Denen Hoch - und Wol-Edelgebornen / Geſtrengen / Fuͤrſichtigen / und Weiſen / meinen Hochgeachten / Hoch - geehrteſten Herꝛen und Goͤnneren. Hr. HERCULES von SALIS, geweſenen Podeſtà zu Morbegno, dißmalen des Kleinen Rahts zu Chur. Hr. RODOLF von SALIS, geweſenen Lands. Haubtman zu Sonders im Veltlein. Hr. FRIDERICH ANTHONI von SALIS, ge - weſenen Haubtman in Frankreich von Jhr Koͤnigl. Ma - jeſt. Guarde / und Directori eines Lobl. Gottshauß Punds. Hr. ANDREA von SALIS, Obriſt Lieut. in dien - ſten Jhr Koͤnigl. Majeſt. in Frankreich. Wie auch der Wol-Edelgebornen / mit hoher Ehr und Tugenden gezierten Fraͤulein Fraͤulein ANNA MARGARETHA von SALIS, meiner Hochgeneigten / Hochgeehrten Goͤnnerin. ab Soglio.
Zuͤrich / den 1. Jeñer / 1706.Eigne den Erſten Theil des Schweizerlands Naturgeſchich - ten zu einem Zeichen ſchuldiger dankbarkeit / vor bisher genoſſene hohe Gunſt-gewogenheiten / nebſt herzlicher wuͤnſchung fehrneren Leibs - und Seelen vernuͤ - gens / zu Jhr demuͤtig ergebenſter Diener D. Scheuchzer.
ES hat die von dem allguͤtigſten Schoͤpfer allen vernuͤnfti - gen Menſchen eingepflanzete Wiſſensluſt mich in ſo weit getriben / das von meiner Jugend an mich moͤglichſtens befliſſen auf die erfor - ſchung der Natur / und ſo thane arbeit vornem̃lich gerichtet auf unſere Eid - gnoͤſſ ſche Lande / deren Naturwunder in vilen zu dem End angeſehenen Rei - ſen / mit nicht geringer Muͤhe und Unkoͤſten / fleiſſigſt unterſuchet / und darvon bereits einen ſo groſſen Vorꝛaht geſamlet / daß nunmehr nach Mittlen trach - ten ſol / wie ſolche von mir ſelbs gemachte Obſervationen koͤnnen zu der Eh - re des Hoͤchſten / zum nuzen des Vatterlands / auch jeden Privat-perſonen bekant werden. Zu dem ende / damit ich ſowol gelehrten / als ungelehrten / auf - warte / habe mir vorgenommen / wochentlich in form eines halben Bogens / ei - ne oder etliche Natur-Geſchichten Loͤbl. Eidgenoßſchaft in teutſcher Sprach vorzulegen / und daruͤber meine Gedanken zueroͤffnen; Vornem̃lich aber an - dern anlas zugeben / in mehrerm mich uͤber eint und anders zuberichten / meine Meinungen zuverbeſſeren / und ſonſten auf die natuͤrliche Begebenheiten un - ſers Vatterlandes genauͤere achtung zugeben. Weilen auch in hoffnung ſte - he / es moͤchte diſere meine wolgemeinte Arbeit curioſen Gemuͤtheren nicht mißfallen / folglich ſolche ungewohnte Zeitung von ihnen aufbehalten wer - den / als habe mir vorgeſetzet / mit Gottes hilff / zu end des Jahrs ein ordenlich Regiſter zuverfertigen / und dem letſten Bogen beyzulegen.
ES iſt bekant / wie zu Herbſtzeiten ſowol die Buch - als an - dere Baͤume die lebbaft gruͤne Farb ihrer Blaͤtteren / in ein dem Aug zierlich vorkommendes vilfarbiges Kleid veraͤndern / welche Begeben - heit nach denen heutigen Grundſaͤtzen von der Farben Natur zweifels ohne herzuleiten iſt von deme / das der durch den Fruͤhling und Sommer auf die Baͤume / Stauden / und Kraͤuter geſtiegene Nehrſaft nun / bey annaͤherender Kaͤlte / wegen eingezogener geſtalt der Nahrungs-gefaͤſſen / nicht mehr in ſo foͤlliger maß kan einflieſſen / weßwegen auch die Stiel verꝛumpfen / und abdor - ren / die Fruͤchte und Blaͤtter abfallen / und beyde ein angenchme vilfaltige Schoͤnheit anzeuhen. Diſe vernuͤnftelung laſſet ſich nicht wol zueignen der jenigen Begebenheit / welche jezt erzehlen wird. Bey Buch / einem in der Herꝛſchaft Andelfingen / Zuͤricher-Gebiets ligenden / wenigſt 200. Schuh uͤber unſere Statt erhoͤchten Dorff / auf dem ſo genanten Stam̃ - berg / ſtehen unter anderen Buch-Eich - und uͤbrigen Waldbaͤumen drey Buchen / welche von der gemeinen in ganz Europa bekanten Art darinn abweichen / daß ſie ihr buntes Kleid beyzeiten zu anfang des Sommers an - legen / und ſonderlich um das H. Pfingſt-Faͤſt ein verwunderlich ſchoͤne roͤhte dem Geſicht vorſtellen / ſo daß die rund in die zwey ſtund umher wohnende Bauren dannzumal hauffig ſich herbey ſamlen / um von diſen Blutrohten Baͤumen Blaͤtter und aͤſtlein abzubrechen / und auf den Huͤten naher Hauß zutragen. Es iſt diß anbey verwunderlich / was die Anwohnere von diſen Buchen außgeben / daß ſie anderer Ohrten / wohin ſie verſetzet werden / nicht wachſen / als ob ſie keiner andern / als der ihnen anerbornen Erden waͤhrt we - ren / oder alle andere Nahrung verachteten. Es heiſſet hier nicht / Patria eſt, ubicunque benè, weilen diſen Baͤumen nirgends wol iſt / als in ihrem Vat - terland. Jn groͤſſere verwunderung aber ſol uns ſetzen / was die Beywohnere uͤber eine ſo ungewohnte Sach vernuͤnftelen. Sie geben vor / daß vor zei - ten fuͤnf / andere vier / Bruͤder ſich unter einander auf eben diſem Platz ermoͤr - det / und ſeyen auß gerechter verhaͤngnuß Gottes fuͤnf ſolche mit Blutstro - pfen beſprengte Buchbaͤume allda aufgewachſen / zu einem waͤhrenden Ge - denkzeichen einer ſo greulichen That. Hierinn beſtehet der Bauren ganze Philoſophey / die zum oͤfteren nicht zu verwerffen. Diß Ohrts aber fehlet ih - nen und uns an genugſamer Zeugnuß / diſere Geſchicht beglaubt zumachen. Es3Es weißt niemand etwas von der zeit / wann ſich diſe Mordgeſchicht ſolle zu - getragen haben / oder von den Thaͤteren ſelbs / oder von anderen zur wahrheit einer Hiſtori noͤhtigen Umſtaͤnden. Gleichwol iſt diß gewiß / daß die jezt le - bende Bauren ſolche Fabel nicht erſinnet / ſondern von ihren Vorelteren als eine Tradition ererbet haben. Und ſolle hin und wider in alten Urba - rien der rohten Buchen bey Buch meldung zufinden ſeyn; Weßwegen einer in die Gedanken koͤnte gerahten / ob nicht villeicht das Dorff Buch ſelbs moͤchte von diſen ſeltſamen Buchen her den Nahmen bekommen haben. Jch meines ohrts halte davor / daß diſe Buchbaͤume eine von anderen beſon - dere Art außmachen / welche weder mit Blut der erſchlagnen Coͤrpern ernehrt werde / noch auch eines allhier vergoſſenen bluts anzeig ſeye / gleichwol wirdig geweſen were / daß man ſie wegen ihrer ſeltſamkeit / und angenehmen ſchoͤn - heit / dem Jovi Fagutali, (Buchinen Gott) hette aufopferen ſollen; von welchem Abgott der Roͤmern zuſehen. Plin. Hiſt. Nat. L. XVI. c. 10. Mit diſen unſeren blutblaͤtterichten Buchiſchen Buchbaͤumen laſſet ſich meines bedunkens vergleichen ein mit gleich gefarbten Blaͤtteren verſehener Birch - baum / welcher ſich findet in einem Wald / der Abthey Ranton / der Grafſchaft Stafford in Engelland / der gleichfals zu Fruͤhlingszeiten ſo roht außſihet / als ob auf ihne were friſches blut außgegoſſen worden / daher er auch der Blutrohte Birchbaum genennet wird / nach der zeugnuß Roberti Plot. Nat. Hiſt. of Staffordsh. Cap. VI. p. 207. Beyde diſe Birch - und Buch - baͤume haben vermuhtlich eine ſo zuſamen gepreßte geſtalt ihrer Holzzaͤſern / das durch die Nahrungs-gefaͤſſe nur allein koͤnnen aufſteigen die ſubtilen Theil des Nehrſafts / weßwegen die Roͤhr - und Blaͤslein der Blaͤteren nicht ſo wol koͤnnen außgedehnt werden / daß ſie gleich anderen Baͤumen eine gruͤ - ne farb bekommen / worvon aber bey anderm anlas ein mehrers ſol geredet werden.
BEy hellem Himmel iſt diſe Luft-Geſchicht allhier in Zuͤrich gewahret worden / von 9. uhren abends / bis um mitternacht / als ein breiter weiß - lechter Ring um den bald follen Mond / welcher zu end ſeiner Erſchei - nung verſchiedne Regenbogen-farben gezeiget hat. Es iſt diſer Monds - Ring merkwuͤrdig / ſowol wegen ſeiner groͤſſe / als waͤhrung / und bald gleichjenem4jenem / der geſehen worden zu Baſel A. 1557. den 23. Jun. ſo auch von 8. uh - ren bis 11. gewaͤhret hat / nach der Zeugnuß Aldrovand. Hiſt. Monſtr. pag. 744. Fraget man nach der natuͤrlichen urſach / ſo werden die Car - teſianer nach anleitung ihres ſubtilen Lehrmeiſters Meteor. c. 9. ſich vorbilden / viel in den Wolken hangende kleine runde / abgeebnete / oder auch Sternfoͤrmige Eißtheilchen / welche in obbedeuteter kalten Nacht die Luft angefuͤllet / und kraft ihrer geſtalt die eingefallenen Mondes-ſtralen in gleichen winklen ringsweis gebrochen haben. Es wil aber diſe Carteſiani - ſche vernuͤnftelung der heutigen delitaten Welt nicht ein / als welche die zeu - gung obbenenter ſternfoͤrmigen Eisſtuͤklein haltet vor allzu einbildiſch / und von der Natur entfehrnt / gleich ſie auch die thauichte Wolken / darinn der Regenbogen abgebildet wird / nicht anſihet vor wirkliche Troͤpflein / ſondern vilmehr / und mit kraͤftigen (in denen ſo genanten Memoires de Trevoux 1701. p. 235. 273. eingefuͤhrten) gruͤnden darthut / daß es ſeyen kleine runde / hole / leichte Waſſerblaͤslein / in welchen die Liechtsſtralen gleichfals koͤnnen ihre ſpilungen haben / wie durch die troͤpflein. Gewiß iſt diß / daß bey erſchei - nung gegenwertiger Geſchicht die Luft angefuͤllet geweſen mit vilen waͤſſerich - ten Duͤnſten / welche ſich iñert wenig tagen hetten koͤnnen in troͤpflein / oder Schneefloken ſamlen / und alſo das kalte helle wetter verwandlen in Regen oder Schnee / wie dann wirklich diſe Enderung erfolget den 8. und 9. diß lau - fenden Monats / in welchen tagen auch das Quekſilber in denen ſo genanten Wetterglaͤſeren merklich / bey außlaͤhrung des Lufts gefallen; und hierauß zuzeuhen / die muthmaßliche Wahrheit / daß auf dergleichen Mondes-Ringe gemeinlich folgen Wind - und Regnichte Witterungen / welches auch bekraͤf - tigen die Seefahrer / nach der Zeugnuß Dampier Voyag. T. l. p. 495. Um ſo vil eher koͤute man die gefolgte Wetter-Enderung vorſagen die folgende Nacht den 6. Febr. in welcher auch noch etwas von dem vornaͤchtigen Monds - Ring in vorſchein kommen. Ob diſere folge beſſer begruͤndet als jene Joh. Halleri, welcher in ſeiner Chronic. Mſc. ad Añ. 1533. merket / daß auf ſol - chen domals geſehenen Mond-Ring - oder Regenbogen kommen ſeyen ſchwermuͤtige Zeiten / uͤberlaſſe dem ver - nuͤnftigen Leſer.
ES ligen diſe Alpen zwiſchen dem Haubtflecken Altorf / Urner-Ge - biets / und der Herꝛſchaft Engelberg / und kommet man dahin von Urj durch die Alp Waldnacht / auf die oberſte Spitze des Bergs Surenen-Eck genant / deſſen hoͤhe uͤber den Flecken Altorff in ei - ner A. 1702. gethanen Reiſe gefunden / 3280. Schuhe / das wil ſagen 16. bis 17. Muͤnſterthuͤrne / deren je einer uͤber den anderen ſtuhnde. Jen - ſeit der Eck finden ſich die weidreichen Surener - oder Surner-Alpen / in welchen ſich ſol vor etlich hundert Jahren zugetragen haben folgende Ge - ſchicht. Ein Alpler / wie die Urner und Engelberger vorgeben / ſol ein ge - wiſſes Schaff von ſeiner Herde ſo ſehr geliebet haben / daß er es nach Chriſt - lichem Gebrauch (eine zuleſen und zuhoͤren erſchrockenliche Sach) getauf - fet habe. Was geſchiehet? Es wird auß gerechtem Gericht Gottes diſes Schaff verwandelt in ein ſo grauſames Ungeheuer / welches Tag und Nacht dem uͤbrigen allda weidenden Viehe ſo zugeſetzet / daß endlich diſe Alpen zu einer oͤden Wildnuß / und von dem Gottshauß Engelberg an das Loͤb - liche Ort Urj um einen geringen wehrt verkauffet worden. Diſem unwehr - ten Gaſt abzukom̃en / haben die Urner auß einrathen eines fahrenden Schu - lers (von welcher Zauber-Geſellſchaft Wagenſeil. Per Juvenil. Sy - nops. Geograph. pag. 101. berichtet / daß ſie zu Salamanca in Spa - nien von dem Teufel ſelbs / als ihrem Profeſſore unterꝛichtet worden) ein Kalb neun Jahre nach einander ernehret mit Milch / das erſte Jahr zwahr von einer Kuhe / das andere von zwoen / das dritte von dreyen / und ſofort;6fort; nach verfloſſenen 9. Jahren aber in diſe oͤde Surnen-Alpen fuͤhren laſſen durch eine reine Jungfrau. So bald diſer Kalberiſche Stier dort ankommen / habe es ein ſo ſcharfes Gefecht zwiſchen ihme / und dem Geſpenſt abgeben / daß der uͤberwindende Stier nach geendigtem Kampf in follem Schweiß auß dem vorbeyflieſſenden Bach (ſo deßnahender Stierenbach heiſſet) mit ſolch hitziger Begierd getrunken / daß er daruͤber auf der ſtelle tod geblieben. Wer diſe Fabel nicht glauben wil / dem zeigen die Alpler nicht nur den ſo genanten Stierengaden in der Alp Waldnacht / in wel - chem der Stier mit Milch ernehret worden / ſondern auch die Merkmahl ſeiner Klauen / welche er in waͤhrendem ſeinem Streit dem harten Stein eingepraͤget hat. Diſer ſeltſamen Geſchicht auf den Grund zukommen / habe in dem Gottshauß Engelberg (deſſe gegen mir bezeigte Freundlich - keit und Gutthaͤtigkeit anzuruͤhmen nicht vorbey gehen ſol) fleiſſige Nach - ſuchung gethan / und in alten Jnſtrumenten von A. 1472. 1474. und 1515. erſehen / daß eben diſe Surner-Alpen gemein geweſen den Urneren und Engelbergeren / ſo daß diſe beſeſſen haben die Soͤm̃erliche / oder Mitt - naͤchtige Seite / jene aber die Winterliche / oder Mittagige / bis hinab zu des Gottshauſes Sennhuͤtte / die Herꝛen-Ruͤtj genant; Aber um beſ - ſerer Kom̃lichkeit willen ſeyen beyde Partheyen dahin mit einander uͤberein kommen / daß fuͤrohin den Urneren ſolle zugehoͤren der ganze obere Theil der Surenen / und den Engelbergeren der ganze undere. Was aber vor - benanter Zeit paſſiert ſeye / darvon ſtehet / ſo vil man biß dahin weißt / weder in des Gottshauſes Jnſtrumenten / noch in Vatterlaͤndiſchen Hi - ſtorien nicht das geringſte / welches diſe Geſpenſt-Geſchicht wahrhaft machen koͤnte.
TOrff oder Tuͤrff iſt ein alt teutſches / und dißmal ſonderlich in Niederlanden uͤbliches Wort / welches bedeutet ceſpitem bitumi - noſum, ein Erdwaͤchſiſche / auß vilen Wurzzaͤſeren beſtehende / leichte / luftige / in Moſachten Ohrten befindliche Erde / deren man ſich in den meiſten Niederlaͤndiſchen / ſonderlich Vereinigten Provinzen be - dienet an ſtatt des Holzes / und Kohlen / zum taͤglichen Gebrauch in aller -hand7hand Werkſtaͤtten / und der Kuche; Dergleichen Erden findet ſich auch in verſchiednen Orten Frankreichs / Teutſchlandes / Engellands / und denen Orcadiſchen Jnslen; Und haben ſich verſchiedene Scribenten / als Ca - rolus Patinus, Martinus Schookius, &c. befliſſen / ganze Buͤcher von deren bereitung / verſchiedenheiten / Nutz und Gebrauch in Truk herauß zugeben.
Eine ſolche Erde habe bereits vor vilen Jahren in verſchiedenen Ohrten Zuͤricher-Gebiets wahrgenommen / und tuͤchtig erachtet / daß ſie nam̃haft gemachet werde / als ein Mittel / welches den anſcheinenden Holzmangel erſezen moͤchte. Sie findet ſich aber auf dem Wanger-Ried um Urdorff / und den Katzen-See herum / ſo zwiſchen Affholteren und Regenſtorff anderthalb ſtund von der Statt ligt / in groſſer Menge / daß man durch mittel diſer Erde des Jahrs vil 100. Klafter Holz erſparen / die Waͤlder in gutem Aufnemmen unterhalten / und manchem Burger - und Baursmañ damit dienen koͤnte. Gewiß iſt diß / daß auch die Waldreiche - ſten Ort koͤnnen endlich in Holzmangel gerahten / wann eintweder der Uberfluß des Holzes mißbraucht wird / oder man nicht gnugſame ſorge tragt / die Forſte und Waͤlder in gutes wachthum zubringen / oder / wann ganze Waldungen durch ungluͤk abbrennen; wie diß zu groſſem ſchaden der Bergwerken / und andern holznoͤhtigen Verꝛichtungen erfahren die Landſchaft Schams in Puͤndten; So iſt die Landſchaft Rheinwald vor etlich 100. Jahren an Holz uͤberauß reich geweſen / nun aber mangelbar. Tacitus nennet Teutſchland Sylvis horridam Regionem, ein rauhes mit Waͤlderen wol beſeztes Land / wie arm es aber dißmal am Holz ſeye / zeiget die Erfahrung. Anderer dergleichen Exemplen zugeſchweigen. Es iſt auch diß gewiß / das durch allweiſe leitung der Goͤttlichen Regierung / alles zu beſonderem Nuzen erſchaffen worden / von welchen Nutzbarkeiten aber die einten fruͤher / die anderen ſpaͤhter bekant werden / wie deſſen ge - nugſame Exempel ſeyn alle Bergwerke / und in vorhabender Materi des Holzmangels die Steinkohlen Gruben / ſo hin und wider in Flandern / Sachſen / Brandenburg / Engelland anzutreffen. Wer ſihet nicht mit offenen Augen die ſonderbare / alles regierende Guͤte des Hoͤchſten in ſo vilen Veenen, Broeck, Mœr, Marſch, Goor, Donck und Waeſen, das iſt / ſo vilen Mooſachten Erden / oder Torffgruben / ſo in den NiederlaͤndiſchenPro -8Provinzen die einige Zuflucht ſeyn bey bekantem dortigem Holzmangel? Wie verwunderlich feuret man in denen Arabiſchen / Egyptiſchen / und Africaniſchen Wuͤſtenen mit gedoͤrꝛetem Kameel-Koth? Wie muß man ſich im Magdeburgiſchen bedienen des Strohs zum kochen? Wer wil glauben / das nicht auch unſere Moſachten Ried uns im fahl der noht koͤn - ten zu hilſſ kommen? Sie laden uns gleich ſam ein zum graben durch ihre ordinari Unfruchtbarkeit / und wollen damit anzeigen / daß unter ihrem duͤrꝛen / mageren Binzwaſen verborgen ein weit edlerer Schaz / ein wahr - hafter Unterirꝛdiſcher Wald.
Jch wil geſtehen / daß diſere meine ſorgfaͤltige Gedanken / bey genug hoffender Zufuhr des Holzes unnoͤhtig ſeyen / habe gleichwol durch gegen - wertigen Vortrag wollen zeigen / wie die natuͤrliche Hiſtori ihre vilfaͤltigen Nutzen dem Vatterland koͤnne zufuͤhren / wie oft koſtbare / aber in uͤberfluß vorkommende Sachen nirgends hin geachtet werden nach dem alten Auß - ſpruch Senecæ Lib. VII. Nat, Quæſt. cap. 1. Ita compoſiti ſumus, ut nos quotidiana, etiamſi admiratione digna ſunt, tranfeant, concra minimarum quoque rerum, ſi inſolita prodierunt, ſpectaculum dulce fiat. Das iſt / wir ſind alſo geartet / daß wir die Sachen / ſo taͤglich vorkommen / ob ſie gleich merkwirdig / nicht achten / hinge: gen aber die geringſte / aber ungewohnte Dinge / mit verwunderen - den Augen anſehen.
P. S. Jn der Zeitung N. 1. iſt zu gewahren daß das Dorf Buch ligt in der Frey-Herꝛſchaft Wuͤlflingen / vor welche geſezet worden An - delfingen. Und iſt merkwuͤrdig / daß diſeres Dorff auch in ſeinem Wa - pen-Schild fuͤhret eine rohte Buchen / welches dann meine von dem Al - terthum der Natuͤrlichen allda befindlichen Rohten Buchen / und ſo auch die gemachte Muhtmaſſung von des Dorfs urſpruͤnglichem Nahmen / nicht wenig bekraͤftiget.
JN diſer Wiſſenſchaft werden die Naf-weiſe Sterngucker weit uͤbertroffen von unſern gemeinſten Bauren. Jene gruͤnden ihre in den Kalenderen ſtehende Wetter-Propheceyungen auf cuele / in ihrem eigenen Hirn geſponnene / in der That falſche Grundſaͤtze / da diſe allein achtung geben auf die Natur / auf und ab - ſteigende Wolken / auf die beſchaffenheit des Lufts / auf das verhalten ihres Viehs / und andere dergleichen vor ihren augen ligende dinge. Klug-einfaͤltige Leuthe / welche die Sternwirkungs-weiſe lauffen laſ - ſen ſo vil hunderttauſend Millionen Meilen / als die Jrꝛ - und Fix - Sternen von der Erden entfehrnt ſtehen / indeſſen die vor ihren Na - ſenligende Natur-ſchrift deutlich und gluͤklich leſen. Es muͤſſen die heutigen Natur-forſcher geſtehen / daß ſie von ſolchen ehrlichen Leu - then mehr lehrnen / als von den gelehrteſten Profeſſoren auf den Ho - hen Schulen. Ja / was wil ich ſagen von den Bauren / es ſein / nach ge - wiſſer art zureden / die unvernuͤnftigen Thiere ſelbs verſtaͤndiger in vorkuͤndung des Regens / als die beruͤhmteſten Sternweiſe. Oder / iſt nicht wahr / daß gemeiniglich ein Regen erfolget / wann die Huͤner oft pipen / oder zeitlich in ihre Staͤlle ſich begeben / oder am Morgen nicht leicht unter dem Tach hervor wollen; Wann die Schwalben nieder fliegen / und gleichſam an der Erde anſtoſſen / oder auf den Waſſeren daher fladern; wann die Enten / und andere Waſſervoͤ - gel ſich oft eintunken; Die Spatzen unter einander ſchreyen; die Nachtigallen abends / und die Finken morgens fruͤhe mit ihrem Geſange ſich hoͤren laſſen; andere Voͤgel ſich anderſt verſtellẽ? Jſt nichtwahr /10wahr / daß auch die vierfuͤſſigen Thiere uns den bevorſtehenden Re - gen anzeigen: die Schaaffe mit begirꝛiger auffreſſung des Graſes; der Wolff mit ſeinem heulen; das Kalb mit ſpringen; der Ochs mit bruͤllen / das Schweine mit langem verweilen im ſchlam̃; der Hund mit aufſcharꝛung der Erde; die Katze mit lecken der Bei - nen; vil andere Thiere durch vieles hin und her lauffen; die Froͤſche durch vieles quacken? Die ſtummen Fiſche reden von vorſtehenden Platzregen durch ungewohnte Spruͤnge auſſer das Waſſer. Es em - pfindet ſelbs das kriechende und fliegende Ungeziefer die Wetter-En - derungen / und zeiget ſie an / die Sommervoͤgel zwar durch vieles hin und her fliegen; die Ameiſſen / wann ſie auß ſorgfalt ihre Eyer bald da / bald dorthin tragen / die Muͤcken / Schnaken / Floͤhe und andere dergleichen Thierlin heftig ſtechen / die Wuͤrme auß der Er - den kriechen / und ſo fort. Diß gewahren wir alles ſo wol in / als auſſer dem Schweizerland / und kan ſich ein verſtaͤndiger / in heutigen Grundſaͤtzen geuͤbter Natur-forſcher wol darein finden / wann er be - denket / daß alle Thiere von dem Schoͤpfer begabet ſeyen mit einer ſo zarten / und kunſtreichen geſtalt / welche alle aͤuſſere aͤnderungen / und eintrukungen der Luft vil eher / und ſtaͤrker empfindet / als wir Men - ſchen / gleich auch under uns gewiſſe Wetterdeuter ſeyn diejenige / welche ehemals verwundet worden / oder Gichteriſchen Bewegun - gen unterworffen / oder ſonſt andere kraͤnklichten Arten an ſich ha - ben; Bey deren beſchreibung mich nicht laͤnger aufhalten / ſondern unmittelbar fortſchreiten werde zu einichen beſonderen / hin und wider in Eidgnoͤſſiſchen Landen befindlichen Vorbotten eines naͤchſt koͤnf - tigen Regens. Deſſen vornemſte / und gewiſſeſte / anzeige ſind die Wolken / wann die ſich in die tieffe Luft herab laſſen / und an den Ber - gen umher kleben. Diß gewahren wir allhier an unſerem / nahe bey Zuͤrich gelegenen Albis / ſonderbar aber bey denen hohen Alpgebir - gen / welche koͤnnen angeſehen werden als eine fruchtbare Zeugmut - ter der Wolken / Fluͤſſen / Seen / Baͤchen / und Bruͤnnen. Jn dem Gottshauß Engelberg ſehen ſie einen Regen vor / wann die Wol - ken um den Berg Schalliſtock behangen bleiben / oder / wann ande - re Wolken von grauer Farb von Underwalden her durch das Thal einmarſchieren / da ſie dann pflegen zuſagen / der Thalvogt / item /der11der graue Thalvogt komt. Zu Filiſur in Puͤndten hat man folgendes Sprichwort. Cura ch’il pitz da Stiervi fò chiapi, ſchi laſcha der la fotſch & piglia il raſti. Das iſt; wann die oberſte Spitze des Bergs Stirwis / ſo 2. meilen weit ungefahr gegen abend abſiehet von Filiſur / eine Kappe auf hat / oder mit Wolken gleich einer Kappe umgeben / ſo wirff die Senſe (darmit man das graß pflegt abzumaͤyen) hin / und nimme den Raͤchen / das abge - ſchnittene in Hauffen zuſamlen / und alſo vor bevorſtehendem Regen zub-ſicheren. Denen Einwohnern zu Nuffenen / einem Dorff im Rheinwald / unweit von dem urſprung des hinteren Rheins / iſt gleichfals eine an dem Berg Cucarnil klebende Wolke / eine gewiſſe Vorzeig eines innert einem halben Tag / oder morndeß kommenden Regens. Jn dem Oberen Engadin iſt ein groſſer See bey dem Dorff Sils / daher auch Jl Lago di Silio, der Silſer See genant / zwiſchen beyderſeits hoch aufſteigenden Bergen eingeſchloſſen; auf dem wann ſich die Wolken herab laſſen / nemmen die Einwohnere anlas ſich zu ruͤſten auf bald kommenden Regen. Bißher einge - fuhrten Erfahrniſſen ſcheinet zuwider ſeyn / was von dem beruͤhmten / nahe bey Lucern ligenden Pilatus-Berg ſchreibet Joh. Leo - pold Cyſat in Beſchreibung des Lucerner See. p. 252. Das nach der Beywohneren gemeinen Redens-art
Da aber zugewahren / daß diſer Berg ſo hoch / daß die Wolken ſich muͤſſen weiter an die Mittelwaͤnde deſſelben herab laſſen / wann der Regen bevorſtehet. Es ligt aber nicht wenig an der ſituation der Bergen / und unterligenden Thaͤleren / und Beſchaffenheit der Regierenden Winden / deßnahen wuͤnſchen moͤchte / das hier und da in Eidgnoͤſſiſchen Cantons / oder denen untergebenen und Zuge - wandten Ohrten ſich curioſe Leuthe funden / welche auf ſo thane be - wegung / oder ſtillſtand der Wolken fleiſſig wurden achtung geben / und zugleich nebſt denen Winden / auch die grad des ſteig - und fallen - den Quekſilbers in denen ſo genanten Wetterglaͤſeren / verzeichnen / damit man nach und nach zu gewiſſen Reglen ſchreiten koͤnte / undauß12auß denſelben die in jeder gegne vorſtehenden Witterungen muht - maßlich vorſehen / woran gewißlich denen zu Waſſer und Land rei - ſenden / in Holz / Feld und Rebbergen arbeitenden / und anderen in anderen Geſchaͤften begriffenen / ſonderbar auch denen Arzney-Doc - toren / nicht wenig gelegen. Fraget man nach denen Natuͤrlichen Urſachen oberzehlten Begebenheiten / ſo ſind ſelbe unſchwer zufaſſen / wann man nach den Grundſaͤtzen der heutigen Natur-wifſenſchaft bedenket / daß die Wolken in beſtaͤndigem Gleichgewicht ſeyen mit der Luft / folglich ſich tieffer herunter laſſen / wann diſe leicht / hoͤher aber ſteigen / wann ſie ſchwer / welches anfaͤnglich widerſiñig ſcheinet / leicht aber zu verſtehen iſt / wann man weißt / warum das Quekſilber im Wetter glaß falle / wann die Luft angefuͤllet mit vilen waͤſſerich - ten / baͤldeſt in Regen ſich verwandlenden Duͤnſten / folglich ſchwer iſt / hingegen ſteiget bey hellem Himmel? Worvon aber dißmal zu - reden die zeit es nicht zulaſſen wurde. Es dienet diſere unſere Be - trachtung nicht nur zu deutlicher verſtehung viler in der Welt hin und wider vorkommenden Begebenheiten / als da auf dem Vorge - birge der guten Hoffnung in Africa / das ſo genante Ochſen - Aug / ein auf den Tafelberg ſich herabſezende / anfangs klein ſchei - nende Wolke die auf dem Meer ſich befindenden Schiffleuthe war - net / daß ſie die Segel einzeuhen / und dem bevorſtehendem Ungewit - ter vorkommen; ſondern auch zu erklaͤrung viler Texten H. Schrift / welche den Gotteslehrern uͤberlaſſe. Es folgen noch andere Vor - botten des Regens / welche hin und wider / ſonderlich von denen Ein - wohneren der hohen Alpen vernommen habe.
Zu Cleve / einem der dreyfachen Puͤndtneriſchen Republik Bottmaͤſſigkeit untergebenen / oberhalb dem Chumer-See gelegenen ſchoͤnen Ohrt / merken die Einwohnere eine Regnichte Luft / wann die Thuͤren-Schloͤſſer und Riegel an ihren bekanten Grotten / oder Weinkelleren / ſchwitzen / oder feucht werden / nam̃lich von vilen in der Luft ſchwebenden / an die Kellerthuͤren anpuͤtſchenden / und an dem Eiſenwerk / bey anlas der entgegen ſtehenden iñwendigen Kaͤlte der Kelleren in troͤpflein ſich ſamlenden waͤſſerichten Duͤnſten; welche Begebenheit man auch gewahren kan in anderen Weinkelleren / ꝛc.
DJe Alpler halten vor ſichere Zeichen eines einfallenden Regens / wann die von hohen Bergen ſich ſtuͤrzende Baͤche / und Waldwaſ - ſer ein ſtaͤrkeres geraͤuſch machen / als gemeinlich: Wann das an - gezuͤndete Holz mehr als ſonſt krachet / und braſchlet; wann die Gemsthiere ſich von den hoͤchſten Bergſpitzen in die tieffe herab laſſen: wann der Firn / oder das beſtaͤndige Berg-Eis bruͤlet. Das zu aufloͤſung meiſt oben - und jez erzehlten Begebenheiten noͤhtige Fundament gibet an die hand die be - trachtung der innert den coͤrperen enthaltenen / und aͤuſſeren Luft: Wann diſere in ihrer ſchwertrukenden kraft abnimmet / ſo wird jene ſich außdehnen / ihre elaſticitet außuͤben / die Holzzaͤſern / und Eistheilchen des Firns auß einander treiben / die Gemsthiere dahin leiten / wo ſie ein zu ihrer ahtmung dienlichere Luft antreffen / und ſo andre dergleichen dinge in der Natur ver - richten / welche uns anzeigungen geben koͤnnen bevorſtehender aͤnderungen des Wetters.
DJſen Berg / ſo einer von den beruͤhmteſten im ganzen Schweizer - land / und von mir zum oͤfteren beſtiegen worden / werde beſchreiben in form einer von Lucern auß gegen das Underwalder-Gebiet vorgenom̃enen Reiſe / damit ſich dieſer Beſchreibung einiche Liebhaber bedie - nen koͤnnen an ſtatt eines Wegweiſers. Der anfang diſes Bergs / (ſo ſonſt auch Mons Fractus, Fracmuͤnt / Fractmont, Fracmunt genennet wird / und wol unterſcheiden werden muß von einem andern Pilatus Berg bey Lyon in Frankreich / welchen in einem beſonderen Tractaͤtlein beſchriebenhat14hat Johannes du Choul,) wird gerechnet 1. oder anderthalbe ſtund von Lu - cern. Von dannen gehet man durch anmuhtige Waͤlder / Wieſen / und Buͤ - hel nebſt einem verſtoͤrt alten Schloß (welches von einem Engellaͤnder ſol beſeſſen worden ſeyn) in das Eyenthal / welches eigentlich heiſſet Eigen - thal / weilen es noch jetzund zehenden frey / und vor altem ſol ein eigen Hoch - gericht gehabt haben / ſo geſtanden in einem Ohrt / Galgenknobli genant. Jn diſem Thal ſeyn verſchiedene Senten / mit darzu gehoͤrigem Viehe / und Sennen. Von diſem Thal ſteiget man nicht ohne muͤhe obſich auf den Berg / findet an dem Wege / und erquicket die vom ſteigen muͤd ge - machte Beine mit Cryſtall lauterem Brunnenwaſſer / welches man in zim - licher maß kan einſchlucken / ohne daß es dem Trinker ſchaden thut. Unter denen heißt einer der Badbrunnen in Blatterſchwendi. Ein anderer iſt der Kaltwehebrunn / deſſen Waſſer man ſtark bis zu erweckung eines Aberwillens zutrinken pflegt wider das kalte / ſonderlich dreytaͤgige Fieber. Auf der Oberſten hoͤhe des Bergs (welche A. 1702. durch hilff des Wetter - glaſes gefunden / das ſie uͤber die Statt Lucern erhoben wenigſtens 2800. Schuh /) und gegen die Guͤpfe / wird gezeiget ein Felſe / auf welchem Pila - tus ſol geſeſſen ſeyn / und ſchwere Donnerwetter erꝛeget haben. Weiter kom - met man zu einem kleinen Platz / auf welchem niemalen kein Graß ſol wach - ſen / obgleich rings herum alles von fruchtbaren Kraͤuteren gruͤn außſihet. Dergleichen Graßlaͤhre Ohrt haltet man gemeiniglich vor Hexentaͤnz-plaͤtze / worvon anderſtwo zureden vorfallen wird. Und wird auch von diſem ins gevierte anderthalb ſchuͤhigen Ort vorgegeben / es habe ſich dort ein fahren - der Schuler geſtellet / als er den Pilatum von ſeinem Felſen herab beſchwo - ren / und in den ſo genanten Pilatus-See geſtuͤrzet: Von diſerem See wird zu einer gelegeneren zeit ein mehrers geredt werden: Dißmal berichte allein / daß vor 100. und mehr Jahren man darvor gehalten / wann man ei - nen Stein / oder ſonſt etwas dergleichen in denſelben werffe / ſo werde der all - dort verſenkte zornige Pilatus ſich hervor machen / und ein ſchweres Unge - witter uͤber die benachbarte Landſchaft erwecken; weßwegen auch vor diſem niemand hat doͤrffen diſen Berg beſteigen / ohne vorher vom Lobl. Magiſtrat zu Lucern genommenen Erlaubnuß / und ſind auch die um den See ſich auf - haltende Sennen beeidiget worden / nichts in denſelben ſelbs zuwerffen / oder von andern hinein werffen zulaſſen: Heutigs tags aber haͤlt man diſe Ge - ſchichten alle fuͤr Fablen / man wirffet ohne ſcheu Holz / Stein und andere ſa - chen hinein / ohne das einig ungluͤck deßnahen beſorget wird.
Nicht15Nicht weit von des Pilati See zeiget man in dem Felſen am Weg zwey Zeichen / die ſehen auß / als wann ein Pferd mit dem Fußeiſen ſtark an - geſetzet hette / und gibet vor / daß der leidige Satan mit dem Pilato alſo ſtark angefahren ſeye / das darvon die Zeichen des Fuſſes als ein Merkmal geblie - ben. Von hier gehet man ungefehr eine ſtund wegs auf eine andere Berg - hoͤhe / Widerfeld genant / auf welcher ganze Felſen zuſehen von lauter-zer - muͤrſeten Steinernen See Muſcheln zuſamen gewachſen; ein ſicheres beweïß - thum / daß die Waſſer der Suͤndflut auch uͤber die Spitzen diſes hohen Pi - latusbergs hergefahren / und diſere Muſchelſtein zu einem immerwaͤhrenden Gedenkzeichen hinterlaſſen. Ohnweit von diſem Ort findet ſich das Mon - loch / eine anfangs enge / innwendig aber weite und in die 100. Klafter lan - ge Berghoͤle / ſo da gehet an die hoͤchſte Felßwand / die gegen dem Underwald - ner Land ſihet. Jn diſer hoͤhle tropfet beſtaͤndig ab ein Waſſer / welches ſich verwandelt in eine Milchweiſſe / leichte / luftige Materi / welche anfangs weich iſt / hernach aber an der Luft troknet / und Lac Lunæ, Mon-Milch ge - nennet wird / auch dienſtlich iſt zu allerhand Krankheiten / worvon zu anderen Zeiten ein mehrers. Auf der andern ſeiten des Bergs ſteiget man ab gegen Alpnach / einem Flecken des Underwaldner-Gebiets / durch ſchoͤne frucht - bare Alpen. Es iſt noch diſes von dem Pilatus Berg zu bemelden / das von ihme ein gar artiges Tractaͤtlein in Lateiniſcher Sprach beſchriebenunſer welt - beruͤhmte Conradus Geßnerus, ſo getrukt worden in Zuͤrich / A. 1555. in 4.
ES tragt ſich etwan zu / daß die auf hohen Alpen weidende Kuͤhe bald ſtill ſtehen / wie ein Stock / bald in die ruͤnde ſich bewegen / und dem rauſchenden Waſſer nachgehen / an deme ſie hernach ſtill halten / gleich als ob ſie von dem Geraͤuſch des vorbey flieſſenden Bachs ein ſonder - liche luſt empfunden. Bey ſo thanem Zuſtande ruͤſtet ſich der beruffene Vieh-arzet zu einer einfaͤltzigen / und doch gefaͤhrlichen / Operation, welche ſo ſie an denen Menſchen / wiewol auf kunſtlichere weiſe / geſchihet / eine Trepa - nation, oder durchborꝛung der Hirnſchale / heiſſet. An ſtatt des Tre - pans bedient er ſich eines ſcharffen Meſſers / womit er erſtlich / und gemeinlich in mitten der Stirne die Haut von dem Bein ſchelet / hernach mit gemaͤch - licher umdraͤhung die Hirnſchale durchborꝛet; Wann diß geſchehen / und die ſo genante Dura Mater, oder harte Hirnhaͤutlein bloß vor augen li - get / ſo nimmet der Operator ein vor das loch kommendes / oder ſonſten zwi - ſchen der Hirnſchale / und dem Hirnhaͤutlein ligendes / mit Waſſer angefuͤll -tes /16tes / Blaͤslein (Hydatis) hervor / oder zeuhet ſelbiges mit einem Draͤtlein herauß / verbindet darauf die Wunde / und heilet den Patienten. Wann das Waſſerblaͤslein ſeitwerts auf dem Hirnliget / und auch folglich die durch - borꝛung ſicherer auf ſelbiger ſeiten vorgenommen werden kan / ſo gibt der Arzet achtung / wie das ſtuͤrmige Viehe umlauffe / und borꝛet alsdann auf der inneren ſeiten des Kreiſes die Hirnſchale durch. Es iſt aber zu gewah - ren / daß nicht alles ſtuͤrmige / in die Cur genommene Viehe darvon komt / ſondern mehrmalen auf die Krankheit der tod erfolget / wann eintweder die urſach der Krankheit nicht kan weggehoben werden / oder der Arzet mit ſeinem Meſſer das ſehr empfindliche Hirnhaͤutlein verlezet. A. 1699. hat es ſich zugetragen / daß in der Herꝛſchaft Engelberg ein Gemsthier ſich von den hohen Berg Klippen in die tieffe herab gelaſſen / und unter das zahme Viehe genaͤhert / mit ihnen geweidet / und ſich auch nicht mit Steinen von dannen wegtreiben laſſen: Nachdem es von dem Jaͤger erſchoſſen / und in das Gotts - haußgebracht worden / hat man auf dem Hirne auch ein ſolches Waſſer - blaͤslein ligend gefunden / welches vermuhtlich dem Gems ſeine forchtſame Art benommen / und ſelbiges ganz tum̃ gemachet hat.
ZU allen zeiten haben ſich die Natur-verſtaͤndigen Erd - und Feldmeſſer bemuͤhet die beruͤhmteſten Berge in ihren hoͤhenen abzumeſſen / zu dem ende ſich bedienet der Quadranten / halben Zirklen / und anderer Geomet - riſchen Jnſtrumenten / vermittleſt deren ſie auß dem grund einer nach geſtalt - ſame der hoͤhe groß genommenen Standlini auß ſo genanten Trigono - metriſchen Principiis die begehrten hoͤhenen herauß zubringen pflegten. Jch habe auch auf diſere weiſe verſchiedene hohe Alpgebirge abzumeſſen mich unterſtanden / allezeit aber / obgleich auf das fleiſſigſte operiert / eine ungleiche / oder unglaͤublich / uñ allzu groſſe hoͤhe durch die Rechenkunſt herauß gebracht (deſſen Zeugen ſeyn koͤnnen die im Bergellerthal / vor Soglio uͤberſtehende / A. 1703. von mir abgemeſſene Berge / Piz delle nuove, dellidieci, e delle un - deci) ſo daß zu verſchiednen malen angefangen habe zweiflen an guͤte / und ſi - cherheit / der Feldmeſſeriſchen weiſe / um ſo vil eher / weilẽ in mehrerem nachſin - nen auß denen Grundſaͤtzen der Natur und Mathematiſchen Wiſſenſchaften leichtlich ſchlieſſen koͤnte / daß die von denen Berg Spitzen in die Thaͤler durch ungleich duͤnne Luft fallende Sonnenſtralen keine grade / ſondern eine durch umweg gehende / vilfaͤltig gebrochene / oder krumme Lini machen / und deßna - hen die Spitze der Bergen dem Augenmeß nach weit hoͤher zuſtehen ſcheinen / als ſie in der Natur ſind / ꝛc.
JN vorgehendem Blatt habe einiche Schwerigkeiten eroͤffnet / welche bey der Geometriſchen Manier / die Berghoͤhenen abzumeſſen vorfal - len / und hat mich hierinn geſtaͤrket ein ſehr wehrter Freund / und Hoch - gelehrter Mathematicus von Baſel / welcher in verſchiedenen an mich abge - laſſenen Schreiben / durch ſubtile Rechnungs-art zeiget / das obenbemeldte krumme Lini der Sonnenſtralen (ſo von den Bergſpitzen gehet in die Thaͤ - ler) wol koͤnne ſeyn ein Logarithmiſche Lini. Hieruͤber erſuche ich auch an - dere Gelehrte / ihre Meinungen an den tag zugeben. Jndeſſen bediene mich / bey ſich eraͤugender unſicherheit der Feldmeſſeriſchen Manier / zu abmeſſung der Berghoͤhenen / ja auch deren uͤber einander ligenden Thaͤleren / Staͤtten / Flecken / Doͤrfferen / des ſo genanten Barometri / oder Wetterglaſes; nach anleitung deſſen / was ſchon A. 1648. bey Clermont in Auvergne an dem hohen Berg Puy de Domme probiert hat Hr. Perier / hernach auch A. 1661 1665. und 1666. Sinclarus in Schottland; und beſtehet diſe nutzliche Meſ - ſungs-art darinn / daß die hoͤhe des Queckſilbers bezeichnet werde / wie ſie ſich findet erſtlich an dem Fuß / hernach an der Mitte / oder auf der Spitze des Bergs; da leicht zuerachten / daß oben auf dem Berg das Queckſilber muß tieffer abſinken / weilen keine ſo hohe Luft aufliget / als auf dem Thal / folglich nicht ſo ſtark kan dort auf das Queckſilber trucken / oder daſſelbe nicht ſo hoch treiben / als hier. Jch verhoffe hierdurch nach und nach in erfahrung zu - bringen alle reſpective hoͤhenen aller beruͤhmten Bergen / Thaͤleren / Fle - ken / Doͤrferen / und erſuche andere curioſe / oder gelehrte Gemuͤter / auch ſelbs hand anzulegen / die wahrheit diſer Prob auch mit augen zuſehen / ja mit Haͤnden / wo ſie es nicht glauben wolten / zu greiffen / damit die Geographiſche Beſchreibung unſerer Landen / ſonderbar auch die hohe urſpruͤng unſerer Fluͤſ - ſen / nicht nur uns / ſondern der ganzen Welt bekant gemachet werden.
ES iſt der muͤhe wol werth geweſen / daß der Nieſſen und Stock - horn / zwey hohe in Lobl. Canton Bern ſtehende Berge / ein Ge - ſpraͤch gehalten von ihrem unter ſich ſelbs / und uͤber andere Berghinaußhabenden anſehen / welches Geſpraͤche Joh. Rudolf Raͤb - mañ angehoͤrt / und ſelbiges auch in Truck herauß gegeben A. 1608. aber anbey zuverwundern / daß damals der Gotthard ſich nicht darzwiſchen geleget / und benante zwey / ja uͤber alle in Eidgnoͤſſiſchen Landen be - findliche / ja uͤber alle Berge Europæ / habende hohe Authoritet / in beylegung bemeldter Streitigkeit / und behaubtung ſeines Vorꝛechts gezeiget. Jch mei - nes Ohrts glaube / er habe ſich darum ſo wenig bekuͤmmeret / als wenig es ei - nem groſſen Fuͤrſten zu ſchaffen gibt / wann ſich zwey obgleich wol habende Privatperſonen unter einander uͤber die Frage / welcher unter ihnen der reichſte ſey / zerzanken. Es ſeyn einmal die Helvetiſchen Laͤnder uͤber alle an - dere Europeiſche in anſehung der ſituation hoch erhoben / und ſtrecken in de - nen ſelben den Kopf uͤber andere Berge die Gothardiſchen Alpfirſten. Als ein alter und vornehmer Zeuge ſtellet ſich dar der Roͤmiſche Feldherꝛ Julius Cæſar, welcher in ſeinem Comment. de Bell. Gallic. Lib. III. diſen unſe - ren Gotthards-Berg benennet mit nachtruck / Sum̃as Alpes, die hoͤchſten Gebirge / nach der außlegung Henrici Glareani, Ægidij Tſchudii, Stumfii, Jovij, und anderer mehr. Andere und taͤgliche Zeugnuffen wer - den ablegen alle reiſende / ſo diſe gaͤngige Gotthardiſche Straß brauchen. Wil man hieran ſich nicht vernuͤgen / ſo betrachte man diſen einigen auß der Natur ſelbs hergenommenen grund / weilen auf dem Gotthard / und andern geſchwiſterten Bergen / entſpringen die Haubtquellen ſo viler nahmhaften Fluͤſſen / welche uns / und anderen Europeiſchen Landen / die meiſten Waſſer zu fuͤhren. Richtig gegen Mittag / durch Livinen / flieſſet der Teſin / ſo her - nach in das Venediſche Meer ſich ergieſſet. Gegen Mittnacht entſpringet und lauffet die Reuß / Urſa, in den Rhein. Der Vordere ſo genante Rhein nimmet ſeinen urſprung auß dem Berg Criſpalt / ſo auch ein Arm des Gotthards / lauft bis nach Chur gegen Aufgang / wendet ſich aber von dannen gegen Nidergang / und in das Teutſche Meer. Von dem Gotthar - diſchen Berg Valdaͤſch / Valdocius, rinnet her Athiſo, die Toſa, ſo durch das Eſchenthal zwiſchen Mittag und Nidergang in den Langen See / und hernach in das Venediſche Meer ſich ergieſſet. Auß dem Berg Furca ent -ſpringet19ſpringet der Rhodan / Rhodanus, flieſſet gegen Nidergang der Sonnen / fallet endlich in das Franzoͤſiſch Mittellaͤndiſche Meer. Endlich auß der Grimſel flieſſet die Aar / Arola, nach einem krummen lauff in den Rhein. Wer iſt / der nicht hierauß / ohnangeſehen deſſen / was Simlerus de Alpib. p. 98. einwirft / klaͤrlich vorſich ſehe die abhaldige Stuffen weiſe von dem Gotthard gegen das Mittellaͤndiſche / Teutſche und Adriatiſche Meer ſich zeuhende tieffe Jtaliens / Frankreichs / der Teutſchen und Eidgenoͤſſiſchen Landen? Ja wer iſt / der nicht hieraus abmerke die urſach der unebene der Erden / deren von Gottes Allmaͤchtiger Weißheit / in aͤuſſerlich anſcheinen - der unordnung ordenlich gemachte eintheilung in Berge und Thaͤler uns mit der Hand fuͤhret zu erkantnuß des weiſeſten Schoͤpfers / und Erhalters? Es zeiget uns der einige oberſte Helm des Europeiſchen Brẽn - und Waſſer - hafens / ich verſtehe den Gotthard / ſamt allen daher abquellenden Fluͤſſen / Baͤ - chen / Bruͤnnen / als ſo vil deſtillierten Waſſeren / wie auch die wildeſten Ber - ge / die unfruchtbarſten Schrofen / die harteſten Felſen nicht ohne ſonderbare Goͤttliche Vorſehung alſo / wie ſie ſeyn / geſtaltet / und dahin / wo ſie ſtehen / geſetzet worden. So vil habe dißmal anregen wollen von der allgemei - nen hoͤhe des Gotthardiſchen Gebirgs / von deſſen beſonderen / uͤber die ebene von Zuͤrich / oder Altorff / oder andere Eidgnoͤſſiſche Staͤtte / und Flecken / ſtei - genden hoͤhe / ſo auch von deſſelben Nahmen / Theilen / Straſſen / und andern merkwirdigen Sachen anderſtwo zu reden ſeyn wird.
UNter den herꝛlichen Gaben / damit der Hoͤchſte unſer liebes Vatter - land geſegnet / iſt nicht die geringſte die mittheilung ſo viler friſchen und geſunden Waſſeren / welche wir nicht nur genieſſen vor uns / ſondern auch andere Laͤnder von unſerem in Bruͤnnen / Baͤchen / Seen / und Fluͤſſen zu findenden uͤberfluß reichlich verſehen. Wer in anderen / nahe an Meeren gelegenen Laͤnderen / ſonderlich in denen Vereinigten und Spaniſchen Ni - derlanden gereiſet / und den daſelbſtigen Waſſermangel geſehen / der wird vor diſere reiche Waſſer-gutthat dem guͤtigſten Schoͤpfer nicht genug danken koͤnnen. Aller Orten flieſſen auß der Erden / ſonderlich auf unſeren hohen Alpgebirgen / hervor die ſchoͤnſten Cryſtall lauteren bald Brunnen-bald Flußquellen / welche alle Proben der beſten Waſſeren an ſich haben. Unſer liebe Altvatter Hippocrates ſchreibet nachtruklich de Aere, Aquis, & Lo - cis. Υ〈…〉〈…〉 δατα ὁκόσ α ἐκ μετεώρων, &c. das iſt: Die beſten Waſſer ſinddie /20die / welche von hohen Orten / und erhabenen Buͤhelen hervor flieſſen. Dann ſie ſuͤß / und weiß / lauter / und moͤgen etwas wein ertragen; des Winters ſind ſie warm / des Som̃ers kalt; dann ſie auß den tieffeſten Quellen hervor kommen. Es gibt mir diſe letſte zeilen anlas / meine hieruͤber waltende Gedanken in mehrerem dahin zu eroͤff - nen. Auſſer allem zweifel iſt / und auß dem / was bereits geſagt worden / zu - erſehen / daß unſere Eidgnoͤſſiſche Lande in anſehung anderer Europeiſchen Landen / und angrenzenden Meeren am hoͤchſten erhebt / ſo daß wir in foͤl - liger Freyheit ſitzende Schweizer uns durch die Gnade Gottes ruͤhmen koͤn - nen / das wir iñhaben / oder beſitzen / auch natuͤrlicher weiſe zureden / den mit Bergen hoch gethuͤrnten / und angenehmſten Blumen gezierten Hut (ſo bey den Roͤmeren geweſen ein zeichen der Freyheit) der Europeiſchen Jungfrau / wie dann bekant / daß bey denen Erdbeſchreiberen Europa vorgeſtellet wird / als eine ſitzende Jungfrau / deren Haubt aber ſie geſtalten aus Portugall / und Spanien / ich aber / verhoffentlich mit beſſerem Recht ſetze in unſer liebes Schweizerland. Zeuhe ich das ſaubere Kleid / ſo einem Erdbeſchreiber zu - ſtehet / auß / und hingegen an den Schmuzrock eines Chymiſten / ſo komt mir das Schweizerland vor / als ein Hut oder Helm auf dem Europeiſchen Breñ - oder Waſſerhafen / von deme die Waſſer in einer weit ſubtileren klarheit muͤſſen zu uns / als einem Recipienten / oder Vorlag / hervor flieſſen / als zu den Jtalieneren / Teutſchen / oder Franzoſen / weilen wir ja auch in denen Chymiſchen Werkſtaͤtten ſehen / daß die Waſſer leichter / lauterer / und geiſt - reicher werden / je hoͤher der Helm uͤber den Hafen ſtehet. Diſere halb-Geog - raphiſche und halb-Chymiſche Gedanken geben mir anlas zu folgendem Vernunft-urtheil / daß die ſalzichten Meerwaſſer durch unterirdiſche Gaͤnge aller Orten hinflieſſen in die Eingeweide der Erden / hoͤher aber nicht ſteigen koͤnnen als das Meer ſelbs iſt / folglich nicht einmal unter der Erden koͤnten hinkommen zu den wurzlen unſerer Schweizeriſchen Gebirgen / wil geſchwei - gen / auf die Spitzen derſelben / ſo daß alle unſere Lande des Waſſers mang - len muͤßten / wann nicht die wunderbare / Allweiſe Guͤte Gottes in denen in - neren Kammeren der Erden angezuͤndet hette ein brennendes / oder ſonſt waͤrmendes Feuer / welches die Waſſer verwandelt in Duͤnſte / durch hole Kluͤften auftreibet zu der Oberen / und oberſten Erden Rinde / ja auch in die Luft ſelbs / wo ſie nicht hinderhalten / und in Waſſertroͤpflein verſamlet werden / durch beſchloſ - ſene Felſichte Helme / mit denen inſonderheit verſehen die jenigen hoben Gebirge / welche vil Waſſer von ſich geben / wie zum Exempel koͤnnen dienen die ob Flims in Puͤndten ſtehende Stein Gebirge / und haͤuffige in dem Dorff Flims ſelbs hervor flieſſende Brunn und Bach - quellen / von denen anderſtwo zu reden ſeyn wird / ꝛc.
DAß unſere Bergwaſſer entſprechen denen in hohe Helm aufgezoge - nen Chymiſchen Geiſteren / wie in vorgehndem Blatt verdeutet wor - den / koͤnnen wir abnemmen auß verſchiedenen Gruͤnden: Sie ſind pur / lauter / wie der reineſte Cryſtall / mit keinen / oder ſehr wenigen / irꝛdiſchen Theilen vermiſchet / folglich auch leicht / und kommen in der ſchwere vaſt uͤber - ein mit dem Regenwaſſer / welches nach der Zeugnuß Hippocratis, und der taͤglichen Erfahrung iſt das leichteſte / ſuͤſſeſte / duͤnneſte / und lauterſte / loc. cit. Eben diſe vortrefflichen Eigenſchaften unſerer Waſſeren bekraͤf - tiget auch deren taͤglicher Gebrauch: Jn unſeren hoͤchſten Alpgebirgen / und auch ebenen Landen / finden ſich Bruͤnnen / von denen die Einwohnere / und Reiſende bey ganzen Maſſen / und Koͤpfen trinken ohne einiches aufblaͤhen / trucken / oder andere geringſte Beſchwerde / ja mit groſſem vortheil der Ge - ſundheit; weilen dergleichen ſubtile / leichte Waſſer durch die Milchgefaͤſſe in das Geblut / und durch daſſelbe in alle kleinſte aͤderlein tringen ohne wider - ſtand / ja ſelbs die widerſtehende ſchleimichten / oder andere / hier und da in kleinſten Roͤhrlein anklebende / verſtopfende / zaͤche Feuchtigkeiten aufloͤſen / und außfuͤhren / gleich denen anderen Mineraliſchen Waſſeren. Was fuͤr nutzbare Reglen und Anleitungen hierauß flieſſen koͤnnen zu erhaltung und widerbringung der Geſundheit / wil ich eines jeden gutdunken uͤberlaſſen / und nur diß anzeigen / das von diſer reichen / und koſtlichen Waſſerquell herzu - leiten ſeye bald die vornehmſte urſach der ſo edlen geſundheit / deren unſerer hohen Gebirgen Einwohnere genieſſen meiſtens bis in das hoͤchſte Alter.
VOrmals ware der Zuͤricher Wein verſchreyt als das geringſchaͤtzigſte Element des Schweizerlands / daher er mit dem Waſſer verglichen wor -den /22den / gleichwie man vor die Erde angeſehen den Glarner Kaͤſe / vor den Luft die Puͤndtneriſche / oder ſo genante Romaniſche Sprach / vor das Feuer die Freyburger Muͤnz. Jſt etwas ungluͤklichs vorgangen / ſo hat / wann es je moͤglich geweſen / der Zuͤrich-wein muͤſſen die ſchuld ſeyn / hat es ſich mit einem Patienten geboͤſeret / iſt ein geſunder krank worden / ſo hat man / wann man je koͤnnen / die urſach gelegt auf diſes Tartariſche Saurtrank / gleich dann vor nicht wenig Jahren an einem vornehmen Ort diſer unſchul - dige Wein angeklagt worden / als die urſach eines ſchmerzhaften gichteriſchen Grimmen / welches eigentlich von unverziñten Kupfergeſchirꝛen hergeruͤhret / und eine groſſe Haußhaltung empfindtlich angegriffen. Zwaren iſt nicht zu laugnen / daß in gewiſſen Jahrgaͤngen unſere Weine zimlich harb und ſaur werden / wann nam̃lich die Trauben eher muͤſſen abgeſchnitten werden / wegen einbrechender Kaͤlte / als ſie zeitig worden. Aber auch iſt widerum unlaug - bar / daß in anderen Jahren ein ſo edler Wein wachßt / welcher nicht den we - nigſten Tadel verdienet. Weßwegen Matthæus Cardinal und Biſchoff von Sitten / als er einmal in dem Zuͤrich Gebiet eingekehret / und von einem Gewaͤchs zwey ganz widerwertige Weine von verſchiedenen Jahren ver - fuͤcht / geurtheilet / ſolche Reben ſolten außgeſtocket werden / weilen ſie ſo un - beſtaͤndig / und kybig weren. Bulling. Helvet. Chron. L. XIV. c. 13. Vor - treffliche Weine wachſen hin und wider im Zuͤrich Gebiet / zu Neftenbach / Rorbas / Uwiſen / Martelen / Benken / Hoͤngg / Egliſau: An dem Zuͤrich-See ſol der beſte ſeyn / der zu Meilen wachßt / (von welchem zuſehen in Jkr. Erhard Eſchers beſchreibung des Zuͤrich Sees / p. 199.) Wei - ters zu Herꝛliberg / und ſo fort / ꝛc.
Merkwuͤrdig iſt / und diß ohrts in etwas zu unterſuchen / das / ins ge - mein zureden / der Wein / ſo an dem einten Geſtad des Sees gegen Morgen wachßt / weit edler / gelber / geſunder iſt / als den die Abendſeiten gibet. Weß - wegen man auch auf jener ſeiten mehrere Weinberge / und beyligende Luſt - haͤuſer gebaut ſihet / als auf diſer. Die urſach ruͤhret her von der ſituation oder gelegenheit diſer beyder Seegeſtaden; Die Morgenſeite iſt niderer / wiewol auch mit etwelchen Bergen erhoͤhet; Deßwegen kan ſie zeitlich von der Sonnen beſchienen werden / genieſſet hernach den ganzen Tag die Son - nenwaͤrme / und ſo lang / bis die Sonn ſich hinder dem Albis-Berg verbir - get. Da hingegen die Abendſeite diſere waͤrme auch zeitlich empfindet / aber weit fruͤher / als die vorige verlieret. Dieſer urſach muß zugeſetzet werdeneine23eine andere / und vornehmere / welche an die hand giebet die betrachtung der Winden. Es liget der Zuͤrich-See alſo / daß der rauhe Nord - oder Biſe - wind ſonderbar kan beſtreichen die Weſtſeite des Sees / und iſt deßnahen kein wunder / wann diſe Nordliche Kaͤlte die Weinreben / und Trauben zu - ſamen zeuhet / die aufſteigung des Nehrſafts / und reiffung verhinderet / folg - lich eine Saͤure dem Wein hinderlaſſet. Uber diß liget eben diſere Weſt - ſeiten bloß gegen dem Oſtwind / welcher mehrmalen ſich mit dem Nordwind vereiniget / und bald gleiche Kaͤlte mit ſich fuͤhret. Da hingegen die Meili - kumer Seite uͤbertraget den Oſtwind / nur ein wenig beſtrichen wird von dem Bißw ind / und hingegen offen ſtehet gegen dem Sud - und Abendwind / wel - che eine mehrere waͤrme / und feuchte zubringen / die Loͤchlein und geſtalt der Pflanzung eroͤffnen / und uͤberal die Fruͤchte deſto eher zur zeitigung bringen. Endlich iſt noch diß beyzufuͤgen / daß die Abendſeite mehrere und laͤngere kaͤl - te außzuſtehen hat wegen der naͤhe des Albis / auf welchem Berge der Schnee fruͤher fallet / und ſpaͤhter weggehet / folglich mit ſeiner gegenwart die ſelbige ganze Seite erkaͤltet. Die Nachbarſchaft des auf den hohen Alpen beſtaͤndig ligenden Schnees empfindet mit nicht geringem ſchaden nicht nur die Mor - genſeite des Zuͤrich-Sees / ſondern auch die uͤbrigen Theil unſers Gebiets / und des ganzen Schweizerlands / deme die ſonſt warmen Sudwinde vil Schnee und Eistheilichen zubringen: Weßwegen der Meiſter Ambtoſius ein gelehrter Arzet und Sternſeher auß der Lombardey gebuͤrtig / ſo zu Zuͤ - rich bereits vor dem Concilio zu Baſel muß gelebt haben (nach der Zeug - nuß M. Felix Haͤm̃erlins / vor 200. und mehr Jahren Vorſingers zu Zuͤ - rich in Tract. de Arbore Torculari ducendo in Die Feſto) prophezeyet / es werde innert 100. Jahren die Kaͤlte alſo in unſeren Landen zunemmen / daß gar keine Weinreben mehr koͤnnen gepflanzet werden. Nun ſind ſo vil 100. Jahr ſint ſelbiger zeit verfloſſen / und genieſſen wir durch Gottes Guͤte noch immer des edlen Rebenſafts / es wachſen bey uns noch allezeit die Reben / ja ſo fehr iſt es / daß diſes edle Gewaͤchs in Zuͤrichiſchen Landen nimmer truͤhe / daß vilmehr die einleg und pflanzung des Weinſtoks ſolcher geſtalt zuge - nommen / daß ein hohe Lands-Obrigkeit bewogen worden durch eine offent - liche Erkantnuß vom 12. Aprel 1703. die fernere neue einſetzung der Reben zu verbieten / und hingegen den fleiſſigeren Ackerbau einer ganzen Landſchaft theils zu belieben / theils anzubefehlen. Es iſt gleichwol des M. Ambroſii Weiſſagung / wann ſie nicht auß der Sternſeherkunſt mehr / als auß der Na - tur-wiſſenſchaft hergefloſſen / nicht ſo gar zuverachten. Es gewahren dieEin -24Einwohnere der hohen Alpen / daß der Schnee / und Eis / von Jahren zu Jah - ren hoͤher ſteiget / gleichwie in den Nordiſchen Schnee und Eisbergen auch gewahret wird / daß ſie je mehr und mehr wachſen / und daher vil Gelehrte in die Meinung gerahter / daß die Erdenkugel nicht mehr rund / wie ſie anfangs geweſen / ſondern Eyfoͤrmig / oder ablang rund ſeye. Gewiß iſt diß / daß vil ſchoͤne Alpen jezund mit beſtaͤndigem Schnee bedecket / welche vor 30. und mehr Jahren dem Viehe die beſte Weid gegeben. Auß diſem grund koͤn - ten ja unſere Eidgnoͤſſiſche Lande nach und nach mehrere Kaͤlte außzuſtehen haben / wann nicht ſolcher Endlauff der Zeit durch zwiſchen kommende war - me Winde / oder andere urſachen hindertriben wird / und hette M. Ambro - ſius beſſer gethan / wann er an ſtatt 100. Jahren geſetzet hette 1000. oder 2000. Dann ſo hette man den Fehler noch nicht gewahret. Sonſten iſt zu beliebung unſerer Landes kraft / des Zuͤrichiſchen Weins / deſſen inſonder - heit / der an dem See / und der Limmat nach wachßt / diß zugewahren / daß er / wann er ſchon anfangs rauh / nach abgefloſſenen etlichen Jahren milter / lieblicher / und geſunder wird / ja / ſo zureden / in dem Faß reiffet / indeme nam̃ - lich die irꝛdiſchen Tartariſchen Theil ſich nach und nach an die waͤnde / und zu boden ſetzen. Hiervon ſchreibet obbemeldter M. Haͤm̃erlin alſo; Vina no - ſtra raró vel nunquam penitùs in ſuis vitibus matureſcunt, ſed con - tra naturam aliorum vinorum in umbra, & vaſis, & cellaribus pro - fundioribus ad annos triginta, vel ultra, mundè conſervata continuò decoquuntur, & demùm cruditate repulſa dulcoreſcunt. Das iſt: Unſere Weine kommen ſelten / oder faſt niemal zu ihrer zeitigung / ſondern reiffen erſt nach dem ablauff 30. und mehr Jahren / wañ ſie ſorgſam behalten werden in tieffen Kelleren / und nem̃en dann nach abgelegter raͤuhe an eine ſuͤſſigkeit / welches / wie er ſagt / wider die Natur anderer Weinen iſt. Es iſt uns ja bekant / daß die lieblich - ſten Veltliner / Muſcateller / Jtalieniſche / Burgundiſche / und andere derglei - chen Weine in denen erſten Jahren am beſten; Ja etwañ laͤnger nicht als ein Jahr dauren; weilen ihre ſchwefelichte theil ſchon an den Reben / und in dem Moſt / den hoͤchſten grad der Freyheit beſteigen / da ſie hingegen bey un - ſeren Weinen ſich erſt nach etwelcher Jahren ablauff von den Banden an - derer irꝛdiſchen / Salz - und waſſertheilchen los wirken. Und iſt kein zweifel / das / gleichwie ins gemein alle waͤhrhafte Weine gehalten werden vor geſuͤn - der / unſere Landweine um ſo vil mehr zu unſerer Leiberen geſundheit helffen / weilen ſie in unſerem eigenen Land gewachſen / ꝛc.
DEme / was zu end des vorgehnden Blatts verdeutet worden / fuͤge bey / daß unſere Landweine einen in gewiſſer maß außgedehnten Luft / den wir ſelbs taͤglich einathmen / in ſich enthalten / folglich unſeren Lei - beren angemeſſener ſeyn; wie auch den Gemuͤtheren / weilen wir gewahren / daß die Sitten und Gaben der Seelen ſich richten nach der beſchaffenheit des Leibes; die Franzoſen ſind / wie bekant / eines geſchwinden / durchtringenden Geiſts / ſchlucken aber auch inſich einen edlen / ſtarken / gleichſam gewuͤrzten Wein; wie leicht laſſet es ſich hiermit muhtmaſſen / daß ein Volk / welches einen zwar guten / aber darbey daurhaften / erſt in dem Keller reiffenden Wein trinket / auch ſeine Gemuͤts-art neige zu gemaͤchlicher außkochung vorhaben - der Vernuͤnft-Schluͤſſen / und außweichung aller Vorſchuͤtzigkeit? Rede ich dißfals zuwenig / ſo belieben die verſtaͤndigen Leſer auf ſich ſelbs / und die Be - ſchaffenheit unſers Landes eine mehrere zueignung zumachen auß gegebenem Grundſatz; rede ich aber zuvil / ſo bitte diſes urtheil zuzuſchreiben einer aner - bornen ſchuldigen Liebe zu meinem Vatterland. Noch eines. Es iſt oben gemeldet worden / wie der Wein in dem Keller bey allgemaͤchlicher außko - chung ſeine rauchen irꝛdiſchen Theil nach und nach ablege / welche dann un - den / und an den Waͤnden in die Truſen gehen / und den Weinſtein geſtalten; ich ſage auch / oben. Jn einem ſicheren / vornehmen hieſigen Keller iſt ein ed - ler Meilikum̃er von A. 1678. bis A. 1693. auf der Truſen gelegen / und nicht nur von unten und ſeitwerts umgeben / ſondern auch oben mit einer Rinde von Weinſtein uͤberzogen worden / innert welcher gleich als in einem Ge - woͤlbeſich die ſonſt fluͤchtigen Geiſter haben muͤſſen gefangen geben / und folglich diſem Wein eine lieblichere ſtaͤrke zubringen. Auß deme / was bis - her von unſerem Landwein vorgebracht worden / iſt auch zuſchlieſſen / das der neue / oder nur jaͤhrige Wein / weil er noch nicht von ſeinen irꝛdi -ſchen26ſchen Theilen befreyet / der Geſundheit weit undienlicher ſeye / als wann er et - liche Jahr gelegen; und ſollen ins beſonder die jenige / welche der ſo genanten Milzeſucht / dem Nieren - oder Blaſenſtein / dem Podagra / Gleichſucht / und anderen dergleichen Tartariſchen / oder vom zaͤchen irꝛdiſchen Schleim / her - ruͤhrenden Krankheiten unterworffen / gewarnet ſeyn / ſich vor unſerem neuen Wein / den wir gemeiniglich Suſer nennen / zuhuͤten. Zu gefallen der Wein-Liebhaberen werde dann und wann mehrere Anmerkungen diſem Werklein einverleiben.
ES iſt bekant / wie nicht nur zwiſchen beyden Tropicis oder Sonnen - wend-Circlen / unter der Linien / ein allgemeiner Wind beſtaͤndig von Morgen gegen Abend waͤyet / ſondern andere gewiſſe Winde / nach welchen ſich die Schiff - und Kauffleuthe richten koͤnnen / zu ordenlichen Zei - ten blaſen / in Europa hingegen die Bewegungen der Winden vor unor - denlich bald durch das ganze verfloſſene Jahrhundert angeſehen worden; auſſert das Mr. Mariotte in ſeinem Buch du Mouvement des Eaux, & des autres Corps fluides, p. 50. und Hr. Sturm in einer Diſſert. de Aeris Mutationibus p. 20. gewahret / daß auf dem Europeiſchen Hori - zont die Winde gleichſam in dem Kreiſe umher lauffen / alſo daß meiſten - theils auf den Weſtwind folge der Nord / auf diſen der Oſt / und endlich der Sud - oder Mittag-wind / welcher widerum in den Abendwind ſich verwandle. Hierauf wuͤnſchte / daß in unſeren Landen mehrere achtung ge - geben wurde / weilen man bis dahin den Lauff der Winden vor ganz unrich - tig angeſehen; dann ſo koͤnte man nach und nach hier und da gewiſſe Reg - len machen von abaͤnderung des Wetters / auf welche eher zu gehen were / als auf die meiſten ſo genanten Bauren-Reglen im Kalender. Jn unſeren Eidgnoͤſſiſchen Landen ſind mir bis dahin bekant zwey einige Orte / da man ſich ordinari auf den Wind zuverlaſſen hat / und gewiß vorſagen kan / welcher morn / ja bald das ganze Jahr hindurch / zu der oder diſer Tageszeit waͤyen werde; das einte Ort iſt der Wallenſtatter-See / (Lacus Riva - nus, Rivarius, Ripanus, Ripenſis, Wallenſtadienſis, Veſenius) ſo oben an die Grafſchaft Sargans / und das Staͤttlein Wallenſtatt / unten an das Gaſter / und den Flecken Weſen ſtoſſet / und dabey die Sez oder Ma -gum27gum von ſich laſſet / welcher Fluß bald bey der Ziegelbrugg in die Linth flieſſet / und alſo die Limmath / oder Limagum außmachet. Auf diſem See waͤyen gewiſſe Winde / nach welchen ſich die Schiffleuthe zu groſſem ihrem / und der Reiſenden Nutzen zurichten wiſſen. Morgens fruͤhe vor / und bey der Sonnen Aufgang fanget an gemaͤchlich blaſen der Ober - oder Oſtwind / welcher auch ſonſten der Heuwetter-wind heiſſet / weilen des Sommers die Anwohnere bey fruͤher erzeigung diſes Winds das Graß ſi - cher abmaͤyen / und zur troͤknung außſpreiten koͤnnen / diſer Wind waͤhret bis ohngefahr um 10. uhr vormittag / dienet alſo denen / welche von Wallenſtatt abfahren wollen gegen Weſen. Zwiſchen 10. und 12. uhren iſt eine Windſtille. Nachmittag fangt zeitlich an ſeine Herꝛſchaft zuzeigen der Weſt - oder Abend-wind / welcher dann regieret bis zu Abend / und kom̃lich iſt denen / ſo von Weſen reiſen nach Wallenſtatt. Nach der Sonnen Nidergang fan - get gemeinlich bey ſchoͤnem Wetter widerum an waͤyen der Oberwind. Wie aber nichts in der Natur beſtaͤndig / und gerad / daß nicht zuweilen von der Richtſchnur abweiche / und ſich aͤndere / alſo geſchihet es auch etwann / das di - ſen jezt beſchriebenen ordenlichen Lauff der Winden unterbrichet der Nordwind / welchen ſie in dieſer refier nennen den Blaͤttliſer - und Kalch - tharler-wind von dem Berge Blaͤttlis / und dem Ohrt Kalchtharen / uͤber welche diſer Wind herblaſet / und den Schiffleuthen ein unbeliebiger Gaſt iſt / weilen er ihren auf den ordenlichen Windlauff gegruͤndeten Gewinn un - ſicher machet / ja / wann er unverſehens ſich erhebt / die Seefahrenden in gefahr ſetzet. Die natuͤrliche Urſachen diſer Begebenheiten ſind auß folgendem un - ſchwer zuerſehen. Es ligt der Wallenſtatter-See gegen Morgen und A - bend ganz offen / ſo daß die Sonne des Morgens bald aufſtehet / abends ſpaht nidergehet. Aber gegen Mittag - und Mittnacht erheben ſich hohe Schrofen und Berge / welche denen / ſo auf dem See bey ſchoͤnem Wetter fahren / ein angenehmes Schauſpiel vorſtellen / aber auch bey entſtehendem Ungewitter groſſe forcht einjagen / weilen die brauſenden Wellen an die Steinwaͤnde mit gewalt anpuͤtſchen / und von dannen mit entſetzlichem wuͤ - ten in ſich ſelbs zurukprellen. Hierauß iſt leicht zuſchlieſſen / daß die von auf - ſtehender Sonn verduͤnnerte / und in etwas außgedehnte / folglich einen wei - teren Raum erforderende Luft ſich nicht koͤnne auf alle ſeiten auß gleich auß - breiten / ſondern zwiſchen denen hohen Glarner-Sarganſer - und Gaſter - Bergen gleichſam gefangen allein ſich bewegen koͤnne gegen Abend. Es waͤhret aber diſer Oſtwind bis um 10. uhr vor mittag / bis nam̃lich die Soñin28in mitten uͤber den See zuſtehen komt / und alſo die gegen Wallenſtatt und Weſen ligende Luft in gleiche duͤnnung bringet / worauf ein Windſtille er - folget bis nach Mittag / da die Weſener Luft bey abſteigender Sonn gleicher - weiſe außgedehnt ſich nirgendshin kan begeben / als obſich gegen Wallenſtatt / und ſo einen Abendwind erwecken. Daß aber nach der Sonnen Nider - gang widerum anfangt waͤyen der Oſtwind / komt daher / weilen die von der waͤrme außgedehnte / und gegen Wallenſtatt getriebene Luftkugel dannzut mal ſich widerum zuſamen zeuhet / und gegen Weſen durch die kraft ihrer ei - genen ſchwere und elaſticitet zuruk fallet oder treibet. Oben habe bereits angedeutet / daß dergleichen vormittag waͤyende Oſt - und nachmittag blaſen - de Weſtwinde ſich noch an einem Ohrt finden / diß iſt aber das Bergeller / Pergellerthal / in Lobl. Gottshauß Pundt der hohen Rhætiæ, welches ſich auch zwiſchen hohen Bergen von Morgen gegen Abend erſtrecket / folg - lich gleiche / oben angebrachte Urſachen zulaſſet. Sol ich diſe Natur-Ge - ſchicht in vergleichung zeuhen mit anderen in anderen Landen vorkommen - den gewiſſen Winden / ſo ſtellet ſich ein der zweyfache Wind auf verſchiede - nen Oſt - und Weſt Jndiſchen Kuͤſten. Auf den Malabariſchen zum Exem - pel regieren des Sommers / oder von dem Herbſtmonat bis in April / von Mitternacht bis Mittag die ſo genanten Terreinhos, venti di Terra, Landtwind / welche von Morgen her uͤber das feſte Land herſtreichen; von Mittag aber bis zu Mittnacht die Viraconos, vvindt uyt de Zee, ſo von Weſten uͤber das Meer her kommen. Varen. Geograph. Gener. Lib. I. c. 21. Prop. 7.
Jch komme aber widerum zu dem Wallenſtatter-See / um achtung zugeben / was denen Seefahrenden auf beyden ſeiten deſſelben vor augen komme / und kom̃lichen anlas koͤnne geben zu gelehrten / und luſtigen diſcur - ſen. Fahret man von Weſen auf Wallenſtatt / ſo komt linker ſeits in augen - ſchein erſtlich der oben gemelte Blaͤttlisberg / oder Fiderſchen; darnach Mattſtock / ein anderer / ſo an ihne ſtoſſet; weiters Am̃on / auf Am̃on / ein Berg / und Dorff / welches ſo vil ſol heiſſen als au Mont, weilen das Dorf auf dem Berg ligt / nach der außlegung Guler. Rhæt. 213. oder amæ - nus mons, ein anmuhtiger Berg / nach Raͤbmañ Geſpraͤch von Berg p. 256. Dann gewißlich diſem Dorff nicht nur ein ſchoͤnes außſehen gibt ſein hohes und fruchtbares Laͤger / ſondern auch der Muslerbach / welcher ſich von groſſer hoͤhe uͤber die Felſen abſtuͤrzet / und denen vorbeyfahrenden einen ſchoͤnen luſt erwecket. ꝛc.
AN dem Fuß diſes Bergs war vor diſem ein Schloß Straleck ge - nant / da jezund ein Capelle ſtehet. Weiters folget der Berg Seren / zu deſſen anfang iſt der Beyerbach / von deme die Anwohnere vorge - ben / daß er mit dem Rhein / der doch weit von hinnen durch das Rheinthal abflieſſet / eine gemeinſchaft habe / weilen die Waſſer diſes Bachs mit dem Rhein wachſen / und abnehmen / welches aber wargenommen werden kan an den meiſten Bergwaſſeren. Fuͤrterhin iſt der Quintnerberg / alſo genant von dem Dorff Quinten / welches ſeinen Nahmen behalten von de - nen Roͤmiſchen hier an diſen See verlegten Colonien / gleich wie Tertz und Quart / welche drey Ohrt in Latein heiſſen Tertium, Quartum, Quin - tum; in unſerer Sprach / die dritte / vierte / fuͤnfte (Rott.) Beſſer hi - nauf iſt Joſen / da die Glatte / oder hohe / Steinwand / welche ſenkelrecht uͤ - ber den See aufſtehet / und auch in denſelben in gleicher geraden Lini ſich ein - ſenket / wie dann der See diß ohrts ſol in die 300. klafter tieff ſeyn / nach der Schifferen auſſag. Endlich bis Wallenſtatt ſihet man folgende Berge / Schwalbis; Schrynen; Tſchinglen; Buͤnz; Tſcherler Alp.
Auf rechter / oder mittaͤgiger ſeite des Sees iſt erſtlich / unweit Weſen / der Wallenberg; Britterwald / von deme Tſchudius anmerket in Hel - vet. Antiq. MSC. daß er geweſen ein Graͤnz - oder Marchſtein des Hel - vetier Lands / ins beſonder aber des alten Pagi Tigurini, Zuͤrichgeu / ſo auch der Biſtuͤmeren Chur / und Coſtanz. Ein theil von diſem Berg heiſſet Goffel-Stalden. An dem Fuß deſſelben gehet an dem See hin der Neue Weg / ſo mit groſſen unkoͤſten / und fleiß / oft in Felſen / eingegraben worden zum dienſt deren / welche zu Schiff nicht wollen / oder wegen ungeſtuͤme nichtkoͤnnen30koͤnnen uͤber See kommen. Weiters iſt zuſehen der Muͤrtſch-Stock / Moͤrtſchen / zu deſſen Anfang abflieſſet der Filtzbach. Jn der oberſten Felſen-Spitze diſes Glarniſchen Bergs iſt eine von Natur durchgegrabene Hoͤle / durch welche man an einem gewiſſen Ohrt des Sees den Himmel ſi - het. Auf deſſen Mittaͤgiger oder Glarnerſeiten war vor deme ein gutes Silber-Bergwerck / welches jezund ungebauet liget. An dem See iſt das Dorff Muͤllihaar / und das Muͤllethal. Weiters kommet der Kyretzer-Berg / auf deme das Dorff Kyretzen: Murgen / allwo eine Eiſenſchmelze; Quarten mit dem Quartnerberg; Tertzen / und Terznerberg; Mols / und Molſerberg / Rouͤſchyben / ein klei - nes Berglein / nebſt deme die Aa einflieſſet in den Wallenſtatter-See. Uber diſe Berg ſtrecket ſich die Spitzmeil / ein hohes Glarniſches Gebirg / welches den Nahmen ſcheintherzuholen von ſeiner zugeſpizcen geſtalt.
VNder denen Wundergaben / damit der guͤtigſte Gott unſere Eidgnoͤſ - ſiſche Lande / gleich vor altem das Land Canaan / ſegnet / iſt nicht die geringſte die Milch / von deren bereitung das jenige in moͤglicher kuͤr - ze dem geehrten / ſonderlich Milchliebenden / Leſer mittheilen werde / was auß eigener Erfahrung auf den hoͤchſten Alpgebirgen geſehen / darbey dann ver - hoffentlich das ſeinige wird finden der gemeine / und Baursmann / der Vatterlaͤndiſche Geſchicht-Schreiber / der gelehrte Woͤrter-Samler / und Außleger / der verſtaͤndige Arzet; und jeder gebetten wird zu enderen / zubeſ - ſeren / zu mehren / was ihne zu einer follkom̃neren Milch-Hiſtori dienlich dun - ken wird.
ES iſt der Senn ins gemein ein ehrlicher / aufrichtiger Mañ / ja ein ab - truck der alten Schweizeriſchen / und redlichen / einfalt / ſowol in ſeinem leben / als thun; bekleidet mit einem rauchen / ehrbaren Kittel / beſchuͤ - het mit Holzſchuhen / die er mit zweyen ledernen Riemen uͤber die bloſſen Fuͤſſe anbindet / gleich den Alten Teutſchen / quorum ſoleas ex Arboris lib - ro fabrefactas funiculus in planta pedis adſtringit, nach der Zeugnuß Cluver. Germ. Antiq. L. l, c. 16. und der abbildung / welche in ſeinem ge -lehrten31lehrten Buch von den Schuhen der Alten / de Calceo Antiquo, vorſtel - let Balduinus, p. 35. Es iſt aber hierzu das Holz tauglicher als Leder / wei - len die Straſſen auf die hohen Alpen / (welche die Sennen taͤglich brauchen muͤſſen) nicht eben / und beſezt ſeyn / ſondern wegen der vilen vorkommen - den Felſen / und Steinen / ſehr rauch.
Ein ſolcher Señ wird vorgeſetzet einer Señten / das iſt / einer zimli - chen anzahl von 20. 30. 40. oder mehr Stucken Haubt Viehes / mit welchen er zu anfang des Sommers zu Alp fahret / fleiſſig auf ſie achtung gibet / und von ihnen die Milch / Kaͤſe / Butter und Ziger ſamlet / darvor auch eint - weder dem Beſitzer fleiſſige rechnung / oder einen gewiſſen verdingten Zinß gibet. Hiemit Señtnet der Patron ſelbs / das iſt / er befihlet ſein Vieh auf ſeine Alpen / oder Weiden / zufuͤhren / und bezeuhet darvon ſeinen Nuzen. Die Wohnung des Sennen iſt die ſo genante Seunhuͤtte / ein durch - leuchtiges / von hoͤlzernen / auf einander gelegten / Balken aufgebautes / mit Tannrinden bemaurtes / mit hoͤlzernen Schindlen bedektes / und mit groſſen Steinen beſchwertes Haͤußlein / deſſen Aeſtreich eine bloſſe / oder mit Tannrin - den bedekte Erde / deſſen Thuͤren / Schloͤſſer / Rigel / Kuchengeſchirꝛe alle von Holz / deſſen Ober - und Underbett / Kuͤſſen / und anders Geraͤhte vil auf ein - ander ligende Kaͤſe / oder Heu. Diſe nach der kom̃lichen einfalt der Erſten Erden Einwohneren eingerichtete wohnung wird abgetheilt in zwey Haubt - Gemaͤcher: Das erſte behaltet den Nahmen des groſſen Hauſes / und ver - dienet den Griechiſchen Titel τυροκομειον, Kaͤſehuͤtte / weilen darinn ver - fertiget wird der Kaͤſe; da finden ſich alle zu der Kaͤſemachung noͤhtige Werk - zeuge / des Sennen Bett / die ſo genante in form eines Amphitheatri von ſteinen gebaute Hell / Herd / oder Feuerſtatt: Der andere Theil des Hauſes iſt der Milchgaden / Milchkeller / weilen da die Milch hingeſtellet / und be - halten wird / liget deßwegen gemeinlich gegen Norden / woher die kalten Luͤf - te wehen.
Nicht weit von der Sennhuͤtte iſt der Vieh - oder Kuͤhgaden / allwo der Ordnung nach ſtehen die Stieren / Kuͤhe und Geiſſen / jedenach ih - rem Rang / und mit ihrem gewiſſen Nahmen bezeichnet.
Diſtant ordine certo Privæ majores, mediáque ætate ſeorſim Privatimque recens nati Homer. Odyſſ. 9.
Diſe Thiere melket der Senn morgens und abends / ſizende auf ſei - nem einfuͤſſigen Melckſtul / welchen er mit einem Seil oder Riemen umden32den Leib anbindet / verſehen mit einem Salbhorn / in welchem Butter ent - halten zu beſtreichung der Utteren.
DJeſe nehrhafte / geſunde / und ungeſunde / Speiſe bereitet man folgen - der geſtalt. Nach dem der Senn die Milch gemolken in die Melk - teren / (welche den Nahmen ſcheinet herzuholen von dem Lateini - ſchen Wort Mulctrum, oder Mulctrale) und auß vilen Melkteren außge - goſſen in das Milchtaͤuslein / ſienet er ſie durch die Follen / oder Milch - Sienen (ein hoͤlzernes / oben weites / unten enges / mit friſchem Tannkreis ver - ſtopftes Jnſtrument) in das groſſe Wellkeſſe / Bandkeſſe / Kaͤßkeſſe / welches hanget an dem Thurner / einem hoͤlzernen Schnabel / welcher ſich mit leichter muͤhe von dem Feur hinweg / und uͤber daſſelbe bewegen laſſet. Nachdem die reine Milch eine zeitlang ob dem Feuer geſtanden / nim̃et der Senn auß dem Luptaͤußlein einen Loͤffel foll Lupp / Kaͤslupp / Kaslap (von deſſen bereitung und wirkung unten mit mehrerem ſol geredet werden) wormit er dann bis 100. Maß Milch ſcheiden kan. Von diſer dick geſchei - denen Milch nimmet er mit einer durchloͤcherten Zigerkellen den Abzug / ein ſchaumiges Weſen / hinweg / damit es den Schweinen diene zur Nah - rung. Die uͤbrige zum Kaͤſe machen dienliche / in ein dickes zuſamen halten - des weſen zuſamen geconnene Materi nennet man Bulderen / diſere zer - bricht der Senn mit der Kaͤsbrechen / einem ſtachlichten Stecken / in klein - ſte Stuͤcke. Wann diſes geſchehen / ſo ſcheidet ſich die dicke Materi von ei - nem waͤſſerichten Weſen / und heiſſet jene Kaͤſe / diſe aber Sirpen. Von diſer Sirpen nimmet der Senn mit dem Stielnapf / Hakennapf / Gon / etliche Maß hinweg / ſchuͤttet ſie in ein anders Geſchirꝛ / und faſſet den Kaͤſe in die Mutten / welche abhaldig geleget wird auf das Muttenholz / da - mit die uͤberfluͤſſige waͤſſerichte feuchtigkeit den ablauff habt. Jndeſſen wird die Sirpen / weilen ſie noch vil fette / nehrhafte Theil in ſich hat / widerum uͤ - ber ein ſtaͤrker Feuer geſetzet / damit ſich vorderſt aufs neue ſcheide der Vor - bruch / ein ſchaumichtes / oben auf ſchwimmendes ſehr niedliches Weſen / welches der Senn mit dem Schweidnapf wegnimmet / damit es ihme al - lein / oder mit andern Milchſpeiſen vermiſcht / zur nahrung diene / ꝛc.
Dem gechrten Leſer diene zur Nachricht / daß der Kaͤſe bereitende Senne mit ſeinen be - hoͤrigen Jnſtrumenten in einem ſauberen Kupfer vorgeſtellet den 8. Aprel nebſt dem ordinari Blatt zuhaben. Es wird ihme aber nicht zuwider ſeyn / vor diſes auſſerordenliche Kupferblatt und deſſen Erklaͤrung zu bezahlen 2. ß.
Das erſte Kupferblatt ſtellet vor den in ſeiner Huͤtten arbeiten - den Sennen mit allem behoͤrigen Geſchirꝛ.
ES ſcheinet diß ſchaumichte Leckerbißlein / von welchem bereits geredt worden / ſeye jene γραῦς bey Athen. p. 247. Dahin zeuhet Geßner. de Lacte p. 37. b. jene Scherzrede in der Comœdia Ariſtophanis, Plutus genant. καὶ μὴν πολὺ. &c.
Dañ das wort γροῦς bey den Griechen bedeutet ein altes weib / und aber auch diſen ſchneeweiſſen wolgeſchmaktẽ Vorbruch; woher villeicht kom̃et die bey un - ſerer jugend bekante Redensart / wañ ſie von den groſſen Schneefloken zureden pflegen / es fallen alte Weiber herunter. Wir kom̃en aber widrum zu unſerer in dem Wellkeſſe uͤbrigen Sirpen / und gewahren / daß darein geſchuͤttet wird von dem Saurtrank oder Saurſchotten / welche zu eben dem end aufbe - halten wird in dem Trankfaß / Trankbrunggen. Da geſchihet wide - rum ein neue ſcheidung der fluͤſſigeren Theilen von den feſteren / und heiſſen jene Schotten / diſe aber Ziger / beyde unter einander Suffi. Nach diſem kehret der Senn wider zu ſeinem Kaͤſe / nimmet denſelben auß der Mutten / umgibt ihne mit einem hoͤlzernen / oder rindinen Ring / den ſie Kaͤſejaͤrbe neñen / bedecket ihne mit einem rohen ſauberen Tuch / oder Kaͤßblechen / bele - get ihne weiter mit einem runden Brett / und beſchwert ihn mit einem ſchwe - ren Kaͤſeladſtein / damit auf ſo thane weiſe der Kaͤſe ſeine ordenliche runde / oben und unten abgeebnete geſtalt bekom̃e / und von allen waſſerechten Thei - len befreyet werde. Auf diſe gewaltthaͤtige preſſung des Kaͤſes kan gezogen werden / was Virgilius ſchreibet in Eclog. I.
Caſtancæ molles, & preſſi copia Lactis.
Auf34Auf die weiſe wird der Kaͤſe / nachdem er an ein dunkles und kaltes Ohrt ge - ſtellet worden / je mehr und mehr beſchwert / je feſter und feſter / und mit Salz zuweilen beſprengt / damit er daur - und ſchmackhaft werde. Es iſt aber ein un - terſcheid zumachen zwiſchen denen Mageren und feißten Kaͤſen. Diſe wer - den bereitet von friſch gemolkener / nicht abgenom̃ener Milch / auf bisher be - ſchriebene weiſe / haben folglich in ſich das Kaͤſichte / und Butterichte weſen / da jene gemachet werden von der jenigen Milch / welche etliche Tag in dem Milch-keller an einem kuͤlen Ort geſtanden / und den raum / oder Nidel / wo - rauß der Butter gemachet wird / von ſich gegeben.
VErwunderlich iſt ja die wirkung diſes vornem̃lich zur Kaͤſemachung dienlichen Safts / weilen ein einiger Loͤffel foll ſcheiden kan in die 100. Maß Milch: noch verwunderlicher aber / wann es wahr / daß glei - che wirkung ſol verurſachen ein in das Keſſe geſaͤnkte Tuͤrkiſche Ducaten. Und geben beyde denen Naturforſcheren zuverſtehen / wie ein wenig Saur - teig den ganzen Teig verſaͤure / wie etwan eine groſſe Kraft in wenigen Thei - len beſtehe / wie ſo kleine / und oft unſichtbare theil groſſe Wirkungen thun / welche Wahrheit beſtaͤtiget eben diſes Lup / von deme nur etliche Tropfen in Milch / oder Bruͤhen / eingenom̃en mit groſſem gewalt uͤber - und nidſich pur - gieren / und hier durch die ſchaͤrffe ihrer Theilen merklich zeigen. Es wird aber diſes Lup alſo bereitet. Man nimmet einen / oder zween zerſchnittene Kal - ber maͤgen / eine Handfoll Salz / gieſſet darauf gemeines waſſer / laßt es ſtehen ohngefahr zwey Wochen; So dienet es dann zum gebrauch. Die Hollaͤnder haben ein Wort / welches mit unſerem Lupp zimlich nahe uͤber - einkomt / wann ſie es heiſſen Lebbe, Libbe, Kalfslebbe; gleich ſie auch die Mutten nennen Mouden, oder Molden.
DJſe edle Milchfrucht hervor zubringen ſtellet der Senn die friſch ge - molkene / und geſienete Milch in den ſo genannten Milchkeller / wel - cher deſto beſſer / wann er friſcher und kaͤlter. Jn einer gewiſſen vor - nehmen Sennhuͤtte iſt diſer Keller in einen Felſen eingegraben / und entſprin - get darinn ein kalt Waſſer / welches den Boden bedecket / ſo daß die alldort zufindende Kuͤpferne / iñwendig wol verzinnete Mutten in dem Waſſer ſte - hen / da dann die Milch etlich Tag friſch bleibet / und einen herꝛlichen Nidel in groſſer vile von ſich gibet. Diſer Nidel wird zuſamen gefaſſet / und in einem Ankenkuͤbel durch einen Stecken / oder in dem Ankenfaß oder Liren / ſo lang dort auf und nider / hier in die ruͤnde / beweget / bis ſich der waͤſſerichte35 Theil / den ſie Ankenmilch nennen / ſcheidet von dem hiermit gemachten Butter / oder Anken ſelbs.
ES kom̃et der auf oberzehlte weiſe gemachte Ziger / Recocta, Caſeus ſecundarius, herauß / nach deme die Milch ſchon den Kaͤſe und Butter von ſich gegeben / und wird vor den zukoͤnftigen / ſonderlich winterli - chen Speiß gebrauch bewahr et in dem Zigerꝛumpf / ein von Tanurinden ge - machtes / mit Tanninen Wurzlen zuſamen genaͤyetes / rundes / zwey oder dritthalb Schuhe hohes Gefaͤß; oder in der Zigertrimmen / welches vier - eckicht / von Bretteren zuſamen gemachet: uͤber diß beſchweret mit Trim̃e - ſteinen / oder Ladſteinen / damit die in dem Ziger noch uͤbrige Schotten auß - getriben werde / und der Ziger ſelbs deſto friſcher bleibe. Die Schotten ſelbs dienet zur nahrung den Schweinen / welche auf allen Alpen bey denen Sennhuͤtten anzutreffen / mit dem Ziger aber gibt ſie eine Speiſe ab vor die Sennen / und ihres Geſind. Eine ſolche Speiſe muͤſſen auch in ihrer hoͤle gehabt haben die Cyclopes, bey denen Uliſſes eingekehrt / wie uns deſſen be - richtet Homer. Odyſſ. IX.
Dadurch das erſte halbe Theil kan verſtanden werden der Kaͤſe / durch das andere die pure Milch / oder die Suffi / oder Schotten.
ES behelffen ſich die Aelpler nicht nur der Milch / Butters / Kaͤſes / Zi - gers / Suffi / und Schotten / ſondern wiſſen auch ihnen ſelbs oder fremden ankommenden Gaͤſten zubereiten allerhand niedliche Milch - ſpeiſen; unter denen vornehmlich kan gezellet werden das Nidelbrot / wor - mit ſie ganz wol beneñen ein in heiſſen Nidel oder getunktes / oder gekochtes / in Schnitten / oder brocken zertheiltes Brot / welches einiche auch zuruͤſten mit Butter und Milch; hernach die Stunkenwerne / ein feißtes Mus / wird gemachet auß Nidel / Maͤhl / und Eyeren / wann die beyhanden ſeyn. An - dere nehmen Butter / Maͤhl / und Ziger. Bey zuruͤſtung diſes Muſes iſt zu - gewahren / daß wann es den hoͤchſten grad der hitz erꝛeichet / und die zunge und hals verbrennen wurde / der oben auf ſchwim̃ende Butterfoͤrmige Nidel nurlau36lau iſt / und ohne einiche gefahr loͤſſelweiſe kan eingeſchlucket werden. Eine begebenheit / welche aufzuloͤſen dem Leſer uͤberlaſſe.
ES wuͤſſen die / welche ſich auf die natuͤrliche Hiſtori der Metallen legen / ganz wol / daß in der Welt gar wenig Stahel-Erz / ſo ſie Stahel - ſtein / und Kern-Stahel heiſſen / zufinden ſeye / auß deme namlich alſobald ein Stahelhartes Eiſen / das iſt / ein Stahel koͤnne gemachet wer - den; maſſen der meiſte Stahel verfertiget wird auß dem Eiſen / der deßnahen zum unterſcheid des erſteren Eiſen-Stahel genent wird. Es ſind zwaren bey alten Scribenten bekant der Sinopiſche / Lydiſche / und Laconiſche Sta - hel / die eigentliche Geburts-Statt aber des Stahels iſt Chalybo, ein be - ruͤhmte Statt in Aſſyrien / von deren auch der Stahel den Nahmen Cha - lybs empfangen / und zu allen zeiten getragen hat. Salmas. Exercit. in So - lin. p. 763. Jn Europa iſt mir nicht bewußt einiches wahrhaftes Stahel - Erz / wann nicht ſolchen Titul verdienet das / welches gegraben wird in Jlva, Elba, des Großherzogs von Florenz Gebiet / und Mittellaͤndiſchen Meers Jnſula inexhauſtis Chalybum generoſa metallis, Oder das Noriſche Eiſen / mit deſſen zaͤhen hartigkeit Ovidius ein Frauen - zimmer vergleichet / daß ſich kaum zu einer Gegenliebe bewegen laſſet / wann er ſie alſo anredet: Durior es Ferro, quod Noricus excoquit ignis. Eines ſolchen koſtbaren / wahren Stahel Erzts kan ſich ruͤhmen ein Lobl. Eid - gnoſchaft / und in derſelben die Grafſchaft Sargans / welche in einem hohen Berg Gunzen ein dreyfaches Erz hat / Schwarz Erz / Meliwerk / und Roht-Erz / auß deren vermiſchung unmittelbar geſchmelzet wird ein wahr - hafter Stahel / welchen die Herꝛen Gaaden / dißmalige Jñhabere des Berg - werks / außarbeiten laſſen zu Flums / einem in der Grafſchaft ligenden Fle - ken / der auch einen alt Roͤmiſchen Nahmen tragt / ſo Flumen, einen Fluß bedeutet. Diejenigen rohten Steine / oder Gebuͤrge / innert welchen als in einer Schalen die Erz-Aderen ſtreichen / aber zum Gebrauch unnuͤtz ſeyn / heiſſen ſie Leberberge / von der Farbe. Merkwuͤrdig aber iſt / daß eine or - denliche gewiſſe vermiſchung obgenanter drey Erzen muß geſchehen / wañ ein Stahel ſol herauß kommen / ſonſten gibt es nur Eiſen. Es iſt aber die Pro - portion allein / und ſonderbar / bekant denen Arbeiteren.
Beſonder iſt zuhaben à z. ß. das vor 8. tagen angemeldte Kupferblatt von des Sennen Perſon / Behauſung / und Jnſtrumenten / nebſt deſſen Erklaͤrung.
ES zerzanken ſich unter einander die Naturlehrer wegen der Wolken / woher ſie kom̃en? worauß ſie beſtehen? wie ſie in freyer Luft koͤñen ſchwe - ben? Das meiſte aber / das ſie hieruͤber der Welt vortragen / ſeyn in dem Hirn geſponnene Grillen. Jch bitte / ſie ſpatzieren ſelbs auf die hohen Ge - birge / oder begeben ſich in die Schul der Aelpleren / wann es ihrem hohen An - ſehen nicht zuwider / ſo werden ſie eins und anders erfahren / ja mit Augen ſe - hen / was zum Fundament der ſach dienet. Diſe einfaltige Leuthe werden ihnen mit den Fingeren zeigen / wie die Wolken anders nichts ſeyen / als Ne - bel / wie ſie nicht ſo vaſt von dem Meer her durch die Luft getragen an die Berge anſtoſſen / als aber auß den Bergen ſelbs aufſteigen in form kleiner zertheilter Neblen / welche hernach ſich weiter auf - und in wolken zuſamen zeu - hen. Jch habe mich in meinen Reiſen hieruͤber zum oͤfteren verwundert / und mit luſt zugeſehen / wie diſe außdempfungen etwan den ganzen Berg / auf de - me domals gereiſet / uͤberzogen / und mich ſelbs eingewicklet haben / daß kaum 20. oder 30. Schritt weit vor mir ſehen koͤnnen / da ich doch kurz vorher bey 30.40. und mehr kleine duͤnne Nebelein bey klarem Wetter habe geſehen aufſteigen / bald auch / nach deme die Wolken durchreiſet hab / widerum einen hellen Proſpect / oder weite außſicht vor mir gehabt. Es hat mich diſere wolkichte außdaͤmpfung erinneret an die ſichtbare außrauchungen unſerer Fluͤſſen / und auch Felderen / welche gewahret werden zu anfang des Winters / wann nam̃lich die aufſteigenden Duͤnſte durch die kalte Luft verdickeret / gleich unſerem eigenen Athem / ſichtbar werden / welche in Sommerlichen und an - deren warmen Tagen ſich zertheilen / und auß unſeren augen ſich verlieren. Jn mehrerem nachdenken habe mir ſelbs die Fragen vorgeleget / welche auch andern zueroͤrteren uͤberlaſſe / ob nicht bey diſen unſeren Bergwolken koͤnnege -38gewahret werden ein ordenlicher Kreißlauff der Waſſern? und ob nicht wahr - ſcheinlich / daß die Goͤttliche Vorſehung auch unter anderem die Berge zu dem ende auf die Erde geſetzet / das ſie dienten an ſtatt groſſer Kaminen / durch wel - che die Duͤnſte in groͤſſerer Maß auß dem Eingeweid der Erden außrauchen koͤnnen / als durch ebene Felder / und Waſſer / weilen oft die flaͤche eines einigen Bergs gleich groß iſt mit der ebenen Flaͤche eines ganzen Lands? Hierauß koͤnte man ſchlieſſen / daß gleich wie unſere Eidgnoͤſſ. Gebirge die jenigen Waſ - ſer / welche dem meiſten Europæ durch groſſe Fluͤſſe zuflieſſen / ſamlen und auß theilen / gleicher geſtalt koͤnnen genennet werden ſamlere / und außſpendere der Wolkẽ / eines edlen / uͤberauß nuzlichen / nohtwendig〈…〉〈…〉 Geſchoͤpfts. Gewißlich / wann wir die Natur nicht mehr / wie vorhin / mit blinden / ſondern offenen Augen anſehen / finden ſich aller Orten genugſame Proben einer unbeſchraͤnk - ten Macht / unendlichen Weißheit / und unverdienten Guͤte gegen uns Erden - bewohnere / die wir die Geſchoͤpfte Gottes gemeinlich anſchauen / wie Roß und Maulthier / die keinen verſtand haben. Jch komme widerum auf den Weg / welchen mir die Wolken zeigen / und gewahre / daß die Einwohnere der hohen Gebirgen nicht nur auß dem ſteigen / und fallen der Wolken urtheilen von dem Wetter / ſondern auch auß ihrer farb / geſtalt / beſchaffenheit: Sind ſie zertheilt / duͤnn / weiß / leicht / ſo daß ſie leicht in die hoͤhe fahren / ſo werden ſie genennet trockene / Heuwetter-Nebel / weilen ſie ſchoͤnes Wetter anzeigen: Sind ſie hergegen dick / ſchwer / und laſſen ſich nicht leicht von der Erden auf / ſo zerfallen ſie in Regen. Mit diſem / was von dem urſprung der Wol - ken geredt / kan verglichen werden das / was in denen Nordiſchen Gebirgen war genommen / und denen Novis Literariis Maris Balthici A. 1703. p. 83. ein verleibet hat M. Joach. Frid. Creitlovv, Pfarꝛer zu Rommeleden in Weſter-Gothland.
WJt ſtillſchweigen wil uͤbergehen alles das jenige / was von diſer art Thieren zu finden bey anderen Natur-beſchreiberen / als Conrado Geßnero, Ulyſſe Aldrovando, &c. und nur allein den cu - rioſen Leſer aufhalten bey deme / was anderſtwo gar nicht / oder falſch / oder nicht in genugſamer Erlaͤuterung anzutreffen.
Von ihrer Feſtigkeit
Machen vil weſens die Berg-Jaͤger. Einiche derſelben halten ſie vor feſt / wann ſie morgen nuͤchtern / und fruͤhe vor der Sonnen-Aufgang / eſſenvon39von der Gemßwurz / inſonderheit von derjenigen art / welche blaue Blumen habe. Da aber denen Kraͤuter-verſtaͤndigen keine andere gattung Doroni - ci, oder Gembswurtz / bekant / als die mit gelben Blumen / ſo das vermuthe / es moͤchte die blaugebluͤmte Gembswurtz anders nichts ſeyn / als ein Aſter al - pinus flore cœruleo, oder Blaues Berg-Sternkraut / deren es verſchie - dene Arten gibt auf hohen Alpen. Andere halten ſie vor ſchußfrey / wann ſie in ihren Maͤgen haben ſo genante Gemskuglen / oder Ægagropilas, dannenher auch diſere Kuglen mit groſſem Fleiß aufgeſucht / und getragen werden von Aberglaͤubiſchen Soldaten. Diß ſagen die Jaͤger bald einhellig auß / daß diejenigen Thiere / welche Kuglen in ſich haben / zwar nicht ſchußfrey ſeyen / aber einen harten / langſamen tod außzuſtehen haben / und ihnen etliche Kuglen muͤſſen in den Leib gejagt werden / ehe ſie davon fallen / ſo daß ſie auß diſer ihrer Lebens haͤrtigkeit gleichſam vor gewiß ſagen koͤnnen / welche Gem - ſe Kuglen haben / oder nicht. Und kan wol ſeyn / daß eine gewiſſe bezoardi - ſche in denen Gembskuglen befindliche kraft diſer Thieren Gebluͤt ſo lebhaft / die Geiſter ſo beweg-empfindlich / und die Zaͤſerlein ſelbs ſo ſtark machet / daß ſie daher dem tod laͤnger widerſtehen koͤnnen / als andere. Wann man uͤber diß in betrachtung ſetzet die dicke der Haut / den weiten ſtand des Jaͤgers / die verſchiedenheit der Wunden / da die einte Kugel kan ſchaͤrfer und toͤdlicher verwunden / als eine / oder mehr / andere / die raͤuche der kalten Luft / durch wel - che die ganzen Leiber der Gembsthieren zuſamen gezogen werden / und gleich - ſam erharten / ſo lafſet ſich wol auß natuͤrlichen urſachen etwas ſchlieſſen von dem harten Leben diſer Thieren / hingegen auch urtheilen von derjenigen Mei - nung / welche den Gembſen eine foͤllige feſtigkeit zuſchreiben / oder gar die zart hautichten Menſchen / Officier / oder Gemeine / bereden wollen / das auch ſie vor dem Schuß ſicher ſeyen / wann ſie / wil nicht ſagen von einer Gembskugel nuͤchtern eſſen / ſondern nur eine ſolche bey ſich tragen; da etwan eine ankom - mende matte Kugel durch keine / oder geringe / Hautverletzung die Lebensbe - gierige Menſchen in ihrem wohn kan ſtaͤrken.
HJervon ſchreibt unſer Conrad Geſſner in ſeinem Thierbuch p. 63. b. alſo: die Gemſe ſamlen ſich gmeinklich bey etlichen ſandaͤchtigen Felſen / laͤckend das Sand / reiben ihr Zung und Rachen damit / machen ihnen ſelbs alſo begierd zu eſſen / alß ob es Salz waͤre / werden auß der urſach von den Jaͤgeren und Einwohneren der Landen Sul -zen40zen genamſet: bey ſolchen Sultzen hinderhalten und verbergen ſich die Jaͤger mit ihren Buͤchſen und Geſchuͤtz / ſo dañ die Gemſen nach gewohnheit herzu - traben / ſchieſſen ſie es unbewarter ſach zu tod. Deme iſt alſo / wie Geſſner ſchrei - bet. Hin und wider auf denen hohen Alpen finden ſich dergleichen ſandichte Felſen / die alſo von denen Gemszungen außgeſchabẽ ſind / daß man gewaltige Schrammen oder hoͤlinen darinn ſihet: Die Puͤndtner heiſſen ſolche Ort Glaͤck; andere nennen ſie Sultzen / Sultzlaͤckinen / Laͤckinen. Diſe Fel - ſen ſind nicht / wie einiche wollen / oder ſehr ſelten / ſalzicht / ſondern nur ſan - dicht / und urtheilet Geſſner ganz wol / daß dergleichen Sultzen den Gemſen dienen zu vermehrung der Eſſensluſt / oder auch / wie er im Lateiniſchen Exem - plar meldet / zu abloͤſung des Schleims / der ihnen moͤchte am Gaumen kle - ben: ich ſage noch uͤber diß / zu befoͤrderung der daͤuung. Bekant iſt / wie die Voͤgel allerhand Sand - und Kiſelſteinlein inſich ſchlucken / zu keinem an - deren end / als damit die harten Saͤm - und Koͤrnlein dardurch zwiſchen ihrem ſtarken Magen / als zwiſchen Muͤlleſteinen zermalmet / deſto eher und beſſer in einen Nehrſaft gekochet werden. Nun iſt bekant / daß die Wider - kaͤuende Thier / under welchen auch die Gemſe / keine Zaͤhne haben in dem oberen Mund / folglich die eingenom̃ene / meiſtens trockene / lange und zaͤche Speiſen nicht wol koͤnnen zerſchneiden / weßwegen / damit gleichwol auß ih - nen ein guter Nahrungs ſaft bereitet werde / dergleichen Thiere von dem Schoͤpfer begabet worden mit einem uͤberauß kunſtlichen vierfachen Magen / aber auch mit einer eingepflanzten luſt / vom Salz oder Sand einzuſchluken / und alſo den mangel der Koch-Jnſtrumenten darmit zuerſetzen; wie wir dann ſehen / daß die Kuͤhe / Geiſſen / und alles uͤbrige Hornvithe / von allen vor - kommenden / ſonderlich Salpetriſchen Mauren mit groſſer Begierd ſchaben / und das abgelekte einſchlucken. Diſes vortheils muͤſſen ſich die Gemſe be - dienen um ſo vil deſtomehr / weilen ihnen niemand Saltz vorſtrecket / und ſie ſich ſonderlich zu Winterszeit an ſtatt der Speiſe bedienen trukener / zaͤher / Kraͤuteren und Wurzen.
P. S. Bey anlas eines Mond-hoffs / oder Rings / ſo den 2. April abends um 9. und 10 uhr geſehen worden / und darauf erfolgten / Wind und regnichter Kaͤlte / beliebe der geehrte Leſer zu bemerken / wie ſich bekraͤftige das / was N. 1. pag. 4. von dergleichen Mondes - Ringen und ihrer bedeutung gemeldet worden.
ES iſt diſe eine der beſchwerlichſten / und zugleich gefaͤhrlichſten / Jag - den / bey deren der Jaͤger keinen fleiß muß ſparen / keine muͤhe ſich dau - ren laſſen / die Stell - und bewegungen der Thieren wol in acht neh - men / Froſt / Hitz / und andere ungemach außſtehen / ja gar oft in Leib - und Le - bens-gefahr ſich begeben. Keine Hunde nuͤtzen ihn etwas / er muß den Jaͤger und Hunde zugleich verſehen. Seine außruͤſtung beſtehet in einem rauchen Kittel / Geſchoß / Pulver und Kuglen / einem Raͤnzlein mit etwas gedigenem Fleiſch / oder Kaͤſe / und Brot / verſehen / und einem bar Schuheiſen / welche er kan an den ganzen Schuh anlegen / und damit uͤber die gaͤhen / abhaldigen Felſen / oder uͤber die Gletſcher kletteren. Seine Wirthshaͤuſer ſind die Sennten / in denen er Milch und Milchſpeiſen antrift zu ſeiner erlabung / und da ſeinen Außſpan / oder Nachtherberg nimmet / auf bloſſer Erde / oder / wann es wol gehet / auf dem Heu ſchlaffende. Oft geſchihets / daß er mor - gens außgehet auf die Jagd / und entweder gar nicht mehr naher Hauß kom - met / oder ganz zerfallen dahin getragen wird; oft ſtuͤrzet er ſich in ſolche ungeheure tieffenen uͤber Felſen und Berge herunter / daß man ihne nimmer findet; Oft ſchieſſet er ein Gewild von hohen Klippen herab / oder er erſchre - ket die auf hoͤchſte Felſen getriebene Gemſe durch loßbreñung eines Geſchoſſes in freyen luft ſo ſehr / daß diſe forchtſame Thiere durch verzweifelte ſpruͤnge ſich ſelbs den Hals brechen / und in ſolche Bergkluften hinunter fallen / da ſie ohne groͤſte Lebens gefahr nicht koͤñen herauf geholet werden / oder gar muͤſſen ligen bleiben / und verfaulen / daß ſie der Jaͤger entweder nicht findet / oder nicht darff ſuchen. Etwan tragt es ſich zu / das ein oder vil Thiere in ſolche enge getriben werden von dem ſchlauen / an einem kaum viertelſchuͤhigen engen Paßſtehenden Jaͤger / daß ſie vor ſich nicht weiter kommen / hinter ihnen aberihren42ihren Todfeind vorſich ſehen / der ihnen den Rugkweg abſchneidet. Jn diſem fall braucht es bey dem Birger / (dann alſo nennet man an verſchiedenen Or - ten die Gemsjaͤger) groſſe klug - und