PRIMS Full-text transcription (HTML)
Thereſiade
Ein Ehren-Gedicht.
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Zweyter Theil.
Wienn in Oeſterreich, Gedruckt beyJohann Jacob Jahn, Univerſitaͤts-Buchdruckern.1746.
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Thereſiade.

Siebendes Buch.

DJe Tugend ſezte ſich, ſo fieng ein Murmeln an,
Weil von dem Kreiſe ſich noch niemand vorgethan.
Jch konnte nichts verſtehn; es ließ, als ob man
ſtreite,
Und etwan zum Entſchluß die Meinungen bereite.
Das Summen waͤhrte ſo, wie wann von ungefaͤhr
Ein friſcher Morgen-Wind das Spiegel-glatte Meer
Jn die Bewegung treibt, daß die gerollte Wellen
Sich an den ſteilen Strand, an Stein und Klippen prellen;
B bDerThereſiade
Der ganze Saal ward reg: hier ſpuͤhrte man ein Wort;
10
Da liſpelt Eine dieß, was anders Jene dort.
Es redten zwey und zwey, auch drey und mehr zuſammen,
Nachdem Begier und Geiſt und Eifer Plaz bekamen.
Balb ſtund ich auf die Zehn und hielte mich erhoͤht;
Bald hatt ich mich dahin, und bald hieher gedreht
15
Aus vielerley Geſpraͤch nur eines zu vernehmen;
Umſonſt: ich mußte mich zu der Geduld bequemen:
Bis eine graue Frau die Stimme ſehr erhob
Und ſagte: Gibt man dann der Tugend gar kein Lob
Die mehr als andere mit Muͤhe, Sorg und Kraͤften,
20
(Jch rede von dem Fleiß:) in Staats - und Kriegs-Geſchaͤfften
Sich angewendet hat? Kaum aber redte die,
So fiel die Jugend ein: Was nuzte deine Muͤh,
Wann meine Munterkeit, mein Feuer dich verlieſſen?
Geſezt , ſprach Eine drauf, ich wollte mich entſchlieſſen,
25
Euch allen insgeſammt mehr Feind als Freund zu ſeyn:
Traͤff nicht der alte Spruch in Wort - und Wercken ein:
Wer iſt der ſeinen Feind ſucht, ſieht, und uͤberwindet,
Der nicht erſt durch das Gluͤck den Weeg zum Siegen findet?
Der wiederſprach man auch. Sie ſezte dannoch fort
30
Und ſagte: Zeige man nur den geringſten Ort,
Wo man wußt ohne mich ſo vieles auszuſinnen:
Jch mußte Schritt vor Schritt, was man verlohr, gewinnen.
DieSiebendes Buch.
Die Weisheit fieng auch an, doch blieb ſie wieder ſtill
Und ſprach nur Seitwaͤrts dieß: Die weiß nicht, was ſie will:
35
Jhr Eigenſinn vermeint, man ſoll nur ſie verehren;
Das waͤr ja die Vernunft in blinden Wiz verkehren.
Die welche von dem Gluͤck ſo redte, ließ nicht nach,
Sie ſuchte mit Getoͤß den Vorzug, da ſie ſprach:
Stuͤnd ich von euch entfernt, ſo waͤr der Abgrund offen,
40
Und ihr verſchmachtetet fuͤr unfruchtbarem Hoffen.
Wie manches Mahl verlohr der Feind ſo Maß als Ziel?
Warum? ich machte mir aus ſeinem Krieg ein Spiel.
Hat er nicht oft zu fruh, zu ſpaͤt, umſonſt gewachet,
Warum? weil ihr mit mir von euern Waffen ſprachet;
45
Jch ware ſtets mit euch, mit euch hielt ich mich auf,
Und lenckte das Geſchick in einen treuen Lauf.
Wann euer Feind von mir nur einen Blick verſpuͤhrte,
So war es, wann ich ihn zu dem Verderben fuͤhrte.
Halff nicht oft ein Moraſt, ein Regen, oder Froſt,
50
Auch ſelbſt der Feinde Zwiſt? der war euch oft zum Troſt.
Erweget, wie das Meer ſo gar ſich einſt erweckte,
Und durch der Winde Grimm der Feinde Stolz erſchreckte;
Wem ſchreibt ihr dieſes zu? ſpracht ihr nicht: das Geſchick,
Der Umſtand, dieſer Fall iſt unſrer Waffen Gluͤck!
55
Jhr ſelber rieffet auf: des Feindes Ungluͤcks-Faͤlle!
Warum benanntet ihr ſie nicht des Gluͤckes Quelle?
B b 2Jn -Thereſiade
Jndeſſen war der Saal ſtets mehr erregt, geſtoͤrt,
Mithin ihr Reden nur verwirꝛet angehoͤrt.
Es wollten andere ſo wohl, als dieſe, ſprechen,
60
So mußten folglich ſich die Reden unterbrechen.
Kaum hoͤrte man ein Wort, ſo wiederſprach man es.
Den ganzen Saal durchſchlich ein ſtreitendes Getoͤß.
Thalia ſagte mir: Will man ſie reden laſſen,
So kann man den Entſchluß in keinem Jahr verfaſſen.
65
Hier ſchrie man Maͤßigkeit, Mannhaftigkeit und Zucht;
Dort hatten Demuth, Lieb und Eintracht Plaz geſucht.
Der Stimmen Menge konnt nichts deutlich offenbaren,
Weil Tugend, Eigenſchaft, und Werck vermiſchet waren.
Es wird im Sommer oft der allerſchoͤnſte Tag,
70
An dem die Sonne ſelbſt ihr Aug ergoͤzen mag,
Jn den beglaͤnzteſten und angenehmſten Stunden
Von dem geringſten Grau der Wolcken uͤberwunden.
Es ſteigt von ungefaͤhr ein ſolcher Schatten vor,
Bedeckt, verbirgt die Luft als ein geſpannter Flor.
75
Durch eine ſtille Macht zerſtreuet ſich die Naͤſſe;
Wie wann der Sonne Glanz ſelbſt in das Grau zerfloͤſſe:
Nichts ſieht man unerbleicht. Jn einem Augenblick
Wird die verhuͤllte Luft, der Tropfen-Strich ſo dick,
Daß Freude, Luſt und Troſt, ſo wie der Schein, verſchwindet,
80
Und aller Gaſſen Raum ſich uͤberſchwemmt befindet.
BisSiebendes Buch.
Bis ſich das blaſſe Licht der Sonne wieder zeigt,
Und ihr noch feuchter Strahl durch ſolche Wolcke ſteigt,
Die Waͤſſer aus der Luft ſich allgemach verquellen,
Und alle Kreiſe ſich durch neuen Schein erhellen.
85
Jn ſolcher Aenderung befande ſich der Saal,
Bis jemand von dem Rath Gelaſſenheit befahl.
Es war die Majeſtaͤt, die mit erhabnen Blicken
Den Streit zu ſtillen wußt, die Zungen zu beſtricken.
Jhr Ernſt-erfuͤlltes Aug in ihrer Hoheit Pracht
90
Wand ſich im Kreiß herum und nahm den Streit in acht,
Verfinſterte die Stirn, und winckte mit den Haͤnden,
Man ſolle des Geſpraͤchs Unartigkeiten enden.
So tief man im Geſchwaͤz, und in dem Eifer war,
So bald ward alles ſtill, wie nach dem Regen klar;
95
Der Saal bequemte ſich den Unfug abzulegen:
Jmmittelſt ſahen wir die Staats-Kunſt ſich bewegen.
JHr Anblick fiele mir beſonders ins Geſicht;
Kein Wunder, dunckte mich, wann ſie die Bahne bricht.
Schwert, Harniſch, Helm und Schild erhoͤhten ihr Betragen,
100
Als wollte ſie mit Macht ſich in das Mittel ſchlagen.
Mehr Oberherꝛlichkeit mit Herꝛſch-Begier gepaart
Erkannte man in ihr als wahrer Hoheit Art;
Jhr blau-geſticktes Kleid ſchien alles auszukunden,
Weil auf deſſelben Stoff viel hundert Ohren ſtunden.
B b 3105 MichThereſiade
105
Mich hielte dieſe Tracht befremdet und entzuͤckt;
Die Falten waren auch mit Augen ausgeſchmuͤckt,
Die Bliz-geſchwind den Blick nach allen Seiten ſchoſſen,
Als haͤtte ſie der Streit und das Getoͤß verdroſſen.
So fieng ihr Vortrag an: Seit dem ich angehoͤrt,
110
Was jeder Freundinn Herz vor Ehrbegierde naͤhrt,
Hab ich mir Frieß und Rang, und Ehr und Ruhm verſprochen.
Dann wer hat mehr als ich am Feinde ſich gerochen?
Hierauf fiel jemand ein, (die ſchimmerte von Gold)
Was , ſprach ſie, biſt du dann nur deinen Sinnen hold?
115
Jſts moͤglich, daß dein Herz dem Mund nicht wiederſpreche?
Es kommt mir vor, daß es dir an Beweis gebreche.
Schreckſt du vielleicht nur die, die leicht zu ſchrecken ſeynd?
Erklaͤr uns deine Rach! wie ſtrittſt du mit dem Feind?
Die Staats-Kunſt wandt nichts ein; fuhr fort: Nur ich kann
wiſſen,
120
Wo man ſich zu dem Kampf, zum Angriff ſoll entſchlieſſen?
Und dieſe Kunſt hab ich die Koͤniginn gelehrt;
Durch dieſe blieb ihr Thron und Zepter unverſehrt.
Die Gegnerinn erhohlt: Dein Augen-volles Reden
Mag uͤberſichtige, Wiz-loſe Sinnen bloͤden,
125
Nicht aber mein Gemuͤth. Mein Herz vermag ſo viel,
Als deiner Wiſſenſchaft Verwicklung-volles Spiel.
Sie wieß ein Herz und ſprach: Hier kannſt du es betrachten,
Jch weiß, man pflegt es mehr, als deine Kunſt zu achten.
WasSiebendes Buch.
Was meine Zunge ſpricht, das wiederhohlt mein Herz;
130
Dein Reden aber iſt nur Heicheln, oder Scherz.
Thalia ſagte mir: Die ruͤhrt die ſtaͤrckſten Geiſter;
Es iſt Aufrichtigkeit, ſie wird der Staats-Kunſt Meiſter;
Sie deckt die Falſchheit auf, ſo die mit Worten faͤrbt;
Sie ſtellt aufrichtig her, was die mit Liſt verderbt.
135
Der traut man nur mit Furcht, weil ihre Wort und Thaten
Sich wiederſprechend ſeynd, und oft in Zwiſt gerathen;
Wo jene nur verſpricht, was gleich geſchehen ſoll:
Daher bezeigen ſie einander einen Groll.
Der beyden Meinungen ſeynd ſelten zu vergleichen,
140
Sie muͤſſen ſich ſehr oft in den Geſchaͤfften weichen.
Die Staats-Kunſt ruhte nicht, ſie hob ein Buch empor,
Und kam uns, ihren Zorn mit Liſt verbergend, vor.
Jndem ſie theils entflammt, theils freundlich wiederſezte:
Dieß iſt das Buch, worein ich meinen Rathſchlag ezte.
145
(Sie ſchlug, indem ſie ſprach, ein, zwey Mahl auf das Buch)
Hierinnen findet ihr der Frage Schluß und Spruch!
Hierinnen ſteht die Macht, das Trieb-Werck aufgeſchrieben,
Durch welches man des Feinds Beſtreben aufgerieben.
Dieß iſt das Staats-Geſez, der Kriegs - und Friedens-Schild,
150
Den ich der Koͤniginn im Streit vor Augen hielt.
Es braucht des Redens nicht; hieraus iſt Heil entſproſſen,
Hierinnen iſt das Gluͤck des Vaterlands verſchloſſen.
Nimm!Thereſiade
Nimm! lies! (ſie bot es an) Freundinnen! ſchaͤzet es!
Sprecht aus, ob dieſes Buch nicht ein vollſtaͤndiges
155
Staats-Kriegs - und Friedens-Werck, ein wahrer Grund-Stein ſeye,
Vermittels deſſen ich den Bau des Throns erneue!
Etwelche ſtunden auf, und drangen ſich darnach,
Weßwegen das Geſpraͤch ſich etwas unterbrach.
Man wollte dort und da den Jnnbegriff erſehen;
160
So mußte dieſes Buch von der zu jener gehen.
Thalia nahm es auch und ſah das Vorblatt an,
Daß ich Gelegenheit, es auch zu ſehn, gewann.
Jch las nur obenhin von Erb-Recht und Gewaͤhrung,
Von Manns - und Weibs-Geſchlecht, von Frieden und Verſchwoͤrung.
165
Aufrichtigkeit ſah zu, was es dann wurde ſeyn,
Und ſprach: So nenneſt du die goldne Blaͤtter dein?
Wann unſer Groſſer Carl zu dieſer Zeit noch lebte,
Wer weiß ob dein Geſpraͤch den Schaz ſo ſehr erhebte?
Wann hat er dich ſo viel, als mich, um Rath gefragt?
170
Wie manch Mahl hat er dich von ſeinem Thron verjagt?
Was nuͤzet dieſer Streit? zu was das eitle Zancken?
Sprach hier die Wachſamkeit, mir muͤßt ihr es verdancken,
Es iſt mein Meiſterſtuͤck! das Buch iſt eine Frucht,
Die meiner Sorge Macht zu pflanzen hat geſucht;
175
Sie wuchſe ſo behend, und triebe ſolche Sproſſen,
Aus derer Kern und Saft dieſelben Baͤume ſchoſſen,
VonSiebendes Buch.
Von welchen meine Kunſt den Saͤulen-Bau geſchnizt,
Mit welchem man den Thron der Koͤniginn geſtuͤzt,
Als ihn der Sturm des Kriegs von weiten nur gedrohet,
180
Und ihr zum Theil verzagt aus der Gefahr entflohet.
Recht , ſprach Aufrichtigkeit, ich halff getreu dazu;
So hat die Wachſamkeit und ich, nicht aber du
Du Staats-Kunſt dieſes Buch, das Staats-Geſez erfunden:
So iſt man uns, nicht dir, fuͤr dieſes Werck verbunden.
185
Die Feinde lockten zwar, wir aber trauten nicht;
Das iſt, warum wir es zur Bruſtwehr aufgericht.
Die Unaufrichtigkeit ſo gar hat beygetragen,
Die Feinde mußten auch verſchiedne Pfeiler ſchlagen.
So ward Thereſia des Vater-Throns gewaͤhrt,
190
Bevor du deinen Rath zu dieſem Werck erklaͤrt.
Dich hatten alle die, ſo deiner Kunſt gehorchten,
Mißtrauend, zweifelhaft und Sorgen-voll geforchten,
Als Offenherzigkeit den Willen und die That
Verſchiedner anderer dahin bewogen hat,
195
Daß ſie mit Herz und Macht ſich unſer angenommen,
Uns und der Koͤniginn zum Schuz ſeynd angekommen.
MAn hoͤrte dem Geſpraͤch bisher aufmerckſam zu,
Faſt jedermann gab acht, und blieb in ſtiller Ruh;
Nur dieſen Augenblick entſtund an einer Seite
200
Ein Murmeln und Geraͤuſch, als wann man ſich erfreute.
C cManThereſiade
Man wußt nicht was es ſey, biß endlich eine Thuͤr
Alldort ſich oͤffnete; mithin erfuhren wir
Warum man ſich erregt. Es kamen zwey Perſonen,
Vielleicht, wie gleich geſchah, dem Kreiſe beyzuwohnen.
205
Dadurch fiel einigen die Meinung in den Sinn:
Es komme ſelber auch vielleicht die Koͤniginn;
Man habe ſchon gehoͤrt derſelben Stimme klingen;
Die Beyden werden uns gewiß die Nachricht bringen.
Jnzwiſchen nahte ſich ein Ehren-werther Mann,
210
Der Zweifel, der den Saal verließ, war ſein Geſpan.
Er kam mit Langſamkeit und mit bedachtem Schritte;
Kaum war er bey dem Kreiß, auch faſt in deſſen Mitte,
So ward des ganzen Saals Verwunderung erweckt,
Dann keine Tugend wußt was in der Ankunft ſteckt.
215
Er neigte ſich und gieng zum Thron, blieb an den Treppen;
Jm Gehn ſchwung er das Kleid, um es nicht nachzuſchleppen,
Bequemlich um den Leib. Es hieng vor ſeiner Bruſt
Ein ſchimmernd goldnes Herz; ſo war uns faſt bewußt,
Wer dieſer Alte ſey. Er wies gelaſſne Guͤte;
220
Der ſittſame Betrag entdeckte ſein Gemuͤthe.
Jch hatte nach und nach Zufriedenheit geſpuͤhrt,
Mit welcher dieſer Greiß den ganzen Saal geruͤhrt.
Auf einmahl ward es ſtill; indem er angefangen
Den Kreiß in Freundlichkeit und Zaͤrte zu belangen:
225 Wa -Siebendes Buch.
225
Warum er hergerufft, und hergekommen ſey;
Er habe nichts gewußt; es ſchein ihm alles neu:
Von der Verſammlung aus hab man um ihn geſchicket;
Dahero ſchaͤz er ſich verpflichtet und begluͤcket,
Und nehme den Befehl zu ſeines Alters Ehr,
230
Daß man daſſelbige zu dieſem Rath begehr.
Der Zweifel, der zuvor ſich aus dem Saal verſchlichen,
Und jezo wieder kam; erzaͤhlte von den Spruͤchen
Die er ſelbſt angehoͤrt, den kuͤrzeſten Begriff;
Beſonders daß die Zeit faſt ohne Frucht verlief:
235
So woll er ſeine Stimm und Meinung offenbaren;
Um mehr Weitlaͤufigkeit der Sache zu erſpahren.
Hierauf erblickte man in ſeinem Angeſicht,
Als haͤtt er etwan ſchon von allem Unterricht:
Doch daß er ſich vielleicht noch mehr belehren wollte,
240
Bevor man ſeinen Sinn und Rath vernehmen ſollte.
Sein Schnee-weiß krauſes Haar, ſo Kinn und Haupt umfieng;
Das Aug, aus welchem Ernſt und Geiſt und Anmuth gieng,
Gab deſſen Wiz, Vernunft und klugen Geiſt zu kennen;
Drum war man auch bereit, ihm gleich Gehoͤr zu goͤnnen.
245
Etwelche ſtunden dort, liebkoſten ihm ſo ſehr,
Als wann er nicht nur Rath, auch ſelbſt ihr Vater waͤr:
Faſt jede drang ſich hin und zeigte Rangs-Begierde,
Gleich als ob jene mehr, als die geſchaͤzet wuͤrde.
C c 2Jn -Thereſiade
Jndem nun dieß Geſpraͤch ſich allgemach verlohr,
250
So trat er zu dem Kreiß, um laut zu reden, vor.
Er ſpielte mit der Hand an ſeiner goldnen Kette,
Als er noch um ſich ſah, und endlich alſo redte:
So ſchmeichelt jede ſich, wie man mir beygebracht,
Durch ihrer Tugend Amt des Rangs, der Ehren-Pracht?
255
Man uͤbereilet ſich; durch Eilen kann man fehlen:
Gar ſelten pflegt man recht mit Eil und Streit zu waͤhlen:
Noch weniger wo man den Wiederſinn erweckt,
Und einer Frage Schluß in tauſend Fragen ſteckt,
Wie dieſe von dem Frieß, und von dem Ruhm-Gebaͤude.
260
Mir ſcheint daß man ſo leicht die Frage nicht entſcheide.
Jhr kennt mich insgeſammt, mich, jenen guten Rath
Fuͤr den Thereſia ſo groſſe Gnaden hat.
Daher bin ich von euch, iſt es nicht ſo? beruffen,
Daß ich entſchlieſſen ſoll, wer zu den Ehren-Stuffen
265
Mit Recht verſehen ſey? was in dem Fall zu thun?
Bey welcher mehr Verdienſt, als bey der andern, ruhn?
So will ich ungefaͤrbt nur was ich dencke, ſagen,
Jedoch nicht meinen Rath als Richtſchnur vorzuſchlagen.
Es trachtet jede faſt nach dieſem Ehren-Rang:
270
Hat die Begierde nicht der Eigen-Liebe Klang,
Die man ſonſt billig haßt? allein es will gebuͤhren,
Daß man von dem Verdienſt und Ruhm nichts ſoll verliehren,
ManSiebendes Buch.
Man hieß es ungerecht. Jedoch ich laß es ſeyn:
Es ſchlieſſe dieſes Fries nur einen Nahmen ein,
275
Dem alle Tugenden den Vorzug geben ſollen;
Wer wird den Unterſcheid, bedenckt es! leiden wollen?
Zu dem wer bin dann ich? weil ich nichts bergen will;
Hier ſchwieg der gute Greiß, und alle waren ſtill.
Drauf fieng er wieder an: haͤtt ich dann nichts zu weiſen?
280
Kennt ihr den guten Rath dann nicht, mich, dieſen Greiſen?
Was hab ich fuͤr das Heil des Vaterlands gethan?
Doch nein: man fange nicht von mir zu reden an.
Sagt! klunge nicht ſehr oft die Zeitung in den Ohren:
Der Feind hat wiederum, wer weiß es, was, verlohren?
285
Wer hat in ſolchem Fall ihn dann davon gejagt?
Von wem war er beſiegt? wer hat den Kampf gewagt?
Jch habe manches Mahl das Heer in Lorber ſtehen,
Hingegen unſern Feind zerſtreut entfliehn geſehen.
Haͤtt ich nur Luſt und Zeit und mehr Gedaͤchtniß-Kraft,
290
So gaͤb ich euch davon genaue Rechenſchaft.
Jch wollte Mann vor Mann von hundert tauſend Helden,
Und eines jeden Pflicht, Amt, Thun und Laſſen melden;
Hieraus erkenntet ihr, wer unſre Feinde ſchlug,
Wer bey dem Haupt-Triumpf die Sieges-Fahnen trug.
295
Betrachtet jenes Volck, ſo wir Soldaten nennen;
Dem wir des Vaterlands Beſchuͤzung zuerkennen!
C c 3 DenThereſiade
Den Schwarm, der aus dem Stahl der ſchwerſten Helmen blizt,
Und Mann und Pferd und Feld troz einer Mauer ſchuͤzt;
Das Anſehn und das Herz der tapferſten Schwadronen;
300
Den kuͤhnen Helden-Blick der edelſten Perſonen;
Das ſchimmernde Gewehr, ſo ſtets zum Kaͤmpfen gluͤht;
Den Haufen, welcher nicht als vor ſich ſelber flieht;
Die Schwerter; das Geſchuͤz; die ſcharff-gekruͤm̃ten Klingen;
Die Taſchen, welche Bliz und Feur und Donner bringen.
305
Seht jenen, deſſen Bruſt dem Feind entgegen ruͤckt,
Zu Pferd, auch oft zu Fuß den frechen Saͤbel zuͤckt;
Schaut jene, welche nur im Feur den Eifer kuͤhlen,
Von welchem ſie das Herz zum Kampf ermuntert fuͤhlen.
Was iſt die Tapferkeit, was iſt der Angriff werth,
310
Den oft der Feinde Stolz von jenem Volck erfaͤhrt,
Das, Wetter-Strahlen gleich, ſich und den Saͤbel wendet,
Der Koͤniginn zum Schuz ſein Gut und Bluth verſchwendet?
Erweget! iſt ein Volck ſo feurig und ſo ſtarck,
Als jenes, dem die Treu und Liebe nichts als Marck
315
Der Unerſchrockenheit in Herz und Adern floͤſſet,
Das nur in Mord und Brand die Helden-Bruſt entbloͤſſet?
Die Schaar, die wie ein Pfeil auf ſchnellen Pferden jagt,
Nach keinem Mord-Metall, nicht nach Gefahren fragt;
Zum Anfall ploͤzlich iſt, auch wie der Bliz entfliehet,
320
Und dannoch in der Flucht den Sieg dem Feind entziehet.
WelchSiebendes Buch.
Welch unverzagtes Volck? erweget nicht die Zahl!
Nur deſſen Streitbarkeit, Herz, Antliz, Muth und Wahl!
Jſt es nicht eine Reih von unbeſiegten Rittern,
Die nur, wann ſich der Feind entfernt, fuͤr Rache zittern?
325
Habt ihr nicht jenes Barts, des dick bewachsnen Kinns,
Des ſcheelen Augenblicks, des ſtarren Krieger-Sinns
Lebendiges Geruͤſt, das Waffen-Haus geſehen?
Mit was vor Muth und Luſt es pflegt zum Kampf zu gehen?
Es ſchmiegt, verbirget ſich, ſteckt in dem Wald bereit;
330
Eh ſich der Feind verſieht, wirfft es ſich in den Streit,
Schießt, hauet, ſchlaͤgt und ſticht, ſtuͤrmt, hagelt, ſtuͤrzt und wittert,
Daß fuͤr der Graͤßlichkeit ſich Erd und Luft erſchuͤttert.
Wie viele des Geſchlechts bewaffnen nicht die Fauſt,
Daß es den Helden ſelbſt fuͤr ſolchen Helden graußt?
335
Sie laſſen Heerd und Pflug auf ihren Feldern ſtehen,
Fuͤr ihre Koͤniginn ins Krieges-Feld zu gehen.
Jſt Eiſen oder Stahl zum Ackerbau geſchmidt,
So wird es hingerafft, es muß zum Kaͤmpfen mit.
Da denckt man nimmermehr den Bauren-Hof zu huͤtten;
340
Nein: ſondern Koͤnigen in Schlachten zu gebieten.
Allein, was halt ich mich bey dieſen Kriegern auf,
Fort, laſſen wir das Volck in ſeinem Waffen-Lauf!
Betrachten wir das Haupt, die Fuͤhrer dieſer Schaaren,
Die ſtets den Tapferſten vor dem Geſichte waren;
345 ScheintsThereſiade
345
Scheints nicht, als waͤren ſie Beſchirmer, Schuz und Schild,
Die Vormaur ihres Heers, das von dem Ebenbild
Derſelben angefriſcht, ermuntert und beſeelet
Die wahre Tapferkeit in ſeiner Bruſt verhoͤhlet?
Da ſieht man was der Werth des wahren Adels iſt,
350
Weil er alldort ſich nicht als nach den Thaten mißt;
Mit Unzaghaftigkeit den Arm zum Kaͤmpfen reget,
Mit Tugend, nicht mit Stolz den Heerzogs-Stab beweget.
Wie manches junges Haupt war vor zu ſchwach geſchaͤzt,
Dem doch der Sieg den Kranz des Lorbers aufgeſezt?
355
Wie mancher hatte ſich den theuren Ruhm erworben,
Daß er dem Vaterland zu Lieb im Sieg geſtorben?
Dieß iſt das Bruſt-Gewehr, die Wunder-volle Schaar,
Die fuͤr Thereſia zum Streit geruͤſtet war.
Das Schrecken ſchreckt ſie nicht; ſie weiß uns Recht zu ſchaffen,
360
Sie kom̃t, und ſieht und ſiegt durch Muth mehr, als durch Waffen.
Nun ſagt! wann ihr allein ſo viel gewircket habt,
Warum iſt dieſes Heer mit ſolchem Ruhm begabt?
Was nuͤzt die Reiterey, das Fuß-Volck, dieſe Helden,
Stahl, Pulver, Bley, Metall und was davon zu melden?
365
Verlaſſen wir das Feld! fort, gehn wir in die Stadt,
Die ſich Thereſia zum Thron erwaͤhlet hat!
Ja! gehen wir herum, wie man die Nacht gegangen,
Als ihre Feuers-Pracht zu glaͤnzen angefangen.
WerSiebendes Buch.
Wer wohnet hier und dort? ihr kennet ja das Haupt,
370
Dem oft Thereſia mehr als euch allen glaubt?
Jſt euch der Kiel bekannt, den ſie zum Herꝛſchen brauchet?
Wißt ihr, wo manche Nacht die Sorgen-Ampel rauchet?
Sagt, wo das Auge wacht, das Laͤnder uͤberſieht,
Und ſie, der Koͤniginn zu dienen, an ſich zieht?
375
Wer iſt der fruh und ſpaͤt nach Moͤglichkeiten ſinnet,
Und an Erfindungen, uns aufzuhelffen, ſpinnet?
Wo praͤget man dem Volck Muth und Gehorſam ein?
Wer legte zum Gebaͤu des Siegs den erſten Stein?
Wer iſt dann jederzeit im Raths-Gemach geſeſſen,
380
Jn dem Thereſia faſt jeden Fall ermeſſen?
Jhr habt allein gewiß nicht alles ausgedacht,
Was oft ein kluger Fuͤrſt durch ſeinen Rath vollbracht?
Kennt ihr diejenigen die ſtets zuſammen kamen,
Auch den geringſten Fall zu unterſuchen nahmen,
385
Nachdem ſie Geiſt und Herz von jenem Wahn befreyt,
Der nur zu fragen pflegt und ſelten was entſcheidt?
Wie viele zaͤhlten wir, die miteinander wachten,
Damit auf jeden Fall ſie ſich gefaſſet machten?
Aus ihrem Wiz und Fleiß entſtunde mancher Schluß,
390
Der noch zu dieſer Zeit zur Richtſchnur dienen muß.
Die, die bemuͤhten ſich den Weeg zum Heil zu finden,
Was fern und nahe war, in eines zu verbinden.
D d JchThereſiade
Jch gehe weiter fort: hat eurer Tugend Macht
Das Werck allein gefuͤhrt und faſt zum Ziel gebracht;
395
Was ſeynd vor Wirckungen aus dieſer Muͤh entſproſſen,
Die dieſe Friedens-Kriegs - und Staats - und Lands-Genoſſen
Allhier ſo Tag als Nacht, im Feld das ganze Jahr
Jn Froſt, in Hiz, in Durſt, in Hunger, in Gefahr
Mit Unverdroſſenheit und Eifer angewendet?
400
Waͤr dieſes, ſagt es frey, nicht unfruchtbar verſchwendet?
Wer wiederſpricht mir dieß mit Recht und gutem Fug?
Hat man nicht uͤberall Beweisthuͤmer genug?
Zeigt nicht faſt jedes Werck die Zeichen und die Spuhren,
Durch die wir den Erfolg ſo groſſer Muͤh erfuhren?
405
Mit einem Wort: es iſt kein Kriegs-kein Friedens-Held,
Von deſſen Emſigkeit, Verdienſt und Ruhm ich meld,
Der nicht um dieſen Stein mit euch ſoll ſtreiten koͤnnen,
Wir koͤnnten jeden faſt deſſelben wuͤrdig nennen.
Wer aber wurd am Schluß der Auserwaͤhlte ſeyn?
410
Wem gaͤbet ihr das Recht zu dieſem Ehren-Stein?
Wer weiß es? und wer kann derſelben Thaten zaͤhlen?
Wie wurdet ihr ſodann den Treflichſten erwaͤhlen?
Beruͤhr ich endlich auch mein Amt und meine Pflicht,
Die ſchon fuͤr mich das Wort, bevor ich rede, ſpricht:
415
Wer wiederredet mir? kann es mir nicht geziemen,
Gleich wie dem ganzen Kreiß, mich ſelber auch zu ruͤhmen?
(BeySiebendes Buch.
(Bey dieſen Worten fieng der Greiß zu laͤcheln an,
Als haͤtt er dieſe Frag aus ſtillem Scherz gethan)
So will ich, ohne mich durch Prahlen auszubreiten,
420
Zu meinem eignen Lob durch dieſe Frage ſchreiten:
Wer hat von euch mich nicht in jedem Fall gefragt?
Wer hat es nicht befolgt, wann ich ein Wort geſagt?
So machet den Beſchluß. Nun auf den Rath zu kom̃en
Den ihr von mir verlangt: Jch habe wahr genommen,
425
Daß alles ſtrittig ſey; was jede bey der Sach
Sich vor Verſprechungen zu dieſem Vorzug mach.
Man will die Koͤniginn unwiederſprechlich ehren,
Und ihrer Thaten Ruhm durch dieſen Streit vermehren?
Mein, ſagt mir! iſt die Welt nicht alles deſſen voll?
430
Sagt! wie man ihrem Glanz mehr Schimmer geben ſoll?
Und konntet ihr nicht oft in ihren Augen leſen,
Daß allzeit ihr die Pracht unangenehm geweſen?
Was Pomp iſt, haßt ihr Herz. Jedoch geſezt, ich blieb
Mit euerm Vorſchlag eins; iſt dieß nicht euer Trieb?
435
Wie taugte dieſer Streit nach Wuͤrde ſie zu loben?
Beweiſet dieſen Saz, und macht etwelche Proben!
Nein! alles iſt umſonſt! vernehmet die Geſchicht,
Von welcher die Natur in ihren Buͤchern ſpricht.
Der Mond erhob ſich einſt die Sonne zu betrachten,
440
So fieng er an, ſich ſelbſt erſtaunend zu verachten.
D d 2 ErThereſiade
Er ſah mit truͤbem Aug an ihr die Pracht des Lichts,
An ſeinem blaſſen Rund und Umkreiß aber nichts
Als graue Dunckelheit. Er wandt ſich nach der Ferne,
Jn welcher das Gebliz der allerklaͤrſten Sterne
445
Die blauen Boͤgen ziert. Er nennte ſie zwar ſchoͤn,
Allein es ſchien ihm mehr am Sonnen-Licht zu ſehn.
Er merckte, daß die Luft und Erde ſpieglend gluͤhe,
Wann kaum ein Strahl davon im Fruͤhling in der Fruͤhe
Dieſelbigen bemahlt; wie ſehr, wann ſelbſt das Rund
450
Der Sonne ſich erhoͤht, und jene goldne Stund
Der Welt verkuͤndiget, die ſelbſt den Tag beſchaͤmet,
Da ſie das bunte Feld mit ihrem Licht beſaͤmet.
So fuhr er auf und ſprach: wer iſt dann hier das Haupt?
Jn dieſer Gegenwart bin ich des Rangs beraubt!
455
Noch mehr ein blaſſer Stern, von deſſen Eigenſchaften
Die meiſten an der Sonn und ihrer Wirckung hafften.
Jch dencke was ich will (fuhr er verwundert fort)
Jch ſehe kein Geſchoͤpf, kein Weſen, keinen Ort
Wohin nicht ihre Macht mit Licht und Strahlen dringet,
460
So ſie nicht faͤrbt, belebt, erwaͤrmt, in Wachsthum bringet.
Sie ſchwingt ſich durch die Welt mit mehrer Pracht und Schein,
Als aller Sterne Glanz in eins verknuͤpft kann ſeyn.
Wer mag dahero nicht aus allen Wercken ſpuͤhren,
Daß wir vor ihr die Kraft, mithin den Rang verliehren?
JnSiebendes Buch.
465
Jn der Betrachtung nahm der Mond ſich dieſes vor:
Jch ruffe, war ſein Schluß, der groͤſten Sterne Chor
Und weiſe ſelbigen der Sonne Feur-Gefaͤſſe,
Macht, Schim̃er, Haͤftigkeit, Pracht, Helle, Gold und Groͤſſe.
Was er entſchloß, geſchah. Ein Strahl des Sonnen Lichts
470
Nahm unterdeſſen ihm die Kraft des Angeſichts,
So ward in einer Nacht von Oſt, Weſt, Nord und Suͤden
Der groͤßten Sterne Schaar von ihm zum Rath beſchieden.
Seht das geſchmuͤckte Reich! den Schimmer dieſer Nacht!
Allein was haltet ihr von eines Tages Pracht?
475
(Trug er derſelben vor) ihr kennt den Schein, die Helle
Des Strahlen-reichen Runds, der hoͤchſten Goldes-Quelle,
Der Sonne Majeſtaͤt? gebuͤhrt es, oder nicht,
Daß, weil es euch und mir am groͤßten Schmuck gebricht
Derſelben gleich zu ſeyn, wir ſie als Haupt erkennen,
480
Und uns von ſelbiger die Untergebnen nennen?
Gefaͤllt es euch, daß wir; wann ſie das Schlaf-Gemach
Des Morgens oͤffnen wird, den Vorhang nach und nach
Von ihrem Auge zieht; auf ihren Anblick warten?
Wie wann wir unſern Schluß und Dienſt ihr offenbarten?
485
Wollt ihr, ſag ich, hernach auf ihrer ganzen Reis,
Mit eurer Strahlen Licht geziert, in einem Kreiß
Rings um ihr Angeſicht ſie, wo ſie faͤhrt, begleiten?
Sagt, ob ihr zu dem Zug euch wollet vorbereiten?
D d 3 DieThereſiade
Die ſchnelle Faͤrtigkeit zu folgen wies ſo viel,
490
Als wann des Mondes Will und Vorſchlag wohlgefiel.
Man eilte nach dem Ort, wo ſich ſchon eine Roͤthe
Jedoch noch halb verſchleyrt aus dem Gewoͤlck erhoͤhte;
Des aufgeblaſnen Monds verſilbert helles Rund
Flog vor biß an den Ort der erſten Morgen-Stund.
495
Was Majeſtaͤt und Pomp! ein Meer mit Bliz beſaͤmet!
Kein Wunder, wann der Glanz die Sonne ſelbſt beſchaͤmet!
Willfaͤhrigkeit und Freud erſchien an jedem Stern;
Des Schimmers Regungen bezeugten klar, wie gern
Man dieſem Rath gefolgt. Sie ſchienen ſich zu winden,
500
Als wollten ſie die Welt mit ihrer Freud entzuͤnden.
Gemach, gemach erblickt ein kleiner Sonnen-Strahl,
Der ſchon der falben Nacht den Abzug anbefahl,
Die Krone des Geſtirns. Was Freuden in den Sternen?
(Vernehmet, Wertheſte! nun koͤnnt ihr etwas lernen)
505
Die Schatten wichen ab; die Nacht verſchliche ſich,
Und Luft und Stern und Mond ward gaͤh veraͤnderlich;
Je mehr die Sonne ſtieg, je mehr der Kreiß erblaßte,
Jndem er ſich zum Gruß doch Kummer-voll verfaßte.
Die ſanfte Dunckelheit ward unvermerckt zu Licht.
510
Die Strahlen fielen ſchon den Sternen ins Geſicht;
Die Sonne nahte ſich, fieng heimlich an zu lachen,
Da ſie die Reihe ſah um ihren Wagen machen.
EsSiebendes Buch.
Es wich was Schatten heißt, von allen Seiten ab,
So daß die Sonne ſich ganz hell zu ſehen gab.
515
O du verblendter Mond! geh! weich mit deinen Sternen!
Sie mußten ihr Geſicht vom Sonnen-Feur entfernen;
Und als ſie ſich beſahn, war Pracht und Schimmer hin:
Sie merckten kaum, wohin die Sonne wurde ziehn;
So ward der Sterne Glanz vernebelt und verhuͤllet;
520
So blieb ihr Wunſch, ihr Gruß, ihr Vorſaz unerfuͤllet.
Der Mond begab ſich hin, auch faſt ein jeder Stern,
An ſeinen Himmels-Kreiß; betrachtete von fern
Der Sonne Gold-Triumpf. Je mehr man den ſah funckeln,
Je mehr ſah man den Mond fuͤr Ehrfurcht ſich verdunckeln.
525
So brach er alſo loß: Der Sonne fehlts an nichts;
Zu was bedarff ſie dann des ſchwachen Sternen-Lichts?
Sie prangt mit eigner Macht; ſie kann ſich ſelber kroͤnen,
Jch ſelber muß von ihr mein ſchoͤnſtes Licht entlehnen.
Nun komm ich wiederum zu dieſem Tugend-Saal:
530
Errathet ihr, was ich durch dieſe Fabel mahl?
Der Sternen-Kreiß ſeyd ihr. Thereſia die Sonne,
Die Fuͤrſtinn euers Chors, Vergnuͤgen, Luſt und Wonne.
Mich dunckt ich irꝛe nicht; und ſelber ihr verſteht,
Daß die Begebenheit nach meiner Abſicht geht.
535
Die Sonne reget euch, verherꝛlichet, belebet,
Begeiſtert eure Macht, wann ihr um ſelbe ſchwebet.
JhrThereſiade
Jhr haͤttet ſelbſt vielleicht des Monds Entſchluß verlacht,
Als er der Sonne Glanz den Morgen-Gruß gebracht.
Wie kann es demnach ſeyn, daß ihr ihr Haupt bekraͤnzet,
540
Da ſelber eure Pracht nicht als durch ſelbes glaͤnzet?
Erſinnet was ihr wollt, erfindet eine Pracht!
Gewiß iſts, daß ihr euch vergebne Muͤhe macht:
Jhr, die Thereſia mit ihren Strahlen zieret;
Jhr, derer hoͤchſter Glanz von ihrem Licht herruͤhret.
545
Ja da waͤr alles recht und fuͤglich ausgedacht,
Vielleicht auch ſchon ſo viel, als zu dem Zweck gebracht,
Man haͤtt auch dieſes Streits Entſcheidung ſchon gewonnen,
Wann ihr nicht Sterne waͤrt, nein: ſondern helle Sonnen.
Jedoch ich troͤſte mich. Es ſcheinet bey der Sach
550
Noch guter Rath zu ſeyn. Jch forſche beſſer nach.
Vernehmt, was ich vermein! ..... Es ließ an einer Seite,
Als wann man dorten ſich ſchon wiederum entzweyte;
Allein man ſpuͤhrte nur den Vorhang einer Thuͤr:
Durch deſſen Oeffnung ward der alte Redner irꝛ.
555
Jch nahme wahr, daß er in Mißvergnuͤgen ſeye,
Daß man durch das Geraͤuſch die Achtſamkeit zerſtreue.
Weil es den Augenblick in ſeiner Miene ließ,
Gleich als ob er Verdruß und Wiederwillen wies.
Er wandte das Geſicht, die finſtern Augen-Lieder,
560
Der Blicke Regungen, die Stellung hin und wieder.
SiehSiebendes Buch.
Sieh da! welch angenehm und reizende Perſon
Kam ungefaͤhr daher, und gieng faſt biß zum Thron?
Sie wies holdſaͤlige, liebreich und ſanfte Mienen,
Aus denen Sittſamkeit und Tugend-Reiz erſchienen.
565
Ein Zepter-gleicher Stab in ihrer zarten Hand
War, was die Gegenwart vor wunderbar befand:
Auf deſſen Spize ſtund ein Aug in ſcharffen Blizen,
Als wann es dieſen Rath im Kreiſe ſaͤhe ſizen.
Sonſt aber hatte ſie nur auf ſich ſelber acht,
570
Biß endlich ſie, warum ſie kame, vorgebracht.
Das Wort, ſo man vernahm, aus ihren Lippen flieſſen,
Schien ihrer Stimme Klang und Anmuth zu verſuͤſſen.
Mich ſchickt , ſo ſprache ſie zum Rath, Thereſia;
Sie weiß ſchon von dem Streit der unter euch geſchah.
575
Sie will, ich ſoll behend dem Tugend-Kreiſe melden:
Man rede gar zu viel, wer weiß von was vor Helden.
Sie wolle das Gepraͤng, wann es noch nicht erricht,
Fuͤr ſich auf keine Weis, auf keine Weiſe nicht.
Jndem ſie den Befehl beſcheiden ausgeſprochen;
580
Jſt ihr aus dem Geſicht die Roͤthe vorgebrochen.
Der Kreiß ſtund aber auf. Man liſpelte zugleich,
Verſchiedne wurden ſtill, die roth und andre bleich.
Wohlan! fuhr jemand auf, wer hat den Preiß gewonnen?
Warum hat man ſo lang auf einen Schluß geſonnen?
E e585 DieThereſiade
585
Die Fremde trat zuruͤck. Jnzwiſchen war der Greiß
Jm Sinn beſchaͤftiget, als daͤcht er, was das heiß;
Doch wies er Freundlichkeit. Weil viele vieles redten,
So ward ich dieß gewahr: Wir koͤnnten etwas wetten,
Daß unſer guter Rath die Nachricht vor gewußt,
590
Die von Thereſia man uns erinnern mußt.
Sonſt aber wer erzaͤhlt, was die Matronen dachten?
Was vor Erwegungen ſie bey dem Umſtand machten?
Jezt ſahe man den Rath, und jezt einander an;
Die redte; jene ſchwieg; da ſich der Greiß beſann;
595
Als ſtuͤnde ſein Gemuͤth in zweifelnden Gedancken;
Als fieng er wieder an in ſeinem Schluß zu wancken.
Doch fuhr er endlich fort: ihr wißt von was ich ſprach:
Was man uns anbefahl, taugt zu derſelben Sach.
Was uns Thereſia zu wiſſen machen lieſſe,
600
Jſt eins mit dem, was ich noch in dem Sinn verſchlieſſe.
Die den Befehl gebracht, iſt die Beſcheidenheit,
Sie lobt den Ehrgeiz nicht. Sie liebt die Sittſamkeit.
Sie wird die Koͤniginn gewiß bewogen haben,
Sie ſoll den Marmel-Stein, und was darein zu graben,
605
Ja was des Nahmens Roſt vertilgt, den Glanz erhaͤlt
Daß er der ſpaͤtſten Zeit in das Geſichte faͤllt;
Was unſer Vorſchlag war; den Tugenden verbieten,
Man muͤſſe ſich davor als Eitelkeiten huͤtten.
Das,Siebendes Buch.
Das, glaub ich, war ihr Rath. Wer aber kann die Lieb,
610
Den Eifer, die Begier, der Ehrfurcht edlen Trieb
So leicht mißbilligen, den man mit Recht empfindet,
Da er der Herzen Macht durch Anzugs-Kraft entzuͤndet?
Doch, weil es ihr Befehl, ſo leben wir darnach;
Der Weeg zum Ziel der Frag iſt noch viel hundertfach;
615
Nur einen waͤhlen wir. Ergreiffen wir das Mittel:
Bezieren wir den Stein mit einem andern Titel.
Gebt meinem Vorſchlag Statt! es kommt nur auf die Wahl:
Jhr kennt das Helden-Herz in ihrem Ehgemahl?
Jch weiß, daß ihr ihn auch ſo wohl, als ſie beſizet;
620
Daß er den Tugend-Chor ſo wohl als ſie beſchuͤzet.
Bey dieſem bleiben wir; den ſezen wir uns vor;
Mir ſcheint, Thereſia ſag es mir ſelbſt ins Ohr:
Daß das, was man vor ihn zum Ruhm, zur Ehr errichte,
So viel ihr eignes Herz, als ſelber ihn verpflichte.
625
Jhr Wollen iſt ſo feſt verknuͤpft und einerley,
Als wann die Weſenheit in zweyen einfach ſey.
Das Bindniß ihres Sinns, ihr zaͤrtliches Vernehmen
Kann ſelbſt der Einigkeit Verrichtungen beſchaͤmen.
Jhr Thun und Laſſen iſt von ſo verbundner Art,
630
Daß eins des andern Sinn als einen Schaz bewahrt.
Sie will nur, was er will; er denckt, was ſie gedencket;
Jhr Leben iſt in ihm, ſein Herz in ihr verſencket.
E e 2 SieThereſiade
Sie ſtreiten, welches mehr dem andern angenehm;
Was dem beliebig iſt, wird jenem auch bequem.
635
Es iſt nichts was den Bund ſo theurer Eintracht ſtoͤhre;
Nichts, was die Gegengunſt der Gegentreu verſehre.
Seht nur das Herꝛſchen an! wie ſie der Kronen Laſt
Und er mit ihr des Throns Beſchwerlichkeiten faßt;
Wie unermuͤdet ſie den Sinn, den Winck, den Willen
640
Eins fuͤr das andere zu gleicher Zeit erfuͤllen.
Eins iſt dem anderen ſo treu, geneigt und lieb,
Als kaͤm die Regung nur von eines Herzens Trieb.
Die ſanften Wirckungen der Eintracht ihrer Seelen
Seynd, daß man beyde kann vor ein Geſchoͤpfe zaͤhlen.
645
Sie wohnt in ſeiner Seel, er herꝛſcht in ihrer Bruſt;
Jhr Aug ergoͤzet ſich in ſeiner Augen Luſt.
Es iſt ein Zwillings-Paar in Sinn, Geſtallt und Wercken;
Eins weiß das andere mit gleicher Kraft zu ſtaͤrcken.
Geſchieht es, das man eins in Traur und Drangſal ſtuͤrzt;
650
So wird ſie durch das Leid des anderen verkuͤrzt.
Vergnuͤgen, Freud und Troſt, Leid, Unluſt, Qual und Schmerzen,
Vermehren, mindern ſich zugleich in ihren Herzen.
Ermuntert er den Blick, ſo faßt ihr Auge Muth,
Weil ihre Luſt allein in ſeiner Freude ruht.
655
Selbſt Unzertrennlichkeit iſt ihrer Neigung Kette;
Der Sinnen Einigkeit der beyden Seelen Bette.
DieSiebendes Buch.
Die Tugend iſt der Quell, aus welchem alles quillt,
Was beyde mit der Kraft der Zaͤrtlichkeit erfuͤllt.
O Wunder-volles Paar! das ſelber ſich begluͤcket,
660
Weil eins das andere durch Rath und Tugend ſchmuͤcket.
Jhr Herz iſt jenes Erz, in dem das Ebenbild
Des Ehgemahls gepraͤgt; er aber jener Schild
Mit dem, wann ungefaͤhr ein Unfall ſie beſtuͤrmet,
Sie ſich Vertrauens-voll, auch Kron und Thron beſchirmet.
665
Jhr Aug iſt jenes Ziel, nach dem er allzeit ſchaut;
Und er der treue Rath, dem ſie das Herz vertraut.
Jhr Seyn und Dencken iſt ſo feſt und unzertrennet,
Daß keins von ihnen ſich als in dem andern kennet.
Nur weil es ihr gefaͤllt, ſizt er auf ihrem Thron;
670
Nur weil es ihm gefaͤllt, traͤgt ſie den Schmuck der Kron.
Er wuͤnſcht ihr einen Schaz von hundert Koͤnigs Kronen;
Und ſie, daß er den Thron des Erd-Runds koͤnnt bewohnen.
Unuͤberwindlichkeit iſt zwar ihr Eigenthum;
Doch ließ ihr groſſer Geiſt dem Ehgemahl den Ruhm
675
Daß niemand in der Welt, als er, ihr Herz beſiegte;
Verluſt, der ihren Sinn mehr als ein Sieg vergnuͤgte.
Je mehr man ſie verehrt, je mehr wird er erhoͤht;
Sie ſchmuͤckt und zieret ihn durch ihre Majeſtaͤt.
Wer kann dahero nicht aus allen ihren Wercken,
680
Daß ſie nur ihn verlangt geehrt zu ſehen, mercken?
E e 3 SoThereſiade, ſiebendes Buch.
So ſeyd ihr insgeſamt des Vorſchlags uͤberzeugt,
Zu weſſen Wircklichkeit ſich meine Rede neigt.
Was heißt es, ſelber uns mit Helden-Saͤulen ehren?
So gar uns um den Rang in einen Streit empoͤren?
685
Sie beyde ſeynd ſchon eins, beſtaͤndig eins zu ſeyn,
Thron, Zepter, Kron und Ruhm beſizen ſie gemein;
So daͤrffen wir nicht mehr in ſolchem Zweifel ſtehen,
Genug: Thereſia will ihn geehret ſehen.
Es bleibt bey meinem Saz: er iſt die ſchoͤnſte Wahl,
690
Wir weihen ihm allein des Frieſes Ehren-Mahl!
Was? oder hoͤren wir der Kuͤnſte Gutbefinden;
Vielleicht iſt deſſen Ruhm viel praͤchtiger zu gruͤnden
Als nur in dieſem Stein, der mit dem Bau vergeht,
Und nicht ſo lang, als Ehr und Ruhm des Fuͤrſtens, ſteht?
695
Was Tugenden erbaun, und Wiſſenſchaften zieren,
Kann ſeinen Preiß nicht eh, als mit der Welt verliehren.
[figure]
[figure]

Thereſiade.

Achtes Buch.

KAum hoͤrte man den Rath, ſo fiel der ganze Kreiß
Mit Wohlgefallen bey. Mithin wandt ſich der
Greiß,
Und warff den frohen Blick bedachtſam durch die
Reihen,
Zu ſehn ob einige davon anweſend ſeyen.
Es nahten aber ſich die Kuͤnſte gleich dem Rath,
Von denen Eine ſchon ihm an die Seite trat.
Jch ſahe Freuden-voll die ſchlaͤfrigen Freundinnen
Bey dieſem Tugend-Streit auch einen Plaz gewinnen.
DieThereſiade
Die Dichterinn erſchien in blau-geſtirntem Kleid,
10
Und bracht die Tugenden in allgemeine Freud.
Ein ſchoͤnes junges Weib! das eine Cither hielte,
Und ungefaͤhr den Saal mit ihrem Klang erfuͤllte,
Daß Ohr und Aug und Sinn ſich auferweckt geſpuͤhrt;
Weil ſie durch das Gedraͤng die Sayten angeruͤhrt.
15
Sie fragte Demuth-voll, ob ihnen was zu ſchaffen?
Sie ſeyen zwar noch muͤd und haben nichts geſchlaffen,
Seit dem ſie dieſe Stadt ſo praͤchtig ausgeziert,
Und mehr als einen Wald von Wercken aufgefuͤhrt.
Jhr langſamer Betrag gab allen abzunehmen,
20
Daß ſie ſich, vor dem Rath frey darzuſtellen, ſchaͤmen.
So ſprach der gute Greiß: Warum dann ſo verzagt?
Was iſts, woruͤber ihr mit ſolcher Schwermuth klagt?
Je mehr man euerm Wiz ſonſt pfleget aufzubuͤrden,
Je mehr belohnt man euch mit Ehren und mit Wuͤrden.
25
Auf auf dann! ſeht ihr nicht, was dieſem Tugend-Saal
Bey dieſer Freuden-Zeit der Eifer anbefahl?
Seyd ihr allein ſo traͤg? ihr koͤnnt vernommen haben,
Was wir vor eine Sach ins Werck zu ſezen gaben.
Faßt Muth! erklaͤret euch. Hier ſprach die Dichterinn:
30
Waͤr ich in dieſem Streit erwaͤhlte Richterinn,
So wuͤßte man den Schluß; ihr waͤret ſchon zu frieden;
Und alles faͤnde ſich durch meinen Spruch entſchieden.
DerAchtes Buch.
Es ſchien der gute Rath hier voll Verwunderung,
Und ſprach: die Redens-Art bedarff Beſtaͤttigung.
35
Du denckſt ſehr frey. Man muß bey ſolchen Ehren-Mahlen
Mit Wercken faͤrtig ſeyn, und nicht mit Worten prahlen.
Freund, Goͤnner, Herꝛ und Rath! , war ferner ihre Red,
Man weiß, daß meine Kunſt in Woͤrter-Pracht beſteht.
So biſt du das Gebaͤu zu fuͤhren unvonnoͤthen,
40
Weil es die Winde leicht , erhohlt der Greiß, verwehten.
Wir brauchen Kalch und Sand, Stahl, Marmel und Metall,
So taugt dein Wort-Gepraͤng ſehr ſchlecht zu dieſem Fall.
Es muͤſſen Wercke ſeyn; man will den Fuͤrſten ehren,
Daß auch die ſpaͤtſte Welt ſoll deſſen Nachruhm hoͤren.
45
Der eitle Woͤrter-Klang verliehrt ſich in der Luft,
Nimmt die Vergeſſenheit ihn nicht in ihre Gruft?
Es muß Unſterblichkeit die Meiſterſtuͤcke ſehen,
Auf welchen Ruhm und Lob dergleichen Fuͤrſten ſtehen.
Ja! die Unſterblichkeit ..... Hier regte ſich ein Weib
50
Und unterbrach das Wort: ſie war am ganzen Leib
Mit goldnem Stoff bedeckt; ihr Schild wies Amaranten,
Nebſt eines Vogels Bild, den ſie den Phoͤnix nannten.
So fieng ihr Vortrag an: Jch habe bis daher
Aufmerckſam zugehoͤrt, was man zum Schluß begehr;
55
Jch, die Unſterblichkeit, von der du wollteſt ſprechen,
Muß hier, verzeih es mir, dein Reden unterbrechen:
F f Ja!Thereſiade
Ja! die Unſterblichkeit, womit Thereſia
Von mir beſchencket ward, als ich ſie ſtreiten ſah,
Jſt jenes, was ich auch fuͤr dieſen Fuͤrſten waͤhle,
60
Weil ich zu denen ihn, die niemahls ſterben, zaͤhle.
Seht dieſen Vogel an! ſeht dieſen gruͤnen Strauß!
(Sie hob den Schild empor) die leben niemahl aus.
Das ligt an meiner Macht. Jhr kennt des Fuͤrſtens Ahnen;
Sie ſeynd in meinem Reich; Er iſt auf ihren Bahnen.
65
So geht ihm nichts mehr ab, als meiner Tugend Kraft,
Die deſſen Majeſtaͤt der Welt Nachkommenſchaft,
Ja deſſen Ruhm, Verdienſt und hoͤchſten Nahmens-Preiſe
Jn Ceder, Marmel, Erz, in Gold gepraͤget weiſe.
DJe Bau-Kunſt, welche ſich gleich andern vorgethan,
70
Fieng voller Ungeduld darein zu reden an:
Was? ſprach ſie, trachteſt du der Bau-Kunſt nachzuahmen?
Der ſich unſterblich nennt, verdanckt es meinem Nahmen.
Man reiſe durch die Welt, ſo weit ſie die Natur
Mit Grund verſehen hat; ſo zeigt euch jede Spuhr
75
Wo ſolche Wercke ſtehn, die meine Kunſt errichtet;
Daß meine Kraft allein der Zeiten Macht zernichtet.
Das Erd-Rund, hat es was das ohne mich beſteht?
Jſt etwas, welches nicht, wo ich nicht bin, vergeht?
Wer in der Vorwelt ſich hat meiner Kunſt bedienet,
80
Sieht, wie noch dieſen Tag ſein Nahm in Steinen gruͤnet.
GarAchtes Buch.
Gar ſelten hat der Fraß der niemahls milden Zeit
Durch ſeiner Zaͤhne Muͤh und Unerſaͤtlichkeit
So groſſe Macht gehabt, daß ein Gebaͤu vergangen,
Das ſeine Weſenheit von meiner Hand empfangen.
85
Woher iſt uns bekannt, was man der erſten Welt
Zu der Bewunderung des Ruhms hat dargeſtellt?
Man ſieht noch dieſen Tag, wie vor drey tauſend Jahren
Der Fuͤrſten Tugenden durch mich beruͤhmet waren.
Die Thuͤrne ſtehen noch, wodurch das Alterthum
90
Der Helden Ehr erhoͤht, und ihrer Thaten Ruhm.
Haͤtt man zu ſolchem Ziel nicht meine Kunſt gebrauchet,
So waͤr die Vorwelt ſchon in ihrer Zeit verrauchet.
Was nuzet jener Ruff: die Nachwelt ehret ihn!
Wann ich durch meine Kraft nicht deſſen Buͤrge bin?
95
Wahr iſts, nur Stein hab ich; und die ſeynd meine Zungen:
Durch ihre Stimme wird der Thaten Ruhm beſungen.
Jch bin die Welt-Poſaun, die macht euch heut noch kund,
Was in dem Urbeginn der Vorwelt praͤchtig ſtund.
Man ſehe die Gebaͤu, die Boͤgen, die Coloſſen,
100
Die Saͤulen, welche faſt an das Geſtirne ſtoſſen.
Nicht ich, nicht meine Kunſt wird durch das Werck beruͤhmt;
Nicht jener, der den Bau zu fuͤhren unternimmt;
Die Welt ſagt: dieſes iſt zu deſſen Ruhm gebauet,
Den man im Frieſe dort mit Gold benennet ſchauet.
F f 2105 JſtThereſiade
105
Jſt in der Erde Rund ein Volck, ein Land, ein Staat,
Der anders, als durch mich ſein hohes Anſehn hat?
So bald die Noth befahl, vier Gabeln aufzurichten,
Und Stroh zum Dache war; ſo fieng ich an zu dichten,
Wie die Bequemlichkeit koͤnnt beygefuͤget ſeyn;
110
Jch fande ſie durch Kunſt in Kalch, in Sand und Stein.
Mein Maß-Stab lehrte mich die Wohnung zu verbeſſern,
So war gleich das Gebuͤrg mit Haͤuſern und mit Schloͤſſern,
Hernach das oͤde Land, das Strauch und Wald verhuͤllt,
Mit Zaͤunen, Dach und Fach, mit Doͤrfern angefuͤllt;
115
Daß endlich aus der Nacht der Schrecken-vollen Schatten
Die Menſchen in den Tag der Stadt zuſammen traten.
Geſezt: es ſey die Kunſt verſchmaͤht, die Stadt verheert;
Sagt! lebte nicht, was jezt beyſammen iſt, verſtoͤrt?
Wo wurde man den Thron der Koͤniginn erbauen?
120
Vielleicht in einem Thal, auf Bergen, in den Auen?
Wo hielt der Staat ſich auf? wo wohnten Herꝛ und Knecht?
Die Menſchen hieſſen nur ein irrendes Geſchlecht.
Und ihr? wo naͤhmet ihr der Tugend Aufenthalten?
Wer wurde mehr ſein Herz der Lehre nach geſtallten?
125
Nur einer Huͤtte Bau verſchafft mir groͤſſern Ruhm,
Als aller Kuͤnſte Macht, Werth, Recht und Eigenthum.
Der Saal iſt mein Beweis. Man hat vor tauſend Jahren,
Auf dieſem Plaz, wo nichts als Wuͤſteneyen waren,
EinAchtes Buch.
Ein ſchlechtes Jagt-Gebaͤu von Erd und Holz gebaut,
130
Bey dem es ſelber faſt der Einſamkeit gegraut.
Man dachte damahls nicht auf Zepter und auf Kronen;
Nichts als ein Jaͤger mußt in dieſer Huͤtte wohnen.
Dieß iſt der erſte Stein, den ich zum Grund gelegt,
Der jezt der ganzen Welt vornehmſte Wohnung traͤgt.
135
Jch ſage, dieſen Saal, in dem ſich mancher neiget,
Der ſonſt mit ſeinem Stolz bis an die Wolcken ſteiget.
Sagt wer vermag ſo viel als das, was ich beginn?
So bleibet mir gewiß das Vorrecht zum Gewinn.
Kann ich ein oͤdes Dach zu Kron-Palaͤſten machen,
140
Was kann ich nicht, wo man von Koͤniglichen Sachen,
Von eines Fuͤrſtens Ruhm, von Helden-Thaten ſpricht,
Fuͤr die man ein Gebaͤu zu fuͤhren ſich verpflicht.
Was Kunſt und Tugenden durch ihren Fleiß vermoͤgen,
Das ſchwebt gemeiniglich auf Denck - und Ehren-Boͤgen.
145
Was wißt ihr Koſtbarers, als ſelbſt das Welt-Gebaͤu?
Wer hat es aufgefuͤhrt? ſagt, wer der Meiſter ſey.
Wer iſt, der das Geſchlecht der Menſchen auf den Wellen
Jn einem Bau verwahrt, es aus Gefahr zu ſtellen?
F f 3 Jch
134.Daß die Stadt Wienn von dem ſechſten Jahr-hundert an / biß um das Jahr 1100. verſtoͤrt / wuͤſt und oͤd inDornen und Gehaͤcken ſamt ihrem Nah - men Fabiana vergraben gelegen ſey / er - zaͤhlt Wolfg. Lazius l. 2. c. 2.
134.
Thereſiade
Jch brachte dazumahl ein ſolch Gebaͤu zu Stand,
150
1 Jn deſſen Fachungen ſich alle Welt befand.
Die Allmacht hatte mich dergleichen Kunſt gelehret,
Und alſo mich zum Haupt der Kunſt-Gemeind erklaͤret.
Weil nun der Himmel ſelbſt mir dieſen Vorzug gab,
So weiß ich nicht, was ich noch mehr zu reden hab.
155
1 Jhr werdet alſo mir, gefaͤllt es euch, befehlen,
Was ich vor einen Plan zum bauen ſoll erwaͤhlen.
DJeß nahm die Bilder-Kunſt mit ſcheelen Augen an:
Verzeih mir, ſagte ſie, daß ich kaum hoͤren kann
Wie deine Kunſt ſich prahlt: wer lobte dann die Grillen,
160
1 Mit denen du verlangſt die Nachwelt anzufuͤllen?
Was heiſſen Kalch und Sand? wie prangen Stein und Maur?
O daß ich deine Muͤh und Arbeit nicht bedaur!
Ein rauher Ziegel-Berg wem traͤgt er Ruhm und Ehren?
Fuͤr wen iſt er gebaut? wer wird den Nahmen hoͤren,
165
1 Den etwann ſchon der Roſt der Zeit hat ausgefeilt?
Sag, weſſen Ehre war derſelbe zugetheilt?
Was die Nachkoͤmmlinge dadurch zu wiſſen haben,
Nicht wahr, es iſt in Sand, in Kalch und Stein vergraben.
Jch, ſieh! betrachte mich! mich aller Kuͤnſte Kunſt,
170
1 Jch prange mehr, als du, mit kluger Herzen Gunſt.
Jch weiß Natur und Kunſt ſo gut in Eins zu fuͤgen,
Daß meiner Bilder Pracht Aug und Verſtand betruͤgen.
Er -Achtes Buch.
Erblickteſt du ſein Bild in Marmel ausgehaut,
So glaubtſt du, daß dein Aug auf dieſen Fuͤrſten ſchaut.
175
1 Der ausgeſchnizte Stein muͤßt ihm ſo kuͤnſtlich gleichen,
Daß er faſt vor ſich ſelbſt erſtaunend wurde weichen.
Du ſtuͤndeſt ſelbſt entzuͤckt, und fragteſt deinen Sinn,
Ob er lebendig ſey, ob Geiſt und Blut darinn?
Du ſollteſt vor dem Bild dich voller Ehrfurcht zeigen,
180
1 Und dich, wie wann du ihn lebendig ſaͤheſt, neigen.
Ja! ſtell du dir ihn vor, wie man ihn ſtreiten ſah,
Was Unerſchrockenheit er fuͤr Thereſia
Und fuͤr das Vaterland in ſeinen Thaten wieſe;
Wie ſelbſt des Feindes Heer ſein Thun und Laſſen prieſe.
185
1 Bewaffnet und zu Pferd mit ſeinem Krieges-Stab,
Wie ſelber ich ihn dort im Feld geſehen hab,
Als er in Eiß und Schnee mit Herz und Großmuth fochte,
Den Einfall hintertrieb, womit der Gegner pochte.
Kraft, Munterkeit, Vernunft, Geiſt, Hoheit und Gewalt,
190
1 Ja was ein Held im Krieg durch die Geſichts-Geſtallt
Dem Heer vor Augen ſtellt, wollt ich in Marmel hauen;
Dieß alles ſollteſt du darinnen lebhaft ſchauen.
Jch ſtreute rings herum die Sieges-Zeichen hin,
Mit welchen wir ihn ſahn in Feindes Laͤnder ziehn.
195
1 Jch ſchmuͤckte ſeine Bruſt mit jenen Anmuths-Strahlen
Die ſonſten das Geſicht der Koͤniginn bemahlen.
DasThereſiade
Das Bildnis muͤßte ſich zu ſeines Lebens Schuz,
Des Feindes Heer zur Furcht, deſſelben Groll zu Truz,
Der treuen Krieger Schaar zu der Erweckung zeigen;
200
1 Das Pferd in Majeſtaͤt mit ſtolzen Schritten ſteigen.
Durch ſolche Bildniſſen vernimmt die ſpaͤte Welt
So viel, als wann man ihr des Heldens Ruhm erzaͤhlt.
So wurde deſſen Nahm in tauſend Jahren klingen,
So koͤnnte, wie du ſagſt, ihn dieſer Stein beſingen;
205
1 Nicht anders: dann was zeigt ein Bogen, ein Coloß?
Jſt er von mir entbloͤßt, ſo ſieht man einen Kloß.
DJe Schilder-Kunſt fieng an in Unluſt zu gerathen,
Und ſprach: Die Mahlerey beſteht in Licht und Schatten.
Was iſt das ganze Rund der irꝛdiſchen Natur?
210
1 Loͤſcht Licht und Schatten aus! wo findt man eine Spuhr?
Was ſehen wir davon? auch ſelber eure Wercke
Verliehren ohne Licht und Schatten ihre Staͤrcke.
So geht der Penſel vor. Die Schnizerinn fiel ein:
Geduld! was redeſt du? was ſoll der Einſpruch ſeyn?
215
1 Mit dem du mein Geſpraͤch noch unbefragt verwirreſt?
Da du mit deinem Weiß und Grau darunter girreſt?
Sie ſchien uns faſt erzuͤrnt: ſie wiederhohlte das
Was ſie geſagt, und ſprach: Du redeſt ohne Maß.
(Es gieng die Bau-Kunſt an, die wollte ſie noch fragen:)
220
1 Wie kannſt du nun ſo frey von einem Vorzug ſagen?
MitAchtes Buch.
Mit was du dich geprahlt, das kommt von oben her;
Nicht dein, des Himmels iſt der Wercke Kunſt und Ehr.
Das was dein Winckelmaß und deine Richtſchnur bauet,
Jſt ſtumm, wann man darauf nicht meine Zierden ſchauet.
225
1 Das Helden-Bild, das ich dir erſt beſchrieben hab,
Gaͤb mehr als ein Gebaͤu von tauſend Saͤulen ab.
Es wuͤrde von Metall, Gold oder Erz gegoſſen,
Mit Sieges-Ruͤſtungen und Kriegs-Geraͤth umſchloſſen.
Die Bau-Kunſt wiederſprach: Wie ſtuͤnd es ohne mich?
230
1 Du lobeſt dein Geſchniz und Stein-Bild meiſterlich.
Wo ſtellteſt du es hin, wann ich nicht alles fuͤge,
Was dieſes Ehren-Mahl auf ſeinem Rucken truͤge?
Da waͤr es feſt gegruͤndt , ſprach die Bildhauerey,
So feſt, als ein Gemaͤur in einer Schilderey.
235
1 Mein, rede nichts von mir, betrachte deine Mauern,
An welchen oft die Zeit und Arbeit zu bedauern.
Warum verwuͤhlſt du oft, was du ſo kuͤnſtlich bauſt?
Wie manch Mahl ſchieleſt du, wann du dein Werck beſchauſt;
Warum? weil was zuvor auf dem Papier gepranget,
240
1 Nun ſeinem Grund zu ſchwer in Eiſen-Banden hanget.
Kurz: ich verlange dich und deinen Grund-Stein nicht;
Jch hab auf eigne Macht gegruͤndte Zuverſicht.
Jch will das Meiſterſtuͤck auf einen Felſen ſezen:
Da laß du nur den Neid daran die Zaͤhne wezen.
G gDieThereſiade
245
1
Die Mahlerin vernahm faſt mit Beleidigung
Den ſchnellen Gegenſaz, den ſie zwar in ſich ſchlung;
Hier aber trat ſie vor, den Streit zu unterbrechen:
Erlaubet , ſagte ſie, mir auch ein Wort zu ſprechen!
Der Kuͤnſte Ziel beruht auf Wahrheit und auf Luſt.
250
1 Die baut auf eine Flutt, der dieſes nicht bewußt.
Wie weit erreichet ihr durch Saͤulen und durch Mauern;
Wann auch dieſelbigen die Felſen uͤberdauern;
Wie weit erreichet ihr durch eure Kunſt den Saz?
Nicht weit. So gebet mir und meiner Arbeit Plaz.
255
1 Jch weiſe durch die Farb und durch des Penſels Spize,
Daß ich die Faͤhigkeit zu dieſem Werck beſize.
Die Wahrheit iſt mein Ziel; die Luft begleitet mich;
So ſchmuͤcket ihre Kraft faſt jeden Penſel-Strich.
Was heiſſet Erz und Stein? was wird darein gegraben?
260
1 Was vor Lebhaftigkeit kann beydes in ſich haben?
Fuͤß, Haͤnde, Kleidungen, ein ſtarres Gips-Geſicht,
Dieß iſt, was euer Stahl in ſtummen Marmel ſticht.
Belohnet das die Muͤh? hingegen nach zu aͤffen,
Was die Natur erzeugt, und es genau zu treffen,
265
1 Jſt meiner Farben Werck. Luft, Wolcken, Berg und Thal,
Geſchichten, Schlachten, Thier und Menſch iſt, was ich mahl.
Jch kann durch meine Kunſt, Leib, Anſehn, Geiſt und Leben,
Auch dem, der in der Welt nicht mehr zu ſehn iſt, geben.
ZornAchtes Buch.
Zorn, Unbeſtand und Angſt, Furcht, Hoffnung, Rach und Lieb,
270
1 Ja was der Tugenden und Leidenſchaften Trieb
Jn ſich verbergen mag, das kann der Penſel zeigen.
Jſt ſolche Tuͤchtigkeit auch euern Griffeln eigen?
Was lehrt uns eine Maur, was ſagt uns ein Palaſt?
Was iſt ein Marmel-Kopf den man in Lorber faßt?
275
1 So findet keine ſich zu dieſem Ende beſſer;
Von allen Kuͤnſten iſt die Macht gewiß nicht groͤſſer,
Als die der Meinigen; mithin iſt es mir leicht,
Daß ich dasjenige, was dieſem Fuͤrſten gleicht,
Auch in die ſpaͤtſte Zeit der Nachwelt uͤberſeze;
280
1 Sonſt aber Licht und Grau ſo viel als Marmel ſchaͤze.
Thalia ſchaute mich, ich ſie bedachtſam an,
Als ob ein jedes ſich auf dieſen Spruch beſann.
Jch ſagte: dieſe prahlt zwar ſehr mit ihren Bildern;
Allein was wurde ſie zum Ruhm des Fuͤrſtens ſchildern?
285
1Thalia ſprach hierauf: Vielleicht beſchreibt ſie noch
Mehr als was Praͤchtiges und hebt es Himmel hoch.
Sie ruͤhmt ſich ohne dem, ſie ſey dorther gekommen;
Die Kunſt ſey von dem Licht der Sonnen hergenommen.
JNzwiſchen nahm ich wahr, daß wieder jene ſprach
290
1 Die man die Dicht-Kunſt hieß, und Anfangs unterbrach:
Sie wies ſich unbeſorgt, was ſie zu melden habe,
Da ſie ſich unerregt ſo zu vernehmen gabe:
G g 2 SoThereſiade
So bauet, mahlt und ſchnizt! hoͤrt aber auch mein Wort,
Hernach ruͤhmt was ihr wollt, ſchnizt, mahlt und bauet fort!
295
1 Was iſt vom Anbeginn der Kunſt in Schutt begraben,
Wovon wir doch biß jezt bewaͤhrte Nachricht haben?
Wie drang es aus dem Roſt des Alterthums hervor,
Jn deſſen Staub es faſt den Nahmen ſelbſt verlohr?
Wie wißt ihr was es war? ich! ich hab es gefuͤget,
300
1 Daß, was zu ſelber Zeit gefiel, noch heut vergnuͤget.
Wie ſchwebte die Geſchicht von mancher Helden That
Jn Unvergeſſenheit? was ſag ich? manche Stadt,
Was wuͤßtet ihr davon, wann meiner Sayten Klingen
Sich nicht befliſſen haͤtt euch ſolche vorzuſingen?
305
1 Wer wußte von dem Krieg, von der und jener Schlacht?
Von jener Voͤlcker Preiß, Verrichtung, Staat und Macht
Die bey dem Urbeginn der Helden-Zeit geweſen?
Sehr wenig wird davon in Farb und Stein geleſen.
Die Dicht-Kunſt, ich allein beſize jene Kraft,
310
1 Die dieſer Sachen Ruhm aus dem Vergeſſen rafft.
Die Wercke meiner Kunſt ſeynd mahlen, ſchnizen, bauen,
Die Nachwelt kann darinn der Vorwelt Thaten ſchauen;
Da meine Schweſter nur Red-loſe Blaͤtter ſchreibt,
Wodurch der Nachwelt nichts zu lernen uͤberbleibt;
315
1 Weil an dem Jnnhalt nichts als ſtumme Farben kleben,
Die durch das bunte Licht ein Schatten-Spiel erheben.
WieAchtes Buch.
Wie truͤge ſie das Recht, die Liſt, den Meineyd vor?
Wie mahlte ſie, wie man dort Staat und Land verlohr?
Wie der mit Freundſchaft prahlt, wann er den Haß verhoͤhlet?
320
1 Wie der zu ſeiner Hilff nicht Menſchen, GOtt erwaͤhlet?
Was unſerm Aug entgeht, entwirfft der Penſel nicht.
Was man nicht ſehen kann, iſt weder grau noch licht.
So wißt ihr wie die Kunſt der Farben eingeſchraͤncket,
Wogegen mein Geſang erzaͤhlt, was man gedencket.
325
1
Bringt die Bildhauerinn ein Bildnis in die Frag,
So lenckt ſie ſchon das Ohr nach meinem Cither-Schlag;
Und was ſie ſich entſchließt in Marmel auszurunden,
Das wird durch meine Kunſt bereitet und erfunden.
Ein Blinder ſieht die Schild - und Mahlereyen nicht,
330
1 Doch hoͤrt er was der Klang der edlen Cither ſpricht;
Deſſelben Lieblichkeit ermuntert alle Sinnen,
Was fragt er um das Aug? er kann das Herz gewinnen.
Durch die Beredſamkeit des holden Sayten-Klangs,
Durch die Lebhaftigkeit des kuͤnſtlichen Geſangs
335
1 Ward einſt ein irrendes, zerſtreutes Volck bewogen,
Daß es aus Wildniſſen ſich in die Stadt gezogen.
G g 3 So
336.Amphion brachte vor ungefaͤhr 4000. Jahren die damahls noch wil - den Voͤlcker durch ſeine lieblichen Ge - dichte dahin / daß ſie ihre Hoͤlen und Waͤlder verlieſſen / ſich nacher Thebe zogen / und dieſe beruͤhmte Stadt mitMauern umfiengen. Woraus nach - mahls die Fabel entſtanden: Als waͤ - ren durch den Thon ſeiner Cither die Steine dergeſtallt bewegt worden / daß ſie ſich ſelbſt in einander gefuͤget ꝛc. Horat. de arte Poët.
336.
Thereſiade
So danckt man meiner Luſt das kluge Staats-Geſaz,
Von dem die Einigkeit, der Voͤlcker groͤßter Schaz,
Ruh, Ordnung, Sicherheit, Gluͤck, Heil und Wohl entſprieſſen;
340
2 So lehrt ich, wie der Feind von Freunden auszuſchlieſſen.
Vernehmt, erſtaunt und hoͤrt was meine Kunſt vermag,
O nicht vergeßlicher mit Gold bemerckter Tag!
Durch meiner Cither Kraft lehrt ich ein Volck zu ſiegen,
Das Lanze, Schwert und Schild ſchon zwey Mahl mußte ſchmiegen.
345
2 Jch ſunge deſſen Furcht mit ſolcher Regung vor,
Daß es die Rach ergriff, Zaghaftigkeit verlohr,
Den Muth, die Stirn erhob, noch einen Kampf zu wagen,
Jch wuͤnſcht es, es geſchah; der Gegner ward geſchlagen.
Wer hat durch ein Gedicht das rauhe Volck gelehrt,
350
2 Warum ein Menſch die Macht des Himmels fuͤrchtet, ehrt?
Was Krieg und Friede ſey? was Recht? was ein Geſeze?
Was GOtt und die Natur in unſre Sinnen eze?
Wie ward der Tugend Werth demſelben angezeigt?
Wie ward es endlich mir und anderen geneigt?
355
2 Jch bin der Urbeginn, aus welchem alles floſſe,
Was nach und nach die Welt mit Wohlfart uͤbergoſſe.
Das
348.Die Lacedæmonier gaben den Meſſeniern den Dichter Tyrtæum zum Heerfuͤhrer / welcher durch ſeinen Geſang das Volck in ſolchen Muth ſezte / daß esden bereits ſieghaften Feind in der drit - ten Schlacht uͤberwand. Dieſes geſcha - he im 3ten Jahr der 24. Olymp. vor ohngefaͤhr 2432. Jahren. Plato de Leg.
348.Achtes Buch.
Das Volck wies mit der Hand, und gaffte mit dem Mund,
Das Wunder war zu groß, das ihm vor Augen ſtund,
Als es des Himmels Kreiß, das weite Land geſehen,
360
3 Wie ſich der Sonne Licht, der Mond, die Sterne drehen.
Wer bracht ihm dazumahl den Grund der Wahrheit bey?
Wer lehrt es, was die Welt, der Menſch, der Himmel ſey?
Die Gabe meiner Kunſt erklaͤrte ſolche Fragen:
Jch wußte dem Geſchlecht den Spiegel vorzutragen,
365
3 Jn welchem es erſah, wie ſich der Mond bewegt;
Wie durch der Sonne Lauf die Zeit zu wechſeln pflegt;
Wie ſich Natur und Kunſt zu ſeinem Wohl bemuͤhen;
Wie Menſchen aus dem Grund die Lebens-Nahrung ziehen.
Der Kuͤnſte Wohlgeſchmack, der guten Sitten Werth,
370
3 Ward dieſem wilden Volck durch meine Kunſt gelehrt.
Jch ſchmeichelte der Wuth, womit es anfangs tobte,
Biß es beſaͤnftiget mein kluges Singen lobte,
Und allgemach das Herz der Buͤgſamkeit ergab,
Nach der ich den Geſang geſtimmt, begeiſtert hab.
375
3 Das iſt der Urbeginn der Menſchen Wiſſenheiten,
Die man von Volck zu Volck getrachtet auszubreiten.
Weit
375.Die Poeſie iſt unſtreitig die erſte Wiſſenſchaft aller Voͤlcker. Die GOttes-Gelehrte / Weltweiſe / Staats - Leute und Rechts-Verſtaͤndige in den erſten Zeiten waren Dichter. Dieſes be -weiſen die Poeten der Griechen / die Ma - gi der Perſer / die Skalder der Nor - maͤnner / und die Barden der Celten, Beitten / Gallier und Deutſchen. Steph. Joh. Stephanius not. in Sax. Gram̃. f. 12.
375.Thereſiade
Weit uͤber dem Geſtirn fand ich oft meinen Geiſt;
Da ſah ich, daß er mir dort ſeinen Urſprung weiſt;
Mithin befliß ich mich, die Sayten ſo zu ſtimmen,
380
4 Daß ich vermoͤgend ward demſelben nachzuklimmen.
Da ſang ich deſſen Lob, von dem mir die Natur,
Und der Zuſammenhang der Erden eine Spuhr
Schon vormahls eingepraͤgt: Poſaunen, Floͤten, Cither,
Doch mehr der Harfe Klang beſungen den Gebiether,
385
4 Den Schoͤpfer meines Seyns, den Urſprung dieſer Welt;
Da ward, ſag ich, von mir deſſelben Lob erzaͤhlt;
Und was ich ſang erſchallt noch heut durch alle Zungen,
Seit dieſer Zeit hat ihn kein Mund ſo ſchoͤn beſungen.
Jch gebe dem Geſang den Wohllaut und den Geiſt,
390
4 Sagt! ob das Ehr und Lob und Rang verdienen heißt?
Die Kuͤnſte waren noch im tiefften Schacht begraben,
Als mich ſchon Aug und Ohr und Herz bewundert haben.
So nuzet mein Geſang. Er dienet auch zur Luſt,
Nachdem er ein Gemuͤth, ein Hirn und eine Bruſt,
395
4 Auch Sinns-Empfindung ruͤhrt. Er ſezt das Herz in Freuden,
Daß nichts als Unverſtand und Mißgunſt mich beneiden.
Weil aber in der Welt nicht allzeit wird erfuͤllt,
Nach was der Kuͤnſte Fleiß, Muͤh und Beſtreben zielt.
So
388.Das kraͤftigſte Lob GOttes enthalten die Davidiſchen Pſalmen /welche nach den Geſezen der Hebraͤi - ſchen Dicht-Kunſt verfaſſet ſeynd.
388.
Achtes Buch.
So buͤrdet man mir auf ..... doch beſſer iſt zu ſchweigen,
400
5 Als Maͤngel, die der Feind uns beylegt, anzuzeigen;
Ja! .... Nein, ich fahre fort: dann Offenherzigkeit
Jſt meiner Wiſſenſchaft Kron und Zufriedenheit.
Jch bin beſchuldiget: mein Singen heiſſe Luͤgen,
Mit Luͤgen raſend ſeyn, mit Raſerey betruͤgen.
405
5
Hieraus verſteht ihr wohl, daß es der Poͤbel iſt,
Der nichts, als nach dem Wahn der Tadelſucht, ermißt.
Er kennt nicht, oder hart, was eine Wahrheit ſeye;
Beſonders wann ich ſie mit meinem Schmuck beſtreue,
Um durch das ſcharffe Licht, ſo deſſen Augen fliehn,
410
5 Der Mißgunſt nicht zu ſchnell die Larve wegzuziehn;
Weil ich Verdruß und Zorn in ſolchem Aug erweckte,
Wann ich der Wahrheit Glanz in vollem Schein entdeckte.
Er weiß nicht, wie ſie ſich in alle Sachen dringt;
Was Wohlgefallen ſie dem Wiſſens-Eifer bringt.
415
5 Wie koͤnnte dann ſein Geiſt, ſein truͤbes Auge ſehen
Die Wahrheit im Gedicht und in der Fabel ſtehen?
Er, welcher kaum vermerckt, was ihm vor Augen ſchwebt,
Nur Abentheuern nach, und nach Geſpenſtern ſtrebt;
Durch die Verwunderung Unwiſſenheit erklaͤret,
420
5 Durch die Leichtglaͤubigkeit dieſelbige vermehret:
Er, welcher mich veracht und ungluͤckſeelig nennt,
Weil er der Kuͤnſte Luſt und Treflichkeit nicht kennt,
H h Ver -Thereſiade
Verblender und verſtockt den hellen Tag verſchmaͤhet,
Well ſeine Bloͤdigkeit dadurch verrathen ſtehet.
425
5
So bin ich unbeſorgt und dieſes Kummers frey:
Ob ich von ihm gelobt, von ihm verachtet ſey.
Es iſt da nicht der Ort der Einfalt anzuzeigen,
Was hier der Dichter-Kunſt, was dort der Wahrheit eigen;
Viel weniger wie ſie ſich dem Gedicht vereint;
430
5 Warum die Wahrheit oft nur eine Blendung ſcheint;
Warum man ein Gedicht oft vor die Wahrheit halte.
Wie ihr Zuſammenhang ein Ehren-Mahl geſtallte.
Genug: ich dichte ſtets, wie man es nennen will;
Die Wahrheit und die Luſt ſeynd meiner Arbeit Ziel.
435
5 Es koͤnnen ſolcher Macht ſich keine Kuͤnſte ruͤhmen;
So wird gewiß nur mir der Bau des Wercks geziemen.
Je mehr Unwiſſenheit und Einfalt mich verſchmaͤht,
Je mehr wird meine Kunſt von der Vernunft erhoͤht.
Wer um des Poͤbels Lob und deſſen Beyfall thoͤnet,
440
5 Jſt von verſuchtem Wiz verachtet und verhoͤhnet;
Weil jener Niedrigkeit und eitlen Schimmer liebt,
Der aber dem den Ruhm, der ihn verdienet, gibt.
Ja ſelbſt ſich nach der Kunſt, der Kuͤnſte Mutter, ſaͤhnet,
Und mich, weil er mich ehrt, mit Lorber-Zweigen kroͤnet.
445
5
So ſchlieſſet dann und ſprecht! iſt meine Kunſt im Stand?
Kann ich der ſpaͤten Welt, uns, und dem Vaterland
EinAchtes Buch.
Ein ſolches Ehren-Mahl vor das Geſichte bauen,
Auf dem Thereſia mit dem Gemahl zu ſchauen?
Seyd aber ihr vielleicht noch zweifelhaft dabey,
450
5 Ob jemand tuͤchtiger, als ich, zu finden ſey?
Nein! niemand ſchmeichle ſich der Dicht-Kunſt vorzugehen:
Der Himmel ſelbſt hat mich zu dieſem Recht verſehen.
Von ihm entſpringt mein Geiſt. Wer hat ſo feſten Grund?
Man red! ich weiche gern; man mache mir es kund!
455
5
Was bin ich? Geiſt und Herz entflam̃en ſich fuͤr Freuden,
Wann man das Auge will in dieſen Zweyen weiden.
Das Herz frolocket, ſpringt und wird in ſich entzuͤndt,
Biß es die Regungen zu zeigen Mittel findt;
Das Koͤnigliche Paar iſt in ihm eingeſchrieben,
460
5 So wird es zu der Treu und Ehrfurcht angetrieben.
Was will ich? daß die Welt das Jnnerliche ſeh
Und die Verpflichtungen des treuen Sinns verſteh.
Was mach ich? Stim̃ und Mund muß zu der Abſicht dienen:
Das Herz bricht mit Begier, mit zitterndem Erkuͤhnen
465
5 Jn frohes Singen aus. Jſt aber dieß zu ſchwach,
So folgt der Cither Klang, die Leyr, die Floͤte nach,
Ja was den Herzens-Trieb der Welt kann offenbaren:
Dann heißt es weder Kunſt, noch Thon noch Stimme ſpahren.
Die Seel erwacht und fuͤhlt die Macht, den Trieb, den Geiſt,
470
5 Der ſie faſt von ihr ſelbſt in dieſe Freude reißt.
H h 2 SoThereſiade
So will ſie durch den Mund, gleich einer Flamme, dringen,
Von ihren Regungen, von dieſer Luſt zu ſingen.
Nun ſagt! verſpuͤhrt ihr nicht ein ſo erwecktes Herz?
Liebt ihr nicht dieſes Paar? iſt etwann anderwaͤrts
475
5 Was eure Neigung hem̃t? ich weiß, ihr muͤßt es lieben;
Jhr fuͤhlt in eurer Bruſt die Reizung eingeſchrieben.
Wohlan! ich bin die Leyr, der Cither Klang, der Mund,
Das Sayten-Spiel, die Floͤt, ich mache dieſes kund:
Jch weiß durch meine Stimm und Sing-Kunſt auszubreiten,
480
5 Was eure Seele ruͤhrt, um was die Sinnen ſtreiten.
Was koͤnnen Stein und Erz und Farb und Winckelmaß,
Wann ich fie Sprache-loß in ihrem Prangen laß?
Jhr habt es dieſe Nacht mit Wunder angeſehen:
Konnt etwas ohne mich mit wahrer Zier beſtehen?
485
5 Es braucht des Lobens nicht; fragt nur den eignen Sinn!
So nennt ihr mich gewiß der Kuͤnſte Meiſterinn.
Jſt der Beweis zu ſchwach, mich allen vorzuziehen,
So ſey mir die Geduld noch zu dem Wort verliehen:
Das Werck ſoll ewig ſtehn, das man errichten will;
490
5 Weiß jemand ſo zu baun, ſo leg ich mich zum Ziel.
Allein ich zweifle ſehr, daß meine Kunſt nicht ſiege,
Wann ich, was meine Kraft vermag, zuſammen fuͤge.
Freundinnen! bauet, mahlt, ſchnizt, macht was euch beliebt;
Ergreifft was die Natur der Kunſt zur Hilffe gibt!
495 BringtAchtes Buch.
495
5 Bringt ein Gebaͤu von Stein, von Erz und Stahl zuſammen,
Erwaͤhlt den Grund dazu, von dem die Berge ſtammen.
Gießt, ſchmiedet und erhoͤht Coloſſen von Metall;
Beſchirmt ſie fuͤr Gewalt, Erſchuͤttrung, Sturz und Fall:
Wird alles dieß ſo lang, als was ich baue, ſtehen,
500
5 So muß es mit der Welt und eher nicht vergehen.
Und bey dem Untergang bey dem gemeinen Fall
Vernehmt ihr noch im Sturm der edeln Floͤte Schall,
Der dauert immer fort. Wofern ihr ihn nicht hoͤret,
So iſts, weil das Getoͤß euch Ohr und Sinnen ſtoͤret.
505
5 Der Nahme, deſſen Ruhm der Cither Klang beſingt,
Gruͤnt, waͤchſt und ſteigt ſo lang biß er zur Sonne dringt,
Er trozt den Zahn der Zeit, das Feur, den Stahl, das Eiſen,
So gar dem Neid kann er die heitre Stirne weiſen.
Wie vieles haͤtt ich nicht der theuren Kunſt zu lieb
510
5 Euch anzuzeigen? nein: ich hemme meinen Trieb;
Erwarte den Entſchluß des Tugend-Raths gelaſſen
Und ſtehe nimmer an, er ſey fuͤr mich zu faſſen.
Jch weiß, man goͤnnet mir Recht, Vorzug, Rang und Ehr,
So ich mit Billigkeit fuͤr meine Kunſt begehr.
515
5 Es kommt nur auf den Schluß, zu was vor einem Wercke
Der Dicht-Kunſt Treflichkeit, und Welt-bekannte Staͤrcke
Nun anzuwenden ſey. Die Cither iſt bereit.
Ermuntre dich mein Geiſt! zeig Stolz und Tapferkeit!
H h 3 KroͤnThereſiade
Kroͤn deiner Tugend Werth! verlach der Mißgunſt Bellen!
520
5 Der Worte Preiß und Ruhm muß aus der That erhellen!
Verſchmaͤht man aber mich ..... So , ſprach der gute Rath,
So glaub ich daß der Kreiß genug vernommen hat.
Jch unterbreche dich; nicht daß ich dich verlache;
Nur daß ich dem Geſang der Leyr ein Ende mache.
525
5 Wir wiſſen insgeſamt was jede Kunſt vermag,
Was deine Floͤte kann, und deiner Cither Schlag.
Er redte weiter fort, da mir Thalia winckte
Mich fragte, was dann mich von dieſen Reden duͤnckte?
Seynd dieſe nicht , ſprach ſie, auch einer Ehre werth?
530
5 Haſt du den Jnnbegriff des Vortrags wohl gehoͤrt?
Jch ſezte kurz darauf: mich ſchmerzt ihr armes Zimmer,
Und finſters Ruh-Gemach; auf dieſes denck ich immer.
Warum , verſezte ſie, doch ſcheinen ſie vergnuͤgt:
Das zeigt, daß ihrem Geiſt nichts an dem Reichthum ligt.
535
5 Der Wiſſenſchaften Sinn verachtet alle Luͤſte:
Wann er nur nicht ſo ſehr um Nahrung ſorgen muͤßte.
Das hem̃t der Kuͤnſte Trieb, Fleiß, Aufnahm, Staͤrck und Macht;
Jhr Anſehn wird geſchwaͤcht, und ſie zu lezt veracht.
So ſollte man ..... gab ich zur Antwort; aber ſie
540
5 Ermahnte mich: Vernimm, was dieſe ſich vor Muͤh
Vor Geiſt und Hoheit gibt! betrachte von den Frauen
Das edelſte Geſicht! Jch wandte mich zu ſchauen,
UndAchtes Buch.
Und nahme wahr, wie ſie von unſerm guten Rath,
Jch wußte nicht um was, mit Reiz und Anmuth bat.
545
5 Mein , ſagte ſie zu ihm, man muß die Kinder ehren,
Und ſo den Eltern es, daß man ſie liebt, erklaͤren;
Wer dieſen zugethan, der herzet auch das Kind,
Weil er in ſeiner Luſt die Luſt der Eltern findt.
Jndem ſie mit dem Rath von Kinder-Liebe redte,
550
5 Hoͤrt ich, daß ſie das Amt der Kinder-Zucht vertrete.
Jhr Aufzug ſchimmerte von eingewircktem Gold,
Und ihrem Vortrag nach war ſie nur Kindern hold.
Sie bog, indem ſie ſprach, ein gruͤnes Reiß zuſammen,
Vielleicht vergliche ſie die Kinder jungen Stammen.
555
5Jhr aufgeraumter Blick wies Ernſt und Freundlichkeit;
Jhr Sprechen Wiz, Verſtand; ihr Regen Sittſamkeit.
Jch weiß nicht, was das Reiß ihr vor Vergnuͤgen brachte,
Weil ſie daſſelbe ſtets bald krumm bald grade machte,
Sie ſpielte ſtets damit. Nun wand ſie ſich zum Kreiß
560
5 Und ſprach mit Freundlichkeit und Ernſt auf dieſe Weis:
So lang, Freundinnen ihr in dieſem Kreiß geſeſſen,
Habt ihr das Wichtigſte, das Edelſte vergeſſen.
Es ſeynd zwey Prinzen da. Wem iſt es unbekannt?
Der Joſeph und der Carl; wer hat ſie noch genannt?
565
5 Das Koͤnigliche Paar, um welches man geſtritten,
O ewig gruͤner Baum! erzeuget ſolche Bluͤhten.
Er -Thereſiade
Erwaͤhlet dieſe Zwey zum vorgeſezten Ziel!
Jch weiß, daß es dem Herz der Koͤniginn gefiel.
Jch glaube nicht, daß ich durch dieſen Vorſchlag fehle;
570
5 Sie ſeynd der Koͤniginn Vergnuͤgen, Troſt; ja Seele.
Geht, fragt das Vaterland! tragt ihm die Meinung vor!
Was ſagt der Treueſte dem Treueſten ins Ohr?
O ſchickte GOtt dem Thron, ſo ſpricht und ſprach man, Erben!
Sonſt muß der Baum des Heils, des Wohlergehns verderben!
575
5 Jſt dieſer Ruff euch fremd, ſo werfft nur einen Blick
Auf jene Sorg und Furcht, auf jenes Leid zuruͤck,
Jn dem wir lang verzagt und halb verzweifelnd ſtanden,
Weil, wo wir hingeſehn, wir keine Kinder fanden.
Die ſeynd der Voͤlcker Troſt, Wunſch, Hoffnung, Zuverſicht,
580
5 Der Kronen Werth und Schmuck, der Staaten Gleichgewicht.
Wird von der Feinde Groll gleich etwas angeſponnen,
So baut man auf den Glanz dergleichen Morgen-Sonnen.
Was aber mich betrifft, ſo ſeht die Mutter an
Und ſagt, ob mein Bemuͤhn auch mir was nuzen kann.
585
5
Hier fieng ein Liſpeln an die Reihen durch zu ſchleichen,
Wie wann man Bienen ſieht durch einen Garten ſtreichen
Und hoͤret ihr Geſaus, ihr ſummendes Gemurꝛ;
Dieß war was man darauf, ſonſt weiter nichts, erfuhr.
Jn dieſen Regungen, in dem Geſpraͤch und Ziſchen
590
5 Stund wieder jemand auf, und redte laut dazwiſchen:
NichtsAchtes Buch.
Nichts bleibet unerwaͤhnt , ſo fieng ſie ploͤzlich an;
(Jhr Arm hielt eine Schlang und einen ſtolzen Hahn)
So red ich auch von mir. Wer kann es unrecht nennen,
Auch meinen Wirckungen ein kleines Lob zu goͤnnen?
595
5 Faſt jede ruͤhmte ſich, was ihrer Tugend Kraft
Der Koͤniginn vor Hilff und Nuzbarkeit geſchafft;
So trifft der Rang mich auch ein wenig anzuzeigen,
Wie weit die Tugenden, wann ich entfernt bin, ſteigen.
Geſundheit, ſonſten nichts, iſt meiner Sorgen Ziel;
600
5 Um die bekuͤmmern ſich die Tugenden nicht viel,
Ob ihre Kraͤfte gleich von meiner Kraft genommen,
Und ihre Wercke nur von meinen Wercken kommen.
Geſezt: ich haͤtte mich von ihr und euch entfernt,
Was haͤtte ſie von euch, und ihr von ihr gelernt?
605
5 Jch bin der theure Schaz, den ſelten jemand kennet,
Als wann er ſich von ihm, von ſeinen Gliedern trennet.
Jſt euer Herz erquickt, ſo werd ich nicht geehrt;
Jſt aber der Beſiz deſſelben mir verwehrt,
So ſeufzet man und rufft: Geſundheit! Lebens-Quelle!
610
5 O Krone meines Gluͤcks! daß ich mich wieder ſtelle.
Wie ſaͤhnt man ſich nach mir, wann ich abweſend bin?
Man ſchaͤzt und liebt mich mehr als ſelbſt die Koͤniginn.
Kaum hat man mich erblickt, da ſtaͤrcken ſich die Glieder,
Man lebt ſo wie zu vor, und mich vergißt man wieder.
J i615 JchThereſiade
615
5
Jch bin ſtets um den Leib der Koͤniginn geſchwebt,
Und habe ſelbigen durch meine Kraft belebt;
Jch will auch kuͤnftighin kein Sorgen unterlaſſen,
Sie ſtets, wie meine Frucht, in meinen Arm zu faſſen.
Jch habe, was ihr Leib von meinem Schaz enthaͤlt,
620
5 Mir ſchon zur Sicherheit und Vorſicht beygeſellt,
Damit wir jederzeit gemeinſam uͤberlegen,
Wie wir in ihre Bruſt ein langes Leben praͤgen.
Jhr ſeht wie Rieſen-ſtarck ſie jene Laſt ertraͤgt,
Die manches ſtaͤhlern Herz in tiefe Schwermuth ſchlaͤgt.
625
5 Jhr wißt, daß Kronen-Schmuck und Koͤnigliche Wuͤrden
Mehr Laſt als Herꝛlichkeit auf ſolche Stirnen buͤrden:
Wie, wer den Zepter fuͤhrt, nicht ſich, nur andern lebt,
Und mehr nach fremdem Heil als nach dem eignen ſtrebt.
Der Kronen hoͤchſte Zier, des Purpurs Eigenſchaften
630
5 Seynd, daß der Laͤnder Ruh und Fried an ihnen hafften.
Wer einen Thron beſteigt; wem GOtt den Zepter gibt;
Wer herꝛſcht, und dieſes Amt mit wahrem Eifer uͤbt;
Wem dieſer Tag und Nacht pflegt Sinn und Herz zu regen;
Dem nuͤzet nichts ſo ſehr, als meines Amts Vermoͤgen.
635
5 Wer zu des Vaterlands gemeiner Wohlfart wacht,
Gibt auf den hohen Schaz, geſund zu ſeyn, nicht acht.
Er iſt durch ſeines Amts Gewalt davon verhindert;
Des Staats Heil wird vermehrt, das eigene gemindert.
DießAchtes Buch.
Dieß lieſſen wir ..... jedoch ich irꝛe. GOttes Macht
640
5 Nicht meinen Kraͤften ſey die Ehre zugedacht.
Das lieſſe GOtt, ſag ich, an ihr zwar nicht erfahren,
Thereſia regiert und weiß mich zu bewahren.
So lang der Gnaden-Quell der Allmacht es erlaubt,
So lang iſt nichts das mich von meinem Amt beraubt.
645
5 Was aber meiner Macht in der Natur verborgen,
Um dieſes laſſen wir den hoͤchſten Arzt nur ſorgen.
Sonſt bleib ich im Beſiz, und ſtehe nimmer ab;
Jhr kennet, was vor Kraft ihr meine Tugend gab.
Wann manche von dem Kreiß am ſicherſten geſchlafen,
650
5 Da fand ich jederzeit am mehreſten zu ſchaffen.
Stets war ich um das Herz der Koͤniginn beſorgt;
Wie manche Stund hab ich, ihr beyzuſtehn, geborgt:
Damit wann ihr Gemuͤth ein Trauren uͤberwaͤnde,
Es weder Angſt noch Schmerz, noch Bitterkeit empfaͤnde.
655
5
Allein was brauchen wir ſo vielerley Beweis?
Der ganze Tugend-Saal erkennet meinen Preiß.
Jhr ſchaͤzt und ehret mich; ſo darff ich billig hoffen,
Es ſtehe mir zum Fries auch Recht und Zugang offen.
Die Schlange, dieſer Hahn bedeuten meine Kraft,
660
5 Weil meine Macht ſo viel als ihre Tugend ſchafft,
Da dieſe Thiere nichts, was Schwachheit heiſſet, bloͤdet.
Wo man von Wachſamkeit fuͤr die Geſundheit redet;
J i 2 DerThereſiade, achtes Buch.
Der Schlange gleicht mein Herz; es iſt, wie ſie, geſund;
Dem Hahne jener Arzt, den meine Vorſicht fund;
665
5 Damit, wann ich vielleicht in Wanckelmuth verfalle,
(Der Sachen Unbeſtand und Wechſel trifft uns alle)
Er meine Sorge trag und kluge Wachſamkeit;
Fuͤr mich, was mir erſprießt, ergruͤnd und zubereit.
Jch hab aus Tauſenden denſelbigen erkohren,
670
5 Fleiß und Natur hat ihn zu dieſem Ziel gebohren.
Wer jene Kraͤfte ſtaͤrckt, womit man Kronen traͤgt,
Dem wird auch der Verdienſt der Buͤrde beygelegt.
Der Arm, der ohne mich muß einen Zepter tragen,
Jſt, wie ein ſchwaches Schiff bey beſtem Wind, zu klagen.
[figure]
[figure]

Thereſiade.

Neuntes Buch.

ALs die Geſundheit kaum von ihrem Helffer ſchwieg,
So war ſchon einerſeits ein neuer Woͤrter-Krieg.
Was wird ein ſolcher Rath, wo man geſund
iſt, ſtiften?
Sprach jemand. Eine dort: geht! leſet ſei -
ne Schriften!
Hier ſezte man darauf: Unwiſſenheit veracht
Der Wiſſenſchaften Werth, Glanz, Adel, Preiß und Macht.
Was heißt der eitle Streit? Geſundheit zu bewahren
Verdient ein groͤſſers Lob, als ſie von den Gefahren
J i 3 DerThereſiade
Der Kranckheit zu befreyn , ſprach unſer guter Rath,
10
5 Mich wundert, daß man dieß in acht genommen hat.
Wohin zielt ihr damit? was ſteckt in dem Geſpraͤche?
Wer ſolche Fragen ſezt, entdeckt der Sinnen Schwaͤche.
Jnzwiſchen ſahen wir dort eine Staats-Matron
Von ihrer Stelle gehn. Sie wandte ſich zum Thron,
15
5 Und truge vor, daß man von ihr vernehmen moͤchte,
Was ſie von ihrem Amt dem Rath zu ſagen daͤchte,
Jch bitt euch um Geduld! vernehmt nur eine Frag!
Erweget auch , ſprach ſie, was meine Kunſt vermag!
Wollt ihr nicht durch den Streit das Paar unſterblich machen?
20
5 Mir ſcheint, daß alle nur von dieſer Abſicht ſprachen.
Zugleich beſtrebt ihr euch um euern eignen Ruhm;
So melden meine Kunſt und Kiel ſich auch darum.
Seht dieſen Griffel an! der iſt der Thaten Feder!
Der graͤbt, was je geſchicht, in ewig gruͤne Ceder.
25
5 Der Baum iſt euch bekannt: er iſt das Wunder-Holz;
Es uͤbertrifft des Steins, des Erzes Macht und Stolz.
Die Zeit erkuͤhnt ſich nicht an ihm den Zahn zu wezen;
Kein Sturm kein Donner-Streich kann deſſen Stam̃ verlezen.
So folgt die Frag, ob ich zu dieſem Vorſaz taug,
30
5 Jch, der Geſchichten Stimm; ich, aller Zeiten Aug;
Man wird das, was ich ſchreib, ſo lang die Welt ſteht, leſen,
Und wiſſen wer das Paar, das Kronen-Paar geweſen.
EsNeuntes Buch.
Es waltet nur in mir ein ſo beflißner Geiſt,
Der den Nachkoͤmmlingen den Ruhm der Vorwelt weiſt.
35
5 Jch kann denſelbigen die laͤngſt verfloßnen Sachen
Durch meine Kunſt ſo viel als gegenwaͤrtig machen.
Wer wußt etwas von euch, nachdem ihr in dem Grab,
Und etwan ich davon nichts aufgezeichnet hab?
Haͤtt meine Zunge nichts gelehret, ſtets geſchwiegen,
40
5 Wie waͤr das Alterthum biß zu dem Tag geſtiegen?
Die Thaten, denen es an meinem Kiel gefehlt,
Haͤlt die Vergeſſenheit in Finſternis verhoͤhlt.
So groß ein Feld-Herꝛ war, prangt er nicht in den Schriften,
So deckt ihn Roſt und Staub in unbekannten Gruͤften.
45
5
Du, Dicht-Kunſt! prahl dich nur! was weiß man von der Zeit
Da nichts als dein Geſang die Helden eingeweiht?
Haͤtt man ſich meines Kiels, nicht deiner Leyr bedienet;
So wußte man, was dort zum Heil des Lands gegruͤnet.
Was hilfft der Cither Klang? wo iſt dein Ehrenmahl?
50
5 Was weiß man jezt davon? zeig jener Helden Zahl
Woher der Deutſchen Herz, Treu, Großmuth, Ruhm entſprungen;
Jch haͤtte ſie dem Fraß der Zeiten abgezwungen.
Mein Schall verliehrt ſich nicht, er klinget immerfort,
Die Zeit verzehrt ihn nicht, ſie ſchaͤrfft ein jedes Wort;
55
5 Von mir bekommt der Ruhm ſtets Kraft und neues Leben,
Selbſt die Unſterblichkeit pflegt mir das Lob zu geben.
NurThereſiade
Nur dieß war, Wertheſte! dem hoch-erleuchten Kreiß
Von den Verrichtungen des Kiels, von meinem Preiß
Von meiner Treflichkeit und Pflicht hier vorzutragen;
60
5 Mich duͤnckt, man koͤnne mir den Vorzug nicht verſagen.
Hierauf ward alles ſtill: die Dichterin allein
Stund wieder auf und warff den Gegenſaz darein:
Red! ſprich nur was du willſt; doch wirſt du nicht erweiſen,
Daß deine Feder mehr, als meine Leyr zu preiſen.
65
5 Du ſagſt man wiſſe nichts von jenem Alterthum,
Aus dem das Vaterland Herz, Redlichkeit und Ruhm
Auch ſelbſt den Nahmen fuͤhrt. Was machte deine Feder?
Konnt Buch und Eiche nicht dir dienen wie die Ceder?
Du ſelbſt, redſt du nicht oft von jener Helden Zahl,
70
5 Der dieſes Vaterland ſo Schuz als Heil empfahl?
Du ſagſt, daß ihre Bruſt ſtets ohne Furcht geſtritten;
Daß ſie mit Redlichkeit, mit wahrhaft deutſchen Sitten,
Mit Herzen voller Treu fuͤr Land und Leut gewacht;
Nur dieß ein Gluͤck genennt, was Bruͤder gluͤcklich macht.
75
5 Du ſagſt, in dieſen ſey der Deutſchen Ruhm entglommen;
Von ihnen ſey die Treu und Großmuth hergekommen.
Dort habe man den Trieb, der Falſchheit liebt, gehaßt;
Die Tugend kaum gewußt, ſich doch damit gefaßt.
Der Ehrgeiz, frey zu ſeyn, und nicht verkauft zu leben
80
5 Sey von denſelben her den Deutſchen eingegeben.
Er -Neuntes Buch.
Erzaͤhlſt du nicht: daß dort der theure Leyer-Klang,
Weil er dem Krieger Muth von Sieg und Lorbern ſang,
Den Barden zu dem Haupt deſſelben Volcks erhoben?
Wie weißt du dann ſo viel an jener Schaar zu loben?
85
5 Wie weißt du dieß und das von jener finſtern Zeit?
Da nichts als mein Geſang die Helden eingeweiht.
Woher iſts dir bekannt? die Barden wirſt du ſagen,
Die wußten Ehr und Lob der Helden vorzutragen.
Ja! Barden: dieß Geſchlecht iſts, daß den Ruhm beſang,
90
5 Es wußte nichts um dich, nur um den Cither-Klang.
So wiederhohl ich frey, daß, was ich jezt beſinge,
Biß in die ſpaͤtſte Welt mit ſeinem Nachruhm dringe.
Jmmittelſt gieng der Greiß, der Sorgen volle Rath
Von ſeiner Stell hervor, und ſprach: Der Tugend-Staat
95
5 Ruht auf der Einigkeit, nicht in dem Streit der Sinnen!
Durch dieſen werden wir, um was man fragt, nicht innen.
O laͤge manche That im Abgrund einer Nacht,
Womit der Griffel ſich oft unbelobt gemacht!
K k Er -
86.Die Helden-Geſaͤnge dieneten den alten Deutſchen anſtatt der Jahr - Buͤcher. Tacitus de mor. germ. Die / welche dergleichen Lieder verfertigten / und ſolche bey den Opfern / Schlachten und Begraͤbniſſen abſungen / waren die Barden. Wachter gloſſ. germ. vo - cc Barden. ex Marcellino, Diodoro,Heſychio, Lucano & Strabone. Bey den Nord-Deutſchen hieſſen ſie Skalder. Ol. Wormius literat. Run. & Steph. Jo. Stephanius ex Diſſert. M. Olavii. Jhr Anſehen war ſo groß / daß Hiarn we - gen eines Gedichtes von den Daͤnen ſo gar zum Koͤnig erhoben ward. Sa - xo gramm. & Jo. Meurſius. hiſt. Dan.
86.
Thereſiade
Erlaubet alſo mir, daß ich den Schluß verfaſſe,
100
6 Und jener Freundinn dort den Ausſpruch uͤberlaſſe.
Nichts iſt ſo zweifelhaft, verwirret und zerſtreut,
So ſie nicht von dem Schleyr der Dunckelheit befreyt.
Er zeigte mit der Hand, und wo er hin gedeutet,
Hat ihm faſt jedes Aug im Kreiß herum begleitet.
105
6Er ſah nach der Matron mit jenem Sonnen Schild,
Die mich beym erſten Blick der Stadt mit Luſt erfuͤllt.
Er ſagte: Tritt hervor das Streiten abzuſtellen;
Du, Wahrheit! wirſt allhier den beſten Ausſpruch faͤllen.
Stimmt ihr nicht insgeſamt mit dieſem Vorſchlag ein,
110
6 Daß, was die Wahrheit ſchließt, beſchloſſen ſolle ſeyn?
Der Kreiß bezeigte ſich den Vortrag zu bejahen;
Dann wir die Neigungen, des Beyfalls Zeichen, ſahen.
Die Wahrheit gieng hervor. Was ungemeiner Glanz
Umſchimmerte den Schild, den ein Jubelen-Kranz
115
6 Noch mehr verherꝛlichte; man ſah die bunten Strahlen,
Die leuchtende Perſon mit ſolcher Pracht bemahlen,
Daß meiner Augen Macht ſich durch den Schein geblendt,
Und ich dieſelbige faſt nimmermehr erkennt;
Biß allgemach des Lichts Verſchwendung ſich gemindert,
120
6 Und ich, da das Gepraͤng des Scheins nichts mehr gehindert,
Die Freundinn angeſehn. Mein Aug ergoͤzte ſich
Jn ihren Kleidungen, ſie waren Koͤniglich.
SieNeuntes Buch.
Sie trat in Majeſtaͤt zum Thron, der Greiß von dannen,
Der ſagte: Freundinn komm, das Streiten zu verbannen.
125
6 Nimm nun den Richter-Plaz! ſein laͤchelndes Geſicht
Empfieng durch ihren Glanz ein gegenſchimmernd Licht.
Sie wieſen beyderſeits im Aug und in den Mienen,
Es ſey ein ſtiller Trieb der Freundſchaft unter ihnen.
Wir ſahen, daß er ihr erfreut entgegen lief,
130
6 Und ſie mit Zaͤrtlichkeit bey einer Hand ergriff,
Zugleich erbietig war von ſeinem Siz zu weichen,
Nach dem er ſich gewandt, ihr ſolchen darzureichen.
Mich wunderte, wie ſehr gelaſſen alles war,
Wie ſanft, begierig, ſtill, was vor ſo wanckelbar.
135
6
Jſt demnach euer Schluß, daß ich den Spruch verfaſſe?
So fieng ihr Vortrag an, indem ſie niederſaſſe.
Wahr iſts, nicht jeder Hof geduldet meinen Rath;
Hier aber find ich mehr als meine Feinde Statt.
Pflegt nicht Thereſia ſtets jenen Schmuck zu haſſen,
140
6 Womit verborgne Liſt ſich trachtet einzufaſſen?
Sie nimmt, was ich gedenck und rathe, gnaͤdig an;
Sie ſeufzet, wann ſie mich nicht allzeit fragen kann;
Ein himmliſches Gehoͤr! o Klugheits-volle Sinnen!
So kann ſie dem Betrug den Vortheil abgewinnen.
145
6 Euch hab ich dieſen Trieb zu dancken: ihr vermoͤgt,
Daß dieſe Koͤniginn fuͤr mich die Neigung haͤgt.
K k 2 DurchThereſiade
Durch mich hat ſie gelernt, was die gefaͤrbte Treue,
Was Lieb und Freundlichkeit verſtellter Herzen ſeye.
Sie kennt, was hier der Mund und dort die Seele ſpricht.
150
6 Kein ſchimmernd Lob-Gepraͤng verblendet ihr Geſicht.
Die Scharff-ſicht ihres Augs wirckt auch in Finſterniſſen;
So werd ich ihrem Blick durch Wolcken nicht entriſſen.
Durch mich erfaͤhrt ihr Herz, was wahre Freunde ſeynd;
Sie ſieht, wer ſie verehrt und liebt; ſie kennt den Feind.
155
6 Ob man mit ihr ſchon lacht, mit ihr ſich auch betruͤbet;
So weiß ſie doch wer falſch der Freundſchaft Zeichen uͤbet.
Sie lebt nach meinem Rath. Nichts aͤndert meinen Geiſt,
Nichts iſt, was ihn von ſich und ſeiner Tugend reißt.
Jch halte Mund und Herz nach einem Thon geſtimmet.
160
6 Jch lache, wann der Haß nach mir die Lefzen kruͤmmet.
Der Kummer quaͤlt mich nicht, ob ich geliebt, geſchaͤzt,
Ob ich verachtet ſey. Nichts iſt, ſo mich verlezt.
Ein grauer Nebel-Dunſt hem̃t oft der Sonne Strahlen;
So pflegt die Welt mich auch mit Wolcken zu bemahlen.
165
6 Der Sonne ſcharffer Blick verdringet und durchbricht
Die vorgezogne Wand; ihr heiteres Geſicht
Steigt ungeſchwaͤcht empor; ſo bleib ich unverdunckelt.
So wird die Finſternis von mir auch durchgefunckelt;
Biß ſie ſich unvermerckt fruͤh oder ſpaͤt verſchleicht,
170
6 Und meine Weſenheit der hellen Sonne gleicht.
SoNeuntes Buch.
So wirckt der Schatten nichts, der meinen Glanz beflecket;
Dann endlich bin ich doch wie reines Gold entdecket.
Durch meiner Tugend Licht, durch meine Gegenwart
Wird das Verborgenſte der Welt geoffenbart.
175
6 Mithin ſag ich beherzt, frey, deutlich, ungeſchmincket,
Was mich von euerm Frieß und von dem Streit beduͤncket.
Wer in dem Tugend-Kreiß an Ruhm die Reichſte ſey;
Was man vor einen Bau derſelben Ehre weih;
Das unterſuchte man durch ſo vielfache Stimmen,
180
6 Daß man am Anfang iſt: dieß nenn ich irrend ſchwimmen,
Und weder Strand noch Port erreichen, oder ſehn;
Ja ſich den Winden nach wie ſchlancke Binſen drehn.
Allein mir faͤllt nicht ein, euch etwas abzuſtreiten;
Es ſeynd euch insgeſamt zu viele Treflichkeiten
185
6 Und Wirckungen gemein. Die Welt iſt uͤberzeugt,
Wie weit Thereſia durch eure Kraͤfte ſteigt,
Und dannoch wurd es ihr an Wiſſenſchaft gebrechen,
Fuͤr welche von dem Rath der Vorzug auszuſprechen.
Man ruͤhmt euch alle gleich, daß jede nach dem Stand
190
6 Der Pflichten und des Amts ihr Alles angewandt,
Den GOtt-geweihten Sinn der Koͤniginn zu leiten,
Jn ihm den goldnen Thron der Tugend zu bereiten.
Zu dem iſts auch gewiß, daß ihr einander gleicht,
Einander von dem Werth des eignen Ruhms nicht weicht.
K k 3195 ManThereſiade
195
6 Man ließ ja keinen Saz des Vortrags unbeſtritten,
So viel man auch gewirckt, geholffen und gelitten.
Die trugen wenig vor, und andere zu viel;
Die redeten zugleich; verſchiedne ſchwiegen ſtill;
Was faſt entſchloſſen war, das ließ man euch verbieten,
200
6 Daß viele zu der Wahl des Mit-Regentens ſchritten.
Zwey Prinzen kammen auch, und billig, in die Frag;
Wer iſt, der alles dieß ſo gleich entſcheiden mag?
Die Sach iſt zimlich ſchwer; jedoch es wird gelingen;
Ein Trapp kann nicht gerad ſich nach den Wolcken ſchwingen.
205
6 Er hupft, pruͤft einen Schritt, er hebt ſich, wagt den Sprung;
Durch ſeiner Fluͤgel Kraft bringt er ſich in den Schwung;
Er rudert, flattert, bebt und ſchlaͤgt mit dem Gefieder;
Hier dringt er in die Hoͤh, und dort laͤßt er ſich nieder;
Biß allgemach der Grund ihm von den Klauen geht,
210
6 Und er ſich in die Luft durch krumme Weege dreht;
Durch ſeiner Federn Hilff der Winde Wogen theilet,
Und ſo mit Muͤh und Macht nach Berg und Huͤgeln eilet.
Faſt geht es meinem Sinn ſo wie bey dieſem Flug,
Hier ſpuͤhr ich einen Schwung, dort einen Gegenzug.
215
6 Jezt ſchwing ich mich zum Ziel, jezt bin ich aufgehalten;
Geduld! man laſſe mich wie dieſen Trappen walten.
Mein Geiſt erklaͤret ſich, indem er alſo ſteigt;
Und nicht den Augenblick den Zweck der Sache zeigt.
DerNeuntes Buch.
Der Tempel ſtehet ſchon, den ich fuͤr euch erwaͤhle;
220
6 Jedoch erlaubt, daß ich noch in dem Sinn verhoͤhle,
Mit was vor einer Schrift das Frieſe prangen ſoll,
Und wem ich das Gebaͤu zum Denckmahl weihen woll.
Jch werde gleich dem Saal den Riß vor Augen legen,
Damit ihr deſſen Pracht und Groͤſſe koͤnnt erwegen.
225
6
Thalia komm hervor! ich weiß du haſt geſehn,
Wie, wo, mit was vor Pomp deſſelben Theile ſtehn.
Beſchreib uns das Gebaͤu mit allen Koſtbarkeiten;
Wie Kunſt, Natur und Pracht dort um den Vorzug ſtreiten.
Komm! wiederhohl uns jezt, was du mir vorgebracht;
230
6 Jch finde, daß der Bau von dir wohl ausgedacht.
Freundinnen! gebt es zu! die Meß-Kunſt ihrer Augen
Wird uns zu dieſem Werck am allerbeſten taugen.
Der Kreiß befremdte ſich: mir ſchien es wunderbar,
Daß meine Fuͤhrerinn zum Rath beſchieden war.
235
6Jch bildete mir ein, daß etwan ſie vernommen,
Es werde zum Beſchluß auf ſie die Frage kommen.
Jedoch ich ſahe nicht, daß man ihr was geſagt,
Wie, oder daß man ſie vorher um was gefragt.
Jch fande keine Zeit die Sache zu erkunden,
240
6 Weil alle ſchon bereit, ſie zu vernehmen, ſtunden.
Jch ſahe ſie verzagt von meiner Seite gehn,
Jndem faſt jeder Blick derſelben nachgeſehn.
MirThereſiade
Mir ſchlug der Puls da ſie gemach das Aug erhoͤhte,
Sie wies das Angeſicht voll Unruh, Furcht und Roͤthe;
245
6 Doch ſtellte ſie mit Herz ſich in dem Kreiſe dar,
Sprach zwar gemein, doch frey; nicht kuͤnſtlich, dannoch klar.
Die Wahrheit , ſagte ſie, muß meine Neigung kennen,
Daß ſie Belieben traͤgt, mein Augen-Maß zu nennen.
Wahr iſts, ich halte viel auf deſſen Richtigkeit;
250
6 Es zeigt mir jedes Wercks Kunſt und Vollkommenheit:
Jch ward auch dieſe Nacht dadurch ergoͤzt, vergnuͤget,
Es hat vielleicht daher der Zufall ſich gefuͤget.
Kaum trat ich in die Stadt, traff ich die Wahrheit an,
Die mir gleich Geiſt und Herz und Sinnen abgewann.
255
6 Wir hatten vielerley, der Zeit gemaͤß, geſprochen,
Biß unter andern ſie mein Reden unterbrochen:
Sie moͤchte, trug ſie vor, ein ſolches Pracht-Gebaͤu,
Das fuͤr Thereſia zum Thron zu wiedmen ſey,
Doch ſonder aller Kunſt gemeiner Richtſchnur bauen;
260
6 Wer koͤnnte, ſagte ſie, ſich es zu fuͤhren trauen?
Der Vorſchlag ſchien mir ſchwer, jedoch erklaͤrt ich mich,
(Weil mir die Moͤglichkeit ſchon durch die Sinnen ſchlich)
Daß ich zu ſolchem Bau woll einen Riß entwerffen;
Jch weiß nicht, werd ich ihn auch hier beſchreiben daͤrffen.
265
6
Hat, Freundinn! das vielleicht mir dieſes Gluͤck gebracht,
Daß als Erfinderinn ich jezo bin geacht?
SoNeuntes Buch.
So will ich dem Befehl gehorchen, und erklaͤren
Was dir ſchon dieſe Nacht beliebt hat anzuhoͤren.
Vernehmet alſo nur, wie breit, wie hoch, wie lang
270
6 Der Bau ſey; welchen Raum der Welt er in ſich fang.
Das Erd-Rund iſt zu klein den Tempel einzuſchlieſſen;
Der Grund und ſein Bezirck iſt weiter aufgeriſſen,
Nicht von der Kuͤnſte Wiz und Richtſchnur aufgefuͤhrt;
Jedoch von Sturz und Fall auf immer unberuͤhrt.
275
6 Nichts aus der Erde Schoß, nichts von derſelben Schaͤzen,
Nichts was den Reichen pflegt dem Fuͤrſten beyzuſezen,
Ziert dieſen Ehren-Bau; kein Marmel oder Erz,
Kein Silber oder Gold, das man ſonſt anderwaͤrts
Jn ſolche Ruhm-Palaͤſt in Berg und Boͤgen haͤufet,
280
6 Jſt des Gebaͤudes Schmuck, in dem die Pracht ſich ſteiffet.
Was man auf Felſen baut, von Stahl und Eiſen gießt,
Wird endlich von der Zeit geſchliffen und verwuͤſt.
Dieß Werck hingegen trozt, was ſtuͤrmen kann und wettern;
Die Zeit hat kein Geraͤth daſſelbe zu zerſchmettern.
285
6 Es iſt ſo feſt gegruͤndt, mit ſolcher Kunſt gebaut,
Daß ihm fuͤr keinem Fall als fuͤr des Himmels graut.
Nichts als die Tadelſucht erblickt vielleicht darinnen,
Was weder ich noch ihr wißt beſſer auszuſinnen.
Dann findet ihr Gebiß nicht einen Fraß daran,
290
6 An dem ſie die Begier der Mißgunſt laben kann;
L l SoThereſiade
So bleckt ſie doch den Zahn, und ſaͤttigt ſich mit Schmaͤhen,
Auch nur weil ſie daran nichts Tadel-werth geſehen.
Des Kummers bin ich frey: ſie tadle, laͤſtre mich;
Mein Werck bleibt unverlezt und unveraͤnderlich.
295
6 Des Mondes Pracht erſcheint mit unbeſorgter Helle,
Obgleich der freche Neid nach deſſen Schimmer belle.
Jch ruͤhme das Gebaͤu der Kuͤnſte wegen nicht:
Es iſt derſelben Hand um keine Zier verpflicht.
Nun zeig ich, wie der Plan zu dieſem Bau beſchieden:
200
6 Der Sonne Mittel-Punct wirfft einen Strahl nach Suͤden,
Zugleich erſtrecket ſich ein andrer Strahl nach Weſt;
So daß ein jeder faſt biß an den Himmel ſtoͤßt.
Den offnen Raum beſchließt ein Paar von Regen-Boͤgen;
Die ſteigen von dem Strahl einander gleich entgegen;
205
6 Daß die Gewoͤlbung ſich hinauf - und abwaͤrts biegt,
Der Farben bunter Schmuck ſich nach der Mitte fuͤgt;
Alldorten aber ſich in einen Winckel bindet:
Das iſt wodurch der Raum ſich eingeſchloſſen findet.
Der innerliche Plan beſteht in ſolcher Pracht,
210
6 Die durch die ganze Welt zweyfache Klarheit macht.
Ein Wunder-voller Glanz beleuchtet deſſen Weiten,
Er dringt uneingeſchraͤnckt durch alle ſeine Seiten.
Ein jeder Bogen wird durch eine Sonn erklaͤrt,
Um welche ſein Bezirck in gleicher Weite faͤhrt.
215 WasNeuntes Buch.
215
6 Was deſſen Majeſtaͤt verherꝛlichet, bekraͤnzet,
Jſt ſelbſt des Himmels Bau der deſſen Raum begraͤnzet.
Er ſchwinget uͤber ihn ein Sternen-reiches Dach,
Dieß biegt und neiget ſich den beyden Boͤgen nach
Und ſchließt den Tempel ein. Hier wollte ſie ſich neigen,
220
6 Und von dem Herz-Gebaͤu, ſo ſie beſchriebe, ſchweigen,
Weil ſie geſtoͤret ward. Die Bau-Kunſt regte ſich
Und ſagte: Das Gebaͤu ſcheint mir verwunderlich;
Es iſt von fremder Kunſt; wer mag wohl alſo bauen?
Die Schilderinn verſezt: Ein feuriges Vertrauen!
225
6 Wer fuͤhrte dieſes auf? Die Mahler-Kunſt fiel ein:
Es muß doch in dem Bau ſo Licht als Schatten ſeyn!
Mithin iſt meine Kunſt zu deſſen Zier vonnoͤthen.
Sie wieſen, daß ſie nur mit Scherz und Mißgunſt redten.
Die Wahrheit und der Greiß vernahmen den Bericht
230
6 Und dieſe Meinungen mit laͤchelndem Geſicht.
Der Kreiß hingegen wies Begier und Luſt zu wiſſen,
Wie, wo, von wem der Bau gefuͤhrt und aufgeriſſen.
Thalia war bereit: ſie ſtellte wieder dar,
Was von der Sonne Glanz vor ihr erwaͤhnet war.
235
6 Man ſprach , erhohlte ſie, wie ſich die Sterne regen;
Wie ſie ſich Tag und Nacht herum zu drehen pflegen:
Wie dort der Sonne Ball, und hier des Mondes Rund
Durch niemahls muͤden Lauf den Wechſel jeder Stund,
L l 2 DerThereſiade
Der Jahre, Monate, der Tage, Naͤchte weiſen:
240
6 Wie wir der Erde Schoß der Nahrung halber preiſen.
Ja! , fuhr die Dicht-Kunſt auf, das hab ich erſt geſagt;
So ſeht, wie meine Kunſt der Kuͤnſte Wercke ſchlagt.
Thalia zeigt nur an, daß ſie von mir gelernet,
Was ſich von eurer Macht und Wiſſenſchaft entfernet.
245
6 Sie folgt dem Dichter-Trieb den meine Cither lehrt;
Was ſie erzaͤhlet, iſt was ſie von mir gehoͤrt.
Sagt, welche von dem Chor vermag das aufzurichten?
Kann Marmel, Farb und Erz ſo viel als unſer Dichten?
Zu dem, verſtehet ihr, was das vor ein Gebaͤu?
250
6 Glaubt ihr vielleicht, daß es ein Scherz der Strahlen ſey?
Daß hier die Sonne ſich mit Regenboͤgen ſpiele?
Daß deſſen Umfang nur auf eitlen Schimmer ziele?
Seht ihr darinnen nicht ein hell-beleuchtes Herz?
Das weder Steine braucht, noch Eiſen, auch kein Erz.
255
6
Thalia fuhr nun fort: Verzeiht mir das Beginnen,
Das nur erdichte Werck, Kunſtreiche Meiſterinnen
Und hoͤrt mich ferner an! ich ſchreite zu der Sach:
Jch gehe, wie man hoͤrt, der Dicht-Kunſt Lehre nach.
Gar wohl: es iſt ein Herz, was ich beſchreiben wollte;
260
6 Jch hoffte, daß der Bau den Rath vergnuͤgen ſollte.
Darinnen ſehet ihr den Geiſt, den Muth, den Sinn,
Die Staͤrcke, das Gemuͤth, die Macht der Koͤniginn.
SoNeuntes Buch.
So hoch, ſo lang, ſo weit als ich ihn aufgefuͤhret,
Jſt jener Raum der Welt, der dieſer Frau gebuͤhret.
265
6 So viel er Glanz begreifft, ſo viel iſt auch in ihr;
Der Strahlen Majeſtaͤt iſt ihre Pracht und Zier.
Fragt ihr was dieſes Paar der Sonnen ſoll bedeuten?
Die ſeynd des ganzen Wercks vornehmſte Trefflichkeiten:
Wer kennet dieſe nicht? iſt jemand in dem Saal?
270
6 Es iſt Thereſia mit ihrem Ehgemahl.
Hat nicht der gute Rath erklaͤret und erwogen:
Wie beyder Herzen ſich in Eins zuſammen zogen?
Kurz in dem Ehren-Bau ſeht ihr das Tugend-Herz,
So GOtt der Koͤniginn, der Feinde Sinn zum Schmerz
275
6 Und uns zur Wohlfart, gab. Seyd ihr damit zu frieden;
So ſteht der Tempel ſchon; ſo iſt die Frag entſchieden.
Hierauf gieng ſie zuruͤck, nachdem ſie ſo beſchloß,
Und ward zu meiner Luſt des Kreiſes Mitgenoß.
Nun fuhr die Wahrheit fort: Wer kann ſich alſo ſchmeicheln
280
6 Des Tempels Zier zu ſeyn? ich rede ſonder Heucheln:
Rath, Tugend, Gluͤck und Hilff, Macht, Beyſtand, Ehr und Ruhm,
Ja was von euch entſpringt, und euerm Eigenthum,
Macht meine Sinnen arm: die Vielheit eurer Gaben
Jſt faſt wie dieſes Herz biß an die Stern erhaben.
285
6 Der ganze Tugend-Chor iſt ſchon ſo Welt-beruͤhmt,
Daß jeder ein Gebaͤu, wie dieſes Herz, geziemt.
L l 3 SoThereſiade
So mehr als ihr den Fleiß zu helffen ſtets vermehret,
Und immer euern Preiß durch neue Fruͤchte naͤhret.
Beſchluͤß ich dieſen Streit; beſtimm ich den Beſiz
290
6 Fuͤr Eine von dem Rath; ſo fuͤhl ich des Gemuͤths
Verknuͤpften Gegenwurff: war um dann die, nicht dieſe?
Warum nicht jene dort? ſagt! welche man erkieſe.
JN dieſem Augenblick erhob ſich das Geſchrey:
Daß auch Thereſia ſchon auf dem Weege ſey,
295
6 Sie komme ſelbſt zum Rath. So durfft man nicht verweilen:
Gleich fieng man an den Kreiß in Reihen auszutheilen.
Es wurde Plaz gemacht. Man drang ſich uͤberall,
Daß die Verſammlung ſich gleich einem Wellen-Schwall
An manchem Ort bewog und durch einander wunde;
300
6 Wodurch ein ſolch Geraͤuſch, ein ſolch Getoͤß entſtunde,
Wie es in dem Gebuͤſch und in den Baͤumen brauſt,
Wann ein erzuͤrnter Wind durch Aeſt und Blaͤtter ſauſt.
Man wußte nicht, wo man ſich hin begeben ſollte,
Wann man die Koͤniginn bequemlich ſehen wollte.
305
6Nichts halff als die Geduld. Biß jemand mit der Hand
Das Zeichen gab und wies, daß, wo man ſich befand
Man moͤchte ruhig ſeyn, und jenen Raum verlaſſen
Auf dem die Tugenden vorher im Kreiße ſaſſen.
Jch nahm in jedermann Begier und Freude wahr.
310
6Die Luſt, die Koͤniginn zu ſehn, war offenbar.
EinNeuntes Buch.
Ein ſtiller Ehrfurchts-Trieb fieng an mich zu bewegen,
Der Vorwiz und die Luſt Geiſt und Gemuͤth zu regen.
Jn dem Gedraͤng, Gemurꝛ, Geraͤuſch, Geziſch, Geſumm
Lief jemand in dem Saal beſchaͤfftiget herum,
315
6 Und zog die Vorhaͤng auf; eroͤffnete dem Morgen,
Den die Beleuchtungen in ihrem Schein verborgen,
Den Eingang in den Saal. Welch angenchmer Gruß!
So folgte zwar der Nacht, doch nicht der Freuden Schluß.
Man fuͤhlte ſich erquickt. Was erſt in Lichtern prangte,
320
6 War, was nun groͤßre Pracht vom Glanz des Tags erlangte.
Mein Aug entzuͤckte ſich, da ſich der Saal erhellt,
Jch weiß nicht, was er mir weit Edlers vorgeſtellt.
Die Sonne brach herein; ſo ſchien es an den Waͤnden,
Wie wann ſie neu vergoldt, bepurpurt ſich befaͤnden.
325
6
Jnzwiſchen ſtellte ſich ein ſtolzer Herold dar,
Wodurch die Gegenwart noch mehr erfreuet war.
Er trat mit Anſehn auf, als wann er was gebiete;
Er gieng mit ſchwerem Schritt noch nicht biß in die Mitte,
Sieh da! welch neuer Glanz kam ſeiner Ankunft nach,
330
6 Der jedes Herz ergriff, das Liſpeln unterbrach.
O Wunder-volle Schaar! man kann es nicht erachten,
Was Pomp und Majeſtaͤt, was Anſehn und was Prachten
Des Hofs Vortrefflichkeit den Augen vorgeſtellt;
Was vor Annehmlichkeit dem Staat ſich beygeſellt.
335 EinThereſiade
335
6Ein Chor von zaͤrtlichſtem geſchmuͤcktem Frauenzimmer
Verdoppelte die Luſt durch ihrer Kleider Schimmer:
Drauf kam das Kronen-Haus, mit ihm Thereſia,
An der man gleich den Werth der wahren Hoheit ſah.
Nicht in Geſchmuck und Gold, nicht in der Stoffen Schaͤzen
340
6 Wollt unſers Augs Begier, der Vorwiz ſich ergoͤzen.
Dieß alles hatte man kaum anzuſehn im Sinn,
Es lief ein jeder Blick nur nach der Koͤniginn.
Was man durch dieſe Nacht mit tauſend Lobes-Spruͤchen
Von ihrer Majeſtaͤt und Tugend vorgeſtrichen,
345
6 Entzuͤckte nun das Herz mit ſo verborgner Macht,
Daß es Erſtaunens-voll nicht wußte, was es dacht.
Gleich kannte man in ihr das Urbild jener Gaben,
Wovon die Tugenden ſo viel geſprochen haben.
Das Auge wird geſchwaͤcht, worein die Sonne ſtrahlt,
350
6 So geht es meinem Geiſt, da er den Anblick mahlt.
Was unbegreiffliche, was Anmuths-volle Zuͤge?
Kein Wunder, daß ſo gar ein Feind vor ihr ſich ſchmiege.
Wer das lebhafte Blau des Augen-Paars erblickt,
Wird von der Zauber-Macht deſſelben Feurs entzuͤckt.
355
6Der heitern Stirne Pracht, die Munterkeit der Wangen
Erhoͤht die Majeſtaͤt, mit der ſie pflegt zu prangen.
Was ihre Freundlichkeit in eine Seele ſenckt,
Wird durch den Ehrfurchts-Trieb des Ernſtes eingeſchraͤnckt.
Leut -Neuntes Buch.
Freud, Anmuth, Lieb und Huld erſcheint in ihren Blicken,
360
6 Wie Strahlen, die das Licht vergnuͤgter Tage ſchmuͤcken.
Der Lippen Jugend-Reiz zwingt Herz, Gemuͤth und Sinn;
Man nennt ſie ſeines Geiſts Trieb und Beherꝛſcherinn.
Will jemand ſich in Schmerz und Mißvergnuͤgen laben,
Der kann durch ihren Blick des Troſtes Vortheil haben.
365
6Gang, Regung und Geſtallt, ein jedes zeiget an,
Daß nur Thereſia darinnen wohnen kann.
Ein herꝛlicher Begriff von auserwaͤhlten Schaͤzen,
An denen die Natur die Sorge kann ergoͤzen.
Seht an was ich fuͤr euch und euern Troſt geſpart!
370
6 So ſpraͤche ſie gewiß zu dieſer Gegenwart:
Dieß iſt das Meiſterſtuͤck, das euch der Himmel ſchicket,
Wodurch er Land und Leut und Kron und Thron begluͤcket.
Betrachtet die Geſtallt, den Hergang, das Geſicht;
Scheints nicht, daß jeder Theil beſonders rufft und ſpricht:
375
6 Seht der Monarchen Haupt! die Koͤniginn der Schoͤnen!
Dieß iſt die, welche Preiß, Verdienſt und Tugend kroͤnen.
DEr Prinz, der juͤngſte Prinz war aller Freuden Kron;
O aller Tugenden Wunſch, Zeugnis, Pfand und Sohn!
Sie trug ihn auf dem Arm, liebkoſte ſeinem Blicke,
380
6 Und wies, daß ihr Gemuͤth ſich nur in ihm erquicke.
Wer ſollte nicht hieraus die frohe Folge ziehn:
Daß Heil und Wohl des Throns in den Gebaͤrden bluͤhn?
M mDaßThereſiade
Daß nichts annehmlichers, gluͤckſeeligers zu finden,
Als ſehn, ein ſolches Paar in Liebe ſich verbinden.
385
6Ein Kind, aus deſſen Aug ein Strahl der Hoffnung blizt,
Daß es, wann es erwaͤchſt, den Thron der Eltern ſtuͤzt,
(O wahre Luſt des Volcks!) ſchmuͤckt und belebt die Laͤnder!
Es uͤbertrifft den Schaz der werthſten Friedens-Pfaͤnder.
AN ihrer Seite kam noch eine Majeſtaͤt:
390
6 Thalia ſagte mir: Es ſey Eliſabeth
Die groſſe Kayſerinn, Gemahlinn Carls des Groſſen,
Woher Thereſia die Koͤniginn entſproſſen;
Groß-Mutter dieſes Kinds, der Herꝛſcherinnen Preiß
Seit dem der Erde Rund von Kayſerinnen weiß.
395
6Man las auf ihrer Stirn ein zaͤrtliches Vergnuͤgen,
Wann ſie das theure Pfand, den Enckel ſahe ligen.
Man ſah Thereſia in ihrer Leibs-Geſtallt,
Jn ihrem Angeſicht und Hergang abgemahlt.
Was Wunder, ſprachen wir, wann ſie von ihr erzogen,
400
6 Daß ſie nichts als Verſtand und Tugend eingeſogen!
Genug: wer ſie nur ſah, der bildte ſich ſchon ein,
Daß dieſe Koͤniginn muͤßt ihre Tochter ſeyn.
Die Frucht folgt ihrem Baum; von Eichen kommen Eichen;
Die Adler zeugen nichts, was nicht kann Adlern gleichen.
405
6
DUrch deine Gegenwart, begluͤcktes Kronen-Haupt!
Sey meiner Cither Klang hier darzuthun erlaubt:
DaßNeuntes Buch.
Daß das, was er beſingt, kein Staats-Gedicht zu nennen,
Wovor die ſpaͤte Welt es etwann wurd erkennen:
Jch habe zwar dadurch der Welt etwas erzaͤhlt,
410
6 Dem es an Wahrheit nicht, an Kunſt und Kraft nur fehlt:
Was nehm ich aber vor, die Welt zu uͤberweiſen,
Daß mehr an allem ſey, als was ich konnte preiſen?
Erlaube, daß ich dich bey jenem Helden-Muth,
Auf welchem alles Heil und Wohl und Schuz beruht,
415
6 Mit Ehrfurchts-voller Bitt an deines Thrones Stuffen
Zum Zeugnis des Geſangs, zur Buͤrginn daͤrffe ruffen.
Wann man der ſpaͤten Welt das Werck vor Augen ſtellt,
Geſchicht, Geſang und Thon ihr aber nicht nicht gefaͤllt:
Wann man von dieſem Baum einſt ſieht die Fruͤchte bluͤhen,
420
6 Die ſchon zu dieſer Zeit das Wachsthum an ſich ziehen;
Und doch der Zweifel ſpricht: es ſey unglaublich wahr;
Der Faͤlle Seltenheit ſey viel zu wunderbar;
Es habe ja das Haus damahls ſein Haupt verlohren;
Da ſag: es ſey von dir Thereſia gebohren.
425
6
Wie? wann Eliſabeth die Koͤniginn gezeugt,
Die wie der Sonne Glanz die Zeiten uͤberſteigt;
Wie? wann Eliſabeth die Mutter iſt geweſen,
So haben wir ja nicht nur ein Gedicht geleſen.
Jſt einer Tochter Lob der Mutter Eigenthum;
430
6 So iſt der Mutter Lob der Tochter auch zum Ruhm.
M m 2AufThereſiade
Auf ſolche Weiſe wird der Nachwelt Stimme klingen:
So wird man uͤberzeugt die Koͤniginn beſingen.
DEr Fuͤrſt der Ehgemahl (ſein Anſehn ſtellte dar,
Was in dem Tugend-Rath von ihm erwaͤhnet war)
435
6 Der Ehgemahl, ſag ich, kam an der lincken Seite,
Und war dem erſten Sohn zum Fuͤhrer und Geleite.
Er hielt ihn an der Hand. Da glimmte Lieb und Luſt.
Thalia ſagte mir: ihr wallen in der Bruſt
Die Vorbedeutungen von groſſen Helden-Thaten,
440
6 Von Wohlfart, Heil und Gluͤck, von Fried und Ruh der Staaten,
Wann ſie das Paar betracht. O drey Mahl feſter Thron!
Auf dem die Mutter ſizt, der Vatter, dieſer Sohn!
Sieh Freund , erhohlte ſie, des Sohns Lebhaftigkeiten!
Er hat der Eltern Herz-Freund-Lieb - und Trefflichkeiten.
445
6 O daß des Himmels Aug ihr Schuz ihr Fuͤhrer ſey!
Fiel die Unſterblichkeit auch unſern Wuͤnſchen bey!
DA dieſes theure Paar zugleich herein gegangen,
Hat man im Saal fuͤr Luſt zu murmeln angefangen;
Noch mehr, als gleich darauf die kleine Reihe kam,
450
6 Die der Anweſenheit Erblickung an ſich nahm.
Ein ungefaͤhrer Trieb, ein ſchnelles Herz-Ergoͤzen
Schien aller Sinnen Macht in neuen Troſt zu ſezen.
O zarter Bluhmen-Kreiß! O Anmuths-reicher Flor!
Drey kleine Gratien beſchloſſen einen Chor.
455 SieNeuntes Buch.
455
6Sie fuͤhrten Wechſels-weiß einander bey den Haͤnden,
Ohn ihrer Augen-Winck, als reizend, zu verwenden.
Wann Fleiß, Natur und Kunſt ein Garten-Bethe ziert,
Daß es ein holder Stoff von tauſend Bluhmen wird;
So ſpielt und pranget es nicht mit ſo reinen Luͤſten,
460
6 Als die, mit welchen ſie den Reiz des Blicks verſuͤßten.
Jhr Antliz bildete der Eltern Herzen ab,
Dann es den unſrigen zu wiederhohlen gab:
Wie liebreich beyde ſich dem Tugend-Kreiſe zeigen;
Dieß war den Kindern auch ſo, wie den Eltern, eigen.
465
6
NAch ihnen ſahen wir noch eine Staats-Matron,
Mir ſchien es, daß dem Blick, dem Anſehn, der Perſon
Und ihren Mienen nach Sie dem Mit-Herꝛſcher gleiche;
Sonſt keiner Freundlichkeit noch muntrer Hoheit weiche.
An ihrer Seite kahm als Fuͤhrer und Geſpan
470
6 Ein Heldenmuͤthiger, lebhafter Krieges-Mann;
Von dem Thalia ſprach: Sieh! dieſes iſt der Krieger,
Und unter Kriegenden der Lorber-werthſte Sieger.
Dieß iſt der Prinz, von dem die Weisheit uns erzaͤhlt,
Wie ſie deſſelben Zug ſich immer beygeſellt;
475
6 Wie ſie ſein Helden-Herz zum Fechten angeleitet,
Und ihm die wahre Bahn zum Siegen angedeutet.
Er iſt derjenige, dem weder die Gefahr,
Noch die Gewalt des Feinds Angſt oder Furcht gebar.
M m 3 ErThereſiade
Er iſt der, deſſen Geiſt und Muth nichts konnte ſchrecken;
480
6 Man ſah ſein Herz dadurch zum Kaͤmpfen ſich erwecken.
Rath, Wachſamkeit und Macht war ſeines Heers Geleit;
Die Weisheit ſtund fuͤr ihn auf jeden Fall bereit:
Sie wies ihm, wie man ſich zum Kaͤmpfen ſollte wagen;
Wie man der Feinde Stolz und Hochmuth koͤnnte ſchlagen.
485
6 Der Feldzug, welchen er im Feindes Land gemacht,
Da er dem ſtaͤrckſten Fluß die Feßeln angebracht,
So daß er den Befehl des Prinzens angenommen,
Und nur zu ſeinem Dienſt bebruͤcket fort geſchwommen;
Jſt mehr, dann ein Triumpf des erſten Heldens werth,
490
6 Den je das Alterthum mit Siegs-Gebaͤuden ehrt.
Es waͤr ihm dazumahl der groͤßte Sieg gelungen;
Er haͤtt dadurch den Feind ſo wie den Strohm bezwungen;
Allein es hatte ſich ein andrer Feind empoͤrt,
Der dieſes Uebergangs Erfolg und Ziel geſtoͤrt.
495
6 Der Feind iſts, welcher ſtill den argen Rath ergriffe,
Und durch verdeckte Liſt den Stahl zum Kriegen ſchliffe,
Womit er unverſehns in unſre Grenzen zog,
Und aus dem Vaterland das Marck der Voͤlcker ſog.
Wo
486.Das groſſe Unternehmen uͤber den Rhein zu gehen / war den 1. Ju - lij 1744. an mehr als an einem Ortzugleich und ohne Verluſt in das Werck geſezet.
486.
Neuntes Buch.
Wo weder Gegenwehr, noch Wall; wo keine Waffen,
500
7 Da kann man ſich zwar Beut, doch keinen Sieg verſchaffen.
So zog der Prinz das Heer aus ſeinem Lorber-Wald.
Auch da war er begluͤckt; der Feind erfuhr es bald.
Der Prinz ſchwung ſeinen Fahn ſo kuͤhn auf deſſen Schaaren,
Daß ſie von ihrem Zweck, vom Land verdrungen waren.
505
7 Kurz: dieſes iſt der Held, den keine Macht verlezt,
Wann er ſich ſeinem Feind mit Wiz entgegen ſezt.
Viel lieber wollt er ſich mit eignem Blut beſprizen,
Als nicht die Koͤniginn mit ſeinem Arm beſchuͤzen.
Jndem Thalia mir von dieſem Helden ſprach,
510
7 Bewog mein Auge ſich dem Frauenzimmer nach:
Bald hoͤrt ich ihr Geſpraͤch, bald ſah ich durch die Reihen,
Und lieſſe meinen Sinn durch ihre Tracht zerſtreuen.
Wer hat doch, fiel mir ein, die bunte Kleider-Pracht,
Der Farben Lieblichkeit, den Seiden-Stoff erdacht?
515
7Die doch der Schoͤnheit nichts zu beſſerm Vortheil geben;
Vielmehr dadurch ſich ſelbſt in ihrem Pomp erheben.
So koſtbar jene ſich in ihrem Prangen wies,
So war nichts, das an ihr ſchoͤn oder reizend ließ.
Wogegen andere nur mit dem Anblick ſpielten,
520
7 Doch ohne Pracht ein Aug in der Entzuͤckung hielten.
Was Wunder, wann am Hof, dacht ich, ein Streit entſteht;
Weil man die Schoͤnen ſucht, die minderen verſchmaͤht;
JchThereſiade, neuntes Buch.
Jch weiß nicht, wie mein Aug und Sinn beſchaͤftigt waren;
Jch mußt auf jeden Blick was praͤchtigers erfahren.
525
7
Thalia merckte wohl, was mein Gemuͤth empfand;
Dahero nahm ſie mich mit Eifer bey der Hand
Und zeigte ſelber faſt, was ich nun wircklich dachte;
Da ſie durch ihr Geſpraͤch mich ſtets abwendig machte.
Mithin wand ich den Blick, wie ſie befahl, zum Thron,
530
7 Und kame ſeit der Zeit auch nimmermehr davon.
Sieh die Großmaͤchtigſten , ſprach ſie, den Thron beſteigen;
Den uͤbrigen den Plaz auf beyden Seiten zeigen.
Auf einem Koͤnigs-Thron drey Majeſtaͤten ſehn,
Wo Tugenden, dacht ich, anſtatt der Raͤthe ſtehn:
535
7 Wo ſieht man einen Thron, den ſolche Schaͤze zieren,
Als wo Thereſia und ihr Gemahl regieren?
[figure]
[figure]

Thereſiade.

Zehndes Buch.

NAchdem Thereſia zum Thron gekommen war,
So ſtellte ſich der Saal in ſolcher Ordnung dar,
Daß er dieſelbige mit einem Kreiß umrunge,
Jn welchen, wo man konnt, ſich jede Tugend
drunge.
Wir beyde traten auch in dieſe Reihen ein,
Jch wuͤnſchte, daß ich koͤnnt an allen Orten ſeyn;
Wir ſuchten an dem Hof uns nahe zu bequemen,
Um, was geſchehen ſollt, umſtaͤndlich zu vernehmen.
N nAnThereſiade
An einer Seite war ein hoch erhabner Chor,
10
7 Von dieſem klungen ſtets verſchiedne Stimmen vor.
Der Sayten ſuͤſſer Thon, der Klang vermiſchter Floͤten,
Der Paucken Murꝛ-Geſumm, der Schall der Feld-Trompeten,
Und was die Luſt und Kunſt zum Reiz des Ohrs erfand,
War, was von Anfang gleich auf dieſem Chor entſtand.
15
7Das Herz empfande ſich in munterem Frolocken,
Dann alles fuͤgte ſich, zu Freuden anzulocken.
So wurden Ohr und Aug in Froͤhlichkeit gebracht,
Jndem das Eine nur auf dieſe Stimmen dacht,
Dieß aber ſeinen Blick nach jener Gegend wande,
20
7 Wo ſich Thereſia mit ihrem Staat befande.
Was Freude, da man ſie den Thron beſteigen ſah!
Weil es mit hoͤchſter Pracht und Herꝛlichkeit geſchah.
Die Kayſerinn trat vor, begab ſich in die Mitte,
Jndem das Koͤnigs-Paar auf beyde Seiten ſchritte.
25
7
Die Kinder hielte man theils auf dem Arm erhoͤht,
Theils an dem Achſelband, hin oder her gedreht;
Sie ſpielt - und laͤchelten mit ſolchen Anmuths-Trieben,
Daß Auge, Sinn und Herz ſich mußt in ſie verlieben.
Die Koͤniginn erſchien erfreuet und ergoͤzt,
30
7 Als man den zarten Schaz am Thron herum geſezt.
Wir ſelbſt vergnuͤgten uns und ſahn aus ihren Mienen,
Daß ſie ſich nirgends mehr erquicket, als in ihnen.
JnZehndes Buch.
Jn jedem Augen-Winck ward jene Luſt verſpuͤhrt,
Die einen Mutter-Sinn mit Sorg und Liebe ruͤhrt.
35
7Was hold-unſchuldiges, Troſt-volles, zartes Spielen!
Es zwang ein jedes Herz die Zaͤrtlichkeit zu fuͤhlen.
Man ſtellte Seitenwaͤrts fuͤr das Geſchwiſter-Paar
Zwey mit bebluͤhmten Stoff bedeckte Saͤſſel dar.
Jn dieſer Ordnung war das Kronen-Haus zu ſehen,
40
7 O Thron, um den des Volcks, Gluͤck, Heil und Wohlfart ſtehen!
Den ganzen Saal bewog Treu, Ehrfurcht, Lieb und Luſt.
Wer haͤtte ſolchen Schmuck ſonſt anzuſehn gewußt?
So prangen insgemein der Fuͤrſten Herꝛlichkeiten,
Jedoch kein andrer Thron mit ſo viel Trefflichkeiten
45
7 Als hier, wo Gnad und Huld und Weisheit ſo regiert,
Daß mehr der Laͤnder Heil als Schmuck die Krone ziert.
O kaͤmen, ſprachen wir, die Koͤnige der Erden!
Sie muͤßten theils erſtaunt, theils eiferſuͤchtig werden.
Beſonders die dem Haus die Stuͤrzung zugedacht,
50
7 Und uͤber ſolchen Fall, doch allzu fruͤh, gelacht.
Wie? wann wir, duͤnckte mich, nun aus der Vorwelt Gruͤften
Der alten Helden-Schaar zu dieſem Umſtand ruͤfften:
Kommt! ſehet dieſen Hof, das hoͤchſte Koͤnigs-Paar,
Das Hilff - und Waffen-bloß im Krieg verflochten war!
55
7Sie kaͤmen, dieſen Saal, die Majeſtaͤt zu ſehen;
Was wurd in ihrem Sinn, in ihrem Aug entſtehen?
N n 2DerThereſiade
Der Freund empfaͤnde Troſt, der Feind erzuͤrnte ſich,
Und die Begenbenheit waͤr beyden wunderlich.
Fuͤr Ehrfurcht ſchluͤgen ſie der Augen Blicke nieder,
60
7 Und ſuchten Demuth-voll der Gruͤfte Ruhe wieder.
O Wunder-Thron der Welt! Saphir, Schmaragd und Gold,
Ja was man aus dem Marck der Erde koſtbars hohlt,
Umſchimmerte den Raum mit ſolchem Glanz und Blizen,
Als ob man ſie ſchon ſaͤh in jenem Tempel ſizen,
65
7 Den meine Fuͤhrerinn ſo groß und hell beſchrieb,
Daß aller Kuͤnſte Macht darob erſtaunet blieb.
Man ſah die Klarheit nur aus dieſen Dreyen quellen,
Und alles in dem Saal durch ihren Glanz erhellen.
So zierte dieſen Thron nur fremder Gegenſchein,
70
7 Es traf der Schimmer erſt, nachdem ſie ſaſſen, ein.
Das Anſehn, die Geſtallt, das Antliz war ſo praͤchtig;
Die Freundlichkeit und Lieb und Majeſtaͤt ſo maͤchtig;
Als ruhte, was die Welt zur Pracht der Fuͤrſten ſpahrt,
Allein auf dieſem Thron, auf dieſer Gegenwart.
75
7Gleichwie ſie Stuffen-weiß deſſelben Raum beſtiegen,
So ſah man Licht und Pracht ſich erſt zuſammen fuͤgen.
Da ward er erſt beglaͤnzt, ſo wunderbar geſchmuͤckt,
Daß ſich der Augen Macht verblendet und entzuͤckt.
Ein feindliches Gemuͤth muͤßt ſich in Furcht verſencken;
80
7 Ein Freund hingegen nur auf Gluͤck und Troſt gedencken.
DieZehndes Buch.
Die Mißgunſt haͤtte ſich dadurch beſchaͤmt gezeigt;
Die Boßheit ihren Trieb der Tadelſucht geneigt.
Geiſt, Seele, Sinn und Herz war durch den Pomp getroffen;
Da ſah man Thuͤr und Thor zu aller Wohlfart offen.
85
7
So ſtellte dieſes Throns Staat, Wuͤrde, Pracht und Flor,
Glanz, Anſehn, Majeſtaͤt, ſich unſern Augen vor.
Man lieſſe keinen Blick, nur achtloß, von ſich ſchieſſen,
Der nicht fuͤr Luſt beſtrickt ihn hat bewundern muͤſſen.
Des Augs Vergnuͤgen blieb indeſſen nicht allein,
90
7 Ein unvermercktes Was nahm alle Sinnen ein.
Der Saal vertiefte ſich in eine ſolche Stille,
Als ob die Einſamkeit allein den Ort erfuͤlle;
Man ſahe nirgendswo den Finger an dem Mund,
Nur durch den Ehrfurchts-Trieb ward ſolches Schweigen kund.
95
7Die durch der Winde Schlaf geſtillte Meeres-Wellen
Seynd nicht ſo ſtill, als hier die Tugenden ſich ſtellen.
Wir nahmen auch in acht, was die Verwundrung kann,
Da manches Aug in Troſt - und Freuden-Thraͤnen rann.
Ein ſchmeichelndes Gefuͤhl durchwallte das Gebluͤthe,
100
7 Und die Empfindlichkeit war nur in dem Gemuͤthe.
Erſtaunung und Begier, Reiz, Anmuth, Furcht und Luſt
Vermiſcht - und ſchaͤrfften ſich im Blick und in der Bruſt.
Verlangen, Zaͤrtlichkeit, Entzuͤckung, Gunſt und Liebe
Bemeiſterten das Herz, den Geiſt durch ihre Triebe,
N n 3105 BißThereſiade
105
7Biß unſer guter Rath das Schweigen unterbrach,
Sich vor den Thron begab, und dieſe Worte ſprach:
DReyfacher Koͤnigs-Thron , hier ſah man ihn ſich neigen
Und mit gebognem Knie des Herzens Demuth zeigen:
Drauf fuhr er alſo fort: Frau! Mutter! Koͤniginn!
110
7 Erlaube, daß ich dir, was wir aus treuem Sinn
Zu deinem Ruhm verſucht, nur kurz vor Augen lege,
Und dich zu dem Beſcheid des Tugend-Streits bewege.
Wir waren dieſe Nacht im Zweifel und im Zwiſt,
Du biſts, warum der Streit, die Frag entſtanden iſt.
115
7 Jn dir allein beruht des ganzen Saals Vermoͤgen,
Wir ſezen dich allein deſſelben Macht entgegen.
Wer deine Majeſtaͤt auch einſam gehen ſieht,
Merckt, daß ihn ſolcher Blick auf die Gedancken zieht:
Daß viele Feinde ſeynd, die deinen Thron beſtuͤrmen,
120
7 Und daß die Tugenden dich wieder ihn beſchirmen.
Er ſtellt ſich vor, wie du den Ruhm nur jenem gibſt
Dem er gebuͤhrt, und der dich liebt, weil du ihn liebſt.
War deiner Voͤlcker Heer zum Fechten angeleitet;
So glaubteſt du, daß GOtt den Weeg zum Sieg bereitet.
125
7 Lag es in Feſtungen; ſo ward von dir betracht:
Daß Wall und Schloß umſonſt, wo GOtt nicht ſelber wacht.
Stund es im freyen Feld, zu ſchwach den Kampf zu wagen;
So ſagteſt du, daß GOtt ihm werde Schanzen ſchlagen.
Be -Zehndes Buch.
Befande ſich dein Heer im blutigſten Gefecht;
130
7 So wußteſt du, daß GOtt die Krieger ſtaͤrckt und ſchwaͤcht.
War deiner Feinde Macht gezwungen durchzugehen;
So glaubteſt du den Sieg von GOtt gekroͤnt zu ſehen.
Gelaſſen in dem Sieg und herzhaft in Gefahr,
Beſcheiden in dem Gluͤck, iſt was dir eigen war.
135
7 Klug, ſtandhaft, unerſchreckt, wo man von Ungluͤck hoͤrte;
Gleichmuͤthig und beherzt, was immer ſich empoͤrte.
Ein jeder Umſtand wies, daß du auf GOtt gebaut,
Je mehr der Feinde Muth der eignen Macht vertraut.
So vieler Tugenden Werth und Vortrefflichkeiten
140
7 Seynd Urſach, daß ſie nun um Ehr und Vorrang ſtreiten.
Es hatt zwar jemand uns von dir Befehl gebracht;
Wir haben auch darauf was anders ausgedacht;
Allein auch dieſes iſt nicht ohne Streit geblieben,
Weil uns faſt jeder Saz was Neues vorgeſchrieben;
145
7 So daß zu dem Beſchluß nur noch dein Wille fehlt,
Und was derſelbige zu der Entſcheidung waͤhlt.
Wird die Verſammlung ſich der Gnade ſchmeicheln daͤrffen,
So will ich dir des Streits Beſchaffenheit entwerffen.
Thereſia vernahm den Vortrag zwar mit Huld;
150
7 Doch wieſe ſie den Rath auf einige Geduld,
Und ſprach: daß er damit nunmehr verziehen ſollte,
Weil ſie von dieſem Streit nichts mehr vernehmen wollte.
EsThereſiade
Es ließ, als haͤtte dieß den guten Mann geſtoͤrt;
Weil wir von ſeinem Mund hierauf nichts mehr gehoͤrt.
155
7Er neigte ſich, wie vor, und gab ſich auf die Seite,
Jndem es ſchien, daß ſie zum reden ſich bereite.
Ja! ſie erhob das Haupt mit freundlichem Geſicht,
Und ihre Rede war zum Tugend-Chor gericht:
GEtreue Tugenden! Freundinnen! Raͤthe! Staaten!
160
7 Jhr kennet , fieng ſie an, die Wunder-vollen Thaten,
Die GOtt durch uns gewirckt. Jhr wißt, daß eure Treu
Mir biß daher zum Schuz und Rath geweſen ſey.
Der Stimme Majeſtaͤt, der Vortrag, die Gebaͤrden,
Nichts konnte ſonder Lieb und Furcht vernommen werden.
165
7Man ſaͤhnte ſich erregt faſt jeder Silbe nach,
Da ſie mit Eifer, Ernſt und Gnade weiter ſprach:
Erinnert euch der Stund, in welcher die Gefahren
Den Laͤndern Angſt und Furcht, euch Helden-Muth gebaren.
Wie mein Vertraun und Wunſch in dem betruͤbten Stand,
170
7 Zu ſeiner Schuͤzung nichts als eure Tugend fand.
Bedenckt, wie nah der Feind auf unſre Waͤlle drunge;
Wer ihn von dort zuruͤck in ſeine Grenzen zwunge.
Jhr, ihr habt meinen Thron vom Untergang befreyt,
Und meiner Kronen Schmuck durch Rath und That erneut.
175
7 Es wuͤrde mir an Macht, euch an Geduld gebrechen,
Wann ich nur von dem Tag des Einbruchs wollte ſprechen.
Da -Zehndes Buch.
Dahero wend ich mich nur zu der Danckbarkeit:
Der hab ich dieſen Tag und euern Streit geweiht.
Die will ich, Tugenden! euch offentlich bezeugen;
180
7 Die Rede doch vorher zu meiner Mutter neigen.
Sie wandt ſich hin und ſprach: der Himmel gab ſie mir;
Durch ihn gebar ſie mich; ich ſag ihm Danck dafuͤr,
Und ihr um jene Sorg in der ſie mich erzoge,
Um alles, was ihr Herz zu meinem Wohlſeyn pfloge.
185
7 Von dir Großmaͤchtigſte! ward mir die Kunſt gelehrt,
Die man in meiner Kron und Majeſtaͤt verehrt.
Mein Dir-Gehorſam-ſeyn, und dein Befehl-ertheilen,
Seynd meiner Wuͤrde Grund, des Thrones ſtaͤrckſte Saͤulen.
GOtt iſts, der mir den Schmuck der Koͤnigs-Wuͤrde gab,
190
7 Waͤr es nicht ſein Befehl, ſo traͤt ich ihn dir ab.
Mithin nimm, was mein Herz zu der Bekaͤnntnis treibet:
Daß es dem deinigen ſich ſelber ſchuldig bleibet.
Gemahl! mein Augenmerck! mein Jch! und meine Luſt!
Dir iſt, was mein Gemuͤth bißher empfand, bewußt.
195
7 Seit dem du mich, mein Herz und Wollen uͤberwunden,
Hab ich bey dir ſo Troſt als Hilff und Rath gefunden.
O koͤnnt ich dich, wie mich, mit einer Koͤnigs-Kron
Jn Majeſtaͤt geziert, und auf dergleichen Thron
Jn Sieg, in Ruh und Heil langwierig herꝛſchen ſehen!
200
7 Nichts koͤnnte meinem Geiſt gluͤckſeeligers geſchehen.
O o SoThereſiade
So viel in meiner Macht dir beyzulegen war,
So vieles bot ich dir zum Liebes-Zeichen dar.
Jch habe nichts, was ich vermoͤgend war, verſaͤumet,
Dir gleich den halben Theil des Thrones eingeraͤumet;
205
7 Da du mir beyzuſtehn, des Zepters groͤßte Laſt
Jn ſteter Wachſamkeit mit mir getragen haſt.
Nimm auch von mir des Dancks verpflichtetes Erkennen:
Jch will auf ewig mich dir neu verbunden nennen.
Jhr aber, Tugenden! ihr habt fuͤr mich ſo viel
210
7 Erſonnen und gewirckt, daß ich ſchon an dem Ziel
Nach dem ich ſtrebte, bin. Jhr wußtet eure Pflichten
Die GOtt euch auferlegt, nach jedem Fall zu richten.
Wie manch Mahl kamet ihr dem Feind im Siegen vor?
Jhr botet ihm die Stirn, als er den Anfall ſchwor.
215
7 Wo die Zaghaftigkeit der Freunde Sinnen kraͤnckte,
Da wars, wo euer Amt und Sorgfallt ſich hinlenckte.
Wo Schrecken, Angſt und Noth ſich in die Laͤnder drang,
Dort ſtaͤrcktet ihr den Muth durch Liebe, Rath und Zwang.
Ward eines Freunds Gemuͤth durch Feindes Liſt verfuͤhret,
220
7 Dem wiest ihr, was der Treu vor Ehr und Ruhm gebuͤhret.
Es
204.Die feyerliche Uebertragung der Mit-Regentſchaft geſchahe / lautausgefertigter Acte / bereits den 21. Novemb. 1740.
204.
Zehndes Buch.
Es ward der groͤſte Sturm durch eure Macht bekaͤmpft;
Dann ſagt, wer hatte ſonſt deſſelben Wuth gedaͤmpft?
Hat irgendswo der Schwall des Waffen-Strohms geſchaͤumet,
Dort war durch eure Macht deſſelben Grimm gezaͤumet.
225
8 Des Ungewitters Lauf und Toben iſt geſtillt,
Nur weil ihr euers Amts Obligenheit erfuͤllt.
Land, Ordnung und Geſaz bekamen neue Kraͤfte,
Warum? ihr ſorgtet ſtets um jedes Staats-Geſchaͤfte.
Der Thron, wie man ihn ſieht; die Ruh des Vaterlands;
230
8 Der Waffen Gluͤck und Ruhm; die Wohlfart jedes Stands;
Ja was man in dem Krieg von Heil weiß auszudruͤcken,
Jſt ein Zuſammenhang von euern Meiſterſtuͤcken.
Nichts leg ich meinem Wiz, nichts meiner Einſicht bey;
Jch weiß, daß alles nur ein Werck des Himmels ſey.
235
8 Mich hat er zwar erwaͤhlt; von ihm bin ich gekroͤnet;
Mein Alles iſt von ihm, und ſeiner Macht entlehnet.
Euch aber hat er mir als Wachten beygeſezt,
Und ſolche Faͤhigkeit in euer Herz geezt,
Daß, weil ihr meinen Thron durch Krieg behaupten mußtet,
240
8 Jhr jene Kraft, die GOtt euch gab, zu brauchen wußtet.
Durch Krieg, ſag ich, von dem die Vorwelt keine Spuhr
Viel weniger die Laſt und Graͤßlichkeit erfuhr;
Durch Krieg, mit welchem uns ſo Freund als Feind umrungen,
Jn dem wir doch mit Gluͤck und Sieg die Fahnen ſchwungen.
O o 2245 MitThereſtade
245
8 Mit einem Wort: es iſt kein Kriegs-Heer, ſondern GOtt
Der mich durch euch, und euch durch mich von dieſer Noth,
Von meiner Feinde Groll, von Sturz und Fall gerettet;
Er iſts, den ich um Rath und Beyſtand angebettet.
Ja! GOtt iſts, welcher mich zum Werckzeug auserſehn,
250
8 Durch welchen Land und Leut in Heil und Wohlfart ſtehn.
Euch aber hat er mir zu meinem Rath gegeben:
Dieß iſts, wodurch wir nun in der Errettung leben.
Dir iſt mein Sinn bewußt, du kenneſt mein Gemuͤth
O GOtt! vor dem die Welt in Furcht und Demuth kniet.
255
8 Du zeigſt es offenbar, daß du mein Haus beſchuͤzteſt;
Den ſo geſtuͤrmten Thron durch Wunderwercke ſtuͤzteſt.
Du weißt es, wie beherzt wir nur auf dich gebaut,
Wie zuverſichtlich wir uns deinem Arm vertraut.
Hat es an Menſchen Hand, Verſtand und Wiz gebrochen,
260
8 So ward ich an dem Stolz des Feinds durch dich gerochen.
Jch dancke dir darum, und zeig es offentlich
So ſehr, als deine Werck an mir verwunderlich.
Jch will auch nimmermehr von deinem Bund mich trennen,
Mach und verſchaff, daß ich mich kann ſo ſtandhaft nennen.
265
8
Was geb ich aber euch zum Pfand der Danckbarkeit?
Nach GOtt habt ihr den Thron von der Gefahr befreyt.
Nichts iſt, was ich von GOtt zu meinem Schuz begehrte,
Was er nicht wunderbar durch euer Amt gewaͤhrte.
SoZehndes Buch.
So ſtarck der Feinde Macht, ſo groß war eure Treu;
270
8 So ſagt! was euch zum Lohn das angenehmſte ſey.
Selbſt die Verwunderung der Welt kann Zeugnis geben,
Daß eure Kraͤfte nur nach meiner Wohlfart ſtreben.
Jhr ſtimmt zwar uͤber eins, und ſagt mir insgeſamt:
Jch herꝛſche; dieß ſey mein, das Rathen euer Amt.
275
8 Dieß iſts, weßwegen ich bin in den Saal gekommen,
Weßwegen ich der Frag Entſcheidung vorgenommen.
Wie konnt ich ſonder euch den Feinden wiederſtehn?
Es mußten Kron und Thron und Zepter untergehn.
Der Gegner war am Thor; was konnt ich da befehlen?
280
8 Was hatt ich ſonder euch zu laſſen und zu waͤhlen?
Die Rettung gruͤndte ſich in nichts, als in dem Rath
Den jede Tugend mir damahls gegeben hat.
Durch euch hab ich des Feinds Maß-nehmungen zernichtet;
Mithin ſeyd ihr nicht mir, nein: ich bin euch verpflichtet.
285
8
Nachdem ſie dieſes ſprach, und hier zu ſchlieſſen ſchien,
So ſah man ihren Blick nach beiden Seiten ziehn;
Als hoͤrte ſie, was ihr der Tugenden Gemuͤthe
Auch etwa ſelbſt der Thron bey dieſer Frage riethe.
Man ſtellte ſich nicht vor, waß ihr Beginnen ſey;
290
8 Biß endlich ſie den Plaz der zarten Kinder Reih,
Abſonderlich das Paar der theuren Soͤhne wieſe,
Und ſagte: Tugenden! werfft euern Blick auf dieſe,
O o 3 AufThereſiade
Auf dieſe Kinder her! die ſeynd mein groͤßter Schaz:
Hierauf beruht das Heil, die Hoffnung dieſes Staats.
295
8 Wollt ihr dieſelbigen zu der Belohnung nehmen,
Auch meine Toͤchter dort, und die nach ihnen kaͤmen?
Nichts koſtbarers hab ich; erwaͤhlet ſie zum Pfand!
Dieß ſtiftet zwiſchen euch und mir ein neues Band.
Jch weiß, ihr pfleget oft fuͤr Sorg und Fleiß zu ſchwizen,
300
8 Damit ihr manches Herz der Jugend koͤnnt beſizen.
Jhr pruͤffet Lieb und Zwang; abſonderlich wo ſie
Mit Niedertraͤchtigkeit, mit unbelobter Muͤh
Den Leidenſchaften nach zum Hochmuth ſich erheben;
Durch falſche Regungen nach Dunſt und Larven ſtreben.
305
8 Um wie viel ſchaͤzbarer muß euch das Herz nicht ſeyn,
Jn deſſen Grund ich ſelbſt bereits den erſten Stein
Der Tugend, die ihr mich gelehrt, hab eingegraben:
Das ſeynd die Toͤchter hier und dieſe beyde Knaben.
So nehmet ſie dann hin! ich hoffe daß der Lohn
310
8 Euch angenehmer iſt, als ich und meine Kron.
Der Koͤnigliche Mund begunnte kaum zu ſchweigen;
So gieng der gute Rath, ſich vor dem Thron zu neigen;
Jndem ſich ſtille Luſt im Saal verſpuͤhren ließ,
Die mit gebrochnem Thon ſich von den Lippen ſtieß,
315
8 Und tauſend Regungen mit froher Ehrfurcht haͤgte;
Ein murmelndes Geraͤuſch ſich durch die Reihen regte.
DerZehndes Buch.
Der Greiß ſchien auſſer ſich; ſein Auge war benezt;
Der Mund der Tuͤchtigkeit zu reden faſt entſezt.
Was Freude, Lieb und Troſt, was Eifer und Entzuͤcken
320
8 Jn einer Seele wirckt, ſah man in ſeinen Blicken.
Jnzwiſchen drang man ſich biß zu dem Kinder Chor;
So trug er endlich doch beherzt die Worte vor:
Thereſia! da du den Schaz von allen Schaͤzen
Uns zur Verehrung gibſt, wer ſoll ſich wiederſezen
325
8 Und zweifeln, daß die Gab dieß alles uͤbertrifft,
Was unſer Amt fuͤr dich, uns zum Verdienſte ſtift?
Wir werden dir dadurch mehr als du uns verbunden,
Ja gar von dir am Preiß der Tugend uͤberwunden.
So eilen wir, den Schaz als deiner Gnaden Pfand
330
8 Mit zitternder Begier, mit Eifer-voller Hand
Jn unſer Eigenthum, wie du befiehlſt, zu nehmen.
O wann noch andere dergleichen Prinzen kaͤmen!
Der Koͤniginn Geſicht gieng ihrem Joſeph nach;
Zu welchem ſie, daß er den Rath umarme, ſprach.
335
8Der Greiß verweilte nicht, nach ſelbigem zu langen,
Als wollt er ihn, bevor er ihn erreicht, umfangen.
O Vaͤterlicher Trieb! o nicht erhoͤrte Luſt!
Der Alte ſcheint fuͤr Troſt ſich ſelber nicht bewußt;
Er kuͤßt ihn auf die Stirn; er fließt in Freuden-Thraͤnen;
340
8 Er ſpricht: O koͤnnt ich ihn auch bald zum Koͤnig kroͤnen!
ErThereſiade
Er nimmt ihn auf den Arm; ſie laͤcheln beyderſeits;
Man ſieht an ihnen nichts als Zeichen eines Streits;
Er hebt den Prinzen auf und wendt ihn hin und wieder;
Bald laͤßt er ihn beſorgt biß zu der Erden nieder;
345
8 Die Kette, die den Hals des guten Raths umfaͤngt,
Jſt das, auf was der Prinz mit beyden Haͤnden draͤngt.
Des Prinzens Munterkeit und angenehmes Spielen
Laͤßt unſern Alten nichts als Freud und Anmuth fuͤhlen.
Hier greifft er nach dem Bart; dort nach dem goldnen Herz;
350
8 Mund, Auge, Nas und Ohr wird ſeiner Finger Scherz;
Der Greiß liebkoſet ihm; er ſchmeichelt ſeinen Wangen;
Jezt wiſſen beyde nicht, was Aug und Sinn verlangen;
Der wendet ſeinen Blick, die Mutter anzuſehn,
Da ſich der Rath vergißt, ſich auch dahin zu drehn;
355
8 Jezt biegt und neigt er ſich; ſein ganzes Thun iſt Jrren;
Wie wann Vergnuͤgen, Lieb und Freud ein Herz verwirren.
Der Thron nim̃t ſelbſt in Luſt den Trieb der Tugend-Schaar
Und den bey dem Geſchenck entſtandnen Eifer wahr.
Faſt niemand bleibt zuruͤck; man draͤngt ſich hin und eilet
360
8 So nah man kann, zum Thron, wo man das Pfand ertheilet.
Thalia fragte mich, ob ich die Lebens-Zeit
Dergleichen Luſt geſehn, und ſolche Zaͤrtlichkeit?
Man hoͤrt und ſahe nichts als Schmeicheln, Spielen, Herzen,
Der ganze Saal empfand die Reizung mit zu ſcherzen.
365 WelchZehndes Buch.
365
8Welch ungemeines Gluͤck erfuͤllte nicht den Saal
Bey dieſem Kinder-Chor, bey dieſem Freuden-Mahl!
War irgendswo ein Kind hier oder dort umrungen,
So merckten wir daß ſich dahin die meiſten drungen;
Biß endlich eine dieß, die andre jenes hielt;
370
8 Das machte, daß der Streit ſich allgemach geſtillt.
Nur bey dem guten Rath gab es noch Artigkeiten,
Die ſeines Prinzens Aug und Herz und Hand erfreuten.
Sein ganzes Leben war in ſolcher Freud und Luſt,
Daß ihn der treue Greiß faſt nicht zu halten wußt.
375
8So lebhaft und erweckt, ſo geiſtreich ſein Gebluͤthe;
So Kummer-voll und ſchwach ſchien dieſes Manns Gemuͤthe.
Die Frau, die kurz vorher von beyden Prinzen ſprach,
Gieng keinem andern mehr als dem des Alten nach;
Sie ſahe theils mit Ernſt, theils freundlich die Gebaͤrden,
380
8 Beſonders wie der Greiß ihn endlich mit Beſchwerden
Auf ſeinem Arm erhielt: ſo nahte ſie ſich ihm,
Verſtellte Mien und Aug, auch die ſonſt helle Stimm,
Und redt ihn an: Mein Prinz! ſeynd dieſes Fuͤrſten-Hulden?
(Sie nahm ihn auf den Arm) wer kann die Buͤrde dulden?
385
8Den Augenblick ergriff er Eingezogenheit,
Geduld in Regungen, im Aug Ernſthaftigkeit;
Gleich wußt er ſeinen Trieb der Jugend einzuhalten;
Gleich ſchien er voll Vernunft; gleich wies er Wiz der Alten.
P pEsThereſiade
Es hielten viere noch der andern Kinder Flor,
390
8 Die ſchwaͤzt - und liſpelten einander in das Ohr.
Hat eines Fruͤhlings Reiz was liebliches zu zeigen,
So war es hier gewiß der Kinder Anblick eigen.
Wann dieſen (duͤnckte mich) GOtt keine Kron erlaubt,
So bleibet mancher Thron des groͤßten Schmucks beraubt.
395
8
Gemach vernahmen wir den Koͤniglichen Willen,
Nun mit Zufriedenheit den holden Streit zu ſtillen.
Daher begaben ſich die Tugenden zum Kreiß,
Begnuͤgten ſich in Ruh mit dem erhaltnen Preiß;
Jndem Thereſia ſelbſt auch nicht ungeruͤhret
400
8 Mit Freuden-vollem Blick die Rede fortgefuͤhret:
NUn bin ich auch getroſt; das machte mir noch bang;
Jch fuͤhlte biß daher verborgnen Herzens Zwang,
Den mir der Kinder Sorg in meine Bruſt gepraͤget;
Jch ſpuͤhre mich dadurch jezt nimmermehr erreget.
405
8 Jch ſchmeichle mir mit Fug der wahren Kinder-Zucht;
Weswegen ich den Saal hauptſaͤchlich heimgeſucht.
Die Luſt, mit welcher ihr dieſelben habt empfangen,
Steifft meiner Hoffnung Ziel, und meines Sinns Verlangen.
Es traffe Tag und Racht in mir die Saͤhnſucht ein:
410
8 Wie meiner Kinder Herz koͤnnt wohl-gewoͤhnet ſeyn.
Jch dachte, wie bemuͤht ihr ſonſt um mich geſchwebet,
Mit was vor Sorgen ihr nach meinem Wohl geſtrebet.
JchZehndes Buch.
Jch kannte, wie gegruͤndt, der Voͤlcker Wohlfart iſt,
Wo der Regent ſein Amt nach euern Pflichten mißt.
415
8 Was eine Koͤniginn und Mutter ſoll erachten,
War, was die Sorgen mir ſtets in die Sinnen brachten.
Das Ziel iſt einerley, wo man der Voͤlcker Wohl
Mehr als das eigene, dacht ich, befoͤrdern ſoll:
Ob man zum Heil des Lands als Mutter ſich bemuͤhe,
420
8 Wie, oder ihm den Sohn zum Vater auferziehe.
So fiele mein Entſchluß auf dieſen Umſtand aus:
Jch ſchencke, ſprach mein Herz, dem Saal mein ganzes Haus.
Nichts als was mir erſprießt, pflegt euch im Sinn zu ligen,
So, dacht ich, werdet ihr euch mit dem Preiß vergnuͤgen.
425
8 Was euch Ergoͤzen bringt, erquickt auch meine Bruſt,
Dieß ſchafft den Kindern Gluͤck, den Laͤndern Heil und Luſt.
So ſeynd wir eines Sinns: erziehet ihr die Kinder,
So waͤchſt der Voͤlcker Gluͤck, Ruh, Fried und Wohl geſchwinder.
Erinnert euch, wie GOtt euch mir zur Hilff geſchickt;
430
8 Jch habe nur durch euch der Feinde Schwert zerſtuͤckt;
Durch euch iſt Zepter, Kron und Thron beſchuͤzt geblieben;
Jhr habt mit Feindes Blut auf unſern Fahn geſchrieben:
Durch GOtt ſteht dieſes Haus. So fallt ihr mir auch bey,
Daß ich durch GOttes Macht ſo reich an Kindern ſey:
435
8 Er habe mich damit nur zu dem Ziel verſehen,
Weil er den Schluß gefaͤllt: das Haus ſoll ewig ſtehen.
P p 2 AusThereſiade
Aus den Betrachtungen erfolget dieſer Saz:
Jhr wachet nicht fuͤr mich, nur fuͤr des Himmels Schaz.
Seynd nun die Kinder ſein, ſo wird er ſie begluͤcken,
440
8 Und unſrer Feinde Rath durch dieſen Schaz verruͤcken.
Dieß fuͤhrt ich in dem Sinn. So werdet ihr das Amt,
Von dem ſo vieles Heil, ſo viele Wohlfart ſtammt,
Nach meiner Zuverſicht ſo emſiger verrichten,
Als, Tugenden! ihr ſelbſt euch wollt darzu verpflichten.
445
8 Sonſt, ich erkenn es wohl, iſt auſſer dieſem Saal
Auch andrer Tugenden noch eine groſſe Zahl,
Die weder Danck noch Lohn von meiner Hand empfangen;
Auch dieſe ſollen einſt mit meinen Gaben prangen;
Beſonders die gar oft in dieſer Krieges-Zeit
450
8 Der Liebe meines Throns ſo Guth als Bluth geweiht.
Vor, in, und nach dem Lauf der Furcht hab ich beſchloſſen:
Daß, welche mir genuͤzt und nichts dafuͤr genoſſen,
(So lang Verfolgung, Noth, Gefahr und Schrecken rast,
Macht ſich ein Helden-Herz zu nichts als Muth gefaßt)
455
8 So bald der Laͤnder Fried und Wohlſeyn hergeſtellet,
Der Feinde Groll gedaͤmpft, und ihre Macht gefaͤllet,
Der Zeiten ſtiller Lauf gewuͤnſchte Ruhe bringt,
Anſtatt des Bluts ein Kranz das Krieger-Schwert umringt;
Sie meines Zepters Huld und Gnad erhalten ſollen:
460
8 Jch mußte biß daher, was ich nicht wollte, wollen.
WoZehndes Buch.
Wo man um den Beſiz ererbter Rechte ſicht,
Wo es dem Feind an Recht und Billigkeit gebricht,
Da kann man leicht des Kriegs, Frucht, End und Folg ermeſſen.
GOtt ſchlaͤgt die, welche GOtt aus Herꝛſch-Begier vergeſſen.
465
8
Sie ſchwieg: und gleich darauf entſtunde bey dem Kreiß
Von der Gefaͤlligkeit ein murmelnder Beweis.
Es war noch niemand da, was anders vorzubringen,
So daß die Blicke nur dort an den Kindern hiengen.
Jnzwiſchen hoͤrt ich ſtill das treu-geſinnte Wort:
470
8 O Seegen-reiche Frau! du fuͤhrſt uns an den Port
Des wahren Wohlergehns! Ein anderes verſezte:
Wer iſt der dich nicht mehr als Koͤnigreiche ſchaͤzte?
Thalia ſelber auch brach in den Ausdruck aus:
O dreymahl gluͤckliches von GOtt bewahrtes Haus!
475
8 Waͤr nicht der Thron in Schutt, die Stadt in Graus verkehret?
Haͤtt nicht der Feind das Land mit Schwert und Brand verheeret,
Wie er von Anbeginn des Kriegs mit Hochmuth ſchwor;
Wann nicht die Koͤniginn mit ihrem Tugend-Chor
Regent geweſen waͤr? haͤtt ſie ihr nicht gegleichet,
480
8 So haͤtten wir ſchon laͤngſt den Untergang erreichet.
Mit einem Wort: es iſt nichts als Thereſia
Durch die das Vaterland den Sturm vergehen ſah!
Vernahm ich wieder ſtill ..... Von einer andern Seite:
O daß ihr GOtt die Zeit des ſpaͤtſten Alters weihte!
P p 3485 AusThereſiade
485
8Aus allen Herzen drang ein treuer Wunſch empor.
Jmmittelſt machte ſich die Froͤmmigkeit hervor,
Als ob ſie die Geduld des Throns wollt unterbrechen;
Sie neigte ſich, da ſie begunnte ſo zu ſprechen:
Von GOtt beſchuͤzte Frau! Bewundrungs-werther Thron!
490
8 Gebuͤhrt der Froͤmmigkeit nicht ein beſondrer Lohn?
Jahr-hundert ſeynd vorbey; Jahr-hundert werden flieſſen,
So wird man jederzeit bey dir mich finden muͤſſen.
Erlaube dieſem nach, daß ich O Koͤniginn
Der Voͤlcker Heil und Troſt und Ueberwinderinn!
495
8 Die du der Froͤmmigkeit Verdienſt haſt uͤbertroſſen,
(GOtt lieſſe ſonder der uns keine Rettung hoffen)
Erlaube mir, daß ich nicht um ein eitles Lob,
Womit der Kreiß bißher faſt jede That erhob;
Nein: ſondern um das Dach der GOtt-geweihten Huͤtte
500
8 Jn welcher ich ſo lang gewohnet habe, bitte.
Du ſiehſt, Thereſia! Welt-angebet’te Frau!
Daß ich nichts weniger als auf die Prachten ſchau;
Mein Herz verlanget nichts was ſchnoͤder Ruhmſucht eigen;
Es will nur einen Plaz bey dir zu bleiben, zeigen.
505 Jch
490.Von dieſer Huͤtte wird oben im 8. Buch im 130. auch in den vor und nachgehenden Verſen weitlaͤufige -re Erwaͤhnung gemacht. Welche die dortige Anmerckung erklaͤret.
490.
Zehndes Buch.
505
9 Jch wuͤnſche mir ſonſt nichts; ich bitte: ſprich es aus!
Jch wach und bette ſtets fuͤr dich und fuͤr dein Haus.
Hierauf ermunterte Thereſia die Wangen,
Und gab ihr dieſen Troſt: Jch kenne dein Verlangen;
So viel mein Herz vermag, ſo viel verſprech ich dir;
510
9 Verharre wo du biſt, und bleibe ſtets bey mir.
Hier fieng man an im Saal ſich mit Geraͤuſch zu regen;
Ein Gegen-Eifer ſchien die Sinnen zu bewegen,
Als ob die Froͤmmigkeit nun vorgezogen waͤr;
Warum ſie dann den Plaz fuͤr ſich allein begehr.
515
9Es wollten einige der Bitte wiederſprechen;
Allein Thereſia wußt ſie zu unterbrechen:
Nicht nur der Froͤmmigkeit , ſo fuhr ſie weiter fort,
Beſtimm ich, was ſie ſucht: euch allen ſey der Ort
Den ſie verlangt, gemein. Jhr werdet ihn beſizen.
520
9 Jch nenn euch insgeſamt derſelben Huͤtte Stuͤzen.
Auf dieſe Worte blieb der Saal beſaͤnftiget,
Der Wahn der Eiferſucht mit Ruh geendiget.
DRauf hat die Kayſerinn zu reden angefangen:
Wir wiſſen, wie der Feind mit uns iſt umgegangen;
525
9 Wir wiſſen , trug ſie vor, was euer Rath genuͤzt;
Wer meiner Tochter Haus und Laͤnder hat beſchuͤzt.
Und ihr erinnert euch der ſchweren Fuͤrſten-Tugend,
Die meiner Tochter Herz ſchon in der zarten Jugend
DurchThereſiade
Durch euern Finger-Zeig die Helden-Kunſt gelernt;
530
9 Jhr wißt, daß ihr Gemuͤth ſich nicht davon entfernt;
Daß uns der Sachen Lauf durch euern Schuz gelungen;
Daß dieß die Quelle ſey woraus uns Heil entſprungen.
So fahret, Tugenden! in der Gewohnheit fort
Dem Thron geneigt zu ſeyn! beſchuͤzet dieſen Ort,
535
9 Den ihr ſo lang beſizt. Beſchuͤzet Volck und Laͤnder!
Jhr habt fuͤr euer Amt nunmehr gewuͤnſchte Pfaͤnder,
Die Frucht der Danckbarkeit. Befleißt euch ſonderlich
Jn Zukunft, daß ihr ſtets vereint und ſchweſterlich
Was jeder obligt, uͤbt. Man ſieht den Feind ſich mehren;
540
9 Er eilt ſchon wiederum mit neu-geworbnen Heeren
Auf unſre Grenzen zu. Liſt und Verraͤtherey
Steht ſeiner Laͤnderſucht, die er beſchoͤnet, bey;
Die kann der groͤßten Macht oft ploͤzlich Ungluͤck bringen,
Beſonders wo man pflegt mit Sicherheit zu ringen.
545
9 Mißtrauet eigner Macht, und foͤrchtet euern Feind,
Gedenckt, daß uͤberall deſſelben Schlingen ſeynd.
Laßt euch die Staͤrcke nicht mit ihren Fahnen ſchmeicheln,
Jhr Schaaren-reicher Schein beruht oft nur im Heucheln.
Zu viele Sicherheit nuͤzt oft dem Feinde mehr
550
9 Als ſeiner Waffen Macht, als ein ſieghaftes Heer;
Abſonderlich wo wir uns nur auf ſie verlaſſen,
Und unſre Feinde nicht mit ſcharffem Auge faſſen.
OftZehndes Buch.
Oft mitten in der Flucht ſiegt eine ſchwache Schaar,
Und macht das zweifelhaft, was ſchon erfochten war.
555
9 So will ich, Tugenden! die Vorſicht euch empfehlen,
Die Eintracht euers Amts; die kann den Feind entſeelen.
Betrachtet nur den Tag des Einfalls und die Zeit,
Jn welcher ihr den Feind zum erſten Mahl zerſtreut;
Bedencket, daß ihr ihm den Vorſaz abgezwungen,
560
9 Worauf Jahr-hundert her deſſelben Vaͤter drungen.
Ergreifft, vereiniget von neuen euern Muth,
Auf dem das Heil des Throns und dieſer Voͤlcker ruht!
Jhr koͤnnt der Herꝛſch-Begier ſo vieler Feinde wehren,
Und Gluͤck und Ruhm des Throns auf lange Zeit vermehren.
565
9
Und du Thereſia! nun kennſt du, was das iſt,
Wann deiner Kinder Zahl dich in die Reihe ſchließt;
Ein Kinder-Kreiß, in dem der Laͤnder Heil verborgen;
Ein Schaz, um welchen ſich ſo viele Voͤlcker ſorgen.
Dein Koͤnigliches Herz ſpringt in der zarten Luſt;
570
9 Du fuͤhleſt dich erquickt; du ſpuͤhrſt in deiner Bruſt
Der Liebe Wirckungen, wann ſie dein Aug erblicket;
Du nennſt dich Seegen-reich und deinen Thron begluͤcket.
So wirſt du leicht verſtehn, was meine Seele ruͤhrt,
Wann ſie dich, Tochter! ſieht, wie GOtt durch dich regiert.
575
9 Jch ſage ferner nichts, dich, Koͤniginn! zu loben;
Du biſt ſchon hoch genug vom Himmel ſelbſt erhoben.
Q q DuThereſiade, zehndes Buch.
Du ſelber ſieheſt es, was dich ſo Ruhm-voll macht,
Da dieſer Tugend-Chor fuͤr deine Wuͤrde wacht;
Verbleib in dieſer Bahn! erleb noch ſolche Freuden,
580
9 Daß dich die Feinde ſo, wie mich um dich, beneiden.
Du Sohn, mein Schwieger-Sohn! beſteig bald jenen Thron
Den mein Gemahl beſaß! erwirb auch jene Kron,
Fuͤr die dein Stammen-Haus ſchon einen Wall erbaute,
Als ihm die Chriſtenheit die Rettung anvertraute.
584.Da naͤmlich die Stadt Wienn im Jahr 1683. von der Ottomanni -ſchen Belagerung befreyet worden.
584.
[figure]
[figure]

Thereſiade.

Eilftes Buch.

BEy dieſem Ernſt-Geſpraͤch und theuern Kinder -
Scherz
Verrieth der Ehgemahl durch ſeinen Blick das
Herz;
Des Augs Lebhaftigkeit war dergeſtallt befliſſen,
Als wollt es ſo den Sinn, wie die Gebaͤrden, wiſſen.
Kein Strahl der Majeſtaͤt, kein Wort blieb ungefuͤhlt;
Er ſchien als ob er ſtill daruͤber Rathſchlag hielt.
Je mehr Thereſia mit ihren Reden ſtiege,
Je mehr ward ich gewahr, daß ſich ſein Herz vergnuͤge.
Q q 2Wie?Thereſiade
WJe? was verwirret mich? was fehlt dir meine Leyr?
10
10Dein Thon verſtimmet ſich? mein Auge deckt ein Schleyr?
Thalia! was geſchicht? mein Geiſt faͤngt an zu zittern!
Eil Freundinn! wann du nicht mir willſt die Luſt verbittern.
Allein es faͤllt mir bey: ſeit dem ich von der Nacht
Und von dem Tugend-Streit das Lied hab ausgedacht,
15
10 Hat dieſer groſſe Fuͤrſt den Kayſer-Thron beſtiegen;
So ſoll die Cither nun vor ſeinen Fuͤſſen ligen.
Der hoͤchſt-erwuͤnſchte Fall! die Demuth und die Lieb
Schaͤrft, hemmt und uͤberwiegt derſelben Klang und Trieb;
Das, was man in dem Saal gewuͤnſcht und vorgeſehen,
20
10 Jſt, eh ich noch das End erreiche, ſchon geſchehen.
Der frohe Ruff der Welt iſt mein Beweis. Allein
Wie trifft nun mein Geſang mit dieſer Nachricht ein?
Kein Wunder iſts daß ich mich faſt entzuͤckt befinde;
Was mach ich, daß das Lied ſich mit dem Fall verbinde?
25
10Dem von der halben Welt verfolgten Koͤnigs-Haupt
War erſt, nach einem Thron zu ſtreben, nicht erlaubt;
Jezt herꝛſcht es ſchon begluͤckt als Haupt der Majeſtaͤten;
So muß ſich meine Leyr verbergen, ich erroͤthen.
Was
15.Dieß geſchahe den 13. Septemb. 1745. Nachmittag gegen halb drey Uhr.
15.
26.Die Staats-Schriften erklaͤren / was den 20. Decembr. 1740. von Jhro Maj. der Koͤniginn auf diejenigen Ein -wuͤrffe / welche Jhro nunmehro glor - reich-regierende Kayſ Maj. Allerhoͤchſt Dero Ehgemahl von dem Kayſer-Thron damahls noch entfernt hielten / ſey ge - antwortet worden.
26.
Eilftes Buch.
Was kan ein Sayten-Spiel bey dem Trompeten Schall?
30
12Ein ſchwaches Leyr-Gethoͤn bey dem Carthaunen-Knall?
Nein: Dicht-Kunſt! die du dich mit ſolchem Stolz erhoͤheſt
Und alles, wie du ſagſt, beſingeſt und verſteheſt,
Stimm deiner Cither Thon; ſing dieſes Fuͤrſtens Lob,
Den GOtt dem Neid zu Troz auf dieſen Thron erhob.
35
12Sing frey! du ſiehſt an ihm den allerhoͤchſten Helden;
Du brauchſt das Dichten nicht; du kannſt die Wahrheit melden.
Jedoch was fang ich an? wo bleibt der Tugend-Streit?
Wo bleibt Thereſia? der man denſelben weiht.
Auf auf! du kannſt zugleich von dem und jenem ſingen;
40
12 Der Zufall macht den Thon der Cither beſſer klingen.
Mein Geiſt! erhohle dich! vollende den Geſang,
Gedenck: als ob dich nichts von deinem Ziel verdrang.
Erzaͤhl nur, was du ſchon von ihm haſt angefangen,
Was in dem Tugend-Saal noch ferner vorgegangen.
45
12
NUr als Eliſabeth von Kron und Zepter ſprach,
So ließ die Munterkeit deſſelben Anblicks nach.
Jch nahme wahr, daß er mit ſolchen Lobes-Spruͤchen
Sich weder innerlich noch aͤuſſerlich verglichen.
Drauf fieng er ſelber an, und ſprach auf dieſe Weiß:
50
12 Gemahlin! Koͤniginn! der Laͤnder Troſt und Preiß!
Die Welt iſt uͤberzeugt, wie man um deine Rechte
Schon in das fuͤnfte Jahr mit Blut-vergieſſen fechte.
Q q 3 WirThereſiade
Wir ſehen auch wie GOtt den Krieges-Stab gefuͤhrt;
Wie ſich der Feinde Rath in ſeinem Schluß geirꝛt;
55
12 Und wem iſts unbekannt, wie wir durch unſre Waffen
Der Feinde Macht gewußt die Bruſtwehr zu verſchaffen?
Sie ſtiegen mit Gewalt unvorgeſehn empor,
Und ſchrieben dieſem Thron Maß und Geſeze vor.
Jhr Anzug war ein Strohm, nur nach dem Sieg zu eilen,
60
12 Und ihrem Willen nach die Laͤnder auszutheilen.
Sie ſorgten um kein Recht, nur um der Krieger Zahl;
Dann die Gerechtigkeit kam nicht in ihre Wahl.
Sie zaͤhlten unſer Heer, das eigene zu meſſen,
Und hatten des Geleits, das GOtt uns gab, vergeſſen.
65
12 Sie rieffen in der Welt nichts als den Frieden aus;
Verbargen den Entſchluß, daß er auf unſerm Haus,
Auf deſſen Untergang und Schutt ſich ſollte gruͤnden,
Wann auch die Krieges-Glut das Erd-Rund ſollt entzuͤnden.
Hingegen ſchickte GOtt uns Beyſtand, Muth und Rath,
70
12 Mit welchem unſer Heer dem Feind entgegen trat.
Durch ihn befindet ſich der Feind in ſeinen Schrancken;
So wiſſen wir ja nichts als ihm darum zu dancken.
Noch eines aber iſt, das meine Seele ruͤhrt,
Auch vieler Freunde Muth in Furcht und Zweifel fuͤhrt;
75
12 Vergoͤnnt, Freundinnen! es in Kuͤrze vorzutragen;
Der Sache Wichtigkeit verdient, darnach zu fragen:
OftEilftes Buch.
Oft hat der Feinde Wiz der Freunde Sinn entzweyt,
So daß ſie lieber ſich dem Feind, als uns geweiht;
Ja gar das Krieges-Schwert mit Freundes Blut beflecket,
80
12 Mit eignen Leichen ſelbſt das Vaterland bedecket.
Die Liſt verblendte ſie; ſie fuͤhrten manchen Streich,
Und wurden nicht gewahr, daß ſie das eigne Reich
Mehr als des Feindes Land durch ſolche That getroffen;
Daß ihnen nichts dafuͤr, als eigner Fall zu hoffen.
85
12 Sie ſahen nicht daß es der Feinde Vortheil ſey,
Wann die Vereinigung des Vaterlands entzwey;
Viel weniger, wie ſie Ruhm, Ehr und Kraͤfte ſchwaͤchen,
Und zum Behuf des Feinds der Lanze Spize brechen,
Wann zwiſchen ihnen nichts als Zwiſt und Trennung glim̃t:
90
12 Der mit des Feindes Rath, der mit den Freunden ſtimmt.
Ja daß ſie mit Gewalt nur nach den Ketten ſtreben,
Die manchem ſchon ſo lang an Haͤnd und Fuͤſſen kleben.
Noch wuͤrcklich ſpuͤhren ſie die Schmeicheleyen nicht,
Wodurch man ihnen Heil und Kron und Thron verſpricht.
95
12 Sie kennen nicht, wohin des Feindes Raͤthe dencken,
Da ſie das Kriegs-Geruͤſt nach ihren Freunden lencken.
O deutſches Vaterland! ich rede nur von dir!
Warum eroͤffneſt du dem Untergang die Thuͤr?
Betrachte dieſen Krieg und manche Niederlage!
100
12 Betrachte, was der Feind von deinen Waffen ſage!
DeinThereſiade
Dein eigner Lands-Genoß, wann er ſoll ſtreiten, ſchlaͤft;
Die Treu belohnen iſt ein ſtrafbares Geſchaͤfft.
Der Feind verlachet dich, wann du dich ſo beſchuͤzeſt,
Daß du des eignen Volcks getreues Bluth verſprizeſt.
105
12 Erwach! erhohle dich! begreiff des Feinds Bemuͤhn!
Zaͤhl, wieg, miß den Gewinn den du vermeinſt zu ziehn!
Sonſt geheſt du zu Grund und eileſt zum Verderben;
Erinnre dich des Leids, des Unheils deiner Erben!
Verſteht ihr, Tugenden! wo euer Beyſtand nuͤzt?
110
12 Macht, daß die Einigkeit das Vaterland beſchuͤzt.
Geht! ruhet nicht, biß ihr den ſtillen Trieb entdecket,
Der die Verwirrungen des Vaterlands erwecket.
Erklaͤrt: es ſeyen nur zwey Sachen in der Wahl,
Hier Sieg und Heil und Ruhm; dort Abgrund, Sturz und Fall.
115
12 Zeigt, wie man fechten ſoll, die Kette zu zerreiſſen;
Fragt, ob es loͤblich ſey, ſich ſelber Knecht zu heiſſen?
Fragt, ob ſie lieber ſich gefeſſelt wollen ſehn,
Als hier im Sieg, wann ſie den Degen wuͤrden drehn?
Geht! trachtet, daß ſie ſich nach euerm Rath bequemen,
120
12 Und wieder ihren Feind gerechte Waffen nehmen.
Jch ſelber halte mich zu dieſem Ziel bereit,
Jch ziehe mit ins Feld; begleitet mich zum Streit!
GOtt gebe meinem Arm Gewicht, dem Feind Erbeben!
Der Thron war lang genug den Waffen Preiß gegeben.
125 AufEilftes Buch.
125
12
Auf auf dann Tugenden! vereiniget die Macht!
Erfuͤllet was ihr ſelbſt zum Heil des Throns erdacht!
Es ligt noch an dem End. Ergreiffen wir den Degen!
GOtt pfleget ihn dem Recht zur Schuͤzung beyzulegen.
Wahr iſts, die Feinde ſeynd ſo maͤchtig, als erboſt;
130
12 Das aber ſchreckt mich nicht; GOtt und das Recht gibt Troſt.
Ob wir ſchon oft Verluſt und Uebermacht gelitten,
Hat doch der Feind fuͤr ſich nur Ungemach erſtritten.
Was halffen Schwert und Feur? was nuͤzte Blut und Sieg?
O Landverderblicher! O Herꝛſchſucht-voller Krieg!
135
12 Nichts, als daß mancher Wall vor deiner Wuth gezittert;
Und die Gerechtigkeit ſich wieder dich erbittert.
Jch hoͤre, daß die Mord - und Schlacht-Trompete klingt;
Daß man ſchon wiederum auf unſre Mauern dringt;
Man will noch einen Streich mit jenem Rach-Stahl wagen;
140
12 Hoͤrt ihr nicht an dem Wall der Grenzen Lermen ſchlagen?
Dieß ſchreckt mir weder Muth, noch das Vertrauen ab,
Das ich zu GOttes Schuz und zu den Rechten hab.
Die Menſchen fechten zwar, ſie ſchaffen, herꝛſchen, wachen,
Allein der Himmel bringt den Ausgang aller Sachen;
R r145 Wann
140.Weil dieſe Rede den 15. Mer - zen 1745. geſchieht / ſo ziehlt auch derJnnhalt auf das jenige / was zu der - ſelbigen Zeit vorgegangen.
140.
Thereſiade
145
13 Wann auch der Feinde Macht unuͤberwindlich ließ,
Dreht er den Ruthen-Streich, ſo folgt der Sieg gewiß.
Erlaube Koͤniginn! daß ich der Heer-Fuͤrſt ſeye,
Dem Volck befehl, und uns von dieſem Feind befreye.
Jch ſpreche mir dadurch noch Thron noch Zepter zu;
150
13 Doch, wer mir in der Welt ihn geben kann, biſt du;
Nein: dieß iſt nicht mein Ziel, daß ich den Thron betrete;
Das eben waͤr, warum ich ſolchen Plaz verſchmaͤhte.
Die Wuͤrde, die ich mir dadurch von GOtt erbitt,
(Nach dieſem richtet ſich mein Saͤhnen und Gemuͤth)
155
13 Jſt, GOtt mit uns, und dich mit deinem Feind verſoͤhnen,
Dein Lorber-reiches Haupt mit Friedens-Palmen kroͤnen.
Ja meiner Liebe Macht praͤgt mir den Eifer ein,
Verfechter deines Rechts und deines Throns zu ſeyn.
Mein Wunſch geht nur dahin, dem Vaterland zu nuͤzen;
160
13 Dein Volck, Thereſia! dein Haus und dich zu ſchuͤzen.
Mit was vor Haß und Rach, Erbittrung, Zorn und Neid
Zog nicht der Feinde Groll den Mord-Stahl aus der Scheid?
Das Feur ward angeſteckt; was hat man nicht geſehen?
Nichts als der Himmel weiß, was ferner koͤnnt geſchehen.
165
13 Der Stolz, die Laͤnderſucht, die Mißgunſt ſeynd die Gicht,
Die ſtill, doch mit Gewalt durch manche Glieder kriecht;
Sie ſchwellt, erhizt und brennt die Bruſt verſchiedner Fuͤrſten,
Daß ſie nur nach dem Saft derſelben Quelle duͤrſten.
EsEilftes Buch.
Es wiegelte der Trieb in dieſem Krieges-Lauf
170
13 So Freunde wieder uns, als fremde Voͤlcker auf;
Pflicht, Eigennuz und Recht war mit der Macht vermenget,
Auch ſelbſt der Treueſte durch die Gewalt verdraͤnget.
Nun, Tugenden! zum Streit! bezieht das neue Feld!
Jn einer Jeden Herz wohnt ein gepruͤfter Held;
175
13 Nur eure Gegenwart kann jene Flutten hemmen,
Die ſchon ſo lange Zeit die Laͤnder uͤberſchwemmen.
Das Heil des Vaterlands und unſer Eigenthum
Jſt eurer Thaten Preiß, Lohn, Ehre, Ziel und Ruhm.
Wer Recht beſizt und ſicht, kann ſich als Sieger preiſen,
180
13 Den Feinden unbeſorgt die bloſſe Stirne weiſen;
Wogegen, wann die Macht allein dem Heer befiehlt,
Man oft am Ende Ruhm, Beſiz und Macht verſpielt.
Die Rechte ſchmuͤcken zwar ſehr oft der Feinde Raͤncke;
Dadurch erweißt man nichts; die That lehrt, was man dencke.
185
13
Mir ſcheints, wir haben ſchon die Lorber in der Hand.
Der Thron iſt voller Sieg, der Feind verlaͤßt das Land!
Verzeih, Thereſia! die Zuverſicht, das Sprechen!
Wo man auf GOtt vertraut, iſt Zweifeln ein Verbrechen.
Bey dieſer Rede war der Koͤniginn Geſicht
190
13 Beſtaͤndig nach dem Mund des Ehgemahls gericht;
Wie ſeines Eifers Thon, wie ſeine Worte klungen,
Sah man, daß jeder Saz in ihr Gemuͤth gedrungen.
R r 2DieThereſiade
Die Luſt vermiſchte ſich mit Ernſt und Freundlichkeit;
Auch bey dem Tugend-Kreiß erſchien ein ſolcher Streit.
195
13Mir war dieß kaum genug: ich wuͤnſchte mehr zu hoͤren,
O, dacht ich, dieſer Fuͤrſt wird unſer Heil vermehren.
Er ſchwiege; ſie verſezt in Majeſtaͤt: Es ſey
Was du von mir begehrſt! ficht! eile! geh! zerſtreu
Die Schaaren unſers Feinds! ich bin ſchon uͤberzeuget,
200
13 Wie deine Treue mir und meinem Haus geneiget.
Jch kenne dein Gemuͤth; du aber meinen Sinn;
Durch dich nennt mich die Welt die Ueberwinderinn.
So ſtehet, Tugenden! ein neuer Kampf-Plaz offen;
Laßt mich von euerm Amt auch jezt die Wirckung hoffen;
205
13 Geht und begleitet ihn! ſteht ihm mit Rath und That
Jn ſeinem Vorſaz bey, den er eroͤffnet hat.
Mir ſcheints, es floͤſſe GOtt bereits in meine Sinnen:
Er ſeegne ſeinen Wunſch und dieſes ſein Beginnen.
Bewaffnet, ruͤſtet euch! das Ende kroͤnt den Sieg;
210
13 Die Krone kom̃t von GOtt; von ihm kom̃t Fried und Krieg.
Der Stab, den ich zum Schuz ſtets pflege mit zu fuͤhren,
Soll deine Fauſt, Gemahl! als ein Befehls-Stab zieren;
Er ſtammt von dem Gericht, das Tugend, Macht und Recht
Mit Wuth verdammet hat, jedoch an nichts geſchwaͤcht.
215
13Da ſie die Worte ſprach, ließ ſie ein frohes Weſen
Jm Reden, in dem Aug und in der Regung leſen.
WirEilftes Buch.
Wir ſahn die Froͤmmigkeit, die ſich bey dieſem Saz
Erreget wies und ſprach: Der Stab iſt jener Schaz
An welchem Gluͤck und Heil der ganzen Menſchheit hangen.
220
13Thereſia fuhr fort: du wirſt ihn gleich empfangen.
Er hat mich der Gefahr des Untergangs befreyt;
Jch hab ihm Kron und Thron und ſelbſten mich geweiht.
Er iſts, den ich weit mehr als Koͤnigreiche ſchaͤze;
Jn den ich mein Vertraun und Wunſch und Hoffen ſeze.
225
13 O mehr als irꝛdiſcher zum Heil geſchickter Stab!
Den ich die Lebens-Zeit zum Raths-Gefaͤrten hab;
Mein Ober-Ur-Ahn iſts, der ihn zum Schuz erkohre,
Da ſeiner Feinde Bund ſich wieder ihn verſchwore.
Er war damahls dem Haus zur allerſtaͤrckſten Wehr.
230
13 Geh, Froͤmmigkeit! geh gleich! bring uns denſelben her!
Du weißt das Ruh-Gemach, in dem ich mich verſchlieſſe,
Wann ich um Troſt und Hilff das Herz zu GOtt ergieſſe;
Du wirſt ihn auf dem Tiſch bey meinen Schriften ſehn;
Du weißt, an welchem Ort er ſonſten pflegt zu ſtehn.
235
13
DJe Tugend eilte fort: der Saal blieb unterdeſſen
Die Koſtbarkeit des Stabs nur heimlich zu ermeſſen;
R r 3Man
227.Das Kreuz / welches man das Ferdinandeiſche zu nennen pflegt / weilKayſer Ferdin. II. in der aͤuſſerſten Ge - fahr ganz beſondern Troſt dabey fand.
227.
Thereſiade
Man ſaͤhnte ſich darnach. Sieh da! von ungefaͤhr
Dringt ein erweckter Lerm von Ohr zu Ohr daher.
Wo man von dieſem Saal konnt auf die Gaſſe ſehen,
240
14 Dort ſieht man ein Gedraͤng, ein Luſt-Getoͤß entſtehen;
Man reißt die Fenſter auf; und viele dringen hin
Als wann ein Wunderwerck vor dem Palaſt erſchien.
Man ſieht befremdet an, wie ſich der Saal verwirret,
Wie die Neugierigkeit durch alle Reihen irret.
245
14Jch weiß nicht, wie geſchwind ſich alles lebhaft macht;
Man liſpelt, redet, horcht; man ſaͤhnt ſich, lauft und lacht.
Es fragt die Koͤniginn den Rath was es bedeute?
Was dann den Saal ſo ſchnell zu dieſem Lerm verleite?
So hoͤr ich, daß der Greiß ſelbſt voller Wunder ſpricht:
250
14 Der Zufall ſey ihm neu, er wiß es ſelber nicht.
Er geht von dorten fort, vielleicht es zu ergruͤnden,
Warum dann dieß Geraͤuſch, die Regungen entſtuͤnden.
Weil man nichts trauriges, nur Freuden-Zeichen ſpuͤhrt,
So zeiget jedes Herz ſich deſto mehr geruͤhrt.
255
14Jndeſſen hoͤrt man nur ein Wort von Adler-Schaaren:
So will faſt jeder Wiz dadurch was offenbaren.
Der Alte kommt zuruͤck, und mit vergnuͤgtem Sinn
Naht er ſich zu dem Thron und ſagt der Koͤniginn:
Es ſey ein Adler-Schwarm auf den Palaſt geflogen,
260
14 Das habe dieſen Saal, auch ſchon das Volck bewogen.
Zu -Eilftes Buch.
Zugleich faͤngt uͤberall ein neues Murmeln an,
Man zweifelt, fragt und raͤtht, was es bedeuten kann.
Jch weiß nicht, ſahen wir Beſtuͤrzung, Wiederwillen,
Verwundrung oder Troſt den ganzen Saal erfuͤllen.
265
14Auch in der Koͤniginn wird ſonderbar gemerckt,
Daß ihr was heimliches die Seele ruͤhrt und ſtaͤrckt.
Der Ehgemahl erweiſt zwar anfangs gleiche Sinnen,
Doch laͤßt er endlich auch ſein Herz dadurch gewinnen.
Sie redt ihm in das Ohr, und deutet auf das Herz;
270
14 Hierauf bezeigt er ſich theils ernſthaft, theils in Scherz.
Die Kayſerinn verbleibt nicht ſonder Artigkeiten,
Sie wendet das Geſicht mit Luſt auf beyde Seiten;
Die Freude bricht empor; das Wunder mehret ſich;
Faſt keine Tugend iſt, die nicht auch innerlich
275
14 Ein ſtilles Was empfindt. Sie fragen mit Begierde:
Warum? woher der Flug? was endlich folgen wuͤrde?
Man ſieht einander an. Troſt, Vorwiz, Freud und Luſt
Der Augen, weist es klar, daß alles unbewußt.
Der unverhoffte Fall bringt vielerley Gedancken,
280
14 Und macht den ganzen Saal in dem Errathen wancken.
Jndem man ſo zerſtreut von dieſem Zufall ſprach,
Und es noch an der Sach Erklaͤrungen gebrach:
So kahm die Froͤmmigkeit und wies ſich voller Freuden,
Als wuͤrde ſie vielleicht des Zweifels Wahn entſcheiden.
285 SieThereſiade
285
14Sie truge jenen Stab (es war ein kleines Kreuz)
Vor dem Geſicht daher, daß man es allerſeits
Bequemlich ſehen konnt; ihr munteres Geſichte
Ließ, als ob ſie zugleich auf etwas anders dichte.
Sie war noch mit dem Kreuz nicht bey dem Koͤnigs Thron,
290
14 Ja kaum noch von der Thuͤr herein, ſo ſprach ſie ſchon
Zu jenen Tugenden, wo ſie vorbey gegangen:
Es habe das Geſchick was wunderbars verhangen;
So wuchſe die Begier. Man bildete ſich ein
Die Nachricht wurde nur von dieſen Adlern ſeyn.
295
14
Da ſie der Koͤniginn das Kreuz von weiten zeigte,
Den Stuffen naͤher kam und ſich mit Demuth neigte;
Alsdann es ihrer Hand zum uͤbernehmen gab;
So ſprach die Koͤniginn: Sieh! dieſes iſt der Stab,
Der iſts, durch welchen ich mich und mein Haus beſchuͤzte,
300
14 Die Laͤnder ſchirmete, den Grund des Thrones ſtuͤzte;
Der iſts, durch deſſen Kraft ich meinem Heer befahl.
Hier uͤberreichte ſie das Kreuz dem Ehgemahl,
Der es mit Ehrfurcht nahm, und ſich erreget zeigte,
Jndem er ſich darum mit zarten Mienen neigte.
305
14
Die Froͤmmigkeit bewog inzwiſchen das Geſicht,
Wie wann man innerlich von etwas andern ſpricht;
Sie fieng auch endlich an: Jch kann mich nicht entbrechen,
Von einer Wichtigkeit, Thereſia! zu ſprechen.
KaumEilftes Buch.
Kaum ſtund ich im Gemach, wo dieſer Zepter war,
310
14 So hoͤrt ich auf dem Plaz von einer frohen Schaar
Ein jauchzendes Geſchrey. Jch lief hinab zu ſehen,
So fand ich in der Burg das Volck verſammelt ſtehen.
Es ſprung, frolockte, rieff und wies oft nach der Hoͤh,
Als ob am Himmels-Kreiß ein Wunder-Zeichen ſteh.
315
14 Etwelche ſungen gar: (ſo fern ich recht vernommen)
Der Vorboth iſt ſchon hier; das Gluͤck wird auch bald kom̃en!
Der wiederhohlte Ruff bracht mir Verwunderung;
Biß ſich um meine Stirn ein junger Adler ſchwung.
Faſt haͤtt er mich erſchreckt. Drauf blickt ich nach den Hoͤhen
320
14 Und ſahe, wie, warum das Luſt-Geſchrey geſchehen.
Ein unerhoͤrter Flug von einer Adler-Schaar
Bracht meinem Augen-Blick ein fremdes Luſt-Spiel dar;
Da ſie ſich hin und her noch auf die Daͤcher ſezen,
Und faſt die ganze Stadt durch ihren Scherz ergoͤzen.
325
14 Sie fliegen auf den Thurn, auf Fenſter, auf das Dach;
Der dieſem, jener dem, der einem andern nach.
Sie laufen, heben ſich, ſie ſchlagen mit den Schwingen,
Als waͤren ſie bemuͤht, die Freude vorzubringen.
Jch wußte nicht was mich faſt aus mir ſelber bracht;
330
14 Jch hatte ſonderbar auf die Bedeutung acht,
Von der das frohe Volck verſchiedne Reden fuͤhrte,
Und mein Gemuͤth ſowohl, als Aug und Ohren ruͤhrte.
S s EsThereſiade
Es leb Thereſia! der Fuͤrſt der Ehgemahl!
Denſelben trifft gewiß die naͤchſte Kayſer-Wahl!
335
14 Hier iſt ihr Aufenthalt! hier ſeynd der Adler Neſter!
Jezt iſt ſchon wiederum der Wohlfart Hoffnung feſter.
Dergleichen war, was ich mit Wunder angehoͤrt,
Jndem des Volcks Gelaͤuf und Jauchzen ſich gemehrt.
Wie viele ſah ich nicht gar auf die Daͤcher ſteigen,
340
14 Einander dieſe Schaar, die Wunder-Schaar zu zeigen!
Nun iſts, Großmaͤchtigſte! vielleicht der Tugend-Kreiß,
Der die Bedeutungen von ſolchen Dingen weiß.
Jch glaubte meines Orts, in ſolcher Pflicht zu leben,
Daß ich ſollt unverweilt dir dieſe Nachricht geben.
345
14 Die Sach iſt viel zu fremd und auſſerordentlich;
Vielleicht auch deinem Volck zum Gluͤck befoͤrderlich.
Es iſt mir wohl bewußt, was hier ein Adler heiſſe;
Wie man um den Beſiz deſſelben ſich befleiſſe.
Jch wiederhohle nicht, was ich nur kurz gehoͤrt,
350
14 Mit was vor Froͤhlichkeit das Volck den Zufall ehrt;
Kein Menſch iſt, der nicht glaubt, es ſey die Vorbedeutung,
Der Vorgang und des Wercks gewiſſe Vorbereitung,
Wodurch das Vaterland der Feinde Groll zu Truz
Sein Heil erwerben ſoll, und den gewuͤnſchten Schuz;
355
14 Ja den Erfolg davon ſchon nach und nach empfinde,
Und ſeine Zuverſicht auf wahre Saͤze gruͤnde.
NochEilftes Buch.
Noch etwas Koͤniginn! dem Blick in das Gemach
Denck ich noch immerfort, nicht unentſezet, nach.
Jch weiß nicht, ob mich nur ein Schattenwerck verfuͤhrte;
360
14 Ob mich was wirckliches, doch mit Verblenden, ruͤhrte:
Jch oͤffnete die Thuͤr; ich ſtuzt, ich ſchwieg, ich ſtand,
Weil ich Verwundrungs-voll dort einen Prieſter fand;
Er kniete vor dem Kreuz, als ihn mein Aug erblickte;
Gleich ſtund er auf, daß ich daruͤber mich entzuͤckte.
365
14 Er ſprach kein Wort, er gieng, und als er mich verließ,
So merckt ich, daß er ſich fromm, hold und freundlich wies;
Zuvor noch mit der Hand des Kreuzes Zeichen machte,
Mein Herz in Wanckelmuth, mein Aug in Wunder brachte;
Weil er aus dem Gemach, ich weiß nicht wie, verſchwand,
370
14 Daß ich ihn nirgends mehr als in den Sinnen fand.
Wie ward ich nicht erſchreckt? mein Herz fieng an zu ſchlagen,
Und wollte mir von nichts, als von Entſezung ſagen.
Zu gleicher Zeit geſchah die ſchon erzaͤhlte Sach.
Nun forſch ich der ſo wohl, als dieſem Prieſter nach.
375
14 Allein was kann mein Geiſt bey ſolchem Fall gedencken?
Jch mag deſſelben Kraft dort oder dahin lencken,
So bin ich doch erſtaunt. Jch hab ein Bild erblickt,
Das mir erſt neuen Wahn in meine Sinnen druͤckt.
Es hangt in dem Gemach. Wann ich recht wahr genommen,
380
14 So zeigt es die Geſtallt, die mir iſt vorgekommen:
S s 2 DasThereſiade
Das magere Geſicht; die Demuths-volle Mien;
Der Augen Froͤmmigkeit; das kraus-behaarte Kinn;
Der kurze graue Belz, der an den Achſeln hienge,
Erklaͤrten meinem Sinn, ich weiß nicht, was vor Dinge.
385
14 Noch mehr: als er vor mir ſich unverſehns verlohr;
Da kam ſein Weſen mir als wie verhimmelt vor:
Jch wollte mich von ihm, er ſich von mir entfernen,
So blendte mich ein Schein von fuͤnf erleuchten Sternen.
Hier ſchwieg die Froͤmmigkeit; ſo ſchien die Koͤniginn
390
14 Als laͤg ihr dieſer Schein beſonders in dem Sinn.
Gleich fieng ſie an das Herz, die Regung zu erwecken,
Und was ſie von dem Mann vermeine, zu entdecken.
Jch weiß, verſezte ſie, wer es geweſen ſey;
Dem iſt die ganze Burg und aller Zutritt frey.
395
14 Jch offenbare nicht, was mich dazu verbinde;
Genug: der iſts, bey dem ich Troſt und Zuflucht finde.
So viel ich Rath und Hilff von euch allhier geborgt,
So viel hat er fuͤr mich durch Bitten dort geſorgt.
Dem kann ich nicht genug Verehrungen erſtatten;
400
14 Mein Seegen, Heil und Wohl ſeynd ſeine Wunderthaten.
Was aber dieſen Flug, den Adler-Flug belangt,
So weiß ich nicht was man daraus zu ziehn verlangt;
Er wohnt ja bey dem Thron ſeit etlich hundert Jahren;
Ob ihm gleich manches Mahl die Wetter ſchrecklich waren.
405 JeztEilftes Buch.
405
14 Jezt aber kam der Feind ſo nah, daß er mit Zwang
Jhn von der Vater-Stadt, von ſeinem Neſt verdrang.
Gewalt und Uebermacht nicht vorgeſehner Waffen
Kann Fuͤrſten von dem Thron, warum nicht Adler? ſchaffen.
Thalia ſagte mir bey dieſem Wort ins Ohr:
410
14 Mir kommt die Koͤniginn bey dieſer Rede vor,
Als hielte ſie dem Saal, was ſie gedenckt, verborgen.
Sie wies doch bey der Flucht des Adlers groſſe Sorgen.
Nun kommen ſie zuruͤck, weil in dem Vaterland
Sprach noch die Koͤniginn, der ungeheure Brand,
415
14 Der Laͤnderſuͤchtige, Recht-loſe Krieg vollendet,
Und anderwaͤrts die Wuth der Flammen hingewendet.
Sollt aber unſers Volcks Erſtaunens-voller Geiſt,
Der, wann er etwas wuͤnſcht, ſchon auf den Ausgang weiſt,
Hierdurch was kuͤnftiges uns anzuzeigen finden;
420
14 So weiß ich nicht worauf der Wahn ſich koͤnne gruͤnden.
Die Staats-Kunſt uͤbernahm die Sorge dieſer Sach
Und ſprach: Ein blind Geruͤcht des Volcks iſt viel zu ſchwach
Geſchaͤfften dieſer Art ein Staats-Gewicht zu geben:
So laſſe man es nur in ſeiner Freude ſchweben.
425
14 Wann aber, Koͤniginn! der Zufall dich vergnuͤgt,
Und an des Wunſchs Erfolg vielleicht dir etwas ligt,
So kann man dieſen Flug dem Thron zu Nuzen machen.
Aus einem ſchlechten Ding enſtehn oft groſſe Sachen.
S s 3 HierThereſiade
HJer fieng die Weisheit an, und trug die Worte vor:
430
14 Des Poͤbels Stimme dringt in jedem Fall empor.
Er glaubt, was Wunder heißt, beſteh in ſeinen Grillen,
Und alles muͤſſe ſich nach ſeinem Wahn erfuͤllen.
Verzeih, Thereſia! wer meine Tugend liebt
Jſt, der des Poͤbels Ruff den ſchlechtſten Beyfall gibt.
435
14 Der Poͤbel ſcheuet mich; ſo darff ich mich beklagen,
Und was ein kluges Herz vom Poͤbel halte, ſagen.
Er iſt im Dencken ſchwach, in den Begriffen klein;
Nichts als der Eigenſinn gibt ihm das Urtheil ein.
Je mehr der Sachen Lauf ein duͤſtrer Schleyr verhuͤllet,
440
14 Je mehr iſt er mit Luſt, ſie zu verſtehn, erfuͤllet.
Wann nur ein Blick davon ihm in das Auge faͤllt,
So glaubt er, alles ſey ſo, wie er will, beſtellt.
Der Flug iſt Adlern frey; ſie fliegen wie ſie wollen;
Was koͤnnten ſie dann heut uns vorbedeuten ſollen?
445
14 Geſezt: ſie floͤgen hin auf eines Bauers Haus;
Was braͤcht in ſolchem Fall des Poͤbels Wiz daraus?
Geſezt: man ſaͤhe ſie nach Berg - und Klippen eilen;
Was wurde man dem Flug vor eine Kraft ertheilen?
Was Fluͤgel hat, das fliegt; wer kehret ſich daran?
450
14 Ein Weiſer fraget nicht, was es bedeuten kann.
Die Adler pflegen ſich an jenen Ort zu ſchwingen,
Wo Sicherheit und Ruh und Nahrung aufzubringen;
WoEilftes Buch.
Wo ihrer Jungen Brut, die zwar kein Wetter ſcheut,
Von den Verfolgungen des Adler-Feinds befreyt.
455
14
Ob alſo gleich der Ruff des Volcks ſich ſollte mehren,
So find ich nicht was er zukuͤnftiges kann lehren.
Der Poͤbel wuͤnſcht, verſchmaͤht, liebt, haßt, flieht und begehrt,
Und alles achtet er vor richtig und bewaͤhrt.
Das Vorurtheil, der Stolz bewohnen ſein Gemuͤthe;
460
14 Er folgt auch einem Traum, wann er ihm etwas riethe.
Was ſeiner Sinnen Kraft und Einfalt nicht erkennt,
Wird Ungluͤck oder Gluͤck von ſeinem Wahn genennt.
Jhm iſt die Wiſſenſchaft, der klugen Macht und Staͤrcke
Ein Vorwand des Betrugs, ein Schein der Wunderwercke.
465
14 Er ſieht, was kuͤnftig iſt, nicht was vor Augen ſteht;
Er fragt nicht wie es hier, nein: wie es dorten geht.
Was meine Muͤhe, Fleiß, Sorg, Arbeit, Kunſt vermoͤgen,
Dem pflegt er den Begriff der Falſchheit beyzulegen.
Er tadelt mein Bemuͤhn. Was er am Abend ſchilt,
470
14 Jſt, was am Morgen mehr, als was er lobte, gilt.
Jch richte, was ich will, ſo treff ich keine Sache,
Aus der ſein Aberwiz nicht etwas anders mache.
Nichts iſt, worauf er nicht des Tadels Maͤrckmahl ſchlaͤgt,
Er, der doch ſelber es auf ſeiner Stirne traͤgt.
475
14 Er laͤßt der Gallen-Sucht die Oberhand erlangen:
Was er beſieht, das muß in gelber Farbe prangen.
Dann,Thereſiade
Dann, weil ſein Eigenſinn nur ſeinem Auge traut,
So iſts, daß er das Blau oft wie das Gelbe ſchaut.
Wie viel Mahl hab ich nicht den ſchaͤrffſten Streich verhindert?
480
14 Da rieff er: alles Wohl der Laͤnder ſey gemindert.
Er kennt nicht, was er ſieht; wie waͤr ihm dann bewußt
Was die Geheimniſſe der Weisheit leiten mußt?
Bald ſteigt er in die Luft; bald kriecht er wie die Schlangen
Die hundert-koͤpficht ſeynd, ſich im Geſtraͤuche fangen.
485
14 Nicht Schluͤſſe der Vernunft ſeynd ſeines Raths Beweis;
Jm Wohlgefallen nur beruht der Wahrheit Preis.
Er weis die Triebe nicht, die Nuz und Schaden bringen;
Er glaubt, man koͤnne ſie mit Troz und Hochmuth zwingen.
Er ſcheut das Ungluͤck nicht, in dem er oftmahls wanckt;
490
14 Oft wird von ihm das Heil um Unheil abgedanckt.
Wann ſich ſein Wohlergehn ſoll mit dem Staat verbinden,
So laͤßt er ſein Gemuͤth durch Mißtraun uͤberwinden.
Sein wanckelbares Herz entſcheidt nicht, was es will;
Es ſeufzt im groͤßten Gluͤck, im Ungluͤck ſchweigt es ſtill.
495
14 Von ihm wird weder Gut noch Uebel abgemeſſen,
Ein unverhoffter Fall bringt beydes in Vergeſſen.
Jhm ſcheinet ein Geſpraͤch der Weisheit nicht ſo ſchoͤn,
Als eines Froſchs Geſchwaͤz, als einer Leyr Gethoͤn.
Sein bloͤdes Auge ſchaͤzt nichts, als was glaͤnzt und funckelt;
500
14 Er haßt, was ihn erleucht’t, liebt was den Sinn verdunckelt.
NichtsEilftes Buch.
Nichts iſt ihm recht gethan; ſelbſt auch der ſchoͤnſte Tag
Gereicht ihm zum Verdruß, er nennt ihn eine Plag,
Und will die Sonne nicht; warum? er ſtrebt nach Regen,
Bey dem iſt ihm ſodann am Sonnen-Schein gelegen.
505
14 Steht Ordnung und Geſaz zu ſeinem Wohl bereit,
So ſagt er, beydes ſey Zwang und Bottmaͤſſigkeit.
Er ſchont der Fuͤrſten nicht, der allerbeſten Fuͤrſten,
Er glaubt ihr Herꝛſchen ſey nach ſeinen Guͤtern duͤrſten.
Er argwohnt, daß der Thron, worauf man ſie erhoͤht,
510
14 Nur auf des Unterthans beſchwerten Schultern ſteht.
Vermeinſt du, Koͤniginn! die Tugenden vermoͤgen
Dem Poͤbel einen Zaum an ſeinen Wahn zu legen?
Es fliegt die Fledermaus mit Haß im Tag herum;
Die Spinne laͤßt ihr Gift auch auf die ſchoͤnſte Bluhm;
515
14 Kurz: er verſchmaͤht und haßt, ſchaͤzt und verlangt die Sachen,
Nicht wie ſie ſelber ſeynd; wie er ſie pflegt zu machen.
Es kommt zu Zeiten ihm ein Fernglaß in die Hand,
Mit dieſem ſchauet er auf ſeinen Gegenſtand;
Weil aber ſein Geſicht die Seh-Kunſt nicht verſtehet,
520
14 Das Augen-Rohr verkehrt nach ſeiner Abſicht drehet;
So ſcheint der groͤßte Thurn in ſeinem Auge klein,
Und daß, was nahe ſteht, entfernet muͤſſe ſeyn.
Der Poͤbel iſt ein Rath, der ſtets mit Blindheit waͤhlet;
Jm waͤhlen fehlt, doch waͤhlt; im waͤhlen wieder fehlet.
T t525 ErThereſiade
525
14 Er liebt die Neuigkeit wie ſie auch immer ſey;
Faſt jeder Fall erweckt Verwundrung und Geſchrey.
So rufft er, daß der Schwarm der Adler was bedeute,
Und dieſem Kronen-Haus, wer ſagt mir, was? bereite.
Nicht dreyßig Jahre ſeynd, daß durch dergleichen Flug
530
14 Sich eine Voͤgel-Schaar in dieſe Waͤlder trug;
Was hatte dazumahl der Flug nach ſich gezogen?
Nichts: ob der Poͤbel gleich ſich ſehr darum bewogen;
Nichts iſt daraus erfolgt. So mach ich den Beſchluß:
Daß man des Poͤbels Wahn vorſichtig folgen muß.
535
14 Er iſt des Ungeheurs, der Seltſamkeit Verfechter,
Und wird gepruͤftem Sinn zum Spiel und zum Gelaͤchter.
Thereſia verlieh der Weisheit zwar Gehoͤr,
Allein ihr Angeſicht veraͤnderte ſich ſehr,
Da man dem guten Volck ſo wenig Beyfall gabe;
540
14 Wie, wann es ſich mit nichts, als mit Einbildung labe.
Genug! es iſt genug , ſo widerſprache ſie
Der Weisheit Unterricht, du nimmſt zu viele Muͤh,
Der Unterthanen Luſt mit Tummheit zu vergleichen,
Hoͤr! ich will deinen Gram mit Guͤtigkeit erweichen.
545
14
Es hat das treue Volck ſehr oft nur gar zu recht;
Jch halte ſeinen Ruff nicht allzeit vor ſo ſchlecht.
Erachte nur den Spruch, der oftmahls wahr geweſen:
(Man darff nur dieſes Kriegs Begebenheiten leſen)
DaßEilftes Buch.
Daß eines Volcks Geſchrey die Stimme GOttes ſey.
550
14 Die Art, mit welcher GOtt uns mahnt, iſt vielerley.
Bald laͤßt er Gluͤck und Troſt durch ſolche Stimmen hoffen;
Bald wird dadurch das Leid, ſo gleich erfolgt, getroffen.
Gewiß iſts, daß, dem es an Geiſt und Wiz gebricht,
Oft weiſer von der Sach, als ein Gelehrter ſpricht.
555
14 Warum ſoll alſo jezt die Stimme gar nichts gelten?
Jch ſehe nicht, wie du ſie billig koͤnneſt ſchelten.
Jch gebe zu, daß ſie oft in der Hoffnung irꝛt;
Sich von dem rechten Weeg auf einen Abweeg fuͤhrt.
Allein was iſt im Buch der Allmacht eingeſchrieben?
560
14 Wer weiß derſelben Schluß, wer kennet ihr Belieben?
Und wie? iſt es des Volcks Amt und Obligenheit,
Daß es Vernunft und Wiz, und ſolche Faͤhigkeit
Wie du, die Weisheit ſelbſt, zu ſeinem Antheil habe?
Dieß iſt dein Eigenthum, und nicht des Poͤbels Gabe.
565
14
Hilfft ſeine Stimme nichts, ſo zeiget ſie doch oft,
Daß er den Zufall ſieht, den er zuvor gehofft.
Wahr iſts: ſein Dencken geht nicht nach erleucht’ten Schluͤſſen;
Doch hat man oft von ihm die Wahrheit lernen muͤſſen.
Oft ſchwingt ſich ſein Geſchrey biß in den Koͤnigs-Saal
570
14 Und aͤndert, was man dort nach reiffem Rath befahl.
So muß man ſolchen Ruff in Werth und Unwerth laſſen,
Und ſich auf jenen Fall, von dem er ſchreyet, faſſen.
T t 2HierThereſiade
Hier ſchwieg die Koͤniginn; ſo ſprach die Froͤmmigkeit:
Der Umſtand ſagt mir viel; mir ſcheints, nun ſey es Zeit
575
14 Den Ruhm der Koͤniginn und des Gemahls zu kroͤnen;
Doch ohne das Geſchrey des Poͤbels zu beſchoͤnen.
Sag! was erwaͤhnteſt du von jener Voͤgel-Schaar,
Die unſers Groſſen Tarls Luſt und Ergoͤzen war?
Wie kann dein weiſer Geiſt den Zufall ſo verachten?
580
14 Jſt dir dann unbekannt, was ſie vor Zeiten brachten?
Erfolgte nicht darauf ein allgemeiner Fried?
Wer weiß, ob zwiſchen jezt und dort ein Unterſchied?
War dieſes nicht vielleicht ſchon dazumahl das Zeichen,
Daß einſtens, wie geſchah, der Adler wuͤrde weichen;
585
14 Mithin aus jenem Land, woher der neue Flug
Derſelben Stahren-Schaar ſich zu dem Adler ſchlug,
Ein ſolcher Krieger-Schwarm zum Beyſtand wuͤrde kommen,
Biß dieſer wiederum den alten Siz genommen?
Und uͤbrigens: je mehr ein Volck den Fuͤrſten liebt,
590
14 Je mehr es ihm davon erregte Zeichen gibt.
Nach dem ein Zufall iſt, nach dem macht es Gebaͤrden:
Es bebt, es rufft, es ſchreyt, es weist auch die Beſchwerden
So bald ein Ungluͤck droht. Und gehn die Sachen gut,
So ſpringt und ſinget es, es faßt von neuen Muth;
595 Es
577.Die ſogenannten Laxenburger - Voͤgel / die um das Jahr 1720. ſichzum erſtenmahl ſehen lieſſen.
577.
Eilftes Buch.
595
15 Es wuͤnſchet Gluͤck dazu, und glaubet vorzuſehen,
Daß, was es hofft und goͤnnt, unfehlbar ſoll geſchehen.
Seynd dieß nicht Wirckungen der unverfaͤlſchten Treu?
So weiß ich nicht, warum es zu verachten ſey.
Man dencke, was man will; ich lobe dieſes Schreyen;
600
15 GOtt laß es dieſem Haus, dem Ruff nach, angedeihen!
Hierauf erwies der Saal nicht viel Aufmerckſamkeit,
Man redte dort und da nur von der Seltenheit:
Jezt aber gab man acht, vielleicht den Schluß zu hoͤren,
Weil ſich die Koͤniginn zu ſolchem ſchien zu kehren.
605
15
Gemahl , ſo ſprache ſie, verlaſſe du dich nur
Auf dieſes Kreuzes Schuz, den unſer Haus erfuhr!
Jhr aber, Tugenden! und niemand ausgenommen,
Macht, daß der Adler nicht umſonſt zuruͤck gekommen!
Begleitet den Gemahl mit der gewohnten Pflicht
610
15 Und ſcheuet unſers Feinds zahlreiche Waffen nicht.
Jndeſſen laß ich GOtt und jenen Prieſter walten:
Die ſeynds, die meinen Thron beſchuͤzt, und aufrecht halten.
So machte ſie den Schluß; zugleich erwies der Saal
Daß ſie, zu was er ſchon bereitet war, befahl.
615
15Der Fuͤrſt der Ehgemahl bezeigte ſich indeſſen,
Als haͤtt er ihren Wunſch und den Entſchluß ermeſſen.
Drauf ſprach er: Koͤniginn! verordne! du biſt Frau;
Das Kreuz und dein Befehl iſt das, worauf ich bau.
T t 3 EsThereſiade, eilftes Buch.
Es weichen Feind und Furcht! derſelben Stell erfuͤlle
620
15 Das einzige Geſaz, Thereſia! dein Wille.
Hiermit ward alles ſtill; ſo machte man den Schluß;
Der Herold gab hierzu das Zeichen mit dem Fuß:
Da regte ſich der Saal; die Paucken und Trompeten
Erhohlten den Befehl: den Abzug anzutreten.
625
15Man ſtellte wiederum die beyden Reihen dar,
So wie die Koͤniginn zuvor gekommen war.
Drauf wurde nach und nach der ganze Saal geraͤumet,
Weil niemand, mit dem Hof zu gehen, ſich geſaͤumet.
Jch folgte dem Geleit, und ware bey der Thuͤr
630
15 Auch ſchon hinein zu gehn; ſo gab Thalia mir
Durch ihren Fingerzeig bedeutlich zu verſtehen:
Daß nur die Tugenden in jene Zimmer gehen.
[figure]
[figure]

Thereſiade.

Zwoͤlfftes Buch.

WO fuͤhrſt du mich nun hin? Thalia! ſagt ich ihr;
Wir ſeynd am Ende. Nein , ſprach ſie, wir
bleiben hier,
Des Saals Vortrefflichkeit und Bau-Kunſt zu
betrachten.
Es waren Farb und Gold die uns erſtaunen machten.
Faſt jede Stelle wies, daß da die Meiſter-Hand
Die Koſtbarkeit des Wercks durch Arbeit uͤberwand.
Der Penſel aber wars, der uns am meiſten ruͤhrte,
Jndem er uͤberall die erſten Plaͤze zierte.
ErThereſiade
Er zeigte ſeine Macht und Kunſt an jeder Wand,
10
15 Wo ſich nicht ein von Gold geſchniztes Werck befand.
Wir ſchauten manches Bild, dem es nur an der Sprache,
Dann ſonſt die Leibs-Geſtallt beweglich ſchien, gebrache.
Allein Thalia gab mehr auf was anders acht,
So daß ſie endlich mich aus meiner Freude bracht:
15
15
Nun haſt du , fuhr ſie auf, das jenige geſehen,
Warum die ſchwere Reis und unſer Flug geſchehen.
Nicht wahr? du wirſt ja mir darum verbunden ſeyn?
Und du, war meine Red entgegen, mir verzeihn,
Daß ich aus Ungeduld dir bin zur Laſt geweſen?
20
15Du konntſt auf meiner Stirn oft meine Schwachheit leſen.
O klebte dieſe Nacht mir allzeit in dem Sinn!
O daß ich nicht ſo ſtarck und ſo begeiſtert bin
Den Jnnhalt dieſes Streits, die Reden aufzuſchreiben,
Daß ſie der ſpaͤtſten Welt zum Beyſpiel moͤchten bleiben!
25
15Hierauf verſezte ſie: Nimm Geiſt und Wiz zu Rath!
Ermuntre das Gemuͤth und gib der Muͤhe Statt;
So wirſt du jedes Spruchs und Umſtands dich entſinnen,
Mithin ganz leicht den Lauf zu deinem Ziel beginnen.
Vernimm! ich helffe dir: der Saal bracht an den Tag,
30
15 Was dieſer Koͤniginn zum Ruhm gereichen mag.
Der Tugenden Geſpraͤch enthielt nichts als ein Streiten,
Um ſo nachdruͤcklicher und klaͤrer auszubreiten:
WieZwoͤlfftes Buch.
Wie ſich Thereſia, die Frau von Oeſterreich,
Dem ſieben-fachen Schwert und deſſen Wirbelſtreich,
35
15 Der ſich ſo fuͤrchterlich um ihre Krone ſchwunge,
Daß er dieſelbige faſt von der Scheitel drunge;
Nur von dem Tugend-Schild und Heldenmuth beſchirmt,
Sonſt Hilff - und Waffen-bloß entgegen aufgethuͤrmt;
Wie ſie die Tugenden im Kampf zu brauchen wußte,
40
15 Wodurch ſie faſt allein den Thron behaupten mußte.
KAum hoͤrt ich dieſen Saz, ſo fiel mir wieder bey
Was ich ſchon geſtern ſang: daß dieß der Anfang ſey
Bey dem Thalia mich und meine Leyer ſtoͤrte,
Als ich zum erſten Mahl derſelben Zuruff hoͤrte.
45
15
Sie haͤtte mehr geredt: allein es kam ein Mann
Ehrwuͤrdiger Geſtallt und frommer Mienen an;
Er gruͤßte mich. Mein Puls begunnte ſehr zu ſchlagen;
Jch ſpuͤhrte Furcht und Troſt; mein Herz fieng an zu ſagen:
Es ſey der Mann, von dem die Koͤniginn erzaͤhlt,
50
15 Wie ſie deſſelben Hilff und Rath in Ehren haͤlt.
Nun habt ihr , war ſein Wort, in dieſem Saal erfahren,
Was ein Geheimnis war. Jch koͤnnt euch offenbaren
Was noch verborgen iſt. Der Saz beſtrickte mich
So mehr, als dieſer Mann der Guͤte ſelber glich.
55
15Sein holdes Angeſicht und liebreichs Augen-wenden
Erweckte mein Gemuͤth: ich nahm ihn bey den Haͤnden,
U uJchThereſiade
Jch druͤckt, ich kuͤßte ſie, und dachte: wer er ſey,
Er ſcheint die Anmuth ſelbſt zu ſeyn, ich frag ihn frey;
So bat ich ihn, daß er mir die geheimen Sachen,
60
15 Von welchen er erſt ſprach, zu wiſſen wolle machen.
Da fuhr er laͤchelnd fort: Sieh dieſe Mahlerey!
(Er zeigte nach der Wand) urtheile, was es ſey!
Ein groſſer Welt-Monarch war dorten vorgeſtellet,
Wie wann ein ſolcher Fuͤrſt die Kriegs-Entſchlieſſung faͤllet.
65
15Ein Feder-reicher Hut, ein goldnes Mantel-Kleid,
Erhob des Fuͤrſtens Pracht zur hoͤchſten Herꝛlichkeit;
Er ſtund an einem Tiſch, den Purpur-Sammet zierte,
Wie wann ſein Geiſt, was er vorher entſchloß, vollfuͤhrte.
Jhm war ein ſolcher Schmuck von Kronen beygelegt,
70
15 Wie ſie der hoͤchſte Fuͤrſt der deutſchen Fuͤrſten traͤgt.
Mein Fuͤhrer ſprach: daß ich das Bild betrachten ſollte,
Doch wußt ich nicht was er dadurch mir ſagen wollte.
Jmmittelſt wandt er ſich nach einem andern Ort;
Da wies er wiederum ein Bild und ſprach kein Wort.
75
15Ein Kriegs-Heer, welches hin und her und ruckwaͤrts ſtreifte,
Hier auseinander lief, dort ſich fuͤr Schrecken haͤufte,
Von einem Helden-Schwarm verfolgt, ſich immer bog,
Bald vorwaͤrts, bald zuruͤck, bald nach der Seite zog,
Verjagten Hirſchen gleich an keinem Ort verweilte,
80
15 Nur einem Ufer nach, zu ſichern Bruͤcken eilte,
War,Zwoͤlfftes Buch.
War, was ich in dem Bild gemahlt, doch lebhaft ſah;
Allein ich wußte nicht, warum die Flucht geſchah.
Wir giengen weiter fort; ich mußt ihn ſtets begleiten;
Was werden, dacht ich oft, die Stuͤcke dann bedeuten?
85
15Nun blieb er ſtehn und wies naͤchſt an dem Koͤnigs-Thron
Ein ausgeſchniztes Bild, das mehr als eine Kron
Mit Zepter, Helm und Schild, mit Lorber-Reiſern ſchmuͤckte.
Als ich daſſelbige nur erſt von fern erblickte
So ſprach ich ſchon: das iſt ja jenes Prinzen-Paar,
90
15 Das mit der Koͤniginn im Saal anweſend war.
Sie ſchienen Zwillinge, die ſich mit Lieb umfangen.
Thalia nezte faſt fuͤr Anmuth Aug und Wangen.
Welch unermeſſner Schaz! O Nachwelt freue dich!
Sprach ſie, man kennet ſchon, wie ſie ſich bruͤderlich
95
15 Mit Liebe, Rath und That und Treu verbinden werden;
Der Eine dienet ſchon dem Andern zum Gefaͤrten.
Mein Fuͤhrer redte nichts, er wies nur hin und her,
Und ſchaute mich oft an, wie wann er Willens waͤr,
Daß ich ihm, ob das Stuͤck mir wohlgefiele, ſagte;
100
15 Allein ich wußte nichts zu ſprechen; nein: ich fragte;
So fieng er endlich an: Vernehmt des Himmels Schluß!
Der die Nachkommenſchaft und euch begluͤcken muß:
So wie das andre Bild beſiegte Schaaren weiſet,
So wird der Mit-Regent, wann er zum Kriegs-Heer reiſet,
U u 2105 DerThereſiade
105
15 Der Feinde Macht und Muth zerſtoͤrt, bekaͤmpfet ſehn,
Hernach, wie dort das Bild des Welt-Monarchens, ſtehn.
Zu was das Prinzen-Paar fuͤr Oeſterreich gebohren,
Das ſagt ſchon eine Welt der andern in die Ohren.
Der Himmel iſt ihr Schuz: genug .... Hier ward er ſtill;
110
15 So wußt ich ploͤzlich nicht was dieſes Schweigen will.
Doch ward ich gleich gewahr, daß wieder Alle kamen,
Und wie vorher den Plaz in einem Kreiſe nahmen;
Daher verweilten wir bey dieſem Prieſter nicht,
Wir ſuchten Plaz, und er entwich uns vom Geſicht.
115
15Der Saal ward nach und nach ein Schau-Spiel voll Ergoͤzen;
Faſt jede Tugend kam, der Luſt was beyzuſezen.
Wann in der Fruͤhlings-Zeit die Sonne die Geſtallt
Der neu-begruͤnten Au mit ihrem Morgen mahlt,
So pflegt die Munterkeit der Voͤgel ſich zu regen,
120
15 Und dem erweckten Sinn Vergnuͤgen einzupraͤgen.
Ein jeder lockt und pfeift, ſchlaͤgt, zwitſchert, ſchnaͤbelt, ſingt,
Jndem er ſich erfreut vom Baum auf Baͤume ſchwingt;
Wie lebhaft ruͤhrt er ſich, wann er das Laub durchſchlupfet,
Den Kopf, den Halß, den Leib, dreht, daͤhnet, hebt und hupfet?
125
15Ein hell vermiſchter Schall dringt aus der hohlen Bruſt,
Erwecket bey der Schaar Frolocken, Troſt und Luſt.
Wie gurgelt ſich ſo ſchnell die Floͤten-volle Kehle?
Es ſcheint, als wann ſein Herz die Froͤhlichkeit erzaͤhle.
KommtZwoͤlfftes Buch.
Kommt dieſe Regung uns ergoͤzlich, lieblich vor;
130
15 Wie viel annehmlicher iſt dieſer Tugend-Chor?
Wo Stimme, Stirn und Aug auf einmahl mehr erklaͤren,
Als wann die Blicke nichts als ſolche Saͤnger waͤren;
Dann keine war, die nicht bald hier, bald da, bald dort
Geſchaͤfftig, munter, froh, mehr oder nur ein Wort
135
15 Laut oder heimlich ſprach, auch etwan eine kuͤßte,
Und ihres Herzens Luſt durch den Beweis verſuͤßte.
Sie ſtunden Reihen-weiß; zerſtreuet; Paar und Paar;
Nach dem es jedem Sinn lieb und gefaͤllig war:
Bis endlich einige ſich nach der Ordnung ſezten,
140
15 Jedoch ſtets voller Luſt von tauſend Sachen ſchwaͤzten.
VErſchiedne waren noch Geſellſchafts-weis zertheilt,
Die ſich in dem Geſpraͤch dort oder da verweilt;
Doch trug die Weisheit vor: Nun haben wir gehoͤret,
Was vor Verrichtungen Thereſia begehret.
145
15 So ſchreiten wir zum Schluß! vollenden wir den Streit!
Wir ſeynd nun allerdings der Hinderung befreyt;
Mir kommt in allem vor, es ſey nicht ſchwer zu wiſſen,
Durch was vor einen Spruch der Zweifel aufzuſchlieſſen.
Der Alte gute Rath kam unterdeſſen an,
150
15 Und wies, daß er ſich Ehr und Anſehn geben kann,
Dann alles wurde ſtill. Er, ohne zu verziehen
Fieng mit den Worten an: Nun hat man uns verliehen,
U u 3 WasThereſiade
Was keine von dem Kreiß ſich eingebildet hat;
Das iſt: Thereſia war ſelber bey dem Rath.
155
15 Begluͤckte Gegenwart! faſt alles ward ermeſſen,
So gar weswegen wir beyſammen ſeynd geſeſſen.
Was geben alſo wir noch mehr Erwegung Statt,
Da ſie den Tugend-Streit ſchon ſelbſt entſchieden hat?
Jedoch damit wir uns mit einem Schluß vergnuͤgen,
160
15 So fahr du, Wahrheit! fort; ſprich! wem gebuͤhrt zu ſiegen?
Allein weil ſie den Kreiß noch nicht beyſammen ſah,
So wars, daß dieſer Saz jezt noch umſonſt geſchah.
Es ſtund die Majeſtaͤt mit andern auf der Seite,
Als ob ſie, wie es ſchien, um eine Sache ſtreite;
165
15 Wir beyde giengen hin; der Vorwiz triebe mich,
Weil manche wiederum von ihrer Stelle wich.
Jch hoͤrte, daß man ſich auf eine Reiſe freue,
Und daß Thereſia dazu bereitet ſeye.
Sie redten was von Pomp, von Schiffen und von Pracht;
170
15 Jedoch verſtund ich nicht, was man vor Anſtallt macht.
Jhr wißt die Schifffart noch? ſo ſprachen ſie zuſam̃en,
Von welcher dieſes Throns Gluͤckſeeligkeiten ſtammen?
Wie
167.Die Reiſe nacher Franckfurt war den 15. Septembr. 1745. ange - tretten.
167.
171.Jhro Koͤnigl. Maj. Zuruckkunft von Prag und Linz / welche den 4 Julij 1743. Nachmittag um 5. Uhr geſchahe.
171.
Zwoͤlfftes Buch.
Wie froͤhlich hatte nicht das Land damahls erthoͤnt?
Hat ſich nicht Alt und Jung nach unſerm Schiff geſaͤhnt?
175
17 Wir ſchwammen ja daher, als muͤßten Flutt und Wellen
Auf unſers Haupts Befehl ſich zum Gehorſam ſtellen.
Sie rollt - und ſchwelleten und welzten ſich ſo ſchoͤn,
Als freuten ſie ſich ſelbſt die Laſt des Schiffs zu ſehn.
Sie trugen uns ſo ſanft, als haͤtt der Fluß auch Haͤnde.
180
17
Die Majeſtaͤt fiel ein: Erwarten wir das Ende!
Welch unerhoͤrter Tag der Freuden geht mir vor?
Jch ſehe dieſen Hof ſchon wieder an dem Thor
Gluͤckwuͤnſchungen des Volcks in Froͤhlichkeit empfangen,
Und mit noch einer Kron allhier zuruͤck gelangen.
185
17 Jch bilde mir ſchon ein, wie manches Siegs-Geruͤſt
Ruhm, Ehren und Triumpf in goldne Boͤgen ſchließt;
Wie ſich Thereſia von dieſem Kreiß umrungen
Auf einem Schiff, mit Palm und Lorber umgeſchlungen,
Dem Volck, dem frohen Volck zur Luſt vor Augen ſtellt,
190
17 Und dieſes Vaterland als eine Soun erhellt.
Jch ſehe wie das Gluͤck ſich um die Flaggen ſchwinget;
Wie jeder Ruder-Schlag uns neue Wohlfart bringet.
Anſtatt des Seegel-Tuchs ſchwingt ſich ein Purpur-Dach
Geſchlungen in die Luft; dem ſchwebt ein anders nach,
195
17 Und deckt des Schiffs Gebaͤu durch ſein gelindes Wehen,
Doch daß man das Gepraͤng der Hof-Stadt koͤnne ſehen.
DasThereſiade
Das Schiff erhebet ſich in aufgethuͤrmtem Stolz,
Und pranget mit dem Glanz des Kunſt-geſchnizten Golds.
Ein wahres Pracht-Gebaͤu! ein Wohlfart-reiches Weſen!
200
17 Ein ſtarcker Haupt-Beweis die Fragen aufzuloͤſen!
Da ſchallt gewiß der Ruff: je blutiger der Krieg,
Um ſo Ruhmwuͤrdiger und groͤſſer iſt der Sieg!
Je ſchwerer Koͤnige der Krone Recht erfechten,
Je praͤchtiger ſieht man ihr Haupt in Lorber flechten.
205
17 Es wird ein Ebenbild der ſtaͤrckſten Kriegerinn,
Der erſten Frau der Welt, der groͤßten Siegerinn,
Den Augen dieſes Volcks und allen Erden-Kreiſen,
Ja gar der Nachwelt ſelbſt ſich durch die Schifffart weiſen.
O Welt-geprieſnes Haupt! glorreiche Koͤniginn!
210
17 Jch ſehe dieſen Pomp ſchon in dem frohen Sinn!
Ein uͤberirꝛdiſches verhimmeltes Erſcheinen
Wird ſo der Feind als Freund an dir zu ſehn vermeinen.
Mir ſagt das Herz: daß auch ſelbſt meine Majeſtaͤt
Bey deiner Gegenwart, begluͤckte Frau! vergeht.
215
17 Wir werden dich vielleicht zum dritten Mahl gekroͤnet,
Und etwan mit dem Feind, zum Theil doch, ausgeſoͤhnet
Jn dieſer Ankunft ſehn. Und du getreuer Fluß
Der du Gewalt erfuhrſt; daher zu ihrem Fuß
Um Zuflucht dich begabſt, ſo lang du noch wirſt flieſſen,
220
17 So lang wird auch die Welt die Frau bewundern muͤſſen.
JchZwoͤlfftes Buch.
Jch rede von des Schiffs Bequemlichkeiten nicht
So man zu dieſer Reis in Koſtbarkeit erricht’t;
Gedencket nur der Laſt, die deſſen Buͤhne druͤcket,
Und dieſen ganzen Bau mit ihrem Anſehn ſchmuͤcket.
225
17 Groß - und geheiligte, von uns gewuͤnſchte Laſt!
Die du der Laͤnder Gluͤck und Wohlſeyn in dir haſt!
Da wird nicht mehr die Wuth derſelben Flutten bruͤllen,
Die durch Erinnerung uns noch mit Graus erfuͤllen;
Noch heut entſez ich mich, wie damahls ſich der Grund,
230
17 Das Schiff, die Laſt, die Flutt, und Kron und Thron befund.
Wir werden Freud und Zanck im Strohm der Wellen ſpuͤhren,
Das Schiff an das Geſtad in Sicherheit zu fuͤhren.
Der Anmuths-volle Trieb, der allerjuͤngſte Wind
Wird Sanftmuth, Freundlichkeit, gelaſſen und gelind
235
17 Von allen Seiten her in unſre Seegel blaſen;
Das Volck fuͤr Froͤhlichkeit bey dieſem Anblick raſen.
Dieß wird fuͤr Luſt entzuͤckt an allen Orten ſtehn,
Auf welchen man den Fluß und dieſes Schiff kann ſehn.
Mir ſcheints, ich hoͤre ſchon viel tauſend Zungen ſchreyen:
240
17 Die Laſt des Schiffs wird uns der Laſt des Kriegs befreyen.
Es deutet mir mein Herz noch groͤſſre Sachen an,
Die mein erſtaunter Mund euch nicht beſchreiben kann.
Die Weisheit rede nur; ich laſſe ſie beſchliefſen:
Der Adler heiſſe nichts. Dort werden wir es wiſſen;
W w245 DortThereſiade
245
17 Dort will ich ſehn, was ſie bey dieſer Ankunft ſpricht.
Jch trage zum Geſchrey der Leute Zuverſicht;
Ein treuer Adler-Schwarm wird dieſes Schiff begleiten,
Und um den Rang des Dienſts, der Ehrerbietung ſtreiten.
Kein Fenſter, keine Thuͤr der Stadt, ja kein Geraͤth
250
17 Wird mehr zu finden ſeyn, wo nicht ein Adler ſteht:
So auf dem tiefſten Dach, als auf den hoͤchſten Spizen
Der Thuͤrne wird man ihn frolockend ſehen ſizen.
Welch unerlebtes Feſt! glorreiche Koͤniginn!
Thron-werther Ehgemahl! mir ſagen Herz und Sinn:
255
17 Wie ihr mit jenem Schmuck des deutſchen Reiches pranget;
Mit was vor Hulden ihr der Voͤlcker Herz erlanget.
Komm O gekroͤnter Tag! ..... Jndeſſen nahm ich wahr
Daß dieſes Wunſch-Geſpraͤch Verwunderung gebar.
Mir war die Sache neu; biß wieder andre kamen
260
17 Die dieß erklaͤreten und mir den Zweifel nahmen.
Ja , ſagten ſie, das hat die Koͤniginn im Sinn;
Weil ich , bracht Eine vor, dabey geweſen bin,
Als ſie von ungefaͤhr von dieſer Reiſe ſprache,
Jedoch die Deutlichkeit der Reden unterbrache;
265 So
257.Mit was vor auſſerordentlichen / in keiner Geſchichte befindlichen / allge - meinen Freudens-Bezeugungen; mit was vor Beleuchtungen und herꝛli - chen Triumpf-Gebaͤuden dieſe allhier Vorbedeutungs-weis angefuͤhrte Zu -ruͤckkunft an allen deutſch - und treu - geſinnten Orten / inſonderheit allhier den 24. Octob. 1745. ſey gefeyret wor - den / wird durch die noch friſche un - ausloͤſchliche Erinnerung beſtaͤttiget.
257.
Zwoͤlfftes Buch.
265
18 So ſcheint es wahr zu ſeyn. Doch weiß ich nichts gewiß,
Weil ſie die Richtigkeit uns nicht erfahren ließ.
DJe Wahrheit wollte ſich immittelſt zwar bereiten;
Allein weil viele ſich noch dort und da zerſtreuten,
So rieff der Gute Rath: Nun ſchreiten wir zum Schluß!
270
18 Was hilfft uns zu dem Zweck der Reden Ueberfluß?
So war man endlich ſtill der Ordnung nach geſeſſen,
Damit man dieſes Streits Entſcheidung koͤnnt ermeſſen.
Die Wahrheit zeigte ſich noch mit dem Schleyr bedeckt,
Nun aber ward gemach die Achtſamkeit erweckt;
275
18 Sie wies das Angeſicht in Reizungs-vollen Blicken,
Daß jedes Auge ſich darinnen konnt erquicken.
So fieng ihr Vortrag an: Wer hat nicht angehoͤrt,
Mit was vor Gnad und Huld die Koͤniginn uns ehrt?
Sie bauet mehr auf uns, als auf die Macht der Waffen;
280
18 Durch uns, vertraut ſie ſich, den Laͤndern Ruh zu ſchaffen.
Der hoͤchſt-erleuchte Fuͤrſt, ihr theurer Ehgemahl
Wie groſſe Zuverſicht traͤgt er zu dieſem Saal?
Was bracht Eliſabeth, die Groͤßte jener Groſſen
Aus denen Fried und Sieg und Ruhm und Heil entſproſſen,
285
18 Zu meiner Abſicht vor? nur dieſer Tugend-Kreiß
Jſt Hoffnung, Rath, Vertraun, Entſcheidung, Hilff und Preiß.
So will ich meinen Schluß nach dieſen Dreyen richten,
Und ſie dadurch noch mehr den Tugenden verpflichten:
W w 2 ErThereſiade
Er iſt auch ſchon ſo viel als richtig und gefaͤllt;
290
18 Es kommt mir nichts mehr vor, ſo mich im Zweifel haͤlt.
Was auf dem Koͤnigs-Thron die Kronen-Haͤupter ſprechen,
Kann die Scharffſinnigkeit der Wahrheit niemahls ſchwaͤchen.
Wir wiſſen alles ſchon aus dem dreyfachen Mund,
So macht die Wahrheit es nur etwas klaͤrer kund.
295
18
Thereſia bezeigt uns allen ſich verbunden;
Sie ſchaͤzt uns alle gleich, wie wir von ihr verſtunden.
Mit niemand hatte ſie vorzuͤglich was geredt,
So ſehn wir insgeſammt, wohin ihr Abſehn geht:
Wir ſollen allgemein mit jenen Pfaͤndern prangen,
300
18 Die wir zur Danckbarkeit von ihrer Hand empfangen.
Sie gab der Froͤmmigkeit den heimlichen Beſcheid:
Es walte zwiſchen ihr und uns kein Unterſcheid;
Der ganze Tugend-Chor ſoll in der Huͤtte wohnen,
Jhr Herz, Gemuͤth, ihr Haus, ihr Eigenthum bethronen.
305
18 Von allen, ſprache ſie, begehr ich Hilff und Rath,
Und wo mein Ehgemahl derſelben noͤthig hat;
Seht daß der Adler nicht umſonſt zuruͤck gekommen!
Vereinget die Macht! ... War jemand ausgenommen?
Eliſabeth empfahl den Geiſt der Einigkeit,
310
18 Weil nichts, was man allein bewircken will, gedeiht.
Auch ſelbſt der Ehgemahl erwies uns, was es ſchade,
Wann die Vereinigung ſich eines Wercks entlade.
SoZwoͤlfftes Buch.
So zeigen ſich der Frag Entſcheidungen genug.
Man hieß mich meines Schilds unwuͤrdig und nicht klug,
315
18 Wann ich mich dem Geſpraͤch entgegen ſezen ſollte,
Und die Einhaͤlligkeit nicht auch empfehlen wollte.
Es leget der Erfolg oft gruͤndlich an den Tag,
Was der Verrichtungen Zuſammenhang vermag,
Durch dieſen ſteht ein Thron; einmuͤthiges Vernehmen
320
18 Kann, was mit Sturz und Fall demſelben droht, beſchaͤmen.
Wo die Mißhaͤlligkeit ſich in das Mittel draͤngt,
Dort iſts, wo weder Macht noch Tugend was verfaͤngt;
Was man durch Eintracht ſtaͤrckt, das wird durch Zwiſt entzweyet,
Durch jene waͤchſt ein Staat, den dieſer oft zerſtreuet.
325
18
Jhr ſelber werdet es, Freundinnen! mir geſtehn,
Wie ſchwer das Herꝛſchungs-Amt von Statten wuͤrde gehn,
Wann man zu dieſem Ziel nur eine Tugend waͤhlte,
Und keine von dem Chor zur Hilff ihr beygeſellte.
Was wircken Hoheit, Schmuck, und Pracht der Majeſtaͤt,
330
18 Wann ihr die Weisheit nicht ſtets an der Seite geht?
Was kann die Tapferkeit vor Thaten unternehmen,
Wann die Gerechtigkeit ſich muß derſelben ſchaͤmen?
Was iſt das, was das Herz der Großmuth nicht vermag?
Doch legt die Mildigkeit ihr Wircken an den Tag.
335
18 Die Freundlichkeit iſt ſchoͤn: wie Kraft-loß ohne Treue?
Und die Barmherzigkeit, die ſich der Gnade ſcheue,
W w 3 WasThereſiade
Was nuͤzt ihr weiches Herz? die Staats-Kunſt was iſt ſie,
Wann die Beſcheidenheit nicht mitwirckt? eitle Muͤh.
Die Guͤte ſonder Rath? wer kennt nicht jenen Schaden,
340
18 Der oft daher entſpringt? ſie mißbraucht Huld und Gnaden.
Die Weisheit, ſpricht vielleicht die Weiſeſte von euch,
Jſt die Vortrefflichſte; wo nicht? doch allen gleich.
Es ſey: was koͤnnt jedoch ihr weiſes Herꝛſchen nuͤzen,
Wann nicht die Froͤmmigkeit den Zepter wuͤrde ſtuͤzen?
345
18 Geſezt auch: dieſe waͤr zum Oberhaupt gemacht;
Was wirckte ſie, wann nicht mit ihr die Weisheit wacht?
Gnad, Anmuth, Reiz und Huld ſeynd allzeit hoch geſchaͤzet,
Wie? wann die Redlichkeit ſich nicht zu ihnen ſezet.
Allein ich gebe zu, daß meine Meinung fehlt,
350
18 Und jede dieſen Plaz mit Recht fuͤr ſich erwaͤhlt.
Sagt: meine Sorge ſey betruͤglich oder nichtig;
Nennt jede von dem Rath zum Herꝛſchungs-Ruder tuͤchtig;
Ja wann ihr insgeſammt zum Herꝛſchen einig ſeyt
So laſſet Eine nur entfernt: die Danckbarkeit;
355
18 Alsdann geht hin, regiert und waltet nach Belieben;
Was folgte, wann ihr nicht die Tugend wuͤrdet uͤben?
Jch gruͤnde meinen Schluß auf den bekannten Spruch:
Der Undanck ſtiftet nichts, als ſteten Friedens-Bruch.
Was haͤlt der Erde Rund? der Sterne Kreiß? die Welt?
360
18 Des Wercks Zuſammenhang, in den es GOtt geſtellt.
WieZwoͤlfftes Buch.
Wie hoͤrtet ihr, was ich hier zum erwegen bringe,
Wann nicht der Kreiß der Luft durch mein Geſpraͤch erkluͤnge?
Befaͤnde ſich des Meers Umgrenzung loßgedaͤmmt,
So waͤr das Vaterland und wir mit ihm verſchwemmt;
365
18 Was wuͤrde den Bezirck des Felds mit Thau befeuchten,
Wann nur der Sonne Schein ſollt unabwechſelnd leuchten?
Haͤtt GOtt die Koͤrper leicht und keinen ſchwer verſchafft,
Was waͤr der Erde Ball? des Undings Eigenſchaft.
Geſezt, wir wuͤßten nichts von Kleinheit oder Groͤſſe;
370
18 Was waͤr das, ſo den Werth der Tugend in ſich ſchloͤſſe?
Betrachtet jedes Leibs Einſtimmigkeit und Kraft!
So ſeht ihr, daß kein Theil nicht andern Vortheil ſchafft,
Und dannoch kann er nicht der andern Hilff entbaͤhren;
Steht der nicht jenem bey? muß der nicht jenen naͤhren?
375
18 Durchgeht das Meer, die Luft, der Erden Grund und Flaͤche!
Jhr findet kein Geſchoͤpf, das meinen Vortrag ſchwaͤche.
Das Herz erhaͤlt ſich nicht als durch des Hirnes Geiſt;
Wogegen dieſer ſich nicht als durch jenes ſpeißt.
Was treibt ſie beyderſeits in dieſe Gegenregung?
380
18 Die Luft und ihrer Laſt ſtets druckende Bewegung.
Seht hin, wohin ihr wollt! es dienet jeder Kreiß
Zu meiner Rede Grund, Behauptung, und Beweis;
Es ſchwinget alles ſich in Ordnung auf und nieder;
Was GOtt erſchuff, geht nur zum Helffen hin und wieder.
385 Ge -Thereſiade
385
18 Gewicht und Maß und Zahl, End, Anfang, Ziel und Zeit;
Kurz: alle Welt beſteht in der Einſtimmigkeit.
Die Wercke ſeynd verknuͤpft; allein kann keines nuͤzen;
Des einen Wirckung muß das Werck des andern ſtuͤzen.
Koͤnnt eine Sach allein und ſonderbar beſtehn,
390
18 So muͤßte ſie der Macht der Allmacht nahe gehn.
Geſezt: ich lieſſe mich als euer Haupt begruͤſſen,
Was wuͤrdet, Tugenden! ihr auf den Spruch beſchlieſſen?
Die Folge weist ſich ſelbſt; ich blieb am End allein,
Und nichts von meinem Amt waͤr euerm Rath gemein.
395
18 Was nuͤzte meine Pflicht? die Wahrheit waͤr verlaſſen;
Wo keine Tugend iſt, da pflegt man ſie zu haſſen.
So wend ich mich zum Schluß und Ausſpruch dieſes Streits,
Jhr kennt deſſelben Sinn und Jnnbegriff bereits.
Hier ſtund ſie auf und ſah mit Obacht auf die Mienen,
400
18 Die in dem Angeſicht des Guten Raths erſchienen.
Jch weiß nicht, was er ihr, und was ſie ihm erwies,
Jndem ſie kurz darauf ſich wieder nieder ließ
Und ſagte: Niemand wird von euch den Vorzug haben!
Nein: keine ſoll ſich ſelbſt mit einem Rang begaben;
405
18 Es ſey dem ganzen Kreiß ein jedes Werck gemein.
Dieß ſoll hiemit dem Spruch und Schluß zum Grunde ſeyn.
Es ſey nun jenes Amt, die Kinder zu erziehen;
Sich um des Ehgemahls Vorhaben zu bemuͤhen;
EsZwoͤlfftes Buch.
Es ſey der Ehren-Bau; das Herz; und was beliebt;
410
18 Ein Tempel, oder ſonſt, was euch mehr Hoheit gibt.
Erwaͤhlet, was ihr wollt; iſt es nur nach den Sinnen
Wodurch Thereſia kann Ruh und Heil gewinnen,
So ſey es euch gemein. Nenn jede, was ſie will:
Das ſey der Tugenden Maß, Abſicht, Sorg und Ziel.
415
18 Kurz: alle ſollen gleich in dieſem Zweifel ſiegen,
Und keine vor dem Rang der anderen ſich ſchmiegen.
Erkieſtet aber ihr vielleicht den Ehren-Stein?
Nein: dem gekroͤnten Paar ſoll der gewidmet ſeyn.
Wir koͤnnen ihn dem Volck zu bauen uͤberlaſſen;
420
18 Es weiß ſich ohne dem fuͤr Freude nicht zu faſſen.
Es wird, wann dem Gemahl die Kayſer-Krone gluͤckt,
Und ſich der Feinde Zweck durch dieſe Wahl verruͤckt,
Durch tauſend Siegs-Gebaͤu und Freud - und Ehren-Boͤgen
Der Treu und Liebe Pfand vor deſſen Augen legen.
425
18 Da werdet ihr ſo wohl, als dieſes Paar geehrt;
Da wird der Tugenden Lob, Ehr und Ruhm vermehrt;
Wie dort die Majeſtaͤt mit andern von der Sache
Schon Vorbedeutungs-weis, und ſehr wahrſcheinlich ſprache.
Den Tempel? der gebuͤhrt dem, welcher euch belohnt,
430
18 Und in der ganzen Welt durch ſein Vermoͤgen wohnt;
Der Ehgemahl wird ihn an jenem Ort erbauen,
Wo man zum erſten Mahl ihn wird als Koͤnig ſchauen.
X x ErThereſiade
Er widmet ſolchen Bau der hoͤchſten Majeſtaͤt,
Durch welche Gluͤck und Heil und Kron und Thron beſteht.
435
18 Er kennet gar zu wohl, woher der Ausgang ruͤhre;
Wer dieſer Zeiten Lauf zu ſolchem Ende fuͤhre.
So bleibt uns nur das Herz, in welchem dieſes Paar
Jn Eins vereiniget uns vorgeſtellet war.
Wohlan! dieß iſt der Preiß, um den wir alle ſtritten;
440
18 Dieß iſts, um deſſen Wohl und Heil wir uns bemuͤhten.
Jhr wißt, was in dem Bau gedoppelt einfach ſey;
Dem waren wir bisher gehorſam, lieb und treu.
Hat uns der Himmel nicht zu deſſen Wach erkohren?
Und haben wir nicht ſelbſt zu folchem Amt geſchworen?
445
18
Auf! auf dann! eilen wir! beſchlieſſen wir die Frag!
Dieweil fuͤr uns die Welt nichts edlers finden mag.
Wir werden dieſes Herz mit gleichem Rang beſizen,
Und es durch uns, und uns durch deſſen Macht beſchuͤzen.
Bey dieſem Spruch und Schluß erregte ſich der Saal
450
18 Und rieff: Ja dieſes iſt die vorgeſehne Wahl!
So ſiegen wir zugleich! .... Wir ſahn in allen Reihen,
Wie ſehr die Tugenden damit vergnuͤget ſeyen;
Man ſtund in Freuden auf. Die Wahrheit wich zuruͤck;
Mithin verweilte man kaum einen Augenblick;
455
18 Sie eilten, flogen hin, woher ſie leztlich kamen,
Und nennten tauſend Mahl die Koͤniglichen Nahmen.
455 SieZwoͤlfftes Buch.
HJer nun ergriffe mich Thalia bey der Hand
Und ſprach: Getreuer Freund! jezt findſt du dich im Stand
Das, was du geſtern ſchon begunnteſt, zu vollziehen;
460
18 Stimm deinen Sayten-Chor und ſing! ſpahr kein Bemuͤhen!
Hab nur zum Fingerzeig der Wahrheit Zuverſicht,
Und ſorg dich um der Welt Lob oder Tadel nicht.
Die Froͤſche laſſen ſich im hell - und truͤben hoͤren:
Sie werden den Geſang, den du beginnſt, nicht ſtoͤren.
465
18
Da ſagt ich ihr: mein Geiſt iſt ſo Verwundrungs-voll,
Daß er nicht weiß, wo er das Werck beginnen ſoll.
Du wirſt die Koͤniginn auf einem Ehren-Wagen
Sprach ſie, biß in den Kreiß der ſpaͤtſten Nachwelt tragen.
Wer iſt der, fuhr ich fort, der dieß vollbringen kann?
470
18 Faß Muth , verſezte ſie, fang bey dem Nahmen an:
Die Groſſe Koͤniginn von Hungarn
und von Boͤhmen,
Der man ihr Eigenthum, ihr Erb-Recht
wollte nehmen;
Erzherzoginn und Frau des Lands
von Oeſterreich;
Ein Held, dem in der Welt kein Held,
kein Koͤnig gleich:
X x 2475 Die,Thereſiade, zwoͤlfftes Buch.
475
18 Die, ſag, ſey dein Geſang! .... Hier ſah ich ſie verſchwinden.
Wo konnt ich Schwaͤchſter nun ſo viele Kraͤfte finden?
Jch ſtund in Sorg und Furcht; ſo macht ich den Beſchluß:
Bey dieſem Nahmen iſt das Lob ein Ueberfluß;
Wie kann ein zitterndes, verzagtes Singen klingen,
480
18 Wo deine Thaten dich, Thereſia! beſingen?
ENDE.
[figure]

About this transcription

TextTheresiade
Author Franz Christoph von Scheyb
Extent166 images; 31920 tokens; 6035 types; 213105 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationTheresiade Ein Ehren-Gedicht Zweyter Theil Franz Christoph von Scheyb. . [83] Bl. JahnWien1746.

Identification

SUB Göttingen SUB Göttingen, 4 P GERM III, 7490:2

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Belletristik; Lyrik; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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Holding LibrarySUB Göttingen
ShelfmarkSUB Göttingen, 4 P GERM III, 7490:2
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