PRIMS Full-text transcription (HTML)
Beſchreibung der Natur-Geſchichten Des Schweizerlands.
Erſter Theil.
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Zuͤrich. Jn Verlegung des Authoris. 1706.

Denen Hoch - und Wol-Edelgebornen / Geſtrengen / Fuͤrſichtigen / und Weiſen / meinen Hochgeachten / Hoch - geehrteſten Herꝛen und Goͤnneren. Hr. HERCULES von SALIS, geweſenen Podeſtà zu Morbegno, dißmalen des Kleinen Rahts zu Chur. Hr. RODOLF von SALIS, geweſenen Lands. Haubtman zu Sonders im Veltlein. Hr. FRIDERICH ANTHONI von SALIS, ge - weſenen Haubtman in Frankreich von Jhr Koͤnigl. Ma - jeſt. Guarde / und Directori eines Lobl. Gottshauß Punds. Hr. ANDREA von SALIS, Obriſt Lieut. in dien - ſten Jhr Koͤnigl. Majeſt. in Frankreich. Wie auch der Wol-Edelgebornen / mit hoher Ehr und Tugenden gezierten Fraͤulein Fraͤulein ANNA MARGARETHA von SALIS, meiner Hochgeneigten / Hochgeehrten Goͤnnerin. ab Soglio.

Eigne den Erſten Theil des Schweizerlands Naturgeſchich - ten zu einem Zeichen ſchuldiger dankbarkeit / vor bisher genoſſene hohe Gunſt-gewogenheiten / nebſt herzlicher wuͤnſchung fehrneren Leibs - und Seelen vernuͤ - gens / zu Jhr demuͤtig ergebenſter Diener D. Scheuchzer.

Abgekuͤrztes Regiſter aller verhandleten Materien.

  • Num. Blatt.
  • Von denen Rohten Buchen zu Buch. _ _ 1 _ _2.
  • Von einem Halone, oder Ring / welcher um den Mond geſehen worden / den 5. Febr. _ _ 1 _ _4.
  • Von einem Geſpenſt / welches ſich ſol aufgehalten haben auf den Surenen Alpen. _ _ 2 _ _5.
  • Von dem Zuͤricher Torff. _ _ 2 _ _6.
  • Von den Vorbotten des Regens. _ _ 3 _ _9.
  • Von dem Pflatus Berg im Lucerner Gebieth. _ _ 4 _ _13.
  • Von dem ſtuͤrmigen Horn-Viehe. _ _ 4 _ _15.
  • Von abmefſung der Berghoͤhenen. _ _ 4 _ _16.
  • Von St. Gotthards Berg. _ _ 5 _ _18.
  • Von des Schweizerlands koſtlichen Waſſerquellen. _ _ 5 _ _19.
  • Von dem Zuͤricher Wein. _ _ 6 _ _21.
  • Reiſe uͤber den Wallenſtatter See durch hilff eines ordinari Nachwinds. _ _ 7 _ _26.
  • Von Bereitung der Milch und Milchſpeiſen / wie ſolche auf denen hohen Alpen geſchiher. _ _ 8 _ _30.
  • Von des Sennen Perſon / Amt und Behauſung. _ _ 8 _ _30.
  • Von Bereitung des Kaͤſes. _ _ 8 _ _32.
  • Von dem Lupp. _ _ 9 _ _34.
  • Von Bereitung des Butters _ _ 9 _ _34.
  • Von dem Ziger / und Sch〈…〉〈…〉 ten. _ _ 9 _ _35.
  • Von Nidelbrot / und Stunkenwerne. _ _ 9 _ _35.
  • Von dem Sarganſiſchen Stahel-Erz. _ _ 9 _ _36.
  • Von den Berg Neblen / und Wolken. _ _ 10 _ _37.
  • Von der Gemsthieren Feſtigkeit. _ _ 10 _ _39.
  • Von denen Gems-Leckinen / oder Sultzen. _ _ 10 _ _39.
  • Von der Gemß Jagd. _ _ 11 _ _41.
  • Von der Gemſen Lebens-Art. _ _ 11 _ _44.
  • Von einer feurigen Luft-Geſchicht / welche geſehen worden in Zuͤrich den 19. Aprel. _ _ 12.22 _ _45.88.
  • Von dem Pfeffers-Bad. _ _ 13.14 _ _49 Von dem Heimwehe. _ _ 15 _ _57 Von dem Unterſcheid der Kraͤuteren / und Baͤumen / ſo auf hohen Bergen / und tieffen thaͤleren wachſen. _ _ 16 _ _62.
  • Num. Bl.
  • Von der Berg-Reiſen Luſt / Nutzbarkeit / und Kom̃lichkeit. _ _ 17 _ _67.
  • Von denen Reiſen uͤber hohe Gebirge. _ _ 17 _ _66.
  • Von Gefahr und Schaden / ſo denen Bergreiſenden aufſtoſſet vom Schnee / und Eis / und wie dem zu begegnen. _ _ 18 _ _69.
  • Von der Kaͤlte / welche denen Bergreiſenden gefaͤhr - und ſchaͤdlich iſt. _ _ 19 _ _73.
  • Von abſtuͤrzung der Felſenſteinen / und enge der Wegen / ſo den Reiſenden auch beſchwerlich ſeyn. _ _ 20 _ _77.
  • Von des Schweizerlands Beſchaffenheit in anſehung der Ele - menten / und Jahrzeiten. _ _ 20 _ _80.
  • Von denen im Schweizerland befindlichen uͤberbleibſelen der Suͤndflut. _ _ 23 _ _89.
  • Von denen Erſchuͤtterungen des Glarnerlands. _ _ 30 _ _117.
  • Beſchreibung der Erdbidmen / welche in dem Schweizerland von zeit zu zeit geſpuͤrt worden. _ _ 31 _ _123
  • Von ungewohnten Jahrzeiten des Schweizerlands. _ _ 33 _ _129.
  • Zunuzmachung diſer Erzehlung .. _ _ 36 _ _172.
  • Von den Lauwinen. _ _ 37 _ _147.
  • Von dem unterſcheid der Lauwinen. _ _ 37 _ _148.
  • Von derſelben urſachen. _ _ 38 _ _151.
  • Von noͤthigen Bewahr - und Rettungsmittlen auß den Lauwinen. _ _ 38 _ _151
  • Von rettung deren / welche in Lauwinen eingewikelt worden. _ _ 39 _ _154.
  • Von andern ſachen / ſo bey den Lauwinen zugewahren. Hiſtoriſche Erzehlung alles ſchadens / den die Lauwinen in Hel - vetiſchen Landen bis dahin verurſachet. _ _ 39 _ _156.
  • Von zweyen ganz gleichen Schwefelbruͤnnen /〈…〉〈…〉 Ruͤſchlikon am Zuͤrich-See / und am Wallenberg. _ _ 41 _ _161.
  • Von einer Seuche / welche diß Jahr geweſen unter den Gemsthieren. _ _ 41. _ _163.
  • Von denen Gembsballen. _ _ 42 _ _165.
  • Von denen Gembs-Steinlein. _ _168.
  • Von rothen Bruͤnnen des Schweizerlands. _ _168
  • Von gewiſſen Seen / welche durch ein bruͤlendes brum̃en ein wetter vorſagen. _ _ 43 _ _170.
  • Reiſe uͤber den Spluͤger Berg. _ _ 44 _ _174
  • Von denen Lavetz-Steinen / und ihrem Gebrauch. _ _ 45 _ _177.
  • Von dem ſtarken Foͤnwind / welcher zu außgang des Octobers / und anfang des Novembris 1705. unſere Schweizeriſche Lande durchwehet / und dem daher entſtandenen ſchaden. _ _ 45 _ _181.
  • Von den Erdbidmen / welche in unſern Landen geſpuͤrt worden / den 13. und 17. Nov. diß lauf - fenden Jahrs. _ _ 47 _ _185.
  • Von vilen Waſſerquellen zu Flims. _ _ 47 _ _187.
1(N. 1.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Allen Nach Standes / und Geſchlechts / gebuͤr ge - ehrten Leſeren wuͤnſchet Joh. Jacob Scheuchzer / Med. D. Mit - glied der Leopoldin - und Koͤnigl. Engliſchen Geſellſchaft alle Leibes - und Gemuͤhts-vernuͤgung bevor.

ES hat die von dem allguͤtigſten Schoͤpfer allen vernuͤnfti - gen Menſchen eingepflanzete Wiſſensluſt mich in ſo weit getriben / das von meiner Jugend an mich moͤglichſtens befliſſen auf die erfor - ſchung der Natur / und ſo thane arbeit vornem̃lich gerichtet auf unſere Eid - gnoͤſſ ſche Lande / deren Naturwunder in vilen zu dem End angeſehenen Rei - ſen / mit nicht geringer Muͤhe und Unkoͤſten / fleiſſigſt unterſuchet / und darvon bereits einen ſo groſſen Vorꝛaht geſamlet / daß nunmehr nach Mittlen trach - ten ſol / wie ſolche von mir ſelbs gemachte Obſervationen koͤnnen zu der Eh - re des Hoͤchſten / zum nuzen des Vatterlands / auch jeden Privat-perſonen bekant werden. Zu dem ende / damit ich ſowol gelehrten / als ungelehrten / auf - warte / habe mir vorgenommen / wochentlich in form eines halben Bogens / ei - ne oder etliche Natur-Geſchichten Loͤbl. Eidgenoßſchaft in teutſcher Sprach vorzulegen / und daruͤber meine Gedanken zueroͤffnen; Vornem̃lich aber an - dern anlas zugeben / in mehrerm mich uͤber eint und anders zuberichten / meine Meinungen zuverbeſſeren / und ſonſten auf die natuͤrliche Begebenheiten un - ſers Vatterlandes genauͤere achtung zugeben. Weilen auch in hoffnung ſte - he / es moͤchte diſere meine wolgemeinte Arbeit curioſen Gemuͤtheren nicht mißfallen / folglich ſolche ungewohnte Zeitung von ihnen aufbehalten wer - den / als habe mir vorgeſetzet / mit Gottes hilff / zu end des Jahrs ein ordenlich Regiſter zuverfertigen / und dem letſten Bogen beyzulegen.

Von2

Von den rohten Buchen zu Buch.

ES iſt bekant / wie zu Herbſtzeiten ſowol die Buch - als an - dere Baͤume die lebbaft gruͤne Farb ihrer Blaͤtteren / in ein dem Aug zierlich vorkommendes vilfarbiges Kleid veraͤndern / welche Begeben - heit nach denen heutigen Grundſaͤtzen von der Farben Natur zweifels ohne herzuleiten iſt von deme / das der durch den Fruͤhling und Sommer auf die Baͤume / Stauden / und Kraͤuter geſtiegene Nehrſaft nun / bey annaͤherender Kaͤlte / wegen eingezogener geſtalt der Nahrungs-gefaͤſſen / nicht mehr in ſo foͤlliger maß kan einflieſſen / weßwegen auch die Stiel verꝛumpfen / und abdor - ren / die Fruͤchte und Blaͤtter abfallen / und beyde ein angenchme vilfaltige Schoͤnheit anzeuhen. Diſe vernuͤnftelung laſſet ſich nicht wol zueignen der jenigen Begebenheit / welche jezt erzehlen wird. Bey Buch / einem in der Herꝛſchaft Andelfingen / Zuͤricher-Gebiets ligenden / wenigſt 200. Schuh uͤber unſere Statt erhoͤchten Dorff / auf dem ſo genanten Stam̃ - berg / ſtehen unter anderen Buch-Eich - und uͤbrigen Waldbaͤumen drey Buchen / welche von der gemeinen in ganz Europa bekanten Art darinn abweichen / daß ſie ihr buntes Kleid beyzeiten zu anfang des Sommers an - legen / und ſonderlich um das H. Pfingſt-Faͤſt ein verwunderlich ſchoͤne roͤhte dem Geſicht vorſtellen / ſo daß die rund in die zwey ſtund umher wohnende Bauren dannzumal hauffig ſich herbey ſamlen / um von diſen Blutrohten Baͤumen Blaͤtter und aͤſtlein abzubrechen / und auf den Huͤten naher Hauß zutragen. Es iſt diß anbey verwunderlich / was die Anwohnere von diſen Buchen außgeben / daß ſie anderer Ohrten / wohin ſie verſetzet werden / nicht wachſen / als ob ſie keiner andern / als der ihnen anerbornen Erden waͤhrt we - ren / oder alle andere Nahrung verachteten. Es heiſſet hier nicht / Patria eſt, ubicunque benè, weilen diſen Baͤumen nirgends wol iſt / als in ihrem Vat - terland. Jn groͤſſere verwunderung aber ſol uns ſetzen / was die Beywohnere uͤber eine ſo ungewohnte Sach vernuͤnftelen. Sie geben vor / daß vor zei - ten fuͤnf / andere vier / Bruͤder ſich unter einander auf eben diſem Platz ermoͤr - det / und ſeyen auß gerechter verhaͤngnuß Gottes fuͤnf ſolche mit Blutstro - pfen beſprengte Buchbaͤume allda aufgewachſen / zu einem waͤhrenden Ge - denkzeichen einer ſo greulichen That. Hierinn beſtehet der Bauren ganze Philoſophey / die zum oͤfteren nicht zu verwerffen. Diß Ohrts aber fehlet ih - nen und uns an genugſamer Zeugnuß / diſere Geſchicht beglaubt zumachen. Es3Es weißt niemand etwas von der zeit / wann ſich diſe Mordgeſchicht ſolle zu - getragen haben / oder von den Thaͤteren ſelbs / oder von anderen zur wahrheit einer Hiſtori noͤhtigen Umſtaͤnden. Gleichwol iſt diß gewiß / daß die jezt le - bende Bauren ſolche Fabel nicht erſinnet / ſondern von ihren Vorelteren als eine Tradition ererbet haben. Und ſolle hin und wider in alten Urba - rien der rohten Buchen bey Buch meldung zufinden ſeyn; Weßwegen einer in die Gedanken koͤnte gerahten / ob nicht villeicht das Dorff Buch ſelbs moͤchte von diſen ſeltſamen Buchen her den Nahmen bekommen haben. Jch meines ohrts halte davor / daß diſe Buchbaͤume eine von anderen beſon - dere Art außmachen / welche weder mit Blut der erſchlagnen Coͤrpern ernehrt werde / noch auch eines allhier vergoſſenen bluts anzeig ſeye / gleichwol wirdig geweſen were / daß man ſie wegen ihrer ſeltſamkeit / und angenehmen ſchoͤn - heit / dem Jovi Fagutali, (Buchinen Gott) hette aufopferen ſollen; von welchem Abgott der Roͤmern zuſehen. Plin. Hiſt. Nat. L. XVI. c. 10. Mit diſen unſeren blutblaͤtterichten Buchiſchen Buchbaͤumen laſſet ſich meines bedunkens vergleichen ein mit gleich gefarbten Blaͤtteren verſehener Birch - baum / welcher ſich findet in einem Wald / der Abthey Ranton / der Grafſchaft Stafford in Engelland / der gleichfals zu Fruͤhlingszeiten ſo roht außſihet / als ob auf ihne were friſches blut außgegoſſen worden / daher er auch der Blutrohte Birchbaum genennet wird / nach der zeugnuß Roberti Plot. Nat. Hiſt. of Staffordsh. Cap. VI. p. 207. Beyde diſe Birch - und Buch - baͤume haben vermuhtlich eine ſo zuſamen gepreßte geſtalt ihrer Holzzaͤſern / das durch die Nahrungs-gefaͤſſe nur allein koͤnnen aufſteigen die ſubtilen Theil des Nehrſafts / weßwegen die Roͤhr - und Blaͤslein der Blaͤteren nicht ſo wol koͤnnen außgedehnt werden / daß ſie gleich anderen Baͤumen eine gruͤ - ne farb bekommen / worvon aber bey anderm anlas ein mehrers ſol geredet werden.

Von einem Halone, oder Ring / welcher um den Mond geſehen worden / den 5. Febr. diß lauffenden Jahrs.

BEy hellem Himmel iſt diſe Luft-Geſchicht allhier in Zuͤrich gewahret worden / von 9. uhren abends / bis um mitternacht / als ein breiter weiß - lechter Ring um den bald follen Mond / welcher zu end ſeiner Erſchei - nung verſchiedne Regenbogen-farben gezeiget hat. Es iſt diſer Monds - Ring merkwuͤrdig / ſowol wegen ſeiner groͤſſe / als waͤhrung / und bald gleichjenem4jenem / der geſehen worden zu Baſel A. 1557. den 23. Jun. ſo auch von 8. uh - ren bis 11. gewaͤhret hat / nach der Zeugnuß Aldrovand. Hiſt. Monſtr. pag. 744. Fraget man nach der natuͤrlichen urſach / ſo werden die Car - teſianer nach anleitung ihres ſubtilen Lehrmeiſters Meteor. c. 9. ſich vorbilden / viel in den Wolken hangende kleine runde / abgeebnete / oder auch Sternfoͤrmige Eißtheilchen / welche in obbedeuteter kalten Nacht die Luft angefuͤllet / und kraft ihrer geſtalt die eingefallenen Mondes-ſtralen in gleichen winklen ringsweis gebrochen haben. Es wil aber diſe Carteſiani - ſche vernuͤnftelung der heutigen delitaten Welt nicht ein / als welche die zeu - gung obbenenter ſternfoͤrmigen Eisſtuͤklein haltet vor allzu einbildiſch / und von der Natur entfehrnt / gleich ſie auch die thauichte Wolken / darinn der Regenbogen abgebildet wird / nicht anſihet vor wirkliche Troͤpflein / ſondern vilmehr / und mit kraͤftigen (in denen ſo genanten Memoires de Trevoux 1701. p. 235. 273. eingefuͤhrten) gruͤnden darthut / daß es ſeyen kleine runde / hole / leichte Waſſerblaͤslein / in welchen die Liechtsſtralen gleichfals koͤnnen ihre ſpilungen haben / wie durch die troͤpflein. Gewiß iſt diß / daß bey erſchei - nung gegenwertiger Geſchicht die Luft angefuͤllet geweſen mit vilen waͤſſerich - ten Duͤnſten / welche ſich iñert wenig tagen hetten koͤnnen in troͤpflein / oder Schneefloken ſamlen / und alſo das kalte helle wetter verwandlen in Regen oder Schnee / wie dann wirklich diſe Enderung erfolget den 8. und 9. diß lau - fenden Monats / in welchen tagen auch das Quekſilber in denen ſo genanten Wetterglaͤſeren merklich / bey außlaͤhrung des Lufts gefallen; und hierauß zuzeuhen / die muthmaßliche Wahrheit / daß auf dergleichen Mondes-Ringe gemeinlich folgen Wind - und Regnichte Witterungen / welches auch bekraͤf - tigen die Seefahrer / nach der Zeugnuß Dampier Voyag. T. l. p. 495. Um ſo vil eher koͤute man die gefolgte Wetter-Enderung vorſagen die folgende Nacht den 6. Febr. in welcher auch noch etwas von dem vornaͤchtigen Monds - Ring in vorſchein kommen. Ob diſere folge beſſer begruͤndet als jene Joh. Halleri, welcher in ſeiner Chronic. Mſc. ad Añ. 1533. merket / daß auf ſol - chen domals geſehenen Mond-Ring - oder Regenbogen kommen ſeyen ſchwermuͤtige Zeiten / uͤberlaſſe dem ver - nuͤnftigen Leſer.

5N. 2.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von einem Geſpenſt / welches ſich ſol auf gehalten haben auf den Surner-Alpen.

ES ligen diſe Alpen zwiſchen dem Haubtflecken Altorf / Urner-Ge - biets / und der Herꝛſchaft Engelberg / und kommet man dahin von Urj durch die Alp Waldnacht / auf die oberſte Spitze des Bergs Surenen-Eck genant / deſſen hoͤhe uͤber den Flecken Altorff in ei - ner A. 1702. gethanen Reiſe gefunden / 3280. Schuhe / das wil ſagen 16. bis 17. Muͤnſterthuͤrne / deren je einer uͤber den anderen ſtuhnde. Jen - ſeit der Eck finden ſich die weidreichen Surener - oder Surner-Alpen / in welchen ſich ſol vor etlich hundert Jahren zugetragen haben folgende Ge - ſchicht. Ein Alpler / wie die Urner und Engelberger vorgeben / ſol ein ge - wiſſes Schaff von ſeiner Herde ſo ſehr geliebet haben / daß er es nach Chriſt - lichem Gebrauch (eine zuleſen und zuhoͤren erſchrockenliche Sach) getauf - fet habe. Was geſchiehet? Es wird auß gerechtem Gericht Gottes diſes Schaff verwandelt in ein ſo grauſames Ungeheuer / welches Tag und Nacht dem uͤbrigen allda weidenden Viehe ſo zugeſetzet / daß endlich diſe Alpen zu einer oͤden Wildnuß / und von dem Gottshauß Engelberg an das Loͤb - liche Ort Urj um einen geringen wehrt verkauffet worden. Diſem unwehr - ten Gaſt abzukom̃en / haben die Urner auß einrathen eines fahrenden Schu - lers (von welcher Zauber-Geſellſchaft Wagenſeil. Per Juvenil. Sy - nops. Geograph. pag. 101. berichtet / daß ſie zu Salamanca in Spa - nien von dem Teufel ſelbs / als ihrem Profeſſore unterꝛichtet worden) ein Kalb neun Jahre nach einander ernehret mit Milch / das erſte Jahr zwahr von einer Kuhe / das andere von zwoen / das dritte von dreyen / und ſofort;6fort; nach verfloſſenen 9. Jahren aber in diſe oͤde Surnen-Alpen fuͤhren laſſen durch eine reine Jungfrau. So bald diſer Kalberiſche Stier dort ankommen / habe es ein ſo ſcharfes Gefecht zwiſchen ihme / und dem Geſpenſt abgeben / daß der uͤberwindende Stier nach geendigtem Kampf in follem Schweiß auß dem vorbeyflieſſenden Bach (ſo deßnahender Stierenbach heiſſet) mit ſolch hitziger Begierd getrunken / daß er daruͤber auf der ſtelle tod geblieben. Wer diſe Fabel nicht glauben wil / dem zeigen die Alpler nicht nur den ſo genanten Stierengaden in der Alp Waldnacht / in wel - chem der Stier mit Milch ernehret worden / ſondern auch die Merkmahl ſeiner Klauen / welche er in waͤhrendem ſeinem Streit dem harten Stein eingepraͤget hat. Diſer ſeltſamen Geſchicht auf den Grund zukommen / habe in dem Gottshauß Engelberg (deſſe gegen mir bezeigte Freundlich - keit und Gutthaͤtigkeit anzuruͤhmen nicht vorbey gehen ſol) fleiſſige Nach - ſuchung gethan / und in alten Jnſtrumenten von A. 1472. 1474. und 1515. erſehen / daß eben diſe Surner-Alpen gemein geweſen den Urneren und Engelbergeren / ſo daß diſe beſeſſen haben die Soͤm̃erliche / oder Mitt - naͤchtige Seite / jene aber die Winterliche / oder Mittagige / bis hinab zu des Gottshauſes Sennhuͤtte / die Herꝛen-Ruͤtj genant; Aber um beſ - ſerer Kom̃lichkeit willen ſeyen beyde Partheyen dahin mit einander uͤberein kommen / daß fuͤrohin den Urneren ſolle zugehoͤren der ganze obere Theil der Surenen / und den Engelbergeren der ganze undere. Was aber vor - benanter Zeit paſſiert ſeye / darvon ſtehet / ſo vil man biß dahin weißt / weder in des Gottshauſes Jnſtrumenten / noch in Vatterlaͤndiſchen Hi - ſtorien nicht das geringſte / welches diſe Geſpenſt-Geſchicht wahrhaft machen koͤnte.

Von dem Zuͤricher Torff.

TOrff oder Tuͤrff iſt ein alt teutſches / und dißmal ſonderlich in Niederlanden uͤbliches Wort / welches bedeutet ceſpitem bitumi - noſum, ein Erdwaͤchſiſche / auß vilen Wurzzaͤſeren beſtehende / leichte / luftige / in Moſachten Ohrten befindliche Erde / deren man ſich in den meiſten Niederlaͤndiſchen / ſonderlich Vereinigten Provinzen be - dienet an ſtatt des Holzes / und Kohlen / zum taͤglichen Gebrauch in aller -hand7hand Werkſtaͤtten / und der Kuche; Dergleichen Erden findet ſich auch in verſchiednen Orten Frankreichs / Teutſchlandes / Engellands / und denen Orcadiſchen Jnslen; Und haben ſich verſchiedene Scribenten / als Ca - rolus Patinus, Martinus Schookius, &c. befliſſen / ganze Buͤcher von deren bereitung / verſchiedenheiten / Nutz und Gebrauch in Truk herauß zugeben.

Eine ſolche Erde habe bereits vor vilen Jahren in verſchiedenen Ohrten Zuͤricher-Gebiets wahrgenommen / und tuͤchtig erachtet / daß ſie nam̃haft gemachet werde / als ein Mittel / welches den anſcheinenden Holzmangel erſezen moͤchte. Sie findet ſich aber auf dem Wanger-Ried um Urdorff / und den Katzen-See herum / ſo zwiſchen Affholteren und Regenſtorff anderthalb ſtund von der Statt ligt / in groſſer Menge / daß man durch mittel diſer Erde des Jahrs vil 100. Klafter Holz erſparen / die Waͤlder in gutem Aufnemmen unterhalten / und manchem Burger - und Baursmañ damit dienen koͤnte. Gewiß iſt diß / daß auch die Waldreiche - ſten Ort koͤnnen endlich in Holzmangel gerahten / wann eintweder der Uberfluß des Holzes mißbraucht wird / oder man nicht gnugſame ſorge tragt / die Forſte und Waͤlder in gutes wachthum zubringen / oder / wann ganze Waldungen durch ungluͤk abbrennen; wie diß zu groſſem ſchaden der Bergwerken / und andern holznoͤhtigen Verꝛichtungen erfahren die Landſchaft Schams in Puͤndten; So iſt die Landſchaft Rheinwald vor etlich 100. Jahren an Holz uͤberauß reich geweſen / nun aber mangelbar. Tacitus nennet Teutſchland Sylvis horridam Regionem, ein rauhes mit Waͤlderen wol beſeztes Land / wie arm es aber dißmal am Holz ſeye / zeiget die Erfahrung. Anderer dergleichen Exemplen zugeſchweigen. Es iſt auch diß gewiß / das durch allweiſe leitung der Goͤttlichen Regierung / alles zu beſonderem Nuzen erſchaffen worden / von welchen Nutzbarkeiten aber die einten fruͤher / die anderen ſpaͤhter bekant werden / wie deſſen ge - nugſame Exempel ſeyn alle Bergwerke / und in vorhabender Materi des Holzmangels die Steinkohlen Gruben / ſo hin und wider in Flandern / Sachſen / Brandenburg / Engelland anzutreffen. Wer ſihet nicht mit offenen Augen die ſonderbare / alles regierende Guͤte des Hoͤchſten in ſo vilen Veenen, Broeck, Mœr, Marſch, Goor, Donck und Waeſen, das iſt / ſo vilen Mooſachten Erden / oder Torffgruben / ſo in den NiederlaͤndiſchenPro -8Provinzen die einige Zuflucht ſeyn bey bekantem dortigem Holzmangel? Wie verwunderlich feuret man in denen Arabiſchen / Egyptiſchen / und Africaniſchen Wuͤſtenen mit gedoͤrꝛetem Kameel-Koth? Wie muß man ſich im Magdeburgiſchen bedienen des Strohs zum kochen? Wer wil glauben / das nicht auch unſere Moſachten Ried uns im fahl der noht koͤn - ten zu hilſſ kommen? Sie laden uns gleich ſam ein zum graben durch ihre ordinari Unfruchtbarkeit / und wollen damit anzeigen / daß unter ihrem duͤrꝛen / mageren Binzwaſen verborgen ein weit edlerer Schaz / ein wahr - hafter Unterirꝛdiſcher Wald.

Jch wil geſtehen / daß diſere meine ſorgfaͤltige Gedanken / bey genug hoffender Zufuhr des Holzes unnoͤhtig ſeyen / habe gleichwol durch gegen - wertigen Vortrag wollen zeigen / wie die natuͤrliche Hiſtori ihre vilfaͤltigen Nutzen dem Vatterland koͤnne zufuͤhren / wie oft koſtbare / aber in uͤberfluß vorkommende Sachen nirgends hin geachtet werden nach dem alten Auß - ſpruch Senecæ Lib. VII. Nat, Quæſt. cap. 1. Ita compoſiti ſumus, ut nos quotidiana, etiamſi admiratione digna ſunt, tranfeant, concra minimarum quoque rerum, ſi inſolita prodierunt, ſpectaculum dulce fiat. Das iſt / wir ſind alſo geartet / daß wir die Sachen / ſo taͤglich vorkommen / ob ſie gleich merkwirdig / nicht achten / hinge: gen aber die geringſte / aber ungewohnte Dinge / mit verwunderen - den Augen anſehen.

P. S. Jn der Zeitung N. 1. iſt zu gewahren daß das Dorf Buch ligt in der Frey-Herꝛſchaft Wuͤlflingen / vor welche geſezet worden An - delfingen. Und iſt merkwuͤrdig / daß diſeres Dorff auch in ſeinem Wa - pen-Schild fuͤhret eine rohte Buchen / welches dann meine von dem Al - terthum der Natuͤrlichen allda befindlichen Rohten Buchen / und ſo auch die gemachte Muhtmaſſung von des Dorfs urſpruͤnglichem Nahmen / nicht wenig bekraͤftiget.

9(N. 3.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-lands Wochentliche Erzehlung.

Von den Vorbotten des Regens.

JN diſer Wiſſenſchaft werden die Naf-weiſe Sterngucker weit uͤbertroffen von unſern gemeinſten Bauren. Jene gruͤnden ihre in den Kalenderen ſtehende Wetter-Propheceyungen auf cuele / in ihrem eigenen Hirn geſponnene / in der That falſche Grundſaͤtze / da diſe allein achtung geben auf die Natur / auf und ab - ſteigende Wolken / auf die beſchaffenheit des Lufts / auf das verhalten ihres Viehs / und andere dergleichen vor ihren augen ligende dinge. Klug-einfaͤltige Leuthe / welche die Sternwirkungs-weiſe lauffen laſ - ſen ſo vil hunderttauſend Millionen Meilen / als die Jrꝛ - und Fix - Sternen von der Erden entfehrnt ſtehen / indeſſen die vor ihren Na - ſenligende Natur-ſchrift deutlich und gluͤklich leſen. Es muͤſſen die heutigen Natur-forſcher geſtehen / daß ſie von ſolchen ehrlichen Leu - then mehr lehrnen / als von den gelehrteſten Profeſſoren auf den Ho - hen Schulen. Ja / was wil ich ſagen von den Bauren / es ſein / nach ge - wiſſer art zureden / die unvernuͤnftigen Thiere ſelbs verſtaͤndiger in vorkuͤndung des Regens / als die beruͤhmteſten Sternweiſe. Oder / iſt nicht wahr / daß gemeiniglich ein Regen erfolget / wann die Huͤner oft pipen / oder zeitlich in ihre Staͤlle ſich begeben / oder am Morgen nicht leicht unter dem Tach hervor wollen; Wann die Schwalben nieder fliegen / und gleichſam an der Erde anſtoſſen / oder auf den Waſſeren daher fladern; wann die Enten / und andere Waſſervoͤ - gel ſich oft eintunken; Die Spatzen unter einander ſchreyen; die Nachtigallen abends / und die Finken morgens fruͤhe mit ihrem Geſange ſich hoͤren laſſen; andere Voͤgel ſich anderſt verſtellẽ? Jſt nichtwahr /10wahr / daß auch die vierfuͤſſigen Thiere uns den bevorſtehenden Re - gen anzeigen: die Schaaffe mit begirꝛiger auffreſſung des Graſes; der Wolff mit ſeinem heulen; das Kalb mit ſpringen; der Ochs mit bruͤllen / das Schweine mit langem verweilen im ſchlam̃; der Hund mit aufſcharꝛung der Erde; die Katze mit lecken der Bei - nen; vil andere Thiere durch vieles hin und her lauffen; die Froͤſche durch vieles quacken? Die ſtummen Fiſche reden von vorſtehenden Platzregen durch ungewohnte Spruͤnge auſſer das Waſſer. Es em - pfindet ſelbs das kriechende und fliegende Ungeziefer die Wetter-En - derungen / und zeiget ſie an / die Sommervoͤgel zwar durch vieles hin und her fliegen; die Ameiſſen / wann ſie auß ſorgfalt ihre Eyer bald da / bald dorthin tragen / die Muͤcken / Schnaken / Floͤhe und andere dergleichen Thierlin heftig ſtechen / die Wuͤrme auß der Er - den kriechen / und ſo fort. Diß gewahren wir alles ſo wol in / als auſſer dem Schweizerland / und kan ſich ein verſtaͤndiger / in heutigen Grundſaͤtzen geuͤbter Natur-forſcher wol darein finden / wann er be - denket / daß alle Thiere von dem Schoͤpfer begabet ſeyen mit einer ſo zarten / und kunſtreichen geſtalt / welche alle aͤuſſere aͤnderungen / und eintrukungen der Luft vil eher / und ſtaͤrker empfindet / als wir Men - ſchen / gleich auch under uns gewiſſe Wetterdeuter ſeyn diejenige / welche ehemals verwundet worden / oder Gichteriſchen Bewegun - gen unterworffen / oder ſonſt andere kraͤnklichten Arten an ſich ha - ben; Bey deren beſchreibung mich nicht laͤnger aufhalten / ſondern unmittelbar fortſchreiten werde zu einichen beſonderen / hin und wider in Eidgnoͤſſiſchen Landen befindlichen Vorbotten eines naͤchſt koͤnf - tigen Regens. Deſſen vornemſte / und gewiſſeſte / anzeige ſind die Wolken / wann die ſich in die tieffe Luft herab laſſen / und an den Ber - gen umher kleben. Diß gewahren wir allhier an unſerem / nahe bey Zuͤrich gelegenen Albis / ſonderbar aber bey denen hohen Alpgebir - gen / welche koͤnnen angeſehen werden als eine fruchtbare Zeugmut - ter der Wolken / Fluͤſſen / Seen / Baͤchen / und Bruͤnnen. Jn dem Gottshauß Engelberg ſehen ſie einen Regen vor / wann die Wol - ken um den Berg Schalliſtock behangen bleiben / oder / wann ande - re Wolken von grauer Farb von Underwalden her durch das Thal einmarſchieren / da ſie dann pflegen zuſagen / der Thalvogt / item /der11der graue Thalvogt komt. Zu Filiſur in Puͤndten hat man folgendes Sprichwort. Cura ch’il pitz da Stiervi chiapi, ſchi laſcha der la fotſch & piglia il raſti. Das iſt; wann die oberſte Spitze des Bergs Stirwis / ſo 2. meilen weit ungefahr gegen abend abſiehet von Filiſur / eine Kappe auf hat / oder mit Wolken gleich einer Kappe umgeben / ſo wirff die Senſe (darmit man das graß pflegt abzumaͤyen) hin / und nimme den Raͤchen / das abge - ſchnittene in Hauffen zuſamlen / und alſo vor bevorſtehendem Regen zub-ſicheren. Denen Einwohnern zu Nuffenen / einem Dorff im Rheinwald / unweit von dem urſprung des hinteren Rheins / iſt gleichfals eine an dem Berg Cucarnil klebende Wolke / eine gewiſſe Vorzeig eines innert einem halben Tag / oder morndeß kommenden Regens. Jn dem Oberen Engadin iſt ein groſſer See bey dem Dorff Sils / daher auch Jl Lago di Silio, der Silſer See genant / zwiſchen beyderſeits hoch aufſteigenden Bergen eingeſchloſſen; auf dem wann ſich die Wolken herab laſſen / nemmen die Einwohnere anlas ſich zu ruͤſten auf bald kommenden Regen. Bißher einge - fuhrten Erfahrniſſen ſcheinet zuwider ſeyn / was von dem beruͤhmten / nahe bey Lucern ligenden Pilatus-Berg ſchreibet Joh. Leo - pold Cyſat in Beſchreibung des Lucerner See. p. 252. Das nach der Beywohneren gemeinen Redens-art

Das Wetter fein und gut /
Wann der Pilatus hat ein Hut.

Da aber zugewahren / daß diſer Berg ſo hoch / daß die Wolken ſich muͤſſen weiter an die Mittelwaͤnde deſſelben herab laſſen / wann der Regen bevorſtehet. Es ligt aber nicht wenig an der ſituation der Bergen / und unterligenden Thaͤleren / und Beſchaffenheit der Regierenden Winden / deßnahen wuͤnſchen moͤchte / das hier und da in Eidgnoͤſſiſchen Cantons / oder denen untergebenen und Zuge - wandten Ohrten ſich curioſe Leuthe funden / welche auf ſo thane be - wegung / oder ſtillſtand der Wolken fleiſſig wurden achtung geben / und zugleich nebſt denen Winden / auch die grad des ſteig - und fallen - den Quekſilbers in denen ſo genanten Wetterglaͤſeren / verzeichnen / damit man nach und nach zu gewiſſen Reglen ſchreiten koͤnte / undauß12auß denſelben die in jeder gegne vorſtehenden Witterungen muht - maßlich vorſehen / woran gewißlich denen zu Waſſer und Land rei - ſenden / in Holz / Feld und Rebbergen arbeitenden / und anderen in anderen Geſchaͤften begriffenen / ſonderbar auch denen Arzney-Doc - toren / nicht wenig gelegen. Fraget man nach denen Natuͤrlichen Urſachen oberzehlten Begebenheiten / ſo ſind ſelbe unſchwer zufaſſen / wann man nach den Grundſaͤtzen der heutigen Natur-wifſenſchaft bedenket / daß die Wolken in beſtaͤndigem Gleichgewicht ſeyen mit der Luft / folglich ſich tieffer herunter laſſen / wann diſe leicht / hoͤher aber ſteigen / wann ſie ſchwer / welches anfaͤnglich widerſiñig ſcheinet / leicht aber zu verſtehen iſt / wann man weißt / warum das Quekſilber im Wetter glaß falle / wann die Luft angefuͤllet mit vilen waͤſſerich - ten / baͤldeſt in Regen ſich verwandlenden Duͤnſten / folglich ſchwer iſt / hingegen ſteiget bey hellem Himmel? Worvon aber dißmal zu - reden die zeit es nicht zulaſſen wurde. Es dienet diſere unſere Be - trachtung nicht nur zu deutlicher verſtehung viler in der Welt hin und wider vorkommenden Begebenheiten / als da auf dem Vorge - birge der guten Hoffnung in Africa / das ſo genante Ochſen - Aug / ein auf den Tafelberg ſich herabſezende / anfangs klein ſchei - nende Wolke die auf dem Meer ſich befindenden Schiffleuthe war - net / daß ſie die Segel einzeuhen / und dem bevorſtehendem Ungewit - ter vorkommen; ſondern auch zu erklaͤrung viler Texten H. Schrift / welche den Gotteslehrern uͤberlaſſe. Es folgen noch andere Vor - botten des Regens / welche hin und wider / ſonderlich von denen Ein - wohneren der hohen Alpen vernommen habe.

Zu Cleve / einem der dreyfachen Puͤndtneriſchen Republik Bottmaͤſſigkeit untergebenen / oberhalb dem Chumer-See gelegenen ſchoͤnen Ohrt / merken die Einwohnere eine Regnichte Luft / wann die Thuͤren-Schloͤſſer und Riegel an ihren bekanten Grotten / oder Weinkelleren / ſchwitzen / oder feucht werden / nam̃lich von vilen in der Luft ſchwebenden / an die Kellerthuͤren anpuͤtſchenden / und an dem Eiſenwerk / bey anlas der entgegen ſtehenden iñwendigen Kaͤlte der Kelleren in troͤpflein ſich ſamlenden waͤſſerichten Duͤnſten; welche Begebenheit man auch gewahren kan in anderen Weinkelleren / ꝛc.

13(N. 4.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von den Vorbotten des Regens.

DJe Alpler halten vor ſichere Zeichen eines einfallenden Regens / wann die von hohen Bergen ſich ſtuͤrzende Baͤche / und Waldwaſ - ſer ein ſtaͤrkeres geraͤuſch machen / als gemeinlich: Wann das an - gezuͤndete Holz mehr als ſonſt krachet / und braſchlet; wann die Gemsthiere ſich von den hoͤchſten Bergſpitzen in die tieffe herab laſſen: wann der Firn / oder das beſtaͤndige Berg-Eis bruͤlet. Das zu aufloͤſung meiſt oben - und jez erzehlten Begebenheiten noͤhtige Fundament gibet an die hand die be - trachtung der innert den coͤrperen enthaltenen / und aͤuſſeren Luft: Wann diſere in ihrer ſchwertrukenden kraft abnimmet / ſo wird jene ſich außdehnen / ihre elaſticitet außuͤben / die Holzzaͤſern / und Eistheilchen des Firns auß einander treiben / die Gemsthiere dahin leiten / wo ſie ein zu ihrer ahtmung dienlichere Luft antreffen / und ſo andre dergleichen dinge in der Natur ver - richten / welche uns anzeigungen geben koͤnnen bevorſtehender aͤnderungen des Wetters.

Von dem Pilatus Berg im Lucerner-Gebieth.

DJſen Berg / ſo einer von den beruͤhmteſten im ganzen Schweizer - land / und von mir zum oͤfteren beſtiegen worden / werde beſchreiben in form einer von Lucern auß gegen das Underwalder-Gebiet vorgenom̃enen Reiſe / damit ſich dieſer Beſchreibung einiche Liebhaber bedie - nen koͤnnen an ſtatt eines Wegweiſers. Der anfang diſes Bergs / (ſo ſonſt auch Mons Fractus, Fracmuͤnt / Fractmont, Fracmunt genennet wird / und wol unterſcheiden werden muß von einem andern Pilatus Berg bey Lyon in Frankreich / welchen in einem beſonderen Tractaͤtlein beſchriebenhat14hat Johannes du Choul,) wird gerechnet 1. oder anderthalbe ſtund von Lu - cern. Von dannen gehet man durch anmuhtige Waͤlder / Wieſen / und Buͤ - hel nebſt einem verſtoͤrt alten Schloß (welches von einem Engellaͤnder ſol beſeſſen worden ſeyn) in das Eyenthal / welches eigentlich heiſſet Eigen - thal / weilen es noch jetzund zehenden frey / und vor altem ſol ein eigen Hoch - gericht gehabt haben / ſo geſtanden in einem Ohrt / Galgenknobli genant. Jn diſem Thal ſeyn verſchiedene Senten / mit darzu gehoͤrigem Viehe / und Sennen. Von diſem Thal ſteiget man nicht ohne muͤhe obſich auf den Berg / findet an dem Wege / und erquicket die vom ſteigen muͤd ge - machte Beine mit Cryſtall lauterem Brunnenwaſſer / welches man in zim - licher maß kan einſchlucken / ohne daß es dem Trinker ſchaden thut. Unter denen heißt einer der Badbrunnen in Blatterſchwendi. Ein anderer iſt der Kaltwehebrunn / deſſen Waſſer man ſtark bis zu erweckung eines Aberwillens zutrinken pflegt wider das kalte / ſonderlich dreytaͤgige Fieber. Auf der Oberſten hoͤhe des Bergs (welche A. 1702. durch hilff des Wetter - glaſes gefunden / das ſie uͤber die Statt Lucern erhoben wenigſtens 2800. Schuh /) und gegen die Guͤpfe / wird gezeiget ein Felſe / auf welchem Pila - tus ſol geſeſſen ſeyn / und ſchwere Donnerwetter erꝛeget haben. Weiter kom - met man zu einem kleinen Platz / auf welchem niemalen kein Graß ſol wach - ſen / obgleich rings herum alles von fruchtbaren Kraͤuteren gruͤn außſihet. Dergleichen Graßlaͤhre Ohrt haltet man gemeiniglich vor Hexentaͤnz-plaͤtze / worvon anderſtwo zureden vorfallen wird. Und wird auch von diſem ins gevierte anderthalb ſchuͤhigen Ort vorgegeben / es habe ſich dort ein fahren - der Schuler geſtellet / als er den Pilatum von ſeinem Felſen herab beſchwo - ren / und in den ſo genanten Pilatus-See geſtuͤrzet: Von diſerem See wird zu einer gelegeneren zeit ein mehrers geredt werden: Dißmal berichte allein / daß vor 100. und mehr Jahren man darvor gehalten / wann man ei - nen Stein / oder ſonſt etwas dergleichen in denſelben werffe / ſo werde der all - dort verſenkte zornige Pilatus ſich hervor machen / und ein ſchweres Unge - witter uͤber die benachbarte Landſchaft erwecken; weßwegen auch vor diſem niemand hat doͤrffen diſen Berg beſteigen / ohne vorher vom Lobl. Magiſtrat zu Lucern genommenen Erlaubnuß / und ſind auch die um den See ſich auf - haltende Sennen beeidiget worden / nichts in denſelben ſelbs zuwerffen / oder von andern hinein werffen zulaſſen: Heutigs tags aber haͤlt man diſe Ge - ſchichten alle fuͤr Fablen / man wirffet ohne ſcheu Holz / Stein und andere ſa - chen hinein / ohne das einig ungluͤck deßnahen beſorget wird.

Nicht15

Nicht weit von des Pilati See zeiget man in dem Felſen am Weg zwey Zeichen / die ſehen auß / als wann ein Pferd mit dem Fußeiſen ſtark an - geſetzet hette / und gibet vor / daß der leidige Satan mit dem Pilato alſo ſtark angefahren ſeye / das darvon die Zeichen des Fuſſes als ein Merkmal geblie - ben. Von hier gehet man ungefehr eine ſtund wegs auf eine andere Berg - hoͤhe / Widerfeld genant / auf welcher ganze Felſen zuſehen von lauter-zer - muͤrſeten Steinernen See Muſcheln zuſamen gewachſen; ein ſicheres beweïß - thum / daß die Waſſer der Suͤndflut auch uͤber die Spitzen diſes hohen Pi - latusbergs hergefahren / und diſere Muſchelſtein zu einem immerwaͤhrenden Gedenkzeichen hinterlaſſen. Ohnweit von diſem Ort findet ſich das Mon - loch / eine anfangs enge / innwendig aber weite und in die 100. Klafter lan - ge Berghoͤle / ſo da gehet an die hoͤchſte Felßwand / die gegen dem Underwald - ner Land ſihet. Jn diſer hoͤhle tropfet beſtaͤndig ab ein Waſſer / welches ſich verwandelt in eine Milchweiſſe / leichte / luftige Materi / welche anfangs weich iſt / hernach aber an der Luft troknet / und Lac Lunæ, Mon-Milch ge - nennet wird / auch dienſtlich iſt zu allerhand Krankheiten / worvon zu anderen Zeiten ein mehrers. Auf der andern ſeiten des Bergs ſteiget man ab gegen Alpnach / einem Flecken des Underwaldner-Gebiets / durch ſchoͤne frucht - bare Alpen. Es iſt noch diſes von dem Pilatus Berg zu bemelden / das von ihme ein gar artiges Tractaͤtlein in Lateiniſcher Sprach beſchriebenunſer welt - beruͤhmte Conradus Geßnerus, ſo getrukt worden in Zuͤrich / A. 1555. in 4.

Von dem ſtuͤrmigen Hornviehe.

ES tragt ſich etwan zu / daß die auf hohen Alpen weidende Kuͤhe bald ſtill ſtehen / wie ein Stock / bald in die ruͤnde ſich bewegen / und dem rauſchenden Waſſer nachgehen / an deme ſie hernach ſtill halten / gleich als ob ſie von dem Geraͤuſch des vorbey flieſſenden Bachs ein ſonder - liche luſt empfunden. Bey ſo thanem Zuſtande ruͤſtet ſich der beruffene Vieh-arzet zu einer einfaͤltzigen / und doch gefaͤhrlichen / Operation, welche ſo ſie an denen Menſchen / wiewol auf kunſtlichere weiſe / geſchihet / eine Trepa - nation, oder durchborꝛung der Hirnſchale / heiſſet. An ſtatt des Tre - pans bedient er ſich eines ſcharffen Meſſers / womit er erſtlich / und gemeinlich in mitten der Stirne die Haut von dem Bein ſchelet / hernach mit gemaͤch - licher umdraͤhung die Hirnſchale durchborꝛet; Wann diß geſchehen / und die ſo genante Dura Mater, oder harte Hirnhaͤutlein bloß vor augen li - get / ſo nimmet der Operator ein vor das loch kommendes / oder ſonſten zwi - ſchen der Hirnſchale / und dem Hirnhaͤutlein ligendes / mit Waſſer angefuͤll -tes /16tes / Blaͤslein (Hydatis) hervor / oder zeuhet ſelbiges mit einem Draͤtlein herauß / verbindet darauf die Wunde / und heilet den Patienten. Wann das Waſſerblaͤslein ſeitwerts auf dem Hirnliget / und auch folglich die durch - borꝛung ſicherer auf ſelbiger ſeiten vorgenommen werden kan / ſo gibt der Arzet achtung / wie das ſtuͤrmige Viehe umlauffe / und borꝛet alsdann auf der inneren ſeiten des Kreiſes die Hirnſchale durch. Es iſt aber zu gewah - ren / daß nicht alles ſtuͤrmige / in die Cur genommene Viehe darvon komt / ſondern mehrmalen auf die Krankheit der tod erfolget / wann eintweder die urſach der Krankheit nicht kan weggehoben werden / oder der Arzet mit ſeinem Meſſer das ſehr empfindliche Hirnhaͤutlein verlezet. A. 1699. hat es ſich zugetragen / daß in der Herꝛſchaft Engelberg ein Gemsthier ſich von den hohen Berg Klippen in die tieffe herab gelaſſen / und unter das zahme Viehe genaͤhert / mit ihnen geweidet / und ſich auch nicht mit Steinen von dannen wegtreiben laſſen: Nachdem es von dem Jaͤger erſchoſſen / und in das Gotts - haußgebracht worden / hat man auf dem Hirne auch ein ſolches Waſſer - blaͤslein ligend gefunden / welches vermuhtlich dem Gems ſeine forchtſame Art benommen / und ſelbiges ganz tum̃ gemachet hat.

Von abmeſſung der Berghoͤhenen.

ZU allen zeiten haben ſich die Natur-verſtaͤndigen Erd - und Feldmeſſer bemuͤhet die beruͤhmteſten Berge in ihren hoͤhenen abzumeſſen / zu dem ende ſich bedienet der Quadranten / halben Zirklen / und anderer Geomet - riſchen Jnſtrumenten / vermittleſt deren ſie auß dem grund einer nach geſtalt - ſame der hoͤhe groß genommenen Standlini auß ſo genanten Trigono - metriſchen Principiis die begehrten hoͤhenen herauß zubringen pflegten. Jch habe auch auf diſere weiſe verſchiedene hohe Alpgebirge abzumeſſen mich unterſtanden / allezeit aber / obgleich auf das fleiſſigſte operiert / eine ungleiche / oder unglaͤublich / uñ allzu groſſe hoͤhe durch die Rechenkunſt herauß gebracht (deſſen Zeugen ſeyn koͤnnen die im Bergellerthal / vor Soglio uͤberſtehende / A. 1703. von mir abgemeſſene Berge / Piz delle nuove, dellidieci, e delle un - deci) ſo daß zu verſchiednen malen angefangen habe zweiflen an guͤte / und ſi - cherheit / der Feldmeſſeriſchen weiſe / um ſo vil eher / weilẽ in mehrerem nachſin - nen auß denen Grundſaͤtzen der Natur und Mathematiſchen Wiſſenſchaften leichtlich ſchlieſſen koͤnte / daß die von denen Berg Spitzen in die Thaͤler durch ungleich duͤnne Luft fallende Sonnenſtralen keine grade / ſondern eine durch umweg gehende / vilfaͤltig gebrochene / oder krumme Lini machen / und deßna - hen die Spitze der Bergen dem Augenmeß nach weit hoͤher zuſtehen ſcheinen / als ſie in der Natur ſind / ꝛc.

17(N. 5.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von abmeſſung der Berghoͤhenen.

JN vorgehendem Blatt habe einiche Schwerigkeiten eroͤffnet / welche bey der Geometriſchen Manier / die Berghoͤhenen abzumeſſen vorfal - len / und hat mich hierinn geſtaͤrket ein ſehr wehrter Freund / und Hoch - gelehrter Mathematicus von Baſel / welcher in verſchiedenen an mich abge - laſſenen Schreiben / durch ſubtile Rechnungs-art zeiget / das obenbemeldte krumme Lini der Sonnenſtralen (ſo von den Bergſpitzen gehet in die Thaͤ - ler) wol koͤnne ſeyn ein Logarithmiſche Lini. Hieruͤber erſuche ich auch an - dere Gelehrte / ihre Meinungen an den tag zugeben. Jndeſſen bediene mich / bey ſich eraͤugender unſicherheit der Feldmeſſeriſchen Manier / zu abmeſſung der Berghoͤhenen / ja auch deren uͤber einander ligenden Thaͤleren / Staͤtten / Flecken / Doͤrfferen / des ſo genanten Barometri / oder Wetterglaſes; nach anleitung deſſen / was ſchon A. 1648. bey Clermont in Auvergne an dem hohen Berg Puy de Domme probiert hat Hr. Perier / hernach auch A. 1661 1665. und 1666. Sinclarus in Schottland; und beſtehet diſe nutzliche Meſ - ſungs-art darinn / daß die hoͤhe des Queckſilbers bezeichnet werde / wie ſie ſich findet erſtlich an dem Fuß / hernach an der Mitte / oder auf der Spitze des Bergs; da leicht zuerachten / daß oben auf dem Berg das Queckſilber muß tieffer abſinken / weilen keine ſo hohe Luft aufliget / als auf dem Thal / folglich nicht ſo ſtark kan dort auf das Queckſilber trucken / oder daſſelbe nicht ſo hoch treiben / als hier. Jch verhoffe hierdurch nach und nach in erfahrung zu - bringen alle reſpective hoͤhenen aller beruͤhmten Bergen / Thaͤleren / Fle - ken / Doͤrferen / und erſuche andere curioſe / oder gelehrte Gemuͤter / auch ſelbs hand anzulegen / die wahrheit diſer Prob auch mit augen zuſehen / ja mit Haͤnden / wo ſie es nicht glauben wolten / zu greiffen / damit die Geographiſche Beſchreibung unſerer Landen / ſonderbar auch die hohe urſpruͤng unſerer Fluͤſ - ſen / nicht nur uns / ſondern der ganzen Welt bekant gemachet werden.

Vom18

Vom S. Gotthards-Berg.

ES iſt der muͤhe wol werth geweſen / daß der Nieſſen und Stock - horn / zwey hohe in Lobl. Canton Bern ſtehende Berge / ein Ge - ſpraͤch gehalten von ihrem unter ſich ſelbs / und uͤber andere Berghinaußhabenden anſehen / welches Geſpraͤche Joh. Rudolf Raͤb - mañ angehoͤrt / und ſelbiges auch in Truck herauß gegeben A. 1608. aber anbey zuverwundern / daß damals der Gotthard ſich nicht darzwiſchen geleget / und benante zwey / ja uͤber alle in Eidgnoͤſſiſchen Landen be - findliche / ja uͤber alle Berge Europæ / habende hohe Authoritet / in beylegung bemeldter Streitigkeit / und behaubtung ſeines Vorꝛechts gezeiget. Jch mei - nes Ohrts glaube / er habe ſich darum ſo wenig bekuͤmmeret / als wenig es ei - nem groſſen Fuͤrſten zu ſchaffen gibt / wann ſich zwey obgleich wol habende Privatperſonen unter einander uͤber die Frage / welcher unter ihnen der reichſte ſey / zerzanken. Es ſeyn einmal die Helvetiſchen Laͤnder uͤber alle an - dere Europeiſche in anſehung der ſituation hoch erhoben / und ſtrecken in de - nen ſelben den Kopf uͤber andere Berge die Gothardiſchen Alpfirſten. Als ein alter und vornehmer Zeuge ſtellet ſich dar der Roͤmiſche Feldherꝛ Julius Cæſar, welcher in ſeinem Comment. de Bell. Gallic. Lib. III. diſen unſe - ren Gotthards-Berg benennet mit nachtruck / Sum̃as Alpes, die hoͤchſten Gebirge / nach der außlegung Henrici Glareani, Ægidij Tſchudii, Stumfii, Jovij, und anderer mehr. Andere und taͤgliche Zeugnuffen wer - den ablegen alle reiſende / ſo diſe gaͤngige Gotthardiſche Straß brauchen. Wil man hieran ſich nicht vernuͤgen / ſo betrachte man diſen einigen auß der Natur ſelbs hergenommenen grund / weilen auf dem Gotthard / und andern geſchwiſterten Bergen / entſpringen die Haubtquellen ſo viler nahmhaften Fluͤſſen / welche uns / und anderen Europeiſchen Landen / die meiſten Waſſer zu fuͤhren. Richtig gegen Mittag / durch Livinen / flieſſet der Teſin / ſo her - nach in das Venediſche Meer ſich ergieſſet. Gegen Mittnacht entſpringet und lauffet die Reuß / Urſa, in den Rhein. Der Vordere ſo genante Rhein nimmet ſeinen urſprung auß dem Berg Criſpalt / ſo auch ein Arm des Gotthards / lauft bis nach Chur gegen Aufgang / wendet ſich aber von dannen gegen Nidergang / und in das Teutſche Meer. Von dem Gotthar - diſchen Berg Valdaͤſch / Valdocius, rinnet her Athiſo, die Toſa, ſo durch das Eſchenthal zwiſchen Mittag und Nidergang in den Langen See / und hernach in das Venediſche Meer ſich ergieſſet. Auß dem Berg Furca ent -ſpringet19ſpringet der Rhodan / Rhodanus, flieſſet gegen Nidergang der Sonnen / fallet endlich in das Franzoͤſiſch Mittellaͤndiſche Meer. Endlich auß der Grimſel flieſſet die Aar / Arola, nach einem krummen lauff in den Rhein. Wer iſt / der nicht hierauß / ohnangeſehen deſſen / was Simlerus de Alpib. p. 98. einwirft / klaͤrlich vorſich ſehe die abhaldige Stuffen weiſe von dem Gotthard gegen das Mittellaͤndiſche / Teutſche und Adriatiſche Meer ſich zeuhende tieffe Jtaliens / Frankreichs / der Teutſchen und Eidgenoͤſſiſchen Landen? Ja wer iſt / der nicht hieraus abmerke die urſach der unebene der Erden / deren von Gottes Allmaͤchtiger Weißheit / in aͤuſſerlich anſcheinen - der unordnung ordenlich gemachte eintheilung in Berge und Thaͤler uns mit der Hand fuͤhret zu erkantnuß des weiſeſten Schoͤpfers / und Erhalters? Es zeiget uns der einige oberſte Helm des Europeiſchen Brẽn - und Waſſer - hafens / ich verſtehe den Gotthard / ſamt allen daher abquellenden Fluͤſſen / Baͤ - chen / Bruͤnnen / als ſo vil deſtillierten Waſſeren / wie auch die wildeſten Ber - ge / die unfruchtbarſten Schrofen / die harteſten Felſen nicht ohne ſonderbare Goͤttliche Vorſehung alſo / wie ſie ſeyn / geſtaltet / und dahin / wo ſie ſtehen / geſetzet worden. So vil habe dißmal anregen wollen von der allgemei - nen hoͤhe des Gotthardiſchen Gebirgs / von deſſen beſonderen / uͤber die ebene von Zuͤrich / oder Altorff / oder andere Eidgnoͤſſiſche Staͤtte / und Flecken / ſtei - genden hoͤhe / ſo auch von deſſelben Nahmen / Theilen / Straſſen / und andern merkwirdigen Sachen anderſtwo zu reden ſeyn wird.

Von des Schweizerlands koſtlichen Waſſerquellen.

UNter den herꝛlichen Gaben / damit der Hoͤchſte unſer liebes Vatter - land geſegnet / iſt nicht die geringſte die mittheilung ſo viler friſchen und geſunden Waſſeren / welche wir nicht nur genieſſen vor uns / ſondern auch andere Laͤnder von unſerem in Bruͤnnen / Baͤchen / Seen / und Fluͤſſen zu findenden uͤberfluß reichlich verſehen. Wer in anderen / nahe an Meeren gelegenen Laͤnderen / ſonderlich in denen Vereinigten und Spaniſchen Ni - derlanden gereiſet / und den daſelbſtigen Waſſermangel geſehen / der wird vor diſere reiche Waſſer-gutthat dem guͤtigſten Schoͤpfer nicht genug danken koͤnnen. Aller Orten flieſſen auß der Erden / ſonderlich auf unſeren hohen Alpgebirgen / hervor die ſchoͤnſten Cryſtall lauteren bald Brunnen-bald Flußquellen / welche alle Proben der beſten Waſſeren an ſich haben. Unſer liebe Altvatter Hippocrates ſchreibet nachtruklich de Aere, Aquis, & Lo - cis. Υ〈…〉〈…〉 δατα ὁκόσ α ἐκ μετεώρων, &c. das iſt: Die beſten Waſſer ſinddie /20die / welche von hohen Orten / und erhabenen Buͤhelen hervor flieſſen. Dann ſie ſuͤß / und weiß / lauter / und moͤgen etwas wein ertragen; des Winters ſind ſie warm / des Som̃ers kalt; dann ſie auß den tieffeſten Quellen hervor kommen. Es gibt mir diſe letſte zeilen anlas / meine hieruͤber waltende Gedanken in mehrerem dahin zu eroͤff - nen. Auſſer allem zweifel iſt / und auß dem / was bereits geſagt worden / zu - erſehen / daß unſere Eidgnoͤſſiſche Lande in anſehung anderer Europeiſchen Landen / und angrenzenden Meeren am hoͤchſten erhebt / ſo daß wir in foͤl - liger Freyheit ſitzende Schweizer uns durch die Gnade Gottes ruͤhmen koͤn - nen / das wir iñhaben / oder beſitzen / auch natuͤrlicher weiſe zureden / den mit Bergen hoch gethuͤrnten / und angenehmſten Blumen gezierten Hut (ſo bey den Roͤmeren geweſen ein zeichen der Freyheit) der Europeiſchen Jungfrau / wie dann bekant / daß bey denen Erdbeſchreiberen Europa vorgeſtellet wird / als eine ſitzende Jungfrau / deren Haubt aber ſie geſtalten aus Portugall / und Spanien / ich aber / verhoffentlich mit beſſerem Recht ſetze in unſer liebes Schweizerland. Zeuhe ich das ſaubere Kleid / ſo einem Erdbeſchreiber zu - ſtehet / auß / und hingegen an den Schmuzrock eines Chymiſten / ſo komt mir das Schweizerland vor / als ein Hut oder Helm auf dem Europeiſchen Breñ - oder Waſſerhafen / von deme die Waſſer in einer weit ſubtileren klarheit muͤſſen zu uns / als einem Recipienten / oder Vorlag / hervor flieſſen / als zu den Jtalieneren / Teutſchen / oder Franzoſen / weilen wir ja auch in denen Chymiſchen Werkſtaͤtten ſehen / daß die Waſſer leichter / lauterer / und geiſt - reicher werden / je hoͤher der Helm uͤber den Hafen ſtehet. Diſere halb-Geog - raphiſche und halb-Chymiſche Gedanken geben mir anlas zu folgendem Vernunft-urtheil / daß die ſalzichten Meerwaſſer durch unterirdiſche Gaͤnge aller Orten hinflieſſen in die Eingeweide der Erden / hoͤher aber nicht ſteigen koͤnnen als das Meer ſelbs iſt / folglich nicht einmal unter der Erden koͤnten hinkommen zu den wurzlen unſerer Schweizeriſchen Gebirgen / wil geſchwei - gen / auf die Spitzen derſelben / ſo daß alle unſere Lande des Waſſers mang - len muͤßten / wann nicht die wunderbare / Allweiſe Guͤte Gottes in denen in - neren Kammeren der Erden angezuͤndet hette ein brennendes / oder ſonſt waͤrmendes Feuer / welches die Waſſer verwandelt in Duͤnſte / durch hole Kluͤften auftreibet zu der Oberen / und oberſten Erden Rinde / ja auch in die Luft ſelbs / wo ſie nicht hinderhalten / und in Waſſertroͤpflein verſamlet werden / durch beſchloſ - ſene Felſichte Helme / mit denen inſonderheit verſehen die jenigen hoben Gebirge / welche vil Waſſer von ſich geben / wie zum Exempel koͤnnen dienen die ob Flims in Puͤndten ſtehende Stein Gebirge / und haͤuffige in dem Dorff Flims ſelbs hervor flieſſende Brunn und Bach - quellen / von denen anderſtwo zu reden ſeyn wird / ꝛc.

21(N. 6.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von des Schweizerl. koſtlichen Waſſerquellen.

D unſere Bergwaſſer entſprechen denen in hohe Helm aufgezoge - nen Chymiſchen Geiſteren / wie in vorgehndem Blatt verdeutet wor - den / koͤnnen wir abnemmen auß verſchiedenen Gruͤnden: Sie ſind pur / lauter / wie der reineſte Cryſtall / mit keinen / oder ſehr wenigen / irꝛdiſchen Theilen vermiſchet / folglich auch leicht / und kommen in der ſchwere vaſt uͤber - ein mit dem Regenwaſſer / welches nach der Zeugnuß Hippocratis, und der taͤglichen Erfahrung iſt das leichteſte / ſuͤſſeſte / duͤnneſte / und lauterſte / loc. cit. Eben diſe vortrefflichen Eigenſchaften unſerer Waſſeren bekraͤf - tiget auch deren taͤglicher Gebrauch: Jn unſeren hoͤchſten Alpgebirgen / und auch ebenen Landen / finden ſich Bruͤnnen / von denen die Einwohnere / und Reiſende bey ganzen Maſſen / und Koͤpfen trinken ohne einiches aufblaͤhen / trucken / oder andere geringſte Beſchwerde / ja mit groſſem vortheil der Ge - ſundheit; weilen dergleichen ſubtile / leichte Waſſer durch die Milchgefaͤſſe in das Geblut / und durch daſſelbe in alle kleinſte aͤderlein tringen ohne wider - ſtand / ja ſelbs die widerſtehende ſchleimichten / oder andere / hier und da in kleinſten Roͤhrlein anklebende / verſtopfende / zaͤche Feuchtigkeiten aufloͤſen / und außfuͤhren / gleich denen anderen Mineraliſchen Waſſeren. Was fuͤr nutzbare Reglen und Anleitungen hierauß flieſſen koͤnnen zu erhaltung und widerbringung der Geſundheit / wil ich eines jeden gutdunken uͤberlaſſen / und nur diß anzeigen / das von diſer reichen / und koſtlichen Waſſerquell herzu - leiten ſeye bald die vornehmſte urſach der ſo edlen geſundheit / deren unſerer hohen Gebirgen Einwohnere genieſſen meiſtens bis in das hoͤchſte Alter.

Von dem Zuͤricher Wein.

VOrmals ware der Zuͤricher Wein verſchreyt als das geringſchaͤtzigſte Element des Schweizerlands / daher er mit dem Waſſer verglichen wor -den /22den / gleichwie man vor die Erde angeſehen den Glarner Kaͤſe / vor den Luft die Puͤndtneriſche / oder ſo genante Romaniſche Sprach / vor das Feuer die Freyburger Muͤnz. Jſt etwas ungluͤklichs vorgangen / ſo hat / wann es je moͤglich geweſen / der Zuͤrich-wein muͤſſen die ſchuld ſeyn / hat es ſich mit einem Patienten geboͤſeret / iſt ein geſunder krank worden / ſo hat man / wann man je koͤnnen / die urſach gelegt auf diſes Tartariſche Saurtrank / gleich dann vor nicht wenig Jahren an einem vornehmen Ort diſer unſchul - dige Wein angeklagt worden / als die urſach eines ſchmerzhaften gichteriſchen Grimmen / welches eigentlich von unverziñten Kupfergeſchirꝛen hergeruͤhret / und eine groſſe Haußhaltung empfindtlich angegriffen. Zwaren iſt nicht zu laugnen / daß in gewiſſen Jahrgaͤngen unſere Weine zimlich harb und ſaur werden / wann nam̃lich die Trauben eher muͤſſen abgeſchnitten werden / wegen einbrechender Kaͤlte / als ſie zeitig worden. Aber auch iſt widerum unlaug - bar / daß in anderen Jahren ein ſo edler Wein wachßt / welcher nicht den we - nigſten Tadel verdienet. Weßwegen Matthæus Cardinal und Biſchoff von Sitten / als er einmal in dem Zuͤrich Gebiet eingekehret / und von einem Gewaͤchs zwey ganz widerwertige Weine von verſchiedenen Jahren ver - fuͤcht / geurtheilet / ſolche Reben ſolten außgeſtocket werden / weilen ſie ſo un - beſtaͤndig / und kybig weren. Bulling. Helvet. Chron. L. XIV. c. 13. Vor - treffliche Weine wachſen hin und wider im Zuͤrich Gebiet / zu Neftenbach / Rorbas / Uwiſen / Martelen / Benken / Hoͤngg / Egliſau: An dem Zuͤrich-See ſol der beſte ſeyn / der zu Meilen wachßt / (von welchem zuſehen in Jkr. Erhard Eſchers beſchreibung des Zuͤrich Sees / p. 199.) Wei - ters zu Herꝛliberg / und ſo fort / ꝛc.

Merkwuͤrdig iſt / und diß ohrts in etwas zu unterſuchen / das / ins ge - mein zureden / der Wein / ſo an dem einten Geſtad des Sees gegen Morgen wachßt / weit edler / gelber / geſunder iſt / als den die Abendſeiten gibet. Weß - wegen man auch auf jener ſeiten mehrere Weinberge / und beyligende Luſt - haͤuſer gebaut ſihet / als auf diſer. Die urſach ruͤhret her von der ſituation oder gelegenheit diſer beyder Seegeſtaden; Die Morgenſeite iſt niderer / wiewol auch mit etwelchen Bergen erhoͤhet; Deßwegen kan ſie zeitlich von der Sonnen beſchienen werden / genieſſet hernach den ganzen Tag die Son - nenwaͤrme / und ſo lang / bis die Sonn ſich hinder dem Albis-Berg verbir - get. Da hingegen die Abendſeite diſere waͤrme auch zeitlich empfindet / aber weit fruͤher / als die vorige verlieret. Dieſer urſach muß zugeſetzet werdeneine23eine andere / und vornehmere / welche an die hand giebet die betrachtung der Winden. Es liget der Zuͤrich-See alſo / daß der rauhe Nord - oder Biſe - wind ſonderbar kan beſtreichen die Weſtſeite des Sees / und iſt deßnahen kein wunder / wann diſe Nordliche Kaͤlte die Weinreben / und Trauben zu - ſamen zeuhet / die aufſteigung des Nehrſafts / und reiffung verhinderet / folg - lich eine Saͤure dem Wein hinderlaſſet. Uber diß liget eben diſere Weſt - ſeiten bloß gegen dem Oſtwind / welcher mehrmalen ſich mit dem Nordwind vereiniget / und bald gleiche Kaͤlte mit ſich fuͤhret. Da hingegen die Meili - kumer Seite uͤbertraget den Oſtwind / nur ein wenig beſtrichen wird von dem Bißw ind / und hingegen offen ſtehet gegen dem Sud - und Abendwind / wel - che eine mehrere waͤrme / und feuchte zubringen / die Loͤchlein und geſtalt der Pflanzung eroͤffnen / und uͤberal die Fruͤchte deſto eher zur zeitigung bringen. Endlich iſt noch diß beyzufuͤgen / daß die Abendſeite mehrere und laͤngere kaͤl - te außzuſtehen hat wegen der naͤhe des Albis / auf welchem Berge der Schnee fruͤher fallet / und ſpaͤhter weggehet / folglich mit ſeiner gegenwart die ſelbige ganze Seite erkaͤltet. Die Nachbarſchaft des auf den hohen Alpen beſtaͤndig ligenden Schnees empfindet mit nicht geringem ſchaden nicht nur die Mor - genſeite des Zuͤrich-Sees / ſondern auch die uͤbrigen Theil unſers Gebiets / und des ganzen Schweizerlands / deme die ſonſt warmen Sudwinde vil Schnee und Eistheilichen zubringen: Weßwegen der Meiſter Ambtoſius ein gelehrter Arzet und Sternſeher auß der Lombardey gebuͤrtig / ſo zu Zuͤ - rich bereits vor dem Concilio zu Baſel muß gelebt haben (nach der Zeug - nuß M. Felix Haͤm̃erlins / vor 200. und mehr Jahren Vorſingers zu Zuͤ - rich in Tract. de Arbore Torculari ducendo in Die Feſto) prophezeyet / es werde innert 100. Jahren die Kaͤlte alſo in unſeren Landen zunemmen / daß gar keine Weinreben mehr koͤnnen gepflanzet werden. Nun ſind ſo vil 100. Jahr ſint ſelbiger zeit verfloſſen / und genieſſen wir durch Gottes Guͤte noch immer des edlen Rebenſafts / es wachſen bey uns noch allezeit die Reben / ja ſo fehr iſt es / daß diſes edle Gewaͤchs in Zuͤrichiſchen Landen nimmer truͤhe / daß vilmehr die einleg und pflanzung des Weinſtoks ſolcher geſtalt zuge - nommen / daß ein hohe Lands-Obrigkeit bewogen worden durch eine offent - liche Erkantnuß vom 12. Aprel 1703. die fernere neue einſetzung der Reben zu verbieten / und hingegen den fleiſſigeren Ackerbau einer ganzen Landſchaft theils zu belieben / theils anzubefehlen. Es iſt gleichwol des M. Ambroſii Weiſſagung / wann ſie nicht auß der Sternſeherkunſt mehr / als auß der Na - tur-wiſſenſchaft hergefloſſen / nicht ſo gar zuverachten. Es gewahren dieEin -24Einwohnere der hohen Alpen / daß der Schnee / und Eis / von Jahren zu Jah - ren hoͤher ſteiget / gleichwie in den Nordiſchen Schnee und Eisbergen auch gewahret wird / daß ſie je mehr und mehr wachſen / und daher vil Gelehrte in die Meinung gerahter / daß die Erdenkugel nicht mehr rund / wie ſie anfangs geweſen / ſondern Eyfoͤrmig / oder ablang rund ſeye. Gewiß iſt diß / daß vil ſchoͤne Alpen jezund mit beſtaͤndigem Schnee bedecket / welche vor 30. und mehr Jahren dem Viehe die beſte Weid gegeben. Auß diſem grund koͤn - ten ja unſere Eidgnoͤſſiſche Lande nach und nach mehrere Kaͤlte außzuſtehen haben / wann nicht ſolcher Endlauff der Zeit durch zwiſchen kommende war - me Winde / oder andere urſachen hindertriben wird / und hette M. Ambro - ſius beſſer gethan / wann er an ſtatt 100. Jahren geſetzet hette 1000. oder 2000. Dann ſo hette man den Fehler noch nicht gewahret. Sonſten iſt zu beliebung unſerer Landes kraft / des Zuͤrichiſchen Weins / deſſen inſonder - heit / der an dem See / und der Limmat nach wachßt / diß zugewahren / daß er / wann er ſchon anfangs rauh / nach abgefloſſenen etlichen Jahren milter / lieblicher / und geſunder wird / ja / ſo zureden / in dem Faß reiffet / indeme nam̃ - lich die irꝛdiſchen Tartariſchen Theil ſich nach und nach an die waͤnde / und zu boden ſetzen. Hiervon ſchreibet obbemeldter M. Haͤm̃erlin alſo; Vina no - ſtra raró vel nunquam penitùs in ſuis vitibus matureſcunt, ſed con - tra naturam aliorum vinorum in umbra, & vaſis, & cellaribus pro - fundioribus ad annos triginta, vel ultra, mundè conſervata continuò decoquuntur, & demùm cruditate repulſa dulcoreſcunt. Das iſt: Unſere Weine kommen ſelten / oder faſt niemal zu ihrer zeitigung / ſondern reiffen erſt nach dem ablauff 30. und mehr Jahren / wañ ſie ſorgſam behalten werden in tieffen Kelleren / und nem̃en dann nach abgelegter raͤuhe an eine ſuͤſſigkeit / welches / wie er ſagt / wider die Natur anderer Weinen iſt. Es iſt uns ja bekant / daß die lieblich - ſten Veltliner / Muſcateller / Jtalieniſche / Burgundiſche / und andere derglei - chen Weine in denen erſten Jahren am beſten; Ja etwañ laͤnger nicht als ein Jahr dauren; weilen ihre ſchwefelichte theil ſchon an den Reben / und in dem Moſt / den hoͤchſten grad der Freyheit beſteigen / da ſie hingegen bey un - ſeren Weinen ſich erſt nach etwelcher Jahren ablauff von den Banden an - derer irꝛdiſchen / Salz - und waſſertheilchen los wirken. Und iſt kein zweifel / das / gleichwie ins gemein alle waͤhrhafte Weine gehalten werden vor geſuͤn - der / unſere Landweine um ſo vil mehr zu unſerer Leiberen geſundheit helffen / weilen ſie in unſerem eigenen Land gewachſen / ꝛc.

25(N. 7.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von dem Zuͤricher-Wein.

DEme / was zu end des vorgehnden Blatts verdeutet worden / fuͤge bey / daß unſere Landweine einen in gewiſſer maß außgedehnten Luft / den wir ſelbs taͤglich einathmen / in ſich enthalten / folglich unſeren Lei - beren angemeſſener ſeyn; wie auch den Gemuͤtheren / weilen wir gewahren / daß die Sitten und Gaben der Seelen ſich richten nach der beſchaffenheit des Leibes; die Franzoſen ſind / wie bekant / eines geſchwinden / durchtringenden Geiſts / ſchlucken aber auch inſich einen edlen / ſtarken / gleichſam gewuͤrzten Wein; wie leicht laſſet es ſich hiermit muhtmaſſen / daß ein Volk / welches einen zwar guten / aber darbey daurhaften / erſt in dem Keller reiffenden Wein trinket / auch ſeine Gemuͤts-art neige zu gemaͤchlicher außkochung vorhaben - der Vernuͤnft-Schluͤſſen / und außweichung aller Vorſchuͤtzigkeit? Rede ich dißfals zuwenig / ſo belieben die verſtaͤndigen Leſer auf ſich ſelbs / und die Be - ſchaffenheit unſers Landes eine mehrere zueignung zumachen auß gegebenem Grundſatz; rede ich aber zuvil / ſo bitte diſes urtheil zuzuſchreiben einer aner - bornen ſchuldigen Liebe zu meinem Vatterland. Noch eines. Es iſt oben gemeldet worden / wie der Wein in dem Keller bey allgemaͤchlicher außko - chung ſeine rauchen irꝛdiſchen Theil nach und nach ablege / welche dann un - den / und an den Waͤnden in die Truſen gehen / und den Weinſtein geſtalten; ich ſage auch / oben. Jn einem ſicheren / vornehmen hieſigen Keller iſt ein ed - ler Meilikum̃er von A. 1678. bis A. 1693. auf der Truſen gelegen / und nicht nur von unten und ſeitwerts umgeben / ſondern auch oben mit einer Rinde von Weinſtein uͤberzogen worden / innert welcher gleich als in einem Ge - woͤlbeſich die ſonſt fluͤchtigen Geiſter haben muͤſſen gefangen geben / und folglich diſem Wein eine lieblichere ſtaͤrke zubringen. Auß deme / was bis - her von unſerem Landwein vorgebracht worden / iſt auch zuſchlieſſen / das der neue / oder nur jaͤhrige Wein / weil er noch nicht von ſeinen irꝛdi -ſchen26ſchen Theilen befreyet / der Geſundheit weit undienlicher ſeye / als wann er et - liche Jahr gelegen; und ſollen ins beſonder die jenige / welche der ſo genanten Milzeſucht / dem Nieren - oder Blaſenſtein / dem Podagra / Gleichſucht / und anderen dergleichen Tartariſchen / oder vom zaͤchen irꝛdiſchen Schleim / her - ruͤhrenden Krankheiten unterworffen / gewarnet ſeyn / ſich vor unſerem neuen Wein / den wir gemeiniglich Suſer nennen / zuhuͤten. Zu gefallen der Wein-Liebhaberen werde dann und wann mehrere Anmerkungen diſem Werklein einverleiben.

Reiſe uͤber den Wallenſtatter-See durch hilff eines ordinari Nachwinds.

ES iſt bekant / wie nicht nur zwiſchen beyden Tropicis oder Sonnen - wend-Circlen / unter der Linien / ein allgemeiner Wind beſtaͤndig von Morgen gegen Abend waͤyet / ſondern andere gewiſſe Winde / nach welchen ſich die Schiff - und Kauffleuthe richten koͤnnen / zu ordenlichen Zei - ten blaſen / in Europa hingegen die Bewegungen der Winden vor unor - denlich bald durch das ganze verfloſſene Jahrhundert angeſehen worden; auſſert das Mr. Mariotte in ſeinem Buch du Mouvement des Eaux, & des autres Corps fluides, p. 50. und Hr. Sturm in einer Diſſert. de Aeris Mutationibus p. 20. gewahret / daß auf dem Europeiſchen Hori - zont die Winde gleichſam in dem Kreiſe umher lauffen / alſo daß meiſten - theils auf den Weſtwind folge der Nord / auf diſen der Oſt / und endlich der Sud - oder Mittag-wind / welcher widerum in den Abendwind ſich verwandle. Hierauf wuͤnſchte / daß in unſeren Landen mehrere achtung ge - geben wurde / weilen man bis dahin den Lauff der Winden vor ganz unrich - tig angeſehen; dann ſo koͤnte man nach und nach hier und da gewiſſe Reg - len machen von abaͤnderung des Wetters / auf welche eher zu gehen were / als auf die meiſten ſo genanten Bauren-Reglen im Kalender. Jn unſeren Eidgnoͤſſiſchen Landen ſind mir bis dahin bekant zwey einige Orte / da man ſich ordinari auf den Wind zuverlaſſen hat / und gewiß vorſagen kan / welcher morn / ja bald das ganze Jahr hindurch / zu der oder diſer Tageszeit waͤyen werde; das einte Ort iſt der Wallenſtatter-See / (Lacus Riva - nus, Rivarius, Ripanus, Ripenſis, Wallenſtadienſis, Veſenius) ſo oben an die Grafſchaft Sargans / und das Staͤttlein Wallenſtatt / unten an das Gaſter / und den Flecken Weſen ſtoſſet / und dabey die Sez oder Ma -gum27gum von ſich laſſet / welcher Fluß bald bey der Ziegelbrugg in die Linth flieſſet / und alſo die Limmath / oder Limagum außmachet. Auf diſem See waͤyen gewiſſe Winde / nach welchen ſich die Schiffleuthe zu groſſem ihrem / und der Reiſenden Nutzen zurichten wiſſen. Morgens fruͤhe vor / und bey der Sonnen Aufgang fanget an gemaͤchlich blaſen der Ober - oder Oſtwind / welcher auch ſonſten der Heuwetter-wind heiſſet / weilen des Sommers die Anwohnere bey fruͤher erzeigung diſes Winds das Graß ſi - cher abmaͤyen / und zur troͤknung außſpreiten koͤnnen / diſer Wind waͤhret bis ohngefahr um 10. uhr vormittag / dienet alſo denen / welche von Wallenſtatt abfahren wollen gegen Weſen. Zwiſchen 10. und 12. uhren iſt eine Windſtille. Nachmittag fangt zeitlich an ſeine Herꝛſchaft zuzeigen der Weſt - oder Abend-wind / welcher dann regieret bis zu Abend / und kom̃lich iſt denen / ſo von Weſen reiſen nach Wallenſtatt. Nach der Sonnen Nidergang fan - get gemeinlich bey ſchoͤnem Wetter widerum an waͤyen der Oberwind. Wie aber nichts in der Natur beſtaͤndig / und gerad / daß nicht zuweilen von der Richtſchnur abweiche / und ſich aͤndere / alſo geſchihet es auch etwann / das di - ſen jezt beſchriebenen ordenlichen Lauff der Winden unterbrichet der Nordwind / welchen ſie in dieſer refier nennen den Blaͤttliſer - und Kalch - tharler-wind von dem Berge Blaͤttlis / und dem Ohrt Kalchtharen / uͤber welche diſer Wind herblaſet / und den Schiffleuthen ein unbeliebiger Gaſt iſt / weilen er ihren auf den ordenlichen Windlauff gegruͤndeten Gewinn un - ſicher machet / ja / wann er unverſehens ſich erhebt / die Seefahrenden in gefahr ſetzet. Die natuͤrliche Urſachen diſer Begebenheiten ſind auß folgendem un - ſchwer zuerſehen. Es ligt der Wallenſtatter-See gegen Morgen und A - bend ganz offen / ſo daß die Sonne des Morgens bald aufſtehet / abends ſpaht nidergehet. Aber gegen Mittag - und Mittnacht erheben ſich hohe Schrofen und Berge / welche denen / ſo auf dem See bey ſchoͤnem Wetter fahren / ein angenehmes Schauſpiel vorſtellen / aber auch bey entſtehendem Ungewitter groſſe forcht einjagen / weilen die brauſenden Wellen an die Steinwaͤnde mit gewalt anpuͤtſchen / und von dannen mit entſetzlichem wuͤ - ten in ſich ſelbs zurukprellen. Hierauß iſt leicht zuſchlieſſen / daß die von auf - ſtehender Sonn verduͤnnerte / und in etwas außgedehnte / folglich einen wei - teren Raum erforderende Luft ſich nicht koͤnne auf alle ſeiten auß gleich auß - breiten / ſondern zwiſchen denen hohen Glarner-Sarganſer - und Gaſter - Bergen gleichſam gefangen allein ſich bewegen koͤnne gegen Abend. Es waͤhret aber diſer Oſtwind bis um 10. uhr vor mittag / bis nam̃lich die Soñin28in mitten uͤber den See zuſtehen komt / und alſo die gegen Wallenſtatt und Weſen ligende Luft in gleiche duͤnnung bringet / worauf ein Windſtille er - folget bis nach Mittag / da die Weſener Luft bey abſteigender Sonn gleicher - weiſe außgedehnt ſich nirgendshin kan begeben / als obſich gegen Wallenſtatt / und ſo einen Abendwind erwecken. Daß aber nach der Sonnen Nider - gang widerum anfangt waͤyen der Oſtwind / komt daher / weilen die von der waͤrme außgedehnte / und gegen Wallenſtatt getriebene Luftkugel dannzut mal ſich widerum zuſamen zeuhet / und gegen Weſen durch die kraft ihrer ei - genen ſchwere und elaſticitet zuruk fallet oder treibet. Oben habe bereits angedeutet / daß dergleichen vormittag waͤyende Oſt - und nachmittag blaſen - de Weſtwinde ſich noch an einem Ohrt finden / diß iſt aber das Bergeller / Pergellerthal / in Lobl. Gottshauß Pundt der hohen Rhætiæ, welches ſich auch zwiſchen hohen Bergen von Morgen gegen Abend erſtrecket / folg - lich gleiche / oben angebrachte Urſachen zulaſſet. Sol ich diſe Natur-Ge - ſchicht in vergleichung zeuhen mit anderen in anderen Landen vorkommen - den gewiſſen Winden / ſo ſtellet ſich ein der zweyfache Wind auf verſchiede - nen Oſt - und Weſt Jndiſchen Kuͤſten. Auf den Malabariſchen zum Exem - pel regieren des Sommers / oder von dem Herbſtmonat bis in April / von Mitternacht bis Mittag die ſo genanten Terreinhos, venti di Terra, Landtwind / welche von Morgen her uͤber das feſte Land herſtreichen; von Mittag aber bis zu Mittnacht die Viraconos, vvindt uyt de Zee, ſo von Weſten uͤber das Meer her kommen. Varen. Geograph. Gener. Lib. I. c. 21. Prop. 7.

Jch komme aber widerum zu dem Wallenſtatter-See / um achtung zugeben / was denen Seefahrenden auf beyden ſeiten deſſelben vor augen komme / und kom̃lichen anlas koͤnne geben zu gelehrten / und luſtigen diſcur - ſen. Fahret man von Weſen auf Wallenſtatt / ſo komt linker ſeits in augen - ſchein erſtlich der oben gemelte Blaͤttlisberg / oder Fiderſchen; darnach Mattſtock / ein anderer / ſo an ihne ſtoſſet; weiters Am̃on / auf Am̃on / ein Berg / und Dorff / welches ſo vil ſol heiſſen als au Mont, weilen das Dorf auf dem Berg ligt / nach der außlegung Guler. Rhæt. 213. oder amæ - nus mons, ein anmuhtiger Berg / nach Raͤbmañ Geſpraͤch von Berg p. 256. Dann gewißlich diſem Dorff nicht nur ein ſchoͤnes außſehen gibt ſein hohes und fruchtbares Laͤger / ſondern auch der Muslerbach / welcher ſich von groſſer hoͤhe uͤber die Felſen abſtuͤrzet / und denen vorbeyfahrenden einen ſchoͤnen luſt erwecket. ꝛc.

29N. 8.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von der Reiſe uͤber den Wallenſtatter-See.

AN dem Fuß diſes Bergs war vor diſem ein Schloß Straleck ge - nant / da jezund ein Capelle ſtehet. Weiters folget der Berg Seren / zu deſſen anfang iſt der Beyerbach / von deme die Anwohnere vorge - ben / daß er mit dem Rhein / der doch weit von hinnen durch das Rheinthal abflieſſet / eine gemeinſchaft habe / weilen die Waſſer diſes Bachs mit dem Rhein wachſen / und abnehmen / welches aber wargenommen werden kan an den meiſten Bergwaſſeren. Fuͤrterhin iſt der Quintnerberg / alſo genant von dem Dorff Quinten / welches ſeinen Nahmen behalten von de - nen Roͤmiſchen hier an diſen See verlegten Colonien / gleich wie Tertz und Quart / welche drey Ohrt in Latein heiſſen Tertium, Quartum, Quin - tum; in unſerer Sprach / die dritte / vierte / fuͤnfte (Rott.) Beſſer hi - nauf iſt Joſen / da die Glatte / oder hohe / Steinwand / welche ſenkelrecht - ber den See aufſtehet / und auch in denſelben in gleicher geraden Lini ſich ein - ſenket / wie dann der See diß ohrts ſol in die 300. klafter tieff ſeyn / nach der Schifferen auſſag. Endlich bis Wallenſtatt ſihet man folgende Berge / Schwalbis; Schrynen; Tſchinglen; Buͤnz; Tſcherler Alp.

Auf rechter / oder mittaͤgiger ſeite des Sees iſt erſtlich / unweit Weſen / der Wallenberg; Britterwald / von deme Tſchudius anmerket in Hel - vet. Antiq. MSC. daß er geweſen ein Graͤnz - oder Marchſtein des Hel - vetier Lands / ins beſonder aber des alten Pagi Tigurini, Zuͤrichgeu / ſo auch der Biſtuͤmeren Chur / und Coſtanz. Ein theil von diſem Berg heiſſet Goffel-Stalden. An dem Fuß deſſelben gehet an dem See hin der Neue Weg / ſo mit groſſen unkoͤſten / und fleiß / oft in Felſen / eingegraben worden zum dienſt deren / welche zu Schiff nicht wollen / oder wegen ungeſtuͤme nichtkoͤnnen30koͤnnen uͤber See kommen. Weiters iſt zuſehen der Muͤrtſch-Stock / Moͤrtſchen / zu deſſen Anfang abflieſſet der Filtzbach. Jn der oberſten Felſen-Spitze diſes Glarniſchen Bergs iſt eine von Natur durchgegrabene Hoͤle / durch welche man an einem gewiſſen Ohrt des Sees den Himmel ſi - het. Auf deſſen Mittaͤgiger oder Glarnerſeiten war vor deme ein gutes Silber-Bergwerck / welches jezund ungebauet liget. An dem See iſt das Dorff Muͤllihaar / und das Muͤllethal. Weiters kommet der Kyretzer-Berg / auf deme das Dorff Kyretzen: Murgen / allwo eine Eiſenſchmelze; Quarten mit dem Quartnerberg; Tertzen / und Terznerberg; Mols / und Molſerberg / Rouͤſchyben / ein klei - nes Berglein / nebſt deme die Aa einflieſſet in den Wallenſtatter-See. Uber diſe Berg ſtrecket ſich die Spitzmeil / ein hohes Glarniſches Gebirg / welches den Nahmen ſcheintherzuholen von ſeiner zugeſpizcen geſtalt.

Von bereitung der Milch und Milchſpeiſen / wie ſolche auf denen hohen Alpen geſchihet.

VNder denen Wundergaben / damit der guͤtigſte Gott unſere Eidgnoͤſ - ſiſche Lande / gleich vor altem das Land Canaan / ſegnet / iſt nicht die geringſte die Milch / von deren bereitung das jenige in moͤglicher kuͤr - ze dem geehrten / ſonderlich Milchliebenden / Leſer mittheilen werde / was auß eigener Erfahrung auf den hoͤchſten Alpgebirgen geſehen / darbey dann ver - hoffentlich das ſeinige wird finden der gemeine / und Baursmann / der Vatterlaͤndiſche Geſchicht-Schreiber / der gelehrte Woͤrter-Samler / und Außleger / der verſtaͤndige Arzet; und jeder gebetten wird zu enderen / zubeſ - ſeren / zu mehren / was ihne zu einer follkom̃neren Milch-Hiſtori dienlich dun - ken wird.

Von des Sennen Perſon / Amt / und Behauſung.

ES iſt der Senn ins gemein ein ehrlicher / aufrichtiger Mañ / ja ein ab - truck der alten Schweizeriſchen / und redlichen / einfalt / ſowol in ſeinem leben / als thun; bekleidet mit einem rauchen / ehrbaren Kittel / beſchuͤ - het mit Holzſchuhen / die er mit zweyen ledernen Riemen uͤber die bloſſen Fuͤſſe anbindet / gleich den Alten Teutſchen / quorum ſoleas ex Arboris lib - ro fabrefactas funiculus in planta pedis adſtringit, nach der Zeugnuß Cluver. Germ. Antiq. L. l, c. 16. und der abbildung / welche in ſeinem ge -lehrten31lehrten Buch von den Schuhen der Alten / de Calceo Antiquo, vorſtel - let Balduinus, p. 35. Es iſt aber hierzu das Holz tauglicher als Leder / wei - len die Straſſen auf die hohen Alpen / (welche die Sennen taͤglich brauchen muͤſſen) nicht eben / und beſezt ſeyn / ſondern wegen der vilen vorkommen - den Felſen / und Steinen / ſehr rauch.

Ein ſolcher Señ wird vorgeſetzet einer Señten / das iſt / einer zimli - chen anzahl von 20. 30. 40. oder mehr Stucken Haubt Viehes / mit welchen er zu anfang des Sommers zu Alp fahret / fleiſſig auf ſie achtung gibet / und von ihnen die Milch / Kaͤſe / Butter und Ziger ſamlet / darvor auch eint - weder dem Beſitzer fleiſſige rechnung / oder einen gewiſſen verdingten Zinß gibet. Hiemit Señtnet der Patron ſelbs / das iſt / er befihlet ſein Vieh auf ſeine Alpen / oder Weiden / zufuͤhren / und bezeuhet darvon ſeinen Nuzen. Die Wohnung des Sennen iſt die ſo genante Seunhuͤtte / ein durch - leuchtiges / von hoͤlzernen / auf einander gelegten / Balken aufgebautes / mit Tannrinden bemaurtes / mit hoͤlzernen Schindlen bedektes / und mit groſſen Steinen beſchwertes Haͤußlein / deſſen Aeſtreich eine bloſſe / oder mit Tannrin - den bedekte Erde / deſſen Thuͤren / Schloͤſſer / Rigel / Kuchengeſchirꝛe alle von Holz / deſſen Ober - und Underbett / Kuͤſſen / und anders Geraͤhte vil auf ein - ander ligende Kaͤſe / oder Heu. Diſe nach der kom̃lichen einfalt der Erſten Erden Einwohneren eingerichtete wohnung wird abgetheilt in zwey Haubt - Gemaͤcher: Das erſte behaltet den Nahmen des groſſen Hauſes / und ver - dienet den Griechiſchen Titel τυροκομειον, Kaͤſehuͤtte / weilen darinn ver - fertiget wird der Kaͤſe; da finden ſich alle zu der Kaͤſemachung noͤhtige Werk - zeuge / des Sennen Bett / die ſo genante in form eines Amphitheatri von ſteinen gebaute Hell / Herd / oder Feuerſtatt: Der andere Theil des Hauſes iſt der Milchgaden / Milchkeller / weilen da die Milch hingeſtellet / und be - halten wird / liget deßwegen gemeinlich gegen Norden / woher die kalten Luͤf - te wehen.

Nicht weit von der Sennhuͤtte iſt der Vieh - oder Kuͤhgaden / allwo der Ordnung nach ſtehen die Stieren / Kuͤhe und Geiſſen / jedenach ih - rem Rang / und mit ihrem gewiſſen Nahmen bezeichnet.

Diſtant ordine certo Privæ majores, mediáque ætate ſeorſim Privatimque recens nati Homer. Odyſſ. 9.

Diſe Thiere melket der Senn morgens und abends / ſizende auf ſei - nem einfuͤſſigen Melckſtul / welchen er mit einem Seil oder Riemen umden32den Leib anbindet / verſehen mit einem Salbhorn / in welchem Butter ent - halten zu beſtreichung der Utteren.

Von bereitung des Kaͤſes.

DJeſe nehrhafte / geſunde / und ungeſunde / Speiſe bereitet man folgen - der geſtalt. Nach dem der Senn die Milch gemolken in die Melk - teren / (welche den Nahmen ſcheinet herzuholen von dem Lateini - ſchen Wort Mulctrum, oder Mulctrale) und auß vilen Melkteren außge - goſſen in das Milchtaͤuslein / ſienet er ſie durch die Follen / oder Milch - Sienen (ein hoͤlzernes / oben weites / unten enges / mit friſchem Tannkreis ver - ſtopftes Jnſtrument) in das groſſe Wellkeſſe / Bandkeſſe / Kaͤßkeſſe / welches hanget an dem Thurner / einem hoͤlzernen Schnabel / welcher ſich mit leichter muͤhe von dem Feur hinweg / und uͤber daſſelbe bewegen laſſet. Nachdem die reine Milch eine zeitlang ob dem Feuer geſtanden / nim̃et der Senn auß dem Luptaͤußlein einen Loͤffel foll Lupp / Kaͤslupp / Kaslap (von deſſen bereitung und wirkung unten mit mehrerem ſol geredet werden) wormit er dann bis 100. Maß Milch ſcheiden kan. Von diſer dick geſchei - denen Milch nimmet er mit einer durchloͤcherten Zigerkellen den Abzug / ein ſchaumiges Weſen / hinweg / damit es den Schweinen diene zur Nah - rung. Die uͤbrige zum Kaͤſe machen dienliche / in ein dickes zuſamen halten - des weſen zuſamen geconnene Materi nennet man Bulderen / diſere zer - bricht der Senn mit der Kaͤsbrechen / einem ſtachlichten Stecken / in klein - ſte Stuͤcke. Wann diſes geſchehen / ſo ſcheidet ſich die dicke Materi von ei - nem waͤſſerichten Weſen / und heiſſet jene Kaͤſe / diſe aber Sirpen. Von diſer Sirpen nimmet der Senn mit dem Stielnapf / Hakennapf / Gon / etliche Maß hinweg / ſchuͤttet ſie in ein anders Geſchirꝛ / und faſſet den Kaͤſe in die Mutten / welche abhaldig geleget wird auf das Muttenholz / da - mit die uͤberfluͤſſige waͤſſerichte feuchtigkeit den ablauff habt. Jndeſſen wird die Sirpen / weilen ſie noch vil fette / nehrhafte Theil in ſich hat / widerum - ber ein ſtaͤrker Feuer geſetzet / damit ſich vorderſt aufs neue ſcheide der Vor - bruch / ein ſchaumichtes / oben auf ſchwimmendes ſehr niedliches Weſen / welches der Senn mit dem Schweidnapf wegnimmet / damit es ihme al - lein / oder mit andern Milchſpeiſen vermiſcht / zur nahrung diene / ꝛc.

Dem gechrten Leſer diene zur Nachricht / daß der Kaͤſe bereitende Senne mit ſeinen be - hoͤrigen Jnſtrumenten in einem ſauberen Kupfer vorgeſtellet den 8. Aprel nebſt dem ordinari Blatt zuhaben. Es wird ihme aber nicht zuwider ſeyn / vor diſes auſſerordenliche Kupferblatt und deſſen Erklaͤrung zu bezahlen 2. ß.

TAB: I.

Das erſte Kupferblatt ſtellet vor den in ſeiner Huͤtten arbeiten - den Sennen mit allem behoͤrigen Geſchirꝛ.

  • A. Jſt der einfuͤſſige Melckſtul / welchen der Senn mit dem Riemen a. um den Leib bindet mit dem Salbhorn b.
  • B. Eine Melkteren / darein die Milch gemolken wird.
  • C. Ein Milchtaͤuslein / welches angefuͤllet wird auß vilen Melktern.
  • D. Die Follen / oder Milchſtenen / ruhende auf dem Follenheber E.
  • E. Das Well-Band-Kaͤßkeſſe / welches hanget an dem Thurner. H. Zwerch uͤber das Keſſe liget die Keſſe-Schindlen / G. in welcher ein halbrundes Loch zu faſſung des unterſten theils der Sienen.
  • I. Das Lupptaͤußlein / darinn das Lupp verwahret wird.
  • K. Ein groſſe durchloͤcherte hoͤlzerne Zigerkelle / wormit man den Abzug wegnim̃et.
  • L. Die Kaͤsbrechen / dar mit man die Bulderen / eine zuſamen geronnene Matteri / umruͤhret / und zerbricht.
  • M. Der Stielnapf / Haggennapf / Gon / dienlich zu außſchoͤpfung der Sirpen.
  • N. Eine Mutten / darein man den Kaͤſe faſſet / und geſtaltet.
  • O. Das Muttenholz / darauf die Mutten abhaldig geſtellet wird.
  • P. Der Schweidnapf / bequem zu abnem̃ung des Vorbruchs.
  • Q. Das Trankfaß / darinn man aufbehaltet das Saurtrank / oder Saurſchotten zu foͤlliger ſcheidung der Sirpen.
  • R. Ein hoͤlzerne 3. oder 4. Finger breiter Ring / Kaͤsjaͤrbe genant / dar - mit der Kaͤſe umfaſſet wird.
  • S. Ein in der Kaͤſe jaͤrbe ligender / mit der Kaͤsblechen / und brett bedekter und mit dem Kaͤsladſtein beſchwerter Kaͤſe.
T. Das
  • T. Das Ankenfaß / oder Liren / darinn der eingeſchuͤttete Nidel dur[ch]ſtaͤtiges umtreiben der Handhebe in Butter verwandelt wird.
  • V. Ein Ankenkuͤbel / auch dienlich zur Ankenbereitung / ſonderlich abe[r]gebraͤuchlich an denen Ohrten da man nicht vil Butter auf einma[l]machet.
  • W. Zigerꝛumpf / oder auch Zigertrimmen / darinn der Ziger aufbehal - ten wird.
  • X. und Z. ſtellet vor eine mit einer Schindlen belegte Saͤumelkteren / ein Geſchirꝛ / darinn man den Schweinen zu eſſen bringt: gibet ab den vornehmſten Sitz bey den Sennen / welchen auch genieſſen die fremden Gaͤſte / denen ſie wollen gutes thun.
  • V. Zeiget die hoͤlzernen Schuhe der Sennen.
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33N. 9.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von bereitung des Kaͤſes.

ES ſcheinet diß ſchaumichte Leckerbißlein / von welchem bereits geredt worden / ſeye jene γραῦς bey Athen. p. 247. Dahin zeuhet Geßner. de Lacte p. 37. b. jene Scherzrede in der Comœdia Ariſtophanis, Plutus genant. καὶ μὴν πολὺ. &c.

A cœteris quàm plurimùm iſtæ differunt,
Ollis, videre in cæteris enim licet
Anum ſupra Ollas, hîc modo contrario,
Novóque videas, quòd ſic olla ſupra anum.

Dañ das wort γροῦς bey den Griechen bedeutet ein altes weib / und aber auch diſen ſchneeweiſſen wolgeſchmaktẽ Vorbruch; woher villeicht kom̃et die bey un - ſerer jugend bekante Redensart / wañ ſie von den groſſen Schneefloken zureden pflegen / es fallen alte Weiber herunter. Wir kom̃en aber widrum zu unſerer in dem Wellkeſſe uͤbrigen Sirpen / und gewahren / daß darein geſchuͤttet wird von dem Saurtrank oder Saurſchotten / welche zu eben dem end aufbe - halten wird in dem Trankfaß / Trankbrunggen. Da geſchihet wide - rum ein neue ſcheidung der fluͤſſigeren Theilen von den feſteren / und heiſſen jene Schotten / diſe aber Ziger / beyde unter einander Suffi. Nach diſem kehret der Senn wider zu ſeinem Kaͤſe / nimmet denſelben auß der Mutten / umgibt ihne mit einem hoͤlzernen / oder rindinen Ring / den ſie Kaͤſejaͤrbe neñen / bedecket ihne mit einem rohen ſauberen Tuch / oder Kaͤßblechen / bele - get ihne weiter mit einem runden Brett / und beſchwert ihn mit einem ſchwe - ren Kaͤſeladſtein / damit auf ſo thane weiſe der Kaͤſe ſeine ordenliche runde / oben und unten abgeebnete geſtalt bekom̃e / und von allen waſſerechten Thei - len befreyet werde. Auf diſe gewaltthaͤtige preſſung des Kaͤſes kan gezogen werden / was Virgilius ſchreibet in Eclog. I.

Caſtancæ molles, & preſſi copia Lactis.

Auf34

Auf die weiſe wird der Kaͤſe / nachdem er an ein dunkles und kaltes Ohrt ge - ſtellet worden / je mehr und mehr beſchwert / je feſter und feſter / und mit Salz zuweilen beſprengt / damit er daur - und ſchmackhaft werde. Es iſt aber ein un - terſcheid zumachen zwiſchen denen Mageren und feißten Kaͤſen. Diſe wer - den bereitet von friſch gemolkener / nicht abgenom̃ener Milch / auf bisher be - ſchriebene weiſe / haben folglich in ſich das Kaͤſichte / und Butterichte weſen / da jene gemachet werden von der jenigen Milch / welche etliche Tag in dem Milch-keller an einem kuͤlen Ort geſtanden / und den raum / oder Nidel / wo - rauß der Butter gemachet wird / von ſich gegeben.

Von dem Lupp.

VErwunderlich iſt ja die wirkung diſes vornem̃lich zur Kaͤſemachung dienlichen Safts / weilen ein einiger Loͤffel foll ſcheiden kan in die 100. Maß Milch: noch verwunderlicher aber / wann es wahr / daß glei - che wirkung ſol verurſachen ein in das Keſſe geſaͤnkte Tuͤrkiſche Ducaten. Und geben beyde denen Naturforſcheren zuverſtehen / wie ein wenig Saur - teig den ganzen Teig verſaͤure / wie etwan eine groſſe Kraft in wenigen Thei - len beſtehe / wie ſo kleine / und oft unſichtbare theil groſſe Wirkungen thun / welche Wahrheit beſtaͤtiget eben diſes Lup / von deme nur etliche Tropfen in Milch / oder Bruͤhen / eingenom̃en mit groſſem gewalt uͤber - und nidſich pur - gieren / und hier durch die ſchaͤrffe ihrer Theilen merklich zeigen. Es wird aber diſes Lup alſo bereitet. Man nimmet einen / oder zween zerſchnittene Kal - ber maͤgen / eine Handfoll Salz / gieſſet darauf gemeines waſſer / laßt es ſtehen ohngefahr zwey Wochen; So dienet es dann zum gebrauch. Die Hollaͤnder haben ein Wort / welches mit unſerem Lupp zimlich nahe uͤber - einkomt / wann ſie es heiſſen Lebbe, Libbe, Kalfslebbe; gleich ſie auch die Mutten nennen Mouden, oder Molden.

Von bereitung des Butters.

DJſe edle Milchfrucht hervor zubringen ſtellet der Senn die friſch ge - molkene / und geſienete Milch in den ſo genannten Milchkeller / wel - cher deſto beſſer / wann er friſcher und kaͤlter. Jn einer gewiſſen vor - nehmen Sennhuͤtte iſt diſer Keller in einen Felſen eingegraben / und entſprin - get darinn ein kalt Waſſer / welches den Boden bedecket / ſo daß die alldort zufindende Kuͤpferne / iñwendig wol verzinnete Mutten in dem Waſſer ſte - hen / da dann die Milch etlich Tag friſch bleibet / und einen herꝛlichen Nidel in groſſer vile von ſich gibet. Diſer Nidel wird zuſamen gefaſſet / und in einem Ankenkuͤbel durch einen Stecken / oder in dem Ankenfaß oder Liren / ſo lang dort auf und nider / hier in die ruͤnde / beweget / bis ſich der waͤſſerichte35 Theil / den ſie Ankenmilch nennen / ſcheidet von dem hiermit gemachten Butter / oder Anken ſelbs.

Von dem Ziger / und Schotten.

ES kom̃et der auf oberzehlte weiſe gemachte Ziger / Recocta, Caſeus ſecundarius, herauß / nach deme die Milch ſchon den Kaͤſe und Butter von ſich gegeben / und wird vor den zukoͤnftigen / ſonderlich winterli - chen Speiß gebrauch bewahr et in dem Zigerꝛumpf / ein von Tanurinden ge - machtes / mit Tanninen Wurzlen zuſamen genaͤyetes / rundes / zwey oder dritthalb Schuhe hohes Gefaͤß; oder in der Zigertrimmen / welches vier - eckicht / von Bretteren zuſamen gemachet: uͤber diß beſchweret mit Trim̃e - ſteinen / oder Ladſteinen / damit die in dem Ziger noch uͤbrige Schotten auß - getriben werde / und der Ziger ſelbs deſto friſcher bleibe. Die Schotten ſelbs dienet zur nahrung den Schweinen / welche auf allen Alpen bey denen Sennhuͤtten anzutreffen / mit dem Ziger aber gibt ſie eine Speiſe ab vor die Sennen / und ihres Geſind. Eine ſolche Speiſe muͤſſen auch in ihrer hoͤle gehabt haben die Cyclopes, bey denen Uliſſes eingekehrt / wie uns deſſen be - richtet Homer. Odyſſ. IX.

Statim autem dimidium coagulans albi Lactis Textilibus in Calathis conſtructum repoſuit, Dimidium autem rurſus conſtituit in vaſibus, utei eſſet Jn potum ſume〈…〉〈…〉 i cibum, & ad cœnam ſufficeret.

Dadurch das erſte halbe Theil kan verſtanden werden der Kaͤſe / durch das andere die pure Milch / oder die Suffi / oder Schotten.

Von Nidelbrot und Stunkenwerne.

ES behelffen ſich die Aelpler nicht nur der Milch / Butters / Kaͤſes / Zi - gers / Suffi / und Schotten / ſondern wiſſen auch ihnen ſelbs oder fremden ankommenden Gaͤſten zubereiten allerhand niedliche Milch - ſpeiſen; unter denen vornehmlich kan gezellet werden das Nidelbrot / wor - mit ſie ganz wol beneñen ein in heiſſen Nidel oder getunktes / oder gekochtes / in Schnitten / oder brocken zertheiltes Brot / welches einiche auch zuruͤſten mit Butter und Milch; hernach die Stunkenwerne / ein feißtes Mus / wird gemachet auß Nidel / Maͤhl / und Eyeren / wann die beyhanden ſeyn. An - dere nehmen Butter / Maͤhl / und Ziger. Bey zuruͤſtung diſes Muſes iſt zu - gewahren / daß wann es den hoͤchſten grad der hitz erꝛeichet / und die zunge und hals verbrennen wurde / der oben auf ſchwim̃ende Butterfoͤrmige Nidel nurlau36lau iſt / und ohne einiche gefahr loͤſſelweiſe kan eingeſchlucket werden. Eine begebenheit / welche aufzuloͤſen dem Leſer uͤberlaſſe.

Von dem Sarganſiſchen Stahel-Erz.

ES wuͤſſen die / welche ſich auf die natuͤrliche Hiſtori der Metallen legen / ganz wol / daß in der Welt gar wenig Stahel-Erz / ſo ſie Stahel - ſtein / und Kern-Stahel heiſſen / zufinden ſeye / auß deme namlich alſobald ein Stahelhartes Eiſen / das iſt / ein Stahel koͤnne gemachet wer - den; maſſen der meiſte Stahel verfertiget wird auß dem Eiſen / der deßnahen zum unterſcheid des erſteren Eiſen-Stahel genent wird. Es ſind zwaren bey alten Scribenten bekant der Sinopiſche / Lydiſche / und Laconiſche Sta - hel / die eigentliche Geburts-Statt aber des Stahels iſt Chalybo, ein be - ruͤhmte Statt in Aſſyrien / von deren auch der Stahel den Nahmen Cha - lybs empfangen / und zu allen zeiten getragen hat. Salmas. Exercit. in So - lin. p. 763. Jn Europa iſt mir nicht bewußt einiches wahrhaftes Stahel - Erz / wann nicht ſolchen Titul verdienet das / welches gegraben wird in Jlva, Elba, des Großherzogs von Florenz Gebiet / und Mittellaͤndiſchen Meers Jnſula inexhauſtis Chalybum generoſa metallis, Oder das Noriſche Eiſen / mit deſſen zaͤhen hartigkeit Ovidius ein Frauen - zimmer vergleichet / daß ſich kaum zu einer Gegenliebe bewegen laſſet / wann er ſie alſo anredet: Durior es Ferro, quod Noricus excoquit ignis. Eines ſolchen koſtbaren / wahren Stahel Erzts kan ſich ruͤhmen ein Lobl. Eid - gnoſchaft / und in derſelben die Grafſchaft Sargans / welche in einem hohen Berg Gunzen ein dreyfaches Erz hat / Schwarz Erz / Meliwerk / und Roht-Erz / auß deren vermiſchung unmittelbar geſchmelzet wird ein wahr - hafter Stahel / welchen die Herꝛen Gaaden / dißmalige Jñhabere des Berg - werks / außarbeiten laſſen zu Flums / einem in der Grafſchaft ligenden Fle - ken / der auch einen alt Roͤmiſchen Nahmen tragt / ſo Flumen, einen Fluß bedeutet. Diejenigen rohten Steine / oder Gebuͤrge / innert welchen als in einer Schalen die Erz-Aderen ſtreichen / aber zum Gebrauch unnuͤtz ſeyn / heiſſen ſie Leberberge / von der Farbe. Merkwuͤrdig aber iſt / daß eine or - denliche gewiſſe vermiſchung obgenanter drey Erzen muß geſchehen / wañ ein Stahel ſol herauß kommen / ſonſten gibt es nur Eiſen. Es iſt aber die Pro - portion allein / und ſonderbar / bekant denen Arbeiteren.

Beſonder iſt zuhaben à z. ß. das vor 8. tagen angemeldte Kupferblatt von des Sennen Perſon / Behauſung / und Jnſtrumenten / nebſt deſſen Erklaͤrung.

37N. 10.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von den Bergneblen und Wolken.

ES zerzanken ſich unter einander die Naturlehrer wegen der Wolken / woher ſie kom̃en? worauß ſie beſtehen? wie ſie in freyer Luft koͤñen ſchwe - ben? Das meiſte aber / das ſie hieruͤber der Welt vortragen / ſeyn in dem Hirn geſponnene Grillen. Jch bitte / ſie ſpatzieren ſelbs auf die hohen Ge - birge / oder begeben ſich in die Schul der Aelpleren / wann es ihrem hohen An - ſehen nicht zuwider / ſo werden ſie eins und anders erfahren / ja mit Augen ſe - hen / was zum Fundament der ſach dienet. Diſe einfaltige Leuthe werden ihnen mit den Fingeren zeigen / wie die Wolken anders nichts ſeyen / als Ne - bel / wie ſie nicht ſo vaſt von dem Meer her durch die Luft getragen an die Berge anſtoſſen / als aber auß den Bergen ſelbs aufſteigen in form kleiner zertheilter Neblen / welche hernach ſich weiter auf - und in wolken zuſamen zeu - hen. Jch habe mich in meinen Reiſen hieruͤber zum oͤfteren verwundert / und mit luſt zugeſehen / wie diſe außdempfungen etwan den ganzen Berg / auf de - me domals gereiſet / uͤberzogen / und mich ſelbs eingewicklet haben / daß kaum 20. oder 30. Schritt weit vor mir ſehen koͤnnen / da ich doch kurz vorher bey 30.40. und mehr kleine duͤnne Nebelein bey klarem Wetter habe geſehen aufſteigen / bald auch / nach deme die Wolken durchreiſet hab / widerum einen hellen Proſpect / oder weite außſicht vor mir gehabt. Es hat mich diſere wolkichte außdaͤmpfung erinneret an die ſichtbare außrauchungen unſerer Fluͤſſen / und auch Felderen / welche gewahret werden zu anfang des Winters / wann nam̃lich die aufſteigenden Duͤnſte durch die kalte Luft verdickeret / gleich unſerem eigenen Athem / ſichtbar werden / welche in Sommerlichen und an - deren warmen Tagen ſich zertheilen / und auß unſeren augen ſich verlieren. Jn mehrerem nachdenken habe mir ſelbs die Fragen vorgeleget / welche auch andern zueroͤrteren uͤberlaſſe / ob nicht bey diſen unſeren Bergwolken koͤnnege -38gewahret werden ein ordenlicher Kreißlauff der Waſſern? und ob nicht wahr - ſcheinlich / daß die Goͤttliche Vorſehung auch unter anderem die Berge zu dem ende auf die Erde geſetzet / das ſie dienten an ſtatt groſſer Kaminen / durch wel - che die Duͤnſte in groͤſſerer Maß auß dem Eingeweid der Erden außrauchen koͤnnen / als durch ebene Felder / und Waſſer / weilen oft die flaͤche eines einigen Bergs gleich groß iſt mit der ebenen Flaͤche eines ganzen Lands? Hierauß koͤnte man ſchlieſſen / daß gleich wie unſere Eidgnoͤſſ. Gebirge die jenigen Waſ - ſer / welche dem meiſten Europæ durch groſſe Fluͤſſe zuflieſſen / ſamlen und auß theilen / gleicher geſtalt koͤnnen genennet werden ſamlere / und außſpendere der Wolkẽ / eines edlen / uͤberauß nuzlichen / nohtwendig〈…〉〈…〉 Geſchoͤpfts. Gewißlich / wann wir die Natur nicht mehr / wie vorhin / mit blinden / ſondern offenen Augen anſehen / finden ſich aller Orten genugſame Proben einer unbeſchraͤnk - ten Macht / unendlichen Weißheit / und unverdienten Guͤte gegen uns Erden - bewohnere / die wir die Geſchoͤpfte Gottes gemeinlich anſchauen / wie Roß und Maulthier / die keinen verſtand haben. Jch komme widerum auf den Weg / welchen mir die Wolken zeigen / und gewahre / daß die Einwohnere der hohen Gebirgen nicht nur auß dem ſteigen / und fallen der Wolken urtheilen von dem Wetter / ſondern auch auß ihrer farb / geſtalt / beſchaffenheit: Sind ſie zertheilt / duͤnn / weiß / leicht / ſo daß ſie leicht in die hoͤhe fahren / ſo werden ſie genennet trockene / Heuwetter-Nebel / weilen ſie ſchoͤnes Wetter anzeigen: Sind ſie hergegen dick / ſchwer / und laſſen ſich nicht leicht von der Erden auf / ſo zerfallen ſie in Regen. Mit diſem / was von dem urſprung der Wol - ken geredt / kan verglichen werden das / was in denen Nordiſchen Gebirgen war genommen / und denen Novis Literariis Maris Balthici A. 1703. p. 83. ein verleibet hat M. Joach. Frid. Creitlovv, Pfarꝛer zu Rommeleden in Weſter-Gothland.

Von den Gemßthieren.

WJt ſtillſchweigen wil uͤbergehen alles das jenige / was von diſer art Thieren zu finden bey anderen Natur-beſchreiberen / als Conrado Geßnero, Ulyſſe Aldrovando, &c. und nur allein den cu - rioſen Leſer aufhalten bey deme / was anderſtwo gar nicht / oder falſch / oder nicht in genugſamer Erlaͤuterung anzutreffen.

Von ihrer Feſtigkeit

Machen vil weſens die Berg-Jaͤger. Einiche derſelben halten ſie vor feſt / wann ſie morgen nuͤchtern / und fruͤhe vor der Sonnen-Aufgang / eſſenvon39von der Gemßwurz / inſonderheit von derjenigen art / welche blaue Blumen habe. Da aber denen Kraͤuter-verſtaͤndigen keine andere gattung Doroni - ci, oder Gembswurtz / bekant / als die mit gelben Blumen / ſo das vermuthe / es moͤchte die blaugebluͤmte Gembswurtz anders nichts ſeyn / als ein Aſter al - pinus flore cœruleo, oder Blaues Berg-Sternkraut / deren es verſchie - dene Arten gibt auf hohen Alpen. Andere halten ſie vor ſchußfrey / wann ſie in ihren Maͤgen haben ſo genante Gemskuglen / oder Ægagropilas, dannenher auch diſere Kuglen mit groſſem Fleiß aufgeſucht / und getragen werden von Aberglaͤubiſchen Soldaten. Diß ſagen die Jaͤger bald einhellig auß / daß diejenigen Thiere / welche Kuglen in ſich haben / zwar nicht ſchußfrey ſeyen / aber einen harten / langſamen tod außzuſtehen haben / und ihnen etliche Kuglen muͤſſen in den Leib gejagt werden / ehe ſie davon fallen / ſo daß ſie auß diſer ihrer Lebens haͤrtigkeit gleichſam vor gewiß ſagen koͤnnen / welche Gem - ſe Kuglen haben / oder nicht. Und kan wol ſeyn / daß eine gewiſſe bezoardi - ſche in denen Gembskuglen befindliche kraft diſer Thieren Gebluͤt ſo lebhaft / die Geiſter ſo beweg-empfindlich / und die Zaͤſerlein ſelbs ſo ſtark machet / daß ſie daher dem tod laͤnger widerſtehen koͤnnen / als andere. Wann man uͤber diß in betrachtung ſetzet die dicke der Haut / den weiten ſtand des Jaͤgers / die verſchiedenheit der Wunden / da die einte Kugel kan ſchaͤrfer und toͤdlicher verwunden / als eine / oder mehr / andere / die raͤuche der kalten Luft / durch wel - che die ganzen Leiber der Gembsthieren zuſamen gezogen werden / und gleich - ſam erharten / ſo lafſet ſich wol auß natuͤrlichen urſachen etwas ſchlieſſen von dem harten Leben diſer Thieren / hingegen auch urtheilen von derjenigen Mei - nung / welche den Gembſen eine foͤllige feſtigkeit zuſchreiben / oder gar die zart hautichten Menſchen / Officier / oder Gemeine / bereden wollen / das auch ſie vor dem Schuß ſicher ſeyen / wann ſie / wil nicht ſagen von einer Gembskugel nuͤchtern eſſen / ſondern nur eine ſolche bey ſich tragen; da etwan eine ankom - mende matte Kugel durch keine / oder geringe / Hautverletzung die Lebensbe - gierige Menſchen in ihrem wohn kan ſtaͤrken.

Von denen Gembs-leckinen / oder Sulzen.

HJervon ſchreibt unſer Conrad Geſſner in ſeinem Thierbuch p. 63. b. alſo: die Gemſe ſamlen ſich gmeinklich bey etlichen ſandaͤchtigen Felſen / laͤckend das Sand / reiben ihr Zung und Rachen damit / machen ihnen ſelbs alſo begierd zu eſſen / alß ob es Salz waͤre / werden auß der urſach von den Jaͤgeren und Einwohneren der Landen Sul -zen40zen genamſet: bey ſolchen Sultzen hinderhalten und verbergen ſich die Jaͤger mit ihren Buͤchſen und Geſchuͤtz / ſo dañ die Gemſen nach gewohnheit herzu - traben / ſchieſſen ſie es unbewarter ſach zu tod. Deme iſt alſo / wie Geſſner ſchrei - bet. Hin und wider auf denen hohen Alpen finden ſich dergleichen ſandichte Felſen / die alſo von denen Gemszungen außgeſchabẽ ſind / daß man gewaltige Schrammen oder hoͤlinen darinn ſihet: Die Puͤndtner heiſſen ſolche Ort Glaͤck; andere nennen ſie Sultzen / Sultzlaͤckinen / Laͤckinen. Diſe Fel - ſen ſind nicht / wie einiche wollen / oder ſehr ſelten / ſalzicht / ſondern nur ſan - dicht / und urtheilet Geſſner ganz wol / daß dergleichen Sultzen den Gemſen dienen zu vermehrung der Eſſensluſt / oder auch / wie er im Lateiniſchen Exem - plar meldet / zu abloͤſung des Schleims / der ihnen moͤchte am Gaumen kle - ben: ich ſage noch uͤber diß / zu befoͤrderung der daͤuung. Bekant iſt / wie die Voͤgel allerhand Sand - und Kiſelſteinlein inſich ſchlucken / zu keinem an - deren end / als damit die harten Saͤm - und Koͤrnlein dardurch zwiſchen ihrem ſtarken Magen / als zwiſchen Muͤlleſteinen zermalmet / deſto eher und beſſer in einen Nehrſaft gekochet werden. Nun iſt bekant / daß die Wider - kaͤuende Thier / under welchen auch die Gemſe / keine Zaͤhne haben in dem oberen Mund / folglich die eingenom̃ene / meiſtens trockene / lange und zaͤche Speiſen nicht wol koͤnnen zerſchneiden / weßwegen / damit gleichwol auß ih - nen ein guter Nahrungs ſaft bereitet werde / dergleichen Thiere von dem Schoͤpfer begabet worden mit einem uͤberauß kunſtlichen vierfachen Magen / aber auch mit einer eingepflanzten luſt / vom Salz oder Sand einzuſchluken / und alſo den mangel der Koch-Jnſtrumenten darmit zuerſetzen; wie wir dann ſehen / daß die Kuͤhe / Geiſſen / und alles uͤbrige Hornvithe / von allen vor - kommenden / ſonderlich Salpetriſchen Mauren mit groſſer Begierd ſchaben / und das abgelekte einſchlucken. Diſes vortheils muͤſſen ſich die Gemſe be - dienen um ſo vil deſtomehr / weilen ihnen niemand Saltz vorſtrecket / und ſie ſich ſonderlich zu Winterszeit an ſtatt der Speiſe bedienen trukener / zaͤher / Kraͤuteren und Wurzen.

P. S. Bey anlas eines Mond-hoffs / oder Rings / ſo den 2. April abends um 9. und 10 uhr geſehen worden / und darauf erfolgten / Wind und regnichter Kaͤlte / beliebe der geehrte Leſer zu bemerken / wie ſich bekraͤftige das / was N. 1. pag. 4. von dergleichen Mondes - Ringen und ihrer bedeutung gemeldet worden.

An -41N. 11.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von der Gems-Jagd.

ES iſt diſe eine der beſchwerlichſten / und zugleich gefaͤhrlichſten / Jag - den / bey deren der Jaͤger keinen fleiß muß ſparen / keine muͤhe ſich dau - ren laſſen / die Stell - und bewegungen der Thieren wol in acht neh - men / Froſt / Hitz / und andere ungemach außſtehen / ja gar oft in Leib - und Le - bens-gefahr ſich begeben. Keine Hunde nuͤtzen ihn etwas / er muß den Jaͤger und Hunde zugleich verſehen. Seine außruͤſtung beſtehet in einem rauchen Kittel / Geſchoß / Pulver und Kuglen / einem Raͤnzlein mit etwas gedigenem Fleiſch / oder Kaͤſe / und Brot / verſehen / und einem bar Schuheiſen / welche er kan an den ganzen Schuh anlegen / und damit uͤber die gaͤhen / abhaldigen Felſen / oder uͤber die Gletſcher kletteren. Seine Wirthshaͤuſer ſind die Sennten / in denen er Milch und Milchſpeiſen antrift zu ſeiner erlabung / und da ſeinen Außſpan / oder Nachtherberg nimmet / auf bloſſer Erde / oder / wann es wol gehet / auf dem Heu ſchlaffende. Oft geſchihets / daß er mor - gens außgehet auf die Jagd / und entweder gar nicht mehr naher Hauß kom - met / oder ganz zerfallen dahin getragen wird; oft ſtuͤrzet er ſich in ſolche ungeheure tieffenen uͤber Felſen und Berge herunter / daß man ihne nimmer findet; Oft ſchieſſet er ein Gewild von hohen Klippen herab / oder er erſchre - ket die auf hoͤchſte Felſen getriebene Gemſe durch loßbreñung eines Geſchoſſes in freyen luft ſo ſehr / daß diſe forchtſame Thiere durch verzweifelte ſpruͤnge ſich ſelbs den Hals brechen / und in ſolche Bergkluften hinunter fallen / da ſie ohne groͤſte Lebens gefahr nicht koͤñen herauf geholet werden / oder gar muͤſſen ligen bleiben / und verfaulen / daß ſie der Jaͤger entweder nicht findet / oder nicht darff ſuchen. Etwan tragt es ſich zu / das ein oder vil Thiere in ſolche enge getriben werden von dem ſchlauen / an einem kaum viertelſchuͤhigen engen Paßſtehenden Jaͤger / daß ſie vor ſich nicht weiter kommen / hinter ihnen aberihren42ihren Todfeind vorſich ſehen / der ihnen den Rugkweg abſchneidet. Jn diſem fall braucht es bey dem Birger / (dann alſo nennet man an verſchiedenen Or - ten die Gemsjaͤger) groſſe klug - und herzhaftigkeit; weilen das verzweifelte Thiere ihne leicht kan anfallen / und uͤber die Fels-wand abſtuͤrzen. Bey ſo gefaͤhrlicher begegnuß leget er ſich entweder der laͤnge nach zu boden / damit die Gemſe uͤber ihne hinuͤber ohne anſtoß koͤnnen ſpringen / und ſo ihr eigen / und ihres Feindes leben retten / oder er ſtehet aufrecht ſo nahe an der wand als moͤglich / damit das Thier / wann es keinen raum zwiſchen dem Jaͤger und der Wand merket / auſſer ihme muͤſſe vorbey ſpringen / da er dann den Vortheil ergreift / und dem voruͤber ſpringenden Thiere einen ſtoß gibt / das es ſich ſtuͤrzen muß: Wo aber das Gems zwiſchen dem Jaͤger / und dem Felſen / einen kleinen ſchlupf findet / da tringt es ſich hinein / und ſtuͤrzet ihne hinunter / daß der dem Gems eine Gruben gegraben / nun ſelbs darein gefaͤl - let wird. Hiervon hat folgende Reimen gemacht Raͤbmañ. Geſpraͤch von Berg. p. 458.

Das Stein-Wildpret ſteigt uͤberhoch /
Oder ſteht in ein Felſig Loch /
Und uͤber hoͤchſte Felſen ſpringt
Mit Lift der Jaͤger nach her tringt /
Und wann er mit geſchwinder Hand /
Ein Gems getriben an ein Wand /
Daß ſie nicht weiter weichen kan /
So fahet ſie zu traͤhnen an /
Und plerꝛet doch / und wiſplet nicht /
So aber ung’ferd ſie durchſicht
Zwiſchen dem Jaͤger / und der Wand /
Mit ſtarkem ſprung ſie durchhin rant /
Und ſtuͤrzt den Jaͤger in das Thal
Zuſeinem gwiſſen Todesfall.
Wird aber mit fuͤrſichtigkeit
Das Gemsthier an dem Orterleit /
So falt es oft ab Felſen hoch /
Da d’heut gemeinlich ganz bleiben noch.
Jch43

Jch melde endlich nicht ohne entſetzen einen gefahrlichen Vortheil / deſ - ſen ſich die Jaͤger etwan zurettung ihres Lebens muͤſſen bedienen / vor wel - chem mancher Schwindelkopf ſolte ſchaudern. Es kan ſich zutragen / daß ein Jaͤger ſich ſo weit verſteigt / daß er faſt weder hinter-noch vorſich kommen kan / und ſein Leben zuretten genoͤhtiget iſt durch einen Wag-ſprung / bey de - me er keinen mehreren Anſatz hat / als ein halbe oder ganze Hand breit her - vorꝛagendes Felſenſtuck. Jn diſer aͤuſſerſten Gefahr wirft er ſein Geſchoß von ſich / zeuhet die Schuhe / denen er wegen ſchlipferigkeit nicht trauen darf / aus / ſchneidet ſich mit dem Meſſer in die Ferſen / oder Ballen des Fuſſes / damit das hervor wallende Gebluͤt ihme an obgemeldtem Felſichten Vorſchuß die - nen koͤnne an ſtatt eines Leims / welches den Fuß an den Felſen feſt / ohne Ge - fahr des ſchlipfens anhalte; Dann ſetzet er Mañhaft an / und waget den Sprung.

Was ſonſten die Reglen / welche ein Gems jaͤger in acht nem̃en muß / betrift / beſtehen ſelbige in folgenden ſtucken. Wañ er diſen Thieren nachgehet / ſo gibt er achtung auf den wind / daß der nicht den Geruch des Jaͤgers / oder eigentlich zureden die von ihme außduͤnſtende ſubtile Theilchen hintrage zu dem Gems / welches einen uͤberauß zart-empfindlichen Werkzeug des Geruchs hat / und bey geringſter merkung des Jaͤgers / oder bey ihme tragenden Pulvers ſich alſobald wurde darvon machen. Weiters giebet der Gemſen-wie ein an - derer Jaͤger achtung auf die zeit und Orte / da ſich die Gemſe gemeinlich wei - den / oder ſonſten einfinden / als zum Exempel dienen koͤnnen oben beſchriebe - ne Gems-Sulzen / oder Laͤckinen / bey denen ein Jaͤger kan paſſen / und oft manches Thier faͤllen. Ein merklicher Umſtand iſt auch diſer / daß die Gem - ſen ſich nicht wagen auf das beſtaͤndige glaͤnzende Eis / oder Gletſcher; wañ ſie hiemit koͤnnen von dem Jaͤger dahin getrieben werden / daß ſie ent - weder ſich muͤßten ſalvieren uͤber das Eis / oder dem Jaͤger in die haͤnde fal - len / ſo laſſen ſie ſich eher in ſolcher enge niderſchieſſen. So hat vor wenig Jahren Joͤrg Schaͤni / ein guter Jaͤger von Nuffenen im Rheinwald bey einem gar groſſen Gletſcher des hinderen Rheins innert einer ſtund drey Gems-Thiere / eins nach dem andern / erſchoſſen. Sind die Gemſen noch ſo jung / daß ſie ihren in der flucht begriffenen Elteren nicht folgen koͤnnen / ſo fanget ſie der Jaͤger lebendig / und fuͤhret ſie alſo mit naher Hauß; oder er bedient ſich / die jungen Gemſe / wann ſie mit geſchwindigkeit darvon lauffen moͤgen / zufangen / folgenden liſts. Wann er die ſaͤugende Mutter erſchoſ - ſen / leget er ſich auf die Erde nider / ſtellet die todte Mutter auf ihre vier Fuͤſſe /als44als ob ſie lebend were / und locket alſo die Jungen herzu / um ſie zu erhaſchen / und an dem Strick fortzuſchleppen; etwan iſt auch dieſer Liſt unnoͤhtig / indeme das junge Gems oftmals dem Jaͤger / als Patronen ſeiner todten Mutter / gleichſam wie ein freywilliger Sclav nachfolget / wo er hingehet. Bringet der Jaͤger ſeine lebendige Beute heim / ſo zeuhet er ſie auf / ernehret ſie mit Geißmilch / und machet ſie ſo zahm / daß ſie oft mit ihren Stief-Elte - ren / den zahmen Geiſſen / auf denen Alpen weiden / und ungezwungen wide - rum zuruk kommen; wiewol auch zuweilen diſe vermeint zahme Gemſe ihre Geſellſchaft verlaſſen / und widerum auf die hoͤchſten Gebirge lauffen / ſich widerum zu ihrer Art wilden Thieren zubegeben.

Von der Gemſen Lebens-art.

GLeichwie kein Thier ſo wild und ſcheu / daß es ſich wenigſtens zu ſeiner Art geſelle / alſo iſt es auch bewandt mit den Gemſen. Sie leben gern in gemeiner / und groſſer Geſellſchaft / theilen ihr Futter / welches ſie gleich als eine Beute muͤſſen in groͤſter unſicherheit wegſchnappen / ganz freundlich / damit ſie aber deſto ſicherer koͤnnen weiden / ſtehen ſie / wann der Jaͤgeren und Aelpleren auſſag zuglauben / auf guter Wacht / welche verſihet der Heerfuͤhrer ſelbs / den man das Vorthier / oder Vorgeiß nennet. Di - ſe ſtehet an einem erhoͤchten Ort / ſtrecket die Ohren / ſihet ſcharpf / indem die uͤbrige weiden / rings umſich / und gibt / wann ſie etwas verdaͤchtiges hoͤret / oder ſihet / mit ihrer pfeiffendẽ Stim̃e ein Zeichen / damit ſie ſich eilends in die flucht begeben. Es ſind aber auch die uͤbrige Gemſe nicht ſchlafferig / ſondern ſtrecken ihre Koͤpfe indeſſen / nachdem ſie zwey - oder dreymal von der Weyde gefreſſen / leben alſo diſe armſelige Thiere niemalen ſicher / als in ſtockfinſterer Nacht / und in mitten des Winters / da ihnen nicht beyzukommen. Dann ſie ihre Winterquartier haben nicht auf den hoͤchſten Berg-ſpitzen / auf wel - chen ſie im Som̃er umher ſpringen / ſondern in mitten der Alpen unter hohen vorꝛagenden Felſen / da ſie dann ſicher ſeyn koͤnnen vor denen herabfallenden Schneelaͤuwinen / und ſich ernehren theils von denen unter dem Schnee gruͤ - nenden Kraͤuteren / theils von Wurzlen / theils von Tannkrys. Es ſorgen die Gemſe das gan - ze Jahr hindurch nicht nur vor ihre ſelbs erhaltung / ſondern auch vor die Jungen / welche ſie nicht eher an geſahrlichen Klippen durchfuͤhren / als ſie des ſteigens gewohnt ſeyn: Etwañ muͤſſen ſie dieſelben beſchirmen vor dem Anfall der groſſen Stein-Geyren / welche auf die jungen Gemſe ſich urploͤtzlich herab laſſen / ſie mit ihren rauberiſchen ſtarken Klauen anfaſſen / und mit in die Luͤfte fortſchleppen / oder mit ihren ſchweren Fluͤglen alſo ſchlagen / daß ſie uͤber die Felſen abſtuͤrzen / und alſo nach dem Todesfall ihnen zu theil werden.

45N. 12.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schwetzer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von einer feurigen Luftgeſchicht / welche geſehen worden in Zuͤrich den 19. Aprel 1705.

NAchts / zwiſchen 10. und 11 uhren / gewahrete man eine einsmalige hei - tere in der Luft / auf dem ganzen Horizont / oder ſo weit man um ſich ſehen mochte / welche gewaͤhret hat ohngefahr eine vierthel Stund / vor und nach welcher es finſter geweſen: Einiche vermeinten / es moͤchte ir - gendwo eine Brunſt ſeyn. Es kan diſere Geſchicht eine Mittelgattung ge - nennet werden zwiſchen dem Wetterleuchten / und bruͤnnenden Himmel; (cœlum ardens, Chaſma) waͤhret ſie einen / oder wenige Augenblik / ſo wird ſie genennet Fulgur, oder Wetterleich / waͤhret ſie aber laͤnger / ſo heiſ - ſen es einiche einen bruͤnnenden / andere einen geoͤffneten Himmel / je nach - deme die Farb roth / und ſich nach einer gewiſſen gegne zeuhet; andere Jgné diviſum, vel ſparſum, ein zertheiltes / außgebreitetes / ſubtiles Feuer. Von ſolchen Geſchichten kan geleſen werden / Plin. Hiſt. Nat. Lib. II. cap. 22. 28. 57. Corn. Gem. Coſmocrit. Lib. l. cap. 6. & Lib. 2. cap. 2. an - dere mehr / deren Hiſtorien diß ohrts einzufuͤhren unnoͤthig erachte / gleichwie nothwendig befinde diſere gegenwertige Geſchicht / und daruͤber waltende ge - danken zu beleuchten mit anderen Vatterlaͤndiſchen Hiſtorien.

A. 1560. den 28. Dec. erſchiene nicht nur ob der Statt Zuͤrich / ſonder faſt ob ganz Teutſchland / fruͤhe / ohngefahr dritthalb ſtund vor tag / oder der Sonnen aufgang / am Himmel ein ungewohnte Roͤthe / faſt Blutfarb / die that ſich auß weit und breit / mit 3. oder 4. weiſſen Strichen gleich den Wol - ken unterſcheiden / man koͤnt auch die Sternen dadurch ſehen / diſes erſchrekt vil Leuth hin und wider / daß man vermeint / es were ein Brunſt Um Mitter - nacht / als diß Geſicht gegen Tag erſchienen / iſt man zu Zuͤrich eines Erdbi - dems gewahr worden / welches der Waͤchter auf St. Peters Thurn / wieauchauf46auf dem Muͤnſterthurn geſpuͤrt / bey erſchuͤttung der Fenſteren; So hat ein Baur ohnlang vor der Morgenroͤhte geſehen einen Glanz von vilen Far - ben auß dem Erdreich aufgehen / etliche habens geſehen wie eine Feurkuglen. Joh. Haller. Chron. MSC. Lib. 33. c. 6. Vrſtis. Chron. Baſil. Lib. 8. c. 25. Hiervon ſol ein beſondere Beſchreibung in truck gegeben haben Joh. Acronius, Friſius, Prof. Baſ. und Conradus Geſſnerus unter dem Na - men Conradi Boloveſi. A. 1572. d. 12. Jan. hat man nicht allein zu Zuͤ - rich / und in der Eidgnoſchaft / ſondern auch in Teutſchland / Frankreich und Jtalien den Himmel bruͤnnen geſehen; Es war von Mittnacht bis um 2. uhr / ſo heiter als wann der Mond ſchiene gegen Aufgang / und gegen Mitt - nacht ſahe man ein herꝛliche liechte Wolken / auß welcher etlich Stral und Blitz gen Himmel fuhren. Haller. Chron. Mſc. L. 38. c. 1.

A. 1580. d. 10. Sept. Abends um 8. uhren hat ſich zu Zuͤrich ein unge - wohnte heitere / oder Tagsſchein am Him̃el ſehen laſſen / mit erfolgten feurigen roͤhte / welche auch im Glarner Land / und an vilen Orten Zuͤrich Gebiets geſe - hen / und vor eine Brunſt gehalten worden. Haller. Chron. Lib. 41. c. 5.

A. 1582. den 6. Mart. um 7. uhr nachmittag war der Himmel aller - dingen Blutfarb gegen dem Zuͤrichberg; es zoge ſich diß Zeichen hernach uͤber die Statt / und um 8. uhren gegen Baden: Den letſten Merz ſahe man widerum den Him̃el bruͤñen / und ſahe er auß / als wann zwey Heerzeug gegen einanderen zugen. Jn diſem Jahr graſſierte die Peſt. Haller. Lib. 43. c. 1.

A. 1583. den 2. Sept. und 1584. den 19. Febr. ſahe man auch in der Statt und Landſchaft Zuͤrich den Himmel bruͤnnnen. Haller. Lib. 44. c. 2.

A. 1585. den 25. Nov. ſahe man den Him̃el feurꝛoht / des tags vor - her waren erſchrockenliche Windſtuͤrme / welche ſonderlich zu Solothurn groſſen ſchaden thaten. Hall. Lib. 44. c. 9.

A. 1621. den 2. 12. Sept. hat man gegen Norden / von 9. uhr abends bis um 4. des morgenden Tags durch die ganze Eidgnoſchaft geſehen eine groſſe heitere / gleich der Morgenroͤhte / welche ſich auch in weiſſe / und dunkle Strich gezogen. Wagner. Helvet. Curioſ. p. 365.

A. 1672. den 24. Jan. Hat ſich vor Schlieren uͤber jenſeit der Lim - mat / abends um 9. uhren ein groſſes Feurzeichen erzeigt / worauf man ſturm gelaͤutet / in der Meinung / der Brunſt zuzulauffen; Jndeſſen iſt diß Zeichen der Limmat nach hinauf fortgerukt / und endlich verſchwunden. Jſt auch allhier abends um 10. uhr geſehen / und fuͤr eine groſſe Feursbrunſt gehal - ten worden. Ex Archiv. Antiſtit. Tigurin.

A. 1704. den 4. Nov. um halbe fuͤnfe morgens iſt auch ein Hell -leuch -47leuchtender Himmel gewahret / und aber alſobald darauf ein ſtarker Erdbi - dem in der Statt und Landſchaft Zuͤrich geſpuͤrt worden. Anderer Geſchich - ten / welche A. 1602. den 10. Jun. 1621. den 24. Jan. und 1623. den 20. Mart. geſehen worden / zugeſchweigen.

Wir find nun begirꝛig zu wiſſen nicht nur / das und wann ſich ſolche Luftgtſchichten zugetragen / ſondern auch / wie / und wo ſie geſchehen / ins be - ſonder aber / was es vor eine bewandtnuß und Bedeutung habe mit derjeni - gen / welche juͤngſtens gewahret worden. Die Natur forſcher ſagen kurz / daß dergleichen Geſchichten entſtehen auß Schwefelichten / in der Luft entzuͤnde - ten Duͤnſten / ſehen hiermit vor den Zeugungs-ohrt an die ob der Erden ſte - hende Luft. Jch meines Ohrts / wann ich betrachte die lange Waͤhrung / und andere Umſtaͤnde / unterſcheide den Ohrt der Zeugung von dem Ohrt der Erſcheinung / und mache hieruͤber folgende Gedanken; es werden bemeld - te Duͤnſte angezuͤndet in denen Unter-irꝛdiſchen Kluͤften und Gaͤngen / bre - chen aber durch die Erden Rinde an einem / oder vilen Ohrten / auf einmal / oder allgemach auß / und beleuchten die Obere / von uns ſichtbare Luft / bis ſie verſchwinden / oder außloͤſchen. Jſt die angezuͤndete Materi nicht ſon - derlich haͤuffig / ſondern gering / und die Erdenloͤchlein offen / ſo gibt es einen geſchwinden glanz / gleich einem Blitz: Jſt ſie aber haͤuffig / und doch nicht mit vilen Salpetriſchen Theilen begleitet / ſo daß ſie auf einmal nicht durch die aͤuſſere Erden tringen mag / ſondern allgemaͤchlich paſſieren muß / ſo waͤh - ret diſer helle Schein eine vierthel ſtund / wie der vorhabende / oder eine gan - ze / oder mehr ſtunden. Sind die ſchwefelichte Duͤnſte untermenget mit vi - len Salpetriſchen ſo geſchihet der Durchbruch gewaltſamlich / und wird be - gleitet mit einem Erdbidem / wie A. 1560. und 1704. gewahret worden. Eben diſere zwey Hiſtorien / nebſt dem umſtand der zeit machen mich glau - ben / was ich ſchreibe. Niemand wird ja ſich einbilden / daß der helle Schein / ſo unmittelbar dem Erdbeben A. 1704. vorgegangen / ein gemeines Wetter - leuchten geweſen / und nicht mit der Erd erſchuͤttung ſelbs eine genaue Ge - meinſchaft gehabt habe: und gehet ſchwer her zu faſſen / wie bey kalter Win - terszeit die ſchwefelichte Duͤnſte in der Luft koͤnnen entzuͤndet werden? Weß - nahen die meiſten Winter-Blitze von jez erzehlter art zuſeyn mir vorbilde / anderen gleichwol ihr freyes urtheil auch uͤberlaſſe: denen aber zubetrachten vorlege die natuͤrliche / bey allen heutigen Naturforſchern beliebte / verglei - chung der Erdbidmen mit denen ſo genanten Minen / wie nam̃lich die Erd - beben entſtehen von entzuͤndeten ſchwefelichten / Salpetriſchen / und andernUnter -48Unter-irꝛdiſchen Duͤnſten / wie auch oftmals in dem Neapolitaniſchen / und in Sicilia mit dem Erdbidem zugleich auß der Erden fahren wuͤrkliche Flam - men / nach der Zeugnuß Taciti Lib. II. Annal. Senecæ Lib. VI. Quæſt. Nat. cap. 4. und viler heutigen Natur - und Geſchichtſchreibern. Es liget nicht wenig an vernunftmaͤſſiger unterſuchung der eigentlichen zeugung diſer Feurigen Luftgeſchichten / wañ man wil reden von derſelben Art / Wirkung / und bedeutung. Gemeinlich haltet man darvor / ſie bedeuten mehrere Kaͤl - te / ich kan aber nicht ſehen / warum / wann nicht darvor gehalten wird / daß bey außbrechung des Unter-irꝛdiſchen Materialiſchen / oder Formaliſchen Feuers / welches bis dahin die obere Erden-rinde gleich einem Oftn etwaͤrmt / auch die waͤrme mit außgeflogen / und ſonderlich die Gewaͤchſe der wirkung des Schnees und Froſte deſto bloſſer uͤbergebe. Einmal gewahret Halle - rus, daß auf das Feuergeſicht A. 1560. gefolget ſeye eine grauſame Kaͤlte / welche gewaͤhret hat von anfang des Winters bis in mitten des Aprilis 1561. mit vilem und groſſem Schnee / das beynahem alle Waſſer uͤberfro - ren / auch gar der Rhein zu Baſel ob der Rheinbruken beſtanden / welches vorhin unerhoͤrt war. Ob aber diſe Kaͤlte A. 1561. herꝛuͤhre von der Feuer - geſchicht / ſo bereits vor einem Jahr geſehen worden / kan ich noch nicht be - greiffen / vilweniger wolte mich unterſtehẽ zu propheceyen / daß der naͤchflkoͤnf - tige Winter / ſo auf A. 1706. zuerwarten / auch werde von ſo grim̃iger Kaͤlte ſeyn. Und wann auch diß erfolgen wurde / ſo hetten wir die Schlacht noch nicht gewunnen / weilen bevorſtehender Winter auß anderen zufaͤlligen ur - ſachen koͤnte kaͤlter ſeyn / als ein anderer / und bey anderen wichtigern Exem - plen bekant / wie leicht und oft man begehe fallaciam non cauſæ ut cauſæ, oder eine ſach vor die urſach einer wirkung anſehe / welche es aber nicht iſt. V[i]lmehr laſſet ſich muhtmaſſen / daß auf dergleichen außgebrochene Feuer folgen koͤnnen ſchwere / auch anſteckende / Krankhei - ten / und koͤnte wol ſeyn / daß die Halswehe / und Fluß Fieber / welche an vilen Ohrten der Eid - gnoſchaft ſint dem vergangnen Herbſt graſſiert / und etwas giftiges mit ſich gefuͤhrt / eine wir - kung ſind anderer Neben urſachen / ins beſonder aber des Erdbebens / welches wir geſpuͤrt im Nov. 1704. und dabey außgebrochener allerhand ungeſunden Duͤnſten / welche wir mit einathmen in uns ſchlucken muͤſſen; Gleichwie auf vil dergleichen Feurzeichen ſo ge - ſehen worden A. 1580. 1581. und 1581. erfolget eine Peſt Was auf die letſte Geſchicht folgen werde / ſtehet zuerwarten / der hoͤchſte wende gnaͤdig ab alles ungluͤck. Zu vermuthen iſt / daß diß Jahr ſeltſame Luft - und andere Natur-Enderungen zugewarten / auß bereits ge - ſchehener erſcheinung zweyer Mondhoͤfen; des letſten Feurszeichens; auch eines Rings um die Sonn / welcher geſehen worden den 15. April diß lauffen den Jahrs zu Schwanden im Glarnerland: Jch buͤte mich indeſſen ſorgfaͤltig vor gewiſſer propheceyung deſſen / was geſchehen koͤnte / mich vergnuͤgend an deme / wañ die in der Natur wirklich geſchehene dinge kan lehrnen zuſamen fuͤgen / und ſo einen weg bahnen / auf deme nach und nach koͤnnen auß gegen - wertigen / und vergangenen Natur. Geſchichten auch koͤnſtige vorgeſagt werden.

49N. 13.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von dem Pfefers-Bad.

ES ligt diſes koſtbare Bad / in Latein Thermæ Favarienſes, Fava - riæ, Favarianæ, Favorinæ, Piperinæ genant / in der Grafſchaft Sargans / gehoͤret eigenthumlich zu dem Gottshauß Pfefers / aber unter der VII. Alten Ohrten Bottmaͤſſigkeit, in einer tieffen Berg - Kluft / gleich dem Gold / und Edelgeſteinen / welche gemeinlich entweders in tieffen Bergwerken / oder harteſten Felſen eingeſenket ſind / von dannen ſie nicht koͤnnen hervor gezogen werden ohne groſſe muͤhe und koͤſten. Und hat diß edle Waſſer wol verdienet / daß es von verſchiedenen Alten und Neuen Scribenten in beſonderen Tractaͤtlein beſchrieben worden / als von Johan - ne Abiß, Zacharia Damur, Joh. Kolvveck, Theophraſto Paracel - ſo, Mich. Raphaele Schmuzio, Auguſtino Stöcklino, Matthæo Zimmermann, ſonſten aber in anderen groͤſſeren Werken von Guler Rhæt. Lib. VI. Sprecher Pall. Rhæt. Lib. III. pag. 59. Stumpf. Chron. Helv. Lib. X. Tſchud. Rhet. Alpgeb. Wagner. Helv. Curios. p. 91. Hierauß iſt leicht zu erſehen / daß mein dißmaliges vorhaben nicht iſt / das / was jezt bemeldte Herꝛen geſchrieben / abzueopieren / und damit dem ſonſt goͤnſtigen Leſer verdrießlich zufallen. Es wurde diß auch nicht zulaſſen der enge / in einem halben / oder ganzen Bogen eingeſchloſſene raum; welchen deßwegen außzufuͤllen willens bin mit einichen zwar bekanten / gleichwol noͤ - tigen / und aber auch mit anderen neuen / von eigener Erfahrung herhaben - den / und denen Liebhaberen diſes Waſſers ſonderbar dienſtlichen ſachen.

Obgleich diſere Waſſerquell eingeſenket iſt in einer tieffen Berghoͤle / ſo habe doch vermittelſt meines Wetterglaſes / in einer A. 1704. alldort ge - haltenen Cur befunden / daß ſie uͤber unſere Statt erhoͤhet 700. bis 800. Zuͤ - richer Schuhe. Es ſcheinet zwar diſere Obſervation von geringem Nuzenſeyn /50ſeyn / ob ich wiſſe / wie hoch diſes Bad lige in anſehung unſerer / oder anderer Eidgnoͤſſiſchen Staͤtten; ſie gibet mir aber anlas zu folgendem vernunft - urtheil / welches ſich gruͤndet auf die geſunde Lehr der Natur-wiſſenſchaft / und denen Trink - und Bad-Gaͤſten einen herzhaften Muth machet / die Cur mit freuden anzuheben / und zu erwuͤnſchtem Zweck zubringen. Weilen di - ſes Heilwaſſer ſo vil 100. Schuh uͤber unſere Zuͤrichiſche / und andere re - ſpectivè nidrigere / Lande / erhebt / ſo wird alldort die aͤuſſere Luft eine gerin - gere Trukkraft außuͤben auf unſere Leiber / und diejenige Luft / welche innert uns / in unſerem Gebluͤt / Aderen / und allen kleinſten Theilen enthalten / ihre außdehnkraft mit erfolgender deſto groͤſſeren wirkung zeigen / alle kleinſte blaͤß - und aͤderlein unſerer Leiberen erweiteren / worbey dann die ſonſt ſubti - len / haͤuffig eingetrunkenen waſſertheilchen deſto leichter koͤnnen alle aͤderlein durchgehen / den Kreißlauff aller Saͤften befoͤrderen / die hier und dort an den Waͤnden der kleinſten Roͤhrlein anklebenden ſchleimerigkeiten abloͤſen / und fortfuͤhren / folglich die verſtopfungen / welche der meiſten Krankheiten urſachen ſind / aufloͤſen / endlich die Geſundheit widerum erſtatten. Hierauß iſt leicht zu ſchlieſſen / das / wann die Trukkraft der aͤuſſeren Luft noch mehr durch die eingeſchloſſene waͤrme des Bads ſelbs geſchwaͤchet wird / die innere Luft deſto mehr ſich wird außdehnen / wie dann diſes erfahren die jenigen Badgaͤſte / welchen der ganze Leib geſchwillet / oͤfters in ſolcher Maß / daß die Haut moͤchte zerſpringen; worauf mehrmalen die beſte Geſundheit erfol - get. Auß bißherigen Fundamenten laſſet ſich ſchlieſſen / daß diſes Pfefers - Bad dienſtlicher / oder beſſer werde zuſchlagen uns Zuͤricheren / oder anderen in nidrigeren Ohrten wohnenden Schweizeren / und noch beſſer denen Teut - ſchen / Franzoſen / Jtalieneren / oder Hollaͤnderen / als denen anwohnenden Unterthanen der Grafſchaft Sargans / oder noch hoͤher ligenden Puͤndtne - ren: welches alles aber zuverſtehen iſt mit vorbehalt der Natur / Krankheit / Alters / und anderer Umſtaͤnden / welche einen jeden Menſchen ins beſonder angehen. Auß gleichem Grundſatz kan man urtheilen von oben angeruͤhm - ter geſunden Eigenſchaft aller Gebirgiſchen Waſſeren.

Fraget man von der eigentlichen Natur / oder Beſchaffenheit des Pfefersbads / ſo iſt zuwiſſen / das bis dahin bald alle Naturforſcher ſelbiges angeſehen vor ein Mineraliſches / oder ſolches Waſſer / welches verſchiedene Mineraliſche Theil in ſich halte / und kraft derſelben in dem Leib der Menſchen wirke; und ware man eher bedacht ſolche froͤmden Theil zubenennen / als aufzuſuchen. Fuchſius, Rulandus, und andere / ſchreiben diſem Waſſerzu51zu einen Schwefel / Salpeter / Kupfer / Eiſen und Gold. Thurneiſſer den Magnet / Gold / Kupfer / und Schwefel. Bruſchius Gold / und Kupfer. Abiß Eiſen / Geſiegelte Erde / Salpeter / nebſt dem feinſten Gold; deme auch unterſchreibet Zimmermann / welcher dem Goldiſchen Schwefel die vornem - ſte kraft zueignet. Die einige diſem Waſſer anerborne Waͤrme hat alle Scribenten glauben gemacht / daß gewiſſe Mineralien darinn ſich finden muͤſſen / weilen in ganz Europa kein Natuͤrlich warmes Waſſer iſt / das nicht Schwefel / oder andere Mineralien enthalte; diejenigen abſoͤnderlich / wel - che die Waͤrme der Baͤderen herleiten nicht ſo faſt von unter-irdiſcher waͤr - me / als von Zuſamenkunft widerwertiger alcaliſcher und ſaurer Theilen / und daher entſtandenem Jaſt. Es wird mir aber erlaubt ſeyn / gleich anderen Naturkuͤndigeren diſere Freyheit gedeyet / meine unmaßgebliche Gedanken dahin zueroͤffnen / das diſes Waſſer kein Mineralwaſſer zunennen / folglich von allen anderen Europeiſchen warmen Baͤderen zu unterſcheiden ſeye. Diſere meine muthmaßliche Meinung / damit ſie nicht vor eine eitele vernuͤnf - telung angeſehen werde / beſteiffe mit folgenden Gruͤnden. 1. Jſt es un - farbig / ohne einichen Geſchmack / oder Geruch / Cryſtalllauter / gleich dem rei - neſten Bergwaſſer; folglich auch 2. jederman gleich annehmlich / weilen darin keine ſchwefelichte / ſalzigte / oder anderſt geſtaltete Theile ſich finden / welche die Zung / als des Geſchmaktes Werkzeug / koͤnten empfindlich ruͤhren / oder den einten Menſchen mehr / den andern weniger / angreiffen. 3. Entſte - het keine aͤnderung auß anſchuͤttung allerhand fluͤſſiger / oder truckener din - gen / als da ſind das Scheidwaſſer / deſtillirter Efſig / Vitriol-Salarmoniac - Geiſt / Violenſaft / Erbfelenſaft; Obgleich man ſie einen oder zwey tag ſtehen laßt. Auß vermiſchung des in waſſer aufgeloͤßten ſublimierten Quekſilbers habe oben auf dem Pfeferſer waſſer wahrgenom̃en ein von Pfauenfarben ſchim̃erendes Haͤutlein. So auch nach angieſſung des Weinſtein-ſalzes / oder Oehls hat ſich erzeiget eine etwelche verdunklung / auf welche iñert etlichen Stunden ſich zu Boden geſetzet ein weiſſes Woͤlklein: Alſo hat auch eine geringe weiſſe dunklung verurſachet der Tartarus tartariſatus Ludovici. Diſes ſind aber ſolche aͤnderungen / welche von geringerem Gewicht ſind / und bald bey allen Gemeinen Berg - oder andern Brunnwaſſeren zuſehen. Und iſt uͤber diß zu gewahren / daß diſes Pfeferswaſſer zu einen zeiten eine mehrere aͤnderung zeiget durch die Chymiſche Proben / zu andern eine weni - gere / oder gar keine; welches bezeugen koͤnnen vil gelehrte und erfahrne Me - dici, ſo diſes Wunderwaſſer auf die Prob ſetzen / und erkundigen wollen. 4. Habe524. Habe ich durch mittel einer ſubtilen Waag befunden / daß diſes vorha - bende Pfeferswaſſer in gleichem Gewicht iſt mit dem Gebirgiſchen Brun - nen - auch faſt mit dem Regenwaſſer / worauß dann alſobald abzuneh - men / daß dariñ nicht enthalten froͤmde Mineraliſche Theil / deren gegenwart in anderen natuͤrlich warmen Baͤderen eine groͤſſere ſchwere verurſachet. Et - wan habe in 7. Quintlein warmen Pfeferswaſſer gefunden / das es um ein halbes / oder ganzes Gran leichter geweſen / als ſo es kalt abgewogen worden / welches dem in den loͤchlein enthaltenen verduͤnnerten Luft zugeſchrieben. 5. Gleichwie in andern natuͤrlich warmen Baͤderen man gewahret / daß ſich in die hoͤhe zeuhen einiche Schwefelblumen / das auf dem waſſer ſich zeiget ein weiſſe / oder gelbe Haut / welche man kan abnehmen / und troͤknen / das an de - nen Waſſergehalteren und Canaͤlen ſich anhenket ein Bad - oder Tugſtein / das endlich auch zu Boden ſich ſetzet ein weiſſe oder gelbe Erden / alſo ſpuͤret man hier dergleichen nichts.

Worzu aber / moͤchte einer ſagen / dienet diſe weitlaͤuffige vernuͤnfte - lung? Genug iſts / das diſes Heilwaſſer vortreffliche Wirkungen thut / ge - nug / wann wir uns deſſen zu unſerer geſundheit koͤnnen bedicnen; und un - noͤthig / das ich wiſſe / was vor theil diß Waſſer in ſich halte / oder / wie es in unſern Leibern wirke? Recht ſo / wann es gerahtet; genug iſts ja einem un - verſtaͤndigen Arzet / oder Arzney-ſtuͤmpler / das er ſeinen Patienten auf das blinde Gluͤck hin ſolche Badercuren einrahtet / und ligt ihme wenig daran / ob ſie gluͤklich außſchlagen / oder nicht. Ein verſtaͤndiger und gelehrter Ar - zet aber gehet gewiſſenhaft in die ſach / und gruͤndet ſein ein - oder mißrahten auf eine grundliche Wiſſenſchaft beides der Arzney / und der Krankheit: Er kennet des Menſchen Leib / und deſſen Verꝛichtungen / geſunden oder krank - nen Stand / er weißt wie die Geſundheit beſtehe (ins gemein zureden) in ge - wiſſer Beweg-vereinigung oder temperatur des Gebluͤts / und libriger feuch - tigkeiten des Leibs / in unverhindertem Einfluß der Geiſteren in alle Glieder / in dem tono, oder ſteiffen haltung aller feſten Zaͤſerlein / und endlich in dem Gleichgewicht aller ſowol fluͤſſigen / als trockenen und feſten theilen des Leibs; folglich die Krankheiten herꝛuͤhren von verderbter bewegung der Leibes - Feuchtigkeiten / und Geiſteren / in veraͤnderter ihrer geſtaltſame / oder beſchaf - fenheit / in vermehrten / oder verminderten Spannung der Zaͤſerlein / endlich auch in aufgehebtem gleichgewicht aller theilen des menſchlichẽ kunſtwerks / ꝛc.

P. S. Beſonder find zuhaben drey Kupferblatt von des Pfefersbads Loſament / Waſ - ſerleitung / und Quelle / ſamt derſelben erklaͤrung / à 3. ß.

TAB. II.

Das zweyte Kupferblatt bildet ab das Badhauß zu Pfefers / wie es angeſehen wird jenſeits des Bachs Tamina.

  • C. Stellet vor die endliche uͤberfuͤhrung des Waſſer-canals uͤber den Bach Tamina F.
  • D. Der Gang / auf welchem man hingehet zur Quelle.
  • G. Die Thuͤren / durch welche man kommet auf den Gang.
  • H. Die Waſſerꝛoͤhren / von welcher die Gaͤſte trinken / und dabey auf einem kleinen Laͤublein ſpazieren.
  • S. Das Badhauß / oder Loſament ſelbs / in welchem 5. Boͤden. 1. Der Oberſte. 2. Der Capellen Boden. 3. Der Kuchin Boden. 4. Der Laternen Boden. 5. Der unterſte.
  • T. Die Trinklaube / auf welcher die Trinkgaͤſte ſpazieren.
  • V. Die Bettler Kuchi.
  • W. Die Seite gegen Valenz.
  • Y. Die Seite oder Felſichte Wand gegen dem Kloſter.
  • X. Der Orth / wo die Baͤder ſind / und das Waſſer ablauft.
  • Z. Fuͤnf neben einander ſtehende Seeret.

TAB. III.

Das dritte Kupferblatt zeiget an / wie die Waſſerleitung an de - nen hohen und finſteren Feiswaͤnden / naͤchſt dem rauſchenden Taminna Bach fortgeſetzet / und die Canaͤle im Win - ter verſorget werden.

  • A. Jſt ein Bruͤcklein / uͤber welches die Canaͤle getragen / und abgelegt wer - den in die Hoͤle D.
  • B. Jſt die linke ſeite / worinn man zur Quell hingehet.
  • C. Die rechte Seite.
  • * Sind Balken / die in die Felſen ſelbs eingeſenket / auf welchen die Canaͤ - le / und der Gang ſelbs / ligen.
Tab. IV.

TAB. IV.

Das vierte Kupferblatt zeiget den Ohrt / da die Pfefersquell / und anfaͤnglich das Badhauß ſelbs geſtanden.

  • A. Jſt ein Felſe / innert deme die Quell entſpringt / welche vornem̃lich innert dem Thuͤrlein. B. Verwahret ligt / und durch unter-irꝛdiſche Ca - naͤle D. fortgeleitet wird in die groſſe den Felſen nach 600. Schritt weit gehende Waſſerleitung;
  • C. Hier tringet das Pfeferswaſſer auß der Erden / wann es haͤuffig iſt / her - vor / und lauffet ohne Nutzen in den Taminna Bach. F.
  • E. Ein ſchoͤner hoher Waſſer fall von dem Taminna-Bach / welcher ſich unter die Felſen verbirget / und bey F. widerum hervor tringet.
  • G. Jſt der Ohrt / da vor altem das Badhauß auf den Felſen geſtanden.
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(53)[53]N. 14.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von dem Pfefers-Bad.

WAnn nun ein verſtaͤndiger Arzet gleich einem erfahrnen Uhrenma - cher kennet den geſunden / und kranknen Zuſtand diſes von Gott ſelbs verfertigten Uhrenwerks / und die wirkung des Pfeferswaſſers auß ob eingefuͤhrten Gruͤnden herleitet nicht ſo faſt von unbekanten Mineralien / als von der lauteren Quell der natuͤrlichen / durchtringenden waͤrme / der ſub - til - und kleinheit aller theilen diſes Waſſers / ſo wird er auß diſem einfalten Grundſatz ohnſchwer faſſen koͤnnen / wie daſſelbe auſſerlich durch die Bad - oder innerlich durch die Trink-cur wirke / wie es durch den Magen in die Ge - daͤrme / durch diſe in die aͤuſſerſten Loͤchlein der Milchgefaͤſſen / und von dan - nen in das Gebluͤt durch alle kleinſten aͤderlein gehe / die hier und da ankle - benden ſchleimerig-irꝛdiſchen theil aufloͤſe / und außfuͤhre / folglich die Ver - ſtopfungen / welche der meiſten Krankheiten urſachen ſeyn / weghebe: Wie uͤber diß auch diejenigen zaͤchen Feuchtigkeiten / welche durch die innerliche Trinkcur nicht haben koͤnnen aufgeloͤßt / und auſſer den Leib gefuͤhret werden / durch die aͤuſſere Badeur weiters verduͤnneret / die Loͤchlein der Haut eroͤff - net / die Zaͤſerlin erweichet / die kleinſten aͤderlein auf oben erklaͤrte weiſe auß - gedehnet / und die fremden unnuͤtzen theil / theils durch den Schweiß / theils durch den Harn weggetriben werden / worbey anfaͤnglich zwar entſtehet mat - tigkeit der Gliedern / und andere etwan weit außſehende / und gefaͤhrliche Zu - faͤlle / hernach aber / wann die Cur zu end / oft auch erſt zuhauß / der ganze Leib widerum zu geſunden Kraͤften / und das Gemuͤth zu froͤlichen Gedanken wi - derkehret: Wer / ſage ich / die Natur und Wirkungen diſes Pfeferſiſchen Heilwaſſers auf ſolche weiſe mit vernuͤnftigen gedanken erwiget / eines jeden Menſchen / der ſeine Geſundheit zuerhalten / oder wider zubringen ſorgfaͤltig iſt / beſchaffenheit in betrachtung zeuhet / die Krankheiten kennet / dero urſachengrund -(54)[54]grundlich erforſchet / der wird mit deſto groͤſſerer Sicherheit ſolche Haubtcu - ren ſelbs unternemmen / oder unterlaſſen / anderen auch ein - oder abrathen. Die Application uͤberlaſſe denen verſtaͤndigen / in der wiſſenſchaft geuͤbten / und in der Practik erfahrnen Medicis / auß deren zahl außſchlieſſe die Stuͤm - pler Mann - und Weiblichen Geſchlechts / welche die ihnen unvorſichtig uͤber - gebene koſtliche Hinderlag des Menſchlichen Leibes nicht kennen / gleichwo - len etwan durch ſonderes gluͤk / und gefahrlichen Srreich curieren / mehrma - len aber auf eine unverantwortliche / oft moͤrderiſche / weiſe zu grund richten / wie wir deſſen leider bald taͤgliche Exempel haben.

Zum Beſchluß werde nicht nur dem curioſen Leſer vorſtellen eine Mah - leriſche dreyfache Zeichnung diſes Wunderbads / ſondern auch mit wenigem andeuten einiche da herum befindliche Merkwirdigkeiten der Natur.

Nahe bey dem Badhauß ſprengte man zu dem Neuen anſehenlichen Gebaͤu in dem Sommer A. 1704. einiche Marmorharte Felſen / in deren zwiſchenſpaͤlten ſich finden lieſſen einiche kleine Cryſtallen / aber auch in ihrer mitte einiche Muſchelſteine / nebſt dem ſo genanten Kuͤm̃iſtein / oder Lapide Frumentali Jmperati Hiſt. Natur. p. 579. welchen weitlaͤuffig beſchrie - ben in meinem Specimine Lithograph. Helvet. p. 30. unter dem Titel Lentes lapideæ ſtriatæ utrinque convexæ, vitreis figurâ ſimiles, in maſſa lapidea vario ſub ſchemate conſpicuæ, und auch vorgeſtellet von der 42. bis zur 48. Figur. Dergleichen Steine / weilen ſie nach der gemein - ſten und ſicherſten Meinung herkommen von der Suͤndflut / und deren ge - wiſſe anzeigen ſind / geben uns zuverſtehen / das zur zeit diſer allgemeinen Uberſchwemmung auch die jezt harteſten Marmor weich geweſen / ſo daß die Meer Muſchelen und Schnecken ſich in ſelbige domals lettichte Materi habe koͤnnen einſenken / wor von zu andern zeiten ein mehrers.

Zwiſchen Pfefers / und dem Dorf Valenz / finden ſich an dem Weg graue duͤrꝛe bruͤchige Schifferſteine / und ob Valenz gegen den Grauen Hor - nen / (welches Gebirg uͤber das Bad erhoͤhet uͤber die 2000. Schuhe / ande - re ſchwarze / und haͤrtere / welche an geſtalt gleich ſind denen Blattenſteinen / welche auß dem Glarnerland verfuͤhrt werden bald in alle theil Europæ.

Bey - und in der Quell findet man eine gelbrohte ſubtile Erde / von welcher / als einer Terra ſolari die Kraͤfte dieſes Heilwaffers von vilen her - geleitet werden; und iſt nicht zu laugnen / daß etwan bey abrauchung des Waſſers etwas von diſer Erden in dem Geſchirꝛ uͤberig bleibet. Es iſt auch diſere Erden koſtlich zu auftroͤknung alter flieſſender Schaͤden / wann ſie da -rauf(55)[55]rauf geſtreuet wird. Und zweifle ich keines wegs / man koͤnte ſie auch mit nu - zen iñwendig brauchen / zu verſuͤſſung der ſcharffetzenden Feuchtigkeiten / an ſtatt einer geſiegelten Tuͤrkiſchen / oder Schleſiſchen Erden. Ob aber von et - lich wenigen Granen / ſo ſich in etwelchen Maſſen finden / hergeleitet wer - den koͤnnen die wirkungen des Waſſers / uͤberlaſſe dem vernuͤnftigen / mit keinen Vorurthlen eingenommenen Leſer; deme gleichfals zubeurtheilen frey ſtehet / ob die urſachen ſo kraͤftiger Wirkungen koͤnnen beruhen auf eini - chen Gold-Flaͤm̃lein / oder Staͤublein / welche dann und wann in dem Pfe - ferswaſſer (ſonderlich / wann es lang geſtanden) ſind gewahret worden. Obgemeldter Erden / und auch diſer Goldflitſchen halb bin verſicheret / daß ſie herkommen auß dem Felſen ſelbs / (darinn die Quell entſpringt) welcher von unter-irꝛdiſcher waͤrme und feuchte alſo muͤrbe gemachet worden / daß die darinn enthaltene fremde theil abgelediget worden / und in vorſchein kommen.

Von denen Wirkungen diſes Pfeferſiſchen Heilwaſſers koͤnte ſehr viel geſagt werden / wann mich wolte der weitlaͤuffigkeit bedienen / und die - jenigen Sachen / welche in ganzen Buͤcheren zufinden ſind / außſchreiben. Es iſt aber diß nicht mein thun. Gleichwol kan nicht umgehen / auß oben ge - ſezter Grundlehr von der Natur und Eigenſchaft diſes Waſſers zuſchlieſſen / daß derſelben ſo wol innerlicher / als aͤuſſerlicher Gebrauch diene haubtſaͤch - lich zu aufloͤſung allerhand verſtopfungen / zu abledigung derjenigen ſchleime - rig-irꝛdiſchen theilen / welche ſich da und dort in denen kleinſten Roͤhrlein ver - ſtecket / oder an dero Waͤnde ſich angeſetzet haben / worinn gewißlich der vor - nemſten und meiſten Krankheiten urſachen beſtehen / als zum Exempel die - nen koͤnnen die Haubtſchmerzen / Tropf - oder Gutſchlag / Schwindel / Fallen - de Sucht / abnemmen der Gedaͤchtnuß / verdunklung des Geſichts / vermin - derung des Gehoͤrs / verſtopfung des Milze / Gekroͤſes / Leber / allerhand gat - tung Melancholey oder Schwermuth / verſtopfung der Nerven / und daher kommen die Mattigkeiten / Schwachheiten / zitterende / und gichteriſche Be - wegungen der aͤuſſeren Gliederen; Alte Schaͤden / in welchen etwan Kug - len / oder ſpreiſſen / oder abgeledigte Beine verborgen ligen; Alte Fieber; Gleichſucht / Podagra; Blaſen - und Nieren-ſtein; Muterkrankheiten / al - lerhand Art Raud / Fiſtlen / und tauſend andere dergleichen Zuſtaͤnde mehr / in welchen diß Heilwaſſer nach beſchaffenheit des Patienten / und der Krank - heit ſelbs von einem verſtaͤndigen Arzet kan ge[r]ahten werden. Jch meines Ohrts benuͤge mich allen und jeden / denen vor ihre eigene / oder anderer Men -ſchen(56)[56]ſchen Geſundheit zuſorgen obliget / vorzuſtellen diſe allgemeine / und Funda - mental-Regel / nach welcher ſie ſich in allen vorfallenden Begebenheiten rich - ten koͤnnen. Wo die verſtopfende urſach der Krankheit annoch innert den kleinſten Ader-roͤhrlein ſtecket / und dero Zaͤſerlein noch einiche kraͤf - te haben / da kan das Pfeferswaſſer / menſchlicher weiſe davon zureden / innerlich oder aͤuſſerlich wircken. Wo hingegen obbemeldte Roͤhrlein geoͤffnet / zerꝛiſſen / oder von der ſchaͤrffe der Materi durchfreſſen / oder die Zaͤſerlein ihre Spann und Treibkraft verlohren / oder gefahr iſt / es moͤchten irgends an einem vornehmen Ohrt die aͤuſſerſten aͤderlein von dem gewalt des Waſſers / gleich einem Dam̃ / durch gebrochen wer - den / da huͤte man ſich vor diſer Cur / ſonderlich / wann auf ſo thane weiſe leiden die edleren / inneren theile des Leibes / dannenhero meiden diß Waſſer die Waſſer-Schwind-Gelbſuͤchtigen / Außſaͤtzigen / die mit der Ro - ten Ruhr behaftet / mit der alten nodoſa podagra geplaget / ja auch die Schwangeren Weiber.

Es beliebe der curioſe Trink - oder Badgaſt / ehe er von Pfefers wegreiſet / zubemerken / wie der wilde Taminna-Bach die hatten Felß - waͤnde / zwiſchen welchen er eingeſchloſſen daher rauſchet / nicht nur abſpuͤlet und glatt machet / ſondern auch in die tieffe ſich je mehr und mehr ſenket; diß gewahret mit ſonderem fleiß Joh. Kolvveck in ſeinem Tractat vom Pfefersbad / p. 24. 48. 69. 71. 72. und wil / das A. 1631. der Bach 34. Klafter tieffer geronnen / alß zu anfang der Welt (hette villeicht beſſer geſetzet / zur zeit der Suͤndflut) und alle Jahr um einen halben Zoll ſich tieffer einſenke / folglich jezund 3. Schuh tieffer were / alß A. 1631. da das Hauß gebauet worden. Diſe einfreſſung der Gebir - giſchen Waldwaſſeren kan wargenommen werden an andern Ohrten mehr. Jn Puͤndten iſt ein merkwuͤrdig Exempel in der Via mala, einer Straß zwiſchen den Thaͤleren Schams und Domleſchg / durch welche vor diſem der Rhein gefloſſen / der jezund bald 50. bald 100. und mehr Schuhe tieffer durch das Tobel abrauſchet.

P. S. Das dreyfache Kupferſtuͤck von dem Pfeferſiſchen Badhauß / Waſſerleitung / und Quell nebſt der Erklaͤrung kommet à 3. ß.

(57)[57]N. 15.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von dem Heimwehe.

ES iſt zwaren unſerem Vatterland ins gemein / aber auch einem jeden Vatter / der ſeinen lieben / oft zarten / ſohn in die froͤmde ſchicket / vor - nem̃lich aber denen in fremden Dienſten ſtehenden Officieren uñ Sol - datẽ vil daran gelegen / daß diſere uns Schweizeren beſondere krankheit erken - net / und curiert werde. An. 1678. iſt zu Baſel hieruͤber gehalten worden ein Diſſertation Præſide Dn. Joh. Jacobo Hardero Med. D. & Prof. Reſp. Joh. Hofero, Mylhuſino. Jn welcher diſere Krankheit mit einem neuen Titul Noſtalgia benennet wird / welches Wort zuſamen geſetzet iſt von νόϛος, welches bedeutet eine widerkonft ins Vatterland / und ἄλγος, Trau - rigkeit / oder Schmerz: ſo auch νοςομανία, und ϕιλοπατριδομανία, welche bey - de Woͤrter andeuten eine wegen verhinderter Heimreiſe entſtandene Ge - muͤts-verwirꝛung. Bey den Franzoſen heiſſet diſe Krankheit la Maladiœ du Pays. Der gelehrte Verfaſſer diſer jezt angezogenen Schrift leget die ganze Schuld diſer Krankheit auf eine verworꝛene Einbildung / welche ver - anlaſet werden koͤnne durch verſchiedene urſachen / als da ſind / ſtetes anden - ken naher Hauß; eine zarte und forchtſame aufer zeuhung / bey welcher den Kindern nicht erlaubt werde mit Fremden vil umzugehen / oder zureden; eine allzugroſſe Liebkoſung der Elteren / ſonderlich Muͤteren / gegen ihre Kinder / welche leicht zeugen koͤnnen diſe Muterſucht; eine allzu groſſe Gewohnheit an unſere Milchſpeiſen (welche ſonderlich platz findet bey denen An - und Einwohneren der hohen Alpen) und Muͤſer / ins beſonder deren / die man alle morgen den Kinderen einzuſchuͤtten / und oft einzuzwingen pflegt; froͤm - de Speiſen / froͤmde Sitten / allerhand vorkommende ungemach: froͤmder Luft; oder was dergleichen mehr ſeyn kan. Jch meines Orts wil mich bey diſem allem nit aufhalten / ſondern meine Gedanken dahin richten / wie eskom̃e /(58)[58]komme / daß die Schweizeriſche ſonſten ſo freye / ſtarke / und dapfere Nation ſich uͤberwinden und unterjochen laſſe von einer ſolchen Krankheit / welche dem erſten anſehen nach ſolte eher unter ihre Herꝛſchaft bringen die Jtalie - ner / Franzoſen / und andere Voͤlker / denen allen alle oben erzehlte urſachen koͤnnen zufallen / und noch uͤber diß nicht wenig zum Heimwehe beytragen eine weiche zartlichkeit des Leibs? Jch hoffe diſere zum heil des Vatterlands dienende ſach alſo zuerklaͤren / das dadurch die Ehre unſerer Nation gerettet / und verhoffentlich ein natuͤrlicher Waͤg gebahnet werde zur heilung derglei - chen Patienten. Wir Schweizer bewohnen / wie oben erwieſen / den oberſten Gipfel von Europa / athmen deßwegen in uns eine reine / duͤnne / ſubtile Luft / welche wir auch ſelbs in uns eſſen / und trinken / durch unſere Land-Speiſen / und Getraͤnke / welche eben denſelben Luft enthalten; gewehnen unſere Lei - ber alſo / ſonderlich / wann wir Bergichte hohe Ort iñhaben / das ſie nicht ſtark getrukt werden / und bey gleich ſtarker gegentrukung der inneren / in unſeren aͤderlein ſich aufhaltenden Luft / der Kreißlauff des Gebluͤts / und Einfluß der Geiſteren ohne hinderung / zu der Menſchen Geſundheit ihren ordenlichen fortgang haben. Kommen wir in andere / fremde / nidrige Laͤnder / ſo ſtehet ob uns ein hoͤhere Luft / welche ihre ſchwerere Trukkraft auf unſere Leiber um ſo vil leichter außuͤbet / weilen die innere Luft / welche wir mit uns gebracht / wegen ihrer groͤſſeren duͤnnung nicht genug widerſtehen kan; wie zum exem - pel eines Hollaͤnders ſchwerere / inwendige Luft mit gleichen Kraͤften entge - gen ſtehet der auſſeren auch ſchweren / und dicken / Dunſt - und Luftkugel. Jſt deme alſo / ſo bewundere ſich niemand / wann ein Hollaͤndiſche / oder Franzoͤ - ſiſche Luft unſere Hautzaͤſerlein / aͤuſſerſte Blut - und Spannaͤderlein ſo zu - ſamen trucket / daß der Lauff des Gebluͤts / und Geiſteren gehemmet / jenes ge - gen das Herz / diſe aber gegen das Hirn zuruk gehalten / oder getriben werden / alſo der Kreißlauff aller Saͤften nicht zwar foͤllig ſtill zuſtehen / wol aber ge - maͤcher zu gehen / veranlaſet wird. Wer ein ſolches leidet / und nicht genug - ſame Kraͤfte hat / ſolchem gewalt zu widerſtehen / der ſpuͤret ein bangigkeit des Herzens / gehet traurig einher / zeiget in ſeinen Worten und Werken an ein groſſes verlangen nach dem Vatterland; ſchlaffet wenig / und unruͤhig / ſeuf - zet oft bey ſich ſelbs / nimmet ab an kraͤften; verꝛichtet ſeine Sachen ohne Luſt / und ordnung / muß ſich endlich legen an einem hitzigen / oder kalten Fie - ber / und ſtirbet mehrmalen dahin / wann man ihme nicht hoffnung macht / naher Hauß zukommen / oder auch wirklich auf die heimreiſe befoͤrderet. Di - ſere Zufaͤlle alle laſſen ſich ohnſchwer auß unſerem Grundſatz erklaͤren / eslaſſet(59)[59]laſſet aber ſo thane weitlaͤuffigkeit unſer engeraum nicht zu. Auß bißheri - gen Fundamenten kan ein verſtaͤndiger Arzet leicht ſchlieſſen / auf was weiſe ein ſolcher in ſein Vatterland auf eine ohnmaͤſſige weiſe verliebter Patient koͤnne tractiert und geheilet werden. Ein Politicus wird den Einſchlag ge - ben / man ſolle ſo bald moͤglich / ehe die Krankheit uͤberhand genommen / mit ſolchen verliebten Leuthen naher Hauß fahren / ſie nicht aufhalten / zur Heim - kehr alle befoͤrderung thun / ja ſie wirklich auf die Straß ſchicken mit dem kranknen / matten Leib; wann aber diß die Umſtaͤnde der zeit und des Orts / oder hohe grad der Krankheit ſolches nicht zulaſſet / ſo ſpreche man wenigſtens dem Kranknen einen herzhaften Muth ein / man verſichere ihne / daß er die Heimreiſe ſolle vornehmen / ſo bald es ſich ein wenig beſſere / um dardurch die ſinnlichen Geiſter aufzumunteren / daß ſie durch ihren kraͤftigen Einfluß in alle aͤuſſere Glieder den mangel der inneren gegentrukenden Luft erſetzen / und den zunem̃enden gewalt der aͤuſſeren abhalten. Exempel gibt es genug de - ren / die durch bisher beliebtes Mittel auß diſem ſeltſamen und gefahrlichen Zuſtand erꝛettet worden: Soldaten / die halb tod / nach erhaltenem Abſcheid / ſich auf die Reiſe geruͤſtet / und in waͤhrender Heimkehr / oder nach follende - ter Reiſe / geſund worden; andere / denen man den Abſcheid nur auf den Schein hin außgefertiget / und darmit das Leben gefriſtet: Nebſt dergleichen Politiſchen Mittlen muͤſſen Arzney verſtaͤndige bedacht ſeyn auf alles das / was die innere in denen Aderen des Patienten ligende Luft kan ſtaͤrken / und die auſſere aufligende ſchwaͤchen. Auf diſen Fuß wil folgende wenige Mit - tel vorſchlagen / und die Herꝛen Officiers und Feld-Arzet erſuchen / der ſelbi - gen Wirkung an ihren Patienten zu erfahren. Jſt der Krankne an einem Ort / da in der naͤhe ein hoher Berg / oder Thurn ſich findet / ſo beliebe man ihme dorthin ſein Quartier zu veraͤnderen / damit er inſich ſchlucken koͤnne ein leichtere / nicht ſo ſchwer auf ihne truckende Luft. Wann diſes nicht zu - laͤnglich / oder ins Werk zurichten unmoͤglich / ſo bedenke man ſich auf ſol - che Arzneyen / welche eine zuſamen gepreßte Luft inſich enthaͤlten. Unter ſol - chen moͤchte wol den vorderſten rang haben der Salpeter / und was auß ihme gemachet wird; Als da ſind das Nitrum fixum, Arcanum dupli - catum Myns. Spiritus Nitri, ins Waſſer gelegt / und darab oft getrunken; oder in mangel deren nemme man das Schieß - oder Buͤchſenpul ver / deſſen verwunderlich ſtarcke Treibkraft die heutigen Naturlehrer mit beſten Gruͤn - den herleiten von einer zuſamen gepreßten / ſich bey gegebenem anlaß ſtarck außdehnenden Luft: Nebſt dem Nitro kan auch dienen der Moſt / oder neuenoch(60)[60]noch nicht verjaͤſene Bier / und aller neue Wein eher / als der Alte. Uber diß kan man die aͤuſſere gewalt der Luft ſchwaͤchen durch aufhaltung des Pa - tienten in warmen Gemaͤchern / wol eingeheitzten Stuben / angezuͤndete Feuer. Zu bekraͤftigung deſſen / was bisher von denen urſachen der Heimwehe / und deſſen Heilmittlen geſchrieben worden / dienet / daß diſer Krankheit ſonderbar unter worffen junge Leuthe / deren Hautzaͤſeren noch ſo zart / und biegſam / daß ſie die aͤuſſere Luft leicht empfinden / und derſelben weichen; ſo auch die / welche auf den Bergen auferzogen / des duͤnnen / ſubtilen Berglufts / und Milchſpeiſen gewohnet / weniger aber die / welche bey zimlichem alter / deren Haut erhartet; welche in Staͤtten / oder nidrigeren Orten des Schweizer - lands auferzogen / auch an allerhand fremde Speiſen / und Getraͤnke geweh - net worden. Fremde Nationen / die inſonder heit / welche in nidrigen Lan - den / an den Meeren wohnen / ſind / wann ſie in hoͤhere Laͤnder reiſen / dem Heimwehe nicht ſo leicht unterworffen / weilen ſie eine ſchwere / dicke / unreine Luft abenderen mit einer leichteren / ſubtileren / reineren; muͤſſen gleichwol außſtehen eine etwelche / aber ihnen vortheilhafte / unbeſchwerliche enderung: es wird namlich die in ihren Aderen enthaltene Luft ſich bey ſolchem Anla - ſe außdehnen / alle Roͤhrlein des Leibs erweiteren / wordurch der Kreißlauff des Gebluͤts befoͤrderet / alle Saͤfter und Geiſter in ein richtige bewegung ge - bracht / oder in derſelben unterhalten werden. Jn betrachtung deſſen kan ich kecklich ſagen / daß unſere Eidgnoͤſſiſche Lande / wie ſie ſint der zeit ihrer da - pfern widererſtelleten Freyheit geweſen ein Fluchthauß viler um der Religion / Kriegs / oder anderer urſachen willen verfolgten Voͤlkern / alſo auch ſeyn koͤn - nen Aſylum languentium, ein troft - und Heilhauß der Kranknen / denen unſere Luft hinnemmen kan vilerhand von langwaͤhrenden verſtopfungen entſtandene Krankheiten / welches Mittel ins beſonder einrahte unſeren in Niderlaͤndiſchen oder Franzoſiſchen Dienſten an langwirigen Fieberen dar - nider ligenden Officieren und Soldaten / welchen eine alljaͤhrige / oder zwey - jaͤhrige Reiſe ins Vatterland / oder ſonſtige abenderung / und erhaltung des Abſcheids / dienen muß zu groſſem vortheil der Geſundheit / wenigſtens in den erſten Jahren ihrer Dienſten / bis ſie des froͤmden Lufts gewohnet ſind; Und glaube ich ſicherlich / es muſſe mancher wackerer Soldat in ſolchen Dienſten elendiglich darben / und ſterben / welchem / menſchlicher weiſe zureden / hette durch diſes einige Luft-mittel koͤnnen geholffen werden. ꝛc.

(61)[61]N. 16.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von dem Heimwehe.

ZUm Beſchluß / und gleich als zum Nachtiſch / wil dem geehrten Leſer auf - ſtellen eine froͤmde Tracht / welche ſich aber auf letſt gehaltene Philoſophi - ſche Mahlzeit / meines bedunkens / ganz wol ſchicket. Es iſt bekant / wie die allergroͤſten Thiere der welt / ich verſtehe die ungeheuren Wallfiſche / ſich nirgends aufhalten / als in denen kalten Meeren gegen den Polis, da es hingegen ſcheinet / die grimmige Nordkaͤlte ſolte das wachstum ſolcher Thie - ren merklich verhinderen / wie wir ſehen an dem Exempel der Bergbaͤu - men / und Franciſcus Willougby in ſeiner Jchtyolog. p. 20. bezeuget / daß die in Schottlaͤnd - und Walliſchen Gebirgen weydende Pferde / Ochſen / Schaffe weit kleiner ſeyen / als die in den Thaͤleren / und ebenen / ihre Nah - rung finden. Jch meines Ohrts faſſe die ſach alſo; Under allen Fiſchen ſind keine mit Lungen begabet / als unſere vorhabende Wallfiſche; da die uͤbri - gen / wie bekant / athmen durch die branchias, oder Ohren / zeuhen diſe den Luft haͤuffig an ſich durch die Lungen. Wie nun alles kalte Waſſer / in ſei - nen Loͤchlein enthaltet eine zuſamen getrukte Luft / als iſt leicht zuerachten / daß die zuſamen gepreßteſte muß ſeyn in eben diſen Nordlichen Waſſeren / welche in die Leiber der Wallfiſchen gebracht / und durch dero Bewegung / und waͤrme / verduͤnneret die Aderen des ganzen Leibs merklich kan außdeh - nen / und erweiteren / gleich deren vorher eingeſchloſſenen Luft des Salpeters / und Schießpulvers / welche durch das Feuer verduͤnnet einen unglaͤublich weiteren raum außfuͤllet / als vorher. Hierauß ſchlieſſe ich / daß dergleichen ungeheure Fiſche nirgends koͤnnen leben / nirgens ihrer Saͤfter / und Geiſte - ren Kreiß-bewegung ungehinderet außuͤben / als in denen eißkalten Polari - ſchen Waſſeren / inwelche ſie der allweiſe Schoͤpfer geſetzet hat. Geſchihet es / das ſie ſich verirꝛen und in den Teutſchen groſſen Ocean kommen / ſo fin -den(62)[62]den ſie zwaren dort Waſſers genug / aber eine ſo duͤnne Luft in denſelben / welche nicht genugſam iſt / die groſſe Machine ihrer Leiberen in erforderli - cher Außdehn - und bewegung zu erhalten. Wann hiemit eine Zeitung komt / das auf die Schottiſchen / Norwegiſchen / Daͤniſchen / Niderlaͤndiſchen Kuͤ - ſten außgeworffen worden ein groſſer Wallfiſch / und ins gemein daruͤber ge - urtheilet wird / das deſſen urſach geweſen ein ſtarker Sturm / ſo ſage ich auß bisherigen Grundſaͤtzen / er ſeye vilmehr geſtorben / oder crepirt an dem Heimwehe.

Von dem Unterſcheid der Kraͤuteren / und Baͤumen / ſo auf hohen Bergen / und tieffen Thaͤleren wachſen.

MErkwuͤrdig iſt / daß die Buchen-Berg-Fichten-Lerchen - und andere Baͤume nicht wachſen auf den oberſten Alp-Spitzen / ſondern nur bis auf eine gewiſſe hoͤhe / uͤber welche alles bloß / und dann nichts als Felſen / und Kraͤuter zuſehen / und zwaren wachſen die Baͤume nicht in gleicher groͤſſe auf bis ſie obgemeldte hoͤhe erꝛeichen / ſondern werden allezeit kleiner. Diſe bloͤſſe der Berg Firſten hat ſchon angemerket Polybius Hiſt. L. III. τῶν Α῎λπεων τὰ μὲν ἄκρα, ꝛc. Es ſind die oberſten Spitzen der Alpen / und auch um etwas nidrigere Orte / uͤberal bloß / und ohne Baͤume. Da finden ſich keine Baumgaͤrten / keine anmutigen Waͤlder / alles ſihet kahl / kalt / und traurig auß; Jch verſtehe / denen / welche ihre Freude an der Baum - pflantzung / und dero Fruͤchten haben: Weilen ein / ſonderlich Kraͤuter ver - ſtaͤndiger Naturforſcher und Aelpler an ſolchen wilden / rauhen Orten ſeine groͤſte beluſtigung findet / jener zwar / weilen er auf diſen hohen Berg-Firſten / und von denſelben / kan beſehen die groſſen Naturwunder des Schoͤpfers / und ſolche Kraͤuter / und Kraͤutlein antriffet / die er vergebens anderſtwo / in niedrigen Orten / Laͤnderen / und Thaͤleren / wurde ſuchen; diſer aber zu ſei - nem groſſen Nutzen vor ſein Viehe findet die ſchoͤnſten und fruchtbarſten Alpen / oder Weyden. Wann ich diſe kahlkoͤpfichten Gebirge mit verwun - derenden Augen anſihe / und dem Mangel ſo wol als kleinheit der Baͤumen nachdenke / ſo kommen mir vor verſchiedene urſachen / von welchen ſie kan her - ruͤhren: Vorderſt zwar die geringe hoͤhe der aufſtehenden Luft / welche an diſen Ohrten das Queckſilber im Wetterglaß 3. 4. 5. und mehr Zohl tieffer fallen machet / als in den Thaͤleren / wie oben bereits bey anlas der abmeſſung der Berghoͤhenen angemerket worden. Es findet diſere urſach bey vernuͤnf - tigen Gemuͤtheren um ſo vil mehr platz / wann man bedenket / daß der in diePflanzen(63)[63]Pflanzen / Stauden / und Baͤume auß der Erden kommende Nehrſaft eigent - lich nicht angeſogen / oder aufgezogen wird von einer ehemals eingebildeten Anzeuhungskraft / ſondern von aͤuſſerer ſchwer aufligender trukender Luft / in die aͤuͤſſerſten Zaͤſerlein der Wurzen / als ſo vil Mundloͤchlein / ein - und hinauf getriben / geſtoſſen / getrucket wird bis auf die Gipfel der hoͤchſten Baͤu - me. Hiemit / wo eine geringere hoͤhe der Luft / da iſt auch eine mindere Truk - kraft; wo die hoͤhe der Luft nach und nach abnimmet / da muͤſſen auch gleich - ſam ſtuffenweiſe ſich verkleineren die Stauden und Baͤume. Dabey aber / als einer allgemeinen Urſach / außbedungen werden muͤſſen allerhand beſon - dere Faͤhle: als da ein gegen der Soñen / obgleich in zimlicher hoͤhe des Bergs ſtehender Baum / groͤſſer muß ſeyn / als ein anderer / ſo tieffer aber gegen Mit - ternacht ſtehet; weilen dort die innere Roͤhrlein des Baums von der Son - nen waͤrme außgedehnt den Nehrſaft leichter aufnemen / und diſer durch ge - ringere truckung hoch kan gebracht werden / ja wirklich eine groͤſſere außſte - hen muß: oder / da in einem geh aufſteigenden / waſſerꝛeichen / Tobel ein in mehrerer menge anweſender Nahrungs-ſaft auch hoͤher muß getriben wer - den / wann man bedenket / daß die waͤſſerigen theil in denen ſubtilen Baum - roͤhrlein (gleichwie in ſiphone reflexo) in gleicher hoͤhe koͤnnen gehalten / und dahin getriben werden von anderen / welche durch die Loͤchlein der Erden nach des Bergs haldiger gaͤhe abtringen zu den wurzlen eines jeden Baums / und zwaren diſe etwan durch ein ſchwam̃ichte Erden gehende Trukkraft ih - re wirkung leichter kan außuͤben in einem Baum / der hoͤher ſtehet / als in ei - nem anderen / der an einem tiefferen Ort ſeinen platz hat. Uber diß muß ein vernuͤnftiger Underſcheid gemachet werden zwiſchen den Baͤumen ſelbs / je nachdem ſie geraͤdere / oder kruͤm̃ere / enge oder weite Nahrungsgefaͤſſe haben; wie dann bekant / daß in unſeren hohen Gebirgen ſonderbar hoch ſteigen die Lerchen - und Tañbaͤume / und hingegen vil niedriger ſind die Buch-Eich - und andere dergleichen Baͤume; weilen in jenen die aͤderichte Roͤhrlein ge - rad aufſteigen / und weiter ſind / als die einen harzichten Saft enthalten / in diſen aber enger / und naͤher beyſamen ſtehen / auch in die kruͤmme ſich win - den / und deßnahen der Nahrungs-ſaft nicht ſo leicht kan durchpaſſieren. Auß bisher erklaͤrtem Mangel der trukenden Luft laſſet ſich fehrner ſchlieſſen / das in die auf hohen Bergen wachſende Pflanzen / und Baͤume / aufſteigen muͤſſen / ſonderbar die ſubtileren / duͤnneren / leichteren / fluͤchtigeren / geiſtrei - chen theil des Nehrſafts / als die der aufligenden trukkraft eher weichen / und hingegen zuruk bleiben die ſchwerern / groͤberen / ſchleimichten. Eben dahermuß(64)[64]muß geleitet werden nicht nur die kleinheit der Berg-Pflanzen / ſondern auch dero ſcharffer / gleichſam gewuͤrzter Geruch und Geſchmack. Ja auß eben diſerem Grunddarff ich behaubten den unterſcheid der Berg - und Thal - Kraͤuteren / das nam̃lich diſe weit geringer ſeyen an Kraͤften / als jene / und ins gemein unſere Schweizeriſche Pflanzen vil kraͤftiger / als die Teutſchen / Jtalieniſchen / Franzoͤſiſchen / Niderlaͤndiſchen gleiches Geſchlechts / welches in der that ſcheinen zu erkennen die Holl - und Engellaͤnder / denen vil Wund - und andere heilſame / bey ihnen oft auch wachſende / Kraͤuter auß unſeren Ge - birgen jaͤhrlich zugefuͤhret werden. Das iſts / was auß bloſſer betrachtung der auf unſeren Landen / und Gebirgen ſtehenden Luft von der Helvetiſchen Pflanzen kleinheit und vortrefflichkeit urtheilen wollen. Jch bleibe aber da - bey nicht / ſondern gewahre / das zu oberzehlten Wirkungen nicht wenig bey - tragen koͤnnen die rauhe / kalte Lufte / und beſtaͤndig durch die hoͤhenen blaſen - de Winde / von welchen die roͤhr - und loͤchlein der Kraͤuteren / Stauden / und Baͤumen eingezogen / die Zaͤſerlein enger zuſamen getriben / des Nehrſafts aufſteigen verhinderet / und nur die fluͤchtigen / geiſtreichen theil in die Staͤm - me / Stengel / Aeſte / Blaͤtter / Blumen und Fruͤchte außgeſpendet werden / ja wegen diſer umſtehenden kaͤlte nicht ſo leicht / wie in nidrigen Orten / auß - fliegen koͤnnen. Jn betrachtung deſſen iſt ſich nicht zuverwunderen / daß die Berg Baͤume gemeinlich ein weit daurhafter / und milter Holz haben / als andere / ſo in den Thaͤleren / oder ſonſt nidrigen Landen / wachſen. Diß ge - wahren unſere Handwerks-leuthe / welche mit dem Holz umgehen. Jm Glarnerland underſcheidet man alles Bauholz in das Hoch - und Nie - derwaͤlder / und wird jenes als das daurhaftere mehrentheils zu hoͤlzer - nen Haͤuſeren gebraucht. Unſere Schreiner zeuhen dem gemeinen bey uns wachſenden roht-thañinem Holz vor das ſo genante Hochwaͤlder-Holz / ſo ihnen auß denen hohen Waͤlden des Glarnerlands zukomt / weilen diß leichter / luftiger / von engeren Jahren / folglich zu allerhand / ſonderlich reſo - nanz-Boͤden / und anderer der Muſic dienender / Schreiner-arbeit beque - mer. So ſpuͤret man auch einen merklichen unterſcheid zwuͤſchen unſerem und dem Glarneriſchen Nußbaͤuminem Holz / das diſes daurhafter / geſchlachter / milter / leichter / jenes aber ſchwerer / groͤber und haͤrter. Ge - hen wir von dem Glarnerland hinuͤber in die Sarganſer Grafſchaft / ſo finden wir ein nicht nur gemein hartes / ſondern wahrhaftig geſtaͤchletes Holtz / ꝛc.

(65)[65]N. 17.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von dem Unterſcheid der Berg - und Thal Pflanzen.

MAn gewahret auf dem Berg Guntzen / der ob Sargans ſtehet / daß die daſelbſt wachſende Buchbaͤume ſchwerer / harter / kropfich - ter / und kruͤmmer ſeyen als anderſtwo: welche Begebenheit nicht nur zuſchreibe denen oben ein - und außgefuͤhrten urſachen / ſonder auch einem geſtaͤhleten / das iſt / mit ſubtilen Stahel-theilchen (weilen in benantem Berg die beruͤhmten Stahelberg-Wercke ſind) verſehenen Nahrungsſaft: welches um ſo vil eher glaͤublich / wann man bedenket / daß ein in Materiali - ſchen Waſſeren eingebeiztes Holz endlich zu einer gleichſam ſtaͤhlinen haͤrte kan gebracht werden. Es muß diſe fuͤrbundigkeit des Bergholzes den al - ten Griechen / und Roͤmeren / nicht unbekant geweſen ſeyn. Diſe Kriegeri - ſchen Voͤlker wehlten zu ihren Pfeilen / und Spieſſen / ſonderbar das Holz / ſo auf hohen Bergen gewachſen. Homerus bezeuget Jliad. XI. daß des Achillis Leib-Spieß herkommen von der Spitze des Bergs Pelij, und nen - net ihne mit Nachtruck ἔγΧος ἀνεμοτρεφὲς, welches die Außleger uͤberſetzen / rigidum & durum haſtile, eigentlich aber heiſſet ein vom Wind ernehr - ter / das iſt / vom rauhen / kalten / Bergluft erharteter Spieß. So werden auch bey Virgilio VIII. Æn. v. 66. die Soldaten vorgeſtellet / als tragere zweyer auß Bergholtz verfertigten lange[en]Pfeilen / oder Wurff ſpieſſen.

Duo quisque alpina coruſcant Geſa manu.
und bey Silio Jtalico Lib. 1.
Et Ligurum horrenteſque comæ, parmæque relatæ
Hiſpana de gente rudes, Alpináque gæſa.

Da an beyden O〈…〉〈…〉 t〈…〉〈…〉 n diſere Gattung Wurffſpieß Alpina Geſa heiſ - ſen nicht nur deßwegen / weilen ſich deren bedienet haben die Jualpini, Gen -tes(66)[66]tes alpinæ, auf und an den Alpen wohnende Voͤlker / ſondern vornehmlich / weilen ſie auß zaͤhem hartem Bergholz gemachet worden / wie es außleget Joſias Simlerus Comment. de Alpib. p. 126. b. oder villeicht von leich - tem / geſchlachten Bergholz / an deme die Soldaten nicht ſchwer zu tragen gehabt.

Von denen Reiſen uͤber hohe Gebirge.

MEines thuns iſt nicht / nach zuforſchen denen / welche zuerſt moͤchten unſere Schweizeriſche Gebirge uͤberſtiegen / und auß den alten Gal - liſchen Landen in Jtalien / oder auß Jtalien in unſere Lande mit ganzen Heerzeugen kommen ſein? Welchen Weg / und zu welcher zeit der gewaltige Heerfuͤhr er Hannibal uͤber die hohen Schweitzer - oder benachbar - te Saphoyiſche Alpen kommen ſeye? Es gehoͤret diſe Materi eher einem Hiſtorico, oder Geſchichtſchreiber / und kan der geehrte Leſer nebſt dem Li - vio, und Polybio hieruͤber zu raht ziehen unſere Vatterlaͤndiſche Scriben - ten / als Simlerum de Alpib. p. 76-86. Tſchud. Helvet. Antiq. Mſc. und Rhetiſch Alpgebirg. p. 45. &c. deren muthmaßlich-endliche Meinung dahin gehet / daß die hohen Alp-Straffen von uralten Zeiten her / in denen Jtalien und Gallien bewohnet waren / durchgaͤngig geweſen / gleichwol ſeyen ſo wol die Jtaliener als Gallier jede Nation in ihren Landen ſtill geſeſſen / wol zuſamen gewandelt / aber nicht eine von der anderen mit Heeres-Macht uͤberzogen worden; und ſeye Hercules der erſte (wañ je wahr / was von ihme geſchriben wird) der ſich von Morgen her uͤber die Alpen in Gallien gewa - get / hernach ſeyen auch die Gallier zu Tarquinii zeiten / lang vor Hannibal / mit einem Heerzeug in Jtalien gezogen. Mein Vorhaben iſt / deren Rei - ſen / ſo durch unſere Schweizeriſche hohe Gebirge vorgenommen werden / Koͤm̃lichkeiten / Beſchwerden / Gefahren / Manieren / wie ſelbige abzuheben / oder zu verminderen / zur Nachricht denen Reiſenden bekant zumachen / zu - gleich aber auch diſere Materi auß denen alten Geſchichtſchreiberen ſonderlich Polybio (welcher das / was Hannibali in ſeinem Zug uͤber die Alpen be - gegnet / von denen Reißgefehrten ſelbs / erfahren / und hernach auch / ſeinen luſt zu buͤſſen / in die hohen Gebirge gereiſet) zuerlaͤuteren. Hierauß wird verhoffentlich mancher froͤmbder und einheimſcher die Beſch affenheit unſers Lands lehrnen erkennen / und eins und anders zu ſeinem Nuzen ergreiffen.

Von(67)[67]

Von Luſt Nuzbarkeit / und Kom̃lichkeit der Berg-Reiſen.

ES iſt jedermañ bekant durch die Erfahrung / daß bey gaͤhem auf - und abſteigen der Bergen groſſe muͤhe und beſchwerde. Wer die wahr - haften / auß Anatomiſchen und Mathematiſchen Grundſaͤtzen gezo - genen urſachen ſolcher Muͤheſamkeit zu weſſen verlanget / findet ſie in dem herꝛlichen Werk Joh. Alphonſi Borelli de Motu Animal. Part. l. Prop. 160. p. 193. 194. Hierauß ſcheinet / die Berg-Reiſen ſeyen ſo muheſam / und beſchwerlich / das darvon ſich jederman ſolte abſchrecken laſſen. Jch wil aber zum troſt der Reiſenden beweiſen / daß ihre durch die Schweizeriſchen / oder andere hohe Gebirge vorzunehmende Reiſen mit mehr luſt / und weni - ger arbeit zugehen / als auf der Ebene. Es hat diſen widerſinnigen Vor - trag ſchon laͤngſten gethan der groſſe Ariſtoteles in ſeinen ſo genanten Problematibus. Die eigentliche urſach diſer Begebenheit beſtehet kurz darinn / weilen bey abwechslender auf - und abſteigung alle Glieder des Leibs in bewegung kommen / nicht aber zugleich / ſondern alſo / das / wann die ein - ten Maͤuslein arbeiten / andere / ſo kurz zuvor ſich abgemattet haben / ru - hen koͤnnen / und in der zeit / da diſe an danz muͤſſen / jene hergegen durch die ruh ſich widerum erholen. Nebſt deme iſt in betrachtung zu zeuhen / das durch fortgeſezte bewegung aller Leibszaͤſeren der Lauff des Gebluͤts / und der Geiſteren Einfluß merklich befoͤrderet wird. welches nicht wenig bey - tragt zur geſundheit der fremden Reiſenden / ſowol als Einwohneren ſelbs / deren ſtarke / anſehenliche und geſunde Leiber der ganzen Welt bekant ſeyn. Betrachtet man uͤber diß die außdehnung der inneren / in denen Aderen des Leibs enthaltenen Luft / die geringere ſchwere und rauhe kaͤlte der auſſeren / ſo wird ſichs finden / daß der Kreißlauff aller Saͤften befoͤrderet / und die auß - daͤmpfung des Leibs verhinderet wird / welches beides vil zu unterhaltung der Leibes Kraͤften / ſo zu fortſetzung einer Reiſe noͤthig ſind / beytragt. Halte man das muͤheſame Leben der Bauren / ja das beweglich beſchwerliche Leben unſer Aelpleren / welche bald alle tage ein hohes Gebirge von der Wurtzel an unter fortwaͤhrender Geſundheit / mit beſtaͤndiger Leibeskraͤften beſteigen / gegen die weiche Lebensart zarter Hoͤflingen / oder der Gelehrten bald immer - waͤhrendes ſtillſitzen in ihren Studierſtuben / ſo wird ſich bald zeigen / wie jene durch allerhand unordenlichkeiten ihr wolluͤſtiges Leben bald abkuͤrzen / und diſe nicht nur ihre Geiſter durch oft unmaͤſſiges ſtudieren verzehren / ſondern uͤber diß zu allerhand verſtopfungen / ſo ſich in ihrem Leib ſamlen / anlas ge -ben /(68)[68]ben / folglich zur Milzeſucht / und anderen ſchweren Krankheiten zuruͤſten. Di - ſem allem kommen die Aelpler / ja auch andere / ſo die Bergſtraſſen / und Rei - ſen / vil brauchen / vor theils durch ihr einfaͤltige Lebensart / theils durch taͤg - liche / von Jugend auf angewehnte Bewegung. Wahr iſts / das einer / ſon - derlich der der Bergreſſen nicht gewohnt iſt / auf denen hoͤchſten Alpfirſten ein merkliche ſchwerigkeit des Athems empfindet / welche aber / meines bedun - kens nicht ſo faſt herkommet von muͤdigkeit der Gliederen / als aber von oben bemeldter außdehnung der inneren die Lungen umgebenden / und folglich zu - ſamen truckenden Luft / welcher zwar widerſtehet die innere in denen aͤderlein der Lungen ſelbs enthaltene / auch mehr als zuvor außgedehnte Luft / aber nicht genugſam / weilen die auſſere die Lungenblaͤ lein ſelbs aufblaſende Luft allzu ſchwach in ihrer Trukkraft. Wer die außdehnung eines zuſamen getrukten auf die Berge getragenen Luft vor ein Hirngedicht haltet / der nemme eine nicht gar aufgeblaſene Schweinsblateren / binde ſie in ſolchem ſtand unten in dem Thal zu / ſteige damit auf die hoͤhe des Bergs / ſo wird er finden / das ſie droben foͤllig aufgeblaſen / da doch kein andere Luft hinein kommen / als die mit herauf getragen worden. Auß eben diſem oben bey verſchiedenen an - laͤſen angezogenen Fundament laſſet ſich herleiten die vierſchroͤtige / groſſe / anſehenliche geſtalt der Aelpleren / und ins gemein der Schweizeren; ja auch die merkliche groͤſſe des Viehs / ins beſonder der jenige Umſtande / welchen ohnlaͤngſt mir nachtruklich zugeſchrieben der Hochgelehrte Hr. J. H. T. Diac. zu S. im Glarnerland. Von dem Viehe auf unſern Aipen ge - wahret man diß / daß je hoͤher es hinauf komt / je mehr es zunem̃e / und / wie wir reden / truͤhe. Unſere Alpen ſind gemeinlich in obere / undere / auch mittlere Staͤfel underſcheiden; Wann man nun mit dem Viche gegen dem Herbſt ab den oberen widerum in die underen / und alſo in ein friſches Graß fahret / gewahren doch die Sennen nicht / daß die Kuͤ - he wider an Milch zunemmen / ob ſie gleich auf den oberen faſt nichts mehr zu freſſen gehabt. Unſere Haußmuͤter wollen auch den Butter viel lieber ab den oberen / als underen / Staͤfflen haben / weil er ihnen in der Kuche beſſer / als der andere ergeben ſolle. Recht ſo; in den oberen Staͤfflen iſt zwaren ein kleines / aber kraͤftiges / wolgeſchmaktes Futer / deſ - ſen außgekochter Milchſaft leichter durch alle Aderen ſich zertheilet / und haͤuf - figer in denen Utter-Druͤſen abſcheidet / als in denen underen / und mittleren / obwol Graßreicheren Orten / ꝛc.

(69)[69]N. 18.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von nutzbarem Gebrauch der Bergreiſen.

A bisherigem iſt bald zuſchlieſſen / was zu halten ſeye von denen / wel - che in Teutſchland / oder Jtalien / unſere Schweizer-Kuͤhe abfuͤhren laſſen / um davon eine Zucht zupflanzen / aber / wie die Erfahrung bezeu - get / umſonſt. Suche man vorerſt / ehe man das Vieh von unſeren Alpen wegtreibet / ein zulaͤngliches Mittel / unſere duͤnne hohe Berg-Luft / unſere koſtbare Berg-waſſer quellen / unſere herꝛliche gewuͤrzte Bergkraͤuter mit weg - zufuͤhren / ſo wird die ſach ſicherlich gerahten. Es erſcheinet ſich hierauß / daß gleich wie die verwandlung der Metallen / und Elementen / heutigs tags vor unmoͤglich gehalten wird / auß dem grund / weilen Gott anfaͤnglich jedes Ele - ment und Metall in ſeiner follkommenheit erſchaffen / und ſolche von ihme ſelbs geſezte Ordnung nicht laßt underbrechen / alſo auch jedes Land von Gott / dem Allweiſen guͤtigſten Schoͤpfer / begabet ſeye mit ſolchen Vorthei - len / welche ſich nicht laſſen von dannen weg - und anderſtwohin fuͤhren. Jch komme aber widerum zu meiner Bergreiſe / und gibe denen Reiſenden diſen Einſchlag / daß ſie gemaͤchlich ſteigen / nicht ſitzend / ſondern ſtehend / ruhen / und im abſteigen hurtig und geſchwind ſich erzeigen.

Von gefahr und ſchaden / ſo denen Bergreiſenden aufſtoſſet vom Schnee / und Eis / und wie dem zubegegnen.

VOn des Hannibals Zug uͤber die Alpen melden Livius Lib. 21. und Polybius Hiſtor. Lib. III. p 287. Edit. Amſt. 1670. daß das Ab - ſteigen ihme nicht weniger muͤhe und Soldaten gekoſtet als das auf - ſteigen / weilen die Wege eng / gaͤhe / und ſchlipferig geweſen / ſo daß die Sol - daten mehr auf dem Schnee abhin geruͤtſcht / oder geſchlipft / als gegangen / folglich je einer uͤber das Vieh / das Vieh uͤber die Menſchen gefallen / und auf ſolche weiſe vil Menſchen und Viehe zugrund gangen ſeye. Ob ange -zogene(70)[70]zogene Roͤmiſche Geſchichtſchreibere koͤnnen nicht genugſam außtrucken / was vor ſchaden der Schnee dem Hannibaliſchen Heer zugefuͤget / wieder neue / weiche Schnee leicht von Menſchen und Viehe ſeye durchtretten wor - den / under deme aber gelegen ein alter / ſchlipfriger / bald eißharter Schnee / auf welchem man nicht ſicher einher gehen koͤnnen / ſondern glitſchen und ruͤt - ſchen muͤſſen; wie auch oͤfters man in dem Schnee und Eis beſtecket / daß in - ſonderheit das ſchwere Laſtviehe darinn gleich als gefangen / gar leicht die Fuͤſſe gebrochen / oder gar eingefroren. Eben diſes erfahren noch heut zu tag die / welche uͤber den Gotthard / Spluͤgen / und andere gangbare Straſſen unſerer hohen Alpen reiſen. Das Eis allein machet widerum denen Rei - ſenden groſſe ungelegenheit / ja ſetzet ſie in groͤſte Lebensgefahr / wann nam̃ - lich deſſen groſſe Klumpen von der hoͤhe ab - und in den weg fallen / alles was ſit da antreffen / darnider ſchlagen / oder wenigſtens den Paß einnem̃en / und abſchneiden / das man weder hin noch her kommen kan / worvon auch zuleſen Strabo Geograph. Lib. IV. p. m. 141. Diejenige / welche uͤber die Eis - berge / oder Gletſcher ſelbs reiſen / ſtehen auch groſſe gefahren auß, etwañ wirffet diſes Berg-Eis breite und Thurn-tieffe Spalte / welche denen / ſo hin - ein fallen zum Grab dienen. Es wird aber die Gefahr vermehret / wann ein neuer Schnee auf diſe Gletſcher gefallen / oder von dem Wind zuſamen gewaͤhet worden / weilen der die Spaͤlte kan obenhin bedecken / und alſo denen reiſenden ſelbs eine Falle werden; Zu dem end / damit man ſicher durch der - gleichen gefahrliche Ort komme / pflegen die Wegweiſere eine ſtangen mitzu - nemmen / um darmit zuforſchen / ob und wo die Spaͤlte ſeyen: finden ſie die - ſelben / ſo geben ſie ihren Gefehrten anleitung / wie ſie daruber ſpringen / oder auf angelegtem Brettlein (daß ſie zu ſolchem end mit ſich tragen) hinuͤber gehen koͤnnen: damit man aber der ganzen Geſellſchaft / und dero gluͤklichen durchkunft beſicheret ſeyn koͤnne / pflegt man mehrmalen je einen an den an - deren mit einem ſtarken Seil in gewiſſer weite zubinden / damit / wann je ei - ner ſolte in einen Spalt fallen / die uͤbrigen ihne widerum retten koͤnnen. Worvon auch zuleſen Simlerus de Alpib. p. 111. b. Sonſten muͤſſen die Bergſteiger an ſolchen Eißglatten und ſchlipfrigen Ohrten ihre Pferde wol ſpitzen / auch ſelbs ihre Schuhe verſehen mit ſpizigen Fußeiſen / wie derglei - chen allezeit mit ſich tragen die Gemsjaͤger / oder die Schuheſolen ſelbs be - ſchlagen mit ſpizigen Eiſen / oder Naͤglen; darneben auch an der Hand tra - gen einen mit Eiſen beſchlagenen ſtarken langen Stock / um / wo es gefahrlich / ſich darauf zulehnen. An vilen orten iſt der Schnee einen / oder mehr Spieß tieff / ſo daß Leuth und Viehe darinn muͤſſen verſinken / wo ihnen nicht gehol - fen wird; von ſolchem ungluͤck ſchreibet Claudianus alſo:

multos(71)[71]
multos hausêre profundæ Vaſta mole nives, cúmque ipſis ſæpe juvencis Naufraga candenti merguntur plauſtra barathro.

Damit die Reiſenden vor dergleichen gefahren beſicheret ſeyen / und nicht leicht / weil alles uͤberſchneyet / nebſt dem Weg in tieffem Schnee zu grund ge - hen / pflegen die Anwohnere der Berg ſtraſſen lange Stangen dem Waͤg nach aufzurichten / welche Marcellinus heiſſet ſtilos ligneos, die Puͤndtner Stazas, damit die Reiſenden von einer zu der anderen fortſchreiten. Etwan leget man auf einander ganze haͤuffen Stein / wie oben auf dem Spluͤgen zuſehen / mit denen gar wol koͤnnen verglichen werden jene ſteinerne Bildſaͤu - len / welche auß Koͤniglicher Freygebigkeit auf denen hoͤchſten Doffriner - Gebirgen / ſo Schweden von Norwegen abſoͤnderen / aufgerichtet worden / nach der Zeugnuß Olai Magni Gent Septentrion. Hiſtor. L. II. c. 15. Da - mit diſere Berg-Straſſen / das ganze Jahr hindurch gangbar ſeyen / haben die Obrigkeiten eines jeden Lands die ſach alſo angeordnet / daß die benach - barten Doͤrffer einer jeden Straß / als eine ſolche iſt in Puͤndten die ſo ge - nante Via mala, ſelbige oͤffnen / offen behalten / welches geſchihet nicht ohne groſſe muͤhe / unkoͤſten / und gefahr. Zu dem ende diſere Doͤrffer des Scha - dens einkommen / iſt angeſehen worden ein Weggelt / welches ſie auch Rutten nennen / à rumpendo, von brechung des Schnees / und von denen reiſenden an ſtatt eines Zolls forderen koͤnnen. Bey einnemmung diſes Ruttengelds muͤſſen ſie ſich verpflichten / die Wege offen zubehalten / alles ſchadhafte zuverbeſſeren / ja auch den von ihrer verſaumnuß her entſtandenen ſchaden zu erſetzen. Auf diſen Fuß wird denen ſo genanten Fuhrleiteren vor eine gewiſſe Sum̃ das Amt der oͤffnung / und verbeſſerung der Waͤgen anvertrauet / welche dann ihren Pflichten gemaͤß alle tag hingehen / die Straſ - ſen in augenſchein zunemmen / und das noͤhtige durch die Waͤger zu - verbeſſeren. An etlichen Ohrten geſchihet diſe Waͤg-oͤffnung durch die Rutter / (ſind Ochſen / die man durch die Straſſen / da ein neuer Schnee gefallen / hinfuͤhret / und durch ihres Mittel denſelben bricht) man fuͤhret auch der Straß nach durch diſe Ochſen / oder auch Pferde / lange Balken / um darmit die gebrochenen Wege abzuebenen. Kan man durch diſes Mittel den Weg noch nicht aufthun / ſo werden gewiſſe Maͤnner angeſtellet / welche mit Schauflen / und anderen Jnſtrumenten den Schnee wegnemmen / und alſo auch den Weg oͤffnen; diejenige / welche denen Gemſen oder Schneehuͤneren gegen dem Winter nachgehen / bedienen ſich / um auf hohem Schnee fortzu -kom̃en /(72)[72]kommen / runder / hoͤlzerner Reiffen / gleich denen / ſo zu den Faͤſſeren gebraucht werden / zeuhen kreuzweiſe hindurch ſchnuͤre / mit denen ſie auch in mitten der Reiffen ihre Schuhe anbinden / und ſchreiten alſo mit diſer ſeltſamen machine auf eine beſchwerliche weiſe fort. Bey Xenophonte leſen wir faſt ein gleiches von denen Griechen / welche / durch die Armeniſche Schneegebir - ge zukommen / an die Fuͤſſe ihrer Pferden / und anderen Laſtviehs / Saͤcke ge - bunden / damit ſie nicht tieſſ in Schnee hinein fielen. Andere hatten κυκλό - ποδες, runde eiſerne Ring an den Solen ihrer Schuhen / mit welchen ſie auf dem Schnee einher giengen / worvon du Freſne in ſeinem Gloſſario Græ - cit. Cardanus gedenket Lib. XIII. Rer. variet. c. 63. gewiſſer auß Wei - den / oder Lindenbaum-Rinden geflochtener Koͤrben / welche in den Nordi - ſchen Laͤnderen an die Fuͤſſe der Pferden geleget werden / welches auch beſtaͤ - tiget Bartholinus de Nivis uſu p. 184. und Olaus Magn. Hiſt Gent. Sept. L. IV. c. 13. Es iſt noch nicht genug geredt von dem Schaden / wel - chen der immerwaͤhrende Alp-Schnee denen Reiſenden zufuͤget / und denen entgegen ſtehenden Hilfsmittlen. Jn die groͤſte Lebensgefahr wiklen die Reiſenden ein die ſo genanten Labinæ, Laͤuwinen / unglaͤublich groſſe von den Bergen herabfallende Schneeballen / von denen anderſtwo zureden ſeyn wird. Es haben ſich fehrner die Bergreiſenden zu huͤten vor vilem an - ſchauen des Schnees / weilen von deſſen glatten Spiegelfoͤrmigen Eisblaͤtt - lein die Sonnen - oder Liechts-Stralen haͤuffig zuruk prellen / und das zarte Werkzeug des Geſichts allzuſtark und empfindlich be wegen. Sonderbar nimmet man wahr / daß von dem neugefallenen Schnee das Geſicht eher verletzet wird / als von altem verlegenen / weilen dort die Eis Sternlein / und Blaͤttlein noch ganz / hier theils gebrochen / theils geſchmolzen: Widerum gewahret man / daß bey ſcheinender Sonne den augen mehr ſchaden zugefuͤ - get wird / als bey truͤber Witterung / auß leicht erforſchlichen urſachen. Es iſt auch diß nicht mit ſtillſchweigen zuuͤbergehen / daß fremde / ſo des beſtaͤndi - gen anſchauens des Schnees nicht gewohnt / vil eher und ſtaͤrker geſchaͤdiget werden / als die Alpenbewohnere ſelbs / oder andere / welche die Berg Reiſen ſtreng brauchen / weilen deren Augen / und zarte Nerven / ſolcher geſtalt an ſtark empfindliche beruͤhrung der Soñenſtralen gewehnet ſind / daß von den - ſelben die einflieſſende Siñliche Geiſter nicht alſobald in die flucht gejagt wer - den / ſondern auch einem hellen Glanz kraͤftig widerſtehen / gleich denen Glaß - ſchmelzeren / welche in die feurig-flieſſende Materi hinein ſehen koͤnnen ohne ſonderlichen ſchaden / da andere / ſo diſer arbeit ungewohnt ſind / bald foͤllig wurden erblinden.

(73)[73]N. 19.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von gefahr und ſchaden / ſo denen Bergreiſenden auf - ſtoſſet vom Schnee / und Eis / und wie dem zubegegnen.

UNter die Bewahrungs - und Geſichts-erhaltungs Mittel / ſollen die Reiſenden zehlen die abhaltung der Augen von dem ſchnee / zu dem end / wo ſie koͤnnen / ihre augen richten auf die allzeit gruͤnen den Lerchen - und Tannen Baͤume / oder auf Schnee-bloſſe Felſen / oder ſelbige mitſchwarz fuͤr - hangendem Thuch bewahren. Des Cyri Soldaten bedienten ſich eines ſchwarzen Thuchs / daß ſie vor die Augen gehalten / nach der Zeugnuß Xe - nophontis Lib. 4. Exped. Cyri. Die Einwohnere des Koͤnigreichs Tibet in Aſia gebrauchen ſich zu abwendung diſes blinden Schadens gewiſſer auß ſubtilen Netzen verfertigten Augen vorhaͤngen / deren Nierenbergius ge - denket Lib. XVI. Hiſt. Nat. cap. 69.

Von der Kaͤlte / welche denen Bergreiſenden beſchwer - und ſchaͤdlich iſt.

ZU allen zeiten ſind die hohen Alpfirſten kalt / weßwegen auch der Schnee beſtaͤndig bleibet durch das ganze Jahr / wie der taͤgliche Augenſchein uns lehret: ſonderbar aber wird eine durchtringende Kaͤlte geſpuͤret / wann der ſcharffe Biſe - oder Nordwind in der Luft die Herꝛſchaft fuͤhret / und / wie aller Ohrten / des Winters. Da geſchihet es mehrmalen / das die Reiſenden auf der Straß erſtarren / oder / wie wir es heiſſen / geſtaben / oder ihnen die Haͤnd und Fuͤß / Ohren / Naſen / Finger / abfrieren / daß / wann ſie ins Loſament kommen / und die Naſen ſchneuzen wollen / ihnen ſelbigt mit ſamt dem Unraht ins Schnupthuch fallt. Diſe ſeltſame / und denen / ſo es angehet / hoͤchſt-beſchwer - und gefaͤhrliche / Begebenheiten koͤnnen nach der Gelehrten Meinung Herꝛn Perꝛault / Mitglieds der Franzoͤſiſchen Acade - mie des Sciences auf folgende weiſe gefaſſet / und in ihren urſachen außge -leget(74)[74]leget werden. Unſer leben beſtehet in beſtaͤndigem Kreißlauff des Gebluͤts / in lebendiger waͤrme / in immer gleichem Einfluß der Sinnlichen Geiſteren / und daher ruͤhrenden Gleichgewicht der auſſeren und inneren Luft. Nun iſt zu wiſſen / daß denen / ſo uͤber hohe Gebirge reiſen / allzeit durch die auſſere Haut / und dero Mundloͤcher außflieget etwas von denen ſubtilen theilen des Gebluͤts / und Geiſteren / und nach und nach ſo vil / daß bey außbleiben - der ergaͤnzung der außgeflogenen theilen in grimmiger kaͤlte die innere Luft geſchwaͤchet wird / und die aͤuſſere aufſtehende eine uͤberwachſende Truckge - walt bekommet; Wann hiemit das Gleichgewicht der auſſeren truckenden / und inneren gegenſtehenden Luft aufgehoben / ſo muͤſſen von jener die Zaͤſeren unſers Leibs zuſamen getrucket / der Lauff des Gebluͤts durch die aͤuſſerſten Puls - und Blut-aͤderlein / und alſo auch der Geiſteren durch die Spañaderen gehemmet werden / worauf das Leben in ſolchen theilen ſich allgemaͤchlich ver - lieret / und eine gaͤnzliche abſterbung / anfaͤnglich zwar der aͤuſſerſten Glied - maſſen / erfolget; und von der Kaͤlte ein ſo genanter kalter Brand entſtehet. Worzu dienet aber diſe vernuͤnftelung? Darzu / antworte ich / daß ein jeder lehrne ſich ſelbs / ſeine geſund - und krankheit erkennen / auch auf begebenden fall ihme ſelbs / oder anderen mit vernunftmaͤſſigen Mittlen beyſpringen; ins beſonder aber die jenige Wundartzet / denen die Zergliederungs-kunſt unbe - kant iſt / anlas nehmen / dergleichen Patienten durch vorſichtiges Tractament eher zum Leben / als zum tod / zubefoͤrderen. Vernem̃et jezunder die zueig - nung; Wer in ſolchen Berg-Reiſen / oder ſonſt kalter Luft / ſeinen eige - nen / oder anderer Gefehrten Leib wil geſund erhalten / der muß vor allem da - hin bedacht ſeyn / das er um den Leib her ſeine außdaͤmpfende waͤrme behal - te / damit ſie nicht zerfliege / zu dem end alle Glieder des Leibes mit dicken Klei - deren / und Beltzwerk wol verwahren / ins beſonder die Bruſt mit Papeir / und Pergament / oder Leder / einfaſſen / damit durch ſolcher Coͤrperen eng - loͤcherichte geſtalt die ſubtilen außdaͤmpfungen des Leibs nicht ſo leicht koͤn - nen durchtringen. Jſt in den Fuͤſſen / oder Armen / bereits eine etwelche un - empfindlichkeit / oder erſtarꝛung / oder fangen dieſe aͤuſſere Glieder an zu zok - ken / ſo gieſſe man denſelben kaltes Waſſer an / bis die erfrierung aufgeloͤßt. Wie? Kaltes Waſſer? heiſſet das contraria contrariis curare, kalte Krankheiten mit erwaͤrmenden Arzneyen heilen? Leſet folgendes merkwir - diges Exempel in des beruͤhmten Berneriſchen Arzets Guilh. Fabritij Hil - dani Feldarzney vom heiſſen und kalten Brand / cap 13. Ein Adeliche und glaubwirdige Perſon hat mir erzehlt / als er durchdie(75)[75]die Nordiſche Lande gereiſet / daß er einsmals habe einen jungen Mann am Wege beynahe todt / und ſteiff vom Froſt gefunden / und als er ihn zu ſich in ſeinen Schlitten genommen / hab er ihn bis in die naͤchſte Herberg fuͤhren laſſen / auf daß er nicht von den wilden Thieren zerꝛiſſen / und gefreſſen wurde. Der Wirth aber habe ihm angezeigt / man muͤſſe geſchwind den ganzen Leib in kalt Waſſer werffen / und nachdem ſolches geſchehen / ſeye der Froſt außgezogen / und der ganze Leib mit Eis / gleich als mit einem Harniſch / uͤberzogen worden. Darnach aber habe man ihm ei - nen ſtarken trunk Mett mit geſtoſſenem Zimmet / Negelin / Mu - ſcatbluſt zutrinken gegeben / und im Beth warm zugedekt / zum ſchwitzen bracht / und ſey alſo widerum zu ihm ſelbſten kommen / und geſund worden: Allein daß ihm die ſpitzen / oder erſte Gleiche der Fingeren / und Zehen / ſeyen abgefallen. Es wird eine ſolche Hei - lungsweiſe nicht fremd vorkommen dem / der jemalen gefrorne Apfel / Eyer / Ruͤben / in Eiskaltes Waſſer werffen / und die um ſie gezogene Eisrinde / ge - ſehen. Leget man gefroͤrne Fruͤchte alſobald in die waͤrme / ſo gehen ſie zu - grund; Badet man gefrorne Menſchen / oder Thiere / und dero Glieder in warmem Waſſer / ſo erſterben ſie. Warum? Es geſchihet hier eine mutatio ab uno extremo ad aliud, eine aͤnderung von groſſer kaͤlte in groſſe waͤrme; der gleichen Spruͤnge von einem Aſt auf den anderen leidet die Natur nicht. Die von der Kaͤlte allzuſtark getrukte Zaͤſerlein laſſen ſich nicht ohne gewalt / und gefahr / einsmals von der waͤrme aufloͤſen. Geſchihet aber diſere aufloͤſung gemachlich / von grim̃ig kalter Luft in kaltes Waſſer / von diſem in laues / bis man endlich kom̃et zu dem warmẽ / ſo kom̃et man zu erwuͤnſchtem zwek. Gleich alſo wird die fluͤſſig-brennende Materi des Glaſes auß dem feutheiſſen Ofen gebracht / nicht alſobald an die kalte Luft / weilen alſo die Glaͤſer ſpringen / ſon - dern von einem Kuͤhlofen in den anderen / bis die erſtarꝛeten Glaß-zaͤſern den gewaltder auſſeren trukenden Luft ertragen moͤgen. Die Eisrinde / welche ſich um die aufgefrornen Glieder anleget / iſt nicht / wie die alten geglaubt / ein auß dem Leib gezogenes Eis / ſondern kommet vilmehr von dem umgebenden Waſſer ſelbs her / als welches an dem noch kaͤlte〈…〉〈…〉 en Leib in Eis verwandelt wird / gleichwie die troͤpflein an dem Marmor / oder die winterliche vilfoͤrmige gefroͤrne in Fenſteren nicht zunennen iſt ein wahrhafter Schweiß des Mar - mors / oder Glaſes ſelbs / ſondern herzuleiten von denen in der Luft ſchweben -den /(76)[76]den / an diſe kaͤltere Coͤrper anpuͤtſchenden / und dort verdickerten / oder ange - frornen Duͤnſten. Jch komme aber widerum zu denen Heilmittlen / deren man ſich auf kalten hohen Bergen bedienen kan und ſol: Under denen iſt nicht die geringſte die Bewegung: Man muß denen / obgleich muͤden / Reiſenden keine ruh laſſen / ihnen nicht erlauben ſich niderzuſetzen / dann ſonſt ſchlaffen ſie ein / und entſchlaffen / gleich jenen bey Claudiano: welche

ceu Gorgone viſa Obriguêre gelu.

Man muß ſie mit gewalt fortfuͤhren / und ſchleppen / ihre Glieder ruͤttlen und reiben / damit dardurch der Lauff des Gebluͤts von dem herzen in die aͤuſ - ſeren Glieder befoͤrderet / und alſo das Leben in dem ganzen Leib erhalten wird. Jn Thomæ Plateri, eines beruͤhmteſten Basleriſchen Medici Lebensbeſchrei - bung / welche noch nicht in truck herauß kommen / ſtehet von ſeinen Landsleuh - ten / den Walliſſeren / daß ſie / wann ſie ſich auf hohen Schneebergen verſpaͤh - ten / und aber weiter nicht kommen koͤñen / den Schlaff auß ihren augen / und den tod von ihrem Leib alſo abtreiben / daß je einer den anderen mit der hand faſſe / und alle ſich in einem Kreiß bewegen / bis der Tag anbricht. Und berichtet Hornius Arca Moſ. p. 174. Daß den Reiſenden gut / wann ſie in grimmiger kaͤlte das Maͤnnliche Glied in vilfaches Papeir einwiklen / und alſo vor der Erfrierung / welche dort ſol mehrmalen anfangen / bewahren.

Ubrigens iſt ein Reiſender der ſeiner geſundheit wil pflegen / zuwahr - nen / daß er ſich nicht mit Wein / oder vilen Speiſen belade / ſondern maͤſſig lebe. Um ſo vil eher / und mehr / iſt diſe Regel einzuſchaͤ〈…〉〈…〉 ffen / weilen in denen Berg Reiſen der Eſſensluſt allezeit groͤſſer / als in anderen / ſo auf der Ebene / oder in Thaͤleren / und in warmen Ohrten vorgenommen werden: Wie ſol - chen kalten Berghunger auch erfahren die Soldaten Cyri bey Xenophon - te de Exped. Cyr. deren vil hungers geſtorben. Die natuͤrliche urſach di - ſer ſeltſamen begebenheit beſtehet kurz darinn / weilen nach obeingefuͤhrten Grundſaͤtzen von der Bergkaͤlte die Leiber der Reiſenden von allen ſeiten her enger eingezogen / das Gebluͤt / und die Geiſter hineinwerts getriben werden / und deßnahen die Siñliche Geiſter haͤuffiger und ungehinderter durch die Magen-Sennaderen in die Werkſtaͤtte des Appetits / und der daͤuung ein - flieſſen koͤnnen. Oder deutlicher iſt die Eigentliche urſach diſes mehreren Appetits herzuleiten von verſtaͤrkter Ziehekraft der im Winter zuſamen ge - zogenen / oder verkuͤrzten Maͤußlein: Wir erfahren ſothane einzeuhung der Maußzaͤſern / nicht nur an unſerem Haut - und Fleiſchichten / weichen Leib / ſondern gar in den dichteſten Metallen / als Eiſen / Meſſing / wie namlich die Aſtronomiſchen Quadranten in grim̃iger Winterkaͤlte engere grad haben / und die Eiſen-ſtaͤbe um etwas kuͤrzer ſeyn.

(77)[77]N. 20.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von der Kaͤlte / ſo die Reiſenden außzuſtehen haben.

ES iſt bey aufloͤſung letſt eingebrachter Begebenheit nicht auß der acht zulaſſen die Winterlich geringere durch - oder außdaͤmpfung des Leibs. Es lehret uns der erfahrne Sanctorius parag. 29. & 41. Static. Sect. 2. Daß wir des Som̃ers taͤglich ein pfund mehr durch die unempfindliche durch - daͤmpfung / oder Loͤchlein der Haut verlieren / als im Winter. Jſt deme alſo / ſo muͤſſen zu Winterszeit mehr fluͤſſige theil / mehr Gebluͤt / mehr Geiſter in alle theil des Leibs / beſonders aber in die Maͤußlein einflieſſen / als im Sommer / folglich mehrere Bewegkraͤfte außuͤben / wie hier uͤber ganz ſchoͤn auß Mecha - niſchen Fundamenten urtheilet Archibaldus Pitcarn, ein ſubtiler Schott - laͤnder / in Diſſ. de Motu, quo cibi in ventriculo rediguntur ad formam ſanguini reficiendo idoneam. Th. 10. Hierauß iſt gleich als im vorbey - gehen wahrzunemmen / woher es komme / daß wir den Winter durch vil aller - hand Fluͤſſe in unſeren Leiberen ſamlen / welche bey ankom̃ender Fruͤhlings - waͤrme / ſonderlich bey anlas veraͤnderlicher / bald kalter / bald warmer / bald feuchter Witterung in Flußfieber / und andere Krankheiten außbrechen.

Von abſtuͤrzung der Felſenſteinen / und Enge der Wegen / ſo den Reiſenden auch beſchwerlich ſeyn.

ES kommet zwaren den Berg-Reiſenden uͤberauß anmuhtig vor die tauſendfaͤltige abaͤnderung der Außſicht / oder proſpects; bald kom - met er durch luſtige / beyderſeits mit hohen Bergen eingeſchloſſene Thaͤter; bald durch anmuhtige Waͤlder: bald durchwandert er die ſchoͤn - ſten Berg-Gaͤrten / ich verſtehe / die mit vilfarbigen ſeltſamen Kraͤuteren auß - gezierteſten Bergwieſen / und Alpen; bald ſihet er auf allerhand art geſtal - tete / von dem Schoͤpfer der Natur ſelbs aufgemaurte Felſen; bald den blauglaͤnzenden Firen / oder Gletſcher und ewigen Schnee; bald uͤberſiheter(78)[78]er von der hoͤhe eines Bergs ein ganzes Land / mit deſſen Staͤtten / Flecken / Doͤrfferen / Wieſen / Aeckeren / Weinbergen / Fluͤſſen / Seen / ꝛc. Aber auch entſetzet er ſich nicht wenig / wann er uͤber ſich ſihet ein altes bald einfallendes Felſen. Gebaͤue / oder gar in einem engen Paß von dem Berg herab fahren / einen / oder mehr / Stein / mit untermiſchter Erden / Holz / und anderer Ma - teri / welche ſo ſie ihne erhaſchet / leicht kan ſchaͤdigen / oder gar zu tod ſchla - gen; Wann er uͤber diß zupaſſieren hat gaͤchſtotzige / ſchlipferige / enge / oft in Felſen eingehauene / kaum ſchuhige / Wege / die zwaren oft zu beiden ſeiten aufſteigende Felſen haben / dannzumal auch ohne gefahr ſeyn / etwan aber nur einerſeits eine Felßwand / anderſeits aber eine ungeheure wilde tieffe / da dann ein jeder Fehltritt uͤber die Grenz thuͤrſchwelle fuhren kan in den tod. Es hat bisher obenhin erzehlte ungemach auch erfahren der dapfere Hanni - bal / wie zuſehen bey Polybio L. III. p. 288. Livio Lib. XXI. p. m. 45. aber mañlich uͤberwunden / die harten Felſen ſo ihnen / und ſeiner Armee / im Weg geſtanden / bezwungen / das gefaͤllete Holz darauf angezuͤndt; und dañ die vom Feuer muͤrb gemachte Steine durch Eiſerne Jnſtrument geoͤffnet / und durchgraben. Livius und Juvenalis melden / daß er die gluͤhenden Felſen habe laſſen erweichen durch anſchuͤttung des Eſſigs.

Oppoſuit Natura alpemq́ue, nivemq́ue Deduxit ſcopulos, & montem rupit Aceto.

Uber diſe Begegnuß zerzanken ſich nicht wenig die Gelehrten / und wollen viel diſe Eſſig-vergieſſung halten vor eine Fabel / um ſo vil mehr / weilen de - ren keine Meldung thut Polybius, der doch den Hannibaliſchen Zug aufs fleiſſigſte beſchrieben / auch nicht Silius Jtalicus / und nicht leicht zuerſehen / wo Hannibal ſo vil Eſſig hergenommen / als genugſam were geweſen die gluͤhende Felſen außzuloͤſchen. Andere hingegen ſehen diſe Geſchicht an fuͤr wahrhaft / welche nam̃lich ſich ein Gewiſſen machen diſe zwey ehrlichen Maͤn - ner / Livium und Juvenalem, der unwahrheit zubeſchuldigen: Jch meines Ohrts glaube der ſicherſte Wege ſeye der Mittlere; und kan mir wol einbil - den / wie auch die harteſten Felſen koͤnnen bezwungen werden durch Feuer / nachdeme in denen Saͤchſiſchen Erzgruben mit Augen geſehen / wie das Fel - ſenharte Gebuͤrge von denen Bergknappen durch ein in den Gruben ange - legtes Feuer alſo aufgeloͤßt wird / daß es hernach mit leichter muͤhe zubrechen. Nachdem die Felſen weich gemachet worden / hat Hañibal ſie wol koͤñen gluͤ - hend mit Eis / Schnee / und Waſſer daͤmpfen / hernach durch Eiſerne ſpitzige Jnſtrument / als die Stem̃eiſen ſeyn / durchbrechen / dañ und wann aber / wodas(79)[79]das Gebirge zuhart geweſen / oder nicht genug aufgeſpalten worden / befeh - len / daß die Arbeitsleuthe ihr Werk befoͤrderen durch underweilige angieſ - ſung des Eſſigs da dann nicht ſo viel hier zu noͤhtig geweſen / als oben ver - meint worden. Jch komme aber widerum auf vorhabende Materi / und gewahre / daß an vilen Orten des Schweizerlands durch die hohen Gebirge gefaͤhrliche / ſchlimme Wege anzutreffen. Bald hat man muͤſſen / die Reiſe abzukuͤrzen / durch die harteſten Felſen brechen / wie zuſehen bey dem ſo genan - ten Neuen Weg nebſt Wallenſtart / da einer ſeits der See / anderſeits die Berge und Felſen: Die via mala, oder boͤſe Weg / in Puͤndten / welche auß dem Domleſchg in das Schamſerthal hinfuͤhrt nebſt dem Rhein / ſo vor zeiten durch den Weg ſelbs / oder in gleicher hoͤhe mit demſelben gefloſſen / nunaber weit tieffer durch ein ungeheur finſteres Tobel mit groſſem geraͤuſch abflieſſet: Der jenige Weg / den man vom Spluͤger-Berg abzuſteigen hat gen Campodo lcino, und Cleven: Weiters ein anderer neuer Weg / ſo mit groſſem fleiß und unkoſten gemacht werden uͤber die Albelen: Etwan werden die gebrochene Felſen-Stuͤcke wegen zwiſchen liegender tieffe zuſa - men gefuͤhrt durch uͤberlegte Balken / und Laͤden / wie deſſen ein Exempel iſt die Teufelsbruk / denen welche uͤber den Gotthard zureiſen haben / hin und wider auch die via mala. Etwan wird nebſt denen hohen Felſwaͤnden fortgefuͤhrt eine gleichſam hangende / auf Balken / ſo in die Felſen ſelbs ein - gelaſſen / ligende / und hier oder dort unterſtuͤzte Bruck / oder gang / wie ein ſolcher paſſiert wird von Oberhalbſtein in das Domleſchger Thal-Oder / man hat in mitten einer hohen Felſwand zu gehen einen Weg / der einer ſeits nichts hat als Felſen / anderſeits neben ihm die freye Luft / und under ihme ein ungeheures tieffes Thal / deſſen anſicht auch dem herzhafteſten vermag ſchre - ken / und ſchwindel / einzujagen: Ein ſolcher iſt die ſo genante Wand / an der Schindlen / oder Tſcheingel / einem gaͤchſtotzigen Berg / welcher von Elm / einem Dorf des Glarnerlands / hinfuͤhrt uͤber den Berg Segnes in Puͤnd - ten naher Flims. Hieher kan gezogen werden / was der Poet von der Schif - fahrt redet

digitis à morte remoti vix quatuor, aut ſeptem.

Mir iſt keiner ſo entſetzlich und gefaͤhrlich vorkommen als diſer; Auf der - gleichen engen / und gefaͤhrlichen Straſſen huͤten ſich die Reiſenden / ſonder - bar aber die Saͤumer (welche mit ihren Saum Roſſen die Wahren uͤber die Gebirge fuͤhren) daß ſie einander nicht an ſolchen Orrten begegnen / da keiner außweichen / und ohne gefahr widerum zuruk kommen kan.

Zum(80)[80]

Zum Beſchluß diſer Materi iſt anzumerken die Manier / wie man die Reiſenden zu Winter - und ſonſten zu ſchneereichen Zeiten uͤber den Gott - hardt fuͤhret; An Haͤnden und Fuͤſſen werden ſie auf einen Schlitten ange - bunden / bedecket mit Stroh / umhuͤllet mit grobem Thuch / und alſo fortge - fuͤhret / oder vilmehr zuſagen / geſchleppet / gleich dem Viehe / ohne daß ſie die gefahr der Straß vor ſich ſehen / oder vil von ihrer außgedaͤmpften waͤr - me verlieren. Was erſinnet nicht Menſchliche Witz auß veranlaſung der nohtwendigen kom̃lichkeit? Lambertus Schnaffnaburgenſis erzehlet bey anlas des Winterzugs Henrici IV. uͤber die Alpen / wie die Koͤnigin / und uͤbriges Frauenzimmer auf Ochſenhaͤute geſetzet und alſo von denen Weg - weiſeren die Berge abgezogen worden. Jch gedenke diß ohrts der Weg - weiſeren / und erinnere die Reiſenden / daß ſie ſich niemalen auf hohe Gebirge begeben ohne Begleit erfahrner Fuͤhreren / nach dem Exempel Hannibals / welcher ad Jtinerum difficultates ducibus utebatur indigenis, die Rei - ſe Beſchwerden zu erleichteren ſich aller Ohrten bediente der Bergleuthen ſelbs eigener anfuͤhrung. Polyb. p. 280.

Von des Schweizerlands Beſchaffenheit in anſehung der Elementen / und Jahrszeiten.

WJr woͤllen uns hier nicht einmiſchen in der Weltweiſen bekanten Streit von der Elementen Anzahl / ob deren drey ſeyen nach den Carteſianeren / und Chymiſten / oder vier nach den Schul-Lehre - ren / oder fuͤnfe nach denen Chymiſten / oder nur eins nach verſchiedener gar - alten Naturweiſen Meinung / oder unzehlich vil nach den Epicureeren: daran geht uns dißmal weder auf noch ab. Setze mich deßwegen ohne bedenken in den mit 4. Elementen beſpañten Ariſtoteliſchen Triumphwagen / und fahre darmit in dem Schweizerland umher / zuſehen / wie ins gemein in unſerem Vatterland / ins beſonder aber hier und dort anzuſehen das Feuer / Luft / Waſſer / und Erde; nicht aber aufzuhalten bey dem Geſtaͤud aller - hand Beyfragen von der Elementen weſentlichen / oder zufaͤlligen Eigen - ſchaften / von derſelben kleinſten Theilen / und ihrer geſtalt / in denen ſie von Gott erſchaffen worden. Dergleichen Streitfragen dienen hieher nicht.

Von der Schweizeriſchen ſonderlich Berg-Luft merklichen leichte / ſubtilheit / und duͤnne / iſt bereits bey anlas der Bergen / Baͤumen / des Heim - wehes zur genuͤge geredt worden / wohin dann den geehrten Leſer wil gewie - ſen haben. ꝛc.

(81)[81]N. 21.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von den Elementen des Schweizerlands.

AUf den hoͤchſten Alp-Spitzen iſt die Luft am kaͤlteſten / weilen dorten die Winde beſtaͤndig blaſen / die Wolken gezeuget werden / und ſich aufhalten / und die Sonnenſtralen keine ſolche kraft koͤnnen außuͤben / wie an den ſeiten der Bergen / und in den Thaͤleren / wohin ſie durch unzahl - bar vil zurukprellungen eine empfindliche / und oft ſo ſtarke waͤrme bringen / daß dergleichen kaum an einichem Ort Europæ anzutreffen. Wer diß in betrachtung ziehet / und noch darzu die geringe ſchwere und gewaltige duͤn - nung der aufſtehenden Luft beyfuͤget / der wird bald genugſame urſachen ſe - hen der beſtaͤndigen waͤhrung des Berg-Schnees und Eis. Steiget man nach und nach den Berg ab / ſo empfindet man mehrere und mehrere waͤrme / bis man kommet in das Thal. Es iſt aber ein groſſer underſcheid zuma - chen / je nachdem die Berge und Thaͤler ligen / das deßnahen zwar den gan - zen Sommer durch alle 4. Jahrszeiten in dem Schweizerland regieren / aber auch einiche Ort zu einer zeit außſtehen muͤſſen die hitz des heiſſen Erdguͤr - tels / andere die kaͤlte der Nordiſchen Landẽ / andere eine maͤſſige miſchung von beyden / ſo daß in denen gedanken ſtehe / das zum Exempel in dem Augſtm. in dem einigen Schweizerland anzutreffen ſeyen alle grad der Waͤrme und Kaͤlte / welche zu ſelbiger zeit ſich finden bey allen Voͤlkern der Welt; und in betrachtung deſſen unſere Eidgnoͤſſiſche Lande anzuſehen ſeyn / als ein compendium Univerſi, dahin der Allweiſe Schoͤpfer verlegt hat das / was er weitlaͤuffig zerſtreuet durch die ganze Eriden. Sehet / wie diſe vil - faltige abenderungen herkommen bald von dem einigen Laͤger oder ſitua - tion der Bergen! Wo diſe ſich zeuhen von Mor〈…〉〈…〉 gen gegen Abend / alſo daß die Morgen und Abend-Soñe zwar ihren zugang haben kan / die uͤbrige zeit aber des Tags wegen hoͤhe der Bergen in das Thal nicht / auſſert etwann inden(82)[82]den laͤngſten Sommertagen kommen mag / da iſt die Mittaͤgige Seiten des Thals faſt das ganze Jahr hindurch kalt und unfruchtbar / die Mitnaͤchti - ge hingegen Sonnenreicher / und von groͤſſeren ertragenheit. Jn dem Per - gellerthal in Puͤndten iſt die ſeiten von Soglio, Caſtaſegna faſt allein be - wohnet / weilen ſie die auf - und abſteigende Sonn genieſſet / und um ſovil fruchtbarer / obgleich Soglio ſehr hoch ligt / weilen der kalte Nordwind dahin nicht / wol aber an die voruͤberſtehende Seiten / wehen kan. Jn dem Rhein - wald / da der hindere Rhein entſpringt / regiert bald durch das ganze Jahr ein zwar geſunder / aber rauher kalter Luft / weilen dahin ſonderlich den Zugang hat der Oſt - und Nordwind / daher in Puͤndten das gemeine Spruͤchwort / im Rheinwald ſeyen 9. Monat Winter / und 3. Monat kalt. So gewahren die jenige / welche in dem Pfefersbad ſich einiche Wochen der Cur halben aufhalten / daß die Sonn dorthin / wegen uͤberhangenden hohen Felſen / auch in den Sommer tagen kaum 2. ſtund hinkomt / welche abweſen - heit der waͤrme denen Trink - und Badgaͤſten eine unbeliebige feuchte / und kaͤlte zubringet. Merkwuͤrdig iſt die durchtringende kaͤlte der Engadiner - Luft / welche Winterszeit bey ſtill-hellem Wetter groͤſſer / als auf den hoͤch - ſten Bergen / in deme der Saͤumeren bericht nach der Wein im fuͤhren durch das Thal eher / als uͤber die Berg / gefrieret. Bey dergleichen Orten / wo die Sonn wenige zeit des tags mag hinkommen / heiſſet es / was Silius der Jta - lieniſche Poet geſchrieben

Cœlum intercipit umbra
Nullum ver uſquam, nulliq́ue æſtatis honores,
Sola jugis habitat diris, ſedeſque tuetur
Perpetuas deformis hyems.

Wo hingegen das Gebirg ſich erſtrecket von Morgen gegen Mittag / und die Sonn bald den ganzen tag kan ein ſolches Thal beleuchten / da genieſſet man koſtliche Fruͤchte einer durchtringenden Waͤrme / als zum Exempel die - nen kan die Landſchaft Veltlin / ſo gemeinen drey Puͤndten underworffen / ein wahrhaͤftes irꝛdiſches Paradeis / von deſſen Fruchtbarkeit anderſtwo zu reden ſeyn wird. Wir wiſſen auch in unſeren Landen / daß die jenige Aeker und Weinberge / ſo hinderdem Nordwind ligen / und hingegen dem Mit - tag wind offen ſtehen / vor andern fruchtbar ſeyn. Die jenige Thaͤler / Laͤn - der / und Guͤter / welche gegen abend ligen / werden zwar mehr befeuchtet / muͤſ - ſen aber auch von diſem feuchten Abendwinde außſtehen mehrere ungelegen - heiten / wie dann bekant / daß die Abendſeite der Haͤuſeren / welche gegen demwetter /(83)[83]Wetter / oder der jenigen gegne / wo die meiſten Wetter herkommen / liget / eher ſchadhaft wird / als die uͤbrigen / und hier und da in dem Schweizerland kan wahr genom̃en werden / daß diejenige Felſen - und Bergſeite / ſo gegen A - bend ſihet / bruͤchiger iſt / und eher abreiſſet / als eine andere / ſo gegen einer an - deren Weltgegne ſtehet. Was vor folgereyen auß diſerem Fundament der Situation koͤnnen gezogen werden in anſehung der geſund - oder unge - ſundheit / grob und ſubtilheit der Gemuͤteren / wil ich einem Naturverſtaͤndi - gen uͤberlaſſen / und bey anderen Anlaͤſen die wahrheit diſes Grundſatzes durch Vatterlaͤndiſche Exempel vilfaͤltig bekraͤftigen / und zugleich anzeigen / wie ein in diſem theil der Naturhiſtori verſtaͤndiger Arzet koͤnne manchen Patienten durch bloſſe abenderung der Luft curieren. Wir ſehen ja / daß von dem hoͤchſten Bergluft unſere Leiber anderſt angegriffen werden / als von tieffem Thal-luft / anderſt in warmer / als in kalter / in feuchter / als truckener / und die von der einten urſach zugezogene Krankheiten koͤnnen / und muͤſſen geheilet werden durch entgegen geſeztes Mittel / in deſſen kluger Außfind - und zueignung die ganze Cur eines Patienten beſtehet. Jch gehe in verhandener Materi weiter / und gewahre in denen inneren tieffenen der Bergen bald eine ſehr warme / bald eine durchtringend kalte Luft. Jn denen unterirꝛdiſchen Kluften / und hoͤlinen ſpuͤret man Sommerszeit / da die aͤuſſere Luft von der Sonnenwaͤrme in ſtaͤrkere bewegung gebracht worden / oder die underirꝛdi - ſche Winde blaſen / eine zimliche friſche Kaͤlte / in dem Winter hingegen / da die aͤuſſere Luft eine geringe bewegung hat / eine waͤrme. Jn denen tieffen Eißſpaͤlten der Gletſcheren regiert eine erſchrockenliche kaͤlte / welche denen Menſchen / ſo hinunter fallen / oder ſich hinab laſſen / das Leben bald / wann ſie ſich etwas darinn aufhalten / außloͤſchet. Diß bezeugen ehrliche Maͤnner / welche einen A. 1699. in einen ſolchen Gletſcher-Spalt gefallenen Gems - Jaͤger herauf geholet / daß ſie nachdem ſie in die 15. Klafter ohngefahr hinab - kommen / eine ungemein grimmige kaͤlte außgeſtanden / welche unertragenlich were geweſen / wo ſie ſich nicht alſobald widerum hetten aufzeuhen laſſen; wie mir diſere Hiſtori berichtet der Ehrw. Hr. L. M. Pfarꝛer in Schams in Puͤndten. Da moͤchte einer gedenken / daß an ſolchen Ohrten die ſo genan - ten corpuſcula frigorifi ca, oder kaltmachende Coͤrperlein ſich haͤuffig auß den Gletſcherwanden hervor / und in die Leiber ſolcher Maͤnneren hineinge - laſſen / dero Gebluͤt zu verdickeren / und der Geiſteren Lauff zuhaͤm̃en; Beſſer aber laſſet ſich nach Hrn. Perrault Meinung ſagen / daß diſere Begeben heit vilmehr zuzuſchreiben dem verhinderten Kreißlauff der außgeflogenen waͤr -me /(84)[84]me / und dadurch vermehrter Trukkraft der aͤuſſeren Luft / wodurch die Leiber haben von allen Ohrten her muͤſſen in die enge getrukt / oder eingezogen / und der Umlauff des Gebluͤts / in dem unſer Leben beſtehet / verhinderet werden. Jch habe oben angezeiget / wie in dem Schweizerland zu einer zeit koͤnnen Oehrter / Staͤtt / Flecken / Doͤrffer / Haͤuſer / Berge gezeiget werden / welche von der groͤſten kaͤlte der Nordiſchen Landen Stuffenweiſe abſteigen zu der groͤſten Waͤrme der heiſſen Zon. Noch mehr aber vergroͤſſeret ſich die verwunderung / wann man ſolche vilfaͤltige Enderungen kan erfahren in ei - nem Tag / ja in einer Reiſe von 5. 6. ſtunden. Auf der oberſten hoͤhe eines Bergs hat man den Winter bey beſtaͤndigem Eis / Schnee / kaltem Winde / und ſolche Kraͤuter / welche unter dem Schnee / oder nach deſſen abgang alſo - bald hervor wachſen / folglich den Winter; Beſſer hinab fanget alles je mehr und mehr an grunen / da zeiget ſich ein mehrere waͤrme / und findet man die Fruͤhlings-kraͤuter / bis man nach und nach in das Thal komt / da man kan ſehen unter empfindlicher Hitz das reiffe Korn abſchneiden / oder die Trau - ben leſen / hiemit die Sommer - und Herbſtfruͤchte einſamlen. So vil ſeye dißmal geredt von der Schweizeriſchen Luft.

Kommen wir zu dem Element des Feurs / ſo finden wir genugſamen Anlas die allerweiſeſte guͤte Gottes / gegen uns zu preiſen. Ein alter Schul - fuchs / ſo die Element ſetzet nach der ordnung ihrer ſchwerigkeit / die Erde zu - underſt / ob ihro das Waſſer / uͤber dem Waſſer die Luft / und von dero Graͤn - zen bis zu dem Mond das Feuer / koͤnte in ſeinen Grillen ſich ſo weit verſtei - gen / daß er denen bewohneren der hoͤchſten Gebirgen eine ſolche Hitz zumaͤſſe / dergleichen außzuſtehen haben die unter dem heiſſen Guͤrtelſtrich der Erden ſich aufhalten / ja nach diſer Meinung muͤßte unſer ganzes Schweizerland / weilen es das hoͤchſte von Europa / auch das waͤrmſte ſeyn. Es ſtoſſet aber ſolche Hirngrillen um die Erfahrung. Je hoͤher die Gebirge ihre Spitzen in die Luft erheben / je mehrere kaͤlte muͤſſen ſie außhalten / ſo daß auf unſeren Eis - und Schnee-Bergen die Kaͤlte allein regiert / und alle waͤrme außge - ſchloſſen ſcheinet. Jch ſage / ſcheinet / weilen in der Meinung ſtehe / es dienen bemelte Schneeberge unſerem uͤbrigen fruchtbaren / flachen Schweizerland zwar dann und wann zu groſſem ſchaden / aber auch zu groſſem / und villeicht groͤſſerem Nutzen. Jch faſſe die Sach alſo. Weilen die Eidgnoͤſſiſche Lande hoͤher ligen als das uͤbrige Europa / eine reinere duͤnnere Luft genieſ - ſen / groͤſſerer kaͤlte unterworffen / ſo hat anderſtwoher der natuͤrliche Mangel genugſamer waͤrme muͤſſen erſetzet werden / wann wir Einwohnere ſolcher kalten Landen haben ſollen von derſelben Fruͤchten leben / ꝛc.

(85)[85]N. 22.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Anhang von den Elementen des Schweizerlands.

JCh finde inſonderheit zwey urſachen / dardurch ein mehrere waͤrme in unſeren Helvetiſchen Landen erwecket / und die Kaͤlte abgehalten wird: Die einte beſtehet in der Bergen ſituation, und vilfaͤltiger / oben be - reits erklaͤrter / zuruckprellung der Sonnenſtralen: die andere in einer un - terirꝛdiſchen Waͤrme / welche in unſeren Berg-kluften und verborgenen hoͤ - linen ſich kan aufhalten / und die auſſere Erdenrinde unſerer Helvetiſchen Lan - den beſtaͤndig / ſo vil als noͤtig iſt / erwaͤrmen. Ein ſolches unterirꝛdiſche Feuer oder waͤrme / zeigen genugſam an ſo vil warme Waſſer quellen / und Erdbi - dem / denen alle bergichte / und ſonderlich auch unſere Schweizeriſche Lande unterworffen / wie ins beſonder hiervon zeugen kan der lobliche Canton Glarus / welcher A. 1654. 15. und A. 1701. uͤber die 30. Erdbidem ge - ſpuͤrt / ſo auch die Lobl. Statt Baſel / der Lobliche Canton Zuͤrich / die Grafſchaft Baden / und andere Ohrte mehr / von deren Erſchuͤtterungen anderſtwo zu reden ſeyn wird. Von diſer unterirꝛdiſchen / in allen Berg - werken zuſpuͤrenden / und etwan in wuͤrkliches Feuer außbrechenden waͤrme werden unſere Berge / Felſen / Waͤlder / Wieſen / Alpen / dero Gewaͤchſe / und ohnmittelbar aufligende Luft eiswaͤrmet / der Nehrſaft in die Baͤume / Stau - den und Kraͤuter getrieben / ja ſelbs hinterhaltet der beſtaͤndige Berg - Schnee die innere Waͤrme / daß ſie nicht leicht außfliegen kan / wie wir auch in unſeren ebenen Landen gewahren / daß der auf der Saat ligende Schnee dieſelbe erhaltet / und auf denen hoͤchſten Alpgebirgen mit verwunderung zubemerken / wie nahe an dem Schnee und Eis / ja unter demſelben die ſchoͤn - ſten / und rareſten Kraͤuter gruͤnen und bluͤhen. Diſe wunderbare guͤte Got - tes / welche ſich zeiget in weiſeſter außtheil - und miſchung der Waͤrme und Kaͤlte / genieſſet gleich unſerem Schweizerland die Jnſel Jsland / von derenbekant /(86)[86]bekant / daß ſie nicht ſo fruchtbar und bewohnet were / als ſie iſt / wann ſie nicht beſtaͤndig erwaͤrmet wurde von dem Feurofen Hecla. Alſo ſehen wir / wie Gott ſeine Geſchoͤpfte / die Feurſpeyende Berge / die erſchrokenliche Erdbidem / die Waͤrme / Kaͤlte / Waſſer / Luft / ꝛc. zubrauchen weißt / wann er gegen uns Menſchenkinderen ſich wil erzeigen als ein gnaͤdiger Vatter / oder als ein ſtrenger Richter. Was uns abgehet an genugſamer Waͤrme der oberen / und inneren Luft / das koͤnnen wir auß ſonderbarer guͤte des Schoͤpfers er - ſetzen durch andere Mittel / under welchen muͤſſen gezehlet werden unſere Ler - chen-Tannen-Eich-Buch - und andere Waͤlder / auß denen wir Brenn - und Bauholz genug haben; ſolte uns auch dißfals was abgehen / ſo koͤnten wir unſere N. 2. angeruͤhmte Torff - oder auch Steinkohlen-gruben oͤffnen / und darauß ganze Staͤtte und Landſchaften reichlich verſehen. Jch geſchwei - ge anderer Feuer-materialien / deren wir uns zu taͤglichem Gebrauch bedienen koͤnnen / als da ſind die Kieß / Feurſteine / Schwefel / Zunderſchwam̃ / welche wir hier und da in unſeren Landen in nicht geringer Menge antreffen. Jch uͤbergehe auch den Nutzen / welchen uns Eidgenoſſen im fahl der noht koͤnnen ſchaffen unſere auf den Bergen / und Hochwachten anzuzuͤndende Feuer / durch deren hilff innert wenig Stunden das ganze Schweizerland kan auf - gewekt / und in Allarm gebracht werden; Dergleichen Feueren ſich auch zu Kriegszeiten bedienet die alten Roͤmer / ſchon vor Julij Cæſaris Zeiten / die Peruaniſchen Koͤnige oder Yncæ; Die Gothen in Schwediſchen und Nor - wegiſchen Gebirgen / wie zuſehen auß Cæſar. Lib. III. de Bell. Civil. p. m. 639. Garcillaſſo de la Vega Commentair. Royal. Lib. VI. cap. 7. Ol. Magn Hiſt. Gent. Sept. Lib. VII. c. 10. Jch geſchweige auch des ſchadens / welchen das rauberiſche Feuer-Element unſerem Vatterland in allerhand muthwillig verurſachten / oder durch zufaͤlliges ungluͤck entſtandenen Brun - ſten zugefuͤget / unter welchen ſonderbar merkwuͤrdig iſt jene muthwillige Landverlaſſung / deren Cæſar gedenket Bell. Gallic. Lib. I. Daß namlich um das Jahr der Welt 3912. die alten Helvetier unter ihrem Heerfuͤhrer O〈…〉〈…〉 getorix ſich verbunden / ihre wilde Lande zuverlaſſen / und das fruchtbare Jtalien einzunemmen / deßwegen vor ihrer Abreiſe in die 12. Staͤtt / und 400 Flecken und Doͤrffer / mit allem Korn - und anderem Vorꝛaht verbrent; ut Domum reditionis ſpe ſublata, paratiores ad omnia pericula ſub - eunda eſſent.

Von denen Schweizeriſchen Waſſeren / und deren koſtbarkeit in ge - mein iſt oben bereits N. 5. p. 19. zur genuͤge geredet worden: Von denenFluͤſſen /(87)[87]Fluͤſſen / Seen / Baͤchen / Bruͤnnen / warmen und kalten Mineral-waſſeren aber wird hier und da etwas merkwuͤrdiges zuſchreiben vorfallen; und kan auch hieher gezogen werden / was N. 10. p. 37. von den Berg-Neblen und Wolken / als uͤberirꝛdiſchen Waſſeren angebracht worden.

Die Erde ſehen wir hier nicht ſo vaſt an / als ein kaltes und feuchtes Element / ſondern vilmehr als ein Zeugmuter aller Gewaͤchſen / Thieren / und Menſchen. Wir Schweizer koͤnnen der guͤte Gottes nicht genug danken / vor die vilfaltig reichen Schaͤtze / welche unſer kleine Erdenwinkel nicht karg - lich / ſondern reichlich hervor bringt. Wahr iſts / daß hier und da / ſonder - lich auf denen hoͤchſten Gebirgen groſſe Plaͤtze anzutreffen / da alles wild / rauh / und unfruchtbar / da gibt es keine Kornvolle aͤcker / keine koſtliche Wein - berge / keine Obsreiche Gaͤrten / ja nur nicht ein einiger wilder Baum / da alles von kaͤlte ſtarꝛet / mit Schnee und Eis bedecket / und traurig außſihet; Gleich - wol finden ſich auf / und naͤchſt an diſer wilden Schaubuͤhne die weidreiche - ſten Alpen / die ſchoͤnſten Gaͤrten / ſo da gepflanzet von dem Schoͤpfer der Na - tur ſelbs / und mit ihren anmutigſten vilfarbigen Blumen die Augen und Gemuͤter auch derjenigen ergetzen / welche ſonſt ſich nicht auf die Kraͤuter - wiſſenſchaft legen / oder verſtehen; ich geſchweige nun des Nutzens / welcher von erhaltung viler 100000. Stuck Viehs unſerem ganzen Land durch Milch / Batter / Kaͤſe / Fleiſch / ꝛc. zuflieſſet. Es ſolte mancher bey vorſtel - lung der erſchrockenlich allgemeinen Suͤndflut gedenken / daß die wuͤtenden Waſſerwellen alles Erdrich von unſeren hohen Gebirgen muͤſſen wegge - ſchwemmet / und in die Thaͤler / oder nidrigere Lande abgefuͤhret / folglich die Berge blos / und unfruchtbar gelaſſen haben. Es findet ſich aber diß nicht in der That; Ein jedes kleines / an den Felſen hervorꝛagendes Plaͤtzlein ſihet man mit Erde beleget / und mit Kraͤuteren gezieret: Welches denen Suͤnd - flut-Beſchreiberen anlas kan geben zu abfaſſung verſchiedener Gedanken. Wahr iſts / daß die wilden Bergwaſſer jaͤhrlich eine groſſe Menge guten Erdreichs abſpuͤlen / und mit ſich fort in die groͤſſere Fluͤſſe fuͤhren / das von unſerer Landes fette andere Voͤlker / zu denen unſere Schweizeriſche Er - den hingefloͤſſet wird / nicht geringen Nutzen haben / wie deſſen Zeugen ſeyn koͤnnen die jenigen Wieſen in denen Niederlaͤndiſchen Provinzen / welche zu gewiſſen Jahrszeiten von unſern anwachſenden Fluͤſſen uͤberſchwemmet / und dardurch gleich wie Egyptenland vom Nilo / geduͤnget / und fruchtbar gemachet werden. Wir ſpuͤren uͤber diß in unſeren Landen / daß die Berg - waſſer je tieffer und tieffer in die Erden einfreſſen / ſo daß zum Exempel derRhein /(88)[88]Rhein / ſo ehemals durch die via mala zwiſchen Schams und Tuſis gefloſ - ſen / nun 50. und mehr Schuh tieffer einher fahret; Obgleich auß bisheri - gem zuſchlieſſen / daß die Schweizeriſche gute Erde nach und nach abnem̃en / und hingegen die fruchtbarkeit in anderen nidrigern Europeiſchen Laͤnderen zunem̃en werde / ſo ſpuͤren wir doch in der That noch keinen mangel / wiewol wir auß unſerem uͤberfluß anderen mittheilen; wir haben noch unſere Graß - reiche Wieſen / Blumenvolle Alpen / fruchtbare Aecker / edle Weinberge / Luſt - und nutzbare Obsgaͤrten / weite Waͤlder / ꝛc. und hoffen / es werde der Allweiſe Schoͤpfer jezt-erzehlte Natur-kraͤfte und Fruͤchte unſers Lands noch weiter uns nebſt der koſtlichen Leibs - und Seelen-Freyheit genieſſen laſ - ſen; weßwegen wir uns vor diſem groſſen Gott zu demuͤtigen haben / wel - cher die uns zugetheilte Gutthaten alle augenblick verwandlen kan in ernſt - hafte Straffen.

Anhang von der feurigen Luftgeſchicht / deren oben meldung geſchehen / N. 12. p. 45.

Den noch uͤbrigen Platz weiß dißmals beſſer nicht außzufuͤllen / als mit folgender bekraͤft - und beleuchtigung deſſen / was oben ſowol Hiſtoricè als phyſicè von bemelter feurigen Luftgeſchicht geſchrieben worden. Es haben vor dem Erdbidem / ſo geſpuͤrt worden den 4. Nov. 1704. zwey ehrliche Bau - ren / der einte von Birch weil auß der Pfarꝛ Baſſerſtorff / der ander ab dem nahe darbey gelegenen Hof / Obholz genant / als ſie von Hauß hinweg naher Wuͤlflingen gefahren / gewahret / daß ein Feur auß der Erden kommen / wel - ches dem Boden nachgefahren / gleich einem Blitz / dar ab ſie erſchrocken / und je einer den andern gefraget / was doch diß bedeute / das ſeye kein rechter Wet - terleich; die Erſchuͤtterung des Erdbodens aber haben ſie ſelbs nicht ge - wahret. Ein gleiches ſol auch zu Embrach von einem Mann wargenom̃en worden ſeyn. Wir unterdeſſen lehrnen von diſen unſeren Lehrmeiſteren / daß die eigentliche urſach der jenigen Wetterleuchten / ſo etwan unmittelbar denen Erdbidmen vorgehen / alſo auch der oben beſchribenen Feurigen Luftgeſchich - ten / welche unter dem Nahmen Cœli ardentis, flammantis, eines Feuri - gen Himmels bekant ſeyn / mehrmalen herꝛuͤhre von wirklichem Außbruch eines unterirꝛdiſchen Feures. Diß berichtet mich Hr. J. H. G. M. D. mein ſehr wehrter Freund.

P. S. Schließlich berichte den geehrten Leſer / daß in 7. naͤchſt folgenden Zeitungen nebſt dem getrukten Blatt noͤhtig iſt ein Kupferblatt zugeben / deſſen jeweiliger wehrt iſt ein ß.

Es handlen aber diſere Blaͤtter von denen im Schweizerland befindlichen uͤber bleibſe - len / oder Reliquien des allge meinen Suͤndfluſſes.

(89)[89]N. 23.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von denen im Schweizerland befindlichen uͤberbleibſelen der Suͤndfluth.

Hoͤchſtloͤblich iſt es an einem Liebhaber der Welt - ſonderbar aber der Vatterlaͤndiſchen Hiſtori / wann er ſowol auß allerhand Geſchicht - ſchreiberen / als alten aufgerichteten Denk-Saͤulen / Jnſcriptionen / oder Uberſchriften / Muͤnzen / Edelgeſteinen hervor ſucht den alten Stand der Monarcheyen / Koͤnigreichen / Republiquen; einem Eidgnoß ins beſonder / wann der jezt erzelter hin und wider in dem Schweizerland anzutreffenden Huͤlfs mittlen ſich bedienet / den alten Stand des Helvetierlands / und alle deſſen abenderungen bis auf gegenwertige Zeiten zu erforſchen / und ſelbs ei - nen anſehenlichen Schatz ſamlet von geſchriebenen / und getrukten Buͤcheren / von alten Vertraͤgen / Puͤndtnuſſen / Abſcheiden / Muͤnzen / und andern Mo - numenten / ſo die Hiſtori unſers Lands betreffen. Wie fleiſſig aber einer im - mer iſt / ſo findet er in denen mittleren Jahrhunderten vor Caroli M. Zeiten bald nichts als Finſterheit / und kan endlich hoͤher nicht kommen / als zu den Zeiten der alten Roͤmeren / und deren gethane Zuͤge in unſere Helvetiſche Lan - de. Das / was dißmal zubelieben vorhabe / gehet an nicht die Politiſche / ſondern Natuͤrliche / Beſchaffenheit des Schweizerlands / welche ſich nicht nur erſtrecket zu der Roͤmeren Zeiten / ſondern in die 2000. Jahr weiter hin - auf zu dem Suͤndfluß. Jn diſer allgemeinen und erſchrockenlichen Erden - zerſtoͤrung hat unſere Helvetia ſo vil gelitten / daß der Gedenkzeichen diſer grauſamen Waſſerflut mehr als in einigem Land Europæ anzutreffen. Jch kan keklich ſagen / daß wann keine H. Bibel were / welche uns diſer Sach hal - ben einen Goͤttlichen Bericht ertheilte / wir auß bloſſer Natur-betrachtung unſerer Landen / und deſſen / was darinn iſt / ganz gewiß koͤnten ſchlieſſen / daß ſelbige einſten von dem Meer / daß doch ſo weit von uns iſt / und ſo tief under uns ligt / ſeyen uͤberſchwemmet worden. Jch preiſe die Allweiſe VorſehungGottes /(90)[90]tes / welche uns nicht nur in H. Schrift berichtet / Gen. VII. 19. Daß die Waſſer der Suͤndfluth uͤber die hoͤchſten ſpitzen der Bergen gangen / ſon - dern auch uns immerwaͤhrende Daͤnckſaͤulen deſſen vorſtellet auf unſeren Alpgebirgen / welche die groͤſten und hoͤchſten ſind von ganz Europa. Wer wil hieran zweiflen / wann er auf den oberſten Bergfirſten unſerer Landen anſihet ganze Felſen / die von lauter zerbrochenen / auf ein ander gehaͤuften / und in Stein verwandelten Meer-Muſchelen / und Schneken zuſamen ge - ſetzet ſind? Kommet hieher ihr Veraͤchter der H. Schrift / die ihr vor eine e〈…〉〈…〉 ele Fabel haltet / das was in den Buͤcheren Moſis von der Suͤndflut auf - gezeichnet ſtehet; lehrnet hier ihr Gotteslaugner / die ſtummen Felſen wer - den euch predigen / die Maurharte Berge werden euch / wann ihr je zu biegen ſey / weich machen: Es iſt merkwuͤrdig / daß die Hiſtori der ſo genanten ge - bildeten Steinen (Lapidum Figuratorum) in diſen letſten Zeiten eiferi - ger unterſuchet wird / als jemalen; Aber auch das Gift der Gottes laugnung und Schriftverachtung auf eine ſo ſubtile Manier zugeruͤſtet / und denen Herzen der Menſchen eingefloͤſſet wird / als jemalen: Es iſt zwaren wahr / daß die Muſchel - und andere gebildete Steine nach viler Naturforſcheren Meinung zugeſchrieben werden einer verborgenen Naturkraft / welche ſie al - ſo in der Erden geſtalte / oder anderen und anderen urſachen / von denen zu anderen zeiten ſol ein mehrers geredt werden. Es iſt aber diſere Materi ſint wenig Jahren ſo eiferig erforſchet / und die ſteine mit denen Meer Geſchoͤpf - ten ſo fleiſſig und ſorgfaͤltig verglichen worden / das nun mehr ein vernuͤnfti - ger Menſch nicht zweiflen kan an herkunft der meiſten ſo genanten figurier - ten Steinen von der Suͤndflut. Jch wird dann und wann bey fortſetzung diſer Arbeit anlas haben / die uͤberbleibſelen der Suͤndflut / ſo in unſeren Lan - den befindlich / dem goͤnſtigen Leſer vorzuſtellen / dißmalen aber / und in 6. fol - genden Blaͤttlein einiche vor deme in Lateiniſcher Sprach um etwas beſchrie - bene Steine vorzulegen / und zugleich anzuͤdeuten / welche von ihnen ganz ge - wiß zu den zeiten der Suͤndflut gehoͤren / welche zweifelhaft / welche endlich in der Erden ſelbs gebildet worden?

Auf dem Laͤger / Leger / oder Laͤber Berg Zuͤricher Gebiets / ſo ein theil d〈…〉〈…〉 s Juræ, oder Juraſſi, bey der Hochwacht, findet man allerhand Ar - ten Muſchel-Schnecken - und andere Steine / von denen dißmal nur die ra - reſten werde vormahlen.

Tab V. Jn der 1. und folgenden Figuren ſihet man die ſo genanten Stern-Steine / welche bey unſerem Geſſnero heiſſen Aſteria vera, undSphragis(91)[91]Sphragis aſteros, de Figur. Lap. p. 37. bey B. de Boot. Aſteria vera ſeu Stellaris Lapis. Gemmar. & Lapid. L. II. c. 148. Aſtroites Entrocho ſimilis Velſchio Hecatoſt. l. p. 52. Welche Nahmen alle endlich bedeu - ten eine gattung runde / oder fuͤnfeckichte Steine / welche gar ordenlich gleich vilen Tellerlein auf einander ligen / ſo daß man ſie kan von einander ſoͤnde - ren / und auf jedem derſelben oben und unden ſehen ein wolgebildetes Roͤſ - oder Sternlein. Etwan ſind diſe Raͤdlein / oder Tellerlein / ganz rund / (wie in Fig. 3. 4. ) etwan fuͤnfeckicht / mie ſpitzigen / oder runden ecken (Fig. 5. a. 5 b.) etwan ganz rund / aber an dem rand mit 5. außhoͤlungen verſeyen. Etwan findet man in einem reyen von 5. 6. oder mehreren auf einander ligen - den raͤdlein alle diſe Abenderungen (wie in Fig. 1. 2. ) in anſehung der groͤſſe ſind einiche dicker / andere duͤnner / (wie Fig. 2. und 3. die natuͤrliche groͤſſe anzeigen.) Widerum ſind einiche in grader Lini auf einander geſetzet / (wie Fig. 1. 2. 3. ) andere krum̃ (Fig. 4.) das Roͤſ - oder Sternlein / welches auf de - nen raͤderlein zuſehen bildet vor Fig. 5. Es finden ſich diſe Steinlein etwan in mitte anderer harten Steinen / oder gucken auß denenſelben hervor / etwan aber bloß auf den aͤckeren / naͤchdem ſie nam̃lich auß denen Steinen nach und nach durch Regen / Schnee / Kaͤlte / Waͤrme / geloͤßt worden / und herauß gefal - len Fragen wir nach diſer Sternfoͤrmigen Steinen urſprung / ſo iſt zuwiſſen / daß derſelbe ganz gew〈…〉〈…〉 ß koͤnne / und muſſe / geſucht werden in gewiſſen Thie - ren / welche in dem Suͤndfluß zugrund gegangen. Jhre ordenliche geſtalt / zuſamenfuͤgung / und gewiſſ〈…〉〈…〉 glaͤnzende Mater〈…〉〈…〉 / worauß ſie beſtehen / gibt diß genugſam zuerkeñen. Luidius haltet ſie vor theile der Meerſternen / Stel - marinæ; Ob nicht auch einige koͤnnen verglichen werden mit denen Graͤt - ten groſſer Floßfederen der Meerfiſchen / uͤberlaſſe denen / welche an den Mee - ren wohnen / und taͤglichen anlas haben / die Meerthiere mit ihren Theilen zuſehen / und zu beſchreiben.

Fig. 6. ſtellet dar ein ablaͤng rundes / oder Zylinderfoͤrmiges Steinlein / cylindricus Lapillus, welches mehrmalen eintz〈…〉〈…〉 len / ſehr ſelten zwey - und dreyfach an einander hangend gefunden wird. Daß aber anfaͤnglich vil an einander muͤſſen geweſen ſeyn / zeiget an der runde duͤpflein kreiß / ſo auf jedem diſer Steinlein zuſehen. Einmal habe eins gefunden / das mitdem ſo genanten Naͤgelein Stein z[u]ſamen gefuget. (Fig. 13 b.) Zu diſem Stein - lein gehoͤret Entrocho congener volvola vulgaris eburnea Luid. Lithoph n. 1162. ein dem Eifenbein gleiches z〈…〉〈…〉 linder rundes Steinlein; mit vorbehalt eines kleinen underſcheids. Luidius haltet darvor / daßauch(92)[92]auch diſe art Steinlein zu den Meer-Sternen gehoͤre / gleich auch die naͤchſt - folgende.

  • Fig. 7. ein bauchichtes Steinlein / ſo einem kleinen Faͤßlein ſich gleichet / Dolioli Figu - ri Lapillus / und eben diß iſt / welches Luidius nennet Volvolam doliatam, ſeu cadiſcum re - rentem. n. 1163. Lachmund in ſeiner Oryctograph. Hildesheim. p. 56, Entrochum con - ſtantem ex Trochitis ſcuis candidis, quorum pars media tumet; Einen auß vilen bauchichten raͤdlein zuſamen geſezten Raͤdlein-Stein. Diſe nun ſind an der laͤnge / und dicke ungleich / und werden gar ſelten zwey gefunden / die noch aneinander halten / dann ihre Fagen ſo ſub - til / daß ſie kaum geſehen werden: weßwegen leicht zuerachten / das in der allgemeinen Er / denzerſtoͤrung diſe glaͤiche der Meerſternen ſich haben muͤſſen an einander zerſtoſſen / ſo daß kei - ne oder ſehr wenig ganze / auß vilen glaͤichen zuſamen geſezte aͤrmlein haben koͤnnen uͤbrig / und ganz bleiben.
  • Fig. 8. iſt ein kleines Biren - oder Schwammfoͤrmiges Steinlein (Fungulus pyri - formis lapideus) welches oben hat vil Loͤchlein / und unten einen zimlich dicken ſtiel / gleich de - ren gattung Schwaͤmme / welche bey Mentzclio heiſſen Funguli caliciformes ſeminiferi in Pu - gill Planta〈…〉〈…〉 rarior. ehe ſie ſich oͤffnen.
  • Fig. 9. iſt ein kleines Steinlein / gleich einem Baret / Baretlin (Biretiformis Lapil - lus) welche Gattung Hut in Spelmanni Gloſſario beſchrieben wird under dem Nahmen Bir - ri, Burri, Bytri, Biretæ, Birrheti, Birreti, Birretri. Was aber eigentlich diſes Steinlein vor - ſtelle / kan ich nicht wiſſen: oben hat es vil hole Loͤchlein / unten aber außgebogene duͤpflein.
  • Fig. 10. iſt ein grauer Stein gleich einem einerſeits außgebogenen / anderſeits holen Glaß / dergleichen zum Exempel uͤber die Sackuhren gemacht werdẽ: ſelten iſt es eines zohls in dem Durchſchnitt / mehrmalen aber kaum eines Nagels breit / und noch kleiner; etwan findet man ihne eintzeln / etwan ſeyn 3. 4. 5. und mehr uͤber einander / welche ſich gar fuͤglich in einan - der ſchicken. Diſe art Stein beſchreibet auch Luidius Lithoph. Britt. p. 86. unter dem Namen Alvcoli, welches Wort eigentlich heiſſet ein holes Schuͤſſelein. Was aber diſer Steinſeye / oder bedeute / iſt bis dato noch unbekant: Das habe ich mehemalen wahrgenommen / daß derglei - chen Alvcoli / oder hole ſteinerne Schuͤſſelein ſich finden in dem Centro / oder Kegelfoͤrmigen Hoͤle des ſo genanten Belemnitæ oder Luchsſtein / deren ein ganzer vorgeſtellet wird in Fig. 11. b. ein halber aber / in deme die Alvcoli ligend zuſehen in Fig. 11.
  • Fig. 12. Bildet vor ein den Krebsaugen nicht ungleiches Steinlein / welches oh - ne zweifel auch von dem Suͤndfluß hergeleitet werden muß. Es iſt daſſelbe faſt gleich einem runden / oben holen / mit fuͤnf Strichlein bezeichneten ſchaͤlchen / weßwegen es anderſtwo von mir genennet worden Scyphoides lapillus pedun〈…〉〈…〉 carens. Ein Steinlein / ſo einer ſcha - len ſich gleichet ohne den Fuß.
  • Fig. 13. wird gemeinlich genennet Naͤgeleinſtein / Eßnaͤgelein / Carjophyllus lapi - deus, Caryophylloides Lapis, weilen er faſt gleich einem Gewuͤrz Naͤgelein.
  • Fig. 13. b. hat oben vier eck / wie das erſtere fuͤnfe. Einmal habe angetroffen ein cylind - riſches Steinlein an vorhabenden Naͤgelinſtein gefuͤgt / wie zuſehen Fig. 13. b. Es gehoͤret in - deſſen auch diſer Stein zu denen Reliquien der Suͤndflut / obgleich wir noch nicht wiſſen / was vor Thieren theil es ſeye.
  • Fig. 14. Jſt ein mit Fiſchrogen beſeztes Steinlein. Ovu lis aſperſum Saxum; und hat jedes Eylein in mitten ein ſchwarzes Puͤnctlein.
  • Fig. 15. heiſſet Stigmites, ein mit vilen duͤpflein bezeichneter Stein.
  • Fig. 16. Retepora ſeu Eſchara marina Jmperati lapidea: ein netzſoͤrmig ſteinern Meer - gewaͤchs auf einem Marmerſtein.

Das Kupfer koſtet 1. ß.

[figure]
(91)[91]N. 24.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortſezung von denen im Schweizerland befindlichen uͤberbleibſelen der Suͤndflut.

KEin zweifel iſt / daß in denen erſten Jahren / und Jahrhunderten nach dem Suͤndfluß man in f[r]iſcher Gedaͤchtnuß gehabt alles / was ſich waͤhrender diſer erſchrokenlichen uͤberſchwem̃ung zugetragen. Noah / und die ſeinigen / ſo in der Arch erhalten worden / werden mit einander oft - malige Geſpraͤche von ihrer wunderbaren erꝛettung / und anderer lebenden Geſchoͤpften elendem untergang / gefuͤhret haben / und wird diſe Geſchicht von Mund zu Mund zu denen Nachkoͤmlingen fortgetragen worden ſeyn: Wañ auch ſchon die Menſchen geſchwiegen hetten / ſo were doch die ſach ſelbs nicht unbekant geblieben; Es hetten geredt ſo vil tauſend / und aber tauſend / Mu - ſchelen / Schnecken / Krebs / und andere Reliquien der Meerthieren / mit wel - chen der ganze Erdboden anfangs beleget geweſen. Wie aber diſe theils von den waſſeren weggeſchwem̃et / theils von der Luft verzehret / theils von den Menſchen und Thieren zertretten worden / die Menſchen auch mehr zuſorgen hatten um ihre Kleider und Nahrung / als um erfindung der Buchſtaben / und Wiſſenſchaften / dardurch die Gedaͤchtnuß einer ſo merkwuͤrdigen Be - gebenheit were erhalten worden / als iſt nach und nach die wahrhafte Hiſtori des Suͤndfluſſes verblichen / und in lauter Maͤhrlein verwandlet worden. Die Griechen hatten in folgenden zeiten außgeſtanden die Ogygiſche / und Deucalioneiſche uͤberſchwem̃ung / deren jene Atticam verwuͤſtet / diſe aber Theſſaliam zugrund gerichtet / weilen nun von diſen beſondern uͤberſchwem - mungen dem ganzen Griechenland groſſer ſchaden erwachſen / ſo hat man nur allein von diſen traurigen Zeitungen geredet / als die von friſcherem da - to waren / und die allgemeine vorher entſtandene Flut mit diſen letſteren ver - menget / oder gar in dieſelben verſenket. Es haben zwaren auch andere Voͤl - ker / in Klein und Groß Aſia, Africa, und Europa etwelche Nachricht vondiſer(92)[92]diſer allgemeinen und groſſen Welt-Tragedj behalten / aber mit allerhand zugeſezten Fablen ſo vermiſchet / daß man auß ihren hinderlaſſenen Schrif - ten ſich wenig kan erholen. Der einige Geheim-Schreiber Gottes Moſes giebet uns einen zwar kurzen / aber eigentlichen Bericht / wie es her - gegangen / und muͤſſenſich deſſen in Beſchreibung diſer Geſchicht zu ihrem Fundament bedienen alle andere Hiſtorici. Wir ſind dißmalen begriffen in aufſuchung aller derjenigen Mittlen / welche uns die Natur an die hand gibt / und darmit zu dem Traurſpiel des Suͤndfluſſes den geraden Weg fuͤhret. Joh. Craig, ein ſubtil gelehrter Engellaͤnder / wil in einem Tractaͤtlein genant / Theologiæ Chriſtianæ Principia Mathematica, be - haubten / daß alle auch wahrhafteſte / und in Goͤttlichen Schriften ſelbs auf - gezeichnete Geſchichten ihren gewiſſen Zeitlauf haben / indeme ſie geglaubt / und endlich vor Maͤhrlein angeſehen werden / und rechnet auß / daß nach 3150 ſint der zukunft Chriſti ins Fleiſch verfloſſenen / und annoch abzulauffenden / Jahren die Hiſtori unſers Erloͤſers nicht mehr werde geglaubt werden / und nach der Prophecey Chriſti ſelbs / Luc. XVIII. 8. das Ende der Welt kommen. Es ſcheinet diſere ſeltſame Meinung umzuſtoſſen unſere vorha - bende Materi des Suͤndfluſſes. Zu der zeit / da die wahrſcheinlichkeit diſer Ge - ſchicht ſolte je mehr und mehr abnemmen / und bald ſich in eine Fabel ver - wandlen / ſuchet man die uͤberbleibfelen der Suͤndflut / die man ſo vil 1000. Jahr nichts geachtet / mit ſonderem Eifer und Fleiß auf / und findet ſie wirk - lich zu uͤberzeugung aller deren / welche ſie bis dahin angeſehen vor neue Ge - burten der Natur / ja zu beſchaͤm̃ung aller Schrift - und Gottes-laugneren. Oder / wo iſt je ein zeit / da man bald in allen Laͤnderen Europæ / ja auch uͤb - rigen Welttheilen / mit ſolcher muͤhe und ſorgfalt diſere Materi unterſuchet / und darvon geſchriben / als jezund geſchihet? Wir haben hohe urſach / die Guͤte Gottes zu preiſen / daß nach dero allweiſen leitung zu diſen unſeren zei - ten man durchlauffet Berge und Thaͤler / und auß den Leim-Stein - und Erz - Gruben taͤglich ſolche ſachen hervor gebracht werden / welche uns vormahlen die eigentliche Beſchaffenheit des Suͤndfluſſes. Gleichwol iſt auch diß zu - bekennen / daß diſere wiſſenſchaft noch nicht den hoͤchſten grad ihrer follkom - men heit erꝛeichet hat / und nicht ſo bald erꝛeichen wird / wo nicht groſſe Mo - narchen / und Staͤnde das Geſchaͤft befoͤrderen werden: Man findet vil ſa - chen / von welchen man ganz gewuͤß ſagen kan / das ſie gehoͤren zu der / oder diſer Claß lebender Thieren / oder Gewaͤchſen: Aber auch vil / von denen wir nichts gewiſſes melden koͤnnen / auß mangel genugſamer wiſſenſchaft von denen natuͤrlichen / in Waſſeren / oder auf der Erden ſich aufhaltenden Coͤr -peren.(93)[93]peren. Von ſolcher Art ſind bald alle gebildete Steine / welche in gegen - wertiger VI. Tafel vorgeſtellet werden. Wir wollen aber eine Figur nach der anderen beſehen.

  • Fig. 17. Jſt ein Stuck eines Corallen-gewaͤchſes / ſo mit einer netz - foͤrmigen Rinde / gleich einem Weinſtein uͤberzogen. Corallium foſſile cortice reticulato obductum. Diſere Meer-Rinde / oder Tartarus, fin - det ſich auf den Muſchelen / Schneken / Corallen / und anderen Meercoͤrperen / und wird beſchrieben von Boccone in ſeinen Recherches Naturelles p. 7. 9. 17. 160.
  • Fig. 18. iſt ein in zwey aͤſte ſich theilendes Stuͤck eines Corallenge - waͤchſes. Alcyonij bifurcati fragmentum, welches villeicht kan verglie - chen werden mit dem Alcyonio foraminoſo, vel quarto Dioſc. Jmpe - rat. Hiſt. Nat. p. 641. einem loͤcherichten Meergewaͤchs; oder Madreporæ cujusdam foſſilis fragmento. Luid. n. 107.
  • Fig. 19. iſt eine art ſteinern Meergewaͤchs den Pfifferlingen nicht ungleich / weßwegen ſie auch von Wagnero Hiſt. Nat. Helv. p. 309. genen - net werden Fungi lapidei, ſteinerne Pfifferling. Es findet ſich diſer Stein gar vil auf dem Laͤger - und Randenberg / iſt von verſchiedner geſtalt und groͤſſe: ins gemein aber endet er ſich unten in einen ſpitz / und oben dehnet er ſich auß / gleich einem Glotz / mit dem die kinder ſpielen. Jn gegenwertiger Figur iſt abſonderlich zuſehen die auſſere von dem inneren Steinmarg ver - ſchiedene Rinden; welches mir auch den anlas gegeben / diſen Stein zuver - gleichen mit einem Meergewaͤchs genant Alcyonium ſtuppoſum Jmpe - rat. vel quartum Dioſcorid. Deſſen abbildung zuſehen in Jmperat. Hiſt. Nat. p. 640. Jn folgenden Figuren zeiget ſich diſer Stein in geſtalt einer Feigen / wird deßwegen vergliechẽ mit Alcyonio tuberoſo formâ Fructus alicujus Ficus, vel Alcyonio quinto Dioſc. Jmperat. Hiſt. Nat. p. 641. U[n]ſer ſelige Hr. Wagnerus nennet ihn ganz wol Ficoidem, und Caricoi - den, Feigenſtein / auß gleichem Fundament: dann gewißlich einiche von diſer art Steinen mit ihrer geſtalt und Streimen / welche oben in mitten an - fangen / und ſich gegen dem Stiel zuſamen zeuhen / einer Feige nicht ungleich; wie Fig. 20. Andere ſind nicht geſtreimet / ſondern mit vilen / gleich als mit Nadeln gemachten Puͤnctlein bezeichnet; wie Fig. 21. Widerum andere ſind bauchichter / und groͤſſer als die Feigen / oder ſind rings um in ihrer aͤuſ - ſeren Flaͤche beſezt mit vilen holen / etwan der ordenlichen laͤnge nach / mehr - malen aber ohne ordnung ſtehenden loͤchlein: Hieher gehoͤret die groͤſſereund(96)[94]und kleinere Fig. 22. diſe / welche widerum den Pfifferlingen ſich eher gleichet / als den Feigen / haben oben ein Loͤchlein / welches etwan durch den ganzen ſtein hinab gehet / und ſeyn an groͤſſe und laͤnge ſehr ungleich; einiche nicht dicker / als ein Federkiel / und etwan eines Zohls lang: andere ſind von gleicher Zohl laͤnge / aber einmal ſo dick / als die vorigen: einiche ſeyn nicht groͤſſer / als ein Kirſchen-Stein / andere ſo groß / als eine Fauſt / und noch groͤſſer. Hieher ge - hoͤren villeicht Tubera lapidoſa, die Steinerne Pfifferlinge / deren gedenket Calccolariut Mus. p. 411.
  • Bekanter / als die vorigen / ſeyn beyde Stein / ſo mit N 23. bezeichnet ſind. Jch nenne ſie ein Wurmfoͤrmiges Meergewaͤchs / Aleyonium vermiculare [Vermicchiara] Al - cyonium Milcſium, vel Tertium Dioſc. Jmper Hiſt. Nat. p. 639. Lachmund in Oryctogr. Hildesheim. p. 48. heiſſet ihne Tubuliten, oder Lapidem Tubulum Vermium exactè referen - rem, Wurmſtein / Steinerne Wurm. Luidius in Lithoph. Britt. n. 1213. bis 1211. Vermiculariam. Wormius in Muſco p. 49 Lapidem albiſſimum poroſum, ex vermiculis qui - busdam conflatum, oder Alcyonium candicans vermiculatum Von diſen Steinen koͤnnen wir ganz gewiß ſagen / daß ihre erſte Mutter das Meer / und die zeit ihrer Geburt bis hinauf zum Suͤndfluß ſich erſtrecket. Sie ſind ſo gleich denen auf und uͤber einander herkriechen - den / und an denen Muſchelen und Schnecken ſich anhenkenden Meerwuͤrmlein / daß kein Ey dem anderen aͤhnlicher ſeyn kan; in ihrer geſtalt / groͤſſe / farb / und durchloͤcherung. Man findet ſie auf dem Laͤgerberg Zuͤricher - auf dem Randen Schaffhauſer Gebiets: in der Birß bey Baſel / und der Grafſchaft Neuenburg.
  • Fig. 24. iſt ein Stein gleich einem holen Schuͤſſelein / heiſſet villeicht dannenher Patel - la lapidea, Steinernes Schuͤſſelein Wagnero Helv. Cur. p. 318. und gleichet ſehr einer gewiffen Art holer Pfifferling / oder Schwaͤm̃e. Was es aber eigentlich ſeye / kan ich bis dahin nicht gewiß anzeigen. Der Ohrt / wo diſer Stein ſich findet / iſt auch der Laͤger - und Randen Berg / und bey Liechſtal Baßler-Gebiets.
  • Fig. 25. iſt gleich einem mit vilen Tugſtein umlegten und verſteinerten ſtuͤklein Holz: Heiſſet deßwegen Surculus lupideus, Adarce, vel Tartaro incruſtatus.
  • Fig. 26. iſt gleich einer knorꝛichten Hcrculis Keule / oder Stecken: und kan in verglei - chung geſetzet werden mit Lithophyto nigro majori & craſſiori Tournef. oder Corallio nigro C. B. Wagner heiſſet diſen Stein Lithophyton, ſeu ſpinoſum Lapidem Helv. Cur. p. 313. Es ſcheinet / daß diſe art Steine anders nichts ſeye / als ein ſtuͤck eines Schwanzes von einem Meer Roch oder Angelfiſch / Raja, oder Paſtinaca marina; oder eine gattung Stacheln von Meerigeln / diejenige ins beſonder / welche Baſtoncelli impietriti nennet Boccone Muſeo di Fiſica p. 183.
  • Fig. 27. und 28 iſt eine rare gattung vil loͤcherichter Meermuſcheln / Concha foſſilis Tel - liaoides poroſa. Dieſe Maſcheln ſind ſo leicht / und bruͤchig / das man ſie gar ſelten ganz findet; koͤnnen deſto weniger ſich und ihren erſten urſprung verlaͤugnen / weilen ſie keine / oder geringe verſteinerung außgeſtanden. Die farb ſelbs iſt aſchgrau / etwan auch purpur - draun. Der Ohrt derſelben / und zweyer vorhergehenden Steinen / iſt der Laͤgerberg.

Das Kupfer koſtet 1. ß.

[figure]
(97)[97]N. 25.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schwetzer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortgeſezte Beſchreibung derer im Schweizerland befind - lichen uͤberbleibſelen der Suͤndflut.

NJemand iſt / der nicht die Muſchelſtein / ſteinerne Muſchelen / auf erha - benen / und nidrigen Ohrten / auf aͤckeren / in Felſen / auf dem Laͤger - Randen-Pilatus-Aubrig - und anderen Bergen / in der Grafſchaft Neuenburg / und anderen Ohrten des Schweizerlands / mit verwunderenden augen anſehe / und ſowol bey ſich ſelbs nachdenke / als von anderen zu wiſſen begehre / woher doch dergleichen den Meer - und Fluß-Muſcheln ganz gleiche / Steine herkommen / oder / wie ſie gezeuget werden. Hoffe derowegen / es werde dem geehrten Leſer nicht beſchwerlich fallen / wann ihme bey anlas der VII. Tab. die vornemſten uͤber diſe Materi waltenden Meinungen ganz kuͤrzlich vorſtelle / und nach habender Freyheit diejenige darauß erwehle / welche mich am wahrſcheinlichſten dunket.

Es theilen ſich alle Scribenten in zwey Haubtlager / in dem einten ſind die / welche darvor halten / daß dergleichen Muſchel-Schnecken Stein in der Erde gezeuget / und geſtaltet werden; in dem anderen / die ſie von dem Meer her holen. Jn beyden Lageren ſind widerum verſchiedene abgetheilte corps, welche wir abſoͤnderlich wollen durch die Muſterung paſſieren laſſen / und von jedem Generalen vernemmen ſeine beſondere Meinung.

Robert Plot, und vil andere / denen die ſo genantẽ Chymiſchen Grund - ſaͤtze vor anderen gefallen / halten darvor / daß die geſtaltung aller coͤrperen herzunemmen ſeye von dem Salz / welches hiemit auch in dem inneren Ein - geweid der Erden nach verſchiedener ſeiner Art und Bewegung die lettichte / ſandichte / oder andere zu ſtein werdende Materi in die geſtalt einer Muſchel / Schnecken / oder anderen Thiers / oder Krauts verwandle. Diſe Meinung habe auch ich ehemals behaubtet / und bin nicht nur auß Chymiſchen / ſondern auch mechaniſchen / Grundſaͤtzen ſo weit geſchritten / daß eine (mir damals) (wahr -(98)[98]wahrſcheinliche weiſe außgeſonnen / nach welcher zum exempel die Muſchel - ſteine koͤnten in der Erden gezeuget werden. Diß. Epiſt. de Conchitar. Ge - ner. in Append. Ephem. German. Dec. III. Añ. IV. p. 158.

Welche unter des groſſen Ariſtotelis Heerhauffen ſich haben einſchrei - ben laſſen / beruffen ſich alle mit erhabener Stim̃ auf ihre ſo genanten For - mas ſubſtantiales, oder weſentliche Formen / auf eine gewiſſe geſtaltende / verſteinerende kraft / vim figuratricem, Plaſticam, lapidificam, welche ſie anderſt und anderſt betitlen / wo ſie andere Figuren macht: κερατοποιητικὴ heiſ - ſet ſie / wann ſie ein Scher - oder anders ſteinernes Horn geſtaltet / κογ Χοποιητι - κὴ, wo ſie eine Muſchel zeuget / und ſo fort.

Gehen wir weiter fort zu des beruͤhmten Baptiſtæ Helmontii Offi - cieren und Soldaten / ſo werden wir widerum hoͤren in einem lauten geſchrey / wie alles ſich beruffet auf den Archeum, ein gewiſſes alles bildendes / und bewegendes Principium, welches in gleichem rang ſtehet nebſt der alten Heid - niſchen Weltweiſen Natur / des Henrici Mori Principio Hylarchico, an - derer Welt-Seel oder Geiſt / Anima Mundi, Spiritu mundi, Spiritu Ar - chitectonico. Zu diſem / wie auch des Ariſtotelis, Fahnen / in welchen be - melte Woͤrter mit groſſen Buchſtaben ſtehen / muͤſſen alle ihre angehoͤrige einen blinden gehorſam ſchweeren.

Lucas Rhiem, gebuͤrtig von Coburg / ein Oberſter ohne Regiment / gehet in ſeiner Diſp. de Ebore Foſſili etwas naͤher / und wil / daß eine durch die Erde zertheilte Saamen kraft / (vis ſeminalis) oder kleine Muſchel - Schnecken - und andere Saͤmlein koͤnnen in einer gewiſſen dienlichen / ſchlei - michten Erde / ſich aufſchwellen / in eine gaͤhrung gerahten / und wirkliche Thie - re / oder derſelben gehaͤuſe zeugen / welche auch leben wurdẽ / wañ nicht ein ver - ſteinerender geiſt / oder ſaft / ſie ergrieffe / und in ein hartes weſen verwandelte.

Ehe wir zu der Feindlichen Armee uͤbergehen / treffen wir an Eduardũ Luidium, einen Engellaͤnder / welcher in einem Wald poſtiert / aber mit gar weniger Mannſchaft verſehen. Diſer hat auch eine beſondere Meinung und wil / daß die auß dem Meer / und Erden / aufſteigende duͤnſte mit ſich fuͤh - ren koͤnnen das kleine Geſaͤme der Muſchelen / Schnecken / anderer Thieren / und Gewaͤchſen; Wann nun dieſelbe durch die Luft fortgetragen ſich iñert die Erdenloͤchlein eindringen / ſo koͤnnen ſie in einer bequemen Materi ſich außdehnen / und allerhand Bilder geſtalten / welche hernach unter dem Nah - men der figurierten Steinen bekant werden.

Auß diſem Wald wenden wir uns zu der zweyten Armee / bey welcher man reſolviert zum vortheil des Meers / auß welchem ſie die Muſchel - Schnecken / und andere dergleichen Stein / urſpruͤnglich harleiten / alles auf -(99)[99] zuſetzen. Jn den Vorpoſten treffen wir an einiche geringe außſchuͤſſe / welche auß gemeinen Leyen beſtehen / und vorgeben / es haben in den aͤlteſten zeiten die Menſchen ſolche Muſcheln / und Schnecken auß dem Meer an die Ohrt hingetragen / da man ſie nun findet / die enthaltene Thiere zur Speiſe ge - braucht / und dann die Schalen ligen laſſen. Andere ſagen die Erde habe bereits allerhand aͤnderungen außgeſtanden / und ſeye vor diſem das Meer geweſen / wo nun trocken land.

Bey der Armee ſelbs / welche trefflich wol nicht nur natuͤrlich poſtiert / ſondern mit guten Vernunft gruͤnden / als ſtarken Bollwerken eingeſchan - zet / uͤber diß auch mit reglierter Zahlreicher Mannſchaft verſehen / hoͤret man von nichts anders reden / als von der Suͤndflut / diſe / ſagen ſie / iſt der einige anlas / bey welchem die Meerthiere in unſere Schweizeriſche Lande / ja in alle theil der Welt kommen / und iſt die beſte anſtalt gemachet / ſich bey diſer Mei - nung bis auf den letſten Blutstropfen zu wehren / damit zu gutem der wahr - heit der Sieg befochten werde.

Nun ſchreiten wir fort / nach dem wir bey allen Naturweiſen Genera - len unſere Viſiten abgelegt / zu beſichtigung gegenwertiger VII. Tafel / und erſtlich zwar zur

29. Fig. in welcher vorgeſtellet wird ein Muſchelſteinlein mit Haar - kleinen ſtreimen (Pectunculites parvus capillaribus ſtrys notatus) mit deme kan vergliechen werden Pectinites minor ſtrys capillaribus dona - tus Liſter Cochlit. Angl. Tit. 50. Ein kleines haarklein geſtreimtes Jacobs Muͤſchelein; findet ſich auf dem Laͤger - und Randen-Berg.

Fig. 30. iſt ein dickgeſtreimte ſteinerne Jacobs Muſchel. (Pectini - tes densé ſtriatus) wann unter den Meer Muſchlen nachfrage einem Mu - ſter / das diſem Stein ſich gleiche / ſo kommet vor Pecten minimus angu - ſtior, inæqualis feré & aſper, ſinu ad cardinem cylindraceo creberri - mis minutiſſimiſq́ue ſtrys donato, oder kleinſte / unebene und rauhe / dicht geſtreimte Jacobs Muſchel Liſter, de Cochl. Marin. Tit. 31. Findet ſich auf dem Laͤgerberg.

Fig. 31. ein Steinerne Meerbon / oder Meernabel / Umbilicus ma - rinus lapideus: verdienet unter die rareſten gezehlet zu werden / als dene bey keinem Scribenten bis dahin angetroffen; gleichet ſich ganz dem ſo ge - nanten Umbilico marino, welcher eigentlich kein eigenes Muͤſchelein iſt / ſondern nur ein Deckel gewiſſer Perlen Schnecken / welche ſich finden in dem Adriatiſchen / und anderen Meeren; wird von den Jtalieneren genant Oc - chio di S. Lucia, S. Lucien-aug. Das Steinlein ſelbs habe von dem Laͤgerberg.

Fig.(100)[100]

Fig. 32. iſt eine gattung doppelſchalichter ſteinerner Meer-muſchlen / welche ſich hin und wider in dem Schweizerland / auf dem Laͤger-Randen - Berg / im Badergebiet / in der Grafſchaft Neuenburg / zimlich haͤuffig finden laſſet. Heiſſet bey Liſtero Cochlit. Angl. Tit. 46. Conchites ano - mius roſtro prominulo & veluti pertuſo donatus. Ein mit ungleich groſſen Schalen / und hervor ragendem Schnabel / in welchem ein loͤchlein zuſehen / verſehener Muſchelſtein. Fabius Columna de Purpura, cap. 12. nennet ihn Concham rariorem anomiam vertice roſtrato, ein rare ge - ſchnabelte Muſchel mit ungleichen Schalen: und Concham gibboſam, ein hoggerichte Muſchel in obſervat. Aquatil. & Terteſtr. rarior. Lui - dius erſinnet einen neuen Titul / und nennet diſe Muſchelſtein in Lithophyl. n. 837. Terebratulam vulgatam ovalem. Unſer S. Wagnerus Helv. Cur. p. 307. Conchitam ſtriatum planum, einen glatten / und geſtreim - ten Muſchelſtein / und auch Conchitam vel Ctenitam faſciatum planum, einen glatten Band-Muſchelſtein.

Fig. 34. iſt ein kleiner aſchgrauer Luchsſtein Luidio Lithoph. n. 1702. genant Belemni - tes minor cinercus Ari piſtillum referens.

Fig. 35. Jſt ein rarer / glatter / weiſſer / ſteinerner Meerſchneck / Neritites albidus planus. Welcher in einen gar offenen mund ſich außbreitet / und dardurch von anderen Meerſchnecken ſich unterſcheidet. Diſer findet ſich auch auf dem Laͤgerberg.

Fig. 36. Sein zwey an einander ſtehende gelenke eines Krebsfuſſes. Aſtacopodium binis articulis invicem junctis conſtans. Jſt deßwegen rat / weilen wir heutigs tags gar we - nige Reliquien finden von Krebſen / ſo vor dem Suͤndfluß gelebt haben / als die wegen ihrer leichte ſich oben auf die Erde geſezet / und theils vertrukt worden / oder ſonſt zu grund gangen. Diſen Stein habe auß einem Felſen / ſo da ſtehet am Steinerweg bey Stein am Rhein.

Fig. 37. iſt ein mit einem aug bezeichnetes Kiſelſt einlein / Siliculus Ommatias, auß der Sil / einem Fluß / der neben Zuͤrich vorbey flieſſet / und in die Lim̃at ſich ergieſſet. Dergleichen augfoͤrmigen Steine gibt es mehr unter denen Achaten / als da ſind Achates ommatias, und Onychophtalmos bey Velſchio Hecatoſt, l. Obſ. 22. Leucophtalmi, Lycophalmi, Ægophtal -〈…〉〈…〉 ni, bey Cardano Subtilit f. 290. Dergleichen Figuren ſind eine bloſſe ſpilung der Natur.

Fig. 38. ein Leiſtfoͤrmiges Steinlein / Muſtricula, ſive Lapillus minutulum quoddam calopodium referens. Luid. Lith. n. 1105. Jſt vom Laͤgerberg / und eine Spielung der Natur.

Fig. 39. Ein cylinderfoͤrmiges / aſchgraues / runzlichtes / durch und durch holes Stein - lein (Tubulus foſſilis cylindraceus) vom Laͤgerberg. Wohin es gehoͤre / iſt noch ungewiß.

Fig. 40. Ein Stuͤcklein von einem Meer Rochen Schwanz / Rajæ cauda foſſilis, iſt ganz ſicher von der Suͤndflut.

Fig. 41. Jſt eine ſeltſame gattung dreyeckichten Fluſſes / oder Berg Chriſtall / Fluor cryſtallinus trigonus, ſtrijs lateribus pyramidis cujusq́ue parallelis pulchrè notatus, gehoͤret eigentlich nicht under die Schweizeriſche Steine / weilen er ſich findet zu dem Steinbruch bey Oningen / Conſtanzer-Biſtums.

Das Kupfer koſtet 1. ß.

[figure]
(101)[101]N. 26.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortſezung von denen im Schweizerland befindlichen uͤberbleibſelen der Suͤndflut.

JN der 42. und naͤchſtfolgenden Figuren Tab. VIII. komt uns vor ein ſeltſam gebildeter Stein / welcher wol wirdig iſt einer genauen zer - gliderung / und eigentlichen Beſchreibung. Auſſert dem Schweizer - land iſt nicht bekant ein ſonderlicher Ort / da er ſich finde / auſſert einichen wenigen / deren unten wird meldung geſchehen / da er zwaren gar ſelten ange - troffen wird. Jnnert unſern Eidgnoͤſſiſchen Landen aber findet er ſich in der Sil / einem Fluß / ſo in dem Silthal Schweizergebiets entſpringt / und naͤchſt Zuͤrich vorbey flieſſet; einen einigen habe angetroffen oben auf dem Uetliberg / welcher ein theil des Albis: mehrere auf dem Widerfeld / einer hoͤhe des Pilatus-Bergs bey Lucern; inſonderheit aber giebet es eine ſo groſſe menge diſer Steinen auf dem Berg Albrig / Aubrig genant / Schweizergebiets / das man bey 100. und 1000. Centneren nach be - lieben außwehlen / und damit manches Cabinet außzieren kan; wohin auch einen Liebhaber dergleichen ſeltſamheiten wil eingeladen / und verſichert ha - ben / daß ſeine muͤhe nicht werde vergeblich ſeyn: Außwendig iſt diſer Stein ganz ſchoͤn und wunderlich bezeichnet: Unſere Bauren / welche in der Sil Kalchſtein aufſuchen / neñen ihn Kuͤmmich-Kuͤmmelſtein. Und gewiß - lich ſihet er mehr mal auß / als ob er mit Kuͤm̃ich / Fenchel / Aniß und anderen dergleichen Samen beſtreuet were. Ferr, Jmperatus in ſeiner Hiſt. Nat. Lib. 24. p 579. vergleichet diſere Figuren / gleich unſere Bauren / mit dem Korn / oder Kernen / heiſſet deßwegen den Stein Pietra Frumentale, e natural - mente ſcolpita in Figure di Frumento, e ſemi de Legumi. Athana - ſius Kircherus bringet herauß die gleichnuß mit einem Weidenblat / wann hieher gehoͤret ſein Folium Salicis, deſſen er gedenket in Mund. ſubterr. Lib. (102)[102]Lib. 8. p. 39. Es iſt auch ſolchen Widenblaͤtteren ganz aͤhnlich der / den wir in der Sil finden / deßwegen von mir genennet worden Salicita, Jteita, Weidenblaͤtter-Stein / in Appendic. Miſcell. Curioſor. Añ. 1697. & 1698. p. 63. Denen Weidenblaͤtteren ſind faſt gleich die Lorbeerblaͤt - ter / und kan wol ſeyn / daß hieher dienet der Daphnias / welchen Zoroaſtres bey heilung der fallenden ſucht angeruͤhmet / nach der Zeugnuß Plinii. Hiſt. Nat. Lib. 37. c 10. Andreas Chioccus kan auß diſem Stein nichts ge - wiſſes machen / nennet ihne deßwegen in beſchreibung des Calceolariſchen Muſei Sect. 13. p. 317. 318. Lapidem valde elegantem variis rerum imaginibus perpulchré admodùm à Natura exornatum, einen gar ſchonen mit allerhand Bildnuſſen von Natur gezierten Stein; wie er ihn dann gewuͤrdiget hat / in einem ſauberen Kupfer vorzuſtellen. Begeben wir uns etwas naͤher zu betrachtung diſes Steins / ſo finden wir / daß die Blaͤt - terfoͤrmigen Figuren etwan ganz weiß und glatt ſeyn / etwan mit ſubtilen Zwerchlinien / faſt allezeit aber mit einer langen Linien / welche der laͤnge nach von einem ſpitz des Blatts zum anderen ſich zeuhet / bezeichnet ſind; etwan ſihet man 3. 4. oder mehr ablang circulfoͤrmige Strich / welche um den Mit - telpunct an beyden enden ſich ſchlieſſen; wie diß alles zuſehen in der 42. Fig. Bleiben wir nicht bey der aͤuſſeren ſchalen / oder Rinden ſondern ſuchen den Kern / die eigentliche geſtalt auf / ſo kom̃et / wann man die kleinen Steinlein auß denen banden eines groſſen loͤſet / herauß eine geſtalt / welche an dem bort rund / und beiderſeits erhoben / gleich denen Lentibus utrinque convexis, oder bauchicht geſchliffenen Brennglaͤſeren / auſſert daß diſe durchſichtig / und glatt / jene finſter / und geſtreimet ſind / alſo daß die Striche oder Streimen von dem Mittelpunet gegen dem bort ſich bald einen geraden / bald krum̃en Wege zeuhen / wie zuſehen in Fig. 43. und 44. Jn betrachtung deſſen wer - den diſe Steinlein von mir genennet Lentes Lapideæ ſtriatæ, utrinque convexæ, vitreis Figurâ ſimiles, in maſſâ lapideâ vario ſub ſchemate conſpicuæ, beiderſeits bauchicht / oder erhoben / und geſtreimet / welche un - ter vilfoͤrmiger geſtalt dem aug vorkommen. Uber diß iſt zu gewahren / daß diſe Steinlein beſtehen auß vilen uͤber ein ander gezogenen / auch geſtreimten Hautlein / gleich denen Zwibelen / welche Haͤutlein oft in einem Steinlein ordenlich zuſehen ſind; wie Fig. 45. Schneidet man diſere Steinlein ho - rizontaliter, wie man zureden pflegt / durch / ſo kommet widerum etwas neues hervor / da zeigen ſich auf ebener Flaͤche ſchlangen foͤrmige in ſich ſelbs gewundene / und mit ſeiten ſtrichlein verſehene Zuͤge / gleich denen Scherhoͤr -neren /(103)[103]neren / wie zuſehen in Fig. 46. 47. 48. Hierauß erſihe / daß unter diſen Titul gehoͤret der ſo genante Pfenningſtein auß Sibenbuͤrgen / Lapis Numis - malis Tranſilvaniæ, deſſen Cluſius gedenket in Nomencl. Pannon; wel - cher in dem Brackenhoferiſchen Muſeo p. 14. genennet wird Silex circu - laris alius, ein anderer ſehr rarer Zirkelſtein / Krayßſtein / weilen auch der gleich bezeichnet / und convexo plan, oder einerſeits außgebogen / anderſeits flach iſt. Villeicht iſt auch hieher zuzeuhen Numulus luteus vulgaris Luid. Lithoph. n. 1763. ein kleines Pfenningrundes Steinlein / welches ſich findet bey Cockerley Hill, in der Grafſchaft Gloceſter: ſo auch die ſo genanten Nummi di Bonino, Steinerne Pfenninge / welche auf dem Berg Bonino Veroneſichen Gebiets ſollen anzutreffen ſeyn / nach der zeug - nuß Calceol. Mus. p. 328. Es wird der geehrte Leſer zu gut halten die in bisheriger beſchreibung gebrauchte weitlaͤuffigkeit / auß deren er wenigſtens kan zu dem allgemeinen Nutzen erſehen / daß nothwendig dergleichen ſonder - lich raren Steine muſſen vorher genau unterſuchet werden / ehe man ſie kan mit denen coͤrperen / ſo in dem Meer / und an deſſen Geſtaden ſich finden / ver - gleichen. Jch rede von denen Meercoͤrperen / weilen feſtiglich glaube / es ſeyen diſere jezt beſchriebene Steine wahre uͤberbleibſelen der Suͤndflut; Hierzu beredet mich nicht nur / daß auf oben bemelten hohen Berg Aubrig ſich mit und neben diſen Steinen finden ſteinerne Jacobs Muſcheten / groſſe Au - ſtern / welche in meinen handen ligen nebſt einem wahren Echino marino, oder Seeapfel / ſo in einen ſolchen Kuͤm̃iſtein eingeſenket / ſondern vornem̃ - lich bey anlas einicher kleinen / ohnlaͤngſt von Bologna hergebrachten See - muͤſchelein / welche ſich alldort under andern wahrhaften Reliquien des Suͤndfluſſes / ich wil ſagen / under holen / natuͤrlichen Seemuͤſchelein und Schnecklein finden / und unſeren jezt beſchribenen Steinlein ganz gleich ſẽyn / wie zuſehen in Fig. 48. a. mit bloſſem aug / und 48. b. under dem ver - groͤſſerung Glas. Jch uͤberlaſſe aber denen Anwohneren des Meers genaue nachſuchung zuthun / was diß eigentlich vor ein Geſchoͤpft ſeye / und recom - mendiere der Gelehrten und curioſen Welt eine eigentlchere Beſchreibung der jenigen ſachen / ſo in und an dem Meer ſich finden / als wir bis dahin habẽ.

Fig. 49. ſtellet dar einen Kieſel - und marmor harten Sternſtein / gleich dem jenigen Meergewaͤchs / welches Boccono genennet wird Aſtroi - ta tubularis majoribus ſtellis. Pierre Etoilée avec les Etoiles amples, Pierre etoilée marquee de grands pores rayonés coraloides in ſeinen Recherches Naturell. p. 119. Hieher ſetze auch Porpitarum pluriummon(104)[104]monſtroſam congeriem, und Lithoſtrotion ſeu Baſalten minimum ſtriatum Luid. Lithoph. n. 158. und p. 122. Diſe gattung Stein finden wir in der Birß / einem unfern Baſel in den Rhein ſich ergieſſenden Fluß. Es iſt zwaren diſer Stein mehrmalen nur gezeichnet in der aͤuſſeren Flaͤche; er findet ſich aber auch etwan roͤhricht / wie in Fig. 50. und habe ich bey - handen auß gunſten Hrn. D. S. eines ſehr wehrten Freundes von Baſel / ein mehr als fauſt groſſes Stuͤck / welches auß lauter Roͤhrlein beſtehet / und zu einer anderen zeit ein beſonder Kupferblatt verdienet. Auf der andern ſei - ten diſes Sternſteins ſind oft zuſehen beſemfoͤrmige Striche Fig. 51. welche noch nicht kan heim weiſen.

Fig. 52. iſt ein Sternſtein mit kleineren Sternlein; Aſtroites mino - ribus Stellis. Auß der Birß.

  • Fig. 53. ein Sternſtein mit noch kleinern ſternlein / Aſtroites minimis ſtellis, auß der Birß
  • Fig. 54. iſt eine andere art Sternſtein / bezeichnet mit Cometen foͤrmigen Sternlein / welchen deßwegen heiſſe Cometiten, nach anleitung Velſchij Hccatoſt. I. Obſ. 44. Jſt von gleichem Ohrt.
  • Fig. 55. iſt ein Rogenſtein / oder Hammites, auch auß der Birß / von dem in naͤchſtſol - gendem Blatt ein mehrers.
  • Fig. 56. Ein Schnecken foͤrmiges Kieſelſteinlein / Siliculus Strombites. Auß der Birß.
  • Fig. 57. Ein ſteinerne Muſcatnuß / Nux moſchata lapidca; oder ein Stein / ſo dero aͤhn - lich / auß der Birß.
  • Fig. 58. iſt zweifels ohn ein ſteinern Corallengewaͤchs: bey Luidio heiſſet es Branchiali congener columellus ſtriatus ſive Bryoniæ radix lapidea Plotij Luid. n. 120.
  • Fig. 59. ein wunderſchoͤn gezeichneter Luchsſtein / Belemnita truncatus polymitus.
  • Fig. 60 ein ſteinernes Kraͤhenaug / Nux vomica lapidea, mit deme zuvergleichen La - pis Nuci vomicæ ſimilis, Ein Stein den Krayenaͤuglein ganz gleich. Mus Brackenhof. p 10.
  • Fig. 61. Ein Nierenfoͤrmiger Kiesling / Silex reniformis, ſtricturâ per medium diviſus. Bisherige Steine alle ſind auß der Birs.

Von dem unterirꝛdiſchen Holz.

DJſen noch uͤbrigen platz fuͤlle auß mit einer hiehar nicht undienlichen materi. Jn vilen mo - ſachten / ſumpfichten Orten / wañ man 3. 4. Schuh tieff grabt / findet man ganze lagen helz / in der Wieſen genant Kellen in dem Waltikum̃er Ried in dem Kruzelen Mooß / und Mooß - acker auf dem Hirzel / Zuͤricher Gebiets; und andern dergleichen Orten. Von dergleichen un - terirꝛdiſchem Holz finden ſich vilerhand Meinungen; viel wollen / es wachſe alſo in der Er - den; andere / daß es dorthin geſchwem̃et werde durch groſſe Waſſerguͤſenen / da Sand / Stein / und Erde uͤber einander gehaͤuffet / und etwan Baͤume / und Stauden darunter vergraben werden; andere / daß an dergleichen ohrten die Baͤume von ſtarken winden umgeworffen wor - den / oder ein ganzer Wald in tieffen Moraſt verſunken: widerum andere halten es vor eine wirkung eines Erdbidems / durch welchen ein ſtuck Landes eingeſunken: Endlich ſind nicht we - nia Gelehrte in der Meinung / daß diſe begebenheit mehrmalen harzuleiten ſeye von der Suͤnd - flut ſelbs / und bringen Gruͤnde / die nicht leicht umzuſtoſſen / und auch wir anderſtwo in meh -〈…〉〈…〉 ern außfuͤhren werden. Das Kupfer koſtet 1. ß.

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(105)[105]N. 27.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortſezung von denen im Schweizerland befindlichen uͤberbleibſelen der Suͤndfluth.

ES iſt das Baslergebieth ſehr reich an allerhand ſeltſam gebildeten Steinen / ſonderbar aber die Birß / ein Fluß / bey deme den 25. Aug. 1444. ein gewaltige Schlacht geſchehen zwiſchen dem Delphin auß Frankr. und den Eidgnoſſen. Allhier finden ſich Stern - und andere in vorge - henden Blaͤtteren benennete Steine / ſonderbar aber auch Rogenſteine / von verſchiedenlichen Arten und farben / weiß / bleichgelb / blaulecht / ſchwarz / roht / ſo auch von ungleicher groͤſſe. Von diſer Art Steinen habe zum ein - gang gegenwertigen Blatts ein und anders zureden rahtſam erachtet. Die groͤſte gattung beſtehet auß Erbsfoͤrmigen runden Steinlein / heiſſet deßwe - gen Piſolithus, Erbſen-Stein / Stalagmites Bœth. de Boot. Hiſt. Lap. & Gem̃. Lib. II. c. 238. Piſa & Lentes lapideæ, Steinerne Erbſen und Linſen bey Calceolar. Mus. p. 410. ψήγματα καὶ τύπω καὶ μεγέϑει φακοειδὴ. Stein die an groͤſſe und geſtalt den Linſen aͤhnlich ſeyn. Strab. Geograph. Lib. 17. Hiehar gehoͤren auch die ſo genante Piſa Bethlehemitica, ſteinerne Erbſen / welche auf den aͤckeren bey Bethlehem ſollen gefunden werden / wor - von Monconis Voyage Tom. l. p. 313. Orobias Geſſner. Fig. Lapid. p. 73. Lapis ovis piſcium ſimilis, Steine dem Fiſchrogen gleich / Plin. hiſt. Natural. Lib. 37. cap. 10. weßwegeu er auch Rogenſtein / Ragenſtein heiſſet: Es iſt zwaren diß Wort allgemein / und kan bedeuten ſo wol die groͤſſere Bonen-Erbſen - und kleinere Linſen oder Wickenfoͤrmige Steine / als den Meconiten, und Cenchritem Plinij Lib. 31. c. 11. dardurch aber verſtanden werden ſolche Steine / die auß anderen kleineren zuſamen geſetzet ſind / welche denen Hirs - und Magſaͤmlein an geſtalt / und groͤſſe ſich gleichen / oder auch kleinen Sandkoͤrnlein aͤhnlich ſind / danahen diſer Stein genennetwird(106)[106]wird Hammites, Ammites, von ἄμμος, Sand: Solche gibt es in der Birß: Einen uͤberauß ſchoͤnen marmorharten gelben Ammitem habe vor einichen Jahren angetroffen im Frickthal bey Terznach. Auß einem rothen Hammite beſtehet das reiche Eiſen Ertz bey Woͤlffliswyl / auch im Frickthal; Von der erſten zeugung diſer Erbſen-Linſen-Hirßſamen foͤrmi - gen Steinen urtheilen die Naturforſcher ins gemein / daß ſie zuzuſchreiben ſeye der Natur / wie man zum zeugen koͤñe nem̃en die Erbſenſteine des Carls - bads in Boͤhmen / welche geſtaltet werden auß dem Toffſtein des Bads ſelbs; ſo auch die ſo genanten Confetti di Tivoli, welche aus dem abflieſſenden Waſſer gezeuget werden / und gleichwol glatte und krauſe Zuckererbſen / Mandel / und ander dergleichen confect vorſtellen. Jch wil diſere Meinung nicht verachten / ja ſelbs annemmen / gleichwol aber auch diß nicht verhelen / daß vil dergleichen Steine geſehen habe mein lebtage / welche zu halten ſind vor rechte Rogenſteine / das wil ſagen / vor wirckliche verſteinerte Fiſchrogen von allerhand art / welche nirgends anders koͤnnen hergeleitet werden / als von der Suͤndflut. Jn ſolcher Meinung ſtaͤrket mich nicht nur die aͤhn - lichkeit der geſtalt / ſondern auch der umſtand des Ohrts / weilen dergleichen Steine mehrmalen / wie in dem Schweizerland / und angrenzendem Frick - thal / gefunden werden / wo zugleich wahrhafte uͤberbleibſelen des Suͤndfluſ - ſes anzutreffen / als Schnecken / Muſchelen / Scherhoͤrner / Meerigel / Stern - ſteine / ꝛc. Jſt deme alſo / ſo ſol man auß der erſtaunlichen groͤſſe der Roge - ſteinen / da an vilen Orten groſſe Felſen von ſolcher materi anzutreffen / gleich auß anderen anderſtwo anzubringenden Gruͤnden / abnehmen die groſſe fruchtbarkeit derjenigen Erdenwelt / welche vor dem Suͤndfluß geſtanden / wiewol auch kan geſagt werden / daß in den waſſeren der Suͤndflut ſeye von dem gewalt der Wellen und Winden zuſamen getriben worden allerhand gattung Fiſchrogen / ſo hier und da einher geſchwummen / und hierauß ganz wol haben koͤnnen erwachſen groſſe Klumpen / welche hernach an denen Or - ten / da ſie undergeſunken / verſteineret worden; Um ſo vil leichter laßt ſich diß glauben / weilen bekanter maſſen die Fiſcheyer klebricht ſind / und ſonſt an einem Schleim zuſamen hangen.

Jn der IX. Tab. kommet Fig. 62. vor ein cylindriſches oder lang-run - des weiſſes roͤhrlein / Tubulus foſſilis albus, welches durch und durch mit einem ſchwarzlechten mark außgefuͤllet vorher muß hohl geweſen ſeyn; gehoͤ - ret villeicht zu denen wurmfoͤrmigen Roͤhrlein / welche oben in Fig. 23. vor - geſtellet worden. Komt auß der Birß.

Fig. 63.(107)[107]

Fig. 63. ein kleines ſchneeweiſſes mit vierfachem Kreuz ſchwarz bezeich - netes Kieſelſteinlein / Siliculus rarior crucifer. Auß der Birß.

Fig. 64. Jſt ein Stein auß dem Baslergebiet / welcher nicht unaͤhn - lich einem oberen theil des Gehirns / wie es mit dem Hirnhaͤutlein bedecket / oder der Hirnſchale / und deßwegen Cranioides kan genennet werden. Er iſt außgebogen / faſt rund / doch von vornen ſchmaͤler / glatt / gelblecht / mit ei - ner ſchwarzen Linien / (welche von der Stirn zu dem Hinderhaubt geraden wegs fortgehet / und alſo die pfeilfoͤrmige Naat / Suturam ſagittalem / oder auch die lange Blut-puls-ader / ſinum longitudinalem, abbildet) und uͤber diß noch mit anderen auch ſchwarzen Nebenſtrichen / gleich als mit ſo vilen aͤderlein bezeichnet. Kan wol ſeyn ein ſtuͤck von eines Menſchen / oder Thiershaubt / das in dem Suͤndfluß untergangen.

Fig. 65. Jſt eine ſeltſame art ſteinerner Meermuſchelen auß der Birß mit hoch erhabenen hogerichten Streimen / oder Rippen. Luidius nennet diſen Stein Strigoſulam minorem vulgarem n. 545. 551. Eine groͤſſere art findet ſich in der Grafſchaft Baden / in der gegne Luͤtkeren / welche bey Luidio genennet wird Strigoſula major raſtellata, ſeu Liſtronites con - dicta. n. 550. deſſen findet ſich eine ſchoͤne abbildung in Rob. Plot. Nat. Hiſt. Of Staffordshir. Tab. XI. Fig. 14. Es gehoͤret diſer Stein zu de - nen reliquien des Suͤndfluſſes / wie auch der naͤchſtfolgende.

Fig. 67. Ein unebener / gleichſam mit vilen Knoͤpfilein / oder Warzen / beſezter Spangen - oder Rad Stein. Entrochus verrucoſus. Jſt aſchfarb / auß der Birß / allwo es vilerley arten gibt / welche zu einer anderen zeit werden beſchrieben werden; dißmal habe nur zu einem muſter einen eini - gen herſetzen wollen / welchen hinzeuhe zu dem Entrocho cylindraceo no - doſo ſeu geniculato Luid n. 1135. Liſter. Act. Philoſ. Lond. n. 100. Fig. 6. und Beaumont. n. 150. Fig. 22. ſo auch Entrochi Specimi - nibus clavellatis, ſeu tuberculoſis rotulis conſtructis Luid. n. 1145. Welche Woͤrter bedeuten eine art cylinderfoͤrmige / auß vilen Raͤderſteinen / als ſo vilen gelenken / zuſamengeſezte / knotichte Spangenſtein.

Fig. 68. iſt ein herzfoͤrmiger Kieſelſtein / Silex Cardites, auß der Birß. Es komt ihme diſere geſtalt zu zufaͤlliger weiſe.

Fig. 69. Gleichet einer ſteinernen Napfmuſchel / wird deßwegen ge - nennet Lepas lapidea; es gehen deren Streimen von der oberen / um et - was abgeebneten hoͤhe / ringsweiſe ab zu dem runden bort / wie wir diß auch ſehen bey denen Napf - oder Schuͤſſelmuſchlen. Man findet ſehr wenig mehr von dergleichen art Muſchelen / die von der Suͤndflut her uͤberig gebleibenſeyen /(108)[108]ſeyẽ / weiln ſie entweder zerſtoſſen / oder wegen ihrer leichte oben auf kom̃en ſeyn.

Fig. 70. Stellet ſich ein unfehlbarer Zeug des Suͤndfluſſes / eine kleine duͤñ ſtachlichte Auſtern Muſchel / Conchula foſſilis echinata, Limnoſt - rita, nicht ungleich der ſo genanten Conchæ Hiſtricinæ, oder Jgelmuſchel / welche beſchreibet Boccone in ſeinen Recherch. Natur. p. 304. Es iſt di - ſes Muͤſchelein in allen ſeinen Stuͤcken ſo ganz / daß jedermañ bey erſter an - ſicht merken kan / daß es nicht in der Erden geſtaltet worden / ſondern das Meer vor ihre Zeugmuter erkennet. Es findet ſich auf dem Randenberg Schaffhauſer-Gebiets / deſſen gebildete Steine ſonſt uͤberall / wie oben geſagt worden / uͤberein kommen mit denen auf dem Laͤgerberg.

Auf dem hohen Gebirg Camor, Gamor, Gimmor, welches denen Appenzelleren / und Rheinthaleren die fruchtbarſten Weiden gibt / iſt eine Crypta, oder hole Kruft / deren eingang ſo eng / daß man faſt hinein muß kriechen / die iñwendige geſtalt aber bald 10. 20. bald nur 3. 4. Schuh hoch / etwañ 15. etwan aber nur 4. 5. Schuhe breit. Mit allem angewendten fleiß iſt Hr. J. H. F. hochverdienter Pfarꝛer und Decanus zu Altſtetten hinein kommen uͤber die 144. Schuhe / und hat darinn wargenom̃en / das entſprin - ge ein klares Brunnenwaſſer / welches unten an dem Berg außflieſſet / und denen anwohnenden Rheinthaleren zu einem Heil-Bad dienet: das auch in diſer Berghoͤle ſich ſinde eine beſondere art Stein / welche in Fig. 71 und 73. gegenwertigen Kupferblatts vorgebildet wird; Deren Beſchreibung verſpare bis auf naͤchſt folgen - des Blatt / und dißmal allein beybringe die verſchiedene Nam̃en / mit welchen diſer Stein genennet wird. Gemeinlich heiſſet er Selenites thomboidalis, ein Rantenfoͤrmiges Frauen - Eiß / als bey Stenone Prodr. Diſſ. de Solido intra Solidum p. 79. Plot. Hiſt. Nat. Stafford. p. 176. Luid. Lithoph. Britt. n. 76, Rhombites, ein Stein / deſſen geſtalt rautenfoͤrmig / oder verſchrenkt wuͤrflicht / bey Agricola Lib. V. de Nat. Foſſil. Cryſtallus Jslandica, eine art Cri - ſtall auß Jsland / bey Eraſmo Bartholino, und Chriſtiano Hugenio, welche von ihme beſon - dere Mathemaliſche Tractaͤtlein geſchrieben. Criſtallo Jslandico, o Talco Rhomboidale in Boccone Muſco di Piante p. 159. Jn der Engliſchen Koͤniglichen Geſellſchaft Naturolien - Kam̃er ſtehet er unter folgenden Nahmen. A Rhomb of Muſcovy Glaß: A Foliated Talk: A grcat Cryſtalline Talk-Spar: A Rhombick Lead. Spar. Grevv. Mus. Soc. Reg. p. 308. 309. 310. welche Woͤrter alle bedeuten ein Rautenſoͤrmiges Moſcovitiſches Glaß / Taick / oder Frauen Eis. Jch halte darvor / daß nebſt bisher erzehlten Nahmen ihme auch mit recht koͤñe zägeleget werden der Plinianiſche Nahme Androdamas, dann alſo ſchreibet diſer groſſe Na - tuͤrkuͤndiger Lib. XXXVII. cap. 10. Androdamas Argenti nitorem habet, ut Adamas, quadra - ga, ſempérque teſſellis ſimilis. Welches alſo verteutſche! Hat einen Silberglanz / gleich dem Diamant / und iſt allezeit wuͤrflicht.

Das Kupfer koſtet 1. ß.

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(109)[109]N. 28.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortgeſezte Beſchreibung derer im Schweizerland befind - lichen uͤberbleibſelen der Suͤndflut.

JN gegenwertiger XI. Kupfertafel ſind enthalten ſehr rare reliquien jener allgemeinen groſſen uͤberſchwem̃ung / welche das ganze Menſch - liche Geſchlecht / wenig Perſonen außgenommen / zu grund gerichtet / und von allen Thieren nur ſo vil uͤbrig gelaſſen / das allein die Geſchlechter moͤchten erhalten werden / ja vermuhtlich die ganze Erde merklich geaͤnderet / und geſchwaͤchet. Und nahmentlich in der

Fig. 77. zeiget ſich ein rare / runtzlichte / bucklichte / mit erhobenen klei - nen Buͤckelein zuweilen verſehene / krum̃ſchnablichte / ſteinerne Muſchel / Con - cha lapidea curviroſtra rugoſa, & tuberculis quandoque munita, dorſo elatiori. Sie iſt einſchalicht / hol / kehret den Schnabel linkwerts / auf welcher ſeiten ſie auch außgebogen iſt / gleichwie rechter ſeits hol / und uͤberall mit weiſſen auß ſubtilen Cirelen beſtehenden Flecken bezeichnet. Man ſihet bey diſem Stein gar ſchoͤn die auf einander ligende Blaͤttlein der Muſchel / auß welchen die Natur verſtaͤndige wiſſen einer jeden Muſchel Alter / gleich auß denen ſo genanten kreisrunden Jahren der Baͤumen Alter / abzunem - men. Es ſolte billich diſe einige betrachtung denen ihre augen oͤffnen / welche dergleichen Muſchelfoͤrmigen Coͤrper anſehen vor ein bloſſe ſpilung der Na - tur / nebſt deme / daß diſe ſteinerne Muſchelen auch unter dem vergroͤſſerungs - Glaß in ihren roͤhrlein / und ganzem geweb der kleinſten Zaͤſerlein ſoͤllig mit denen See Muſchelen zutreffen / wie hiervon ins beſonder zeugen kan der ſubtile Lecuvvenhœk, das nam̃lich ſolcher ſteinernen Muſchelen innere geſtalt beruhe in unzehlich kleinen roͤhr - und Zaͤſerlin / deren hoͤlenen / und zwiſchen ligende loͤchlein außgefuͤllt mit ſand ſteinichter Materi / worauß dañ ein jeder ſich vernunftmaͤſſig einbilden kan die art der Verſteinerung. Jch kommeaberwiderum zu unſerer vorhabenden Stein Muſchel / und gewah -re /(110)[110]re / das Luidius ſelbige zu nennen ſcheinet Curviroſtram rugoſam clavel - latam majorem Num. 700. Sie kommet auch zimlich aͤhnlich vor jener neuen Art Nautili, oder Schiffkuttel / welche auß Amboina / einer Oſt-Jndi - ſchen Jnſul / Chriſtiano Menzelio geſendt hat Rumphius, worvon Miſc. Natur, Curios. A. 1690. p. 120. zuſehen.

Fig. 78. ſo in vorgehenden X. Tafel ſtehet iſt ein kleiner / glatter / auch krum̃ſchnablichter Muſchelſtein / Conchita curviroſter minor lævis, ſo in vergleichung zuſetzen mit der Curviroſtra elatiore minore cuneata & ſpoliata Luid. n. 730. 731.

Fig. 79. Ein doppelſchalichter / krum̃ſchnablichter / mit dicken ſchregli - genden rippen verſehener Muſchelſtein / Conchita bivalvis curviroſter, ſtriis obliquis craſſioribus veluti coſtis donatus; findet ſich zu Haute - rive, und in Felſi〈…〉〈…〉 ten Orten an dem Fluß Sion, Neuburger-Gebiets. Jſt von einer ſeiten des Schnabels rund außgebogen / von der anderen außge - hoͤlt / und zuvergleichen mit der Curviroſtra Luid. n. & Fig. 707. Tab. 9.

Fig. 80. ein ſteinerne Schuͤſſel-Muſchel / oder Meerohr / Auris ma - rina foſſilis, iſt ein ſehr rares Stuͤck / deſſen bis dahin kein Seribent einiche meldung thut / auſſert Luidio Lithoph. p. 124. welcher aber nebſt Plotio Hiſt. Nat. Oxon. cap. 15. f. 103. bezeuget / daß in ganz Engelland unter de - nen foſſilibus, oder außgegrabenen See-Muſchelſteinen kein Meerohr ſeye bis dato gefunden worden / obgleich dergleichen Meerohre vil auf denen Kuͤ - ſten von Engelland anzutreffen.

Fig. 81. Jſt ein ſtuͤck eines groͤſſeren / der laͤnge nach geſtreimten Straub-Schnaͤggen / Strombitæ majoris ſecundùm longitudinem ſtriati ſpira: ſo bis dahin nicht ganz / ſondern nur ſtuͤckweiſe gefunden wor - den; die Striche oder Streimen gehen nach der laͤnge von oben herunter / und ſind bald abgeebnet / bald in kleine buͤckelein erhoͤhet / ſonſten breit / und iſt der ganze Stein braunfarb / als ob er mit einem Firniß uͤberzogen were. Das rareſte an diſem Stein iſt / das darauf gleich als durch mahleriſche hand bezeichnet zuſehen gewiſſe Blaͤtterfoͤrmige Naͤte / dergleichen wir gar vil in unſeren Landen antreffen auf denen ſo genanten Scherhoͤrneren. Es iſt mir aber noch kein See-Schneck unter die augen kommen / welcher mit der - gleichen ſuturis, oder Naͤhten / bezeichnet ſeye.

Fig. 82. Jſt ein Hornfoͤrmiger / in ſeine Glaͤiche abgetheilter / mit Zwerchſtrichen / und zierlichen Blaͤtter foͤrmigen Naͤhten bezeichneter Stein / Ceratoides articulatus, ſtrys transverſis undatus, & ornamentis fo - liaceis inſignitus. Widerum ein rares Stuck / welches noch nicht kan heimweiſen /(111)[111]weiſen / wohin es gehoͤre. Jch nenne diſen Stein hornfoͤrmig / Ceratoidem, weilen er / wañ er ganz were / in einen ſpitz ſich wurde enden / und alſo ein grad außgeſtrektes / auch uͤber diß mit zwerchligenden Strichen / oder runzlen / ver - ſehenes Horn / vorbildet. Diſere Zwerchſtriche umgeben nicht den ganzen Stein / ſondern etwan nur den halben / etwan den dritten theil / da dann das uͤbrige glatt bleibet / zuweilen fangen diſe Striche von einem buͤckelein an / oͤffnen ſich von dannen gleich einer doppelſpitzigen Gabel / und kommen in einem anderen buͤckelein widerum zuſamen. Die Gelenke ſind nicht ſo gar unaͤhnlich einem Malteſerkreuz / wie zuſehen Fig. 83. ſo das in anſehung deſſen diſer Stein auch unter die ſo genanten Crucigeros Lapides, Kreuz - ſteine / kan gerechnet werden.

Fig. 84. Jſt eine art ſteinern Seeapfel / Echinites Spatagoides, vel Briſſoides bullatus, & ſtriatus, alſo genennet / weilen er die zweyte gattung der Meer Jgeln / Spatagus, oder Briſſus genant / in der geſtalt / ja allen Puͤnctlein / und ſtrichen abbildet / ſo daß kein zweifel / das diſer Stein / wie alle andere Echinitæ, oder Seeapfel-ſtein / deren es viele und ſchoͤne gibt in En - gelland / in Jtalien bey Verona / und anderſtwo / dann und wann auch eini - che auf dem Laͤger - und Randen Berg bey uns / gehoͤre in die zahl deren din - gen / ſo von der Suͤndflut uns uͤberblieben ſind. Es iſt diſer ſtein ablang - rund / aſchfarb; von der oberſten mitte gehen ab in doppleten Reyen fuͤnf auß kleinen Zwerchſtrichlein beſtehende Linien / welche unten an dem bort auß - gehen in einfache erhobene puͤnctlein / dergleichen zuſehen ſind auf der gan - zen flaͤche. Es findet ſich diſer Seeapfel-ſtein zu Souchie, Hauterive, Priſe, und laͤngſt dem Waſſer Sion in einem weiſſen / oder blaulechten / fetten / letten. Mit verſchiedener benennung diſes ſteins wil dißmal dem Leſer nicht ver - drießlich fallen / ſondern ſelbige / in ſo fehrn ſie noͤhtig ſind zu außarbeitung einer Natuͤrlichen Hiſtori / verſparen auf einen anderen anlas.

Fig. 85. iſt ein mit Sternlein uͤberall bezeichneter Judenſtein / Echi - nometræ digitus foſſilis, ſtellulis undique exornatus; nebſt deme zu - halten die Jndianiſchen Echinometræ, welche denen Miſcell. Natur. Cu - ros. A. 1690. pag. 119. einverleibet haben Mentzelius und Rumphius. Nicht uneben kan er genennet werden Aſtroita olivæ formis, weilen er die geſtalt einer kleinen Oliven / und Judenſteins hat / und beneben mit vilen Sternlein gezieret iſt; Die Materi / worauß er beſtehet / iſt ſteinicht / nicht / wie der uͤbrigen Judenſteinen / glaͤnzend. Jch zweifle keines wegs / daß auch di〈…〉〈…〉 Stein ſeinen urſprung her hole auß dem Meer.

Fig.(112)[112]

Fig. 86. Jſt ein kleines / ſteinernes / ſubtil-geſtreimtes / in ſich ſelbs gewundenes Meerwurm - oder Roͤhrlein / Tubulus marinus foſſilis parvus Cornu Ammonis inſtar in ſeipſum revolutus. Deſſen laͤn - ge wirklich hol / oder mit einem ſteinernen Marg außgefuͤllt iſt. Et - wan ſind diſe Wuͤrmlein rund / etwan eckicht / und winden ſich einiche den geraden weg in ſich ſelbs / andere aber weichen darvon in etwas ab / und for - miren eher eine Schneckenlini: Allezeit aber muß man ſie wol unterſchei - den von denen / welche oben in Fig. 23. vorgebildet worden / weilen diſe ſich unordenlicher weiſe uͤber einander legen / und kruͤmmen. Unſerem Sel. Wag - nero heiſſet diſer Stein Cochlites rugoſus.

Fig. 87. iſt ein ſtuͤck einer Moluccaniſchen Krebs-ſcher / Cancri Mo - luccani fragmentum, glatt / mit unebenen ſegen foͤrm[i]gem bort / grauer farb / uͤber einen harten gelben mit ſchwarzen puͤnctlein beſpieng〈…〉〈…〉 en Sand - ſtein gezogen.

Fig. 88. Scheinet zuſeyn ein ſtuck eines Rochen Schwanzes / oder von dem Ruckgrad eines Fiſches / welches ins beſonder abnehme auß dem loch / welches durch den ganzen Stein gehet / und zweifelsohne dem Rukgrad - marg den durchpaß gegeben hat.

Fig. 89. Scheinet vorzuſtellen eine verſteinerte Frucht / oder das iñ - wendige Gebeinhauſe eines Meer-Jgels / woruͤber auch anderer gelehrten urtheil erwarte / und bey gemachter vorſtell - und Beſchreibung einicher weni - ger uͤberbleibſelen der Suͤndflut den geehrten Leſer verſichere / daß von der - gleichen gebildeten Steinen eine weit groͤſſere anzahl beyhanden habe / und bey gegebenem anlaß der Gelehrten Welt / als eine heutigs tags geſuchte tracht / darſtellen werde / zugleich auch alle und jede eurioſe Gemuͤther ſonder - lich aber junge Leuthe / zu fleiſſiger aufſuchung dergleichen ſachen an friſche / damit die ſeltſamheiten unſers Landes je mehr und mehr ſo wol uns ſelbs / deſſen Einwohneren / als Fremden Voͤlkeren bekant gemachet / und der groſ - ſe Gott geehret werde / deſſe Allmacht wir ins beſonder erkennen an dem er - ſtaunlichen Gericht der Suͤndflut; deſſen Weißheit wir preiſen in deme / das Jhme gefallen wollen / die Gedaͤchtnuß des allgemeinen Untergangs der Menſchen und Thieren nicht nur in H. Schrift / ſondern auch in ſolchen ver - ſteinerten ſachen zuverewigen / und ſelbige uns zu einem Bußſpiegel vorzu - legen.

Das Kupfer koſtet 1. §.

Tab. XI.
(113)[113]N. 29.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortſezung von denen im Schweizerland befindlichen uͤberbleibſelen der Suͤndfluth.

DJſer Selenites rhomboidalis, oder rautenfoͤrmiger Cryſtall / finder ſich zwar hin und wider in denen Schweizeriſchen Gebirgen / aber nirgends ſo ſchoͤn / und follkommen / als in obbeſchriebener Hoͤle des Appenzeller - und Rheinthaleriſchen Gebirgs Gamor. An anderen Orten iſt er mehrentheils undurchſichtig / und unrein / hier aber findet man ihne hell / lauter / wie den reineſten Eryſtall; Etwan zwar wird die durchſichtige lau - terkeit verſinſteret durch ſchwarze ſtriche / welche aber nicht nur nit dem Stein ſeine ſchoͤnheit benemmen / ſondern ihme noch einen beſonderen glantz mit - theilen / dene andere dergleichen Steine in anderen Laͤnderen nicht beſitzen. Es gehen diſe ſchwarzen Aderen eckweiſe fort / und ſtellen nicht ohnfein vor die Lauffgraͤben / welche vor denen Veſtungen angelegt werden zu bedeckung de - ren / welche gegen dem Platz approchieren; wie zu ſehen in Fig. 71. vorgehen - der Tafel. Etwan iſt die geſtalt und zuſamenfuͤgung gleich einem Giebel / wie in Fig. 72. Etwan ſteiget auß dem grund eines ſonſt hell-lauteren Steins auf ein weiſſes Woͤlklein / wie in Fig. 73. Etwan ſihet man in mitten des Steins vil kleine Luftblaͤslein / wie in Fig. 73. * Von farben habe noch kei - nen andern unterſcheid geſehen bey unſerm Appenzelleriſchen Stein / auſſert weiß / durchſichtig ohne farben / und durchſcheinend mit ſchwarzen Aderen. Anderſtwoher habe bekom̃en eine gelbe / und rohte gattung. Es gehoͤret diſer Stein mit vorderſtem recht unter die ſo genanten Lapides Figuratos, oder gebildete Steine / dann er nicht nur in ganzen / und groͤſſeren Stucken vor - ſtellet einen thombum, oder thomboidem, ein rautenfoͤrmiges corpus, ſondern es ſind von diſer geſtalt auch die kleinſten ſtuͤklein / welche auch under das vergroͤſſerung-glaß muͤſſen geſetzet werden. Wann aber gefraget wird von zeug - oder geſtaltung diſes Steins / ſo findet man hiervon bey denenNa -(114)[114]Naturforſcheren nichts / welches ein wiſſensbegirꝛiges gemuͤth benuͤgen kan. Wir muͤſſen hier die trokenen Sodbruͤnnen der Schulgelehrten / ja auch alle einbildiſchen Naturkraͤfte / fahren laſſen / und uns unmittelbar hinwen - den zu denen lebendigen Waſſeren der ewigen Weißheit / welche nach ihrem heiligſten gefallen durch ihre unendliche kraft allen Elementen / Pflaͤ〈…〉〈…〉 zen / Thieren / ꝛc. ihre gewiſſe geſtalt angeſetzet / und geordnet / daß ein jeder ver - nuͤnftiger Menſch an denenſelben kan deutlich ſehen den alles mahlenden / ein - theilenden / und geſtaltenden Finger Gottes / und außſchlieſſen alles zufaͤllige / blinde Gluͤk der Epicureeren. Unſere vorhabende Steine haben das anſehen / die Materi / allgemeine geſtalt / den Zeugungs ohrt / und andere zufaͤllige Ei - genſchaften gleich mit denen Cryſtallen / und ſind allein von ihnen zerſcheiden in ihrer beſonderen rautenfoͤrmigen geſtalt. Und gehet meine Meinung ſo wol der gemeinlich ſechseckichten / als diſer verſchrenkt-wuͤrfflichten Cryſtal - len kurz dahin. Daß der Allmaͤchtige Gott dero kleinſten uns Menſchen un - ſichtbaren / anfaͤngen / oder urſpruͤnglichen Theilchen gegeben habe eben di - ſe geſtaltſame / welche wir an denen groͤſſeren coͤrperen ſehen: nachdem aber gleich anfangs der Erſchaffung / oder bey Erneuerung der Erden Welt in der Suͤndflut / die hin und wider gelegene / und nach denen Geſaͤtzen der Bewe - gung in Fluß gebrachte gleichfoͤrmige Materi ſolche von Gott geſtaltete Teil - chen angetroffen / hat ſie ſich ihnen angehenkt / gleiche Figur behalten / und an ſich genommen. Daß diſer Stein / und alle andere Lapides Speculares, Fraueneis / ja alle Eryſtallen / und Edelgeſteine auß einer anfangs fluͤſſigen / hernach geveſtneten Materi entſtanden / bedarff keines mehreren beweiß - tums. Kein verſtaͤndiger Naturforſcher wird diſere von Rob. Boile, und anderen erwieſene Wahrheit in zweifel zeuhen; Nur allein kan man ſich nicht finden in die ſo ordenliche / beſtaͤndig gleiche geſtalt; Diſere Materi iſt bis dahin von niemand angegriffen / von jedermann vor unergruͤndlich an - geſehen worden / und nicht ohne urſach. Wer wil ſich unterſtehen in die Ge - heime Ruͤſtkammer Gottes hinein zuſehen / und ſolche grundliche erſte geſtal - tung erforſchen? Wer wil das in der Natur / und deren Kraͤften ſuchen / was der Schoͤpfer ihme ſelbs vorbehalten? Wer diſen unſeren Stein recht anſihet / oder einen jeden / ſonderlich groſſen Cryſtall wol betrachtet / wie jener ſich in unzehlhare ſubtile Blaͤttlein zertheilen laſſet / diſer aber in ſeiner aͤuſſe - ren Flaͤche vil abſaͤtze / oder rumpfichte Zwerchlinien hat / der wird hierauß bald ſehen / daß deſſen materialiſche urſach geweſen ein gewiſſer / hernach in Stein verwandleter / uͤber die erſtere ſchon feſte flaͤche / gezogener Fluß. Jndiſer(115)[115]diſer Meinung beſteiffen auch verſchiedene anmerkungen / welche hier beyzu - bringen unnoͤhtig erachte / under anderm auch das / was vor einem Jahr durch huͤlff der vergroͤſſerungs Glaͤſeren gewahret hat der ſcharfſichtige Hr. Anto - nius Leeuvvenhœk, und in einem an S. Exe. Hrn. Petrum Valkenier, geweſnen Extraord. Abgeſandten von den Hochm. Herꝛen Staaden an Lobl. Eidgnoſchaft / unterm 11. Febr. 1704. abgelaſſenen Schreiben außge - fuͤhrt. Wie nam̃lich die kleinſten theil der Cryſtallen gleiche ſechs egkichte ge - ſtalt haben mit denen groſſen / gleich wir diß mit bloſſen Augen warnemmen koͤnnen an vorhabendem rautenfoͤrmigen Fraueneis. Jch wil aber diſere / wie alle andere meine Gedanken / gar gern unterwerfen dem Vernunft urtheil der Gelehrten.

Die jenigen gebildeten Steine / ſo noch zu beſchreiben uͤbrig ſind / kom - men auß der Grafſchaft Neufchatel, oder Neuenburg / welche ſo reich iſt an uͤberbleibſelen des Suͤndfluſſes / das ihro hierinn vor allen anderen Theilen des Schweizerlands der Vorzug gebuͤret. Da finden ſich allerhand Arten Muſchelſteine / Conchitæ, Scherhoͤrner / Cornua Ammonis, Cochlitæ, Schneckenſteine / Echinitæ, Seeapfel-Steine / welche anderſtwo außfuͤhrlie cher ſollen beſchriben / und vor augen gemachet werden.

Fig. 74. Jſt ein aſchgrauer / doppelſchalichter / bauchichter / und geſtreim - ter Muſchelſtein / zeucht ſich einerſeits lehr lang hinauß / anderſeits aber iſt er kurz. Conchites ab uno Cardinis latere breviſſimus, ab altero lon - giſſimè excurrens, ſtriatus. Jſt zimlich bruͤchig / danahen man diſen Stein gar ſelten ganz findet. Unter denen Meermuſchelen mag ihme ſich gleichen die ſo genante wahre Muſchel / Concha vera Plinij bey Aldrovand. Teſtac. L. III. c. 47. Welche abgemahlet ſtehet in Jonſtono de Exanguib. aquatic. Tab. XIII. oder der Balanus Bonanni Recreat. Ment, n. 25. p. 101.

Fig. 75. Ein ſteinerne Gin Muſchel / Chama foſſilis. Jſt aber nicht Chamites Luidij, n. 768. Dann diſer Seribent unter dem Nahmen Cha - , Gin Muſchel verſtehet alle und jede Muſchelen / deren Schalen duͤnn / ſubtil / und glatt ſind / da eigentlich nach Aldrovandi und Bonanni vor - ſchrift Chamæ zuneñen ſind diejenigen Muſchelen / deren Rande wegen un - gleicher geſtalt nicht wol zuſamen ſchlieſſen / oder / wie wir ſagen / von einan - der ginnen. Und iſt unſere ſteinerne Gin Muſchel eben die / welche Bonan - nus beſchreibet und vormahlet / pag. 105. n. 56. Ja es ſind diſe unſere Neu - burger Muſchelen ſo follkommen / daß ſie nicht nur ins gemein den Meer - Gin Muſchlen ſich gleichen / ſondern auch ins beſonder in ihrer inwendigen Hoͤle zeigen die Merkmal der Maͤußlein / durch welche das Thiere ſich an dieSchale(116)[116]Schale feſt gemachet / und alſo keines wegs zu zweifeln / daß diſere Muſcheln urſpruͤnglich auß dem Meer kom̃en / durch den Weg der Suͤndflut / wie auch

Fig. 76. Da ein ſtuͤklein vorgezeichnet wird von einer wahrhaften Per - len Muſchel / Concha margaritifera, von denen vil zerbrochene ſtuͤcker ſich finden auf denen Gebirgen von Neuenburg. Diſere Perlen Muſchelen moͤ - gen wir her holen auß Oſt Jndien / oder auß dem Perſianiſchen Meerbuſen / oder auß dem Mexieaniſchen Meerbuſen in America / ſo erhellet ſich auß diſer Natuͤrlich Hiſtoriſchen Begebenheit / und noch vilen anderen Jndianiſchen Muſchelen und Schnecken / welche auf unſeren hohen Gebirgen anzutreffen / daß die Waſſer der Suͤndflut erſchrockenlich muͤſſen gewuͤtet / und ſelbs auß denen entlegneſten Landen die ſonſt ſchweren Meer-Muſchelen / und Schne - ken hieher in unſere Lande gefuͤhret haben. Und laſſet ſich auch hierauß ſchlieſſen / daß die Waſſer der Suͤndflut ſchwerer muͤſſen an gewicht geweſen ſeyn / als die heutigen Meerwaſſer / weilen die ſo ſchweren Perlen Muͤſchelen auf ſo langer Reiſe auß Jndien hieher nicht untergangen / da ſie ſonſten von denen Meeres - wellen nicht weit pflegen getriben zuwerden: Es kan diſere betrachtung nicht wenig dienen der Grundlehr Joh. Woodvvardi, Med. D. und Mitglieds der Koͤniglich Engliſchen Geſell - ſchaft / welcher in ſeinem Gelehrten Buch genant Hiſtory of Earth, oder Specimen Geographiæ Phyſicæ, (ſo vor wenig Jahren von mir ins Lateiniſche auß dem Engliſchen uͤberſetzet all - hier getrukt worden) darvor halt / es ſeye iu dem Suͤndfluß die ganze Erde / alle Ste ine / Fel - ſen / Berge / ꝛc. zermalmet / und ſo zureden / zu einem Muß worden / in welchem auß Erde und Waſſer vermiſchten dicken Muß die Meermuſchelen und Schneken wol haben koͤnnen oben ſchwimmen / und endlich in denen entſehtnteſten Landen abgeleget werden; Ja nach diſem Grundjan haben alle Todtencoͤrper der Menſchen / und Thieren muͤſſen oben auf - und Trun - penweiſe daher ſchwimmen / auch theils auf dem Waſſer / theils an denen Ohrten / wo ſie nach abgeſtoſſenen Waſſeren ligen blieben / verfaulen. Solte aber die Meinung Hrn. Wood - vvardi, meines wehrteſten Freundes / welche p. 217. ſeines Buchs anzutreffen / gelten / und nam̃lich alle Metalliſchen / Mineraliſchen Jrꝛdiſche / und andere ſchwere Theile / wie auch die leichteren Pflanzen / und dero Geſaͤme an eben denen Ohrten / und in denen Landen / da ſie in die Waſſer der Suͤndflut vermiſchet / und erhebt worden / widerum geſunken ſind / ſo muͤßte man entweder ſagen / daß die Erde vor dem Suͤndfluß eine andere ſtellung gehabt gegen den Sonn / wie Gilbertus Butnetius wil in ſeiner Theoria Telluris Sacta; oder wenigſtens eine andere aͤuſſere geſtalt / und namentlich muͤßte unſer Schweizerland ein wahres Jndiſches Meer geweſen ſeyn / oder ohnmittelbar an ein ſolches Meer / da die heutigen Jndianiſchen Mu - ſcheln und Schnecken ſich finden / angegraͤnzet haben.

Was die geſtaltſame / und ſituation anbetrift / welche unſer Schweizerland gehabt ſol haben vor den zeiten des Suͤndfl〈…〉〈…〉 ſſes / laſſet ſich auß denen annoch uͤbrigen Monumentis dar - von verſchledene Muthmaſſungen machen / ſo lang / bis einer uns zeiget eine nicht Utopiſche / ſondern wahre Mappam Geographicam totius Terræ, oder Helvetiæ antediluvianæ eine Land - Eharte von dem Schweizerland / oder auch der ganzen Erde / wie ſie geweſen vor der Suͤnd - flut.

Das Kupfer koſtet 1. ß.

Tab. X.
(117)[117]N. 30.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von denen Erſchuͤtterungen des Glarnerlands.

ZU gegenwertiger betrachtung gibet anlas ein empfindlicher Erdbidem / welcher vergangenen 22. Maj. 3. Jun. zu Mollis und Naͤfels ge - ſpuͤrt worden / deme auch ein anderer vorher gegangen. Jch wil mich aber nicht aufhalten bey weitlaͤuffiger Erzehlung allerhand alter und neuer Meinungen von denen urſachen / Wirckungen und Umſtaͤnden der Erdbid - men / ſondern ſetzen / daß der geehrte Leſer mit allen heutigen Naturverſtaͤn - digen die Erderſchuͤtterungen mit gleichen augen anſehe / wie die ſo genanten Minen / folglich vor derſelben urſachen ein unter der Erden angezuͤn - detes Feuer / welches weil es einen groͤſſeren raum bedarff / als der verhandene Platz faſſen kan / die aufſtehende Erden mit gewalt auf hebt / oder erſchuͤtteret; ſchreite deßwegen unmittelbar zu eroͤrterung der Frag / warum das Glarner - land denen Erdbidmen ſo ſehr unterworffen / welcher nachſetzen werde eine Hiſtoriſche Erzehlung aller derjenigen Erdbidmen / welche in beſagtem Lobl. Canton ſind bis dahin geſpuͤrt worden.

Wer die Beſchaffenheit / und verſchiedene geſtaltſame der Landen in betrachtung zeuhet / der wird leicht ſehen / das alle Bergichte Ohrte vor ande - ren auß denen Erdbeben unterworffen; Weilen in ihren hoͤlenen und kruf - ten ſich aufhalten und ſamlen koͤnnen allerhand ſchwefelichte / Salpetriſche / und andere entzuͤndliche Duͤnſte / welche / ſo ſie in eine Flam̃ gerahten / noth - wendig die Waͤnde / und felſichten Decken / ſolcher natuͤrlichen / von dem Schoͤpfer der Natur ſelbs angelegten Minen / wo nicht aufheben / doch in eine zitterende bewegung bringen. Es hat die wahrheit deſſen von zeit zu zeit erfahren das bergichte Peru in America / ja die ganze Bergkette / welche Aſiam und Europam zuſamen haltet / abſonderlich aber die Bergichten theil von Sicilien / Calabrien / die Apenniniſchen / und unſere hohe Alpgebirge / und auch mit ſeinem Zeugniß bekraͤftiget der groſſe Ariſtoteles II. Meteor. Th. 42. (118)[118]Th. 42. περὶ τὸπους τοιούτου̃ς &c. Es ſind die Erdbeben ſonderlich ſtark an ſolchen Ohrten / wo das wilde Meer ſtark wuͤtet / und die Laͤnder unterhoͤlet ſind / und Plinius L II. c. 80. Maritima maximè quatiuntur. Nec montoſa tali malo carent. Dannzumal ſonderlich werden die Erdbidem in bergichten Orten mehr und oͤfters geſpuͤrt / wann dero unter-irꝛdiſche hoͤlinen vil ſchwefelichte / und ſalpetriſche Materi enthal - ten / wie auß verſchiedenen bald zu erzehlenden begebenheiten vernuͤnftlich ab - zunem̃en / das eine ſolche Materi ſich in dem inneren der Glarneriſchen / mehr als anderen Schweizeriſchen / Gebirgen anzutreffen. Jn naͤchſtfolgender er - zehlung finden ſich allein die jenigen Erdbidem / welche in dem Glarnerland allein geſpuͤrt worden. Es wird aber Jhro nachgeſetzet werden eine andere / von anderen Erdbidemen / welche einen groſſen theil des Schweizerlands / oder gewiſſe beſondere Cantons angehen / und mehrmalen das Glarnerland ſelbs mit einbegreiffen.

A. 1654. ſind im Glarnerland 15. Erdbidem geſpuͤrt worden. Wag - ner. Helv. Curios. p. 372.

A. 1661. den 9. Jan. gegen 11. uhren in der nacht ſpuͤrte man im gan - zen Land ein ſtarkes Erdbeben. Ex MSC. Bibl. Tig. n. 74.

A. 1701. und 1702. hat man von dem Augſtm. des einten bis zum Hor - nung des anderen Jahrs 37. Erdbidem wargenommen; Andere zehlen 40. 50. und 60. Deren Beſchreibung werde hieher ſetzen in der form / wie ſie zur hand kommen.

Der I. II. und III. Erdbidem iſt im Linthal geſpuͤrt worden den 19. 30. Augſtm. 1701. abends zwiſchen 6. und 7. uhren mit einem grauſamen getoͤß in den Luͤften.

Der IV. iſt ſehr ſtark empfunden worden noch ſelbigen abend um 9. uhren.

Der V. morndeß den 31. Augſtm. ſt. n. nach 3. uhren.

Der VI. den 1. Sept. nachts um 11. uhren.

Der VII. den 2. Sept. nach 9. uhren vormittag.

Der VIII. den 4. Sept. als man zu Bettſchwanden in der Kirche war / hoͤrte man zwey klaͤpfe nach einanderen / welche gedoͤhnt / als wann ein Stock auf den Knuͤttel - oder Pruͤgelkaſten / ſo hinten in der Kirchen bey der groſſen Thuͤr ſtehet / zweymal were nidergefallen. Es ward diſer Erdbidem auch em - pfunden in den Haͤuſeren um 8. uhren morgens.

Der(119)[119]

Der IX und X. wurden mit einem ſtarken Putſch und zitteren geſpuͤrt gedachten tags abends um 5. uhren / zwiſchen diſen beyden moͤchte man ohn - gefahr die zehen Gebott und den Glauben erzehlen.

Der XI. den 5. Sept. abends um 9. uhr / war ſtark.

Der XII. auch diſen abend zwiſchen 11. und 12. uhren.

Der XIII. den 6. Sept. abends um 10. uhren / war ſtark.

Diſe 13. erſten wurden allein im Linthal geſpuͤrt.

Der XIV. den 7. Sept. war ſehr empfindlich mit ſtarkem knallen / kloͤ - pfen / ſauſen und ſurꝛen in den Luͤften / und gewaltigem zitteren des Erdbo - dens in beyden Gemeinden Linthal / und Bettſchwanden. Es iſt diſer auch bis gen Aeſch zu anfang des Schaͤchenthals im Urner-Gebiet bemerket worden: doch hat man im Kleinen Thal / zu Matt und Elm nichts verſpuͤrt.

Der XV. den 8. Sept. in der Nacht um 1. uhr hatten widerum beyde Gemeinden ein ſtarkes Erdbeben / welches die Leuth in den Betteren gewieget.

Der XVI. den 10. Sept. morgens vor 8. uhren.

Der XVII. den 13. 2. Sept. morgens um 10. uhren.

Der XVIII. den 18. dito ward gewahret von etlichen Leuthen / ſonder - lich von den Schuͤtzen / abends um 4. uhren.

Der XIX. den 19. 8. Sept. morgens um 8. uhr war ſehr ſtark.

Der XX. gedachten tags / war einer von den ſtaͤrkſten. Er kam da - her / da die Leuthe in der Kirchen waren / mit einem ſolchen putſch und knall / als wann ein Stein im boden von angezuͤndtem Pulver zerſprunge / und er - ſchuͤtterte die Kirche mit groſſem gewalt. Doch wurd er ſtaͤrker geſpuͤrt im Linthal / als zu Bettſchwanden.

Der XXI. den 23. 12. Sept. kurz vor 4. uhren abends ward geſpuͤrt von vilen Leuthen mit einem geſchwinden putſch / und zimlichem zitteren / wie auch mit ſurꝛen und ſauſen / bey hellem Wetter / und Sonnenſchein.

Der XXII. den 29. 10. Sept. abends um 7. uhren wurd widerum in der ganzen Gemeind Linthal / doch nicht gar ſtark geſpuͤrt. Der Erdboden war naß / und nicht ſo trocken / als bey vorigen Erdbeben.

Der XXIII. den 12. 23. Oct. um 6. uhren morgens / war einer von den geringſten / und doch von vilen geſpuͤrt in den Haͤuſeren und Viehe Staͤllen. Das Erdrich iſt 5. tag lang his dahin mit Schnee bedekt geweſen.

Der XXIV. den 15. 26. abends ein viertel ſtund vor 9. uhren / war mit - telmaͤſſig ſtark / und doch von vilen Leuthen in der ganzen Gemeind verſpuͤrt / den ganzen tag lag ein dick trockener Nebel um 12. uhren darauf in der nacht ward der Himmel hell / und ſahe man alle Sternen.

Der(120)[120]

Der XXV. der 2〈…〉〈…〉 Nov. um 7. uhren morgens war geringer / und von etlichen Leuthen gewahret diß - und jenſeits der Lint.

Der XXVI. wurd verſpuͤrt den 1. 12. Dec. Montag abends um 8. uhren bey kaltem hellem Wetter / da es am Samſtag zuvor ſehr warm geregnet.

Der XXVII. Den 8. 19. Dec. Morgens ein viertel ſtund nach 4. uh - ren / war ſtark.

Der XXVIII. den 17. 28. Dec. morgen um 6. uhren ward geſpuͤrt im ganzen Linthal.

Der XXIX. Jn der nacht zwiſchen dem 19. 30. und 20. 31. Dec. ward geſpuͤrt an beyden ſeiten der Linth.

Der XXX. den 24. Dec. 4. Jan. morgen nach 6. uhren kam ein ge - ſchwindes ſtark hin und wider ſtoſſendes Erdbeben daher / welches jederman heftig erſchrekte. Vier tag zuvor war der Luft grimmig kalt / hernach fol - gete ein ganz warme Weihnacht. Es ward in beiden Gemeinden / doch im Linthal ſtaͤrker geſpuͤrt.

Der XXXI. den 13. 24. Febr. ward geſpuͤrt abends nach 9. uhren in beyden Gemeinden.

Der XXXII. den 6. 17. Jun. ward ein mittelmaͤſſig ſtarker Erdbi - dem verſpuͤrt im Linthal kurz vor 10. uhren am morgen.

Der XXXIII. den 24. Sept. 2. Oct. morgens vor tag / ward geſpuͤrt von vilen Perſonen im Linthal. Den 23. Sept. 4. Oct. ein halbe ſtund vor tag kam ein geſchwind ſtarker Hagel daher; die ſtein waren ſo groß als ein Haſelnuß.

Der XXXIV. den 28. Nov. 9. Dec. ward gewahret vor 5. uhren ſehr ſtark / hebte an mit dreyen ſtoͤſſen / und waͤhrete laͤnger / als die vorgehenden. Diſer Erdbidem wurd geſpuͤrt im ganzen Land / vornem̃lich zu Mollis: Die in Betteren lagen haben vermeint / ſie werden nicht nur gewieget / ſondern ſtark umher geſchuͤttelt.

Der XXXV. XXXVI. und XXXVII. den 30. Jan. 10. Febr. 1703. morgens um 7. uhren. Es kam daher ein rauſchen in der Luft / darauf erzeig - te ſich eine empfindliche Erſchuͤttung / und bewegung der Haͤuſeren / ohnge - fahr ein halbe ſtund hernach / und nach verfloſſenen 24. ſtunden empfunde man ſolche bewegung widerum / aber nicht ſo ſtark / als das erſte mal / in bey - den Gemeinden / doch dißmal in Bettſchwanden ſtaͤrker als im Linthal / ꝛc.

(121)[121]N. 31.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortſetzung von denen Erſchuͤtterungen des Glarnerlands.

A oben gemachter Erzehlung erhellet ſich / daß bey diſen Glarneriſchen Erdbeben ſonderlich und gemeinlich gewahret worden diſere drey Be - gebenheiten. 1. Ein putſch oder klapf im Erdboden unter den Fuͤſ - ſen. 2. Ein erzitterung / erſchuͤtterung / und beben der Erden / bey welcher / nach der Alpknechten Bericht / an vilen Ohrten groſſe Steine von ihrem Ohrt beweget worden / daß ſie mit groſſem praſchlen herab gefallen. 3. Ein ſurꝛen / ſauſen / und brummen in der Luft; welches alles fuͤglich auß heutig allgemeiner Grundlehr von der Erdbidmen urſachen kan erklaͤret werden. Werden die Schwefelicht-Salpetriſche duͤnſte in denen Unterirꝛdiſchen Gaͤngen und Kluͤften / mit denen das Linthal / und auch zum theil das uͤbrige Glarnerland muß unterminirt ſeyn / angezuͤndet / ſo erfolget bey gewaltthaͤtig mehreren Außdehnung erſtlich ein ſtarke anpuͤtſch - oder ſchlagung der oberen Erden Rinde / und darauf eine bebung oder Erzitterung / welche etwan auch begleitet wird mit einer hin und her ſchwank - oder wiegung: Das ſauſende Gedoͤn nimmet ſeine urſach her theils von eben diſer Erdzitterung / welche auch der aufſtehenden Luft mitgetheilt wird / theils von gewaltthaͤtiger durch - tringung der inneren Erden-Luft durch die enge Loͤchlein der oberen Erden - Rinde / gleich wir gewahren / daß die Winde auch alſo ſauſen / ſurꝛen / und brummen / wann ſie iñert engen Straſſen / oder zwiſchen Bergen / und Baͤu - men gefangen durchpaſſieren muͤſſen / und jederman bekant / wie ein innert Canonen oder Mußqueten angezuͤndetes / und außgetribenes / Feuer die vor - ſtehende Luft in ſo ſtarke duͤnn - und Erſchuͤtterung bringet / das von dem da - her entſtehenden Gethoͤn ein ganzes Thal erfuͤllet wird. Daß aber diſere Erdbeben verurſachet worden nicht etwan von einem unterirꝛdiſchen Win - de / ſondern wirklich angezuͤndetem Feuer / deſſen haben wir ohne auſſertdas(122)[122]das Glarnerland zugehen / verſchiedene Merkzeichen / welche auch noch in moͤg - licher kuͤrze anzeigen werde. Jm Glarnerland ſind waͤhrender zeit diſer Erd - bidmen vil Bruͤnnen aufgetroͤknet / welches zwaren auch hat geſchehen koͤn - nen von gar groſſer Hitz der auſſeren Luft / wie diſere Begegnuß auch gewah - ret worden A. 1666. 1669. 1676. und 1686. da auch einiche Firꝛen auf den hoͤchſten Bergen zerſchmolzen / ohne das dabey einiche Erdbidem geſpuͤrt worden / hier aber kan und ſol denen uͤbrigen Wirkungen zugeſetzet werden. Jm Linthal flieſſen an dreyen Ohrten Schwefelbruͤnnelein. Jn der Sand - Alp / deren Marchen an die Puͤndtneriſche Gebirge gegen Diſentiß ſtoſſen / ſo auch in denen Alpen Limmeren / und Fißmatt / riechet man einen im Gebir - ge verborgenen Steinoͤhl-Brunn / welches widerum anzeiget eine gegen - wart ſchwefelichter / oͤhlichter / entzuͤndlicher Theilen. Verwunderlich war auch diß / daß der gefallene Schnee in den Riedtwaͤlderen / Oberꝛeitenen / zu hinderſt im Thal nicht ſo hoch geweſen / als im Dorf Linthal / und allhier minder tieff / als im Lauͤ und Haßlen / allernaͤchſt hinder Schwanden: So auch ſchmolze der Schnee vil geſchwinder zuhinderſt im Thal / als im Dorf Lintthal / auch hier eher / als allernaͤchſt hinder Schwanden / welches ſonſt nicht geſchiehet / auſſer der Suͤd - oder Foͤhnwind habe die oberhand / danahen die Einwohnere vil auf den Streit des Suͤd - und Nordwinds achtung geben / und von diſer urſach herleiten / daß etwan im Thal vil ſchnee liget / im Flecken Glarus aber keiner / etwann aber zu Glarus mehr / als im Thal. Dißmal aber muß man die geringere Hoͤhe und geſchwindere ſchmelzung des ſchnees in hoͤheren Ohrten nohtwendig zuſchreiben einer unterirꝛdiſchen waͤrme / oder Feuer; deſſen deutlicher anzeig auch uͤber diß geweſen ein grauer rauch / oder dampf / welcher bey dem XXV. Erdbidem den 2. 13. Winterm. vor auf - gang der Sonnen auß einem geoͤffneten Grab hervor kommen / zu jeder - mans deſto groͤſſerer verwunderung / weil diſer morgen ſehr kalt und hell war / auch hin und wider das Waſſer in der Kuͤche gefroren. Weiters dienet zur bekraͤftigung / daß in ſolchen hohen Gebirgen ungewohnte warme Weih - nacht-Feſt / ſo auf den XXX. ſten Erdbidem gefolget. Endlich iſt zugewah - ren / daß die unterhoͤlung der Glarner-Gebirgen im Groſſen Thal auß ver - ſchiedenen Merkzeichen abzunemmen / inſonderheit aber auß vilen hier und da befindlichen Luftloͤcheren / under welchen juͤngſthin geſehen hab auf der Alp Guppen ob Schwanden das ſo genante Doͤneloch / in welches ein ein - geworffener Stein ſehr tieff abfallet / und lang doͤnet / und dabey verſchiede - ne Gruben / welche ohne zweifel bey anlas der Erdbidmen / oder auß ande - ren dergleichen urſachen muͤſſen eingeſunken ſeyn.

Hiſto -(123)[123]

Hiſtoriſche Beſchreibung aller Erdbidmen / welche in dem Schwei - zerland von zeit zu zeit geſpuͤret worden.

A. 849. 867. 944. ſollen Erdbeben geweſen ſeyn / nach der zeugnuß He - pidani Annal. bey Goldaſt. Alam. Rer. Tom. l. p. 8. 10. 14.

A. 1021. den 12. Mey erzeiget ſich ein erſchrockenlicher Erdbidem / durch welchen das Muͤnſter zu Baſel zerꝛuͤttet ward / daß etliche Gebaͤue darvon in den Rhein fielen / dann es nahe auf das Waſſer gebauen war. Stumpf. Chron. L. II. c. 21.

A. 1348. war ein gar groſſer Erdbidem. Sprenger, Chron. MSC. ad h. a. Es ſcheinet / es habe die Statt Baſel in diſem ſtark gelitten / laut dreyer alten Verſen / ſo man zn Villach in Kerndten / in St. Jaeobs-Kir - chen / in einer Maur eingehauen ſihet.

Sub M. C. triplo quadraginta octo tibi dico
Tunc fuit Terræ motus converſio Pauli
Subvertir urbes Baſileam, caſtra Villaci.

Zu Teutſch.

Ein M. drey C. vierzig und acht /
Wol auf St. Pauls-Bekehrung nacht /
Verfiel durch eins Erdbidems macht
Baſel die Statt / zu ſamt Villach.

Und kan ſich villeicht Wurſteiſen in ſeiner Baſler Chronic p. 176. geirꝛet haben / daß er diſen 1348ſten mit folgendem 1356ſten vermiſchet.

A. 1356. den 18. Oct. erhube ſich abends um 10. uhr zu Baſel ein ſchrek - licher Erdbidem / und in ſelbiger Nacht noch 10. andere / das hiedurch ſon - derbare / und gemeine Gebaͤu nicht nur ergellet / ſondern auch zu groͤſſerem theil in ein hauffen gefaͤllet wurden. Der einbeſchloſſne gewalt warfe nicht nur ſchlechte Haͤuſer / ſonder auch Veſtungen / Thuͤrn / und Kirchen darni - der. Was nicht einſioket / zerſpielce / und ward preſthaft. Ein theil des Chors im Muͤnſter / ſamt dem Fronaltar / fiel bey nacht ein / ſo ſchreibt Æneas Syl - vius, es ſeyen in der Statt nicht uͤber 100. Haͤuſer ganz und aufrecht blie - ben. Jn diſem einfall verdurben / wie etliche ſetzen / bey 300. Maͤngklich ver - lieſſe Hauß und Gut / und flohe das Leben zufriſten auf die weite / ſonderlich auf den St. Peters Platz / allwo hin einer von Berenfels geflohen / und aber von einer he[r]ab fallenden Zinnen auf St. Peters Bruͤcklin zu tod geſchlagen worden. Jn diſem Jamer gieng hin und her in der Statt Feuer auf / daß etli -che(124)[124]che Tag brann / und niemand auß forcht loͤſchen doͤrfte. Die Zeit diſer ernſt - lichen Heimſuchung Gottes ward von Alten in dieſen Reimen begriffen.

Ein Rink / mit ſeinem Dorn / Ein Beihel / der ſechs kruͤgen zal /Drey Hufeiſen außerkorn. Da verfiel Baſel uͤberal.

Es vergiengen durch diſes Erdbeben auf 4. Meil wegs um die Statt Ba - ſel / ſonderlich am Blauwen / und um das Gebirg Juram, 34. nam̃hafter Buͤrgen und Schloͤſſeren / als ein Moͤnch des Kloſters S. Martin auf dem Zuͤrichberg / ſo damals in leben geweſen verzeichnet. (Es werden bey diſem Anlas die Liebhaber Vatterlaͤndiſcher Geſchichten erſucht / den Schriften / oder dem Nahmen diſes Moͤnchen nachzuſetzen / und mich deſſen / was von ihme bekant wird / zuberichten.) Andere ſprechen 60. welche nam̃lich die minderen Waſſ〈…〉〈…〉 haͤuſer darzu gezehlet; als da geweſen ſind Telſperg / Vorburg / Loͤwenberg / Merſperg / Blochmont / Thierſtein / Neuenſtein / Pfeffingen / Berenfels / Schollberg / Moͤnchsberg / Hangenſtein / Lands Cron / Reichenſtein / Birſeck / Moͤnchenſtein / Beuͤren / Ramſtein / Gilgenberg / Schauenburg / Wartenberg / Landesehr / Haſen - burg / Steinbrunn / Binderthan / Heitweiler / Wildenſtein / Eptingen / Hor - berg / Froburg / Farnſperg / Liechtſtal / und jenſeit Rheins Hartenberg / Ott - liken / Brombach / mit vil anderen. Von diſen ſind etliche nochmalen wi - derum gebauen worden / etliche aber oͤde / und unbewohnet blieben / alſo daß noch die Burgſtal und Maurſtoͤcke hin und her zuſehen. Zu widergedecht - nuß diſes traurigen S. Luxtags iſt erkent worden / jaͤhrlich an demſelben tag ein herꝛliche Proceß mit der Litaney / und dem Fronleichnam um das Muͤn - ſter zuhalten / ein genante ſumma Brots den duͤrftigen außzutheilen / darzu Haußarme Leuthe mit Roͤcken / und nothwendiger Kleidung zu begaben / welche lobliche Stiftung der grau-Luxroͤcken noch diſer zeit gehalten wird. Gemelter Erdbidem waͤhret nicht nur ein tag / oder ein Monat / ſonder man ward ſein (obwol beſcheidenlicher) ein ganz Jahr durchauß / bey nahe alle tag gewahr. Diß / und anders mehr von wideraufbauung der zerfallenen Gebaͤuen / ſchreibt Wurſteiſen in ſeiner Baſter-Chron. Lib. III. c. 13. Zu Baſel giengen bey diſem Erdbidem verlohren bey 1000. Menſchen. Zu Bern fiel an der Luͤtkilchen der Wendelſtein / der was mit ſteinen bedekt / und die Gewoͤlb in der Kirchen fielen nider / auch etliche Mauren an den Haͤuſe - ren / ſonſt fiel kein Hauß / noch beſchach ein ander ſchad zu Bern. Tſchachtlan Chron. L. XII. c. 28. benennet 42. Schloͤſſer / welche in diſem Erdbidem zerfallen. Beſihe auch Koͤnigshofen Chron. Alſat. p. 361. Spreng. und Bulling. Chron. Mſc. ad h. a,

(125)[125]N. 32.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortſetzung von denen Erſchuͤtterungen des Schweizerlands.

ANno 1357. im Meyen erzeigt ſich abermal zu Baſel ein grauſamer Erdbidem / der zerſchuͤttert das Muͤnſter gar uͤbel. Stumph. Chron. L. XII. c 28.

A. 1372. den 1. Brachm. erzeiget ſich ein neuer Erdbidem zu Ba - ſel / welcher etliche Camin / und vom Muͤnſter St. Georgen etliche groſ - ſe ſteine herab warffe. Nach 5. tagen ſahe man einen Ring um die Son - ne / ob welchem zwey roht farbe Cre uz ſtuhnden. Wurſteiſen Baſler Chron. p. 185. Stumpf. Chron. L. XIII. c. 3. L. XII. c. 28.

A. 1416. den 21. Jul. abends hat abermals ein erſchrockenlicher Erd - bidem die Statt Baſel grauſam erſchuͤttert / daß vil Leuth auß forcht auf das Feld hinauß flohen. Stumpf. Chron. L. XII. c. 30.

A. 1428. den 13. Dec. erꝛegt ſich abermals ein entſetzlicher Erdbidem / der erſchuͤttete die Statt Baſel alſo / daß vil Ziegel und Kamin ab den Taͤ - cheren fielen. Stumpf. Chron. L. XII. c. 31.

A. 1444. den 30. Nov. fruͤhe vor der Sonnen Aufgang erzeigt ſich abermals ein Erdbidem uͤber Baſel / dem Volk nicht zu kleinem ſchrecken. Stumpf. Chron. L. XII. c. 32.

A. 1533. hat ſich im Nov. in den Helvetiſchen Landen ein ſtarkes Erd - beben verſpuͤren laſſen. Stumpf. Chron. L. XII. c. 32.

A. 1534. den 2. Oct. in der nacht erzeiget ſich ein Erdbidem um die Statt Zuͤrich / und darinn; darauf folget den 21. und 22. Oct. ein ſtarker Sturmwind / thaͤt in Waͤlden / und ſonſt groſſen ſchaden. Stumpf. Chron. L. VI. c. 20.

A. 1538. den 28. Jan. erzeigt ſich abermals ein Erdbidem uͤber Baſel / doch ohne allen ſchaden. Stumpf. Chron. L. XII. c. 34.

Anno(126)[126]

A. 1557. den 24. Apr. ſpuͤret man einen Erdbidem in Zuͤrich mit einem ſtarken klapf. Stumpf. l. 12.

A. 1572. ſpuͤret man an vilen Orten gar ſtarke Erdbidem. Haller. Chron. Mſc. Lib. 38. c. 1.

Den 19. Horn. zwiſchen 8. und 9. uhren gewahrete man zu Baſel eine ploͤtzlich fuͤruͤbergehende Erdſchuͤtterung. Wurſteiſen Baſl: Chr. p. 650.

A. 1573. den 20. Dec. erzeiget ſich ein Erdbidem zu Zuͤrich / und am See. Stumpf. Chr. L. VI. c. 20. Boßhart Chron. Vitoduran. Mſc. ad h. a.

A. 1574. den 30. Jun. erzeigt ſich zu Zuͤrich ein Erdbidem. ex Mſc. Antiq. Bibl. Tig. n. 52.

A. 1577. den 22. Sept. ſpuͤrte man zu Baſel in der Statt / und da - herum in der Eidgnoſchaft drey Erdbidem / den erſten / und ſtaͤrkſten / am morgen zwiſchen 2. und 3. den andern auf den abend um 5. der was etwas ringer: den dritten die folgende nacht / war wider ſtaͤrker / dann der mittelſt. Stumpf. Chr. Lib. XIII. c. 42.

A. 1578. den 28. Sept. ſpuͤrte man zu Zuͤrich / und anderſtwo / einen ſtar - ken Erdbidem. Ex Mſc. Antiq. Bibl. Tig. n. 52.

A. 1584. den 1. Merz / um 12. uhr ſpuͤrte man einen erſchrocklichen Erd - bidem / an mehrtheils Orten der Eidgnoſchaft / beſonders am Greiffenſee; in der Landſchaft Aigle Bernergebiets / zu Yvorne und Corbiere, hat er gar groſſen ſchaden gethan / worvon zu ſeiner zeit bey anlas der Bergfaͤllen eine umſtaͤndliche Beſchreibung ſol gemacht werden. Haller Chron. Mſc. Lib. 44. cap. 2. Stumpf. Chr. Lib. XIII. c. 42.

A. 1601. den 8. Sept. am morgen / zwiſchen ein und zwey uhr / war ein ſchrokenlicher Erdbidem nicht nur in ganz Europa / ſondern auch einem theil Aſiæ, der hin und wider groſſen ſchaden gethan. Zu Lucern in der Statt trieb er das Waſſer von einandern alſo / daß das halb theil der Reuß in See / und das ander halbe theil auß der Statt lieff / daß man troknes fuß hat koͤn - nen im Fluß wandlen. Da geſpuͤrte man ihn in den 5. Orten noch etlich tag alſo / das jedermaͤñiglich vermeinte / der Juͤngſte Tag wurde kommen. Eine hohe Obrigkeit zu Zuͤrich hat diſer Erdbidem veranlaſet / ein groſſes Bußmandat zumachen / Haller. Chron. Lib. 58. c. 13. Zu Zuͤrich hat diſer Erdbidem zwey Kamin / und den halben Tachſtul im Wirtzhauß zum Adler abgeworffen / alle ſtaͤrkeſten Thuͤrn und Gebaͤue zerꝛiſſen mit ſpaͤlten. Ex Mſc. antiq. Bibl. Tig. n. 52.

A. 1610. den 29. Nov. hat ſich zu Baſel ein ſtarkes Erdbeben mit ei - nem groſſen getoͤß merken laſſen. Groß Baßl. Chron. p. 237.

Anno(127)[127]

A. 1614. den 17. Feb. und 24. Sept. haben ſich zu Baſel ſtrenge Erd - beben erzeigt / alſo daß mit groſſem praßlen alle Gebaͤue von einer ſeiten zur anderen erſchuͤttet worden. Groß Chron. Baſ. p. 240.

A. 1622. im Monat Mertz / als das Volk (der Ober-Engadineren / ſo auß zumuthung der Oeſterꝛeicheren ſolten ins Unter-Engadein gehen / dem Fuͤrſten zu ſchweeren / daß ſie den Unter-Engadeineren in ewigkeit keine huͤlff wider das Hauß Oeſterꝛeich leiſten woͤllen) dem Unter-Engadein zugezo - gen / hat ſich ein ſtarker Erdbidem erhebt / der das Erdrich unter ihnen heftig erſchuͤttet / und als ſie fuͤrwarts gangen / und an das beſtimte Ohrt kommen / da ſie ſchweeren ſollen / hat ſich das Erdrich abermal erſchuͤttet. Baßler Puͤndter Krieg. Mſc. cap. 47.

A. 1623. den 20. 21. 22. 23. 24. Febr. iſt alle nacht ein erſchroklicher Erdbidem erfolget (auf geſchehene publication eines Paͤpſtlichen Decreti) daß ſich dardurch alle Gebaͤue erſchuͤttet / und bewegt / an etlichen Ohrten auch die Glaͤſrr auf den Tiſchen erzitteret / welcher Erdbidem im ganzen Veltlin geweſen / wie auch zu Puſelav / im Bergell / und der Grafſchaft Cle - ven. Baßler Puͤndtner Krieg. cap. 54.

A. 1650. hat die Freyherꝛſchaft Hohen Sax 18. die Statt Baſel 7. und die Statt Zuͤrich 4. Erdbidem empfunden. Wagner. Helv. Cur. p. 371. Zu anfang diſes Jahrs haben ſich in der Herꝛſchaft Sax 5 tag nach einanderen ſtarke Erdbeben merken laſſen. Und im Herbſt darauf ſind zu Zuͤrich und Baſel in Staͤtten / und auf der Landſchaft abermals vier ſtarke Erdbeben mit ſchreklicher erſchuͤtterung geſpuͤrt worden. Hotting. Spec. Tigur. p. 503.

A. 1652. den 4. Febr. iſt in der Statt / und auf der Landſchaft Zuͤrich / deßgleichen auch zu Baſel / und Schaffhauſen / ein ſehr ſtarkes Erdbeben ge - ſpuͤrt worden. Rahn Eidgnoͤſſiſche Geſchichtbeſchreibung / p. 996.

A. 1656. im Febr. wurden bey Baſel herum in einer Nacht drey un - terſchiedliche / und den 16. Mey morgens zwiſchen 3. und 4. uhren widerum ein ſtarkes Erdbeben verſpuͤrt. Rahn Chron. cit. p. 1009.

A. 1672. den 9. Jan. nachmittag um 3. uhren iſt in der Herꝛſchaft Sax ein Erdbidem verſpuͤrt worden mit einer zimlichen Erſchuͤttung / und ge - raͤuſch; Zu Fruͤmſen aber mit einem lauten klapf / und getoͤß. Ex Archivo Antiſtit. Tigurin.

A. 1672. den 12. Maj. um halbe zwoͤlf uhren / iſt die Herꝛſchaft Sax er - ſchuͤttet worden mit einem ſtarken Erdbidem / ab dem die Wohnungen maͤch - tig erzitteret / und in den Gebirgen ein lautes getoͤß erſchallen: diſer Erdbi -dem(128)[128]dem ward in allen Ohrten in Berg und Thal / Holz und Feld / Waſſer und Land empfindlich vermerkt. Ex Archiv. Antiſtit. Tigurin.

A. 1672. den 2. Dec. anf den abend gegen 3. uhren iſt zu Uſter / Egliſau / Kyburg / und andern Ohrten ein gar empfindlicher Erdbidem vermerkt wor - den. Auf dem Thurn zu Egliſau gewahrte der Waͤchter erſtlich ein kleines geraͤuſch / und darbey die Geſchirꝛ auf den Geſtellen ſich bewegen / und als er darauf zum Fenſter hinauß geſehea / den Thurn / die Fenſter / und ſich ſelbs hin und har bewegen. Ex Archiv. Antiſtit. Tigurin.

A. 1674. in dem Martio iſt zu Jverdun / Bernergebiets / ein ſchrekli - ches Getoͤß in dem Luft gehoͤrt / und bald darauf ein ſtarkes Erdbeben ver - ſpuͤrt worden. Deßgleichen ward den 6. Dec. faſt in ganzer Eidgnoßſchaft / und angraͤnzenden Landen / ein ungewohnliches Erdbeben ſo ſtark geſpuͤrt / daß an theils Orten man ſich eines ploͤtzlichen einfalls der Gebaͤuen vermu - thet. Rhan Eidgnoͤſſ. Chron. p. 1035.

A. 1680. den 24. Jul. iſt an vilen Orten der Eidgnoßſchaft ein ſtarkes Erdbeben geſpuͤrt worden. So haben auch domals ſtarke Ungewitter mit Donner / Stral / Hagel / ungewohnlichem Regen / und Sturmwind ſich er - zeigt. Rahn. lib. cit. p. 1064.

A. 1681. den 27. Jan. hat ſich nachts zwiſchen 10. und 11. uhren ein ſtarkes Erdbeben hieſiger Landen durchgehend verſpuͤren laſſen. Rhan. lib. cit. p. 1066.

A. 1682. den. 2. Maj. iſt morgens zwiſchen 2. und 3. uhren ein entſetz - liches Erdbeben mit erſchroͤklichem getoͤß / ſo gar / daß an unterſchiedlichen Ohrten die Gloggen an den Haͤuſeren darvon geſchaͤllet / geſpuͤrt worden. Rhan. lib. cit. p. 1079.

A. 1684. den 26. Febr. ward abends zwiſchen 8. und 9. uhren an vilen Ohrten der Eidgnoſchaft / und benachbarten enden ein ſehr ſtarkes Erdbeben verſpuͤrt / welches die Gebaͤue maͤchtig erſchuͤttert. Rhan. lib. cit. p. 1105.

A. 1704. den 4. Nov. morgen zwiſchen 4. und 5. hat man zu Zuͤrich / in der Statt / und auf dem Land geſehen eine helle feurige Luftgeſchicht (von deren urſach oben mit mehrerem geſchrieben worden) worauf erfolget ein ſtarker doppelter Erdbidem. Zu Baſel hat in eben der Stund in der Luft regiert ein ſtarker Wind mit Donner und Blitzen / und unterflieſſendem Platzregen / doch ohne Erdbeben.

(129)[129]N. 33.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von ungewohnten Jahrzeiten des Schweizerlands.

A deme / was bißher von der verwunderlichen Thal-Bergichten Be - ſchaffenheit / und hoher ſituation, des Schweizerlands geſchrieben worden / iſt leicht zu ſchlieſſen / daß die Jahrzeiten bey uns nicht ſo or - denlich auf die bey vilen anderen Laͤnderen gewiſſe zeit / Wochen und Tag / oder alle Jahre auf gleiche Weiſe geſchehen / ſondern merklich ſich abenderen. An einichen Ohrten regiert bald das ganze Jahr hindurch ein beſtaͤndige faſt winterliche Kaͤlte / an anderen bald eine durchtrin - gende Kaͤlte / bald faſt unleidenliche Waͤrme: Die meiſten Laͤn - der / Staͤtte / und Thaͤler aber werden etwan innert wenig Tagen oder wochen angefochten mit ganz widrigen abaͤnderungen; Es ſtuͤrmen auf diſes Haubt / oder oberſten Gipfel von Europa nicht nur alle Element / ſon - dern auch alle Winde / mit groͤſſerer Freyheit / und leichteren wirkung / als auf andere Lande / und were in betrachtung deſſen unſer Vatterland das un - geſundeſte von allen / wann nicht dem guͤtigſten Schoͤpfer gefallen hette / diſer kraͤnklichen bloͤſſe entgegen zuſetzen die reinigkeit / und Geſundheit der Luft und Waſſeren / die Fruchtbarkeit der Erden / die koſtlichkeit der Gewaͤchſen / und andere dergleichen Gaben / vor welche wir dem barmherzigen Gott zu - danken haben. Unſere entfehrnung von dem Meer haltet von uns ab vil grobe / ſchwere / ſaltzichte Duͤnſte / welche bald an denen Kuͤſten / oder auch angraͤnzenden Landen ſich herab laſſen / und alſo nur zu uns gefuͤhrt werden die leichteren waͤſſerigen theil / welche dann an unſeren Bergen anſtoſſen / und ſich in Nebel / Regen / Schnee / Bruͤnnen / Baͤche / und Fluͤſſe verwandlen. Gleichwie auch von denen Gottesgelehrten Naturkuͤndigeren die Winde in gemein angeſehen werden vor ein herꝛliches Mittel / die Luft vor der faͤulung / und unſere Leiber vor vielen Krankheiten zu bewahren / alſokoͤnnen(130)[130]koͤnnen wir uns leicht vorſtellen / daß durch vil und oͤftere windichte Bewe - gungen der Schweizeriſchen Luft auch diejenige boͤſe duͤnſte / welche etwan anderſt woher uns zugefuͤhrt worden / oder auß unſeren eigenen Landen auf - geſtiegen / von uns hinweg / und anderwerts hin getrieben / wir folglich von vielen Beſchwerden / die daher trwachſen koͤnten / erlediget werden. Es weißt aber auch der gerechte Gott eben diſere Heilmittel zuverwandlen in Straff - gerichte / und uns nach unſerem verdienen heimzuſuchen bald mit ungewohn - ter / und ſchaͤdlicher Hitz / bald mit empfindlichem froſt / bald mit allzunaſſer / oder trukener witterung / und danahen auf die fruͤchte des Felds / Weinſtoks / Menſchen und Viehe kom̃endem Schaden. Ein Exempel der Barmherzig - keit Gottes iſt diß lauffende Jahr / zu deſſen anfang hin und wider in unſern Eidgnoͤſſiſchen Landen geregiert / bey kalt-feuchter Witterung / allerhand hi - zige Fluß-fieber und andere boͤſe Krankheiten / welche aber durch die guͤte Gottes bald wider nachgelaſſen; Der Fruͤhling lieſſe ſich alſo an / daß man auß allerhand / theils oben beſchriebenen Wunderzeichen abnemmen koͤnte / daß wir vor uns haben werden ein rechtes Wunder-Jahr: Der Sommer war abſonderlich durch den Augſtmonat ein Wunder-Sommer / zumalen nicht leicht erlebt worden ein ſo lang anhaltendes ſchoͤnes Wetter / und ſtar - ke Waͤrme / welche auch geſpuͤrt worden auf denen Gebirgen / da ſonſten der Winter regiert / und mehr Schnee und Eis / als in anderen Jahren hat ſchmelzen moͤgen: Die Baumfruͤchte haben wegen mangel des Safts nicht zu follkommener Groͤſſe gereichen moͤgen. Der Menſchen und Thieren Leiber haben außſtehen muͤſſen eine ungewohnt ſtarke Außdaͤmpfung / deren Wirkung ſich bereits erzeiget hat durch die Rohte Ruhr / Durchbruͤche / und andere Krankheiten / welche hier und da graſſiert / beſorglich aber ſich noch weiters eroͤffnen wird bey einbrechendem Herbſt / und Winter / abſonderlich / weilen unmittelbar auf die groſſe Hitz erfolget ein zimlich ſtrenge feuchte / und kalt-windichte Witterung.

Bey diſem anlas habe thunlich erachtet / dem geehrten Leſer vorzuſtel - len eine Hiſtoriſche Erzehlung aller derjenigen ſeltſamen Jahrzeiten / welche unſere Eidgnoͤſſiſche Lande außgehalten / und hier und da in getrukten / oder geſchriebenen Geſchicht-Buͤcheren verzeichnet ſtehen.

A. 709. 762. 860. 913. 945. muͤſſen ſehr harbe / und lang anhaltende Winter geweſen ſeyn / nach der Zeugnuß Hepidani Annal. bey Goldaſt. Alamañ. Rer. p. 6-10.

A. 1135. war ein ſolcher heiſſer Som̃er und Herbſt / das alle Pfuͤtze undGraben(131)[131]Graͤben / vil Bruͤnnen und Waſſerfluͤſſe in Rhætiſchen Gebiet / und an - derſtwo austrokneten / und an vilen Orten groſſer Mangel am Waſſer er - litten wurde / alle Heken und Zaͤun auch auf den hohen Bergen verdorꝛeten / und verbruñend groſſe Waͤlder. Gulet. Ræt. p. 128. b.

A. 1277. war der Winter ſo ungewohnlich kalt / das der Boden-See von einem Geſtad biß an das andere uͤberfroren. Haffner. Theatr. Solo - dor. p. 312.

A. 1343. war gar ein heiſſer Som̃er / und wurden alle Fruͤchte uͤber - aus gut; mehr als 8. Tag vor S. Johannis hat der Wein verbluͤhec. Es hat ſo lang nit geregnet / das in diſen Landen Gerſten geſaͤyet / geſchnitten und Brot daraus gemachet worden / das doch darauf nie geregnet. Tscha - chtlan Chron. ad h. a.

A. 1357. im Hornung / Merz und Aprel ſtarben vil Leuth und Vieh vor Hunger und Froſt / alſo lang waͤhrte der Schnee und die Kaͤlte: Es verdurb auch ſelben Jahrs vil Heu von Hitz / das man vil Viehs nider muͤßte ſchlachten / das es auß hunger ſturb / man entdekt vil Haͤuſer in den Doͤrferen / die mit Stroh dekt waren / und gabe es dem Vieche zueſſen. Alle dinge waren theur / das malter Spreur koſtete 3. ß. Sprenger Chron. adh. a.

A. 1362. war ein uͤbermaͤſſiger heiſſer Som̃er / in dem die Matten und Weyden verbruñen / das alles Heu / Embd und Futter verdarb; darauf folgte A. 1363. ein groſſer ſchaͤdlicher Vieh tod / ſonderlich in den 3. Mona - ten Hornung / Merz und Aprel: vil Viehs ſtarb vor hunger / vil Leuthe ſchlachteten ihr Viehe / das es ihnen nit hungers verdurbe / man futtert an vilen Orten mit Ebheu und Tañkryß / etliche dekten ab ihre Strohbaͤcher / und legten das Stroh dem Vieh fuͤr zur Speiß; die Außtag des Fruͤh - lings waren gar harb und ſtreng / des Schnees war vil / und der wolt nit ſchmelzen / und war ein uͤberaus groſſe und beharꝛliche Kaͤlte: Alle Waſſer gefruren allenthalben hart / der Zuͤrich See beſchloß ſich ganz biß an die Statt. Diſe gefroͤrne waͤhrete bis an Charꝛfreytag. Es entfror aber der See in einem Tag / und einer Nacht. Die Raͤben um Zuͤrich erfrorend des Fruͤhlings / das man ſie mehrtheils ausſchlahen muͤßt. Bulling. Chron. ad h. a. Stumpf. Chron. L. XIII. c. 3.

A. 1372. fiel im Herbſt ein ſo gar groſſe Kaͤlte ein / daß die Trauben an Reben gefruren / als man aber wuͤmmet / war der Moſt ſuͤß / und blieb ſuͤß bis zu Pfingſten / als er aber aufgieng / ward er ſo ſaur / daß ihn niemand trin - ken mocht. Bulling. Chron. ad h. a.

Anno(126)[132]

A. 1384. war ein heiſſer Sommer / darinn alle Fruͤcht ſehr gut / und fruͤhe zeitig wurden. Es war alſo lang ſchoͤn an einander / daß etliche Sommer - fruͤchte geſaͤyet / geſchnitten / und Brot darauß gebachen ward / alſo daß ſie nie / oder faſt wenigberaͤgnet wurden. Stumpf. Chron. L. XIII. cap. 8.

A. 1394. war ein ſo heiſſer und trokner Sommer / das der Wein gar gut / und deſſen vil gewachſen / ſchon vor Johannis tag verbluͤhet / und das Korn geſaͤyet / geſchniten / gemahlet / und zu Brot gebachet werden koͤnnen / ohne das in der zeit einiger tropfen Regen gefallen. Stumpf Chron. Mſc.

A. 1407. um Martini erhub ſich ein uͤberauß groſſer Winterfroſt / welcher bis auf Mittefaſten / 12. Wochen an ein anderen waͤhrete / das der Zuͤrich-See ſtark uͤberfror. Es iſt auch der Rhein ſo hart uͤberfroren / das man mit Waͤgen druͤber fuhr. Diſe Kaͤlte mit dem Eis und Schnee zer - gienge mit einem warmen Regenwetter / deßwegen ein ſolcher groſſer Waſ - ſerfluß erfolget / das auf dem Rhein / und andren Schiffreichen Waſſeren etliche Bruken und Jnßlen weggefuͤhret / und dem Land wegen wilder Baͤ - chen / ſo aus den Gebirgen und Wildnuſſen zuſamen luffen / groſſer ſchaden zugefuͤget worden. Schvverter Gruͤning. Chron. L. IV. c 12. Vrſtis Chron. Baſil. L. IV. c. 12.

A. 1408. an S. Martinstag gieng ein kalter Winter an / der waͤhrt bis auf Liechtmeß / das ſich niemand des froſts erwehren moͤcht / darauf fiel ein Regnichter Luft ein / das die Waſſer uͤberauß groß wurden. Etterlin Chron. Mſc. ad h. a. Tſchachtlan Chron. ad h. a.

A. 1420. war ein ſo fruͤhes jahr / das man zu angehndem Meyen reif - fe Kirſchen / und auf Maria Magdalena reiffe Trauben fand / und gab man darnach in der Faſten des 21. Jahrs ein viertel Kernen / und ein viertel Apfel iedlichs um 3. ß. Fueßlin Chron. Ms. ad h. a. Die meiſten Baͤume ver - bluͤheten im Merzen / der Aprel war noch ſchoͤner. Den 7. Aprel hatte man zu Baſel Erdbeere feil / zu Schweiz bluͤheten etliche Raͤben den 5. Aprel / zu Bern fienge man an den Wein leſen den letſten Augſt. zu Baſel ſchenkte man neuen Wein auf St. Bartholomei tag / ein maß um ein pfenning / zu Bern um 4. 5. 6. und 7. um Martini tag gab man den haber um 7. ß. die Wicke um 9. den Roggen um 10. ß. Tſchachtlan Chron. ad h. a.

A. 1432. war es im Jenner alſo kalt / das Menſchen / Voͤgel / und Thier erfruren. Es erfroren auch die Raͤben / und Nußbaͤume / das man ſie muͤßt abhauen / deßhalb war daſſelb Jahr mit vilen dingen unfruchtbar. Fueßlin Chròn. ad h. a. darauf iſt erfolget ein groſſe hungersnoht / und Pe - ſtilenz. Stumpf Chron. L. VI. c. 19.

(133)[133]N. 34.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortſezung von ungewohnten Jahrzeiten des Schweizerlands.

ANno 1435. war der Winter alſo kalt / daß man auf dem Bodenſee von Langenargen bis gen Arbon uͤber den See gangen; Alſo ward auch der Zuͤrichſee uͤberfroren bis an die Statt. Es flogen auch die wilden Enten / und andere wilde Voͤgel zu Zuͤrich in die Statt von groſſem hun ger / als ob ſie zahm weren. Zu Rappetſchweil waren die Enten / und Bel - chen / ſo matt / daß man ſie mit haͤnden fieng / und vil in den Hurden tod fand. Sprenger. Chron. ad h. a.

A. 1438. am 12. Merz fiel ein groſſer Schnee / groͤſſer dann er des Win - ters eingefallen / und lage 7. tag / da kam ein groſſer Regen und Wind / der den Schnee gleich abtrieb / und ward das Waſſer groß. Diß Jahr erfolgte ein groſſe Theure in Korn und Wein. Man gabe um ein Muͤtt Dinkel 2. Gl. um ein Muͤtt Kernen 8. Pf. um ein Muͤtt Haber 2. Pf. um ein Muͤtt Rog - gen 7. Pf. Tſchachtlan Chron. ad h. a.

A. 1442. an der Faßnacht iſt ſo ein ungewohnlich groſſer Schnee ge - fallen / daß man die Haͤuſer / ſo darmit etlich Schuhe hoch bedekt waren / vor Einfall zu bewahren / ſelbigen aller Orten ab den Taͤcheren raumen muͤſſen / und eine gute zeit niemand uͤber Feld gehen koͤnnen. Darauf zwar ein ſehr fruchtbarer Jahrgang / hernach aber ein ſo grimmige Kaͤlte gefolget / daß faſt alle Weinreben erfroren. Stumpf. Chron. L. XIII. c. 12.

A. 1443. war ein kalt harber Winter / der Zuͤrichſee uͤberfror / und er - froren die Raͤben am Zuͤrich - und Bodenſee / und vilen andern Orten / daß der Wein deſſelben Jahrs theur ward; deſſelben Jahrs am H. Kreuztag im Meyen ſchneyte es den ganzen Tag / es fiel ein ſchnee / der dem Mann uͤber ſeinen Fuß / und auf den Bergen uͤber die Knie gieng. Spreng. Chr. ad h. a.

A. 1445. war ein guter Winter / und warmer Merz / deßhalb vil bluſtsherfuͤr(134)[134]herfuͤr kam: aber darauf den 11. und 12. tag Aprel hub es an ſchneyen / und ward ſo kalt / daß alles erfror / was ſich erzeigt hat / und ward am Zuͤrichſee / Bodenſee / Elſaß / Breißgaͤu / am Neckar / und allenthalb gar kein Wein / deßhalb er faſt theur war in teutſchen und welſchen Landen. Fueßlin Chr. ad h. a.

A. 1446. an dem Palmtag hub es an zu ſchneyen / und morndeß den ganzen tag / (den 10. und 11. Apr.) und fiel ein groſſer Schnee / mit ſtrenger kaͤlte / die Reben erfroren an dem Boden-Zuͤrichſte / und anderen Orten / der Wein ward in allen Landen theur. Sprenger. Chr. ad h. a.

A. 1464. war gar ein kalter Winter / und fielen mehr dann 20. Schnee auf einandern / und ward der Schnee ſo groß / daß niemand wandlen moͤcht; An etlichen Orten ertrukt er die Taͤcher. Doch gienge er ab ohne ſchaden. Tſchachtlan Chron. ad h. a.

A. 1473. war ein duͤrꝛer Sommer / daß die Baͤume im Hornung ſchon bluͤheten / und alle Erdengewaͤchſe gleich in dem Meyen gruͤneten. Den 20. Jun. kam in der Rivier um Baſel ein Regen / und darnach in 9. wochen kei - ner mehr / daß die Waſſer abgiengen / und vil Bruͤnnen verſiegeten. Zu Pfingſten halte man zeitige Erdbeer / Kirſen / und auch das Fruͤobs / auß - gehnds Brachm. zeitige Trauben / die Ernd gieng an vor Johannis / und der Herbſt vor Bartholomei. Wiewol auch duͤrꝛe halb wenig Korns gewach - ſen / ward es doch gut / und zimlich wolfeil / daß ein Vierthel zehen Blappert galt. Der Wein wuchs an vilen Orten ſehr ſtark / und gal ein Saum Breißgauer 7. Blappert. Andere Erdfruͤchte / ſo vor uͤbriger Hitz nicht fortkommen koͤnnen / wurden ſehr theur / ein Kabiskopf galt ein Blappert / Ruͤben ein Vierer. Summa / es war ein ſolche Hiz / daß an etlichen enden die Waͤlde / vom Himmel angezuͤndet / gebrunnen haben. Jm October bluͤ - heten die Baͤume widerum / wie im Fruͤhling / daß die Biren und Apfel einer Nuß groß / und die Kirſen bis Martini widerum zeitig wurden. Urſtis. Baßler Chron. L. VI. c. 4.

A. 1481. War gar ein unſtaͤt Jahr mit regnen / und ungewitter; Auf S. Martins tag hat man zu Zuͤrich auf der Bruck vil reiffe Kirſchen feil / der Wein war ſehr ſaur. Fueßlin Chron ad h. a.

A. 1491. war gar ein kalter Winter / dann es flelend 31. Schnee auf einanderen / daß keiner vor dem anderen abgieng / und uͤberfror der Zuͤrichſee bis an die Statt; Diſer ſchnee lag bis zur Liechtmeß da ward es warm / daß er ſchier abgieng in 2. tagen / und zergieng das Eis im See; Demnach wardes(135)[135]es vor St. Martins tag wider kalt / daß der See wider gefror / und aber wi - der ein Wind kam / der das Eis zerwaͤyet; Demnach fiel am letſten tag Hornung / und erſten Merz aber ein groſſer ſchnee / und ward wider faſt kalt / daß der Zuͤrichſee zu dem dritten mal uͤberfrur: darnach am erſten tag Mey fieng es aber an ſchneyen / uñ trieb es 3. tag an einandern / darnach fielen Reif - fen / daß die Raͤben / welche vor dem Winterfroſt hinkommen waren / erfru - ren. Fueßlin Chron. ad h.a. Gerold. Edlibach. Mſc. vom Zuͤrichkrieg ad h. a.

A. 1502. war in den Pfingſt-Feyrtagen ein ſoͤlche kaͤlte mit Schnee und Regen / daß die Speiren und Schwalmen erfruren / und tod auß den Luͤften herab fielen. Bulling. Chron. ad h. a.

Jn diſem Jahr ſind gar vil ſchwere Wetter entſtanden / und hat die Peſt hin und wider vil Volks weggeriſſen. Fueßlin. Chron. ad h. a.

A. 1504. war ein heiſſer / und duͤrꝛer Sommer / daß die Waſſer erſieg - ten / das Graß auf den Wieſen verbrann / weder Korn / noch Haber moͤchte fuͤr kommen / deßhalb etwas theurung erfolget. Die Sommerhitz empfieng ein warmer Winter. Urſtis Baßler Chron. L. VII. c. 2.

A. 1506. was ein kalter Winter / alſo daß vil Raͤben erfruͤrend und die Baͤume zerſpielten / doch erfolgete ein gut fruchtbar Jahr. An St. Oth - marstag den 16. des dritten Herbſtmonats fieng es an regnen / und regnet ohne aufhoͤren 18. tag lang / und wurden die Waſſer ſo groß / daß ſie merk - lichen ſchaden thaten / ꝛc. Fueßlin. Chron. ad h. a.

A. 1508. war zu anfang des Jahrs ein gar rauher Winter / und groſ - ſe kaͤlte / die waͤhret bis zu end des Merzens. Am Montag nach St. Urbans - tag regnete es 24 ſtund an einanderen / das alle Baͤch und Fluͤß außgebro - chen / und groſſen ſchaden gethan. Jn diſem Jahr geſchahen auch ſchwere weiter / und ſtarke Erdbidem in Teutſchen und welſchen Landen. Fueßlin. Chron. ad h. a.

A. 1509. was gar ein warmer Sommer / wenig Heu und Emd / zu Winterthur wiſchte man beyde Galgbruͤnen mit einem Beſen / daß kein Waſſer darinn was. Lindouer. Annal. Vitoduran. Mſc. ad h. a.

A. 1514. war ein gar kalter Winter / und vil Schnee; der Zuͤrichſee uͤber - fror / daß man von Rapperſchweil gen Zuͤrich mit Schlitten fuhr. Die Muͤller zu Winterthur mochten in 14. tagen nicht mahlen; man fuhr von Schaffhauſen gen Andelfingen zu Muͤhle. Der Rhein war ob der Bru - ken dermaſſen uͤberfroren / daß man daruͤber reiten / und gahn mocht. Manhat(136)[136]hat daſelbſt einen Haſen auf dem Rhein gejagt / und gefangen; Zu Baſel hat man auf dem Rhein tantzet / geſpilt. Nach St. Johans-tag war es nie uͤber eine Wochen ſchoͤn / und haben die Waſſer groſſen ſchaden gethan. An St. Michaels abend hat es geſchneyt / und war faſt kalt / aber morndeß war es ganz warm. Lindauer. Annal. Vitoduran ad h. a. Jn rauhen Gebirgen muͤßten vil Leuthe auß mangel des Maͤhls den Waͤizen im Waſ - ſer ſieden / und an ſtatt des Brots eſſen. Urſtis. Baßl. Chron. L. VII. c. 6.

A. 1515. fienge es an regnen von St. U〈…〉〈…〉 bans-tag bis an St. Bartho - lomei tag; Korn und Haber kam naß in die Scheuren. Loc. cit.

A. 1516. war ein guter / warmer Sommer / man hatte mangel an waſ - ſer. An Margarethen Tag was das Korn in Scheuren / und an des H. Creuzes tag hat der Herbſt ein end. Es ward ſo guter Wein / daß derglei - chen lang nie gewachſen. Lindouer. l. c.

A. 1517. was ein kalter Winter / und erfruren die Raͤben. An St. Marx tag fiel ein Schnee / darauf folgete ein warmer Sommer / ſo daß die Schmalſaat auf dem Feld verdorben von groſſer Hitz. Lindouer. l. c.

A. 1527. Auf Pelagij / und den naͤchſten tag darauf fielen zween groſſe Reiffen / auch am Montag nach Mauritii erfroren die Reben / daß die Trau - ben nicht wol moͤchten reiff werden. Lindouer. l. c. Jn dem Meyen fiele ein groſſer ſchnee / welcher die Baͤume und das Bluſt uͤbel beſchaͤdigte. Joh. Henr. Tſchud. Chron. Glaronens. Mſc. h. a.

An. 1532. fiel auf den 13. Horn. ſo ein groſſer Schnee / daß er vil Taͤcher / und Haͤuſer eintrukte / der lag bis in mitten Merzen; da kam ein ſo groſſe waͤrme / daß er uͤberall zu jedermans verwunderung abgieng. Auf den 6. Apr. fande man Trauben; den 7. kam ein ſehr ſchweres Hagelwetter mit ungemein groſſen Steinen; den 17. Apr. ſchneyt es aber / und in der Nacht flel ein groſſe kaͤlte / daß was herfuͤr kommen an Raͤben / und Baͤumen erfro - ren: Gleichwol wachßte diß Jahr ein guter Wein. Ludwig Edlibach. Chron. Mſc.

A. 1540. war der ſo genante heiſſe Som̃er. Von anfang des Merzens bis in Chriſtm. war gleichſam ein beſtaͤndige waͤrme / und weil es diſe ganze zeit uͤber nicht (14.) mal geregnet / war ein ſolche duͤrꝛe / und verſchweinung der Waſſeren / daß gar vil Bruͤnnen verſiegeten. An etlichen Orten muͤßte man weit zur Muͤhle fahren / oder das Viehe traͤnken. Gleichwol fielen zu nacht groſſe und gute Thau / welche die Baͤume erquikten / daß alle Fruͤchte gut und follkomen wurden. Jnſonderheit geriethe der Wein ſehr wol / daß man an viele / und ſtaͤrke ſeines gleichen nicht vil gehabt. Schwerter Gruͤninger Chron. Mſc. L. IV. c. 15.

(137)[137]N. 35.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortſezung von ungewohnten Jahrzeiten des Schweizerlands.

ZU außgang des Meyens A. 1540. haben die Trauben verbluͤhet: vor Ul - richstag war alles Korn geſchnitten / und eingeſamlet: Den 25. Sept. war aller Wein im Faß. Es wurden diß Jahr die Raͤben nie karſtet / noch gehauen / wegen haͤrte des Erdrichs. Ludvv. Edlibach. Chron. ad h. a.

Jn dieſem heiſſ〈…〉〈…〉 n Sommer name der Rhein alſo ab / daß man ihn an etlichen enden mit Pferden durchſchwemmen mochte. Alle Mullinen in minderem Baſel geſtuhnden / deß man in Schiffen auf dem Rhein anrich - tet. Man koͤnte den Wein wegen ſeiner vile ſchier nicht faſſen / er ward deß - halb vor ſeiner einmachung wolfeil verkauft. Zu Herbſtzeit fand man ein Saum Virnen wein um 5. den neuen aber um 7. oder 8. Blappart. Doch / ſo bald er in die Faß kam / ſtieg er auf 1. Gl. Nochmalen / weil in zwey folgenden Jahren ſaurer Wein wuchſe / ſchluge der heiſſe Sommerwein bis fuͤnf pfunden auf. Wurſteis. Baßler Chron. L. VIII. c. 17.

Die Waſſer wurden ſo klein / daß man zu Zuͤrich in der Lindmatt das Waſſer auß der Schnelle / an die Muͤlli richten und aufſchwellen muͤßt. Man gieng trockenes Fuß um den Wellenberg. Stumpf. Chron. L. VI. c. 20. Hotting. Specul. Tigurin. p. 521.

Zu immerwaͤhrender Gedaͤchtnuß diſes heiſſen Sommers hat man bis auf die jezige Zeiten Korn deſſelben Jahrgangs zu Zuͤrich aufbehalten / und gedenket Jkr. Erhard Eſcher in Beſchreibung des Zuͤrichſees eines groſſen Stoks Emd / ſo im Thal / einem Doͤrflein am Zuͤrichſee / in Vogt Steiners Scheur von derſelben zeit aufbehalten worden.

A. 1565. zu end des vergangenen / und anfang diſes Jahrs / war die Win - terskaͤlte ſo ſtreng / daß man auf den Straſſen hin und her erfrorner Leuthen gefunden. So ſind auch die Aar / Reuß / Lindmatt / Rhein / und andere Waſſer dergeſtalt uͤberfroren / daß man mit geladenen Waͤgen daruͤber fah -ren(138)[138]ren koͤnnen. Die Weinreben wurden verderbt / der Fruchtſamen erſtekt / oder hernach / da der groſſe Schnee bey einem warmen wind abgangen / durch gar zu ſtrenge ergieſſung der Waſſeren verſchwemt / zumal auch die Bruggen von den groſſen Eißklotzen zerſtoſſen. Urſtis. Baßler Chron. L. VIII. c. 29. Haffner Theatr. Solodor. P. l. p. 456. Haller. Chron. L. 37. c. 1.

A. 1570. den 6. April auf den abend kam daher ein grauſam Wetter / mit Donneren und blitzen / deßgleichen man vorher nie erlebt hat. Hierauf folget ein groſſe kaͤlte / und fielen groſſe Schnee den 11. 12. und 13. April / als wie im Winter. Demnach auf St. Marxen tag fiel aber ein Schnee; doch waren die augen an Raͤben noch nicht herfuͤr. Hierauf kam ein geſchwinde und groſſe Theure. Dann auf den 11. Mey galt ein Muͤtt Ker〈…〉〈…〉 en zu Zuͤ - rich 12. Pf. 7. ß. 6. hlr. ein vierthel Haber 15. ß. Es war auch diß Jahrs groſ - ſe Waſſernoth. Ex Mſc. Bibl. Tig. n. 112.

A. 1571. lieſſe ſich der Winter ſehr ſtreng an / alſo daß der Zuͤrich - und andere See ganz uͤberfroren / auch vil Leuthe von unertraglichem froſt dahin ſturben / oder von hungerigen Woͤlffen zerꝛiſſen wurden / daranf dann ein durchgehnde Theurung / und groſſer mangel an Lebensmittlen erfolget. Vil Leuthe ernehrten ſich von dem Graß auf dem Feld / und wurden darbey mit dem Graß in den Maͤuleren tod gefunden. Haller. I. 37. c. 11. Sebaſt Franck Hiſtor. P. II. p. 962. Der Muͤtt Kernen galt 12. und 13. Pf. ein vierthel Ha - ber 1. Pf. 9. ß. ein viertel duͤrꝛ Biren oder Apfel ein halbe Kronen. So ward diß Jahrs ſo gar kein Wein / daß der Schenkhof zu Zuͤrich nie aufkame den ganzen Herbſt / und ward den Chorherꝛen nicht mehr dann ein Eimer Wein uͤber die Expeditiones. Ex Mſc. Bibl. Tig. n. 112.

A. 1572. den 25. Aprel kam ein risleten / und auf die nacht ein kalter Regen / am folgenden morgen ein Reiff / als aber die Sonn aufgieng / ver - durben die meiſten augen an Raͤben. Boßhart. Chron. Vitodur. Mſc. ad h. a. Um Martini hat ſich ein grauſame kaͤlte erzeigt / die waͤhret bis nach dem Neuen Jahr A. 73. da den 5. Jenner das Wetter angefangen brechen / und g〈…〉〈…〉 enge der Schnee in 6. und 7. tagen uͤberal weg mit Wind und Regen. Vi - len Leuthen iſt der Wein in Faſſen gefroren / ſolcher geſtalt / daß er die Pun - ten auftriben / und herauß gejaͤſen hat. Ex Mſc. Bibl. Tig. n. 112.

A. 1573. den 20. Apr. fiel ein ſehr tieffer Schnee / mit groſſer kaͤlte. Den 22. thate ein ſtarker Reiff den Raͤben groſſen ſchaden. Den 26. fiel wider ein Reiff / der hinweg nam / was der hat laſſen uͤberbleiben. Den 5. 7. 27. Mey / und 5. Jul. hatte man ſchwere Hagelwetter: Diſe langwirꝛige kaͤlte undwitte -(139)[139]witterung verderbte die Fruͤcht im Feld dermaſſen / daß man die Fel - der umkehren / und Haber Gerſten und andere Sommerfruͤchte daran ſaͤyen muͤßt. So that auch der Beißwind groſſen ſchaden / bracht die Roͤthe in das uͤberbliebne Korn / und wiewol hierauf gute Meyenthau gefallen / die et - was Korns wider zurecht gebracht / fuͤhrt man doch deſſen wenig zu markt. Man kochete vil Neßlen / Saurampfer / und and andere wilde Kraͤuter / und ſturben vil Leuth hungers. Mſc. Bibl. Tig. n. 52. Boßhart Chron. Vi - todur. ad h. a. Es war diß Jahr ein ſo ſtrenge Winterskaͤlte / daß auch die Thur / der Bodenſee und Genferſte uͤberfroren / und an vilen Orten die Leu - the auf freyem Feld von kaͤlte erſtarꝛet. Haller. Chron. L. 39. c. 8.

A. 1577. den 22. Jun. fiel ein ſolche groſſe kaͤlte mit Schnee ein / daß man das Vieh allenthalben auß den Alpen treiben muͤßt / an vilen Orten gieng der Schnee uͤber die Schuhe; Auf diſes ſind den 26. Jun. die Fluͤſſe und Baͤche allenthalben dermaſſen angeloffen / daß vil Brucken und Staͤg weggefuͤhrt wurden; Weil nun vil kalte Regen gefolget / ſo iſt dem Wein - ſtock hierdurch groſſer ſchade widerfahren. Haller. Chron. ad h. a.

A. 1579. Jm Aprel gieng der Beißwind gar ſtark und kalt: Am ho - hen Donſtag / war der 16. Apr. nachm. ſchneyet es ſtark / die folgende nacht war es glanz / und hiengen groſſe Eiszapfen an Raͤben / darvon ſie uͤbel erfru - rend: Diſe kaͤlte hat auch an Obs Baͤumen / die dazumal bluͤheten / in vilen Landen groſſen ſchaden gethan. Jm Herbſtm. ergoſſen ſich die Waſſer hin und wider zu groſſem ſchaden. Dieweil auch die Fruͤchte auf dem Feld gar uͤbel gefehlt / hat das Korn maͤchtig aufgeſchlagen / alſo daß ein Muͤtt Kernen 7. und 8. Pf. galten. Der Wein geriethe auch nicht / und wurd der Eimer vom 1578. um 12. Pf. verkauft. Haller. Chron. ad h. a.

A. 1587. um Martini war ein ſo warme zeit / daß im Flachthal / und zu Berg / wie auch zu Arth und Schweitz die Storchen widerum in ihre Neſter kommen. So hat man auch hin und wider den Guckuck gehoͤrt. Jm Ap - penzeller und Solothurner Gebiet ſind vil 100. Schwalmen geſehen wor - den. Am Walhenſee zu Quinten fand man die Lindenbaͤume ſo ſchoͤn und gruͤn / als ob es im Meyen were. Haller. Chron. ad h. a.

A. 1594. den 11. Mey fiel ein zimlich groſſer Schnee / that doch nicht vil ſchaden / auſſert an etlichen / ſo erfroren / Mſc. Bibl. Tig. n. 52.

A. 1600. war ſo ein kalter Winter / daß der Zuͤrichſee in die 10. Wo - chen lang bis in die Statt hinein gar hart uͤberfroren blieben. Von diſer kaͤlte litten ſonderlich die Weinraͤben groſſen ſchaden. Mſc. Bibl. Tig. n. 52.

Anno(140)[140]

A. 1602. war der Merz gar warm / und erzeigte ſich ein groſſer Schutz an Raͤben: Den 21. Aprel aber fiel ein groſſer Reiff / daß die Schoß / und das Laub wurden an den Raͤben / als weren ſie gebraten. Diſen Schaden ſpuͤrte man weit und breit auch in froͤmden Landen, Zu Meilen / und jenſeits des Zuͤrichſee geſchach den Raͤben nichts. Durch die Guͤte Gottes ſind nebſt den erfrornen augen an vilen Orten Nebenſchoß und Trauben hervor ge - ſchoſſen / daß es noch vil Wein geben. Haller. Chron. ad h. a.

A. 1608. fiel ein maͤchtig groſſer Schnee / der das Gheld an Raͤben zu boden trukt / und die Scheyen zerbrochen / dardurch ein groſſer mangel an ſcheyen entſtuhnd. Darauf folget ein groſſer Schuß trauben / daß ſich jeder - mañ daruͤber entſetzen muͤßt / aber um Johanni fiel ein vil Regenwetter / das ſchwam̃te den Bluſt der Trauben hinweg / alſo daß wenig Wein / und der nicht gut war. Mſc. Tig. n. 52. Jn dem Winter diſes Jahrs iſt eine ſo un - gewohnliche kaͤlte eingefallen / daß dardurch alle Waſſer uͤberfroren / und man uͤber den Rhein / Donau / Elb / Mayn / und andere Fluͤſſe mit Laſtwaͤgen fahren koͤnnen. Es ſind auch hin und wider vil Leuthe erfroren; zu Baſel ſind alle Muͤhlen / eine allein außgenommen / ſtill geſtanden / und deßhalb oft kein Brot in der ganzen Statt zubekommen geweſen. Groß Chron. Baſil. pag. 236.

A. 1614. war ein unerhoͤrter kalter Winter / der fieng an im October des 1613. Jahrs / und waͤhrete bis in Apr. Obwol der Merz zimlich warm / ent - ſtuhnd doch im Aprellen ein kalter wind / der erfroͤrte foͤllig / was der Schnee uͤberbleiben laſſen. Jnmaſſen man im Aprel wenig bluſt an Baͤumen ſa - he / es that doch die kaͤlte ihnen / wieauch den Raͤben / wenig ſchaden. Das Korn aber erfrur uͤbel / ſo daß an vilen Orten die Zelgen wider aufgebrochen / und Haber / oder Sommerfruͤchte daran geſaͤyet worden. Diß verurſachet groſſe Theure / daß man das Korn um 12. und 13. Pf. kauffen muͤßte. Mſc. Bibl. Tig. n. 52.

A. 1665. iſt wegen continuierlich heiſſer witterung faſt alles Heu ver - brunnen. Vom Augſtm. bis in Winterm. graſſierte die rothe Ruhr. Joh. Henr. Tſchud. Chron. Glaron. ad h. a.

A. 1667. den 7. Jun. iſt ſehr rauhes wetter mit Schnee eingefallen / wor - durch vil Baͤume eingetrukt / und groſſer ſchaden an andern Fruͤchten ver - urſachet worden. Joh. Henr. Tſchud. lib. cit.

(141)[141]N. 36.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortſezung von ungewohnten Jahrzeiten des Schweizerlands.

ANno 1669. wegen Extraordinari warmer Zeit / dergleichen man lang nicht erlebt / vertrockneten faſt alle Waſſerbrunnen / ſonderbar in Alpen / woruͤber nicht allein der Viehpreſten in und auſſer Lands / an unter - ſchiedlichen Orten / ſondern auch die Rohte Ruhr einzureiſſen anfienge / wo - ran allein zu Schwanden vom 6. Augſtm. bis den 15. Herbſtm. in die 34. Per - ſonen geſtorben. J. H. Tſchud. lib. cit.

A. 1677. Obſchon von anfang des Jahrs eine ſo groſſe kaͤlte geweſen / dergleichen man ſich von vilen Jahren nicht zuerinneren wuͤßte / ſo war doch der Hornung ſo lieblich und warm / daß der Boden ſchon zu gruͤnen anfienge. J. H. Tſchud. l. c.

A. 1678. hatte man einen ſehr guten und leichten Winter / faſt nie kein Schnee / und konte man zu ende des Merzens das Viehe ſchon auf das Feld laſſen. J. H. Tſchud l. c.

A. 1680. iſt wegen lang anhalten der Hitz / und Troͤkne / im Weinm. an einichen Orten des Lands Bluſt an Apfel - und Birbaͤumen herfuͤr kom - men. J. H. Tſchud. l. c.

A. 1681. war die Winterskaͤlte ſo hart / daß dergleichen kein Menſch ſich verdenken moͤgen. Rahn. Eidgnoͤß. Chron. ad h. a.

A. 1683. von der Weihnachtszeit an bis in Februarium des folgenden 1684. Jahrs hat ein ſo ſtrenge Winterskaͤlte angehalten / daß alle Fluͤſſe / und andere Waſſer hart eingefroren / und man mit ſchweren Laͤſten daruͤber fahren koͤnnen. Vil Leuthe wurden gefunden / ſo vor kaͤlte erſtarꝛet / anderen ſind die Naſen / Haͤnde / und Fuͤſſe abgefroren. Rahn. lib. cit.

A. 1685. machte der zimlich fruͤhe Fruͤhling / daß man zwar bis den 20. Mey faſt an alle Alpen hette fahren koͤnnen. Es folgte aber darauf ein rauher Sommer / dergeſtalten / daß nicht allein wegen lang anhal -tenden(142)[142]tenden Regenwetters in dem Brachm. vil ligendes Heu / welches ſonſt ge - fehlet / auf dem Feld verfaulet / ſonder auch der Schnee / ſo zum zweyten mal / erſtlich den 27. Mey / und nochmals den 16. Jul. zu bodengefallen / vil Saat - fruͤchte elendiglich verderbet. J. H. Tſchud. Chron. ad h. a.

A. 1686. hatte man faſt den ganzen Winter durch keinen Schnee / und folgends einen fruͤhzeitigen Fruͤhling / ſo daß noch im Merzen alles gruͤn / und bey deſſen Auß gang auch ein Stund hinder Glarus Laub und Bluſt zuſehen. Zu end des Aprellens fande man daſelbſt zeitige Erdbeere / nachdem ſchon alle Baͤume foͤllig verbluͤhet. Den 10. Mey fienge man an das Heu einzuſamlen / und auf den 14. ware man nun faſt aller Orten zu Alp gefah - ren. J. H. Tſchud. l. c.

Zu nutzmachung deſſen / was bisher von den ſeltſamen Jahrgaͤn - gen unſers Schweizerlands erzehlet worden.

DJe Welt iſt nimmer ſo thoracht / oder einfaltig / wie ſie geweſen unter der Regierung der Schulweißheit / daß ſie ſich abſpeiſen laſſe mit laͤren Hirn - grillen / welche der oder diſer Schulfuchs in ſeinem Gemuͤte eher nach ſeinem willen / als nach der Natur geſtaltet / und in bloſſen worten beſtanden; Man wil / ſonderbar ſint den zeiten der Reformation / (auſſert an denen Orten / da man den blinden Starꝛen der Unwiſſenheit mit fleiß laſſet in den Augen der Menſchen bleiben) die Natur ſelbs auß der Natur / und nicht auß dem Hirn der Gelehrten / lehrnen kennen / und verſtehen / und bedienet ſich derjenigen weiſe / oder manier / welche nun bey anlas vorher gegangner Hiſtoriſcher Er - zehlung von allerhand ungewohnlichen Jahrszeiten des Schweizerlands in kurzem bemerken wil / und anbey zeigen / daß diſere / mit nicht geringer muͤ - he zuſamen geſuchte / Jahr-Geſchichten nicht / wie etwan manchen es bedun - ken moͤchte / unnoͤhtig / oder undienlich / ſondern ihren vilfaltigen Nuzen bringen.

Gleichwie wir vorderſt zudanken haben dem Fleiß / und ſorgfalt / unſe - rer alten / und neuen Vatterlaͤndiſchen Geſchichtſchreiberen / welche ſich haben angelegen ſeyn laſſen / auch die Merkwuͤrdigkeiten der Natur / dañ und wañ in ihren Chroniken zubemerken / alſo wird verhoffentlich mancher hinkoͤnftig ſo koſtlichen Exemplen folgen / und die jenigen Sachen / ſo in der Natur un - ſers Vatterlands vorfallen / fleiſſig der Nachwelt zu gutem aufzeichnen.

Wil jemand eine eigentliche Nachricht haben von der Beſchaffenheit unſers Lands / in anſehung anderer benachbarten / oder entfehrnteren / Lan - den / der muß ſich bedienen unſerer vorgenom̃enen Erzehlung / und derjenigen Sachen / welche oben bereits bey anlas der Elementen des Schweizerlands /und(143)[143]und ſonſt eingefuͤhrt worden. Dann auß diſem allem wird erſehen / erſtlich / wie unſere Helvetiſche Lande den einsmaligen veraͤnderungen der Witterung mehr als andere Laͤnder unterworffen / ins beſonder aber denen abaͤnderun - gen zu ungewohnter / oft lang anhaltender / Kaͤlte / wie dann ſint dem XIII. Jahrhundert 38. ſonderlich kalte / und feuchte / und nur 17. ſonderbar heiſſe und trockene Jahrzeiten geweſen. Jn anſehung anderer in dem Mittnaͤchtig - maͤſſigen Guͤrtelſtrich der Erden ligenden Laͤnderen iſt unſer Schweizerland eins der maͤſſigſten / und geſundeſten / wir haben keine ſolche Hitz / wie Jtalien / Griechenland / Frankreich / und Spanien / aber auch keine ſo durchtringende Kaͤlte / wie die zwey Nordiſchẽ Koͤnigreiche / Schweden / Norwegen und Mo - ſcau / allwo der auß dem Mund auf die Erde fallende Speichel oft in waͤh - rendem fall gefrieret / und die Erde ſich aufſpaltet. Gleichwol regiert bey uns ein groͤſſere / und mehrere kaͤlte / als der 45. 46. 47. und 48. grad der Po - lus hoͤhe natuͤrlicher ordnung nach mit bringt / deſſen urſach iſt die bergichte Beſchaffenheit unſers Lands / aber auch zugleich eine urſach / daß die Kaͤlte weniger ſchaden thut / als wann keine Berge weren. Diß ſcheinet wunder - lich / und widerſinnig / iſt aber alſo zufaſſen. Were unſer ganzes Schwei - zerland ein einiger Berg / oder von Teutſchland / Frankreich / und Jtalien her obſich ſteigende hoͤhe / ſo weren wir Einwohnere / unſere Aecker / Wein - berge / und andere Guͤter / denen auf uns zuſtuͤrmenden Winden / und ande - rem ungemach mehr expomrt, ja ſo kalt und unfruchtbar / daß wir bald ge - noͤhtiget wurden ſelbige zuverlaſſen / und anderſtwo uns nider zulaſſen / da bey jeziger beſchaffenheit die Berge anzuſehen ſeyn / als hohe Mauren / welche manchen rauhen Luft uͤbertragen / und die zwiſchen ligende Thaͤler vor vilem ungemach bewahren / gleich wir wiſſen / daß in verſchiedenen Engellaͤndiſchen Jnslen die Einwohnere um ihre Gaͤrten muͤſſen hohe Mauren bauen / um die rauhe Seeluft abzuleiten / wann ſie wollen / daß etwas darinn wachſe. Jndeſſen ſpuͤret man auf den hoͤhenen wirklich die wirkung einer gegen den winden ſtehenden bloͤſſe; da regiert ein beſtaͤndig friſcher / ja oft in mitten des Sommers Winterkalter Luft / und liget auf unferen Bergen ein beſtaͤn - diger Schnee; von deſſen Nachbarſchaft nicht nur die naͤchſt anligenden Thaͤler einen laͤngeren Winter / mehreren Schnee / und allezeit friſcht Luͤfte außſtehen muͤſſen / ſo daß in den meiſten die Saat nicht einmal kan zur zeiti - gung kommen / ſondern〈…〉〈…〉 ch die von diſen Schneebergen auf etliche Tag - reiſen entfehrnte Helvetiſche Cantons oft unverſehene / und lang anhaltende Kaͤlte / Schnee / Reiffen leiden muͤſſen. Gleichwol iſt auch das merkwirdig / daß etwan in denen naͤchſt an den Schneebergen ligenden Thaͤleren derSchnee(144)[144]Schnee zwar ſpaͤter abgehet / als in anderen / die offener ſtehen / und mehr ent - legen ſind / und gleichwol hier das Graß nicht eher von der Erden aufſteiget / und grunet / als dort / weilen der Schnee die unterligende Gewaͤchſe / und de - ro Wurtzen / nicht nur nicht erfroͤret / ſondern vilmehr erwaͤrmet / und bey ih - ren kraͤften erhaltet / benebens auch die unterirꝛdiſche waͤrme hinterhaltet / daß ſie nicht leicht außfliege; da hingegen an denen Orten / wo wenig Schnee li - get / von einbrechender kaͤlte die Wurzen und andere Theil der Pflanzen em - pfindlicher angegeiffen / und zuſamen getrukt werden / daß ſie bey abgang des Schnees ſich nicht leicht / oder ſo bald widerum erholen koͤnnen; daher iſt an - merkens wirdig / was der Gel[e]hrte Hr. J. H. Tſchudius, Diaconus zu Schwanden / mein ſehr werther Freund / in ſeiner Mſc. Hiſtori des Glarner - lands gewahret / daß zwaren um Glarus herum etwan den ganzen Winter durch wenig Schnee lige / und hingegen in beyden Thaͤleren / ſonderlich zu hinderſt / vil / gleichwol das Graß hier ſo bald herfuͤr trucke / als dort / ja oft an diſen Orten weiſſes / und gruͤnes / Schnee und Graß auf einer ebene geſe - hen werde. Mit verwunderung kan diſes auch gewahret werden auf denen hoͤchſten Alpgebirgen / allwo die Erde mit einem gruͤnen kleid wenig tag nach abgang des Schnees beleget wird / und ſihet man hart an dem Schnee und Eis die ſchoͤnſten / grasreichen / mit allerhand Blumen außgezierten Al - pen; hiemit Sommer und Winter neben einander. Wer ſihet nicht hier - auß die allweiſe Guͤte Gottes? Jhme hat gefallen wollen / unſer Land zuer - hoͤhen uͤber ganz Europa / daß es ins beſonder were ein reicher Waſſergehal - ter vor nidrige Laͤnder / zugleich aber / damit die Bewohnere diſer Schatz - kammer auch ſich / und Jhr Viehe / durch Graß / Fruͤchte / Korn und Wein / ernehren koͤnten / hat Er alſo / wie wir vor augen ſehen / geſtaltet die abende - rung der Bergenund Thaͤleren / und ſelbige auf vilfaͤltige weiſe gegen die Ge - genen der Erden geſetzet / damit an dem einten. Ort diß koͤnte bequemer wach - ſen / an einem anderen Ort ein anders / und alſo alle theil des Helvetierlands eine natuͤrliche Gemein ſchaft ihrer Fruͤchten / welche auch nachſich zogen eine Politiſche vereinung ihrer Gemuͤteren / hetten. Aber auch ſehen wir hiemit alle Tag / ja ſo oft wir unſere Schnee - und Eißberge anſehen / eben diejenigen Mittel / darmit uns unſer Gott bey uͤberhand nem̃enden Suͤnden kan ſtraf - fen nach ſeiner heiligen Gerechtigkeit / der Bogen iſt allezeit geſpannet / die Pfeile der Eis und Schneetheilchen unter begleit〈…〉〈…〉 ffen Winden auf uns / und unſere Guͤter los zuſchieſſen / und durch kalte unfruchtbare Jahrzeiten zuzufuͤhren / oder durch allzunaſſe Jahrgaͤnge unſere Thaͤler zu uͤberſchwem̃en / oder durch hinderhaltung noͤhti - ger Waſſeren in der Luft / und Bergen ungewohnte hitz / und troͤkne / ſamt daran hangendem ungemach / verhinderung des wachstums der Erdenfruͤchten / Krankheiten / uns widerum nach unſerem verdienen zuzuͤchtigen.

(145)[145]N. 37.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortgeſezte zunutzmachung deſſen / was oben geſchriben worden / von ungewohnten Jahrgaͤngen des Schweizerlands.

ES iſt noch nicht genug an bisher außgelegten Nutzbarkeiten. Es kan ſich die gemachte Hiſtoriſche Erzellung ſo vilfaltig ungewohnter Jahrgaͤngen / und deſſen / was jederzeit darauf erfolget / zunutz machen ein ganzer Stand / und Land / ja ein jeder Herꝛ und Meiſter uͤber ſein Hauß und Guͤter. Wir ſehen / daß auf gar vilen Schnee / und lang anhaltende Winterkaͤlte gemeinlich folget ſtarke Ergieſſung der Waſſeren / auß unmit - telbar aneinander hangenden urſachen koͤnnen hiemit zeitlich / ehe die Berge - und Waldwaſſer einbrechen / uns verſehen bey zeiten / die Ufer unſerer Baͤ - chen / und Fluͤſſen / aller Orten wol in ehren halten / wo ſie ſchadhaft ſeyn / verbeſſeren / und alles dasjenige vorkehren / was zu abwendung des vorſtehen - den ſchadens vortraͤglich ſeyn kan: Ein Raͤb - und Akersmann kan die jeni - ge Werke aufſchieben / welche ſonſt bey einbrechender naͤſſe und kaͤlte ſchaͤd - lich weren / hingegen andere arbeit befoͤrderen / von denen er ſeinen Nutzen weißt zubeziehen / alles nach der ſorgfalt / die einem weiſen Haußvatter obli - get. Die Wein - und Kornkaͤuffer und verkaͤuffer koͤnnen daher auch man - chen Vortheil und Nachtheil bezeuhen / wann ſie auf ſothane Sachen ach - tung geben / oder nicht. Sihet man auß natuͤrlichen urſachen vor / daß un - ter Leuth und Viehe ſolten einreiſſen ſchwere / hitzige Krankheiten / ſo kan ein verſtaͤndiger Arzet deſſethalben zeitliche wahrnungen thun / und auch auf be - gebenden fall mit noͤhtigen Arzneymittlen ſich verſehen / wie dann in wolbe - ſtelten Republiquen auch zu allen zeiten die Apotheken ſollen verſehen ſeyn mit allem deme / was bey einfallender Peſt / Rothen Ruhr / oder ande - ren dergleichen anſteckenden Krankheiten nothwendig muß bey der hand ſeyn. Gibet einem Natur-verſtaͤndigen der natuͤrlichen urſachen Zuſamen - hang zuverſtehen / das erfolgen moͤchte ein Fehl-Jahr an Wein / oder Korn /ſo(146)[146]ſo kan auch groſſen Nutzen ſchaffen ein ganzer Stand / oder jede Privat - Perſon / wann ſie ſich zeitlich vorſihet / und verſihet mit deme / was ins koͤnf - tig manglen wird. Einer der ſein Viehe in die Alpen treibt / muß mit darꝛei - chung des Haͤus ſo ſparſam ſeye / als ein belaͤgerter Com̃andant in einer Ve - ſtung / wann er ſihet / daß der Winter ſich noch ſo und ſo lang hinauß wird verzoͤgeren / wann er nicht wil ehezeit aufbrauchen / und mangel leiden.

Jn betrachtung deſſen were zu wuͤnſchen / daß man aller Orten wurde achtung geben nicht nur / ob die abaͤnderungen der Jahrzeiten nicht von un - gefaͤhr ſich zutragen / ſondern nach einem gewiſſen Zeitkreiß wider um auf gleiche kalte / oder warme weiſe / zuruk kommen / wie einiche Gelehrte ſich ein - bilden / ſondern auch auf gewiſſe / oder wenigſtens mutmaßliche Zeichen naͤchſt folgender Jahrzeiten / wie ich deren zum Muſter / und mehreren anlockung et - liche nam̃haft machen / und an diſem Ort zum Beſchluß vorhabender Ma - teri einrucken werde.

Jn denen an hohe Alpgebirge graͤnzenden Landen urtheilet man von bevorſtehendem harben Winter / wann die Troſtlen / Amslen / Parneiſen / Schneehuͤner ſich in die tieffe herab laſſen: oder auch / wann die Haſen ihr ſchnee weiſſes Winterkleid anzeuhen / und das aſchgraue / oder gelblichte ab - legen / oder zeitlich ſich haaren; wann die Gemßthier bey zeiten im Hornung / in der brunſt ſind / ſo bedeutet diß einen fruͤhen und guten Sommer. So iſt den Fiſcheren bekant / daß eine Kaͤlte vor der thuͤr / wann die Fiſche ſich in die tieffe hinunter laſſen.

Zu Wilperg / und in daſiger Gegne des Zuͤrichgebiets haltet man vor ein Zeichen einer ankommenden Fruͤhlings-waͤrme / wann der Schauen - berg auf hieſiger ſeite von Schnee laͤhr / obgleich er auf der Mittaͤgigen Sei - ten annoch vil Schnee hat; wann hingegen auf hieſiger Mitnaͤchtigen ſeite ſich Schnee findet / und die Mittaͤgige vom Schnee ledig / ſo iſt mehrere Kaͤl - te dahinden.

Zu Henkart liget der ſo genante Haarſee / mitten in dem Feld / in ei - nem holen / oder tieffen Ort / und fließt kein waſſer weder darein / noch darauß: Von diſem See prognoſticiren die Bauren / das / wann derſelbe zu Fruh - lingszeit mehrentheils aufgetroͤknet / oder Laͤhr / eine reiche Ernd erfolge / wañ er aber gar vil Waſſers habe / ſo ſeye eine theurung verhanden. Es laſſet ſich diſe Geſchicht gar wol vergleichen mit dem ſo genanten Hungerbach bey Wangen / von deme zu einer anderen zeit in mehrerem ſol geredt werden.

Auß obigem iſt auch zuerſehen / daß man einen naſſen / und windichtenJahrgang(147)[147]Jahrgang vorſagen / und ſehen koͤnne auß gar vilem auf hohe Alpen gefalle - nen Schuee.

Merkwuͤrdig iſt / was diſer tagen den 19. Herbſtm. ſt. v. mir zugeſchri - ben Hr. J. H. Tſch. Diaconus zu Schwanden. Vor weniger zeit / ſchreibt er / iſt ein Mann auß dem Thal bey mir geweſen / welcher behaubtet / man werde diſere Wochen muͤſſen von Alp fahren / weilen er an ſelbigem morgen (ware ſonſt ein ſchoͤner / und lieblicher Tag) Schneebluſt geſehen / daß iſt / ein kleines / weiſſes / krauſes / oder / wie ers erklaͤrete / gefoͤgletes Woͤlklein / ſehr hoch in den Luͤften / ſo daß es mit bloſſen augen ſchwerlich / zuſehen. Des Mañs Prognoſticon hat ganz wol zugetroffen / indem gar wenig tag da - rauf ſehr rauhes Wetter eingefallen / und man wegen des Schnees faſt ab allen Alpen mit Viehe naher Hauß kehren muͤſſen.

Von denen Aſtrologiſchen oder auß des Geſtirns betrachtung herge - nommenen Propheceyungen: als daß ein naſſer Sommer werde erfolgen / wann es bey der Sonnen eintritt in Loͤwen regne; von des H. Medardi / und anderen dergleichen Tagen allzu aberglaͤubiſchen Wehlungen wil ich hier nicht vil ſchreiben / weil es unnohtwendig / ungewiß / und zu wuͤnſchen / daß man ſothane Propheceyungen / deren gar vil auß dem Abgoͤttiſchen Hei - denthum zu uns harflieſſen / entweder mit mehrer beſcheidenheit in die Kalen - der ſezte / oder gar abſchaffen wurde.

Von den Louwinen.

Es bedeuten diſe Woͤrter Louwin / Lauwin / Lauwen / Loͤuwin / Loͤwin / Lauͤin / Loͤbin / Loͤbinenſtrich / Lauwer / Schneelauwin / eine groſſe menge Schnee / der von hohen Bergen in die angelegene Thaͤler herunter fallet / zu groſſem ſchaden / und ſchrecken / der Einwohneren; daher vermeinet Camerarius Hor. ſubciſiv. Centur. II. §. 37. daß ein zuſamen gerollter / und von der hoͤhe abfahrender Schnee ſeye wie ein Loͤwin / Leæ - na, wegen ſeiner geſchwindigkeit / und gewalts / deme niemand widerſtehen mag. Wahrſcheinlicher aber iſt diſer Woͤrteren urſprung herzuleiten von dem Lateiniſchen gleichdeutigen Labina, welches herkome à labendo, vom fallen / oder vom Pundtneriſchen Lavine, Lavigne. Sonſten heiſſen diſe Lauwinen auch Schnee Schlipfe / Schneebruͤche / Schnee - laͤſte / alles mit kraͤftigen den fall und groͤſſe des Schnees vorſtellenden Na - men. Jn Franzoͤſiſch Schweizeriſcher Sprach Levantze, und Valantze, á Valle / von dem Thal / in welches ſie ſich abſtuͤrzen. Plantin. Helv. p. 40. Spelmañ(148)[148]Spelmañ leget in ſeinem Gloſſario das wort Riſina auch auß / als ob es ein Lauwin bedeutete / aber falſch. Diß Wort iſt gleich vilen alt teutſchen Worten annoch im Schweitzerland gebraͤuchlich / und bedeutet eine Riſin / Riſene / Lavinær in Puͤndtneriſcher Sprach / die gaͤchſtotzigkeit der Ber - gen / durch welche nicht nur die Lauwinen / ſondern auch Steine / Felſen / Er - den leicht abreiſſet. Villeicht hat Spellmañ durch ſeine Riſinas anzeigen wollen die Rufinen / von denen auch zu ſeiner zeit ſol geſchriben werden. Von denen Lauwinen iſt auch zuunterſcheiden ein Windwehen / zuſa - mengewaͤheter Schnee / Schneegeweheten. Nix cumulata vento. bey Curtio Lib. V. c. 4. Caſus Nivium Olao Magno Gent. Sept. Lib. I. c. 20. welche die Berg Reiſenden auch etwan bedekt / wie diß auf dem Albu - len Berg in Puͤndten begegnet A. 1673. im Monat April 4. ſtarken Maͤn - neren / welche unter einem ſolchen Schneefall ihr Leben laſſen muͤſſen. Ein ſolcher Schnee fallet ſenkelrecht von denen Baͤumen oder Felſen / oder Taͤ - cheren / von denen er gleichſam gehangen / herunter / da ein Lauwin dem Berg nach abſchlipfet / und ſich in ein groſſe Ballen zuſam̃en rollet.

Von dem unterſcheid der Lauͤwinen.

Es gibt vornem̃lich zweyerley gattung Lauwinen. Die einte neñet man Windlauwinen / theils / weilen ſie mehrmalen erꝛeget werden vom Wind / welcher den eingefallenen Schnee (dann diſe gattung Lauwinen in - ſonderheit zubefoͤrchten bey neugefallenem annoch weichen / Schnee) von ho - hen Ohrten weg bewegt / und alſo zum fall veranlaſet / theils von ihrer wir - kung / weilen ſie gleich einem Wind geſchwind daher fahren / und durch ihren fall einen ſo ſtarken / ungeſtuͤmen / Wind erꝛegen / welcher auch von weitem alles darnider wirft / die groͤſten Tannenbaͤume entzwey bricht / Menſchen und Viehe erſtecket / Haͤuſer und Staͤlle uͤber einen hauffen ſtuͤrzet: Man nennet ſie auch Staublowenen / Staubloweln / weilen durch ſie alles was im Thal ſich findet / mit einem Schneſtaub uͤberdecket wird; andere heiſſen ſie Schneelauwinen / weilen ſie auß nichts / als Schnee / beſtehen.

Nachtruklich betitlet man ſie in Jtaliaͤniſcher Sprach Lavine di Freddo, in Engadiniſch Puͤndtneriſch Lavigne da Fraid, als wolte man ſagen / Winter - oder von groſſer Kaͤlte entſtehende Schneelauwinen / weilen ſie meh - rentheils im Winter / und zwaren bey der groͤſten Kaͤlte / ſich erzeigen / wann nam̃lich die friſchgefallenen Schneeflocken gleichſam ſchwam̃ - und villoͤche - richt ſeyn / und alſo von den Winden ſich leicht bewegen laſſen / ꝛc.

(149)[149]N. 38.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortſezung von dem unterſcheid der Lauwinen.

DJe Wind-Lauwinen ſind in ſo weit gefaͤhrlicher als die folgenden / weilen ſie geſchwind daher fahren / uñ zwaren bald rechts / bald links / je nachdem der Wind ſie treibet / und daher die Reiſende ſich nicht ſo bald / oder leicht / mit der flucht retten / oder rahten koͤnnen; ſonſten aber / weilen hier der Schnee nicht ſo feſt auf einander / ſonder luftiger iſt / ſo kan man ſich auch eher auß dergleichen Lauwinen herauß wiklen / oder wenigſtens laͤnger darinn / ohne gefahr der Erſtickung / das Leben behalten: Die zweyte Gattung beiſſet Schloß - und Schlag Lauwinen / weilen ſie nicht ſo faſt durch mit fahrenden Winde / als durch eigene ſchwerigkeit alles / was ihnen begegnet / darnider werffen / und nicht allein auß Schnee / und zwaren auß al - tem / feſt auf einander ligendem / Schnee / beſtehen / ſondern auch Baͤume / Felſen / Steine / ja den Grund ſelbs (daher ſie auch Grundlowinen heiſſen) einwicklen / mit ſich fortſchleppen / und alles von grund auß reiſſen. Diſe Gattung Lauwinen erſteckend die Reiſenden / ſo ſie ergreiffen / alſobald / oder ſchlieſſen ſie ſo feſt ein / daß ſie / wann ſie ſchon den Kopf vorauſſen / oder frey haben / ſich mit dem uͤbrigen Leib nicht los wiklen koͤnnen / ſondern zugrund gehen muͤſſen. Jn diſem verſtand ſind ſie gefaͤhrlicher / dann die erſtere / in einem anderen Sinn aber mit weniger Gefahr begleitet / wann man betrachtet / daß ſie nicht ſo geſchwind / wie die erſten / daher fahren / noch auch eine ſo groſſe breite und weite einnemmen / daß man nicht / ſo man ihren zeitlich gewahret / ſie außweichen koͤnne. Jn Jtaliaͤniſcher Sprach nennet man ſie Lavine di caldo, Puͤndtneriſch Lavigne di chiod, weilen ſie ſonderlich angehen zu Fruͤhlingszeit / da die zurukkommende waͤrme den Schnee feſter und ſchwerer machet. Dergleichen Lauwinen bringen durch ihren Fall Berg und Thal in eine Erzitterung / weßwegen auch ein ſolcherThon(150)[150]Thon in der Luft entſtehet / als ob es heftig donnerte. Beyde Arten von jezt beſchriebenen Louͤwinen ſtellet Raͤbmañ in ſeinem Geſpraͤch von Ber - gen in folgenden Alt teutſchen Reimen vor. p. 131.

Der Schnee durch ein klein Windlein leicht
Oder vom Vogels fluck bald weicht /
Und rukt uͤber den Berg hinab /
Alſo / daß das Land erthoͤnd darab /
Und ſtoßt zugrund Baͤum und Erdrich /
Felſen / Haͤuſer / und was dergleich /
Menſchen und Viehe / was es trift an
Muß z’todt / zu grund / und boden gan.
Solch Schneebruch ein Lowin genant /
Den Bergleuthen iſt wol bekant:
Wann aber ſtarke Wind entſtond /
Das Stanbloweln hiemit angond /
Den Schnee dick in dem Luft umtreiben /
Da muß der reiſend Menſch oft bleiben /
Daß er vom Schnee wird tieff bedekt /
Wird bald erfroͤret und erſtekt /
Wo nicht das Volk grabt nach mit gwalt
Und alſo ihn bey Leben b’halt /
Und er nicht z’tieff hinunder fallt.

Wem diſe teutſchen Verſe zu altvaͤtteriſch oder alt Schweizeriſch vor - kommen / der kan ſich bemuͤhen folgende nach heutig teutſcher Dichterkunſt einzurichten / welche ſich finden bey Claudiano de 4. Conſ. Honorij.

multos hausêre profunda
Vaſta mole nives, cumq́ue ipſis ſæpe Juvencis
Naufraga candenti merguntur plauſtra barathro,
Jnterdum ſubitam glacie labente ruinam
Mons dedit.
Oder folgende auß Silio Jtalico:
Tum qua durati concreto frigore collis
Lubrica fruſtratur Canenti ſemita clivo,
Luctantem ferro glaciem premit, haurit hiatu
Nix reſoluta viros, altóque à culmine præceps
Viventes turmas operit delapſa ruina.
Von(151)[151]

Von denen urſachen der Lauwinen.

Es kan eine Lauwin erwecket werden von allem dem / was unmittel - bar / oder mittelbar durch die Luft / kan den auf Bergen ligenden Schnee be - wegen / und zum abſchlipfen veranlaſen / als zum Exempel / der friſch gefallene Schnee ſelbs / der beweglicher / als ein verlegener / iſt; die von Baͤumen / oder Felſen abfallende Schneeflocken / oder obangezogene Schneewaͤheten: Die verfaulten Baͤume ſelbs / welche vor alter zerfallen; der thon der Schellen / Glocken / Piſtolen / oder anderen Feurꝛohren; die ſtimmen der ruͤffenden / oder auch nurmit einander redenden Reiſenden; der Regen; die Fruͤhlings - waͤrme: die Gemßthiere / Schneehuͤner / und alle andere Voͤgel. Alle diſe Urſachen / und jede derſelben / koͤnnen auch durch die geringſte bewegung et - was wenigs lucken / oder hangenden Schnee von ſeinem Ort entwegen / wel - ches dann in waͤhrendem abfallen ſowol an ſtaͤrke / als groͤſſe ſolcher geſtalt zu - nimmet / das endlich darauß wird ein Hauß - und Berggroſſe Schneeballen / welche alles / was ihro aufſtoſſet / die Baͤume / Felſen / Gemſ - und andere Thie - re / Menſchen / Haͤuſer mit ſich fort - und an den Fuß des Bergs fuͤhret / und auch im Thal etliche Jucharten Felds bedecket / ſo das er oft in einem Jahr alldort nicht mag foͤllig verſchmilzen.

Von noͤthigen Bewahr - und Rettungs-mittlen auß den Lauwinen.

Gleichwie in Krankheiten / und anderem Ungemach / ſo uns Menſchen begegnen kan / man billich ſorgfaͤltig iſt / wie man ſich vorſehen / oder ſo man mit ungluͤck uͤberfallen worden / widerum darauß retten moͤge / alſo bedienen ſich auch die Einwohner hoher Gebirgen allerhand Mittlen / dardurch ſie ſich / und die Reiſenden / wahrnen / ihre Haͤuſer / Staͤlle / und Viehe vor den Lauwinen vergaumen / und auß denſelben widerum retten moͤgen. Ein klu - ger Architectus, oder Baumeiſter / gibet nebſt anderen Bau-Reglen ach - tung auf die Situation, oder Laͤgerſtatt des Baus / wo er den / oder die be - ſondern Gemaͤcher deſſelben hinſetzen ſol. Nun iſt zwar unſerer Aelpleren Architectur ſo einfaltig / als etwas ſeyn kan / daß ſie auch vorbilden kan die Gebaͤue unſerer Altvaͤtteren in der famille Adams / wie zum theil auß N. 8. pag 30. 31. zuerſehen: Gleichwol wiſſen ſie ganz wol bey anlegung ganzer Dorfferen / oder beſondern Haͤuſeren / und Staͤllen / achtung zugeben auf die von der Situation herzuleitende Reglen / in deme ſie niemalen / oder nicht leicht / wegen gefahr der Lauwenen / an dem Fuß eines gaͤchſtozigen Bergs bauen / es were dañ ſach / daß ein vorſtehender Huͤgel / oder obſtehender Waldſo(152)[152]ſo bequem laͤge / daß dardurch ein herabfallende Lauwin koͤnte ſich zertheilen auf die ſeiten / oder ob dem Thal ligen bleiben / und ihre kraft zeitlich verlie - ren. Wer uͤber den Gothard reiſet / der kan mit bewunderung ſehen in dem Thal Urſeren / da ſonſt keine Baͤume wegen allzu wilder hoͤhe wachſen / ob dem Dorff Urſeren / oder an der Matt / einen dreyeckichten / oben zugeſpiz - ten / Tannwald / welcher die Lauwinen / ſo auf das Dorff / oder naͤchſt an dem Berg ligende Haͤuſer fallen moͤchten / zerſchneidet / und abhaltet / daß darvon kein ſchade erwachſen kan / weßwegen auch niemand bey hoher Straff den - ſelben Wald beſchaͤdigen darff / obgleich wie geſagt ſo groſſer Holzmangel dorten iſt / maſſen die Einwohnere des ganzen Thals nur von denen Alp - Roſen - oder Rafauslen-Stauden / ſo etwañ eines Fingers dick ſeyn / zum Hauß gebrauch brennen / und alles Bauholtz 2. 3. oder mehr ſtund weit den Berg auf tragen muͤſſen. Hin und wider in Schweizeriſchen Landen ſihet man unten an den Bergen dreyeckichte Mauren / deren ſpitziger Winkel ge - gen dem gefahrlichſten Ort des Bergs ſtehet / um die abfallende Lauwinen zuzertheilen / und von anderen Gebaͤuen abzuhalten. Ein ſolche Vormaur iſt zuſehen auf Davôs in Puͤndten uͤber die mittlere Kirch.

Weilen die Wege durch unſere Bergichte Land mehrmalen unmittel - bar unten an den Bergen duxchgehen / und folglich der Lauwinen halb ge - faͤhrlich ſind / als haben ſich die Reiſenden wol vorzuſehen / daß ſie mit dem Leben durchkommen. Zu dem end rahtet man ihnen / daß ſie ſich am Tag / morgens fruͤhe / auf die Straß begeben / und eilends in groͤſſer ſtille fortwand - len / ſonderlich aber die geſchwindigkeit brauchen an ſolchen Orten / da etwan Lauwinen koͤnten angehen. Zu mehrer verſicherung koͤnnen ſie aller Orten / wo ſie durchpaſſieren / ſich bey den Einwohneren anmelden / und erkundigen / ob / und wo gefahr ſeye / und nach erhaltenem Bericht ſich vorſehen / oder auch Leuthe auß anligenden Doͤrfferen ſelbs mitnemmen / welche ihnen die gefaͤhr - lichſten Orte anzeigen. Sonſten pflegt man auch um mehrer ſicherheit willen / in mitten des Thals / da man dann keine gefahr der Lauwinen halb hat / eine Piſtole los zuſchieſſen / um durch den Thon diejenige Schneeballen / welche leicht angehen koͤnte / zeitlich von ihrem Ort zubewegen / gleichwie man hier und da bey vorſtehendem ſchweren Wetter pflegt die Glocken zulaͤuten / oder auch das ſchwere Geſchuͤtz los zubrennen / nicht nur zu dem end / damit das wetter zertheilet werde / ſondern auch deßwegen / damit die dicken ſchwarz - grauen Wetterwolken unter ſtarker bewegung der Lufr ſich zeitlich in einen Regen verwandlen / ehe ſie ſich koͤnnen in Hagel vergſtalten / ꝛc.

(153)[153]N. 39.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortſezung von noͤthigen Bewahr - und Rettungsmittlen auß den Lauwinen.

JN engen gefahrlichen Bergſtraſſen pflegt man denen Saumpfer - den ihre Gloͤklein / oder Schellen zuverſtopfen / und den Rei - ſenden die unterꝛedung zuverbieten / damit nicht durch den Thon / und folgende Luftbewegung irgendswo an einer gaͤhen hoͤhe der Schnet her - unterfalle. Jn dem Averſer Thal / Puͤndtneriſchen Gebiets / erhoͤhet man die Kirchen-Gloken nicht uͤber etliche Schuhe von der Erden / damit nicht derſelben ſonſt in die weite gehende Schall etwan anlas gebe zum fall der Lauwinen. An vilen andern Ohrten laͤutet man gar nicht mit den Glocken zur Kirch. Zwiſchen den Doͤrferen Lavin und Guardia / im untern Engadein / ſind hin und wider an der Landſtraß zuſehen unterirdiſche Gewoͤlbe / in welche ſich die Reiſende begeben koͤnnen / wann ungefahr eine Lauwin ſolte daher kommen. Es ſind auch die jenigen Huͤttlein ſicher / welche hart an dem Berg / oder Felſen / ſonderlich unter einer vorꝛagenden hoͤhe / gebaut ſind / wei - len die Lauwinen daruͤber hinauß fahren. Endlich ſollen die Reiſenden auch diß in acht nemmen / daß ſie ihre angeſichter nicht einer anfahrenden Schnee - laͤuwin entgegen halten / ſondern den rucken kehren; thun ſie jenes / ſo kan ihnen ihre curioſitet / gleich dem Weib Loths / bezahlt werden mit einsmali - ger / von ſtark daher brauſendem Wind und Schnee herkom̃ender erſtik - und erſtarꝛung. Were es ſach / daß eine abfallende Lauwin ſo nahe / daß ihro durch die flucht nicht mehr zu entweichẽ / ſo ſollen ſie bey ſo augenſcheinlicher Lebens - gefahr wenigſtens ſich an den naͤchſten Felſen / oder Bergwand begeben / mit dem angeſicht / und ganzen Leib nahe anhalten / oder / wann es anderſt nicht ſeyn kan / als daß ihn die Lauwin muß ergreiffen / ihro den Kopf entge - gen ſtrecken / und unter anruͤffung ſeines Gottes ſich mit gedult in deſſen all - weiſe Vorſehung ſchicken / alſo erwarten / und hoffen / daß etwan eine Menſch - liche huͤlffe ſicher werde zugeſendt werden auf die weiſe wie folget.

Von(154)[154]

Von rettung deren / welche in Lauwinen eingewiklet worden.

Jn denen ſo genanten Schnee-lauwinen / welche vom friſchen Schnee angehen / erhalten die Menſchen / ſo davon ergriffen werden / ehe / und laͤnger / ihr Leben / als in denen Schlag - oder Schloßlauwinen / weilen jene lucker / luftiger / diſe veſter / und dichter folglich man hier leicht erſticket / dort aber ſich um etwas kan bewegen / wenigſtens etwas Schaee vor dem Mund weg ma - chen / um athem zuſchoͤpfen / dann alſo iſt es moͤglich / in ſo enger / und kal - ter Schneegefaͤngnuß uͤber 24. ſtund das leben zuerhalten / um ſo vil deſto leichter / weilen die auß dem Leib gehende duͤnſte nicht leicht koͤnnen verfliegen / ſondern an und um den leib ſich aufhalten; zu erlaͤuterung deſſen / und wie nohtwendig es ſeye / Luft vor dem Mund zuhaben / zuzeigen / dienet eine Hi - ſtori / welche zu Tſchierſch in Churwalden / Puͤndter-Gebiets / vor etlichen Jahren ſich zugetragen / und unten ſol beygebracht werden. Jn dergleichen Schlag-Lauwinen iſt gefahr nicht nur der Erſtickung / ſondern auch Zer - ſchmetterung / oder toͤdlicher Zerſtoſſung / weilen mit den Menſchen zugleich eingewikelt werden Baͤume / Holz / Steine / und andere grobe / harte Coͤrper / welche aber auch manchmal dem Menſchen muͤſſen ſein Leben retten / dann wann es ſich begibt / daß der Menſch nahe bey einem Holtzſtamm / oder Fel - ſen zuligen komt / ſo kan er eher luft bekom̃en / abſonderlich / weilen mehrmalen in ſolcher gegne ſich von dem Schnee nicht alles außfuͤllet / daß nicht hoͤlinen hier und dort ſeyen. Diſen troſt / von dem bis dahin geredt worden / kan einer ſich ſelbs machen / und auch auf erzehlte weiſe ſo vil ihme moͤglich / hel - fen / wann er nam̃lich bey ſeinem verſtand / dann ſolche Leuthe meiſtentheils alſobald / in dem ſie eingewikelt worden / in ohnmacht ſinken / und hernach in dem Stand / villeicht mit dann und wann zwiſchen kom̃ender erholung / blei - ben / nichts von ſich wiſſende. Auf ſolche weiſe aber koͤnnen ſie ſich ſelbs nicht von den banden ihrer Gefaͤngnuß los machen / ſondern muͤſſen ihre hoffnung ſetzen auf die guͤtigkeit der naͤchſten Anwohneren / welche fleiſſig / und unge - ſaumt / ſich zu neugefallenen Lauwinen verfuͤgen / ſonderlich / wann ſie wiſſen / daß denſelbigen tag einiche Menſchen auf ſolche Straß gewandlet / und auß betrachtung der zeit / da ſie paſſirt / ſchlieſſen koͤnnen / daß ſolche reiſende moͤch - ten ergriffen worden ſeyn von der Lauwin / fangen hierauf an zugraben / und ſuchen alſo denen / ſo darinn ligen / eiligſte moͤgliche rettung zuſchaffen.

Von andern ſachen / ſo bey den Lauwinen zu gewahren.

Es ſind die Lauwinen nicht nur ſchaͤdlich denen Menſchen / Thieren / Baͤumen / und Gebaͤuen / ſondern koͤnnen auch / wiewol zufaͤlliger weiſe / de -nen(155)[155]nen Wieſen / und anderen Guͤteren zimlichen ſchaden zufuͤgen / alſo nam̃lich / daß ſie an ſolchen Orten ligen bleiben / da etwan ein Bergwaſſer ſeinen Runs gehabt / welches nun ſeitwerts ſeinen außgang ſuchet / und mit Sand / Stein / und Felſen / gleich einer Ruͤfin die benachbarten Guͤter / ſo etwan einem gan - zen Dorffz[u]gehoͤren / uͤberfuͤhrt / und verderbt / wann nicht die Einwohner zeitlich ſich vorſehen / und den gefallenen Schnee durchgraben / damit das Bergwaſſer ſeinen alten Runs behalte. Es iſt ſolches um ſo vil mehr noͤ - tig / weilen der Lauwin Schnee mehrmal ſo hoch auf einander ligt / daß er den Sommer durch nicht mag zerſchmilzen / ſo daß daruͤber gleich als uͤber einen Huͤgel / die Landſtraß in mitten des Sommers gehet / ja er liget etwan Haͤuſer - und Thurnhoch ſo haͤuffig auf einander / daß man damit wol etlich 100. Waͤgen / oder Laſtſchiffe / koͤnte anfuͤllen.

Es iſt auch diß in acht zunemmen / daß die in Lauwinen eingewikelte Menſchen - und Thierkoͤrper / ſo lang ſie mit Schnee bedecket ſind / etliche Wo - chen und Monat lang unverweſen bleiben / ſo bald ſie aber an feiſchen luft kommen / deſto geſchwinder verfaulen / oder zerfallen. Diſer Erhaltungs - kraft wiſſen ſich auch zubedienen die Jaͤger / welche ihr Gems - und ander Fleiſch in Schnee / oder Eis begraben / und auf ſolche weiſe lange zeit friſch behalten. Hieruͤber koͤnnen auch ihre Zeugnuſſen ablegen die Schweden / Daͤnen / Norwegen / Moſcowiter / und andere Nordiſche Voͤlker. Jn Spitzbergen ſollen die todten Leichname 10. oder mehr Jahr vor der faͤulung bewahret ligen / nach dem Bericht Frider. Martens Spizberg. Reiß P. II. c. 1. und Bartholin. de Nivis uſu cap. 12. pag. 80. Die urſach deſſen / wie ſie ſchwer denen / welche in der Natur-erkantnuß keine geuͤbte Sinne haben / alſo hingegen iſt ſie leicht denen / welche die wahren Grundſaͤtze diſer edlen Wiſ - ſenſchaft gefaſſet. Weilen der todten Coͤrperen faͤulung herꝛuͤhret theils von der aͤuſſeren waͤrme / theils von innerlicher feuchtigkeit / als wordurch das Band der feſten und fluͤſſigen Coͤrperen aufgeloͤßt wird / diſe die Daͤm̃e des ganzen Leibs durchbrechen / alles unter waſſer ſetzen / und nach und nach ſelbs mit denen Geiſteren wegfliegen / und aber hingegen das weſen der Kaͤlte beſte - het in abweſen heit der waͤrme / oder aller theilen ruh / ſo iſt ohnſchwer zuer - achten / daß dabey werden die Saͤfte beſtehen / und innert denen erſtarꝛeten aͤderlein ligen bleiben / folglich keine faͤulung entſtehen. Hierauß kan ein je - der bey ſich ſelbs aufloͤſen auch die andere begebenheit / warum nam̃lich der -〈…〉〈…〉 leichen Coͤrper / ſo ſie an die luft kommen / geſchwinder als ſonſten zugeſche - hen pfleget / verfaulen und verfallen?

Endlich iſt noch diß zu bemerken / daß die Leuthe / welche auß den Lauwinen hervor ge -graben(156)[156]graben worden / an dem Leib ganz roht außſehen / weilen namlich von umligendem Schnee / und Kaͤlte / der Kreißlauff des Gebluͤts durch die aͤuſſerſten / und kleinſten Blut gefaͤſſe verhin - deret wird / alſo daß zwaren das Blut durch die Pulßaderen immer von dem Herzen außge - ſpruͤtzet / aber nicht ſo leicht von den Blutadern zuruk genommen wird.

Hiſtoriſche Erzehlung alles Schadens / den die Lauwinen in Helvetiſchen Landen bis dahin verurſachet.

Nicht iſt das / was bis dahin von der Lauwinen Wirkung / und Ge - fahr / gemeldet worden / ein laͤhres Hirngedicht / ſondern es beſindet ſich / lei - der / alſo in der That; wie nachfolgender Hiſtoriſcher Bericht in mehrerm zeigen wird.

Als A. 1478. etliche an das Lifiner-thal graͤnzende Maͤylaͤndiſche Un - terthanen in einem gewiſſen naher Lifinen gehoͤrigen Keſten wald Holz ge - hauen / und zugleich behaubten wollen / diſer Wald zuſamt dem ganzen Berg were annoch in dem Bezirk des Herzogtums Meyland begriffen / iſt darauß ein ſolche weitlaͤuffigkeit erwachſen / daß die von Urj zur ſtund der verwittib - ten Fuͤrſtin von Meyland offentlich den Krieg ankuͤnden laſſen / und alle Or - te der Eidgnoſchaft mit ihnen uͤber das Gebirg zuziehen aufgemahnet. Als nun die Zuͤricher / welche in 1000. ſtark die vorderſten ſeyn wolten / mit den Urneren kaum uͤber den Gotthard gelanget / wurden ihnen von einer Lau - win 60. Soldaten ploͤtzlich uͤberfallen / und elendiglich vertrukt. Fueßlin. Chron. Helvet. Mſc. p. 286. Stettler, Lib. VI. Nuͤchtlaͤnd. Geſchicht. p. 274. Bullinger Lib. IX. Hiſt. Helv. Mſc. cap. 7. 8. Rahn. Eidgnoͤſſ. Chron. pag. 457.

Als A. 1499. der Keiſer Maximilianus mit Puͤndten in Zweyſpalt ſtuhnd / und 2000. Soldaten befelchnet / uͤber einen hohen Berg in das En - gadein einzubrechen / truge es ſich zu / daß eine Lauwin von ungefaͤhr ange - gangen / und uͤber 400. Soldaten eingewiklet; welcher uͤberfall anfaͤnglich zwar einen groſſen Schrecken erwecket / bald aber in ein gelaͤchter ſich ver - wandlet / nachdeme die unter dem Schnee begrabenen Maͤnner einer nach dem anderen gleich als auß dem Grab hervor gekrochen / ſo daß zwar vil be - ſchaͤdiget worden / keiner aber verloren gangen. Bilibald Pirckhaimer de Bell. Helvet. Lib. II.

A. 1500. ward von dem Baillif von Dijon eine groſſe anzahl Volks in der Eidgnoßſchaft auf die Beine gebracht / zu Freyburg in Uechtland ge - muſtert / und vor richtigs uͤber St. Bernhards Berg gefuͤhrt / allwo ſie von einer ungeheuren Lauͤwin ergriffen / und ihren gegen 100. Mann zu grund gerichtet worden. Fueßlin. Chron. Helv. Mſc. p. 452. Rahn. Eidgnoͤſſ. Chron. ad h. a.

(157)[157]N. 40.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortgeſezte Hiſtorj der Lauwinen.

ANno 1595. den 4. Mey haben ſich bey dem Flecken Martinach in Wal - lis etliche Schneeloͤuwinen mit groſſem Praßlen in den Fluß Roddan geſtuͤrzt / alſo daß das Waſſer aller Orten aufgeloffen / in gedachtem Flecken in die 500. Haͤuſer / ſamt mehrtheils Menſchen und Viehe zugrund gangen / der Flecken Brenz aber in maſſen verfloͤßt worden / daß da kein an - zeigung eines bewohnten Gebaͤus mehr anzutreffen / und das Dorff Ba - nien mit 140. Perſonen verſchlukt / auch alle Brucken von Martinach bis nach St. Moritzen nidergeworffen / und zerꝛiſſen worden. Rahn. Eidgn. Chron, ad h. a. ex Stumpf. Lib. XI. Chron. c. 19. Frankfurth. Relat Lauterbach & Beuther Part. 3. Contin. Hiſtor. Sleidan. Lib. XX. n. 66.

A. 1602. den 16. Jenner nachts um 12. uhr iſt bey Davos in Puͤndten ein Lauwin angangen / welche 13. Menſchen ergriffen / und alle getoͤdet / auß - genommen ein Maͤgdlein von 14. Jahren / welche von Samſtag Mitter - nacht bis an Dinſtag in der Lauwin geblieben / und doch lebendig harvor ge - zogen worden. Zu gleicher zeit iſt Johannes Sprecher mit ſeinem Weib / Sohn / und Magd / von einer Lauͤwin ergriffen / und alle lebendig herauß ge - zogen / nachdem ſie 10. ſtund unter dem Schnee gelegen / das Soͤhnlein von 9. Monaten außgenommen / welches erſtickrt. Fortunat. Sprecher. Chro - nolog. Rhæt, Lib. VI. p. 316.

A. 1609. den 3. Mart. ſind in dem Dorff S. Theodor in Puͤndten 26. Menſchen von einer Lauwin bedekt worden / von denen Peter Guler / ein 85. Jaͤhriger Mann / nachdem er 2. Tag in dem Schneegrab gelegen / an dem dritten tag widerum lebendig hervor gegraben worden. Wagner. Helv. Curios. p. 35.

A. 1624. im Merzen ſind von dem Berg Caſſedra, auf den Graͤnzenvon(158)[158]von Jtalien erſchrokliche Lauwinen gefallen / welche den ganzen Flecken be - decket / und uͤber 300. Menſchen getoͤdet. Franc. Hafner. Chron. Salod p. 535.

A. 1651. den 27. Febr. iſt zu Matth im Glarnerland durch eine groſſe Schneelauwin ein Stall mit etlichen Stucken groſſes und kleines Viehs eingewiklet / und mit zu dem Fuß des Bergs gefuͤhret worden. Wagner. lib. cit. p. 383.

So hat es ſich auch zu unſerer Großvaͤtteren zeiten im Glarnerland zu - getragen / daß ein Knab / welcher ſeine Kuͤhe traͤnkete / mit ſamt den Kuͤhen / dem Brunnen / und naͤchſt gelaͤgener Scheur ploͤtzlich von einer Schneelau - win ergriffen worden. Hierauf iſt zwar am erſten Tag der Knab mit lan - gen Stangen geſucht worden / aber vergebens / des folgenden tags aber / als die Elteren mehr Volk mitgenommen / um den vermeint todten Sohn mit groͤſſerem fleiß hervor zuſuchen / hat man den Knaben lebendig in der tieffe der Lauwin angetroffen / zu groſſer freud der Elteren / und aller anweſenden. Wagn. Lib. cit. p. 35.

A. 1659. im Jenner iſt im Groſſen Thal des Glarnerlands / bey Dieß - bach ein groſſe Lauin gefallen / welche Hrn. Landshaubtm. Streiff 28. Stuͤck Vieh / worunter 18. Kuͤhe waren / ſamt dem Stall ergriffen / und fortgeſchlep - pet / unter welchen zwey oben auf die Lauwin kommen. Wagn. Lib. cit. 383.

A. 1629. den 27. Jun. nachdem eine nacht vorher ein groſſer Schnee eingefallen / ſind vil 100. Schaffe auf den Glarneriſchen Alpen von denen Lauwinen ergriffen / und zugrund gerichtet worden. Jn der einigen Nideren Alp bey Schwanden hat diß ungluͤk uͤber die 200. und in einer anderen auch 200. getroffen. Wagner. l. c.

A. 1683. fiele gar vil Schnee / welcher hin und wider ſich in Laͤuinen von den Bergen abgeſtuͤrtzet / und vil ſo wol laͤhre / als mit Viehe angefuͤllte Staͤlle weggefuͤhret / auch in dem Groſſen Thal ein Weib bedecket / welche aber nach etlichen ſtunden lebendig hervor gezogen worden. Joh. Henr. Tſchud. Chron. Glaron. Mſc. ad h. a.

A. 1687. Zu eingang des Jahrs fiele ein ungewohnlich groſſer und hoher Schnee / worbey folgende traurige Begegnuß ſich zutruge. Ein Mañ auß der Gemeind Schwanden / zu Nitfuren wohnhaft ware mit ſeinem Viehe an einem der ſo genanten Laͤugeln Bergen / weilen er ſich nun daſelbſt der Lauwinen wegen in groſſer gefahr zuſeyn bedunkte / und we - gen groſſen Schnees allein nicht von dannen kommen koͤnte / ruͤfte er daſelbſt ab der hoͤhe gegen dem alten naͤchſt gelaͤgnen Doͤrflein um huͤlffe / und fundenſich(159)[159]ſich auch ſo hald etwelche mitleidige Maͤnner / welche ſich auf den Weg mach - ten / ohngeachtet der daher zuſtehenden gefahr / und diſen huͤlffſchreyenden auß der angſt erꝛetten wolten. So bald ſie aber gegen dem Berg annahe - ten / kommen ſie ſelbſt darein / indem eine erſchrokenliche Lauwin ſie alle un - verſehens uͤberfallet / und bedecket / welche aber alle durch den Zulauff eines groſſen Volks / auſſert zween / noch lebendig wider herfuͤr gegraben und erhal - ten worden. Der einte von denen zwey todten war bald / der andere erſt des folgenden tags war der 10. Jan. gefunden. Einer der noch lebt / lage in die 8. ſtund under dem feſten Schnee. Joh. Henr. Tſchud. Hiſt. Glar. Mſc. ad h. a.

A. 1689. den 25. Jenner. bey Saas im Prettigaͤu iſt ein Schnee - bruch entſtanden auf dem Calmuͤren Gebirg / welcher naͤchſt den Calanda Meyenſaͤſſen / und den Guͤteren Zeſtiew / durch die Guͤter Parſchleze hinrauſchte / und einen theil vom Wald mit erſchroͤklichem gewalt wegnah - me / folgends mit vilem Holz und Steinen durch den mittleren Berg fuͤhre / durch die Nachbarſchaft Raſchnal / uͤber den Fluß Lanquart ſchoſſe / und 9. Haͤuſer / mit vilen Staͤllen zu grund richtete / und auch 20. Menſchen toͤdete. Jn ſolchem Jamer folgten dem Glockenſturm vil Leuth auß den Gemeinden Kuͤbliß / Conters / und Saaß / denen Nothleidenden zuhelffen. Es brach aber ſelbigen tags mittag ein andre Schneelauin vom Nollenwald herdurch die Calanda Grub / oder Thole / den mittleren Berg / Falaraſca / Galardonda / zerſchmetterte beym Sagenbach alle Wohnhaͤuſer und Staͤlle / an der zahl 157. Man fande 57. todtne und vil ver - lezte. Diſe Geſchicht iſt A. 1697. in ein Traurlied verfaſſet / und getrukt wor - den / deſſen anfang alſo lautet.

O Menſch bewein dein Suͤnd auß Reu /
Denk / was geſchach im Brettigaͤu. ꝛc.

Dergleichen Lauwin Faͤlle ſollen auch um diſe zeit in einem Thal gegen Montafun / ungefahr 2 ſtund weit von bedeutetem Saas / undandern Or - ten mehr beſchehen ſeyn / und unbeſchreiblichen Schaden verurſachet haben. Rahn. Chron. Helv. p. 1170.

A. 1693. den 16. Merz ſind im Jsler-Tobel / der Pfarꝛey Nuffe - nen / im Rheinwald / in Puͤndten zwey Bruͤder in ein Lauwin einge - wicklet worden / Martin / und Johannes die Lexen / deren jener den 31. Mey / diſer aber erſt den 27. Jun. hervor gegraben / und zur erden beſtattet worden.

Vor(160)[160]

Vor etlichen Jahren (alſo ſchreibt Hr. Joh. Leonhard V. D. M. un - term 23. Nov. 1699.) hat ſich eine Geſchicht zu Tſchierſchen im Chur - walder Gericht begeben / da zwey Maͤnner ihre friſch gemolkene / annoch warme Milch naher Hauß tragen wolten in Rukkuͤblen / oder Milchtaͤuß - lein / und beyde von einer Schnee Lauwin eingewikelt worden; da gienge dem einten der Rukkuͤbel auf / und ruͤnnete ihm die Milch uͤber den Halß und Kopf hinab / machete ihm hiemit ein wenig weite vor dem Mund und Na - ſen / das er athem holen moͤchte: Diſer wurde hernach lebendig außgegra - ben / und hat ſinthero noch zimlich lang gelebt. Aber der andere / welchem der Rukkuͤbel nicht aufgegangen / kam um.

A. 1695. den 21. Febr. nachts um 10. uhren / hat eine uͤberauß groſſe Schneelauin / welche eine weite von mehr als 100. Schritten eingefaſſet / von einem ſtarken wind aufgetriben / ein gewiſſes Dorff in der Landſchaft Mein - thal ploͤtzlich uͤberfallen / und dariñ 11. Haͤuſer / nebſt 11. Scheuren und Staͤl - len / uͤber einen hauffen geworffen / ſo daß all da faſt kein ſtein auf dem ande - ren gelaſſen / noch andere 15. Haͤuſer aber an Taͤcheren und Gebaͤuen uͤbel be - ſchaͤdiget worden: An etwelchen anderen hat der ſtarke ſturmwind die fen - ſter eingeſchlagen / und die Gebaͤue mit hinzu gewehetem Schnee angefuͤlt. Bey diſem ungluͤk kamen 34. Perſonen / und darunter 9. Kinder / elendiglich um das Leben. Einiche wurden wunderbarlicher weiſe dem tod auß dem Rachen erꝛettet / da ſonderlich unter andern ein Mutter mit zwey kleinen Kindern hervor gegraben / und beim Leben erhalten worden. Rahn. Eid - gnoͤſſ. Geſchicht. Mſc. Lib. XV. cap. 8.

A. 1699. zu eingang des Fruͤhlings / nahe bey Soglio im Pergeller - Thal / Puͤndtner-gebiets / hat eine Windlauwin / Lavina di Freddo, durch den ſtarken blaſt des daher fahrenden Schnee-Nebels / drey Staͤlle uͤber ei - nen hauffen geworffen. Ein Baur ſahe von weitem diſere Lauwin daher kommen / retirierte ſich deßwegen eilends hinter eine Maur / koͤnte aber gleich - wol nicht unbeſchaͤdigt darvon kom̃en; Der Schnee fuͤllete ſeine Hoſen und das Hemd uͤberal an / und wurde ſein Leib von Eis gleich als mit einer Rin - den uͤberzogen. Gleichwol hat er ſich in follem Schrecken naher hauß be - geben / geklagt uͤber groſſe bangigkeiten / und Fiebriſche Froͤſte / von welchen er aber durch mittel eines guten Wundtranks / und der waͤrme / befreyet wor - den / aber an dem Gehoͤr eine ſchwachheit erlitten / welche noch jezund waͤhret. Deſſen berichtet mich Hr. Anton. Picenin / Ehrwuͤrdiger und Hochgelehrter Pfarꝛer des Orts / den 18. Augſt. 1700.

(161)[161]N. 41.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von zweyen ganz gleichen Schwefel Bruͤnnen / ob Ruſchlikon am Zuͤrichſee / und am Wallenberg.

AN dem Fuß des Wallenbergs / welcher an der Mittaͤgigen ſeite des Wallenſtatter Sees aufſteiget / entſpringet ein Waſſer / welches ei - nen Schwefelgeruch hat / und enthaltet vil zaͤche Bergwaͤchſiſche Thei - le / welche gleich einem Froͤſchleich ſich in zimlich groſſe Stuͤcker / oder fetzen / ſamlen / und theils obenauf ſchwimmen / theils an der ſeiten ankleben. Diſes Waſſer habe A. 1703. im vorbey reiſen probiert / und von allerhand einge - ſchuͤtteten Chymiſchen Geiſteren / und truckenen Saltzen / keine ſonderliche aͤn - derung geſpuͤrt / als allein / daß es von dem Weinſtein Salz Milchweiß wor - den / und von dem in Waſſer aufgeloͤßten ſublimat ein vilfaͤrbiges Haͤut - lein obenauf ſchwimmend bekommen. Jn der Bergwaͤchſiſch zaͤchen Ma - teri haltet ſich auf ein Zinoberrothes kleines Wuͤrmlein. Ganz gleichen Ge - ruchs und Natur iſt eine Brunnquell / die auch wir in unſerem Zuͤrichge - bieth haben / ob Ruͤſchlickon / und Kilchberg / zweyen Doͤrfferen am Zuͤ - rich-See. Zu unſers hochberuͤhmten Conradi Geſſneri zeiten hat es das Nydelbad geheiſſen / und iſt / wiewol vorhin es in abgang kommen ſeyn ſol / zu ſelbiger zeit von benachbarten Bauren vor die Raud / Fieber / und andere Krankheiten gebraucht worden. Er / Hr. Geßner / ſelbs hat angemerket / daß diſes Waſſer / wo es hinflieſſe / eine roͤthe hinterſich laſſe / aber nicht vil auf deſſen Schwefel gehalten / weilen bald alle in Moraſtigen Orten ſich befinden - den Waſſer einen ſtinkend ſchwefelichten Geruch von ſich geben. Jkr. Erh. Eſcher in Beſchreibung des Zuͤrich-See. p. 252. meldet / daß die diſem Brunnen nahe gelegene Wieſen und Guͤter daher auch den Nahmen zum Schwefelbrunnen behalten. Es iſt zwar anjezo diß Waſſer in foͤlligemabgang /(162)[162]abgang / glaube aber / daß wann es in gewiſſen anligen ſolte probiert werden / vortreffliche Wirkungen von ſich ſpuͤren lieſſe / und manchem / ſonderlich dem benachbarten Landmann beſſer zuſchlagen koͤnte / als manche auſſert un - ſerem Gebiet ligende Baͤder / welche man mit groſſer ungel genheit / und Be - ſchwerd / oft ohne genugſame erdaurung der Krankheit / und auf groſſen ge - rahtwol zubeſuchen pflegt. Es liget diſes Waſſer unter freyem Himmel / in einem viereckichten / bald von aͤlte und faͤule der Seiten-Balken einfallen - den Loch / auf der hoͤhe / nahe bey einem luſtigen Wald. A 1701. habe daſ - ſelbe mit fleiß in augenſchein / und prob / abſonderlich auch zu dem end die zaͤ - che Bergwaͤchſiſche Materi mit naher Hauß genommen / und gefunden / daß ſelbige durch einkochen zu einem ſchwarzbraunen Extract worden / welches einen gar ſtarken ſtinken den Schwefelgeruch / und ſo es angezuͤndet worden / eine Flamm von ſich gelaſſen; habe ich das Waſſer deſtillirt / oder uͤber den Helm gezogen / ſo hat es widerum nach einem ſtinkenden Schwefel gerochen / und hat man hin und wider in dem uͤberzogenen Waſſer fliegen geſehen duͤn - ne kleine Zaͤſerlein / welche nach einichen tagen ſich an einander gehenket / und widerum in eine mucilaginem bituminoſam, oder Bergwaͤchſiſchen zaͤhen Schleim zuſamen gepacket, Jch ſage / in einen Bergwaͤchſiſchen Schleim / und nicht ohne Grund; weilen diſere eingekochte Materi ſich aufloͤſen laßt / ſo wol in gemeinem Waſſer / als in Brantenwein / und dorten zwar eine Citronengelbe tinctur machet / hier aber eine Pomeranzenfarbe. Sonſten iſt diſes Waſſer lauter / wie ein anders / und riechet ſtark nach Schwefel / wañ man es ruͤhret. Siedet man das Waſſer ein / ſo bleibet in dem Boden ein ſubtiler Crocus, oder gelbe Erde. Auß diſem allem ſchlieſſe ich / es koͤnne di - ſes Waſſer manchem preſthaften Menſchen zu gut kommen / inſonderheit aber dienen in auftroͤknung alter flieſſender Schaͤden / und uͤberal in derglei - chen Krankheiten / da die aͤuſſeren Glieder ſchwache und lucke Zaͤſeren / folg - lich ſtaͤrkung / und zuſamenzeuhung noͤthig haben / wuͤnſchte aber / daß ich di - ſere meine Vorurtheile bekraͤftigen koͤnte durch wirklich gemachte Proben / oder / daß man hieruͤber vernuͤnftige Proben in verſchiedenen Zuſtaͤnden wur - de machen / und alſo ſich deſto mehr der Kraͤften deſſelben beſicheren. Und gewahre endlich bey anlas diſer / und vilen dergleichen hin und wider im Schweizerland befindlichen Waſſeren / welche gleichwol dann und wann nahmhaft machen werde / daß der Mineraliſchen Heilwaſſeren Gebrauch von einer gewiſſen fatalen mode geregiert wird; Es ligt hier und da eine koſtliche Quell / oͤde / und unbeſucht / etwan wegen entfehrnung / und einſam -keit(163)[163]keit des Orts / oder weil ſie einen allzuarmen / allzureichen / oder ungeſchikten / oder eigenſiñigen Beſitzer hat / oder weil es jezund nicht die mode iſt / dahin zugehenthingegen kan eine andere Quell bey anlas einer außgeſtreuten Wun - dercur / oder in Truk gegebenen hochtrabenden Beſchreibung in aufnemmen kommen / und groſſen zulauff erhalten / welche gleichwol keinen Vortheil hat vor anderen Waſſeren / als eine ſchoͤne ſituation, nebſt guter Schnabelweid / oder nicht mehr Mineralien in ſich hat / als ein gemeiner in allen Staͤtten / und Doͤrfferen befindlicher Brunn / oder nicht mehrere kraͤfte / als die von der Einbildung herꝛuͤhren / und in allen gewaͤrmten See-Fluß - und Brun - nenwaſſeren zufinden ſeyn. Exempla ſunt odioſa, Jch fuͤge noch diß ei - nige hinzu / daß einem jeden Stand auß vilen Politiſchen urſachen nutzlich / diejenigen Waſſer / welche in ſeinem eigenen Gebiete ſind / wol in ſeinen Wir - kungen zuerforſchen / und in beſtaͤndigem Flor zu erhalten.

Von einer Seuche / welche diſes Jahr geweſen unter den Gemßthieren.

Es iſt bereits oben N. 10. und 11. ein Hiſtoriſcher Bericht gegeben worden von der Gemßthieren Feſtigkeit / Laͤckinen / oder Sultzen / Jagd / und Lebensart / und iſt nichts mehr uͤberig / als die Materi von denen ſo genanten / uñ bekanten / Gemsballen / oder Kuglen / welche dem geehrten Leſer darſtellen werde / nachdeme etwas wenigs werde gemeldet ha - ben von einer Seuche / welche im vergangenen Fruͤhling diſes lauffenden Jahrs ſol gar vil Glarneriſche Gemſe beſchaͤdiget / und getoͤdet haben. Diſe Art Thiere haben / wie auß obigem zuerſehen / eine muͤheſelige Lebensart / ſie ſind nirgends ſicher vor ihren aufſaͤtzeren / auſſert im Winter / da ihnen zwar nicht beyzukommen / ſie aber mit dem hunger / und Kaͤlte zuſtreiten haben. Und gleichwolen leben ſie unter beſtaͤndiger Bewegung durch / und uͤber / ge - fahrliche Klippen / in fortwaͤhrender geſundheit / auſſert / wann ſie auf ein ho - hes Alter kommen / da ſie dann kraͤtzig und ſchaͤbig werden. Eine ſolche / und zwaren ſchwere / faſt auſſaͤtzige Raud hat diſes Jahr getroffen nicht nur alte Thier / ſondern auch vil junge / ſonderlich in dem ſo genanten Freiberg / welcher zwiſchen dem Groſſen und Kleinen Thal / oder zwiſchen der Linth und Sernft liget / und bald das einige Aſylum, Fluchthauß / oder Freyſtatt iſt im ganzen Schweizerland / dahin ſich die Gemßthiere begeben koͤnnen oh - ne gefahr taͤglicher Aufſaͤtzen. Auf diſem Freyberge hat man diß Jahr hin und wider todte Gemſe mit auſſaͤtzigen Haͤuten ligend gefunden / und neh -men(164)[164]men die Jaͤger hieruͤber anlas ihre aus der Erfahrung Gelehrte verſchiedene Gedanken walten zulaſſen. Einiche wollen / daß diß nicht geweſen ſeye eine beſondere Krankheit / welche die Thiere aufgerieben / ſondern ſie haben das ungluͤk gehabt in Lauwinen eingewiklet zuwerden / da ſie dann nach abgang des Schnees ſeyen durch eine entſtandene faͤulung an der haut ſo kraͤ - zig / und von den Wuͤrmen durchfreſſen worden / wie man ſie angetroffen. Andere geben die ſchuld denen zamen Geiſſen / ſo auf dem Berge geweidet / und ſagen / daß diſe hier und da unter den Felſen / oder in andern Lageren / haben gewiſſe Theilchen von ihrer Raud auf der Erden / und im Graß abge - legt / und hinterlaſſen / welche dann die Gemſe / ſo dorthin zuweyden kommen / angeſtecket / wie dann bekant / daß ſich diſere ſchaͤbige / beiſſige Krankheit gar leicht mittheilet / unter uns Menſchen durch das Geliger / oder anruͤhrung der Haͤnden / ꝛc. Endlich gibt es ſolche / die diſe Raud-geſchicht anſehen / als eine Seuche / ſo unter den Gemßthieren ſich diß Jahr auß beſonderen natuͤr - lichen Urſachen eingefunden. Sie ſagen / daß die ſchuld zuzumeſſen ſeye der ungleichen Jahr zeit / da wir zu anfang des Fruͤhlings gehabt eine leidenlich warme Witterung / worauf erfolget eine neue und harbe Kaͤlte. Bey jener ha - ben die Gemſe ihrem gebrauch nach ihr ſchwarz zottlichtes / lang haarichtes Winterkleid abgeleget / nachdem aber ihnen diſe Winterhaare außgefallen / und eine harbe Kaͤlte erfolget / habe hierdurch die kahle / bloſſe Haut vil muͤſſen außſtehen / die außdaͤmpfung durch die Schweißloͤchlein ſeye verhinderet / und die Haut ſelbs alſo in ihren Zaͤſern eingeſchrumpfen worden / daß ſie hin und wider ſpaͤlte geworfen / in welche ein von den Hautdruͤſen abgeſoͤndertes zeches Fließwaſſer ſich außgelaͤhret / an kalter Luft verdickeret / und in auſſaͤtzige Raudichte buͤckelein aufgeworffen habe: Worauf dann der Kreißlauff des Gebluͤts gehemmet / alle Saͤfte nicht nur in unordenliche Bewegungen / ſon - dern auch ſaltzichte diſpoſition gebracht worden / ſo daß auß jezerzehlten ur - ſachen wol haben koͤñen Fieber und andere ſchwere / auch toͤdliche Krankheiten entſtehen. Es bekraͤftigen diſes urtheil auch die Murmelthiere / oder Munken / deren vil auch diß jahr ſollen an gleicher Krankheit tod gefunden worden ſeyn.

(165)[165]N. 42.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von denen Gemsballen.

ES haben diſe in Gemsmaͤgen befindliche Kuglen ſo groſſen Ruhm in der Welt erlanget / daß man ſie auß dem Schweizerland in alle an - dere Europeiſche Laͤnder verſchicket / und ihnen zu gefallen ein ganzes Buch geſchrieben Georg Hieronymus Velſchius Med D. zu Augſpurg / welcher ſie auch mit einem neuen Nam̃en Ægagropili tauffet / der ſo vil heiſſet als Α〈…〉〈…〉 γαγρ〈…〉〈…〉 πιλος, da ΑἴγαΥρος bey Oppiano heiſſet ein wilde Geiß / oder Gemſe / πίλος aber eine runde auß Kraͤuteren gemachte Balle / oder Kugel. Sonſten nennet man diſere Gemskugel auch Bezoar Ger - manicum, wegen der Kraͤften / mit welchen ſie dem wahren Bezoar-Stein ſol zukommen. An geſtalt ſind diſe Kuglen rund / oder ablangrund / an farb ſchwarz / oder grau / an groͤſſe einer Haſel-Baumnuß / Huͤner - oder / wiewol ſelten / Ganßey gleich / iñwendig beſtehen ſie auß lauter Wurzenzaͤ - ſern von kraͤftig gewuͤrzten Alpkraͤuteren zuſamen geflochten / wordurch ſie ſich unterſcheiden von denen ſo genanten Haarballen / welche man findet in denen Kalber-Ochſen - und Pferde Maͤgen / und auß ſolcher Thieren Haa - ren in einer Kugelgeſtalt zuſamen gewikeit ſind / außwendig haben ſo wol diſe als jene mehrmalen eine ſchwarze / oder braune / mehr oder weniger harte Rin - den. Jch habe auch auß Puͤndten vor wenig Jahren erhalten die bloſſen in einem Gems-Magen gefundenen / und noch nicht in eine Kugel zuſamen ge - rollten Wurzenzaͤſern; von denen aber noch nicht vergewiſſeren kan / ob ſie ſeyen von denen ſo genanten Gemß - oder Mutterwurtzen / oder anderen der - gleichen Kraͤuteren. Dann bekant / daß diſe Thiere weyden auf den hoͤchſten Alp-ſpitzen / da die edleſten Pflanzen ſind / und des Som̃ers zwar das Kraut ſelbs abetzen / in Winterquartieren aber die Wurzen auß mangel der nahrung auß der Erden hervor zuſcharꝛen genoͤthiget ſind / da ſie dann / wie ich dar -von(166)[166]vor halte / ſich gar leicht / unter beſtaͤndiger bewegung / und zuſamenzeuhung der Magenhaͤuten koͤnnen uͤber einander wiklen / und eine Kugel formieren / welche vermittelſt des Magenſchleims je mehr und mehr feſt zuſamen hal - tet / ſo daß ſie anfangs zwar weich iſt / und ſich leicht laßt zertheilen / nochmals aber unter beyhilff der zuſamentrukenden kraft des Magens in eine harte mit einer Rinde umgebene Kugel ſich feſtnet / welche dann die Thiere ihr Lebenlang muͤſſen tragen / und zwaren zu ſelbs eigenem ungluͤk / dann gleich wie unſere Mezger gewahren / daß das jenige Hornviehe / welches Haar-Bal - ben bey ſich hat / nicht wol truͤhet / ſondern an Fleiſch je mehr und mehr ab - nimmet / alſo berichten auch die Gems-Jaͤger / daß die mit Kuglen verſehene Thiere alle mager ſind / zweifelsfrey daher / weilen der gleichen Gemßballen ſo lang ſie in dem Magen ſich aufhalten / deſſen Kochkraft verhinderen / ſo daß ein ſchlechter nahrungsſaft kan gezeuget werden / oder / weilen die durch - tringende / ſo zureden gewuͤrzte / oben ſchon geruͤhmte Bezoardiſche / kraft der Gemskuglen / den Nehrſaft gar zu ſehr verduͤnnert / daß er nicht leicht ſich an - heften kan. Es kan auch ſeyn / daß dergleichen Gembsballen die beſte kraft des Magenhebels / und Schleims an ſich zeuhen / und auch dardurch die Daͤuung merklich verhinderet wird. Fraget man von diſer Gemskuglen Nutzbarkeit / ſo dienet zur antwort / daß ſelbige kan hergeleitet werden theils von dem Magenhebel ſelbs / theils und ſonderbar von denen Kraͤute - ren / und Wurzen / auß welchen die Kuglen beſtehen. Jn betrachtung deſſen laſſet ſich wol ſagen / daß in denen Gemskuglen ſich finden vil fluͤchtige ge - wuͤrzte / durchtringende Theil / und folglich ligen groſſe kraͤfte das Gebluͤt zu - verduͤnneren / die verſtopfungen aufzuloͤſen / die Zaͤſern des Leibs zuſtaͤrken / ja man kan / wie es gemeinlich bey dergleichen ſeltſamen und koſtlichen Mit - len geſchihet / die Kraͤfte diſer Kuglen außruͤffen vor allgemein / als ob ſie dem ganzen Leib / und allen deſſen Theilen dienſtlich / und vortrefflich heilſam we - ren / folglich zubrauchen in denen Zuſtaͤnden des Haubts / der Augen / der Lungen / des Herzens / des Magens / Leber / Nieren / Mutter / Nerven / und an - deren Gliederen mehr. Es laſſet ſich / ſag ich / ſolches wol ſagen / und ſchrei - ben / wie dann Velſchius einen langen Rodel hat von gar vilen Zuſtaͤnden des Menſchlichen Leibs / in welchen die Gemskuglen dienlich ſeyn: Aber / wann man von dem Gebrauch ſelbs / oder der Practic / wil reden / ſo thun ſich erſt dann die ſchwerigkeiten hervor. Jn Diſcurſen und Schriften laſſen ſich die ſchwerſten Krankheiten / die fallende Sucht / allerhand andere Gichter / Waſſerſucht / Schlagfluß / ꝛc. curieren / aber nicht allezeit in der That. Be - neben / wann man bedenket die ſeltſam - und koſtlichkeit der Gemsballen / diever -(167)[167]verſchiedenheit derſelben in anſehung des Alters / und der Wurzen ſelbs / auß denen ſie beſtehen / ſo wird man bald ſehen / das ſie nicht nur nicht eine allge - meine Artzney koͤnnen abgeben / ſondern bald niemand als den Reichen zu - nutz kommen / zugeſchweigen / daß diſe Kuglen mehrmalen alt / und etliche Jahr gelegen / hiermit ihre meiſte kraft verlohren. Wann man endlich neben die Gemskuglen haltet andere auch wolfeilere / auß denen dreyen Rei - chen der Natur genom̃ene / Schweißtreibende / Blutverduͤñerende / Herz - ſtaͤrkende / dem Gift widerſtehende Artzneymittel / ſo wird man leicht geſtehen / daß wir der Gemskuglen gar wol entrathen koͤnnen / gleich wir auch heutigs Tags manglen des Bezoar, und anderen koſtbaren / auß Oſt - und Weſt - Jndien herkommenden Mittlen. Um ſo vil weniger verdienet angeruͤhmt zuwerden die vermeinte feſtmachende kraft der Gemskuglen / derhalben ſie dann und wann von aberglaͤubiſchen Officieren und Soldaten mit vilem Gelt bezahlet werden. Es iſt diſes eine ſo thorachte Einbildung / daß ſich billich zuverwunderen / wie es Leuthe von verſtand kan geben / welche ſich ein - bilden koͤñen / daß ein auß Haut und Fleiſch zuſamen geſezter Leib durch bloſſe tragung der Gemskuglen koͤñe dem natuͤrlichen gewalt des Degens / Meſſers / Kuglen / und anderer verletzenden Dingen widerſtehen. Noch eher lieſſe ſich von der Sach reden / wann ein in Streit / oder ſonſten gefahrliche Orte ge - hender Soldat wurde etwas von der Gemskugel in form einer Arzney ein - nemmen / um ſo vilmehr / wann wahr der Jaͤgeren Auſſag / daß diejenige Gemsthiere / welche Kuglen in ihrem Leib tragen / feſt / oder wenigſtens / ſo harten Lebens ſeyen / daß ſie kaum mit verſchiedenen Schuͤſſen umzubrin - gen / worvon oben bereits pag. 38. etwas gemeldet worden. Es iſt aber auch darauf nicht zugehen / und iſt / im fahl der Gemſen feſtigkeit wahr were / noch ein groſſer unterſcheid zwiſchen ihnen / und den Menſchen. Sie haben / wie bekant / eine zaͤche / feſte / dicke Haut / an welcher eine auf ſie los geſchoſſene Kugel leicht kan abſchlipfen / oder wenigſtens ſo vil von ihrer kraft verlieren / daß ſie ganz matt in den Leib komt. Uber diß nemmen ſie nicht etwan eini - che gran / oder Scrupel in ſich / ſondern beherbergen ganze Ballen / von denen folglich eine mehrere Wirkung kan in ihren Leiberen entſtehen. An - derer Gruͤnden mehr zugeſchweigen.

Noch eins iſt zubemerken von den Gemsballen / daß ſie nicht in allen Gemſen / und auch nicht in allen Gebirgen angetroffen / oder gezeuget werden. Jn dem Thal Maroz in Puͤndten haben die Gemſe / ſo auf mittnaͤchtiger Seiten der Bergen leben / faſt alle ihre Ballen / keine hingegen die gegenMittag(168)[168]Mittag ſich anfhalten / da die Sonne wenig hin ſcheinet. Deſſen berichtet mich Hr. Jac, Piceninus Treueiferiger Diener Goͤttlichen Worts zu Soglio den 18 Aug. 1700. Gleichfals in Rheinwalder-Gebirgen haben die Gemſe gegen Mittnacht / (ich verſtehe an der jenigen Bergſeite / ſo gegen Mittag zwar liget / aber gegen Norden ſihet /) keine Ballen / und die gegen Mittag alle / auch Gitze / die nur 3. Monat alt ſind. Diß ſchreibet der oft angeruͤhmte Hr. Joh. Leonhard, V. D. M. den 25. Oct. 1700. Alſo gewahren die Glar - neriſchen Jaͤger / daß in der Alp Lim̃eren gar vil Gemsballen ſich finden / hin - gegen in dem Kam̃erſtock keine / zweifelsohne iſt die urſach diſer Begeben - heit zuzuſchreiben gewuͤſſen Wurzen / welche zwar nicht nennen kan / noch darff / und nicht in allen / ſondern nur Sonnenreichen Alpen / ſich finden / und von ſolcher zaͤchen art ſeyn / daß ihre Zaͤſern nicht leicht ſich in dem Magen verdaͤuen laſſen / ſondern lange zeit im Magen ligen bleiben / bis ſie in eine Kugel ſich zuſamen wicklen. Wie dann bekant / daß zum Exempel die Gemswurtzen oder andere Alpkraͤuter / nicht auf allen Alpen / ſondern die ein - ten hie / die andern dort wachſen.

Bey anlas der Gemsballen iſt noch etwas weniges anzumerken von dem Gems Steinlein.

Welches an der farbe weiß / und an dem Netze hanget. Diſes iſt vil ra - rer / als die Gemskuglen / fett / und nicht ſo gar hart / als etwan ein calculus, oder Stein. Und beſtehet nicht / wie diſe / auß irꝛdiſchen / ſaltzichten theilen / ſondern auß dem Fett des Netze ſelbs / welches etwan bey anlas ſtarker bewe - gung an dem Netze / innert denen Saͤcklin ſchmilzet; und bey erfolgender einsmaliger kaͤlte widerum / und ſo ſtark ſich verdikeret / daß die Blaͤslein ſelbs / damit allzuſehr angefuͤllet / ihre zuſamenzeuhungs-kraft verlieren / und diſes zuſamengeronnene Fett / welches ſich je mehr und mehr verſteineret / beſtaͤn - dig hernach behalten.

Von Rothen Bruͤnnen des Schweizerlands.

Durch diſe Waſſer verſtehe ich nicht diejenige / welche an und vor ſich eine mehr / oder weniger / rothe farb haben / ſondern ſolche / die zwar durchſich - tig ſind / gleich anderen. Waſſeren / aber alles / woruͤber ſie flieſſen / roth / oder gelbroht faͤrben; weilen ſie namlich waͤhrenden ihres Laufs / und auch bey ihren Quellen / ein alſo gefarbtes Pulver ablegen / welches ſich an die Erden / Stein / Holtz / und was immer im Weg / oder runs / liget / anleget. Diſes Pulver aber iſt ein natuͤrlicher Crocus Martis, worauß / ꝛc.

(169)[169]N. 43.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortſetzung von rothen Bruͤnnen des Schweizerlands.

A des Croci Martis, deſſen juͤngſt gedacht worden / gegenwart iſt leicht zuerachten / daß dergleichen Waſſer / ſo ſie mit gebuͤhrender Vorſichtigkeit gebraucht werden / dienlich ſeyn koͤnnen nicht nur auſſerlich zu ſtaͤrkung der Gliederen / auftroͤknung flieſſender Schaͤden / heilung der Raud / und anderer Zuſtaͤnden / in welchen die Martialiſchen Baͤder heilſam ſeyn / ſondern auch innerlich / gleich denen Saur - bruͤnnen / in allen Verſtopfungen von ſaurem Schleim / in denen Milze Krankheiten / Gelbſucht / Undaͤuligkeit / Blonigkeit / und an - deren dergleichen Krankheiten / oder kraͤnklichen Zuruͤſtungen. Wer derglei - chen Waſſer antriffet / und aber nicht gebraucht hat ſelbs / oder nicht vernem - men kan / daß ſie ſeyen / ſonderlich innerlich / gebraucht worden von anderen / der bediene ſich folgender Proben. Von dem Weinſtein-Saltz / oder oleo Tartari per deliquium, werden dergleichen Waſſer weiß / wie Milch; und alſo auch zuweilen von dem Salmiacgeiſt. Wirffet man darein etwas von zerſtoſſenen Gallaͤpflen / ſo werden ſie braun / oder ſchwarz. Schuͤttet man hinein etwas von dem Violenſaft / ſo nemmen ſie an ſich eine gruͤne farb; das gelbe Pulver ſelbs / welches ſich in dem runs ableget / machet / ſo man Etzwaſſer angieſſet / eine ſtarke Jaͤſung / oder efferveſcenz. Hingegen ſtehen ſie nicht die geringſte aͤnderung auß von angegoſſenen ſauren Saltzen / oder Geiſteren / als da ſind der Vitriol-Salpeter-Geiſt / ꝛc. Sothane Prob habe A. 1703. gemachet bey dem ſo genanten Rohten Brunnen zwiſchen Reichenau / und Fuͤrſtenau in Puͤndten / deſſen Wagnerus gedenket / als eines Schwefelbads / Helv. Cur. p. 120. daß man ſich deſſen bediene in aller - hand Zuſtaͤnden der Haut / und inneren von kaltem Schleim herꝛuͤhrenden Krankheiten. Man gebraucht es aber allein auſſerlich / und glaube ich / es ſolte innerlich getrunken gleich denen Saurbruͤnnen / auß obangeregten Ur - ſachen / groſſe Wirkungen thun.

Ein(170)[170]

Ein ſolcher Bruñ iſt auch anzutreffen im Muͤnſterthal / an dem Fuß eines Bergs in Val Peſona, zwiſchen Val Chiava, und Valdera, oder Fuldera / welcher einen ſteinwurff weit fortflieſſet / und dann in den Fluß Ram ſich ergieſſet. Wagner. Mſc.

Jn dem Canton Bern / der Landvogthey Wimmis / ſteigt ein ſolcher rohter Brunn auf / auß einem rohten Grund / in der Schwendi / auf dem Kuͤhegrimmen.

Jn dem Frutinger Thal beſagten Hochlobl. Cantons bey Muͤllinen / unweit der Kander / in einer Wieſen / iſt auch ein ſolche Quell / welche un - brauchbar liget.

Hieher gehoͤret auch der ſo genante Rohtbach in dem Saſſer - Thal / bey dem Dorff Saſſa, im Viſper-Zehnden / Walliſſerlands / deſſen ge - denket Wagner. Helv. Cur. p. 102.

Ja auch verdienet in diſe Claß geſetzet zuwerden das Leuker-Bad ſelbs in Wallis / welches einen gelben Crocum bey ſeiner oberen Quelle zimlich haͤuffig ableget / und den vornemſten Theil ſeiner Kraͤften demſelben ſchuldig iſt.

Von gewiſſen Seen / welche durch ein bruͤlendes Brum̃en ein Wetter vorſagen.

Jn dem Domleſchger-Thal (Domeſtica, & Tumeliaca vallis) iſt der ſo genante Heintzenberg / Clivus Heinſilianus, welcher bey Tuſis / Tuſcia, Toſana, anfangt / in die 3. ſtunden ſich der laͤnge nach erſtrecket / und ſeines gleichen an Fruchtbarkeit / und Reichtum der Einwohnern / von 6. nam̃haften Doͤrferen / welche darauf ligen / nicht nur in Puͤndten / ſondern im ganzen Schweizerland nicht hat. Auf diſem Berg / ob dem Dorff Flerda liget der Paſcholer-See / welcher die Eigenſchaft an ſich hat / daß er mit ſtarkem / murmlenden gethoͤn ſich hoͤren laßt / ehe ein Ungewitter daher komt. Gleiche Wunder wirket der See Calandari, von welchem hernach folgen - den Bericht ertheilt der Ehrw. Hr. Oſvvaldus Molitor, treueifriger Die - ner Goͤttlichen Worts zu Ander in Schams in ſeinem an mich abgegebe - nen Schreiben unterm 3. Apr. 1700. Jm Schamſergebiet / und Bottmaͤſ - ſigkelt findet ſich ein See Calandari genant auf Aroſen Alp / welcher gar klein / daß man ihn an allen ſeiten mit einem ſtein uͤberwerfen kan / iſt aber un - ergruͤndlich / hat ſeinen Einfluß / aber keinen Außgang. Wann ein unge - ſtuͤm Wetter verhanden / ſo ſchwellet ſich in mitten diſes Sees auf ein ge -waltig(171)[171]waltig groſſer Wirbel / welcher in zunemmendem wachſen ſo ſtark bruͤlet / daß man ihn von einem Berg zum andern / wol 6. ſtund weit hoͤren kan. Wunderſeltſam iſt / was obangeruͤhmter Herꝛ Molitor fehrner von diſem See meldet / und wol verdient / ob es gleich nicht unter diſen Titul gehoͤrt / hieher geſetzet zuwerden. Es hat / ſchreibt er / diſer See / noch eine andere ver - borgene Eigenſchaft / daß er die Menſchen / ſo darbey ſchlaffen / an ſich ziehe / wie ich dann gehoͤrt / und von alten Perſonen bin verſtaͤndiget warden / daß eine Frau zimlich weit von diſem See geſchlaffen / und von demſelben ange - zogen / und verſchlungen worden. Nach diſem hat man ihren Guͤrtel mit Schluͤßlen an dem Ufer des Rheins gefunden / welcher Fluß von dem See 4. ſtund entlegen. Es ſind noch mehr Leuthe in leben / welche auch bey di - ſem See eingeſchlaffen / und da ſie erwachen / ſchon mit ihren Fuͤſſen in dem Waſſer geweſen. Vor etlichen Jahren haben etliche junge Knaben auß luſt 7. Pferde in diſen See geſprengt. Was geſchicht. Diſe Pferde ſind mehr als 3. ſtund darinn geweſen / worauf die Knaben angefangen zu zitte - ren / vermeinende / ſie ſeyen verloren / haben deßwegen ſich zuſamen verbun - den / niemandem zu offenbaren / was ſich hier zugetragen / und eine ſtraff an - geſezt auf dene / der diſe Sach offnen wurde / daß der alle Pferde bezahlen ſol - te. Jndem ſie aber mit diſen Gedanken umgiengen / und von dem See ſich hinweg begeben wolten / komt ein alte graue Stuht / und die uͤbrige alle / je ein Pferde auf dem Rucken des anderen feſt angeſchloſſen hervor / welche aber / als ſie auf das Land kommen / lang nach einander gelegen wie todt / ſind aber gleichwol wider zurecht kommen. Es iſt auch noch diß zubemerken / daß diſe Pferde / ehe ſie eingeſpiengt worden / alle beſchlagen geweſen / wie ſie aber herauß kommen / alle Fußeiſen verlohren. Gewißlich / wann diſe Geſchichten wahr / ſolten ſie manchem ſpitzfuͤndigen Welt - oder Naturweiſen gnug zu ſchoffen geben. Wenigſtens verdienen ſie erzellet zuwerden / damit man ſich befleiſſe die wahrheit grundlich zuerfahren / und / im fahl nichts an der ſach were / den geſaßten Jrꝛtum zu widerweiſen. Jch meines Orts wil es nicht bejahen / und auch nicht beneinen / ſondern allein mich hinderhalten / einen Vernunft-Schluß zumachen in ſachen / deren gewißheit man noch nicht be - ſicheret.

Komme nun widerum zu unſerem vorhabenden Seegebruͤll / und zeige an / daß ein ſolcher See auch ſeyn ſol in dem Thal Savogno in Puͤndten / und noch ein anderer im Sarganſerland / ohngefehr 4. oder 5. ſtund ob dem Pfefers-Bad.

Gehe(172)[172]

Gehe ich auſſer das Schweizerland / ſo finde bey Cardano de Rer. va - riet. L. 15. c. 85. das eine ſolche eigenſchaft an ſich habe der Eupi - ler-See / als welcher in dem Monat April einen Thon von ſich hoͤren laſſe / als ruͤfte man laut / aber mit gebrochner Stim̃e / ôh, ôh, ôh, ôh, ôh, und zwaren ſeye diſe Stimme / wann ſie gehoͤrt werde / ein gewiſſer Vorbott ei - nes reichen Geraht Jahrs an Wein / und Getreid. Es hat auch bemeldter Cardanus ſeinen ſubtilen Geiſt in ſo weit bemuͤhet / daß er in ganzer domals bluͤhender Schulweißheit ſich erſpaziert / um die wahren urſachen ſo ſeltſamer begebenheit zuerforſchen / aber endlich weiter nicht kommen koͤnnen / als zu der waͤrme / welche bey guten Jahrgaͤngen ſich zeitlich im Fruͤhling in denen Ein - geweiden der Erde einfinde / und alles in bewegung bringe / welche bewegung auch mitgetheilet werde der Luft / und alſo einen Thon erwecke. Der gelehr - te Morhof gedenket diſer Geſchicht auch in Hyaloclaſte pag. 183. kan ſie aber kaum glauben / e〈…〉〈…〉 klaͤret ſich aber / im fall etwas an der ſach ſolte ſeyn / da - hin / daß ein ſolcher Thon entſtehen koͤnne von vilen Schwefelicht-Salpet - riſchen in eine Jaͤſung gerathenen / und mit gewalt auß der Erden außgetrie - benen Theilen / deren gegenwart / und Bewegung / nohtwendig eine frucht - barkeit anzeige / und leicht / wann ſie verſtaͤrkt wurden / einen Erdbidem erwek - ken koͤnte; wie man dann gewahre / daß dergleichen oft gleichſam donneren - de Gethoͤne mehrmalen die Erdbeben begleiten / worvor zuſehen Plin. Lib. II. c. 80. Ariſt. Lib. II. Meteor. c. 46. Varen. Geog Lib. I. c. 10. Prop. 5. Kirch. Mund. Subterr. Præfat. Wie nun hieruͤber ein jeder die Frey - heit hat ſeinen Geiſt zuuͤben / alſo geſtehe ich meines ohrts / das ſothane gewalt - ſame / von wirklicher entzuͤndung unterirꝛdiſcher Schwefelicht-Salpetri - ſcher Duͤnſten / herzu leitende bewegung hieher nicht diene / weilen in unſeren Helvetiſchen Landen auf ſothanes Gebruͤl niemalen die geringſte Erdzitte - rung / oder einiche andere anzeige einer geſchehenen entzuͤndung geſpuͤrt wor - den. Meines bedunkens iſt in diſem Natur-Spiel der vornehmſte actor, nicht die Waͤrme des Ariſtotelis, noch das Feuer der neuen Naturweiſen / ſondern der Æolus, deutlicher zureden / iſt die urſach diſer begebenheit herzu - leiten von ungleichen Kraͤften der Ober - und Unterirꝛdiſchen Luft.

Wie ich die Sach faſſe / wird naͤchſt kommendes Blatt in mehrerem zeigen.

(173)[173]N. 44.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Fortſetzung von einichen durch ihr gebruͤll ein wetter vorſagenden Seen.

WAnn ein Ungewitter vorſtehet / ſo wird die auſſere / auf der Erden li - gende Luft ſehr duͤnn / und verlieret vil von ihrer Triebkraft / oder elaſticitet, ſo daß dannzumal das Gleichgewicht zwiſchen der inne - ren / und auſſeren Luft aufgehebt wird. Unfehlbare Zeugen deſſenſind die Wet - terglaͤſer / Barometra, Thermometra, und auch die bey den Windloͤcheren und Grotten / Æeoliis Cryptis, gemachte / anderſtwo anzubringende Proben. Jndeſſen / da die aͤuſſere Luft geſchwaͤchet wird / ſpilet die innere / ſo in den kluͤf - ten der Erden ſich aufhaltet / den meiſter.

Æolus hic elauſo ventorum Carcere regnat. Virg.
und Lib. 1. Æneid.
Hic vaſto Rex Æolus antro
Luctantes ventos, tempeſtatéſque ſonoras
Jmperio premit, ac vinclis & carcere frænat.
Jlli indignantes magno murmure Montis
Circum clauſtra fremunt.

Die innere Luft / ſo lang ſie von der auſſeren gewaltig getrukt wird / bleibet in ihren Loͤcheren / ſo bald aber diſe ihre Trukkraft / und elaſticitet nicht mehr kan außuͤben / wie zuvor / machet ſich jene auß ihren holen Gehalteren hervor / und blaſet mit gewalt durch alle offene Gaͤnge / wie wir ſehen in den Grotten / in welchen der Sommer die Luft außblaſet / der Winter aber von auſſen hin - eintringet. Jſt hiemit die auſſere und innere Luft anzuſehen / als zwey ſtarke Fechter / von denen bald der einte oben liget / bald der andere / oder / wie zwey maͤchtige Potentaten / welche gegen einander zu Feld ligen / und bald gewin - nen / bald verlieren; denen zukomt bald eine zeitung von verlurſt etlich 1000 in einer groſſen Feldſchlacht / bald eine andere von gefangen nem̃ung etlich100.(174)[174]100. in einer Parthey. Wann wir endlich mit den augen unſers Gemuͤts hineinſehen in die iñere geſtalt der Erden / wie ſolche hier und da / ſonderlich in Bergichten Orten / durchgeloͤcheret mit holen Kluͤften / oder Gaͤngen / in wel - chen die enthaltene Luft kan ihre ungehinderte bewegung haben; wie auch di - ſe Hoͤlinen allerhand Geſtalten koͤnnen an ſich haben / bald weit und hoch ſind / bald eng / bald grad / bald krumm / auch etwañ Schneckenfoͤrmig / uͤber diß auß denen Grundſaͤtzen heutiger Natur wiſſenſchaft wiſſen / das ein durch krumme Schnecken Gaͤnge getribene Luft einen ſtarken Thon erwek - ket / ſo koͤnnen wir ohne mehrere weitlaͤuffigkeit von unſerer vorhabenden Na - turgeſchicht diſen Endſchluß machen / daß unter bedeuteten Seen die innere Erden eine ſolche krum̃ holloͤcherichte geſtalt habe / durch welche der Unter - irꝛdiſche an gewalt verſtaͤrkte Luft / oder Æolus getrieben keinen andern auß - gang findet / als in mitten der Seen ſelbs / in welchen er anfangs erwecket ein wirblichte bewegung / und aufſchwellen / hernach mit macht durch - und auß - bricht / under ſtarkem Gethoͤn / welches ſich eeliche Meilen weit erſtrecket.

Reiſe uͤber den Spluͤgerberg.

Durch unſere Helvetiſche Lande gehen in Jtalien zwey Haubtſtraſſen / die einte uͤber den Gotthard / welchen Berg wir oben blatt 18. beſchrieben / follkom̃ner aber beſchreiben werden bey einem anderen anlas. Dißmal komt unter unſere Betrachtung der zweyte Haubtpaß uͤber den Spluͤgen / an welchen wir kommen uͤber Chur / durch das Domleſchger Thal / weiters durch Tuſis / oder Toſanne / die ſo genante Via mala, welche auch oben bl. 56. beſchriben worden: folglich dem hinderen Rhein nach durch das Schamſer Thal / bis man endlich komt in das Dorff Spluͤgen / ſo unten am Berg ligt. Diſer nam̃hafte / in dem Oberen Pundt ligende Berg heiſſet Spluͤgen / Spluͤgner / Speluga, Spluga, Urſulus, Urſus, Culmen Urſi Montis, Colmen del Orſo, Urſchler / Urſcheler / bey Vignerio auch S. Bernhardini Mons, bey andern auch Avicula. Er iſt Som̃er und Win - ter / zu Roß uud Fuß wandelbar / und ſcheidet Spluͤgen / das Dorff / und das Thal Gampolſchin / Campus Altinus, von einander. Gleichwie auch alle hohen Helvetiſchen Gebirge koͤñen / und muͤſſen / angeſehen werden vorꝛei - che Waſſergehalter / welche vil Bruͤnnen / Baͤche und Fluͤſſe / von ſich geben / alſo koͤnnen wir ins beſonder von dem Spluͤgerberg ſagen / daß hieher / ge - gen dem Dorff Spluͤgen / flieſſe ein Waſſer / welches ſich in den hinderen Rhein ſich ergieſſet: gegen Mittag aber entſpringe die Lyra, ein Fluß / wel -cher(175)[175]cher durch Gampolſchin hinab flieſſet / bey Claͤven in das Waſſer Mai - ra, ſo auß Bergell komt / ſich außlaͤhret / und dann weiters 8. Jtaliaͤniſch Meilen unter Claͤven in den Chumer See fallet. Steiget man von Spluͤ - gen den Berg auf / ſo trift man hin und wider an aufrechte Stangen / welche Marcellinus heiſſet ſtylos ligneos, die Puͤndtner Stazas, und / wie oben Bl. 71. angedeutet worden / zu denen zeiten da der Berg mit Schnee beleget iſt / denen Saͤumeren / und anderen Reiſenden / den waͤg zeigen. Die oberſte hoͤhe des wegs / dann uͤber diſe noch hoͤhere und groͤſſere Berge ſind / habe A. 1700. gefunden / daß das ſie erhebt uͤber das Dorf Spluͤgen 1080. Schuhe / und uͤber Zuͤrich 3260. Zu groſſem vortheil der Reiſenden iſt oben auf dem Berg ein Wirthshauß / welches verſehen nebſt andern Nohtwendigkeiten mit ei - ner Glock / deren Klang den Reiſenden im Winter dienet an ſtatt eines Wegweiſers / uñ ſie weiſet gegen dem Hauß ſelbs / welcher oft ſo eingeſchneyet / daß man es von weitem nicht wol ſehen kan / und nebſt deme durch den ſchar - fen Nordwind / und hellen Glanz des Schnees das Geſicht ſo vergehet / daß man daſſelbe in die weite nicht wol brauchen kan / in welchem fall demſelben muß zu huͤlff kommen ein anderer Werkzeug / namlich des Gehoͤrs. Auf diſer hoͤhe des Wirthshauſes iſt eine zwey ſtunde lange ſchoͤne Ebne / mit frucht - baren Wieſen / welche aber wegen lang bleibenden Schnees erſt im Augſt - und Herbſtm. gemaͤyet werden. An dem weg ligen aufgerichtete Steinhauf - fen / welche denen Reiſenden gleichen Nutzen ſchaffen mit obbemeldten Stan - gen. Ehe wir diſe Berg Ebne verlaſſen / muͤſſen wir uns erquicken an liebli - cher von Jtalien her blaſenden Luft / welche die Reiſenden gleichſam in ein ander Clima fuͤhret. Dann auf Mitnaͤchtiger Seite gegen Spluͤgen ge - meinlich nicht nur alles wild außſihet / ſondern anbey der kalte Nordwind blaſet / ſo gar / daß man in mitten des Sommers oft meint / man muͤſſ〈…〉〈…〉 erfrie - ren / wie ich ſelbs erfahren in obbemeltem Jahre. Hat man aber die hoͤhe des Bergs uͤberſtiegen / ſo genieſſet man eine liebliche von Mittag her waͤhende Sommerluft / mit welcher man forthin ſich erquicken kan bis auf Claͤven / und anbey gewahren / wie die gegen Jtalien ligende Thaͤler nicht nur waͤrmer / ſondern auch fruchtbarer ſeyen als die diſſeitige / ſo gegen Norden ligen / aller - maſſen in dem Gampolſchiner-thal / und zu Cleven ſelbs / ein ſuͤſſer vorſchmak ſich findet von Jtalieniſchen Fruͤchten / als zum Exempel edle Trauben / Fei - gen / Citronen / ꝛc. Worauß wir gleich als im vorbeygehen ſehen / wie die Winde ihre Eigenſchaften hernem̃en von denen Laͤnderen / durch welche ſie herwaͤhen / und auch ſelbs der Sudwind in den Helvetiſchen Landen ſo gegenJtalien(176)[176]Jtalien ligen / vil waͤrmer geſpuͤret wird / als in anderen / ſo jenſeits den Alp - gebirgen gegen Norden ligen / und einen zwar auch warmen / aber mit vilen Schnee - und Eißtheilchen vermiſchten Mittagwind haben. Obbeſchrie - bener verſchiedenheit des Spluͤger-lufts gedenket auch Burnet Voyag. de Suiſſe. p. 168. Gehet man weiters uͤber diſe Baumloſe ebene des Spluͤ - gerbergs fort / ſo triffet man ohngefahr eine ſtunde vom Wirthshauß an ei - ne oͤde Herberg / ohne Wirth / ſo gleichwol mit Mauren eingefaſſet / damit die Saumer / und Saumpferde / bey anſtehendem Ungewitter ſich unter das Tach begeben koͤnnen. Hier / bey dem Hauſe / kan der Reiſende ein Abbil - dung haben der Orientaliſchen Reiſen / und auch deren / welche durch Spa - nien vorgenommen werden / da man namlich muß mitbringen / was man wil zehren / und der Reiſende eine doppelte Perſon des Wirths und Gaſts zugleich vertrittet. Wo man den Berg abzuſteigen anfangt / ſtehet ein al - ter / mit dicken / und ſtarken Mauren verſehener Thurn / welcher zweifels ohne vor diſem iſt gebraucht worden an ſtatt einer Hochwacht / von welcher man zugleich im fahl der noht ſich hat / gleich als auß einer Veſtung / wehren koͤn - nen. Das erſte Dorf / ſo jenſelt des Bergs / annoch auf dem Berge liget / iſt Madeſen, welches vor das Tarveſedum der alten gehalten wird von Gu - ler. Ræt. p. 194. b. Da hingegen andere / als Tſchudius Helvet. Antiq. Mſc. Plantin Helvet. antiq. & nov. p. 347. Simler Comment. de Al - pib. p. 104. b. Das Tarveſedum, deſſen Antoninus gedenket in ſeinem Jtineratio, anſehen vor das Dorff Spluͤgen ſelbs. Von Madeſen hinab in das Thal Gampolſchin gehet ein an vilen Ohrten in Felſen geſchnittene Landſtraß / welche mit groſſen unkoͤſten der Anwohneren muß unterhalten werden. Es haben ſonderlich die / welche dergleichen Straſſen nicht vil ge - wohnet ſind / ein entſetzliche beluſtigung / wann ſte einerſeits hinunter ſehen in erſchrecklich tieffe Abgruͤnde / anderſeits ihre augen werffen auf verſchiedene von ungemeiner hoͤhe herabfallende / und inwaͤhrendem fall rauſchende / und ſchaumende / Waſſerfaͤlle / und durch deren brauſendes Getoͤß die Ohren er - fuͤllen. An dem Fuß des Bergs liget das Dorff und Thal Campo Dol - eino. Gampolſchin / Campus Altinus, Campus Dulcinus genant: Es iſt aber eigentlich hier noch nicht das end des Spluͤgerbergs / dañ von Gam - polſchin weg nach einer vierthelſtuͤndigen Ebene bis auf Claͤven / in die 5. ſtunde lang man immer nidſich zugehen hat: zwaren durch anmuthige Ka - ſtanien-waͤlder / und Obs - oder fruchtreiche Wieſen und Aeker / welche viel - mal auf Felſen ligen / und kaum 4. ſtund in die laͤnge / oder breite haben.

(177)[177]N. 45.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von der hoͤhe des Spluͤgerbergs.

WAnn wir die ſchrege hoͤhe des Spluͤgerbergs rechnen von der oberſten hoͤhe bis auf Cleven / welches 7. ſtund außmachet / ſo wird uns nicht ſo groß vorkommen die ſenkelrechte oder perpendicular - hoͤhe des Spluͤgerbergs his auf Claͤven / beſtehende in 3540. Schuhen / oder auf Zuͤrich 3260. worauß zuſchlieſſen / daß Claͤven tieffer liget als Zuͤrich 280. Schuhe.

Von denen Lavetzſteinen / und ihrem Gebrauch.

Ein ſeltſames Naturwunder / welches der allweiſe Schoͤpfer unſern Helvetiſchen Landen zugetheilt / und allen anderen / ſo vil bisher bekant / abgeſagt. Jhme hat gefallen wollen / die hohen Alp-Firſten zu unterſtuͤtzen mit Felſen / deren geſtaltſame eine Goͤttliche Baukunſt anzeiget / und ſihe! under / und in ſolchen Felſen gibt es allerhand Mineralien / und Metall / welche bald zu diſem / bald zu jenem Gebrauch dienſtlich ſeyn. Alſo iſt nichts umſonſt / ſondern alles koſtlich außgeziert an dem Erden-inſonderheit aber an unſerem Eidgnoͤſſiſchen Berg-Gebaͤu. Unſere Mauren ſind aufgefuͤhrt nicht von Lett / Kalk / und bloſſen Steinen / ſondern von Gold / Silber / Kupfer / Eiſen / und andern Mineralien / doch nicht / wie wir zu ſeiner zeit ſehen werden / al - ſo / daß ein jeder koͤnne hingehen / und ein reines ſtuck Gold / oder andern Metals von den Bergen abſchlagen / und mit heim tragen. Nein. Es hat dem Schoͤpfer gefallen wollen / ſeine Schaͤtze innert dem Gehalter der Erden / und rauhen Felſen alſo ſtuͤckleinweiſe zuvergraben / das wir durch unverdroſ - ſenen Fleiß / und groſſe arbeit ſie hervorgraben / und dann erſt / nachdem wir ſie mit arbeiten verdienet / zu unſerem Gebrauch maͤſſig anwenden. Unter de - nen rauhen Felſen ſelbs zeiget / und ſchenket / der groſſe Gott uns ſolche / wel - che wir gleich dem Holz koͤnnen traͤyen / oder drechslen / und weilen ſie dasFeuer(178)[178]Feuer auf ungemeine weiſe außhalten / zu Koch - und anderen Geſchirꝛen an - wenden. Diß ſind eben die Lavetzſteine / welche wol verdienẽ / in einer be - ſonderen / und eigentlichen betrachtung vorgeſtellet zu werden. Es heiſſet diſer Stein Ollaris Lapis, Lebetum lapis bey Joh. Auguſtino Pantheo Chi - miſt. (welcher ihne auch ſol genennet haben Petram Columbinam nach der Zeugnuß Geſſneri de Fig. Lapid. p. 111. b.) weilen darauß gedrechslet werden Ollæ, und Lebetes, Kruͤge / Doͤpfe / Haͤfen / und andere Kochgeſchirꝛ / ja auch Blatten / Becher / Schreibzeuge / ꝛc. Bey Staligero heiſſet er Co - menſis Lapis, der Comerſtein. Exercit. ad Cardan. 128, S. 2. Unter wel - chem Titul er ſich auch findet bey C. Plinio, jenem groſſen Naturforſcher / welcher unter Veſpaſiano gelebt / und um das Jahr Chriſti 80. in dem Feuer-ſpeyenden Berg Veſuvio auß allzugroſſer curioſitet / oder wiſſens - begird im 55. Jahr ſeines Alters umkommen; dann alſo liſet man in ſeiner Hiſt. Nat. Lib. XXXIII. cap. 22. Jn Siphno Lapis eſt, qui cavatur, tornaturq́ue in vaſa coquendis cibis utilia, vel ad eſculentorum uſus, quod in Comenſi Jtaliæ Lapide viridi accidere ſcimus. Sed in Siph - nio ſingulare, quòd excalfactus Oleo nigreſcit, dureſcitque, natura molliſſimus. Hierauß erſcheint ſich / daß diſer Stein / und deſſen Gruben / vor mehr als 1600. Jahren bekant geweſen / und mit dem Zunam̃en Co - menſis belegt worden / nicht deßwegen / weil er in der gegend von Como ge - funden worden / wie alſo geurtheilt Agricola Lib. VII. de Nat. Foſſil. ſondern / weilen man ihn zu Cleven gegraben / in Kochgeſchirꝛe geſtaltet / na - her Chum / als ein domalen beruͤhmte Handel-Statt gefuͤhret / und von dannen weiters in Jtalien außgebreitet / wie man auch noch heutigs tags in denen Cleviſchen Stein-Bergwerken anzeigen ſol fiaden / daß man vor gar alten zeiten die Gruben auch gebaut habe. Plinius vergleichet ſeinen Chumerſtein mit Siphnio Lapide, welcher in Siphno / einer Gold und Silberꝛeichen Jnſul im Griechiſchen Meer / gegraben / und auch durch kunſt gedrechslet worden. Wir wiſſen heutigs Tags nichts mehr von dem Siph - nio / koͤnnen aber dem Comenſi Lapidi an die ſeiten ſetzen den weichen Mar - mor / oder Alabaſter / auß deme man allerhand Geſchirꝛe traͤhet / noch mehr aber den ſo genanten Serpentin / Serpentinum, Ophitem, Zeblitium Marmor, den man auß Sachſen in alle Europeiſche Laͤnder abfuͤhret / wei - len auch der einen hohen grad des Feuers kan außhalten. Der heutige Na - men / damit man unſere vorhabende Steine / und darauß gemachte Geſchirꝛe belegt / iſt Laveggi, Lavezzi, Lawezzi / Lavezen / Lavege, wiewol dieSteine(179)[179]Steine ſelbs etwan zum unterſcheid Pietre di Lavezzi genennet werden. Diſe Woͤrter aber alle kommen meines bedunkens her von lebes, lebetis, lebetes, welches in Lateiniſcher Sprach einen Dopf / oder Hafen bedeu - let / allermaſſen man weiters nicht noͤhtig hat / als das erſte e zuverwandlen in a, und das b in u, damit herauß komme Labeti, welches die Puͤndner außſprechen durch Lavezzi, oder Lavetzi. An der Farb ſind diſe unſere Stein aſchfarb / oder gruͤnlecht / und vil weicher / wann ſie erſt hervor gegra - ben worden / als nachdem ſie eine zeitlang gelegen / welches bey allen anderen Steinen wargenommen / und der außfliegenden feuchtigkeit zugeſchrieben wird. Man grabt diſere Stein auß denen Gruben hervor / wie das Erz auß den Bergwerken; Diſe Steingruben heiſſen die Einwohnere Trone, und wenden eine unbeſchreiblich groſſe Arbeit an ſowol in den Gruben auf den Knien einzuſchlieffen / als auch die Steine zuhauen / und auf dem rugken herauß zutragen. Ligen die Steine vorauſſen / oder bey der Huͤtten des Stein - drechslers / ſo muͤſſen ſie erſtlich in eine halbrunde / oder cylindriſche form / wie wir ejn gleiches thun ſehen bey dem Holtz / bereitet / oder gehauen werden. Ein ſolches halbrundes / oder an dem einten end plattes / am anderen außgeboge - nes ſtuck Stein nimmet der Drechsler / haltet den zugeſpizteren theil an das Feuer / daß er wol erwarme / beſtreichet denſelben mit Pech / haltet ihne ge - ſchwind an ein arm dickes abgeebnetes Holz / welches dann ſo feſt wegen aͤuſſerlich zu trukender Luft an dem Stein klebet / daß man es hernach nicht anderſt / als mit gewalt davon ſoͤndern kan / gleich wir auch ſehen / daß zwey wol polierte / auf einander mit oͤhl geriebene / Marmel / ſo ſtark auf einander halten / daß man 20. 30. und mehr pfund damit aufheben kan / ehe ſie von - einander fallen. Wann auf oberzellte weiſe der Stein an dem Traͤyſtul / welcher gleich einer Muͤhle vom Waſſer getriben wird / angeſetzet / ſo nimmet der Meiſter ſeine eiſerne / ſpitzige / anfangs grade / hernach je mehr und mehr krumme Jn ſtrument / arbeitet damit in den Stein hinein / und drechslet auß einem ſtuck Stein 5. 6. oder mehr Geſchirꝛe herauß / die in einanderen ligen / und einen einigen Einſatz außmachen. Endlich beveſinet man diſe Geſchirꝛe mit Eiſernen Banden / damit ſie zum Kochgebrauch koͤnnen uͤber das Feuer gehenkt / und widerum ab demſelben genommen werden. Den ganzen Pro - ceß der Arbeit beſchreibet ſehr wol der beruͤhmte Scaliger. l. c. nach deſſen zeugnuß die Einwohnere des A. 1618. ungluͤklicher weiſe durch einen Bergfall untergangenen Flecken Plurs / alljaͤhrlich ſollen in die 60000. Ducaten mit diſem Steingewerb gewonnen haben. Es erinneret diſer Herꝛ uͤberdiß /(180)[180]diß p. 177. daß in diſen ſteinernen Kochgeſchirꝛen die Speiſen eher und beſſer ſieden / als in anderen / ſo von Meſſing / Kupfer / oder anderem Metall gemachet ſeyn; daß auch die Speiſen in ihrem natuͤrlich guten Geſchmack bleiben / und keinen froͤmden an ſich nehmen. Diſe Geſchirꝛe brechen an - derſt nicht / als durch den fall / und laſſen ſich / wann ſolches geſchihet / widerum durch hefte zuſamen flicken.

Zum Beſchluß melde noch kuͤrzlich an die Ohrte / wo dergleichen La - vezzi außgegraben / und zubereitet werden.

Guler in ſeiner Rhætia p. 193. b. gedenket eines Fleckens / Uſcionum genant / neben Claͤven / deſſen Einwohnere gar nahe alle mit Steinwerk ſich nehren / und pag. 196 des Steinbergwerks neben Plurs: weiters pag. 181. b. eines anderen in dem Malenkerthal / welches ein theil iſt des Veltleins; item p. 188. b. eines anderen ob dem Maſiner-Bad / an dem Fuß des - Goldbergs / auch im Veltlein.

Heutigs tags grabt / und ruͤſtet man auch dergleichen Steine nicht nur zu Claͤven / ſondern auch im Verzaſcher-Thal der Herꝛſchaft Lug - garis / welche unter der Bottmaͤſſigkeit der XII. erſten Orten der Eidgnoß - ſchaft ſtehet.

Von dem ſtarken Foͤnwind / welcher zu außgang des Octobers / und anfang des Novembris / 1705. unſere Schweizeriſche Lande durchwehet / und dem daher entſtandenen ſchaden.

Weilen unſere Helvetiſchen Lande den oberſten Gipfel von Europa außmachen / iſt kein wunder / daß alle Winde auf uns ſtaͤrker zublaſen / als auf andere nidrigere Orte / ja / wie oben bereits gezeiget worden / uns auß unſerem Vatterland wurden vertreiben / wann nicht dem Grundguͤtigen Gott gefallen hette durch den unterſcheid der Thaͤleren / und Bergen / uns und unſere Guͤter / gleich als hinter groſſen Vormauren zubewahren. Auf denen Bergen iſt es gar niemalen ſtill / ein jeder Wind / der auf einer ebene kaum geſpuͤret wird / blaſet dort ſehr ſtark; und gemeinlich kalt / auſſert wañ der Mittagwinde wehet. Auch ſelbs in den Thaͤleren werden die winde gleichſam gefangen / uͤben deßwegen ihre kraͤfte mit groͤſſerem gewalt auß. Wie zum theil vorhabende Hiſtori außweiſet / zu deren foͤlligem verſtand noͤthig ſeyn wird in naͤchſt folgenden Blaͤtteren die Beſchaffenheit des gegen - wertigen Jahrgangs von dem Auguſto her in betrachtung zuzeuhen.

(181)[181]N. 46.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von dem ſtarken Foͤnwind / der vergangnen October und Nov. unſere Land mit groſſem erfolgenden Schaden durchwehet.

JN dem Monat Auguſto hatten wir eine ungemein anhaltende Hitz und troͤkne. Auf denen hohen Alpen ſchmolze der Schnee und die Eisberge ſtaͤrker / als in vilen anderen Jahren / und kan ich bezeugen / daß in meiner dißjaͤhrigen Reiſe uͤber die hoͤchſten Spitzen der Helvetiſchen Gebirgen daſelbſt geſpuͤrt habe eine ſolche Waͤrme / dergleichen mir um diſe Jahrzeit auch auf nidrigeren Gebirgen nie vorkommen. Jn zeit von 4. Wochen hatten wir kaum zwey tag Regenwetter. Diſere Witterung mach - te hoffnung zu reicher einſamlung koſtlicher Herbſtfruͤchten. Es hat aber der Außtrag gezeiget / daß diſe zeit zwar in anſehung der waͤrme denen Fruͤchten vortheilhaftig / aber wegen mitlauffender troͤkne ſehr nachtheilig geweſen / weilen der Nahrungsſafr durch beſtaͤndige außdaͤmpfung auß der Erden / und den Pflanzen ſelbs ihnen entzogen worden / daß ſie nach geſtaltſame der Jahrzeit nicht genug nachwachſen koͤnnen. Hierauf bis mitten Septembris war die Witterung kalt und naß. Die Feuchte zwar ſchiene die von allzu - groſſer troͤkne in dem wachstum verhinderte Fruͤchte widerum nachzubrin - gen; die Kaͤlte aber zoge die Zaͤſeren der Gewaͤchſen alſo zuſamen / daß man gleichſam ohne hoffnung war / trinkbaren Wein zumachen / und die Baum - fruͤchte auch in ihrer groͤſſe eingezogen worden. Zu ende des Sept. aber und zu anfang des Octobris kamen widerum lieblich warme / mit warmem win - de / und Regen / unter miſchte Taͤge / welche endlich die Trauben zu bald foͤlli - ger reiffung bequem machten. Es iſt zwaren auf denen hohen Gebirgen / und auch zwiſchenligenden Thaͤleren unter der Regierung obgemeldter kalt und feuchter Witterung der Schnee zeitlich / und in groſſer menge / eingefal - len / daß man / ehe mans vermeinte / ab den Alpen fahren muͤßte / und ein den 4. Oct. in Puͤndten gefallener ſchwerer / auch hoher Schnee die Fruchtbaͤu -men /(182)[182]me zwar durch brechung der aͤſten ſehr verderbt / ſonſten aber durch entſtan - denen Lauen Wind / ohne ſchaͤdliche Kaͤlte zerſchmolzen. Den 8. Oct. abends um 10. uhr ſahe man bey uns einen Ring oder Hof um den Mond / auß deſ - ſen Erſcheinung man / nach anleitung deſſen / was oben N. 1. und 10. pag. 4. und 40. gemeldet worden / wol koͤnte von ſeltſamen Luft-aͤnderungen muth - maſſen / welche auch erfolget. Um die mitte des Octobris hielte in denen ho - hen Gebirgen / und Thaͤleren / vil Tag nach einanderen an ein ungemein ſtar - ker und warmer Foͤn oder Mittagwind / welcher im Glarnerland / Puͤndten / Urnerland / Livinerthal / ſehr vil Taͤcher beſchaͤdiget / auch an hohen Ohrten ganz weggetragen / ja ſo gar Nageltaͤcher (welche von kleinen Lerchinen Schindlen gemachet / und mit eiſer nen Naͤglen angeheftet werden) zerꝛiſſen. Auf diſen warmen / und ungeſtuͤmen Foͤnwind / und in Puͤndten geſehene 2. Regenboͤgen / welche in daſigen Landen um diſe Jahrszeit ungemein ſind / iſt ein ſehr ſtark Regenwetter erfolget / und hat der Schnee aufs neue in denen hohen Gebirgen zu ſchmelzen angefangen / ſo daß theils von dem Regen / theils von dem geſchmolzenen Schnee alle Waſſer ſtark angeloffen / und hier und da merklichen ſchaden verurſachet. Ein Edler Herꝛ und Freund auß dem Domleſcherthal berichtet folgendes. Bey uns ſind alle Waſſer un - gemein angeloffen / ſo daß den 21. Oct. ſt. v. ſonderlich der neben unſerem Flecken Tuſis abflieſſende kleine Bach Nolla mit wegreiſſung der ſtaͤrkeſten Wuhren / oder Daͤm̃en / beſchaͤdigung der Brucken / und Waſſerleitungen / untergrabungen / und hinfuͤhrung des Bodens / Kraut - und Baumgaͤrten / auch anfuͤllung mit unſaglicher Materi des Betts / oder Alvei des Rheins / wordurch diſer uͤberloffen / nicht nur die ſchoͤnen Guͤter uͤberſchwemmet / ſon - der mitten durchgebrochen / und gegraben / jaͤmerlich gehauſet / und gewuͤtet. Es iſt der Nollen mit ſo erſchroͤklichem ſauſen und brauſen / uͤber einander hergetrieben / mit ungeheur groſſen Steinen / Holz / Baͤumen / vermiſchten ganz dicken / dintenfarbigen Materi / welche jeweilen ſich etwas verſteckend ſchwarze Wellen in die hoͤhe trieben / ſo grauſam herunter gefahren / daß kaum die Augen und ohren was entſetzlichers hetten ſehen / und hoͤren koͤnnen; ja kein Entwurff / wie graußlich er were / der Sach ſelbſt / und kaum die Ein - bildung dem Augenſchein wurde entſprechen koͤnnen. Es haben mich / ſchreibt er feheners / glaubwirdige Zeugen verſicheret / daß da die groͤſte Furi hervor - kommen / die Waſſerleitung / ſo uͤber den Nolla mehr als zwey klafter hoch gefuͤhret wurd / durch den bloſſen vorgehenden Dunſt (wie etwan in den Laͤu - winen widerfahrt) ehe die Materi ſelbs ſolche beruͤhret / hinweg geriſſen wor -den.(183)[183]den. Der Schrecken ware ſo groß / daß die Leuthe nicht allein auß den Muͤlli - nen / ſo doch noch unbeſchaͤdiget geblieben / ſonder zu oberſt im Flecken auß den Haͤuſeren ihre Sachen anderwerts in ſicherheit getragen. Jn ſumma / es hat uns der Gerechte Gott mit ſchrecken / und ſchaden heimgeſucht / der auf etlich 1000. Gulden / ſo das gemein Weſen / und beſondere Perſonen leiden / gerechnet wird. Um den Gotthart ſind die Waſſer auch ſehr ſtreng ange - wachſen / ſo daß diſſeits die Reuß / und jenſeits der Teſin mit wegfuͤhrung der Brucken / abreiſſung des wegs / groſſen ſchaden verurſachet. An der Schoͤl - linen / einem engen Paß zwiſchen der ſo genanten Teufelsbrugk / und Geſti - nen / ſol ein ſtuck vom weg wol in die 20. klafter lang eingefallen ſein / wel - ches mit groſſer muͤhe und unkoͤſten widerum hat muͤſſen erſetzet werden / da - mit der Paß auß dem Schweizerland in Jtalien offen bleibe. Jm Glar - nerland ſind die Waldwaſſer ſo angeloffen / daß neben anderm auch 7. ge - woͤlbte Brucken verderbt worden. Zu anfang des Novembris iſt durch anhaltende Regen die Linth ſo hoch angewachſen / daß ſich keine alte Leuthe um gegenwertige Jahrszeit zuentſinnen wuͤſſen. Abſonderlich muͤſſen die Bergwaſſer angeloffen ſeyn jenſeits der hohen Gebirgen auf ſeiten Jtalien / weilen die Zeitungen uns nicht genugſam beſchreiben koͤnnen den elenden Zuſtand / in welchen vil Laͤnder / Guͤter / und Voͤlker geſetzet worden. Auf dem platz zu Luggarus / einem unter der XII. Ohrten Regierung ſtehenden ſchoͤnen Flecken / fuhre man mit Schiffen. Vil andere am Langenſee (Lacus Verbanus, Lago Maggiore) ligende Orte / waren in groſſer gefahr der uͤberſchwemmung. Jn Jtalien war von Pavia bis Voghera anders nichts zuſehen als lauter Waſſer / ſo gar iſt der Teſin uͤberloffen. So hat auch der Po Fluß vil Land unter Waſſer geſezt / und die Menſchen genoͤhti - get / ſich auf die Baͤume / und Taͤcher zu fluͤchten. Das Ferꝛariſche / Man - tuaniſche / Poleſiniſche / und Modeneſiſche / ſtuhnden allerdings unter Waſ - ſer. Und ſollen dem Bericht nach nicht nur vil Haͤuſer weggeſchwemt / ſon - der uͤber 1000. Perſonen ertraͤnkt worden ſeyn. Ja es ſollen hin und wider in Jtaliſchen Landen die Waſſer iñert wenig wochen mehr ſchaden gethan habẽ / als beyde Armeen den ganzen dißjaͤhrigen Feldzug hindurch. Es iſt aber mein Vorhaben nicht / das Papeir anzufuͤllen mit vilen beſonderen auß Jtalien herzuholenden Zeitungen; Jch halte mich allein an der Schweiz / und gehe gleichwol / meinem Vatterland zugefallen / nicht nur in die Nachbarſchaft Jtaliens / ſondern gar uͤber das Mittellaͤndiſche Meer in Aſien. Wie iſt das zuverſtehen? Es beliebe der geehrte Leſer in antwort folgendes zubemer -ken /(184)[184]ken / und nach ſeiner habenden Freyheit meine auch freye gedanken gut zuheiſ - ſen / oder zuverwerffen / oder zuverbeſſeren. Wann ich der vergangenen be - ſtaͤndig warmen / und trokenen Sommer-witterung nachdenke / ſo komt mir die ob unſerem Schweizerland ſtehende ganze Dunſt - oder Luf〈…〉〈…〉 kugel (Ath - moſphæra) vor nicht nur in ihrer ordinari Som̃erlichen Duͤnnung / oder außdehnung / welche unter anderem auß denen hoͤheren Abend - und Morgen - dem̃erungen abzunemmen / ſondern alſo auſſer der ordnung duͤnn / daß ſich ihr groͤſter theil auß unſeren Landen hinweg / und naher Jtalien / und uͤbers Meer in die Tuͤrkiſche / und andere Morgen-Lande gezogen: Gewißlich da - hin eher / als anderſtwohin / weilen gegen Norden die Luft je mehr und mehr dick und dicht / folglich der truckung unſers außgedehnten Lufts widerſtan - den. Jn Aſien ſelbs hat die in ihrer duͤnnung gewaltig verſtaͤrkte Luft ſich ſo weit außgebreitet / bis ſie theils von der kalten und dicken Nord-Luft / einer - ſeits / theils von der dicken ob dem Europeiſchen / Caſpiſchen / Rothen / Per - ſianiſchen / Arabiſchen / und Jndianiſchen Meeren ſtehenden Luft beyderſeits nach gemachtem anlauff nicht nur von weiterem fortſchreiten abgehalten / ſondern gar durch der dicken Luft elaſtiſche Triebkraft zuruk zuweichen ge - noͤhtiget worden / und zwaren / wie leicht zuſehen / eben den Weg / durch wel - chen ſie kommen. Diſes zwar were die natuͤrliche urſach eines auß der Tuͤr - key / Arabien / Perſien und Jndien in Europam / und beſonderbar in unſere Eidgnoͤſſiſche Lande zuruk kommenden Foͤn - oder Mittagwinds / bey deme aber auſſert der waͤrme kein weiterer gewalt ſich wurde zeigen. Hiervon wurde allein der auf ſeiten Jtaliens ligende Alp Schnee ſchmilzen / und dar - von die Waſſer / ſo gegen Mittag von unſeren hohen Gebirgen ablauffen / ſich merklich ergieſſen. Wann wir aber uͤber diß die Luftkugel anſehen als ein in beſtaͤndigen Wellen bewegtes Meer / einen fluͤſſigen coͤrper / deſſen Theil in beſtaͤndigem Gleichgewicht / aber auch in beſtaͤndiger Bewegung ſind / al - ſo daß bald die auf - und abſteigenden / bald allzu nahe auf einander ligenden Wolken / bald die Bergichte beſchaffenheit der Landen / bald andere / und an - dere urſachen eine auch ſanft daher fahrende Luft koͤnnen einen ſolchen trieb geben / daß ein wirklicher / und ſtarker wind erfolget. Hierauß iſt leicht zu - faſſen / wann unſere vorhabende Foͤn villeicht in ihrem Zug uͤber das Mittel - laͤndiſche Meer / und ebnere Laͤnder Jtaliens gemach einher gefahren / erſt aber in unſeren zwiſchen hohen Bergen eingeſchloſſenen Helvetiſchen Thaͤle - ren den jenigen gewalt bekommen / welcher die verhanden geweſene Duͤnſte in Regen verwandelt / die Taͤcher abgedekt / Haͤuſer / Staͤlle und Baͤume um - geworffen / und anderen ſchaden zugefuͤget.

(185)[185]N. 47.)

Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung.

Von denen Erdbidmen / welche in unſeren Landen geſpuͤrt worden den 13. und 17. Nov. diß lauffenden Jahrs.

ES ſtellet uns Gott taͤglich vor augen ſo vil Spiegel ſeiner unum - ſchrenkten Guͤte / Weißheit und Allmacht / als vil natuͤrliche Coͤrper / und deren Eigenſchaften / oder Wirkungen ſein / dardurch uns zuver - anlaͤſen / Jhne / als den urſprung alles guten / zukeñen / und zupreiſen. Wañ wir aber diſe unſere ſchuldige Pflichten gegen Jhme / dem groſſen Gott / ver - abſaumen / ſo befihlet er diſen ſonſt natuͤrlichen Coͤrperen / daß ſie uns dienen ſollen zum Schrecken / oder zur Straff. Ein Exempel des Schreckens ha - ben wir gehabt den 4 Nov. 1704. an einem ſtarken Erdbeben / welche unſer Land erſchuͤtteret / und unſere in Suͤnden ſchlaffende Gemuͤhter billich hat ſollen aufwecken zur Buß. Nun / nach verflieſſung eines Jaͤhrigen Termins / kehret der allgewaltige Schoͤpfer der Natur widerum bey uns ein mit einer neuen Erderſchuͤttung / welche den 13. Nov. Folglich 9. tage ſpaͤhter / als vor einem Jahr / unſere Statt und Landſchaft Zuͤrich in bewegung gebracht / ja auch zu gleicher zeit / nam̃lich zwiſchen 3. und 4. uhr am Morgen / geſpuͤrt wor - den in der Landſchaft Thurgaͤu / in der Grafſchaft Toggenburg / und / wie man berichtet / im Schwabenland / aller orten mit einem vorhergehendẽ knall / und putſch / da dann der meiſten auſſagen dahin gangen / daß nebſt einer Er - zitterung der Haͤuſeren und Fenſteren jedermañ bedunket / man werffe einen ſchweren Sack auf den boden. Zu Stettbach hinter dem Zuͤrichberg hat ein Mann / der auf der Reiſe war / nebſt der Erzitterung gewahret ein zweyfaches Wetterleuchten / wordurch widerum bekraͤftiget wird das / was oben N. 12. p. 47. und N. 22. p. 88. von dergleichen Feurigen Luftgeſchichten geſchrie - ben worden. Jn denen naͤchſt vorgehenden Tagen hatten wir unbeſtaͤn - dige / bald warme / bald kalte / bald trokene / bald naſſe / Witterung. Aber zu anfang des Monats brachte der ungewohnt ſtarke Mittag - oder Foͤnwindauch(186)[186]auch eine ungemeine Waͤrme in unſer Land / daher der Schnee auf den ho - hen Gebirgen aufs neue angefangen ſchmilzen / die Waſſer aller Ohrten an - lauffen / welche groſſen ſchaden hie und da verurſachet / worvon auch oben gemeldet worden. Bey diſer Erdzitterung bliebe es nicht. Zu Egliſau / und dortherum / einer dem Loblichen Stand Zuͤrich zuge - hoͤrigen Vogtey / ſpuͤrte man vier tag hernach / den 17. Nov. abends nach 7. uhren einen neuen Erdbidem / und zwaren ſtaͤrker / als den erſten. Bey wel - chem anlas zugewahren / daß die Gegne um Egliſau / ſo auch die Grafſchaft Baden / Freyherꝛſchaft Sax / nebſt den Loblichen Cantonen Baſel / und Glarus vor anderen Orten des Schweizerlands denen Erderſchuͤtte - rungen unterworffen. Von denen natuͤrlichen Urſachen der ſo oft - maligen Erſchuͤtterungen des Glarnerlands / und ſonderlich des Groſſen Thals / iſt bereits gehandlet worden N. 31. p. 121. ꝛc. und fuͤgen wir zu mehrerer bekraͤftigung deſſen / was domals geſchrieben worden / hinzu / das von Schwanden bis ins Linthal ſich aller Orten zeigen Schwefelbruͤñen / und andere Mineraliſche Waſſer / worauß die Materialien zu einem Unter - irdiſchen Feuer ohnſchwer koͤnnen hergeleitet werden. Von der Statt und Landſchaft Baſel iſt zuvermuthen / daß die unter Jhro gelegenen hoͤlinen / in welchen ſonderlich vil Schwefel / und andere dergleichen Materialien / gele - gen / waͤhrenden ſo gar ſtarken Erſchuͤttungen in den Jahren 1357. 1372. 1416. 1428. 1444. ꝛc. von welchen oben N. 32. p. 125. meldung geſchehen / ein - gefallen / und mit Felſen / Sand / und anderer dergleichen nicht entzuͤndlichen Materi verſchuͤttet worden / weilen man gewahret / daß ſint ungefahr 100. Jahren die Erdbidem allda nimmer ſo oft und ſtark geweſen / wie vor diſem / ja mehrmalen in andern Orten des Schweizerlands Erſchuͤtterungen ge - ſpuͤrt worden / und aber Baſel laͤhr außgangen. Egliſau / Sax / und Baden / halb iſt auß ihrer Situation / oder Beſchaffenheit ihres Lagers zu - ſchlieſſen / daß ſolche gleichſam unterminiert mit vilen holen Kluͤften und gaͤn - gen / in welchen eine entzuͤndte Materi nothwendig muß die obere Erden - Rinde aufheben / und in eine Erzitterung bringen. Es ſenkten und lenkten ſich alldort in erneuerung der Erde nach dem Suͤndfluß die Berge und Fel - ſen von allen ſeiten gegen einander / ſo daß ſie gleichſam ein natuͤrliches Ge - woͤlbe muͤſſen außmachen / unter welchem dann die holen Minen / oder gaͤnge ſein. Es ſol uns billich die betrachtung ſo thaner Naturgewoͤlben ſetzen in eine heilige forcht / und anmahnen zu einem beſtaͤndig frommen Leben / wei -len(187)[187]len wir niemalen / Menſch - und natuͤrlicher weiſe zureden / ſicher ſind; dann / lieber / wo wollen wir hinfliehen / wann die Erde / welche uns tragen ſol / ſelbs wanket? Was vor Mittel wollen wir ergreiffen / wann die ſchwankende Pfeile diſer Gewoͤlben einfallen? Hieruͤber kan mit luſt geleſen werden / was der gelehrte Redner Seneca ſchreibet Lib. VI. Quæſt. Nat. cap. 1. Um ſo vilmehr haben wir hohe urſach / mit unſerem Gott uns zu verſuͤhnen / weil unſer Schweizeriſches / mit Bergen uͤber diß beſchwertes / Erdengewoͤlb be - reits vil ſtoͤſſe außgehalten / und wir ſo wol auß diſen Natuͤrlichen urſachen / als auch moralibus cauſis, ich verſtehe die uͤberhand nem̃enden Suͤnden / und Boßheiten / vermuhtlich merken koͤnnen / daß der terminus fatalis nicht mehr weit von uns abſtehe / da Gott nach ſeiner ſtrengen Gerechtigkeit / und unerforſchlichen Weißheit / die Pfeiler unſers Lands kan laſſen einſinken / und uns durch die Eide ſelbſt verſchlucken.

Von vilen Waſſerquellen zu Flims.

Diſes Dorf Flims / Flyms / Flemeſium, ad Flumina, liget in dem Oberen Grauen Pundt / ohngefahr 1000. Schuhe in perpendicular - oder aufrechter hoͤhe uͤber Reichenau / und hat ſeinen alt Lateiniſchen / oder je - zig Puͤndtneriſchen Nahmen von vilen Waſſerquellen / welche alldort ſich finden / dann Flim in daſigen Landen heiſſet einen Fluß / und hat zweifelsohn diſeres Wort ſeinen urſprung vom Lateiniſchen Flumen. Es ſind zwaren alle unſere Helvetiſche Gebirge anzuſehen als Schatzreiche Waſſergehalter / wie die von ihnen abflieſſende unzehlich vil Bruͤnnen / Baͤche / und Fluͤſſe deſ - ſen genugſame Zeugen ſeyn. Nirgends aber habe ich bis dahin ein ſo ſelt - ſame vile / und haͤuffige / hervorquellung koſtlicher / Cryſtall lautern Waſſeren geſehen / wie zu Flims. Jn dem Dorf ſelbs zehlet man in die 13. Haubt - quellen / deren etliche unmittelbar an dem Ort / wo ſie hervor kommen / einen halben / andere einen ganzen / einiche auch zwey Schuhe breit ſeyn / und mit gewalt hervor trucken. Einiche von diſen Brunn - ja Bachquellen ſind be - ſtaͤndig gleich / das ganze Jahr auß / andere aber flieſſen nur / gleich denen Meybruͤnnen / eine gewuͤſſe zeit. Von diſen urtheilen die Einwohnere / daß ſie herkommen von dem auf hohen Alpen flieſſenden Eis und Schnee / von jenen aber / daß ſie entſtehen von denen auß dem inneren Eingeweid der Erden aufſteigenden duͤnſten. Wer wird nicht hierauß ſchlieſſen / daß in un - ſerem Schweizerland auch die ungeſtudierten die beſten Naturkuͤndiger ſein? Und gewißlich gefallen mir deren vernunft urtheile oft beſſer / als die ſpitzfuͤn - digſten Hirngrillen der gelehrteſten Maͤnneren / welche die Natur nirgends /als(188)[188]als in ihren Buͤcheren / oder gar allein in ihrer Einbildung geſehen. Wer die ſituation, oder Lagerſtatt hieſiger gegend mit verſtand anſihet / der wird un - ſeren ungelehrten Lehrmeiſteren bald beyfall geben / und zugleich die beruffene ſchwere Streitigkeit von dem urſprung der Bruͤnnen / ob ſelbige herzuleiten ſeyen von dem Regen / Eis / und Schnee / oder unterirꝛdiſchen Duͤnſten? ohne groſſe muͤhe entſcheiden. Es liget diſes Dorff an dem Fuß des Bergs Ober - Alp / deſſen hoͤhe nicht zugeſpize / ſondern mit breiten / ganzen / oder mehrtheils ungeſpaltenen Felſen / gleich ein Brennhafen mit ſeinem beſchloſſenen Helm / bedekt. Diß iſt eben die urſach / warum die unterirꝛdiſche aufſteigende Duͤn - ſte nicht ſo leicht koͤñen außrauchen / ſondern gezwungen werden an dem obe - ren Berghelm anzuſtoſſen / und ſich in die hole Waſſergehalter / ſo in dem Berge verborgen ligen / zuſamlen / woher dann durch hole / under der Erden fortgehende Canaͤle die Waſſer geleitet hier und da mit gewalt / wegen des hohen falls hervor quellen / da indeſſen andere / ſo nicht allezeit flieſſen / wol koͤnnen von dem in die Erdenſpaͤlte eingetrungenen Regen-Schnee - und Eißwaſſer herkommen / und alſo beyde obeingefuͤhrte Meinungen gar wol mit einander verglichen werden. Die nam̃hafteſte Quell heiſſen die Ein - wohnere Gorg / als wolten ſie ſagen Gurge〈…〉〈…〉. Diſere iſt maͤchtig / ſo bald ſie hervor gefloſſen / eine dabey ſtehende Muͤhle zutreiben. Ein andere heiſſet Jlg Davôs. Vier andere Quellen tringen hervor in der weite von 11. ſchuhen in der gegne Furnaſch. Es ſein die Einwohner ſo delicaten Geſchmaks / daß ſie die einten Quellen den anderen vorzeuhen. Jch hab die ſo verſchieden ſeyn ſollen / fleiſſig gegen einander abgewogen / und eines gewichts befunden. Von den Einwohneren iſt merkwuͤrdig / wie mir der Ehrw. Hr. Antonius Ro - ſelius, treueiferiger Pfarꝛer des Orts angezeiget / daß ſie gemeinlich vor der zeit graue Haar bekommen. Sie ſelbs ſchreiben die Urſach zu diſen vilen Waſſerquellen / ob aber diſes vernunft urtheil ſo gluͤcklich ſeye / als das von dem urſprung ihrer Waſſeren / uͤberlaſſe dem geehrten Leſer. Jch meines Orts wolte eher in betrachtung ſetzen die hohe ſituation des Dorfs ſelbs / und alldortige ſubtile Luft / und durch die meiſte zeit des Jahrs regierende Kaͤlte / von welchen die Hautzaͤſeren / und Schweißloͤchlein naͤher zuſamen - gezogen werden / als andern Puͤndteren / ſo in den Thaͤleren wohnhaft ſind; wordurch dann / gleich bey alten Leuthen zugeſchehen pflegt / eine geringere Nahrung denen Haaren zukomt.

P.S. Mit und nebſt diſer letſten Zeitung hat der geehrte Leſer zuempfangen das Titul, blatt des ganzen Erſten Theils / und deſſen Regiſter / welches er verhoffentlich wird geneigtwil, lig / und zu vernuͤgen / aufnemmen.

Zu fehrnerem Bericht dienet / daß ein ganzes Exemplar koſtet 1, Gl. 12. ß.

About this transcription

TextBeschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands
Author Johann Jacob Scheuchzer
Extent225 images; 67175 tokens; 14017 types; 480465 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationBeschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands Erster Theil Johann Jacob Scheuchzer. . [2] Bl., 188 S., XI, [2] Bl. SelbstverlagZürich1706.

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ETH Zürich ETH-Bibliothek ETH-B Zürich, 10.3931/e-rara-12115http://dx.doi.org/10.3931/e-rara-12115

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ClassificationFachtext; Geographie; Wissenschaft; Geographie; core; ready; china

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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