem Waſſer haͤngt, und ebenfalls torfartig iſt, fiſcht man mit groben Netzen, die an Stangen gebunden ſind, auf, und dieſe Arbeit heiſt Backern. Die Torfbauern machen aus dem Schlamm dicke breite Lagen auf den Wieſen neben dem Waſſer, ebnen den Schlamm oben, ſchneiden ihn mit dem Spaden gleich, der Laͤnge und der Breite nach, in ſolche Parallelepipeda, wie man den Torf haben will, laſſen ihn dann ſo lange liegen, bis der Brei erhaͤrtet iſt, und ſich eben ſo in Pyramiden aufſetzen laͤßt, wie der eigentliche Torf. Zuletzt faͤhrt man mit kleinen Schuyten im Waſſer hin, und ſchneidet auch das Stuͤcke Land in ſolche Torfſtuͤcke, auf welchem die ausge - grabene gelegen haben, und dann iſt alles eine See, ein Waſſer.

Dieſes Feld wird aber wieder vom Waſſer befreit. Dazu gehoͤrt nichts als viel Geld, und einige Waſſer - muͤhlen. Man legt naͤmlich am Ende eines ſolchen ausgehoͤhlten und uͤberſchwemmten Feldes einen kleinen Graben an, in den ſich das Waſſer ziehen kan. An die - ſen Graben baut man 2, 3, 4. Waſſermuͤhlen, die mit Schoͤpfraͤdern das Waſſer aus dem Graben herausſchoͤ - pfen, vom Winde getrieben werden, und alles Waſſer hinaus in die groſſen Kanaͤle ſchaffen. Solche Muͤhlen unterhaͤlt das Land, oder einige Partikuliers. Das Land wird trocken, wird zu Wieſen und Weideplaͤtzen be - ſtimmt, und man legt Bauerwohnungen mit groſſen Heerdenan.509an. *)Ein ſolchergeſtalt eingedeichtes Stuͤck Land heiſt Polder. Herausgeber. Nach einigen Jahren kommt das Kapital mit allen Zinſen wieder heraus. Das herrlichſte Gras waͤchſt da, die Bauern haben das ſchoͤnſte Vieh, und laſſen es Tag und Nacht, und im Spaͤtjahr ſo lange im Felde, bis gegen Allerheiligen das ganze Land unter Waſ - ſer geſetzt wird.

Das Torfſtechen iſt hier jedem Bauer erlaubt. Wer Land hat, kan, ſo wie man mir ſagte, ſtechen, und ver - kaufen. Ich beſuchte ſo einen Torfbauer, und beſah ſei - ne ganze Haushaltung. Edle Einfalt der Natur, wie viel Suͤſſes, wie viel Angenehmes haſt du! der Mann hatte ein ſchoͤnes geraͤumiges Haus, alles unter einem Stockwerk, aber hell, hoch, rein, geputzt, und wohlmeu - blirt. Die Leute ſind reich, ſie tragen alte ſilberne hollaͤndi - ſche Muͤnzen ſtatt der Knoͤpfe in den Hoſen. Dieſer hat - te eine ſilberne Uhr, eine reiche Kette, ſein Porzellaͤn, ſeinen Toback, ſein altes Bier, ſeine Butter und Kaͤſe. Sein Hof war eingeſchloſſen, hatte groſſe weite Schup - pen, und war ringsherum mit Waſſer umfloſſen. Er war noch ledig, ſprach viel, hatte viel natuͤrlichen Witz, und viel Muntres und Freies in ſeinem ganzen Betra - gen. Den Statthalter nennen die Leute nur, ihren Wil - helm, ihren Prinz; ſie ſprechen ſehr ungenirt mit ihm, ſetzen den Hut auf, ſetzen ſich zu ihm, erkundigen ſich, wie er und Frau und Kinder fahre, und rauchen ihre Pfeifen fort. Von Gnade und Unterthaͤnigkeit ſpricht der hollaͤndiſche Bauer nicht. Vom Zuſtande derBauern510Bauern in Deutſchland haben ſie ſehr ſchlechte Begrif - te, und bedauern ſie, weil ſie nicht frei waͤren. Ich frag - te den Mann, wo denn die Nachkommen endlich den Brand hernehmen wuͤrden, wenn das ganze Land ausge - leert wuͤrde? da wuͤnſchte er mir, daß ich ſo lange kein Zahnweh haben moͤchte, bis es mit ihnen ſo weit gekom - men waͤre. Wie viel Reitzendes, Angenehmes, Un - ſchuldiges iſt nicht in dieſer Lebensart! Daß ſich die Torf - gruben nach Jahrhunderten wieder mit Torf anfuͤllten, kam ihm ſehr unwahrſcheinlich vor. Er wies mir ſeinen Kuhſtall, eine Stube, viel ſaubrer und reinlicher, als tauſend Wohnſtuben in Deutſchland. Es war we - der Krippe noch Raufe darin. Man wirft dem Vieh das Futter auf den Boden. Die Kuͤhe ſtehen auf einer Erhoͤhung von Balken, und werden ſo gewoͤhnt, daß ſie allen Unflath unter dieſe Erhoͤhung in eine Rinne fallen laſſen, wodurch alles weggeſchaft wird. Etwas Stroh ſtreuen ſie dem Vieh, des Niederliegens wegen, unter, aber nicht viel. Man wird auch kein Stuͤck Vieh in Holland ſehen, das auf den Hinterbacken mit verhaͤrte - tem Koth bedeckt iſt, wie in Deutſchland. Im Som - mer ſind ſie immer im Felde, da waͤſcht ſie der Regen ab, und im Winter putzt und waͤſcht man ſie. Im Stalle ſtinkt es nicht im geringſten. Es ſind Fenſter darin, nicht blos Laden. Sie haben ihn gleich neben der Wohnſtube. Sie koͤnnen die Rinne zudecken, und ma - chen im Sommer eine Arbeitsſtube, eine Schlafkammer, aus dem Kuhſtall. Oben auf der Buͤhne liegt das Heu. Der Duͤnger kan keinen groſſen Werth haben, weil man nur ſelten einige kleine Fruchtplaͤtze ſieht. Die Hol - laͤnder holen ihr Getreide aus Pohlen, Deutſchland ꝛc. Die Magazine ſind beſtaͤndig gefuͤllt. Auf dem Landeiſt511iſt die Viehzucht das Vornehmſte. Man ſieht aber auch herrliches Vieh, und die ubera lacte diſtenta. Der Mann hatte uͤber meine Freude bei ihm, ſeine herzliche Freude, und wolte mich gar umſonſt traktiren, praͤſentir - te mir aber zuletzt ſeines Bruders Kind, dem ich etwas geben koͤnnte. Den Ruͤckweg nahm ich uͤber

Voorburg, einem ſchoͤnen Dorfe. Zu beiden Sei - ten des Weges waren uͤberall die praͤchtigſten Landſitze oder Luſthaͤuſer, und Luſtgaͤrten reicher Hollaͤnder.

Auf der andern Seite, etwa ¾. Stunden vom Haag, ſah ich das durch den Friedensſchluß von J. 1697. be - ruͤhmt gewordne Dorf

Riswyck. Ehemals ſolls viel groͤſſer geweſen ſeyn, und bis an den Haag gereicht haben. Der Prinz hat nicht weit vom Orte ein Kaſtell, und da zeigt man noch den Fremden das Zimmer, das Papier, das Dintenfaß ꝛc. wo der Friede untergezeichnet worden iſt. Die Hol - laͤnder ſehen das als eine ſehr merkwuͤrdige Reliquie ihres Landes an.

Den 3ten Auguſt.

Den Vormittag brachte ich wieder bei Hrn. Legation - tath Meuſchen zu. Er gab mir von dem Speziſicum, das ein Arzt im Haag, Namens van Boſch, der Fr. Hofmannen und Boerhaven, jenen aber noch mehr, als dieſen ſtudirt, gegen die Blattern erfunden, bisher mit dem gluͤcklichſten Erfolg gebraucht, aber noch geheim gehalten hat. In ſeiner Schrift in hollaͤndiſcher Spra - che: Vorbehaltungsmittel ꝛc. ſoll ein Fingerzeig da - von ſeyn. Es iſt aus dem Mineralreich. In den Ber -liner512liner Sammlungen im 8ten Bande ſteht eine Nachricht davon. Der Koͤnig von Preuſſen wolte es ihm abkau - fen, lies ſich hier, aber bei Boſch’s Feinden darnach er - kundigen, und dieſe ſchrieben keine guͤnſtigen Nachrichten zuruͤck. Ich ſah ferner noch das Muſeum Gottwal - dianum, von einem Arzte in Danzig, durch. Es ſind 2. kleine Folianten von Zeichnungen, Konchylien und Anat. comp. aber kein Text dabei, und koſtet anderthalb Dukaten. Viele Inſekten vom Vorgeb d. g. H. Liſters kleine Schriften, die Hr. Meuſchen alle zu ſei - nem Konchylienwerke ſammelt. Seine Rezenſion von Martini’s Konchylienwerke mit dem Kupferſtiche, die er mir auch zum Andenken an ihn verehrte.

Nachmittags war ich auch wieder einmahl in einer Lutheriſchen Kirche, und hoͤrte Hrn. Paſtor Muzen - becher uͤber die Stelle predigen: Zweierlei bitt ich von dir ꝛc. Vormittags wird uͤbers Evangelium gepre - diget, Nachmittags ſteht die Wahl des Textes frei. Die 3. Prediger an dieſer Kirche ſind ſich voͤllig gleich, und wechſeln in allen Arbeiten Vor - und Nachmittags ab. Mit den Kirchenvorſtehern wird alle Donnerſtage Konſi - ſtorium gehalten. Ihre Beſoldungen kommen aus ei - nem kleinen Fond, und aus dem Gelde, das man vom Verkauf der Kirchenſtuͤhle bekoͤmmt: denn die Stuͤhle ſind alle numerirt, und verkauft. Doch darf ein Frem - der ſeinen Platz nicht bezahlen. In der Kirche iſt auſſer einem Zweibruͤckiſchen Denkmahle gar keine Zierrath, um den Reformirten kein Aergernis zu geben, auch kein Altar. Fuͤr die Fuͤrſten von Naſſauweilburg, Braun - ſchweig ꝛc. ſind Stuͤhle darin. Ueber der zu niedrigſtehenden513ſtehenden Kanzel war ein ungeheurer Deckel angebracht. Die Prediger haben keine Sakriſtei, ſondern ſitzen bei der Kanzel. Sie predigen in ihrem kurzen ſchmalen Mantel. Heute ward vom Gluͤcke des Mittelſtandes, den Gefahren des Reichthums und der Armuth gepredigt. Die hollaͤndiſche Mode iſt, ſehr weitlaͤuftig zu ſeyn, erſt 2. Eingaͤnge, dann die allgemeine Texterklaͤrung, drauf erſt die Abhandlung. Ueber den Agur etc. wuͤrde ein Hollaͤnder viel geſagt haben. Man redet griechiſch und ebraͤiſch auf der Kanzel, und ſtellt viele Streitunterſuchun - gen an. Doch ſucht man jetzt das Volk von dieſem Vorurtheil abzubringen.

Nach der Kirche gingen Hr. Muzenbecher und ich ſpazieren, und beſahen die herrlichen Spaziergaͤnge der Stadt, drauf die Juden Synagoge, die ſchoͤnſte, die ich noch geſehen habe, eine wahre Schloskirche, und endlich, eines Oſtindienfahrers Hille Haus. Der Reichthum dieſes Manns begegnete einem uͤberall. Al - les war mit oſtindiſchen und chineſiſchen Tapeten, Porzel - laͤn, Vaſen, Kunſtſachen ꝛc. angefuͤllt. Man erſtaunt uͤber die groſſen Stuͤcke aus Elfenbein, welche die aͤrmſten Leute in China machen ſollen. Es iſt gar nicht bizarres, oder groteskes Zeug. Hille gab ihnen die Vignetten aus deutſchen Dichtern, aus Zachariaͤs Renommiſten ꝛc. ſie ſchnitzten ſie auf Doſen recht artig nach. Ich moͤch - te wohl wiſſen, wie ſie den Nacre aus der Muſchelſchale herausbekommen, um ſo groſſe Stuͤcke daraus zuſammen zu ſetzen.

K kBemer -514

Bemerkungen.

Dem vielen Waſchen und Putzen in Holland gibt man die feuchte Luft, wodurch gleich alles ſchimlicht wird, ſchuld. Das Waſſer, das die Hollaͤnder ſelbſt uͤberall hinbringen, wird wieder ſorgfaͤltig weggenommen. In manchen Haͤuſern faͤllt man aber damit ins Laͤcher - liche*)Sobald es in Holland geregnet hat, ſchuͤtten die Maͤgde, die, im Vorbeigehen geſagt, beſtaͤndig, ſelbſt bei ihrer Arbeit, Reifroͤcke tragen, Waſſer auf die Haustreppe und aufs Pflaſter vorm Hauſe, und waſchen nun das Waſſer mit Waſſer weg. Ue - berhaupt iſt in Holland ein ewiges Scheuern und Pu - tzen. Die Vorderſeiten und Fenſter der Haͤuſer wer - den oft mit Spruͤtzen beſpruͤtzt und ſolchergeſtalt ge - reinigt. Alle Jahr ſtreicht man das Holzwerk, als Thuͤren, Fenſterladen ꝛc. mit neuer Oelfarbe an: daher der Aufwand an Farben und Oel dort ſehr gros iſt. Kurz, alles iſt dort nett und reinlich, nur mei - ſtens der Hausherr nicht in ſeinem ſchmutzigen Japon oder Schlafrock. Herausgeber. .

Das Thee - und Kaffetrinken iſt bei den Bedien - ten und geringſten Leuten ſehr ſtark Mode. Alle aber ſe - hen ſehr blaß aus.

Noch bei Tiſche ſtopft der Hollaͤnder ſeine Pfeife. Er raucht faſt immer aus neuen. Die Pfeifen bezahlt man in den Aubergen gar nicht.

Bei den Herrſchaften ſind die deutſchen Bedienten ſehr geliebt. Aber die Hollaͤnder haſſen ſie deswegenund515und nennen die Deutſchen Mof; dies iſt ein Schimpf - wort, das zu Schlaͤgereien Gelegenheit gibt.

Es predigte einsmahls einer: Barrabas heiſſe ſei - nes Vaters Sohn, weil er des Vaters Sohn wirklich ſei, naͤmlich nach Joh. VIII, 44. Ihr ſeid vom ꝛc. und ſo heiſſe er, weil er ein Bild des ganzen menſchlichen Geſchlechts ſei. Ein andrer ſagte in der Hochzeitpre - digt: die Frau ſei nicht aus dem Kopfe des Mannes ge - ſchaffen, weil ſie nicht herrſchen ſoll; auch nicht aus dem Unterleibe, damit er ſie nicht mit Foeten trappen ſoll, ſon - dern aus der Mitte, weil alles ſoll getheilt werden, zwi - ſchen Mann und Frau.

Bei Mahlzeiten muß das Gebet allemahl von dem Domine verrichtet werden. Da hat nun mancher eine rechte Gebetsgabe, betet eine Viertelſtunde, daß dar - uͤber alles kalt wird, bringt dann hinten noch eine Capta - tionem benevolentiae an; einer hatte die Gewohn - heit, daß er allemahl betete: Start aut dat Horn det Uberflutt op onze Vriende, by den wir hute erfreuet ſint ꝛc. ꝛc.

Den 4ten Auguſt.

Ich war Willens heute fruͤh den Haag zu verlaſſen, und nach Leyden zu gehen. Allein noch geſtern Abend kam Hr. Prof. Buͤſch von Hamburg hier an, und um ſeinetwillen blieb ich hier, bis Abends um halb 5. Uhr. Wir beſahen den Paradeplatz, das Naturalienkabinet, die Staatenkammer mit einander, machten drauf dem Hamburgiſchen Reſidenten, Hrn. Klefeker, eine Viſite, aſſen bei Hr. Paſtor Muzenbecher zu Mittag, und K k 2waren516waren vergnuͤgt. Wie angenehm iſt’s, alte Freunde wieder zu finden! da flieſſen die Stunden ſchnell hin, und nachher erzaͤhlt man wenig davon; denn wer kans beſchreiben, wenn der ganze Tag nur eine einzige lange freudige Empfindung iſt?

Um halb 5. Uhr ging das faſtletzte Schiff nach Ley - den ab und ich ſtieg ein und verlies den angenehmen Haag. Man hat 3. Stunden zu reiſen und wechſelt einmahl das Schuyt bei Leidſendam. Bald nach - her kamen wir in ein Waſſer, das vom Rhein kommt, denn dieſer Strom ergießt ſich nicht weit von Leyden in vielen Armen in die Nordſee. Hr. Sontag, Hrn. Muzenbechers Schwiegervater, der mit Bijouterien handelt, war auch auf dem Schuyt, und reiſte nach Wisbaden und nach der Frankfurter Meſſe.

Leyden. Mit Freuden erblickt ich die Thuͤrme die - ſer merkwuͤrdigen Stadt, in welcher die Vorſehung ehe - mals viele groſſe Menſchen, Aerzte und Naturforſcher zum Beſten des Menſchengeſchlechts leben und arbeiten lies.

Mit Hrn. Prof. Buͤſch, der nachkommen wolte, hatt ich die Abrede genommen, in de goude Mulen op de Markt zu logiren.

Den 5ten Aug.

Weil man hier keine Morgenbeſuche machen kan, ſo ging ich zuerſt nach dem

Botaniſchen Garten. Er iſt ſehr gros und vier - eckigt, aber kein einziges fortlaufendes Ganzes, ſonderniſt517iſt in mehrere Quartiere durch Waſſer und Bruͤcken abge - theilt. Es werden an die 2000. Pflanzen darin unter - halten. Die Ordnung iſt theils nach Linne, theils nach dem juͤngern Van Royen, dem jetzigen Profeſſor der Botanik*)Sein Onkel, Adrian van Royen, hat ſchon ſeit ver - ſchiedenen Jahren Alterswegen dieſe Lehrſtelle nieder - gelegt. Sein groſſes Kraͤuterbuch hat ſein Neffe in Verwahrung. Herausgeber. . Man ſagt es, aber es iſt nicht wahr, daß jede Pflanze ihren Zettel habe, denn bei den allerwe - nigſten ſtehen die Namen. Zur Aufbewahrung der Pflanzen im Winter ſind viele kleine Haͤuſer vorhanden. Eine Menge Gewaͤchſe werden unter Glasfenſtern gezo - gen. Die Boskets ſind nicht betraͤchtlich. Unter den ſeltenen Gewaͤchſen traf ich an: 1) Das Zuckerrohr, das aber nie bluͤht. 2) Senecio chryſocoma, vom Kap. 3) Gincho biloba. Die Blaͤtter haben al - le feine parallele blasweiſſe Streifen. 4) Kaffe, der doch zuweilen hier zur Bluͤthe koͤmmt. 5) Thee. Die Blaͤtter haben auch hier das verdaͤchtige Gruͤn. Dieſes Stuͤck iſt ebenfalls aus Engelland, aber lange nicht ſo wohl erhalten, wie das Theebaͤumchen des Hrn. Hofr. Groos in Carlsruhe. 6) Zingiber la - tropha multifida Euphorbia melocactus Molucella. 7) Spigelia anthelm. Elymus canadenſis. 8) Pinus Larix, der wirklich ſehr viele Fruͤchte hatte. 9) Digit. flor. maculatiſ; in der Korolle ſitzen auf einem weislichten Boden roͤthlich - te Flecken. Digit. canarienſis. 10) Sedum ar - boreſcens, ein Baͤumchen. 11) Cineraria ama -K k 3loides518loides etc. Der Gaͤrtner Nikol. Meerburgh hat ſeit einigen Jahren ſelber einige ſeltene Pflanzen aus die - ſem Garten mit Farben abgebildet, herauszugeben ange - fangen, und verkauft ſie, aber ſie ſind grob gezeichnet, und ſollen doch theuer ſeyn*)Das Werk iſt in Folio und fuͤhrt den Titel: Afbeel - dingen van ſeldſaame Gewaſſen in den Kruidtuin van ’slands Univerſiteyt te Leiden. Die Benen - nung iſt nach dem Linne. Auf jeder Platte iſt auch ein Schmetterling aus ſeiner Sammlung, die er den Fremden anpreißt, die aber nichts beſonders enthaͤlt, vorgeſtellt. Herausgeber. . Er ſtopft auch Voͤgel mit Rauchtoback aus. Weils indes ſpaͤter worden war; ſo ging ich, meine Addreſſen von Villoiſon und Morand aus Paris zu uͤbergeben; beſuchte daher

Hrn. Ruhnkenius. Er bezeugte mir gleich ſein Misfallen daruͤber, daß wir in Deutſchland ſo wenig in lateiniſcher Sprache ſchrieben, und alles deutſch heraus - gaͤben. Er berief ſich auf den neuen deutſchen Meßkata - log. Vermuthlich weil er das Deutſche nicht leſen kan,**)Und doch iſt er ein gebohrner Deutſcher, denn er iſt aus Stolpe gebuͤrtig. Sein eigentlicher Name iſt Ruhnken. Er iſt aber ſchon in der Jugend nach Hol - land gekommen, hat alſo ſeine Mutterſprache viel - leicht vergeſſen. Herausgeber. denn er ſprach hollaͤndiſch und etwas franzoͤſiſch, und weil es uͤberhaupt in Holland herrſchende Mode iſt, die Ge - lehrſamkeit allein in Kenntnis der Alten zu ſetzen. Wir konnten daruͤber nicht einig werden, weil wir in Grund -ſaͤtzen519ſaͤtzen verſchieden waren; er verſprach mir aber doch, mir nach 12. Uhr die Univerſitaͤts-Bibliothek, deren Aufſe - her er iſt, zu zeigen. In Engelland, meinte er, ſchaͤtzt man die Doct. Diplom. von Leyden mehr, als die von Oxford und Cambridge. Daher kommen viele junge engliſche Aerzte von ihren Univerſitaͤten noch hierher, und promoviren hier: das traͤgt viel ein. Die Vorleſun - gen werden alle lateiniſch gehalten.

Hrn. Allemand, Prof. der Naturlehre, ſchon ein Mann bei Jahren, phlegmatiſch, wie alle hollaͤndiſche Gelehrte, todt, und ſtille. Die Buffonſchen Kupfer hatte er in ſeinem Viſitenzimmer an der Wand herum angeheftet. Er verſprach mir, Nachmittags das Ka - binet zu zeigen.

Hrn. Dr. u. Prof. Gaubius. Auf ihn und auf Prof. Hahn von Heidelberg hatte ich mich am meiſten gefreut. Hr. Prof. Hahn war auf dem Lande, aber Hrn. Gaubius, der auch ein gebohrner Pfaͤlzer iſt, fand ich, und war 2. Stunden lang mit groſſem Vergnuͤgen bei ihm. Er iſt wirklich pro Emerito erkkaͤrt, aber doch noch ſehr munter. *)Nun aber ſeit 1781. todt. Herausgeber. Er beſann ſich auf Buͤttnern und die Beckmanne in Goͤttingen. Wir ſprachen uͤber Verſchiedenes. Die air fixe, ſagte er, nenne man faͤlſchlich ſo, es ſei keine Luft, ſondern ein Dampf - Man duͤrfe nur ol. vitr. den Stahl angreifen laſſen, und das nachher in Daͤmpfe verwandeln, ſo koͤnne man Spaa-Pyrmonter ꝛc. Waſſer machen und wiederher -K k 4ſtellen.520ſtellen. Das Spezificum gegen die Blattern des Dr. van Boſch im Haag (ſ. S. 511.) ſei, weil ers etwas marktſchreieriſch behandelte, verdaͤchtig worden, aber Kuren waͤren allerdings damit geſchehen. Im Grunde komme es mit dem Suttonſchen uͤberein, es ſei aus den Worten, die Boerhaven entwiſcht ſind: Forte ex antimonio et mercurio invenietur antido - tum, entſtanden. Zu ſeiner Zeit habe man ſchon in Paris eine Wachsanatomie gehabt, aber lange nicht ſo vollſtaͤndig und ſchoͤn, wie ichs ihm vom Cab. d’anat. artif. der Mdlle. Biheron erzaͤhlte. Wie ſo erqui - ckend iſts mir doch allemahl, einen alten Mann zu ſehen, der viel gearbeitet hat, aber gleich wieder auflebt, wenn von Wiſſenſchaften die Rede iſt! Ich habe, ſagte er zu mir, auf der Univerſitaͤt Leyden, wie ich da ſtudirte, das groſſe Feld der Wiſſenſchaften uͤberſehen, und um’s durchzulaufen, hatt ich nur einen einzigen Bekannten, der auch ein Deutſcher war. Wie ich nachher von Am - ſterdam, wo ich prakticirte, hierher kam, kannte mich dem Namen nach kein Menſch, bis ſie mich ſahen ꝛc. So ſtudirte der Lehrer meiner Lehrer!

Hrn. Voorda. Er war aber nicht in der Stadt. Man hatte mir ſchon im Haag geſagt, daß dieſer Mann das ganze Corpus Iuris Rom. in der Tonne auswendig gelernt habe. Der Vater, auch ſo ein Mann, ſetzte ſei - ne 2. Soͤhne von Jugend auf in ſeiner Stube in 2. Faͤſ - ſer, und ſobald nur einer den Kopf aus dem Faße heraus - rekte, war der Vater in ſeinen Arbeiten ſchon geſtoͤrt, und pruͤgelte ihn mit einem langen Stocke wieder ins Faß zu - ruͤck. Auf dieſe Weiſe aber lernte der eine Sohn das lus Romanum, und der andre das Ius ſtatutariumvon521von Holland ſo auswendig, daß ſie jetzt die paginam von jedem Geſetz wiſſen, und gleich den Ausgang der Prozeſſe errathen koͤnnen. ’S iſt mir doch leid, daß ich dieſen Diogenes nicht kennen lernte. Hierauf be - ſuchte ich die

Univerſitaͤtsbibliothek. Sie entſpricht der Er - wartung bei weitem nicht. Minuit praeſentia fa - mam. Es iſt ein einziges Zimmer, in der nicht die Haͤlfte der Buͤcher Platz hat. Wo man hintritt, tritt man auf Buͤcher. Auf dem Boden, in jedem Winkel, in jedem Gange auf und hintereinander liegen die beſten Sachen. Doch beſteht der eigentliche Reichthum der Bibliothek mehr in geſchriebenen, als gedruckten Buͤchern. Und unter den Erſtern iſt beſonders der arabiſche Vor - rath merkwuͤrdig. Aber dieſe und die uͤbrigen orientali - ſchen alle, ſtehen in einem Schranke zuſammen gepfropft, und zu dieſen ſteigt man auf eine Art von Porkirche mit Lebensgefahr hinauf. Als groſſe Schoͤnheiten der Bi - bliothek wies man mir: 1) Eine Handſchrift von den LXX. in 4to. auf Pergament. Sie faͤngt in den 30. Kapiteln des 1ten B. Moſe an und geht fort, bis zu den Richtern; ſehr leſerlich, ganz caractere unciali ge - ſchrieben. Soll nach einer Nachricht, die darin ſteht, noch vor Chriſti Geburt verfertigt worden ſeyn; wenn aber auch dies falſch iſt, ſo iſt ſie doch wenigſtens aus dem 2. oder 3. Jahrhunderte. Iſaac Voſſius beſaß ſie in ſei - ner Bibliothek. 2) Ein geſchriebner noch unedirter grie - chiſcher Kommentar vom Porphyrius uͤber die Jlias. Vollſtaͤndig, und ſoll viele gute Sachen enthalten. Der Text iſt dabei, und darzwiſchen mit rother Dinte noch auſ - ſer den Noten eine Explicatio interlinearis. 3) EinK k 5Koran522Koran, ſehr modern, aber merkwuͤrdig wegen ſeiner Pracht. In 2. kleinen Folianten auf Pergament, ſchwarz und roth, und noch ſchoͤner als der in der Abtei St. Vi - ctor zu Paris. 4) Joſ. Juſt. Scaligers Hand - ſchriften, ſeine eigne und auch ſeine Sammlungen. 5) Des Seba Theſaurus rer. nat. illuminirt. Seba il - luminirte erſt nur ein Exemplar fuͤr ſich, dann lieſſen ei - nige Freunde ihre Exemplare nach jenem auch illuminiren, und davon iſt dies eins, und ein ſolches koſtet 600. Gul - den. Sie ſind aber vortreflich. Ich ſah die Voͤgel und Schlangen an. 6) Buͤſten von engliſchen Staats - maͤnnern und Gelehrten, desgl. Gemaͤlde von hollaͤn - diſchen. 7) Ein aſtronomiſches Buch aus China, auf Veranſtaltung der Jeſuiten dort auf Seidenpapier mit hoͤlzernen Typen nur auf einer Seite gedruckt. Man ſolte es fuͤr geſchrieben halten. 8) Inſtitutiones Iuſti - niani, von Schoͤffer 1468. in Maynz, auf Perga - ment gedruckt. Sehr ſchoͤn und ſelten. 9) Eine Sphaͤre des kopernikaniſchen Weltſyſtems. Sie ſteht in einem Glasſchranke und wird durch ein Uhrwerk in Bewegung geſetzt, das 3. Wochen, ohne aufgezogen zu werden, fortlaͤuft. Der beruͤhmte Kuͤnſtler Stracy hat ſie verfertigt. Der Thierkreis und die andern Kreiſe ſind aus Meſſing und herrlich geſtochen. Man redet viel von einem neuen Gebaͤude, zu wuͤnſchen waͤre es, daß es bald zu Stande kaͤme. Gaubius hat alles Gute aus des groſſen Wepfers Bibliothek fuͤr ſein Fach ge - kauft, auch hat jede Fakultaͤt ohnlaͤngſt 5000. Gulden zur Bibliothek, als ein Legat erhalten, aber es fehlt an Platz. In keiner Kaͤſe - und Heringsbude ſieht es ſo verwirrt und ſtaubicht aus.

Die523

Die groſſe Peterskirche iſt als ein groſſes Gebaͤu - de merkwuͤrdig. Inwendig ſieht man ein halbes Tau - ſend Familienwappen auf ſchwarzen Feldern. Jede Platte deckt ein Grab; alle Tage werden etliche aufgeriſ - ſen. Die Kanzel ſteht niedrig, und hat wieder einen Tanzboden zum Deckel, aber die groſſe ſchwere Orgel haͤngt kuͤhn an der Wand! Das wichtigſte Stuͤck darin war mir des groſſen Boerhave’s Grabmahl, davon mehr am Beſchluß des Artikels von Leyden.

Das Stadt - oder Rathhaus. Ein ſchoͤnes Gebaͤude in der Breede Straat, der ſchoͤnſten und laͤng - ſten in dieſer Stadt. Man findet verſchiedene gute Gemaͤlde darin, als in der Burgermeiſterskammer ein beruͤhmtes Gemaͤlde von Lucas von Leyden, das juͤngſte Gericht vorſtellend. Ein Meiſterſtuͤck wuͤrd es ſeyn, machten nicht die geſchwaͤnzten Teufel zwiſchen den Auferſtandenen gar ſo eine ſeltſame Wirkung. In der Schoͤppenkammer, eine Kreutzigung von Cor - nelius Engelbrecht, die an die 300. Jahr alt iſt, und gleichwohl noch wie neu ausſieht. Auch eins von de Moor, welches die Geſchichte des Brutus, und die Enthauptung ſeiner Soͤhne vorſtellt, wo ein todter Koͤr - per und der abgehauene Kopf des einen Sohnes gar vor - treflich ſind.

Die alte Burg, oder das Schloß, ein Berg - ſchlos auf einer Anhoͤhe mitten in der Stadt, wodurch ſich im J. 1574. Leyden bei der Belagerung von den Spa - niern rettete. Man geht eine groſſe Treppe von 90. Stuffen hinauf, oben iſt ein Irrgarten, und eine ziemlich gute Ausſicht. Doch iſt der Berg nicht hoch genug, um uͤber die Thuͤrme und Haͤuſer der Stadt wegzuſehen. Man524Man muß da mit Gewalt 2. Dubbeltjets zahlen, wenn auch kein Bedienter eine Thuͤre aufmacht.

Die Langebruͤcke iſt eine Straſſe, die unten ge - woͤlbt iſt, und man faͤhrt mit den Schiffen unter der Straſſe durch, bis an einen Marktplatz, wo man wieder herauskoͤmmt. Sie iſt wenigſtens ¼. Stunde lang.

Bemerkungen.

Leyden iſt gros, hat herrliche Plaͤtze, viele Bruͤ - cken, ſchoͤne Kanaͤle mit ang nehmen Baͤumen daran, uͤberall herrſcht eine groſſe Reinlichkeit. Deutſche gibts viele hier, und doch iſts ſehr ſtill auf den Straſſen. Studenten ſah ich auch nicht viel, weil eben die groſſe Vacanz war.

Haͤuſer, Straſſen, Bruͤcken, alles iſt hier ſo einfoͤr - mig, daß man lange da ſeyn muß, ehe man ſich allein finden kan. Man hat zwar Plane von Haag, Ley - den ꝛc. aber was nutzen ſie, da die Namen der Straſ - ſen nicht angeſchrieben ſind. Aufs hoͤchſte ſind an den gelben Thuͤrpfoſten der Haͤuſer, aber nur vom Bedienten und mit Bleiſtift die Namen der Herren angeſchrieben, und das hilft bei der beſtaͤndigen Aenderung der Wohnun - gen nicht viel.

Vor den Haͤuſern iſt hier, wie im Haag, auch der ſchwarzblaue Felsſtein, den die Hollaͤnder aus der Grafſchaft Bentheim holen.

Man treibt hier das Putzen und Waſchen aufs aͤuſſerſte, und behauptet, daß ſonſt alles mit Wandlaͤu - ſen uͤberſchwemmt ſeyn wuͤrde. Man laͤſt die Schlafbet -ten525ten alle Tage ausluͤften. In den Stubenboͤden weis man nicht, wo man hintreten ſoll, ſo koſtbare Tapeten hat man darin liegen.

An den Kanaͤlen ſah ich Wolle waſchen. Die Schaaſwolle aus Nordholland iſt ſehr fett und ſchmu - tzig. Man gibt einem Kerl des Tages 6. Centner Wol - le in eine Schuyt, daran hat er den ganzen Tag zu wa - ſchen. Dazu haben ſie Koͤrbe, thun unten die Wolle darein, und fahren damit ins Waſſer. Das Waſſer im Schiff wird davon ſehr ſchmutzig, gelb, und truͤbe. Die Kerle ſtehen mit nackten Fuͤſſen im Waſſer; nachher wird ſie auf groſſen Ebnen getrocknet, ſortirt, verarbeitet, und ſtark nach Frankreich verfuͤhrt. Man hoͤrt uͤberall auf den Straſſen das Geraͤuſch der Weberſtuͤhle.

Man macht hier viel Johannisbeerbrantwein. Man ſchuͤttet Brantwein, Zucker und ſtarkriechende Kraͤu - ter auf die Johannisbeeren, und laͤßts in Bouteillen an der Sonne digeriren.

Den 6ten Auguſt.

Am fruͤhen Morgen ging ich auf einem herrlichen Spaziergange zwiſchen dem hellſten Waſſer, nach dem

Peſthaus, das eine kleine halbe Stunde vor der Stadt liegt, durch Graͤben, Bruͤcken, Waſſer und Wal - dungen abgeſondert iſt, und gewis geſehen zu werden ver - dient. Es iſt ein groſſes viereckigtes Gebaͤude, deſſen unterer Theil in 8. Zimmer eingetheilt iſt, die ganz mit Betten angefuͤllt ſind. Die Bettſtaͤtten ſtehen an den Waͤnden in unglaublicher Menge herum, in jedem liegtein526ein Unterbett von blauem Parchent. In jedem Saal ſind Wandkaſten fuͤr die Arzneien, und einige Bettkaſten, wo man die, bei denen die Anſteckung am ſchrecklichſten iſt, hineinlegt. Man ſieht ein Gemaͤlde von einer Frau, die zweimahl die Peſt hatte, alle 2. Stunden ein Viertel Bier austrank, zweimahl kurirt ward, das drittemahl aber mit dem Bierglaſe in der Hand ſtarb. Auch iſt ei - ne Kapitains Frau in einer obern Stube abgemahlt, die, um Leyden zu ſehen, hierher kam, gleich blaue Flecken auf der Bruſt kriegte, und ſtarb. Gottlob! ſeit 1689. iſt die Peſt nicht mehr hier geweſen. Hinter dem Hauſe ſind im Viereck herum Spaziergaͤnge zwiſchen Kolonna - den. Sonderbar iſt es, daß man das Haus nur brau - chen will, wenn die Peſt kommt. Als ich von da zuruͤck kam, ging ich aufs

Naturalienkabinet der Univerſitaͤt. Prof. Al - lemand hats groͤſtentheils geſammelt, und hatte ſelber die Guͤtigkeit, es mir zu zeigen. Es beſteht aus einem einzigen Zimmer, enthaͤlt aus allen Faͤchern etwas, iſt ſchlecht rangirt, hat keinen einzigen Zettel ꝛc. Das Merkwuͤrdigſte, was ich ſah, war: 1) Ein Hydroco - rax indicus. Er hat einen ſchwarzgelben ſonderbaren Schnabel. 2) Camelopardalis. Das Thier hat einen ſehr langen Hals, noch laͤngere Vorderfuͤſſe, und hatte doch noch bei weitem ſeine ganze Groͤſſe nicht. Am Schwanze iſt unten ein Flock ſchwarzer Haare. Sonſt iſt die Farbe uͤber den ganzen Leib weisroͤthlich. Die Hoͤrner entſtehen aus verhaͤrteten Haaren, wie man an der Spitze ſieht. 3) Hoͤrner vom Condoma, die . Schuh weit an der Extremitaͤt von einander ſtanden. 4) Ein Straus im Ei, nahe am Ausſchluͤpfen, inWeingeiſt;527Weingeiſt; Allemand lies ihn ſo vom Kap kommen, und ſchnitt das Ei auf. Eine ſchoͤne Lage! Der Kopf liegt oben, die haarartigen Federn ſind ſchon ſehr weit, faſt ausgebildet. 5) Ein Nautilus in ſeiner Schale. Das Thier hat viele Saugwarzen auf der Oberflaͤche. 6) Eine neue Art Pinceau de Mer die Stuͤcke lie - gen imbricatim, es verdiente eine Zeichnung. 7) Ein Bernh. Erem. auſſer ſeiner Schale, gar vollſtaͤndig, gros und ſchoͤn. 8) Ein Vogel, le Secretaire ge - nannt, weil ihm am Kopfe Federn hinausſtehen, wie ſie die Schreiber hinter die Ohren ſtecken. 9) Labrador - ſteine, die in allerlei Farben ſpielten. 10) Koſtbare Opalminern aus Boͤhmen. 11) Kryſtalle inwen - dig mit Spieſſen. 12) Eine Minera arg. ductilis aus Sachſen.

Vom Kabinet hohlte mich Hr. Prof. Sandifort ab, und zeigte mir die anatomiſche Sammlung. Jenes iſt ein Gebaͤude im Botaniſchen Garten, dies ſteht weit davon in einem andern Hauſe. Die Sammlung iſt groͤßtentheils von Albinus, und zur Phyſiologie iſt ſie vollſtaͤndig, da fehlt auch kein Theil. Alles ſteht wohl rangirt in Glaͤſern und in Glasſchraͤnken, in einer gewiſſen Ordnung. Die Stuͤcke, die mir am beſten ge - fielen, waren: 1) Die Epidermis einer Kinderhand. Sie ſieht nicht anders aus, als ein Handſchuh. 2) Die vaſa cutanea einer Hand ohne Epidermis. Groſſer Gott, welche Feinheit! 3) Die valvulae Inteſt. Jepe - ni. Blaͤtter ſinds, oder Falten unnachahmlich ſchoͤn, ausgeſpruͤzt. 4) Corona ciliaris ich fragte darnach, aber Wrisbergs in Goͤttingen iſt doch ſchoͤ - ner. 5) Das Meſenterium. Vielleicht iſt nieeine528eine Vergleichung richtiger gemacht worden, als dieſe, mit Manſchetten. 6) Das Epiploon, o Gott, welche Feinheit, Weisheit und Zartheit in meinem Koͤr - per! 7) Das Rete Malpigh. herabhaͤngend zwiſchen der Epiderm. und der Cutis vom Europaͤer und vom Mohren. Die phyſiologiſche Theorie, und das Spruͤch - wort: Aethiopem fruſtra lavaberis, iſt gewis wahr. 8) Die Teſtes. Die ganze lange flottirende Kette der Saamenabſondernden Gefaͤſſe. 9) Ein Foetus mit einer hernia umbilicali. In einem Sack hing ſchon am erſten Keim die ganze Maſſe der Daͤrme. 10) Die Gebaͤhrmutter von einer Jungfer. 11) Die Nieren; kan man ſo was ſehen, ohne an den Allmaͤch - tigen zu denken? 12) Die Membrana villoſa inteſt. Ach du verewigter Albinus! Groſſe Ruhe ſei mit dei - ner Aſche! 13) Kleine Skelete von Foͤtuſſen. Die Knorpel waren eine blaulichte durchſcheinende Gallerte und wahre Beſtaͤtigung der Hallerſchen Phyſiologie.

Von da gingen wir eine kleine Treppe hinauf, und fanden die Knochen eines Wallfiſches, Vorder - und Hinterkopf, Spina dorſi, Ribben, Ruthe, Fiſch - bein. Hier hatte mein Freund, Hr. Prof. Sandifort, die Gefaͤlligkeit, 2. laminas corneas abzureiſſen, und mir zu verehren.

Noch hoͤher hinauf fand ich das anatomiſche Thea - ter, ſchoͤn, hell, und ſo gros, als es der Zweck ge - ſtattet. An der Wand hingen rachitiſche Skelette, und das Gemaͤlde eines Menſchen, der ein Meſſer ver - ſchluckt hatte, das nach obrigkeitlichen Zeugniſſen, ihm durch die Muſculos abdominales wieder herausge - gangen iſt.

Die529

Die phyſikaliſchen Maſchinen von s’Graveſand, bekam ich Nachmittags alle, theils in Allemand’s Hau - ſe, theils im Gebaͤude der Univerſitaͤt zu ſehen. Ich be - trachtete beſonders: 1) Eine herrliche Sammlung von Prismen aus Felskryſtall. 2) Die Helioſtata, eine herrliche Maſchine, die 300. Gulden koſtet. 3) Ein Magnet aus Rußland, der nicht gar gros iſt, und doch 110. Pfund zieht. 4) Islaͤndiſcher Kry - ſtall prismatiſch, und auch rautenfoͤrmig von hieſigen Kuͤnſtlern geſchliffen. Sonſt glaubte man nicht, daß man den Stein bearbeiten koͤnnte. 5) Chineſiſche Ku - geln, die elaſtiſch ſind, und bei einer Erwaͤrmung lange Zeit in eine artige zitternde Bewegung gerathen*)Die wir einsmahls ſahen und in Haͤnden hatten, mochte ohngefaͤhr einen Zoll im Durchmeſſer haben, war hohl und daher leicht, und ſchien aus Meſſing oder einer aͤhnlichen gelben Metallmiſchung zu ſeyn. Inwendig ſoll ſich eine um eine Spindel ſchrauben - foͤrmig gewundene zarte Feder befinden, die, wenn die Kugel erwaͤrmt wird, in eine merkliche zitternde oder ſchwingende Bewegung geraͤth; eine Erfahrung, die wir ſelbſt machten, als wir ſie eine Weile in der verſchloſſenen Hand hielten. Dergleichen Kugeln ſollen in China verfertigt werden. Neugierige Lieb - haber ſuchen ſie begierig auf und bezahlen ſie oft theuer, denn ſie ſind ſelten. Auch will man ſagen, die chineſiſchen Frauenzimmer bedienten ſich ihrer zu Erregung einer gewiſſen wolluͤſtigen Empfindung, die ſich die Leſer aus der erwaͤhnten Eigenſchaft der Ku - geln erklaͤren moͤgen. Herausgeber. . 6) Modelle von den Potteriſchen Feuermaſchinen, die Desaguliers beſchrieben hat.

MeinL l530

Mein Freund Buͤſch von Hamburg, war heute nachgekommen, und ſah das alles mit mir.

Die Erzaͤhlung meines Aufenthalts in Leyden fing ich mit dem Gedanken an Boerhave an, der von dieſer Stadt aus aufs ganze Menſchengeſchlecht wirkte, und da - mit will ich ſie auch beſchlieſſen. Denn wie ſollte ich Leyden verlaſſen koͤnnen, ohne wenigſtens auf der Aſche dieſes groſſen Mannes geſtanden zu haben, da mich die Vorſehung ſpaͤter, als er lebte, gebohren werden lies? Zweimahl bin ich da geweſen, wo ſein ſterblicher Reſt ruht. Boerhave hat ein Grabmahl in der groſſen Peterskirche nahe beim Eingange. Edel und ſimpel, wie ers verdient! Hemſterhuys im Haag hat es ange - geben und entworfen*)Eine reiche Wittwe aus ſeiner Familie hat es ihm 1762. ſetzen laſſen. Herausgeber. . Auf einem Fußgeſtelle aus ſchwarzem Marmor ſteht eine Urne aus weiſſem Mar - mor, um die ein Kranz gewunden iſt, an dem Boerha - ve’s Medaillon haͤngt, mit der Umſchrift: Simplex veri ſigillum. An der vordern Seite des Fußgeſtel - les ſteht mit goldenen Buchſtaben die herrliche Inſchrift: Salutifero Boerhavii Genio ſacrum, und ganz un - ten auf der einen Seite das Geburts - auf der andern das Sterbejahr. Geb. 1668. geſt. 1738. Siebzig Jah - re ward er alſo alt, der groſſe Mann, das Geſchenk, das Gott vom Himmel herabgab, um ſeinen Menſchen wohl zu thun! Wie ward mir in der Nachbarfchaft dieſes Edeln und Weiſen! Ach, daß er auch ſterblich war, wie ich! Zwar die Erde iſt nicht das Land der groſſen Seelen;ſie531ſie kommen, erſcheinen, wirken, zeigen, daß ſie von Gott ſind, und ſchweben wieder empor gen Himmel!

Den 7ten Aug.

Heute Vormittags machte ich die

Reiſe nach Harlem.

Man rechnet nur 4. Stunden bis dahin, aber in Deutſchland waͤrens wenigſtens ſechſe. Jede Perſon zahlt 13. Stuͤber, davon bekommen die Staͤdte Leyden und Harlem, und das Land dafuͤr, daß das Pferd ne - denher im Sande waten darf, allemahl 6. Stuͤber. Das uͤbrige gehoͤrt der Geſellſchaft, die das Schiff und die Pferde dazu haͤlt. Der Kanal iſt nicht ſo mit Waſſer - linſen uͤberwachſen wie die andern, ſondern hat meiſt kla - res, helles Waſſer, die Nymphaea, mit ihren gelben Blumen und langen Stielen aber waͤchſt ſo haͤufig darin, daß das Schiff oft Muͤhe hat, uͤber die Verwachſungen hinuͤber zu kommen. In den Kiel des Schiffs dringt doch immer Waſſer ein. Man hat deswegen vorne eine Oefnung, und eine kleine Pumpe, wodurch mans von Zeit zu Zeit auspumpt. Wir paſſirten

Catwock ein edelmaͤnniſches Dorf nahe an der Nordſee. Von da ſieht man beſtaͤndig die groſſen Sand - duͤnen voller Haſen und Kaninchen, die das platte Land hinablaufen.

Harlem ſelber, empfiehlt ſich beim erſten Anblick nicht ſonderlich. Und in der That, iſts auch die ſchlech - teſte unter allen hollaͤndiſchen Staͤdten. Mir kamen dieL l 2Leute532Leute hier ſo vor, wie etwa die Schwaben in Geislingen und Aalen. Sapienti ſat.

Im Wirthshauſe au Lion d’or fand ich einen Wirth Wiedmann von Carlsruhe, der aber voͤllig auf den Harlemer Ton geſtimmt war. Nach dem Eſſen ging ich aus, und beſah die

Groſſe Kirche. Sie iſt ein groſſes weites Ge - baͤude. Der Thurm iſt ungemein hoch, und hat oben ein Glockenſpiel, das den Leuten hier gar was Wichtiges iſt. Merkwuͤrdiger iſt aber die Orgel, die faſt 4. Stock - werke hoch iſt, und nur Dienſtags und Donnerſtags Mittags von 12. -1. Uhr oͤffentlich geſpielt wird*)Wer einen Dukaten zahlt, kan ſie zu jedem Tage ſpie - len laſſen. Im Winter ſpielt man ſie nur Sonna - bends Abends von 6. -7. Uhr. Sie iſt ohnſtreitig die groͤſte und vollſtimmigſte Orgel in ganz Holland. Herausgeber. . Chriſtian Muͤller vom Hundsruͤck hat ſie vom Jahre 1736. -1740. gebaut. Sie hat 48 -- 50,000. Gulden gekoſtet. Sie hat 68. Regiſter, und alle moͤg - liche Menſchen - auch einige Voͤgelſtimmen, als von der Nachtigall, dem Kuckuck ꝛc. Es ſoll wie ein Konzert im Walde klingen. Der Pfeifen ſind 5650. alle von einer engliſchen Kompoſition, und manche ſo ſtark, wie ich im Leibe. Sie hat auch 12. Blasbaͤlge, die 2. Kerle treten muͤſſen. Sie muß eine erſtaunliche Gewalt haben. Unten ſtuͤtzt ſich die ganze Maſſe auf 4. praͤchtige Saͤu - len von ſchwarzgrauen Marmor. Zwiſchen denen ſteht eine Gruppe aus weiſſem Marmor, von Xavery verfer - tigt. Die Figuren halten muſikaliſche Inſtrumente.

Noch533

Noch eine kleine Merkwuͤrdigkeit iſt in dieſer Kirche zu ſehen. Als der Herzog von Alba Harlem belager - te, lies er von einer Batterie vor der Stadt eine Kano - ne ſo richten, daß ſie den Prediger auf der Kanzel treffen ſollte. Die Vorſehung fuhr dem Unſinnigen durch ſeinen raſenden Kopf, die Kugel ging, ſoweit als 2. Saͤulen von einander ſtehen, unter der Kanzel durch, und fuhr in die Wand, wo ſie noch ſteckt. Weiter oben haͤngen Mo - delle von den erſten Schiffen, womit die Hollaͤnder nach Damiate in Egypten fuhren. Die Citadelle enthielt einen ſehr groſſen Schatz, war aber mit Ketten umſchloſ - ſen. Die Hollaͤnder machten Saͤgen an die Bogſpriete ihrer Schiffe, und fuhren drauf los, daß die Ketten ent - zwei ſprangen. *)Das Spruͤchwort; er geht durch wie ein Hollaͤn - der, wollen dieſer Nation Wohlwollende aus dem oben erzaͤhlten Vorfalle herleiten; Widriggeſinnte hin - gegen aus der Schlacht bei Dettingen, wo die hol - laͤndiſchen Truppen zuerſt Linksuͤm gemacht haben ſollen. Herausgeber. Relata refero.

An der Seite dieſer Kirche ſind uͤberall Boutiquen, und an einer Seite ſteht Lorenz Coſter’s Haus mit ei - ner Tafel, auf der mit Golde ſein Name und eine In - ſchrift**)Die Inſchrift iſt: Memoriae ſacrum. Typographia - ars artium conſervatrix nunc primum inventa circa an - num 1440. Herausgeber. ſteht. Inwendig ſieht man ſein Bildnis. Der Kirche gegen uͤber liegt

L l 3Herrn534

Herrn Enſchede’s Schriftgieſſerei, die ich mit vielem Vergnuͤgen geſehen habe*)Davon ſ. Murr’s Journal zur Kunſtgeſch. 3ter Band.. Ich muß den Va - ter und den Sohn dieſes Namens von dem obigen Urtheil uͤber die Harlemer Spiesbuͤrger ausnehmen. Die Let - tern werden aus einer Miſchung von Blei, Eiſen und Spiesglas gegoſſen. Man macht hier dieſe Miſchung ſelber in groſſen laͤnglichen Stuͤcken.

Alle Arbeiten geſchehen in einem Saale von Maͤn - nern, zum Theil auch von Kindern. Man gieſt, man bricht, man ſchneidet, man ſortirt, man polirt, man verkauft die Lettern. Zum Gieſſen ſteht der Kerl vor einem kleinen Ofen, der mit 5, 6. Torfſtuͤcken gefeuert wird, und ſchmelzt auf dem Herde die Kompoſition. Iſt ſie im Fluß, ſo hat er eine kleine Maſchine in der Hand, die ſich in 2. Haͤlften zerlegen laͤßt, von Meſſing iſt, und in der Mitte das Modell von dem Buchſtaben eingegra - ben hat. Oben iſt eine Oefnung. In dieſen Kanal fuͤllt er mit einem kleinen Loͤffel das flieſſende Metall, ſchuͤt - telt es allemahl ein wenig, damit die Luft herausgeht, wie ſie ſagen, ſo formirt ſich der Buchſtabe und der Stift daran mit einem Schwanze. Geſchwinde macht er die beiden Haͤlften von einander, der Buchſtabe faͤllt heraus, er fuͤllt wieder, erhaͤlt das Feuer beſtaͤndig, ſo geht die Arbeit ſehr ſchnell. Neben ihm ſitzt ein an - drer Arbeiter, der bricht den Schwanz, das Anhaͤngſel vom Buchſtaben weg. Auch das geht ſchnell, er kneipt es nur mit dem Nagel am Finger ab. Die kleinen Ab - gaͤnge werden hernach wieder zuſammen geſchmolzen. Ein andrer und dieſe beiden Arbeiten koͤnnen auch Jun -gen535gen verrichten ſchneidet mit dem Meſſer des Ueber - fluͤſſige, Kluͤmprichte noch genauer davon, und ſortirt ſie. In einem Verſchlag ſitzen andre, welche die Lettern auf ſchmale Breter neben einander legen, und theils mit Meſſer-Ruͤcken, theils mit hartem Holz uͤberfahren, und poliren. Man verkauft ſie Pfundweis zu 10, 16, 25. Stuͤber nach den verſchiedenen Arten. Zu den Blumen und andern Verzierungen hat man ebenfalls ſolche Mo - delle, und die Arbeiten ſind die naͤmlichen. Um mit dem hoͤflichen Manne von ſeiner Sache zu reden, ſprach ich von Haſen’s Typen zu den geographiſchen Karten, und Haaken’s zoologiſcher Karte zum Zimmermann. Von jenem hatte er eine Probe geſehen, aber die letztere kann - te er noch nicht. Von ihm ging ich, und beſah.

Das Naturalienkabinet der Harlemer Maat - ſchappye der Weetenſchappen, im Prinzenhauſe. Es iſt groͤſtentheils aus Geſchenken und aus Vermaͤchtniſſen des Hrn. von Lennep entſtanden. Schade, daß der Saal ſo ſchmal iſt. Die meiſten Sachen ſtehen zu eng, und zu verſteckt. Im Saal, wo die Akademie alle Mo - nate zuſammen kommt, fand ich: 1) Ein Ovis Strepſi - ceros mit ſeinen Hoͤrnern, von D. Kloͤkner in Am - ſterdam ausgeſtopft. Das ſind die Hoͤrner, die ich ſeit - her oft unter dem Namen der Condomahoͤrner geſehen hatte. Ein niedliches Thier. In der Mitte des Ruͤ - ckens faͤngt ein weiſſer Streifen an gegen den Anus zu gehen, und von dem laufen ferner einige andere weiſſe nach beiden Seiten hinab; und auch auf der Stirn hat das Thier 2. in dieſer Richtung V laufende weiſſe Streifen. Fuͤr ein Ovis Linn. iſts zu gros, es ge - hoͤrt zu den Antilopen und Gazellen. Es hat 1400. Gul -L l 4den536den gekoſtet. Aufm Loo lebt wirklich eins. 2) Capra Dorcas, und Pardalis americana, wie man mir ſagte. Das letzte hat weiſſe, ſo rauhe und ſteife Myſta - ces, als wenns Pflanzenfibern waͤren.

Auch hingen hier von Kornel. von Harlem einige ſchoͤne Gemaͤlde, als eine Goͤttermahlzeit, ein Adam und Eva, ein Bethlem. Kindermord. ꝛc.

Im Kabinet ſelber darneben fand ich: 1) Patalea americ. der Koͤrper iſt roth, der Schnabel weis. 2) Colymb. arctic. hat eine weiſſe Bruſt und Bauch, und einen ſchwarzen Ruͤcken mit weiſſen Flecken. 3) Eri - nac. europ. albus von hier, und ſchon der 3te aus Einem Garten. 4) Erinac. americanus. 5) Ei - nige unbeſtimmte Affen. Palatinus mit einem ſehr langen weiſſen Bart. 6) Myrmecoph. ganz grau, klein, aber ſehr verſtellt, in kletternder Stellung. 7) Lemur tardigradus. 8) Gorgonia pectinata, ein herrliches Stuͤck, faſt 2. Ellen lang. 9) Fluſtra in - fundibuliformis 10) Ambra ein Stuͤck, das 9. Indianiſche Reals wiegt. 11) Veſpert. perſpicill. Cancer mantis. 12) Ein ungebohrnes Neger - kind, noch ganz weis, ohne den geringſten ſchwarzen Flecken. 13) Ein Gewaͤchs, wie R. anaſt. kommt der Seda am naͤchſten, vom Kap; die geſchloſſenen Ka - pſeln oͤffnen ſich vom bloſſen Eintauchen ins Waſſer. 14) Cardium pectinatum, die ich bei Hr. Lyonet im Haag auch ſah, die Zeichnungen auf dem einen Battant gehen nach der einen, auf dem andern nach der andern Seite, aber auf beiden nur zur Haͤlfte. 15) Mytilus hirundo, ausgebreitet ſiehts aus, wie eine fliegende Schwalbe. 16) Helix ringens &c.

Neben537

Neben dem Natur. Kab. iſt ein kleiner medicini - ſcher Garten, wo der Gaͤrtner den jungen Wundaͤrzten etwas Botanik lehrt. Seine ganze Orangerie beſteht aus 4-6. Stuͤcken. In der Mitte ſteht

Lorenz Coſters marmorne Bildſaͤule*)Die Aerzte dieſer Stadt haben ſie im J. 1723. errich - tet. Herausgeber. des Buͤrgers von Harlem, auf den die ganze Stadt, aber ohne Grund, ſo ſtolz thut. Er ſteht in ſeiner Klei - dung auf einem Fußgeſtelle, hat ein Buch in der rechten und die Letter A. in der linken Hand. Hinten und vor - ne ſind lateiniſche Inſchriften. Am Fußgeſtelle iſt er abgebildet, wie er erſt Buchſtaben in Baumrinden ſchnei - det, auf der andern Seite ſieht man ſchon eine Preſſe und einen ganzen Kaſten voll Schriften, die Coſter zuſam - menſetzt.

Mit einigen Beſtellungen auf Morgen kam die Nacht, die Muͤdigkeit und der Schlaf herbei.

Den 8ten Auguſt.

Am ſchoͤnen lieblichen Sommermorgen ging ich hin - aus nach dem

Harlemer Holz oder Buſch. Dies iſt ein Luſt - wald vor der Stadt, worin herrliche Spaziergaͤnge ange - legt ſind. Ich ſah da die Hannengemeier, ſo nennt man die deutſchen Bauern, die aus Weſtphalen und Niederſachſen um Johannistag hierher kommen und maͤhen, denn die reichen hollaͤndiſchen Bauern verrichten dergleichen Arbeit nicht. Die Leute haben des TagsL l 524. Stuͤ -53824. Stuͤber. Ueberall weidet das ſchoͤnſte Vieh. Es ſind meiſt ſchwarz und weisgefleckte ſehr groſſe. Ochſen und Kuͤhe, doch ſollen ſie in Friesland und Nordhol - land noch ſchoͤner ſeyn. Auf den Weiden ſtecken die Leute hin und wieder Wallfiſchrippen hin, damit ſichs Vieh dran reiben ſoll. An den Baͤumen und Straͤuchen hingen Schnecken zu Tauſenden, und fraſſen das Laub ab. Ueberall ſieht man ſchoͤne Buitenplaatſe oder Landhaͤuſer, wo der hollaͤndiſche Kapitaliſt ſeine Zeit toͤd - tet. Aus dieſem Gehoͤlze ging ich in den

Blumengarten des Myn Heer van Campen. Harlem iſt bekanntlich das Land der Blumen, und die - ſer van Campen iſt anjetzt hier einer der groͤſten Blu - miſten. Ich haͤtte aber im April kommen muͤſſen, wenn ich ſeine ganze Schaͤtze haͤtte ſehen wollen. Die Zwie - beln von Tulpen, Ranunkeln, Hyaͤcirithen, lagen alle fortirt mit Zetteln in ungeheurer Menge auf Bretern in Schuppen uͤbereinander. Die Nelken aber ſtanden in der Bluͤte, und van Campen ſelbſt fuͤhrte mich uͤberall herum. Jetzt faͤllt der Geſchmack auf die Biſarden mit Roſenblaͤttern und rothen Baͤndern auf einem weiſſen Grunde. Couleur de Puce war auch hier unter den Blumen eine Modefarbe. Blaue, die van Campen Purpur nennt, hat man nicht viele. Mit Silbergrau war nur eine einzige da. Von den Gelben geſtand er gern, daß wir in Deutſchland einige hier ſeltne Arten haͤtten, die aber die deutſchen Gaͤrtner nicht einzupacken wuͤßten. Er hatte etwa 2000. Nelken und 1400. Ra - nunkeln ꝛc. das Stuͤck koſtet faſt durchgaͤngig 1. hollaͤn - diſchen Gulden. Der Mann iſt uͤber die Sphaͤre der gemeinen Gaͤrtner erhaben, und ſpricht mit, wann vomGeſchlecht539Geſchlecht der Pflanzen, von gefuͤllten und ſaamenloſen Blumen die Rede iſt. Hierauf beſuchte ich die

Stadtbibliothek. Ich hatte geſtern an Hrn. Rek - tor Roſe in die lateiniſche Schule geſchickt, um das er - ſte Buch von Lorenz Coſter zu ſehen. Um 11. Uhr, da die Klaſſe aufhoͤrte, war ich beſtellt. Der Mann ging im Schlafrocke uͤber die Straſſe mit mir nach der Bibliothek. In Holland macht man ſich daruͤber kein Bedenken, und ich fand das ſehr vernuͤnftig*)Dem Fremden aber faͤllts doch ſehr auf, in allen groſ - ſen Staͤdten Hollands, Mannsperſonen in Schlafroͤ - cken, mit der Peruͤcke und dem Hute auf dem Kopfe, auf den Straſſen herum gehen zu ſehen. In ſolchen nachlaͤſſigen Anzuge ſieht man in Amſterdam auf der Boͤrſe, auf den Kaffehaͤuſern ꝛc. viele, beſonders Kaufleute, im Haag aber nicht, weil da ſchon feine - re Lebensart herrſcht. Herausgeber. . Die Bibliotheck iſt nicht unbetraͤchtlich, das Buch aber, das mich eigentlich hinauf trieb, iſt das Speculum ſalvatio - nis humanae, und gleich beim erſten Blicke ſah ich, daß es voͤllig das naͤmliche war, das ich in Paris in der Bibliotheck der Sorbonne geſehen hatte, eben die drol - lichten Holzſchnitte, eben die lateiniſchen Unterſchriften, eben der hollaͤndiſche Text, aber ohne Titel. Hr. En - ſchede beſitzt es auch, und zwar mit dem Titel. Hier war noch ein Stuͤck vom Curtius daran gebunden, der aber ſchon viel neuer, ſchon auf beiden Seiten gedruckt war, denn jenes Buch iſt immer nur auf einer Seite, darzwiſchen iſt ein Moͤnch, wie es heiſt. So waren die Initia artis typographicae. Es ſind 2. Kupfer - ſtiche von Adrianus Romanus geſtochen dabei, LorenzCoſter’s540Coſter’s Kopf vorſtellend, auf dem einen iſt die Jahrzahl 1430. auf dem andern 1440. Man wies mir auch noch Meermanns Orig. Deſcript. des arts et met. Dict. Encyclop. den Horaz von Pin - ne ꝛc. Von da beſuchte ich

Das Naturalienkabinet von Myn Heer Vriends. Hr. Noſemann in Rotterdam hatte mir eine Addreſſe an dieſen Mann gegeben. Ich fand einen ſehr reichen und gefaͤlligen, auch nicht ungelehrten Sei - denfabrikanten, der beſonders Voͤgel und Inſekten liebt. Die Voͤgel hat er ſehr ſchoͤn, und ich fand viele ſeltene Stuͤcke bei ihm, als: 1) Procell. groenlandica, ganz weis. 2) Die Oſtindianiſche Taube. 3) Die Ba - hamiſche Ente. 4) Den Rhinocerosvogel. 5) Den Penguin oder die Fettgans. 6) Unter den Pa - pillons und Phalaͤnen ſah ich hier den Pap. Priamus mit Recht nennt ihn Linne ſo, ſchwarz mit Gruͤn und Gold. Noch viele andre auslaͤndiſche Arten, auch unbeſtimmte, ꝛc. Auf ſeinen Glasſchublaͤden liegt ein Stuͤck Pappendeckel mit den Namen und in jedem Schub - kaſten ein ſilbernes Schuͤſſelchen und ein Schwaͤmmchen mit Terpentinoͤhl, das er noch auf den Kampher gießt, und dies zur Erhaltung der Voͤgel ſehr gut findet. In ſeiner Bibliothek waren Syſtem. Verz. d. Wiener Schmetterlinge ꝛc. das Neuſte. Auch beſah ich heu - te noch des

Hrn. Dr. van Marums elektriſche Maſchine, weil ſie billig die Aufmerkſamkeit des Reiſenden verdient. Der Erfinder iſt ein junger Mann, der noch nicht lange von Groͤningen hierher gekommen und ein Schuͤler von Camper iſt. Er nahm zu ſeiner Maſchine ſtatt derGlas -541Glasſcheibe einen Teller aus Gummilack, und machte Fuͤſſe an die Maſchine aus eben der Materie. Dies braucht man nicht immer abzuwiſchen, weil ſich die Feuch - tigkeiten aus der Luft nicht ſo anhaͤngen. Statt der ge - woͤhnlichen Kuͤſſen zum Reiben nimmt er 6. Pfund Queck - ſilber. Alle andre Koͤrper veraͤndern ihre Oberflaͤche durch das beſtaͤndige Reiben, alſo veraͤndert ſich auch die ganze Sache. Bekanntlich aber hat Boerhave das Queckſilber ganze Jahre auf Muͤhlen herumſchuͤtteln laſ - ſen, ohne daß es merklich veraͤndert wurde. Nebſt - dem braucht es nur eine kleine Bewegung, nur Minuten - lang, ſo kan man ſchon ſehr betraͤchtliche Funken heraus - locken. Er hat ferner bewegliche Leiter daran angebracht, damit er jeden Koͤrper elecktriſch machen kan, ohne daß die Materie ſich in den Ketten verliert, oder durch die Luft geſchwaͤcht wird. Ferner ſind unterm Tiſch Raͤ - der und Gewicht, wodurch die Maſchine ſich eine ganze Stunde ſelber herumdreht, ſo daß der Experimentator bei - de Haͤnde frei hat. D. Marum hat ſie abgezeichnet und hollaͤndiſch beſchrieben. Dieſe Schrift iſt auch ins Teutſche uͤberſetzt*)Unter dem Titel: v. Marums Abhandl. uͤbers Elek - triſiren, aus d. Holl. v. J. W. Moͤller uͤberſetzt. Gotha 1777. Herausgeber. . Seit einigen Wochen hat er die Aufſicht uͤber das Naturalienkabinet der Akademie, und man hat wirklich ein neues Haus dazu erkauft. Wir wurden gute Freunde, er bat mich ſehr, von Amſterdam wieder auf einen Tag hierher zu reiſen, damit wir uns laͤnger ſehen koͤnnten, er bot mir einen Naturalien-Tauſch, und ſeinen Briefwechſel an. Iſts nicht Freude fuͤrs Menſchenherz, uͤberall Leute zu finden, welche den Wiſ -ſen -542ſenſchaften hold ſind, und jeden umarmen, der eben ſo denkt und lebt? Von dieſem Manne ging ich noch zuletzt fuͤr heute in den

Blumengarten des Myn Heer Kreeps, ei - nes beruͤhmten Gaͤrtners, der auch Kommiſſionen nach Karlsruhe hat. Ich fand alles eben ſo, wie bei van Campen. Ein groſſes mit Zwiebeln 5. Etagen uͤber - einander angefuͤlltes Magazin. Man packte eben groſſe Kiſten nach Engelland ein, und nimmt das graue Zu - ckerpapier darzu. Vor einiger Zeit war der Prinz Statt - halter mit ſeiner Familie hier, Kreepſens Vater lebte noch, freute ſich, ſuͤhrte die vornehmen Beſchauer herum, und ſank mit einmahl hinter ſich todt zu den Fuͤſſen des Prinzen nieder. So uͤberſchleicht der Tod den Menſchen im Blumengefilde, und ſcheucht den Prinzen weg, wenn er ſich ergoͤtzen will. Kreeps hat einen Onkel in Muͤhlburg bei Sr. Durchl. dem Pr. Wilh. Ludwig. Ich fand bei ihm mehr gelbe Blumen, als bei jenem.

Bemerkungen.

In Hatlem wird alle Nacht von 9. bis halb 10. Uhr mit einer ſilbernen Glocke zum Andenken der Erret - tung von den Spaniern gelaͤutet. Auch iſt die Stadt Nachts mit Laternen erleuchtet.

Reiſe nach Amſterdam.

Den 9ten Aug.

Man rechnet den Weg an die 4. Stunden, und auf dem Schiffe zahlt die Perſon 6. Stuͤber. Dafuͤr faͤhrt man einen auf dem ſchoͤnſten Wege der groſſen Stadt ent -gegen.543gegen. Ohnſtreitig iſt dies einer der ſchoͤnſten, grade - ſten, angenehmſten Kanaͤle. Man faͤngt darin, wie in allen andern, ſehr viele Aale. Die Leute halten ſie in Fiſchkoͤrben am Ufer. In der Mitte des Wegs, der Halfweg genannt, paſſirt man die groſſe Schleuſe, und den wichtigen harlemer Damm, an dem ganz Hol - land haͤngt. Zu beiden Seiten liegt das groſſe har - lemer Meer. Man wechſelt da das Schiff, und faͤhrt von da, zwiſchen den alleranmuthigſten Landſchaften durch vollends bis Amſterdam. Das Waſſer iſt wie ein hel - ler Spiegel, die Straſſe, die neben dem Kanal hingeht, iſt beſtaͤndig mit Chaiſen und Kabriolets belebt. Auf dem Kanal gehen Schiffe oft mit 80. -90. Perſonen be - ſetzt, unaufhoͤrlich auf und nieder, darneben weidet das ſchoͤnſte Vieh im ſuͤſſen Graſe, von weitem ſteigt der dicke blaue Rauch von den unzaͤhligen Haͤuſern in Amſterdam auf. Das Leben, die tauſendfache Geſchaͤſtigkeit, die Pracht, der Ueberfluß zeigt ſich immer mehr, je mehr man ſich zwiſchen Gaͤrten und Luſthaͤuſern dieſer wichtigen Stadt naͤhert. Man ſieht die Thuͤrme und die Menge der Gaſſen in einer unuͤberſehlichen Breite hinauslaufen, ganze Reihen von Windmuͤhlen, die ihre lange Fluͤgel beſtaͤndig unter einander herum waͤlzen, laufen auf beiden Seiten der Stadt hinauf. Heute war ein ungemein hei - trer Himmel, und ein herrlicher Tag. Was haͤtte ich fuͤr ein unempfindliches Herz haben muͤſſen, haͤtt ich nicht auch die ſtille Wonne, und das Gluͤck, in dieſe Ge - genden zu kommen, dankbar und froh genieſſen wollen? Eine der geldreichſten und merkwuͤrdigſten Staͤdte in Eu - ropa beſuchen, Freunde erwarten, finden, hoffen duͤrfen, Gelegenheiten zum Sehen, zum Lernen, zur Freude und Heiterkeit zu haben, von da aus wieder dem Vaterlandnaͤher544naͤher zu ruͤcken, Eltern, Freunde, Geſchwiſter, ge - ſchaͤftige Ruhe, Amt und Zuhoͤrer wieder finden, im ge - ſtaͤrkten und auf mannichfaltige Art erquickten Koͤrper die Aufſicht der allergnaͤdigſten Vorſehung uͤber mir empfin - den, das alles dachte ich; freute mich meines Lebens, fuͤhlte das Gluͤck des Mittelſtandes, und der Zufriedenheit, auch ohne eine Tonne Goldes zu haben, und ſo trat ich in

Amſterdam hinein. Mein Wirth und Landsmann in Harlem hatte mir Addreſſe und Akkord an das alte Wappen von Embden aufm Damm, nicht weit vom Stadthauſe, mitgegeben, und ich fand gutes Quartier, und vortrefliche Tafel da.

Nachmittags hatte ich viele Muͤhe, einige Empfeh - lungsſchreiben zu uͤberreichen. Sonnabends, wie heute war, Nachmittags, ſind faſt alle Komtoirs geſchloſſen, man trift Niemand an, und kan ſich muͤde laufen, bis man nur die Haͤuſer gefunden hat: auch ein geuͤbter Weg - weiſer muß beſtaͤndig fragen. Alle Straſſen, und die unzaͤhligen Bruͤcken uͤber die Kanaͤle ſind ſo einfoͤrmig, ſind ſich ſo ſehr gleich, daß man ſie nicht unterſcheiden kan. Das Stadthaus ſteht ziemlich in der Mitte, und iſt hoch genug, ſo daß es zum Standpunkte dienen kan. Was in Frankfurt die Zeil heiſt, und in andern Staͤd - ten eine Hauptſtraſſe, das heiſt in Amſterdam eine Gragt. Die drei groͤſten und betraͤchtlichſten, die wo die meiſten und die reichſten Kaufleute wohnen, ſind: die Kayzersgragt, die Prinzengragt und die Heere - gragt. Man wuͤrde viel leichter in Amſterdam her - um kommen koͤnnen, wenn die Namen der Straſſen an den Ecken angeſchrieben waͤren, aber das hat man bisher noch nicht gethan. Zum Behuf der Fremden, der Packer,der545der Schiffer ꝛc. koͤmmt alle Jahr ein alphabetiſches Ver - zeichnis aller hieſigen Kaufleute, mit der Anzeige ihrer Wohnung heraus. Allein viele ziehen auch hier, wie uͤberall, oft aus einem Quartier ins andre. Die ſoge - nannten Krayeurs oder Leute, welche die Equipage der Reiſenden und die Waaren fortſchaffen, kennen die Stadt am meiſten, ſagen und zeigen den Weg, wollen aber fuͤr jeden Gang baar bezahlt ſeyn. Es ſind gemeine hand - feſte Kerle, werden aber von den Buͤrgermeiſtern ſelbſt zu ihrem Amte beſtellt, und man kan ihnen ohne Gefahr die koſtbarſten Sachen anvertrauen. Sie verdienen mehr Geld, als mancher Gelehrter von einem deutſchen Fuͤrſten. Der, welcher meinen Kuffer vom Schiff ins Wirthshaus brachte, verſicherte mir, daß er ſeinen Verdienſt nicht um tauſend Thaler jaͤhrlich gaͤbe.

Unter den Gegenden der Stadt, die ich heute geſe - hen, war die

Buitenkant op de Schipperſtraat die ſchoͤnſte. Sie iſt gros, grade, hat lauter ſchoͤne groſſe Haͤuſer, und auf der andern Seite iſt ſie der Laͤnge nach mit Schiffen beſetzt. Man hat da eine herrliche Ausſicht unten in die See, und oben in den Hafen von Amſterdam. Eine unbeſchreibliche Menge Schiffe, Kriegsſchiffe, Oſtin - dienfahrer, Coͤllner Rheinſchiffe u. ſ. w. liegen da. Man ſieht unter die Maſten und Segelſtangen, wie in einen Wald, hinein. Ich ſuchte da Myn Heer Schoorn auf, um Tollius Brief abzugeben, er war aber aufm Lande. Ich lernte da das gefaͤhrliche Ge - ſchmeis der

Seelenverkaͤufer kennen, die beſtaͤndig am Ufer, wo ſonderlich Schiffe aus Deutſchland ankommen, theilsM mauf546auf junge Weibsperſonen, die hier Verwandte beſuchen, oder Dienſte ſuchen wollen, oder von Kaufleuten verſchrie - ben werden, theils auf junge unerfahrne Handwerksbur - ſche lauern, die der Wege in der Stadt, der Wirthshaͤu - ſer und der Sprache unkundig ſind, ſich nach ihren Be - kannten erkundigen, und von dieſen Leuten in Haͤuſer ge - lockt werden, wo der Wirth ihnen fuͤr jeden Kerl Geld zahlt. Die Spitzbuben verſtehen ſich durch Zeichen, ſie bieten den Fremden Hoͤflichkeiten an, noͤthigen ſie zum Trinken und gehen dann fort, nehmen ihren Dukaten vom Wirth, der nachher den Gefangenen nicht mehr fortlaͤßt, und ihn aufs Schiff in die See hinausbringt, ehe der ar - me Deutſche nur einen Weg finden kan, ſein Ungluͤck ir - gend einem Menſchen zu klagen. Mit den Weibsperſo - nen ziehen ſie zur Zeit der Kirmes aus einer Stadt in die andre, uͤbergeben ſie einer Hurenwirthin, ziehen ih - nen die praͤchtigſten Kleider an, geben ihnen Uhren, ſil - berne Schnallen, ꝛc. ziehen ihnen das wieder vom Hu - renlohn ab, zuletzt ach, vermuthlich ſtoſſen ſie ſie aus, und uͤberlaſſen ſie dem aͤuſſerſten Elende. Sel - ten ſind Beiſpiele, daß Leute aus dieſen Klauen wieder errettet worden. Sollten wir nicht, wir Gluͤcklichen und Beguͤterten im Menſchengeſchlecht, wenn wir oft von Be - luſtigungen, mit allem Guten auf Gottes Erde geſaͤttigt, zuruͤckkommen, und im weichen Bett, fern von jedem Ungluͤck und Kummer, Naͤchte durchſchlummern, ſollten wir nicht alsdann die Gottheit auch fuͤr unſere ungluͤckli - chen Bruͤder anrufen, die das Opfer der Bosheit und der Gewinnſucht andrer werden muͤſſen, und um Mitternacht in der traurigen Schiffskammer unter dem Bruͤllen des Meers bittre Thraͤnen weinen, am duͤrren Fiſch nagen, und von der ganzen Erde an Gottes Richterſtuhl appelliren?

Heute547

Heute Abend regnete es noch gewaltig. Iſt dieſes wichtig genug fuͤr ein Reiſejournal? Allerdings. Denn in Amſterdam trinkt man das Regenwaſſer. Man faßts im Hofe auf, ſammelts in ein Becken mit Sand, und hat eine Pumpe zum Heraufziehen. Es ſchmeckt aber doch nicht uͤbel. Man hat auch Schiffe, die in die Gegend von Harlem fahren, im Boden des Schiffs eine Oefnung haben, dieſe aufmachen, das ganze Schiff mit Waſſer fuͤllen, und mit dieſer Ladung nach Amſterdam fahren, und den Bierbrauereien das Waſ - ſer zufuͤhren; denn um die Stadt herum gibts lauter gruͤ - nes ſalzichtes ſchlechtes Seewaſſer. Auch die Kanaͤle in der Stadt haben ſchmutziges Seewaſſer. Wer in Deutſchland gebohren iſt, und die Gluͤckſeligkeit, uͤberall gutes geſundes Waſſer im Ueberfluß zu haben, ein Gluͤck, das man in Frankreich und Holland entbehren muß, nicht ſchaͤtzt, der iſt ſeines Vaterlands nicht werth.

Bemerkungen.

In der Stadt ſind hier und da am Waſſer oͤffent - che Abtritte. Die Obrigkeit verpachtet ſie an Weiber, die ſie ungemein reinlich halten. Man bezahlt ein Deut aber jeder giebt mehr, und ſo iſt das auch eine ſtarke Rente. Bei der Muͤnze iſt beſonders ein ſehr frequen - ter. Es geht, wie im Taubenſchlage, aus und ein.

Den 10ten Aug.

Heute Sonntags beſah ich zuerſt einige

Reformirte Kirchen, und fand in der neuen Kirche, dicht beim Rathhauſe, das Grabmahl des Ad -M m 2mirals548mirals van Galen, das in eben dem Geſchmack und mit eben der Pracht gebaut iſt, wie die, welche ich in Delft ſah*)Wichtigere Denkmaͤhler in dieſer Kirche ſind die von dem beruͤhmten Admiral Kuyter, und vom Dichter Vondel. Herausgeber. . Von da ging ich in eine

Katholiſche Kirche. Das ſind bloſſe Bethaͤu - ſer in Buͤrgerhaͤuſern, welche die Gemeinen gemiethet haben**)Die Katholiken haben in Amſterdam uͤber 20. Bet - haͤuſer, darunter das ſchoͤnſte Moſes und Aaron heiſt. Herausgeber. . Wenn mans nicht weis, ſo ſieht man es auch nicht fuͤr Kirchen an. Drauf wartete ich den

Gottesdienſt der Quaͤker mit ab. Was ich bis - her nirgends, als in dieſer Stadt ſehen konnte, das ſah ich auch gleich, und in der That, man muß wenig menſch - liches Gefuͤhl haben, wenn man nur ſpotten und lachen will. Dieſe Leute haben op de Keyzersgragt bei der Lillegragt ein Haus, und in demſelben unten einen Saal zu ihren Verſammlungen. Es ſteht nichts darin, als Stuͤhle, Baͤnke, Lehnen, oben iſt die Decke ausge - ſchnitten, und mit Gitterwerk vermacht. Sie geſtatten ſehr gern allen Fremden den Zutritt. Es ſind theils ge - meine, theils reiche Leute unter ihnen. Sie haben im Aeuſſerlichen nichts unterſcheidendes. Man kan den Hut bei ihnen aufſetzen, oder nicht, wie man will. Es wird nicht geſungen, nicht geleſen, nicht gebetet; ſie predigen, ſitzen ſtill, geben ſich bruͤderlich die Hand, und gehen aus - einander. Die Stille, die Einfalt, die Liebe, das Ver - trauliche, das bruͤderliche Weſen, das wechſelsweiſe Er -mahnen549mahnen und Bitten erinnerte mich an den Sinn des Er - loͤſers, und wie ſo ohne Kunſt, ohne Begierde durch Beredſamkeit Ruhm und Lob zu gewinnen, vom Ungelehr - ten gepredigt wurde, glaubte ich in die erſten Zeiten des Chriſtenthums zuruͤck gekehrt zu ſeyn. Ein alter ganz gemeingekleideter Mann ſtand hinter einer Lehne auf, nahm den Hut ab, redete die Verſammlung an, und hielt eine Rede, die ihm recht artig vom Munde floß, und mit ein - nehmenden Geberden begleitet war. Ich kan nicht ſa - gen, daß ich alles verſtanden habe, aber doch vieles, und das war nicht Unſinn, wie man mir ſagte. Er ſchien mir die Schwaͤche des Menſchenverſtandes zu ſeiner Haupt - idee gewaͤhlt zu haben. Er nannte oft den Namen Je - ſu Chriſti, und wie haͤtte ich dann lachen koͤnnen, wie die muthwilligen Kaufmannsbediente, ſobald ich ſeine Hochachtung fuͤr dieſen Namen merkte? Er zog die Stel - le an: Das Blut Jeſu Chriſti macht uns rein von allen Suͤnden, er ſprach oͤfters vom Reinigen von Suͤnden, er ſagte: Globt mir dat ſickerlick, dat die Menſchen nit ſterben wie die Buiſten, er nannte Gott oͤfters, den Gott der Gnade, des Troſtes, des Seegens, er ſagte: Gott waͤre der beſte und der treuſte Lehrer, dem empfahl er uns; zuletzt nannte er uns oft Bruͤder, Freunde, er fing an zu weinen, zu beten. Es war wahrhaftig ruͤh - rend, den alten Mann ſo vaͤterlich, ſo liebevoll, mit ei - nem gewis guten Herzen von Gott und Jeſu Chriſto ſprechen zu hoͤren, er ſeufzte ernſtlich ohne Affektation, weinte recht durchdringend, betete endlich das Vater un - ſer, buͤckte ſich, ſetzte ſeinen Hut wieder auf und ſetzte ſich nieder. Er hatte eine kleine halbe Stunde geſprochen, und nun wars ſtille, die Leute ſaſſen alle, wie im Schlaf da, einige machten mit den Haͤnden wunderliche Bewe -M m 3gungen,550gungen, andre aͤchzten, einige legten den Finger an die Stirne, und ſchienen das Kommen des Geiſtes zu erwar - ten, ich wartete noch eine halbe Stunde, aber weder Maͤn - ner noch Frauen wollten anfangen, zuletzt ging ich fort, und muſte doch bei mir ſelbſt dem alten Manne, der mich ſo redlich und ſimpel an groſſe Wahrheiten erinnert hatte, alles Gute wuͤnſchen. Wie gros iſt Gott! Er hat mit der Bloͤdigkeit der Menſchen Geduld, und nimmt das Opfer des Weiſen und des Schwachen, des Erleuchteten und des Irrenden gnaͤdig an? Er ſieht aufs Herz, obs redlich iſt, wir urtheilen immer nach dem Aeuſſerlichen, und verdammen vielleicht die, welche der Erloͤſer kuͤnftig unter ſeine Freunde zaͤhlen wird. Drauf beſah ich

Einige groſſe Gebaͤude, als: das Rondel, das alte Heeren Logement, Zuckerbeckershaͤuſer, Armenhaͤu - ſer, Oſtindiſche Kompagniehaͤuſer ꝛc. Koͤnnt ichs zaͤh - len, wie viel hunderttauſend Backſteine an ſo einem Hau - ſe nur auf einer Seite uͤbereinander gelegt ſind. In Deutſchland glaubt kein Menſch, daß ſolche ungeheure Maſſen auf Pfaͤle koͤnnen gebaut werden. Einige ſind ſo hoch, daß man zuruͤcktreten muß, wenn man die Spitze ſehen will. Und von unten an, weit in die Erde hinein, bis an den oberſten Winkel iſt alles mit Waaren, Haus - rath ꝛc. angefuͤllt. Und die meiſten Haͤuſer gehen in der Tiefe von einer Gragt bis zur andern. Unter der Erde ſind Keller, Packhaͤuſer, Magazine, Wohnungen, Bou - tiquen und alle ſo voll, daß ich mich in einem nie - derſetzen muſte, damit ſich der Mann herumdrehen und mir geben konnte, was ich verlangte. Und ſo ſiehts aus in den gemeinſten wie in den groͤſten Haͤuſern. Man kan daraus auf die Menge der Menſchen, und auf dietauſend551tauſend Millionen Millionen Sachen, die in Amſterdam beſtaͤndig verkehrt werden, den Schluß machen.

Seehaven von Amſterdam. Hat man weder dieſen noch einen aͤhnlichen geſehen, ſo hat man wirklich in dem Fache nichts geſehen. Die ganze obre Haͤlfte der Buitenkant op de Schipperſtraat heiſt ſo. Insbe - ſondre aber iſt oben bei der Bruͤcke der Ort, wo die groſ - ſen bis auf Maſt, Segel und Tauwerke ſtets fertiglie - gende Kriegsſchiffe Reihenweis nebeneinander aufgelegt ſind. Einige ſind 130, 150, 170. Fuß lang. Der Bord iſt ſo hoch, von ſo ſchoͤnem braunem Holze, und ſo fleißig gearbeitet, daß man ſie lange vorher ſehen kan, wenn man in den Straſſen gegen die See gehet. Der Zugang dazu iſt mit Balken, die mit ſpitzigen Naͤgeln beſchlagen ſind, mit vielem Holz und mit queerliegenden Schiffen vermacht. Darneben ſteht ein groſſes praͤchti - ges Magazin voll Tauwerk, Anker, Kanonen ꝛc. Auf der

neuen Stadtherbergsbruͤcke hat man die ſchoͤn - ſte Ueberſicht dieſer unzaͤhlichen Schiffe. Mitten in der See ſtehen Haͤuſer auf Pfaͤhlen, zu denen man mit dem Schiffe fahren muß. Zwiſchen den Schiffen durch gehen wiederum lange Gaͤnge auf Pfaͤhlen, weit ins Meer hin - ein, und auf jedem ſah ich wieder weiter hinauf, oder herunter. Reiche Partikuliers haben auf dieſen Gaͤngen kleine Haͤuschen, andre wieder oͤffentliche Aubergen hin - gebaut, und man kan wohl ſchwerlich einen ſchoͤnern Platz zu einer Pfeife Toback finden, als hier. Am Ufer lie - gen Anker, Schiffsſeile, ſo dick, wie ich am Leibe bin, Kanonen und hunderttauſend andre Sachen in unendli - cher Menge. Alle Nationen laufen hier beſtaͤndig un -M m 4terein -552tereinander herum, und ſo auch Seeoffiziers, Matroſen, Kapitaine, Schiffsjungen, Weiber, Reiſende. See - Moͤven fliegen beſtaͤndig ab und zu. Alte Schiffe wer - den zerhauen, verkauft, verbrannt. Man hoͤrt auch Sonntags beſtaͤndig das Klopfen und Bauen an neuen Schiffen. Die kleinen Boote fahren unaufhoͤrlich zwi - ſchen den greulichen Maſchinen herum. Dort wird ein Schiff gepackt, die Geſellſchaft ſchmauſt noch, man loͤſt die Kanonen, der Donner ſchallt uͤber die See hin, dann lichtet man die Anker, und ſticht in See. Gute Nacht, Paris, gute Nacht, Pontneuf, dies iſt ein zehnmahl angenehmrer, lehrreichrer Platz. Eben das mannichfaltige Gewuͤhl iſt hier, und doch kein Ge - tuͤmmel, wie in Paris. Selten hoͤrt man ſingen, ſchreien, fluchen, ſchwoͤren. Ein paar tauſend Men - ſchen ſind beſtaͤndig da, man ſpricht mit einander, ohne den raſenden Lerm zu machen, den zwanzig Franzoſen gleich machen, wenn ſie zuſammen kommen. Der Deut - ſche, der Hollaͤnder, der Ruſſe, der Norweger, der Schwede macht ſeine Arbeit ohne Geraͤuſch, der Franzo - ſe muß gleich ein Bruit haben. Aber hier werden ſie zahm und ſtill: ſie ſind auch gar nicht geliebt, und ge - meiniglich machen ſie, wenn ſie hieher kommen, lauter Gaskonaden, z. B. es reißt jetzt wirklich ein Franzoſe durch Holland, und ſpottet uͤber ihre Treckſchuyten. Sein Bedienter muß 2. Mauleſel mit der Bagage nach - reiten; er ſelbſt hat ein Pferd. Sein Beutel wirds em - pfinden, und wo er hinkommt, lacht alles uͤber ihn, denn Mauleſel ſind hier gar nicht uͤblich ꝛc. In der See ſieht man auch

Das553

Das Hochgericht von Amſterdam. Auf einem ſchmalen Streifen Landes, der leicht uͤberſchwemmt wird, ſteht ein Galgen, und auf jedem Pfoſten deſſelben, ein ſteinerner Loͤwe. In Amſterdam haͤngt man die Diebe zweimahl, einmahl vorm Rathhauſe, Vormittags um 10. Uhr, und dann ſchneidet man ſie Nachmittags ab, fuͤhrt ſie auf einer Schleife nach der See, und haͤngt ſie an dieſen Galgen auf. Neben der See ſteht ein

Rundes Haus, das merkwuͤrdig iſt, weil hier 1569. das erſte zweimaſtige Schiff in See ging. Das war der Anfang der Stadt, von der man jetzt in der ganzen Welt redet. So fing Amſterdam an, am Han - del Theil zu nehmen. Der Kapitain dieſes Schiffs wohnte in dieſem Hauſe, und ſeine Frau weinte erſtaunend wie er abfahren wolte. Sie glaubte ohne Zweifel, das hieſſe gerade dem Tode entgegen fahren, das koͤnne un - moͤglich gute Folgen haben ꝛc. Dieſes Schiff, und die am Ufer klagende Frau mit der Jahrzahl 1569. iſt an die - ſem Hauſe abgemahlt. Andre erzaͤhlen es ſo: das waͤre das erſte Schiff geweſen, das ohne Ruder da angetrieben waͤre, das waͤren die erſten Leute geweſen, die hier Fi - ſcherhuͤtten gebaut haͤtten*)Schon im 12ten Jahrh. wohnten Fiſcher hier, und der Ort fuͤhrte den Namen Amſtels-Veſte. Herausgeber. . Alle groſſe Dinge, ſagt der Philoſoph, haben einen kleinen Anfang.

Die Amſtelbruͤcke. Wenn man nach der Utrechter Port geht, ſo findet man hauſſen den Zuſammenfluß derM m 5Amſtel554Amſtel und des Y. Ueber dieſes, hier ſehr breite Waſ - ſer, iſt eine Bruͤcke mit vielen Bogen gebaut, die ſo, wie alle Bruͤcken in Amſterdam, ſehr hoch, ſchoͤn, feſt und nett iſt. Ich beſuchte bei dieſer Gelegenheit auch die

Judengegenden und Synagogen. Es gibt ei - ne unbeſchreibliche Menge Juden hier, ſonderlich Por - tugieſiſche. Ganze Gegenden der Stadt ſind mit ihnen angefuͤllt. Sie bewohnen auch ganz allein einige Grag - ten, und haben zum Theil maſſive Haͤuſer aus Quader - ſteinen. So entſetzlich reich einige ſind, ſo blutarm ſind wieder andre. Indeſſen arbeiten ſie hier, ſchleppen be - ſtaͤndig Guͤter auf den Schleifen herum, ich ſah auch ei - nen der Schuh flickte; ſie treiben auch andre Handwerke, und wiewohl es Sonntag war, muß es ihnen doch erlaubt ſeyn, zu leben, wie am Werkeltage. Sie haben etliche groſſe Synagogen, die faſt meiſt beieinander ſtehen. Darunter iſt der

Neue portugieſiſche Schmauſſentempel beim Leidener Thore, die ſchoͤnſte Synagoge, die ſie vielleicht in Europa haben. Mancher Fuͤrſt in Deutſchland hat keine ſolche Kapelle. Unten iſt ein groſſer Platz mit Baͤnken, in der Mitte der erhoͤhte Platz zum Vorleſen, und oben die ſchoͤnſten Gallerien fuͤr die Weiber. Abends um halb 7. Uhr war da ein Zuſammenfluß, wie an der Boͤrſe, und ein Haͤndewaſchen, daß ich erſtaunen muſte, und grade dabei war wieder eine andre eben ſo groſſe Sy - nagoge, voͤllig voll, und die dritte oͤfnete man erſt. Sie verkaufen an den Thuͤren ihre Betbuͤcher aufs praͤchtigſte eingebunden. Die portugieſiſchen Rabbinen gingen gra - de ſo gekleidet wie die hollaͤndiſchen Domine.

Blauw -555

Blauwe-Jan ein Wirthshaus, das wegen der fremden Thiere, die von jeher darin gehalten und gezeigt werden, bekannt iſt. Im Hofe iſt ein oben und an den Seiten mit Eiſendratgittern vermachter Platz befindlich, dahinter haben Affen, Paviane, Katzen aus Madagas - kar, Raubvoͤgel, Papageien, Kakadus, Loͤffelgaͤnſe, Baͤren ꝛc. ihre Staͤlle. Ein Platz im Hofe koſtet 4. Stuͤber. Man laͤſt ſich Bier oder Wein geben, und ſo kan man ſo lange zuſehen, als man will. Die Leute trei - ben ihr Spiel mit den Thieren, machen die Affen mit Bier, Tobaksrauch ꝛc. boͤſe. Ein Loͤwe wird noch beſon - ders gezeigt, und beſonders bezahlt. Auch war ein Zwerg ꝛc. zu ſehen. Zur Kirmeszeit ſollen viele andre ſeltne Thiere aus der ganzen Welt hier zuſammen ge - bracht werden. Fuͤr den Beſitzer iſts eine ſtarke Reve - nue. Den Loͤwen hat man in einer Stube hinter einem Gitter, hinter dem man bei uns wohl ein Schwein, aber keinen Loͤwen einzuſperren wagte.

Bemerkungen.

Ein Paar Worte von beſondern hier uͤblichen Trau - ungen. Aufm Rathhauſe ſah ich heute Mittags und Nachmittags*)Sonntags kommen nur die Lutheraner und Katholi - cken, und uͤberhaupt alles, was nicht reformirt iſt: die Reformirten aber koͤnnen alle Tage kommen. eine Menge geputzter Sleen halten, auch das Pferd war mit Baͤndern und Straͤuſſen feſtlich geputzt. Das waren nun lauter neue Eheleute, die bekanntermaſ - ſen ſich nur bei denen Buͤrgermeiſtern melden. Sie wer - den als Getraute eingeſchrieben, und die ganze Sachekoſtet556koſtet nicht mehr, als 15. Stuͤber. Gluͤckliches Land, das ſeinen Buͤrgern Freiheit und leichte Ernaͤhrung ſchen - ken kan! Eine Slee faͤhrt nach der andern hin. Es iſt gleich geſchehen. Zuletzt kamen auch die Well Edeln Groot Achtbaaren en Wellgelaarten Heeren Heeren in ihren alten breiten Perucken herab, und er - hol en ſich nach Hauſe.

Die Stadt haͤlt 1800. Mann Stadtſoldaten, und bezahlt ſie ſehr wohl. Ihre Offiziere haben gute Tage und duͤrfen keine Wachen thun. Die Uniform iſt blau und weis mit rothen Auſſchlaͤgen. Einige haben groſſe Baͤrenkappen. Ihre Frauen, oder andre Weibsperſonen ſitzen bei ihnen auf der Wache und trinken Thee mit ih - nen. Da ſieht man gewis, auſſer denen auf dem Po - ſten, keinen, der nicht die Pfeife im Maul hat*)Sie ſind in 12. Regimenter, jedes zu 12. Komp. ab - getheilt. Ihr Aufzug iſt mehr komiſch als kriege - riſch. Kleine und groſſe, dicke und magere, krumme und grade, alte und junge marſchiren gar bunt unter - einander. Jeder hat einen Rock von anderer Far - be und von anderm Schnitte: doch tragen alle ei - ne orangenfarbene Kokarde auf dem Hute. Herausgeber. .

Den 11ten Aug.

Heute macht ich Beſuche bei den Herren Staͤdel und Ruͤhle; bei Mr. Trouillart einem ſehr ge - faͤlligen Manne; bei M. H. Zwartenhof, der mir van der Moelens Kabinet ſehen zu laſſen verſprach; bei Mrs. La Coudre u. Coudere. Ich hatte von Ham -burg557burg aus Addreſſen an Letztere; bei ihnen ward Hopens Kabinet beſtellt: und endlich bei Hrn. Treuer der vom Haag hierher gekommen war ꝛc. Um halb 1. Uhr ging ich an die

Boͤrſe da lernt man Amſterdam, ſeine Groͤſ - ſe, ſeine unbeſchreiblich vielen Kaufleute recht kennen, Sie iſt ein groſſer viereckichter Platz unter freiem Him - mel, mit einer Gallerie und 50. Pfeilern eingeſchloſſen. Der mittlere Platz iſt mit aufrechtſtehenden Backſteinen gepflaſtert, und wird aufs reinlichſte geputzt. Oben iſt auf der einen Seite ein Platz zu Boutiquen, und der Fechtboden. Um halb 2. Uhr 2. Uhr iſt die Verſamm - lung gewoͤhnlich am ſtaͤrkſten. Die ganze Gallerie und der ganze freie Platz in der Mitte iſt alsdann ſo voll, daß man ſich durchdraͤngen muß. An einigen Pfeilern ſte - hen Privatnamen, an andern ganze Laͤnder, als Schwe - den, Frankreich, Engelland, Venedig ꝛc. ange - ſchrieben. An allen ſind die Nummern, und wenn ich die Nummer weis, hinter der mein Kaufmann ſteht, kan ich ihn unter den vielen Tauſenden gleich finden. Sieht man oben vom Fechtboden herab, ſo rauſchts un - ten, wie Waſſerbrauſen. Es iſt in der That ein praͤch - tiger Anblick, den geſchaͤftigen Ameiſenhaufen in vielen tauſend tauſend Kreiſen unter einander laufen zu ſehen. Alle Nationen, alle Phyſiognomien, alle Formen von Peruͤcken, Schnitte von Kleidern u. ſ. w. kommen da zu - ſammen. Je nachdem den Tag nachher eine Poſt ab - geht, je nachdem wird heute beſonders auf Engelland oder Frankreich gehandelt. Das iſt ſo ausgetheilt auf alle Tage in der Woche.

Das Stadthaus. Eins der groͤſten, und weils hier in Amſterdam ſteht, bewundernswuͤrdigſtenGebaͤude558Gebaͤude in Europa. Ehemals ſtand ſchon ein be - traͤchtliches Rathhaus da, das brannte aber im vorigen Jahrhunderte in etlichen Stunden ab; da baute man die - ſes jetzige hin, deſſen Mauerwerk ſo gros, ſo lang, ſo hoch, ſo breit es iſt, ganz von bentheimer Stein, und von weiſſem Marmor, der aus Italien*)Zum Theil auch aus Sachſen. Herausgeber. hergeſchleppt worden iſt, aufgefuͤhrt iſt. Man hat eine eigne Beſchrei - bung davon unter dem Titel Deſcript. de l’Hôtel de Ville d’Amſterdam, 8vo. à Amſterd. 1751. **)Das vollſtaͤndigſte und zugleich praͤchtige Werk von dieſem Gebaͤude iſt: Het Stadt-huys van Amſter - dam door van Campen. Fol. Amſterd. 1661. Es iſt mit 110. von Hub. Quellinus meiſterhaft geaͤz - ten Kupferſtichen verſehen. Herausgeber.

Um den Boden auf dem Damm (ſo heiſt dieſe Ge - gend der Stadt***)Man kan den Damm mit Ketten auf allen Seiten einſchließen.,) feſtzumachen, hat man 13659. Pfaͤhle eingerammet. Man erſtaunt uͤber die Maſſe, die darauf ruht. Unten kan man nicht ſehen, wie hoch es iſt, und auswendig kan man die langen weiten Gaͤnge, die Gewoͤlbe, die groſſen breiten Plaͤtze, die vielen Ge - richtsſtuben, Saͤle, Sekretariate, die man inwendig fin - det, nicht glauben. Es ſind 7. Eingaͤnge daran fuͤr die Geſandten der 7. Provinzen****)Dies iſt nur ein Vorwand. Man will blos da - mit in Amſterdam den Mangel eines Hauptportals an einem ſo edlen Gebaͤude, der dem Kenner beim er - ſten Anblick gleich auffaͤllt, entſchuldigen. Herausgeber. . Sie ſind wegendes559des Aufruhrs enge. Nachts im Mondenſchein thuts gar eine herrliche Wirkung. Unten iſt alles gewoͤlbt, und da liegt man will aber nicht ſagen wo? ohne Zweifel, unter der Erde, unter dem Fußboden ſel - ber die Bank, der groſſe Geldſchatz, der ſonſt wohl ſchwerlich in der Welt zu finden iſt. Man zeigt einem die Kammern, wo die Bureaux dazu ſind, aber ſonſt nichts. Oben findet man einen breiten Platz mit Gaͤn - gen nach allen Seiten, nach allen Zimmern, und alle Waͤnde, Geſimſe, Ecken, und ſonderlich die Decke, ſind mit herrlichen Bildhauerarbeiten aus weiſſem Marmor geziert. Man findet Fiſchernetze, Schiffe ꝛc. aufs na - tuͤrlichſte ausgehauen, uͤberhaupt iſt in dieſer ganzen Gegend des Stadthauſes eine unermeßliche Arbeit*)Die beſten ſind von der Hand des beruͤhmten Artus Quellinus. Herausgeber. . In dem Rathszimmer ſind ſehr betraͤchtliche Malereien, auch an den beiden Thuͤren ſind kleine graue Malereien von de Witt, die man ſo lange fuͤr Basreliefs haͤlt, bis man ſie angreift. Koͤmmt man da heraus, ſo ſieht man nur etwas wenig Holz, das unter einem Fenſter iſt, und bei Exekutionen der Miſſethaͤter abgenommen wird. Denn der Galgen wird in eignen Loͤchern vor dem Stadthauſe aufgeſchlagen, der Delinquent zum Fenſter herausge - bracht, und die Herren Richter ſehen im Fenſter zu. In der Buͤrgermeiſterskammer, wo die 4. Buͤrgermei - ſter ſitzen, haͤngt ein Gemaͤlde vom alten Stadthauſe, und eine Tafel aus Probierſtein mit einer goldnen Inſchrift von Huygens. Der Kuͤnſtler eignete ſie den Well Edlen en Groot Achtbaaren Heeren zu. Das Stuͤck iſt ſo ſchoͤn, daß Kaiſer Peter der Groſſe,wie560wie er das Stuͤck ſah, 100,000. Gulden dafuͤr geben wollte. In der Stube, wo uͤber den Rapport vom Haag deliberiret wird, hat Ferdinand Bol auf einem Ge - maͤlde, die Standhaftigkeit des Fabricius gegen des Koͤnigs Pyrrhus Geſchenke vorſtellend, das uͤberhaupt praͤchtig iſt, einen Perſianer, den er eben unten in ſei - ner rothen Kleidung auf dem Platz ſtehen ſah, ſo ſchoͤn abgemahlt, daß wie der Mann herauf kam und ſich ab - gemahlt ſah, Ferdinand Boll von ihm ein Geſchenk von 4000. Gulden erhielt. Vandyck hat Buͤrger - kompagnien in ihren alten Kleidungen mit Kragen ab - gemahlt, wie ſie aſſen und trunken, ehe ſie auf die Wa - che gingen, auch das Stuͤck, wie der Geſandte zum Muͤnſteriſchen Frieden vom Buͤrgermeiſter und der Kompagnie noch beim Schmaus begluͤckwuͤnſcht wird. Man muß erſtaunen uͤber die Arbeit, uͤber die vielen Fi - guren. Es iſt ein Kopf darauf, man meint, er lebe. Ein Reiſender wolte 7000. Gulden geben, wenn er den Kopf herausſchneiden duͤrfte, und wolte noch einen an - dern hinein mahlen laſſen, aber vergebens! Im Kriegs - rath haͤngt ein Stuͤck von van der Helſt vom Jahre 1648. Da haben die Buͤrger groſſe brennende Lunten an den Flinten da ſchoß man noch nicht 11. mahl in Einer Minute. Steigt man oben auf den Thurm, ſo findet man das Dach mit Kupfer gedeckt, und etliche allegoriſche Bildſaͤulen aus Kupfer mit vergoldeten Lor - berzweigen ꝛc. ſtehen koloſſaliſch neben einem, unter an - dern ein Atlas mit der Weitkugel auf dem Ruͤcken, gar ein praͤchtiges Stuͤck. Im Thurme iſt ein Glocken - ſpiel, das ſo dicke ſtarke Haͤmmer hat, daß man oben nahe dabei die Ohren zuſtopfen muß. Aber das Schoͤnſte iſt die herrliche Ausſicht uͤber die groſſeStadt561Stadt Amſterdam, uͤber die Amſtel, das Y, nach Nordholland, nach Utrecht, nach Harlem und be - ſonders in die volle weite See nach dem Texel hinauf. Da ſtand ich, verſchlangs, und ſchwieg. Feiern muß man ſo eine Stunde, und nichts ſagen, als durchs Auge, und die Mine. Unbeſchreiblich, goͤttlich, liegt der Theil der Natur noch immer unter meinen Augen. Himmel und Erde, Meer und Fluͤſſe, Land und Staͤdte, Stille und Gewuͤhl, Wagen und Schiffe, Menſchen und Thiere, Ebnen, Triſten, Wieſen, und ich oben auf dem kuͤnſtlichen Berge, ſah auf das alles herab, dachte, fuͤhlte mich gluͤcklich, und nahms in der entzuͤckten See - le mit weg.

Das Zeughaus. Man hat einen eigenen Theil des Stadthauſes dazu beſtimmt. Wie viel Gewehr dar - in vorraͤthig iſt, mag ich nicht ſagen, meinte der Aufſe - her. Aber fuͤr mehr als 60,000. Mann ſind Ober - und Untergewehre da. Naͤchſtdem ſieht man da: 1) Eine Menge eroberter Kuͤraſſe, Pallaſche, Degen, Spieſſe ꝛc. aus den Zeiten der Kriege mit den Spaniern. Auf den ſpaniſchen Dragonerklingen ſteht ſchon So - lingen. 2) Die Kuͤraſſe des Admiral P. Hein’s, der den Spaniern die Silberflotte wegnahm, des Ad - miral Ruyter’s, ſind mit allen militaͤriſchen Eh - renzeichen aufgeſtellt, ſo wie an den Mauſoleen. 3) Einen Streithammer, womit die ſpaniſche Kaval - lerie ehemals unter die Hollaͤnder einrannte. Es iſt ein Stock, der oben wie ein Hammer gemacht iſt, in der Mitte aber einen Deckel mit einem Knopf hat; ſchlaͤgt man mit dieſem Stock ſtark vor ſich, ſo fahren aus die -N nſer562ſer Oefnung 5. Stilette heraus, die vergiftet ſind, 4. ſind dreiſchneidig, eins vierkantig: das iſt eins von den hoͤlliſchen Werkzeugen, das der unſinnige Alba erfand, oder doch brauchen lies. Man hatte ſonſt mehrere, jetzt iſt nur noch eins vorhanden. Die Soldaten ſtellten den Hammer auf den Stiefel im Steigbuͤgel, und rannten ſo ein. 4) Die Werkzeuge von Jaco oder Jacob Friedrich Muͤller, der Oberhaupt einer groſſen Spitz - bubenbande war, und hier 1718. geraͤdert wurde. Unter andern ſeine Stoͤcke, in denen er auch Stilette hatte; einer iſt hohl, und es ſteckt ein ganzer Degen darin, hielt nun der Angegriffene den Stock in der Hand, ſo zog Ja - co den Degen heraus; ferner eine Leiter von 6. -8. Sproſ - ſen, die 12. Fuß lang werden kan. Alle Marterwerk - zeuge, die ich auch ſah und probirte, hat er ausgehalten.

Man verſicherte mich, daß die ganze Laͤnge des Stadthauſes 287. Fuß waͤre*)Es iſt 282. Fuß lang, 255. breit, und 116. Fuß hoch. Herausgeber. .

Den 12ten Aug.

Heute ſehr fruͤh ward der

Botaniſche Garten von mir beſucht, und ich fand ihn weit reicher und ſchoͤner eingerichtet, als den Leydener. Er macht einen Theil der ſo genannten Plantage aus, hat 9. Gaͤrtner, viele Gewaͤchshaͤuſer, und wird von der Stadt unterhalten. Der juͤngere Dr. Burmannhat563hat die Auſſicht daruͤber. Das Syſtem iſt das lin - ne’iſche. Wer ihn ſehen will, zahlt 4. Stuͤber. In Amſterdam heiſt er der Hortus medicus. Die Aloen, die hier gebluͤht haben, hat man getrocknet in der Stube aufgehaͤngt. Granaten - und Tulpenbaͤu - me haben hier noch nicht zum Bluͤhen gebracht werden koͤnnen. Ich fand den Balſam. arab. Alle Blaͤtter haben rothe Flecken, oͤfnet man die Blumenknoſpen nur ein wenig, ſo bekoͤmmt man gleich die Finger voll Harz. Cacao Caffee Quercus Suber. Arbut. Hernand. Arbor vitae. Bauh. den Terpentinbaum. L. Camph. Der Thee war hier groͤſſer, als ich ihn je geſehen habe, und ein Baͤum - chen. Phyllanthus, wo alle Blumen impetiolati in floribus ſeſſiles ſind. Ind. Quatim. Im - pat. Noli me tangere etc. Die Hollaͤnder nennen die letzte auch: Rur mich nich. Bei dieſem Garten be - findet ſich auch eine Art eines Naturalienkabinets. Drauf machte ich einen Beſuch bei

Myn Heer Lublink de Jonge an den mich Hr. Tollius empfohlen hatte. Er iſt ein Kaufmann, der aber doch Belliteratur, und ſonderlich die deutſche liebt. Er hat Gellert’s Fabeln ins hollaͤndiſche uͤberſetzt. Er verſprach mir, mich mit M. H. Bonn, Prof. der Anat. und mit M. H. Burmann, Prof. der Botanik bekannt zu machen, und beſtellte mich auf morgen wieder.

Mr. Geraud et Rollandt. Ich war ihnen von Hamburg aus empfohlen. Zwei gefaͤllige Franzoſen, die es ſehr bedauerten, daß ich das Rathhaus und den mediciniſchen Garten ſchon geſehen hatte. Darauf be - ſah ich noch

N n 2Das564

Das alte Maͤnnerhaus. Es iſt ein groſſes ſchoͤ - nes Gebaͤude, wo alte Leute, wenn ſie eine gewiſſe Sum - me erlegen, hineinkommen, und auf Zeitlebens herrlich verpflegt werden. In ſolchen oͤffentlichen Haͤuſern ſteigt nun die Reinlichkeit der Hollaͤnder aufs hoͤchſte. Vor - ne und unten, wo die Paſſage durchgeht, ſtehen Bouti - quen: die Hollaͤnder nennen dieſe alle, die groͤſten und die kleinſten, Winkel; da ſind Papierwinkel, Stahlwin - kel, Silberwinkel, Nuͤrnbergerwinkel ꝛc. ſo ſtehts auch an den Haͤuſern angeſchrieben ꝛc. In dieſen Bouti - quen ſind alle Waaren unter Glas, und oben ſteht: fuͤr 1. Gulden, fuͤr 2. Gulden, fuͤr 4. Gulden ꝛc. Bei den Kaufleuten in Engelland hat auch jedes Stuͤck ſeine Nummer, und darneben liegt ein Verzeichnis der Preiſe. Will man die Sache haben, ſo muß man zahlen was darin ſteht. Im oude Heere Logement iſt ein groſ - ſer Saal, worin faſt immer Auktionen gehalten werden. Werden Kaufleute bankrutt, ſo werden alle ihre Waaren verauktionirt, und ein Zettel davon gedruckt. Die klei - nern Winkel kaufen dann die Sachen und verkaufen ſie wie - der. So hilft ſich einer durch den Untergang des andern auf. Die Kinder der Reichen in Amſterdam erfahren zu fruͤh, wie viel Geld ſie haben, lernen nicht viel, ſpa - ren nicht, wagen ungeheure Summen, bis dann das Ungluͤck da iſt. Waͤre dies nicht, wie koͤnnten ſo viele Deutſche und andre Fremde, die ohne alles Vermoͤgen hierherkommen, in kurzer Zeit ſammeln, und ſich etabli - ren?

Bei Mr. Trouillart ſpeiſte ich heute Mittag, und bei der Gelegenheit muß ich doch auch von der Kuͤcheder565der Hollaͤnder etwas erwaͤhnen. Sie eſſen und trinken nicht viel, aber vielerlei; 3. -4. Schuͤſſeln voll Gemuͤſſe werden allemahl aufgeſetzt, ferner Blumenkohl, kleinge - ſchnittene Bohnen, Saubohnen, die man hier gros und klein hat, und delikat zurichtet, auch Kraut. Suppe und Rindfleiſch koͤmmt nicht alle Tage auf den Tiſch. Das Brod und Fleiſch ſchneiden ſie in ſehr duͤnne Schei - ben. Waſſer trinkt man nicht, ſondern Bier, fran - zoͤſiſchen rothen, Mosler und Rheinwein, auch Limo - nade. Geſundheit wird, ſo oft man trinkt, ſehr umſtaͤnd - lich getrunken. Bei der Hitze pflegt man im unterſten Theil des Hauſes zu ſpeiſen. Hierauf bekam ich

Hrn. Paul Meier’s Konchylienkabinet zu ſehen. Ich fand einen Sachſen, deſſen Karakter halb hol - laͤndiſch, halb deutſch iſt. Er ſammelt lauter Konchy - lien, auch etwas Mineralien, hat auch Kuxe, kauft gan - ze Kabinette, und dies noch immer, weil er den Ruhm haben will, das groͤſte weitlaͤuftigſte Kabinet zu beſitzen. Das hat er auch, aber in einer ſchlechten Ordnung. Aus ſeinem uͤbrigen Vorrath koͤnnte man wenigſtens noch 6. Kabinetter zuſammenbringen. Kenntniſſe hat er wenig, er weis blos die Handlungs-Namen; nebſt dem ſind ſehr viele Stuͤcke gekuͤnſtelt, geſchmiert, gefaͤrbt, verſtellt. Man hat in Holland ſogar den weiſſen Hammer nach - gemacht, und Vosmaer glaubt, daß alle davon vorhan - dene Exemplare falſch ſeyn. Man macht beſonders eine groſſe Seltenheit aus den Nautilis, die Bellekin ge - ſchnitten hat. Er ſchnitt Koͤpfe, Wappen, Blumen ꝛc. daran, ſo ein Stuͤck koſtet 100. Gulden. Sieht man ſolche Dinge in einem Kabinet, ſo wird man mißtrauiſch gegen alles andre. Tadelt man’s, ſo macht man demN n 3Beſitzer566Beſitzer kein Kompliment: Tadelt man’s nicht, ſo muß man befuͤrchten, fuͤr einen Dummkopf, fuͤr ein Kind, dem man was weis machen kan, gehalten zu werden. Die betraͤchtlichſten Stuͤcke waren auſſer denen, die ich ſchon oft geſehen; 1) Eine Harfe mit Querbaͤn - dern und Querſtreifen. 2) Eine Noahsarche, die man Oſt - und Weſt Dubletten nennt. Eine Bival - ve, wo die beiden Haͤlften wirklich aufeinander paſſen, heiſt in Holland eine Dublette. Hier laufen die Streifen auf der einen Seite von Oſten, auf der andern von Weſten. 3) Baſtard Noahsarchen, halb Cardium. 4) Seenadeln, ein weiſſer, runder, 2. Spannenlanger ſpitziger brechlicher Koͤrper, den ich noch nirgends geſehen hatte. 5) Drei Cornua Ammonis an Einem entzweigeſchlagenen Stuͤcke. 6) Arſenik rother, gelber und weiſſer an Einem Stuͤcke.

Hrn. Baron Gould’s Sammlung von Handzeich - nungen. Der Beſitzer iſt ein reicher Kaufmann*)Er iſt 1780. mit Tode abgegangen, daher dieſe Sammlung gegenwaͤrtig wohl ſchwerlich noch vor - handen ſeyn duͤrfte. Herausgeber. , der ſchon lange Zeichnungen von alten und neuen Mei - ſtern ſammelt. Kupferſtiche mag er nicht, weil das naͤmliche Blatt auch 100. andre haben koͤnnen. Er hat ſie in Portefeuillen, in jeder ſticht beſonders ein Meiſter hervor. Alle dieſe Folianten liegen in einem Schranke, und in deſſen Mitte ſind noch einige Schubladen voll aus - erleſener Naturalien. Um auch andre an dieſen groſſen Schaͤtzen Theil nehmen zu laſſen, iſt alle Dienſtage Abends Geſellſchaft bei ihm. Man ſetzt ſich an einegroſſe567groſſe Tafel und ſieht eine Portefeuille durch. Die Stuͤ - cke gehen aus einer Hand in die andre, und unten wieder in die Portefeuille zuruͤck. In der, die heute vorgezeigt wurde, brillirte Aldert von Everdingen, ein, beſon - ders in Landſchaften, ſehr gluͤcklicher Maler. Er wollte einmahl nach Holland reiſen, ward auf dem Waſſer ver - ſchlagen, kam nach Norwegen, und muſte dort uͤber - wintern, daher auf vielen Stuͤcken von ihm Scenen aus Norwegen vorkommen. Die andern Meiſter wa - ren: Glauber; van de Uyl, der oft ſtatt ſeines Zugs eine Eule dazu ſetzte; Biſchop oder Epiſcopius; Breenberg, Rademaker, Hollar und Zaftleeven, deſſen Stuͤcke ich beſonders lieben wuͤrde, und der Sammt-Breuͤghel. Man ſah noch viele andre ſeltene Stuͤcke, und as auch da zu Nacht. Als man zur Tafel ging, erlaubte mir mein Kopf nicht, da zu bleiben, ich ging alſo fort.

Bemerkungen.

Man hat hier Lichter von Sperma ceti, mit etwas wenig Wachs darunter. Sie werden in den engliſchen Kolonien gemacht, ſind weis, brennen ſehr hell, geben gar keinen uͤbeln Geruch, und ſind in den groͤſten Haͤu - ſern uͤblich.

Den 13ten Aug.

Mit Beſuchen und Gegenbeſuchen, mit Briefſchrei - ben und dem Mittagseſſen bei Hrn. Staͤdel ꝛc. ging der Vormittag, und die Haͤlfte des Nachmittags hin. Ich beſah aber doch noch

N n 4Hrn.568

Hrn. van der Moelen’s Kabinet. Der Beſitzer iſt ein ſehr reicher Kaufmann, der viel ſammelt, ſeit 35. Jahren ſchon, mit dem Herzog von Braunſchweig in Briefwechſel ſteht, aber ſelbſt nur die ſeichteſte Kenntnis hat. Die Anordnung iſt, weil er den Platz ſpart, ſchlecht ꝛc. Mr. Lacoudré hatte mir die Gelegenheit zu dieſem Kabinet verſchaft. Man muß bei dem rei - chen Unwiſſenden hintreten, das Gemeinſte, das Schlech - teſte bewundern, loben, von andern Kabinetten nichts er - waͤhnen ꝛc. Van der Moelen hat, wie alle Hollaͤn - der, den Grundſatz, von jedem Stuͤck muͤſſen 2. Exem - plare im Kabinet ſeyn, das vervielfaͤltigt die Scene ſchon gar ſehr. Unter ſeinen Schmetterlingen, die man hier Kapellen nennt, (ſo wie die Konchylien Hooren en Schulpjes,) ſind viele ſonſt unbekannte Arten, die in Kramer’s Werke bekannt gemacht werden ſollen. Ich fand hier: Einen jungen Wallfiſch, 2. Spannen lang, der ungebohren aus Mutterleibe geſchnitten, und jetzt ſchon 15. Jahr in Weingeiſt erhalten worden iſt. Er hatte die voͤllige Bildung, aber doch konnte man die Laminas corneas noch nicht ſehen. Viele Sepiae in Glaͤſern. Ein ſonderbares Cap. Med. ausm Oſt; jeder Ra - dius war gleichſam federig. Einen recht ſchoͤnen Orangoutang, auch im Glaſe. Um den Platz zu ſcho - nen, mag der Beſitzer keine Ausſtopfungen haben. Eine Iguana. Eine Schlange, meergruͤn mit weiſ - ſen Flecken. Er hat eine nach Braunſchweig geſchenkt, die 10½. Fuß lang, nnd 11. Daumen dick war. Vie - le Mißgeburten, einen weiſſen Maulwurf, einen ſchwarzen mit einem ſchnabelartigen Maule. Einen jungen neugebohrnen Baͤr. Ich ſah an ihm die deutlichſte Beſtaͤtigung von Perrault’s Wahrnehmun -gen569gen. Ein weiſſes Eichhoͤrnchen, das er 8. Jahr lebendig hatte. Todtenkopfſchmetterlinge, den deutſchen, welcher der groͤſte war, den ſurinamſchen, und den vom Kap. Oleanderſchmetterlinge aus Oſt - indien. Eine Phalaͤne mit einem herrlichen weiſ - ſen Bande auf dem Bauche. Viele Libellen, und darunter viele niegeſehene. Eine Luna, milchweis. Vriends, General Reyner im Haag, beſitzen ſie auch. Einen aus einem Holzwurme entſtehenden ganz unbekannten Kaͤfer, laͤnglichtrund. An den Mu - ſcheln war die aͤuſſere Seite abgeſchliffen, um ganz an - dre Farben herauszubringen. Einen nachgemachten gekuͤnſtelten Cedonulli. Bandirte Kibitzeier. Oranienflaggen; viele ſeiner Dubletten waren mit Gum - mi feſtgemacht. Granulirte aͤthiopiſche Kronen. Haſpel Dubletten zu 40. Gulden. Drei Cretes de Coq aneinander. Wieder 3. andre, die alle an ein Stengelchen Holz, jede fuͤr ſich angewachſen waren. Lazarusklappen mit Korallen, mit ſchuppichten oder blaͤtterartigen Anhaͤngſeln ꝛc. Sie heiſſen Ora - nien, wenn ſie roth ſind.

Hr. Van der Moelen hatte die Guͤtigkeit, mir ei - ne Menge ſchoͤner Muſcheln zu ſchenken, auch eine Pen - na marina, die er aus Siam bekommen, und die viel - leicht zu den Stacheln eines groſſen Echini gehoͤrt. Ferner ſeltene Seegewaͤchſe, und 2. Sevenyears Blu - men vom Kap, von denen man in der Meinung ſteht, daß ſie ſich nicht laͤnger, als 7. Jahre halten laſſen; die Meinigen ſind nun 2. Jahr alt. Solche Proben der Guͤtigkeit und Freigebigkeit ſind in einem Lande, wo die ganze Stimmung der Leute, Kaufen, Verkaufen, Sam - meln und Gewinnen iſt, ſehr ſelten.

N n 5Bemer -570

Bemerkungen.

In Harlem ſind die Haͤuſer ſehr wohlfeil, hier in Amſterdam aber erſchrecklich theuer. Fuͤr 2. kleine Zimmer in 2. verſchiedenen Etagen bezahlt einer meiner Freunde ohne alle Meubles, alle Jahr 200. Gulden, ein andrer fuͤr 7. kleine, 500. Gulden.

In keinem Lande ſind wohl die Bedienten und Do - meſtiquen ſo unertraͤglich, als hier. Alles trotzt auf Geld, auf Freiheit, auf Gewinn. Alle tragen Uhren, ſilberne Schnallen, haben Silberzeug, ſprechen von Du - katen, Ryders ꝛc. *)Ein Ryder iſt eine in Holland kurſtrende Goldmuͤnze, und gilt 14. Gulden. Herausgeber. Eine Ohrfeige, ein rauhes Wort darf man ihnen nicht anbieten. Die groͤſte Naſeweis - heit, Zudringlichkeit, und ein unaufhoͤrliches Lechzen und Duͤrſten nach Reichthum, Mangel der Aufſicht, Bil - dung und religieuſer Sentiments bemerkt man durchgaͤn - gig. Ohne Mitleiden kan kein Menſchenfreund die Mil - lionen Menſchen anſehen, die beſtaͤndig nichts anders thun, und nichts anders hochſchaͤtzen, als das Wuͤhlen und Graben nach Schaͤtzen**)Ein gewiſſer Schriftſteller ſagt daher von Holland ſehr treffend: Ceſt un pays le demon de l’or eſt couronné de tabac, aſſis ſur un throne de fro - mage. Herausgeber. .

Den 14ten Auguſt.

Heute fruͤh um 6. Uhr machte ich mit M. H. Ruͤhle zu Schiffe von Amſterdam eine kleine

Reiſe571

Reiſe nach Sardam,

um auch Nordholland kennen zu lernen. Wie lieblich wars nicht am ſchoͤnen Morgen zwiſchen den vielen Schif - fen vor Amſterdam durchzufahren, das mannichfaltige Klopfen und Haͤmmern auf den Schiffen zu hoͤren, und den geſunden Pechgeruch von allen Gegenden her zu be - kommen, oder die weiſſen Seemoͤven vor unſern Augen niederſchieſſen und mit dem untruͤglichſten Blick einen Fiſch erhaſchen zu ſehen! Auch fahen wir die Groͤn - landsfahrer, die zum Theil ſchon zuruͤckgekommen wa - ren. Die Schiffe ſahen abſcheulich aus. Sie ſtellen die Rippen und Kinnbacken der Wallfiſche vorne und hin - ten auf dem Schiffe auf, und den Priap der Thiere haͤn - gen ſie hinten am Schiff herab*)Dieſes Glied des Thiers wird hier zu Lande noch zu - weilen verſchrieben. Die Apotheker ſaͤgen es in Stuͤ - cken, und da ſoll’s haͤslich ſtinken., daraus kan man gleich ſehen, wie viel Fiſche einer hat. Einer hatte 8. ein andrer 10. Stuͤck. Oft bezahlt ein einziger guter**)Wenn er aus Straat Davis iſt; denn ſelten iſt der Fall, daß einer aus Groͤnland ſie bezahlt, dazu ſind oft 2. -3. noͤthig. Fiſch die Koſten. Aeuſſerſt verdruͤslich aber muß dieſe Reiſe ſeyn, wenn man ohne einen Fiſch gefangen zu haben zuruͤckkoͤmmt. Oft kommen ſie mit anderthalb Fiſchen zuruͤck. Hat ein Schiff die Harpune geworfen, und der Fiſch koͤmmt einem andern Schiffe im Weg, ſo wirft die - ſes auch ſeine Harpunen, ſo viel deren noͤthig ſind. Iſt dann der Fiſch todt, ſo theilen ſie ihn, denn die Kriegs - ſchiffe, die ſie begleiten, zwingen ſie dazu. ꝛc. Manſetzt572ſetzt die Wallfiſchrippen auf die Wieſen, weil ſich das Vieh gern daran reibt.

Bei Gelegenheit, daß wir beim Hochgericht vorbei - fuhren, erfuhr ich, daß auch in dieſer Stadt noch vor kurzem Sodomiten vorm Rathhauſe mit Dampf erſtickt und ſodann hierher ins Waſſer gebracht worden ſind.

Sardam oder Zardam iſt ein groſſes, und ohn - ſtreitig das ſchoͤnſte und reichſte Dorf, gegen das die be - ſten in Deutſchland nichts als ein Haufen armſeliger Huͤtten ſind. Die Zaan fließt mitten durch. Zu bei - den Seiten hinab iſt das Dorf 3. Stunden lang. Man unterſcheidet Sardam, Coch und Sandyck, es iſt aber eins. Die Einwohner nennt man nur Bauern, ſie ſind aber Herren von 2. 3. 4. Muͤhlen, haben Fabri - ken, treiben Handel, kommen in Amſterdam auf die Boͤrſe, ſprechen von 50. von 100,000. Gulden, als wenns Kleinigkeiten waͤren, haben alle die ſchoͤnſten fuͤrſtlichen Tapeten in den Haͤuſern, herrliche Gaͤrten, Statuen, Springbrunnen ꝛc. Sie gehen nur in ſchwarzen Ka - miſoͤlern mit Bauerhuͤten, die Herren von Amſterdam aber machen ihnen ſehr groſſe Komplimente*)Die Leute haben hier faſt alle wenig Zaͤhne im Munde, ſonderlich die Weibsleute. Man ſchreibts der Luft auf der Inſel zu..

Rings um den Ort herum ſtehen an die 2 3000. Muͤhlen. Es wird Thran hier geſotten, Oel geſchla - gen, Papier, Leim, Pulver u. ſ. m. gemacht. Faſt alle Tage geht der Eigenthuͤmer auf ſeine Muͤhle und haͤltzu573zu Hauſe ſein Buch. Man thut ſehr geheim damit. Kennt man nicht einen von den Eigenthuͤmern, ſo be - koͤmmt man gar nichts zu ſehen, und geht der auch mit, ſo zeigt er einem das Eigentliche der Maſchine doch nicht. Hr. Ruͤhle hatte es mit einem, Namens M. H. Breet, an der Boͤrſe abgeredet, wir kehrten alſo bei demſelben ein. Er war ein außerordentlich hoͤflicher Mann. Es waren der Bruͤder zwei, der eine erwartete uns, indes der andre die Muͤhlen viſitirte. Sie ſchreiben ſich Ho - nig, weil einmahl ihr Papier unter Homgs Namen, der es angefangen, bekannt iſt. Die Schweſter des Mannes war Nordhollaͤndiſch gekleidet, ganz ſimpel, hat - te aber mehr Gold im Zimmer, als manche Frau Graͤfin in Deutſchland. Der Mann traktirte uns mit Mal - laga, Biſkuit, Makronen, Zukerbrod, und dergl. und bat uns doch etlichemahl, daß wir mit der Bauernkoſt vorlieb nehmen moͤchten. Der Groͤnlandsfahrer mit den 10. Wallfiſchen gehoͤrte dieſen 2. Bruͤdern, und unſer Wirth ſagte, daß er 36000. Gulden reinen Gewinn rech - nen koͤnnte. Das Schiff war im Anfange des Maͤrzes abgegangen, und am Ende des Jul. zuruͤckgekommen, es war mit 45. Mann beſetzt. Die Ausruͤſtung koſtete 200,000. Gulden. Die meiſten Matroſen haben ein gewiſſes Monatsgeld, einige aber werden nach den Fiſchen bezahlt. Bei einer ſo reichen Beute bekommen ſie wohl noch einige Geſchenke ꝛc. Wir gingen auf ſeine

Papiermuͤhlen, wo feines Poſtpapier, Royal - und Schreibpapier gemacht wird. Auf jeder hatten ſie 50. Arbeiter. Das Gebaͤude der einen iſt 1000. Schuh lang. Sie haben eigne Leute, welche die kleinen Stuͤcke Lumpen von den Straſſen aufleſen. Die meiſten bekom -men574men ſie aus Brabant. In beiden Muͤhlen liegen im - mer wenigſtens 200,000. Pfund Lumpen; 18. Weiber ſaſſen und ſortirten ſie vor einem Eiſen. Man lies uns die Pumpe ſehen, die das Waſſer zum Saͤubern der Lum - pen 80. Fuß tief aus der Erde holt, und es in einen Teich auf - und niederflieſſen laͤßt, weil man glaubt, daß es ſchon durch die Luft geſaͤubert werde. Unten fließt es in eine Kufe mit Sand angefuͤllt, durch den Sand laͤufts durch, und unten ſammelt mans wieder. Wir ſahen alle Arbeiten, aber den Hollaͤnder ſelber wollte man uns doch nicht ſehen laſſen. Wir machten auch einen Bogen, aber ſtatt Poſtpapier gabs dickes Packpapier, weil wir den Handgriff mit dem Schuͤtteln der Form nicht ver - ſtanden.

Wir beſuchten hierauf die Saͤgemuͤhlen und eini - ge andre ꝛc. und ſahen bei der Gelegenheit auf einer Wieſe einen Ochſen auf einer Saͤule ſtehend und in der oberſten Kirche ein Gemaͤlde, das ſich auf den Ochſen be - zieht. Dieſer Bulle hat den 29. Aug. 1647. die Frau, die ihn halten muſte, nachdem er ſich hinterm Hauſe vom Baume und Stricke losgemacht hatte, wie ein Ball mit den Hoͤrnern in die Hoͤhe geſchleudert, (wiewohl ſie hoch ſchwanger war,) und ihr den Leib von der Linken nach der Rechten aufgeriſſen. In der Luft gebahr ſie, das Kind fiel auf die Erde, der Mann wollte ihr zu Huͤlfe eilen, ward aber ebenfalls todtgebohrt. Die Frau lebte nur noch einige Stunden, das Kind aber ward ge - tauft, Jacob genannt, und lebte bis den 4. Mai 1648. Auf der Tafel ſteht: So ward die Frau, durch den Och - ſen, Mutter, Wittwe und Leiche!

Wir beſahen ferner die Schiffszimmerwerfte, und ſtiegen auf ein Schiff, das auf dem Stapel halb fertiglag,575lag, und wieder auf ein anders, das erſt angefangen war. Wer erinnert ſich nicht, wenn er das alles ſieht, an den Kaiſer Peter den Groſſen von Rußland, der hier Schif - fe bauen lernte, und ſelber Hand anlegte? Es werden hier oft Schiſſe gebaut, fuͤr Spanien. Der Preis iſt 20. 30. 40000. Gulden.

Bemerkungen.

Hier in Sardam haͤlt man Haͤuſer und Straſſen ſehr ſauber, auch hat man an den Haͤuſern eine ſoge - nannte Prunkthuͤre, die immer geſchloſſen iſt, und nur fuͤr Braͤute und Todte geoͤfnet wird. Die Bewohner ge - hen lieber hinten zu einem Schlupfwinkel hinein.

Das Salz, das die Hollaͤnder brauchen, laden die Schiffe faſt nur als Ballaſt. Es iſt ſchoͤn, weis, koͤr - nicht, und kommt groͤſtentheils uͤber Riga aus Ruß - land.

Bei meiner

Ruͤckreiſe nach Amſterdam

lies M. H. Brand mir ſagen, ich koͤnnte ſein Kabinet nicht ſehen, weil alles in groſſer Unordnung waͤre. Das ſah nun einer Ausflucht ziemlich aͤhnlich*)Nicht beſſer gings Hrn. Dr. Titius aus Dresden, als er 1777. bei ſeiner Anweſenheit in Amſterdam die - ſes Kabinet zu beſehen wuͤnſchte. S. deſſen Reiſe - Journal, im 9. B. der bernouilliſchen Samml. kur - zer Reiſen. Herausgeber. . Aber M. H. Lublink hatte fuͤr den morgenden Tag geſorgt.

Den576

Den 15ten Aug.

Heute bekam ich die

Inſektenſammlung von M. H. Cramer und Reußelaer zu ſehen. Cramer, der das herrliche hol - laͤndiſche und franzoͤſiſche Werk von gemahlten auslaͤndi - ſchen Schmetterlingen angefangen hat, ſtarb im letzten Februar am hitzigen Fieber. Er hinterlies eine Samm - lung faſt aus allen Reichen der Natur, die wurde groͤ - ſtentheils verkauft, die Inſekten aber bekam ſein Neffe, ein junger Kaufmann Reußelaer, der die Handlung treibt, und jetzt das Werk fortſetzt, wiewohl es ihm wirk - lich an gelehrten Kenntniſſen fehlt. Die meiſten ſind ſchoͤn, viele aber ſchlecht erhalten, ob ſich gleich die aus - laͤndiſchen, da ſie durch die ſtarke Hitze ziemlich ausge - trocknet, beſſer erhalten laſſen. Was mir bei ihm be - ſonders merkwuͤrdig war, iſt folgendes: Eine Luna aus Weſtindien; die aus Oſtindien hatt ich ſchon geſehen: dieſe hat ein ſtaͤrkeres helleres Gruͤn mit Ringen. Bei den Schmetterlingen aus Oſtindien ſind die Farben faſt durchgaͤngig dunkler und trauriger, als an jenem aus Weſtindien. Eine Phalaͤne aus Weſtindien, wie Atlas. Die ſogenannten Zahlen - oder Nummer - Schmetterlinge aus China, ſind faſt voͤllig ſo, wie die aus Europa. Die aus Afrika ſind in dieſem Kabi - net noch am haͤufigſten, ſie haben aber ſemper a[l]iq. portenti, faſt alle ſind ſchwarz und dunkelgelb. Die aus Neuyork haben alle ſehr frappante Farben. Aus Surinam war ein Lepidopt. da, das faſt wie ein Neuropt. ausſieht, hell, durchſichtig, und faſt ohne al - len Federnſtaub. Aus China war unſre faſt voͤllig ſogebildete577gebildete gemeine Kohlraupe da*)Die Chineſer ſtecken die Inſckten an eiſerne Stifte, das roſtet aber.. Eine Phalaͤ - ne mit Haarbuͤſcheln am Bauche, aus Surinam. Vie - le Schmetterlinge mit langen ſchmalen Fluͤgeln aus Ame - rika. Der Ananasſchmetterling aus Surinam. Er ſieht gruͤn und gelblicht aus, die Raupe ſoll die Ana - nasblaͤtter abfreſſen. Die Natur ſchaft Tagvoͤgel, die am Ende der Fuͤhlhoͤrner erſt ein Haͤckchen haben, eh es ein Knoͤtchen wird. Ein Kaͤfer mit goldgruͤnen Kopf und braunen Fluͤgeln. Das vermuthliche Weibchen hat dunklere Fluͤgel und denſelben Kopf. Ein Kaͤfer mit

[figure]

auf dem Kopf. Ein Gryllus aus Weſtindien, der ſeinen Schwanz in ſchoͤnen Spiralen zuſammen rollt. Das wandelnde Blatt; die Oberfluͤgel ſind gruͤn mit Rippen wie ein Blatt. Von da ging ich und beſah

Hrn. Dr. Kloͤckners Sammlung. Der Beſi - tzer iſt ein geſchickter fleiſſiger Mann, der beſonders im Ausſtopfen der Saͤugthiere viel Vortheile hat. Er kauft, und man ſchickt ihm Felle zu, die ſtopft er mit Stroh aus; vorher laͤſt er die Haut einen halben Tag im Waſ - ſer liegen. Ich ſah bei ihm; Einen Sapajou, ſchwarz mit einem langen Schwanz, gar niedlich. Eine fliegende Katze. Er verſicherte mich, daß er an den Kinnladen der fliegenden Katzen, Eichhoͤrnchen u. dergl. gar viel Verſchiedenheit bemerkt habe. Den Balg von einer Haaſenart, vom Kap, der meiſt auf ſehr langen elaſtiſchen Hinterfuͤſſen geht, und die kur - zen Vorderfuͤſſe empor traͤgt. Eine Cavia des Pal - las. Das Thier hat hinten lange, ſtarke Haare; ausAme -O o578Amerika. Aper Africanus. Einen Fuchsbalg, aus Nordamerika, den man dort ganz an ſich haͤngt, und wie eine Taſche braucht. Blauer Fuchs, aus Groͤnland. Wenn er jung iſt, iſt er noch roͤthlich wie dieſer, wenn er aber ausgewachſen hat, wird er blau, und im Winter weis. 7) Tringa pugnax. Das Weib - chen hat die laͤngern weiſſen Haare des Maͤnnchens, die wie ein Gekroͤs ausſehen, nicht an ſich.

Der Mann gewann mich gleich ſo lieb, daß er mir 5. Kolibrichen, und noch einiges ſchenkte.

Von da ging ich und beſah

Hr. Dr. Houttuyn’s Kabinet. Der Beſitzer iſt ein alter Mann, der mit vielen Kenntniſſen bereichert, dem Grabe zueilt. Er konnte weder deutſch, noch fran - zoͤſiſch, und ich nicht hollaͤndiſch. So ſprachen wir la - teiniſch mit einander. In einer maͤſſigen Stube hat er alles zuſammen gepackt. Ich ſah bei ihm: 1) Foe - tus vom Tyger, Leoparden, Camelopardalis. Das letztere kannten wir am langen Hals und Vorderfuͤſſen. 2) Einen Baliſtes, aus China. 3) Eine Mantis maxima. Ein herrlich Exemplar. 4) Eine Raupe mit vielen andern Thieren, die auf ihr ſitzen. 5) Viele Sepiae; Nereis gigant. Holothuriae. Ach, es iſt ewig Schade, daß wir kein Mittel wiſſen, dieſer Thiere Geſtalt und Konſiſtenz zu erhalten. 6) Cypri - nus aurat. mit herausſtehenden Augen; ein andrer mit einer cauda tricuſpid. 7) Ein junger Wall - fiſch, . amſterdamer Fuß lang. War im Wein - geiſte ganz ſchwarz worden. 8) Ein kleines Krokodil, voͤllig das naͤmliche, wie das groſſe in Paris. 9) Ei - ne Concha anatif. ſo ſchoͤn, als ich ſie je geſehen habe. 10) Ei -57910) Eine Abgottſchlange. Die Haut davon iſt auch hier, ſie ſoll 7. Gulden gelten. 11) Kolibris im Neſt, die ſchmalen langen Schnaͤbel laufen heraus, gegen ein - ander, die Koͤrperchen ſind faſt gar nichts. 12) Ver - mes ausm menſchlichen Koͤrper, wie ſie das, was andre eigentlich junge Wuͤrmer, Dr. Houttuyn aber nur vaſa ſeminalia nennt, auswerfen. 13) Die Brod - baumfrucht, fol. inciſ. und integr. 14) Ein ſehr ſeltener Schmetterling aus Surinam, ſchwarz, blau und weis.

Ich muſte den guten lieben Alten nach vielem Plau - dern, das er gerne verlaͤngert haͤtte, verlaſſen und nach Hauſe eilen, wo ich Beſuche erhielt.

Den 16ten Aug.

Mr. Trouillart hatte mich zu einer Spazierfahrt eingeladen, um eins der ſchoͤnſten Quartiere um die Stadt, und vielleicht in ganz Holland zu beſehen. Wir fuhren ſchon Morgens um 7. Uhr weg. Zwiſchen lauter Gaͤrten, Buytenplaatſen, Alleen ꝛc. ging der Weg 4. Stundenlang hin. Es iſt unbeſchteiblich, welche Pracht da herrſcht. Zwanzig, dreiſſig Gaͤrten ſieht man nach einander, welche die meiſten fuͤrſtlichen Gaͤrten in Deutſchland weit uͤbertreffen. An der Vechte ge - gen Utrecht zu, wird das Land gar ſchoͤn. Der Fleis der Hollaͤnder hat es in einen einzigen Garten verwan - delt. Man hat hier ſo viele Landhaͤuſer, daß man nur allein von dieſer Gegend eine Karte hat.

An der Vechte findet man artige Kieſel. Wir fruͤh - ſtuͤckten in Paw, nahmen das Mittagseſſen in LoenenO o 2ein,580ein, und kamen Abends durch einen andern Weg an Weſchip vorbei, wieder durch einen andern Weg, beim Hortus medicus in die Stadt herein.

Ich lernte heute einige gluͤckliche Ehen kennen, und in einer nicht ſtarken Familie 3. Paare, wo die Zahl der Kinder auf 16. -22. geſtiegen war. Und das iſt in Hol - land nichts Seltenes.

Den 17ten Aug.

Das war wieder ein Tag wie der geſtrige. Ich muſte zu M. H. Goel nach Felzen kommen, wo er ſei - nen praͤchtigen Landſitz hat. Dies iſt ein Platz, der ihm 100,000. Gulden gekoſtet hat, und ihm im Sommer alle Wochen noch 100. Dukaten koſtet. Man kan ſich darin verirren, aber alle moͤgliche Annehmlichkeiten hat man da. M. H. Ruͤhle und ich fuhren im Fargon, wie der Hol - laͤnder das Kabriolet mit 2. Pferden nennt, hinaus, am harlemer Kanal hinab, uͤber die harlemer Schleuſſe, am Y hinunter nach Sparendamm, ſo heiſt ein Dorf, wo Schleuſſen in der Spaarne ſind. Die Spaarne flieſt ins Y, und das iſt der einzige Weg, wodurch alle Schiffe aus Middelburg, Seeland, Rotterdam ꝛc. nach Amſterdam kommen. Sonne und Mond ſah ich heute im Y, im harlemer Meer und im Kanal ſich ſpiegeln. Auf dieſem Landſitze waren unter andern: Ein Bauernhaͤuschen, wo Fenſter, Kaffezeug, Bett, Tel - ler, Tafel ꝛc. alles mit der groͤſten Illuſion gemahlt iſt. Ein chineſiſch Haͤuschen, wo die bedeutende chi - neſiſche Figuren praͤchtig gemahlt waren. Eine Men - ge Alleen, Gartenhaͤuschen ꝛc. wo man in der Ferne die Schiffe auf der Nordſee gehen ſah. Eine Gruppevon581von Genien mit Vorſtellungen der 4. Elemente, die eben aus Brabant ankam, und herrlich war. Ein Chineſer im Viſitenzimmer. Ein Eremit, im Schlafrock und Pantoffeln ꝛc. aus Holz und Wachs, ſo natuͤrlich, daß ich einmahl ein Kompliment machte, als ich ſchnell hineinkam und mich umſah. Ein Haͤus - chen uͤbers Sekret gebaut, in Geſtalt einer Kapelle mit einem Thurme, in der Nachbarſchaft der reformirten Kirche, woruͤber ſich auch der Welgelaarte Domine ſehr formaliſirte. Zur Naturgeſchichte gehoͤrig traf ich an: Einen Dytiſcus mit einem herrlichen ſilberfarbenen Bauche, der ſchon viele Wochen ohne Nahrung im Gla - ſe gelebt hatte. Einen Affen aus Ceylon, der To - baksblaͤtter fraß, und mit einem Bocke aus Guiana viel zu ſchaffen hatte. Theebaͤumchen und viele amerikaniſche Gewaͤchſe. Viele Wallfiſchribben; wir ſtritten lange uͤber das Ding, es ſollen keine Ribben, es ſollen die Kinnladen von dem Thier ſeyn, einige be - haupteten gar, das Thier habe gar keine Ribben ꝛc.

Unſere Pferde bekamen hier nichts, als ſuͤſſes Waſ - ſer, ſie waren ſchon ſo an das Wrakwaſſer gewoͤhnt, daß ſie lieber den ganzen Tag nicht ſoffen, bis wir wieder beim Sparendamm waren.

Bemerkungen.

Seit dem Brande, der das Komoͤdienhaus ver - zehrte, wie man grade den Deſerteur vorſtellte, hat man ein neues praͤchtiges Schauſpielhaus aufgebaut. Man ſpielt aber nur in hollaͤndiſcher Sprache, und die meiſten Stuͤcke ſind aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſetzt.

O o 3Wenn582

Wenn der Buͤrgermeiſter auf dem Stadthauſe iſt, hat der Buͤrger viel Reſpeckt vor ihm, ſonſt ſchaͤtzt ſich jeder ihm gleich, und bezeugt ihm wenig Hochachtung.

Die Stadt wird mit Laternen erleuchtet, und dieſe geben zwiſchen den Baͤumen einen herrlichen Anblick.

Nach 10. Uhr Abends darf hier niemand etwas uͤber die Straſſe tragen. Die Wache nimmt alles weg, man bekoͤmmts wohl den andern Tag wieder, aber die Soldaten machen einen Proſit dabei.

Mit dem letzten Schuyt, das Abends von Harlem kommt, wird das Thor geſchloſſen, und dann wird auch dem Prinzen Statthalter nicht mehr aufgemacht.

Den 18ten Aug.

Das Inſektenkabinet des Domine Alberti zu beſehen, war heute mein erſtes Geſchaͤft. Dieſer Mann hat uͤber 3000. Inſekten, und darunter viele ſeltne Stuͤcke zuſammengebracht. Er kennt das linne’iſche Syſtem, Pallas, Drury u. ſ. m. hat Sulzern viele Inſekten kennen gelernt, bekommt die aus Weſt - und Oſtindien meiſt durch ſeine lutheriſchen Beichtkinder, und kauft die deutſchen von einem gewiſſen Werther aus Frankfurt, der mit deutſchen Inſekten handelt und herumreiſt. Ich war im Haag nicht ſo gluͤcklich, das vortrefliche Inſek - tenkabinet des General Reyners zu ſehen, aber dieſe Sammlung iſt ſo viel werth, wie jene. Er verwahrt darin beſonders: a) Den ſchoͤnen Dermeſtes, den Drury den Imperial nennt, und den ich auch in Chantilly ſah; auf dem gruͤnen Boden ſeiner Fluͤgel hat er ganze Reihen voll kleiner Vertiefungen, und in jeder von dieſen Vertie -fungen583fungen eine Menge kleiner brillanter Koͤrper, die unter einer maͤſſigen Vergroͤſſerung, wie die ſchoͤnſten Juwelen erſcheinen. Dieſes Inſekt kommt von der Inſel Bor - neo. Den erſten, der nach Europa gebracht wurde, trug die Koͤnigin von Portugall als Schmuck. Do - mine Alberti erbot ſich, wenn ich ihm den wahren deut - ſchen Oleanderſchmetterling verſchaffen koͤnnte, mir das 2te Exemplar von dieſem Prachtſtuͤck der Schoͤpfung zu ſchicken. b) Libellulae, mit goldfarbigen und gruͤ - nen Unterfluͤgeln. c) Eine Weſpe, mit einem unge - woͤhnlich langen Kanal zwiſchen dem Bauche und der Bruſt. d) Eben das Thierchen, das ich bei Valen - ciennes an meinem Leibe fing, aber viel groͤſſer. Al - berti kannte es nicht. Es war ihm von einem Manne gebracht, der es auf dem Felle eines unbeſtimmten Thie - res, das von Surinam kam, gefunden hatte. Es war auch zuſammengequetſcht, hatte aber mehr eine gelbliche Farbe. Dr. Kloͤkner hielts fuͤr einen Acarus. e) Gryllus inanis der Bauch iſt ganz durchſichtig, als wenn nichts darin waͤre. f) Der Apollo aus Ungarn, und einer aus Schweden. Die Vorſehung gab dem letztern mehr Federn, weil er im kalten Lande wohnt, als jenem im heiſſen Ungarn. 9) Gold - und Silber - tropfen mit ihren Schwaͤnzen, die ſonſt ſo zerbrechlich ſind, und gern abfallen. h) Auch aus Portugall ein Todtenkopfſchmetterling. Das Thier iſt alſo in al - len Welttheilen zu Hauſe! i) Portemiroirs aus Ben - galen mit runden Spiegeln. k) Eine Waſſerwanze aus Surinam, die auch die Jungen auf dem Ruͤcken traͤgt. l) Eine gar ſonderbar gebildete Spinne, die ſich ohne Zeichnung nicht beſchreiben laͤſt.

O o 4Hierauf584

Hierauf beſuchte ich den

Kupferſtecher M. H. Vinkeles, einen der groͤſten jetzt in Holland lebenden Kuͤnſtler in dieſem Fache. Ein junger hoͤflicher Mann, der ſich in Paris formirt hat. Er hat das amſterdamer Komoͤdienhaus, wies im Brande ſtand, geſtochen. Man kan aber keine Abdruͤ - cke mehr davon haben. Ich ſah ihn mit dem Grabſti - chel arbeiten. Die Zeichnung hatte er auf der linken Seite liegen, und das Mikroſkop allezeit in der linken Hand. Er hat viele Ausſichten, Straſſen und Gegen - den von Paris geſtochen, hat auch Mosheim, Rabe - ner und Gellert in ſeiner Bibliothek, auch eine ſtarke Kupferſtichſammlung. Ein Portrait in Migniatur mit kleinen Verzierungen zu ſtechen, fordert er 24. Gulden; iſt eine Hand dabei, ſo koſtets ſchon mehr. Die geſto - chenen Platten druckt er nicht ſelber ab.

Darauf beſah ich

M. H. Noepe’s Windmuͤhlen, das Holz zu ſaͤ - gen. Er iſt ein Vetter von M. H. Trouillart, und hat 2. ſehr wohl eingerichtete Muͤhlen bei der Stadt. Mit einer ſehr ſimpeln Maſchine, und mit ſehr wenig Leu - ten ſaͤgt man das Holz in kurzer Zeit, wie man will. Das Holz bekoͤmmt er von Riga, Narva, Norwe - gen, und auch vom Rhein. Eine Muͤhle dazu koſtet hier 16000. Gulden, in Saardam kaum die Haͤlfte, weil der Grund dort nicht ſo theuer iſt. Er hat auf je - der 3. Kerle, einen Aufſeher, und einen Jungen. Man bezahlt ſie mit 8. 6. 7. auch 3. 4. Gulden woͤchentlich. Ein Baum von 30. Schuh in die Laͤnge, wird in $$\frac{5}{4}$$ . Stun - den zerſaͤgt. Er verkauft die Breter in der Stadt, mehr aber nach Spanien, Frankreich und Surinam. Die585Die Maſchine hat 8. Saͤgen, und zieht den Baum im - mer ſelber nach ſich. Man kann ſo viel Saͤgen gehen laſſen, als man will, und eben ſo auch die Dicke der Breter ſehr leicht beſtimmen. Iſt der Wind ſehr ſchwach; ſo geht die Maſchine nicht. Kommt er aber nur nicht von der rechten Seite, ſo iſt zu oberſt eine Einrichtung, daß man die ganze Muͤhle am Kopf drehen kan. Eine Achſe, die auf vielen Rollen liegt, dreht ein Rad, und das Rad dreht den Baum, an dem die Fluͤgel ſind. Steigt man bis hinauf, ſo hat man oben eine liebliche Ausſicht. Den Schmutz von den Haͤnden reiben die Leute mit dem feinen Saͤgemehl ab.

Bemerkungen.

Eine Probe von der Verachtung, womit in groſſen und reichen Staͤdten unſer heiliges Chriſtenthum belegt wird, iſt folgendes. Eine ſchlechte Gaſſe in der Stadt, wo lauter liederliche Weibsperſonen wohnen, heiſt: der ſuͤſſe Jeſus Steg. Wie erſchrecklich weit geht der Leichtſinn und der Undank!

Den 19ten Aug.

Das Wichtigſte von dem, was mich heute beſchaͤftig - te, war, weil einige Beſtellungen wieder kontremandirt wurden, die

Bibliothek des Sgr. Crevenna, eines ſehr reichen italiaͤniſchen Kaufmanns. Er ſpricht nur fran - zoͤſiſch und italiaͤniſch, und hat eine Bibliothek fuͤr ſein Vergnuͤgen aus allen Faͤchern der Gelehrſamkeit ge - ſammelt. Ich ſah die Naturgeſchichte und die klaſſi -O o 5ſchen586ſchen Schriftſteller durch. In jenem Fach hat er alle Alten, und von den Neuern wenig von Linne, aber den Buffon, Knorr ꝛc. In dieſem die ſchoͤnen engliſchen und pariſer Ausgaben. Der Katalog iſt in 6. Quart - baͤnden gedruckt, das uͤberhebt mich einer weitern Anzei - ge, auſſer, daß ich da geſehen habe: 1) Joannis de Janua Catholicon, vom Jahr 1460. Maynz. Das erſte Buch, das mit gegoſſenen Lettern gedruckt worden iſt. 2) Die erſte gedruckte Ausgabe vom Virgil auf Pergament 1470. Venedig. 3) Die ſchoͤne Glas - gower Ausgabe vom Cicero, in 20. Baͤnden. Der Text iſt nach der Olivetſchen in Paris in gros 4to.

Heute Mittag[l]as ich in der mittelſ[t]en Bibel bei Mr. Thibault. In Amſterdam ſind 3. Wirthshaͤu - ſer, die ſo heiſſen.

Heute ging die Trommel von der oſtindiſchen Kompagnie herum, daß alle Matroſen und Soldaten ſich am Hauſe der Oſtind. Komp. einfinden ſollten, von da ſie nach den Schiffen gebracht werden, die jetzt erſt lange noch im Texel liegen bleiben.

Bemerkungen.

So angenehm Amſterdam iſt, wenn man ſchoͤnes Wetter darin hat, und ich war ſo gluͤcklich, lauter ſchoͤne Tage zu haben, ſo haͤßlich ſtinkt es auch, wenn die Hitze anhaͤlt, aus allen Kanaͤlen, und ſonder - lich grade vor den Thoren an den Waͤllen und Mauern, womit die Stadt umgeben iſt.

Den587

Den 20ten Auguſt.

Mein erſtes Geſchaͤft war heute, das

Mineralienkabinet bei M. H. Engelbronner zu beſuchen. Der Beſitzer iſt ein ſehr artiger deutſcher Kaufmann, und zugleich Schriftſteller in der Mineralo - gie, hat einen Katalog von einem hier verkauften Kabi - nette verfertigt, mit ſeinen eignen Anmerkungen begleitet, und ihn an Linne geſchickt, und viele ſchoͤne Sachen aus Schweden von dieſem groſſen Gelehrten erhalten. Bei vielen Stuͤcken liegt noch der Zettel mit der Hand - ſchrift des verehrungswuͤrdigen Gelehrten, den keine buf - fonſchen Witzeleien laͤcherlich machen koͤnnen. Hr. En - gelbronner ſammelt auch Konchylien, die hatt ich aber genug geſehen, und die Boͤrſenzeit ſchraͤnkte uns ein, ich beſah alſo die Mineralien, und beſonders: 1) Groſſe Granaten aus der Levante. 2) Alte Bernſteinkuͤgel - chen, die er ohne Ortsangabe erhalten hat. In der Mit - te hatten ſie ein Loch. 3) Drei Oculos Cati aus Oſt - indien. Hatten viel Aehnlichkeit mit dem Auge. 4) Granatenmutter, von Linne erhalten. 5) Chryſo - pras der Alten, aus Oſtindien. Das Sahlband iſt Mica. Achat mit Pyriten darin, aus Ungarn. 7) Achates Pardaleon, braun mit ſchwarzen Flecken. 8) Heliotropius achates, mit den rothen Tuͤpfeln. Er hat dies Stuͤck aus einem hieſigen Kabinet gekauft, die groͤſte Platte, die bekannt iſt, uͤber ½. Spanne lang, und eben ſo breit. 8) Ein Toͤpfchen von gekochtem Reis, aus Oſtindien ſehr artig, die Leute dort wollen aber nicht ſagen, wie ſie der Bruͤhe dieſe Konſiſtenz geben. 10) Groſſe Stuͤcken Borax aus Perſien, 1. von 15. Unzen588Unzen*)Ich weis nicht, ob das die naͤmlichen ſind, die Hr. Ferber in dieſem Kabinette ſah. S. ſeine Mineral - geſchichte verſchiedener Laͤnder S. 333. d. 20. Sept. 1779.. 11) Zinnober in Quarz, aus Ungarn. 12) Asbeſtes pretioſiſſimus, aus Oſtindien, gar ſchoͤn, uͤberhaupt eine herrliche Sammlung Asbeſtarten.

Ich machte den Mann mit Sage’s Miner. doci - maſt. bekannt, und verlohr ihn ungern.

Der Weg fuͤhrte mich an der Boͤrſe vorbei. Da war ein erſtaunendes Getuͤmmel und ein ſchrecklicher Auf - lauf. Ein Jude ſtahl an der Boͤrſe einem Kaufmanne die Uhr, und wie er auch die Tabatiere holen wollte, merkt es der Kaufmann und ſchrie, gleich ſchlugen alle um ihn herum mit den Stoͤcken auf den Juden los, und die Gerichtsdiener bekamen ihn kaum in dem Zudringen der Juden.

Von da ging ich noch einmahl zum Mittagseſſen zu Mr. Trouillart, und nahm darauf Abſchied von die - ſem edlen guten Manne, der als ein weiſer und zufriedner Chriſt mit einer vortreflichen Frau in einer ſehr vergnuͤg - ten Ehe ſchon lange Jahr lebt. Iſt es nicht Schmerz, viele gute Menſchen, wenn man ſie kaum gefunden hat, wieder zu verlieren!

Nach Tiſche beſah ich in einer brillanten Geſellſchaft das

Gemaͤlde - und Chineſiſche Kabinet des Mr. Loquet. Der Beſitzer iſt ein ſehr reicher Kaufmann,der589der es ſelten ſehen laͤſt, und es ſogar dem franzoͤſiſchen Am - baſſadeur abgeſchlagen hat. Ich erhielt ſchon um 7. Uhr ein Billet von Mr. Lacoudré, darin ich benachrichtigt und beſtellt wurde. Aber ich kan hier nichts ſagen, als es iſt unbeſchreiblich ſchoͤn. Wohl dem ders ſehen kan! Jahre lang koͤnnte man da ſtudieren. Das ganze Haus ſteht voller Kunſtwerke. Man muß das, oder das Ho - peſche Kabinet ſehen. Gemaͤlde mit Thautropfen auf den Blumen. Koͤpfe von Vandyck und Ru - bens. Stuͤcke, an denen Rubens, Breughel, und Sneyers gearbeitet haben. Ein Frauenzimmer aus Wachs, das 5. 6. Stuͤcke ſpielt. Unter einer Uhr eine kleine Orgel, die fuͤr ſich allein ſpielt. Ein Krucifix aus Elfenbein, mit dem bewundernswuͤrdigſten Kopf. Schlachten in Holz ausgeſchnitten. Su - ſannen im Bade aus einem Stuͤck Elfenbein. Chi - neſiſches Schnitzwerk, wie Gitter, in Elfenbein. 30. -40. Kugeln in einander. Wo man hinſieht was anders, und uͤberall Pracht. Blind, neidiſch, muͤde, im Loben erſchoͤpft, entzuͤckt, erſtaunt, verliebt, hungrig und durſtig wird einer da.

Und ſo beſchloß ich dann meinen Aufenthalt in Am - ſterdam. Vierzehn Tage gingen weg, wie ein ſuͤſ - ſer Traum. Das Schoͤnſte hab ich geſehen, das herr - lichſte Wetter hatt ich, aber doch gabs Morgens und Abends ſchon dicke, feuchte, ungeſunde Luſt. Auf dem Papier iſt alles nahe bei einander, aber in der Stadt kann man ſich matt und voll Schweis laufen, wenn man etwas ſehen will. Dukaten haben hier Fluͤgel. Die Zeit verlaͤuft einem unter den Haͤnden. Ach! du liebes, herrliches Amſterdam, dich ſeh ich wohl ſchwer -lich590lich wieder! Morgen muß ich fort, noch etliche Oerter in Holland beſuchen, und dann gehts wieder naͤher Deutſchland zu.

Den 21ſten Aug.

Von Hrn. Goel erhielt ich einen Brief nach Ma - ſtricht an Mr. Monachon, Kapitain in Dienſten der Gen. Staaten. Und dann macht ich mich auf die

Reiſe nach Utrecht.

Man rechnet bis dahin 7. Stunden, aber es ſind wohl 10. Das Pferd geht immer im Trabe, und wir fuhren doch von 1-8. Uhr. Ein herrlicher Weg iſts auf der Amſtel, und hernach auf der Vechte. Die Ka - naͤle ſind ſehr breit und hell. Zu beiden Seiten bis nach Utrecht ſieht man weder Felder noch Wieſen, uͤberall nichts, als die herrlichſten, angenehmſten, praͤchtigſten Landſitze. Die Schiffe, die von beiden Staͤdten auf - und niedergehen, ſind auch immer mit einer Menge Men - ſchen beſetzt. Jeder zahlt 16. Stuͤber. Man paſſirt viele kleine Doͤrfer, wo allemahl die ſchoͤnſten Ziehbruͤ - cken ſind, die man von weitem aufhebt, damit das Schiff mit dem Maſt durchkan. Kurz vor Utrecht liegt ein groſſes Dorf, davon . von Juden bewohnt werden. Das Schiff legt eine Viertelſtunde von der Stadt an, und dann muß man ſchon den Eingang ins Thor bezah - len.

Ich nahm mein Quartier bei Mr. Obelet, im Ka - ſtel von Antwerpen, wo der Tiſch theurer war, als anderwegen.

Bemer -591

Bemerkungen.

Die Hollaͤnder lieben ihren Thee ſo ſehr, daß ſie auch aufm Schiff, das nur von einer Stadt zur andern geht, kochen. Zu ihrem Tobak trinken ſie rothen Wein.

Perucken ſind hier im Lande ſo gewoͤhnlich, daß ſie auch von kleinen Kindern getragen werden. Die Klei - der ſind meiſtens entweder ſchwarz oder blau. Kauf - leute auf den Komtoirs, wickeln uͤber den Aufſchlag aus Sparſamkeit ein Stuͤck Flor, damit das Kleid nicht abge - rieben wird. Die Kleidung der Frieslaͤnder iſt von der uͤbrigen ſehr verſchieden.

Den 22ſten Aug.

Heute beſucht ich gleich den

Botaniſchen Garten, den man hier den Stadts Tuyn onder de Linden nennt. Ich fand ihn ziemlich gros, ſchoͤn eingerichtet und wohl verſehen. Doch ſind die Namen noch groͤſtentheils wachendor - fiſch. Neuhaus, ein feiſter Mann, iſt Prof. der Bo - tanik hier. Ich fand darin: 1) Baſella americana, aus deren ſchwarzen Fruͤchten die Indianer eine ſchwarze Dinte machen. 2) Caffee, aus eigenen Fruͤchten ge - zogen. 3) Myrtis odor. deren Blaͤtter einen herrli - chen Caneelgeruch von ſich geben. 4) Die Japaneſi - ſche Palme, mit ihren rauhen Blaͤttern, wovon der Palmwein gemacht wird. 5) Palma Chamaerops. die hier und ſonſt noch nirgends im Lande gebluͤht hat. 6) Polypodium americanum, Das Gelbe, was man auf den Blaͤttern ſieht, ſei’s nun Bluͤte oderſchon592ſchon Frucht, ſieht unter einer maͤſſigen Vergroͤſſe - rung herrlich aus. 7) Rivinia americana hatte eben rothe Fruͤchte. 8) Heliotrop. odor. in der Bluͤte, die wie die beſte Vanille roch. 9) Ricinus mit dem brau - nen Stiel. 10) Eine beſondere Ficus Wachendorf. 6te Spec. 11) Ein Brodbaum, noch jung. Bro - wallia. 12) Meſembryanthemum, oder Eis - pflanze, Blaͤtter und Stiele ſind mit kleinen Kryſtalli - ſationen bedeckt, wie Eis, die kalt anzufuͤhlen ſind, und zerdruͤckt, Waſſer ins Geſicht ſpritzen. 13) Echinoca - ctus, ganz rund mit vielen Warzen, und auf jeder eine Menge Stacheln nach jeder Seite. 14) Euphorbia Caput Meduſae. 2. auſſerordentliche groſſe. 15) Pal - ma, mas et ſoem. 200. Jahr alt, und ſchon 2. Kin - der von den Alten, die 52. Jahr alt waren. 16) Sola - num Melongena, oder Eierpflanze, trug weiſſe laͤng - lichte Fruͤchte wie Eier. 17) Laurus Camphora, ſehr gros mit vielen Rejettons in Toͤpfen. Neuhaus hat davon wirklich Maſſen von Kampher von der Groͤſſe ei - nes Sechſtehalb herausgezogen. 18) Liriod Tulpif. bluͤht hier auch nicht. 19) Urtica Romana, deren Frucht ſo empfindlich in die Naſe ſticht. Aus dieſem Garten ging ich auf die

Schneidekammer, oder das Theatrum anato - micum. Sie iſt faſt ſo gros, als die in Leyden. Es ſind Praͤparata und Naturalien da, unter andern: a) Ein Stein aus einem Menſchen, uͤber 1. Pfund ſchwer. Der Mann ward doch 84. Jahr alt. b) Ein Schiff aus der Straat Davis, aus Wallfiſchhaut gemacht, lang, rund, und auſſer einer Oefnung in der Mitte, wo man eine Figur aufgeſetzt hat, ganz zu. Ueber dieſem Saal ſteht

Das593

Das Modell des Tempels Salomons. Der Prof. Mill, der ehemals hier war, hat es auf eigne Koſten machen laſſen, und es dann der Univerſitaͤt ver - macht. Man hat 7. Jahre daran gearbeitet, es ſoll ei - nige 1000. Gulden koſten. Alles daran iſt aus Holz, und meiſt weislicht angeſtrichen. Alles was die Schrift nach Ellen angibt, iſt hier in Zollen nachgemacht*)Das Verhaͤltniß an dieſem Modelle iſt ſo, daß man 1. Zoll fuͤr 24. angenommen, und es alſo 24 mahl kleiner gemacht hat. Ueberhaupt iſt es 16. Schritte lang und 10. breit. Herausgeber. . Die beiden Saͤulen, Jachin und Boas, und das eher - ne Meer ſind aus Kupfer. Die Vorhoͤfe fuͤllen das gan - ze Zimmer. Es ſind eine Menge Fenſter mit Gitter - werk daran. Die Treppen und Thuͤren ſind gar artig. Am Tempel ſelber oͤfnet man einen Theil, ſo ſieht man das Heilige und Allerheiligſte. Die 2. Vorhaͤnge ſind von Pers, der Schaubrodtiſch von vergoldetem Holz. Im Allerheiligſten ſteht die Bundslade, und darauf groſ - ſe Engel mit Fluͤgeln. Auch der Thron, auf dem Sa - lomo bei der Einweihung ſas, iſt nicht vergeſſen. Die guͤldenen Leuchter ſind gar ſchoͤn. Es ſcheint aber, daß man den andern Tempel zu Chriſti Zeiten zu viel kopirt hat. Der Aufſeher wollte mir auch eine Thuͤre fuͤr die ſchoͤne, Apoſt. Geſch. III, 1. ausgeben ꝛc. Hierauf lernte ich

Hrn. Dr. Boddaert kennen. Er iſt ein Arzt, der aber nicht praktizirt, und ſich blos dem Studium der Na - turgeſchichte, ohne grade einen beſtimmten Theil zu waͤhlen, widmet. Er iſt ſchon bei Jahren, lieſt zwar deutſcheSchriften,P p594Schriften, bat mich aber wegen des Redens, fra[n]zoͤſiſch zu ſprechen, zeigte ſich aber gleich mit offner Seele. Sei - ne kleine Konchylien - Fiſch - und Schmetterlingsſamm - lung ſteht in einem engen Raum zuſammengepfropft. Ich ſah und bemerkte darin Folgendes: 1) Die Telline, die im erſten Bande unſrer berliner Akademie beſchrie - ben iſt. 2) Die Teſtudo cartilag. die Lacerta am - boin. den Chaetodon etc. und alle die Originalien aus Schloſſers in Amſterdam Sammlung, die Boddaert mit illuminirten Kupfern, hollaͤndiſch und lateiniſch in 4to beſchrieben hat. 3) Ich erfuhr, daß der lange Sta - chel, den ich von van der Moelen in Amſterdam zum Geſchenk erhalten hatte, nichts anders iſt, als die Pen - natula juncea aus Groͤnland, die Pallas im Elench. Zooph.*)Boddaert hat dies Buch ins hollaͤndiſche uͤberſetzt, und viele ſeltene Stuͤcke, und auch dies dazu in Ku - pfer ſtechen laſſen. beſchrieben hat. 4) Auch ſah ich viele Ko - rallen - und Zoophytenſtuͤcke mit Polypen, welche die beſte Widerlegung der muͤlleriſchen Einwendungen ſind. An jener Penn. junc. die Boddaert hat, ſaſſen auch Anhaͤngſel von Polypen.

Ich erhielt von ihm einen Ourſin mit Stacheln, und einen kleinen Nautilus zum Geſchenk. Wir rede - ten ab, morgen mit einander beim Apotheker Julianus zuſammen zu kommen. Als ich ihn verlaſſen hatte, be - ſucht ich

Die Fundatie oder das Kinderhaus der Frau von Renswoude. Dieſe reiche, und was un - endlich mehr iſt, dieſe menſchenfreundliche Dameſtiftete595ſtiftete 3. Haͤuſer in Delft, im Haag, und in Utrecht, wo junge faͤhige Knaben, aus andern Waiſenhaͤuſern aus - gehoben, alles frei und umſonſt lernen koͤnnen, nur keine Theologie. Zu jedem dieſer Haͤuſer legirte ſie 25. Ton - nen Goldes. In dieſem hier ſind 12. junge Leute, ſie haben eine praͤchtige Wohnung, einen groſſen Lehrſaal, ſchlafen 2. und 2. in Betten mit Umhaͤngen, tragen blaue Kleider mit rothem Futter und zinnernen Knoͤpfen. Sie haben 12. Lehrer, mahlen alle ihre Lehrer aufs praͤchtigſte ab, machen Modelle von Windmuͤhlen ꝛc. haben eine Zeichenkammer, wo Modelle vom menſchlichen Koͤrper und Gliedern liegen, zeichnen die vortreflichſten Landſchaf - ten auf ihre Tapeten, haben ihre eigne Kornkammer, und oben auf dem Dach die praͤchtigſte Ausſicht. Beim Eſ - ſen iſt allemahl ein Vater und eine Mutter zugegen. Das Zimmer, worin die Lehrer ihre Verſammlungen halten, und wo das Leinenzeug und das Silber verwahrt wird, iſt gar praͤchtig. Es haͤngt darin ein Gemaͤlde von der edlen Frau, die ihr Geld ſo wohl anzuwenden wuſte, und noch andre ganz koſtbare Stuͤcke von jungen Leuten, die hier gebildet wurden, und jetzt in Amſterdam mit Ma - len viel Geld verdienen. Da ich ſo nah war, ſo muſt ich doch auch

Zeyſt beſehen. Das iſt ein herrenhutiſches Dorf, 2. ſtarke Stunden von Utrecht, das von jedem Fremden beſucht zu werden verdient. Der Weg iſt faſt ganz ge - pflaſtert bis dahin, wo er ſich nach der rechten Seite wendet, und durch einen tiefen Sand fortgeht. Da ſieht man recht die herrlichen Felder um Utrecht herum, und erblickt auch wieder Aecker, und ſieht pfluͤgen ꝛc. das man ſonſt in Holland nicht zu ſehen bekommt. DieP p 2Leute596Leute bauen hier viel Buchweitzen oder Heidekorn ꝛc. Das Dorf ſelber iſt in Abſicht der Lage und der Gebaͤude, eins der ſchoͤnſten Oerter, die man ſehen kan. Die Baͤume vor den Haͤuſern uͤberwoͤlben ſich, und geben die ſchoͤn - ſten Spaziergaͤnge ab. Die Einwohner ſind groͤſten - theils Herrenhuter, und Profeſſioniſten, die ihre Arbeit in der ganzen Welt herum verſenden, und ſelbſt auch vie - le engliſche Waaren verkaufen. Sie ſind groͤſtentheils Deutſche, man redet daher hier deutſch, kleidet ſich deutſch, und der Unterſchied der Deutſchen und der Hol - laͤnder iſt ſichtbar. Als maͤhriſche Bruͤder ſind ſie alle ſtill, beſcheiden, liebreich, ſprechen wenig, ſind gegen je - den Fremden hoͤflich, ſprechen aber gern von der Re - ligion.

Ich ſprach mit einigen Bruͤdern, und verſicherte ſie, daß wir in der Kirchengeſchichte ihre Verdienſte in Groͤn - land wohl zu ſchaͤtzen wuͤſten, und daß ich Cranzens Geſchichte von Groͤnland mit Erſtaunen geleſen haͤtte. Dagegen erfuhr ich wieder von ihnen, daß Cranz ge - ſtorben iſt, und daß Oldendorp jetzt in Neuwied die Geſchichte fortſetzt, und wirklich eine von St. Thomas, die auch fuͤr die Naturgeſchichte wichtig waͤre, geſchrieben hat, und daß wirklich auch in Labrador durch den Dienſt der Bruͤder ein Heide ſei getauft worden. Wir ſprachen noch manches uͤber die proteſtantiſche Kir - che, und ich freute mich ſehr, daß die Leute nicht ſpiel - ten, aber groſſe Begriffe von der Herrlichkeit des Erloͤ - ſers hatten, und ſo verlies ich mit den beſten Wuͤnſchen fuͤr das ruhige Leben und Gluͤck dieſer wahrhaftig guten Menſchen einen ſo angenehmen Ort; beſah jedoch vorher noch ihre

Waaren. 597

Waaren. Die ſchoͤnſten ſtehen in Haͤuſern, die in der Mitte des Orts ringsherum gebaut ſind, und wie ein wahres Schlos ausſehen. Sie zeigen ſie alle, wenn man nur in einer etwas kauft. Einer zeigt des andern ſeine Waare, alle oͤffnet Ein Schluͤſſel. Alle ihre Sachen ſind im engliſchen Geſchmack, und haben alle Zettel anhaͤngen, worauf der Preis ſteht. Bieten kann man da nicht, man zahlt, was darauf ſteht. Daher verkauft auch einer fuͤr den andern. Schoͤn, und fein ſind ihre Waaren, und der Preis iſt nicht uͤberſetzt, vieles iſt um die Haͤlfte, manches um 6, 7. Gulden wohlfeiler, als in Amſterdam. Man ſieht alle moͤgliche Sachen, und koͤnnte ſich da in kurzer Zeit eine ganze Haushaltung, Garderobe, Meublen, Galanterien ꝛc. anſchaffen. Wers Geld lieb hat, muß nicht hierher kommen. Es iſt ein verfuͤhreriſcher Anblick. In dem andern Theil dieſer Gebaͤude wohnen die Schweſtern. Ich wartete auch ihren

Gottesdienſt ab. Alle Abende um 7. Uhr wird eine Betſtunde von einer ſtarken halben Stunde gehalten. Ihre Kirche, denn es iſt noch eine andre im Orte ſteht in der Mitte, iſt ein ſchoͤnes Gebaͤude, ganz neu, gros, hell, hat eine Orgel, aber keine Kanzel, ſondern nur ein erhoͤhtes Tiſchchen, und eine kleine Glocke. Man rechnet die Gemeine auf 400. -430. Familien, und fuͤr dieſe iſt ein Prediger angeſtellt. Der Geſang war deutſch, zart, lieblich, einnehmend, ſanft, ruͤhrend. Dann las der Prediger eine kurze Rede uͤber Dan. XII. Du biſt mir lieb und werth, ab. Die Anrede war: Meine liebe Geſchwiſter, und der Hauptgedanke, daß in dieſer Verſicherung des Heilandes, denn bei dem war erP p 3gleich,598gleich, mehr liege, als ein Menſch faſſen koͤnnte, daß jede Seele es auf ſich zu ziehen wuͤnſche, aber unge - wis ſei, ob ſie’s auch thun duͤrfe ꝛc. Das alles ward mit einer lieblichen, zarten, freundlichen Stimme vorge - tragen. Ich konnte leider nicht viel mehr davon hoͤren, weil ich noch nach Utrecht zuruͤcklaufen muſte, eh das Thor geſchloſſen wurde, aber man ſage, was man will, waͤr ich nahe bei dieſem gluͤcklichen Ort, ich kaͤme oft zu dieſen Verſammlungen.

Auf dem Ruͤckwege kam ich erſt ins Regenwetter, hernach ſah ich etlichemahl das ſogenannte Sternſchieſ - ſen. So geſchwind wechſelt die Witterung in dieſem Lande ab.

Den 23ſten Aug.

Heute beſah ich

Van Molls Seidenhaſpel. Dieſer Mann, der nun ſchon 30. Jahre todt iſt, hat in ſeinem praͤchtigen Garten hauſſen vor der Stadt eine groſſe ſehenswuͤrdige Maſchine, die Seide abzuhaſpeln, zuerſt angelegt. Der Platz fuͤhrt noch ſeinen Namen, die Fabrik aber und der Garten dabei gehoͤrt ſeiner Wittwe, die nachher einen Ciderveldt geheirathet hat, von dem ſie auch wieder Wittwe iſt. In einem groſſen Saal a plein pied ſind 9. Schuh hohe Stellagen in Oval angelegt, auf jeder ſind in 2. Reihen uͤbereinander 140. Seidenſpulen. Ue - ber dieſen iſt ein groſſer Balken, an dem werden die Ha - ſpel eingeſteckt, uͤber dieſe Haſpel haͤngt man die Seiden - ſtraͤnge, und dieſe werden durch das Umwaͤlzen des Bal - kens auf die unten ſtehenden Spulen abgewickelt. Zu - gleich drehen ſich unten die Spulen herum, wickeln dieSeide599Seide auf, und drehen ſie zugleich noch mehr zuſammen. Die ganze Maſchine wird durch ein groſſes Waſſerrad getrieben. Man hat hier Gelegenheit gehabt, dem Waſ - ſer einen gewaltigen Fall zu geben. Das Rad treibt andre kleinere, vermittelſt Kammraͤder und Getriebe, und ſo werden oben die Haſpelbalken, und unten durch Rollen und kleinere Wellen die Spulen herumgetrieben. Ueber dieſem Saal iſt ein andrer, wo kleine Kinder die groſſen dicken Straͤnge in kleinere abhaſpeln. Neben dieſem Saal ſitzt ein Mann, der die gekauften Seiden - ſtraͤnge ſortirt. Man kauft die Seide aus Frankreich, Deutſchland, auch aus Oſtindien, Bengalen ꝛc. Man liebt die franzoͤſiſche oſtindiſche Seide nicht, und mag lieber die engliſche haben. Weiter wird hier die Seide nicht verarbeitet, ſondern man verkauft ſie auf den Spulen an die Seidenweber.

Die Fingerhutfabrik konnt ich nicht beſehen. Ehemals war ſie in der Stadt, da trieb man ſie mit Pferden, jetzt iſt ſie auf dem Bilt, eine Stunde von der Stadt, wo man ſie mit Waſſer wohlfeiler treiben kann. Allein das Regenwetter und meine Zeit erlaubten heute nicht ſchon wieder eine Excurſion von der Art, wie die geſtrige. Dagegen beſah ich das

Kabinet des Hrn. Apotheker Julianus. Unſtrei - tig gehoͤrt das zu den groͤſten Merkwuͤrdigkeiten in Utrecht. Boddaert machte mir Gelegenheit, es zu ſehen, es iſt beſonders in der Ichtyologie, Konchyliologie und Ento - mologie merkwuͤrdig. Ich traf darin mehr ſeltene und fremde Fiſche an, als bisher irgendwo. Pallas und Banks haben auch deswegen den Beſitzer beſucht. Er hat: 1) Den Gobius Boddaerti, ſ. Pallas. 2) P p 4Die600Die Scorpaena volans. 3) Den Callionymus, ganz ſchwarz. 4) Eine Muraena, aus Surinam, die gar beſonders gebildet iſt. 5) Eine Remora mit 2. weiſſen Baͤndern. 6) Einen Silurus, aus Surinam, mit erſtaunlich langen Cirrhis. 7) Eine Amphisbae - na, ganz weis. 8) Die Naja mit der Brille auf dem Kopf. 9) Einen Gymnotus electricus, er hat ein tiefes Blau. Die Flaſche, in welche er, ohne gemeſſen zu werden, gepackt worden, iſt 2. Spannen hoch. Er ſollte lebendig ankommen, ſtarb aber auf der Reiſe. 10) Eine Klapperſchlange, Julianus hatte ſie lebendig. 11) Den Xiphias gladius, noch jung, in Weingeiſt, aber doch der Groͤſte, der, ſoviel man weis, in Kabinettern iſt. 12) Praͤchtige Kolibris und Kotingas. 13) Lacerta corylus, mit dem Stachelſchwanz, eine groſſe Seltenheit. 14) Eine unbeſchreiblich ſchoͤne Sammlung von Inſekten, wo das Auge zuletzt ermuͤ - det, z. B. Pap. Claudia, ſ. d. Naturforſcher, und Caſſida perforata Pallas. Und nun trat ich noch dieſen Abend die

Ruͤckreiſe nach dem Haag

an. Von hier nach Boldyck und Maſtricht iſt keine regulaͤre Voiture. Der Wagen geht nur, wenn Leute genug da ſind, oder wenn einer allein die ganze Fuhre bezahlen will. Ich muſte mich entſchlieſſen, nach dem Haag zuruͤck zu reiſen, ging alſo ins Nachtſchiff, und von Utrecht Abends um 8. Uhr ab. Wir paſſirten

Ammersfort, einen Ort, wo ſehr viel Tobak gebaut wird, und der jetzt, bei dem traurigen Kriege zwiſchenEngelland601Engelland und Amerika, durch dieſe Pflanzung ſehr viel gewinnt.

Woorden, einen langen Ort, der ungemein viele und ſtarke Befeſtigungen hat.

Drauf ſchlief ich ein. Auf Kuͤſſen und Mantelſack ſchlaͤft ſichs auch gut, wenn man muͤde iſt. Des Mor - gens um 4. Uhr war der Anbruch des Tags fuͤr mich auf dem ſtillen Waſſer, ein herrlicher Anblick.

Den 24ſten Aug.

Man rechnet den Weg von Utrecht nach dem Haag auf 14. Stunden, es ſind aber wenigſtens 16. Um halb ſechs Uhr waren wir in

Leyden, und um 9. Uhr im

Haag. Ich bezog mein altes Logis wieder, weil das Schiff nach Herzogenbuſch morgen vor dem Hau - ſe abfahren ſollte, und ſuchte noch Vormittags meine alten Bekannten auf. Nach dem Eſſen beſah ich das

Dr. van Hoey’s Naturalienkabinet, in Geſell - ſchaft des Hrn. Dr. Titius aus Dresden, und Hrn. Sauermanns, und Hrn. Guͤldens von Braun - ſchweig, die nach Engelland reiſten, und mich in Am - ſterdam nicht finden konnten. Eine Menge Fiſche, Schlangen, gar ſchoͤne Sepiae, an denen jede Saug - warze mit vielen Werkzeugen zum Feſthalten verſehen iſt, viele Mineralien, Konchylien und Inſekten ꝛc. Wir plauderten aber ſo viel, daß ich mich auf vieles gar nicht mehr beſinnen kann, und aufſchreiben konnt ich nichts, als daß ich hier das Modell von einem ſehr groſſen Dia -P p 5manten602manten ſah, der ehemals vom Herzog in Burgund, Karl dem Kuͤhnen getragen, und nach der Schwei - zer Schlacht, in welcher er geblieben, von einem Bauer gefunden und an verſchiedene Leute verkauft ward, bis er endlich in des Pabſts Krone kam, wo er ſchade, daß er keinen wuͤrdigern Platz hat! noch iſt*)Hr. Dr. Titius ſagt in ſeinem ſchon vorher angefuͤhr - ten Reiſejournal von dieſem Kabinette. Die groſ - ſe Menge merkwuͤrdiger und ſeltener Schlangen, Skorpionen, Kroͤten, Froͤſche, Spinnen, auch an - dern Inſekten, die alle ſehr gut in Spiritu erhalten ſind, verdient Aufmerkſamkeit. Die Glaͤſer waren ſeiner (des Beſitzers) Verſicherung nach, ſeit 20. Jahren nicht auf - oder umgefuͤllt worden, und den - noch waren ſie ganz voll. Unter den Mineralien iſt eine ſchoͤne Kryſtalliſation des Eiſens von der Inſel Elba. Unter den Verſteinerungen, eine Patelle; unter den Muſcheln viele ſchoͤne; unter den getrock - neten Animalien, eine ſehr ſeltne Beutelkrabbe, die unter dem Schwanz einen Beutel hat, welcher mit einer Klappe verſehen iſt, aus welchem ſie den Saa - men oder die Eier gehen laͤßt, und die gleichfalls nicht gemeine Loos-Krabbe, die in ihren Scheeren eine freie Artikulation hat, und ſie nach allen Seiten hin - drehen kann. Viele ſchoͤne Fiſche, die alle halb und aufgelegt, auch ſo gut praͤparirt ſind, daß ſie nicht das geringſte von ihrer natuͤrlichen Farbe verlohren haben; der feine Firniß, mit dem ſie uͤberzogen ſind, bewahrt ſie fuͤr der Verderbnis. Herausgeber. . Van Hoey iſt ein vortreflicher verbindlicher Mann, und zugleich ein einſichtsvoller Arzt. Hr. Dr. Titius ſprach bei der Gelegenheit von einem Crot. horr. deram603am Schwanze nur einen einzigen Hornartigen Ring haben ſoll.

Abends war ich noch bei Hrn. Treuer, der an ſei - nen Fuͤſſen krank war.

Den 25ſten Aug.

In aller Fruͤh ging ich auf das

Kleine Loo eine kleine Menagerie des Prin - zen von Oranien, noch eine Viertelſtunde unter dem

Haus im Buſch. Alles, was ich da neues geſe - hen habe, war: 1) Sus afric. das Pallas beſchrie - ben hat. Die Zeichnung von ihm entſpricht auch voͤllig der Natur dieſes Thieres. Ich weckte es aus dem Schlaf auf. Grunzen konnte ich nicht von ihm hoͤren; es iſt ein Paͤrchen da, die Leute fuͤrchten ſich, und ſagen, es ſei ſo falſch, d. i. beiſſig, das ſchien mir aber nicht. Ich ging zu ihm hinein, und betaſtete ſeine Borſten. Von der Stirne an gegen den Ruͤcken ſteigt ein ſtarkes Haarbuͤſchel auf. Noch halb im Schlaf waͤlzte und ſtreckte es ſich ganz faul zu meinen Fuͤſſen hin. Auch die Zaͤhne lies es ſich befuͤhlen. Sie waren aber noch nicht gros; das Thter war auch noch jung. In ſeinem Behaͤltniſſe laufen zugleich 2. junge Rehe herum, und dieſe Thiere vertragen ſich friedlich mit einander. 2) Ein Falke vom Kap, der ſchoͤn war. 3) Ein Reiher, Nucha und Gula waren roth, ſonſt alles weisgrau. 4) Simia palatina, war ganz ſchwarz, hatte aber einen dicken weisgrauen Bart. 5) Kavia, in meinen Augen ein merkwuͤrdiges Thier, hat kurze Vorderfuͤſſe, wie ein Kaninchen, lange Laͤufe, wie ein Haaſe, einenzott -604zottichten Schwanz wie ein Fuchs, und gar eine ſonder - bare Bildung des Mundes.

Im Ruͤckwege nahm ich einen andern Theil der ſchoͤ - nen und angenehmen Spaziergaͤnge in Augenſchein, und ſah da, daß alles Heu fuͤr die erbſtatthalteriſchen Staͤlle, und fuͤr die Reiterei in groſſen Hauſen an der freien Lu[ft]auf behalten wird. Man daͤmmet es ſo feſt zuſammen, daß man es hernach herausſchneiden muß. Man glaubt nicht, wie viel Heu in ſo einem Haufen ſteckt. Vor dem Regen fuͤrchtet man ſich dabei nicht, es iſt oben ein Dach daruͤber, daß es ablaufen kan und fuͤr das Vieh ſoll das Heu viel angenehmer ſeyn, als das Heu in den Staͤllen.

Nun nahm ich von meinem Freund Muzenbecher Abſchied, und ging um 12. Uhr wieder mit allerlei Mund - proviſion verſehen, zu Schiffe nach Herzogenbuſch. In

Delft blieben wir liegen bis um 6. Uhr Abends. Die Matroſen hatten $$\frac{5}{4}$$ . Stunden zu thun, bis das Schiff zum Seegeln ausgeruͤſtet war. Und das iſt immer har - te beſchwerliche Arbeit. Kein Wunder, daß ſie meiſt rauhe, plumpe Karaktere ſind, wiewohl auch da keine Regel ohne Ausnahme iſt.

Der Wind war gut, wir ſeegelten ſchnell und kamen bald nach

Delftshaven, einem ſchoͤnen groſſen Flecken mit einem guten Hafen. Wir lagen hier ſtille bis um 11. Uhr, binnen welcher Zeit wir noch viel Leute einnahmen. Dann wurde die groſſe Schleuſe geoͤfnet, und wir kamen in die Maas, die ſehr breit und ſtark war.

Um605

Um Mitternacht paſſirten wir

Rotterdam, wo eben wegen der Kirmes in allen Haͤuſern die Fenſter erleuchtet waren. Einen herrlichen Anblick gibts aufm Waſſer, an einer langen, gleichſam brennenden Stadt, und beſtaͤndig an andern Schiffen vorbei zu fahren!

Bemerkungen.

Die Hollaͤnder koͤnnen zum Theil ziemlich ſaufen, und fangen dann ein tolles Laͤrmen an. Selbſt alte Maͤnner nehmen die Flaſche Brantewein in die Hand und ſingen anakreontiſche Lieder. Zum Singen iſt die Sprache ſehr bequem; ihre Lieder haben viele Abwechs - lung, viel Lebhaftigkeit!

Den 26ſten Aug.

Der Wind hatte ſich etwas gedreht, wir ſegelten langſamer, paſſirten einige Doͤrfer, kamen um Mittag in den Dieſt, einen ſchmutzigen truͤben Fluß vor Herzo - genbuſch, und um halb 2. Uhr waren wir in

Herzogenbuſch. Die Stadt hat auf dieſer Seite eine ſtarke Schanze, die ſie beſchuͤtzt. Die Stadt ſelbſt iſt unter allen hollaͤndiſchen Staͤdten, die ich geſehen ha - be, die ſchlechteſte. Die hollaͤndiſche Reinlichkeit hoͤrt hier auf den Straſſen ſchon auf. Es iſt in der Stadt mehr Laͤndwirthſchaft als Stadtleben. Die meiſten Straſſen ſind krumm und enge, doch ſind einige ſchoͤn, auch einige Plaͤtze mit ſchoͤnen Haͤuſern umgeben. Ich beſah nichts als die groſſe

Stifts -606

Stiftskirche, oder neue reformirte Kirche. Ein Gebaͤude aus erſtaunend hohen Gewoͤlben zuſammenge - ſetzt. Am Eingange vom Schiff der Kirche ſtehen etli - che Pfeiler, drren jeder 30. Fuß im Umkreis hat. An den vielen alten Wappen muß man die Dauerhaftigkeit der Farben von 1420. ꝛc. bewundern. Am Chor findet man eine Holzſchnitzerei von 1620. Chriſti Anbetung von den Weiſen vorſtellend, die aͤuſſerſt fein iſt. An der Or - gel ſind die aͤuſſern Pfeiffen uͤberſilbert, und die mittlern uͤberguͤldet. In einer Kapelle ſteht eine praͤchtige Taufmaſchine von 1492. aus Meſſing, 3000. Pfund ſchwer. In der Mitte iſt die Oefnung. Sie hat einen pyramidenfoͤrmigen Deckel, auf dem oben Figuren der Apoſtel, Paͤbſte ꝛc. ſitzen. Ein Meiſter aus Maſt - richt hat ſie gemacht. Sie iſt 2. Mannshoͤhen gros. An der Kanzel ſieht man ebenfalls ſchoͤne Holzſchnitzereien.

Den 27ſten Auguſt.

Morgens fruͤh um 2. Uhr macht ich mich auf den hollaͤndiſchen Poſtwagen, wo alle Kuffer und Mantelſaͤ - cke hinten im Wagen ſelbſt neben den Paſſagiers befind - lich ſind, wieder weiter auf die

Reiſe nach Maſtricht.

woſelbſt ich auch Abends gluͤcklich eintraf.

Bis hierher iſt die Gegend, wie uͤberall in Holland, Wieſen oder Waſſer oder Sand, kleine Doͤrfer genug. Das Meiſte des Weges, den man auf 22. Stunden rech - net, iſt traurige Heide. Man kommt bald ins Luͤttich - ſche. Da ſpricht man deutſch, franzoͤſiſch, walloniſch,fla -607flamlaͤndiſch. Nicht weit von Maſtricht hat man an - gefangen, die Heide zu bauen, wozu einige reiche Parti - kuliers das Geld hergeſchoſſen haben. Es ſteht ſchon ein Haus mitten auf der Heide.

Man hat hier wieder ander Geld, und eine Rech - nung, die halb hollaͤndiſch, halb brabautiſch iſt. Im luͤrtichſchen trift man, wie in allen biſchoͤflichen Laͤndern, ſchon wieder viele Armuth und Bettelei an.

Den 28ſten Aug.

Maſtricht iſt eine ſchlechtgebaute, alte Stadt, mit krummen Haͤuſern und Gaſſen. Der Paradeplatz und der Platz vor dem Rathhauſe ſind ſchoͤn. Ich logirte au Marechal de Turenne.

Mein erſtes Geſchaͤft heute war, den

Hrn. Hauptmann Monachon, an den mir Hr. Goel in Amſterdam ein Empfehlungsſchreiben gegeben hatte, zu beſuchen. Ich fand einen ehrlichen Schweizer an ihm. Er hat ſeine Stelle unter den hollaͤndiſchen Trup - pen verkauft, ſeinen Rang aber behalten, und lebt als ein Philoſoph und Gartenfreund in einer gluͤcklichen Ehe ganz ruhig. Er und ſeine Frau waren eben mit einem Nota - rius beſchaͤftigt, ein Inſtrument aufzuſetzen, daß ein ge - wiſſer Demilly auf Hrn. Monachon’s Kaffeeplantage in Surinam im Fall, daß der erſte Beſitzer der Planta - ge ſterben ſollte, weil man das in Europa erſt nach 8. Monaten erfaͤhrt, zum Nachfolger beſtimmt ſei. Die Formalitaͤt der Geſetze verlangte dazu 3. Zeugen. Man hatte eben nach dem Nachbar geſchickt, der war nicht zu - gegen, ich kam eben dazu, und ſo erſuchten mich die Leute,das608das Inſtrument zu unterſchreiben. So koͤmmt alſo meine Hand nach Amerika! Hierauf ging ich mit mei - nem Freunde aus, um die

Naturalien des Konſul, Hrn. Regnards, aus dem Meer bei Kadix, zu beſehen. Der Beſitzer iſt der naͤrriſchſte, laͤcherlichſte Mann, den man ſehen kan. Al - len Leuten ſchlaͤgt ers ab, es zu ſehen, ſogar dem Kur - fuͤrſten von Koͤlln hat ers ſo gemacht. Monachon iſt ſein alter Freund, wir verſuchtens alſo, und bekamen doch einen Theil zu ſehen. Eine Menge Verſteinerun - gen vom Petersderge. Petref. Incruſtat. aus dem Meere bei Kadix, woraus man dort Haͤuſer bauet. Viele herrliche Meerkoͤrper; Regnard hatte die Theorie davon, daß alle Korallen weis waͤren, die gelbe oder ro - the Farbe aber ruͤhre vom Saft andrer Meerſchnecken her, die darauf herum kroͤchen. Auch in Feuerſtein hat er viele Verſteinerungen aus der Gegend bei Kadix. Als wir ihn verlaſſen hatten, ſtiegen wir auf den

Petersberg. So heiſt ein Berg auf der einen Seite von Maſtricht. Der erſte Berg, den ich ſeit dem platten Holland wieder geſehen habe. Oben iſt er angebaut, und hat einen ſehr breiten Ruͤcken, den die Bauern in Gaͤrten und Felder verwandeln. Unten iſt er auf der einen Seite ganz mit einer gelblichten Marne, mit einem feinen eiſenſchuͤſſigen Thon angefuͤllt. Aus dieſem Stein haut man alle Bauſteine, die man in der Stadt zum Grunde der Haͤuſer braucht, das uͤbrige Haus wird aus Backſteinen gebaut. Selbſt alle Fe - ſtungswerke ruhen auf dieſen Steinen. Dadurch ſind groſſe ungeheure Loͤcher und Hoͤlungen auf allen Seiten durch den ganzen Berg entſtanden, in denen man ſichohne609ohne Fackeln und Wegweiſer verirren koͤnnte. Man ſieht uͤberall die Eingaͤnge, wie die Loͤcher zum Avernus. Man braucht den Stein auch als eine fruchtbare Mergel - art auf die Felder. Weil unten alles ausgehoͤhlt iſt; ſo ſtuͤrzt ſehr oft in einer Nacht ein groſſes Stuͤck vom obern Berge ein, ſo daß die Bauern die Aecker ſuchen muͤſſen. Man begegnet oben uͤberall ſolchen eingeſunke - nen Feldern. Man baut dann Kuͤchengewaͤchſe darauf, wo man mit der Hacke zukommen kann. Geht man hinein, ſo iſts ſehr kuͤhl darin, und die Gaͤnge ziehen ſich krum hinein. Die Leute, welche am Fuß des Berges wohnen, brauchen dieſe Hoͤlen als Behaͤltniſſe fuͤr ihr Heu ꝛc. Das ſonderbarſte aber iſt, daß dieſer Stein, wenn er viel tragen und lange dauern ſoll, grade ſo wie - der gelegt werden muß, wie er im Berge gelegen hat. Die Steinbrecher machen daher gleich auf die obre hori - zontale Flaͤche jedes Stuͤcks ein Kreuz. Legt man ihn wieder ſo, ſo dauert er unendlich, und traͤgt Fortifikatio - nen: bringt man ihn aber in eine andre Lage; ſo traͤgt er kaum 100. Pfund und bricht. Auf der andern Seite des Bergs flieſt die Maaß, und da iſt der Berg mit Verſteinerungen und Kieſeln angefuͤllt.

Auf dieſem Berge blickt ich ſchon wieder von weitem auf die geliebten Fluren Deutſchlands hin, und bewill - kommte ſie mit patriotiſcher Freude.

Den Reſt des Tags brachte ich mit meinem Freunde Monachon hin. Hofmann’s Verſteinerungskabinet war nicht zu ſehen. Wir waren im Blumengaͤrt - chen, und ſprachen wovon? Ach ja, von Pflanzen und Thieren, bis ich Nachts um 10. Uhr von meinem Freunde und ſeiner vernuͤnftigen Gattin in meine Au -Q qberge610berge begleitet, leider auch dieſe wackern Leute wieder ver - lor.

Reiſe nach Aachen.

Den 29ſten Aug.

Man rechnet den Weg von Maſtricht nach Aachen 6. Stunden. Faſt beſtaͤndig geht er bergan. Da merkt mans dann, daß man in einem platten Lande ge - weſen iſt. Aber die weiten fruchtbaren Felder zu beiden Seiten der Berge, die reine friſche Luft, und die laͤndli - che Arbeitſamkeit des deutſchen Bauers, freuten mich wieder unendlich. Eine Viertelſtunde von Maſtricht, iſt man ſchon wieder in Deutſchland, und wers nicht Holland und Frankreich vorzieht, der iſt nicht werth, daß er bei uns gebohren iſt.

Aachen. Ich trat bei Hr. Fink au dragon d’or ab, und konnte mich wegen der Poſteinrichtungen, die man nicht wie Treckſchuyten haben kann, wenn man will, nicht lange aufhalten. Ich beſah indeſſen

Die Baͤder. Sie ſind alle warm; man badet und trinkt. Die meiſten ſind ſo warm, daß man kaum die Hand darin leiden kann. Sie ſehen auch ſo truͤbe aus, wie kochendes Waſſer. Geſchmack und Geruch ſind eckelhaft ſchweflicht. Einige ſind in die Stadt geleitet, auſſen aber in der Quelle ſind ſie noch waͤrmer. Bei Burſcheid, einem Flecken nicht weit von der Stadt, iſt ein kochender Brunnen auf der Straſſe mit einer Brunnenſchale umgeben. Man kan in wenigen Minu - ten ein Ei darin ſieden. Man hat hoͤlzerne Kaſten uͤber die warmen Daͤmpfe, und ſteigt bis an den Hals in denKaſten,611Kaſten, dadurch entſteht ein ſo heftiger Schweis, daß man es nur 6. 8. Minuten aushaͤlt. Bei den Leitun - gen in der Stadt ſind keine Badewannen, ſondern in je - dem Badzimmer iſt ein ausgemauertes Bad, wo man auf Stuffen hineinſteigt. In jedem Badzimmer findet man auch die ſogenannten Douches oder Pumpen, wodurch man das Waſſer auf gelaͤhmte Glieder oder andre Schaͤden mit groſſem Nutzen fallen laͤſt. Es ſind Spaziergaͤnge dabei angelegt, und eine Gallerie, auf welcher die Stadt durch ihre Muſikanten alle Morgen bis 9. Uhr, ſo lange da getrunken wird, Muſik machen laͤſt. Groſſe Wohl - that Gottes, die nur ein Leichtſinniger kalt und unem - pfindlich anſehen kan!

Das Meſſingmachen. Die Leute machens, und kennen den Namen nicht, ſie nennens Kupfergieſſen. Man hat wohl 20erlei Art Kupfer hier, aus Ungarn, Norwegen, Sponheim ꝛc. Das Saxum fuſo - rium kommt aus St. Malo. Den Galmei hat man hier, der ſchmutzigſte iſt oft beſſer, als der gelbgruͤne. Man hat nur 2. Ofen, in jeden werden 8. Toͤpfe in einen Kreis geſetzt. Man gieſt nicht alle Tage, und feuert mit Holzkohlen, welches das Eigene dieſer Werke iſt.

Die Fingerhutfabrik, gleich dabei gelegen. Aus angefeuchteter ſchwarzer Erde macht erſt einer nach einem Modell die Stoͤpſel oder Modelle, uͤber die hernach die Huͤte gegoſſen werden. Alle dieſe kleinen Pyramiden von Erde werden in ein durchloͤchertes Bret reihenweiſe ge - ſteckt. Auf dieſes koͤmmt ein andres Bret mit korre - ſpondirenden Loͤchern. Das wird darauf durch Schrau - ben feſt gemacht. Nun ſetzt der Arbeiter die Breter erſt zum Ofen hin, daß die Erde etwas trocken wird, und ar -Q q 2beitet612beitet unterdeſſen an einem andern. Indeſſen ſchmelzt auch das Meſſing im Topfe im Ofen. Der Kerl faßt dann den Topf oben an einem Ringe mit einer Zange, und gieſt das flieſſende Meſſing in das aufrechtſtehende doppelte Bret oben, durch eine Oeffnung ein. Darauf laͤuft es in Rinnen, die ebenfalls aus Erde gemacht ſind, zwiſchen den Reihen hinab; zu jedem Hut iſt eine kleine Queerrinne, da flieſt ſo viel hinein, als zu einem Hut noͤthig iſt; und ſo werden 150. Stuͤck mit 5. -6. Pfund Meſſing auf einmahl gegoſſen. Sie kommen grob und halb voll heraus, werden daher von hier auf Muͤhlen zum Schleifen geſchickt.

Wie reizend iſt es, das menſchliche Leben in ſeinen unterſten Stufen kennen zu lernen, und die Zeit, die Tau - ſende im Arm der Buhlerin, am Spieltiſche, beim vollen Becher oder im Schauſpielhauſe verſchwenden, nuͤtzlichen Beſchaͤftigungen zu widmen! Geſegnet ſeid ihr, ihr Wei - ſen und Rechtſchaffnen in Goͤttingen, die ihr mich zuerſt auf dies Feld fuͤhrtet, und von Roͤmiſchen und Scythi - ſchen Sterilitaͤten ableitetet!

Die Domkirche. Sie iſt ganz im alleraͤlteſten Geſchmack gebaut, nicht gar gros, und beinahe ganz rund. Im Chor iſt viel Gold und Bildhauerarbeit. Vor dem Chor liegt unter einem groſſen weiſſen Steine, wenigſtens ohne ſichtbare Inſchrift, Karl der Groſſe begraben. Oben ſieht man in einer Kapelle ſein Bild - nis in Lebensgroͤſſe. Das war ein Mann! das war ein Fuß! Wachspuppen ſind unſre nervichten Grenadiers da - gegen. Man ſieht auch in einem hoͤlzernen Kaſten den ſteinernen Thron, auf dem der Kaiſer bei der Kroͤnung ſitzen ſoll. Die uͤbrigen Reichskleinodien und Reliquien kan natuͤrlicherweiſe nicht jeder zu ſehen bekommen.

Reiſe613

Reiſe nach Coͤlln.

Den 30ſten Aug.

Dieſen Abend kam ich in Coͤlln an, nachdem ich vorher Juͤlich und Bergen, 2. kleine Landſtaͤdtchen paſ - ſirt hatte. Nichts iſt ſo laͤcherlich, als die wichtige Mi - ne, die ſich die Beſatzung in ſolchen kleinen Plaͤtzen zu geben pflegt. Da gehen ſie ſo fuͤrchterlich vor den Frem - den auf den Poſten am Thor herum, als wenn ſie den Schluͤſſel von ganz Deutſchland zu bewahren haͤtten. Die Gegend hier herum iſt ganz unvergleichlich fruchtbar, abwechſelnd, und war fuͤr mich eine groſſe Erquickung.

Im Thore muß man abſteigen, und ſoll viſitirt wer - den, und dieſe Viſitation muß man noch am Thor und auf dem Zimmer dem hungrigen Soldaten bezahlen. Ein wahres Spielwerk iſts, ein Schatten, ein lahmes We - ſen, ohne Ernſt.

Eine der beſten Aubergen hier iſt der Geiſt am Rheinthore.

Den 31ſten Aug.

Heute war Sonntag. Ich ruhte aus, beſtellte die Poſt, ſchrieb Briefe, ſprach mit daͤniſchen Offiziers, die hier auf der Werbung lagen, und ging dann

Um die Stadt herum. Sie iſt ſo gros, daß man 2. volle Stunden braucht, wenn man ſie ganz um - gehen will. Sie hat eine Menge groſſer und kleiner Thore, und 500. Mann Stadtſoldaten, die alle Thore beſetzen. Der Graben iſt ganz bewachſen, und zum Theil in Garten verwandelt, hat aber einen ſchoͤnen Spa - ziergang, und auf der einen Seite laͤuft der lange Rhein,Q q 3aber614aber nicht gar breit, an den Mauern weg. Es iſt auch eine fliegende Bruͤcke hier. Die Schiffe, die da ſind, bedeuten nicht viel; es ſind Frachtſchiffe, die nach Am - ſterdam und nach Koblenz gehen. Wegen den beſtaͤn - digen Streitigkeiten der Spediteurs der Stadt, und der von Bonn, von Heſſen ꝛc. iſt das kein ſo eintraͤglicher Nahrungszweig, als ers ſonſt ſeyn koͤnnte.

Einige wenige Buͤrgermeiſtershaͤuſer abgerechnet, macht kein Haus Figur. Doch hat die Stadt mehr als alle alte Staͤdte, die ich noch geſehen habe, breite Straſ - ſen, viele mit Baͤumen beſetzte Plaͤtze, und ſcheint nicht ungeſund zu ſeyn.

Bemerkungen.

In Abſicht des Pfaffenweſens und der Menſchen - religion iſt freilich Coͤlln, das deutſche Rom,*)Nur allein der vornemſten Kirchen hier ſind 260, und auſſer dieſen noch 4. Abteien, 17. Moͤnchs - und 39. Nonnenkloͤſter, 16. Spitaͤler, und 50. Kapellen. Herausgeber. aber in Hinſicht der Gebaͤude und der Pracht gewis nicht.

Die Lebensart iſt halb hollaͤndiſch, halb deutſch. Hier ſieht man noch alte deu[t]ſche Buͤrger in langen Weſten bis auf die Knie von gebluͤmten Kalmank, den vielfaltigen Rock wie einen Umhang daruͤber, und uͤber das alles einen groſſen blauen Mantel. In dieſem Aufzuge geht der Coͤllner ſpazieren.

Auch hoͤrt man hier ſchon wieder Sonntag Abends das deutſche Fluchen und Juchzen der Beſoffenen. Die alten Invaliden am Thore werden dann freilich nicht Meiſter.

Auch615

Auch iſt hier ſchon wieder ander Geld und viel Ver - wirrung dabei.

Den 1ſten Sept.

Ich beſah heute

Die Domkirche zu St. Peter. Sie iſt ſo alt, daß der Thurm keine Spitze mehr hat, ein Stuͤck faͤllt nach dem andern herab. Inwendig iſt ſie ungeheuer weitlaͤuftig, und hat weder Stuͤhle noch Kanzel. Be - ſtaͤndig ertoͤnt ſie vom Pfaffengebrumme und Heiligenklin - geln. Die dicken feiſten Waͤnſte laufen in unzaͤhlbaren Schwaͤrmen zwiſchen dem blinden Volke herum, und denken nicht wie der, welcher des irrenden Hauſens ſich erbarmte. In Kapellen rings an den Mauern des Chors herum liegen die Bildſaͤulen der vergoͤtterten Bloͤd - ſinnigen, die zuerſt den Dom erbauten und zur Maͤſtung der Goͤtzenpfaffen beſchenkten. Alle Morgen um 9. Uhr wird dem blinden Volke hinter einer goldnen praͤchtig ge - arbeiteten und mit Licht erhellten Monſtranz weis gemacht, daß man die Leichname der ſogenannten heil. drei Koͤnige aus Morgenland hier habe. Wer dann Geld zahlen will. der bekommt den Schatz zu ſehen. Da ſieht man den Stockknopf des Apoſtels Petri aus Kokosnus!! in einem praͤchtigen goldnen und ſilbernen Futteral. Das mittelſte Stuͤck iſt in Rom, das untere Stuͤck in Trier, der Knopf aber hier. Glieder von der Kette Petri aus Apoſt. Geſch. 1. Sie ſollen vom Glanz des En - gels wie zerſchmolzen ſeyn. Riſum teneatis amici etc. Knochen von der Maria Magdalena, das Bruſtbein, und die Phalanges vom Stephanus, Paulus, Petrus ꝛc. Ein Oberkleid, das die Mut - ter Gottes auf ihrem heiligen Leibe getragen haben ſoll. Q q 4Es616Es iſt ein gruͤner Pelz. Von Chriſti Kreuz ein Stuͤck. Die Kleider des Kaiſers bei der Kroͤnung. Die Bekleidung des Kaiſerlichen Stuhls. Die Churfuͤrſtenmaͤntel, einer wiegt 80. Pfund. Das Jurisdiktionsſchwert, das vorgetragen wird. Silberne Leuchter und Meßſachen, von einer ungemei - nen Groͤſſe, Pracht und Arbeit. Zwoͤlf Apoſtel aus vergoldetem Silber. Kruzifixe, ſchwer von Gold, Edelgeſteinen, Schmelzarbeit ꝛc. Schmuck und Kro - nen fuͤr Maria und ihr Kind. Eine Biſchofsmuͤ - tze, ganz aus aͤchten orientaliſchen Perlenſchnuͤren.

An allen dieſen Sachen iſt die Pracht, der Reich - thum, die Menge und die Groͤſſe der Edelſteine, die an einigen Stuͤcken noch roh ſind, unbeſchreiblich. Ich ſah mehr auf das, als auf jene Dinge, und, wie mir der Mann wieder von vorn ſo feierlich anfing, ſeinen religioͤ - ſen Unſinn herzuleiern, ſo warf ich ihm mein Geld mit ſichtbarer Verachtung hin, und haͤtte ihn gern Drauf beſuchte ich

Die Kirche der heil. Urſula. In dieſe Kirche ging ich auch noch, der Kirchengeſchichte zu Ehren. St. Urſula hat ein ziemlich ſchoͤnes Grabmahl darin, an dem ſteht, Indicio columbae detectum. Nebſt dem gehen oben in der ganzen Kirche an der Porkirche Wand - kaſten mit Gitterfenſtern herum, hinter denen die Gebei - ne von 11000. Jungfern aufbewahrt werden; unten, hinten, und wo man hinſieht, ſind groſſe Kaſten voll Knochen, und uͤberall Gemaͤlde von Jungfern mit Pfei - len durchbohrt, und dafuͤr mit Kronen gekroͤnt. Die ar - men Kinder!! Damahls muͤſſen die Jungfern nicht ſo ſelten geweſen ſeyn! Ewig Schade, 11000. Jung -617Jungfern!! Was ſollen wir jetzt mit den Knochen anfan - gen? ohne Haut und Fleiſch! Lieber und nuͤtzlicher war mir

Das Tobakspfeifenmachen zu ſehen, hier nennt mans Pfeifenbacken. Es iſt aber ſehr heruntergekom - men. Lange Pfeifen werden faſt gar keine mehr hier ge - macht, man bringt ſie ſelber nach Coͤlln von einem an - dern Orte in der Gegend. Die Erde koͤmmt aus der Gegend von Andernach. Zu den kleinen hat der Mann ein in der Mitte getheiltes Modell von Metall. Er macht die Erde feucht, walkert die Pfeife, und formt vorne gleich einen dickern Theil daran, laͤſt ſie dann ſo, mehre - re an einander, in der Stube, oder im Keller trocken werden. Dann hat er einen Stift von Eiſen oder Stahl, mit dem ſtoͤßt er ſie durch, und indem die Pfeife uͤber dem Stifte iſt, legt er ſie in das Modell, und kneipt ſie ab, das modelt ſie. Die uͤberſchieſſenden Anhångſel ſchnei - det er dann mit einem Meſſer ab. Die Glaͤtte gibt er ihr auſſen mit einem Stuͤck Achat, und innen mit einem Stůck Holz, das grade die Groͤſſe des Kopfs hat. Es gehoͤrt ein Handgrif dazu, daß das Loch vor dem Kopfe grade in die Mitte kommt, ſonſt bricht die Pfeife. Hierauf ſetzt man die Pfeifen in Toͤpfen in Ofen. Man kan mit nichts feuern, als mit Buͤchenkohlen. Eichen - holz will man nicht. Zur Glaſur nimmt man eine Art Seifenerde, die mit Waſſer wie Milch ausſieht ꝛc.

Bemerkungen.

Ich begegnete heute um 9. Uhr dem Buͤrgermei - ſter, da er auf die Regierung fuhr. Es ſind ihrer 6, und zwei davon regierend. Sie wechſeln alle Jahre. Q q 5Vor618Vor dem regierenden laufen 2. Bediente in gelber Li - vree, einer mit dem Regimentsſtabe in der Hand, her.

Nach Coͤlln darf kein Jude kommen. Jede Stun - de koſtet ihm 100. Dukaten. Naͤrriſche, harte Geſe - tze, als wenn wir beſſre Geſchoͤpfe Gottes, als dies ver - ſtoßne Volk waͤren, als wenn Erde und Luft unſer Eigen - thum waͤre! Ohne Zweifel iſt dies wieder eine Wirkung von der ſataniſchen Gewalt, die ſich ehemals die Bauch - pfaffen anmaßten. In Maſtricht ward vor Kurzem ein Jude eines Diebſtahls wegen zum Staupbeſen verur - theilt. Der Poͤbel ging im Haß weiter, als die Gerech - tigkeit der Richter erkannt hatte. Auf allen Straſſen rottete ſich das Volk zuſammen, der Miſſethaͤter ward mit Steinen vor die Stadt hinaus verfolgt, die ſchlaͤfri - ge Obrigkeit wehrte nicht ernſtlich, die Jungen ruhten nicht, bis der ungluͤckliche Jude unter dem Steinregen das Leben auſgab. Ach Chriſten! ach Menſchen! wie wollt ihr das dereinſt vor dem Schoͤpfer und Menſchen - vater verantworten! Ihr, die ihr jungen Seelen das Gift des Religionshaſſes einfloͤſſet, leckt das Blut auf, und tragts vor Gott, wenn ihr Herz habt!

Reiſe nach der Grafſchaft Sponheim.

Den 2ten Sept.

Von Coͤlln reiſte ich fruͤhe ab, und ging mit dem ordinaͤren Poſtwagen uͤber Bonn und Andernach nach Koblenz, blieb da uͤber Nacht, und machte

Den619

Den 3ten Sept. Die Reiſe von Koblenz nach Simmern.

Ein entſetzlicher Weg uͤbern Hundsruͤck. Es geht Bergauf, Bergab. In der Mitte der Tagereiſe liegt

Oehr, ein ſchlechtes Wirthshaus, wo man beinahe nichts haben kan. Von da an aber geht eine gebahnte Straſſe nach

Simmern, einer churpfaͤlziſchen Stadt. Von da fuhr ich weg, und die ganze Nacht durch, und kam

Den 4ten Sept.

Fruͤh nach

Kreutznach, an der Nohe gelegen. Da verlies ich die Poſt, und nahm ein eignes Fuhrwerk nach dem baadenſchen Antheil von der Grafſchaft Sponheim, und kam Nachmittag auf dem Schloſſe

Naumburg gluͤcklich an. Es iſt ein Weg von 8. Stunden, der ſich beſtaͤndig an der Nohe, zwiſchen den ſchrecklichſten Bergen zu beiden Seiten hinzieht. So iſt die ganze Sponheimſche Grafſchaft, rauh, uneben, voll eiſenhaltiges Thons, voll Schiefer, voll brechlicher Steine, aber doch ſehr fruchtbar. Die Berge ſind faſt alle wenigſtens an einer Seite angebaut, und ſchlieſſen die fruchtbarſten Thaͤler ein. Das Vieh, das hier ſehr theuer gemaͤſtet wird, iſt klein und unanſehnlich. Man erbauet vielen Haber, aber keinen Weitzen, ſtatt deſſen lauter Spelz. Der Roggen aus dieſer Gegend gibt auch ohne die geringſte Beimiſchung von Weitzen ein ſehr koſt - bares und beinahe weiſſes Brod. Auſſer den vielenSchaͤtzen,620Schaͤtzen, welche die Natur dieſem Lande in den Bergen mitgetheilt hat, iſt das Land ebenfalls ſehr reich an Wal - dungen. Alle 3. Religionen leben da untereinander, und die Landesherrſchaft wechſelt auch auf einem kleinen Stri - che Landes ſehr oft ab. In Munzingen, Martin - ſtein ꝛc. waͤchſt ein koſtbarer Wein. Der Wein an der Nohe hat uͤberhaupt viel Staͤrke, hat aber dabei etwas rauhes, hartes; man muß ihn gewohnt ſeyn, um ihn gern zu trinken. Die Sprache hat viele unangenehme Beſonderheiten, rolig heiſt ſchlecht, neiſt heiſt nicht ꝛc. Die Nohe hat ſo einen wilden krummen Lauf, wie die Elz im Prechthal. Sie bleibt in keinem Bette, war jetzt ſehr klein, ſchwillt aber im Winter erſtaunend an, hat viele gefaͤhrliche Tiefen, und muß, wo man hin will, ſehr oft paſſirt werden. Abends war ich noch in

Beckerbach, einem Baadenſchen Ort, eine kleine Stunde von hier beim katholiſchen Pfarrer. Das ſind Leute, die ſind grob, unwiſſend, wolluͤſtig, und groſſe Freunde vom Wein.

Den 5ten Sept.

Naumburg iſt ein altes fuͤrſtliches Schlos, das vor etlichen Jahren ausgebeſſert worden iſt, ehemals von einem Amtmann, und jetzt vom Verrechner bewohnt wird. Es ſteht ganz allein auf einem Berge, und wird alle Tage von 2. Waͤchtern aus den dazu gehoͤrigen Dorf - ſchaften bewacht, und bedient. Sie loͤſen ſich um Mit - tag ab, haben des Nachts ein Horn zum Stundenrufen, ſitzen in einer Wachſtube ꝛc. So iſt es auf mehrern iſolirten Schloͤſſern im Sponheimſchen eingerichtet. Das Waſſer, das da gebraucht wird, muß von einem Bergein621in einem Faſſe herabgefuͤhrt werden, dafuͤr zahlt das Land jaͤhrlich 24. Gulden ꝛc. In der Gegend herum ſtehen hohe Berge aus einem braunen, eiſenhaltigen, ſehr muͤr - ben, Lagenweis aufgefuͤhrten Stein, der vom Waſſer oft auseinander geriſſen wird.

Den 6ten Sept.

Heute in aller Fruͤhe ritt ich nach

Oberſtein, einem kleinen Flecken, der groͤſtentheils Churtrier, Baaden, und den Grafen von Styrum gehoͤrt. Es liegt auch etwas Beſatzung von Trier darin. Der Weg dazu iſt, wie uͤberall im Sponheimſchen, rauh und bergicht. Man paſſirt etlichemahl die Nohe, und muß den ſchmalen Strich, wo man durchkommen will, ſehr wohl treffen, wenn man nicht in Loͤcher verſin - ken will. Vor dem Orte hauſſen ſind groſſe ungeheure Felsklumpen herabgeſtuͤrzt, man findet aber in den Spal - ten ſelber nichts, als Saxa, rothe Sandſteine und Kie - ſel. Der Ort iſt wegen der Achatſchleifereien merkwuͤr - dig. Man findet allerdings viel Achat im Lande, auch weiter hin im Birkenfeldſchen aber doch wird der wenigſte Achat, der hier verarbeitet wird, auch hier ge - graben; der meiſte kommt aus Lothringen. Es wer - den ſogar egyptiſche Kieſel hieher gebracht, und hier ge - ſchliffen. Die ſogenannten Baumſteine, oder Kalcedo - nier mit dendritiſchen Zeichnungen, aus denen man Hem - denknoͤpfchen, Halsbaͤnder, ganze Garnituren fuͤr Da - men macht, kommen alle aus der nahe gelegenen Graf - ſchaft Grumbach. Das Achatſchleifen ſelber hat Hr. Collini in Mannheim beſchrieben. Eine vom Waſſer getriebene Daumwelle treibt 5, 6. Sandſteineherum,622herum, vor dieſen liegt der Arbeiter ganz horizontal auf dem Boden, und ſchleift. Zu dem Aushoͤhlen der Do - ſen, wo jedes Stuͤck ein Ganzes iſt, hat man noch eine eigne Maſchine. Die Schleifer kaufen den Achathaͤnd - lern die rohen Stuͤcke ab, und muͤſſen dann, oft mit ihrem Schaden erwarten, was ſie inwendig beim Anſchleifen finden. Oft kaufen die Goldſchmiede die Stuͤcke, und geben ſie den Schleifern. Das Recht, vor ei - nem Schleifſtein zu liegen, koſtet oft etliche 100. Gulden ꝛc. Die Obrigkeit hat Geſetze daruͤber gegeben, wieviel Geſel - len ein Schleifermeiſter annehmen kan, und daß er nur einem ſeiner Soͤhne das Handwerk lehren darf. Wegen dieſer Schleifwerke ſetzen ſich viele Goldſchmiede, die in Paris gelernt haben, hieher, und faſſen die geſchliffenen Stuͤcke. Die Charniere zu den Doſen werden vermittelſt einer Maſchine, die ſehenswuͤrdig iſt, aus dem Ganzen gezogen, ſonſt koͤnnten ſie nicht ſo wohlfeil ſeyn. Die Vergoldung der meſſingartigen Metallmiſchung geſchieht vermittelſt einer Analgamation mit Queckſilber im Feuer mit wahren Dukatengold, die durch eine Muͤhle hier ge - mahlen wird. Auf dem Platze koſtet das groſſe, wie das kleine Stuͤck 18. -20. Batzen ꝛc. Die Leute ziehen mit ihren Waaren auf die Frankfurter Meſſe, auch laufen uͤberall in der Welt Leute genug mit dieſen Waa - ren herum. Daß man aber hier einen ſtreifichten Achat gleich verſteinertes Holz nennt, das iſt bei der handwerks - maͤſſigen Behandlung aller dieſer Sachen leicht zu be - greifen.

Eine andre Merkwuͤrdigkeit in Oberſtein iſt die Kirche, in der ſich die Einwohner verſammeln. Sie liegt hinter dem Orte auf einem ungeheuern Felſen, und iſt ſelbſt in den Felſen gehauen. Sie ſtellt einen wahrenKeller623Keller vor, und hat nur auf der einen Seite Mauern. Inwendig ſind Grabſchriften und Gemaͤlde von den ehe - maligen Grafen von Falkenſtein und Oberſtein. Im hintern Theil des Felſens hinter den Stuͤhlen iſt eine Quelle von einer unbeſtimmlichen Tiefe. Man ſteigt aus der Kirche oben in dem hohen Felſen fort, und ſieht mit Grauſen auf die Tiefe herab. Eben ſo iſt auch ein altes Schlos auf einem Berge noch vorhanden. Von Oberſtein ritt ich durch

Idar, einem Flecken am Fluͤßchen Idar, uͤber ent - ſetzliche Berge und Klippen weiter nach

Birkenfeld. Dieſer Flecken liegt in einer ſehr rau - hen Gegend, weil er ſehr hoch liegt. Alles wird hier oft 4. Wochen ſpaͤter reif, als bei Herſtein oder Naumburg. Selbſt das Gras hat nur eine ſchlechte dunkelgruͤne Far - be. Die vielen Waldungen und die groſſen Suͤmpfe, die dabei liegen, machen das Land ſehr kalt. Unten grenzt das Oberamt Trarbach, Zweibruͤcken und das Moſeler Land daran. Mit Bucheckern und Eicheln werden eine Menge Schweine da gemaͤſtet, die hernach ſehr weit getrieben werden. Es waͤchſt hier Roggen, der noch viel weiſſres Brod gibt, als der bei Naumburg gebaut wird. Jetzt ſing man erſt die Habererndte und das Grummthauen an. Es erheben ſich hier oft ſo ſtar - ke Winde, daß alles was auf den Feldern liegt, wegge - fuͤhrt, und auf den Baͤumen herumgeſtreut wird.

Den 7ten Sept.

Ich wartete heute die

Predigt des Hrn. Pfarrers Weiherich aus Braum - bach ab. Das hier gebraͤuchliche Geſangbuch iſt dasZwei -624Zweibruͤckſche. Der Geſang ſelber geht ſehr lahm, und unertraͤglich ſchlecht. Die Leute ſetzen auch ihre Huͤ - te in der Kirche auf. Die Geiſtlichen laſſen das Kir - chengebet oft weg, und beten auch am Kommunion - tage nichts, als das Vater unſer. Auch wurde vorm Altare nichts verleſen.

Auf der Ruͤckreiſe bemerkte ich: 1) Daß man hier eine ziemlich feine Seifenerde findet. Sie ſchaͤumt mit Waſſer ziemlich. Die Bauern ſollen ſich den Bart damit einſeiffen. Es iſt ein Mann hier in der Gegend, der eine ſehr gute Seife, das Pfund fuͤr 5. Kreuzer verkauft, er wills zwar nicht Wort haben, daß er die Erde dazu braucht, vermuthlich aber geſchiehts doch. 2) Daß man eine ſonderbare Steinart hier antrift, die wie verhaͤrte - tes Bergoͤhl ausſieht. Man hat ein Stuͤck davon an - ſchleiſen laſſen, es nimmt eine ziemliche Politur an, und verdient naͤhere Unterſuchung. 3) Daß die ganze Graf - ſchaft Sponheim allerdings durch Veſuve und nachher durch Waſſerfluthen ſcheint gebildet zu ſeyn. Denn die Menge der loͤcherichten, poreuſen Materien beweißt das erſte. Und die ſtrata ſuper ſtrata, aus denen alle Berge beſtehen, beweiſen das andre. Indeſſen muͤſſen auch Erderſchuͤtterungen und Erdbeben erſchrecklich gewuͤ - tet haben. Das zeigen die geſtuͤrzten Steinarten, die man hin und wieder findet, und die ſchiefe Richtung aller Schichten in den Bergen. Auch findet man hie und da ſchmale Streifen Landes, die voller Achat oder andren Sachen ſind: und hart dabei, zu beiden Seiten ſind nicht die geringſten Spuren von dergleichen. Eben dies iſt auch der Grund, warum ſich von den Sponheimer Bergwerken ſogar viel mit Gewisheit nicht erwarten laͤſt,denn625denn die Gaͤnge ſtreichen nicht horizontal, ſie ſinken gera - de hinab, aber nicht tief genug, und unten iſt alles voll Felſen. An vielen Orten iſt nur die allerduͤnnſte Kruſte von ſchwarzer Erde, und gleich darunter koͤmmt der haͤrteſte Fels. 4) Um Birkenfeld herum gibt es eine Art Kalkſtein, die im Feuer nicht recht aufgehen will, und zum Bauen nicht viel ausgibt.

Den 8ten Sept.

Heute Vormittag beſchaͤftigte ich mich mit Unterſu - chung der Amphybien und Inſekten dieſer Gegend, und fand: eine Art Eidechſen, mit vergoldetem Ruͤcken, und grauweiſſen Streifen an den Seiten. eine Menge Raupen auf den Baͤumen, die jetzt erſt ausgeſchlupft waren. junge Froͤſche, die ihren kaularſchen Schwanz noch hatten, wiewohl die Hinter - fuͤſſe ſchon alle beide voͤllig ausgebildet waren. Dann ſetzte ich meinen Stab weiter und kam nach

Kyrn, dem Reſidenzſtaͤdtchen des Fuͤrſten Johann des XII. von Salm-Kyrburg, eine Stunde von Naumburg gelegen. Dieſer Fuͤrſt hat lange in den groͤſten Zirkeln in Wien gelebt, denkt aber philoſophiſch, hat ſich jetzt zuruͤckgezogen, wohnt in einem Privathauſe, hat ſehr wenig Bediente, und faſt gar keine Wache, iſt die Guͤte und Milde ſelbſt, ſchenkt ſeinen Unterthanen mehr, als er von ihnen nimmt, und beſchaͤftigt ſich im hohen Alter blos mit ſich und dem Gluͤcke ſeiner Buͤrger. Seine Kleidung iſt ſimpel, ſeine Tafel wird mit den Fi - ſchen, Krebſen, Haͤmmeln, und Gewaͤchſen des Landes beſetzt. Seine Lektuͤre ſind blos die Zeitungen. Er liebt das Zudringen der Fremden nicht, er ſpielt nicht,R rund626und man erzaͤhlt, daß er einsmahls als ein noch ganz junger Herr, in Einer Nacht in Wien 40000. Gulden verſpielt habe, und als darauf den andern Tag ſein Kam - merdiener das verſpielte Geld habe zuſammen zaͤhlen muͤſ - ſen, ſei der junge Prinz dazu gekommen, ſei uͤber die Menge erſchrocken, und habe geſtanden, daß er nicht ge - wuſt, was 40000. Gulden fuͤr eine Summe ſei; haͤtte dann ſelbſt die richtige Bemerkung gemacht, daß man damit vielen Menſchen haͤtte helfen koͤnnen, und ſeit der Zeit habe er den Entſchlus gefaßt, nicht mehr zu ſpielen. Seine Einkuͤnfte ſind 100,000. Gulden ꝛc.

Das Staͤdtchen iſt klein, aber artig und nahrhaft. Der Fuͤrſt hat den Piariſten ein ſchoͤnes Kloſter gebaut, mit einem groſſen Garten dran. In den Kirchen haͤngen Gemaͤlde von Mellingen in Carlsruhe. Man ſie - det hier Alaun aus inlaͤndiſchen Steinkohlen.

Den 9ten Sept.

Heute beſah ich das

Kupferbergwerk in Fiſchbach*)Dieſer Ort gehoͤrt zur Grafſchaft Wartenberg. Herausgeber. . Das Waſ - ſer, das von dem Orte herabkommt, verkuͤndigt ſchon durch ſeine dunkle weisgraue Farbe, daß es in der Ge - gend zum Schlemmen und Waſchen der Erze gebraucht wird. Es behaͤlt dieſe Farbe uͤber eine halbe Stunde weit. Fiſchbach liegt am Fuß eines Bergs, der mehr breit, als hoch iſt. Am Fuß dieſes Bergs bricht der ſchoͤnſte Kalkſpat, auch findet man unreifen Quarz. Umdas627das Waſſer aus den Gruben heraus zu foͤrdern, iſt mit - ten im Felſen ein groſſes Rad angebracht. Zum Schlem - men ſind 30. Waͤſcher angeſtellt, zum Theil Kinder. Man ſieht die ſchwarzen Streifen auf den Pritſchen liegen. Man findet auch viele Scheiderze, die ohne gepocht zu werden, gleich in Ofen kommen. Der Bergverwalter Hr. Jacobi iſt ein ſehr artiger Mann, und beſitzt ein kleines Stufenkabinet. Jetzt iſt das Werk nicht mehr ſo im Gange wie ehemals, es wird auch hier nicht mehr geſchmolzen; alle Erze werden nach Allenbach gefuͤhrt.

Den 10ten Sept.

Heute war ich in

Martinſtein, einem Flecken an der Nohe, wo die Baadenſche Herrſchaft einen herrlichen Weinvorrath hat. Von da trat ich wieder die

Ruͤckreiſe nach Kreuzenach

an, und beſah dann noch die bei dieſem Staͤdtchen lie - genden

Salzwerke. Eine kleine halbe Stunde vor der Stadt liegen die Gradirhaͤuſer und die Pfannen am Fuß eines Bergs. Man unterſcheidet die groſſen und die klei - nen Werke*)Beide liegen an der Nohe hinauf, und im Eingange eines angenehmen Thals. Das eine iſt 1729. ange - legt worden, und heiſt Karlshalle: das andere, und zugleich groͤſſere, iſt 1743. angelegt worden, und fuͤhrt den Namen Theodorshalle. Herausgeber. . Bei den groſſen Salzwerken ſind 12. Pfannen. Man feuert mit Steinkohlen. Das Waſ -R r 2ſer628ſer ſetzt faſt gar keinen Bodenſatz ab, iſt ſehr rein, und kan getrunken werden. Die Gradirhaͤuſer ſind wie die bei Bruchſal und Nauheim. Im Winter ſteht das ganze Werk ſtill, und bis im December iſt oft der ganze Vorrath verkauft. Beide Werke gehoͤren dem Churfuͤr - ſten von der Pfalz; Strasburger Kaufleute aber ha - ben ſie im Pacht. Das Salz iſt ziemlich weis.

Die Queckſilbergrube, die Hr. Collini in dieſer Gegend beſah, liegt 3. Stunden von hier, ich hatte aber keine Zeit, ſie zu beſehen, weil ich mich auf die

Reiſe nach Manheim

machen muſte.

Den 11ten Sept.

Vierzehn Stunden iſts von Kreuzenach nach Manheim. Wie angenehm wars, am werdenden Morgen uͤber die breiten Felder der paradieſiſchen Pfalz hinzufahren. Sie waren zwar faſt alle ſchon entkleidet, aber im Geiſt ſah ich die wallende Erndte und den blu - michten Teppich der Wieſen vor mir, und uͤberall reifte jetzt unter dem brennenden Strahl der Sonne die Trau - be. Ich paſſirte

Alzey, ein kleines, altes, enges Staͤdtchen, am Fluſſe Selz, in einer ganz herrlichen Gegend gelegen.

Pfeddersheim. Ein Staͤdtchen, wo die Leute die Reben neben der Landſtraſſe auf ebenen Feldern, ohne Bogen zu ziehen, an kleinen und niedrigen Stoͤcken, oft nur in 2. 3. Reihen pflanzen, Wieſen und Grundbirnen erblickt man darzwiſchen.

Fran -629

Frankenthal eine ſchoͤne, wohlgebaute Land - ſtadt. Die daſige Porzellanfabrik liefert viele ſaubre Sachen. An Weiſſe uͤbertrift es das Baadener, und an Zeichnung und Farben das Delfter. Man verfer - tigt eine Menge Pagoden auch Voͤgel mit Eiern im Neſt. Eine Probe von der Erde bekoͤmmt man nicht. Ein geſchlungener Seidenwickler koſtet 30. Kreuzer.

Den 12ten Sept.

Heute war ich in

Manheim. Dies iſt die gluͤckliche Stadt, die einen Fuͤrſten hat, der Kuͤnſte und Wiſſenſchaft nicht nur lobt und liebt, nein, der ſie auch thaͤtig unterſtuͤtzt, auf - muntert und belohnt. Wie heiſt der Verwahrloste, dems hier nicht gefaͤllt? Karl Theodor’s Thron, um - ringt von Apoll und den Muſen, ſei mir geſegnet, drei - mahl geſegnet, du Thron eines Landesvaters! Willkom - men, willkommen, Edler unter den deutſchen Fuͤr - ſten! Du, der du den Gelehrten nicht fuͤrs Brod ſorgen, den Kuͤnſtler nicht verhungern laͤſſeſt! Mehr darf man nicht ſagen in Deutſchland! Holland liegt hinter mir.

Ich ſaͤumte nun nicht, alles Merkwuͤrdige des deu[t]- ſchen Athen’s zu beſehen, und lies

Das phyſiſche und mathematiſche Kabinet mein Erſtes ſeyn. Hr. Abt Hemmer hat die Aufſicht daruͤ - ber. Es ſteht in dem Theil des Schloſſes, der ganz den Wiſſenſchaften gewidmet iſt. Es muß dem groſſen Churfuͤrſten viel gekoſtet haben. Man findet darin viele Nolletſche, viele Engliſche Maſchinen ꝛc. eine zur Be -R r 3rechnung630rechnung des Falls der Koͤrper auf ſchiefliegenden Flaͤ - chen, ferner zur Berechnung des Reibens, Ge - raͤthſchaften zur fixen Luft, Elektrophore, (die beſten ſind die, wo der Ueberzug von Schwefel iſt. ) Maſchine zum Queckſilberregen auf der Luftpumpe, und unendlich mehrere. Drauf beſucht ich

Die Bibliothek; alles Werke des groſſen Karl Theodor’s! Sie fuͤllt einen einzigen Saal mit einem gemahlten Deckenſtuͤcke, und 2. Gallerien uͤbereinander mit vergoldeten Grillen, wie in der Koͤniglichen zu Paris. Es ſtehen 2. Buͤſten vom Stifter und ſeiner Gemalin darin. Oben werden die Handſchriften verwahrt. Im geſchriebenen Katalog war Robinet ſur l’Echelle de la nature etc. unter des Verlegers Harrevelt’s Namen aufgefuͤhrt.

Die Sternwarte. Ein herliches Gebaͤude von vielen Stockwerken, am Walle gelegen. Der Exjeſuit, P. Maier, hat die Aufſicht daruͤber*)Nach ſeinem kuͤrzlich erfolgten Tode iſt ihm ſein Ge - huͤlfe, Hr. Koͤnig, in dieſer Stelle gefolgt. Herausgeber. . Man obſervirt am hellen Tage die Sterne. Der herliche Mauer - quadrant von dem geſchickten John Bird in London iſt zu bekannt, als daß ich weiter etwas davon erwaͤhnen darf. Der Kuͤnſtler iſt todt,**)Er ſtarb d. 31. Maͤrz. 1776. Herausgeber. und auſſer dieſen Qua - dranten und einem in Engelland, keiner von der Groͤße mehr in der Welt. Auch ſind hier Teleskope von dem beruͤhmten Ramsden in London verfertigt, da, womitwir631wir das Schlos in Oggersheim ſehen konnten, das doch 3000. Toiſen von hier liegt, und Mr. de Necker, der la vue la plus perçante hat, konnte dadurch an der Uhr an dieſem Schloſſe ſehen, daß es wirklich 4. Uhr dort war. Der Dom von Worms und Speier war ſo klar dadurch, als ſtuͤnde er vor uns. Oben iſt eine Maſchine angebracht, wodurch man das Dach vom gan - zen Obſervatorium wegnehmen kan. In einem Zim - mer ſas der junge Frommel, mein Landsmann, und ſtach an der Specialkarte, die P. Maier von der Pfalz herausgeben wird.

Den botaniſchen Garten. Er ſteht unter der Aufſicht des Herrn Regierungsraths Medicus, der jetzt in Lautern war. Er iſt klein. Ich fand darin die Mimoſa nilotica; Haematoxilon campe - ſchienſe; Adanſonia digitata etc.

Die Stuͤckgieſſerei und Bohrerei. Eine herliche Sammlung der ſchoͤnſten und zum Theil noch unbeſchrie - benen Maſchinen fuͤr die Artillerie. Man gieſt Stuͤcke aus Kupfer und engliſchen Zinn. Zu 100. Pfund Kupfer kommen nur 8. Pfund engliſch Zinn. Die Formen zum Gieſſen der Stuͤcke werden aus einem beſondern gelben Thone gemacht. Das Inſtrument, das Hr. Reichen - bach zum Bohren braucht, iſt ſehr ſimpel, und doch bohrt er eine Haubitze in 5, eine Kanone in 3, und einen Zwoͤlfpfuͤnder in 8. Stunden. Beim Gieſſen werden vor dem Ofen Kanaͤle gemacht, ſo daß das Metall von einem Ort zu dem andern laͤuft, und 8. Stuͤcke mit ein - mahl gegoſſen werden. Der Ofen iſt oben gewoͤlbt, und ein Zugloch thut das Meiſte dabei. Man feuert blos mit Tannenholz. Man gieſt des Jahr etlichemahl. R r 4Zwoͤlf632Zwoͤlf Stuͤcke laͤſt der Churfurſt alle Jahre fuͤr ſeine Ar - tillerie gieſſen. An jede Kanone wird der Genauigkeit wegen ein dicker Kopf angegoſſen, der nachher abgeſchnit - ten, und wieder eingeſchmolzen wird.

Die Exjeſuiterkirche. Man lies viele Jahre hinter - einander den Jeſuiten die Einkuͤnfte von der Rheinbruͤcke, und davon ward die Kirche gebaut. Viel italiaͤniſcher Marmor iſt darin verſchwendet. Gemaͤlde aus Legenden und Jeſuiter-Miſſions-Geſchichten ſieht man auch darin. Eine Kuppel wird wegen der italiaͤniſchen Malerei beſon - ders bewundert. Jetzt heiſt ſie die Schloshoſkirche.

Den 13ten Sept.

Ich fuhr heute mit Beſehen fort, beſuchte daher zu erſt den

Statuͤen - oder Antikenſaal. Dies iſt ein Haus, worin eine Menge Gypsabguͤſſe, die von den Antiken in Rom abgeformt ſind, aufgeſtellt worden. Laokoon, der Gladiator, die medizeiſche Venus, eine Menge Buͤſten von Kaiſern und Philoſophen, Loͤwen ꝛc. Sie werden wirklich alle nachgemacht, um nach Duͤſ - ſeldorf geſchickt zu werden.

Die Bildhauerakademie. Darin laͤſt Hr. Verſchaffelt beſtaͤndig an Bildſaͤulen aus Trieriſchen und Pfaͤlziſchen Marmor arbeiten. Das iſt hier eine herliche Sache, daß man von allen Dingen Pflanzſchu - len hat.

Die Bildergallerie. Eine Menge Sachen in vie - len Zimmern. Im Vorſaale haͤngt ein Gemaͤlde vom Veſuv in Flammen. Ueber die 2. fleiſchichten Koͤpfeeines633eines alten Mannes und einer alten Frau von Denner, geht nichts. Je laͤnger, je genauer man ſie anſieht, de - ſto ſchoͤner ſind ſie. Man meint wirklich, es ſei wahres Fleiſch, und Geſichtshaut. Ein nacktes Frauenzim - mer von der Madame Terbuſch in Berlin iſt ebenfalls ein wahres Meiſterſtuͤck. Rubens, wie er ſeine zweite Frau kuͤßt, von ihm ſelbſt. Zwei Stuͤcke von Vernet, eins der Untergang der Sonne im Meer, das andre ein Schiffbruch. Seneka’s Tod von ver - ſchiedenen Meiſtern, ſonderlich von einem Italiaͤner ꝛc. Alle Tage moͤcht ich da hineingehen, bewundern, ſtudi - ren, Stuͤck vor Stuͤck ꝛc.

Die Schatzkammer. Da weis man gar nicht, was man ſagen ſoll. Ein Rauchtopas iſt ein ſchwaͤrzlichter Kryſtall. Die Pfaͤlziſche Perle. Sie wiegt 2. Loth, ſoll aus Ormus, und nach Unterſu - chungen, aͤcht und natuͤrlich ſeyn. Friederichs V. Krone. Das erſte Stuͤck aus der Frankenthaler Porzellanfabrik. Joſephs I. Statuͤe, wie er Lan - dau einnahm. Alte und moderne Moſaiken u. ſ. w.

Das Kupferſtichkabinet. Eine Menge Portefeuil - len, aber noch ohne Arrangement. Dabei viele koſtbare Handzeichnungen.

Leidendorf’s Gemaͤlde. Der Hofmaler hat be - ſonders den Churfuͤrſten in Roͤmiſchen Kleidung gemahlt, wie er in Rom im Vatikan war, und die Kuͤnſte be - wunderte, umringt von Muſen, Minerva fuͤhrt ihn an der Hand ꝛc. Das Stuͤck druckt die Grosheit, die man mit Recht in der Perſon des Churfuͤrſten bewundert, her - lich aus.

R r 5Das634

Das Naturalienkabinet. Der liebenswuͤrdige Hr. Collini, Aufſeher deſſelben, zeigte mir heute folgende ſeltene Stuͤcke aus allen Reichen der Natur: Speck - ſtein mit Kies, aus Schweden. Lapis ollaris aus Como, grau mit ſchwarzen Tuͤpfelchen. Amiant auf kieſigtem Kupfererz. Kies in Kryſtall aus Derby - ſhire in England. Kalkſpat im Achatkieſel aus Oberſtein. Topasartiger (d. i. gelber) Spat, in - wendig Quarz, aus Sachſen. Sinter, eiſenfaͤrbi - ger, aus Neufchatel; wie verſteinert Holz; wie Dach - ziegel; mit Farben wie Alabaſter. (ſ. S. 259.) Se - len. rhomboid. aus Italien. Lapis Lazuli aus Perſien. Ophis antiquorum, ſchlaͤgt Feuer. Gruͤne Kryſtalle in weiſſen. Amethyſte in weiſſen Kryſtallen. Opalminern aus Sachſen und dem Orient. Oculus Cati; der wahre aͤchte koͤmmt nur aus Egypten, hat eine gewiſſe determinirte Stra - lenbrechung; auch die gemeinen von dieſer Benennung ꝛc. Sal gemmae cubicum. Bernſtein mit einem kleinen Froſch. Hr. Collini zweifelte, obs natuͤrlich ſei; er ſah ein Stuͤck bei einem Fremden mit einer kleinen Ei - dechſe. Gediegner Schwefel mit Flußſpat, aus dem Pays de Vaud. Nummi diaboli aus Toska - na, eine Art Kieſe. Kryſtalliniſch Laſurkupfererz, aus Moelbach im Naſſauſchen. Stralichtes Laſur - kupfererz aus dem Wuͤrtembergſchen. Hornſilber mit gediegenem Silber. Spiegelbleiglanz mit Strei - fen. Min. ferri octaedra Wallerii aus Schwe - den; dort ſelbſt ſelten. Ein natuͤrliches Amalgama aus Queckſilber und Silber gediegen, aus Stahlberg im Zweibruͤckſchen. Gerieben zieht es andres Queckſil - ber ſtark an ſich. (Collini’s Schrift hieruͤber iſt uͤber -ſetzt635ſetzt in Mineral. Beluſtigungen. ) Eiſenbluͤthe, ein ſchoͤner Sinter in Eiſengruben. Ruhliner Stei - ne, die Henkel in ſeiner Pyritologie beſchrieben. Jaspis mit Dendriten aus Norwegen, ein kleines Stuͤck, aber praͤchtig! Ludus Helmontii, ein eiſenhalti - ger Stein mit Kalkſpatadern, aus Bamberg. Ei - ne verſteinerte Haliotis. Eine verſteinerte Porcel - lana. Holz, inwendig Stein, auswendig noch Holz. Auswendig Holz, und inwendig Stein. Beide Stuͤcke ſind aus Italien, und bekehren die Unglaͤubigen. Ein Stuͤck aus Koburg mit Achatdruſen war auch da - bei. Verſteinerte Krebſe, vom Petersberge bei Maſtricht. Korallenmutter, ein gros Stuͤck un - ter dem Waſſer losgehauen, Vermiculiten, Schwaͤmme. Keratophyton mit Korallenſubſtanz und Fungi - tes. Collini nennt nur das Korallen, was oben zu, ohne Loͤcher, roth, derb, und ganz glatt iſt; das, meint er, ſei die Charpente, die Tubuli waͤren nur in der Cruſta, dort ſaͤſſen die Polypen innen ꝛc. Le grand Guepier de Mer de l’Amerique, von Buffon. ſieht wie Pappdeckel aus, und iſt voller Loͤcher. Maeandrites, groſſe Klumpen, aus Amerika. Lau - ter Logemens fuͤr kleine Thiere. Aufgeſchlagen; an einigen Orten ſieht man Couche ſur couche. Die Vaͤter ſind unter ihren Kindern begraben. Der bekannte groſſe Enkrinit, aus Kirchheim im Wuͤr - tembergiſchen. Ein in Eiſenerz verwandelter Echi - nus. Bohnerz aus Bayern. So nennts Collini; mir kams aber nicht ſo vor. L’unique des D’Ar - genoille, gar gros. Meerohren ohne Loͤcher. Wieſel von hieſiger Gegend, faſt wie ein Hermelin, weis, mit ſchwarzer Schwanzſpitze. Wird im Kaſten gelblicht. Der636 Der Hund vom Bayriſchen Wilddiebe Hieſel. Zweige vom Manglier mit Auſtern daran: Ein Baum, der an der See zu ſtehen pflegt. Bei der Fluth ſetzen ſich die Auſtern daran, und muͤſſen dann bei der Ebbe darauf harren. Eine Pinna 3. Schuh lang, aber der eine Battant fehlt. Ein Koͤrper, der lauter Wurmneſt iſt, aus Sandkoͤrnchen zuſammen geſetzt, aus Amerika. Sonſt ſind die Neſter der Feſtigkeit we - gen Kalk. Unter dem Mikroskop ſahs gar ſchoͤn aus. Feine kleine Fibern in einander geſchlungen, unter dem Mikroskop ſinds alles hohle Wurmneſter. Man ſchickte es hierher unter dem Namen Spuma maris! Ein Rhinoceros, ausgeſtopft, mit 2. Hoͤrnern, auch ſind noch 2. andre da aneinander. Sie koͤnnen, da man durchſichtige Gefaͤſſe davon hat, unmoͤglich verwachſene Haare ſeyn, man ſieht deutlich die Zellen, wodurch ſie mit dem Naſenbein zuſammenhaͤngen. Die haarartigen Fibern daran koͤnnen Ueberfluß von der hornartigen Ma - terie ſeyn. Das Thier ſollte auf dem Rhein fahren, es war lange vorher in Deutſchland gezeigt worden, das Boot ſchlug aber um, und ſo erſoff es. Ein Pria - pus Hippopotami, ein Knochen ohne Artikulation, derb, glatt, faſt ohne ſichtbare Schweisloͤcher. Dafuͤr haͤlt ihn Collini, Bomare aber, bei dem Collini ihn geſehen, meint, es ſei der Schenkelknochen der Giraffe, aber er iſt zu ſchwer dazu. Eine Schnecke, deren Schale noch eine eiartige Einhuͤllung hat. Je groͤſſer die Scha - le wird, deſto mehr naͤhert ſich das Ei dem Zerſpringen. Hr. Collini hat auch die brechliche Schale beſonders. Mouches d’odeur, aus Italien, behalten noch lange nach dem Tode einen ſpecifiquen ſtarken Geruch. Be - zoar aus einem Pferde, wenigſtens 4. Pfund ſchwer,hat637hat die ſchoͤnſten koncentriſchen Lagen, Ringe, Adern. Iſt in der Mitte durchgeſchnitten. Man haͤlt ihn fuͤr Alabaſter. Eine Eidechſe aus Oſtindien, die den Kettenring macht zwiſchen Eidechſen und Schlangen. Die Vorderfuͤſſe ſind ſehr klein, und hinten ſieht man nur mit der Lupe kleine Naiſſances, kleine Erhoͤhungen ꝛc. Funfzehn Nuancen in den rothen Korallen. Kleine Kugeln an ſilbernen Ketten, die brauchen die Korallen - haͤndler in Livorno. Kaͤſtchen mit Inſekten, ſehr kuͤnſtlich aus Meſſing nachgemacht, aus Oſtindien.

Hr. Abt Hemmer holte mich von hier nach der

Akademie oder Konzert bei Hofe ab. Die Groͤſſe des Mannheimer Orcheſters iſt bekannt. Es ſangen junge Kinder zum allgemeinen Erſtaunen. Waͤh - rend der Muſik ſpielte der Hof. Die groͤſte Saͤngerin, Danzy, war jetzt in London. Ich ward da dem Herrn Praͤſidenten der Akademie von Hohenhauſen, dem Herrn von Wattewille aus der Schweiz, und vielen andern Herren vorgeſtellt.

Den 14ten Sept.

Heute am fruͤhen Morgen fuhr ich mit Hrn. Hofrath Lamey nach

Schwetzingen. Wir kamen aber bis Mittags wieder zuruͤck. Man hat einen Almanac de Man - heim, wie von Paris und Verſailles, worin alle hie - ſige Merkwuͤrdigkeiten zur Anleitung fuͤr Reiſende genau und umſtaͤndlich beſchrieben ſind, und auf dieſen beziehe ich mich.

Der638

Der Garten iſt ſchoͤn, reicht aber nicht an die Gaͤr - ten von Chantilly. Die Tempel der Minerva und des Apolls ſind herlich, Apoll aber iſt viel zu klein. Das Badhaus iſt koͤniglich, doch hat es wieder den Werth des Kaſſelſchen nicht.

In der Menagerie iſt ſchon ſeit vielen Jahren ein Kaſuar, der frißt Brod, gelbe Ruͤben ꝛc. befindet ſich wohl, mauſert ſich alle Fruͤhjahre, iſt ſehr furchtſam, laͤuft ſchnell, laͤſt ſich auch nicht anruͤhren. Auch iſt eine Haa - ſenart aus Korſika, mit ſeidenartigen Haaren da, davon der Churfuͤrſt Huͤte traͤgt. Die ganze Sache koſtet Mil - lionen, und iſt ein erſchrecklicher Luxus.

Mr. de Necker ſprach ich heute wieder. Er iſt ein Botaniker, iſt aus Lille gebuͤrtig und hat auſſer der Apo - thekerkunſt eigentlich nichts ſtudirt. Er beſitzt viel Ge - nie, aber auch viel Zankgeiſt, und viel Einbildung. Seine Tabula in Syſt. Linn. bot. haͤngt im akademi - ſchen Zimmer, jetzt aber iſt er ein erklaͤrter Feind aller Syſteme in der Botanik. Er arbeitet an einer Refor - me generale de toute la Botanique. Seine Hiſt. muſc. und Phyſiol. verlangte Linne’e im Brief von ihm zur 3ten Ausgabe der Spec. pl. Sie koſtete ihn aber, wie er ſchreibt, 5. Dukaten Porto*)Hr. Necker erzaͤhlte mir im Geſpraͤch, ein franzoͤſiſcher Offizier, der Voltairen in Fernay nicht zu ſehen bekom - men konnte, habe beim Weggehen Folgendes auf eine Karte geſchrieben hinterlaſſen: Ou eſt done le vrai Dieu du genie, Qu’on connoit, qu’on ſent, et qu’on ne voit pas? Il ſera comme le Dieu de l’Euchariſtie, Qu’on voit, qu’on mange, et qu’on n’apperçoit pas. .

Auf639

Auf den Abend beſuchte ich die

Deutſche Komoͤdie. Marchand’s Geſellſchaft und die vom Hof ſpielen hier. Ich ſah die unaͤhnli - chen Bruͤder von Miller in Wien vorſtellen, ein recht gutes Stuͤck. Die Rolle des Fachs hat Thietke, und die vom Oberſten Wilhelm, hat Hauk am beſten ge - ſpielt. Das Haus iſt Kopie vom Pariſer. Der Chur - fuͤrſt hat auch ſo eine Seitenloge im Erſten Range. Al - le Logen ſind tapeziert, das macht bei Licht einen ſchoͤnen Anblick. Aufm Parterre ſind auch 5. Logen, zu 45. Kreutzer der Platz.

Den 15ten Sept.

Heute bekam ich das

Antiquitaͤtenkabinet zu ſehen. Es ſteht unter Herrn Hofrath Lamey’s Aufſicht, und enthaͤlt eingeſand - te, geſchenkte, und im Lande und ſonſt aufgefundene Sa - chen. Ich ſah unter andern eine herrliche Granitſaͤule, im Trieriſchen gefunden. Ibis aus Bronze. Ein Gott aus Indien auf einem Thiere, das der Ca - melopardalis Linn. am naͤchſten kommt. Ein Dio lare, idoletto etruſco. Chineſiſche Gotthei - ten aus einem Steine geſchnitten, der voͤllig ausſieht, wie der Pechſtein von Birkenfeld, roͤthlicht, gelbe weiſ - ſe Stuͤcke. Ein Runenkalender. Es iſt noch nichts aufgeſtellt.

Das Muͤnzkabinet. Dabei befinden ſich auch die Kameen. Unter dieſen ſind viele groſſe, aͤuſſerſt koſt - bare, orientaliſche Onyxe. Die Pfaͤlziſchen Muͤnzen u. ſ. w.

Nun640

Nun konnt ich auch nicht unterlaſſen, das

Naturalienkabinet beim Hrn. Kriegsrath Vincen - ti zu beſehen. Eine gluͤckliche Bekanntſchaft, die mir Hr. Abt Hemmer verſchafte. Die Sammlung iſt in der Mineralogie vortreflich, da iſt z. B. Ei - ſenſand aus einem See bei Andernach. Hr. Vin - centi zieht viel mit dem Magnet an, alſo, ſagt er, iſts gediegen Eiſen. Granatenminer, gar gros. Quarzdruſen, die alle oben verſchieden punktirt ſind. Quarzdruſen, die innen Schoͤrl haben. So nennt er die bekannten Streifen darin. Rothe, blaue Agathe. Spat, Kalkſpat aus Derbyſ hire in England. Daher kommen die ſchoͤnſten, feinſten. Aus Sachſen andre, die man Schweinszaͤhnige, Hunds - zaͤhnige ꝛc. nennt. Bernſtein mit einem Klumpen von Sachen darin. Er meint, der Bernſtein wuͤrde fluͤſſig ausgeworfen, und umſchlinge dann die Inſekten. Queckſilber im Sand-Stuf-Kalk-Wackenſtein. Auch mit Blei. Im Schiefer. Queckſilber - Mulm, aus der Pfalz. So nennen ſie hier einen Koͤrper, der rund iſt und klappert wie ein Adlerſtein. Zerſchlagen, laͤuft viel Queckſilber aus. Blaue Queckſilbererze, ungemein ſelten. Kryſtalliſir - tes Queckſilber in Kalkſpat. Schwarzer Kobold aus Sachſen. Arſenikkies, aus Sachſen. Gruͤnes Eiſenerz, aus Sachſen. Elephanten - zahn, calcinirt, und vorne ſchon in Kaikſpat verwan - delt. Cornua amm. mit dem Reſt der obern Schale; mit kryſtalliſirten Kern aus Champagne ꝛc. Etwas641Etwas bei dieſer Gelegenheit von

Hrn. Prof. Klein’s Beobachtungen an Amei - ſen und Ameiſenfreſſern. Die erſten hebt man im Haufen mit der Schaufel auf, ſetzt ſie in eine Schuͤſſel, woran der Toͤpfer einen vertieften Rand, wie eine Rin - ne oder Kanal mit einem zu verſtopfenden Loch, gemacht hat. Dieſe Rinne wird mit Waſſer angefuͤllt, ſo koͤnnen die Ameiſen nicht heraus, man ſieht ihrem Bauen, und ihren verſchiedenen Bemuͤhungen uͤber den Graben zu ſe - tzen, mit Vergnuͤgen zu. Sie haͤngen ſich aneinander, probirens auf Spaͤnchen, wollen vom Grund eine Bruͤ - cke bauen. Sie koͤnnen 15, 16mahl ſchwerer tragen, als ſie ſelbſt ſchwer ſind, alſo ſind ſie nach Proportion der Groͤſſe ſtaͤrker, als der Menſch. Man fuͤttert ſie mit Zucker, Birnen, Aepfeln ꝛc. Weil man die Unreinig - keiten, die ſie ins Waſſer werfen, nicht leicht alle durch das Loch bringt, ſo laͤſt man den Kranz lieber von Blech machen, und kan ihn dann wegnehmen, wie man will. Waldameiſen ſetzten einmahl ſchnell ins Waſſer durch den Graben durch, ſchuͤttelten ſich nur ab, und fort waren ſie. Die Formica Leo ſetzt man nur in eine Schachtel von Pappdeckel mit Sand. Das Thierchen kan wohl 6. Wochen hungern.

Ich verlies nun das herliche Mannheim, und be - gab mich auf die

Reiſe nach Strasburg.

Den 16ten Sept.

War ich uͤber Mittag in

Speier, wo die alte Dom - oder Kathedralkirche, welche die Aſche unſrer deutſchen Kaiſer verwahrt, geſehenS szu642zu werden verdient. Der jetzige Biſchof von Speier hat ſie erneuern und verſchoͤnern laſſen*)Das Chor dieſer Kirche iſt wieder hergeſtellt: allein, die marmornen Grabmahle der in derſelben begrabe - nen 8. Kaiſer und 3. Kaiſerinnen, mit denen die alte zerſtoͤrte Kirche prangte, ſind von den Franzoſen, als ſie 1689. die ganze Pfalz verheerten, niedergeriſ - ſen, die Graͤber zum Theil aufgewuͤhlt, beraubt, und die ehrwuͤrdigen Gebeine zerſtreut worden. S. Buͤ - ſchings Erdbeſchreibung, 7ter Theil. Herausgeber. . Ueber Nacht blieb ich in

Rheinzabern, nahm drauf in

Lauterburg, der Station uͤber Langenkan - del, nachdem ich den Bewald durchfahren hatte, das Fruͤhſtuͤck ein, und traf.

Den 17ten Sept.

Abends in Strasburg ein, von da ich dann vol - lends bis Carlsruhe reiſete, und damit meine Reiſe gluͤcklich beſchloß. Hiemit endigt ſich denn auch dieſes Tagebuch.

Ende des erſten Theils.

About this transcription

TextHeinrich Sanders Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien
Author Heinrich Sander
Extent672 images; 153040 tokens; 22296 types; 1036342 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationHeinrich Sanders Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien in Beziehung auf Menschenkenntnis, Industrie, Litteratur und Naturkunde insonderheit Erster Theil Heinrich Sander. . [10] Bl., 642 S. JacobäerLeipzig1783. (Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.). )

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Sonstiges; Gebrauchsliteratur; Reiseliteratur; core; ready; china

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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