Siebendes Buch . D Je Tugend ſezte ſich , ſo fieng ein Murmeln an ,
Weil von dem Kreiſe ſich noch niemand vorgethan .
Jch konnte nichts verſtehn ; es ließ , als ob man
ſtreite ,
Und etwan zum Entſchluß die Meinungen bereite .
Das Summen waͤhrte ſo , wie wann von ungefaͤhr
Ein friſcher Morgen-Wind das Spiegel-glatte Meer
Jn die Bewegung treibt , daß die gerollte Wellen
Sich an den ſteilen Strand , an Stein und Klippen prellen ;
B b Der Der ganze Saal ward reg : hier ſpuͤhrte man ein Wort ;
10
Da liſpelt ’ Eine dieß , was anders Jene dort . Es redten zwey und zwey , auch drey und mehr zuſammen ,
Nachdem Begier und Geiſt und Eifer Plaz bekamen .
Balb ſtund ’ ich auf die Zehn und hielte mich erhoͤht ;
Bald hatt ’ ich mich dahin , und bald hieher gedreht
15
Aus vielerley Geſpraͤch nur eines zu vernehmen ; Umſonſt : ich mußte mich zu der Geduld bequemen :
Bis eine graue Frau die Stimme ſehr erhob
Und ſagte : „ Gibt man dann der Tugend gar kein Lob
„ Die mehr als andere mit Muͤhe , Sorg und Kraͤften ,
20
„ ( Jch rede von dem Fleiß : ) in Staats - und Kriegs-Geſchaͤfften „ Sich angewendet hat ? Kaum aber redte die ,
So fiel die Jugend ein : „ Was nuzte deine Muͤh ,
„ Wann meine Munterkeit , mein Feuer dich verlieſſen ?
„ Geſezt „ , ſprach Eine drauf , ich wollte mich entſchlieſſen ,
25
„ Euch allen insgeſammt mehr Feind als Freund zu ſeyn : „ Traͤff nicht der alte Spruch in Wort - und Wercken ein :
„ Wer iſt der ſeinen Feind ſucht , ſieht , und uͤberwindet ,
„ Der nicht erſt durch das Gluͤck den Weeg zum Siegen findet ?
Der wiederſprach man auch . Sie ſezte dannoch fort
30
Und ſagte : „ Zeige man nur den geringſten Ort , „ Wo man wußt ohne mich ſo vieles auszuſinnen :
„ Jch mußte Schritt vor Schritt , was man verlohr , gewinnen .
Die Die Weisheit fieng auch an , doch blieb ſie wieder ſtill
Und ſprach nur Seitwaͤrts dieß : „ Die weiß nicht , was ſie will :
35
„ Jhr Eigenſinn vermeint , man ſoll nur ſie verehren ; „ Das waͤr ja die Vernunft in blinden Wiz verkehren .
Die welche von dem Gluͤck ſo redte , ließ nicht nach ,
Sie ſuchte mit Getoͤß den Vorzug , da ſie ſprach :
„ Stuͤnd ich von euch entfernt , ſo waͤr der Abgrund offen ,
40
„ Und ihr verſchmachtetet fuͤr unfruchtbarem Hoffen . „ Wie manches Mahl verlohr der Feind ſo Maß als Ziel ?
„ Warum ? ich machte mir aus ſeinem Krieg ein Spiel .
„ Hat er nicht oft zu fruh , zu ſpaͤt , umſonſt gewachet ,
„ Warum ? weil ihr mit mir von euern Waffen ſprachet ;
45
„ Jch ware ſtets mit euch , mit euch hielt ’ ich mich auf , „ Und lenckte das Geſchick in einen treuen Lauf .
„ Wann euer Feind von mir nur einen Blick verſpuͤhrte ,
„ So war es , wann ich ihn zu dem Verderben fuͤhrte .
„ Halff nicht oft ein Moraſt , ein Regen , oder Froſt ,
50
„ Auch ſelbſt der Feinde Zwiſt ? der war euch oft zum Troſt . „ Erweget , wie das Meer ſo gar ſich einſt erweckte ,
„ Und durch der Winde Grimm der Feinde Stolz erſchreckte ;
„ Wem ſchreibt ihr dieſes zu ? ſpracht ihr nicht : das Geſchick ,
„ Der Umſtand , dieſer Fall iſt unſrer Waffen Gluͤck !
55
„ Jhr ſelber rieffet auf : des Feindes Ungluͤcks-Faͤlle ! „ Warum benanntet ihr ſie nicht des Gluͤckes Quelle ?
B b 2 Jn - Jndeſſen war der Saal ſtets mehr erregt , geſtoͤrt ,
Mithin ihr Reden nur verwirꝛet angehoͤrt .
Es wollten andere ſo wohl , als dieſe , ſprechen ,
60
So mußten folglich ſich die Reden unterbrechen . Kaum hoͤrte man ein Wort , ſo wiederſprach man es .
Den ganzen Saal durchſchlich ein ſtreitendes Getoͤß .
Thalia ſagte mir : „ Will man ſie reden laſſen ,
„ So kann man den Entſchluß in keinem Jahr verfaſſen .
65
Hier ſchrie man Maͤßigkeit , Mannhaftigkeit und Zucht ; Dort hatten Demuth , Lieb und Eintracht Plaz geſucht .
Der Stimmen Menge konnt nichts deutlich offenbaren ,
Weil Tugend , Eigenſchaft , und Werck vermiſchet waren .
Es wird im Sommer oft der allerſchoͤnſte Tag ,
70
An dem die Sonne ſelbſt ihr Aug ergoͤzen mag , Jn den beglaͤnzteſten und angenehmſten Stunden
Von dem geringſten Grau der Wolcken uͤberwunden .
Es ſteigt von ungefaͤhr ein ſolcher Schatten vor ,
Bedeckt , verbirgt die Luft als ein geſpannter Flor.
75
Durch eine ſtille Macht zerſtreuet ſich die Naͤſſe ; Wie wann der Sonne Glanz ſelbſt in das Grau zerfloͤſſe :
Nichts ſieht man unerbleicht . Jn einem Augenblick
Wird die verhuͤllte Luft , der Tropfen-Strich ſo dick ,
Daß Freude , Luſt und Troſt , ſo wie der Schein , verſchwindet ,
80
Und aller Gaſſen Raum ſich uͤberſchwemmt befindet . Bis Bis ſich das blaſſe Licht der Sonne wieder zeigt ,
Und ihr noch feuchter Strahl durch ſolche Wolcke ſteigt ,
Die Waͤſſer aus der Luft ſich allgemach verquellen ,
Und alle Kreiſe ſich durch neuen Schein erhellen .
85
Jn ſolcher Aenderung befande ſich der Saal ,
Bis jemand von dem Rath Gelaſſenheit befahl .
Es war die Majeſtaͤt , die mit erhabnen Blicken
Den Streit zu ſtillen wußt , die Zungen zu beſtricken .
Jhr Ernſt-erfuͤlltes Aug in ihrer Hoheit Pracht
90
Wand ſich im Kreiß herum und nahm den Streit in acht , Verfinſterte die Stirn , und winckte mit den Haͤnden ,
Man ſolle des Geſpraͤchs Unartigkeiten enden .
So tief man im Geſchwaͤz , und in dem Eifer war ,
So bald ward alles ſtill , wie nach dem Regen klar ;
95
Der Saal bequemte ſich den Unfug abzulegen : Jmmittelſt ſahen wir die Staats-Kunſt ſich bewegen .
J Hr Anblick fiele mir beſonders ins Geſicht ;
Kein Wunder , dunckte mich , wann ſie die Bahne bricht .
Schwert , Harniſch , Helm und Schild erhoͤhten ihr Betragen ,
100
Als wollte ſie mit Macht ſich in das Mittel ſchlagen . Mehr Oberherꝛlichkeit mit Herꝛſch-Begier gepaart
Erkannte man in ihr als wahrer Hoheit Art ;
Jhr blau-geſticktes Kleid ſchien alles auszukunden ,
Weil auf deſſelben Stoff viel hundert Ohren ſtunden .
B b 3 105 „ Mich 105
Mich hielte dieſe Tracht befremdet und entzuͤckt ; Die Falten waren auch mit Augen ausgeſchmuͤckt ,
Die Bliz-geſchwind den Blick nach allen Seiten ſchoſſen ,
Als haͤtte ſie der Streit und das Getoͤß verdroſſen .
So fieng ihr Vortrag an : „ Seit dem ich angehoͤrt ,
110
„ Was jeder Freundinn Herz vor Ehrbegierde naͤhrt , „ Hab ich mir Frieß und Rang , und Ehr und Ruhm verſprochen .
„ Dann wer hat mehr als ich am Feinde ſich gerochen ?
Hierauf fiel jemand ein , ( die ſchimmerte von Gold )
„ Was „ , ſprach ſie , biſt du dann nur deinen Sinnen hold ?
115
„ Jſts moͤglich , daß dein Herz dem Mund nicht wiederſpreche ? „ Es kommt mir vor , daß es dir an Beweis gebreche .
„ Schreckſt du vielleicht nur die , die leicht zu ſchrecken ſeynd ?
„ Erklaͤr uns deine Rach ! wie ſtrittſt du mit dem Feind ?
Die Staats-Kunſt wandt nichts ein ; fuhr fort : „ Nur ich kann
wiſſen ,
120
„ Wo man ſich zu dem Kampf , zum Angriff ſoll entſchlieſſen ? „ Und dieſe Kunſt hab ich die Koͤniginn gelehrt ;
„ Durch dieſe blieb ihr Thron und Zepter unverſehrt .
Die Gegnerinn erhohlt : „ Dein Augen-volles Reden
„ Mag uͤberſichtige , Wiz-loſe Sinnen bloͤden ,
125
„ Nicht aber mein Gemuͤth . Mein Herz vermag ſo viel , „ Als deiner Wiſſenſchaft Verwicklung-volles Spiel . „
Sie wieß ein Herz und ſprach : „ Hier kannſt du es betrachten ,
„ Jch weiß , man pflegt es mehr , als deine Kunſt zu achten .
„ Was „ Was meine Zunge ſpricht , das wiederhohlt mein Herz ;
130
„ Dein Reden aber iſt nur Heicheln , oder Scherz . Thalia ſagte mir : „ Die ruͤhrt die ſtaͤrckſten Geiſter ;
„ Es iſt Aufrichtigkeit , ſie wird der Staats-Kunſt Meiſter ;
„ Sie deckt die Falſchheit auf , ſo die mit Worten faͤrbt ;
„ Sie ſtellt aufrichtig her , was die mit Liſt verderbt .
135
„ Der traut man nur mit Furcht , weil ihre Wort ’ und Thaten „ Sich wiederſprechend ſeynd , und oft in Zwiſt gerathen ;
„ Wo jene nur verſpricht , was gleich geſchehen ſoll :
„ Daher bezeigen ſie einander einen Groll .
„ Der beyden Meinungen ſeynd ſelten zu vergleichen ,
140
„ Sie muͤſſen ſich ſehr oft in den Geſchaͤfften weichen . Die Staats-Kunſt ruhte nicht , ſie hob ein Buch empor ,
Und kam uns , ihren Zorn mit Liſt verbergend , vor .
Jndem ſie theils entflammt , theils freundlich wiederſezte :
„ Dieß iſt das Buch , worein ich meinen Rathſchlag ezte .
145
( Sie ſchlug , indem ſie ſprach , ein , zwey Mahl auf das Buch ) „ Hierinnen findet ihr der Frage Schluß und Spruch !
„ Hierinnen ſteht die Macht , das Trieb-Werck aufgeſchrieben ,
„ Durch welches man des Feinds Beſtreben aufgerieben .
„ Dieß iſt das Staats-Geſez , der Kriegs - und Friedens-Schild ,
150
„ Den ich der Koͤniginn im Streit vor Augen hielt . „ Es braucht des Redens nicht ; hieraus iſt Heil entſproſſen ,
„ Hierinnen iſt das Gluͤck des Vaterlands verſchloſſen .
„ Nimm ! „ Nimm ! lies ! ( ſie bot es an ) Freundinnen ! ſchaͤzet es !
„ Sprecht aus , ob dieſes Buch nicht ein vollſtaͤndiges
155
„ Staats-Kriegs - und Friedens-Werck , ein wahrer Grund-Stein ſeye , „ Vermittels deſſen ich den Bau des Throns erneue !
Etwelche ſtunden auf , und drangen ſich darnach ,
Weßwegen das Geſpraͤch ſich etwas unterbrach .
Man wollte dort und da den Jnnbegriff erſehen ;
160
So mußte dieſes Buch von der zu jener gehen . Thalia nahm es auch und ſah das Vorblatt an ,
Daß ich Gelegenheit , es auch zu ſehn , gewann .
Jch las nur obenhin von Erb-Recht und Gewaͤhrung ,
Von Manns - und Weibs-Geſchlecht , von Frieden und Verſchwoͤrung .
165
Aufrichtigkeit ſah zu , was es dann wurde ſeyn ,
Und ſprach : „ So nenneſt du die goldne Blaͤtter dein ?
„ Wann unſer Groſſer Carl zu dieſer Zeit noch lebte ,
„ Wer weiß ob dein Geſpraͤch den Schaz ſo ſehr erhebte ?
„ Wann hat er dich ſo viel , als mich , um Rath gefragt ?
170
„ Wie manch Mahl hat er dich von ſeinem Thron verjagt ? „ Was nuͤzet dieſer Streit ? zu was das eitle Zancken ? „
Sprach hier die Wachſamkeit , mir muͤßt ihr es verdancken ,
„ Es iſt mein Meiſterſtuͤck ! das Buch iſt eine Frucht ,
„ Die meiner Sorge Macht zu pflanzen hat geſucht ;
175
„ Sie wuchſe ſo behend , und triebe ſolche Sproſſen , „ Aus derer Kern und Saft dieſelben Baͤume ſchoſſen ,
„ Von „ Von welchen meine Kunſt den Saͤulen-Bau geſchnizt ,
„ Mit welchem man den Thron der Koͤniginn geſtuͤzt ,
„ Als ihn der Sturm des Kriegs von weiten nur gedrohet ,
180
„ Und ihr zum Theil verzagt aus der Gefahr entflohet . „ Recht „ , ſprach Aufrichtigkeit , ich halff getreu dazu ;
„ So hat die Wachſamkeit und ich , nicht aber du
„ Du Staats-Kunſt dieſes Buch , das Staats-Geſez erfunden :
„ So iſt man uns , nicht dir , fuͤr dieſes Werck verbunden .
185
„ Die Feinde lockten zwar , wir aber trauten nicht ; „ Das iſt , warum wir es zur Bruſtwehr aufgericht .
„ Die Unaufrichtigkeit ſo gar hat beygetragen ,
„ Die Feinde mußten auch verſchiedne Pfeiler ſchlagen .
„ So ward Thereſia des Vater-Throns gewaͤhrt ,
190
„ Bevor du deinen Rath zu dieſem Werck erklaͤrt . „ Dich hatten alle die , ſo deiner Kunſt gehorchten ,
„ Mißtrauend , zweifelhaft und Sorgen-voll geforchten ,
„ Als Offenherzigkeit den Willen und die That
„ Verſchiedner anderer dahin bewogen hat ,
195
„ Daß ſie mit Herz und Macht ſich unſer angenommen , „ Uns und der Koͤniginn zum Schuz ſeynd angekommen .
M An hoͤrte dem Geſpraͤch bisher aufmerckſam zu ,
Faſt jedermann gab acht , und blieb in ſtiller Ruh ;
Nur dieſen Augenblick entſtund an einer Seite
200
Ein Murmeln und Geraͤuſch , als wann man ſich erfreute . C c Man Man wußt nicht was es ſey , biß endlich eine Thuͤr
Alldort ſich oͤffnete ; mithin erfuhren wir
Warum man ſich erregt ’ . Es kamen zwey Perſonen ,
Vielleicht , wie gleich geſchah , dem Kreiſe beyzuwohnen .
205
Dadurch fiel einigen die Meinung in den Sinn : Es komme ſelber auch vielleicht die Koͤniginn ;
Man habe ſchon gehoͤrt derſelben Stimme klingen ;
Die Beyden werden uns gewiß die Nachricht bringen .
Jnzwiſchen nahte ſich ein Ehren-werther Mann ,
210
Der Zweifel , der den Saal verließ , war ſein Geſpan . Er kam mit Langſamkeit und mit bedachtem Schritte ;
Kaum war er bey dem Kreiß , auch faſt in deſſen Mitte ,
So ward des ganzen Saals Verwunderung erweckt ,
Dann keine Tugend wußt was in der Ankunft ſteckt .
215
Er neigte ſich und gieng zum Thron , blieb an den Treppen ; Jm Gehn ſchwung er das Kleid , um es nicht nachzuſchleppen ,
Bequemlich um den Leib . Es hieng vor ſeiner Bruſt
Ein ſchimmernd goldnes Herz ; ſo war uns faſt bewußt ,
Wer dieſer Alte ſey . Er wies gelaſſne Guͤte ;
220
Der ſittſame Betrag entdeckte ſein Gemuͤthe . Jch hatte nach und nach Zufriedenheit geſpuͤhrt ,
Mit welcher dieſer Greiß den ganzen Saal geruͤhrt .
Auf einmahl ward es ſtill ; indem er angefangen
Den Kreiß in Freundlichkeit und Zaͤrte zu belangen :
225 Wa - 225
Warum er hergerufft , und hergekommen ſey ; Er habe nichts gewußt ; es ſchein ihm alles neu :
Von der Verſammlung aus hab man um ihn geſchicket ;
Dahero ſchaͤz ’ er ſich verpflichtet und begluͤcket ,
Und nehme den Befehl zu ſeines Alters Ehr ,
230
Daß man daſſelbige zu dieſem Rath begehr . Der Zweifel , der zuvor ſich aus dem Saal verſchlichen ,
Und jezo wieder kam ; erzaͤhlte von den Spruͤchen
Die er ſelbſt angehoͤrt , den kuͤrzeſten Begriff ;
Beſonders daß die Zeit faſt ohne Frucht verlief :
235
So woll ’ er ſeine Stimm und Meinung offenbaren ; Um mehr Weitlaͤufigkeit der Sache zu erſpahren .
Hierauf erblickte man in ſeinem Angeſicht ,
Als haͤtt er etwan ſchon von allem Unterricht :
Doch daß er ſich vielleicht noch mehr belehren wollte ,
240
Bevor man ſeinen Sinn und Rath vernehmen ſollte . Sein Schnee-weiß krauſes Haar , ſo Kinn und Haupt umfieng ;
Das Aug , aus welchem Ernſt und Geiſt und Anmuth gieng ,
Gab deſſen Wiz , Vernunft und klugen Geiſt zu kennen ;
Drum war man auch bereit , ihm gleich Gehoͤr zu goͤnnen .
245
Etwelche ſtunden dort , liebkoſten ihm ſo ſehr ,
Als wann er nicht nur Rath , auch ſelbſt ihr Vater waͤr :
Faſt jede drang ſich hin und zeigte Rangs-Begierde ,
Gleich als ob jene mehr , als die geſchaͤzet wuͤrde .
C c 2 Jn - Jndem nun dieß Geſpraͤch ſich allgemach verlohr ,
250
So trat er zu dem Kreiß , um laut zu reden , vor . Er ſpielte mit der Hand an ſeiner goldnen Kette ,
Als er noch um ſich ſah , und endlich alſo redte :
„ So ſchmeichelt jede ſich , wie man mir beygebracht ,
„ Durch ihrer Tugend Amt des Rangs , der Ehren-Pracht ?
255
„ Man uͤbereilet ſich ; durch Eilen kann man fehlen : „ Gar ſelten pflegt man recht mit Eil ’ und Streit zu waͤhlen :
„ Noch weniger wo man den Wiederſinn erweckt ,
„ Und einer Frage Schluß in tauſend Fragen ſteckt ,
„ Wie dieſe von dem Frieß , und von dem Ruhm-Gebaͤude .
260
„ Mir ſcheint daß man ſo leicht die Frage nicht entſcheide . „ Jhr kennt mich insgeſammt , mich , jenen guten Rath
„ Fuͤr den Thereſia ſo groſſe Gnaden hat .
„ Daher bin ich von euch , iſt es nicht ſo ? beruffen ,
„ Daß ich entſchlieſſen ſoll , wer zu den Ehren-Stuffen
265
„ Mit Recht verſehen ſey ? was in dem Fall zu thun ? „ Bey welcher mehr Verdienſt ’ , als bey der andern , ruhn ?
„ So will ich ungefaͤrbt nur was ich dencke , ſagen ,
„ Jedoch nicht meinen Rath als Richtſchnur vorzuſchlagen .
„ Es trachtet jede faſt nach dieſem Ehren-Rang :
270
„ Hat die Begierde nicht der Eigen-Liebe Klang , „ Die man ſonſt billig haßt ? allein es will gebuͤhren ,
„ Daß man von dem Verdienſt und Ruhm nichts ſoll verliehren ,
„ Man „ Man hieß es ungerecht . Jedoch ich laß ’ es ſeyn :
„ Es ſchlieſſe dieſes Fries nur einen Nahmen ein ,
275
„ Dem alle Tugenden den Vorzug geben ſollen ; „ Wer wird den Unterſcheid , bedenckt es ! leiden wollen ?
„ Zu dem wer bin dann ich ? weil ich nichts bergen will ;
Hier ſchwieg der gute Greiß , und alle waren ſtill .
Drauf fieng er wieder an : „ haͤtt ich dann nichts zu weiſen ?
280
„ Kennt ihr den guten Rath dann nicht , mich , dieſen Greiſen ? „ Was hab ich fuͤr das Heil des Vaterlands gethan ?
„ Doch nein : man fange nicht von mir zu reden an .
„ Sagt ! klunge nicht ſehr oft die Zeitung in den Ohren :
„ Der Feind hat wiederum , wer weiß es , was , verlohren ?
285
„ Wer hat in ſolchem Fall ihn dann davon gejagt ? „ Von wem war er beſiegt ? wer hat den Kampf gewagt ?
„ Jch habe manches Mahl das Heer in Lorber ſtehen ,
„ Hingegen unſern Feind zerſtreut entfliehn geſehen .
„ Haͤtt ich nur Luſt und Zeit und mehr Gedaͤchtniß-Kraft ,
290
„ So gaͤb ’ ich euch davon genaue Rechenſchaft . „ Jch wollte Mann vor Mann von hundert tauſend Helden ,
„ Und eines jeden Pflicht , Amt , Thun und Laſſen melden ;
„ Hieraus erkenntet ihr , wer unſre Feinde ſchlug ,
„ Wer bey dem Haupt-Triumpf die Sieges-Fahnen trug .
295
„ Betrachtet jenes Volck , ſo wir Soldaten nennen ; „ Dem wir des Vaterlands Beſchuͤzung zuerkennen !
C c 3 „ Den „ Den Schwarm , der aus dem Stahl der ſchwerſten Helmen blizt ,
„ Und Mann und Pferd und Feld troz einer Mauer ſchuͤzt ;
„ Das Anſehn und das Herz der tapferſten Schwadronen ;
300
„ Den kuͤhnen Helden-Blick der edelſten Perſonen ; „ Das ſchimmernde Gewehr , ſo ſtets zum Kaͤmpfen gluͤht ;
„ Den Haufen , welcher nicht als vor ſich ſelber flieht ;
„ Die Schwerter ; das Geſchuͤz ; die ſcharff-gekruͤm̃ten Klingen ;
„ Die Taſchen , welche Bliz und Feur und Donner bringen .
305
„ Seht jenen , deſſen Bruſt dem Feind entgegen ruͤckt , „ Zu Pferd , auch oft zu Fuß den frechen Saͤbel zuͤckt ;
„ Schaut jene , welche nur im Feur den Eifer kuͤhlen ,
„ Von welchem ſie das Herz zum Kampf ermuntert fuͤhlen .
„ Was iſt die Tapferkeit , was iſt der Angriff werth ,
310
„ Den oft der Feinde Stolz von jenem Volck erfaͤhrt , „ Das , Wetter-Strahlen gleich , ſich und den Saͤbel wendet ,
„ Der Koͤniginn zum Schuz ſein Gut und Bluth verſchwendet ?
„ Erweget ! iſt ein Volck ſo feurig und ſo ſtarck ,
„ Als jenes , dem die Treu und Liebe nichts als Marck
315
„ Der Unerſchrockenheit in Herz und Adern floͤſſet , „ Das nur in Mord und Brand die Helden-Bruſt entbloͤſſet ?
„ Die Schaar , die wie ein Pfeil auf ſchnellen Pferden jagt ,
„ Nach keinem Mord-Metall , nicht nach Gefahren fragt ;
„ Zum Anfall ploͤzlich iſt , auch wie der Bliz entfliehet ,
320
„ Und dannoch in der Flucht den Sieg dem Feind entziehet . „ Welch „ Welch unverzagtes Volck ? erweget nicht die Zahl !
„ Nur deſſen Streitbarkeit , Herz , Antliz , Muth und Wahl !
„ Jſt es nicht eine Reih von unbeſiegten Rittern ,
„ Die nur , wann ſich der Feind entfernt , fuͤr Rache zittern ?
325
„ Habt ihr nicht jenes Barts , des dick bewachsnen Kinns , „ Des ſcheelen Augenblicks , des ſtarren Krieger-Sinns
„ Lebendiges Geruͤſt , das Waffen-Haus geſehen ?
„ Mit was vor Muth und Luſt es pflegt zum Kampf zu gehen ?
„ Es ſchmiegt , verbirget ſich , ſteckt in dem Wald bereit ;
330
„ Eh ſich der Feind verſieht , wirfft es ſich in den Streit , „ Schießt , hauet , ſchlaͤgt und ſticht , ſtuͤrmt , hagelt , ſtuͤrzt und wittert ,
„ Daß fuͤr der Graͤßlichkeit ſich Erd und Luft erſchuͤttert .
„ Wie viele des Geſchlechts bewaffnen nicht die Fauſt ,
„ Daß es den Helden ſelbſt fuͤr ſolchen Helden graußt ?
335
„ Sie laſſen Heerd und Pflug auf ihren Feldern ſtehen , „ Fuͤr ihre Koͤniginn ins Krieges-Feld zu gehen .
„ Jſt Eiſen oder Stahl zum Ackerbau geſchmidt ,
„ So wird es hingerafft , es muß zum Kaͤmpfen mit .
„ Da denckt man nimmermehr den Bauren-Hof zu huͤtten ;
340
„ Nein : ſondern Koͤnigen in Schlachten zu gebieten . „ Allein , was halt ’ ich mich bey dieſen Kriegern auf ,
„ Fort , laſſen wir das Volck in ſeinem Waffen-Lauf !
„ Betrachten wir das Haupt , die Fuͤhrer dieſer Schaaren ,
„ Die ſtets den Tapferſten vor dem Geſichte waren ;
345 „ Scheints 345
„ Scheints nicht , als waͤren ſie Beſchirmer , Schuz und Schild , „ Die Vormaur ihres Heers , das von dem Ebenbild
„ Derſelben angefriſcht , ermuntert und beſeelet
„ Die wahre Tapferkeit in ſeiner Bruſt verhoͤhlet ?
„ Da ſieht man was der Werth des wahren Adels iſt ,
350
„ Weil er alldort ſich nicht als nach den Thaten mißt ; „ Mit Unzaghaftigkeit den Arm zum Kaͤmpfen reget ,
„ Mit Tugend , nicht mit Stolz den Heerzogs-Stab beweget .
„ Wie manches junges Haupt war vor zu ſchwach geſchaͤzt ,
„ Dem doch der Sieg den Kranz des Lorbers aufgeſezt ?
355
„ Wie mancher hatte ſich den theuren Ruhm erworben , „ Daß er dem Vaterland zu Lieb im Sieg geſtorben ?
„ Dieß iſt das Bruſt-Gewehr , die Wunder-volle Schaar ,
„ Die fuͤr Thereſia zum Streit geruͤſtet war .
„ Das Schrecken ſchreckt ſie nicht ; ſie weiß uns Recht zu ſchaffen ,
360
„ Sie kom̃t , und ſieht und ſiegt durch Muth mehr , als durch Waffen . „ Nun ſagt ! wann ihr allein ſo viel gewircket habt ,
„ Warum iſt dieſes Heer mit ſolchem Ruhm begabt ?
„ Was nuͤzt die Reiterey , das Fuß-Volck , dieſe Helden ,
„ Stahl , Pulver , Bley , Metall und was davon zu melden ?
365
„ Verlaſſen wir das Feld ! fort , gehn wir in die Stadt ,
„ Die ſich Thereſia zum Thron erwaͤhlet hat !
„ Ja ! gehen wir herum , wie man die Nacht gegangen ,
„ Als ihre Feuers-Pracht zu glaͤnzen angefangen .
„ Wer „ Wer wohnet hier und dort ? ihr kennet ja das Haupt ,
370
„ Dem oft Thereſia mehr als euch allen glaubt ? „ Jſt euch der Kiel bekannt , den ſie zum Herꝛſchen brauchet ?
„ Wißt ihr , wo manche Nacht die Sorgen-Ampel rauchet ?
„ Sagt , wo das Auge wacht , das Laͤnder uͤberſieht ,
„ Und ſie , der Koͤniginn zu dienen , an ſich zieht ?
375
„ Wer iſt der fruh und ſpaͤt nach Moͤglichkeiten ſinnet , „ Und an Erfindungen , uns aufzuhelffen , ſpinnet ?
„ Wo praͤget man dem Volck Muth und Gehorſam ein ?
„ Wer legte zum Gebaͤu des Siegs den erſten Stein ?
„ Wer iſt dann jederzeit im Raths-Gemach geſeſſen ,
380
„ Jn dem Thereſia faſt jeden Fall ermeſſen ? „ Jhr habt allein gewiß nicht alles ausgedacht ,
„ Was oft ein kluger Fuͤrſt durch ſeinen Rath vollbracht ?
„ Kennt ihr diejenigen die ſtets zuſammen kamen ,
„ Auch den geringſten Fall zu unterſuchen nahmen ,
385
„ Nachdem ſie Geiſt und Herz von jenem Wahn befreyt , „ Der nur zu fragen pflegt und ſelten was entſcheidt ?
„ Wie viele zaͤhlten wir , die miteinander wachten ,
„ Damit auf jeden Fall ſie ſich gefaſſet machten ?
„ Aus ihrem Wiz und Fleiß entſtunde mancher Schluß ,
390
„ Der noch zu dieſer Zeit zur Richtſchnur dienen muß . „ Die , die bemuͤhten ſich den Weeg zum Heil zu finden ,
„ Was fern und nahe war , in eines zu verbinden .
D d „ Jch „ Jch gehe weiter fort : hat eurer Tugend Macht
„ Das Werck allein gefuͤhrt und faſt zum Ziel gebracht ;
395
„ Was ſeynd vor Wirckungen aus dieſer Muͤh entſproſſen , „ Die dieſe Friedens-Kriegs - und Staats - und Lands-Genoſſen
„ Allhier ſo Tag als Nacht , im Feld das ganze Jahr
„ Jn Froſt , in Hiz , in Durſt , in Hunger , in Gefahr
„ Mit Unverdroſſenheit und Eifer angewendet ?
400
„ Waͤr dieſes , ſagt es frey , nicht unfruchtbar verſchwendet ? „ Wer wiederſpricht mir dieß mit Recht und gutem Fug ?
„ Hat man nicht uͤberall Beweisthuͤmer genug ?
„ Zeigt nicht faſt jedes Werck die Zeichen und die Spuhren ,
„ Durch die wir den Erfolg ſo groſſer Muͤh erfuhren ?
405
„ Mit einem Wort : es iſt kein Kriegs-kein Friedens-Held , „ Von deſſen Emſigkeit , Verdienſt und Ruhm ich meld ,
„ Der nicht um dieſen Stein mit euch ſoll ſtreiten koͤnnen ,
„ Wir koͤnnten jeden faſt deſſelben wuͤrdig nennen .
„ Wer aber wurd am Schluß der Auserwaͤhlte ſeyn ?
410
„ Wem gaͤbet ihr das Recht zu dieſem Ehren-Stein ? „ Wer weiß es ? und wer kann derſelben Thaten zaͤhlen ?
„ Wie wurdet ihr ſodann den Treflichſten erwaͤhlen ?
„ Beruͤhr ’ ich endlich auch mein Amt und meine Pflicht ,
„ Die ſchon fuͤr mich das Wort , bevor ich rede , ſpricht :
415
„ Wer wiederredet mir ? kann es mir nicht geziemen , „ Gleich wie dem ganzen Kreiß , mich ſelber auch zu ruͤhmen ?
( Bey ( Bey dieſen Worten fieng der Greiß zu laͤcheln an ,
Als haͤtt er dieſe Frag aus ſtillem Scherz gethan )
„ So will ich , ohne mich durch Prahlen auszubreiten ,
420
„ Zu meinem eignen Lob durch dieſe Frage ſchreiten : „ Wer hat von euch mich nicht in jedem Fall gefragt ?
„ Wer hat es nicht befolgt , wann ich ein Wort geſagt ?
„ So machet den Beſchluß . Nun auf den Rath zu kom̃en
„ Den ihr von mir verlangt : Jch habe wahr genommen ,
425
„ Daß alles ſtrittig ſey ; was jede bey der Sach „ Sich vor Verſprechungen zu dieſem Vorzug mach .
„ Man will die Koͤniginn unwiederſprechlich ehren ,
„ Und ihrer Thaten Ruhm durch dieſen Streit vermehren ?
„ Mein , ſagt mir ! iſt die Welt nicht alles deſſen voll ?
430
„ Sagt ! wie man ihrem Glanz mehr Schimmer geben ſoll ? „ Und konntet ihr nicht oft in ihren Augen leſen ,
„ Daß allzeit ihr die Pracht unangenehm geweſen ?
„ Was Pomp iſt , haßt ihr Herz . Jedoch geſezt , ich blieb
„ Mit euerm Vorſchlag eins ; iſt dieß nicht euer Trieb ?
435
„ Wie taugte dieſer Streit nach Wuͤrde ſie zu loben ? „ Beweiſet dieſen Saz , und macht etwelche Proben !
„ Nein ! alles iſt umſonſt ! vernehmet die Geſchicht ,
„ Von welcher die Natur in ihren Buͤchern ſpricht .
„ Der Mond erhob ſich einſt die Sonne zu betrachten ,
440
„ So fieng er an , ſich ſelbſt erſtaunend zu verachten . D d 2 „ Er „ Er ſah mit truͤbem Aug an ihr die Pracht des Lichts ,
„ An ſeinem blaſſen Rund und Umkreiß aber nichts
„ Als graue Dunckelheit . Er wandt ſich nach der Ferne ,
„ Jn welcher das Gebliz der allerklaͤrſten Sterne
445
„ Die blauen Boͤgen ziert . Er nennte ſie zwar ſchoͤn , „ Allein es ſchien ihm mehr am Sonnen-Licht zu ſehn .
„ Er merckte , daß die Luft und Erde ſpieglend gluͤhe ,
„ Wann kaum ein Strahl davon im Fruͤhling in der Fruͤhe
„ Dieſelbigen bemahlt ; wie ſehr , wann ſelbſt das Rund
450
„ Der Sonne ſich erhoͤht , und jene goldne Stund „ Der Welt verkuͤndiget , die ſelbſt den Tag beſchaͤmet ,
„ Da ſie das bunte Feld mit ihrem Licht beſaͤmet .
„ So fuhr er auf und ſprach : wer iſt dann hier das Haupt ?
„ Jn dieſer Gegenwart bin ich des Rangs beraubt !
455
„ Noch mehr ein blaſſer Stern , von deſſen Eigenſchaften „ Die meiſten an der Sonn und ihrer Wirckung hafften .
„ Jch dencke was ich will ( fuhr er verwundert fort )
„ Jch ſehe kein Geſchoͤpf , kein Weſen , keinen Ort
„ Wohin nicht ihre Macht mit Licht und Strahlen dringet ,
460
„ So ſie nicht faͤrbt , belebt , erwaͤrmt , in Wachsthum bringet . „ Sie ſchwingt ſich durch die Welt mit mehrer Pracht und Schein ,
„ Als aller Sterne Glanz in eins verknuͤpft kann ſeyn .
„ Wer mag dahero nicht aus allen Wercken ſpuͤhren ,
„ Daß wir vor ihr die Kraft , mithin den Rang verliehren ?
„ Jn 465
„ Jn der Betrachtung nahm der Mond ſich dieſes vor :
„ Jch ruffe , war ſein Schluß , der groͤſten Sterne Chor
„ Und weiſe ſelbigen der Sonne Feur-Gefaͤſſe ,
„ Macht , Schim̃er , Haͤftigkeit , Pracht , Helle , Gold und Groͤſſe .
„ Was er entſchloß , geſchah . Ein Strahl des Sonnen Lichts
470
„ Nahm unterdeſſen ihm die Kraft des Angeſichts , „ So ward in einer Nacht von Oſt , Weſt , Nord und Suͤden
„ Der groͤßten Sterne Schaar von ihm zum Rath beſchieden .
„ Seht das geſchmuͤckte Reich ! den Schimmer dieſer Nacht !
„ Allein was haltet ihr von eines Tages Pracht ?
475
„ ( Trug er derſelben vor ) ihr kennt den Schein , die Helle „ Des Strahlen-reichen Runds , der hoͤchſten Goldes-Quelle ,
„ Der Sonne Majeſtaͤt ? gebuͤhrt es , oder nicht ,
„ Daß , weil es euch und mir am groͤßten Schmuck gebricht
„ Derſelben gleich zu ſeyn , wir ſie als Haupt erkennen ,
480
„ Und uns von ſelbiger die Untergebnen nennen ? „ Gefaͤllt es euch , daß wir ; wann ſie das Schlaf-Gemach
„ Des Morgens oͤffnen wird , den Vorhang nach und nach
„ Von ihrem Auge zieht ; auf ihren Anblick warten ?
„ Wie wann wir unſern Schluß und Dienſt ihr offenbarten ?
485
„ Wollt ihr , ſag ’ ich , hernach auf ihrer ganzen Reis , „ Mit eurer Strahlen Licht geziert , in einem Kreiß
„ Rings um ihr Angeſicht ſie , wo ſie faͤhrt , begleiten ?
„ Sagt , ob ihr zu dem Zug euch wollet vorbereiten ?
D d 3 „ Die „ Die ſchnelle Faͤrtigkeit zu folgen wies ſo viel ,
490
„ Als wann des Mondes Will ’ und Vorſchlag wohlgefiel . „ Man eilte nach dem Ort , wo ſich ſchon eine Roͤthe
„ Jedoch noch halb verſchleyrt aus dem Gewoͤlck ’ erhoͤhte ;
„ Des aufgeblaſnen Monds verſilbert helles Rund
„ Flog vor biß an den Ort der erſten Morgen-Stund .
495
„ Was Majeſtaͤt und Pomp ! ein Meer mit Bliz beſaͤmet ! „ Kein Wunder , wann der Glanz die Sonne ſelbſt beſchaͤmet !
„ Willfaͤhrigkeit und Freud erſchien an jedem Stern ;
„ Des Schimmers Regungen bezeugten klar , wie gern
„ Man dieſem Rath gefolgt . Sie ſchienen ſich zu winden ,
500
„ Als wollten ſie die Welt mit ihrer Freud entzuͤnden . „ Gemach , gemach erblickt ein kleiner Sonnen-Strahl ,
„ Der ſchon der falben Nacht den Abzug anbefahl ,
„ Die Krone des Geſtirns . Was Freuden in den Sternen ?
„ ( Vernehmet , Wertheſte ! nun koͤnnt ihr etwas lernen )
505
„ Die Schatten wichen ab ; die Nacht verſchliche ſich , „ Und Luft und Stern ’ und Mond ward gaͤh veraͤnderlich ;
„ Je mehr die Sonne ſtieg , je mehr der Kreiß erblaßte ,
„ Jndem er ſich zum Gruß doch Kummer-voll verfaßte .
„ Die ſanfte Dunckelheit ward unvermerckt zu Licht .
510
„ Die Strahlen fielen ſchon den Sternen ins Geſicht ; „ Die Sonne nahte ſich , fieng heimlich an zu lachen ,
„ Da ſie die Reihe ſah um ihren Wagen machen .
„ Es „ Es wich was Schatten heißt , von allen Seiten ab ,
„ So daß die Sonne ſich ganz hell zu ſehen gab .
515
„ O du verblendter Mond ! geh ! weich mit deinen Sternen ! „ Sie mußten ihr Geſicht vom Sonnen-Feur entfernen ;
„ Und als ſie ſich beſahn , war Pracht und Schimmer hin :
„ Sie merckten kaum , wohin die Sonne wurde ziehn ;
„ So ward der Sterne Glanz vernebelt und verhuͤllet ;
520
„ So blieb ihr Wunſch , ihr Gruß , ihr Vorſaz unerfuͤllet . „ Der Mond begab ſich hin , auch faſt ein jeder Stern ,
„ An ſeinen Himmels-Kreiß ; betrachtete von fern
„ Der Sonne Gold-Triumpf . Je mehr man den ſah funckeln ,
„ Je mehr ſah man den Mond fuͤr Ehrfurcht ſich verdunckeln .
525
„ So brach er alſo loß : Der Sonne fehlts an nichts ; „ Zu was bedarff ſie dann des ſchwachen Sternen-Lichts ?
„ Sie prangt mit eigner Macht ; ſie kann ſich ſelber kroͤnen ,
„ Jch ſelber muß von ihr mein ſchoͤnſtes Licht entlehnen .
„ Nun komm ’ ich wiederum zu dieſem Tugend-Saal :
530
„ Errathet ihr , was ich durch dieſe Fabel mahl ? „ Der Sternen-Kreiß ſeyd ihr . Thereſia die Sonne ,
„ Die Fuͤrſtinn euers Chors , Vergnuͤgen , Luſt und Wonne .
„ Mich dunckt ich irꝛe nicht ; und ſelber ihr verſteht ,
„ Daß die Begebenheit nach meiner Abſicht geht .
535
„ Die Sonne reget euch , verherꝛlichet , belebet , „ Begeiſtert eure Macht , wann ihr um ſelbe ſchwebet .
„ Jhr „ Jhr haͤttet ſelbſt vielleicht des Monds Entſchluß verlacht ,
„ Als er der Sonne Glanz den Morgen-Gruß gebracht .
„ Wie kann es demnach ſeyn , daß ihr ihr Haupt bekraͤnzet ,
540
„ Da ſelber eure Pracht nicht als durch ſelbes glaͤnzet ? „ Erſinnet was ihr wollt , erfindet eine Pracht !
„ Gewiß iſts , daß ihr euch vergebne Muͤhe macht :
„ Jhr , die Thereſia mit ihren Strahlen zieret ;
„ Jhr , derer hoͤchſter Glanz von ihrem Licht herruͤhret .
545
„ Ja da waͤr alles recht und fuͤglich ausgedacht ,
„ Vielleicht auch ſchon ſo viel , als zu dem Zweck gebracht ,
„ Man haͤtt auch dieſes Streits Entſcheidung ſchon gewonnen ,
„ Wann ihr nicht Sterne waͤrt , nein : ſondern helle Sonnen .
„ Jedoch ich troͤſte mich . Es ſcheinet bey der Sach
550
„ Noch guter Rath zu ſeyn . Jch forſche beſſer nach . „ Vernehmt , was ich vermein ! ..... Es ließ an einer Seite ,
Als wann man dorten ſich ſchon wiederum entzweyte ;
Allein man ſpuͤhrte nur den Vorhang einer Thuͤr :
Durch deſſen Oeffnung ward der alte Redner irꝛ .
555
Jch nahme wahr , daß er in Mißvergnuͤgen ſeye , Daß man durch das Geraͤuſch die Achtſamkeit zerſtreue .
Weil es den Augenblick in ſeiner Miene ließ ,
Gleich als ob er Verdruß und Wiederwillen wies .
Er wandte das Geſicht , die finſtern Augen-Lieder ,
560
Der Blicke Regungen , die Stellung hin und wieder . Sieh Sieh da ! welch ’ angenehm ’ und reizende Perſon
Kam ungefaͤhr daher , und gieng faſt biß zum Thron ?
Sie wies holdſaͤlige , liebreich ’ und ſanfte Mienen ,
Aus denen Sittſamkeit und Tugend-Reiz erſchienen .
565
Ein Zepter-gleicher Stab in ihrer zarten Hand War , was die Gegenwart vor wunderbar befand :
Auf deſſen Spize ſtund ein Aug in ſcharffen Blizen ,
Als wann es dieſen Rath im Kreiſe ſaͤhe ſizen .
Sonſt aber hatte ſie nur auf ſich ſelber acht ,
570
Biß endlich ſie , warum ſie kame , vorgebracht . Das Wort , ſo man vernahm , aus ihren Lippen flieſſen ,
Schien ihrer Stimme Klang und Anmuth zu verſuͤſſen .
„ Mich ſchickt „ , ſo ſprache ſie zum Rath , Thereſia ;
„ Sie weiß ſchon von dem Streit der unter euch geſchah .
575
„ Sie will , ich ſoll behend dem Tugend-Kreiſe melden : „ Man rede gar zu viel , wer weiß von was vor Helden .
„ Sie wolle das Gepraͤng , wann es noch nicht erricht ,
„ Fuͤr ſich auf keine Weis , auf keine Weiſe nicht .
Jndem ſie den Befehl beſcheiden ausgeſprochen ;
580
Jſt ihr aus dem Geſicht die Roͤthe vorgebrochen . Der Kreiß ſtund aber auf . Man liſpelte zugleich ,
Verſchiedne wurden ſtill , die roth und andre bleich .
„ Wohlan ! „ fuhr jemand auf , wer hat den Preiß gewonnen ?
„ Warum hat man ſo lang auf einen Schluß geſonnen ?
E e 585 Die 585
Die Fremde trat zuruͤck . Jnzwiſchen war der Greiß
Jm Sinn beſchaͤftiget , als daͤcht ’ er , was das heiß ;
Doch wies er Freundlichkeit . Weil viele vieles redten ,
So ward ich dieß gewahr : „ Wir koͤnnten etwas wetten ,
„ Daß unſer guter Rath die Nachricht vor gewußt ,
590
„ Die von Thereſia man uns erinnern mußt . Sonſt aber wer erzaͤhlt , was die Matronen dachten ?
Was vor Erwegungen ſie bey dem Umſtand machten ?
Jezt ſahe man den Rath , und jezt einander an ;
Die redte ; jene ſchwieg ; da ſich der Greiß beſann ;
595
Als ſtuͤnde ſein Gemuͤth in zweifelnden Gedancken ; Als fieng er wieder an in ſeinem Schluß zu wancken .
„ Doch fuhr er endlich fort : „ ihr wißt von was ich ſprach :
„ Was man uns anbefahl , taugt zu derſelben Sach .
„ Was uns Thereſia zu wiſſen machen lieſſe ,
600
„ Jſt eins mit dem , was ich noch in dem Sinn verſchlieſſe . „ Die den Befehl gebracht , iſt die Beſcheidenheit ,
„ Sie lobt den Ehrgeiz nicht . Sie liebt die Sittſamkeit .
„ Sie wird die Koͤniginn gewiß bewogen haben ,
„ Sie ſoll den Marmel-Stein , und was darein zu graben ,
605
„ Ja was des Nahmens Roſt vertilgt , den Glanz erhaͤlt „ Daß er der ſpaͤtſten Zeit in das Geſichte faͤllt ;
„ Was unſer Vorſchlag war ; den Tugenden verbieten ,
„ Man muͤſſe ſich davor als Eitelkeiten huͤtten .
„ Das , „ Das , glaub ich , war ihr Rath . Wer aber kann die Lieb ,
610
„ Den Eifer , die Begier , der Ehrfurcht edlen Trieb „ So leicht mißbilligen , den man mit Recht empfindet ,
„ Da er der Herzen Macht durch Anzugs-Kraft entzuͤndet ?
„ Doch , weil es ihr Befehl , ſo leben wir darnach ;
„ Der Weeg zum Ziel der Frag iſt noch viel hundertfach ;
615
„ Nur einen waͤhlen wir . Ergreiffen wir das Mittel : „ Bezieren wir den Stein mit einem andern Titel .
„ Gebt meinem Vorſchlag Statt ! es kommt nur auf die Wahl :
„ Jhr kennt das Helden-Herz in ihrem Ehgemahl ?
„ Jch weiß , daß ihr ihn auch ſo wohl , als ſie beſizet ;
620
„ Daß er den Tugend-Chor ſo wohl als ſie beſchuͤzet . „ Bey dieſem bleiben wir ; den ſezen wir uns vor ;
„ Mir ſcheint , Thereſia ſag ’ es mir ſelbſt ins Ohr :
„ Daß das , was man vor ihn zum Ruhm , zur Ehr errichte ,
„ So viel ihr eignes Herz , als ſelber ihn verpflichte .
625
„ Jhr Wollen iſt ſo feſt verknuͤpft und einerley ,
„ Als wann die Weſenheit in zweyen einfach ſey .
„ Das Bindniß ihres Sinns , ihr zaͤrtliches Vernehmen
„ Kann ſelbſt der Einigkeit Verrichtungen beſchaͤmen .
„ Jhr Thun und Laſſen iſt von ſo verbundner Art ,
630
„ Daß eins des andern Sinn als einen Schaz bewahrt . „ Sie will nur , was er will ; er denckt , was ſie gedencket ;
„ Jhr Leben iſt in ihm , ſein Herz in ihr verſencket .
E e 2 „ Sie „ Sie ſtreiten , welches mehr dem andern angenehm ;
„ Was dem beliebig iſt , wird jenem auch bequem .
635
„ Es iſt nichts was den Bund ſo theurer Eintracht ſtoͤhre ; „ Nichts , was die Gegengunſt der Gegentreu verſehre .
„ Seht nur das Herꝛſchen an ! wie ſie der Kronen Laſt
„ Und er mit ihr des Throns Beſchwerlichkeiten faßt ;
„ Wie unermuͤdet ſie den Sinn , den Winck , den Willen
640
„ Eins fuͤr das andere zu gleicher Zeit erfuͤllen . „ Eins iſt dem anderen ſo treu , geneigt und lieb ,
„ Als kaͤm die Regung nur von eines Herzens Trieb .
„ Die ſanften Wirckungen der Eintracht ihrer Seelen
„ Seynd , daß man beyde kann vor ein Geſchoͤpfe zaͤhlen .
645
„ Sie wohnt in ſeiner Seel , er herꝛſcht in ihrer Bruſt ; „ Jhr Aug ergoͤzet ſich in ſeiner Augen Luſt .
„ Es iſt ein Zwillings-Paar in Sinn , Geſtallt und Wercken ;
„ Eins weiß das andere mit gleicher Kraft zu ſtaͤrcken .
„ Geſchieht es , das man eins in Traur und Drangſal ſtuͤrzt ;
650
„ So wird ſie durch das Leid des anderen verkuͤrzt . „ Vergnuͤgen , Freud und Troſt , Leid , Unluſt , Qual und Schmerzen ,
„ Vermehren , mindern ſich zugleich in ihren Herzen .
„ Ermuntert er den Blick , ſo faßt ihr Auge Muth ,
„ Weil ihre Luſt allein in ſeiner Freude ruht .
655
„ Selbſt Unzertrennlichkeit iſt ihrer Neigung Kette ; „ Der Sinnen Einigkeit der beyden Seelen Bette .
„ Die „ Die Tugend iſt der Quell , aus welchem alles quillt ,
„ Was beyde mit der Kraft der Zaͤrtlichkeit erfuͤllt .
„ O Wunder-volles Paar ! das ſelber ſich begluͤcket ,
660
„ Weil eins das andere durch Rath und Tugend ſchmuͤcket . „ Jhr Herz iſt jenes Erz , in dem das Ebenbild
„ Des Ehgemahls gepraͤgt ; er aber jener Schild
„ Mit dem , wann ungefaͤhr ein Unfall ſie beſtuͤrmet ,
„ Sie ſich Vertrauens-voll , auch Kron und Thron beſchirmet .
665
„ Jhr Aug iſt jenes Ziel , nach dem er allzeit ſchaut ; „ Und er der treue Rath , dem ſie das Herz vertraut .
„ Jhr Seyn und Dencken iſt ſo feſt und unzertrennet ,
„ Daß keins von ihnen ſich als in dem andern kennet .
„ Nur weil es ihr gefaͤllt , ſizt er auf ihrem Thron ;
670
„ Nur weil es ihm gefaͤllt , traͤgt ſie den Schmuck der Kron . „ Er wuͤnſcht ihr einen Schaz von hundert Koͤnigs Kronen ;
„ Und ſie , daß er den Thron des Erd-Runds koͤnnt bewohnen .
„ Unuͤberwindlichkeit iſt zwar ihr Eigenthum ;
„ Doch ließ ihr groſſer Geiſt dem Ehgemahl den Ruhm
675
„ Daß niemand in der Welt , als er , ihr Herz beſiegte ; „ Verluſt , der ihren Sinn mehr als ein Sieg vergnuͤgte .
„ Je mehr man ſie verehrt , je mehr wird er erhoͤht ;
„ Sie ſchmuͤckt und zieret ihn durch ihre Majeſtaͤt .
„ Wer kann dahero nicht aus allen ihren Wercken ,
680
„ Daß ſie nur ihn verlangt geehrt zu ſehen , mercken ? E e 3 „ So „ So ſeyd ihr insgeſamt des Vorſchlags uͤberzeugt ,
„ Zu weſſen Wircklichkeit ſich meine Rede neigt .
„ Was heißt es , ſelber uns mit Helden-Saͤulen ehren ?
„ So gar uns um den Rang in einen Streit empoͤren ?
685
„ Sie beyde ſeynd ſchon eins , beſtaͤndig eins zu ſeyn , „ Thron , Zepter , Kron und Ruhm beſizen ſie gemein ;
„ So daͤrffen wir nicht mehr in ſolchem Zweifel ſtehen ,
„ Genug : Thereſia will ihn geehret ſehen .
„ Es bleibt bey meinem Saz : er iſt die ſchoͤnſte Wahl ,
690
„ Wir weihen ihm allein des Frieſes Ehren-Mahl ! „ Was ? oder hoͤren wir der Kuͤnſte Gutbefinden ;
„ Vielleicht iſt deſſen Ruhm viel praͤchtiger zu gruͤnden
„ Als nur in dieſem Stein , der mit dem Bau vergeht ,
„ Und nicht ſo lang , als Ehr und Ruhm des Fuͤrſtens , ſteht ?
695
„ Was Tugenden erbaun , und Wiſſenſchaften zieren , „ Kann ſeinen Preiß nicht eh , als mit der Welt verliehren .
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