PRIMS Full-text transcription (HTML)
Beſchreibung Der Natur-Beſchichten Des Schweizerlands
Ander Theil.
Zuͤrich /Jn Verlegung des Authoris.
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Getrukt bey Michael Schaufelb. ſ. E. Und Chriſtoff Hardmeier. 1707.

Der Hoch - und Wol-Edelgebohrnen / mit hoher Gelehrte / und Tugenden gezierten Frauen / Erauen Hortenſia / Gebohrnen von SALIS, (Tit.) Herꝛen Haubtmann von Gugelberg Sel. hinderlaßner Frau Gemahlin. Meiner hochgeneigten / hochgeehrteſten Goͤnnerin / Eigne den zweyten Theil des Schweizerlands Natur - Geſchichten zu einem Zeichen ſchuldiger Dankbar - keit vor bisher genoſſene hohe Gunſt-Gewogenhei - ten / nebſt herzlicher Wuͤnſchung fehrneren Leibs und Seelen Vernuͤgens / zu

Jhr Demuͤhtig ergebener Diener D. J. I. Scheuchzer.

Abgekuͤrztes Regiſter aller verhandleten Materien. Num. Blat.
  • Beſchreibung des Walterſchweiler-Bads im Zuger-Gebiet. 11
  • Von dem Hungerbrunn zu Wangen. 39
  • Von den Metallen des Schweizerlands. 414
  • Von dem Schweizeriſchen Gold. 16
  • Von dem Silber des Schweizerlands725
  • Von dem Eiſen des Schweizerlands. 28
  • Von dem Kupfer des Schweizerlands. 932
  • Von dem Bley. 34
  • Von dem Quekſilber. 33
  • Von dem Spießglaß. 36
  • Von dem Schwefelkieß des Schweizerlands1037
  • Von denen Regenboͤgen / welche A. 1705. Nachts bey hellem Mondſchein geſehen worden. 1141
  • Von anderen ſelzamen Begebenheiten des Regenbogens im Schweizerland. 44
  • Von dem Donner / Bliz / Stral / feuͤrigen Kuglen / und an - deren feuͤrigen Luftgeſchichten des Schweizerlands. 1247
  • Vom Strahlſtein. 1975
  • Vom St. Elmus Feuer zu Winterthur. 2080
  • Von der Lechzenden Flamm. 82
  • Von feurigen Maͤnneren. 83
  • Von dem Julier Berg in Puͤndten. 2184
  • Von dem Glarneriſchen Schabziger. 2389
  • Von der voͤlligen Sonnenfinſternuß / welche den 12. Mey diſes Jahrs in unſeren Helvetiſchen Landen gewah - ret worden. 2493
  • Von Meybruͤnnen. 26103
  • Von denen Steinkohlen des Schweizerlands27108
  • Von dem Lucerniſchen Drachenſtein. 29113
  • Von denen waͤſſerigen und windichten Lufftgeſchichten des Schweizerlands. 31123
  • Von denjenigen Wetteren / welche entſtehen aus Werffung eines Steins in die Berg-See / oder Hoͤlinen der Bergen. 37147
  • Num. Blatt.
  • Von der Windsbraut. 38150
  • Von dem Waſſerthurn. 151
  • Von dem Saͤngenden Wind. 152
  • Von den Baderwuͤrfflen. 39153
  • Von allerhand Erden des Schweizerlands / und deren Fruchtbarkeit. 40158
  • Von allerhand Mineraliſchen Erden des Schweizerlands / und ins beſonder von der Kreide. 53170
  • Von anderſt gefarbten Kreiden / Thon / Lett / und anderen Erden. 44174
  • Von dem Gips. 46181
  • Von der Mon Milch. 183
  • Von dem gegrabenen Einhorn. 47187
  • Baͤren Jagd. 189
  • Von der Schweizeren Leibs - und Gemuͤhts-Beſchaffenheit / Lebensart / Sitten ꝛc. 48189
  • Erdbidem zu Egliſau A. 1706. 52205
  • Wirkungen der groſſen Waͤrme / welche in dem Sommer diſes 1706. Jahrs das Schweizerland erfahren. 206
  • Ergieſſung der Waſſeren / und Ungewitter. 207
  • Von runden / verbranten Kreiſen im Graß.
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1N. 1.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Beſchreibung des Walterſchweiler Bads / im Zuger-Gebiete.

DEr Guͤte Gottes haben wir zu danken nicht nur den reichen Waſſer - ſchaz der reineſten / Chriſtall-lauteren Bruͤnnen / Baͤchen und Fluͤſ - ſen / damit unſer ganzes / ſonderlich aber das bergichte Schweizer - land vor allen Laͤnderen auß verſehen / wie ſolches in mehrerem gezeiget wor - den Tom. I. N. 5. Bl. 19. ꝛc. Sondern auch / daß wir bald in allen Cantons / Verbuͤndeten Ohrten / und gemeinen Graf - oder Herꝛſchaften / verſehen ſeyn mit koſtbaren Heilbaͤderen / deren enthaltene Mineralia, ſo ſie recht gebraucht werden / denen Kranknen zu groſſem Troſt und Widerbringung ihrer Ge - ſundheit dienen koͤnnen / gleich wie die ſonſt reinen / leichten und hell-lauteren Brunnquellen zu Erhaltung derſelben / und anderem Haußgebrauche koͤn - nen angewendet werden. Bey ſo vilen mineraliſchen Heilwaſſeren erzeiget ſich ſonderbar auch die groſſe Weisheit des Schoͤpfers; damit alle Einwoh - nere unſrer Helvetiſchen Landen den edlen Nuzen derſelben koͤnten genieſſẽ / hat es der weiſen Guͤte Gottes gefallen / die mineral Waſſer nicht nur an ein Ort unſers Lands zuſetzen: Dann wie wolten ſonderlich die armen / oder ſchwa - chen elenden Patienten ſich uͤber Berg und Tahl durch beſchwerliche und koſtliche Reiſen dahin erhebt haben?

Nun ein ſolches Bad iſt in dem Hochlobl. Canton Zug / zu Walter - ſchwyl; Walterßwyl / Villa Gualteriana, welcher Sitz mit allen Zuge - hoͤrden dem Lobl. Gottshauß Wettingen zuſtehet / folglich zu underſchei - den iſt von einem anderen Walterſchwyl in den Freyaͤmteren / nahe bey Bremgarten / und einem dritten Walterſchwyl / welches Schloß zu un - derſt ligt im Emmentahl / Bernergebiets. Diſes Bads gedenket unſer S. Hr.2Hr. Wagnerus in ſeiner Hiſt. Nat. Helvet. curios. p, 111. Sonderbar aber iſt es Reimensweiſe beſchriben von dem Landſchreiber Hotz / von Notikon / und in 8. unter dem Titul: Beſchreibung des Walter - ſchwyler Bads: getrukt worden. Es verdienet ſolches um ſo vil eher / und eigentlich / nach der heutigen Pruͤffungs-Ahrt beſchriben zu werden / weilen es ſint wenigen Jahren pflegt nicht nur von benachbarten gemeinen Baurs - leuhten / ſonder auch von vornemmen Geſchlechts - und Standsperſonen von benachbarter Stadt und Landſchaft Zug / Zürich / Lucern / Schaff - hauſen ꝛc. mit Freud und Nutzen beſucht zu werden / als welche an diſem ſonſt einſamen Ohrte finden theils ihre Ergetzlichkeit / gutes und herꝛliches Tractament / ein kommliches Loſament / welches mehr einem Pallaſt / als einem Badhauß gleichet / ihre ſchoͤne Auſſicht / heiteren und geſunden Luft / annehmliche Spatziergaͤnge in benachbarte Wieſen / Felder / anmuhtige Waͤlder / theils ihre Geſundheit / zu deren Erhalt - und Widerbringung man ſich inſonderheit dahin / wie auch in andere dergleichen Baͤder / begibet.

Ehe wir aber zu dem Bade ſelbs fortſchreiten / wird nicht auſſer dem Wege ſeyn / das jenige / was obgemeldter HOTZ von dem Altertuhm diſes Bads geſchriben / kuͤrtzlich und denen Liebhaberen Vatterlaͤndiſcher Hiſtori zu gefallen / in beliebter kuͤrtze vorzuſetzen. An. 1519. iſt von Zug mit ande - ren Pilgramen ins gelobte Land gereiſet Sigmund Schwartzmurer, welcher zu Jeruſalem in eines Juden Hauß auß einer alten Hebreiſchen auf - gerollten Chronic erfahren / daß deſſen Vorelteren / auß dem Stammen Aſer gebuͤrtig / auf der BARBURG / ſo ob Walterſchwyl ligt / und von Ba - raon den Nammen habt / gewohnet; Daß auf Barburg gegen Mittag ge - floſſen eine von Natur warme / gegen Aufgang aber eine kalte Quell / welche beyde ab Gold / Schwefel / Kupfer und Salpeter gefloſſen / und von herꝛli - cher Kraft ſeyen; Daß man auch an diſem Ohrt vor 1400. Jahren dem Gold-Ertz / ab welchem das Waſſer flieſſe / nachgegraben / dardurch das war - me Waſſer verlohren / von Bergmaͤnnlein uͤbel geplaget worden; Daß in nachfolgenden Zeiten die Juden von dar ſeyen vertriben / und die Burg mit den Baͤderen abgeſchliſſen worden / ſo daß Metal / Bad und Ertz zugleich zu Grund gegangen; daß auf diſen Bericht obgedachten Schwarzmurers / ſo auch Werni Steiners / Hans Stokars / und Hans Branden - bergs / der kalte Brunn widerum geoͤffnet worden / welcher jezund noch geaͤuffnet werde.

Wir kommen nun zu dem Waſſer ſelbs / und gewahren / daß deſſen Quell iſt ohngefehr eines Buͤchſenſchuſſes weit ob dem Badhauß auf dem Berg Barburg / welches villeicht eher ſeinen Nammen her hat von demFleken3Fleken Baar / als von dem Jud Baraon. Da quillet das lebendige Waſ - ſer mit zimlichem Gewalt auß einem blaulechten / Aſchfarben / oder auch weiß - gelbem Letten hervor / und wird alſobald ein - und aufgefaſſet in einer Zi - ſtern / oder Waſſergehalter / darinn auch ſorgfaͤltig verwahret / damit das Re - gen - und andere Waſſer ſich nicht vermiſchen / und hernach durch geſchloſſene Canaͤle fortgefuͤhret bis zu dem Badhauß ſelbs / bey welchem ein doppelter Keſſel / damit in dem groͤſſeren das Waſſer geſotten werde ganzrein / wie es iſt / in dem kleineren aber zu beſonderen Kuren geſotten werden gewuͤſſe Kraͤuter / nach Verlangen des Patienten / oder des Medici Vorſchrift. Das Waſſer iſt gleiches Geſchmaks / und von der Lauterkeit / wie ein anders Brunnenwaſſer / wann man es aber ſiedet / ſo wird es endlich Milchweiß / wegen Vielheit der vermiſchten irꝛdiſchen mineral theilchen / welche anfangs ſo zertheilt ſeyn / das ſie nicht unter das Geſichte kommen / erſt dannzumahl aber naͤher zuſamen - kommen / und ſichtbar werden / wann viel Waſſertheilchen außgerauchet / und die uͤbrigen ſie nicht mehr halten koͤnnen / weßwegen ſie auch zu Boden ſinken / und den Badſtein abgeben.

Eben diſe irꝛdiſche Theile / und dareinſpielende Sonnenſtralen ſtellen zu verſchiednen Tagszeiten vor verſchiedne Farben / daß das Bad bald gruͤn / bald blaulecht auſſihet. Neben diſen weiſſen irꝛdiſchen Theilen / welche in dem Badkeſſel / und Badkaͤſten / ſich zu Boden ſetzen / und gemeinlich vor eine Anzeige des Alets gehalten werden (daher auch dergleichen Baͤder Alet - baͤder pflegen genent zu werden / ob mit recht / oder nicht / wil dißmal nicht un - derſuchen) findet ſich auch ein ſuͤßlechter Schleim / welcher zu denen Wuͤr - kungen des Waſſers nicht wenig beytraͤgt / wie wir jezt vernemmen wer - den.

Wir haben hiemit vor uns erſtlich gemeine Waſſertheile / darnach Jrꝛ - diſche / drittens Schleimichte Theile. Jn Anſehung der Waſſertheilen hat diſes Bad gleiche Kraͤfte mit anderen dergleichen ſo genanten ſuͤſſen Waſſe - ren / als da ſeyn das Geiren-Urdorffer-Flaͤſcher-bad / von welchen etwann zu anderen Zeiten ein mehrers ſol geſchriben werden: ich ſag gleiche / oder auch vor einichen auß groͤſſere / weilen diß Walterſchwylerbad in einem zimlich hohen Tahl liget / und von gleicher Schwere befunden wird / wie andere Aquæ alpinæ, oder Berg-Waſſerquellen. Jn betrachtung deſſen werden die Walterſchwyler-waſſer die Hautzaͤſern erweichen / die Schweißloͤchlein oͤffnen / die zaͤhen Feuchtigkeiten / ſo hier und da in denen kleinſten Roͤhrlein oder aͤderlein ſeyn / und Verſtopfungen verurſachen / verduͤnneren / oder auf - loͤſen / den Kreislauff des Gebluͤts / von dem unſer Leben und Geſundheit ab - hanget / befoͤrderen / und die empfindt - und unempfindtliche Leibes-Durch - daͤmpfung / welche auch eine Haubtſaͤule / oder Stuͤtze der Geſundheit iſt /ver -4vermehren: diſes alles zwahr deſto eher / mehr und ſtaͤrker / weilen diſer Badohrt hoͤher liget / als Zuͤrich / Zug / Lucern / und vil andere Ohrte mehr; weßwegen bey denen hieher ſich erhebenden Badgaͤſten ihr innere / in ihren aͤderlein ligende Luft / dieſelben ſtaͤrker und leichter / ſonderlich bey Anlas der Waͤrme des Bads / kan außdehnen / weilen die auſſere nicht mit genugſamem Gewalt kan widerſtehen / oder der inneren entgegen truken. Es ſcheint zwahr / diſere Betrachtung diene mehr auf die Schulkanzel / als zu dem Badkaſten / wann man aber ſich wird bemuͤhen die Augen aufzutuhn / und mit Vernunft die Sach faſſen / wie ſie iſt / ſo wird man mir leichtlich darinn beyfahl geben / daß diſere zwahr auß einer in den Zeiten der Schulweisheit verborgenen / nun aber durch die reine Naturlehrer eroͤffneten Quelle der hergeleiteten Wahrheit nicht wenig beytraͤgt / zu grundlicher Erklaͤrung der Wuͤrkungen / ſo wir bey dergleichen Baͤderen gewahren / und ſonſten beydes dem Arzet Liecht / als dem Patienten Troſt gibet.

Wie ich dann auß diſer betrachtung der Erfahrung leichtlich kan bey - fahl geben / daß diſes Walterſchwylerbad ſonderlich dienſtlich ſeye denen wol - beſezten / fetten / mit vilen uͤberfluͤſſigen / ſonderlich kalten / ſchleimichten Fluͤſ - ſen / oder Feuchtigkeiten / angefuͤlten Leiberen / / beydes Geſchlechts; denen / wel - che von diſen Feuchtigkeiten leichtlich koͤnnen in ihren kleinſten aͤderlein Ver - ſtopfungen / Fieber / und andere ſchwere Krankheiten bekommen / oder mit ſol - chen wuͤrklich behaftet ſeyn / blonicht auſſehen / in ihren Verꝛichtungen matt und traͤg ſeyn / alſobald muͤde werden; Abſonderlich kan hieher gewieſen werden das Lobliche Frauenzimmer / deren zarte / aber zugleich gemeinlich kal - te / und feuchte / Natur durch diſes Bad vortrefflich kan geſtaͤrket / und vor kraͤnklichen Anlaͤuffen beſchirmet werden.

Fehrners kan diß Bad dienen denen / welche mit ſchleimichten / kalten / oder auch blaͤſtigen / und harten / oder ſcirrhoſen Geſchwulſten behaftet / ſo auch denen / die vom Krampf / und guldenen Ader Verſtopfungen leiden / weilen durch diſes Heilmittel die ſchleimicht zaͤhen Feuchtigkeiten aufgeloͤßt / die har - ten erweichet / die blaͤſtigen zertheilt / und das verſtokte Gebluͤt verduͤnneret wird. Weiters haben ſich unſers Bads zu getroͤſten die ſo genante Milz - ſuͤchtige / deren zaͤh-ſaures Gebluͤte nicht leicht durch die aͤuſſerſten aͤderlein paſſieren kan / die Gaͤlbſuͤchtigen / deren Leber-Verſtopfung auch mehrmah - len herꝛuͤhret von ſchleimichter Zaͤhe des Gebluͤts; Die mit ſcrophuloſen Drüſen-Geſchwulſten beladen / als die auch foll ſchleimichten Fluͤſſen ſteken; die von Gut - oder Tropfſchlaͤgen lahm worden / damit ihre beſchloſſene Gei - ſter und Blutgaͤnge widerum geoͤffnet werden; etwann auch die Gleichſuͤch - tigen / ſo lang die Urſach ihrer Krankheit ſich noch nicht in den Gelenken veſt - geſetzet / ſondern hin und her im Leib / und deſſen Glidern umherſchweiffen; die hartleibigen / denen es manglet an gnugſamer oͤffnung des Stulgangs / damit die Zaͤſern des Afters erweicht / und die enthaltne Materi aufgeloͤßt werde. ꝛc.

5N. 2.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortgeſezte Beſchreibung des Walterſchweiler Bads.

WEiters finden ihren Nuzen die / welche uͤber ihrer monatlichen Rei - nigung / oder auch guldener Aderen Fluß unrichtigen Fortgang zu klagen haben: Die Gutſchlaͤgigen / ſonderlich gegen der Zeit ihrer Beſſerung / damit die Natur durch das Bad geſtaͤrket / deſto eher ſich des im Gebluͤte ſtekenden Schleims entlade: Die Schwangeren / zu verhoffen - der Leichterung ihrer Geburt: Die ſonſt ſchwacher Natur ſeyn / damit ſie Staͤrkung ihrer Glideren empfangen: da dann auch zu dergleichen Baͤde - ren zugelaſſen werden gar alte Greiſe / und kleine Kinder / welche beyde ſonſt die von Natur warmen Baͤder nicht wol koͤnnen vertragen. Alles aber in gebuͤrender Beſcheidenheit.

So auch ſeyn diſe unſere Waſſer dienſtlich in allerhand von kalten Fluͤſſen und Geſchwulſten herꝛuͤhrenden Schmertzen des Haubts / der Zaͤh - nen / des Bauchs / Daͤrmen / Nieren / und auſſeren Glideren / alles zu Aufloͤ - ſung der diken / zaͤhen Materi / und beſaͤnftigung des ſchmertzhaften Theils / darbey aber nohtwendig muß in acht genommen werden die Zeit des an - haltenden Schmertzens / und nebſt anderen Umſtaͤnden eine vorhergegange - ne innerliche / ſonderliche Reinigungs Cur.

Hingegen ſollen ſich vor unſerem / und anderen Baͤderen huͤten die Gelbſuͤchtigen / damit nicht ihr bereits jaſtendes Gebluͤte noch mehr bewegt / und angezuͤndet werde: Auch alle die / welche eine allzuſtarke Außdaͤmpfung bereits außgeſtanden / oder nicht vertragen koͤnnen / als da ſeyn die hectici, Außzehrende / Schwindſuͤchtige / denen doch hernach ein etwelcher Troſt ſol zugeleget werden: Die phrenetici, Hirnſuͤcht - oder wuͤtige / weilen derenGeiſter6Geiſter ſonſt ſchon in foller Raſerey ſeyn / und durch die Baͤder nur mehr er - hizt und feuriger wurden: So auch die mit Gichteren / Krampf / und ande - ren von allzu ſtrengem Lauff der Geiſteren herꝛuͤhrenden Krankheiten ſich be - ſchwert befinden: es were dann ſach / daß ihre Gichteriſche Bewegungen zum Fundament haͤtte eine ragende Außdehn-Troͤknung / und Spannung der Nerven / in welchem fall ein verſtaͤndiger Arzet mit groſſem Nutzen de - nen Patienten ein ſolches Bad / wie das unſrige iſt / einrahten kan.

Weiters ſchlieſſen wir auß die mit Krebsſchaͤden beſchwert; Jtem die / welche durch unreine Veneriſche Luͤſte ſich die ſo genante Franzoſen - Krankheit / und mit ihro eine Blutverduͤnnerende und Leibverzehrende ſchar - fe Saͤure zugezogen haben; Fehrner die / welche verborgene Geſchwaͤre in den Lungen / Leber / Milze / Daͤrmen / und anderen inneren Glideren ligend haben / weilen ſie durch die Baͤder gar leichtlich deren Außbruch / und Zeiti - gung / und ſich ſelbs zum Grab befoͤrderen koͤnten; uͤber diß die / welche aller Verbluͤtung / dem Blutſpeyen / Bluterbrechen / Blutharnen / blutigen Stulgang unterworffen / weilen die bereits offene / oder ſonſt ſchwache / Blut - oder Pulsaͤderlein gar leicht durch mehrere bewegung des Gebluͤts widerum aufs neue einen gewaltigen Durchbruch leiden muͤßten; ſo auch die / wel - chen andere und andere Feuchtigkeiten in groͤſſerer Maß / dann bey geſun - den Zeiten zu geſchehen pflegt / außgefuͤhrt werden / als in diabete, oder Harnruhr / in allzuvilem Schweiß / im Saamenfluß / ſonderlich / wann der von Veneriſchen Urſachen herkomt: Endlich halten wir von unſerem Bad ab die Waſſerſuͤchtigen / die Taubſuͤchtigen / die das Herzklopfen haben / und laſſen nicht anderſt / als mit vorwolbedachtem Raht eines verſtaͤndigen Me - dici / zu die jenigen Weiber / welche ſchon zum oͤfteren fruͤhezeitige Geburten abgeleget haben.

Richten wir unſere Augen auf die in unſerem Walterſchweilerbad enthaltene Jrꝛdiſche / von der Quell / und da herum ligenden mineraliſchen Lett / herkommenden Theil / von deren auch die weiſſe Milchfarb des Waſ - ſers entſtehet / ſo werden wir finden / daß diſes Bad uͤber obbemeldte Wuͤr - kungen wird die an der Haut hier und da klebende / auch etwann in die Schweißloͤchlein eingeſenkte / Unreinigkeiten / abwaſchen / ja ſo zu reden / ab - ſchaben / die ſcharfen / geſaltzenen Feuchtigkeiten verſuͤſſen / die uͤberfluͤſſige Ei - ter - und andere dergleichen Fluͤſſe auftroͤknen / folglich in vilerhand auſſer - lichen Krankheiten treffliche Dienſte leiſten / ſo daß dahin als ad ſacram an - choram koͤnnen ihre Zuflucht nemmen / die Schaͤbigen / Kraͤtzigen / Auſſaͤtzi - gen / und andere / ſo mit fiſtuloſen / oder ſonſt langwirꝛigen Hautſchaͤden behaf - tet ſeyn.

Betrachten wir endlich den ſubtilen / Lettachten / am Geſchmak gantzſuͤſſen /7ſuͤſſen / an der Farb braunlechten / und weiſſen / recht Balſamiſchen / von dem Feur entzuͤndlichen / hiemit Schwefelachten Schleim / welcher in diſem Wal - terſchweilerbad ſich zeiget / ſo wol an der Badgaͤſten Haut / und an den Kaͤ - ſten / als auch in dem durch Chymiſche Kunſt aufgeloͤßten / und probierten Badſtein / ſo koͤnnen wir hierauß abnemmen nebſt einer mehreren Verſuͤſ - ſung ſcharpfetzender Feuchtigkeiten / daß in diſem Bad hierdurch um etwas verhinderet wird die ſtarke Außdaͤmpfung des Leibs; Welches zum Troſt kan dienen denen / welche außzehrende Krankheiten haben / und doch darbey in ihren innwendigen vornemmen Theilen geſund ſeyn. Dann alſo wird der Kreislauff des Gebluͤts / ohne viler nehrhaften ſuͤſſen Theilen Verlurſt / befoͤrderet. Daher komt es / daß in dergleichen Baͤder ſich oftmahlen wider alles rahten der Medicorum die außgemergelten Candidati Mortis ſich begebẽ / und auch wider alle Hoffnung die jennige Geſundheit / nach welcher ſie ſo ernſtlich ſeufzen / mit ſich / als den beſten Baderkrahm / nacher Hauß brin - gen.

Bey diſem Anlas muß ich gedenken des Weiſſenburger Bads / im Bernergebiete / welches insbeſonder in Curierung Schwindſuͤchtiger / und zu diſer Krankheit diſponierter Leuhten / treffliche Proben tuht.

Endlich koͤnnen hiehar ſich verfuͤgen auch die Geſunden / von allerley Alter / und Geſchlecht / welche etwann ihre Geſundheit zu erhalten / oder ſich in angenehmer Geſellſchaft zu ergetzen / oder ihrer Geſchaͤften eine Zeit lang zu entladen / oder in einem angenehmen einſamen Ohrt etliche Wo - chen ſich aufzuhalten willens ſeyn / wie dann diſer Ohrt zu diſem allem gantz bequem iſt / allermaſſen ein nach den Reglen der Baukunſt aufgefuͤhrtes / wol eingetheiltes Loſament / mit einem ſchoͤnen darbey ligenden Garten / und anderen zur Ergetzlich - und Nohtwendigkeit dienenden Sachen verſehen / die Zimmer auch alſo eingerichtet / daß ſonderlich Perſonen von vornemmer Condition allhier ihr Vernuͤgen finden werden.

Von innerlichem Gebrauche diſes Waſſers kan ich nicht vil ſchreiben / weilen derſelbe niemahl practiciert worden. Gleichwol laſſet ſich auß Be - trachtung oberzehlter ingredienzien diſes Heilwaſſers vermuhten / es moͤch - te auch daſſelbe innerlich / von denen / die ſonſt gute Maͤgen haben / getrun - ken / gute Dienſte / faſt gleich denen Saurbruͤnnen leiſten / in Aufloͤſ - und Wegſchwemmung Schleimichter im Magen / und Gedaͤrmen ligender Feuchtigkeiten / in Verſuͤſſung des ſcharfen Gebluͤts / Reinigung deſſelben von ſeinen froͤmdartigen Theilen / und deren Außfuͤhrung durch die Harn - Gaͤnge / folglich einzurahten ſeyn denen / welche ſonſt zu denen Saurwaſſe - ren hingewiſen werden.

Naͤher bey dem Badhauß ſeyn noch zwey andere Quellen / an demFuß8Fuß des Walds / welche mit leichter Muͤhe koͤnten mit der oberſten Haubt - quell vereiniget / und in die allgemeine Waſſerleitung gefuͤhret werden / wann es noͤhtig waͤre. Es enthaltet die unterſte von diſen Quellen mehr weiſſe / irꝛdiſche Materi / als die oberen / und koͤnte hiemit inſonderheit gute Dienſte leiſten denen / ſo mit der ſchaͤbichten Raud / flieſſenden Geſchwaͤren / und anderen aͤuſſerlichen Zuſtaͤnden beſchweret ſeyn.

Den noch uͤbrigen Raum diſes Plazes finde rahtſam außzufuͤllen mit einichen auf unſer vorhabendes Walterſchweiler Bad ſich ſchikenden Bad - Reglen.

Vor Antritt der Cur muß der Leib wol zugeruͤſtet ſeyn / insbeſonder durch Laxativ - oder Purgiermittel / deren Vorſchrift eingerichtet muß wer - den nach des Badgaſts Natur / Geſchlecht / geſunder / oder kranker Beſchaf - fenheit.

Jn waͤhrender Cur ſol man / ſonderlich anfangs / ehe die Schweißloͤch - lein recht eroͤffnet / nicht zu ſtreng / auch nicht zu heiß oder kalt / ja gar niema - len zu heiß baden / ſonder ſo vil immer moͤglich / gleich; nicht zu tieff / ſonder gemeinlich bis zum Nabel einſitzen / es waͤre dann ſach / daß ein gewuͤſſer Zu - ſtand des oberen Leibs ein anders erforderte / da dann ein erfahrner Arzet deßwegen kan zu raht gezogen werden. Der Zeit halben muß man nicht zu ſehr eilen / gemaͤchlich auf - und abſteigen / und aufs hoͤchſte ohngefehr 6. Stund des Tags mit Baden anwenden / da dann ein jeder Bader bey ſich ſelbs abnemmen kan / wie lang er zu bleiben hat / wann er wil achtung geben auf ſeine Leibs-beſchaffenheit / Zaͤrtlichkeit und Staͤrke / und wie lang er oh - ne Beſchwerd außhalten mag. Der LUFT muß mittelmaͤſſig kalt und warm ſeyn / und nach deme er unmaͤſſig / durch Kunſt / einheizen / lebendiges Rekholderfeur / ſpazieren in benachbarte Luſtwaͤlder verbeſſeret werden. Jn Eſſen / Trinken / Bewegung / Venusübung / ſol man ſich maͤſſig hal - ten. Der Leib muß taͤglich / oder alle zwey Tage ein mal offen ſeyn.

Der Gemuͤhts Bewegungen halb iſt zu gewahren / daß ſolche eher zur Freude / als zur Traurigkeit ſich neigen ſollen / allen Verdruß / Kummer / Kreuz muß man zu Hauß laſſen / und einig und allein der Cur abwarten: Da gil - tet / was Hieron. Fracaſtorius den Badgaͤſten an einem Ohrt vorſchreibet:

Tu tamen intetea effugito, quæ triſtia mentem Sollicitant, procul eſſe jube curas que, metum que Pallentem, ultrices iras, ſint omnia læta &c. Viſere ſæpe amnes nitidos, jucundáque tempe Et placidas ſummis ſectari in montibus auras, Accedant Juvenumq́ue chori &c.

P. S. Es iſt insbeſonder zu haben ein Kupfer von dem Walterſchweiler Bad a. 2. ß.

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9N. 3.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Von dem Hungerbrunn zu Wangen.

VNder die Naturwunder des Schweizerlands ſol billich gezellet wer - den der Hungerbach zu Wangen / einem Dorff Züricher - Gebieths / ein Meil von der Statt abgelegen / wann wahr iſt / daß er nur flieſſe bey einbrechenden theuren Zeiten / und ganz truken bleibe bey anhaltender Wolfeile. Wir wollen diſere Begebenheit ſo genau / als moͤg - lich / unterſuchen / und vorderſt das jenige erzellen / deſſen mich berichtet hat Herꝛ C. G. Ehrwuͤrdiger Pfarꝛer des Ohrts / wie namlich diſer Wunder - brunn ſich verhalten ſint An. 1686. da ehren benanter Herꝛ nacher Wan - gen kommen / welcher erzellung beyſetzen werde den von ſelbiger Zeit an bis jezt allhie auf - und abgeſtiegenen Kornpreis / endlich diſere Abhandlung ſchlieſſen mit einfuͤhrung anderer Exemplen / und einem vernunftmaͤſſigen Außſpruch.

An. 1686. war der hauffen Stein ob dem Bach-Tobel / ſo allernaͤchſt ob der Pfrund Baumgarten ligt / (dann hier der Ohrt des Brunnens) ſo truken / das kein einiges Anſehen war / als wann jemahls die geringſte Feuch - tigkeit allda geſehen / oder geſpuͤrt worden were.

Diß Jahr hindurch war der gemeine Kornpreis 3. bis 4. fl.

An. 1687. fieng an ein geringes Waͤſſerlein auß obbedeutetem Stein - hauffen zu flieſſen.

An. 1687. galte der Kernen 3. bis 4. fl.

An. 1688. wuchs diß Waſſer ſo ſehr / daß es in ſeinem Runz ohngefehr die hoͤhe eines Werk-Schuhs erꝛeichen koͤnte.

An. 1688. war der Kornpreis bis in Julium 3. bis 4. fl. von da an bis zu end des Jahrs 4. 5. und 6. fl.

An.10

An. 1689. Nahme diß Waſſer zu / daß es nicht allein under beſagtem Steinhauffen einen Weyer machte / der groͤſſer geweſen / als der ſo genante Müli Weyer / ſo allernaͤchſt darunder ligt / und ſeine eigene ſo wol im heiſſen und trukenen Sommer / als kaltem Winter / allzeit flieſſende Quell hat / die auch in groͤſter Winterkaͤlte niemahlen gefriert: ſondern auch gleich einem Waldwaſſer mit zimlicher Ungeſtuͤmme daher floß bis auf An. 1695.

An. 1689. kaufte man das Korn im Jenner um 5. bis 6. fl. hernach bis in Auguſtum um 6. bis 7. fl. von da an bis zu end des Jahrs um 6. 7. 8. fl.

An. 1690. bis in Augſtm. 6. und 7. fl. im Augſtm. und Septemb. 5. und 6. und alſo auch bis zu end des Jahrs.

An. 1691. Jm Jenner und Hornung 6. fl. folgends bis zu end des Jahrs 5. und 6.

An. 1692. bis in Meyen 6. und 7. fl. weiters 8. 9. 10. und 11. fl. das ganze Jahr auß.

An. 1693. hielte die Theurung an / und ward das Korn verkauft von 8. bis 10. fl.

An. 1694. bis in Julium 10. und 9. fl. im Julio 7. in folgenden Mona - ten 5. und 6. im December 4. und 5. An. 1695. 4. bis 5. fl.

An. 1696. Nahme das Waſſer von Wochen zu Wochen ab / ſo gar / das im Septemb. diſes Jahrs alles Waſſer voͤllig verſiegen: Die troͤknung waͤhrete bis An. 1698. und 99. in welchen Jahren das Waſſer wider alſo floß / daß es ungefahr die hoͤhe eines vierten theils von einem Werkſchuhe hatte / und continuierte bis auf den anfang An. 1700.

An. 1696. ins gemein 3. fl.

An. 1697. gemeinlich 3. bis 4. fl.

An. 1698. war der Preis 7. und 8. fl.

An. 1699. im Jenner 7. fl. im Febr. 5. 6. und 7. Mart. und April. 7. 8. Mey und Jun. 7. 8. 9. 10. 11. bis zu end des Jahrs 6. 7. 8. fl.

An. 1700. bis in Junium 5. 6. fl. bis zu end des Jahrs 3. 4. 5. fl.

An. 1701. Nahme der Bach weiters zu / daß er im Martio bey 2. Schuhe hoch wurde / und alſo blibe faſt das ganze Jahr.

An. 1701. bis in Majum 4. und 5. fl. hernach 5. und 6.

An. 1702. Nahme das Waſſer gemaͤchlich ab / ſo das im Majo nicht mehr Waſſer hervor floſſe / als 2. oder 3. Brunnenroͤhren hetten faſſen moͤ - gen: Jm Novembri floſſe er ſo gering / daß nicht mehr als ein Brunnenroͤh - ren damit hette angefüllt werden koͤnnen.

An. 1702. im erſten halbtheil des Jahrs 4. und 5. fl. im zweyten 3. und 4.

An. 1703. floſſe er noch / wie zuvor / doch nahme er nach und nach ab bis zu end des Meyens / und bliebe allezeit ein wenig Waſſer in dem Graben / und bey der Quell.

An. 1703. war der Preis 3. 4. 5. fl.

An. 1704.11

An. 1704. im Hornung ſpuͤrte man / daß ſich das Waſſer bey der Quell begunte in etwas zu vermehren / bis es im Merzen wider herfuͤr floſſe / aber nur ſo vil / als durch eine geringe Roͤhren hette koͤnnen lauffen / aber nicht laͤnger waͤhrete / als bis mitten in den Aprel / da es wider aufhoͤrte / und ge - maͤchlich abnahme / bis im Auguſto alles vertroknet / ſo daß auch bey der Quelle nicht ein einiger Tropfen Waſſer mehr zu ſehen / oder zu ſpuͤren war / und iſt alſo geblieben bis zu Außgang des Jahrs.

An. 1704. galte das Korn 3. und 4. fl.

Jn diſem verwichenen 1705. Jahre war bis in Majum / ungeachtet der ungleichen Witterung / der Bach ganz troken / und continuierte auch die Wol - feile der Früchten. Das Mollwißlein aber / auß welchem der wahrhafte Ur - ſprung des Bachs muß hergeleitet werden / war angefüllt mit Waſſer.

Zu anfang des Junii iſt der Hungerbrunn noch ganz troken geweſen / und hatte es das Anſehen / das Mollwißle Waſſer vermindere ſich; Es iſt auch / ungeachtet des eingefallenen dreywoͤchigen ſtarken Regenwetters tro - ken geblieben bis auf den 26. Jun. Dann in dem vorderen Loch nicht mehr dann ein Glaß voll Waſſer zu ſehen war.

Den 28. war etwann ein Maß Waſſer in diſem Loch. Der Kernen galte 3. fl. 30. ß.

Den 8, Jul. bis zum 12. hat das Waſſer des Brunnens alſo zuge - nommen / ungeachtet des beſtaͤndig trokenen Wetters / daß das vordere Loch uͤberloffen / und das Waſſer naͤchſt darbey in dem Graben geſpuͤrt worden.

Der Kernen galte 3. fl. und 10. bis 20. ß.

Den 16. ſpuͤrte man auch im hinderen Loch Waſſer.

Den 20. iſt das Waſſer alſo angewachſen / daß es auf die 20. Schritt weit in dem Graben moͤchte hervor kommen. Der Kernen galt / wie oben.

Bis zu dem 8. Auguſti hat das Waſſer alſo zugenommen / ungeachtet der dreywoͤchigen warmen / und trokenen / Witterung / daß mehr als ein Brunnenroͤhre voll in den vorderen Weyer (in den der Hungerbach ſich er - gieſſet) moͤchte kommen. Jn dem Mollwißle aber iſt das Waſſer faſt ganz verſchwunden. Der Kernen galte 2. fl. 20. ß. bis 3. fl.

Den 27. Septemb. war es noch alſo.

Jn mitten des Octobris ſpuͤrte man widerum ein abnemmen des Waſ - ſers / bis zu anfang des Novembris.

Den 11. Decemb. war es ganz troken / ungeachtet die Witterung bald troken / bald naß war. Und hatte das Mollwißle auch wider zimlich Waſſer. Der Kernen galte 3. fl. Bis in mitten diß Monats war ungeachtet des vilen Regenwetters kein Tropfen Waſſer zu ſpuͤren.

Diſem Wangeriſchen Hungerbach ſol gleich ſeyn der ſo genante Sel -tenbach12tenbach zu Egliſau / auch Züricher-Gebieths / von deme aber bis dato an - ders nichts in Erfahrung bringen koͤnnen / als daß er im Majo pflegt anzu - lauffen / und um Weihnacht widerum aufhoͤrt flieſſen; hiemit denen ſo ge - nanten Meybrümen zu zurechnen iſt: Jn denen theuren Zeiten An. 1690. und 91. ſol er 4. Jahr nach einanderen gefloſſen ſeyn. Diß berichtet mich Hr. J. C. D. Diac. zu B.

Bey Henkart ligt der Haar-See mitten in dem Feld / in einem holen / oder tieffen Ohrt: es fließt kein Waſſer weder darein nach darauß: Wann diſer See zu Fruͤhlingszeit mehrtheils aufgetroͤknet / oder laͤhr iſt / ſo halten es die Bauren vor ein gewüß Zeichen einer erfolgenden reichen Ernd / wann er aber gar vil Waſſer habe / ſo ſeye eine Theurung verhanden. Diſe Nachricht finde in Jkr. Henrich Eſchers Schreiben an Hrn. Antiſtitem Breitinger ſubdat. Winterthur / den 27. April / 1623. Erſuche aber den Hrn. Paſtorem des Ohrts / dißfahls fleiſſigere Nachfrag zu halten / und mich in mehrerem hiervon zu berichten / wie ich auch bey diſem Anlas die Herꝛen Pfarꝛere auf der Landſchaft / und ſonſten alle Naturbegierige Herꝛen / und Bauren / freund-dienſtlich erſuche / auf dergleichen / und alle andere Merkwuͤr - digkeiten der Natur / nach anleitung meines vor etlichen Jahren in Truk gegebenen Einladungs-Schreiben / ſo zu Dienſten ſtehet / fleiſſig acht zu ha - ben / und daß / was ſie grundtlich unterſuchet / zu uͤberſchreiben.

Auſſer dem Schweizerland habe bis dahin keine dergleichen durch ihre Waſſervoͤlle eine Theure vorſagende Brünnen angetroffen / als in Rob. Plot. Nat. Hiſtory of Staffordshir. cap. 2. p. 46. 47. 49 und ſein mit nam - men der Moß-poole bey Merton, in der Pfarꝛey Forton; Drude-Meer / in der Pfarꝛ Aldridge; Der Hungerbrunn / Hungry pit bey Billington, in der Pfarꝛ Seighford, nach deſſen zu - oder abnemmen die Einwohnere ſich fleiſſig richten in Kauff - und Verkauffung des Korns / gleich wie die Egyp - tier bey der ſteigenden hoͤhe des Nili ganz genau vorſagen koͤnnen die Frucht - barkeit des Jahrgangs; Weiters zwey Brünnen bey der Kirch Whitting - ton; ein anderer bey Hilderſton: Sonderbar aber kommet mit unſerem Wangerbrunn uͤberein einer in der Provinz Deira, deſſen gedenket Gulielm. Nubrigenſ. Rerum Anglic. Lib. I. c. 28. daß er nur dann und wann / non quidem jugiter, ſed annis interpoſitis, bey einbrechender Theure / flieſſe.

Zu verwunderen iſt / wie ſint An. 1686. des Wangerbachs troͤkne / und überfluß der theure und wolfeile / ſo in dem Zeitraum geweſen / ſo wol ent - ſpricht / und hetten die Kornkaͤuffer und verkaͤuffer beſſer recht dahin ihre Wallfahrten anzuſtellen / als einſten die blinden Heiden zu dem Oraculo Apollinis: ja / es werenſolche obſervationen wuͤrdig / auß hoch Oberkeitlichem Befehl in ein beſonder Tag Regiſter eingeſchrieben zu werden / wann die Be - gebenheiten wahrhaft / und in der Natur begruͤndt / worvon uns etwas zu re - den uͤberig bleibt / damit ein ganzes Land ſich auf den einbrechenden Mangel koͤnte vorſehen.

13N. 4.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung Von dem Hungerbrunn zu Wangen.

FOrderen wir ein vernunftmaͤſſiges Urtheil von dergleichen Prophe - tiſchen Waſſeren / ſo vermeine meines Ohrts / daß auf derſelben Vorſagungen ſo wenig zu ſehen ſeye / als auf die Sterndeutun - gen / wann namlich Krieg / Theure / Hunger / und andere Plagen verurſachet werden auß Politiſchen / Sittlichen / oder anderen Urſachen / die mit der wuͤr - kung keinen natuͤrlichen Zuſamenhang haben / als da ſein / abſchlagung des Proviants / der zum Grund hat den gegenwillen eines benachbarten Kornrei - chen Fuͤrſten / oder verzehrung deſſelben durch Krieg / Verwuͤſtung / Brunſten / ſolche Kriege / deren Urſachen mehr zu ſuchen in einer Machiavelliſchen Staats - raiſon / als in natuͤrlichen / oder anderen gerechten Urſachen / ꝛc. Wo zwuͤſchen der Urſach / und der Wuͤrkung / zwuͤſchen einem Zeichen / und dem bezeichne - ten / keine natuͤrliche Verwandtſchaft iſt / da hoͤret die geſunde Philoſophie auf / und kommet auf den Thron die Schulfuchſerey / welche ſich feſt zu ſetzen dermeinet auf die Unwuͤſſenheit / oder unbegruͤndte Vorurtheil / oder vorge - ſchüzte Froͤmmigkeit / kraft deren alles alſobald zugeſchrieben wird der All - macht Gottes / und darmit denen Naturforſcheren der Weg zu fehrnerer Un - terſuchung abgeſchnitten. Von unſeren vorhabenden Hungerbruͤnnen laſ - ſet ſich auß denen Fundamenten der Natur dahin ſchlieſſen / daß ihr Uberfluß ein Zeichen ſeye viler waͤſſerigen / in der oberen Erden-Rinde ſich befindenden Feuchtigkeiten / oder eines naſſen Jahrgangs / in welchem das Korn und andere Gewaͤchſe nicht wol gerahten / und eher faul / als reiff werden / wor - auf nohtwendig die Fruͤchte muͤſſen im Wehrt ſteigen. Es gewahret mein wehrter und geehrter Freund Hr. D. G. in deſſen Guͤteren diſer Hungerbachligt /14ligt / daß derſelbe dannzumahl ſonderlich flieſſe / wann ein gewiſſer etlich 100. Schuhe von des Hungerbachs Quelle ab - und hoͤher ligender Weyer / das Mollwißle genant / vorher von zuſamenflieſſendem Waſſer angefuͤllet / nach - gehnds aber ſich in die Erde verſenket und abnim̃et / ſo das zuerachten / daß die eingeſunkene Waſſer in einer ſchwammichten / zwuͤſchen dem Weyer / und des Bachs Quell ligenden Erden ſich ſo lang aufhalten / und ſamlen / bis dieſelbe ganz darmit angefuͤllet unten herfuͤr truke; wie inſonderheit die Wahrheit diſes Vernunfturtheils kan abgenommen werden auß der Hiſtori von An. 1705. und darbey von obbelobten Hrn. D. G. mit Fleiß gemachten An - merkungen. So bezeuget Plot. l. c. das in Engelland dannzumahl ſonder - bar theure Zeiten einbrechen / wann langwaͤhrende ſtarke Regen vorher gan - gen. Und gewahren die Einwohnere des Dorffs Wangen / das / wann deꝛ Hungerbach groß / alle andere Quellen / deren es daherum gar vil hat / in dem Pfarꝛhauß ſelbs / und anderen Haͤuſeren / uͤberlauffen. Ob aber diſer Hun - gerbach habe koͤnnen ein Zeichen ſeyn des groſſen Sterbens An. 1629. der Aufruhr 1647. und 1652. des ſo genanten Winterkriegs An. 1655. oder der Peſtilenz / ſo An. 1661. und 68. zu Uſter / und anderſtwo graſſiert. (dann domahls der Bach auch ſol ſtark uͤberloffen ſeyn) uͤberlaſſe ande - ren / ſo fernſichtiger ſein / als ich / zu beurtheilen.

Von denen Metallen des Schweizerlands.

Jn dem bergichten Hungarn / Sachſen / Peru, gibt es Metallreiche Berg - ſtaͤtte / dorthin muͤſſen die Metalliſchen Theile durch die Waſſer der Suͤnd - flut / wann je des gelehrten Woodwardi Grundlehr von zertrümmerung und zermuͤrſung der erſten von Gott erſchaffenen Erden in dem Suͤndfluß ſtatt findet / in groſſer vile gefuͤhrt / und Kraft ihrer ſchwere in die Tieffenen der Erden geſunken ſeyn / allwo ſie dann ganze Strata, Lagen / und Aderen von koſtlichen Metallen formiert haben / welche man nun bey ſo Metallgieri - gen Zeiten mit unbeſchreiblicher Arbeit hervor ſuchet / und grabt. So / moͤchte auch einer gedenken / iſt auch unſer Schweizerland in ſeinen m̃ern Eingeweiden angefuͤllet von Gold / Silber / und andern Metallen / das Eiſen außgenom̃en; Jch meines Ohrts vermuhte eher das Wiederſpil / und komt mir unſer ober - ſte Gipfel von Europa vor alſo / daß in der Suͤndflut dorthin muͤſſen ge - ſchwemmet / und aufgehaͤuffet worden ſeyn ſonderlich die jenigen lettichten Theile / welche hernach zu Felſen / Stein / und Marmor worden / zwaren mit dem Erlaͤuterungs-Anhang / daß nach ſonderbarer Leitung des grundguͤti - gen Gottes die oberſte / als leichteſte Lage / formiert worden auß einer lufti - gen / fruchtbaren Garten-Erde / welches ſchwarze Kleid bald nach dem Suͤnd -fluß15fluß gezieret / und gleichſam durchwuͤrket worden mit der gruͤnen Graß - und anderen ſchoͤnen Kraͤuter - und Blumenfarben / mit denen es anjezo durch Gottes Saͤgen zu groſſem unſerem Nutzen pranget / ungeachtet ſint dem Simdfluß das Schweizerland vil von ſeiner Erdenfeißte dem Teutſchland / Niderlanden / Jtalien / und Frankreich mitgetheilet. Gleichwol aber müſſen ſich bey jener groſſen Erden-aͤnderung gar vil Metalliſche Theil an die Lett-Steinichten angehenket haben / und mit in unſere Lande geſchleppet worden ſeyn / weilen wir noch zimlich vil verſchiedene / und ſchoͤne Metall haben / wie hernach gezeiget werden ſol; wiewol unſere Lande / ſo wenig als andere / den jenigen Reichthum beſitzen / welchen ſie gehabt in der erſten Welt / da ſich wol einzubilden / daß das Gold / und andere ſchimmerende Metall - Schaͤtze an groſſen Klumpen ohnmittelbar auß der Erden muͤſſen hervor geblinket haben / ſo daß man ohne ſonderliche Muͤhe derſelbigen habe koͤnnen theilhaft werden. Dann der nach gerechtem Gericht Gottes / bey Anlas des erſten Abfalls der Menſchen von Gott / auf die Menſchen / und die Erde ſelbs außgeſprochene Fluch unter anderem auch diſere Wuͤrkung gehabt zuhaben ſcheinet / daß die vorher Klumpen weiſe zuſamengefuͤhrte Metalliſche Theil in dem Suͤndfluß zerſtüket / zertrümmeret / und unter die Jrꝛdiſchen / und Steinichten zerſtreuet / und gleichſam ſtuͤcklein - oder fetzlein weiſe begraben worden / daher auch unſere jezige Erde der vorigen an Fruchtbarkeit vil nachgibt / und die Metall mit groͤſſerem Schweiß / und Fleiß muͤſſen gegra - ben / und von anderen froͤmden / unnuͤtzen Theilen geſoͤnderet werden. Unſere Schweizeriſche Lande / wie ſie ſo vil offenbare uͤberbleibſelen der Suͤndflut zeigen / daß ſie mit Recht koͤnnen betitlet werden Theatrum Reliquiarum Diluvii, ein Schauplaz der überbleibſelen der Sündflut / alſo ſein diſer Metalliſchen Theilen zerſtuͤcklung / und weitere Außſpreitung / ſo auch ihre Anhenkung an die irꝛdiſche Steinichte Materi ein lebendiges / ob - gleich todtes Zeugnuß. Es verwunderen ſich die Saͤchſiſchen Berg - und Metall verſtaͤndigen Ertz-Knappen ab der groſſen Verſchiedenheit der Situa - tion, oder Lagerſtell unſerer / und ihrer Metallen. Jn daſigen Landen ligen die Metall tieff in die Erden eingeſenkt / je weiter man in dero Eingeweide abgrabt / je beſſer und koſtlicher fein die Stuffen / und aber iſt die obere Er - den Rinde zimlich unfruchtbar / die ſchaͤrffe viler Metalliſcher auß dem inne - ren der Erden aufſteigenden Duͤnſten verſenget gleichſam das Graß / Korn und andere Fruͤchte. Hingegen ſein in den tieffenen unſerer Gebirgen mehr Waſſer - als Metall-Schaͤtze / weßwegen dann die aufſteigenden / und ſich in Wolken / Brunnen / Fluͤſſe / und See verwandlenden Duͤnſte begleitet mit wenigen Metalliſchen Theilen die obere Erden Rinde nicht nur befeuchten / ſondern anbey ſehr Fruchtbar machen / wie deſſen Zeugen ſeyn koͤnnen alleunſere16unſere Alpen / Grasreiche Weyden / Blumenvolle Berg-Gaͤrten / ja das ganze Land / welches gleich dem Land Canaan von Milch und Honig trief - fet. Und ligen die Metall gemeinlich nicht in ihren Aderen / ſondern mehr - mahlen alſo zwuͤſchen den Felſen ſtuͤckleinweiſe eingeſprengt / daß man ſie mit deſto groͤſſerer Muͤhe muß ſcheiden / und / wann man vermeint auf einer guten Aderen fortzuſetzen / auch gute Außbeut zu machen / bald darvon muß ablaſſen: Auch ligen ſie nicht tieff / ſondern gehen / nach Bergmaͤnniſcher Art zu reden / zu Tag auß / das iſt / ſie ligen oben / und verſchlimmeren ſich / je weiter man in die Tieffe grabt. Alſo zum Exempel in Schamſiſchen Bergwerken in Puͤndten / halten die oberſten Ertze ſiben Mark Silber im Centner / die jenige aber / welche 13. und mehr Klafter tieff ligen / nur 12. Loth. Welches inſonderheit dienen kan denen Gewerken / welche derglei - chen Bergwerke in Beſtand haben / oder auf ſich nemmen wollen / und aber vor ihre Zubuß auch Außbeut zu machen hoffen. Es loket ſie zwar an die geringe tieffe des Ertzes / hingegen aber ſtehet ihnen im Weg die unbeſtaͤndig - keit der Gaͤngen / welche ſich koͤnnen auftuhn / oder die Fuͤſſe von ſich ſtrecken / und widerum abſchneiden / oder verlieren / weßwegen man genoͤhtiget wird die Zechen bald da / bald dort zu bauen / und ſelbs die Schmelzhuͤtten / und andere Gebaͤue anderwerts hin mit groſſen Unkoͤſten zuverſetzen; nebſt deme / daß hin und wider groſſer Mangel an Holz / und die Bergleuhte mit groſſer Unkommlichkeit / unter Hoffnung groſſen Verdienſts / muͤſſen auß Sachſen hergebracht / und unterhalten / auch die Einwohnere vor ihre beytragende Muͤhe wol bezahlet werden; ſo daß man nach gemeiner Redensart oft eine Ganß in Bach wirft / und eine Wurſt widerum hervor zeucht. Jch wil mich aber darbey nicht laͤnger aufhalten / ſondern die Gewerkſchaft ſelbs laſſen den uͤberſchlag machen / ob ſie beſtehen oder nicht / und indeſſen fort - ſchreiten zu beſonderer vorſtellung aller Metallen / welche ſich in Helvetiſchen Landen finden.

Von dem Schweizeriſchen Gold.

Es ſol billich den Vorzug haben das Gold / als das ſchwereſte Metall / welches auch das vornemſte Gewicht machet in allen Welthaͤndlen / und an - geſehen kan werden als eine der herꝛlichſten Gaben Gottes / zu deren uns gleichſam die Natur ſelbs gleich als zu einem Magneten zeuhet; Es ſchnap - pen die kleinen Kinder nach Gold; denen erwachſenen iſt nichts liebers / als Gold; bey denen ſonſt kalten Alten findet ſich eine feurige Liebe nach dem Gold / ꝛc.

17N. 5.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortgeſezte Hiſtori des Schweizeriſchen Golds.

ES beſitzet diſes Feuergelbe Metall nicht nur die Herzen des armen Manns / ſondern auch der reichſten Koͤnigen / und Fuͤrſten / welche durch deſſen Glanz oft mehr außrichten / als durch eiſernen Gewalt der Waffen. Propettius wuͤrdiget diſe Goͤttin in wenig Verſen fuͤnfmahl zubenennen / wann er ihre Wuͤrkungen alſo außtruket:

Plurimus Auro
Venit honos, auro conciliatur Amor.
Auro pulſa fides, auro venalia jura
Aurum lex ſequitur, mox ſine Loge pudor.

Und hat Antonius Majoragius eine ſchoͤne Red gehalten von dem Lob des Golds (Philochryſus, ſive de laudibus Auri) worinn er die verderbte Sitten der Menſchen / ſonderbar aber der Geiſtlichen / durch die Hechel zeu - het. Diſes allen Menſchẽ ſo liebe Metall findet ſich gemeinlich in einem weiſſen Quarz / oder in blauen / und gelbem Hornſtein / oder in einem blauen Schiefer / Eiſenſchuß / und Gilbe (Ercker Aul. ſubt. p. 93.) ſo verborgen / daß man es mit groſſer Muͤhe / und Unkoͤſten / muß von anderen unnuͤtzen Theilen abſoͤnderen: etwann aber findet man auch das Gold pur / lauter / gediegen / ſonderlich in denen Peruvianiſchen / und Ungariſchen Bergwerken / allwo die Aderen der Raͤbblaͤtern etwañ mit ſolchem Gold durch wirket / oder die Traubenkernlein ſelbs von lauterem Gold ſeyn / oder das Korn mit gulde - nen auß der Erden aufgewachſenen Draͤten umwunden geſehen wird. Jn un - ſeren Schweizeriſchen Landen findet ſich auch das gediegene Gold in dem Sand einicher Flüſſen / von welchem nun in folgender Ordnung zu redenſeyn18ſeyn wird. Diſe art Golds / welche unnoͤhtig hat durch das Feuer von ande - ren Metallen oder Steinen / geſcheiden zu werden / ſondern allein gewaſchen wird auß dem Sand / wird deßwegen genennet gewaſchen Gold / ge - waſchene Goldflitzſchen / Goldkoͤrner / geſeifft Gold / χρύσαμμος, χρνσίτης ἄμμος Straboni, aurea arena, oder Goldſand / Seiffengold: ἄπεφθον bey Arriano, incoctile, das keiner kochung durchs Feuer noͤhtig iſt: bey anderen obryzum, ὄϐρυζον, welches Theophilus, Pſellus, und an - dere juͤngere Griechiſche Scribenten verwandelt haben in ἐνροιζος χρνσὸς: vor welches obryzum zwar andere verſtehen wollen lieber ein durch das Feuer / und nicht von der Natur ſelbs fein gemachtes Gold. Sonſten heiſſen unſer von Natur gediegen Gold nach der Zeugnuß Plinii Lib. XXX c. 4. die Spanier Palacras, oder Palacranas, (andere leſen Palacas, Pala - ceonas,) welches Salmaſius in Solin. p 757. 762. veraͤnderet in Palatas, weilen die Griechen durch παλάτας verſtehen eben ſolche Koͤrnlein / oder ge - diegene ſtuͤcklein. Bey jeztgedachtem Plinio ſtehet auch das wort Arugia, ſo auch Strigiles, Stringiles, und wil Salmas lib. cit. p. 762. das Daniel X. 5. durch〈…〉〈…〉, welches unſere uͤberſetzung gibt / gut Arabiſch Gold / eben diſes gediegen Gold muͤſſe verſtanden werden. Jch fahre aber fort / weilen mir wol kan einbilden / daß den meiſten geehrten Leſeren nicht darmit gedienet iſt / wann man ſie in die Woͤrterſchul fuͤhret. Verhoffentlich dann wird ſchon angenehmer ſeyn / zu vernemmen / wo / und in welchen Cantons das Gold ſich finde / wie man mit diſer Fiſcherey umgehe / und wo eigent - lich die urſpruͤngliche Goldquell ſeye / von deren die kleinen Goldſaͤndlein / oder Flitzſchen herkommen.

Jn dem Canton Bern waſchet man Gold auß der Emmat / nam - lich der groͤſſeren / welche in dem oberen Emmenthal auß dem Berg Schi - benflu entſpringt / und unter Solothurn in die Aren flieſſet; dann die kleinere Emmat ihren Urſprung nimmet in dem Entlibuch / im Berg Neſſelſtock / und flieſſet in die Reüß unter Lucern. Alſo auch fuͤhret in be - meldtem Canton Gold die Aaren / Arola, Arar, Araris, welche ihre Quel - len hat / theils auf der Grimſel / theils auf dem Wetterhorn / zweyen hohen Gebirgen / und bey Coblenz in den Rhein ſich ergieſſet. Franciſcus Hafne - rus berichtet in ſeinem Solothurniſchen Schauplaz P II. p. 320. daß in dem Schatz daſelbſt vil auß der Aren und Emmat gefiſchetes Gold auf - behalten worden / welches auch das beſte ſeye / und halte 22. Carat an fin / ſo es durch Spießglaß zum dritten mahl gegoſſen und alsdann durch Bley auf einer Capell gereiniget / ſo daß auch zwiſchen Ungariſchem / und Arabiſchem Gold / und diſem wenigUnter -19Unterſcheid an Farb / oder Zaͤhe moͤge geſpürt werden: Es gehe ihm ab im durchgieſſen 2. Carat / und nicht mehr.

Jn dem Entlibuch / einer Landſchaft des Canton Lucern entſpringet auß der Alp Goldzyten der Goldbach / eben daher alſo genennet / weilen er gediegene Goldſtüfflein / und Koͤrnlein mit ſich fuͤhret. So fuͤhret auch Gold mit ſich die oben bemeldte kleine Emmen. Durch jeztbenanten Canton / und fort hin durch den Canton Zug / die Freyen Aemter / und Graffſchaft Baden flieſſet die Reüß / Urſa, Ruſa, welche auf denen hoͤchſten Alp-Spitzen des Gotthards / und Furken ihren Urſprung nimmet / bey Altorff / dem Hauptfleken Urner Gebieths in den IV. Waldſtaͤtten See fallet / und auß demſelben bey Lucern wider außflieſſet / endlich in die Aren ihre Waſſer außgieſſet / under Windiſch. Jn diſem Reüßfluß waſchet man auch aller Ohrten Gold / derne folgendes Zeugnuß zuleget Thurneiſſer Waſſerſch. L. VI. c. 20. daß es halte 21. Carat / und beſſer ſeye / dann das Rheiniſch / ſo daß auch die Goldſchmid darmit vergül - den koͤnnen.

Auf dem Groſſen Aubrig / welches ein hoher Berg des Canton Schweiz / an das Silthal graͤnzend / iſt eine Hoͤle / die man nennet das Goldloch / weilen vor diſem ſol Gold auß derſelben hervor gegraben worden ſeyn.

Jn Underwalden ſollen Gold-Ertz ligen auf dem Gruͤnberg / ſo ſon - ſten der Neunalper heiſſet / im Melchthal; alſo auch in dem Engelber - giſchen / welches ob Underwalden liget / und aber eine beſondere Herꝛſchaft außmachet / und dem Kerzen Alpenberg. Wagner. Hiſt. Nat. Helv. p. 349. diſes Engelbergiſche Ertz / deſſen unſer S. Wagnerus gedenket / iſt / wie ich vermuhte / eben das / welches ſich findet im Bruderloch / mit einem Vitrioli - ſchen Kupferkieß / in einer Aſchfarben / und Ochergelben Erden / welche in dem Feuer eine braune Farb annimmet / und darmit einen Crocum Martis anzeiget. Iter alpin prim. p 18.

Von dem Gold des Solothurner-Gebieths iſt oben bereits bey Anlas der Aren / und Emmat / meldung gethan worden.

Jn Pündten entſpringt der Vordere Rhein auf dem Berg Criſ - palt / der Mitlere zu oberſt im Thal S. Mariæ, der Hindere hinden im Rheinwald. Diſer Fluß iſt auch Goldreich / dann er / wie Heliſæus Roͤßlin ſchreibt / einen reichen Goldſchlich mit ſich fuͤhrt / den er auch an vilen Ohrten außſtoſſet / iſt für ſich ſelber gut Ducaten-Gold /ſo20ſo ihme aber ein Zuſatz gethan / werden von ſolchem Gold alle Rheiniſche / Chur - und Fürſtliche / der Reichs-Staͤtten Guldene Münzen / die den Nammen Rheiniſches Golds behalten / gema - chet / und an ſeinem Koren 18. Carat feines Golds behalten. Da zu gewahren / daß die eigentlich alſo genante Rheiniſche Gold-Gül - den anfangs nur in denen Churfuͤrſtlichen Landen am Rhein gepraͤget worden auß dem Rheiniſchen Golde / und auch nach dem Reichs Abſcheid An. 1576. und Ferdinandi Münzordnung §. fehrner dieweil ꝛc. Ducaten zu můnzen nur den jenigen Standen gebuͤhret / welche ſolches Gold in ihrem eigenen Land und Gebiethe fallen haben. Jch hab auß der Landſchaft Schams in Puͤndten / von Herꝛen Andreæ, Inſpectore daſiger Bergwerken vor einem Jahr erhalten ein ſchoͤnes Goldſtüfflein / welches er hat bey Ander auß dem Rhein waſchen-laſſen.

Es fuͤhret auch Gold die Adda / Addua; Adden / welche auß dem Braulio, oder Wormſer Joch entſpringt / und durch das Veltlein ab-end - lich in den Chumer See fließt / nach der Zeugnuß Wagner Hiſt. Nat. Helv. Car. p. 346.

Bey Diſentis, einem Kloſter Benedictiner Ordens / ſollen auch Gold - Ertz ſeyn.

Jn der Graffſchaft Sargans bey der Quell des Pfefers Bads findet ſich in dem Felſen und gelber darein geſtreuter Erde auch etwas we - nigs Gold. Wagner Hiſt. Nat. Helv. p. 349. Auß Stumph. Chron. L. X. c. 23. und Geſſner de Baln. Helvet. Diſes Gold henket ſich zu weilen in kleinſten / doch ſichtbaren Staͤüblein an die Zaͤpflein / mit welchen die Pfefers Waſſer-Glaͤſer geſtopfet werden / danahen einiche darvor gehalten / es moͤch - ten die vornemſten Wuͤrkungen des Waffers ſelbs von dem Gold herzu - leiten ſeyn. Von diſem Bad aber iſt gehandlet worden oben in dem I. Theil diſer Natur Geſchichten N. 13. und 14.

Nun / nach dem die jenigen Ohrte / wo Gold in unſeren Helvetiſchen Landen ſol anzutreffen ſeyn / namhaft gemachet / folget zu erklaͤren die Weiſe / wie die Golder / Goͤldner / alſo nennet man die aurilegulos, Goldfiſcher / welche mit dem Gold ſuchen / und waſchen / umgehen / ſich verhalten. Weilen ſie nicht durch die Felſen / wie in Bergwerken geſchihet / mit Gewalt durch - brechen muͤſſen / ſondern denen Uferen / Goldreichen Waſſeren nach ſpazieren / und einen Ohrt außwehlen koͤnnen zu ihrer Fiſcherey nach ihrem gefallen / geben ſie achtung auf gewuͤſſe Merkzeichen / damit ſie nicht laͤhres Stroh droͤſchen / oder ein geringes Tagwerk machen / ꝛc.

21N. 6.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung Von dem Schweizeriſchen Gold.

SJe / die Golder / gewahren / daß ſich das Goldreiche Sand ſonderbar finde auf den Klingen / (ſein von dem Waſſer ſelbs aufgeworffene Sandhaͤuffen etwann in mitten des Fluſſes / welche kleine Sand - Jnslen unſere Golder auch Grien heiſſen) weilen dorten das ſchwere Gold-Sand ligen bleibet / und das leichtere von dem Fluß ſelbs wegge - ſchwemmet wird / wie dann bekant / daß in denen Bergwerken ſelbs durch die ſo genanten Waſchwerke die leichtere Steinichte / oder lettichte Materi des gepuchten / oder in Pulver zerſtoſſenen Ertzes abgeſchwemmet wird / und die ſchweren Metalliſchen Theile zuruck bleiben. Auß diſem Grund ſuchen unſere Golder ihre Schaͤtze (dann diſe armen Leuhte ſo vernuͤgt / wann ihr Tag - werk einiche Groſchen hoͤher komt / als gemeinlich / als etwann ein hoher Po - tentat / wann ihme ein Gold - oder Silberflott in ſeine Haͤfen einlauffet) auch in und bey Wirblen / hinder denen Stauden und Geſtraͤuchen. Es leh - ret uͤber diß Loͤhneiſen vom Urſprung der Bergwerken. p. 56. daß das bequemſte Laͤger zum Goldwaſchen ſeye / wann es neben ihm gegen Mitternacht habe ein Gebuͤrge / und gegen Mittag oder Abend ein Flaͤche / darzu ſein flieſſen ſol ſein auß dem Abend in den Morgen. Ob diſe Regel bey uns koͤnne oder ſolle in acht genommen werden / wil ich nicht bejahen / ſon - dern wolte hingegen bey dem Exempel der Reüß und Aren eher das wider - ſpil zeigen. Das aber weiß ich / daß unſere Goldner Achtung geben auf das / was Alvarez hat in ſeiner Beſchreib. Æthiopien. cap. 39. p. 162. Daß ſie ſonderlich auf die Beut außgehen / wann die Goldreiche Bergwaſſer vom Plazregen / oder geſchmolzenem Schnee an - oder gar uͤber die Ufer geloffen /und22und etwann von einem Geſtad ein ſtuͤck Lands weggefreſſen / und an das voruͤber ſtehende Ufer gefuͤhrt / folglich das unnuͤtze Sand von dem ſchweren Gold Sand geſcheiden hat. Jn Chaxuma, alſo ſchreibt jeztbemeldter Al - varez, ſo oft groſſe Wetter / und Plazregen kommen / laufft jedermann / jung und alt / Maͤnner und Weiber zu Feld / und ſuchen das Gold / ſo durch den Regen / und Waſſergüſſe außgewaſchen worden. Alſo ſehen wir / wie die Mohren / und Schweizer einen Lehrmeiſter haben / namlich die Erfahrung; und ſtudieren diſe ſo wol / als jene auf denen hohen Schulen / welche Strabo Lib. V. p. 214. heiſſet χρνσοπλύσια. Silius Italicus XVI. v. 25. arva aurifera, die Teutſchen Goldwerk / Goldbrünnen, Goldkißwerk; Das Alter diſer Academi kan fort geſtrekt werden bis zu denen Guldenen Zeiten / ſo vor dem Suͤndfluß geweſen / und kan wol ſeyn / daß Adam ſelbs / oder Thubalcain, die erſten Golder geweſen. Die Profeſſores ſein die Goͤldner ſelbs / welche in Bergmaͤnniſcher Sprach genennet worden Goldwaͤſcher / Goldgruͤnder / Goͤldner / Seiffenarbeiter / Seyffner. Jhr Buch iſt das Gold-Sand ſelbs / Aurum fluviatile, das Waſchgold / Seyffen - gold / arena aurifera Silii Lib. XVI. v. 558. Jhre Rectores ſein die hohen Lands-Obrigkeiten / unter deren Schutz ſie ihr Stuckbrot durch Golden verdienen; um ſo vil deſto eher / weilen das Golden gerech - net wird zu denen Regalien der Fuͤrſten / worvon zuſehen Seckendorff Fürſten Staat p. 337. Meurer Tom. V. Der Forſt - und Jagd - Rechte. p. 103. Struv. Diſſ. Jurid. de Auro Fluviatili Th. 12. 13. &c. Zwaren iſt man in unſern Eidgnoͤſſiſchen Landen nicht ſo genau / wie anderſt - wo / zum Exempel in der Pfalz / da der Churfuͤrſt die zwuͤſchen Mannheim und Oppenheim habende Goldgruͤnde gewiſſen Perſoneni Beſtand gibet / und zu Urkund deſſen gewiſſe Beſtand Brieffe außfertigen laſſet. Wie in ganz Europa bald kein Land iſt / da die Volks-Freyheit in groͤſſerem Grad ſich finde / als die Eidgnoßſchaft / alſo zeigen ſich auch bey uns die wahren überbleibſelen des jenigen Natur Rechtens / mit welchem Gott die Menſchen begabet / kraft deſſen einem jeden das zugehoͤret / was er findet / ex §. 18. l. de Rerum diviſione. Unſere hohe Oberkeiten machen kein Monopolium auß dem Golden / man laſſet jedermann ohne Unterſcheid zu / Gold aufzuſuchen / und zu waſchen nach belieben / mit dem Vorbehalt zwar / daß ein gewiſſer Zehenden / oder alles gefundene Gold in gewiſſem Wehrt der Oberkeit / oder dem Landvogt zugeſtellet werde. Wie dann die Bauren in der Grafſchaft Badẽ ihres ob Klingnau gefundene / und vorher geſchmolzene Arengold brin - gen in die Statt Baden / laſſen es bey einem Goldſchmied waͤgen nemmen von ihm einen Zedcel / und bringen ihn dem Landvogt / der dann ihnen ,Thaler23Thaler vor die Kronen gibt. Das uͤbrig / ſo etwann ½. Thal. oder ½. Kro - nen / oder 32. ß. bleibt dem Landvogt. Es iſt diß ein alte / und auf die Billichkeit gegruͤndte Sach / derhalben eine außtrukliche Satzung ſtehet l. 3. C. Theod. de Metall. Quidquid aurum amplius colligere potuerint, fiſco potiſſimum diſtrahant, à quo competentia ex largitionibus noſtris pretia ſuſcipient. So iſt bekandt auß Köppen. Quæſt. 59. c. 13. wie die Fuͤrſten in Teutſchland ſich den Silberkauff in ihren eigenen Landen vorbehalten; und findet ſich des Goldshalben folgende ſcharffe Satzung in der Berg - Ordnung in Nider-Oeſterꝛ. Landen Art. 177. Alles Gold / und ſo auf dem Waſchwerk gemacht / ſol niemand anders verkauft werden / bey un - ſer ſchweren Straff an Leib und Gut. Jch glaube aber auch / / daß in einichen Cantons auch diſere ſonſt ſchuldige Pflicht nur nicht einmahl be - gehrt / oder eingeforderet werde.

Schreiten wir fort zu der Weiſe / deren ſich unſere Golder bedienen / das Gold von dem Sand / oder Schlicht abzuſoͤnderen / ſo finden wir bey ihnen eine kunſtliche Einfalt. Einiche waſchen das Gold-Sand durch ein wullen Thuch / wie der ſo genante Noͤrdlinger iſt / in dem die Goldflizſchen hangen bleiben / gleich einſten die Einwohnere der Landſchaft Colchis mit ihrem Waſchgold umgangen / nach der Zeugnuß Strabonis Lib. XI. p. 499. welcher auch daher leitet die bekante Fabel von dem Aureo vellere, oder Guldenen Fließ. Andere nemmen das Gold in eine Mulde / waſchen den Sand darvon / alſo daß nichts überig bleibt / als der ſchwarze und weiſſe Schlicht / laſſen dann Quekſilber hineinlauffen / welches das Gold an ſich ziehet / tuhn diß in ein Leder / ſo gehet das Quek - ſilber durch / und bleibt das Gold im Leder / juſt wie man verfahret in der Grafſchaft Schwarzenburg / nach dem Bericht Thurneyſeri Lib. V. c. 5. Es gewahren aber die / welche die Scheidkunſt recht verſtehen / daß man auß dem Gold-Sand einen weit groͤſſeren Nutzen bezeuhen koͤnte / als würk - lich geſchihet / und nahm entlich durch Mittel des Feuers nebſt einem theil Gold allezeit heraußbringen zwen theil Silber / welches aber die Golder nicht verſtehen.

Der vorgeſezten Ordnung zu folg gehe fort zu ſuchen die wahren Quel - len / auß welchen die Gold Staub - und Koͤrnlein herkommen / und ſo vil deſto freymuͤhtiger / weilen nicht wenig an diſer Unterſuchung gelegen / und die jenigen Cantons / oder Zugewandte Ohrte der Eidgnoßſchaft / in deren Gebiethe die eigentlichen Goldquellen koͤnten entdeket werden / groſſen Nu - tzen ſo wol vor das gemeine Weſen / als angehoͤrige Privatperſonen / ſchaf - fen koͤnten. Es finden ſich diſer Sach halben ſo wol in als auſſert demSchwei -24Schweizerland verſchiedene Meynungen. Die wenigſten halten darvon / es werde das Gold in dem Sand nach und nach durch der Sonnenwaͤrme / unter allgemeiner wirkung des Weltgeiſts gezeuget: Die meiſten Gelehrte und Ungelehrte / wollen / daß innert denen Gebirgen / in dem Eingeweid der Erden ſich finden rechte / reiche / Goldquellen / da diß edli Metall haͤuffig bey - ſamen / von dannen aber durch die Waſſer abgefloͤtzet / und anderſtwohin ge - fuͤhret werde / ſo daß man bey dem Urſprung der Aren / Reüß / und Emmaten reiche Berg-Schaͤtze zuverhoffen hette. Jn diſer Meynung ſtehen wir Schweizer ſelbs / aber auch / wie jezt verdeutet / die meiſten Gelehrten / als Georg. Agric. de Ort. & Cauſ. Subterran. Lib. V. p. 77. Loͤhneiſen von Gold-Ertzen und Goldſchlichten P. VII. p. 129. Baſil. Valentin. Tom. II. Chymic. Lib. I. c. 14. anderer zugeſchweigen, Mir komt wahrſcheinlicher vor eine dritte Meynung / welche zwaren wenig bey anderen antriffe / aber gleichwol mit noͤhtigen Beweißgruͤnden vortragen / und darbey dem geehr - ten Leſer eine voͤllige Freyheit uͤberlaſſen werde zu kieſen das jenige / was ihme ſelbs am fuͤglichſten duͤnket. Mir komt das jezt ſtehende Erdengebaͤu vor / gleich Woodvvardo in ſeiner Geograph. Phyſica als eine groſſe Kugel / wel - che wo nicht gaͤnzlich in dem Suͤndfluß zermalmet worden / doch die geſtalt - ſame ihrer oberen Rinden merklich veraͤnderet in die jenige / ſo man jezund vor Augen ſihet. Jch zweifle nicht / es ſeyen die koſtlichſte Metall vor dem Suͤndfluß oben zu Tag gelegen / daß man keine groſſe Muͤhe gehabt / ſie zu ſamlen: jezund aber iſt alles ſo zerſtreut / und zerſtuͤklet / daß man nicht an - derſt / als mit ſaurem Schweiß / die Goldſtaͤublein muß zuſamen leſen / und bin ich verſicheret / daß die Gold-Ertze ſich nicht nur finden in denen Einge - weiden der Bergen / da die eigentlichen Gold Bergwerke ſeyn / ſondern bald an allen Ohrten / in aller Erden / in allem Sand / (wie dann bekant des Joa - chimi Beccheri Minera Arenaria perpetua, ſo zu Frankfort heraußkommen An. 1680. und anzeiget / wie man in Holl - und Engelland rechte Goldgruben an dem Ufer des Meers aufrichten koͤnte) in den Kieſelſteinen / Marmor - und anderen Felſen: ſonderbar aber gewiſſe Striche Laͤnder / als in unſerer Eidgnoßſchaft das Berngebieth / die Freyen Aempter / die Grafſchaft Ba - den ꝛc. Da das Gold nicht nur ſich finden laſſet an denen Uferen der Flüſſen / ſondern in denen Aeckeren / und anderen Güteren / die niemahlen von den naheligenden Waſſeren ſein uͤberſchwemmet worden: Es iſt oben angedeu - tet worden / wie die Golder ſonderlich gute Beuth zu machen hoffen / wann ein Stuck von dem feſten Land durch die Waſſerfluten weggeriſſen / und auf eine Klinge / oder an das voruͤberſtehende Ufer getragen wird / ꝛc.

25N. 7.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Anhang von denen Vrquellen des Schweizeriſchen Golds.

WAnn die Goldquellen in unſeren Gebirgen zuſuchen / ſo kan ich mir nicht einbilden / wie das Gold koͤnne zu Mannheim in der Pfalz haͤuffig gefiſchet werden / nach deme es von denen hoͤchſten Pündt - neriſchen Alpgebirgen hette muͤſſen durch den Rhein abgefloͤſſet werden in den Boden-See / und von dannen einen noch ſo weiten Weg durch die Schweizeriſche und Teutſche Lande gehen / und doch in Pündten ſelbs weni - ger Gold-Sand zufinden ſeyn / als in der Pfalz. Alſo auch kan ich nicht begreiffen / wie das Gold / ſo ſich finden laſſet in der Reüß / von der Furca, und Gotthard / wo ſie entſpringet / von dort abgefuͤhrt werde gen Altorff / und von dannen durch den IV. Waldſtaͤtten - oder Lucerner-See in die Freyen Aemter; oder / es muͤßte das ganze Urner Land / wo die Reüß durchfließt / ein Goldvolles Hevila ſeyn.

Von dem Silber des Schweizer-Lands.

Der natuͤrlichen Ordnung nach folget das zweyte von edlen Metallen / deſſen Macht ſich ſo weit uͤber die Erden / und der Menſchen Verꝛichtungen erſtreket / als des Golds. Zwaren iſt an Schoͤnheit / und Koſtlichkeit ihme das Gold uͤberlegen / es erſetzet aber bey dem Silber den Mangel des herꝛ - lichen Glanzes die groͤſſere Menge / welche bald in allen Landen der Welt an - getroffen wird. Jn unſeren Helvetiſchen Landen iſt des Silber-Ertzes halben grad Anfangs zugewahren / daß in unſeren Gebirgen ſich nicht finden koſtbare / und weichflüſſige Silberſtuffen / nirgends kein gediegen / gewach -ſen /26ſen / Haar Silber / kein Rohtguͤlden Erz / oder Glaß Erz / oder Horn Erz / ſondern unſere Silber-Ertze ſein meiſtentheils hart / ſtreng in ſpathige Stein eingeſprengt / oder mit dem Bley Erz untermiſcht / mehr Bley - oder Kupfer-als Silber Erze zunennen / alſo daß ſich niemand groſſe Außbeuten ſol verſprechen. Wir wollen aber ohne fehrneren Umſchweiff ſchreiten zu Erzellung der jenigen Ohrten lobl. Eidgnoßſchaft / da Silber - Ertze anzutreffen / und dero Hiſtori dem geehrten Leſer mittheilen.

Jn dem Canton Zürich wiſſen wir von keinem Silber-Erz / als deme / ſo um das Jahr 1559. gegraben worden auf dem Schnabelberg / einem Theil des Albis-Bergs / Albii, da vor diſem geſtanden eine namhafte Ve - ſtung / beſeſſen von denen Freyherꝛen von Schnabelberg / welche aber einge - nommen / und zerſtoͤrt worden An. 1308. Diſes Silber Bergwerk iſt zwa - ren zu unterſchiedlichen mahlen eroͤffnet / allezeit aber / weilen es die Unkoͤſten nicht moͤchte ertragen / widerum verlaſſen worden. Eſcher Beſchreib. des Zürich-See / p. 261. Wagner. Hiſt. Nat. Helv. p. 350.

Jn dem Canton Bern finden ſich Silber-Ertze bey Bex, Bactiacum, einem Dorff / oben an dem Genffer-See gelegen. Wagner lib. cit. p. 349.

Bey den Urneren ſollen ſich auch Ertze finden / nach Wagneri Zeug - niß l. c. Jch habe aber hiervon noch keinen eigentlichen Bericht.

Auf dem Groſſen Diethelm / einem hohen Gebirg im Silthal / Schweizer gebieths / zeiget man ein Silberloch / auß welchem ehemahlen vil Silber muß hervor gegraben worden ſeyn. Iter alpin. prim. p. 6.

Jn dem Canton Underwalden ſol Silber Aderen haben der Berg Schnyden / in der Pfarꝛey Saxlen / und alſo auch Woͤlflis Alp / im Melchthal. Wagn. l. c. p. 350.

Jn dem Canton Glarus fande man auf dem Berg. Guppen / ob Schwanden / etliche Anzeigungen eines Silber-Ertzes An. 1526. worauf der Berg nach Bergmaͤnniſcher Weiſe gefreyet / und eine Gruben aufge - ſchlagen worden von vilen Landleuhten / und froͤmden / bevorab Hr. Felix Grebel von Zürich / und Conrad Grebel von Baden / welche Bergleuhte auß Joachimsthal beſchrieben / es ward aber nichts ſonderlichs außgerichtet / weilen die Aderen / ſo man vermeinte gefunden zu haben / ſich allezeit wider verlohren. Valent. Tſchud. Hiſt. Reform. Glaron. ad. An. 1516. deſſen gedenket auch Wagner. p 349.

Jn Pündten gibt es hin und wider Silber-Ertze. Wagnerus p. 350. gedenket folgendes: Jm Thal Ferrera, Scarla: in der Landſchaft Davôs; in dem Berg Fodera, oder Pesfalario, Buffalor / im unteren Engadein /5. Stund275. Stund von dem Dorff Lavin, ſo auch im Schamſerthal. Die Land - ſchaft Filliſur ſol ſo vil heiſſen / als Vallis aurea, ein Goldreiches Thal / weilen man alldort vor An. 1618. Silber / Kupfer und Bley in zimlicher Menge gegraben / und ſein auch dieſelbigen Bergwerke zu unſeren Lebzeiten widerum geoͤffnet / und gebauet worden. Dißmahlen werden noch gebauet die Gruben im Schamſerthal / ob dem Dorff Ander / nicht aber mit ſolchem Glück / wie zu Anfang des juͤngſt verwichenen Jahrhunderts / in Be - ſtand Hrn. Holzhalben / und Nüſcheleren von Zuͤrich. Diſe waren ſo gluͤk - haft / daß ſie alle 14. Tag ein ſtuck Silber goſſen / ſo ſchwer / daß der ſtaͤrbſte Mann genug daran zu tragen hatte; die Unkoſten bezahlten ſie auß dem Bley / und Kupfer. Die Gaͤnge in den Gruben waren ſo reich / daß die Knappen / wann ſie am Abend auß der Gruben gangen / und ein Feuer darein gemacht / am Morgen ein zimlich ſtuk rein außgegoſſenes Silber funden. Sie theilten aber groſſe Almoſen auß den Armen / und je mehr ſie gaben / je reiche - ren Saͤgen genoſſen ſie im Bergwerk. Sonderlich wird in denen Annalibus des Ohrts geruͤhmt ein Frau Regula Nüſchelerin / als eine rechte Muter der Armen / welche ſie alle Freytage geſpieſen mit Fleiſch / Suppen / und Brot. Nach deren Tod hoͤrten auf die Almoſen / und mit ihnen der Berg-Saͤgen / es entſtuhnden allerhand Mißhelligkeiten / und gienge alles zu Grund. Die Herꝛen Franken von Plurs hatten in diſer Schamſer Landſchaft 7. Gruben / und bereicherten ſich ſehr darauß. Nach dem aber An. 1618. der gerechte Gott den Flecken Plurs mit allen ſeinen Einwohneren mit einem klaͤglichen Untergang An. 1618. geſtraft / ſein auch diſe Gruben zerfallen. Diſere be - ſondere Nachricht habe von dem Ehrw. Hrn. Lud. Molitore, Pfarꝛer zu Ander. Auf dem hohen Gebirg Galanda / welcher zwiſchen Chur / und dem Vettißthal im Sarganſer Land / auch ſelbs in jezbenanter Landſchaft Schams / und anderſtwo in Puͤndten / findet ſich Silber-Erz in einem weiſ ſen mit Berggruͤn / und Bergblau durchmengten Geſtein. Es ſol auch Silber Aderen haben bey Obervatz / Diſentis; und un Thal S. Maria.

Jm Walliſſer Land gibt es auch Silber-Ertz / namentlich im Eiſchol - lerthal / im Rarer zehnden; im Enfiſcherthal / und zwiſchen Fertorin, und Gruͤn / des Siderzehndens; Jm Thal Baneas / in Underwallis. Wagn. l. c, 350. auß Simler Valleſ. p. 20. 23. 28. und Paradin. Chroniq. de Savoye, pag. 15.

Jn der Herꝛſchaft Engelberg / welche an Uri / Underwalden / und Bern angraͤnzet / und dem Kloſter diß Nammens / Benedictiner Ordens eigenthumlich zugehoͤret / ſein auch Silber-Ertze im ſo genanten Bruder - loch / und Geißloch in Vitrioliſchem Stein / und Erden / auch in der Reyen /und28und auf dem Joch / einem hohen Berg / deſſen letſteren auch gedenket Waga. Helv. Cur. p. 350.

Von dem Eiſen des Schweizerlands.

Es iſt bekant / daß die Chymici mit einem Zeichen abbilden den kriegeriſchen Abgott Mars, den Planeten Mars, und das Eiſen / ia ſelbs diſes letſtere mit dem Martis Titel bekleiden. Ob ihnen hierzu Anlas gegeben habe der Einfluß des Martialiſchen Geſtirns uͤber das Eiſen / und Martialiſche Gemuͤhter der Welt / oder die rohte Geſtalt des Martis, und Eiſens / wil ich dißmahl nicht unterſuchen / daß aber den Naſweiſen Steinſeheren zuge - fallen allhier einſetzen / daß es ſcheine / ihr Martialiſcher Grundſatz von Martia - liſchen Einfluͤſſen uͤber Martialiſche Laͤnder und Gemuͤhter bekraͤftige ſich nicht wenig durch das Exempel unſerer Helvetiſchen Landen. Der alte und neue kriegeriſche Genius der Schweizeriſchen Nation iſt aller Welt durch verꝛich - tete Heldentahten genugſam bekant / daß ich unnoͤhtig habe die Wahrheit diſer Sach zubeweiſen. Jch fuͤge aber auch hinzu / daß bald kein Land ſo vil Eiſen-Erz hat / als das unſerige. Nur fehlet es uns an genugſamen Beweiß - gruͤnden / daß unſer Vatterland ſtehe unter einflieſſender Regierung des Jrꝛ - ſternen Martis, vor allen Laͤnderen auß. Koͤnte mich jemand deſſen bereden / ſo wolte ich keklich behaubten / daß unſere Schweizeriſche Gemuͤhter / und Leiber geſtaͤchlet wurden von oben herab durch kraͤftige Einfluͤſſe auß dem Planeten Himmel / geſtaͤchlet von unden durch Martialiſche auß unſerem Ei - ſenreichen Land aufſteigende Duͤnſte / geſtaͤchlet durch eigene in alten Roͤ - miſchen / Oeſterꝛeichiſchen / Burgundiſchen / und heutigen / ſo wol Außlaͤndi - ſchen / als einheimiſchen Kriegen / ſo vilfaͤltig geuͤbte Kriegserfahrenheit / zu deren auch unſere Kinder angefuͤhret werden / ehe ſie recht auß der Schale geſchloffen: Ja ich wolte endlich mich und andere bereden / daß wann je bey einer Nation die Kunſt der Feſtmachung ſich ſolte finden / ſolche der Schwei - zeriſchen / als ein Vorꝛecht gebuͤhrete / um ſo vil mehr / weilen unſere Leiber von rauher Kaͤlte der Winden auch ſo zu reden gehaͤrtet werden / wie wir oben im I. Theil N. 17. p 65. geſehen / daß das Bergholz von kriegeriſchen Voͤlkeren vor anderem auß zu bereitung der Waaffen gebrauchet worden / als das haͤrtere / und leichtere; und im Sarganſer Land / da die reichen Sta - helbergwerke ſeyn / daß aufwachſende Holz ſelbs gleichſam geſtaͤhlet wird. Jch wil weiters mit diſer Vernuͤnftelung nicht ſchreiten / damit nicht man - chem Haſen eine Forcht vor der Schweizeriſchen Nation einjage / oder ande - ren einen Weg zeige / auf unbegruͤndte Grundſaͤtz / oder einbildiſche Vorur - theile ein ganzes Gebaͤu allerhand Scheinwahrheiten aufzufuͤhren / wie ſolche Schwachheiten an ſich haben obbenente Sternweiſe / und Chymiſten. Wil hiemit diſes alles in laͤhren Luft geredt / oder geſchriben haben / und fortfahren zu dem Schweizeriſchen Eiſen-Erz ſelbs.

29N. 8.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Anhang Von dem Eiſen des Schweizerlands.

DEr ganze Berg Jura, deſſen gedenket Cæſar Lib. I. Bell. Gall. Plin L. III. c 44. und andere alte Scribenten mehr under dem Nam - men Juraſſus, Ι᾽ονράσιος, Ι᾽ονρασσὸς, Ι᾽όρας, iſt bald durchauß in ſeinen Eingeweiden angefuͤllet mit Eiſen / und Eiſenſchüſſigem Kieß. Under diſem Nammen des Juræ aber verſtehen wir den groſſen Strich Gebirgich - ten Landes / welcher ſich zeuhet von dem Schaffhauſer Gebieth / durch den Canton Zürich / die Grafſchaft Baden / die Cantons Bern / Solo - thurn / Baſel / die Grafſchaft Neuenburg / und folgender Strich Lan - des laͤngſt dem Genffer See hin bis in Frankreich. Hiemit gehoͤren unter diſen Titel gar vil namhafte / mit ihren beſonderen Nammen bezeichnete Berg / als der Randen / Legerberg / Blauen / Boͤtzberg / Schaffmatt / Ober - und Nieder Hauenſtein / Waſſerfall / St. Claudis Berg / und andere mehr.

Auf dem Laͤgerberg Züricher-Gebieths / welcher ſonſt auch heiſſet Laͤgeren / Laͤberberg / Legerius mons, finden ſich ſchon zimliche Anzeigen eines Eiſen Ertzes / namlich allerhand figurierte / oder gebildete Stein von Eiſen / oder Eiſenſchüſſigen Kieß / deren einiche vorbilden runde Zuker-Erb - ſen / glatt und krauſen / groß - und klein / Cubeben / Wuͤrffel / Schneklein / Mu - ſchelen / Sternlein / Ammonshoͤrner / und ſo fort: und namentlich findet man diſe Steinlein in dem Poppelzer Berg / bey dem Wachthauß; an der han - genden Rüti / ꝛc. Bey denen Zuker-Erbsfoͤrmigen Eiſenſtüfflein kan der curioſe Liebhaber gewahren / daß rund um ihre auſſere Flaͤche zu ſehen kleinehervor30hervor ragende viereket Pyramidaliſche / oben zugeſpizte / oder abgeebnete / Stuͤklein / und folglich diſere Art Steine fuͤglich kan in Vergleichung geſetzet werden mit jenem roſtfarbigen grobſpitzigen Marcaſit, mit vor ſich geſchobenen Buklen / ſo ſpitzig ſein / wie ein Diamant / Brackenhof, Muſ. p. 65. ja auch mit jenem Siderite, welchen unter dem Titel eines Dia - mantſteins auß Jndien bekommen hat Salmaſius in Solin. p. 773. 774. Diſere Anmerkung habe allhier beyſetzen wollen / weilen von ſolcher Geſtalt fein die meiſten Eiſen Kieß / welche auf unſeren hohen Gebirgen ſich finden / und mehrentheils kuglicht ſeyn / als zum Exempel ſein koͤnnen die jenigen Schwefel Kieß / welche in der Freyherꝛſchaft hohen Sax / ob dem Dorff Frümbſen anzutreffen.

Jn dem Canton Bern gibt es Eiſen-Ertze in denen Bergen Baum - garten / Boͤtzberg / und allda im Adlersberg / Schoͤrtzberg / ſo zwuͤſchen Habſpurg / und Braunegg; weiters im Müllithal / Haßlithal / und Gutenthann / deren auch meldung tuht Wagner Hiſt. Nat. Helv. p. 350. und Raͤbmann Geſpr. von Bergen / p. 199. Bey dem Dorff Leng - nau grabet man auch ein reiches Eiſen-Erz / welches man ſchmelzen laſſet im benachbarten Dorff Grenchen / Solothurner Gebieths. Es eignen ſich aber die Herꝛen von Bern zu den zehenden Kübel voll / zu einem Zeichen der hohẽ Territorial Bottmaͤſſigkeit / wie diß auch practiciert wird in der Graffſch. Baden. Das Eiſen-Erz / welches ſich uͤberall durch die Grafſchaft Baden / und im Boͤtzberg / ſo auch zu Lengnau findet / heiſſet gemeinlich Bon-Erz / weilen es den Erbſen und Bonen ſich gleichet / welche eintweder frey auf ein - ander ligen / oder in einem gelben Lett / gleich als in einer Muter / eingeſenket ſeyn.

Jn dem Canton Lucern iſt Eiſen-Ertz in der Alp Bleiken / in der Pfarꝛ Schürpfen. Wagner. MSC.

Jn dem Canton Uri iſt Eiſen in dem Schwarzen Ertz-Berg / Wagner Hiſt. Nat. Helv. p. 350.

Die Underwaldner haben Eiſen-Erz im Melchthal / Id p 351.

Der Canton Solothurn hat Eiſen-Erz in denen Landvogtheyen Falkenſtein bey der Cluß; Thierſtein bey dem Dorff Erſchwyl / und Gilgenberg. Id. I. c.

Die Glarner haben Eiſen-Erz auf Guppen / einem Berg ob Schwanden. Id. I. c.

Es iſt auch auf dem bekanten Berg Glaͤrniſcht an ſeiten des Seerüti -See31See vor diſem ein Eiſen Grub bearbeitet worden / welche nun / gleich obiger auf Guppen ohne Frucht liget.

Der Canton Schaffhauſen hat Eiſen-Erz auf dem Randen Berg / und auf dem Roß-Berg bey Oſterfingen.

Die III. Rhetiſchen Pündt haben in ihren Landen zimlich vil Ei - ſen / als in den Thaͤleren Filliſur / Scarla, Ferrea, Ferrera (in der Scham - ſer Landſchaft / welches eben daher auch ſeinen Nammen tragt / und ein koſtlich Eiſen Ertz in groſſer Menge / ſonderlich auf dem Gebürge Finell, hat / ſo auß Mangel Holzes unbrauchbar liget) Ballviſerthal. Wagner l. c. Der be - ruͤhmte Guler in ſeiner Rætia gedenket auch / das Eiſen-Erz ehemahls ge - bauet worden im Malenkerthal / welches im Veltlein ligt / und von Son - ders in das Mitnaͤchtig Gebirge hinein ſich dem Waſſer Maler nach erſtre - ket. p. 181. weiters im Thal Ambria, ſo auch im Veltlein neben Piatteda ſich gegen Mittag in das Gebirg zeuhet. p. 182. in dem Eiſenthal / welches ob dem Dorff Piazza unter den Bergen Trona, und Tronella ligt / auch im Veltlein. p. 184. So finden ſich Anzeige verfallener Eiſen Gruben auf dem Berglein Colma di Datio: Id. p. 189. Es ſein auch Eiſen-Erz auf Davos / bey Alvaneü / und zun Schmitten; Bey Zernez im Unteren Engadein iſt An. 1685. entdekt worden ein reiches Eiſen-Erz bey Offen / welches auch guten Stahel gibt.

Das Land Walliß hat Eiſen-Erz im Tridentinerthal / welches zu Martinach gehoͤrt. Wagn. p. 351. auß Simler Valleſ 29. b.

Die Grafſchaft Neuenburg in Aroſa, bey der veſte Cluſette. Wagn. MSC. und bey Coſte aux Fees, und Bute.

Der Biſchoff von Baſel bey dem Dorff Richonet, 2. Meilen von Biel / an dem Waſſer Schuiſſa, Wagn. MSC. Man grabt auch Eiſen-Erz unterhalb der Statt Urſiz am Berg / das wird in Schiff geladen / und gen Bellefontaine herab zu ſchmelzen gefuͤhrt / da jaͤhrlich 800. oder 1000. Centner Eiſens gemacht werden. Vrſtis Baßler Chron. p. 11.

Jn der Grafſchaft Baden / welche von VII. alten Ohrten geregiert wird / ligt gar vil / und gutes Eiſen-Erz. Der ganze Berg-Strich vom Cap - pelerhof (da die Herꝛen Merianen von Baſel vor weniger Zeit haben ar - beiten laſſen) hinweg bis auf Endingen hinab / iſt voll des ſo genanten Bon-Ertzes / welches erſtlich gewaſchen wird auß dem Lett in kleinen Mul - den / und dann bey Lauffenburg an dem Rhein zu Eiſen geſchmolzen. Der zehende Kuͤbel aber gehoͤrt der hohen Lands Oberkeit. Es ſchreibet Wag - ner in ſeinen MSC. das auch bey Tegerfelden in den Aekeren funden werde ein gut Eiſen-Erz / auß welchem ein gar guter Stahel gemachet werde. Jn

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Jn der Grafſchaft Sargans haben das oben im I. Theil N. 9. an - geruͤhmte Eiſen - und Stahel Bergwerk in Beſtand die Herꝛen Gaaden von Flums.

Von dem Kupfer des Schweizerlands.

Das Kupfer / und auß ihme gemachte Ertz oder Meſſing / Auri - ohalcum, denen zugeſezt werden kan das neuerfundene Prinzen Metall / gehoͤren nicht under die geringſten Metall. Der ſchoͤnroht und gelbe Gold - Glanz loket manchen Alchymiſten, daß er ſich underſtehet / den Schwefel des Kupfers noch mehr zu figiren, und dardurch in das Gold ſelbs zu ver - wandlen. Jn denen aͤlteſten Zeiten hat man das Kupfer und Erz ſehr hoch gehalten. Darvon wurden gemachet die Geſchirꝛ des Tempels Salomons. 1. Reg. 7: 45. Job vergleicht den Himmel mit dem Erz / Cap. 37: 18. wie auch Homerus ihne nennet πολύχαλκον. Der Sohn Gottes ſelbs verglei - chet ſich mit glanzendem Erz / Dan. 10: 6. Apoc. 1: 15. Ja es ſcheinet der Gebrauch des Ertzes aͤlter ſein / als der Gebrauch des Eiſens / wie auch das Ehrine Welt-Alter dem Eiſernen vorgeſetzet wird. Jn denen Nordiſchen / von alten Cimbreren bewohnten Landen / wo man in denen Grabhuͤglen Eiſen findet / da ligen annoch die Urnæ ſepulchrales, oder Grabdoͤpfe / unver - ſehrt / wo aber denen Todten zugeleget worden kuͤpferne Jnſtrument / oder Waffen / da iſt von irꝛdinen Geſchirꝛen alles zerfallen / zum Zeichen einer hoͤ - heren aͤlte: und bezeuget Heſiodus Oper. & Dier. v. 149. als in dem Ehri - nen Welt-Alter alle Waffen / und andere Jnſtrument Ehrin / und das ſchwarze Eiſen noch unbekant geweſen. Die alten Roͤmer bedienten ſich der Ehrinen Tafelen / ihre Geſatze / Erkantnuſſen / den Lauff des Geſtirns darauf vorzuſtellen / und hieſſen ſie æs fixum. Die Geſchirꝛ / Goͤtzen / Thüren / Saͤulen / in ihren Templen waren von diſem Metall. Wie groß annoch jezund der Nutzen ſeye / den wir von dem Kupfer und Erz haben / zeigen vil - faltig die Kochgeſchirꝛ / welche auch / ſo ſie nicht wol verzinnet werden / oder auß einer unrechten Vermiſchung eines gefahrlichen Zuſatzes / zu groſſem Scha - den der Geſundheit gereichen koͤnnen.

Kircherus in ſeinem Mund. Subter. L. X. p. 218. ſchreibet / daß ein zweyfaches Meſſing ſeye / ein natuͤrliches / welches auß einem gewiſſen Erz gekochet werde / ohne anderen Zuſatz; das einte kunſtlich / oder durch Kunſt / und mit Zuſatz anderer Mineralien gemachet. Ein natuͤrliches Aurichalcum, ὀρέιχαλκον, oder wahrer / eigentlicher / Meſſing ſol geweſen ſein das Nicæni - ſche / an Farb gelbe Kupfer auß Bithynia, χαλκὸς Νικαηνὸς, Δημονήσιος κο - λνμϐηὸς, Æs Nicænum, Demoneſium, welches beſchreibet Salmaſius Hyl. Jatric. p. 228 &c.

33N. 9.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Anhang Von dem Kupfer des Schweizerlands.

OB diß ein wahrer Meſſing geweſen / von deme letſthin gemeldet wor - den / oder / ob jezund ein natuͤrlicher Meſſing in der Welt ſeye / wird ſehr gezweifelt: Der Weltberuͤhmte Agricola de Nat. Foſſil. L. I. p. 187. wil von keinem anderen wiſſen / als von dem / ſo die Kunſt hervorbringt. Heu - tigs Tags weißtman auch nichts von dem natuͤrlichen Meſſing. Wahr iſt es / daß es Marcaſiten, oder Schwefelkieß gibt / die ein Außſehen haben / wie der ſchoͤnſte Meſſing; Einen ſolchen zwoͤlff ſetzigen Krieß habe unlaͤngſt erhalten auß denen Walliſſer Gebirgen; wann man aber dergleichen Kieß in den Ti - gel wirft / ſo komt nichts zum Fluß / und rauchet der Schwefel ab. Von ſolcher art Kieß iſt / wie ich vermuhte / der Meſſing / deſſen Wagnerus gedenket in ſeiner Hiſt. Nat. Helv. p. 354. daß darvon beſtehe ein ganzer Felß im Weggi - thal / in der Mark / Schweizergebieths / welche ſchwer / und am Glanz dem Gold / oder Ertz gleich ſeye / aber durch keine Gewalt des Feuers koͤnne ge - ſchmolzen werden.

Auf dem Moͤrtſch-Berg / Mürtſch-Stock / welcher auf der Glar - neriſchen ſeiten des Wallenſtatter Sees aufſteiget / iſt ehemahls ein Kupfer-Ertz gegraben worden.

Jn Hoher Rhætia, oder Grau-Pündten / gibt es die meiſten Kupfer-Ertz / die wir in Helvetiſchen Landen haben / als bey dem Flaͤſcher - Berg zwiſchen Falkins / und dem Meyenfelder Berg / im Flaͤck: in denen Thaͤleren Ferrara: Filiſur; bey dem Berg Buffalor / im unte - ren Engadein; und in der Landſchaft Davos. Wagn. Hiſt. Nat. Helv. p. 351.34p. 351. Weiters in dem Schamſerthal / bey Obervatz / bey Diſentis; von Santa Croce habe auch bekommen ein auß einem Ertz gegoſſenes Metall / ſo dem Kupfer aͤhnlich iſt. Ein mit etwas Bley vermengtes Kupfer-Erz fin - det ſich oberhalb Zillis / in dem Gebirg Deſpin. Ein wildes Arſenicaliſches Kupfer-Erz iſt auch anzutreffen auf der Schamſer Alp / Lambin genant. Ein Silberhaltig Kupfer-Erz findet ſich im Rheinwald / unter dem Ge - birg Sunette, nicht weit von Suvers, in dem Geriwald / oberhalb la Rhite.

Jn Wallis gibt es Kupfer-Erz in dem Armenſerthal / des Sit - tenzehenden. Wagn. I. c. p 352. auß Simler. Valles. p. 26.

Jn der Grafſchaft Sargans iſt Kupfer-Erz bey Vettis / auf dem Gallanda Berg / der einer von den hoͤchſten ſol ſeyn im Schweizerland.

Jm Palenzer Thal / Vallis Plenia, welches under der Herꝛſchaft der III. Laͤnderen / Uri / Schweiz / und Underwalden ſtehet / grabt man diß - mahl ein uͤberauß ſchoͤnes Kupfer-Erz / deme nichts fehlet / als herzhafte Ge - werke.

Von dem Bley des Schweizerlands.

Es gehoͤrt zwaren das Bley unter die geringeren Metall / iſt aber von ſo groſſem Nutzen / daß man ſeinen kaum entberen kan. Darauß werden gemachet die Muſketenkuglen / eingefaſſet die Scheiben der Fenſteren / die Edelgeſtein / und Metall / von ihren Unreinigkeiten geſaͤuberet: Die Haffner bedienen ſich des Bley-Ertzes zu ihrer Glaͤſte: Die Artzet und Apotheker wiſſen auß dem Bley zuverfertigen vilerhand heilſame Artzneyen / anderer und anderer Nutzen / die auß diſem Metall zu zeuhen ſein / zugeſchweigen.

Jn unſeren Helvetiſchen Landen iſt ins gemein Bley under dem Silber - und Kupfer-Erz / ſo daß die obenbenente Ohrte auch hieher koͤnten gezogen werden / wann nicht dergleichen unnoͤhtige Widerholungen dem Leſer ſo un - angenehm vorkaͤmen / als ein zwey - oder dreymahl gewaͤrmtes Gekoͤch. Gleichwol wil ich einiche Ohrte namhaft machen / da inſonderheit das Bley vor anderen Metallen auß den Vorzug hat.

Jn Pündten gibt es ſonderlich vil Bley in denen Thaͤleren Ferrera, Schams / und der Landſchaft Davos. Wagner Hiſt. Nat. Helv. p. 352. Auf Davos iſt vor alten Zeiten ein maͤchtige Arbeit geſchehen / und der Berg uͤber 400. Klafter tieff außgehauen / dergleichen in Puͤndten ſich nirgends zeiget. Weiters zu Alvaneü / und zun Schmitten im X. Grichten Pundt; Bey Tſchopina am Heinzenberg im Grauen Bund; Bey Diſentis. Ein Silberhaltiges / mit etwas Kupfer vermiſchtes Bley-Erzfindet35findet ſich oberhalb Zillis auf dem Gebirge Zins / oder Deſpin genant. Das Gebirge allda iſt uͤberall reich von Metall / ſo faſt aller Ohrten in daſiger Gegne zu ſpüren. Weiter iſt eines Bley-Ertzes Anbruch auf einem hohen Gebürge uͤber dem Dorff zun Schmitten genant / nicht weit von Filliſur.

Jn Wallis gibt es Eiſen-Erz im Letſcherthaͤl / im Rarer Zehen - den. Wagn. l. c. auß Simler Valles. p. 20.

Zu hinderſt im Breüner Thal / welches gehoͤret zu Palenza / wird dißmahl gegraben ein gut Bley-Erz. Einiche Privat-Perſonen von Uri / Schweiz / und Underwalden haben diß Bergwerk in Beſtand.

Bley-Erz gibt es auch in der Grafſchaft Neüenburg. Wagn. MSC.

Von dem Zinn

Jſt kein Ohrt bekant im Schweizerland / da diß Metall ſich finde.

Von dem Queckſilber.

Diſes verwunderliche / und von denen Naturweiſen noch nicht genug - ſam unterſuchte Halb Metall hat ſo ſelzame / und veraͤnderliche Eigen - ſchaften / daß es nicht ohne Urſach von den Alten vergliechen worden mit dem Mercurio, und Proteo, welche Goͤtter ihre ſelbs eigene Nammen ihme angehenket. Jn der Artzneykunſt geſtaltet man auß diſem Metalliſchen Fluß die beſten Artzneyen / aber auch das aͤrgſte Gift; und ſein die ſo genan - ten Mercurialia, oder auß Queckſilber gezogene Heilmittel ſelbs / ſo ſie in geſtudierter Kalber - oder Stümpel-Aerzten Haͤnde kommen / gleich einem ſcharffen Schwert in der Hand eines Unſinnigen / wormit die ungluͤklichen in ſolcher Stümpleren Haͤnde gerahtene Patienten, gleich als mit dem Schwert des Scharffrichters hingerichtet werden / da hingegen kluge / und wolbegruͤndte Artzet ſich diſer ſo heftigen Mittlen zu bedienen wiſſen / auch zu geſchwinder außreutung der ſchwerſten Krankheiten / und erfreulicher Wider - bringung der Geſundheit / welche ſonſt vor verlohren geſchaͤtzet worden. Was vor weitere Nutzen das Queckſilber habe in der Goldſchmiden / und anderer Künſtleren / und Handwerkeren Werkſtaͤtten / iſt bald jedermann bekant. Diſes Queckſilber findet ſich in der ganzen Welt nirgends ſo koſtlich / und haͤuffig / als in Idria, ſo in Friaul ligt / und dem Keiſer des Jahrs groſſe Ein - kuͤnſten ertraget. Jn denen Steyrmaͤrk - und Hungariſchen Bergwerken gibt es auch Queckſilber auß dem Zinnober Erz / ſo alldort ſchoͤner alsirgend -36irgendwo gegraben wird: Auſſert denen Keiſerlichen Landen iſt in der Welt ſo wenig Queckſilber / daß man es nicht einmahl kan in einiche Rechnung ſe - tzen. So iſt es auch bewandt mit dem Queckſilber unſers Schweizerlands.

Nach der Zeugnuß unſers S. Wagneri Hiſt. Nat. Helv. p. 352. iſt in dem Canton Bern vormahls Queckſilber gefunden worden bey Thun / einem Staͤttlein an dem Thuner See.

Leonh. Thurneiſſer Alchym. Magn. L. VI. c. 5. meldet / daß er im Canton Solothurn in einer mit Weiden beſezten Wieſen bey Bipp ein gar ſchoͤnes Queckſilber angetroffen.

Jn dem Thal Vallengin, der Graffſchaft welſch Neuenburg / ſol bey dem Dorff Lode das Queckſilber auß der Erden hervor flieſſen in warmen Sommer-Tagen. Wagn. MSC.

Von dem Spieß-Glaß.

Diſe Baſtart Art von Metallen gibt vilerhand Nutzen dem Menſchli - chen Geſchlecht. Die Zinngieſſer machen darvon einen Zuſatz / um ihren Ge - ſchirꝛen einen Silberdon zugeben; Andere Kuͤnſtler bedienen ſich deſſelben zu formierung der Spieglen / andere zu gieſſung der Gloken / Buchtruker - Schrift / andere zu bereinigung der uͤbrigen Metallen. Nirgend aber zeiget diß Halbmetall ſeine Einfluͤſſe in der Menſchen Geſellſchaft mehr / als in der Artzney Kunſt: Darauß werden vil hundertley heilſame / unſchuldige / und auch gefahrliche Artzneyen gemachet / welche mit kluger Vorſichtigkeit ge - braucht / große Dienſte leiſten in widerbringung der Geſundheit / aber auch durch die Haͤnde frecher Stuͤmpleren manches Schiff ſolcher Patienten dem Charonti anfuͤllen / welche / Menſchlicher weiſe zu reden / laͤnger haͤtten koͤnnen bey Leben bleiben. So das billich ein jeder ſich ſelbs liebender kranke den oberſten Befehlhaber uͤber Leben und Tod zu bitten hat / daß er ihn nicht laſſe fallen in die blutigen Haͤnde dergleichen Spießglaß-Stuͤmpel Aerzten. Es hat diſere Gefahr der Antimonialiſchen Artzneyen den beruͤhmten Guido - nem Patinum, Pariſiſchen Doctoren, veranlaſet / allen Gebrauch derſelben zu verbannen / und zu verdammen / wie auß ſeinen luſtigen Briefen zu erſehen. Jn betrachtung deſſen hat das Spießglaß vor allen Mineralien, und Vege - tabilien, auß ſeltſame Fata außgeſtanden: die Chymiſten aͤngſtigen es Tag und Nacht mit Feuer / um / wann es moͤglich / endlich ſolche Artzneyen außzu - finden / welche die ſchwerſten Krankheiten augenblicklich wegwiſchen koͤnnen. Jn Frankreich hat ſich das Parlament zu Paris auch in diß Spiel geleget / und An. 1566. erkennet / daß man die Antimonialia auß allen Apo - theken verbanne / und als ſchaͤdliche Gift keinem Menſchen eingebe. ꝛc.

37N. 10.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Anhang von dem Spießglaß.

ES hat das Spießglaß diß letſtgemeldte ihm auferlegte Urphed nicht 101. Jahr gehalten / ſondern iſt zeitlich widrum eingeſchlichen: ja es hat das Parlam. 100. Jahr nach der erſten Erkantnuß / namlich A. 1666. durch ein offentliches Mandat jedermann kund tuhn laſſen / daß die Artzneyen auß Spießglaß ſicher ſeyen. Wenigſtens gehet man heutigs Tags aller Ohr - ten ſicher mit um / recht ſchaffene kluge Artzet bringen ihren Patienten ſicher ihre Geſundheit wider / und die Stümpler von beyderley Geſchlecht bringen ſie ſicher ins Grab / oder noch tieffer ins Beth / als ſie zuvor geweſẽ. Wir ſchrei - ten aber fort zu beſehen / wo man diß Affter Metall in Helvetiſchen Landen finde.

Jn der Landſchaft Schams in Pündten findet ſich ein gar ſchoͤnes Spießglaß Erz / welches dem Ungariſchen nichts nachgibet. Deſſen gedenket auch unſer S. Hr. Wagner Hiſt. Nat. Helv. p. 352.

Ein anders iſt in der Landſchaft Rheinwald / da der Hindere Rhein entſpringt / auf einem mit ewigem Schnee bedekten Gebirge Sunette genant.

Auß der Herꝛſchaft Engelberg habe auch vor einichen Jahren ein Stuffe geſehen / welche mir Antimonialiſch vorkomt.

Von dem Schwefel Kieß des Schweizerlands.

Gleich wie in der Welt uͤberall das Gute uͤberwogen wird von dem Boͤſen / die Laſter verkauft werden unter dem Schein der Tugenden / alſo auch in der Natur iſt nicht alles Gold / was glaͤnzet. Ein vorbuͤndiges Exem - pel haben wir an unſerem vorhabenden Schwefelkieß / welcher ſonſt auchgenen -38genennet wird Pyrita, und Marcaſita, Marcaſit. Diſer gleich dem Gold und Silber ſchimmerende Halbſtein / oder Halbmetall / dann darauß nichts gezogen werden kan / als Schwefel / findet ſich aller Ohrten im Schweizer - land / und verfuͤhret manchen / daß er bey aufhebung eines ſolchen Steins ſich einbildet lauter Gold / oder Silber gefunden zu haben / ja es vergaffet ſich mancher Alchymiſt alſo an dem Glanz / daß er vil 100. Koͤrbe Kohlen / und wahres Gold aufopferet / darauß etwas zu zeuhen / da er endlich nichts bekomt als pro Auro Fumum, einen laͤhren Rauch / welches wir gemeinlich heiſſen / Gold durch das Kamin auf - und wegjagen / da zu wüſſen / daß das Gold ei - gentlich nicht / und durch keine Feuersgewalt / wegen widerſtehender ſeiner ſchwere / kan in die Hoͤhe getrieben werden / aber indeſſen auf diſem Feuer - Altar aufgeopferet wird / vor allerhand Materialien / Zuſatze / Kohlen / und Jnſtrument / welche alle nichts / als Gelt / koſten. Vilmahl habe mich in meinen Berg-Reiſen verwunderet ab der Einfalt unſerer Nation, welche mir bey darweiſung dergleichen Schwefelkieſen groß Ruͤhmens gemachet von derſelben Koſtbarkeit / und in den Bergen ligenden Schaͤtzen / und hette mich ſelbs villeicht bethoͤren laſſen / ihnen zu glauben / wann nicht in denen Saͤchſiſchen / und anderen Bergwerken geſehen hette ganze Haͤuffen derglei - chen Kieſen / welche als unnütz weggeworffen worden / und darzu Proben ſe bs gemachet hette. Jch zeuhe auch daher das gemeine Vorurtheil unſerer Bergleuhten / welche hin und wider ihre Alpen halten vor reiche Schaͤtzge - halter verborgener Metallen / welche dann und wann zu naͤchtlicher und un - gewohnter Zeit abgeholet werden von Jtaliaͤneren / und anderen Nationen / welche ſich darmit zu bereicheren wiſſen. Jch ſelbs hatte vilmehr die Ehre vor einen ſolchen Berg - und Metall Spion angeſehen zu werden / ſonderlich / wann man bey mir und uͤbrigen Reißangehoͤrigen gewahret einen ſchweren Laſt von geſamleten Steinen / Kraͤuteren / und anderen natuͤrlichen Selten - heiten.

Obgemeldte Schwefelkieß ſein nicht einerley Art / ſondern unterſchei - den an Geſtalt / und Farb; die / ſo mehr weiß / als gelb / ſein / heiſſen Pyritæ ar - gentei coloris, weiſſe Kieß / Waſſer Kieß / Griechiſch ἀργνρόλιθος, λἐνκά - λιθος, μαγνησία, μαγνῖτις, μαγνῆσσα, von welchen Woͤrteren zuſehen Sal - maſius Hyl. Jatric. p. 232. Die dem Gold gleich ſchimmeren / verdienen vor anderen auß den Nammen Pyritæ, oder Marcaſitæ, und werden in Berg - maͤnniſcher Sprach genennet Gelbe Kieß / Kupferkieß / Kupferſtein / Goldkieß / χρυσόλιθος. Es gibt aber uͤber diſe beyde Gattungen noch grob - und klein ſpieſſige Kieß; graue Kieß: rohte Kupfer Kieß; Eifen - ſchüſſige Kieß / welche dem Eiſenſtein gleich ſein: glanzige Kieß: blaneKieß;39Kieß; Violbraune / Braune / und ſchwarze Kieß; endlich auch Kieß von vilen unter einander gemiſchten Farben / gleich denen / welche wir ſehen in dem Pfauen Schwanz woruͤber in mehrerem koͤnnen zu Raht ge - zogen werden die Metalliſchen Scribenten. Jch wende mich hiemit zu unmit - telbarer benennung der jenigen Oehrteren / da ſich Schwefelkieß finden.

Jn dem Canton Zürich findet man Pyrites Metallares, oder Metal - liſche Kieß / und zwaren an Geſtalt rund / oder ablang-rund in der Freyherꝛ - ſchaft Sax / und namentlich in der Pfarꝛ Frümbſen. Deren gedenket auch Wagner. Hiſt. Nat. Helv. p 319. Dergleichen runde Kieß / die man hin und wider auf hohen Helvetiſchen Gebirgen antrift / halten die Gaͤmſenjaͤger ſehr hoch / und geben fie auß vor wahre Stral - oder Donnerſtein.

Eiſenſchüſſige Kieß ſein auch die jenigen Erbsrunden Eiſen-Erz / welche oben unter dem Titel des Eiſens beſchrieben / und auf dem Laͤgerberg an - zutreffen.

Pyrites argenteos laminares, oder Waſſerkieß / in breiter Tafelen Form ſindet man auch am Laͤgerberg / ob Nider-Weningen auf der Viehe - weid.

Pyrites aureos, wuͤrfflichte Goldkieß / habe ich auch von Hirslanden / in einen ſchoͤnen ſchwarzen Marmor eingeſtreuet.

Pyrites Vitrioli parentes, Vitriolhaltende Kieß / auß welchen wuͤrklich ein Vitriol, ſo dem Ungariſchen nichts nachgibt / heraußgezogen werden kan / finden ſich in dem Doͤrfflein Kaͤpfnach / ſo zu der Pfarꝛey Horgen ge - hoͤrt / am Zürich-See. Diſer Kieſichter Erden / und von ſelbs auß ihro wachſender Kupferblum gedenket auch Junker Erhard Eſcher in Be - ſchreibung des Zürich-See. p. 246.

Jn dem Canton Bern gibt es bey Aigle (Aquilegia, ſo ein uraltes Dorff / oben am Genffer-See) Pyritas exiguos dodecaedros in Lapide fiſſili, zwoͤlff-ſeitige kleine Kieß / die denen Granaten ſich gleichen / in einem Schiefer - flein. Diſe zwoͤlff ſetzige / oder zwoͤlffeckichte Geſtalt finde ich hin und wider im Schweizerland an Granaten / und Schwefelkieſen / und koͤnte mir komm - lichen Anlas geben von derſelben ſo ordenlicher Zeugung zu ſchreiben. Es iſt aber diß eine Materi / welche von anderen nur nicht iſt bis dahin angegrif - fen worden / und auch wuͤrklich nicht verhandelt werden kan ohne genaue Wuͤſſenſchaft der Mathematic, deren ſubtile ſpeculationen aber hieher nicht gehoͤren / als die den meiſten Leſeren verdrießlich vorkaͤmen; gleich wie auch die wuͤrfflichte Geſtalt der Schwefelkieſen / und ſechseckichte Figur der Cry - ſtallen / von deren doch an ſeinem Ohrt / geliebts Gott / etwas mehrers / als bis dahin bekant iſt / zu ſchreiben Vorhabens bin.

Bey40

Bey Bruk im Aergaͤu iſt ein Pyrites friabilis, oder Schwefelkieß / der ſich zerꝛeiben laͤſſet. Wagner. Hiſt. Nat. Helv. p. 319. Diſer Zerꝛei - bung ſein unterworffen alle Vitriol - oder Kupferwaſſerhaltende Kieſe / ſon - derlich / wann ſie lang an der Luft gelegen / weilen dieſe durch ihre feuchte und ſchwertrukende Kraft / die in dem Stein enthaltene Saliniſche / oder Salz - theile allgemach aufloͤſet / welche dann den Stein oder Kieß ſelbs nach und nach ſo durchnagen / daß er ganz luck wird / und zerfallt.

Der Canton Lucern hat Schwefelkieß in dem Waſſer Funtana, wel - che zweiffelsohn von den Entlibucher Bergen abgeſchwemmet werden. Wagn. MSC.

Jm Schweizer Canton gibt es Pyrites æreos globoſos, kuglichte Schwefelkieß auf der hohen Flaͤſch im Waͤggithal: in der Alp Staͤfflen / 5. Stund hinder Lachen; vileckichte Gold-Schwefelkieß ſein an einem Aſchfarben Steinfelß angeſprengt am unteren Rampen; und auf dem Aubrig Berg; wuͤrfflichte Kieß von Eiſenfarb gibt es auf der Zindlen / einem hohen Berg im Waͤggithal.

Jn Pündten gibt es vil und ſelzſame gebildete Schwefelkleß / von wuͤrfflichter Geſtalt bey dem Urſprung des Hinderen Rheins im Rhein - wald / und gar ſchoͤn von gleicher Form in dem Waldwaſſer Nolla, welches bey Tuſis abflieſſet in den hinderen Rhein. Ohnweit Soglio im Thal Bergell gibt es gar ſchoͤne zwoͤlffſeitige Kieß auf dem Berg Dair, welche all - dort genennet werden Pietre Minerali di Dair, Steine von Dair. Hin und wider in anderen Pündtneriſchen Gebirgen findet man auch die oftgenanten kuglichten Schwefelkieß / welche alle inwendig geſtreimet ſein von allen auſſe - ren Puncten des Umkreiſes gegen dem Mittelpunct hinein / welche ſtralichte Zeichnung villeicht denen Aelpleren Anlas gegeben / dergleichen Kieß zu halten vor rechte Stralſtein. Jn Farera in Schams / unter der Alp Nuſſera, wo das Erz zu Tag außgehet / findet ſich ein Schwefelkieß. Ein anderer Schwefel und Vitriol haltender Kieß findet ſich zu Oberhalbſtein uͤber Schweiningen / auf einem ſehr hohen Gebirge / Plan dals Boos genant: der Felſen daſelbſt beſtehet meiſtentheils auß ſolchem Kieß. Unterhalb flieſ - ſet ein ſcharffes nach Vitriolſchmekendes Waſſer / und riechet der ganze Berg ſehr ſaur. Ohnweit Filiſur in dem Bauwald bricht auch ein Ku - pferhaltiger Kieß. Eiſenſchuͤſſiger Kieß iſt bey dem Dorff Stuls / zwuͤſchen Filiſur / und Bergün. Ein anderer Eiſenhaltender Schwefelkieß iſt bey Tieffenkaſten. ꝛc.

41N. 11.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Anhang Von dem Schwefelkieß.

AUf denen hoͤchſten Walliſſer-Gebirgen graben die Cryſtallgraͤber mit denen Chryſtallen herauß ein wunderſchoͤne Art eines zwoͤlff-ekich - ten Schwefelkieſes / welcher nach aͤuſſerlichem Anſehen dem ſchoͤnſten Meſſing / oder Gold ſich gleichet. Jch habe einen ſolchen zwoͤlffſetzigen Kieß / der zwey Faͤuſte groß / und ganz regular, als ob er nach Mathematiſchen Reglen gebildet waͤre.

Jn der Grafſchaft Neuenburg gibt es auch vil Schwefel - und Ku - pferwaſſerhaltende Kieſe / theils ungefoͤrmt / theils rund / und buklicht / auch finden ſich alldort vil Ammons - oder Scherhoͤrner / Schnekenſteine / und an - dere uͤberbleibſelen der Suͤndflut / welche auß pur lauterem Kieß beſtehen.

Jn der Herꝛſchaft Engelberg findet ſich auch hin und wider ein Vitriol - haltender Schwefelkieß / als im Bruderloch; im Graſſen; in Sure - nen Alpen / worvon in meinem Itinere Alpino. p. 18.

Von denen Regenboͤgen / welche in berwi - chenem 1705. Jahre Nachts bey hellem Mond - ſchein geſehen worden.

Es iſt der Regenbogen eine ſo wunderbare Luft-Geſchicht / in An - ſehung ſeines geſchwinden Urſprungs / und Augenblicklichen verſchwindung /der42der Schoͤn-Vilheit und Ordnung ſeiner Farben / ſeiner Circulrunden Ge - ſtalt / und anderer Eigenſchaften halb / daß ſich nicht zuverwundern / wann die Goͤtzenreiche Heidenwelt ihne auch under die Goͤtter geſetzet / und mit nam - men vor eine Tochter der Thaumantis, oder Verwunderung gehalten / nach der Zeugnuß Heſiodi Theogon. v. 780. Virgil. L. IX. Æneid. das auch die Peruaner in America ihne / gleich einſten die Perſer / und andere Morgenlaͤndiſche Voͤlker / und die Peruaner ſelbs die Sonn angebaͤttet / und ihme einen theil des Sonnen-Tempels zugeeignet / wie uns berichtet der auß Koͤniglichem Stamm entſproſſene Ynca de la Vega in ſeinem Com - mentaire Royal p. 386. Wann uns in ſolche Verwunderung ſetzet der ge - meine Sonnen-Regenbogen / Iris Solaris, der namlich Tags erſcheint / wie vil ſelzamer / und verwunderungswirdiger dann iſt der Monds-Re - genbogen / Iris Lunaris? ſo ſeltſam / daß der groſſe Naturforſcher Ariſtoteles bezeuget / vor ſeiner Zeit habe niemand nichts darvon gewußt / und zu ſeiner Zeit ſeyen innert 50. Jahren mehr nicht dann zwey gewahret worden. Jn denen mitleren Jahrhunderten / da die Schulweißheit / und nebſt ihro die Unwiſſenheit regierte / findet man nichts von diſer Luft Geſchicht; Nach dem aber / ſonderlich durch hilff der Mathematicorum, die Naturwiſſenſchaft / ſint 100. und mehr Jahren / eine ganz noͤhtige Reformation außgeſtanden / hat man verſchiedene angemerket; als An. 1569. Gemma Friſius Mathemati - cus zu Loͤven. An. 1580. den 25. Jul. und 18. Decemb. in Meiſſen nach dem Bericht Molleri Annal Friberg. An. 1617. und 18. nach der Zeugniß Snellii bey Gaſſendo Phyſ. Part. 2. Sect 3. Memb. 1. An. 1630. zu Freyburg in Meiſſen / den 25. Jenner. An. 1684. den 24. Jenner in Sachſen nebſt einem Creuz durch den Mond / worvon eine ganze Diſſertation geſchriben Georg. Caſpar Kirchmejer Prof. zu Wittenberg. Jn Eidgnoͤſſiſchen Geſchichtbuͤ - cheren finden ſich zwey einige Exempel / deren gedenket unſer S. Hr. Doct. Wagner in ſeiner Helv. Curioſ. p. 380. Das einte An. 1611. ohne Farben / in geſtalt eines weiſſen Gürtelſtrichs: das andere An. 1664. im Septemb. Abends um 9. Uhr / da Hr. Felix Chriſtian Spoͤri / damahliger Pfarꝛer zu Buch am Jrchel einen Nacht Regenbogen geſehen mit dreyen Farben / weiß / afchgrau / und ſchwarz. Jn dem Chriſtmonat eben diſes Jahrs ſollen auch in dem Berneriſchen Canton zwey ſolche Regenboͤgen geſehen worden ſein / von denen man aber keine beſondere Nachricht hat. An. 1704. den 19. Mey iſt ein wahrhafter Monds Regenbogen geſehen worden zu Herꝛliberg / und anderen Ohrten am Zürich-Ste um 11. in der Nacht bey dem vollen Mond. Unter diſen 10. oder 11. Nacht-Regenboͤgen aber kan wol der halbe theil unter die Halones, oder Ringe um den Mond / gezellet werden /ſo43ſo daß wir innert 200. Jahren nur 5. bis 6. wahre Monds Regenboͤgen haben. Das verwichene 1705. Jahr / wie es in vilen Sachen geweſen ein rechtes Wunder-Jahr / alſo hat es uns zwey Exempel gezeiget von derglei - chen Regenboͤgen / daß eine den 28. Augſtm. Abends nach 8. Uhren / nach ſtarkem Wetterleuchten / und Gefahr eines Ungewitters / (unter Regierung des Mittagwinds) welche aber bald verſchwunden / ſo daß der Regenbogen bey ſtiller Luft am Zürich-See zu Meylen geſehen worden von mehr als 40. Perſonen / unter welchen ſich einbefunden ein edler Herꝛ / und Freund / welcher hernach mir diſe Geſchicht erzellet. Das andere merkwürdige Beyſpil / ja ein Exempel ohne Exempel / iſt den 31. Octob. Abends von bis nach 9. Uhren von einem vornemmen Freund / und deſſen Reißgefehrten / wie auch denen Einwohneren des Lands Schweiz gegen Underwalden / uͤber den IV. Wald - Staͤdten See mit Erſtaunung ſtehend geſehen worden / namlich ein herꝛlich ſchoͤner / mit allen erforderlichen Farben außgezierter Regenbogen / und zwa - ren / welches bisher in keinen Hiſtorien gefunden / uͤber den vornemſten / Iridem primariam, noch ein anderer / ſecundaria, wiewol der nicht die voͤllige Rundung hatte / wie der erſte / auch gar bleich von Farben geweſen. Kein Wunder iſt / daß dergleichen Monds-Regenboͤgen rar ſein; wie die Sonn alle Tag in ihrem hellen Schein uͤber die Erden her ſtreichet / und folglich ihre Stralpenſel alle Tag in denen Waſſertroͤpflein / oder Blaͤßlein / wann mit denſelben die Luft angefüllet iſt / durch ihre vilfaltige / von den Mathema - ticis außgelegte Brechungen / und zurukprellungen / in geſtalt eines Regen - bogens koͤnnen vermahlen / alſo kan diß kaum geſchehen des Jahrs zwoͤlff mahl / wann namlich der Mond voll / ſein von der Sonnen entlehntes Liecht haͤuffig / und in voller Kraft wirffet auf die Erden. Es iſt aber diſe Schein - volle Mondeskraft allein nicht genug einen Regenbogen vorzubilden. Es muß uͤber diß die Luft ſtill und mit Regen troͤpf - oder unzehlichen Waſſer - blaͤßlein angefuͤllet / auch der Mond ſelbs uͤber die Erden nicht ſo gar hoch er - hoben ſeyn. Nun aber kommen diſe Urſachen gar ſelten zuſamen / und fallen naͤchtlicher Zeit die troͤpflein eher zu Boden / daß ſie nicht lang in der Luft koͤnnen ſchweben. Was den zweyten / oder oberen Regenbogen anbelangt / iſt derſelbe auch ſelten des Tags ein begleiter des underen / oder erſten / weilen die Waſſertroͤpflein gar hoch ſtehen muͤſſen wann die in ſie ſpielende Son - nenſtralen ſollen einen zweyten Regenbogen vormahlen. Geſchihet nun diſe Begebenheit ſelten des Tags / ſo wird ſie noch ſeltener ſich finden des Nachts. Es kommen mir bey diſem Anlaß die Helvetiſchen Gebirge vor / als eine fruchtbare Zeugmuter allerhand Luftgeſchichten: Es kleben an ihnen / und ſchweben zwiſchen ihnen die Wolken / welche folglich auch in ihrer anfangen - den / oder aufhoͤrenden / Verwandlung in Waſſer in unſeren Landen hoͤherkoͤnnen44koͤnnen zu ſtehen kommen / als anderſtwo / und ſo hoch / daß die Mondes - Stralen durch ihre in ſie gerichte ſpielung diß mahl haben koͤnnen einen doppelten Regenbogen abmahlen. Zu fortwaͤhrender Gedaͤchtnuß diſer ſeltſamen Naturgeſchicht habe von einem beruͤhmten Mahler / der ſelbſten zugeſehen / zeichnen laſſen die Landſchaft mit dem doppelten Regenbogen / welche der geehrte Leſer haben kan in Tab. II.

Von anderen ſeltſamen Begebenheiten des Regenbogens im Schweizerland.

Es bemuͤhen ſich die heutigen Naturforſcher durch allerhand Experi - menta, oder Proben / den Regenbogen vor Augen zu ſtellen / und deſſen Win - kel / und Hoͤhenen / eigentlich abzumeſſen. Der Sinnreiche Carteſius, wel - cher durch hilff ſeiner Erfahrenheit in Mathematiſchen Wiſſenſchaften zu aufloͤſung der Begebenheiten des Regenbogens das Eis gebrochen / und ſehr groſſe Ehre bey der Nachwelt eingeleget / zeiget in einer Glaͤſernen / mit Waſ - ſer angefuͤllten Kugel / die er unter freyem Himmel bey hellſcheinender Sonn an einem Faden auf - und abzeuhet / alle Farben des Regenbogens / je eine nach der anderen. Groſſe Fuͤrſten und Herꝛen beluſtigen ſich bey denen Kunſt Regenboͤgen / welche ſie ſehen koͤnnen bey ihren hohen Springbruͤn - nen / und tieffen Waſſerfaͤllen. Uns Schweizeren gibet diſen Vortheil an die Hand der guͤtige Schoͤpfer der Natur / in deme er uns ſein ſchoͤnes Re - genbogen Geſchoͤpft vorſtellet bald bey allen Waſſerfaͤllen / deren dann gar vil / und ſehens würdig ſein; als inſonderheit bey gebracht zu werden ver - dient der wunderſchoͤne Waſſerfall des Rheins bey dem Lauffen / da man allezeit bey dem Sonnenſchein einen groſſen Regenbogen kan ſehen. Kolwek. in Beſchreib. des Pfeffers-Bads gedenket pag. 65. eines Regenbogens bey dem daſelbſtigen Waſſerfall des Taminna Bachs; Cyſat in Beſchreib. des IV. Waldſtaͤtten-See. p. 230. eines anderen an dem Rigiberg. Jch habe in meinen Bergreiſen bald ſo vil Regenboͤgen ge - ſehen / ſo vil ſtarke / endlich in Staub ſich verwandlende Waſſerfaͤlle ſein / er - innere aber den geehrten Leſer / und curioſen Seher / daß er in acht nemme die nohtwendige ſtellung ſeines Leibs / welcher ſich mit dem Geſicht muß wenden gegen dem ſtaubichten Fall des Waſſers / und Rukwerts haben die Sonn; widrigen falls muß er die Augen lang auftuhn / ehe er diſes Naturwunders anſichtig wird. ꝛc.

P. S. Des Nacht-Regenbogens mahleriſche Abbildung in Kupfer koſtet 2. ß.

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45N. 12.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung von Seltenheiten Des Regenbogens im Schweizerland.

ES iſt bekant / daß man gemeinlich nur einen halben Circul vom Re - genbogen ſihet / wann er aufs hoͤchſte komt / und die Sonn im Auf - oder Untergang iſt / weilen namlich die Geſichtsax von der Sonnen gehet durch das Aug in die mitte des Regenbogens / und folglich deſſen Mit - telpunct dann zumahl iſt auf dem Horizont, oder Geſichtsender; Daher wir ſehen / daß der Regenbogen-Zirkel kleiner herauß komt / je hoͤher die Sonn uͤber den Horizont ſteiget / weilen in ſolchem Fall der Mittelpunct des Regenbogens fallet unter den Geſichtsender / dahin alſo unſer Geſicht durch die finſtere Erden nicht gelangen mag. Ob aber ein Regenbogen koͤnne geſehen werden / der groͤſſer als ein halber Zirkel / iſt bey denen Naturforſche - ren ſtreitbar. Sie vermeinen auß ihren Grundſaͤtzen zu flieſſen / daß wann das Aug der Menſchen hoch erhebt werde / und folglich der Mittelpunct des Regenbogens ob dem Geſichtsender zu ſtehen komme / ſo ſeye moͤglich einen Regenbogen zu ſehen / der einen halben Zirkel uͤbertreffe. Ja es bezeugen zwey hochberuͤhmte Maͤnner Gaſſendus Animadv. in X. Diog. Laert. Libr. p. 1124. und Ricciolus Almag. Nov. p. 83. daß ſie ſo groſſe Regenboͤgen geſehen. Auß diſem Zweifel koͤnnen wir Schweizer denen Naturforſcheren am beſten helffen / ja durch genaue Obſervationes den genauſt moͤglichen Cir - culbogen abmeſſen / wann wir die noͤhtige Jnſtrument darzu hetten / weilen wir die hoͤchſten Gipfel von Europa innhaben. Und bezeugen wuͤrklich / daß dergleichen groſſe Regenboͤgen auf unſeren hohen Gebirgen / als natuͤrlichen Obſervatoriis, geſehen werden / es muͤſſen aber dañzumal die Waſſerblaͤßlein der Dunſtkugel 42. Grad erhoben ſein uͤber den Mittelpunct des Regenbo -gens /46gens / oder gar 53. wann man den zweyten Regenbogen auch wil ins Geſicht bekommen. Es komt ein unbekanter Pariſiſcher Naturweiſer / der ſich un - ter dem Nammen Timonis bey der gelehrten Welt bekant gemachet hat / dahin / daß wir einen ganzen / oder vollkommen runden Zirkel ſehen koͤnten / wann wir uns in die Luft ſo hoch erſchwingen koͤnten / als die Adler / welches aber mehr in der Einbildung / als Hoffnung beruhet. Mir iſt An. 1703. diſes Glück begegnet / ohne daß ich in P. Lanæ Flieg Schiffe mich gewaget / oder mit dem Simpliciſſimo unter Begleit eines angebundenen Voͤgel - ſchwarms / in die Hoͤhe geflogen / ja / ohne daß ich auf einen hohen Berg zu ſtei - gen mich bemuͤhet. Zu unterſt in dem Bergellerthal / vor dem Ohrt uͤber / da vor diſem der ſchoͤne Fleken Plurs geſtanden / ſtuͤrzet ſich ab dem Berg Savogno ein ſo ſchoͤner Waſſerfall / dergleichen ich auſſert denen Faͤllen des ganzen Rheins niemahlen geſehen / deſſen Waſſer ſich hernach ergieſſet in den Fluß Maira: An dem Fuß diſes Falls ſahe ich mit verwunderung in mitten des Staubichten Waſſers einen ganz runden Regenbogen Zirkel mit allen ſeinen Farben / ſo nahe / daß ich ſelbs in dem Kreiß / oder Peripheria, ſtuhnde / der durchmeſſer war ohngefahr 12. Schuhe. Jch benuͤge mich dißmahl allein / die Geſchicht ſelbs bey zubringen / denen Mathematicis uͤberlaſſend / ihre Ge - danken hieruͤber walten zu laſſen.

Dem Gemeinen / in der Natur-Wiſſenſchaft unerfahrnen / Volk komt ſeltſam vor diſe unzweifelbare Wahrheit / daß auf einmahl vil 1000. ja vil 1000000. verſchiedene Regenboͤgen geſehen werden / ſo vil namlich als Zu - ſehere ſein / weilen ein jeder Zuſchauer ſeinen eigenen / beſonderen / Regenbogen ſihet / weßwegen die Alten nicht ohnfein gedichtet / daß diſe Luftgeſchicht ſeye ἀκὺς πόδμς, geſchwindfuͤſſig / weilen er ſich mit dem bewegenden Leib des Zu - ſehers auch bewege / gleich dem Schatten. Wie / ſag ich / diß denen ungelehr - ten ſeltſam vorkomt / alſo komt hingegen denen Naturforſcheren wunderlich vor / daß mehr als 2. oder 3. von einem Zuſchauer auf einmahl koͤnnen ge - ſehen werden; Jene koͤnnen ſich nicht in das finden / was ſie nicht faſſen / und diſe nemmen nichts an / als was ſie ſehen / oder mit geſunder Vernunft be - greiffen koͤnnen. Ariſtoteles wil nicht / daß mehr als zwey Regenboͤgen auf einmahl koͤnnen geſchen werden. Lib. 3. Meteor. cap. 2. Sein getreuer Achil - les aber / der P. Honoratus Fabri Tract. VI. Lib. IV. Prop. 12. n. 17. ver - ſicheret / daß ein dritter geſehen worden. Alſo erzellet auch Carteſius auß dem Mund anderer Meteor. cap. 8 das ein dritter gewahret worden / aber ſehr bleich von Farb / ohngefehr in der Hoͤhe von 62. Graden. Vitellio in ſeiner Optic. L. X. Prop. 69. ſol 4. geſehen haben zu Padua. Snellius in Comera An. 1618. ſechs. Jn unſeren Helvetiſchen Geſchichtbuͤcheren geſchihet mel - dung von 5. Regenboͤgen / welche geſehen worden den 1. Novemb. 1604. zuBaſel47Baſel / bey der Sonnen Aufgang / welche auch alſo zerſtreuet waren / daß man zu weilen 10. und auch mehrere zu ſehen vermeinte / nach der Zeugniß Groſſii in ſeiner Chronolog. Baſil. Es iſt aber diſere Geſchicht / wie auch der vor erzellten 3. 4. und 6. Regenboͤgen halben von Gelehrten vermuhtet wird / villeicht eher zu rechnen zu denen Halonibus, oder Sonnenhoͤfen / oder anzuſehen als zertheilte Stück zweyer gemeinen Regenboͤgen / dergleichen man gemeinlich vor Windzeichen haltet.

Seltſamer iſt / was An. 1664. den 31. Decemb. zu Meyenfeld in Pündten geſehen worden / von 10. Uhr bis 12. Vormittag / namlich zwey wider einander / der einte underſich / der andere uͤberſich ſtehende Regenboͤgen / auf ſolche weiſe / deren gedenket Wagner. Hiſt. Nat. Helv. pag. 380. Wann diß ſich zutragen ſolte allezeit / ſo hetten die alten Schul-Lehrer einen guten Grund ihrer Meynung von dem zweyten / oder oberen Regenbogen / daß er entſtehe per reflexionem primæ, durch Abbildung des erſten in einer Wolken / gleich als in einem Spiegel / wie wir dann ſehen an den Geſtaden der Waſſeren / daß die wahrhaften Baͤume aufrecht / ihre Schattengeſtalt aber umgekehrt nidſich ſtehen. Carteſius haltet einen umgekehrten Regen - bogen vor moͤglich / wann namlich die Luft gar ſtill / und die Sonnenſtralen auf ein auch ſtilles Waſſer fallen / und von deſſen Flaͤche erſt gegen einer uͤber dem Waſſer ſtehenden Wolken zurukprellen. Es kommet aber diſe Vernuͤnf - telung der heutigen Philoſophiſchen Welt gar zu kunſtlich vor / und halten die Gelehrten darvor / daß dergleichen umgekehrten Regenboͤgen ein Hirn - gedicht / oder / wann ſie ja / wie man Exempel hat / geſehen worden / widerum nicht wahrhafte Regenboͤgen / ſondern Halones ſeyen / worvon zu leſen Sturm, de Iride p. 23. 88.

Von dem Donner / Blitz / Stral / Feurigen Kuglen / und anderen Feurigen Luftgeſchichten des Schweizerlands.

Es ſcheinet zwar Anfangs diſere Materi allgemein ſein anderen Laͤn - deren / weilen ſich in der ganzen Welt hoͤren laſſet die Stimme des Herꝛen / die krachenden Donner / ſehen die flammenden Blitz / und kein Volk iſt / wel - ches nicht erzellen koͤnne von traurigen Wuͤrkungen der ſchreklichen Stral / und anderer dergleichen Feuer Geſchichten. Jch hoffe aber dem geehrten Leſer zu beweiſen / daß die Natur / Urſachen / Eigenſchaften / und Umſtaͤnde der feuerigen Luft-Geſchichten in keinem Land beſſer erlehrnet werden koͤnne / als in dem Schweizerlande / als welches uͤber alle Laͤnder erhoben / die Koͤpfe ſei -ner48ner Bergen uͤber die Wolken ſtreket / und alſo der rechte Schauplaz iſt / da dergleichen Natur-Comedien / und Tragedien / nicht von fehrne / wie in an - deren Landen / ſondern in der naͤhe koͤnnen geſehen / und betrachtet werden.

Wer des unvergleichlichen Carteſii Tract. de Meteor. cap. 7. liſet / der wird leicht erſehen / daß er ſeine Grundlehr von des Donners Urſachen nicht er - ſinnet hinder dem Ofen / ſondern in ſeinen Ungariſchen Feldzuͤgen in denen Carpathiſchen Gebirgen / allwo er geſehen die Loͤuwinen abfallen von den Bergen / und einen Donnerenden Don erwecken / darauß auch geſchloſſen / daß gleich wie diſer krachende Donner-Don herꝛuͤhre von dem Fall des Schnees / und daher entſtehender Zitterung der Luft / alſo auch ein Donne - rendes Gemuͤrmel in der Luft entſtehen koͤnne / wann eine obere Schneewolke falle auf eine undere / und hardurch die zwiſchen ligende Luft mit Gewalt und zitterender Schwingung außgetrieben werde. Einmahl muͤſſen wir / nach dem wir ſo vil 100. Jahr unter der Tyranniſchen Regierung der Schul - Lehrern geſtanden / und theils noch ſtehen / unſere Augen auftuhn / und die Na - tur kennen lehrnen nicht auß den Schriften diſes oder jenes Groß Hanſen / ſondern auß der Natur ſelbs / welche aller Ohrten ganz leßliche Buchſtaben zeiget. Ein Muſter deſſen ſol uns ſein vorhabende Materi der Feuerigen Luft-Geſchichten / bey deren Verhandlung ich zwaren nach Chronologiſcher / oder Zeitordnung / erzellen werde / was in Helvetiſchen Landen vorgangen / aber diſen Hiſtoriſchen Bericht hier und da unterſpicken mit unmittelbarer Zueignung / und vernuͤnftiger Erklaͤrung / damit ſo wol die Liebhaber der Hi - ſtori / als der Naturlehr / verhoffentlich ihr Vernuͤgen finden.

Stral Exempel.

An. 1094. zerſchlug die Stral den Balken / darauf das groß Crucifix im Münſter zu Baſel ſtuhnd / ward außgelegt / es were darum geſchehen / daß man mit dem baͤnnigen Biſchoff und Prieſterſchaft daſelbſt gemeinſchaft gehabt. Vrſteiſ. Basl. Chron. L. II. c. 14. Sehet / wie auch die Natur-Ge - ſchichten haben muͤſſen des Papſts damahls waͤchtig wachſendes Anſehen un - terſtützen? Es gienge nicht ſchwer her / daß gemeine Volk deſſen zu bereden / weil die ſo genanten gelehrten Schul-Lehrer ſelbs nichts beſſers wüßten.

An. 1349. Abends ſchoß der Donner in das Glockenhauß zu Bern / und ſchoß auf der Kanzel St. Jacob ein Hand ab / daß die Finger in dem harten Holz ſtecken blieben. Tſchachtlan. Chron. Bern. MSC. ad h. a. Es kan diß anderſt nicht zugangen ſeyn / als daß die Stral zugleich mit ihrer durchtringenden Kraft das harte Holz durchgeboret / und die abgeſchoſſene Finger diſes Heiligen darein geſtecket / dann ſonſten kein hartes Holz / ſonder - lich / wañ es an ſeinen enden ſtumpf iſt / wie ich mir die Finger Jacobi vorſtelle / in ein ander hartes Holz auch nicht mit Gewalt kan gebracht werden.

49N. 13.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung von Stral-Exemplen.

AN. 1420. auf den Meytag zwuͤſchen 10. und 11. kam bey ſchoͤnem hellem Luft ein Blitz daher / ohne Wetter / und bald darauf ein Donnerklapf / und ſchlug die Stral in drey Haͤuſer zu Bern / und ſchoß ein junge Tochter zu tod an der Gaß. Die Statt war voll Bauren / und war ein groſſer Markt. Man hielte diſe Geſchicht vor eine verdiente Straff / weil man den Feyertage der H. Apoſtlen Philippi und Ja - cobi entheiligte. Tſchachtlan. ad h. a. Nicht ohne Urſach hat das damahls lebende Berneriſche Gemeine Volk ſeine Verwunderung in ſo weit erſtre - ket / daß es ein uͤbernatuͤrliches Wunder darauß gemacht: Man glaubte den Artikel von verehrung der Heiligen / und lebte in voͤlliger Unwuͤſſenheit natuͤrlicher Dingen. Annoch heutiges Tags wurden auch die Gelehrten diſe Geſchicht kaum glauben / oder ſich daruͤber beſtuͤrzen. Es iſt ja bekant / daß gemeinlich eine Stral begleitet iſt mit Donner / und ungeſtuͤmmem Wetter / deme vorher gegangen eine tüppige / oder geſchwüllige Luft. Der groſſe Car - teſius ſelbs wüßte ſich nicht leicht darein zu finden / weilen eine bey hellem Him - mel gezeügete Stral / oder Stralſtein / nebſt ſeinem Fall der Wolken / und gewaltthaͤtiger Zuſamentreibung der Schwefelicht - und irꝛdiſchen Theilen kaum beſtehen kan. Andere Naturlehrer würde es auch ſaur ankommen / nach ihren Grundſaͤtzen / die ſie haben / ſonderlich von ſamlung der Stralma - teri / diſe Begebenheit aufzuloͤſen. Jch meines Ohrts wil auch nicht vil gloſſen hieruͤber machen / damit nicht die Sach vor bekanter / und leichter / auf mich zu nemmen ſcheine / als andere / gleichwol zwey moͤgliche Weiſen anzeigen / wie diſe Geſchicht ſich habe zutragen koͤnnen. Erſtlich dann hat diſe Stral koͤnnen von weitem herſchieſſen / wie man ins gemein darvor haltet / daß diejenigen50jenigen Sommerblitze / welche etwann zu Abend ohne Wetter geſehen wer - den / und Abkuͤhlungen der Luft heiſſen / von weiten Ohrten herkommen / und an denen Landen / wo ſie entſtanden / wuͤrklich begleitet ſein mit Plaz-Regen; oder es haben in der oberen Luft die Wolken durch widerwertige Winde koͤn - nen zuſamen ſtoſſen / und die Stralmateri in denen ſelben ſich ſamlen / und an - zuͤnden / ohne daß ein Regen hat muͤſſen auf die Erden fallen.

Feuerzeichen vor der Schlacht zu Dornegg.

An. 1499. am Abend zuvor / als Morndeß die Schlacht zu Dornach beſchach / ward geſehen zu Zürich am Himmel ein Zeichen / gleich ein feurin Kugel uͤber das Albis gegen der Statt ſchnell / und daruͤber ſchieſſen mit einem langen Schwanz / daß niemand eigentlich moͤcht wiſſen / was es were / als aber Morndeß die Zeitungen von Dornach kommen / hielte man darfuͤr / es were ein Zeichen von Gott / oder aber ein Drach. Etterlin. Eidgnoͤſſ. Chron. pag. 115. Lieber / was hat doch die Schlacht zu Dornegg beſchehen den 22. Jul. zwiſchen den Keiſerlichen / und Eidgnoſſen / da jener in die 3000. diſer aber nicht uͤber 100. umkommen / vor einen natuͤrlichen Zuſamenhang mit der Feuergeſchicht / ſo zu Zuͤrich geſehen worden? Diſe von uralt Heidniſchen Zeiten herſtammende aberglaͤubiſche Weiſe / auß denen Naturgeſchichten ſelbs Prophetiſche Wunder zu machen / klebet uns / gelehrten / und ungelehr - ten / annoch jezt an. So ſchwerlich laſſen ſich die vorurtheile ablegen / die man mit der Mutermilch an ſich geſogen. Exempel koͤnten wir vil zeigen / diß zu bekraͤftigen. Wie oft muß ein ſchwarm froͤmder Voͤglen eine Anzeig ſein froͤmder ins Land kommender Soldaten? Ein Erdbidem ein Be - deutung Politiſcher Welt-Enderungen? und ſo fort.

Es kan ſich ungefahr ſchicken / daß eine ſeltſame Naturgeſchicht ſich zu - tragt mit und neben einer merkwuͤrdigen Enderung in der Policey. Es folget aber nicht / daß diſe von jener ſeye vorgezeiget worden. Diſe feuerige Kugel / deren oben gedacht worden / iſt eine Naturgeſchicht / und geweſen eintweders ein ſo genanter Feuriger oder Fliegender Drach / Draco Volans, ein angezündtes Gemeng ſchwefelichter Dünſten / welches ohngefaͤhrlich die Ge - ſtalt eines Drachen vorbildet; oder ein rechte Natur Bomben / dergleichen im Schweizerland zuweilen geſehen worden / und des Gaſſendi Grundlehr von Zeugung der Stral bekraͤftigen / wie bald ſol in mehrerem erklaͤret werden.

Feuriger Speer.

An. 1520. den 23. Novemb. erſchiene zu Baſel / Abends nach 8. Uhr ein ſeltſam Feurgeſicht im Luft / war ein langer ſchieſſender Strom / gleicheinem51einem fliegenden Flammen / der ein Glaſt gabe / als wann der Mon leuchtet: Die Naturkuͤndiger nennen ſolche Entzuͤndungen Lanceas ardentes, Plinius Bolides, das iſt / Brennende Sper und Wuͤrff-Spieß; oder / wann die Materi etwas groͤſſer iſt / Feuerbalken. Vrſtiſ. Chron. Baſil. L. VII. c. 9. Dergleichen feurige Spieß und Balken ruͤhren her von vilen ſchwefe - licht entzuͤndtlicher / und darbey zaͤher / zuſamenhangender Materi / welche / ehe ſie in einen Brand gerahtet / ſich der laͤnge nach / und in ſolcher Form / anhen - ket / daß ein Feuerwerk heraußkomt / gleich einem Sper / oder Balken. Der - gleichen Exempel werden mehr folgen.

Stral-Exempel.

An. 1527. den 19. Herbſtm. ſchlug die Stral zu Baſel bey St. Alban Thor in einen Pulfferthurn / zerꝛiß den auf den Grund / und warff die Stein hinauß uͤber die Rinkmauren / und erſchlug 24. Perſonen in Weingaͤrten / und Haͤuſeren. MSC. Bibl. Tig. n. 71. ad h. a.

An. 1546. an St. Anna Tag hat ſich zu Solothurn Nachts um 11. Uhren ein grauſam Wetter erhebt / da der Donner in den Riedholz - Thurn / allwo uͤber die 300. Centner Pulver im Vorꝛaht aufbehalten / ge - ſchoſſen / ſelbigen ſamt den naͤchſtgelegenen 4. Haͤuſeren in den Boden zer - ſchlagen / auch andere Gebaͤue / Kirchen / Fenſter / ꝛc. uͤbel verderbt / in welcher Ruin ein Mann / ein Frau / und zwey Knaͤblein todt verblieben / vil andere aber erbaͤrmlich geſchaͤndt / und zugericht worden / der geſtalt / daß der Scha - den ob die 10000. fl. ſo damahlen ein uͤberauß groſſe Summ / geſchaͤtzet worden. Zur Gedaͤchtniß ſein folgende Vers gemachet worden.

Sæcula quinque decem conjungito, queîs ſuperadde
Luſtra quater, ſextus triſtis hic Annus erat.
Fulmine tacta fuit Solodori maxima Turris:
Avertat poſthæc talia Fata Deus.
Hafner. Solothurn. Schauplaz. P. II. p. 230.

An. 1556. auf den zweyten Tag nach Kreuzes Erfindung hat der Don - ner bey heiterem Himmel in die Mülle zu Huberſtorff (in der Vogthey Flumerthal / Solothurner-Gebieths) geſchlagen / den Müller Urß Biberſtein hinder dem Tiſch erſchoſſen / welcher in dem Hauß bis auf den halben theil verbrunnen. Deßgleichen iſt auch ein Kind in dem Hauß um - kommen / darzu Bartli Biberſteins Wohnung ſamt etlichen mehr Haͤuſe - ren auf den Grund abgebrandt. Hafner Soloth. Schaupl. P. II. p. 350.

An. 1557.52

An. 1557. den 22. Jul. kam ein ſchwer Wetter uͤber den Zürichberg herein / und ſchlug die Stral in den Geißthurn / zum Groſſen Schrecken des Volks / weil vil Pulver darinn lag / aber durch Gottes Gnad kam grad dar - auf die kalte Stral / daß man den Dampf wol ſehen moͤchte. Haller Chron. MSC. L. XXXII. c. 11. Man haltet bey uns gemeinlich darvor / daß / wo auf eine geſchoſſene Strale keine anzuͤndung des Tachs / oder Hauſes erfolge / die Urſach deſſen ſeye eine auf eine anzuͤndende Stral bald gefolgte kalte / die man ſonſt auch zu nennen pflegt Waſſerſtral / Waſſerſchlag / und bilden wir uns wuͤrklich ein / diſe letſtere beſtehe auß Waſſer / und habe die erſtere außgeloͤſchet. Wir werden uns aber berichten laſſen / daß man in denen Schulen der Naturverſtaͤndigen von einer ſolchen Waſſerechten / außloͤ - ſchenden Stral nichts weißt / wol aber von einem Fulmine diſcutiente, einer zerſchlagenden / zerſchmeiſſenden Stral / welche das / was ſie tuht / verꝛichtet / durch einen Treibſchlag - und Stoßgewalt / nicht aber durch anzuͤndende / und brennende Kraft. Und ſein diß eigentlich ſolche Natur-Bomben / die ſchon meiſtens außgebrant / ehe ſie an das Ohrt hinkommen / da ſie ſollen wirken / oder deren Materi mehr irꝛdiſch / oder Salpetriſch iſt / als aber entzuͤndtlich oder ſchwefelicht / und hartzicht; oder / deren Vermiſchung alſo eingerichtet / daß die irꝛdiſchen Theil uͤbertreffen an Vielheit die ſchwefelichten / ſo daß diſe nicht koͤnnen ihre Brennkraft auß uͤben. Gleichwol iſt in vorgebrach - tem Exempel doch Feuer geweſen / weilen ein Rauch aufgangen / aber ein ſo geringes Feuer / welches nicht einmahl hat koͤnnen die Tachrafen / oder Bal - ken anzuͤnden; dann nicht zu glauben / daß das Stralfeur weiters kommen ſeye / als in den Tachſtul; wann der geringſte Funk durchgetrungen hette in ein Pulferfaß / ſo were wirklich der jenige Jamer alſobald erfolget / dene man An. 1652. den 10. Jun. hiemit nicht gar 100. Jahr hernach / von zerſprun - genem diſem Geißthurn erfahren muͤſſen. Von welcher Geſchicht auch bald außfuͤhrlich ſol geredet werden.

An. 1572. den 7. Mey ſchlug die Stral zwiſchen 5. und 6. Uhren in den einten Münſterthurn zu Zürich / da die Gloggen hangen / ſie gienge zu oberſt durch den Helm / daß er alsbald anfieng zu bruͤnnen / und ſo brann er ab bis an das Maurwerk / und Glocken. Der Carli-Thurn fienge zum zweyten mahl an brünnen / ward aber erꝛettet mit groſſer Gefahr der Leuh - ten / die ſich gewaget. Der abgebrandte Thurn ward folgenden Jahrs 1573. widerum aufgerichtet. MSC. Bibl. Tig. n. 52. p. 344. Haller Chron. MSC. Lib. 38. c. 18. diß iſt geweſen Fulmen urens, ein brennende anzuͤndende Stral / und namentlich eine auf den Thurn gefallene / oder nahe bey deſſen Spitze zerſprungene Bombe. ꝛc.

53N. 14.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Anhang von der Stral.

ES verwundere ſich der geehrte Leſer nicht / daß mich in gegenwertiger Stralmateri ſo oft bediene der vergleichung mit den Bomben. Es iſt dieſelbe nicht in meinem Hirn erſonnen / ſondern zu finden bey dem beruͤhmten Naturlehrer Petro Gaſſendo, welcher ſich nicht kan einbilden / wie eine außden Wolken getriebene bloſſe Flamm / als ein fluͤſſiges Weſen / koͤnne einen weiten Weg fortkommen / ohne ſich zu zertheilen / oder ihre Kraͤfte zu verlichren / halter deßwegen darvor / daß die ſchwefelicht Salpetriſchen / irꝛdi - ſchen / und andere in den kalten Wolken zuſamen getriebene Duͤnſt ſich wol koͤnnen alldort ſamlen / in eine rundung / oder ablange rundung / geſtalten / welches dann abgebe σνλλογὴν, wie es Epicurus ſchon zu ſeiner Zeit benennet hat / glomeré vorticoſum, kurz / und nach heutiger Feurwerker Weiſe zu reden / eine Feurkugel / oder Bombe / welche dann ſich durch die Bewegung entzuͤn - de / Kraft ihrer eigenen Schwere auß den Wolken falle / je nach Beſchaffenheit der widerſtehenden Luft / aufſtoſſenden Winden / und der angezuͤndten Ma - teri ſelbs einen geraͤderen / oder krümmeren Weg mache / zwar keinen Scha - den zu fuͤge / wann ſie zerſpringt in hoher Luft / aber gefaͤhrlich ſeye / wann ſie ihre Wirkungen außuͤbe nahe bey der Erden / oder in einem Hauß. Diſere vergleichung der Stral mit den Bomben hat Gaſſendo bey den meiſten heu - tigen Naturforſcheren ein groſſes Anſehen gemacht / weilen auß diſem Grundſatz die vorkommenden Begebenheiten gar fuͤglich koͤnnen erklaͤret werden. Und findet diſe Lehr bald ſtatt bey denen / welche mit der Luſt - und Ernſt-Feuerwerkerey umgehen / und etwann mit Augen ſehen koͤnnen die verwunderlichen Wirkungen ihrer durch Kunſt verfertigten Bomben / oder Carcaſſen / auch auß denen Fundamenten ihrer Religion ermeſſen / daß /wie54daß / wie ihre Geſchiklichkeit und Arbeit nur nicht als ein Schatten zu rechnen gegen der Goͤttlichen Weißheit / und Allmacht / alſo die in der Goͤttlichen Werkſtatt ſelbs / nach denen von Gott ſelbs angeordneten Natur-Geſaͤtzen / verfertigte Stral-Bomben anzuſehen ſeyen / als vollkommene Meiſterſtuͤcke / und nicht nur nicht nach zu ahmen durch alle aller Menſchen Witz und Kunſt / ſondern ſo verwunderliche / und erſchrokliche / Wirkungen tuhn / welche uns Menſchen billich ſetzen ſollen in eine heilige Erſtaunung / und veranlaſen zu der Forcht Gottes. Diſe des Gaſſendi Grundlehr von der Stral gruͤndet ſich nicht nur auf ſeine / und des Epicuri, Hirngrillen / wie ſich mancher Schul - Lehrer moͤchte einbilden / ſie hat auch nicht nur zu ihren Zeugen / und Bey - ſtaͤnderen / die Feurwerker und Jngenieurs / ſondern bekraͤftiget ſich durch die Natur ſelbs / und dero vorkommende Begebenheiten. Was ſein die auß dem Luft auf die Erden gefallene / in unſeren Eidgnoͤſſiſchen Chroniken hier und da verzeichnete / theils oben bereits eingefuͤhrte / theils an ſeinem Ohrt beyzubringende / Feurkuglen / anders / als ſolche Stralbomben / die etwann auß einer zaͤheren / und mehreren Materi beſtehen / als die gemeine Stral / etwann auch zerfallen / oder zerſpringen / koͤnnen ohne Schaden / etwann aber gleich der Stral merklichen Schaden denen Haͤuſeren / und Menſchen / oder Viehe zu fuͤgen? Wer noch nicht hier an kommen wil / der nemme die Muͤhe / auf unſere hohe Gebirge zu reiſen / und alldort von den Spitzen / gleich als auf Wacht-Thuͤrnen / zu zuſchauen diſem Stralfeurwerk / welches etwann neben / etwann ob / ja auch unter ihm angezuͤndet / und geſpielt wird. Foͤrchtet er ſich ſelbs zu zuſehen / ſo melde er ſich an bey meinen lieben und getreuen Lehrmei - ſteren / denen Gemß-Jaͤgeren / und Aelpleren / und erkundige ſich / was ſie bey der Stral gewahret. Diſe werden ihme / gleich mir zum oͤfteren widerfahren / anzeigen / wie ſie zuweilen bey entſtehendem ſchwerem Ungewitter ſehen die Stral nahe bey / oder unter ihnen / zerſpringen in Geſtalt einer Feurigen Ku - gel / welche nicht nur unter-ſondern überſich / und auf alle Seiten hinauß Feur außwerffe. Diſere Obſervation kan man nicht wol erfahren / wo nicht hohe Gebirge ſein / ja / wo man nicht ſelbs auf denſelbigen ſich einfindet / weilen die meiſten Stralkuglen in der oberen Luft ſpringen / und deßwegen auch mei - ſtens hohe Ohrte / die Spitzen der Thuͤrnen / wie in gegenwertigem Beyſpiel / die Firſten der Bergen / Gipfel der Baͤumen / treffen.

Von einer ſonderbaren Feuer-Geſchicht / ſo geſehen worden im Flaachthal.

Den 26. Sept. 1572. als es timber / und der Himmel mit Regen - wolken behenkt / jedoch kein Wind / Donner / noch Blitz geſehen / noch gehoͤrtwor -55worden / hat ſich zu Berg im Flaachthal Züricher-Gebieths / gegen Mittag ein ſchwarze Wolke ſehen laſſen / darinn man etwas Getoͤß gehoͤrt / als wann Donner verhanden were. Bald darauf / Abends zwiſchen 5. und 6. Uhren / hat ſich die ſchwarze Wolken aufgetahn / und iſt darinn ein groſſe roht feurige Kugel geſehen worden / in der form und groͤſſe einer Tiſchſcheibe; in deren mitte hat ſich ein bleichgelbe Flamm erhebt zu flacken / gleich als die Feurkuglen tuhn / wann man ſie anzündet. Diſe Kugel iſt eine gute Weil geſtanden / indeſſen die Flamm je laͤnger je groͤſſer worden. Darnach / als man fleiſſig auf das Wunder geſehen / iſt die Flamm heraußgefahren mit einem pfeiſen / wie die Raggeten tuhn / wann man ſie anzuͤndt; die Wolken aber hat ſich zuſamen getahn / und iſt nichts weiters darinn geſehen worden. Die Feuerflamm aber iſt gegen Mittnacht gefahren / und hat ſich in die laͤnge gezogen / gleich einem Balken / zu forderſt aber daran iſt ein bleicher Stern geſehen worden: bald darauf hat ſich der Himmel in der laͤnge des feuerigen Strichs aufgetahn / und iſt darauß wie ein heiterer Blitz hervorkommen / daß jedermann von den Zuſchaueren dunkete / es ſeye auf ihn gefallen. Hierauf bald hat ſich der feurin Strich widerum zuſamen getahn / und in Geſtalt einer groſſen Schlange verwandelt / welche drey Farben hatte / vornen Blut - roht / und der bleiche Stern an ſtatt des Kopfs / in der mitte gelb Feurfarb / an dem Schwanz aber weiß / mit einem bleichen Sternlein zu end. Diſe Schlang hat ſich je mehr und mehr in ihren krümmen zuſamen gewunden / bis ſich letſtlich alles in eine rohte Ziegelfarbe Wolken verwandelt / und allein die zwen bleiche Sternen in der Wolken ſtehen blieben; wie es ſich nun alles in die ruͤnde begeben / und zuſamen gezogen / hat ſich in der Wolten ein groß praſchlen hoͤren laſſen / und ſein bald darauf drey ſtarke Donnerklaͤpfe gehoͤrt worden / gleich als wann man drey groſſe Stuck loß gebrant hette / und iſt alſo diſes Getoͤß langſam gegen Mittnacht uͤber den Jrchel gegen der Statt Zuͤrich zu gefahren. Zu Zürich hat man diſe Geſchicht angeſehen / als eine Feurflamm / die entzwerch dem Himmel nach zu naͤchſt bey dem Gewoͤlke daher fuhr / und als ſie / wie es ſich ließ anſehen / eines Büchſenſchuſſes weit kommen / iſt ſie erloͤſchen / und lieſſe ſich darauf ein weiſſer Strich einer Hand - breit unveraͤnderet ſehen / ſtuhnd alſo eine gute Zeit / wie ein Spieß / als aber der Wind das Gewülk triebe / ward der Strich krum̃ / gleich einer Schlang / und ob er ſich ſchon in das Gewülk vermiſchet / behielte er doch die weiſſe Farb ein Weil / alſo daß man ihn vor dem anderen Gewülk koͤnte kennen / und gleich darauf / da man den Strich noch ſahe / fienge es an zu Donneren an dem Ohrt / da die Flamm erloͤſchen war. Haller Chron. MSC. L. 38. c. 20.

Es iſt diſes Jahr / in welchem jezt erzehlte merkwuͤrdige Feurgeſchicht ſich zugetragen / geweſen ein recht Wunder-Jahr. Es erſchiene ein ganzneuer /56neuer / groſſer / heller Stern in dem Zeichen der Caſſiopoea, welcher An. 1574. widerum verſchwunden. Man ſahe einen Regenbogen zu Nacht. Man hatte auſſer ordentlich ſchwere Ungewitter / aber auch in der Eidgnoßſchaft aller - hand Unruhen. Sonderbar aber verdienet zu ewiger Gedaͤchtnuß in ehrinen Tafelen eingegraben zu werden die bekante Bluthochzeit zu Paris / an welcher in einem dem H. Bartholomeo gewidmeten und naͤchſtfolgenden Tagen von denen unſchuldigen Reformierten elendiglich umkom̃en in die 10000. Perſo - nen. Obnun diſe Natur - und Policey oder Religions-Geſchichtẽ mit einandern eine Verwandſchaft haben / und worinn das Band ihrer Zuſamenfuͤgung beſtehe / wil ich nicht unterſuchen / ſondern denen jenigen uͤberlaſſen / welche an ſolchen geheimnuß reichen Außlegungen der Naturwunderen ihre Luſt ha - ben; ſondern eins und anders in beliebter kuͤrze beyfuͤgen / welches dienen kan zu natuͤrlicher Erklaͤrung unſerer Feuerigen Luft-Begebenheit. Gleich wie die Stralmateri in ebenen Landen ſich leicht kan in der Luft zerſpreiten / hin - gegen in unebenen / hogerichten Landen zwiſchen den Bergen ſich ſamlen / und daher auch unſer Schweizerland dergleichen Feuer-Geſchichten mehr unter - worffen / als andere Laͤnder; alſo haben ſich in angebrachtem Beyſpiel die Schwefelicht / und Salpetriſche Duͤnſte in dem Flaachthal in denen auch zu - ſamen getribenen Wolken beſonderbar wegen kommlicher Situation wol koͤn - nen ſamlen; und iſt anfaͤnglich wegen entſtandener jaͤſung der froͤmdartig zuſamen gebrachter Materi die in ſelbigen ſchwarzen Wolken enthaltene / und umligende Luft in eine Dünnung gerahten / und daher auch ein etwelches Donner-Getoͤß gehoͤrt worden. Nach dem aber die Materi in eine voͤllige entzündung kommen / hat ſich die Wolken zertheilt / aufgetahn / und die Ge - ſtalt einer Feuerkugel in Vorſchein kommen / und zwaren eine ſolche / welche mit einer Bombe oder Carcaſſen eine genaue Gleichheit gehabt / maſſen auß der ganzen Hiſtori zu ſchlieſſen / daß die Materi in eine enge zuſamengetri - ben / und außwendig mit einer irꝛdiſch zaͤhen Rinde umzogen worden / ſo daß das Feuer nur anfangs durch einen ſchwaͤcheren Ohrt / gleich die Flamm einer Bomben durch den Zünder außgefahren / welche aber nach und nach die ganze Kugel in entzündung gebracht / ſo daß die Flamm zugenommen / und zuweilen mit einem pfeiſen / gleich bey den Raggeten geſchihet / heraußgetrun - gen. Diſere von den Zuſchaueren ſelbs gemachte Vergleichung loͤſet auf die Frag / warum diſe Kugel nicht gefallen / ſondern in freyer Luft geſchwebt ſeye: Hier helffen uns auß dem Scrupel die Luſtfeurwerker / denen bekant / daß eine Raggete / nach dem ſie angezuͤndt worden / immer in die hoͤhe ſteiget / weilen der oben weggetribene / und in beſtaͤndige dünnung gebrachte Luft ſich nach denen Beweg-Geſaͤtzen zu dem Boden der Raggete herab laſſet und diſe immer in die hoͤhe treibet; und hette auch diſere unſere Feurkugel wirklich koͤnnen in die hoͤhe ſteigen / wann nicht ihro widerſtanden were ihre eigene Schwere / und zur geraden leitung angebunden were geweſen ein ihrer groͤſſe angemeſſener Steke.

57N. 15.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortgeſezte Hiſtori einer Feuer-Geſchicht.

ES fuhre die Flamm der laͤnge nach gegen Mitternacht / und zohe ſich auß einander / ſo daß die kuglichte Geſtalt ſich in einen Balken veraͤnderet. Bis dahin aber hat ſich die flammende Materi allezeit in engen Schranken gehalten / gleich einer Carcaſſen / ehe ſie zerſpringt / bald aber darauf iſt ein heiterer Blitz heraußgefahren / daß jedermann von den Zuſchaueren dunkte / es ſeye auf ihn gefallen; weilen die ganze umſtehende und unterligende Luft in ſolche Dünnung gerahten / daß der Athem aller Zuſeheren in ſelbigem Augenblick ſchwerer / und aller Augen von dem hellen Schein der Flamm empfindlich geruͤhret worden. Die Verſchiedenheit der Farben / an der ganzen Feur-Geſchicht / und dero angehenkten Sternlein kommet her von verſchiedenheit der Materi ſelbs / und durch die Wolken trin - genden Widerſchein. Endlich / nach dem auch die weiſſen / auß dichteren Ma - teri zuſamengeſezte Sternlein / verſchwunden / ſein drey ſtarke Donnerklaͤpfe gehoͤrt worden / welche zuvergleichen mit dem Schlag der Racketen / und her - zu leiten von einsmahliger gewaltſamer außdehnung / und zitterung der Luft.

Stral-Geſchichten.

An. 1573. den 28. Mey zwiſchen 5. und 6. Uhr Nachmittag kame ein ſchwerer Hagel von Zugher uͤber den Zürich-See / der zog ſich uͤber den Egg - berg hinauß. Die Stral ſchlug zu Wyl im Thurgaü in Hof in den Saal. Haller Chron. MSC. Lib. 39. c. 6. Gemeinlich in unſeren / und anderen /Landen /58Landen / ſein die Stral-Donner - und Blitz-Geſchichten begleitet mit ſchwe - rem Ungewitter / ſtarken Platz-Regen / und verderblichem Hagel. Carteſius nimmet hierbey Anlas ſeine Grundlehr von dergleichen Begebenheiten zu beſteiffen; Dann / ſagt er / wann eine obere Wolken / kraft zugenommener ſchwere fallet auf eine untere / ſo kan es anderſt nicht ſein / als daß diſe muß mit Gewalt erſchüttet / zertheilet / und oft beyde zugleich in Waſſer verwan - delt werden / welches ſich in groſſer Menge auß laͤhret in ſo genanten Wolken - bruch / wann nicht die untere Wolken ſchon vorher durch Winde / oder andere dergleichen Urſachen zertheilet worden; Zu welchem Ende dann an vilen Ohrten pflegen die Gloken gelaͤutet / oder die Canonen von hohen Ohrten / als Waͤhlen / Thuͤrnen / bey anſcheinendem Ungewitter los gebrandt werden. Es iſt diſere natuͤrliche Beweg-Urſach wol zu unterſcheiden von der Ein - bildung der Roͤmiſch Catholiſchen / welche die Kraft der Zertheilung des Un - gewitters mehr zuſchreiben der Weihung / und dem Tauff / ſo uͤber die Glo - ken mit allerhand bey ihnen gewohnlichen Ceremonien ergangen. Und kommet mir diſes ihr geſaͤgnetes Gloken laͤuten nicht vil anderſt vor / als jene Weiſe der Chineſen / welche bey entſtehender Finſternuß ein groſſes Ge - raͤuſch machen mit Trommeln / und anderen Jnſtrumenten / um damit den groſſen Drach zuverjagen / welcher mit der Sonnen in heftigem Streit ſte - het / und wirklich wurde ſie verſchlingen / wann er nicht durch ihres durch das ganze Land erthoͤnendes Geraͤuſch weggejagt wurde. Jch komme aber wide - rum auf oben gemeldten Grundſatz des Carteſii, und finde / daß der Wolken - Fall der heutigen delicaten Welt nicht wahrſcheinlich / ſondern gezwungen vorkomt; villeicht moͤchte ſie beſſer benuͤgen das zwiſchen der Luft und den Waſſertheilen aufgehebte Gleichgewicht / wann ſie gedenken / daß die ge - ſchwüllige / in einen Jaſt gerahtene / und über diß noch mehr durch angezuͤndte Blitze verdünnerte Luft zugleich um vil leichter worden / daß die Waſſertheil - chen / auß welchen die Wolken beſtehen / ſich ſamlen / und zu Boden fallen / da ſie dann in waͤhrendem Fall wol koͤnnen durch unterblaſung eines kalten Winds in Eis / oder Hagel / verwandelt werden / welches dann zu groſſem Schaden der Saat / und anderer Erdenfruͤchten / gereichen kan.

Ein Wundergeſicht im Luft.

Den 28. Septemb. 1575. an St. Michaels Abend hat man nachfol - gend Wunderzeichen weit und breit / nicht allein in der Eidgnoßſchaft / ſon - der auch in Frankreich und anderſtwo geſehen / namlich nicht anderſt / als wann zwen Heerzeuge einandern angriffen / da ob einem ein Spaniſch / oder Burgundiſch Kreuz / geſtanden. Das geſchahe zwiſchen 8. und 9. Uhren Nachmittag / da hat ſich erſtlich von Aufgang bis gegen Nidergang erzeigtein59ein heitere mit langen Streimen / wie lange Spieſſe / alſo daß an vilen Ohr - ten auf dem Land ein groß Gelaͤuff gleich einem Feuergelaͤuff geweſen / und hat gewaͤhret bis nach 12. Uhren nach Mitternacht. Haller Chron. Lib. 40. cap. 4. Diſe Geſchicht hat zweifelsohne ſeltſame Gedanken erwecket bey den Zuſchaueren: Einer wird es gehalten haben vor eine Natur-Geſchicht / auß deren nichts ſittlich boͤſes vorzuſagen: hundert hingegen werden prognoſti - ciert haben Krieg und Kriegs-Geſchrey / wie dann auch Haller berichtet / daß einiche vermeint / es habe bedeutet den Caſimiriſchen Zug / da 13. Compag - neyen Eidgnoͤſſiſcher Voͤlkeren / hinderꝛuks der Oberkeiten / auß dem Land gefuͤhret worden. Die langen weiſſen Streimen kamen ihnen vor als Spieſſe / und die geringſte Bewegung derſelben / und der Wolken in der Luft / als zwey gegen einander anmarſchierende Heerzeuge. Ja ich bilde mir ein / es werde mancher die Ohren geſpitzet haben / um zuvernemmen das Zetter - geſchrey der ſtreitenden Partheyen / das praſchlen der Spieſſen / die losbren - nung des Geſchützes. Die Sternſeher werden zu hilff genommen haben den domahligen Stand des Geſtirns / und durch deſſen Mittel auch die Standarten beyderſeits kriegender Partheyen / ja gar durch die Fernglaͤſer ihres Gehirnes / die commandierende Generalen erkent haben. Die Staati - ſten werden die domahlige ſtaͤrke / und ſchwaͤche der Europeiſchen Potenzen auf der Waag ihrer Klugheit abgewogen haben. Jedermann hat die zwey folgende Jahr achtung gegeben auf den Lauff der Welthaͤndlen / um ſolchen mit unſerem Wunder-Geſicht zuvergleichen. Jch ſage / die 2. folgende Jahr / weilen die fehrneren Wahrſagungen koͤnftiger Geſchichten auf ſich genom - men der Comet / ſo im November 1577. im Zeichen des Steinbocks geſehen worden. Jch meines theils wil diſen allen ihre Vorſagungsfreude gern laſ - ſen / aber auch die Freyheit nemmen zu ſagen / daß auch diſe Feuer-Geſchicht mir vorkomt als ganz natuͤrlich / beſtehend auß vilen in der Luft befindtlichen Schwefelichten / Saltzichten / und gar Arſenicaliſchen Dünſten; ich fuͤge nicht ohne Urſach hinzu das Beywort / Arſenicaliſch / weilen in eben diſem 1575. Jahre ein giftige Peſt-Seuche zu Zuͤrich graſſiert / welche von dem Julio an bis in Wintermonat gegen 1200. Perſonen weggenommen / und wol herzu - leiten iſt von vergiftung der domahligen Luft.

Stral-Wetter.

An. 1576. den 2. Augſtm. ſchlug die Stral in den Münſterthurn zu Zuͤrich underhalb den Waͤchterhaͤußlinen mit einem ſchroklichen Donner - klapf alſo daß der Dratt an dem Glockenſeil zerſchmolze. So hat auch der Dunſt beyde Waͤchter / Victor Keretz / und Sebaſtian Sturmen faſt erſtekt. Haller. Chron. MSC. Lib. 40. c. 13. Es iſt nichts neues / daß die Stral dieharte -60harteſien Metall Augenblicklich ſchmelzet. Man kan darauß abnemmen die durchtringende Kraft des Stralfeuers. Wann eine Stralbombe zerſpringt / ſo fahret das concentrierte Feuer an einem / oder vilen Ohrten auß / und durchboret durch ſeine geſchwindigkeit / und ſubtilheit alles / was ihme vor - komt; gleich auch die Glasblaſer wiſſen durch eine zugeſpizte Flamme das Glas / und die Metall zu ſchmelzen / oder in einen Fluß zu bringen.

Feuerfall vom Himmel.

Den 11. Octob. 1577. Zu angehender Nacht zwiſchen 7. und 8. Uhren hat man ein Feuer vom Himmel geſehen fallen / anfangs / als wann ein Stern daher ſchoſſe vom Hof bis gegen dem Rahthauß zu Zuͤrich / welches hernach ſich nach und nach wie ein Wellen Stroh zertheilt / und mit einem groſſen Glanz / vilen Streimen / und Funken herab gelaſſen. Es haben diſes Feuer inſonders die Schiffleuhte auf dem See wahrgenommen / darauf iſt auch gefolget ein Donnerklapf. Haller. Chron. MSC. Lib. 41. c. 5. Zur Erklaͤrung diſer Feuer-Geſchicht dienet / daß in eben diſem Jahr zu anfang diſes Herbſtmonats die Luft Nachts und Tags ungemein warm geweſen / vil Blitze geſehen / und vil Donner gehoͤret worden / ja auch uͤber Menzingen ein gar ſchweres Wetter ergangen: worauß ſich erſcheint / daß domahls die Luft / von vilen entzuͤndtlichen Duͤnſten angefuͤllet / eine iaͤſung / gehrung / oder fermentation außgeſtanden / welche ſich gezeiget theils durch die waͤrme / theils durch andere Feuer-Geſchichten / und Wetter / ſonderbar aber bey unſerer vorhabenden Begebenheit / da ſich die Schwefelichten Duͤnſte zuſamen ge - zogen / und in eine entzuͤndung gerahten / welche die Geſtalt eines daher ſchieſ - ſenden / und fallenden / Feuers gehabt / und von einer Feuerkugel darinn un - terſcheiden geweſen / weilen bey diſer die Feuermateri ſich feſter zuſamen laſſet / dort aber zertheilt bleibet / und ſich von jedem Wind leichter hin und her treiben laſſet. Gleichwol muß von diſer entzündung die Luft in eine zitte - rende Bewegung gebracht worden ſeyn / weilen ein Donnerklapf gehoͤrt wor - den. Merkwuͤrdig iſt die ſtarke Kaͤlte / welche bald auf diſe Waͤrme / nam - lich den 25. Octobr. eingefallen mit Schnee / und Gefroͤrne / weilen namlich vorher die Luft in eine groſſe Dünnung gerahten / ſo daß die innere Luft der Pflanzen / Menſchen / und Thieren ſich gewaltig hat koͤnnen außdehnen / waͤhrender der Zeit haben ſich die im Luft zertheilte waͤſſerige Dünſte naͤher zuſamen gezogen / um bey erſtem Anlas ſich leicht in Schnee / oder Regen zu verwandlen. Es hat aber faſt nohtwendig muͤſſen eine Kaͤlte erfolgen / weilen die umligende Berg - und anderer Laͤnderen Luft unſere Zuͤrichiſche Dunſt - kugel um ſo vil leichter hat koͤnnen zuſamen truken / und unter regierendem Nordwind erkaͤlten / als leicht ein gewaͤrmtes Waſſer gefrieret vor dem kal - ten / weßwegen auch die Waſſerdünſte ſich haben muͤſſen in Schneefloken ver - wandlen.

61N. 16.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Von der Stral.

AN. 1579. den 2. Jul. ſchlug die Stral in das Schloß Sonnenberg im Thurgaͤu / und denſelben Tag auch um Greiffen-See Zuͤ - richergebieths zu vierzehen mahlen hin und wider / verletzete auch den Bauren im Gfenn uͤbel. Haller Chron. Lib. 42. c. 1.

Den 12. Jul. am Morgen zwiſchen 1. und 3. Uhren ſchlug die Stral mit einem erſchreklichen Donnerklapf in das Schützenhauß auf dem Platz (Zürich) zerſchlug das Stattwapen / und in beyden Stuben die Gieß - Faß / ſchaͤdigete auch etliche Buchſtaben an der Uhr / und nahme den Zeiger gar hinweg. Es ſchlug auch die Stral diſer Zeit in den Kilchenthurn zu Luſtorff / und Affeltrangen / da ſie den Meßmer toͤdete / als er vor das Wetter wolte laͤuten: Sie ſchlug auch zu Leutmerken in Kirchenthurn / wie auch zu Bußnang. Id. l. c.

Feurige Spieß.

An. 1581. den 6. Aprel um Mitternacht hat man zu Zürich / und anderen Ohrten mehr ein feurig Zeichen / gleich einem Spieß am Himmel geſehen / der ſtuhnd grad uͤber den Oettenbach eine Stund lang / darnach ver - gienge er allgemach. Haller. Chron. Lib. 42. c. 10.

Den 26. Augſtm. ſahe man zwey Feuerflammen am Himmel / wie zwey Pyramides. Haller. l. c.

Den 8. Novemb. hat man am Morgen vor Tag einen Spieß am Himmel geſehen / der iſt folgends mit einem Blitz vergangen.

Bren -62

Brennende Haͤuſer im Luft.

An. 1581. den 14. Novemb. auf den Abend zwiſchen 7. und 8. Uhren ſahe man zu Zürich einsmahl eine Heitere an dem Himmel / alſo daß man anfangs meinte / es were ein Brunſt / hernach aber lieſſe ſich in derſelbigen her - fuͤr eine Statt / in Form und Geſtalt mit Thürnen / Haͤuſeren / doch alles / als ob ſie brunne / wie Sodoma / und Gomorꝛa; iſt nach einer Stund wi - derum vergangen. Haller. l. c. Es iſt die Einbildungskraft der Menſchen ſo reich / und vilfaltig / daß ſie auß einer jeden ungewohnten Begebenheit kan dem Gemuͤht vormahlen allerhand geſtalten. Bald ſihet ſie einen feurigen Spieß / bald eine Feur-Saul / bald Feurige Balken / bald ganze brennende Haͤuſer / und Staͤtte. Bey außarbeitung ſolcher Feurgemaͤhlden iſt der Mahler die Natur / der Penſel eine jede Bewegung in der Luft / die Farben die angezündte / ſchwefelichte Dünſte ſelbs / und beſtehet die Schattierung in verſchiedener dichte / und duͤnne der Materi.

Feuerfall vom Himmel.

An. 1582. den 28. Octob. ſahe man zu Zürich / und anderen Ohr - ten nach dem Undergang der Sonnen das Feuer vom Himmel fallen. Diß gewahrete man auch

An. 1583. den 10. Hornung bey angehender Nacht. MSC. Bibl. Tig. n. 52. Villeicht iſt diſer Feuerfall ein Zeichen geweſen der groſſen An. 1582. von Papſt Gregorio XIII. angeſehenen Kalender Reformation / und dar - bey außgeſchoſſenen feuerigen Bann-Stralen uͤber alle die jenige / welche diſen neuen hernach alſo genanten Gregorianiſchen Kalender anzunemmen ſich weigeren wurden? Jch meines Ohrts halte dergleichen nach der Son - nen Untergang ſich erzeigende Feuerfalle / wo ſie nicht begleitet ſein mit ſchwe - rem Ungewitter / vor einen bloſſen Geſichts-Betrug / welcher herꝛuͤhret von denen in die dicke Abend-Luft ſpielenden Sonnenſtralen / deren vilfaltige Brechungen allerhand / auch feuerꝛohte / Farben dem Geſicht vorſtellen.

Feuerig Schwert / Spieß / und Heerzeug.

An. 1583. den 13. Merz hat man zu Genff geſehen Feuer vom Him - mel fallen: So ſahe man auch zwey geruͤſtete Heerzeug am Himmel.

Den 2. Aprelen / zu Nacht hat man zu Zürich und in ſelbiger Refier geſehen ein zimlich Schwert mit zwitzerenden Streimen / und einem langen Spieß / gelb von Farb / die haben ihre Spitzen gegen der Statt gewendet / daß hat drey viertheil Stund gewaͤhret; anderſtwo hat man auch eine Schlangam63am Himmel geſehen / als zu Arau / und an anderen Ohrten mehr. Haller. Chron. MSC. Lib. 43. cap. 15. Zweifelsohne ſein diß geweſen Feuerige Meteora, oder Luft-Geſchichten / auß welchen die Gemuͤhter der Zuſeheren Schwerter / Spieſſe / Balken / Schlangen / ja ganze Heerzeuge geſtalten koͤn - nen / je nach dem ſie dieſelben anſehen.

Feurige Kugel.

An. 1584. den 19. Febr. hat man zu Zürich / und in umligender Landſchaft geſehen den Himmel brünnen; und auf der underen Bruck ein Feuerige Kugel vom Himmel fallen / nach ſechs Uhr Abends. Haller. Chron. Lib. 44. c. 2. Von dem Feuerigen Himmel iſt das noͤhtige gemeldet worden. Tom. I. N. 12. und 22. Jn naͤchſtvergangenen / und folgenden Jahren ſein in Lobl. Eidgnoßſchaft allerhand Unruhen / und Gefahren entſtanden / welche auf erzehlte Feuer-Geſchichten hetten koͤnnen gezogen werden / ab - ſonderlich brachte das Kalender-Geſchaͤfte die Gemuͤhter von beyderſeits Religion in zimliche erhitzung; Die Spanier machten einen gefahrlichen Anſchlag / das Veltlein zu uͤberꝛumplen / und giengen andere Politiſche Sa - chen mehr innert unſeren Graͤnzen vor / welche unnoͤhtig erachte nach der laͤnge zu erzellen / weilen zwiſchen denenſelben / und unſeren Feuerigen Luftge - ſchichten keinen natuͤrlichen Zuſamenhang ſihe. Wann etwas ſol hieher gezogen werden / ſo iſt es der Erdbidem / ſo geſpuͤrt worden An. 1584. den 1. Merz / und im Ampt Aelen Bernergebieths einen ganzen Berg um - geſtuͤrzet / welcher die zwey Doͤrffer / Corbieres, und Yvorne, bedeket / alſo daß 122. Perſonen / und uͤber 500. Stuck Viehe zu Grund gangen; von wel - chem Bergfall zu ſeiner Zeit gel. G. ein mehrers ſol geſchrieben werden.

Stral.

An. 1591. den 5. Jul. ſchoß die Stral zu Aadorff im Thurgaͤu in die Schmitten / darvon verbrunnend 7. Haͤuſer / 2. Scheuren / und ein Trotten. An diſem Tag fiele ein ſchroklicher Hagel uͤber das Zuͤrich - und Bernergebieth: und ohnweit Lüttgeren im Berngebieth zuͤndte die Stral 8. Haͤuſer / und etliche Scheuren an / darinn 10. Perſonen / und gar vil Vieh verdurben. Haller Chron. Lib. 53. cap. 8.

An. 1597. den 19. Jul. iſt ein unerhoͤrtes Wetter mit Donner / Blitz / Hagel / und Stralſtreichen entſtanden / ſo einen ganzen Tag und Nacht gleich als ein Feuer gewaͤhret: und wurden zu Steinmur / in der Herꝛſchaft Regenſperg / Zürichergebieths / 6. Perſonen durch die Stral erſchla - gen / und zu Stein am Rhein ein Hauß ſamt einem Kind verbrent. Rahn. Eidgnoͤſſ. Chron. p. 870.

An. 1602.64

An. 1602. den 2. Jul. Abends / zwiſchen 9. und 10. Uhr iſt ein ſchwer Wetter uͤber die Statt Zuͤrich / und an etlichen Ohrten uͤber die Landſchaft gangen / und ſchlug die Stral in der Statt in einer Stund in das Hauß des Bauherꝛen / in Spittal / zum guldenen Schwert / zum Adler vor dem Roten - Hauß uͤber / in das Raht-Hauß / in dem Goͤldiſchen Hauß auf Dorff / in ein Garten-Hauß vor dem Oberdoͤrfferthor / doch alles ohne Schaden. Haller Chron. Lib. 59. c. 3.

Feueriger Drach.

An. 1603. den 10. Septemb. Abends um 10. Uhr ſahe man einen Feuer-funklenden Drachen fliegen von Mittag gegen Mitnacht. Die helle Farb des uͤberguͤldeten Knopfs auf dem Münſterthurn wurde dardurch um etwas verdunkelt. Darauf ſein auß duͤnnen durchſichtigen Wolken / ohne Wetterleuchten außgebrochen vil Donnerſchlaͤge / gleich als ob man Muß - queten und Canonen under einanderen los gebrant hette. Suizer Chronol. Helv. p. 125. Es zeiget uns diſe / und vil andere in der Natur votkommende Begebenheiten / wie ein jede einsmahlige duͤnn - oder gewaltthaͤtig zitterende forttreibung der Luft kan ein Donnerendes Getoͤß erwecken. Die Feuer - werkere ahnen der Natur um etwas nach durch allerhand Raggeten / und Kuglen / die ſie alſo zu richten / und werffen / daß ſie in der Luft / oft vil zugleich / zerſpringen. Die Glaßblaſer machen gewiſſe kleine / mit Waſſer halb an - gefuͤllte / und ſonſten zugeſchmolzene Luſtkuͤgelein / welche in das Feuer gelegt / mit einem ſolchen Knall zerſpringen / als ob eine Piſtole were abgeſchoſſen worden.

Feueriges Heer.

An. 1612. den 27. Jul. ſahe man in der Nacht ein Geſicht am Him - mel / wie ein ſtreitend Heer. Biſchoffberg. Appenzell. Chron. p. 529,

Feueriger Drach.

Jſt zu Baſel geſehen worden An. 1614. den 25. Jun. Abends um 9. Uhr. Wagner Hiſt. Nat. Helv. p. 360.

Stral.

An. 1615. den 8. Jul. hat die Stral unter erſchroklichem Wetter zu Zürich zum Groſſen Muͤnſter / zu den Predigeren / in Wellenberg / auf den Bau / und in die Zunft zum Gelben Horn eingeſchlagen. Ex MSC.

65N. 17.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Von einer Schlacht in der Luft.

AN. 1621. den 2. Septemb. vor Mitnacht hat ſich der Himmel auf - getahn / und iſt ſo hell worden / als ob es Tag were / es ſein hauffen Spieß am Himmel geſtanden / und ſchüſſe von allen ſeiten wider ein - anderen gangen. Biſchoffberg. Appenzell. Chron. p. 523.

Feuerige Stangen / und Kugel.

An. 1623. den 20. Mart. hat man zu Zürich / in St. Gallen / und anderen Ohrten / Morgen um 4. Uhr ein Chaſma am Himmel geſehen / alſo daß ſich der Himmel groͤſſer / als eine Wanne / aufgetahn / und hernach ein lange Feurige Stange / an welcher unten ein Kugel geweſen / geſehen worden. Baßler Bündtner. Krieg. cap 54. MSC.

Stralwetter.

An. 1628. den 26. Jun. Entſtuhnd ploͤtzlich ein ſolch grauſam Don - nerwetter / daß zu Daͤradingen im Solothurner-Gebieth 31. Haͤu - ſer und Firſten von der Stral angezuͤndt zu Aſchen verbrandt / und damahlen auch Niclaus Lüti / Wirth zu Kriegſtetten / unter einem Baum / dahin er ſich zu ſchirm begeben / erſchlagen worden / dem Knaͤblein / ſo bey und neben ihm geweſen / geſchahe kein Leid. Haffner Soloth. Schaupl. P. II p. 336. Bey diſer Trauer-Geſchicht merke ich zwey Umſtaͤnde. Der erſte gehet an die Baͤume / von denen die Erfahrung lehret / daß ſie / gleich hohen Ohrten / leicht von der Stral getroffen werden / ſonderlich / wann ſie vil-aͤſtig / oderbreit -66breitzweigicht ſein / als die Eich - und Buchenbaͤume: Die Urſach beſtehet nicht nur darinn / weil dieſe Baͤume ihre Gipfel hoch in die Lüfte erheben / ſondern vornemlich / weilen ſie ſich ſo weit außbreiten / daß von ihren Aeſten die Stralmateri leicht gefangen / eingewikelt / und alſo aufgehalten wird / daß ſie ihre voͤllige Wirkung in dem Baum / und daß / was unter demſelben ſte - het / oder liget / außuͤben muß. Die alten Heiden hielten den Lorbeerbaum in ſo hohen Ehren / daß ſie ihne nicht nur dem Abgott Apollini weiheten / und in die Schoß Jovis ablegten / auch die Haͤupter / und Haͤnde / der uͤberwin - deren darmit ziereten / ſondern von ihme / als einem dem Jovi geheiligeten Baum / außgaben / daß er von der Stral niemahlen getroffen werde. Plin. Hiſt. Nat. Lib. X V. cap. 30. Jch halte darfuͤr / daß noch mehr Grund bey diſem ſonſt eitelen Wahn ſeye / als bey dem Aberglauben viler Chriſten / welche die jenigen Ohrte / ſo mit geweiheten Gloken verſehen / oder mit dem Zeichen des Kreuzes bewahret ſein / vor Stralfrey anſehen. Es ſteiget der Lorbeerbaum nicht ſo hoch / breitet auch ſeine Aeſte nicht ſo weit auß / wie etwann ein Eichbaum / und kan daher auß natuͤrlichen Urſachen vor der Stral ſicherer ſeyn / als andere / und aber ſein in Anſehung des Lorbeerbaums andere noch kleine Baͤume und Stauden noch ſicherer / keine aber voͤllig von denen an - oder uͤberfaͤllen der Stral zu befreyen. Der Nutzen / den wir auß diſem uͤber die Baͤume ergangenen Vernunfturtheil zeuhen ſollen / iſt der / daß bey entſtehendem Ungewitter man nicht leicht ſich flüchten ſol unter hohe / und breitaͤſtichte Baͤume / ſondern vil eher bleiben auf dem freyen Feld / oder ſich begeben hinder eine Maur / oder bleiben unter nideren Baͤumen. Die zweyte Betrachtung gibet an die Hand die verſchiedenheit des Scha - dens / ſo widerfahren denen Menſchen / die unter dem Baum waren / von welchen der Mann getoͤdet worden / das Knaͤblein aber bey Leben blieben. Diß / wird mancher ſagen / iſt ein ſonderbare wirkung Goͤttlicher Vorſehung. Jch bin auch diſer Religion. Glaube aber benebens / weil es ſich gar oft zu - tragt / daß kleine Kinder nebſt erwachſenen Leuhten an ſolchen Ohrten / da die Stral hintrift / erhalten werden / und diſe indeſſen dahin ſterben / daß in Kraft der von Gott in die Welt eingeführten Natur - und Beweg-Geſaͤtzen dergleichen ſeltſame Begebenheiten gleichwol ihre natuͤrliche Urſachen haben. Und mache ich meines Ohrts hieruͤber folgende Gedanken. Unlaugbar iſt / daß die meiſten / ſo von der Stral getroffen / dahin ſterben durch gewalt - ſame erſtickung / mehr als offenbare Wunden durch eingebildete Stral - pfeile / oder Steine; Diſe Erſtickung ſchreibe ich zu einer gewaltigen rare - faction, oder dünnung der Luft / wordurch dero trukung auf unſere Leiber gehinderet / der Athem geſchwaͤchet / die Lungen nicht aufgeblaſen / folgbar des Gebluͤts Kreiß lauff durch die Lungenblaͤslein gehemmet / oder gar aufgehebt /und67und alſo / weilen darab unſer Leben hanget / deſſen Faden abgeſchnitten wird. Einen ſolchen Tod muͤſſen auch die jenigen außſtehen / welche in einem von neuem gaͤhrendem Wein angefüllten Keller eingeſchloſſen ſterben. Nun kan ſo tahne Wirkungen einer von der Stral verdünnerten Luft eher auß - ſtehen ein kleines Kind / als ein erwachſener Menſch. Es ſcheinet diß wun - derlich / daß ein ſo zartes Geſchoͤpf / ein ſchwaches Zweig / mehr außſtehen ſolle / als ein erwachſener erharteter Baum. Es wird mir aber Beyfall geben ein jeder / der die Geſtalt des menſchlichen Leibs / und ſonderlich der jungen Kin - deren verſtehet. Bey diſen hanget das Leben nicht ab von der Kreißbewe - gung des Gebluͤts durch die Lungen / weilen diſe verꝛichtet werden kan durch das ſo genante foramen ovale, oder ablang runde oͤffnung / und den cana - liculum arterioſum, welche in Muterleib das Gebluͤt ohnmittelbar von der rechten Herzenkammer uͤberfuͤhren in die linke.

Feurige Geiß.

An. 1629. im Junio Abends um 10. Uhr ſahe man zu Zürich eine hüpfende oder ſpringende Geiß / (Capra Saltans.) Wagner. Hiſt. Nat. Helv. p. 361. Diſe Feuer-Geſchicht iſt ganz nahe verwandt mit dem Feurigen Drach / und iſt allein die Geſtaltſame verſchieden / nebſt deme / daß die Geiß wol kan vergliechen werden mit einem verbranten Papeir / in welchem die Feuerlein noch hin und her / der noch uͤberig entzuͤndtlichen oͤhlichten Materi nach / hüpfen.

Feuriger Drach.

An. 1651. den 7. Jan. nach Mittnacht zwiſchen 1. und 2. Uhren ſahe man einen Feurigen Drachen von Waͤdiſchweil (am Zürich-See) gegen Maͤnidorff uͤberfliegen / und hoͤrte zugleich ein Getoͤß / gleich einem anhaltenden Canonſchuß. Wagn. Hiſt. Nat. Helv. p 361.

Stralſchuß in den Geißthurn zu Zuͤrich.

Diſer gevierte / ſtark aufgemaurte Thurn ſtuhnde auf der Hoͤhe zwiſchen dem Oberdoͤrffer / und Linden-Thor / in der Rinkmaur der groͤſſeren Statt / ward gebauen An. 955. bey Anlaß der Hungaren / welche faſt ganz Euro - pam durchzogen / als eine gute Hochwacht / und Nothwehr. Die Hoͤhe diſes Thurns war von dem See bis zu dem Fundament 90. Schuh / von dem Fundament bis unter den Helm 90. Schuhe / das Tach 25. Jn diſen veſten Thurn iſt An. 1651. die Munition der Conſtaffel / und 12. Zuͤnften auß dem Wolffsthurn bey dem Barfuſſer Kloſter uͤbergetragen und verwahret wor - den. Bald darauf haben Steinkauzen / die ſich ſonſt gern in abgebrandtemGemaͤur68Gemaͤur befinden / darein geniſtet / die ſich bey der Nacht / und etwann auch Untertags hoͤren laſſen mit einem Geſchrey / als wann ein ſterbender Menſch auf dem Todbeth laͤge. Donnerſtags den 10. 20. Jun. 1652. haben der Nord - und Sudwind den ganzen Tag uͤber heftig mit einanderen geſtritten / und das neblecht truͤbe Gewülck / daß etliche Tag vorher / und ſonderbar ſelbigen Morgen um die Berg her geſchwebt / ob der Statt zuſamen getrie - ben / daß es Abends uͤber der Statt anzuſehen war / wie ein ſchrofachter Berg. Auß diſem Gewoͤlke haben ſich bald nach 5. Uhren angefangen er - gieſſen ſtarke Platz-Regen / mit Wetterleuchten / und Donner. Um 6. Uhren geſchahe der erſte Stralſtreich in Wolffsthurn / traffe noch etwas Pulffer - ſtaub darinnen an / und zerꝛiſſe das Dach / doch ohne fehrneren Schaden. Der ander Schlag / ſo Augenblicklich auf den erſten folgete / gieng in den Geißthurn / der hardurch entzündet / ehe als in einem Augenblick auß dem Grund umgekehrt worden. Die Rinkmauren zu beyden ſeiten ſein in die 200. Schritt lang darnider geworffen worden / als wann ein Feind mit vilem und ſtarkem Geſchütz bereits etliche Wochen lang hette eine Sturmlucke / oder Breche, geſchoſſen. Alle Haͤuſer in der Neuen Statt / auf Dorff / zu Stadelhoffen / und an der Kirchgaß ſein worden zu einem elenden Anblick. Es iſt bald kein Hauß in der ganzen Statt / und um dieſelbe / unbeſchaͤdiget geblieben / und vermeinte ein jeder / die Stral habe in ſein eigen Hauß geſchla - gen. Der Gewalt des Pulvers / deſſen 423. Centner geweſen / hat die Stein durch die ganze Statt / und gar uͤber See gen Wollishoffen getragen. Da der Thurn allbereit gelegen / hat man noch drey verſchiedene Streich gezehlt / die auch auf das Fundament gangen. Um 8. Uhren ſchoffe die Stral in den Carlithurn zum Groſſen Münſter / der anfangs ein wenig gebrunnen / aber durch den ſtarken Regen wider geloͤſchet worden. Man hat auch einen Streich gewahret an einer Linden auf dem Hof. Ein anderer iſt gangen in M. Anthoni Frigenthals / des Paſtetenbecken Hauß / und widerum einer in Hr. Amtman Fuͤßlins Hauß am Rennweg. Man ſagt / es habe ſo oft ge - ſchlagen / ſo oft es geblitzet. Jn waͤhrendem diſem Jamer ſein getoͤdet worden 7. Perſonen / verletzet zwey und dreyſſig. Gleichwol hat Gott auch erzeiget ſeine vilfaltige Guͤte / beſonderbar in erhaltung kleiner Kinderen / wel - che mitten in dem Steinhagel ohnbeſchaͤdiget geblieben. Man hat Bey - ſpiel / daß eine Wiege zermürſet worden / und dem darinn ligenden Kind kein Leid widerfahren; Das zwey Kinder in einem Bad bey einanderen ge - ſeſſen / mit groſſen Steinen gleichſam umbmauret worden / ihnen ohne Scha - den: Daß vier Kinder auf einem Tiſch geſeſſen / denen die Pfoſten von zer - brochenen Fenſteren um die Haͤuptlein geflogen / und doch nichts ge - ſchadet. ꝛc.

69N. 18.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung vom Stralſchuß in den Geißthurn zu Zuͤrich.

BEy diſer Stral-Tragedi wollen wir uns nur ein wenig aufhalten / um in Betrachtung zu zeuhen daß vor dem Unglück hergegangene Traurgeſchrey der Steinkauzen / und die ſamlung der Stralmateri ob der Statt. Es leitet die gnaͤdige Vorſorg Gottes uͤber die lieben Feld - fruͤcht die Stral - und Hagelwetter alſo / daß ſie mehrmahlen uͤber die Staͤtte ſich außlaͤhren / und zwaren nach denen von ihme ſelbs angeordneten Natur - Geſaͤtzen. Auß den Staͤtten ſteigen mehr allerhand Dünſte / Feuer / Rauch und Dampf / auf / als von umligender Landſchaft / und wird die ob den Staͤt - ten ſtehende Dunſtkugel mit ſolchen froͤmden Theilen von allerhand Art nicht nur angefuͤllet / ſondern auch von aufſteigender Waͤrme verdünnet / daß die Winde anderſtwoher dahin mit groͤſſerem Nachtruck blaſen / und mehrere ſchwefelichte und ſalpetriſche Dünſte herzu waͤhen / welche dann / wann ſie ſich zwiſchen zweyen Gegenwinden / wie in gegenwertigem Bey - ſpiel / gefangen ſamlen / ſich uͤber eine Statt mit groſſem Schrecken der Ein - wohneren ergieſſen. Bey uns / zu Zuͤrich / komt zu diſer natuͤrlichen Urſach noch hinzu die Situation der Statt ſelbs / als welche in der tieffe liget zwiſchen zweyen Bergen / dem Albis - und Zuͤrich-Berg / ſo daß die in zwiſchen ligen - dem Thal ſich ſamlende Dünſte ſich nirgendhin beſſer koͤnnen begeben / als in die bereits verdünnete / und folglich geſchwaͤchte / mitte / und tieffe.

Von dem Prophetiſchen Geſchrey der Steinkauzen doͤrfte ich nicht vil ſchreiben / wann nicht ſolches geſchehen koͤnte in kraft habender Philoſophiſcher Freyheit / weilen wol weiß / daß bey meinen ſonſt geehrten Leſeren vil Vor -urtheile70urtheile antreffen wird von diſen Kauzen. Wann je ihr Geſchrey ein Vorbott geweſen des erfolgten Ungluͤcks / muß man ſagen / eintweder / daß der oberſte Gewalthaber der Natur diſe Thiere ſonderbar geleitet / daß ſie ſich muͤſſen in den Geißthurn einniſten / und mit ihrem wehemuͤhtigen Geſchrey den vor - ſtehenden Jamer vor künden. Diß aber kan niemand leicht behaubten / als der in die verborgenen Geheimniſſen der Goͤttlichen Weißheit weiter hinein ſihet / als denen natuͤrlichen Menſchen moͤglich iſt. Dann auß dem Erfolg allein ſich nicht dahin ſchlieſſen laßt / wo diſe erſte Meinung hinzielet / ſonder - lich wann noch andere naͤhere Urſachen verhanden / welche auch koͤnnen und muͤſſen in Betrachtung geſetzet werden. Oder zweytens muͤſſen diſe Voͤ - gel angeſehen werden / als natuͤrliche Feuerſchmeker / welche ſich gern an ſol - chen Ohrten aufhalten / da naͤchſtens eine groſſe Brunſt entſtehen wird. Gewißlich / wann ſie etliche Wochen / oder Monat vorher haben riechen koͤn - nen das Salpeter - und Schwefelfeuer / welches vor dem Fall nur in potenti〈…〉〈…〉 geweſen / wie die Schul-Lehrer reden / nicht aber in actu, ſo wil ich ſagen / daß dieſer Kauzen Naſen weiter reichen / als der Adleren Geſicht / weilen diſe nur ſehen / was ihnen vor Augen ligt / jene aber riechen / was nicht iſt. Deſto hoͤ - her ſein diſe Voͤgel zu ſchaͤtzen / wann ſie bey ſich ſelbs folgende Schlußrede werden gemachet haben: Es wird baͤldeſt die Stral in den Geißthurn ſchla - gen / und ein groſſes Unglück uͤber die Statt ergehen / deßwegen wollen wir in eben diſen Thurn einniſten / und mit einem ſeltſamen Zettergeſchrey die Einwohnere wahrnen. Alſo / darff ich wol ſagen / ſein ſie kluͤger geweſen / als alle Burger der Statt Zuͤrich. Oder endlich kan man von diſen Steinkau - zen ſagen / daß ſie ſich gern aufzuhalten pflegen an ſolchen Ohrten / da abge - brandte Maurſtoͤcke / oder vil ſchwefelicht Salpetriſche Dünſte ſein / welche eintweder von entſtandenem Brand noch uͤberig / oder erſt hinkuͤnſtig in eine Entzuͤndung gerahten koͤnnen / und den Werkzeug ihres Geruchs auf eine angenehme Weiſe kuͤzlen. Hier gibe mich gefangen / weilen darauß erſihe eine natuͤrliche Urſach der Einniſtung / und des Aufenthalts / nicht aber des naͤchſt folgenden Brands / weilen / wann es der Vorſehung Gottes alſo ge - fallen hette / das Pulver des Geißthurns hette koͤnnen bis jezund unverſehrt bleiben / und koͤnte alſo noch waͤhren auf etlich 100. Jahr hinauß / alſo daß oftbenente Kauzen in ganzer diſer Zeit koͤnten ihr Geſchrey fortſetzen / und die Luſt / welche ſie empfunden bey dem Schwefelgeſtank / auch auf ihre ſpaͤhte Nachkoͤmmlingſchaft fortſetzen / ehe ein wirklicher Brand entſtuhnde. Jch uͤbergehe mit ſtillſchweigen die Gefahr / in welche dergleichen elende Voͤgel ſich ſetzen / weilen ſie ihr Quartier ſuchen an ſolchen Ohrten / da ſie keinen Au - genblick ſicher ſein / welche Betrachtung allein allen Verſtand diſen Voͤglen benimmet.

Nun71

Nun laſſe ich diſes uͤber den-Geißthurn / und ganze Statt / ergangene Ungluͤck fahren / und gewahre fehrner / daß in diſem Jahr noch mehr Stral - wetter geweſen.

Den 22. Jun. Abends ſchlug die Stral im Gißübel in einen Baum / und erſtekte naͤchſt darbey ein Haupt-Viehe in einem Stall: deßgleichen in ein Gerwe hinder den Seidenhoͤfen.

Den 25. dito ſchlug die Stral zu Wollishoffen / auch Züricher - Gebieths / in einen Baum / und toͤdete unter demſelben 4. Rinder; und zu Yberg bey Grüningen Rudolff Krieß / einen jungen Mann in ſei - nem Hauß.

Den 28. dito. Nachts zwiſchen 10. und 11. Uhren ſchlug die Stral in den Kirchenthurn zu Kilchberg am Zuͤrich-See; und loͤſchte auß an der Uhr das Eins / und den erſten Strich an der zweyten Zahl.

Den 18. Jul. ſchoß die Stral Abends zwiſchen 3. und 4. Uhren zum fuͤnften mahl / und war darbey ein groſſer Wolken-Bruch.

Den 24. dito. auf den Abend zwiſchen 2. und 3. Uhren ſchluge die Stral / unter grauſamem Donnerwetter zu Oettwyl / und Weiningen in den groſſen Nußbaum-bey der Schmitten.

Den 4. Augſtm. nach dem Tags vorher auch ein ſchweres Donner - wetter geweſen / um 9. Uhr Morgens war ein ſchweres Ungewitter / mit einem Wolkenbruch / die Stral erſchlug unter den Linden / oberhalb Alt - ſtaͤtten ein froͤmde Frau; ohne Schaden einer anderen / ſo nebſt ihrem Knaben darbey geweſen. Mehrere Stralwetter brachen ein den 10. 11. und 16. dito.

Feurige Ruhte.

An. 1657. den 3. Jenner ſahe man ein Zeichen ob Gaiß / im Ap - penzeller Land wie eine feurige Ruhten. Biſchoffberg Appenzell. Chron. pag. 523.

Feuer-Kugel.

An. 1661. den 20. Jan. Abends um 7. Uhr ſahe man ein Feurige Ku - gel zu Glarus / mit ſehr hellem Schein auf die Erde fallen. Und eben den Abend ſahe man auch eine ſolche Kugel ſchieſſen zu Waͤdiſchweil am - rich-See. Wagn. Hiſt. Nat. Helv. p. 363.

Stralwetter.

An. 1663. den 22. Jun. um 4. Uhr gegen Tag hat ſich ein erſchroͤklichesDonner -72Donnerwetter erhebt / welches mit groſſem krachen in den Kirchthurn zu Oberdorff / Solothurnergebieths geſchlagen / allwo der Dunſt den Sigriſten ſamt ſeiner Frauen alsbald erſtekt / und zwo andere Perſonen / die nach Roͤm. Cathol. Brauch die Gloggen angezogen in die Ohnmacht ge - legt / jedoch denſelben weder am Leben / noch ſonſten am Gebaͤu keinen weiteren Schaden getahn. Hafner Soloth. Schaupl. P. II. p 351.

An. 1664. den 7. Auguſt. zwiſchen 9. und 10. Uhren in der Nacht hat das Donnerwetter zu Tettingen Solothurnergebieths / eingeſchla - gen / und 3. Haͤuſer mit allen eingeſamleten Fruͤchten elend in die Aſchen ge - legt. Hafn. lib. cit. p. 337.

Feueriger Speer.

An. 1671. den 19. Novemb. Abends um 5. Uhren hat man zu Bi - ſchoffzell im Thurgeü eine Feurige Lanze eine viertheilſtund lang geſehen / welche den Buchſtaben M. vorſtellete / bald aber wie eine Schlange ſich krümmete. Wagner Hiſt. Nat. Helv. p. 363. Herꝛ Bartholomæus Anhorn / damahliger Pfarꝛer des Ohrts berichtete / daß diſes Feuergeſicht ihme erſtlich vorkommen / als ein ablanger Feuriger Speer / hernach als der Buchſtab N. endlich wie ein krumme Schlang. Archiv. Antiſt. Tigurin.

Stral.

An. 1672. den 29. Jul. nach Mittag gegen Abend hat die Stral zum Speicher im Appenzellerland in ein Hauß geſchlagen durch das Kamin in die Kuche / deßgleichen in die Stuben / und Stadel. Ein Toͤchter - lein in der Kuchen neben der Muter ſtehend iſt tod geblieben / die Muter in Ohnmacht gefallen.

Den 29. Augſtm. hat es zu Appenzell in den Flecken geſchlagen / davon ein Frau getoͤdt / ein andere bey ihro in Ohnmacht gefaͤllt worden / ein Kind aber unverſehrt geblieben. Biſchoffberg Appenz. Chron. p. 497.

Feuerige Kugel / Brünnende Balken / Pfeile / und Spieſſe.

Zu Naͤfels im Glarnerland ſind zwey Feurige Kuglen vom Himmel gefallen / auf den Erdbidem / ſo geſpuͤrt worden den 6. Dec. 1674. Joh. Henr. Tſchud. Hiſt. Glaron. MSC.

An. 1676. den 24. Jen. Abends um 5. Uhr ſahe man zu Zürich und daherum einen Feurigen Balken / welcher endlich einen Knall von ſich ge - geben / als ob man mit Stucken ſchuſſe; diſere Feuergeſchicht iſt auch geſehen worden zu Baden / im Glarnerland / und anderſtwo. Wagn. Hiſt Nat. Helv. p. 362. Tſchud. Hiſt. Glaron. MSC.

Den 21. Febr. Abends um 10. Uhr ſahe man widerum ein gleiche Feur-Geſchicht.

Den 29. Mart. Nachts um 11. Uhr ſahe man im Thurgeuͤ brünnende Pfetle. Wagn. l. c.

73N. 19.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Stralwetter.

AN. 1678. den 19. Aprel iſt ein ſchroͤkenlich Donnerwetter zu Trogen im Appenzellerland geweſen. Die Wetterleuchte haben nicht nur einen unerhoͤrten Glanz / ſonder ſtarke Waͤrme von ſich gegeben. Es hat underſchidlich geſchlagen / ſonderlich in Birli in ein neue Behauſung gar wunderlich. Der Streich iſt durch das Kamin geſchehen / darvon das Hauß in Brand kommen / aber durch einen Nachbar mit Schotten geloͤſcht worden. Jn der Tilli-Kammer hat es die Thüren ſamt der Saul von der Wand geriſſen / der Frauen mit dem Kind auf den Armen ohne Schaden. Jn der Stuben hat es die Thuͤren auß den Haggen gelupft / und zu den Fen - ſteren hinfuͤr geworffen / dem Haußvatter in den Ruken / welcher zum Fenſter außgeſehen / deme den einten Schuhe / ſamt dem Strumpf zerꝛiſſen / darvon er in Ohnmacht gefallen / einem Kind aber auf dem Bank ſitzend nichts ge - ſchehen. Jn der Webſtuben hat es die Webſtoͤcke auß dem Boden ge - riſſen / ꝛc. Biſchoffb. Appenzell. Chron. p. 498. Es hat diſere Stral eine rechte Schwaͤrmer-Art an ſich gehabt / und laſſet ſich mit jener gattung Rag - geten / welche man Schwaͤrmer heiſſet / ganz wol vergleichen. Gleich wie diſe auß Mangel eines Leitſteckens keinen geraden Lauff hat / ſondern hin und her Schlangenweiſe umſchwaͤrmet / alſo iſt es auch ergangen der gegenwer - tigen Stralkugel / deren Materi ungleich zertheilt / mit einer auch ungleich zaͤhen Rinden umgeben geweſen / weßwegen ſie bald in die Stuben / bald in die Kammer geſprungen / je nach dem der Gewalt der angezündten Materi ſie getrieben / und die vorſtehende Luft / Thuͤren ꝛc. ihro widerſtanden. Es iſt auch bey diſer Geſchicht merkwuͤrdig / daß denen im Hauß anweſendenMen -74Menſchen nichts begegnet / da doch die Thuͤren auß ihren Anglen / und gar die Webſtoͤcke auß dem Boden geriſſen worden. Es hat die Stralbombe bereits ihre meiſte Wirkungen außgeuͤbet / und ihre Kraͤfte ſo zureden abge - mattet / ehe ſie zu dem Haußvatter / und deſſen Kind kommen. Und hat der Vatter / als er zum Fenſter hinauß geſehen / wol Athem ſchoͤpfen koͤnnen. Jn dergleichen Faͤhlen liget auch nicht wenig an der ſtellung des Menſchen / richtet der ſein Angeſicht gegen dem ankommenden Straldampf / ſo kan er leicht / und einsmahls erſticken; kehret er aber / wie es auch hier geſchehen / der Stral den Rucken / ſo fahret der Dampf voruͤber / ohne Schaden. Deß - wegen / weilen der Menſch nicht kan wiſſen / woher die Stral fahret / iſt nichts beſſers / als wann er / nach dem die Stral in ein Hauß geſchlagen / geſchwind ſich auf die Erden nider laſſet / den Mund an den Boden haltende / damit / wo der Dampf immer her komme / er ihne nicht ergreiffen koͤnne.

An. 1679. den 3. Jun. hat die Stral einen Knaben naͤchſt bey Glarus auf der Ennedaer Allmend ab einem Kirſchbaum hinunter / und zu tod geſchlagen. Tſchud. Hiſt. Glaron. MSC.

An. 1680. den 12. Jul. hat es etlicher Ohrten geſchlagen / Auf Gaiß / und zum Speicher in eine neue Behauſung ganz wunderſam / und mit groſſem Gewalt. Biſchoffberg. Appenzell. Chron. p. 499.

Den 24. Jul. iſt an vilen Ohrten der Eidgnoßſchaft ein ſtarkes Erd - beben geſpuͤrt worden. So haben auch domahls ſtarke Ungewitter mit Donner / Stral / Hagel / ungewohnlichem Regen und Sturmwind ſich er - zeigt. Allermaſſen zu Langenthal Berner-Gebieths die Stral in 2. Haͤuſer geſchoſſen / darvon ſelbige / nebſt noch 24. andern verbrunnen. Rahn. Eidgnoͤſſ. Chron. p. 1064.

Luft Comet.

An. 1681. den 18. Aprel iſt von vilen im Glarnerland ein Feuri - ges Wunderzeichen Abends um 10. Uhr geſehen worden / faſt gleich der Comet-Ruhten / ſo im verwichenen Winter an eben demſelben Ohrt geſtan - den. Tſchud. Hiſt. Glaron. MSC.

Stral.

An. 1683. den 9. Decemb. iſt zu Zürich einsmahls ein Blitz mit ei - nem harten Donnerklapf geſpuͤrt worden / auch hat die Stral in den Kir - chenthurn zu Richtenſchweil am Zürich-See geſchoſſen. Ampliſſ. Rahn. Eidgnoͤſſ. Chron. p. 1087.

Feuer -75

Feuerkugel.

An. 1685. im Jenner hat man im Glarnerland ein Feuerige Kugel gewahret. Tſchud. Hiſt. Glaron. MSC.

Stralſtein.

Dienſtag den 18. Maj. 1698. hat man bey heiterem Himmel an un - terſchiedlichen und vilen Ohrten ein uͤberauß ſtarkes ſchieſſen im Luft ge - hoͤrt: Der Schüſſen waren fuͤnfe / und hatte ein jeder ſeinen Nachklapf / welcher nicht minder ſtark / als der Hauptklapf. Neben diſen Schüſſen hoͤrte man an etlichen Ohrten eine groſſe decharge von vilen 1000. Muſqueten und heftiges Trommen; welches alles an obbemeldten Tagen auf den Abend zwiſchen 7. und 8. Uhren iſt gehoͤret worden.

Zu eben diſer Zeit iſt in der Gemeind Waltringen dem Gericht Haßle / zu hinder Schwendi / an dem hoͤchſten Ohrt der bedeuteten Ge - meind / ein groſſer und ſchwerer Stein auß dem Luft auf einen Acker herunter gefallen / welchen Stein des Hans Blindibachers Magd / die unter einem Baum etwann 30. Schritt von dem Ohrt ſtehend fallen geſehen / welcher Stein nach ihrer Auſſag ein Raͤuchlein erweket / als er zur Erden niderge - fallen. Unweit von diſer Magd / etwann 6. oder 8. Schritt / ſtuhnden 2. Mannsperſonen in einem Garten / welche als ſie gefragt wurden / ob ſie diſen Stein auch eintweders gehoͤrt / oder haben ihn hernider fallen geſehen / welche daruͤber hin geantwortet / daß ſie zwar den Stein nicht haben ſehen hernider fallen / wie die Magd / ſo auſſer dem Garten geſtanden / aber das koͤnnen ſie im Grund der Wahrheit ſagen / daß ſie nach den Schüſſen ein Rauſchen in dem Luft gehoͤrt / nicht anderſt / als wann ſich ein Vogel eins - mahls in dem Luft ſchwinge.

Als nun diſe beyde Mannsperſonen / wie auch die bedeutete Magd / welche nach ihres Meiſters Auſſag ſtill und wahrhaft / diſe Schüſſe mit groſſer beſtuͤrtzung als ob ihrem Haupt gehoͤrt / und deſſentwegen in einen nicht geringen Schrecken gerahten / ſind ſie ſamtlich heim in ihr Hauß ge - loffen / und habend mit einandern von diſer Sach geredet / da dann die Magd bezeuget / daß ſie nicht nur diſe Schüſſe gehoͤrt / ſondern auch etwas geſehen auß dem Luft auf den Acker niderfallen. Als ſie nun ſolches der Magd nicht glauben wolten / ſind ſie morndrigen Tags mit der Magd an das Ohrt gan - gen / da ſie geſagt / daß ſie etwas habe ſehen niderfallen / als ſie an ſolches Ohrt kommen / da funden ſie anders nichts als eine Grube in dem Herd / etwann eines Gmünds hoch / (da aber wol zu wiſſen / daß an dem Ohrt nicht mehr als einer guten Hand hoch Erdrich / darunter aber harte Stein) in76in der Gruben aber funden ſie gar nichts. Da ſie ſich aber weiters umſahen / um zuſehen / was noch anzutreffen ſeye / da funden ſie an dem Reinlein diſes Ackers etwann 8. Schritt von der Grube einen ſchwarzen Stein, deßglei - chen kein anderer nicht zuſehen ware; woruͤberhin ſie veſtiglich glaubten / daß derſelbe auß dem Luft heruntergefallen ſey: welchen Stein ſie dem Pre - dicanten des Ohrts / Herꝛen Jacob Dünki / ſo nun Pfarꝛer iſt zu Münſin - gen / uͤberbracht / welcher ihne hernach auf die Bibliothec zu Bern nebſt bis - her erzehlten atteſtat verehrt.

Es iſt eine groſſe Streitfrag der Stralſteinen halb / ob es derglei - chen in der Luft mit der Stral gezeugete Steine gebe / und wie ſie ſo ge - ſchwind in der Luft koͤnnen geſtaltet werden? Fraget man den gemeinen Mann / ſo bekommet man ohne Aufſchub ein Jawort. Jn bald allen Natu - ralien - und Kunſtkammeren ſihet man Stralſteine von verſchiedener Art und Form ligen / und in dem Mineraliſchen Reich einen eigenen Titul außma - chen. Ja / weilen gemeinlich nach geſchoſſener Stral die Steine unſichtbar werden / ſo haben die Gelehrten / und ungelehrten / allerhand andere Steine zu Stralſteinen gemachet / deren Geſtalt namlich ihnen alſo vorkommen / daß ſie koͤnten die Stelle eines ſolchen Luft ſteins vertretten. Da komt einer her / der einen Pyritam, Schwefelkieß / darbietet vor einen Stralſtein. Ein anderer bringt Cryſtallen / welche auch gemeinlich Stralen heiſſen. Ein dritter pranget mit dem ſo genanten Belemnite, Lapide Lyncis, oder Luchs - ſtein / deſſen zugeſpizte Pfeilfoͤrmige Figur den Anlas zur Fabel gegeben. Ein vierter ziehet auf mit denen Ombriis, oder Echinitis, Kroͤtten - oder Seeapfelſteinen / und weiſet ſonderlich als ein ſtralendes Merkzeichen auf derſelben 5. auß einem Mittelpunct außgehenden Streimen / oder Striche. Ein fuͤnfter bringet wahre Kieſelſteine / abſonderlich ſolche / welche eine Beihel - oder Axtfoͤrmige Geſtalt haben / dergleichen man hin und wider findet in den Grabſtaͤtten der alten Cimbrieren / und Gothen. Diſe alle aber beſtehen auf ſo ſchlechtem Fundament / daß man ſie heutigs Tags / da die Mineralien mit groͤſſerem Fleiß / als jemahlen / underſucht werden / kaum wuͤr - diget einer grundtlichen Widerlegung. Die wahrſcheinlichſten Stralſteine ſein ſchwarz angelofſen / uneben / und gleichſam geſchmolzen / geben beneben einen Schwefelgeruch von ſich / wann ſie gerieben werden. Ein ſolcher wiget auf der Waagſchale der Vernunft mehr / als hundert Centner obangezo - gener Cryſtallen / Schwefelkießen / Luchs-Krotten - und Kieſelſteinen / in - ſonderheit / wann darzu kommen dergleichen glaubwirdige Umſtaͤnde / die wir in vorhabender Geſchicht geleſen. ꝛc.

77N. 20.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung von den Stralſteinen.

GEwißlich / wann je eine Stralgeſchicht die Weſenheit der Stralſteinen bejahet / ſo iſts die juͤngſt erzehlte. Man hoͤret den Stein daher rau - ſchen in der Luft / nach vorhergegangenen Loßſchüſſen / man grabt ihm nach / wo er in die Erde gefahren / man findet ihne nicht weit von der Grub / und ſihet offenbar / daß er eine ganz andere Außſicht hat / als ein anderer Stein. Wann hiemit irgendwo ein wahrer Stralſtein iſt / ſo ſuche man den in dem Naturalien - und Kunſt Gehalter der Lobl. Statt Bern. Deſſen kan ſich bedie - nen Carteſius mit ſeinem Anhang / um die Welt glauben zu machen / daß auß vermiſch - und zuſamenfuͤgung viler Schwefelicht / fetter / und irꝛdiſch-Saltzich - ter Dünſten koͤnne ein Stralſtein Augenblicklich in der Luft gezeuget werden / gleich wie auß anzuͤndung eines gewiſſen auß der im Regenwaſſer enthalte - nen Erde / Salpeter / und Schwefel beſtehenden Gemengs die Chymici wiſſen in geſchwinder Eil einen Stein zu geſtalten: Gleichwol weißt die Zahlreiche / und gelehrte / Gegenpart auch auf ſo ſtarke Gruͤnde ihre Einwuͤrffe zu ma - chen / welche nicht auß der Acht zu laſſen ſein. Man fichtet mit gleichen Waaffen / deren man ſich gemeinlich bedienet wider die ſo genanten Princi - pia Chymica, oder Grund-Saͤulen der Chymiſchen Weltweißheit / welche dero Patronen zubeweiſen ſuchen durch das Feuer / und fraget / wie hier / ob das Salz / Schwefel / Mercurius, und andere heraußgebrachte Anfaͤnge wirk - lich geweſen in denen natuͤrlichen Coͤrperen ſelbs / oder aber nicht vilmehr an - zuſehen ſeyen / als neue durch das Feuer geſtaltete Coͤrper? Alſo dort / ob diſer Stein wirklich auß der Luft herabgefallen / oder / ob nicht vilmehr zu glauben / daß die durchtringende Kraft des Stralfeuers den in der Erden zuvor gelegenen Stein habe alſo geſenget / und an ſeiner auſſeren Flaͤche ge -ſchmelzet /78ſchmelzet / oder in einen Fluß gebracht / und noch darzu mit ſchwefelichten Theilen beſchwaͤngeret? welche Frage ich anderen zu eroͤrteren uͤberlaſſe.

Stralſtreich in den Petersthurn zu Zürich.

Donſtags den 20. Jul. 1699. iſt nach einem ſchoͤnen Sonnenſchein ein ploͤzliches Ungewitter mit ſtarkem Regen und Donner uͤber die Statt Zürich ergangen / und hat um 5. Uhren nach Mittag die Stral in den Kirchenthurn zu St. Peter / zu groſſem Schrecken der ganzen Statt / geſchoſ - ſen / und den Helm in volles Feur gebracht / alſo daß derſelbe faſt bis auf die Hochwaͤchterhaͤußlein abgebrunnen / und um 6. Uhren / ſamt dem Knopf gegen der Helfferey / und in das Gaͤßlein bey dem Hauſe zum Groſſen Chri - ſtoffel mit entſetzlichem gepraſſel / hinuntergefallen / worvon dann die bren - nende Balken und Schindlen denen nahe gelegenen Haͤuſeren zimliche Ge - fahr angedrohet / und die Taͤcher beſchaͤdiget / leicht aber durch Mittel der klei - nen Feurſprützen widerum gedaͤmpfet worden. Und iſt zu groſſem Gluͤck bey diſer ſo gefaͤhrlichen Begegniß nur ein Mann von dem abgefallenen Helm toͤdtlich gequetſcht / ein anderer aber von einem Feur-Eimer in etwas verwundet worden. Es haben ſich die Zimmerleuhte / und andere dapfere Burger und Landleuhte bis in den Thurn hinauf gewaget / und groͤſſerem anſcheinendem Schaden mit eiligſtem abſchneiden der brennenden Balken / herzutragen vilen Miſts / und genezten Ochſenhaͤuten / wormit man den oberen Boden des Thurns / und die Glocken beleget / noch vorſteuren koͤnnen. Ampliſſ. D. Rhan. Chron. MSC. Tom. IV. ad h. a.

Stralſtreich in den mit Pulver ange - fuͤllten Heuthurn zu Lucern.

An. 1701. den 30. Jul. um 2. Uhr Nachmittag erzeigte ſich eine ſchwarze Wolke von Aufgang der Sonnen / auß welcher ein Donnerkeil ohne ſonderlichen Knall / und annoch bey trokenem Wetter in den ſo ge - nandten Heuthurn auf der Müſegg zwuͤſchent dem Luginsland / und dem Zeit-Thurn gefallen / und den daſelbſtigen Vorꝛaht an Pulver / von etwann 250. Centner angeſteket / darauf der Obertheil des Pulver - thurns mit einem entſetzlichen Knall / und Getoͤß / anfangs in die Luft ge - ſprungen / und da / wie man gewahret / der beſſere Theil des annoch unange - zuͤndten Pulvers ſamt der Tilen nidſich geſunken / in der tieffe Feur bekom - men / und erſt alsdann den Thurn auß dem Fundament zu Boden / und zwar zu allem Gluͤck auſſert der Statt in die naͤchſtgelegene Matten zugroſſen79groſſen Stuckenweis gelegt; Der Ober theil des Thurns / ſo in die Luft ge - gangen / iſt mehrer theils uͤber die Statt in den See gefallen. So bald die Stral eingeſchlagen / und das Pulver angezuͤndt / iſt in dem Augenblick ein ſchwarz ſtinkender Rauch / gleich einem Berg / in die Hoͤhe gewallet / und gleich hernach bey der zweyten anzuͤndung drs Pulvers hat ein neuer gleich dick ſchwarzer Rauch alle Haͤuſer / und zwar dergeſtalten angefuͤllet / daß ein jeder Haußvatter vermeinte / das Ungewitter habe in ſein eigen Hauß geſchla - gen / und ſelbiges angezuͤndt / welches an ihme ſelbſten der groͤſte Schrecken / und Jamer geweſen / in maſſen ein jeder in dem Augenblick diſes Knalls die Ziegel ab ſeinem Tach / und alle Fenſter zertruͤmmeret ſelbſten geſehen / oder hoͤren muͤſſen / alſo daß man in diſem Schrecken einige Leuht gehoͤrt hat nach Leiteren ſchreyen / die man ihnen zu bringen ſolle / damit ſie ſich retten koͤnten.

Der Schaden / ſo hierdurch der ganzen Statt durchgehend verur - ſacht worden / iſt ſehr groß. Naͤchſt an diſem geſprungenen Thurn haben einige Maurer die Ringmauren ergaͤnzet / darvon es 4. erſchlagen / under denen ein Vatter / und Sohn Febrio / ſo außlaͤndiſche / doch angenommene Beyſeſſen waren. Man erzellet von dem Vatter / daß als er eben des Tags zu Mittag geſpieſen / erzehlt habe / daß er ſchon an zweyen Ohrten nahe an Pulver-Thuͤrnen geſchaffet / darein das Wetter geſchlagen habe / nun habe er eine gleiche Arbeit verhanden / Gott geb wie es ergehen werde / hat ihme ſelbſten wahr geſagt / in dem er in diſer dritten Arbeit das Leben laſſen muͤſſen / der dritte ware ein Kraͤutli von Kriens / deſſen zerſtuͤmpleten Leib es hin und wider / und das Haubt / und einen Fuß in des Paͤpſtlichen Nuntii reſidenz ge - tragen / der vierte ware ein Meyer von Horw. Sonſten hat auch ein Stein einen Zimmermann auf der ſo genanten Schützmatt uͤber die Rüß hinuͤber zu todt geſchlagen / wie auch in der Statt ein alte Frau / welche von einem Brunnen Waſſer getragen / iſt von einem Stein getroffen worden / alſo daß ſie den 5ten Tag hernach geſtorben / von den uͤbrigen Werkleuhten ſind ei - nige noch darvon kommen / die aber eine Zeit lang Gehoͤr - und Redloß ge - weſen; in der Statt / und dero Gegne / ſo man vor eine ſondere Gnad und Vorſichtigkeit Gottes halt / eben bey diſer Stund / und Zeit / da menklichen wandlete / ſind ſonſten wenig Perſonen merklichen verwundt worden / auſſert zweyen / denen in der Hrn. Jeſuiter Kirchen ein durch eine Porten getrunge - ner Stein in zwey geſchlagen / und hat der Dunſt / und Gewalt einen Bedien - ten des Hrn. Nuntii hinder ſich zu Boden auf einen Stein geſchlagen / daß er des Tags hernach das Leben laſſen muͤſſen / ſo iſt auch der Hr. Nuntius ſelbſten um etwas / doch nicht toͤdtlich verwundt worden. Der Schaden in Zieglen / und Fenſteren iſt durchgehend / und doͤrffen wol wenig Haͤuſer ſeyn / die nicht in dem eint - und anderen merklichen Schaden gelitten /beſon -80beſonders aber jene Haͤuſer dem ſo genanten Graben nach / deren der meiſte Theil keinen / oder wenig ganze Ziegel / noch Fenſter uͤberig hatten / alſo daß ſie nicht allein deßwegen / ſonder wegen erfolgten / und lang gedaurtem Platz - Regen einen groſſen Schaden an ihrem Haußgeraͤht / und zwar dergeſtalten erlitten / daß ſie eine Zeitlang anderwerts Herberg ſuchen muͤſſen. Die Er - ſchütterung und Dunſt des Pulvers iſt ſo groß geweſen / daß es vaſt aller Ohrten die Thuͤren aufgeſprengt / einen Theil zerꝛiſſen / zertrümmert / und ſonderlich in denen vor der Müßegg uͤber ſtehenden Haͤuſeren die Taͤfel - werk zerꝛiſſen / und die Oefen theils unnuͤtz gemacht / theils gar uͤber einen Hauffen geworffen / deren eint - und andere man in die 200. zellet. Der Schaden der hohen Obrigkeit / ſo ſie in ihren Magazinen / Mühlinen / Brug - gen / und anderen Gebaͤuen erlitten / und in dem verlurſt des Pulvers / und geſprengten Thurns war auch ſehr groß.

Von dem Sant Elmus Feuer zu Winterthur.

Jn der Statt Winterthur an dem ſo genanten Spitzigen Kir - chenthurn ſahe man An. 1556. den 4. Jenner / Abends um 7. Uhr / unter waͤhrendem ſtarkem Wind / und Schneyen ein Feuer / deſſen Flammen ſo ſehr gepraſſelt / daß man ſie auch von weitem nicht nur ſehen / ſondern hoͤren koͤnte. Jedermann meinte / der Thurnhelm brünne / man iſt auch deßwegen auf den Thurn geſtiegen / um eigentlich zu erfahren / was es were / es iſt aber nach einer viertheil Stund alles verſchwunden / ſo daß die ſich hinauf gewa - get / nichts mehr angetroffen. Wagner. Hiſt. Nat Helv. p. 359. auß Geſſner. de Herb. Noc. Lucent p. 12. Diſes Feuer iſt ſint der Zeit vil mahl / etwann grad anfangs an dem Knopf / etwann von der mitte des Helms gegen dem Knopf hinauf fahrend geſehen worden / allezeit aber bey vorſtehendem Un - gewitter; und heiſſen es die Einwohner Sant Elmus Feuer / oder Liecht. Vil einfaltige Leuhte ſein in der Einbildung geweſen / es bedeute diſes Liecht einiche in dem Knopf des Thurns verborgen ligende Heilig - thuͤmer / villeicht des heiligen Anſelmi. Jch zweifle nicht / daß die Cleriſey ſich ſolcher Begebenheit vortrefflich wurde bedienet haben / zu aufricht - und beſteiffung eines Wunders / ja gar villeicht zu anrichtung koſtlicher Wall - fahrten; da ihnen auch leicht geweſen were etwas Gebeine in den Thurn - knopf heimlicher Weiſe zu bringen; wann / ſage ich / diſere Statt annoch in der Finſternuß ſtekte / und ihro nicht das helle Liecht des Evangelii in voller Klarheit leuchtete / welches dann dergleichen Jrꝛ - und Aberglaͤubige Liechter kraftiglich außloͤſchen tuht. ꝛc.

81N. 21.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung Von dem St. Elmus Feuer.

ES hat die Erfahrung gezeiget / daß von vermeinten Heiligthuͤmeren nichts verhanden: dann An. 1700. hat man diſen Wunderthurn aufs neue bedecket / und bey diſem Anlas den Knopf geoͤffnet / da man nichts gefunden / als eine Nachricht wegen des Thurns ſelbs / wann derſelbe außgebauen worden. Und hat man auch ſint der Zeit obangezogenes St. Elmi Feuer nicht nur an diſem neubelegten Thurn / ſondern auch an dem kleineren / und deſſen verguͤldeten Knoͤpfen gewahret. Wann ich / wie ich ſol / diſere Feuergeſchicht mit Philoſophiſchen Augen anſihe / ſo kommet ſie mir vor als ein Meteorum, oder Feuerige Luft-Geſchicht / und ins beſonder ver - gleiche ich diſes Liecht mit dem bekanten Caſtor und Pollux, zweyen auß der Heidenſchaft zu uns gekommenen Goͤtteren / und Natur-Propheten / welche wann ſie nur in einer Flamm / oder Liecht / erſcheinen / den Schiffleuhten einen ſchweren Sturm vorſagen / wann ſie aber dopplet geſehen werden / anzeigen / daß das Wetter bereits voruͤber. Vermuhtlich deßwegen / weilen bey einem einfachen Liecht / wie ein ſolches auch unſer St. Elmus Feuer iſt / die ſchwefe - lichte Materi / ſo bey Ungewitteren pflegt entzuͤndet zu werden / annoch beyſa - men / bey einem doppleten aber ſchon zerſtreuet / folgbar nicht mehr alſo zube - fahren. Es ſein aber in gemein zu reden ſothane Ignes Lambentes, Lechzen - de Flammen / denen auch unſer St. Elmusliecht kan zugeſellet werden / weniger zubefoͤrchten / als die Stralbomben / weilen jene auß einer dünneren / luftigeren / flüſſigeren / diſe hingegen auß einer feſteren / dichteren Materi be - ſtehen / daher auch jene mit nicht ſo ſtarkem Gewalt / wie diſe / einherfahren. Si82Si minore vi mittuntur Ignes, defluunt tantùm & inſident, non feriunt, nec vulnerant. ſagt Seneca Natur. Quæſt. Lib. I. cap. 1. Gleichwol haben die alten Roͤmer auf dergleichen lechzende Feuer fleiſſige Achtung geben / und ſo oft ſie in ihren Feldzügen ſelbige auf denen Lanzen / oder Faͤhnlein / und Stand - arten ihrer Fuͤhreren gewahret / in ihren Geſchichtbuͤcheren nicht vergeſſen / wie bey ob angezogenem Seneca, und anderſtwo / zu ſehen. Jch komme aber widerum auf unſer Winterthuriſches St. Elmus Feuer / und leite deſſen Materi zwar her auß denen nahegelegenen Felderen und Bergen / deren Si - tuation villeicht auch vil bey tragt zu deſto leichterem Antrib an die Kirchen - thuͤrne / die benennung aber nicht von dem H. Anſelmo / ſondern auß Spa - nien / weilen mich erinnere irgendwo geleſen zu haben / daß diſe Nation den Caſtor em und Pollucem mit dem Nammen St. Elmus Feuer betitlen.

Von der Lechzenden Flamm.

Es laſſet ſich diſe Feuer-Geſchicht ſehen etwann an den Kleideren und Haaren / under Menſchen und Thieren / zu nicht geringem Schrecken der Zu - ſeheren. Die alte Heidenſchaft hielte dergleichen Ignes Lambentes, oder Lechzende Flammen vor ſonderliche Wunderzeichen / und von den Goͤtteren herꝛuͤhrende bezeugung kuͤnftiger Dingen. Servius Tullus hatte einer ſol - chen um ſein Haͤuptlein erſchienenen Flamm zu danken den Thron des Roͤ - miſchen Reichs. Dann man ihn deßwegen hielte vor eines Laris, oder Hauß - Gottes Sohn / und ſein bey dem Anlas gewiſſe Feſte den Laribus zu ehren angeſtellet worden. In regia cubanti puero caput arſiſſe viſum, creditumq́ue Laris Familiaris filium. Ob id compitalia, & Ludos Laribus primum inſti - tuiſſe. Plin. Hiſt. Nat. Lib. 36. cap. 27. Jch were ohne groſſe Muͤhe zu bereden / daß in denen mittleren Jahr hunderten mancher bey Anlaß einer um ſein Haupt erſchienenen Flamm in die Zahl der Heiligen aufgenommen worden. Wenigſtens hat man auß diſen lechzenden Flammen allerhand Geheimnuſſen gemachet / wie dann nebſt anderen An. 1572. geſehenen Wun - derzeichen Haller Chron. MSC. Lib. 38. cap. 16. auch ſetzet dergleichen lechzende Feure / ſo an verſchiedenen Kinderen in der Statt Biel an ihren Hembderen / Haaren / und Huͤten geſehen worden. Under den Titel diſer ſtreiffenden Flammen gehoͤret / was gewiſſe annoch lebende hieſige Schiff - meiſter auf dem Zuͤrich-See fahrende an ihren eigenen Leiberen gewahret. Jtem die Flammen / welche Peter Meili / von Nuffenen im Rheinwald / mit ſeinen Gefehrten / als ſie vom Bernhardiner Berg Reis und Korn fuͤhreten / wahrgenommen / den 2. Jenner 1700. Da ſie vermeint / ihre Kleider / und Ochſen brünnen / aber wann ſie nach der Flamm gegriffen / nichts empfun - den. Diſes geſchahe ohngefehr um 7. Uhr Abends / under waͤhrendem ſtarkemWind /83Wind / und Schneyen. Wer die natuͤrlichen Urſachen dergleichen ſtreiffen - den Flammen in Betrachtung zu ſetzen begehret / dem dienet zu wiſſen / daß ſo thane Feuer koͤnnen / nach dem ſie in der Luft auß ſchwefelichten Duͤnſten beſtehend angezuͤndet worden / leicht / gleich denen Feuermaͤnnlein / durch der Menſchen / oder der Thieren Athem angezogen / oder von Winden zugewaͤhet werden / da ſie dann wegen ihrer Zaͤhe an den Kleideren / Haaren / ꝛc. behangen bleiben; gemeinlich aber iſt ſolcher Flammen Urſprung herzuleiten von den Menſchen / und Thieren ſelbs / deren beſtaͤndige empfind - und unempfindliche Außdaͤmpfungen nicht nur beſtehen auß Waſſerichten / ſondern auch ſchwe - felichten / und Salpetriſchen Duͤnſten / welche in eine geſchwinde / und ſtarke Bewegung gebracht / leicht koͤnnen in eine Enzuͤndung gerahten. Diſes Vernunſturtheil bekraͤftiget genugſam nebſt der Erfahrung / und bey den lechzenden Flammen zugewahrenden Umſtaͤnden der ſo genante Phoſphorus, ein im finſteren ſcheinendes / und faklendes / ja auch brennendes Weſen / wel - ches bekanter maſſen auß dem Menſchenharn durch Chymiſche Kunſt be - reitet wird.

Von Feuerigen Maͤnneren.

Diſere Feurgeſchicht / wie ſie bald in allen Ohrten der Welt ſich meiſten - theils in ſumpfichten / moraſtigen Ohrten finden laſſet / alſo wird ſie auch ge - wahret in unſeren Eidgnoͤſſiſchen Landen. Jn Lateiniſcher Sprach heiſſet ſie Ignis Fatuus, welches kan verteutſchet werden ein thorichtes / oder vilmehr / bethoͤrendes Liecht / weilen es die Reiſenden zu Nacht aͤffet / oder bethoͤret / wei - len ſie bey deſſen Anſicht meinen / ſie ſehen vor ſich ein Liecht / deme ſie etwann nachgehen / und in Jrꝛwege gerahten / weßwegen die Teutſchen diſes Feurlein heiſſen Jrꝛwiſch / Jrꝛliecht / Jrꝛfakel / auch Wiſchmaͤnnlein / Feuri - ge Maͤnner / Feurmaͤnnlein. Dann diſe Liechter gleich feurigen Maͤnn - lein hin und her lauffen / etwann ſcheinen zu ſpringen / zu tanzen / etwann ein - ander / ſo ſie zuſamen ſtoſſen / zu rauffen / und zu ſchlagen. Von diſen Schein - maͤnneren iſt bey unſerem gemeinen Volk die meiſte Sag / daß ſeyen die ab - geſtorbene / nun von der Hoͤll / oder Fegfeur angeflamte / Geiſter deren / welche ſich mit verſetzung der Marchſteinen verſuͤndiget / und hierdurch ihrem Naͤch - ſten das ſeinige genommen haben. Wie hiervon auch berichtet Wagn. Hiſt. Nat. Helv. p 358. auß du Pan Larmes de David p. 262.

Woher diſe Fabel entſtanden / mag ich nicht wiſſen. Vermuhtlich komt diſer / wie andere dergleichen Jrꝛthuͤmer / auß der Finſternuß der mittleren Jahrhunderten / da alle auch die unſchuldigſte Natur Coͤrper haben muͤſſen dienen / beydes die grobe Unwiſſenheit der Cleriſey (welche gleichwol allein den Schlüſſel zur Weltweißheit hatte) zubedecken / und das gemeine Volkim84im Aberglauben zu unterhalten. Oder villeicht kom̃et diſe irꝛige Einbildung her von dem Heidenthum / welches zu allen Zeiten vil auf wahrſageriſchen Außlegungen des Feuers gehalten. Jch achte unnoͤhtig / diſen von den Jrꝛ - liechteren gefaßten Jrꝛthum nach der Weitlaͤuffigkeit zu widerlegen: weilen / wer mit Vernunft diſe Begebenheit anſihet / denen Naturforſcheren leicht geſtehet / daß die eigentliche Urſach ſolcher Feuer-Geſchichten beſtehe in an - gezündten ſchwefelichten ſubtilen Dünſten / welche dannenher auch nach der geringſten Luftbewegung ſich richten / ja gar von dem Athem ſich anzeuhen / oder wegjagen laſſen. Daher ein dem hoͤlliſchen Feuer-Geiſt angenehmer Wahn entſtanden / daß durch das Gebaͤtt dieſe Feuermaͤnner nur deſto mehr ergrimmet / und herzugeloket / hingegen aber durch fluchen / und ſchweeren / weggetriben werden. Wer auß Angſt vor dergleichen natuͤrlichen Geſpen - ſten bey ſich ſelbs ſeufzet / und baͤttet / folgbar den Athem an ſich zeuhet / der zeuhet auch zugleich an ſich die Feuermaͤnnlein ſelbs; wer hingegen mit ge - waltiger Fluch-Stimm den Luft vor ſich hinweg treibet / der jaget auch hin - weg die Jrꝛwiſche. Hierauß iſt bald zu erſehen / daß gar nicht noͤhtig zu ſchweeren / weilen man ſonſten ſtark kan reden / ohne Suͤnde / und ein lautes / pack dich fort / eben ſo wol die Luft wegtreibet / als ein holl dich der T. Es halten ſich diſe Feuerige Maͤnner ſonderheitlich auf in moraſtigen / fetten / Ohrten / da die Waſſer ſtill ſtehen / und faulen; als da ſein ſumpfichte Wie - ſen / Kirchhoͤfe / Ohrte / da vor weniger Zeit Schlachten geſchehen / und der todten Coͤrperen fette Feuchtigkeiten in Daͤmpfe außrauchen.

Von dem Julier Berg in Pündten.

Groſſe Sachen zeigen ſich nicht nur in der Taht / ſondern mehrmahlen auch in dem Nammen. Die hoͤchſten Gebirge des Schweizerlands haben ihre benennung von den Goͤtteren der Heiden / oder von den Halb-Goͤtteren der Roͤmiſch Catholiſchen / oder von gewaltigen weltberuͤhmten Maͤnneren. Jn Wallis waren die Alpes Penninæ, Pœninæ, Penniniſche Gebirge / zu Heidniſchen Zeiten dem Oberſten Gott Jupiter eigen / und wurden deß - wegen genennet Mons Jovis, Mons Jovius, Mont-Jou: Es hat aber in hernachfolgenden Zeiten der H. Bernhardus / ein geweſner Convent-Bru - der des Kloſters zu Augſt / den Jupiter abgeſezt / und die Herꝛſchaft diſes groſſen Bergs auf ſich genommen / wie er dann annoch den Titul fuͤhret / des Groſſen St. Bernhards-Bergs / zum unterſcheid der Graiſchen Alpen / welche genennet werden der Kleine St. Bernhards-Berg. Der Kriegeriſche Mars legte ſeinen Nammen auf einem Berg in Nider - wallis (Martis Mons,) ſo nun Foe heiſſet / in Jtaliaͤniſch Maggana, und von Grenchen und Viſp fuͤhret ins Seſſerthal ꝛc.

P. S. Es wird diſer Berg mit denen darauf befindtlichen Roͤm, Saͤulen vorgeſtellet in der III. Tab. koſtet 2. ß.

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89N. 23.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Von dem Glarneriſchen Schabziger.

DJſe Art Kaͤſes / mit welcher die Glarner / gleich mit ihren ſchwarzen Steinernen Tafelen / weit und breit in Europa Handelſchaft treiben / heiſſet gemeinlich Schabziger / Caſeus raſilis, weilen er auß Ziger gemachet wird / und ſich zu eßbarem Gebrauch ſchaben laſſet. Deodatus in ſeinem Pantheo Hygiaſt. Lib I. cap. 35. beſchreibet diſen gruͤnen Schab - ziger ganz wol / hat ſich aber in dem einigen betrogen / welches vil Leuhte an - noch ſich einbilden / daß man allerhand gute heilſame Kraͤuter zu bereitung diſes Kaͤſes brauche / und gedenket auch Geſſnerus de Lacte pag. 48. der Imperatoriæ, oder Meiſterwurz / daß ſie darunter gemiſchet werde / von deren man doch jeziger Zeit nichts weißt. Es iſt ein einiges Kraut / welches die Glarner zu dem End in ihren Gaͤrten pflanzen / damit es ihnen zu diſer Kaͤßmachung diene. Diſes pflegen ſie zu nennen Zigerkraut / Schabzi - gerkraut: Sonſten heiſſet man es Stundkraut / Sibengezeit / weilen es ſiben mahl des Tags ſol den Geruch bekommen / und wider verlieren; Wilder Steinklee / wolriechender Klee. Da des Geruchs halben zu gewahren / daß ſich derſelbe erſt dannzumahl hervor tuͤhe / wann das Kraut duͤrꝛ / weilen die feuchten / oͤhlichten / ſtarkriechenden Theile vorher / da es noch gruͤn ware / unter vilen waͤſſerigen alſo gefangen und eingewikelt waren / daß ſie nicht wol koͤnten ſich hervor laſſen / und in Freyheit ſetzen. Jn La - teiniſcher Sprach finden ſich bey verſchiedenen Kraͤuterverſtaͤndigen auch verſchiedene Nammen / und zwaren folgende. Hieron. Tragus nennet es Trifolium Dioſcoridis. Matthiolus, Anguillara, und Caſtor Durantes Lotus Sylveſtris. Fuchſius, Dodonæus, Cordus, Geſſnerus Lotus Sativa. Lacuna,Turne -90Turnerus, und Eyſtettenſis Hortus Lotus Urbana. Fuchſius, Turnerus, Lonicerus, Trifolium odoratum. Dodoneus, und Lugdunenſes Trifolium odoratum alterum. Geſſnerus in Horto Trifolium caballinum: Lobelius Lotus Hortorum odora: Tabernæ montanus Melilotus vera. Pona Meli - lotus Singularis Alpini. Caſp. Bauhinus Lotus hortenſis odora: Joh. Bauhinus Lotus Sativa odorata, annua, flore cœruleo: Bey Theophraſto einem der aͤlteſten Kraͤutererfahrnen 7. Hiſt. 14. ſol es heiſſen: Μέλι σίτων, nach Gazæ erklaͤrung Mel frugum. Die neueſten Botanici, Hermannus, Moriſonius, Tournefortius bringen diſe Pflanze under das Geſchlecht des Steinklee / und nennen ſie deßwegen Melilotum odoratam violaceam. Diſere vile Zunammen habe bey diſem Anlas mit ſchuldigem Fleiß hieher ſetzen wollen / damit der geneigte Leſer diſes Kraut / ſamt deſſen Eigenſchaften in verſchiedenen Kraͤuterbuͤcheren wiſſe aufzuſuchen / und anbey ſehen koͤnne die Schwirꝛigkeit der Kraͤuterwiſſenſchaft / weilen ein jeder Scribent nach ſei - nem Willen die Kraͤuter benennet / weßwegen ganz noͤhtig geweſen eine ſolche Erleichterung und Reformation diſes Studij, dardurch ſo vilerley Nam̃en unter ihren einigen behoͤrigen Titul geſetzet worden. Diſes Kraut wird / wie oben angezeiget worden / im Glarnerland gepflanzet in Gaͤrten und Aekeren / hernach / ſo es zeitig worden gedoͤrꝛet / und folgender Weiſe / nach dem es zu Pulver gerieben / und durch geſiebet worden / auß demſelben der Schabziger gemachet. Man richtet hin und wider im Land / ſonderlich in dem Haubtflecken Glarus / zu Matt ꝛc. auf gewiſſe Machinen / die ſie Zigerreiben heiſſen / weilen darmit das Zigerpulver mit dem Ziger wol untermenget / und gerieben wird. Ein ſolche Zigerꝛeibe mit allen darzu ge - hoͤrigen Jnſtrumenten wird vorgeſtellet in Tab IV. und gleich einer Muͤhle getrieben / daß die mittlere Saul in die ruͤnde gehet; Die undere Flaͤche / oder Boden wird eingefaſſet mit Bretteren / damit die aufgeſchüttete Materi voͤl - lig innert ihren Schranken bleibe. Und ſein bey diſer Zigermuͤhle ins be - ſonder zugewahren zwey hoͤlzerne Schauflen C. und D. deren die einte die aufgeſchuͤttete Materi von dem Rand / die andere aber von der Mittel - Saul hinweg treibet / damit der ſchwere Laſt-Stein B. in waͤhrendem ſeinem Umgang ſelbige wol finden / und zermalmen koͤnne. Die Materialien des Schabzigers (welche zum Exempel beſtehen in einem Zentner mageren / und trokenen / weiſſen / Zigers / Salz und gepuͤlverten Zigerkrauts / jedes diſer letſten ohngefahr einen Vierling) werden erſtlich auf ein ſauber nebſt der Reibe ſtehendes Thuch aufgeſchüttet / und dann in der Reibe auf jezt beſagte Weiſe unter einander gemenget. Wann diß geſchehen / ſo wer - den die Zigerformen / oder Zigerkübel E. nach einander angefuͤllet / wol eingetruket vermittelſt der Ziger-Stoͤßlen G. und abgeebnet mit einemhoͤlzer -91hoͤlzernen breiten Taͤtſchler F. folglich in denen Formen an einem luftigen Ohrt gelaſſen / bis zu einem gewiſſen Grad ihrer Troͤknung. Nach diſem werden die Schabziger auß ihren Küblen heraußgenommen / und nach ein - ander auf Laͤden (wie bey H. zu ſehen) an einem mittelmaͤſſig feuchten und troknen Ohrt aufbehalten / da ins beſonder zugewahren / daß bey kalter win - dichter Witterung die Ziger-Gehalter wol verwahret werden / damit der Schabziger keine Spaͤlte bekomme. Nun / nachdem der gruͤne Schabziger gemenget / gerieben / geſtaltet / und getroͤknet worden / ſtellen wir ihne auf den Tiſch / ſehen aber alſobald / daß die anweſenden Gaͤſte diſen Gaſt mit unglei - chen Augen anſehen / die einten ihre Naſen ruͤmpfen / und nicht nur nicht dar - von eſſen wollen / ſondern auch nicht einmahl den Geruch leiden koͤnnen / da hingegen andere ſich darob / als uͤber eine niedliche Tracht erfreuen / und er - laben. Schon zu Geſſneri Zeiten waren vil / die mit diſem Glarnerziger ihr Geſpoͤtt getrieben / und ihne veraͤchtlicher Weiſe gehalten vor das Element der Erden / wie den Züricher Wein vor das Waſſer / die Pündtner Sprach vor den Luft / und der Freyburgeren Münz vor das Feuer. Jch hoffe aber darzutuhn / daß diſer Ziger eine von den nutzbareſten befindun - gen unſers Landes ſeye / und folgbar nicht ohne Urſach in unſeren eigenen / und froͤmden Landen ſo vil gebraucht / ſo hoch angeſehen / und auch auf vornem̃en / Fuͤrſtlichen / und Koͤniglichen Tafelen aufgetragen werde. Es hat die Milch dreyerley Theile / oder Weſen / in ſich; erſtlich den Nidel / oder Raum / ſo oben auf ſchwimmet / auß leichten / oͤhlichten Theilen beſtehet / und die Materi ab - gibt zum Butter; Zweytens ein ſaurlechtes Waſſer / die Schotten / welche man anwendet zum Trank / oder / ſo ſie in Uberfluß verhanden / fuͤrwirffet den Schweinen; Drittens eine dickere / ſchwerere Materi / auß welcher gemachet wird theils der Kaͤſe / theils der weiſſe Ziger; Jener iſt wegen ſeiner feſtig - keit / und undaͤulichkeit nicht ſo gar wol angeſchrieben bey denen / welchen die Geſundheit menſchlicher Leiberen anvertrauet wird / weilen er in dem Magen uͤbrig laſſet einen zaͤchen / undaͤulichen / nach und nach in eine Saͤure ſich ver - wandlenden Schleim / welcher erſtlich den Magen und die Gedaͤrme inn - wendig uͤberzeuhet / die daͤuung / und ſcheidung verderbet / und folglich auch / ſo er in das Geblut durch die Milchgefaͤſſe hingefuͤhret wird / den ganzen Leib uͤberſchwemmet / ſich in den kleinſten Blutroͤhrlein ſteket / und zu allerhand Krankheiten / ſo von Verſtopfungen herꝛuͤhren koͤnnen / Thuͤr und Thor oͤffnet / daher auch vor etlich 100. Jahren die Salernitaniſche Schul dem Kaͤſe einen Schoͤlmen Titel angehenket in diſen bekanten Reimen:

Caſeus eſt nequam, quia digerit omnia ſequam.

Nicht beſſeres Lob verdienet der weiſſe Ziger / abſonderlich / wann der zu winterlichem Gebrauch aufbehalten / und in eine Saͤure gebracht wird. Und glaube ich veſtiglich / daß unſere Landesleuhte ſothane Zigerſpeiſen ohne92 taͤgliche / und groſſe Gefahr ihrer Geſundheit nicht koͤnten vertragen / wann nicht ihnen zu hilff kaͤme theils die Gewohnheit / theils die geſunde / ſubtile Luft / nebſt unſerem herꝛlichen Bergwaſſer; Zu deme noch komt das unſer Landsziger / weilen er vor ſeine erſte Materialien erkennet die herꝛlichſten / ge - wuͤrzten Bergkraͤuter / auch weniger Schleim gebieret / als etwann ein Hol - laͤndiſcher / oder in anderen nidrigeren Landen geborner Ziger. Gleichwol iſt auch unſer Ziger auß oben gegebnen Urſachen nicht zubefreyen von aller Schuld und Straff. Und haben unſerer jezlebenden Glarneren lobliche Vor-Elteren ein ewiges Lob verdienet / daß ſie nach Mittlen getrachtet / den Ziger zuverbeſſeren / und ſo vilem auß deſſe Gebrauch entſtehendem Unheil vorzukommen / wiewol diſe ihre Sorgfalt vor die liebe Geſundheit ihnen reichlich vergolten worden / und noch taͤglich vergolten wird durch den von dem Schabziger commercio eingefuͤhrten Nutzen. Setzen wir das unter - miſchte Schabzigerkraut nach denen Grund-Reglen der heutigen Pharma - ciæ Rationalis (durch welche aller Heilmittlen wahre Eigenſchaften / Theile / und Wirkungen wol unterſucht werden) auf die Prob / ſo wird ſich bald auß deſſen raͤſſem Geruch / und Geſchmak / zeigen / daß es bey ſich fuͤhre nebſt denen waͤſſerichten Theilen / welche bey dem doͤrꝛen wegfliegen / vil ſubtile Salz - oͤhlichte Theil / welche Kraft ihrer durchtringenden Geſtaltſame ſich zwiſchen die ſchleimichten Theil des Zigers einmiſchen / und alſo hinderen / daß diſe nicht ſo feſt ſich koͤnnen auf einander ſetzen / folglich von dem Magen leichter koͤn - nen angenommen / und / ohne in einen zaͤhen Schleim ſich zuverwandlen / ge - daͤüet werden / worzu noch das ſeinige beytragt das Salz ſelbs / als welches das beſte Gewuͤrz / und kraft ſeiner ſcharffen ſpitzigen Winklen / allen vor - kommenden Schleim aufloͤſet / ſo wol in dem Magen / und Gedaͤrmen / als in dem Gebluͤt. Worauß zu erſehen / daß durch untermiſchung der gewuͤrzten Salztheilchen der Schabziger nicht nur nicht ſo leicht in einen Schleim ſich verwandlen kan / ſondern noch den jenigen / ſo wirklich in dem Leib verhan - den / aufloͤſet. Worauß zu erſehen / daß der Schabziger angeſehen werden kan / als ein allgemeine Schweizer-Artzney / ja als ein Schweizeriſcher The - riae dienen kan in gar vilen Zuſtaͤnden des Magens / Gedaͤrmen / und gan - zen Leibs / denen abſonderlich / welche von zaͤhen ſchleimichten Fluͤſſen / und daherkommenden Verſtopfungen herꝛuͤhren / ſonderheitlich aber dienlich ſein kan dem ganzen weiblichen Geſchlecht. Ja man kan von diſer Artzney-Speiſe (dann der ein wahres alimentum medicamentoſum, folglich vilen anderen Speiſen und Artzneyen vorzuziehen / weilen er zugleich in Kraft ſeiner Milch - und Zigertheilen nehret / und denen Urſachen der Krankheiten abhilffet) ruͤh - men / daß ſie allgemein ſeye / und allen complexionen wol bekomme / denen Schleimichten / Blonachten / in anſehung oft beruͤhrter Gewuͤrz - und Salztheilen / denen Gallſuͤchtigen aber in anſehung der mit - fuͤhrenden Schleimtheilen. ꝛc.

B. S. Der ganze Proceſs, wie der Schabziger bereitet wird / iſt vorgeſtellet in der IV. Tab. welche koſtet 2. ß.

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93N. 24.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung Von dem Glarneriſchen Schabziger.

JCh wil mich nicht weiter bemuͤhen / einen ganzen Rodel der jenigen geſunden Perſonen / und Kranknen Zuſtaͤnden / denen der Schabzi - ger eingerahten werden kan / allhero zuſetzen / weilen ein jeder vernuͤnf - tiger Artzet auf obengelegtes Fundament leicht ſein Schlußgebaͤu bey allen vorfallenden Begebenheiten auffuͤhren kan / gleichwol das einige noch hinzu ſetzen / daß man den Schabziger auch nicht anſehen ſolle vor eine Goͤtterſpeiß / (Ambroſia) von deren man deſto geſuͤnder werde / je mehr man darvon ge - nieſſe / ſondern jedermann ſich recommendiert ſein laſſe jenes artige Spruͤch - wort / μηδὲν〈…〉〈…〉 γαν, Ne quid nimis; Nur nicht zu vil.

Von der voͤlligen Sonnen-Finſternuß / wel - che den 12. May diß lauffenden Jahrs in unſeren Helvetiſchen Landen gewahret worden.

Es war diß eine ſolche verfinſterung / oder vilmehr / verdeckung der Sonn / derenthalben der beruͤhmte Daͤhniſche Sternſeher Tycho Brahe gezweifelt / ob ſie moͤglich ſeye / wie er dann Clavio ſelbs kaum koͤnte glauben zuſtellen / daß er An. 1560. in Portugal eine ſolche voͤllige Finſternuß geſehen / und nach ſeinen Grundſaͤtzen der Mond / wie nahe er auch gegen der Erden kommen ſolte / die Sonn nicht voͤllig decken koͤnte / wie hiervon zu ſehen Keplerus in Aſtronom. Optic. cap. 8. p. 285. und Ricciolus Almageſt. Tom. I. Lib. V. c. 20. welcher hergegen mit allen anderen Sternweiſen die Moͤglichkeit dergleichen totalen, oder centralen, Finſternuſſen behauptet / und die jenigen / ſo vor / odernach94nach Chriſti Geburt geweſen / nach einander erzellet. Diſe / weilen ſie nur 13. an der Zahl / werde auch zu gefallen des geehrten Leſers allhier beyſetzen / um die Seltenheit einer ſolchen Natur-Geſchicht deſto bekanter zu machen.

Die I. iſt geweſen den 28. Mey. An. 585. vor Chriſti Geburt / und wahrgenommen worden in der Meerenge bey Conſtantinopel. Der be - ruͤhmte. Thales hat ſie vorgeſagt den Jonieren. Es hat diſe Finſternuß eine Schlacht der Mederen under Cyaxare, und Lydieren under Halyatte, ſo bey voͤlliger verfinſterung am heftigſten ware / aufgehebt / und die erhizten Ge - muͤhter zu einem Fridensvergliech diſponirt, wie hiervon zu leſen Herodotus Lib. I.

Die II. den 15. Augſtm. An. 310. vor Chriſti Geburt: von deren ſchreibet Diodorus Siculus, Lib. 20. daß die Sternen / gleich zu Nacht / uͤberal geſehen worden. Diſer Finſternuß wußte ſich trefflich zubedienen Agatho - cles, Koͤnig in Sicilien / dann als er einen Zug vorhatte wider die Carthagi - nenſer / und aber diſe voͤllige Sonnenverfinſterung ſeine Soldaten ſchrekte / hat er ſie beredet / daß von der Finſternuß betrohete Unglück were ſie / die Sicilianer angangen / wann ſie noch nicht abgefahren weren / nun aber / nach dem ſie auf die Reiſe ſich begeben / werde es die Carthaginenſer treffen. Juſtin. Hiſtor. Lib. 22.

Die III. An. 237. nach Chriſti Geburt den 12. Aprel / in dem erſten Jahr der Regierung Gordiani des Juͤngeren / war auch ſo ſtark / daß man ohne Liechter nichts ſehen koͤnte / nach der Zeugniß Julii Capitolini.

Die IV. An. 484. den 13. Jenner / war auch begleitet mit einer nacht. gleichen Finſterheit / und ſahe man auch die Sternen.

Die V. An. 840. den 5. Mey war gleich alſo beſchaffen / nach dem Be - richt Aimoini Lib. V. c. 19.

Die VI. An. 878. den 29. Octob. im 29. Jahr Ludovici Balbi. Ex Annal. Francor. Es kommet diſe Geſchicht mit unſerer vorhabenden Fin - ſternuß uͤberein in der Zeit / weilen beyde ſich zugetragen zwiſchen 9. und 10. Uhr vor Mittag / und 15. Tag vorher geweſen ein Mondsfinſternuß.

Die VII. An 1187. den 4. Sept. war auch ſo groß / daß die Sternen geſehen worden. Nach diſer iſt Balduinus von Saladino gefangen / und Je - ruſalem widerum in Tuͤrkiſche Haͤnde kommen.

Die VIII. An. 1241. den 6. Octob.

Die IX. An. 1415. den 7. Jun. iſt in Boͤhmen ſo ſtark geweſen / daß die Voͤgel von einsmahliger duͤnkle erſchreket zur Erde fielen. Reinhold. in Theor. Purbach. auß Leovitio, und Lycoſthene.

Die X. An. 1483. den 16. Mart. war auch ſonderlich ſichtbar in un - ſeren Landen. Dann alſo ſchreibet Stumpf. Chron. Lib. XIII. cap. 21. außLyco -95Lycoſthene. Es ward ſo finſter / als ob es Nacht were / die Huͤner / und das Geflügel flog alles auf zu der Ruh.

Die XI. An. 1560. den 21. Aug. iſt von Clavio gewahret worden zu Coimbra in Portugal / welcher uns berichtet in cap. 4. Sphæræ Sacroboſc. daß es um den Mittag ſtockfinſter worden / ohne Liecht niemand wandlen koͤnnen / die Sternen am Himmel er ſchienen / die Voͤgel auf die Erden gefal - len / und die Weiber gejammeret / weilen ſie vermeint / der juͤngſte Tag ſeyr verhanden.

Die XII. An. 1605. den 12. Octob. iſt gewahret worden auf dem Mittellaͤndiſchen Meer zwiſchen Neapoli / und Marſeille / alſo / daß rings um die Sonn die Luft Blutroth vorkommen in mitten der verfinſterung. Kepler Stell. Nov. cap. 23.

Diſer beruͤhmte Aſtronomus erzellet in ſeiner Aſtron. Optic. cap. 8. noch mehrere Finſternuſſen / ſo auch total geweſen / als An. 431. und 49. vor Chriſti Geburt / und nach derſelben An. 14. 97. 192. 719. 1113. 1530. 1544 welche aber Ricciolus unter die zweifelhaften zellet. Almag, Lib. V. c. 20.

Oben erzehlten 12. voͤlligen Sonnen-Finſternuſſen iſt nach zuſetzen die jenige / welche in der Americaniſchen Jnſul Martinique wahrgenommen wor - den von M. Bruneau, und mit unſerer letſten voͤllig uͤberein komt / wie zu ſehen auß dem Journal des Scavans M. April. 1701. p. 290.

Were alſo unſere / juͤngſt auf den 12. May gefallene Sonnen-Finſternuß unter denen voͤlligen an der Zahl die XIII. dero Anfang ware bey uns / zu Zürich um 8. Uhr / 54. M. Das Mittel um 9. Uhr 58. Minuten. Das Ende um 11. Uhr 12. Min. Die Mittlere voͤllige verfinſterung der Son - nen waͤhrete 4 Minut. innert welcher Zeit die Sonn von dem Mond / gleich als mit einem Fuͤrhang voͤllig bedekt worden / und an dem hellen Himmel ih - ren Schein einsmahls verlohren / aber auch um 10. Uhr 2. Min. einsmahls widerum gleich einem Blitz die Erde beleuchtet / welches dann klaͤrlich anzei - get / daß der um den Mond in waͤhrender voͤlligen Finſternuß geſehene bleiche (durch die Fernglaͤſer aber feurꝛohte) Ring anders nichts geweſen / als ein von der Sonnen ſeitwarts geworffener / und durch unſere Luft zu uns in ge - brochenen Stralen fortgeſezter Glanz / welcher wol zu unterſcheiden iſt von denen jenigen Stralen / ſo geraden Wegs von der Sonnen auf die Erde fallen / und einen hellen Liecht-Schein von ſich gegeben ohnmittelbar vor / und nach der verfinſterung / wie wenig auch von der Sonnen uͤbergeblieben. Es iſt diſer Umſtand in acht zu nemmen / wann man wil einen Unterſcheid faſſen zwiſchen denen totalibus, centralibus, und annularibus Eclipſibus, oder voͤlligen / und Ringfinſternuſſen / da in diſen lezten eintweder ein hellglanzen - der Ring von der wahren Sonn um den Mond / deſſen ſcheinbare durch - meſſer dannzumahl kleiner iſt / als der ſcheinbare durchmeſſer (diameter ap -96 parens) der Sonne; oder ein bleicher Ring / wann namlich beyde gleich ſein / da dann in ſolchem Fall der ſichtbare Ring herzuholen gleich der heuere / ſo an dem Rand des Monds geſehen worden / von denen jenigen Sonnen - ſtralen / welche durch des Mondes Dunſtkugel gebrochen auf uns / die wir im Schatten ſtehen / gebracht werden. Von welcher letſteren Gattung Fin - ſternuſſen auch die unſerige war / hiemit totalis, oder centralis, weilen die Mittelpuncten der Sonn / der Erde / und des Monds in einer Lini ſtuhnden / und annularis, wegen des um den Mond geſehenen Rings. Und iſt zu ver - muhten / daß unter denen in Hiſtorien angemerkten / ſonſt ſehr ſeltſamen / An - nular Finſternuſſen villeicht die meiſte zu diſer letſten Art / folglich auch unter die totales zu rechnen 2 als die An. 1567. den 7. April. 1598. den 25. Octobr. 1601. den 24. Decemb. Was weiters in der Natur unter waͤhrender voͤlli - gen verdunklung gewahret worden / wird unten in mehrerem angezeiget / und erklaͤret werden.

Es iſt nicht weniger Lobens-als bewunderens wuͤrdig die durchtringen - de faͤhigkeit der Menſchen / welche unter Gottes gnaͤdiger Hilff in der Stern - wiſſenſchaft ſo weit kommen / daß ſie unter anderen Eigenſchaften / und Zufaͤl - ligkeiten der Jrꝛ - und Fix-Sternen / auch dero verfinſterungen auf Jahr / Tag / Stunden / und Minuten außrechnen / und vorſagen koͤnnen. Es gruͤn - det ſich diſere Rechnungskunſt auf die unwandelbare von Gott in die Natur geſezte Bewegungs-Geſaͤtze. Es ſein aber die Bewegungen des Geſtirns ſo verworꝛen / die Aſtronomiſche Grundſaͤtze ungleich / die Laͤnge und Breite der Erdenplaͤtzen noch zur Zeit unrichtig / daß in anſehung jezterzehlter / und viler anderen aufſtoſſenden Schwerigkeiten man zu weilen nicht ſo genau in dem Calculo zutrift / wie deſſen ein neues Exempel iſt unſere gegenwerti - ge Finſternuß / welche an wenig Orten alſo in den Kalendern außgeſetzet wor - den / wie man ſie in der Taht erfahren. Herꝛ H. J. F. ein in Aſtronomiſchen Wiſſenſchaften trefflich erfahrner Herꝛ und Freund hat bereits vor etlichen Jahren diſe merkwuͤrdige Finſternuß nach verſchiedenen Grundſaͤtzen auß - gerechnet / und nach denen Hypotheſibus Lansbergii gefunden / daß die Conjunctio viſa komme um 9. Uhr 34. Min. Latitudo Lunæ viſa 3. m. 56. Sec. Auſtralis. Semidiameter Solis 17. Min.

Lunæ apparens 17. m. 30. Sec.

Scrupula deficientia 30. m. 34. Sec.

Worauß er geſchloſſen die groͤſſe der verfinſterung 10. Zoll / 47. m. und diſere groͤſſe in unſeren Calender zuſetzen meiſtens darum erwehlet / weilen eine faſt voͤllige Eclipſis, die er doch nach Riccioli Grundlehr gefunden / ihme ſo ent - ſetzlich vorkommen / daß er lieber wollen zu wenig an die Sach tuhn / als zu vil.

P. S, Hierbey iſt zu haben ein Kupfer / darinn diſe groſſe Sonnenfinſternuß vorgeſtellet wird / mit ſie geſehen worden allhier / in Zuͤrich / koſtet 2. ß.

97N. 25.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung Von der groſſen Sonnen-Finſternuß.

ES zeiget der Außtrag unſerer dißmahligen Eclipſis klaͤrlich / daß die Anomalia Æquinoctiorum, deren ſich Lansbergius in ſeinem Calculo bedient / ein Gedicht ſeye / deſſen ſo man uͤberhoben iſt / man ganz genau zutrift / wie dann auch Gaſſendo diſe Anomalia verdaͤchtig vorkommen / und von Bullialdo gaͤnzlich verworffen worden.

Nach denen Hypotheſibus Kepleri kame Herꝛ F. noch weiter: Dann

die Conjunctio viſa um 9. Uhr / 53. M. Latitudo Lunæ vera Borealis 35. m. 56. ſec. Latitudinis Parallaxis 37. m. 30. Sec.

Ergo Latitudo Lunæ viſa Auſtralis. 1. m. 31. Sec.

Semidiam. Solis. 15. m. 5. Sec.

Lunæ 16. m. 14. Sec.

Aggregatum Semidd. 31. m. 19. Sec.

Scrupula deficientia 29. m. 45. Sec.

Worauß zu ſchlieſſen ware / daß die Sonn werde verfinſteret werden 11. Zoll und 50. Min.

Nach ſeinen / auf die Tabulas Rodolphinas und Philolaicas Bullialdi gegruͤndten Deliciis Aſtronomicis wird die Sonn auch bis auf $$\frac {2}{1}$$ Zoll ver - deket.

Nach denen Hypotheſibus Riccioli ab erroribus amanuenſis, aut Ty - pographi, correctis kame

die Conjunctio vera um 10. Uhr 18. Sec.

in den 21. gr. 13. m. des Stiers.

Parallaxis longitudinis 9. m.

Con -98

Conjunctio viſa auf 9. Uhr 56. m. in den 21. gr. 12. m. des Stiers.

Auf welche Zeit Locus Nodi gefunden wird im 14. gr. 35. m. des Stiers.

Hiemit Diſtantia Luminarium à Nodo. 6. gr. 37. m.

Latitudo Lunæ vera Borealis. o. gr. 34. m. 14. Sec. Parallaxis Latitudinis o. gr. 34. m. 48. Sec. folglich Latitudo viſa Auſtralis o. gr. o. m. 34. Sec. Semi - diam. Lunæ apparens. o. gr. 16. m. o. Sec.

Solis appar. 15. m. 38. Sec.

Aggregatum Semidd. 31. m. 38. Sec.

Scrupula deficientia 31. m. 4. Sec.

worauß zu ſchlieſſen war daß die Groͤſſe der Finſternuß werde kommen auf 11. Zoll 55½. folglich von der Sonnen nichts mehr uͤberig bleiben als $$\frac {1}{15}$$ . Zoll. Welches mit der Erfahrung am beſten zugetroffen / und folgbar auch die Hypotheſin Kepleri, und Riccioli, oder Aſtronomiam ejus Reformatam hoͤchſtens commendirt.

Nun wende mich zu erzehlung der jenigen Naturverenderungen / welche waͤhrender ſonderlich voͤlliger verfinſterung[be]y uns wahrgenommen wor - den / und eigentlich zuſamenfaſſen alles das / ſo bey oben erzehlten 12. Eclipſi - bus centralibus gewahret worden.

Weilen die gerad einfallenden Sonnenſtralen uns gaͤnzlich durch des Monds Zwiſchenkunft benommen worden / welche vorher unſere halb kugel beleuchtet / und einen hellen Tag gemachet / ſo iſt bald zu erachten / daß unſere Luft - und Dunſtkugel hat muͤſſen ihren Schein (der nur ſo lang waͤhret / als deſſen Muter / das Liecht ſelbs / wirket) verlieren / eine naͤchtliche dünkle erfol - gen und die Sternen in Vorſchein kommen / wie dann wirklich 7. grad gegen Aufgang gar ſchoͤn geſehen worden die Venus im 28. gr. des St. 16. gr. gegen Aufgang der Mercurius ſt[a]tionarius, in dem 7. gr. des Zwil. 10. gr. uͤber den Horizone von Aufgang ge〈…〉〈…〉 en Mittnacht der Jupiter, im 24. gr. des Krebs / und etwann 2. gr. von der Sonnen gegen Mittag der Saturnus, im 22. gr. des Stiers / nebſt vilen Fix-ſtern[en v]on der Erſten Groͤſſe / ſo domahlen uͤber un - ſerem Horizont geſtanden. Es w〈…〉〈…〉 re diſere verdunklung noch ſtaͤrker geweſen / wann nicht unſere Augen vorher weren von dem hellen Sonnenglanz geblen - det geweſen / welches dann verurſachet / daß alles / was wir um 10. Uhren an - geſehen / nicht ſo faſt ſchwarz / als gelblecht / oder gelbſchwarz uns vorkommen / welche ſtarke eindrukung des Liechts in unſere Augen uns verhinderet / daß wir nicht den ganzen Geſtirnten Himmel / wie zu Nacht / ſehen koͤnnen. Und ſchen wir allhier gleich als im vorbey gehen die allmaͤchtige Weißheit des Schoͤpfers / daß durch Mittel der dichte unſerer Dunſtkugel und zwiſchen kommende Abend - und Morgen-Demmerungen / die Nacht gemaͤchlich ſich veraͤnderet in den Tag / und diſer auch alſo Stuffenweiſe außgehet in dieNacht.99Nacht. Jſt alſo auß jezt gegebenen Grundſaͤtzen leicht zu ermeſſen / daß die Menſchen und Thiere muͤßten erblinden / wann der helle Tag einsmahls ſich verwandlen ſolte in eine finſtere Nacht / oder diſe in jenen.

Gleich wie wir von der Sonnen / als einem reichen Schatzmeiſter haben Liecht / und Schein / alſo flieſſet auch auß diſem unerſchoͤpflichen Brunn der Guͤte Gottes die uns Menſchen / und anderen lebhaften Geſchoͤpften ſo hoch noͤhtige Waͤrme. Folgbar / wo die Sonn mit ihren Stralen nicht gelangen mag / ſpuͤret man eine abweſenheit der Waͤrme / oder mehr oder weniger em - pfindtliche Kaͤlte / deſſen ein alltaͤgliches Beweißthum iſt die Nacht. Es fol ſich dann niemand verwunderen ab der friſchen Kaͤlte / welche geſpuͤret wor - den waͤhrender groͤſten verdunklung / und um ſo vil empfindtlicher geweſen / weiten ſich da zugetragen eine urploͤzliche Enderung ab uno extremo ad aliud, von groſſer Tagswaͤrme zu einmahliger Nachtkaͤlte / welche unſere vorher durch die Waͤrme eroͤffnete Schweißloͤcher einsmahls zugeſtopfet / den Lauff des Gebluͤts in Unrichtigkeit gebracht / die Hautzaͤſeren zuſamen ge - ſchrumpfen / und denen Reiſenden Anlaß gegeben / die Handſchuhe hervor zuſuchen / und anzuzeuhen.

Jn der Luft - und Dunſtkugel (Atmoſphæra) haben ſich verſchiedene andere merkwuͤrdige Enderungen zu getragen. Diſe war auf unſerem gan - zen Horizont ſint Aufgang der Sonnen in eine Dünnung gebracht / wor - durch ſie weiter in die Hoͤhe / und breite außgedehnet / und die waͤſſerige Dün - ſte durch mitwirkende Kraft der Waͤrme ſolcher geſtalt aufgeloͤßt / und zer - theilt worden / daß man weder von Regen / noch Thau etwas merken koͤnte. Nach deme aber die uͤber unſer Schweizerland ſtehende Luft in den Schatten des Monds kommen / hat ſie ſich widerum eingezogen / verdikeret / und fein die Waſſerduͤnſte ſo nahe zuſamen kommen / daß ſie in mitten der verfinſterung / unter Beyhilff der Kaͤlte / ſich in wirkliche Troͤpflein verfamlet / welche kraft ihrer Schwere zu Boden gefallen in geſtalt eines Thaus. Diſes kalte Thau hette ſich nach gemeiner Auſſag der Baursleuhten bald / wann die verfinſte - rung laͤnger gewaͤhret hette / verwandlet in einen Reiffen / der um ſo vil ſchaͤd - licher denen Erdgewaͤchſen gefallen were / weilen dero Gaͤng und Loͤchlein durch vorhergegangene Waͤrme eroͤffnet / die Blaͤtter und Blumen außge - ſpreitet waren. So daß wir dißfahls der Guͤte Gottes Urſach haben die - muͤhtigſten Dank abzuſtatten / daß nach ſeiner allerweiſeſten Vorſehung dergleichen voͤllige Sonnenfinſternuſſen nur etliche Minuten waͤhren / vil laͤnger aber die Mondsfinſternuſſen / vor welchen wir uns nicht ſo vil zu foͤrchten haben.

Unter den Thieren beobachtete man waͤhrender voͤlliger Sonnenbede - kung verſchiedene Enderungen. Die Voͤgel flogen auf / als ob ſie in ihreRuh100Ruh wolten / und begaben ſich wirklich in ihre Neſter / oder / wo ſie den Weg verfehlet / pütſchten hin und wider an den Haͤuſeren an. Die Fledermaͤuſe hingegen lieſſen ſich hervor / und flogen umher. Das vierfuͤſſige Vieh auf den Weyden ſtelte ſich zuſamen / und ruͤſtete ſich auch zum Heimweg. Die Pferde / ſo auf der Straß waren / ſtuhnden ſtill / oder waren anderſt nicht / als mit Gewalt fort utreiben. Der Fiſchen halb gewahrete man in unſerem Zuͤrich-See / daß ſie ſich oben auf gelaſſen / und in groſſer Menge auf der obe - ren Flaͤche des Waſſers einhergeſchwummen / etliche auch auſſer das Waſſer in die Hoͤhe geſprungen / ſo daß man ſie gleichſam mit Haͤnden h〈…〉〈…〉 tte fangen koͤnnen. Diſere Begegniſſen ſehen die Schul-Lehrer an als vernuͤnftige Bewunderungen uber ein ſo ſeltſame Natur-Geſchicht; wir laſſen ſie auch in ihrem und ſolcher Thieren Gehirn wirkliche und ſolche Vernunftſchluͤſſe / von entgehung der Gefahr / außweichung der Nachtſchrecken ꝛc. machen / an welche kaum auch die kluͤgſten unter uns Menſchen gedaͤchten / und ſehen die ganze Natur an als eine von dem Allweiſen und Allmaͤchtigen Schoͤpfer verfertigte Kunſtuhr / in welcher alles ſich richtet und beweget nach denen von ihme vorgeſchriebenen Geſaͤtzen / aber ohne Verſtand / in welchen auch ſelbs unſere vorhabende Thiere anzuſehen ſein / als ſo vil Kunſt-Raͤdlein / die ſich bewegen nach dem G[e]walt der Feder / oder angehenkten Gewichten. Die jeni - gen Voͤgel / welche des Tags umher fliegen / haben eine hierzu bequeme Ge - ſtaltung aller ihrer Theilen. Die zarte Geſtalt ihrer Augen iſt alſo kunſtlich eingerichtet daß des Tages Liecht ihnen ein nicht zu ſtarke und auch nicht zu ſchwache eindrukung machet / und ſie darbey ihrer Nahrung nachgehen / und andere ihnen noͤhtige Verꝛichtungen außuͤben koͤnnen. So auch werden ihre Geiſter mit dem Gebluͤt durch der Sonnen Liecht / und außgetheilte Waͤrme in eine ihren Verꝛichtungen angemeſſene Bewegung gebracht / daß alles an ihnen lebt / und ſchwebt. Wann nun an dem hellen Mittag diſe Urquell ihrer Waͤrme / und Bewegung / die von der Sonnen auf ſie geleitet wird / einsmahls gehemmet wird an ihrem Außfluß / ſo ſtehet die Waſſer - Blut - und Geiſter-Muͤhle / oder Haut-Fleiſch - und Bein-Uhr ſtill: in ihre Augen kommet eine ſo ſtarke einsmahlige Duͤnkle / welche ihnen die Nacht vorſtellet / und bey welcher ſie zu anderen Zeiten ſich zur Ruhe be - geben / da dann diſere retirade der Voͤglen meines erachtens ganz anderſt anzuſehen iſt / als der Menſchen vernünftige Berahtſchlagung / in der duͤnkle naher Hauß ſich zu begeben / oder vor dem Regen unter das Tach zu kommen. Die Nachtvoͤgel hergegen haben eine ſo zarte Geſtalt ihrer Augentheilen / daß ſie das helle Liecht der Sonnen / und des Tags nicht vertragen koͤnnen / ſon - dern zu ihren Verꝛichtungen genug haben an dem ihrem Geſicht angemeſſe - nen Nachtſchein / bey deme ſie dann ſich auß ihren Neſteren / und Hoͤlinen her - vor machen. ꝛc. Das Kupfer koſtet 2. ß.

101N. 26.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung Von der groſſen Sonnen-Finſternuß.

DJe vier fuͤſſige Horn - und andere Thiere wiſſen gleichfahls ihre Zeit / das iſt / ihrer Leiberen Geſtalt richtet ſich auch nach der Ge - wohnheit bey einbrechender duͤnkle eintweders in dem Stall zu ſeyn / oder nacher Hauß zu kehren. Wahr iſts / daß vil von ihnen auch Nachts ſehen / hier aber iſt zugewahren / daß auf den hellen Schein einsmahls einge - brochen eine finſtere / und in ſolchem Fall denen Thieren begegnet / was uns Menſchen / oder ihre Augen ſolcher Geſtalt geblendet worden / daß ſie die vor - kommende Dinge nicht wol / wie ſonſt in gleichem Grad der Duͤnkle ſehen koͤnnen / daher dann die Pferde zum ſtillſtehen bewogen worden.

Der Fiſchen halb gibt es mehrere Schwerigkeiten. Diſe fliegen in dem Waſſer / gleich wie die Voͤgel ſchwimmen in der Luft / wiewol jene in einem dickeren / diſe aber in einem dünneren Element. Und iſt zuwiſſen / daß die Fi - ſche mit dem Waſſer in einem Gleichgewicht ſtehen vornemlich durch Mit - tel ihrer von Luft außgedehnten / in dem Leib ligenden / Blaſe. Zeuhet ſich diſe um etwas zuſamen / ſo fahren ſie in die tieffe / dehnet ſie ſich aber widerum auß / ſo ſchwimmen ſie uͤberſich. Zu ſothanen Bewegungen nun traget vil bey die Beſchaffenheit der aͤuſſeren Luft in Anſehung der Waͤrme / Kaͤlte / und Trukkraft / welche an denen Fiſchen ſich zeiget / gleich als an lebendigen Barometris, oder Wetterglaͤſeren / deren ſich auch die Fiſcher zu bedienen wiſ - ſen zu ihrer prognoſticierung. Was nun unſer vorhabende Geſchicht be - trift / kan man derenthalben in folgende Gedanken gerahten / daß die in waͤh - render verdunklung vermehrte elaſtiſche Treib - und Trukkraft der Luft mit ſolchen Kraͤften hineingetrungen in die Luftblaͤslein / und ſelbige alſo außge -dehnet /102dehnet / daß dardurch das Gleichgewicht zwiſchen dem Waſſer und den Fi - ſchen aufgehoben / und diſe oben auf zu ſchwimmen veranlaſet worden. Es iſt aber auch daß bey den Fiſchen zu gewahren / daß ſie die einmahlige / uns Menſchen auch unempfindliche / aͤnderung der Waͤrme und Kaͤlte nicht wol ertragen koͤnnen / ſondern gar bald und leicht die Staͤrke ihrer Zaͤſeren ver - lieren / und der Luft blaſen Außdehnung zufolg oben auf ſchwimmen muͤſſen; welches ihnen etwann widerfahrt / wann ſie von einem kuͤhleren Brunnen in einen waͤrmeren / oder von diſem in jenen uͤbergetragen werden.

Bis hieher haben wir vernommen / was vor Enderungen ſich zugetragen haben in der Natur in waͤhrender groͤſten verdunklung der Sonn. Nun wol - len wir weiters forſchen / was darauf folgen moͤchte. Hier muͤſſen wir auf eine Seiten ſetzen die jenigen / welche entſetzliche und Landverderbliche Zeiten / ſo wol in anſehung der Natur / als Policey mit Schrecken erwarten / und auß einem von der Finſternuß angezuͤndten Eifer vorſagen; auf die andere Seiten aber die / welche auß natuͤrlichen Gruͤnden weder gutes noch boͤſes / auß diſer ſonſt natuͤrlichen Begebenheit vor ſehen. Jene halten es mit den alten und neuen Heiden / und unwiſſenden Schul-Lehreren / denen dergleiche ſeltſame Naturbegebenheiten Ominos vorkommen / und bringen einen ganzen Rodel alles des jenigen Ungluͤcks / ſo auf dergleichen voͤllige Finſternuſſen erfolget / und zum Theil oben erzehlet worden. Diſe ſehen lieber durch die Fernglaͤſer ihrer mit Aſtronomiſchen und Phyſicaliſchen Wiſ - ſenſchaften eingefaßten Vernunft / als aber durch die finſtere Glaͤſer unbe - gruͤndter Vorurtheilen. Und wirken bey ihnen ſothane Begegniſſen vil - mehr heilige Freuden / weilen ſie darauß ſehen die unwandelbare Weißheit des Groſſen Gottes / welcher ſein Himmel-Sternen - und Erden-Gebaͤu noch immer erhaltet / nach denen von ihme ſelbs auß freyem Willen eingefuͤhrten Geſaͤtzen / und wurden erſt dannzumahl erſchrecken / wann diſe Naturord - nung unterbrochen / und eine / auch voͤllige / Finſternuß zu ihrer beſtimten Zeit nicht geſehen wurde. Sie geſtehen und wiſſen / daß in der Welt in - nert einem kleinen Jahrbegriff namhafte Enderungen vorfallen im Krieg und Fried / Groſſer Herꝛen Geburt und Tod / Niderlage und Siege / Belaͤ - gerungen und Einnemmungen gewaltiger Veſtungen / Theure / und andere dergleichen Sachen mehr / koͤnnen aber nicht glauben / daß ſothane Sachen von den Finſternuſſen herꝛuͤhren / oder prognoſticirt werden / ſo lang man ihnen idem per idem probirt, oder keine natuͤrlichen Zuſamenhang zeiget zwiſchen dem Zeichen / und dem bezeichneten. Wie laͤcherlich were es / wann einer auß der letſten Sonnenfinſternuß wolte ſchlieſſen den bald erfolgenden Tod des jezigen Koͤnigs in Frankreich / Ludovici XIV. weilen auf die voͤllige Sonnenverfinſterung / ſo An. 840. den 2. May geſehen worden / auch er -folget103folget der Tod Ludovici Pii, oder An. 878. der Tod Ludovici Balbi, und auf die An. 1560. der Tod Franciſci. Und doch hette ein ſolch Prognoſticon ein mehreres Fundament / als vil andere / weilen da uͤberein trift die Gleich - heit des Monats / Nammens / und dreyer Koͤnigen Exempel / und noch uͤber diß des annoch lebenden Koͤnigs eigenes Sonnen Sinnenbild. Oder / wer wolte ſo kuͤhn ſein / und vorſagen den Tod des jezigen Papſts Clementis XI. weilen auch auf die Finſternuß An. 1187. geſtorben Urbanus. Oder wer wolte ſo frech ſeyn / und ſagen / daß die juͤngſt geſchehene entſetzung der be - laͤgerten Statt Barcellona in Catalogne / und vorgegangene Schlacht bey Tirlemont / und darvon abhangenden Revolutionen in Spanien / und denen Spaniſchen Niderlanden / ſeyen von diſer Finſternuß vorbedeutet worden / obgleich diſere Streiche empfindtlich / und die folgende Enderungen fehr groß. Wir unſerſeits wollen nicht klug ſein uͤber das / was ſich klug zuſein gebuͤret / nicht mehr ſagen / als wir wiſſen zubegruͤnden / aber auch ſolche Finſternuſſen anſehen / als vernuͤnftige Menſchen / hierauß / wie auß allen anderen Geſchoͤpf - ten erkennen den jenigen Welt-Monarchen / bey dem keine Veraͤnderung / noch einicher Schatten der Abwechßlung / verehren ſeine allerfollkomneſte Eigenſchaften; unter anderem auch ſeine preißwuͤrdigſte Weißheit und Guͤte darinn / weilen wir auß genauer wahrnemmung ſolcher verfinſterun - gen lehrnen koͤnnen / und verbeſſern den ſonſt uns Menſchen verworꝛenen Lauff des Geſtirns; allen Staͤtten und Landen der Erden auf der Kugel / oder Charten / geben ihre rechte Plaͤz / auß erfindung der Laͤnge eines jeden Ohrts; flicken / und außbeſſeren die ſonſt hier und da zerꝛiſſene Chronologie, oder Zeitrechnung. Jch geſchweige des Politiſchen Nutzens / welchen auß der Wiſſenſchaft von Finſternuſſen gezogen ein Pericles, welcher ſeine bey An - laß einer Sonnenfinſternuß in Schrecken gerahtene Soldaten durch artige Vergleichung eines uͤber ſein Angeſicht gezogenen Mantels widerum auf - gemunteret: ein Dion Koͤnig in Sicilien / welcher ſich diſer Wiſſenſchaft bediente zu eroberung der Statt Syracuſa: ein Sulpitius Gallus, und Druſus zu beſaͤnftigung der poͤchiſchen Miliz; ein Chriſtophorus Columbus, zu Erhaltung alles deſſen / was er An. 1493. von denen Einwohneren Ja - maicæ begehrt hat.

Von Meybruͤnnen.

Es ſein die Naturwunder anderer Laͤnderen eintweders an der Zahl wenig; oder wenigen bekant. Villeicht giltet beydes bey denen Fontibus Ma - jalibus, Meybrünnen / ſolchen Waſſeren / welche nicht ordenlich durch das ganze Jahr hindurch flieſſen / ſondern in dem Meyen gemeinlich hervorquel - len / und dann im Herbſtmonat ſich widerum verlieren. Dergleichen gibt es in unſeren Eidgnoͤſſiſchen / ſonderlich Bergichten Landen gar vil / wie unten104 auß angehenkter Specification zu erſehen; da hingegen auſſert unſeren Lan - den wenig ſein / oder / wann je deren vil weren / in Hiſtoriſch natuͤrlichen Be - ſchreibungen unverzeichnet ſtehen. Guil. Piſo de Med. Braſil. Lib. I. pag. 7. gedenket des Fluſſes S. Franciſci in Fernambuco, daß derſelbe nur den Sommer durch uͤberlauffe / wann alle andere Waſſer klein ſein. Hieron. Cardan. de Subtilit. Lib. 2. Subfin. ſchreibet von einem ſolchen Sommer - brunn / der ſich finde bey Peſquera in Spanien. Bernh. Varenius Geogr. Gener. L. I. cap. 17. Prop. 17. eines anderen bey Villanova in Portugal; ſo auch eines anderen / der 2. Meilen abligt von Valladolid in Spanien: Rob. Plot. Nat. Hiſt. of Staffordshir. pap. 58. findet einen ſolchen Mey - brunnen bey Lambourn. und Edvv. Leigh. einen anderen in der Grafſchaft York in ſeiner beſchreib. Englands. pag. 219. Jch uͤbergehe mit ſtillſchwei - gen andere wenige / die ſich hier und da moͤchten finden / um eine Erzellung zu tuhn der jenigen Meybruͤnnen / welche hin und wider in dem Schweizerland ſich finden; und erſtlich zwar im

Zürich-Gebiet.

Zu Wollishofen / einem Dorff / daß ein Stund weit von der Statt abliget / flieſſet das ſo genante Schonbrünnelein im Erdbruſt allein den Sommer hindurch. Wagner. Helv. Cur. p. 135.

Zu Heßlibach in der Kirchoͤre Kuͤßnacht / in der Wetzweiler Land - ſtraß ſol auß dem Bort hervor flieſſen auch ein ſolches Waͤſſerlein / wie mich deſſen berichtet ein ſehr werther Freund / Hr. J. G. H.

Bern.

Jn der Frey-Herꝛſchaft Spietz hat diſe Eigenſchaft der Siedemans - dach. Wagn. Helv. Hiſt. Nat. p. 130. auß Rebmann. de Natur. Mag.

Underwalden.

Jn der See-Enge zwiſchen der Lopp und Rotzberg. Wagner. lib. cit. p. 131. auß Cyſat vier Waldſtaͤtten See Beſchreib. p. 248.

An Underwalden graͤnzet die Herꝛſchaft

Engelberg.

Jn welcher anzutreffen verſchiedene Meyenbrünnen; als

Zwiſchen dem Gottshauß und dem Dorff Wolffen Schieß / im Grafen-Ohrt / welches vor diſem geweſen ein Luſtſitz der Grafen von Hab - ſpurg / iſt der ſo genante Kalte Brunn / uͤber dene man ſich verwunderet / daß er An. 1700. bis in Weinmonat gefloſſen; weilen er ſonſt gewohnlich im Herbſtmonat ſich verlieret. ꝛc.

105N. 27.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung von Meybruͤnnen.

DEr juͤngſt gemeldte Brunn iſt eben der im Kaltle / deſſen gedenket Cyſat l. c. und auß ihme Wagn. l. c. daß er einsmahls im Meyen in ſolchem uͤberfluß anlauffe / daß er etliche Müllraͤder zu treiben ge - nugſam were.

Das Waſſer / oder Flumen Suranum, komt auch zu anfang des Meyens / mit groſſem Schwall / auß einer Klüften des Erdrichs herfuͤr / anfanas ganz weißfaͤrbig / wie Milch / welches hernach in das Aawaſſer lauffet. Cyſat, und Wagner l. l. c. c.

Der Dürꝛbrunn / ſol nach etlicher Meynung gleichen Urſprung ha - ben mit dem Kalten Brunnen / worvon oben.

Der Mehlbach / alſo genant / weilen er ſich durch ſeine ſtarke Bewe - gung in einen Mehlfoͤrmigen Schaum verwandelt.

Glarus.

Ab dem Berg Guppen flieſſet gegen Schwanden ab ein ſolcher Mey - brunn / welcher denen Anwohneren ein gewiſſes Zeichen gibt / daß keine rauhe Winterkaͤlte mehr zuruk / ſondern der angenehme Fruͤhling nun die Herꝛ - ſchaft der Luft beſitze. Und iſt von diſem Waſſer merkwirdig / daß darmit die Einwohner keine Erbſen koͤnnen weich kochen / noch auch die Seiffen zu rei - nigung des Leinwands brauchen; von welcher beſonderen Begebenheit an - derſtwo zu reden ſein wird.

Sargans.

Jn diſer Grafſchaft / welche von den VII. alten Ohrten bevogtet wird / liget das Weltberuͤhmte Bad Pfeffers / welches auch unter die Meybrün -nen106nen muß gezellet werden / weilen es mehrmahlen im Majo hervor quillet / und im Weinmonat widerum verſchwindet; ich ſage / mehr mahl / weilen ſo wol deſſen Ankunft / als Verlierung ganz ungewuͤß; etwann komt es fruͤher / im Aprel / wie An. 1631. in welchem das vordere jezige Badhauß unter Abt Jodoco gebauet / und die kunſtliche Waſſerleitung angeleget worden: etwañ flieſſet es den ganzen Winter hindurch / wie An. 1628. Jm 1596. Jahr iſt es im April noch in voͤlliger Menge gefloſſen / hernach verſchwunden / und im Julio widerum ankommen. Merkwuͤrdig iſt / was hier von ins gemein ſchrei - bet Joh. Kolvveck. Tract. vom Pfeffers-Bad pag. 126. Daß im Fall der Winter rauch und truken / ſich alsdann die Quellen voͤllig verberge und kom̃e nicht vor mitten / oder zu ende des Monats Mey. Jm Fall aber im Gegentheil der Winter leicht und ge - ring / ſo flieſſe zwar die Quelle / aber in keiner Menge / und nur etwas laulecht / daß auch wie ſpaͤter ſein Abzug / je ſpaͤter auch ſein Ankunft.

Eine halbe Stund von Vettis / flieſſen ohnmittelbar auß zweyen Fel - ſen / ſo ohngefahr 25. Schuhe von einander ſtehen / mit zimlichem Geraͤuſch zwey Baͤche / die Gorbsbrünnen / oder Gorbsbaͤche genant / welche ſich in das Thal herab ſtuͤrtzen / und auch im Meyen ankommen / im Herbſt aber ſich widerum verlieren.

Pündten.

Ein Meyquell findet ſich zu Tamins / einem Dorff im Oberen Grauen Pundt: wie mich deſſen berichtet der Woledle und Gelehrte Jkr. R. R.

Wallis.

Auf dem Leüker Gebirg / 200. Schritt ohngefehr von dem beruͤhmten natuͤrlich warmen Leuker Bad / iſt der Lieben Frauen Brunn / ein eiskalte Quell / welche auch unter die Meybrünnen gehoͤrt. Joſ. Simler de Alp. & Vallef. p. 20. 145. Wagner. Helv. Cur. p. 134.

Einem Naturforſcher iſt nicht genug eine bis hieher gebrachte Hiſt ori - ſche Erzehlung: (welche der curioſe Liebhaber hier und da zuvermehren ge - betten wird) erſucht uͤber diß die natuͤrlichen Urſachen ſolcher Wunder - brünnen auß zuſinnen / und vor jedermanns Augen zu legen. Wer unſers Landes Beſchaffenheit nur ein wenig kennet / der wird bald ſeine Gedanken dahin richten / daß die Sommerlichen zu - und Winterlichen abnemmungen der Waſſeren daher kommen / weilen der Schnee auf unſeren hohen Gebir -gen107gen in warmen Monaten ſtark ſchmilzet / in kalten hingegen bleibet. Auf ſolche Weiſe urtheilet Petr. Gaſſend. Phyſic. §. 3. Lib. I. cap. 7. Joh. Ray in ſeinen Topographical obſervat. p. 103. Zeugen diſer Wahrheit ſein bald alle Waſſer / Flüſſe / und Baͤche des Schweizer lands / wir wiſſen ja / daß un - ſere Sil / Limmat / der Rhein / Rhoſne, und andere mehr im Sommer ſtark an - und uͤberlauffen / des Winters hingegen ſehr klein ſein. Gleichwol braucht es doch etwas mehrers zu außlegung der jenigen Begebenheiten / welche ſich finden bey denen Meybrünnen; diſe flieſſen nicht / wie jezternente Flüſſe / des Winters wenig / und des Sommers ſtark / ſondern dort gar nicht / hier aber in voͤlliger Staͤrke; ja quellen gemeinlich in dem Meyen einsmahls / und mit ſolchem Geraͤuſch hervor / daß / wer darbey ſtehet / erſchricket. Und finden ſich Meybruͤnnen ſo wol an ſolchen Ohrten / da der Schnee zeitlich abgehet / als an anderen / da er beſtaͤndig ligen bleibt. Wir muͤſſen hiemit mit unſeren Gemuͤhts-Augen das innere Eingeweid der Bergen beſchauen / und wahr - nemmen / was in diſen natuͤrlichen Wunder-Grotten vor allerhand Waſſer - ſprünge / und Faͤlle ſich finden / auch den jenigen Grundſatz / welchen wir zu machen vorhaben / alſo einrichten / daß darauß / als auß einer lebendigen Quell die verſchiedene Begebenheiten der Meybrünnen koͤnnen hergeleitet und er - klaͤret werden. Jch wil meine muhtmaßliche Meynung auf verſchiedene Weiſe darlegen / welche dann der curioſe Leſer nach gefallen aͤnderen kan / und verbeſſeren. Nicht iſt zu laugnen / und bey anderen Anlaͤſen zu beweiſen / daß in denen Eingeweiden der Bergen anzutreffen ſeyen groſſe Hydrophy - lacia, oder Waſſergehalter / der gleichen Waſſer-Schaͤtze / wann ſie des Fruͤh - lings theils von dem ſchmilzenden Schnee / theils von unten aufſteigenden / oben in Waſſer geſamleten Dünſten angefuͤllet werden / laͤhren ſich auß / und flieſſen von dem Meymonat an / ſo lang ein neuer Zufluß des geſchmolzenen Schneewaſſers / oder der abfallenden Dünſten / oder eines auch von zuſamen - flieſſenden Schneewaſſer beſtehenden Sees Außguß in den unterirꝛdiſchen Waſſerkeſſel waͤhret: Oder / es kan ein ſolcher Waſſer gehalter angefuͤllet werden bis auf eine gewiſſe Hoͤhe / ehe er ſich ergieſſet / wann namlich der Auß - gang von Sand / oder Stein verſtopfet; oder es kan der Einfluß des Waſ - ſers in den Gehalter (von den Schneegaͤngen / von zurukfallenden Dünſten / von dem See / endlich auch von anderen kleineren Waſſerſchaͤtzen) groͤſſer ſein / als der Außfluß / folglich das Waſſer hoͤher ſteigen: Jn ſolchem Fall nun geſchihet der Außguß des Waſſers mit ſonderlichem Gewalt / gleich diß kan gewahret werden bey oben erwehnten Gorbsbaͤchen im Sarganſer - land; und wird ein ſolcher Brunn waͤhren / bis nach und nach der Einfluß abnimmet / und die Waſſerſamlung abſchweinet / da die Kaͤlte widerum ein - fallet / und den Winter uͤber ſolche Bruͤnnen muͤſſen troken bleiben.

Hier -108

Hierauß iſt ohnſchwer zuerſehen / warum dergleichen Meybrünnen bald fruͤher kommen / und auch deſto fruͤher fich verlieren / bald ſpaͤter anflieſſen / und gegen dem Winter annoch / oder gar uͤber den Winter lauffen? Wa - rum das koͤnftige Jahr meiſtens fruchtbar ſeye / wann in gegenwertigem die Meybrünnen lang flieſſen? welches bey dem Siedemansbach in der Frey - herꝛſchaft Spietz ſol angemerket werden; und nohtwendig anzeiget einen uͤberfluß von vilen waͤſſerigen Theilen in der oberen Erdenrinde / und hiemit eine mehrere Nahrung vor die Pflanzen. Zum Beſchluß uͤberlaſſe dem ver - ſtaͤndigen Leſer zu urtheilen von deren Meynung / welche ein Geheimniß da - rinn ſuchen / daß dergleichen Brünnen flieſſen von einem H. Kreuztag zu dem anderen / namlich von Kreuzerfindung bis zur Kreuzerhoͤhung / da nicht zu laugnen / daß etwann von ohngefahr ein Meybrunn kan anfangen flieſſen an dem Tag des erſten / und aufhoͤren an dem letſten Feſt; oder von des Paracelſi Einbildung / daß diſere Waſſer im Herbſt / wann andere Kraͤuter verwelken / auch verſchwinden; oder von Thomæ Aquinatis traumung / daß die himmliſchen Einflüſſe ſolche Quellen im Winter nicht auß der Tieffe in die Hoͤhe heben koͤnnen: oder von denen / welche wollen / daß die Waſſer - gaͤnge bey anfangendem Winter durch das Eiß verſtopft den durchflieſſen - den Waſſeren den Weg abſpannen; oder endlich von denen / welche auſſa - gen / daß Erdreich habe zu Winterszeiten die Kraft nicht / die Waſſer auß dem Meerwaſſer anzuzeuhen.

Von denen Steinkohlen des Schweizerlands.

Verwunderlich groß iſt die Vorſehung Gottes in außtheilung der von ihme erſchaffenen Naturgaben. Jn Bergichten Landen / wie unſer Schwei - zerland iſt / iſt eine reiche Menge allerhand Wald - und Baumholz / nicht nur zu unſerem Gebrauch / ſondern auch anderen benachbarten Voͤlkeren zu Nutz. Jn anderen Laͤnderen / da die Waͤlder / und Berge / manglen / vertrit - tet die Erde ſelbs die Stell des Holzes / wie wir ſehen bey dem Exempel des Torffs / und Steinkohlen / in denen Vereinigten / und Spaniſchen Ni - derlanden / welche auß der Erden hervorzugraben die Einwohnere diſer Lan - den genoͤhtiget worden durch die Nohtdurft. Jn unſeren Helvetiſchen Landen hat man bis dahin ſo wol das Torff / als die Steinkohlen wegen ge - nugſamer Holz-Zufuhr in der Erden ruhen laſſen. ꝛc.

109N. 28.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung von denen Steinkohlen des Schweizerlands.

VOn dem Züricher Torff habe ich etwas gemeldet Tom. I. Num. 2. p. 6. allwo ich hette koͤnnen beyſetzen / daß ſich eine groſſe vile Turff-Erde befindet im Rütiwald; ſo auch im Wenthal / welches villeicht ſeinen Nammen herholet von dem alt Teutſchen Wort Veenen, Venne, Vene, wie auch Lipſius Lib. I. Lovan. cap. 2. die Statt Loͤven in Braband herleitet von Lo, ſo eine Hoͤhe bedeutet / und Ven / und von gleichem Ur - ſprung herſtammen Venlo, eine Statt in Geldren; die Grafſchaft Zutphen, Zutven, welches ſo vil ſol heiſſen / als Zuytveen, und vil andere Oehrter in Spaniſchen / und Vereinigten Niderlanden / deren mit Nammen gedenket Schook de Turff. cap 3. So koͤnte auch (nach gemachter curioſer Anmer - kung eines gelehrten Herꝛen) unſer Wenthal ſo vil heiſſen / als Venthal / Veenthal / und Nider Weningen / Veningen. An obgemeldtem Ohrt habe eingefuͤhrt / wie die Noht gelehrnet habe die Einwohnere der Magden - burgiſchen Landen / mit Stroh kochen / und die Araber / Egyptier / und Africa - ner mit gedoͤrꝛetem Kamelkoth / denen noch hette beyfuͤgen koͤnnen die Ein - wohnere des Thals Avers in Pündten / welche ſich an ſtatt des Holzes bedienen des gedoͤrꝛeten Schaffmiſts. Jch komme nun / damit meinen Landsleuhten ſo wol / als Außlaͤnderen zeige / wie unſere Lande reich ſeyen auch an ſolchen Sachen / die wir bis dahin nicht noͤhtig gehabt haben / zu denen Steinkohlen / welche in Latein und Griechiſch genennet werden Lithantraces, τῶν λίθων ἅνθϱακες, Carbones foſſiles, minerales, terrei, lapidei, nigri, carbonarii, ſubterranei, bituminei, Sulphurei, picei, lapides foſſiles inflammabiles atri, Lapides Thracii, Terra Ampelitis, Bitumen Carbona -rium:110rium: Teutſch Steinkohlen / Steinerne Kohlen / weilen ſie den Koh - len gleich ſehen / und Steinhart ſein; Pechkohlen / Tage Kohlen / Schwarze Kreide / Kohl-Erde / Bergkohlen. Dergleichen ſchwarze Pech - und Schwefelichte Kohlen finden ſich im

Zuͤrich-Gebieth

bey Kaͤpfnach / einem kleinem Doͤrfflein am Zürich See / in der Pfarꝛ Horgen gelegen / welche gar bequem koͤnten eingeſchiffet / und in die Statt gelieferet werden. Deren gedenket Jkr. Erhard Eſcher Beſchreib. des Züricher See. p. 246, Wagner. Hiſt. Nat. Helv. p 345. und Stumpf - Chron p. 655. So auch in der Pfarꝛ Otelfingen am Laͤgerberg; und bey Stein am Rhein finden ſich auch einiche Gemerkzeichen ſolcher Kohlen in denen harten Felſen. Etwann wird auch eine Art Steinkohlen herauß - gegraben auß der mitte der Bruchſteinen / welche die Steinſprenger und Graber bey uns nennen Steingalle / weilen ſie außſehen / wie ein gedoͤrꝛte Galle.

Jm Bern-Gebieth

bey Bemont in dem Bezirck von Lauſanne Wagner. MSC. Es gedenket auch der Steinkohlen diſes Gebieths Burnet voyage de Suiſſe p. 32.

Jn der Graffſchaft Welſch Neuenburg. Wagner. Hiſt. l. c.

Jn der Graffſchaft Thurgaͤu / zwiſchen Steckboren / und Ber - nang. Wagner. l c.

Jn dem Walliſſer Land im Bremiſſerthal (Bremiſia Vallis, nicht weit von Sitten / und in dem Zehenden Siders. Wagner. l. c. auß Simler Valles. p. 2. 3. und Stumpf. Chronic. Lib. XI. c. 2. p. 654. welcher uns folgendes berichtet. Sint kurzen Jahren von An. 1540. her ſind an vilen Ohrten diſes Lands erſunden die Steinkohlen in ſo groſſer Menge / daß man den Kalch damit brennt ohn alles Holz / namlich / ſo der Kalchoffen geſezt und außgebreit iſt / zündet man die Kolſtein an / die geben ein ſehr groſſe / und ſtaͤte Hitz / laſſen auch nicht nach / bis ſie zu aͤſchen verbrünnen / alſo daß man nach anzuͤndung des Kols kein acht mehr darzu darff haben / bis der Kalch auß gebrunnen iſt.

Von dem Urſprung der Steinkohlen gibt es verſchiedene Meinungen. Einiche Naturforſcher wollen / ſie ſeyen anfangs der Welt gleich anderen Mineralien alſo von Gott erſchaffen worden zum Nutzen Menſchlicher Ge - ſellſchaft / andere hingegen / daß ſie diſe ihre Geſtalt / die ſie jezt an ſich haben / bekommen erſt hernach / ſonderheitlich in der Suͤndflut / und hiemit zu haltenſeyen /111ſeyen / als ein domahlen untergangenes / in der Erden vermodertes / oder ver - faultes / mit ſchwefelichten / und vitrioliſchen Theilen beſchwaͤngertes Holz. Und zwaren findet diſere letſte Meynung mehreren Beyfall bey denen Gelehrten / als die erſtere. Man findet je nach Beſchaffenheit der Laͤnderen / und Erden / in welcher das Gehoͤlz im Sündflut untergangen / bald alle Grad von dem annoch friſchen / unveraͤnderten / Holz an zurechnen bis zu dem / ſo wirklich zu Stein geworden; namlich ganz verfaultes / welches alſo - bald zerfalt / wann man es auß der Erden hervor nimt / welches unter das Torff gerechnet / und gebraucht wird; Holz / daß von Vitrioliſchen Saͤften durchtrungen / Kohlſchwarz iſt / aber darbey ſeine natuͤrliche Haͤrte behalten / ſo daß man es kan zu Tiſchler Arbeit anwenden; Holz / das mehr oder we - niger murb / braun / oder ſchwarz iſt / und ſich ſpalten laßt / denen halb oder ganz außgebranten Kohlen gleich. Auß welcher Verſchiedenheit dann vi - lerhand in der Mineralogie vorkommende Schwerigkeiten koͤnnen aufge - loͤſet werden / namlich von dem unterirꝛdiſchen Holz / Ligno Foſſili, Sub - terraneo; von der Ampelitide, und Pharmacitide, von deren Theophraſtus Lib. de Lapidib. und Dioſcorides melden / daß die Orientaliſchen Voͤlker mit einem auß ihro gekochten Saft die Wein-Raͤben beſtreichen / damit ſie vor den Wuͤrmen ſicher ſeyen; ſo auch von der Cilice Theophraſti, ob auch diſe unter die Steinkohlen zuzellen. Worbey wir uns nicht laͤnger aufhal - ten wollen / ſondern noch diſes gedenken / daß die heutige Aufſuchere der über - bleibſelen der Sündflut unter denen Steinkohlen finden allerhand Früch - te / Geſaͤme / Schneken / Muſchlen / und auf ihnen abgebildet zeigen allerhand Kraͤuter / deren Geſtalt den wahren annoch jezt wachſenden Pflanzen ſo aͤhn - lich / als ein Ey dem anderen. Auß welcher Anmerkung dann die Stein - kohlen zwar zu den Zeiten der Sündflut verlegt / anbey aber auch diß mit Fug kan geſchloſſen werden / daß die Steinkohlen nicht ſo faſt ſeyen ein unter - gangenes Holz / ſondern ein von zermurſeten Erden / Stein / Erdpech / Schwefel / Vitriol / Holz beſtehendes Gemenge / in welches die Kraͤuter ſich eingemiſchet / und alſo in ihrer Geſtalt / noch dem alles auf ein ander verhartet worden / geblieben; welches dann eine dritte Meynung kan abgeben / welche der geehrte Leſer kan annemmen / oder verwerffen / nach gefallen.

Fraget man nach dem Nutzen der Steinkohlen / ſo iſt zu wiſſen / daß die Artzet ſich in Anſehung ihrer Bergwaͤchſiſchen / troͤknenden / und aufloͤſen - den Theilen ihrer bedienen koͤnnen in vertreibung allerhand Geſchwulſten / ſtaͤrkung der Nerven. Nach der Zeugniß Libavii Part. III. Singular. Lib. 8. c. 10. pag. 1050. Wann die Steinkohlen mit Oehl gekochet werden / kan man darmit vortrefflich erweichen / und zertheilen / und / wann darmit das raͤudige Viehe beſtriechen wird / faͤllet der Grind in kurzem davon ab. Es ſol auchdas112das diſtillirte Oehl von Steinkohlen ſehr dienlich ſeyn in alten Schaͤden / Kroͤpfen / und Podagriſchen Schmerzen / nach dem Bericht Joh. Philipp. Büntingen in Sylv. Subterran. p. 130. hergegen iſt nicht zu laugnen / daß der Rauch von Steinkohlen der Menſchen Geſundheit hoͤchſt ſchaͤdlich ſeye / ſonderlich wann unter denen Schwefelicht - und Saltzichten Theilen ſich einfinden Arſenicaliſche / welche dann als ein wirkliches Gift eingeathmet den Lebensfaden oft in weniger Zeit koͤnnen abſchneiden; jene allein koͤn - nen Kraft ihrer zuſamenzeuhenden Saͤure die Lungenblaͤßlein angreiffen / reitzen / und das Gebluͤt nicht nur in ſeinem Lauff verhinderen / ſonder gar an - ſtecken / und ſchreiben die erfahrneſten Gelehrten heutigs-Tags dem Stein - kohlen Rauch meiſtens zu die Urſach der in Engelland / ſonderlich in der Statt Londen / ſo gar gemeinen Krankheit der Lungen-Schwindſucht. Der vornemſte Nutz / den man von den Steinkohlen zu bezeuhen hat triffet an die Menſchliche Geſellſchaft / und dero noͤhtiges Feuer zum einheitzen in kalter Winterszeit / darbey in acht zu nemmen / daß / wie ſie in Engelland / und denen Spaniſchen Niderlanden angezuͤndet werden / unter offenen Kaminen / ſie auch koͤnnen gebraucht werden in unſeren Oeffen / wann nur in mitten des Offens ein komlicher eiſerner Roſt gemachet wird / auf dene die Steinkohlen muͤſſen geleget werden / theils zu ſparung der Kohlen ſelbs / theils zu deſto leich - teren anzuͤndung derſelben vermittleſt eines wiſches Stroh / oder wenig Scheiter / theils zu deſto geſchwinderen erwaͤrmung des Offens und der Stuben. Sie dienen alſo auch zu kochung allerhand Speiſen / auf der Herd - blatten / und zum braten / wann widerum wegen deſto beſſeren Durchzugs / die Kohlen nicht geleget werden auf den bloſſen Herde / ſondern auf einen Roſt / welcher geleget wird uͤber ein halb Ellen tieffes und breites Loch / ſo in den Herd gemachet wird. Die Schmiede machen mit den Steinkohlen ein weit ſtaͤrker / und daurhafter Feur / als mit den gemeinen Holzkohlen / muͤſſen aber gewahren / daß ſie das Eiſen nicht allzulang im Feur halten / weilen es zu ſchmelzen komt / und die Kohlen fleiſſig abgenetzet werden. Die Beker koͤn - nen auch mit diſen unſeren Kohlen Brot baken / wann nur mitten durch den Bakofen / als auf einem Heerd / ein Roſt gemachet / und uͤber den Roſt ein Kachelofen in den Bakofen geſetzet wird / darauß der Zug hinden hinauß gehet / das kein Rauch in den Ofen / wo das Brot ſtehet / komme / wie diſe An - leitung gibet obangezogener Buͤnting / pag 149. welcher weiters zeiget / wie man mit den Steinkohlen koͤnne gar kommlich Bier brauen / Kalch und Zie - gel brennen / Salz / und Salpeter / ſieden / Ertze / oder Metall ſchmelzen. Jch hoffe / es werde der geehrte Leſer die außfuͤhrung diſer Materi nicht vor un - noͤhtig anſehen / weilen mich darzu veranlaſet unſere Schweizeriſche Stein - kohlen ſelbs / und auß verſchiedenen anzeigen zu foͤrchten / es moͤchte auch in un - ſeren Landen ſich erfuͤllen jene Wahrſagung Melanchthonis, daß vor dem juͤngſten Tag ſeiu werde ein groſſer Mangel 1. guter / anfrichtiger Freunde. 2. tuͤchtiger und wichtiger Muͤnze / und 3. wilder Holzungen. ꝛc.

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113N. 29.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Von dem Lucerniſchen Drachenſtein.

WAnn nach dem gemeinen Spruͤchlein rara præclara, und præclara rara, was rar oder ſeltſam iſt / auch ſol hochgeachtet werden / und je die rarſten Sachen eintzelen ſein / oder gar wenig gefunden werden / und in deſto hoͤherem Grad der Follkommenheit / ja auch des Wehrts ſiehen / ſo ſol billich allen Naturalien des Schweizerlands / ja der ganzen Erden / vor - gezogen werden unſer vorhabende Drachenſtein / (deſſen gegenwaͤrt ger Beſitzer iſt das wol edle Cloſiſche Hauß in Lucern) weilen in ganz Europa kaum ein Koͤniglich / Fuͤrſtliches / oder privat Cabinet, da ein ſolcher Stein ſich finde / wie diſer iſt. Niemand dann wird froͤmd fuͤrkommen / wann eine moͤglich kurze Beſchreibung des Drachenſteins in gemein / und unſers Lucerniſchen ins beſonder / hieher ſetzen / und auch ſelbs diſes ſeltſame und koſt - liche Naturwunder in ſeiner natuͤrlichen Geſtalt und Groͤſſe vor Augen ſtellen werde in Tab. V. Die aͤlteſte Nachricht eines Drachenſteins / welchen die Griechen Δϱακοντῖτιν, Δϱακόντειον ſcil. Gemmam, und die Latei - ner daher Dracontitim, Dracontiam, Draconitem, nennen / findet ſich bey dem Weltberuͤhmten Naturforſcher Plinio Nat. Hiſt. Lib. 37. cap 10. allwo er meldet / daß er weiß durchſichtig ſeye / und in dem Gehirn des Drachen lige / weilen er aber denen annoch lebenden Drachen muͤſſe benommen werden / ſo muͤſſen / nach der Erzellung Sotaci, die jenigen / welche ein ſolches Edelge - ſtein haben wollen / ſich auf einem mit zweyen Pferden beſpannten Wagen einher fuͤhren laſſen / und an dem Ohrt / da der Drach ſich aufhaltet / einſchlaͤf - fende Sachen außſtreuen / und dann / wann hierdurch der Drach eingeſchlaf - fen / ihme bey annoch lebendem Leib den Kopf abſchneiden / und den Stein alſo herauß nemmen. Seine Wort ſein folgende. Draconites ſive Dracon - tia é Cerebro fit Draconum, ſed niſi viventibus abſciſſo nunquam gemme -ſcit,114ſcit, in vidia Animalis mori ſe ſentientis. Igitur dormientibus amputant Sotacus qui viſam eam gemmam ſibi apud Regem ſcripſir, bigis vehi quæ - rentes tradit, & viſo Dracone ſpargere ſomnifica Medicamenta, atque ita præcidere. Eſſe autem candore translucido, nec poſtea poliri, aut artem ad mittere. Und Philoſtratus Lib. 3. meldet / daß die Jndianer ein Schar - lach farbes mit guldenen / zauberiſch einſchlaͤffenden / Buchſtaben durch - wirktes Tuch darſpreiten / und den Drachen dahin loken / daß er darauf lige / und dann den Kopf im Schlaff ſich abſchneiden laſſe. Nach Plinii Zeiten hat mancher diſen Schatz geſucht / wenig aber / oder villeicht niemand / fun - den. Marſilius Ficinus ruͤhmte ſich / daß er ihn auß Jndien bekommen habe. Boeth de Boot Hiſt. Gemmar. & Lapid. Lib. II. cap. 172. Man ſihet aber bald auß der Beſchreibung / daß diſer vermeinte Drachenſtein anders nichts geweſen / als ein gemeiner Sieg - oder Sternſtein / Stellaris Lapis, Aſtroites. Andr. Cæſalpinus Lib. 2. de Metallic. cap. 41. verſicheret / daß er diſen Stein beſitze / welches aber ihme niemand glauben wollen. Obbemeldter de Boet, der ſonſten ein gar fleiſſiger Steinforſcher / und des Kaͤyſers Rodolphi Leibartzet geweſen / bekennet frey / daß er keinen Drachenſtein jemahlen ge - ſehen. Es iſt wahr / das Plinius bey vilen heutigen Scribenten in ſchlechtem credit, als einer / der in ſeinen Schriften mehr Fablen / als wahre Geſchichten habe / wie nicht zu laugnen / daß er vil Sachen geſchriben nicht auß eigener Erfahrung / ſondern von hoͤren ſagen / und zwaren ſolche Sachen / von deren Falſchheit man jezt uͤberzeuget iſt: Aber auch ſein vil Sachen bey Plinio, die man vor weniger Zeit vor erdichtet gehalten / nun aber nach fleiſſig ge - tahner Underſuchung wahr findet. Jn gegenwaͤrtiger Geſchicht kommet die Weiſe den Drachen einzuſchlaͤffen / und ihme den Stein zubenemmen / ganz Fabelhaft herauß / wiewol unten zu entſchuldigung des Plinii auch hier uͤber etwas ſol beygeſetzet werden. Die Nachricht aber des Steins ſelbs / die man auch bis dahin nicht glauben wollen / bekraͤftiget ſich nicht wenig durch neue in Oſt - und Weſt-Jndiſchen Landen gemachte Entdeckungen natuͤrli - cher Sachen. Georg Everhard Rumph / gebuͤrtig von Hanau / der ſich lange Jahr in Jndien aufgehalten / und mit beſtem Recht den Titul Plinii Indici verdienet / berichtet uns in ſeinem koſtbaren Werk / D Amboinſche Rariteit - kamer genant / ſo erſt vor einem Jahr in Truck kommen / Lib. III. Sect 58. pag 305. 306. das unter anderen wahrhaften Schlangenſteinen (die auß vergifteten Schlangen wirklich herauß genommen worden / von ihme Ophi - tes veri, Meſtica Ular genennet) zwey zu ſeinen Handen kommen / ſo dem Plinianiſchen Drachenſtein in Anſehung ihrer Cryſtalliniſcher Durchſich - tigkeit zukommen / aber nicht groͤſſer / als ungefehr eine Haſelnuß; der einte von einem Baſilisken foͤrmigen Thier auß der Jnſul Celebes, der andereauß115auß dem Haubt einer groſſen Schlange auf der Jnſul Mindanao. Unſer〈…〉〈…〉 ucerniſche Drachenſtein kommet zwar nicht mit bisher eingeſuͤhrten Jn - dianiſchen / und Plinianiſchen / weder an Geſtalt / noch Groͤſſe / noch auch dem Zeugungs Ohrt / weil jene im Kopf ligen / uͤberein / aber doch mit anderen / ſo jezt folgender Beſchreibung des unſerigen ſollen nachgeſetzet werden; alſo aber / daß diſer jene an Groͤſſe / und Schoͤnheit weit uͤbertrift. Wir wollen die Geſchicht mit der Beſchreibung des Steins ſelbs allhier einſetzen / und herholen von der Urquell / namlich Hrn. Joh. Leopold Cyſats / geweſenen Stattſchreibers zu Lucern Beſchreibung des IV. Waldſtaͤtten Sees / pag. 176. Diſer Stein / ſagt er / iſt groß / und bey nahem ganz rund wie ein Kugel / von unterſchidlichen Farben / weiß / ſchwarz / blutfarb / ſeltzam durch ein anderen getheilt: wigt neun Untzen. Jſt treffenlich gut contra peſtem, den Schaden / mit dem Stein beſtrichen / oder umfahren / und dann 24. Stund darüber gebunden / oder alſo: Jſt der Schaden under der Uechs / ſo bind den Stein / mit einer Zwehel in die rechte Hand / ſo ziechts von Stund an das Gift auß / daß der Schaden außgehet / iſt er am Schenkel / ſo tuh gleichfahls / und bindts auf die Fuͤß.

Jtem den Weibern / ſo ihre Monat zu ſtraͤng haben; wer den Bauch - fluß / die rohte Ruhr und rohten Schaden hat / der ſol diſen Stein gleicher ge - ſtalt in die Hand binden 24. Stund / item der ſonſten boͤſe Krankheiten mit Flüſſen hat / diſer Stein iſt bey 60. Jahren an vilen Menſchen der Statt Lucern eigentlich und gewuͤß erfahren worden.

Nun folgen einiche Copien / welche ſo wol die Hiſtori als Wirkungen des Steins beglaubt machen / Wie ſie von Wort zu Wort in alt hielandiſchem Stylo und Sprach lautend.

JCh Peter zu Kaͤß / des Rahts zu Lucern / und der Zeit Vogt zu Roten - burg / Bekenn offentlich mit diſem / daß auf Heut ſeiner Dato / als ich zu Rotenburg gericht hab / vor mir erſchinen ſind / die Ehrſamen Martin Schryber der Wundartzet / Burger zu Lucern an einem: Und Rudi Stempf - lin von Rotenburg anders theils / und offnet gemelter Martin Schryber / wie daß ihme gemelter Rudi Stempfflin / ein Pfand verſezt hab / namlich ein Stein / ſo von einem Drachen ſyn ſolle / umb ein Summa Gelts / welche Sum er begehrte / ihn der Stempfflin / darumb außrichte und bezahlte / und ſollich ſein Pfand loͤßte / dieweil doch gemelt Pfand lengeſt / vor Jahren und Tagen / verſtanden und vergangen ſye / nach formb des Rechten / und darge - gen und wider / Rudi Stempfflin antwurt / es ſye wahr / er hab gemeltemMartin116Martin Schryber / ſolchen Stein verſezt / und ſoͤlte den vor lengſt geloͤßt ha - ben / und ſye Zihl und Tag / und alle Recht uͤbergangen / aber es ſye an ſeinem Vermoͤgen nicht geweſen / und noch nicht / wo es aber an ſeinem Vermoͤgen waͤre / ſo wolt er diſen Stein loͤſen / dann derſelbe Stein habe hievor ſeinen Vorderen / ein groß Gelt woͤllen gelten / und in ſinem Geſchlecht gſin / als e〈…〉〈…〉 ghoͤrt hab / vor 30. Jahren / und hab auch derſelbig Stein unzahlbarlich vi - Menſchen / Frauen und Mann / mit Hilff Gottes / ernehrt und thuͤe groß wunderliche Ding / mit verborgnem Gift zumelden / und ſtelle alle Flüß des Bluts / wie die genent werden moͤgen / es ſyen die rohten Stulgaͤng / zu Wunden / zu der Naſen / und ſonderlich der Frauen uͤbrigen Fluͤß und weib - lich Krankheit / ohn allen Schmerzen: Er habe auch von ſinen Vorderen ge - hoͤrt / daß ſein Aeni ſelig diſen Stein funden hab / in einer Matten / als er ge - hewet hab / ſye ein grauſammer Drach kommen / in dem Lufft ſchieſſen / zu nechſt bey ihme hin / von einem Berg genant Rigi / in den anderen Berg Fraͤckmont / und ihm ſo nahend / von der Hoͤhi herab kommen / daß ihm ge - ſchwunden und in Ohnmacht gelegen.

Als er aufſtunde / funde er ein Schwaͤre Bluts / ſo von dem Drachen geſpruͤzt war / daſſelbig Blut waͤre zu ſtund an geſtanden / als ein Sulz / in demſelbigen Blut ſye diſer Stein gelegen und funden worden / alſo ſye der Stein / jeſidt in ſinem Geſchlecht gebliben / und ſither / etlich Herꝛen und Staͤtt / diſen Stein wollen kauffen / aber ſine Vorderen / haben ihn nie woͤllen verkauffen / und dieweil er nun diſen Stein jezt nicht geloͤſen moͤg / ihm in Pfandtswyß verſtanden / und vergangen ſye / ſo gunt er ihn niemands baß / als ermeltem Martin Schreyber / der ihm auch vil guts getahn habe / und woͤlle von ihme / nach ein Ehrung und Schenki erwarten / was ſein guter Will ſye / ꝛc. Uff ſolches die obgenanten Parthyen / von mir obgedachtem Vogt / allerding / einanderen gichtig und bekantlich waren / und Rudi Stempfflin gutwillig was / auch Zihl und Tag vergangen / nach Ordnung des Rechten / iſt zu recht geſprochen / und mir / als einem Obervogt auch er - kennt / daß gemelter Martin Schryber und ſeine Erben / fuͤrohin diſen Stein haben ſollen / damit ſchalten und walten / als mit ihrem eignen Gut / vom Stempfflin ſinen Erben und allermenigklichen ungeſumpt / und unange - ſprochen / diſer Bekantnuß und Vertigung / begehrt Martin Schryber eines Uhrkundts / daß ihme zugeben erkennt ward / under mines vorgeſchribnen Vogts angehenktem Jnſigel / mir und minen Erben ohn Schaden / auf Montag nach St. Martins Tag / 1509.

Das Kupfer koſtet 2. ß.

117N. 30.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung Von dem Lucerniſchen Drachenſtein. Die andere Copia.

WJr Schultheiß und Raht der Statt Lucern / tuhndt kundt allermaͤ - nigklichen / und bekennend offentlich / mit diſem Brieff / daß auff hüt ſiner Date / als wir in Rathswyſe / by einanderen verſampt geweſen / vor uns erſchinen iſt / der From / Ehrſamb / unſer beſonders lieber und ge - treuer Geſchworner Diener / Martin Schryber / unſer Burger und Gricht - ſchryber / und Wundartzet / hat uns erzehlt / wie wir wol berichr / deß wunder - barlichen Kleynods / ſo ihm von Goͤttlichem Glück / vor etlichen vergangnen Jahren / zuhanden worden ſye / ein Stein / ſo von einem groſſen / ungehüwren Drachen kommen / und vor langen Jahren / in unſer Herꝛſchafften und Ge - bieten funden / und doch ungefahrlich bey den achzig Jahren oder mehr / in Heimblikeit behalten und nicht vil erzeigt / anderſt dann groß mercklich / un - gleuͤblich Schaden / damit ernehrt / fuͤr und fuͤr deßhalber in Geheimb / etlich Fuͤrſten / Nationen / Keiſer und Koͤnig ſamt den Venedigern / darnach ge - ſtelt / und geworben zu kauffen / und alſo bliben / deßhalb er auch / vil From - mer Leuthen darmit ernehrt / hie und an anderen Enden / da er beſchickt wor - den ſye / baͤtt uns darauff / daß wir ihme Kundſchafft der Warheit / von etli - chen der unſern Mittraͤthen / und andern der unſern Burgern / uffnemmen und zuverhoͤren / nach unſer Statt Bruch und Gewonheit / damit von ſol - chem Kleynod / die wunderbarlichen Ding / und die Warheit an den Tag komme ꝛc. und ſo nun / Kundſchafft der Warheit / niemand zuverſagen ſon - der zubefuͤrdern ſich gebuͤrt / ſo haben wir unſern geſchwornen Rathsrichter / und etlich unſerer Raͤthen / ſampt dem Geſchwornen Schryber / hierzu ver -ordnet /118ordnet / die Hand nach gemeltem Gezeügen geſchickt / und ſye liblich / zu Gott an die Heyligen ſchweren laſſen / was ihnen / von diſem Stein zuwüſſen ſye / ein Warheit zuſagen / niemand zu lieb noch zu leid / ſonder allein / die War - heit zufuͤrderen / und nach gethanem Eyd und unſere Ratsfreund / by ihren Eyden ſo ſye unſere Raͤthe geſchworen habent / ſo redt und bezüget / deß erſten / unſer Rathsfruͤnd Jacob Franckhuſer / als vergangner Jahren der Sterbent die Peſtilentz hie mercklich ynfiel / daß vil Leuth ſturben / da ſtieſſt ihn der Preſt auch an / am Hals by dem rechten Ohr / daß er ſich ſeines Lebens hette verwe - gen / und ſich zu Gott geſchickt / da wurde ihm geſagt / in gheimb / wie gemelter Martin Schryber / unſer Burger / ein Drachenſtein hette / darmit er etlichen geholffen / und er beſchickt den genanten Martin Schryber / mit dem Stein / und beſtriche ihm den Schaden darmit / und bunde ihm den Stein ein wyl daruff / und gleich darnach zuge der Stein / ihm den Schaden herfuͤr / daß er ihm bald außgieng / und er ehrlich genaͤß in kurtzer Zyt. Demnoch redt unſer Rathsfreund Moritz von Mettenweil / er ſye / vergangenes Jahrs / begriffen geweſen / mit einer groſſen Kranckheit des Blutfluß oder rothen Schaden / daß ihm niemand koͤnte helffen / und alle Doctores und Artzet / an ihm erſeſſen / deßhalb er mit allen H. Sacramenten verſorgt / da habe er auch beſchickt / obbenanten / Martin Schryber / mit ſeinem Stein / der kame bald / und bunde ihm den Stein in ſein rechte Hand / mit einer Zwehelen / und von ſtund an durchgieng ihm die Krafft des Steins allen ſeinen Leib / daß er von ihme ſelbs kaͤme / eine kleine wyl / darnach fuͤr zwo Stund hin / verſtund ihm der Fluß und beruͤhrte ihn nicht mehr. Unſer Burger Laurenz Huckler / unſers groſſen Raths redt / er hette den Preſten der Peſtilentz / under dem rechten Armb / da kame Martin Schryber / und beſtriche ihme den Schaden / mit dem Stein / und bunden ihme den Stein in die ſelbe Hand / da zuge der Stein die Gifft von ihm herfuͤr / underm Armb und uff dem Arm / daß es ihme dem Leib kaͤme / und genaͤſe in kurtzen Tagen.

Unſer Burger Anthoni Huter redt / er hette die Peſtilenz bey dem Bein / daß ihm niemand das Leben zuſprech / da ſchickend ſeine Freund eylendts zu Martin Schryber / der brachte ſyn Stein / und beſtriche ihm ſynen Schaden damit / und ſo dick er den Schaden damit beſtriche / ſo ſchwitzte der Stein von ſtund an / den er in kaltem Waſſer wuſche / und bunde ihm denſelben Stein an rechten Fuß / und von ſtund an / in einer halben Stund zuge er die Gifft und den Schaden auß dem Lyb / und luͤffe ihm den Schenkel nider / daß ihm vil Blatteren entſprungent / und gienge ihm an fuͤnff Ohrten / und genaſe redlich. Unſers Burgers Conrad Fiſchers ehliche Hußfraw zum Ochſen / Barbara Ferſin redt / daß ſie die Peſtilentz hette / by dem rechten Bein / daß ſie mit allen H. Sacramenten verſehen waͤre / und ſie nichts mehr von ihrſelber119ſelber wuͤßte / und niemand mehr bekannte / da habe Martin Schryber / ihro ſyn Stein auch bracht / und ihro denſelben uff den Schaden gebunden / daß der Stein die Gifft von ſtund herfuͤr zuge / daß ſie zu ihr ſelbs kaͤme / da bunde er ihro den Stein under den Fuß an die Solen / da zuge er die Gifft von ſtund an dem Stein nach / das Bein hinab / und gienge ihro am ſelben Ohrt / und uff dem fuß auch / und gnaſe redlich.

Barbara Hoffmannin redt auch ſoͤmlicher wyß / wie es jetzt diſer ge - melten Frawen zum Ochſen / gangen ſeye / alſo gienge es ihro auch / und gnaͤſe mit dem Stein. Unſer Burger und des groſſen Rahts Hans Studer redt / daß er ein groſſen Schaden gehabt habe / in der dicke des Schenckels / der ihm auffbraͤch / und außgieng ein lange Zeit / daß ſollicher maͤchtiger Fluß darzu geſchlagen waͤr / das ungleublich vil Wuſts darauß luͤffe / by einem halben Jahr / daß nicht zuſagen waͤre / und het vil Artzet / aber es hulffe alles nichts / daß er ſich des Lebens gar hette verwegen / da brachte Martin Schryber ſein Stein / und band den in ſyn rechte Hand / mit einem Tuͤchlin / und ließ ihm den ein Nacht und ein halben Tag darinnen / und verbutte ihm / daß er den Stein niemand zeigte / noch ſehen ließ / und in demſelben Tag und Nacht / ge - naͤſe er fry / und verſtunde der Fluß / und gieng ihm kein Tropffen nimmer - mehr.

Heini von Cham redt / er hette den Blutfluß / des rothen Schadens / den ihm niemand koͤnt ſtellen / daß er mit den Heyligen Sacramenten ver - forget wurde / da bunde ihm Martin Schryber ſyn Stein in ſyn rechte Hand / und ließ den ein Nacht / und morndeß ware er fry geneſen / und beruͤh - ret ihn nicht mehr. Er hab auch demnach / ein Kind gehabt / ungefaͤhrlich eines Jahrs alt / dem haben ſie den Stein / auffs bloſſe Lyblin gebunden / ein Nacht / da genaß das Kind von Stund an / dann er vil Kind wuͤſſe / die alle alſo / mit der hilff Gottes und dem Stein geneſen ſyend.

Anna Zimmer man redt / ſie habe auch den Blutfluß treffenlich gehabt / daß ihro niemand gehelffen kont / da habe ihro auch Martin Schryber / mit ſinem Stein geholffen / in einem Tag / das es ſie niemehr beruͤert hat. Sy hatte auch by ihro / ein arme Haußfrawen / die hatte ihr fraͤwlich Krank - heit ſo unbillich / faſt und lang / das ihro niemand gehelffen koͤnt / da habe ihro Martin Schryber / mit ſynem Stein / in einem Tag und einer Nacht gehulffen / daß ſy fry genaͤſen / ꝛc.

Welcher Kundſchafft der offt gemelt Martin Schryber / unſer Burger / begehrte eines Urkundts / das wir ihme mit unſer Statt Secret angehenck - rem Jnſigel beſiglet geben haben / uff Donnſtag nach St. Martins Tag Anno 1523.

Bis120

Bis hieher angezogener Cyſat, auß welchem andere / was ſie hiervon haben / entlehnet / als Athan. Kircher. Mund. Subter. Lib. VIII. Sect. IV. cap. 2. Seyfried Medull. Mirabil. Natur. p. 648. Eraſm. Franciſc. Guin. und Americaniſch. Blumgart. P. I. pag. 121. Wagner. Hiſt. Nat. Helv. p. 326. Die eigentliche Groͤſſe und Geſtalt diſes edlen Steins zeiget Tab. V. in weicher zu ſehen / daß er gleichſam abgetheilt in drey Zonas oder Gürtel - ſtrich / deren die zwey aͤuſſerſten (ſo den kalten Zonis der Erden entſprechen) an Farb ſein braun oder ſchwarzroht / gleich einem geronnenen Blut / der mittlere Strich aber (ſo der heiſſen Erden-Zon entſpricht) weißgelb / und mit ſeltſamen ſchwarzbraunen Flecken bezeichnet / in der Ordnung / und Ge - ſtalt / wie die undere Figur gleich als in einem Grundriß außweiſet. Ubrigens iſt zu wiſſen / das der ganze Stein an haͤrte den Marmor weit übertrift / wei - len ihme kein Eiſen etwas angewünnen mag.

Wann nun vil ſonſt gelehrte Leuhte die Drachen Geſchichten halten vor ein bloſſes Hirn-Gedicht / und unſer gegenwertiges Drachen-Kleinot anſchen wurden vor ein gemeine Marmor - oder Jaſpiskugel / und die ſelza - men Flecken vor ein Spil der Natur / oder wuͤrkung ſonderbarer Kunſt; als wird nicht auſſer dem Weg ſein / wann / ſonderlich auß gegenhaltung froͤmder Zeugniſſen / das jenige beybringen werde / was zu beglaubigung diſer Hiſtori dienen mag. Die Frag / ob Drachen ſeyen / wil dißmahl nicht beruͤhren / ſondern mich beruffen auf das / was zu einer andern Zeit / geliebts Gott / bey Anlas der Schweizeriſchen Drachen erzellen werde / und allhier nur diſes melden / daß die Umſtaͤnde diſer Geſchicht der Fidei Hiſtoricæ, ſo dißmahl moͤchte ſtreitig gemachet werden / ein groſſes Gewicht geben. Es komt diſer Stein nicht auß den Haͤnden eines Juden / oder betriegeriſchen Kauffmañs / oder in Natur - und Kunſtſachen erfahrnen Manns / welcher etwann einer Jaſpiskugel ſolche Farben / wie der Stein hat / hette eintruken / oder anſtrei - chen koͤnnen / ſondern von einem armen Bauren / deſſen einfaͤltiger Verſtand ſich weiter nicht erſtrecket / als zu der Begierlichkeit / den vom Drachen gefal - lenen Stein auß dem Blut / in dem er eingewikelt lage / hervorzuſuchen / und als etwas ſeltſames aufzubehalten. Wo hette er ſonſt einen Stein / deßglei - chen keiner in Europa angetroffen wird / hergenommen? Wer hette den ihme umſonſt / dann er gewißlich nicht vil darvor bezahlt hette / oder um ein gerin - ges Gelt gegeben? Was hette ihn veranlaſet / die von ihme geſehene Dra - chen-Geſchicht in der einfaltigen Ordnung / wie ſie oben beſchrieben iſt / zu er - zellen? Hette er nicht vilmehr koͤnnen ſagen / wann er je hette die Welt wol - len betriegen / diſer Stein komme auß Jndien / weil doch alles / was daher ge - bracht wird / gemeinlich hoͤher gehalten wird / als eigene Landskraft?

121N. 31.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortgeſezte Geſchicht Des Lucerniſchen Drachenſteins.

JSt ein Betrug bey dem Baͤurlein geweſen / welcher den Drachenſtein gefunden / warum hat er dann den Stein nur vor wenige Gulden / und nicht vor eine groſſe Summ Gelts / angebotten / verſezt / oder verkauft / abſonderlich / weilen leicht zu vermuhten / daß er ſeine Augen mehr werde ge - richtet haben auf die wirkungen / ſo der Stein an Menſchen und Vieh / ihme zu Nutzen / gezeiget / als auf die bloſſe curioſitet, oder ſeltſamkeit / gegen welcher die Bauren wenigreſpect tragen / wol aber groſſe Herꝛen / ſo mit dergleichen raren ſtuken in ihren Muſeis, oder Kunſt - und Naturalien Kam̃ern prangen. Daß ich nichts rede von denen trefflichen / von Artzeten aufgezeichneten / und durch den Lobl. Magiſtrat zu Lucern bekraͤftigten / vilfaltigen / und ſint An. 1661. da Cyſati Buch in Truk kommen / noch mehreren / Wirkungen / welche vergeb - lich von einem Marmor / oder Jaſpis / auſſert etwann in Blutſtellungen zu - erwarten. Wann mich in anderer froͤmden Laͤnderen Natuͤrlichen Hiſtorien umſihe / wo irgend Drachenſteine ſich finden moͤchten / ſo komt mir in der Americaniſchen Jnſul Dominici vor eine Geſchicht / welche daſige Einwoh - nere / oder Caraibes, denen Europeeren zuerzellen pflegten / von einem wunder - groſſen Drach oder Schlang / welche auf ihrem Haubt getragen einen un - ſchaͤtzbaren Stein / ſo gleich einem Carfunkel einen gar hellen Glanz von ſich geben / daß in der duͤnkle alles von ihme beleuchtet worden / wie hiervon ſchrei - bet Rochefort Hiſt. Naturell. des Isles Antilles pag. 21. der es vor ein Maͤhrlein zu halten ſcheinet. Es kan aber diſer Weſt Jndiſchen Geſchicht an die Seiten geſetzet werden eine andere auß Oſt-Jndien von dem Chineſi - ſchen Admiral Sam po, der auß Keiſerlichem Befehl ſich lang auf der Jnſul Contung, oder Poelo Condor, ſo auch in Borneo, aufgehalten / um ſolchehellfunk -122hellfunklende Drachenſteine zu erhaſchen / aber auf ſeiner ganzen Reiſe mehr nicht / als einen einigen / bekommen / von einer der groͤſten Schlangen / oder Drach / ſo Jſte Liong in Chineſiſcher Sprach heiſſet / nach der Zeugniß ob - belobten Rumphii lib. cit pag. 307. deme alle Jndianer des wahren Meſti - , oder Drachenſteins halb diſe Nachricht geben / oder wenigſtens in der Einbildung ſtehen / es leuchte zu Nacht keiner / als der von lebendigen Schlan - gen genommen werde / und ſeye der von todt geſchoſſenen Thieren genom - mene finſter / wordurch dann die oben eingefuͤhrte Fabelgleiche Erzehlung Plinii auch auf etwas feſteren Fuß der Wahrheit geſetzet wird / wenigſtens zuſchlieſſen / daß diſer groſſe Naturkuͤndiger diſes Maͤhrlein nicht erdichtet / ſondern von Jndianeren gehoͤrt habe / welche von ſelbigen Zeiten her bis je - zund noch immer in gleichem Wahn ſtecken. Naͤher zu unſers Lucerniſchen Drachenſteins beglaubigung dienet die Hiſtori des groſſen Drachen / wie ſie zu finden in Jacobi Boſii Jeroſolymit anifcher / oder Rodiſer / und wie man ſie jezt nennet / Malteſer Rittern Chronic. Part. II. welcher Drach die Ein - wohner der Jnſul lang geplaget / endlich aber An. 1346. durch den Ritter Deodatum von Gozone, ſo hernach zum Großmeiſterthum kommen / um - gebracht worden; ſonderbar aber der vom Ritter Joh. Ant. Foxano be - richtete Umſtand / daß in der Gozzonen Geſchlecht / und dero Nachkommen / unter anderen Wortzeichen diſer Ritterlichen Taht zu finden ein Stein / in Form wie ein Oliva, aber groͤſſer / und glanzend wie ein Jaſpis / underſchie - denlicher Farben / welcher ſehr wunderbarliche Tugenden / und Wirkungen wider allerhand Gift habe / wann man ihn in ein kalt Waſſer lege (welches alſobald anfange zu ſieden) und daſſelbige einem / der vergiftet / oder von einem vergiften Thier gebiſſen wurden / zu trinken gebe; Es werde auch diſer Stein geheiſſen des Großmeiſters / und der Drachenſtein / weil er auß dem - ſelbigen Drachen gezogen / welchen der Großmeiſter Deodato erſchlagen / und haben die erſtgebornen diſes Geſchlechts ſolchen allezeit in groſſen Ehren aufbehalten. Es habe auch ihme Foxano der Ritter Pietro Melac von Goz - zon, Prior zu S. Æegidio, oder Gilio, erzellet / daß er ſelber geſehen / wie ein Mann / welcher vergiftet war / von diſem Waſſer getrunken / und darauf ein ſehr vergifte Schlang / ſo anderhalb Spannen lang geweſen / zu dem Mund außgeſpeyen / und alſo geſund worden. Am naͤchſten kommet meines bedun - kens zu unferem Lucerniſchen Drachenſtein / der jenige / welchen ſint An. 1687. in Beſitz hat der Koͤnig von Siam / dann diſer nicht nur an Groͤſſe / Geſtalt / und Farb / ſo brandig Gelb / nach Roth zikende / ſonder auch mit dem Umſtand uͤber einkommet mit unſerem / daß man ihn geſehen von dem Drach fallen. Jch wil die ſelbs eigene Wort Rumphii pag. 308 hieher ſetzen / um dem ge - ehrten Leſer zu zeigen / wie nutzlich und nohtwendig es ſeye / wann man dieNatur -123Natur-Geſchichten allerhand / auch etwann entfehrnteſter Laͤnderen / gegen einander haͤlt. Een Chirurgyn hebbende eenige Jaaren op Ligoor gelegen int Jaar 1687. verklaarde my gezien te hebben en Karbonkel van een Slang by een Zeker Regent des Landts, de vvelke door de mœder in zyne Kindsheit met een kleetie in t boſch aan tvvee takken vvas gehangen, toen vvas ’er een groote Slang by hem gekomen naar t verhaal van zyne ouders, die een zekeren Steen op zyn lyf liet vallen, een die Slang is naderhant by zyne ouders altyt gevoedt: deze Steen vvas in de grootte van een oude geſchilde Pinang, ovaals vvyze, doorſchynend brandig geel, naar den rooden trekkende, by Nacht zoo klaar ſchynende, dat een Kamer daar door verlicht vvierde. De Viceroy en regeerende Opperhooft van Ligoor hebben hem dezen Steen, als hy in hegtenis zat, afgenomen, en aan den Koning van Siam gezonden.

Von denen waͤſſerigen / und windichten Luft-Geſchichten des Schweizerlands.

Wie ich oben N. 11. und 12. bey Anlas der Regenboͤgen / und N. 12. pag 47. bey Anlas der Feurigen Luft-Geſchichten gezeiget / daß in unſeren Helvetiſchen Landen ſeye der eigentliche Schauplaz derſelben; alſo kan ich auch der waͤſſerigen / und windichten Luft-Geſchichten (Meteora Aquea, & Venti) halb mit grund der Wahrheit ſagen / daß auch diſe nir - gends ſo eigentlich / wol / vil / und in ihren erſten Anfaͤngen koͤnnen wahrge - nommen werden / wie bey uns. Des Regens halb koͤnnen wir gewahren / nicht nur / wie derſelbe auf die Erde falle / ſondern auch / wie er gezeuget werde. Andere und nidrigere Voͤlker ſehen / und fuͤhlen den Regen erſt / wann er be - reits eine halbe Meil / oder noch hoͤher herab gefallen: Uns Schweizeren aber iſt erlaubt iñ das Zeug - und Geburtshauß ſelbs hinein zu gehen / ich ver - ſtehe die waͤſſerigen / auf denen hohen Alpgebirgen ligenden / und an ihnen klebenden Wolken / durch welche wir oft paſſieren / in denen Zeitbliken / wann ſie ſich in Regentroͤpflein verwandlen. Von des Regens Zeugmuter / den Wolken ſelbs: koͤnnen wir bezeugen / daß ſelbe uns vorkommen / als ein Nebel. Wie ſie in der Taht anders nichts ſein / als ein Geweb / oder Gemeng von allerhand / ſonderlich waͤſſerigen / Duͤnſten / wie ſolche Form auch haben die Nebel. Von dem Regen koͤnnen wir Zeugen / daß der in ſeiner erſten Geſtaltung außſehe gleich dem ſo genanten Staub-Regen / und beſtehe in vilen dicht in einander ſtehenden kleinen Waſſertroͤpflein / welche an groͤſſe zunemmen / je mehr ſie in das Thal / und der Troͤpflein vil auf einander / fallen /aber124aber auch in der Tieffe duͤnner ſein / oder weiter von einander ſtehen / daher / wann ohngefahr ein Regen auf einem Berg einbricht / man in mitten deſſen daher wandelt / gleich als in der Finſterheit / ſo daß man kaum etliche Schritt weit vor ſich ſihet / und man dann zumahl behutſam einherzugehen hat / damit man nicht an gefahrliche / gaͤchſtotzige Ohrt hinkomme / und bey ſolchen Be - gebenheiten auch die Aelpler ſebls ſich oft nicht getrauen weiter fortzugehen / auß Forcht / in gefahrliche Jrꝛwege zugerahten / weßwegen ſie auch pflegen die Reiſenden zu wahrnen / daß ſie irgendwo ſtill halten / wann ſie / als erfahr - ne Heu - und Wetterſchauer / ein Ungewitter / wie ſie es nennen / vor ſich ſehen. Es tragt ſich oft zu / daß ein vom Wind getribene Bergwolke ſich in einen Regen verwandelt / der nur etliche Minuten lang waͤhret / und ſo wol vor / als nach ihme eine helle Luft zeiget / uͤber welche / und andere dergleichen Zutragen - heiten ein Naturbegirꝛiges Gemuͤht ſich nicht wenig ergetzen kan. Wenig - ſtens kan ich von mir bezeugen / daß an dergleichen / ſonſt wilden / und einſa - men / Ohrten groͤſſere Beluſtigung / und mehreren Eifer zur Aufmerkung ſpuͤre / als bey den Fuͤſſen des groſſen Ariſtotelis, Epicuri, oder Carteſii. Etiam hîc Dii ſunt, ſagte jener Heiduiſche Weltweiſe / da laſſet ſich mit Haͤnden greiffen die unermaͤßliche Allmacht / Weißheit / und Guͤte Gottes; auf denen Alpgebirgen kan man die Naturwunder beſehen / gleich als in einer wolver - ſehenen Ruͤſtkammer / oder Zeughauß. Wil der Herꝛſcher der Heerſcharen unſer Land heimſuchen mit Troͤkne / ſo befihlet er den Winden / daß ſie unſeren Waſſervorꝛaht / die Wolken wegfuͤhren in andere Laͤnder / ſo werden unſere Brünnen vertroknen / die Baͤche / und Flüſſe abnemmen / das Graß auf dem Feld verdorꝛen / die Mühlen ſtill ſtehen / Viehe und Menſchen vor Durſt ſeufzen und ſchreyen / und uͤberall ein groſſer Jamer entſtehen. Wil diſer oberſte Gewalthaber uns ſtraffen mit vilem Gewaͤſſer / ſo dünnet er die Luft auß / daß ſie die Dünſte nimmer halten kan / ober / er befihlet widerum den Winden / daß ſie die Wolken zuſamentreiben in Regen; Oder er gebeutet der unterirꝛdiſchen Waͤrme / daß ſie von denen in der Erden verborgenen Waſſerſchaͤtzen mehrere Dünſte in die Hoͤhe treibe / ſo dann wird das Waſ - ſerzeughauß auf hohen Bergen geoͤffnet / daß alle Brünnen / Baͤche / und Flüſſe an - und überlauffen / und ein ganzes Land mit allzuvilem Waſſer be - laden / oder uͤberſchwemmet wird / widerum zu groſſem Schaden der Fruͤch - ten / Ackeren / Weinbergen / Menſchen / und Thieren. Verwunderlich groß iſt die Weißheit Gottes in außtheilung des Thaus; Niemand iſt / der nicht wiſſe die herꝛlichen Wirkungen deſſelben zum wachsthum / und befruchtung der Erden-Gewaͤchſen / und geben hieruͤber die Naturforſcher ſelbs ein mehre - res Liecht / wann ſie den Urſprung des Thaus nicht nur herholen von denen bloſſen Waſſertheilchen / ſondern auch ſelbs von einichen auß den Gewaͤchſen ſelbs außduͤnſtenden Balſamiſchen / oͤhlichten / geiſtreichenden Pflanzen angemeſſneren theilen. ꝛc.

125N. 32.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung Von denen waͤſſerigen / und windichten Luft - Geſchichten des Schweizerlands.

JEdermañ ſolte in die Gedanken gerahtẽ / das auf denen hohen Gebirgen nirgends kein Thau ſich ſetze auf die Pflanzen / ſondern alle Thau - ichte Theil ſich verwandlen in Reiffen / wegen beharꝛlicher Kaͤlte / und immer durchblaſenden ſcharffen Winden / folglich auf den Alpen alle Pflan - zen / und dero Blumen erſtarꝛen / und an ſtatt ſchoͤner / Graß - und Blumreicher Alpen / oder Weyden nichts anders zu ſehen ſein / als ein unfruchtbares / von Kaͤlte geſengtes Erdrich / wie wir mit ſchmerzen etwañ erfahren die traurigen Wirkungen der Reiffen / ſo da fallen auf unſere Weinraͤben / und Garten - Gewaͤchs. Worauf aber zur Antwort dienet / daß freylich auf diſen hohen Alpgebirgen nicht koͤnten gepflanzet werden die Weinraͤben / oder Garten - und andre zarte Fruͤchte / ſonder von dem allweiſen Gaͤrtner in diſe hohe Berg - Gaͤrten geſetzet worden ſolche Pflanzen / welchen die auch bald beſtaͤndige har - beſte Kaͤlte nicht nur nichts ſchadet / ſondern noch zu vermehrung ihrer Kraft dienet / wie zu ſehen auß Tom. I. N. 16. welche hiemit die Reiffen ſelbs wol vertragen koͤnnen / gleich dem gemeinen Graß / und anderen Mat - tenkraͤuteren. Es iſt aber zu deſto groͤſſerer bewunderung Goͤttlicher Vor - ſorg zubemerken / daß auch auf den hohen Alpen oft bey dem Schnee / und Eis fallen die beſten / kraͤftigſten Thau. Es wird die verwandlung der Thau - troͤpflein in Eis verhinderet theils durch aufliegende / und an den Bergen klebende Wolken / theils durch die waͤſſerige Duͤnſte / welche alle Morgen auß dem Erdrich in groſſer Menge aufſteigen / und die Erde gleich einem Kleid bedecken / alſo die Waͤrme beyſamen halten / daß die Kaͤlte dannzumahl nichts kan außrichten / wie auch wir bey uns eher ſpuͤren / und foͤrchten / einen Reiffennach126nach einer hellen / als nach einer dunklen mit Wolken überzogenen Nacht. Der Schnee / eine auch waͤſſerige Luftgeſchicht / ſcheinet bey erſter Anſicht den Bergpflanzen eben ſo wenig dienſtlich / als beſtaͤndige Kaͤlte / und Reiſſen / ſonderlich / wann noch neben dem ewigen Schnee geſehen werden immer - waͤhrende Berggroſſe Eisklumpen. Daher bey Polybio unſere Alpen an - geruͤhmet werden als infames frigoribus Lib. 3. und Juſtinus nennet ſie Hiſt Lib. 24. Invicta Juga, & frigore intractabilia loca. So daß man wol die jenigen Voͤlker koͤnte halten vor die ungluͤkſeligſten / welche an und nahe bey den Schneegebirgen muͤſſen ihr Leben zu bringen / nach jenem Außſpruch Ovidii Lib. I. de Pont. Eleg 4.

Orbis in extremi jaceo deſertus arenis
Fert ubi perpetuas obruta Terra Nives.

Es koͤnnen auch die jenigen / welche nur von weitem unſere Schnee-Gebirge anſehen / oder darvon hoͤren / nicht begreiffen / daß / was wir taͤglich mit Augen ſehen / und zu unſerem Nutzen genieſſen koͤnnen / daß namlich nahe an dem Schnee und Eis anzutreffen ſeyen die fetteſten / mit dem beſten Graß / und vilfaltigen ſchoͤnen Blumen außgezierten Berg-Gaͤrten / oder Alpen / welche ſein der Schweizeren Schatz / Bergwerk / Handelſchaft / und bald einige Ver - nuͤgung. Sehet / wie der allweiſe Schoͤpfer und Erhalter aller Dingen das jenige / was andere anſehen als einen Fluch / und deßwegen foͤrchten / verwan - delt in einen Saͤgen! Setzet euch mit mir ein wenig auf diſen rauhen / und fruchtbaren Schneegebirgen nider / und betrachtet den herꝛlichen Nutzen des Schnees! Erinneret euch / wann ihr jemahlen geſehen habt Waſſer deſtil - liſren, oder brennen / oder auch deſſen / was Tom I. N. 5. bey Anlas des Schweizerlands koſtlichen Waſſerquellen geſchrieben habe / daß auf den Helm gehoͤret kaltes Waſſer / oder nebſt den Brennhafen geſtellet wird ein mit kaltem Waſſer angefuͤlltes Faß / damit die von dem Hafen aufſteigenden Duͤnſte ſich ſamlen in Troͤpflein / welche dann in den Vorlag außlauffen. Allhier iſt der Brennhafen die Erden / das Feuer die unterirꝛdiſche Waͤrme / der Helm unſere hohen Alpen / und deren mit Kuͤhlwaſſer / das iſt / beſtaͤndi - gem Schnee bedekte Felſen / welche dann die auß dem inneren Eingeweid der Erden aufſteigenden Dünſte zum theil verhinderen an voͤlligem außfliegen / ſondern ſamlen in Troͤpflein / welche dann durch ihren Zuſamenfluß außma - chen die Brünnen / Baͤche / und Flüſſe / und vor allem unſere Bergweiden traͤnken / und anfeuchten / zu groſſer Erquikung daſiger Pflanzen / welche ohne diſe und andere von den Wolken auf ſie niderlaſſende Waſſer von Durſt muͤßten vertroknen / und verderben. Uber diß iſt zugewahren / daß die innere Erden-waͤrme / von dem Berg-Schnee an ihrer außrauchung verhinderet / deſto kraͤftiger wirket in die Gewaͤchs / und eine deſto mehrere Nahrung inihre127ihre Wurtzen / Stengel / und uͤbrige Theil treibet. Sotahne nehrende / trei - bende / und Waͤrme erhaltende Kraft des Schnees erfahren wir bald alle Winter auf unſeren Aekeren. Vota Arborum, frugumq́ue communia ſunt, Nives diutinas ſedere. Cauſa non ſolùm, quia animam Terræ evaneſ - centem includunt, & comprimunt, retroq́ue agunt, in vires frugum, atque radices. Verum quòd & liquorem ſenſim præbent, purum præterea leviſ - ſimumq́ue, quando Nix Aquarum cœleſtium ſpuma eſt. Plin. Hiſt. Nat. Lib. XVII. cap. 2. Des Hagels halb iſt zu geben folgender Vorbericht. Auf denen hohen Alpen fallet gar ſelten ein groſſer / ſchwerer / Hagel / ſondern nur ein ſo genanter Riſel / dann der Ohrt / da der Hagel gezeuget wird / nicht hoch / und die Regen-Troͤpflein klein. Jn denen zwiſchen ligenden Thaͤleren aber / und nidrigeren Schweizeriſchen Landen / gibt es ſo groſſen Hagel / als anderſtwo / ja villeicht noch oͤfters / weilen wir wegen unſerer kalten Nachbar - ſchaft auch mehrere kalte Winde bey uns ſpuͤren / welche dann die herabfal - lende Regentropfen leicht koͤnnen verwandlen in Hagel. Der Winden halb beliebe der geehrte Leſer zu gewahren / daß diſe ſo ſehr verſchieden ſein / als in anderen Landen / und aber vil ſich richten nach der Situarion, oder Gelegenhelt / der Thaͤleren / allermaſſen einiche dem Sudwind offen ſtehen / andere gegen dem Nordwind ligen / die dritten gegen Morgen / oder Abend / oder auch andere Seitengegenen der Welt / ſich zeuhen / woher dann auch komt der groſſe underſcheid zweyer oft nahe bey einander ligenden Thaͤle - ren in Anſehung der Fruchtbarkeit / ſonderlich Korns und Weins. Und iſt bey ſo tahner Bewandtnuß unſers Lands ſich nicht zu verwunderen / wann hier und da ſich ein Sudoſtwind verwandlet in Oſt - oder Sud / ein Nord - oft in Nord oder Oſt / ein Sudweſt in Weſt oder Sud / ein Nordweſt in Weſt oder Nord / und alſo fort / welches nach meinem Bedunken groſſe Schwirꝛigkeiten verurſachet / in wahrnemmung der Winden / und dero Wirkungen / welche von einem Wind ſehr verſchieden ſein an verſchiedenen Ohrten. Die jenigen Laͤnder und Thaͤler / welche jenſeits der hohen Gebirgen gegen Jtalien ligen / haben einen weit waͤrmeren Sudwind / als die diſſeits gegen uns ſich zeuhen. Jn dem Rheinwald / einem Thal in Puͤndten / ſo gegen dem Urſprung des Hinderen Rheins ſich zeuhet / hat der Mittag - wind / welchen die Einwohnere den Welſchen Seewind nennen / diſe ver - wunderliche Eigenſchaft / daß er das Heu / welches ſonſt duͤrꝛe halben koͤnte eingeſamlet werden / ganz feucht und weich machet / daß man es muß ligen laſſen / obgleich ſonſten der Himmel hell / und das ſchoͤnſte Wetter regieret; da man hingegen an andern Ohrten unter diſes Foͤnwinds Regierung das beſte und duͤrꝛeſte Heu machen kan / als in der Schamſer Landſchaft / welche nicht weit von dem Rheinwalder Thal ligt / aber tieffer. Es haben ſich vilheutige128heutige Naturforſcher / ſonderlich Mariotte, Sturm, &c. ſehr bemuͤhet auf die Winde achtung zu geben / und endlich nach viljaͤhrigen Obſervationen dahin zukommen vermeint / daß eine gewiſſe Ordnung ſeye bey den Winden / und namentlich auf den Abendwind gemeinlich folgen werde der Nord - oder Biswind / auf diſen allgemaͤchlich der Oſt / und endlich der Sud - oder Mit - tagwind / worauf villeicht auch ſchon zu ſeiner Zeit gedeutet hat der Altvatter Ariſtoteles, wann er Sect. 26. Probl. 30. fraget〈…〉〈…〉 πέϕυκε τὸ πν〈…〉〈…〉 μα κύκλου γραμμὴν ϕέρεσϑαι, ob der Wind in einer Zirkelrunden Li i herum fahre? Mariotte aber in ſeinem Buch du Mouvement des Eaux, & des autres corps fluides pag. 50. berichtet / wie er zu Paris gewahret / daß diſer Wind - Zirkel ſich ende innert 14. Tagen / und gemeinlich blaſe bey vollem und neuen Mond der Nord - oder Nord-Oſt / das iſt / wann an dem Tag des Neumonds wehe der Nordwind / ſo komme auf ihn nach 3. oder 4. Tagen der Oſt / nach diſem der Sud / und Weſt / und endlich in dem vollen Mond wide - rum der Nordwind / zeiget aber zugleich an / daß einiche diſer Winden zu - weilen zuruk kehren. Zum Exempel / der Weſt ſich verwandle in Sudweſt / der Nordoſt in Nord / welche dann waͤhren 7. oder 8. Tag / niemahlen aber bringen ſie zu End den ganzen Circul. Welches alles uͤbereinkomt mit dem / was Sturm ſchreibet in ſeiner Diſſ. de Aeris Mutationibus p 20. mit dem Anhang / daß diſer Wind-Kreis ungleich außlauffe / etwann in 4. Tagen / etwann auch innert 24. Stunden / ſo daß er ſich nicht ſo genau richte nach dem Lauff des Mondes. Wolte man hierüber eine eigentliche Nachricht haben / ſo were kein beſſer und ſicherers Obſervatorium in ganz Europa / als die Spi - zen unſerer hohen Alpgebirgen / weilen dorthin die Winde in ihrer natuͤrlichen Lini / ohne vorher außgeſtandene Enderung / kommen / und wil ich meines Ohrts zu ſolchem Geſchaͤft erkieſen die auf dem Gotthard / als oberſten Gipfel von Europa / reſidirende Herꝛen Patres Capucinos, und Publico no - mine ſonderlich hierzu erbetten den Ehrwuͤrdigen Herꝛen P. Proſper, in deſſen Muſeo ſehr wol ſtuhnde / zu Dienſten der curioſen Welt / ein Wetter - glaß / oder Barometrum, nebſt einem Anemometro, oder Windzeiger / deſſen Scheiben ſein wurde in ſeiner Zell / die Stangen aber mit dem Faͤhndlein koͤnte oben durch das Tach gehen. Wann dann wolermeldter Hr. P. wurde die Muͤhe nemmen / alle Tag aufzuzeichnen die Grad ſo wol des ein - ten / als des anderen Jnſtruments / ſo koͤnte hierdurch vil neues / und gewiſſes in Erfahrung gebracht werden. Um ſo vil deſto noͤhtiger weren dergleichen Anmerkungen / weilen glaubwuͤrdig / und der Wahrheit ganz aͤhnlich iſt / daß unſere Helvetiſchen Gebirge / wie ſie der Schatzgehalter von Europeiſchen Waſſeren mit Recht koͤnnen genennet werden / auch eine fruchtbare Zeug - muter ſeyen der Winden. ꝛc.

129N. 33.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung Von denen Waſſer - und windichten Luft - Geſchichten des Schweizerlands.

ES hat vor laͤngſten der beruͤhmte Silius Italicus die Alpen angeſchen als ein Stammhauß des Æóli, wann er alſo ſchreibet:

Sola jugis habitat diris, Sedesq́ue tuetur
Perpetuas deformis Hyems: illa undique Nubes.
Huc atras agit, & mixtos cum Grandine Nimbos,
Jam cuncti flatus, ventíque furentia Regna
Alpina poſuêre Domo.

Wer ſich hierinn nicht alſobald finden kan / der beliebe Achtung zu geben auf folgende Beweißthum. Es ſeyn die Winde / nach der vornemſten Na - turlehreren Meinung anders nichts / als eine bewegung der waͤſſerigen Dün - ſten / welche durch der Sonnen waͤrme aufgezogen / und weiters zertheilt eine ungleiche Truk - und Bewegung der Luft verurſachen / und folglich Winde erwecken. Wo nun vil Waſſer ſeyn / da gibt es auch vil Dünſte / wo diſe in groſſer Menge aufſteigen / da ſpuͤret man vil Winde / wie wir ſehen koͤnnen auf und an dem Meer. Nun wiſſen wir / daß in den tieffen Eingeweiden unſerer Landen ein groſſer Vorꝛaht iſt an Waſſeren / auß welchem gleich auß einem Brennhafen / oder unterirꝛdiſchem Meer / durch Hilff einer inne - ren waͤrme ohne aufhoͤren aufſteiget eine unglaͤubliche vile Duͤnſten / welche oben durch die Loͤchlein unſerer Gebirgen außdaͤmpfen / gleich als auß einem Kamin / und bald darauf in der oberen und auſſeren Luft / gleich als in einem Vorlag die Windzeugenden Wolken geſtalten. Hierzu kommen noch die maͤchtig groſſen ewigen Schnee - und Eisklumpen / von welchen die Sonnen -waͤrme130waͤrme immer etwas aufloͤſet / und die Winde ſelbs wegtragen. Wer die Wahrheit deſſen noch nicht faſſen kan / der verfuͤge ſich hin zu den Goldſchmi - den / und ſehe mit Augen / wie in der ſo genanten Æolipila, einer Art küpfer - nen Blaßbalgs / das bloſſe in Dünſt aufgeloͤßte / und durch ein enges Roͤhr - lein getribene Waſſer einen ſtarken Wind erwecke. Wer hieran noch nicht kommen wil / der frage die Schiff - und Akerleuhte / und lehrne von ihnen / daß die dicken Wolken gemeinlich den Winden vorgehen / und deren aufloͤſung bald die Winde nach ſich zeuhe. Hierauß iſt bald / und zu mehrer bekraͤftigung deſſen / was bereits von denen Urſachen der Winden geredt worden / zuer - ſehen / warum auf unſeren hohen Gebirgen allezeit Winde blaſen / und mit beſſerem Fug / als bey den Alchymiſten / hier / in vergleichung des Meers mit den Alpgebirgen / kan geſagt werden / ſuperius eſt ſicut inferius. Wo die Materi der Winden haͤuffig verhanden / da findet ſich auch bald eyn die Form / alles nach denen von Gott verordneten Naturgeſaͤtzen. Warum auch die ſonſt warmen Sudwinde in unſern Landen kaͤlter ſeyen / als anderſt - wo? welches auch angemerket Geſſn. Hort. German. pag. 238. b. iſt leicht zu er - achten / es miſchen ſich namlich mit denen waͤrmeren Wafferdünſten / auch vil kleine Eis - und Schneetheilchen / welche / wo ſie hinkom̃en / eine mehrere Kaͤlte verurſachen. Von denen an dem Bloks - und Harz-Bergen gelegenen Ohr - ten bezeuget auch Frider. Hoffman. Obſerv. Barometr. Meteorol. An. 1700. pag. 20. daß ſie eine kaͤltere Luft haben / als andere entlegene Lande; und Verulamius in Hiſtor. Ventor. pag. 474. merket an / daß die in Hundstagen aufgeloͤßte Schneetheilchen des Eismeers Jtalien und Griechenland ſcharffe Nordwinde zu ziehen / welche auch uns begruͤſſen in unſeren Helvetiſchen Landen. So wiſſen auch die Sachſen / und Brandenburger zu klagen ab der kaͤlte der Oſtwinden im Monat April / in welchem der Schnee auf denen Maͤhriſchen / Boͤhmiſchen / und Meißniſchen Gebirgen anfangt aufgeloͤßt zu werden. Hoffm. lib. cit. pag. 8. Diß iſt auch zum theil die Urſach / warum wir gemeinlich zu Fruͤhlings - und Herbſtzeiten gar ſtarke Winde haben / weilen dannzumahl die Dünſte naͤher beyſamen halten / und ſich mehr in die Tieffe ſenken / da ſie hingegen im Winter an Anzahl gering / und wegen mang - lender Sonnenwaͤrme traͤg / in dem Sommer aber allzuſehr / und weit in der Luft Spher zerſtreut werden / daß ſie ſich nicht leicht ſamlen koͤnnen. Hat der Winden Urvatter Æolus auf denen hoben Alpen ſeinen Sitz / ſo iſt ſich nicht zu verwunderen / wann auf denenſelben / und in der naͤhe / die Winde am hoftigſten wuͤten. Von dergleichen ungeſtuͤmen Bergwitterungen wiſſen unſere Aelpler / und auch die Reiſende vil zu ſagen / welche oft in groſſe Lebens - gefahr ſich ſtuͤrzen / wo ſie ſich auf die Reiſe begeben / welches dann die Urſach / daß ſie etwann zwey / drey / oder mehr Tag in dem Quartier zu bleiben ge -noͤhti -131noͤhtiget ſeyn. Diſe Bergwitterungen ſeyn nicht unbekant geweſen dem Poe - ten Silio, welcher uns folgenden Bericht gibt:

Interdum adverſo glomeratus turbine Corus
In media ora nives fuſcis agit horridus alis.
Aut rurſum immani ſtridens avulſa procella
Audacis rapit arma viri, volvensq́ue per orbem
Contorto rotat in nubes ſublimia flatu.

Under die wuͤtenden Winde iſt ins beſonder auch zu zellen der Foͤn - oder Sudwind / als welcher nicht nur mit ſeiner in engen Thaͤleren gefangenen Gewalt alles darnider wirft / ſondern uͤber diß in kraft ſeiner Waͤrme den Schnee auf hohen Gebirgen in wenig Zeit ſtark ſchmelzet / und hierdurch die Waſſer gefaͤhrlich anlauffen machet / uͤber das zur Fruͤhlingszeit die Baͤume / und andere Gewaͤchſe gar zu geſchwind in Saft bringet / ſo daß ſie eine dar - auf folgende Kaͤlte nicht wol außhalten moͤgen; oder auch das offene Bluſt erſtecket / daß daher keine Frucht zu erwarten ſtehet / wie ſolches An. 1676. und 1677. ſich zugetragen / nach der Anmerkung Wagneri Helv. Cur. pag. 367. Den Schaden / der von des Foͤns waͤrme erwecket werden kan / hat zu Auß - gang des Meyens in diſem lauffenden Jahr erfahren das Beltlein / Ber - geller - und andere Thaͤler in Pündten / welche von denen angeloffenen Waſſeren greſſen Schaden erlitten / ſo daß auch zu Splügen einem Mann zwey Staͤlle mit etlichen ſtuken Viehes weggetragen worden. Es kan auch hieruͤber geleſen werden Simler. Comment. de Alpib. p. 73. b. 75. b. 115. b.

Jn dem Bergeller Thal in Pündten tuht ſonderlich der Abend - wind an den Kaſtanienbaͤumen groſſen Schaden / in dem er oft in einer Nacht / und einem kleinen Bezirk 1000. derſelben niderwirft. Jezt hernach / damit wir einen naͤheren Bericht bekommen von den Ungewitteren des Schweizerlands / und danahen entſtandenen Schaden / folget eine nach der Zeitordnung eingerichtete Erzellung aller ſchweren Wetteren / welche ver - hoffentlich dem geehrten Leſer nicht undienlich ſein wird / und um ſo vil nuz - licher / weilen er mit mir darauß erkennen kan die Beſchaffenheit unſers Lands.

An. 1275. gieng ein gar ſchwerer Hagel uͤber den Boͤtzberg / daß Stein ſtelen ſo groß als Hennen-Eyer / die zerſchlugen alle wachſende Fruͤchte / auch die Thier auf dem Feld zu tod. Rod Eſcher. Chron. MSC. ad h. a.

An. 1333. um St. Johans Tag im Sommer / an einem Abend / ent - ſinhnd ein Wetter auß einem unverſehenen Wolkenbruch. Zu Lucern kam es daher mit ſolcher ungeſtuͤme / daß jedermann vermeinte / die kleine Statt wolle undergehen. Das Waldwaſſer fuͤhrte das Erderich im Feldhin -132hinweg / ſtieß die Baͤume nider / uͤberſchwemmet die Matten und Felder / fuͤllet die Graͤben auß / zerꝛiß die Gaffen / fuͤhrte Haͤuſer und Scheuren von der Statt hinweg / und tribe groſſe Steine Einem Schmied riß es den Amboß mit dem Stock auß dem Grund / und fuͤhrte ihn weit vom Hauß hinweg. Vil Bether / und anders Haußgeraͤht wurd hingefuͤhrt in die Reuß. Es war auch an anderen Ohrten ein ſo groß Wetter von Donne - ren / Blitzen / und Groͤſſe der Waſſeren / daß jedermann vermeint / der Juͤngſt Tag ſeye verhanden. Eſcher. Chron MSC. ad h. 2.

An. 1437. gieng ein ſchwerer Hagel in der Ernd uͤber Grüningen / Kyburg / das Thurthal herauf an den Arliberg / und in das Thurgeü / auch in die Etſch / was nicht abgeſchnitten war / erſchluger in Grund. Dar - auf iſt gefolget groſſe Theure. Eſcher Chron. ad h. a. Stumph. Chron. Lib. 13. cap. 11. pag. 732. b.

An. 1449. erꝛegte ſich am Monntag vor Oßwaldi ein ungewohnli - che Witterung zu Baſel / um 10. Uhr nach Mittag / mit Wetterleuchten / Donneren / Sturm und Hagel / daß es maͤnniglichem ſehr ſchreklich war. Der gewaltige Wind erhube die Ziegeltaͤcher / daß ſie kein Waſſer abhielten / warff auf Burg / und zun Barfuͤſſeren groſſe Linden hernider / deßgleichen beſchahe auf dem Feld an fruchtbaren Baͤumen groſſer Schade. Zwi - ſchen Otlikon und der Wieſe rieß er bey 300. Baͤumen auß der Erde. Zu Rheinfelden giengen greuliche Donnerſchlaͤge / und Stralſchuͤſſe in den Thurn / darauf weit und breit mit ſcheiblechten Steinen ein Hagel kam / wel - cher die Fenſter und Taͤcher an gemeinen / und ſonderbaren / Gebaͤuen / der - maſſen zerknitſchet / daß man kaͤumerlich Schindlen genug an ſtatt der Zieg - len bekommen koͤnte. Urſtiſ. Chron. Baſ. Lib. V. cap. 48.

An. 1487. den 26. Brachm. erꝛegte ſich zu Baſel / und in umligen - der Gegne auf 2. Meil / um 4. Uhr nach Mittag / ein ſchreklich Wetter / mit einem ſchaͤdlichen Hagel / welcher nicht nur dem Feld / an Raͤben / Baͤumen / und Erdgewaͤchſen / ſonder auch in der Statt an Fenſteren / und Taͤcheren / die es gemeinlich zerſchluge / merklichen Schaden taht: Dann es fielen Stein in Huͤner - und Ganß-Eyer groͤſſe / gleich den Kuglen / und dieweil nicht der zehende Ziegel ganz blieb / koͤnte man zur Noht kaͤumerlich Schindlen genug finden / die Haͤuſer einzudecken. Urſtiſ. Chron. Lib. VI. cap. 15.

An. 1502. in Pfingſt-Feyrtagen war es ſo kalt mit Schnee / und Re - gen / das vil Speiren und Schwalben auß dem Luft todt herabfielen.

Diß Jahrs auf der 10000. Ritter Tag ſchlug der Hagel zu Bern / Solo - thurn / und am Bieler See Wein und Korn / und fielen etliche Stein / als Eyer / und noch groͤffer. Man rechnete den Schaden auf 60000. fl.

133N. 34.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortgeſezte Hiſtoriſche Erzehlung Der Wind - und waͤſſerigen Luft-Geſchich - ten des Schweizerlands.

AUf St. Peter und Pauli Abend An. 1502. kam zu Zürich uͤber den Berg Albiß ein ſolch grauſam Wetter / deßgleichen niemand erdenken moͤcht: Der Hagel erſchlug ein halb Meil ob der Statt alles; das Wetter gienge zwey Meilen wegs uͤber Greiffenſee hinauß / und fuͤr Jllnau: Kuͤhe / Kaͤlber / Gaͤnß und Huͤner verdurben / die nicht entrünnen moͤchten. Man fande viel todter Voͤglen im Feld / die alle vom Hagel / und Waſſer verderbt worden. Die Stein / ſo gefallen / waren ſeltſam gebildet / etliche ganz dünn / und breit / etliche lang mit vilen Zinken.

Den 22. Heum. hat ſich von Genff herauß ein groß Wetter erhebt / und hat der Hagel fuͤr Freyburg / Bern / Zuͤrich / Wyl und Bürglen im Thurgeü / und uͤber den Bodenſee hinauß ins Schwabenland / einer halben Meil breit alles erſchlagen / das auf dem Feld ſtuhnd. Es fielen an etlichen Ohrten Stein / wie groſſe Huͤner - und Gaͤnß-Eyer / und erſchlugen Roß / Kuͤhe / Kaͤlber / Haſen / und Voͤgel. Es iſt auch diß Jahrs ein gar kalter Winter geweſen / und vil Schnee / deßwegen es auch theur worden / und zu Baſel bey 5000. Menſchen an der Peſt ſturben. Füeßlin Chronic. MSC. adh. a. Stumpf. Chron. Lib. VIII. c. 21. p. 592. und Lib. XIII. cap. 30. pag. 752. b.

An. 1508. war zu anfang des Jahrs ein ſehr harber Winter / und groſſe Kaͤlte / die waͤhret bis zu end des Merzens.

Darnach am Sonntag nach St. Urbanstag regnete es 24. Stund nach einander / ſo daß alle Baͤche angeloffen / und vil Schaden verurſachet.

Sonn -134

Sonntags nach Laurenzen um 10. Uhr nach Mittag kam ein ſehr groß Wetter uͤber die Statt Zuͤrich; Bey Wiedikon laͤhrete ſich auß ein Woͤl - kenbruch / der ſo vil Waſſers gab / daß der Oettenbach uͤber den hohen Staͤg gieng / ſo daruͤber lage. Der Bach zu Fellanden war ſo groß / daß er in die Kirchen zu den Fenſteren eingeloffen / und auch einen theil der Kirchhof - Maur weggefuͤhrt. Der Bach / ſo von Hottingen durch die Statt Zuͤrich fleußt / / muͤßte durch den Hirſchgraben abgeleitet werden / ſonſt hette er in der Statt groſſen Schaden getahn / dann er aller Ohrten in die Keller luffe / ſo daß in vilen die Faß im Waſſer ſchwummen. Fueßlin Chron. MSC. ad h.a.

An. 1515. Am Samſtag vor dem Neuen Jahr kam ein groſſer unge - ſtuͤmer Wind / deßgleichen man in unſeren Landen nie erfahr en / er warff die Taͤcher von Haͤuſeren / Schloͤſſeren und Thürnen ab / und taͤhte groſſen Schaden in Waͤlderen. Jm Winterthurer Wald hat er bey 1000. Tan - nen nidergeworffen. An St. Urbanstag fienge es an regnen / und waͤhrete dis an Bartholomei Tag / Korn und Haber kam naß in die Scheuren. Lindauer. Annal. Vitoduran. MSC. ad h. a.

An. 1519. auf Petri und Pauli erhube ſich zu Baſel / um Mittnacht / mit Wolkenbrüchen / und Platzregen ein ſchreklich / und gar nahe unerhoͤrt Wetter. Der Birſick ward in einer Stund alſo groß / daß er den Schwie - bogen ſeines Einfluſſes ſamt der Stattmaur / durch die herzu getriebenen Hoͤlzer / darnider ſtieſſe / daß halb alle Haͤuſer in Steinen Vorſtatt im Bad ſtuhnden / und ein Waſſerſturm angienge. Das ſtrenge Gewaͤſſer moͤchte durch die Statt unter den Gewoͤlben nicht wol ſein Außgang haben / der - wegen es am Fiſchmarkt ein Hauß darnider ſtieſſe und ſonſt der Burger - ſchaft groſſen Schaden zufuͤget. Urftiſ. Chron. Baſil. Lib. VII. c 9 p. 528.

An. 1520. fiel ein grauſamer Hagel uͤber die Statt Bern / zerſchlug nicht allein die Fruͤcht / ſonder auch vil Taͤcher / und Fenſter. Stumpf. Chron. Lib. VIII. c. 8. p. 579.

An. 1524. hat ein grauſamer Hagel zu Schaffhauſen die Fruͤchte des Felds / und Weinreben in Grund zerſchlagen / auch an Taͤcheren / Fenſte - ren / und Gebaͤuen der Statt merklichen Schaden zugefuͤgt. Stumpf. Chron. Lib. V. cap. 17. pag. 417.

An. 1530. kam ein ſchwerer Hagel uͤber die Statt und Landſchaft Beſel / die Stein waren ſo groß als Huͤner-Eyer / und zerſchlugen die Raͤ - ben / Fruͤchte / Fenſter und Gebaͤu. Eſcher. Chron. MSC. ad h. a. Stumpf. Chron. Lib. XII cap. 34. p. 716. b.

An. 1534. kam den 21. und 22. Octob. ein groſſer Sturmwind / taht in Waͤlden / und ſonſt / groſſen Schaden. Warff unter anderem auch den Knopf ſamt dem Sternen ab dem groſſen Münſterthurn zu Zuͤrich. Stumpf. Chron. Lib. VI, c. 20. p. m. 497.

An. 1535.135

An. 1535. den 15. Heum. kam ein erſchrokenlich Wetter uͤber das Zürichgeü. Und brann der Himmel grauſam von Feuer / daß die Flammen auf die Erde fielen / und verbrannten zu Bülach zwey Haͤuſer / zu Lottſtetten zwey / und zu Graͤßlikon ein Hauß. Eſcher Chronic. MSC. ad h. a.

An. 1552. den 13. Januar. entſtuhnd ein ſolcher Sturmwind / daß er die Oberbrugken der Statt Zuͤrich abgeworffen / die Taͤcher entdekt / vil Baͤum auß der Wurtzen geriſſen. Stumpf. Chron. p. m. 497. b.

An. 1556. im Herbſtmonat iſt ein ſchrockenlich Ungewitter geweſen um die Statt Lucern / der Wind waͤhrete 4. Stund lang / und warffe Haͤuſer und Mauren um. Darauf kam ein ſolches Donneren / und Blitzen / daß die Menſchen meinten / es muͤßte alles untergehn. Eſcher Chron. ad h. a.

An. 1560. den 20. Octobr. war ein ſolcher Windſturm / der die Taͤ - cher abdekte / und bukte einen Zeiger an St. Peters Thurn. Bluntſchl. Me - morial. Tigur. p. 281.

An. 1561. war die Oberbrugt zu Zürich abermahl im October durch einen ſtarken Wind entdekt / und geſchahe anderer Schade mehr dardurch. Stumpf. l. c. p. 498. Den 6. Heum. war ein ſtarker Windſturm / und ſchaͤdlicher Hagel under Zürich / gegen Hoͤngg / und zum theil uͤber die Statt. Eſcher Chron. ad h. a.

An. 1567. den letſten Decemb. um Mittnacht kam ein ſchwer Wet - ter uͤber den Zürich-See mit Wetterleuchten / Donneren / und Regnen / als were es mitten im Sommer. Stumpf. l. c.

An. 1568. den 29. Augſtm. war ein erſchrokenliches Waſſer und Wolkenbruch / der ſich außlaͤhrete unter dem Dorff Buchs / und groſſen Schaden taht / ins beſonder zu Otelfingen / allwo die Haͤuſer im Waſſer geſtanden / etlichen auch die Offen zerſtoſſen / mit Steinen und Grund ver - füllet / vil Geſchirꝛ und Haußraht aufs Feld hinauß gefuͤhrt worden / die Leuh - te ſein in die oberen Gemaͤcher / und unter die Taͤcher geflohen. Einem / mit nammen Hans Brunner / ſein 3. Kinder ertrunken / das viert / ſo ein Jahr und 5. Wochen alt war / hat das Waſſer in einer Wiegen weggefuͤhrt / und auf einen groſſen hauffen Holz getrieben / da es erꝛettet worden. Einem an - deren Bauren hat das Waſſer 9. Schwein ertrankt / und ſonſt die Aecker / Matten / Gaͤrten / mit Steinen dermaſſen uͤberfuͤhret / daß ſionicht wol mehr zu ſaͤuberen waren. Als diſes ungeſtuͤm Waſſer fuͤr das Dorff hinaußkom - men / hat es ſich angefangen theilen / der einte Theil nahme auf Würenlos zu ſeinen Lauff / der ander auf das Dorff Wettingen / da es vil Jucharten Raͤben ſamt den Trauben auß dem Grund weggefloͤtzet hat. Von dannenhat136hat es ſich gegen der Statt Baden gewendet / iſt hinder dem Siechen - hauß die Straß ab mit ſolcher ungeſtuͤme kommen / daß es eines Spieſſes hoch groſſe Loͤcher eingefreſſen / das Maͤurlein gegen der Lindmatt / und ver - ſchiedene Gaͤrten hingenommen. Diß ungeſtuͤme Waſſer iſt durch die Lind - matt an das andere Ufer getrungen / hat den Fluß dermaſſen geſchwellet / daß das Waſſer bis in das Schützenhauß geloffen. Es hat auch etliche Baͤum / ſonderlich zween Nußbaͤume / die zu naͤchſt vor der Statt geſtanden / auß der Wurtzen hingenom̃en / und an das groſſe ſteinerne Joch der Brugk gefuͤhrt. An der ſeiten gegen der Statt hat es die Landveſte / und das Hauß zum Hirſchen ſehr unterfreſſen. An der anderen ſeiten der Limmatt hat es das auſſere Thor mit Gewalt aufgeſtoſſen / iſt zu dem Schloß trungen / daß der Landvogt (Simon Wurſtenberger von Brunnen) ſamt allem ſeinem Volk in den Stall muͤſſen entrünnen. Demnach hat es das Thor gegen der Brugk auch mit Gewalt geoͤffnet / etlich Waͤgen voll Raͤben und Raͤbſtecken uͤber die Brugk in die Statt hineingefuͤhret. Bald darauf iſt der Thurn gegen der Statt ſamt der Brugken umgefallen. Auf der anderen ſeiten des Bergs iſt auch ein ungeſtuͤm Waſſer das Wenthal abgeloffen / hat den naͤchſtge - legenen Doͤrfferen / und Hoͤffen groſſen Schaden getahn. Dem Wirth zu Lengnau ſein in einem Stall 9. Stuck Vieh ertrunken. Der Schmied daſelbs / als er einem Schwein helffen wollen / iſt auch ertrunken. Der Meß - mer / als er zimlich lang fuͤr das Wetter gelaͤutet / und auß der Kirch gangen / hat das Waſſer auch erwitſcht / weit gefuͤhrt / und als er auf einen Kriechen - baum kommen / hat das Waſſer ihn und den Baum umgeriſſen / darnach iſt er an einen Schweinſtall kommen / auͤf den er geſtiegen / den hat das Waſſer auch hingenommen / aber zu allem Glück an ein Ohrt gefuͤhrt / da er mit dem Leben darvon kommen. Es hat dieſelbig Nacht ſo erſchrokenlich gedonneret / und geblitzet / daß der Himmel darvon ganz hell worden. Eſcher Chronic. MSC. ad h. a.

An. 1570. den 6. Aprel nach Mittag um 5. kam daher ein zornig grauſam Wetter mit Donneren und Blitzen / dergleichen man nicht vil er - hoͤrt / oder erlebt hat. Sonderlich gab es groſſe Hagelſtein zu Lucern. MSC. Bibl. Tig. n 112.

An. 1572. den 25. Augſtm. auf den Abend nach 3. Uhren gienge ein ſchwer Wetter von groſſem Wind und Hagel von Küßnacht gen Ehr - libach / von dannen uͤber den Berg gen Mur / Greiffen-See / Egg / Thurgeü / bis uͤber den Bodenſee hinauß / der Schaden war groß / faͤllete vil Baͤume / ſchaͤdigte und zerſchlug die Trauben. ꝛc.

137N. 35.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortgeſezte Hiſtoriſche Erzehlung Der Wind - und waͤſſerigen Luft Geſchich - ten des Schweizerlands.

ZU Biſchoffzell kamen Wolkenbruͤch ſamt einer Windsbraut / die tah - ten groſſen Schaden an Baͤumen / überblibnen Früchten / und dem Brachfeld: Es hat vil Taͤcher zerſchlagen / dann es Stein etliche Pfund ſchwer geworffen. Jm Thurgaͤu hat es vil Nuß - und Eichenbaͤume auß der Wurtzen geriſſen / und groſſe Tannen zerwunden / die Baͤume nicht in glei - cher Ordnung / ſonder hin und wider zerfaͤllet / groſſe Aeſte einen weiten Weg weggetragen. Haller Chron. Lib. 38. c. 20. Zu Faͤllanden hat das Waſſer einen Hirten Knaben ſamt den Schweinen einen Berg ab in die hole Gaſſen gefuͤhrt / und ertraͤnkt. An etlichen Ohrten ſein 2. und 3. pfündige Stein gefallen. Jn der Pfarꝛ Ottenbach hat die Stral einem Bauren ſein Hauß verbrent / und 1000. Korngarben. Eſcher. Chron. MSC. ad h. a.

Den 26. Septemb. erhube ſich ein erſchrokenlich Wetter mit Blitz und Donner / darauf wurden geſehen feurige Kuglen herab fallen / und folgete ein langwiriger / rauher Winter / inmaſſen der Genffer-Zuͤricher - und andere See uͤberfroren. Stumpf. Chron. L. VI. cap. 20. p. m. 498. b.

An. 1573. den 5. Mey ſchlug der Hagel gar uͤbel von Waͤdiſchwyl uͤber Staͤfen / Grüningen / bis gen Wyl im Thurgeü.

Den 7. Mey ſchluge der Hagel wider zu Tall wyl bis gen Oberꝛieden.

Den 17. Mey am morgen fruͤhe ſtuhnde auf ein ſchwarzer dicker Nebel / wie zu Herbſtzeit / und ward darauf ein heiſſer Tag. Auf den Abend zwiſchen 6. und 7. Uhren kam ein ſchrokenlich Wetter mit Donner und Blitzen / es fielen auch Stein / wie Haſelnuſſen. Ein anderer Hagel gieng den 27. und 28. Mey138Mey von Zug über Waͤdiſchwyl / Erlibach / und uͤber den Eggberg hinauß / tahte groſſen Schaden.

Den 5. Jul. Abends um 5. Uhr gienge ein Hagel uͤber den Zürichberg herein: Diſe langwirꝛige Kaͤlte und Witterung verderbte die Fruͤchte im Feld an vilen Ohrten dermaſſen / daß man die Felder wider umkehren / und neue Fruͤchte daran ſaͤyen muͤßte. MSC. Bibl. Tig. n. 52. Eſcher. Chron. MSC. ad h. a.

An. 1574. den 19. Jun. nach Mittag um 5. Uhr hat ſich ein ſtark Weiter erhebt mit einem Windſturm. Bey uns war zwar nichts als Re - gen / uͤber Biel aber / und etliche Doͤrffer zwiſchen Biel und Solothurn / gienge ein ſchwerer Hagel. Eſcher. Chron. ad h. a.

Den 21. Jun. um Mittnacht haben ſich zwey ſchwere Wetter zuge - tragen / da die Stral in vil Baͤume geſchlagen. Jm Wagenthal fielen Stein wie Huͤner-Eyer; um Bremgarten / Affholteren / und an ande - ren Ohrten mehr / hat der Hagel die Fruͤcht uͤbel zerſchlagen.

Den 20. Jun. kam ein boͤß Wetter uͤber das Flaachthal / das gienge weit und breit / der Hagel zerſchluge die Raͤben / Korn / Roggen / Haber / Hanff / Baͤume / in Summa alles ſo der Menſch genieſſen moͤcht. Zu Ror - bas / und Embrach / hat es ohnzahlbar vil fruchtbare Baͤume auß der Wurtzen geriſſen / die Raͤben auß dem Grund weggefloͤzt / die Brach ver - ſchwemmt; Man fande 8. Tag hernach eines knie tieffs Hagelſteine auf ein - ander ligen / die das Wetter zuſamen gefloͤtzet hat; Es war ſo kalt / wie in mitten des Winters: die Steine waren hart und klar / wie Cryſtal. Zu Egliſau hat es vil Viehe hinweg gefuͤhrt / ſamt zweyen jungen Kinden. Haller. Chron. Lib. XXXIX. cap. 15. Eſcher. Chron. ad h. a.

Den 25. Brachm. zwiſchen 6. und 7. nach Mittag hat ſich ein ſchwer Wetter zugetragen mit Donneren / Blitzen / und Stralen. Zu Rorbas hat der Hagel Wein und Korn in Grund erſchlagen: Zu Embrach auch groſſen Schaden getahn.

Deu 20. Augſtm. zu angehender Nacht hat der Hagel im Veltlein an etlichen Ohrten groſſen Schaden getahn: auch an dem Bodenſee; item zu Richtenſchweil / Waͤdenſchweil.

Den 27. Decemb. erhub ſich ein grauſam ſtarker Wind / der groſſen Schaden in Waͤlderen und Hoͤltzeren gerahn. Eſcher. Chron. ad h. a.

An. 1576. waren gar vil ſchwere / erſchrokenliche Wetter. Den 24. Mey zwiſchen 2. und 3. Uhr nach Mittag hat ſich ein ſchwer Hagelwetter gezogen von Mellingen / Rordorff / auf Baden zu / und von dannenweiter139weiter gen Würenloß / Weiningen / und Hoͤngg / zu groſſem Schaden. Eſcher. Chron. ad h. a. Den 2. Augſtm. ſchluge die Stral in den Muͤnſter - thurn zu Zürich / wie oben an ſeinem Ohrt angezeiget worden.

Den 5. Augſtm. kam ein Hagel / der fienge an bey Genff / und gienge durch alles Berngebiet / durch das Thurgeü / bis gen Jnßpruck / der ſchlug nicht allein die Vogel in Luͤften / ſondern die Thiere auf dem Feld zu tod: es fielen Steine wie Faͤuſte / und die meiſten / wie welſche Nuſſen. Zu Wettingen hat es an Taͤcheren ſolchen Schaden getahn / daß der Abt in die 50000. Ziegel von Zuͤrich beſchicken muͤßte / inſonderheit zerſchlug es die Fenſter im Kreuzgang / darinn der Eidgnoſſen Wapen gar ſchoͤn gemahlt ſtuhnden. Zu Frauenfeld hat es vil groſſe Baͤume auß der Wurtzen her - außgeriſſen. Von alten Leuhten ward gemeinlich geredt / daß innert 70. Jahren ſolch Wetter nie geweſen. Und aber kam den 8. Augſt. widerum ein ſchweres Wetter / welches zu Grund gerichtet / was die erſten haben überig ge - laſſen. Haller. Chron. Lib. XL. c. 13. Stumpf. Chron. Lib. VIII. c. 22. p. m. 592.

An. 1577. Zu Eingang des Octobers hat es vil geblitzet zu angehender Nacht / und gedonneret / als ob es mitten im Sommer were. Uber Men - zingen gienge gar ein ſchwer Wetter. Haller. Chron. Lib. XLI. cap. 5.

An. 1578. den 15. Mey ſchluge der Hagel zu Ober Meylen am Zürichſee gar übel.

Den 18. auf den Abend kam ein ſchwer Wetter mit groſſem Hagel / von Horgen bis gen Tallwyl / daß man morndeß noch vil Steine gefunden. Haller. Chron. Lib. XLI. cap. 12. Eſcher. Chron. ad h. a.

An. 1579. den 31. Augſtm. ſchluge der Hagel gar uͤbel bey Schaff - hauſen zu Hallau / und Neukilch / zu groſſem Schaden der Trauben. Eſcher. Chron. ad h. a.

An. 1580. den 7. Augſtm. ſchlug der Hagel zu Wipchingen / an der Underen / und Oberen Straß / bis gen Hirßlanden / und uͤber die Statt (Zürich) ſehr uͤbel / es fielen gemeinlich Stein wie Baumnuſſen. Eſcher. Chron. ad h. a.

An. 1581. den 26. Augſtm. hat ſich bey Weyach / und gegen Glatt - felden ein ſchweres Wetter erhebt mit groſſem Wind und Getoͤß. Es ſein Stein gefallen / wie groſſe Haſel - und Baumnuſſen. Eſcher. Chron. ad h. a.

An. 1582. den 8. Heum. ſchlug der Hagel im Thurgeü von Eſch - likon bis gen Sirnach den Haber / und andere Feldfruͤchte in Grund.

Den 15. Heum. ſchlug der Hagel uͤbel im Rheinthal / item in dem Turbenthal / daß an etlichen Ohrten kein Sichel auf das Feld kame. Di - ſer Hagel gienge auch uͤber Goſſau / und Gruͤningen.

140

Den 1. Augſtm. ſchluge der Hagel von Adorff bis gen Wyl im Thurgeü / zu ſonderlichem Schaden des Habers.

An. 1583. den 23. Brachm. fiel ein grauſamer Hagel mit groſſem Sturmwind / der tahte groſſen Schaden zu Wiedikon / Leimbach / im Silfeld / und dort herum. So taht auch in diſem Jahr der Hagel groſſen Schaden zu Weyach / Affholteren / Rafz / und daſelbſt herum. Eſcher. Chron. ad h. a.

An. 1584. am Neuen Jahrstag erzeigete ſich ein erſchrokenlich Wetter / mit Blitz / Donner / Schlag-Regen / und Regenboͤgen: und am 20. Jenner hernach ein brünnende Roͤhte am Himmel / mit einem Ring von Farben / ge - ſtaltet gleich einem Regenbogen / der gieng von Aufgang der Sonn gegen dem Nidergang uͤber den Zürichſee; darauf folgete an dem Auffahrt - Abend ein ſchaͤdlicher Hagel uͤber die Statt und Landſchaft Zürich / auch ein naſſer Sommer. Stumpf. Chron. Lib. VI. cap. 20. p. m. 498. b. & Lib. XIII. cap. 42. p. 769. Eſcher. Chron. ad h. a.

An. 1585. den 7. Mey ſchlug der Hagel um Schaffhauſen / Ben - ken / Martelen / und in daſiger Refier alles in Grund / und wurden darbey die Guͤter uͤbel zerfloͤtzet.

Den 25. Mey kamen abermahls in der Nacht drey ſchwere Wetter / obgleich domahls noch kalte Witterung war. Jenſeit des Albis zu Aff - holteren / hat der Hagel geſchadet; und um den 20. Mey ſchlug der Hagel ſehr uͤbel zu Solothurn.

So warend auch diß Jahr ſo grauſame Sturmwinde / dergleichen man lang nie gehabt; Zu Solothurn auf eine Tagſatzung wurden darvon die Glocken erſchüttet / daß jedermann vermeinte / daß man ſtuͤrme. Haller, Chron. Lib. XLIV. cap. 9. Eſcher. Chron. ad h. a.

An. 1586. den 4. Jun. auf den Abend kame ein ſchwerer Regen dar - unter eine groſſe Menge der Hagelſteinen / in der groͤſſe / wie Bonen: es waͤh - rete diß Wetter wenig minder / dann ein Stund / und wann der Hagel ein wenig aufhoͤrte / fienge er bald wider an / und taͤhte groſſen Schaden in Gaͤr - ten / und Hanff; Zu Herꝛliberg auch in den Raͤben / und iſt gangen bis gen Maͤnidorff und Staͤfen. Eſcher. Chron. ad h. a.

An. 1587. den 25. Mey nach Mittagzwiſchen 5. und 6. Uhr / nach dem es den ganzen Tag gar warm geweſen / kam ein ſolch grauſam Wetter mit Donneren und Stralen / daß vil alte Leuhte geſagt / ſie dergleichen nie geſehen oder gehoͤrt haben. Haller. Chron. Lib. XLIX. cap 6. Jn eben diſer Stund ſchluge der Hagel im Rotenburger Amt Lucerner-Gebiets / uͤbel / und tahte den Feldfruͤchten groſſen Schaden. Eſcher. Chron. ad h. a.

141N. 36.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortgeſezte Hiſtoriſche Erzehlung Der Wind - und waͤſſerigen Luft-Geſchich - ten des Schweizerlands.

AN. 1591. den 5. Jul. ſchoß die Stral zu Adorff im Thurgeü in die Schmitten / und war zu Oberꝛieden am Zürich-See ein ſchrok - licher Hagel / der gienge uͤber das Albis / und die Reüß der Aren nach hinauf / und theilete ſich bey Arau / der einte Strich auf Solothurn / der an - der über Burgdorff / zu groſſem Schaden des Lands. Es fielen Stein / wie Huͤner - und Ganß-Eyer. Man fande hin und wider auf dem Feld Storken / Haſen / und Voͤgel tod ligen.

Den 3. Augſtm. fienge ein Wetter zu Urikon am Zuͤrich-See an / das gienge durch das ganze Gaſter / Puͤndten / uͤber den Chumer See / bis gen Verona, das erſchlug alles in Grund / man ſahe kein Laub mehr an Raͤben. Haller. Chron. Lib. LIII. cap. 7.

An. 1592. den 18. Merz gieng ein ſchroklicher Hagel von der Schin - dellege bis gen Lucern. Es fielen Steine wie Baumnuſſen. Den 23. und 24. waren auch grauſame Sturmwind / und ungewohnte Kaͤlte / dar - von die Waſſer ſehr angiengen. Haller Chron. L. III. cap. 12.

An. 1596. den 12. Jul. donnerte es die ganze Nacht erſchrokenlich / und ſchlug die Stral an underſchidlichen Ohrten / darauf morndeß ein Wolkenbruch folgete / der groſſen Schaden taht. Haller Chron. Lib. LIV. cap. 10.

An. 1597. den 28. Mey kam ein ſchwerer Hagel von dem Genffer - See her uͤber das ganz Berngebiet / der erſchlug Leuht und Viehe / ſogienge142gienge ein Wind darmit / der an vilen Ohrten die Baͤume auf den Boden warff / und tahte inſonderheit in dem Bowald bey Zofingen / da der Hagel endete / groſſen Schaden.

Den 14. Jul. um Mittnacht fienge es an erſchrokenlich Blitzen / und Donneren / als ob der Himmel einfallen wolte. Diß waͤhrete die ganze Nacht / und den folgenden ganzen Tag. Die Stral ſchoſſe an vilen Ohrten. So ſchlug auch der Hagel an vilen Ohrten / ſonderlich im Rotenburger Amt Lucerner Gebiets / das kein Sichel auf das Feld kam. Jedermañ meinte / der Juͤngſte Tag ſeye verhanden. Diſe Stuͤrme haben zu Rapperſchwil / Staͤfen / und Maͤnidorff am Zuͤrich-See / wie auch in der Herꝛſchaft Gruͤningen / an fruchtbaren Baͤumen / und ſonſt groſſen Schaden getahn: den dritten Tag gabe es gar ſchwere Schlag-Regen. Haller Chron. Lib. LVI. cap 1.

An. 1598. hat der Hagel groſſen Schaden getahn zu Horgen / Cap - pel / Knonau / Rafz / Stein am Rhein / und anderſtwo mehr. Eſcher. Chron. ad h. a.

An. 1599. hat der Hagel widerum groſſen Schaden verurſachet / in - ſonders in dem Zuͤrichgebiet / in der Grafſchaft Kyburg / Herꝛſchaft Andelfingen.

Den 29. Heum. gegen Abend um 3. Uhr kam ein Hagelwetter vom Albis uͤber Rieden / gegen Wiedikon / Wollishoffen / Tallweil / und über den See gen Zollikon / Goldbach / und Küßnacht / da es Stein geben hat / wie Huͤner-Eyer / die auf den Taͤcheren etlich 1000. Ziegel erſchla - gen. Eſcher Chron. ad h. a.

An. 1600. den 16. Heum. hat der Hagel bey Rapperſchweil gegen Bubikon groſſen Schaden getahn. Eſcher. Chron. ad h. a.

An. 1601. den 20. Mey hat der Hagel bey Tallweil / und dem Berg zu zimlich geſchadet / ſonderlich dem Graß.

Den 10. Augſtm. iſt ein Hagel vom Legerberg herkommen / der iſt gangen uͤber Rümlang / Kloten / Brütten / bis gegen Kyburg / der hat dem Haber ſonderlichen Schaden getahn. Und zu Eingang des Mo - nats iſt auch ein zimlicher Hagel gangen uͤber das Dorff Wyningen / und daherum.

Dergleichen Hagelwetter gibt es gern / wann in dem Meyen dicke Nebel ſich zeigen / wie dann auch diß Jahr / ſonderlich den 14. Mey ein wuͤſter dicker Nebel vom Morgen an bis gegen 9. Uhren geweſen / und ſich alſo erwahret hat das gemeine Sprüchwort / Meyen Nebel / Brachet - oder Augſten Haͤgel. Eſcher. Chron, ad h. a.

An. 1605.143

An. 1605. den 21. Heum. iſt ein ſchwerer Hagel um Schaffhauſen her geweſen / es ſollen Stein gefallen ſeyn 7. Pfund ſchwer / die haben zwo Perſonen erſchlagen. Eſcher. Chron. ad h. a.

An. 1607. hat der Hagel im Lucerner-Gebiet / am Waͤdeſchwei - ler Berg / und anderen Ohrten mehr groſſen Schaden getahn. Eſcher. Chron. ad h. a.

1611. den 25. Jun. gieng ein ſchwer Wetter uͤber Rapperſchweil von Einſidlen her über Grüningen durch das Fiſchenthal in die Grafſchaſt Toggenburg bis an den Bodenſee / und tehte groſſen Scha - den: Es ſollen Stein wie Huͤner-Eyer gefallen ſeyn. MSC. Bibl. Tig. n. 52. pag. 372.

An. 1614. den 21. 22. 23. Nov. war ein ſo heftiger Wind / das ſich jedermann darab entſezte; er warff hin und wider vil Baͤume um. Haller Chron. Lib. LXV. cap. 11.

An. 1615. zu Baden im Aergeü ſein Hagelſtein gefallen / ſo 3. Pfund ſchwer waren. Wagner. Helv. Cur. auß Ruthard. de Meth. 9.

An. 1623. den 7. Jun. gegen angehender Nacht / fiel einmahl ſo ein un - geſtuͤm Wetter eyn mit Schlag-Regen / Donner / Blitz / und Hagel / daß es zu Horgen / und anderſtwo am Zürich-See nicht nur die Saat und Raͤben voͤllig zerſchlagen / ſondern auch die Baͤume auß der Wurzel geriſſen worden. Die Waldwaſſer ſein angangen / daß ſie die groͤſten Stein gefuͤhrt. MSC. Bibl. Tig. n 56.

An. 1645. hat der Weſtwind den 19. Jenner durch die ganze Schweiz mit ſolcher ungeſtuͤme geblaſen / daß an vilen Ohrten Haͤuſer / Scheuren / Kamin / Baͤume / nieder geworffen / und die Taͤcher von Zieglen abgedekt wor - den. Zu Bern iſt das Waͤchterhaͤußlein auf dem Thurn in die Kirch ſelbs abgefallen / und ſonſten ſein in dem Berngebiet vil Kirchenthuͤrn umgeworf - fen worden. Zu Genff haben die St. Peters Kirch / das Raht-Hauß / und vil andere Haͤuſer ihre Ziegel / und Fenſter verlohren: die Rhoſne iſt gegen dem Genffer See ſo weit zuruk getriben worden / daß man unter der Rho - danbruk trokens Fuſſes hindurch hat gehen koͤnnen / und iſt diſer Fluß von S. Gervaiſe bey der Fuſterie, bis zu dem Camp Molard kaum 2. Schuhe tieff geweſen. Welches ſich auch ſol begeben haben An. 1600. den 16. Sept. nach dem Bericht Gothofredi in ſeinem Citadin de Geneve. pag. 371. 372. Wagner. Hiſt. Helv. Cur. p 368.

An. 1655. den 3. Augſtm. ſein zu Küßnacht am Zürich-See / zu Uſter / und anderſtwo in der Herꝛſchaft Grüningen gar vil Baͤume von dem Gewalt der Winden umgeworffen worden. Wagner. lib. cit. p. 369. ZuKüß -144Küßnacht iſt eine Scheur mit allen Fruͤchten in den See gefuͤhrt / und der Helm ab dem Thurn zu Nider Uſter darnider geworffen worden. Es fielen Stein wie Huͤner-Eyer / welche an den Feldfruͤchten und Raͤben unſaglichen Schaden tahten. Fr. Enchirid. Chronolog. Tigurin. ad h. a. Gleiches iſt geſchehen An. 1665. den 3. Jul. zu Hoͤngg. Wagn. l. c.

An. 1668. den 8. Jul. iſt ein ſehr ungeſtuͤmes Wetter / doch ohne Ha - gel / in dem Glarnerland eingefallen / in welchem ſonderlich zu Bilten groſſer Schaden verurſachet worden. Joh. Heinr. Tſchud. Hiſt. Glarn. MSC. ad h. a.

An. 1670. den 17. April. hat ein erſchroklicher Sturmwind vil Haͤu - ſer entdekt / Baͤume umgeworffen / und anderen Schaden verurſachet. Tſchud. l. c.

An. 1671. den 3. Jul. haben gewaltige Sturmwind und ſchwerer Hagel an Baͤumen und Fruͤchten groſſen Schaden getahn. Jn Nider - Urnen wurde durch den Hagel ein Toͤchterlein erſchlagen. Tſchud. l. c. Wagn. l. c.

An. 1674. den ganzen Sommer durch iſt ſehr vil Donner und Hagel in der Eidgnoßſchaft geweſen / und dardurch groſſer Schaden verurſachet worden. Tſchud. l. c.

An. 1678. den letſten Jun. Sonntags zwiſchen 4. und 5. Uhr kam ein grauſam Wetter mit Donner und Hagel bey dem Glarniſch herein / mit entſetzlichem ſauſen / und brauſen / daß hiervon beyde Rufenen zwiſchen Schwanden und Glarus mit groſſer ungeſtuͤme angetrieben / und durch deren uͤberlauff ganze Guͤter zu groſſem Schaden mit Steinen / Sand / und Lett bedecket / und verwuͤſtet worden. Tſchud. l. c.

An. 1679. haben vil ungewohnte Hagel - und Stralwetter / auch ploͤtz - liche Waſſergüſſen im Glarnerland / und hin und wider an Menſchen / und Viehe groſſen Schaden verurſachet. Tſchud. l. c.

An. 1680. den 25. Jul. Abends nach 9. Uhr hat die Ober Rufi zwiſchen Schwanden / und Glarus in einem ſtarken Sturmwetter ein Gut naͤchſt an der Linth uͤberlegt. Tſchud. l. c.

An. 1683. am H. Pfingſttag fiel zu Egliſau ein verwunderlicher Hagel / Abends um 6. Uhr / es haglete eine ganze 4tel ſtund nach einander / und fiel ſo breit / als ein halber Thaler / etlich ſo lang als ein halber finger / andere rund als ein Nuß / andere mit vilen Zinken und Ecken. Darauf kam ein zweyſtuͤn - diger Platzregen / riſſe an der Steig ein Hauß um / dem Hoͤrnliwirth ein Scheur / ſtuͤrzte etliche Mauren ein / nam Saͤuſtaͤl hinweg / und waren vil Haͤuſer in Gefahr. Jn den Raͤben hat es den beſten Grund weggefuͤhrt / und an etlichen Ohrten in den Straſſen eines Manns tieff eingefreſſen. Stein wurden geſchwemt / die 3. oder 4. Mann kaum tragen moͤgen. Bluntſchl. Memorab. Tigur. p. 283.

145N. 37.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortgeſezte Hiſtoriſche Erzehlung Der Wind - und waͤſſerigen Luft-Geſchich - ten des Schweizerlands.

AN. 1684. den 30. Octob. hat der ſtarke Foͤnwind in dem Schwei - zer / Zuger - und Zuͤrichgebiet mit umwerffung der Baͤumen / und abdeckung der Taͤcheren groſſen Schaden verurſachet.

Den 30. Jun. gienge Abends um 8. Uhr ein ungewohnlicher Platz - Regen / und Hagelwetter uͤber die Doͤrffer Wipkingen / und Hoͤngg. Das Erdrich wurd under dem Raͤbſtok allerdings verſchwemt / und die Land - ſtraß nacher Baden etliche Tag unbrauchbar gemachet. Fr. Enchirid. Chronol. Tig. ad h. a.

An. 1686. den 12. Heum. Abends um 9. Uhr hat ſich ein ungemeiner Hagel / meiſtens nur uͤber die Statt Zürich außgelaͤhrt. Das Gewitter waͤhrte nicht laͤnger / als etwann 8. Minuten. Es fielen Stein ſo groß / als zweyloͤhtige Kuglen / und zerſchlugen vil 1000. Scheiben / ſonderlich am Rahthauß / und an den Kirchen. Bluntſchl. l. c.

An. 1688. den 5. Jul. laͤhrte ſich ein erſchrokenlich Hagelwetter mit heftigem Donner / Blitzen / und Windſturm uͤber die Eidgnoßſchaft auß / wordurch auch faſt in dem dritten theil des Zuͤricher-Gebiets die ſchoͤnen Feld-Baͤum - und Gartenfruͤchte / eben zu der Zeit / da die Sichel angeſchla - gen werden ſolte / wie in gleichem die Raͤbgewaͤchſe / gaͤnzlich erſchlagen / und vil Baͤume auß der Wurtzel geriſſen worden. Fr. Enchir. Chronol. Tig. ad h. a. Diſes Hagelwetter gienge 14. Tagreiſen weit / 4. Stund in die breite / und ſchluge in der Eidgnoßſchaft 180. Doͤrffer. Bluntſchl. l. c.

An. 1692. den 24. Jun. iſt bey dem Flecken Ellgoͤuw Züricher -Gebieths /146Gebieths / nach Mittag um 2. Uhren ohngefehr der Himmel ohnverſehenlich mit Wolken / und einem ſchwarzen Nebel bedecket worden / und hat darauf ein gewaltiger Stralſtreich in den Wald Gugenhart genant / allernaͤchſt bey dem Fleken geſchoſſen / auf welchen ein groſſer Regen mit vermiſchtem Hagel gefolget / und gleich hiernaͤchſt ein ſo grauſamer Wind / und Wolken - bruch uͤber den Schoͤnen - und Schauenberg daher rauſchend kommen / daß in einem Augenblick von beſagten Ohrten her uͤber Herꝛen Grichtsherꝛen Hirzels Mülli zu Buweil ein ſolches Gewaͤſſer mit entſetzlichem Getoͤß erwachſen / und ſich / wo es koͤnnen / außgelaͤhrt / daß jedermann dortherum ſich eines ploͤtzlichen Untergangs vermuhtet. Diſer Waſſerſtrohm hat das hal - be Hauß zu Buweil ſamt aller Zugehoͤrde der Muͤlli / ganze Bether / Kaͤſten / allen Haußraht / ganze Sagbaͤume / und vil anders weggeſchleppet / ja die Mülle ſo weit ruiniert / daß ſie faſt von neuem wider aufgebaut werden muͤſ - ſen. Endlich hat diß Waſſer durch das ſo genante Fahrenloch zwiſchen den Felſen einen Außbruch gefunden / und nach dem es ſich in 300. Schritt weit außgebreitet / und alle Baͤume / Hanfflaͤnder / Gerſten / und Graß elen - diglich verwuͤſtet / vil ganze Tannen weggefuͤhrt / alle Staͤge und Bruken abgeworffen / und alſo groſſen Schaden getahn. Ampliſſ. Rahn Chronic. MSC. Lib. XV. cap 3.

An. 1705. den 22. Jun. hatte man zu Herꝛliberg am Zuͤrich See / ſtarken Hagel mit Regen.

Den 24. hatte man hin und wider / ins beſonder am Jrchel-Berg ſtarke Wolkenbrüche. Zu Wyningen und Unter Eiſtringen gegen der Sonnen Untergang iſt erſtlich die Stral geſchoſſen / hernach eine dicke Wolken gleich einem Rauch aufgangen / welche ſich urploͤtzlich in Waſſer verwandelt / alſo daß gleichſam ganze Eimer außgelaͤhrt worden / und die Felder und Haͤuſer innert einer viertelſtund im Waſſer geſtanden. Ein gu - ter Herꝛ und Freund von Schlieren ſchreibt folgende Nachricht. Jch ware auf dem Weg zwiſchen Wettingen und Spreitenbach / und ge - noſſe eines ſchoͤnen und klaren Himmels / auſſert daß auf die letſte ein wenig Regen folgte. Hinderwerths aber gegen Weiningen und Schlieren ſahe ich in eine gleichſam ſtock dicke Finſternuß hinein / darauß ich geſchloſſen / daß weil nach gehoͤrtem grauſamem Knall dieſe Schwaͤrze einsmahls erfol - get / es muͤſſe ein gewaltiger Wolkenbruch oder haͤuffiger Platzregen gewe - ſen ſeyn. Neben dem ſahe ich zu gleicher Zeit am Himmel 2. Feuer - und 1. Windzeichen / da daß eint gleich einem Winckelmaͤß das andere einem Triangel / und das dritte einem gewohnlichen Windzeichen geweſen. Den Jamer / den man zu Schlieren außgeſtanden / kan man nicht genugſam er -zellen;147zellen; Das Gewaͤſſer iſt ſo hoch angeloffen / daß man vaſt in allen Straſ - ſen mit Schiffen fahren koͤnnen; groſſe Traͤm und Bloͤcher wurden getrie - ben / der Kohlhauffen an der Allment wurde ſchier weggeſchwaͤmt und außge - loͤſcht / alle Leuht hatten genug zu tuhn vor ihren Haͤuſeren dem Schwall des Waſſers / darinnen ſie Kniehoch geſtanden / zuwehren. Ein Knaͤblein mit einem Korb hat es ein Strich weit geſchwemt / doch ohne Schaden; um unſer Hauß herum war alles im Waſſer; in Garten-Wegen hetten ſchier unſere Enten ſchwümmen moͤgen. Vom Waſſer ſind an verſchiednen Ohr - ten tieffe Graben / Hoͤhlinen / andere Weg und Straſſen gemacht worden.

Von den jenigen Wetteren / welche entſtehen auß Werffung eines Steins in die Berg - See / oder Hoͤlinen der Bergen.

Jn unſeren Helvetiſchen Landen ſein ſonderlich anzumerken drey Bey - ſpiel ſolcher Wunderwetteren / Wunderloͤcheren / und Wunder-Seen.

Das erſte in dem Berg Scheibenflu in Tſchangnow / Berner - Gebiets / einer Hoͤle / in welche / ſo man Stein hinein wirfſet / alſobald ſol entſtehen ein Wind / mit Hagel / und Ungewitter. Wagner. Hiſt. Helv. p 39. auß Raͤbmann.

Das zweyte im Lucerneriſchen Pilatus Berg und See / da auch nach alter Sag ein in diſen See geworffener Stein / oder anderer ſchwerer Coͤrper den darein geſtürzten Pilatum alſo erzoͤrnet / daß er ohne langen Verzug ein Ungewitter erꝛeget.

Das dritte im Appenzeller-Land / von deme wir folgende Nachricht finden in Barthol. Biſchoffberger / geweſenen Pfarꝛers zu Trogen Ap - penzeller Chronic. pag 15. Jn dem Berg Gimmor / nach beſag glaub - hafter Leuhten / finden ſich zwey Wetterloͤcher / das einte faſt in der mitte deſ - ſelbigen / von ſolcher Tieffe / daß wann ein Stein hinein geworffen wird / er continuè, und Staffelweis hinunter fahret / daß er immerdar gehoͤrt wird / welches wenigſt ein zwoͤlff theil einer Stund waͤhret / jedoch ohne Gefahr ei - nes Wetters. Das andere iſt auf dem Gipfel des Bergs / auß welchem / wann etwas darein geworffen wird / ein Nebel / und Hagel / entſtehen ſol. Jch zwa - ren habe ſolches nicht erfahren / noch auch glauben koͤnnen / eingedenk der Worten Jobs c. 38: 22: Haſt du geſehen / wo der Hagel herkomt? Die Meinung iſt Nein. Gleichwol ſol nicht verſchwigen werden / was glaubwuͤrdige Leuhte und ſelbsſehende Zeugen auſſagen / zugeſchweigen /was148was der hochgelehrte Herꝛ Joachim Vadianus / weiland Burgermeiſter der Stadt. St. Gallen / in ſeinem Com̃entario in Melam Lib. I. p. 34. darvon ſchreibt / daß der Zugang zu diſem Loch verzaͤunet / deßgleichen von den Sennen und Hirten / auß Gefahr / man moͤchte etwas dareyn werffen / und Beyſorg eines Wetters / nicht leichtlich gezeiget werde.

Und das noch mehr iſt / ſo erzellet ein hochbetagter Herꝛ (Pelagius Schlaͤpfer / geweſner Landamman im Auſſeren Roden) daß er vor vilen Jahren / bey ſeinen jungen Tagen / an das Ohrt kommen / und begehrt zu er - fahren / ob diß Loch Luft an ſich ziehe / oder nicht / weßwegen er eine Blum hin - eyngeworffen / welche / ſo bald ſie hinunder gefahren / ſeye ein Dampf aufge - ſtigen / doch neben dem Berg / nicht auß dem Loch. Es erzellen aber die Jaͤ - ger / welchen die Beſchaffenheit diſer Bergen bekandt / daß die Witterung weit anderſt / ungnaͤdiger / und alſo zu reden / augenbliklicher ſeye / als in den Gruͤnden des platten Lands. Bis hieher Herꝛ Biſchoffberger / auß deme ſei - nen Bericht gezogen Wagner Hiſt Nat. Helv. p. 39. 384. P. Clemens des Capuciner-Ordens / ein wehrter Herꝛ und Freund / berichtet mich in ſeinem den 4. Mey 1703. abgelaſſenen Schreiben / daß gleiches / ſo von Hrn. Schlaͤ - pfer erzehlet worden / auch begegnet ſeye ſeinem eigenen Hrn. Vatter.

Gehen wir auſſert unſere Graͤnzen / ſo finden wir dergleichen Natur - wunder auch. Plinius Nat. Hiſt. Lib. II. cap. 45. gedenket einer tief - fen Kruft in Dalmatien / in welche ſo etwas geworffen wird / auch bey ſonſt hellem Wetter / eine ungeſtuͤhme Witterung ſich erhebet.

Wir wollen diſe Wundergeſchichten um etwas genau unterſuchen / und ſehen / ob ſie wahrhaft / und auf der Vernunft-waag einich Gewicht auß - machen?

Der erſten halb / ſo im Berngebiete nach Rebmanns Bericht ſol ſeyn / iſt mir weder ja / noch Nein / bewußt.

Von dem Pilatus See aber / ſo auf dem Pilatus-Berg liget / kan ich gewuͤß ſagen / was oben bereits Tom. I. p. 14. angemerket worden / daß das von ihme außgeſprengte Geruͤchte falſch / und nach aller Einwohneren ſelbs eigener Zeugnuß unter die Maͤhrlein gehoͤrt.

Von dem Wunderloch / ſo in der Alp Gim̃or / Appenzeller-Gebieths / habe ich gleichfahls ſichere Nachricht / daß daſſelbe heutigs Tags ſo eingefal - len / daß man kaum etliche Klafter tieff einen Stein abwerffen kan / und von denen anwohnenden Sennen der alten Auſſage kein Glauben zugeſtellet wird. Diß allein waͤre genug / die von unſeren Vorelteren auf uns ererbte Traditiones in den Rodel falſchbegruͤndter Maͤhrlein zuſezen; wir wollen aber auch unſere Gedanken hieruͤber walten laſſen / und / wann es je moͤglich / erforſchen / wie weit die Kraͤfte der Natur reichen / und woher unſere Alten moͤchten beredt worden ſeyn / ſolche Geſchichten zu glauben. ꝛc.

149N. 38.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſezung Von den jenigen Wetteren / welche entſtehen auß Werffung eines Steins in die Berg-See / oder Hoͤlinen der Bergen.

DAs / ſo Herꝛ Biſchoffberger auß der Jaͤgeren Erfahrung beybringt von anderer Beſchaffenheit der Berg - und Thal-witterungen / iſt gewuͤß / und wol anzumerken. Auf denen hohen Alpen bewegen ſich die Wolcken / nach dem ſie kaum auß der Schalen geſchloffen / oder / auß denen Bergen / als ihrer Zeugmuter aufgeſtiegen / hin und her / und verwand - len ſich etwann einsmals in einen kurzen Regen / der auch zuweilen einen klei - nen Strich fortgehet / und oft in der naͤchſtgelegenen Alp das helleſte Wetter iſt / da hingegen in tiefferen Ohrten es ſelten regnet / und nur dannzumahl / wann vil Regenwolken ſich geſamlet / und die ganze uͤber dem Thal ſtehende Dunſt - oder Luftkugel uͤberzogen haben. Diſe ſo unverſehene Zeugung der Bergwitterungen hat meines Bedunkens unſere ſonſt in vilem Aberglau - ben erblindeten Altvorderen veranlaſet zubegehen eine fallaciam non cauſæ ut cauſæ, wie man in Schulen redet / oder die hineinwerffung eines Steins in eine Hoͤle anzuſehen vor eine wirkliche Urſach des auß anderen Urſachen entſtandenen Regens / oder Wetters. Jch wil zwaren nicht laugnen / daß von einem in eine tieffe Berghoͤle geworffenen Stein koͤnnen die daſelbſt ruͤhig ligende Duͤnſte in eine mehrere Bewegung gebracht / und zum Aufſteigen veranlaſet werden / daß aber kan ich noch nicht faſſen / wie von diſer einigen Aufſteigung der Duͤnſten ſolle hergeleitet werden eine Wirkung / welche von vilen anderen uͤberirꝛdiſchen Urſachen herꝛuͤhren kan; es were dann Sach / daß einer mir koͤnte beweiſen / daß dieſe aufſteigende froͤmde Theil von ſolcherAhrt150Ahrt ſeyen / welche in denen waͤſſerigen Wolken erꝛegen kan eine Augenblik - liche Jaͤſung / welche die Luft verdünneret / und die waͤſſerige Duͤnſte in Re - gentroͤpflein verwandelt. Obgleich aber die Wetter nicht erꝛeget werden von dem erzoͤrnten unterirꝛdiſchen Æolo, ſo werden ſie doch von ihme mehrmah - len vorbedeutet / geſtalten die Luft auß denen Bergklüften mit groͤſſerem Trieb außgeblaſen wird bey vorſtehendem Ungewitter / als zu anderen Zei - ten / ja gar durch Schnekenfoͤrmige Gaͤnge unter der Erden mit ſolchem Ge - walt fortgehet / daß ein Murmlen / Getoͤß / oder Gebruͤll gehoͤret wird / wie hier - von in mehrerem zu ſehen Tom. I. pag. 170. und auß Tom. I. pag. 9. hieher gehoͤret die Materi von denen Vorbotten des Regens / welche gemeinlich auch Vorzeige ſein ſchwerer Wetteren. Es were zu wuͤnſchen / daß man in unſe - ren Eidgnoͤſſiſchen Landen mehrere Achtung / als bisher / gebe ſo wol auf die beſondere Vorzeichen naͤchſt vorſtehender Luft-Enderungen / als auf die all - gemeine Vorbedeutungen ganzer Jahrgaͤngen / wie zum Exempel einiche unſerer Landsleuhten gewahren / daß gemeinlich Hagel - und Wetter-Jahr mit ſtarken Waſſerergieſſungen folgen / wann das Nußbaum Blatt zu Au - fang des Sommers haͤuffig / wie im Herbſt / abfallet.

Von der Windsbraut.

Es iſt diſere Luft-Geſchicht in Anſehung ihrer Zeugung / und Wirkung / gleich dem Waſſerwirbel. Beyde winden oder krümmen ſich in ſich ſelbs in einer Schnekenfoͤrmigen Lini bey Anlas des auch flüſſigen / und widerſtehen - den / Waſſers / oder Lufts / jedoch mit dem Unterſcheid / daß in der Luft einem zwiſchen zweyen Wolken einher blaſenden Wind vorkomt eine einerſeits ver - dikerte / anderſeits aber dünnere / Luft / welche dann dem Wind Anlas gibt einen krummen Lauff anzunemmen / und in waͤhrender diſer abweichung von gerader Lini die geſchwin den Grad ihrer Bewegung verſtaͤrket / ſo daß darauf erſchrekliche Wirkungen erfolgen. Dergleichen Wirbelwinde heiſſen die Lateiner und Griechen Typhones, die Tuͤrken Olifant, die Jndianer Oran - can, Orcan, und ſein ſonderlich gemein in dem Oſt Jndiſchen Meer zwiſchen Malacca, China, und Japan, allwo ſie ſonderbar zur Herbſtzeit die veſteſten Haͤuſer darnider werffẽ / die groͤſten Baͤume auß den Wurtzen reiſſẽ / und die Schiffe mit grauſamer Gewalt / auf denen auch hiervon erzuͤrnten Meers - wellen daher treiben / in Stüken zerbrechen / und etwañ eine vierthel Meil ins Land hinein werffen.

An. 1661. den 4. Jul. als des Spittals Bediente bey Ober Haßle / einem Dorff Züricher Gebiets / an einem gewiſſen Ohrt auf der Hoͤrꝛ - wagen genant / in einſamlung der Zehenden Garben beſchaͤftiget waren / iſt ihnen Abends bey heller und ſtiller Luft ein kleines Schneeweiſſes Woͤlkleinerſchie -151erſchienen / auß welchem einsmahls eine Windsbraut hervorgebrochen / welche acht Garben in die Hoͤhe wegfuͤhrte / auch den Wagen ſelbs / auf deme bereits etliche Garben nebſt einem Knecht waren / etliche Schuhe hoch hebte / und dar - bey zum dritten mahl in die ruͤnde triebe / alſo zwaren / daß dem Knecht / ſo auf dem Wagen geſeſſen / kein Schaden widerfahren. Die Zehenden Garben aber ſein alſo zerſtreuet worden / daß kaum ein Handvoll mehr darvon zu be - kommen war. Diſere windichte Wolke iſt hernach in den naͤchſten Wald mit ſolcher ungeſtuͤme eingebrochen / als ob darinn alles ſolte zu Grund gehen. Der Weibel von Bülach / ſo bey den Knechten war / hat ſich auf die Erde nider gelegt / und die uͤbrige Garben gefaſſet / damit ſie nicht von dem Wind wegge - tragen wurden. Wagner. l. c.

Den 15. Apr. 1672. zwiſchen 3. und 4. Uhren erzeigte ſich ein wun - derbare Windsbraut / welche von Hrn. Hans Ulrich Waͤber / Pfr. zu Steinmur alſo Hrn. Antiſtiti uͤberſchriben worden. Jn der Pfarꝛ Stein - mur / auf einer bergechtigen Hoͤhe / genant auf Bolleren / an der Egg / vor dem Laͤgerberg uͤberhin / kam daher bey ſchoͤnem Wetter ein Winds - braut / welche etliche geſehen ſich ſtark uͤben / ſonderbar an einem Eichlein / daſ - ſelb winden und nidſich truken / daß man das Tolder hette faſſen koͤnnen / auch einen Bengel in die Luft ſchwingen / ſamt vilem Laub / ſo in das Thal hinab verflohen / welcher Windsbraut nahe darbey anweſende Perſonen zu entge - hen geſucht / andere ſich geſtelt zu ſehen / wie es enden werde / welche geſehen haben auß dem Erdboden aufſteigen Feur / Rauch und Dampf / darauf er - folget ein langer Thon / welcher einen ſtarken Widerſchall gegen dem Laͤger - berg gegeben / welcher Thon zweymahl ſtark iſt gehoͤrt worden von vilem Volk / die in der Hoͤhe und im Thal waren / da die einten vermeint / man ſchieſ - ſe mit Stucken / oder mit vilen Muſqueten / oder man ſprenge mit Pulver groſſe Stein / oder es Dondere; die ſo zu nachſt darbey / ſein hernach an diß Ort gangen / haben aber kein einige aͤnderung verſpuͤrt / das Feur da geweſen. Archiv. Antiſt. Tig.

Jn des Wirbel-Winds Verwandſchaft iſt.

Der Waſſerthurn.

Ein ſeltene und wunderſame Luft - und Waſſer-Geſchicht / da das Waſ - ſer ſelbs auß einem See / oder auß dem Meer / in geſtalt einer Saͤule aufge - zogen / oder eine Wolken in gleiche Form nidſich gezogen auf dem Waſſer zu ſtehen komt / mit begleitendem / oder nachfolgendem gewaltigen Wirbel - wind / welcher eine Wolken in die ruͤnde faſſet / verdichtet / und hernach mit ein - gefangener zuſamengetrukter Luft widerum mit foͤrchterlichem Gewalt auß - bricht / ſo daß die Seefahrenden / wo ſie ſich nicht zeitlich entfehrnen / daher ingroſſe152groſſe Gefahr kommen. Eine ſolche Wolken - oder Waſſer Saul nen - nen die Engellaͤnder a Spout, und handelt hiervon weitlaͤuffig Dampier in ſeinen Voyages Tom. I. p. 451. Edit. Anglic.

An. 1586. den 16. Heum. hat eine Windsbraut naͤchſt bey Meilen das Waſſer alſo in die Hoͤhe getrieben / daß es einem zimlich hohen Thurn gleich geſchienen. Zu oberſt auf diſem Waſſerthurn hatte es das Anſehen / als wann ein neblechter Dunſt aufgienge / und ſich mit den Wolken verein - barte. Eſcher Beſchreib. des Zürich See. pag. 166. auß Haller Chron. L. 45. c. 1. Es iſt wol ein Wunderding / daß ein ſo ſchweres Element des Waſ - ſers durch natuͤrliche Kraͤfte ſol alſo in die Hoͤhe der 1000. mahl leichteren Luft ſteigen / und kan anderſt nicht zu gehen / als daß die Trukkraft der Luft an dem Ohrt / da das Waſſer auf ſteiget / ſehr geſchwaͤcht / oder aufgehoben / und hingegen rings um ſolchen Plaz ein in die ruͤnde ſich traͤhender Wirbelwind / oder andere gewalttaͤhtige Urſaͤch das Waſſer alſo nidſich truket / daß es muß / gleich als in eine Sprütze / obſich ſteigen.

An. 1652. den 24. Jan. hat auch ein ſolcher Windwirbel das Waſſer in dem Greiffenſee (Zürich Gebiets) mit groſſem Geraͤuſch und Getoͤß aufgezogen / gleich einem Thurn / darbey die Wellen des Sees gewaltig ge - wuͤtet. Auß der oberen Spitzen diſer Waſſerſaul fuhr auß ein Wind / der mit groſſem Gewalt in dem naͤchſt voruͤber gelegenen Wald bey dem Dorff Mur vil Baͤume darnider geworffen / und an ihren Aeſten geſtümlet. Wagner Hiſt. Nat. Helv. p. 370.

An. 1688. hat ſich auf dem Zürich See auch ein ſolche Waſſer - Geſchicht / wie An. 1586. zugetragen. Und ware das Waſſer ſo dick / daß man den Uetliberg in der Statt kaum ſehen koͤnnen / wie es ſelbs geſehen zu haben bezeuget Jkr. Erh. Eſcher Beſchreib. des Zürich See. p. 166.

Von dem Sengenden Wind.

Von diſer Art Winden / welche gemeinlich Preſter heiſſet / und in denen Sandichten Wuͤſteneyen Arabiæ auß Mangel der Feuchtigkeit oft denen Caravanen groſſen Schaden tuht / und die Menſchen einsmahls / wo ſie ſich nicht auf die Erde legen / erſteket / wiſſen wir in unſeren Eidgnoͤſſiſchen Landen nicht vil. Hieher mag gehoͤren folgende Geſchicht / welche zu finden in Mich. Stettler Nuͤchtlaͤndiſchen Geſchichten / Tom. I. p. 672. b. ad An. 1527. An der Peſt vergienge diß Jahr in der Statt Bern ein Knab / nammens Hans Schindler / welcher auß einem Dorff ihrer Landſchaft / namlich zu Rotenbach buͤrtig. Demſelben waren / als er das achte Jahr ſeines Alters erlanget / beyde Haͤnde und Fuͤſſe von einer Windsbraut angezuͤndet / alſo daß man ihm ſolche abſchnei - den muͤßte / deſſen jedoch unangeſehen bliebe er eines wolgeſtalten ſtarken Leibs / koͤnte ohne Kruken / und Steken wandlen / ſich ſelbs an - und abziehen / eſſen / trinken / mit dem Armbruſt / und Buͤchſen ſchieſſen ꝛc.

153N. 39.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Von denen Baderwuͤrfflen.

WAnn je etwas die Augen und Gemuͤhter curioſer Menſchen belu - ſtiget / und in Kunſt - und Naturalien Kammeren in Vorſchein zu kommen verdienet / ſo ſein es die Steinerne Würffel / Stei - nerne Baderwürffel / Teſſeræ Badenſes lapideæ, Teſſeræ luſoriæ lapi - deæ, wie ſie betitlet werden von unſerem S. Hrn. Wagner. Hiſt. Nat. Helv. pag. 329. Sie ſein an Geſtalt anderen Wuͤrfflen gleich / aber um vil kleiner / an Farb weiß / oder gelb / oder ſchwarzlecht / und werden gefunden auſſer der Statt Baden / in dem Graben bey dem alten Schloß / welches ein Roͤmiſche Veſte geweſen / und daherum ligenden Wieſen / ſonderlich in der ſo genanten Würffelwieſe / welche an der linken Hand ligt denen / ſo auß der Statt in die Baͤder gehen. Diſer Wuͤrfflen halb bereden ſich die Einwohnere der Statt und Landſchaft Baden / und ſehr vil andere / ſonderlich der Natur un - erfahrne / Schweizer / daß ſie natuͤrlich ſeyen / in diſer Bader Erde alſo / wie man ſie findet / ohne zuhilff menſchlicher Haͤnden / gebildet werden / weßwegen ſich nicht zuverwunderen / wann froͤmde Nationen / und unter denen ſelbs gelehrte Leuhte diſem gemeinen Urtheil folgen / und diſes Eidgnoͤſſiſche Na - turwunder mit erſtaunung anſehen. Dann gewißlich diß ein ſolches Mei - ſterſtuck der tauſendkuͤnſtleriſchen Natur / dergleichen ſonſt in der Welt keins anzutreffen. Wer die Beweggeſaͤtze / nach welchen die Natur diſere Wuͤrffel außgearbeitet / und die Puncten ſo ordenlich / wie in andern gemeinen Wuͤrff - len / geſetzet / und ja etwann durchgeboret hat / zuergruͤnden trachtet / der wird ſich eher zu einem Narꝛen ſtudieren / ehe er ſich / und andere / im geringſten ver - nuͤget. So daß er endlich mit jenem alten Poeten ſich troͤſten kan / daß die Natur vil verborgene Sachen habe / welche die Menſchen niemahlen recht außgruͤnden koͤnnen.

Natura154
Natura certé
Multa tegit Sacra involucra, nec ullis
Fas eſt ſcire quidem mortalibus omnia.

Es muß einmahl eine neue Naturwiſſenſchaft / auf ein ganz neues / uns bis dahin unbekantes / Fundament gebauet werden / wann man wil der Na - tur diſes Wuͤrffel werk zu ſchreiben. Da mag nicht langen der groſſe Ariſto - teles mit allen ſeinen Formis, Qualitatibus, Affectionibus, Facultatibus, For - men / Kraͤften / und Eigenſchaften / wie ſie immer moͤgen Nammen haben. Der weiſe Plato, ſein Lehrmeiſter / komt auch zu kurz mit ſeinen Ideis, oder Vorbildlein aller Dingen / welche annoch jezt nach einicher neuen Semi Plato - nicorum Meynung in der Welt umherfliegen. Der kluͤgſte Epicurus wird eher erleben / daß ſeine ohngefahr zuſamenſtoſſende Staͤublein des Homeri Buch / Ilias genant / außmachen werden / als einen einigen Baderwuͤrffel geſtalten. Der Weltberuͤhmte Erneuerer der Epicureiſchen Weltweißheit Gaſſendus, mit dem ganzen Schwarm ſeiner Nachfolgeren findet nichts / daß hieher diene / wann ſich ſchon zu ihnen geſellen alle heutigen Mathematici, welche nach Mechaniſchen Geſaͤtzen die Begegniſſen der Natur außlegen. Der kuͤhne / und gluͤkliche außfinder Carteſius, wird eher in dem einbildiſchen Weltraum / da er jezund ſich ſol aufhalten / nach ſeinen Grundſaͤtzen eine neue Welt bauen / als ein halbes dotzet Baderwuͤrffel machen. Wahr iſts / daß unſere Helvetiſche Lande ſo voll ſein von allerhand Naturwunderen / daß es ſcheinet / die Natur habe diſen oberſten Gipfel Europæ zu ihrem Thron / und Herꝛſchaft Sitz erwehlet / aber auch haben wir bis dahin ihro mehr zugeſchrie - ben / als ihr gebuͤrt / wie zum Beyſpiel dienen kan der Pilatus See / deſſe wet - ter macheriſche Wirkungen man vor etlich 100. Jahren zu Lucern / und in uͤbriger Eidgnoßſchaft eben ſo wenig hette in Zweifel zeuhen doͤrffen / als ie - zund zu Baden die Wuͤrffelmachende Naturkraft. Wann jemand die Hel - vetiſche Natur in hohen Ehren haltet / und ſich bedenket ihro etwas abzuſpre - chen / ſo bin ichs / und aber habe mich bis jezo nicht bereden koͤnnen / daß diſe Baderwuͤrffel natuͤrlich / oder alſo in der Erden gewachſen / und geſtaltet wor - den. Die Gruͤnde / welche mich hierzu bewegen / werde in moͤglichſter kuͤrze darlegen / und dann dem Wahrheit liebenden Leſer uͤberlaſſen ſein Ja / oder Nein / anzuhenken. Erſtlich dann behaubte ich / daß das Wuͤrffelſpiel / und deren Bezeugung eine erfindung ſeye eines / und zwar / Menſchlichen Verſtands. Oder es muß ein Naturverſtaͤndiger daher kommen / und an - zeigen / wie dann die Wuͤrffel in denen Geheim-Zimmeren / und verborgenen Werkſtaͤtten der Natur / zu was End / und mit was vor Jnſtrumenten auß - gearbeitet werden? warum die Pünctlein allezeit alſo den Wuͤrffel-Flaͤchen eingegraben, das zwey einander entgegenſtehende ſeiten die ſibende Zahl auß -machen /155machen / als 1 und $$\frac {6}{5}$$ und $$\frac {2}{4}$$ und 3? warum auch in diſen vermein - ten Naturwuͤrfflen die Puͤnctlein allezeit in gleicher / und folgender / Ord - nung zu ſtehen kommen?

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Diſe einige Anmerkung iſt genugſam / die Augen zu oͤffnen / und uns zu zeigen / daß nicht die Natur / ſondern die Menſchen die Wuͤrffel erfunden: ob nun diſe Ehr der erſten Erfindung zukomme den Lydieren / ſo einen gewiſſen Theil Aſiæ bewohnet / denen Herodotus Lib. I. die erſten Wuͤrffel zu leget; oder Palamedi, wie auß Pauſania beweiſen wil Cœl. Rhodigin. var. Antiq. Lection. Lib. 20. cap. 27. wil ich nicht eroͤhrteren. Jch weiß wol / daß die Natur nach denen von Gott angeordneten Bewegungs-Geſaͤtzen / oder beſ - ſer zu ſagen / der Natur Schoͤpfer ſelbs wuͤrfflichte Cœrper in dem Minerali - ſchen Reich geſtaltet / und koͤnnen uns zum Exempel dienen die ſo genanten Wuͤrffelkieß / welche wir auch hin und wider in unſeren Helvetiſchen Landen finden / und oben beſchrieben werden N. 10. p. 39. auch ſo regular und ſchoͤn ſeyn / als wann ſie durch Kunſt weren abgeſchliffen worden. Diſe Wuͤrffel aber ſein ohne einiche Puncten / alſo der jenigen Zierd beraubet / welche un - ter dißmahlige Betrachtung kommet. Eine wunderſchoͤne Ordnung iſt zu gewahren an dem ganzen Weltgebaͤu / ins beſonder aber bey der Pflanzen / Thieren / und Menſchen Geſtaltſame; in aller deren Puͤnctlein / Zaͤſerlein / und groͤſſeren Leibes theilen zeiget ſich eine unendlich groͤſſere Vollkommenheit / als bey den künſtlichſten Wuͤrfflen / ſo jemahls bearbeitet worden. Daruͤber aber verwunderen wir uns nicht ſo ſehr / wann wir gedenken / daß die wirkende Urſach deſſen ſeye nicht eine blinde Natur / ſondern die allmaͤchtige Hand des Groſſen Gottes ſelbs / welche die vollkomneſte Kraft ihrer Weißheit unter anderem auch darinn zeiget / daß die lebenden Geſchoͤpfte nicht nur allein vor - ſich eine unvergleichlich kuͤnſtliche Geſtaltſame aller ihrer Theilen haben / ſon - dern noch uͤber diß die Kraft beſitzen / andere ihres gleichen Geſchoͤpfte auch hervorzubringen / worinn die allkraͤftige Natur alle Künſtler der Welt / und deren Werke unendlich hoch uͤberſteiget. Ob nun diſer alles bildenden Goͤtt - lichen Naturkraft koͤnne / oder doͤrffe / zugeſchrieben werden die geſtaltung unſerer Baderwürfflen / wil ich nicht mit vilen Worten beneinen / die Sach ſelbs redet hiervon genugſam / und moͤchte 2. mancher diſe Folge zeuhen / daß Gott ein gefallen hette an diſen Wuͤrfflen / und deren Gebrauch / und die jenige ſo wol Heidniſche / als Chriſtliche Fuͤrſten / Concilia, und Staͤnde unrecht gehandelt daß ſie ein von der Natur ſelbs gezeigtes Spiel voͤllig / oder unter gewiſſen Bedingen ver botten / wie dann diß geſchehen im Concilio Elibertino can. 79. durch das Edictum Molinienſe An. 1566. unter Carolo IX. Koͤnig in Frankreich bey Thuan. Hiſt. Lib 29. p. 391. 3. Sein auch die Steine / und Erden / ſo um Baden her gefunden werden / nicht von ſolcherFarb /156Farb / Geſtalt oder Außſehen / daß man ſie koͤnte anſehen / oder halten vor eine Zeugmuter der Wuͤrfflen / und weiß ich kein Exempel eines Baderwuͤrffels / welcher in einem Stein / gleich als in ſeiner Muter ligend / oder ſteckend / were gefunden worden / wie dann bekant / daß die Steinerne Muſchlen / Schneken / und andere dergleichen gebildete Steine / auch in oft gleicher / oft ungleicher / Erde oder Steine ſich aufhalten. 4. Gibet ſo wol der Augenſchein / als die Feuerprob / einem jeden / ſo der natuͤrlichen Sachen erfahren / alſobald zu er - kennen / daß die Baderwuͤrffel Bein ſeyen / ja es ſein einiche ſo neu / und un - veraͤnderet / daß einer muͤßte ein groſſer Thor ſeyn / der ſie nicht vor wahres Bein ſolte anſchauen: obgleich andere / und villeicht aͤltere / Würffel nicht weißgelb von Farb / ſondern ſchwarzlecht / eine ſolche Veraͤnderung in der Er - den außgeſtanden / welche ſie eher in die Ordnung der Steinen / oder verſtei - nerten Coͤrperen / als der Beinen / zu ſetzen ſcheinet / ſo haben auch diſe ſo wol / als jene / diſe Eigenſchaften an ſich / daß ſie von dem Feuer verzehret werden / und gleich dem wahrhaften Bein einen ſtinkenden Schwefelgeruch von ſich geben / ſo daß nicht zu zweiflen / daß man auch einen Geiſt / fluͤchtiges Salz / und Oehl / auß diſen vermeinten Steinernen Baderwuͤrfflen ziehen koͤnte; wann man die Muͤhe und Unkoͤſten wolte laſſen daruͤber gehen / und ſonder - lich eine ſolche Anzahl hette / wie der An. 1638. den 13. April. in Koͤnigs - Felden ſeligſt verſtorbene Herzog von Rohan / welcher ein ganzes Viertel un - ſtrer Baderwuͤrfflen ſol hinderlaſſen haben / nach dem Bericht Cyſat Be - ſchreibung des IV. Waldſtaͤtten See. p. 250.

Wann aber auß bisher eingefuͤhrten Gruͤnden die Baderwuͤrffel auß der Zahl der Figurierten / oder von Natur gebildeten Steinen weggenom̃en / und unter die Kunſtſachen verleget werden / ſo entſtehet eine neue Frag / wo - her ſie dann kommen? wer ſie gemachet? bey was Anlas ſie in diſer Gegend abgeleget / oder begraben worden? wer hieruͤber etwas grundliches wil ein - bringen / der muß eher die Geſchicht-als Natur-Buͤcher rahts fragen / und ſonderlich in der uralten Statt Baden Hiſtoriſcher Beſchreibung fleiſſig nachſuchen. Einiche ſteigen hinauf bis zu der Roͤmeren Zeiten / da bekant / daß die Statt und Schloß Baden unter Vitellio von Aulo Cecinna einge - nommen / und in nachfolgenden Zeiten in der Veſte Baden allezeit eine Be - ſatzung gelegen / und vermeinen / es habe ſich wol koͤnnen zu tragen / daß unter der Roͤmiſchen / ſonderlich Chriſtenlichen Keiſeren Regierung / oder auch un - ter den Alemanneren / Franken / denen Grafen von Kyburg / und Habſpurg / oder denen Herzogen von Oeſterꝛeich / das Würffelſpiel verbotten / und die Würffel ſelbs / als ein unnützer Werkzeug an ein dem Schloß naͤchſtgelege - nes Ohrt außgeſchüttet / und verſcharꝛet worden: wie dann das Würffel - ſpiel verbotten geweſen ex Lib. 1. & 3. Cod. de Aleatorib. und in Digeſtiſ. I. Solent. §. de Aleatorib. &c.

157N. 40.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſezung Von denen Baderwuͤrfflen.

ZUr bekraͤftigung deſſen kan dienen / daß auch auf dem Hof zu Zürich / da ein Roͤmiſch Caſtell geſtanden / vor etwas Jahren einiche den Badi - ſchen gleiche Wuͤrffel hervor gegraben worden / wann man nicht wil ſagen / daß jemand vorher die Baderwuͤrffel ſelbs an jeztgedachtem Ohrt moͤchte verlohren haben. Andere wollen / man muͤſſe naͤher zu unſeren Zeiten ſchreiten / und denen Juden den Urſprung diſer Wuͤrfflen zu legen. Bekant iſt das gemeine Spruͤchwort / mit welchem man die Juͤdiſche / ſonſt elende / und verachtete Nation außhoͤhnet / Jud gib mir Würffel / von welchem Hohnwort an einem Ohrt mit mehrerem ſchreibet der gelehrte Wagenſeil in Pera Librorum Juvenilium, daß vor diſem die armen Juden allezeit haben muͤſſen verſehen ſeyn mit Wuͤrfflen / um den Grimm der Chriſten zu ſtillen. Und moͤchte wol vor etlich 100. Jahren zu Baden eine Verfolgung uͤber die Juden / mit beſtuͤrmung ihrer Haͤuſeren / und außlaͤhrung ihres Wuͤrffelvor - ꝛahts / ergangen ſeyn. Diſere Muhtmaſſung bekraͤftiget um etwas der Um - ſtand des Ohrts ſelbs / da die Wuͤrffel gegraben werden / welches vor diſem ſol die Juden Statt genennet worden ſeyn. Diſe letſte Meinungen laſ - ſen ſich alle muhtmaßlich darſtellen / aber nicht auß vatterlaͤndiſchen Geſchich - ten / wie es wol ſein ſolte / beweiſen. Bey ſolcher Ungewuͤßheit der Sachen troͤſten wir uns mit jenem weiſen Außſpruch Arati Phænom. p. m. 220. daß auch ſeiner Zeit werde an den Tag kommen / was jezt verborgen ligt.

Πάντα γὰρ οὔπω
Ἐκ Διὸς Α〈…〉〈…〉 νθρωποι γινώσκαμεν,〈…〉〈…〉 〈…〉〈…〉 π〈…〉〈…〉 λλὰ
Κέκρυπται, τῶν ἄικε〈…〉〈…〉 λη, και〈…〉〈…〉 ς ἀντίκα δ〈…〉〈…〉
ξεὺς.
Omnia158
Omnia nondum
Ex Jove mortales cognoſcimus, occulit ille
Plurima, dum libitum fuerit, tradet & illa
Jupiter.

Da dann vilen der Zweiffel wird benommen werden / daß nun von ge - raumer Zeit hinder diſem Wuͤrffel-Gewerb moͤchten ſtecken einiche Badiſche Privat-famillen, welche diſe von ihnen ſelbs nachgemachte Wahr theur anzu - bringen wiſſen: und aber ohne weitere und genugſame probationes denen angeklagten ſo wol / als denen ſo daruͤber zu urtheilen haben / zur Nachricht und Troſt dienet jene bekante Regul der Rechtsgelehrten / quòd in virum pro - bum non eadat ſuſpicio, Mr. Ray ein in natuͤrlichen Sachen wol erfahr - ner Engellaͤnder / als er An. 1663. durch Baden reiſete / hat diſe Wuͤrffel al - ſobald / als er ſie geſehen / vor kunſtlich angeſehen / und gibt kurz dahin ſeinen Urtheilſpruch: Sagen die Bader / daß ſie dieſelbe auß der Erde hervorgra - ben / ſo iſt gewiß / daß ſie ſie vorher in dieſelbe geleget haben. Topographical Obſervat. pag. 101.

Von allerhand Erden des Schweizerlands / und deren Fruchtbarkeit.

Es iſt die guͤtige vorſehung des Allmaͤchtigen Schoͤpfers wirdig / daß ſie geprieſen werde in dem hoͤchſten grad von allen vernuͤnftigen Bewohneren der Erdenwelt / daß deren Oberkleid alſo / wie wir vor Augen ſehen / zuſamen geſetzet iſt auß vilen verſchiedenen Coͤrperen / die alle uns und anderen leben - den Geſchoͤpften zu groſſem Nutzen dienen. Were die Flaͤche der Erden durchgehend ein / obgleich politer / Marmel ein von purem Gold / Silber / und anderen Metallen dargeſpreitete Decke / ſo were ſie zwar vor eine kleine Zeit anzuſehen unſeren Augen lieblich angenehm / aber unfaͤhig uns / oder den Thieren / oder Pflanzen die geringſte Nahrung zu geben / hiemit gleich einem Speis - und Tranklaͤhren ſchoͤnen Schauplatz / der zwaren das Geſicht belu - ſtigen / aber nicht den Magen ſaͤttigen koͤnte / und wann ſchon in diſere Mar - morſteinerne / Guldene / oder Silberne Erden Flaͤche außgehauen weren die ſchoͤnſten Canaͤle / oder Graben / durch welche die Fiſchvolle / Cryſtall-lautere / Waſſerquellen uͤber die ganze Erde geleitet wurden / ſo wurde auch diſere Ge - ſtaltſame allen Gewaͤchſen die Aufenthalt benemmen / und uns berauben der ſo herꝛlichen Außſicht in ſo vil farbichte Blumen - und Speisvollen Gaͤrten / Aeker / Wieſen / ja auß uns Menſchen machen eine wilde art Carthaͤuſer / ſo gleich were jenen Barbariſchen Voͤlkeren / welche die Fiſch roh weg eſſen / oder gleich denen Hottentoten, welche die Miſtvolle rohe Gedaͤrme der Thie -ren159ren halten fuͤr ihre Lekerſpeiſe. Nichts wurde zuſehen ſein von Vierfuͤſſigen / Kriechendẽ / und Fliegenden Thieren. Es weren die Schwim̃ende Thiere ſelbs ſehr ſeltſam / weilen die meiſten / wo nicht alle / ihr Leben erhalten von Kraͤute - ren / und Ungeziefer. Wann hingegen die ganze Erde were eine bloſſe Waſ - ſerkugel / ſo were diß widerum mit Noht eine Fiſchherberg / einmahl eine uns Menſchen unbeliebige / ja gaͤnzlich unnuͤtze / Wohnung / die uns wur - de machen zu zweyfuͤſſigen Fiſchen / und armſeligen nakenden Waſ - ſerſchlukeren. Dann / Lieber / wie wolten wir von einem Ohrt zum anderen reiſen / wie uns vor dem Raub der groſſen Fiſchen verwahren / wie unſere bloͤſſe bedecken / oder uns vor der Kaͤlte / Ungewitter / und anderen widrigen Beſchaf - fenheiten der Elementen beſchützen / wann kein Holz / oder vierfuͤſſige Thier / oder Voͤgel weren? Etwas beſſer wurden wir leben / wann die Erde were ein durchgehender mit Erden / und Waſſer / vermengter Moraſt / da koͤnte man gleichwol ſehen / und brauchen / die Waſſer - und Moraſt-Pflan - zen / Fiſch / und Unzieffer / ja hier und da die Erde aufwerffen / und trokene Hüttlein bauen / um uns vor dem Wetter zubewahren. Aber auch diſer Stand were nichts zu rechnen gegen der Gluͤkſeligkeit / welche wir von gegen - wertiger Erden-Geſtalt genieſſen. Da wir vor uns ſehen eine nicht nur zur Nohtdurft / ſondern auch zu erſinnlicher Luſt / allgenugſame verſchiedenheit der Steinen / Metallen / Salzen / Erden / und anderer Mineralien, ſo auch aller - hand Erden-Luft - und Waſſer Thieren. Wir wollen uns dißmahl in an - ſehung unſers Schweizerlands allein aufhalten bey allerhand arten Erden / wie dieſelbe ſo wol zu hervorbringung allerhand zur Nahrung und Artzney dienlichen Pflanzen / als auch zu unmittelbarem Gebrauch vilfaͤltig bequem ſein; und ſehen / wie der allguͤtige Vatter der Natur bey ordentlicher außthei - lung ſeiner Erden-Gaben uns nicht nur nicht uͤbergangen / ſondern reichlich beſchenket habe? Diß wird ſich erhellen zum theil auß dem / was von dem Ele - ment der Erden oben Tom. I. pap. 87. vorhin gemeldet / zum theil auß vor - ſtellung der vilfaltigen Fruchtbarkeit / und fruchtbaren verſchiedenheit unſe - rer Schweizeriſchẽ Erde / welche jezt folgen wird. Wer unſere Lande nur oben - hin / und durch ein Fehrnglaß anſihet / dem kommen ſie vor ſo rauh / wild / und von Natur unfruchtbar / als wann der uͤbrige Abſchaum deſſen / ſo anderen Laͤnderen were beſchwer - und ſchaͤdlich geweſen / in unſeren kleinen Schweize - riſchen Erden winkel were außgeſchuͤttet worden. Es ſcheinet auch diſes bald allgemeine Vorurtheil / zubekraͤftigen die Erfahrung ſelbs / weilen wir ja ſehen / daß ein groſſer Theil unſerer Landen wild / uneben / mit Holz / und Ge - ſtraͤuch bewachſen / weder Korn-noch Weingewaͤchs hervorbringen mag / und auch ſelbs in unſeren Korn - und Weinlanden das Erdrich mit Steinen und Sand alſo beſtreuet / daß einer bey durchleſung der alten Fabelgeſchich -ten160ten in die Gedanken moͤchte gerahten / es muͤſſen die Rieſen vor Zeiten bey uns / auf unſeren Bergen und Felderen / mit Steinen unter einander gekrieget haben / und man bald wegen der Lettichten zaͤhe / bald wegen vilheit der unter - miſchten Steinen 3. bis 4. Pferd vor einen Pflug muß anſpannen / welchen in anderen Landen ein einiger Eſel kan fuͤhren. Es treibet das vorurtheil von unſerer Landen vermeinter Unfruchtbarkeit einen ſicheren / ſonſt vornem - men / Teutſchen Scribenten ſo weit / daß er von uns darzugeben ſich erkuͤhnet / wir halten es vor ein groſſes Ungluͤck / wann nicht bald alle 10. Jahr eine Peſt in unſere Land komme / welche die unnuͤtzen Brotfreſſer / die ſonſt das Land nicht erhalten koͤnte / hinwegnemme. Wie offenbar aber diſe Lu - gen ſeye / darff keines Beweißthums. Ein ſo widerſinniger Wunſch findet bey vernuͤnſtigen Menſchen / in einem fruchtbaren / und geſunden Land / da die Peſt ſo rar / als irgendwo in der Welt / keine ſtatt. Wer unſere Berge / Thaͤler / und Ebene Lande in der naͤhe / auch ohne Vergroͤſſerung Glaß / an - ſihet / und ſonderlich eine grundlich Philoſophiſche Betrachtung nebſt die Erfahrung leget / der wird bald ſehen die Wahrheit deſſen / was der groſſe Heerfuͤhrer / und Schweizer-bezwinger Cæſar ſchreibet Comment. de Bell. Gall. Lib. I. Helvetii inter Celtas Populi ſunt, bonitatem Agri habentes, daß wir Schweizer ein fruchtbar Land innhaben / und auch die jenige faule Wolluͤſtler unter uns ſchamroht machen / bey denen es heiſſet

Fertilior ſeges eſt alieno ſemper in arvo, Vicinumque pecus grandius uber habet.

oder vil andere / welche die Landeskraft nirgendshin achten / und alles hin - gegen / was auß froͤmden Landen komt / hoch ſchaͤtzen. Quæ cunque præſen - ſpectat humanus animus, his honorem parciùs impendit, remotiora omnia magis admiratur. Maximus Tyrius Serm. 29. Wir koͤnnen uns mit grund der Wahrheit ruͤhmen / daß unſere Schweizeriſche Erde nicht nur hoͤchſt fruchtbar ſeye in gemein / ſondern die jenigen Arten und Eigenſchaften an ſich habe in einem kleinen Begriff / welche ſonſt in vilen beſonderen Laͤnderen muͤſ - ſen aufgeſuchet werden. Darzu tragt das ſeinige bey nicht nur der Grund und Boden / ſo an und vor ſich ſelbs ſo wol auf den Bergen / als in Thaͤle - ren / und Ebenen gut / und verſchiedenlich zu allerhand Pflanzen ernehrung bequem / ſondern vornemlich auch die verſchiedene Situation der beſonderen Theilen des Schweizerlands / daß kaum eine Situation kan erdacht / oder an - getroffen werden / welche nicht ſich zeigen laſſe in der Schweiz. Die Son - nenſtralen fallen ein / und prellen zuruk / auf ſo verſchiedene Weiſe / daß man in der einigen Schweiz zeigen kan bald alle Climata, welche von der Æqui - noctial Lini ſich zeuhen gegen dem Nord Polo. &c.

161N. 41.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung Von allerhand Erden des Schweizerlands / und deren Fruchtbarkeit.

SO iſt kaum ein Wind / der nicht ſich koͤnne anmaſſen einer beſonde - ren Herꝛſchaft uͤber diſes / oder jenes Thal / oder Land / kaum ein Frucht / die ſich nicht pflanzen laſſe / hier oder dort; kaum ein zur erhal - tung des Menſchlichen Lebens noͤhtige Speiſe / welche unſere Laͤnder nicht in genuͤge hervorbringen. Auf denen Bergen iſt eine ſo Weid - und graßreiche feißte Erde / die an Guͤte ihres gleichen kaum irgendwo hat. Ein lebendiger Zeug iſt der ſo koſtliche Viehgewerb / welcher bald den groͤſten Theil des Schweizerlands reichlich erhaltet. Und ſchiket ſich ganz wol auf unſere Land / und deſſen Bewohnere / was in dem Panegyrico Maximiani angeruͤhmet wird von den Brittanniſchen Jnßlen. Terra tanto frugum ubere, tanto læta numero Paſcuorum, tot metallorum fluens rivis, tot vectigalibus quæſtuoſa, tanto immenſa circuitu. Atque hinc per illam frugum pecorum - q́ue redundantiam factum eſt, ut ex cibo, corio, vellere, velut exundantis Terræ muneribus, populus in ocio, & plerumque oblivione Laboris di - teſcat. Zur Fruchtbarkeit unſers Erdrichs tragt nicht wenig bey die unter unſerem Schweizeriſchen Waſſerhafen maͤſſig wirkende / und ſich in ſo vil warmen / und kalten Quellen / Erdbidmen ꝛc. ganz deutlich zeigende / unter - irꝛdiſche waͤrme / wie dann bekant / daß die jenige Laͤnder ſonderlich fruchtbar ſeyn / in deren Eingeweiden ein auch wuͤtender Vulcanus ſeine Hofſtatt hat / als Sicilien / ſo vor diſem genennet worden das Proviant - oder Kornhauß des Roͤmiſchen Reichs / Neapoli / ganz Jtalien / ꝛc. Wir wollen aber ins be - ſonder ſehen die Beſchaffenheit des Erdrichs in jedem Theil der Eidgnoͤſſi - ſchen Landen.

Wie162

Wie die Eidgnoͤſſiſche Lande ins gemein betrachtet ein Compendium oder kurzer Begriff ſein von ganz Europæ / alſo iſt der Lobl. Canton Zürich ein Compendium der ganzen Schweiz / dann da ſich finden Berge / Thaͤler / Ebene Laͤnder / Aeker / Weinberge / See / Fluͤſſe / allerhand andere Waſſer / und was zu des Menſchen Unterhaltung dienen mag. Aller Ohrten gibt es vil / und gutes Obſt / an dem Zuͤrich-See / und gegen dem Schaffhauſer-Ge - biet / und Thurgeü vil Wein / von welchem oben Tom. I. pag. 21. Auf denen Bergichten Ohrten / ſo an die Cantons Schweiz / Zug / Rapperſchweil / und Toggenburg graͤnzen / haben wir einen Vorgeſchmak der fetten Alpen / und in daſigen Gegenden einen uͤberfluß an Milch / Butter / Kaͤß / und Viehe. Und durch das ganze Land pflanzet man in den Felderen allerhand Korn - fruͤchte / mit dem Unterſcheid zwar / daß diſe in Bergichten Ohrten wegen mehrerer Kaͤlte ſpaͤter reiff werden / als in ebenen Landen / oder Sonnreichen Thaͤleren; wie auch die Weine / ſo gegen die hohen Gebirge / oder gegen dem Nordwinde wachſen / an Guͤte andern nicht zu kommen. Wo die Aeker / oder Weinberge zu mager / da pfleget man durch Kunſt ſie zuverbeſſeren / mit allerhand Tuͤnge / unter welche auch kan gezellet werden eines vornemmen Herꝛen und Freundes ſichere Art die Felder fett zu machen mit darſtreüung zerſchnittener wulliner Fetzen oder Lumpen. Andere Felder laſſet man / nach dem ſie etliche wenige Jahr genutzet worden / brach ligen / oder ein Jahr ru - wen / damit die nehrhaften Theile der Erden / welche dem Korn / oder anderen Feldfruͤchten zugetheilet worden / widerum erſetzet / und der Erden zugebracht werden. Wie nun diß zugehe / darvon ſein nicht einerley Meynungen. Etli - che holen diſe neue Kraͤft her von der Luſt / und vermeinen / es werde die Erde mit einem Nitro cæleſti, aereo, oder gewiſſen Salpetriſchen theilen / ſo in der Luft umher fliegen / aufs neue beſchwaͤngeret / und fruchtbar gemachet. An - dere urtheilen einfaͤltiger / und der Wahrheit aͤhnlicher / daß die außgebrauch - te Erden eroͤßt an Waſſer - und irꝛdiſchen zaͤhen Theilen / deren enger zuſamen - hang / oder genaue vermiſchung die Nahrung den Pflanzen gibt / und aber nicht in kleiner Zeit zuwegen gebracht werden kan / abſonderlich bey einer let - tichten / dicht auf einander ligenden / Erden; dann der Regen / oder Schnee / in ſolche Erden nicht alſobald kommen / und durchtringen / weßwegen die aufgeakerte Erde nach laͤnge der Zeit muß gleichſam murbe gemachet / und mit obenbemeldten Nahrungstheilen wol durchmenget werden / wann man des Segens einer neuen Frucht wil gewaͤrtig ſeyn. Zur erlaͤuterung diſes Vernunfturtheils dienet / was die Aker-Raͤb-Leuhte und Gaͤrtner gemeinlich wahrnemmen / daß die Luftigere Erde / wann ſie nur nicht gar zu leicht / und die Nahrung allzugeſchwind durchlaſſet / auch die fruchtbarſte ſeye / weßwegen ſie auch verſchiedene Vortheile gebrauchen / ihre Erden luftiger zu machen. Nicht163Nicht nur graben ſie die Erden um die Baͤume / Weinraͤben / und auf den Aekeren um / damit die Luft in die Schoͤllen deſto leichter eintringe / und das Erdrich murbe mache / ſondern ſie legen etwann den aufgegrabenen Grund auf Doͤrne / die ſie in die Erde um die Wurtzen begraben / damit ſie nicht ſo leicht widerum ſich feſt ſetze. Einiche befinden ſich wol darbey / wann ſie ihre Aeker zu Jahren um kreuzweiſe pflugen / damit durch ſo thane weiſe alle Er - denſchollen wol zerſchnitten werden. Man gewahret auch / daß die aufge - akerte / oder in den Raͤben aufgeſchorꝛete Erde fruchtbarer / wann etwas Zeits hernach ſchoͤn Wetter anſtehet / daß die Sonn / nach unſerer Baurs - leuhten Redens art / die Erde kan bauen / dann wann es bald darauf reg - net / ſo ſitzet die Erde deſto geſchwinder auf einander / und zeuhet ſich daruͤber gleichſam eine Haut / welche dem Regen den Eingang ſchwer machet. Diſe mit Vernunftſchlüſſen untermiſchte Bauren-Practic habe um ſo vil eher hieher ſetzen wollen / damit man theils ſehe den herꝛlichen Nutzen / welchen ein in der Naturwiſſenſchaft erfahrner / und geſchikter Landtmann / oder Eigen - herꝛ kan bey außfindung allerhand Manieren ſich zuzeuhen / theils aber deſto beſſer erkennen lehrne die Beſchaffenheit unſers Erdrichs / und darauf acht haben.

Das Bern-Gebiet iſt in anſehung ſeiner Weite / Geſtaltſame / und Fruchtbarkeit das koſtlichſte Kleinoht der ganzen Schweiz. Das platte Land gibet einen uͤberfluß von Korn / und anderen Feldfruͤchten / auch Obs in groſſer Menge. Jn denen Bergen finden ſich die koſtlichſten Alpen / wel - che widerum mit Milch / Kaͤß / Butter / verſehen nicht nur das ganze Land reichlich / ſonder bereicheren auch die Einwohner mit ſolcher Milchſpeiſen und des Viehs Gewerbſchaft / die ſie in froͤmde angraͤnzende Laͤnder treiben. Et - wann ligen die zwiſchen den Bergen ligende Thaͤler ſo kommlich / daß man auch Frucht anſaͤyen / und nach verflieſſung 10. Wochen / oder 3. Monaten / wie im Grindelwald / einernden kan. Jns beſonder iſt die ganze Wadt / alle an dem Bieler-Murter-Neuburger - und Genffer-See ligende Teutſch - und Weltſch Berneriſche Laͤnder ein rechtes Paradeis / da nicht nur die herꝛ - lichſte Frucht wachſet von allerhand Art / ſondern auch ein treffenlicher Wein / dene in mehrerem anzuruͤhmen anderſtwo Anlas nemmen werde.

Lucern / Uri / Schweiz / Underwalden / Zug und Glarus / behelffen ſich meiſtens ihrer Bergen / und deren darauf ſich befindenden Al - pungen / welche eine unbeſchreibliche Anzahl Viehs nehren / und der Einwoh - neren Bergwerk / und reiche Handlung ſeyn. Lucern hat darneben in ihrer Landſchaft einen zimlichen Vorꝛaht von Getraͤid / damit ſie auch denen fol - genden drey Ohrten Vorſehung tuhn kan. Jhre Viehzucht haben ſie ſon - derlich in der Landſchaft Entlibuch / an dem Pilatusberg / und der Rigi. Uri164Uri iſt mit ſeinen Thaͤleren überall zwiſchen hohen Bergen eingeſchloſſen / genieſſet aber ſonderlich von dem Foͤn - oder Mittagwind vil Guttahten / ge - ſtalten die Fruͤchte in dem Urnerboden fruͤher zeitig werden / als in anderen / von den hohen Gebirgen entfehrnteren Theilen des Schweizerlands / darzu zwaren vil beytragt die ſtarke zurukprellung der an die Bergwaͤnde fallenden Sonnenſtralen / welche in denen Thaͤleren Sommerszeit oft eine unertrag - liche Hitz erwecket / und deßnahen zu gewahren / daß die jenige ob gleich zwi - ſchen hohen Schnee - und Eisbergen ligende Thaͤler / welche dem Biſ - oder Nordwind nicht offen ſtehen / zum Akerbau / und oft auch zur Weinpflanzung ſehr bequem ſeyn. Zug hat Getraͤid / Wein / Obs / ſonderlich vil Caſta - nien um den See her / nebſt fetten Weiden.

Der Canton / und das Biſchthum Baſel hat an mehrtheil Ohrten einen herꝛlichen Akerbau / mit einem Mehlreichen und weiſſen Getraͤid / alſo daß diſes Gebirg-Korn weit beſſer / als das Suntgowiſche. An vilen enden hat es Weingewaͤchs / ſonderlich um Baſel / Liechſtall / und Siſſach; item im Frickgow / unter Olten herab. Allein iſt das Gebirgland hinder Telſch - berg hinein alſo winterlich / daß da kein Wein wachſen mag / auch an etlichen Ohrten / ſonderlich im Freyen Berg / und daſelbſt herum / wenig Getraͤids bringt / hat aber ſonſt / wie das Land uͤberall / zu Berg und Thal vil ſchoͤner Wieſen / und Weyden / mit vil Viehs. Urſtis Baßler Chron. Lib. I. cap. 1.

Freyburg genieſſet nach Beſchaffenheit der groͤſſe des Lands / gleiche Erden-Fruͤchte mit dem Canton Bern / mit deme diſes X. Ohrt der Eid - gnoßſchaft umgeben.

Das Solothurner Gebiet hat an allerhand Baumfruͤchten kei - nen Mangel. Jn der Vogthey Goͤßgen und Dorneck einen ſtarken Wein - bau / an anderen Ohrten aber keinen / zwar nicht / daß der Boden darzu nicht geſchikt ſeye / ſondern weilen man den Wein auß der Grafſchaft Neuenburg / der Landſchaft Waat / und dergleichen mehr Ohrten reichlich gehaben / und darzu auf dem Waſſer gar komlich / und mit geringem Unkoſten in die Statt und Land bringen / nicht weniger auß dem Elſaß herauf uͤber fluͤſſig herbrin - gen kan. Die Aeker / Matten und Waͤlder ſein dergeſtalt vermiſcht / und ab - getheilt / auch mit vilfaltigen underſchiedlichen Baͤumen beſezt / daß ſolche von weitem / oder der Hoͤhe herab / einem wolgezierten Luſtgarten ganz gleich ſehen. Hafner Soloth. Schauplatz / Part. II. p. 317.

Schaffhauſen hat ein ſehr fruchtbar Land / ſonderlich an koſtlichem Wein / der rings um die Statt in groſſer Menge wachſet. Wie ſich in diſem XII. Canton endet die Schweiz gegen Teutſchland / alſo endet ſich auch die Landsart / daß die Berge in anſehung der groͤſſe und raͤuhe vilmehr Hügel zu nennen / und uͤberall mit Korn koͤnnen angeſaͤyet werden / alſo daß diſes Land gleich zu werden anfangt dem benachbarten Kornreichen Schwabenland. ꝛc.

165N. 42.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſezung Von allerhand Erden des Schweizerlands / und deren Fruchtbarkeit.

APpenzell / das XIII. und letſte Ohrt der Eidgnoßſchaft / iſt ein rei - ches Vieh-Milch - und Kaͤßland / mit hohen Bergen umgeben / und durchzogen.

Der Abt von St. Gallen / das erſte zugewandte Ohrt der Eidgnoß - ſchaft / hat in anſehung der Grafſchaft Toggenburg gleiche Landsart mit dem benachbarten Appenzell / und anderen Alp - und Viehreichen Cantons / in anſehung der ſo genanten Alten Landſchaft aber gleiche Beſchaffen - heit mit dem Thurgau / von welchem an ſeinem Ohrt ins beſonder zu reden ſein wird.

Von der Statt St. Gallen fallet / weil ſie kein eigen Land hat / nichts dißmahl zu reden vor.

Jn Pündten findet ſich in anſehung der Fruchtbarkeit ein groſſer Unterſcheid / wie dann die guͤtige Natur der Herꝛſchaft / den vier Doͤrfferen / der Gegne um Chur / dem Boden der Herꝛſchaft Razüns / dem Domleſchg / und dem mehreren Theil des Hochgerichts Grub bey Jlanz / auch theils Pretigeü / allerhand Fruͤcht und Nahrungsmittel ertheilt / ohn das etliche wenig / andere keinen Weinwachs haben. Die etwas wildere ſein mit vilem Korn verſehen: den Abgang des Korns / und anderer Fruͤchten erſetzet man mit den koſtlichen Viehweyden / und trefflichſtem Heu. Es erweket auch die natuͤrliche Unfruchtbarkeit der Einwohneren Fleiß / der an manchem Ohrt der Erden gleichſam Luft gemachet mit wegraumung der Steinen /wie166wie in Pergell zu ſehen. Man hat ſo gar / wo die groͤſſe der Steinen das wegtrolen verſaget / mit Erden ſie bedekt / und alſo zum Korn - und Heutra - gen tauglich gemacht / wie durch das Campdolciner Thal zu gewahren. Anderwerts ſein ganze Auen / Buͤſche / und Waͤlder durch umgraben / ſchwemmen / und brennen zur Fruchtbarkeit gebracht worden. J. R. R.

Die an Jtalien graͤnzende Grafſchaft Cleven / und Landſchaft Veltleins haben Theil an koſtlichkeit der Jtaliaͤniſchen Luſt - und Fruchtbar - keit. Veltlein ins beſonder kan mit Recht betitlet werden ein irꝛdiſches Pa - radeis. Dann diß Land neben dem ſo genanten Veltleinerwein auch aller - ley Getraͤid / und Zugemüß hat / als Weitzen / Roken / Gerſten / Haber / Erb - ſen / Bonen / Linſen / Hirß / Fenkel / Heyden / und anders. Und begibt ſich oft / daß an etlichen Ohrten auß einem Boden viererley Fruͤchte nach einander in einem Jahr eingeſamlet werden. Dann zwuͤſchen den Weinraͤben / die am Herbſt ihr Fruͤcht geben / wird Weitzen / Roken / Korn / und dergleichen angeſaͤyet; nach der Ernd deſſelben Getraͤids folget Hirß / Heyden / nach diſem die Ruͤben. So dann fruchtbare Baͤume auch darbey ſtehen / wie es dann oft geſchihet / iſt die Nutzung deſto groͤſſer. An ſonnachten Ohrten mag man im Meyen anheben zu Ernden / und alſo fortfahren / bis man dem Land nach erſtlich / und folgends in den Hoͤhenen / und Zuthaͤleren alles einbringt. Ein par Ochſen / und an vilen Ohrten ein einziger iſt genugſam den Pflug zu ziehen / alſo milt und willig iſt das Erdrich im Akerbau. Jedoch iſt diſes ſehr Volkreich Land mit Getraͤid nicht nach Nohtdurft verſehen. Dann obgleich Gegnenen darinnen hin und wider ligen / die nicht allein zu ihrem genugſamen Brauch / ſondern auch zu dem Verkauff / wann gemeine Jahrgaͤnge ſeyn / einen guten uͤberfluß haben; ſo ſein doch gar vil Plaͤze / denen nicht ein geringes mangelt / weilen ſie ſich mehr auf das Raͤbwerk und Viehzucht / als aber auf den Akerbau begeben. Derhalben behilft ſich diſes Thal auß der Eidgnoßſchaft / auß Schwaben / Baͤyern / Tyrol / dem Vene - diger Gebiet / und Herzogthum Meyland / wo das Getraͤyde je am beſten zu bekommen. Wann die Marꝛen und Keſten im Land wol gerahten / iſt der Mangel am Getraͤyd deſto kleiner. Dann ſolche dem gemeinen Mann groſſe Nahrung geben. Neben diſen gibt es in diſem Thal Obs - und Baumfruͤch - te in groſſer Anzahl / von allerley Geſchlechten / darunter die edelſten ſein Mandel / Feigen / Granaten / Lorbeer / und dergleichen. Vil ſchoͤner Mat - ten / und ſehr groſſe und weite Weidboͤden ligen in diſem Land hin und wi - der; beſonders ſein die Berge und Zuthaͤler Graßhaft / und Weydreich. Dannenher diß Thal an allen Enden / fuͤrauß in den Hoͤhenen / und Zuthaͤle - ren / neben den Roſſen / Maulthieren / und Eßlen / uͤberfluͤſſig vil Rindervichs / auch Schaf und Geiſſen ernehret. Winterszeit etzen ſie ihr Heu mit den -ſelbi -167ſelbigen / zu Fruͤhling und Herbſtzeit behelffen ſie ſich der Plaͤnen / und Heimi - ſchen Weyden / im Sommer aber haben ſie zu hinderſt in den Thaͤleren / und um die Spitzen ihrer Bergen herum gute kuͤhle / und graßreiche Alpen / da das Viehe am maſtigſten / und feiſſeſten wird; dann es in geſundem / und friſchem Luft ſtehet / auch in guter zarter / und wilder Weide / deren ein Ueber - fluß iſt / und ſehr kraͤftige und angenehme Nahrung gibt. Derhalben iſt man an diſen Ohrten mit Milch / Kaͤß / Ziger / Schmalz / Fleiſch / Leder / Unſch - lit wol verſehen. Die Edle Beſchaffenheit des Veltleins habe ſonderlich auß Guler Rætia Lib. XI. p. 164. 165. deſto weitlaͤuffiger eingefuͤhrt / wei - len ſich ein groſſer Theil diſer Beſchreibung auch zueignen laſſet auf das uͤb - rige Puͤndtner - und auch Gebirgichte Schweizerland. Wie edel das Wein - gewaͤchs im Veltlein ſeye / iſt auch darauß abzunemmen / daß ſich Trauben finden von 450. 460. und mehr Beeren. Obwol einiche Guͤter bis 1. Phi - lipp das Klaffter zu 6. Schuhen / und diſer zu 12. Zollen gerechnet / bezahlt werden / ſtatten ſie doch 5. von 100. Nutzen ab / welches theils der guͤnſtigen Himmels Gegne / theils der Einwohneren Fleiß / und Menge beyzumeſſen; als wormit alle Winkel beſezt / wie dann auf allen Bergen / und Waͤlderen Kirchen zu ſehen / deren Anzahl in dem Thal Veltlein allein / die Grafſchaften Cleffen / und Wormbs unbegriffen / auf 200. ankomt. R. R.

Das Walliſſer Land iſt ein ſo fruchtbares Thalgelaͤnd / dergleichen kaum / wil nicht ſagen in Schweizeriſchen Landen / ſondern auf Erde zu fin - den: Es erſtrecket ſich von Aufgang gegen Nidergang / genieſſet deßwegen den ganzen Tag der Sonnen waͤrme. Da wachſet ein edler Muſcateller / und ſonſten fuͤrbündig guter Weinwachs / ſo da anfanget ob dem Zehenden Brigg zu Moͤril / und gehet durch das ganze Land nider bis zu St. Mau - ritzen. Diſes guten Weins wird vil uͤber das Gebirg geſaumet / und gefuͤhret in andere Land / als gen Uri / gen Haßle / gen Sanen / und in andere Thaͤler des Berngebiets. An allerley Getraͤyd hat diß Land genug / als Weitzen / Roggen / Gerſten. Das undere Land (als das tieffere) hat mehr Winter - fruͤchte / dann das ober / (ſo hoͤher liget gegen der Furca,) und das ober mehr Sommerfruͤcht / dann das unter. Das Erdrich iſt ganz Fruchtbar / alſo daß auch zu oberſt im Land / im Zehenden Gombs / die Aeker gemeinlich alle Jahr Frucht geben / daß man gleich nach der Ernd dieſelbige widerum bauet / und ſaͤyet. An vilen Ohrten waͤſſeren ſie alle ihre Guͤter / richten das Waſſer auch etwann durch ihre Aeker / und Weingaͤrten / koͤnnen daſſelbe gar artig / oft mit groſſer Lebensgefahr / leiten an den Bergen und Felſen / durch Canaͤle / die ſie etwann 2. Meilen / und weiters herfuͤhren. Die erſten Aker - fruͤchte werden an den fruchtbarſten Ohrten im Meyen zeitig / deßwegen im Land Wallis die Ernd im Meyen anfangt / und endet ſich erſt im October /alſo168alſo daß die erſten Fruͤchte / im Grund / die ander en in den Nebenthaͤleren / und die letſten auf den Bergen / gleich under den Schneebergen herab geſam - let werden. Das ganze Land iſt durchpflanzet mit allerley Obs / und guten Baumfruͤchten / als Apfel / Biren / Nuſſen / Pflaumen / Kirſchen / Kaſtanien / Maulbeer / Pinnuſſen / ꝛc. Es hat auch um Sitten / Siders / und Gundis / Mandel / Feigen / Granaten / und dergleichen edle Früchte / darzu zeucht man auch an bemeldten Ohrten vil guten Saffran. Groſſer uͤberfluß iſt auch zu Berg und Thal an allerley zamem und wildem Viehe. Stumpf. Chronic. Lib. XI. cap. 2. p. m. 654. b. Simler. Valleſ. pag. 2.

Müllhauſen / und Biel / ligen in ſehr fruchtbaren Gegenden / jenes gegen dem Elſaß / am Ende des Schweizerlands / diſes zwiſchen dem Can - ton Bern / und Biſchoff-Baßleriſchen Gebiet.

Die Grafſchaften Neuenburg und Vallengin haben einen ſo edlen / und Fruchtbaren Boden / nebſt vortrefflicher Situation, als kaum ein Theil des Schweizerlands. Auf den Buͤhlen / und in dem Grund / ſonderlich an / und um die Statt Neuenburg wachſet der edleſte Wein in groſſem Ueber - fluß / und auf den Bergen die trefflichſten Gewürzten / auch raren Kraͤuter / die man anderer Ohrten ſchwerlich findet.

Genff hat zwaren ein kleines / aber fruchtbares Land / eine Graͤnz - Statt zwiſchen der Schweiz / Saffoy / und Frankreich / welche wegen diſer ihrer Situation nicht nur Theil hat an diſer drey Laͤnderen guͤtigem Einfluß des Himmels / ſondern vil andere Vortheile / in anſehung der Handlung / und vilen Zuſpruchs froͤmder Leuhten / ſo daß hierdurch der Mangel des weiten Landes reichlich erſetzet wird.

Von dem Biſchoff Baßleriſchen Gebiet iſt oben under dem Titel Baſel das noͤhtige gemeldet worden.

Unter denen gemeinen Eidgnoͤſſiſchen Vogtheyen / oder Herꝛſchaften iſt vorderſt die Land-Grafſchaft Thurgeü / welche ſehr lieblich / und fruchtbar an Wein / Korn / Obs / und allerhand guten Fruͤchten / außgenommen in den Gegnenen gegen Mittag / gegen dem Appenzeller land / und Toggenburg / da das Land anfangt wild werden / doch aber auch gut bleibt an Viehweyden. Des Weins wachſet zu gemeinen Jahren in diſem Land ſo vil / daß auch die anſtoſſenden Laͤnder Wein bey ihnen holen. Darzu wird an vilen Ohrten diſes Lands vil Tranks auß Apflen / und Biren / gemoſtet. Den beſten nen - nen ſie Berli Moſt / oder Bergbiren Moſt; den fuͤhret man auch in andere Land / und ſchenket ihn auß vor einen delicaten froͤmden / ſuͤſſen / Wein. Wann die Jahre an jeztbemeldten Biren fruchtbar ſein / findet man Bauren im Thurgeü / die ab ihren Guͤteren 8. 9. bis 10. Fuder Moſt machen. Es kan die fruchtbare Art des Bodens auch abgenom̃en werden auß der groſſen Menge der im Thurgeuͤ ligenden Fleken / Doͤrfferen / Schloͤſſeren und Hoͤſen. vid. Stumpf. Chron. Lib. V. c. 1. p. 349. &c.

169N. 43.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung Von allerhand Erden des Schweizerlands / und deren Fruchtbarkeit.

DJe Grafſchaft Baden liget zwiſchen denen Cantons Zũrich und Bern / genieſſet alſo eine gleiche Beſchaffenheit guten Erdrichs / und hat ſonderlich der Limmat nach einen guten Weinwachs / ſonſten aber vil Korn / und andere Früchte.

Die Grafſchaft Sargans iſt bergicht / reich an Weyden / und Viehe / als die zwiſchen Toggenburg / Glarus / und Pündten inn liget; im Grund gibt es auch Korn / und allerhand gutes Obs.

Die Freyen Aempter / in dem Wagenthal / ſein ſonderlich reich an Korn und Obs / das Rheinthal uͤber diß auch an Wein. Die ſo ge - nanten Welſchen Vogtheyen / Lauwis / Luggaris / Mendryß / und Meinthal haben Weidreiche Berge / und fruchtbare Thaͤler / ſonderlich / wo der Jtalieniſche Foͤn hinwehen kan.

Andere Vogtheyen / welche einichen Ohrten der Eidgnoßſchaft beſonder zu ſtehen / als Murten / Schwarzenburg / Tſcherli / und Orben / ſo gemein ſein Bern und Freyburg: Bechburg / welche beherꝛſchet wird von Bern / und Solothurn; Bellenz / Kiviera, und Palenzerthal / welche zugehoͤren Ury / Schweiz / und Underwalden: endlich das Gaſter / ſo bevogtet wird von Schweiz und Glarus / haben jede ihre beſondere kom̃ - lich - und Fruchtbarkeit / je nach dem ſie hier / oder dort / ligen / eben / oder Ber - gicht ſein.

Von170

Bon allerhand Hiner aliſchen Erden des Schweizerlands / und ins beſonder von der Kreide.

Wie der allguͤtige Natur Schbpfer uns des Schweizer lands Bewoh - neren zugetheilt hat nicht nur die reineſten / Cryſtall-lauteren Waſſer quellen in groſſer v〈…〉〈…〉 le / ſondern auch eine zimliche Anzahl vermiſchter / oder Minerali - ſchen Waſſeren / welche in Anſehung der in ihnen enthaltenen Mineraliſchen Theilen zu erhalt - und widerbringung der Geſundheit vilfaͤltig dienlich ſein: Alſo auch hat es dem groſſen Gott gefallen unſere Land zu verſehen nicht nur mit einer zum Akerbau-Wein - und Wießwachs trefflich bequemen Erde / wormit das ganze Schweizerland / gleich als mit einem koſtlichen Kleid be - deket iſt / ſondern noch uͤber diß mit anderen gattungen Erden / welche eint - weders zur Artzney / oder zu taͤglichem Haußgebrauch / oder aller hand Hand - werkeren / und Künſtleren dienlich ſein: wie zum Exempel uns dienen kan

Die Kreide.

Deren Nammen einiche in ſo weit hinauß erſtrecken / daß ſie auch nebſt der weiſſen die blaue / gelbe / gruͤne / und ſchwarze Erde darunter begreiffen; wir aber verſtehen diß Ohrts durch die Kreide / Kriede / Kride / Creta, (alſo genant von Creta, ihrem alten und beruͤhmten Geburtsohrt / ſo nun Candia heiſſet) Striga, Cimolia Terra, γἠ κιμωλία, γῆ κριπκὰ, κριταρίον, λεὑκη, und γῆ λ〈…〉〈…〉 κὴ, eine weiſſe / Mineraliſche / und zu allerhand Gebrauch taug - liche Erde. Dann diſe in Anſehung ihrer Geſtaltſame / und daher ruͤhrenden Wirkbarkeit bald unter die allgemeinen Artzney mittel kan gezellet werden / weilen ſie die Saͤure / eine fruchtbare Zeugmuter der meiſten Krankheiten / verſuͤſſet / und gleich einem villoͤcherichten Schwamm in ſich ſchluket / wie man auch ſehen kan bey ſaurem Wein / oder Bier / welches durch einſchüttung der Kreide ſuͤßlecht wird. Es iſt der Kreide nebſt diſer abſorbierenden / Blutver - ſuͤſſenden Eigenſchaft auch zuzuſchreiben eine Kuͤhlkraft / weil namlich durch untertruk - und wegnemm̃ung der ſcharff ſauren / Gallichten / beweglichen Theilen / die all zuſtarke Bewegung des Gebluͤts gehemmet / oder geſtillet wird. Man kan ihro auch nicht abſprechen die Troͤknungskraft / weilen ſie ja vor ſich ſelbs aller Feuchte beraubet / in ihre villoͤcherichte Geſtalt die uͤber - flüſſigen Feuchtigkeiten an ſich zeuhet / oder in ſich ſchluket; worauß dann flieſſet eine zuſamenzeuhende / und ſtárkende Kraft / weilen die von ihrer uͤber - flüſſigen Feuchte durch die Kreide befreyte Fleiſch - und Hautzaͤſeren ſich beſſer koͤnnen zuſamen zeuhen / und dem Einfluß ſinnlicher Geiſteren eher als zu - vor / gehorſamen. Neben diſer zuſamenzeuhenden mag ganz wol beſtehen dieeroͤffnen -171eroͤffnende Eigenſchaft / weilen durch aufloͤß - und wegnemmung der ſauren / allerhand verſtopfungen verurſachenden Theilen dem Gebluͤt eine freyere Bewegung durch alle Aederlein des Leibs wider gegeben wird. Auß diſer grundlichen / doch kurzen Beſchreibung ſol ein verſtaͤndiger Artzet ohnſchwer wiſſen / die Kreide allein oder mit anderen dienlichen Artzneyen ver miſcht zu gebrauchen in allerhand hitzigen / giftigen / und kalten Fieberen / in dem Seitenſtich / in allerhand Ruhren / oder Bauchflüſſen / in dem Rohtlauff / oder Ueberꝛoͤhte / bey gebrandten Gliederen / ſtillung allerhand Schmerzen / Bauchgrimmen / in Wurmkrankheiten / Magen oder Herztruken / Harn - ſtrenge / Milzverſtopfung / und daher ruͤhrenden Melancholie, Scharbock / Herzklopfen / Blutſpeyen / und allerhand anderen Blutflüſſen / weiſſen Fluß / Kroͤpf - und anderen dergleichen von ſaurem Schleim herꝛuͤhrenden Ge - ſchwulſten / Wunden / und alten flieſſenden Schaͤden / allerhand Raud / und dergleichen Eytergeſchwaͤren / Sommer-Leber - und anderen dergleichen Haubtflecken / auch mehrerẽ Zuſtaͤnden / welche unnoͤhtig achte der laͤnge nach zu erzellen / vil weniger vorzuſchreiben die Weiſe / wie die weiſſe Kreide auß - zuwehlen / zubereiten / und nach Beſchaffenheit vorkommender Krank - heiten mit anderen Artzneyen zu miſchen / weilen in der Artzneykunſt das vornemſte bey vorfallenden Faͤhlen muß beytragen eine geſunde / mit offenen Augen der Naturwiſſenſchaft einhergehende Vernunft / ab - ſonderlich / wann die begleitet iſt mit guter Erfahrung / welche letſte / ſo ſie allein regiert / einen Leiſt brauchet zu allen Schuhen / ein Maͤß zu allen Klei - deren / ein Muſter zu allen Huͤten / vor alle Koͤpfe / ſie moͤgen ſein jung / oder alt / breit / oder ſpitzig. Schreite alſo fort anzuzeigen die jenige Nutzbar - keiten / welche von der Kreide zu hoffen haben auch geſunde / in allerhand Staͤnden menſchlicher Geſellſchaft. Oben bereits habe angedeutet die ver - ſuͤſſung ſauren Weins / oder Biers / welche vorgenommen werden kan in den Faſſen / oder im Glaß. Kluge Haußmuͤtter wiſſen ihre Eyfraͤſſigen Huͤner von diſer ſchaͤdlichen Gewohnheit abzuhalten durch unterlegung einicher von weiſſer Kreide gemachten Kuͤgelein. Vor zeiten haben die Baursleuh - te ihre ſandichte Aeker geduͤnget mit Kreide / wie zuſehen auß Columella Lib. II. de Re Ruſtica. cap. 16. vermuhtlich / weilen das Regenwaſſer / oder andere waͤſſerige Nahrung der Pflanzen in Sandichter Erde leicht durch - flieſſet / ohne ſich aufzuhalten / in ſolcher Kreiden tünge aber ſich verſteket / und bleibet / gleich als in einem Schwamm. Jn denen Landen da man an ſtatt Holzes die Steinkohlen brennet / kan man durch untermiſchung der Kreide zuwegen bringen / daß ſie laͤnger waͤhren / nach der Zeugniß Bacon. de Ve - rulam. Sylv. Sylvar. §. 775. Erfahrne Viehhirten miſchen unter die Traͤnke Kreide und Salpeter / wann ihr Vieh an Milch abnim̃et. Id. §. 778. Die172Die klugen Chineſer ſaltzen die Endten-Eyer zum Speiß - oder Artzneyge - brauch ein mit Salz / ſo mit Kreide vermiſchet iſt / ganz zugedekt / alſo daß die Eyer auch durch die Schale ſelbs das Salz an ſich zeuhen. Abentheuer Natürl. und Kunſtl. Sachen in China und Europa. p. 668. Die alten Roͤmer hielten gar vil auf der weiſſen Farb / und wuͤßten ihre Lein - Kleider vortrefflich weiß zu machen mit Kreide / welche ſie deßwegen brauch - ten auf die Weiſe / wie heut zu Tag in das reine oder mit blauer Farbe unter - miſchte Amelmehl eingeſtoſſen oder getunket wird das weiſſe Zeug. Wann vornemme Perſonen um Ehrenſtellen angehalten / ſo zogen ſie auf mit be - kreideten / oder von weiſſer Kreide glanzenden Kleideren / wurden daher ge - nennet Candidati, wie hiervon ſchreibet Macrobius Lib. I. Saturnal. cap. 16. Es iſt aber hernach von denen Tribunis durch ein Geſatz diſer Kreiden Hof - fahrt verbotten worden / ne cui album, (i. e. Cretam) in veſtimentum ad - dere petitionis cauſa liceret. Liv. Lib. IV. cap. 25. Auch die gemeinen Leuh - te / ſo nicht Kleider hatten abzuwechßlen / pflegten ihre Schmutzroͤcke zu uͤberſtreichen mit Kreide / um dardurch deſto mehr zu ſcheinen. Jn denen Circenſiſchen Schauſpielen gabe man denen / ſo ſich wol gehalten / zum Zei - chen erhaltener Freyheit ein weiſſes bekreidetes Thuch / von dem Martialis Lib. XII. Epigr. 29. Die Egyptier doͤrfften bey Lebensſtraff keine Opfer ſchlachten / als die mit weiſſer Kreide bezeichnet waren / nach der Zeugniß Herodoti. Bey denen alten Roͤmeren wurden die Schuhe der zuverkauffen - den Sclaven bezeichnet mit Kreide / wohin zu verſtehen Juvenalis verſ. 3. Satyr. 1.

Nuper in hanc Urbem, pedibus qui venerant albis.

So auch gebrauchte man die Kreide / wann das Urtheil uͤber einen Uebel - taͤhter gnaͤdig / und zu erhaltung des Lebens / außgefallen. Unter denen Handwerkeren bedienen ſich der Kreide die Bleiker / dem Leinenthuch eine weiſſe Farb zu geben; Die Kuͤrßner / ihr Beltzwerk zu reinigen / und zube - wahren: Die Goldſchmiede zum polieren; Die Mahler zu ihren Farben. Bey Vitruvio Lib. VIII. Archit. cap. 1. ſtehet eine artige Manier zu erfor - ſchen / ob in der Erden Waſſer ſeye. Man ſezte in hier und da außgegrabe - ne Gruben einiche auß Kreide gemachte Geſchirꝛ / und bedekte die Grube mit Geſtraͤuch und Erde. Wann man dann nach verflieſſung etwas Zeit die Gruben eroͤffnet / und gefunden / daß die Kreidene Gefaͤſſe feucht / oder gar verfallen / ſo hielte man ſolche Ohrt vor bequem zu Sodbrünnen. Jch uͤber - gehe mit ſtillſchweigen andere mehrere Nutzbarkeiten der Kreide / weiſende den Liebhaber zu anderen Scribenten / namentlich auch zu Chriſtoph. Helvig Diſſ. de Creta. Gryphiſvyald. 1705. und komme nun weiters anzuzeigen die jenige Ohrt des Schweizerlands / wo ſich eine weiſſe Kreide findet. Namlich ꝛc.

173N. 44.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Anhang von der Kreide.

DJſe findet ſich in der Pfarꝛ Uſter / Züricher Gebiets / im Wyl genant; und bey dem Dorf Mur / welche letſte der erſteren vorge - zogen wird. Wagner MSC.

Eine Aſchefarbe / weiche / Kreide findet ſich bey dem Schloß Habſpurg / an der Aren / Bernergebieths. Wagner MSC.

Jn dem Schaͤchenthal des Cantons Uri / bey dem Dorff Under - ſchaͤchen / ohnweit von dem Bad gleiches Nammens / in einer gaͤhen Felſen - Hoͤle findet ſich eine weiſſe Kreide / welche anfangs gantz weich von herab trief - fendem Waſſer ſelbs gezeuget / und von Zeit zu Zeit mit einer harten Rinde uͤberzogen wird. Diſere weiche Matteri laſſet der Ehrw. Hr. Pfarꝛer des Ohrts (deſſen gegen mich An. 1705. bezeigte Freundlichkeit diſes Ohrts anzuruͤhmen nicht vorbey gehen kan) ausgraben / und in viereckichte Form bringen / welche ſo dann bey ihm zu haben.

Jn dem Berg Staffel des Ohrts Schweitz Wagner Hiſt. Nat. Helv. pag. 339.

Jn dem Berg Kratzeren / Underwalder-Gebiets. Id. l. c.

Jn der Alp Muͤllibach / Glarnergebiets / in der Pfarꝛ Matt / fin - det man eine aſchgraue harte Kreide. Wagner MSC. So auch eine gleich - farbigte weiche Kreide / welche eher unter die Mergel (Margas) zu zehlen / auff dem ſogenanten Blattenberg ob Matt.

Eine gar gute weiſſe Schreib-Kreide bringet hervor die Graffſchafft Valengin bey dem Dorff Lode. Wagner MSC.

Von174

Von anderſtgefarbten Kreiden / Thon / Laͤtt und andern Erden.

Von der weiſſen Kreide kan man ſagen / daß ſie in Anſehung der gefarb - ten ſich verhalte / wie das ohngeſchmackte Brunnen-Waſſer gegen denen Saur-Brünnen / oder andern Mineral-Waſſeren. Wann namlich ſich unter die kreidichte Materi menget ein Mineraliſcher Saft / oder ein Saltz / ſo kommet heraus ein andere Farb / ſchwartz / gelb / roht / braun / blau / ꝛc. ein anderer Geſchmack / ſcharff / ſaur / zuſammenziehend / fett / fuͤß / ꝛc. ande - re Würckungen / und Eigenſchafften / deren ſich bedienen koͤnnen die Hand - Wercker / Kuͤnſtler und Artzet / welchen letſteren nicht wenig ligt an genauer Unterſuchung vorkommender Erden eines jeden Lands / weilen offt in einer nahe gelegnen Erde eben diejenige Kraͤfften verborgen ligen / welche wir ſu - chen in denen / welche von fernen Landen hergeholet werden / als in der Tuͤr - ckiſchen / Samiſchen / Malteſiſchen / Boͤhmiſchen / Schleſiſchen / und ande - ren dergleichen / welche man pfleget zu bezeichnen / damit ſie nicht verfaͤlſchet werden.

Eine nicht geringſchaͤtzige ſach iſt die gemeine Argilla Laͤtt / Leim / Hubert / Hub-Erd / welche die Ziegler brauchen zu Geſtaltung der Zieg - len / und anderer gebachenen Steinen / und die Haffner zu ihren Becken / Blatten / Tellern / Haͤfen / und anderen Koch - und Hauß Geſchirꝛen. An dergleichen Erden iſt das einte Land gluͤcklicher / als ein anders. Jn China wird nach der meiſten Meinung auß einer beſonderen zarten Erden / gearbei - tet daß koſtliche Porcellan-Geſchirꝛ / welches man in Holland nachzuahmen trachtet / mit uͤberziehung eines gewiſſen Firniſſes. Aus dem Meylaͤndiſchen haben wir das ſo genandte Meylaͤnder ſchoͤn weiſſe Geſchirꝛ / mit welchem groſſer Gewerb getriben wird. Jn unſeren / und auch froͤmden Landen / iſt beruͤhmt das Winterthurer Geſchirꝛ / auß welchen ſonderlich die Ofenkach - len ſowohl wegen ihres ſchoͤnen weiſſen und gemahlten Außfehens / als wegẽ ihrer Haltung hochgehalten / und ſelbs in froͤmbde Lande gefuͤhrt werden. Es iſt aber auch ein Meiſter geſchikter und gluͤckhaffter / als der ander / je nach dem einer auf die alte Manier / wie er ſeine Kunſt erlehrnet hat / von ſeinen Meiſtern / fortfahret / und ſich nicht um weiters bekuͤmmert / oder aber durch mehrere allerhand Proben ſuchet hoͤher zu ſteigen: Es ſteket in dem gemeinen Thon oder Laͤtt eine rechte Gold-Grube / dann je nach dem man denſelbigen weißt auffzuſuchen / außzuwehlen / außzuruͤſten und außzuarbeiten / bringet man Geſchirꝛ / die das Feuer halten / ein aͤuſſerlich ſchoͤnes Anſehen / oder an - dere der menſchlichen Geſellſchafft beliebt - und nutzliche Eigenſchafften her -aus /175aus / welche dem Meiſter / der damit umgehet / oder auch dem gantzen Land / deſſen ein ſolcher Hubert iſt / koͤnnen zu groſſem Nutzen gereichen. Und kan hierzu nicht wenig befoͤrderlich ſeyn die Wiſſenſchafft der Natur / dero Urſa - chen / Eigenſchafften und Wuͤrckungen ingemein / ins beſonder aber ein deut - licher Begriff der Feſt - und Fluͤſſigkeit / Zaͤhe / Bruͤchlichkeit / Farben / des Feuers / der Steinen / Erden / Sands / ꝛc. Ein ſolcher / der die Anfaͤnge der Natur-Wiſſenſchafft gruͤndlich verſtehet / iſt vil tuͤchtiger / durch allerhand Proben oder Crfahrniſſen zu allerhand Geheimniſſen zu gelangen / als ein an - derer. Jch uͤberlaſſe diſes den Leim-Künſtleren ſelbs / und wende mich zu Benennung derjenigen Erden / welche hin und wider in Schweitzeriſchen Landen anzutreffen.

Jn denen Schantze-Graͤben der groͤſſeren Statt Zürich findet ſich ei - ne Aſchefarbe rauhe Erde / welche unſer S. Hr. D. Wagner Hiſt, Nat. Helv. pag. 343. nennet Tripolim Tigurinam, Zuͤricher-Tripol / weilen ſich deren unſere Handwercksleuthe bedienen / die Meſſingen-Geſchirꝛ zu po - lieren / an ſtatt der Tripolis / oder Tripolitaniſcher Erde / welche vorzeiten von Ttipoli auß Affrica in Europæiſche Lande gebracht worden.

Auff dem Uetliberg / ſo ein Theil des Albisbergs / und eine ſtund von Zürich abſtehet / findet man eine fuchsrohte Erde / welche unſere Haf - ner brauchen zu Vergleſtung ihrer Geſchirꝛen. Eſcher Beſchreib. des Zuͤrich See. pag. 269. Diſe Gleſte kommet dunkel - oder ſchwartzgruͤn heraus. Zum heitergruͤnen Grund wird hieher gefuͤhrt eine Erde / welche gegraben wird im Elſaß / bey dem Doͤrfflein Ebnet / ohnweit Heimbach.

Aus diſem Albisberg / weiter obſich / bey der zerſtoͤrten Veſte Schna - belberg / eine Meile von Zürich / wird gefunden ein gemarmorirter Hubert / eine Erde / welche in Geſtalt eines vilfarbigen Marmors aus weiß / blau / gelb / roht vermengt iſt. Wagner. MSC.

Jn dem Lattenberg am Zürich-See / in der Vogtey Staͤfen / iſt ein aſchfarber / ſonderlich zu Pfiſteroͤfen ſehr dienſtlicher Leim / welcher deß - wegen in die weite an underſchiedliche Orthe weggefuͤhrt wird. Deſſen Ge - denken Jkr. Erhard Eſcher Beſchreib. des Zürich-See. pag. 202. und Hr. Wagner Hiſt. Nat. Helv. pag. 342. allwo er diſen Lett nennet Steffani - enſem Terram / Staͤfer-Erden. Sie iſt mehr unter die Margas oder Mer - gel zu rechnen / als zu dem Lett / weilen ſie hart / und ſchiefferweis bricht / deß - wegen muß geſtoſſen / geſiebet / und hernach erſt mit Waſſer angefeuchtet wer - den.

Ein Leberſtein / Mergel / Marga terrena, Hepatites, aſchfarb / und ſchifericht / findet ſich auf dem Albisberg. Wagner. l. c.

Eine176

Eine andete Art aſchgrauen Mergels iſt bey Horgen am Zuͤrich - See / deſſen man zweifels ohn ſich koͤnnte bedienen anſtatt einer guten Tuͤn ge / weilen der in ſich haltet vil Saltz-Vitrioliſche Theile / dergleichen Erde auch zu gutem kommet denen Einwohnern der Graffſchafft Welſch-Neu - enburg / welche ſonderlich um die Statt eine groſſe Menge haben von ſol - cher Marga, und derſelben nutzlichen Gebrauch genieſſen in ihren Weinber - gen / und anderen Guͤtern.

Jn dem Wald oder Holtz / Lindberg genandt / eine halbe Stund von Winterthur / findet ſich eine rohte Erde / welche die Haffner des Orths brauchen zum Grund ihres gruͤnen Geſchirꝛs. Hegner Beſchreib. des Loͤr - libads pag. 3.

An der Steig findet man eine auß viler hand Farben / roht / weiß / gelb / gemarmorierte Erde / welche feſt zuſammen haltet / und ſich gar ſchoͤn poliren laſſet.

Bey Egliſau / einem Staͤttlein am Rhein gelegen / findet ſich eine ſehr zarte rohte Bolariſche Erde / an einem Ohrt auf der Riſi genandt / welche zweifels ohne ſo wohl denen Medicis, Chirurgis, als Mahleren und anderen Künſtleren zu allerhand Gebrauch dienſtlich ſeyn koͤnte / wann man ſich wird bemuͤhen / die Eigenſchafften diſer Erde durch verſchiedene Proben in Erfahrung zu bringen. Die Haffner zu Schaffhauſen brauchen diſen Bolum anſtatt einer Hub-Erde zum gruͤnden.

Eine Stund von Stein in einem Wald iſt eine rohte Erde / welche ge - miſchet wird mit der blauen / die man am Rhein findet / an ſich ſelbs aber gar kurtz iſt.

Bey Schwammendingen in einem Wald / ohngefehr eine Stund von der Statt Zuͤrich graben unſere Hafner eine ſchwartze und rohte Erde / jene iſt ſonderlich gut zu Kochgeſchirꝛen / welche wol im Feuer halten; von der rohten nehmen ſie einen drittel / und zwey drittel Wiedikumer-Erde zu ih - ren gemeinen gelb geflamten irꝛdinen geſchirꝛen.

Die Wiedikumer Erde / ſo eine halbe Stund von der Statt ge - graben wird / muß gemiſchet werden mit der Schwammendinger-Erde / wie jetzt gemeldet / ſonſt haltet ſie nicht.

Bey Meilen am Zuͤrich-See findet ſich auch eine ſchoͤne zarte weiſ - ſe Erde.

177N. 45.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Anhang von allerhand Erden des Schweitzerlands.

JN dem Canton Bern graben die Haffner einen weiſſen Laͤtt gegen Puͤmpeltz / eine Stund von der Statt / welche ihnen dienet zum weiſſen Grund / da zu gewahren / daß durch ſothane Grund - oder Hub-Erde die Loͤch - lein der Letten verſtopfet werden / damit die Gleſte nicht / wann das Geſchirꝛ ins Feuer kommt / hinein flieſſe / oder verſchlungen werde.

Bey dem Neuen Hauß wird gefunden eine rohte und weiſſe Erde / und under ein ander gemiſchet. Diſer Berneriſchen Erde halber iſt zu bemer - ken / daß die Haffner / ſo mit ihro umgehen / mehrmalen lahm werden / oder in andere Glider-Krankheiten fallen / welches ſie gemeiniglich zuſchreiben einem in der Erde ſtekenden Salpeter / der ſich in die Glider ſchlage / und ſie angreif - fe; darzu zweifels ohne auch vil beytragt / der ſcharffetzende Geiſt des Bleys / mit dem ſie vil umgehen / und auch ſelbs die vile Feuchte / in deren ſie Som - mer und Winter ſtecken / wie dann bekannt / daß die Haffner bald aller Ohr - ten bleichfarbig außſehen / und ſehr offt an Blonigkeiten / Gliderlaͤhme / Waſ - ſerſucht / Gleichſucht / und andern dergleichen Krankheiten dahin ſterben.

Bey Erlach am Bieler-See iſt eine rohte und ſchwartzlechte Erde / gantz mager / aber trefflich gut ins Feuer. Man miſchet ſie unter einander.

Bey Yverdon iſt eine blaue und weiſſe Erde.

Auf dem Boͤtzberg findet ſich hin und wider die Marga terrena, Lapis Hepatites, Leberſtein / Leber-Schiefer / Mergel / ein ſteinichter Lett / oder Let - tichter Stein / der ſchiferweis bricht / und denen Akersleuthen dienen kan zur Tuͤngung / denen Gold-ſchmieden aber zun Formen. Wagner Hiſt. Nat. Helv. pag. 342.

Obn -178

Ohngefehr eine Stund von Granſon iſt ein blauer Lett / feſt / und gut zu arbeiten / abſonderlich zum weiſſen Grund: daſelbſt iſt auch ein rohter Bolus.

Zu Murten iſt auch eine rohte Erde / ſauber zu arbeiten.

Jn dem Canton Lucern im Entlibuch / in dem Goldbach / wie auch bey Eſcholtzmatt findet ſich eine gelbe Erde / genennt Ochra, Ocher / O - ker gelb / Berggelb / Leber-Ertz / welche Martialiſches Herkommens iſt / und ſo wohl denen Mahleren dienet / als den Artzten / in Zertheil - und Aufloͤ - ſung allerhand Geſchwulſten / Auftroͤknung flieſſender Schaͤden / Zuruktrei - bung des wilden Fleiſches. Wagner Hiſt. Nat. Helv. pag. 342.

Jn dem Canton Schweitz findet ſich auch eine gelbe Ocher-Erde auf dem Rigiberg.

Cin bleichrohter Bolus auf dem Berg Staffelwand / welcher gar wol kan gebraucht werden anſtatt der Lemniſchen / oder Tuͤrkiſchen Erde / nach dem Urtheil Athanaſij Kircheri, deme ſie zugeſandt worden von Chriſtoph Schorer / einem Burger von Lucern / welcher ihne zugleich berichtet / das durch den Gebrauch diſer Erde ein anderer Burger ſein Leben bis auff 100. Jahr gebracht habe. Mund. Subterr, Part. I. Lib. VII. Sect. II. cap. 4. pag. 338.

Auf dem Schoͤnen Bühel / durch welchen man von dem kleinen Aubrig-Berg abſteiget in das Silthal / habe vor einigen Jahren auch angetroffen eine rohte Erde / welche wol vor einen Bolum koͤnte gebraucht wer - den. Iter Alpin. pag. 6.

Und in dem Giſpiswiesbach / durch welchen man von Lachen her ge - het auff den Aubrig-Berg einen ſchwartzgrauen Mergel. Iter Alpin. p. 5.

Auf dem Aubrig-Berg ſelbs findet ſich ein verſteinichtes Berggruͤn Chryſocolla Lapidea / welches voll ſteket von ſteinernen Jacobs - und anderen Meer-Muſchelen / deren auch gedacht wird in Itinere Alpin. pag. 4.

Jn dem Canton Underwalden zwiſchen dem Neunalper und Glau - benbielen / zweyen Bergen / findet ſich eine rohte Erde. Wagner Hiſt. Nat. Helv. pag. 343.

Jn der Herꝛſchaft Engelberg / welche oben an Underwalden graͤntzet / im Galtiberg / und an der Herꝛen Ruͤti / findet ſich eine kohlſchwartze fette Erde / welche zweifels ohne nicht nur den Mahleren / ſondern auch anderen Kuͤnſtleren / und Handwerkeren dienſtlich iſt / wann man deren Eigenfchaf - ten recht wird unterſuchen. Diſer Erden habe auch gedacht in Itinere Alpin. pag. 18.

Jn179

Jn dem Canton Glarus in Neſſelrooß / auf dem Kraͤyenberg / findet man eine rohte / weiſſe / und blaue Erde. Wagner Hiſt. Nat. Helv. pag. 343. Die blaue iſt duͤrꝛ / lettacht / hochblau / ſo lang ſie feucht / bleicher wann ſie troken. Auf diſem Berg iſt auch ein Ocher / und andere gelbe Erde.

Jn dem Canton Baſel / bey Moͤnchenſtein / iſt eine rohte fette Bola - riſche Erde / welche anſtatt der geſiegelten gebraucht wird / zu Verſüſſung des Gebluͤts / und anderer ſcharffen Feuchtigkeiten / in Blut - und anderen Durch - fluͤſſen / hitzigen Fiebern / ſonderlich bey kleinen Kindern.

Bey St. Jacob an der Birß findet ſich ein Mergel.

Bey Binningen graben die Haffner eine gelbe / und blaue Erde / wel - che ſie miſchen mit rohter zu allerhand Geſchirꝛen / ſo ſie mit gelber und grü - ner Gleſte uͤberzeuhen.

Bey Liechſtall / einem Staͤttlein / iſt eine rohte und weiſſe Erde / wel - che unter einander gemenget wird zu Ausarbeitung allerhand Kochgeſchirꝛen / welche / weil ſie das Feuer wol außhalten / weit und breit gefuͤhret werden.

Jn dem Canton Freyburg hat Mr. Iean du Prè de Gruyeres in ſeinem kuͤnſtlich in einem Felſen eingehauenen Eremitorio, oder Einſidler-Woh - nung bey St. Maria Magdalena, (woran er in die 30. Jahr gearbeitet) auch eine gelbe Ocher-Erde gefunden. Diſes Gebaͤu iſt wuͤrdig von allen frem - den durchreiſenden beſucht zu werden / wegen ſeltzamer Bau-Art / da nicht nur eine Kirch / ſonder noch 9. andere Gemaͤcher / nebſt dem Garten in einen Fel - ſen gehauen ſeyn / und liget von Freyburg ab ohngefehr eine Stund.

Jn dem Canton Solothurn / bey Attisholtz / iſteine rohtlechte Erde gut ins Feuer / daſelbſt iſt auch ein blauer Lette / welcher aber muß gemiſchet werden mit dem rohten / wann man wil / das er halte.

Ein heiterblauer Lett wird gegraben auf dem Weiſſen Stein / dar - auf flieſſet die Gleſte gantz wol.

Gegen Buchberg findet ſich auch eine weiſſe zarte Erde / ſo auch eine weiſſe Gleſte tragt / hat aber vil Stein vermiſcht.

Jm Egelmooß iſt eine rohtlechte Erde / zwar rauh / aber gut ins Feuer.

Eine rohte bolariſche Erden wird auch gefunden bey der Clus / im Welſchen Rohr / in einer Felshoͤle / welche von denen Wundartzten ge - braucht wird anſtatt des Armeniſchen Boli zu Pflaſteren. Wagner MSC.

Jn dem Canton Schaffhauſen miſchen die Haffner eine gelbe Erde auß der Enge / und zweyerley blaue Erde auß dem Schaaren / welche let - ſtere ſich im Feuer weiß brennet.

Bey180

Bey Neukirch findet ſich eine ſchwartze Erde / ſo gut ins Feuer / auch eine gelbe und rothe zum Grund.

Bey Hallau iſt eine rohte ſchoͤne Erde / welche aber die Gleſte nicht wol behaltet / daß ſie nicht abfalle / wann man ſaure Milch in die Geſchirꝛ thut.

Muͤhlhauſen hat eine rohte Erde / ſo aber kurtz / wird gemiſchet mit der weiſſen / ſo 5. Stund weit her gefuͤhret wird von Roderen. Alſo aber haltet ſie das Feuer.

Eine Stund von Biel bey Betzingen in einem Wald / findet ſich ein ſchoͤner rohter Bolus, gibt denen Haffneren einen guten dunkelgruͤnen Grund.

Jn der Graffſchafft Neuenburg iſt ein groſſer Uberfluß an weiſſem / gelbem / und blauem Lett / und Mergel / in welchem gemeiniglich ſich finden ſteinerne Schnecken / Muſchelen / und andere dergleichen Uberbleibſelen der Suͤndflut.

Bey Valengin iſt die Haffner Erde zwar hart / aber nicht leicht zu ar - beiten wegen ihrer Feſtigkeit / aber hergegen bleibt ſie im Feuer beſtaͤndig / und ſchweint nicht.

Bey Cote aux Fees iſt eine weisblaue Erde / die aber nicht gar gut iſt zum weiſſen Grund.

Bey Valengin findet man auch einen gelben Bolum unter einem Felſen / welcher denen Goldſchmiden dienet zun Formen. Ehe man ſie aber hierzu brauchen kan / muß man ſie von denen groͤberen Theilen reinigen durch An - gieſſung des Waſſers / und vilmahlige Ruͤhrung in demſelben / welches ſo oft widerholet wird / bis das Waſſer nicht mehr truͤb wird. Nach diſem wird das / welches ſich in abgeſchuͤttetem Waſſer zu Boden geſetzet hat / gebraucht / wie oben gedacht / zun Formen.

Jn dem Biſchoff Baßleriſchen Gebiet bey Delſperg iſt auch ein gelber Bolus. Wagner Hiſt. Nat. Helv. pag. 338.

Jm Thurgaͤu / bey Holtzen / ohnweit Coſtantz am Boden-See / iſt eine rohtlechte / und blaue Erde / welche unter einander muͤſſen gemenget wer - den.

Jn der Graffſchafft Baden im Buchwald gegen dem Kloſter Wet - tingen iſt eine Leimgrub / deren ſich bedienet die Statt Baden / diſere Erde hattet das Feuer aus / theilet aber dem Waſſer einen Schwe - fel Geſchmack mit / wann man es uͤber Nacht in Kruͤgen ſtehen laſſet.

181N. 46.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Anhang von allerhand Erden des Schweitzerlands

HErꝛ Wagner in ſeiner Hiſt. Nat. Helv. pag. 343. gedenket einer Ba - der-Erde / ſo er Terram, ſeu Glebam Badenſem nennet / und zeuhet da - hin folgenden Bericht Langij Epiſt. Medic. Lib. I. Ep. 22. Dum Ambergæ, Palatinatus Metropoli, Medicinam profitebar, quidam Aulicus ex Helvetiorum Thermis glebas nigras, inſtar Pumicis læves ac lapides - centes, ſecum attulit, quæ in Aqua calida inſtar Bituminis lentescebant: quas ab Arena elutas, ac inſtar ceroti diſtentas, ulceribus vulneribusque applicabat, quæ ea facile conſolidabant.

Jn der Graffſchaft Sargans / bey der Badquelle zu Pfeffers / findet ſich eine gelbe / zarte Erde / von welcher / als einer Terra Solari, verſchiedene Bad-Beſchreibere die Wuͤrckungen diſes herꝛlichen Bads herleiten. Wor - von zu ſehen Tom. I. pag. 51. 54.

Jn diſer Gegne iſt auch hin und wider anzutreffen ein grauer ſchifferich - ter Leberſtein / oder Mergel.

Von dem Gips.

Gleichwie der Alabaſter iſt ein weicher Marmor / und bald alle Mar - melſtein ſich laſſen brennen zu Kalch / alſo laſſen ſich auch die Alabaſter-Stein brennen zu Gips / welches eine edlere Art Kalchs / deßwegen zu Außzierung gemeiner / und ſonderer Gebaͤuen / je mehr und mehr aufgeſucht wird. Ja es iſt unſer ſo genandter Gips ein wahrer Alabaſter / als der ſich laſſet ſchneidenund182und poliren / wie ein Alabaſter. Jn verſchidenen Sprachen heiſſet der Gips / Gyps / Spat / Sparkalck / Gypſum, Jtalianiſch Geſſo, Frantzoͤſiſch du Plaſtre. Es wird der Gips zum Gebrauch gebrennt / wiewol mit geringem Feuer / und in weniger Zeit / als der Kalchſtein / wegen geringerer Feſtigkeit / o - der Zuſammenhaltung ſeiner Theilen. Nachdem er gebrandt / geſtoſſen / ge - ſiebet / und zugeruͤſtet iſt / kan man nicht nur damit die Waͤnde der Zimme - ren ſchoͤn weiß machen / ſonderen daraus geſtalten allerhand Bild-Wercke / ja mit Untermiſchung anderer anderſt gefarbten Erden / oder Steinen / den wahren vilgefarbten Marmel ſelbs nachahmen / worinn ſonderlich gute Meiſter ſeyn die Jtaliaͤner / als die vortreffliche ſtuccatur Arbeit zu verferti - gen wiſſen / und deßnahen in vil fremde Laͤnder abgeholet werden. Es dienet auch der Gips aͤuſſerlich in der Artzney-Kunſt in dem flieſſenden / auffgeworf - fenen Krebs / ſtinkender / boͤßartigen Raud / Stillung des Gebluͤts. Jn - nerlich aber iſt er ein Gifft. Es wird auch auß dem Gips / Plumbo uſto, und Terpentin mit Brandtenwein aufgeweicht / ein Steinkütt gemachet / wel - ches gleich einem Marmor hart wird / und folglich dem Waſſer den Durch - gang ſperꝛet. Es wird aber der Gips gefunden.

Jn dem Canton Bern / im Aergaͤu / in dem Berg Gyßlifluh / bey dem Schloß Biberſtein / und dem Dorf Kuͤttingen / ohnweit Arau / allwo dreyerley Arten Gyps heraus gegraben werden. 1. ein ſchwartzlechter / der wenig / oder ſelten / zu nutz gezogen wird. 2. ein weiſſer und weicher / welcher gemeiniglich gebraucht wird. 3. auch ein weiſſer und harter / aus deme als ei - nem Alabaſter die Kantzel zu Graͤnichen geſtaltet worden. So auch fin - det ſich ein Gips bey Arburg. Wagner Hiſt. Nat. Helv. pag 339.

Jn dem Canton Glarus / in der Alp Muͤllibach / in der Pfarꝛ Matt.

Jn gemeinen drey Puͤndten / bey Tieffen-Kaſten / oder Teuffen - Caſtel / Imum Caſtrum, im Gotts-Hauß-Bund.

Bey Soglio im Bergellerthal / allwo die Einwohner den Gips brau - chen zu Vertreibung der Maͤuſen / und Ratten. Nachdem ſie den Stein ge - brennet / und geſtoſſen zu einem ſubtilen Pulver / miſchen ſie daſſelbe mit dem Caſtanien Mehl / wann dann die Maͤuſe kommen / darvon zu freſſen / und der Gyps in ihren Maͤgen mit dem daſigen Hebel ſich vereinbahret in eine Maſſam, welche in dem Leib ſelbs verhartet / ſo muͤſſen ſie nohtwendig darvon zu Grund gehen.

Jn der Graffſchafft Neuenburg / bey Boudry / findet ſich ein Schnee - weiſſer Gips / aber von keinem ſolchen grad der Feſte oder Hertigkeit / wieder183der Alabaſter / ſonder dereher und naͤher koͤt zu dem Stalactita / oder Tropfſtein / von dem ich verſichert bin / daß er mit dem Gips und Marmel in naher Ver - wandſchafft ſtehet.

Jn der Graffſchafft Baden / auf dem Laͤgerberg / wird gegraben ein ſchoͤner weiſſer Gips / ſo vil anhero nacher Zuͤrich gelieferet / und dahier verar - beitet wird.

Von der Hon-Hilch.

Lac Lunare, Lac Lunæ, Mon-Milch / iſt eine zarte / ſchneeweiſſe / ſchwammichte / luftige Erde / welche hin und wider in hoher Helvetiſchen Ge - birgen holen Kruͤften angetroffen wird / und dem aͤuſſerlichen Anſehen nach gantz gleich iſt dem Lerchenſchwamm / deßwegen ſie auch genennet wird Aga - ricus mineralis bey Ferr. Imperat. Hiſt. Natural. Lib. V. c. 41. Agaricum ſaxatile, bey Geſſner. de Figur. Foſſil. pag. 49. 50. und Fungus Petræ - us l. c. Agricola de Nat. Foſſ. Lib. II. pag. 194. heiſſet diſe Materi nicht ohnfein Medullam ſaxorum, Steinmark / Stenomargam, weil ſie gleich ei - nem Mark in den Hoͤlenen der Bergen und Felsritzen liget / und von dan - nen weiter abgeſpuͤlet wird; dann ſie eigentlich anders nichts iſt / als eine ſubtile / zarte / in holen Felsgaͤngen ligende / und von durchflieſſendem Waſſer abgeſpuͤhlte / und weiters in eine groſſe offene Hoͤle zuſammen gefuͤhrte / irꝛdi - ſche Materi / welche Anfangs wegen untermiſchten Waſſers weich / und fluͤſ - ſig / hernach aber je mehr und mehr ertroknet / und erhartet. Woraus ſich alſobald erhellet / daß diejenigen irꝛen / welche diſes minerale halten vor Flo - res argenti, Silberbluſt / und vermeinen / es wachſe und entſtehe auß gewiſſen Silberhaltigen / von innerem Eingeweyd der Erden aufſteigenden / und oben widerum ſich ſamlenden Duͤnſten: wann dem alſo were / ſo muͤßten die Silberreichen Saͤchſiſchen / und Ungariſchen Lande einen groſſen Uberfluß haben / worvon man aber nichts weißt. Eher hat die Monmilch eine Ver - wandſchafft mit dem Tropfſtein / oder Stalactite, welcher / ſo er in denen Hoͤ - lenen der Erden veraltet / endlich ſeine feſte / ſchwere / gypsfoͤrmige / aus glat - ten Spiegelthilchen beſtehende Geſtalt verwandlet in ein leichtes / weiſſes / der Monmilch gleiches Weſen / wie ich diſes ſelbs ſo wol in / als auſſert Helveti - ſchen Landen wahrgenommen / weßwegen die Apoteker und Artzet zu wahrnen / daß ſie in Wehlung der Monmilch zum Artzneygebrauch behutſam ſeyen. Die bißher eingefuͤhrte Nahmen und Zunahmen unſerer Monmilch ſeynd über 200. Jahr nicht alt: wann wir uns in denen aͤlteſten Schrifften Dioſco - ridis, eines Griechiſchen / und Plinij, eines Lateiniſchen Scribenten / umſehen /ſo134[184]ſo kommet uns vor der Stein Galactites, Galaxia, ſo auch Leuca, Leuco - graphia. Synnephites genandt bey Dioſc. Lib. V. cap. 150. und Plinio Lib. XXXVII. cap. 10. von dem ſie ſchreiben / daß er tritus Lactis ſucco ſit nota - bilis, einen milchweiſſen Safft und Geſchmack von ſich gebe / und daher auch Milchſtein heiſſe: und widerum bey Dioſc. Lib. V. cap. 152. ein anderer Stein Morochtus genannt μαλακὸς καὶ ἐυάνετος, mollis & facilé liqueſcens, der weich iſt / und leicht im Mund zergehet / dene Plinius ſchon zu ſeiner Zeit unter den Titul Galactitæ geſetzet: von diſem Galactita, oder Morochto, iſt zu vermuhten / daß es eine Art Mergel / oder unſere Monmilch geweſen / um ſo vil deſto mehr / weilen derſelbe auch in Anſehung der zugeſchriebenen Kraͤff - ten uͤbereinkomt. Diß haben ſchon zu ihren Zeiten angemerket Geſſner l. c. B. de Boot. Hiſt. Gemm. & Lapid. Lib. II. cap. 228. und 229. und ande - re mehr. Wann wir unſere Monmilch auf die Waagſchalen unſerer Sin - nen legen / ſo findet ſichs / daß ſie ohngeſchmakt oder fuͤßlecht / weiß / in dem Waſſer zergehet / und demſelben hiermit eine Milchfarb zutheilet / uͤber diß mit denen ſauren chymiſchen Geiſtern in einen hefftigen Gaͤhrungs-Streit gerahtet / und iſt hierauß bald zu erſehen / daß diſes Minerale in der Artzney - Kunſt groſſe Dienſte koͤnne leiſten / in Verbeſſerung und Daͤmmung der im Leib ligenden Saͤure / in Verſuͤſſung des ſcharffen Geblüts / und in Anſe - hung diſer blutverſuͤſſenden Eigenſchafft auch denen koſtbarſten geſigelten und ungeſigelten Erden an die Seiten geſetzet werden kan. Einmal zeiget die Erfahrung ſelbs / daß die Monmilch dienet in dem Magenſod / deſſen Ur - ſach gemeinlich herꝛuͤhret von ſcharffetzenden / gallichtſauren / Feuchtigkeiten; in der Harnſtrenge / und anderen von des Harns Schaͤrffe herkommenden Kranckheiten; in denen Nierenſchmertzen / und Harnsverſtopfung / namlich von ſaurem Schleim / wie ſie deßwegen auch in gemein zu reden eine harntrei - bende Eigenſchafft an ſich hat; weiters in allerhand hitzigen / gifftigen Fie - bern / ſelbs auch in anderen durch den Mund zugekommenen Vergiftungen / in allen Durchbruͤchen / oder Ruhren / und Blut-Fluͤſſen; inſonderheit aber wird diſere unſere milchweiſſe Erde angeruͤhmt / wo die Milch in den Bruͤ - ſten zu dick / oder geronnen / oder zu wenig gezeuget / oder geſchieden / wird mit andren hierzu dienlichen gebrannten Waſſeren eingenommen. Auſſerlich koͤn - nen die Wund-Artzet diſes unſer Heil-Mittel mit nutzen brauchen / wo im - mer ſcharffe / flieſſende / gefaltzene / oder ſaure Feuchtigkeiten ſtecken / in aller - hand offenen / alten / flieſſenden Geſchwaͤren / der Schencklen / Augen / und anderen theilen des Leibs / in der Kinderen Frattigkeit. Unſere Vieh Artzet gebrauchen auch diſe unſere Stein-Milch in allerhand geſchwulſten der Thie - ren / welche Eigenſchafften / weil ſie faſt alle zugeſchrieben werden auch dem Galactitæ, und Morochto, oder Milchſtein bey Dioſc. und Plinio, uns deſto eher Glauben machen / daß die Alten wuͤrcklich unſere Monmilch mit diſem Nammen betitlet.

185N. 47.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Anhang von der Hon-Hilch.

NUn folget eine ordentliche Verzeichnuß aller der jenigen Ohrten des Schweizerlands / da die Monmilch gefunden wird.

Jn dem Canton Bern findet ſich die Monmilch bey dem Weiſſenburger Bad / welches villeicht auch daher ſeine Kraͤfte herholet. So auch auf dem Stockhorn / nach dem Bericht Geſſner. de Fig. Lap. pag 50.

Jn dem Canton Lucern iſt ſonderlich beruͤhmt auf dem Pilatus - berg das ſo genante Monloch / Moonloch / welches von der Monmilch her ſeinen Nammen hat / oder villeicht eher der Monmilch den Nammen ge - geben / weilen dort alle Monmilch vor Zeiten geholet / und anderſtwo hin - gefuͤhrt worden / ſo daß ſich unſer Schweizerland / ins beſonder aber diſer Lobliche Canton Lucern / ruͤhmen kan des Urſprungs diſes nun in ganz Euro - pa gemeinuͤblichen Nammens. Es liget diſe Hoͤle an einer ſehr hohen / gaͤch - ſtotzigen Fluh / nicht weit unter den oberſten Spitzen der Berge auf der Sei - ten gegen Alpnach: Bey ihrem Eingang iſt ſie hoch 16. Schuh / breit 9. und flieſſet immer auß ihro hervor ein klares Waſſer mit einem angenehmen Geraͤuſch. Wann man ungefehr 10. Schritt hineingehet / ſo oͤffnet ſie ſich in eine groͤſſere Weite / ſonderlich aber / nach dem man in die 300. Schritte fort gewandlet / ſolle ſie ſich merklich weit in dem Eingeweid des Bergs auf - tuhn. Wer ein mehrers von diſer Hoͤle zu wiſſen verlanget / der leſe Geſſne - rum in Deſcript. Montis Fracti, pag. 66. und de Fig. Lapid. l. c. ſonderlich aber Hrn. D. Lang von Lucern Ideam Hiſtoriæ Naturalis Lapid. Figura - tor. Helvet. cap. 3.

Jn einer anderen Hoͤle des Bergs Wallenſtock / welche auch beſchrei - bet Lang l. c.

Jn186

Jn dem Schynberg im Entlibuch. Wagner. Hiſt. Nat. Helv. pag. 341.

Jn dem Canton Schweiz auf dem Rigiberg. Wagner. l. c.

Jn dem Canton Underwalden / auf dem Berg Fontanen / in der Pfarꝛ Gißweil. Wagner. l. c.

Jn der Herꝛſchaft Engelberg / in einer Hoͤle / im Horbis. Itiner. Alpin. pag. 18.

Jn dem Canton Appenzell im Zigerbach.

Jn dem Biſchofflich Basleriſchen Gebiet / bey Delſperg / wird gefunden eine ſchwerere Art Monmilch / welche mit gelben Ochertheilen un - termiſchet. Wagner. l. c.

Eine Meil von Bruntraut / in einem trokenen Berggelaͤnde ſamlet ſich auch eine Materi / welche der Monmilch ſich gleichet / ſo vil man abnem - men kan auß der Beſchreibung Claudii Deodati Panth. Hygiaſtic. Lib. II. cap. 4.

Von dem Gegrabenen Einhorn.

Unicornu Minerale, Cornu Minerale, Unicornu Foſſile, gegrabenes Einhorn / nennet man gemeinlich ein Hornfoͤrmiges / weiſſes / oder gelb - lechtes / an der Zungen klebendes Minerale, welches etwann einem gewunde - nen / oder geraden Einhorn / oder Hornſoͤrmigen Elephantenzahn / mehrmah - len aber allerhand Gebeinen der Thieren und Menſchen Coͤrpern ſich gleichet / und hier und da unter der Erden gefunden / und hervor gegraben wird. Sonſten heiſſet es auch Ebur Foſſile, und Spodium Minerale, weilen es ei - nem Elffenbein an Geſtalt / und Farb / gleichet. Ceratites von der Geſtalt des Horns. Lithomarga alba, welches ſo vil wil ſagen / als ein weiſſes Stein - mark; und vermeinet Cæſalpinus, daß der Lapis Arabicus bey Dioſcoride anders nichts geweſen ſeye / als diſes unſer Unicornu foſſile, welches am fuͤg - lichſten kommen kan unter dem Titul Oſſium foſſilium, gegrabener Beinen / weil es wahrhafte Thieren - und Menſchenbeine geweſen / und noch ſeyn; Es haben zwaren vil gelehrten Manner diſe Wahrheit vor wenig Jah - ren in groſſen Zweifel geſetzet / und ſich der Zeugung und Urſprungs halben diſer Hoͤrneren und Gebeinen zimlich mit einander zerſtoſſen / weilen die ein - ten ſie gehalten haben vor wahre / in der Erden alſo durch ohngefehrde zuſa - menrinnung eines Mergel-Safts / oder kunſtliche Außarbeitung eines Archei, oder klugen Erden - und Welt-Geiſts alſo geſtaltete Mineralia; andere aber vor wahrhafte durch wirkliche Begrabungen / oder bey Anlas der Erd - bidmen / oder ſonderlich zur Zeit der allgemeinen Sündflut in der Erden ge -bliebene187bliebene Thier - und Menſchen-Gebeine. Und hat man diſere Streitfrag vor ſo wichtig angeſehen / daß vor thunlich erachtet / hiervon ganze Buͤcher / und Diſſertationes zuſchreiben Joh. Laurentius Bauſch, Joh. Samuel Carl, Salomo Reiſelius, Joh. Lucas Rhiem, Wilh. Erneſtus Tentzel, Georg Wolfgang Wedel, und villeicht andere mehr. Abſonderlich hat man bey Anlas einer groſſen Menge dergleichen bey Canſtadt im Wirtemberger - land vor wenig Jahren gefundenen Hoͤrneren / und Gebeinen / (mit denen Jhro Fuͤrſtl. Durchl. auch unſer Lobl. Züricheriſche Kunſt - und Natura - lien-Kammer freygebig zubeſchenken beliebet) diſen Philoſophiſchen Proceß von neuem beyderſeits / und zwar hitzig zu fuͤhren angehebt / und ſo lang durch allerhand Gruͤnde / und gemachte Proben gegen einander actioniert, das Tenzelius bey FRIDERICO, Herzogen in Sachſen / erſt vor einem Jahr angehalten / daß Jhr Durchl. gefallen moͤchte / den zwiſchen ihme / und D. Schnetter hierüber waltenden Streit / durch zuſamenberuͤffung der beruͤhm - teſten Medicorum, naher Gotha / zu entſcheiden. Ob gleich hierauß nichts worden / ſo hat doch die unpartheyiſch gelehrte / Wahrheitliebende Welt dem Mineraliſchen Reich diſe Hoͤrner entzogen / und dem Animaliſchen / oder Thieren Reich einverleibet; ſo daß nun wenig mehr ſeyn / die daran zweiflen / und die meiſten zwar der Zeit halben bis zu den Zeiten des Sünd - fluſſes aufſteigen. Abſonderlich hat ſich bey eroͤrterung diſer Streitfrag ver - dient gemachet obgedachter Joh. Samuel Carl, Medicus zu Oringen / welcher in ſeinem Lapide Lydio Philoſophico-Pyrotechnico ad Oſſium Foſſilium Docimaſiam Analyticè demonſtrandam adhibito, ſo heraußkommen An. 1704. zu Frankfurt / gar deutlich gezeiget / daß diſe Beine gleich anderen Beinen in der Feuer-Prob beſtehen / bey verſchloſſenem Feuer ſchwarz / bey offenem aber calcinirt, und weiß / werden / ſonderlich aber von ſich geben ei - nen flüchtigen urinoſen Geiſt / und Salz / nebſt einem ſtinkenden Oehl / Oleo empyreum atico; welche von keiner Marge / Stein - oder Erden-Saft zu er - warten ſtehen. Diſen gegrabenen Hoͤrneren iſt es ergangen / wie anderen raren Sachen; man ſpuͤrte bey ihnen ein Medicinaliſche Kraft / und erhebte dieſelbe ſo hoch / daß man ſie vor ein herꝛliches Giftmittel / und bald vor eine allgemeine Artzney dargegeben / und denen Materialiſten / und Apothekeren Anlas gemachet / ihre Beutel trefflich durch theure verkauffung eines ſo koſt - baren Schatzes zu ſpicken. Nunmehr aber / weil man ſie in groſſer Menge haben kan / fallet ſo wol der Preis / als die gehabte hohe eſtime, ſo daß nun diſe veralteten / villeicht oft von einem Schindacker genommene / Beine geſetzet werden in gleiche Bank nebſt anderen zuſamenzeuhenden / abſorbirenden / verſuͤſſenden / Schweißtreibenden / Blutſtillenden / Gichtvertreibenden Artz - neyen / denen ſie bey gegebenem Anlas untermiſchet werden. Jch wil abermich188mich nicht laͤnger aufhalten bey erzellung der Weiſe / wie es in unſere Leiber wirke / und je nach bewandtnuß der Krankheiten / oder Umſtaͤnden des Al - ters / Zeit / ꝛc. ſolle zubereitet werden / ſondern ſchreite fort zu benennung der jenigen Ohrten des Schweizerlands / da dergleichen Beine gefunden worden.

Jn dem Canton Zürich / in der Leimgrub bey Wiedikon / ein halbe Stund von der Statt / ſein vor wenig Jahren in zimlicher Tieffe ge - funden worden Zaͤhne / und anzeigen von einem ganzen Hirſch-Bein Geruͤſt / welche meines erachtens auch unter gegenwertigen Titel gehoͤren.

Jn dem Canton Bern hat auch vor wenig Jahren ein Mann 3. Stund von Bruck ein Neu Hauß aufbauen wollen / und tieff in der Er - den / als er das Fundament gegraben / ein Horn gefunden / welches ganz rund / zwey Ellen lang / faſt ein viertheil Ellen dick / und ohngefehr 20. Pf. am Ge - wicht gehalten.

So iſt auch An. 1520. bey Bruck an der Aaren gefunden worden ein glattes / zwey Ellen langes / innwendig weiſſes / außwendig gelbes Ein - horn / welches einen lieblichen Biſemgeruch von ſich gegeben / ſonderlich / wañ man es nahe zum Feuer gehalten. Wagner. Hiſt. Nat. Helv. p. 344.

Jn dem Canton Schweiz ward auch vor etwas Jahren an dem Aafluß bey Arth ein ſolches Horn hervorgegraben / deſſen Beſchreibung mie jeztgedachtem Berneriſchen uͤberein komt. Wagner. l. c.

Jn dem Canton Baſel iſt im Junio An. 1685. von einem Fiſcher auß der Birß hervorgezogen worden ein 8. pfuͤndiges Einhorn / eines Arms dick und lang / deſſen gedenket Hr. Eman. Koͤnig Regn. Mineral. Sect. III. cap. X. p. m. 304.

Jn der Grafſchaft Baden iſt An. 1665. ein Einhorn hervorgegra - ben worden / welches die domahls anweſenden Herꝛen Ehren-Geſandten un - ter ſich getheilet.

Baͤren Jagd.

Den letſten Aprel ſt. v. 1706. iſt an den Graͤnzen des Glarner - lands / aber im Urner Gebiet / in dem Wengiswald / der an die Kam - mer-Alp ſtoſſet / ein Baͤr erlegt worden / der den Urneren unter ihrem Vieh groſſen Schaden zugefuͤget. Den Urneren ſein zu aufjagung diſes Thiers 300. Mann von Schwanden / und Glarus zu Hilff gezogen / welche zum Zeichen des Siegs zwey Tappen / einen vorderen / und hinderen / zuruk ge - bracht / die Urner aber / weil der Baͤr auf ihrem Gebiet erlegt worden / haben den Coͤrper behalten.

189N. 48.)

Natur-Geſchtchten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Von der Schweizeren Leibs - und Gemuͤhts Beſchaffenheit / Lebensart / Sitten / ꝛc.

OBgleich die eigentliche Beſchaffenheit der Seelen / dero Gedanken / und Mitleidenſchaft des Leibes ein noch verborgenes Geheimniß / und ſo verworꝛene Sach / daß weder die einten / noch anderen / Welt - weiſen bis dahin die innerſten Tieffen der Wahrheit ergruͤndet zu haben ſich ruͤhmen doͤrffen / und inſonderheit was die Verſchiedenheit der Menſchlichen Gemuͤhteren in Anſehung der guten / oder ſchlechten Gedaͤchtnuß / hohen / ſubtilen / oder einfaltigen / groben / Verſtands antrift / weder die Ariſtotelici mit ihren ſo genanten Qualitatibus primis, oder erſten Eigenſchaften / der Waͤrme / Kaͤlte / Feuchte / und Troͤkne / als 4. Haubt-Saͤulen ihrer Welt - weißheit / noch die Epicureer und Carteſianer mit ihren vilfaltig geſtalteten / bewegten / zuſamengefuͤgten / Geiſteren / Zaͤſerlein / Gaͤngen / und Loͤchlein des Gehirns / und Nerven zu recht kommen; ſo iſt doch diß gewiß / daß die Sit - ten der Menſchen ſich richten nach der complexion, oder Beſchaffenheit des Leibes / und diſe in gemein zu reden entſpricht der Natur / oder Art der Laͤnde - ren / welche wir Menſchen bewohnen. Quæcunque attribuit conditio naſ - cendi & corporis temperatura, cum multum ſe diuq́ue animus compoſue - rit, hærebunt. Nihil horum vitari poteſt, non magis quám accerſi. Senec. Epiſt. II. Daher kommet die verſchiedenheit der Sitten in verſchiedenen Laͤnderen / welche gar wol entſpricht der verſchiedenheit der Angeſichteren / und zeigen beyde klaͤrlich an die allerweiſeſte außtheilung Goͤttlicher Gaben / und Allmachts-Kraͤften. Ja daher kommen auch die ſo verſchiedene Zuneigun - gen / welche etwan ganze Voͤlker haben zu gewiſſen Krankheiten / deren Erkantnuß folglich vil herꝛuͤhret von der Wiſſenſchaft der Landsarten ſelbs. Jn betrachtung deſſen ſol ein jede Nation dahin bedacht ſeyn / wie ihr Vat -terland190terland wol erkundiget / und in grundtliche Erfahrung aller Theilen / und Eigenſchaften / gebracht werde. Ein geringes Muſter ſol ſein gegenwertige Unterſuchung der Beſchaffenheit des Schweizerlands / worzu aber noͤhtig eine Gegenhaltung anderer Laͤnderen / welche in moͤglichſter kuͤrze vorſtellen / und von denen Voͤlkeren / welche unter der Linien / oder wenigſtens in dem heiſſen Guͤrtelſtrich der Erden wohnen / den Anfang machen werde. Jn di - ſen Africaniſch-Aſiatiſchen / und Americaniſchen Laͤnderen ſtehet die Sonn mehrmahlen Senkelrecht ob den Bewohneren / oder weichet auch in denen Winter - oder Regen Monaten (dann der Winter allda nicht beſtehet in Schnee / ſondern in beſtaͤndig warmen / ungeſunden Regen) nicht weit von dem Zenith ab. Daher iſt ſich nicht zu verwunderen / wann die gerad ein - fallende Sonnenſtralen eine merkliche / und in denen vom Meer entfehrnten Ohrten faſt unertragliche Hitz verurſachen / die Lufttheil auß einander / und in groſſe Bewegung treiben / den Lauff des Gebluͤts / und Geiſteren / gewaltig vermehren / den Zuſamenhang der geiſtreicheren / fluͤſſigeren / und dickeren / oder groͤberen Bluttheilen aufloͤſen / jene in groͤſſerer Maß durch die Haut - loͤchlein / und andere Weg wegjagen / die anhenkung der nehrhaften Theilen an die laͤhre Loͤchlein / oder mangelbare Zaͤſeren verhinderen / und faſt allein die groͤberen / irꝛdiſchen / Salzichten Theil / denen der Hautpaß zu eng iſt / zu - ruk in dem Leib behalten / weßwegen daſige Einwohnere von brauner / ſchwarzer / Farb gleichſam außgebrant ſeyn / kleiner Leibsgeſtalt / mager / de - nen Verſtopfungen innerlicher Gliederen / ſonderlich aber derſelben harten / oder ſcirꝛhoſen / Geſchwulſten / Raud / Außſatz / und anderen dergleichen un - flaͤtigen / ſchweren / Krankheiten unterworffen / worauß dann / gleich als im vorbeygehen zu gewahren / daß nach jeztgelegten Fundamenten in der glei - chen hitzigen Laͤnderen wol dienen kan eine ſo genante Medicina Galenica, welche inſonderheit mit geringen Waſſerechten Traͤnkeren den Abgang der Blut-Waſſertheilen erſetzet / und die ſonſt einſchmurꝛende Geſtalt der Adern in einer erforderlichen Außdehnung unterhaltet. Die Gemuͤhter diſer Voͤl - keren ſein nicht weniger mit allerhand Schandflecken beleget / als die Leiber. Jn ihrer Policey wiſſen ſie faſt hoͤher nicht zu ſteigen / als zu einer allen ver - nuͤnftigen Menſchen unanſtaͤndigen Sclaverey; ſo gar ſein ihre ſinnlichen Geiſter under dem Joch allerhand groben / irꝛdiſchen Theilen / daß ſie ſich nicht wol koͤnnen hervorſchwingen / nach der Freyheit / oder nach mehreren Kuͤn - ſten und Wiſſenſchaften zu gelangen / als die Nohtdurft des Lebens von ihnen forderet; wo ſie aber koͤnnen empor kommen / da wuͤten ſie bis zu dem hoͤchſten Grad der Tyranney / ſo gar / daß ſie wider das allgemeine Men - ſchenrecht einander freſſen / wie inſonderheit diß von denen Americaneren bekant. Wenden wir uns zu den Polariſchen Laͤnderen / in dem kalten / unsbekanten191bekanten / Erdenguͤrtel / da die Sonn denen Bewohneren auf dem ganzen Horizont umher / aber ſo nider gehet / daß keine ſo gar empfindliche Waͤrme in der Luft kan verſpuͤr et werden / und deßwegen nach Goͤttlicher Vorſehung die Monatlich - und halbjaͤhrige Laͤnge der Tagen muß erſetzen den Mangel der Sonnenhoͤhe / ſo finden wir widerum ein elendes Leben bey Menſchen und Vieh; das Gebluͤt wird langſam in ſeinem Kreißlauff fortgebracht / und leidet auch ſeine ſo genante innere Bewegung / weilen die Theile deſ - ſelben nicht wol auß einander gezogen / oder von einander zertheilt werden / ſondern under ſich behangen bleiben / folglich die Geiſter auch nicht koͤnnen ſubtil herauß kommen / und uͤber diß die durchdaͤmpfung theils von der Kaͤl - te / theils von ſchwer aufligender Luft merklich verhinderet wird / alſo daß ſich nicht zu verwunderen / wann daſige Voͤlker / oder die dahin reiſen / vil auß - ſtehen muͤſſen von der Gefroͤrne / kaltem Brand / Bauchgrimmen / Schlag - fluß / Scharbock / und allerhand Haut-Schaͤden / ſo ſich in Geſtalt hitziger Brennblaͤtterlein aufwerffen. Was von ſolcher Leuthen Verſtand / und Wiſſenſchaften zu halten ſeye / iſt leicht auß jeztgemachter Beſchreibung ab - zunemmen / wann die ſubtilen Geiſter under den groben in einem Hirnkerker gefangen ſitzen / und oft von Kaͤlte gleichſam erſtarꝛen / ſo kan nichts ſonder - lichs zum Nutzen der Gelehrten Welt / oder auch der Menſchlichen Geſell - ſchaft außgebrutet werden. Und bezeuget auch die Erfahrung / daß ſolcher Leuthen Verſtand ſich weiter nicht erſtrecket / als ihre nakende Haut mit Beltzwerk vor der Kaͤlte zu bewahren / und ihr Leben mit Fiſchen zu erhalten / uͤbrigens in einer freyen Sclaverey unter dem Gewalt benachbarter Fuͤr - ſten zuleben. Gluͤklicher als jezt beſchribene warme / und kalte Erdenſtrich / iſt der zwiſchen ligende Theil / ſo Europa / und andere in uͤbrigen Weltthei - len ligende Laͤnder in ſich begreift / namlich von dem 23. grad der Polus hoͤhe bis zu dem Polarzirkel / wiewol diſer ſo genante temperierte, oder mittelmaͤſ - ſige / Gürtelſtrich widerum ſeine groſſe Verſchiedenheiten hat / welche wir kuͤrzlich durchgehen wollen / und alſo um unſer Schweizerland her eine Phi - loſophiſche Reiſe anſtellen. Gegen Mittag haben wir Jtalien / ein Land / in welchem die Geiſter ſubtil / und nach dem Willen ihrer Fuͤhreren zu gu - tem / und boͤſem / ſehr tauglich ſeyn. Animus omnium rerum capax. Neque pingui impetu, & tantùm ad Naturæ Imperium, ſed erudité, & cum arti - ficio virtutes aut vitia ſequuntur. Barclaj. Icon. Animor. cap. 6. Daher auf diſe Nation, welche ein Mittelgattung iſt zwiſchen den leichtſinnigen Franzoſen / und gravitetiſchen Spanieren / und in Anſehung des Tempera - ments uͤberein komt mit der Engliſchen / ſich reimet jenes Spruͤchlein: Ubi bonus, nemo melior, ubi malus, nemo pejor. Es veranlaſet ſie aber die Beſchaffenheit des Lands / und darinn wachſender koſtlicher Pflanzen /und192und Fruͤchten / zu einem weichen / wolluͤſtigen Leben / eher als zu Kuͤnſten und Wiſſenſchaften / welche ſonſt auch nach denen Maximen der herꝛſchenden Religion gehemmet werden. Gehen wir hinuͤber auß Jtalien in Frank - reich / ſo treffen wir an eine mehrere Freymuͤhtigkeit / und ungezwungene ſo angenehme Lebensart / daß die uͤbrigen Europeiſchen Voͤlker daran ver - aͤffet ſo wol die Kleider / als Sprach / und Maniere de vivre, nachahmen. Jhre Geiſter ſein ſubtil / geſchwind / und zu allem tuͤchtig / wie inſonderheit auß dem ganzen Ablauff des Lebens Ludovici XIV. jezt regierenden Koͤ - nigs zu erſehen / welchem mit Recht diß Lob gebüret / daß er in der Taht gezei - get / wie hoch die Faͤhigkeit ſeiner Undertahnen in Künſten und Wiſſenſchaf - ten / ſo wol zu Kriegs-als Fridenszeiten koͤnne ſteigen. Es manglet aber diſen ſubtilen / leichten Geiſteren die Soliditet, oder Feſtigkeit / daher die Franzoſen das jenige / was ſie in der Eil / und bey erſter Anſicht / erſchnaͤppen koͤnnen / wegnemmen / aber die Gedult nicht haben / ob einer Materi lang zu ſitzen. Jactamur per omnes Scientias, neque immergimur, ſagt Gramondus, ein Landsmann. Jch ſchreibe diß / und anders / von diſer und anderen Nationen in gemein / und dinge hiermit unter denen Jtaliaͤneren / und Franzoſen / die jenigen vortrefflichen Maͤnner auß / welche ſich in die Materien / ſo ſie vor ihnen gehabt / mit unermuͤdetem Fleiß vertieffet haben. Reiſen wir weiter uͤber die Pyreneiſchen Gebirge in Spanien / ſo finden wir eine muͤſſige Nation von hoher Einbildung. Deren Geiſter ſein nimmer ſo ſubtil / aber fixer, oder unbeweglicher / daher ſie tieffſinnig / und in ihren Unterfangungen langſam / aber wolbedacht einher gehen. Reconditæ illis mentes, & ad lenta conſilia idoneæ. Barclaj. Icon. An. cap. 7. Man kan wie von ihren Leiberen / alſo auch von denen Gemúhteren der Spanieren ſagen / daß ſie eine Mittelgat - tung ſeyen zwiſchen den Europeeren / und Africaneren. Alſo dunken mich die Engellaͤnder ſein eine Mittelart zwiſchen den Spanieren / und Nordi - ſchen Voͤlkeren / mit jenen theilen ſie die Tieffſinnigkeit / mit diſen aber die Großmuͤhtigkeit; jene zeigen ſie vilfaͤltig in allen Künſten / und Wiſſen - ſchaften / welche bey ihnen mehr als an einigen anderen Ohrten im Flor / ſeyn: Diſe geben ſie zu erkennen in ihrem taͤglichen Umgang / und denen Kriegen / ſo ſie zu Waſſer und Land fuͤhren. Anglis ut plurimum gravis animus, & in ſe velut ad conſilium ſeductus: ſeipſos & ſuæ gentis mo - res, ingenia, animos, eximiè mirantur. Barclaj. l. c. cap. 4. Die Schottlaͤnder ins beſonder kommen in gar vilen Stucken uͤberein mit der Schweizeriſchen Nation, wie zu ſehen auß Sibbaldi Prodr. Hiſt. Natur. Scot. Part. I. Lib. I. cap. 16. &c.

193N. 49.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung Von der Schweizeren Leibs - und Gemuͤhts Beſchaffenheit / Lebensart / Sitten / ꝛc.

DJe Daͤnen / Schweden / und andere an und um die Oſt See ligende Nordiſche Voͤlker / ſein zu allen Sachen faͤhig / wann ſie ihre im Schleim ſteckende Geiſter wollen aufmunteren / und durch die uͤbung die durchdaͤmpfung ihrer Leiberen befoͤrderen / wie ſie dann in der zum Krieg noͤhtigen Staͤrke und Herzhaftigkeit ſich zu allen Zeiten gezeiget / ſonderlich in denen mittleren Jahrhunderten / als ſie unter dem Titul der Gothen faſt ganz Europam uͤberſchwemmet / und unter ihr Joch gebracht / unter Guſtavo Adolpho / bis zu End der Teutſchen Landen durchgetrungen / und auch diſer Zeit / unter einem dapferen Koͤnig von deſſen Nachkoͤm̃lingen / gewaltige Bewegungen in Norden verurſachen. Jn Künſten und Wiſſen - ſchaften uͤben ſich diſere Voͤlker heutigs Tags ſo trefflich / daß es ſcheint / die Minerva, wie ſie auß Aſia allgemach gewichen in Griechenland / von dar in Jtalien / von hier in Frankreich / Spanien / ſich jezt nidergelaſſen habe in Teut - ſchen / und angraͤnzenden Nordiſchen Landen / wie deſſen inſonderheit Zeugen ſein die Nova Literaria Maris Balthici, ſo zu Lübeck ſint An. 1698. herauß - kommen / und die Nova Literaria Germaniæ, welche ſint An. 1703. zu Ham - burg getrukt / und an beyden Ohrten fortgeſezt werden. Die Teutſchen / zu denen wir auch zum Theil uns rechnen / haben tumme ingenia, und grobe Sitten / in groben Leiberen / wann wir glauben zuſtellen denen Außlaͤndiſchen / ſonderlich Franzoͤſiſchen / Scribenten / als einem Johanni Bodino, Joſepho Scaligero, Cardinali Perronio, Dominico Bouhours, und anderen mehr / und muß die Teutſche Nation es vor ein groſſes Glück halten / das AdrianusBaillet194Baillet in ſeinen Jugemens des Sc’avans denen Teutſchen eine Faͤhigkeit zu groſſer Gelehrte zuſchreibet / wann ſie durch langwaͤhrendt Gedult die Arbeit wollen laſſen daruͤber gehen. Es haben diſe unwahrhafte Zulagen / zur be - ſchaͤmung unſerer Gegenpart / widerleget Morhof, Schurtz fleiſch / Cramer, Richey, und andere / und deutlich erwieſen / daß der Teutſchen Verſtand nicht im Ruken / ſondern im Gehirn / ſeinen Sitz habe / und ihre ſo wol hohen / als nideren / Schulen keine Eſel zu Lehreren haben. Jhre herꝛlichen Schriften wachſen nicht in einer Nacht auf / gleich denen Pfifferlingen / ſondern kommen ſie ſaur an / weilen ſic / ihr phlegma zu uͤberwinden / die Muͤhe mit Gedult laſſen uͤber alles gehen / was ſie unterfangen / ſo wol in Künſten / als Wiſſen - ſchaften / zu Kriegs - und Fridens Zeiten. Unſerer Schweizeriſchen Na - tion gehet es noch ſchlimmer / und wurden vil kein groß Bedenken tragen / uns den Thieren zu zurechnen; Unſere Landsleuthe die Teutſchen ſelbs / und unter denen ſonderlich die jenige / welche das Schweizerland niemahl anderſt als in den Charten / oder in ihrer Einbildung geſehen / haben von unſers Landes Beſchaffenheit ganz falſche Gedanken. Georg Detharding in einer Diſp. von der Geſunden Luft zu Roſtock / gehalten daſelbſt An. 1705. ſchreibt von unſerer Schweizer-Luft / gleich auch von der Tyrol-Kaͤrndti - ſchen / und anderer Bergluft / daß wegen ihrer ungeſund - und Grobheit die Gemuͤhter der Einwohneren ganz tumm werden / und wir Schweizer ins be - ſonder eben deßwegen das Heimwehe bekommen; weil wir ein reinere / und geſundere Luft nicht koͤnnen vertragen / gleich denen Widhopfen / welche an den ſtinkenden Miſt gewehnt / anderſtwo nicht leicht truͤhen / oder jenem Wittenbergiſchen Henkersknecht / deſſen Salmuth gedenket Centur. 3. Obſ. 71. daß er von einer Ohnmacht / in die er bey Anlas einer wolriechenden Apotheck gefallen / nicht eher habe koͤnnen zu recht gebracht werden / bis ſein Meiſter ihne in ein Secret geleget. Wie ſich aber diſere Gedanken reimen nebſt dem / ſo oben Tom. I. N. 15. von dem Heimwehe geſchrieben worden / kan jeder vernünftiger leicht ermeſſen; und noch mehr die Wahrheit erken - nen auß dem / was jezt folget. Richten wir unſere Gedanken auf die Polus - hoͤhe / ſo ſehen wir bald / das unſer Schweizerland ſeye eins von den maͤſſig - ſten / als welches liget unter dem 46. und 47 Grad / hiemit faſt in der mitte zwiſchen 0. Grad / da die Lini iſt / und 90. Gr. bey dem Polo, das iſt / zwiſchen der groͤſten Kaͤlte / und der empfindlichſten Waͤrme. Unſere Lufttheile muͤſ - ſen in Anſehung der dünn - und dichtung keine ſonderlich groſſe / oder aͤuſ - ſerſte / Gewalt außſtehen. Gehen ſie in groͤſter Sommerhitz unter Tagen auß einander / ſo zeuhen ſie ſich in denen folgenden / obgleich kurzen / Naͤchten widerum ein / und laſſen alſo von ihrer Bewegung ſtuffenweis nach / ſo daß allezeit / das ganze Jahr hindurch / innert 24. Stunden die Kaͤlte und Waͤr -me195me auf eine uns geſunde Weiſe umwechslen / da hingegen andere Laͤnder eintweder laͤngere Naͤchte haben / als wir / in Anſehung des Tags / wie in dem heiſſen Gürtelſtrich / oder gar zu lange Taͤge / wie in der Kalten Zon, und folglich die Leiber der Menſchen groͤſſere Veraͤnderungen außzuſtehen haben von deſto groͤſſeren Kaͤlte / oder mehreren Waͤrme. Betrachten wir ſehrner die Situation des Schweizerlands / wie ſolche inſonderheit oben bey verſchiedenen Anlaͤſen iſt auf der Erfahrung - und Vernunftwag abgewo - gen worden / ſo werden wir ohne vil Umſchweiff bald ſehen / daß wir die rei - neſte / und ſubtilſte / Luft genieſſen unter allen Europeiſchen Voͤlkeren. Wir wiſſen ja / daß unſere Lande den oberſten Gipfel machen von Europa / und hiemit andere Lande unter uns ligen / wie kan dann ſeyn / daß wir die groͤ - bere / und diſere die reinere Luft haben? Jch laſſe jedem / der nur ein wenig Vernunft hat / diſes zu bedenken uͤber / denen inſonderheit / welchen auß der Natur Wiſſenſchaft bekant die Schwere / Flüſſigkeit / und andere Eigenſchaf - ten des Luft Elements; denen dann jezt folgende Gedanken leicht werden zu Sinn kommen. Beſitzen die Schweizer das oberſte Land von Europa / ſo wird die aufſtehende Luft ſie nicht ſo ſtark truken koͤnnen / wie andere / ſo nidrigere Ohrte innhaben: folglich wird die in ihren Leiberen / Aderen / Ge - bluͤt / ſich befindende Luft wenigeren Widerſtand finden in ihrer Außdehn - kraft (vi Elaſtica) ſonderlich wann ſie von den Thaͤleren muͤſſen ſteigen in die Hoͤhe / wie dann die hogerichte Landsart vil ob - und nidſich ſteigens er - forderet. Jſt deme alſo / ſo wird die Bewegung des Gebluͤts / und aller uͤbri - ger Saͤften / und Sinnlichen Geiſteren / in deren Richtigkeit unſere Geſund - heit beſtehet / beſſer fort gehen / alle Scheidungen der unnuͤtzen / oder über - fluͤſſigen Theilen einen ohngehinderten Fortgang haben / und uͤber diß die Leiber ſelbs an Geſtalt groͤſſer und ſtaͤrker werden. Aber auch in ſolchen groſſen / geſunden / ſtarken / Schweizeriſchen Leiberen koͤnnen auß jezt gebrach - ten Gruͤnden nicht wohnen tumme / ungeſchikte Gemuͤhter / ſondern ins Ge - gentheil kluge / heitere / zu allerhand Hirn-Arbeit geſchikte Gedanken. Diß / was bisher angebracht / gehet an die Ohrt der Schweizeriſchen Nation in gemein; Dann zu wiſſen / daß wir unter uns ſehr verſchieden ſein / je nach Beſchaffenheit der Ohrten / Situation der Thaͤleren / Zugang der Winden / und Sonnenſtralen / verſchiedenheit der Speiſen / Waſſeren / Lebensgattung / und ſo fort / alſo das oft in einem Thal ein merklicher Unterſcheid iſt zwi - ſchen denen Einwohneren / ſo diß - oder jenſeits eines zwiſchen flieſſenden Waſſers ſich aufhalten. Wir wollen nun auch ins beſonder das jenige / was wir in gemein abgehandelt haben in Form einer grundtlichen Zueig - nung bekraͤftigen / und erſtlich reden von unſerer Nation Geſundheit / in An - ſehung der Leiberen / und Gemuͤhteren. Das unſere Lande beruͤhmt ſeyenwegen196wegen Geſundheit der Luft / Waſſeren / und Einwohneren ſelbs / wird jeder - mann geſtehen / der uns kennet. Die Bewohnere unſerer hohen Gebirgen / und uͤberal unſere gemeine Burger und Baursleuhte / ſein gemeinlich ſtarken Leibs / zu ſchwerer Arbeit von Kindheit auf gewohnet / welches dann ſelbs ihre Glider noch mehr ſtaͤrket / den Einfluß des Gebluͤts / und Geiſteren in ihre Spannaderen / und Maͤußlein befoͤrderet. Sie leben uͤber diß einfaͤltig / mit Waſſer und Brot / oder Milch und Milchſpeiſen / und Fruͤchten / ſie wiſſen nichts von froͤmden / niedlichen Speiſen / und Getraͤnken / ſondern be - helffen ſich deſſen / was die guͤtige Natur des Lands ihnen darꝛeichet / und ſein deßwegen keinen / oder wenigen / Krankheiten unterworffen / ſo daß man vil Menſchen antrift / die bis auf das 80. 90. und 100ſte Jahr kommen / ohne vorher gegangene Krankheit. Wann uns Schweizeren ſol zugeleget werden ein Zunahm / hergenommen von der Lebensart / ſo gebuͤret uns mit beſtem Recht der Titel γαλακτο ϕάγων, der Milcheſſeren / an ſtatt jenes ver - aͤchtlichen der Kuͤhmelkern / welchen der Haß benachbarter Teutſchen uns zu - ſetzet. Dann wir uns / ſonderlich in bergichten Landen / meiſtens behelffen der Milch / und daher gemachten Speiſen / und alſo annoch zeigen koͤnnen die einfaltige Lebensart der erſten Menſchen / von denen Ovidius Faſtor. Lib. 4. v. 36.

Lacte mero veteres uſi memorantur, & Herbis Sponte ſua ſi quas Terra ferebat, ait.

Gleichwol iſt auch ein Unterſcheid zu machen / und vil Mißbraͤuche / welche ſint etlich 100. Jahren zum Nachtheil unſerer Geſundheit eingeſchli - chen / und je mehr und mehr uͤberhand nemmen / nicht mit ſtillſchweigen zu uͤbergehen. Vil von unſeren Bauren haben dieſe ungereimte Gewohnheit / daß ſie den Magen belaͤſtigen mit all zu vilen Speiſen; Sie eſſen zu Mor - gen / wann ſie aufſtehen / oder an die Arbeit gehen / hernach um 9. Uhr / drit - tens zu Mittag / viertens zu Abend / und fuͤnftens zu Nacht / und allezeit alſo / daß ſie geſaͤttiget werden / wann dann kaum eine Daͤuung der anderen mag Platz machen / und der Magen zu beſtaͤndiger Arbeit angehalten wird / ſo iſt ſich nicht zu verwunderen / daß unangeſehen der ſtrengen Arbeit / welche wi - derum außdaͤuen macht / ſich in dem Magen / Gedaͤrmen / und uͤbrigem Leibe ſamlen vil Schleimerigkeiten / welche Anlas geben zu aller hand Verſtopfun - gen / und daher ruͤhrenden Krankheiten. Jch wil nichts reden von dem / daß diſe ſchandliche / vilfraͤſſige / Art unſere Leuthe in anderen Landen / wo ſie hin - kom̃en / verhaßtmacht. Hierzu hilffet nicht wenig unſere Gewohnheit die Kin - der zu erziehen / da wir ſie gemeinlich allzu oft / und zu geſchwind / mit Speiſen anfuͤllen / und dem Magen nicht ſo vil Ruhe laſſen / daß er ſich koͤnne er - holen. Auß welchem Fundament gar vil bey uns ſich einfindende Kinder - krankheiten herzu leiten. ꝛc.

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Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fehrnere fortſetzung Von der Schweizeren Leibs - und Gemuͤhts Beſchaffenheit / Lebensart / Sitten / ꝛc.

JN wolbemittleten Haͤuſeren vernuͤget man ſich nicht mehr mit unſe - rer Landskraft; froͤmde Speiſen / und Getraͤnke muͤſſen je mehr und mehr auß Jtalien / Frankreich / Teutſchen / und anderen Landen her - und eingefuͤhrt werden / welche maͤchtig ſein unſere Schweizeriſche Natur gemaͤchlich zu veraͤnderen / die Geſundheit zu zerſtoͤren / und allerhand froͤmde Krankheiten ins Land zu bringen. Jns beſonder haben diß auch zu bemer - ken die Milchreiche Cantons / welchen die froͤmde Jtaliaͤniſche / und andere Ennetbirgiſche / Elſaͤſſiſche / Weine die Milch im Magen ſcheiden / und darauf zu allerhand Krankheiten Anlas geben. Wie wir in zuziehung der Krank - heiten fehlen wider die Gebraͤuche unſerer Vorelteren / welche vil einfaͤltiger / als wir / gelebet / und ſich mit ihren Landsfruͤchten benuͤget / alſo weichen wir nicht wenig ab von ihrer Weiſe / die Krankheiten zu heilen. Man behalffe ſich ehemahl / wie annoch an verſchiedenen Ohrten unſerer Landen / der jenigen Mittlen / welche das Schweizerland ſelbs hervor bringet: Nun aber lehr - nen wir mit froͤmden Speiſen froͤmde Sitten / froͤmde Kleidungen / und froͤmde Heilungsmanieren mit froͤmden Artzneyen / da in unſeren Bergen / Thaͤleren / Waͤlderen / Wieſen / Aekeren wachſen ſo vil / und herꝛliche Kraͤu - ter / und Mineralien, deren Kraͤfte / wann ſie mit Fleiß unterſuchet wurden / genugſam weren zu heilung auch der jenigen Zuſtaͤnden / welche wir auß froͤmden Landen / und durch froͤmde Lebensart / uns zu ziehen. Von diſer Materi aber wird anderſtwo in mehrerem zu reden ſeyn. Jch ſchreite fort von dem / was wir ſeyn ſolten / und koͤnten / zu dem / was wir ſein / und uns deſſen mit grund der Wahrheit ruͤhmen koͤnnen. Jch wil widerum redenvon198von der Faͤhigkeit unſerer Gemuͤhteren zu allerhand Künſten / und Wiſſen - ſchaften / welche ich herleite von obbeſchriebener Beſchaffenheit unſers Lands / und auch ſelbs von der ſtarken groͤſſe der Helvetiſchen Leiber / zu wider dem gemeinen Sprüchwort / was ſich wol Leibet / das Beſeelet ſich übel / ſo auch dem / was Bodinus ſchreibet de Rep. daß in groſſen Leiberen ſeyen kleine Gemuͤhtsgaben / und hergegen in kleinen Leiberen ein groſſer Geiſt / cùm corpus & intellectus contrario modo afficiantur, quò major eſt hujus, minor eſt illius, & contrà, und deme / was ſtehet in Theſaur. Polit. Apot. 30. pag. 11. Ingeniis Helvetiorum nihil craffius, nihil pinguius, nihil incultius, præſertim olim. Es iſt denen jenigen / welchen die Hiſtori des Schweizerlands bekant / nicht ohnbewußt / wie klug eingerichtet ſeyen unſere Regierungen / wie wir uns durch unſere Staats Maximen, naͤchſt Gottes ſonderbarer Hilff / herauß gewiklet auß den verworꝛenſten / und gefahrlichſten Geſchaͤften / alſo daß wir nur ſint den Zeiten der Reformation / wenig kleine und kurze Krie - ge / die wir unter uns ſelbs gefuͤhret / außgenommen / in gutem Friden ſitzen / da in deſſen die Kriegsflamm um unſer Vatterland her zu verſchiedenen mahlen heftig gewuͤtet / und bald ganz Europam uͤberſchlagen hat; wie fehrners nicht nur die / welche an dem Steurꝛuder der Regierung ſitzen / wiſſen von Staats-Geſchaͤften zu reden / ſondern auch gemeine Leuthe; wie ſo wol ganze Republiquen, als dero Privat angehoͤrige wiſſen ihr intereſſe und Vortheil in acht zu nemmen; wie unter uns ſich finden allerhand zu unterhaltung der Menſchlichen Geſellſchaft dienliche Kuͤnſte / Handwerke / Gewerbe / Wiſſenſchaften / und in denen allen liſtige / geſchikte / und erfahrne Leuthe / welche in Kriegen / und an Hoͤfen / hier und da / zu groſſen Befoͤrderun - gen gelangen. Von Gelehrten Maͤnneren / welche ſonderlich ſint den Zeiten der Glaubensverbeſſerung unter beyden Religionen / ſonderlich aber unter uns Reformierten / gelebt / und geſchrieben / koͤnte ein groſſer Rodel außge - ſetzet werden / welchen aber hier weder Ohrt / noch Zeit zu laſſet. Von beſon - derer Faͤhigkeit der Veltleineren kan geleſen werden Guler. Rhæt. pag. 165. b. 166. Wahr iſt / daß vor der Reformation die Gelehrte einen kleinen Raum in der Eidgnoßſchaft eingenommen; woruͤber aber ſich nicht zu verwunde - ren. Zu den Zeiten der Roͤmeren hat unſere Nation mehr die Waffen ge - fuͤhrt als die Feder / und alſo auch in denen mittleren Jahrhunderten hat ſie ſo vil Krieg / ſonderlich zu behaubtung ihrer koſtbaren Freyheit / wider groſſe Außlaͤndiſche Fuͤrſten / und eigene Tyranniſche Landherꝛen gefuͤhrt / daß ſie nicht Zeit gehabt hat / an anders zu gedenken. Und gleichwol / ob gleich vor 200. und mehr Jahren alles in allen Ohrten der Welt in dicker Finſternuß / ſo wol in der Gottes gelehrtheit / als anderen Wiſſenſchaften / gelebt / hatte man um An. 840. in der Schweiz zu St. Gallen eine beruͤhmte Schul /auß199auß welcher vil herꝛliche Maͤnner Geiſt - und Weltlichen Stands entſprun - gen. Es hat auch der groſſe Eraſmus zu ſeiner Zeit von der Schweizeriſchen Nation ſo gute Gedanken gehabt / daß diſe in allerhand Theilen der Gelehrt - heit wol koͤnte ſich beruͤhmt machen / wann ſie nur von ihrer kriegeriſchen Art wurde ablaſſen. Helvetios in literis & in cœteris honeſtis ſtudiis egre - grie valituros, ſi relictis bellis huc animum appellerent. Adag. Chiliad I. Centur. VI. Adag. 14. Der Altvatter Hippocrates hat in ſeinem vortreff - lichen Buͤchlein de Aere Aquis, & Locis, Text. 58. von der Beſchaffenheit Bergichter Landen ein gelehrtes Urtheil / welches ſich nicht ohnfein ſchicket auf unſer Schweizerland / und deßwegen wolverdienet / hieher geſetzet zu wer - den. Ubi regio eſt nuda, naturâ munita, & aſpera; quæque & à frigore hyberno prematur, & à Sole æſtivo exuratur, ibi duros & robuſtos, & ar - ticulis probè diſjunctis, vegetosq́ue & hirſutos reperias homines, & in quibus à Natura laboris tolerantia, vigilantiaq́ue inſit, quiq́ue mores ha - beant pertinaces, ad iram proclives, & contumaces, magisq́ue feritate par - ticipantes, quàm manſuetudine: inſuper ad Artes etiam acutiores, & plus Solertes, & ad res bellicas gerendas aptiores. Quia & omnia, quæ e Terra proveniunt, Terræ ipſius naturam refipiunt, & ſequuntur. Diſen Urtheil - ſpruch Hippocratis lege mit untermiſchung etwelcher noͤhtiger Anmerkun - gen alſo auß. Wo das Land offen / gegen allen Winden / oder Weltgegen - den / bloß liget / und von Natur mit Bergen wol umgeben / oder verwahret; über das eine groſſe Winterkaͤlte / und heftige Sommerhitz außſtehet / wel - ches auch in gewiſſem Verſtand geſagt werden kan von unſerem Schwei - zerland / ſonderlich aber denen Thaͤleren / welche von Abend gegen Morgen ligen / wie Wallis / Veltlein / ꝛc. Da in dem Sommer die von allen Seiten der Bergen in das Thal zurukprellende / oder haͤuffig einfallende / Sonnen - ſtralen eine empfindliche Hitz verurſachen / Winterszeits aber grimmige Kaͤlte außſtehen muͤſſen. Jn ſo thanen Landen ſein die Einwohnere von hartem Leib / gleichſam geſtaͤchlet / ſtark / wolgereimter Geſtalt / friſch / geſund / rauh - haͤrig: arbeitſam / gedultig / nicht alſobald ob der Arbeit verdrüſſig / ſondern beſtaͤndig / wachtbar / in ihrem Vornemmen und Tuhn haͤrtnaͤckig / Zornmuͤhtig / mehr Wild / als Zahm: welche letſtere Eigenſchaften zum Theil auch unſerer Nation zukommen / mehr aber denen Bergbewohneren in warmen / mittaͤgigen Landen / da die Geiſter von Natur erhizter / und zu zornigen Gemuͤhtsbewegungen geneigter ſeyn / dann wir Schweizer eher gutmuͤhtig / als wild / und unbarmherzig in Anſehung unſers temperaments ſeyn. Vornemlich aber ſchicket ſich auf uns / was der groſſe Hippocrates wei - ters von Bergichten Voͤlkeren ſchreibt / daß ſie zu erſinn - und außuͤbung al - lerhand Künſten und Wiſſenſchaften ſehr geſchikt / und zum Krieg / wie wirbald100[200]bald vernemmen werden / tauglich ſeyen. Alles endlich entſpricht der Laͤnder Beſchaffenheit / und kan hieher gezogen werden / was der Herzog von Rohan pflegte zu ſagen / die Schweizer ſeyen vor die Berge / und die Berge vor die Schweizer. Es hat ehemahl Julius Cæſar ſelbs ſich verwun - deret uͤber die groͤſſe der von ihme erſchlagenen Teutſchen / und Gallieren / unter denen zweifelsohne auch Schweizer geweſen. A. Hircius nennete ſie mirifica corpora, & corpora mirifica ſpecie amplitudineq́ue. De Bello Afri - can. Lib. V. Annoch heut zu Tag ſein ſonderlich die Bewohnere hoher Al - pen groſſe / anſehenliche / Maͤnner / in Staͤtten aber / und anderen zahmeren Ohrten / wo froͤmder Pracht / und Trachten einſchleichen / nimmet auch die groͤſſe je mehr / und mehr ab. Und nimmet man ins gemein wahr / daß die Voͤlker / ſo gegen Norden ſich zeuhen / als die Teutſchen / Schweden / Daͤnen / meiſtens großleibig / andere hingegen / ſo gegen Mittag ligen / als Spanier / und Jtaliener von kleiner Geſtalt ſeyn / jene auch mehr eſſen / und verdaͤuen / als diſe. Der groſſen Geſtalt unſerer Nation entſpricht auch die Staͤrke / welche wir bey allen Begebenheiten / in Kriegs - und Fridenszeiten / außuͤben. Schon zu der Roͤmeren Zeiten waren die Helvetier ein dapfere / kriegeriſche Nation, bellicoſiſſima Gens, bey Floro Hiſt. Lib. III. c. 10. acerrima natio. Cicer. Orat. de Provinc. Conſularib. reliquos Gallos virtute præceden - tes, und homines bellandi cupidi Cæſar. Comment. Lib. I. Gens armis virisque, & memoriâ nominis clara. Tacit. Lib. I. fortiſſima omnium Gal - lorum gens. Oroſ. Lib. 6. cap. 7. Diſe ihre Dapferkeit haben erfahren die Roͤmer ſelbs in ihren mit uns gefuͤhrten Kriegen / und in nachfolgenden Zei - ten die Teutſchen / Burgunder / Franzoſen / Jtaliaͤner / in denen Schweizeriſch - Oeſterꝛeichiſchen / Burgundiſchen / Maylaͤndiſchen / und anderen Kriegen: Ja es erfahren ſie noch heut zu Tag alle Fuͤrſten / und Staͤnde / von Europa / in ihren Kriegen / die ſie unter einander fuͤhren / in Zügen und Schlachten / an ihren Hoͤfen / da ja bekant / daß unſere Schweizer angeſehen werden / als ſtarke / und getreue Gardes. Wir koͤnnen mit Grund der Wahrheit von uns ſagen / daß wir von Natur zur Waffen uͤbung einen Luſt haben / und diſe uns anerborne Begird in unſerer Kindheit ſelbs zeigen / welche auch nicht in ihrer erſten Bluͤt erſticket / ſondern von denen hohen Lands-Obrigkeiten ſelbs un - terhalten wird durch beſoldung beſonderer Trüllmeiſteren / welche zu gewiſſen Zeiten des Jahrs die groſſe / und kleine Jugend / auch die jenige / welche kaum auß der Wiegen geſchloffen / in allerhand Waffensuͤbungen muͤſſen unter - weiſen / und allerhand erlaubte Ergetzlichkeiten vornemmen / um ihre Kinder zeitlich zu lehren / das / was ſie verſtehen muͤſſen in erwachſenem Alter; Dann auch die geſunde Politic ſo thane Waffen-uͤbungen erforderet / weilen unſere Lande im Fall der Noht ſich ſelbs muͤſſen vor ſeindlichen Anfaͤllen / ohne zuzie - hung froͤmder gedingeter Soldaten / bewahren.

201N. 51.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Fortſetzung Von der Schweizeren Leibs - und Gemuͤhts Beſchaffenheit / Lebensart / Sitten / ꝛc.

EJn jeder Burger und Landtmann muß ſich verpflichten zu Kriegs - zeiten ſich brauchen zu laſſen / als ein Soldat / und deßwegen zu allen Stunden bereitet ſein mit ſeinen Feur - oder anderen Gewehren / die er zutragen bey begebendem Fall befelchnet wird. Uns Burgeren / und Bauren / iſt nicht nur nicht / gleich in benachbarten Teutſchen / und anderen Landen geſchihet / verbotten / Seitengewehre in die Kirchen / und anderen of - fentlichen Umgaͤngen / oder Zuſamenkunften zu tragen / ſondern bey angeſez - ter Straff gebotten / und vorgeſtellet als ein ſonderbares Zeichen der Frey - heit. Es haben ſelbs die alten Roͤmer die Baurſame angeſehen / als eine we - gen ihrer Arbeitſamkeit / und hartigkeit der Leiberen zum Krieg taugliche Mannſchaft. Ex Agricolis & viri fortiſſimi, & milites ſtrenuiſſimi gignun - tur. Cato de Re Ruſtic. Lib. I. cap. 1. und Vegetius Lib. I. cap. 3. ſagt / das aptior armis ruſtica plebs, quæ ſub dio, & in laboribus enutritur. Damit aber wir / die wir durch Gottes Guͤte im Friden leben / in demſelben an den Krieg gedenken / (in pace de bello cogitemus) und ſonderlich auch die Kriegsmanieren / welche von Zeiten zu Zeiten ſich veraͤnderen / auf den Nothfallhin verſtehen lehrnen / laſſet man bey uns die Moͤrſer / Canonen / Muſqueten / Spieſſe / nicht verꝛoſten / ſondern man unterhaltet ſie ſauber / ſo wol in offentlichen Zeug-als beſonderen Haͤuſeren / man beſichtiget ſie auß Oberkeitlichem Befehl in Haußbeſuchungen / man brauchet ſie in Muſte - rungen / ſicheren Campirungen / ohnblutigen Belager - und Einnemmungen. Wann wir Schweizer forthin bedenken / daß eines jeden Mitburgers einerin102[202]in ein corpus geſamleten Geſellſchaft natuͤrliche Pflicht ſeye / dieſelbe vor allem feindtlichen Anfall zubeſchützen / ſo koͤnnen wir uns ſchwerlich einbilden / das im Nohtfahl jemand unſer Land beſſer bewahren koͤnne / als wir ſelbs / und munteren uns unter einander auf / bey allen Anlaͤſen vor unſer Vatter - land / Religion / Weiber / Kinder / Guͤter / unſer Leben zu wagen / und mit Dapferkeit unſer Blut aufzuopferen. Zu mehrerem Beweißthum deſſen / was die Schweizeriſche Nation in Kriegen getahn und verhoffentlich wei - ters tuhn kan / wil ich auß unſers Sel. und Hochgelehrten Herꝛen Johann Henrici Hottingeri Methodo Legendi Hiſt. Helvet. pag. 244. &c. allhier anmerkend einrucken / daß die Schweizer ſonderlich wol ſtehen in der Infan - terie, und alſo feſt zuſamen an dem Ohrt / da ſie hin geſtellet werden / halten / daß ſie ſich nicht trennen laſſen / und ſtehen wie die Mauren; welche gute Eigenſchaft der Schweizeriſchen Truppen ſich inſonderheit die Kron Frank - reich wol gewußt zu nutz zu machen: Ein merkwürdiges Exempel Schwei - zeriſcher Dapferkeit / und unvergleichlicher Standhaltung / hat ſich zugetra - gen in der Schlacht zwiſchen den Eidgnoſſen / und dem Delphin bey Baſel / An. 1444. da jener 4000. diſer aber 6000. geblieben / und nicht mehr als 16. Mann von den Schweizeren darvon kommen: Der Streit waͤhrete von Morgen bis Abend / und luffen die Eidgnoſſen / nach dem ſie geſehen / daß ſie übermannet / in die Feinde wie die Loͤuen / nicht in Hoffnung des Siegs / ſon - dern durch ihren eigenen Tod ſich an ihren Feinden zu raͤchen. Suitenſes quaſi Leones per omnem Exercitum in victores vagantur, cædunt, ſter - nuntque omnia, ut qui jam non in ſpem victoriæ, ſed in mortis ultione ſe pugnare ſciunt. Ad extremum non victi Suitenſes, ſed vincendo fatigati inter ingentes hoſtium catervas ceciderunt; Wie ihnen diß ſchoͤne Lob gibt Aeneas Sylvius Epiſt. 87. Jn alten Hiſtorien findet man ein einig Beyſpiel / welches diſer in etwas zuvergleichen / da die Lacedemonier / Thebaner / und Theſpienſer bey Thermopylæ etlich wenig 1000. mit den Feinden alſo ge - ſchlagen / daß ſie deren 20000. erlegt / ſie ſelbs aber umkommen bis an zwey. Sonderlich haben die Schweizer ſich koͤnnen mit ihrer Handſtaͤrke zeigen / zu denen Zeiten / da man nicht mit Geſchütz / ſonder mit Handſtreichen / Hall - parten / Seiten-Gewehren / ſich an einander gewaget / welche Kriegens-Art unterſcheiden iſt von der jezigen / bey welcher das Feuer die Ober Herꝛſchaft hat / und der ſtaͤrkſte / und dapferſte Soldat von dem liederlichſten Kerl durch einen Kugelgruß kan uͤberwunden werden. Es gienge aber die Schweize - riſche Nation nicht allezeit offenbar / und einfaltig an den Streit / ſondern begleitete ihren Heldenmuht gemeinlich mit groſſer Wachtbarkeit / Vor - ſichtigkeit / und Klugheit; ja etwann bediente man ſich erlaubter Kriegs - liſten / als bey einnahm des Uetlibergs An. 1268. bey rettung der vonKeiſer203Keiſer Alberto belaͤgerten Statt Zuͤrich An. 1298. bey einnahm des Staͤtt - leins Glanzenburg an der Limmat / unter anfuͤhrung Graf Rudolffs von Habſpurg / um An. 1268. der veſten Schloͤſſeren Sarnen / und Rotzberg im Underwaldner Land An. 1307. und zu anderen Zeiten mehr / welches dann genugſam anzeiget nicht einen plumpen groben / ſondern klugen Geiſt der Nation. Gleich wie aber eine ſamtliche Schweizeriſche Nation bey allen Staͤnden Europæ verdienet hat das Lob der Dapferkeit / alſo iſt leicht zu er - achten / daß bey allen Anlaͤſen gewiſſe herzhafte Maͤnner ſich vor anderen auß haben gezeiget / wie auß alten und neuen Hiſtorien koͤnte eingefuͤhrt wer - den das Exempel Orgetorigis, eines Einheer auß dem Thurgeü / der dreyen Eidgnoͤſſiſchen Helden / und Retteren unſerer Freyheit / Wilhelm Tellen / Wernherꝛ Stauffacher / und Erni von Melchthal; weiters eines Müllers / Stucki / Maneß / Braunen / Goͤldi / Stapfers / Waldmanns / Kellers / Roü - ſten / Engelharten / der Werdmülleren von Zuͤrich: der Erlachen / Hallwei - leren / ꝛc. von Bern; der Feeren / Pfeifferen / ꝛc. von Lucern: eines Wol - leben / Motin / ꝛc. von Uri: eines Ryſigen von Schweiz: Der Winkel - rieden / Rotzen / Jordanen / ꝛc. von Underwalden: Der Zurlauben / Steine - ren / ꝛc. von Zug: eines Tſchudi / Schulers / ꝛc. von Glarus; der Lützel - mannen / Baͤren ꝛc. von Baſel / und anderen mehr / deren in Vatter - und außlaͤndiſchen Geſchichtbuͤcheren zu groſſem Lob gedacht wird / auß welchen auch wir bey gegebenem Anlas die jenigen erzellen werden / welche durch ſonderliche Staͤrke des Leibs ſich bekant gemacht haben. Gleich wie unſere Vorelteren in ihren Kriegszügen / und Schlachten haben vereinet eine herz - hafte Staͤrke mit kluger Vorſichtigkeit / alſo dienet ihnen inſonderheit auch zu groſſem Ruhm / daß ſie alle ihre Kriege angefangen / und begleitet haben mit Frommkeit / wie ſie dann in ihren Schlachten mit denen Herzogen von Oeſterꝛeich / und Burgund allezeit vorher / ehe ſie angegriffen / auf die Knie nidergefallen / Gott um den Sieg eiferig anzuflehen. Weilen die Dapferkeit ihre Belohnung und Hochachtung Platz findet bey vernuͤnftigen Feinden ſelbs / als iſt merkwuͤrdig / daß unſere Ueberwinder ſelbs unſer Wolverhalten haben mehrmahlen belohnen muͤſſen mit anerbietung und aufrichtung be - ſtaͤndiger Freundſchaft / als ein Julius Cæſar, Ludovicus XI. Franciſcus, Koͤnig in Frankreich. Es iſt auch diß zu bemerken / daß die Schweizer / ohn - geachtet ſie eine Kriegeriſche Nation ſeyn / eher alles wagen / ehe ſie einen Krieg anfangen / oder ſich in denſelben einwiklen wie diß von Zeit zu Zeiten gelehret hat die Erfahrung ſelbs / und ſonderlich anzumerken ſein die guͤt - liche Underhandlungen / und fridliche Anerbietungen / welche denen Bur - gundiſchen Kriegen mit dem Herzog Carolo vorgangen. Auch wann ſie geſieget / haben ſie ſich des Siegs nicht hochmuͤhtiger Weiſe uͤberhoben / ſon -dern204dern ihren uͤberwundenen Feinden ſelbs geſchonet / wie wir deſſen verſchie - dene Exempel auß unſeren Hiſtorien koͤnten beybringen / wann es die Zeit zu lieſſe. Daß / was bisher eingefuͤhrt / habe gleichwol kuͤrzlich wollen anbringen / damit man darauß kennen lehrne genium Nationis, die Art der Eidgnoͤſſi - ſchen Nation, und ſelbige unterſcheiden von benachbarten Voͤlkeren ſelbs / deren unbeſonnener Hochmuht uns mehrmahlen gedienet hat zu groſſem un - ſerem Vortheil und Gluͤck: wie dann Gottes gnaͤdige den Hochmuͤhtigen widerſtehende Hilff ſich in Schweizeriſchen Kriegen augenſcheinlich hat ſpuͤren laſſen darinn / daß oft eine geringe Anzahl Eidgnoſſen einen groſſen Hauffen der Feinden uͤberwunden: als An. 1513. in Meylaͤndiſchem Ge - biet 20000. Franzoſen durch 9000. Schweizer / und widerum 60000. durch 36000. zu Ermatingen bey Coſtantz 12000. Oeſterꝛeicher durch 1400. Eid - gnoſſen. An. 1388. 6000. Oeſterꝛeicher durch 200. Glarner. Anderer Schlachten / ſo zu Laupen / Sempach / St. Jacob bey Baſel / ꝛc. allezeit mit geringem Verlurſt der Eidgnoſſen / gehalten worden / zugeſchweigen. Zu deneu ſo vilen herꝛlichen Siegen / ſo unſere Nation erhalten / kan auch etwas beygetragen haben die foͤrchterliche Geſtalt der Schweizeren / dero braune Geſichtsfarb / begleitet mit langen anſehenlichen Baͤrten: Man gewahret der Farb halben / daß unter der Linien / und zwiſchen beyden Sonnenwend-Zirk - len die Geſichter der Menſchen / ja auch die ganze Haut ſchwarz / oder braun / und von denen Tropicis hinweg gegen denen Polar-Cirklen je weiſſer / und weiſſer / bis auf eine gewiſſe Polushoͤhe / da ſie widerum braun außſehen / als zum Exempel ſein koͤnnen die Groͤnlaͤnder / und Lapplaͤnder / von denen man kan ſagen / daß nicht die Hitz / ſondern die Kaͤlte ſie verbrenne. Faſt gleiches Urtheil laͤſſet ſich faͤllen von den Schweizeren. Wir ſolten in anſehung der Polushoͤhe weiſſer / und zaͤrter ſein / als die Jtaliaͤner / und brauner als die Teutſchen; und aber bezeuget die Erfahrung das Widerſpiel. Wann wir die platten Laͤnder außnemmen / und in denenſelben ſonderheitlich die Staͤtte / ſo muͤſſen wir geſtehen / daß unſere Nation unter die braunen zu zellen. Die Urſach ſchreibe zu theils der Waͤrme / theils der Kaͤlte; in denen Thaͤleren / ſo zwiſchen hohen Bergen / ſonderlich von Morgen gegen Abend ſich zeuhen / iſt / wie oben ſchon angezeiget worden / wegen vilfaltiger zurukprellung der Sonnenſtralen eine groſſe Hitz / welche die Leiber erhitzet / und die offen ſtehen - de Angeſichter verbrennet: auf denen Schnee - und Eisgebirgen machen eben diſe vom Schnee haͤuffig zurukprellende Stralen in ſonſt kalter Luft die Geſichter der Anwohneren / und Reiſenden ganz braun / als weren ſie ange - brennt / wie wir ſolches erfahren und ſehen koͤnnen alle Jahr / und es auch in ſeinen durch die Puͤndtneriſche Gebirge gethanen Reiſen wahrgenom̃en hat der gelehrte Engellaͤnder Rajus, wie zu ſehen in ſeinen Topographical Ob - ſervations pag. 427.

205N. 52.)

Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil.

Erdbidem zu Egliſau.

DEn 24. Septemb. An. 1705. vor Mittag um 10. Uhr iſt zu Egliſau geſpuͤret worden ein empfindliches Erdbeben / doch nicht in allen Haͤuſeren / mehr innert / als auſſert Rheins / zu groſſem Schre - cken / mit heftigem praſchlen / knallen / und darauf erfolgtem erſchuͤtten / als were etwas ſchweres gefallen / oder mit Gewalt nidergeworffen worden. Diſes letſtere Zeichen iſt zu Egliſau mehrmahlen bey anderen ſolchen An - laͤſen geſpuͤrt worden / wie zu erſehen auß denen Beſchreibungen / welche oben Tom. I. p. 123. &c. zu leſen; und veranlaſet mich diſer vermeinte Fall zuge - denken an einen wirklich geſchehenen Fall / wie mir dann die Eingeweide der Erden unter der Herꝛſchaft Egliſau vorſtelle, als gewoͤlbt / und hol / wie es auch die Beſchaffenheit der daſelbſt zuſamen kommenden Bergen mit - gibt / welche wol haben koͤnnen bey ihrer Zuſamenſtoſſung nach dem Suͤnd - flut ſich in der Hoͤhe behalten / und unter ihnen eine groſſe tieffe Hoͤle / in welche ſie nicht abgeſunken / uͤberig laſſen; Auf diſes Fundament ſage nun / daß ſich leichter Dingen kan zutragen / daß von den oberen Theilen diſes Natur-Gewoͤlbs kan ein groffer / bereits zimlich abgeloͤßter Felſe von ſelbs / in Kraft ſeiner eigenen Schwere fallen / und durch diſen ſeinen Fall die Erde erſchütteren. Hierauß iſt zu erſehen 1. Die Urſach / warum die Herꝛſchaft Egliſau denen Erdbidmen ſo ſehr unterworffen. 2. Daß bey ſo thaner jezt beſchriebener Beſchaffenheit zu ſorgen / es moͤchte diſes natuͤrliche Gewoͤlb der Herꝛſchaft zu ſeiner Zeit voͤllig einſinken / und ein groſſer Jamer erfol - gen / weßwegen wir Urſach haben / den groſſen Gott zu bitten / daß er mit ſeiner Macht die ſchwachen Stützen unſerer Landen feſt halte / und uns indeſſen dahin neige / daß wir durch unſere Bekehrung einer ſolchen ſchon laͤngſt ver - dienten Straff vorkommen. 3. Das folglich die wirkende Urſach der Erd - bidmen nicht allezeit / und nohtwendig / ſein muͤſſe ein unterirꝛdiſch Feuer / ſondern ſein koͤnne auch ein ſolcher Fall eines groſſen Felſen in ein unter - irꝛ diſches Gewoͤlb.

Wirkun -106[206]

Wirkungen der groſſen Waͤrme / welche in dem Sommer diſes 1706. Jahrs das Schwei - zerland erfahren.

Es hat diſe ungemeine / faſt durch den ganzen Heu - und Augſtmongt anhaltende Hitz verſchiedene Wirkungen in allerhand Coͤrperen verurſachet. Die Gewaͤchſe / und Baͤume / ſtuhnden gleichſam in ihrem Wachsthum ſtill / weil ſie wenig Feuchtigkeit hatten; hin und wider ſahe das Laub an Baͤu - men / und Raͤben auß / als ob es geſengt were. Dann bey denen Pflanzen / gleich bey Thieren / und Menſchen / eine beſtaͤndige durch - und auß daͤmpfung flüſſiger Theilen / welche / wann ſie nicht erſetzet werden mit neuer Feuchtigkeit / eine verdorꝛung und abnemmung erwecken / mit welcher ganz wol kan in Vergleichung geſetzet werden der Menſchen Doͤrꝛſucht. Das Viehe litte an vilen Ohrten groſſen Waſſermangel / und muͤßte man daſſelbe hier und da etliche Stunde weit zur Traͤnke fuͤhren. Die Leiber der Menſchen ſpuͤrten auch nicht geringe aͤnderung / ihre durchdaͤmpfung war vil ſtaͤrker / als ſie ge - meinlich des Sommers zu ſein pflegt. Das Gebluͤt wurde ſcharff / und ver - dickeret; die ſubtilen / fluͤchtigen / Theile flugen darvon / und blieben die groͤ - beren / dickeren / irꝛdiſchen / und ſaltzichten Theile zuruk / weßwegen ſich nicht zu verwunderen / wann auf ſo groſſe Waͤrme gefolget allerhand von des Ge - bluͤts Schaͤrffe / und Verſtopfungen herꝛuͤhrende Krankheiten / als Rohte Ruhr / allerhand Durchlaͤuffe / oder Bauchfluͤſſe / allerhand ſo wol hitzige / als kalte / ein-drey - und viertaͤgige Fieber / welche auch bis nach dem Herbſt ange - halten / allerhand Geſchwulſten / Haubtflüſſe / inſonderheit auch die Pocken / oder Kinderblatteren / an welchen gar vil Kinder geſtorben. Man gewahrete ins beſonder / daß die jenige Biren / welche vil irꝛdiſche zuſamenzeuhende Theil beyſich haben / als da ſein die ſo genanten Lang - oder Würg-Biren / die Scheurbiren / ꝛc. mehr als andere Jahr / den Hals gewuͤrget / welches nicht wenig beytragen koͤnnen zu erweckung der Ruhr / allerhand Grim - men / ꝛc. und grundtlich zu zuſchreiben iſt dem Mangel der waͤſſerigen Thei - len / welche mit denen irꝛdiſchen in einer gewiſſen proportion muͤſſen ſtehen, Jm Glarnerland ſein auf dem Berg Guppen / ob Schwanden / Holtzbiren / und Apfel zur Zeitigung kommen / welches bey Manns ge - denken nicht geſchehen. Und haben in gedachtem Canton an verſchiedenen Ohrten die Obsbaͤum: aufs neue im Herbſt gebluͤhet; welches auch in waͤhrenden Puͤndtneriſchen Kriegen An. 1622. wahrgenommen worden in dem Prettigeü / zu Schiers / Faciona, Londa, Malans / allwo die Kirſch-Bieen - und Apfelbaͤume gebluͤhet / und verbluͤhet / ſo daß man kleineAepfelein207Aepfelein / und Birlein /[an den] Baͤumen gefunden / und haben die Roͤteli auf ein neues im Geſtaͤud angefangen Eyer legen / und bruten / wie im Fruͤhling / nach der Zeugniß Hrn. Baſlers Pündtner. Krieg / cap. 54. welcher als domahliger Feldprediger es ſelbs geſehen.

Ergieſſung der Waſſeren / und Ungewitter.

Zu end des Meymonats diſes annoch lauffenden 1706. Jahrs ſein die Waſſer in Pündten / durch eingefallenen Regen / und Foͤn / und daher entſtandene ſtarke ſchmelzung des noch hoch ſtehenden Schnee in den Gebir - gen merklich angewachſen / und haben ſich ſonderlich in dem Veltlein / und Grafſchaft Cleven ſtark ergoſſen / und ſein zu Splügen einem Mann zwey Staͤlle mit etlich ſtücken Vieh weggefuͤhrt worden.

Der ungeſtuͤmme Nolla, ſo bey Tuſts im Domleſchg ab - und in den hinderen Rhein flieſſet / hat zu verſchiedenen mahlen entſetzliche Proben ſeines Wuͤtens gezeiget / das Gebaͤu einer Faͤrwe / ſamt einem anderen gaͤnz - lich weggetragen / mit allem / was darinn war / als etlichen Kaſten / vilem Thuch / ꝛc. welches nicht gefloͤchnet werden koͤnnen / weil es bey Nacht ge - ſchehen.

Den 28. Mey. Abends um 4. Uhr / hat ſich ein ſchweres Regen - und Hagelwetter ergoſſen uͤber das Dorff Auvernier, ein Stund von Welſch Neuenburg abgelegen / welches die Haͤuſer mit Waſſer / Sand und Stein angefuͤllet / die Weinraͤben weggefloͤtzet / geladene Waͤgen ſamt dem Zug - Vieh / und 3. Weibsperſonen / weggeſchwemt / welche zu Grund gangen.

Von runden / verbrannten Kreiſen im Graß.

Zu diſer Materi ladet mich ein ein ſolcher Zirkel / oder Kreiß / welcher diß Jahr wahrgenommen worden auf Moͤrtſchen / einem Berg im Glarnerland deſſen durchmeſſer 15. oder 16. Schuh: Eines Schuhs breit iſt derſelbe gleichſam geſaͤngt / oder verbrennt / nach diſem kommet eines Schuhs breit ſchoͤn gruͤnes Graß / und auf diſen Kreiß widerum ein anderer geſengter ohngefehrd anderthalb Schuhe breit. Von ſolchen Zirklen gibt es ungleiche Meynungen. So wol in unſeren / als froͤmden Landen haltet man gemeinlich darfuͤr / das ſeyen der Hexen / und Hexenmeiſteren / oder auch kleiner Fro-Teuflen / und Bergmaͤnnlein Tantzplaͤtze / weßnahen die Engel - laͤnder ſie nennen Fairy Circles, von denen kleinen Zwerg-Geiſteren / wel - che ſie Elves und Fairys heiſſen. Diſere Meynung moͤgen wol bekraͤftigen die Auſſagen der Hexen / daß ſie namlich auf ihren Samelplaͤtzen in einemrunden208runden Kreiß umher tantzen / und zwaren alſo / daß ſie einanderen den Ru - ken / und nicht das Angeſicht / vorwenden / worvon ins beſonder zu leſen Nic. Remigius Dæmonolatr. Sag. Lib. I. cap. 17. als welcher waͤhrenden ſeines Richteramts in Lothringen / innert 15. Jahren 900. ſolcher elenden Leuthen in Verhaft gehabt. Baptiſt. Codronch. de Morb. Venef. Lib III. cap. 8. und andere mehr. Wolten wir diſere Meynung recht underſuchen / ſo muͤß - ten wir vorher andere Fragen von der Hexen exiſtenz, Außfahrt / Zuſamen - kunften / Taͤntzen / eroͤhrteren / welche ich lieber wil in der Finſternuß ligen laſ - ſen / wie ſie ligen / um ſo vil mehr / weilen auch / die auf der bejahenden Seiten ſtehen / meines Bedunkens unrecht dran ſeyn / wann ſie unſere geſengte Graß - Cirkel anſehen vor Tantzplaͤtze der Hexen / oder unterirꝛdiſchen Bergmaͤnn - lein / mit welchen wir auch dißmahl uns nicht wollen bemuͤhen / ſondern deren Geſchichten ſparen auf einen anderen Anlas. Groͤſſere Vernuͤgung finden wir in anderen / natuͤrlichen / Urſachen / unter welchen der gelehrte Engellaͤnder M. Liſter vorſtellet der Maulwürffen zwar oft unordentliche / etwann aber auch in die ruͤnde gehende Arbeit / wordurch die Wurtzen der Kraͤu - teren abgeetzet werden / und diſe alſo verdorꝛen; weilen ſie aber auch bey di - ſer ihrer Arbeit ihren Unraht ablegen / ſo moͤge derſelbe das Erdrich alſo dün - gen / daß in folgenden Jahren dergleichen Kreiſe / wie es gemeinlich gewahret wird / ein fetter und gruͤner Graß / als das nebenſtehende iſt / geben. Diſere Muhtmaſſung aber wirffet alſobald uͤber den Hauffen nebſt andern Be - trachtungen die Groͤſſe ſolcher Kreiſen / welche zwaren etwann nur 6. bis 8. in gegenwertigem aber im Durchſchnitt hat 15. bis 16. Schuhe / und an - derſtwo wol 40. bis 50. Ruthen: welcher Grund allein auch umſtoſſet eine andere Muhtmaſſung / daß namlich dergleichen Kreiſe entſtehen / wann die Kuͤhe in einem Ring alſo beyſamen ſtehen / daß ſie ihre Koͤpfe zuſamen hal - ten / da dann der in ſolcher poſtierung abfallende Harn und Kaht einen run - den Kreiſe in dem Graß vor anderen Theilen der Wieſen auß duͤngen. Beſſer vernuͤget ein Wahrheit liebendes Gemuͤht die ſinnreiche Meynung Roberti Plot, welche er weitlaͤuffig erklaͤhret in ſeiner Natural Hiſtory of Staffordshire Cap. I. pag 915. &c. und kurz dahin gehet / daß die Urſachen dergleichen ge - ſengten Kreiſen nicht zuſuchen ſeyen in der Erde / oder naͤchſt auf derſelben / ſondern vilmehr in der oberen Luft / und nam̃entlich herzuleiten von dem Wetterleuchten / und Stral / welche / wann ſie durch die Wolken drechen / in der Luft einen gleichen Widerſtand finden / und deßwegen ſich in die ruͤnde außbreiten / in Geſtalt eines Coni, oder Kegels / und auf der Erden einen auch runden Ring zu einer Wirkung ihres durchtringenden Schwefels dahinden laſſen; oder zwey Ringe nahe beyſamen in gleich lauffenden Linien / wann auß einer Wolken an ei - nem Ohrt zwey Außbruͤche geſchehen / von welchen der letſtere eine weitere oͤffnung machet in der Wolken / und auſ der Erde den groͤſſeren Kreiſe abzirklet. Von diſer Materi kan wegen Enge des Pla - tzes allhier ein mehrers nicht eingeruket werden. Das ganze Eremplar koſtet fl. 1. ß. 12.

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TextBeschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands
Author Johann Jacob Scheuchzer
Extent221 images; 72994 tokens; 14929 types; 513918 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

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EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationBeschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands Ander Theil Johann Jacob Scheuchzer. . [2] Bl., 208 S., VI Taf. SelbstverlagZürich1707.

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ETH Zürich ETH-Bibliothek ETH-B Zürich, 10.3931/e-rara-12115http://dx.doi.org/10.3931/e-rara-12115

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LanguageGerman
ClassificationFachtext; Geographie; Wissenschaft; Geographie; core; ready; china

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  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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ImprintBerlin 2019-12-09T17:34:30Z
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