Dem Hoch - und Wol-Edelgebornen / Geſtrengen / Fuͤrſichtigen / und Weiſen / Meinem Hochgeachten / Hochgcehrteſten Herꝛen / und Goͤnner Herꝛen JOHANN RODOLPH von ROSENROLL, Geweſnen Vicari im Veltlein / und vorderſten / von dem Lobl. Oberen Pundt / zu Solenner beſchweerung der An. 1707. entzwiſchen dem Lobl. Canton Zürich / und denen Lobl Freyen Republiquen hoher Rhætiæ, erꝛichteten Puͤndtnuß abgeordneten Ehrengeſandten. Eigne den dritten Theil des Schweizerlands Natur - Geſchichten zu einem Zeichen ſchuldiger Dankbarkeit vor bisher genoſſene hohe Gunſtgewogenheiten / und Freundſchaft / nebſt herzlicher wünſchung fehrneren Leibs und Seelen vernuͤgens zu Meines Hochgeachten Großgoͤnſtigen Herꝛen Demuͤhtig ergebenſter Diener
D. J. J. Scheuchzer.
N. pag.
Der Preiß diſes dritten Theils iſt fl. 1. Schilling 36. Aller drey Theilen zuſamen fl. 4. ß. 20.
WJr Menſchen ſein gemeinlich alſo geartet / daß uns variatio delectat, die Abaͤnderung annemlich vorkomt. Die Sternen bleiben un - verꝛuket / jeder an ſeinem Ohrt / und doch ſehen wir ſie mit deſto groͤſ - ſerer Beluſtigung an / weilen bald diſe / bald jene / Geſtirn / je nach der Jahr - zeiten Ablauff / ob unſerem Geſichts-Ender ſich zeigen. Das Leben / und die Seel der Schauſpielen beſtehet zwar in wenigen / tauglichen / aber in Anſe - hung der Kleideren / und Geberden geaͤnderten Perſonen / und Waͤnden der Schaubuͤhne ſelbs. Wie komt nicht einer ſchoͤnen Niſæ oft ſo anmuͤhtig vor ein ungeſtalter Therſites, aber mit einer neuen ſauberen Perruque bede - ket / und mit ſchoͤnen Kleideren angetahn? Wie koͤnnen nicht die Carthaͤu - ſer ihre auf unzehlbare Weiſen zugeruͤſtete Faſtenſpeiſen auch denen Fiſch - haͤſſeren ſelbs beliebt machen? Jch habe nun durch zweyer Jahren Ablauff die Hiſtoriſche Natuͤrliche Beſchreibung des Schweizerlands vorgeſtellet / zwar auß gewiſſen Urſachen ohne einiche Ordnung / und bald diſe / bald jene Materi außgearbeitet / wie ſie mir ohngefehr in die Hand kommen / alſo daß ſich oft die vorgehende Materi auf die folgende ſo wenig gereimt / als ein Fauſt auf ein Aug. Nun wil zu mehrer Vernuͤgung meiner allzeit ge - ehrten / bis dahin goͤnſtiger Leſeren / die Schaubuͤhne der Helvetiſchen Natur in etwas geaͤnderet / und alſo die Actus Scenicos vorſtellen / wie ſie in ihrer Natur auf einander folgen / und namentlich habe mir mit Gottes Hilff vor - genommen die diß Jaͤhrige Geſchichten vorzulegen / wie ſie mir vorkommen in meinen durch die hohen Gebirge getahnen Reiſen; und zwaren ſol das erſte Muſter ſeyn die Reiſe von Anno 1705. darbey aber zu einem Vor - bericht dienet / daß mich nicht aufzuhalten geſinnet mit Verdrießlich - und unnoͤhtigen Widerholungen deſſen / was bereits oben hier und da abgehan - delt worden / ſondern bey gegebenen Anlaͤſen mich beruͤffen auf die jenige Blaͤtter / wo die vorkommende Materi anzutreffen / damit nicht ein Brey zwey mahl aufgeſtellet werde. Jch werde auch dann und wann einſetzen das jenige / welches zur Hiſtoriſch-Politiſchen / und ſonderlich auch zur Geographi - ſchen Beſchreibung unſers Landes dienet / damit ſich ſo thaner meiner An - merkungen bedienen koͤnne nicht nur ein Liebhaber der Natur Wiſſenſchaft / ſondern auch ihren / verhoffentlich vilfaltigen / Nutzen finden koͤnnen die jeni -gen /(2)[2]ge / welchen die Politiſche Beſchaffenheit unſerer Landen muß bekant ſeyn.
Die beſte Zeit / welche zu dergleichen Berg-Reiſen gemeinlich beſtim - me / iſt der Heu - und Augſtmonat / als in welchen die Schnet in ſo weit ab - gehen / daß man uͤber die hohen Gebirg wandlen / und auch die jenigen Kraͤu - ter / welche auf den oberſten Stafflen / oder hoͤchſten Alpen wachſen / ſamlen mag. Die Taͤge ſein dannzumahl lang / ſo daß einer vom Morgen fruͤhe bis Abends ſpat ſpatzieren kan / und in einem Tag / der oft noͤhtig / einen einigen Berg zu beſteigen / antreffen / die Fruͤhlings-Sommer - und Herbſt-Kraͤuter / zu groſſer ſeiner Vernuͤgung. Es iſt auch die Luft in ſelbigen Monaten ſo warm / als ſie in unſeren Gebirgen werden mag. Geht man fruͤher / oder ſpaͤhter / ſo findet man auf den Bergſpitzen einen traurigen Winter / mit ſo kalten Lüſten / welche nicht wol außzuſtehen ſeyn / und dergleichen Luſt - und Berg-Reiſen ſehr verbitteren.
Ehe ich von Zuͤrich abreiſe mit meinem Barometriſchen / oder Philoſo - phiſchen / Wanderſtab / pflege ich bey Hauß zu laſſen ein Wetterglaß / oder Barometrum von ganz gleicher Wirkung / und Zeichnung der Graden mit dem / welches mit auf die Reiſe nimme / und mache Anſtalt / daß alle Tag fleiſſig aufgezeichnet werden nebſt der Wetter-Beſchaffenheit die Hoͤhenen des Queckſilbers / weilen in allen Staͤtten / Flecken / Doͤrfferen / Bergen / und Thaͤleren / wo ich durchreiſe / meinen Wetterſtab außſchraube / und die Grad und Scrupul ſo fleiſſig / als moͤglich / bemerke / um ſie hernach unter ſich ſelbs / und mit denen / ſo zu Hauß in meiner Studierſtube gewahret worden / zuver - gleichen / und durch diſes Mittel die reſpective Hoͤhenen aller Ohrten in Er - fahrung zu bringen / nach Anleitung deſſen / was Tom. I. p. 17. von Abmeſ - ſung der Berghoͤhenen bemerket worden.
Alſo bin ich in Begleit guter Geſellſchaft An. 1705. den 30. Jul. Abends von hier abgereiſet / nach deme die Hoͤhe des Wetterglaſes befunden 23. Zoll / und 9. Scrupul / von der Flaͤche des Quekſilbers an zuzehlen. Da anfangs in Acht zunemmen / daß diſe Zoll ſein der zehende Theil eines Zuͤri - cherſchuh / und ein Scrupel der zehende Theil eines Zolls / und ein Scrupel entſpricht 80. Schuhen in die Hoͤhe / alſo daß / wann ich 80. Schuhe in die Hoͤhe ſteige / in dem Wetterglaß das Quekſilber um einem Scrupel tieffer ſich ſenket.
Morndeß / den 31. Jul. fruͤhe langeten wir an in Lachen / welches ein Lateiniſcher Nahme / und ſo vil bedeutet / als ad Lacum, an dem See / und / gleich vilen anderen in daſiger Gegne / anzuſehen als ein überbleibſel der alten Rhetiſchen Colonien, welche jenſeit der Lindmat ſich durch das Gaſter (ſo deßwegen auch Caſtra Rhætica genennet worden) hinab bis an See erſtrecket / und die Landſchaft March / Provinciam ad Fines, vel Terminos,ſo(3)[3]ſo den Helvetieren zugehoͤrig war / angeſehen als eine March / oder angraͤn - zende Provinz / alſo daß die Limmat ehemahls die Helvetier / und Rhetier von einander geſcheiden. Diſe Landſchaft March gehoͤret nun in den Canton Schweiz / wiewol mit eigenen ſchoͤnen Freyheiten; erſtrecket ſich ohnge - fahr 3. Stund in die Laͤnge / auf einem ebenen / ſehr fruchtbaren / ſonderlich Obs - und Weidreichen Boden / ware vor deme unter denen Grafen von Raperſchweil / von denen ſie um An. 1315. kommen an Graf Wernherꝛ von Homberg / ſo des letſten Grafen von Rapperſchweil Tochter hatte / von di - ſem aber an Graff Hans von Habſpurg / ſeiner Muter Schwoͤſter Sohn / hernach an das Hauß Oeſterꝛeich / bis ſie endlich An. 1408. von den Appen - zelleren in dem Krieg wider Herzog Friderich von Oeſterꝛeich eingenom - men / denen von Schweiz zur Dankbarkeit / daß ſie ihnen zu Hilff gezogen / geſchenket / und alſo der Eidgnoßſchaft einverleibet worden.
Einen Büchſenſchuß weit unter dem Haupt-Flecken Lachen / an dem See / ligt Alten Dorff / ein altes Dorff / deme eine daſelbſt ſtehende uralte Kirch diſen Nammen gegeben. Hieher verfuͤgten wir uns / um in Augenſchein zunemmen die traurige Wirkungen eines
welcher vor einem Jahr ſich begeben / und denen Einwohneren nicht gerin - gen Schaden zugefuͤget. Dergleichen Faͤlle heiſſen in Schweizeriſchen / und Pündtneriſchen / Landen gemeinlich Rüfi / Rüfinen / vermuhtlich à rupi - bus, von denen herabfallenden / oder durch der anlauffenden Bergwaſſeren Gewalt abgetriebenen Felſen / oder à ruina, als wann es weren ruinen / wegen des ruins, und Schadens / welchen daher die Weiden / Wieſen / Aeker / Haͤu - ſer / Menſchen und Vieh leiden: ſonſten auch nennet man ſie Bergbrüche / Bergſchlipfe. Jch hette dißmahl komlichen Anlas eine ganze Hiſtori - ſche Beſchreibung aller Bergfaͤllen / ſo ſich in Schweizeriſchen Landen zuge - tragen / darzulegen / werde ſie aber ſparen auf einen noch kom̃licheren Anlas / und dißmahl allein erzellen diſe vor Augen ligende Geſchicht / wie ſie ſich begeben.
Es hat ſich namlich den 27. Sept. 1704. zugetragen / daß in der Nacht ein groſſes Stuck von dem Berg / ſo ob Alten Dorff liget / mit groſſem praſch - len eingefallen / und durch ungeſtuͤme der Bergwaſſeren vil Felſen / Steine / Erden / Baͤume / abgefuͤhrt worden / welche einen groſſen Theil des Walds / ſchoͤne Wieſen / Grasreiche Weiden / und fruchtbare Aeker verderbet / drey Haͤuſer / und 6. Staͤlle theils uͤberdeket / theils fortgeſehleppet / und nebſt 12. Stucken Viehs 5. Menſchen / Hans Caſpar / und Jacob die Kriegen / zwey Gebruͤdere / Luci Schuler / Anna Maria Schaͤggi / eine Magd von Galgenen /und(4)[4]und einen Mann von Walenſtad / getoͤdet. Es rechnen die Einwohnere den Schaden auf 12000. fl. Dann die Guͤter / wo die Rüfi angefahren / mit Stein / Sand / und Holz alſo hoch uͤberfuͤhrt / daß zu keinen Zeiten Hoff - nung iſt / etwas Nutzens darauß zu zeuhen.
Von Lachen hinweg reißten wir zu Pferd durch oben beſchriebene Landſchaft March / und nam̃entlich durch folgende Oehrter Galgenen / ½ St. Sibnen ½. St. allwo ein Bruk uͤber die Aa, welche hernach in den Zürich-See flieſſet; Schübelbach ½. St. Butzikon $$\frac {3}{2}$$ . St. Rychen - burg ½. St. allwo ein alter zerfallẽner Edelmanns Sitz / welcher mit der ganzen Pfarꝛ / Herꝛlichkeit / und Guͤteren erkauft worden an das Kloſter Ein - ſidlen / durch Abt Marquarden / geboren von Gruͤnenberg / zu Keiſer Caro - li IV. Zeiten. Auf linker Seiten hatten wir die Linth / einen Fluß / der hernach ſich in den Zuͤrich-See ergieſſet / und jenſeit derſelben ſahen wir / wann wir ein wenig auf eine Hoͤhe kommen / das ganze Gaſtal / Gaſter / Caſtra Rhætica, welches unter der Schweizeren / und Glarneren / Bottmaͤſ - ſigkeit ſtehet. Rechter ſeits hatten wir zimlich hohe Berge / welche ein Vor - trab ſein der Glarneriſchen / noch weit hoͤheren / Gebirgen / welche wir bald be - ſteigen werden. Hier iſt im Vorbeygang zu wiſſen / daß von dem Albis - Berg / bey Zürich / nebſt dem Zürich-See hinauf ein Berg ſich erſtrecket bis ins Glarnerland / welcher aber nach und nach an ſeiner Hoͤhe zu nimmet.
Nach dem wir alſo die March durch wandelt / kommen wir ins Glarnerland / welches vorgeſtellet wird in Tab. I. deſſen erſte Doͤrffer ſein Under - und Ober Bilten / Pilten / welche Kirch nun Reformiert / und vor diſem gehoͤret hat in die alte Pfarꝛ Schaͤnnis / ſo jenſeits der Linth im Gaſter liget. Bey Bilten iſt auf einer Matten ein
welches aber ohne Gebrauch.
Folget das Dorff Nider Urnen / und aber / ehe man dahin komt / iſt zu beſehen das am Weg ligende
Ein Cryſtall-lauteres / kaltes / leichtes durch das ganze Jahr allzeit glei - ches Waſſer / welches allernaͤchſt bey dem Badhauß unter einem Felſen entſpringt / und urſpruͤnglich herflieſſet von dem Rothen-Berg / welcher alſo genennet wird von ſeinen rothlechten Nagel-Gebirgen / oder Felſen / und Sommerszeit mit ſchoͤnen Graßreichen Auen obenher bedecket iſt. ꝛc.
P. S. Die Charte des Glarnerlands folget uͤber 8. Tag.
AN diſem rothen Berg iſt zu Winters Zeit ein gewiß Ohrt / da kein Schnee bleibet / ſondern bald zerſchmilzet / vermuhtlich von einer un - terirꝛdiſchen Waͤrme / welche auch den Nider Urner Brunn ſelbs als - dann alſo erwaͤrmt / daß er uͤber die Art anderer Brünnen des Lands von vilen nicht kan getrunken werden / bis er um etwas erkaltet / und daher man in Gedanken ſtehet / es moͤchte eine wirklich warme Quell in diſer Gegne un - ter der Erde verborgen ſeyn. Diſes Bad iſt vor alten Zeiten bekant gewe - ſen / ſonderbar aber in Aufnemmen gerahten bey Anlas der Puͤndtneriſchen Kriegen / da man die Ober-Laͤnder Pfeffers / Flaͤſcher - und Fidriß Baͤder / nicht koͤnte beſuchen; Nun aber / da der Zugang zu jenen ungehinderet / wird diſes unſer Nider Urner Bad nicht vil von Froͤmden gebraucht / ſondern dienet inſonderheit zum Troſt der Nachbarſchaft. Von denen Mineralien diſes Bads hat Herꝛ Doctor und Land-Amman Joß Pfendler geur - theilet / daß verhanden ſeye Kupfer / Eiſen / Vitriol / Alaun / und ein theil Golds; welchem Urtheil unterſchrieben Hrn. Jacob Ziegler / und Hans Rudolff Gyger / Doctores der Artzney von Zuͤrich; und folglich geſchloſ - ſen / daß diſes Bad erwaͤrme die kalten Glider / heile das Podagra / Huft - Nieren - und Laͤndenwehe / Gutſchlaͤge / Krampf / Laͤhme der Glideren / Grim - men: Den ſchwachen undaͤuigen Magen bringe er widerum zum Appetit. Es helffe dem alten Huſten / und Keichen / oder Aſthma. Es wehre dem Auß - ſatz / benemme die Raud / und Kretze / ſamt anderen Maͤnglen der Haut. Es ſeye gut den Gaͤl-Waſſer - und Schweinſuͤchtigen. Es heile alle innwendige Geſchwaͤr der Lungen / Leberen / Blatter / und dergleichen. Es ſtille das Blutſpeyen den uͤberfluͤſſigen Schweiß / das Blut Erbrechen / das unmaͤſſi - ge Naſenbluten / Guldin Aderen / überflüſſige Monatzeit / und andere Flüß. Bringe widerum zurecht die alten Schaͤden / alt übelgeheilete Wunden / Krampf-Aderen der Schinnbeinen; verhuͤte Fleiſchwachſen in den Wun - den / der Naſen / und Affter; Staͤrke die Baͤrmuter denen Weiberen / die oft Muter-Flüſſe / und unzeitige Geburten gehabt haben; Beſſere dasſchwache(6)[6]ſchwache Geſicht / ſtille auch den Fluß der Augen. Es vertreibe das Kaltwehe / ſonderlich auch / wann man es nur trinke / weil es alſo die boͤſen Feuchtigkeiten auß des Menſchen Leib außfuͤhre. Der in dem Keſſel angehenkte / oder zu Boden ſetzende Schleim / mache / ſo er auf offene Schaͤden geſtrichen werde, dieſelben friſch / und geſund. Der Badſtein / zu Pulver geſtoſſen / unter die Wundſalben / oder Pflaſter gemiſchet / fuͤrdere auch die Heilung. Ueber das haben vil / ſo zu Pfeffers oder anderſtwo / nicht recht außgebadet / allhie mit groſſem Nutzen die Cur vollendet / wie ſolches alles in mehrerem berichtet Hr. R. T. G. (Gwerb) in einem beſonderen Tractaͤtlein / deſſen Titul: Geſundbrunnen / das iſt / Beſchreibung des heilſamen Waſſer - und Geſund Bads zu Nider Urnen im Land Glarus / ſamt deſſelbigen herꝛlichen Eigenſchaften und Wirkungen. 1657. 4. Nicht laſſet die Zeit / noch Ohrt / noch der reſpect, den ich unſeren Vorfahren ſchuldig bin / zu / eine weitlaͤuffige cenſur uͤber jezt dargelegte Beſchreibung des Nider Urnen Bads / und deſſen ingredientien vorzunemmen. Gleichwol kan ich nicht umgehen anzuzeigen / daß die Unterſuchung der Baͤderen eine der ſchwerſten Sachen in der Natuͤrlichen Hiſtori / weßwegen ſich nicht zu - verwunderen / wann unſere Alten vil geſchrieben auß unbegruͤndten conjectu - ren / und beſſer à poſteriori, oder auß denen Wirkungen geurtheilet / als à priori, durch grundliche Unterſuchung der ingredientien, weil ihnen deren Zeichen / Beſchaffenheit / und wahre Wirkungen noch nicht / auß Mangel fe - ſtern Fundaments der Naturwiſſenſchaft / und Pharmaciæ Rationalis, nicht wol koͤnten bekant ſeyn. Jch geſtehe / daß nicht wol kan begreiffen / woher ſie gemuhtmaſſet / daß in dem Nider Urnen Bad ſeye Gold / Eiſen / Kupfer / Vitriol / und Alaun. Es gehoͤret diſes Waſſer unter die ſo genanten Alet - Baͤder / deren wir vil hin und wider in Schweizeriſchen Landen antreffen / von denen die einten ſtaͤrker ſein / als die anderen. Alet Baͤder aber werden ſie genennet / villeicht daher / weilen ſie durch ſieden weiß werden / als wann man Alaun in Waſſer geſotten haͤtte; Einen wirklichen Alaun findet man ſchwerlich / auſſert man wolle eine neue Gattung eines ungeſchmakten Alets aufbringen / dann das jenige Pulver / welches ſolchen Baͤderen die weiſſe Farb gibt / und hernach auch ſich in geſtalt eines Tartari, Bad - oder Waſſer - ſteins anleget an dem Rand des Keſſels / ohngeſchmakt iſt / und nur in receſſu einiche Saliniſche Theil beſitzet. Wie hieruͤber kan geleſen / und was dort auch von der wirkung des Nider Urnen Bads ſelbs noͤhtig zu wiſſen / hieher gezogen werden das / was Tom. II. p. 1. von dem Walterſchweiler Bad geſchriben. Sothane weiſſe irꝛdiſche / eher als Aluminoſe Materi findet ſich zimlich haͤuffig in dem Bad zu Nider Urnen / und nahmentlich in jedem Sto - tzen / oder 12. Unzen ſein enthalten 1. Quintlein / und 9. Gran / nach der Prob /welche(7)[7]welche uͤber diſes Waſſer gemachet An. 1703. im Augſtmonat. Jch habe auch domahls in das Waſſer geſchüttet allerhand Geiſter und Saͤfte / wor - mit man die Sauren / oder Alcaliſchen Saltze zu erforſchen pflegt / als die Tincturam Tornæſolis, den Salarmoniacgeiſt / Viol Syrup, und aber keine merkliche Enderung geſpuͤrt / allein von angieſſung des in Waſſer-aufgeloͤß - ten Sublimats hat ſich oben gezeiget ein Haͤutlein von vilen Regenbogen Farben / und von dem Weinſtein Saltz iſt das Badwaſſer Milchweiß wor - den / welches letſtere gemeinlich auch in unſeren Brunnenwaſſeren kan wahr - genommen werden / daß daher in die Gedanken gerahten bin / es koͤnte man - che froͤmde Baden-Cur eingeſtellet / und mit gleichem Nutzen durch unſere gemeine Waſſer erſetzet werden.
Von diſem Bad gehen wir fort auf Nider Urnen / bey welchem Dorff vor Zeiten ein veſtes Schloß geſtanden / Windegk genant / ſo nun zerſtoͤret. Es hat, diſes Dorff An. 1703. von einem den 2. 13. Augſtm. ur - ploͤtzlichen
und daher aufgeloffenen Bergwaſſeren / groſſen Schaden / und Gefahr voͤlli - ger uͤberſchwemmung / außgeſtanden. Abends zwiſchen 6. und 7. Uhren / nachdeme vorher der ganze Tag hell geweſen / hat ſich ein Wolkenbruch bey ganzen Eimeren außgelaͤhret / worvon ſonderlich der Dorff - und Fallende Bach aufgeloffen / auſſer dem Dorff ſich wunderbarer Weiſe vereiniget / und hernach mit geſamter Macht dem Dorff zu getrungen / daſelbſt alles unter Waſſer geſetzet / die Daͤmme / und Hecken durchbrochen / die Keller / und untere Boͤden in den Haͤuſeren angefuͤllet / ſo das jedermann muͤſſen ſich auf die oberen Boͤden / oder in erhoͤchtere Haͤuſer fluͤchten / alle Bruken / und Staͤge weggefuͤhrt / die Mauren ſelbs hin und wider umgeworffen / die Baͤu - me theils von ihren Rinden durch antreibung allerhand Steinen / Holz / entbloͤſſet / oder gar weggeſchwemmet. Eine Walche und Mülle / welche den erſten Anfall haben muͤſſen außhalten / und alſo auch ein Stall mit einem Heugaden ſind von Grund umgekehret worden / und iſt in gleicher Gefahr des Untergangs geſtanden eine andere Mülle / ſo weiter unten gegen dem Dorff ligt / weilen auch da bereits einiche Haußecke weggeſtoſſen / die Raͤder / und andere Zugehoͤrd / mit groſſen Steinen theils zerquetſchet / theils ange - fuͤllet worden. Ein anders Hauß in daſiger Gegne iſt unter Augen des Be - ſitzers / nach deme ſich die Bewohnere mit Noth ſalviren koͤnnen / eingefallen. Under demſelben ſtuhnde ein Stall / in welchen ſich eine Tochter gefloͤchnet / welche aber ſamt ihrem Fluchthauß zu Grund gangen. Vil ſein auf die Baͤume geſtiegen / um der Waſſersnoht zu entgehen; vil haben mit Weibund(8)[8]und Kinderen ihre Wohnungen verlaſſen / weilen ſie darinn nicht vermeint ſicher zuſeyn. Die Wieſen / Felder / und Gaͤrten wurden mit Steinen / Sand / und abgefuͤhrtem Holz uͤberfuͤhret. Und ware noch ein groſſes Glük / daß der Bach nicht in ſeinem Runß geblieben / ſondern auſſer dem Dorff ſich zertheilet / dann ſonſt das ganze Dorff in Gefahr des Untergangs were ge - ſetzet worden / weilen nach der Aelpleren Außſag / ſo dem Wolkenbruch / und Hagelwetter auf den Bergen eigentlich zu ſehen koͤnnen / die Bergwaſſer Haͤuſer-ja Thürnen hoch aufgewachſen / und die groͤſten Felſen / mit unſag - lich vil Tannen - und anderen Baͤumen auß dem Grund geriſſen / und mit fortgefuͤhret haben. Bey diſem Unglük koͤnten ſich wol die Nider Urner zu - eignen jene Verſe des beruͤhmten Virgilii.
Tunc etiam immenſum Cælo venit Agmen AquarumEt fœdam glomerant Tempeſtatem imbribus atris,Collectæ ex alto Nubes: ruit arduus Æther.Et pluvia ingenti Sata læta, Boumq́ue laboresDiluit: implentur Foſſæ, & cava Flumina creſcuntCum Sonitu &c. Oder beſſer— Rapidus montano Flumine Torrens,Sternit Agros, ſternit Sata læta, Boumq́ue Labores,Præcipitesq́ue trahit Sylvas. Stupet inſcius altoAccipiens Sonitum — — de vertice Paſtor.
Diſe Bergwaſſer Geſchicht / welche auch zum Theil unter die Rufenen zu zellen / berichte / wie ſie mir uͤberſchrieben worden von dem Ehrw. Hrn. Joh. Heinrich Faͤſi / domahligen treueiferigen Seelſorger der betruͤbten Gemeind / nun Pfarꝛer zu Hedingen / Zuͤricher-Gebieths / unterm 1. Sept. 1703.
Von Nider Urnen reißten wir weiters fort auf Ober Urnen / bey welchem Dorff ehemahls geſtanden ein Schloß Vorburg genant. Es iſt diß Dorff Pfarꝛgenoͤſſig gen Naͤfels.
Weiters kamen wir auf Naͤfels / Nefels / Naͤhenfels / Navalia, einen ſchoͤnen Flecken / bey welchem eine Bruk uͤber die Linth / die auf We - ſen / oder Molliß hinfuͤhret. Jn diſem Naͤfels / welches ſeinen Nammen hat à Navibus, als eine alte Schifflaͤnde / oder vo naͤchſtgelegenen Felſen / iſt ſehenswirdig der Fraͤuleriſche Pallaſt / und nahe bey dem Flecken die mit Creuzen bezeichnete Wallſtatt / auf welcher An. 1388. den 9. Aprel von 350. Landleuhten 15000. Oeſterꝛeicher / ſo unter Hr. Donat Grafen zu Tocken - burg / und Peter von Torberg von Weſen außgezogen / geſchlagen / und in die Flucht gejagt worden; zu welches herꝛlichen Siegs Andenken alljaͤhrlich auf den erſten Donnerstag im Aprel die ſo genante Naͤfelſer Fahrt gehalten wird. ꝛc.
P. S. Dem geehreen Leſer kan zu einem Wegweiſer dienen eine beſondere Chart vom Glarnerland / a z. ß.
EHe man von Naͤfels weggehet / kan man wol auch beſehen das An. 1677. außgebaute Capuciner Kloſter / welches auf einer Hoͤhe / vor Zeiten Burg-Stock / hernach Mariæburg genant / alſo ange - legt / daß es im Fall der Noht als ein Veſte kan gebraucht werden. Die Einweihung der Capuciner Kirche iſt geſchehen den 5. Oct. 1679.
Folget das Dorff Nerſtal / welches vor deme gehoͤrt hat in den Fle - ken / nun aber ſint wenig Jahren auch aufgerichtet eine eigene Kirche / und Roͤmiſch Eatholiſcher ſeits eine Capelle.
Von Netſtall kommen wir auf Glarus / Glaris / Claris, Glaro - na, Clarona, Glareana, ſo der Haubtfleck / einer Statt gleich / des Lands Gla - rus / welches ſint An. 1352. in den Eidgnoͤſſiſchen Bund getretten / und in der Ordnung den VIII. Eanton machet. Diſe Landſchaft iſt ſchon unter Diocletiano und Maximiano bewohnet geweſen / weilen da ſich nidergelaſſen die H. Martyrer / ſo von der Thebaiſchen Legion ſollen uͤberblieben ſeyn / und ein Gedenkzeichen hinderlaſſen haben / von welchem bald ein mehrers. Un - der Clodoveo I. Koͤnig in Frankreich ward ſie beherꝛſchet von zweyen Bruͤ - deren Urſo, und Landolpho. welcher ſie geſchenket dem H. Fridolino, der an - noch des Lands Patron, und in des Lands Wapen ſtehet. Von diſem kam es an das Kloſter Seckingen / deren Aeptiſſin zu 4. Jahren um perſoͤnlich nacher Glarus kommen / das Gericht mit 12. Landsleuhten zu beſetzen. Aber under Kayſer Friderich dem I. wurde dem Kloſter / und deſſen Landen ein Schirm - vogt gegeben / und nammentlich unter Friderico Barbaroſſa darzu verordnet deſſen Sohn, Ottho, Pfaltzgraf zu Burgund / deme fuͤr ſeine Belohnung alle Steur / Fraͤfel / und Gerichtszwang Glaris zugehoͤrten. Der uͤbrigen Zinſen / Gülten / und Lehen halben beſtelte die Aeptiſſin ihre Meyer auß Ade - lichen Geſchlechteren / ſo zu gleich Regenten des Lands waren / under denen vornemlich zu zellen ſein die Tſchuden von Glarus / welche die Meyerey von Glarus lange Zeit inngehabt. Nach deme aber das Hauß Oeſterꝛeich ſo wol die Kaſtvogthey / als Meyerey zu Glarus mit Liſt und Gewalt an ſich gezogen / ſein die Landleuhte alſo getraͤngt / und an ihren alten Freyheiten an - gefochten worden / daß ſie es in die harꝛ nicht hetten ertragen moͤgen. Zuihrem(10)[10]ihrem Glück aber iſt in dem ſchweren Krieg zwiſchen Herzog Albrechten von Ocſterꝛeich / und der Statt Zuͤrich / mit dero ſich An. 1351. Lucern / Uri / Schweiz / und Underwalden ewig verbunden / ihr Land von den Zuͤricheren ein / und ſie ſelbs in die ewige Puͤndtnuß aufgenommen worden. Sint der Zeit beſitzen die Landleuhte von Glarus ihr eigen Regiment / und kommen jaͤhrlich auf den erſten Sonntag im Meyen alle / ſo uͤber 16. Jahr alt / im Haubtflecken zuſamen / den Eyd auf das Landbuch zu leiſten / Land-Amman / und uͤbrige Regenten zu beſtellen / und alles das jenige abzuhandlen / was zu des Lands Beſten dienet.
Der Haubt-Fleck Glarus gibet einem Liebhaber Natuͤrlicher / und Hi - ſtoriſcher Begebenheiten ſonderlich zwey derſelben an die Hand zu betrach - ten. Die einte iſt der ſo genante
welcher daſelbſt in groſſer Menge gemachet wird / und von uns weitlaͤuffig genug beſchrieben worden Tom. I I. p. 89.
Zweytens ſein in Acht zu nemmen
Nahe bey dem Flecken auf einer Hoͤhe / die Burg genant / weilen ehe - mahls daſelbſt / nach unſers Landes Art ein veſtes Schloß geſtanden / ſtehet eine Capell / welche nach dem Bericht Guillimanni, bey Lang. Helv. Sanct. pag. 918. mit Hilff der Landesleuhten von St. Felix ſelbs dem H. Erz - Engel Michael / oder eher / nach des Glareani Meynung bey Hottingeri Hiſt. Eccleſ. Tom. VIII. pag. 1068. zu Ehren / und Andenken St. Felix und Regula ſol erbauet worden ſeyn. Meines Tuhns iſt nicht / mich mit der ſo genanten Roͤmiſch Catholiſchen Geiſtlichkeit einzulaſſen in die Frag / ob ſolche H. Martyrer von der Thebaiſchen Legion, deren Gedaͤchtniß auch vor der Reformation bey uns / zu Zuͤrich / in hohen Ehren gehalten worden / und annoch / wann ſie je gelebet / im Segen bleibet / ſo weit namlich die Schranken unſerer Religion es zu laſſen / deren Reliquien auch zu Solo - thurn hoch verehret werden / geweſen? Ob St. Felix und Regula ſich im Glarnerland aufgehalten / und zu Zuͤr ich gemarteret worden? Ob ſie die Wundergab gehabt / ihre weichen Finger in harte Felſen einzutrucken? Ob ſchon zu ihrer Zeit die Verehrung der heiligen Englen / und Menſchen / in der Kirche geweſen? Diſes alles ſein Sachen / welche denen Gottesgelehrten von unſerer Religion / ſonderlich denen jenigen / welche zugleich in Kirchen Geſchichten wol erfahren ſeyn / obligen / und beruffe mich inſonderheit auf desWol -(11)[11]Wol-Ehrw. und Hochgel. Hrn. Joh. Jacob Hottinger / Canonici, und Prof. Theol. allhie Helveriſcher Kirchen-Geſchichten I. Theil. pag. 116. 117. allwo das noͤhtige / in einer ſo dunklen Sach / angezeiget worden. Jch meines Ohrts reiſe als ein Naturforſcher / und finde auch unter dem be - ruͤhmten Felſen / in welchem obbenante Finger-Zeichen / und nach P. Murers Bericht / auch Buchſtaben / die aber niemand finden / oder leſen kan / zuſehen / eine Natur-Geſchicht / welche denen Gottesgelehrten von beyder Religion zu nicht verwerfflicher Nachricht dienen kan. Es iſt die Materi / welche die eingetrukten Finger vorſtellen ſol / anders nichts als ein ſo genanter Stalacti - tes, oder Tropfſtein / welcher die innwendige Flaͤche der Hoͤle mit einer gelben / oder Honig farben Rinden überzogen / und in zimlich grobem Na - turſpiel die Mahlzeichen der Fingeren ganz uͤndeutlich vorſtellet. Wer die Mineralien kennet / und jemahlen in unterirꝛdiſchen Klüften die ſeltſamen Figuren der Tropfſteinen / und deren Geſtaltſame / wol in Augenſchein ge - nommen / der wird bey erſter Anſicht diſer Fingeren meiner Meynung Bey - fall geben. Man findet in der gleichen Natuͤrlichen Grotten ganze auß Tropf - ſteinen gebildete Orgelen / mit ihren Reyenweiſe ſtehenden Pfeiffen / Altaͤre / Capellen / ja ſelbs / damit an actoribus, und Zuſeheren in ſolchen Natur - Comedien kein Mangel ſeye / Steinerne Prieſter / Moͤnchen / und andere Men - ſchen Geſtalten. Solcher Naturwunderen halben iſt vor allen Erden - Kruften auß beruͤhmt die ſo genante Baumans-Hoͤle auf dem Hartz / in der Grafſchaft Reinſtein / wie zu ſehen in Joh. Georg Behrens Hercynia curioſæ, oder curioſem Hartzwald / ſo An. 1703. in Truk herauß kommen Cap. I. Es reimen ſich ſehr wol auf dergleichen Hoͤlinen jene Verſe Hrn. Joh. Ludovici Füreri, welche er der Baumans-Hoͤle zu gefallen aufge - ſetzet.
Quodque fidem ſuperat, ſtillantes Marmora guttasEfficere, & veris reddere imaginibusJurares Sipylo Nioben, Spectator, ademptam,Uxoris ſtatùamq́ue hîc ſupereſſe Lotho!Phinea quis dubitet, Cephaliq́ue in Marmore Cervi,Ulteriùs ſi quis progrediare, canem?Perſea Gorgoneos nempe hîc poſuiſſe ColubrosCredibile eſt, imisq́ue occuluiſſe locis.Inde rigor Steropum, Ferri qui pondera mulcent,Infuſcantq́ue Tuas, Buda, frequenter Aquas,Minima mira! DEI quos non ſe extendit in actusMira manus! i nunc, poſce Sophiſta modum.
Was wil ich ſagen von jenem Stein / der zwey Kuttentrager abbil - det / und deßwegen der Moͤnchſtein genennet wird / nahe bey dem Kloſter Michelſtein / in der Grafſchaft Blankenburg / von welchem obbemeldter Behrens Lib. Cit. pag. 128. oder von jenen tauſenderley Goͤtzenbilderen / welche ein Chineſiſcher Keiſer hat in einer Berghoͤle / vermuhtlich auß dergleichen Tropfleinen (deren Natuͤrliche Geſtaltſame ihme mag den An - laß darzu gegeben haben) geſtalten laſſen bey der Statt Jengan, in dem Berg King leang, worvon Neuhof Siniſch. Reißbeſchreib. p. 315. Es tragt ſich mehrmahlen zu / daß die Natur ſelbs ohne Wiſſen helffen muß zu beſteiffung des Aberglaubens.
Nach dem wir zu Glarus übernachtet / reißten wir den 1. Augſtm. als folgenden Tags / fort / und ſahen in dem Dorff Mitloͤden / ſo auch naher Glarus Pfarꝛgenoͤſſig / ein ſonderbares
Marv Ginſing / einen 6. Jaͤhrigen Knab / welcher vor wenig Wochen in einem kleinen Haͤußlein / auf welches ein weit groͤſſerer Felß gefallen / in mitten der zerbrochenen / und eingeſchlagenen Balken ohnverſehrt geblieben / da ſonſt alles zu Grund gerichtet worden / was in dem Haͤußlein war.
Von dar reißten wir weiters auf Schwanden / Suanda, einem al - ten / ſchoͤnen / vornemmen Flecken / der in mitten des Lands Glarus bey dem Zuſamenfluß der Linth und Sernft liget / und denen Suantibus, (ſein gewiſſe Voͤlker / deren Plinius gedenket Lib. III. cap. 20.) den Nammen ge - geben / nach der Muhtmaſſung Guillimanni Rer. Helvet. Lib. II l. cap. 6. Es iſt diſer Flek Reformierter Religion / da hingegen Glarus vermiſcht / und werden dort die Jaͤhrlichen Lands-Gemeinden Evangeliſcher ſeits gehalten / auch wird der Metzengewerb meiſtens allhier getrieben / und von einer beſon - deren Geſellſchaft unterhalten: Es iſt nahe bey dem Flecken geſtanden eine alte Burg: Die Kirch iſt gebauen worden An. 1349. die Schul aber und Helfferey ward erſt aufgerichtet An. 1669. weilen die Schwander Gemeind / Glarus außgenommen / die groͤſte und Volkreichſte im Land / und nament - lich dahin gehoͤren Luchſingen / Laͤügelbach / Nitfuren / Leü / Haßlen / Thon / Schwendi / Sol. Bey Anlas diſes Fleckens iſt an - zumerken daß die ſonſt wolgemachte Gigeriſche Land-Chart des Schweizer - lands / nach welcher alle andere / wiewol mehr mit verderbung des Originals / als mit verbeſſerung deſſelben / außgefertiget worden / auch ſelbs hier und da eine correction noͤhtig hat. ꝛc.
OBgedachte Charte ſetzet Bettſchwanden / ein Dorff / das an der Linth liget hinder Schwanden / an dem Zuſamenfluß der Sernft / und Linth / da aber diſer Ohrt zuſtehet dem Flecken Schwanden. Allhier iſt uns groſſe Ehr und Freundſchaft bezeigt worden von dem Ehrw. Herꝛen Henrich Tſchudi / Diacono des Ohrts / welcher zu ſeinem und des Landes Ruhm auß arbeitet eine Hiſtoriſche Beſchreibung des Glarnerlands / deſſen Situation, der Einwohneren Sitten / Regiment / und erzellung aller Geſchichten / welche das Vatterland angehen / in Chro - nologiſcher Ordnung / erneueret alſo die Gedaͤchtnuß Gilg Tſchudis / eines vornemmen und hochgelehrten Herꝛen ſeines Geſchlechts / welcher einer der beſten Geſchichtſchreiberen / ſo iemahls in unſeren Landen gelebet.
Jn begleit obbelobten Herꝛen / und ſeines Herꝛen Bruders / welcher des Ohrts Richter / haben wir beſtiegen den Berg Guppen / welches der letſte Anhang iſt des Weltberuͤhmten / und hohen Glarniſch Bergs / der von dem Flecken Glarus ſich rechter ſeits erſtreket bis hieher / und auf der anderen ſeiten bis zum end des Cloͤnthals.
Was wir auf heutiger Berg-Reiſe verꝛichtet / wird jezt der Ordnung nach folgen.
Ob Schwanden traffen wir an einen ſehr kalten Brunnen / oder Bach / welchen oben Tom. II. p. 105. under die
gezellet / weilen er den Winter durch ſich verbirget / und im Meymonat wide - rum auß der Erden hervor quillet / von welcher Begebenheit an jezt ange - zogenem Ohrt mit mehrerem geſchrieben worden. Es gewahren die An - wohnere von diſem Bach / daß er nicht anfangt flieſſen / bis der Winter voͤl - lig voruͤber / und keine rauhe Winterkaͤlte mehr dahinden / daß daher der Fluß diſes Waſſers angeſehen wird als Ein Zeichen der vorſtehenden Fruͤhlingswaͤrme / uͤber welche Begebenheit alſo urtheile / daß der jenige Waſſer gehalter / auß welchem der Brunn flieſſet / nicht mag angefüllet werden / bis durch beſtaͤndigwarme(14)[14]warme Fruͤhlingswitterung eine zimliche vile Schnees aufgeloͤßt / und zu Waſſer worden. Es iſt uͤber diß Anmerkens wirdig / daß diſer
Brunn ſich nicht laſſer mir der Seiffen vermiſchen / und die Erbſen oder Bonen nicht koͤnnen in demſelben Weich gekochet werden.
Ein ſolcher iſt auch der Hammerbrunn bey Hallan / Schaff - hauſer Gebiers. Die Seiffe vergehet darinn nicht / ſondern rinnet zu - ſamen / und werden die Erbſen nur hart / wann man ſie darinn kochet; Das Leinine Zeug / welches man darinn waſchet / wird darvon ganz rauh / und dauret nicht lang. Wann ich diſe ſeltſame Eigenſchaften jezt benamter Brünnen auf der Vernunftwag einer geſunden Naturwiſſenſchaft ab - wige / ſo fallen mir ein folgende Gedanken / welche anderen / die geuͤbtere Sin - nen haben / als ich / zur Verbeſſerung darlege. Jch wil zwaren die geſtalt - ſame der uns unſichtbaren kleinſten Waſſertheilchen weder mit Carteſio, noch anderen beruͤhmten Naturforſcheren vormahken / daß in deſſen als eine Folge auß gegenwertigen / und anderen in Eidgnoͤſſiſchen Landen vorkom - menden Begebenheiten und Wirkungen der Waſſeren zeuhen / und anzei - gen / daß des Waſſers Element nicht durch die ganze Natur gleich / oder deſſen kleinſte Theil nicht uͤber einen Leiſt geſchlagen / nicht alle einer groͤſſe oder Geſtalt / ſondern von einanderen alſo underſcheiden ſeyen / daß einiche groͤber / groͤſſer / andere kleiner / und ſubtiler. Auf diſen einſaltigen Grundſatz / welchen mir die Natur ſelbs an die Hand gibt / baue nun jezt folgendes Schluß-Urtheil / daß in vorhabenden Waſſeren / obgleich ſie von Bergen herab flieſſen / die kleinſte Theile in Anſehung anderer zu grob und groß ſeyen / und deßwegen nicht wol koͤnnen durch die ſubtile Loͤchlein der Erbſen Hülſen eintringen / um ſie zu erweichen / ſondern vilmehr wird die Feuchtigkeit der Erbſen ſelbs herauß ſchweiſſen / und muͤſſen die ſo in fehrnerem Sieden der - gleichen Hülſen-Fruͤchte je mehr und mehr erharten / welches die Erfahrung mitgibet. Die Unmiſch barkeit der Seiffe ſetze in Vergleichung mit ande - ren in der Natur und Chymia vorkommenden Begebenheiten / als da das Waſſer und Oehl ſich zwar unter einander mit Gewalt laſſen miſchen / bald aber / wann ſie in Freyheit geſetzet werden / ſich widerum ſoͤnderen / und jenes zwar nidſich fahret / diſes aber obſich ſteiget: inſonderheit aber dienet mir zu aufloͤſung gegenwertiger Natur-Geſchicht die aufloͤſung der Reſinarum, oder hartzichten Gummi im Brantenwein / und durch anſchüttung des ge - meinen Brunnenwaſſers erfolgende Zuſammenrinnung der hartzichten Thei - len an einen Klumpen / der ſich zu Boden ſenket / oder præcipitiret. Da nie - mand kan laugnen / daß nicht die theil des Brantenweins ſubtiler ſeyen / als die Waſſertheile / und in Kraft diſer ihrer Subtilheit die Kraͤfte haben / in dieengſten(15)[15]engſten Loͤchlein des Hartzes einzutringen / (welches die groͤberen Waſſer - theile nicht vermoͤgen) deſſen voͤllige Geſtaltſame aufzuloͤſen / und / als ein bequemes menſtruum, in einen durchſichtig gefaͤrbten liquor zu bringen / in welchem alle Loͤchlein angefuͤllet ſtehen von den kleinſten Hartztheilchen. Nur aber / wann die groben Waſſertheile angeſchüttet werden / erweiteren ſich die Loͤchlein / in welchen die Hartztheile gleichſam als gefangen eng gehalten worden / und kommen diſe in Freyheit / ſie henken ſich durch ihre aͤſtichte Ge - ſtalt zuſamen / und ſtuͤrtzen ſich mit einander zu Boden. Gleich alſo muͤſſen die kleinſten Seiffentheile / waͤlche ſich in anderen Waſſeren aufloͤſen laſſen / und zertheilt bleiben / in denen weiteren Loͤchlein vorhabender Brünnen zu - ſamenrinnen / und Anlas geben zu einer Natuͤrlichen Præcipitation, oder Ni - derſitrtzung. Und kan uns diß zum Exempel dienen / wie nach Anleitung der Gaſſendiſchen / oder Corpuſcular Philoſophie, manche Naturbegebenheit koͤnne / und muͤſſe / aufgeloͤſet werden auß der kleinſten Theilen Schwere / Groͤſſe / Geſtalt / Enge / oder Weite der Loͤchlein / ꝛc.
Wir muͤſſen aber / wann wir Heut noch den Berg wollen beſteigen / jeztbeſchriebenen Wunderbrunn verlaſſen / und aber uns den ſonſt Muͤhe - ſamen Weg erleichteren durch freundliche Unterꝛedung mit obbelobten bey - den Herꝛen Tſchndin / welche uns waren jucundi Comites provehiculo, nach des groſſen Eraſmi Außſpruch. Dann diſe uns vil erzehlten
welche ob Guppen an dem Fuß des hoͤheren Glarniſchbergs ſich finden / und wie ſie auch in mitten des Winters Waſſer von ſich geben. Es wird aber diſe Materi weitlaͤuffig verhandelt werden an ſeinem Ohrt.
derenthalben bey denen Einwohneren der hohen Gebirgen zubemerken diſe Redensart / es ſeye ein Drach außgefahren / zu welcher Vergleichung Anlas moͤchte gegeben haben der Drachen vermeinte Geſchwindigkeit / und unverſehener erfolgender Schade / welcher auch von denen oft urploͤtzlich / mit ungeſtuͤmme anlauffenden Bergwaſſeren herkomt. Unterdeſſen iſt zu ver - muhten / es habe diſe Redensart Anlas / und Urſach gegeben zu vilen erdich - teten Drachen Hiſtorien / von welchen anderſtwo mit mehrerem.
Diſes ſein arme Leuhte / welche weder Wieſen / noch Alpen haben / ihr weniges Vieh damit zu ernehren / und deßwegen das Heü (von dem ſie den Nammen bekommen) muͤſſen ſamlen in der Wilde / in hohen / gaͤchſto - tzigen Ohrten / dahin die Eigenthums-Herꝛen nicht einmahl getrauen / ihrVieh(16)[16]Vieh zu treiben / das Graß abzuetzen / auß Forcht / ſie moͤchten zerfallen / und auch nicht der Muͤhe werth ackten / ihre Maͤder dorthin zuſenden. An ſolcht Ohrt hin verfuͤgen ſich die Wildheüere / und ſchneiden das Futer / welches nach dem Natur-Recht eher ſcheint zu gehoͤren den wilden Gembſen / als zamen Kuͤhen / mit groſſer Lebensgefahr / weilen ſie oft kaum mit einem Fuß ſicher ſtehen koͤnnen / ab / pflegen daſſelbe einzuwiklen in ein Netze / und uͤber die Felſen abzuſtürtzen / da es ſich etwann zutragt / daß der allgemeine Menſchen - Maͤder diſen Wildhelieren den Lebensfaden zugleich abſchneidet / wann diſe mit einem Fuß glitſchen / oder mit dem Fuß / mit welchem ſie ihr Burde Graß fort / uͤber die aͤuſſerſten Felſenſpitzen hinauß geſtoſſen / in dem Netze be - hangen bleiben / und zugleich fortgezogen werden / fallen / und elendiglich zer - fallen / wie dergleichen Traurfaͤlle mir hier und da auf meinen Bergreiſen erzellet worden.
Jnſonderheit hat uns Herꝛ Richter / ein trefflich erfahrner Gemſen - Jaͤger vil erzellet von
Der Gemſen Art / Jagd / Lebensart / ins beſonder auch von der Seüche / welche diſes Jahr geweſen unter den Gemſen.
Eine in den Berg hinunter gehende tieffe Hoͤle / in welcher ein hineinge - worffener Stein gar lang Doͤnet / ehe er zu Boden fallet / weilen er nam - lich in waͤhren dem Fall hin und wider an den Felſen anſchlaget. Es iſt hier - auß zuvermuhten / daß der Guppen Berg innwendig hol / oder wenigſtens einen tieffen Spalt von oben bis unden geworffen / und bey Anlas eines Erdbidems leicht einfallen koͤnte / wie dann nahe bey dem Doͤneloch tieffe bereits eingefallene Gruben zu ſehen.
Auf der Hoͤhe des Bergs Guppen ruheten wir auß / und aber / da - mit wir auch da nicht muͤſſig weren / rüſteten wir zu unſer Bergmeſſeriſches Barometrum, und ſahen das Quekſilber in dem 21. Zoll / ſchloſſen hierauß / da wir uͤber Glarus (allwo wir die Hoͤhe des Wetterglaſes hatten 23. Zoll / 9. Scrupel) erhoͤhet ſtuhnden 2320. Schuhe / und uͤber Lachen 2720. wann dem geſtrigen Experimento zu trauen / da wir hatten 24. Zoll / 4. Scrupel.
Wann ich diſere Zuͤricher decimal Zoll und Scrupel verwandle in Pari - ſer / ſo kom̃en herauß 22. Zoll 10½. Linien / welchen entſprechen in der jenigen Tafel welche die Koͤnigl. Franzoͤſiſche Geſellſchaft ihren Memoires von An. 1705. p 61. einverleibet nach Mariotte außrechnung 714. toiſes, oder 4284. Pariſer Schuhe / nach Caſſini beſſerer Rechnung aber 935. toiſes, oder 5610. Schuhe uͤber das Mit - telandiſche Meer: von welchen / ſo man abzeuhet 150 Schuhe / die Hoͤhe der Statt Paris uͤber das Meer / ſo kommen herauß nach Caſſini Meynung 5460. Schuhe / welche geben die Senkelrechte Hoͤhe des Bergs Guppen uͤber Paris.
ALLhier / auf Guppen / da wir uns nider gelaſſen / iſt ein Ohrt / da Der Schnee zu Winterszeit nicht bleibt /
Zu einem gewiſſen Anzeig einer unterirꝛdiſchen Waͤrme / welche / wo ſie begleitet iſt mit einer holen geſtaltſame der Bergen / und Schwefelichten Mineralien, welche / wie wir vernemmen werden / in dem Groſſen Thal des Glarnerlands nicht manglen / gar leichten Anlas geben koͤnnen zu erweckung der Erdbidmen / denen diſes Thal ſehr unterworffen / wie zu ſehen Tom. I. pag 117. &c.
Uber diſere Hoͤhe des Guppen hatten wir eine weit groͤſſere / und ſtotzig - felſichte Hoͤhe des Glarniſch ſelbs / welche wir ohngefehrd erachtet 3. bis 4000. Schuhe / aber heut noch zu beſteigen nicht Luſt hatten / ſondern uns auf die Rukreiſe ruͤſteten / bey welcher wir noch eint und andere Mineralien werden antreffen.
Ohnweit von unſerem Ruheplatz fanden wir verſchiedene
als zum Exempel /
Einen Pectunculitam, oder Seemuſchelſtein in rohtem Geſtein.
Ein ſtuck eines Oſtrei, Steinernen Auſter in grauem Felſen / welcher weil er auß lauter kleinen Hirsfoͤrmigen Kügelein zuſamen geſetzet iſt / wol verdienet den Titulum Phacolithi, oder Hammitæ, Erbſen - oder Rogen - ſteins.
Ein Cornu Ammonis, oder Scherhorn in blauem Geſtein.
Seltener aber ſein die jenigen Gebildeten Steine / welche ein Liebhaber der Gemß Jagd auß dem Flecken Glarus an eben diſem Berg / da wir jezt ſtehen / aber weit hoͤher / angetroffen / und mitgetheilet hat. Sie ſein bey erſtem Anſehen gleich einem Scherhorn / wann man ſie aber genau betrach - tet / ſo ſihet man bald / daß es eine andere Art. Die / welche beyhanden hab / ſein ungefehr eines Zolles breit / und einen oder zwey Zoll lang / es ſein aber nur abgebrochene Stücker einer laͤngeren Figur. Jhre Streimen ſein tieff / und Bogenweiſe uͤberzwerch gezogen / und gehen an den Seiten in einen Grat / gleich bey einichen Scherhoͤrneren / zuſamen. Ein jeder erhabeneStreime(18)[18]Streime iſt uͤber diß bezeichnet mit vilen ſubtileren Glaichen / und auf dem Grat des Streimens zuſamen lauffenden Linien. Jn mitten gehet der Laͤnge nach eine Nat / welche den ganzen Stein in zwey Theile unterſcheidet. Und iſt noch uͤber diß zu bemerken eine mit Steinichter Materi angefüllte Hoͤle / welche durch den ganzen Stein gehet / und uns Anlas gibet zuvermuhten / es moͤchten diſere Stein überbleibſelen ſeyn eines Fiſch-Ruckgrats / oder Rochenſchwanzes / dann ſie endlich in einen ſtumpfen Spitz ſich enden. Sie ſein nicht rund / ſondern breit / zuſamen getrukt / oben auß gebogen / und unten um etwas hol: Wer auß der Beſchreibung diſes Steins ſich nicht wol finden kan / der beſehe die 88. Figur. Tab. XI. Tom. I. und Specim. Lithograph. Helvet. pag. 86. allwo ich ihne betitlet Caudæ Animalis cu - jusdam Foſſilis fragmentum; Ein Stuck eines verſteinerten Thier - ſchwantzes; und anbey angezeiget / daß diſen Stein vor etwas rares auß der Grafſchaft Neuenburg bekommen Seine Excell. Hr. Petrus Val - kenier / der Hochmoͤg. General Staaten vereinigter Niderlanden Extraor - dinari Abgeſandter in die Eidgnoßſchaft / welcher von dergleichen uralten Seltenheiten der Natur ein vortrefflich ſchoͤn und groſſes Cabinet geſam - let hat.
Auf dem Berg Guppen findet ſich auch hin und wider
Beſſer hinab traffen wir an alte Anzeigen einer
welche vor diſem gebauet worden / nun aber oͤd liget. Das Eiſen-Ertz / deſſen auch gedenket Wagner. Hiſt. Nat. Helvet. pag 351. iſt ſchwer / und zweifelsfrey reich. Der Ohrt ob Schwanden / da die Gewerker das Ertz geſchmolzen / heiſſet jezund noch die Herꝛen Rüti.
Nicht nur aber iſt diſer Berg Eiſen-ſondern beneben Silberꝛeich / weilen auch daſelbſt An. 1525. und 1526. gebauet worden
von welchen oben Tom. II. pag. 26.
Nach dem wir von unſerer heutigen Berg-Reiſe zuruk in Schwan - den angelanget / ergezten wir unſere matten Leiber mit einem annemlichen Nachteſſen / welches uns unſere werthen Freunde und Gefehrten / die Herꝛen Tſchudin / haben zurüſten laſſen.
Den Anfang des folgenden Tagwerks / den 2. Auguſt. machten wir mit unſerem Barometriſchen Wetter - und Maͤßſtab / welcher uns das Quekſilber zeigte im 23. Zoll / und 9. Scrup. an gleichem Ohrt / da es geſtern war zu Glarus / worauß ich aber nicht ſchlieſſen kan / daß diſe beyde Flecken / Glarus /und(19)[19]und Schwanden in gleichem Horizont ligen / weilen verſicheret bin / das Schwanden hoͤher als Glarus / weilen von dort hieher die Linth allezeit in die Tieffe flieſſet / und kan gar leicht uͤbernacht an einem / oder anderen Ohrt die Luftſpher eine aͤnderung außgeſtanden / und dem Quekſilber mitgetheilt haben / ſo daß die Vergleichung der Obſervationen zwiſchen heutigen / und geſtrigem Tag auf zimlich ungewiſſen Fuͤſſen ſtehet, und alſo die heutige Prob allein uns dienen wird vor den heutigen Tag.
Ehe wir von Schwanden verꝛeiſen / wollen wir einen Hiſtoriſch - Politiſchen Bericht einholen
um ſo vil mehr verpflichten wir uns hierzu / weilen unſere heutige Reiſe laͤngſt demſelben hingehet / und wir deßwegen ihne auch vorgeſtellet haben in unſerer Glarneriſchen Land-Charte / welche oben bereits dargebotten wor - den. Es ſein die Gemſe ſehr forchtſame Thier / und allezeit in der Flucht / worzu ſie ein jedes rauſchendes Blatt bewegen kan / aller Ohrten iſt man ihnen aufſaͤtzig / ſie ſein nirgends / auch nicht auf den hoͤchſten / bald unerſteig - lichen / Felſen / vor der Jaͤgeren liſtigen / und doch muͤheſamſten / Nachſtellun - gen ſicher. Jn der ganzen Schweiz iſt bald ihr einiges Fluchthauß der Freyberg im Glarnerland / nebſt dem Wiggis / Wyggis / Weig - gis / welcher auch zu einem Freyberg gemachet worden An. 1663. im Mo - nat Majo. Es hat die Landleuhte von dem Glarner Canton nebſt dem Nutzen / der auf das ganze Land ſich erſtreket / veranlaſet / den Freyberg zu einer Fluchtſtatt der Gemsthieren zu machen / die kommliche Situation deſſelben / als der einer ſeits eingeſchloſſen von der Linth / anderſeits von der Sernft / zweyen Flüſſen / uͤber welche die Gemſe ſich nicht wagen doͤrffen / um ſo vil weniger / weilen ſie deßwegen muͤßten ſich in die Thaͤler hinab laſ - ſen / welches der Natur diſes Hochgewilds zu wilder. Hinderſich gegen den Auſſerbirgen / ſo auſſer dem Freyberg ſeyn / ſein die Graͤnzen deſſelben hinder Linthal / bey der ſo genanten Baumgartenwand gegen Baͤchi. Jn einer Democratiſchen Regierung / wie die Glarneriſche iſt / ſcheinet ein ſolcher Wildbahn etwas ſeltſames / und des gemeinen Landvolks Freyheit zuwider; wann man aber den Endzweck diſer ſonſt ſcharffen Satzung / welche der Ehren Verlurſt / und Leibes Straff auf die Ubertrettere ſetzet / recht betrachtet / ſo wird man finden / daß diſes Verbott zu groſſen Ehren / und allgemeinem Nutzen des Lands dienet. Dann hierdurch die Gemsthiere allen Landleuhten gemein werden / welche ſonſt / wo alles zu ſchieſſen erlaubt were / allein durch etlicher Jaͤgeren Hande denen wolbemittleten Haͤuſeren zugebracht / und diſes Gewild ſelbs auß denen Glarneriſchen in die Urner - Gebirge gejagt wurde. Es iſt namlich eine Grund - und Land-Satzungauf -(20)[20]aufgerichtet worden vor dem hoͤchſten Gewalt / der Lands-Gemeind / daß einem jeden Landmann / er ſeye arm / oder reich / wann er Hochzeit haltet / zu - gehoͤren ſollen zwey Gemsthiere. Zu dem End / und damit nicht die neuen Braͤutigam ſelbs die Muͤhe nemmen / oder durch ſelbs eigenes Jagen dem Gemſenvorꝛaht mehr ſchad-als nutzlich weren / ſein in dem Land 12. beeidig - te Jaͤger beſtellet / welche die zwey jedem Braͤutigam zugetheilte Gemſe ihme muͤſſen zu bringen. Diſe Freyberger Schütze / dann alſo heiſſen ſie / haben dann fuͤr ihren Lohn die Haͤute. Sie doͤrffen aber auch zu verbotte - ner Zeit / zwiſchen Jacobi und Martini / nicht gehen zu ſchieſſen. Diſer Frey - berg wird abgetheilt in ſeine verſchiedene Spitzen / oder Joch / als Büel - Stock / Gantſtock / Rothberg / Saßberg / Vorſteg-Stock.
Nunmehr ſetze meine Reiſe fort durch das Groſſe Thal / und ge - denke erſtlich auß Wagner, Hiſt. Nat. Helvet. pag. 113. des
welches an einem Ohrt / Ovia genant / entſpringe / und von dannen gen Schwanden geleitet / und in allerhand Zuſtaͤnden gebraucht werde. Von diſem Bad weiß ich nichts zuberichten / als daß es nimmer bekant.
Jenſeit der Linth / ohnweit von dem Flecken / iſt St. Wendels ein - gefallene Capell / bey welcher oft ſol geſehen werden ein Geſpenſt / in Ge - ſtalt eines Pfaffen-Es ſein die fetten Einkuͤnften / welche diſer Capell vor der Reformation zugeſtanden / hernach an die Kirche zu Schwanden verwendet worden.
Wir ſezten unſere Reiſe fort diß - oder rechter ſeits der Linth erſtlich durch das Dorff Nitfuren / welches nacher Schwanden gehoͤret; hernach durch
welches ſeinen Nammen her hat von dem nahe flieſſenden Bach / der auch Vor - oder Leügelbach heiſſet. Diſer Bach kommet oben im Berg auß einem Felßloch mit ungeſtuͤmme hervor / und ſtuͤrtzet ſich von dannen in ſchaumichter Geſtalt in das Thal herunter / und bald in die Linth. Seinen eigentlichen Urſprung aber hat diſer Bach in dem
deſſen auch gedenket Wagner. Helvet. Hiſt. Nat. pag. 57. welcher eine halbe Stund ohngefehr im Umkreiß / und inſonderheit vil Hecht ſol in ſich haben / unter denen einer ſol ſein von ungemeiner Groͤſſe / der die uͤbrigen bald alle verſchlinge. Diſer Berg-See ſol under der Erden ſeinen Außfluß fort - ſetzen / und den vorernanten Laͤügelbach außmachen.
Nahe bey diſem Bach hat ſich An. 1687. zu getragen jene erbaͤrmliche
welche oben beſchrieben worden. Tom. I. pag. 158.
JN diſer Gegend iſt das
welches themahls vil gebraucht worden / nun aber auch abgangen.
Folget das Dorff Luchſingen / welches auch noch der Gemeind Schwanden einverleibet; Bey diſem Dorff flieſſet ab den Bergen der
welcher ſeine Urquell hat in Baͤchi / einer Bach - oder Waſſerꝛeichen Alp. Nahe bey diſem Dorff iſt
ſo unter einem Felſen entſpringt / und durch hoͤlzene Canaͤle in das Bad - hauß geleitet wird; Es ſol nach dem Bericht Wagneri Lib. cit. pag. 113. Schwefel und Alaun fuͤhren. Jch meines Ohrts hab diß Waſſer nicht in die Prob geſezt / theils auß Mangel der Zeit / weilen mich nicht wol allhier koͤnte ſaumen / theils / weilen diſes Bad / ohnangeſehen des Ohrts kommlicher Situation, auch nicht von den Nachbaren ſelbs beſuchet wird.
Wir reiſen alſo fort uͤber den Adlerbach / und durch das Dorff ſelbs / welches der Gemeind Bettſchwanden zugehoͤret mit folgenden jen - ſeits der Linth ligenden Doͤrfferen / Hatzingen / Dießbach / Jm Tho - ren-Hauß.
Allhier ſchraubten wir auß unſer Wetterglaß / und fahen das Quekſilber im 23. Zoll / 7. Scrupel / worauß wir geſchloſſen / daß wir bereits 160. Schu - he hoͤher / als Schwanden. Nach oben angebrachter Graduation der Koͤnigl. Geſellſchaft in Frankreich kommet die Hoͤhe diſes Ohrts uͤber das Mittel - laͤndilche Meer herauß nach Mariotte 429. toiſes, oder 2574. Pariſer Schu - he / nach Caſſini 512. toiſes, oder 3072. Schuhe.
Folget der
welcher ſeinen Urſprung herholet von dem
deſſen auch gedenket Wagner. Lib. cit. pag 58. und Pfendler von Ber - gen / pag. 17. Weiters das Dorff Bettſchwanden / welches / wie obenſchon(22)[22]ſchon angezeiget / die Schweizeriſchen Land-Charten unrecht ſetzen bey dem Zuſamenfluß der Linth / und Sernft. Zu diſem Dorff gehoͤrt auch Rüti / da eine von Stein gewoͤlbte Bruk uͤber die Linth.
Die Berge / welche rechter ſeits in die Hoͤhe ſteigen / heiſſet man den Brunwald / villeicht Brunnwald / wellen dort vil Waſſer hervor - quellen.
Weiters hatten wir zu gehen uͤber den
ein ungeſtümmes Waſſer / deſſen unrichtiger Lauff denen Anwohneren vil zu ſchaffen gibt / daß ſie bald hier / bald dort die von diſem Waldwaſſer umgekehr - te Bruken / oder Staͤge / widerum muͤſſen aufrichten. Diſem unbeſtaͤndigen / nicht innert ſeinem Runß bleibenden / Bach vergleichen die Einwohnere die jenigen Menſchen / welche in ihren Verꝛichtungen unſtaͤt / von einem Aſt auf den anderen ſpringen / bald das / bald diß vornemmen; von diſen pflegen ſie im Sprüchwort zu ſagen / ſie ſeyen ſo wankelbar / wie der Durna - gelbach. Vor deme hinuͤber flieſſet jenſeits in die Linth der Brunnbach.
Das letſte Dorff im Groſſen Thal heiſſet Lindthal / Lintthal / Linthal / und iſt / wie das ganze uͤbrige Thal / Reformierter Religion / we - nig Haußhaltungen außgenommen / welche Roͤmiſch Catholiſch / und ihren Gottesdienſt ohngehinderet verꝛichten in einer beſonderen Kirch / bey wel - cher ein anſehenlicher groſſer Thurn. Sonſten iſt zu wiſſen / daß die Kirch im Lintthal erbauen worden An. 1283.
Ob diſem Dorff / an dem Fuß des Stahelbergs / an einem ſehr gaͤ - hen Ohrt / in Herꝛen Landvogt Stüſſis Guͤteren / iſt ein
welches innert einer kleinen Zeit daseingelegte Silber uͤbergüldet / und aber ohne Gebrauch iſt / weilen es an einem ungelegenen / gefahrlichen Ohrt / und nur Troͤpfleinweiſe auß den Felſen hervor quillet.
Allhier im Lintthal ſein wir uͤbernachtet / und morndeß / den 3. Auguſt. weiters fortgereiſet in begleit obgedachter Herꝛen Tſchudin / von Schwan - den / Herꝛen Zwickii / Pfarꝛers von Bettſchwanden / und Herꝛen Zæhii / Pfarꝛers im Lindthal. Die Hoͤhe des Quekſilbers ware 23. Zoll / 5. Scrup. worauß wir abgenommen / daß wir widerum 160. Schuhe hoͤher weren / als im Thorenhauß. Nach oben angefuͤhrter Graduation Tafel der Koͤnig - lichen Geſellſchaft zu Paris kommet die Hoͤhe diſes Ohrts uͤber das Meer / nach Mariotte 2759. Schuhe / nach Caſſino 3321.
Der Weg / welcher zu hinderſt in das Groſſe Thal fuͤhret / iſt eben / und luſtig / zu deſſen Ende man kommet durch ein angenehmes / ſtilles / Waͤldlein / welches in einem durchreiſenden eine ſonderbare An muhtuͤng erwecket / wannder(23)[23]der ſich erinneret / wie allhier ſich zuerſt nider gelaſſen oben bemeldte H. Martyrer von der Thebaiſchen Legion, und ſolcher maſſen ſich in diſen Ohrt verliebt / daß ſie ſich etwas Zeits bey einem Cryſtall lauteren Brunn / der noch jezund gezeiget wird / an dem Fuß der Baumgarten Wand / naͤchſt an der Kuͤhe-Alp / aufgehalten / und ihrem Gott in der ſtille gedienet / ehe ſie naher Glarus kommen. Rechter ſeits ſihet man von zimlicher Hoͤhe ab - ſchieſſen den
ſo auch den
welcher auß der Fiſmat / einer Urner-Alp her / durch die Alp Baͤrenbo - den fort / und endlich in einem ſchoͤnen Waſſerfall allhier auß - und in die Linth flieſſet / bey welchem wir mit nicht geringer Gemuͤhtserquikung ſahen einen zierlich gefaͤrbten Regenbogen / dergleichen ſonſt auch bey anderen Berg-Waſſer faͤllen mit verwunderung anzuſchauen.
Allhier / zu hinderſt in dem Groſſen Thal / beſchlieſſen das Land folgende Berge:
und hinter demſelben
welcher faſt unerſteiglich / und von vilen gehalten wird vor den hoͤchſten im ganzen Schweizerland / neben welchem ein Paß auß dem Groſſen Thal des Glarnerlands hindurch gehet in Pündten / auf Diſentis / ein reiches Kloſter Benedictiner-Ordens. An diſes Bergs Nord ſeite iſt ein
und nicht weit darvon ein gewiſſer Ohrt / genant die Oehlblanken / weilen zu Sommerszeit allda geſpuͤrt wird ein ſtarker Geruch eines in der Erde verborgen ligenden
Nebſt dem Toͤdtiberg iſt
uͤber welche auch ein Weg gehet in Pundten / der aber gefaͤhrlich / und bald von niemand / als denen Jaͤgeren practiciert wird. Jn diſer Alp iſt auch ein Steinoͤhl Geruch / und wird gezeiget
Es kommet namlich auß diſer Alp der Limmeren Bach / welchen die Anwohnere halten vor dero eigentliche Urquell der Linth / ſo hernach die Limmat außmachet. Meines bedunkens aber iſt diſere Ehr des wahren Urſprungs diſes Waſſers zu zuſprechen dem Sandbach / weilen der ein vilmehreres /(24)[24]mehreres / beſtaͤndiges / und truͤbes Firenwaſſer der Linth zufuͤhret. Diſer Sandbach flieſſet urſpruͤnglich her auß der Sand Alp / und daſelbſt be - findtlichen Gletſcheren / hernach unter der Bantenbruck hindurch / und vereiniget ſich darauf mit dem Limmerenbach / bey deren Zuſamenkunft die Linth entſtehet. Von diſer
erzellen die Aelpler / wie zu gewiſſen Zeiten alldort in der Luft gehoͤrt werde eine liebliche Muſic.
Zwiſchen der Sand-Alp / und Alten Ohren erhebet ſich
Weiters iſt zu bemerken
ein ſehr hohes Gebirg / welches beruͤhmt wegen zweyer Sultzen / oder Sultzlaͤckinen / einer trokenen / an ſandichten Felſen / und einer naſ - ſen / zu welchen die Gemsthiere auch von fehrne hergelocket werden. Von diſen Sultzen aber iſt das noͤhtige gemeldet worden oben Tom. I. pag. 39. Es gibet auf diſerem Berg gar vil Gemſe / und aber keine / die Gemſe - Ballen / oder Kuglen bey ſich haben / da hingegen die Gemſe in der be - nachbarten Alp Limmeren gemeinlich Gemskuglen tragen. Von diſer Begebenheit habe auch oben ein Urtheil gefaͤllet Tom. I. pag. 167.
Auf allen / inſonderheit aber / denen ſonſt beſchwerlichen Berg-Reiſen machet man die Zeit annemlich / und kurz mit nutzlichen / und anmuhtigen Diſcurſen. Alſo auch hier in waͤhrendem Steigen iſt unter uns Geiſtlichen / und Weltlichen Reißgefehrten entſtanden eine Frag
ob die erſten Einwohnere derſelben in den Tieffen Gruͤnden / und Thaͤleren / oder auf den Hoͤhenen der Bergen moͤchten gewohnet haben. Der Wahr - heit / und kommlichkeit kame gemaͤſſer vor das erſtere / wie dann auch Heut zu Tag die Thaͤler auch von denen Alpvoͤlkeren gebraucht werden zur Be - wohnung / weilen ſie waͤrmer / vor den rauhen Winden beſchirmter / auch in anſehung des commercii, oder Umgangs mit anderen Menſchen komm - licher / und zum Garten - und Feldbau bequemer erfunden / und die Gebirge allein Sommerszeit von dem Viehe abgenuzt werden / welches ſich mit den Hirten gegen dem Winter in die Thaͤler herab laſſet. Hingegen machte auch ein zimlich Gewicht die letſtere Meynung / nach welcher vermuhtet worden / daß anfaͤnglich von den Menſchen muͤſſen inngehaben worden ſeyn die Bergſpitzen / von welchen ſie ſich allgemach in die Tieffe nidergelaſ - ſen. ꝛc.
ES iſt leicht zu erachten / das zum Exempel alle unſere Schweizeriſche Thaͤler in denen erſten Jahr hunderten nach der Suͤndflut geweſen ein dicker Wald / welcher nach und nach hat muͤſſen außgeſtoket / von denen wilden Thieren gereiniget / und alſo zum Feld - oder Garten - oder Wieſenbau bequem gemachet werden / welches alles nicht hat koͤnnen geſche - hen in kurzer Zeit / und nicht ohne dem Adam angekuͤndeten Schweiß des Angeſichts / welchen annoch jezund erfahren die jenige Berg Kohler / wel - chen in dem Underwaldiſchen / und anderen Eidgnoͤſſiſchen Landen uͤber - geben und geſchenket wird etwann ein ganzer Wald / daß ſie denſelben auß - reuten / zu Kohlen brennen / und zu Alpungen / oder Bergweyden tuͤchtig ma - chen / dergleichen ich hin und wider auf meinen Reiſen angetroffen. Diſes alles / moͤchte jemand einwenden / ſein laͤhre Hirngrillen / wo ſein die Hiſtori - ſchen Documenta, oder Beweißthuͤmer / wo die alten Rudera, oder Gemaͤu - re ſolcher uralten Berg-Staͤtten / Flecken / Doͤrfferen / und Haͤuſeren? Wie haben ſie ſich koͤnnen aufhalten den Winter uͤber auf hohen Alpen? Diſem letſien Einwurff anderſt zu begegnen / iſt zu wiſſen / daß nicht die Meynung dahin gehet / als wann die erſten Schweizer auf denen Hoͤchſten mit Schnee und Eis immer belegten Berg-Spitzen ihre Wohnungen gemachet / als die ihnen auch im Sommer weren theils unertragenlich / theils unkommlich ge - weſen in anſehung der Weyden. Sondern ſie werden ſich im Sommer / wie annoch jezt geſchihet / aufgehalten in den hoͤheren Alpen / und gegen dem Winter hinab gelaſſen haben in die naͤchſte Waͤlder / da ſie vor der Winterskaͤlte ſich und ihr Viehe haben koͤnnen beſchirmen / gleich auch die Gemsthiere in harber Winterskaͤlte ſich tieffer herablaſſen / und etwann un - ter einem Felſen / oder unter Tannenbaͤumen ihr Winterquartier ſuchen. Es fehlet uns auch nicht an uͤberbleibſelen eines alten Berggemaͤurs. Jn der Alp Müllibach / Glarner-Gebiets / ſihet man noch jezund ur - alte / nach ſonderbarer Bau-Art gemaurte / an den Felſen klebende Hüttlein / welche die Einwohner
heiſſen / und wol ſein koͤnnen die aͤlteſte rudera unſerer Landen. Wiewolman(26)[26]man diſer Haͤußlein halb auch kan folgende Gedanken machen / daß ſie de - nen Thalbewohneren moͤchten gedienet haben zu einer retirade, um ſie vor der Gothen Anfall zu bewahren / wann ſie ihre Züge durch unſere Lande ge - tahn: wie zu vermuhten / daß zu eben dem Ende vor diſem ſo vil 100. ja 1000. veſte Schloͤſſer unſers Landes auf hohe / oft kaum erſteigliche Felſen gebauet worden / damit man bey Ankunft eines Schwarms Raͤüberiſchen Volks ſich und das ſeinige koͤnnen dorthin flüchten / welche Schloͤſſer her - nach denen Beſitzeren Anlas gegeben / darauß Raubneſter zu machen / die Thalleuhte zu tyranniſiren / und dahin zu bringen / daß ſie ſich ihrer natuͤrli - chen Rechten beholffen / die Zwingherꝛen abgeſchaffet / und die Schloͤſſer zer - ſtoͤret / wie noch an denen / meiſtens mit Geſtraͤuche bewachſenen Gemaͤuren zu ſehen / welche jezt zu nichts mehr taugen / als ſchoͤne Mahleriſche Landſchaf - ten außzuzieren. Hieruͤber gebe der geehrte / und ſonderlich in Vatterlaͤn - diſchen Alten Geſchichten erfahrne Leſer den Außſpruch; Jch gibe ihme allein an die Hand die Materi.
Wir reiſen fort / und kommen durch einen anmuhtigen Wald / deſſen Holz gefaͤllet wird / um daß es naher Zuͤrich gefuͤhrt werde / zu der be - ruͤhmten
welche von Steinen gewoͤlbt / und von einem Felſen zu dem anderen uͤber gehet: Es kan allhier ein Baukuͤnſtler ſehen die Manier / wie an ſol - chen hohen / und wilden Ohrten die Bruken anzulegen / und von einer ſeite zur anderen zu fuͤhren: Einen Landſchaft Mahler wird nicht gereuen die Zeit oder Muͤhe / welche er nimmet / ſich hieher zu verfuͤgen / dann ihme vor - kommen ſo ſeltſame Proſpect, dergleichen ich in ganzer Schweiz nicht ge - ſehen / auſſert bey dem Pfeffers Bad / zwiſchen der Quell / und dem Badhauß. Auf der Bruck ſihet man eine Senkelgrade Tieffe von etlich 100. Schuhen / und ſo wol ob ſich / gegen Mittag / als nidſich / gegen Mittnacht / eine lange perſpectiviſche vertieffung der Felſen / mit gemaͤchlich zunemmender Finſte - rung / wegen Mangel des einfallenden Liechts / und unter denen Felſen durch / in erſchroͤklicher Tieffe rauſchenden / und ſchaumenden / Sandbach / (wel - cher die vornemſte Quell der Linth) daß auch die herzhafteſten Leuhte der Schwindel uͤber fallen kan bey einer ſo hohen in einen tieffen Abgrund ge - henden Außſicht. Mir kame diſes Ohrts Situation ſo curios vor / daß von diſer Bruck unterſchiedliche Zeichnungen / wie ſie von verſchiedenen ſeiten her ins Geſicht fallet / verfertiget / wie dann dem geehrten Leſer hiermit eine derſelben vorgelegt wird in einer beſonderen Tafel.
Allhier nahmen wir Abſcheid von der Ehrwuͤrdigen Geiſtlichkeit / und kamen in Begleit unſerer Gems-Jaͤgeren / Hrn. Richter Tſchudis / und(27)[27] Caſpar Stoͤri / oder kletterten vilmehr einen beſchwerlich gaͤhen / ſchlipferi - gen Weg / mitten durch Kinzenhoren / einen Wald / da wir antraffen einen
in die Alp Altenohren / allwo wir ein wenig außruheten / und mit einem mageren Mittageſſen von Waſſer / und Brot uns erquikten / und von dan - nen in die Alp / und Sennhütten / Baͤrenboden. Allhier hatten wir die Hoͤhe des Quekſilbers in unſerem Maͤß-Stab 21. Zoll / und erachteten / daß wir uͤber das Dorff Linthal / von wannen wir heut fruͤhe verꝛeiſet / in Senkelgrade Hoͤhe ſtuhnden 2000. Schuhe / worauß leicht zu ermeſſen / ob wir unſer Tagwerk verꝛichtet / oder nicht. Nach Mariotti Rechnung ſtehen wir hoͤher / als das Mittellaͤndiſche Meer 4286. nach Caſſino 5912. Pariſer Schuhe. Wir begaben uns bey eingebrochener Nacht in die Ruhe / die Schlaffkammer war ein durchleuchtiger Gaden / die Bether / Federen / Küſ - ſen / Decken / waren einerley Materi / namlich Heü: Jn diſen wolriechenden Heübetheren ruheten wir ſo wol / oder beſſer / die Nacht uͤber / als mancher Groſſer Herꝛ in ſeinen koſtbar außgezierten Federbetheren.
Wir machten uns gleichwol morndrigen Tags / welcher war der 4. Auguſt. fruͤh auß unſeren Federen / theils / weilen wir Heut einen weiten Weg vor uns hatten / theils auch deßwegen / weilen die kalte / neblichte Mor - genluft durchunſere Spalt-volle Nachthütte eintrunge / und uns den Schlaff auß den Augen jagte: Wir ſtuhnden hiemit auf / und ruͤſteten uns auf den Weg / ergezten uns aber / ehe wir verꝛeißten mit einer luſtigen Außſicht / welche wir hatten auf umligende Berge / und durch das ganze Groſſe Thal / welches wir geſtern / und vorgeſtern / durchwandlet.
Von diſem hohen Ohrt ſahen wir die weit hoͤheren / bald Himmelſtei - genden / mit beſtaͤndigem Eis und Schnee bedekten Alpfirſten / von welchen die anligenden Thaͤler vermuhtlich nichts gutes / oder fruchtbares zu hoffen haben. Dann / lieber! was Nutzen wil man erwarten von Aekeren / und Wieſen / in deren Nachbarſchaft Berggroſſe Schneehaͤuffen das ganze Jahr durch ligen bleiben? Muß man nicht allhier ſuchen den Sommer in mitten des Winters? Muß nicht die Waͤrme weichen / wo eine beſtaͤndige Kaͤlte regieret? Eilet nicht mit eueren vorurtheilen ihr / die ihr unſere Lande nur von weitem / und obenhin anſehen. Steiget hinab in das Groſſe vor uns ligende Glarnerthal / und beſehet mit Augen / beruͤhret mit eueren Haͤn - den / betrettet mit eueren Fuͤſſen die ſchoͤnſten Graßvollen Wieſen / die reiffe Kornſaat / und allerhand andere Früchte / ja in einichen Thaͤleren des Schwei - zerlands / als in Wallis / die ſuͤſſeſten Trauben / edelſten Feigen / das delicate Jtalien in mitten der rauheſten Bergen. Wahr iſt / daß in unſeren Hel -veti -(28)[28]vetiſchen Landen eine groͤſſere Kaͤlte regiert / als der Polushoͤhe von 45. bis 48. Graden zu ſtehet. Es iſt oben bereits an verſchiedenen Ohrten die Ur - ſach deſſen zugeleget worden der hohen Situation, und Bergichten Beſchaf - fenheit des Schweizerlands: Aber eben diſere uͤber das uͤbrige Europa er - hoͤhete Berg-Gipfel ſein die Urſach der Fruchtbarkeit unſers Lands. Unſere Vernunft ſihet diß Paradoxum Phyſicum alſo an. Were die ganze Schweiz ein einiger Berg / ſo weren wir wol die ungluͤkhafteſten Bewohner Europæ / von der Nordſeite her wurden wir geplaget von den rauhen Biſwinden / welche alle Früchte / und das Graß ſelbs hinderhielten / daß wir unſer Lager anderſtwo aufzuſchlagen genoͤhtiget wurden. Und hette ſich allein die Mit - tag - und Abendſeite zugetroͤſten der Fruchtbarkeit. Nun aber / da diſes un - ſer Land zertheilet in Berge und Thaͤler / heben jene die ſcharffen Winde auf / und hinderhalten ſie / daß ſie nicht mit voͤlligen ihren Kraͤften die Thaͤler koͤnnen durchſtreichen / gleich in einichen Engellaͤndiſchen Jnslen die Frucht - barkeit der Gaͤrten merklich befoͤrderet wird durch hohe Mauren / welche die geſalzene Seeluft abhalten. Es iſt hiervon / ſo vil mich zu er inneren weiß / oben bereits gehandlet worden. Nicht iſt zu laugnen / daß nicht die naͤchſt an hohe Schneegebirge ligende Thaͤler von ſo kalter Nachbarſchaft etwas leiden / wie dann in vor uns ligendem Linthal / als dem hinderſten Winkel des Glarnerlands / der Schnee ſpaͤhter abgehet / als weiter hinauß bey Schwanden / oder um Glarus; gleichwol / welches zubewunderen / kommet dorten das Graß ſo bald zu ſeiner Vollkommenheit / als hier / weilen der haͤuffige Schnee die Wurtzen der Pflanzen nicht nur nicht erſtecket / oder ver - derbet / ſondern durch hinderhaltung der Erdenwaͤrme / und offenbehaltung der Nahrungszaͤſeren / oder Gefaͤſſen / erhaltet: da hingegen in offenerem Land bey dünnerem Schnee / und freyerem Zugang der kalten Nordwinden / die Pflan; en den Winter uͤber naͤher zuſamen getrukt werden daß ſie bey ankommendem Fruͤhling nicht ſo geſchwind widerum ſich oͤffnen koͤnnen. Eben diſes ſehen wir mit groͤſter Erſtaunung auf denen Alp-Firſten ſelbs / da naͤchſt an den Eis - und Schnee Felſen gruͤnen / und bluͤhen / die fetteſten Weyden / und abzupfluͤken ſein die geſchmakteſten Erdbeeren / alſo der Win - ter zu ſehen nebſt dem Sommer. Es er kenne jedermann hierauß die Goͤtt - liche Allmacht / Weißheit / und Guͤte / deren hat gefallen wollen / unſer Schwei - zerland hoͤher zu ſetzen / als das uͤbrige Europa / als ein reiches Waſſer Vor - raht - und Provianthauß / als eine Zeugmuter der Wolken / und Winden / anbey aber / damit wir Bewohnere diſes Europeiſchen Berg-Gipfels nicht von Kaͤlte / und Hunger / verdurben / die Thaͤler alſo zu unterſcheiden mit hohen Bergen / daß diſe jenen koͤnten dienen als Vormauren / jene aber uns zu unſerer Nahrung / Erhaltung / und Luſt / als Gaͤrten / Felder / Wieſen. ꝛc.
P. S. Es iſt hierbey zu haben ein Kupfer von der Panten Bruck a 2. ß.
JNd zwaren iſt durch ſonderbare Weißheit des Groſſen Gottes das Schweizerland alſo eingetheilt / daß wegen vilfaltiger Situation der Thaͤleren / und Berg-Jochen / hier diſe gattung der Fruͤchten eher hervor komt / und dort eine andere / damit hierdurch die Gemeinſchaft und Commercia der Helvetiſchen Nation deſto mehr beſteiffet / und ſelbs unſere Gemuͤhter durch ſo thanes natuͤrliche Band vereiniget wurden. Es kan aber eben diſere jeztgeprieſene Allmacht des Schoͤpfers auch bey zunemmenden unſeren Suͤnden / und muhtwilligem Gebrauch unſerer Landesgaben / uns alle Augenblick ſtraffen nach ihrer Gerechtigkeit; Es iſt der Bogen allezeit geſpannet / um die Waſſer-Schnee - und Eis-Pfeile auf uns los zu ſchieſſen / und uns heimzuſuchen mit Winden / Regen / Uberſchwemmungen / und Erdbidmen; wie dann diß vor uns ligende Groſſe Thal denen
ſonderbar / und vor allen Ohrten des Schweizerlands auß / unterworffen / welches uns Anlas gegeben Tom. I. pag. 117. hiervon einen beſonderen Ti - tul zu machen / wohin auch den geehrten Leſer weiſe / und aber allhier die jenigen Erdbidem des Glarnerlands zu erzellen mich verpflichtet finde / wel - che domahlen außgelaſſen. Es iſt namlich An. 1573. an St. Thomas Abend ein groſſer Erdbidem im Glarnerland vermerket worden.
An. 1594. auf St. Martinstag erhebte ſich ein gewaltiger Erdbidem / in welchem ein ſtuck ab dem Gipfel des Glaͤrniſch Bergs mit entſetzli - chem praſchlen auf der ſeite gegen dem Hauptflecken Glarus hinunter gefallen / und nicht allein den daſigen Brunnen / oder Bach (der hernach mit groſſem Koſten widerum in ſeinen Gang gebracht werden muͤſſen) verlegt / ſondern auch ein groſſes Stuck Bannwald mit einem guten Theil der bey - gelegenen Felderen uͤberdecket / und unnuͤtz gemachet.
An. 1663. den 10. Sept. Abends um 10. Uhr iſt ein zimlich ſtarker Erdbidem vermerket worden / und folgenden Sonntags / den 13. dito ein anderer.
An. 1665. den 1. Merz. Nachts um 2. Uhr / iſt ein gewaltiger Erd - bidem im ganzen Land / mit jedermanns groſſem Schrecken / geſpuͤrt worden.
An. 1668.(30)[30]An. 1668. den 20. Apr. Abends zwiſchen 3. und 4. Uhren iſt widerum im ganzem Land ein ſtarker Erdbidem mit groſſem Zitteren / und beben ge - hoͤrt / und vermerket worden.
An. 1670. den 7. Heum. Morgens um 3. Uhr ein anderer / ſo auch ſtark ware. Den 17. Herbſtm. Morgens um 10. Uhr widerum ein anderer.
An. 1673. den 13. Febr. iſt an etlichen Ohrten des Lands ein Erd - bidem geſpuͤrt worden.
An. 1674. den 6. Dec. Sonntag Morgens vor der Predigt iſt ſo wol in diſem Land / als faſt in ganzer Eidgnoßſchaft / und angraͤnzenden Landen die Erde ſtark erſchüttet worden / und bald nach diſem ſein zu Naͤfels zwey Feurige Kuglen vom Himmel geſallen.
An. 1679. den 25. Jan. Nachts zwiſchen 2. und 3. Uhren merkte man abermahl einen zimlich ſtarken Erdbidem.
An. 1681. den 27. Jan. Nachts zwiſchen 10. und 11. Uhren hat ſich in / und auſſert dem Land ein gewaltiges Erdbeben verſpuͤren laſſen / ob gleich die Winterskaͤlte domahlen ſo hart / daß ſich dergleichen niemand erinneren moͤgen.
An. 1682. den 2. Mey iſt Morgens zwiſchen 2. und 3. Uhren ein ent - ſetzliches Erdbeben / mit erſchroklichem Getoͤß / in diſem Land / und anderſtwo geſpuͤrt worden / den 7. darauf hat man im ganzen Glarnerland einen er - ſchroklichen Hall und Knall / gleich einem Canon-Schuß / worvon die Fenſter erzitteret / wahrgenommen.
An. 1685. den 26. Febr. Abends zwiſchen 8. und 9. Uhren / ſpuͤrte man in diſem Land / und vilen Ohrten der Eidgnoßſchaft ein gar ſtarkes Erd - beben.
Den 9. Sept. wurde abermahl ein gewaltiger Erdbidem / an einem ſchoͤnen Tag zwiſchen 12. und 1. Uhren / von vilen Leuhten nicht ohne Schre - ken geſpuͤrt.
An. 1687. den 5. Merz erzeigte ſich widerum ein empfindlicher Erd - bidem.
Diſere Nachrichten habe gezogen auß obbenanten Hrn. Diaconi Tſchudii Beſchreibung des Glarnerlands / ſo annoch MSC.
Bey geſchehener Unterſuchung der Urſachen ſo oftmahliger Erſchütte - rungen des Glarnerlands habe an obengedachtem Ohrt meine Gedanken gerichtet / theils auf die hole Geſtalt der Bergen / weßnahen alle Bergichte Laͤnder vor anderen den Erdbidmen underworffen / theils auf die in Glar - neriſchen Berg-Eingeweiden verhandene Schwefelichte / Salpetriſche Mi - neralia, und deren entzuͤndung / deren Gegenwart jezund mein geehrter Leſerauch(31)[31]auch abnemmen kan auß ſo vilen Mineraliſchen / ſonderlich Schwefel - Quellen / welche wir auf unſerer Reiſe durch das Groſſe Thal wahrgenom - men / und ein Fingerzeig ſein deſſen / was in der Erden verborgen ligt. Andere Anzeigen Schwefel-oͤhlichter Theilen geben an die Hand der Steinoͤhl Ge - ruch in der Sand-Alp / und Limmeren / von deme oben.
Diſe und mehrere darweiſung der Zeichen / und Urſachen ſo oftmahliger Erderſchütterungen des Groſſen Thals habe hergeleitet auß denen lauteren Vernunft-Quellen heutiger Naturwiſſenſchaft. Wer einer hoͤheren / uͤber - natuͤrlichen / und verborgenen Philoſophie Liebhaber iſt / dem kan gedienet ſein mit folgenden
Es begabe ſich in denen 1701. und 1702. Jahren / in welchen uͤber die 30. oder 40. Erdbidem im Groſſen Thal geſpuͤrt worden / daß ein ehrlicher Mann / und Burger im Lintthal um Mitternacht gehoͤrt ein unbekante Stimm / die ihme mit nammen geruffen. Als er daruͤber auß dem Schlaff erwachet / und zum Fenſter hinauß geſehen / ſihet er einen Menſchen / oder Geiſt mit einem Liecht in die an ſeinem Hauß naͤchſt gelegene Kirche einge - hen / und nach dem diſer Liechttrager die Thuͤr hinderſich zugeſchloſſen / die Kirche ſelbs in vollen Flammen ſtehen / an welcher gleichwol hernach nicht das geringſte Merkzeichen eines Feuers gewahret worden. Auf eine andere Zeit iſt ſechs Knaben / ſo nach der Kirchen gehen wolten / dieſelbe vorkommen / als wolte ſie einfallen / und ein Stein von dem anderen ſich abloͤſen. Jezund ſage mir einer; wer diſer Liechttrager geweſen? Was diß vor eine art Brunſt / oder Einfalls / bey welchem alles aufrecht bleibt / was dergleichen Wunderzeichen bedeuten? ob gutes / oder boͤſes? ob des Glarnerlands Einfall / oder aufrecht Erhaltung? und was vor ein natuͤrlicher Zuſamen - hang ſeye der jenigen Sachen / welche geſehen worden / und der Erdbidmen? Jch bekenne meine Unwiſſenheit in ſo hohen Geheimniſſen.
Nun iſt es Zeit aufzubrechen / und weiter zu gehen / in getroſter Ver - ſicherung daß wir von Bilten bis hieher das Glarnerland mit offenen Au - gen geſehen / und ſo vil Sachen angemerket / auß welchen die Hiſtoriſch Na - tuͤrliche Beſchaffenheit diſes Lands zimlich ſol bekant gemachet werden.
Auß unſerem Nachtquartier / der Alp Baͤrenboden / (welche ver - muhtlich daher ihren Nammen hat / weilen ehemahls ein Baͤr allhier ge - faͤllet worden / wie dann zu end des Tom. II. pag. 189. auch eine Geſchicht erzellet wird eines Baͤren / der in der naͤhe ligenden Kammer Alp erlegt wor - den) kommen wir in die Alp Fiſmat / Fiſet / welche dem Canton Uri zu ſtehet / und beruͤhmt iſt wegen der
bey welchen allezeit vil Thiere anzutreffen / und von uns ſelbs mit Luſt ge - ſehen worden. Diſe wilde Berg Geiſſen kommen uns vor / wie Virgilio die Zahmen Æneid. IV. 152.
Poſtquam altos ventum in montes, atque invia Iuſtra,Ecce Feræ Saxi dejecti vertice CapræDecurrêre Jugis.
Wann diſe Natur-liſtige Thiere faͤhig weren einicher vernuͤnftigen Luſt / ſo wurde ſie von umligenden Ohrten hieher treiben die angenehme Geſtaltſa - me der Alp Fiſmat / wann ſchon ſich keine Sultzlaͤckinen ſolten finden. Es ſein groſſe / ordentlich auf einander ligende Felſen ſo kunſtlich von dem Baumeiſter der Natur ſelbs aufgerichtet / daß ſie ein Amphitheatrum, oder halbrunden Schauplatz vorſtellen / alſo aber / daß hier und da zwiſchen denen Felswaͤnden ſich finden gute Weiden / und gaͤhe / ihnen aber leicht erſteigliche Riſenen / durch welche ſie der Jaͤgeren Nachſtellungen entgehen / und in die Hoͤhe flie - hen koͤnnen: An dem Fuß diſer Felßwaͤnden iſt ein beſtaͤndiger Schnee / und naͤchſt daran die beſten Weyden / ſo daß denen Gemſen nichts fehlet von dem / was zur Nahrung und Luſt dienen kan. Wie aber die Bergweiden / oder Alpen je eine hoͤher liget / als die andere / alſo auch hier iſt die Fiſmat Alp zweyfach / eine Obere / und Untere.
Jn der unteren Fiſmat kame uns vor ein braun farber
Lapis Frumentalis.
von deme weitlaͤuffig gehandlet oben Tom. I. pag. 101.
Wir ſezten unſere Reiſe fort durch die Obere / und Untere Ohrt - halden / und Guferen / und nahmen unſer Mittagmahl in dem Thal / und Hütten Gemſchfayr / allwo wir die hoͤhe des Quekſilbers hatten 20. Zoll / 1½. Scrup. und darauß abnahmen / daß wir uͤber die Alp Baͤren - boden weren 680. und uͤber Lintthal 2680. Zuͤricher Schuhe: uͤber dem Meer nach Mariotte 5070. nach Caſſino 6852. Pariſer Schuhe.
Allhier nahmen wir unſeren Abſcheid von Hrn. Richter Tſchudin / und Meiſter Caſpar Stoͤri / einem erfahrnen / aufrichtigen / Gems-Jaͤger / welcher auf eine Zeit durch ſonderbare Guͤtige vorſehung Gottes auß ſeines Lebens Gefahr erꝛettet worden. Es verdienet diſe
an diſem Ohrt eingeruket zu werden. Als er vor einichen Jahren in Begleit zwey anderer Jaͤgeren denen Gemſen nachſtellete / und uͤber die Gletſcher in der Limmeren Alp zu gehen hatte fiele er urploͤtzlich / als er ſich deſſen am wenigſten verſehen / und ſicher auf dem Schnee einherzugehen vermeinte / in eine tieffe Eis ſchrunden / oder Spalt. ꝛc.
SEine Gefehrten waren in groſſen Aengſten / ſie konten dem ehrlichen Stoͤri / den ſie auß dem Geſicht verlohren / nicht helffen / und verſahen ſich nichts anders / als daß er bereits tod / oder in leiſten Zuͤgen were / oder baͤldeſt umkommen werde / theils von dem Fall / theils von der Kaͤlte / befahlen alſo ſeine Seele Gott. Gleichwolen / damit ſie das jenige moͤgliche vorkehreten / welches zu rettung des gefallenen dienen koͤnte / eileten ſie zu der naͤchſten Sennhütten / ſo eine Meil von dannen abgelegen ware / um daſelbſt Raht und Hilff zu ſuchen. Allhier funden ſie nichts als eine rauhe Bett - decke / welche ſie in Riemen zerſchnitten / und mit ſich zuruck nahmen / um ſie in den Firen-Spalt hinunter zu laſſen. Waͤhrender der Zeit war unſer Stoͤri von Kaͤlte halb erſtarꝛet / bis auf halben Leib in dem Eiswaſſer / deſſen uͤbrige Tieffe er mit den Augen nicht ergruͤnden moͤchte / mit dem obe - ren Leib und Armen ſperꝛete er ſich beyderſeits an den Eiswaͤnden / ſande ſich alſo in einem grimmigkalten / engen / und doch unergruͤndtlich tieffen / Kerker / inwelchem wider ihne ſtritten das Waſſer / die Luft / und das Eis / von welchen Elementen das erſte ihne wolte verſchlingen / das andere erſte - cken / und durch aufligende Schwerkraft vertrucken / das dritte wegen ſeiner Schlipferigkeit nicht halten. Wie ihm hierbey zu Muht geweſen / kan ein jeder leicht bey ſich ſelbs ermeſſen. Er verfahe ſich nichts anders / als des Tods / und empfahle ſeine Seel in die Hand Gottes / welche ihne alſo in ſei - nen engen Noͤhten ſtaͤrkte / daß er den von ſeinen Gefehrten herabgelaſſenen Riemen koͤnte um den Leib anbinden. Durch diſes Mittel wurde der gute Jaͤger auß der Grube heraufgezogen / in ſo weit / daß man ihn ſchier erꝛei - chen koͤnte. Was geſchihet? Als ex faſt zu oberſt ware / bricht der Hülffs - Riemen entzwey / und fallet unſer Candidatus Mortis widerum in das Eis - grab herunter. Bey diſer Begebenheit vergroͤſſerte ſich die Gefahr aufs neue. Einen Theil des gebrochenen Riemen nahme er zu allem Ungluͤck mit ſich / und ware das uͤbrige / in Haͤnden ſeiner Helfferen gebliebene Stuͤck nicht lang genug hinab zu reichen. Nebſt deme brache dem Jaͤger in diſem neuen Fall der Arm entzwey. Bey ſo bewandten Dingen entfallet denen Gefehr - ten der Muht noch nicht / ſie ſchneiden die Riemen noch einmahl der laͤnge nach entzwey / und laſſen ſie herunter. Diſe bindet der Jaͤger mit dem gebro -chenen(34)[34]chenen Arm noch einmahl um den Leib / um zu erfahren / was Gott uͤber ihn weiters verhaͤngen werde. Mit diſem ſchwachen Riemen wird er nun durch Gottes Huͤlff voͤllig hinauf gezogen / und von der Ohnmacht / in welche er alſobald gefallen / widerum in ſo weit aufgemunteret / daß er zu ſich ſelbs kommen / ſeine Erꝛetter mit halb erſtarꝛeten Augen angeſehen / ſich naher Hauß tragen / und fuͤhren laſſen / und alſo widerum ſeine Geſundheit erlan - get. Er erzellete uns / daß ihme etliche hernach gefolgete Jahre allezeit die Thraͤnen in die Augen gefloſſen / ſo oft er ſich erinneret einer ſeits ſo groſſer Lebensgefahr / die er außgeſtanden / ander ſeits ſo augenſcheinlicher Gnaden - Huͤlffe Gottes / deme er auch ſchuldig ſeye ſein Lebenlang demuͤhtigeſt zu danken.
Nach dem wir von unſeren Geſehrten Abſchied genommen / reißten wir von der Alp Gemſchfayr hinweg / und hatten zur rechten den Glatten - oder Schraͤyenberg / deſſen Theile in formâ ſtratorum, Lagerweiſe / und Horizontal uͤber einander ſtehen; linker ſeits aber die Grieſſer - und Cla - rider-Alpen / ſamt denen daſelbſt befindtlichen Gletſcheren / welche mit ihrer gruͤnblauen Farb denen Durchreiſenden lieblich in die Augen ſcheinen.
erzellen die Anwohnere eine ſeltſame Geſchicht / welche der geehrte Leſer nach ſeinem gefallen kan unter die wahrhaften Begegniſſen zellen / oder in den Rodel der Maͤhrlein einſchreiben. Es ſol daſelbſt vor Zeiten ein Senn eine leichtfertige Hur unterhalten / und in ſo hohen Ehren gehalten haben / daß er ihro von der Wohn - oder Sennhütten bis zum Kaͤßgaden den ſonſt kothichten / unflaͤtigen Weg mit Kaͤſen beſpreitet / damit ſie ihre Schuhe / oder Fuͤſſe / nicht beſudlete. Auf eine Zeit ſeye zu ihme kommen ſeine arme Muter / um ihren hungerigen Bauch mit Milch und Suffy zu füllen / der gottloſe Sohn aber habe ihro unter die Milchſpeiſen den Pferdharn darge - miſchet / und mit ſo ſchlimmem tractament widerum abgefertiget. Worauf diſes arme Weib ihrem verſchwenderiſchen / und verꝛuchten Sohn alles Ungluͤck uͤber den Hals gewuͤnſchet / und Gott gebaͤtten / an ihme ſeine gerechte Rachhand zu zeigen / welches auch geſchehen / alſo daß die Erde ihren Mund aufgetahn / und diſen unnützen Erdenlaſt mit ſeiner leichtfertigen Dirn ver - ſchlungen / zugleich aber auch ſeyen die oberen Firꝛen / und Felſen eingefallen / und die vorher Graßreichen / fetten / Alpen darmit uͤberleget / daß ſie nun ſint der Zeit ganz unfruchtbar ſeyn / und nichts ertragen. Ob nun diſe Geſchicht ſich in der Taht zu getragen habe / oder dieſelbe von der frommen Cleriſey erſonnen worden / um das gemeine Volk / abſonderlich die Sennen / von dem Laſter der Hurey / und Ungehorſame gegen den Elteren / abzuhalten / wil ich nicht eroͤrteren. Einmahl ſein die Anwohnere der Wahrheit diſes Straff -Exem -(35)[35]Exempels ſo verſicheret / daß einer nicht wol ankaͤme / der ſie wurde in Zweifel zeuhen. Man gibt auch vor / daß diſer Boͤßwicht ſich / wann man ihm ruffe / oder herauß fordere / merken laſſe. Und erzellete uns felbs ein Gelehrter / und Ehrwuͤrdiger Prieſter / ſo in der naͤhe ſeßhaft C. J. A. P. in U. S. daß er auf eine Zeit in ſeinen jungen Jahren ſich in diſe Clariden Alpen ver - fuͤget / und an dem Ohrt / wo die Sennhütte geſtanden / den mit Leib und Seel verſchlungenen Senn kuͤhner weiſe außgeforderet / worauf die Erde in eine Erſchuͤtterung gerahten / und die Felſen Steine von der hoͤhe ſich mit groſſem Geraͤuſch / und zu groſſem feinem Schrecken / abgeworffen / daß er ſich mit der Flucht ſalvirt, und Gott gedanket / daß er mit dem Leben darvon kommen.
Auf unſerem Fortmarſch kommen wir erſtlich in die Clauß / ein ſchoͤne / weidreiche Alp / allwo man mit Luſt ſihet die Felſwaͤnde etlich 100. Schuh hoch in Form eines Amphitheatri in die ruͤnde ſtehen / und uͤber dieſelben ſich abſtuͤrtzen drey ſchoͤne Waſſerfaͤlle / welche bald nach ihrem Sturtz zuſamen flieſſen in den
welcher hinder dem Dorff Lintthal / im Groſſen Thal des Glarner - lands / ſich in die Linth ergieſſet:
Von hier reißten wir weiters durch Vorfrut / Saͤuboden / Claus - Thal / Balm / und hatten zur Rechten den Engliswald / Wengis - wald / Ober - und Under Balmberg / zur Linken den Wienerſta - del / und Underboͤdmen.
Jm Clausthal traffen wir an eine
Von der Hoͤhe Balm ſtiegen wir durch einen gaͤhen / krummen / Weg den Berg ab in das Schaͤchenthal / zu deſſen End ſeinen Kopf in die Hoͤhe ſtrecket der Berg Scharhorn / von welchem die Anwohnere vorgeben / daß er von allen ſeiten her in gleicher Geſtolt vorkomme: Von di - ſem / und anderen in diſer Gegend anligenden Bergen flieſſen herab fehr vil Waſſerbaͤche / welche theils in Geſtatt ſchoͤner Waſſerfaͤllen (unter denen ſonderlich einer iſt / die Staͤube genant / weilen ſeine Waſſer wegen des ho - hen Falls ſich endlich in einen Staub aufloͤſen) abſtuͤrtzen / theils ſonſt uͤber - die Felſen / und gaͤchhaldige / mit Geſtraͤuche / und Holtz beworffene Borte in das Thal abflieſſen. Diſere und andere / von verſchiedenen Bergen diſes Thals zuſamen flieſſende Quellen / und Baͤche / deren die einten Cryſtall lautere Brunnenwaſſer fuͤhren / andere aber Milchweiß von Gleiſcheren herkommen / machen auß die Schaͤchen / einen kleinen Fluß / welcher dem ganzen Thal den Nammen gibt / und endlich ſeine Waſſer dem IV. Wald - ſtaͤtten See uͤbergibt.
Nach(36)[36]Nach der laͤnge diſes Fluſſes reiſeten wir das Thal ab durch Aeſch / Eſch / Schwanden / allwo ein Capell / kamen endlich gen Underſchaͤ - chen / allwo wir auß Mangel eines Wirthshauſes genoͤhtiget wurden den Ehrw Hrn. Pfarꝛer des Ohrts / Hrn. Carl Joſeph Arnold um die Herberg anzuſprechen / welcher ſie auch ganz freundtlich zugeſagt / und uns mit ſeiner / in diſen wilden Gegenden ungemeinen / Gelehrte nicht wenig er - quiket.
Des folgenden Tags / welches war der 5. Augſtm. fuͤhrte er uns zu dem
welches zimlich alt / laut folgender Zeugniß / welches in dem Loſament an der Wand ſtehet / und auß dem Gemeind - oder Jahrbuch ſol außgezogen wor - den ſeyn.
An. 1414. Inventum eſt hoc Balneum à Magiſtro Leopoldo, Artis Magicæ Profeſſore, qui & An. 1450. hoc, quod à Natura erat calidum, ex mera malitia, & perverſitate Diabolica ſubvertit. Extructa hæc Domus eſt An. 1495.
Diſes ſuͤſſe Badwaſſer quellet unter einem Felſen hervor an dem Fuß hoher / gegen Mittag ligender Bergen / und wird durch Canaͤle unter einem Waldwaſſer durch / und alſo weiters in das Badhauß geleitet / und inſonder - heit von Altorff auß beſucht. Es ſol inſonderheit dienen denen Schlag - fluͤſſigen / und mit Nieren - und Muter-Krankheiten behafteten. Allem An - ſehen nach muß diſes Bad ehemahls beſſer / und kraͤſtiger geweſen ſeyn / als es jezt iſt / weilen man vor der Zeit wahrgenommen bey der Quelle eine Waͤrme / und auß der Erden aufſteigende Daͤmpfe / hernach aber iſt das Bad in Abgang gerahten / die Quelle eingefallen / die Canaͤle / durch welche es abgeleitet worden / verfaulet / ſo daß der Beſitzer erſt An. 1704. wider um angefangen denen erſten Quellen nachgraben / und nun die Frag iſt / ob er ſie gefunden / und die jezige etwas mehrers ſeye / als ein gemeines Bergwaſſer. Jch habe durch verſchiedene Proben / welche mir die kuͤrze der Zeit zuge - laſſen / keine Mineralien in diſem Waſſer ſpuͤren koͤnnen / mir indeſſen erzellen laſſen / daß es gute Wirkungen verꝛichte / und die verwelkte Blumen / wann ſie in das warme Badwaſſer geſtellt werden / widerum ſich erfriſchen / wel - ches man auch bey anderen unſers Lands Mineraliſchen Waſſeren wahr - nemme.
Ohnweit von dem Bad / in einem gaͤhen Felſen / grabt man eine
deren oben gedacht worden Tom. II. pag. 173. &c.
DJe Hoͤhe des Wetterglaſes iſt zu Underſchaͤchen 22. Zoll. 5. Scrup. welche / wann ſie mit obangeregten Erfahrniſſen verglichen wird / anzeiget / daß diſes ohngefahr in mitten des Thals ligende Dorff hoͤher lige / als Lintthal im Glarnerland 800. tieffer aber / als die Alp Baͤrenboden 1200. uͤber diß auch hoͤher / dann Zürich / allwo Heut das Quekſilber geſtanden auf dem 23. Zoll. 8½. Scrup. 1080. Schuhe. nach Mariotte ſtehen wir hier uͤber dem Meer 2831. nach Caſſino 3423. Pariſer Schuhe.
Nach dem wir das noͤhtige in Underſchaͤchen verꝛichtet / reißten wir laͤngſt dem Fluß Schaͤchen das Schaͤchenthal ab / kamen durch Spirin - gen / Witterſchwanden / Crudelingen / Bruck / allwo ein ſteinerne Bruck / Loreten / da eine Capell / Bürglin / Burgilla, da eine alte Burg / welche villeicht bewohnet die Meyer von Bürglen / deren gedacht wird bey Stumpf. Chron〈…〉〈…〉 Lib. VI. cap. 26.
Von diſem Buͤrglen / welches an die Apthey Frau-Muͤnſter zu Zuͤrich vergabet worden von Ludovico Germanico, kamen wir endlich an indem Hauptflecken Altorff / ſonſt auch Ure / und Ury genant / welcher von dem IV. Waldſtaͤtten See abligt ein kleine viertheilſtunde / und von Under - ſchaͤchen 3. Stund. Auf diſem Weg hatten wir rechter ſeits die Berge Windgaͤll / allwo die rauhen Nordwind ſo ſtark ſollen waͤhen / daß ſie zimlich ſchwere Schiferſteine in die freye Luſt werffen; Gamperſtock / Roßſtock; linker ſeits aber den Spitz.
Jn diſen auß hohen Bergen und tieffen Thaͤleren vermiſchten Laͤnde - ren iſt der
halb in acht zu nemmen / daß ſie ſich richten nach dem Lager der Thaͤleren / inſonderheit auch nach dem Lauff der Flüſſen. Jn dem Urner See / wel - cher ein Theil iſt des von Hrn. Joh. Leopoldo Cyſato, geweſenen Statt - ſchreiber zu Lucern beſchriebenen IV. Wald-Staͤtten Sees / blaſet die Nacht hindurch bis ungefahr um 9. Uhren Vormittag der Oſtwind / auf den hernach folget der Abendwind / welcher zwar bis zu Abend waͤhret / aberum(38)[38]um den Mittag am ſtrengſten wehet. Die Urſachen diſer Begebenheit flieſſen auß gleicher Quelle / welche oben Tom. I. pag. 26. iſt aufgedecket worden / bey Anlas der Winden auf dem Wallenſtatter-See / namlich von der Situation, ſo zwiſchen hohen Gebirgen eingeſchloſſen ſich zeuhet von Mor - gen gegen Abend. Es iſt uͤber diß hier / da wir die Materi der Winden vor uns haben / etwas zu melden
weilen diſer Mittagwind in der ebne von Altorff vor anderen Winden auß ſeine Herꝛſchaft außuͤbet; Er blaſet in diſer Gegend ſehr oft / und bringet die Baum - und andere Fruͤchte geſchwinder zur Zeitigung / als in dem Lucerner - Schweizer-Zuger - und Underwaldner Gebiet / ohngeachtet diſe von denen hohen Gothardiſchen Schneegebirgen entfehrnter ſeyn / als der Canton Uri / und alle 5. Ohrt an einem See ligen. Ja es wehet allhier die Foͤn zu wei - len mit ſolcher Ungeſtuͤmme / daß ſich dannzumahl niemand darff auf den See wagen / und man in dem Flecken Altorff ſelbs auß Oberkeitlichem Be - fehl mit dem Feuer / welches zu kochung der Speiſen ſol angezuͤndet werden / ſehr gewahrſamlich zu verfahren / oder / wo nicht die Nohtwendigkeit es erfor - deret / kein Feuer anzuzuͤnden gewahrnet wird / damit nicht durch entſtehende Brunſt alles verzehret werde: wie die Einwohnere eine traurige Wirkung deſſen erfahren An. 1693. den 16. Aprel / da 75. Haͤuſer im Rauch aufgan - gen. Wer die Situation obbenenter Laͤnderen mit Philoſophiſchen Augen anſihet / der wird ſich nicht verwunderen / wann die Mittagwinde in einem kaͤlteren Grad geſpuͤrt werden in denen vom Gotthard abgelegeneren Ohr - ten / als an dem Fuß deſſelben / dann hier wehet die von der Hoͤhe nidſich ge - trukte / folglich waͤrmere / dort aber / und durch die uͤbrige Schweiz / eine mehr außgedehnte / uͤber diß auch mit vilen Schnee - und Eistheilchen beſchwaͤn - gerte Foͤn.
Es kan diſer mit den hoͤchſten Alpgebirgen eingeſchloſſene kleine Winkel des Schweizerlands / welcher namlich in ſich begreiffet den Urner-Boden / ſamt dem Schaͤchenthal / und Reüßthal / welches namlich ſich der Reuß nach in die Hoͤhe erſtreket bis auf den Gotthard / mit Recht betitlet werden
Die alten Tauriſci, oder / wie ſie jezt genennet werden / Urner / waren die erſten unter den Gallieren / welche zu den Zeiten der Roͤmeren / unter der Regierung jenes groſſen Helden / und Schweizerbezwingers / Julii Cæſaris, die uͤbrigen Helvetier angereitzet / daß ſie mit ihnen uͤber die Alpen in Jtalien ziehen / und diſes herꝛliche Wein - und Fruchtvolle Land einnemmen ſolten. Sie / ſage ich / waren die erſten / welche fœcunditate Regionis pellecti, außſonder -(39)[39]ſonderlicher Begird / die Luſtvolle Fruchtbarkeit der Ennetbirgiſchen Jtali - ſchen Landen zu genieſſen / auß Gallia Celtica, und namentlich auß dem Pago Tigurino, oder Zürichgoͤu / deme ſie domahls einverleibet waren / ſich unter - nommen / die hoͤchſten Alp-Spitzen zu uͤberſteigen / und in einem nachdenk - lichen Kriegszug Jtalien einzunemmen. Hiervon ſchreibet Plinius Lib. XII. cap. 1. alſo / daß den erſten Anlas zu diſem Zug gemachet habe Elico, ein Helvetier / welcher wegen ſeines Schmidhandwerks etwas Zeits zu Rom ſich aufgehalten / etwas von duͤrꝛen Feigen / Trauben / Oehl und Wein mit herauß gebracht habe. Produnt Alpibus coercitas, & tum inexuperabili Munimento Gallias hanc primùm habuiſſe cauſam ſuperfundendi ſe Italiæ, quod Elico ex Helvetiis Civie earum (Pintianus ſchreibet / Civis Rom.) fa - brilem ob artem Romæ commoratus, Ficum ſiccam & Uvam, oleiq́ue ac vini præmiſſa (Dalechampius liſet Primitias, welche Feſtus ſonſt Sacri - mas heiſſet wir legen es auß / vor einen Suſer / oder neuen Wein /) remeans ſecum tuliſſet Livius Lib. V. cap. 33. gibt hiervon folgenden Bericht / daß nebſt der Suͤſſigkeit der Fruͤchten den Arlas zu dem Helvetiſchen Vorha - ben gegeben habe Aruns, gebuͤrtig von Clus in des Groß-Herzogs von Florenz Gebiet / deme Lucumo, ein edler und gewaltiger Juͤngling ſein Ehe - weib beſchlaffen / weilen er aber an ihme ſich nicht raͤchen konte / habe er die Gallier mit heraußgebrachtem Wein angeloket / und in ſo weit uͤberꝛedt / daß ſie unter ſeiner Anfuͤhrung in Jtalien eingetrungen / und obbemeldte Statt Clus eingenommen. Gallicam Gentem traditur famâ, dulcedine Frugum, maximeq́ue vini nova tum voluptate captam, Alpes tranſiſſe, agrosq́ue ab Etruſcis ante cultos poſſediſſe: & invexiſſe in Galliam vinum illiciendæ Gentis causâ Aruntem Cluſinum, ita corruptæ uxoris ab Lucu - mone, cui Tutoris fuerat ipſe, præpotente Juvene, & à quo expeti pœnæ, niſi externa vis quæſita eſſet, nequirent, hunc tranſeuntibus Alpes Ducem, auctoremq́ue Cluſium oppugnandi fuiſſe. Hieruͤber dan auch geleſen wer - den der fleiſſige Geſchichtſchreiber Polybius Lib. II. Diſe in Jtalien gelokte Gallier ſeyn / wie es trefflich erweiſet / Tſchudius Helvet. Antiq. MSC. keine andere Voͤlker geweſen / als unfere Urner / oder Tauriſcer / dann die Hedui, Bituriges, Tectoſages, Ligures, Salluvii, Carnutes, Aulerici, oder andere Galliſche Voͤlker / nicht Urſach hatten / um des Weins / der Feigen / und anderer dergleichen Fruͤchten willen Burgund / Saphoy / Provence / und Languedoc zu verlaſſen / und in Jtalien zu zeuhen / weilen ſie ſelbs der edleſten Raͤb - und Baum-Fruͤchten einen groſſen Uberffuß haben / und hingegen ei - nen voͤlligen Mangel die Tauriſcer. Von welchen Voͤlkeren auch diß zu - bemerken / daß nach der Erklaͤrung Cluverii German. Antiq. Vindelic. cap. 2. pag. 728. mit der Tauriſcorum Nammen beleget worden alle Berg -voͤlker(40)[40]voͤlker / welche zwiſchen Teutſchland / und Jtalien / item zwiſchen Frankreich / und Pannonien / laͤngſt dem Donaufluß gewohnet haben / und zwaren diſere Benennung ſelbs zum Grund habe die Berge / von ihnen Tauren, Alben und Alpen genennet / welche Woͤrter annoch in Bergichten Gegenden bekant ſein von der Schweiz durch das Tyrol / Kaͤrnten / Steyrmark / und Schwa - benland. Daß aber der vornemſte Sitz der Tauriſceren hieher / in vor uns habende Urneriſche Lande / muͤſſe geleget werden / iſt auß folgendem zu er ſehen. Plinius Lib. III. cap. 20. berichtet auß Catone, daß die Lepontier, und Sa - laſſer, auch von den Tauriſceren abſtammen. Lepontios & Salaſſos Tauri - cæ Gentis Cato arbitratur. Plinio ſtimmet bey Polybius, Lib. II. allwo er mit außtruklichen Worten meldet / daß die Tauriſcer wohnen bey dem Ur - ſprung des Rhodans. Es iſt auch wahrſcheinlich / daß die Lepontiſche / und Salaſſiſche / oder Walliſſer-Tauriſcer / weilen ſie ein weit beſſer Land / als der Urneren iſt / innhaben / von diſen ihre Abkunft haben / und uͤber die Furca ge - zogen ſeyen. Ja ſelbs von unſeren Urner-Tauriſcis leitet unſer Tſchudius l. c. her die Kaͤrnter / Steyrmaͤrker / und andere alte Tauriſcer. Es iſt be - denklich / daß die Steyr - oder Stiermaͤrker in ihrem Wapen auch einen Stieren-Kopf fuͤhren / wie die Urner; deren Nammen ganz deutlich her - ſtammet à Tauro, von dem Uri / von welcher Art wilder Stieren Cæſat meldet Comment. de Bell. Gall. VI. daß ſie in Hercinia Sylva, im Hartz - wald ſich finden. Vermuhtlich haben ſie ſich auch ehemahls in unſeren Alpgebirgen aufgehalten / auß welchen ſie nach und nach vertrieben worden. Es iſt auch kein Zweifel / daß die Uri / wie ſie Cæſar nennet / ein alt Teutſches Wort ſeyen / weilen noch Heut zu Tag ſolche wilde Stieren Uhrochſen ge - nennet werden. Und iſt bey Stumpf. Chron. Lib. VI. cap. 26. zu erſehen / daß auch wir Schweizer die Ochſen Uren nennen. Diſe alte Kriegeriſche Tauriſcer - oder Urner-Nation pfleget annoch in ihren Kriegs-Zügen / nach der alten Roͤmeren Weiſe / welche ihre cornicines, Hoͤrnerblaſer / hatten / ein groſſes Horn einem Fuͤhrer zu uͤbergeben / welchen ſie den Stier von Uri nennen. Auß diſem allem erhellet ſich klaͤrlich / daß Glareanus mit beſtem Recht die Urner anſehe vor uͤberbleibſelen der alten Tauriſceren / und Tſchudius den Haubtfleken des Lands Altorff wol nenne Uraniam Tauriſcorum, Tigurinorum Vicum maximum, woruber auch zu leſen Guil - limann. Rer. Helvet. Lib. III. cap. 1.
Nun iſt Zeit von diſem Haupt-Flecken der Tauriſceren zu verꝛeiſen / und dero Lande weiters bis auf die oberſte Hoͤhe des Gotthards zu beſu - chen; die Pferde ſtehen ſchon geſattlet / welche als nutzliche Erdenlaͤſte des oft engen / und ſonderlich zu Winterszeit gefaͤhrlichen Bergwegs gewohnet / gemeinlich allhier von den Reiſenden um gewiſſen Preißbedinget werden. ꝛc.
EHe wir von Altorff auf brechen / muͤſſen wir nicht vergeſſen hinzukehren auf allhieſiges Rahthauß / um daſelbſt zu ſehen / nebſt verſchiedenen ſchoͤnen / allerhand Schweizeriſche Heldentahten vorſtellenden / Ge - maͤhlden / zwey Charten des Lands / deren die einte mehr nach mahleriſcher / als Geographiſcher Manier / vorzeiget das ganze Urner-Land / mit zugehoͤrigem Livinerthal / die andere aber abſonderlich ſich aufhaltet bey den jenigen Graͤnz - gebirgen / welche das Urnerland von der Engelbergiſchen Herꝛſchaft ſcheiden.
So auch / ehe wir zu Pferde ſteigen / iſt zu bemerken die Hoͤhe des Quek - ſilbers / welche wir bey hell ſchoͤner Witterung hatten im 24. Zoll. 1. Scrup. Worauß wir abnemmen koͤnten / das Altorff 1320. Schuh tieffer lige / als Underſchaͤchen; und nach oftgedachten Grundſaͤtzen / iſt Altorff hoͤher als das Meer / nach Mariotte Rechnung 1301. nach Caſſini aber 1410. Parif. Schuhe.
Heut / den 6. Auguſt. haben wir eine Reiſe vor von 3. Stunden bis zum Staͤg / da man gemeiniglich pflegt einzukehren / als an dem Fuß des Gotthards. Wir kamen durch Erſtfeld / oder Jagmar / 1. ſt. welches daher villeicht ſeinen Nammen hat / weilen die alten Tauriſcer an diſem Ohrt / als in einer fruchtbaren Ebene zu erſt ihre Felder gebauet; weiters durch die Clauß / nebſt dem Ellbogen Kaͤppeli / durch Silenen / Sylli - nen / Silinen / Silana, in das Wirthshauß am Staͤg. Die Kirch zu Si - lenen gehoͤrte vor deme zu der Abthey Frauen-Muͤnſter in Zuͤrich / mit allen ihren Leibeigenen / Zehenden / und anderen zugehoͤrigen Guͤteren / in Kraft eines Vergabung Briefs / welchen Koͤnig Ludwig An. 858. gegeben Beroldo, (andere nennen ihn Berchtold, und Gerold /) dem erſten Vorſteher zum Frauen-Münſter / welchen er in dem Jnſtrument nennet Presbyterum chariſ - ſimæ Filiæ Hiltigardæ, den Pfarꝛer ſeiner liebſten Tochter Hildgard. Es hat ſich aber diſe Kirch unter der Aebtiſſin Anaſtaſia, A. C. 1426. um 80. Rheiniſche Gulden außgekauſt. Nicht nur aber iſt die Kirch zu Silenen dem Koͤniglichen Geſtift zu Zuͤrich vergaabet worden von Koͤnig Ludwig / ſonder das ganze Laͤndlein (pagellus) Uri / ſamt allen Kirchen / Haͤuſeren / und anderen Gebaͤuen / allen Leibeigenen / allem Grund und Guͤteren / ſamt allen Renten / wie die Wort desStift -(42)[42]Stiftbriefs lauten / und hiervon in mehrerem zu ſehen in Hr. Hottinger Hel - vetiſch. Kirchen-Geſchicht. Lib. IV. pag. 436. 438. Stumpf. Chron Lib. VI. cap. 26. pag. 508. 509. Auf der Rechten ſeiten der Reüß iſt geſtanden das alte Burgſtall Syllenen / da vor Zeiten gewohnet die Meyer von Syl - linen / ein Adelich Geſchlecht / welches hernach nacher Lucern kommen.
Jn der Pfarꝛey Silenen bricht ein
und ein anderer / ſo auch ſchwarz / mit weiſſen Aderen; und ohngefehr drey viertheil Stund von dem Dorff ein
Nebſt dem Wirthshauß / deſſen jeziger Beſitzer iſt Hr. Johannes am Port / ein freundtlicher Mann / der allezeit einen Vorꝛaht[h]at von Cryſtal - len / flieſſet ab der Kerſtenen - oder Kerſtelen Bach / welcher Milch - weiſſe Gletſcherwaſſer mit ſich fuͤhret / die in groſſer Sommerhitz denen Reiſenden zu groſſem Labſal dienen; es entſpringet aber diſer Bach im Ruppleten Thal / in der Pfarꝛ Sillenen.
Laͤngſt diſes Bachs waͤhet faſt den ganzen Tag im Sommer / außge - nommen um den Mittag / ein beſtaͤndig lieblicher
welcher denen froͤmden muͤden / Gaͤſten / auch zu groſſer Erquickung dienet.
Allhier / wie oben geſagt / fanget eigentlich an der Gotthards-Berg / weilen man von hier bis auf die oberſte Hoͤhe immer obſich ſteiget / alſo zwaren / daß hier und da / ſonderlich im Land Urſeren / zwiſchen den Bergen ligen ebene Plaͤtze / als kleine Thaͤler.
Diſe gemein uͤbliche Bergſtraß fiengen wir an zu ſteigen den 7. Aug. Morgen fruͤhe / und ſahen vorher des Quekſilbers Hoͤhe auf 24. Zollen / wor - auß wir geſchloſſen in gegenhaltung der geſtrigen zu Altorff genommenen Hoͤhe / daß diſer Ohrt tieffer lige als Sillinen 120. Schuhe. Den 28. Jun - diſes Jahrs gabe gleiches Experiment eine Hoͤhe von 160. Schuhen / wel - cher Unterſcheid bey abmeſſung der Berghoͤhenen nicht merkbar iſt. Nach Mariotte iſt der Staͤg hoͤher / als das Meer 1454. nach Caſſino 1573. Pa - riſer Schuhe.
An rechter oder linker ſeite diſer Gotthardiſchen Straß hatten wir allezeit die Reüß / einen ungeſtuͤmmen Fluß / deſſen Raͤnke bey diſem An - las durch Hülff der Magnet-Nadel / mit allen einflieſſenden Baͤchen fleiſſigſt gezeichnet / um hiervon eine beſondere Chart zu machen; welche hernach fol - gen wird / mit bemerkung allermeiſtens von Stein gewoͤlbter / Bruken / wel - che von denen Anwohneren mit vilen Unkoͤſten / und Fleiß in gutem Stand gehalten werden / zu fortwaͤhrendem Nutzen der Reiſenden / zur Sicherheitder(43)[43]der mit ſchweren Laͤſten beladenen Saumpferden / und ins gemein zu unter - haltung diſes vornemmen Paſſes / auß Schweizerland in Jtalien. Es iſt diſe Straß theils luſtig / und annemlich / theils wild / rauh / und foͤrchterlich. Bald kommet man / ſonderlich in denen unterſten Theilen des Bergs / durch anmuhtige Waͤlder; bald ſihet man durch eine dunkele natuͤrliche Perſpectiv viler aufrechtſtehenden / oder uͤber einander geworffenen Baͤumen in der tieffe die brauſende / und ſchaumende Reüß; bald die von den Bergen ſich abſtuͤrtzende / und in dieſelbe ſich ergieſſende Baͤche; bald hoͤret man ein lieb - liches / oder ſtark entſetzliches Getoͤß dergleichen uͤber die Felſen abrauſchender Waldwaſſeren / welche auch hier und dort ſich wegen hoͤhe des Falls / oder bey Anlas im Weg ſtehender Felſen / in einen Staub aufloͤſen; in welchem die einfallende Sonnenſtralen / als ſo vil Kunſtpenſel / ſchoͤngefarbte Regen - boͤgen vormahlen / und die muͤden Reiſenden von ſo thaner feuchten Kaͤlte / und darbey entſtehender Luftbewegung angefriſchet werden; bald aber wird das Gemuͤht / in groſſe Forcht / und Schrecken geſetzet bey Anſicht obhangen - der / oft ganz underfreſſener / tauſend Centriger Felß-Steinen / welche ohn - geſehr moͤchten einbrechen / und denen Wandersleuhten den Weg in die ander Welt zeigen; Winterszeit ſtehet man groſſe Gefahr auß von dem Schlipfrigen Eis / tieff verſchneyten Straſſen / inſonderheit aber von den Lauwinen / welche als ſo vil grauſame Loͤwen die Baͤume / Stauden / Felſen / und ohngefehr auf dem Weg ſich befindende Reiſende ergreiffen / und ver - ſchlingen. Uber diß findet man ſich aller Ohrten eingeſchloſſen zwiſchen hohen Gebirgen / deren vilfaltige Geſtalt / wunderliches Außſehen / bald na - kende / bald mit Baͤumen / ſonderlich aber mit allerhand raren Bergpflanzen bekleidete Waͤnde einem curioſen Bergſteiger mannigfaltige beluſtigung beybringen / welche ihme die aufſtoſſenden Widrigkeiten vortrefflich verſuͤſſen / und vilfaͤltigen Anlas geben / die groſſen Werke des Groſſen Gottes / als guͤ - tigſten Natur Schoͤpfers / zu preiſen / mithin auch anzuruͤhmen der Anwoh - neren Fleiß / welche Sommer - und Winterszeit ſo enge / und gefaͤhrliche Straſſen mit groſſer Muͤhe / und Unkoͤſten / offen behalten / hohe Felſen mit gewoͤlbten Brucken vereinigen / hier und da die harten Felſen ſelbs durch - graben / um die Wege dardurch zu fuͤhren / auch uͤber diß die ſonſt luken / leicht einfallenden Straſſen / underbauen mit gewoͤlbten Mauren / groſſen in die Erde geſenkten Baͤlken / mit Eiſen verklammerten Steinen.
Damit dem Wandersmann die Zeit nicht zulang werde / oder er ſich einbilden moͤchte / daß er in die 8. oder mehr Stund zu reiſen habe / ohne Haͤuſer und Menſchen anzutreffen / wil ich ihme der Ordnung nach die jeni - gen Oehrter und Doͤrffer benennen / welche er zu paſſieren hat.
Ohngefehr eine halbe Stund vom Staͤg iſt das Doͤrfflein Riedr /auf(44)[44]auf welches folget Meitſchligen. Jn mitten zwiſchen diſen beyden Doͤrf - feren zeigete uns unſer Geleitsmann einen der Laüwinen halb gefaͤhrlichen Paß / bey welchem vor 2. Jahren einem Franzoͤſ. Officier 22. Pferde / ſamt dem Knecht eingewiklet worden / und alles / auſſert 4. Pferden / die man noch erꝛetten konte / zu Grund gangen.
Jenſeit der Reüß kommet bey dem Dorff Riedt in Vorſchein das Doͤrfflein Jnſch / und bey Meitſchligen das Doͤrfflein Gurnellen.
nnert einer Stund kommet man in Weiler: und in gleichem Zeitraum naher Waſen / Waſſen / da in die Reüß ſich ergiefſet der Meyenbach / welcher ſeinen Urſprung hat in benachbarten Berner-Gebirgen. Es iſt die Hoͤhe diſes Ohrts uͤber Altorff den 28. Jun. gefunden worden 1040. Schu - he / welchem entſprechen 2615. Schuhe uͤber das Meer nach Mariotte, nach Caſſino aber 3120.
Eine halbe Stund von Waſen iſt Wattingen / da man ſihet die Felſen Lager (Strata) nicht / wie gemeinlich / Waagrecht / oder haldig ligen / ſondern aufrecht ſtehen.
Widerum innert einer halben Stund kommet man gen Geſtinen / einen ſchoͤnen Flecken / (alſo genant von den Gaͤſten / die etwann da einzu - kehren pflegen) durch welchen ein auß den Geſtiner Alpen / und daſelbſtigen Gletſcheren kommender Bach flieſſet / und unter Geſtinen ſeine Waſſer der Reüß uͤbergibet. Jn diſer Gegend grabet man vil
wie dann in der Schoͤllinen vor wenig Jahren eine Cryſtall-Mine entdekt worden / darinn man vor 1500. fl. ſolcher Edlen Steinen auf ein - mahl funden.
Reiſen wir von Geſtinen eine Stund weiter fort / ſo kommen wir zur Teüfelsbruck / welche vorgeſtellet wird Tab. III. von diſer Bruck erzellen die Anwohnere folgende Fabel-gleiche Geſchicht / welche dem geehrten Leſer etwelches Liecht geben kan wegen benennung derſelben. Es ſollen die alten Einwohnere des Urner Lands lang gerahtſchlaget haben / wie ſie den ihnen nohtwendigen Paß uͤber die Reüß koͤnnen auf ſicheren Fuß ſetzen / es ſeye aber die Außfuͤhrung ſothanen Vorhabens ihnen ſchwer gemachet worden durch die gaͤchſtotzige Tieffe hoher Felſen / und Gefahr des Falls in unten durch - flieſſende / und ſchaumende / Reüß. Jn diſer Berahtſchlagung aber ſeye dar - zwiſchen kommen der leidige Teufel / welcher ihnen ſeine Dienſt anerbotten / und wirklich verſprochen die Bewerkſtelligung deſſen / ſo ihnen ſonſt faſt un - moͤglich / wenigſtens hoͤchſt gefaͤhrlich ſeye / mit dem Gedinge aber / daß ſie / die Urner / ihme herwider verſprechen das / was zu erſt uͤber die Brucke paſſiere. ꝛc.
P. S. Hierbey iſt zu haben ein Abriß der Teufelsbruck a 3. ß.
AUf diſes Beding hin / nach dem es die Anwohnere eingangen / habe der Satan die Bruck gebauet / in Hoffnung guter Beut / die Land - leuhte aber / liſtiger als ihr Verfuhrer / weil ſie gefoͤrchtet / es moͤchte zu erſt ein Menſch uͤber die Bruck gehen / und in des Teufels Netze fallen / haben einen Hund herbey gefuͤhret / denſelben auf die andere ſeiten der Reüß durch uͤbergeworffenes Stuͤck Brot geloket / welcher / als er auf die Bruck kommen / von dem Teufel ſeye ergriffen / und in tauſend Stuͤcke zerꝛiſſen worden. Die Bruck aber ſeye geblieben / zu groſſem Nutzen der Einheimſchen / und Froͤm - den. Hiermit aber habe die Tragedi noch nicht aufgehoͤrt / es habe dem Hoͤllenhund diſer unſchuldige Hunds-Biſſe nicht wol geſchmekt / weilen er ſein Abſehen hatte auf ein vernuͤnftiges Geſchoͤpft / und deßwegen auß gefaß - tem Zorn / weil er ſich uͤberliſtet ſahe / getrachtet ſein Gebaͤu widerum zu ver - derben / zu dem end dann einen ſchweren Felſen / gleich ein anderer Atlas auf ſeine Schulteren genommen / um mit demſelben die Bruck einzuwerffen. Aber auch diſer Anſchlag habe ihme gefehlet / weilen ihme / als er auf dem Weg war / ein heiliger Mann begegnet / der ihne beſcholten / und dahin ge - bracht / daß er den groſſen Felſen Stein muͤßte ablegen. Wer diſe Fabel nicht glauben wil / dem zeiget man annoch den Stein ſelbs an dem Weg / unter Geſtinen. Die Hoͤhe der Teufelsbruck uͤber Geſtinen iſt 420. und uͤber Altorff 1460. Zuͤrich. Schuhe / uͤber dem Meer nach Mariotte 3194. und nach Caſſino 3948. Pariſer Schuhe.
Von diſer Bruck kamen wir bald in das Urſeren-Urſelen-Thal / Urſaria, Urſæra, Urſella Vallis; Es iſt diſes anmuhtige Thalgelaͤnd kaum eine Meil breit / und zwey lang / bekleidet mit fetten / graßreichen Weyden / und Alpen / welche / nebſt dem Nutzen des taͤglichen Paſſes / denen Einwohne - ren verſchiedener Doͤrfferen zur Unterhaltung dienen. Allhier wachſen we - gen rauher / und wilden / Hoͤhe von ſelbs keine Baͤume mehr / alſo daß die Einwohnere alles zum Bau noͤhtige Holz mit groſſer Muͤhe und Koſten muͤſſen von Geſtinen / und noch tieffer ligenden Ohrten herauf holen / und in deſſen in der Kuche ſich behelffen mit dem kleinen Geſtaͤud / Alproſen / Roſa Alpina, Chamærhododendros, genant. Es were aber diſem Thal wol ein Mittel zu zeigen / mit welchem ſie ihren Brennholzmangel / zu groſſem ihremVor -(46)[46]Vortheil / erſetzen koͤnten. Es iſt ungewiß / ob diß Urſeren Thal ſeinen Nam - men hat von Urſis, denen Baͤren / welche villeicht ehemahls denen Einwoh - neren / und ihrem Viche / groſſen Schaden zugefuͤgt / oder von der Reüß / Urſa genant / welche durch diſes Thal flieſſet. Der erſteren Meynung unterſchrei - bet Guler. Rœt. pag. 105. b. weilen das Thal annoch in ſeinem Wapen fuͤhre einen Baͤr.
Es dienet diſen ſonſt in der hoͤchſten Gegne des Schweizerlands woh - nenden / von Kaͤlte / und anderem Ungemach vil außſtehenden / Thalleuhten diß zum Troſt / daß ſie ihre eigene ſchoͤne Freyheiten beſitzen. Sie ſein eigent - lich alte Lepontier / ſo in die Rætiſche Provinz gehoͤret / wie ſie auch noch heut zu Tag in Geiſtlichen Sachen unter dem Biſtthum Chur ſiehen. Auch der Weltlichen Policey halben ſein ſie annoch etwas den Rætieren zu getahn. Dann ſie zu den Gortshaußleuhten zu Diſentis im Oberen Grauen Bundt gezellet werden; Und wann ſie einen Amman / der das Haupt in ihrer Oberkeit iſt / jaͤhrlich unter ihnen / nach ihrem Gurdunken / erwehlt ha - ben / ſol derſelbig / ſo bald er mag / gen Diſentis kommen ungefahrlich zu einem Herꝛen / und Abt daſelbſt / das Amt und Gericht von ihm zu empfahen: da er dem Herꝛen zu geben ſchuldig iſt zween weiſſe Handſchuhe zum Wahr - zeichen einer beſtaͤtung des Amts / und Gerichts deſſelben Jahrs. Neben diſem hat der Abt auch ſeine Rennt und Guͤlten / ſamt anderen Rechtſam̃en in diſem Thal / inſonderheit / daß die Guͤter / ſo ihme Zinßbar ſind / von Tod - ſchlags wegen nicht moͤgen verfaͤlt / noch einicher Oberkeit zu erkent wer - den. An. 1410. ſein die Urſeler mit gewiſſen Gedingen / namlich mit Vor - behalt der Dienſt und Rechten / ſo ſie dem Gottshauß Diſentis ſchuldig ſeyn / und auch ihrer eigenen Freyheiten / vom Loblichen Ohrt Uri in ein ewig Landrecht / und Freundſchaft angenommen worden / welches alljaͤhrlich ihren Raht und Amman / ſo erwehlt worden / beſtaͤtiget / und zwey Raͤhte dem Blutgericht zuſetzet / darzu auch muͤſſen die Urſeler ihr eigen Landpanner dem Landpanner von Uri / wann es in Krieg außzeuhet / under ſchlahen. Gul. Ræt. pag. 206. Simler. Regim. der Eidgnoßſch. pag. 454.
Jn dem Urſeler Thal machet man eine ſonderbare Gattung hoher / feißter
die ſein weich / und ſehr gut / laſſen ſich aber nicht lang behalten / ſollen ohne alles Feuer / oder Waͤrme / gemacht werden. Cyſat. Beſchreib. des IV. Waldſtaͤtt. See. pag 13. Diſe nennet man gemeinlich die Urſeler Kaͤſe.
Das erſte Dorff in diſem hohen Thalgelaͤnd behaltet den Nammen des ganzen Thals / Urſeren / wird ſonſt auch genennet An der Matt. Naͤchſt ob diſem Dorff / an dem Berg / und ſonſt nirgends im ganzen Thal / iſt zu ſehen ein dreyeckichtes Tannwaͤldlein / welches mit groſſer Sorgfalt er -halten(47)[47]halten wird / damit es diene als ein Schutzwehr wider den Einfall der Laͤnwinen. Es iſt deßwegen / ſonderlich bey Anlas des groſſen Holtz - mangels in diſem Thal / bey hoher Straff verbotten / etwas an diſem Wald zu verderben / oder Holtz darinn zu faͤllen.
Eine halbe Stund von Urſelen iſt das Dorff Hoſpital / welches ſei - nen alt Rætiſchen Nammen annoch behaltet / in Teutſch heiſſet es einen Spital / oder Herberg / nicht nur deßwegen / weilen die hin und wider reiſende allhier ihre meiſte Niderlag haben / ſondern vermuhtlich auch / weilen die arme / krankne / halb erfrorne Reiſende mit noͤhtiger Speiß / und Artzneyen verpflegt werden. Es pflegen die jenige / welche den Gotthardt beſteigen wollen / gemeinlich allhier / oder in Urſelen / zu uͤbernachten / damit ſie bey an - ſtoſſendem Tag den Berg / das iſt / die oberſte Hoͤhe des Bergs angehen / und mit guter Weil hinuͤber kommen moͤgen: Allhier iſt ein altes Schloß ge - ſtanden / deſſen uͤberbleibſelen annoch ſtehen. Diſes hatte ſeinen beſonderen Adel / deren von Hoſpital / welche von etlichen unter die Freyherꝛen ge - ſetzet werden. Ob von diſen abſtammen die jenige von Hoſpital / welche zu Uri / und im Canton Schweiz ſich nidergelaſſen / von welchen letſteren auch einiche in Zuͤrich ſich befinden / kan ich nicht wiſſen. Man findet in einer alten Lateiniſchen Walliſſer Chronic / das An. 1321. ein Schlacht bey Ho - ſpital geſchehen ſeye / darbey aber wird weder der Partheyen / noch einicher anderer Umſtaͤnden nicht gedacht. Guler. Ræt. 205. b. 206.
Allhier ware die Hoͤhe des Quekſilbers 21. Zoll / 6½. Scrup. Worauß abzunem̃en / das Hoſpital uͤber Sillenen erhoben 1880. und aber noch tieffer liget / als der Capucineren Herberg auf dem Gotthard 1320. Zuͤrich. Schuhe / wie auß folgendem zu erſehen. Nach der Rechnung Mariotti kommet die Hoͤhe von Hoſpital uͤber das Meer 3639. nach Caſſino 4611. Pariſer Schuhe.
Von Hoſpital kamen wir innert zweyen Stunden auf die Oberſte / namlich bewohnte / Hoͤhe des Gotthards / dann uͤber der Capucineren Her - berg noch hoͤhere Berg-Joch zu beſteigen vor die jenige / welche auf den oberſten Spitzen Europæ zu ſtehen Luſt haben.
Jezt / nach dem wir diſe Schweizeriſch-Europeiſche Hochwacht beſtie - gen / wird uns erlaubt ſeyn / uns niderzuſetzen / zu dem End / damit wir die an ſolchen hohen Ohrten befindtliche Naturwunder zur Ehre des Groſſen / hocherhabenen / Gottes betrachten.
Von dem Weltberuͤhmten
iſt uͤber das / was oben Tom. I. pag. 18. beygebracht worden / folgendes zu bemerken: Seine Nammen ſeyn / der Gotthard / Sant Gotthard /Gott -(48)[48]Gotthardt / St. Gotthardrs-Berg / Gotthardus, S. Gothardus, Gothardi Mons, La Montagne de S. Godard, Il Monte di S. Gotardo. Summæ Alpes bey Julio Cæſare comm. de Bell. Gall Lib. 3. Lepontiæ Minores, die kleineren Lepontiſchen Gebirge bey Jovio, zum Unter - ſcheid der Groͤſſeren / Lepontiarum Majorum, welche vom Comer-See uͤber Cleven naher Chur gehen / da ſonderlich hin gehoͤrte der Splügen / von welchem oben Tom. I. pag. 174. Ein mehrers kan von dem Gotthard / und ſeinem ganzen Paß / den wir in ſeiner Ordnung beſchreiben / nachgeſehen wer - den bey Simler. Comm. de Alpib. pag. 101. Tſchud. Rhetiſch. Alpgeb. pag. 51. b. und Helvet. Ant. MSC. allwo er unter anderem meldet / daß man zu Heidniſchen Zeiten gewohnlich etlichen Abgotten die gebraͤuchlichen Landſtraſſen uͤber die Alpgebirge in Jtalien zu reiſen zugeeignet / und auf die Firſten der Straffen ihnen Altaͤr aufgerichtet / wie Livius von Pœnino mel - det / auch Mons Martis in Walliß / und andere / bezeugen / alſo werde auch diſer Gotthard ſeinen Nammen daher gehabt haben / daß man einen Ab - gott allda geehret: in folgenden Zeiten / als man Chriſtglaͤubig worden / habe man die Abgoͤtter abgetahn / und an dero Statt die Alpfirſten der Wandlenden Straſſen den Chriſtenlichen Heiligen zugeeignet / und Altaͤre aufgericht dem wahren Gott / und dieweil der Berg Summarum Alpium, zuvor den Nammen Gotthardt hatte / haben die Chriſten S. Gothardum den H. Biſchoff allda zu verehren fuͤrgenommen; gleich wie S. Bernharden auf dem Pœnino, der jezt der hohe S. Bernhardtsberg genennet wird / S. Barnabam auf dem Lucmannier / S. Bernhardin auf dem Vogel / S. Brau - lium auf dem Wormbſer Joch. Bey diſer wol außgeſinnten Tſchudiſchen Woͤrter-Erforſchung finde ich ſonderlich folgende Bedenken. Erſtlich iſt ungewiß / und auß alten Scribenten ſchwerlich zu beweiſen / daß zu der Hei - den Zeiten diſer Berg den Nammen Gotthard gehabt / wie hingegen gewiß iſt / daß er Summæ Alpes genennet worden von den Roͤmeren. So finde auch nirgend / was der Gotthard vor ein Heidniſcher Abgott geweſen / deme man auf dem Gotthards-Berg einen Altar habe aufgerichtet / und ſcheinet der Namme nicht Roͤmiſch / ſondern Teutſch zuſeyn. Nicht nur iſt wahr / daß die Heiden ihren Abgoͤtteren auf den Hoͤhenen der Bergen geraͤucheret / ſondern man findet / daß ſo gar die Berge ſelbs als Goͤtter verehret worden von denen Dacieren / und Cappadocieren bey Solino cap. 57. auß Strabone und Maximo Tyrio bey Ger. Voſſ. Inſtitut. Orat. I. Lib. V. cap. 39. Sect. gleich auch des Carmels / als eines Gottes / meldung geſchihet bey Tacit. II. Hiſt. 78. cap. Sueton. in Veſpeſian. cap. 5. &c.
DEr H. Biſchoff Gothard / von dem Tſchudius ſchreibt / iſt vermuht - lich jener Graf von Scheyeren / naher Blutsfreund Keyſer Hen - rich des II. hernach Biſchoff zu Hildesheim / welcher vorher Præ - lat geweſen im Kloſter Altaych in Baͤyeren / ſo auch zu Hersfelden / Crems - Muͤnſter / und Tagernſee / endlich An. 1131. von Papſt Innocentio II. in die Zahl der Heiligen aufgenommen worden / wie hiervon weiter nach zuleſen in Surii de Vitis Sanct. Tom. 7. Lang Grundriß der Catholiſch. Welt Lib. I. cap. 6. pag. 513. Es kan diſer Heilige ſich / wann der Gothard Berg von ihme ſeinen Nammen hat / ruͤhmen / daß er der hoͤchſte Heilige / (gleich von dem H. Chriſtophoro geſagt wird / daß er der groͤſte) weilen er ſeinen Sitz hat auf dem hoͤchſten Gipfel Europæ. Jch moͤchte aber wol wiſſen / wie er von Hildesheim in diſe rauhe Schweizeriſche Alpgebirge kommen ſeye. Wann je daran etwas were / ſo ſolte Lang es in ſeiner Catholiſchen Helvetia nicht ver - geſſen haben. Jch uͤberlaſſe eine genaue Unterſuchung diſer Materi denen / ſo die verehrung der Heiligen ihrer Religions uͤbungen einverleibet: und ſchreite indeſſen fort zu einer anderen Woͤrterquell / welche ſich findet bey Simler. Lib. cit. pag. 500. b. und dahin gehet / daß der Gotthard ſeinen Nammen her habe von den Gothen / welche An. 555, mit ihrem Koͤnig Totila von dem edlen Ritter Narſete, welchen der Keiſer Juſtinianus auß Griechenland in Jtalien geſandt / auß diſen Landen vertrieben worden / und ſich bey den Lepontieren / und Tauriſceren / villeicht ins beſonder im Urſeren Thal / ſo zu naͤchſt am Gotthard liget / nidergelaſſen. Stumpf. ſchreibet in ſeiner Helvet. Chron. Lib. VI. cap. 26. p.. m. 508. b. daß die alten Hel - vetiſchen Chronicken diſer Ankunft der vertriebenen Gothieren in unſere an dem Gothard ligende Lande gemeinlich meldung tuͤhen / und daß die Land - leuhte / nach uralter auf ſie ererbter Sag / ſich ruͤhmen / daß ſie guts theils von Gothieren ſeyen abkom̃en / und der meiſte Adel ſelbiger Landen ein Gothiſcher Adel ſeye. Jch gewahre bey diſem Anlas / daß wir Schweizer uͤberbleibſelen ſeyn von den anſehenlichſten / und dapferſten Nationen / ſo jemahlen in der Welt geweſen / namlich der Gothen / Roͤmeren / denen wir zugeſellen uns Schweizer ſelbs / mit den Alemannieren. Was anbetrift die SenkelrechteHoͤhe(50)[50]Hoͤhe des Gotthards uͤber dem Mittellaͤndiſchen Meer / finde ich / weilen das Quekſilber gefallen auf 21. Zoll. 6½. Scrup. Pariſer Meß / das nach Ma - riotte Meinung heraußkommen 5559. nach Caſſini aber 7692. Pariſer Schuhe.
Wir wollen / weil wir jezt beſtiegen haben τὰ〈…〉〈…〉 κρὠρεια, ἄκρα, μορνϕὴ〈…〉〈…〉, Juga, Vertices, Cacumina Montium, ja Summas Alpes, die hoͤchſten Alpgebirge / bey denenſelben uns noch etwas aufhalten / nach Anleitung deſſen / was Cæſar ſchreibt Lib. 3. Antuates, Veragros, Sedunosq́ue, à finibus Allobrogum, & Lacu Lemano, & Flumine Rhodano ad Summas Alpes pertinere; villeicht / pertingere. Es wird diſer Text ungleich außgeleget. Henricus Glareanus, Ægidius Tſchudius, Rajmundus Marlianus, Leander, Stumphius, Jovius, und andere / ſehen die Summas Alpes, die hoͤchſten Alp - gebirge / an vor gewiſſe / und zwaren in der Taht hoͤchſte Helvetiſche Gebirge / nahmentlich den Gotthard mit ſeinen Theilen / der Furca, Criſpalt, und Valdotio. Da hergegen Simler. de Alpib. pag. 98. und Plantin. Helvet. pag. 52. das woͤrtlein Summum nicht außlegen als gewiſſen Walliſſer / Ur - ner / und Pündtner Gebirgen eigen / ſondern als allen Bergſpitzen zuſtehend / oder als ein Nomen appellativum, wie man in Schulen redt / daß alſo Sum - mæ Alpes bedeuten τὰ ἅκρα τῶν〈…〉〈…〉 λπεων, ſummitates, cacumina, culmina, Montium, wie alſo bey Antonino ſtehet Summus Pœninus, Summus Py - renæus; und die Meinung Cæſaris were / obbemeldte Voͤlker / die Ober - und Nider Walliſſer wohnen bis an die Hoͤhenen ihrer naͤchſtgelegenen Bergen / nach Strabonis Sprach / μίχρι τῶν ἄκρω ὑπεραο〈…〉〈…〉 λῶν τοῦ ὃρους. Wann ich diſere beyderley Meynungen gegen einander ſtelle / ſo finde / daß ſie wol mit ein - ander zu vergleichen ſeyn. Es iſt ja wahr / daß obbenante Gebirge / Summæ Alpes, die hoͤchſten ſeyn / aber auch iſt wahr / daß ein jedes Gebirg hat ſeine Summitates, oberſte Spitzen / daß wer Summas Alpes, die hoͤchſten Alpge - birge durchreiſet / auch Summitates, oder Summa Summarum Alpium, die oberſte Hoͤhe derſelben zu uͤberſteigen hat: wahr iſt / daß bemeldte Voͤlker ſich erſtrecket bis auf die hoͤchſten Gebirge Europæ / und iſt auch wahr / daß ſie gewohnet bis an die moͤglich und komlichen Hoͤhenen der an ſie anſtoſ - ſenden / obgleich nicht gar hoͤchſten / Gebirgen.
Es haben diſere Spitze der Bergen ungleiche Nammen. Tſchudius nennet ſie hin und wider in ſeinen Schriften hohe Firſten / Alpfir - ſten / Berg-Fyrſten / und ſetzet alſo in vergleichung die Haͤuſer / deren Spitze gemeinlich Firſten / Fyrſten / Fürſten heiſſen: Culmina, quia Veteres de Culmo ædificia contegebant Serv. Eclog 1. weilen die alten ihre Haͤuſer mit Schaub / oder Stroh bedecket. So finden wir auch Culmina Alpium, bey Cæſare Bell, Gall, Lib. 3. und iſt diß alte Roͤmiſche WortCulmen(51)[51]Culmen nicht ſo gar in unſeren Landen verblichen / daß nicht noch alte uͤber - bleibſelen deſſen ſeyen. Auf dem Gotthard ſelbs iſt ein Berg / der Colmo heiſſet / und nennet man die oberſte Hoͤhe des Rigibergs auch Culm / auf der Culm. Die Puͤndtner aber haben den eigentlichen Verſtand diſes Worts um etwas geaͤnderet / in dem ſie den ganzen Berg dardurch anzei - gen / deſſen oberſte Firſt ſie nennen Sü Som l’ cuolm, und den Fuß deſſelben gio dim l’ cuolm. Andere Berghoͤhenen heiſſen wir hier und da Grath / Belchen / Horn / Belchen Horn / Stock.
Raͤbmann. Geſpraͤch von Berg pag. 111. Das wort Grat / deme ent - ſpricht der Lateineren Dorſum, heiſſet nicht allzeit eine einige oberſte Spitze / ſondern mehrmahlen / und nach dem Grund der Sprach / vil in die laͤnge ſich fortſtreckende Hoͤhenen eines Gebirgs. Alſo gedenket Saxei dorſi Plinius Lib. VI. Ep. 31. Dahin iſt zu zeuhen ein altes / nicht von weitem / ſondern den naͤchſten Bergen hergeholtes Bejahungs-Wort der Pündtneriſchen Nation, ſo lang Grund und Grath ſtaht / wormit ſie in ihren alten Jnſtrumenten ihren Pündtnuſſen eine ewige Waͤhrung anwuͤnſchen. Di - ſere Dorſa, Graͤte / heiſſen auch Schnceſchmilzen / weilen daſelbſt der Schnee fruͤher pflegt abzugehen / als in tiefferen aber von der Sonn ent - fehrnteren Ohrten. Hoͤrner / Cornua Terræ, werden genennet auch ganze Berge / weilen ſie auß der Erden flaͤche aufſteigen / gleich denen Hoͤrneren auß dem Kopf. Gor. Becan. Hierogl. L. 13. Aber auch kommen unter diſem Nammen die oberſten / ho〈…〉〈…〉 erichten / oft gleich den Hoͤrneren hervor ragenden / und krumm einhergehenden Bergſpitzen / wie alſo bey Statio zu finden in - torta Cornua Parnaſſi. Das Wort Srock iſt ſonderlich im Glarnerland / eine gemeinuͤbliche letſte Sylbe eines ganzen Berg-Stocks / wie deſſen Zeugen ſein koͤnnen der Anhorn-Stock / Blankenſtok Büchiſtock / ꝛc. Diſem entſpricht der Engadineren Piz, Pitæ, welches eigentlich allein bedeutet die Spitze des Bergs / aber auch ganzen Bergen zugeſchrieben wird; Als da ſein Il Piz di Doan, Piz delle undeci, &c. Villeicht komt von diſem Pündt - neriſchen Piz her das Teutſche Wort Spitz. Jm Glarnerland haben wir den Gruͤnen Spitz / Spitzmeil / und auf dem Albis / ohnweit Zuͤrich / bey Stallikon den Kilchenſpitz.
Es haben unſere hohen Alp ebirge nicht nur ein jedes ſeine Spitze / oder oberſte Firſten / ſondern ſie ſelbs ſein die hoͤchſten Berg-Spitze von ganz Europa. Jch habe zwar diſe Materi beruͤhrt oben Tom. I. pag. 18. undſonder -(52)[52]ſonderlich beygebracht den Grund / welchen an die Hand gibet der Urſprung unſerer Flüſſen. Nun aber werde diſere Streitfrag um etwas genauer un - terſuchen / theils die Wahrheit deſto deutlicher an Tag zu legen / theils die Vorurtheile zu benemmen / welche entſtehen moͤchten durch leſung Joſiæ Simleri, eines unſerer beruͤhmteſten Scribenten / welcher in ſeinem herꝛlichen Buch de Alpib. pag. 98. b. behaubten wil / daß nicht die jenigen Berge vor die hoͤchſten zu halten / von welchen namhafte Flüſſe in alle Weltgegenden abflieſſen: dann ja bekant / wie auf dem Fichtelberg entſpringen 4. Haubt - fluͤſſe / der Mayn / die Eger / die Nab / und die Sal / und aber diſer bey weitem nicht unter die Hoͤchſten zu zellen; wie gleichfahls der bald groͤſte Fluß in Europa / die Donau / entſpringe bey Doneſching / an einem ſehr nidrigen Ohrt / auf dem flachen Land; uͤber das gar vil Fluͤſſe in der Moſcau / und Tartarey auf ebenen Landen ihre Urquellen haben; und ſtreiten ſelbs die Puͤndtner / Walliſſer / und Schweizer / welche die hoͤchſten Gebirge haben. Hierwider ſetze anfaͤnglich zu einem unbeweglichen Pfeiler unſerer hieruͤber waltenden Vernunft-Schluͤſſen folgenden Grundſatz / daß alle Flüſſe an - zuſehen ſeyen / als Plana inclinata, haldige Flaͤchen / alſo daß zu oberſt ſeye die Quell / zu unterſt der Außlauff; und gewahre hier / gleich als im vorbey - gehen / das Becmann in ſeiner Hiſt. Orb. Terr. Geograph. p. m. 61. un - genugſam die Urſach des durch die Flußbette abflieſſenden Waſſers herleitet 1. und vornemlich / von trukung des jenigen Waſſers / welches hinten nach komt. 2. von runder Geſtaltſame der kleinſten Waſſertheilchen / in Kraft welcher ſie leicht uͤber einander ſich bewegen / und fortwelzen koͤnnen. Her - gegen behaupte / daß die vornemmere / und dritte / Urſach des Fluſſes ſeye die Unebenheit der Erden / von welcher / als einer zu außſpendung des friſchen Waſſers von Gott weißlichſt angeordneten Geſtaltſame gar ſchoͤn ſchreibet Hr. Woovvard in ſeiner Hiſtory of Earth. pag 153. welches vortreffliche Buch auß dem Engellaͤndiſchen ins Lateiniſche uͤberſetzet habe unter dem Titel Geographiæ Phyſicæ, um daß es der gelehrten Welt deſto bekanter wurde; und behaupte mit dem Verfaſſer diſes Buchs / daß wann keine Hü - gel / Berge / und Thaͤler / weren / wann nicht einiche Theile der im Suͤndfluß eingefallenen Erden weren erhoben geblieben / da andere geſunken / wir auf ganzer Erde gehabt hetten ſtillſtehende / faule Waſſer / und nirgends keinen flieſſenden Strohm. Es truken die hinden nach kommenden Waſſer die vorderen nicht allein wegen ihrer leichter Beweglichkeit / ſondern vornem - lich / weilen jene ab hoͤheren Ohrten flieſſen in tieffere. Wer iſt / dem nicht bewußt ſeye die niderſte tieffe des Meers / von deſſen Geſtad die Erde all - gemach aufſteiget bis auf die hoͤchſten Alpgebirge? Der Augenſchein bringt es mit / die Vernunft faſſet / und bejahet es / und bekraͤftiget diſe Grundwahr - heit genugſam die Erfahrung. ꝛc.
HJerauf ſage ich / daß der Fichtelberg in Teutſchland (deſſen Waſſer - gehalter ſelbs A. 1694. in Augenſchein genom̃en) ſeye die oberſte Spitze von vier abhaldenden Flaͤchen / deren unterſte Theil bey jedes Fluſſes Außlauff in andere Waſſer / des Mayns bey Mayntz / da er ſich ergieſſet in den Rhein; der Eger bey Leitmeriz in Boͤhmen / da ſie ihre Waſſer uͤbergibt der Elbe; der Sal / bey Kalb im Ertzbiſchthum Magdeburg in gleichen Fluß / und der Nab in die Donau. Obgleich nun diſer Berg nicht einer von den hoͤchſten / ja kaum unter die mittelmaͤſſigen zu zellen / ſo iſt er doch hoͤher / als alle die Land / durch welche ſeine Fluͤſſe ab - und fortflieſſen / namlich das Maynziſche / Magdeburgiſche Gebiet / Boͤhmen / und Bayeren. So iſt auch Doneſching / oder die Schwarzwaͤldiſchen Gebirge / welche den wahren Urſprung der Donau geben / (wann der nicht in unſeren Helvetiſchen Ge - birgen ſelbs ſich findet / eher / als in dem alten Eremo Helvetiæ) hoͤher / als Schwaben / Bayeren / Oeſterꝛeich / Hungaren / Servien / Bulgarien / Wal - lachey / und Moldau / hoͤher endlich / als der Pontus Euxinus, in welchen diſer namhafte Fluß ſich ergieſſet. Was wil ich nun ſagen von unſeren Helveti - ſchen / Rhetiſchen / und Walliſſer Gebirgen / gegen welche der Fichtelberge und Abnoba / nicht mehr zu rechnen ſeyn / als ein Baͤumlein gegen einer hohen Ceder? Solten nicht diſe hoͤher ligen / als Teutſch - und Niderland / durch welche der Rhein flieſſet; als der jenige Theil Frankreichs / welcher die Rhoſne durchlaſſet: als Jtalien / dahin der Teſin / und die Adda lauft? ja hoͤher / als das Mittellaͤndiſche / Teutſche / und Schwarze Meer?
Jezt / weilen wir auf denen hoͤchſten Bergſpitzen Europæ uns / erwieſe - ner maſſen / aufhalten / ſolten wir Anlas nemmen zu reden
als welche meiſtens in und um diſe Gegenden geſpuͤrt werden; Es iſt aber diſere Materi bereits außgefuͤhrt worden oben Tom. I. pag. 147. wohin den geehrten Leſer weiſe.
Schreite hiemit fort zu
welche eigentlich auf diſen Gothardiſchen / und umligenden Alp-Spitzen ihr Vatterland / oder Stammhauß haben. Eine art Stein / welche Orpheusde(54)[54]de Lapidib. pag. 199. nennete ἀ κέῤῥοιαν περι Ρεγγέως ἀμσορότου ἀίγλης, radium lucidi divini ſplendoris, eine fortſtralung des helleuchrenden Goͤtt - lichen Glanzes; welche Redens-Art wol anzunemmen von einem Hey - den / und von uns dahin außzulegen / daß wir auß der ordentliſch ſechseckichten Figur / und anderen Eigenſchaften der Cryſtallen / ganz klaͤrlich ſehen koͤnnen / wie ὁ Θεὸς ἀεὶ γεωμετρει̃, der allweiſe Gott in ſeinen Werten ſich zeige als der kunſtlichſte Mathematicus, deſſen Grundlehre ſeine hohe Weißheit / Cir - cul / und andere Jnſtrument ſeine Allmacht / uns durch betrachtung ſo herꝛ - licher ſeiner Geſchoͤpften uns einen offenen Weg bahnet zu ſeiner Erkant - nuß.
Diſere auf dem Schauplatz unſerer hoͤchſten Alpgebirgen vorkommen / de Cryſtall-Materi werde zu verhoffender vernuͤgung der curioſen / und gelehrten / Welt alſo abhandlen / daß erſtlich vorſtelle alle derſelben Gattun - gen / mit ihren eigentlichen Nammen / und Zunammen / und dann auch etwas melde von Geſtalt - oder Zeugung diſer Steinen in denen Felshoͤlen. Bey außfuͤhrung des erſten Puncten kan der geehrte Leſer zugleich ſehen ein Mu - ſter / nach welchem das ganze Mineraliſche Reich zu reformieren vorhette / wann mir die Zeit nicht wurde manglen. Den anderen Puncten aber / wel - cher bis dahin die beſten Naturlehrer auf das aͤuſſerſte gequaͤlet / und allezeit mit dicker Finſternuß umgeben geweſen / werde alſo abdecken / daß man gleich - wol einiche Wahrheits-Stralen ſehe auß unſern hellſchim̃erenden Cryſtallen hervor blinken. Zu diſem allem veranlaſet mich theils die Wichtigkeit der Materi / theils die aufhabende Pflichtſchuldigkeit / weilen die Helvetiſchen Natur-Geſchichten zu erklaͤren mir vorgenommen / und aber gewiß iſt / daß der Cryſtallen eigentliches Geburtshauß ſein die Gothardiſchen / Leponti - ſchen / Rhetiſchen / und Walliſſer-Gebirge / welche je reinere / groͤſſere / und koſtlichere Steine hervor bringen / je hoͤher man von Geſchinen / Airol / Ta - vetſch / und Geſtinen aufſteiget / und in der ganzen Welt nicht bekant ein eini - ges Land / oder Ohrt / da ſo vil / ſo groſſe / ſo ſchoͤne / ſo ſeltſame Cryſtall außge - graben werden / als bey uns / auß gewiſſen Urſachen / welche auch ſollen an ſeinem Ohrt / geliebt es Gott / unterſuchet werden.
Wie in gemeinem Umgang ein Sach verſchiedenlich angeſehen wird von verſchiedenen Menſchen / je nach verſchiedenheit ihrer Abſichten / alſo auch wird unſer vorhabende Cryſtallhandel mit anderen Augen angeſehen von denen / welche mit diſen edlen Steinen Kauffmanſchaft treiben / oder auß den - ſelben allerhand Kunſtſachen verfertigen / und mit anderen Augen von denen Naturforſcheren. Jene gehen auf das Gelt / diſe auf die Natur. Jene meſſen den Wehrt der Cryſtallen ab nach der Regel des Debits / diſe nach der Stei - nen ſeltſamen Verſchiedenheiten; denen dann oft ein Stück kan in die Handkom -(55)[55]kommen / welches ſie ſehr hoch achten / jene hingegen nirgendshin ſchaͤtzen. Bey denen Cryſtallhaͤndleren werden die Cryſtallen abgetheilt ſonderlich in drey Ordnungen.
Jn der erſten Claß ſtehen die Meylaͤnder / alſo genennet / weilen ſie pflegen naher Meyland verkauft / und alldort verarbeitet zuwerden. Diſe ſein rein / hell / durchſichtig / ohne Wolken / oder Brüche / und ohnfarbig / ſo auch einer rechten groͤſſe / damit auß ihnen etwas koͤnne verfertiget werden.
Jn die zweyte Claß kommet die halbe Wahr / halb an durchſichtiger Schoͤnheit / und halb im Wehrt; auß denen man auch eins und anders ar - beitet.
Die dritte Gattung heiſſet Rottam, zweifelsohne à rumpendo, weilen darunder ſonderlich gezellet werden allerhand abgebrochene Stuͤcker / ſonſten aber die geringſten / dunklen / mit allerhand Unreinigkeiten belegten Cry - ſtallen.
Es richten ſo wol die Kauffleuhte / als Naturlehrer ihre Augen vorderſt auf die hell-lauteren / ganz reinen Cryſtallen quæ ſine vitio ſunt, pura eſſe malunt, acenteta appellantes, nec Spumei coloris lympidæ Aquæ. Plin. Hiſt. Natur. Lib. 37. cap 2. allwo Salmaſius in Solin. p 1074. liſet nec Spu - mæ colore, ſed limpidæ Aquæ. Ein ſolcher Stein wird genennet κρ ύ ςαλ - λος φαέθ〈…〉〈…〉 δ〈…〉〈…〉 αυγ〈…〉〈…〉 ς. Cryſtallus ſplendens ac pellucidus ein durchſich - tig hellglanzender Cryſtall / bey Orpheo de Lapid. p. m. 199. Cry - ſtallus, quæ Glaciem refert Montanam, ein Cryſtall / der ſo lauter iſt / als ein Berg-Eis / in Worm. Muſeo. pag 100. Cryſtallus nullâ ma - culosâ Nube, aut atra, Scabieve infecta, ſed puriſſima, & aquæ limpidæ in - ſtar pellucida. Ein Waſſerklarer / mit keinen ſchwarzen Wol - ken / oder anderen Unreinigkeiten beflekter Cryſtall. Jn dem Muſeo Calceolarii pag. 97. Cryſtallum Montanum maximè pellucidum. Ein ſehr ſchoͤn durchſichtiger Berg-Cryſtall / in Sibbaldi Prodr. Hiſt. Nat. Scot. Part. II. Lib. IV. pag. 50. Jch zweifle auch nicht / ſo wenig / als Olaus Rudbeck in ſeiner Atlantic. Part. I. pag. 660. daß hieher gehoͤren Adamantes pellucidi Riphæorum Montium, die durchſichtigen Dia - manten von Riphæiſchen Gebirgen / bey Dionyſio. v. 314. weilen in denen Nordiſchen Gebirgen nirgends keine Diamanten / wol aber Cryſtallen ſich finden. Unſere Cryſtallhaͤndler heiſſen das / was durchſcheinend iſt in den Cryſtallen / das Waſſer / und pflegen von einem ohnfarbig hell-laute - ren Stein zu ſagen / er habe ein ſchoͤnes / helles / weiſſes / Waſſer; wie von einem gelben / und doch durchſichtigen / er habe ein gelbes Waſ - ſer. Diſer Cryſtallen halb kan ein Naturverſtaͤndiger wol in gemein ſa - gen / daß er beſtehe auß einer reinen / durchauß gleichartigen Materi / wanner(56)[56]er ſchon noch nicht weißt / was diß vor eine Materi ſeye; und iſt diß Ohrts mit ſtillſchweigen nicht zu uͤbergehen / daß bey denen Cryſtallhaͤndleren in diſere erſte Ordnung geſetzet werden naͤchſtfolgende Cryſtallen / die außwen - dig mit einer wuͤſten Rinden bekleidet / wann nur ihr inneres ſchoͤn hell iſt.
Es gibt namlich gehem̃lete Cryſtallen / die mit einer farbichten Haut / oder Rinden / gleich als mit einem Kleid / oder Hembd uͤberzogen. Alſo.
Ein gruͤn gehemmleter Cryſtall / Criſtallo di verdeggiante co - lore in Settalæ Muſco. pag. 50. iſt beleget / oder beſprenget mit einem wahr - haften Berggrün / (Chryſocolla,) findet ſich auch in gruͤner Erden. Bey diſem Stein iſt zu gewahren / daß die Berggruͤnichte Koͤrn - oder Staͤublein etwann nur hin und wider außwendig angeſprengt ſein / welches einem ſonſt durch ſcheinenden Stein ein ſchoͤnes Anſehen gibt / etwann aber den Cryſtall ganz und mit einer Haut uͤberziehen / oder in knollichte Klum - pen angewachſen: etwann in den Stein ſelbs eintringen / und demſelben eine wuͤſte gruͤne Dunkelheit zubringen: etwann aber in mitten eines durchſchei - nenden Cryſtallen gar ſchoͤn vorſtellen bald einen gruͤnen Muſcum, oder Mieß / bald lange Graßblaͤtter: von welchen unten ein mehrers. Diſere ſeltſame / mit Graß beſchwaͤngerte / Cryſtallen haben zu allen Zeiten denen Naturforſcheren vil zu tuhn gegeben / und haben die meiſten bis dahin diſeres Graß angeſehen vor ein wahres in dem Stein aufgewachſenes Graß / gleich auch die Muͤcken / Ameiſſen / und anders in dem Agdſtein vorkommende Un - geziefer ſein wahre Thierlein. Mir aber komt das Graß vor als ein betrieg - liches Gemaͤhld / welches gebildet worden durch einen Berggruͤnen Saft / welcher in den Cryſtallen / da er noch weich oder flirſſig war / eingefallen / in Kraft ſeiner ſchwere ein - und zu boden getrungen / in waͤhrendem ſinken aber wegen ſeiner Zaͤhe eine Geſtalt bekommen von langen Graßblaͤtteren / und zugleich mit dem Stein hart / oder feſt worden. Diſere Meynung aber wil niemandem auftringen / ſondern nur zu betrachten vorlegen.
Etwann iſt die Materi / welche außwendig ſich anleget / und auch zu wei - len ſelbs in den Cryſtall eintringet / Gelb / findet ſich auch in der Gilbe / oder gelben Erde. Dahin iſt zu zeuhen Cryſtallus impura, purpureâ, croceâ, & terreſtri quadam materiâ maculata, ut impur[u]m Sal Cracovianum quo - dammodo referat. Ein unreiner / mit braun gelber Materi be - flekter / dem Cracauiſchen Saltz nicht ungleicher Cryſtall. Worm. Muſ. pag. 101. Cryſtallini Fluores flavum qui ſpirant colorem, Py - riti Lapidi pulcherrimo flavum colorem eructanti adnati. Gelbe Cry - ſtallflüſſe / auf ſchoͤnem Schwefel-Kieß aufgewachſen: Calceo - lar. Muſ p. 201. Z〈…〉〈…〉 ket die Gülbe auf Roht / ſo mag wol in diſer Ordnung ſte - hen Cryſtallus infeſtata ferrugine, item rufa, aliquibus Rubigo. Ein roſt - farbichter Cryſtall / bey Plinio. Hiſt. Nat. Lib. XXXVII. cap. 2. &c.
ETwann geſchihets / daß / ſonderlich die ſo genante / in Bergwerken vor - kommende / Berg-Cryſtallen nicht nur bedecket / oder beſprengt werden mit Erdichten Theilen / ſondern auch mit Metalliſchen / ins beſonder aber mit Schwefelkieß. Wo Metall auß der Erden hervorgegra - ben werden / ſein dergleichen Flüſſe gemein / und gehoͤret hieher Cryſtallus guttis aureis, ſeu veriùs Sabulo aurifero undique conſperſa. Ein mit Goldſand / villeicht Goldkieß / beſprengter Cryſtall in Velſch. Heca - toſt. 1. p. 55. Cryſtallus, in quo Maſſulæ Marcaſitæ aureæ eminent an - gulares, octaedræ, decaedræ, & dodecaedræ. Ein mir 8-10 - und 12 - ſei - tigem Goldkieß beſezter Cryſtall. Id. l. c. Bey mir iſt zu ſehen ein Fauſt groſſer Cryſtall auß unſeren Alpgebirgen / deſſen einte ſeiten mit Schwefelkieß / gleich als mit einem Netze uͤberzogen.
Wann bisher erzellte farbichte Erden / oder Kieß / denen ſonſt inwendig hell-lauteren Cryſtallen nur auſſerlich angeleget ſeyn / ſo iſt leicht zu erachten / daß vorerſt die Cryſtallen ſelbs ihre feſtigkeit bekommen / und hernach der - gleichen froͤmde Theil in einem holen Felsgewoͤlb auf ſie hinunter gefallen / und vermittelſt eines zaͤhen Steinſafts angewachſen; oder auch / daß die froͤmde irꝛdiſche oder metalliſche Materi allzu grob geweſen / als daß ſie ſich hette koͤnnen in die enge Loͤchlein der fluͤſſigen Cryſtall-Materi einſenken. Wann aber die faͤrbende Materi ſo ſubtil / daß ſie ſich durch den ganzen Cryſtallfluß zertheilen kan / ſo kommen Cryſtallen herauß / welche nicht nur in ihrer auſſeren Flaͤche eine froͤmde Farb zeigen / ſondern durch und durch / oder wenigſtens / ſo weit die Farb gelangen moͤgen / tingirt ſeyn.
Jſt die faͤrbende Materi von ſolcher Art / daß in ihro die einfallende Sonnenſtralen verſchlungen werden / ſo wird gezeuget Cryſtallus nigra, quàm atramentum eſt, ein Dintenſchwarzer Cryſtall. Velſch. l. c. Criſtallo neriſſimo; ein kohlſchwarzer Cryſtall: Settal. Muſ. p. 49. Fluores ſubnigri, ſchwarzlechte Flüſſe. Worm. Muſ pag 101. Cryſtal - lus opaca nigricans, ein ſchwarzdunkler Cryſtall. Boccon. Muſeo di Piante. pag. 159. Iris vulgaris, Adamas Briſtolienſium, coloris Anthraci - ni: Ein ſchwarzer Engliſcher Diamantfluß von Briſtol. Luid. Lithoph. Brittannic. n. 16. 17.
Auf(58)[58]Auf den Schwarzen Cryſtall folget naͤchſtens der braune / oder rauch - farbige Cryſtallus colore infumato & ſubfuſco in rufum tendens. Geſſner. Fig. Lap. pag. 19. Cryſtallus obſcuriore aut nigriore Aquâ perſpicuus, à nonnullis Iris appellatus. Ein Cryſtall mit dunklem / oder ſchwarz - lechtem Waſſer / den einiche Iris nennen. B. de Boot. Lib. II. p. 221. Cryſtalli ſpecies nigrior Iris dicta. Wagner. Helvet. Nat. pag. 311. Cry - ſtallus fuſci coloris & rufeſcentis. Brauner oder rohtlechter Cry - ſtall. Sibbald. Lib. cit. pag. 50. Fluores purpureo colore diluti; Pur - purbraune Flüſſe / in Worm. Muſeo. pag. 101. Braune Cryſtall. Stumpf. Chron. Helvet. Lib. IX. cap. 13. Ja auch gehoͤret hieher Alaban - dicus Lapis Aldrovandi, cui color ex ruffo nigricat, quive perſpicuus eſt ad inſtar Ignis; als der von Farb ſchwarzroht / und durchſchei - nend iſt. Faſt mit gleichen Worten beſchreibet diſen Stein Barbarus Lib. V. Color Alabandico ſub nigrat ex ruffo, perſpicuus eſt ut Ignis, & quibusdam quaſi rimulis, veniſve dehiſcit, capillos albos attritos inſicit, mit dem beyfuͤgen / daß er in gewiſſe Aderen zertheilt ſeye / und die weiſſen Haarfaͤrbe / welche Eigenſchaften aber nicht zu dem Weſen des Alabandici gehoͤren. Ob aber unter gegenwertigen Titul komme der Ala - bandicus Plinii Hiſt. Nat. Lib. XXXVI. cap. 8. Niger ille Terræ ſuæ no - mine, quanquam & Mileti naſcens, ad purpuram tamen magis aſpectu declinante, qui liquatut Igni, & funditur ad uſum vitri, welcher zwar ſchwarzbraun / aber vom Feuer ſich ſchmelzen laſſet / und zum Glaßmachen dienlich / zweifle ich noch. Und reimet ſich / meines Bedun - kens / noch weniger zu unſeren Braunen Cryſtallen der jenige Alabandicus, deſſen unter den Carfunklen (Carbunculis) gedenket Plinius Lib. XXXVII. cap. 7. Daß er ſchwaͤrzer ſeye als andere Carfunkel / und rauh. Cæ - teris nigriorem eſſe, Scabrumque. Dann der von allen Steinbeſchreiberen unter die Edelſteine gezellet wird / als B. de Boot. Lib. II. cap. 27. &c. Eher wollen wir auß dem gelehrten Alterthum hieher ſetzen Morion, und Pram - nion, einen Stein / deſſen Plinius meldung tuht Lib. XXXVII cap. 10 Mo - rion Indica, quæ nigerrimo colore translucet vocatur Pramnion; in qua miſcetur & Carbunculi colos, Alexandrinum; ubi Sardæ, Cyprium. Na - ſcitur & in Tyro, & in Galatia. Xenocrates & ſub Alpibus naſci tradit. Das iſt: Der Jndianiſche Stein Morion, ſonſt auch Pramnion ge - nant / iſt ſchwarz durchſichtig; etwann miſchet ſich ein die rohte Farb des Carfunkels / als in dem Alexandriniſchen: etwann des Sarders / als in dem Cypriſchen. Man findet ihn auch zu Tyro / und in Galatia; und nach dem Bericht Xenocratis in den Alpen. Es ſtimmet uͤberein die Farb / und das Geburt Ohrt. Jnunſeren(59)[59]unſeren hohen Alpen iſt diſer Stein zimlich gemein / und von denen Cry - ſtallhaͤndleren gering geachtet / ob ſie gleich groß / und durchſichtig ſeyn / weß - wegen ohnlaͤngſt ein Cryſtallerfahrner Kauffmann in Wallis nachgeſin - net / wie er ſolchen Cryſtallen ihre Farb koͤnne benemmen / und unter ande - rem zwar durch lange einbeitzung in den Miſt / aber ohne erwuͤnſchten Er - folg. Hette Plinius ſeiner Beſchreibung noch zugeſezt die ſechseckichte Figur / ſo koͤnte niemand den geringſten Zweifel haben / daß ſein Morion ſeye unſer Braune Cryſtall. Und aber auch diſen Scrupel benimmet uns der trefflich erfahrne Agricola de Natura Foſſil. Lib. VI. pag 481. allwo er Morion, und Pramnion den Flüſſen zu rechnet / von denen bekant / daß ſie gemein - lich ſechseckicht ſeyn / und unter die Cryſtall gehoͤren. Agricolæ underſchrei - bet Geſſner. Fig Lap. pag. 28. Ein mehrers hiervon zu ſchreiben laſſet die Enge des Ohrts nicht zu. Jch ſchreite hiemit auß der Finſterheit des Alter - thums fort zu anderen anderſt gefarbten Cryſtallen / nach deme zuvor an - gezeiget habe / daß in meinem Beſitz ſtehen bald alle Grad der Braunen / von der ſchwarzdunklen Farb bis auf eine heitere / die wir bey den Weinen die Schiller farb nennen / welche nur etwas zicket auf Braunroht. Es verwun - dere ſich der geehrte Leſer nicht / wann mich in außtrukung der Farben der - gleichnuß des Weins bediene: Dann ſelbs der groſſe Plinius / deſſen Nam̃ unſterblich / unſeren Braunen Cryſtall geheiſſen Pramnion von der Farb des Weins / welchen unter diſem Nammen Prammi, πράμνειος οἶνος, ruͤh - met Homerus.
Folget Cryſtallus citrina Topazii fere Orientalis æmula; der Citro - nen gelbe / einem Orientaliſchen Topaſier gleichende / Cryſtall. Velſch. Hecatoſt. I. pag. 55. Criſtallo di color giallo al Topazzo & Ambra non inferiore. Ein gelber Cryſtall gleich einem Topaſier / oder Bernſtein. Septal. Muſ. pag. 47. Pſeudo-Topazius, falſcher Topa - ſier. B. de Boot. Lib. II. pag. 219. Cryſtallus colore quaſi electrino; ein Agdſtein farber Cryſtall. Luid. Lithoph. n. 72. Iris minima Bri - ſtolienſis, coloris Hyacinthini, ferri mineræ coacervatim adnaſcens. Ein kleiner Hyacinthen-gelber Cryſtallfluß / auf einem Eiſen-Erz aufgewachſen. Id. n. 20. Iris ſub citrina, Italis & Gallis Citrino vocata. Ein gelber Iris, wird von den Jtalieneren / und Franzofen Ci - trin genennet. B. de Boot. l. c. Iris altera minùs candidi, quàm Cry - ſtallus, coloris, quæ luci obverſa luteo Citri colore fulget, atque ob id à Gemmariis Citrina, Citrin nominatur, Ein gelb durchſichtiger Edler Stein / welchen die Jubilierer Citrin heiſſen. De Laet. Lapid. p. 58. Agricol. Lib. VI. de Nat. Foſſil. Cryſtallus Cittina. Ein Zitronen gelber Cryſtall. Cardan. Subtil. Lib. VII. pag. 362. Cryſtallus Citricolore(60)[60]colore fulgens, Cryſtallo minùs eſt candida, minusq́ue ſplendens, magis tamen ſpiſſos ejaculatur colores. Citrium Gemmariorum, Topazium Bœmt - cum nonnullorum. Ein Citrin / oder Boͤhmiſcher Topaſier. Calccolar. Muſ. pag. 200. Endlich findet ſich in dem gelehrten Alterthum Iris ceræ ſimilis (andere leſen cætera ſimilis) & prædura, Ein Wachsgelber / harter Stein Iris genant. Plin. Hiſt. Nat. Lib. 37. cap. 9. Es gibt ſonderlich zweyerley Gattungen diſes Steins / dann eintweder iſt die gelbe Farb nur zu ſehen auf der auſſeren Flaͤche / oder ſie tringet in den Stein hinein / und machet ihn dann zu einem falſchen / oder Boͤhmiſchen Topaſier / oder Hya - cinth; und uͤber diß gibet es allerhand Grad / oder Abſatze / diſer gelben Farb.
Sonſten gewahre bey Anlas diſes Iridis Citrinæ, daß die erſte Gat - tung Iridis (Regenbogen Steins) bey Plinio l. c. welche / ſo ſie gegen der Sonne gehalten wird / die Regenbogen Farben / zu groſſer Verwunderung der Zuſeheren / an die Wand wirffet / quæ ſub tecto percuſſa Sole ſpecies & colores arquus cœleſtis in proximos parietes ejaculetur, ſubinde mutans, magnaq́ue varietate admirationem ſui augens, eigentlich nicht eine beſondere Art Cryſtallen iſt / ſondern eine Be - gebenheit vorſtellet / welche bey allen gleichwinklichten Cryſtallen anzutref - fen: geſtalten keiner anderen Urſach / als der Winklen verſchiedenheit zu zuſchreiben / daß einiche Cryſtallen ihre Regenbogen Farben an die naͤchſte Wand werffen / andere die einfallende Liecht-Stralen zertrennen / andere aber nur einen hellen Schein / ohne Farben / an der Wand zeigen / aliæ ra - dios in ſe cadentes diſcutiant, aliæ ante ſe projecto nitore adjacentia il - luſtrent, nach dem Außſpruch Plinii l. c.
Folget der Violbraune / oder Amethiſtenfarbe Cryſtall / Cry - ſtallus Amethyſtina Velſch Hec. I. pag. 55. Cardan. Subt. Lib. VII. p. 362. Fluor Amethyſtinus, Amethiſtenfarber Fluß. Luid. Lithoph. n. 28. Criſtallo di colore natural mente vinato; ein Weinfarbichter Cry - ſtall. Septal. Muſ. pag. 47. ſo auch Cryſtallus non admodùm pelluci - da, in cujus Cacumine color purpureus, Amethyſtum Gemmam referens viſitur: Ein Cryſtall / deſſen Spitze Purpurfarb gleich einem Amethiſten. Calceol. Muſ pag. 199. Hieher gehoͤret / meines erachtens / die fünfte Amethiſten Art / ſo einem Cryſtall nahe komt / auß Mangel genugſamer Purpurfarb. Amethyſti quintum genus, ad viciniam Cryſtalli deſcendens, albicante Purpuræ defectu. Plin. l. c. deme folgende Nammen beylege. &c.
AMethyſti violaceo quidem colore tincti exactè, ſed pauco, ita ut planè transparentes ſint, qui ut cæteris molliores, ita etiam viliores ſunt, durchſichtig weiche / bleichfarbige Amethyſten. B. de Boot. Lib. II. cap. 32. Amethyſtus, quæ ad formam Cryſtalli deſcendit. Ein ge - ringer weiſſer Amethyſt. Kentman. Foſſil. pag. 48. Amethyſtus pal - leſcens; bleicher / bleichfarbiger Amethyſt. Spener. Muſ. pag. 120. Amethyſtus Cryſtallinus. Ein Amethyſten Cryſtall. Id. l. c.
Hoͤher gefarbet iſt der Sapphir blaue Cryſtall / Cryſtallus co - lore Sapphirum referens, Pſeudo Sapphirus. B. de Boot. Lib. II. pag. 219. Cryſtallus coerulea. Cardan. Subtil. L. VII. pag. 362. Miniera di Cri - ſtallo violaceo, Violbrauner Cryſtall. Septal. Muſ. pag. 49. Cry - ſtallus colore coeruleo diluto ex Btaſilia, de Laet. pag. 58.
Bey diſem Anlas / da von denen verſchiedenlich gefarbten Cryſtallen handle / gewahre der geehrte Leſer / daß auch die Edelgeſteine auf gleiche Weiſe gezeuget werden / wie die Cryſtallen / gemeinlich gleiche Geſtalt haben / von gleicher Materi gefaͤrbt werden / und eigentlich nichts anders ſeyn / als harte Cryſtallen / gleich wie die Cryſtallen mit Recht koͤnnen betitlet werden weiche Edelſteine / und jene / namlich die wahren Edelgeſteine einen hoͤheren Grad der feſtigkeit / und enger Zuſamenhaltung aller Theilen haben / als diſe. Es ſol dann niemand froͤmd vorkommen / wann vorhabende Cryſtall-Materi erklaͤre durch die ihnen verwandte Edelgeſteine / und bereits eingefuͤhrt habe die geringeren / oder falſchen Amethyſten / Sapphir / Topaſier / ꝛc.
Nahe zu dem Rubin kommet der rohte Cryſtall / Ctyſtallum rub - rum Sibbald. l. c. zu welchem muͤſſen gerechnet werden Fluores rubri Car - bunculis ſimiles, ſed languidiùs fulgentes. Bleichrohte Flüſſe. Worm. Muſ. pag. 101. von welchen aber wol zu unterſcheiden die jenigen Rubin - rohten Flüſſe / welche durch Mittel des Feuers auß dem Glaß gemachet werden / Criſtallo da Chimico Fuoco reſo, come un fiammeg - giante Rubino Septal. Muſ. pag. 57. Jn unſeren Schweizeriſchen Alpge - birgen finden ſich etwann / aber ſehr ſelten / rohte Cryſtallflüſſe / dergleichen ich auch zur Hand gebracht / die aber in mehrerem nachſehen eher zugehoͤrendenen(62)[62]denen ſo genanten Selenitis, oder Specularibus Rhomboidalibus, viereckich - ten Fraueneis Flüſſen / welche in Puͤndtneriſchen Landen gehalten werden vor eine Cryſtallmuter.
Denen Smaragden iſt verwandt der Gruͤne Cryſtall / Cryſtallus viridis Cardan. Subt. Lib. VII. pag. 362. Cryſtallus colore viridi Smarag - dum réſerens, Pſeudoſmaragdus. Eingruͤner Cryſtall / oder falſche Smaragd. B. de Boot. Lib. II. pag 219. Vor einichen Jahren habe geſehen ſehr ſchoͤne gruͤne Cryſtallflüſſe / auß den Berneriſchen an Walliß graͤnzenden Gebirgen / welche / weil ſie an Geſtalt wuͤrfflicht waren / widerum eher zurechne denen vorgenanten Specularibus, welche mich dunken ſein der wahre Androdamas Plinii.
Wo die gruͤnfaͤrbende Materi nicht voͤllig durch den ganzen Stein gelangen mag / da komt herauß ein halbgrüner / und halbweiſſer Cry - ſtall / Cryſtallus dimidiâ parte alba, dimidiâ viridis Joſephi Acoſtæ. Ein Stein / deſſen halbe Theil ein Smaragd / der ander halbe Theil ein Cryſtall. Criſtallo, di cui parte e Smeraldo, di perfetto colore, e parte e Criſtallo. Septal. Muſ. pag. 57.
Endlich kommet der Gruͤnblaue Cryſtall / der einem Beryll aͤhnlich iſt. Cryſtallus Beryllum referens, Pſeudo Beryllus. B de Boot. Lib. II. p. 219.
Auß bisherigem iſt zu erſehen / daß zu weilen unter die Cryſtallen rechne die Flüſſe / welche alſo genennet werden vom flieſſen / weilen ſie in ſtarkem Feuer flieſſen / und auch ſelbs die Metall durch ihre Untermiſchung deſto geſchwinder in Fluß bringen. Man findet ſie gemeinlich in Erzbergwerken / da ſie auch von allerhand Metalliſchen Duͤnſten mit verſchiedenen Farben tingirt werden. Sie ſein von den Cryſtallen anderſt nicht underſcheiden / als in anſehung der Haͤrte. Alſo daß ſich in dreyen verſchiedenen Abſaͤtzen ſtellen laſſen erſtlich die Edelgeſtein / als die haͤrteſten Fluͤſſe / hernach die Cryſtall / und drittens die ſo genante Fluͤſſe / oder Berg-Cryſtall.
Jch ſchreite fort zu betrachtung der Figur / oder Geſtalt / welche die Cry - ſtallen haben. Und ſihe vor mir ein ſehr weites Feld / welches zu durchlauffen ich weder Zeit noch Athem hette / wann mich abſonderlich wolte aufhal - ten bey zellung ſo viler verſchiedener Winklen / welche etwann die zuſamen - gewachſene Cryſtallen machen. Werde deßwegen / damit nicht in einem Labyrinth verirꝛe / achtung geben auf die vornemſten Verſchiedenheiten der Cryſtallen in Anſehung der Figur / und um beſſerer Ordnung willen anfahen nicht ſo faſt von dem kuglichtrunden Cryſtall / auß welchem etwann falſche Diamanten verfertiget werden / Cryſtallo figurâ rotundâ & glo - bosâ, qui pro Pſeudo adamante habetur B. de Boot. Lib. II. pag. 219. mitvorbe -(63)[63]vorbehaltung aller Rechten / und Vortheilen / welche die runde Figur hat vor allen anderen / ſondern von der Sechseckichten / mit welcher die Cryſtallen gemeinlich begabet ſeyn / und zwaren mit Stenone Prodr. Diſſ. de Solido intra Solidum pag. 57. einen ganzen oder vollkommen geſtalteten Cryſtall anſehen / als einen Stein / der zuſamengeſezt auß zweyen entgegen ſtehenden ſechseckichten Pyramiden, oder Spitzen / und einer auch ſechseckichten Mittel - Saul / mit durchgehend gleichen Winklen / und Flaͤchen. Wer ein wenig in die Mathematiſche Wiſſenſchaften hineingeſehen / der kan ſich ganz wol finden in jezt folgende umſtaͤndtlichere Beſchreibung des Stenonis ſelbs / deme meine eigene Wort untermiſche / Cryſtallus, ſagt er / componirur ex duabus Pyramidibus Hexagonis, a b c d e, f g h i k, & columnâ intermediâ itidem hexagonâ, b c d e i h g f, æqualibus prædita angulis ſolidis extre - mis, qui ſcilicet vertices Pyramidum conſtituunt, ſed & angulis ſolidis in - termediis, qui in Pyramidum cum columna unione conſtituuntur, æqua - libus porrò planis Pyramidum, bac, cad, &c. ſeu extremis, & columnæ planis, ſeu intermediis, b c g f, c d g h, cujus tandem planum baſeos α β γ δ ε ζ, eſt Sectio perpendicularis ad omnia plana intermedia, & planum Axis a q r k t u a eſt Sectio compoſita ex Triangulo æquilatero in Pyramide, & Parallelogrammo, per cujus medium deſcendit Axis Co - lumnæ. Zu beſſerer Erlauterung ſtelle in Fig I. vor einen ſolchen voll - kommenen Sechseckichten Cryſtall / und richte nach diſem Model jezt folgen - de Beſchreibung ein.
Erſtlich dann ſtellet ſich dar der Sechseckichte / an beyden En - den zugeſpizte Cryſtall / der wirklich vorgebildet wird in Fig. I. deſſen Zunammen / welche zur vernuͤgung der Liebhaberen beyzuſetzen fortfahre / ſein folgende. Cryſtallus utrinque acuta ἀμφήκης. Velſch. Hecatoſt. I. pag. 54. Cryſtallus utrinque ex æquo mucronata. Ein beyderſeits gleich zu - geſpizter Cryſtall. Geſſner. Fig. Lapid. pag. 18. b. Cryſtallo da en - trambe le parti appuntato. Septal. Muſ. p 49. Cryſtallus utrinque in api - cem terminata Worm. Muſ. pag 100. Ingemmamenti Cryſtallini, ap - puntati in ambe le parti. Imperat. Hiſt. Nat. pag 644. Es ſein diſere Art Cryſtallen in auſehung des Ohrts ihrer Zeugung wol zu unterſcheiden von denen jenigen / welche der einten Spitze manglen / und an den Felſen ſelbs an - ſitzen / weilen die erſtere bey ihrer Cryſtalliſation, oder Geſtaltung / abgeleget worden in eine welche Erde oder Sand / wie man ſie auch noch daſelbſt / oder in Stratis terreis, findet / diſe aber haben ſich angeſchoſſen an ein hartes Ge - bürge / und da ihre einte Spitze abgeſtoſſen. Ein mehrers kan nach geſehen werden in Woodvvardi Geograph. Phyſ. pag. 147.
Jn denen jenigen Cryſtallen / deren einte Spitze abgeſtoſſen / oder indem(64)[64]dem Felſen ſelbs eingeſenket iſt / kommet die Wurzel mehrmahl dunkel / oder ſonſt undurchſichtig / Milch weiß / herauß. Dahin dann zu zeuhen Cryſtallus ἀνισόεδρος baſi lactea. Velſch. l. c. Cryſtallus aniſogona baſi lactea. Id. pag. 55. Cryſtallus, cujus radix, ſeu baſis albicat. Geſſner. Fig. Lap. pag. 19.
Jch ſchreite fort zu denen Verſchiedenheiten der Flaͤchen / und Wink - len. Es kommen aber der Ordnung nach folgende auf die Schaubuͤhne.
Cryſtallus, cujus bina tantùm latera lata ſunt, quaterna ſtricta, quod - que verò latus ſtrictum eſt è regione ſtricto, quodq́ue latum, lato. Ein Cryſtall / deſſen zwey Flaͤchen breit / vier aber ſchmal ſeyn / und alſo zwar / daß je die ſchmale Flaͤche entgegen ſtehet der ſchma - len / und die breite der breiten. Geſſner. Figur. Lapid pag. 18.
Cryſtallus, cujus latera quaterna lata, bina ſtricta, quodque verò la - tus ſtrictum eſt è regione ſtricto, quodque latum lato. Ein Cryſtall mit vier breiten / und zweyen ſchmalen Flaͤchen / deren je die ſchmale entgegen ſtehet der ſchmalen / und die breite auch ihres gleichen. Geſſner. l. c.
Cryſtallus, in cujus mucrone latus ſtrictum non eſt adverſum ſtricto, ſed latum eſt contrarium ſtricto. Ein Cryſtall / in deſſen Spitze je die breite Flaͤche entgegen ſtehet der ſchmalen. Geſſn. l. c.
Cryſtallus, cujus plana intermedia majora ſunt. Ein Cryſtall / deſſen mittel Flaͤchen groͤſſer ſeyn / als die Flaͤchen der Pyramide, oder Spitze. Steno Prodr. Diſſ. pag. 60.
Cryſtallus, cujus plana intermedia minora ſunt. Ein Cryſtall / deſſen Mittelflaͤchen klein zurechnen gegen denen Flaͤchen der Spitze. Steno l. c. Cryſtallus, cui magnus eſt mucro, corpus exiguum, Geſſner. l. c. So ſein inſonderheit geſtaltet die Walliſſer Cryſtallen.
Cryſtallus, cujus plana intermedia omninò deſiderantur. Ein Cry - ſtall / der beyderſeits zu geſpizt iſt / und keinen Mittel-Leib hat. Steno. l. c.
Cryſtallus, cujus plana intermedia non ſunt parallela, ſed columnam mediam in Pyramidis truncatæ modum efformant. Ein Cryſtall / deſſen mittlere Flaͤchen nicht gleich / ſondern gegen der Spitzen haldende zulauf - fen. Dergleichen gibt es ſonderlich in dem Land Walliß.
Cryſtallus, cujus Axis Pyramidum non conſtituit eandem rectam cum Axi Columnæ. Ein Cryſtall / deſſen Spitze nicht gerad ſtehet / auf dem mittleren Leib. Steno. l. c. &c.
P. S. Hierbey iſt zu haben die erſte Tafel von den Cryſtallen. a 2. ß.
CRyſtallus, in cujus planis oriuntur inæqualitates Scalarum Gradibus ſimiles. Ein Cryſtall / deſſen Flaͤchen in underſchiedliche Abſaͤtze abgetheilt / alſo daß je eine kleine Flaͤche über der anderen ſtehet / gleich denen Stiege-Tritten. Steno. l. c. Diſe Art heiſſen unſere Cryſtallhaͤndler geſtraalte Cryſtall. Fig. II.
Cryſtallus, cujus planum communiter dictum multis in locis non pla - num, ſed gibbum conſpicitur. Ein Cryſtall mit außgebogenen Flaͤchen. Steno. l. c.
Cryſtallus compreſſior mucrone ſeſſili. Ex Rhombis mucronalibus unus ad extremum adeò latus eſt, & ſeſſilis, ut eidem innixus Lapis im - mobilis ſubſtet. Ein Cryſtall / deſſen Spitze alſo nider / oder ein - getrukt / daß auf einer ſeiner Flaͤchen der Leib aufrecht geſtellt werden kan. Luid. Lithoph. Britt. n. 6.
Cryſtallus triangularis. Dreyeckichter Cryſtall. Jacob. Muſ. Reg. Dan pag. 37. Fluor triquetrus. Dreyeckichter Fluß. Luid. Li - thoph. n. 22. 33. 34. Miniera di Criſtalli a maſſa minerale di Piombo con - giunti, e in punte triangolari terminanti, nel cui centro ſcuopreſi il Piom - bo minerale in figura ancor eſſo triangolare. Dreyeckichte Cryſtall-Flüſſe auf gleich geſtaltetem Bley-Ertz angewachſen. Septal. Muſ. pag. 48. Alſo ſein geſtaltet jene Flüſſe / welche ſich finden hinter der Bretthal Muͤlli an einem Felſen / ohngefehr eine Stund von Altorff / im Nürnbergi - ſchen: ſo auch jene dem Zucker Candel gleiche Flüſſe / welche ſich finden in dem Steinbruch ob Oeningen / in Biſchoff-Conſtanziſchem Ge - biet / deren Beſchreibung und Abriß zu finden in meinem Specim. Lithogr. Helv. pag. 29. unter folgendem Titul: Fluor Cryſtallinus trigonus, ſtriis lateribus Pyramidis cujusque Parallelis pulchrè notatus Hieher moͤgen auch gehoͤren Fluor triquetrus inſtar fructus periclymeni coacervatus, per mediam longitudinem foramine inſignitus. Luid. Lithoph. n 34. ſo auch Fluor triquetrus omnium minimus, luteum Saccharum nonnihil referens. Id. n. 36.
Maſſa de Criſtalli non gia nella figura heſſagoni, come gli altri, ma pani. Flache / nicht ſechseckichte Cryſtall. Septal. Muſ. pag 49. Fig. 66Fig. III. iſt vorgeſtellet ein ſolcher platter Cryſtall auß unſeren Gebirgen / an deſſen Enden zu ſehen die Flaͤchen ſo wol der Spitze / als des mittleren Leibs / aber ſehr klein / oder ſchmal.
Maſſa Cryſtalli absque cuſpidibus, cujus Scil. Cryſtalli juxta invicem adſurgentes ſunt Hexagonæ planis Pyramidalibus tribus depreſſis iiſq́ue pentagonis terminatæ. Sechseckichte Cryſtallen / deren eingetruk - te Spitzen auß drey fünfeckichten Flaͤchen beſtehen. Es liget diſe Cryſtall-Stuffe auf der Burger Bibliothec zu Zuͤrich. Fig. IV.
Cryſtallus utrinque acuta, cujus columna ſex quidem cingitur lateri - bus, Pyramis etiam una totidem, altera tria tantùm habet plana. Ein ſechseckichter Cryſtall / deſſen einte Spitze auch beſtehet auß ſechs / die andere aber auß fünf / Flaͤchen. Hotting. Diſſ. de Cry - ſtall. pag. 5. Sihe Fig. V.
Jn Velſchii Hecatoſtea I. pag. 54. und darzu gehoͤriger Tafel / werden vorgeſtellet
Kurz zu reden; 5 — 7 — 8 — 9 — 10 — 11 — 12 — 15 — 16 — 17 ſeitige Cry - ſtall. Es kommen mir aber diſe alle fuͤr als unnoͤhtig / und uͤberfluͤſſig / und zweiffels ohne auch anderen / welche obgedachten Hrn. Velſchii Tafel anſe - hen werden / und anbey in der Cryſtallen Wiſſenſchaft wol geuͤbet ſeyn. Wer die Seiten und Ecke wolte abzellen nach allen Verſchiedenheiten der Cryſtallen / wie etwann 2. 3. oder mehr zuſamen wachſen / der koͤnte noch vil 100. oder 1000. Gattungen machen / welche aber ſich reimen wurden nicht nur wie das fuͤnfte / ſondern wie das hunderteſte / oder tauſendeſte Rad an einem Wagen.
Alſo auch gehoͤren nicht hieher jene in vil Seiten durch Kunſt abge - ſchliffene Cryſtall / welche die Optici verfertigen. Einen ſolchen heiſſet Geſſn, de Fig. Lap. pag. 18. Cryſtallum Pangonium, cui artificis manus Angulos 12. addidit. welcher aber wol zu unterſcheiden von dem Pangonio Laetii p. 58. quem Natura in plures, quàm 6. Angulos formavit.
Cry -67Cryſtallus magna & perfecta, cui adnaſcuntur plures parvæ & imper - fectæ, acquaſi dimidiatæ, quibsu triangula latera videntur eſſe, cùm alioqui Cryſtallis ſexangula ſint. Geſſner. de Fig, Lap. pag. 17. b. Ein groſſer vollkommen geſtalteter Cryſtall / auß welchem hervor ſtehen vil kleine / dreyſeitige / nur halbe Cryſtalle. Es geſchihet namlich / daß in waͤhrendem anſchieſſen der Cryſtallen einiche kleine in einen groſſen ſich / ehe der ſich feſtnet / einverleiben / und dann mit einem theil ihres einge - ſenkten Leibs hervor ragen; worauß dann entſtehen koͤnnen unzehlich vil Verſchiedenheiten / ſo vil namlich / als auf vilfaͤltige Weiſe ein oder vil Cry - ſtallen auf einen anderen fallen / und in diſen ſich einſenken koͤnnen; welche Zahl denen außzurechnen uͤbergibe / welche mit der Arte combinatoria ſich beluſtigen. Alſo ſein entſtanden nicht nur obige Velſchianiſche Cryſtall - Geburten / ſondern auch ſein Cryſtallus diſtalagmias bicornis; digona ap - pendice irregulari; diphyes cardioides; δίκερως, &c. Dahin auch kan ge - zellet werden jener Engliſche Demant / welcher in einen anderen alſo eingewachſen / daß man ihn auß der Hoͤle / welche er in waͤhrendem einſinken gemachet hat / herauß nemmen koͤnnen nach belieben. Adamas Cornubienſis minor majori ita inſertus, ut ſepa - ratione facta remanſerit in majore cavitas, quæ concinnè ſeſe ad minorem adaptabat. Boyl. de Gemmar. Orig. & virtut. p. m. 24.
Jch ſchlieſſe gleichfahls auß unſerer vorhabenden Ordnung auß alle die jenigen ſonſt ſechseckichten Cryſtall / und Flüſſe / welche durch ihre zuſa - menwachſung / oder fuͤgung allerhand Kunſt - oder Natur-Coͤrper vorbil - den / als eine Roſe / Kroͤte / Kroͤpfe / ꝛc. wie da ſein Cryſtalli parvæ ſimul naſcentes, Choeradum, ſeu Strumarum inſtar, magnitudine inæquales. Geſſner. Fig. Lap. pag. 19. Cryſtallus ἀνρο〈…〉〈…〉 ὴς, quæ virile membrum re - præſentat. Velſch. l. c.
Eine beſondere Betrachtung verdienen die jenigen Cryſtall / deren Flaͤ - chen nicht glatt / ſondern mit unzehlich vilen kleinen Cryſtallen (Cryſtallulis) beſetzet ſeyn. Bey mir findet ſich ein groſſes von einem ganzen ſechseckichten Cryſtallen abgebrochenes Stuck / welches an allen ſeinen Seiten jeztbeſagter maſſen Cryſtalliſirt iſt. Wann diſer Begegniß nachdenke / ſo finde anders nichts / als daß diſeres Stuͤck von dem groſſen Cryſtall / an dem es nicht wol haften koͤnnen / nach geſchehener anſchieſſung / unter dem erſten Grad der Feſtigkeit / ſich abgebrochen / und durch einſchrumpfung ſeiner Flaͤchen rings umher Cryſtalliſirt hat.
Jn einem Cryſtall Cabinet ſtehen ſonderlich wol die mit ſeltſamen Din - gen beſchwaͤngerte Cryſtallen. Als namlich
Cryſtallus, in qua aculeus Erinacei incluſus coaluit. Ein Cryſtall /in68in welchem ein Jgelfeder eingeſchloſſen ſcheinet. Velſch. Heca - toſt. I. pag. 55. Criſtallo di peli e macchie nere ripieno. Ein mit ſchwar - zen Haaren / und Flecken / angefüllter Cryſtall. Septal. Muſ. pag. 46. Criſtallo, in cui ſi veggono peli neri e groſſi, come di coda di ca - vallo. Ein Cryſtall / in welchem zu ſehen ſchwarze Züge / gleich dem Roßhaar. Id. I. c. Criſtallo carico di peli neri, in cui ſi dilungano certi canaletti, come di vetro, o ſmalto nero. Id. p. 48. Cryſtallus echino - phora. A culeos iſtos in medio Lapide à communi centro undiquaque ſpar - ſos Echinum dicimus. Luid Lithoph. Britt. n. 15. Cryſtallus, in quo Antimo - nium Cryſtalliſatum. Ein mit Cryſtalliſirtem Spießglaß beſchwaͤn - gerter Cryſtall. Hotting. Diſſ. de Criſtall. pag. 8. Es ſtellet diſe Natur hier in Fig. VI. vor ein ſeltſame Begegniß. Dann lieber / wie komt ein Jgelfede - ren / oder ſchwarzes Haar / oder ſchwarz geſchmelzte Glaßſtengel in mitten eines harten Cryſtallen? Wirket irgendwo die Natur Wunder / ſo iſt es hier. Aber auch / wann irgendwo die Augen unſer Gemuͤht betriegen / ſo ge - ſchihet es hier / und bey naͤchſtfolgenden Cryſtallen / da einer ſchweeren ſolte / er ſehe Haar / Graß / und dergleichen / da aber in der Taht nichts von ſolchen Dingen verhanden. Jn dem Agdſtein zeigen ſich Fliegen / Ameiſſen / Spin - nen / die Augen hinderbringen diſe Seltenheit dem Gemuͤht / diſe nimmet es vor bekant an / urtheilet / daß wirklich in ſo hartem Gummiſtein ſolche Thier - lein enthalten / und iſt nur bekuͤmmeret um das / wie ſolche froͤmde Gaͤſte in den Bornſtein gekommen. Da aber betriegen ſich nicht die Augen / und auch nicht die gedenkende Seel / weil endlich nach langem Nachſinnen / und diſpu - tieren die Streitfrag dahin eroͤrteret wird / daß wirklich das Ungeziefer ſich in die Materi des Agdſteins / da ſie noch weich / einwikle / und aber in diſem ihrem koſtlichen Grab verbalſamiert beſtaͤndig bleibe. Es iſt auch ſothane Begebenheit nicht ohnſchwer zu faſſen / nach dem man durch fleiſſige / an der Oſt-See gemachte / underſuchungen in Erfahrung gebracht / daß der Agd - ſtein gezeuget in der Erde / von dannen abgeſpuͤlt / und weggefuͤhrt werde durch die Meereswellen / welche diſen ihren Raub widerum außwerffen an das Geſtad / hiemit ihrem erſten / und rechtmaͤſſigen Beſitzer wider zu ſtellen. Mit unſeren Cryſtallen aber hat es eine ganz andere Bewandtniß. Man findet ſtachlichte Jgelfederen / Haar / und Graß an ſolchen Ohrten / in ver - ſchloſſenen Felßgehalteren / und in ſolchen Coͤrperen / da ſie niemahlen gewe - ſen / und auch nicht haben koͤnnen hinkommen / auſſer durch uͤbernatuͤrliche Kraft. Hieruͤber wil nun meine Gedanken eroͤffnen / und verhoffentlich die verworꝛene Knoten diſes Natur-Geheimnuß gluͤklich aufloͤſen / zu jeder - mans Vernuͤgen. ꝛc.
P. S. Die zweyte Tafelvon Cryſtallen iſt hierbey zu haben a z. ß.
MEine Meinung gehet kurz dahin / daß diſere in der Natur verkleidet - ſpilende Comedianten / wann ſie entkleidet werden / anders nichts ſeyen / als gefarbete Mineraliſche / oder Erden-Saͤfte / welche in waͤhrender Zeugung / oder Anſchieſſung der Cryſtallen ſich in dieſelbe einſen - ken / und zu gleich mit denen feſtnen / oder erharten. Jn diſer meiner Mei - nung / die ich von laͤngſt hatte / bin ſonderlich beſteiffet worden / als den Gott - hard Berg abſtiege ins Livinerthal / da kame mir vor eine ſeltſame Art weiß - grauer Felſen / welche durch und durch bezeichnet ſein mit kohlſchwarzen Strichen / welches eben die jenige ſeyn / ſo in mitten der jezt vorhabenden Cryſtallen zu ſehen ſeyn / und anfaͤnglich ein fluͤſſige Materi geweſen / ehe ſie erhartet worden. Diſe Art Stein habe um mehrer Erlaͤuterung willen vor - ſtellen wollen in Fig. VII. und uͤber diß noch anzeigen / daß ſothaner ſchwar - zer Mineral Saft nicht allezeit in lange Streimen / oder Faͤden / ſich auß - dehnet / ſondern etwann in eine runde Maſſam zuſamen rinnt / und alsdann herauß komt Cryſtallo, nel mezzo di cui vedeſi una Macchia nera, come foſſe Carbone circondato di tras parente Ghiaccio. Boccone Muſeo di Fiſica. pag. 177.
Gleich in jeztgedachtem Cryſtall dem Geſicht vorkommet eine ſchwarze mit Cryſtall-Eis umlegte Kohle / alſo kan ein rohter Mineral-Saft in einem Cryſtall vorſtellen rohte Blut-Aderen / als in Cryſtallo, in qua venæ Cruen - tæ conſpicuæ. Velſch. Hecatoſt. l. c.
Jſt der Mineral-Fluß / wie oben ſchon angezeiget worden / gruͤnfarbig / als beſtehend in einem ſubtilen Berggruͤn / ſo kommet auf dem Schauplatz der Natur ein Wunder / welches ſo wol der Schoͤnheit / als Seltſamkeit hal - ben von der curioſen Welt mit hoͤchſter verwunderung angeſehen wird. Ein Cryſtall / in deme zuſehen grünes Graß. Cryſtallus, in qua Gramen viridiſſimum. Velſch. l. c. Cryſtallo continente in ſe verdeggian - tiſſima Herbetta. Septal. Muſ. pag 46. Criſtallo, in cui ſottiliſſima herba riſtretta ſivedde. Id. l. c. Criſtallo ſi naturalmente herboſo, che rappre - ſenta una boſchina. Ein Cryſtall / der einen ganzen Graßboͤſchen vorſteller. Id. l. c. Criſtallo pieno di verdeggianti herbette. Id. p. 49. Cryſtallum, in cujus latiori parte muſcoſum quiddam apparet. EinCry -70Cryſtall / in deme etwas von Mooß zu ſehen. Sibbald. Hiſt. Nat. Scot. l c. Moß included in a piece of Criſtal. Ray Topographic. Obſer - vat. pag. 237.
Jſt das Berggruͤn bleichfarbig geweſen / wie dann allerhand Arten von diſem Mineral ſeyn / ſo ſtellet es vor nicht ſo faſt ein friſches gruͤnes Graß / als aber ein gedoͤrꝛtes Heu. Cryſtallus, in qua jam reſiccatum Foenum. Velſch. l. c.
Etwann aber zeuhet ſich der gruͤne Berg-Saft nicht auß in lange dün - ne Haaͤrlein / Graͤßlein / ſondern ſamlet ſich in einen Klumpen / und kommet dannzumahl herauß ein in Cryſtall eingeſchloſſener Smaragd. Cryſtallo, nel cui centro verdeggia ſi mirabilmente non ſò qualcoſa con - ſimile al veluto, che un vero Smeraldo raſſembra. Septal. Muſ. p. 47.
Ein Cryſtall / in deme die Natur ſelbs vorgebildet hat einen Faden / oder einen Spalt / Cryſtallus, in qua Capillamentum rimæ ſimile. Plin. Hiſt. Nat. Lib. 37. c. 2. iſt wol zu unterſcheiden von denen jenigen / welche ihre Spaͤlte bekommen von ſtarken Hammerſchlaͤgen des Cryſtallgraͤbers / oder von einem Fall auf einen Stein / und gemeinlich / wo der Riß ſich geworffen / einen vilfarbigen Regenbogen zeigen. Dahin gehoͤret Cryſtallus rimam in - tus latentem habens ex caſu aut ictu aliquo (noſtri vocant erbellt) & eâ parte Iridem, id eſt, Arcum cœleſtem coloribus repræſentans. Geſſn. Fig. Lapid. pag. 19.
Unter die Gebrechen der Cryſtallen ſetzen die Kauffleuhte die Schnee - weiſſen Nebel / oder Wolken. Cryſtallus infeſtata maculosâ Nube. Plin. l. c. Criſtallus, in quo Nebulæ. B. de Boot. Lib. II. pag. 221. Cry - ſtallus intus veluti Nivem habens. Geſſner. l. c. Cryſtallus maculosâ Nube infecta, quæ non translucet, quòd ſuccum aqueum, ſed obſcurum & fuligi - noſum in natalibus conceperit. Calceol. Muſ. pag. 200. Solche bald weiſſe / bald ſchwarzdunkle / Wolken entſtehen auß einer unreineren / mit froͤmd - artigen Theilen vermiſchten Cryſtall-Materi / weßwegen ſie auch meiſtens wegen ihrer ſchwere zu Boden ſinket / und an der Wurtzel der Cryſtallen.
Wann dergleichen truͤbe Wolken den ganzen Stein einnemmen / ſo wird gezeuget Cryſtallus Marmorea, ſive Grandinis inſtar ſemiopaca. Luid. Lithoph. n. 10.
Wann ſothane groͤbere Materi in dünne Haaͤr - oder Aederlein ſich erſtrecket / ſo zeiget ſich in dem Cryſtall ein büſchelein Wolle / Cryſtal - lo di ſi folti peli arricchito, che non e punto inferiore alla Lana Septal. Muſ. pag. 46.
Bleich - oder Goldgelbe Strohalm ſtellet vor Cryſtallus, in quo Feſtucæ. B. de Boot. L. II. pag. 221. Cryſtallus triangularis, cui ſtipulæincluſæ71incluſæ. Jacob. Muſ Reg. Dan S. VII. pag. 37. Cryſtallo come di groſſa pagliuca ripieno. Septal. l. c. Cryſtallo ripieno di paglie, che ſembrano verghette di Oro. Id. l. c. Cryſtallo, nel cui ſeno paglia d’oro conſervaſi. Id. pag. 50. Von diſen Strohalmen urtheile ich widerum / daß ſie nicht ſol - che in der Taht ſeyn / ſondern ſcheinen / und ihren eigentlichen Urſprung herhaben von jener fluͤſſigen Berg-Gilbe / welche den ganzen Stein nicht hat moͤgen durch und durch faͤrben / ſondern nur hier und da in denſelben eintringen; Zu beglaͤubigung deſſen dienet / daß dergleichen Cryſtall ge - meinlich auch außwendig / und wo die Strohalm aufhoͤren / eine gelbe Farb zeigen.
Flieſſet eben diſere Materi ſubtil durch den Cryſtall / ſo zeigen ſich dann ſchoͤne Meſſing - oder Gold-Faͤden. Cryſtallo, in cui peli groſſi ſi chiu - dono, che ſembrano lucidiſſimi fili di rame. Septal. l. c. Criſtallo di dorati peli ripieno. Id pag. 50.
Es kan ſich fuͤgen / daß diſere Goldfaͤden ſich ſo artig büſchelweiſe zu - ſamen reimen / daß einer ſolte meinen / er ſehe einen ganzen / kunſtlich zuſamen gebundenen / Blumenbuſch. Cryſtallo con mazzetti di peli coſi bene ag - giuſtati, che ſembrano un mazzetto di Fiori con mirabile artificio legati in - ſieme. Septal. l. c.
Des Holtzes geſtalt zeiget ſich in dem Cryſtall / wann vilgedachte gelbe Farb einen groͤſſeren Platz einnimmet. Criſtallo continente in ſe piccioliſ - ſimi Legni Septal. Muſ. l. c. Criſtallo dentro cui vi ſono riſtretti in pezzetti Legno e Paglia. Id. l. c.
Gedigen Silber / oder vilmehr / wie ich vermuhte / eine Geſtalt deſ - ſelben bildet vor Criſtallo, nelle cui viſcere vi ſi Scorgono Granella di pu - riſſimo Argento. Septal. l. c. Silver included in a piece of Criſtal. Ray Topographic. Obſerv. pag. 237.
Jn einer anderen Art Cryſtallen ſein zu ſehen runde / oder vier - eckichte hole grade Gaͤnge / ohne Farb. Criſtallo, in cui ſi oſſervano quadrangolari Canali. Septal. l. c. Fig. VIII.
Subtile vil faltig in einander gekruͤmte Würmlein in Criſtallo, nel cui ſeno ſi riſtringono vermicelli. Septal. l. c. pag. 47. Dergleichen Wuͤrm - lein / wann ſie gruͤn ſeyn / wie bey mir ein ſolcher Cryſtall ſich findet / werden / meines erachtens / gezeuget von eben dem jenigen Berggruͤn / welches oben die Graͤßlein geſtaltet hat. Sihe Fig. IX.
Etwann liget in mitten der Cryſtallen gefangen ein bewegliches Waſ - ſer. Cryſtallus, in quo guttula Aquæ, quæ Gemmæ penetralia obſidebat, ſemper ſaliebat. Pignor. Epiſt. Symbol. 15. Cryſtallus limpidiſſima, quæ uti in proprio domicilio ſuccum aqueum ipſiſmet oculis conſpicuum in -tus72tus recluſum ſervat, & conquaſſatus fluctuat, Calceol. Muſ. pag 199. Cri - ſtallo, in cui ſi veggono rinchiuſe cinque gocciole d’Acqua, una delle quali ſi muove al muoverſi del pezzo. Septal. Muſ. pag. 48. Criſtallo, nel cui ſeno ondeggia una Gocciola d’Acqua. Id. l. c. Criſtallo, entro di cui ſe - queſtrate rauniſanſi tregocciole di Aqua, o ſia Liquore, lequali benche ſiano di nerocolore, non mancano però di accreſcere luce di vaghezza al corpo criſtallino. Ein Cryſtall / in dem 3. 5. ꝛc. Tropfenſchwarzen Waſſers zu ſehen. Id. l. c. Criſtallo, in cui nuota piccioliſſima gocciola di Aqua, che per un canaletto di un quarto d’onzia ſi muove. Id. l. c. A Rock Cryſtal vvith Drops of vvater incloſed in the middle of them. Ray lib. cit. pag. 235. Ob diſe Troͤpflein ein recht natuͤrlich Brunnen - oder Bergwaſſer ſeyen / oder ein edle flüſſige uͤberbleibſel des Cryſtallfluſſes ſelbs / wil ich nicht bejahen. Villeicht iſt es diſen auf unſeren mit ewigem Schnee / und Eis bedekten Bergen / villeicht auch in winterlich kalter Witterung / an - geſchoſſenen Cryſtallen ergangen / wie jenem gefrornen Wein der Hollaͤn - deren / in denen Eiskalten Nord-Polariſchen Landen / welcher in den Faͤſſeren gefroren / alſo aber / daß ſich das geiſtreicheſte Weſen in der mitte verſamlet in der Form eines koſtlichen Brantenweins. Gewiß iſt diß / daß ein jeder Criſtall in ſeinen Loͤchlein verborgen hat ein Waſſerechtes Weſen / welches durch das Feuer mit / oder ohne / ſpaltung des Steins kan außgetrieben werden.
Criſtallo inclinante al nero, dentro a cui rauuiſaſi una foglia di ulivo. Ein ſchwarzlechter Cryſtall / in welchem zu ſehen ein Oliven Blatt. Septal. Muſ. pag. 51.
Cryſtallus, quæ infeſtatur occultâ aliquâ vomicâ. Plin. L. 37. cap. 2.
Cryſtallus infeſtata præduro, fragiliq́ue centro, & ſale appellato. Plin. l. c. Wie der naͤchſt vorhergehende Cryſtall meines Bedunkens hat einen innwendigen Bruch / alſo iſt diſer innwendig ſproͤd / ſo daß er leicht / wann er ſolte verarbeitet werden / zerfiele. Diſes bruchige Weſen heiſſet Martialis Nitrum.
Et turbata lævi quæſtas Criſtallina Nitro.
Cryſtallus, in qua macula minutiori Muſcæ perſimilis. Ein Cry - ſtall / in deme ein Flecken / gleich einer kleinen Fliege. du Hamel de Meteor. & Foſſil. Lib. II. cap. 7. pag. 453.
Cryſtallus ſuperficie ſcabrâ & ſtriata, Iridis forte genus. Ein Cry - ſtall mit einer rauhen / geſtreimten Flaͤche. Geſſn. Fig. Lap. p. 19. Cryſtallus infeſtata Scabro. Plin. Lib. 37. cap. 1.
Cryſtallus, in cujus planitie figuræ quædam lineares, foveolæ acu quaſi exſculptæ cernuntur. Ein Cryſtall / indeſſen aͤuſſeren Flaͤche einiche Züge / oder Strichlein / gleich als mit einer Nadel auß - geſtochen. &c. Fig. X.
ES ſein diſe kleine Gruͤblein zweifelsohne entſtanden von einichen Sandkoͤrnlein / ſo auf den Cryſtall gefallen / da der noch weich war / hernach aber / als er erhartet / widerum auß ihren Loͤchlein außgefal - len / oder von uͤberflieſſendem Waſſer außgewaſchen worden.
Cryſtallus exiguis tuberculis tanquam variolis plenam ſuperficiem ex - hibens. Ein Cryſtall / deſſen auſſere ſonſt glatte Flaͤche mit ei - nichen angewachſenen Saͤndlein / oder Bükelein / gleich als mir Pocken beleget. Steno Prodr. Diſſ. pag. 62. Crvſtallus, cujus plana Pyramidalia obſcuri & nigricantis ſunt coloris, & inſuper bullulis exiguis, velut variolis conſperſa Ein ſchwarzlechter Cryſtall / deſſen Spitz - flaͤchen mit kleinen Blaͤslein beſaͤyet. Muſ. Tigur. Fig. XI. Allhier ſein obangezogene / eingefallene Sandkoͤrnlein geblieben / und in die Cryſtall - Materi alſo feſt eingeſchloſſen / daß ſie ohne Gewalt nicht herauß zubringen ſeyn.
Nicht ſol ich mit ſtillſchweigen uͤbergehen einen ſechs eckicht durchſichti - gen Cryſtall / in deme zuſehen kleine Gebliſche / oder Baͤumlein / von gelber und ſchwarzgruͤner Farb / welcher deßwegen billich ſol zugerechnet werden denen Dendritis, oder Baumſteinen / von welchen ein beſonder Tractaͤt - lein geſchrieben in Ephemerid. Natur. Curioſ. Dec. III. An. V. & VI. pag. 57. deme auch eine beſondere Tafel zugeeignet / in welcher unſeren Cry - ſtall vorſtellen die XII. und XIII. Fig.
Bisher habe mich erſpatziert auf einem weiten / aber ebenen / mit aller - hand Cryſtallen beſaͤyeten Feld / oder Alp. Nun aber habe ich vor mir einen dichteren / dunklen Wald / der nicht nur mit vilen Gebüſchen / und Dorn - ſtraͤuchen beſetzet / ſondern auch gefahrliche / verfuͤhrliche Jrꝛ - und Abwege hat. Jch wil ſagen / daß mir uͤberig bleibet / annoch auß zufuͤhren die kuͤtzlich - te Materi von Geſtalt - und Zeugung der Cryſtallen / welche bis dahin aller Naturlehreren Gedanken uͤberſtiegen. Jch getraue mir zwar nicht / diſen verwirꝛten Knoten aufzuloͤſen / ſihe mich aber genoͤhtiget / wann ich weiters meine Phyſicaliſche Berg-Reiſe ſol fortſetzen / diſen finſteren Jrꝛwald durch - zu paſſieren; werde aber alſo diſen Durchzug einrichten / daß mich ſo vil moͤg - lich halte auf denen gebahnten Steigen einer geſunden Vernunft.
Die74Die ſo ordentlich außgemeſſene Geſtalt der Cryſtallen iſt zu allen Zei - ten von den Naturweiſen mit Verwunderung angeſehen / und mit groſſem Fleiß unterſucht / aber doch nicht ergruͤndet worden. Obgleich aber die Ma - teri nicht ſo ſchwer were / als ſie iſt / ſo hat man ſich doch nicht zu verwunde - ren / daß ſint des Ariſtotelis Zeiten bis auf das Sibenzehende Jahr hundert nichts außgerichtet worden. Man redte vor Zeiten eine ganz andere Sprach / man wandelte einen ganz anderen Weg / man ſahe die Geſtalten / und andere Eigenſchaften / der Natur-Coͤrperen an durch finſtere Brillen der vermeint offenbaren / ja auch verborgenen Beſchaffenheiten / Geſtaltenden Kraͤften, ein erbornen Vorbilderen (in der hochgelehrten Schullehreren Sprach hieſ - ſe man diſe Geheimnuß vollen Grundquellen Qualitates occultas, Faculta - tes formatrices, Ideas innatas, und hatte dergleichen Waſſerlaͤhre / oder mit faulem Waſſer der Hirngedichten angefuͤllten Sodbrünnen mehr.) Da hingegen heut zu Tag man die Natuͤrlichen Coͤrper / und dero Geſtaltſamen / und Bewegungen / anſchauet durch hellgeſchliffene Glaͤſer einer geſunden Vernunft / nach denen von Gott in die Natur eingefuͤhrten Geſaͤtzen. Jn heutiger Natur-Sprach finden ſich aller Ohrten der kleinen Naturtheilen Geſtalt / Bewegung / Ordnung / Zuſamenfuͤgung. Unſere Buchſtaben ſein Zahlen / Linien / Winkel / Zirkel / Triangel / Viereck / und andere Mathemati - ſche Figuren: Die Federen ſein der Zirkel / Compaß / Winkel maͤß / Richt - ſcheit / Bleywag: Die Sylben in diſer Sprach ſein ungezweifelte Wahr - heiten in der Geometria, und Arithmetica, die man Axiomata nennet: Die vilſylbige Woͤrter / andere darauß flieſſende / auch ſichere / Wahrheiten / ſo Theoremata genennet werden: und Problemata ſein die Naturbegebenhei - ten ſelbs. Mit diſer helleuchtenden Latern wollen auch wir durch den dichten Wald der Cryſtall-Begebenheiten gehen / und anfangs wahrnemmen / daß die Materi / in gemein betrachtet / zertheilbar ſeye in ſehr / wil nicht ſagen un - endlich / kleine theilchen / ſondern auch wirklich ſo thane Zertheilung außſtehen muͤſſe in ſo vilen aͤnderungen / brechungen / aufloͤſungen / außrauchungen / und anderen Bewegungen / alſo zwaren / daß jedes ſolcher kleinſten theilchen gleichwol habe ſeine gewiſſe Geſtalt. Gleich wie wir in diſer unſerer vorha - benden Bergreiſe ſehen werden / daß die gewaltigſten Fluſſe urſpruͤnglich herkommen von denen kleinſten Baͤchlein / und diſe zu letſt von wenig zuſa - men flieſſenden Troͤpflein / alſo iſt gewiß daß alle und jede Coͤrper / die groſ - ſen ſo wol / als mittelmaͤſſigen / und kleinen / herkommen von einem ſo gerin - gen / der kleinſten Staͤ ublein / anfang; und aber darzwuͤſchen muͤſſe kommen die von Gott ſelbs angeordnete Bewegung / kraft deren jene kleinſten thei - le / ſo von Natur unbewegſam ſeyn / muͤſſen in eine Bewegung gebracht / verſamlet / zuſamen gefuͤget / oder zertrennet / gebrochen / aufgeloͤſet / in Fluß ge -bracht75bracht werden. Sothane Bewegung aber / als ein Haubt Jnſtrument / deſſen ſich Gott in ſeiner Werkſtatt bedienet / weilen ſie auf unendlich vil - faltige Weiſe geſchihet / und geſchehen kan / nach geraden / ſchregen / unzehlich vil krummen / einfachen / zuſamengeſezten Linien / geſchwind / langſam / ordent - lich / und unordentlich / gleich / ungleich / ꝛc. Diſere Bewegung / ſag ich / iſt ein tieffer Abgrund / auß welchem die uns Menſchen von Gott noch uͤberig ge - laſſene Vernunft herfuͤr fiſchen muß die Wirkungen / oder Begebenheiten der Natur / als ſo vil koſtliche Wahrheits-Perlen. Hier aber ſinket man - cher under / der nimmer hervor komt. Nicht ein jeder kan ſich ſo lang unter dem Waſſer halten / als noͤhtig iſt / in ſolche Tieffe zu kommen / da die beſten Perlen ligen. Ja kaum in einem Jahr hundert findet ſich ein guter Schwim - mer. Dergleichen Perlenfiſcher ſein geweſen der Epicurus, Plato, Ariſtoteles, Carteſius, Gaſſendus, Boyle, und wenig andere / ſo in letſt verwichenem Jahr hundert gelebt. Aber auch diſe muͤſſen geſtehen / daß ſie unter dem Waſſer antreffen ſo vil gefahrliche Klippen / fraͤſſige / groſſe Fiſche / verſchlingende Wirbel / und letſtlich unergruͤndtliche Tieffen / in welche / wann ſie ſich wolten hinunterlaſſen / ſie mit jenem Sicilianiſchen Fiſcher / Nicolo genant / zu Grund giengen. Jch wil ſagen / daß ſo unzehlich vil Verſchiedenheiten der Bewe - gungen / ſo unendlich vil verſchiedenlich geſtaltete kleine Theil / die wir auch nicht mit den beſten Vergroͤſſerungs-Glaͤſeren entdecken koͤnnen / uns Men - ſchen diſe Perlen fiſcherey ſo ſchwer machen / daß wir zu keinen Zeiten uns verſprechen doͤrffen / allen diſen in dem Abgrund Goͤttlicher Weißheit / und Allmacht ligenden Schatz hervor / und an Tag zu bringen.
Vorerſt dann nemmen wir vor bekant an / welches kein Naturverſtaͤn - diger wird abſeyn / daß die Cryſtallen beſtehen auß unzehlich kleinen Theil - chen / auß welchen ſie auch wirklich zuſamen geſetzet worden. Wer hieran zweifelt / der laſſe einen Cryſtall in ein ſubtiles Pulver verſtoſſen / oder er ſehe nur mit vernuͤnftigen Augen an ſeine Durchſichtigkeit / welche er in verglei - chung ſetzen kan mit dem Glaß / ſeine vileckichte Geſtalt / welche er halten kan gegen dem im Keſſel anſchieſſenden Salpeter / oder andere Salia; daß in ſeiner mitte eingeſchloſſene Graß / Stroh / Waſſer / ſchwarze Strich / und andere froͤmdartige Dinge; welche da hinein nicht haben kommen koͤnnen / ohne daß der Cryſtall vorerſt fluͤſſig / folglich in unzehlich kleine / unterſich bewegte / Theil wirklich zertheilt geweſen; gleich auß diſen / und anderen dergleichen Gruͤnden der harteſten Edelgeſteinen erſte Fluͤſſigkeit gezeiget / und behaub - tet wird von dem Weltberuͤhmten Boyle in Tract. de Orig. Gemmar. Was anbelanget die Zeit / wann namlich die Cryſtallen alſo flüſſig geweſen / iſt ſolche ſo leicht nicht zu beſtimmen. Vermuhtlich aber iſt / daß alle Cry - ſtallen ſeyen gezeuget worden bey erneuerung der durch die Suͤndflut ver -derbten76derbten Welt / hiemit grad nach geſchehener verſinkung der Waſſeren in die Gehalter der Erden; Zu gleicher Zeit namlich / als die Berge / dero Felſen / Klüften / und in gemein die unebene Flaͤche der Erden entſtanden. Jch wil nicht laugnen / daß nicht auch Cryſtallen ſeyen erſchaffen worden zu Anfang der Welt / vermuhte aber / daß dieſelben in der oberen / durch die Suͤndflut ganz veraͤnderten Erden Rinde zu Grund gangen / und auß einem hier und da zuſamen geronnenen Quartz-Fluß widerum geſtaltet worden. Daß annoch Cryſtallen gezeuget / oder an denen Ohrten / wo ſie ehemahls gewe - ſen / und weggenommen worden / wider geſtaltet werden / deſſen haben wir keine Anzeigen.
Bey ſechseckichter Geſtaltung der Cryſtallen komt ſonderlich zube - denken vor / ob ſie gebildet / oder gezeuget werden auß einem vorerſt unfoͤrm - lichen Quartz / welcher aber durch die Bewegung allerhand Figuren koͤnne annemmen? oder / ob ſie geſtaltet / oder / deutlicher zu reden / zuſamen geſetzet werden auß unzehlich kleinen / gleichfoͤrmigen / oder auch ſechseckichten Cry - ſtallen? Wer die letſtere Meinung bejahet / der hat auf ſeiner Seiten / nebſt der Einfaltigkeit des Grundſatzes / die Erfahrung ſelbs; obgleich die der erſteren Meinung beypflichten / mit folgenden Einwuͤrffen aufzeuhen koͤn - nen; daß auß zuſamenſetzung viler gleichgeſtalteten Figuren nicht allezeit / und nohtwendig / hervorkomme eben dieſelbige Figur / allermaſſen ein Wuͤrffel gebildet werden kan auß vilen ablang-viereckichten / ungleichſeiti - gen / Coͤrperen / ja ſelbs auß zuſamenſetzung zweyer Wuͤrfflen nicht wide - rum heraußkomme ein Wuͤrffel / ſondern ein Parallelepi pedum von unglei - chen Seiten; es koͤnne auch ein Wuͤrffel entſtehen auß geſchikter Zuſamen - fuͤgung etlicher Priſmatum (vid. Eraſm. Bartholin. de Fig. Corp. p. m. 12. 13. ) und kan bey unſeren ſechseckichten Cryſtallen in Bedenken gezogen werden / gleich als in einem Scheidweg / diſere Streitfrag / ob anfangs / da der Cryſtall gefoͤrmt worden / nur ein ſechseckichter kleiner Cryſtall geweſen / als ein Grundſtein / uͤber welchen hernach die angewachſene fluͤſſige uͤbrige mehrere Cryſtalliniſche Materi ſich ergoſſen / und gleiche Figur behalten ha - be? oder / ob alle kleinſte Theil des Cryſtalliniſchen Quartzfluſſes von glei - cher ſechseckichter Geſtalt ſeyen? Wann das erſtere ſol gelten / ſo fallet die Meinung / daß alle kleinſte Theil gleichfoͤrmig ſeyen / und muͤßten nur ſo vil ſechseckichte kleine Cryſtallen ſeyn / als groſſe ſich in der Erden finden; und gehoͤret der Cryſtall / in anſehung ſeiner Zeugung / eher zu denen Adler Stei - nen / Bezoar, welche auß vilen uͤber einander angewachſenen Haͤutlein be - ſtehen / und nicht zu denen Salien.
P. S. Hierbey iſt zu haben die dritte Tafel von Cryſtallen a 2. ß.
SOl das letſtere die Oberhand gewinnen / ſo folgen widerum hierauß allerhand Unordenlichkeiten / wo man die nicht weißt abzuheben: auß vilen ſechseckichten Coͤrperlein / ſo die zuſamen geſezt werden / kan nicht leicht entſtehen nur ein ſechseckichter Cryſtall / daß nicht zwiſchen jenen ſich einfinden vil laͤhre Raͤumlein / welche mit einem unfoͤrmigen Cry - ſtallfluß / oder von anderer Materi muͤßten außgefuͤllet werden. Ohnange - ſehen diſer Einwuͤrffen beliebe mir ſelbs / und anderen / die jenige Meynung / nach welcher alle die kleinſte Theil der Cryſtallen ſechseckicht ſein / gleich den groſſen; hierzu veranlaſet mich theils die verſicherte Gleichheit der kunſtli - chen Cryſtalliſation, oder anſchieſſung des Salpeters / oder anderer Salien mit der natuͤrlichen anſchieſſung unſerer Berg Cryſtallen / welche nach ihrer Weitlaͤuffigkeit koͤnte außgefuͤhret werden / wann wir es an der Zeit hetten; theils der kleinſten Salztheilchen gleiche Geſtalt mit den groͤſſeren Stuͤcken / welche durch Hilff ſeiner Vergroͤſſerungs-Glaͤſeren der Gelehrten Welt hin und wider in ſeinen Schriften gezeiget der ſcharffſichtige Leeuvvenhoek, und auch ſelbs in einer beſonderen an Se. Exc. Herꝛn Petrum Valkenier / Extraord. Abgeſandten von denen Hochmoͤgenden Herꝛen Staaten ver - einigter Niderlanden an die Lobl. Schweizeriſche Cantons, geſchribenen Epi - ſtel dargetahn daß der Cryſtallen kleinſte unter der Geſtalt fluͤchtiger Salien kunſtlich abgetribene Theil gleich ſechseckicht ſeyen mit den groſſen. Gleich nun der Chymiſchen Cryſtallen anſchieſſung halb bekant / daß die in denen Loͤchlein eines flüſſigen Waſſers empor ſchwebende Salztheile / nach etwel - cher abrauchung des Waſſers / oder durch ſonderliche Zuſamentrukung deſ - ſelben / ſich naͤher zuſamen fuͤgen / mit gleichen glatt von der Natur abgeſchlif - fenen Flaͤchen ſich vereinigen /
und alſo groͤſſere Cryſtall-Zinken formiren: alſo bilde mir ein / daß ein glei - ches geſchehen ſeye in denen Bergklüften und Felßhoͤlinen / zu der Zeit / da das Quartz / als die Materi der Cryſtallen noch flüſſig / und mit anderen waͤſſeri - gen Feuchtigkeiten vermiſcht geweſen; deren aͤuſſere / die Cryſtalliniſche Theilumge -78umgebende / Bewegung / je nach dem ſie ſich verhalten / in denen Cryſtallen ſelbs allerhand aͤnderungen verurſachet. Wer einem Mechaniſchen Anfang / oder Urſach / der ſechseckichten Cryſtall-Figur nachdenken wil / dem ſtehet es frey / gleich ich ſelbs die Freyheit genommen, hieruͤber meine muhtmaßlichen Gedanken an den Tag zu legen in Hrn. D. H. Diſſ. de Cryſtallis pag. 25. wohin den Liebhaber weiſe; und mit ſtillſchweigen uͤbergehe / wie vilerhand bey der Cryſtallen Geſtalt vorfallende Begebenheiten koͤnnen auß gegebenen Grundſaͤtzen aufgeloͤſet werden; mich auch nicht weiter aufhalte bey jener Obſervation der Cryſtallgraͤberen / daß die zugeſpizte Geſtalt der Cryſtallen gemeinlich entſpreche der zugeſpizten Figur der Bergen ſelbs / in welchen ſie ſich finden.
Jch hette noch vil von denen Cryſtallen bey zubringen / welche villeicht einem ein Vernuͤgen / und zehen anderen einen Verdruß erwecken moͤchten / welche Sachen derohalb / weil ſie nicht vor jedermann ſeyn, verſpare auf ei - nen anderen Anlas.
Ehe ich aber diſe Materi beſchlieſſe / muß ich nohtwendig geden - ken zweyer merklicher Umſtaͤnden / ſo bey denen Cryſtallen anzutreffen. Der erſtere gehet an den Ohrt / wo die groͤſten / und meiſten / Cryſtallen ſich finden / der andere die Zeichen / worbey die Cryſtallgraͤber abnemmen / daß irgendwo Cryſtallminen verborgen ligen.
Cryſtallen gibt es bald in allen Laͤnderen Europæ, ja ſelbs in Oſt - und Weſt Jndien / wo immer Felſ - und Berghoͤlen / oder Ertzgruben ſeyn / da gibt es Cryſtallgeburten; nirgends aber / welches keklich behaubte / finden ſich die Cryſtallen in groͤſſerer Anzahl / mehrerer Verſchiedenheit / anſehenlicheren Groͤſſe / und ſchoͤneren Durchſichtigkeit / als auf unſeren hoͤchſten Helvetiſchen Gebirgen / ſo daß ich den Gotthard mit ſeinen naͤchſten Nachbaren kan mit beſtem Fug nennen das Vatterland der Cryſtallen. Es ſcheinet diſen Um - ſtand auch in acht genommen zu haben der groſſe Naturforſcher Plinius, wann er Hiſt. Nat. Lib. 37. cap. 2. alſo ſchreibet. Oriens & hanc (Cryſtal - lum) mittit, ſed Indicæ nulla præfertur. Naſcitur & in Aſia, viliſſima circa Alabanda, & Ortoſiam, finitimisq́ue Montibus, item in Cypro: ſed lauda - tiſſima in Europæ Alpium Jugis. Und bald darauf. Nos liquidò affirmare poſſumus, in cautibus Alpium naſci, atque adeò inviis & plerunque ſune pendentes eam extrahant Das iſt. Es gibt auch Cryſtallen inde - nen Laͤnderen gegen Aufgang / nirgend aber ſo vortreffliche / als in Jndien. Es wachſet diſer Stein auch in Aſien / und / aber von geringem Wehrt / um Alabanden, Ortoſien, und naͤchſtligen - den Bergen / ſo auch in Cypren. Der beruͤhmteſte aber kom - met auß den hoͤchſten Alpgebirgen Europæ, allwo ſie oft mit groſſerLebens -79Lebensgefahr von den Graͤberen / ſo ſich etwann an Seilen müſſen herab laſſen / geſucht werden. Wann nun anderſt - wo gezeiget worden / daß unſere Gothardiſche Gebirge die hoͤchſten Alpſpitzen ſeyen von ganz Europa, ſo iſt bald zu ſchlieſſen / das Plinius unſeren Schwei - zeriſchen Cryſtallen mit uns vor allen Außlaͤndiſchen den Preis gibet. An - merkens wuͤrdig iſt / was jeztbelobter Natur-Schreiber fehrners meldet. Contraria huic cauſa Cryſtallum facit, gelu vehementiore concreto. Non aliubi certè reperitur, q́uàm ubi maximè hybernæ Nives rigent; glaciem - q́ue eſſe certum eſt, unde & nomen Græci dedêre. Jch verdeutſche diſen Text alſo: Der Cryſtallen zuſamen fuͤgende / oder feſtmachende Urſach iſt eine ſehr groſſe Kaͤlte. Dann ſie nirgends gefunden werden / als wo die grimmigſte Kaͤlte / und beſtaͤndiges Eis mir Schnee. Hier finde ich die Grundquell eines in die Natuͤrliche Hi - ſtori eingefuͤhrten groſſen Jrꝛthums / an welchem doch Plinius ſelbs keine Schuld tragt. Es iſt alles wahr / was Plinius ſchreibt / und verdienet diſer groſſe Mann nicht von Dalechampio, ſeinem Außleger / und anderen mehr / diſes Texts halben durchgezogen zu werden. Es iſt ja wahr / Cryſtallum gelu vehementiore concreſcere, daß der Cryſtall feſt beſtehet in ſehr groſſer Kaͤlte / ich fuͤge hinzu / in groͤſter Kaͤlte / welche gewißlich ſich nirgends alſo ſindet / wie in unſeren Helvetiſchen hohen Gebirgen. Wer nicht wol faſſen kan wie eine groſſe Kaͤlte ſich hieher reime / der gehe in die Werkſtaͤtte der Chymiſten / und laſſe ſich zeigen / wie die Salz-Cryſtallen am beſten / und geſchwindeſten anſchieſſen / wann man das auf gewiſſen Grad eingeſottene Waſſer des Winters an die kalte Luft ſetzet; ja auch frage er nach denen Cryſtallen / welche in einem Liquore ſich das ganze Jahr hindurch niemahlen ſehen laſſen / als in dem Winter. Jſt er darmit noch nicht ver - nuͤgt / ſo zeuhe er in Bedenken / wie daß bey harber Winterkaͤlte die in ihrer Elaſtiſchen / oder Treibkraft / merklich geſtaͤrkte Luft auf die ganze Erde mit groͤſſerem Gewalt trucke / und die in fluͤſſigem Waſſer enthaltene Salztheile zuſamen truke / und zu boden ſtuͤrze. Der groͤſte Stein des Anſtoſſens liget in folgenden Worten Plinii. Non aliubi certè reperitur, quàm ubi maxi - mè hybernæ Nives rigent; glaciemque eſſe certum eſt. Diſe erklaͤren die Außlegere alſo / daß nach Plinn Meinung der Cryſtall ſelbs ſeye Glacies gelu concreta, ein von groſſer Kaͤlte erhartetes Eis. Jch aber ſihe den Text an / wie er liget / und erklaͤre ihn dahin / daß die Cryſtallen vornemlich ſich finden / wo ein beſtaͤndiger Winter / wo die Eis - und Schneeberge ſeyn; nicht aber / daß ſie wirklich auß Eis und Schnee gezeuget werden. Ein an - ders iſt / einem Ding geben die Materi / und ein anders / den Ohrt. Jn kraft diſer meiner Erklaͤrung kan man wol mit der geſunden Philoſophie verglei -chen80chen die herleitung des Worts Cryſtall / κρύςαλλος, von dem Griechiſchen κρύος, κρυμ〈…〉〈…〉 ὸς, κρυμὸς, kaͤlte / und ςέλλομα〈…〉〈…〉, vor συςέλλομαι, daß der Cryſtall were ὑπὸ κρύους συςελλόμενον ὕδωρ, Aqua frigore concreta, ein Waſſer / daß in der Kaͤlte beſtanden / oder bey Heſychio, τὸ〈…〉〈…〉 επηγὼς ὕδωρ ὑπὸκρύους. Dann ja in dem immer kalten Berg-Luft / wie oben bereits dargetahn worden / alle Cryſtallen ſchoͤner und beſſer anſchieſſen. Nach diſer unſerer Außlegung laſſet ſich wol hoͤren Diodorus, wunn er Lib. II. ſchreibet / τ〈…〉〈…〉 ς κρυςάλλους λί -〈…〉〈…〉 ους ἔχειν τὴν σύςασιν〈…〉〈…〉 ὓδατος κα〈…〉〈…〉 αρ〈…〉〈…〉 παγέντος, daß die Cryſtallen beſtehen auß einem reinen / in der Kaͤlte erharteten / Waſſer. Nicht aber Seneca, welcher Lib. III. Quæſt. Natur. cap. 25. den Cryſtall haltet pro Nive glacie durata per Annos, vor ein verjahretes / und verhartetes Schnee - oder Eis - waſſer; anderer / ſo diſer Meynung auch underſchrieben / zu geſchweigen.
Von denen Merkzeichen verborgen ligender Cryſtallen hat diß wenige Plinius l. c. Peritis ſigna & Indicia nota ſunt, daß denen Erfahrnen die Anzeigen bekant ſeyen. Es iſt denen Cryſtall-ſucheren nicht wenig daran gelegen; wann ſie ohne unterſcheid ſolten hier und da in die Felſen eingraben / koͤnten ſie ſchlechte Beut hoffen. Sie geben deßwegen Achtung 1. auf die weiſſe Quartz-Aderen / welche ſie Cryſtallbande heiſſen / denen graben ſie nach / und oͤffnen die Felſen / bis ſie hinkommen in ein Cryſtallvolle Hoͤle. 2. auf die außgebogene / gleichſam geſchwullene / überkoͤpfige Felſen / wel - che gemeinlich in ſich haben ein Hoͤle. 3. und deßwegen auch / ſo man daran ſchlagt / einen anderen Don von ſich geben / als die / ſo durch und durch auß - gefuͤllet ſeyn. 4. gewahren ſie / daß die Cryſtallen nicht bald ſich finden in dem Kalch-Gebürge / ſondern mehr in weiſſem / hartem Geißberger Stein / oder Gebürge.
So vil ſeye geredt von denen Cryſtallen; Nun iſt Zeit / daß wir unſere Reiſe fortſetzen; wir wollen es aber tuhn in Begleit der
mit welchen wir den Gotthard Berg ab / ins Livinerthal / zu gehen Vorha - bens ſeyn; underwegs aber uns mit diſen arbeitſamen Bergſteigeren / ihrer Lebensart / Nammens / und Geſaͤtzen halb ſo ſie unter ſich haben / erſprachen. Es iſt iedermann / der unſere Schweizeriſche Gebirge geſehen / oder nur dar - von gehoͤret hat reden / bekant / daß man uͤber dieſelbe nicht kan fahren mit Waͤgen; die gaͤhe Hoͤhe / und enge der Wegen / wurde ſolche Fuhrmaͤnniſche Art / die Wahren auß dem Schweizerland in Jtalien / oder von dort hieher zu ſchicken nicht zu laſſen. Alles wird geladen auf Saum Roß. &c.
DJſe werden in Latein genennet Equi Clitellarii, und Saumarii, und bey denen Scribenten / ſo mit allerhand Barbariſmis die Lateiniſche Sprach angefuͤllet / und verderbet / Sagma, Sagmatis, und Sagma, Sagmæ, Saugma, Sauma, Salma, Sagina, Soma, Sumagium, item Saginarius, Sagmaria, Saumarius, Saumaria, Soumarius, Soumaria, Sumarius, Sumaria, Saginarius, Saginaria; mit welchen letſteren Nammen benennet werden nicht nur die Saumpferde / oder Saum-Eſel / ſondern auch deren Fuͤhrer / oder Treiber / welche durch das ganze bergichte Schweizerland bekant ſeyn under dem Nammen der Saͤumeren. Woher die Saͤumer ihren Nammen ha - ben / iſt nicht ſo gar gewiß. Die meiſten leiten den Urſprung her von Sagma, und diſes von Sagum. So ſchreibt Iſidorus Origin. Lib. 20 cap. 16. Sagma, quæ corruptè vulgò Sauma, à Stratu Sagorum vocatur, unde & caballus Sagmarius, Mula Sagmaria. Dann Sagma eigentlich bedeutet einen uͤberzug eines Schilts / und auch einen Sattel / nach der Zeugniß Rhodigin. Lib. 17. cap. 14. Bey den Griechen heiſſet σάγμα einen Laſt / den man einem Thier aufleget / ἀπὸ τ〈…〉〈…〉 σάξαι. Daher leitet Spelmann in ſeinem Gloſſario obbenente Barbariſch Lateiniſche Woͤrter / Sauma, Soma, Somarius, &c. her nicht von Sagma, ſo fehrn es einen Sattel bedeutet / ſondern von dem Franzoͤſiſchen Saume, Jtalieniſchen Soma, Teutſchen Some, Somme (beſſer hette er ge - ſchrieben Saum,) welche einen Laſt bedeuten / von dem Lateiniſchen Summa, als man wolte ſagen / eine Summ deſſen / ſo einem Laſtthier aufgelegt wird. So heiſſen auch die Engellaͤnder ſo vil Korn / als ein Pferd tragen mag a Seam. Von diſen Saumpferden / und deren Treiberen / iſt zu bemerken / daß in unſeren Gebirgichten Landen ihrenthalben gewiſſe / auf die Billichkeit der Natur-Rechten gegruͤndte Satzungen aufgerichtet worden / nach wel - chen die laͤhre Saumpferde außweichen muͤſſen den geladnen / und allen die zu Pferd daher kommende Reiſende / von was Stand ſie immer ſeyen. Dergleichen Satzungen / nach welchen die vorkommende Streitigkeiten ge - ſchlichtet werden / ſein noͤhtig theils wegen der Enge der Paͤſſen / da oft kaum einer dem anderen außweichen kan / ſondern einen zimlichen Weg zuruk zu kehren genoͤhtiget wird / theils wegen der Gefahren / in denen auch der vor - nemſte Paſſagier auf die jenige Seiten hinauß tretten muß / da er alle Augen -blick82blick nicht ſicher iſt vor dem Sturtz uͤber die Felſen herab / wann auch der aͤrmſte Saͤumer ihme begegnet.
Auf der Hoͤhe des Gotthards / ohnweit von der Hrn. Capucineren Herberg / innert dem Begriff einer Stund / ſein zuſehen ſiben lautere
Under welchen zwey gehalten werden vor den Urſprung des Theſin Fluſ - ſes. Der ſibende / ſo Lago di Luzendro heiſſet / vor die Urquell der Reüß. Jch habe diſe See vorſtellen wollen in einer beſonderen Figur von dem Paß uͤber den Weltberuͤhmten Gotthard: Bemerke nur hier / gleich als im vorbeygehen / daß auß diſen / und anderen hernachfolgenden obſervationen zu erſehen / wie die Gotthardiſchen Gebirge anzuſehen ſeyen / als reiche Waſ - ſer Gehalter / von welchen die Baͤche / und Flüſſe / als von der oberſten Hoͤhe Europæ gegen alle Welttheile abflieſſen. Obbenente See haben ihre Ur - quellen theils in Baͤchen / welche von hoͤheren Bergen ab - und in ſie einflieſſen / theils aber von eigenen reichen / in ihrer Tieffe / welche bey etlichen ſehr groß ſol ſeyn / ligenden Aderen / oder Quellen. Alles diſes Waſſer iſt ein klares Berg - oder Brunnwaſſer. Es bleiben diſe See das ganze Jahr hindurch in glei - cher Tieffe. Bey groͤſter Winterskaͤlte zwar uͤberfrieren ſie etliche Finger dick / allezeit aber lauft under dem Eis hervor ſo wol die Reüß gegen Mitt - nacht / als der Teſin gegen Mittag.
Jn dem abſteigen des Gotthard-Bergs gegen dem Livinerthal hat man vilfaͤltigen Anlas uͤber den krumm lauffenden Theſin zu ſchreiten / welches geſchehen kan mit einem Sprung / ohne benetzung der Schuhen. Hin und wider gehet man uͤber eine von Schnee / und Eis durch die Natur ſelbs ge - baute Bruck / under welcher der durchrauſchende Theſin das Gewoͤlb geſtal - tet. Dahin iſt zu verſtehen Simler de Alpib. pag. 101. Das auf der Jtaliaͤni - ſchen Seite des Gotthards / faſt in des Bergs mitte / eine Bruck uͤber den Teſin ſeye / die zitterende / Pons tremulus bey Jovio, genant / auf welcher die reiſenden mit groſſer Lebensgefahr ſo wol ihrer Perſonen / als des Viehs einher gehen muͤſſen / ſo daß ſie deßwegen in Forcht und Zitteren gerahten / um ſo mehr / weilen der Schrecken vergroͤſſeret wird Winterszeit durch die abfallende Schneelauwinen / welche die durchreiſende verſchlingen, und das ganze Thal / welches villeicht daher Valle tremola, das zitterende Thal ge - nennet wird.
An dem Weg zwiſchen der Hoͤhe des Bergs / und Ayrol kan ein Lieb - haber der Mineralien achtung geben 1. auf gruͤnlechte / mit einer ſchimme - renden Blende / Mica, die Augen anzeuhende Stein / in welchen ſich finden zwoͤlff-ſeitige / rohe /
die meiſten einer Haſelnuß groß / welche Knopfweiſe auß den Felſen hervor ſtehen. Diſere Felſenſtein ſein gemeinlich mit einer rohtlechten Tinctur be - ſprengt / welche ich anſehe nicht ſo faſt vor Martialiſch / als aber vor einen wirklichen Granatfluß. Von ſolcher Art Edelgeſteinen ſeyn / wie ich ver - muhte / jene Carfunkelſtein / deren Guler. Beſchreib. Ræt. pag 205. b. mit folgenden Worten gedenket. Jn der Gegend / da das Palenſer - und Livinerthal zuſamen ſtoſſen / nahe bey dem Dorff Abiaſco, hat man zun Zeiten Galeatii Sforzæ, Meylaͤndiſchen Herzogs Carfunkelſtein / ſo vorher allein auß Jndien zu uns bracht wurden / auß dem Steingebirg ans Liecht gebracht / die es am Glanz den Orientaliſchen bevor tahten / wurden aber alſo ſchwerlich auß den Felſen herfür gehauen / daß oft der Koſten die Nutzung übertraff. 2. jene Weißgruͤne Stein mit kohlſchwarzen Strichen / deren oben gedacht worden bey Anlas der jenigen Cryſtallen / ſo in ihrer mitte ſolche ſchwarze / einem Cryſtalliſirten Spießglaß gleiche / Streimen haben. Diſe Strich ſein bald grad / in die laͤnge gezogen / bald gebogen / und gleichſam abgebrochen / bald ordentlich geſetzet / bald ohne Ordnung under einander gemiſcht.
Nach dem wir uns mit betrachtung und aufhebung diſer Steinen be - luſtiget / ſtiegen wir vollends den Berg ab gen Ayrol / Ariolo, Orienz / Ayrolum, Arveolum, welches das erſte Dorff iſt im Livinerthal / gelegen an des Gotthards Fuß / allwo das Queckſilber geſtanden im 22. Zoll / 4. Scrup. Worauß wir geſchloſſen / daß diſer Ohrt tieffer lige / als die Hoͤhe des Gotthards bey den Capucineren 1920. Schuhe / hoͤher aber / als das Wirthshauß zum Staͤg / hinter Altorff / 1280. und hoͤher / als Altorff 1400. Nach einer den 28. Jun. gemachten Prob iſt Ayrol tieffer befunden worden / als der Gotthard 1980. hoͤher als der Staͤg 1080. Altorff 1580. worvon zu anderen Zeiten durch mehrere obſervationes eine mehrere Gewißheit zu - erwarten ſeyn wird. Wann ich ſetze vor das Dorff Airolo 24. Zoll / 4½. lin. Pariſ. ſo kommet die Hoͤhe uͤber dem Meer nach Mariotte 2995. nach Caſ - ſino 3578. Pariſer Schuhe.
Bey dem Dorff Ayrol iſt ein ſaur-bitterer / mit Vitriol und Salpeter beſchwaͤngerter
deſſen gedenket Hr. Wagner Helv. Cur. MSC.
Mit dem / was wir bereits heut wahrgenommen / waren wir noch nicht vernuͤgt / ſondern reſolvirten uns annoch eine ſtarke Tagreiſe zu tuhn auß dem Livinerthal in Pündten / namen mit uns einen Wegweiſer / paſ -ſirten84ſirten durch die Doͤrfflein Valle und Maderan, beſtiegen hernach linker ſeits mit zimlicher Muͤhe den gaͤchſtotzigen Berg Soi, auf deſſen Hoͤhe Foggio genant / unſer Wetter - und Meßſtab uns zeigte 20. Zoll / 2. Scrup. worauß wir abnahmen / daß wir erhoͤhet weren uͤber Ayrol 1760. Altorff 3160. ni - derer aber / als die Capuciner auf dem Gothard 160. Schuhe / ſo daß diſer Berg mit dem Gotthard ohngefehr in gleicher hoͤhe ſtehet; dann wie uͤber die Capuciner noch hoͤhere Berg ſeyn / die wir nicht beſtiegen / alſo hatten wir auch uͤber dem Ohrt / da wir uns niderlieſſen / auf Foggio, auch hoͤhere Firſten / welche zu beſteigen uns weder die Zeit zu lieſſe / noch die Muͤdigkeit unſerer Beinen. Diſere obſervation wird der geehrte Leſer bemerken ins beſonder deßwegen / weilen ſo wol hier auf Foggio, als auf dem Gotthard der Teſin Fluß ſeine / beyderſeits in gleicher Hoͤhe / oder auf gleichem Hori - zont, ligende Urquellen hat; welche / weilen ſie nirgends in Land-Charten / oder Buͤcheren recht gezeichnet / oder beſchrieben ſeyn / unten / an ſeinem Ohrt / ſollen jede in ihrer natuͤrlichen Situation vorgeſtellet werden. Nach dem Pariſer Maßſtab ſtehet das Quekſilber auf diſer Berghoͤhe 22. Zoll. o. lin. welchen entſprechen bey Mariotte 5113. bey Caſſino 6948. Schuhe.
Von diſer Berghoͤhe hatten wir eine ſchoͤne Außſicht durch das ganze Livinerthal / Lepontinam Vallem, welches annoch ſeinen alten Nammen behaltet / den es zu der Roͤmeren Zeiten gehabt; weilen allezeit diſes Thal einen nohtwendigen Paß gegeben uͤber das Gebirg. Es iſt diſes Thal under der Bottmaͤſſigkeit des Cantons Uri / welcher dahin einen Vogt ſetzet / der ſeinen Vicari und Richter in dem Thal hat / mit welchem er alle Burgerliche und Malefitziſche Sachen eroͤrteret. Die Ubergab iſt geſchehen von Galeazio Maria / Herzog zu Meyland / den 14. Aug. 1466. in kraft eines zu Lucern deßwegen aufgerichteten Jnſtruments. Es graͤnzet linker ſeiten des Teſins / da wir jezt ſtehen / an Pündten / und zwaren an den Oberen / oder Grauen Pundt / und weiter hinab an das Palenſerthal / Plenia Vallis, welches de - nen dreyen Ohrten / Uri / Schweiz / und Underwalden / unterworffen / rechter ſeits aber an das Meynthal / Madia Vallis, welches bevogtet wird von den XII. Ohrten der Eidgnoßſchaft. Gegen Mittnacht hat es die hohen Gotthardiſchen Gebirge / gegen Mittag die Rivier / Riviera, ſo an dem Teſin liget / und von obgenenten dreyen Eidgnoͤſſiſchen Cantons beherꝛſchet wird. Es hat diſes Thal ſonderlich drey namhafte Plaͤtze / zu oberſt Airol / da wir Heut geweſen / in mitten Pfait / Faidum, und zu unterſt Jrniß / Irenicum, ſo auch Polleggio, Pulegium, zum Kloͤſterlein. Jn Geiſtlichen Sachen erkennet diß Thal vor einen Richter den Biſchoff von Meyland. ꝛc.
P. S. Hierbey iſt zu haben ein Kupfer von dem Paß uͤber den Gotthard / a 3. ß.
VOn den Lepontieren ſchreibt Plinius folgendes. Hiſt. Natur. Lib. III. cap. 20. Lepontios & Salaſſos Tauricæ Gentis Cato arbitratur. Cæ - teri ferè Lepontios relictos ex Comitatu Herculis, interpretatione Græci nominis credunt; præuſtis intra ſinus Alpium Nive membris (al. peruſtis in tranſitu Alpium Membris.) So hat dann Cato darvor gehalten / daß die Lepontier / Liviner / und Salaſſer / Augſtaler / von den alten Tauriſce - ren ſeyen. Andere aber wollen / daß ſie auf der Reiſe Herculis uͤber die Ge - birge dahinden geblieben / weilen die Kaͤlte / ſo ſie auf den Alpen außſtehen muͤſſen / ihre Leiber krank darnider geworffen / daß ſie nicht weiters folgen koͤnnen. Und bald darauf ſetzet Plinius einiche Lepontier an den Urſprung des Rhodans. Lepontiorum, qui Viberi vocantur, Fontem Rhodani eodem Alpium tractu accolunt. Und Cæſar Lib. IV. ſchreibt / daß der Rhein in denen Lepontiſchen Alpen entſpringe. Rhenus oritur ex Lepontiis, qui Al - pes incolunt. Hierauß erſcheint ſich / daß unter dem Nammen der Lepontie - ren die jenigen Voͤlker kommen / welche die hoͤchſten Spitzen Europæ innge - habt / und gewohnet haben an dem Urſprung des Rhodans / in dem Oberen Walliß / des Teſins in Livinen / der Reüß in Urſeren / und des Mittleren / oder Vorderen Rheins in dem Medelſer - und Tavetſcher-Thal in Pündten. Es gehoͤrten hiemit unter die Lepontiſchen Gebirge der Gotthard / die Furca, der Criſpalt / Simpeler / Lucmannier / Grimſel / und vil andere Gebirge in Puͤndten / ſonderlich / wann wir darzu nemmen die Lepontias Al - pes majores, wie ſie Jovius nennet / namlich alle Gebirge / welche von dem Chumer-See uͤber Cleven bis naher Chur ſich erſtrecken. Benebſt folgende Thaͤler / das Maſoverthal / Vallis Meſaucorum, das Palenſerthal / Plenia Vallis, Livinerthal / Lepontina, Meynthal / Madia, Val Mag - gia, Kaͤmifaͤgerthal / Vegetia, Eſchenthal / Oſcelana, Magginia - kerthal / Magginiaca, und das Seſſiterthal / Seſia, von welchen allen hier nicht Zeit iſt zu reden. Wer mehrere Nachricht verlangt / der findet ſie bey Tſchudio Helvet. Antiq. MSC. Simler Comm. de Alp. pag. 100. Stumpf. Chron. Lib. IX. cap. 1. Es laſſen ſich jeztgemeldten Thaͤleren / wie oben ſchon bemerket / noch beyfuͤgen das Obere Walliß / das Urſeren Thal / Ta -vetſcher -86vetſcher Thal / und Medelſer Thal; von dem Liviner Thal ins beſon - der werde zu ſeiner Zeit gel. G. dem Liebhaber der Schweizeriſchen Geo - graphey vorſtellen eine beſondere Land-Chart.
Auf diſer Berghoͤhe Foggio, da wir jezt ſeyn / liget einer ſeits vor un - ſeren Augen das Livinerthal / anderſeits / gegen Pündten / zwey namhafte / zwiſchen hohen Bergwaͤnden eingeſchloſſene
Der erſte und groͤſſere heiſſet Lago di Rottam, iſt ohngefahr eine halbe Meil lang / und oben an demſelben eine dem H Carolo geweihete Capell. Der kleinere / und obere / Lago di Tom, welcher ſeine Waſſer jenem zuſtellet / wie der dem Teſinfluß / weßwegen in denen Gedanken ſtehe / daß diſere zwey See / und darein flieſſende namhafte Baͤche / ſo wol als die Gotthardi - ſchen See / muͤſſen gezellet werden unter die Haupt-Urquellen des Teſins. Dann in diſen See flieſſet durch das Thal Piora ein groſſer / wilder ſchau - michter Bach / dem wir jezt nachgehen bis in das hohe Thal S. Maria / da mit Luſt zu ſehen / wie einer ſeits die erſten Baͤchlein des Teſins abflieſſen gegen Abend / und den ungeſtùmen Piorabach außmachen / anderſeits aber auch kleine Baͤchlein die urſpruͤngliche Quellen abgeben des Mittleren Rheins / welcher gegen Morgen abfließt durch das Medelſer Thal. Nach dem wir diſen Baͤchlein nachgewanderet / kamen wir endlich Abends ſpat mit muͤden Glideren in das Hoſpitale di S. Maria, ſo bereits in Pündten liget / und zum Troſt dienet denen / ſo auß dem Oberen Pundt reiſen in das Palenſer Thal / oder / durch eben den Weg / den wir heut gemachet / in das Livinerthal.
Jezt ſein wir zwaren noch bey denen alten Lepontiſchen Voͤlkeren / welche aber heutiges Tags dem oberen oder grauen Bundt zugehoͤren; ins beſonder aber / ſage ich / befinden wir uns auf dem Gebirg Luckma - nier / Mons Lucumonis, Luchmanier / Luckhmanier / S. Barna - bas-Berg / S. Barnabæ Mons, in Barbariſch Latein Locus Magnus ge - nant / der ein Theil Adulæ iſt. Die beſte Beſchreibung diſes / wie auch an - derer unſerer Gebirgen / gibet der oftbelobte Tſchudius in Helvet. Antiqua MSC. aus welchem das noͤhtige hieher zuſezen thunlich erachte. Er iſt in der Meinung / diſes Gebirg habe ſeinen Nahmen von Lucumone, welcher mit ſeinem Fuͤhrer Rhæto, als ſie auß Tuſcia, jezt Toſcana in Jtalien / ſich fluͤch - ten müſſen / uͤber diſes Gebirg gewandlet. Es iſt aber diſer Lucumo wol zu unterſcheiden von jenem frutigen / und reichen Sohn Damarathi, von Co - rinthen / ſo auch Lucumo geheiſſen / unter der Regierung Anci, nacher Rom kommen / und hernach den Nahmen L. Tarquinij Priſci angenommen; nach der Zeugniß Livij Lib. I. cap. 34. Es iſt diſer Berg wandel bar Sommers /und87und Winters / ſonderlich aber auß dem Palenſerthal in diſes S. Mariæ, und Medelſertahl (Medullina Vallis) und von dannen weiters gen Diſentis; ſo daß wir ſtehen gleichſam auf den Graͤnzen des Palenſer-Liviner - und Me - delſer-Thals. Die hohen Graͤnz Gebirge oder Alpfirſten heiſſen Alpi di Corneta. Von diſem Luckmanniſchen Gebirg meldet Tſchudius und Sim - ler. Comm. de Alpib. pag 102. b. daß deſſen Abendſeiten zugehoͤre den Lepontieren / namlich nach unſerer obſervation, das Thal Piora, ſo eine Quell des Teſins abfuͤhret / die Morgenſeiten aber den Puͤndtneren / und das auß dem hoͤchſten Joch der Lepontieren / ſo Cadelin, Cadelim heiſſe / der Fluß Froda den Luckmanier abflieſſe / welcher bald darauf ſeinen Nammen ablege / und der Mittlere Rhein / Rhenus medius, heiſſe.
Den 1. Augſt. fruͤhe fanden wir in unſerem Wetterglaß das Quek - ſilber im 22. Zoll. 6. Scrup. Pariſ. denen entſprechen vor die Senkel - hoͤhe uͤber dem Meer bey Mariotte 4636. bey Caſſino 6298. Pariſ. Schuhe. Sonſten habe / ohne auf die graduation-Tafel der Koͤniglich Franzoͤſiſchen Geſellſchaft achtung zu geben / geſchloſſen / daß wir in S. Maria tieffer weren als auf Foggio. 320. Zuͤricher Schuhe / als der Gotthard 480. hoͤher aber dann Ayrol 1440. Staͤg 2720. Altorff 2840. Es iſt aber zu gewahren / daß heut das Quekſilber wol hat koͤnnen um 2. Linien tieffer gefallen ſeyn / als es geſtern geweſen / wegen aͤnderung des Wetters / weilen heut Abend in diſen Berg Gegenden / und auch in Zuͤrich ſich die Luft außgelaͤhret hat in einem ſtarken Regen.
Nun ſetzen wir unſere Reiſe fort durch das Wedelſer Thal / Vallis Medullina, deſſen zwar auch gedenket Stumpf. Chron. Lib. IX. cap. 3. Weilen es aber weder von ihme / noch einichem anderen Vatterlaͤndiſchen Geſchicht Schreiber eigentlich mit allen ſeinen Theilen vorgeſtellet worden / habe ich tuhnlich erachtet / daſſelbe / wie es mir vorkommen / mit allen Raͤn - ken des Mittleren Rheins / und darein flieſſenden Baͤchen abzuzeichnen / welchen Riß aber auf einen anderen Anlas verſpare / und dißmahl nur die Oehrter / welche mir in meiner Reiſe vorkommen / andeute. Eine kleine Stund unter dem Hoſpital und Kirchlein S. Maria liget das Dorff ſelbs gleiches Nammens / und eine Stund beſſer hinab S. Gallo, widerum nach zweyen Stunden folget Medels / Medullium, welches dem ganzen Thal den Nammen gibt; darauf kommet S. Giacomo, weiter hinab S. Rocco; und von hier in einer halben Stund Platta, bald darauf Curaglia, Cora - glia, mit dem Bergdoͤrfflein Suliva. Um diſe Gegend wachſet neben Wieß - wachs auch Feldfruͤchte / Korn / Roggen / Gerſten; und flieſſet der Rhein ſo wol bey Curaglia, als beſſer hinab nebſt S. Valentins-Berglein in ſchrek - licher Tieffe mit gewaltigem brauſen durch / und gegen dem Kloſter Diſen -tis /88tis / Diſertina, Deſertina, Diſetis / Diſerntis / Deſertum ubi cella eſt, Benedictiner Ordens / allwo ſich der vordere Rhein mit dem Mittleren vereiniget. Der Weg durch das ganze zwiſchen hohen Bergen eingeſchloſſe - ne Thal ab / iſt zimlich eben / und luſtig. Unſer dißmalige Marſch aber gien - ge weiters nicht / als bis auf Curalia / dann wir da uͤber eine hohe von Steinen gewoͤlbte Bruk uͤber den Rhein giengen / und den Berg auf uͤber das Dorf Bucinengo kamen nacher Tavetſch / welches in Latein heiſſet Ae - tuatius vicus, Aetuatium, und aber annoch den alten Nahmen der Ætuatieren behaltet. Es ſein diſere Voͤlker Aetuati, Antuates, oder Nantuates, ſo bey dem Urſprung des Rheins ligen / wol zu unterſcheiden von denen Nantuatis, welche Cæſar im Anfang ſeines Com. III. ſezet unter denen Sedunis und Ve - ragris, Ober - und Under-Walliſſer; und heiſſet Tſchudius jene Aetuatios anteriores, die vorderen Aetuatier / oder Tavetſcher / zum Unterſcheid der hinderen / Aetuatiorum ſeu Nantuatiorum poſteriorum, welche von dem Ur - ſprung des hinderen Rheins ſich erſtreken bis zum Einfluß des vorderen / hie - mit durch den Rheinwald / Schamſer Thal / und Domleſchg bis gen Rei - chenau.
Von Tavetſch ſezten wir unſere Reiſe weiters fort bis S. Anna / allwo wir das Nachtlager nahmen. Die Hoͤhe des Quekſilbers funden wir hier 23. Zoll / 7½. Lin. Paris. worauß wir abnahmen / daß wir niderer waͤren als S. Maria / von dannen wir heut fruͤhe verꝛeiſet 880. Zuͤricher Schuhe / als Foggio 1200. Gothard 1360. Altorff 1963. Jn der graduation Tafel der Koͤniglichen Geſellſchaft entſprechen nach Mariotte 3360. nach Caſſino 5982. Pariſ. Schuhe uͤber das Meer.
Ehe wir von hier verꝛeiſen / muͤſſen wir gedenken
welche vor unſerem Loſament aufgericht ſtehet / in Puͤndten / Walliß / und benachbarten mehreren Thaͤleren gemein / bey uns aber unbekandt. Der ge - ehrte Leſer wird diſe Machine abgezeichnet finden in der erſten Tafel von Cryſtallen / Lit. A. Sie dienet diſen Bergvoͤlkeren an ſtatt der Scheuren / ſtehet unter freyem Himmel / und dienet darzu / daß an den Zwerchſtangen aufgehenkt werden die Korngarben / welche oben bedekt werden mit Schaub / oder anderem Stroh / bis zu der Zeit / da man das Korn wil außdreſchen / und dannzumal die Garben nacheinander abloͤſet / und unter dem freyen Him - mel nebſt diſer Kornleiter die Dreſcharbeit vornimmet.
Den 2. Augſtm. ſind wir von S. Anna dem vorderen Rhein nach fortgereiſet durch die Doͤrffer S. Giacomo, Juf, Chiamut, welche alle der Ge - meind Tavetſch einverleibet ſein / und beſtiegen allgemach die Gebirg / welche das Urſeren Thal von Pündten abſcheiden ꝛc.
JN der letſten Puͤndtner Alp ruheten wir etwas in einer Sennhuͤtte auß / theils unſere durſtige Zungen zu erquiken / theils von den Jnn - haberen zu erforſchen die Nahmen der
Milchſpeiſen / und Milchgefaͤſſen / welche dem Milch - und Woͤrter-Liebhaber zu gefallen allhier beybringen wil / als eine Zugab deſſen / ſo von Bereitung der Milchſpeiſen oben bereits iſt angebracht wor - den Tom. I. pag. 30.
Bey Anlas der Senten ſelbs / welche meine Wirthshaͤuſer und Zu - flucht ſein auf hohen Gebirgen / berichte den geehrten Leſer / wie zu groſſer mei - ner Freude ohngefahr bey dem groſſen Naturforſcher Plinio Hiſt. Nat. Lib. II. cap. 45. angetroffen habe diſen ſonſt Schweizeriſchen Nahmen. Alſo ſchreibet er an gedachtem Ohrt: Sine fine ventos generant jam quidam ſpe - cus, qualis in Dalmatiæ ora, vaſto in præceps hiatu, in quem dejecto levi pon - dere, quamvis tranquillo die, turbini ſimilis emicat procella. Nomen loco eſt Senta. Teutſch. Es gibt / zum Evempel in Dalmatien / windge - baͤhrende gaͤhtieffe Bergklüften / in welche ſo man / auch bey ſtillem Wetter / einen Stein wirft / ein Ungewitter entſtehet. Der Ohrt heiſſet Senten.
Jch zweifle keines wegs / daß nicht diſes eine wahre Senten / oder Senn - huͤtte geweſen / und uͤberlaſſe / denen Criticis zu entſcheiden / ob nicht auf diſes des Plinii Anſag ſolle eine Senten in Lateiniſcher Sprach genennet werden SENTA, eher als SENNa, welches / ſo vil mich zu erinneren weiß / an einem Ohrt braucht Geſſnerus, oder Senntena, welches ich bis dahin in meinen La - teiniſchen Schriften gebraucht habe.
Den einbeinichten Melkſtuhl / auf welchem der Senn ſizet / wann er die Kuͤhe melket / heiſſen die Puͤndtner gemeinlich in ihrer Sprach Scagno, wel - cher herkommet von Scamnum, hier aber / da die alten Ætuatier ſich nider - gelaſſen / Sediel, Sediæl, welcher durch einen einigen Buchſtabwechſel gibt der Lateineren Sedile.
Eine90Eine Melkteren / darein man die Milch mulget, außmelket / heiſſen die Puͤndtner anderſtwo auch Meltre, die Tavetſcher Zuppe.
Eine Milch Sienen / oder Follen / heiſſet in Puͤndtneriſcher Sprach al col, welches ſo vil iſt / als colum, hier aber auf Ætuatiſch Dertiuſch.
Das Wellkeſſe nennet man hier und anderſtwo in Puͤndten Caldæ - ra, in Lateiniſchen Scribenten findet ſich Caldarium.
Den Thurner / einen hoͤlzernen Arm / an welchem das Wellkeſſe han - get / und uͤber das Feur geſezet wird / heiſſet man hin und wider in Puͤndten al turn, hier Tſchegnie.
Das Lupptaͤuslein / worinn das Lupp aufbehalten wird / Brocca di quale.
Das Lupp ſelbs / wormit man die Milch ſcheidet / Quale, in Engadini - ſcher Sprache Quatſch.
Die Zigerkelle / wormit man den Schaum abnimmet / Spimæra, à Spuma, von dem Schaum.
Die Kaͤßbrechen / einen Steken von einem jungen abgeſchellten Taͤnnlein / darmit man den Kaͤß im Keſſe zertheilet / heiſſen die Puͤndtner / ſo wol hier / als anderſtwo / Turſchæt.
Den jenigen groſſen hoͤlzernen Loͤffel / der hin und wider heiſſet Gon / Haggen Napf / nennen auch die Tavetſcher Gont / andere Puͤndtner Cazzetta, und Scarmæra.
Die Mutten / ein breit rundes Geſchirꝛ / darein man die Milch uͤber - nacht ſtellet / heiſſet auch Mutta, und Guttæs: allhier Curær, und in kleinerer form / Purſchiette.
Die Saurſchotten / darmit man die Milch ſcheidet zum Ziger / Scottage.
Das Trankfaß / darinn man ſie aufbehaltet / Miſtæra.
Die Kaͤßjaͤrbe / ein breiter Ring darmit der Kaͤß eingefaſſet wird / Fascera, welches wort abſtammet von Fiscella, deſſen ſich in gleichem Ver - ſtand bedienet Tibullus Lib. II. Eleg. 3.
Der Kaͤß Ladſtein / darmit man den Kaͤßbeſchweret Knappi.
Das Suffygoͤnelein / einen Loͤffel / darauß gemeinlich die Sennen ihren Gaͤſten zu trinken geben / una Scudella.
Der Ankenkuͤbel / oder Liren ein Faß / darinn man den Butter be - reitet / Panaglia.
Es wird verhoffenlich dem geehrten / ſonderlich Sprachliebenden / Leſer nicht mißfallen / daß ihme von diſen uͤberbleibſelen der alten Lepontiſchen / Rhetiſchen / oder auch Tuſcaniſchen Sprache / von deren wir ſonſten keine Lexica, Woͤrterbücher / in Truk haben / etwas zuſamt den Milchſpeiſen aufge - ſtellet habe.
Jch91Jch bemerke bey diſem Anlas nicht nur / daß die Puͤndtneriſche Sprach ihre ſo verſchiedene Gattungen / oder Dialectes hat / daß ſie unter einanderen ſich nicht verſtehen koͤnnen / ſondern diſes ins beſonder / welches kaum in eini - chem Weltbezirk anzutreffen / daß in diſen hohen Gebirgichten Landen / oft in einem Begriff von wenig Stunden / ganz verſchiedene Sprachen / bald die Teutſche / bald eine von Puͤndtneriſchen / uͤblich ſein / welches nicht wenig bey - tragen kan zur Trennung der Nachbarlichen Gemuͤhteren ſelbs.
Jn dem Seſſiter Thal / Valle Seſſia, iſt eine Gemeind / Presmello, welche Teutſch redet / da ſonſten im ganzen Thal eine andere Sprach regie - ret. Jn dem Val d’ Oscela, Oscelana Valle, redet man auch Teutſch / zu Bonmatt / in uͤbrigen Doͤrfferen aber ein verderbt Jtalieniſche Sprach. Jn dem Meynthal / Madia Valle, iſt auch eine mit Jtalieniſchen Gemein - den umzingelte Teutſche Pfarꝛey. Jn dem Schamſer Thal / Sexam - nina Valle, ſo liget zwiſchen Spluͤgen / und Domleſchg / iſt uͤblich die Puͤndt - ner Sprach / da hingegen man bey dem Urſprung des hinderen Rheins ſelbs / und im Domleſchg / Teutſch redet. Bey dem Urſprung des Rhodans / und der Reuß gegen dem Urſeren Thal redet man Teutſch / in dem uͤbrigen Walliß aber andere Sprachen / welche bald der Jtalieniſchen naͤher zu kom - men / bald der Franzoͤſiſchen.
Es vermeint Tſchudius in ſeiner Helvetia Antiq. und auß ihme Stum - phius Lib. IX. cap. 2. es ſeyen diſe Teutſchen / wahre alte Lepontiſche Voͤlker / von denen Weltherꝛſchenden Roͤmeren auß ihren Gebirgen nicht vertriben / noch auch ihrer Sprach halben beunruhiget worden / theils / damit ſie nicht / wann ſie hart gehalten wurden / ſich des Roͤmiſchen Jochs mit leichter Muͤ - he wegen Vortheils der hohen Bergen / und engen Paͤſſen entladeten / theils / damit ſie / die Roͤmer / ihre Paͤſſe offen behielten uͤber die Gebirge / worzu frem - de / anderſtwoher gefuͤhrte / Colonien nicht ſo tauglich geweſen / als die alten Einwohnere ſelbs / als welche des rauhen Berglebens gewohnt / und deßwe - gen nicht koͤnten mit hartem Joch beleget werden; Da hingegen andere zah - mere / in tieffen ebenen Tbaͤleren gelegene Voͤlker nicht nur ſich voͤllig muͤß - ten dem Roͤmiſchen Gewalt unterwerffen / ſondern auch die Weltherꝛſchen - de Sprach annehmen. Diſen gelehrten Muhtmaſſungen Tſchudy kan meines erachtens nachgeſezt werden eine andere in der Klugheit der Roͤmi - ſchen Policey begruͤndete Staats-Maxime, nach welcher villeicht die Roͤmer gut befunden / in diſe Bergichte Lande einzufuͤhren verſchiedene Sprachen / als ein bequemes Mittel zur Zertheilung der Gemuͤhteren ſelbs / worzu ſelbs dienen koͤnnen das ungleiche Tractament / darmit ſie ſein angeſehen / und in Eiferſucht gegen / und widereinanderen / verleitet worden.
Wir reiſen fort / und kommen uͤber die Tavetſcher Gebirge / ſo ein Armſein92ſein des Criſpalti, oder Kreuzli / in die Alpen der Urſeleren / allwo wir in zimlicher Hoͤhe / welche wir aber nicht abgemeſſen / antraffen einen See / wel - cher eine Stund ohngefahr in die Laͤnge ſich erſtreket / und eine der vornem - ſten Quellen des Reüßfluſſes außmachet / deren aber bey keinen Scriben - ten / oder in Land-Charten gedacht wird. Diſem Reüß-Arm / der von Auf - gang her flieſſet / ſein wir gefolget bis in das Urſeren Thal / da wir auch vor einichen Tagen durchpaſſierten / wir ſpeißten in dem Dorff an der Matt / und hatten bey unbeſtaͤndiger Witterung das Quekſilber im Wetterglaß in gleicher Hoͤhe / wie zu St. Anna / worauß wir auch abnahmen eine ohn - gefahrlich gleiche Hoͤhe des Urſeren und Tavetſcher-Thals.
Wir blieben aber hier nicht / ſondern reißten noch des Tags durch eine ſchoͤne halbſtuͤndige Ebene gen Hoſpital.
Es iſt diß Urſeren Thal / Urſaria Vallis, kaum in die zwey Meil lang / und eine Stund breit / aber angenehm / eben / und mit fetten Matten wol verſehen / ſo daß es mit denen auf angraͤnzenden hohen Gebirgen ligenden Alpen die Einwohnere dreyer darinn ligenden Doͤrfferen wol kan erhalten / welche aber uͤber diß taͤglichen Nutzen bezeuhen von diſer Kreuzſtraß / welche gegen alle 4. Gegenden der Welt gehet. Dann erſtlich gegen Mittnacht gehet laͤngſt der Reüß ein Hauptpaß vom Gotthard gen Uri / welcher zu Sommer - und Winterzeit bald alle Tag gebraucht wird; Zweytens beſtei - get man auß diſem Thal den Gotthard / und reiſet gegen Mittag ins Livi - nerthal / und weiters in Jtalien: drittens kommet man gegen Aufgang in den Oberen Pundt; und viertens uͤber die Furca in Walliß. Die drey er - ſteren Straſſen haben wir nun innert wenig Tagen mit unſeren Fuͤſſen ab - gemeſſen / und was merkwuͤrdiges darbey vorgefallen / bezeichnet / die vierte aber wollen wir / geliebts Gott / Heut / den 11. Augſtm. auch bewandlen; und diſen vornehmlich anwenden zur Beſchreibung der Urquellen der namhafteſten Fluͤſſen Europæ / welche wir theils bereits in Augenſchein ge - nommen / und noch weiters nemmen werden.
Von Hoſpital hinweg reiſeten wir guten Muhts durch zum Dorff und Realp / welches ohngefahr eine Stund von Hoſpital abſtehet / und fangen von hier an ſteigen den hohen Furca Berg / welcher uns aber um ſo vil weniger wird zu ſchaffen geben / weilen wir in waͤhrendem ſteigen unſere Augen / und Gemuͤhter / werden beluſtigen mit allerhand ſchoͤnen Außſichten / und vorkommenden Bergkraͤuteren / auf die wir in allen unſeren Bergreiſen beſonderbar acht haben / die Berge / Thaͤler / Alpen / Felſen / anſehende / als ſo vil ſchoͤne / von dem Schoͤpfer der Natur ſelbs angelegte / und mit den ſchoͤn - ſten Gewaͤchſen bezierte Luſt-Gaͤrten. ꝛc.
VEber diß aber werden wir uns ergezen bey lieblicher Anſicht der Berg - groſſen / und Meergruͤnen Gletſcheren / welche dem Rhodanfluß ſei - nen Urſprung geben; ja auf den oberſten Spizen der Furca uns niderlaſſen / um uns zu erlaben mit den Cryſtall lauteren Waſſeren ſelbs auß den Urquellen der Reüß / des Teſins / zweyer Rheinen / und der Rhoſne, welche wir jezt in beſondere Betrachtung ſezen wollen / und darmit einen vor - nehmen Theil der Hydrographiæ, oder Potamographiæ Helveticæ, Waſſer - oder Fluͤß Beſchreibung des Schweizerlands / abhandlen.
Die
Rüß / Urſa, Ruſa, Ruſia, Reuſſia, ein dem Schweizerland mit ſeinem An - fang und End eigener Fluß / wird in ſeinen Urſprüngen vorgeſtellet in einer beſonderen Chart; allwo zuſehen drey Haubtquellen / welche alle mit groſſer Muͤhe aufgeſucht / und mit beſonderem Fleiß durch Huͤlff des Compaſſes mit ihrem Fortgang / Krümmenen / und darein flieſſenden Baͤchen abgezeichnet.
Die erſte / bekante / und bey allen Scribenten zu findende Quell iſt auf dem hohen Gotthard / ein Berg-See / Lago di Luzendro genant / in welchen andere von hoͤheren Firſten Orſino, und Orſirola abflieſſende Baͤchlein ſich ergieſſen / ſo daß wir allhier nicht nur die Quell des Waſſers / ſondern auch den Urſprung des Nahmens in diſen hohen Bergfirſten antreffen. Der See iſt das ganze Jahr hindurch von ſchwartzgruͤner Duͤnkle / ſehr tieff / eine kleine Stund von den Hrn. Capucineren entlegen / und zeuhet ſich auch eine kleine Stund in die Laͤnge. Auß diſem See nun flieſſet das ganze Jahr die Reüß / welche bald durch andere Baͤchlein gemehret wird. Alſo flieſſet die Reüß in vilen krum̃en Raͤnken den Berg ab / und kommet in zweyen Stun - den gen Hoſpital / welches Dorf in Mitten des Urſeren Thals liget. Daſelbſt vereiniget ſich mit diſer Gotthardiſchen Reüß ein anderer und groͤſſerer Arm /welcher94welcher harflieſſet von dem Berg Furca, und anfaͤnglich zwar zuſamenrin - net auß vilen kleinen Baͤchlein / ſo von verſchiedenen Ohrten ab / und zuletſt in einen Fluß zuſamen flieſſen / alſo gleich ſein denen Blutaderen des Menſch - lichen Leibes / welche auß unzehlich vilen kleinen / faſt unſichtbaren Aederlein / endlich die groſſe Hol-ader geſtalten.
Die Nahmen diſer Quelladeren / oder in die Reuͤß von Seiten der Fur - ca flieſſenden Baͤchen ſein folgende: Der Sidelen Bach / Nideren Bach / Muttenbach / z’ Wiggenwaſſeren / Fuchsegger Bach / Lochberg Bach / Liperſtein Bach / Weiſſenbach / Witt-Wal - bach / Enthalbach / Kaͤſerthalbach / Groß Thalbach / Reich - inerbach. Von Hoſpital flieſſet diſe zweyfache Reuͤß in einem Runß in ſtiller Ebene fort bis zu dem erſten Dorff an der Matt / allwo ſich mit ihro vermiſchet die dritte Haubtquell / deren zwahr weder die Landcharten / noch die Vatterlaͤndiſchen Scribenten / einiche Meldung tuhn. Diß iſt der jenige See in der Ober Alp / welchen wir geſtern vorbey paſſiert / als wir von Puͤndten hiehar reiſeten. Jn diſen dritten Fluß kommen / vor deſſen Ein - lauff in die gemeine Reüß / von anderen Alpen herab andere Baͤche / welche aber zu erkundigen die Zeit nicht gehabt / und deßwegen auch nicht voͤllig auß - getrukt habe in der Chart. Es hat bis hieher die Reuͤß ſich ſchon zahm und wild gezeiget / wild in ihren erſten Urſpruͤngen / uͤber gaͤhe Berge und Felſen herab / zahm in ihrem Fortgang durch das Urſeren Thal; Jezund beginnet ſie ihre ungeſtuͤme Art zu End des Thals noch mehr an den Tag zu legen / in dem ſie durch ein enges gaͤhe tieffes Thal / uͤber hohe Felſen / und Steinklip - pen herab / mit ſchreklichem Brauſen / und ſchaumenden Wellen / welche hier und da ſich in lauter ſtaubichte Duͤnſte zerſchlagen / fortrauſchet / bis hinab gen Sillinen / alſo daß ſie faſt einen einigen etliche Stunde langen Waſſer - fall vorſtellet; gleichwol aber habe die jenigen Ohrte / da die nahmhafteſten Faͤlle ſein / andeuten wollen mit kleinen Kreuzlin.
Erſtlich zwahr flieſſet ſie alſo zu der Teufelsbruk / und unter derſel - ben mit rauſchendem Wuͤten hindurch / wie zu ſehen in einem beſonderen / oben bereits vorgeſtelten Abriß diſer beruͤhmten Bruk. Da indeſſen die Reiſenden auf ſchmalen / oft in Felſen außgehauenen Wegen mit Forcht und Schreken von der Schoͤllinen ab - und in die Tieffe ſehen / und hoͤren die an einander und an die Felſen anſchlagenden / in einem hohen Waſ - ſer Staub ſich aufloͤſenden Wellen. Bey Geſtinen flieſſet in die Reuͤß ein zimlich ſtarker Bach / welcher ſeinen Urſprung hat in denen Geſtiner-Al - pen / auß denen daſelbſt befindtlichen Gletſcheren: So auch ergieſſet ſich in die Reuͤß ein anderer Bach von denen Bergen / die gegen Aufgang ligen.
Ohnfehrn von Waſen / in dem Waſener Wald / iſt eine hohe uͤber dieReuͤß95Reuͤß gewoͤlbte Bruk / deren anſicht mir nicht minder foͤrchterlich vorkom - men / als die Teufelsbruk. Bey Waſen fuͤhret der Reuͤß mehrere Waſſer zu der Meyenbach / welcher auß denen benachbarten Berneriſchen Alpen herfiieſſet. Weiter hinab ligen an der Reuͤß die Doͤrffer Weiler / Gur - nellen / Meitſchlig / Jm Ried / Am Staͤg / und Sillenen / da in die Reuͤß ſich ergieſſet der Kerſtenen Bach. Um diſe Gegend fan - get die Reuͤß an zaͤhmer fortzuflieſſen neben Erſtfeld / oder Jagmatt / empfanget ohngefehr eine Viertelſtund von dem Haubt Fleken Altorff die Schaͤchen / ſo durch das Schaͤchenthal abflieſſet. Endlich nach dem ſie zwiſchen Altorff und dem Kloſter Attinghauſen / und Seedorff durchgefloſſen / laͤhret ſie alle ihre Waſſer auß bey Fluͤelen in den IV. Wald - ſtaͤtten See / auß welchem ſie bey Lucern wider außflieſſet unter dem Nammen der Reuͤß / welchen ſie gehabt vor ihrem Einfluß in den See.
Ohngefehr eine halbe Stund von der Stadt / unter dem zerbrochenen Burgſtall Stollberg empfanget ſie die wyß Emmat / welche in denen Entlibucher Alpen entſpringet. Hernach flieſſet ſie fort neben Rad - hauſen / Buchrein / Eſchenbach / Jngweil / Roth / S. Cathari - na / Gyslikon / allwo eine Bruk; Diettweil / ſo alles bis hieher im Lu - cerner Gebiet: Hünenberg im Zuger Gebiet: Rütti / im Grut / Sins / Rüßegg / Hagnan / Rikenbach in Freyen Aemteren: em - pfanget bey Maſchwanden Züricher Gebiets die Loretz: weiters hat ſie auf ſeiten des Zürich Gebiets Jonen / Lunkhofen / Huſen / Geiß - hof / auf ſeiten der Freyen Aemteren Ariſtau / Althüſeren / Weerd / Rotenſchweil / Hermanſchweil / Bremgarten: unter diſem Staͤtt - lein flieſſet ſie fort nebſt Fiſchbach / Sultz / Gnaden Thal / Stetten / Mellingen / Birmenſtorff / Muͤllinen / Gaͤbisdorff / und uͤbergi - bet endlich ihre Waſſer der Aren / unter der alt zerſtoͤrten Roͤmiſchen Statt Windiſch.
Theſin / Jl Teſino, Ticinus. ein namhafter Fluß / welcher der Reuͤß entgegen gegen Mittag / in Jtalien flieſſet / nimmet ſeinen Urſprung auch auf dem Gotthard von zwey Seen / welche ohnfehrn von den Eapucineren ligen / und eine kleine Stund von dem Urſprung der Reuͤß. Von diſer ſeiner Urquell flieſſet / oder vilmehr lauffet diſer Fluß Sommers und Winters den Berg ab / oft unter Schnee - und Eisbruken hindurch / durch krum̃e Schlan - gen Weg / in das Liviner Thal.
Es gedenken unſere Scribenten diſer einigen Quell des Teſins; Jch habe aber auf diſer meiner Berg Reiſe mehrere gefunden / welche / wo ſie nichtvor -96vornemmer / als die Gotthardiſche / doch verdienen nebſt diſe in gleiche Linien geſezet zu werden / ſo wol in Anſehung der Hoͤhe / als Vile der Waſſeren. Wir wollen aber der Gotthardiſchen zu reſpect der Præſcription ihres Vor - recht nicht diſputieren / ihren alſo den Vorzug geben.
Die Zweyte liget auf der Abend-ſeite des Gotthards / auf dem Berg Pettine, allwo ein namhafter Berg-See Lago del Pettine, Lago doppo la cima del Pettine, Lago Sopra la Cima del Pettine genant / von welchem See ein Arm des Teſins auß / und nicht fehrn von Airol in den erſten Teſin ein - flieſſet.
Die dritte Quell gibet auch ein Berg See Lago della Sella, auß wel - chem auch ein Arm des Teſins durch das zitterende Thal / Valle Tremo - la, ab - und bey Airol in den Teſin außflieſſet.
Die vierte Quell haben wir geſehen auf dem Berg Lukmannier / an gleichem Ohrt / da der Mittlere Rhein entſpringet / allwo vil kleine Baͤchlein in einen Bach zuſamen flieſſen / welcher durch das Thal Piora ab / und bey der Capell S. Carlo in den Rottomer See / Lago di Rottom flieſſet / deme auch ſeine Waſſer übergibet der kleinere Tomer See / Lago di Tom. Der erſte flieſſet neben Foggio auß / und ſtuͤrzet ſich von gewaltiger Hoͤhe herab ins Li - viner Thal / bis er endlich unter Madrano dem Teſin ſeine Waſſer uͤbergibet.
Ob Airol flieſſet auch in den Teſin ein Haubtquell des Teſins / welche her komt von der Abend ſeite auß einem See Lago di Bedretto genant / und durch Valle di Bedretto abflieſſet.
Nach dem alſo der Teſin mit vilen Waſſeren ſich verſehen / ſezet er ſeinen Lauff fort gegen Mittag / durch das Liviner Thal ab / und begruͤſſet in demſel - ben Ambri, Dacio, allwo das groſſe Zohlhauß / Faido, Pfayt / Fusnengo, Criſogna, Giornico, Jrnis, Rivolta, Pollegio, unter welchem er ſehr verſtaͤrkt wird durch die Breün / ſo auß dem Breüner Thal hervor flieſſet.
Von hier gehet der Teſin weiters fort / bis er endlich bey Magadino dem Lago Maggiore (Lacus Verbanus) ſeine Waſſer uͤbergibet.
Den Außfluß des Teſins auß diſem Groſſen See / und weiteren Fort - gang bis in das Mittellaͤndiſch Meer überlaſſe denen Jtalieneren / und ver - ſpriche indeſſen dem geehrten Leſer nebſt der allgemeinen Charte / darinn die Urſpruͤnge der von mir unterſuchten Fluͤſſen / zu ſeiner Zeit auch eine beſon - dere Vorſtellung des Teſins von ſeinen erſten Quellen bis zu End des Livi - nerthals / wann mir der Hoͤchſte Leben und Geſundheit gibet.
P. S. Dem geehrten Leſer ſtehet zu Dienſten eine beſondere Tafel von denen Urſprüngen der Reuͤß / welche zwahren auch ohne dieſelbe koͤnnen von einem Land - er fahrnen auß der Beſchreibung gefaſſet werden. Der Preiß iſt 10. ß.
JCh fahre nun in meiner Flüß-Beſchreibung fort zu dem
Rhyn / Rhenus, einem der vornemſten Fluͤſſen Europæ / welchen Nicobulus - und Nazianzenus ᾽ενγενέα, edel und wolgebohren / titulieren.
Von ihme ſchreiben Cæſar, Ptolomeus, Strabo, daß er entſpringe auf dem Berg Adula bey den Lepontieren. Recht ſo. Diſer
bey Strabone Ἀδ〈…〉〈…〉 λας, Ἀδουάλλας, Διαδουελλας, Lateiniſch auch Adualla, Diaduella Adyla, Adya genant / hat ſeinen Nahmen her von Adula, Vogler / einem der 20. Fuͤrſten Aſcenaz, wann Gulero zu glauben Ræt. p. 5. Er begreift in ſenſu latiſſimo, in weiteſtem Verſtand / alle hohen Alp-Gebirge / welche von Savoyen her bis in Dalmatien / Crain / und Sclavonien ſich erſtreken; in einem engeren / und beſſeren[Ver]ſtand aber in ſenſu latiori, die Rhetiſchen / und Lepontiſchen Gebirge all〈…〉〈…〉 / welche gleichwol noch 4. ſtarke Tagreiſen weit gehen; in diſem Verſtand hat vom Adula geſchriben Strabo, wann er mit außtruklichen Worten die Quellen des Rheins / und der Adda von dem Berg Adula herleitet / da gewiß / daß der Adda Urſprung im Wormbſer - Joch / Jugis Rhæticis; Daher auch Strabonem eines Fehlers uͤberzeugen Tſchudius Helv. Ant. und Simler Com̃. de Alpib. p. 102. 103. Welche in dem eigentlichſten Verſtand / ſenſu ſtricto, dem Adula zurechnen allein den Cri - ſpalt / da der Vordere; den Lukmannier / da der Mittlere; und S. Bernhardin, da der hindere Rhein entſpringet / nach welcher Außlegung von dem Adula eingeſchloſſen weren das Liviner-Galanker-Palen - ſer-Tavetſcher - und Maſover Thal.
Es wird der Rhein ſeiner erſten Urſpruͤngen / und Fortgangs halb ge - meinlich abgetheilt in den Vorderen / Mittleren / und Hinderen. Einiche laſſen den Mittleren auß / und gedenken allein der uͤbrigen. Wañ wir der gemeinen in Puͤndten uͤblichen Sprach wollen nachgehen / ſo finden wir unzehlich vil Rhein / geſtalten diß Ohrts anzumerken erinnere / daß inder98der ſo genanten Romaniſchen Sprach mit dem Nahmen Rhein / Rhen, betitlet werden bald alle Baͤche / ſie moͤgen ligen / wo ſie wollen / in welchem Verſtand der Rhein gar wol ſeinen Nahmen mag her haben von dem Griech ſchen ρέω, fluo, flieſſen. Von dem Hinderen Rhein wil diß - mahl nichts melden / weilen denſelben nicht beſucht. Es verdienet deſſen Nachſpuͤrung eine beſondere Reiſe.
Der Mittlere Rhein entſpringet / wie oben bereits verdeutet wor - den / auf dem Berg Lukmannier / der ein Theil Adulæ iſt / von welchem in das Thal S. Mariæ vil Baͤchlein ab - und zuſamenflieſſen / einerſeits in einen Arm des Teſins / anderſeits in den Rhein / in dene bald / noch ob dem Hoſpi - tal S. Mariæ / von entſezlicher Hoͤhe ſich herabſtürtzet ein Waſſerꝛeicher Bach / den wir Abends ſpaͤt mit muͤden Beinen durchwatten muͤßten. Ob diß ſeye der Froda, oder Frodde Fluß / deſſen Tſchudius, und andere geden - ken / daß er hernach den Nahmen des Rheins annemme / habe ich nicht in Er - fahrung bringen koͤnnen. Das haben wir vernommen / daß des Mittleren Rheins Urſprung gezeiget werde an dem Ohrt / da wir durchpaſſiert / welcher deßnahen genennet werde Jl principio del Rheno in prato ſecco: daß auch die meiſten Baͤche / ſo das ganze Medelſer Thal ab in den Mittel Rhein ſich ergieſſen / gleichen Nahmen des Rheins haben. Diſer Mittlere Rhein / nach dem er einen Weg von ohngefehr 6. guter Stunden gemachet durch das Medelſer Thal / vereiniget ſich mit dem Vorderen Rhein bey Diſentis. Diſer entſpringt in dem Criſpalt / welcher ein Arm des Gott - hards iſt / und an die Urſeler graͤnzet. Das jenige beſondere Ohrt / da diſer Vordere Rhein ſeine Quellen hat / wird genennet Cima del Baduz (Wag - ner ſchreibet Badûs, Helv. Cur. p. 68.) Es miſchen ſich aber bald vil an - dere nahmhafte Baͤche / auß denen Alpen Mugels, Cornera, und anderen mehr / denen die Ehr der Urquell nicht kan abgeſprochen werden.
Nach dem alſo diſer Vordere Rhein ſtark angewachſen / flieſſet er fort gegen Nordoſt / nebſt denen Doͤrfferen Chiamut, Juf, S. Giacomo, S. Anna. Tavetſch, allwo er ſich wendet gegen Morgen / um ſich bey dem Kloſter Di - ſentis mit dem Mittleren zu vereinbaren. Weiters wollen wir ihme diß - mahl nicht folgen / weil unſere Reiſe zuruk auf den Gotthard / und Furca gehet.
Auf der oberſten Hoͤhe diſes Bergs / bey dem Kreuz / welches das Land Ur - ſeren von Walliß ſcheidet / kamen wir / nach zimlich muͤhſamem Steigen über den Schnee / um den Mittag / ſchraubten alſobald auß unſeren Meßſtab / und funden das Quekſilber im 19. Zoll / 4. Scrupel / bey ſchoͤner / heller Luft. Worauß wirgeſchloſſen / ohne auf die allgemaͤchlich zunehmende Düñung der Luft unſere Gedanken zu richten / daß wir hoͤher waͤren / als Urſeren undTa -99Tavetſch 2040. Schuhe; als S. Maria 1160. Welche wol koͤnnen weg - gehoben werden / wann wir in Vergleichung ſezen wollen den Urſprung des Mittleren Rheins / und Theſins / auf dem Lukmannier / ſo daß wir bereits in gleicher Hoͤhe ſezen koͤnnen die Quellen des Lukmanniſchen Teſins / Mittleren Rheins / der Reüß und Rhodans / die beyde allhier auf der Furca entſpringen. Die Gotthardiſche Reüß / und daſelbſt ligende Quellen des Teſins ligẽ nach diſer unſerer Rechnung tieffer als die Furca 680. Schu - he / welche auch gar leicht koͤnnen abgeſchnitten / oder beſſer zu ſagen / hinzu ge - tahn werden / wann wir vor die wahren Quellen beſagter Fluͤſſen nicht ſo vaſt anſchen wollen die auf Gotthardiſcher Ebne ligenden See / als aber die von hoͤheren Bergen / Orlino, Orſirola &c. abflieſſende Baͤche. Wann wir aber wolten beſagte See auf dem Gotthard halten vor die wahren Urſpruͤnge der Fluͤſſen / ſo iſt zu wiſſen / daß auch die Gletſcher / ſo der Rhoſne ihre Waſſer mittheilen / und die Baͤche der Furckiſchen Reüß / in die 600. oder 700. Schu - he tieffer ligen / als der Ohrt / da wir uns nidergeſezet. Und hierauß klaͤrlich zu ſehen / daß der Gotthard / Lukmannier / Furca und andere ihres gleichen Lepontiſche / Rhætiſche / und Walliſſer Gebirge / als die hoͤchſte Erd - Spize von ganz Europa / faſt in gleicher Hoͤhe / oder in eodem horizonte, li - gen.
Nach obgeſezter Rechnung ſtehen wir allhier uͤber Airol 2600. Staͤg 3880. Altorff 4000. Wann wir diſe oberſte Hoͤhe von Europa anſehen nach denen Grundſaͤtzen der Koͤniglich Franzoͤſiſchen Geſellſchafft / ſo kom - men in Pariſer Zohlen / und Linien 21. 1½. Denen entſprechen bey Mariot - to 5975. Bey Caſſino 8376. Schuhe uͤber das Mittellaͤndiſche Meer.
Diſer Berg / auf dem wir jezt ſtehen
Furca, Furcula, Bicornis iſt der Anfang / und oberſtes Haubt der Walliſſeren / und Urneren / und hat ſeinen Nahmen bekommen von ſeiner zweyſpitzigen / oder Gabelfoͤrmigen Figur; gibet den Paß den Urneren ins Walliſſerland / welcher aber zu Winters Zeit beſchloſſen. Er wird ſonſt auch genennet Coa - tius, Juberus, Viberus, von denen Lepontiſchen Viberis, oder Juberis, durch welche man gemeinlich die Einwohnere des Urſeren Thals verſtehet / daher auch diſer Berg Urſellus heiſſet.
Von jezgedachten Lepontiſchen Viberis ſchreibet Plinius in Ordnung der Berg - oder Alp-Voͤlkeren Lib. III. cap. 20: Lepontios, qui Viberi vo - cantur, Fontem Rhodani accolere. Es ſcheinet bey erſter Anſicht / wir wer - den ſie erſt begruͤſſen / wann wir die Furcke ab in das Obere Walliß geſtiegen / dann der Rhoſne Urſprung in Walliß. Tſchudius aber / und mit ihm an - dere unſerer Scribenten / ſeyn in der Meynung / Lepontii Viberi ſeyn die Ur -ſeler100ſeler / als welche dem Urſprung des Rhodans naͤher ſeyn / als die erſten Wal - liſſer / wiewol / meines Erachtens / diſer Grund nicht ſo gar wichtig. Von dem Urſprung der Rhoſne getraute mit eher zu kommen nach Unterwaſen / in das oberſte Walliſſer-Dorff / als nacher Realp / ſo das letſte Dorff im Urſeren-Thal. Guͤltiger iſt ein anderer Beweißgrund / den Tſchudius daher nim̃et / daß Cæſar Lib. III. Gall Bell. die uͤberwundene Walliſſer Voͤlker mit Fleiß in der Ordnung erzehlet / wie ſie auf einander folgen / Antuates, Veragri, Seduni, welche letſte die Ober-Walliſſer ſeyn / und Beſizere der hoͤchſten Wal - liſſer Alpen / daſelbſt aber keine Meldung tuht der Lepontiorum Viberorum, oder Juberorum, als die an gegenſtehender Seithe der Furke wohneten. Uber diß muhtmaſſet Tſchudius, es moͤchten diſe Viberi, oder Juberi ihren Nahmen haben von der Reuß / ſo in ihrem Land entſpringe / welcher Grund aber auch auf ſchwachen Fuͤſſen ſtehet. Einer anderen Meynung iſt Simlerus, welcher Lib. I. de Vales. p. 8. b. Die Viberos ſezet in Walliß / weilen des Rhodans Urſprung auf der Walliſſer / und nicht auf der Urſeleren Seithe: wiewol er p. 9. Tſchudio naͤher koͤmt / wann er ſich endlich dahin erklaͤret / daß mit diſem Nahmen wol auch benennet werden koͤñen die Urſeler / weilen manchmahl die diß - und jenſeit eines Bergs wohnende Voͤlker koͤnnen gleiches Nahmens ſeyn.
Uns iſt gleich / ob wir die Viberos bereits heut geſehen / oder erſt auf den A - bend begruͤſſen werden. Es mahnet uns die Zeit / und vortreffliche Wichtig - keit derjenigen Sachen / welche uns heut noch auf dem Weg begegnen / aufzu - brechen / und fortzuruken.
Kaum mag man auf der Walliſſer Seithe um etwas die Furke abſtei - gen / ſo ſihet man auf linker Hand in der Hoͤhe einen / in Anſehung des folgen - den / kleinen Gletſcher / aus welchem ein beſtaͤndiger Bach herflieſſet / deme bald andere / ſo von anderen Ohrten des Bergs abrünnen / ſich zugeſellen / und ſich nach einer kleinen halben St und / gegen Abend / unter dem Groſſen Glerſcher verlieren / bald aber widerum unter demſelben hervor kommen / und mit weit mehreren / von dem groſſen Gletſcher ſelbs kommenden Waſſe - ren / des Rhodans Urſprung ausmachet; wie ſo wol die Gletſcher / als des Rhodans Urſpruͤnge vorgeſtellet werden in einer beſonderen Tafel. Wir ſe - hen alſo / daß nicht nur die Furke zweyſpizig iſt in Geſtalt einer Gabel / ſondern auch doppelt iſt der Gletſcher / und zweyzinkicht der von ihnen herflieſſende Rhodan.
P. S. Die Tafel von den Gletſcheren / als des Rhodans Urſprung / kommet a 2. ß.
WJr bemerken hier / wie ſo wenig genaues von dem Urſprung eines ſo gewaltigen Fluͤſſes gewußt die alten Natur - und Erdbeſchreibere. Plinius Hiſt. Nat. Lib. III. cap. 4. ſagt einfaltig / er flieſſe her von den Alpen / und zeuhe ſich hernach durch den Genffer-See / Rhodanum ex Alpibus ſe rapere per Lemanum Lacum. Strabo ſchreibt um etwas genauer / das der Rhodan entſpringe ſupra Antuates, & Veragros, ob denen Uchtlaͤnderen / und Oberwall[i]ſſeren / ohnweit den Quellen des Rheins / und dem Berg Adula. Polybius eignet der Rhoſne drey Quellen zu / ob dem Adriatiſchen Meer / ſupra Maris Adriatici intimum ſinum. Pomponius Mela ſetzet den Urſprung diſes Fluſſes nicht weit von dem Jſter / und Rhein. Es iſt anbey klar / wie ſo weit von der Warheit abſtehen nit nur Mela, welcher den Jſter / und Rhodan / als zwey Nachbaren zuſamen ſetzet / (da jener / heut die Donau genennet / entſpringet / nach gemeiner ſag / bey Doneſching / beſſer aber in hoͤheren Schwartzwaldi - ſchen Gebirgen) ſondern auch Ammianus / welcher den Rhodan ableitet von den Pœninis Alpibus, oder groſſen S. Bernhards-Berg / deme auch bey - ſtimmet der ſonſt hochgelehrte St. Galliſche Burgermeiſter Joachimus Va - dianus: ſo auch Paulus Jovius, welche alle widerleget Simler. de Vales p. 10. Unter den Alten hat bald keiner den Rhodan in ſeinem Urſprung ſo eigent - lich beſchrieben / wie Silius Italicus
Aggeribus caput alpinis, & rupe nivali
Proſilit in Celtas, ingentemque extrahit Amnem
Spumanti Rhodanus proſcindens gurgite campos
Am naͤchſten aber ſtimmet mit der Wahrheit / und unſerem ſelbs genom - menen Augenſchein / überein Sebaſtianus Münſterus, und Joh. Stumpſius, welcher Lib. XI. cap. 4. folgenden Bericht ertheilt. Jn dem Berg Fur - cka / auf der Seitengegen Nidergang entſpringt der Rhodan: ſein Urſprung wird genannt der Roddanbrunn / Fons Rhodani, der entpfangt doch ſein Waſſer nicht nur aus Natürlichen Brunnenquellen / ſonder vilmehr aus dem ſtaͤten Firn und Glettſcher des Gebirgs / welcher ſo er nimmer gar verſchmilzt / oder abgehet / ſtaͤtig Waſſer gibt. Es iſt auch uns diſer Roddan -brunn /102brunn / eſſenthalben Simlerus Valles. p. 9. b. mit Stumpfio / und uns / gleiche Meinung hat / gezeiget worden vor den wahren Urſprung / und deß - wegen auch angedeutet worden in der Tafel vom Urſprung des Rhodans. Diſer Roddanbrunn iſt / gleich einer anderen Bergquell / lauter / entſpringt innert einer gevierten Ruthen Begriff an dreyen Orten / flieſſet aber bald in einen Runß zuſamen / vermiſchet hernach ſein Cryſtall lauteres Waſſer mit denen Milchweiſſen Glettſcherwaſſeren / ſo die eigentliche Urquell des Rhodans außmachen. Man hat ſich nicht wenig zuverwunderen ab der groſſen Kraft des Vorurtheils / mit welchen die Ober-Walliſſer von vilen Jahr hunderten her behaftet / einem der groͤſten Fluͤſſen von Europa, Flumini Galliarum multò fertiliſſimo, wie ihne Plinius nennet / Fluvio inter tres Eu - ropæ maximo, wie ihne Varro betittlet bey A. Gellio, und Solino, eine ſo klei - ne Quell zulegen / von welcher kaum ein Bach entſtehen koͤnte. Es wer di - ſen Bergvoͤlckern noch zuverzeihen / wann diſer Roddanbrunn der hoͤchſte wer auf der Furcke / oder andere ſeines gleichen neben ihm daher fluͤſſen. Aber eine kleine Brunnquell ſehen nebſt einer groſſen / ein kleines Baͤchlein nebſt einem doppelten / zwantzigmal groͤſſeren Bach / welcher herflieſſet aus ei - nem Berggroſſen zweyfachen Glettſcher / und doch jene halten vor den wah - ren Urſprung des Rhodans / dunket mich ein groſſe Schwachheit des Ge - müths. Es hette denen Anwohneren ſollen die Augen aufthun allein die Milchweiſſe Farb des Rhodans / als welche herkommet von denen Gletſche - ren. Jch finde hier kom̃lichen Anlaß zuverhandlen die wichtige Materi
Nicht ohnfein hat jener berühmte Jtalieniſche Poet Taſſus vorgeſtellet den Berg / auf welchem gebauet der Pallaſt Armidæ, in geſtalt eines haupts / mit einem weißgrauen Bart / grünen Haaren / und Kieideren / umſtreuet mit Schnee / Reiffen / und vilfarbichte von Blumen
Ein ſchoͤnes Conterfeit unſerer Schnee - und Eis-Gebirgen / bey welchen man gantz nahe ſihet in den gruͤnen Alpweiden bluͤhen die weiſſen Berg Li - lien / und purpurfarbichten Alp-Roſen. Ein Berg Geſchicht / welche nit weniger beluſtigung in unſeren Augen erweket / als bewunderung in unſeren Gemuͤtheren. Es hat diſes weiſſe Winterkleid / mit welchem unſere Gebir -ge -103ge auch in mitten des Som̃ers beleget ſein / ſo hoch bewunderet Feſtus, ein alter Roͤmiſcher Grammaticus, das er auch damit hat außzieren wollen ſein Woͤrterbuch / und das Wort Alpes, Alpen / hergeleitet von dem weiß glan - tzenden Schnee / der immer auf ihnen liget / weilen auch ehmalen die Sabiner alpum genennet / was die Lateiner nachmals ausgetruket durch album, weiß. Von denen Kachemiriſchen Schneebergen ruͤhmen die Unterthanen des Groſſen Mogols / welchen ſie vor allen anderen Welt-Monarchen aus nennen einen Koͤnig der Koͤnigreichen der Welt / das dieſelben aus - machen ſeine Kron / ſo die allerkoſtbarſte ſeye in der Welt / zugeſpitzet mit lau - ter Diamanten / und ringsweiß umleget mit Smaragden / wie hiervon zu leſen Bernier Voyage de Kachemire p. 143. das koͤnnen auch wir Schweitzer ruͤhmen von unſeren Schncebergen / das ſie ſeyn ein koſtbare Kron unſers Haupts / und Lands. Uns dienet zum nutzen / was jener bey Catullo Od. 64. gehalten vor ein Ungluͤk
Wir ruͤhmen / ſo hoch wir koͤnnen / die groſſe Guͤte des Schoͤpfers gegen uns / das er uns in ſolche Berg geſezet / und halten dieſelben vor einen wol verſehenen Schatzgehalter aller zu unſerem Leben noͤthiger Guͤteren. Nicht wil ich mich darmit aufhalten / wie die alten Roͤmer nnd Griechen / mit ſo groß erſoñenem Fleiß in denen Hoͤlinen der Erden getrachtet den Schnee das gantze Jahr durch zubehalten / um damit ihre Getraͤnke in der groͤſten Som - merhitz zuerfriſchen / welches anjezo noch hoch gehalten wird in Jtalien / ſondern einen Liebhaber der Jtalieniſchen Natur-Geſchichten hier - uͤber laſſen ſeine Gedanken walten. So auch wurde mich ſelbs in Abwege leiten / wann nach der unnoͤthigen Laͤnge erzehlen ſolte den vilfaltigen Nu - zen des Schnees in der Arzneykunſt / und anderen zum Behuff des menſchli - chen Lebens nuzlichen Wiſſenſchaften. Wer hieran ein belieben tragt / dem rathe ein zuleſen den gelehrten Tractat Bartholini de Nivis uſu. Gnug iſt zu gegenwertigem meinem Vorhaben / wann ich ſage / und zeige / das von dem auf hohen Alpgebirgen ligenden und erharteten Schnee ihre Fruchtbarkeit herholen die Bergweyden / oder Alpen / und tieffere zwiſchen den Bergen li - gende Thaͤler / und auch ihren Urſprung daher leiten die Bruͤnnen / Baͤche / und Flüſſe / folglich ihre Nahrung die Pflantzen / und Thiere. Wer nur ein wenig in der Chymie erfahren / oder nur einmal geſchen hat ein Waſſer oder Oehl aus den Kraͤuteren brennen / oder deſtilliren / dem iſt bewußt / daß oben auf den Huͤt des kuͤpfernen Helms geſchuͤttet werde kaltes Waſſer / oder daß des Helms Rohr gezogen werde durch ein mit friſchem Waſſer angefuͤlletes Faß / damit die aus dem Hafen aufſteigende Duͤnſte ſich ſamlen inTroͤpf -104Troͤpflein. Ein ſolcher Kuͤhlhelm ſeyn die mit Schnee und Eis belegte Spitzen unſerer Bergen; weren diſe nicht / ſo wurden die aus dem Eingeweid der Erden / durch die holen Gaͤnge der Bergen / aufſteigende Duͤnſte aller Ohrten durchbrechen / und in freyer Luft verfliegen / folglich weder Bruͤnnen / noch Baͤche / noch Flüſſe entſpringen / und unſere Berge und Thaͤler theils auß mangel des Waſſers verdorꝛen / theils von groſſer Kaͤlte erſtarꝛen. Nicht nur aber dienet diſe Schnee - und Eiskaͤlte zu hinderhaltung der ſonſt außfliegenden Waſſertheilen / und ſamlung derſelben in Bruͤnnen / Baͤche / folglich auch zur Nahrung der Pflanzen / ſondern es wird die zum Lebẽ der Ge - waͤchſen und Thieren noͤthige Erdenwaͤrme durch ſothane aufligende Kaͤlte / und uͤber diß noch unter Begleit beſtaͤndiger winden / zurukgehalten / daß ſie nicht leicht außfliege / ſondern vilmehr zurukgetrieben in die Mundloͤchlein der Wurtzen mit deſto groͤſſerer Kraft eintringe / und die Blaͤßlein der Pflantzen auftreibe. Fraget man nach denen Urſachen / warum der Schnee aufho - hen Gebirgen ewig bleibe / da doch dieſelben ihre Spizen ſo hoch in die Luft erheben / daß ſie von den Sonnenſtralen allzeit koͤnnen beſchinnen werden / obvii ſurgenti Phœbo? Ein in der Natur-Wiſſenſchaft unerfahrner kan ſich darein nicht richten / vermeinende / daß die jenigen Coͤrper / ſo der Sonnen am naͤchſten / auch ſollen von derſelben ein mehrere Waͤrme zu genieſſen ha - ben. Es begegnet aber diſerem Einwurff Seneca Lib. IV. Natural. Quæ - ſtion. da er zeiget / das die Hoͤhe der Bergen keine proportion, oder gleichmaß habe gegen dem gantzen umkreiß der Erden / wil geſchweigen gegen der un - glaͤublichen Weite der Sonnen von der Erde. Ein Schullehrer / deme die bekante Ariſtoteliſche Eintheilung der gantzen Luft in drey unterſchiedli - che Quartier im Kopf ſteket / wird bald ſagen / ihm komme diſe Gegenwart des Schnees auf hohen Gebirgen nicht frembd vor / weilen dort die mittlere Luft / ſo von Natur kalt / und eine Behauſung der auch kalten Wolken ſeye. Es mag aber auch diſe Vernuͤnftelung keine ſcharpfe Prob außſtehen. Beſſer urtheilet hiervon obbenennter weiſe Seneca, wann〈…〉〈…〉 an angezoge - nem Ohrt ſchreibet. Aerem, quo editior eſt ſinceriorem puriorem que eſ - ſe, itaque Solem non retinere, ſed velut per inane transmittere, ideoque mi - nùs calefieri. Ad hæc altiora loca magis perflari, depreſſa minùs à ventis verberari. Aber auch diß ſchmeket nach der undeutlichkeit der alten Natur - Weißheit. Wir faſſen die Sach alſo: Erſtlich iſt zuwiſſen / daß auf hohen Gebirgen beſtaͤndig blaſet ein ſtarke kalte Luft / welche wie ſie die Zeugung des Schnees befoͤrderet / alſo auch die Schmiltzung deſſelben hemmet. Daher auch die Alpen bey den Poeten folgende zunahmen bekamen / ventoſæ, gelidæ, nivoſæ, horridæ, nubigenæ, quæ nive perpetua frigoribusque rigent. &c.
DEr Groſſe Ariſtoteles ſelbs hat hierüber ſeine gute Gedanken / welche aber ſeine Lateiniſchen Außlegere wegen Unwuͤſſenheit in Griechi - ſcher Sprach nicht haben verſtanden. Das zweyte oder mittlere Luft - quartier ſezet er dahin /〈…〉〈…〉 λήγουσιν ἤδη διὰ τ σχιίζερα〈…〉〈…〉 ι〈…〉〈…〉 χανὲς αἱἀκτῖνες, Teutſch / wo die Soñenſtralen aufhoͤren / namlich / die Luftſpher empfindlich zuerwaͤr - men / weilen ſie dort ſich allzuweit von einander oͤffnen. Diß iſt zuverſtehen von denen ein - und zurukfallenden Stralen / welche je naͤher ſie bey der Erde ſeyn / je naͤher oder enger ſie ſtehen / und deſto kraͤftiger das / was ihnen vorkom̃t / er - waͤrmen / je weiter ſie aber von der Erden / je in groͤſſeren Winkel ſie ſich oͤffnen / und deſto geringere wuͤrkung außuͤben koͤnnen. Wer weißt nit / das die Wein - reben / und andere Gewaͤchſe / an einer gegen der Sonn ſtehenden Maur eher zur Zeitigung kommen / als in freyem feld / weilen namlich dort die ein - und zurukfallenden Stralen eine merkliche Waͤrme verurſachen / und gantz ſpitzige Winkel machen. Jezt wann wir gedenken / wie die nideren Theile der Bergen / und ſonderlich die Thaͤler / getroffen werden nicht nur von de - nen gradenwegs auf ſie von der Sonnen einfallenden / und zurukprellenden Stralen / ſondern von unzahlbar vilen anderen / welche nach denen Reglen der Zurukprellung von denen Seitenwaͤnden der Bergen / zuruk / und in das Thal geworffen werden / ſo werden wir uns nicht verwunderen / wann eine ſehr empfindtliche / und den Schnee bald aufloͤſende Waͤrme / von ſo vilen durch einander ſchieſſenden Stralen / entſtehet. Auf denen Berg-Spizen hingegen haben wir allein die einfach einfallenden / und alſo auch einfach zu - rukprellenden Stralen / welche nit kraͤftig genug ſeyn / den gefallenen Schnee in einen Fluß zubringen; um ſo vil mehr / wann wir / wie wir ſollen / diſer Ur - ſach annoch beyfuͤgen die beſtaͤndigen Winde / und immer an denen Bergen klebende Wolken / welche gleich einem kalten / auf den Helm des Brennha - fens geſchuͤtteten / Waſſer / die Duͤnſte in Schneefloken verwandlen. Es iſt endlich nicht mit ſtillſchweigen zu uͤbergehen der Unterſcheid der Luft und Dunſtkugel / wie ſie iſt an hohen und tieffen Orten; hier / in den Thaͤleren / iſt die Luft von ſchwer aufligendem Gewicht ſehr zuſamen getrucket / und folglich vil tuͤchtiger alle flüſſigen Coͤrper in und auſſert unſeren Leiberen in mehrereBewe -106Bewegung / und Waͤrme / zu bringen / als die auf hohen Gebirgen / welche in groſſer Dünnung ſtehet / ihre Schnellfederlein freyer oͤffnet / und folglich eine geringere Kraft in unterligenden Schnee und Eis / ja auch in die fluͤſſigen Saͤfte der Thieren und Pflantzen außuͤbet. Von diſer Betrachtung iſt meines bedunkens ſonderlich herzuleiten die Urſach / warum der Schnee eher ſchmilze in nidrig ligenden / aber ebenen Landen / wie die Niderlande ſeyn / als aufhohen Bergen.
Nun komme zu denen Eisbergen des Schweitzerlands / welche eins der vornehmſten Naturwunderen / ſo in unſeren Landen ſich finden / außmachen / und deßwegen verdienen / aufs genaueſte beſchrieben zuwerden.
— — — Glacies hîc Matris ab alvoExcipit, & teneros durat in frigoris artusCuſtodum pecoris: ſiccos quum Sirius ardensUrit agroſalibi, rigidis in cautibus illic,Regna tenet deformis Hyems, Caurique furentesBella ferunt, altæque Nives in montibus altisExtractæ terramque gravant & horrida ſaxa:Ipſe fremens ſonitu caput inter nubila conditPhœbeoſque procul ſcopulos intercipit Ignes:Innumeris circum Glacies Cryſtallina ſeclisIndurata riget.
Chytræ Itiner. Venet. p. 54. 55. Diſes ewige Eis nennet man in un - ſerer Alpvoͤlkeren Sprach gemeinlich Gletſcher / Glettſcher / und die Eisberg ſelbs Glettſcher / Glettſcheri, zweifelsohne von Glacie, Eis / wie alſo auch muthmaſſet Simler de Alpib. p. 74. b. Ein gelehrter Herꝛ und Freund J. H. H. M. D. welcher von den Gletſcheren eine beſondere Diſſerta - tion geſchrieben / haltet darvor / das Gletſcher / Gleſſer ſeye ein alt Schweitzeriſch Celtiſches Wort / und komme her vom Glaß / welches die alten Teutſchen Gleß genennet vom glantzen / gleiſſen / glantzen / weil es gleich einem Glaß glantzend durchſichtig. Zu bekraͤftigung deſſen kan dienen / daß die Puͤndtner in Engadein die Gletſcher heiſſen Wadret / und die Filiſurer Wadrez von Waider, welches bedeutet vitrum ein Glaß / andere Puͤndtner Vedreg, die Jtaliener Vedretto, von vedro, vetro, vitro. Wie wann diſes Wort Glettſcher ſo vil bedeutete als γαλάζιος, oder mit außſchlieſſung des erſten α γλάζιος, wormit die juͤngeren Griechen benennen eine gruͤnblaue Farb / καλλαίνον, in Manuelis Malaxi Chron. Mſc? Dann unſer Bergeis γαλαίζει, colorem γαλαζοπράσινον, eine ſolche gruͤne Farb an ſich hat / welche auch an dem Nord-Eis gewahret Iſaac Peirerius de Groenland. p. 14. 15. Martens107Martens Spitzberg. Reißbeſchreibung p. 19. und ſchon laͤngſten Virgilius Georgic.
Cœrulea glacie concreto, atque imbribus atris. Diſes Gletſcheriſche Berg-Eis betitlet Guill. Paradin Chronic. de Savoye Lib. I. cap. 18. Glace endurcie, Glace prodigieuſe. Gemeinlich heiſſet man es auch Firn / welches Wort ſonſt bey Stumpf. Chron. Helv. P. III. 605. b. und Simler de Alpib. p. 24. bedeutet einen alten verlegenen Schnee; um denſelben zu unter - ſcheiden von dem heurigen / oder dißjaͤhrigen / wie wir pflegen einen jaͤhrigen Wein zunennen Firnen / ferndrigen Wein / gemeinlich aber ſage ich / nimmet man Firn / Firen / Firꝛen / und Gletſcher vor eins; und heiſ - ſet in der Herꝛſchaft Engelberg ein gewiſſe Alp / das Firnalpelein / von dem dort ligenden Berg-Eis. Diſer Meinung iſt auch Raͤbmann in ſeinem Geſpraͤch von Bergen p. 130. Da er in ſeiner Schweitzeriſch Poeti - ſchen Sprach alſo ſinget.
Vil Berg hand alten Schnee wie Eyß /Deren das Volk warnimt mit fleiß /Und nennet es Firn / der ſo gar hart /Und wie Cryſtall lauter er dert /Gſamlet auf etlich tauſend JarGeſtocket / und nimmer zergath /Gleich einem herten Stein beſtahtVom Volk wird er auch Glettſcher genant ꝛc.
Jch habe in meiner in Teutſcher Sprach herauß gegebenen Phyſica Part. I. cap. 22. p. 209. unſere Schweitzeriſche Glettſcher in vergleichung ge - ſetzet mit jenen Nordiſchen Eisbergen / und ſchwimmenden Eis-Jnßlen / von welchen zu leſen Martens Spitzberg. Reißbeſchreibung p. 19. 30. Ol. Magn. Hiſtor. Septentr. Boyle Experimental Hiſtory of Cold. p. 382. Sturm. Phyſic. Hypothet. p. 605. Bartholin de uſu Nivis p. 43. 44. und do - malen erachtet / das diſe Eis-Jnßlen anders nichts ſeyen / als wahre Glett - ſcher / welche von groſſen Eisbergen etwann abbrechen / und ins Meer fallen. Dann ſonſt Boyle p. 379. und Sturm. p. 629. darvor halten / daß vil in den Nordmeeren und Fluͤſſen gebrochene / und in die offene See fortgeſchwem - te Eis-Stüker koͤnnen widerum zuſamen und uͤbereinandern gefrieren / uͤber diß noch von dem gefallenen Schnee / ſo auch / nach dem er geſchmoltzen / widrum zu Eis wird / alſo vergroͤſſeret werden / daß dergleichen ſchwimmen - de Jnßlen koͤnnen entſtehen / welche 200. Schuhe hoch über dem Waſſer / folglich (nach der proportion des im Waſſer verborgenen / und hervorꝛa - genden theils wie 7. zu 1.) uͤber 1600. Schuhe hoch / wie einen ſolchen ſchwimmenden Eisberg bey Groͤnland angetroffen W. Baffinius, ein En -gellaͤn -108gellaͤndiſcher Capitain. Jch wil aber diſe beyde Meinungen dem Urtheil des Leſers unterwerffen / gleichwol meine erſte behalten / und alſo die Nor - diſchen Eisberge ſelbs in unſerem Schweitzerland zeigen / welches dann die vile und groͤſſe der Natur-Wunderen unſers Lands bekraͤftiget.
Gleichwie aber alle Abgoͤtterey bey dem einfaltigen / unwuͤſſenden / Poͤ - bel eher platz findet / als bey den Gelehrten / alſo gehet es auch hier. Die Bewunderung / ſo anzuſehen als ein in unſerer Einbildung aufgerichtetes Goͤtzenbild / verlieret ihr Anſehen nit wenig bey denen / welche mit offenen / das iſt / von dem Glantz der Natur-Wiſſenſchaft beleuchteten Augen unſere Gletſcher / oder Eisberge anſehen. Diſe ligen alſo zwiſchen hohen Bergen eingeſchloſſen / das ſie von der Sonne gar nicht / oder wenig / koͤnnen beleuch - tet werden / oder ſo hoch / daß ſie die Sonnenwaͤrme / auß oben gegebenen Urſachen / nicht kan aufloͤſen. Gemeinlich ſihet man die Firn-Stoͤcke an der jenigen Bergſeite / welche gegen Mitternacht ſihet / und die Mittaͤgige Sonne niemalen genieſſet. Es ſol uns dann nicht frembd vorkommen / wann die Mittaͤgige Seiten / ſo von der Sonnen mag beſtralet werden / von Schnee und Eis befreyet / ſchoͤn gruͤn / und fruchtbar / außſihet / alſo zu einer Zeit einem / der durch ein mit ſolchen Glettſcheren beſeztes Thal reiſet / einer - ſeits vorkomt der angenehme Som̃er / anderſeits aber ein trauriger Winter.
Von der Glettſcheren Weite / Groͤſſe / Hoͤhe / Laͤnge / Geſtalt / laſſet ſich nichts gewiſſes ſchreiben / weilen ſie verſchieden ſein / je nach Beſchaffenheit des Ohrts. An etwelchen Ohrten kleben ſie an den Bergwaͤnden hier und da in Geſtalt groſſer Felſen / anderſtwo aber ſtellen ſie vor gantze etlich 100. Schuhe hohe / lange / und breite / Berge. Merkwuͤrdig iſt ihr Zu - und Ab - nehmen / weßhalben die Aelpler ſich bereden / daß ſie 7. Jahr zu - und gleich ſo vil widerum abnehmen / welches ſo es ſolte ſein / an die Hand koͤnte geben eine Vorzeig der Jahrs-Witterungen / wie ſie beſchaffen / weilen das Zunehmen der Gletſcheren zu ſeiner Urſach hat ein mehrere Jahrs-Kaͤlte / das Abnemen hingegen ein groͤſſere Waͤrme. Hiervon aber habe ich noch keine Gewißheit. Das iſt gewiß / daß die Gletſcher in die Hoͤhe wachſen informa ſtratorum, la - gerweiſe / alſo daß der den Winter uͤber auf den Gletſcher gefallene Schnee bey ankommender Fruͤhlings - und Sommerswaͤrme erſtlich verſchmilzet / bald darauf aber in Eis verwandelt wird / da dann die untermiſchte Jrꝛdi - ſche Theil an den Boden des neuen Strati ſich ſenken / und einen ſchwartzlech - ten Strich formieren / welche Strich parallel uͤber einander alſo ſtehen / daß man darauß / gleich als auß denen ſo genanten Jahren der Baͤumen / von dem Alter urtheilen kan.
DAs weſen der Gletſcheren iſt Eis / und bleibt Eis / bis es widerum zu Waſſer wird. Welches wahrzunehmen wider diejenige / welche vor - geben / oder ſich einbilden / das diſes Berg-Eis endtlich ſo erhartet werde / daß es ſeine Eis-Art ablege / und zu Stein werde / worauß dann kom̃en der irꝛige Wahn von denen Cryſtallen / daß deren Materi anders nichts ſeye / als ein verhartetes Eis / worvon zu anderen Zeitẽ ein mehrers. Wahr iſts / daß diſes Eis haͤrter / als ein anderes / und langſamer zerſchmelzet / aber falſch / daß es jemalen zu Stein werde. Simler in obangezogenem Ohrt ſchreibet de - nen Gletſcheren zu eine ſolche reinigkeit / welche nichts frembdartiges / unrei - nes / zulaſſe / ſondern alles unſaubere / als Stein / Sand / Erde / von ſich auß - ſtoſſe. Wann dem alſo / ſo liget uͤber einen Hauffen die ehrlichgeſinnete Beſchreibung der Kaͤlte bey Ariſtotele / daß ſie ſeye Congregatio homo ge - neorum & heterogeneorum, eine Samlung gleicher und frembdartiger Thei - len / und koͤnten unſere Alpler wider diſen groſſen Mann auß diſer Erfah - rung / die ſie haben / vil mehr ſchlieſſen / daß die Kaͤlte ſeye die Waͤrme / oder Congregatio homogeneorum, & ſegregatio heterogeneorum, eine Samlung gleichartiger / und ſcheidung ungleicher Theilen. Wann wir aber die Sach recht beſehen / ſo wird ſich finden / daß weder Ariſtoteles recht hat / noch die Aelpler. Jener nicht / weilen diſe Definitiones / ob ſie wol an ſich ſelbs wahr weren / das Weſen der Kaͤlte und Waͤrme nicht außtruken. Diſe / weilen ſie den Titul de fallaciis auß keiner anderen Logic, als die in ihrem eigenen Hirn gewachſen / geſtudieret / ſehen etwas / und wiſſen nicht / woher es komt. Sie ſehen mit Augen / das die Gletſcher ſich von Jahren zu Jahren vergroͤſ - ſeren / und ihre Graͤntzen immer weiter fortſtreken / ſo daß / zum Exempel in dem Grindelwald / ehemalen an einem gewiſſen Ohrt eine zu Ehren der H. Petronellæ gewidmete Capelle geweſen / wo jezund ein tieffer Gletſcher liget / und alſo auch die ſchoͤnſten Graßreichen Alpen mit ihren Huͤttlein nach und nach bedeket / ja mit viler Erden / Sand / Stein fortgeſtoſſen worden / daß diſem Gewalt auch die groͤſten Felſen nicht widerſtehen koͤnnen. Diß alles ſehen die Aelpler mit einer einfaltigen Bewunderung / und halten ſothaneFelſen -110Felſenrukung vor eine Saͤuberung der Gletſcheren / da aber eine andere Ur - ſach darunter ſteket. Das jenige Waſſer / welches von hinden der Bergen abflieſſet / oder in denen Eisſpaͤlten ſelbs ſich ſteket / wann es zu Eis wird / brauchet einen weiteren Raum (wie dann alles Eis groͤſſer iſt / als das Waſ - ſer / auß deme es worden / und deßwegen obenauf ſchwimmet) truket dero - halben den ihme vorſtehenden Eishauffen / ſtoſſet daſſelbe fort / und mit ihme alles / was im weg ſtehet / mit ſolchem Gewalt / daß nicht nur die groͤſten vor - ſtehenden Felſen zuweichen gezwungen werden / ſondern die Eisberge ſelbs mit groſſem Knall zerſpalten / und tieffe Schrunden werffen / welche denen / ſo daruͤber reiſen / hoͤchſt gefaͤhrlich ſein / und auch auß einer anderen Urſach ent - ſtehen koͤnnen. Wer in heutiger Naturwiſſenſchaft nur ein wenig geuͤbet iſt / dem iſt bekant / wie die Luftkugel zu Sommerszeiten / und daß ganze Jahr hindurch bey vorſtehender Witter-Enderung ſehr duͤnn iſt / und an ihrer ſchweren Trukkraft nicht wenig geſchwaͤchet. Wann dann bey ſolcher Be - ſchaffenheit der aͤuſſeren aufligenden Luſt die iñere in denẽ Blaͤßlein des Berg - Eis (darinn ſie haͤuffig auch mit Augen zuſehen) enthaltene / und darbey zu - ſamen getrukte Luft ihre Außdehn Kraft / oder Elaſticitet, außuͤbet / geſchihet daß mit ſolcher Gewalt / welche auch die dikeſten Eisfelſen mag zerſpalten / unter erſchroklichem Knall / worbey wir dann / gleich als im vorbeygehen / lehr - nen koͤnnen / wie die groͤſten Bewegkraͤfte der Natur außgeuͤbet werden von den kleinſten Coͤrperlein / wie hier Berg groſſe Eiskluͤmpen von denen ſchwa - chen Schnellfederlein der Luft / anderſtwo die dikſten Holtzlaͤden von denen zwiſchen ihre Zaͤſerlein ſich eintringenden Waſſerduͤnſten. Hierauß iſt zuer - ſehen / daß die donnerende Zerſpaltung der Gletſcheren zu unterſcheiden iſt von dem krachenden Eis auf uͤberfrornen Seen; dort iſt das Fundament die Außdehnung der inneren / und ſchwaͤchung der aͤuſſeren Luft / hier aber wird die innere in denen Loͤchlein des Waſſers enthaltene Luft in die Enge / und naͤher zuſamen getrieben / und uͤber die aͤuſſere ihre Trukkraft mit ſolcher Gewalt auß / daß die Eistafel an einem / oder vilen Ohrten / zerſpalten muß / gleich wie bey einer Luftpompe / Antlia pneumatica, die bloſſe auſſere geſtaͤrkte Luft die Glaͤſer entzwey truket / oder in ſtuͤken zerbricht. Wer vor den Glet - ſcheren bey reijet / der hat ſich wol vorzuſehen / daß ihme die von außgedehnten iñeren Luft auß einander getribene / und zerbrochene / Eis-Felſen Stuͤcke nicht auf den ſcheitel fallen. Es iſt diß eine ſeltſame art Minen / ſo ohne Pulver zerſpringt / wie dann ſolche mit groſſem Schreken erfahren jene Hollaͤnder / welche in ihrer Schiffart naher Nova Zembla ein ſtuk Eis angetroffen von 80. Schuhen under dem Waſſer und 16. uͤber demſelben / welches einsmals den 10. Augſt. um welche Zeit auch ſonderlich unſere Gletſcher bruͤllen / in mehr als 400. Stuͤke zerſprungen / ſo daß ſie vermeint / es muͤſſe alles zu grundgehen.111gehen. Es hat hieruͤber nicht ohnfeine Gedanken der Gelehrte und wolbe - redte Jeſuit Daniel Bartoli in ſeinem Tratt. del Ohiaccio. p. m. 97.
Nun wende mich zu benennung derjenigen Ohrten des Schweitzer - lands / wo die Eis-Felſen - oder Berge / Gletſcher / und Firn genant / anzu - treffen.
Jm Grindelwald Bernergebieths ſeyn ſonderlich zwey beruͤhm - te Gletſcher / der einte und kleinere hinder Jnterlachen / ligt zwiſchen zweyen Bergen Eiger / und Mettenberg / hat an ſeinem Rucken / oder gegen Mittag den hohen Schneeberg Fieſchhorn; der andere wird ge - meinlich / und vor anderen auß der groſſe Gletſcher genennet / fuͤllet auß das zwiſchen zweyen hohen Bergen / Mettenberg und Schrekhorn / oder Wetterhorn / ligende Thal. Von diſen Gletſcheren hat folgendes Raͤbmann geſprochen von Bergen p. 201.
Bey Petronell am Berg fuͤr warEin groſſer Gletſcher hanget darHat gantz bedeckt daſſelbig OhrtMit Haͤußren muß man ruken fort.Der Mettenberg an obrer SeitDarauf das Schrickshorn ſeht man weitHat auch ſein Weiden b’ſonderbar.Der ander Gletſcher obenharDer noch der groͤſſer iſt im LandDarmit wuͤrckt wunder Gottes Hand.An diſem Gletſcher hoch aufgehtDas Wetterhorn mit ſeinem GratDarhinder in dem Haßlj-LandWeil da die Thal zuſamen gand /Ein Gletſcher auch da hanget hinMit ſeinem bruͤlen hoͤrt man ihn.
Ein mehrers iſt zuſehen bey Merian Topograph. Helv. p. 26. Wagner. Hiſt. Nat. Helv. p. 24. und ſeyn curioſen Liebhaberẽ ſonderlich anzuruͤhmen die Gemaͤlde / in welchen der beruͤhmte Landſchaften Mahler Hr. Feliv Meyer von Winterthur die von ihme ſelbs nach der Natur gezeichneten Grindel - waldiſchen Gletſcher vorſtellet.
An denen Waͤnden der Bergen Scheideck / und Baͤnderen ſeyn auch Gletſcher zuſehen.
Jn dem Urner Gebieth ſeyn auch Gletſcher auf Windgaͤllen / Rinder-Alp-Stock / Beiſtenberg / und Geſchiner Alpen.
So auch in denen Surenen Alpen / welche theils den Urneren zu -ſtaͤndig112ſtaͤndig / theils dem Gottshauß Engelberg angehoͤren / und auf dem hohen Tittlisberg / Engelberger Herꝛſchaft.
Jn Pündten / wo der hindere Rhein entſpringt / iſt ein Gletſcher / daruͤber man 2. Stund der Laͤnge / und 1. Stund der Breite nach zugehen hette / die Hoͤhe iſt an vilen ohrten mehr als 2. oder 3. Kirchenthuͤrn / und mag er Sand und Felſen eines Hauſes groß wegtreiben. Er iſt ſo glatt / daß die Gemßthier theils wegen der Glaͤtte / theils wegen der tieffen Spaͤlten / ſich nicht daruͤber wagen / ſondern ſich von den Jaͤgeren eher darbey laſſen erſchieſ - ſen. Diſer Gletſcher langet biß ohngefehr anderhalb Stund an das Dorf Hinder-Rhein genant.
Auf dem Berg Kibhalpen iſt auch ein hoher / aber nicht weiter / Gletſcher.
Jn dem Bergellerthal / auf dem hohen Berg Il Piz di Doan genant / iſt ein Gletſcher / auß welchem ein Waſſer fließt / daß hernach den Lago di Doan außmachet.
Jn Engadein iſt auch ein Gletſcher Hettſchiel genant.
Weiters bey Tamins und Tavetſch nach der Zeugnuß Hrn. D. und Stattarzet von Muralt in Philoſ. Tranſact. Anglic. A. 1669. p. 250.
Jm Walliſſer-Land iſt auf dem Berg Sylvio / (der ſonſt auch Silvius, Roſa, Auſtelberg / und vor anderen auß der Gletſcher gennet wird) ein ewiger Firꝛen / der nimmer zerſchmelzt / bey 4. Jtaliſcher Meilen breit / daruͤ - ber man Sommerzeit zu Roß und Fuß wandlet auß Ober-Walliß in das Augſtthal.
Zu oberſt in dem Walliſſer-Land / ohnweit von den Grentzen des Ur - ſeren Thals / jenſeit der Furca / ſeyn zwey nahmhafte Gletſcher / welche / und nicht ein kleine lautere Quell / ſo von den Anwohneren gezeiget wird / den Ur - ſprung des Rhodans außmachen / der Obere iſt kleiner / der Undere groͤſſer. Von ihnen ein mehrers habe oben gemeldet.
Jn der Graffſchaft Sargans in dem Thal Calfeuſen ſeyn auch Gletſcher. ꝛc.
Ehe ich diſe Materi von den Gletſcheren verlaſſe / finde mich ſchuldig noch etwas anzudeuten von deren Nutzen / wil zwahren nichts melden von deme / das ſie / gleich dem Schnee / anzuſehen ſeyen als kuͤhle-Helm / welche die auß den Bergen aufſteigenden Duͤnſte verdikeren / und von foͤlliger Außrauchung hinderhalten / noch auch von deme / daß ſie die Unterirꝛ - diſche Waͤrme zuruk halten / damit ſie nit verfliege / noch auch von dem / das ſie der nahmhafteſten Fluͤſſen / als der Rhoſne / des Rheins ꝛc. und gar vilen be - ſtaͤndig flieſſenden Baͤchen Urſprung ſeyn; ſondern allein von dem Trinckge - brauch ihrer Waſſeren. ꝛc.
WEr ſolte meinen / daß die von zerſchmelzten Gletſcheren abflieſſende Waſſer die koſtlichſten / und geſuͤndeſten weren unter allen Waſſe - rendes Schweitzerlands? Eine ſeltſame Sach! man foͤrchtet ſich / und nicht ohne Urſach / in groſſer Som̃erhitz / oder bey ſchweiſſendem Leibe / vor einem Trunk kalten Waſſers / weilen die durchdaͤmpfung des Leibs / ſo dann - zumalen ſtark / ſich einsmal hemmen / und das Gebluͤt in ſeiner Bewegung ſtill ſtehen kan. Wir ſelbs haben bald alle Jahr traurige Exempel von Bergreiſenden / welche in ihrer groſſen Muͤdigkeit / gantz durſtig / ſich bey ei - nem Cryſtallauteren Brunnen niderſetzen / etwann darbey einſchlaffen / und aber nimmer erwachen; oder von anderen / welche ſich eine Heiſerkeit an den Hals trinken / auf die hernach ein Schwindſucht erfolget / oder von anderen / denen die zugezogene unordentliche Gebluͤts Bewegung allerhand Fieber / oder Seitenſtich / erweken. Wer dergleichen Exempel wil leſen / der findet ſie bey Maſſinio de Gelidi Potus abuſu. Anton. Perſio de Potu calido cap. 12. 13. Schenk Obſ. Lib. III. obſ. 44. Jſt ein lauterer Trunk kaltes Waſſers ſo gefahrlich / ſo wird man ſich deſto mehr zu huͤten haben vor dem Schnee - und Eiswaſſer / ja ſelbige zu fliehen / als die Peſt! Jch geſtehe / daß diſe Gruͤnde allein mir allen Muht benehmen / etwas von den Gletſcherwaſſeren zuverſu - chen / und lieber luſt habe meinen durſtigen Mund uñ Leib weiters fortzutragẽ / als mich durch einen ſolchen Trunck in gefahr meines Lebens zuſtuͤrtzen. Jn di - ſem fall lachen unſere Alpenbewohnere aller unſerer Vernuͤnftelungen / und trinken hertzhaft allen frembden Gaͤſten ſolche Milchweiſſe Gletſcherwaſſer zu / verſicheren auch auß langer Erfahrung / das diß die geſuͤndeſten Waſſer von allen / und man darvon trinken koͤnne in nuͤchteren oder vollen Magen / ſo vil man wolle; hierdurch habe auch mich bereden laſſen / und bezeuge aus eigener Erfahrung / daß mit groſſem Luſt / ohne einigen darauf erfolgten Schaden / von dergleichen Waſſeren getrunken eine zimliche vile / und in meinen Berg - Reiſen die Firnwaſſer mir endlich vorkommen / als ſo vil Kraftwaſſer / von welchen ich ſelten weggegangen / ohne das meine matten Glieder dardurch er - labet hette. Diſem Paradoxo Phyſico habe mehrmalen nachgeſinnet / undfolgen -114folgende Muthmaſſungen abgefaſſet. Ein kalter / friſcher Trunk Waſſer iſt nicht nur uns Menſchen / ſondern auch den Unvernuͤnftigen Thieren / hier - mit allen mit einem lebenden / beweglich - und empfindtlichen Kunſtleib verſe - henen Geſchoͤpften von Natur angenehm. Die Neunerſten Monat unſers Lebens ernehret uns das warme Muterblut / ſo bald wir aber ans Liecht kom - men / ſehnen wir uns nach friſchem Waſſer. Es beliebet daſſelbe nebſt dem Nutzen die Angenehmheit / welche letſtere einiche Europeiſche / ſonderlich gegen Mittag ligende / Voͤlker ſo weit getrieben / daß ſie die Kaͤlte der Trünken auf den hoͤchſten Grad / zu eigenem Schaden / treiben / und in groͤſter Sommer - hitz in Schnee und Eisgruben ſich beluſtigen / auch allerhand Arten erſinnen / daß gemeine Waſſer / oder den Wein in denſelben zuerkaͤlten. Es wird das kalte Waſſer von jedermann angeſehen vor das beſte Mittel wider den Durſt / von denen Artzneyverſtaͤndigen aber inſonderheit beliebet denen Gallſuͤchti - gen / erwachſenen eher als jungen / Maͤnneren eher als Weiberen / in aller - hand hizigen Krankheiten / Fieberen / Entzuͤndungen / Kopfſchmerzen / hizi - gen Maͤgen / Blutfluͤſſen / Erbrechen / Durchlauff / und vilen anderen Leibs - Gebrechen / aͤuſſerlich angelegt / oder innerlich getrunken. Wir wollen kurtz ſehen / wie das kalte Waſſer in unſeren Leiberen wircke / und darauß unſere Schluͤſſe auf gegenwertige Materi von den Gletſcherwaſſeren bauen. Ein friſcher kalter Trunk Waſſer wirket in die Feuchtigkeiten / welche er antriffet / oder in die Zaͤſerlein der jenigen Theilen ſelbs / vor welche er beypaſſiert. Seyn die im Magen oder Gedaͤrmen anweſende Feuchtigkeiten ſcharff / ſaur - etzend / oder gallicht / wie ſie dann ſelten / oder niemal ohne ſolche ſeyn / ſo thut das friſche Waſſer treffliche Dienſte / indem es dieſelben daͤmmet / temperirt / ihnen ihre Schaͤrffe benimmet / und deßnahen oftmalen in dem Gallengrim - men / und ſonſten denen Gallſuͤchtigen gute Dienſte leiſtet. Wann hinge - gen verhanden vil zaͤchen Schleims / ſo kan daß Waſſer mehr ſchaden als nuzen / oder ſo es zu ſich genommen wird / muß es begleitet werden mit ande - ren ſaltzechten oder gewuͤrtzten Speiſen / und Getraͤnk / damit dardurch die Schleimerigkeiten aufgeloͤßt / und abgefuͤhrt werden. Kommet daß kalte eingenommene Waſſer ins Gebluͤt hinuͤber durch die Milchaderen / ſo wird es alle allzuſtarke Bewegung deſſelben hemmen / die im jaſt begriffene / ſon - derlich fluͤchtige / Theil beſaͤnftigen / und von gaͤntzlicher außrauchung durch die Porten der Schweißloͤchlein zuruk halten / die Schaͤrffe milteren / und in kraft ſeiner Schwere durch die ordentliche Harngaͤnge außfuͤhren. Die Zaͤſeren ſo wol der Speißroͤhren / als des Magens / und Gedaͤrme wer - den bey ankonft des kalten Waſſers auf eine hoͤfliche weiſe erſchreket / oder zu - ſamen gezogen / folglich geſtaͤrket / weilen die Geiſter ſelbs / ſo in ihnen ſich auf -aufhal -115halten / in die Enge getrieben / ihre Elaſtiſche Bewegkraft beſſer außuͤben koͤn - nen. Hierdurch werden die Speiſen beſſer von dem Magen umfangen / und gekochet / und alle Gedaͤrme die in ihnenſich aufhaltende Nutz - oder verwerffli - che Feuchtigkeiten leichter forttreiben / und außfuͤhren / die vorher offen geſtan - dene Loͤchlein der Druͤſen werden in ſo weit geſchloſſen / das ſie ihre Saͤfte nicht mehr ſo haͤuffig von ſich geben / und auch das Gebluͤt nicht mehr ſo leicht ſeinen Durchbruch durch dieſelbe nehmen kan. Abſonderlich muß iezt be - ſchriebene Wirckung erfolgen von dem Gletſcherwaſſer / weilen unter denſel - ben ſich befinden haͤuffige / auch ins Geſicht kommende / Stuͤklein Eis / welche mit wircklicher Kaͤlte an die Zaͤſerlein / und zwiſchen ihnen ligende Druͤßlein ankommen / und ſich alſo nicht zuverwunderen / wann die Anwohnere der Al - pen ſich mit Nuzen des Gletſcherwaſſers bedienen in heilung der Rothen Ruhr / worzu auch etwas helffen kan ein ſubtile weiſſe Erden / welche jezt be - nante Milchweiſſe Eiswaſſer gemeinlich mit ſich fuͤhren / als welche die Schaͤrffe der etzenden Feuͤchtigkeiten zugleich vortrefflich milteren kan. Wem bekant iſt die Zuſamenhaltung / und Correſpondenz aller Spannad - richten Theilen des gantzen Leibs / der ſol ſich nicht verwunderen / wann von einer durch mittel eines einigen kalten Trunks geſchehener Zuſamenzeuhung der Speißroͤhren Magen - und Darm-Zaͤſeren der ganze Leib Augenbliklich erfriſchet und geſtaͤrket wird. Jn betrachtung diſes alles fraget ſichs nicht ohnbillich / ob nicht die Medici in auch hizigſten Fiebern koͤnnen freyge - biger ſein gegen denen Patienten in zulaſſung eines friſchen Trunks Waſ - ſers? Seneca muß diſe Waſſerluſt auch empfunden haben / weilen er Epiſt. 78. die Patienten vor ungluͤklich haͤltet / denen nicht erlaubt iſt al freſco zu - trinken. O infelicem ægrotum! quare, quia non vino nivem diluit, quia non rigorem potionis ſuæ, quam capaci ſcypho miſcuit, renovat fracta inſu - per glatie. So thane Recommendation der Eiskalten Getraͤnken iſt nicht dahin gemeint / daß ſich dardurch von ihrem warmen Thee - und Coffee trin - kẽ abſchreken laſſen die Liebhabere / welchen meines Orts wol erlaube / ja ſelbs einrahte / maͤſſig / und mit vernunft / fortzuſezen; anbey aber anzeige / daß ſie durch unmaͤſſigen Gebrauch deſſelben ihre Geſundheit voͤllig werden zu grund richten. Geſtalten die in unſeren Helvetiſchen Landen je mehr und mehr einreiſſende Caffee de bauches die Zaͤſeren des Magens ſchwaͤchen / deſſen Saurhebel verderben / vil Gallen und Blaͤſte pflantzen / das Gebluͤt entkraͤf - ten / und ſich alſo zu Blonigkeiten / und allerhand Verſtopfungen den Weg bahnen. Wie auch ein uͤbermaͤſſiges Thee trinken das Gebluͤt und Geiſter in allzuſtarke Bewegung ſezet / und die allgemeine Leibeskuche / den Magen / verderbet.
Nun -116Nunmehr / nachdem wir diſere Natur-Wunder / die Gletſcher gnug - ſam betrachtet / iſt es zeit unſeren Marſch weiters fortzuſezen / damit wir / nicht verſpaͤtet / zu rechter zeit ins Nachtquartier kommen. Weilen der Weg / den wir zu wandlen haben / immer dem Rhodan Fluß auf der Seiten gehet / als finden wir bequemen Anlaß / denſelben mit allen ſeinen Raͤncken / ſo weit wir kommen werden / eigentlich abzuzeichnen / und in eine beſondere Charte zubringen / welche villeicht zu ſeiner zeit auch das Liecht ſehen moͤchte. Diß - mal wird ſich der geehrte Leſer vernuͤgẽ mit einer Politiſch-Geographiſchẽ Be - ſchreibung des Walliſſerlands / deren auch untermiſchen werde diejenige merkwuͤrdige Sachen / welche mir als einem Naturforſcher / ſonderlich vor - kommen.
So bald die Gletſcher-Waſſer ſich mit der kleinen Brunnquell des Rho - dans vereiniget / ſtuͤrzet ſich diſer nahmhafte Fluß / den die Walliſſer gemein - lich Rotten / die Franzoſen Roſne, Rhoſne, die Jtaliener Rhodano, nen - nen / mit ſchaumichter Ungeſtuͤmme zwiſchen hohen Felſen herab / und iſt gleichſam von hier bis in die Ebene des Thals anzuſehen / als ein einiger / zu weilen ein wenig abſezender / doch immer fortgeſezter Waſſerfall. Nach - dem er etliche Ruthen weit fortgelauffen / empfangt er ab der Grimſel / einem Berg Bernergebiets / den Meienwanger-Bach / flieſſet dann fort von Mittnacht gegen Mittag / in dem Thal ſelbs aber nach einer halben Zirkul - kruͤmme / von 2. bis 3. Stunden / allezeit von Morgen gegen Abend.
Ob dem Dorff Underwaſen / in dem Weg ſelbs / iſt anzumerken / wie deſſen Felſen von dem Waſſer außgeſpuͤlt / nnd gleichſam wellenweiß auß - gehoͤlt worden. Diſes Waſſer aber kan kein anders ſein / als die Rhoſne ſelbs / welche nun 50. und mehr Schuhe tieffer die Furcken abrauſchet / als in denen erſten Jahren nach der Suͤndfluß / in welchen ſie uͤber unſeren Weg ſelbs geloffen. Mehrere Exempel dergleichen in die Tieffe freſſenden Berg - Waſſeren findet der Goͤnſtige Leſer Tom. I. p. 56. an dem Tamina-Bach bey Pfeffers / und dem hinderen Rhein in der Via Mala.
An dem Fuß des Bergs Furcken (es beliebe der Leſer nebſt meine Be - ſchreibung zu halten den Stumpf. Chronic. Lib. XI cap. 4. und Simler Val - les. p. 12. ꝛc. welche beyde auch auß eigener Erfahrung geſchrieben) ſeyn zwey Doͤrffer / das einte diß / das andere jenſeits des Rhodans Under - waſen / Underwaſſeren / und Oberwald / deren Einwohne - re ſich und ihr Vieh vornehmlich nehren von denen Alpen / und Vor - Alpen / oder Vorſaͤſſen / welche ſie auf der Furcken haben.
GEgen Mittag oͤffnet ſich zwiſchen den Bergen / Gerenthal / Age - renthal / Vallis Agerana, durch welches der Elmi-Fluß / Elmius, ab - und in den Rhodan flieſſet. Es bemercket allhier Stumpfius, daß auf diſes Waſſer villeicht die geſehen / welche von dem Rhodan geſchrieben / als ob er von Mittag gegen Mittnacht in ſeinem Urſprung flieſſe. Es haben diſes Gerenthal ehmals vor eigen / mit Hohen und Nideren Grichten / beſeſſen die Edlen von Arnen / de Arna, de Aragno inferiore, welche aber hernach in ſolchen Mangel gerahten / daß ſie den Einwohneren ſelbs ihre Rechtſamen / und Freyheiten verkauft / welche ſie nun unbekraͤnkt genieſſen / und ihre Am - man / oder Richter / auß ihrem mittel erwehlen.
Jn dem Dorff Underwaſen ſahen wir eine Art Gebaͤu / welche wol ver - dienet diß Ohrts eingeruket zu werden / und vorgebildet ſtehet in der erſten Tafel von Cryſtallen / Lit. B. Man kan es nennen ein Kornhaͤußlein / weilen die Walliſſer ihr Korn darinn aufbehalten / und ſo wol vor der Faͤu - lung / als den Maͤuſen ſicher bewahren; jene wird verhindert durch aller Ohrten zukommende Luft / diſe aber abgehalten durch die Hoͤlzernen Saͤu - len / auf welchen der obere Theil des Gebaͤus ſtehet / welche oben bedeket wer - den mit runden / den abgebrauchten Muͤhleſteinen faſt gleichen / Steinen / uͤber deren untere Flaͤche die Maͤuſe nicht kommen koͤnnen / und alſo zu dem Korn keinen zugang finden.
Von Underwaſen reiſeten wir noch diſen Abend eine kleine Stund gen Geſtilen / Geſtila, Caſtellio ſuperior: welches die oberſte Pfarꝛkirch im Zen - den Gombs / Conventu Gomeſianorum, (dann zu wiſſen / daß das Land Walliß abgetheilt wird in gewiſſe Quartier / die ſie Zenden / Centenas nennen) auf rechter ſeiten des Fluſſes / an dem Fuß des hohen Bergs Grimßlen.
Diſer Berg Grimßlen / Grimſel / Grimſula, gehoͤrt auch zu denen Lepontiſchen Gebirgen / als ein fortgeſezter Grat der Furcken / und theilet daß Haßlethal Bernergebiets von Walliß. Auf diſer Grimſel / Berneriſcher Seite / wird gezeiget der Aaren Urſprung / welcher / ſo vil man auß der zum ſteigen erforderlichen Zeit von 4. Stunden abnehmen kan / ohngefehr in glei -cher118cher hoͤhe wird ſeyn mit dem Urſprung anderer Haubtfluͤſſen / deren oben ge - dacht worden. Es iſt die Straß aus Walliß / von Geſtilen her / auf die Grimſel ſehr wild / Winterszeit mit Schnee beſchloſſen. Guillimannus Lib. I. Rer. Helvetic. fanget die alte Breite des Helvetierlands / welche Cæ - ſar erachtet 180000. Schritt / an von der oberſten hoͤhe diſes Bergs / von welcher er eine Linie zeuhet bis auf die Spize des Bergs Juræ, la Verriere ge - nannt / wird aber hierinn von anderen widerlegt / als von Plantin. Helv. p. 10. Uber diſe hohe / und enge Bergſtraß hat Berchtold, Herzog von Zaͤringen ſeine Soldaten gefuͤhrt / als er in Walliß eingefallen / worvon Guillimann, Rer. Habſpurg. Lib. VI. cap. I.
Jn Geſtilen hatten wir diſen Abend die Hoͤhe des Queckſilbers im 22. Zoll / worauß wir geſchloſſen / daß diſes Dorff tieffer ligt / als die Furcke 2080. Gotthard 1400. Urſelen und Tavetſch 40. Schuhe / oder in gleicher hoͤhe; hoͤher aber als Ayrol 520. Staͤg 2800. Zuͤrich / nach heut gemachter obſer - vation, 1520. Zuͤricher Schuhe. Nach oftgedachter Graduation Tafel iſt die Senkelrechte hoͤhe uͤber dem Mittellaͤndiſchen Meer 3306. Pariſer Schu - he / nach Mariotte, und nach Caſſino 4110.
Eine halbe Stund unter Geſtilen / auch an der rechten Seite des Rho - dans / ligt das Dorff Ulrichen / Ulrica, bey welchem zwey Schlachtenge - ſchehen / die einte A. 1211. zwiſchen den Landleuthen / und Herzog Berchtold von Zaͤringen / welcher damals in Span gerieth mit dem Land Wallis wegen der von Kayſer Friderico Barbaroſſa ihme uͤbergebnen Kaſtvogthey des Bi - ſtums Sitten. Die andere A. 1419. in dem Krieg zwiſchen Biſchoff Wil - helm von Sitten / geboren von Raron / und den Landleuthen / als die Ber - ner mit zuhuͤlff deren von Freyburg / Solothurn / und Schweiz / den 29. Sept. uͤber die Grimßlenzogen / denen von Raren / ihren Burgern zu hilff / und die Doͤrffer Geſtilen / Oberwald / und Underwaſen verbrennten. Jn beyden diſen Streiten / zu deren angedenken zwey Kreuz auf der Matten ſte - hen / haben nach der Chroniken Bericht die Walliſſer den Vortheil erhalten.
Eine / oder anderthalbe Stund unter Ulrichen / auch an der Mittnaͤch - tigen Seite des Fluſſes iſt das ſchoͤne Dorff / und Pfarꝛ Münſter / Mona - ſterium, welches umgeben mit fetten Wieſen / und Aekeren.
Auf linker Seite des Fluſſes / faſt gegen Geſtilen uͤber / ſtunde vor diſem ein Frauenkloͤſterlein / wird jezt genennt im Loch.
Gegen Mittag oͤffnet ſich das Eginenthal / Eginia vallis, eine gute Teutſche Meil zwiſchen hohen Bergen: Und gehen durch diſes Thal zwey Paͤß gegen das Meylaͤndiſche / der einte uͤber den Niffi / Nify / gen Ayrol ins Livinerthal; der ander gen Bonmatt ins Eſchenthal uͤber den Grieß / Grießberg / Grieſſus / welcher nach Simleri Muthmaſſung mageinichen119einichen Scribenten Anlaß gegeben haben / die Graiſchen Alpgebirg / Grajas Alpes, in Wallis zuſetzen: welcher Meinung auch zu ſeyn ſcheinet Antonius Salamanca, der in einer zu Rom heraußgegebenen Landtafel des Schweitzerlands nicht nur den kleinen S. Bernhards Berg denen Graiſchen Alpen zurechnet / ſondern auch die am Simpeler gelegene Walliſſer-Ge - birge. Durch das Eginenthal fließt ein Waſſer / daß auch Eginen heißt / und den Rhodan merklich vergroͤſſeret. Von Mittnacht her empfangt der Rhodan auch bißdahin einiche Baͤche / welche aber gegen dem Elmi - und Egi - nen Waſſer faſt nicht zurechnen.
Ein kleine Stund unter Münſter folget das Dorff Regkingen / Rekingen / Recingium, und grad darauf Glurinen / Glurina, Ritzig / Ritzikon / Ritzicium, Biella, Biel / allwo eine Pfarꝛ-Kirch und Bruk uͤber den Rhodan. Unter Biel folget Selbligen / und Wald / Wal - da, welche auch kleine Fluͤßlein oder Baͤche dem Roddan uͤbergeben.
Uber diſen Bezirck hat ehemals geherꝛſchet eine Edle Frau von Gre - niols / daher derſelbe auch noch jezund heiſſet die Graffſchaft Graniols; es ha - ben ſich aber die Einwohnere von diſer Herꝛſchaft entlediget / und leben jetzt nach denen Sitten / und Sazungen des Lands Wallis / ſie ſezen in Givil Sa - chen ihre eigene Richter / in Malefitz Sachen aber unterwerffen ſie ſich dem Gericht zu Arnen / als zugehoͤrige des Gomſer Zehnden.
Jn diſer Doͤrfferen Gegend iſt eine Steinerne Bruk uͤber den Rho - dan / und folget das Doͤrfflein Müllibach / Müllibachum, woher der be - ruͤhmte Matthæus Schyner / Biſchoff und Cardinal von Sitten / buͤrtig war. Es hat diſes Dorff Muͤllinen / welche ein in den Rhodan von Mittag abflieſſendes Waſſer treibt.
Alſobald unter Muͤllibach ligt Arnen / Aernen / Arna, Aragnum, ein groſſer ſchoͤner Haubtfleck des Zehnden Goms: Stumpf ſezet ihn ein ge - meine Schweitzer Meil / oder 1½. Stund Fußwegs unter Muͤnſter. Hier finden ſich ſchoͤne / von Steinen aufgebaute / und mit Steinernen Blatten / oder Schieferen / bedekte Haͤuſer / da ſonſt in Ober Wallis die Haͤuſer ge - bauet von Holtz / und die Taͤcher beleget ſein mit Lerchinen Schindlen. All - hier / wie oben bereits angezeiget / wird das Blutgericht von Seiten des Gomſer Zehenden gehalten; und iſt buͤrtig geweſen Walther Biſchoff von Ober-Sav / welcher die Ober-Walliſſer / ſo vor A. 1475. dem Savoyi - ſchen Biſtthum einverleibet geweſen / widerum an das Biſtthum Sitten ge - bracht.
Unter Arnen flieſſet die Binn / Bynn / Bünn Binna, in den Rod - dan. Es ſcheidet diſer Fluß den Gomſer-Zehnden auf Mittaͤgiger Seiten von der Herꝛſchaft Moͤril / und entſpringt auf 2. Meil weit von ſeinem auß -fluß120fluß im Lengenthal / Valle longa, Bindulo interiore, auf dem Berg Al - brun / Allbrunn / Albrün / Albrunio, und lauffet das Binnerthal / Bynnerthal ab. Uber den Berg Albrun gehet ein Straß nach dem Fuͤr - ſtenthum Meyland ins Eſchenthal gen Petz. Vor Arnen uͤber / auf der Mittnaͤchtigen Seite des Roddans / jenſeit der Brugk / ligt das Dorff und Pfarꝛ Vieſch / Vieſcha, zuunterſt im Vieſcherthal / welches ſich auf ein Meilwegs ins Gebirg erſtrekt / und auch einen / auß dem Firn entſpringenden Fluß dem Rhodan uͤbergibt. Ohnfern von Vieſch iſt etwann geweſen ein Frauenkloſter / welches aber in Abgang kommen / ſo das unter der Regie - rung Matthæi Biſchoffs zu Sitten die Einkoͤnſten diſes Cloſters an die Kirch zu Arnen verwendt worden. Allhier zu Vieſch hatten wir heut / den 12. Aug. des Quekſilbers Hoͤhe in 22. Zoll 8. Scrup. Zuͤrich. Worauß wir geſchloſſen / daß wir tieffer weren / als Geſtilen 640, Schuhe / als die Furca 2720. Urſeren - und Tavetſcherthal 680. Gotthard 2040. hoͤher aber als Al - torff 1280. und über das Mittellaͤndiſche Meer / nach Mariotte Rechnung 2544. nach Caſſini aber 3021. Pariſer Schuhe.
Auf Mittnaͤchtiger Seite folget das Doͤrfflein Laav / Laxa, bey welchem der Gomſer-Zehenden ſich endet.
Unter Laax ſtoſſen die Mittaͤg - und Mittnaͤchtigen Walliſſer-Gebirg faſt zuſamen / alſo daß dem Rhodan nur gleichſam ſo vil platz gelaſſen wird / als noͤhtig iſt zum Durchfluß / und diſe enge Clauß / im fahl der Noht mit gar wenig Mannſchaft kan wider allen Feindtlichen Gewalt bewahret werden. Es wird der Vorbuͤhel auf Mittnaͤchtiger Seiten / ſo zu naͤchſt an den Rod - dan ſtoſſet / in alten Jnſtrumenten genennet A Monte Dei ſuperius, Uf Deiſch / Dieſtſtalden / und ſcheidet den Gomſer Zehnden von der Herꝛ - ſchaft Moͤril.
Diſere Herꝛſchaft hat ihre beſonderen / hohen und nideren Gericht / ge - hoͤrt gleichwol zu dem Rarer Zehnden / (obgleich der unter dem Briger - und Viſper-Zehnden ligt) deſſen dritten Theil ſie ohngefehr außmachet / darinn ſeyn ſonderlich zwey Doͤrffer / Graniols / Greniols / Graniola, welches auf linker Seiten des Fluſſes ligt / auf einer Graßreichen Hoͤhe / bey dem Ein - gang in das Bynnerthal. Man gehet dahin von Laax uͤber eine gewoͤlbte Bruk / welche von einem Felſen zu dem anderen gefuͤhret iſt / und mir vil ſcheutzlicher vorkommen / als die Teufelsbruk im Urner Land. Diſes Gra - niols hatte einſten ſeine beſondere Herꝛen / derethalben aber nicht gewiß / ob ſie einer Famille geweſen mit denen von Moͤril.
Jn mitten der Herꝛſchaft / welche an Dieſtſtalden anfangt / und eine Meil wegs hinab gehet biß an den Fluß Maſſa, ſo zwiſchen Moͤrel und Naters in Rhodan lauſt / iſt das Dorff Moͤrel / Moͤril / Morgia, Morigia, auf rechter Seiten der Rhoſne / eine Meil under Arnen; hat auch ein Bruk uͤber den Fluß auf Greniols.
ALlhier fanget an der Weinwachs / wiewol diſer Rebenſafft bey wei - tem nicht ſo gut / und edel iſt / als im Underen Wallis. Ob Moͤril / in dem gantzen Gomſerland / iſt es vor die Weinreben zu kalt; und der Luft zu hoch / wie zuerſehen auß denen Barometriſchen Obſervationen / ſo biß - her in Wallis gemachet worden.
Ob Moͤril finden ſich einiche kleine Doͤrffer / zerſtreute Wohnun - gen / und gute Alpen / als Bitten / Bitta, Gobisberg ꝛc. und ob diſen der hohe Berg Anthonien genennt.
Unden neben dem Dorff Moͤril / gegen Mittnacht / auf einer hohen Flu / ſihet man noch kleine Uberbleibſelen des Schloſſes Manggepan / Mange - pana, deſſen Veſitzere / weil ſie gar zu Tyranniſch geregieret / von Graff Pe - ter von Savoy / und den Landleuthen überzogen / und außgereutet worden. Diſer Freyherꝛen von Moͤril / ſo auf Manggepan geſeſſen / Wapen war ein ſchwartzer Büffelskopf / ausdeſſen Naſen zwey Rogkenaͤhre hervor gewach - ſen / welches annoch fuͤhret das Dorff Moͤril. Stumpf und Simler ſeyn in der Meinung / das die Freyherꝛen von Raren Erben geweſen deren von Moͤ - ril / und nach Abgang die Herꝛſchaft an Raron kommen / weßwegen annoch dieſelben dem Rarer Zehnden einverleibet.
Jn diſer Gegend iſt auch geweſen das Schloß Dirꝛenberg / Dirre - berga, von deme annoch der Berg / auf dem es geſtanden / den Nahmen hat. Diſes iſt auch zerſtoͤrt worden / villeicht zu gleicher Zeit mit dem Schloß Manggepan.
Der Fluß Maſſa, welcher zwiſchen Moͤril und Naters ligt / und den Briger Zehnden von der Herꝛſchaft Moͤril ſcheidet / entſpringt gegen Mitt - nacht in hohem Gebirg / an einem Glettſcher / lauffet dann fort durch Aletſch / Alerſch-Thal / uͤbergibt endlich nach dem es zwey Meil geloffen / ſeine un - geſtuͤm̃en truͤben Firꝛenwaſſer dem Rhodan / vorher aber gehet uͤber diſes Waſſer ein Steinerne Bruk.
Nun folget der ander Zehnden des Oberen Walliſſer-Lands / ſo von Naters und Brig den Nahmen hat / gemeinlich aber der Briger Zehn -den122den / Conventus Brigianus, genennet wird. Diſer fangt an bey dem Waſ - ſer Maſſa, und iſt zimlich groß / welches unter anderem kan abgenommen wer - den daher / weilen in der Peſt / ſo A. 1465. durch das Walliſſer-Land gienge / von Brig / und Naters uͤber 1000. und vier Jahr hernach 1400. Menſchen geſtorben.
Der Fleck Naters ligt auf der rechten Seiten des Rhodans / ein Meil unter Moͤril / an einem Felſichten / doch nicht unfruchtbaren Ohrt / hat zim - lich ſchoͤne / von Stein aufgefuͤhrte Haͤuſer / und vil Weinwachs.
Nahe bey diſem Flecken auf einem erhabenen Felſen / oder Flu / ligt das alte und ſtarke Hauß Flu genennt / ſo ehemals ein Edel Siz war deren von der Flu / oder Fluherꝛen / Dominorum à Saxo, gehoͤrt nun zu dem Bi - ſchoff von Sitten.
Es ligt auch ob Naters / nicht weit von der Bruk / ſo uͤber die Maſſæ ge - het / eine anzeig des alten Schloſſes Wyngarten / Wingarta, welches ehe - mals beſeſſen die Edlen von Weingarten / ſo aber obgangen.
Hinder Naters gegen Mittnacht ligt die Pfarꝛ-Kirch Monti, in Monti - bus; ſo auch die Doͤrffer Blatten / Blatta, und Birgiſch / Birgiſcum.
Grad unter Naters iſt eine ſchoͤne / mit zweyen Gewoͤlben von Stein gebaute Bruck uͤber den Rhodan / welcher daſelbſt mit groſſer Ungeſtuͤm - me durchflieſſet. Bey diſer Bruk iſt ein Graͤfin von Viſp mit ihrem Sohn erſchlagen worden A. 1365.
Allhier flieſſet in den Rhodan ein Bach / ſo herkomt aus Bell-Al - pen / und weiter fortlauft durch Riſchinen.
Auf linker Seiten des Rhodans / vor Naters uͤber / ligt der andere ſchoͤne Haubtflecken Brig / Briga, und eine halbe Stund darunter Glyß / Gliſa, alſo das Naters / Brig / und Glyß / einen gleichwinklichten Triangel geſtalten. Brig ſcheinet von den Viberis den Nahmen zu haben / als wolte man ſagen / Viberiga, oder Vibericus vicus / der Viberorum Hauptfleck. Es liget derſelbe an dem Bergwaſſer Saltina, Saltinen / welches entſpringt gegen Mittag auf zwo Meilen weit an dem Berg Simpelen / Sempronius, uͤber welchen ein nahmhafter Paß gehet ins Herzogthum Meyland / und ge - het uͤber diß Waſſer / ehe es ſich in den Rhodan ergieſſet / eine ſchoͤne von Steinen gewoͤlbte Bruk. Gegen Aufgang und Mittag hat Brig einen Graßreichen Berg / der Brigerberg genant / auf welchem ligen Thermen / Blecken / am Riedt / in der Schlucht. Und naͤchſt ob dem Fleken auf einem Buͤhel ſtuhnde ehemals ein Schloß / in der Hoͤll genant / von deſſen Zerſtoͤrung ſich in den Chroniken nichts gewiſſes findt.
Auf dem Simpilen Berg ligt die Pfarꝛ Simpilen / zu welcher gehoͤren zwey Thaͤler / zwiſchenbergen / und Alpinen inter Montes, Alpia,in123in welchen die Briger koſtliche Alpen beſitzen / ſonderlich zu St. Jacob / und im Ganter.
Es wollen einiche Geſchicht-Schreiber / daß uͤber diſe Berg-Straß des Simpilen (ſonſt auch genant Scipionis Mons, Suͤmpeler / Sempiano, Sempronio, Sampione, S. Plomb, Briga, der Brigerberg) Julius Cæ - ſar gefuͤhrt habe ſein Heer / als er in Galliam zoge / und zu deſſen angedenken eine Schrift in Felſen einhauen laſſen / welche aber ſo verblichen / daß man ſie nicht mehr leſen koͤnne. Es zeigen aber unſere Vatterlaͤndiſchen Scriben - ten / Tſchudius, Simlerus, daß dem nicht alſo ſeye / wenigſtens koͤnne diß nicht ſeyn der jenige Zug / den Cæſar I. Lib. Bell. Gall. beſchreibet.
Zu Brig / allwo die Herꝛen Jeſuiten ein ſchoͤnes Cloſter haben / hatten wir um 4. uhr Nachmittag die Hoͤhe des Quekſilbers im 23. Zoll. 8½. Scrup. worauß wir abnehmen / daß diſer Ohrt tieffer lige als Geſtilen 1480. Vieſch 740. Furca 3560. Gotthard 3480. Ayrol 960. hoͤher aber als Altorff 440. und als Zuͤrich / wann der heutigen allda gemachten obſervation zu - trauen / nur 40. oder 80. Züricher Schuhe. Nach Mariotti Rechnung kommet die Senkelrechte Hoͤhe des Flekens Brig uͤber das Meer 1571. nach Caſſino aber 1740. Pariſer Schuhe.
Den 13. Aug. reißten wir weiters nach der Laͤnge des Rhodan Fluſſes fort / erſtlich auf Glyß / Gliſa, einen kleinen / wolgebauten / luſtig ligenden Fleken / welches villeicht von dem Grieſchiſchen ἐκκλησία, ſeinen Nahmen hat. Dann allda ein ſehr ſchoͤne Kirch zu unſer Lieben Frauen / zu welcher groſſe Wallfahrten geſchehen von dem Oberen und Underen Wallis.
Von Glyß war gebuͤrtig Georg auf der Flue / deſſen in ihren Ge - ſchicht-Buͤcheren mit groſſem Lob gedenken Guicciardinus, und Jovius, ein Mann von groſſem Anſehen / Staͤrke / und Reichthum / der in Jtalieniſchen Kriegen ſich ſehr verꝛuͤhmt / und ſonderlich um Frankreich ſo verdient ge - macht / daß er durch Mittel des Koͤnigs Franciſci aus der Gefaͤngniß zu Rom loß kom̃en / dahin er geſezt worden durch Anſtiftung ſeines Feindes Matthæi, Cardinals / und Biſchoff von Sitten / den er auch aus dem Land vertriben / endtlich aber A. 1529. ſelbs / um des Landvolks Aufſtand außzuweichen / flüch - tig worden / und zu Vivis am Genffer-See geſtorben / ſo daß er nicht einmal der jenigen Begraͤbnuß genieſſen koͤnnen / welche er zu Glyß in der Kirchen / ſo er erweiteret / vor ſich und ſeine Kinder zuruͤſten laſſen. An der Altar Ta - fel in ſeiner Capell iſt er mit ſeiner Gemahl / 12. Soͤhnen / und 11. Toͤchteren in Lebens groͤſſe abgemahlt mit diſer Uberſchrift.
S. ANNÆDIVÆ VIRGINIS MATRI GEORGIUS SUPERSAXO MILES AU. HANC CAPELLAM ED IDIT ANNO SALUTIS 519. ALTARE FUNDAVIT ET DOTAVIT JURE PATRON. HÆRE -DIBUS124DIBUS SUIS RESERVATO, CUM EX MARGARETA UXORENA - TOS XXIII. GENVISSET.
Jſt alſo diſer Georg von der Flue auch unter die jenigen zuzehlen / wel - che vil Kinder gezeuget / deren erzehlung auf eine andere gelegenere Zeit ver - ſpare.
Ohngefahr eine halbe Stund unter Glyß iſt eine Maur / oder Landweh - re / welche ſich zeuhet von den angraͤnzenden Bergen bis an den Rhodan / wel - che mit denen dazwiſchen aufgerichteten Thuͤrnen / deren kleine Uberbleibſe - len noch zu ſehen / dienet zu abhaltung der einbrechenden Feinden. Es iſt aber ungewiß / wann diſe Art Linien gemachet worden. Einiche halten ſie vor ein Roͤmiſch Werk / welche es zu ihrer Sicherheit gebauen / als ſie über den Sim - pelberg in Gallien gezogen. Andere aber ſehen ſie vilmehr an vor ein Zwiſchen - Maur / welche die Ober-Walliſſer gebauet / um ſich zubeſicheren vor dem Ein - fall der Under-Walliſſeren / oder Seduneren / welche vor zeitẽ gar vil Herꝛſch - ſuͤchtigen Adels gehabt / und vil veſte Edelſitz / als zu Viſp / Raron / zum Thurn / Laͤuck / Sider / Sitten ꝛc. Nachdem aber beyde Voͤlker ſich mit einander verbunden / iſt auch diſe Scheidlini in Abgang gerathen.
Nebſt diſer Landwehre flieſſet in den Rhodan ein Waͤſſerlein / Gamſen genannt / ſo da herkommet aus denen Mittaͤgigen Alpen Heinisgarten / Mundwald / Finilen / Gettſchon / Terminen / Rorbergꝛc.
Auf der rechten Seiten des Rhodans / eine Stund unter Brig / ſo man uͤber die Bruk gehet / kommet man zu dem
Aquæ Brigianæ, Brigiæ, Vibericæ. Es iſt diſes Bad von Natur warm / ligt in einer anmuthigen Ebne / wenig Schritt von der Rhoſne / umgeben mit ſchoͤnen Wein - und Baumgaͤrten / Aekeren / und Wieſen / an dem Fuß eines hohen Bergs / Mundt genannt / der gaͤch aufſteiget. Die Quell des Bads ligt ſehr tieff in der Erden / daß man vor diſem die Badkaͤſten hat muͤſſen ein - graben / welche aber hernach die Unkommlichkeit hatten / daß ihnen der Ab - lauff geſperꝛt ware / und man ſie müßte außſchoͤpfen / um ſie zu reinigen. Es dienet diſes Bad in der Raud / flieſſenden Geſchwaͤren / ünd anderen aͤuſſerlichẽ Schaͤden / ſo auch in dem Krampf / Zitteren der Glideren / Podagra / Haubt - fluͤſſen / Sauſen der Ohren / Unfruchtbarkeit der Weiberen. Jſt hingegen ſchaͤdlich denen / ſo ein ſchwaches Haubt haben / ſo auch den Fiebrigen / und die von hitziger Leber / und Nieren ſeyn. Vor 200. und mehr Jahren war diſes Waſſer noch nicht zum Arzney Gebrauch / und von denen nebenlauffen - den kalten Quellen geſoͤndert allein im Som̃er denen Anwohneren zu einer Er - getzung / weilen ſie nach außgehaltener Tags-Arb eit darinn ſich des Abends abwaſchen / und ihre muͤden Glider erquiken koͤnnen.
ANn. 1471. hat Antoni Walker von der Oberkeit des Ohrts Er - laubnuß / und Freyheit erhalten / der rechten warmen Quell in die Fel - ſen hinein nach zuſetzen / und mit anwendung zimlicher Unkoͤſten / das aus denen Felſen lebendig hervor quellende warme Waſſer durch Lerchene Canaͤle in die Badkaͤſten abgeleitet / und dabey eine kommliche Herberg auf - gebauet / zum vortheil der Bad-Gaͤſten; welches alles Peter Owlig von Brig A. 1521. verbeſſeret / erweiteret / der Quell 6. Schritt in den Felſen hinein nachgeſezet. Heut zu tag iſt diſes Bad uͤberall in Abgang / und faſt oh - ne Gebrauch. Wir fanden weder Wirth / noch Gaͤſte / noch Badkaͤſten / auſſert zweyen in dem Felsloch ſtehenden Zuberen / darinn ſich ein Bad-Gaſt kan in der Finſtere ſezen / und nach ſeinem gefallen aus dem Canal / da die Quell ſtehet / Waſſer ſchoͤpfen / ihme alſo ſelbs abwarten / und / gleich in de - nen Wirthshaͤuſeren des Koͤnigreichs Spanien / Speiß und Trank / wann er etwas genieſſen wil / mitbringen. Hr. D. Mannhaft von Brig erzeh - lete uns / daß diſes Briger Bad vortrefflich dienſtlich ſeye denen Gleichſuͤch - tigen / bey welchen man ſonſt groſſes bedenken tragt / ſie in Baͤder zuſezen / ſo auch denen / ſo mit dem Kaltwehe behaftet / und berichtete zugleich / daß wuͤrk - lich einiche Briger des Vorhabens ſeyen / diſes Bad widerum in Aufneh - men zubringen. Und gewißlich were es zuwuͤnſchen / daß es ins Werck ge - richtet wurde. Dann es koͤnten ſich diſes Heil-Bads mit groſſem Vor - theil bedienen alle Ober-Walliſſer / in ſonderheit die jenigen Anwohnere / welche armuth halben die weitere Reiß ins Laͤuker Bad nicht wol koͤnnen unternehmen / oder denen eine ſolche Berg-Reiſe Zuſtands halben beſchwer - lich iſt. Es gibt aber die Situation der Quell eine nicht geringe Hindernuß zu außfuͤhrung diſes Vorhabens / dann ſie gar zu tieff / und in gleichem horl - zont mit dem Rhodan Fluß / deſſen Waſſer dann / wann ſie / ſonderlich zu Sommerszeit groß angewachſen / ſich mit dem Natuͤrlich warmen Waſſer vermiſchen / und gar das Lande uͤberſchwemmen koͤnnen / wo ſie nicht mit groſ - ſer Muͤhe abgehalten werden. Von denen Mineralien / ſo in diſem Briger - Waſſer enthalten / hat die Oberherꝛſchaft der Schwefel / den man mit der Zungen ſchmeket / mit der Naſen riechet / der auch / ſo er abgetroknet wird / ei -ne126ne Flamm von ſich gibt. Caſparus Collinus hat in ſeiner Schrift de Sedu - norum Thermis dem Schwefel zugeleget den Alet / und ein Salpetriſches Salz / weilen das graulechte nach Schwefel riechende Pulver / welches durch einſiedung dahinden bleibt / einen ſuͤßlecht zuſamen zeuhenden Geſchmack hat / worauß dann die Wirkung ohnſchwer abzunehmen. Jch habe / ſo vil die Zeit es zulaſſen moͤgen / folgende Proben angemerket. Auß anſchuͤttung des ſublimirten Queckſilbers / des Geiſtes von Gruͤnſpan / pulveriſirten Sal - peter / und Etz - oder Scheidwaſſer erhebt ſich ein Rauch / ſo daß gleichwol das Waſſer durchſcheinend bleibt. Milchweiß aber wird es durch anmiſchung des Weinſtein Salzes. Die Kalte Quell / welche auſſert der Felshoͤle ſich zeiget / ohngefehr 8. oder 10. Schritt von der warmen / iſt auch ſchwefelicht / wie abzunehmen theils aus dem Geruch / theils auß gleicher jezt angebrachten Enderung mit des Weinſtein Salzes Vermiſchung.
Wir ſezen nun unſere Reiſe weiters fort in dem dritten / oder Viſper - Zehnden / welcher anfangt uͤber Glyß. Zu diſem Zehnden gehoͤren ſchoͤne und weite gegen Mittag ligende Alpen / zuzweyen Thaͤleren / Saſſer - und Matter-Thal / Vallis Saſſia & Mattia, welche zwey oder drey Meilen weit hinder Viſp an das Herzogthum Meyland angraͤnzen / und jenes zwar zwey Paͤſſe dahin oͤffnet / den einten uͤber den Berg Antrun in das Dorff Antrun Meylaͤnder Gebiets / den anderen uͤber den Magganaberg / ſonſt auch auf Fœ, und Mons Martis genannt / in das Dorff Maggana, ſo wie das obere dem Novarer Biſtum einverleibet; von diſen Bergen flieſſen ab zwey Waſſer / welche zu Stalden zuſamen kommen / und ſich alldort verei - nen mit einem ſtaͤrkeren Fluß / welcher entſpringt in die fuͤnfthalb Meilen weit von Viſp in den Gegenden Finilen / Finila, Aroleita, Areleit / und in Mont / Monta, von wannen ein Paß gehet uͤber den Augſtalerberg / Mons Sylvius, Roſa, Glettſcher / Auſtelberg genant / in das Augſtal / und Ajatzer - oder Kraͤmerthal dem Herzog von Savoy zugehoͤrig. Gleich wie zu hinderſt in dem Saſſerthal ligt die Pfarꝛ Saß / alſo iſt die hinderſte Pfarꝛ in dem Matthal Matt / Matta, vier Meil ob Viſp. Ein Meil unter Matt folget Teſt / oder Daͤſch / Dæſa, Tæſta, die Pfarꝛ zu S. Mo - rizen / hat ein eigenes Waͤſſerlein / und Thal Gelaͤnd aus dem Gebirg herfuͤr / das Daͤſchthal geheiſſen. Ein Meil unter Teſt ligt auf linker Seiten des Fluſſes die Pfarꝛ Gaſſa, darvon das Thal den Nahmen hat Gaſſenthal. Ein Meil unter Gaſa ligt das oben gemeldte Dorff Stalden / ein kleine Meil ob Viſp / bey denen die aus dem Matter - und Saſſerthal zuſamen flieſ - ſende Berg-Waſſer den Nahmen Viſp / oder Viſpach / Fiſchbach an - nehmen / von welchem auch der ganze Zehnden / und deſſen Haubtfleck denNahmen127Nahmen her hat. Ob Stalden zwiſchen beyden Thaͤleren ligt ein frucht - barer Berg / und auf demſelben das Dorff und Pfarꝛ Grenchen / Grenchia, daran hinden ſtoßt der Rierberg / Rietbergius Mons, auf welchem ſchoͤne Al - pen. Vor Stalden uͤber / gegen Aufgang / ligt das Dorff / und die Pfarꝛ Terminen / Termina.
Das Dorff Grenchen kan ſich ruͤhmen der Geburt zweyer beruͤhmt ge - lehrter Maͤnneren. Der einte iſt Simon Lithonius, in Griechiſchen und La - teiniſchen Sprachen trefflich erfahren / ſo hernach Profeſſor worden zu Straß - burg / und daſelbſt in noch jungen Jahren um A. 1543. geſtorben. Der an - der Thomas Platerus, alſo genant von einer Felsblatten / oder platten Fel - ſen / der uͤber ſein Geburthshauß hervor geraget.
Ob dem zuſamen Fluß des Rhodans / und der Viſp / iſt der Haubtfleck Viſp / Veſpia, welcher wol gebauet / und zwey Kirchen hat / die einte zu St. Martin / die andere zu Unſer Frauen. Ob diſem Flek iſt vor diſem geſtan - den das Schloß Hüpſchburg / welchen Nahmen auch ehemals der anli - gende Fleck ſelbs gehabt / ehe er ſich von dem Viſp Fluß her nennen laſſen. Es war diß der Sitz der alten Graffenvon Viſp / deren Herꝛſchaft ſich auch zum theil uͤber der Seduner Landſchaft erſtreket / und hernach erbsweiſe kommen auf die Graffen von Blandra, welche auch den Titul von Viſp an ſich genommen. Auß diſer Famille war jene Graͤfin / welche mit ihrem Sohn Antonio unter Naters an der Roddanbruk A. 1365. erſchlagen wor - den. Es iſt hernach die Burg zu Viſp von Graff Peter von Savoy mit Hilff etlicher Landleuthen zerſtoͤrt worden. A. 1388. aber geſchahe bey Viſp eine blutige Schlacht zwiſchen dem Graffen Amedeo von Savoy; und den Walliſſeren / in welcher jener das kuͤrzere gezogen / und in die 4000. Mañ verlohren. Sonſten iſt noch zumelden / das Viſp kan angeſehen werden als ein Stammhauß viler Adelicher Geſchlechteren / und daher ſich herleiten die beſten edelſten Familien des gantzen Lands. Es ſollen die Edlen zu Viſp eine eigene Kirch vor ſich gehabt haben / in welche denen Gemeinen nicht er - laubt geweſen zugehen.
Eine Meil unter Viſp / auf rechter Seiten des Rbodans iſt Raren / Raron / Raronia, der Haubtfleck des vierten Zehnden Raron / welcher zwo Kirchen hat / die einte zu St. Roman / die andere zu St. German. Naͤchſt bey St. Romans Kirch ſeyn zuſehen die alten Gemaͤur des Schloſſes Ra - ron / welches ein Sitz war der Freyherꝛen von Raron / von welchen Münſterus ſchreibt / das ſie zu der Otthonum Zeiten unter die 4. Freyherꝛen des Reichs gezehlt worden. Diſes Hauß / aus welchem verſchiedene Bi - ſchoͤff geweſen / iſt zuletſt ſo maͤchtig worden / das die Landleuthe Anlaß ge -nommen128nommen / ihre Ubermacht abzuthun / und in einem offenen Krieg ihre Schloͤſ - ſer zerſtoͤret / und die Freyherꝛen aus dem Land verjagt. Der letſte diſes Ge - ſchlechts war Peter / oder Petermann von Raron / welcher von wegen ſeiner Muter die Graffſchaft Toggenburg / nach des letſten Graff Fridrichen Ableiben A. 1436. ererbt / und A. 1469. verkauft an Abt Ulrich von St. Gallen / mit vorbehalten des Landrechtens / ſo die Toggenburger mit beyden Lobl. Ohrten Schweitz und Glarus hatten / nebſt ihren alten Freyheiten. Er ſtarb endlich A. 1479. im hohen Alter / und wurde begraben im Kloſter Ruͤti Zuͤrich Gebiets / daſelbſt auch aufgehenkt ſein Schilt und Helm mit dem guldinen Adler in rothem Feld.
Jn der Gegend bey Raron fangt ſich an das Weingewaͤchs mehren / und ſamlet ſich hier ſonderlich ein weiſſer friſcher / und lieblicher Wein.
Jenſeits des Rhodans / vor Raron uͤber / gegen Mittag / ſeyn ſchoͤne / Weidreiche Berg / und vil kleine Doͤrfflein / oder Nachbarſchaͤfftlein / als Eind / Terbil / Buͤrgen / Birthen / Eggen / Alba / Underbaͤ - chen / Aergiſch / Thurtmanthal und Eyſchol / in welchem letſten Silberertz anzutreffen / zwiſchen Viſp und Thurtman ligen ſonſt keine nahmhafte Doͤrffer / ſondern nur hier und da abgeſoͤnderte Gebaͤue / als Churtig / Beckenried am Stein.
Unſere Nachtherberg was zu Dortmann / Thurtmann / Dorto - mannia, einem Dorff / in dem Hauß Herꝛen Gaſiners / Ritters / und Gu - bernators, welcher / obgleich 86. Jahr alt / an Leibs und Gemuͤthskraͤften noch ganz frutig war.
Auf rechter Seiten des Roddan Fluſſes unter Raren iſt die Pfarꝛ und Dorff Geſtilen / nnter Geſtilen / Geſtelen / Geſtila, Caſtellio inſe - rior, und nahe darbey die uͤberblibenen Gemaͤur des Schloſſes zum Thurn / welches ein Sitz war der Freyherꝛen von Thurn / von welchen ſich her - ſchreiben die Edlen Herꝛen Zur Lauben von Zug.
Neben Geſtilen flieſſet in den Roddan die Luntza / ein Waſſer / wel - ches entſpringt gegen Mittnacht hinder dem Gebirg Bietſchhorn / neben dem Lettſchenberg / uͤber welchen ein Paß gen Kanderſtaͤg / ins Fru - tinger Thal / Bernergebiets. Es hat diſes Thal ſelbs den Nahmen Letſch - thal / Lettſcherthal / Lettſchia Vallis, in welchem etliche Doͤrflein / als Blatten / Kiematten / Wiſſenmatten / Myler / Rechetten / Kippil / Ferden. Es gehoͤrt noch in den Rarer Zehnden.
DEn 14. Aug. reißten wir fort in den fuͤnften / oder Laͤuker Zehn - den / welcher alſo genant wird von dem Haubtflecken Leuck / Laͤuck / Leuca, ſo ein Meil unter Raren ligt an der rechten Sei - ten des Rhodans auf der Hoͤhe / ſo das wir uͤber eine Bruk zu paſſieren hat - ten / und auf linker Seiten ſahen die Herberg an der Suſt / allwo die Kauff - mans Guͤter / ſo vom Genffer-See herauf gefertiget werden / außgeladen / und weiter gen Viſp / und ſo fort durch das Saſſerthal in Jtalien gelieferet wer - den. Auf diſer Seiten iſt auch der Ullgraben / ein groſſe weite / von den Berg Waſſeren eingefreſſene Grube / allwo vor alten Zeiten ſol der Fle - ken Leuk geſtanden ſein. Diſer Fleck ligt nun in einer wolbewahrten Hoͤhe / hat ſchoͤn rothes Weingewaͤchs / ein wolgebautes Rathhauß / und etliche Schloͤſſer / deren eins vor diſem den Freyherꝛen von Raron zuſtaͤndig war / und aber A. 1415. zerſtoͤrt worden / das ander aber dem Biſchoff von Sit - ten gehoͤret. Es ligt diſes Leuk faſt in mitten des Lands Wallis / weßwegen auch da gemeinlich die Geſandten von Seiten des Biſchoffs / und der ſiben Zehnden des Lands zuſamen kommen / ihre Staats Geſchaͤffte abzuhandlen.
Es enderen ſich auch hier die Sprachen; ob Laͤuk redet man Teutſch / unter Laͤuck ein verderbt Franzoͤſiſch. Beyderſeits aber / ſonderlich in denen Haubtflecken / befleiſſet man ſich der Franzoͤſiſchen / Jtalieniſchen / Teutſchen / und auch Lateiniſcher Sprach / welche ihnen vaſt noͤthig ſeyn wegen der Nach - barſchafft mit dem Berner-Urner-Gebiet / Jtalien / Savoy / und Genffer - See. Ja es iſt ſich zuverwunderen / und / weilen es zum Lob der Walliſſe - ren treflich dienet / nicht vorbey zugehen / daß oft auch die gemeinſten Leuth / als Tagloͤhnere / jezt ernennte vier Haubtſprachen fertig und zierlich reden.
Hier / bey Laͤuk / endet ſich unſere Reiſe durch das Walliſſer-Thal / wel - ches um ſo weitlaͤuftiger nach Anleitung des Simlers / Stumpfen / und ei - gener meiner Anmerkungen / beſchrieben / weilen es ſich leicht zutragen kan / daß eine ganze Land-Charte von Wallis mit der Zeit verfertige / welche biß - heriger Beſchreibung ſol entſprechen.
Ehe wir aber den Laͤuker-Berg beſteigen / merke noch an / daß die Wind / welche das Walliſſer Land durchwehen / gemeinlich ſeyn Oſt-Weſt - undSud -130Sud-Oſt-Winde / weilen ſich diſes Thal erſtreket nach der Laͤnge von Mor - gen gegen Abend. Die Sud-Oſt-Winde / weilen ſie von Jtalien her we - hen / ſeyn gemeinlich warm / ſonderlich wann die Oberherꝛſchaft hat der Sud / die Morgen - oder Oſt-Winde ſeyn gemeinlich kalt / heiſſen auch der kalte Foͤn / weilen ſie von denen Gotthardiſchen Eis - und Schneebergen herkom - men; die Abend-Winde aber bringen den Walliſſeren / wie anderen Voͤl - keren / Regen zu. Den rauhen Nord - oder Biß-Wind halten ab die hohen Gebirg / welche das Walliſſer-Land von dem Bern-Gebiet ſcheiden / welches dann auch die Urſach der herꝛlichen Fruchtbarkeit diſes Lands / ſonderlich des Underen Wallis / an Wein / Korn / und anderen Fruͤchten / nebſt dem / daß die Sonn mit ihren Stralen den ganzen Tag kan das Thal beleuchten und bewaͤrmen.
Von dem Fleken Leuk reißten wir immer in die Hoͤhe durch ein Thal / welches durchloffen wird von der Dala / einem Waſſer / das gegen Mitt - nacht an der Gemmi entſpringt / und unter Leuk ſich in den Rhodan ergießt. Faſt in mitten zwiſchen dem Fleken Leuk / und dem Bad / paſſierten wir das Doͤrflein Jnna / in Jnna / und langten endlich an in dem Leuker - Bad ſelbs / welches unten an der Gemmi ligt / und ins beſonder ſol in naͤchſt folgendem Tagwerk beſchrieben werden / wie es auch ſolche Muͤhe verdient in anſehung ſeiner koſtlichen Wirkungen / und groſſen Ruhms / welches es in der Welt hat. Wir merken heute noch an / das daſelbſt unſer Wetter - Glaß die Hoͤhe gezeiget von 21. Zoll 1. Scrup. worauß wir abnehmen / das diſes Bad Hoͤher lige als Brig 1560. Vieſch 700. Geſtinen / oder Ober Ge - ſtilen 80. Altorff 2000. tieffer aber als die Furken 2000. und Gotthard 1920 Zuͤricher Schuhe. Nach des Mariotti Rechnung iſt die Hoͤhe des Leuker - Bads uͤber dem Meer 3378. Pariſer Schuhe.
Wir gewahren uͤber diß / daß in der Alp Aſp / in der Pfarꝛ Leuk / ein kaltes Schweffelwaſſer / welches geruͤhmt wird vor das Fieber / Raud / und andere Hautſchaͤden / innerlich und aͤuſſerlich. Es ſollen auch daſelbſt ſeyn Kupfer - und Goldertz / wie auch zu Bagnies Goldertz.
Thermæ Leucenſes, Leucinæ, Leucianæ, Leuceræ bey Georgio Agri - cola, finden ſich beſchrieben bey Wagner Hiſt. Nat. Helv. p. 100. Simler de Valles. p. 20. b. Collino de Sedunorum Thermis bey Simler p. 143. und hat darvon auch ein beſonder Tractaͤtlein geſchrieben Conſtantinus Caſtellus, Med. D. von Sitten / welches Teutſch und Latein herauß kommen zu Lyon und Sitten A. 1647. in 8. Jch hab es auch Franzoͤſiſch geſehen in Mſc. bey dem Wirth zum weiſſen Kreutz in dem Bad. Die beſte Beſchreibungiſt131iſt / ſo vil mich bedunkt / des Collini, aus welchem auch die noͤthigen Bericht meiſtens zeuhen werde / und aber denſelben untermiſchen mit eigenen meinen Anmerkungen.
Es ſol diſes Heil Bad zuerſt erfunden worden ſein von denen Viehhir - ten / oder Sennen / oder von den Jaͤgeren / dann der Ohrt / da es ſtehet / jezt zwahren zahm / gebauet / mit ſchoͤnen Gebaͤuen gezieret / und mit Graßrei - chen Weyden umgeben / vorzeiten aber wild / und faſt unbrauchbar geweſen / dann von der Morgen Seite wird das hohe Thal / da das Bad iſt / beſchloſ - ſen mit hohen unwandelbaren Gletſcheren; gegen Mittag iſt gleichfals ein ho - her unerſtelglicher Berg; gegen Abend ſeyn dicke und finſtere Waͤlder / jezt noch genennet s Holtz im Thal / durch welche die Dala in der Tieffe ab - lauffet / und jezt eine Straß gebahnet iſt auf Leuk; gegen Mittnacht iſt der hohe Gemmiberg / welcher auch nicht erſteiglich were / wann nicht bey anlas des Bads die Kunſt die in der Natur vorkommenen Hindernuſſen uͤber - wunden hette. Mit einem wort / es kame in diſe abgelegne Wildnuß nie - mand / als die Gemſe / und andere dergleichen Bergthier / und die ihnen nach - geſtellet. Nachgehnds aber hat man angefangen die Waͤlder außſtocken / die Alpen von dem Vieh abnutzen / Sennhuͤtten / und andere Gebaͤude auf - fuͤhren / ſo daß nun das Bad einem Dorff ſich gleichet. Ungewiß aber iſt die Zeit / wann die Erfindung des Bads / oder jezt gemelte Wegraumung / geſche - hen / vermuthlich aber hat ſich diß alles zugetragen vor etlich 100. Jahren / wie auch deſſen anzeig iſt ein alter Thurn / welcher nach etlicher Meinung ge - bauet worden von einem Freyherꝛen von Thurn / als ein Schutzwehr wider den Einfall der Berneren; glaͤublicher aber iſt eine alte Sag / welche einem Edlen Mans die Aufrichtung deſſelben zuſchreibet.
Der Quellen ſeyn ſonderlich fuͤnf an der Zahl. Die erſte / und groͤ - ſte / welche auch eine Muͤhle zutreiben maͤchtig were / findet ſich an der Straß / bedeket mit einem breiten Stein. Von diſer Quelle werden zwey drittheil angewendet zu dem Hauß - und waſch-Gebrauch / ein drittheil aber flieſſet in das groſſe Bad / welches unter freyem Himmel / zwahr mit einem Tach be - decket / und wol 120. Schuhe in dem Umkreiß hat. Es ſeyn in diſem groſ - ſen Kaſten drey eingefaßte Baͤder / eins vor die Manns - die anderen vor die Weibsperſonen. Der andere Brunn entſpringt unter dem Wirths - hauß zum Weiſſen-Kreutz / und flieſſet auch in das groſſe Bad. Ein drit - ter Brunn diente ehemals allein den vornehmeren Gaͤſten / nun aber denen gar elenden / mit aͤuſſerlichen wuͤſten Schaͤden behafteten / und deßwegen zu ſcheuhenden Patienten / und widerum ein ander beſonder Bad vor die Ba - der / und Schaͤrer. Die vierte Quell ligt von dem groſſen Bad eine zim - liche weite ab / in der Wieſen / unter obbemeldtem Thurn / iſt ſonderlich ge -widmet132widmet denen Auſſaͤtzigen / und ſonſten mit wuͤſten Schaͤden behafteten Leu - then / welche unter anderen nicht leicht geduldet werden. Die fuͤnfte / und oberſte Quell wird genennet das Heilbruͤnnelein / weilen es vor anderen aus ſol kraͤftig ſein in heilung allerhand Hautſchaͤden.
Es iſt diſes Leucker-Waſſer lauter / ohne Geruch / und ſo heiß von Na - tur / daß man bey den Quellen die Haͤnde nicht mag darinnen halten / die Eyer ſieden / und die Huͤner von ihren Federen abledigen / laſſet ſich aber trin - ken ohn ſchaden. Collinus hielte davor / das diſes Waſſer flieſſe uͤber Kup - fer / Vitriol / Gold und Kalch / weilen die Erde von demſelben roth gefaͤrbt werde / und auch ein ſolcher Badſtein ſich anſeze / welcher ober um etwas weiß / an Geſtalt und Geſchmack gleich einem Kalck. Es ſol in dem Meyen etliche Tag nach einander von eben diſer weiſſen Kalck-Materi truͤb lauffen / und dann zumal von denen Anwohneren zu Sitten ſonderlich gebraucht wer - den / weilen ſie es zur ſelben zeit am kraͤftigſten zuſeyn bedunken / vornemlich / wann der April / und Meymonat einen groſſen Grad der Waͤrme außge - halten.
Auß diſen / wie wol annoch truͤben / Quellen der in dem Leuker-Bad ſich befindenden ingredientien leiteten die alten Medici her die Wirkungen deſ - ſelben. Sehet / wie? Weilen das Kupfer ein mittel Metall iſt zwiſchen dem Gold und Silber / gleich die Venus ein Mittel Planet zwiſchen der Soñ und dem Mond / als wird diſes Kupferfuͤhrende Heilwaſſer ſeyn warm und troken im dritten Grad / folglich erwaͤrmen / aufloͤſen / troͤknen / zuſamen zeu - hen / hiemit ſonderlich dienen in kalten und feuchten Krankheiten. Sehet / wie der Philoſophiſche / auf den vier Raͤderen der ſo genanten erſten Eigen - ſchaften mit des Ariſtotelis, und der Schullehreren Pferden beſpante Wa - gen auch uͤber die hohen Walliſſer Berg einherfahret / und gleich als auf des Dædali Fluͤglen auch an ſolche Ohrt hinkomt / da ſonſt die Waͤgen un - brauchbar ſeyn? Sehet / wie es ſo leicht hergehet / alle Krankheiten herzuleiten aus der reichen vierfachen Quell der Waͤrme / Kaͤlte / Feuchte / und Troͤkne / und alſo auch die Arzneyen / ſo ſich auf jene ſchiken / außfinden? der Kalchich - te Badſtein iſt warm und troken im vierten Grad / erwaͤrmet / und troͤknet deßwegen / obgleich er wenig Bewegung hat / noch mehr / als das Waſſer / welches denen ſeltſam ſol vorkommen / welche das Weſen der Waͤrme zu - ſchreiben der Bewegung; uͤber das aber entlehnen ſie etwas aus dem Schatz der ſo genanten zweyten Eigenſchaften / und gewahren / das der Badſtein um etwas beiſſe / die Wunden und Schaͤden reinige / und das wilde Feiſch verzehre.
P. S. Zur Erklaͤrung diſer und folgender N. dienet ein Kupfer / welches vornemlich den kunſtlichen Weg von der Gemmi ins Leuker Bad vorſtellet a 5. ß.
HJemit wird diſes Leucker-Waſſer dienlich ſeyn allen Krankheiten / welche herkommen von einem feuchten kalten Gehirn / den Schnup - pen / und allen Haubtflüſſen / (welche die alten ſich vorgeſtellet / als ei - nen aus dem Hirn in den Rachen / Naſen / auf die Bruſt / und Magen ab - fallenden Regen) denen fluͤſſigen / dunklen Augen / allerhand Zuſtaͤnden der Ohren / des Rachens / und daſelbſt ligender Theilen; dem ſchwachen / nicht wol daͤuenden Magen / und ſchlechten Eßluſt: denen Engbruͤſtigen / und mit ſchwachen Lungen verſehenen / Miltzſuͤchtigen / denen ſo dem Grimmen / und Nieren - Wehe unterworffen / und auch denen Waſſerſuͤchtigen; wie ſolte man aber wol koͤnnen diſere aus dem Rodel der Badgaͤſten außſchlieſſen? Es beſtehet ja vornemlich ihr Anligen in der Kaͤlte / und Feuchte / zweyen in den Leib des Menſchen einbrechenden Feinden / welche beſſer nicht / als mit der Waͤrme und Troͤkne ſich abtreiben laſſen / nach der Gemeinen Grundregel des groſſen Hippocratis, und aller Kunſtbefliſſenen / contraria contrariis cu - rantur? Sehet wie man die armen Waſſerſuͤchtigen Patienten / denen ge - meinlich alle Baͤder mehr ſchaͤdlich / als nutzlich ſeyn / weißt nach denen Reg - len der Kunſt und Wiſſenſchaft en forme, wie jener Moliere gepflegt zu reden / in das Grab zu lieferen? Sehet / wie man ohne einen Unterſcheid der Krank - heit / dero Urſachen / zumachen, Hydropicis omnibus, allen Waſſerſuͤchtigen / zu Leuck die letſte Oehlung gibt? oder / beſſer zuſagen / den Krankheiten ab - zuhelffen weißt / ſolte es auch geſchehen mit aufopferung der Patienten. Jch laͤugne nicht / daß etwann eine allgemeine / ſonderlich in denen aͤuſſeren Gli - deren ſteckende Waſſerſucht / welche die Kunſtverſtaͤndigen Anaſarcam nen - nen / koͤñen durch die zuſamen zeuhende Waͤrme des Bads / und erfolgende entledigung der Waſſer-gefaͤſſen von ihrem außdehnenden Laſt des ſtillſte - henden Fließwaſſers zum troſt der Kranknen weggehoben werden. Wo wil man aber hin mit denen im holen unteren Leib / oder der Bruſt ligenden Waſſeren / in der gemeinen Bauch - und Bruſt-Waſſerſucht / ſonderlich wann die bereits ſo lang angeſtanden / daß ſie begleitet mit Engbruͤſtigkeit / Abneh - men des Leibs / hartgeſchwuͤlſtiger Verſtopfung der Leber / und anderer in -neren134neren Glideren? Jch bilde mir ein / daß dergleichen unſchuldige / von uner - fahrnen / oder beſſer zureden / unwiſſenden Arzten / in die Bader geſandte Pa - tienten muͤſſen das Opfer ſeyn / welches vor anderen ſol auf dem Altar der Hygejæ aufgeopfert werden. Ein gleiche Bewandtnuß hat es auch mit de - nen Engbruͤſtigen / und mit ſchwacher Lungen verſehenen / welche ſo wenig naher Leuk / als in andere von Natur warme Baͤder hinkehren ſollen / ohne wolbedachten Rath verſtaͤndiger Arzten / von deren Zahl ich außſchlieſſe alle ſo genante Practicos Medicinæ, Schinder und Kalberaͤrtzte / welche von der Be - ſchaffenheit des Leibs / denen verſchiedenen Arten der Krankheiten / denen Wir - kungen der Urſachen / und Artzneyen ſolche Vorbilder in ihrem Gehirn machẽ / wie der Blinde von den Farben / und ihre zuweilen gluͤkliche Außtraͤge dem bloſſen blinden Gluͤck zu danken haben / auf welches hin die Patienten ihren Leib darſezen müſſen. Jch uͤberlaſſe einem jeden die Freyheit ſeinen Leib zu uͤbergeben / wem er wil / und ſchreite fort zu denen uͤbrigen Wirkungen des Leukerbads. Wann man es trinkt / ſo ſol es den Leib oͤffnen / aber zuweilen eine Harnſtrenge verurſachen / weiters die ſchwache Baͤrmuter ſtaͤrken / die Fieber vertreiben / den Nieren - und Blaſenſtein außfuͤhren / die Huftkrank - heiten / Podagra / und andere Gliderſchmerzen wegnehmen / dem Krampf / und zuſamenzeuhung / oder einſchrupfung der Nerven wehren / ſonſt auch al - len zuſtaͤnden der Nerven / der Contractur, Lahmheit / Schlagflüſſen abhelf - fen; den anfangenden Außſatz heilen / die gebrochenen / und wider eingerich - teten Bein beſteiffen / die muͤden Glider erquiken / boͤßartige flieſſende Ge - ſchwaͤre / Raud / und andere dergleichen Haut-Schaͤden curiren / Wunden / die nicht wol oder recht geheilet / widerum oͤffnen / und zuſchlieſſen. Man koͤnte noch einen vil weitlaͤuftigeren Rodel außfertigen von denen Zuſtaͤn - den / in welchen diſes Heilbad kraͤftige Wirkungen leiſten kan. Darmit aber / glaube ich / iſt wol dem Bad / und deſſen Beſizeren / aber nicht denen Patienten felbs gedienet / weilen die nicht auf bloſſe leſung / oder außſtrei - chung ſolcher Tugenden ſollen geluͤſtig werden / das Wallis-Bad zubeſuchen / ſondern nach gegebenem klugen Rath eines verſtaͤndigen Arzets / deme bey - des die Beſchaffenheit der Krankheit / und die Natur des Bads bekant / ſich richten. Jene iſt ſo verſchiedenlich / als vil Krankheiten / und Naturen der Menſchen ſeyn / diſe aber iſt beſtaͤndig / und verdienet wol / und mit groͤſſerem Fleiß / als bißher beſchehen / unterſuchet zuwerden / damit man ſich einer ge - nauen Beſchreibung des Bads bedienen koͤnne / als einer Richtſchnur / die Heilung der Krankheiten darnach abzumeſſen. Jch meines Ohrts kan mich zwahren nicht ruͤhmen / ſo gnugſame Proben von diſem Leuker-Waſſer ge - machet zu haben / als noͤthig weren zu einem genauen Examen; die eng ein -geſchrankte135geſchrankte Zeit ſchnitte mir ſothane unterſuchung ab. Gleichwolen haben mir / gleich als im voruͤbergehen / folgende wenige Proben / ſo ich gemachet / die Augen in ſo weit aufgethan / daß nun ganz andere Gedanken aus der Er - fahrung diſes Bads halben / abfaſſe / als ich zuvor gehabt aus der Beſchrei - bung anderer / welche bereits vor faſt anderthalb hundert Jahren ihre Ge - danken hieruͤber eroͤffnet.
Auß Anſchuͤttung des Weinſtein Salzes gewahrete / daß diſes Waſſer in ein Milchweiſſes dikes Weſen ſich geendert / und auch bald hernach zu bo - den ſich geſezet ſchneeweiſſe Floken.
Auß Angieſſung des Scheidwaſſers erhebte ſich ein Raͤuchlein.
Auß Vermiſchung der geſtoſſenen Gallaͤpflen zeiget ſich ein braunlechte Farb.
Durch Anmiſchung des Salpetergeiſts / und Pulvers / des Salarmo - niac Geiſts / des Gruͤnſpan Geiſts / des ſublimirten Queckſilbers folgete keine Aenderung.
Das vornemſte Gemerk / bey welchem man die Wirkungen diſes Waſſers ſol erkennen / iſt meines bedunkens das Gelbe / oder braungelbe Pulver / welches ſich ſonderlich bey den Quellen / und in den Canaͤlen haͤuf - fig ableget; es iſt eines ſaurlecht zuſamen zeuhenden Geſchmacks / und gehet / oder gaͤhret / hitzig auf / wann es mit dem Scheidwaſſer angefeuchtet wird. Diſes Pulver hat mit ſeiner gold-hochgelben Farb unſeren alten Medicis alſo in die Augen geleuchtet / daß ſie keklich außgegeben / es flieſſe diſes Bad - Waſſer ab Gold / und Kupfer. Gewiß iſt / daß ſeine Wirkungen die Kraͤf - te / ich verſtehe die Medicinaliſche / nicht Politiſche / des Golds uͤberſteigen. Und aber halte ich auch vorgewiß / daß diſes Pulver keine Gemeinſchaft hat mit dem Gold / ſondern vilmehr mit dem Eiſen / und anzuſehen ſeye / als ein wahrer / natürlicher / Crocus Martis, und daß auß diſer Grundquell herzulei - ten ſeyen alle die vornemſten Tugenden diſes Walliſſer Bads / von welchen man wol kan ruͤhmen / das ſie uͤberſteigen die Kraͤften aller uͤbrigen Heil-Baͤ - deren / und Mineral-Waſſeren des Schweizerlands. Dann ſihe / in anſe - hung der Natuͤrlichen Waͤrme laſſet allhier ſich finden das / was man ſucht in anderen von Natur warmen Baderen! der ſubtile Vitrioliſche Martiali - ſche Saltzgeiſt gibt dem Waſſerbad die Wuͤrkungen der Saurbruͤnnen / und hat endtlich der abgelegte Crocus ſo wol in dem ſtand ſeiner Vermi - ſchung mit dem Waſſer / als nach dem er geſoͤnderet / ſeine beſonderen koſtli - chen Heilkraͤfte. Es verdienet die Wichtigkeit der Materi / das wir um et - was eigentlicher / und weitlaͤuffiger / außfuͤhren / was vor Wirkungen von dem Leuker-Bad aus jezt gefundenem Grund-Satz zu hoffen ſeyen. Se - hen wir an die irꝛdiſche / und vitriol-ſaltzichte Theil / ſo werden jene die ſcharf -fen /136fen / ſonderlich in dem Magen / und Gedaͤrmen ligende Feuchtigkeiten in ſich ſchluken / diſe aber die allzugeſchwinde Bewegung der herꝛſchenden fluͤchti - gen Theilen hemmen / und beyde zugleich das Gebluͤt verfuͤſſen / die wilden Geiſter beſaͤnftigen / die Nervoſiſchen Zaͤſern zuſamen zeuhen / und darmit die inneren Glider / ja den ganzen Leib ſtaͤrken; folglich kan ein verſtaͤndiger Ar - zet den aͤuſſerlich und innerlichen Gebrauch diſes Waſſers einrathen denen / welche einen ſo verderbten / ſchlappen Magen haben / der die Speiſen / oder Arzneyen nicht wol kan halten; oder denen / welche eine ſo ſcharffe Materi in ihren Gedaͤrmen haben / daß diſe beſtaͤndig gereizet zu oftmaligen Durchlaͤuf - fen anlas geben; oder denen / welche von ſchweren angeſtandenen Krankhei - ten endtlich erlediget werden durch einen Durchbruch der ſchaͤdlichen Materi durch die Drüſen der Daͤrmen / und aber dardurch ſehr geſchwaͤcht worden / an den Verꝛichtungen ihrer Daͤuung; So auch koͤnnen ſich mit gutem Nu - zen diſes Waſſers / ſonderlich innerlich / bedienen die / welche von all zuſcharf - fem Gebluͤt dem Naſenbluten / oder anderen dergleichen Blutvergieſſungen durch andere Naturgaͤnge allzuoft unterworffen. Geben wir ferner ach - tung / wie obbenennte Salz vitrioliſche Theil in kraft ihrer ſpizigen Geſtalt / und durch beſondere leitung des Waſſers koͤnnen in innerlichem Gebrauch durch alle kleinſte Aederlein tringen / die ſchleimerige tartariſche hier und da ſich anhenkende Unreinigkeiten aufloͤſen / und abfuͤhren; ia wie auch ſelbs die irꝛdiſchen / ſonſt zuſamen zeuhenden Theil zufaͤlliger weiſe oͤffnen / in deme ſie die wilden ſauren verdikerende Salien in ſich ſchluken / und außfuͤhren. Wann / ſage ich / wir diſe eroͤffnende Heilkraft des Walliſſer Bads mit off - nen Augen anſehen / ſo finden wir ein reiche Arzney Quell vor unzehlich vil Anligen / welche namlich von verdikerung der Saͤften / verſchleimerung der Waſſer - und Blutgefaͤſſen / ihren Urſprung nehmen. Ja / ich kan ſagen / ein allgemeines Mittel wider einen allgemeinen Feind / dann wir gewißlich keinen ſo ernſthaften / ſo beſtaͤndigen / ſo gemeinen / ſo ſtarken Feind unſerer Geſundheit haben / als die Verſtopfungen. Diß iſt die Buͤchs Pandoræ, aus welcher bald alles unheil entſtanden. Alle Gattungen Fieber / Hinder - haltung der Guͤlden Aderen / Monatlicher Reingung / Harns / die Haubt - ſchmerzen / Gelbſucht / Blon - und Mattigkeit des Leibs / Glider Krankheiten / Miltzeſucht ꝛc. ſeyn unartige Kinder diſer Feindhaͤſſigen Mutter. Jn denen Jrꝛdiſchen Martialiſchen Theilen / wo die die Oberhand haben uͤber die Salz - theile / liget ſo wol bey innerlich - als aͤuſſerlichem Gebrauch eine koſtliche Ver - ſuͤſſungs-Kraft / welche die ſauren ſcharffen Salien des Gebluͤts unter das Joch bringet / und abſonderlich die von ihnen herꝛuͤhrende Raud / Auſſatz und andere dergleichen / flieſſende / Haut-Schaͤden heilet.
RJchten wir unſere Augen abſonderlich auf die Salz-vitrioliſche Theil / ſo haben wir uns zu getroͤſten beſonderer ſchweiß - und harntreiben - der / auch ſelbs den zaͤhen Magenſchleim durch das Erbrechen außfuͤh - render Kraͤften / deren ſich ein verſtaͤndiger Arzet mit groſſem Vortheil bedie - nen kan. Jch ſage nochmal / ein verſtaͤndiger Arzet / weilen das vornehmſte li - get in vernuͤnftiger Zueignung jezt beſchriebener Wuͤrkungen des Bads. Dann bald der aͤuſſer liche Gebrauch allen denen Patienten einzurahten / bald der innerliche allein / bald beide zugleich / oder nacheinander / und zwahren in gewuͤſſer Maß / und Ordnung: Bald muß der Medicus ſeinen mehreren Troſt ſezen auf die Jrꝛdiſchen / bald auf die Salz-bald auf die Waſſer-Thei - le / und diſe von jenen / und jede von einanderen wiſſen abzuſoͤnderen / ja ſelbs unter denen Quellen einen Unterſcheid zu machen / wie meines Bedunkens die in freyem Feld ſtehende Quell / das Goldbrünnelein genandt / zu iñerlichem Gebrauch vor anderen auß mir dienſtlich vorkomt. Zu welchem Ende dann den Beſteheren oder Eigenthums-Herꝛen von dergleichen koͤſtlichen Baͤde - ren einzurahten waͤre / zu ihrem Nuzen / und der Badgaͤſten Heil / daß allezeit bey Handen were ein Wolerfahrner / und gelehrter Medicus, deme durch al - lerhand ſo wol Chymiſche / als Practicaliſche Proben des Bads wahrhafte Natur / und Wirkungen bekant / der dann bey allen begebenden Anlaͤſen wuͤßte einem jeden Badgaſt mit Raht und Troſt zu begegnen; Ja ich darff kuͤhnlich ſagen / der in dem Leukerbad ſelbs allein an dem verhandenen Croce Martis, und deſſen vernuͤnftigen Zubereitungen funde eine ganze Apothek. Jch ſchreibe diſe Anmerkung nicht ohne Grund / weilen ſo wol in diſem Wal - liſſer - als vilen anderen Heil-Baͤderen des Schweizerlands diſer vorneh - me Puncten der Badordnung ſchlechtlich in acht genommen wird / und die Gaͤſte mehrmahlen ihnen ſelbs / oder einer geringen Anleitung des Badwirts uͤberlaſſen werden / oder im Nohtfahl der Beyhilff eines anweſenden Schrep - fers / oder Chirurgi geleben muͤſſen; diſes aber ſchreibe ich ohne prejudiz und Nachtheil derjenigen Medicorum, welche zuweilen von benachbarten Ohr - ten in die Baͤder beruffen werden / und allda zu der Badgaͤſten Troſt etwas Zeits bleiben koͤnnen.
138So vil ſeye nun geredet von dem Leuker - oder Walliſſer Bad.
Auf 200. Schritt ohngefehr von der warmen Ouell kommen auß der Erden hervor andere Eis kalte
Von welchen einer unſer Lieben Frauen Brunn genant wird / weilen er nur zwiſchen zweyen der H. Jungfrau Mariæ gewidmeten Faͤſten flieſſet. Es meldet Collinus, bey Simler Valles. p. 145. b. daß zu ſeiner Zeit die Badgaͤſte ſich diſes Brunnens bedient haben zur Abkuͤhlung / wann ſie ſich in dem heiſſen Bad erhizet / wiewol zu ihrem eigenen Schaden; zeiget da - bey an die eigentliche Urſachen diſes ſo ordentlich unterbrochenen Lauffs / wel - che uͤbereinkommen mit dem / was von dergleichen Meybruͤnnen beygebracht worden oben Tom. II. p. 103.
Nunmehr vermeinen wir in dem Leuckerbad geſehen zuhaben / was noͤh - tig zuwiſſen einem Naturforſcher. Es iſt Zeit / daß wir aufbrechen / und uns gegen dem Berngebiet / und ſo weiters gegen dem Vatterland wenden. Wir haben bereits genug Berg geſtiegen / und aber noch einen zu uͤberwinden / wel - cher uns heut genug zuſchaffen gibt. Diß iſt der
Gemmiberg / Gaͤmmi / Gemmius, welcher von ſeiner Hoͤhe und wilden Raͤuhe / den Nahmen ſol haben à gemitu, vom Seufzen / weilen / die ihne beſteigen / oft wegen der Arbeit / und Gefahr friſchen Athem zu ſchoͤpfen / und zu ſeufzen / Anlas / und Urſach haben. Dann diſer Berg von der Leuker - oder Walliſſer ſeite ſehr gaͤchſtotzig / und geradenwegs in die Hoͤhe führt / durch krumme / ſchmale / hier und da in Felſen eingehauene / mit hoͤlzernen Zwerch - balken / gleich als Bruͤklein belegte / und hin und wider mit Maurwerk unter - ſtuͤzte Weg / welche denen / ſo dem Schwindel unterworffen / oder ſonſt derglei - chen Bergſtraffen niemahlen erfahren / leichtlich einen Schreken einjagen koͤn - nen / und vil dahin verleiten / daß ſie ſich uͤber diſen gefaͤhrlichen Weg nicht zu gehen getrauen / ſondern durch beſondere / diſer Arbeit erfahrne Maͤnner / tra - gen laſſen. Herꝛ Lieutenant Bodmer von Amſeltingen / ſeines erſten Her - kommens von Zuͤrich / dißmalen in Dienſten des Hochloͤbl. Stands Bern / ein erfahrner Ingenieur, mein ſehr wehrter Goͤnner und Freund / hat die Muͤ - he genommen / diſen ſelzamen Weg Geometriſch A. 1701. abzumeſſen / und in einem perſpectiviſchen Plan vorzuſtellen / und in allem funden 10110. Schuhe bis zur Daube / welches die oberſte Hoͤhe / bey welcher einem Rei - ſenden erlaubt iſt / in einer offenen Herberg außzuruhen / in deren er vertrettenkan139kan / beydes die Perſon des Gaſtgeben / und des Gaſts / und mit demjenigen Trank oder Speiſen ſich ergezen / welche er mitbringt.
Allhier fiele das Ouekſilber in unſerem Wanderſtab auf 19. Zoll 9. Scrup. worauß wir geſchloſſen / daß diſer Ohrt in Senkelrechter Hoͤhe uͤber das Bad 1600. Brig. 3160. Vieſch. 2300. Geſtilen. 1680. Altorff 3600. niderer aber als die Furke. 400. Gotthard 320. Zuͤricher-Schuhe. Nach Mariotte kommet die Hoͤhe uͤber das Meer 5437. nach Caſſino aber 7486. Pariſer Schuhe.
Auf der Gemmi reiſet man fort nebſt dem
welcher ohngefehr eine halbe (nit ganze) Meil ſich in die laͤnge zeuhet / und mit hoͤheren Berg-Jochen ringsum eingefaſſet; Diſes Sees gedenket auch Simler de Alpib. p. 121. b. und Wagner Hiſt. Nat. Helv. p. 58. Er ſoll oft in dem Sommer ſehr wenig Waſſer halten / und ſcheinet nicht ſo faſt lebendi - ge Quellen zu haben / als ein Zuſamenfluß zu ſeyn von Regen und Schnee - Waſſer.
Nebſt diſem See beliebe der curioſe Reiſende in acht zu nemmen Waͤl - lenfoͤrmige / in die harten Felſen eingetrukte Hoͤlen / welche villeicht denen Suͤndflut Wellen / als ſie uͤber diſe annoch weiche Gebirge hergefahren / zuzu - ſchreiben ſeyn; wann wir nicht wollen diſe Unebenheiten der Felſen zuſchrei - ben dem Schnee-Waſſer ſelbs / und ſagen / das auch diſes koͤnne durch lan - ges Stillſtehen in ſolchen Gruͤblein die Felſen erweichen / oder mit ſeinem Ab - fluß über hoͤhere Felſen dieſelben alſo außhoͤlen. Jch hab der gleichen Außhoͤ - lungen hin und wider angetroffen auf den Spizen hoher Alpgebirgen / und ſchreibe ſie eher zu der erſten / als letſtangebrachten Urſach.
Nachdem wir auf der Gemmi einige Stunde fortgewandelt / kamen wir ins Berngebieth / und zwahren gen Kandelſtaͤg / Kanderſtaͤg / ſo daß erſte Dorff im Fruriger-Frutinger-Thal / Frutingia Vallis, und den Nahmen hat von der Bruk / welche alldort uͤber die Kander gehet. Wir reiſeten aber diſen Abend weiters fort gen Kandelbruk / vor deren über ligt Frutingen / Frutinga, von deme das ganze Thal ſeinen Nahmen hat. Jn Kanderbruk hatten wir heut Abends / und Morndeß am Morgen bey heller Luft die Hoͤhe des Quekſilbers 23. Zoll 4. Scrup. worauß zu ſchlieſ - ſen / daß diſer Ohrt tieffer als die Gemmi 2800. Leukerbad / welches 7. Stund von dannen abligt 1200. Vieſch 500. Geſtilen 1120. Furke 3200. Gott - hard 3120. Zuͤricher-Schuh / und mit Altorff ohngefehr in gleicher Hoͤhe; Salvo errore Experimenti, & ipſius Calculi.
Den 16. Augſtm. reiſeten wir nach der Laͤnge der Kandel / das Frutin - gerthal ab.
140Die Kandel / Kander / Kandela, ein ungeſtuͤmmes Bergwaſſer / entſpringet auf dem Berg Engſtlingen / nach dem Bericht Hrn. Wagne - ri Hiſt. Helv. Nat. p. 76. nach Stumphio aber Chron. Lib. VIII. c. 2. auf dem an die Walliſſer graͤnzenden Gebirg Ravvin,: worinn er aber irꝛet / dañ der Berg Rawin / Ravinius, welchen in den Sitterzehnden ſezet Simler Vall. p. 25. b. den Paß gibet ins Sibenthal / Simmia Vallis, nicht aber ins Frutin - gerthal / danahen jeztgedachter Stumpf auch darinn zuverbeſſeren / daß er die Kandel fuͤhrt durch das Sibenthal / durch welches abflieſſet die Simmen / Simma, welche hernach mit der Kandel ſich vereiniget / / wie zuſehen in der Gi - geriſchen Landcharte des Schweizerlands. Es berichteten mich die Einwoh - nere des Frutiger-Thals / daß die Kandel ihren Urſprung habe in der Alp Gaſter / 3. Stund hinter Kanderſtaͤg / bey welchem Dorff ſich mit der Kandel miſchet der Bach Alp / welcher herkomt auß einem Berg-See in Oüſchinen.
Das Frutinger-Thal heiſſet Cinerea Vallis bey Aretio Deſcript. Stocchorn. p. 233. b. allwo er auch verbeſſeret den erſt angezognen / und ſelbs in die Landcharte gebrachten Fehler von der Kandel-Urſprung / und Fort - gang. Unſer Marſch gienge von Kandelbruk durch Schwandi / da wir vorher auf linker Seiten ligen laſſen das Dorff Wengi / weiters kamen wir durch Kien / Müllinen / und endlich über ein Berglein gen Faulen - See / am Thuner-See.
Bey Müllinen / ohnweit under Kandel / in einer Wiſen / quillet auß der Erden hervor ein Mineral-Waſſer / welches zwar ohne Gebrauch / aber Zweifels ohne zu groſſem Nuzen der Anwohneren koͤnte angewendet / und theils gebadet / theils getrunken werden. Es leget ab einen Martialiſchen Cro - cum, oder Saffran-Farbe Erden / welche gleiche Prob außhaltet mit obbe - ſchribenem Croco des Leuker-Bads. Der Spangruͤn-Geiſt / Aquafort, und Sublimat machen in diſem Waſſer keine Enderung: von Anmiſchung aber des Weinſtein-Salzes wird es Milchweiß: von den Gallaͤpfeln purpur - braun. Der Crocus ſelbs gerahtet in einen Jaſt / durch Anſchuͤttung des Ez - waſſers / und laſſet zugleich einen ſtarken Geruch von ſich ſpuͤren.
Jn dem Dorff ſelbs ſahen wir im Vorbeygehen Chriſtian Müll - mann / einen noch frutigen Mann von 100. Jahren.
Der Kandel-Fluß wendet ſich in diſer Gegend auf linke Seiten / und laͤhret ſich unter dem Thuner-See auß in die Aaren / nachdem ſie zuvor denen Einwohneren des Frutinger-Thals groſſen Schaden zu gefüget / wei - len ſie innert ihrem Runß nicht bleibet / ſonder ihre Herꝛſchaft ausbreitet uͤber die Flach an ihro ligende Guͤter / und ſelbige mit Sand und Steinen uͤberfuͤhrt.
P. S. Es iſt oben bereits bekant gemacht worden die Vorſtellung des Gem - miwegs in einem beſonderen Kupfer.
WEilen ſothanen Schaden der Kandel abzuwenden die Wuhr / und an - dere bißher gebrauchte Mittel unzulaͤnglich ſeyn / als hat man hoch - weißlich zuberathen angefangen / ob nicht die gaͤntzliche Verderbung daſigen Lands koͤnte hinderhalten werden durch eine andere Leitung der Kan - del / unter dem Berg hindurch in den Thuner-See / indeme ſie vermuthlich ihre ungeſtuͤme Art wurde verlieren / und ſich uͤber den ganzen See alſo außbreitẽ / daß man von effectuirung diſes Mittels an dem Thuner-See ſelbs nichts zu - befahren hette / und villeicht der Aren lauff unter dem Thuner-See auch in mehrere Richtigkeit gebracht werden koͤnte. Es foͤrchten aber die Thuner / und andere Anwohnere des Sees / daß durch vorhabende Leitung der Kandel in den See / diſer alſo bey anbrechenden Wald Waſſeren ſich moͤchte auflaſ - ſen / daß daher die uͤberſchwemmung des flachen / ſehr fruchtbaren / Lands zube - ſorgen were. Zueroͤrterung diſer Frag gehoͤret eine Mathematiſche Auß - rechnung der Waſſeren der Kandel / der weite des Sees / des lauffs in die Aren / worauß ſich zeigen wurde / wie hoch der See koͤnte in der Hoͤhe an - wachſen auch bey der groͤſten Menge der Waſſeren / welche Er von der Kan - del wurde empfangen.
Das Frutinger Thal / welches wir jetzt durchwandlet / erſtreckt ſich in die vier Meilen; ware ehemals unter der Herꝛſchaft beſonderer Freyher - ren von Frutingen genant: von welchen es kommen an die Walliſſer Freyherꝛen von Thurn / von denen einer Hr. Antonius A. 1365. zu Zeiten Keyſer Caroli IV. denen von Bern vil verdrieß zugefuͤget / hernach aber A. 1400. dem hochlobl. Stand Bern ſeinen ganzen Theil verkauft um eine gewiſſe Summ Gelts / welche die Einwohnere ſelbs erlegt / und hardurch ſich von dem Joch ihres Herꝛen loß gewirket.
Wir begaben uns zu Faulen-See zu Schiff / uñ langtẽ abends an zu Thun / Thunum, Thuna, Dunum, welches eine ſchoͤne Statt zu außgang des Sees in die Aaren / an einem luſtigen Ohrt gelegen / welche ſich in zwey Theil ab - theilet / deren der einte jenſeit der Bruk dem Aergeu zugehoͤrt / der andere aber diſſeits in dem Uchtland liget. Diſe Statt und Schloß hatte vorzei - ten ihre eigene Graffen / von Thun genant / von deren endtlichen Abgangman142man nichts gewiſſes findet in den Chroniken. Von diſen Graffen kam di - ſe Statt und Herꝛſchaft an die Graffen von Kyburg / und von diſen an die Statt Bern / bey anlaß eines A. 1320. begangenen Mords an der Perſon Graff Eberharten von Kyburg / deſſe man beſchuldigte ſeinen Bruder Hartmann / welcher nach dem er Thun an Bern verkauft / die Herꝛſchaft hernach eine zeitlang zu lehen empfangen. Man zeiget noch im Schnecken des Schloſſes / da die Mordthat verꝛichtet worden / einiche von vergoſſenen Blut uͤber bliebene Flecken / von welchen man vorgibt / das ſie ſich nicht abwaſchen laſſen. Ob diſe ſchwarzlechte Flecken / welche an denen Senckelrechten Seiten der Steinernen Tritten / und nicht auf denen Waagrechten / gezeiget werden / noch uͤbrige anzeigen ſeyen eines Bluts? wil ich weder bejahen / noch verneinen / hiemit nicht unterſuchen / ob / und wie weit ein warmes Blut ſich koͤnne in den harten / ſonderlich Sand-Stein ein - tringen? oder / ob etwas anders zaͤhes auf diſer Stiege verſchuͤttet worden / welches ſich nicht leicht verlieret? oder / ob es Gott ſonderbar alſo verhenget / daß ein ſo unſchuldig vergoſſenes Blut muͤſſe / ſo lang das Schloß ſtehet / den Greuel der begangenen That zeigen / und raach uͤber die Thaͤter ſchreyen? gleich auf einem ſolchen Mordplatz zu immerwehrenden angedenken ſollen aufge - wachſen ſein jene mit blutrothen Blaͤtteren bezeichnete Buchbaͤume / bey dem Dorff Buch / in der Frey-Herꝛſchaft Wuͤlflingen / deren oben gedacht wird Tom. I. pag. 1. Es iſt Thun voͤllig an Bern kommen A. 1375 mit behaltung eigener ſchoͤnen Freyheiten der Statt / kraft deren ſie ihre eigene Obrigkeit ſelbs wehlen ꝛc.
Von der Statt Thun hat den Nahmen der Thuner-See / La - cus Thunius, Thuninus Myconio, Dunenſis, welcher ohngefehr anderthalb Meil lang / und eine halbe breit. Von diſem See liſet man eine ſeltſame Geſchicht bey Aymon. de Geſtis Francor. L. III. c. 86. ad A. C. 615. nach Suizer. Chronolog. nach Guillimano aber ad A. C. 604. das deſſen Waſſer alſo geſotten habe / daß eine groſſe Menge gekochter Fiſchen an das Ufer ſeye geworffen worden. Wann deme alſo / ſo muß nohtwendig ein Unter - irꝛdiſches Feuer durch die Tieffen diſes Sees einen Außbruch genommen / und das Waſſer / ſonderlich an dem Ohrt da der Außbruch geſchehen / in eine ſiedend aufwallende Hitz gebracht haben / darvon die Fiſche zugrund gangen. Es ſeyn die Ufer diſes Sees beſezet mit vilen Doͤrfferen / Schloͤſſeren / Luſt-Guͤ - teren / fruchtbaren Aekeren / Weinbergen / Wieſen / und allem dem / was zum Luſt und Nutzen der Anwohneren dienen kan. Nicht weit von diſem See ſtre - ken ihren Kopf in die Hoͤhe die zwey beruͤhmten Berg Nieſen / und Stock - horn / welche in Raͤbmanns Geſpraͤch von Bergen gegen einander / welcher unter ihnen der hoͤchſte ſeye / diſputiren. Von denen an diſem Seeligenden143ligenden Schloͤſſeren / und Doͤrfferen / kan es anderſtwo zuſchreiben anlas geben.
Wir wenden uns widerum gen Thun / und lernen auß der Hoͤhe des Quekſilbers im 24 Zoll / daß diſe Statt niderer ligt / als das Dorff Frutin - gen 480. die Gem̃i 3280. Leuker-Bad 1680. Vieſch in Wallis 980. Brig 880. Geſtilen 1600. Furken 3680. Gotthard 3600. und mit Zuͤrich ohnge - fehr in gleicher Hoͤhe / oder noch 40. oder 50. Schuhe tieffer / nach heuti - ger obſervation, weilen allda die Hoͤhe des Wetterglaſes war 23. Zoll 9. Scrupel / und 23. 9½. Nach Mariotti Rechnung kommet die Hoͤhe der Statt Thun uͤber das Mittellaͤndiſche Meer 1479. nach Caſſini aber 1614. Pariſer Schuhe.
Den 17. Aug. beſuchte ich Herꝛen Johan Rubin Med. D. deſſen Freundlichkeit / Gottesforcht / und Arbeitſamkeit anzuruͤhmen nicht ſol uͤber - gehen. Die von der Practic und anderen Haußgeſchaͤften uͤbrige Stunden wendet er an zu allerhand / ſonderlich Geiſtlichen / Ub - und Betrachtungen / unter welchen ich dißmahl nenne eine uͤber die Offenbarung Johannis ge - machte Außlegung in 19. Tomis in quarto, eine Verzeichnuß aber anderer ſeiner Schriſten verſpare auf einen anderen Anlas.
Er verehrte mir 1. die ſo genanten
Chelidonios Minerales, welche ſich ſinden in der Herꝛſchaft Sanen / hin - ter Roͤtſchmund / Bernergebiers / in einer kaum zwey Schuhe brei - ten Grube. Diſe Steinlein ſeyn hell glatt / als weren ſie polirt / an farb weiß / gelb / aſchfarb / blaulecht / an Geſtalt ablang / oder rund / oder vilekicht. Sie werden etwann von den Landſtreicheren umher getragen / und ver - kauft vor wahre Schwalbenſtein / welche ſollen die kraft haben / die Augen zureinigen / und die Unreinigkeiten / ſo in ſelbige gefallen / außzutreiben. Joh. Bapt. Plantin in ſeiner Helv. Antiq. & nov. cap. 7. p. 42. zehlet diſe Stein - lein unter die Natuͤrliche Seltenheiten des Schweitzerlands. Es gedenket diſer Steinlein auch ohne benennung des Ohrts Guil. Fabr. Hildanus Cent. II. obſ. 13. diſer Schwalbenſteinen halb iſt wol zubemerken / daß ſie nicht ent - ſprechen der Beſchreibung des Chelidonii, oder Schwalmenſteins / bey Plinio Lib. XXXVII. cap. 10. daß auch ſelbs von diſem Plinianiſchen Schwalmen - ſtein mehr gerühmt wird / als in der That ſich findet. Es iſt gemein / das in den Naͤſten der Voͤglen allerhand kleine Kieſelſteinlein gefunden werden / und die Urſach / warum ſie ſelbige abſchluken / anderſtwoher bekant. Unſe - re vorhabenden Mineraliſchen ſo genanten Schwalbenſteinlein haben ja die Kraft die Staͤublein / und andere eingefallene Unreinigkeiten aus den Augenweg -144wegzubringen. Es iſt aber diſere Wirkung nicht diſen Steinlein eigen / ſondern allen andern glatten Steinlein gemein / wie dann bekant / daß zu dem ende auch gebraucht werden die Krebsaugen ꝛc.
2. Jſt mir von obberuͤhmten Herꝛ D. Robin dargebotten worden ein weiſſes / dunkles / in wuͤrfflichte Coͤrper ſich brechendes
Selenites rhomboidalis, ſeu Androdamas aus dem Grindelwald / welches ſich auch findet nahe bey Thun / aber ſchoͤnheit und lauterkeit halben nicht in vergleichung zuſezen mit jenem Appenzelleriſchen Stein / deſſen Beſchreib - und abbildung zufinden oben Tom. I. p. 108.
3. Einiche
aus dem Grindelwald / und Haßlerhal / welche aber auch nichts zurech - nen an groͤſſe / und ſchoͤnheit / gegen denen Gotthardiſchen.
4. Jener reine natuͤrlich durchſichtige
Sulphur vîvum ſeu virgineum, welcher hervor gegraben wird zu Bex (Bactia - cum) in der Herꝛſchaft Aigle (Aquilegia) des Berngebiets / welcher den Anwohneren bekant unter dem Nahmen des Windſchwefels / weilen deſ - ſen Rauch gebraucht wird bey erlahmten Menſchen und Vieh / denen nach unſerer Redensart / ein boͤſer Mind worden. Jch hab bis dahin we - nig Natuͤrlich durchſichtig gewachſene Schwefelarten geſehen / welche diſer Berneriſchen an ſchoͤnheit zukommen / und keine / die ſie uͤbertreffen / und zweifle keines wegs / das diſere Gattung Schwefel zu innerlichen Gebrauch / ſonderlich in denen Lungen krankheiten / vortreflich dienlich were.
Jn der Gegend um Thun ſeyn innert wenig Stunden begriff anzutref - fen folgende Heil-Baͤder / oder Mineraliſche Waſſſer / welche aber dißmal die Zeit nicht zulieſſe ſelbe zubeſuchen / und in Prob zunehmen / ſondern den hieruͤber noͤthigen Bericht eingenommen von obbemelten Herꝛen D. Rubin.
Das Schneidtweiher Alaun-Bad.
Balneum Blumenſteinenſe, in dem Dorff Blumenſtein / welches die Lein - wand ſol ganz roth machen / vermuthlich von einem enthaltenen Croco Mar - tis. Diſes Bads gedenket auch unſer Sel. Herꝛ D. Wagner Hiſt. Nat. Helv. p. 109. das es Eiſen und Vitriol fuͤhre / und die Durchlaͤuffe ſtille.
welches getrunken und gebadet wird / eines ſaurlechten Geſchmacks / und ſelbs gleich den Saurbruͤnnen getrunken wird / und gute Wirkung ſol zeigen in der Schwachheit des Magens / Glieder-Zuſtaͤnden ꝛc. Wagner p. 110.
EJn ſehr kaltes Waſſer / in welches die Anwohnere ſich auch ohne außzeuhung der Kleideren alſo kalt eintunken in allerhand Krank - heiten.
Ein ſolcher Brunn iſt auch bey Dießbach am Schlag-Weg / welcher ins beſonder geruͤhmt wird in der ſo genanten Migraine, Hemicrania, und anderen Haubtſchmertzen. Es gehoͤren diſe zwey Waſſer in die Zunft jener Kaltwehe Bruͤnnen / welche hin und wider in Schweizeriſchen hohen Gebirgen zuheilung diſer Krankheit angewendet werden. Von denen aber werde anderſtwo zuſchreiben Anlaß haben.
Bey Krattigen an dem Thuner-See iſt ein
welcher alles / woruͤber er fließt / ſchwaͤrzet.
Ein ſolches Waſſer findet ſich auch gegen Riggiſperg / welches eines ſauren Geſchmacks / aber vor ungeſund gehalten wird.
Eine Stund von Thun iſt der
ein Schwefelbad / welches zunutz gezogen wird.
Jn der benachbarten Herꝛſchaft Wimmis / im Nideren Siben - thal / iſt das
welches wol verdienet an diſerem Ohrt beſchrieben und angeruͤhmt zuwer - den / ſonderlich nach Anleitung des Hochgelehrten und Erfahrnen Herꝛen Joh. Jacob Ritter Med. Doct. von Bern / dißmaligen Beſitzeren diſes Bads / von deme Er eine Beſchreibung herauß gegeben A. 1696. in deren di - ſes Mineral Waſſer geruͤhmt wird in dem Haubtwehe / ſonſt Migraine ge - nant / dem Schwindel / Entzuͤndung der Augen / verſtopfungen des Hirns / der Nerven / dem noch nicht veralteten ſaufen der Ohren / der ſchwachheit des Gehoͤrs und Geſichts / allzuvilen Schlaff / Apoplectiſchen und Paralitiſchen Zufaͤllen / geringheit des Geruchs / und Geſchmacks / Entzuͤndungen desganzen146ganzen Leibs / als Lungen / Leberen / Miltz / Nieren / und Eingeweid; Unrei - nigkeit des Gebluͤts / verſtopfung der Bruſt / Hertzklopfen und Huſten / ſo oh - ne verletzung edler Theilen: verlohrnen Eſſens-Luſt / ſchwachheit des Ma - gens / übermaͤſſigen Durſt / Gelbſucht / und Kaltwehe / Grimmen von Wein und Zorn / allerhand Krankheiten der Mutter / hinderhaltung der Monatli - chen Reinigung / und derſelben Uberfluß / Unfruchtbarkeit / Bauch-Lenden - und Nieren wehe / Grim̃en / verſtekten Harn / Bruͤchen / Milze-Krankheit / und anfangender Waſſerſucht / Abſchweinung der Glideren / erlahmten und er - frornen Glideren / Contracturen und Laͤhmung / hinderlaſſener Geſchwulſt von Fieberen / ſchmerzen der Goldaderen / wunden an Menſchen und Viehe / aller boͤſen Raud / Oehl-Schenkel / fiſtulirten Schaͤden / umfreſſenden Ge - ſchwaͤren / anfangenden Außſatz / anderen verborgenen Krankheiten zwiſchen Haut und Fleiſch / verꝛukten / gebrochenen / und übel geheilten Glideren / Ge - ſchwulſten / und verſtokten Gebluͤt / in Daͤrm - und anderen Gichten junger Kinderen. Der Farb nach beſchreibt er das Waſſer / das es etwas blaulecht / klar und hell / gleich anderem reinem Waſſer / ohne Geruch / und Geſchmak gleich anderem Brunnwaſſer / auſſer daß nebſt der Natuͤrlichen Suͤſſigkeit zuletſt ein gering geſalzene Saͤurung empfunden wird / an Gewicht gleich anderem reinen Bruñwaſſer. Nach geſchehener Abrauchung im Feuer bleibet über ein ſubtiles Pulver / ohne Geruch und Geſchmak / auſſert einer gar geringen Raͤſſe / woraus / ſamt den goldfarbigen Steinen / und beyligenden gelbrothen Sand / welchen das Waſſer ableget / obgemeldter Hr. D. Ritter ſchlieſſet / daß es fuͤhre Gold und Eiſen / Vitriol / Alaun / und ein wenig Saltz / folglich ſeye es einer durchtringenden / zertheilenden / oͤffnenden / ver - zehrenden / ſubtiliſirenden / reinigenden / kuͤhlenden / außziehenden / aufloͤſen - den / ſtaͤrkenden / abwüſchenden / und heilenden Natur. Von dem innerli - chen Gebrauch ſchreibet er / das man es trinke morgen nüchter / ſo vil der Ma - gen moͤge ertragen / ohne das es ſonderlich noͤthig gemaͤchlich auf und abzu - ſteigen / auſſert in den zwey erſten tagen / da man koͤnne ein viertel - oder hal - be Maß nehmen / hernach auf eine / zwey / und gar dreymaß ſteigen: es gehe zeitlich widerum durch den Harn / und verꝛichte auch das ſeinige durch den Stul. Einigen Perſonen / welche es fruͤhe im Beth trinken / verurſache es eine zarte Durchdaͤmpfung / und auch treibe es hernach durch den Harn. Solche Trink-Cur werde geendet innert 15. 20. Tagen / je nach beſchaffen - heit. Den auſſerlichen Gebrauch ſchranket er ein in baden und Waͤſchen / aufſchnupfen durch die Naſen / und uͤberbinden mit Leinwad. Jn denen Zuſtaͤnden des Underen Bauchs ſitze man ein bis an den Guͤrtel / oder Wei - che: in den Krankheiten der Bruſt biß unter / auch uͤber die Achslen: einiche laſſen ihnen zuſtaͤrkung der Nerven durch kleine Canaͤl das Waſſer uͤber dasHaubt147Haubt und Glider ablauffen. Jn dem Haubtwehe / Entzuͤndungen der Augen / verſtopfungen des Hirns werde groſſer Nuzen beygetragen durch taͤglich nuͤchteres Aufſchnupfen / und die Augen geſtaͤrket durch morgendes und abends Waſchen. Zu heilung alter und neuer Wunden / verbinde man dieſelben des Tags dreymal / je nach Beſchaffenheit / mit ins Waſſer getunk - ten Lumpen / und werde auch diſes Mittel vor die Hand genommen in aller - hand Geſchwulſten / Entzuͤndungen / umfreſſenden Geſchwaͤren / boͤſen Schaͤ - den. Die übrigen Reglen / welche er des Badens / und Lebens halb ver - ſchreibt / ſeyn gemein mit anderen von Natur warmen Baͤderen. Was bißdahin auß Hrn. D. Ritters Badbeſchreibung gezogen / dem unterwerffe mich billich / biß durch mehrere ſo wol Chymiſche als Cur-Proben eines an - deren berichtet wird / um ſo mehr / weilen nicht ſelbs an dem Ohrt geweſen / und allein zu Bern von einer Maß diſes Waſſers / die ich abrauchen laſſen / erhalten 22. Gran eines weiſſen / faſt ohngeſchmakten Pulvers / welches mir faſt vorkam wie die Mon-Milch. Jn mehrerer Nachfrag berichtete man mich / das in der Naͤhe der Weiſſenburgiſchen Badquell ſeye eine Hoͤle / da - rinn ſich vil Mondmilch (Lac Lunæ) findet. Und vermuthe ich / wann di - ſes Mineral ſich je mit dem Waſſer vermiſchet / daß daher / nodſt dem gelbro - then Sand / ſo das Waſſer ableget / und meines erachtens ein Crocus Martis iſt / meiſtens herzuholen ſeyen die edlen Wirkungen diſes Heil-Bads under de - nen billich ſoll angeruͤhmet werden die Kraft / welche diſes Waſſer vor vilen / ja faſt allen anderen Baͤderen aus zeigẽ ſol zum troſt der Hecticorum, oder Doͤrꝛ - ſuͤchtigen / welche / wie bekant / die Baͤder ſonſt nicht koͤnnen vertragen / und / wo ſie darnach geluſten / wie diß oft geſchihet / den Tod / menſchlicher Weiſe zureden / durch derſelben Gebrauch befoͤrderen. Jch habe ſelber die Balſa - miſche Kraft geſehen in der Perſon Hrn. A. W. meines hochwehrten Her - ren / und Freundes / welcher in diß Weiſſenburger-Bad gereiſet / als ein ver - ſchezter Hecticus, von dannen aber zuruk kommen in ſehr gutem Stand wi - dergebrachten Kraͤften / zugenommenen Leibs ꝛc. Gewißlich / wann kein an - dere Wirkungen diſem Bad zugehoͤrten als diſe einige / ſo verdiente daſſelbe ein hohes Lob / mehrere Experimenta, genaue Unterſuchung ſeiner Eigen - ſchaften.
Wir kommen widerum auf Thun / um auf der Aren naher Bern abzufahren. Es hat diſer Fluß zwiſchen Bern und Thun etliche Stund in die Laͤnge einen ganz unrichtigen Lauff / deſſen die Anwohnere meiſtens zu - ſchreiben den ſchraͤgen Einfluß der wilden Kander / welche in die Aren ſich oft mit Ungeſtuͤm̃e ergieſſet / die anligenden flachen Guͤter uͤber der Aren Bett hier und da außfuͤllet / mit Sand und Steinen / daß diſe ſich aufſchwellet / uͤber das Land ergieſſet / ſich mit gewalt einen neuen Runs machet / weßwe -gen148gen diſe Schiffahrt von Thun auf Bern erfahrne / und der Landsgegne wol berichtete Schiffleuthe erforderet. Wie diſem unordenlichen und unbeſtaͤn - djgen Lauff der Aren / zum troſt der Anwohneren / koͤnne vermuthlich begeg - net werden durch leitung der Kander in den Thuner-See / davon iſt oben be - reits gehandlet worden.
Heut langten wir glücklich an zu Bern / Baͤrn / Berna, in der Haubtſtatt des zweyten und Maͤchtigſten Cantons Loblicher Eidgnoßſchaft / in deren Hiſtoriſche / Politiſche und Geographiſche Beſchreibung mich nicht wil einlaſſen / theils weilen die enge Schranken mir ſolche weite Außſchweif - fung verbieten / theils / weilen dardurch von meinem Endzweck wurde abge - führt werden. Wer obangeregte Nachrichten verlanget / der findet ſie bey Herꝛen Stumpfen / Simler / Staͤttler / und anderen Vatterlaͤndi - ſchen Scribenten; und alſo auch das / was in der Statt wuͤrdig zuſehen / in Herꝛen D. Wagner Mercurio Hiſtorico.
Auf der Bibliothec, welche anfaͤnglich auß denen hinderlaſſenen Buͤche - ren des beruͤhmten Jacobi Bongarſii beſtanden / hernach aber mit einer groſ - ſen Anzahl anderer von Zeit zu Zeit gemehret worden / und in ſchoͤnen Gebaͤn - den ſauber unterhalten werden / ſeyn von einem Reiſenden anzumerken inſonderheit folgende Antiquiteten oder Uberbleibſelen des Alterthums.
Eine groſſe Anzahl alt Griechiſcher / und Roͤmiſcher / Muͤnzen / denen bey - gefuͤget ſeyn faſt 60. rare Numi Bracteati Anglo Saxonici, und Anglo Gallici.
Ein Ehrene Todten Lampe / Lampas ſepulchralis, welche gefunden wor - den eine Stund von der Statt in einem Grab / nebſt einem Todtenkopf von ungemeiner groͤſſe / und einem auch ſehr groſſen Schwert / welche aber bald zu Aſchen verfallen.
Ein Bildnuß Herculis in Ertz.
Ein Mercurius.
Ein Apis unter der Geſtalt eines Ochſen.
Diſe drey jeztbenente Stuk ſeyn klein / und gehoͤren unter die Lares, oder Hauß-Goͤtter / ſeyn gefunden worden zu Meudon.
Ein Finger Ring / an welchem vorgeſtellet wird Hercules mit einem Loͤwen. Der iſt gefunden worden zu Vidi, unter Lauſanne, an dem See.
Eine Lampe von vier Oeffnungen / ſo villeicht gehangen in einem Heid - niſchen Tempel / und gefunden worden zu Yverdon.
Seceſpita, ein Meſſer / ſo ehemals zu ſchlachtung der Goͤtzenopferen ge - braucht / und gefunden worden auf dem Berg Jura bey Pierre pertuis.
Verſchiedene Todtenkruͤge / Urnæ ſepulchrales, von feiner Erde.
Ein Meſſinger Kopf von Lebens groͤſſe / mit bleyſchwerer Materi auß - gefüllet / ſcheinet vorzuſtellen einen Keiſer / oder General.
EJn treflich ſchoͤne Vorſtellung einer Opferung / bey welcher zuſehen der Prieſter / nebſt dem Ochſen / in Ertz.
Diſe drey letſten Stuk fande man zu Vidi, allwo das alte Car - pentras ſtunde / und eine außerleſene Ritterliche Colonia ware.
Ein mit Edelgeſteinen verſeztes Altar-Blat des maͤchtigen / kuͤhnen / und dabey unglüklichen Caroli, Herzogen von Burgund / welches man ero - berte nach der Schlacht zu Granſon in dem Gezelt des Herzogs.
Unter anderen Natur-Sachen finden ſich auf der Bibliothec folgende Mineralien aus dem Canton Bern.
Mit Baumblaͤtteren beſchwaͤngerte Tug - oder Toffſtein / Tofi Ar - borum foliis prægnantes, welche ſich finden bey Toff; dergleichen gibt es hin und wider im Schweizerland / in ſo genanten verſteinerenden Waſſeren / in deren lettachtes ſandichtes Weſen / welches ſich ableget / die von den Baͤumen abfallende Blaͤtter ihre Geſtalt eintruken / welche hernach in dem erharteten Toffſtein bleibet. Es ſeyn diſe Blaͤter wol zuunterſcheiden von denen jeni - gen Blaͤtteren / und Kraͤuteren / welche ſich in denen Schieferen in und auſ - ſert den Bergwercken und Steinbruͤchen / finden / und meines bedunkens un - ter die Uberbleibſelen der Suͤndflut zu zehlen ſeyn.
Mondmilch von Weiſſenburg / Lac Lunæ Weiſſenburgenſe.
Steinzuͤnglein / Gloſſopetræ aus der Waberen-Flueh bey Bern; diſes ſeyn Zaͤhne von dem Meerfiſch Carcharia, Hay genennet.
Rother und gelber Bolus aus dem Grindelwald.
Steinkohlen / Carbones foſſiles, Lithanthraces, welche ſich finden ob Luſtry, in der Herꝛſchafft Lauſanne.
Kuglichte durchſichtige Kieſelſtein / Cryſtallini ſilices, aus welchen falſche Demanten koͤnnen geſchlieffen werden. Man findet ſie in den Weinbergen um Aubonne am Genffer-See.
Verſchrenkt viereckichtes Frauen-Eis / Selenites rhomboidalis, aus einem Berg der Vogthey Jnterlachen.
Ein ſchwarzes Kreuz / welches man gefunden in der Herꝛſchafft Schen - kenberg / in mitten eines Buchbaums / als man denſelben zum Koch -Gebrauch150Gebrauch von einander geſpalten: Uber welche ſeltſame Begegnis mir vor - behalte zu einer anderen Zeit / Geliebt es Gott / mit mehrerem zureden.
Auſſer der Porten der Statt Bern iſt das ſo genante Schwefel - brůñlein / welches vil von der Burgerſchafft zum Baden gebraucht wird. Diſe Nachricht gibet Hr. Wagner Hiſt. Nat. Helv. p. 125. Jch gewahre bey diſem Anlas / daß bey dem Gebrauch der Mineral-Waſſeren ſich vornehm - lich zeiget die Wahrheit jenes Spruͤchlein / Mundus regitur opinionibus, und zwahr nicht nur in anſehung des gemeinen Volks / ſondern auch ſelbs der Gelehrten. Man findet hier und da beruͤhmte Heilwaſſer / welche groſ - ſen Zulauff haben / und aber auch verdienen beſucht zu werden / in anſehung ihrer treflichen Wirkungen. Andere ligen oͤd / und aber findet man auch durch ein ſcharffes Examen nichts ſonderbares / welches der Menſchlichen Geſellſchafft zunutz kommen koͤnte; oder in ihrer naͤhe andere / weit kraͤftigere Waſſer / welche den Vorzug mit recht haben. Es gibt auch ſolche Heilwaſ - ſer / welche in anſehung ihrer ingredientien / und danahen zuhoffenden Wir - kungen / wol verdienten vilen anderen vorgezogen zuwerden / und aber ohne Gebrauch ligen / eintweder / weilen deren Beſitzer darmit keine Mühe wil ha - ben / oder ſolche Naturſchaͤtze fuͤr ſich / und die ſeinigen allein wil brauchen / und anderen nicht goͤnnet / oder mit zeitlichen Mittlen ſo wol verſehen / daß er nicht noͤhtig hat mit aufrichtung eines Bads ſich zubereicheren: oder es ſeyn ſolche Waſſer ſo un - und abgelegen / daß man nicht leicht dahin kommen kan / auch nicht ohne groſſe Koͤſten die noͤthigen Gebaͤue aufzurichten / und der zur nohtwendigen Aufenthalt / und Luſt dienenden Lebens-Mittlen Zufuhr ſchwer; oder endtlich / weilen ſie nicht beruͤhmt / weilen die Mode nicht iſt / da - hin zugehen. Es gibt endtlich auch ſolche Waſſer / welche wider verdienen einen groſſen Zulauff haben / und ihren Jnnhaberen zu groſſem Nuzen gerei - chen / ich ſage / wider verdienen / weilen ſie nur etwas wenigs ungeſchmackte Erde / oder Lett mit ſich fuͤhren / oder ein weniges weiſſes Pulver / welches ge - meinlich vor Alet angeſehen wird / und ſolche Wirkungen zeigen / wei - che man oft ſo gut / oder beſſer / bey nechſt gelegenem Brunn / Fluß oder See haben koͤnte. Wann zu dergleichen Waſſeren kommet eine kom̃ - liche Situation, eine nahe gute Schnabelweid / luſtige von verſchiedenen Or - ten zuſamen kommende Geſellſchaft / eine hochaufgemuzte Beſchreibung / und gelehrte / oft intereſſirte / Recom̃endation / verſchidene Exempel krankner / wel - che von ihren Anligen curirt worden / und aber gleiche Wirkung auch zu hof - fen gehabt hetten von anderen gemeinſten Waſſeren / wann ſage ich / ſolche Sachen zuſamen ſtimmen / ſo lauffet iedermann zu / der Ruhm erſchallet in allen Landen / man laͤgeret ſich hauffenweis bey einem ſolchen Waſſer / wel - ches oft nur innert einem Jahr einen Patienten curirt. An Beyſpilen ſol -cher151cher Waſſeren / quæ ſunt & videntur, videntur, & non ſunt, non ſunt, & non videntur, fehlet es mir nicht. Jch wolte nicht einmal auſſert die Gran - zen der Eidgnoßſchaft / jaͤ nicht auſſert den Canton Zuͤrich gehen / und bald von allen ſolchen Orten Exempel zeigen / es iſt aber ſchwer / und kützlicht / in ſachen einen Entſcheid geben / welche den Privat Nutz oder Nachtheil nach ſich zeuhen. Jch wil auch nicht außtruklich ſagen / in welche Ordnung ge - hoͤre unſer vorhabendes Schwefelwaſſer / welches bis dahin mit gutem Nu - zen / vornehmlich auſſerlich / iſt gebraucht worden in der Raud / und anderen Hautſchaͤden / diſen Sommer aber (A. 1705.) auch innerlich vilfaltig pro - biert / und gleich einem Saurwaſſer getrunken worden / alſo das alle Mor - gen eine groſſe Wallfahrt geſchehen zu diſem Heil-Bad als einem Tempel Hygejæ von beyderley Geſchlecht / jungen / und alten; ja nicht nur von krank - nen / oder Artzney bedürftigen / ſondern auch geſunden. Mit was Wir - kung / iſt mir unbewußt: Jch untergibe mich dißfals dem Urtheil / und Er - fahrung / der Herꝛen Medicorum von Bern / welchen eine mehrere genaue Unterſuchung ſo wol der enthaltenen Mineralien, als daher zu hoffenden Wirkungen fleiſſigſt recommandiere: Jch habe in meiner Aufenthalt zu Bern verſchiedene alcaliſche und Saure Salz / und Geiſter mit diſem Waſſer vermiſchet / aber keine enderung geſpuͤrt / als allein von dem Weinſtein-Salz / welches diſem / wie allen anderen Schwefelwaſſeren / ja auch den meiſten Brunnwaſſeren eine Milchweiſſe Farb gibt. Von 8. eingeſottenen Maſ - ſen blibe mir ein gelbichtes / in etwas zuſamen zeuhendes Pulver / am Ge - wicht 44. Gran.
Ehe ich von Bern verꝛeiſe, wil ich auch etwas melden von der reſpecti - ven Hoͤhe diſer Statt.
Den 18. Aug. ware das Queckſilber in unſerem Wetterglaß 24. Zoll〈…〉〈…〉. Scrup. Wann wir mit diſer Hoͤhe vergleichen die Geſtrige / ſo wir zu Thun hatten / ſo finden wir Bern nur 40. Schuhe tieffer ligen als Thun; und als Frutingen 520. Gemmi 3720. Gotthard 3640. und Zuͤrich 80. oder 120. Zuͤricher Schuhe / oder nach denen Heut zu Zuͤrich angemerkten Gra - den / allwo vor Mittag waren 23. Zoll 8. Scrup. nach Mittag aber 23. 7. 200. oder gar 280. Schuhe. Welchen obſervationen um ſo weniger trau - en kan / weilen zu Zuͤrich die Luft vor Mittag zwahr hell und ſehr warm ge - weſen / auf den Abend aber ein ſtark Wetter eingefallen / mit Regen und Ha - gel / alſo daß der Regen die folgende ganze Nacht durch gewaͤhret hat. Was die reſpective Hoͤhe der Statt Bern gegen Thun betrift / ſo ſcheinet in anſehung des Fals der Aren der Unterſcheid von 40. Schuhen nicht gnug - ſam / es iſt aber zu wiſſen / daß die Statt Bern uͤber den Aren Fluß ſehr hoch ligt.
Den152Den 19. Aug. hatten wir zu Bern unbeſtaͤndige Witterung / bald hel - len Luft / bald Regen / und gegen dem Abend Donner / und Blitz. Das Queckſilber hatte die Hoͤhe von 33. Zoll 8. Scrup. in welchem Grad es auch geſtanden zu Zuͤrich in meiner Studierſtuben / den ganzen tag. Nach diſer obſervation waͤren diſe beyde Haubt Staͤtte der erſten Cantonen Loblicher Eidgnoßſchaft in gleicher Situation, oder in einer horizontallini. Und koͤnte dieſer heutigen / obgleich bey unbeſtaͤndigem Himmel gemachten obſervation deſto mehr Glauben zugeſtellet werden / weilen auch zu Zuͤrich die Luft vor Mittag Hell geweſen / und Abends um 9. Uhren ſtarke Regen eingefallen.
Den 20. Aug. war die Hoͤhe 24. 1. vor Mittag / und auf den Abend 24. Zoll. zu Zuͤrich aber 23. Zoll. 9. Scr. alſo daß der Unterſcheid iſt 80. oder 120. Schuhe -
Den 21. Aug. hatten wir vor Mittag / bey heller Witterung / zu Bern 24. Zoll. zu Zürich aber 23. 8½. und 23. 8. da der Unterſcheid iſt 160. und 120
Den 22. Aug. Morgens bey neblichter Luft / war zu Bern die Hoͤhe des Queckſilbers 23. Zoll 8. Scr. zu Zuͤrich aber 23. 6½. und 23. 6. da der Un - terſcheid 160. oder 200. Schuhe.
Auß diſem allem ſchließ ich / das Bern tieffer lige als Zuͤrich / ohngefehr 100. Schuhe oder mit Zuͤrich in gleicher Situation. Hierzu aber braucht es mehrere obſervationes, und genaue Zuſamentragung derſelben / ſo an bey - den Orten mit gleichen Jnſtrumenten vorgenommen werden / und nicht nur etliche Tage / wie dißmal geſchehen / ſondern etliche Monat / wann man et - was gewiſſes wil herauß bringen. Wann wir Zuͤrich und Bern in gleiche Hoͤhe ſezen nach dem fundament der 25. Zollen 11. Scrup. nach der Pariſer Leiter / ſo kommet die Hoͤhe diſer beyder Staͤtten uͤber dem Meer nach Ma - riotte 1638. nach Caſſino 1828. Pariſer Schuhe / von welchen wann wir ab - ziehen 250. Schuhe / die Hoͤhe der Statt Paris uͤber das Mittellaͤndiſche Meer / ſo kommen dort herauß 1480. hier 1675. vor die reſpective Hoͤhe zwiſchen Paris / Bern und Zuͤrich: alles ohngefahr.
Den 22. Aug. fuhren wir von Bern ab auf der Aren / und uͤbernachte - ten zu Büren / Pyreneſta, welches Staͤttleins halb in Zweifel ſezet Plan - tin. Helvet. p. 268. ob diß der alten Roͤmeren Petineſca ſeye. Das Quekſil - ber hatte allhier die Hoͤhe von 24. Zoll 2½. Scr. abends nach ſtark außge - goſſenem Regen. Nach diſer Rechnung were Buͤren 360. Schuhe tief - fer / als Bern / welches unmoͤglich. Es iſt der Wahrheit aͤhnlich / daß das Quekſilber nach gefallenem Plazregen widerum geſtigen um 2. oder 3. Scrup. und alſo die ohngefahrliche Hoͤhe zwüſchen Bern und Buͤren ſeye 100. oder 150. Schuhe.
ZU Zuͤrich iſt auch diſen abend von 4. bis 9. Uhr Nachmittag gefallen ein ſtarker Regen / nach welchem morndeß das Wetterglaß gezeiget 23. Zoll 8½. und 9. Scr. welches Heut vor dem Regen hatte 23. 9.
Den 23. Aug. kamen wir auf Bruck / eine Statt im Aergeu / alſo genant von einer Steinernen Bruck / welche alldort uͤber die ſchaumende / und zwiſchen engen Klippen tieff durchflieſſende / Aren fuͤhrt.
Des nachfolgenden Tags / welches ware der 24. Aug. durch Win - diſch / Vindoniſſa, uͤber die Graffſchaft Baden / naher Zuͤrich.
Zu Gebesdorff / welches Dorff beyde Religions-Ubungen hat in der Graffſchaft Baden / laſen wir folgende alt Roͤmiſche Uberſchrift / welche in der Kirchen-Maur underuͤber ſich ſtehet.
M. MAGIUS MIOBMAC CAUS VERONAM ILHEGXHCPF MARCI MODESTI ANN. XXXIII. EXTESTAMENTO HFC L. ENNIUS SECUNDUS Q ROMANIUS VERECUND US HSE. Und ob der Haußthuͤr des Reformirten Pfarꝛers ‒ ‒ ‒ CLAUDIO HMNO MEDICO LEG XXI. CLAUDIAE QUIETAE EIUS ATTICUS PATRONUS
Diſer Stein iſt A. 1698. gefunden worden bey dem Zuſamenfluß der Aren / und Reuß.
Hiemit hat unſere diſes 1705. Jahr unternommene Berg-Reiſe ihr glükliches Ende / weßwegen dem hoͤchſten Gott vor verliehene Leibs - und Ge - muͤths-Kraͤfte demüthigſten dank abſtatte.
Den in diſem Jahrwerk uͤbrigen Plaz werde außzufuͤllen trachten mit allerhand zerſtreuten Anmerkungen der Natuͤrlichen Hiſtori des Schweizer - lands / welche verhoffentlich dem Geehrten Leſer einen beliebigen Nachtiſch vorſtellen werden.
154Von diſer Materi habe bereits etwas weniges angedeutet oben Tom. I. p. 16. und hin und wider in Tom. III. beſondere Berghoͤhenen vorgeſtellet; weilen aber allein die Summ / oder das facit, angezeiget / und vil von meinen geehrten Leſeren eine Begird bezeuget / zuwiſſen die Weiſe der Abmeſ - ſung / und Außrechnung / ſonderlich durch huͤlff des ſo genanten Barometri, oder Wetterſtabs / als habe mir vorgenommen / diſere Materi in erforderli - cher Weitlaͤuffigkeit außzufuͤhren / um die Fundamenten deſto bekanter zu - machen / und dem einten / oder anderen / anlas zugeben / auch ſelbs hand an daß Werck zulegen / neue Meßproben zumachen / oder die bereits gemachte obſer - vationes zu bekraͤftigen / oder zuverbeſſeren.
Jn dem I. Tom. p. 18. und Tom. III. p. 51. habe erwieſen / daß unſere Gotthardiſche / und andere in daſiger Gegend ligende / Schweizeriſche Gebir - ge vor die hoͤchſten zurechnen ſeyn in ganz Europa, und wil ich die / theils von denen Urſpruͤngen der Fluͤſſen / theils von wirklichen Meßproben / theils von beſtaͤndiger waͤhrung der Schnee - und Eis-Bergen / hergenommene Be - weißgruͤnde allhier nicht widerholen. Polybius und Strabo, zwey Griechi - ſche beruͤhmte Geſchicht - und Erd-Beſchreibere / haben diſere Wahrheit wol erkennet / wann ſie von denen groͤſten Bergen des Griechenlands Taygeto, Lycæo, Parnaſſo, Olympo, Pelio, Aemo, und Rhodope in Thracia gemeldet / daß jeder derſelben in einem Tag koͤnne uͤberſtiegen / und ſelbs in einem Tag rings umgangen werden / da hingegen man an denen Alpgebirgen fuͤnf Tag zuſteigen habe / verſtehe von der niderſten Tieffe / zum Exempel gegen Jtalien / bis auf die oberſte Hoͤhe. Dann hier im vorbeygehen zumercken / daß die hohen Gebirge ihre verſchiedne Abſaͤze haben / und zum Exempel der Gott - hard nach der gemeinen Redens-Art / angegangen wird in dem Urſeren Thal ob Hoſpital / eigentlich aber ſeinen Anfang nimmet unten zu Sillenen / oder gar zu Altorff. Ja es liget ſelbs diſer Haubtflecke des Urnerlands auf einer hohen Berg Ebne in anſehung anderer nidrigeren Teutſchen / oder Franzoͤ - ſiſchen Landen / und iſt eines jeden Bergs / oder Orts eigentliche Hoͤhe zurech - nen gegen denen niderſten Gegenden / oder den Horizont des Mittellaͤndi - ſchen / und Teutſchen Meers / worvon unten mit mehrerem.
Wir Menſchen ſeyn alſo geartet / daß wir ſelten das wahre Mittel tref - fen koͤnnen in unterſuchung der Wahrheit. Groſſe Dinge wiſſen wir mei - ſterlich zuvergroͤſſeren / und geringe unter behoͤrige Maß zuverachten. Ho - he Berge muͤſſen haben groſſe Wunder / und eintweder gar vergoͤtteret wer - den / oder wenigſtens zu Schutzherꝛen haben groſſe Goͤtter / und Heilige / ei - nen Jupiter, Martem, Gotthardum, Bernhardum; darbey bleibt es nicht. Bey155Bey alten und neuen Scribenten finden ſich auf hohen Bergen ſachen / wel - che ein muͤheſamer / und den Augenſchein ſelbs einnehmender / Liebhaber der Wahrheit denen Fablen zuzehlet. Von dem beruͤhmten Berg Olympo ſchreibet Solinus, daß auf deſſen Spize ein dem Jupiter geheiligter Altar / auf welchem die abgelegte Opfer-Aſche weder von Winden zerſtreuet / noch von dem Regen befeuchtet werde / ſondern das ganze Jahr hindurch ſtill lige / daß auch andere dem Jovi geweihete Opfer unverſehrt / und ohne Faͤulung / blei - ben; gleich auch die in Aſche geſchriebene Buchſtaben nach verflieſſung ei - nes Jahrs annoch zuſehen ſeyen; welche ſeltſame Begebenheit Lucano und Claudiano anlas gegeben / diſen heiligen Berg uͤber die Wolken zuſezen / hie - mit an ein ſolch hohes Ort / auf welchem weder Regen / noch Wind / zuſpuͤ - ten; welches auch von dem Berg Atho ankuͤhmet Mela. Von derglei - chen Wunderen wiſſen wir Schweizer nichts / obgleich jedermann bekant / daß unſere Alpgebirge um ſo vil in anſehung der Hoͤhe / jene Griechiſchen Berge uͤbertreffen / als ein Cederbaum eine kleine Staude; Auf unſeren hoͤchſten Berg Spitzen fallet Schnee / und Regen / und iſt nicht nur nicht eine Windſtille / ſondern es blaſen die Winde beſtaͤndig; die Wolken ſteigen uͤber alle Bergfirſten / wiewol ſie auch die Gipfel der Bergen einhuͤllen / ja ſich ſelbs unter dieſelbe herablaſſen / alſo daß die Reiſende oft durch dieſelbe / gleich als durch einen diken Nebel paſſiren muͤſſen / welches auch begegnet der Mace - donieren Koͤnig Philippo, auf dem Berg Aemo, nach der Zeugnuß Livii, der alſo hiervon ſchreibt. Ut verò Jugis appropinquabant, quod ratum in aliis Iocis eſſet, adeò omni contecta Nebulâ, ut haud ſecús quám nocturno Iti - nere impedirentur. Es widerfahret diß oft denen Bergreiſenden / daß die einfallende ſo genante Nebel / oder eigentliche Wolken den fortgang der Reiß verhinderen / weßwegen die Aelpler denen Reiſenden einrahten / daß ſie bey heller Luft die Berg beſteigen / weilen / wann ein Nebel wurde einfallen / ſie nimmer koͤnten fortkommen / ſondern in einer Senn-Huͤtte / oder Gaden / zu bleiben gezwungen wurden.
Von der Wolken Hoͤhe urtheilen diejenigen am ſicherſten / welche nichts gewiſſes ſezen. Des Sommers ſeyn ſie erhobener / des Winters tieffer / alſo daß ſie ſich auch bis auf die Erde herablaſſen. Und zugleicher zeit ſchwebet je eine uͤber die andere / alſo daß oft einer durch verſchiedene Wolken auf einen Berg ſteigt / und auf groſſer hoͤhe die Wolken unter ihm ſehen kan. Es kan deßwegen ſich etwann zutragen / daß einiche niderige Wolken ſich in Regen oder Schnee aufloͤſen / die Obere aber ganz / und auß - gedehnt bleiben / in welchem Fall einer auf einem hohen Berg in ſchoͤn heller Luft unter ſich ſehen kan einen Regen ins Thal fallen / welche Begegniß oft mit eigenen Augen geſehen; und Zabarella de Reg. Aer. cap. 8. auf dem Ve -nus156nus Berg im Paduaniſchen: Piccolomineus de Meteor. cap. 11. auf den A - penniniſchen Gebirgen.
Wann eine anzeig hoher Gebirgen auch unter anderem iſt die frühe aufſteigende / und ſpaͤter nidergehende Sonne / wie deßwegen der Caſius und Ida bey den Alten beruͤhmt ſeyn / daß man auf diſen Bergen die Sonn gar frühe / gleich als aus der Nacht aufſteigen ſehe / ſo koͤnnen auch wir daher von unſeren Schweizeriſchen Alpgebirgen ſchlieſſen / daß ſie ſehr hoch ſeyen / wei - len in der Soͤmmerlichen Sonnenwende die Naͤchte ſehr kurz ſeyn / und die Sonn eine kleine zeit unter dem Horizont bleibet / wie diß ins beſonder ange - ruͤhmt wird von dem hohen Saͤntis in der Graffſchaft Toggenburg. Endtlich auch laſſet ſich urtheilen von ungemeiner Hoͤhe unſerer Berg-Fir - ſten / weilen ſie von den angraͤnzenden Ohrten Jtaliens / Frankreichs / und Teutſchlands geſehen werden; welcher anmuthigen Außſicht ſich zu ſeinem Vortheil zubedienen gewuͤßt der gewaltige Heerfuͤhrer Hannibal, als er auf denen hohen Alpen ſeinen abgematteten Soldaten gezeiget das Luſt - und Fruchtvolle Jtalien / und ſie dardurch zu fernerer Außfuͤhrung ſeines Vorha - bens angefriſchet.
Auß bisherigem erſehen wir / daß unſere Schweizer-Gebirge ſehr hoch / ja uͤber alle andere Europeiſche ſich in und uͤber die Wolken erheben. Mit diſem aber iſt ein curioſes Gemuͤth noch nicht zufriden; es verdienen diſe Berghoͤhen in Ruthen / und Schuhen abgemeſſen zu werden / welches ich nun alſo ins Werk zurichten geſinnet / daß der Manier halben eine grundlich ein - faͤltige Unterweiſung gegeben werde / und jedermann ſich diſes Unterꝛichts ſelbs bedienen koͤnne zu abmeſſung derjenigen Bergen / welche er zubeſteigen anlas / oder luſt / hat.
Die Arten / oder Manieren / mit welchen man die Berg Hoͤhenen ab - meſſen / oder in Erfahrung bringen kan / ſeyn ſonderlich zweyfach: die einten Geometriſch / die anderen Phyſicaliſch. Jene geſchehen durch hilff Mathe - matiſcher Jnſtrumenten / als da ſind Quadranten / halbe Zirkel / Tiſchlein / mit welchen man aus denen Grundſaͤzen der Trigonometrie, oder Wiſſen - ſenſchaft / und Außmeſſung der Trianglen / oder auf Mechaniſche Weiſe / oh - ne Rechnung / die Hoͤhen der Baͤumen / Thuͤrnen / Bergen kan erforſchen. Diſere Meßart iſt gebraucht worden von allen Alten / und neuen Mathema - tiſchen Naturforſcheren; und habe auch ich in meinen / ſonderlich erſteren / Berg-Reiſen nebſt anderen zu meinem Vorhaben dienlichen Jnſtrumenten allezeit mit gefuͤhrt einen in Grad und Minuten abgetheilten Meſſingen hal - ben Zirckel / und darmit hier und da allerhand Proben gemacht.
NAch der Zeit habe diſes Jnſtrument zu Hauß gelaſſen / weilen mir erſtlich die Erfahrung gezeiget / und hernach auch die Vernunft / daß die Geometriſchen Jnſtrument theils beſchwerlich / theils betrug - lich / und die darmit vorgenommene Meßarten an diſem Ort unzulaͤnglich ſeyen. Hier habe nicht koͤnnen zurechtkommen wegen enge der Thaͤleren / dort wegen allzu groſſer haldung ihrer Flaͤchen: welche mir ſelten zugelaſſen / eine nach proportion der Hoͤhe in eine Horizontal Laͤnge ſich zeuhende Stand - lini zuſezen. Beneben war mir unverborgen / daß ein Fehler von etlichen Minuten / welcher ſonderlich bey Jnſtrumenten von kleinem Durchmeſſer faſt unaußbleiblich / an der Senkelrechten begehrten Hoͤhe der Bergen von merklichem Nachtruk iſt. Diß alles aber hette mich noch nicht abwendig gemachet von dem Gebrauch diſer Meßart / wann nicht in reiffer Nachtrach - tung wichtigere Gruͤnde gefunden hette / darvon abzuſtehen. Jch gewahre - te / obgleich allen moͤglichen Fleiß bey denen Operationen angewendet / daß die Berge nach gemachter Triangel-Rechnung vil hoͤher herauß kommen / als ſonſt Natuͤrlich moͤglich / oder dem bloſſen Anſehen wahrſcheinlich / oder mit anderen Proben zuvergleichen / war. Jn mehrerem nachdenken beredte mich / daß die Sonnen - oder Liecht-Stralen / welche von denen Spizen der Ber - gen in die Thaͤler fallen / und bisher von denen Geometris, oder Feldmeſſeren angeſehen worden vor Gerade Linien / auß unzehlich vil graden gebrochenen / oder krummen / Linien beſtehen. Es laſſet ſich die Sach folgender Geſtalt faſſen / in Fig. I. iſt M B die Senkelrechte / eigentliche Hoͤhe des Bergs / deſ - ſen Spize geſehen wird von dem Feldmeſſer O. zwiſchen B. und M iſt die Luft nicht gleicher Beſchaffenheit in anſehung ihrer Dichte und Duͤnnheit. Unten / in dem Thal von HL bis in MO iſt die Luft dicht / weilen auf ihro liget die ganze uͤbrige Dunſt-Kugel / oder Atmoſphæra, duͤnner aber / oder weni - ger zuſamen getruckt / iſt ſie zwiſchen DF. und HL. weil ein geringeres Ge - wicht auf ihro liget; noch dünner / oder außgedehnter / iſt ſie zwiſchen CB und DF. diſe verſchiedene Abſaͤtze der Dichte und Duͤnnheit / als ſo vil unterſchied - liche media, durch welche die Liechts-Stralen paſſiren muͤſſen / verurſachen eine unzehlich vilfaltige Bruchſtralung / Refractionem, oder machen / das zumExempel158Exempel der Sonnenſtral BE. nicht geraden wegs fortgehet von E in G, ſondern von E in K. und alſo auch der Radius EK nicht fortgehet von K in I. ſondern von K in O. allwo der Meſſer die Spize des Bergs B. nicht ſihet in B. ſondern in A. um vil hoͤher / weilen er dieſelbe anſihet nach dem geraden fortgang der letſten Lini ON. und weilen ſolcher gebrochenen Linien unzeh - lich / oder unendtlich vil / und unendtlich klein / ſeyn / als iſt hierauß zuſchlieſſen / daß die Lini BEKNO nicht iſt eine gerade / ſondern auß unendtlich vil kleinen geraden zuſamen geſezte krumme Lini / von deren Eigenſchaften bald ein mehrers.
Nach der Zeit habe in Riccioli, eines beruͤhmten Jeſuiten / Geograph. Lib. VI. p. 196. wahrgenommen / das Snellius Lib. II. cap. 17. Fromondus Lib. I. Meteor. cap. 2. Art. 2. und Furnerius Hydrograph. Lib. 19. cap. 8. in der Meinung ſeyn / daß die Berge wegen brechung der Stralen durch die Luft groͤſſer / und weiter geſehen werden / als ſie in der Natur ſeyn. Es laſſe ſich diſe Wahrheit erkennen aus denen Grundſaͤzen der Optic, und bekraͤftige es die Erfahrung Ath. Kircheri, welcher von der Jnſul Malta zuweilen geſehen die Spize des Bergs Ætnæ in Sicilien / zuweilen aber / auch bey heller Luft / nicht. So habe Carolus Ventimilius von dem Berg Peregrino, in dem Panormitaniſchen / zu weilen geſehen die Jnſul Luprica, welche er aber bey hel - ler Luft nicht habe wahrnehmen koͤnnen. Es hat die Wahrheit deſſen durch grundtliche Proben erkennet die Koͤnigliche Franzoͤſiſche Geſellſchaft der Wiſſenſchaften / als welche A. 1671. in ihrer in groß Regal folio herauß gege - benen Erdmeſſung / Meſure de la Terre p. 27. mit uns bezeuget / daß die von Bergen herab ins Geſicht fallende Liechtſtralen / radii viſuales, eine krumme Lini außmachen / und daher die Berge hoͤher ſcheinen / als ſie in der Natur ſeyn / weilen ſie geſehen werden nach der Lini OA. welches ein Tangens iſt jezt er - wehnter krummen Strallini: daß ſelbs diſere Bruchſtralung wahrzuneh - men ſeye auf der Ebene / allermaſſen ein bey anbrechendem Tag in Waagrech - ter (Horizontali linea) Lini / oder auch uͤber dieſelbe geſehenes Objectum nach der Sonnen Aufgang ſich unter dieſelbe abſencket: ſo auch nach der Son - nen Nidergang ſcheinen ſich fehrnligende Coͤrper / oft innert einer halben Stund / zuerhoͤhen um 3. Minuten. Die Urſach deſſen ſeyen die bey Nacht ſich auf die Erde herablaſſende Duͤnſte / welche die Luft verdikeren / und dar - mit eine merkliche Refraction, oder brechung der Stralen / verurſachen. Ja / es koͤnne diſere Begebenheit bey entfehrnten Coͤrperen etwann gewahret wer - den an dem hellen Mittag. Bey obgedachtem Ricciolo finden ſich einiche Manieren / nach welchen der durch die Bruch-Stralung begangene Fehler koͤnne verbeſſeret / und alſo die geſehene in die wahre / Natuͤrliche / Hoͤhe (alti - tudo viſa in veram) verwandlet werden / worinn er aber mir noch nicht voͤl - lige Satisfaction gibet. Er wil / daß eine einfache Bruch-Stralung den159 Berg erhoͤhe / eine vilfache aber denſelben nidriger vorſtelle. Wir wollen in der II. Fig. ſehen / wie? A. bedeutet den Mittelpunct der Erde. B. das Aug des Zuſchauers. CI. die wahre Hoͤhe eines Bergs. CF. die falſche / oder durch einfache / in G. geſchehene / Bruchſtralung geſehene Hoͤhe. CK. die geringere / auch falſche / durch vilfache / in O. und P. geſehene Hoͤhe. Nun dunket mich / es habe Ricciolus einen Fehler begangen wider die Anfaͤnge der Optic. Der in B. ſtehende Meſſer ſihet die Berg-Spize I. nicht nach der Lini OP. oder PK. ſondern nach der Direction der Lini BO. alſo daß ſo wol die ein-als vil - fache Bruch-Stralungen die Berg-Spize erheben in F. Jch wil aber das Urtheil anderen uͤberlaſſen / welche in Mathematiſchen Wiſſenſchaften geuͤ - bet ſeyn / gleichwol bey diſer unſeren Mathematiſchen Mahlzeit / dem Geehrten Leſer zugefallen / noch ein und andere Tracht aufſtellen / zwahr nicht auß meiner eigenen Kuchen / ſondern wie ſie gekochet worden in Hrn. Joh. Jacob Her - mans / ohnlaͤngſt beruften profeſſoris Mathematici auf die hohe Schul zu Padua / meines wehrteſten Freundes / ſubtil - und ſolid gelehrten Hirn.
Diſer Herꝛ erkennet mit uns / daß die von den Berg-Spizen in die Thaͤler fallende Liechts-Stralen keine gerade / ſondern eine auß unendtlich vi - len / unendtlich kleinen / gebrochenen Linien beſtehende / oder krumme Lini auß - machen. Er waget ſich aber / mir zu gefallen / und der Gelehrten Welt zum Nuzen / noch weiter / und unterſtehet ſich durch ſubtile Algebraiſche / jezt uͤbli - che Rechnungs-Art zuerfahren / von was Gattung oder Geſchlecht / diſe krum - me Lini ſeye. Zu ſeiner Grund-Regel ſezet er / daß die dichte der Luft zuneh - me nach proportion der ſteigenden Hoͤhe. Jn Fig. III. ſeye A. die Spize ei - nes Bergs AC. die Hoͤhe der Luft - oder Dunſt-Kugel uͤber den Berg. Die Dichte der Luft in A. werde vorgeſtellet durch die Lini AD. zeucht man die Puncten C und D. zuſamen / und weiters fort / ſo kommet herauß die gerade Lini CDF. und wird die Dichte der Luft in H. vorgezeiget durch die Lini HF. weilen nach dem Grundſaz eine Gleichmaß iſt zwiſchen der Duͤnne / und Hoͤ - he der Luft / oder AD. ſich verhaltet zu HF. wie AC. zu der HC. Nun wird des krummen Liecht-Strals AB. ſo von der Berg-Hoͤhe A. ins Thal fallet / Eigenſchaften und Art folgender maſſen erfunden. CA ſeye - a, AD - b, CH - x, BH - y. Es werde CH. CA. :: AD. HE. oder analyticè x. a:: b. $$\frac {ab}{x}$$ - HE. HE aber ſtellet vor die Duͤnnung der Luft in H. wann HF vorbil - det die Dichte derſelben.
Es hat aber der Hochgelehrte Herꝛ Joh. Bernoulli, dißmaliger Math, Prof. zu Baſel / mein groſſer Goͤnner / in denen Actis Lips. A. 1697. p. 208. be - wieſen / daß wann d x die differentialis iſt von x, und d y - 〈…〉 allwo er160 durch t verſtehet die der Hoͤhe x entſprechende Duͤnne: So iſt dann in gegenwertigem fall / wie bereits gezeiget / 〈…〉 f. aber eine beſtaͤndige gewiſſe Lini: folglich 〈…〉 wann fehrner f c-a b, ſo verendert ſich die Æquation in 〈…〉 und wañ an ſtatt x geſezet wird 〈…〉 und an ſtatt 〈…〉 ſo wird 〈…〉 verwandlet in 〈…〉 wel - che letſte Æquation anzeiget / daß die krumme Strallini AB. ſeye eine Loga - rithmica, deren conſtruction zufinden in Fig. IV. allwo von beyden Endpun - cten der Lini AC. welche die Hoͤhe der Luft - oder Dunſt-Kugel vorſtellet / namlich von A. und C. zuzeuhen ſeyn zwey Senckelrechte Linien A R. C S. und von der oberen CS, nach abgeſchnittener CO. in beliebiger Laͤnge / aus dem Mittelpunct C durch den Puncten O. eine gleichſeitige Hyperbola, wel - che die indefinitam AR in P. ſchneide / ſo dann muß die aus P. aufgezogene Senckelrechte PQ in ſoweit gegen N fortgeſtreckt werden / bis NQ gleich wird der Lini QC. wann diſes geſchehen / und durch N gezogen wird TM eine mit SC. gleichlauffende Lini / und auf diſer indefinita TM. als Axe, oder Aſym - ptoto, conſtruirt wird eine durch die Berg-Spize A. gehende Logarithmica, deren ſubtangens iſt die Gerade Lini OC. ſo ſagen wir / daß eben diſe Logarith - mica AB. ſeye die von der Berg-Spize A. in B fallende krumme Lini eines Sonnenſtrals. Q. E. F. Es iſt aus diſer conſtruction anbey zuerſehen / das / weilen OC. genommen worden in beliebiger Laͤnge / durch abenderung derſelben OC unzehlich vil andere Logarithmicæ AB. ſo alle durch die Spize A. gehen / koͤnnen gezogen werden / welche alle ſo vil von der Berg Spize ins Thal fallende Liecht-Stralen vorbilden koͤnnen.
Bis hiehar hat Herꝛ Hermann durch ſubtile Rechnungs-Art gezeiget die Art und Natur der krummen Strallini / er geſtehet aber zugleich ganz gern / daß diſe außgeſonnene Logarithmiſche Lininicht wol allen durch die Luft paſſirenden Liecht-Stralen koͤnne zugeleget werden / weilen die Luft ſel - ten / oder niemal / rein / und die in ihro ſchwebenden Waſſerduͤnſte die Son - nen-Strallen ganz anderſt brechen / ſo daß diſe ſeltenganz vollkommene Lo - garithmicas machen / ſondern ſolche krumme Linien / welche je naͤher zu de - nenſelben kommen / je befreyter die Luft iſt von allerhand Duͤnſten.
P. S. Hiehar gehoͤrt eine beſondere Tafel a 2. ß.
AUß bisherigem erhellet ſich zur Genuͤge / wie ſo vilen beſchwer - und be - truglichen Anſtoͤſſen unterworffen ſeye die Geometriſche Art der Ber - gen Hoͤhen abzumeſſen / und aber auch der Weg gebahnet zu ende - rung / und verbeſſerung / der jenigen Fehleren / welche von Zeit zu Zeit in die Hiſtori der Bergen / ja der Erden ſelbs / und deren Abmeſſung einge - ſchlichen.
Jch wende mich nun zu der zweyten Manier / die Berghoͤhen abzumeſ - ſen / durch Mittel des ſo genanten Barometri, oder Wetterglaſes. Es iſt diſes Jnſtrument eine der herꝛlichſten Erfindungen / mit welchen die heutige Phy - ſica Experimentalis pranget; ein zwar glaͤſernes zartes Roͤhrlein / wormit man aber / gleich als mit einer ſtarken Petarde, die Porten der Schulweißheit leicht einbrechen mag. Die erſte Erfindung diſes Wetterglaſes / mit welchem nun bald alle Audienz-Wohn - und Studier-Zimmer vornemmer / und Ge - lehrter / Leuhten gezieret / / fallet in das Jahr 1643. und wird zugeſchrieben Evangeliſtæ Torricellio, beruͤhmten Mathematico des Groß Herzogs von Florenz / weßwegen er auch genennet wird Tubus Torricellianus, das Torri - celliſche Glaß-Rohr. Es iſt zwaren diſes Philoſophiſche / uns Chriſten erlaubte / Oraculum allein / oder meiſtens / befraget worden bey eroͤrterung ſchwerer / in der Naturwiſſenſchaft vorkommender Streitfragen / oder auß curioſer / oft nutzlicher / Wiſſensbegierd von enderung des Wetters. Nun - mehr aber gibt es auch Antwort auf vorgelegte Fragen von reſpectiver Hoͤhe der Bergen / Thaͤleren / Doͤrfferen / Staͤtten / Seen / Fluͤſſen. Und pflege ich / wie auß bisherigen meinen Bergreiſen zu erſehen / diſen Goͤtzen aufzuſtellen an allen Ohrten / wo ich hinkomme / und bin der verſicherten Hoffnung / daß mit der Zeit / durch Mittel diſes Jnſtruments / in Erfahrung werde gebracht werden die ganze Unebenheit der auſſeren Erde / ſo in Berg und Thal abge - theilet / oder eine von den hoͤchſten Alpſpitzen bis zu denen Meeren ſich ſenkende abhaldige / vilfaltig unter brochene / Flaͤche / vorſtellet: Es wird dann der Muͤ - he wehrt ſeyn / meinen geehrten Leſeren einen moͤglich vollſtaͤndigen Bericht zu geben von diſer Meſſung-Art / und dahero zuhoffendem vilfaltigen Nutzen.
So bald die Naturforſcher ſich beſicheret / daß die bey dem Wetterglaß vor -fallende162fallende Enderungen des Quekſilbers zu ihrer Grundurſach hetten die ver - ſchiedene Schwere und Hoͤhe der Luft / koͤnten ſie ſich wol einbilden / daß das Quekſilber auf einem Berg tieffer muͤßte fallen / als im Thal / weilen dort die Luft nicht ſo hoch / als hier / folglich nicht ſo kraͤftig auf das Quekſilber kan trucken; worauß dann entſprungen die Begird / hieruͤber Proben zu ma - chen / und einen neuen Weg zu abmeſſung der Berghoͤhen zu bauen. Die erſte Prob iſt gemachet worden An. 1647. auf dem hohen Berg Puy de Domme, bey der Statt Clermont in Auvergne, von Hrn. Perier, nach An - leitung Hrn. Paſchal, ſo zu gleicher Zeit in Paris auf Thürnen / und anderen hohen Gebaͤuen / obſervationes angeſtellet; hrrnach An. 1661. 1665. und 1666. hat die Wahrheit diſer Erfahrungen unterſuchet Sinclarus, ein Schott - laͤnder / auf denen Gebirgen in Schottland / wie des Anßtrags halb mehrere Nachricht zu finden bey Sturm. Colleg. Experim. Part. I. App. pag 15. 16. Sint wenigen Jahren aber iſt diſe Materi weiters fortgetrieben / und der Bergen Meſſung zugeeignet worden von der Koͤniglich Franzoͤſiſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften / wie bald in mehrerem zuvernem - men ſeyn wird.
Weilen mir in meinen Hiſtoriſch Natuͤrlichen Bergreiſen vorgenom - men / diſere Materi durch allerhand eigene Proben zu unterſuchen / und alſo unſerer Helvetiſchen Landen unebene Beſchaffenheit deſto beſſer zu erkundi - gen / als habe mich ins beſonder befliſſen auf einen kommlichen Apparat, deſſen Geſtalt und Zuruͤſtung vornemlich zu danken hab dem Mechaniſchen Ingenio Hrn. Hauptmann Eßlingers / eines Ehrenglieds des Groſſen Rahts allhier / meines wehrten Freundes. Die Sicherheit und Kommlichkeit be - ſtehet in dem / daß diſen Meßſtab gebrauchen kan in Form eines Spazier - ſtocks in Fig. V. deſſen laͤnge iſt ohngefahr 3½. Schuhe. Der Stab felbs beſtehet auß zweyen / der laͤnge nach zerſchnittenen / halben Cylin - derſtucken / in deren Mitte ein hole Kehle oder Krinen zu faſſung des Glaͤſer - nen Roͤhrleins. Oben und unten werden diſe zwey Holzſtücke feſt zuſamen geſchraubet durch Schraubdekel / welche auß Horn gedrechßlet / und inn - wendig außgehoͤlet / theils zu logierung des Glaſes / theils zur faſſung des Quekſilbers; in mitten werden uͤber diß angelegt zwey oder drey Ringe / oder Zwingen / ſo auch von Horn. Nebſt diſem Stab verſihe mich mit genug - ſamem Quekſilber / eiſernen Drat / einem ſubtilen Trichter von Horn / gel - bem Leder / und zweyen / oder drey Glaͤſernen Roͤhrlein / damit / wann eins ſolte brechen / ein anders bey der Stell ſeye.
Diſer Glaͤſeren halb aber iſt zu wiſſen / daß ſie / wo moͤglich / ſeyen von gleicher oͤffnung / wol auf der Glaßhuͤtten gezogen / und durch genugſame / zu Hauß gemachte / Proben in Vergleichung geſetzet mit einem guten / in derStudier -163Studier ſtube bleibenden Barometro, damit die Bewegungen des Quekſil - ber / und die Grad des Maßſtabs / einander ordentlich entſprechen. Mit di - ſem Barometriſchen Ruͤſtzeug begibe mich auf die Reiſe / und an dem Fuß des erſten Bergs / wie auch in allen Wirthshaͤuſeren / Flecken / Doͤrfferen / Bergen / da mich in etwas aufhalte / bereite mein Experiment auf folgende Weiſe. Jch ſchraube den Stab oben und unten auß / lege deſſen zwey theil von einander / ergreiffe denjenigen / an welchem das Glaß mit Riemlein / oder Faden / an zwey oder drey Ohrten / angeheftet / ſtoſſe einen geraden eiſernen Drat in das Glaß hinein / daß er am zugeſchmolzenen End anſtehet / gieſſe durch das Trichterlein das Quekſilber allgemach hinein / gibe aber wol ach - tung / daß durch Mittel zuweiliger bewegung des Drats keine Luftblaͤßlein ſich zwüſchen dem Quekſilber ſetzen: wann dann das Roͤhrlein angefuͤllet / ſo ſchraube den einten Knopf des Stabs widerum ein / ruke das Glaß in den - ſelben hinauf / daß es anſtehet; in ſolcher Poſtur halte das Roͤhrlein mit den Fingeren der linken Hand an dem Stab feſt / und kehre denſelben um / ſo wird das Quekſilber auf ſeine / der Beſchaffenheit des Ohrts angemeſſene / Hoͤhe ſich herab laſſen / geſchwind aber fuͤlle unten den Knopf mit Quekſilber voͤllig an / bis an das Rand / alsdann gewahre den Zoll / und Scrupel / in welchem das Quekſilber ſtehet / und zeichne denſelben auf / nebſt der Beſchaffenheit der Witterung / auß deren dann zugleich von enderungen des Wetterglaſes ein deſto beſſer Urtheil gefaͤllet werden kan.
So vil von der Zubereitung unſers Jnſtruments. Folget deſſen Ge - brauch. Durch fleiſſige Mechaniſche und Geometriſche Obſervationen habe wahrgenom̃en / daß das Quekſilber im Wetterglaß in einer Hoͤhe von 80. bis 90. Zuͤr. Schuhen fallet einen zehenden Theil eines decimal Zohls / oder einen Scrupel / wornach bis dahin mich in meinen Außrechnungen der Berghoͤhen gerichtet / alſo daß die Senkelrechte hoͤhe eines Bergs dargegeben habe vor 800. Schuhe / wann an des Bergs Fuß das Quekſilber ſich befunden im 20. Zoll (namlich von unten auf zu rechnen) auf der Spitze aber des Bergs im 19. dann wie ſich verhaltet ein Scrupel zu 80. Schuhen / alſo 10. zu 800. diſes Fundament komt ohngefehr uͤberein mit denen Proben / ſo die Koͤniglich Franzoͤſiſche Geſellſchaft der Wiſſenſchaften an dem Meer gemachet / allwo ſie befunden / das 60. Pariſer Schuhe entſprechen einer Linien / das iſt / 1½. eines Pariſer Zolls. Dann 40. Pariſer Zoll gleich ſeyn 30. Zuͤricher decimal - Zollen / folglich iſt 1. Zuͤricher Scrupel gleich 1⅓. Pariſer Lini.
Die Koͤniglich Franzoͤſiſche Geſellſchaft bleibt (wie inſonderheit auß ihren Memoires von An. 1705. pag 61. zuerſehen) dey diſer einfalten Rech - nung nicht / ſondern ſchreitet weiter fort / um ſo wol durch geſunde Vernunft - ſchluͤſſe / als vilfaltige Proben / diſere Meſſungsart auf einen ſicheren Fuß zuſetzen.164ſetzen. Es ſetzen diſe gelehrte Maͤnner zu einem allgemeinen Fundament / daß die aͤnderung des Quekſilbers im ſteigen / und fallen / nicht koͤnne gleich ſein durch die ganze Hoͤhe der Luft - oder Dunſtkugel / weilen die Luft nahe bey dem Meer / wo ſie am nidrigſten / ſehr zuſamen getrukt / auf denen hoͤchſten Gebir - gen aber weit dünner / alſo das hier ein vil hoͤher Stuk Luft erforderet werde eine gewiſſe Trukkraft außzuuͤben / als dort. Hr. Mariotte ins beſonder be - weiſet in ſeinem Eſſay de la Nature de l’Air, daß die Luft ſich verdichte / oder condenſire, nach Beſchaffenheit / oder proportion des aufligenden Ge - wichts. Auf diſes Fundament / als ein gewiſſes Natur-Geſatz / rechnet er auß die ganze Hoͤhe der Luft-Spher / daß ſie beſtehe in 15. Meilen / jede von 2000. toiſes, welche machen 98150. Zuͤricher Schuhe. Er ſetzet / nach der Erfahrung / daß das Quekſilber an dem Ufer des Meers in dem Wetterglaß ſteige auf 28. Pariſer Zoll / welche zu ihrem Gegengewicht haben die ganze Luft-Hoͤhe; daß auch die Hoͤhe von 60. Schuhen an dem Meer das Quek - ſilber fallen mache eine Linie / oder den zwoͤlften Theil eines Zolls / die folgen - den Hoͤhenen der Luft / ſo denen folgenden Linien entſprechen / ſein immer groͤſſer / weilen im Fortgang immer weniger Luft aufliget / und iſt zum Exem - pel die zweyte Hoͤhe / welche der zweyten Linien entſpricht / alſo zu finden; wie ſich verhalten 28. Zoll / weniger eine Lini / zu 28. Zollen / alſo die Hoͤhe von 60. Schuhen / zu dem vierten termino, welcher gibt die zweyte Hoͤhe / und ſo fort. Diſe immer ſich vergroͤſſerende Hoͤhen formieren eine Geometriſche Progreſ - ſion, deren Summ die ganze obbemeldte Hoͤhe der Luft-Spher außmachet. Und wird ein gewiſſer Theil diſer Summ nohtwendig vorſtellen die Hoͤhe eines Bergs / auf welchem das Quekſilber auf eine gewiſſe Hoͤhe abfallet. Es bleibet aber Mariotte bey der Geometriſchen Progreſſion nicht / ſondern ver - aͤnderet ſie in eine Arithmetiſche / nach welcher er 63. Schuhe ſetzet vor die erſte / oder unterſte Lini. Die Herꝛen Caſſini, Sohn / und Maraldi, hatten in ihrer / wegen der Mittags Lini durch Frankreich An. 1703. gethanen Reiſe die gelegenheit / verſchiedene Berge ſo wol Geometriſch / als Barometriſch / ab - zumeſſen / und gewahreten / daß weder die Geometriſche / noch an deren ſtatt geſezte Arithmetiſche Progreſſion des Mariotte mit ihren Obſervationen ein - getroffen / weßwegen ſie eine neue Arithmetiſche Progreſſion außgerechnet / die mit der Erfahrung beſſer ſol einſtim̃en. Beyde / ſo wol des Mariotte, als des Caſſini Progreſſion Tafel habe zugefallen des geehrten Leſers allhier einruken wollen / theils damit man ſich ſelbiger bedienen moͤchte bey vorfallenden An - laͤſen / theils das / ſo bisher von diſer Materi geſchrieben worden / bekandter zu machen / theils auch / weilen die ſo genanten Memoires de l’ Academie Royale des Sciences nicht gemein ſeyn. Diſer Tafel habe beyfuͤgen wollen ſo wol die uͤbereinkunft der Zuͤricher decimal Zollen / und Scruplen / deren mich bisher bedienet / mit denen Pa - riſer Zollen und Linien / als die gleichfahls in decimal Zuͤricher Ruhten verwandelte Franzoͤſiſche fechsſchuͤhige toiſes.
165N. 42.)(Den 19. Octobr. 1707.Auf der linken Seite ſub Lit. A. iſt außgeſezt der Fall des Quekſilbers von Lini zu Lini / namlich von dem niderſten Horizont des Mittellaͤndiſchen Meers / an deſſen Ufer in der dritten und fuͤnften Ordnung unter Lit. C. und E. entſprechen 0. 0. und in der ſechßten Ordnung ſub Lit. G. 28. Pariſer Zoll / ſo hoch namlich das Quekſilber ſteiget an dem Ufer des Meers. Der erſten Lini entſprechen nach dero Rechnung des Mariotte 10. Franzoͤſiſche Ruthen 3. Schuhe / 2. Zoll / 3. Linien / zu finden unter Lit. C. unter Lit. E. 10. Ruthen 1. Schuhe / nach Caffino, unter Lit. F. 6. Ruthen 5. Schuhe 8. Zoll / 8. Scrupel Zuͤrich. und endlich unter Lit. G. 27. Zoll 11. Linien / denen unter Lit. H. entſprechen 24 Zoll 1⅓. Zuͤricher. Die zweyte und vierte Ordnung unter Lit. B. und D. zeiget die zunemmende Hoͤhe der Luft von einer Lini zu der anderen / nach Mariotto und Caſſino, welche zwar anfangs gering / nach und nach aber etliche Ruthen betragt / und begruͤndet auf oben erklaͤhrte Lehr von zunemmender dünnung der Luft.
Wann nun irgendwo / auf einem Berg / das Quekſilber ſtehet auf dem 22. Pariſer / oder 18. Zuͤricher Zoll / 8. Scrup. ſo ſuche ich 22. 0. unter der Lini G. oder 18. 8. unter der Lini H. und finde / daß deroſelben unter der Lini C. entſprechen nach Mariotte 852. toiſes, 1. Schuhe / (oder 5113. Sch.) 4. Zoll / 8. Linien / under der Lini E. nach Caſſino 1158. toiſ. 0. Schuhe / oder 6948. Schuhe / unter der Lini F. aber 750. Ruthen / 3. Schuhe / 8. Zoll / 4. Scrup. oder 7503. Schuhe / welche alle bedeuten die Senkelrechte Hoͤhe diſes Bergs uͤber den Horizont des Mittellaͤndiſchen Meers. Nach diſer Anleitung nun kan ein jeder / der nur ein wenig in der heutigen Experimental Phyſic erfahren / leicht erſehen / auf was Gruͤnden beruhe die Barometriſche Meſſung der Berghoͤhen / ja auch / wie auf diſes Fundament hinfort koͤnnen in Anſehung der Hoͤhe gegen einander gehalten werden alle Laͤnder / Staͤtte / Flecken / Doͤrffer / Berg / See / Thaͤler / welche Wiſſenſchaft nicht nur in bloſ - ſer curioſitet beſtehet / ſondern ihren trefflichen Nutzen haben kan in unter - ſuchung der Beſchaffenheit eines jeden Lands / der Sitten / Geſundheit und Krankheiten der Einwohneren / ꝛc. als zu einem Beyſpil dienen kan unſere Schweizerkrankheit / das Heimwehe genant / deren Urſach oben Tom. I. p. 57. vornemlich hergeleitet von der ſubtilen Hoͤhe unſerer Schweizeriſchen Berg - Luft / und derſelben Enderung in eine dichte / ſtark trukende Hollaͤndiſche / oder andere nidere Luft.
An deme / was bisher von der Barometriſchen Meſſung-Art geſchrieben worden / koͤnnen ſich wol vernuͤgen diejenigen / welche oben / auf der Natur - Wiſſenſchaft ſchwimmen / zugeſchweigen deren / welche nur an dem Geſtaddes171des Natur-Meers ſtehen / und nicht einmahl ſich auf daſſelbe hinauß doͤrffen wagen. Ein wiſſensbegieriges Gemuͤht aber / welches ſich in die tieffe der Geheimnuß-follen Natur einzuſenken bemuͤhet / iſt mit diſem allem noch nicht zu friden. Ein ſolcher Waſſertaucher ſihet vor ſich allerhand verwirꝛte Kno - ten / die noch nicht aufgeloͤßt ſeyn / nach ſelbs eigener Bekantniß der Franzoͤſi - ſchen Geſellſchaft / welche gleichwol mehr in diſer Materi gearbeitet / als uͤbrige Gelehrte von Europa. Was denen Artzney Doctoribus begegnet / welche auf der Kanzel / und in ihren Schriften alle Krankheiten zu heilen wiſſen / aber die vorkommende Schwerigkeiten in heilung der Patienten erſt erfahren bey dem Beth / daß kan auch begegnen denen Herꝛen / welche ſich bemuͤhet / obge - ſezte Tafel außzurechnen. Die Rechnung iſt gut / es fragt ſichs aber / ob ſie der Natur uͤberall entſpreche? Ob die graduation der Luftdünnung in der Taht alſo ſeye / wie ſie vorgerechnet wird in Ruthen / Schuhen / Zollen / und Linien? Ob eine ſo richtige Ordnung nicht unterbrochen werde durch beſtaͤn - dige Bergkaͤlte / welche die Rarefection, oder dünnung der hohen Luft merklich einzeuhet / und ſelbs das Quekſilber auf einen hoͤheren Grad treibet / als ſonſt die Tafel außtruket? Ob nicht eine neue Außrechnung noͤhtig ſwere / welche in betrachtung ſetzet nicht nur die Hoͤhe / und ſchwere / ſondern auch die Kaͤlte der Luft? Jch habe bereits uͤber diſe Materi eint - und andere Proben gema - chet / werde aber weiters trachten diſe Materi in mehrerem zu erklaͤhren / alſo / daß man nach und nach in mehrere und moͤgliche Gewißheit komme; wiewol wenig Hoffnung ſich eraͤuget zu foͤlliger Aufloͤſung aller vorkommender Schwerigkeiten / unter welche auch muͤſſen gezellet werden die taͤgliche und ſtuͤndliche veraͤnderungen der Luft ſelbs / die auf - und abſteigenden Wolken / die Verſchiedenheit der weite und enge der Glaßroͤhren / welche man braucht / ſo auch des Quekſilbers / ꝛc.
Dißmahl noch wil gleich als zu einem Nach-Tiſch / dem geehrten Leſer darſtellen eine Gegenhaltung der groͤſten Helvetiſchen Gebirgen mit ande - ren in froͤmden Landen abgemeſſenen Bergen. Das unſere Helvetiſche Ge - birge die hoͤchſten ſeyen von ganz Europa / bedarff keines mehreren Beweiß - thums. Es iſt hieruͤber genug geſchrieben worden Tom. I. p. 18. und Tom. III. pag. 51. wohin mich beruffe.
Jch bemerke nur hier einiche in unſeren Landen aller Ohrten / ſonderlich aber bey der Situation unſerer Bergen / außgetrukte beutliche Fußſtapfen / oder klare Anzeige der allweiſen Allmacht des Groſſen Schoͤpfers: Es hat Gott gefallen wollen / die hoͤchſten Alpgebirg in Europam zu ſetzen / als reiche / niemahls zu erſchoͤpfende Waſſergehalter / worüber nachzuleſen Tom. I. p. 37. 19. und Tom. III. pag.. Nach ſeiner unendlichen weiſen Vorſehung hat er ſolchen Schatz wollen ſetzen an das komlichſte Ohrt / in mitten zwiſchen derMittag -172Mittaglini und dem Nord-Polo, nicht unter der Lini / oder ſonſt in dem heiſ - ſen Gürtelſtrich / dann alſo haͤtten die Waſſer in unſere Mitnaͤchtig maͤſſige Laͤnder / Jtalien / Frankreich / Teutſchland / Holland / ꝛc. gar zu weit zu flieſſen gehabt / ja ſie weren meiſtens / ehe ſie zu uns kommen / außgerauchet / zuge - ſchweigen / daß die Berge noch hoͤher haͤtten muͤſſen aufgeführet werden / als ſie jezt ſtehen: aber auch nicht in dem kalten Gürtelſtrich der Erden gegen dem Nord Polo, dann da wegen immerwaͤhrender groſſer Kaͤlte nicht genug Waſſer geſchmolzen were / um die meiſten Laͤnder Europæ darmit zuver - ſehen.
Zu deme kommet / daß in denen Nord-Polariſchen Landen die Berge / wann ſie ſchon nicht hoͤher geweſen weren / als unſere Helvetiſche Gebirge / denen Anwohneren ganz unfruchtbar weren geweſen / da wir hingegen in unſerem Schweizerland nebſt dem ewigen Schnee und Eis zu groſſem un - ſerem Nutzen genieſſen koͤnnen die ſchoͤnſten Graßreichen Weiden / und nebſt dem kahlen / kalten Winter ſehen den lieblichſten Sommer. Worauß muht - maßlich zu ſchlieſſen / daß die Natur und Beſchaffenheit des Erdengebaͤus ſelbs diſen in mitten Europæ ligenden Berghauffen erforderet hat / was ſage ich von der Natur? beſſer iſt ein ſo herꝛliches und groſſes Werk / wie alle uͤbrige / zuzuſchreiben dem allgewaltigen Arm des weiſeſten Schoͤpfers / welcher die zweyte Erdengeſtalt in - und nach dem Suͤndfluß alſo kunſtlich angeordnet / wie ſie iſt. Sehet / geehrte Leſer / vermuhtliche Urſachen / warum die hoͤchſte und groͤſte Bergkaͤlte außgeſpannet durch die mitte Europæ? Sehet / warum die Schweiz in der Schweiz? Jch ſage mit Nachtruk / ver - muhtliche Urſachen / dann gar nicht die Meynung / das Gott nohtwendig ſeye bewogen worden von der Natur der Sachen ſelbs die Berge dahin zuſetzen / wo ſie ſeyn. Nein. Jhme iſt moͤglich / und frey geweſen / nach ſeiner unend - lichen Weißheit unzehlbare andere Wege außzudenken / die Waſſer in ge - nugſam reicher Maß uͤber Europam außzuſpenden / und nach ſeiner unum - ſchrenkten Allmacht dieſelbigen unendlich vil Rahtſchluͤſſe ins Werk zuſetzen. Weilen aber uns Menſchen mit unſerem endlichen / und darbey verderbten Verſtand in das Geheimzimmer der Goͤttlichen Weißheit hineinzugehen weder erlaubt / noch moͤglich / iſt nicht die Frag / was Gott habe koͤnnen tuhn / ſondern was er habe woͤllen; ja was er wirklich verꝛichtet habe. Und iſt einem Naturforſcher erlaubt / mit ſeiner ſchwachen Vernunft nach zuſinnen / welchen Weg der weiſe Schoͤpfer moͤchte gegangen ſeyn in hervorbring - und Erhaltung ſeines Welt - und Erden gebaͤues. Ja ich meine / es lige ihme diß ob / wann er je Gott kennen wil / und liebet. Es hat ſich der groſſe Gott nicht unbezeuget gelaſſen / ſondern aller Ohrten / in allen Ecken der Natur ſich geoffenbaret.
ES iſt aber diſe Naturſchrift nit alſobald zu leſen / ſondern mit fleiſſiger Nachdenkung zu erſtudieren. Gott hat nicht wollen / daß wir alſo - bald / als wir an diſe Welt geboren werden / ganze Texte nach einander daher leſen / und ſelbige verkuͤnden / ſondern vorerſt kennen lehrnen die Buch - ſtaben / hernach leſen die Sylben / und Woͤrter. So vil natuͤrliche Coͤrper / ja ſo vil Eigenſchaften / Geſtalten / Bewegungen derſelben ſeyn / ſo vil ſein Buchſtaben / ja Woͤrter / ja ganz kraͤftige Beweißthuͤmer der Goͤttlichen Guͤ - te / Weißheit / und Allmacht. Und aber ligen diſe koſtliche Wahrheits-Perlen nicht an allen Uferen / ſondern in dem tieffen Meer / verſchloſſen innert den Muſchelen. Es kan ſie nicht ein jeder aufheben / der an dem Geſtad ſpazieren gehet; ſie muͤſſen hervor gefiſchet werden mit groſſer Muͤhe. Diſes ſchreibe ich ins beſonder zur widerlegung der Epicureeren / welche die ganze Welt / ins beſonder aber die auſſere Erden-Rinde anſehen / als einen auß dem finſteren Staͤublein gemeng / ohne zwiſchenkommenden weiſen Raht / ohngefahr ent - ſtandenen Klumpen; die Berge als groſſe / ohne Ordnung / uͤber einander ligende / gleichſam vom Himmel gefallene / oder von eingefallener erſten Er - den-Rinde uͤbrige / ohne weiſe Leitung in jezige Geſtalt gebrachte / zerbrochene Erden-Stuͤcke: die Thaͤler als von ſelbs entſtandene außhoͤlungen der Er - den / ꝛc. Da ich hingegen mit offenen Augen die auſſere unebene Erde anſihe als ein ordentliches / nach Goͤttlicher Architectur aufgefuͤhrtes / zierliches Kunſt - gebaͤu / und auch mit kraͤftigen Vernunftgruͤnden als ein ſolches bald darzu - ſtellen vermeine.
Nunmehr iſt es an dem / daß ich dieſe hoͤchſte / in unſeren Helvetiſchen Landen befindtliche / Bergſpitzen Europæ in vergleichung ſetze mit anderen Hoͤchſten / oder hohen Bergen in der Welt.
Den 30. Jun. 1705. iſt bey denen Capucineren auf dem Gotthard / bey heller Witterung / die Hoͤhe des Quekſilbers geſtanden im 19. Zoll / 8 Scrup. Zuͤrich. denen entſprechen 22. Pariſer Zoll / und in obgeſezter Tafel bey Mariotte 852. toiſes. 1. Schuh / 4. Zoll / 8. Linien / oder 5113. Pariſ. Schuhe / bey Caſſino aber 1158. toiſ. oder 6948. Pariſer Schuhe / oder 7503. Zuͤri - cher Schuhe / vor die Hoͤhe der Capucineren uͤber das Meer. Es ſein aberuͤber174uͤber der Capucineren Herberg noch hoͤhere Joch / welche mit jezt beſchriebener Hoͤhe wol moͤchten 8. bis 9000 Zuͤricher Schuhe außmachen.
An gleichem Ohrt iſt den 7. Auguſt. obgemeldten Jahrs die Hoͤhe des Quekſilbers gewahret worden im 20. Züricher deme entſprechen 22. Zoll / 2½. Pariſ. und nach Mariotte ohngefehr 818. toiſ. oder 4908. Par. Schuhe / nach Caſſino 1127. toiſ. oder 7062. Pariſ. Schuhe / oder 7149. Zuͤricher Schuhe.
Den 11. Aug. 1705. habe auf der Furke / bey heller Luft / auf den Graͤn - zen des Urſeren Thals / und Walliſſer-Gebiets des Quekſilbers Hoͤhe wahr - genommen im 19. Zoll / 4. Linien Zuͤricher / denen entſprechen 21. Zoll / 6½. Linien Pariſer; und in des Mariotti Tabell 926. toiſ. oder 5556. Pariſer Schuhe / nach Caſſino aber 1282. toiſ. oder 7692. Pariſer Schuhe / oder 8306. Zuͤricher Schuhe. Zu denen eine uͤber dem Kreuz ſtehende Hoͤhe von ohngefehr 700. Schuhen widerum 9000. Zuͤricher Schuhe gibet vor die voͤllige Hoͤhe der Furke uͤber das Meer.
Den 23. Jun. 1706. habe auf dem Joch / einem Graͤnz-Berg zwiſchen dem Canton Bern / und der Herꝛſchaft Eugelberg / um 10. Uhr vor Mittag / bey heller Luft / welche aber Abends ſich außgelaͤhret in einen ſtarken Regen / die hoͤhe des Wetterglaſes gehabt im 19. Zoll / 2. Linien Zuͤricher / denen entſprechen 21. Zoll / 4. Linien Pariſer / und in des Mariotti Tafel 974. toiſ. oder 5849. Pariſ. Schuhe; in des Caſſini aber 1363. toiſ. oder 8181. Pariſ. Schuhe; oder 8835. Zuͤricher Schuhe: Zu denen allein noͤhtig hinzu zutuhn 317. Schuhe vor die ganze Hoͤhe diſes Bergs / wann ſie außmachen ſol 9000. Zuͤricher Schuhe. Jch erachte aber / daß von dem Berg Joch bis auf die Spitzen des anligenden Ochſenſtoks / und Tittlisberg eine Senkel - rechte Hoͤhe ſeye wenigſtens von 1000. Schuhen. Worauß vorderſt zu ſchlieſſen / daß die Ehrwuͤrdige Beherꝛſchere der Herꝛſchaft Engelberg nicht ſo uͤbel vom Zweck ſchieſſen / wann ſie den ihnen zugehoͤrigen Tittlisberg hal - ten vor den hoͤchſten des ganzen Schweizerlands. So dann auch / daß die gerade / oder Senkelrechte Hoͤhe der hoͤchſten Berg-Spitzen Europæ uͤber das Meer ſich nicht erſtrecke uͤber 10000. Schuhe.
Gegen diſe oberſte Hoͤhe / welche ohngefehr gleich iſt 50. Muͤnſter Thuͤr - nen / deren je einer uͤber dem anderen ſtuhnde / wollen wir nun halten andere bey alten / und neuen / Erdmeſſeren beruͤhmte Berghoͤhen.
Dicæarchus, ein gelehrter Griechiſcher Erdbeſchreiber / welcher auß Befehl der Koͤnigen ſeiner Zeit die Berge abgemeſſen / fande / daß der hoͤchſte Pelion 1250. Schritt habe. Dicæarchus, vir in primis eruditus, Regum curâ permenſus Montes, ex quibus altiſſimum prodidit Pelion 1250. paſſuum, ratione per pen - cliculi. Plin. Hiſt. Nat. Lib. II. c. 65. So ſchreibet auch Plutarchus in dem LebenPauli175Pauli Æmilii, daß weder die Hoͤhe der Bergen / noch die tieffe des Meers uͤbertreffe 10. Stadia. Der beruͤhmte Jeſuit Ricciolus wil / daß diſe von den alten Erdmeſſeren uns hinderlaſſene Nachricht anbetreffe die voͤllige / oder gaͤnzliche Hoͤhe der Berg-Spitzen über den Horizont des Meers / welche er nennet Altitudinem abſolutam, und nicht relativam, welche nur gehet von den Spitzen der Bergen in das anligende Thal / oder flache Land / worvon ich annoch zweifle. Jndeſſen finde / daß obbemeldte 1250. Schritt / oder 6250. Roͤmiſch Veſpaſianiſche Schuhe gleich ſein 6822. Pariſer Schuhen / deren Anzahl mich annoch zu groß bedunket vor die Hoͤhe des Bergs Pelii in Theſ - ſalia, obgleich ſelbige genommen wurde in anſehung des Meers.
Cleomedes ein anderer Griechiſcher Stern - und Erdbeſchreiber / ſo nicht lang vor Chriſti Geburt gelebt / haltet darvor Cyclicæ Theor. cap. 10. das kein Berg hoͤher ſteige / als 15. Stadia. Diſe entſprechen 9375. Roͤmi - ſchen / oder 10214. Pariſer Schuhen / welche nicht ſo weit abſtehen von unſerer obengeſezten abſoluten Hoͤhe der Alp-Firſten des Schweizerlands.
Der groſſe Galilæus de Galilæis, einer der beruͤhmteſten Reformatoren der Philoſophiſch - und Mathematiſchen Wiſſenſchaften / gebuͤrtig von Flo - renz / iſt der beſcheidenſte in ſeinem Nuntio ſidereo pag. 14. allwo er die hoͤch - ſten Gebirge nicht erhebet über eine Meil / oder 8. Stadia, oder 5000. alt Roͤ - miſche / oder 5458. Pariſer Schuhe. Jch halte aber darvor / daß diſer Phi - loſophiſche Martyrer hierdurch verſtehe nicht die abſolute voͤllige Hoͤhe der Berg-Spitzen uͤber das Meer / ſondern nur die relativhoͤhe gegen dem be - nachbarten flachen Lande.
Auß bisherigem ſchlieſſe der Wahrheitliebende Leſer / was zu halten ſeye von jezt folgender Erzellung der groͤſten Berghoͤhen nach der Meynung ver - ſchiedener alt und neuer Mathematicorum, und ob nicht die meiſten allzuvil an die Sach getahn haben?
Kepler in Aſtronom. Optic. pag. 129. 135. und in Epitome Aſtron. Lib. I. pag. 26. leget den Rhæ - tiſchen Alpgebirgen zu eine Hoͤhe von mehr als
Strabo Lib. II. Geograph. ſchreibet Petræ Sog - dianæ zu — — — —
Pererius Lib. XII. in Geneſ. gibet den hoͤchſten Bergen — — — — —
Leo Bapt. Albertus Architect. Lib. X. cap. 7.
Ath. Kircher. Art. Magn. Luc. & Umbr. P. II. Probl. 5. — — — — —
Fromond Lib. I. Meteor. cap. 2. Art. 1.
Gilbert. de Magnete Lib. 4. cap. 1. —
Plinius Lib. II. cap. 64. nach der Außlegung Fort. Liceti de Lunæ Luce ſubobſcur. Lib. II. pag 306. — — — —
Ricciolus Geograph. Lib. V I. cap. 20. haltet darvor (in Kraft deſſen / was er von der Hoͤhe der Bergen Athos und Caucaſi bewieſen zu haben vermeint) das wol Berg ſeyn koͤnnen von —
Es gibt ſich Gott zu erkennen zwar auch in denen kleinſten Staͤublein / welche / ſo zureden / einen Schatten der Unendlichkeit von ſich werffen / ſonder - bar aber in Groſſen Welt-Coͤrperen. Unlaugbare Zeugen ſein der Himmel / die Sonn / alle Fix - und Jrꝛſternen / deren erſtaunliche Weite und Groͤſſe die heutige ſcharff - und fehrnſichtig-gelehrte Welt nicht genugſam bewunderen kan. Unſere Erdenkugel iſt zwar kaum als ein Staͤublein zurechnen gegen der uͤbrigen Welt / gleichwol iſt ſie an ſich ſelbs / und in Anſehung unſer / groß genug; und auf der Erden zeigen vornemlich die Groſſe Weißheit des Schoͤ - pfers an die groſſe erhobene Theil derſelben / ich wil ſagen / die Berge / welche an ſich etwas praͤchtiges haben / einen groſſen Werkmeiſter anzeigen / und ſelbs zuverſtehen geben die uͤbercoͤrperliche Groͤſſe unſers Gemuͤhts / welches dieſelben / und auch den Himmel mit ſeinen Coͤrperen in gewiſſem Verſtand faſſen mag.
Wann nach der Erdbeſchreiberen Außrechnung die Berge / ſo auf der ganzen Erden anzutreffen / ohngefehr den zehenden Theil derſelben / namlich der Trukenen / außmachen / ſo muͤſſen unſere Helvetiſche Lande vor anderen auß Bergicht ſeyn / weilen wol zwey drittheil auß Bergen beſtehen. So daß es der Muͤhe wol wehrt / ja eine mir obligende Schuldigkeit iſt / der Helveti - ſchen Gebirgen Geſtalt und Alterthum / oder erſten Urſprung zuerforſchen / und in unſeren Bergen / gleich als in einem Spiegel / Gottes Gerechtigkeit / und Guͤte / denen Einwohneren zu zeigen.
Wir ſelbs / weilen wir ſie alle Tag vor uns ſehen / ſehen ſie nicht mit ſo be - wunderenden Augen an / continuâ præſentiâ vileſcunt. Solte man aber ei - nen Niderlaͤnder auß ſeinem flachen Land in mitten unſerer Alpen fuͤhren mit verbundenen Augen / wie wurde er ſie oͤffnen mit verwunderender Forcht / und ſich einbilden / daß er an der Welt End gekommen / oder wenigſtens an ein Ohrt / da die Natur alle ihro uͤbrige / unnuͤtze Materi auf einen hauffen ge - ſchuͤttet: haͤtte er die alten Heidniſchen Romans jemahlen geleſen / ſo kaͤme ihm vor / daß diß das jenige Land were / da die ungeheuren Rieſen mit einander geſtritten / und Berge auf Berg geſetzet hatten.
JHme wurde ſich oͤffnen die Schatzkammer ſeiner Gedaͤchtnuß / in dem er vor ſich wurde ſehen eine verwirꝛ - und miſchung aller Materien / und Formen / Berge / Thal / Felſen / Erde / Waſſer / Wolken / Schnee / Eis / Metall / Mineralien / und Mineraliſche Waſſer; unzehlich verſchiedene Geſtalten der Felſen / und Bergen ſelbs / welche bald zugeſpizt / bald oben flach / etwann von anderen abgeſoͤnderet / etwann mit anderen Kettenweiſe angehenkt. Unden / an dem Fuß einer hohen Bergwand / wurde er ſich foͤrch - ten / wegen des Einfalls ſo alter Gebaͤuen / und uͤberhangender Felſen: oben auf den Spitzen ſolte ihn der Schwindel uͤberfallen / wann er nidſich ſihet in die tieffe Thaͤler / und enge Kluften. Jn die weite hinauß wurde er mit ver - wunderung ſehen einen weiten Horizont von vilen nach einander ligenden Reyen anderer Bergen / und / wann er je bey ſtuͤrmendem Ungewitter auf offener See geweſen / lang zweiflen / ob nicht die Berg-groſſen Meerwellen ſich in ihrer groͤſten Wut in Stein verwandelt / und alſo die Berge geſtaltet hetten; wurde man ihne hinabfuͤhren in tieffe Berghoͤlen / oder Klüften / ſo wurde er ſich vorſtellen die Werk - und Wohnſtaͤtte des Vulcani, und Æoli.
Einem / der in der Baukunſt erfahren / kommen unſere Gebirge billich vor / als ein beſonders / ſeltſames / von Gott ſelbs angelegtes Gebaͤu / welches zwar ohne ſcheinbare Ordnung aufgerichtet / gleichwol ſo vil 1000. Jahr bereits in ſeinem Weſen geſtanden / und unendlich weit hinder ſich laſſet die alte Griech - und Roͤmiſchen Bauwerke / auß deren uͤberbleibſelen man hier und da die vortrefflichkeit des Meiſters / und den Pracht der nunmehr ver - dorbenen Voͤlkeren / und Monarchien / abnemmen kan. Sehet / geehrte Leſer / eine kleinfuͤge Vergleichung der gemeinen / und Goͤttlichen Architectur! Das Fundament unſerer Berg-Gebaͤuen beſtehet in der veſten Erden auß ge - waltigen / je nach Beſchaffenheit der aufligenden Schwere / und Hoͤhe / groſ - ſen / gemeinlich Lagerweiſe auf einander ligenden Felſen / ſo daß die Berge / wie ſie nach dem alleinigen Willen des Allmaͤchtigen Schoͤpfers aufgebauen ſeyn / auch nicht / ohne beſonderen Befehl deſſelben / einfallen koͤnnen / und wer -den178den / und haben wir des Einfalls halben ſo wenig Gefahr an denen Waſſeren / als inſonderheit dem Vier Waldſtaͤtten See / Wallenſtatter See / ꝛc. als in mitten des feſten Lands / weilen auch dort die Felß-Schalen / Lectus ſoli - dus, unter / und in dem Waſſer ſo feſt ligen / daß ſie niemahl erweicht / oder aufgeloͤßt / oder unterfreſſen werden. Etwas weniges moͤgen denen Felſen angewinnen die auf dem Horizont der Seen anpuͤtſchende ſchaumichte Wel - len / welches aber erſt nach koͤnſtigem Ablauff etlicher 1000. Jahren in etwas Gefahr ſetzen mag. Wo die Felſichte Bergmauren nicht gerad und nakend aufſtehen / ſondern die Waͤnde bekleidet ſein mit guter Erden / Graß / Baͤu - men / und allerhand anderen Pflanzen / da gibt es abhaldige / gegen den Berg - Spitzen je mehr und mehr / alles nach den Reglen der unfehlbaren Baukunſt / eingezogene Flaͤchen / welche beveſtnet / und unterſtützet werden von hervor ragenden Graͤten / Blanken / Planken / als wahren Strebe-Pfeileren / Eriſmatibus, Anteridibus, welche alle ihre angemeſſene groͤſſe / / laͤnge / hoͤhe / und weite zwiſchen einanderen haben / wie es die Natur der Sach / ja die Weißheit des Baumeiſters erforderte.
Die Mauren beſtehen widerum auß Felſen / und denen ordentlich ſich auf und in einander / ſchickenden Lageren / auß welchen hier / und da / auch zwi - ſchen harten Felſen / hervor wachſen groſſe Baͤume / welche mit ihren Wurz - len die Felß-Steine noch feſter verbinden / und ſo zu reden / verklam̃eren. Da findet ein Liebhaber der Baukunſt opera reticulata, bey welchen nur die auſſeren Mauren auß groſſen Felß-Stuͤcken / die inneren Theil aber auß Kißling - und anderen kleinen Steinen beſtehen: opera antiqua inſerta, ver - bundene Maurwerke; opera frontata, Iſodoma,, Pſeudiſodoma, dop - pelt verbundene Maurwerke; und unzehlich vil andere zuſamengeſezte / verwunderlich in einander gewundene / und gekruͤm̃te / von Gott ſelbs erfun - dene / denen Menſchen unnachaͤhnliche / Werke / welche etwann zu einer ande - ren Zeit koͤnten beſonders vorgeſtellet werden: wie feſt diſe Bergmauren ſeyen / iſt under anderem auch darauß zu erſehen / daß vil derſelben ſint ihrem Anfang oben uͤber die ſenkelrechte Lini außragen / ſo daß man meinen moͤchte / ſie müßten nohtwendig einfallen / gleich jenem Thurn zu Piſa / welcher vor ein rechtes Meiſterſtuk gehalten wird. Die Aeſtriche / Boͤden und Waͤnde / Ruderationes, ſeyn ſelbs die abhaldige Flaͤchen / in verſchjedener Hoͤhe ligende Thaͤler / Meyenſaͤffe / Alpen / Staͤflen / welche mit den ſchoͤnſten Blumen / fetteſt gruͤnem Graß / Baumvollen Waͤlderen / und untermiſchten glatten / rauhen vilfoͤrmigen Felſen / gleich als mit den koſtbarſten Tapeze - reyen und Gemaͤhlden beleget / und bekleidet ſeyn. Jn diſen Bergzimmeren kan man ſich erſpazieren / gleich als in Luſtvollen / und anbey fruchttragenden /mit179mit Gemſen / Hirſchen / Baͤren / Schneehuͤneren / und anderem Wildpraͤt an - gefuͤllten Thiergaͤrten. Da mangelt es nicht ancryſtalllauteren Brunquellen / Springbruͤnnen / hohen / in einen ſchaumichten Staub ſich verkleinerenden Waſſerfaͤllen / gegen welchen alle Caſcades in allen Fuͤrſt - und Koͤniglichen Gaͤrten nichts zurechnen ſeyn. Bey diſen Bergmauren und Waͤnden ſein ohnnoͤhtig die Uebertuͤnchungen / Beſtechungen / Ueberkleidun - gen mit Gyps / Kalch / und dergleichen / Trulliſationes, Tectoria, Calcaria ope - ra, gypſata, arenata, marmorata, oder auch die ſogenanten Mahlereyen in freſco, weilen alle diſe Erfindungen anzeigen ſeine der menſchlichen Unfoll - kommenheit. Einzeuhungen der oben duͤnneren / unten dickeren / Mau - ren / contracturas murorum, zeiget die Geſtalt der Bergen ſelbs / welche unten breit / etwelche Meilen im Umkreis haben / oben aber gemaͤchlich ſich zuſpizen / folglich unſaglich ſchwere Laͤſte zu tragen faͤhig ſeyn. Diſe abhaldige Waͤnde der Bergen kan man zugleich anſehen als Taͤcher / und das in einander vilfaltig gebundene Felßwerk / als den Tachſtuhl / oder das Geſparꝛ. Da mangelt es nicht an Stuͤtzſparꝛen / Zwerch - ſparꝛen / Streben / oder Klammerſparꝛen / Tachſtuͤtzen; nicht an dem Unterſcheid der Taͤcheren; da gibt es tecta deliciata, welche nur auf eine Seithen ablauffen; tecta pectinata, diſpluviata, / welche den Regen auf beyde ſeithen abfuͤhren; tecta teſtudinata, Zelttaͤcher / welche von vier Seithen ſich oben zuſpizen; Tecta faſtigiata, welche in eine gaͤhe Thurnſpize zulauffen / und oft kaum denen Gaͤmſen erſteiglich ſeyn; unzehlicher anderer arten / welche ſich in denen Schriften der Bauverſtaͤndigen nirgends finden / zugeſchweigen. Diſe Bergtaͤcher ſeyn hier belegt mit Blatten / dort mit un - ordentlich gefoͤrmten Felſen / meiſtens mit fruchtbarer Erden / und ſchoͤnen kraͤuteren: Sauͤlen / die diſes Berggebaͤu aufhalten / unterſtuͤzen / und zie - ren gibt es ſo vil ſtarke Felſen; da gibt es Anterides, Strebepfeiler / colum - nas und Pilas, Colonne, Pfeiler / opera ruſtica, Baͤuriſche ſo genandte Werk / von allerhand Art. Hole Bergkluften ſtellen vor ſo vil natuͤrliche Gewoͤlber. Die Sommerlichen Gemaͤcher ſind zuſehen in denen Alpen. Die Winterlichen in denen Thaͤleren. Die Winterquartier der Murmel - thieren in der Erden / der Gemſen aber unter / und an den Felſen.
Wie aber / mochte einer gedenken / iſt diſe Berg-Artitectur ſo groſſen Anruͤhmens wehrt? Es iſt ja darbey weder Zierlichkeit / noch Ordnung / noch Gleichheit der Theilen under ſich ſelbs / da ſein keine Gemaͤlde / keine geſchnizte Bildwerke? Nihil magis incertum, inconditum, ac perturbatum, ut ſolent eſſe rudera, omnium formarum & figurarum ſunt, præter regularium: moles præruptæ & confractæ, nullus modus, nulla ratio partium, aut proportio, nul -la180la pulchritudinis umbra, artis aut conſilij nullum veſtigium. Burnet. Theor. Tellu. fact. p. 48. Erſtaunet hier / geehrte Leſer / und Anſchauere unſerer Bergen! uͤber die wunderſame Weißheit des groſſen Gottes / als oberſten Werkmeiſters! ſehet hier eine mechaniſche Bauart / welche alle Kraͤfte der Natur / und Kunſt / geſchweige des Epicureiſchen caſus, oder Zufalls / unendt - lich weit uͤbertrift! Hier haben keinen Plaz die bekanten Corinthiſchen, Dori - ſchen, Joniſchen, Romaniſchen / und Toſcaniſchen Ordnungen / welche geringe Uberbleibſelen ſollen ſeyn der ſechßten Heiligen Ordnung derjenigen Saͤulen / welche geſtanden in dem Tempel Salomons. Diſe ordentliche Ordnungen ſeyn hier alle zugering. Allhieſiger Ordo iſt inordinatus, eine unordentliche Ordnung / eine Ordnung / welche zum Fundament hat die groͤſte Verwirꝛung / gleich in jenem Zimmer eines Fuͤrſtlichen Pallaſts / welches mit Fleis und groͤſter Kunſt alſo gebauet war / daß es denen / ſo hinein giengen / ſchiene / als ob alles wolte einfallen. Jch bitte mir die Freyheit auß / ſelbs die herꝛlichen Wort einzufuͤhren jenes Jeſuiten Danielis Bartoli Ricreat del Savio cap. 8. p. m. 115. Souviemmi d’haver veduto in un Palagio di Ricreatione d’un Prin - cipe, fra le altere belliſſime cose una particolar Camera tutta finta a capriccio di rovine, con un nuovo ſtile d’Architettura, che ben potrebbe chiamarſi l’Or - dine Scompoſto, e da adoperarvi non meno ingegno, e giudicio, che ne gli alt - ri, dovendoſi dare unità al diſſipato, gratia al deforme, regola allo ſconcio, ſimmetria allo ſconcertato, earte al caſo. In entrarvi cagiona horrore edilet - to, il vederſi diroccata in ſu’l Capo una fabbrica rovinante, ſe non che, nel ca - dere, ſconcrateſi, aventura come moſtra lo ſtrano andamento delle pendenze, l’una parte slogata con altra, tutta in pie ſi ſoſtiene, poſando bizarramente ſo - pra membra non proprie, e pur coſi bene adatte, che l’occhio non che riſentir - ſene come a moſtruoſità, ſommamente gode, trovata una non piú veduta ſpe - zie di proportione, e di bellezza, nella diformità, e nella proportione. Jo per me credo, ehe chi ne formò il diſegno, vi ſtudiaſſe intorno il doppio piú, che a una fabrica ben’ ordinata; ma non è da ognuno l’intenderne il Magiſtero. So mag dann unſere Bergbaukunſt wol mit Bartoli genennet werden Un nuovo ordine d’ Architettura Scom poſto, e perciò piu artificioſamente com - poſto. Die Werke Gottes ſcheinen mehrmal dem auſſeren Anſehen nach ein - faltig / und zeigen aber in diſer ihrer Einfalt die groͤſte Kunſtgebaͤue / die einzu - fallen ſcheinẽ alle augenblik / und ſtehen aufrecht ſint etlich 1000. Jahren; ſa - chen / welche uns Menſchen ſcheinen gemachet ſeyn durch eine vilfaltigverwi - kelte Weißheit / kommen / wann man ſie genau unterſuchet / einfaltig herauß. Zu einem Exempel koͤnte uns dienen das ganze Weltgebaͤu.
WJr fahren fort in Betrachtung unſerer Bergbauart; Bey wel - cher eine neue Gefahr des Einfahls vorſtellet die hole / innere Beſchaf - fenheit unſerer Helvetiſchen Gebirgen. Diſe ſeyn nicht / wie man ſie anſihet / durch und durch ſolid, oder feſt / ſondern hol. Und eben diſe / dem auſſe - ten Schein nach deſto gebrechlichere / Berggebaͤu geben uns an die Hand neue Betrachtungen zu Darſtellung koſtbarer Nuzbarkeiten / welche daher auf die ganze Erden / und dero Bewohnere / ſonderlich auf uns naͤchſte Anwohnere flieſſen / folglich neuen Anlaß zu Anpreiſung der allerweiſeſten Guͤte Gottes. Wie? iſt nicht ein Maurſtok waͤhrhafter / wann er durch und durch feſt / als / ſo er inwendig hol? Sehet widerum in diſer Gebrechlichkeit / gleich als in ei - nem Spiegel / Gottes beſtaͤndige Weißheit! weren die Berge durch und durch feſt / und zwaren aufgebauet aus lauter ſchwarzen Gartenerde / welche die leichteſte / und fruchtbarſte / ſo wurde ſie bald abgewaſchen von anlauffenden Schnee - und Regenwaſſeren / ja es wurden innert 100. Jahren vil Thaͤler von ſothanem Erdſchleim uͤberall außgefuͤllet / die Thalbewohnere darmit uͤ - berſchuͤttet / oder weggetriben / ja iñert villeicht mehr nit als 1000. Jahrẽ were das Bergichte Schweizer land verwandelt in eine moraſtige Ebene; ich ſage / eine moraſtige Ebene / weilen endtlich die Waſſer keinen Ablauff funden / ſon - dern ſich hier und da wurden in Form ſtillſtehender Seen ſamlen / und die nebenſtehende Erde durch und durch befeuchten / daß man nicht darauf bauen oder wohnen koͤnte. Beſtunden diſe maſſive Berghoͤhenen auß derjenigen ſchwereren Erde / ſo in der Bergwerken tieffe angetroffen wird / ſo were ſie wide - rum den Abſchwem̃ungen unterworffen / wie die vorige / darbey aber wurden zwey andere Ungelegenheiten erwachſen / welche theils uns Schweizer wurde treffen / theils aber die ganze überige Erde. Wir Schweizer wurden bewoh - nen ein duͤrꝛes unfruchtbares Land / weilen ſothane ſchwere ſandicht und me - talliſche Erde zu Hervorbringung / und Nehrung der Pflanzen ganz untaug - lich. Die uͤbrige Erde ſtuhnde in Gefahr des Untergangs / oder Ausweichung auß dem Mittelpunct ihres Wirbels. Die Herꝛen Ptolemaici verzeihen mir / daß ich nicht geſagt habe / auß dem Mittelpunct ihrer Ruhe. Wie aber diß〈…〉〈…〉 Nach heutiger Mechaniſcher Außrechnung verhaltet ſich die Erde / ſo an demBoden182Boden der Bergwerken gefunden wird / zu dem Waſſer / in Anſehung ihrer ſpecific-Schwere / wie 3. oder 4. zu 1. ja bißweilen wie 5. zu 1. hingegen die Steine / von welchen unſere Gebirge aufgebauen / wie 14. zu 5½. woruͤber auch zuleſen Dethlevi Cluveri Geologia. p. 26. Hierauß laſſet ſich ſchlieſſen / daß bey ſo bewandter Geſtalt oder Beſchaffenheit der Bergen / auß ſchwerer Erden / die Schweiz anderen gleichgroſſen Theilen der Erden an Schwere wurd uͤberlegẽ ſeyn / und die Erdkugel auß der Ruhe ihres Wirbels (mit diſer Redensart wer - den zufriden ſeyn ſo wol die Ptolemaici, als Copernicani) gehoben werden. Umb ſo vil gefaͤhrlicher were diß Uebergewicht / wañ unſere Helvetiſche Berge beſtunden auß lauter Metall / oder Ertzklumpen. Um ſo vil leichter / ja villeicht allzuleicht / weren unſere Berge / wañ ſie beſtuhnden aus Sandſteinen / weil diſe ſich verhalten gegen dem Waſſer / wie 2½. zu 1. darneben aber weren ſie nicht ſo daurhaft; die bloſſe auſſere Gewalt der Luft / Regen / und Windẽ wurde ſie ver - zehren / die Bergwaſſer wegſchwem̃en / die See und Fluͤſſe unterhoͤlen. Auf ſol - che Weiſe aber / da unſere Gebirge aufgebauet ſeyn von ſteinichten Felſen / ma - chen ſie nach oben gelegten Grundſaͤzẽ / (obgleich die ungeheure Groͤſſe anfaͤng - lich ſcheinet darwider zuſtreiten) einen leichten / mit angraͤnzenden Teutſchen / Franzoͤſiſchen / und Jtaliſchen Landen in einem gleichgewicht ligenden Erden - theil auß. Weiters; wañ unſere Gebirge von Steinen / Sand / oder Erdẽ durch und durch veſt waͤren / wo were dañzumal die Fruchtbarkeit unſers Landes? wo waͤrendie Urſpruͤnge der Fluͤſſen / Baͤchẽ / Bruͤñen? wo die reichen Waſſerge - halter in und auf den Bergen? wo were das Geburtshauß der Wolkẽ / welches wir auf eine andere Zeit auch auf unſere Berge geſezet? wo waͤre der Rhein / die Rhoſne / der Teſin / die Reuß / der Jnn / und andere koſtliche durch Frank - reich / Teutſchland / und Jtalien ablauffende Fluͤſſe? Preiſet mit mir ihr Lieb - habere der Naturwiſſenſchaft / in ſtiller heiliger Verwunderung / die Anbet - tenswürdige Weißheit des Groſſen Gottes / und lehrnet aus der Natur ſelbs / daß alles ſehr gut iſt / was er gemachet hat!
Nun / nachdem wir die Geſtalt der Bergen in etwas vorbetrachtet / wol - len wir auch erſorſchen / wañ / und wie / unſere ungeheure Helvetiſche Bergſaͤu - len entſtanden / und zwaren mit derjenigen Freyheit / welche wir anderen auch goͤnnen / uns gruͤndende vornemlich auf die jezige Beſchaffenheit oder Geſtalt - ſame / welche theils vorbeſchrieben / theils hernach in mehrerem ſol dargezeiget werden / alles dem ungebundenen Vernunfturtheil partheyiſcher Leſeren zur Erdaur - und Verbeſſerung uͤberlaſſende.
Die gemeinſte Meinung der Chriſtlichen Gotteslehreren / und Welt - weiſen / gehet dahin / daß die Berge anfangs / gleich anderen Coͤrperen / von Gott erſchaffen / hiemit gleiches Alters mit der Welt. Jn diſer Meinung beſteiffen ſie verſchiedene Ohrter H. Schrift / diejenige inſonderheit / welcheuns183uns genaue und ſichere Nachricht geben von Erſchaffung aller Dingen. Gen, VII, 19. wird von dem Geheimſchreiber Gottes Moſe die angewachſene Hoͤhe der Suͤndfluthwaſſeren folgender maſſen anbeſchrieben. Und das Waſ - ſer nam überhand / und wuchs ſo ſehr auf Erden / das alle hohe Berg under dem ganzen Himmel bedekt wurden. Fünfzehen Ellen hoch nam das Waſſer überhand uͤber die Berg / die be - dekt wurden. Darmit wil Moſes anzeigen / daß in der Sündfluth keine Flucht / auch auf die hoͤchſten Bergſpitzen etwas denen Menſchen oder Thieren genuͤtzet / und miſſet die Hoͤhe der Waſſeren gleichſam ab an den Bergen / wor - auß nohtwendig zufolgen ſcheinet / daß Berge vor der Suͤndfluht geweſen. Pſalm. XC. 2. wird die ewige Weſenheit Gottes alſo angeprieſen / in Ver - gleichung mit denen erſchaffenen Dingen. Ehe daß die Berge gema - chet waren / und du die Erden hatteſt geſtaltet / ſamt dem Um - kreiß des Erdbodens. Ja von Ewigkeit zu Ewigkeit biſt du Gott; und Pſalm. CIV. 5-10. wird die Gruͤndung der Erden auf die Waſſer / als das dritte Werk des zweyten Tags / alſo umſchrieben: Er hat die Erden auf ihren Boden gegruͤndet / daß ſie ewiglich nim - mermehr vereukt wird. Mit der Tieffe / wie mit einem Kleid haſt du ſie bedekt / die Waſſer erhebten ſich üher die Berg: Aber von deinem beſcheiten flohen ſie / ab deinem Donnerklapf fielen ſie ſchnell ab. Dann richteten ſich die Berg auf / die Thaͤler lieſ - ſen ſich herab an das Ohrt / das du ihnen gegründet harteſt. Wolte man uͤber diß zu Raht zeuhen die Naturweißheit / ſo finden ſich auch Gruͤnde / welche beweiſen / daß Berge vor der Suͤndfluth geweſen. Wie wol - ten uͤber eine ebene / obgleich nach Burnetij Einbildung eyfoͤrmige / folglich ge - gen der Æquinoctial-Lini abhaldige Flaͤche / abgefloſſen ſeyn die Fluͤſſe? Wo wolten gelebt haben die Flußmuſchelen / welche annoch under anderen Ueber - bleibſelen der Suͤndfluth gezeiget werden? Anderer Gruͤnden zugeſchweigen. Vil zwahr von diſer erſten Claß / welche den erſten Urſprung der Bergen von der Erſchaffung herhollen / geſtehen auch / daß in der Sündfluth / und bey anderen Anlaͤſen / durch Aufhauffung der Erden / Sands / Steinen / ſeyen ei - nige Berge entſtanden; ob aber diſen letſteren muͤſſen unſere Helvetiſche Ge - birge zugezellet werden / hab ich bis dato keine Nachricht bey einigen Scribenten gefunden. Wie aber auch bey der Erſchaffung die Berge ſeyen entſtanden / iſt noch ungewiß; gleichwol denen Naturforſchern erlaubt / gleich es auch practiciert wird bey dem ganzen Weltgebaͤu / und beſonderer Erden - geſtaltung / einigen Weiſen der Hervorbringung nachzudenken / welche der Beſchaffenheit der Natur / und denen von Gott in die Natur geſezten Be - weg-Ordnungen gemaͤß / und denen Vollkommenheiten Gottes nicht nach -thei -184theilig ſeyn. Die meiſten bilden ſich die Sach folgender Geſtalt vor / daß Gott durch ſeinen allgewaltigen Arm habe hier und da die Erden ausgegraben / zu logierung der Fluͤſſen / und Meeren / und die außgegrabene Erde angewendet zu Aufbauung der Bergen / und anderen Erhoͤhungen der Erden. Hierwi - der aber laſſet ſich ins Feld Thomas Burnet, ein ſubtilgelehrter Engellaͤnder in ſeiner Theoria Telluris, abſonderlich Lib. I, Cap. XI. allwo er nach der Laͤnge zubeweiſen trachtet / daß zwiſchen denen / auch groͤſten / Bergen / und der Tieffe des Meers und anderer Waſſeren / welche den halben Theil der Erden außmachen / keine Gleichmaß ſeye / wann ſchon die Berge 8. mal hoͤher und groͤſſer weren / als ſie wuͤrklich ſeyn. Es gruͤnde ſich diſere gemeine Meinung auf die Gleichheit der Erden / ſo geſtanden vor der Suͤndflut mit der jezigen / deren ſich auch bedienet haben jene Spoͤtter 2. Petr. III. 4. daß von der Zeit an / da die Vaͤtter entſchlaffen ſeyn / noch alles bleibe / wie es von Anfang der Schoͤpfung geweſen / da aber Petrus an angezo - genem Ohrt / ſie zu uͤberweiſen / unterſcheide die geſtaltſame / und verſchiedene / derſelben entſprechende Zerſtoͤrungen der erſten / und anderen Erden. Daß nach diſer Meinung nicht koͤnne erklaͤhret werden / wie es mit dem Suͤndfluß hergangen / und deſſen Waſſer haben koͤnnen die Spitzen der hoͤchſten Ber - gen uͤberſchwemmen: allermaſſen bey jetziger Beſchaffenheit der Erden acht - mal ſovil Waſſer hierzu noͤhtig weren / als ſich in denen Meeren wuͤrklich fin - den / worzu alle Wolken kaum den achten Theil koͤnnten beytragen. Daß nirgends auf diſer jezigen Welterde einicher Ohrt anzutreffen / deme die Ei - genſchafften und Umſtaͤnde des Paradiſes zukommen / welches zubeweiſen er in dem II. Buch ſeines Werks ſich ſehr bemuͤhet. Es ſeye uͤber diß unaͤnſtaͤn - dig / und der Weißheit Gottes nicht gemaͤß / die heutige ungeſtalte / unbequeme Erdengeſtalt alſo anſehen / als wann ſie vorerſt auß der Hand Gottes alſo kommen waͤre. Es zeige weiters die ganze heutige Erdenform an ein zerbro - chenes Weſen / verderbte Seulen / und zerꝛiſſene rudera eines eingefallenen Ge - baͤus. Wann man ſchon wolte diſer gemeinen Meinung der Gelehrten zu - gefallen ſezen / daß die naͤchſt an Meeren ligende Berg waͤren aufgerichtet wor - den von derjenigen Materi / ſo durch Gottes Geheiß auß der tieffen Meer - grub genommen worden / ſo were doch diſes laͤcherlich zugedenken von denen Bergen / welche weit von dem Meer entfehrnet ſeyn; wie zum Exempel un - ſere Schweizer gebirge / deren Matteri haͤtte muͤſſen über andere hinauß an - hero geworffen werden. So muͤßten nach diſem alten Grundſaz die Berge durch und durch veſt ſeyn / nicht aber hol / ꝛc.
ES beruffen ſich zwahr die Herꝛen Theologi, wann ſie mit Phyſicali - ſchen Gruͤnden nicht weiter kommen / oder zu ihrem Zwek gelangen koͤnnen / auf die wunderwirkende Allmacht Gottes / dero nicht zuvil ſeye geweſen / mit einem einigen Wink die Berge auch von entfehrnteſten Meeren zubringen / und uͤber einander zuſezen: Sie geben aber darmit zuerkennen ih - re Unwiſſenheit in der Naturwiſſenſchaft / und ſezen alſo hindan die von Gott ſelbs eingeſezte / ſtaffelweiſe abſteigende / Ordnung der natuͤrlichen Mittelur - ſachen. Anderer / und anderer / Gruͤnden / welche Hr. Burnet gegen bißher ge - meine Meinung ein führet / zugeſchweigen. Wie wir uns auch nicht diß Orts aufhalten wollen mit weitlaͤuffiger Unterſuchung der Burnetianiſchen Gruͤnden / ob / und wie weit ſelbe den Stich halten? ſondern fortſchrei - ten zu anderen Meinungen anderer gelehrten Leuthen / nachdem wir diſer er - ſten Meinung halb / welche die Berge von der Erſchaffung der Welt herleitet / diſen Vorſpruch geben / daß in der erſten Erde freylich auch Berge geweſen; die Form aber unſerer heutigen Erden-Bergen erſt entſtanden ſeye in dem Suͤndfluß / worvon hernach mit mehrerem.
Es gibt / wie wol wenig / welche der Bergen Urſprung nicht an eine ge - wuͤſſe Zeit / weder an die Zeit der Erſchaffung / noch der Suͤndfluth / binden / ſondern vorgeben / die Berge ſeyen bald in diſem / bald in einem anderen Jahr - hundert entſtanden / und aufgeworffen worden durch den Gewalt der Erd - bidmen / und anderer auf der Erden geſchehenen Zerꝛeiſſungen / alſo daß von denen erſchuͤtteten Erdentheilen hier und da gewaltige Stuͤker in die tieffen Hoͤlen gefallen / andere aber aufrecht ſtehen gebliben / und die Berge geſtaltet hetten. Diſere Grundlehr wird / als oben bereits angedeutet / von wenigen an - genommen / und mag nicht einmal beſtehen bey kleinen von der Feuerſpeyen - den Bergengewalt vermeint aufgeworffenen Berglein / oder Huͤglen / als da iſt der ſogenandte Aſchenberg / Monte di Cenere, in dem Lacu Lucrino, bey Pozzuolo im Neapolitaniſchen / welcher eigentlich von aufgehauftem Sand / Stein / und Aſchen / die der Berg Veſuvius A. 1538. außgeworffen / beſtehet; nimmermehr aber kan diſere Meinung ſtatt finden bey unſeren Helvetiſchen Alpgebirgen / welche an Groͤſſe ſo wol / als Anzahl / anderen vorgehen / und von denen Vulcanis, oder Feuerbergen / entfehrnet ſeyn. So fehr iſts / daß unſereHelve -186Helvetiſche Gebirge von denen Erderſchuͤtterungen haͤtten entſtehen koͤnnen / daß wir im Gegentheil ein trauriges Exempel haben an dem Staͤttlein Plurs / welches mit einem überſtehenden Berg / bey Anlaß eines Erdbidems / wie gemeinlich darvor gehalten wird / in die Erde verſenket worden. Es finden ſich auch / wie oben pag. 16. angezeiget worden / in den Glarneriſchen Gebir - gen hier und da / vermuhtlich von Erdbidmen / eingefallene Gruben / und ſtehet man nicht ohne Urſach in Sorgen / daß in daſiger Gegend ganze Berge einfal - len koͤnten / wann Gott nach ſeiner gerechten Weißheit ſelbiges Land weiters / wie A. 1701. und 1702. heimſuchen wurde mit vilen nacheinander folgenden Erdbidmungen. Es muͤßen die Liebhabere diſer zweyten Grundmeinung / wann je ein Grund darbey iſt / uns aus den alten Geſchichtbuͤcheren zeigen / daß in diſem oder jenem Jahrhundert / diſe oder jene Berge / in diſem oder je - nem Land entſtanden / und beneben ſtaͤrkere Beweißthum aus dem Schaz der Natur ſelbs herbringen / wann ſie ſich eines Beyfalls wolten getroͤſten; da hingegen gewiß / daß die Geſtaltſame der Bergen mehr wider / als vor ſie / ſtreitet.
Die dritte Haubtmeinung iſt des oben geruͤhmten Thomæ Burnetij, welcher der Bergen Urſprung hernimt von der Sündflut / und wol würdig iſt / in ihrer natuͤrlichen Geſtalt vorgeleget / und aber auch auf die Prob geſetzet zu werden. Jch wil deßwegen / was er in einem ganzen Buch weitlaͤuffig dar - tuht / kurz und begriffenlich zuſamen faſſen / und des gelehrten Leſers Urtheil / die Burnetianiſchen Gedanken unterwerffen.
Die Mittlere feſte Erde / oder der innere Kern der Erden / war rund / und beſtuhnde auß denen ſchwereren irꝛdiſchen Theilẽ / welche von der damals noch finſteren Chaotiſchen Luft rings herab fielen. Ueber diſe Erden war auch rings um der Tehom-rabbah,〈…〉〈…〉, ein tieffer Abgrund der Waſſe - ren / auf deſſen Oberflaͤche ſich ſamleten vil zaͤhe / leichte / oͤhlichte / hartzichte / und waͤſſerige Theil / woraus geſtaltet wurde der auſſere / bewohnete / Erdkreiß. Diß ware der Zirkel / den Gott über die Tieffen geſtelt. Prov. VIII. 27. Alſo hat Gott die Erden auf das Meere gegründet / und uͤ - ber die Waſſerflüſſe gebauet / Pſalm. XXIV. 2. Die Erden uͤber das Waſſer ausgedehnet. Pſalm. CXXXVI. 6. Jn diſem Ey (dann die erſte Erde nicht rund ware / ſondern eyfoͤrmig / ja eben das Ey / von welchem Orpheus, und andere weiſe Heiden / ſo vil geſchrieben) ware hiemit das innere ober gelbe / die innere unter dem Abgrund gelegene Erde; das weiſſe / der Ab - grund der Waſſeren ſelbs; die Schale / die auſſere bewohnete Erdenrinde. Diſere von den Menſchen bewohnete Erde ware ganz anderſt geſtaltet / als die heutige: eben / durchaus gleich / ohne Meer / ohne Berge. Sie hatte auch eine andere Situation gegen der uͤbrigen Welt / allermaſſen ihre Ax gleich geſtelletwar187war mit der Ax der Sonnenſtraß ſelbs / welche nun 23½. Grad von jener / oder der Weltax / entfehrnet. Auf diſer erſten Erden regierte ein beſtaͤndig ſtille / angenehme Fruͤhling Luft; aller Ohrten war alles fruchtbar; Ein durchge - hendes Paradiß: die Menſchen erſtrekten gemeinlich ihr alter auf etlich 100. Jahr. Die Luft wurde nicht beunruhiget durch ſtarke Plazregen / Hagel / und andere Ungewitter. Die Fluͤſſe floſſen ſanft von beyden Polis gegen der Mit - te / und wurden alldort unter dem Æquatore in ſandichter heiſſer Erde ver - ſchlungen. Auf ganzer Erde ware das ganze Jahr aus eine beſtaͤndige gleich - heit der Naͤchten und Taͤgen. Jn ſolcher / bißher beſchriebener / Geſtalt bliebe die Erde biß zum Suͤndfluß. Nach und nach aber wurde diſere obere Erden - rinde durch unnachlaͤßliche Sonnenhiz / und immer aus dem Abgrund auf - ſteigende Waſſer duͤnſte alſo theils ausgeſogen / theils weich gemachet / daß ſie hin und wider Spaͤlt geworffen / und endtlich / nachdem die Maß der erſten Suͤndenwelt voll war / aus gerechter Verhaͤngnuß Gottes durch natuͤrliche Urſachen zerſtoͤret. Es fiele diſes Erdengewoͤlb ein. Es brachen alle Brunnen der groſſen Tieffe / des Tehom-rabbah, oder Abgrunds / auf / und taͤhten ſich auf die fenſter des Himmels / und kam ein Re - gen auf Erden vierzig Tage / und vierzig Naͤchte. Gen. VII. 11. Alſo ward die Erde / welche aus dem Waſſer beſtanden iſt / durch Gottes Wort / mit dem Waſſer ertrenkrund verdorben. 2. Petr. III. 5. 6. Von diſem Einbruch - oder Einfahl / der auſſeren Erden / hat ihren Urſprung / oder Anfang / genommen die jezige unebene / in Berge / Thaͤler / Meer / und Fluͤſſe abgetheilte Erde. Nicht nur verenderte ſich die ganze auſſere Geſtalt / ſondern ſie ſelbs ſenkte die Ax ihrer Ecliptic umb 23½. Grad von der Weltax ab / und entſtuhnden daher die Ungleichheiten der Naͤchten / und Taͤgen / ſo auch der Jahrzeiten / des Fruͤhlings / Sommers / Winters und Herbſts. Was ins beſonders antrift den Urſprung der Bergen / mit welchen wir dißmal uns vornemlich beſchaͤftigen / iſt derſelbe auß denen Burnetiani - ſchen Grundſaͤzen ohnſchwer zufaſſen. Da das Erdengewoͤlbe eingefallen / haben ſich einige Stuͤker in die Tieffe des Abgrunds geſenkt / andere aber / wel - che ohngefehr einander entgegen gefallen / haben ſich gegen einander geſtuͤtzet / des falls erwehret / und hernach die auſſere abhaldige / trokene Erde / ins beſon - der die Bergſpitze geſtaltet / welche hiemit anzuſehen ſeyn / als uͤbrige Saͤulen eines eingefallenen / und gebrochenen Gebaͤus / welche einander aufgehalten. Es laſſet ſich auß diſem Grundſatzleicht abnehmen / warum die Geſtalt der Bergen allgemaͤchlich ſich zuſpitze / und ohne Ordnung eingefallene Mauren eines zerbrochenen Gebaͤus vorſtelle? warum die Berge inwendig hol? wa - rum die Bergichte Laͤnder gemeinlich denen Erdbidmen unterworffen? und bey denenſelben etwann ganze Staͤtte / und Laͤnder / einſinken? woher ent -ſtan -188ſtanden ganze Bergreyen / welche gleich Ketten die ganze Erden umfaſſen? Diſere Grundlehr Burnetij funde bald / wie ſie neu / und mit allerhand / von al - len Ohrten her zuſamen gezogenen Gruͤnden / treflich / mit ſchoͤner Schreibart / außgeſchmuket geweſen / einen groſſen Ruhm in der gelehrten Welt; aber auch vil / welche diſes Burnetianiſche Erdengebaͤu moͤglichſter maſſen einzureiſſen getrachtet / einen Herbert, Warren, Beaumont, einen St. Clair, einen Mark, Buſſing, Bircherodium, welche ihme offentlich den Krieg angekuͤndet / vil an - dere / welche mit verdekten Nahmen wider ihn geſchrieben; der einte Theolo - giſch / zum Schutz der H. Schrift / ins beſonder Moſis, deſſen Anſehen Burnet in den Augen einiger eyfriger Gotteslehreren ring zuachten ſcheinet: ein ande - rer führet ſich auf / als einen Philoſophum, oder Naturlehrer / und greift vor - nemlich an ſeinen Erdenbau: ein dritter nimmet ins beſonder vor ſich die erſte Situation der Erden in Anſehung der uͤbrigen Welt: ein vierter ſtreitet mit Geiſt - und Natuͤrlichen Waffen; ſo daß Hr. Burnet gleich iſt einer Zielſchei - be / nach welcher jedermann ſein Geſchoß richtet. Jch meines Ohrts unterſte - he mich nicht / gegen einem ſolchen Mann / wie Burnet iſt / offentlich ins Feld zulaſſen / um ſo vil weniger wurde es tuhn / weilen vil ſchoͤne Sachen in ſeinen Schriften finde / obgleich frey bekenne / daß auch vil Sachen / welche abſonder - lich die verenderte Geſtalt der auſſeren Erden angehen / mir nicht ein wollen. Sein ganzes Syſtema, oder Grundgebaͤu / hat einen ſchoͤnen Schein / es komt mir aber vor / als ob es mehr aufgefuͤhrt were nach denen Reglen ſeines Ge - hirns / und Einbildung / als nach der Richtſchnur der Natur ſelbs. Diſe gan - ze Geſtalt der auſſeren Erden / abſonderlich der Bergen und Thaͤleren / kom - met ihm vor als ein Sach / welche par hazard bey dem Einfall der obern Er - denrinde entſtanden / da ich hingegen darvor halte / und hin und wider bereits dargetahn habe / daß die ganze auſſere Erde / abſonderlich alle Berge / Felſen / Hoͤlinen / alſo / wie ſie ſtehen / von Gott ſelbs angeordnet / und gebauet / zwar auch durch Einfall / ein rechtes Meiſterſtuk goͤttlicher Allmacht / Weißheit / und Guͤte ſeyen; daß die Erde / und Berge / nicht ungeſtalt / ſondern in ihren vilfal - tigen Abenderungen einenſonderlich ſchoͤn gezierten Schauplaz darſtellen / daß nichts uͤberfluͤſſig / ſondern alles zu gewiſſem Abſehen / und Gebrauch diene. Daß man bey genauer Unterſuchung genug Waſſer in dem Abgrunde / und den Meeren antreffe zu Uberſchwem̃ung der hoͤchſten Bergen / ohne mit Bur - netio einen neuen Erdbau außzudenken / oder mit einichen Theologen aus mangel anweſender natuͤrlicher Urſachen die Allmacht Gottes anzuruffẽ. Das die Ueberbleibſelen der Sündfluth / auf welche wir / als auft in feſtes Funda - ment muͤſſen unſere Ver-nunft-Schluͤſſe von dem Unterſcheid der erſten / und zweyten Erden / bauen / das Burnetianiſche Gebauͤ von ſelbs niderwerffen. Daß eine beſtaͤndige gleiche Waͤrme / wie ſolche Burnet ſich vorbildet / die erſte Erde nicht nur nit zu einem Paradeiß / ſondern vilmehr zu einer Wuͤſteney gemachet hette.
DJe Zeit laſſet mir nicht zu / ſolche Sachen nach ihrer Weitlaͤuffigkeit außzufuͤhren; Jch wurde ſelbs von meinem vorhabenden Zwek des Urſprungs der Bergen abweichen. Fahre deßwegen fort.
An die Spize einer vierten Claß ſtellet ſich Hr. Joh. Woodvvard, der Arzney-Doctor / von der Koͤniglich Engliſchen Geſellſchaft / und Profeſſor Phy - ſicæ in dem Collegio Greshamenſi in Londen / mein ſehr wehrter Freund. Di - ſer Herꝛ gruͤndet ſeine Vernunft-Schluͤſſe vornemlich auf die Erfahrung / oder jezige Beſchaffenheit der auſſeren Erde / in welcher er / gleich als in einem Spiegel ſich und anderen vorſtellet die erſte und zweyte Erde auf ſolche Wei - ſe / welche mit der H. Schrift gar ſchoͤn uͤbereintrift / und wol verdienet / dem ge - ehrten Leſer in kurzem Begriff vorgezeiget zu werden / um ſo vil mehr / weil dar - auß flieſſet der Bergen Geſtalt / und Anfang. Nach diſer Grundlehr war die Geſtalt der erſten Erden / vor dem Suͤndfluß / auch / wie die jezige / uneben / abge - theilet in Berge / Thaͤler / und ebene Lande / unterſchieden durch Meer / See und Fluͤſſe. Das Meer mit übrigen Waſſeren hatte gegen der trokenen Er - den eine Gleichmaß / wie annoch. Das Meer war geſalzen / wie jezt / und hat - te ſeinen Auf - und Ablauff. Jn dem Meer / Seen / und Fluͤſſen war eine groſ - ſe Menge allerhand Fiſchen / Krebſen / und anderer Thieren / deren Geſchlecht annoch uͤbrig ſeyn.
Auf der Erden waren eben diejenigen Arten der Baͤumen / Stauden / und Kraͤuteren / vierfuͤſſigen Thieren / Ungezifer / und Voͤgel / welche wir an - noch haben; von gleicher Geſtalt / Groͤſſe / Farben; Jn der Erden gleiche Me - tall / und Mineralien / mit den unſrigen. Die ganze Erde hattegleiche Stel - lung gegen der Sonn / wie jezt / folglich waren dort / wie hier / gleiche Abende - rungen der Taͤgen / und Naͤchten / des Som̃ers / Winters / Herbſts / und Fruͤh - lings. Sothane Uebereinkunft der erſten mit der zweyten Erden wird nicht Burnetio entgegen geſetzet auf das alleinige Anſehen der H. Schrift / ſondern gegründet auf die annoch verhandene Ueberbleibſelen der erſten Erde. Se - het / wie die natuͤrliche Hiſtori dienen kan zu Bewaͤhr - und Erklaͤrung deſſen / ſo in dem geoffenbahreten Wort Gottes ſtehet! Gen. I. 9. 10. ſtehet Und Gott ſprach / es ſamle ſich das Waſſer unter dem Himmel anein190ein Ohrt / daß man das trockene ſehe / und es geſchach alſo. Und Gott nennet das trockene Erd / und die Samlung der Waſſern nennet er Meer / und Gott ſahe / daß es gut war. Nun zeigen uns die Wahrheit deſſen auch die uͤberbliebene Meerſchneken / Meerkrebs / Meerigel mit ihren Stachlen / Meerſternen / Meermuſchelen / Zaͤhne / Graͤte / und Gebeine der Meerfiſchen / welche ganz gleich ſeyn an Geſtalt / und Groͤſſe / ja oft auch an der Farb / denen / welche in denen heu - tigen Meeren verhanden. Und / lieber / wie wolte der Menſch geherꝛſchet haben über die Fiſch im Meer / Gen. I. 28. Wann daſſelbe unter der oberen Erdenrinde in dem tieffen Abgrunde verborgen geweſen were? Es we - re Adam ein armer Herꝛ geweſen uͤber Sachen / die er niemal geſehen hette / wil geſchweigen / daß er mit denen erſten Erdenbewohneren hette koͤnnen die ſchmakhafte Suͤſſigkeit derſelben ſchmecken. Wir gehen noch weiter / und ſa - gen / daß in der erſten Erden nicht nur etwann irgendwo geweſen ſeye ein ein - geſchloſſen Caſpiſches Meer / ſondern ſo vil und weite Meer / als jezund ſeyn / gegen Oſt und Weſten. Diß nehmen wir ab auß der groſſen Menge und Verſchiedenheit der Ueberbleibſelen der Suͤndfluth / welche heutigs Tags mit groſſem Fleiß in allen Enden der Welt aufgeſucht werden. Jn allen Mee - ren gibt es andere Muſchelen / und Thiere / je nach dem ſie unter einer Him - melsgegend / Clima, ligen / andere in dem Mittellaͤndiſchen - Teutſchen / Æthio - piſchen / Jndiſchen Meeren; Nun finden wir / nicht nur in einem Land / ſonder in allen Theilen der Welt / Muſchelen von allen diſen Meeren. Unſer Schwei - zerland allein hat eine zimliche Anzahl ſolcher verſchiedener Arten. Wir ha - ben Perlen - und andere Muſchelen auß den Oſt - und Weſt-Jndiſchen Mee - ren / und nehmen darauß ab / daß nicht eine jede Muſchel widerum geſunken an dem Orth / oder in dem Land / an deſſen Uferen ſie gelebet / ſondern daß in der Sündfluth ein ſo gewaltige Bewegung ſchwerdicker Wellen geweſen / daß auch die Meerſchuͤlffen von den entfehrnteſten Enden der Welt in unſere Land getragen / und bey uns abgeleget worden. Es muͤſſen die Meer auch vor der Suͤndfluth geſalzen geweſen ſeyn / wie jezund / weilen ſonſt obbenennte ſcha - lichte Thiere und Fiſch nicht haͤtten leben koͤnnen. Das auch das Meer dazu - mal gehabt habe ſeine Ebbe / und Flut / nehmen wir ab nicht allein von dem Nuzen / welche diſere Bewegung mit ſich fuͤhrt / ſondern auß dem / weilen wir hier und da die Ueberbleibſelen der Muſchelen auf gleiche Weiſe aufeinander gehauffet / theils zerbrochen / theils eingebogen antreffen / wie ſie annoch heut zu Tag gefunden werden an den Uferen / da das Meer ſeinen Zu - und Ablauff hat. Daß vor dem Sündfluß Fluͤſſe geweſen / merken wir ab auß denen an - noch uͤbrigen See - und Fluß-Muſchelen / welche nirgends als in ſuͤſſen Waſſeren leben / von welchen auch wir in unſeren Landen / ſo wol in Waſſerenals191als auf den Bergen / eine zimliche Anzahl finden. Sein Fluͤſſe geweſen / ſo hat nohtwendig die Erden müſſen uneben ſeyn / und bergicht / weilen die Fluͤſſe auf den Bergen entſpringen / und durch die Thaͤler / als abhaldige Flaͤchen / abflieſ - ſen. Es muß in der Erden / Meeren / und Flüſſen / eine ungemeine / dem ſeg - nenden Außſpruch Gottes (Gen. I. 22. Fruchtbarend / und mehrend euch / und erfuͤllend das Waſſer des Meers ꝛc. ) entſprechende Fruchtbarkeit geweſen ſeyn / welches abzunehmen auß der uͤberhauften Menge der Meermuſchelen und Schneken / ſo hier und da an ganzen Klumpen in den Naturalienkammeren gezeiget wird / welche ſo eng in einander muͤſſen gelebet haben / daß dergleichen in heutigen Meeren kaum anzutreffen. An Metallen / Mineralien / Edlen - und anderen Geſteinen hatte die erſte Erde keinen Man - gel. Das erſte Waſſer des Paradeiſes hieſſe Piſon, das umblaufft das ganz Land Hevila, da Gold iſt. Und das Gold deſſelbigen Lands iſt koͤſtlich. Da findt man auch Bdellion, und den edlen Stein Soham. Gen. II. 9. Thubalcain ware ein Gieſſer in al - len Meiſterſtuken eiſins / und ehrens. Gen. IV. 22. Ja ich ſtelle mir die erſte Erde vor alſo / daß die Metall nicht ſo zerſtuͤckelt tieff in engen Aderen / ſondern an groſſen Klumpen oben zu tag gelegen: daß die erſte Erde an aller - hand Baͤumen / und Kraͤuteren / einen groſſen Ueberfluß gehabt / deſſen auch die annoch in allen Landen uͤbrige unterirꝛdiſche Baͤume eine Anzeige ſeyn / und daß in gemein die erſte Erde weit edler / und fruchtbarer geweſen ſeye / als die heutige; uͤberall bedeket mit ſo reinem und koſtbarem Erdrich / welche ihre Pflanzen hervor gebracht / und ernehret in groſſer Menge / ohne groſſe Arbeit / weßwegen die Menſchen Zeit gehabt / dem Muͤſſiggang obzuligen / und ſich allen Luͤſten des Fleiſches zuergeben; und ſich deſto weniger zuverwunderen / daß der Menſchen Boßheit ſehr groß geweſen auf Erden / und all es tichten und trachten ihres Herzens ganz boͤß immerdar / Gen. VI. 5. daß die Erde verderbr war vor Gott / und foll Fre - fels. V. 2. daß ſie aſſen / trunken / nahmen zur Ehe / und gaben zur Ehe. Matth. XXIV. 38. Ein ſolch allgemeines Uebel verdiente eine durchgehende Straff / es müßte aber auch die reitzende Urſach abgethan wer - den / weßwegen Gott / des menſchlichen Geſchlechts allmaͤchtigem Vatter / und reichen Guttaͤhter gefallen / Hand an Heilung ſo allgemein graſſierender Krankheit zulegen / die Welt von dem elenden Stande / in welchem ſie vertief - fet lage / zubefreyen / die Menſchen hinfort von den Wolluͤſten abzuhalten; welches aber der allweiſe Schoͤpfer ins Werk geſezet durch den Suͤndfluß / in welcher Critiſcher Weltenderung die Erde mit den Menſchen ver - derbt worden. Gen. VI. 23. IX. 11. Der Tod / als ein Koͤnig des Schre - kens ſtuhnde vorher 800. und 900. Jahr weit von den Menſchen / durch dieSuͤnd -192Suͤndfluth aber ſttllte ihn Gott in die Naͤhe / daß ihre Tag wurden hun - dert und zwenzig Jahre. Gen. VI. 3. Die reitz - und Lokvoͤgel zur Suͤn - de wurden weggeiagt / dann bey vorgenom̃ener Zermalmung der ganzen Erd - kugel die feißte koſtliche / erſte / dem erſten Stand der Unſchuld entſprechende Erde untermiſchet worden mit vilen ſandicht - und mineraliſchen Theilen weß - wegen ſie hernach mit deſto groͤſſerer Muͤhe / wann man von ihro was wolte haben / muͤßte gebauet / und uͤberal eingerichtet werden nach dem Elend und Duͤrfftigkeit der in die Suͤnd gefallenen menſchlichen Natur. Mit dem auf die Erde ſelbs / nicht nur auf die Bewohnere / außgeſprochenen Fluch / Gen. III. 17. ergienge es / wie mit der dem Adam angedroheten Todesſtraff. Gen. II. 17. Es ſtehet zwar dort / welches Tages du darvon iſſeſt / wirſt du des Todes ſterben. Nun hat zwahren in dem Augenblit / da Eva in den Apfel gebiſſen / die Toͤdlichkeit angefangen / der Tod ſelbs aber koͤnte nicht alſo bald uͤber Adam triumphieren / ſondern erſt nach 900. Jahren. Alſo wol - te Gott nicht alſobald auf die Suͤnde das herꝛliche Werk ſeiner Haͤnden zer - ſtoͤren / und eine ſo ſchoͤne Augenweid in ihrer erſten Blut und Fruͤchten erſte - ken / ſondern die Menſchen ſelbige genieſſen laſſen uͤber die 1600. Jahr. Erſt nach dem Suͤndfluß / und uͤber die Erde ſelbs ergangenẽ Straffe / thate Gott dem Noah diſe Verheiſſung: Jch wil hinfuͤr nicht mehr die Erde verfluchen um der Menſchen willen. Gen. VIII. 21. allwo / gleich auch Gen. IX. 11. klaͤrlich zuſamen geſezet wird der Fall Adams / und der Fluch / den Gott an der Erde in der Suͤndfluth follſtrekt hat. Die Hiſtori des Suͤnd - fluſſes habe bis dahin in erforderlicher Weitlaͤuffigkeit / aber auch moͤglicher Kuͤrze / eingefuͤhrt / weilen auch die Geſtalt unſerer Helvetiſcher Gebirgen bey Anlas diſer erſten Erdenzerſtoͤrung entſtanden / und verdienet ſonſten eine ſo erſchroͤkliche Umkehrung und Zermalmung des koſtlichen Erdenbaus / und darbey vorgefallene Gichtriſche Erſchuͤttungen / daß ſie zum ſchreken und nach - richt der gottloſen Welt wol unterſuchet / und in Geſtalt einer Tragedi zum oͤfteren vorgeſtellet werde. Es iſt ja entſezlich zugedenken / daß alle Berge / Stei - ne / Metall / Mineralien / Erde / Sand; die vierfuͤſſigen / fliegende / kriechende / und ſchwimmende Thiere / die Baͤume / Stauden / und alle Gewaͤchſe der Er - den / mit den Menſchen / zermalmet / und ſo zureden in ein Muß verwandelt worden. Daß deme alſo / und diſere Anfangs der Vernunft widrig ſcheinen - de Erklaͤrung der Suͤndfluth nicht unter die ohngruͤndlichen Hirngedichte zuzehlen ſeye / laſſet ſich ganz gewiß ſchlieſſen auß Betracht - und Unterſuchung der oberen Erde / ins beſonder aber auß denen gewiſſen / ohnzweifelhaften / Ue - berbleibſelen der erſten Welt / welche nicht nur oben auf der Erden-Flaͤche / in den Aekern / ligen / ſondern iñert den haͤrteſtẽ Felſen / Marmlen / in tieffẽ Stein - bruͤchen / Kohl Erz und anderen Bergwerken anzutreffen ſeyn. Wie wolten ſie in ſolche Steinfelſen / und erhartete Tieffen kommen ſeyn / wann diſe nicht auch ein weicher Lett / oder lindes Sandgemuͤß geweſen?
WAn gewahret uͤber diß / ſo tieff als man in die Erden komt / daß die Theil der oberen Erden nicht nur Lagerweiſe uͤber einander ligen / ondern auch jede an dem Ohrt / welches ihnen zukomt in Anſehung ihrer Specific-Schwere / die ſchwerſten Coͤrper und Coͤrperlein unten / in den tiefſten Erzgruben / hernach die um etwas leichtere / bis endlich oben auf der Er - den flaͤche ligen blieben die luftige / leichteſte / Gartenerde. Wie aber wolte diß alles geſchehen ſeyn ohne vorhergegangene Zermuͤrſung der Erden / und dar - auf gefolgte Senkung der aufgeloͤßten Theilen? Wie wolten entſtanden ſeyn die ſo ordenklich auß Steinen / Marmlen / Kohlen / Erden / Kreiden for - mierte Lager / welche wir vor Augen ſehen in unſeren Helvetiſchen Gebirgen / und anderſtwo in Kohl-Stein-Erzgruben? Nicht nur aber zeiget ſich die Wahrheit diſes Sazes bey denen Lageren / Stratis, welche beſtehen aus lau - ter Marmor-Sand-Kohlen-Kreiden-Metalltheilen / ſondern auch auß al - lerhand in ihnen enthaltenen frembden Theilen / welche auch an denen Ohrten ligen / da ſie in Anſehung ihrer Schwere hingehoͤrt. Hierinn geben ein groſſes Liecht die Ueberbleibſelen der Suͤndfluth / welche in denen Stein - und Erden - Lageren eingeſchloſſen ſich finden. Diß iſt die Urſach / warum die aller ſchwer - ſten Muſchelen und Schnecken am tieffſten geſunken / und gemeinlich ſich fin - den in denen Lageren von Steinen / Marmor / und anderer ihnen gleich ſchwe - rer Materi: die leichteren Schuͤlffen aber ſich eingemiſchet in eine leichte Ma - teri / als da iſt die Kreide / welche / wo ſie nicht vorhanden ware / ſeyn ſothane Muſchelen abgelegt worden in der oberſten Erde / nahe bey der Flaͤche. Da - her komts / daß die ſogenandte Echini, Meerapfel / Seeigel / gemeinlich ange - troffen werden in Kreidengruben / welche Ueberbleibſelen deßwegen gemein ſeyn in Engelland / da vil Kreiden / ſeltſam aber in anderen Europeiſchen Lan - den / daher komt es auch / daß man ſo wenig mehr findet von Krabben / Krebſen / und andern leichteren ſchalichten Thieren / weilen dieſe auf der oberſten Erden ligen blieben mit denen Leichnamen der Menſchen / vierfuͤſſigen / fliegenden und ſchwim̃enden Thieren / und ihren Theilen / als Gebeinen / Hoͤrneren / Zaͤhnen; ſo auch denen Baͤumen / Stauden / Planzen / Geſaͤmen / und Fruͤchten / von welchen allen wir gleichwol in unſeren Raritetenkammeren unlaugbare Uberbleibſelen zeigen koͤnnen / und zwahren ſolche / welche auch in tieffen Ohr -ten194ten der Erden / als in Bergwerken / gefunden werden / dahin ſie aber nidſich ge - zogen worden / nicht ſo faſt in Kraft ihrer eigenen Schwere / ſondern / weilen ſie ſich angehenket an einer metalliſchen / oder anderẽ ſchwereren Materi / und dar - mit zu Boden gezogen worden. Man findet / auch in unſeren Schweizeriſchen Landen / an ſolchen Ohrten / da ſonſt niemal Waͤlder aufgewachſen / ohnweit von der oberſten Erdenflaͤche / ganze Lager von Baͤumen / Stauden / Fruͤchten und Geſaͤmen / welche zuweilen noch zimlich friſch / und unverweſen / wann ſie namlich abgeleget worden in einem balſamiſchen / fett-oͤhlichten / ſchwefelichten oder harzichten Grund / darinn ſie / recht zureden / balſamiert worden. Was oben auf der Erdenflaͤche ligen blieben von allerhand Thieren / und Pflanzen / daß hat die erſten Erdenbewohnere / und Nachkoͤmmlinge des Noah erinne - ren koͤnnen der ſchweren / uͤber die Erden ergangenẽ Straff / bis ſelbige Coͤrper nach und nach verfaulet / von der Luft / Winden / Wetter / Regen / verzehret / von Menſchen / und Thieren zertretten / und alſo zu nichten gemachet worden / ausgenommen die / welche mit einer ſteinichten Materi ſich vereinbaret / eine Steinart an ſich genommen.
Auß bißherigem erhellet ſich genugſam / daß die jezige obere Erdengeſtalt / ja villeicht die ganze Maſſa des Erdencoͤrpers / alſo / wie ſie iſt / formiert worden in der Suͤndflut. Wir wollen aber jezt auch ſehen / wie? und ins beſonder / wie unſer gebirgichtes Schweizerland ſeine Form bekommen?
Nachdem die Maß der erſten Suͤndenwelt foll werden / und Gott nach ſeiner heiligen / und gerechten Vorſehung die Erden ſamt ihren Bewohneren wolte mit dem Suͤndfluß ſtraffen / da brachend alle Brüñen der groſ - ſen Tieffe auf / und thaͤten ſich auf die fenſter des Himmels / und kam ein Regen auf Erden vierzig Tag / und vierzig Naͤchte. Gen. VII. 11. Hier zitteret das Carteſianiſche Erdengebaͤu / wei - len vermuhtlich in einem groſſem Raum gegen dem Mittelpunct der Erden anſtatt des Feurs / Waſſer / und eben diß Waſſer der groſſe Abyſſus, oder groſ - ſe Tieffe / geweſen. Die erſte Erde war / wie wol zuvermuhten / nicht ſo feſt und hart / wie die jezige / ſondern muͤrber / die Felſen waren nicht feſter / als Sand - ſtein; die Metall in kleinen / meiſtens gedigenen / Nierenſtuͤklein; Nun war zu Zermalmung eines ſolchen harten Coͤrpers mehr nicht noͤhtig / als daß nach dem Geheiß des Schoͤpfers das naͤchſte / ob dem Abgrund ligende Felſenge - woͤlb eingeſunken / die Waſſer darauf nach ihrer minderen Schwere uͤber ſich geſtiegen / und alſo die ganze Erde / welche ohne dem hier und da ihre Waſſerge - halter / wie annoch / hatte / durchgetrungen / alle Theil derſelben voneinander ge - ſoͤnderet / alles luk gemachet / bis endlich die Waſſer uͤber der Erdenflaͤche in die Hoͤhe angewachſen / und die Berge ſelbs eingeſunken / worauf alles Fleiſch / ausgenommen / was in der Arch war / und denen noͤhtigen Fiſchen / zu Grundgangen /195gangen / und die Erde eine ganz runde mit Waſſer untermengte Kugel außge - machet. Jn ſothanem Stand koͤnte die Erde - und Waſſerkugel nicht lang bleiben. Jn diſem fluͤſſigen Gemeng waren allerhand Gattung Theil: die ſchwereren muͤſten zu Boden ſinken / und die leichteren oben auf zu ſchwimmen kommen. Wann diſe Geſchaͤft allein der Natur und deren Geſaͤtzen were uͤ - berlaſſen worden / ſo weren alle irꝛdiſche Theil geſunken / und alle waͤſſerichte / mit denen oͤhl - und harzichten / oben geblieben: Alſo dann were heraus kom - men eine ebene / kugelrunde / Waſſer flaͤche / welche allein denen Fiſchen zu gut kommen were. Es wolte aber Gott haben eine neue Erden / die da tauglich were zu beherbergen / und zuernehren / die Menſchen / und alle Art Thier / und widerum hervorzubringen Graß / Kraͤuter / und Baͤume. Wie mag aber diß hergegangen / und die jezige Erdengeſtalt heraußkommen ſeyn? Hierzu hat Gott nach ſeiner unendlichen Weißheit unendtlich vil Wege koͤnnen auß fin - den / und ſtehet jedermann frey / in ſeinem Gehirn nachzudenken / und ſolche Grundſaͤze außzufinden / welche den Vollkommenheiten Gottes nicht nach - theilig / und ſelbs / wo nicht eine uͤbernatuͤrliche Kraft hat muͤſſen angewendet werden / denen Bewegungsreglen / welche Gott ſelbs zum Urheber haben / ge - maͤß ſeyn. Jch meines Ohrts faſſe die Sach alſo / laſſe mich aber gern eines beſſeren berichten / und unterꝛichten. Nachdem die Erde ihre Zermuͤrſung - Straff außgeſtanden / haben ſich die ſchwerſten / ſonderlich reiche metalliſche Theil vorerſt geſenket / weilen aber der Weg bis zum Mittelpunct der Erden weit / haben vil einander begegnet / und in groſſe Felsklumpen ſich vereiniget / welche dann mit deſto mehrerem Grad der Geſchwindigkeit ihren Fall fortge - ſezt / und nebſt Obſichſtoſſung vilen Schlamms / und Waſſers / auß dem mit - leren Erdenpunct / gleichſam ein Gewoͤlb / wie wol in zimlicher Weite von dem Mittelpunct formieret / oder ſonſten ohne Ordnung allerhand Hoͤlinen zwi - ſchen ſich geſtaltet. Diſe innerſte Erdengeſtalt iſt vermuhtlich nicht ſo orden - lich in Srrata oder Lager abgetheilt / wie die obere / weilen erſtlich die metalliſche Theil an Gewicht merklich unterſchieden / nicht ringsherum gleich haben koͤn - nen außgetheilet ſeyn / und ungleich groſſe Klumpen haben muͤſſen außmachẽ / welche dann nicht ſo ordentlich auf einander haben koͤnnen zu ligen kommen; da wir hingegen auf der oberen Erde mehr gleichſoͤrmige / an Gewicht nicht ſo weit verſchiedene Theil antreffen / welche bey verminderter Bewegung ſich gar ordentlich auf einander geſchicket / und gewiſſe Lager geſtaltet haben. Di - ſe Lager ſeyn zweifels ohne / als auß ihrer gegenwaͤrtiger Beſchaffenheit abzu - nehmen / anfangs ringsum die Erden flach / und horizontal geweſen; weilen aber auf ſolche Weiſe die Erdengeſtalt auch platt / oder eben / heraus kommen were / gleich jener erſten Burnetianiſchen / als haben die Strata ihre Situation ge - enderet / ſich hier und da geſenket / wordurch die Unebenheit der Erden entſtan -den196den. Anlas zu diſer Senkung / ja wuͤrklichem Einfall der oberen Erdenlage - ren / hat gegeben die verenderte Situation der unterſten Felß - und Metallklum - pen / welche anfangs nur obenhin aneinander gehalten / hernach aber bey Zu - nehmender ſchweren Truckung / und Abſtoſſung der Ecken / welche ſie zuſamen gefüget / hier und da eingeſunken / und denen oberen Erdenlageren auch An - las gegeben / einzuſinken / an den einten Ohrten / wo hernach die Meer entſtan - den / tieffer / da ſie hingegen anderſtwe / gleich vilen gegẽ einander geſteltẽ Saͤu - len / in der Hoͤhe ſein erhalten worden / gleich in unſeren Helvetiſchen / und an - deren / hohen Gebirgen. Wer die Geſtalt unſerer Bergen / und deren ordentli - che Abtheilung in gebrochene Strata nur anſchauet / der wird bald begreiffen / ja mit offenen Augen ſehen koͤñen die erſte horizontal Situation der Lageren / und hernach gefolgte Einſink - und Brechung derſelben. Jene iſt an etlichen Ohr - ten in Vorſchein. Ja man findet ſolche Lager / welche gleich als uͤber einen fe - ſten Ruhepunct gebrochen / beyderſeits gegen zwey Thaͤler abgeſunken ſeyn. Einmal laſſet ſich die Wahrheit diſes Einfalls nicht in Zweifel ſezen. Nach - dem die irꝛdiſchen Theil durch ihren ſenkelrechten Fall ordentliche Lager rund um die Erdenkugel formieret / waren die Waſſer oben; nachdem aber die Strata gebrochen worden bey Anlas der unterſten Metall - und Felßklumpen / verlieff ſich das Waſſer von der Erden immerhin / und nam ab / Gen. VIII. 3. Es fande das Waſſer ſeinen Ablauff durch die Spaͤlte der zer - brochenen Lageren in die Hoͤlen der Erden / gar bis in den Abgrund / und waͤh - rete diſer Ablauff ſo lang / bis die Waſſer des Abgrunds / die Waſſer in den ho - len Kluͤften der Erden / und die Waſſer in den Meeren / Seen / und Fluͤſſen / in ein Gleichgewicht kommen / in welchem ſie annoch ſich befinden. Je tieffer die Lager eingeſunken / je feſter iſt dort die Erde geworden. Daher iſt kein Zweifel / daß die unter den Fluͤſſen / ſo gemeinlich durch Thaͤler abflieſſen / ligen - de Erde / Lectus Fluminum, vil feſter iſt / als die / ſo unter den Bergen liget / nicht ohne ſonderliche Fuͤrſehung des Schoͤpfers / und vile von dem Lauff der Fluͤſſen auf die Einwohnere der Erden flieſſende Guttaͤhten. Zu Verſchlief - fung der Waſſeren in die Erde / und Verfliegung derſelben in die Luft / mag nicht wenig beygetragen haben der Wind / welchen Gott ließ auf die Erden kommen / Gen. VIII. 1. welcher Wind vermuhtlich herkommen von Oſten / oder Sudoſt / weilen unſere Ueberbleibſelen der Suͤndflut / die wir in Schweizeriſchen (und anderen Europeiſchen) Landen antreffen / meh - rentheils in dem Mittellaͤndiſchen / und Oſtindiſchen Meeren ihres gleichen Schneken und Muſchelen haben.
ES iſt diſe Materi von der Suͤndflut / und damal geſchehener Einfin - kung der Lageren / wuͤrdig daß ſie wol unterſuchet werde / weilen daher in Erfahrung gebracht wird die foͤllige Beſchaffenheit der auſſeren Erde. Daher komm̃et die unebene Eintheilung derſelben in Berge / und Thaͤ - ler; daher komt die Geſtaltſame der Bergen / und aller ihrer Theilen / Alpen / Staͤflen / Waͤnden / Hoͤlinen. Daher muͤſſen geleitet werden die Urſpruͤnge der Fluͤſſen / Seen / Bruͤnnen / Wolken / zu welchen allen genugſame Materi vorhanden in denen holen Eingeweiden der Erden / ohne daß wir noͤhtig habẽ / zu beſonderer Entdeckung der Bruñenquellen / hinzugehen zu dem Meer / oder beyzuruffen den Regen / und Schnee. Daher iſt zuſchlieſſen / warum bergich - te Lande denen Erdbidmen mehr unterworffen / als andere / ſo tieff und flach ligen? Anderer in der Naturwiſſen ſchaft einflieſſenden Nuzbarkeiten zu ge - ſchweigen.
Jn unſeren wochentlichen Politiſchen Zeitungen von A. 1706. N. 35. ſtehet unterm Titul Nidau vom 19. Augſtm. folgende Nachricht. Es iſt jezt ſchon 10. Tag / daß ein Bezirk Holz naͤchſt bey dem Kloſter Bellelaͤy / 5. ſtund von Biel unaufhoͤrlich brennet / und weil es in dem Boden inſonderheit ſo ſtark angeſezet / hat man es bis dahin nicht loͤſchen koͤnnen / obgleich drey ganze Gemeinden daran arbeiten / einige Stund weit in ſelbiger Gegne ſol ein faſt unleidenlicher Geſtank ſeyn. Von Solothurn lauft Bericht eyn / daß da - ſelbſt faſt ein gleicher Moraſt motte. Uber diſe geſchicht nun / welche in mein Vorhaben einlaufft / habe Nachfrag gehalten / und in Erfahrung gebracht / daß um Bellelaͤ / Bellelais, Bellelagium, Bellagium, ſo eine Apthey / Præmon - ſtratenſer Ordens / im Baſter Biſtum / eine Moer aerde, moraſtige / ſumpflch - te / ſchwefelichte Torfferde / welche von der Sonnenhitz außgetroknẽt auß Un - achtſamkeit der Anwohneren / oder auß Vorſaz einiger Boͤßwilligen ange - zuͤndet worden / und das Feuer wuͤrklich ſolcher maſſen um ſich gegriffen / daß man in Forchten ſtehen muͤſſen der benachbarten Haͤuſeren / und anſtehendenWalds /198Walds / wo nit theils durch Eimer folle Anſchuͤttung des Waſſers / theils durch außgeſtochene Graͤben waͤre dem mottenden Freſſer gewehrt worden. Auß Gegenhalt diſes Berichts kan der geehrte Leſer ſehen / wie ſich die Zeitungen pflegen zuvermehren.
Den Heum. diſes 1706. Jahrs ſchluge die Strahl zu Albisrie - den / einem Dorff / Zůricher-Gebiets / in Heinrich Weidlers Hauß / erſt - lich in das Kamin / von dem ſie ein Ek weggenommen / darauf fuhre ſie einem Tachrafen nach hinunder auf den oberſten Bvden der Schuͤtte / daß der Ra - fe in mitten ſich zerſpalten / und vil kleine und groſſe Spaͤn außgeworffen: Es wurden darbey auch 80. Ziegel zerſchmetteret / aber gleichwol die Latten unverſehrt gebliben / an welchen auch / gleich in dem ganzen Hauß / wo die Stral durchgefahren / nichts verſengt / oder geſchwaͤrzt worden. Under der Schütti fuhre ſie in ein Kammer / oͤffnete deßwegen in der Maur ein Loch / durch wel - ches man einen Kopf ſteken moͤgen. Von dannen fuhre ſie in die hindere Stu - ben / darinn die Haußleuthe waren / da hat ſie einen Laden in mitten entzwey geriſſen / in die 30. Scheiben zerſchlagen / eine alte Frau von 70. Jahren nider - geworffen / ihro den linken Schuhe / ſamt dem Strumpf / aufgeriſſen / darvon ſie einen brennenden Schmerzen empfunden an dem Schenkel / und in dem Rucken / aber / wider vermuhten / in wenig Tagen wider geneſen. Sonſt ware an ihren Kleideren nicht die geringſte Anzeig eines Feurs zu ſpuͤ - ren. Auß diſer Stuben iſt die Stral fortgefahren in des Beſizers Stuben / auf gleichem Boden; Allhier hat ſich das forder Geſimſe einer halben Hand hoch auß Nutt und Nagel / wie wir zuſagen pflegen / gehebt / ein Raͤchentaſe - len hinder der Thuͤr / und ein halben Fenſterlaͤuffer in mitten der Stuben ge - worffen / etliche Scheiben ſamt der Fenſterꝛam zerſchmetteret. Endlich traf - fe die Stral N. Haͤuſer / einen Mann aus dem Dorff / welcher bey der Thür unterſtuhnde zuruhen / daß er ploͤzlich nider - und zu Tod gefallen. Es ware an ſeinem Leib nichts zu ſehen / als an dem Haubt / deſſen Haar eines Thalers breit gleichſam weggeſchnitten worden: nach abgeloffenen 24. Stunden ſa - he man den Rukgrat blau / als mit Blut unterſchoſſen. Einen Schritt weit von dem Mann war ein 2. jaͤhriges Knaͤblein / und ein erwachſener Sohn vom Hauß / denen aber nichts widerfahren. Jm Keller iſt eine Faßligerig / o - der Balken / aufrecht geſtanden / von der Stral entwey geſpalten / und darbey ein Loch eines Kopfs groß durch die Maur gebrochen worden.
Den 23. Ayril. 1706. hat ein Zeitkuh / dem Conrad Keller / Richter zu Ober-Embrach gehoͤrig / ein Kaͤlblein getragen mit 2. Koͤpfen: das uͤbri - ge war ein Leib.
Jn der Limmeren-Alp / Glarner-Gebiets / hat ein Geiß zu - gleich ein Schaff / und Geiß geworffen.
Am H. Oſtertag 1707. ſahe man zu Biſchoffzell / Sulgen ꝛc. Bey der Abenddaͤm̃erung einen fliegen den Dracken in der Luft / ſo ſich anfaͤnglich wie ein lange Stangen / darauf wie eine gekruͤmte Schlang gezeiget / entlich in 2. Theil getheilet / und nach einer Viertheilſtung lang feurig ſcheinend ver - ſchwunden / da es geſchienen / als ob darvon Feuer auf die Erden gefallen.
Wann irgend wo ein Mineraliſches Bad / in unſeren Helvetiſchen Lan - den / Nutzens / und Luſts halben ſoll beſucht werden / ſo iſt es das Flaͤſcher Bad. Deme uͤber vil andere Baͤder aus den Vorzug gibt eine kommliche / geſunde / und angenehme Situation. Es liget daſſelbe nicht in einer wilden / tieffen / feuch - ten Kruft / noch auf einem hochen / ſchwerlich zu erſteigenden Berg / noch in ei - nem unbewohnten rauchen Thal / dahin man uͤberhoche / gefaͤhrliche Berge muß reiſen / ſonder in einem ſchoͤnen fruchtbaren / an dreyen ſeithen gegen dem Sarganſer - und Schweizerland / gegen dem Rheintahl und Teutſchland / und gegen dem Puͤndtnerland / offnen Gelaͤnde / eine Vierthelſtund von dem Doͤrfflein Flaͤſch / Faliſca, Faliſcum, Flaſconis, Flaſcis, welches vermuhtlich ſeinen Urnahmen herholet von den Faliſcis, welche von Strabone, und Plinio geſezet worden in Hetruria zwiſchen dem Berg Cimino, und dem Tyber fluß / um die Stadt Faliſca, ſo jezt Civita Caſtellata, urſprünglich aber herſtam̃en von Argos in Griechenland. Diſe Faliſcer / oder Flaͤſcher moͤgend wol mit den Tuſcaneren / ſo auch auß Hetruria kommen / under dem Haubtmann Ræto uͤ - ber das Gebirg gezogen / und allhier bey Flaͤſch ſich nidergelaſſen haben / gleich die Tuſcaner bey Tuſis im Domleſchg / welcher Flecken auch da - her ſeinen Nammen bekommen / woruͤber in mehrerem zuleſen Guler. Ræt. p. 4.200p. 4. Von diſem Dorff Flaͤſch ſind A. 1091 vil Guͤter vergabet worden an das Benedictiner-Kloſter Zweyfaltum im Schwabenland von Luͤtold Gra - fen von Alchheim ob Reutlingẽ. Gul. p. 121. b. Es hat auch diß Dorff vil auß - geſtandẽ in den Pündtneriſch-Oeſterꝛeichiſchen Kriegen A. 1621. und 1622. Wie hiervon umſtaͤndlich berichtet Hr. Baſler Pündtnerkrieg MSC. p. 369. 416. 477. Sonſt ligt Flaͤſch im zehendẽ Gericht des Zehen Grich - ten Pundts under der Meyenfelder Herꝛſchaft / und das Bad mit dem Badhauß an einem ſehr luſtigen / erhoͤchten Ohrt / ohngefehr einen Buͤchſen - ſchuz weit von dem Rhein / ſo daß man auß dem Loſament uͤberſehen kan eine weite Landtſchaft / obſich gegen Meyenfeld / Ragaz / Pfefers / nidtſich gegen Sargans / und auf einmahl zu einem Vorſchein hat Felder / Wieſen / Waͤl - der / Waſſer / Berg / in Summa alles / was zu einer vollkommenen Landſchaft gehoͤret; naͤchſt darbey wachßt der edle Flaͤſcher-Wein / welcher mit Recht kan angeſehen werden pro primitiis vini Rhenani, als der erſte und beſte Rhein - Wein / welcher meines Bedunkens an Haltung / und geſunder Wirkung die Jtaliaͤniſchen / und an Staͤrke und Lieblichkeit andere / ſo wol Schweizeriſche / als Teutſche Rhein-wein uͤberſteiget / und den Bad oder Trinkgaͤſten zu groſ - ſem Heil / und Troſt dienen kan / um ſo vilmehr / weilen der beſte von allem Flaͤſcher Wein in des edlen Herꝛen Badbeſizers eigenen Guͤteren wachßt / und Er ſich mit Recht ruͤhmen kan eines koſtlichen Waſſer - und Weinſchazes. Nebſt diſem edlen Weintrank mangelt es nicht an guten / annehmlichen Eß - wahren / welche ſie in wolfeilem Preiß haben / und zubereiten koͤnnen nach Ge - fallen: Es kan auch ein Liebhaber der Jagd in diſer Gegne ihme ſelbs ei - nen Braten auftreiben von fliegendem oder lauffendem Wildpraͤt; ſo findt man auch den edelſten Fiſeh / und gutes Brodt zur Genuͤge. Daß Loſament und Badhauß ſind mit allen erforderlichen Nohtwendigkeiten verſehen. Di - ſere Situationes, Eß-Trink - und Luſt-Vortheile / moͤchte mancher anſehen als unnoͤhtig / welche aber gar vil / ja oft das meiſte beytragen zu glükſeligem Auß - trag der Cur / weswegen ſie mit Fleiß habe der Beſchreibung des Bads ſelbs vorſetzen wollen.
Es quillet das Flaͤſcher Badwaſſer allernechft ob der Badhuͤtte auß ei - nem Felſen / auf welchem der beſte Wein wachſet / an dreyen unterſchiedlichen Ohrten herfuͤr / von wannen es alſobald in zwey groſſe Keſſel geleitet wird / hiemit denen Baderen an der Hand iſt / und nicht durch weiters fuͤhren ge - ſchwaͤchet / oder mit Regenwaſſer vermiſchet wird.
Alſobald / wo das Waſſer hervor quillet / henket ſich an den Felſen an ei - ne Materi / ſo dem Topho, oder Tugſtein / gleich / ohne Geruch / wie das Waſ - ſer ſelbs keinen ſonderlichen Geſchmack / oder Geruch hat / ſonder vilmehr / wañ je ein Geſchmak ihme beyzulegen / milt / und ſuͤßlecht iſt.
WAnn man daſſelbe ſiedet / ſo wird es Milchweiß / wegen vilen irꝛ - diſch - und ſaltzichten Theilen / welche ſich hernach zu Boden ſetzen und an dem Keſſel anhenken in Geſtalt eines Tartari, Toſi, Bad - oder Waſſerſteins / welcher von Anſchuͤttung des Vitriol - oder anderen ſcharff - ſauren Geiſts in einen Jaſt gerahtet / aufgehet / und einen aromatiſchen / ganz lieblichen Dampf / oder Rauch von ſich gibt. Sothane Fermentation iſt anderen Badſteinen / die gemeinlich alle irꝛdiſch Alcaliſcher Natur ſind / ge - mein / es hat aber unſer Flaͤſcher-Waſſer-Stein noch etwas anders in re - ceſſu, und nahmentlich ein ſuͤß-ſaurlecht-zuſamenziehendes braunes Salz / wie ich dann deſſen 7. Drachmen, oder Quintlein erhalten auß 30. Pfund des Steins. Diſes Aluminos-Saltz kan auch mit dem Mund geſpuͤhrt werden in dem Badſtein ſelbs / als der Anfangs zwar ungeſchmakt / jedennoch aber eine zuſammenziehende Suͤſſigkeit hat / auch ſelbs laſſet es ſich ſehen in dem Waſſer / welches / wann es lang geſotten wird / braunlecht wird / und oben auf bekomt eine ſchwim̃ende / oͤhlichte Fettigkeit / welche zum Theil in dem Salz geſpuͤhret wird / und eines verhandene Schwefels Anzeig iſt. Hier - auß iſt zu erſehen / daß wir in unſerem vorhabenden Flaͤſcher Waſſer haben:
1. Das reine / hellautere / an und vor ſich ſelbs in vil Weg geſunde Berg - Waſſer.
2. Eine irꝛdiſche Materi / welche einer geſiegleten Erde / oder dem Spath kan in Anſehung ihres Urſprungs / und Wirkung verglichen werden.
3. Ein Aluminoſes Salz.
4. Einen ſubtilen Schwefel; wo der von anderen ihme zugeſchriebene ſubtile Salpetergeiſt / und Stahel ſeye / kan ich nicht wiſſen / als der die bloſſe braune Farb vor eine undienliche Anzeig des Stahels halte.
Aus jez gefundenen 4. Haubtquellen leite ich her des Flaͤſcherwaſſers Ei - genſchaften und Wirkungen. Und 1. zwaren auß den Waſſertheilen ſelbs eine anderen Bergbaͤderen / und Waſſeren gemeine ſubtil durchtringende / das Geblüt / und Geiſter bewegende / die Gall innerlich demmende / den Jaſt derſel - ben / und des Gebluͤts hinderende / und die kleinſten Aederlein durchlauffende Kraft.
2. Von denen weiſſen irꝛdiſchen Theilen eine auftroͤknende / die Sauͤre ver -ſchluken -202ſchlukende alte flieſſende Schaͤden / und Geſchwaͤr heilende / und den Leib ſtaͤr - kende Eigenſchaft.
3. Von denen Aluminoſiſchẽ Salztheilẽ eine Schleim aufloͤſende / abtrei - bende / die Verſtopfungen wegnehmende / und zugleich auch die zarten Leibs - Zaͤſerlein kuͤzlende / und zu Abtreibung des ihme beſchwerlichen Feinds auf - munterende Wirkung / von welcher auch nicht wenig herꝛuͤhret die zuſamen - ziehende Staͤrke des Waſſers / welche demſelben vor vilen anderen den Vor - zug gibet.
4. Sind die ſchwefelichten Theil anzuſehen als balſamiſch / beſaͤnftigend / und Schmerzen linderend.
Hier auß koͤnnen verſtaͤndige / ſonderlich in der Naturwiſſenſchaft geuͤbte Doctores, denen / und nicht den Vieh - und Stuͤmpel-Arzten / vorgeſchriebe - ne Anatomie des Waſſers / uͤbergibe / erſehen / in was vor Zuſtaͤnden diſes Heilwaſſer zu gebrauchen / und nahmentlich wie es einzurahten ſeye ſo wol in - nerlich / als aͤuſſerlich / denen Gall - und Milzſuͤchtigen / welche von Zeit zu Zeit eine Menge gallichten Schleims in ihrem Magen / und Gedaͤrmen ſamlen / und deßnahen ſo vilen Aufblaͤhungen des unteren Leibs / als auch Verſto - pfung / und Verdickungen des Gebluͤts / Verdunklung der Geiſteren / Un - muth / und Melancholie unterworffen ſind / welchẽ nebſt denen Ordinari-Wir - kungen des Waſſers wol dienet der geſunde Flaͤſcher-Luſt / der edle Flaͤſcher - Wein / der ſchoͤne Proſpect / die angenehmen Spaziergaͤnge / gute Geſellſchaft / und andere dergleichen Gemüht-erfreuende Ding / die man nicht leicht an - derſtwo in compendio beyſamen findt / wie hier die ſo genandte Hypochon - driaci, deren Geſellſchaft in unſeren Landen je mehr und mehr ſich vergroͤſſe - ret / werden bey dem dopleten innerlichen / und aͤuſſerlichen Gebrauch / oder auch bey diſem alle in erfahren / ſonderlich wann ſie herkommen mit einem vor - hergereinigten Leib / wie der gallichte Schleim aufgeloͤßt / die Wind / oder Blaͤſt zertheilt / die Verſtopfungen in ihren kleinſten Aederlein weggehoben / daß Gebluͤt verduͤnneret / die Geiſter aufgewekt / und des ganzen Leibs Zaͤſerlein geſtaͤrket werden. Denen / ſo mit dem Nieren - oder Blaſenſtein beſchwert / dienet ſonderlich diſes Bad zu Aufloͤſung und Außfuͤhrung diſes Tartariſchen Schleims / und Sandes / und folgender Staͤrkung / und Zuſamenziehung der vorher Luken / oder von Sand / und Steinen außgedaͤhneten Nieren-Zaͤſeren / und Harngaͤngen. Wer in dem Magen famlet eine zaͤhe ſchleimichte Ma - teri / ſo an den Waͤnden feſt anklebt / der kan von derſelben erlediget wer - den durch inn - und aͤuſſerlichen Gebrauch diſes Bads / wie der Außtrag er - ſcheint / indeme fothane / dem Magen beſchwerliche / die Daͤuung verhinderen - de / und hernach allerhand Verſtopfungen verurſachende Materi / nachdeme ſie aufgeloͤßt worden durch den Stulgang / oder obſich durch das Erbrechenwegge -203weggehet / mit groſſer Erleichterung des Patienten / deme gleichſam ein ſchwe - rer Steinlaſt weggehoben wird. Die Podagraͤniſchen / und Gleich - ſuͤchtigen muͤſſen ſich gemeinlich hüten vor den Baͤderen / weilen die mehr - mal ihren Zuſtand nur verboͤſeren / hier aber finden ſie groſſe Erlabung / und Troſt / alſo daß in Anſehung diſer armſeligen Geſellſchaft / und ſonſt / diſes Flaͤſcherbad kan angeſehen werden / als ein rechtes Gliederbad; und bezeuget diß die vilfaltige Erfahrung / daß vil von dergleichen beſchwerlich-ſchmerzli - chen Anligen voͤllig bey diſem Heilbrunn euriert worden. Wer die Ingredi - entien diſes Waſſers mit geſunder vernunft anſihet / dem wird es nicht frembd vorkommen; der tartariſche zaͤhe Schleim / als ein fruchtbare Zeugmutter aller Gleichſuͤchtigen / wird bey des durch inn - und aͤuſſerlichen Gebrauch diſes Waſ - ſers aufgeloͤſet / außgefuͤhrt / und darauf die Roͤhrlein / wo derſelbe geweſen / ge - ſtaͤrket / daß ſie hinfort nit ſo leicht alldort logieren koͤñen. Wo die Verſtopfun - gen nit moͤgen aufgehoben werdẽ von denen Waſſertheilchen allein / da helffen / und borꝛen hindurch die Salztheile / ſo in dem Waſſer enthalten / welche auch die Leibszaͤſeren aufweken / und anreitzen zu Abtreibung des Feindes / abſon - derlich koͤnnen Hofnung zur Geſundheit haben diejenigen / bey welchen der rartariſche Schleim annoch in denen Aderlein ſich aufhaltet / und diſe noch nit ihren Tonum, oder Spann und Zuſammenzeuhungs-Kraft verlohren / vor - nemlich auch die / welche mit der ſogenandten fahrenden Gleichſucht be - haftet / bey denen die boͤſe Materi noch im Gebluͤt vàgiert / und bald in dem / bald in einem anderen Glied Schmerzen verurſachet. Dann was anbe - langet die Podagram nodoſam, da der Patient Knotten / oder Knuͤpel an den Glaichen hat / oder gar ſich allbereit in dieſelben außgelaͤhret hat eine kalchich - te Materi / denen dienet zur Nachricht / daß bald gar kein Balſam in Gilead / der ſie heilen kan / daß weder die Waſſer zu Abana / Pfarpfar / Damaſco / noch auch die Waſſer in Jſrael ſie natuͤrlicher Weis heilen moͤgen. Wie der zaͤhe / und oft ſcharffe Schleim in denen auſſeren Gliederen verurſachet allerhand Glieder-Krankheiten / oder Schmerzen / alſo erweket er anderſlwo / wo er ſich hinſezet / und ſtecken bleibt / andere Krankheiten / in dem Magen ein ſchweres Trucken / Undaulichkeit / Blaͤſt in den Daͤrmen / Verſtopfungen / Hartleibigkeit / Wind-Maſſerſucht / Grimmen / in denen Milch - Aederlein / und Kroͤßgefaͤſſen / eine Verhinderung des Nehrſafts / daß der nicht hinkom̃en kan ins Geblüt / und darauf folgendes Abnehmen des Leibs / in denen inneren edleren Theilen des Leibs vilfaltige Verſtopfungen / und daher ruͤhrende ſchwere Krankheiten / in der Leber die Gelbfucht / in dem Milze die Milzeſucht / und Melancholie / in denen Nieren / Harngaͤn - gen / und Blaſen / Stein / Schmerzen / Harnſtrenge / Blutharnen / Hartwerſtopfungen. Jn der Baͤrmuter / und darzu gehoͤrigen Theilen /die204die Zurukhaltung der monatlichẽ Reinigung / und vielerhand Mu - terkrankheitẽ / in denẽ Teſtibus verhinderte Scheidung des geiſtreichẽ Sa - mens / und in beyden Geſchlechten die Unfruchtbarkeit / und Untuͤch - tigkeit / oder Unluſt zu ehelichen Werken; Jn der Lungen / Engbruͤ - ſtigkeit / Huſten. Jn dem Herzen allerhand Polypos, oder Schleim - Gewaͤchß. Jn dem Hirn Außdaͤhnungen der zarten Aederlein / und dana - hen herꝛührende Haubtſchmerzen / Schlaffſuchten / Schwindel / Diſpoſition zu Schlagfluͤſſen; in dem ſo genandten Schleimhautlein / membrana pituitaria, den Schuppen / und vilerhand ſogenandte Haubt - Flüſſe / in dem ganzen Leib eine Matt - und Bangigkeit / allerhand kal - te Fieber. Jn diſen / und vielen anderen dergleichen Zuſtanden / welche die Zeit nicht zulaßt / der Laͤnge nach zu erzehlen / kan ein verſtaͤndiger Arzet / durch Mittel diſes unſers Flaͤſcherbads vil außrichten / wann er vorderſt die Krank - heit wol erkent / und je nach Beſchaffenheit des Alters / des Geſchlechts / und an - derer Umſtaͤnden / die Trink - und Bad-Chur einrichtet. Kommen wir zu aͤuſſerlichen Anligen des Leibs / ſo koͤnte gleichfahls ein ganzer Rodel derſelben aufgeſezt werden zum Lob unſers Heilbads / und zum Troſt der Kranknen. Jch wil nur mit wenig Worten andeuten / wie die zuſamenzeuhende Staͤrk - Kraft diſes Waſſers dienlich denen von allerhand[Ur]ſachen geſchwaͤchten Gliederen / der von ſchweren Geburten verderbten Baͤrmutter / und deren Außfaͤll / in dem Außfahl des Afters / in Leiſtenbrüchen / im Weiſſen Fluß / Guldenen Aderen / allerhand Geſchwulſten / Gliederſchwamm / Geſchwaͤren / Fiſtlen / Flieſſenden Schaͤden / Rauden / &c. Bey welchen aͤuſſerlichen Krankheiten wahrzunemmen / daß denen inſonderheit wird geholffen werden durch ſtarke Einſiedung des Waſ - ſers / auch bis zur braunen Farb.
Es dienet diſe letſte Regel / welche bey wenigen Baͤderen pflegt in Acht genommen zu werden / zur Anweiſung des rechten Gebrauchs / und der Bad - art / welche bey jedem Patienten eigentlich ſol eingerichtet werden nach des Leibs Beſchaffenheit und Zuſtand. Jns gemein zwar iſt zuwiſſen / daß man nicht leicht ſich ſol hieher verfuͤgen Jllotis inteſtinis, mit ungewaͤſchenen Daͤr - men / ſonder vorher zu Hauß / oder in dem erſten Ruhtag an dem Badorth ſelbs den Leib reinigen durch ein kraͤftiges / ſeinem Leib angemeſſenes Purgier mit - tel / und auch in waͤhrender Chur allzeit Achtung geben auf die Oeffnung des Leibs / und ſolche / wo ſie dahinden bleibt / durch leichte Haußmittel / oder kluge erweichende / und anfeuchtende Lebensordnung befoͤrderen.
WEr vor dem Eingang des Bads zu Stuhl gehet / der wird von dem Bad beſſere Wuͤrkung ſpuͤhren. Wer nuͤchtern in das Bad einſi - zen / und darinn bleiben kan / dem iſt es geſuͤnder / als wann er nach ge - meinem Gebrauch den Magen anfuͤllet in dem Bad ſelbs: Wer es nicht ver - tragen kan wegen Gewohnheit / oder Bloͤdigkeit des Magens / der bediene ſich eines Magenſtaͤrkenden Pulvers / oder Treſent / troken / oder auf einer mit gu - tem Flaͤſcherwein angefeuchteten / gebaͤheten Schnitten Brods.
Jm Bad ſelbs muß man ſich munter bezeigen / die Zeit mit angenehmen Diſcurſen zubringen / und nicht leicht ſchlaffen / eſſen / oder trinken: Wer eine Trink-Cur nebſt der aͤuſſerlichen noͤhtig hat / der kan etwan morgen im Bad das Waſſer warm zu ſich nemmen / oder auch wann ers vertragen mag / das Waſſer 8. oder 10. Tag Morgen nuͤchter friſch von der Quell wegtrinken / ſo vil der Appetit leiden mag / und darauf / gleich als auf einen Saurbrunnen / o - der das Pfefers-Bad / ſpazieren gehen.
Der Badgaſt ſol die Grad des Steigens bey der Waͤrme wol in Acht nemmen / und niemahl zu heiß baden / oder gar zu tieff.
Komt er auß dem Bad / ſo kan er ſich / vornehmlich das Haubt mit war - men / von Maſtix beraucherten Tuͤcheren wol abtroͤknen laſſen / und darauf ſich eintweder ins Beth verfügen / oder ſpatzieren gehen / je nach Befindtnuß ſeines Zuſtands.
Die Jahrzeit / in deren man diſes Bad beſucht / iſt die kraͤftigſte von dem Mey bis zu Außgang des Augſtmonats. Die Tagszeit betreffend / ſol man nicht alſobald auß dem Beth ſich in das Bad verfuͤgen / ſonder etwann ein halbe oder ganze Stund vorhero ſich ermunteren: Jm außgehen ſol man ſich ſorgfaͤltig hüten / daß man nicht auß dem Bad alſobald zu Tiſch ſitze / ſondern wenigſtens eine Stund Zwuͤſchenraum habe: ſo ſoll man auch nicht alſobald nach dem Eſſen ins Bad gehen / ſonder ohngefehr 2. Stund hernach / nach - deme der Magen ſeine Daͤuung meiſtentheils verꝛichtet / inzwuͤſchen aber mit ſpazieren gehen / oder anderer maͤſſiger Uebung die Daͤuung befoͤrderen.
Die Zeit / ſo lang man baden ſol / kan man nicht eigentlich benennen / daß ſich jedermann darnach verhalten koͤnne: Erwachſene koͤnnen anfangen bey einer Stund vor / und einer nach Mittag / hernach gemaͤchlich ſteigen an drit -ten /206ten / oder vierten Tag / 2. Vor - und eine Nachmittag / und alſo fortſteigen bis aufs hoͤchſte. Da ſtarke Leuthe gleichwol uͤber 7. oder 8. Stund nicht / und zarte Leuthe nicht über 5. oder 6. baden ſollen. Jſt die Außſchlechte wol dar - auſſen / ſo ſoll man gemaͤchlich wider abſteigen / und ſich wol vorſehen / daß nicht durch unordentliches langes bleiben / oder heiß baden / die zweyte / und dritte Außſchlechte nachgezogen werde / als welche dem Bader mehr ſchaͤdlich / als aber nuzlich iſt / deßwegen wann die erſte Außſchlechte wol geheilet / obgleich es ſchon in der dritten / oder vierten Wochen geſchehen / und man ordentlich / wie geſagt / abgeſtigen / kan man ſeine Geraͤth einpackẽ / und ſich auf die Heimreiß be - geben. Ein abſonderliches Keñzeichen einer follendeten Chur iſt / wañ das Bad ſelbs dem Patienten nach langem Gebrauch anfangt widrig zu ſeyn / oder ih - me von ſelbs erleidet. Jm Fahl die Außſchlechte gar zu lang anhalten / und zur Heilung nit ſich bequemen wolte / ſol man anfangs etwas kuͤhler baden / an der Zeit desbleibens im Bad abbrechen / und des Tags in die 3. oder 4. mahl bald ein / bald außgehen. Das allerbeſte Zeichen / welches auch der Beſitzer des Bads allen Gaͤſten von Herzen anwuͤnſchet / iſt die Chur des Patienten / und die Befreyung von denjenigen Anligen / welches ihne hieher getriben / ſonder - lich auch ein leichter Leib / deſſen Verꝛichtungen ohne Beſchwerd von ſtatten gehen.
Wann mich erinnere / daß in diſem dritten Theil des Schweizerlands Naturgeſchichtẽ p. 25. 26. bey Anlaß einer durch die hohen Alpgebirg A. 1705. gethanen Reiſe vorgeſtellet habe die Urſpruͤnge zweyer Rheinen / des vorde - ren auf dem Criſpalt gegen dem Urſeren-Thal / und des Mittleren in dem Lucmanniſchen Gebirg / oben im Thal S. Maria, gegen dem Livinerthal / ſo hof - fe meinen geehrten Leſeren einen Gefallen zu erweiſen mit kuͤrzlicher Beſchrei - bung des vornehmſten Urſprungs des hinteren Rheins / welchen den 29. Jul. diſes nunmehr zu End lauffenden 1707. Jahr beſuchet.
Morgen fruͤh hatte zu Splügen / Speluga, Speluca, einem beruͤhm - ten Dorff / und Paß in der Landſchaft Rheinwald / die Hoͤhe des Quekſilbers im 21. Zoll / und um 3. Uhr Nachmittag in der Alp San Porta, Zur Por - ten / denen Hrn. Lorenzen von dem Dorff Hinder Rhein zuſtandig / bey des Rheins Urſprung / die Hoͤhe des Wetterglaſes wahrgenommen im 19. Zoll 2. Serupel / und Abends um 8. Uhr in dem Dorff Zum Rhein / oder Hinder Rhein 20. Zoll. 7. Scrup. Alſo daß der Unterſcheid zwiſchen Splugen und Hinderꝛhein iſt 3. Scrup. oder 240. Schuhe nach dem erſten Grundſatz / (da 80. Schuhe entſprechen einem Scrupel) 270. aber nach dem zweyten Grundſatz / bey welchem 90. einem Scrup. entſprechen.
207Zwiſchen Spluͤgen / und dem Urſprung des Rheins ſeyn 18. Scrup - denen entſprechen 1440. oder 1520. Schuhe.
Zwuͤſchen dem Dorff Hinderꝛhein / und dem Urſprung ſein 15. Scrup. gleich 1200. oder 1350. Schuhen.
Zwuͤſchen dem Urſprung des Rheins und Zuͤrich / allwo heut das Quek - ſilber geſtanden im 23. Zoll 7½. Scrup. komt der Unterſcheid herauß von 45½. Scr. denen entſprechen nach dem einten Grundſaz 3640. nach dem an - deren aber 4095. Schuhe.
Gehen wir zu N. 42. und 43. eingeſezten Tafelen / ſo finden wir nebſt 19. Zoll 1¾. Scr. Zuͤrich. oder 22. 5. Pariſ. 4889. Schuhe Zuͤrich / oder 785. Pariſer Ruhten 5. Schuhe. Nebſt 23. 7¾. oder 26. 5. Pariſ. 1329. Zuͤr. Schuhe / oder 205. toiſ. 4. Schuhe / ſo daß der Unterſcheid zwiſchen Zuͤrich und dem Urſprung des Rheins herauß komt / nach Mariotti Meinung 3560. Zuͤricher Schuhe.
Jn des Caſſini Tafel ſtehen nebſt 19. Zoll 1¾: Scr. 6801. und nebſt 23. 7¾. 1436. welche von den erſteren abgezogen / geben 5365. Zuͤricher Schuhe vor die differential-Hoͤhe zwuͤſchen Zuͤrich / und dem Urſprung des Rheins.
Vor die ganze Hoͤhe des Rheins zu ſeinem Außfluß in das Teutſche Meer / welches wir jezt von gleichem horizont ſetzen mit dem Mittellaͤndiſchen / gibt Mariotte nach meiner Obſervation 4715. Pariſer / oder 4889. Zuͤricher Schu - he; Caſſini aber 6298. Pariſer / oder 6801. Zuͤricher Schuhe. Wann wir wei - ters bedenken / daß die Gletſcher / welche den eigentlichen Urſprung des Rheins machen / und uͤber dieſelben ſtehende nakende Gebirge wenigſtens 1000. Schu - he hoͤher ſtehen / als die Alp da wir das Experimentum gemachet / ſo komt die ganze Hoͤhe des Rheinfalls gegen 8000. Zuͤricher Schuhe.
Der wahre Urſprung des Hinderen Rheins beſtehet / wie jezt verdeutet worden / in Eisbergen / oder Gletſche ren / welche ſich zwar bis 2. Stund in die Laͤnge erſtreken / dergleichen noch nirgends in Schweizeriſchen Landen geſehen. Von diſen Gletſcheren / welche ob einer wilden Alp / das Paradeiß / ich glaub Ironicè, genant / ſtehen / flieſſen vil Baͤche ab in einen tieffen / in Felſen ein freſſenden Runß / welcher Anfangs von Mittnacht gegen Mittag hernach gegen dem Dorff Hinder Rhein (welches von dem Urſprung 3. Stund weit liget) von Abend gegen Morgen flieſſet / und ſo weiters fort / wie wol ſanfter / durch Nuffenen / Spluͤgen ꝛc.
Die Alpen bey dem Urſprung des Rheins ſeyn ſo gaͤhe / und wild / daß ſie nur abgeetzet werden von den Schaffen / welche in groſſer Menge alljaͤhrlich aus Jtalien um diſer Weyd willen gefuͤhrt werden. Die Bergomaſcer Hir - ten / ſo ihnen abwarten / fuͤhren ein rauhes / wildes / einfaltiges Leben: Jhre ſpei - ſe iſt Hirßmehl mit Waſſer gekochet / ohne Salz / ohne Butter: zuweilen erge -zen208zen ſie ſich mit einem uͤber die Felſen zu tod gefallenen / oder ſonſt crepierten Schaff: Jhr Trank iſt Waſſer. Jhre Huͤtten ein von Steinen auf - und an eine Felßwand gelegtes Gebaͤu / von 8. oder 10. Schuhen in die Laͤnge / 5. o - der 6. in die Breite / und 6. in die Hoͤhe / bedecket mit einem durchleuchtigen Dach. Jhr Under - und Federbett ein wenig altes Heu: Jhres Oberbett eine rauche duͤnne Pferddeke. Wie aber aller Ohrten was niedliches anzutreffen / alſo iſt es auch hier. Wir fanden / in Abweſenheit des Hirten / einige Schaff - Kaͤſe / und Schaffziger / deſſen zarten Geſchmak wir nicht genug anrühmen koͤn - nen / ſonder in diſem rauhen Weltend vor eine Ambroſia, genoſſen.
Dasjenige Gebirge / welches dem hinteren Rhein den Urſprung gibet / heiſſet Avicula der Vogel / Culmen Aviculæ, Colmen de Olcello, und O - cello, Monſted del Vccello, in Puͤndtneriſcher / und Monte del Vccello, in J - talieniſcher Sctrach / ſonſt auch Mons S. Bernhardin, Culmen de S. Bernhar - dino, der St. Bernhardin / weilen zu ehren diſes Heiligen eine Capell ſol auf diſem Berg gebauet worden ſeyn.
Sonſten meldet Sprecher Pallad. Rhætic. Lib. VII. daß bey dem Ur - ſprung des Rheins annoch zu ſehen ſeyen alte Gemaͤur von einem Kirchlein / welches zu ehren der Nymphen, oder Waſſergoͤttinnen / von den Heiden ſelbs ſol erbauet worden ſeyn. Jch hab aber dergleichen nichts von denen Einwoh - neren des naͤchſten Dorffs Zum Rhein erfahren koͤnnen / auſſer das einige ge - ſehen zu haben vorgeben einige gehauene Steine.
Diſe wilde Berggegend beſchreibet nicht ohnfein Chytræus Itiner. Ve - net. p. 54. 55.
Helvetios Italis dirimit mons aſper ab oris,Pars Adulæ, Bernhardinum dixêre MeſauciEjus in acceſſas nunquam contingere rupesVer potuit, non huc Bacchus, Philomela, CereſvéNon Æſtas adiit &c,
Uebrigens berichte den guͤnſtigen Leſer / das alle Bruͤnnen des Rheins von deſſen erſten Urſprung bis nacher Ragaz im Sarganſerland / mit denen anligenden Doͤrfferen / Schloͤſſeren / einflieſſenden Baͤchen / nach dem Com - paß / mit moͤglichſtem Fleiß gezeichnet / und in eine Charte gebracht / welche villeicht zu ſeiner Zeit an das Liecht kommen wird.
Crſuche endtlich alle und jede nach Standes Gebuͤhr geehrte Leſer / diſe drey herauß gegebene Theil goͤnſtig anzuſehen als einen kleinen Theil meiner uͤber vorhabende Materi der Schweizeriſchen Naturgeſchichten geſamleten mehreren Schriften / welche zu ſeiner Zeit / geliebt es Gott / hoffe in ein ordent - liches Werk zuſamen zu tragen / und unter hoher Protection aus Liecht zu geben. Dißmahl aber / ob - gleich mir weder an dem Willen / noch an Materi zu Fortſetzung bißheriger Arbeit ſehlet / lege die Fe - der nider / bewogen auß vilen Urſachen / welche unnoͤhtig erachte / an diſem Ohrt zu eroͤffnen.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.