Dem Durchlauchtigſten Prinzen und Herrn, HERRN Friedrich, Marggraven zu Baaden und Hachberg, Landgraven zu Sauſenberg, Graven zu Hanau, Sponheim und Eberſtein, Herrn zu Roeteln, Badenweiler, Lahr, Wahlberg und Kehl u. ſ. w. Ritter des weiſſen Adlers - und des Stanis - laus Ordens, wie auch des Ordens de la Fidelité gebohrnem Ritter, General-Majorn der vereinig - ten Niederlande und Obriſten des Schwaͤ - biſchen Kreiſes. Meinem Gnaͤdigſten Prinzen und Herrn.
Eure Hochfuͤrſtliche Durch - laucht haben meinen ſeeligen Sohn immer mit ſo huldreicher Herab - laſſung behandelt, und ihm ſo mannig -a 3faltigefaltige Gnade bewieſen, daß ſein Herz bis in die letzten Tage ſeines Lebens die lebhafteſte Dankbarkeit daruͤber em - pfand und oft durch fromme Wuͤnſche und andaͤchtige Fuͤrbitte ſo ſtark aͤuſſer - te, als nur ſeine Schwachheit geſtattete.
Nie werde ich vergeſſen, wie ſehr er Euer Hochfuͤrſtlichen Durch - laucht heiſſe Begierde, den groſſen Herrn aller Herren aus ſeinen vortref - lichen Werken der Allmacht, der Weis -heitheit und der Guͤte immer beſſer zu er - kennen — und Dero warme Anhaͤng - lichkeit an unſern allerheiligſten Glau - ben ruͤhmte — und wie ſehr viel aͤhn - liches wuͤrde ich noch anfuͤhren, wenn Euer Hochfuͤrſtliche Durch - laucht bey der gegebenen Gnaͤdigſten Erlaubniß, einen Theil ſeiner noch in Druck kommenden Aufſaͤtze, mit De - ro preißwuͤrdigen Namen, wie hiemit geſchieht, zu zieren, mir nicht beſtimmt befohlen haͤtten, alles, was den Scheina 4einereiner Lobrede haben koͤnnte, wegzulaſ - ſen, und wenn nicht auch in dieſem Fall Gehorſam allen noch ſo ſchuldigem und noch ſo reinem Opfer vorgehen muͤßte.
Dringendere Wuͤnſche, Durch - lauchtigſter Prinz, fuͤr Dero Wohlfarth und Zufriedenheit, als mei - ne ganze Seele thut, ſind kaum moͤg - lich, und der Fall iſt gewislich ſelten, da man in ſolcher Zuverſicht, als die meinige, Gott Lob! iſt, mit bibliſchenWortenWorten ſprechen darf: Der Herr ge - be dir, was dein Herz, dein Gotter - gebnes Herz begehrt! Und ſo geht es recht nach dem Wunſch der Groſſen — der wahrhaftig Groſſen in der Welt.
Meine ehrerbietigſte zu Gnaden - Empfehlung laͤßt ſich uͤbrigens in Ab - ſicht der Sehnſucht und Staͤrke mit Nichts als mit der vollkommenſten, und, welches mit Gnaͤdigſter Erlaub - niß geſchrieben ſeyn ſoll, mit der zaͤrt -a 5lichſtenlichſten Ehrfurcht vergleichen, in wel - cher ich bis an das Ziel meines dem En - de ſich ſehr merklich nahenden Lebens beharre
Euer Hochfuͤrſtlichen Durchlaucht Koendringen, den 22. September 1783. unterthaͤnigſt gehorſamſter Nicol. Chriſtian Sander.
Durch die hier ans Licht tretende vollſtaͤn - dige, — und einzige aͤchte, — Ausga - be aller Reiſen des ſeel. Prof. Sander’s wird nun das ſchon bei deſſen Leben von den Freunden ſeiner Schriften, — und wie viele ſind deren nicht? — oft und laut geaͤußerte Verlangen nach der Bekantmachung derſelben, geſtillt.
In der That konnte auch nicht leicht ein Wunſch gerechter ſeyn, da man wohl ſchwerlich,we -Vorberichtwenigſtens in Deutſchland, eine Reiſebeſchrei - bung wird aufweiſen koͤnnen, in der das Lehr - reiche und Nuͤtzliche mit dem Unterhaltenden und Mannichfaltigen auf eine angenehmere Art ab - wechſelte. Sander’s weitumfaſſender Be - obachtungsgeiſt blieb nicht blos bei Einem Ge - genſtande ſtehen. Daher wird auch beinahe jede Gattung von Leſern bei dieſem Buche ihre Rechnung finden. Den Menſchenforſcher wer - den haͤufige, — oft mit eben ſo vieler Wahr - heitsliebe, als Freimuͤthigkeit — entworfene Schilderungen der Karaktere ganzer Nationen ſowohl, als einzeler Perſonen, und Bemerkun - gen uͤber ihre Vorzuͤge und Gebrechen, uͤber ih - re gute und boͤſe Seite, intereſſiren. Der Na - turkuͤndiger wird neue Beobachtungen uͤber die Naturgeſchichte der vom Wohlſeel. bereiſten Laͤn - der mit umſtaͤndlichen Nachrichten von den von ihm beſehenen Naturalienkabinettern antreffen; eine Eigenſchaft, welche dieſes Buch dem in glei - cher Abſicht reiſenden Naturforſcher zum beinahe unentbehrlichen Handbuche macht. Eben ſo wenig wird es der Litterator, der Kunſtfreund,derdes Herausgebers. der Kameraliſt ꝛc. unbefriedigt aus der Hand legen. Aber auch der Leſer, dem’s bei ſeiner Lektuͤre blos um vernuͤnftige Unterhaltung zu thun iſt, und dem der Himmel ein fuͤhlbares Herz verlieh, wird durch gewiſſe allgemeine Be - trachtungen, in die ſich des guten Sander’s menſchenfreundliches und wohlwollendes Herz nicht ſelten ergießt, aufs angenehmſte uͤberraſcht und zum Mitgefuͤhl erwaͤrmt werden. — Doch genug vom Lobe eines Buchs, das durch ſeinen innern Werth alle Empfehlung des Herausge - bers uͤberfluͤſſig macht. Alſo nur noch ein Paar Worte von des Letztern Bemuͤhungen bei der Bekanntmachung dieſes Werks. — Die vom ſeel. Verfaſſer durchgaͤngig mit eigner Hand geſchrie - bene Handſchrift, war, wie ſie die Hrrn. Verle - ger aus ſeinem Nachlaſſe von ſeinem Hrn. Vater erhielten, ſchon ſo vollkommen ausgearbeitet und zum Drucke zubereitet, wie er ſie bei laͤngerm Le - ben bald ſelbſt*)Dies beſagt einer ſeiner Briefe an die Herren Ver - leger vom 8. Febr. 1782. worin er ihnen die Heraus - gabe ſeiner Reiſen, — zu denen ihn das Publikum ſo ſehr auffordere, — anzeigt. wuͤrde herausgegeben haben. AlſoVorbericht des Herausgebers. Alſo einige wenige unbedeutende Schreibfehler aus ſichern Quellen zu berichtigen und dann fuͤr korrekten Druk Sorge zu tragen, war alles, was ihm dabei noch zu thun uͤbrig blieb. Ob er ſich einige hier und da beigefuͤgte Anmerkun - gen haͤtte erſparen koͤnnen, uͤberlaͤßt er einſichts - vollen Leſern zu entſcheiden. Die vom ſeel. Ver - faſſer an ſeinen Hrn. Vater gerichtete Zueignung dieſer Reiſebeſchreibung, welche ſich vor der Handſchrift befand, hat man hier ebenfalls mit abdrucken laſſen, weil ſie einen Beweis ſeines tugendhaften Wandels und ſeiner zaͤrtlichen Kin - desliebe abgibt, ſeine Freunde ſie alſo gewis mit Zufriedenheit leſen werden. Um auch derſelben haͤufiges Verlangen nach ſeiner Lebensbeſchrei - bung zu erfuͤllen, ſoll dem zweiten Theile, der in laͤngſtens vier Wochen von jetzt an, die Preſſe gewis verlaſſen wird, eine kurzgefaßte vorgeſetzt werden. Geſchrieben am 20. Okt. 1783.
Leſen Sie hier, beſter, zaͤrtlicher Vater, das Tagebuch meiner Wanderungen. Ihnen bin ich dieſe Nachrichten ſchuldig, und ich ha - be jeden Tag ſo gelebt, als wenn ich alle Aben - de zuruͤck kommen, und Ihnen Rechenſchaft geben muͤſte. Wenn Sie’s dann leſen, und mir wieder geben, und etwan einem Ihrer Freunde ſagen: Es reut mich nicht, daß ich ihm das Geld gab — — ach das iſt Luſt fuͤr mein Herz und ſuͤſſe Belohnung fuͤr jedeUnruheUnruhe und Muͤhe. Glauben Sie das Ih - rem juͤngſten Sohne, beſter, zaͤrtlicher Vater, und leben Sie noch lange von Gott fuͤr jede Liebe gegen Ihre Kinder belohnt und geſeg - net.
Heinrich Sander.
Die Heide*)So wird die Ebene um Raſtadt herum genannt. Herausgeber. wird immer mehr angebaut. Die neue Straſſe daruͤber iſt zu beiden Seiten mit Kirſch - und andern Baͤumen beſezt. Die Doͤrfer ſehen meiſtens traurig aus, und ſind katholiſch. Vor Stol - hofen hat man auf der rechten Seite gegen den Rhein zu, ein ſehr ſchoͤnes ebenes Fruchtfeld; die Fahrenden machen aber neben der hinlaͤnglich breiten Landſtraſſe noch eine andre ſchaͤdliche, ziemlich breite, wodurch den Aeckern das Land entzogen wird; zur linken ſtoͤßt das Feld gleich an einen lichten Wald. Die Berge, welche man in der Ferne ſieht, waren noch ziemlich mit Schnee bedeckt. Stollhofen ſelber laͤßt der Reiſende links liegen; es ſoll artige Haͤuſer haben. Ein Dorf, Ulm genannt, iſt nur durch etwa 100. Schritt Mattfeld von einem nicht ganz unanſehnlichen Staͤdtchen Lichtenau unterſchieden. Ulm iſt Baadiſch, Lichtenau aber Hanauiſch. VonA 2da4da aus werden die ſonſt ſchoͤnen Chauſſeen durch die ſchweren Guͤterwagen, die nach Strasburg gehen, beſtaͤndig verdorben, und nicht wieder reparirt. Je - mehr man ſich Kehl naͤhert, deſtomehr ſieht man an - ſehnliche groſſe Bauerhoͤfe, doch ſind die Haͤuſer meiſt ganz von Holz, und beſtehen aus Riegelwaͤnden mit Thon ausgefuͤllt. Kehl iſt ein betraͤchtliches, langaus - gedehntes Dorf, wo viele Krambuden und Handwerker ſind. Es hat ſeinen eignen Amtmann, und Pfarrer. Die Feſtung Kehl iſt halb zerſtoͤrt, und hat jezt auch ihren eigenen lutheriſchen und katholiſchen Pfarrer. Von da iſts fuͤr den Fußgaͤnger noch eine Stunde bis zur Stadt. Man paſſirt die Rheinbruͤcke, und zahlt ein hohes Bruͤckengeld. Sie iſt nicht ſo breit und nicht ſo ſchoͤn als die Baſeler, man findet auch keine Boutiquen dar - auf; ſie iſt ganz von Holz, und hat in der Mitte eine, aber unbetraͤchtliche, Erweiterung. Bald darauf folgt eine andre, aber viel kleinere. Sie fuͤhrt nur uͤber einen Arm des Rheins. Kehl iſt der Sammelplatz aller Betruͤger, und Bankerutirer, die ſich jenſeits der Bruͤcke nicht mehr ſehen laſſen duͤrfen, und ſich ſchnell von Strasburg retiriren muͤſſen. Die Franzoſen ſind des - wegen dem Orte gar nicht gut. Und eben wegen dieſer Colluvies hominum laſſen ſich auch wenig gute Ord - nungen in Kehl einfuͤhren. Die Feſtung Kehl hat der Marggraf von Baaden zu einer Stadt erhoben, und den erſten lutheriſchen Prediger da beſtellt. Im Dorfe Kehl iſt ein Condominat von ſieben Herren, Baaden, Naſſau, dem Stifte Frauenhaus in Strasburg ꝛc.
Ich beſah zuvoͤrderſt, Herrn Herrmanns, Prof. der Naturgeſchichte auf hieſiger Univerſitaͤt, vortreffli - ches Naturalienkabinet. Es zeichnet ſich theils durch die ſchon anſehnliche Menge, theils durch Ordnung und Nettigkeit vorzuͤglich aus. Man findet bei ihm ſehr viele Inſekten, beſonders kleine, die zum Theil noch auf Tafeln mit einem weiſſen Grunde unter Glas haͤngen, theils aber in Schubladen mit abgetheilten Faͤchern, ebenfalls auf einem weiſſen Grunde, unter genau aufge - paßten Glastafeln, und ſehr richtig beigeſchriebenen Na - men, auf bewahrt werden. Ich fand ſehr viele Am - phib. reptil. Linn. auch Rana Pipa; ein junges Kro - kodil in einem Glaſe; viele Schildkroͤtſchaalen; auch Teſtud. imbricat. ſehr viele Amphib. Nantes, als Chaetodon, Diodon, Cyclopt. etc. welche Fiſche nicht ausgeſtopft ſind, ſondern blos in der hohlen aber natuͤrlich geſtalteten Epidermis, und nur von einer Seite, jeder auf einem ſchwarzen gedrehten Fuß von Holz, verwahret werden; ſehr viele ausgeſtopfte Saͤug - thiere, als Dachs, Murmelthier, Genetkatze, Wieſel, Ratten ꝛc; groſſe Haarkugeln, ſo voͤllig abgerundet und ſo niedlich, als wenn ſie mit Fleis und Kunſt abgedreht waͤren, gar viele; und ſo wie alle, in Glasſchraͤnken. Dies alles nimt ein eignes mehr lang, als breites Zim - mer ein. Ferner, ſehr wohlerhaltene Voͤgel von allen Ordnungen und Geſchlechtern, wovon jeder wieder auf einem eignen Stativ ſitzt. Unter andern ſah’ ich da den Kardinal (den blutrothen Vogel, den man aus Oſtin - dien kommen laͤßt), auch noch etliche andre ſehr ſchoͤneA 3Voͤgel6Voͤgel vom Miſſiſſippi, den Kolibri, der voͤllig den langen ſpitzigen Schnabel hat, den ihm die Maler geben, uͤbrigens aber keine beſondre Schoͤnheit, auch keinen Gold - glanz am Halſe hatte; ſo wie denn auch Phal. Atlas, die ich da ſah, zwar die Spiegelflecken hatte, aber nicht die hohen hellen Farben, womit ſie Cramer vorgeſtellt hat. Von Schlangen ſah ich hier groſſe und kleine (zum Theil noch ſpezifiſch unbeſtimmte Arten), in Wein - geiſt; ſchoͤn und uͤberaus fein war das Cranium vom Kopf des Coluber Berus, wo man die zwei Giftzaͤhne von den uͤbrigen deutlich unterſcheiden konnte. Viele monſtroͤſe Eier; die pergamentartigen aber doch kalkhal - tigen Eier der Schildkroͤte; etliche Vogel - und Inſekten - Neſter; beſonders aber viele koralliſche Gewaͤchſe, Ma - drepor. Mill por. Sertular. Alcyon. Gorgon. ; Viele groſſe und kleine Spongiae, Gordius Medin. Taema Solium, und andre Arten vom Bandwurm; Aphrodit eine unzaͤhlbare Menge von Muſcheln, die in Schubladen auf einem weiſſen Grunde nach den ſyſte - matiſchen Geſchlechtern lagen; ein vortreflich wohlausge - dehntes, unter einer eignen Glastafel haͤngendes Medu - ſenhaupt (Aſter. Caput. Med. L), und viele andre groſſe und kleine, gedoͤrrte, in Schubladen liegende Meer - ſterne; eine eigne Lage von Fluß - oder Suͤßwaſſerconchy - lien, worunter ſich eine aus Aſien abſtammende Land - ſchnecke durch die bisher nicht bekannte Beſonderheit, daß ſie nemlich gegen den ſonſt gewoͤhnlichen Gang der Natur bei den Schnecken, die Spitze ihrer Windungen, und das Maul an einer und derſelben Seite gleich neben einander hat, auszeichnete. Unter den thieriſchen Petri - ſicaten waren Spongiae, Corn. Amm. zum Theil von ungeheurer Groͤſſe, viele mit einem metalliſchenGlanz,7Glanz, insbeſondre aber war ein groſſes 6 — 8. Pfund, meiner Schaͤtzung nach, wiegendes Stuͤck von einer Madrepora aus Champagne merkwuͤrdig, die ver - ſteinert, und zwar Terra ſilicina war, ſo gewis, daß ich durch den Stahl an allen Orten eine Menge Feuerfun - ken herausſpruͤhen ſah; der vielen Arten aus dem Krebs - geſchlecht, die uͤberall herum lagen, der Embryonen und monſtroͤſen Naturprodukte nicht zu vergeſſen.
Vom Pflanzenreich ward mir nichts gezeigt, als ein Verſuch, alle Fruͤchte mit Wachs auszufuͤllen, und ſie ſo zu erhalten, den aber der Beſitzer bald wieder vergaß.
In der Mineralogie fand ich nichts von Erden; etliche Salzproben, kein Sal Gemmae, keine Schwe - fel, als gediegenen vom Veſuv ꝛc. ; von Steinen nur Edelſteine, ein Diamant, der 3000. Livres gekoſtet ha - ben ſoll, und den Pierre de Straas darneben verdun - kelte; alle andre Edelſteine, auch ein Oculus Cati; ein Onyx; von jedem Metall viele Stufen, auch das Nagyager Golderz, auch Platina del Pinto in ziemli - cher Menge (wovon die Unze im Ankauf 100. Liver, bald hernach aber 300. koſtete); viele Haͤmatit., viele Queckſilberſtufen ꝛc. Hierauf beſuchte ich den hieſigen
Botaniſchen Garten. Man nennt ihn hier den Doktorgarten. Er liegt am Ende der Stadt, aber doch in derſelben. Er iſt mehr breit als lang. Es koͤnnen etwa 1500. Gewaͤchſe darin ſtehen. Er iſt in 4. Quar - tiere abgetheilt. Man kauft noch immer mehr dazu, das Bosket bedeutet noch nicht viel. Die Gewaͤchs - haͤuſer ſind lang, aber breit. Man findet nichts beſon - ders darin. Yuccae ſind einige da, aber keine Pal - mae, keine Muſa, etliche Citri, ꝛc. die Aufſicht hatA 4Hr.8Hr. Prof. Spielmann. Er ward damahls erſt wie - der beſaͤet und eingerichtet. Eine kleine Apotheke iſt auch dabei. Die Genera ſind nach Ludwig und Linné. Der Lehrer lieſt zwar Botanik alle Sommer oͤffentlich, laͤßt aber alles weg, was in die Materia me - dica gehoͤrt, ſchimpft nicht ſelten ſehr heftig auf Linné, weil er nach Tournefort gelernt hat, und jezt uͤber Linné leſen muß.
Die Univerſitaͤt in Strasburg iſt ein groſſer Koͤrper, der in allen ſeinen Gliedern lahm iſt. Es fehlt ein Haupt, das in alle einzelne Theile Leben und Thaͤ - tigkeit verbreitete. Die theologiſche und juriſtiſche Facultaͤten bedeuten faſt gar nichts, die mediciniſche hat gegenwaͤrtig noch zwei groſſe Maͤnner, Lobſtein und Spielmann, aber die jungen Zoͤglinge verſprechen nicht viel. Ein Kanzler oder Curator, iſt nicht da, der Praͤ - tor, und die Ammeiſter, die aber Bankiers, und keine Gelehrte ſind, dirigiren die Sachen. Sehr vieles wird nicht geleſen, z. B. Diaͤtetik, Clinik ꝛc. Im Sommer iſt fuͤr die Mediciner, auſſer der Botanik und Phyſiologie, nichts zu thun. Im Winter iſt die Anatomie vortref - lich, aber mit ſchweren Nebenkoſten verknuͤpft. Vieles wird ſehr langſam geleſen. Die Lehrer fangen in der Mitte des Sommers an und hoͤren auch in der Mitte des Halbjahrs auf. Die aͤlteſten Profeſſoren heiſ - ſen Canonici, haben eigue Haͤuſer, fette Beſoldungen, werden traͤge, ſind zum Theil Bonvivants, und haben keinen Ernſt im Dociren. Sie leſen in der Theologie und in andern Wiſſenſchaften, mehr uͤber ihre eignen Aufſaͤtze, die ſie den Studenten zum Abſchreiben geben, als uͤber Compendien. Viele ſind pedantiſch fuͤr das, was man ehemahls Philologie nannte, eingenommen. Viele9Viele ſind oft zu predigen genoͤthigt, und leſen dann Freitags und Sonnabends nicht. Die meiſten Vorle - ſungen werden lateiniſch gehalten, ſelbſt die Phyſik, und Moral. Leztre wird in lauter Definitionen von den Tu - genden vorgetragen, und dieſe lernen die Zuhoͤrer aus - wendig. Man bemerkt an den jungen Kandidaten eine groſſe Unbekanntſchaft mit der Bibel, die Quellen wer - den faſt gar nicht ſtudirt. Die Prediger ſind ſehr mit - telmaͤſſig. Schwulſt und Gallimathias heiſt hier Be - redſamkeit. Im Iure wird uͤber den Heineccius gele - ſen, und die Abweichungen des franzoͤſiſchen Rechts wer - den dazu diktirt. Die Profeſſoren am Gymnaſium bleiben oft lange an der Kette der niedern Schulen liegen, weil bei Beſetzungen der Stellen auf der Univerſitaͤt, Fa - milienverbindungen gemeiniglich den Ausſchlag geben. Auslaͤnder koͤnnen hier nie Profeſſoren werden. Die Studenten ſtudiren ſehr bequem, hoͤren 1. bis 2. Kolle - gia des Tags und geben etliche Stunden Information (vulgo ſchanzen), wofuͤr ſie Geld oder den herrlichſten Tiſch haben koͤnnen, und die Leute glaubens nicht, daß durch die elenden gedungenen Informatores, die Jugend nothwendig von einem Menſchenalter zum andern, immer mehr verdorben wird. Von Licentiaten, die ſich von Repetenten zu einer juriſtiſchen Diſputation haben praͤpa - riren laſſen, wimmelt die Stadt. Beſonders ſollen die Lothringer ſehr unwiſſende Leute ſeyn. Vom Geſchmack in der Theologie koͤnnen einige Diſſertationen zeugen, difficile eſt, Satyram non ſcribere. — Sehr viele junge Leute wollen mit etwas Belliteratur und franzoͤſi - ſcher Geſchwaͤtzigkeit, und Façon Profeſſores werden. Viele Profeſſores ſetzen in den Lektionskatalog, daß ſie dieſes Halbjahr nicht leſen werden.
A 5Die10Die Bibliothek, welche ich ebenfals beſuchte, be - komt wenig Zuwachs in den neuern Zeiten. Im theo - logiſchen Fach ſind einige alte Bibeln da, aber keine Hauptwerke. Mediciniſche, phyſiſche und naturhiſtori - ſche Buͤcher ſtehn noch beiſammen, und haben auch wohl Platz. Von neuern Schriften iſt gar nichts da, nicht ein - mahl Hallers groſſe Phyſiologie, nicht einmahl Reau - mur Hiſtoire des Inſectes etc. Ariſtoteles mit allen ſeinen Kommentatoren, Theophraſtus, Hippocra - tes, Galenus, Avicenna etc. ſind da, aber keine neue Schriften. Aus Engelland iſt faſt gar nichts vorhanden, Parſon of Hermaphrodites fand ich indes doch hier.
D. Corvinus Kabinet vergaß ich auch nicht zu beſehen. In der Mineralogie iſts am ſtaͤrkſten. Man findet da viele Queckſilberſtufen aus Spanien, Oeſter - reich, auch eine ſehr ſchoͤne aus Indien. Ferner Sil - ber - Blei-Erzſtufen aus dem Wuͤrtembergiſchen von Alpisſpach her, huͤbſche Stuͤcke von gewachſenem Silber aus dem Wuͤrtembergiſchen und Fuͤrſtenbergiſchen, Kupfer, viele Terrae ſigillatae, mit den Praͤparaten davon, die in die materia medica einſchlagen. Mooſe ſezt der Beſitzer nur ſo, wie ſie ſind, nach Wegnehmung aller erdichten Theile, in eine Schublade, ſie werden hart und konſerviren ſich gut. Alles iſt in Schubladen, die in Faͤcher abgetheilt ſind. Viel groſſe Stuͤcke Quarz, ſonderlich amethyſtfaͤrbige von der Moſel; Blutſteine die ungemein glatt ſind, wie polirter Stahl; ſchoͤne ame - thyſtfaͤrbige Quarzdruſen; wenig beſondre Muſcheln; eine Spina dorſi und Haͤute vom Crotalus horridus, aber noch ſehr jung und klein; Incruſtata; viel ſogenanntes verſteinertes Holz; Zaͤhne und Kieferſtuͤcke aus d[e]m Rhein ꝛc. Ein Stuͤck Bernſtein, worin eine MuſcaLinn. 11Linn. iſt; zu den Terr. ſigill. rechnet D. Corvinus nur die Terram albam und rubram, die ich auch habe, die Terra Lemnia iſt bei ihm eine ſchluͤpfrige ſeifenartige graulichte Erde, die jetzt nicht mehr, wie vormahls, von den alten Griechen in kleine Kuͤchelchen geformt und geſiegelt wurde. Darneben beſitzt er die ſo - genannte Pilgererde, die Erde, die das Baadener Bad (bei Raſtadt) und die, ſo das Baadener Bad in der Schweitz abſetzt; die letzte iſt ſalzichter als die erſte, und wird in der Schweitz wider die Kraͤtze auf die Haͤn - de gerieben und wirkt recht gut als ein austrocknendes Mittel. Die Erde vom Baadener Bad hat den Ge - ſchmack, wie Glauberſalz. Alaunſteine hat er aus dem Saarbruͤckiſchen, aus denen ſie dort ſehr ſchoͤne Alaun - cryſtalle machen, die aber die Luftfeuchtigkeit an ſich zie - hen und verwittern. Erden vom Aachener und Wiß - badener Bad in kleinen Schachteln. Salzcryſtalle von Bruchſal. Einige orientaliſche Marmor, die eine viel feinere Textur haben, als die occidentaliſchen, und viel glaͤtter und ſanfter anzufuͤhlen ſind. Eiſenminern, be - ſonders die minera ferri globoſa von Herrn v. Die - terichs Bergwerk. Steine, in denen ein Gemiſch von Quarz, Blei, Silber ꝛc. iſt, aus der Gegend bei Frei - burg im Breisgau. Sonderlich aber verdienen die Koboldminern Aufmerkſamkeit, die er 6 Stunden von Offenburg hinter Gengenbach im Gebuͤrge geſammelt hat. Dort iſt im ſogenannten Nordracher Thal ein groſſes Werk vor 10. Jahren von einem ehemahligen Praͤlaten in Gengenbach angelegt worden, an dem jetztgedachtes Kloſter und Offenburg Theil haben. Sie laſſen durch eigne Fuhren Koboldminern theils aus Boͤhmen, theils aus dem Walliſerland, theils ausdem12dem Naſſauiſchen, kommen, in dieſen iſt Arſenik und Kobold; dieſe werden erſt geroͤſtet, ſo daß ſich der Arſe - nik in einer langen Roͤhre, und in einer Stube aufſubli - mirt. Dieſe Stube wird alle halbe Jahr ausgeſchla - gen. Dann haben ſie dort eine eigne Art Kieſel, die in den Bergen bricht: mit dieſer calciniren ſie nun die Kobolderze, und wenn ſie im Fluß ſind, ſo laſſen ſie ſie in ein Waſſer fallen, da bekommen ſie alsdann ein wah - res ſchoͤn blaugefaͤrbtes Glas. Nachdem dieſes Glas vorher lange klein gepocht worden, reiben es hernach 2. uͤber einander laufende groſſe Muͤhlſteine, zwiſchen wel - che beſtaͤndig Waſſer geleiſtet wird, klein; da ſich dann unten der wahre Kobold praͤzipitirt. Dieſer beſteht in einem Pulver, davon ſie dreierlei Arten haben, und zu - letzt bleiben die kleinen blauen Glastheilchen, als ein Sand zuruͤck, der zur Schmalte gebraucht wird. Dieſen Ko - bold verkaufen ſie theuer an die Hollaͤnder, und dieſe verfuͤhren ihn nach Oſtindien und China. Und unge - achtet alle Minern durch eigne Fuhrleute zu Pferde und auf der Achſe dahingebracht werden; ſo ſollen ſie doch 8. bis 10. pro C. gewinnen; denn das Holz haben ſie im Ueberfluß. Dies iſt alles, was mir der Beſitzer dieſer Sammlung von einer ſo unbekannten und doch ſo ſehens - wuͤrdigen Anſtalt ſagen konte. Es ſind viele Gebaͤude da, man muͤßte ſich acht Tage dort aufhalten, um ins Detail zu ſehen, und muͤßte es ſich doch nicht merken laſſen, denn man thut etwas geheim damit.
Eine ſchmerzhafte Krankheit, von der ich in Strasburg befallen ward, unterbrach fuͤr diesmahl die Fortſetzung meiner vorgehabten Reiſe. Ich blieb dort viele Wochen unter den Haͤnden der Aerzte und reißte endlich im Julius wieder nach Carlsruhe zuruͤck. Im April 1777 abertrat13trat ich dieſe Reiſe von neuem an, ging nach Stras - burg, und nahm nun in Augenſchein, was mir von Merkwuͤrdigkeiten zu beſehen, das Erſtemahl zuruͤckge - blieben war. Dahin rechne ich;
Das Monument des Grafen und Marſchals von Sachſen in der Thomaskirche. Im Chor dieſer an ſich ſchon wegen ihrer groſſen Weite ſehr ſehenswuͤrdigen Kirche ſteht ſeit einem Jahr dies Werk, das der Nation, der Stadt, dem Erfinder und noch mehr dem Verfertiger, Hrn. Pigalle Ehre macht*)Er hat ſich damit den Michaelsorden erworben, der in Frankreich fuͤr Kuͤnſtler geſtiftet iſt.. Ein Werk, das mit dem Transport 300000. Liver gekoſtet hat, und das aus ungeheuren Steinmaſſen, wiewohl man’s ihm nicht anſieht, zuſammengeſetzt iſt. Es iſt breit, hoch, und macht gleich beim erſten Anblick ei - nen tiefen Eindruck. Der Kenner bewundert’s, und der Laie verweilt gern dabei, und wird durch den Anblick der vielen affektvollen Vorſtellungen warm. Es iſt aus ſchwarzem und weiſſem Marmor zuſammengeſetzt. In den Kupferſtichen die man davon hat, iſt der Marſchal zu klein vorgeſtellt; von weitem iſt ers auch. Alle andre Figuren ſind koloſſaliſch, er aber iſt in nur Lebens - groͤſſe. Er ſteht oben, ernſthaft, lieblich, und ſteigt auf einer Stufe herab. Die Bildſaͤulen ſind alle weis, der Sarg, der Deckel, und die obre und untre Wand aber alle ſchwarz. Der Held will in den Sarg ſteigen, der Tod ſteht zur Linken, gros, in ein Gewand gehuͤllt, die Knochen in ſeinem Geſicht ſind vortreflich ausgedruͤckt, er hat eine Sanduhr in der Hand, und hebt mit der ei -nen14nen Hand den Sargdeckel auf. Der Marſchal haͤlt in der Rechten den Marſchalsſtab hinter ſich, die andre ſtreckt er aus. Der Kuͤnſtler hat ſogar die Wellen, die das Cordon bleu wirft, ausgedruckt. Indem der Held mit heitrer Miene in den Sarg treten will, liegt Frankreich als eine Goͤttin vorgeſtellt, zu ſeinen Fuͤſſen, faßt ihn bei der Hand und haͤlt ihn mit flehendem Blick zuruͤck. Zu ihrer Linken ſteht der Genius Frankreichs, der zu wei - nen ſcheint, und des Todes Fackel umkehrt. Aber der hat ein Kasket auf dem Kopf! Auf eben dieſer Seite liegen zerriſſene Fahnen, Standarten, und uͤber ihnen ſtehen Frankreichs Fahnen mit den Lilien. Auf der linken Seite des Marſchals ſinkt der Reichsadler zu Bo - den, auch Leoparden und Loͤwen, — Sinnbilder Engel - lands und Hollands, — liegen wie niedergeworfen da. Dies hat der Stolz der Nation angebracht, die Kunſt aber hat dabei das Ihrige gethan. Das falticht und wellenwerfend uͤber den Sarg herabhaͤngende Tuch iſt die groͤßte Nachahmung der Natur. Aber das Meiſterſtuͤck iſt Herkules, der dem Tod gegenuͤber ſteht, mit dem rechten Arme in die linke Hand geſtuͤtzt, die linke auf der Keule ruhen laͤßt, die rechte bedeckt halb die Stirne. Alles was ſtillen Schmerz, was bittern Gram uͤber die Sterblichkeit des Helden ausdrucken kan, das alles hat Pi - galle’s herrlicher Meiſſel da angebracht. Falſch iſts, daß er weinerlich, heulend vorgeſtellt ſei, wie Schloſſer ſagt. Auch iſt der Tadel an der Lage des Sargdeckels, meines Erachtens, uͤberfluͤſſig. An der Seite des Monuments geht man durch eine krumme ſteinerne Treppe in ein klei - nes praͤchtiges Gewoͤlbe hinab, das die ganze Laſt traͤgt. In der Mitte ſteht ein ſteinerner Sarg aus Einem Stuͤck, in welchen die Aſche des Mannes gebracht werden ſoll,die15die jetzt noch in der Neuenkirche iſt. Oben iſt eine Oef - nung fuͤrs Herz, unten eine fuͤr die Eingeweide des Grafen.
Hinten in der Kirche ſoll Schoͤpflin’s Bild an ei - ner Urne mit einer Inſchrift hinkommen. Seine Schwe - ſter und Erbin, die von der Stadt wegen der Bibliotheck eine Penſion hat, laͤßt es ihm ſetzen.
Das Aeuſſerliche der Stadt wird durch beſtaͤndi - ges Bauen ſehr verſchoͤnert.
Aber alle reiche Leute halten ſich immer in Pa - ris auf.
Der Ton der Stadt iſt ein widriges Gemiſch von alten Reichsſtaͤdtiſchen, Teutſchen, und Franzoͤſiſchen Moden. Es gibt Stadtweiber hier, wie man ſie viel - leicht ſelten findet.
In den Haͤuſern trift man viele Marmorplatten auf Tiſchen an, die kommen von Schirmeck, 9 — 10. Stunden von Strasburg. Dort ſoll eine herrliche Marmorſchleife ſeyn.
In der Stadt ſelber ſind viele Kuhmelkereien und doch wird eine Menge Milch und Butter vom Lande von beiden Seiten hereingebracht.
Die Soldaten ſtricken auf der Wachſtube Filet; das Paar Mannsmanſchetten verkaufen ſie oft fuͤr 3. Liver.
In Bar nicht weit von Strasburg iſt eine groſſe lutheriſche Gemeinde, aber auch viele Katholiken. Esgab16gab immer Streit wegen der Zeit bei den lutheriſchen Kommunionen. Es ward daher befohlen, daß allemahl 3. Kommunikanten das Brod auf einmahl nehmen, und man die Worte der Einſetzung fuͤr alle 3. nur einmahl, und beim Kelch fuͤr 2. nur einmahl ſprechen ſoll; nun ſind die Streitigkeiten beigelegt.
Man trinkt hier in ſehr vielen Haͤuſern Thee von Schluͤſſelbluͤmchen; er ſchmeckt recht gut.
Unter den Sallat thun die Franzoſen viel Apium Petroſelinum.
Es gehoͤrt zum Karakter der Nation, daß ſie be - ſtaͤndig ſingt. Selten geht einer die Treppe hinauf, oder hinab, ohne zu trillern; die Koͤchin in der Kuͤche, der Soldat auf dem Poſten, die Kinderwaͤrterin, der Beckerjunge, der Ladendiener, kurz alles ſingt.
Drei Stunden von Strasburg hat der vortrefliche Staͤttmeiſter und Lieutenant, Hr. General von Hohen - hayn ein Landgut, das ein Meiſterſtuͤck der Oekonomie ſeyn ſoll, ſelbſt angelegt. Unter andern ſind ſeine Wein - berge als ein Amphitheater angelegt; an den Seiten ſte - hen Pfoſten, an dieſen ſind eiſerne Drathe durch den ganzen Weinberg gezogen, und an dieſen, nicht an Pfaͤh - len, ſind alle Rebſtoͤcke befeſtigt.
Die Abgaben an den Koͤnig ſind ſehr gros. Die Leute ſind auch meiſt ſehr arm, und wiſſen nie was ſie geben muͤſſen; es gibt beſtaͤndig Veraͤnderungen. Ein Becker, der nichts hat, als ein halbes Haus zu ſeinem Handwerk, gibt der Stadt, und dem Koͤnige alle Jahr 80. Gulden.
Im17Im franzoͤſiſchen Hoſpital hat man ganz neuerlich ein wohlfeiles Mittel entdeckt, Plumaçons und Charpie zu bekommen. Man laͤßt von den Stuͤhlen, auf denen man leinene Baͤnder macht, die Flocken und Abfaͤlle, die an den Seiten des Stuhls haͤngen, ſammeln, und legt dieſe in die Wunde. Es ſieht aus, wie die fein - ſte Baumwolle, und ſaugt die Feuchtigkeiten der Wunde viel beſſer ein, als die ſonſt gezupften Plumaçons. Die Engellaͤnder zupfen auch die Leinwand nicht, ſondern ſcha - ben mit dem Meſſer die kleinen Faͤschen ab und bekom - men ſie auf dieſe Art ungemein fein. Im vorigen Jahre ſollen die Chirurg[j]ens-Majors ganze Kaſten und Kiſten voll ſchon gemachter Plumaçons bei ſich gehabt haben.
Unter dem Buͤrgerſtande iſt das Kaffeetrinken noch nicht ſo allgemein. Man macht ſich Viſiten des Nach - mittags, ohne daß Kaffee vorgeſetzt wird.
Die Feuerarbeiter in der Stadt brauchen Stein - kohlen. Man graͤbt ſie bei Lach, nicht weit von Wei - ler, einem Staͤdtchen im obern Elſaß, 4. Stunden von Strasburg. Die Steinkohlengruben liegen auf einem graͤflichen Gebiet. Kaufleute aus der Stadt neh - men ſie in Beſtand; man bringt die Kohlen zu Waſſer. Sie laſſen nach dem Verbrennen mehr Schlacken zuruͤck, als Aſche, und ſind auch ſehr reichhaltig zum Theil an Bleierz, zum Theil an Kupfer.
Beim Bad Niederbrunn, 9. Stunden von Strasburg, gibts rothe Sandſteine mit dendriti - ſchen Zeichnungen, die ſehr ſchoͤn ſind. Sie ſind dort ſo haͤufig, daß man damit mauert. Man ver -Bſicherte18ſicherte mich, daß die Zeichnungen durch den gan - zen Stein durchgehen. Es koͤnnen alſo keine bloſſe Ein - druͤcke und am wenigſten aus einander geſpruͤtztes flui - dum ſeyn. Das Bad ſelber hat Glauberſalz, Eiſen - ſafran und Asphalt. Den Brunnen hat ſchon Julian der Abtruͤnnige graben laſſen. Fuͤr Gliederſchmerzen ſoll er ſehr gut ſeyn, und wird auch ſtark genutzt; ſ. D. Leyſſering in Carlsruhe Diſſert. de Aquis Nie - derbrunnenſibus.
Zwei Stunden von Strasburg ſind Asphaltgru - ben, aus denen jaͤhrlich viele 100. Centner Wagen - ſchmier gemacht werden. Die Bauern ſchoͤpfen das Waſſer und laſſen’s abdampfen, bis das Steinoͤl zuruͤck bleibt. Aus dieſen Gruben kommt etwas Steinoͤl in jenes Bad.
Im ſogenannten Steinthal, einer gebuͤrgigen rau - hen Gegend bei Bar, findet man Stalactiten, viele Eiſenminern, Quarze, Schwefelkieſe, Blutſteine, auch Marmor, und Marienglas, nebſt Spat ꝛc.
Junge Huͤner und Gaͤnſe macht man hier auf folgende Art fett: Man nimmt 2. Theile Gerſtenmehl, und 1. Theil Welſchkorngruͤtze, thut ein wenig Salz dazu, machts im Sommer mit bloſſem Waſſer an, im Winter aber kocht man es ein wenig mit Waſſer und Milch. We - gen der Zaͤhigkeit thut man ein wenig Sand darunter, ſonſt bleibts ihnen im Kropf haͤngen. Dies ſtopft man ihnen des Tags 2mahl ein. Auch alte Gaͤnſe haben von Welſchkorn in 8. Wochen 10. Pfund Fett, und eine herrliche Leber bekommen.
Kraͤf -19Kraͤftige Suppen macht man ſo: Man nimt Brod von ⅔ Weitzen - und ⅓ Roggenmehl, ſchneidet ſehr duͤnne Scheiben daraus, laͤßt ſie auf dem Ofen gelinde roͤſten, und kocht dann etliche davon mit der Bruͤhe auf.
In Frankreich darf kein Guͤterwagen uͤber 600. Centner laden und nicht uͤber 6. Pferde haben. Jeder Huiſſier darf, wenn der Fuhrmann mehr Pferde hat, ſie ihm abſpannen. Dadurch werden Bruͤcken und Wege geſchont.
Strasburg iſt der einzige Ort, wo die Komoͤ - dianten zur Beichte gehen. Ils font les Pacques, ſagt man. An andern Orten laͤrmt die Geiſtlichkeit uͤber ſie. Im Leben betet man ſie an, und nach dem Tode will man ſie nicht begraben. In Holland ſind ſie Handwerker, arbeiten am Tag, und ſpielen des Abends.
Der Luxus der Reichen bei Gaſtereien geht hier erſtaunlich weit. Zum Deſſert werden Beſtecke von Vermeille ſervirt. Am Meſſer iſt auch die Klinge von Silber, und damit ſie vom Obſtſchneiden nicht an - laͤuft, vergoldet. Jedem Chapeau wird eine eigne Bouteille fremder Wein in einem ſilbernen Gefaͤs hinge - ſtellt, mit einem Korb voll Kelchglaͤßchen. Der ſtarke Kaffee der Franzoſen koͤmt dann noch hintennach, und iſt wahres Gift.
Dieſe machte ich in der Diligence Royale. So heißt man’s, obgleich der Koͤnig nicht Entrepreneur iſt, ſondern eine Privatge - ſellſchaft in Paris. Nur allein der Wagen nach Strasburg koſtet ihr jaͤhrlich 72000. Liver. Der Weg geht durch Elſaß, Lothringen, Barrois, Champagne und Isle de France. Man rechnet 57. Poſten zu 2. Stunden, manche machen anderthalb Poſten. Die Namen ſtehen in jedem Almanac de Strasbourg, de Nancy ꝛc. Die Stationen ſind zum Theil elende Doͤr - fer, oft bloſſe Haͤuſer am Wege. Die Kutſche haͤngt in Riemen, iſt ziemlich bequem, darf aber nicht ſo bepackt wer - den, wie die teutſchen Poſtwagen. Die Thuͤren ſind hoch, man ſteigt durch eine eigne Leiter hinauf, die hernach zu - ſammengelegt und hineingenommen wird. Der Kom - mis hat vorn abgeſondert von den Paſſagiers, ein eignes, ſehr bequemes Kabriolet, und vor ſich einen Korb fuͤr die Porte-manteaux und Sacs de nuit. Mehr als 10. Pfund hat kein Reiſender frei. Fuͤr die Koffer hat man eigne Meſſageries Royales, wo das Pfund die Stunde 5. Sous, auf der Diligence aber 6. Sous koſtet. In der Kutſche iſt oben ein grobes Filet, fuͤr die kleinen Pa - ckete, an Naͤgeln befeſtigt, das ſich ganz und zum Theil abnehmen laͤßt, und vieles faſſen kan. Sie bleibt Nachts etliche Stunden liegen, und langt in fuͤnfthalb Tagen von Strasburg in Paris an. Die wichtigſten Orte durch die ich auf dieſer Route kam, ſind
Zabern, franzoͤſ. Saverne, wo der Kardinal-Bi - ſchof von Strasburg einen ſchoͤnen Garten und ein groſ -ſes21ſes Baſſin hat. Der Ort iſt bergicht. Von da geht die herrliche Straſſe nach
Pfalzburg. Sie iſt in ihrer ganzen Laͤnge zu beiden Seiten mit Steinen an den Reinen untermauert, und zieht ſich rings am Berg hinauf. Die Stadt Za - bern muß ſie durch eigne Leute unterhalten, hat aber da - fuͤr von allen Laſtwagen eine gewiſſe Abgabe, wovon aber Karoſſen frei ſind. Je hoͤher man hinauf koͤmmt, deſto - mehr ergoͤtzt ſich das Auge an der herrlicheu Ausſicht ins praͤchtige Elſas, das ſich immer mehr aufhellt, und in ſeinen majeſtaͤtiſch ſich kruͤmmenden, koſtbaren, Triften ganz darbietet. Pfalzburg ſelber hat ſchoͤne Haͤuſer, einen angenehmen Markt - und Paradeplatz, und ſcheidet Elſas und Lothringen.
Saarburg, ein kleines Staͤdtchen, hat auf der einen Seite einen waldichten Berg, aber auf der andern herrliche Gegenden. Zu meiner Verwunderung hoͤrte ich da gemeine Leute ſchlecht franzoͤſiſch, aber ausnehmend gut deutſch ſprechen. Die Bergart zwiſchen Zabern und Pfalzburg iſt ein rother, feiner, ſtark eiſenhaltiger Thon. Auf der Steig hoͤrte ich (den 13ten Mai) uͤberall Ku - kuke rufen.
Einige ſtolze Abteien praͤſentiren ſich auf den Sei - ten. Aber ohne Unwillen kan man’s nicht anſehen, wie in dem vortreflichen reichen Lande Armuth, Unwiſſenheit, Blindheit, Sittenloſigkeit und Elend unter dem gemei - nen Volk ſo gros ſind. Kaum haͤlt ein Reiſender an, ſo ſind Kinder, Maͤnner, und Weiber um ihn herum und betteln. Halbe Doͤrfer kommen ihm entgegen und bet - teln. In den Ohren thuts dem Menſchenfreunde weh, wenn Gottes Geſchoͤpfe im Paradies der Erden mit la - teiniſchen Gebetsformeln, die ſie nicht ausſprechen, nichtB 3nach -22nachlallen koͤnnen, weils der dickgemaͤſtete Pfaffe ſelber nicht kan, geſchweige verſtehen, um einen Liard eine Vier - telſtunde nachlaufen und winſeln. Die geiſtlichen Blut - igel haben alles, und die groͤßte Klaſſe der Einwohner ſchmachtet mitten im fruchtbarſten Lande vergeblich nach Bildung, Unterricht, oft um Ernaͤhrung. Und iſt auch irgendwo fuͤr viele Doͤrfer ein Pfaff von einem Klo - ſter angeſtellt, ſo bin ich verſichert worden, daß er ſelber fuͤr ſeine Perſon nichts Ueberfluͤſſiges habe. — So un - begreiflich ſchlecht ſind die Anſtalten, wo ſie am beſten ſeyn koͤnten!
Die Chauſſeen ſind, wie uͤberall im Koͤnigreiche, praͤchtig, breit, mit Baͤumen zu beiden Seiten beſetzt, und uͤberall beſtaͤndig in gutem Stande.
Luneville, eine der anmuthigſten Staͤdte, von einer ſehr betraͤchtlichen Groͤſſe; die Buͤrger ſollen auch aufgeweckte Leute ſeyn. Lauter langgeſtreckte, grade, ſich ſchoͤn durchkreutzende, Straſſen, hohe ſteinerne Haͤu - ſer, ein vortreflicher Platz, ein ſehenswuͤrdiges Schloß, das inwendig viele Koſtbarkeiten enthalten ſoll, mit artigen Spatziergaͤngen findet man da.
Nancy, der Weg von Luneville nach Nancy iſt ſchoͤn, geht durch die ſchoͤnſten Felder, und hat herrliche Alleen. Die Vorſtaͤdte ſind ſchlecht, und verſprechen gar nichts. Deſtomehr wird man aber durch die Neu - ſtadt in Erſtaunen geſetzt. Sie iſt mit dem richtigſten Geſchmack angelegt, und wird immer ſchoͤner. Be - ſonders iſt la Place Royale ſehenswuͤrdig, wo Lud - wig’s des 15ten Bildſaͤule aufgerichtet iſt. Auch la Caliere, ein andrer Platz, iſt artig. Eben ſo la Place d’Alliance, und die Pepiniere. Aber das ſchoͤnſteiſt23iſt la Chapelle, wo die Herzoge von Lothringen bei - geſetzt ſind. Kaiſer Joſeph II. hoͤrte hier, uͤber der Aſche ſeiner Voreltern im April 1777. bei der Durch - reiſe nach Frankreich eine Meſſe.
Zwiſchen Nancy und Vilaine, der naͤchſten Sta - tion, zeigt man den Reiſenden zwei Plaͤtze, wo Koͤnig Stanislaus im Walde durch Ausfuͤllung ungeheurer Tiefen zwei Berge vereinigen wollte. Die Straſſe geht wirklich druͤberweg.
Toul hat nichts beſonders, der biſchoͤfliche Pallaſt auch nicht. La Dauphine heißt der Platz, der vier - eckicht, gros, und mit Baͤumen und ſteinernen Baͤnken eingefaßt iſt.
Bar le Duc. Iſt der letzte Ort in Lothringen. Es ſind groſſe und gute Aubergen da, weil verſchiedene Diligencen darin zuſammen kommen.
Saint Dizier. Der erſte betraͤchtliche Ort im eigentlichen Frankreich, in der Provinz Champagne. Auſſen vor dem Staͤdtchen iſt die Douane, wo unter einem Schuppen mit allem groſſen und kleinen Gepaͤcke der Reiſenden die genaueſte Viſitirung vorgenommen wird; ſogar die Nachtſaͤcke muͤſſen aufgemacht werden. Kar - ten, Toback und alles Neue iſt Kontrebande. Nur die Taſchen der Reiſenden werden nicht viſitirt. Wer ſei - nen Koffer, ohne daß er dabei iſt, auf eine Meſſagerie gibt, muß auf dem Bureau in Strasburg die Schluͤſ - ſel dazu laſſen, die daran gebunden werden, ſonſt wird er aufgeſchlagen. Nach Buͤchern fragt man nicht. Verſiegelte Briefe duͤrfen der Poſt nicht entzogen werden. Und gleichwohl wird in Paris beim Bureau, wo manB 4ab -24abſteigt, noch einmahl viſitirt. Im Staͤdtchen ſelber ſah ich die Truͤmmern von einer Menge Haͤuſer, die 1776. durch einen Brand verzehrt worden. Man baute ſie wieder auf, mit einer Art von weichen Steinen, die, wie Holz, mit Saͤgen von den Maͤurern ohne Muͤhe zerſchnitten wurden. So weit geht das Lothrin - giſche Salz: denn durch ganz Frankreich bedient man ſich des groben Meerſalzes, das nicht genug gerei - nigt iſt, und ſo ſchmutzig ausſieht, wie Pfeffer. Man nennt es Sel gris.
Champagne iſt ein herrliches Land. Man ſieht uͤberall die groͤßten Ebenen, wo die beſte Frucht, der herrliche Wein, Bohnen, Haber und auch viel Faͤrber - roͤthe (Garance) gebaut wird. Man ſieht den Geiſt der Nation, der auf Gaͤrten, Baumſchulen, lange Pro - menaden ꝛc. faͤllt. Oben iſt alles gruͤn, und unter der Dammerde iſt alles weißgrau: das iſt die Terre mar - neuſe. Marne heißt der Franzos, was wir Gyps nennen. Eine wahre Kreide iſts nicht (ſ. Sage in ſei - ner Mineralog. Docimaſtique). Regnet es darauf, ſo wird der Weg aͤuſſerſt ſchluͤpfrig. Die Reben werden neben der Straſſe zwiſchen den Fruchtfeldern und Wieſen ganz ſimpel gebaut. Die Kunſt, den guten Champa - gnerwein zu machen, beſteht in einer unterdruͤckten Gaͤh - rung. Der gewoͤhnliche champagner Trinkwein iſt roth, wie der meiſte franzoͤſiſche Wein, aber nicht ſonderlich ſtark. Der franzoͤſiſche rothe Wein trocknet auch nicht ſo aus, wie der deutſche. Der lothringer und champa - gner iſt auch nicht ſo dick und mampficht, wie der Vin d’Orleans und Vin de Bordeaux, den man in Pa - ris hat, und ohne Waſſer kaum trinken kan. Der Eſ -ſig25ſig von dieſem rothen Wein hat keine Kraft. Aus der weiſſen Erde baut man auch alle Mauren und Haͤuſer, und brennt Backſteine daraus, ſo daß alle Doͤrfer und Staͤdte weißgrau ausſehen. Der Fluß, die Marne, iſt in Chalons am betraͤchtlichſten; ſie hat ein ſchmutziges Waſſer, man muß oft uͤber ſie fahren, ſie theilt ſich in etliche Arme, und ergießt ſich bei Paris in die Seine.
In den Wirthshaͤuſern wird meiſtens auf lauter Porzellaͤn geſpeißt, das an vielen Orten in Frankreich und zum Theil recht ſchoͤn gemacht wird. Das meiſte aber iſt doch plump und hat keine ſchoͤne Weiſſe. Den Wirth ſieht man ſelten. Die Wirthin beſorgt alles, und die Filles warten auf. Ueberall iſt das Akkordiren nicht uͤblich. Zu Nachts muß man, ehe man zu Bett geht, bezahlen. Man hat meiſt Zimmer mit 4. bis 5. Betten. Die Decken ſind leicht, und duͤnn. Die Wuͤlſte ſtatt des Kopfkuͤſſens, fallen dem Deutſchen im Anfang ſehr beſchwerlich. Alle Waͤnde ſind tapezirt, oder nach Ta - petenart beſchmiert. Die Franzoſen feuern noch im Mai in ihren Kaminen, ſitzen davor, machen eine wich - tige Sache daraus, das Feuer recht zu ſchuͤren, ſonder - lich iſt das die Sache des Chapeau, wenn Damen da - bei ſind. Sie halten den Fuß mit Schuh und Struͤm - pfen in die Flamme. Ueberall findet man gute Lichter, aber ſelten gutes Waſſer. Das Eſſen wird faſt alles auf einmahl aufgeſetzt, und wird faſt allemahl kalt. Die Poſtillions haben keine eigne Kleidung und tragen auch kein Poſthorn. Sie gehen aber unbarmherzig mit den Pferden um. Trinkgeld iſt man ihnen auf der Sta - tion nicht ſchuldig, man zahlt es ſchon mit dem Poſtgelde, es wird ihnen von Zeit zu Zeit ausbezahlt, aber freilich vom Bureau ſehr ſpaͤt, daher betteln ſie doch.
B 5Cha -26Chalons. Der Marktplatz hier wird ſchoͤn, wenn das neue Hôtel de Vi le fertig iſt. Im Wirthshaus heiſſen die Zimmer wie die groſſen Staͤdte Europens, Petersburg, London, Frankfurt ꝛc. Vor der Stadt ſind ſchoͤne Promenaden mit Orangerie. Weit vor der Stadt liegen die Maiſons de Campagne des Biſchofs. Die Bauart iſt alt, eng, hoch hinauf gebaut, von Holz, alles haͤngt an einander ꝛc. Die Muſik, die wir zu hoͤren bekamen, war herzlich ſchlecht. Auch lau - fen ſehr viele wuͤſte, ungeſtaltete, Leute in dieſer Stadt herum. Die Grenze dieſer Provinz iſt ein artiges Staͤdtchen, Chateau Thierry.
Isle de France iſt nicht ſo ſchoͤn wie Champa - gne. Sie iſt ganz bergicht und ſteinicht, bis man uͤber Meaux hinaus iſt. In den Bergen brechen herr - liche Achate. Hier geht die Chauſſeé du Roi an. Das mittelſte Stuͤck der ſehr breiten Straſſe iſt, àfin - qu’elle ne ſoit pas mangée par l’eau, mit Felsſteinen gepflaſtert. Das gibt freilich immer guten Weg; es iſt aber ein beſtaͤndiges Raſſeln und Laͤrmen, daß einem der Kopf betaͤubt wird. Wein waͤchſt hier herum nicht viel. Lichte und ausgehauene Waͤlder ſieht man uͤberall. Die Doͤrfer ſind ſchlecht, Koſt und Lager ebenfalls. Eper - nay und Meaux ſind ganz artig, und alsdann werden die Gegenden wieder angenehmer, aber die Straſſen, je naͤher man der Hauptſtadt koͤmt, wegen der unaufhoͤr - lichen Karoſſen, Diligencen, Voituren und Chariots aller Art, immer ſchlechter.
Man braucht die Eſel ſehr ſtark zum Tragen und zum Reiten, ſonderlich bedienen ſich ihrer die Weibsper - ſonen. Sie ſind klein, und doch muntrer als bei uns, ſpitzen die Ohren wie die Pferde, haben aber nicht alle cruceatra27atra dorſum notatum, die Farbe iſt oft etwas Fuchs - roth. Man ſpannt auch ein Pferd und einen Eſel zu - ſammen. Bald hatten wir ſehr groſſe, bald ſehr kleine elende Pferde, die aber alle gut laufen. Ihre Kummete haben groſſe Hoͤlzer, an denen der Franzos die groͤbſten Malereien anbringt.
Man wird durch die groſſen Straſſen, das be - ſtaͤndige Fahren, Reiten und Laufen, und durch einen ganz eignen haͤßlichen Geruch ſchon von weitem auf dieſe, in aller Abſicht, unbeſchreibliche Stadt aufmerkſam gemacht. Es ſoll in Frankreich Leute geben, die mit verbundenen Augen herum gefuͤhrt, Strasburg, Bor - deaux, Paris ꝛc. blos durch den Geruch unterſcheiden koͤnnen. Die Einfahrt iſt geringſcheinend, die Bar - riere im Fauxbourg auch, aber kaum iſt man durch ein dickes, altvaͤtriſches Thor hereingekommen; ſo iſt man ſchon mitten im Gewuͤhl und Gelaͤrme, das weiter hinein immer ſtaͤrker wird. Man hoͤrt ein unaufhoͤrli - ches, von allen Gegenden herſchallendes Getoͤſe der Ka - roſſen, Fiaker, Verkaͤufer ꝛc. die ihre Sachen ausrufen, als Waſſer, Dinte, Obſt, Blumen ꝛc. der ſchwoͤrenden Fuhrleute, der Schilowachen, der Glocken ꝛc. Oft ent - ſteht vom Fahren ein ſolcher Laͤrm, daß die Erde zu zit - tern ſcheint. An Komoͤdien - und Operntagen, oder bei andern Feſtivitaͤten, kommen ganze Reihen von Karoſſen, an denen die Pracht des Laks, Silbers, Goldes, der Teppiche, Pferde ꝛc. aufs hoͤchſte ſteigt, oft hinter ein - ander, oft in einer Straſſe zuſammen. Buͤrger undEin -28Einwohner ſind unter der Menge der Bedienten, der Fremden, der Geiſtlichen, der Muͤſſiggaͤnger ꝛc. un - kenntlich. Aus allen Provinzen des Koͤnigreichs, ſo wie aus allen Gegenden Europens ſind beſtaͤndig Leute da, die entweder ihr Geld, um ſich zu amuſiren, lieber da verzehren, als in andern kleinen Staͤdten; oder die um der Wiſſenſchaften und ſchoͤnen Kuͤnſte willen, oder wegen des Handels und der Geſchaͤfte bei Hof und in der Regierung, oder blos um die Welt, — die groſſe glaͤn - zende Welt, — zu ſehen, oder um ein zuͤgelloſes Leben zu fuͤhren, und aufs Abwechſeln im Laſter zu ſtudiren ꝛc. da zuſammen kommen.
Das Erſte, was ein Fremder braucht, iſt ein Fia - ker oder Miethkutſche. Man rechnet uͤber 1500. in Pa - ris. Sie ſtehen auf allen Straſſen, haben 2. Pferde, die Kutſchen ſind zum Theil ſchlecht, eng, niedrig, ſtoſ - ſen gewaltig, ſind oft unſauber. Man bezahlt ſie Stundenweis zu 24. Sous. Sie fahren, wohin man’s verlangt, ſind gegen die Fremden oft grob, wenn man ihnen nicht gleich mit den Kommiſſaren droht, die uͤber ſie geſetzt ſind, und ihren Muthwillen mit dem Kerker beſtrafen.
In dieſen Miethkutſchen ſucht man mit ſeiner Equi - page ein Hôtel. So heiſſen hier, nicht blos Aubergen oder Wirthshaͤuſer, ſondern faſt alle Buͤrgerhaͤuſer, wo chambres garnies fuͤr Fremde offen ſtehen. Jedes Haus hat ſeinen angeſchriebenen Namen, z. B. Hôtel de Nevers, de Dauemarc, d’Eſpagne, d’Angle - terre, de l’Empire ꝛc. Man kan Zimmer haben, à plein pied, ſo nennt der Franzoſe die erſte Flur, die bei uns der erſte Stock heißt. Im dritten ſind die Zim -mer29mer kleiner und wohlfeiler, als im zweiten oder im erſten. Der Preis richtet ſich nach dem Quartier und der Straſſe. Man kan Zimmer haben zu 44. 36. 24. 18. 16. Liver des Monats. Man kan ausziehen, ſo oft und wenn man will, packt den Koffer und alle Hardes in einen Fiaker, und faͤhrt anders wohin. Die Stuben ſind ſelten mit hoͤlzernen Fußboͤden verſehen. Sie haben eine Art von Pflaſter, das aus lauter rothen ſechseckicht ge - ſchnittenen Plaͤttchen zuſammen geſetzt iſt, eine Kom - mode, ein Bett mit Vorhaͤngen, Schrank, Tiſch, Spie - gel und Stuͤhle. Der Pfoͤrtner richtet den Fremden wenig Kommiſſionen aus. Man hat einen eignen Jun - gen dazu, den man monatlich bezahlt. Man haͤlt ſich einen Savoyarden, oder Decroteur, der alle Morgen koͤmmt, und Schuh und Stiefel putzt.
Zum Fruͤhſtuͤck kan man haben, was man will, kan’s aufs Zimmer bringen laſſen, oder im Kaffeehaus nehmen. Eine Portion Caffée au Lait, die ei - nem mit Zucker und petit pain in einem Koͤrbchen aufs Zimmer gebracht wird, koſtet 5. Sous; Chokolade 10. Sous. Mittagseſſen bekoͤmt man wo und wie man will. Fuͤr 24. Sous hat man Suppe, Rindfleiſch, Ge - muͤs, oder Ragout, oder Braten, eine halbe Bouteille Wein, Brod, und ein Biſcuit. Das pariſer Rind - fleiſch und Brod ſind ſehr koͤſtlich. Abendeſſen kan man ſich ebenfalls vom Rotiſſeur, oder Cabaretier, wenn man Tiſchzeug hat, auf die Stube hohlen laſſen. In den groſſen Hotels kan man fuͤr 40. Sous an der Table d’Hôte treflich ſpeiſen. Beim Marchand de Vin muß man wegen des Weins akkordiren. Fuͤr Geld kan man in Paris haben, was und wie mans will. To -bak -30bakrauchen iſt nicht ſehr uͤblich, der ſchlechte Tobak iſt theuer, lange Pfeifen hat man nicht leicht, es gibt Bier - haͤuſer oder ſogenannte Tabagies, wo man raucht, aber auf den wenigſten iſts erlaubt. Das Tobakſchnupfen iſt allgemein, viele riechen nur in den Tobak; ſie wun - dern ſich, wenn ein Fremder nicht ſchnupft.
Ich fing nun an, die Merkwuͤrdigkeiten der Stadt nach und nach zu beſehen*)Ueber alles, womit der wohlſelige Verfaſſer waͤhrend ſeines Aufenthalts in Paris taͤglich ſeine Wißbegierde zu ſtillen ſuchte, theilt er in dieſem Tagebuche unter je - dem Tage ſeine Gedanken und Bemerkungen mit. Herausgeber. , ging daher heute zu - erſt auf
Pont Royal. Die Seine laͤuft faſt mitten durch die Stadt, bildet an der einen Seite eine kleine Inſel zwiſchen 2. Armen, und dies war das alte eigentliche Paris. Was jetzt auf beiden Seiten angebaut iſt, iſt lauter Fauxbourg; im eigentlichen Verſtand aber iſt das jetzt Paris. Ueber dieſen Fluß ſind nun etliche Bruͤcken gebaut, von Steinen gros, breit und maſſiv. In der Mitte iſt ein breiter Platz zum Fahren, und zu bei - den Seiten ſind Erhoͤhungen von etlichen Schuhen fuͤr die Fußgaͤnger. Man hat auf dieſen Bruͤcken eine herr - liche Ausſicht auf die Seine, auf das Quay zu beiden Seiten, auf das Louvre und Palais Royal nach dem Thuilleries, und tout le monde ſe promene ici. Die Bruͤcken ſelber ſind mit Decroteurs und andern dienſtbaren Leuten, die Fiakers, Regenſchirme, oderWaa -31Waaren anbieten, beſetzt. Unter den Bruͤcken ſieht man Holz, kleine Schiffe zum Ueberſetzen, Schiffe mit kleinen Bedeckungen zum Baden ꝛc.
Pont Neuf. Dieſe liegt weiter unten. Sie iſt viel ſchoͤner, merkwuͤrdiger und breiter, hat zu beiden Seiten Buden mit allen moͤglichen Waaren, die alle praͤchtige Namen und Auſſchriften fuͤhren. Es ſind eigne Boutiquen da, mit engliſchen Waaren, ſpaniſchen Roͤhren ꝛc. Ueberall ſind Wachen geſtellt, und doch wird im Gedraͤnge oft genug geſtohlen, zuweilen werden auch Nachts ganze Boutiquen ausgeraͤumt.
La Statue de Henri IV. iſt eine der groͤßten Zierden dieſer Bruͤcke. Sie iſt koloſſaliſch, hat ein an - derthalb Mann hohes Fußgeſtelle mit Inſchriften und kleinen Statuen, worauf oben der Koͤnig zu Pferde ſitzt, in alter Kriegstracht mit einem ſchrecklichen Degen, und einer kriegriſchen Mine. Das Pferd iſt im Fortſchrei - ten begriffen, und ſo wie das Ganze, majeſtaͤtiſchpraͤch - tig. Alles iſt mit einem eiſernen Gitter eingefaßt. Die unterſten Stuͤcke aber bewachſen mit Moos, weil ſie nicht oft genug geputzt werden. Erſt ermordet man in Paris die Koͤnige auf den Straſſen, und dann ſetzt man ſie auf die Bruͤcken en ſtatue. —
Le Palais du Luxembourg. Man unterſcheidet das groſſe und kleine Gebaͤude dieſes Namens. Hinter demſelben ſind die angenehmſten Promenaden, wo jeder - mann hinein gehen darf. Es ſind groſſe, freie, runde Plaͤtze, die nach allen Seiten die ſchoͤnſten und breiteſten perſpektiviſch gehauenen Alleen von Maroniers und Chataigners darbieten. Man iſt da, wie aufm Lande,ziem -32ziemlich ſtill, und entfernt vom Gelaͤrm der Stadt, da - her alles, was leſen oder ſtudiren will, beſonders des Morgens, hineingeht. Sie werden aber nicht eher als um 7. Uhr geoͤfnet. Man findet uͤberall eine Menge Stuͤhle uͤber einander gelehnt, die man fuͤr eine Kleinig - keit haben kan, denn ſie ſind an gewiſſe Leute verpachtet.
L’Egliſe de St. Sulpice. Iſt eine von den groſſen und praͤchtigen Kirchen. Der Thurm bekoͤmt, — denn man baut noch wirklich daran, — eine ſehr betraͤchtliche Hoͤhe. Beim Eingang iſt eine Menge Saͤulen von un - geheurer Dicke.
L’Egliſe du Couvent des Moines de la Ab - baye St. Germain. Iſt klein, war aber heute, als am Pfingſtfeſt, ſtark beſetzt, weil der Organiſt, Herr Miroir ſpielte, der wirklich der beſte Organiſt in der Stadt ſeyn ſoll. Ich habe ihm mit unendlichen Vergnuͤ - gen zugehoͤrt. Er ſpielte nur in kurzen Abſaͤtzen, weil der Pfaff die Veſperpſalmen gleich wieder zu brummen anfing, aber allemahl hoͤrte man den Meiſter im Spie - len auf eine andere Art. Die Orgel hat ein vortrefli - ches Pedal und einen gewaltigen Trompetenbaß. Die Kirche ſelber iſt, wie alle in Paris, mit Verzierungen uͤberladen. Das Auge ſieht ſich muͤde an den Gemaͤl - den, hohen Altaͤren, Kreutzen mit groſſen koſtbaren Steinen, Vergoldungen, Einfaſſungen, Heiligenbil - dern, Platfonds ꝛc. Die Meßkleider ſind koſt - bar. Um den Altar allein ſtanden 20. Wachskerzen, die alle wie groſſe Nuß - oder Hopfenſtangen waren, auch mit ſo einer angezuͤndet wurden. Ueberhaupt ſoll der Aufwand der Wachslichter in Paris ungeheuer ſeyn. Man brennt in allen Kirchen, Schauſpielen, Opern,groſſen33groſſen Hotels, reichen Partikuliershaͤuſern, Leichenſaͤlen ꝛc. Wachslichter. In allen Kirchen iſt eigentlich nur der mittlere Theil mit Stuͤhlen beſetzt. Zu beiden Seiten ſind breite Gaͤnge mit kleinen Altaͤren, Beichtſtuͤhlen, und Bildern hinter eignen Gittern. Auch ſind an bei - den Enden groſſe Veſtibules. Es ſtehen keine Baͤnke darin, ſondern lauter Strohſeſſel, ſo wie in Hamburg ꝛc. die man mit 2. Sous, oft noch hoͤher, bezahlen muß. Auch das iſt eine Ferme, die jaͤhrlich, auch nur in ſolchen Kloſterkirchen, ſehr viel betraͤgt, und fuͤr das Kloſter, und noch mehr fuͤr die Kirchſpiele eine betraͤchtliche Revenue iſt.
L’Abbaye St. Germain, Fauxbourg St. Ger - main. Da iſt in der Faſten der Markt, wo alles moͤgliche Schoͤne, Neue, und Angenehme zuſammenkoͤmt. So elend die Haͤuschen in dieſer Gegend ſind, — niedre Stuͤbchen, enge, finſtre, gefaͤhrliche Treppen, oft ſchmu - tzige Loͤcher ſtatt der Abtritte, gar keine Kuͤchen, ſo daß man im franzoͤſiſchen Kamine kocht*)Und ſo iſts in den vornehmſten Straſſen; bei den beſten Leuten findet man die Wohnſtube in den Man - ſarden. In vielen Stuben kan man kaum aufrecht ſtehen, die Treppen ſind alle finſtre enge Winkel. Bei der Hitze, bei Donnerwettern, in Krankheiten, muß es eine erſchreckliche Plage ſeyn, in ſolchen Schlupf - winkeln zu wohnen. Und ſo ſind, — die groſſen Ho - tels ausgenommen, — die allermeiſten Haͤuſer in Paris. ; — ſo ſind doch auch die kleinſten Winkel und jedes Fenſterchen oben im Dach, das ſo klein iſt, daß mans kaum fuͤr ein Tagloch halten wuͤrde, mit Menſchen beſetzt. Beſonders woh - nen da viele Uhrmacher, und andre Arbeiter, die nichtſelbſtC34ſelbſt Meiſter ſind, aber fuͤr die Leute in der Stadt ar - beiten. Denn in der Abbaye St. Germain iſt eine Maitriſe franche. Wer auch das Geld, das jetzt noch zur Maitriſe noͤthig iſt, nicht hat, kan doch, wenn er hier wohnt, und gute Bekanntſchaften mit an - dern Meiſtern hat, die bei ihm Waaren beſtellen, fuͤr ſich arbeiten. Es wohnen hier in jedem kleinen Raum ſo mancherlei und ſo viel ſchlechte Leute, daß keiner, wenn er auch in der Stube ſitzt, ſeinen Schluͤſſel in der Thuͤre ſtecken laͤßt, aus Furcht, er moͤchte ihm abgezogen wer - den. Wer ſich uͤberzeugen will, daß Carlsruhe und manche andre kleine Stadt, — die freilich dem Freund der Vergnuͤgungen nicht ſo viel anzubieten hat, wie das koͤ - nigliche Paris, — doch fuͤr Leben, Geſundheit, Bequem - lichkeit, Ruhe und frohe Sicherheit, tauſendmahl vorzuͤg - licher iſt, der ſehe ſich nur in dieſen und andern aͤhnlichen Gegenden der Franzoſenſtadt um.
Die Kopfzeuge der Dames und Filles de Pa - ris ſind wirklich nicht gar gros. Als der Kaiſer hier war, misbilligte er etlichemahl dieſe Thorheiten. So viel Ach - tung hatte die ſonſt ſo ſtolze Nation doch fuͤr den Ge - ſchmack des Monarchen, daß die Flor - und Spitzenge - baͤude, wenigſtens ſo lang Er hier war, herabſanken.
Das Trinkwaſſer in der Stadt iſt alles aus der Seine, aller dahinein flieſſenden Unreinigkeiten unge - achtet. Man traͤgt es in der Stadt herum und verkauft es. Doch muß nicht jedes Glas Waſſer im Hotel be - zahlt werden. Den meiſten Fremden macht es entwe - der im Anfang eine Kolik oder einen Durchlauf. Manhat35hat Machines ſabuleuſes dazu, um es zu filtriren. Ganz hell wird es niemals, mir hats bisher nichts ge - than. Fontainen ſind aber keine in der Stadt.
Die petite Poſte iſt eine groſſe Bequemlichkeit fuͤr ſo eine groſſe Stadt. Man kan mit Huͤlfe derſelben ſei - nen Bekannten in den entfernteſten Gegenden der Stadt Brieſe zu ſchicken. Sie gehen zweimahl am Tage, Morgens und Abends. Und durch dieſelbe kan man auch Briefe auſſerhalb der Stadt auf die groſſe Poſt bringen. Nach Strasburg kan man alle Tage ſchrei - ben, nur am Mittwoch nicht.
Zur groſſen Bequemlichkeit iſt Paris ſeit etlichen Jahren mit Laternen in allen Straſſen verſehen. Sie haͤngen ſehr hoch, doch in groſſen Diſtanzen von einander; es ſind Reverberierlaternen von gutpolirtem Eiſenblech, und werden alle Nacht, auſſer im Vollmond, angezuͤndet.
Auch patroulliren beſtaͤndig und uͤberall Stadttrup - pen der Sicherheit wegen, in der Stadt herum.
Glockenlaͤuten hoͤrt man alle Sekunden bei Tag und bei Nacht. Es gibt ſehr viele ſchoͤne Gelaͤute in der Stadt. Nur am Charfreitag, — dem einzigen Tag im Jahre, — wird nicht ein einziges gezogen. Da ſagt man zu den Kindern in Paris: On les envoye à Rome ſur la riviere.
La Morne beſuchte ich heute zuerſt. So heißt ein mit einem groſſen Thor verſehener und mit Schild - wachten beſetzter Hof, wohinten eine Art von Stall, unten mit Stroh belegt, und vorn ein eiſernes GitterC 2daran36daran iſt. In dieſen Stall legt man die Leichen, die man des Nachts und des Morgens in den Straſſen lie - gen findet. Man zieht ſie nackend aus, damit man ihre Wunden ſieht. Die Kleider, an denen ſie ihren Be - kannten kenntbar werden koͤnnen, haͤngt man dazu, und ſo laͤßt man ſie etliche Tage da liegen. Jedermann kan hinein gehen, und ſie beſehen. Werden ſie reklamirt, ſo liefert man ſie aus, wo nicht, ſo verſcharrt man ſie end - lich an einem eignen Ort. Oft findet man Leute da lie - gen, denen mit einem Saͤbel die ganze Bruſt aufgehauen iſt. Oft andre, denen der Hals recht kuͤnſtlich mit dem Federmeſſer aufgeſchnitten iſt. Es vergeht faſt keine Nacht, wo nicht 5. bis 6. Perſonen gefunden werden. Zwar lagen heute nur Kleider, keine Leichen da.
La Greve. Ein Platz, zu Hinrichtungen be - ſtimmt, der aber nicht gar gros iſt, und keine regelmaͤſ - ſige Figur hat. Galgen und Rad ſind nicht beſtaͤndig da aufgerichtet; man nimt die Gehenkten in Frankreich gleich wieder ab, und bricht den Galgen ſelber auch ab. An der einen Seite iſt das Rathhaus, ein altes grau - weiſſes Gebaͤude, wie die meiſten in Paris, an der andern verkauft man Holz, Steine, und ſonderlich wird das Getreide dort in Saͤcken hingebracht.
L’Arſenal et le Jardin d’Arſenal. Ein ſchoͤ - nes Gebaͤude, mit vortreflichen langen Gaͤngen an den Seiten, die hohl hinab toͤnen, wenn man daruͤber weg - laͤuft, weil unten alles gewoͤlbt, und mit Munition an - gefuͤllt iſt. Das Innre kan der Fremde nicht leicht zu ſehen kriegen. Die Kanonen, die da liegen, ſind nicht ſo ſchoͤn, als die in Strasburg. Der Garten dabei hat ſchoͤne, breite Spaziergaͤnge, die jedem offen ſtehen,und37und ſchoͤne Ausſichten auf die Seine, und die eine Haͤlfte der Stadt darbieten. Der Pallaſt des Kriegsminiſters ſteht nicht weit davon, hat aber nichts beſonders.
La Baſtille. Dieſes ſchreckliche Staatsgefaͤngnis macht gleich beim erſten Anblick einen gewaltigen Ein - druck. Vier hohe runde Thuͤrme, oben mit platten Daͤchern und durch Zwiſchengebaͤude verbunden, und was das traurigſte iſt, nur mit ſchmalen Spalten und Ritzen, ſtatt der Fenſter verſehen, wovon eine in 2. bis 3. von den Kerkern, etwas Licht geben ſoll. Darin ſchmachten oft lebenslaͤnglich alle, die etwas wider den Koͤnig, oder die hoͤchſte Regierung und Verfaſſung des Hofs geſagt haben. Spionen gibts uͤberall eine Menge. Man nimmt oft Leute 14. Tage ꝛc. nachher erſt weg, wo man ſie bekommen kan, man ſagt ihnen nicht, warum. Waſſer und Brod iſt ihre Nahrung, viele verfaulen bei lebendigen Leibe darin. Man darf nicht nahe hinzu gehen. Die Schildwachen leiden nicht, daß die Fremden oder Vorbeigehenden mit einander ſtehen bleiben oder ſprechen, weiſen ꝛc. Allez vôtre chemin, — rief mir einsmahls eine zu.
La Place Royale, ou la Place de Louis XIII. Der Platz iſt ſchoͤn, viereckigt, hat eine Einfaſſung von groſſen vornehmen Haͤuſern, die unten Hallen haben, worunter man bedeckt gehen und allerlei Waaren ſehn kan. Der Platz ſelber iſt in 4. Viertel mit einem Raſenplatze abgetheilt. Da, wo dieſe zuſammen ſtoſſen, iſt ein breites Stuͤck gepflaſtert, und auf dieſem ſteht das Fuß - geſtelle, das 4. Seiten, und an denſelben franzoͤſiſche, und lateiniſche, proſaiſche und poetiſche, Inſchriſten hat, die voll praleriſchen Lobs ſind von Frankreich,C 3Lud -38Ludwig dem XIII. und dem Kardinal Richelien. Auf dem Geſtelle ſteht die Statue Ludwigs des XIII. zu Pferde, von Bronze. Die Arbeit hat das noch etwas rauhe Gepraͤge des damaligen Geſchmacks. Sie iſt nach meinem Geſchmack die ſchlechteſte unter allen Sta - tuͤen in Paris. Das Pferd hebt den linken Vorderfuß zu hoch auf, und hinten ſteht ſeine Schwanzruthe etwas zu lang und zu ſteif hinauf. Eben ſo ſind die Finger an der ausgeſtreckten Hand des Koͤnigs ſteif, und wider - lich. Hier hat der Koͤnig einen Helm mit einem Feder - buſch auf. Henri IV. hat gar nichts auf dem Kopf.
Le Boulevard. So heißt ein Spaziergang, der einem Wall gleich ſieht, faſt um die ganze Stadt geht, alle Gaſſen durchſchneidet, aber doch nicht der aͤuſſerſte Zirkel iſt, den man um die Stadt beſchreiben koͤnnte; denn es ſtehen noch viele Haͤuſer auſſerhalb demſelben. Er iſt breit, in der Mitte fuͤr die Karoſſen und zu bei - den Seiten fuͤr die Fußgaͤnger eingerichtet. Man findet eine Menge Caffées (der Franzoſe ſagt nicht, Kaffehaͤu - ſer), Bierhaͤuſer, kleine Gartenhaͤuſer, Joueurs de Farce, welche die groͤbſten Poſſen mit unendlichem Ge - ſchrei ſpielen, Marionetten, Marktſchreier, Filoux, Laternes magiques, allerhand Spiele, Savoyards, Gemaͤlde, Kupfer ꝛc. Ueberall findet man den taͤndeln - den, ſpielenden, Geiſt der Nation. Ueberall ſchmutzige, wolluͤſtige Gemaͤlde, Leichtſinnigkeiten ohne Ende, freche Darſtellungen der entſetzlichſten Laſter, mit allen Reizen der Malerei und der Zeichnung, Saulieder, Sammlun - gen von Zoten, kleine niedliche Schriften mit den ver - fuͤhreriſchſten Vignetten und Kupferſtichen ꝛc. Bildniſſe hoher Reiſenden; neuerlich Hingerichteter, der amerika -niſchen39niſchen Generals ꝛc. Es war einer da, der Struen - ſee’s und Brand’s trauriges Ende dem Poͤbel zum Ge - laͤchter vorſtellte; Charten von Paris, Almanache, Chanſons, Operetten, Komoͤdienzettel ꝛc. ça ne finit pas, wo man hinſieht. Wieder andre Dinge, eine un - erſchoͤpfliche Mannichfaltigkeit von Geckereien ꝛc. Alle moͤgliche Editionen von Menſchen, Kleidern, Karoſſen, Putzarten, Kinder, wie junge Narren angezogen, Uni - formen, Livereien, Schweitzer, Huren ꝛc.
La Place Vendome. Wiederum ein ſchoͤner, groſſer, runder, mit guten Haͤuſern umſchloſſener Platz. In der Mitte eine praͤchtige Statuͤe von Louis XIV. zu Pferde. Sie iſt ſchoͤner, als jene von Louis XIII., auch ſchoͤner, als die von Henri IV. Der Koͤnig hat auch nichts auf dem Kopf, und weiſt mit der rechten Hand auf das gegenuͤberſtehende Haus des Kanzlers. Er hat nicht einmahl etwas um den Hals, auch der Arm iſt unbekleidet. Der Kopf, die Ohren, die Bruſt, und die Hinterfuͤſſe des Pferds ſind Meiſterſtuͤcke. Die In - ſchriften am Fußgeſtelle ſind im Geiſt des Volks, ſie ſtrotzen von Viro immortali, Aeternitati etc. Victorioſo etc. der Platz um die Statuͤe iſt mit ſchwarzen und weiſſen Steinen belegt, und mit einem eiſernen Gitter umgeben.
Le Palais Royal und Jardin du Palais Royal. Dieſes lange und praͤchtige Gebaͤude ſteht in der Rue St. Honoré, hat eine Menge Saͤulen, groſſe Hofplaͤtze, und einen herrlichen Garten, voll der ſchoͤnſten, breite - ſten Alleen, der Laͤnge nach, und wo man durchſieht, wieder in die Breite. In der Mitte iſt ein mittelmaͤſ -C 4ſiges40ſiges Baſſin, darin rothe Fiſche ſchwammen. Am Eingang ſind Boutiquen von Galanteriewaaren. Um 1. 2. 3. Uhr wimmelt hier alles von Pariſern.
La Place Victoire. Der Platz iſt klein, aber die Bildſaͤule von Louis XIV. zu Fuß gibt ihm ein praͤchtiges Anſehen. Sie iſt auf einem hohen Fußge - ſtelle errichtet. An dieſem ſtehen an den 4. Ecken 4. Nationen, theils als weibliche, theils als maͤnnliche Fi - guren vorgeſtellt, zum Zeichen der uͤberwundenen Natio - nen oder Erdtheile. Dieſe Figuren tragen Ketten, ha - ben die Haͤnde auf den Ruͤcken gebunden, und machen grimmig ſchnaubende Geſichter. Oben ſteht der Koͤnig, koloſſaliſch, hinter ihm die Siegesgoͤttin, welche ihm ei - nen ſchoͤnen Lorbeerkranz uͤber den Kopf haͤlt.
Heute ſah’ ich den Kaiſer Joſeph II. In der Rue Tournon, einer von den wenigen Straſſen in Paris, die breit, hell, lichtvoll und geſund ſind, ſteht le grand Hôtel de Treville. Da pflegte der Kai - ſer, ſo oft er in Paris war, zu ſpeiſen. Heute Nach - mittag verſammelten ſich vor der Thuͤre von 1. Uhr an bis 3. Uhr mehr als tauſend Menſchen, und drangen zu - letzt, wie der Regen kam, ins Haus. Thuͤre, Eingang, Treppen, Platz, Hof, alle Zimmer, alle Fenſter waren beſetzt. Er ſollte zum Diner zuruͤckkommen. Wirklich machte er in einer vierſpaͤnnigen Karoſſe Viſiten bei den Ambaſſadeurs, dann nahm er einen groſſen Umweg nach St. Moulins und kam erſt um 4. Uhr in einer zwei - ſpaͤnnigen Karoſſe ganz allein zuruͤck. Man machte das groſſe Thor auf, die Karoſſe fuhr langſam unter dieMenge41Menge und hielt. Der Monarch ſtieg aus, gruͤßte alles freundlich. Ein allgemeines freudiges Klatſchen empfing ihn. Er ſtrich durch die Menge ins Zimmer, und ward von jedem geliebt und geſegnet. Ganz das Widerſpiel der franzoͤſiſchen Putzſucht trug er ein Kleid ohne Gold und Steine, von Couleur de Puce, kein Band und keinen Stern, weiße ſeidne Struͤmpfe und einen ſilbernen Degen ꝛc.
Pont St. Michel geht weit unter dem Pontneuf uͤber die Seine, iſt wegen des Kommerzes lebhaft ꝛc.
Les Bateaux ſur la Riviere. Hat man ſich ermuͤdet mit Laufen nach den Bruͤcken, um in die andre Stadt zu kommen; ſo hat man die Bequemlichkeit, daß man ſich in Schiffen fuͤr 2. Liard uͤberſetzen laſſen kan. Man geht auf verſchiedenen Treppen hinunter, kan ſich uͤberall embarquiren, aber zum Anlanden iſt nur ein Ort, faſt in der Mitte, zwiſchen dem alten und neuen Louvre. Oft iſts zum Ausruhen gut. Auf den Schiffen trocknen die Waͤſcher oft die Waͤſche.
Place Maubert liegt mehr gegen das Ende der Stadt. Der Platz iſt dem Fiſchmarkte gewidmet, und die Fiſchweiber da, ſind wegen einer beſondern Bered - ſamkeit im Schimpfen beruͤhmt. Man kan ihnen 2. Sous geben, ſo ſchimpfen ſie einen aus. Jeder bleibt ſtehen und bezahlt ſie, damit ſie nur recht ſchreien und ſchimpfen ſollen.
Die meiſten Vornehmen in Paris leben in einer groſſen Unordnung. Man ißt Mittags um 2, 2½, 3, auch 3½, und Abends um 11. Uhr, legt ſich um 2, 3 Uhr erſt zu Bett, ſteht um 9, 10, erſt auf, und fruͤh - ſtuͤckt alsdann.
Der Franzos iſt hitzig, aber auch geduldig. Wer ſich daruͤber moquiren wollte, wenn er geſtoſſen, beſpruͤtzt, getreten wird, der wuͤrde ecraſirt werden: man traͤte ihn mit Fuͤſſen auf den Bauch. Keiner aber ſagt was daruͤber, ſondern ſchweigt, und geht ſeinen Gang fort.
Eine Menge ſchlechte Leute findet man hier. Sie fangen ſehr hoͤflich an, wollen Bekanntſchaft machen, oder einem andre empfehlen. Oft ſprechen ſie einem viel von groſſen reichen Herren vor, die einen ſolchen Mann, der ſo franzoͤſiſch oder deutſch ſpricht, oder das und das verſteht, engagiren wuͤrden, man ſolle nur da und da hinkommen ꝛc. Wer unvorſichtig genug iſt, kan Ehre, Freiheit, Geſundheit, Geld und Leben dabei verlieren.
Man findet wenig geſundausſehende Geſichter. Alles ſchminkt ſich, auch viele Mannsperſonen thun’s oft, wenigſtens des Abends. Dann ſieht die Haut wuͤſt, gelb aus, und die Schweisloͤcher werden verſtopft. Schon das enge Wohnen, die ſchmutzigen Straſſen, der graͤsliche mannichfaltige Dampf und Geſtank ſchadet der Geſundheit. Leute aus den Provinzen, aus andern klei - nen Staͤdten, oder Laͤndern zeichnen ſich ſchon durch die Geſichtsfarbe aus.
Die43Die meiſten Haͤuſer ſind alt, 5. 6. Stock hoch, beſtehen aus ſchmalen an einander geklebten Riemen, mit laͤcherlich hohen Kaminen. Faſt alles iſt Thuͤr oder Fenſter, oder Boutique. Man wundert ſich, wie ſo ein vielloͤcherichtes Ding nur noch ſtehen kan. Auch die neuen Haͤuſer werden ſchnell ſo aufgebaut. Man findet hier und da groſſe Aubergen, nach ihrem neuſten Gout, der ſich aber freilich alle Tage veraͤndert, und mir wenig - ſtens, wegen des Mangels der Simplicitaͤt, nicht ge - fallen hat.
Das Laſter der Beſtialitaͤt und der Sodomiterei herrſcht gewaltig in Paris. Mannsperſonen die ein - ander fuͤhren, werden als Sodomiten von den Schild - wachen augehalten und arretirt, weil man erfahren hat, daß ſich jene Abmenſchen Abends ſo zuſammen zu finden pflegen.
Es fahren beſtaͤndig in der Stadt Karren herum mit erſtaunlich ſtarken Pferden, die in ſchwerem Schritt la boue de Paris zuſammen fuͤhren.
Man begegnet oͤfters den Prozeſſionen, ſchlaͤgt ſich aber alsdann in eine Nebengaſſe, oder geht mit dem Hut in der Hand vorbei.
Selbſt Peruͤckenmacher und Puderhaͤndler leſen Romane, verliebte Briefe von Ladies an einander, wo kein Gran Verſtand darin iſt. Viele Kutſcher zie - hen gleich, wenn ſie vor einem Hauſe warten muͤſſen, ei - nen Roman heraus und leſen.
Ueberall ſtehen Weiber, Kinder, Maͤnner ꝛc. auf den Straſſen, und ſchlagen den Federball. Auch ſindgroſſe44groſſe Billardplaͤtze, die ſogar vom Comte d’Artois beſucht werden, in der Stadt, und die Paſſage iſt dar - neben.
La Fontaine dans la Rue Grenelle beſah ich heute. Die Straſſe iſt eine von den aͤuſſerſten auf der Seite von der Fauxb. St. Germain. Louis XV. hat da einen vielfachen Brunnen bauen laſſen, mit Sta - tuͤen von Waſſergoͤttern aus weiſſem Marmor, ſo viel ich ſehen konnte. Das Waſſer dazu wird weit hergeleitet. Sonſt hat die Straſſe auch wegen ihrer Breite und Hel - ligkeit Vorzuͤge. Ich beſuchte hierauf
L’Aumonier & Secret. d’Amb. de Suede M. le Prof. de Baer. Er wohnt in dieſer Straſſe im Hôtel de Suede, aber eben nicht gar bequem, oder praͤchtig. Im Viſitenzimmer, hing ein Gemaͤlde vom Koͤnig Guſtav III. in Schweden, mit dem weiſ - ſen Schnupftuche um den linken Arm, das, ſeitdem der Koͤnig bei der letzten Revolution das zum Zeichen mach - te, eine Art von Orden geworden iſt. Herr von Baͤr arbeitet an einem neuen Geſangbuch fuͤr ſeine Gemeinde, das in Strasburg gedruckt wird, und mit Zuziehung der Neuern, auch des Baadenſchen, verfertigt iſt. Die Lieder von Paul Gerhard gefallen ihm beſonders wohl, daher iſt das: „ Wie ſoll ich dich empfangen ꝛc. “von ihm mit allen ſeinen Fehlern beibehalten worden. Ein in der Sammlung befindliches Lied: von der Freund - ſchaft der Chriſten, iſt von ihm ſelber, und hat ſchoͤne Stellen. In ſeiner Bibliothek fand ich auſſer den Schwediſchen akademiſchen Abhandlungen kein ſehr wich -tiges45tiges Buch. Kaͤſtners deutſche Ueberſetzung verachtete er gar ſehr. Von Michaelis geſtand er, daß er viel gelernt haͤtte. Fuͤr die deutſchen evangeliſchen Hand - werksburſche hat er eine Krankenſtube angefangen, jeder muß monatlich nur 12. Sous geben, und wird dann, im Fall er krank wird, ganz frei beſorgt. Die Addreſſen, die er mir an die hieſigen Gelehrten gab, wenn bloſſe Namen der Gelehrten mit: de la part de Baer, ohne ſonſt etwas hinzu zu ſetzen.
Man hat hier Portechaiſen, die auf 2. Raͤdern ſtehen, und eine Gabel haben. Der Kerl ſpannt ſich ein, und zieht den andern in der Portechaiſe fort.
Auch findet man hier ganze Magazine von Para - pluyes; nicht nur unies, ſondern auch geſtreifte, bunte ꝛc. traͤgt man.
La Charte, ou le Plan Routier de Paris, iſt eine Sache, die jedem Fremden unentbehrlich iſt, aber auch groſſe Dienſte leiſtet. Paris und Rheims haben in Frankreich allein die Bequemlichkeit, daß an allen Ecken der Straſſen in maͤſſiger Hoͤhe die Na - men der Straſſen eingegraben und angeſchrieben ſind. Und ſo hat man von der ganzen Stadt einen Plan, der alle Jahre neu herauskoͤmt. Man kan ihn ſchwarz, il - luminirt, en feuille, auf roth Tuch geleimt und zu - ſammen gelegt, haben, am Pontneuf, am Quay ꝛc. zu 4. 6. Liver. Man hat ſie auch von allen Envi -[r]ons de Paris zu 9. Liver.
Faſt46Faſt immer gehen die vornehmen Frauenzimmer hier mit einem duͤnnen Stock in der Hand, der ſchlank, und lang ſeyn muß. Sie tragen ihn auch, wenn ſie ein Chapeau am andern Arme fuͤhrt. Sie haben ihn in der Chaiſe neben ſich ſtehen.
Eine unzaͤhlbare Menge Hunde gibts auch hier, von allen Farben, Geſtalten und Figuren. Es iſt un - glaublich, wie die Leute hier ſich von Jugend auf an dieſe Thiere gewoͤhnen. Jeder junge Menſch muß einen haben, der liegt des Nachts bei ihm im Bett, und am Tage auf dem Bett oder auf den Stuͤhlen ꝛc. Die Franzoſen koͤnnen ſich ganze Stunden lang mit ihren Hunden unterhalten. Manche dieſer Geſchoͤpfe bekom - men des Morgens Chokolade. Ich ſah einen, der ſei - nem Hunde Wein in Hals ſchuͤttete, und ſagte: es waͤre ſein Geld, er koͤnne damit thun, was er wolle. Nach einer gemachten Ueberzaͤhlung gibts uͤber 8000. Hunde in Paris Ach, und wie viele Menſchen in Ludwig’s Koͤnigreiche haben das taͤgliche Brod nicht, das Gott doch nicht fuͤr Hunde und Pferde wachſen laͤßt! Doch ſah ich in Verſailles hier und da, Koͤnigl. Befehle gegen das uͤberfluͤſſige Hundehalten angeſchlagen, aber man achtet nicht drauf. Die Franzoſen lachen uͤber laut, wenn man ſagt, „ ſehen Sie da des Koͤnigs Verbot “und auch bei andern Gelegenheiten zeigen ſie wenig Achtung fuͤr die Geſetze. Sie prahlen mit dem Koͤnigl. Staat ge - gen die Fremden, und erheben ihren Monarchen aufs hoͤchſte, aber der Gehorſam fehlt. Eben ſo arg ſind die Frauenzimmer auf die Hunde verpicht. Selten haͤlt eine Damenkaroſſe, wo der Kutſcher nicht den Hund erſt herausheben muß. Es ſind kleine grimmige Geſchoͤpfe,die47die ein graͤsliches Geheul anfangen, wenn ſie einmahl anders, als ſo naͤrriſchzaͤrtlich behandelt werden. Man beſchuldigt die Frauenzimmer, daß die groſſe Achtung, die ſie fuͤr die kleinen Hunde hegen, ihren Grund in dem garſtigen Gebrauch habe, den ſie von ihnen machen. Mopſus fricator*)Deswegen ſie auch der Gazetier cuiraſſé, eine bittere Satyre auf franzoͤſiſche, und beſonders pariſer, Thorheiten, die vor einigen Jahren herauskam, Lexicons, nannte. Herausgeber. .
Es iſt hier auch eine deutſche Apotheke, nicht weit von la Place St. Victor.
Ziegenleder (Peau de Chevre), davon iſt hier ein erſtaunlicher Aufwand. Die gemeinſten Leute laſſen ſich Schuhe daraus machen. Der Schuhmacher fragt: Souliers, ou Eſcarpins? en Veau? ou en Peau de Chevre?
In den Strumpfladen hat man die Gewohnheit, um zu wiſſen, ob der Vorderfuß dem Kaͤufer nicht zu kurz iſt, man laͤßt ihn eine geballte Fauſt machen, kan man mit dem Vorderfuß die Fauſt umwickeln, ſo iſt er nicht zu klein.
Le Jardin du Roi ward heute von mir beſucht. Er liegt faſt an der einen Ecke der Stadt, und die Straſſe dahin fuͤhrt eben dieſen Namen. Er iſt gros, auf der einen Seite eben, auf der andern aber hat er Erhoͤhungen zu den Baͤumen. In der Mitte geht einbreiter48breiter Gang durch, der ihn in 2. Haupttheile abtheilt, und auch ein Quergang. Jedes Quartier iſt in kleine Beete, manche aber durch Diagonalen getheilt. Die Rabatten ſind mannichfaltig. Alles iſt mit einer Mauer umgeben. An der einen Seite iſt der Laͤnge hin alles mit Treib - und Gewaͤchshaͤuſern beſetzt. Es gibt Ober - und Untergaͤrtner. Beim Eingange iſt das Kabinet der Naturgeſchichte, die Wohnungen des Hrn. Daubenton, und der Gaͤrtner. Der Garten iſt alle Tage offen, das Kabinet aber nur Dienſtags und Donnerſtags von 4 — 5. Uhr Nachmittags. Heute lernte ich
Mr. D’Anſe de Villoiſon, de l’Ac. R. des Inſcr. kennen. Ein lebhafter und galanter Mann, der die alte Litteratur liebt, auch etwas Kenntnis der neuern deutſchen hat, und die deutſche Nation mehr, als alle andre pariſer Gelehrte ſchaͤtzt, der ſchnell franzoͤſiſch, aber uͤbel lateiniſch ſpricht, ſchazet fuͤr jacet, poteritis, als wenns ein franzoͤſiſches Wort waͤre. Er behauptete aber, die Pronunciation der Franzoſen im Lateiniſchen kaͤme dem alten aͤchten naͤher, als der Deutſchen und En - gellaͤnder ihre, wiewohl er mir zugab, daß ſich das nicht ausmachen laſſe.
Pont Rouge und Pont Tournelle. Wieder 2. Bruͤcken uͤber die Seine. Jene iſt ſo benennt, weil ſie ſo angeſtrichen iſt, dieſe hat mehr Schoͤnes im Anblick.
L’Hôtel de Chirurgie, in der Rue des Cor - deliers. Ich beſah nur das Aeuſſere*)Den 26. Junii bekam ich auch das Innre zu ſehen. Louis XV. fing’s an zu bauen. Es ſtand vorher ein altes konigliches Gebaͤude da. Louis XVI. ließ esvol -, das aber ſchoͤniſt.49iſt. Vor dem Hotel liegt ein breiter Platz mit Saͤulen umgeben. Ueber dem Portal ſtehen einige vortreflich gearbeitete Buͤſten alter Gelehrten ꝛc. Das Ganze ſieht recht aus, wie eine Stoa oder Porticus der Alten. Es wird Chirurgie darin gelehrt.
Le Louvre. Eins der praͤchtigſten Gebaͤude Eu - ropens. Es nimmt uͤber die Haͤlfte des Platzes zwiſchen dem Pont neuf und Palais Royal ein. Man kan ſich darin verirren, man findet groſſe weite Plaͤtze darin, man faͤhrt, man geht durch, es laͤuſt Waſſer durch, man findet beſtaͤndig eine Menge Leute daſelbſt, es ſind koſt - bare Stuͤcke darin, und auch ſehr alte, ſchlechte, beſtaͤubte und wurmſtichige. Beſonders haben Bildhauer ihre Werkſtaͤdte daſelbſt. Man ſieht da praͤchtige Gemaͤlde, Kupferſtiche, Zeichnungen, Waaren. Ich ſah einen herrlichen Kupferſtich. Es war The Parting of Ro - meo and Juliet, dedicated to the unhappy Lo - vers. By Scorodoomov. Julie legt ihren rechten Arm auf Romeo’s linke Schulter, ihren linken ſtreckt ſie gegen ſeine Bruſt, und ſinkt mit dem muͤden Haupte unter ſein Geſicht hin. Die Traurigkeit ſelbſt, zaͤrtlicher Schmerz, ſtille Wehmuth, geſchloſſene Augen, am Hals alle Muſkeln, halb ſchlapp, halb angeſpannt. — Gluͤck zu dem jungen Kuͤnſtler! Und wem haͤtte ſo ein herrli -ches*)vollenden. Inwendig iſt ein groſſes herrliches Am - phitheater, wo geleſen wird um 11 Uhr, und eine Menge junger Leute da iſt. Auch Accouchement wird in einem kleinern Saal den Hebammen gelehrt. Vorne ſtehen Inſchriften. Es iſt eine der neueſten Merkwuͤr - digkeiten. Mit Stock oder Degen darf man nicht hinein gehen.D50ches Stuͤck beſſer geweiht werden koͤnnen, als der ungluͤck - lichen Liebe? Man ſieht, man fuͤhlt, man wuͤnſcht mehr, wenn man nur das Bild ſieht, als wenn man den gan - zen Siegwart lieſt. — Iſt etwas, das in groſſen Staͤdten der Erziehung vortheilhaft iſt, ſo iſt’s gewis der Anblick ſo vieler und mannichfaltiger Werke der Kunſt, die den Geſchmack beſſer ſchaͤrfen als Regeln; ſo ge - faͤhrlich freilich auch auf der andern Seite dieſe Plaͤtze jungen, unverſchloſſenen, Seelen werden koͤnnen. Denn neben einer Kreuzigung haͤngt eine nackte Danae, oder eine badende Suſanne, oder eine Venus, unter den Haͤnden der Grazien, wo die Nachahmung der Natur, der Reitz, die Feinheit, und die Verſchoͤnerung der Phan - taſie, kurz alles zuſammen fließt, das Laſter angenehm zu machen.
Le Cabinet de l’Hiſtoire Naturelle du Roi, beſuchte ich heute zum erſtenmahl. So ſteht mit goldnen Buchſtaben uͤber der einen Thuͤre. Das, was man den Fremden zeigt, iſt in 4 groſſen hohen Zimmern an den Waͤnden uͤberall herum, und zum Theil auch oben an der Decke angebracht. Alles iſt in wohlverſchloſſenen Schraͤnken mit vielen Schubladen und Faͤchern, Glas - thuͤren, und franzoͤſiſchen Zetteln. Viel Ordnung iſt nicht in der Anordnung, es ſcheint, es fehlt am Platz, oder man hat’s noch nicht weiter aus einander bringen wollen. Vieles ſteht im Schatten, vieles zu niedrig, vieles viel zu hoch. Man kans mit der Lorgnette in der Hand nicht ſehen. Wenns aufgemacht wird, welches alle Woche zweimahl geſchieht, ſo faͤhrt und geht immer eine Menge Menſchen von allen Geſchlechtern, Stand und Alter hinein. Es iſt ein Getuͤmmel, wie aufmMarkt.51Markt. Ich traf einmahl zwei Ober-Lothringiſche Bau - ern darin an, die beim Strauß, Krokodil und bei den Muſcheln ihre Verwunderung nicht laͤnger zuruͤckhalten konnten und durch ihr Deutſch viel Aufmerkſamkeit auf ſich zogen. Man kan ſich die tauſenderlei Anmerkungen und Fragen und Erklaͤrungen der Pariſer Schoͤnen, jun - gen Herren und Halbkenner mit der wichtigſten Mine ꝛc. leicht denken. Am Eingang und in der Mitte ſtehen Schildwachen, und ſonſt geht Hrn. D’Aubenton’s Be - dienter noch uͤberall herum. Es iſt auch nicht moͤglich, einen Schrank zu erbrechen, weil unten noch eiſerne Ha - ken und Ringe vor der Thuͤre ſind. Sauber abgeputzt und reinlich iſt alles, auch wohl verwahrt; aber wie ge - ſagt, zu ſehr gedraͤngt und enge geſtellt. Im Ganzen zu urtheilen, iſt das Mineralreich, wie gewoͤhnlich, das ſtaͤrkſte; wiewohl es auch Luͤcken hat, die ich nicht ver - muthet haͤtte. Hernach koͤmt das Thierreich, wo die Voͤgel und Inſekten am ſchoͤnſten und haͤufigſten ſind. Vom Pflanzenreich iſt am wenigſten da, doch Hoͤlzer, Saa - men, auch Bluͤten, und die Herbaria von Vaillant und Tournefort ꝛc. Petrificationen ſind nicht mehr da, als ſich gehoͤrt. Mehr kan man nicht ſagen, wenn man nur mit dem groſſen Haufen darin geweſen iſt. Die Geſchichte des Kabinets iſt mir verſchieden erzaͤhlt wor - den. Buffon ſoll es erſt angefangen, ſoll alles geſam - melt, und Reaumur ſoll nichts gethan haben! Es iſt unglaublich, wie des Letztern Verdienſte geſchaͤndet wer - den! Und doch ſchmeichelt ſich Buffon mit der Unſterb - lichkeit unter ſeiner Nation! — Ich lernte hierbei
Mr. D’Aubenton, Garde du Cab. de l’Hiſt. Nat. et Membre de l’Ac. R. des Sc. kennen. EinD 2liebens -52liebenswuͤrdiger Mann, der unter allen Franzoſen, mir bisher noch am meiſten gefallen hat. Solid, ge - ſetzt, gelehrt, gefaͤllig, hoͤflich, fuͤr ſeine Thieranatomie aͤuſſerſt geſchaͤftig, ohne Flittergold im Putz, — ging er da, an den Anblick gewoͤhnt, ruhig auf und ab, und un - terhielt ſich aufs gefaͤlligſte mit mir. Er beklagte ſich, daß deutſche Schriften z. B. Juſti’s, bei ihm ſo ſchwer zu bekommen waͤren. Er lobte die Durchl. Fr. Marg - graͤfin von Baaden, und erinnerte ſich an Profeſſor Murray in Goͤttingen, der bei ihm geweſen war. Mit - ten in den angenehmſten Unterredungen kam ein faſelnder Franzos und noͤthigte den denkenden, ernſthaften Mann, einen Faͤcher eines Frauenzimmers zu betrachten, der aus chineſiſchen Papier, mit chineſiſchen Voͤgelmalereien und vergoldeten Staͤben zuſammengeſetzt war, und 5 Louisd’or gekoſtet hatte. Der Faquin nannte das auch ein Na - turalienkabinet, als wenn ſo eine armſelige Kleinigkeit fuͤr einen Mann wichtig waͤre. Reſtez ici, ſagte er zu mir, nous cauſeront encore un moment en - ſemble. Und nachher beſtellte er mich auf den Sonn - abend um 11. Uhr wieder allein zu ſich hieher.
Paris hat ein gutes Pflaſter, das beſtaͤndig un - terhalten wird. Die Steine an ſich thun nicht weh, ſie ſind gar nicht ſpitzig, ſondern ſehr breit; aber der Koth wird durch das unaufhoͤrliche Laufen und Fahren ſo herumge - ſchmiert, daß man alle Augenblicke glitſcht. Die Abſaͤtze an den Schuhen gehen gleich wieder ab, und die Schuhe faſeln aus in wenig Tagen.
Es53Es iſt hier alles viel theurer, als z. B. in Stras - burg. In letztrer Stadt koſtet eine Taſſe Kaffee 2 Sous; hier 4; dort eine Taſſe Chocolade 8 Sous; hier 10. und dann iſt in verſchiedenen Kaffeehaͤuſern manches viel ſchlechter, als dort.
Zur Bequemlichkeit mit der petite poſte, laufen in allen Straſſen Maͤnner herum, die eine lederne Briefta - ſche anhaͤngen haben, und durch eine eiſerne Klapper oder dergleichen ſich ankuͤndigen.
Man findet hier uͤberall Troͤdler; einige handeln blos mit Manns-andre mit Frauen-andre mit Kinder - und mit Bedienten-andre mit bordirten Kleidern ꝛc.
Auch gibts eine Menge Mohren hier, und Nege - rinnen, die Kaufleute, Bediente, Unterhaͤndler ꝛc. ſind.
Man verkauft hier beſtaͤndig rothe Eier, wie bei uns ſonſt nur an Oſtern. Ich ſah uͤberall ganze Koͤrbe voll, und wuſte lange nicht, was es war. Sie werden hart gekocht, gefaͤrbt, und ſo zum Sallat in den Haͤu - ſern verkauft. Ueberhaupt pflegt man hier viele Eier zu eſſen. Man bringt ſie oft nach der Suppe auf den Tiſch. Manche koͤnnen 2-3. hintereinander zu ſich nehmen.
La Bibliotheque de l’Abbaye St. Germain, ou de la Congreg. de St. Maur. beſah ich heute. Das Kloſter ſelbſt iſt ein altes, aber weites, und groſſes, Ge - baͤude. In dem oberſten Stock koͤmmt man an eine eiſer - ne Grille, dieſe oͤfnet den langen Bibliothek-Saal. Am Ende deſſelben, der zu beiden Seiten Buͤcher -D 3ſchraͤnke54ſchraͤnke hat, geht man dann auf etlichen Stuffen in ei - nen andern, eben ſo langen und noch breitern, der auf der einen Seite die Theologie, auf der andern die Geſchichte, Antiquitaͤten, und die Katalogs enthaͤlt. Alle Buͤcher - ſchraͤnke ſind mit geflochtenen und verſchloſſenen Dratgit - tern vermacht, durch die man aber bequem die Titel der Buͤcher leſen kan. Verlangt man eins, ſo ſchlieſt der Bediente auf; man ſetzt ſich damit an Tiſch, und kan excerpiren, was man will. Fuͤr die Hiſt. Dogmat. Hiſt. eccl. Antiq. Chriſt. Hiſt. patrum, auch fuͤr die Exegetik und Kritik iſt dieſe Samlung ſehr betraͤcht - lich. Man findet alle Schriften der Patrum, Catenas und Biblioth. patrum, alle Miſſalia, alle Concilia, Decretalia und Epiſt. Pontific. hier. Doch ſind in der Exegetik mehr die Alten, als die Neuern, mehr katho - liſche, als andere Schriftſteller vorhanden. Crit. Angl. Poli Synopſ. Hammondi, Eraſm. Schmid. Schriften ꝛc. ſind da. Eine Menge ſtehen ſo hoch, daß ich nichts von ihnen ſagen kan. Die meiſten ſind alt, in ſchwar - zes oder braunes Leder gebunden. Viele Bibeln, Ori - geni Hexapla; Daniel ſecundum LXX. Trom - mii Concord. etc. — Die Specialgeſchichte von Frankreich’s einzelnen Provinzen, die Antiquitaͤten von Paris, die Geſchichte der Orden und ſonderlich die Acta Benedictin. e Congreg. St. Mauri etc. alles iſt da. Man nennt ſie la Bibliotheque de l’Abbaye St. Germain de Prèz, das fand ich in einem Buch de Pratis uͤberſetzt. Der Pater Don Pater war jetzt Garde de la Bibl. ein ſehr hoͤflicher Mann, der ſeine Wohnung gleich vorn beim Eintritt in die Bibliothek hatte. In der Naturgeſchichte entſchuldigte er ſich, daß ſie nicht viel haͤtten, weil ihnen die Buͤcher wegen der Kupfer -ſtiche55ſtiche zu theuer waͤren. Ich ging heute Sibbaldi Pro - drom. Hiſt. nat. oder Scotia illuſtrata durch. Ver - gebens fragte ich hier nach ſeiner Balaenologia. Es ſtand nicht im Katalog, und am erſtern Buch war’s nicht angebunden.
Madem. Baſſeporte lernte ich auch heute kennen. Sie iſt eine Jungfer von 80. Jahren, mit der mich M. de Villoiſon bekannt machte. Sie wohnt im botani - ſchen Garten, hat Reiſen gethan, und ſich ſchon uͤber 46. Jahre im Zeichnen und Mahlen der Pflanzen und Thiere geuͤbt. Zum Erſtaunen iſt’s, wie ſie die Natur nachgeahmt hat. Alles iſt ausgedruckt, alles lebt, al - les, bis zum Entzuͤcken, mit einer Delikateſſe, die ihres gleichen nicht hat. Die genauſte Richtigkeit und die groͤßte Feinheit herrſcht in jedem Stuͤck. Sie wieß uns Ket - mia, Martinia, Helleborus, Convolvulus, Ama - ranthus etc. jedes war auf einem halben Bogen von feinem duͤnnen Pergament. Man konnte nicht reden, man mußte nur ſehen. In keinem Hortus, in keiner Flora iſt die Natur ſo erreicht worden. Sie wieß uns auch einige Phalaͤnen, z. B. die Portemiroirs, ſie waren auch praͤchtig, die kleinen Haare am Bauch, die Bordirungen, alles war dargeſtellt, doch haben Cra - mer, Drury, Clerck, auch Roͤſel ꝛc. dieſe eben ſo ſchoͤn abgebildet. Aber zwei Schlangen zeigte ſie uns, die das Auge nicht ſchoͤner ſehen konnte. Alle Flecken, alle Schuppen, ſelbſt die ſcharfen Kanten, das Schielende in den Farben, der Kopf, die doppelte Zunge, das Beiſ - ſige im Blick, die unmerklich kleinen Schuppen am Schwanz, alles hatte ſie bewundernswuͤrdig nachgeahmt. Sie hat natuͤrlich an den Augen ſchon ſtark gelitten, undD 4klagte56klagte gegen uns uͤber Mangel an Unterſtuͤtzung. Sie hat eine Penſion von nur 400. Livres, war uͤbel ge - kleidet, und ſchien mit dem hohen Alter kleinmuͤthig ge - worden zu ſeyn. Was ſie ſprach, war wohl uͤberdacht und gut ausgedruckt, aber es ſchien immer, als wenn ſie auf ihre ſchoͤne Arbeit weinen wollte. Thut’s nicht dem Freund der Menſchheit in der Seele weh, wenn der Tau - genichts in der weichen Karoſſe liegt, und auf wolluͤſtige Eroberungen ſinnt, die ſein Geld moͤglich machen ſoll, indes die Kunſt, das Verdienſt, der Fleis, die ſchoͤnſte Beſchaͤftigung, unter dem Druck der Duͤrftigkeit ſchmachtet, und ſeine Seufzer nicht laut genug auslaſ - ſen kan? Zum Ungluͤck fuͤr die vortrefliche Kuͤnſtlerin war unſer Kaiſer, als er Kabinet und Garten beſah, durch die Gobelinsmanufakturen ſo ermuͤdet, daß er ſich da nur ſehr kurz aufhielt, und Juſſieu, der ihm den Garten wies, unmoͤglich ihn auf dieſes Frauenzimmer aufmerkſam machen konnte. Wir trafen in dieſer Geſellſchaft noch die Demoiſelle Biheron*)Von dieſer Kuͤnſtlerin weiter unten weitlaͤuftiger. an. Auch lernte ich
Mad. de Bure kennen. Sie iſt die Frau eines Buchhaͤndlers, und beſitzt ſehr viel Beleſenheit und ge - ſunde Beurtheilungskraft. In ihrem Hauſe kommen oft viele Pariſer und fremde Gelehrte zuſammen. Sie ſpricht nicht gar viel, und das Franzoͤſiſche hab’ ich ſchon von andern beſſer ſprechen gehoͤrt. Sie iſt gros, hat ein blaſſes Geſicht, und eine etwas harte Stimme; ihr Putz war maͤſſig, ihre zwei Toͤchter waren ſehr an ſie attachirt. Die ganze Stube war mit Buͤchern garnirt. Der Mann ſtand ziemlich im Schatten, ſchwieg ſtill undputzte57putzte das Licht. Sie erkundigte ſich bey mir nach Mesd. Karſchin, Reiske ꝛc. von der ſie ein Portrait hatte, und empfahl mir ſehr das Koliſe’e zu ſehen, weil es faſt ein Paradis terreſtre waͤre. Um halb 10. Uhr Nachts fuhren wir fort.
Bisher war in Paris beſtaͤndig Regenwetter. Kein Tag verging, an dems nicht etlichemahl anfing, und uͤberall war ein heßlicher Koth. Noch ſpuͤrte man gar nichts von der Sommerhitze. Man ſieht auch ſel - ten die Sonne. Zwiſchen den hohen Haͤuſern erblickt man immer nur einen kleinen Streifen vom Himmel. Es gibt viele Leute hier, die gar nicht wiſſen was Wind iſt; denn den phyſiſchen Wind ſpuͤrt man in der Stadt gar nicht. Fuͤr viele Deutſche iſt das ſehr unangenehm, ſie koͤnnens nicht gewohnen und werden krank.
Beſuche kan man hier keinem vor 11. Uhr Vormit - tags, und 4. Uhr Nachmittags machen. Auch geht keine Bibliothek vor 9. Uhr auf, die meiſten erſt um 10. Viele Viſiten macht man erſt Abends um 6. 7. Uhr. Morgens kan man vor halb 7. Uhr keinen Bedienten, keine Taſſe Kaffee ꝛc. bekommen.
Jetzt war’s Mode, mit groſſen ſchwarzblauen Stecknadeln zu friſiren. Tuppe’e und Locken wurden damit geſteckt, und jeder lachte uͤber die doppelten Haar - nadeln der Deutſchen.
In den Straſſen laufen beſtaͤndig Bierfiedler, Muſikanten, Saͤnger ꝛc. herum, wahre Muͤſſiggaͤnger und Bettler.
D 5Es58Es gibt hier viele Boutiquen, wo Naturalien, Gemaͤlde, Meublen, Glas, Vergoldungen, Sekretaire, Orgeln, Kutſchen, Girandolen, alte Bronzen, Statuͤen, ausgeſtopfte Loͤwen, Voͤgel, Hunde ꝛc. alle moͤgliche Sa - chen unter einander zu verkaufen ſind. Ueber dem Laden haben ſie 2. 3. ꝛc. Magazine, wo das Auge ermuͤdet zu ſehen. Ich fand bei einem ſolchen Naturalienhaͤndler ei - nen hohen Glaskaſten, wo alle Arten von franzoͤſiſchen Voͤgeln ausgeſtopft, auf einem Baume ſaſſen. Man konnte ihn auf dem vergoldeten Geſtelle herum drehen. Ich kaufte ihm eine Seepflanze auf einem Daumen von einem Meer - oder Seethiere, angewachſen; ein herrlich Stuͤck Marienglas aus Rußland; eine Kon - chylie mit angewachſenen Corallen, und eine Tubula - ria etc. um geringe Preiſe ab. Man findet hier und da ſchoͤne Stuͤcke, aber Schade, daß man ſie nicht ſorgfaͤltig genug aufbewahrt. —
Man ſpeißt hier Linſen, die noch einmahl ſo gros ſind, als unſre in Deutſchland. Sie werden ſauer gekocht, und ſchmeckten mir wenigſtens treflich. Viel - leicht deſto beſſer, weil ein Teller voll Gemuͤs hier, ſo eine groſſe Seltenheit, ſo ein beſchwerlicher Mangel fuͤr den Deutſchen iſt.
Der Sand, den man hier zum Theil hat, iſt eine graue feine Stauberde, und kein eigentlicher Sand.
Le Cabinet de l’Hiſt. Nat. de Roi. beſah ich heute wieder. Herr D’Aubenton lies es fuͤr mich oͤfnen,und59und gab mir Erlaubnis, alles im Detail anzuſehen. Ich fing alſo an beim Erſten Zimmer, und fand im*)Ich fuͤhre die natuͤrlichen Koͤrper hier und im Folgen - den ſo an, wie ich ſie im Sommer 1777. in jedem Zimmer, in jeden Schranke, Fache ꝛc. fand, und ſo wie ſie neben und bei einander lagen; um dadurch ei - ne Probe von der Ordnung, oder vielmehr franzoͤſi - ſchen Unordnung, die in dieſem Kabinette herrſcht, zu geben.