PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Thereſiade Ein Ehren-Gedicht.
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Erſter Theil.
Wienn/ gedruckt bey dem Univerſitaͤts-BuchdruckerJohann Jacob Jahn/1746. Zu finden bey dem Herꝛn Verfaſſer. Und Bey dem Buchfuͤhrer zum goldnen Vließ auf dem Juden-Plaz.

Thereſiade, ein Ehren-Bedicht durch den Hrñ Franz Chriſtoph von Scheijb in Gaubikolheim, der N. Se: Landſchafft Secretarium, und Mitglied der Beſellſchafft zu Cortona. Servati facimus, meritósque novamus honores. Virg: l. 8. Æneid: v. 180.

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Vienn in Oeſterreich. 1746.

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Der Unſterblichkeit des Stammens Habsburg, und Lothringen.

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O D E.

WAcht auf! ermuntert euch! verlaßt die duͤſtern Hoͤhlen
Jhr Fuͤrſten, derer Ruhm zu keiner Zeit vergeht!
Steigt aus dem Schutt empor! wir wollen euch erzehlen:
Wie weit Thereſia ſich uͤber euch erhoͤht;
Wie weit Thereſia im Herꝛſchen, Streiten, Siegen
Den Rang, der euch gebuͤhrt, bereits hat uͤberſtiegen.
AJhr
JHr, die ihr manches Land bezwungen und beſchirmet;
Dem Waffen - Strohm des Feinds mit Starckmuth vorgeſchantzt:
Jhr, derer Schwert und Muth auf keinen Wall geſtuͤrmet,
Wo nicht die tapfre Fauſt den Sieges-Fahn gepflantzt:
Seht den Zuſammenhang der Staats - und Kriegs-Geſchaͤfte!
Sagt! uͤbertrifft er nicht die Wirckung eurer Kraͤffte?
WEr iſt von euch, der jung; doch Alten gleich gekaͤmpffet;
Der aller Hilff entbloͤßt den Sieger ſelbſt erſchreckt?
Wer iſt der ohne Macht, die groͤſte Macht gedaͤmpfet,
Und faſt am Untergang die Lorber aufgeſteckt?
Werfft den erſtaunten Blick auf dieſe Zier der Frauen!
Sie laͤßt dies Wunder euch in ihren Thaten ſchauen.
DEr Helden Preiß und Fuͤrſt; der Fuͤrſten Haupt erbleichet;
Der Grund des Throns erbebt; des Stammens Pracht verdirbt;
Des Staates Sauͤle faͤllt; der Laͤnder Schutz entweichet;
Ja! Kayſer, Koͤnig, Fuͤrſt und Held, und Vater ſtirbt!
Was haͤttet, Fuͤrſten! ihr in eurem Rath entſchloſſen,
Wann euch dergleichen Sturtz und Fall waͤr zugeſtoſſen?
Der
DEr naͤchſt erfolgte Tag entdecke Feur und Flutten;
Ein ungefuͤrchter Freund raub eurer Voͤlcker Ruh:
Es eile Schaarenweiß, und wider das Vermuthen
Ein zweyfach-doppelt Heer auf eure Mauren zu:
Sagt! wuͤrde bey dem Sturm, bey ſolchen Ungewittern
Nicht auch der Tapferſte des Helden-Ordens zittern?
Thereſia verhuͤllt bey ihres Vaters Bahre
Den hoͤchſt-gerechten Schmertz in ihren Trauer-Flor:
Sie weiß nicht, was dem Thron, dem Zepter wiederfahre:
Der Feinde Zorn und Macht dringt ſchon biß an das Thor.
Jndem ſie Troſt, und Rath ſieht in den Sarg verſchlieſſen,
Glim̃t in dem Vaterland ſchon Brand und Blut-Vergieſſen.
SJe reißt den Schleyer auf, ſieht, daß die Fahnen fliegen;
Erſchrickt, faßt Hertz und rufft: verfaͤlſchter Freundſchafts-Eyd!
Der mich beſchuͤtzen ſoll, fangt an mich zu bekriegen!
So iſt dann unter Fried und Krieg kein Unterſcheid?
Sie ſchreyt Vertrauens-voll zu GOtt: HErꝛ! laß auf Erden
Mein Erb-Recht ſo erkannt, als dort im Himmel, werden!
A 2Zur
ZUr Rettung wollte ſie nach ihrer Krone langen:
Sie griff auch allbereit das ſchoͤnſte Kleinod an,
Und ſprach: Das geb ich her, die Perl ſollt ihr empfangen;
Wann ich dafuͤr den Werth des Friedens haben kan!
Umſonſt, war der Beſcheyd: Der gantze Schmuck der Krone
Jſt ſchon fuͤr den beſtim̃t, der deinen Thron bewohne.
DEr Staat erſchuͤtterte; der Thron fieng an zu wancken;
Sie gieng, beſtieg ihn doch, und trotzte die Gefahr.
Standhaftigkeit und Muth hielt ſie bey dem Gedancken,
Der Anfangs fuͤrchterlich, am Ende nutzbar war.
Je mehr der Feinde Zorn, Gewalt, und Macht erfunden;
Je weniger war ſie von jemand uͤberwunden.
WAs Carls des Groſſen Rath, und Vorſicht angefangen,
Das bracht ihr Geiſt, zu Trotz des Widerſtands, zum End.
Was Herꝛſchkunſt, Weißheit, Muth und Staͤrcke kan erlangen,
Ward ihr durch Feur und Schwert und Schrecken zugewendt.
So klein man ſie gemacht, ſo viel ward ſie vergroͤſſert:
Das Feur hat ihrer Kron ererbtes Gold verbeſſert.
Fleiß
FLeiß, Wachſamkeit, Vernunft, Witz, Hoheit des Verſtandes,
Hertz, Muͤhe, Geiſt und Muth hat ihr den Ruhm erlangt,
Daß ſie als Retterin des frohen Vaterlandes
Nicht bey den Freunden nur, auch bey den Feinden prangt.
Jm Sieg und im Verluſt, in Freuden und Beſchwerden
Hat ſie die Tugenden zu Raͤthen und Gefaͤrten.
SJe weiß im haͤrtſten Fall, den beſten Schluß zu waͤhlen;
Sie ſiegt, doch ohne Stoltz; ſie kaͤmpft, doch ohne Rach:
Jhr Endzweck iſt das Recht; ihr Streit, ſich GOtt befehlen:
Jhr Hertz ſtrebt jenen nicht, nur dieſen beyden nach.
Jhr Helden muͤßt von ihr die Helden-Tugend lernen:
Wann ihr die Schaalen ſeyd, ſo gleichet ſie den Kernen.
WJe? was? es oͤffnet ſich den Augen ein Geſichte;
Ein Lorber-reiches Haupt ſteigt aus der Gruft empor:
Ja! ſeht, wie ſich der Held, mit Ernſt zu reden, richte;
Vielleicht traͤgt er das Wort ſtatt aller Helden vor:
Er regt den Fuͤrſten-Stab; was wird es wohl bedeuten?
Jch hoffe nicht, daß er wird meinen Satz beſtreiten?
A 3Ver -
VErnehmt! ich hoͤre ſchon, wie ſeine Worte thoͤnen:
Halt ein! es iſt zu viel, was man uns vorgebracht:
Will man vielleicht damit nur unſre Thaten hoͤhnen?
Wir wiſſen auch, ſagt er, was einen Helden macht.
Durch Dichter werden oft aus Hirn-Geburten Helden:
Was, wann ſie gar mit Recht wahrhafte Thaten melden?
ANd wer beredet uns, daß Koͤnigliche Schwuͤre,
Ein GOtt-geweyhtes Wort auf einmahl ohne Frucht?
Daß man die Koͤniginn alldort zum Opfer fuͤhre,
Wo Sie Gewehr und Hilff und Zuflucht hat geſucht?
Der Himmel haͤtt gewiß .... Jedoch hier muß ich ſchweigen;
Es waͤr Vermeſſenheit, ſein Urtheil anzuzeigen.
WAnn alles, was du ſagſt, ſich in der That befuͤnde,
Was hieß man endlich Recht, Treu, Glauben, Fried und Krieg?
Sag, ob der Erden Rund nicht im Verderben ſtuͤnde?
Das Recht nicht, die Gewalt erlangte Rang und Sieg.
Was waͤr an einem Pflug, an einem Helden-Degen,
An Ordnung und Geſatz; an Ehr und Ruhm gelegen?
Umſonſt
AMſonſt erwaͤhneſt du ſo viele Wichtigkeiten;
Waͤr der geringſte Theil von der Erzehlung wahr;
So ſchwuͤng Thereſia ſich uͤber alle Zeiten:
Der Anfall, und der Schutz iſt viel zu wunderbar.
Du ſuchſt nur, uns den Ruhm, den Helden-Lohn, zu rauben:
Geh, ſag es wem du wilſt! wir koͤnnen es nicht glauben.
WJe? dieſes iſt die Sprach und Antwort unſrer Ahnen?
Sie meſſen dem Bericht ſo wenig Glauben bey?
Sie neigten ſonſt gewiß mit Ehrfurcht ihre Fahnen,
Und nennten den Geſang nicht eine Schmeicheley.
Entweder fuͤrchten ſie, Thereſia ſey groͤſſer:
Was? oder eyfern ſie, daß ihre Thaten beſſer?
NEin: die Unmoͤglichkeit macht, daß ſie dieſes meinen:
Neyd, Haß, Verrath und Liſt; Zorn, Mißgunſt, Rach und Groll
Jn Waffen einig ſehn, das will nicht moͤglich ſcheinen:
Weil die Vereinigung ſich ſelbſt zernichten ſoll.
Sie meſſen dieſe That nach dem, was folgen koͤnnte:
Daß man das Recht nur dem, der furchtbar iſt, vergoͤnnte.
Kein
KEin Wunder; frage man, die gegenwaͤrtig waren:
Was ſie, da dieſer Sturm die Welt ergriff, gedacht?
Hat nicht das Aug erſtarrt, das Ohr entſetzt erfahren,
Wie dieſes Kronen-Hauß erſchuͤttert und gekracht?
Man hoͤrte, wie von Weſt und Nord der Donner rollte;
Wer hoffte, daß der Thron dem Sturtz entkommen ſollte?
DOch iſt Thereſia, der man uns faſt beraubte;
Die man von ihrem Recht, von ihrem Eigenthum,
Des Vaters Kron entbloͤßt, vom Thron geſtuͤrtzet glaubte;
Die dreyfach-bluͤhende gekroͤnte Purpur Bluhm
Die Bluhme, welche man ſchon vor entlaubt geachtet,
Wird nun im ſchoͤnſten Flor des hoͤchſten Schmucks betrachtet.
WAnn alter Helden Sinn nicht glaubet, was geſchehen;
Jn der Erzehlung nichts, als eitlen Schimmer ſieht:
Ja, wann wir ſelbſt erſtaunt, verwirrt, entzuͤcket ſtehen;
Da, der ſie ſtuͤrtzen wollt, erſchrocken ſtutzt und flieht:
Was wird die ſpaͤte Welt zu dieſer Nachricht ſagen?
Wird ſie ſo viel darnach, als dort die Vorwelt fragen?
Nein
NEin: der Erfolg des Wercks wird ihren Augen zeigen,
Daß dieſer Ruhm-Geſang kein Bild der Dichter ſey;
Man ſieht die Pflantzen ſchon, wie Ceder-Bauͤme, ſteigen.
Selbſt die Unſterblichkeit traͤgt ihrem Wachsthum bey;
Sie kommt erregt, erfreut von ihren Ehren-Buͤhnen,
Und ſieht den Helden-Stamm in ihren Auen gruͤnen.
SJe rufft: Betrachte man den Kronen-reichen Sproſſen
An dieſem Fuͤrſten-Baum, der einſt zu Habsburg ſtund!
Er ſchien zwar welck, jedoch er iſt friſch vorgeſchoſſen:
Die Freud und mein Entſchluß ſey allen Welten kund!
Jch ſchwere dem, der auch vielleicht nicht wurde ſterben;
Beruͤhrt er dieſen Aſt; Rach, Untergang, Verderben.
SJe ſieht noch einen Zweig, der ſich mit dem verbindet:
Frolockt noch mehr und ſpricht: Lothringens hoͤchſte Frucht!
Kein Baum iſt, welcher den an Fruͤchten uͤberwindet!
Dies Paar iſt ſeine Kron, Ehr, Anſehn, Pracht und Zucht!
Der iſt, von dem die Welt die groͤſten Helden hatte:
Von dem ich kuͤnftighin ſie noch zu ziehn, geſtatte.
BWill
WJll ſelbſt Unſterblichkeit, daß man den Baum bewahre;
Eroͤffnet ſie der Welt den hohen Schutz-Befehl;
So wird auch in dem Lauf der allerſpaͤtſten Jahre
Beruͤhmt, bewundert ſeyn, was ich davon erzehl.
Und recht: der Zweifel iſt umſonſt und unvonnoͤthen:
Wir haben zum Beweiß des Stammens Majeſtaͤten.
DJe Nach-Welt wird ſie ſehn und ſagen: dieſe Fruͤchte
Wo kommen ſie dann her? Wer iſt der Fuͤrſt, der Held?
Er herꝛſcht, er kriegt, er ſiegt: es iſt kein blind Geruͤchte!
Er ſtammet von dem Baum, von dem man uns gemeldt:
So kan man uͤberzeugt der Sache Wahrheit mercken:
Was einſt Thereſia; ſieht man in ſeinen Wercken.
DJe Wercke ſeynd ſo groß, als keine Zeit erfahren:
Sie ſeynd wahrhaftig nicht von Dichtern aufgefuͤhrt.
Derſelben Urſprung iſt in jenen Helden-Jahren,
Die dort Thereſia durch ihren Ruhm geziert.
Jn ſeiner Majeſtaͤt erblickt man ſolche Zeichen,
Die dieſer Koͤniginn, von der man redet, gleichen.
Der
DEr Baum hat, wie man ſagt, zwar einen Streich empfunden;
Es gehet ihm die Zier des groͤſten Sproſſens ab:
Hingegen haben ſich ſtatt deſſen zwey verbunden;
Wovon Lothringen den, und jenen Habsburg gab.
So bringt ja der Verluſt den Fruͤchten kein Verderben:
Hier ſtarb das Haupt, doch lebt die Folge ſeiner Erben.
GOtt theilt die Kronen aus: Er wiedmet ſie den Haͤuſern,
Die Großmuth, Froͤmmigkeit und wahre Weißheit ſchmuͤckt.
Drum prangen dieſe zwey mit Koͤnigen und Kayſern:
Drum blieb Thereſia beſchuͤtzt, und unverruͤckt.
Wo Tugend, GOtt und Recht um Kron und Zepter fechten,
Kan man den Sieges-Krantz leicht um die Scheitel flechten.
SO wird der ſpaͤten Welt erſtaunter Nachklang ſprechen:
So wird die Sach erzehlt, geglaubt, geprieſen ſeyn.
Was kan mir alſo mehr den Vorſatz unterbrechen?
Es ſtimmt mit mir, was iſt, was war, was ſeyn wird, ein.
Auf auf dann Geiſt und Hertz! entflammet Muth und Sinnen!
Entreiſſet euch der Furcht! verfolget das Beginnen!
B 2Ja
JA, Koͤniginn! ich will von zehen Stunden ſingen,
Die deiner Tugenden getreuer Rath gewacht;
Als jede ſich bemuͤht, Beweißthum aufzubringen,
Daß ihre Wirckung dich das, was du biſt, gemacht.
Nicht daß ich dir ein Lob, ein Ehren-Mahl erdichte: Der Jnnhalt des Geſangs iſt deines Ruhms Geſchichte.
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Thereſiade.

Οϒ ΨΕϒΔΕΙ ΤΕΓΞΩ ΛΟΓΟΝ. (Pindarus Olymp. Od. 4. )Jch will mit Wahrheit ſchreiben. (Opitz. Veſuvius. v. 7.)
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Thereſiade.

Erſtes Buch.

WJe ſich Thereſia, die Frau von
Oeſterreich,
Dem ſiebenfachen Schwert, und deſſen Wirbel -
Streich:
Der ſich ſo fuͤrchterlich um ihre Scheitel ſchwunge,
Daß er den Kronen-Schmuck faſt von derſelben drunge:
Nur von dem Tugend-Schild und Helden-Muth beſchirmt;
Sonſt Hilff - und Waffen-bloß entgegen aufgethuͤrmt:
Will ich, nicht Feinden Zorn, nur Freunden Troſt zu bringen;
Sonſt aller Abſicht frey mit tiefer Ehrfurcht ſingen.
CDasThereſiade
Das iſt, was ich entſchloß; als ihre Majeſtaͤt
10
Sich aus dem Krieges-Sturm in Lorber-Pracht erhoͤht;
Da die Verwunderung frohlockend aufgeſchrieen:
Mit diſer Koͤniginn wird Heil und Wohlfahrt bluͤhen!
Bald nahm ich meine Leyr, verſuchte Thon und Klang;
Bald reitzte mich die Luſt zu einem Lob-Geſang:
15
Allein es ſprach das Hertz: Wie kann er dir gerathen?
Erweg der Sayten Kraft! miß dieſer Fuͤrſtinn Thaten!
Meinſt du, daß dieſes Spiel ein klingendes Metall;
Ein heiſeres Gethoͤn den Welt-Poſaunen-Schall
Jn ſeinem hohen Laut und Widerhall begleite?
20
So legt ich mit der Leyr faſt auch den Muth bey Seite.
WElch-unverſehner Fall! Jch ſtunde wanckelbar;
Hier rung ich mit mir ſelbſt, dort ſcheuͤt ich die Gefahr;
Die Furcht begunnte ſich in meiner Bruſt zu ſchaͤrfen;
Die Freud hingegen mir den Unmuth vorzuwerfen.
25
Jnzwiſchen ſchien es mir, als ſchwebt ich in der Luft;
Als hoͤrt ich ein Geraͤuſch, aus welchem jemand ruft:
Nur fort! verzage nicht! ermuntre deine Sinnen!
Stimm deine Leyr, und ſing! verfolge dein Beginnen!
An nichts gebrach es dir, als an dergleichen Sprung;
30
Nun aber ligt es noch an einem Feder-Schwung.
AufErſtes Buch.
Auf auf dann! zittre nicht! der Flug wird uns gelingen;
Wir werden ihn begluͤckt, nicht ohne Luſt, vollbringen.
Die Stimme, dieſer Flug, der Luft verborgne Macht
War, was mich faſt in Angſt und in Verſtummung bracht.
35
Fort , wiederhohlte ſie, Thalia wird dich leiten!
Der Nahme machte mich mit Furcht und Hoffnung ſtreiten.
Die beyde nebſt der Luſt bemeiſterten mein Hertz;
Was, dacht ich, iſt es Ernſt, Verblendung, oder Schertz?
O ſpraͤnge ſie mir bey! O koͤnnt ich ſie ſchon ſehen!
40
So haͤtt ich die Gewalt vielleicht nicht auszuſtehen.
Die Sonne ziehet zwar den Morgen-Thau zu ſich:
Mir aber war der Zug zu fremd und wunderlich.
Ob mich der Grund verließ, ob ich ihn ſelbſt vertriebe,
Das unterſchied ich nicht, nicht was den Zwang veruͤbe.
45
Sie rieff mir wiederum: Was nuͤtzt dich Witz und Geiſt,
Wann er nicht aus dem Kreiß zaghafter Sinnen reißt?
Mein Thun und Laſſen war nur Flattern, Zittern, Beben:
So wußt ich dieſem Ruf nicht viel Gehoͤr zu geben.
Jch wandte mich: ſieh da! ſie kam mir zu Geſicht;
50
O Muſe, dacht ich gleich, wie reitzend biſt du nicht?
Weil ſie ſich voller Geiſt und Feur mir zugeſellte,
Und ſich durch ihr Geſpraͤch als meine Freundinn ſtellte;
Hoͤrſt du mich nicht ? ſprach ſie, ich bin zu deiner Hut!
So war ich theils erſtaunt, theils furchtſam; auch voll Muth;
C 2UndThereſiade
55
Und fragte: wie, wohin der Flug, die Reiſe gehe?
Wir ſahn, daß unter uns der Erden Rund ſich drehe:
Feld, Stroͤhme, Berge, Thal verſchwanden immer fort;
Auf jeden Blick erſchien bald der bald jener Ort.
Was dieſer Laͤnder Fuͤrſt vor Lieb und Sorgfalt haͤge,
60
Wies die Bequemlichkeit der angelegten Weege:
Wie ſtrebt ich aus der Luft derſelben Bahne nach?
Allein ich mußte fort; mein Wunſch war viel zu ſchwach,
Der Fuͤhrerinn Befehl und Ruff zu wiederſtehen:
So ließ ich, was ſie mir zu Lieb erſann, geſchehen.
65
Hier wies uns das Gebuͤrg des Herbſtes Lag und Stand;
Dort eine flache Welt der andern Zeiten Land,
Das aber Froſt und Schnee noch aller Zier entbloͤſſte,
Ob gleich der Fruͤhling ſich ſchon in die Baͤume floͤßte.
Mein Auge wandte ſich ſtets nach der naͤchſten Hoͤh;
70
Mir ſchien, als wann darauf ein oͤder Tempel ſteh:
Jch hoͤrte, daß darinn Troſt-volle Stimmen thoͤnten,
Die nach dem Himmel ſich, nicht nach der Erde ſaͤhnten.
Da war ich kaum vorbey; ſo ſchwung ſich ungefaͤhr
Ein froher Adler-Schwarm von dieſen Bergen her;
75
Das war genug, ein Hertz, ein flatternd Hertz zu ſchrecken:
Allein ich faßte Muth, denſelben zu verdecken.
Ein breiter, ſchlaͤnglichter Schiff-reicher ſanffter Lauf,
Der Schimmer eines Strohms hielt meinen Kummer auf:
SeinErſtes Buch.
Sein majeſtaͤtiſches, doch ſchnell gewelztes Eilen
80
Wußt ſeiner Waͤſſer Stoltz, die Wellen ſo zu theilen,
Daß eine Stadt, ein Dorf, Feld, Waͤlder, Berg und Thal
Als Jnſeln prangeten, um die der Fluß befahl,
Jndem er den Bezirck mit Wachſamkeit umfloſſe,
Und in deſſelben Raum ſich hin und her ergoſſe.
85
Ob gleich zu Zeiten uns das Wolcken-Braun umfieng,
So war doch ſelten was, das meinem Aug entgieng:
Ein wunderbar Gebuͤſch, das ſehr entfernet ſtunde,
Schien mir, wie wann es ſich von ſeiner Lage wunde:
Es aͤnderte ſich ſo, daß es ſich bald verſchlich,
90
Und bald zuſammen zog, auch voneinander wich:
Es funckelte darinn. Ein Murren, Summen, Schwirren
Bracht mein Gemuͤth in Sorg, in Zweifel und Verwirren:
Jch hatte mich, ſo viel die Weite ließ, bemuͤht,
Daß ich der Seltſamkeit verborgnes Spiel errieth.
95
Jedoch je mehr ich mich, es auszuſpaͤhn, befliſſe;
Je weniger wußt ich, was es bedeuten muͤſſe;
Biß ich die Fuͤhrerinn befragte, was es ſey:
Da dann dieſelbe ſprach: dort kommt ein Heer vorbey;
Sieh! wie frohlockend es durch Weeg und Steege ziehet!
100
Sag, ob es nicht fuͤr Freud und Luſt zu fechten gluͤhet.
So ward ich erſt gewahr, daß es ein Volck zu Fuß,
Ein Volck zu Pferde ſey, das neben jenem Fluß
SichThereſiade
Sich ſtets verſammlete, theils uͤber Bruͤcken zoge,
Theils gegen Weſten ſich, auch gegen Nord bewoge.
105
Hier folgte man dem Lerm, den eine Drommel gab;
Dort ritten andere die Reihen auf und ab;
Jndem die Paucke klung und die Trompeten ſchallten,
Die Fahnen vor dem Zug der frohen Schaaren wallten.
Des Saͤbels ſcharfer Glantz drang allerſeits empor:
110
Doch gieng demſelbigen des Kriegers Antlitz vor;
Noch mehr der Pferde Pracht, und der Geraͤthſchaft Menge,
An der die Wehr des Heers, der Ruͤſtungen Gepraͤnge,
Das maͤchtige Metall, die Laſt der Stucken hieng,
Womit ein andrer Schwarm bewehrter Maͤnner gieng.
115
Da ſah ich, was man Kriegs - und Friedens-Stifter heiſſet,
Was Feindes Trotz bezwingt, was Mauren niederreiſſet.
Jch ſchaute mit Begier, darinn vertieft, hinab;
Daher Thalia mir dies zu verſtehen gab:
Mein , ſprach ſie, nimm dich nicht ſo lang um dieſe Sachen
120
Und Welt-Geſchichten an, die nichts zur Reiſe machen!
Es iſt nicht weit, wohin ich dich begleiten will:
Wir werden von dem Heer, von deſſen Zug und Ziel
Ein
104.Verſchiedene Kriegs-Voͤlcker / wel - che zum Dienſt des Allerdurchleuchtig - ſten Ertzhauſes / den kuͤnfftigen Feldzuganzutretten / in den Monaten Febr. und Mart. ꝛc. 1745. alle Straſſen ein - nahmen.
104.
Erſtes Buch.
Ein andersmahl ſo That, als Ruhm erzehlen hoͤren,
Der Feind wird das Geſchlecht ſo fuͤrchten, als verehren.
125
Geheimniß-volle Red! und Heer! und Feind! und Zug!
Und Adler! und Getoͤß! und ich! und unſer Flug!
So dacht ich, koͤnnt ſie mich nicht auch vielleicht verfuͤhren?
Wie, oder koͤnnt ich mich nicht auch von ihr verliehren?
Der Abend ward gemach im Schatten-Grau verhuͤllt,
130
1 Die Luft mit Finſterniß und Wolcken angefuͤllt:
Was half des Mondes Schein, der Sterne ſchimmrend Prangen?
Das ſtillte weder Furcht, noch meines Sinns Verlangen.
Was mir noch Hoffnung gab, war ein entferntes Feur,
Es ließ, als ſaͤh ich es durch einen duͤſtern Schleyr.
135
Je mehr wir eileten uns nach dem Ort zu drehen,
Je mehr ſchien deſſen Kreiß entzuͤndt, entflammt zu ſtehen.
Jch fragte, was es ſey, was dieſes vor ein Glantz?
Man ſah kein Himmels-Licht; nur Zeichen eines Brands;
Sie aber ließ mich ſtets in den Gedancken irren,
140
1 Und alles fuͤgte ſich, mein Hoffen zu verwirren.
So rieff ich wiederum: Zu was nutzt dieſer Flug?
Jch habe deiner Reiß und Seltſamkeit genug!
Sie
131.Der 14te des Mertz-Monats 1745. war der 12te Tag des Monds / auf welchen dieſe Nacht folgte / die der Verfaſſer zu der Zeit ſeines Gedichtserwaͤhlet hat. Sie war ſowohl von dem Himmel / als von den Menſchen beleuchtet.
131.
Thereſiade
Sie lacht und ſprach mir zu: Das heißt mit Muſen reiſen!
Jedoch getroſt! es wird ſich bald was beſſers weiſen!
145
Sie zeigte zwar Geduld, Freud und Gelaſſenheit;
Jch aber fuͤhlte nichts, als meiner Sinnen Streit,
Den ich zwar trachtete, durch Hoffen einzuſtellen:
Umſonſt: ich hatte Furcht und Angſt zu Reiß-Geſellen.
So fieng mein Singen an; So ſchwebt ich in Gefahr,
150
2 Bevor der Sayten-Chor der Cyther einig war.
O! dacht ich, haͤtt ich nicht zu ſtimmen angefangen!
Vielleicht waͤr es mir nicht ſo fuͤrchterlich ergangen!
Doch endlich redte ſie mir freund - und ernſtlich zu:
Es fehle mir an Geiſt; ich liebe faule Ruh;
155
2 Mein Hertz erkenne nicht, nach was es ſtreben ſolle,
Weil ich den Ehren-Trieb der Dicht-Kunſt meiden wolle:
Mein Sinnen haͤge nichts als Niedertraͤchtigkeit;
Ob es gleich billig ſey, daß es nach Seltenheit,
Nach Wunder-Dingen ſich und ſeine Sorgfalt richte,
160
2 Und die Veraͤchtlichkeit des Hertzen-Schlafs zernichte.
So munterte ſie mich, ihr friſch zu folgen, auf:
Jch kame nach, und ſie verdoppelte den Lauf
Mehr, als man in der Jagt des ſchnellen Hirſchens ſiehet,
Wann er aus der Gefahr des Jaͤger-Rohrs entfliehet.
165
Was dachtſt du , fuhr ſie fort, bey jener Adler-Schaar,
Die bey den Bergen dort uns vorgeflogen war?
Nichts?Erſtes Buch.
Nichts? antwort! konntſt du nicht gedencken und errathen,
Daß ſie ſich ihrem Neſt, weil es ſo ſpaͤt iſt, nahten?
Was frag ich ihnen nach, gedacht ich ſtill bey mir:
170
2 O daß Thalia mich bald aus der Jrre fuͤhr!
Wir kamen aber ſtets dem Feuer-Kreiſſe naͤher;
Verlieſſen nach und nach bald langſamer, bald gaͤher
Die Bodenloſe Bahn. Und endlich zeigte ſich
Gantz nah der volle Glantz, der mir verwunderlich
175
2 Der Augen-Macht bezwang. Wie ſonſt der Sonne Strahlen
Ein Blumen-Beet, ein Glaß, die Waſſer Flaͤchen mahlen;
So warf das helle Rund ein blitzend Licht herum,
Als waͤr in ſelbigem des Tages Eigenthum:
Jch ſahe Luft und Land mit Schimmer ausgeſchmuͤcket:
180
2 Nichts bliebe von dem Glantz des Feuers unbeſtricket.
Thalia wandt ſich um, und ſah mich laͤchlend an:
Jch aber ſaͤhnte mich nach einer feſten Bahn:
Sie ſtutzt; ich hoͤrte gaͤh frohlocken, ruffen, ſingen,
Auch den Trompeten-Schall aus dieſem Feuer dringen:
185
2 Vernimm, ſagt ich, wie man verſchiedne Nahmen nennt:
Es leb Thereſia! es leb der Mit-Regent!
Ein Joſeph und ein Carl durchklungen alle Reihen;
Der allermeiſte Ruff war nur von dieſen zweyen.
Wir ſchauten in den Glantz; doch war mir unbekannt;
190
2 Wie der Bezirck von Luſt, zugleich von Feur entbrannt.
DWirThereſiade
Wir waren ſchon ſo nah, daß ich bequemlich ſahe,
Wie, was, warum und wo das Luſt-Geſchrey geſchahe:
Ein ungeheurer Bau der in die Wolcken ſteigt,
Und, wie mir ſchien, das Haupt vor eigner Hohheit neigt,
195
2 Wies rund um ſich herum ein gegenſchimmrend glimmen;
Von dort ſah man das Volck in goldnen Zeiten ſchwimmen.
Es ließ, als ſtuͤnde da zum Troſt, zur Froͤhlichkeit
Zu aller Menſchen Gluͤck der Sammel-Platz bereit:
Ein unbeſchreibliches Vergnuͤgungs-volles Schertzen
200
2 Gab Zeugniß, daß die Freud in aller Leute Hertzen
Mit Liebe ſich verband: Die Luſt war ſo gemein,
Daß kein Geſchlecht der Stadt konnt unerreget ſeyn.
Man lief, und ſprung, und ſung, und folgte ſich in Reihen,
Die Nacht mit Feur, und dies mit Jauchtzen einzuweihen.
205
Das Wunder-wuͤrdigſte bey dieſer Luſt-Geſchicht
War ein bewegliches durchdringend ſchoͤnes Licht,
Das im Triumph erhoͤht gleich einer Sonne prangte,
Und des erfreuten Volcks Gluͤcks-Wuͤnſchungen erlangte.
Die Pracht vermehrte ſich durch eine Kinder-Kron,
210
2 Die mit dem Luſt-Geſchrey, dem Ehrfurchts-vollen Thon:
Es leb Thereſia! die Stadt ſo ſehr erfuͤllte,
Daß Wechſels-weiß, wann ſich der Zuruff diſſeits ſtillte,
Er jenſeits wiederhohlt mit Freud entgegen klang,
Durch aller Gaſſen Raum, auch durch die Wolcken drang.
WirErſtes Buch.
215
2Wir hoͤrten mit Begier faſt jede Stimm erſchallen;
Und fuͤhlten ſelber auch das Hertz in Freuden wallen;
Mithin erfriſchten wir den Pfeil-geſchwinden Flug,
Und folgten des Gemuͤths von Luſt erweckten Zug:
Jedoch ſieh da, was uns gerad entgegen eilte,
220
2 Und uns mehr Unterricht von dieſer Stadt ertheilte!
Ein weiß-befluͤgelt Weib flog wie der Wind daher;
Der Antrieb ihres Schwungs ward immer maͤchtiger:
Jhr aufgeblaſner Mund erſcholl durch zwey Poſaunen,
Daß uns die Seltſamkeit in Wunder und Erſtaunen
225
2 Auch in den Vorwitz bracht, zu wiſſen, wer ſie ſey:
So gar der Wiederhall ſtimmt ihrem Zuruff bey;
Er ward oft ſo verſtaͤrckt, als ſpraͤchen tauſend Zungen,
Von denen immerfort Troſt-volle Worte klungen.
Jhr Oeſterreicher auf , das nahm ich oͤfters wahr,
230
2 Die Nacht ſtellt wiederum, was ihr verlangtet, dar!
Jhr Voͤlcker freuet euch! ihr Staaten und Provintzen,
Wienn du abſonderlich! ihr habt den zweyten Printzen!
Das bracht uns unverhoft, ich weiß nicht, was vor Luſt:
Mein Hertz erquickte ſich: Geiſt, Neigung, Blut und Bruſt
235
2 Empfanden ſich erweckt. Thalia wies Gebaͤrden,
Als neigte ſie den Schwung hinunter nach der Erden.
Jch folgte meiſterlich, als waͤr ich neu belebt;
So mehr als uns das Weib beſtaͤndig vorgeſchwebt.
D 2SieThereſiade
Sie rieff uns oͤfters zu: wir mieden das Verweilen,
240
2 Jhr hurtig auf dem Fuß und Weege nach zueilen.
Bevor ich mich verſah, ließ unſre Schnelle nach:
Wir drehten uns herum und ſuchten allgemach
Uns abwaͤrts Bogenweiß nach dieſer Stadt zu wenden:
Jch hoffte, daß wir da die Reiſe wuͤrden enden.
245
Mein Wunſch ward auch erfuͤllt. Jch ſtund in einer Gaß
Und kam an ein Gedraͤng, bey dem ein Weibs-Bild ſaß:
Reitz, Anmuth, Glantz und Pracht, ein Schild in ihren Haͤnden,
Wuſt ſolchen Zug und Schein um ſich herum zu ſenden,
Daß ſie der Gegenwart Erblickung an ſich riß;
250
2 Sich aber uns geneigt, und ſonders freundlich wieß.
Kaum war Thalia da, ſo warf ſie ſolche Mienen,
Als ob wir ihr bekannt, auch ſehr willkommen ſchienen.
Thalia ſagte mir, daß es die Wahrheit ſey,
Um ſoviel mehr ſteht mir, mit ihr zu reden, frey
255
2 Dacht ich: die wird mir wohl mit Grund zu ſagen wiſſen,
Was ich bißher geſehn und werde ſehen muͤſſen.
Komm Freundinn, leite mich! ſo fieng ich hoͤflich an:
Hilff, daß ich die Geſchicht der Nacht verſtehen kan!
Sie war bereit, und ſprach: Jch bin dir uͤberfluͤßig;
260
2 Du kannſt ſelbſt alles ſehn: doch weil ich jetzund muͤſſig,
So folg ich deinem Trieb; ich gehe willig mit;
Vielleicht erzehl ich dir auf jeden Tritt und Schritt
WasErſtes Buch.
Was dieſe Freuden-Nacht vor noch verborgne Sachen
Am allerpraͤchtigſten, und Welt-beruͤhmet machen.
265
Wir giengen dorten weg. Welch aufgeklaͤrte Stadt!
Dergleichen kein Bezirck der Welt geſehen hat!
Der Flammen Kunſt-Gepraͤng, und Strahlen-reiches Scheinen,
Ließ uns, als giengen wir in dem Geſtirne, meinen:
Nichts als des Kieſels-Klang, den Schritt und Tritt gebar,
270
2 Gab Zeugenſchaft, daß hier kein Himmels-Zeichen war;
Was mir vor Augen kam, warf unumſchraͤnckten Schimmer
Entflammten Golds herum, und blendete mich immer.
Jſt dieſes, ſprachen wir, nicht eine goldne Nacht,
Die den erleuͤchtſten Tag beſchaͤmt, erblaſſet macht?
275
2Kein Haus war in der Stadt, kein Winckel, keine Gaſſe,
Die meines Augs-Begier nicht mit Erſtaunen maſſe.
Was je die Welt zum Pomp der Majeſtaͤt erdacht,
Erſchien an jedem Ort in Herꝛlichkeit und Pracht:
Der Ehren-Sauͤlen Stoltz, der Siegs-Pallaͤſte Zinnen
280
2 Beſtrebten ſich den Rang der Hoͤhe zu gewinnen.
Faſt jeder Platz der Stadt, war in den Glantz verkehrt,
Den ſonſt die Wachſamkeit an Morgen-Sonnen ehrt.
Der Kuͤnſte Macht und Schmuck, war ſo zuſamm gefloſſen,
Als waͤr der Wohlfahrt Reich in dieſer Stadt verſchloſſen.
285
2Die Reihen dieſes Lichts erfuͤllten meinen Sinn,
Als wund und flochte ſich ein goldner Wald darinn,
DenThereſiade
Den Kunſt, Natur und Fleiß ſo treflich durchgehauen,
Daß ich an jedem Ort konnt einen Gang durchſchauen:
Jn dem der Bauͤme Pracht, zum Schau-Spiel ausgeſetzt,
290
2 Das Volck zur Freude reitzt, die Neu-Begier ergoͤtzt,
Der Sinnen Macht beſtrickt: wo Buchen, Eichen, Linden
Mit tauſend fachem Schmuck beſaͤmet, ſich verbinden,
Den Ehren-Boͤgen gleich in bunten Farben ſtehn,
Den Gipfel des Gebauͤs faſt an die Sterne drehn:
295
2 Wo nichts iſt, was nicht glaͤntzt, prangt, funckelt, ſcheint und blicket,
Die Schild - und Mahlerey mit Feuer-Schimmer ſchmuͤcket.
Mein Hertz erregte ſich fuͤr uͤberhaͤufter Luſt;
Fuͤr Wunder war ich mir faſt ſelber nicht bewuſt.
Das Volck gieng nicht herum, ſein Gehn war Wallen, Schwimmen,
300
2 Ein ſanffter Flutten-Schwall, in dem die Strahlen glimmen,
Mit welchen ſich die Sonn in ſtillen Wellen ſpielt,
Wann Sie zur Sommers-Zeit den heiſſen Schimmer kuͤhlt.
Der Tag war mit der Nacht ſo wunderbar verſchlungen,
Daß keins das andere von ſeinem Recht verdrungen.
305
2Thalia ſelber ſchien ſo viel entzuckt als ich;
Sie ſorgte nimmermehr, wie dort im Flug, fuͤr mich.
Da die Verwunderung ſich wollt in uns verſtaͤrcken,
So ließ die Wahrheit erſt uns ihre Sinnen mercken.
Auf einmahl nahm ſie mich ernſthaftig bey der Hand,
310
2 Und zog mich von der Stell, auf der ich mich befand,
JchErſtes Buch.
Jch wuſte nicht, wohin: Es hieß, den Weeg erzwingen,
Und ſich mit Muͤhſamkeit aus dem Gedraͤnge ſchwingen.
Der Leute Zulauf war ein wieder-Ruck-waͤrts-Fluß;
Man folgte ſich ſo dicht und feſt, und Fuß fuͤr Fuß,
315
2 Daß es beſchwerlich war, ſich aus dem Schwall zu winden,
Um einen Seiten-Weeg nach einem Platz zu finden.
Thalia tratt mir nach, die Wahrheit aber vor;
So kamen wir mit Muͤh an eines Hauſes Thor,
Das nicht verſchloſſen war, ein wenig offen ſtunde:
320
2 Wir waren voller Troſt, daß ſich ein Durchgang funde.
Die Wahrheit ſtaͤmmte ſich, und wir mit ihr, daran,
Daß wir es unbeſchwert und ſchertzend aufgethan.
Gleich ſuchten wir den Weeg, durch dieſes Haus zu gehen,
Allein wir ſpuͤhrten nichts, um was wir umgeſehen.
325
2Es brach aus einem Eck des Hofs ein Licht hervor,
Das aber ſeine Kraft in ſchlechtem Oehl verlohr;
Die Sorge war umſonſt; ſo konnten wir dort fragen,
Uns nicht mit Ungeduld und Finſterniß zu plagen.
Die Wahrheit ſagte mir: komm, ſchauen wir hinein,
330
2 Vielleicht erfahren wir, was uns kan dienlich ſeyn!
Wir ſahen durch die Thuͤr: da lagen vier Perſohnen
Jn unbequemer Ruh. So wolten wir ſie ſchonen.
Die Wahrheit laͤchelte: doch hielten wir uns ſtill,
Und riethen, was der Ort, das Zimmer ſagen will:
WeilThereſiade
335
2Weil nichts als eine Leyr, nebſt manchen Pinſel-Staͤben,
Ein Marmel Kopff und Maß den Haußrath abgegeben;
Sonſt ſchiens, Vergeſſenheit und Elend halte Wacht,
Ja bey dem hellſten Tag ſey dorten finſtre Nacht.
Ein armes Oel-Gefaͤß mit ſeinem ſchwachen Lichte
340
2 Bracht dieſen Vorrath uns im Dunckeln zu Geſichte.
Wir ſahen auch daß es ein Frauen-Zimmer ſey,
Dem das Beduͤrfftniß Stroh, ſtatt eines Ruh-Betts ſtreuͤ.
Die Armuth ließ ſehr groß: ſonſt ſah’n wir nichts zugegen;
Der Werck-Zeuͤg und das Stroh, war Reichthum und Vermoͤgen.
345
2Was mich befremdete, war ihre Leibs-Geſtalt
Jhr reitzend Angeſicht in ſolchem Aufenthalt.
Die Wahrheit ſagte mir: Jetzt werden wir was innen:
Jch bin erfreuͤt; Sieh da die jenigen Freundinnen,
Wodurch die Stadt mit Ruhm, die Nacht mit Ehre prangt,
350
2 Das Volck den Wohlgeſchmack und Preiß der Kunſt erlangt;
Doch hoͤren wir ſie ſelbſt! ſie koͤnnen alles wiſſen:
Es reuͤte mich, wann wir ſie unbegruͤßt verlieſſen.
Jch geh, und wecke ſie ... da ſchrie ſie laut: auf auf!
Weßwegen ſchlaft ihr hier? Jſt dies der Freuͤden-Lauf?
355
2 Zu was der Muͤſſiggang? Wie ſchickt ſich jetzt der Schlummer?
Je mehr man ſchlaͤft, je mehr waͤchſt Unmuth, Gram und Kummer;
Das Feur des Geiſts erloͤſcht! ſteht auf! ſeyd nicht ſo faul!
Jnzwiſchen gaͤhnte dort ein nicht unfreundlich Maul;
HierErſtes Buch.
Hier ſtieg ein Arm empor, und ließ ſich ſchwanckend nieder;
360
2 Da lag ein muͤdes Paar halb offner Augen-Lieder.
Die rieff: wer ſtoͤhret uns? und warf ſich wieder hin;
Als jene graͤmig ſchrie: Was iſts? wer iſt ſo kuͤhn?
Seyd ſtill! wer iſt dann da? mein, laſſet mich zu frieden!
Wer moͤchte bey der Laſt der Arbeit nicht ermuͤden?
365
Sie waren ins geſamt verdruͤßlich, halb erwacht,
Halb ſchlaffend, auſſer ſich, und nahmen kaum in acht
Daß wer zu gegen ſtund; beſonders da wir ſchwiegen:
Sie blieben auch, wie vor, in ihren Trauͤmen ligen.
Weil es mir um die Luſt, noch mehr zu ſehen, war,
370
2 So ſagt ich: laßt uns gehn! was heißt die Schlaͤffer-Schaar?
Die Wahrheit nahm das Wort: Geduld! nur die Minuten!
Wir halten uns nicht auf; du wirſt es nicht vermuthen
Wer die Geſellſchaft ſey: die die gefallen mir,
Von dieſen kommt der Stadt Beleuchtung, Pracht und Zier!
375
2Und ihnen ſprach ſie zu: wir waͤren gute Freunde,
Auch ſelber von dem Rang der edlen Kunſt-Gemeinde:
Auf auf! kommt! geht mit uns und zeiget , fuhr ſie fort:
Was ihr erbauet habt! verlaßt den duͤſtern Ort!
Mein mein, dir iſt ja laͤngſt bekannt, was wir errichtet,
380
2 Sprach eine, du verſtehſt, zu was man uns verpflichtet!
Du ſiehſt an jedem Ort der theuͤren Arbeit Zier:
Es iſt kein Stein, kein Haus, kein Fenſter, keine Thuͤr,
ESoThereſiade
So wir mit unſrer Kunſt Vermoͤgen nicht beſchmuͤcket;
Es iſt nichts in der Stadt, wo man uns nicht erblicket.
385
Durch dieſe Worte ward uns allgemach bewuſt,
Es ſey zu dieſer Nacht Beleuchtung, Pracht und Luſt,
Was da gebaut, geſchnitzt, gemahlen und erdichtet,
Durch ihren Geiſt und Witz, durch ihren Fleiß errichtet.
So werden ſie dacht ich, mit Recht zum Zorn empoͤrt,
390
2 Da man den Schlaf, wodurch ſie ſich erhohlen, ſtoͤrt.
Bald hoben ſie ſich auf, bald legten ſie ſich nieder,
Die rieb die Augen aus, die wand ſich hin und wieder.
Jnzwiſchen redten wir die Bau-Kunſt freundlich an.
Und fragten, wie ſie ſich hauptſaͤchlich vorgethan?
395
2Jn Antwort folgte dieß: Jch baute dieſe Wochen
So viel als je die Zeit des Alterthums zerbrochen.
Hier fiel die Dicht-Kunſt ein: Jch war der Meiſter-Stab,
Der jedem Bau die Zier, der Zier das Leben gab.
Die Dritte: Gehet hin, betrachtet meine Sauͤlen;
400
2 Jhr werdet mir den Rang der groͤſten Kunſt ertheilen:
Jhr ſeht ein ſteinern Volck. Die Vierte ſchien mir ſtumm,
Sie warf den ſcharfen Blick in dem Gemach herum:
Doch endlich ſagte ſie: Zaͤhlt, wann ihrs zaͤhlen koͤnnet,
Was ſich von meiner Hand, von meinem Pinſel nennet!
405
Warum dann auf dem Stroh! welch unerhoͤrte Sach!
Die Meiſterinnen ſeynd in ſolchem Ruh-Gemach
SagtErſtes Buch.
Sagt ich, jedoch nicht laut; wo wird ein Lehrling wohnen
Pflegt man dann ihre Kunſt nicht beſſer zu belohnen?
Die Bau-Kunſt hoͤrte mich, und ſprach auf meine Red:
410
2 Was Wunder, daß fuͤr uns faſt alles wuͤſt und oͤd?
Wir werden ſo geehrt, daß man uns wird vergeſſen!
Die Wahrheit ſprach hierauf: Man muß die Zeit ermeſſen;
Jn dieſer Jahre Friſt hat nur der Waffen-Schmied,
Die Noth bracht es dahin, fuͤr alle ſich bemuͤht.
415
2 Man hoͤrte Tag und Nacht des Hammers Schlaͤge klingen,
Und den erhitzten Stahl in Kriegs-Geraͤthſchaft zwingen.
Warum? was hatte nicht des Feindes Herꝛſchſucht vor?
Stund nicht deſſelben Macht ſchon faſt an unſerm Thor?
Wer hat ihn aus dem Land, die Furcht von uns vertrieben?
420
2 Wer hat deſſelben Heer zerſtreuͤt und aufgerieben?
Nicht Schild - und Mahlerey; nicht Bau - und Dichter-Kunſt:
Nein: Waffen, Lieb und Treu des Lands, des Himmels Gunſt.
Was halff ein Winckel-Maß, was nuͤtzten Schnitzereyen?
Was Farben, Marmel-Stein, Gedicht und Kuͤnſtlereyen?
425
2 Feur, Amboß, Hammer, Stahl, das taugte bey der Zeit
Jhr ſelber waret auch zu dem Gefecht bereit,
E 2Und
418.Als im Monat October 1741. von dem Feind ein Trompeter anhero /und von hier ohne Antwort zuruck ge - ſchickt worden.
418.
Thereſiade
Und recht: So war ich auch mit meinem Schild geſinnet.
Wann aber einſt der Schmied zum Rocken ſitzt, und ſpinnet,
Wann das verſtahlte Thor des Kriegs geſchloſſen iſt,
430
3 Und die Zufriedenheit der Laͤnder Wohlfart kuͤßt;
Die Wuth hingegen ſich auf einem Waffen-Haufen
Jn ihrer Gruft verſperꝛt, die Scheitel wird zerrauffen.
Da werdet ihr gar bald durch eure Schmeicheley,
Annehmlichkeit und Stoltz und Luſt und Zauberey
435
3 Dem Kriegs-Mann vorgeſetzt. Wer wird dann immer kriegen?
Wen durſtet ſtets nach Blut? wer kann dann allzeit ſiegen?
Wo nicht auch eignes Wohl durch Ungemach verſtoͤrt?
Wo nicht das eigne Land ſo wie des Feinds verheert?
Wer iſt dem dieß gefaͤllt? Es muß bald Zeiten geben,
440
3 Jn welchen alles wird in Flor und Freuden leben:
Da wird euch, nur getroſt! das Miß-Vergnuͤgungs-Joch
Nicht mehr zur Buͤrde ſeyn: Jhr werdet Himmel hoch
Weit mehr, als dieſe Nacht die Pracht Coloſſen, ſchweben:
Man ſieht ſchon in Geheim an Friedens-Stoffen weben.
445
3 Das Haupt iſt all zu weis, das fuͤr uns alle wacht:
GOtt ſelber herꝛſcht mit ihm: ihr ſpuͤhrt ja ſeine Macht;
Ein
445Dieſe Friedens-Unterhandlungen geſchahen damahls zu Fieſſen / undwaren endlich den 22. April 1745. be - ſchloſſen.
445
Erſtes Buch.
Ein wenig nur Geduld! Jndem ſie ſo geſprochen,
Seynd jene Schlummer-loß aus ihrem Stroh gekrochen.
Wir aber hielten es fuͤr einen Zeit-Verluſt
450
4 Noch laͤnger da zu ſtehn. Mir wallte Blut, und Bruſt
Die Pracht der Stadt zu ſehn; So fieng ich an zu treiben:
Die bleibe da, ſagt ich, die da verlangt zu bleiben!
Wir halffen ihnen auf: Sie kleydeten ſich an;
Das war was meine Red und Ungeduld gewann.
455
4Wir giengen alſo fort, noch weiter umzuſehen,
Was vor Beleuchtungen an allen Orten ſtehen.
Auf einem engen Platz kam es mir koſtbar vor:
Wir ſahen ein Gebaͤu, wie ſonſt ein Ehren-Thor,
Das, wie die Viere ſich bey deſſen Anblick prahlten,
460
4 Sie vor das Meiſter-Stuͤck der gantzen Stadt gehalten.
Was Herꝛlichkeit und Pomp! das praͤchtigſte Gebaͤu!
Thalia ſagte mir, daß es ein Tempel ſey.
Des Marmels gruͤner Blick und tauſendfacher Schimmer
Erquickte mein Geſicht, und blendete mich immer;
465
4 Was je die Munterkeit der Kunſt-Begierd erdacht,
War hier in dieſem Bau vortreflich angebracht.
Er
458.Das praͤchtige Triumpf-Gebaͤu / welches auf Befehl der Hochloͤbl. N. Oe. Herren Land-Staͤnde in obengemeldter Nacht / ſage / den 14ten Mertzen 1745. aufgefuͤhret worden.
458.
Thereſiade
Er ſchwung die Majeſtaͤt ſo feuͤrig in die Hoͤhe,
Als ob er dem Geſtirn erfreuͤt entgegen gehe:
Er ſtund mit ſolchem Schmuck des Strahlen-Lichts geziert,
470
5 Als waͤr die Sonne ſelbſt dort im Triumpf gefuͤhrt.
War irgends ein Geſims, ein Schafftwerck, eine Schwelle,
Dort hatte neue Pracht der Tugenden die Stelle:
Die Mitte des Bezircks wies die Bedeutung an:
Jch laſe dieſe Schrift auf einem Marmel-Plan;
475
5 Der Jnnhalt zeigte klar, von was vor Ehrfurchts-Trieben
Dieſelbige verfaßt; ſie war mit Gold geſchrieben:
* BEgluͤcktes Oeſterreich! laß von dem Flehen ab!
* Wirff deine Blicke nicht auf deiner Fuͤrſten Grab!
* Die Vorſicht GOttes nimmt und gibt ſie nach Belieben;
480
5 * So faß, ermuntre dich, entreiß dich dem Betruͤben;
* Jſt deines Vaters Todt an deiner Trauer Schuld?
* Sieh! dorten weiſet ſich des Himmels Gnad und Huld!
* Er nahm das Haupt zwar hin; doch bleibeſt du beſchuͤtzet;
* Weil auf deſſelben Thron jetzt eine Mutter ſitzet.
485
5* Die Kronen ſtehn ihr ſo, wie vor dem Vater, an,
* Daß faſt ſo vieler Zier kein Haupt ſich ruͤhmen kann.
* Sie wacht, regiert und kriegt; ſie ſiegt, und gibt dir Erben;
* Sag! konnteſt du zuvor ſo groſſes Gluͤck erwerben?
* Auf auf! erhohle dich! und feyre dieſe Nacht,
490
5 * Die dir ſchon wiederum ein neues Gluͤck gebracht!
* HaltErſtes Buch.
* Halt Stein und Ertz bereit, laß Freuden-Sauͤlen bauen!
* Worinnen man dein Hertz gepraͤget koͤnne ſchauen!
Jch lernte durch die Schrift, doch wuſt ich noch nicht was,
Biß an der andern Seit ich dieſe Worte laß:
495
* Ja! Seegen-reiches Land! frolocke mit Vergnuͤgen!
* Betrachte dieſen Thron im Mittel zweyer Wiegen!
* Deßwegen hat dir GOtt den theuͤren Schatz geſchenckt;
* Weil er durch den Verluſt des Vaters dich gekraͤnckt:
* So ſey mit dieſem Tauſch, den GOtt befahl, zu frieden!
500
5* Dein Vater iſt, ſoviel als nicht von dir geſchieden.
* Wir aber ruffen auf: es ſtehe dieſes Haus!
* Es lauf der Zeiten Reih, eh es vergehet, aus!
* O daß wir dieſe Frau, nebſt ihr den Mit-Regenten
* So lang ihr Haus beſteht, regieren ſehen koͤnnten!
505
5* Die Kinder fuͤhre GOtt mit ſeiner Vater Hand!
* Und ſchencke ſie dem Volck zu ſeines Schutzes Pfand!
* Sie ſeynd das Heyl des Lands, und Soͤhne von den Rechten,
* Um welche ſie mit Sieg als Helden werden fechten.
* Es komm Unſterblichkeit aus ihrer Jahre Reich,
510
5 * Und widme ſelbiges dem Ertz-Haus Oeſterreich!
* Den Wunſch betheuͤrt das Land, und alle Mitgenoſſen
* Durch dieſen Ehren-Bau, durch dieſe Feuͤr-Coloſſen.
Jch laſe mit Bedacht, und mit verborgner Luſt,
Doch war der Jnnhalt mir nur halb und halb bewuſt.
SoThereſiade
515
5So ſucht ich den Begriff von allen dieſen Dingen
Mir durch die Fuͤhrerinn, Thalia, beyzubringen:
Jch nahm ſie bey dem Arm und ſprache: Freuͤndin! ſag
Was das Gebaͤu, die Pracht, das Werck bedeuͤten mag.
So wandt ſie ſich und ſprach: Betrachte dieſe Seite
520
5 Und jene, ſonderlich die Menge dieſer Leute!
Das iſt der Tugenden und Eigenſchaften Chor,
Der ſich, der Koͤniginn ſtets beyzuſtehn, verſchwor.
Sie wieß mir mit der Hand bald die, bald jene Stelle,
Als fragte ſie was ich vor einen Ausſpruch faͤlle.
525
5 Die Sauͤle , ſagte ſie, ſtellt die Geſundheit vor:
Die; Klugheit: jene dort; der Laͤnder Gluͤck und Flor:
Das iſt die GOttes Furcht: Da; Reitz in den Gebaͤrden:
Dort; Redlichkeit und Huld: hier; Muth in den Beſchwerden:
Gerecht - und Mildigkeit ſtehn dorten als ein Paar:
530
5 Die ſtellt Barmhertzigkeit und die die Demuth dar.
Sie bracht faſt einen Staat von Tugenden zuſammen:
Allein wer merckte ſich die Zahl der Ehren-Nahmen?
Wir ſtunden im Geſpraͤch, und in dem Bau vertieft,
Wir wiederhohlten auch den Jnnhalt dieſer Schrift.
535
5Sieh da! ſo kam ein Zug, mit tauſend Freud umrungen,
Welch herꝛlicher Triumpf! um den die Leuͤte ſprungen;
Es wimmelte fuͤr Volck: Der Hertzen Froͤhlichkeit
Brach in ein Jauchzen aus: ſo war noch Ort, noch Zeit.
UnsErſtes Buch.
Uns da mehr umzuſehn: man lief in vollen Schaaren
540
5 Um dieſen Wagen her: die Frauen die da waren,
Verfuͤgten ſich mit uns. Welch angenehmer Schwarm!
Man hielt und fuͤhrte ſich der Reihe nach am Arm:
Wir drangen fleiſſig nach, mit dieſem Zug zu kommen;
Kein Raum der Gaſſe blieb vom Volck uneingenommen:
545
5 So gar der Luft-Kreiß war durch deſſen Stimm erfuͤllt;
Wie wann es dieſe Frau vor uͤberirrdiſch hielt:
Es leb Thereſia! der Ehgemahl! die Soͤhne!
Das Haus von Oeſterreich! war jedes Munds Gethoͤne.
Wie manchem ſtoſſen nicht die Thraͤnen im Geſicht?
550
5Da ſah man, wie das Hertz ſein Freuden-Amt verricht.
Ob es gleich unbequem, ſo zu frolocken, ſchiene,
So wies doch uͤberall ſich eine muntre Miene.
Wir folgten dem Gedraͤng, und Wagen Fuß fuͤr Fuß;
An einer Koͤnigs-Burg war dieſes Zuges Schluß.
555
Nun will ich dir den Ort , ſprach hier die Wahrheit, zeigen,
Wo manche Zepter ſich und Kronen-Haͤupter neigen.
Jnzwiſchen trat ſie vor und die Geſellſchaft nach:
Da ſchimmerte vor uns ein groſſes Vorgemach.
Thalia fieng hier an: Nun ſeynd wir angekommen,
560
5 Wohin wir unſern Flug, den kuͤhnen Flug genommen:
Jetzt gib aufmerckſam acht, jetzt faß mit Aug und Sinn,
Es iſt des Vaterlands Wunſch, Heil und Schutz hierinn.
F HierThereſiade
Hier wohnt der Voͤlcker Troſt, Freud, Abſicht, Preiß und Wonne,
Hier leuͤchtet, glaͤntzt und ſcheint der Laͤnder Wohlfarts-Sonne.
565
5Jch wiederhohlte das, was ich bißher gehoͤrt:
Wie wir der Kuͤnſte Schlaf und Aufenthalt geſtoͤrt;
Was ich durch jenen Ruff, durch jene Schrift erfahren:
Doch wuſt ich nicht gewiß, was diß vor Zimmer waren.
Der Zulauf mehrte ſich; der Ort ward endlich voll:
570
5 Jch wuſte nimmermehr, was ich gedencken ſoll:
Jch ſpuͤhrte nichts als Luſt, Vergnuͤgen und Ergoͤtzen:
Bald hoͤrt ich: Muß man ſich nicht wieder gluͤcklich ſchaͤtzen?
Bald ſagten andre dort: O groſſe Koͤniginn!
GOtt gebe, daß der Feind dir nichts mehr abgewinn!
575
5 Wie koͤnnte dieſes ſeyn , vernahm ich jemand ſprechen,
Wird er das Meiſterſtuͤck, das er gemacht hat, brechen?
Sie iſt ein Wunderwerck, in dem er ſich erfreuͤt;
Durch ſie zeigt er der Welt der Kronen Wichtigkeit:
Er gab ihr ſolchen Schmuck; ſo wird er ſie beſchuͤtzen;
580
5 Ein Sieg iſt ohne GOtt nichts als ein eitles Blitzen.
Um mich ſtund jene Schaar der Tugenden herum;
Sie redt - und liſpelten von dem Ertzhertzogthum;
Von einem zweyten Sohn; von Freuͤnd und Feind und Kriegen;
Wie jener Koͤniginn zum Herꝛſchen, Streiten, Siegen
585
5 Der Himmel ſelbſt das Maß, den Schutz, den Seegen gibt;
Daß auch ihr groͤſter Feind ſie preiſet, ſchaͤtzt und liebt.
MitErſtes Buch.
Wollt ich von einer dieß, von jener das verſtehen,
So mußt ich hin und her durch das Gedraͤnge gehen.
Doch weil man ſich nur halb und halb vernehmen ließ,
590
5 Und die Vielfaͤltigkeit mir manches Wort entriß;
So konnt ich keine Sach, als nur gebrochen, hoͤren:
Bald ließ ich mich von der, und bald von jener ſtoͤren.
Jch ſchaͤrffte das Gehoͤr; ich kehrte mich dahin,
Wo man in dem Geſpraͤch am meiſten eifrig ſchien;
595
5 Da kam mir ungefaͤhr der Ausſpruch zu den Ohren:
Der Himmel hat ſie ſelbſt zur Koͤniginn erkohren!
Jch horcht, ich ſah, ich ſtund als wie ein Wandersmann
Der fuͤr des Walds Gebrauß den Freund nicht hoͤren kann,
Oft nur ein Wort vernimmt. Man ſprach von einem Kreiße;
600
5 Von einem Tugend-Streit; wie wußt ich, was das heiſſe?
Doch merckt ich allerſeits faſt einen gleichen Sinn:
Man ſprach von niemand mehr, als von der Koͤniginn.
Beſonders wie ſie ſich ſchon in der zaͤrtſten Jugend
Der Weiſen Rath ergab; doch mehr der Helden Tugend.
605
5Wie ſie nicht durch den Schmuck und Staat der Majeſtaͤt,
Nein: ſondern durch das Wohl der Laͤnder ſich erhoͤht.
Wie wenig Feur und Schwert des Feinds ihr Herz beſiegen.
Wie ſtandhaft ſie den Thron in der Gefahr beſtiegen.
Wie ſie den Fuͤrſten haßt, der nur auf Waffen traut,
610
5 Oft einen Thron zerſtoͤrt, und niemahls keinen baut.
MitThereſiade, erſtes Buch.
Mit was vor Großmuth ſie den Einbruch angeſehen,
Der wieder Wort und Recht in ihren Staat geſchehen.
Wie, wer ſich gegen ſie bewaffnet und empoͤrt,
Zum Schluß im eignen Land die Feinde donnern hoͤrt.
615
5Wie man von Anfang ſie mit ihrer Macht verachtet,
Als man ſich, ihres Throns ſchon Herꝛ zu ſeyn, geachtet.
Wie nicht der Krieger Zahl, der Ruͤſtung Macht und Kraft,
Nein: ſondern das Vertraun zu GOtt, den Sieg verſchaft.
Wie GOtt durch dieſe Frau den Welt-Monarchen zeiget:
620
5 Daß keiner nur durch Macht faͤllt, ſtehet, oder ſteiget.
[figure]
[figure]

Thereſiade.

Zweytes Buch.

JCh hoͤrte dem Geſpraͤch in ſtillem Eifer zu;
Doch ward mir kaum bekannt, auf was der
Grund beruh;
So wandt ich mich dahin, wo meine Fuͤhrer waren,
Durch ihren Unterricht die Sache zu erfahren.
Allein man oͤffnete darzwiſchen Thuͤr und Thor,
Und jemand trat zugleich aus andern Zimmern vor,
Der mit Bezeigungen verſchiedner Hoͤflichkeiten
Zu wiſſen gab, daß er uns ſoll hinein begleiten
WelchThereſiade
Welch unverhoffte Pracht! ein hell beleuͤchter Saal!
10
5Jch gieng der Wahrheit nach, der ich mich anbefahl,
Damit ich, was geſchaͤh, durch ſie verſtehen koͤnnte,
Wann die Willfaͤhrigkeit derſelben es vergoͤnnte.
Mein Auge war ſo ſehr geblendet und beſtrickt,
Daß es die Menge nur unachtſam uͤberblickt;
15
5 Jch ſah in dem Bezirck noch Anfang weder Ende,
Als haͤtte das Gebaͤu noch Umkreiß weder Waͤnde:
Es glaͤntzete die Luft von ſchimmerndem Cryſtall,
Gold, Marmel, Farb und Flamm erfuͤllten uͤberall
Den Koͤniglichen Saal; die unzaͤhlbaren Lichter
20
5 Erhoben die Geſtalt und Schoͤnheit der Geſichter,
Die man in dem Gedraͤng in dem Getoͤß der Stadt
Bey der Vielfaͤltigkeit nicht wahrgenommen hat:
Der Spiegel Gegen-Schein und unergruͤndtes Spielen
War Urſach, daß ſie mir vermehrt ins Auge fielen;
25
5 Der Hin - und Wieder-Schein der Tracht und der Geſtalt,
Der unermeſſne Glantz, die blendende Gewalt
Bezauberte das Aug, entzuͤckte Geiſt und Sinnen,
Als ſaͤhe man ein Heer gekroͤnter Koͤniginnen.
Luſt, Kummer, Freuͤd und Sorg, Angſt, Ehrforcht und Begier
30
5 Beklemmten meine Bruſt und riſſen mich von mir.
Hilff Freuͤndinn! fuhr ich auf: hilff alles diß zu mercken!
Mein Sinn verliehret ſich in dieſen Wunderwercken;
DieZweytes Buch.
Die Menge war zu groß: Was aller Kuͤnſte Macht,
Geiſt, Feuer, Wohlgeſchmack biß jetzt hervor gebracht,
35
5 Das ſtund um uns herum; was je die Pracht verſchwendet,
War zur Verwunderung der Kunſt hier angewendet:
Des Haupt-Orts Majeſtaͤt war ein erhobner Thron,
Den Palmen, Lorber-Zweig, Oehl-Reiſer, Zepter, Kron,
Reichs-Aepfel, Kriegs-Geraͤth und Friedens-Schaͤtz umrungen,
40
5 Die auf das herꝛlichſte ſich in einander ſchlungen.
Die meiſten von der Schaar erwaͤhlten nach und nach
Jn Ordnung einen Platz, und ſetzten ſich gemach
Jn einen Kreiß herum, dem alle die Matronen,
Die wir vorher gekannt, begunnten beyzuwohnen;
45
5 Als waͤr ein hoher Rath von groͤſter Wichtigkeit,
Und die Zuſammenkunft zu ſolchem Ziel bereit.
Was unbeſchreiblicher rund eingetheilter Schimmer
Entſprung in dieſem Platz von dieſem Frauen-Zimmer!
Der Trachten hell Gepraͤng, des Schmucks befeuͤrter Schein
50
5 Praͤgt jedem Auge Luſt, Verwundrung, Ehrfurcht ein;
Mit groͤſſrer Klarheit kann der ſchoͤnſte Tag nicht prangen,
Als jene, welche da den edlen Kreiß umfangen.
Dem reichen Kleider-Stoff, der ſich je mehr geziert,
Je mehr der Falten-Wall ſich hin und her geruͤhrt;
55
5 Der Edelſteine Blitz, der in den Haaren ſteckte;
Der Farben Lieblichkeit, womit man ſich bedeckte;
DemThereſiade
Dem Himmel-blauen Zeuͤg, der durch das Silber brach,
Und ſich in Gold verbarg, gieng zwar mein Vorwitz nach;
60
5 Doch weder diß, noch was ich ſonſt erhobnes ſpuͤhrte,
War jenes ſo das Hertz am allermeiſten ruͤhrte:
Das Anſehn der Geſtalt; die Schoͤnheit des Geſichts,
Der Feuͤerreiche Blick war reitzend, ſonſten nichts.
Der Mienen Zauber-Art; das Prangen der Gebaͤrden
65
5 War was mit hoͤchſter Luſt muſt angeſehen werden:
Der Augen Freundlichkeit; der Wangen Farben Reitz;
Der laͤchlend-holde Mund, der ſich hier allerſeits
Mit ſchmeichelhaftem Ernſt und muntrer Anmuth zierte,
War, was das Aug in Freud und in Erſtaunung fuͤhrte.
70
Je mehr ſich nach und nach die Schaͤtze vorgebracht,
Je weniger war ich in Sonderheit bedacht
Diß oder das zu ſehen; Die Menge dieſer Frauen
Ließ meiner Seh-Begier nichts nach der Ordnung ſchauen.
Wahr iſt es, daß ich oft um Unterricht gefragt,
75
5 Daß mir die Wahrheit auch oft was ins Ohr geſagt;
Allein was halff es mich, die Antwort aus zu warten,
Da Witz und Aug und Ohr erſtaunt, entzuͤckt, erſtarrten?
Diß war mir endlich neuͤ: es ſtund ein Juͤngling da,
Der, gleich als ſuch er was, nach allen Seiten ſah,
80
5 Und der Matronen Blick vorzuͤglich an ſich riſſe,
Wie wann er zu dem Rath den Anfang machen muͤſſe.
Nach -Zweytes Buch.
Nachdem auch jedes Aug im Saal und in dem Kreiß,
Auf ihn gerichtet war, ſprach er auf dieſe Weiß:
Freundinnen! euch iſt ja der Vorſatz unverborgen,
85
5 Mit dem wir dieſe Nacht zur Abſicht unſrer Sorgen
Gemeinſam auserwaͤhlt? Jndem er alſo ſprach,
Warf er den Augenwinck faſt allen Reihen nach,
Blieb ſtill, wie wann er ſich erſt noch beſinnen wollte,
Was ihm zu reden waͤr; ob er nicht ſchweigen ſollte:
90
5 Doch fuhr er endlich fort: Ja ſchreiten wir zum Werck!
Die groſſe Koͤniginn iſt unſer Augenmerck;
Jhr Wort iſt unſer Schluß und unſer Spruch ihr Wollen,
Was ſie befielt, das iſt, was wir ihr rathen ſollen:
Wir folgen ihr, ſie uns; ſie ſtimmt in allem ein,
95
5 Was je von uns fuͤr ſie mag ausgeſonnen ſeyn.
Man weiß, was ſie durch uns, und wir durch ſie vollzogen;
Es iſt mit ihrem Ruhm die Welt ſchon durchgeflogen.
Hier regte ſich die Frau, ſo dort mit uns geſchwebt,
Und ſprach: Ja zweifelt nicht! Was auf der Erde lebt
100
5 Jſt von derſelben Ruhm und Groͤſſe ſo belehret,
Daß auch die Mißgunſt ſie, doch heimlich zuͤrnend, ehret.
So lang ich flieg hab ich die Muͤhe nicht gehabt
Als ſeit der Himmel ſie mit Kronen hat begabt.
So , fuhr der Juͤngling fort, So wirſt du mir geſtehen,
105
5 Daß es die gantze Welt gehoͤret und geſehen?
G ManThereſiade
110
5 Man frage Sud und Oſt, man hoͤre Nord und Weſt,
Ob man nicht dort ſo gar ihr Sauͤlen bauen laͤßt.
Jch wundere mich nicht: dann wann ich es erwege,
Der Menſchen Wanderſchaft und Reiſen uͤberlege,
Auf welchen ſie dem Meer, der ungeſtuͤmen See,
115
5 Des Winters Wuth und Froſt, dem Regen, Reif und Schnee
Jn dem ergrimmten Schaum der ungetreuen Wellen
Der Winde Raſerey ſich pflegen bloß zu ſtellen;
Daß ſie den goldnen Saft, den die Natur erzeugt,
Und meiſtentheils damit den tapfern Krieger ſeugt;
120
5 Durch Schweiß, den ſie dadurch aus allen Gliedern preſſen,
Jn unſer Schatz-Gemach, in unſre Kaſten floͤſſen:
Damit ſie nur, ſag ich, von dem entlegnen Land
Der Erden theuͤrſtes Marck in Stuffen oder Sand
Aus der vertiefften Nacht derſelben Schachten zwingen,
125
5 Und zum Behuf des Amts, ſo wir begleiten, bringen;
So zeiget ſich von ſelbſt, daß unſre Koͤniginn
Auch dort geruͤhmet ſey, wohin die Voͤlcker ziehn.
Wer wird dahero nicht mit Fug und Recht bekennen,
Daß ich in dieſem Fall die gantze Welt muß nennen,
130[ ']
5 So mehr, als jeder Theil an ihr die Tugend liebt
Und deſſentwegen ihr zum Kampf die Kraͤffte gibt,
Weil aus den Tugenden nicht alles hergefloſſen,
Was GOtt durch ſie der Welt zu zeigen hat beſchloſſen.
NunZweytes Buch.
Nun haben wir die Nacht, die Freuden-Nacht geſehn,
135
5 Es wird auch jedes Hertz aus unſrer Zahl geſtehn:
Daß niemahls ſolche Luſt in dieſer Stadt geweſen,
Daß von dergleichen Feſt in keinem Buch zu leſen.
Jch finde weder Arm noch Reich, ja kein Geſchlecht,
Es ſey die Frau, die Magd, es ſey der Herꝛ, der Knecht,
140
5 Was lebet ſpannte Kunſt, Bemuͤhung und Vermoͤgen
Mit allen Kraͤfften an, die Nacht an Tag zu legen,
Und durch die Freuden-Glut, durch dieſes Ampel-Feur
Zu zeigen, wie das Hertz den Ehrfurchts-Schluß betheur:
Daß es die Koͤniginn den allergroͤſten Schaͤtzen
145
5 Aus Liebe gegen ſie verlange vorzuſetzen;
Weil ſie mehr fuͤr ihr Volck, als fuͤr ſich ſelber lebt,
Mehr nach deſſelben Heil als nach dem eignen ſtrebt;
Des frohen Vaterlands geliebte[|]Mutter heiſſet;
Der Feinde Bund und Macht, Gewalt und Muth zerreiſſet;
150
5 Den angefochtnen Thron ſo tapffer unterſtuͤtzt,
Daß er nun ſelber auch auf ſeine Feinde blitzt;
Jndem er mehr und mehr durch laͤngſt gewuͤnſchte Sproſſen,
Von welchen neulich erſt der Zweyte vorgeſchoſſen,
G 2 Jn
153Der Ertzhertzog Joſeph iſt / den 13. Mertz 1741. Der Ertzhertzog Carlden 1. Febr. 1745. gebohren; dieſe Re - de aber geſchiehet den 14. Mertz 1745.
153
Thereſiade
Jn ſolchen Stand geſetzt, daß ihm kein Donner-Knall
155
6 Jn Zukunft ſchrecken kann; kein ſchwerer Wetter-Schwall
Deſſelben Grund verletzt; er trotzet auch die Wellen,
Die noch an deſſen Fuß mit Sturm und Brauſen prellen.
Mit einem Wort: es ſtrebt und trachtet jedermann
Nach dem was dieſe Frau zu loben taugen kann.
160
6 Es ſtimmen Freud und Feur in dieſer Nacht zuſammen,
Weil Troſt und Lieb und Treu das gantze Volck entflammen.
Nur unſre Regung ſcheint noch nicht genug erweckt;
Man kennt die Freude nicht, die ſich in uns verſteckt;
Wohlan! ſo binden wir Sinn, Willen, Hertz zuſammen,
165
6 Dem Volck, dem frohen Volck in allem nachzuahmen!
Hier ſchwieg er, und es ſchien, als ob er ſich beſann:
Bald hoͤrt ich: Ja; bald: Nein. Drauf ſieng er wieder an
Und ſprach: Nein! beſſer iſts, ein ſolches Werck zu finden,
Daß wir dadurch des Volcks Frolocken uͤberwinden.
170
6 Die Koͤniginn iſt ſchon der gantzen Welt bekannt;
Der Urſprung ihres Ruhms wird aber nicht genannt.
Man rufft: ſie rettet ſich! ſie kriegt! ſie weiß zu ſiegen!
Die Feinde werden ſich vor ihrem Antlitz ſchmiegen!
Jnzwiſchen ſagt man nichts von der geheimen Macht,
175
6 Die biß auf dieſe Stund zu ihrem Schutz gewacht.
Man weiß, daß Helm und Schild und Lantze viel genuͤtzet;
Daß aber dieß Geraͤth allein ſie nicht beſchuͤtzet.
DerZweytes Buch.
Der Voͤlcker Stimme ſchreyt nur Heer, und Feur, und Stahl,
Und Schwert, und Rach, und Wuth, und tapfrer Krieger Zahl!
180
6 Kaum denckt man auf das Amt, ſo dieſer Kreiß verrichtet,
Der den Entwurff des Feinds allein verwirꝛt, zernichtet.
So wend ich mich zu euch: wir ſeynd die Gegenwehr,
Von uns kommt Sieg und Ruhm, und Heil und Rettung her;
So ehren wir uns ſelbſt: Den Tugend-Chor verehren
185
6 Jſt dieſer Koͤniginn Vortreflichkeit vermehren;
Wer dieſes Kreißes Ruhm, Verdienſt und Amt erhoͤht,
Der preiſet und erhebt auch ihre Majeſtaͤt.
Ob demnach wir fuͤr uns, ob wir fuͤr ſie was bauen,
So wird man Sie ſowohl, als uns geehret ſchauen.
190
6 Gewiß iſt es, daß uns ſo viel Triumpf gebuͤhrt,
Als einſt das Alterthum den Helden aufgefuͤhrt:
Weil wir der Koͤniginn das alles beygetragen,
Was zu derſelben Ruhm faſt alle Voͤlcker ſagen.
Hier merckte man, daß er ſich ſelber innerlich
195
6 Mit dem, was er dem Rath vortruͤge, nicht verglich.
Man konnt aus ſeinem Aug, und Thun und Laſſen ſchlieſſen,
Daß Satz und Gegenſatz ihn noch im Zweifel lieſſen.
Allein , ſo fuhr er fort: Wer iſt, wer ſagt mir nun,
Worinnen dieſes Werck, dieß Ehren-Werck ſoll ruhn?
200
6 Wann Jede von dem Chor beſonders prangen wollte;
Wann man fuͤr Jede was zu baun, entſchlieſſen ſollte;
G 3 SoThereſiade
So ſchwuͤng der Vorſchlag ſich weit uͤber unſre Macht,
Man faͤng zwar an, jedoch es wuͤrde nichts vollbracht:
So viele Tugenden! ſo viele Pracht-Coloſſen!
205
6 Es wuͤrd ein Wunder-Wald, doch blieb er unentſproſſen.
So faſſen wir den Schluß: Ein eintziges Gebaͤu,
Das man dem Amts-Verdienſt der erſten Tugend weih,
(Stim̃t ihr mit mir nicht ein?) koͤnnt unſern Wunſch und Willen
So wohl, als jener Wald, durch ſeine Pracht erfuͤllen.
210
6 Wer aber iſt von uns, dem dieſer Rang gebuͤhrt?
Wer hat was ohne mich erfunden, ausgefuͤhrt?
So will das Recht, daß man mir dieſes Denckmal baue,
Auf deſſen Frieſe man mich, meinen Nahmen ſchaue.
Jch wurde nicht allein durch dieſen Satz bewegt;
215
6 Die gantze Gegenwart des Saales ward erregt,
Nichts weniger als ihm geneiget beyzuſtimmen;
Man ſah faſt allerſeits ein Mißvergnuͤgen glimmen.
Thalia ſelbſt erwies Befremdung, ja Verdruß:
Was , ſagte ſie: Der iſt beym Anfang ſchon am Schluß?
220
6Jch fragte, wer er ſey; Ob ſie den Juͤngling kenne?
Sein Reden zeigt , ſprach ſie, daß er ſich Zweifel nenne.
Jhn213Das Frieſe (Zophorum) iſt ge - meiniglich der jenige Ort an demHaupt-Geſims eines Gebaͤudes / den man mit einer Jnnſchrift zieret.Zweytes Buch.
Jhn aber hinderten die finſtern Augen nicht.
Jhr uͤbereilet euch! vernehmt nur den Bericht!
Thereſia , gieng er in ſeinem Vortrag weiter,
225
7 Haͤtt manches Helden-Werck durch allerkluͤgſte Streiter
Nicht gluͤcklicher vollbracht, als es mein Witz gethan;
Jch weiſe klar, daß ich mich deſſen ruͤhmen kann.
Jch zweifle; dieſes heißt: den Sachen nachzuſinnen:
Durch dieſes werden wir derſelben Zuſtand innen:
230
7 Der Zuſtand zeigt den Weeg, der Weeg fuͤhrt uns zum Ziel
So man nach Art und Maaß der Sach erreichen will.
Mit dieſer Eigenſchaft hab ich den Weeg gefunden;
Durch dieſen haben wir uns gluͤcklich durchgewunden:
Wer iſt, dem nicht die Furcht durch Hertz und Adern drang?
235
7 Wer iſt, der nicht mit Angſt und Ungewißheit rang?
Wer ſaß nicht manchesmal in traurigen Gedancken?
Wie oft begunnt man nicht mit eignem Sinn zu zancken;
Wart ihr nicht ſelber oft in Wanckelmuth verſenckt?
Wer hat euch wiederum von dorten abgelenckt?
240
7 Die Koͤniginn und ich: wir haben uns befliſſen,
Durch meine Zweifels-Kunſt der Sachen Grund zu wiſſen.
Freund, Hoffnung, GOtt und Sieg, Feind, Waffen und Gefahr,
Dieß alles ſtellten wir uns ſo bedeutlich dar,
Daß kein Verdacht, kein Fall, kein Umſtand ward vergeſſen,
245
7 Wir hatten Tag und Nacht bald dieß, bald das ermeſſen.
WannThereſiade
Wann man ſich anderwerts dem Kummer uͤberließ,
Da ſucht ich, daß ich uns aus deſſen Banden riß.
Wir hatten Ja und Nein, ſonſt nichts, zu Raths-Genoſſen,
Durch dieſe ward von uns, was allen halff, entſchloſſen.
250
Man weiß, wer einſtens dort den vierten Theil der Welt
Durch Flutten ohne Bahn den Dreyen zugeſellt:
Haͤtt in der Vorwelt man von mir den Rath genommen,
So waͤr man damahls ſchon vielleicht dahin geſchwommen.
Der Sterne Kreiß und Lauf; der Wind; der Erde Rund;
255
7 Die machten dem Colon der Hinkunfft Weege kund;
Er kannte nach und nach den Unterſcheid der Sachen,
Die meine Zweifels-Kunſt ihm wuſte vorzumachen.
Jch ſtellte ſeinem Witz des Mondes Reiſe vor:
Hier gehet er hinab, ſagt ich, und dort empor;
260
7 So muß die Waſſer-Welt ſich dort hinunter kruͤmmen,
Und folglich dieſe Flutt dort an ein Ufer ſchwimmen:
Sie wallet immerfort und wird dahin gejagt,
Sieh! wie der Wellen-Schwall der Wellen Schwellen ſchlagt.
Hier
255.Chriſtoph Colon ins gemein Co - lumbus genannt / der beruͤhmte Genue - ſer / welcher im Jahr 1491. die Jnſeln Cuba / Domingo ꝛc. erfand und demAmerico Veſputio den Weg zum fe - ſten Lande der ſo genannten neuen Welt bahnte.
255.
Zweytes Buch.
Hier ließ ich ſeinen Sinn mit ſteten Winden ſpielen;
265
8 Biß ſeine Blicke dort auf welche Breter fielen,
Die waren von der Flutt im Strohm herum gewiegt.
Zu gleicher Zeit hatt ich den Zufall beygefuͤgt:
Er ſah von weiten was ſich durch die Luͤfte ſchwingen;
Das muß ihm, duͤnckte mich, noch weitern Zweifel bringen:
270
8 Ein matter Vogel-Schwarm entfliegt nicht aus der See,
Bracht ich ihm in den Sinn, nicht aus der Wolcken Hoͤh;
Er muß von einem Land, nicht von der Luft herkommen;
Auf ſolche Weiß hatt ich denſelben eingenommen.
Kaum war der Zweifel da, ſo ward der Schluß gefaͤllt:
275
8 Es ſey das Meer umgrentzt; dort ſey noch eine Welt;
Dort halte die Natur den groͤſten Schatz verborgen:
So fieng er um die Kunſt der Hinfart an zu ſorgen.
Bald dacht er an den Weeg, bald an den fernen Schatz,
Sie fanden beyde gleich in ſeiner Hoffnung Platz.
280
8 Der Weeg verſprach ihm Gold, und dieſes zeigte Weege;
So wurde ſein Gemuͤth zum Unternehmen rege.
Jch ſtellte ſeinem Sinn durch meine Forſch-Kunſt dar,
Was nutzlich, hart und ſchwer, und was gefaͤhrlich war.
Des Meers ergrimmtes Saltz, und ſein beſchaͤumtes Brauſen
285
8 Erweckte zwar in ihm fuͤr ſolcher Reiſe Grauſen;
Jedoch das goldne Land, die feſt gehoffte Beuͤt
War ſchmeichelhaft und ſprach von nichts als Sicherheit.
H ErThereſiade
Er zweifelte ſo lang, und hielt ſich nach den Winden,
Biß er nach ihrem Zug die Straſſe wußt zu finden;
290
8 So fuhr und ſchwamm er fort. Sehr zweifelhafte Bahn!
Er ſahe die Gefahr mit ſcheelen Augen an;
Verachtete die Furcht; ließ nur die Seegel ſtreichen,
Wann er gezwungen war den Stuͤrmen auszuweichen.
So viel hab ich gewuͤrckt; wie war die Fart geendt?
295
8 Daß ihn die neue Welt als den Erfinder kennt.
Haͤtt er mich nur veracht, mir kein Gehoͤr gegeben,
So wuͤßten wir noch nicht, in welcher Welt wir leben.
Auf ſolche Weiſe ward Thereſia gefuͤhrt;
Das iſt, wodurch ſie nun mit ſolchem Ruhm regiert.
300
8 Das iſt die Kunſt, der ich mich zu bedienen pflege.
Jch zeige, wann man irrt, durch Nein und Ja die Weege.
Nun ſetz ich dieſen Fall: Thereſia verſchmaͤht
Was ihr nach meinem Rath durch Hertz und Sinnen geht;
Sie ſitzt verlaſſen da; will nichts mit mir erwegen;
305
8 Steht weder dieſem Satz noch jenem Schluß entgegen;
Sie bleibt in Finſterniß, ſucht keinen Sonnen Schein;
Gibt ſich den Wellen Preiß und zieht das Ruder ein;
Sagt: alles helffe nichts, es ſey bereits geſchehen;
Man koͤnne Waffen-bloß dem Feind nicht wiederſtehen;
310
8 Es ſey noch Hilff noch Rath, zum Kaͤmpfen auszuziehn,
Das Hoffen nuͤtze nichts, weil ſelbſt die Freunde fliehn;
EsZweytes Buch.
Es ſey ſchon alles aus; der Zweifel helffe nimmer;
Die Sachen wuͤrden nur durch widerſtehen ſchlimmer;
Ohnmoͤglich koͤnne ſie ſo groſſer Feindes Macht,
315
8 Die ſich der halben Welt genug gewachſen acht,
Nur einen Augenblick des Degens Spitze zeigen;
Man muͤſſe ſelbige vor ſolcher Staͤrcke neigen;
Es nutze kein Gewehr, man brauche kein Geraͤth,
Was immer hilflich ſey, das komme viel zu ſpaͤt.
320
Geſetzt, ſie waͤr zum Schluß in ſolchem Wahn verharret,
Sprecht! waͤren wir nicht ſchon, wer ſagt mir wo? verſcharret?
Wo ſuchte man den Kreiß? wo waͤr das Kronen-Haus?
Sagt! waͤr nicht ohne mich ſchon laͤngſtens alles aus?
Der ſich ſchon faſt ergibt, entrinnt oft den Gefahren,
325
8 Und weiß fuͤr Schauer nicht, wer ſeine Retter waren;
Dem man mit Untergang, mit Schwert und Dolchen droht,
Erlangt oft ohngefaͤhr Beſchuͤtzung in der Noth;
Warum? ſie zweifeln noch, ob Mittel auszufinden:
Der Zweifel zeigt den Weeg, ſich aus der Angſt zu winden.
330
Mit ſolcher Art hab ich fruͤh, ſpaͤt, ja Tag und Nacht
Jm Geiſt der Koͤniginn den Sachen nachgedacht;
Nichts fand ich zu gering, was etwann konnt geſchehen,
So wir nicht ausgeforſcht und gruͤndlich durchgeſehen,
Wir haben an der Hand faſt alles abgezaͤhlt,
335
8 Biß endlich ſie den Schluß, den kluͤgſten Schluß erwaͤhlt.
H 2LiegtThereſiade
Liegt deſſen Wirckung nun der gantzen Welt vor Augen;
So ſagt: was Zweifel heißt, zu was er koͤnne taugen.
Jch wiederhohle frey, was ich von Anfang ſprach:
Mich uͤberwindet nichts, mir gehet alles nach.
340
8 Will aber eine ſich in meine Rede legen,
Der ſag ich, was ſie ſelbſt fuͤr ſich erklaͤrt, entgegen.
Nichts iſt, was mir den Rang des Frieſes nicht verſpricht;
Jhr ſchifft nur durch das Eis, das meine Tugend bricht.
345
GEnug! das heißt den Schluß des Vortrags uͤbereilen;
Es iſt zu kuͤhn, ſich ſelbſt das Vorzugs-Recht ertheilen.
Vernimm auch andere, die Sach iſt viel zu ſchwer,
Als daß man nicht den Spruch des gantzen Kreiſes hoͤr!
So ward der freche Satz des Juͤnglings unterbrochen,
Weil er ſich unbefragt das Frieſe zugeſprochen.
350
8Kein Wunder: wo man fragt, und gleich den Schluß erklaͤrt,
Da wird gemeiniglich der Beyfall nicht gewaͤhrt.
Die, welche ſich ſo frey zum Gegenſpruch gebruͤſtet,
Bezeigte ſich vielmehr als andre dort entruͤſtet;
Verbarg inzwiſchen doch den Eifer und den Gram,
355
8 Der ihr durch dieſen Schluß auf ihre Wangen kam;
Was , ſagte ſie behertzt, du willſt das Frieſe zieren?
Mein, zweifle doch zuvor ob es dir kann gebuͤhren!
Mich duͤnckt, ich ſehe dich bereits im Zweifel ſtehn:
Du ſeyſt zu dieſem Rang nur zweifelhafft verſehn.
DeinZweytes Buch.
360
8 Dein Forſchen nuͤtzte zwar, nicht aber das Betragen,
Mit welchem du die Frag und Antwort vorgeſchlagen;
Du biſt noch viel zu ſchwach , ſo fuhr ſie weiter fort;
Es klingt in meinem Ohr faſt noch ein jedes Wort,
Mit dem ſie ſich erklaͤrt, Jch will fuͤr mich behaupten,
365
8 Was deine Raͤthe mir, das Nein und Ja nicht glaubten
Daß nur zu meinem Ruhm das Denckmahl ſtehen ſoll;
Dann meiner Trefflichkeit ſeynd alle Laͤnder voll.
Viel haſt du zwar erdacht, doch wenig ausgerichtet;
Dein wanckelbarer Witz haͤtt Land und Leuth zernichtet,
370
8 Er hat am Zweifels-Knopf ſo lang herum geſchaut,
Biß dieſe tapfre Fauſt denſelbigen zerhaut.
Thalia hieſſe mich die tapfre Fauſt betrachten;
Sie ſtreckte ſolche vor, woruͤber viele lachten.
Geh! ſchwimme , fuhr ſie fort, mit deinen Lieblingen!
375
8 Mit deinem Nein und Ja, zwey weiſen Zwillingen!
Sieh! forſch! ſinn Tag und Nacht! was wird es endlich heiſſen?
Am Ende triffts mich doch, dich aus der Noth zu reiſſen.
Hier leitet dich Gewinn, dort ſchrecket dich Gefahr;
Nicht oft erkenneſt du was gut, was falſch, was wahr.
380
8 Dein unentſchloßnes Hertz ſchwebt gleichſam in den Luͤfften;
Was kann dergleichen Rath vor Hilff und Nutzen ſtifften?
Jch hoͤre zwar, daß du der Sachen Eigenſchafft,
Beſtand und Unbeſtand, Verwicklung, Trieb und Krafft
H 3 Vor -Thereſiade
Vorſichtig uͤberlegſt: was hilfft ſo feines Dichten?
385
8 Was kann man, wo man ſtets im Zweifel iſt, verrichten?
Erzehl! ſag an! worzu dient dein gelehrter Witz,
Wodurch du mich ermahnſt: hoͤr donnern! ſieh den Blitz!
Das weiß ich ohne dich; es iſt ein eitles Mahnen,
Und heiſſet: eine Bahn auf einer Bahne bahnen.
390
8 So war der Koͤniginn durch deinen Rath genuͤtzt,
Da du, was ſie geſehn, ſonſt nichts, haſt vorgeſchuͤtzt.
Was halff ihr der Bericht: daß ihrer Feinde Schaaren
Schon vor das Thor geruͤckt, die ſchon vor Augen waren?
Zeig uns den Vortheil an, den deine Kunſt gebracht,
395
8 Wann du ihr vorgeweint: daß ſie der Feind veracht;
Daß nichts mehr uͤbrig ſey, das Eigenthum zu retten;
Das Land verſchmachte ſchon in ungewohnten Ketten;
Und was dergleichen mehr, ſo du bey Tag und Nacht
Mit ſeuffzendem Geſpraͤch in ihren Sinn gebracht?
400
8 Wann das Verdienſte ſeynd? ſo muß ich billig weichen:
Wo ſolche Scharfſicht herꝛſcht, kann ich mich nicht vergleichen.
Doch hoͤr, vernim̃ auch mich: Dein Werck iſt mir nicht gleich,
Du biſt an Worten zwar, doch nicht an Thaten reich.
Hier ſieh! ſchau meine Bruſt! hier ſtecket das Verderben
405
8 Der Feinde, die das Land durch Waffen wollen erben.
Aus dieſem Buſen quillt derſelben Untergang!
So ſpricht die Tapferkeit und ihrer Thaten Klang.
JchZweytes Buch.
Jch pflege mit der Furcht und Hoffnung nur zu ſpielen,
Weil meine Regungen noch die noch jene fuͤhlen.
410
8 Wann einer Tugend Macht, ein Hertzens-Trieb was wagt,
Trifft die Vollziehung mich nur ich bin unverzagt.
Jch ſinne nicht erſt nach, wie ſich die Sterne drehen,
Wohin die Winde mich und meine Flaggen wehen.
Nicht bloſſer Eigennutz, nicht eitler Golds Gewinn
415
8 Bewaffnet meine Bruſt, behertzet meinen Sinn,
Auch nicht Verwegenheit, die ſich zu viel verſteiget;
Noch weniger die Furcht, die ſich zum weichen neiget.
Jch ſcheue keine Noth; Jch eile zum Gefecht,
Zum Sturm und in die Schlacht, wann nur der Streit gerecht.
420
8 Dann Ehr! Ehr iſt die Beut nach der ich mich beſtrebe,
Die iſts, warum ich mich zum Kampf, ins Feur begebe.
Der Urſprung dieſes Triebs quillt aus Thereſia,
Fuͤr welche man mich oft mit Blut beſpritzet ſah;
Jch ſchaͤtze mich begluͤckt, belohnt, geruͤhmt, geehret,
425
8 Wann ſie durch meine Fauſt der Feinde Werck verheeret.
Was trag ich aber viel von meinen Thaten vor?
Du kenneſt mich ſowohl als dieſer Tugend-Chor,
Und zweifelſt nicht, daß ich die Koͤniginn erzogen;
Von mir hat ſie den Muth, den Wunder-Muth geſogen.
430
8 Jhr Thun und Laſſen iſt deſſelben ſo gewohnt,
Daß ſie ſich ſelber nicht, geſchweige mich, verſchont.
ZuThereſiade
Zu keiner Zeit hat es an meiner Hilff gefehlet;
Jch habe ſie zum Streit begeiſtert und beſeelet.
Sie kam der Feinde Sieg oft und ſo gluͤcklich vor,
435
8 Daß ſie ſchon Lorber trug, eh jener noch verlohr.
Hat ſie nicht hergeſtellt, was man ihr abgedrungen?
Jſt nicht die Beute ſchon den Feinden abgezwungen?
Jhr Helden-ſtarcker Arm, ihr tapfres Krieges-Schwert,
Hat bey dem Uberfall ſich ſo beherzt gewehrt,
440
8 Als nicht ein ſchnelles Rad, mit Stahl und Feur beſpitzet
Jm Feld herum gedraͤht, nach allen Seiten blitzet.
Jch fuͤhrte ſolchen Schwung, ich lenckte Lantz und Schild;
So ſiegte ſie, bevor ſie ſich es eingebildt.
Oft hab ich nicht die Zahl des Feindes angeſehen;
445
8 Weil, wo wir angeſchanzt, es mußt nach Willen gehen.
Auf ſolche Weiß hab ich ſo manche Schaar zerſtreut,
Und meine Koͤniginn von der Gefahr befreyt.
Gleich Anfangs wußten wir ſo ritterlich zu fechten,
Und unſrer Feinde Macht in Aufenthalt zu flechten;
450
8 Daß uns die Zeit verblieb, uns eine Sieges-Bahn
Jn Zukunfft auszuſehn, eh ſich der Feind beſann.
Seit dieſem haben wir den Degen ſo geſchwungen,
Daß wir den Eigenſinn des falſchen Gluͤcks bezwungen.
Wie manchmals wurde nicht Thereſia bey Nacht
455
8 Vom Zweifel uͤberhaͤufft, um Ruh und Schlaf gebracht?
JchZweytes Buch.
Jch hab ihr zugeredt; Sie wußt Gehoͤr zu geben,
Und ſelber meinen Rath mit Starckmuth zu beleben.
Gabſt du ihr einen Rath, ſo kennſt du ihr Gemuͤth?
Erfuhrſt du nicht, daß es gehorcht, wann ich gebiet?
460
8 Jſt es nicht deiner ſo, wie ſeiner Meiſter worden?
Daher beruͤhmet ſich durch ſie der Helden-Orden,
Der ihr ſo gar den Rang vor allen Helden gibt,
Und ſie als Koͤniginn des gantzen Ordens liebt.
Sie munterte den Geiſt und Sinn der Wanckelbaren,
465
8 Die der Verzweiflung mehr, als uns, ergeben waren;
Nichts riſſe mehr den Schluß der Tapferkeit entzwey;
Jhr groſſer Geiſt verblieb in allem einerley.
Sie wußte nimmermehr, was Angſt und Schrecken heiſſe;
Wohl aber wie man ſich aus Band und Ketten reiſſe.
470
8 Jhr innerlicher Trieb zu ſtreiten war entflammt,
Sie wies, daß er von mir und nicht von dir geſtammt.
Viel lieber wollt ſie ſich mit tauſend Wunden ſchlagen,
Als nicht des Vaters Kron und ſeinen Zepter tragen.
Jch bilde mir mit Recht den edlen Zufall ein,
475
8 Der ohne Widerſpruch einſt haͤtte koͤnnen ſeyn:
Daß ſie, das Vaterland mit eigner Fauſt zu retten,
Dem Feind in das Geſicht bewaffnet waͤr getretten.
J Sag
477.Jhro Maj. waren damahls ſehr ge - neigt / in eigener Perſohn ihre Voͤlckervor den Feind zu fuͤhren / als derſelbe ſich ſo nahe herbeyzulaſſen begunnte.
477.
Thereſiade
Sag an! wer haͤtte dort aus beyden obgeſiegt,
Und den Triumph erlangt? Wer haͤtte ſich geſchmiegt?
480
9 Jhr Anſehn, Hertz und Feur kann uns den Ausgang zeigen:
Jch ſehe ſchon den Feind vor ihr die Fahnen neigen.
Jedoch, warum fuͤhr ich ſo viele Proben an
Die niemand in der Welt mir widerſprechen kann?
Dieß alles liegt am Tag. Wir ſehen auch die Fruͤchte
485
9 Von meinen Pflantzungen; Trotz dem der ſie zernichte!
Was unſer Wuͤnſchen war, hat ſie durch mich erfuͤllt;
So ſchließt, aus welchem Brunn dergleichen Wohlfart quillt.
Ob jener Nahme nicht die Tapferkeit ſoll heiſſen,
Fuͤr den man das Gebaͤu ſchon anfangt aufzureiſſen.
490
SO lang die Tapferkeit ſich in dem Spruch vertiefft,
Ward durch Aufmerckſamkeit faſt jedes Wort gepruͤfft;
Ein Antlitz voller Feur warf hier dergleichen Mienen,
Als ob der Vortrag nicht des Beyfalls werth geſchienen.
Das weiß und rothe Kleid; des Auges Zuverſicht;
495
9 Ein aufgeſtrickter Arm der ſich empor gericht
Gab den Anweſenden, eh ſie geredt, zu kennen:
Daß Unerſchrockenheit ihr Amt ſich muͤſſe nennen.
Jhr Auge wandte ſich den beyden Erſten nach,
Jndem ſie ſo begunnt: So leitet ihr die Sach?
500
9 Du ſinneſt alles aus, was dieſe gleich vollziehet?
So bin ich ohne Fug zum Widerſpruch bemuͤhet.
UndZweytes Buch.
Und du! nur deine Fauſt hat alles das vollbracht,
Was unſre Koͤniginn ſo Welt-beruͤhmet macht?
Der Zweifel ſchmeichelt ſich: er zeige Steg und Weege;
505
9 Und jene: daß man ſie mit aller Laſt belege;
Kurtz: alles kommt von euch; wir haben zugeſchaut,
Da ſich Thereſia ſo ſtarckem Schutz vertraut.
Gar wohl! wie ſehr ſie ſich mit ihren Thaten prahlen,
So will ich doch es euch ſo klar vor Augen mahlen,
510
9 Daß keiner Tugend mehr der erſte Rang gebuͤhr
(Nur ein geringer Satz dient zum Beweiß) als mir.
Die Feinde ruͤſten ſich, ihr Lager iſt geſchlagen;
Man ſieht ſchon Feur und Schwert durch unſre Laͤnder tragen;
Es brauſet, krachet, wallt und tobt um uns herum,
515
9 Ein jeder fliehet faſt von ſeinem Eigenthum;
Man hoͤrt das Kriegs-Metall von allen Seiten knallen;
Man ſieht den Unterthan dem Feind zu Fuͤſſen fallen.
Was ſinnt der Zweifel aus? was macht die Tapferkeit,
Wann ich in ſolchem Fall nicht alles vorbereit?
520
9 Wann ich den Schrecken nicht durch meinen Muth bekaͤmpfe;
Furcht, Kummer, Sorg und Gram in ihrem Buſen daͤmpfe?
Fragt dieſes Sturm-Geraͤth! fragt jene Finſterniß!
Ob Unerſchrockenheit ſich jemahl ſchuͤchtern wieß?
Und wer blieb unerſchreckt? was hatte man bey Handen
525
9 Als rings um uns herum das Wetter aufgeſtanden?
J 2 WarThereſiade
War ich es nicht allein? war es nicht meine Macht,
Die bey der Schreckbarkeit der Schauer-vollen Nacht
Den heitern Blick erhielt? der Feinde Stolz nicht ſcheute,
Und ſo, Freundinnen! euch von aller Angſt befreyte?
530
9 Es braucht des Redens nicht; ihr gebt mir Zeugenſchafft,
Was damahls hilfflich war, das kam von meiner Krafft.
Kein Zufall konnte mich, mein Herz, mein Aug entſetzen;
Nichts hatte Macht genug mein Weſen zu verlezen.
Da nun der groͤſte Sturm der Koͤniginn verſchont,
535
9 So wurde ſie durch mich der uͤbrigen gewohnt.
Sinn, Scheitel, Geiſt und Blut war nimmer zu erſchuͤttern:
Ein Felſen-feſtes Hertz ringt auch mit Ungewittern.
Die Sonne blizet oft mit dem geſchaͤrften Strahl
Jn das geſchliffne Rund, in den gehoͤhlten Stahl,
540
9 Um mittelſt ſolches Brands durch deſſen Marck zu dringen,
Und ihm den Gegenglanz des Feuers abzuzwingen:
Umſonſt: der Strahlen Macht ſpringt ab, die Spitze bricht,
Er kruͤmmt und wendet ſich dahin, woher ſie ſticht.
Jch ſage: die Gewalt die diſen Spiegel ſtuͤrmet,
545
9 Wird von dem hohlen Stahl in einen Strahl gethuͤrmet,
Und, wie ſie durch die Luft an deſſen Flaͤche prellt,
Mit gleicher Gegenmacht auf ſich zuruͤck geſchnellt;
Der Stahl wird nicht verlezt, nur ſchoͤner ausgeſchmuͤcket,
Jemehr deſſelben Troz der Strahlen Stolz zerſtuͤcket.
NichtZweytes Buch.
550
9 Nicht beſſer kann ich euch der Koͤniginn Gemuͤth
Als durch den hohlen Stahl, der von den Strahlen gluͤht,
Auch ihren Helden-Geiſt, und Muth, und Hertz erklaͤren;
Nichts war ſo ſtarck, ſo ſcharff, daſſelbe zu verſehren.
Die Welt iſt uͤberzeugt, welch ungeheures Feur
555
9 Der Feinde Schluß erweckt; mit was vor Abentheur
Es ausgebrochen iſt; wie ſchnell es ſich geſchwungen,
Und den ergriffnen Fraß in ſeine Glut geſchlungen.
Wie dieſe ſich geknuͤpft, erhoͤht und breit gemacht,
Daß alles ſchon geraucht, gebrannt, gebraußt, gekracht;
560
9 Sie wallt und wuͤhlete durch Waſſer, Luft und Erden,
Als muͤßte Land und Volck von ihr verzehret werden.
Beweinens-werther Brand fuͤr den kein Retten gilt!
War nicht auch dieſer Saal von deſſen Dampf erfuͤllt?
Ergriff, verſchluckt er nicht, bezwang er nicht ſchon alles,
565
9 Was ſich der Raub-Begier, dem Raſen ſeines Walles
Entgegen aufgethuͤrmt? was hatte man im Sinn?
Was ſinnen? ſtuͤrmte man nicht ſelbſt die Koͤniginn?
Wie wanckte nicht ihr Thron? die Wuth war ſo verwegen,
Sie wezte ſchon am Fuß deſſelben ihren Degen.
570
Zerborſte, brache nicht ſchon vieler Laͤnder Grund?
Verſancke nicht ein Theil ſchon in derſelben Schlund?
J 3 Jhr
570Boͤhmen / Maͤhren / Schleſien / Ober-auch ein Theil von Nieder-Oeſter -reich befanden ſich im Jahr 1741. urploͤtz - lich in der Gewalt der Feinde.
570
Thereſiade
Jhr ſelbſten insgeſammt, ich weiß es, habt gezittert,
Je mehr der Rimmerſatt des Feuers ſich erbittert.
Und wer ſteht unerregt, wer bebt, erſtarret nicht,
575
10 Wann man mit ſolcher Art um ſeine Freyheit ſicht?
Allein Thereſia blieb immer unerſchrocken;
Jch wußte dieſem Greul den Zugang zu verſtocken.
Sie glich dem hohlen Stahl, ſo die geſchaͤrffte Spitz
Von dieſer Flammen Wuth, mit tapferm Gegen-Blitz
580
10 Zerbrochen, umgedraͤht, mit Muth zuruck geſchoſſen,
Ja gar das Ungeheur in eignen Schwall geſtoſſen.
Jhr Auge war bemuͤht, lebhaft herum zu ſehn,
Wo dieß, und jenes Feinds ſieghafte Schaaren ſtehn.
Man laſſe, ſprach ſie oft, nur Mauern uͤberwinden,
585
10 Doch werden ſie den Schatz der Krone nirgends finden!
Freundinnen! ſagt nun an: haͤtt ich nicht Hilff gebracht;
Sprecht! wo begiengen wir dergleichen Freuden-Nacht?
Du magſt nun mit der Fauſt; du mit dem Zweifel prangen,
So wird doch dieſe Bruſt den erſten Platz erlangen.
590
Wo ſich Zaghaftigkeit in die Geſchaͤfte dringt,
So, daß ſie Geiſt und Hertz nach ihrem Willen zwingt;
Was nuͤzt der Tapferkeit in ſolchem Fall die Staͤrcke?
Was ſinnt der Zweifel aus? o zweiffelhafte Wercke!
Jch aber muntere Gemuͤth und Vorſicht auf;
595
10 Durch mich erkennet man der Kriegs-Gefahren Lauf.
JchZweytes Buch.
Jch unterhielte ſtaͤts die Gegenwart der Sinnen;
So konnt derſelben Wiz nichts unverſehns entrinnen.
O waͤr Thereſia jezt ſelber bey dem Rath!
O faͤllte ſie den Spruch: wer ihr geholffen hat!
600
10 Jch weiß, man hoͤrte ſie gantz unerſchrocken ſprechen:
Jch habe durch den Strohm das Eiß gewußt zu brechen;
Der Zweifel habe ſie durch Nein und Ja verblendt;
Die Tapferkeit ihr oft mehr Unfall zugewendt;
Wo meiner Tugend Hand die Leit-Schnur nicht gefuͤhret,
605
10 Dort habe ſie Gefahr durch falſchen Rath geſpuͤhret.
Fuͤrwahr, wann ihr erkennt, was euer Hertz geſagt,
Als es, bevor ich es erwecket, noch verzagt;
So werdet ihr gewiß mir dieſes Lob vergoͤnnen:
Daß niemand ohne mich ſein Amt verrichten koͤnnen.
610
Selbſt eure Meinung iſt zu meines Spruchs Behuf,
Worauf ich mich, vernehmt! mit dieſem Fall beruff:
Der geht mit feſter Bruſt dem erſten Sturm entgegen;
Der andre folget dem mit halb entbloͤßtem Degen;
Dort kaͤmpfet jener ſchon mit Witz und Hertz und Muth;
615
10 Hier ſorget dieſer noch um ſein erſchrocknes Blut;
Dort ſtehet jener ſchon den Anfall zu verhindern;
Hier ruͤſtet dieſer ſich den Schrecken zu vermindern;
Kurtz: Jener hoͤrt und ſieht, und eilt, und wehrt, und ſiegt;
Da dieſer hoͤrt, erſchrickt, gedenckt, und endlich kriegt.
WemThereſiade zweytes Buch.
620
10 Wem gaͤbet ihr den Rang von dieſen beyden Streitern?
Jedoch was brauchet es, die Frage zu erlaͤutern:
Genug: Thereſia wies Unerſchrockenheit,
Und trozte die Gefahr die ihr den Sturtz gedreut;
So, daß je mehr des Sturms Erbebungen ſich ſchaͤrfften,
625
10 Je weniger ſie ſich derſelben nahen daͤrfften.
Jch hab ihr Schild und Helm, und Harniſch angelegt,
Jn ihren groſſen Geiſt die Starckmuth ſo gepraͤgt;
Daß, wann des Welt-Bezircks, des Himmels Axe krachte,
Gewalt zwar, Schrecken nicht, ihr Hertz erſchuͤttern machte.
[figure]
[figure]

Thereſiade.

Drittes Buch.

EJn Liſpeln, welches ſanfft durch alle Reihen
ſchlich,
Ließ, als ob man ſich ſchon um einen Schluß
verglich:
Doch weil Gleichgiltigkeit aus vielen Augen blickte,
So ſah man, daß der Preiß des Rangs noch keiner gluͤckte;
Noch weniger da ſchon ein angenehmer Mund
Voll Herꝛlichkeit und Pracht, zu ſprechen fertig ſtund.
KMehrThereſiade
Mehr als ein Meiſterſtuͤck erhabner, groſſer Sinnen
Wies dieſe durch die Weiß ihr Reden zu beginnen.
Jch ſuche weder Rang, noch Frieſe , fieng ſie an,
10
10 Das iſt nicht, was mein Hertz in Regung bringen kann:
Jch will auch eurem Amt die Ehre nicht verſagen;
Jch nehme mir nicht vor, dem Rath was vorzutragen,
Damit ich dieſes Steins Beſitz vor euch gewinn;
Nein: ich eroͤffne nicht deswegen meinen Sinn.
15
Sie griff nach ihrem Schild, und wies ihn gantz erhoben:
Seht , fuhr ſie fort, den Kopf, den Loͤwen-Kopf hieroben!
Jſt etwas in der Welt, vor dem der Loͤw erſchrickt?
(Es war ſein Ebenbild in dieſem Schild geſtickt)
Sein Hertz iſt mein Gemuͤth, es ſcheuet kein Bedrohen;
20
10 Jch blieb in Waffen ſtehn, wo man den Feind geflohen.
Das iſt des Loͤwens Geiſt: nichts hemmet ſeinen Muth;
Er iſt ſich allzeit gleich; er ſchlaͤft nicht, wann er ruht;
Dringt gleich die Finſterniß in deſſen Augenlieder,
So wirfft er doch den Blitz des Blickes hin und wieder:
25
10 Er ligt mit Wachtſamkeit; ſein Auge ſchließt ſich nicht,
Es gibt ihm ſtets von dem, auf was es ſieht, Bericht.
So findt er auch im Schlaf die Mittel ſich zu retten,
Mithin traͤgt er niemahls die Laſt der Schwermuths-Ketten.
Er iſt ſich ſelbſt zum Schutz, zur Bruſtwehr; auch allein
30
10 Wann ihn ein Feind umringt, kan er noch ſicher ſeyn.
WillDrittes Buch.
Will aber er den Streit, die Schlacht, das Kaͤmpfen meiden;
So pflegt er nicht mit Furcht vom Waffen-Platz zu ſcheiden:
Er reißt ſich der Gefahr nicht niedertraͤchtig loß;
Sein Hertz iſt viel zu ſtarck; die Starckmuth viel zu groß;
35
10 Die Großmuth viel zu klug: er geht nur dieſe Weege;
Nur dieſe machen ihn zum unternehmen rege.
Der Eigenſchaften Werth iſt der, ſo mich erhebt;
Durch eines Loͤwens Hertz wird meine Bruſt belebt.
Es heißt nicht Eigenlieb, aus was mein Ruhm entſpringet;
40
10 Die Groͤſſe meines Geiſts iſt, die mir Ehre bringet.
Mich quaͤlet kein Verdruß, kein Eigenſinn, kein Wahn;
Nichts iſt, was meinem Muth die Gleichheit nehmen kann.
Spricht jemand von dem Lob Verwundrungs-werther Seelen,
So pflegt man ihnen mich, die Großmuth, beyzuzaͤhlen.
45
10 Wer in dem Gluͤcke Muth, in Widrigkeiten Gram;
Wer nach der Sachen Lauf, Zorn, Traurigkeit und Scham
Freud[|]und Verwunderung, nichts anders weiß zu zeigen,
Dem iſt kein groſſer Geiſt, nur ſchwache Menſchheit eigen:
Der aber hier und dort der Sinnen Gleichheit weiſt;
50
10 Deſſelben Bruſt belebt ein groſſer Helden-Geiſt.
Dergleichen Trefflichkeit iſt, welche mich begeiſtert:
Jch habe Freund und Feind, und mich dadurch bemeiſtert.
Was man vortrefflich, groß und edel nennt, iſt mein;
Wer kann von euch ſo viel, als ich, ſein eigen ſeyn?
K 2 WieThereſiade55
Wie viele ſehen ſich in Pracht und Hoheit ſchimmern,
Die Ruhm und Ehr, und Gluͤck, und Wohl, und Heil verſchlim̃ern?
Jch kenne des Gemuͤths Begier und Selbſt-Betrug,
Auch der Verwirrungen faſt nie vermerckten Zug.
Pracht, Schickſal, Wiſſenſchaft, Freud, Anſehn, Ehr und Guͤter
60
10 Verfuͤhren durch den Werth und Unwerth die Gemuͤther:
Dieß herꝛſcht nicht uͤber mich; nichts iſt, was mir beſiehlt,
Ob es, wanns moͤglich waͤr, mich ſchon gefeſſelt hielt.
Mich ſchwaͤchet keine Macht; Gewalt hat kein Geſeze,
So meines Sinns Beſtand, und freyen Muth verleze.
65
10 Wann meiner Fauſt die Krafft, indem ſie kaͤmpft, gebricht,
So fehlt doch meinem Geiſt der Schild der Großmuth nicht.
Je weniger ich mich von meinem Stand entferne,
Je mehr ich den Gebrauch der falſchen Ehre lerne.
Mit ſolchen Wuͤrckungen hatt ich den hohen Sinn
70
10 Die Herzens-Regungen der Groſſen Koͤniginn
Begeiſtert und belebt; ſo wußt ich ihr zum ſtreiten
Den Arm, das Herz, den Muth, die Waffen zu bereiten.
So folgte Sieg auf Sieg; ſo thoͤnte Schlag auf Schlag,
Von welchem mehr der Feind, als ich erzehlen mag.
75
10 So wußte ſie das Schwert zur Gegenwehr zu ſchaͤrffen,
So lehrt ich ſie zum Thron den Grund-Riß zu entwerffen.
Nun faͤhrt ſie gluͤcklich fort: was klein, veracht ſie nicht,
Dem Groſſen ſtellt ſie ſich mit Großmuth vors Geſicht.
EsDrittes Buch.
Es ſey die Macht des Gluͤcks geſezt, vermehrt, vermindert,
80
10 So wird ihr Helden-Geiſt an keinem Werck verhindert.
Gebaͤrden, Aug und Sprach erwieſen in der That
Daß dieſe Rednerinn ein ſolches Amt vertrat,
Wodurch Thereſia noch hoͤher ſteigen muͤſſe;
Und andrer Tugenden ſich zu gebrauchen wiſſe.
85
Jch bin die Fuͤhrerin , ſo fuhr ſie weiter fort,
Man findet ohne mich ſie faſt an keinem Ort.
Jch laſſe niemahls zu, daß ſchwache Leidenſchafften
An ihren Regungen, an ihrer Neigung hafften.
Geſchicke, Rach und Haß, Gluͤck, Freundſchafft, Liebe, Neid,
90
10 Luſt, Ungluͤck, Zorn, Gefahr, Freud, Unfall, Ehre, Leid,
Ja was ein Menſchen-Herz mag ruͤhren und beklemmen,
Kan ihre Gleichheit nicht, nicht ihre Großmuth hemmen.
Jhr Geiſt iſt viel zu feſt, daß er ſich biegen ließ;
Zu ſtarck, daß die Gewalt ihn aus der Tugend riß.
95
10 Eroͤffnet eine Flutt den Schwall, ſie zu verſchlingen,
So weiß ſie ſich beherzt aus der Gefahr zu ſchwingen.
Was immer ich erwaͤhn, iſt aller Welt bewußt;
Ein Großmuths-volles Herz bewohnet ihre Bruſt.
Wer prangt mit ſolchem Ruhm? wer iſt in dieſen Reihen?
100
10 Wer kan mit gleichem Sinn erzuͤrnen und verzeihen?
Die Rache ligt beſiegt, wann ſie den Feind erlegt;
Jhr Herz wird durch den Sieg zu keinem Stolz erregt.
K 3 DieThereſiade
Die Rechte fuͤhren ſie zum ſtreiten bey den Haͤnden;
Wo Wuth und Rache ſicht, pflegt ſie den Fahn zu wenden.
105
10 Es ſchreckt ſie keine Macht, kein Bliz, kein Donner-Knall;
Der ihr geweihte Plaz bleibt ihr in jedem Fall.
Jhr Thun und Laſſen iſt ſo lebhafft und begeiſtert,
Daß ſie den Trieb des Geiſts, ſo viel ſie will, bemeiſtert.
Jhr wißt, wie viel ſie will? ſo viel nur, als ſie kann;
110
10 Sie faͤngt, wann ſie nicht kann, niemahl zu wollen an:
Doch kann ſie, was ſie will: ſie folget ihrem Willen,
Weil er nichts anders will, als was gebuͤhrt, erfuͤllen.
Erkennt ihr nun die Macht, die Tugend und die Krafft,
Wodurch Thereſia ſich Hilff und Rath verſchafft?
115
10 Das iſt, warum ſie groß und maͤchtig ward befunden,
Als Zepter, Kron und Thron in den Gefahren ſtunden.
Das iſt, warum ſie dort am allergroͤſten war,
Als ihrer Feinde Stolz das groͤſte Leid gebahr.
Sagt! uͤbertraff ſie nicht ſich ſelbſt an ihrer Groͤſſe,
120
10 Da ſie ſich unbewehrt, in Hilff - und Waffen-Bloͤſſe
Des Anfalls nicht entſezt; mit heiterm Auge ſah,
Was vor Gewalt dem Heil des Vaterlands geſchah?
Die Laͤnder lagen zwar gefeſſelt und gebunden,
Nur ihr verlaßnes Hertz verblieb unuͤberwunden.
125
10 So waͤchſt und gruͤnt, und ſteigt, und bluͤht die Aloe;
So thuͤrmet ſie den Schmuck der Blumen in die Hoͤh;
JeDrittes Buch.
Je mehr die Bitterkeit und Waͤrme ſie durchdringet,
Je praͤchtiger ſie ſich aus ihren Stauden ſchwinget.
Nun iſt der Feinde Schwert und Wuth, und Stolz gezaͤhmt,
130
10 Da ſie mit Sieg und Recht derſelben Ruhm beſchaͤmt.
Wann jemand es der Welt, der Nachwelt ſoll beſchreiben,
Wurd es zur Folge nicht, zum Wunder nur verbleiben.
Jhr ſelber nennet ſie der Helden Seltenheit;
Ein wahres Meiſterſtuͤck der Unerſchrockenheit:
135
10 Jch hab es ſelbſt geſehn, als man ſie wollt berauben,
Wie ſtarck ſie ſich erwies, ſonſt wurd ich es nicht glauben.
Jch lernte ſelbſt von ihr der eignen Tugend Werth,
Und ſahe, daß der Feind an ihr denſelben ehrt.
Jch ſtunde ſelbſt in Angſt, und wußte nichts zu hoffen,
140
10 Mithin war ich von ihr an Großmuth uͤbertroffen.
So hat ſie mir, ich ihr, beſtaͤndig nachgeſchwebt,
So ward ihr Geiſt von mir, mein Herz von ihr belebt.
Was vor Abwechslungen und unverhoffte Faͤlle
Seynd nicht des Wanckelmuths Grund, Urſach, Trieb und Quelle?
145
10 Bald ſchrecket die Gefahr; bald droht der Feinde Schwert:
Dort ſoll man tapfer ſeyn; hier Muth-voll und bewehrt.
Nicht alle Tugenden ſeynd jederzeit vonnoͤthen;
Bald dieſe jenes Amt, bald jene das vertreten.
Mir aber iſt Gefahr und Drohung einerley:
150
10 Eins: ob ich in der Schlacht; in Staats-Geſchaͤfften ſey.
UndThereſiade
Und ſagt! was iſt im Lauf der Zeiten vorgekommen,
Wo nicht die Großmuth ſich des Wercks hat angenommen?
Entſchlieſſet, was ihr wollt, des Frieſes Ehren-Stein
Koͤnnt nur durch meinen Preiß und Nahmen praͤchtig ſeyn.
155
10 So wuͤßt ich nicht wer ſonſt denſelben Platz bewohne,
Die Krone gibt dem Schmuck den Werth, nicht er der Krone?
Jndem die Großmuth ſo von ihren Thaten ſprach,
Gieng meine Wißbegier faſt allen Blicken nach;
Jch wurde nimmer ſatt dieſelben zu betrachten,
160
10 Weil ſie mein Auge ſtets in mehr Ergoͤzung brachten.
Die ſchwieg. Nun merckten wir, daß ſeitwaͤrts eine Frau
Von reizender Geſtalt auf ihre Naͤchſte ſchau;
Wie, wann ſie Rath verlang, ob ſie ſich melden ſolte,
Sonſt aber ihren Sinn noch nicht eroͤffnen wolte.
165
10Ein freundliches Geſicht, in deſſen Augen-Paar
Fried, Unſchuld, Sittſamkeit und Ruhe kenntlich war;
Man las in ihrer Ernſt - und Demuths-vollen Miene,
Daß ihr in dieſem Streit noch nichts erwieſen ſchiene.
Sie trat zwar wuͤrcklich auf, doch redte ſie noch nicht,
170
10 Ein angenehmes Roth durchbrach ihr Angeſicht.
Es ſprach ihr jemand zu; daß ſie ſich endlich wagte,
Und mit Bedachtſamkeit die frommen Worte ſagte:
Man ſtreitet um den Rang, Freundinnen! viel zu ſehr:
Gluͤck, Wohlfahrt, Rath und Hilff komt nur von oben her.
DochDrittes Buch.
175
10 Doch es ſey fern von mir, euch etwas abzuſprechen;
Fern, euern Amts-Verdienſt und Tugend-Werth zu ſchwaͤchen.
Hier ward ſie ſtill, wie wann ſie noch Bedencken trug;
Weil ſie ganz zweifelhaft die Augen nieder ſchlug.
Doch fuhr ſie wieder fort: Und wie kan ich mich ruͤhmen,
180
10 Daß mir vielleicht der Platz des Frieſes ſoll geziemen?
Nein: dieß iſt nicht mein Ziel; dann ich verlange nicht,
Daß man zu meinem Ruhm ein Ehren-Werck erricht.
Entſchließt ihr einen Bau, ſo bauet GOtt zu Ehren,
Er iſts, dem Gluͤck und Sieg, und Kron und Thron gehoͤren.
185
10 Erzaͤhl ich meinen Dienſt, ſo ſuch ich keinen Ruhm;
Jch ſchmuͤckte nur mein Haupt mit fremdem Eigenthum.
So will ich zwar, was ich gewircket habe, zeigen;
Jedoch nur, nicht den Schutz des Himmels zu verſchweigen.
Jn den Bedraͤngniſſen, in dem verlaßnen Stand,
190
10 Jn dem Thereſia von Anfang ſich befand;
Wer wollt es dazumahl, uns Rath zu geben, wagen?
war nicht der Feind ſchon da, den Abzug anzuſagen?
Jch ſahe nah und fern deſſelben Krieges-Schaar,
Die mehr mit Feur und Schwert, als Recht bewaffnet war:
195
10 Da lief ich unverweilt vor allen andern Dingen,
Uns bey dem Himmel Hilff und Beyſtand aufzubringen:
Dann, wo wir hingeſehn, ſagt an! was fanden wir?
War nicht der Untergang des Hauſes vor der Thuͤr?
L WasThereſiade
Was halff es, tapfer ſeyn, nichts fuͤrchten, nirgends weichen,
200
10 Wann weder Heil dadurch noch Rettung zu erreichen?
Die Koͤniginn ergriff und lobte meinen Schluß,
Der, ſprach ſie, ſonſten nichts, iſt was uns helffen muß.
Je mehr mich Furcht und Angſt, und Schmerz, und Unmuth quaͤlte,
Je mehr ich in Vertraun es GOtt um Hilff erzaͤhlte.
205
Der Schiffmann, welcher Gluͤck und Heil auf Wellen baut,
Sein Leben, Hab und Gut dem falſchen Wind vertraut,
Was dient ihm zum Geleit, damit er ſicher ſchiffe?
Nicht wahr, daß er den Pol, die Nadel immer pruͤffe?
Die zeigen ihm den Weeg, den er mit ſeinem Kahn
210
10 Zu ſuchen ſich gewagt, zugleich die Mittel an,
Gefahren, Strandungen und Klippen zu vermeiden,
So weiß er unbeſorgt die Wellen durchzuſchneiden.
Verachtet er den Pol; verliehrt er den Magnet;
Kein Wunder iſt es dann, wann er zu Grunde geht.
215
Uns iſt bewußt, daß auch Thereſia geſchwommen;
Bekannt, was uͤber ſie vor Stuͤrme ſeynd gekommen:
Sie ſchiffte durch den Schaum der fuͤrchterlichſten Flutt;
Auf wem, als nur auf mir, hat ihre Fart beruht?
Die Winde drangen ſich das Schiff herum zu ſchlagen,
220
10 Sie ſchaͤrfften die Gewalt, es auf den Strand zu jagen;
Die Wellen welzten ſich von allen Seiten her,
Sie rollten Flutt auf Flutt, erzuͤrnten ſelbſt das Meer;
KeinDrittes Buch.
Kein Ungeſtuͤm vergaß ſich wieder ſie zu baͤumen;
Die Waͤſſer funckelten fuͤr Grimmen-vollem Schaͤumen.
225
10 So gar der Wolcken Grau wies Rach und Zorn daran,
Verhuͤllte Lufft und Meer, und den beſtuͤrmten Kahn;
Der Schrecken haͤuffte ſich; der Hoffnungs-Ancker krachte,
Jndem die ſchwartze Luft den Keilen Weege machte,
Wodurch des Donners Macht, Bliz, Feur und Hagel ſchoß,
230
10 Das Hoffnungs-bloſſe Schiff in Graͤßlichkeit verſchloß.
Mich greifft ein Schauer an; Mund, Herz und Stim̃e zittern,
Wann ich des ſchwaͤchſten Schlags von dieſen Ungewittern
Mich noch erinnere: wie das erboßte Feur
Des Hochmuths ſich empoͤrt: mit was vor Abentheur
235
10 Das wallende Gebuͤrg den Rachen aufgeblehet,
Und um deſſelben Schlund das Schiff herum gedrehet.
Erzaͤhlt mir, Wertheſte! wie ſich Thereſia
Jn der Gefahr erwies! wer war zum Helffen da?
Was halff die kuͤhne Fauſt, Standhafftigkeit der Sinnen,
240
10 Ein unerſchrockner Geiſt, die Winde zu gewinnen?
Das Meer trozt jede Macht. Die Nadel und der Pol,
An dieſen hieng das Schiff, Gluͤck, Rettung, Heil und Wohl.
Das Auge GOttes war der Pol, auf den wir ſchauten;
Nach deſſen Blick und Winck wir uns dem Meer vertrauten;
245
10 Das Herz der Koͤniginn war Nadel und Compaß,
Den weder Flutt, noch Wind, noch Jrꝛlicht von der Straß,
L 2 VomThereſiade
Vom Pol entferneten: mich traff das Ruder fuͤhren:
So konnten wir uns nicht in dieſem Sturm verliehren.
Ja, was am ploͤzlichſten ſonſt zu erſchrecken pflegt,
250
10 War, was in unſerm Sinn oft neuen Muth erregt.
Je mehr der Bliz das Grau der blaſſen Luft zerrizte,
Je mehr in unſrer Bruſt ſich Troſt und Hoffnung ſtuͤzte.
Die Finſterniß nahm uns der Augen Zuverſicht,
Der Bliz hingegen gab uns wieder Schein und Licht,
255
10 Daß wir den Lauf des Sturms, das Wetter konnten ſehen,
Und folglich der Gefahr des Untergangs entgehen.
Nun ruff ich billich auf: Wer halff bey dieſer Fart?
Da ihr noch ſelber nicht zum Beyſtand einig wart?
Wie taugte dazumahl ein menſchliches Vermoͤgen?
260
10 Drum ſuchten wir die Macht des Himmels zu bewegen:
Zu ſolchem End hab ichs, die Frommigkeit, gebracht;
Und ſo verſchwand der Greul der Schrecken-vollen Nacht.
GOtt gab uns Hilff und Schuz; durch ihn ſeynd wir gerettet,
Jhn haben wir allein um Beyſtand angebetet.
265
10 Was ſonſt konnt hilfflich ſeyn, war was vor uns entwich,
Weil ſchon der Feinde Gifft der Freunde Blut durchſchlich.
Nur was uns GOtt verlieh, gieng, trozte die Gefahren,
Und wiederſezte ſich den Herꝛſucht-vollen Schaaren.
Das hat die Froͤmmigkeit, ich, mein Gebeth erfuͤllt.
270
10 So ſtreitet man umſonſt, woher die Wohlfart quillt.
DieDrittes Buch.
Die Unerſchrockenheit gab oͤffters ſolche Zeichen,
Daß ſich die Froͤmmigkeit mit ihr nicht ſollt vergleichen.
Hier aber ſtund ſie auf, und ſprach: Wer weiß es nicht,
Daß Froͤmmigkeit von nichts, als von der Andacht ſpricht?
275
10 Und billig haſt du ſie gebraucht, erzaͤhlt, geprieſen.
Allein, haſt du dadurch ſo viel, als ich, erwieſen?
Dein Vortrag iſt mein Werck: haͤtt euch der Sturm erſchreckt;
Wo waͤr die Froͤmmigkeit mit ihrem Schiff geſteckt?
Stumm, blind, unmaͤchtig, taub, erſtarꝛt haͤttſt du geſchworen,
280
10 Das ganze Schiff-Geraͤth ſey durch den Sturm verlohren.
Die Froͤmmigkeit vernahm den Einwurff; ſchwieg dazu,
Und wies in dem Geſicht Gelaſſenheit und Ruh:
Doch endlich ſprach ſie dies: Was? Freundinn? willſt du ſtreiten?
Wie? oder ſelber gar den Sieg mir zubereiten?
285
10 Vernimm! wer hat das Schwert der Feinde mehr gewezt
Als du? wer hat es mehr zum Kriegen aufgehezt?
Du triebſt es in die Wuth: es hat gepocht, gefochten;
Und dannoch ſieht man es mit wenig Laub umflochten.
Darauf ward eingewendt: Die Furcht iſt dein Geleit;
290
10 Verliehrt nicht dieſe ſtets, wo man auch ſiegt, den Streit?
Sie ſchlaͤgt der Krieger Muth durch ihr Entfliehen nieder;
Sie ſtoͤrt der Schaaren Feur, und ſchwaͤcht die Macht der Glieder.
Was , ſprach die Froͤmmigkeit, was iſt dein Helden-Muth?
Erzaͤhl, auf was dein Rath, Verdienſt und Werck beruht! L 3 MichThereſiade
295
10 Mich leite Furchtſamkeit; dich unerſchrocknes Weſen
Sagſt du? ſo biſt du nicht mit uns im Sturm geweſen?
Und dannoch haben wir die groͤßte Wuth beſiegt:
Wie der Beweiß dem Kreiß und dir vor Augen ligt:
Warſt aber du ſowohl als ich im Sturm vorhanden;
300
10 So weißt du wie beherzt wir alles ausgeſtanden.
Allein was nuzt die Frag und dieſer eitle Streit?
Hier iſt die Froͤmmigkeit; dort Unerſchrockenheit.
Sie ſchwieg und ſezte ſich mit ſtillem Laͤcheln nieder,
Da jene ſich erwies, als braͤchte ſie darwieder
305
10 Mit neuer Ehr-Begier noch einen Gegenſaz:
Allein es ſtellte ſich ſchon jemand an den Plaz,
Und unterbrach den Streit. So war man zwar zu frieden;
Doch wegen dem Gebaͤu ſo viel als nichts entſchieden.
EJn herꝛliches Geſicht, ſo bald es ſich erhoͤht,
310
10 Erweckte bey dem Kreiß durch ſeine Majeſtaͤt
Aufmerckſamkeit und Acht. Es war der Fuͤrſten Zierde,
Ja ſelbſt die Majeſtaͤt, die mit Verſtand und Wuͤrde
Zum reden fertig ſtund, nachdem ſie einen Schild,
Den ſie zu mehrer Pracht und Hoheit vor ſich hielt,
315
10 Gemach erhob, und ſprach: Mein Abſehn und Verlangen
Jſt biß auf dieſe Zeit allein dahin gegangen,
Daß ich die Koͤniginn durch jener Kronen Pracht,
Die meine Majeſtaͤt mir eigenthumlich macht, DemDrittes Buch.
Dem Vaterland zum Heil und ihr zum Nachruhm ziere;
320
10 Der Feinde Laͤnder-Sucht in engre Grenzen fuͤhre.
Es iſt bekannt, wie ſich des Adlers Aug erquickt,
Wann er der Sonne Licht und ſchaͤrfſten Glanz erblickt.
Kaum hoͤrten wir das Wort, ſo wandte ſie das Auge
Nach ihrem Schild, und ſprach: Hier ſehet, was er tauge!
325
10Die Schilderey des Blats wies, wie der Adler ſiegt,
Wie Pfeilen-ſchnell und ſtolz er durch die Wolcken fliegt.
Jemehr der Sonne Strahl ihm in das Antliz blizet,
War ferner ihr Geſpraͤch, jemehr er ſich erhizet;
Er ſchießt und wirfft den Blick um alle Seiten her,
330
10 Es wundert ihn der Luft uneingegrenztes Meer,
Er ſieht die Sonne ſich durch alle Kreiſe ſchwingen,
Und auf der hohen Bahn der Sterne Licht verdringen:
Er ſchaͤzt und achtet ſich als ſeines gleichens Haupt;
Vermeint, er waͤr der Ehr und Majeſtaͤt beraubt,
335
10 Wann ihm der Sonne Macht der Augen Krafft entzoͤge,
Und er nicht ſo, wie ſie, den Himmel uͤberfloͤge.
Er ſtuͤrzt ſich in die Luft, verlaͤßt der Erde Rund;
Und macht der Sonne ſelbſt ſein hohes Weſen kund.
Sie ſtrahlt ihm ins Geſicht, er trozt mit ſeinen Augen,
340
10 Die durch ihr Gegen-Feur das Feuer in ſich ſaugen:
Er ſchaͤrfft den kuͤhnen Blick, und achtet keinen Keil,
Schwingt ſelber ſich ſo ſchnell als ein geſchoßner Pfeil: DurchThereſiade
Durch ſein großmuͤthiges und unerſchrocknes Fluͤgen
Muß, was ihm wiederſteht, den Klauen unterligen.
345
10 Er eilt der Sonne zu, verſchmaͤht der Strahlen Spitz;
Er bricht ſie, wafnet ſich damit: das iſt der Bliz,
Mit dem er auf den Feind, der ihn erzuͤrnet, wettert,
Deſſelben Hochmuth trozt; Wuth, Rach und Macht zerſchmettert.
So ſchuͤzt der Adler ſich; ſo ſchwingt er ſich empor;
350
10 So geht ihm kein Geſchlecht der Welt an Hoheit vor.
So wird der Sterne Reich vom Adler uͤberflogen,
Und deſſentwegen er als Koͤnig vorgezogen.
Aus dieſem Flug erhellt, was ich erklaͤren will:
Ob nicht Thereſia das vorgeſezte Ziel
355
10 Mit ſolcher Majeſtaͤt, mit ſolchem Muth erreiche,
Des Adlers Aug und Muth in ihren Thaten gleiche.
Jhr ſehet, wie beherzt ſie nach des Adlers Art
Jn der Standhafftigkeit der Gegenwehr verharrt.
Hat ſie der Sonne nicht ſchon Strahlen abgebrochen,
360
10 Und ſich an ihrem Troz mit Majeſtaͤt gerochen?
Steigt nun die Majeſtaͤt mit ſolcher Pracht empor;
So kommt der Marmel-Stein mir allzu wenig vor,
Daß ich um deſſen Rang, Beſiz und Ehre ſtreite:
Weil ich mir nichts dadurch zu groͤſſerm Anſehn weihte.
365
10 Nichts uͤbertrifft den Werth, der meine Tugend ziert;
Und nichts den Ruhm, womit Thereſia regiert. SoDrittes Buch.
So faͤllt mir auch nicht ein dem Frieſe nachzuſtreben,
Es kann der Majeſtaͤt kein hoͤhers Weſen geben:
Thereſia, ſonſt nichts ſchafft meiner Krone Zier,
370
10 Was ſelbe ſchaͤtzbar macht und ſchmuͤcket, kommt von ihr.
Hingegen pfleg ich auch ihr Haupt empor zu ſchwingen,
Wie ich davon gar leicht koͤnnt tauſend Proben bringen;
Allein ich trage nichts als einen Umſtand vor:
Von dieſem ſtammt ihr Heil, Gluͤck, Anſehn, Ruhm und Flor.
375
10 Mit mir fieng alles an; ich hatte ſie beſeelet,
Sonſt haͤtt es ihr vielleicht noch mehr an Hilff gefehlet.
Jch wies ihr den Entwurff des aufgedrungnen Kriegs,
Den Weeg zur Gegenwehr, die Moͤglichkeit des Siegs.
Erinnert euch der Zeit, des Orts und jener Thaten,
380
10 Wann, wo, wodurch wir uns zum Krieg bereittet hatten.
Betrachtet nur den Pomp der erſten Koͤnigs-Pracht,
Mit der ſie ſich ſo werth und Welt-beliebt gemacht;
Als auf dem Koͤnigs-Berg ſie gleich dem groͤſten Helden
Gewafnet angezeigt, was einſt von ihr zu melden;
385
10 Jhr habt es ſelbſt geſehn. Jhr wißt den Freuden-Schall
Der von derſelben Stund und von demſelben WallM Faſt
383Als Jhro Majeſtaͤt den 25. Ju - nij 1741. zum Koͤnig von Hungarn ge -ſalbet und grkroͤnet wurden.
383Thereſiade
Faſt durch die gantze Welt ſich ploͤzlich ausgebreitet;
Das hat die Majeſtaͤt, ich, meine Macht bereitet.
Die Folg iſt euch bekannt; hieß es nicht: Leib und Blut
390
11 Wie dort ein gantzes Reich geſchrien, mit Hab und Gut
Sey dieſer Frau geſchenckt? man wolle ſie beſchuͤtzen,
Und eh der Feinde Fauſt mit eignem Blut beſpritzen
Als leiden, daß man ihr nur einen Stein der Kron
Verruͤcket ſehen ſoll; war dieſes nicht der Thon?
395
11 Wars nicht, als ſey der Plaz alldort beſtimmet worden,
Worauf der Helden Fuͤrſt, ja deſſen gantzer Orden
Mit ihr ſich ſchlagen ſoll? Sie ſaß in Majeſtaͤt,
Das Reichs-Schwert in der Hand, auf einem Pferd erhoͤht;
Wie wann von jedem Theil der Welt Gefahr erſchiene,
400
11 Und ſie ſich gantz allein zur Gegenwehr erkuͤhne.
Jch ruͤhme kein Geruͤcht; man hatte wohl geſpuͤhrt,
Daß wahrer Helden-Muth allda den Degen fuͤhrt.
Sie ritte ſo behertzt und hieb ſo ſchwere Streiche,
Daß ihr Gethoͤn und Klang durch viele Konigreiche
405
11 Noch heut zu hoͤren ſeynd. Da zeigte ſie die Bahn
Auf der man Heil und Ehr, und Sieg erfechten kann. Jhr
389Dergleichen Zuruff geſchahe zu Preßburg bey der damahligenReichs-Verſammlung den 11. Sept. 1741.
389Drittes Buch.
Jhr Majeſtaͤtiſches, niemahls gepflognes Reiten
Fieng dorten an, dem Volck ihr Siegen vorzudeuten.
Wer ſahe dort nicht vor, wie ſie das Vaterland
430
12 Jhr Erb-Recht, ihren Thron, mit Tugend, Herz und Hand
Jm Heil befeſtigen, im Gluͤck beherꝛſchen werde?
Daß es geſchehen ſey, bekennt der Kreiß der Erde.
Wir wiſſen was der Feind vor Mienen ſpringen ließ,
Wie ſie das Vaterland der Wuth des Gluͤcks entriß.
415
12 Geht hin auf jenes Feld, umſehet jene Wieſe,
Wo man zum erſten Mahl derſelben Hoheit prieſe!
Schrie nicht das frohe Volck: Begluͤcktes Koͤnigreich!
Der Fuͤrſtinn Ankunfft iſt der Morgenroͤthe gleich!
Wie? rieff man da: die Frau! den Koͤnig nicht zu ſchuͤzen?
420
12 Auf! laſſen wir beherzt die ſcharffen Saͤbel blizen!
Auf Bruͤder zum Gewehr! wann ihr nach Wohlfart ſtrebt!
Wir wollen durch den Stahl, der unſern Muth belebt,
Der Feinde Troz zu Troz als Koͤnig ſie behaupten;
Wann wir uns auch dadurch von Gut und Blut beraubten.
425
Die Grenzen lagen ſchon zu ſelber Zeit im Brand;
Es herꝛſcht - und ſchwaͤrmten ſchon die Feinde durch das Land. M 2 Da -
415Der 20. des Monats Junij 1741 war der gluͤckſaͤlige Tag an welchem dasKoͤnigreich Hungarn Jhro Majeſtaͤt in ſeinen Grenzen zum erſtenmal empfienge.
415Thereſiade
Dahero wollte ſie die treuen Voͤlcker lehren
Wie man den Saͤbel fuͤhrt, ſich um ſein Recht zu wehren;
Wie ſich ein treues Volck zum Schuz des Fuͤrſtens regt,
430
13 Wann es fuͤr ihn den Trieb der Lieb und Ehrfurcht haͤgt.
Kein Hieb gieng nur dahin, daß er die Lufft verdrunge,
Nein: keiner war, der ſich nicht in die Herzen ſchwunge.
Es offenbarte ſich; man jauchzte, rieff und ſchrie:
O daß ſie bald mit uns des Feindes Land bezieh!
435
Und hatte dieſes nicht ſo viel nach ſich gezogen,
Daß wir der Feinde Macht von dort aus uͤberwogen?
Kein Rath war ſonſten da, kein Freund und kein Gewehr,
So daß auf einen Streich der Thron gefallen waͤr.
Kaum fieng Thereſia ſo tapfer an zu wincken,
440
13 So ſah man ſchon den Stolz, den Muth der Feinde ſincken.
Gleich wurden ſie des Volcks, des treuen Volcks gewahr,
Das einem ſiegenden, von einer Helden-Schaar
Zur Schlacht gefuͤhrten Heer an Pracht und Starckmuth gliche;
Da war es, wo der Feind von unſern Mauren wiche,
445
13 Und uns den freyen Weeg zum Siegen uͤberließ:
Zu deſſen Zeugniß ſeynd Wald, Felder, Berg und Fluͤß, Die
444Der Feind hatte den 24. Octob. 1741. ſein Heer uͤber die Do -nau nacher Boͤhmen gezogen.
444Drittes Buch.
Die wir ſo ritterlich durchwadeten, erſtiegen,
Daß unſer Zug nichts war, als Schritt vor Schritt zu ſiegen.
Kein Wunder: haͤtt ein Feind die Majeſtaͤt geſehn,
450
14 So wurd er ſeinen Fahn ihr nicht entgegen drehn;
Er haͤtte ſelber ſich, wie die bekannten Freunde,
Mit ihres treuen Volcks frolockenden Gemeinde
Als Helffer, Rath und Freund fuͤr Ehrfurcht beygeſellt,
Und ſelbſt, daß auch ein Feind ſie liebt, den Spruch gefaͤllt.
455
14 Wir haben deſſen auch viel tauſendfache Proben.
Wie wenig hat der Feind ſein eignes Recht erhoben?
Kein Gegenſaz hat Statt; auf jeden Koͤnigs-Hieb
Entſprung in jedem Sinn ein neuer Ehrfurchts-Trieb.
Mit was Lebhaftigkeit, mit was vor hohen Blicken,
460
14 Wußt ihre Majeſtaͤt den Schwung des Stahls zu ſchmuͤcken?
Ein Held, dem in der Schlacht der Sieg vor Augen ſchwebt,
Regt ſich ſo tapfer nicht, er iſt nicht ſo belebt,
Daß er des Kriegers Feur in feſter Ordnung halte,
Und ſeiner Schaaren Muth nach jedem Fall geſtallte,
465
14 Als auf demſelben Berg die theure Koͤniginn
Mit ihrer Helden-Pracht, mit bloſſen Schwert erſchien. M 3 Kein
448Die Oeſterreichiſche Macht er - oͤffnete ſich mit Anfang des 1742. Jahrsdie Straſſe / in Ober-Oeſterreich einzu - dringen.
448Thereſiade
Kein Wunder iſts, ſag ich, daß ſeit demſelben Tage
Sie nebſt dem Kronen-Schmuck auch Lorber-Kraͤnze trage:
Daß ein vergeßnes Heer, ein nie benanntes Volck
470
15 Durch einen neuen Weeg als eine Wetter-Wolck
Zu ihrem Beyſtand kam, ja ſie noch ſtets beſchuͤze,
Und ihrem Thron ſo viel als tauſend Mauren nuͤtze.
Hier ſagte mir mein Sinn, warum ſo mancher Zug
Der Krieger ſich erwies, den wir in unſerm Flug
475
15 Auf jedem Weege ſahn; der aller Orten eilte,
Und ſich bald da bald dort in ſtarcke Schaaren theilte.
Allein , ſo fuhr ſie fort, was nuͤzt das Wort-Gepraͤng?
Die Sach erweißt ſich ſelbſt. Der Erd-Kreiß iſt zu eng;
Dann ihrer Majeſtaͤt zunehmendes Vermoͤgen
480
15 Wußt auch der Waſſer-Welt Hochachtung einzupraͤgen.
Es war noch nicht genug, daß, was der Erde Rund
Zum Sturz und Fall des Throns der Koͤniginn erfund,
Sich mit vereinter Macht zum Vorſchlag brauchen laſſe;
Man ſuchte durch den Grund der Flutten auch die Straſſe.
485
15 Jedoch es hieſſe nur den Winden ſich vertraun;
Auf Boden-loſen Grund, auf Rauch und Schatten baun. Es
469Der Feind hatte zwar durch ſein Staats-Fern-Glaß viel ausgeſpaͤhet / doch waren ihm die Croaten / Sclavo - nier / Wallachen / Uskocken / Morlacken /Theiſſer / Maroſcher / Warasdiner / Panduren und andere mehr nicht eher als in dem Streit zu Geſichte gekom - men.
469Drittes Buch.
Es ſchlug der Wellen Strohm ſich Wuth-voll in die Mitte,
Als unſrer Feinde Rath zum Unternehmen ſchritte.
Das Meer gehorchte nur der Freunde Rechts-Geboth,
490
16 Und wiegte das Geſchwaͤrm des Feinds im Schwall der Noth.
Die Wellen welzten ſich nur nach der Freunde Schiffen,
Die fuͤr Thereſia dem Feind entgegen lieffen.
Jhr wißt wie ſich das Meer vor Rach und Wuth gethuͤrmt,
Wie Flutt auf Flutt, und Berg auf Berge loß geſtuͤrmt,
495
16 Als es die Feſtungen zum Anfall tragen ſollte,
Wodurch der Feind den Zweck des Siegs erzwingen wollte.
Hat nicht der Stuͤrme Macht nur fuͤr die Majeſtaͤt
Der Koͤniginn die Wuth der Waͤſſer aufgeblaͤht,
Und mit der Graͤßlichkeit der Stucken ſo gewittert,
500
16 Daß ſich des Ufers Grund fuͤr der Gewalt erſchuͤttert?
Hat nicht der ſchwere Grimm des donnernden Metalls,
Vor den Bedrohungen des gaͤhen Uberfalls
Geknallt, gekracht, gemurꝛt, geraßt, gebraußt, gewettert,
Und das Gebaͤu des Feinds zerquetſcht, zerknirſcht, zerſchmettert?
505
16 Maſt, Segel, Seil und Bord der Feinde war zerſtuͤckt,
Samt allem Kriegs-Geruͤſt den Winden Preiß geſchickt.
Das ſtaͤrckſte Schwader ſah Kiel, Korb und Tau zertruͤm̃ern,
Und andern halff es nichts ſich um die Flucht zu kuͤmmern.
Wie viel verſchluckte nicht des Meers geſpaltne Klufft?
510
16 Wie viel entriſſe nicht die Mord-erfuͤllte Lufft? BaldThereſiade
Bald ſuchte dort ein Boot den Schuz im Grund zu finden,
Bald ſah man eines da faſt in der Lufft verſchwinden.
Dort jagte Furcht, Gewalt und Flutt, und Sturm ein Schiff,
Dem noch ein Kugel-Schwarm durch Bord und Segel pfiff.
515
16 Was hier der Grauſamkeit des Abgrunds konnt entrinnen,
Mußt ohne Maſt und Tau durch fliehn den Strand gewinnen.
Der Feind vermerckte ſelbſt des Meers verborgne Treu,
Er fluchte daß es uns zum Beyſtand raſend ſey.
Dem Meer wars nicht genug, daß ſich auf einer Seite
520
16 Durch ſeine Rach und Wuth der Segel-Wald zerſtreute;
Es warf auch anderwaͤrts die Macht des Grimmes hin,
Wo wieder ein Geſtuͤrm auf uns geruͤſtet ſchien.
Es ſchluge Wall auf Wall daß es den Schwarm zerſchellte,
Die Truͤmmer an den Strand, an Stein und Klippen prellte.
525
So ſtritte Wind und Meer fuͤr meine Majeſtaͤt;
Sie wußten daß ſie nicht durch Menſchen-Macht beſteht:
So trozten Erd und Feur, und Flutt die Majeſtaͤten,
Die Zepter, Kron und Thron, ſo GOtt mir gab, verſchmaͤhten.
Was hatt ich nicht zu Land vor Angriff auszuſtehn?
530
16 Was vor Bedrohungen hatt ich nicht anzuſehn? Der,
519Die Tag-Buͤcher beſchreiben was die den 19. Februari 1744. bey To ulon geſchehene See-Schlacht /und der den 12. Merz 1744. bey Dun - kercke entſtandene Meer-Sturm den Feinden geſchadet habe.
519Drittes Buch.
Der, dem ſein Volck den Thron ſo ſtolz vor Augen mahlet,
Daß er faſt mit der Welt-Bothmaͤßigkeit ſich prahlet;
Ja mit dem Richter-Amt der Welt-Monarchen prangt
Und glaubt, daß nur an ihm des Erd-Runds Wohlſeyn hangt:
535
17 Vermuthet, ſeine Kron und Hoheit ſey verdunckelt,
Weil auch dergleichen Glanz auf andern Haͤuptern funckelt.
Der, welcher wenig fragt, was Recht was Unrecht, ſey;
Nicht ſorgt, ob er ein Wort GOtt oder Menſchen weih;
Wann er die Scheitel nur mit Kronen ſo kann ſchmuͤcken,
540
17 Daß andre Koͤnige vor ihm den Zepter buͤcken.
Der, welcher meint das Recht zu herꝛſchen ſey nur ſein;
Jhm ſey das Reich der Welt nicht als mit GOtt gemein.
Der, welcher ſich niemahls pflegt gluͤcklicher zu nennen,
Als wann ſein Auge ſieht wie fremde Laͤnder brennen.
545
17 Der, ſag ich, deſſen Macht wie Stroͤhme ſich ergoß
Und mir zum Untergang durch Weſt und Norden floß;
Der, welcher ſchon befahl, man ſoll auf meinen Waͤllen
Was ferners in der Welt zu thun, den Ausſpruch faͤllen. ( Verzeihet daß mein Herz mit ſolchem Eifer ſpricht;
550
17 Die Majeſtaͤt ertraͤgt dergleichen Eingriff nicht.)
Der, welcher mich ſchon faſt der Majeſtaͤt beraubte,
Den Gipfel ſeines Wunſchs erreicht zu haben, glaubte:
Erſchrack, erſtaunt, erblaßt, als er mich naͤher ſah,
Und wußte nicht woher ihm Wiederſtand geſchah. N555 JchThereſiade
555
17 Jch bot ihm meine Stirn, erhoͤhte Mien und Blicke,
Troz! ſprach ich, daß er mich auf meinem Thron verruͤcke!
Wahr iſts, ſein Vorſatz brach in Strahl und Donner aus,
Umblizt, umrung, ergriff, erſchuͤtterte das Haus;
Doch blieb ich unentſezt, ich hielt mein Aug erhoben,
560
17 Und ſahe die Gewalt des eiteln Hochmuths toben.
Jch wußte, daß wo nichts als Menſchen Rath regiert,
Der Glantz der Majeſtaͤt ſo leichtlich nichts verliehrt.
So ſah ich unverlezt den erſten Sturm verſchwinden,
Und bald darauf den Feind auch meine Macht empfinden.
565
17 Das, jenes und noch mehr, als alles was ich ſag
Jſt, was die Majeſtaͤt der Koͤniginn vermag.
So uͤberlaß ich euch die Muͤhe nachzudencken,
Ob ihr der Majeſtaͤt den Vorzug wollet ſchencken.
DEr Juͤngling der dem Kreiß den Vortrag hat gemacht,
570
17 Nahm dieſer Tugenden Erklaͤrung ſehr in acht.
Bald wies er ſich erblaßt, bald ſchamroth und verdroſſen,
Vielleicht daß ſie bisher fuͤr ihn noch nichts beſchloſſen.
Als nun die Majeſtaͤt von ihren Thaten ſprach,
So ſchlich er unvermerckt, ſtill, heimlich und gemach,
575
17 Jndem die Tugenden in groͤſter Obacht ſaſſen,
Den Siz, den Plaz, den Rath, die Reihe zu verlaſſen.
Warum verliehrt ſich dann der Zweifel aus dem Kreiß
Dacht ich, verzweifelt er vielleicht ſchon an dem Preiß? WillDrittes Buch.
Will er von ſeinem Saz dann nicht den Ausſpruch hoͤren?
580
17Jedoch wer koͤnnt ihn wohl mit einem Beyfall ehren?
Viel beſſer iſts wann er aus der Verſammlung ſchleicht,
Des Vortrags Ehr erhaͤlt und von dem Frieſe weicht,
Als wann er ſonder Rang in der Geſellſchafft bliebe,
Und was man ſpricht, mit nichts als Zweifeln unterſchriebe.
585
Jndem der Umſtand mir dieß in die Sinnen bracht,
So nahm ich ohngefaͤhr ſein Angeſicht in acht.
Er ſchien mir voller Gram uns beyden nach zu gehen;
So war es: dann er blieb bey der Thalia ſtehen
Und ſagte: Wann ich nicht des Frieſes Zier gewinn;
590
17 So fahr ich heut gewiß noch allen durch den Sinn.
Jch weiß nicht was das heißt: ſich jener Ehren ruͤhmen
Die keiner eigen ſeynd, dem gantzen Rath geziemen:
Jch gehe fort: vielleicht find ich den guten Rath,
Unfehlbar gibt er mir und meiner Meinung Statt.
595
17So ſchlich er aus dem Saal; und meine Freundinn lachte,
Daß dieſer Juͤngling ſich ſo viele Sorgen machte.
Jnzwiſchen hatte ſich der ganze Rath geſtillt,
Als ſey ſchon durch den Spruch der Majeſtaͤt erfuͤllt
Was zu entſcheiden war; doch ohne Zeit verliehren
600
17 Trat wieder jemand auf, den Vortrag auszufuͤhren.
Jhr Antliz wies daß es ihr nicht an Macht gebrach,
Noch weniger an Herz, indem ſie alſo ſprach:N 2 JhrThereſiade
Jhr wiſſet allbereits wie hart es mir ergangen,
Als man ſich wieder mich zu ruͤſten angefangen;
605
17 Man pochte nur auf mich, ich war der bittre Dorn,
Jch uͤbertrug des Feinds Verſchmaͤhung, Spott und Zorn.
Auf mich gieng alles loß; man ſah die Schwerter blincken,
Und ſelbe nur auf mich mit ihrer Schaͤrffe ſincken:
Die Paucken thoͤneten, die Fahnen flogen nicht,
610
17 Es ſey dann wieder mich; auf mich war es gericht:
Was Lermen, Mord und Brand, und Drohen konnt erwecken,
Geſchahe nicht, als mir mein Erb-Recht abzuſchrecken.
Sie ließ auf ihrer Bruſt ein offnes Auge ſehn,
Ein wunderbar Geſicht! ſie pflog es offt zu drehn;
615
17 So dacht ich: dieſe mag wohl alle Reden ſchlagen;
Jhr Anſehn iſt ſehr groß, ſie braucht nicht viel zu ſagen;
Sie trug nebſt einer Waag ein bloß gekroͤntes Schwert,
Das gab der Rede Macht, Gewalt, Gewicht und Werth.
Thalia ſagte mir: Betrachte dieſe Waffen!
620
17 Mit dieſen pflegt ſie ſich und andern Recht zu ſchaffen;
Jhr Amt und ihre Pflicht iſt die Gerechtigkeit;
Vor der ſich in der Welt nichts als die Bosheit ſcheut.
Sie ſieht was billig iſt; ihr Amt iſt, es zu waͤgen;
Dem Unrecht ſtellt ſie ſich mit dieſem Schwert entgegen.
625
17 Sie hat des Feindes Rechts ſich niemahls angemaßt,
Doch war ſie ſtets von ihm verfolget und gehaßt. ManDrittes Buch.
Man ſah derſelben Pracht oft ſo mit Blut beflecket,
Daß mancher Freund dadurch ſich hat zur Hilff erwecket.
Man unterdruckte ſie mit ſolcher Macht und Liſt,
630
17 Daß ihr Vermoͤgen faſt fuͤr Qual erloſchen iſt.
Faſt haͤtte die Gewalt die Waagſchal uͤberwogen,
Faſt ward ſie von der Macht auch in den Strohm gezogen.
Jnzwiſchen fuhr ſie ſtets mit ihrer Rede fort:
Jch hoͤrte mit Begier und Luſt ein jedes Wort:
635
17 Der Feinde Raͤthe ſeynd beſtaͤndig eins geblieben:
Das was geſchrieben ſey, hieß es, das ſey geſchrieben.
Des Urtheils Folgungen erfuhr die halbe Welt;
Es halff kein Mittel mehr; der Ausſpruch war gefaͤllt.
Man fieng zu ſtuͤrmen an. Der frechen Winde Meiſter
640
17 Laͤßt die verſperꝛte Brut, die Ketten-loſe Geiſter
Nicht mit ſo ſchneller Wuth aus ihrer dunckeln Gruft;
Sie dringen, reiſſen nicht ſo ploͤzlich durch die Luft;
Jhr brauſendes Gemurꝛ bringt nicht ſo ſtrengen Schrecken;
Jhr bruͤllendes Geheul kann nicht die Furcht erwecken,
645
17 Als der Entſchluß des Feinds in unſre Laͤnder bracht,
Da man am wenigſten auf Krieg und Waffen dacht.
Mein Vorwort halff uns nichts, man fragte nichts nach Rechten;
Es hieß nicht um das Recht, nur um die Laͤnder fechten.
O waffnete damahls mich die Vermeſſenheit!
650
17 Nicht dieſer ſchwache Stahl, wodurch GerechtigkeitN 3 NichtThereſiade
Nicht als mit Milde ſtrafft, ſo wurdet ihr nicht hoͤren,
Wie Feuer, Mord und Schwert der Voͤlcker Gut verzehren.
Nichts hatte dazumahl mein Herz ſo ſehr gekraͤnckt,
Als daß auch Freunde ſich den Feinden nachgelenckt.
655
17 Weil nur die Laͤnderſucht, die Herꝛſch-Begierde tobte,
Die nur, was ihnen halff: Recht oder Unrecht, lobte.
Wo ſich dergleichen Geiſt in die Geſchaͤffte ſetzt,
Dort wird Gewalt vielmehr als alles Recht geſchaͤzt.
Nur jenes war da recht was meinen Feinden gluͤckte,
660
17 Und ungerecht was mir Rath oder Waffen ſchickte.
Daß ſich Thereſia ſo Waffen-bloß befand,
O! dieß war ihnen recht! und da ſie ſich verband,
Viel lieber Noth und Troz, und Schwert und Feur zu leiden,
Als den ererbten Thron, ihr Eigenthum zu meiden;
665
17 Das hieß man ungerecht. Daß ſie zu Grunde geh,
Daß ihre Zuverſicht nur nach dem Himmel ſeh;
War recht und auch nicht recht: recht; daß ſie keine Waffen
Sich und das Vaterland zu ſchuͤzen konnte ſchaffen:
Nicht recht; daß Hilff und Rath von GOtt und Freunden kam.
670
17 Recht; daß ſie von dem Thron ſchon faſt den Abſchied nahm.
Verſprechen, Wort und Eyd, und Hoͤll und Himmel waren
Was ihnen helffen ſollt mir durch den Sinn zu fahren.
Sie nennten mich bethoͤrt, mein Hoffen Selbſt-Betrug;
Gerechtigkeit ſey da zu ſchwach und nicht genug. SoDrittes Buch.
675
17 So weit war es mit mir und meinem Amt gekommen;
Durch ſolche Funcken war das Feuer angeglommen.
Allein ich red umſonſt, es iſt ja Welt bekannt,
Was man zum Untergang des Hauſes angewandt;
Wie mit Betheurungen, mit Worten und mit Schwuͤren
680
17 Man ſich geſpielet hat den Vorſaz auszufuͤhren.
Was je Betrug und Liſt, Gewalt und Hochmuth rieth,
Mit dem bedraͤngte man das Recht und mein Gemuͤth.
Was immer meine Macht konnt aus dem Weege ruͤcken,
Mußt ſich mit einem Schwert, mit einer Waage ſchmuͤcken.
685
17 Nun werffe man mir vor: dies ſey zu keinem Ruhm,
So ſey Thereſia ſamt ihrem Eigenthum
Nicht von Gefahr befreyt; ich habe ſie verlaſſen,
Und deſſentwegen mich des Rangs nicht anzumaſſen.
Geduld! man hoͤre mich! .... das Wetter muß vergehn,
690
17 Wird alles umgeſtuͤrzt, ſo muß doch ich beſtehn,
Das hatt ich in dem Sinn: Gewalt laͤßt ſich nicht zwingen,
Nur die Geduld kann mir Schuz und Errettung bringen.
Dann in dergleichen Fall bin ich allein zu ſchwach,
Ein ſieben-faches Schwert fragt Rechten wenig nach.
695
17 Mit der Gelaſſenheit wußt ich die Zeit zu brauchen,
So ſah ich wuͤrcklich auch den dickſten Dampf verrauchen.
Die Schlange pocht und ziſcht, und greifft den Ambos an,
Er wiederſteht ihr feſt und ſie zerquetſcht den Zahn. DerThereſiade
Der Nord-Wind bricht den Baum, je ſtolzer er ſich thuͤrmet;
700
17 Das Rohr bleibt unverlezt, je maͤchtiger er ſtuͤrmet.
Das war die Gegenwehr, wodurch Thereſia
Mit heiterm Angeſicht die ſtrengſten Stuͤrme ſah.
So wußten wir den Feind gelaſſen auszuweichen,
So folgten wir dem Rohr und nicht dem Stolz der Eichen.
705
17 So lenckten wir die Macht des Rechts nach Zeit und Weil,
So litten wir Gewalt, und ſtunden doch im Heil.
So ward der Schlange Grimm, der Winde Wuth getruzet,
So hatte Recht mit Recht der Koͤniginn genuzet.
Der Waffen Mord-Geraͤuſch erſcholl zwar ſehr erboßt,
710
17 Doch brachte mir das Recht Muth, Hoffnung, Herz und Troſt.
Den Feinden halff das Schwert zu nichts als Blut-vergieſſen,
Weil ſie nur ihm allein den Ausſpruch uͤberlieſſen.
So griff man nach dem Kiel, der ſollte Richter ſeyn;
Auch dies, den Feder-Kampf gieng meine Tugend ein:
715
17 Je mehr man wieder mich zu ſchreiben ſich erhizte,
Je mehr der Glanz des Rechts dem Feind ins Auge blizte.
Wir brauchten beyderſeits die Gegenwehr des Kiels,
Jedoch mit Unterſchied des vorgeſezten Ziels:
Er ſchriebe nur die Welt mit Vorwand zu verblenden,
720
17 Jch aber die Gewalt des Angriffs abzuwenden.
Wer meiner Feder Art, Natur und Recht beſchaut,
Der ſagt, ich habe mich mit Klugheit ihr vertraut. EsDrittes Buch.
Es war ein Adler-Kiel. Genug; ihr alle wiſſet,
Was die Gerechtigkeit von ihm vor Hilff genieſſet.
725
17 Wann man denſelbigen mit andern Federn mengt,
Nicht nur, daß ihre Krafft mit ſeiner nichts verfaͤngt;
Des Adlers Feder pflegt dieſelben zu verzehren,
Und ihrer Eigenſchafft Vermoͤgen zu vermehren.
Der Feind war allzu ſchwach mich, die Gerechtigkeit,
730
17 Die Strahlen meines Rechts mit einer Dunckelheit,
Geſchweige mit der Nacht des Unrechts zu verdecken;
Man ſahe deſto mehr die Klarheit ſich erwecken.
So viel man durch den Kiel mir zu begegnen dacht,
So viel ward er durch mich verzehrt und ſtumpf gemacht.
735
17 Je mehr man ſich befliß, das Affter-Recht zu ſchmuͤcken;
Je maͤchtiger ward ich mein Erb-Recht vorzuruͤcken.
Was fieng man endlich an? man warff die Feder hin,
Und ſagte: meine Fauſt ſollt keinen Degen ziehn;
Mein Kampf ſey nur ein Spiel: ich wuͤrde nichts gewinnen:
740
17 Die Rechte nuͤzen nichts, wo Mord und Brand beginnen:
Das Heer ſey ſchon im Feld, die Fahne ſchon erhoͤht;
Jch komme mit dem Recht umſonſt und viel zu ſpaͤt:
Es werde wenig Sieg aus meiner Muͤh entſprieſſen;
Weil aller Orten her der Waffen Stroͤhme flieſſen;O745 Mir
728Aquilarum pennæ mixtas re - liquarum alitum pennas devorant. Plin. Hiſt. nat. lib. 10. cap. 13.
728Thereſiade
745
18 Mir fehl es am Gewehr. Hieraus zog ich den Schluß,
Daß, weil denſelben nur das Schlacht-Schwert helffen muß,
Sie ſich vielleicht umſonſt die Oberhand verſprechen,
GOtt werde die Gewalt gewiß am Ende raͤchen.
Dies iſt, was meinem Sinn Muth und Vertrauen bracht:
750
18 Wo man mit Unrecht kriegt, dacht ich, nuͤzt keine Macht.
Wo man die Waffen nur mit dieſem Wahlſpruch zieret:
Nur dem gebuͤhrt das Recht, der mit Gewalt regieret.
Dort herꝛſcht man zwar, jedoch wie lang beſteht der Thron?
Das Recht fuͤhrt an das End, und dieſes gibt die Kron.
755
18 Mit dieſer Zuverſicht ließ ich die Feinde fechten,
Mein Recht wuchs immer fort, da ſie ſich immer ſchwaͤchten.
So ſtreifft-und wuͤhlten ſie durch unſre Laͤnder fort,
Bedroht-eroberten bald den, bald jenen Ort.
Was mich, mein Recht erkannt, ergriffe Muth und Degen,
760
18 Und eilte mir zur Hilff derſelben Schwarm entgegen.
Man fochte ſo begluͤckt fuͤr die Gerechtigkeit,
Daß wir uns der Gefahr des Untergangs befreyt.
Der Feinde groͤſter Sieg und ſchwerſtes Uberwinden
War endlich dieſes nur: den Weeg nach Haus zu finden.
765 Ein764Den 14. Decembr. 1742. als die Feinde / des angeruͤckten Entſatzes ungeachtet / die Haupt-Stadt Prag /und bald darauf das ganze Koͤnigreich Boͤhmen verlaſſen mußten.Drittes Buch. 765
Ein wunderbarer Krieg! Sobald nur unſre Schaar
Nicht ſtarck, doch voller Muth ins Feld gezogen war,
Und vor dem Gegner ſich mit Recht bewaffnet zeigte,
Sobald erkannte man, wohin der Sieg ſich neigte:
Jch wuͤrckte ſolchen aus; dann es weiß jedermann,
770
19 Daß die Gewalt nicht ſtets das Recht bezwingen kann;
Haͤtt dieſe nur allein, nicht ich mit ihr, geſtritten,
So muͤßten wir den Feind noch heut um Gnade bitten.
Du Majeſtaͤt geh hin, zeig deines Zepters Pracht!
Du Großmuth zoͤrn, verzeih, weis deines Hertzens Macht!
775
19 Laßt auch die Froͤmmigkeit um Hilff und Beyſtand flehen!
Was werdet ihr zum Schluß vor Wunderthaten ſehen,
Wann die Gerechtigkeit nicht eure Pflichten ziert,
Und jede zu dem Amt, ſo ſie verrichtet, fuͤhrt?
Der Himmel iſt gerecht; fuͤr mich gab er den Seegen,
780
19 An dem in einem Krieg mehr als an Muth gelegen;
Sonſt ſiegte jener nur, der groß und praͤchtig iſt,
Mit Andacht Kronen traͤgt, das Recht nach Hoheit mißt.
Vom Zweifel ſag ich nichts; meintwegen mag er ſinnen,
Wer unter uns den Preis des Frieſes ſoll gewinnen.
785
Jch wiederſpreche nicht, daß jede von dem Rath
Zum Schuz der Koͤniginn viel beygetragen hat;
Doch aber, haͤtte man was ohne mich gewaget,
So waͤren wir vielleicht von dem Beſiz verjaget. O 2 WasThereſiade drittes Buch.
Was konnten Majeſtaͤt, Muth, Herz und Tapferkeit,
790
19 Gebet, Altar, Magnet, auch Unerſchrockenheit,
Was konnt ein Stahl, ein Loͤw, auch ſelbſt ein Adler nuͤzen?
Jch, die Gerechtigkeit mußt alles unterſtuͤzen.
Jch truge Schirm und Helm, der euch im Streit bedeckt,
Jch brachte Zuverſicht, die Geiſt und Herz erweckt;
795
19 Durch mich allein iſt euch ſo Rath als That gelungen;
Jch war die Fuͤhrerin, ſo ward der Feind bezwungen;
Jch trieb ihn aus dem Land; er ſah, obwohl zu ſpat,
Wie ſehr ſich der vergißt, der mich vergeſſen hat;
Er lernte von ſich ſelbſt durch ſein vergebnes Kriegen:
800
19 Daß Waffen ohne Recht zwar fechten, doch nicht ſiegen.
[figure]
[figure]

Thereſiade.

Viertes Buch.

JCh ſahe wiederum dergleichen Schoͤnheit ſtehn,
Woraus die Deutungen beruͤhmter Wercke gehn;
Die Mienen lieſſen hier aus dem erhabnen Weſen
Nichts als Vortrefflichkeit und weiſe Sinnen leſen:
Jhr Ernſt-Erfuͤllter Blick, doch angenehm Geſicht
Wies, daß ihr Herz von nichts als Wichtigkeiten ſpricht.
Jndem ſie mit dem Aug im Kreiß herum gegangen,
Nahm ſie des blauen Kleids mit Gold geſticktes Prangen,O 3UndThereſiade
Und ſchlug es um den Arm; nach groſſer Redner Art,
10
19 Bey welchen ſich Verſtand mit Geiſt und Weisheit paart!
Man brauche mehr Geduld! das Frieſe zu gewinnen,
Muß man die Frage nicht bey dem Entſchluß beginnen
So fieng ihr Vortrag an; der Eifer iſt zu groß,
Mit welchem man bisher faſt jeden Saz beſchloß.
15
19 Wie wir verſammlet ſeynd, ſo muͤſſen wir bekennen,
Daß keine ſich allein im Kreiße daͤrffe nennen,
Als waͤr ſie dieſes Wercks beſondre Meiſterinn;
Als floͤß der Sachen Lauf nicht als von ihrem Sinn.
Jch ſelbſt verlange nicht mir dieſes zuzuſprechen,
20
19 Es wurde mir an Macht und an Beweis gebrechen.
Was nuͤzte Muth und Geiſt? was Unerſchrockenheit?
Was eine tapfre Fauſt, auch die Gerechtigkeit?
Die Zeiten wechſeln ſo, noch mehr die Kriegs-Umſtaͤnde,
Daß niemand weiß wohin man Sorg und Vorſicht wende.
25
19 Man blaſe zu dem Kampf; die Feinde rucken an;
Da frag ich, wer von euch entgegen gehen kann?
Wo keine Krieger ſeynd; wo Krieger ohne Waffen,
Was kann der Tugenden Ruhm, Ehr und Anſehn ſchaffen?
Wer ſtreitet ohne Macht? wie trozet man das Drohn,
30
19 Wann es an Mitteln fehlt; wann Hilff und Freund entflohn?
Fromm, ſtandhafft, ſtarck, gerecht, groß, tapfer und dergleichen,
Das macht die Feinde nicht aus ihrem Lager weichen.
DerViertes Buch.
Der Himmel, ſpricht man oft, der Himmel wircket mit!
Gar weislich, wann man ſich auf deſſen Hilff bezieht:
35
19 Er ließ auch ſeine Macht in den verwirꝛtſten Wercken
Oft eh wir uns verſahn, durch ſtillen Einfluß mercken.
Jedoch der Beyſtand muß nicht nur auf ihm beruhn;
Der Himmel wird ja nicht beſtaͤndig Wunder thun.
Jch glaub auch nicht daß wir der Zuverſicht geweſen,
40
19 Es werde nur die Macht des Himmels uns erloͤſen.
Beſtuͤnde dies Vertraun; was nuzte Witz und Geiſt,
Was aller Glieder Krafft, und was Vermoͤgen heißt?
So fraget man um uns; was unſer Amt geweſen;
Und was von unſerm Thun die Nachwelt werde leſen,
45
19 Das iſts, wovon ich red , hier ſchwieg der holde Mund,
Jhr Eifer aber ward bald deſto beſſer kund,
Sie fuhr gleich wieder fort: Man wird mir Beyfall geben:
Jch will nichts als die That, nicht den Verdienſt erheben:
Man ſage was mein Amt von mir erfordert hat!
50
19 Wen zog Thereſia ſo viel als mich zu Rath?
Jn Sonderheit wo Furcht und Angſt das Land bezwangen,
Auch viele von dem Chor nur mit dem Zweifel rangen?
Man redte manches mahl von aͤuſſerſter Gefahr,
Wo doch ein Schein des Troſts und guter Hoffnung war.
55
19 Hingegen ſah ich auch das Wiederſpiel geſchehen,
Man ſaß in Freuden da, wo man haͤtt ſollen flehen. DortThereſiade
Dort ſann der Zweifel nach, wo man entſchloſſen war;
Hier bracht man den Altar anſtatt des Degens dar:
Entſezten einige ſich nicht auch vor dem Schatten,
60
19 Den Feindes Raͤncke nur aus Liſt geſpielet hatten?
Die Unerſchrockenheit hieß ihren Muth oft groß,
Wann eine Kugel ſich nicht weit von ihr verſchoß.
Und ſelbſt der Majeſtaͤt, was halff ihr Schmuck und Schim̃er,
Als ihr ein Held entgieng? ſie fand ihn dannoch nimmer.
65
Was nuzt Gerechtigkeit wann ihr die Macht gebricht?
Die Macht? wann ſie zu ſchwach nur mit der Hoffnung ficht:
Was habt ihr ins geſam̃t zu jener Zeit verrichtet,
Als Hab und Gut erſchoͤpft, der Krieger Zahl zernichtet?
Wer bracht uns Rath und Hilff, da faſt das ganze Land
70
19 Jn Feindes Banden lag? wer gieng uns an die Hand,
Als wir in ſolcher Noth, in der Beduͤrfftnis waren?
O Weisheit! hoͤrt ich ſchreyn, hilff uns aus den Gefahren
Wach, komm, ſinn, rath und hilff! gleich maß ich alles aus
Jm Feld, im Schaz-Gemach, und in dem Waffen-Haus;
75
19 Jch ſuchte Tag und Nacht den rechten Weeg zu finden,
Was uns koͤnnt hilfflich ſeyn, bey zeiten zu ergruͤnden.
Jch hatte gleich des Sinns Vereinigung geſtifft;
Das iſt, dacht ich, was Wehr und Waffen uͤbertrifft. Je
64Der Verlurſt eines derer groͤ - ſten Helden / wecher den 26. Jenner1744. erfolgte / iſt noch in friſcher Ge - daͤchtniß.
64Viertes Buch.
Je mehr man in dem Land verheerte Schloͤſſer ſchaute,
80
20 Je mehr derſelben ich in treuen Herzen baute.
Wie manch verzagter Sinn ward durch mich Schrecken frey?
Was hatt ich nicht gewirckt, daß eine feſte Treu
Gemuͤths Aufrichtigkeit und munteres Betragen,
Mißhelligkeit und Zwiſt, und Lauigkeit verjagen?
85
20 Die Sachen hatten oft ſo mißlich ausgeſehn,
Daß vielen grauend war nicht eilends durchzugehn,
Faſt alle Maͤchtigſten bezeigten ſich als Feinde;
Die groͤſte Seltſamkeit war Hilff und Rath der Freunde.
Uns ſtunde niemand bey; und jene rieffen gar:
90
20 Hilff Abgrund! ſtellt uns nicht der Lufft-Kreis Helffer dar!
Dann haͤtte dieſer ſich zum Schwert geſchickt befunden,
So waͤren wir vielleicht gefeſſelt und gebunden.
Wo ſich der treueſte doch endlich falſche Fluß
Dem ſchwarzen Flutten-Schlund gefangen geben muß;
95
20 Dort wo die Sonne ſich faſt hin zu gehen ſcheuet,
Weil dort des Winters Macht die See mit Eis beſtreuet;
Auch wo ſich nur ein Blick der Hoffnung vorgethan,
Daß die Beredſamkeit des Goldes wircken kann;
Dort war der Voͤlcker Haupt um Schwert und Pfeil und Bogen
100
20 Von unſrer Feinde Bund mit Trug und Liſt belogen.
Kurz: alles zitterte. Wir waren ohne Macht,
Daß uns die ganze Welt vor aufgezehrt geacht. P VomThereſiade
Vom Vaterland verblieb uns nichts faſt in den Haͤnden,
Als unſrer Kronen Schmuck nebſt den getreuen Staͤnden.
105
Der Norder Moske-Strohm eroͤffnet oft den Schlund,
Kruͤm̃t, thuͤrmt, wirfft ſich herum und ſchaͤumt bis auf den Grund,
Um jener Schiffe Laſt, die mit dem Wirbel ringen,
Mit Fraß-Begier und Graus in ſeine Klufft zuſchlingen;
Der Raub wird aufgewelzt, zerſchmettert, umgekehrt,
110
20 Bis ihn des Rachens Hauch in einem Schluck verzehrt.
Oft ſchwimmt ein Maſt, ein Kiel, und wird herum geprellet
Bis er zu Truͤmmern geht, ſich an dem Strand zerſchellet.
Jnzwiſchen gurgelt ſich die noch nicht ſatte Grufft,
Und der verſchluckte Fraß bricht durch, ſteigt in die Lufft
115
20 Mit Graͤßlichkeit empor; der Strohm muß wieder ſpeyen,
Was er ſo ruͤſtig war im Wirbel einzukaͤuen.
So weit hab ich durch Muͤh und Weisheit es gebracht,
Daß unſrer Feinde Strohm es eben ſo gemacht.
So viel die Laͤnderſucht in ihren Wirbel ſchlunge,
120
20 So viel iſt, was ich ſie auch zu verlaſſen zwunge.
Das noch befreyte Land ward ſo mit GOtt regiert,
Daß, eh des Feindes Aug und Vorſicht es verſpuͤhrt,
Der Baur zum tapfern Mann, das Volck zum Helden-Orden,
Der Schmuck zum Kriegs-Metall, der Pflug zum Degen worden.
125
20 Der Rathſchlag, welchen ich zum Ziel zu ſetzen wußt,
Bracht unſern Feinden Angſt und gab den Freunden Luſt. DasViertes Buch.
Das Herz der Koͤniginn halff alles ſo zu ſchlichten,
Daß unſers Gegners Krieg nichts war, als Nichts verrichten.
Wir ſeufzten um das Land, um das verlohrne Gut,
130
20 Und hatten nichts zur Hilff als Herz, Vertraun und Muth,
Nebſt Waffen-bloſſem Recht auf die bedraͤngte Staaten,
Die ſich ſchon der Gewalt des Schwerts ergeben hatten.
Was fande man ſo nicht ſchon Mord und Brand erfuhr?
Faſt jede Straſſe war des Land-Verderbens Spur.
135
20 Die Laͤnder duͤffteten vom Graus erwuͤrgter Leichen,
Der Landmann floh davon der Knechtſchaft auszuweichen;
Ja was zu klagen war, und noch entſezen mag
Jſt, daß ſo Dorff als Feld und Land verwuͤſtet lag,
Und viele Staͤdte nichts als jenen Schuz verfluchten,
140
20 Den ſie bey jenem nicht, der ſie beſchuͤzte, ſuchten.
So kam es nur an mich: die Weisheit, hoͤrte man,
Jſts welche der Gewalt ein Ende machen kann.
Und recht: man fand auch nichts von mir unausgeſonnen,
Gleich hatt ich Lieb und Treu des Vaterlands gewonnen.
145
20 Gleich ſah man Schaar auf Schaar den Fahnen nachzuziehn,
Und jeden treuen Blick fuͤr Rach-Begierde gluͤhn;
Die Straſſen wimmelten von Ruͤſtungen und Leuten,
Die fuͤr die Koͤniginn zu fechten ſich erfreuten.
Da riß man Haͤuſer um, dort ſtunden Mauren auf,
150
20 Hier gab man einem Fluß um Stadt und Wall den Lauf. P 2 DerThereſiade
Der goß Metall und Erz, dies ward zu Mauer-brechern,
Der Feinde Staͤdt und Wehr und Waͤlle durchzuloͤchern.
Wie manchesmahl war nicht dem Fluß die Laſt zu ſchwer?
Er trug oft einen Wald von jungen Eichen her,
155
20 Womit die Feuer-Kunſt ſich wußte Schuz zu geben,
Daß ſie noch groͤſſrer Macht, als ſie, koͤnnt wiederſtreben.
Man hoͤrte Tag und Nacht der Arbeit Kriegs-Gethoͤn,
Und ſah die Schwaͤchſten auch den Muͤſſiggang verſchmaͤhn;
Die Juͤngſten fanden ſich mit Alten bey den Wercken,
160
20 Den wußte der, der den in der Begier zu ſtaͤrcken.
Wie viele ſcholten nicht die Zaͤrtlichkeit der Hand,
Wann ſie ſich zu der Laſt nicht ſtarck genug befand?
Wie manche wuͤnſchten nicht ein Schulter-Blat von Eiſen,
Jn der gemeinen Noth des Eifers Macht zu weiſen?
165
20 Was Emſigkeit und Fleiß in Monaten vermag,
Das wirckte die Begier des Volcks in einem Tag.
So wimmelte das Land von Kriegern und von Waffen;
Mit dieſen wußten wir uns Rath und Hilff zu ſchaffen.
Was jemahl fuͤr ein Heer, an Eiſen, Erz und Stahl,
170
20 An Kriegs-Erfordernuß die Weisheit anbefahl;
Nennt mir des Manns und Pferds Kriegs-Unentbehrlichkeiten!
Die mußte meine Sorg und Wachſamkeit bereiten.
An nichts gebrach es uns: der Feld-Herꝛ war auch da,
Mit dem die Koͤniginn nach GOtt das Heer verſah. DurchViertes Buch.
175
20 Durch den gelung es uns mit Gluͤck und Sieg zu kaͤmpfen,
Er halff die Krieges-Glut in unſern Grenzen daͤmpfen.
Er iſt der, den ſie ſich durch ihrer Schweſter Hand,
Und durch den Herzogs-Stab, den ſie ihm gab, verband.
Hier kommt mir ungefaͤhr das Trauer-Wort zu Ohren:
180
20 O Leid! was haben wir an dieſer Frau verlohren!
Jch wende mich zu ſehn, woher das Seufzen bricht,
So hoͤr ich wieder: ſtill erneu den Schmerzen nicht!
Die Weisheit redte fort: durch ſeine Muͤh und Thaten
Geſchah, was wir zuvor uns nicht geſchmeichelt hatten.
185
20 Jch gieng ihm an die Hand, damit er Aug und Bruſt
Zu groſſen Dingen klug und kuͤhn zu brauchen wußt.
Er zog mit ſeinem Heer, mit den getreuen Schaaren,
Die dort des Vaterlands Vertraun und Hoffnung waren,
Dem Feind in das Geſicht; da ſtund er mit Bedacht,
190
20 Bis ich ihm in den Sinn, die Schlacht zu wagen, bracht.
Die Feinde fiengen an ſich hin und her zu ſchwencken,
Das machte mich noch mehr auf einen Angriff dencken.
Gleich drauff erſcholl der Gruß durch einen Donner-Knall,
Auf den ich Freuden-voll durch den Trompeten-SchallP 3195 Die
177Die Vermaͤhlung Weyland der Durchleuchtigſten Erzherzogin Ma - ria Anna geſchahe in Wienn den 7. Ja -nuari 1744. Dero hoͤchſt - zu bedauren - der Hintritt aber erfolgte zu Bruͤſſel den 16. Nov. deſſelben Jahres.
177Thereſiade
195
21 Die Antwort geben ließ. Jch ſahe Kugeln rollen,
Die werden uns, dacht ich, noch mehr ermuntern ſollen.
Freundinnen! ſtuͤnd euch nun das Heer vor dem Geſicht,
So ſaͤht ihr, wie den Sieg ſich jeder Blick verſpricht;
Das Schau-Spiel wurd euch ſelbſt das Herz zum Streit entzuͤnden:
200
21 Stirn, Auge, Geiſt und Blut wurd die Begier empfinden.
Hier ſteht das Kriegs-Metall, ſo ſelbſt den Tod erſchreckt;
Dort wird man durch den Schall der Feld-Trompet erweckt.
Der Fahnen Stolz und Pracht umflattert jede Reihe,
Wie wann ſie ſich des Siegs ſchon vor dem Kampf erfreue.
205
21 Da zeigt der tapfre Blick des Reiters Muth und Macht,
Es ſchnaubt das Pferd und ſtrampft, und ſtrebet nach der Schlacht.
Es blizen Waffen, Kleid, Gold, Silber, Stahl und Eiſen,
Der Feinde Stirn und Troz den Gegen-Troz zu weiſen.
Wahr iſts, derſelben Heer ſtund an der Krieger Zahl
210
21 Viel ruͤſtiger, als wir; uns aber blieb die Wahl
Zu ſchlagen, oder nicht. So ließ ich meinem Helden
Der Voͤlcker Tapferkeit und Herz zum Angriff melden.
Gleich ritt er durch das Feld, wies ſeinem Feind die Bruſt,
Den Schaaren Munterkeit, dem Heer zum kaͤmpfen Luſt.
215
21 Jch, meine Gegenwart fand ſich auf allen Plaͤzen,
Das Volck, das tapfre Volck bald an den Feind zu ſezen.
Der Lorber, welchen ſich auch der gemeine Mann
Wann er ſich herzhaft haͤlt, im Krieg erfechten kann, DerViertes Buch.
Der fieng ſchon manchem an auf ſeinem Hut zu ſchweben,
220
21 Der vor dem Treffen ſich mußt in Gefahr begeben.
Man ſtund vielmehr in Freud und Luſt zu fechten da,
Je naͤher man des Feinds geſchloßne Reihen ſah.
Jch wurd aus jedem Aug und deſſen kuͤhnen Blicken
Schon allerſeits gewahr, daß uns der Sieg wird gluͤcken.
225
21 Des Feindes Gegen-Macht ſchien ein beſezter Wall,
Woraus der Schrecken brach, woraus das Kriegs-Metall
Bliz, Mord und Hagel warff. Er kam wie jene Wellen,
Die von dem Sturm erregt ſich aus der Tieffe ſchwellen.
Der Anzug haͤtte leicht den Tapferſten erſchreckt;
230
21 Wir aber ſahn dadurch das Volck noch mehr erweckt.
Wir ruckten Schritt vor Schritt zur Lincken und zur Rechten,
Auch aus dem Mittel vor, mit aller Macht zu fechten.
Des erſten Feurs Gekrach, das raßlende Geſumm,
Der aufgerollte Dampf, der Drommel Sturm-Gebrumm,
235
21 Des Erzes Donner-Knall, der Glieder feſtes Wallen
Entflammte Geiſt und Sinn; noch mehr das Freuden-Schallen:
Es leb Thereſia! dies war das Feld-Geſchrey,
Der Ruf bewirckte mehr als Eiſen, Stahl und Bley.
Das war der Schirm, womit wir in die Feinde drungen,
240
21 Und unſre Fahnen ſchon in ihren Gliedern ſchwungen.
Der Roͤhre Mord-Gebliz, der blancken Schwerter Wuth
Umwirbelte das Heer und gab dem Kaͤmpfer Muth. DortThereſiade
Dort ſah man unſern Fahn und hier der Feinde Lanzen
Mit wanckelbarem Gluͤck, als Sieges-Zeichen pflanzen.
245
21 Ein blutigers Gefecht hat keine Welt geſehn,
Wo ſah man ſo, wie da, den Mann zum Kaͤmpfen gehn?
Er ſchreitet Fuß vor Fuß durch Feuer, Sturm und Leichen,
Stuͤrmt, ſchaͤumt und doñert ſelbſt, und zwingt den Feind zum weichẽ.
Hier haͤlt die Helden-Bruſt den ſtrengen Waffen Lauf
250
21 Des Wellen-gleichen Heers ſo ſtarck als Klippen auf;
Dort ſieht man ſeine Fauſt nicht fechten, ſondern ſchlachten,
Mit Großmuth und Gewalt nach Sieg und Ehre trachten.
Die Pferde brechen durch, wo die bewehrtſte Reih,
Sie tretten dem die Stirn und dem die Bruſt entzwey;
255
21 Was ihrem Huf entgeht, faͤllt in des Reiters Degen,
Mit welchem er ſo kuͤhn, ſo ſchnell und ſo verwegen
Dem Feind entgegen eilt, nach allen Seiten ſprengt,
Daß er ihn Mann auf Mann, und aus den Gliedern draͤngt;
Jhn theils verjagt und ſtuͤrzt, theils umbringt und zerhauet,
260
21 Daß man ihn Glieder-weis tod aufgehaͤufet ſchauet.
So reißt kein wilder Strohm, der ſich gaͤh loß gedaͤmmt,
Kein Feld wird von dem Schwall ſo ploͤzlich uͤberſchwemmt,
Als unſre Reiterey des Gegners Fluͤgel ſchluge,
Und das ſiegreiche Schwert bis in ſein Lager truge.
265
21 Die Rettung halff da nichts, die gleich von weiten kam,
So wenig als die Wehr bey dem zerriſſnen Damm. EinViertes Buch.
Ein graͤßliches Geſchwaͤrm, ſo jenen Kreiß verhuͤllte,
Lufft, Erden, Aug und Sinn mit Greul und Blut erfuͤllte!
Der allzu groſſe Muth des Manns zu Pferd bewies,
270
21 Daß uns der Himmel nicht vollkommnen Sieg verhieß:
Wir ſahn das Volck zu Fuß entbloͤßt und ohne Fluͤgel,
Doch lieſſen wir dem Arm deſſelben freyen Zuͤgel,
Der, wie der Winde Macht die Waͤlder nieder weht,
Den Feind mit ſolchem Grimm und Toben hergemaͤht,
275
21 Daß deſſen Glieder mehr im Sand geſtrecket bebten,
Als gegen unſre Macht ſich zu beſchuͤzen ſtrebten.
Mein Heer-Fuͤrſt drange noch durch andre Reihen fort,
Erfrichte dieſes Volck durch Beyſpiel, That und Wort;
Er hatte ſchon ſo viel als Feld und Schlacht gewonnen,
280
21 Jch aber beſſern Raths und Vortheils mich beſonnen:
Ein neuer Hinterhalt bedrohte meine Macht,
Der ſezte mein Gemuͤth in Mißtraun und Verdacht.
Du Tapferkeit ſag an! was haͤtteſt du beſchloſſen?
Nicht wahr, du waͤreſt fort in die Gefahr geſchoſſen?
285
21 Da waͤr der Hinterhalt dir auf den Hals geruͤckt,
Und haͤtte dir den Ruhm des Sieges abgedruͤckt.
Jch aber ſchrie: zuruͤck! es iſt genug geſieget!
Sieh dort den neuen Schwarm, der uns entgegen flieget!
Dein Heer iſt allzu tief in ſeinem Sieg zerſtreut!
290
21 Die Wallſtadt bleibet ſchon zu deinem Ruhm geweiht! Q EsThereſiade
Es iſt noch anderwaͤrts ein Feind von uns zu ſchlagen;
Auf! wende deinen Fahn es dorten auch zu wagen.
Kehr um und ſtuͤrz dich nicht vom Siegen in die Noth,
Die deine Tapferkeit dir, wie der Gegner, droht.
295
21 Die Knochen, wie du ſiehſt, verſchanzen dir die Weege,
Zuruͤck! es gibt fuͤr uns noch andre Sieges-Taͤge!
Ein kluger Feld-Herꝛ ſiegt, wann er mit Klugheit weicht;
Oft hat der nicht geſiegt, der einem Sieger gleicht.
Laß deinen Gegner nur bey ſeinen Gliedern ſtehen!
300
21 Laß ihn die Schlaͤfe nur mit Lorber-Pracht verſehen!
Was ligt daran, wann er nur mit der Wallſtadt prahlt?
Er hat derſelben Werth mit eignem Blut bezahlt.
Das Leichen-volle Feld konnt, was ich ſprach, bezeugen,
Von dem Erfolg der Schlacht, vom Ausgang zu geſchweigen;
305
21 Der Anblick ſtellte mehr von todten Feinden dar,
Als unſrer Krieger Zahl vor dieſem Treffen war.
So zogen wir das Volck, das tapfre Volck zuſammen
Mit dem wir von der Schlacht bald zu der andern kamen.
Wir wichen, und der Feind blieb auf dem Plaz entſezt,
310
21 So mehr als er ſein Haupt nicht Lorber-werth geſchaͤzt.
Ein trauriger Triumpf! den er mit Grimm verfluchte
Als er die groͤſte Macht in Blut und Suͤmpfen ſuchte.
Was306Das blutige Treffen bey Cho - toſiz den 16. Maji 1742. und was den6. Junij darauf in den Gegenden von Teyn / Piſeck / Strakoniz ꝛc. vorgefallen.Viertes Buch.
Was war nun ausgericht? was fuͤhrte man im Sinn,
Da man geſchlagen hieß, beſiegt, verjagt und hin?
315
22 So war ein andrer Feind, nicht weit von uns entfernet,
Durch den entlehnten Ruff des Welt-Geruͤchts belernet.
Er glaubte dem Bericht; ſo war mein Wunſch erfuͤllt:
So war ihm unſre Macht und Luſt zum Streit verhuͤllt.
Mein Heer zog voller Muth, jedoch was ſag ich ziehen?
320
22 Es flog (dies aber hieß der erſte Feind entfliehen)
Auf jene Voͤlcker loß. Sie wußten keinen Feind,
Da ſie von ihrem Feld ſchon weggelauffen ſeynd.
Kein ſteiles Wald-Gebuͤrg, kein Sturm, kein Wind, kein Regen
Konnt unſrer Krieger Muth was in die Weege legen.
325
22 Wir ruckten an, das kam dem Feind ſo ſchreckbar vor,
Daß er Gewehr, Gezelt, Muth, Herz und Ziel verlohr.
Furcht, Schwindel, Jrꝛthum, Noth bemeiſterten die Schaaren,
Sie ſahn fuͤr Schrecken nicht, wie wir gekommen waren.
Sie warffen ſich verwirꝛt im Wald, im Feld herum,
330
22 Verlieſſen Lag und Stand und Beut und Eigenthum.
Kurz: ihre Rettung war das Schwert nichts laſſen nuͤzen,
Und nicht mit Streitbarkeit, mit Furcht und Fliehn ſich ſchuͤzen.
Mein Heer ſchrie nach: geſiegt, der unbeſiegt entrinnt!
Und gluͤcklich, der dem Feind den Rucken abgewinnt!
335
22 Dann uͤber Halß und Kopf, und Stock und Stein entweichen,
War bey dem Feind ſo viel als Heil und Gluͤck erreichen;Q 2 UnsThereſiade
Uns aber eins: geſehn, gekommen und geſiegt,
Weil eine kurze Friſt ſo viel fuͤr uns gefuͤgt,
Daß dieſe Feindes-Macht ſchon in die Flucht geſchlagen,
340
22 Eh wir noch ſelbſt gewußt, ob wir es wollen wagen.
Haͤtt man die Lauffenden bey ſo verwirꝛter Flucht
Durch Feuer, Mord und Schwert zu zuͤchtigen geſucht,
So waͤr ein Adler Schwarm nicht ſchnell genug geweſen;
So faͤrtig konnten ſie ſich der Gefahr erloͤſen.
345
Niemahls erhoͤrte Flucht! ſo ſchnell als wunderlich!
Es blieben Waffen, Wehr, Geſchuͤz und Muth im Stich.
Die Furcht bewog ſie ſo, daß Schaar auf Schaaren rennte,
Und aller Orten ſich von ihrer Ordnung trennte;
Ob gleich ihr Fuͤhrer uns nicht, als von weiten nur
350
22 Jn ſeine Nachbarſchaft geruͤckt zu ſeyn, erfuhr:
Und ſie durch ihre Furcht den Untergang erreichten,
Da ſie fuͤr Angſt und Laſt, und Mattigkeit erbleichten.
Da lernt ich, daß man leicht mit jenem Feinde ſicht,
Der nur mit Worten droht, nichts in der That verricht.
355
22 Wie pochte dieſer Schwarm? wie mußte man nicht zittern?
Befahl er nicht ſo gar auch ſelber den Gebiethern?
Jedoch von uns entfernt; eh er mein Heer geſpuͤhrt,
Sagt! hat er in dem Sinn nicht Wunder ausgefuͤhrt?
Kaum aber zeigten wir deſſelben Stolz die Spize,
360
22 So riß er aus, und wies: was Dunſt und Hochmut nuͤze. SoViertes Buch.
So kaͤmpft die Tapferkeit, der es an Weisheit fehlt;
Die Unerſchrockenheit, wann ſie vom Krieg erzaͤhlt.
Sie ſtets verfolgen war ein ſtets ſieghafftes Streiten,
Jndem ſie Schritt vor Schritt das Elend ſich erneuten.
365
22 Mit einem Wort: das Land war ſo weit ausgeraͤumt,
Daß nirgends mehr die Wuth der Fluͤchtigen geſchaͤumt
Als noch in jener Stadt, in der ſie Zuflucht fanden,
Jedoch bis an die Stirn in der Verſchmachtung ſtanden.
Jhr Feld-Herꝛ, welchem jezt von eigner Freyheit traͤumt,
370
22 Nach dem er ſolche ſelbſt den Laͤndern eingeraͤumt,
Hat, weil ſein hoher Geiſt von nichts als Siegen thoͤnet,
Auch dieſe Fluͤchtigkeit mit Helden-Ruhm beſchoͤnet:
Er ſey von jenem Freund, der dorten Fried gemacht,
Ob er gleich deſſen Heer (ſo ſprach er) Hilff gebracht,
375
22 Jn unſer Garn gefuͤhrt; doch blieb er ohne Sorgen,
Und hieß es einen Sieg, daß er das Volck geborgen.
Dem Wall, den er fuͤr Angſt und Furcht, und Noth gebaut,
War Degen, Schirm und Schuz, war Muth und Herz vertraut;
Der bracht ihm Sicherheit; dort fieng er an zu ſchweren:
380
22 Es ſoll die Welt von ihm nun Wunder-Thaten hoͤren.
Jnzwiſchen folgten wir dem Feind auf ſeiner Bahn,
Und ſahn, was eine Flucht vor Ubel wircken kann. Q 3 Was
373Welcher den 11. Junij 1742. zu Breßlau geſchloſſen worden.
373Thereſiade
Was ſich im finſtern Gluͤck des Walds nicht konnte retten,
Mußt um ein Gnaden-Wort vor meinen Fuͤhrer treten.
385
23 Was jeden vor Gefahr und Schrecken haͤtt beſchirmt,
Das fanden wir im Weeg zertruͤmmert aufgethuͤrmt.
Wir traffen auf Geraͤth, auf Ruͤſtungen und Wagen,
Auf Arme ſeufzende, die auf der Straſſe lagen:
Bey dieſen nahm ich wahr, was Furcht und Fliehen heißt;
390
23 Was, wann man unverwundt ſich aus dem Treffen reißt:
Wie jene, welche ſtill vom Schwarm den Abſchied nahmen,
Und nur um Menſchen-Hilff in unſer Lager kamen,
Mit ſchluchzendem Geſchnauf uns noch beſtaͤttigten;
Der Sache Folgungen es auch bekraͤfftigten:
395
23 Sie waͤren naͤmlich noch in Noth und auf den Straſſen,
Die ſie nach ſchwerer Qual faſt Leben-loß verlaſſen;
Wann nicht ein ſchmachtendes, verachtes kranckes Weib
So dort auf Roͤhren ſaß, und an dem ganzen Leib
Fuͤr Kranckheit zitterte, die Straſſen haͤtt gewieſen;
400
23 Dort haͤtten ſie die Flucht erſt vor begluͤckt geprieſen.
Sie waren faſt fuͤr Noth gelaͤhmt und Athem-loß,
Doch hielten ſie die Qual gleich nimmer vor ſo groß,
Da ſie den Koͤrper ſahn in ſolchem Elend zagen,
Weil ſie ſich gleich erweicht ihn mehr als ſich zu klagen.
405
Man ſieht oft das Gemuͤth der Traurigen erquickt,
Wann Schmerz und Pein und Noth auch andere beſtrickt. AlleinViertes Buch.
Allein je mehr man dort mit ihr Erbarmung hatte,
Je mehr den Fluͤchtigen derſelben Rathen ſchadte.
Der Fall verhaͤlt ſich ſo, wie man uns angezeigt:
410
23 Das Weib vermuthete man ſey nur ihr geneigt,
Weil ſie faſt jedermann, O Elend! hoͤrte ſchreyen,
Mithin daß die, ſo ſchrien, um ſie bekuͤmmert ſeyen.
So ſagte ſie: wer iſt, wer hat mich angerufft?
Jch bin das Elend ſelbſt, und unweit meine Gruft:
415
23 Dort findet man des Gluͤcks, des Heils, der Freuden Porten,
(Sie wies auf jene Stadt) ſonſt ſeynd faſt aller Orten
Die Weege zu dem Tod. So flohe man hinein,
Von Feuer, Schwert und Tod allda befreyt zu ſeyn.
Das Weib kroch ihnen nach; vielleicht auch Hilff zu finden,
420
23 Und dieſen Krieger-Schwarm zum Beyleid zu verbinden.
Ein jeder eilte nur zu der gewuͤnſchten Stadt:
Nicht laufen ſchien ſo viel als eine Miſſethat.
Man ſieht die Schafe nicht ſo ſehr zerſtreuet fliehen,
Wann ſie ſich ungefaͤhr dem nahen Feind entziehen;
425
23 Der Hirt iſt nicht ſo ſehr, wann er ſie ſchuͤzt, erfreut,
Als dieſer Krieger-Schwarm bey ſeiner Sicherheit.
Man lauft, kom̃t gluͤcklich an, erhohlt ſich mit Vergnuͤgen,
Und ruͤhmet ſich der Art die Feinde zu beſiegen.
Doch ſchlaͤgt das Herz fuͤr Angſt, der Leib erblaßt fuͤr Schweiß,
430
23 Der matte Geiſt gibt ſich der Furcht und Hoffnung Preiß; UndThereſiade
Und wollte gern die Noth, in der er war, vergeſſen,
Der Koͤrper aber drang fuͤr Hunger auf das Eſſen.
Das Weib, ſo mit dem Schwarm ſich in die Stadt verſchlich,
Und weder der Gewalt, noch der Verſchmaͤhung wich,
435
23 Hielt nur um Labung an; doch konnt ſie nichts erzwingen,
Ein jeder dachte nur ſich ſelber Troſt zu bringen.
Sie wies die Duͤrfftigkeit, den Rath, den ſie gebracht;
Allein ſie war zum Lohn verſpottet und veracht:
So fiel ſie fuͤr Begier der Rach in ſolches Raſen,
440
23 Daß ſie die ganze Stadt mit Mord-Schaum angeblaſen.
Sie ſchrie, ſie graͤmte ſich, zerriſſe Schurz und Haar;
Sie lief und rieff um Hilff; ſo fand ſich eine Schaar,
Bey der dies Flehen galt. Was ungeſtuͤmes Lermen!
Was klaͤgliches Geheul! was Beben, Toben, Haͤrmen!
445
23 Beduͤrfftniß, Zwang und Zorn, Durſt, Hunger, Wehmuth, Gram,
Die waren jener Schuz, bey dem ſie Zuflucht nahm.
Verzweifflung, Pein und Qual vereinten ſich dem Haufen,
Mit dieſem ſah man ſie die ganze Stadt durchlaufen.
Die Klag nahm uͤberhand; der Jammer mehrte ſich,
450
23 Kein Winckel war, den nicht die Graͤßlichkeit durchſtrich.
Die Gaͤſte, die des Stahls Gefaͤhrlichkeit entronnen,
Vermeinten ein Verrath ſey wieder ſie geſponnen;
Man floh, man lief, man bog, man grieff auch zum Gewehr,
Und eilte Schrecken-voll durch alle Gaſſen her,455 DieViertes Buch.
455
23 Die Rotte dieſes Weibs zum Thor hinaus zu treiben;
Umſonſt: es war vermaurt; man mußt beyſammen bleiben.
Das Weib verſtaͤrckte ſich, gewann die Oberhand;
Die ganze Stadt vollzog, was ſie vor gut befand.
Nicht eine Kuͤche war, die man mehr ſahe rauchen,
460
23 Wo nichts zu braten iſt, was ſoll man Feuer brauchen?
Des Weibs Geſpanſchaft ward zum Kellner, Koch und Wirth,
Nach ihrer Willkuͤhr war ſo Tiſch als Herd geziert.
Das Fleiſch wurd aufgezehrt, ſo mußt man Pferde ſchlachten,
Die fraß der, welcher nicht fuͤr Hunger wollt verſchmachten.
465
23 Hier halff der Reichthum nichts; ſie ſtellte manches mahl
Ein Stuck von einem Roß, auch dieſes zimlich ſchmahl,
Jn Tafel-Silber vor, und ließ die Gaͤſte nagen,
Auch oft fuͤr Hunger ſich um dirre Knochen ſchlagen.
Kurz: alles theilte ſie nach Gut-befinden aus,
470
23 Der Wohlgeſchmack war nichts, als Eckel, Schaur und Graus.
Jhr Thun und Laſſen war zerfezen, ſchaben, ſchinden,
Den Fraß nach Eigenſinn verbergen, wieder finden.
So wurde dieſes Volck bewirthet und verpflegt,
Bis man es Haufen-weis in Kalch und Sand gelegt;
475
23 So wurde dieſes Volck vom Elend aufgerieben,
Daß kaum der vierte Theil unaufgezehrt verblieben.
Nun ſehet , redte da die Weisheit weiter fort,
Das war der Untergang des Feindes, und der OrtR JnThereſiade
Jn welchem er den Raub, auf den er gieng, empfangen,
480
23 Dies war zu ſeinem Lohn, zu ſeinem Sieg verhangen.
Wer, was er nicht verlohr, auch niemahls ſein war, ſucht,
Der findet oftmahls ſo, daß er den Fund verflucht.
Mein Feld-Herꝛ ſaumte nicht dem Elend beyzuſpringen,
Er ließ von ſeinem Volck die ganze Stadt umringen.
485
23 Wir trugen Mord und Tod, und Schwert und Feuer bey,
Daß die Gefangenſchaft dem Feind zum Abgrund ſey.
Mit ſolchen Ruͤſtungen beſtuͤrmten wir die Waͤlle,
Daß, was die Noth nicht konnt, der Waffen Zwang zerfaͤlle.
So ſchwebte dieſe Stadt in einer Schreckens-Nacht,
490
23 So bebt und ſeufzte ſie fuͤr unſers Feuers Macht.
Jnwendig mehrte ſich ein Flamm - und Schwefel-Regen,
Von auſſen drohten wir mit tauſend Donner-Schlaͤgen.
Jnzwiſchen aber flog ein ſchneller Bott daher,
Daß in der Nachbarſchaft ein neues Feuer waͤr;
495
23 Die Feinde rucken an; ſie ſtehn ſchon an den Grenzen;
Wie konnten wir nun hier und dort den Sieg bekraͤnzen?
Die Stadt blieb eingeſchraͤnckt; die Haupt-Macht zog’ich fort
An den ſchon wanckenden vom Feind ergriffnen Ort.
Das Heer ſtund oft in Froſt, in Nebel, Winden, Regen;
500
23 Doch ließ ich es von dort ſich keinen Schritt bewegen.
Die Feinde flatterten ſo tobend hin und her,
Als wann zum Einbruch nichts als dieſes hilfflich waͤr. WirViertes Buch.
Wir aber blieben ſtets in Weegen und in Spuren,
Durch welche wir des Feinds Bewegungen erfuhren.
505
Ein ſchlaues Falcken-Aug iſt nicht ſo ſehr erboßt,
Es ſchaͤrfft ſich nicht ſo ſehr, wann es auf Tauben ſtoßt,
Als dieſer neue Feind nach jenen Mauren ſtrebte,
Jn welchen ſein Geſpan mit ſeinen Voͤlckern bebte.
Er knirſchte mit dem Zahn, er ſtampft, ergrimmt, entbrannt,
510
23 Als haͤtt ihn ein Geſchick ſtill auf den Ort verbannt.
Je mehr er durch den Schnee, durch Berg und Waͤlder drunge,
Je mehr er ſich in Noth und Hinderniß verſchlunge.
Er ſcholte Luft und Erd, auch ſelbſt des Himmels Macht,
Weil nichts ihm weder Hilff noch Rath zum Vorſaz bracht.
515
23 Er konnte keinen Weeg vorbey zu ziehen finden;
Kunſt, Arbeit, Muͤh und Liſt mußt ohne Frucht verſchwinden.
Wohin er immer ſah, fand er den Weeg verrannt,
Daß er fuͤr Zorn und Wuth das Schwert, die Fahnen wandt.
Wir ruckten ploͤzlich nach, verfolgten ſeine Fluͤgel,
520
23 Die ſich durch Berg und Thal, durch Waͤlder, Klippen, Huͤgel
So ſehr zerſtreueten, daß er nicht wußte, wo
Der oder dieſer Schwarm, wohin er ſelber floh. R 2 Wir
519Der zum Entſaz der Stadt Prag angeruckte Feind mußte den 5. October 1742. unverrichteter Sachen /auch mit groſſem Verluſt bey Eger zuruck ziehen.
519Thereſiade
Wir brauchten kein Geſchuͤz, kein Schwert, kein Bley, kein Eiſen,
Froſt, Hunger, Gram und Noth mußt ihm die Weege weiſen.
525
So war der erſte Feind durch ſeinen Sieg beſiegt;
Der zweyte von der Noth bis auf den Tod bekriegt;
Der dritte ſchlug ſich ſelbſt. Soll ich noch weiter gehen?
Hat nicht die ganze Welt, was ich erſann, geſehen?
Der einen Sprung verſucht, zieht ſich zuruͤck und ſpringt,
530
24 Der Anlauf gibt die Krafft, wodurch der Sprung gelingt:
So wußt ich manches mahl mit unſerm Heer zu weichen,
Daß es der Feinde Bruſt mit Vortheil koͤnnt erreichen.
War nicht des vierten Feinds Stadt, Eigenthum und Land,
Durch ſolche Leitungen uns endlich in der Hand?
535
24 Hat nicht gleich jener dort auch meine Macht erfahren,
Als wir des Strohms, der ihn beſchuͤzet, Meiſter waren?
Kurz: ich war Kiel und Schwert, Loͤw, Adler und Magnet,
Ja, Nein, Gebeth und Rath, auch ſelbſt die Majeſtaͤt.
Dies iſt das Staats-Geraͤth, womit ich einen triebe,
540
24 Jndem der andere den Frieden unterſchriebe.
Erwaͤhnt ich jede Staats-und Kriegs-Begebenheit,
So wurde meiner Ehr ein Saͤulen-Wald geweiht. Jch
531Das im Jahr 1743. zuruck ge - zogene Winter-Quartier / nach welchem den 9. Maji 1744. die Eroͤffnung des Feld - zugs mit einem Sieg bey Braunau folgte. 536. Das Vorhaben uͤber den Rhein zu gehen ward endlich den 1. Julij 1744. an zweyen Orten gluͤcklich in das Werck geſezet.
531Viertes Buch.
Jch halff der Koͤniginn durch Sinnen, Reden, Rathen
Mehr als die ſtaͤrckſte Fauſt, mehr als die groͤſten Thaten.
545
25 Jch wieſe des Geſchicks Verwechslung, Ziel und Zeit,
Nach dieſen hielte ſie die Tugenden bereit:
Zum Beten ſtellte ſie der Andacht reines Flehen;
Zum Kampf die Tapferkeit; mich, alles auszuſpaͤhen.
So war ich ſtets mit ihr; mich ſah man uͤberall;
550
25 Kein Werck iſt, ſo ſie nicht der Weisheit anbefahl.
Jm Rath hilfft kein Gebeth, im Beten keine Degen;
Was iſt im Staats-Gemach an Tapferkeit gelegen?
Doch daß ihr mir nicht ſagt, daß ich zu weiſe ſey,
So laß ich es hiemit in allem nur dabey:
555
25 Wo Weisheit und Vernunft die Koͤnigs-Krone zieren,
Dort pflegen Krieg und Sieg ſich an der Hand zu fuͤhren.
MAn haͤtte mehr gehoͤrt; allein nicht weit von ihr
Erhob ſich eine Frau von ſonderbarer Zier,
Wodurch ſie das Geſpraͤch der Weisheit unterbrache,
560
25 Obſchon ſie noch kein Wort, nur ihre Schoͤnheit ſprache.
Faſt jede wandte ſich nach ihrem Angeſicht,
Jhr Schmuck war dieſem mehr, als ſeiner Pracht verpflicht.
Jch hoͤrte, dieſes ſey die Welt-beruͤhmte Gnade:
Fuͤrwahr! ich ſahe was in folchem Anmuths-Grade,
565
25 Daß ich darob erſtaunt es nicht zu nennen wußt,
Jhr dannoch mit Gewalt das Auge goͤnnen mußt. R 3ManThereſiade
Man ſuchte mit Begier und Luſt in den Gebaͤrden,
Was von dem holden Mund ſoll vorgetragen werden;
Die Freud erklaͤrte ſich faſt in dem ganzen Kreiß,
570
25 Jhr angenehmes Was erhielte ſchon den Preiß.
Jhr , ſo begunnte ſie, die ſich bisher geprieſen,
Die ihr euch um den Rang den Gegen-Ruhm gewieſen;
Jhr ſcheint dem Vortrag nach ſelbſt wieder euch zu ſeyn,
Dann alle treffen faſt nur mit dem Zweifel ein:
575
25 Daß es kein Wunder waͤr, wann ſich der Streit verwirꝛte,
Und endlich er den Stein durch ſeinen Nahmen zierte.
Der Eigenliebe Geiſt durchſchleicht auch manchen Sinn;
Verzeihet mir, wann ich ihr nicht gewogen bin.
Es iſt wohl wahr, ihr habt ſo vieles vorgetragen,
580
25 Daß ich nicht wuͤßte wem das Frieſe zuzuſagen;
Jch? ich verlange nicht die Gnade vorzuziehn,
Jch wurde mich umſonſt zu dieſem Ziel bemuͤhn.
Beſonders wo man nichts als Helden-Thaten ruͤhmet;
Weil mir ein ſolches Amt zu fuͤhren nicht geziemet.
585
25 Mit Feuer troz ich nicht; der Degen in der Fauſt
Jſt mir ſo ungewohnt, daß mir vor ſolchem graußt.
Dem Feind entgegen ſtehn; Jn Brand und Blut befehlen,
Jſt mir zu fuͤrchterlich, auch nur in dem erzaͤhlen.
Jn Schrecken, Froſt und Hiz, mit Schwefel, Glut und Pech
590
25 Den Feind beaͤngſtigen iſt meinem Sinn zu frech; DieViertes Buch.
Die laufen in den Sturm, die Mord und Tod entgegen,
Dort ſtuͤrzen andre ſich in einen Kugel-Regen.
Hier ſchnauft man in dem Dampf und dort in Rauch und Staub;
Da ſchlaͤgt man ſich ergrim̃t nur um ein Ehren-Laub.
595
25 Dergleichen Ubungen kan ich an mir nicht weiſen;
Doch werdet ihr vielleicht auch meine Pflichten preiſen.
Jhr kennet ſchon wie weit ſich meine Macht erſtreckt;
So ſey dann euch mein Thun und Laſſen auch entdeckt:
Reiz, Anmuth, Lieblichkeit und ſchmeichelnde Gebaͤrden,
600
25 Kann dieſer Tugend-Schmuck von euch getadelt werden?
Er dringet allzeit vor; wer betet ihn nicht an?
Sagt! ob deſſelben Kraft nicht Wunder wuͤrcken kann?
Dies war mein Schild und Helm, der Vorrath meiner Waffen,
Wodurch Thereſia ſich wußte Recht zu ſchaffen.
605
25 Bekennt! erklaͤrt es mir! ehrt ihr die Koͤniginn?
Liebt oder haßt ihr ſie? eroͤffnet euern Sinn!
Sie wußte Winck und Aug, und deſſen munters Blicken,
So lebhaft ihn und her um Antwort auszuſchicken,
Daß faſt der ganze Saal nach ihr gerichtet ſchien,
610
25 Als wollte man auf ſie durch Schweigen ſich beziehn.
Haßt ihr die Koͤniginn? erlaubt mir dies zu fragen!
Nein , fuhr ſie fort, das wird ſo gar ein Feind nicht ſagen.
So liebt ihr ſie? warum? iſt es Gerechtigkeit,
Macht, Weisheit, GOttes-Furcht, Staͤrck, Unerſchrockenheit? DasThereſiade
615
25 Das mag bey vielen zwar, ſo ſie niemahls geſehen,
Zu was vermoͤgend ſeyn, wie wircklich auch geſchehen;
Wir aber ſehen ſie: warum hat man ſie lieb?
Fort! ſagt, was ihr gedenckt! woher kommt dieſer Trieb?
Jch ſeze dieſen Fall; dann viele wollen wiſſen
620
25 Des Herzens Eigenſchaft aus der Geſtallt zu ſchlieſſen;
Geſezt: die Koͤniginn waͤr nicht Thereſia;
Sie kaͤm derſelbigen an Schoͤnheit nicht ſo nah;
Ja, wann ſie nichts von ihr, als nur den Nahmen fuͤhrte,
Sonſt ihre Koͤnigs-Pracht mit keiner Anmuth zierte;
625
25 Es zeige ſich im Aug ein unbeliebter Blick;
Deſſelben Freundlichkeit erſcheine nur zum Gluͤck:
Ein blaß-verdroſſner Mund mit ungefaͤrbten Wangen,
Das Himmel-blaue Kleid in unlebhaftem Prangen
Sey Gnade, Zier und Reiz: man bilde ſich nur ein,
630
25 Ob es dem Tugend-Chor wurd eine Freude ſeyn.
Geſezt: ich will den Schaz ſo vieler Hoheits-Gaben,
Den ihre Majeſtaͤt beſizet, wieder haben;
Bedencket den Erfolg! ich nehme das zuruck,
Was ihr die Schoͤnheit nennt, und laß ihr eitlen Schmuck.
635
25 Jhr Aug entfeure ſich; der Roſen Luſt entweiche;
Die Lippen werden blaß; der Wangen Farb erbleiche;
Der Sprache Silber-Klang verdunckle ſich im Mund;
Der Rede Geiſt und Wiz verliehre Schluß und Grund; UndViertes Buch.
Und was dergleichen mehr, ſo meinem Stand zu wieder;
640
25 Mit was vor Lauigkeit ſchluͤgt ihr die Blicke nieder?
Man diente nimmermehr aus Liebe, nur aus Noth;
Man ſagte nimmermehr: ihr Winck iſt ein Geboth.
Bald wurde ſich das Feur der Dienſt-Begierde daͤmpfen;
Pflicht und Willfaͤhrigkeit mit Wiederwillen kaͤmpfen:
645
25 Der Eifer ſchwaͤchte ſich, in dem das Herze ſpringt,
Wann, wie es ſtets geſchicht, ſie dieſer Kreiß umringt.
Ein Kind verbirgt ſich oft, flieht, zittert, oder weinet,
Wann ſeiner Mutter Aug ihm nur verfinſtert ſcheinet.
Was macht ihr, Wertheſte! wann ihr die Koͤniginn
650
25 Der Augen Majeſtaͤt mit Ernſt ſeht uͤberziehn?
Wie gieng es, wann ſie ſtets mit unbeliebten Blicken
Freundinnen! euch empfieng? wurd euch die Gnad erquicken?
So ruff ich billig auf: die Gnade triumphiert!
Durch dieſe ward das Herz, die Lieb und Treu geruͤhrt.
655
25 Jch bin dieſelbige. So bald ich von ihr ſcheide,
So bleibt, ich weiß nicht was, an ihrem Koͤnigs-Kleide,
Das allen Anzug hemmt. Es braͤchte Langſamkeit:
Die; Zweifel: der; Verdruß: und dieſer; Lauigkeit.
Da wurde das Gefuͤhl der Munterkeit gemindert,
660
25 Vielleicht auch gar das Amt der Schuldigkeit gehindert.
Nun iſt die Koͤniginn ſo wie Thereſia,
Fuͤr die des Vaterlands Dienſtfaͤrtigkeit geſchah. S NunThereſiade
Nun iſt ſie, wie ſie iſt, durch meine Kraft begabet,
So daß ihr Freud und Luſt ſie nur zu ſehen habet;
665
25 Geſchweige, ſtets mit ihr, um ſie, naͤchſt ihr zu ſeyn:
Dann iſt ſie nicht mit euch, ſo lebet ihr in Pein.
Jhr ſuchet ſie ſo wohl in Truͤbſal, als in Freuden.
Jhr ſchwebt in Sorg und Angſt, wann ihr ſie muͤſſet meiden.
Wo kommt die Regung her? was naͤhret dieſen Trieb?
670
25 Die waͤr des Tadels werth, die das nicht unterſchrieb,
Daß es die Gnade ſey. Wer es will wiederſprechen,
Dem muß es am Geſicht und am Gehoͤr gebrechen.
Werfft eure Blicke nur auf dieſe Koͤniginn,
Und ſagt! was aͤuſſert ſich in eurem Geiſt und Sinn?
675
25 So folgt mit Recht der Schluß: ihr ſeyet uͤberwunden,
Jch habe dieſes Streits Entſcheidung ausgefunden.
Wer weiß, ob die Vernunft der Weisheit alles das
Was ſie von ſich erwaͤhnt, in der erfuͤllten Maß
So gleich erſonnen haͤtt, und ſo beherzt vollzogen,
680
25 Wann ich nicht durch die Macht der Gnade ſie bewogen.
Wahr iſts, wir nehmen ſelbſt an ihren Wercken Theil,
Jn vielen Stuͤcken iſt ihr Amt der Staaten Heil;
Man weiß, was ihre Sorg in Freund-und Feindes Landen
Gefruchtet, ausgewuͤrckt, erobert, ausgeſtanden.
685
25 Die Frag iſt aber nicht, ob alles auf dem Muth,
Mit welchem ſie ſo viel zu Weege bracht, beruht: SoViertes Buch.
So kann ſie mit dem Ruhm des erſten Orts nicht prangen,
Weil andere mit ihr ſo viel, als ſie, bezwangen.
Wir haben insgeſamt der Pflichten Zweck erreicht,
690
25 Daher auch niemand gern von ſeinem Anſpruch weicht;
So viel die Weisheit findt, was ſie gethan, zu ehren,
So viel hat jede faſt, das eigne Lob zu mehren.
Thalia war auf ſie mit Aug und Ohr gericht,
Sie gab mir zu verſtehn, ich ſoll auf ihr Geſicht
695
25 Mit Fleiß und Obacht ſehn, auch auf ihr ganzes Weſen;
Man konnt fuͤrwahr die Gnad aus allen Stuͤcken leſen.
Haͤtt auch in jedem Sinn Kaltſinnigkeit gewohnt,
So blieb er dannoch nicht von Reizungen verſchont.
Jhr Anmuths-voller Mund, ihr artiges Bewegen
700
25 War von ſo ſtarcker Macht, als mancher Helden-Degen,
Der auch den Stahl durchdringt. Es wies der ganze Saal,
Daß ſie den Herzen mehr als andere befahl.
Sie ſezte noch hinzu: Ruhm-wuͤrdigſte Freundinnen!
Wer hofft nun wieder mich das Vorrecht zu gewinnen?
705
25 Dann wann ihr nur aus Lieb und Neigung gegen mich
Die Koͤniginn bedient, ſo ſchließt die Frage ſich:
Daß ich die Quelle ſey, von welcher hergefloſſen,
Was je die Tugenden in dieſem Krieg beſchloſſen;
Weil ihr in meiner Macht den Urſprung deſſen liebt,
710
25 Was euch zu der Begier zu wircken Anlaß gibt.
S 2 JchThereſiade viertes Buch.
Jch koͤnnte dieſem nach fuͤr mich den Ausſpruch faͤllen,
Und mir das Ehren-Mahl des erſten Orts beſtellen;
Allein was nuͤzte mir des Frieſes Marmel-Stein,
Dem ich mehr, als er mir, zur Ehr und Pracht kann ſeyn?
715
25 Kunſt, Tugend und Natur verliehren Macht und Leben,
Wann meine Gaben nicht an ihrem Weſen kleben.
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Thereſiade.

Fuͤnftes Buch.

SO bald die Gnade ſchwieg, ſo bald war ich erfreut,
Und dachte: ſchließt man jezt vielleicht den Tu - gend-Streit?
Jch konnte nicht verſtehn, wer uͤberwinden ſolle;
Wem der erleuchte Kreiß das Frieſe widmen wolle.
So murꝛt ich mit mir ſelbſt; die Zeit ward mir zu lang,
Jch kuͤmmerte mich auch nicht viel um dieſeu Rang:
Beſonders da ich ſah, daß alle ſich beſtreben,
Durch allerhand Beweis den Nuzen zu erheben,S 3 DenThereſiade
Den ihre Tugend bracht. Die Anzahl war ſo groß,
10
25 Daß die Weitlaͤuftigkeit der Reden mich verdroß.
So mehr als ich den Schlaf ſo ſehr im Auge fuͤhlte;
Daß ich den ganzen Saal vor eingebildet hielte.
Thalia nahm es war; ſo ſagt ich: es iſt ſpaͤt,
Wer weiß, wann dieſer Streit und Rath zum Ende geht;
15
25 Man wird vielleicht den Schluß erſt morgen hoͤren muͤſſen. Nein , ſprach ſie, nur getroſt! ſie werden bald beſchlieſſen
Hab noch Geduld und ſieh dort jene Tugend an,
Vielleicht iſts ihr Verdienſt, der alles enden kann.
Ein nicht unfreundliches, holdſaͤliges Geſichte
20
25 Stund auf, als ob es ſich ſchon zu dem Vorzug richte.
So ſagt ich: ſey es dann! noch die vernehmen wir!
Jch kehrte mich doch um und ſchliche zu der Thuͤr,
Thalia nahms in acht, verfolgte mich und ſprache:
Jſts moͤglich, daß dein Geiſt nicht eine Stunde wache?
25
25Sie zuͤrnte: ſag! was nuͤzt die Lehr, die ich dir gab,
Als ich dich uͤber Berg und Thal gefuͤhret hab?
Die Reiſe waͤr umſonſt, und Muͤh und Zeit verlohren:
Komm! bleib! du biſt von mir zum Reiß-Geſpan erkohren.
Es reuet dich gewiß, wann du nicht auch den Schluß
30
25 Vernommen haben wirſt, der bald erfolgen muß.
Jch wiche dem Verweis, indem ich ſelber ſpuͤhrte,
Daß es veraͤchtlich waͤr, wann mich der Schlaf verfuͤhrte.
SiehFuͤnftes Buch.
Sieh da! von ungefaͤhr erblickt ich eine Blum,
Die man von Hand zu Hand ſich in dem Kreiß herum
35
25 Zum riechen dargereicht. Was mag wohl dies bedeuten?
Vollendet man dadurch, dacht ich, vielleicht das Streiten?
Thalia ſagte mir: die welche dorten ſteht,
Und mit dem Auge ſtets nach dieſer Blume geht,
Jſt die Leutſaͤligkeit: die Blumen ſeynd ihr eigen;
40
25 Sie will dadurch den Preiß der Freundlichkeit bezeugen.
Was muß in dem Geruch, dacht ich, verborgen ſeyn?
Das Wohlgefallen iſt dem ganzen Saal gemein.
Jnzwiſchen fieng ich an ſie beſſer zu betrachten,
Da viele noch die Zeit mit dem Geruch verbrachten:
45
Jhr aufgeraumtes Aug und die Lebhaftigkeit
Verſprachen meinem Sinn Luſt und Zufriedenheit;
Dieß munterte mich auf. Und wen ſollt es nicht ruͤhren,
Ein Angeſicht zu ſehn, das Reiz und Anmuth zieren?
Mit ſolcher Freundlichkeit trat keine Tugend vor,
50
25 Jn keiner hobe ſich dergleichen Pracht empor.
Sie warff den Augenblick und deſſen holdes Feuer
Bald unbedeckt herum und dald durch einen Schleyer.
Wie, wann ein weiß Gewoͤlck den heitern Himmel deckt,
Jn dem die Sonne ſich nur halb und halb verſteckt,
55
25 Mit dem zerſtreuten Glanz durch deſſen Duͤnſte blicket,
Und hin und her die Luft mit ihren Strahlen ſchmuͤcket. SoThereſiade
So ſpielt und aͤugelte das uͤberſchleyrte Licht,
Jhr Anmuths-volles Aug, ihr heiteres Geſicht.
Wer wuſte, welche Macht die Meiſterinn geweſen,
60
25 Die ſolche Meiſterſtuͤck in eines auserleſen.
Nun kam die Roſe mir auch ungefaͤhr zur Hand,
Wodurch ſich mein Gemuͤth erquickt, ergoͤzt befand:
Bevor ich ſie beſah und vor die Naſe hielte,
O was vor Duft und Luſt und Balſam ich ſchon fuͤhlte!
65
25Jch ſpuͤhrte mich belebt, ermuntert und geſtaͤrckt,
Noch eh als mein Geruch die groͤſte Kraft gemerckt.
Gleich fiel mir ein: was iſt Thereſia zu ſchaͤzen,
Wann ſo viel Blumen ſich in ihr zuſammen ſezen?
Dann jede Tugend iſt der ſchoͤnſten Blume gleich,
70
25 Und ſie an Tugenden, wie wir vernehmen, reich.
O gaͤbe das Geſchick, daß ich ſie ſehen koͤnnte!
O daß den Tugend-Streit ein ſolcher Gluͤcksfall kroͤnte!
Jnzwiſchen hoͤrt ich ſchon: Nun hab ich, was ich ſuch
Sprach die Leutſaͤligkeit; der lang gehoffte Spruch
75
25 Jſt ſchon fuͤr mich gefaͤllt: es wird mir Beyfall geben,
Was in der Koͤniginn Geſellſchaft ſucht zu leben.
Der Roſe Lieblichkeit und eure Freude zeigt,
Daß ihr der Gaͤrten Luſt und Blumen-Pracht geneigt;
O daß der Fruͤhling bald in unſern Auen bluͤhte!
80
25 Was fuͤhltet ihr vor Freud im Aug und im Gemuͤthe? NichtFuͤnftes Buch.
Nicht wahr? ihr wuͤnſcht es ſelbſt? ihr lebt in Ungeduld
Biß euch das gruͤne Feld, biß euch die Bluhmen-Huld
Des Winters Schmach entreißt. Was reizendes Vergnuͤgen,
Wann ihr das Garten-Feld bebluͤhmet ſehet ligen!
85
25 Dann ſagt, iſt eine Zeit des Jahrs dem Fruͤhling gleich?
Jſt jemahls die Natur, als da, ſo gnadenreich?
Wißt ihr was Lieblichers, als wann die Morgenroͤthe
Durch einen gruͤnen Strauch an einem Blumen-Beete
Uns in dem Graß erblickt? wir wiſſen ſelber nicht,
90
25 Nach was das Herze ſtrebt, auf was es mehr erpicht.
Dort dringt des Morgens Licht uns durch das Laub entgegen,
Dem Auge jene Luſt der Blumen einzupraͤgen;
Hier ſehet ihr den Baum mit weiſſem Schmuck behaͤngt,
Da ſpuͤhret ihr die Luft mit Suͤſſigkeit vermengt;
95
25 Die Pflanzen kraͤuſeln ſich fuͤr ſanft - und holden Winden,
Die Zweige, Blatt, Gebuͤſch und unſer Haar empfinden;
Nimmt nicht der Farben Spiel, der jungen Kraͤuter Scherz
Die frohen Sinnen ein? erfreut dieß nicht das Herz?
Pflegt dieſer Umſtand nicht den Sinnen Kraft, ja Leben,
100
25 Geſundheit, Freud und Troſt, und neuen Muth zu geben?
Das iſt, was unſern Geiſt erquickt und was erfriſcht.
Des Unmuths Duft vergeht, wo ſich die Luſt vermiſcht.
Das Jahr verjuͤngert ſich, man fuͤhlt auf allen Weegen
Den Reichthum der Natur, den innerlichen Seegen.
T JaThereſiade105
Ja dieſes iſt die Zeit, die ſelber ſich ergoͤzt;
Weil ſich die Freundlichkeit in ihre Reihen ſezt.
Das ganze Welt-Gebaͤu wird wieder ausgezieret,
Als wurde deſſen Pracht von neuem aufgefuͤhret.
Sag uns Thereſia! wer eine Fruͤhlings-Au
110
25 Mit ſolcher Wachſamkeit, ſo fruh, als du, beſchau?
Du glaubeſt und erfaͤhrſt, es ſey nicht mehr zu richten,
Als in der Morgen-Stund bey neu-begruͤnten Fichten.
Kaum uͤberzieht das Gold der Sonne den Palaſt,
So ſteht Thereſia ſchon an dem Thor gefaßt,
115
25 Noch durch die Demmerung des Tages Schein zu gruͤſſen,
Und jene ſanfte Luſt im Garten zu genieſſen.
An einem Blumen-Beet, an einem hellen Bach,
Jm Graß, an einem Baum, da iſt ihr Staats-Gemach;
Da unterſuchet ſie die Kriegs - und Friedens-Schriften;
120
25 Da ſinnt ſie nach, dem Land gewuͤnſchtes Wohl zu ſtiften;
Sie folgt der Sonne Licht; dieß dringt ins tiefſte Thal:
So ſindt ſich ihre Sorg und Einſicht uͤberall.
O mehr als irꝛdiſcher fuͤr uns gepflanzter Garten!
Vermag ein anderer der Welt dir nachzuarten?
125
25 Du prangſt mit einem Schaz, mit einer Wunder-Bluhm:
Der, ſo die Welt bebluͤhmt, nennt ſie ſein Eigenthum.
Er iſts, der ſie bewahrt, vor Ungemach beſchirmet,
Jndem das Krieges-Schwert die ganze Welt beſtuͤrmet.
MeinFuͤnftes Buch.
Mein Amt begleitet ſie ſehr oft zu dieſem Plaz;
130
25 Das nehm ich aber nicht zu meiner Rede Saz;
Weil ich mir den Verdienſt dardurch nicht will vermehren,
Nein: man beliebe nur mich ferner anzuhoͤren:
Jhr liebt die Fruͤhlings-Zeit? ſo liebt ihr meine Luſt;
Es wohnet deſſen Schaz und Preiß in meiner Bruſt:
135
25 Der Erden holder Schmuck; der Morgen-Stunden Kuͤhle;
Der fruhen Sonne Blick und angenehme Schwuͤhle;
Das Laͤcheln des Geſtraͤuchs; die bunt-gefaͤrbte Weid;
Der Hauch des Kraͤuter-Dufts; der Felder gruͤnes Kleid;
Seynd meiner Eigenſchaft und meiner Tugend Wercke;
140
25 Jch, die Leutſaͤligkeit, bin von dergleichen Staͤrcke.
Sagt! was vermeint ihr nun, daß dieſer Fruͤhling ſey?
Glaubt ihr, ich ſorge mich nur um die Gaͤrtnerey?
Es iſt Thereſia. Sie ſchafft uns ſolche Freuden:
Das iſt, weßwegen uns die Feinde ſo beneiden.
145
25 Dann alles, was ihr erſt von mir vernommen habt,
Jſt das, womit ich ſie zum Uberfluß begabt.
So viel der Fruͤhling uns Luſt und Vergnuͤgen bringet,
So viel Annehmlichkeit aus ihrem Blick entſpringet.
O was vor Gnaden-Thau, wann ſie nur um ſich blickt,
150
25 Jhr Anmuths-volles Aug auf ihre Voͤlcker ſchickt!
Sie kann die Freundlichkeit mit ſolcher Macht ergieſſen,
Daß Kummer, Sorg und Angſt ſich muß mit Troſt verſuͤſſen.
T 2 Er -Thereſiade
Erſcheinet ſie mit Pracht; was iſt die Morgenroͤth?
Was iſt die Sonne ſelbſt? durch ihre Majeſtaͤt
155
25 Entflammt ſie unſer Herz: in ihrer Augen Blicken
Kann Sinn, Gemuͤth und Seel und Leben ſich erquicken.
Jch ſeze, daß ſie nur an einem Fenſter ſey:
Wie lauft das frohe Volck nicht Schaaren-weis herbey?
Als ob der Sonne Glanz aus truͤben Wolcken lache,
160
25 Und ſchoͤner Witterung die Vorbedeutung mache.
Wer weiß nicht, daß ſo gar die Wolcken-volle Luft
Auf ihre Gegenwart und Willkuͤhr ſich berufft?
Sie daͤrffe dem Geſchwell des Regens nicht erlauben,
Jhr einen ſchoͤnen Tag, den ſie beſtimmt, zu rauben.
165
So bald hingegen ſie ſich aus der Stadt begibt.
So ſcheint das treue Volck verlaſſen und betruͤbt;
Es ſchleicht ſo ſtill herum, wann es in Kummer lebte,
Und nach des Fruͤhlings-Luſt in Winters Unmuth ſchwebte.
Es gleicht dem welcken Graß, dem es am Thau gebricht;
170
25 Dem Hirſchen, dem der Durſt durch alle Glieder kriecht.
Auf einmahl wird es ſtill; die frohen Zungen ſchweigen,
Wie wann des Morgens ſich die Tage finſter zeigen.
Folgt aber ungefaͤhr das froͤhliche Geſchrey:
Daß unſre Koͤniginn auf der Zuruckkunft ſey;
175
25 Was vor Lebhaftigkeit? was Freuden und Frolocken
Pflegt nicht das ganze Volck zum Zulauf anzulocken? NichtsFuͤnftes Buch.
Nichts bleibet unerregt; ſo gar auch von dem Land
Eilt man den Straſſen zu; die Luſt nimmt uͤberhand,
Auch nur auf einen Blick die Koͤniginn zu ſehen;
180
25 Es kann dem treuen Volck nichts Gluͤcklichers geſchehen.
Man rennet, lauft und fliegt, man klimmt auf Mauren hin,
Springt, hupft, frolockt und rufft: Es kommt die Koͤniginn!
Man ſuchet Baͤume, Dach und aller Huͤgel Hoͤhen,
Da dringet Schwarm auf Schwarm und ſtellt ſich auf die Zehen.
185
25 Hier ſchwencket jemand Fuß und Hand um einen Stock,
Dem ſteigt ein andrer nach und haͤlt ihn an dem Rock;
Dort kommet eine Schaar im Jauchzen, Schweiß und Schnaufen,
Nach welcher andere mit vollem Athem laufen;
Da kracht ſchon fuͤr der Laſt der Menſchen eine Buͤhn;
190
25 Dort ziehen einige ſich einen Karren hin,
Beſteigen ihn ſo ſchwer, daß Ax und Rad zertruͤmmert,
Das Volck zuſammen faͤllt und in dem Haufen wimmert.
Die Plaͤze werden voll, der Gaſſen Raum zu eng;
So weit das Auge reicht, ſteht alles im Gedraͤng.
195
Warum dann dieß Getoͤß? die Koͤniginn wird kommen,
Darum hat jung und alt die Straſſen eingenommen;
Kein Wunder. Ob ſie nun in Koͤniglicher Tracht,
Mit ihres Hofs Gefolg, in ſonſt bequemer Pracht,
Jn oder vor der Stadt, in Pomp, auf Luſtbarkeiten /
200
25 Auch im Palaſt erſchein; ſo wimmelt es von Leuten,T 3 DieThereſiade
Die ſie mit Freundlichkeit mit Gnaden-Blicken gruͤßt,
Daß manchem oft das Aug in Freuden-Thraͤnen fließt:
Das iſt Leutſaͤligkeit. Hoͤrt, was man pflegt zu ſagen:
Thereſia kommt an zu Fuß, zu Pferd, im Wagen,
205
25 Sie troͤſtet, laͤchelt, gruͤßt, ſie redet auf die Leut;
Seht! ob ſie ſich des Volcks auch nur des Poͤbels ſcheut!
O blickte ſie mich an! ſagt jeder ſich zu troͤſten;
Sie reizt zu dieſem Wunſch den Kleinſten wie den Groͤſten;
Jhr ſelbſt gefaͤllt es wohl, wann ſie kann freundlich ſeyn,
210
25 Sie dringt auf dieſe Weis in aller Herzen ein.
Freundinnen! hab ich recht? geſteht, was ihr gedencket!
Seyd ihr nicht ſelber oft in ſolcher Luſt verſencket?
Fragt nur den Krieges-Staat! fragt den gemeinen Mann!
Man fange wo man will, bey dem und jenem an:
215
25 So ſeynd ſie gleiches Sinns die Freundlichkeit zu loben;
Nichts wird mit ſolchem Liebs - und Ehrfurchts-Trieb erhoben.
Wie viel Mahl ſtehet ſie bey der gemeinſten Wacht,
Die der Verpflichtung nach auf ihren Dienſt bedacht,
Die Schlachten, Kriegs-Gebraͤuch und Thaten zu vernehmen,
220
25 Wie, wann zwey Krieges-Freund aus Feindes Landen kaͤmen?
Sie fragt den Mann ob ihm der Krieges-Stand gefaͤllt:
Und hoͤrt ihm gnaͤdig zu, wann er beherzt erzaͤhlt:
Bey welchen Stuͤrmungen er habe mit geſtritten,
Was er vor Ungemach und Tods-Gefahr gelitten;205 ErFuͤnftes Buch.
225
25 Er acht in dem Gefecht bey Leiſtung ſeiner Pflicht,
Wann nur der Streit gerecht, das Blut-vergieſſen nicht;
Sie muͤſſe durch den Krieg, der unrecht angefangen
Ruhm, Ehre, Sieg und Heil, und endlich Recht erlangen.
Was nuͤzt ihr das Geſpraͤch? ich ſtelle ſolches an,
230
25 Weil ich dadurch den Weeg zum Sieg bereiten kann.
Der Gold - und Silber-Klang der Koͤniglichen Stimme
Bewircket, daß in ihm die Treu und Liebe glimme.
Man ſtelle ſich die Kraft des Feuer-Pulvers vor;
Was bringt ein Korn davon vor eine Brunſt empor?
235
25 Die ſich den Blizen gleich ſo weit und breit entzuͤndet,
Als jenes noch ein Korn von ſeiner Tugend findet.
So lauft die Wirckungs-Kraft der Koͤniglichen Gnad,
Sie nebengehet nicht auch den geringſten Grad;
Sie ſchwinget ſich und fliegt durch unſre Krieger-Schaaren,
240
25 Macht ihnen im Gezelt ſo wohl als in Gefahren
Durch Einfluß meiner Kraft die ſchwerſte That ſo leicht,
Daß niemand vor dem Feind, nicht vor dem Tode weicht.
Man trozet die Gefahr, ein jeder will ſich raͤchen,
Ein jeder ſucht ein Reis von Lorbern abzubrechen;
245
25 Euch ruht dergleichen That noch in Erinnerung,
Wie nur ein kleiner Schwarm der groͤſten Macht entſprung?
Weil jedem lieber war, durch tauſend Feindes Klingen,
Durch Feuer, Mord und Tod in Sicherheit zu dringen, AlsThereſiade
Als hoͤren, wie man ihn mit goldnem Ruf gelockt?
250
25 Was hat dem tapfern Mann Ohr, Aug und Herz verſtockt?
Jſt nicht Leutſaͤligkeit das Treibwerck ſolcher Sinnen;
So weiß ich nicht, wie ſie die Herzen kann gewinnen.
So gar die Feinde ſeynd der Wirckung uͤberzeugt;
Auch ihnen iſt bekannt, wie weit mein Weſen ſteigt;
255
25 Nachdem ſie Schaaren-weis aus ihrem Heer entriſſen
Das Kriegs-Gewehr, von uns beſieget, ſtrecken muͤſſen.
Die Kriegs-Gefangenſchaft, die ſie dadurch verſchuldt,
Wird ihnen angenehm, ſie leben in Geduld,
Und andre ſaͤhnen ſich, daß ſie gefangen waͤren,
260
25 Auch ſelber anzuſehn, was ſie nur mußten hoͤren.
Die, welche Sorgen-frey, mit Gnaden uͤberhaͤuft,
Ja durch der Koͤniginn mildreichen Schuz geſteift,
Den ſie mit Fried und Ruh, vom Unheil fern, genieſſen,
Bereden andre mehr, dergleichen zu beſchlieſſen:
265
25 Was? ſprechen ſie, die Frau? iſt ſie der groſſe Feind,
Zu deſſen Thrones Sturz wir angerucket ſeynd?
Thereſia? die Frau? die Welt und Himmel liebet? -
Die war durch unſer Heer, durch unſer Schwert betruͤbet?
Das, ſchreyen ſie, das iſt Verblendung, Ubermuth,
270
25 Wann unſer Vorſaz nicht auf beſſerm Recht beruht!
Es wundert ihr Gemuͤth, wie ſich ihr Haupt vergangen,
Von einer ſolchen Frau den Zepter zu verlangen. DieFuͤnftes Buch.
Die mehr durch Gnad und Huld den Feinden abgewinnt,
Als nicht die Laͤnderſucht, an ſich zu ziehn, erſinnt.
275
25 Die mit der ganzen Welt in Frieden wuͤnſcht zu leben;
Kein anders Recht beſizt, als das ihr GOtt gegeben.
Dieß hoͤren einige, wann jemand alſo ſpricht;
So muntern ſie ſich auf, und ſaͤumen laͤnger nicht:
Man eilt, ſich durch die Flucht zum Kriegs-Heer zu verfuͤgen,
280
25 Bey dem der Koͤniginn ſiegreiche Fahnen fliegen.
Beſteigt die Majeſtaͤt nun auch den Koͤnigs-Thron,
So ſtehet nichts ſo fern, ſo tief, ſo weit davon
Das ſie nicht uͤberſieht. So weit das Tag-Licht dringet,
Auch die verborgne Macht der Freundlichkeit ſich ſchwinget.
285
25 Wahr iſts; ich muß geſtehn; ihr Antliz machet zwar
Mich, meine Wirckungen nicht allzeit offenbar,
Doch findet ſich ihr Herz, ihr Wiſſen und Gemuͤthe
Nicht nur beym Koͤnigs-Thron, auch bey des Bettlers Huͤtte.
Fuͤr beyde ſorget ſie: ſie ſchaͤzt das Bauren-Gut
290
25 Jn ſeinem Werth ſo viel, als hohes Adels-Bluth.
Zeigt es das Auge nicht, ſo weiſen es die Wercke,
Aus denen ich die Kraft von meiner Tugend mercke.
Warum beſtrebet ſich ſo gar ein armer Baur
Auf Bergen, in dem Feld, vor, in und auf der Maur
295
25 Fuͤr ſeine Koͤniginn mit Gut und Bluth zu ſtreiten?
Weil meine Tugend kann ſein Herz dazu bereiten. U ErThereſiade
Er denckt an ſie, wann er ſein Brod vergnuͤget ißt,
Wer weiß, ob unſre Frau, ſagt er, die Ruh genießt?
Es faͤllt ihm ein, er ſpuͤhrt ſein Herz aus Einfalt ſpringen,
300
25 Um ſeiner Koͤniginn ein Stuck davon zu bringen.
Er wagt es; gehet hin und uͤberreicht es ihr;
Sie nimmt es an und zeigt ſich ihm geneigt dafuͤr.
Der Mann erkennt ſein Herz fuͤr Luſt und Troſt begluͤcket,
Daß ihn die Koͤniginn ſo freundlich angeblicket;
305
25 Hierdurch erfuͤllt er ſich mit Ehrfurchts-voller Freud,
Und ſchwoͤrt ihr treu zu ſeyn, von neuem einen Eyd.
Er wuͤnſchet ſeinen Sinn der ganzen Welt zu zeigen;
Er heißt es Miſſethat, die Gnade zu verſchweigen.
Hier iſt die Freundlichkeit mehr als das baare Geld;
310
25 Mehr als was man bisher in dieſem Kreiß erzaͤhlt.
Zeig aber jemand ſich mit ſchwuͤlſtigem Betragen;
Wie kann ihr hoher Ernſt es nicht in Demuth ſchlagen?
Auch mit der Freundlichkeit leutſaͤligem Bemuͤhn
Kann ſie das ſtolze Herz des Hochmuths an ſich ziehn.
315
25 Man liebt und fuͤrchtet ſie, man legt ſich ihr zu Fuͤſſen,
Weil nirgends ſolche Hilff und Zuflucht zu genieſſen.
Genug: ich bin der Kron erwaͤhlter Diamant,
Der durch ſein Feur das Herz des Unterthans entbrannt.
Deſſelben Bliz und Glanz ſeynd ihrer Augen Blicke;
320
25 Kurz: ich bin ihre Pracht, ſie iſt mein Meiſterſtuͤcke.
SoFuͤnftes Buch.
So fraget nimmermehr: was hilfft leutſaͤlig ſeyn?
Jhr ſeht es; alles ſtimmt zu meinem Vortheil ein.
Schmacht jemand in der Noth; iſt ihm nicht Hilff vonnoͤthen?
Ob gleich dieſelbige nicht allzeit pflegt zu retten.
325
25 Aus der Leutſaͤligkeit entſprießt die Freundlichkeit,
Die liebt man; dieß verſchaft des Freunds Gewogenheit:
Von dieſem kommt uns Hilff. So ſeyd ihr uͤberzeuget,
Daß die Leutſaͤligkeit euch billig uͤberſteiget;
Daß wann ich ſchon kein Schwert zu der Beſchuͤzung trug,
330
25 Jch dannoch Rach und Zorn der Feinde niederſchlug.
Zerfallen meiner Macht Verdienſte, Preiß und Staͤrcke,
So faͤllt auch das Gewicht und Anſehn eurer Wercke.
HJer ward ſie ſtill; ſo nahm wer anderer das Wort,
Und fuhr in dem Geſpraͤch mit gleichem Eifer fort:
335
25 Jhr moͤget unbeſorgt den Sieges-Stein gewinnen,
Bevor ihr mich vernehmt. Doch wertheſte Freundinnen!
Hoͤrt auch und uͤberlegt, was meine Tugend ſey!
Hernach geb ich dem Kreiß den Schluß gelaſſen frey.
Wer iſt nicht wegen mir der Koͤniginn ergeben?
340
25 So muß man mich ſowohl, und mehr, als euch erheben.
So fieng ihr Vortrag an. Jhr groſſes Auge wies,
Daß ſie zum Beyleid ſich ſehr leicht bereden ließ:
Jhr Haupt trug einen Kranz von Oehl - und Ceder-Zweigen;
Auch dieſe Zierde ſchien die Neigung anzuzeigen,U 2UndThereſiade
345
25Und recht: Thalia ſprach: Dieß iſt Barmherzigkeit.
So dacht ich: welche That veranlaßt die zum Streit?
Jhr Anſehn zeigt ja nichts als der Erbarmung Zeichen:
Unfehlbar wird ihr Amt den andern muͤſſen weichen.
Jnzwiſchen hielt ſie ſich nicht auf; ſo gab ich acht,
350
25 Was bey Thereſia ſie dann vor Wunder macht.
Zugleich vernahm ich dieß: Jch hatte nicht gefochten
Als Unbarmherzigkeit und Zorn und Hochmuth pochten.
Jedoch war meine Bruſt ein Jnnbegriff der Kraft,
Die mehr, als manche Fauſt der Helden, Rath geſchaft;
355
Hold, freundlich und geneigt erfuhren wir den Himmel,
Er halff im aͤrgſten Kampf, im groͤſten Kriegs-Getuͤmmel:
Es ſprangen alt und jung, und Weib und Kinder bey;
Jch ſahe niemand faſt von Muͤh und Arbeit frey,
Als uns die Noth umrung: wo ſich nur Haͤnde fanden,
360
25 Die waren mit Geraͤth zur Gegenwehr vorhanden.
Durch was erregte ſich der Eifer, dieſer Trieb?
Wer lehrte dieſem Volck die nicht erhoͤrte Lieb?
Jch! die Barmherzigkeit. So fanden wir die Schlingen,
Jn die der Feinde Liſt und Macht uns wollte zwingen.
365
Es kommt mir unbewaͤhrt und ſchlecht erwieſen vor,
Womit die Freundlichkeit ſo viele Zeit verlohr:
Wie wann der eitle Zug der Fruͤhlingshaften Miene
Vor einer Helden-That, Ruhm, Preiß und Rang verdiene. Ge -Fuͤnftes Buch.
Gezwungener Beweis! Jch ſez, und es geſchicht,
370
25 Daß aufgehaͤuftes Eis den Damm des Strohms erbricht:
Wodurch der Waͤſſer Macht ein halbes Land verſchlinge,
Wald, Gaͤrten, Dorff und Feld in ihren Wirbel bringe.
Sag an Leutſaͤligkeit! du ſteigeſt auf den Wall,
Du ſchaueſt freundlich zu wie dieſer Waſſer-Schwall
375
25 Viel tauſend Menſchen ſchreckt? wie viele gar ertrincken?
Wie mancher in dem Schlam muß Beyſtand-loß verſincken.
Ein arm verlaßnes Weib mit ihrer Kinder-Schaar
Sizt in dem Elend dort; weint, heulet, krazt im Haar;
Schreyt, aͤchzet, rufft um Brod; du wirſt ſie freundlich gruͤſſen,
380
25 Was laͤſſeſt aber du ſie bey der Qual genieſſen?
Des Winters Grimm und Schaur raßt, wuͤttet: es erſtarꝛt
Ein armer Kinder-Schwarm, der ſich im Schnee verſcharꝛt.
Dort faͤhreſt du vorbey; du laͤchelſt auf die Kinder;
Wird Hunger, Froſt und Schmerz fuͤr ſie dadurch gelinder?
385
25 Hold, freundlich, angenehm iſt deiner Wercke Macht!
Verzeih! wann dich mein Herz in Freundlichkeit verlacht!
Bey jener Waſſer-Noth bin ich nach Hof geloffen,
Wo ich die Koͤniginn noch ſchlaffend angetroffen;U 3 Jch
387.Welche den 5. 6. 7. und 8. Merz-Monat 1744. die Roſſau / die Leopold-Stadt / und alle an der Do -nau herum ligende Gegenden auf et - liche Meilen uͤberſchwem̃te.
387.Thereſiade
Jch unterbrach die Ruh. Kaum hoͤrte ſie von mir
390
26 Der Flutten Raſerey, ſo brandt ſie fuͤr Begier
Dem ſo bedraͤngten Volck perſoͤnlich beyzuſtehen;
Sie ſprung vom Bett, um Hilff und Rettung umzuſehen.
Sie lief und folgte mir; vergaß die Koͤniginn.
Es lag ihr nur die Noth des treuen Volcks im Sinn.
395
26 Was immer helffen konnt, ward ploͤzlich angefriſchet;
Faſt haͤtte ſie ſich ſelbſt in die Gefahr gemiſchet.
Nichts fand ich unermahnt. Jhr eigner Ehgemahl
War von der Helffenden Mitleidens-vollen Zahl.
Fort! hurtig! auf! geſchwind! man eile, laufe, renne!
400
26 So rieff Thereſia, damit man Beyſtand goͤnne.
Genug! das ganze Volck, ſo gar die wilde Flutt
Mußt ihr gehorſam ſeyn: ſie bog die ſtolze Wuth,
Und trug der Schiffe Laſt auf Pfeilen-ſchnellen Wellen,
Dem hart bedraͤngten Volck die Nahrung zuzuſtellen,
405
26 Womit Thereſia ſie gleich beladen ließ,
Und die verlaſſne Stadt der Hungers-Noth entriß.
Das Kleinod ihrer Bruſt, ſo wir Mit-Vater heiſſen,
Laͤßt ſelber von dem Strohm ſich in die Wirbel reiſſen.
Er eilt, beſteigt den Kahn, gibt Leib und Leben Preiß,
410
26 Scheut weder die Gewalt der Waͤſſer, noch das Eis.
Er ſchwimmt durch die Gefahr; der Ruder-Knecht erblaſſet,
Daß dieſer Fuͤrſt den Muth ſo kuͤhn zu ſchiffen, faſſet; DochFuͤnftes Buch.
Doch rudert er beherzt, und bringt ihn gluͤcklich fort;
Ein jedes armes Haus iſt der geſuchte Port.
415
26 Wo Jammer, Elend, Noth ſich an dem Fenſter zeigen,
Da ſieht man ihn behend den Bord des Kahns beſteigen.
Er reicht den Duͤrftigen das Brod mit eigner Hand;
Und gibt dem armen Volck ein wahres Liebes-Pfand.
Jſt er zu weit entfernt, da braucht er eine Stange,
420
26 Damit der Seufzende die Vater-Hilff erlange.
Jch rede nur von dem, was alle Welt geſehn;
Und tauſend Zeugen noch mit froher Stimm erhoͤhn.
Jhr ſelber hoͤrt das Volck frolocken, ſingen, loben,
Daß beyde dazumahl ſich an den Strand erhoben,
425
26 Und Rettung ausgewuͤrckt. Es iſt noch unentdeckt,
Ob ſie nicht groͤſſre Freud, als Angſt die Noth erweckt.
Kein Menſch war ſo beherzt, mitleidend, unverdroſſen,
Als ſie; von ihnen iſt der Beyſtand her gefloſſen.
Freundinnen! uͤberlegt, was dieſe That verhuͤllt;
430
26 Wie GOtt oft wunderbar der Menſchen Wunſch erfuͤllt.
Betrachtet jenen Kahn! betrachtet jene Stange!
Wer weiß, was dieſer Fuͤrſt durch ſolche Fahrt erlange?
Wie? wann von ungefaͤhr ein ſolches Fiſcher-Schiff
Dort, wo Thereſia zu Waſſer reiſet, lief;
435
26 Der Schiffmann aber ſpraͤch: Hier bring ich den gekroͤnet,
Nach dem dein Helden-Herz o Koͤniginn! ſich ſaͤhnet: UndThereſiade
Und ſie den Ehgemahl ganz unvermuthet ſaͤh?
Sagt an, warum und wie dergleichen Fall geſchaͤh?
Jhr wißt es, wann ihr nicht den Ausſpruch habt vergeſſen:
440
26 GOtt mißt mit jener Maaß, mit der man hat gemeſſen.
Der Fuͤrſt ſteht Armen bey. Durch was? durch einen Kahn.
Da ſieht GOtt ſein Gemuͤth, auch die Gemahlin an
Und ſpricht: So ſchiffet er, den Armen beyzuſpringen?
Man ſoll in einem Kahn Jhr Jhn als Koͤnig bringen.
445
Hier ſchwieg ſie ſtill, jedoch das Schweigen ſchien ſo viel
Als waͤr ſie durch den Saz noch nicht an ihrem Ziel;
Jnzwiſchen ward im Saal faſt jeder Anblick rege,
Als wann man dieſes Falls Beſtaͤttigung erwege.
Es koſtet ſie den Schlaf, der Sinnen Ruh und Luſt,
450
26 Wann ein verlaſſnes Weib ihr in dem Land bewuſt;
Sie fragt , ſo ſprach ſie fort, des Morgens nach den Armen,
Die Tags vorher ihr Herz zum Beyleid und Erbarmen
Durch einen Blick erweckt. Wo ſie nicht ſelber kann,
Hilfft ſie durch andere; nimmt Mutter-Theil daran.
455
Duͤrfft ich diejenigen dem Kreiß vor Augen ſtellen,
Die ſie auch anderwaͤrts aus truͤben Elends-Wellen Jn
444.Dieſe Begebenheit / welche all - hier Vorbedeutungs-weis angefuͤhret wird / ereignete ſich den 21. Sept. 1745. bey Urfar in der Grafſchaft Wertheim /allwo Jhro Majeſt. die Koͤniginn Aller - hoͤchſt Dero Gemahl zum erſten Mahl als Roͤm. Koͤnig in einem Fiſcher-Kahn auf dem Mayn-Strohm erblicket haben.
444.Fuͤnftes Buch.
Jn Sicherheit gebracht, die nun der Noth befreyt,
Und aller Wehmuth loß mit froher Danckbarkeit
Das vormahls bittere, nun ſuͤſſe Brod genieſſen,
460
27 Und darum ihr Gebeth fuͤr ſie zu GOtt ergieſſen;
So faͤnd ich keinen Plaz; die Stadt waͤr viel zu eng,
O Troſt-erfuͤllte Schaar! was froͤhliches Gedraͤng!
Es wurd ein ganzes Heer von Kindern, Wittwen, Wayſen,
Die ſich von ihrer Huld, von ihrer Gnade ſpeiſen.
465
27 Jch glaube nicht, daß es ſo viel Geſpraͤch bedarff
Zu zeigen, wie ſie ſtets mein Ebenbild entwarff;
Jhr wißts, und koͤnnt es euch noch mehr vor Augen ſtellen,
Als es aus dem, was ich erzaͤhle, mag erhellen.
Es ruͤhmt die Froͤmmigkeit ſich des erworbnen Siegs;
470
27 Sie ſey die Retterinn; die Fuͤhrerinn des Kriegs;
Der Himmel habe ſich auf ihr Gebeth gebogen,
Und tauſend Wunder-Werck um unſer Heil gepflogen.
Das nimmt mir den Beſtand von meiner Hoffnung nicht;
Jch weiß, daß wegen mir ſo viel, auch mehr geſchicht.
475
27 Jch will Magnet und Pol und Ruder uͤberwinden,
Jch weiß zu dieſem Ziel Beweis und Grund zu finden.
Wie viele ruffen nicht zu der Allmoͤgenheit,
Daß ſie die Koͤniginn durch dieſe Krieges-Zeit
Und ſonſten immerfort fuͤr Ungemach bewahre;
480
27 Damit ihr nichts als Heil und Siegen wiederfahre? W WerThereſiade
Wer ſeynd die Flehenden? die ſie durch mich geſpeißt,
Getraͤnckt, bedeckt, getroͤſt, und noch aus Wehmuth reißt.
Jezt ſchreyt ein armes Weib: (vergoͤnnet das Gehoͤre)
Thereſia ſchickt Hilff! daß GOtt ihr Haus vermehre!
485
27 Kein Wunder. Alles traͤgt mir dieſes Zeugnis bey:
Daß die Barmherzigkeit der Wohlfart Stuͤze ſey.
Durch meine Werck hab ich die Macht des Throns verneuert,
Und den Bedrohungen des Untergangs geſteuert.
Zu der Bekraͤftigung vernehmt noch dieſen Fall;
490
27 Nur dieſem wiedmet ihr gewiß ein Ehren-Mahl.
Ein Fall, wo der Beweis in unſern Ohren klunge
Wie weit Barmherzigkeit in ihre Seele drunge.
Thereſia zu Pferd, mit ſolcher Pracht geſchmuͤckt,
Dergleichen man im Pomp der Helden nicht erblickt,
495
27 Kann ihren groſſen Geiſt auf arme Kinder lencken,
Aus Beyleid ihnen Sorg, Erbarmen, Kummer ſchencken.
Jſt dieß Barmherzigkeit? da ſie den Degen fuͤhrt,
Bezeugt ſie das Gemuͤth durch meine Kraft geruͤhrt.
Habt ihr nicht den Triumpf des Ritter-Spiels geſehen,
500
27 Wo die Begebenheit von ungefaͤhr geſchehen?
Sie ritt auf Krieger-Art als Ritterinn daher,
Erhoͤhte den zum Kampf ſchon eingelegten Speer; Ein
499.Welches den 2ten Januarij1743. gehalten wurde.
499.Fuͤnftes Buch.
Ein Chor der edelſten und tapferſten Heldinnen,
Begleitete den Zug als andre Koͤniginnen.
505
28 Das Pferd gehorchte nur dem Koͤniglichen Sinn,
Als laͤg ihm ſelbſt daran, daß ſie den Preiß gewinn.
Sie ließ in ihrer Tracht und ſonſt in allen Stuͤcken,
Des Herzens Munterkeit und Helden-Triebe blicken;
Sie ſtund und hielt ſich ſtill, erwies durch das Geſicht
510
28 So viel, als wann man ſich im Kampf den Sieg verſpricht.
Jn keinem Umſtand iſt in ihren hohen Mienen
Mehr Gnad und Majeſtaͤt, als dazumahl erſchienen.
Jhr Auge, das den Trieb der Ehrfurcht mit ſich fuͤhrt,
Erfuͤllte das, was ſonſt die Pracht der Ritter ziert,
515
28 Die voller Geiſt und Muth ſich auf den Kampf-Plaz wagen,
Mit ihrem Feinde ſich um Ehr und Preiß zu ſchlagen.
Da man die Seltenheit der Ritterinnen da,
Dort eine gleiche Zahl auf Helden-Waͤgen ſah;
Ließ der Trompeten-Schall, der Paucken-Klang ſich hoͤren,
520
28 Der erſten Ritterinn den Anzug zu erklaͤren.
Hier ruckt Thereſia von ihrem Plaz hervor,
Sie hebt den goldnen Speer mit Munterkeit empor,
Schwenckt Haͤft und Spize ſanft und herzhaft durch die Luͤfte,
Als wann ſie Fauſt und Arm und Muth zum kaͤmpfen pruͤfte.
525
28 O tapfre Koͤniginn! du theures Helden-Bild!
Dir fehlte damahls nichts, als Harniſch, Helm und Schild. W 2 DerThereſiade
Der Braun, der brafe Braun ſchnauft, eilte, ſchnarchte, ſprunge,
Jndem er ſich im Kreiß, als ob er floͤge, ſchwunge;
Die Lanze ſenckte ſich gerad und ſo geſchickt,
530
28 Daß, eh man noch das Ziel, den Kopf, den Stoß erblickt,
Der Tartar ſchon erhoͤht an ihrer Spize ſteckte,
Und auf dem Ritter-Plaz gemeine Freud erweckte.
Da ſie den Speer verließ, hielt ſie das Pferd nicht auf;
Sie grieff nach der Piſtol in ſtets verfolgtem Lauf,
535
28 Sie ſpannt und ſchwung das Rohr, verwandt die Hand und zielte;
Das Pferd ſchien, als ob es den neuen Vorſaz fuͤhlte,
Es lief weit munterer: an dem Gebiß und Zaum
Vermehrte ſich der Rauch und unerſchrockne Schaum;
Sein Lauf war ſchnell, jedoch gehorſam nach dem Zuͤgel,
540
28 Als gaͤb ihm die Begier der Ehre Sporn und Fluͤgel.
Jm Sprengen druckte ſie nach einem Mohren loß,
Wodurch ſie deſſen Kopf von ſeinem Rumpfe ſchoß,
Und gleich den Wurff-Pfeil nahm, ihn um die Scheitel drehte;
Da der getreue Braun die ſtolze Naſe blaͤhte,
545
28 Als haͤtt ein Feind das Schwert auf ſeine Frau gewezt,
Und er aus Rach-Begier demſelben nachgeſezt:
Jndem er ſo erfriſcht durch alle Reihen jagte,
Daß ſchon der dritte Kopf vor ſeinem Anlauf zagte.
Man ſah der Koͤniginn Arm, Wendung, Aug und Bruſt
550
28 Bey dieſem zweyten Sieg voll Munterkeit und Luſt. DerFuͤnftes Buch.
Der Wurff-Pfeil bebte ſchon; ſie wußt ihn ſo zu ſchwingen,
Daß Lauf und Maß und Wurff und durch den Kopf zu dringen
Nur eine Regung ſchien. Wie groß war nicht das Lob,
So bey der Ritterſchafft in Freuden ſich erhob;
555
28 Da dieſer Tarter-Kopf als ein geſpißter Ballen
Durch einen Bogen-Flug von ſeinem Halß gefallen?
Nun fuhr ſie mit dem Bliz der ſcharffen Kling empor,
Und warff den Helden-Blick des Augs auf einen Mohr;
Sie druckte mit der Fauſt und mit dem Streit-Gefaͤſſe
560
28 Den Hut in das Geſicht, und gabe ganze Bloͤſſe.
Wer dachte damahls nicht: O Wunder-voller Held!
Koͤnntſt du der Feld-Herꝛ ſeyn, wie ſiegreich waͤr das Feld?
Sie ſpielte mit dem Stahl, und wußt ihn ſo zu regen,
Als fuͤhrte ſie niemahls den Zepter, ſtets den Degen.
565
28 Jhr Augenwinck durchmaß von weiten jenen Grund,
Auf dem der Mohren-Kopf, als wann er pochte, ſtund.
Kein abgedruckter Pfeil iſt je ſo ſchnell geflogen,
Als das erfreute Pferd ſich gegen ihn bewogen.
Thereſia war ſchon des Ruhms, des Siegs gewohnt,
570
28 So blieb auch dieſer Kopf des Degens nicht verſchont;
Sie ſenckte Leib und Arm, Gefaͤß und Hand und Klinge,
Der Braun verdoppelte zugleich die muntern Spruͤnge,
Daß, eh man ſich verſah, ſie ſchon an Stell und Ort
Dem Troz des Mohren-Kopfs die Stirne durchgebohrt,W 3575 ZumThereſiade
575
28 Zum Zeichen des Triumpfs ihn aufgeſpißt getragen,
Als zeigte ſie, wie man ſich ſoll zum kaͤmpfen wagen.
Sie ſprengte noch herum und wies den Ritter-Preiß,
Sieh da! ſo ſchreyt ein Kind: gleich ritt ſie von dem Kreiß,
Warff dieſen Kopf hinweg, und ſorgte nicht um Ehren,
580
28 Nur um das arme Kind und um deſſelben Zaͤhren.
O zarte Leidenſchafft! ſie war ſo ſehr geruͤhrt,
Daß ſich daruͤber faſt das Ritter-Spiel verwirꝛt.
Das Weinen hieß nicht viel; doch war ihr Herz getroffen;
Wie konnte meine Macht hier was zu wircken hoffen?
585
28 Was? fiel mir ein, ſo gar in einem Ritter-Spiel
Erreicht Barmherzigkeit das ihr beliebte Ziel?
Wann ihre Majeſtaͤt in ſolchem Staat begriffen,
Kann eines Kinds Geſchrey ſich in ihr Herz vertieffen?
So muß der Tugend Macht unuͤberwindlich ſeyn,
590
28 Hier gibt ſie deſſen uns wahrhaften Augenſchein.
So ſchlieſſet nun, wer ſich mit mir vergleichen koͤnne;
Ob man nicht billig mich des Frieſes wuͤrdig nenne.
Thalia fieng hier an Barmherzigkeit, Geduld
Und Sanftmuth eines Haupts ſeynd in des Himmels Huld;
595
28 Der laͤßt ſich nicht durch Muth und Tapferkeit bewegen,
Faſt keine Tugend hat das treffliche Vermoͤgen. Er -
578.Dieſer Zufall begab ſich bey der Tags vorhero mit groſſer Prachtgehaltenen Haupt-Probe dieſes Rit - terſpiels.
578.Fuͤnftes Buch.
Erbarmen und Geduld ſeynd Schweſtern: ihre Kraft
Vermag oft mehr, als was die groͤſte Macht verſchafft.
O duͤrfft ich zum Behuf derſelben etwas ſprechen,
600
29 Es ſollt ihr kein Beweis zum erſten Plaz gebrechen.
Haͤtt die Barmherzigkeit ſich von dem Thron entfernt,
Und unſre Koͤniginn die Sanftmuth nicht erlernt,
So waͤr auch die Geduld aus ihrem Rath geblieben,
Mithin haͤtt eigne Wuth und Rach uns aufgerieben.
605
29 Nur die Barmherzigkeit macht die Gemuͤther weich,
Dieß lehrt geduldig ſeyn, ſo nimmt man alles gleich:
Krieg, Ungemach, Verluſt, die Furcht noch ſchlimmrer Zeiten,
Das kann man durch Geduld beſiegen und beſtreiten.
Was die Barmherzigkeit der ganzen Welt genuͤzt,
610
29 Das hatte die Geduld ſo maͤchtig unterſtuͤzt;
Daß, was ihr wiederſtund, ſich endlich muͤd erkennte,
Und nur durch ihre Kraft ſich uͤberwunden nennte.
Jnzwiſchen hoͤrten wir von jener: die Geſchicht
Giebt meinem Amts-Verdienſt vor allen das Gewicht.
615
29 Da war die Tapferkeit, die Majeſtaͤt zu gegen;
Gnad, Unerſchrockenheit und Großmuth hielt den Degen;
Die Weisheit ſelber auch traff aller Orten ein,
Faſt jede Regung war derſelben Rath gemein;
Doch mußt ich zum Beſchluß das edle Schauſpiel kroͤnen:
620
29 Die Koͤniginn verließ den Plaz um bloſſe Thraͤnen.
JchThereſiade
Jch uͤbergehe viel; fragt ſelbſten eure Bruſt,
Es iſt derſelbigen ſo viel als mir bewuſt,
Wie ſehr ſie ſich bemuͤht, Barmherzigkeit zu uͤben:
Sucht, ſinnt und denckt nur nach, ich laß es unbeſchrieben.
625
29 Mir iſt genug, daß es das ganze Land erkennt,
Und deſſen uͤberzeugt ſie ſeine Mutter nennt.
Was aber Kinder-Lieb und Mutter-Neigung haͤge,
Jſt euch zu viel bewußt, als daß ich es erwege.
Wir haben deſſen mehr als taͤglichen Beweis,
630
29 So ſagt mir, wem gebuͤhrt der Vorrang und der Preiß?
Hier nahme ſie das Kleid und ſchlug es um die Lenden,
Schwieg, ſezte ſich, und ließ die Rede ſo bewenden.
[figure]
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Thereſiade.

Sechſtes Buch.

WEin Vorwiz fragte ſtets bald dem, bald jenem nach,
Weil ich nicht jederzeit verſtunde, was man ſprach;
Hier dacht ich: was iſt mir an dieſem Kind ge - legen?
Mich wundert, daß ſie mag dergleichen That erwegen.
Thalia ſah mich an, und merckte meinen Sinn
Weil ich ihr unerregt und unzufrieden ſchien: Was fehlt dir? fragte ſie. Nichts: ſagt ich, dieſem Sprechen
Wird es wohl an dem Recht auf jenen Stein gebrechen. X Wa -Thereſiade
Warum? , verſezte ſie, dieß iſt noch unbekannt,
10
29 Die Tugend hat fuͤr uns ſo vieles angewandt,
Daß die bethoͤret ſeynd und irriger Gedancken,
Die nicht auch ihrer Hilff ſo Gluͤck als Heil verdancken.
Jmmittelſt kamen mir Oehl-Zweige zu Geſicht;
Derſelben Eigenſchaft verſtund ich wieder nicht.
15
29Der, welche ſolche trug, ſchien jene Tugend eigen
So die Barmherzigkeit vor ihr uns wollte zeigen.
Thalia ſagte mir: Es iſt die Mildigkeit
Die ſich niemahls erzuͤrnt, wo ſie nicht auch verzeiht.
Wie die Barmherzigkeit Bedrangten Hilff ertheilet,
20
29 So ſieht man, daß ſie auch der Noth entgegen eilet;
Sie aber fieng ſchon an: Jch hoͤr in ſanfter Ruh
Dem Streit der Tugenden und ihrem Vortrag zu.
Was hoͤr ich aber? nichts, als von der Freud erzaͤhlen,
Mit der man oͤfters Zorn, als Guͤte pflegt zu waͤhlen.
25
29 Bald rufft man: Jn die Schlacht! fort Leben, Gut und Bluth!
Wer nicht auf Waffen ſchlaͤft, vermeint nicht, daß er ruht;
Bald: ſchmiedet Stahl und Erz bereitet Spieß und Schwerter!
Schafft Brand - und Mord-Geraͤth! mich ſchrecken dieſe Woͤrter;
Noch mehr das raßlende ſchon blutige Gewehr:
30
29 Wie fuͤhrt man es nicht oft in vollen Schiffen her?
Der Laͤnder Marck und Schweiß und Saft wird aufgezehret,
Und nichts damit als Muth und Tapferkeit ernaͤhret. UmSechſtes Buch.
Um nichts iſt man ſo viel als um den Krieg beſorgt,
Rath, Wohlfart, Gluͤck und Heil wird von dem Stahl geborgt.
35
29 Kein Thon iſt lieblicher, als den die Waffen geben,
Kein Amt vortrefflicher, als nach dem Kampf zu ſtreben.
Daß man das Heil des Lands und ſeines Volcks erlang,
Eilt man oft mit dem Heil des Lands zum Untergang.
Betruͤbter Helden-Ruhm! iſt dann nicht auszuſinnen,
40
29 Wie kluge Mildigkeit auch koͤnne Statt gewinnen?
Daran verzag ich nicht; dann alles findet Zeit,
Zum Beyſpiel nehm ich nur die Gnad und Froͤmmigkeit:
Derſelben Kriegs-Geraͤth war weder Stahl noch Eiſen;
Vernehmt, ſo will ich auch, was ich vermag, erweiſen.
45
Wie gern vernimmt man nicht des Feindes Untergang,
Dergleichen Zeitung iſt der troͤſtlichſte Geſang:
Man ſpringt, frolockt und rufft: die Feinde ſeynd geſchlagen!
Das Herz entbrennt fuͤr Luſt bey ſolchen Niederlagen.
Man wird faſt neu belebt, vergnuͤgt, und auferweckt,
50
29 Genug: die Feinde ſeynd, ſagt man, ins Graß geſtreckt.
Allein was nuzt die Freud und ſolche Lieder ſingen,
Die nichts als Lands-Verderb und Blut-vergieſſen bringen?
Was heiſſet? brenn und ſeng! was heißt? ſchieß, hau und ſtich!
Und Sachen, welche ſo betruͤbt als fuͤrchterlich?
55
29 Dieß alles iſt von mir und meinem Geiſt entfernet;
So will ich daß ihr nun die Mildigkeit erlernet,X 2 Wo -Thereſiade
Wodurch Thereſia mehr als durch alle ſteigt,
Und dieſen Tugend-Werth in ihren Thaten zeigt.
Wahr iſts, daß uns das Schwert oft unſer Recht erzwinget;
60
29 Jedoch eroͤffnet mir, was dieß vor Ruzen bringet?
Der Laͤnder Wuͤſteney, der Feinde Groll und Rach;
Dem folgt oft Sturz und Fall der Fuͤrſten-Haͤuſer nach.
Jch ſage nicht es ſey die Mildigkeit vonnoͤthen,
Wann ſchon zu dem Gefecht der Schall der Feld-Trompeten
65
29 Den Krieger auferweckt. Auch dieſes wohnt mir bey:
Daß nur durch die Gewalt Gewalt zu zwingen ſey;
Daß man die Lanze nicht als mit der Lanze meſſe,
Und nur mit bloſſem Schwert den Feind des Schwerts entbloͤſſe.
Hingegen weiß ich auch, daß oft zu viel geſchicht,
70
29 Wann nichts als Helden-Muth, nicht auch die Guͤte ſicht.
Gar ſelten iſt es recht und oͤfters nur verwegen,
Der Menſchen Heil in Blut, die Staͤdt in Aſchen legen.
Oft leſcht der Feinde Blut den Glanz der Ehren aus;
Oft kommt man zwar mit Sieg, doch ohne Ruhm nach Haus.
75
29 Nicht jeder Sieg erwirbt den wahren Helden Nahmen;
Die Lorber ſproſſen nicht aus aller Thaten Saamen;
Sonſt waͤr nur der ein Held, der ſtarck und ſchrecklich iſt,
Und eines jeden Recht nach ſeinem Degen mißt.
Jhr ſprecht: man fechte nur, daß man das Recht behaupte,
80
29 Weil deſſen uns der Feind durch groͤſſre Macht beraubte; JchSechſtes Buch.
Jch ſage nicht, daß dieß dem Recht zuwieder ſey,
Selbſt die Gerechtigkeit ſtimmt euch in dieſem bey.
Doch ſelten pfleget ſie die Gnade zu verleihen;
Sie ſtraft was ſtrafbar iſt, und denckt nicht zu verzeihen,
85
29 Wann nicht die Mildigkeit durch Sanftmuth Schrancken ſezt,
Daß ſie die Schuldigen der Gnade wuͤrdig ſchaͤzt.
Wer mit der Guͤte mehr, als mit Gewalt beginnet,
Erfaͤhrt, daß er dadurch das Herz der Welt gewinnet.
Hingegen haͤlt er ſich mit Schaͤrffe nur gefaßt,
90
29 So macht er ſich dem Freund ſo wie dem Feind verhaßt.
Jedoch damit ich nicht durch eitle Worte zeige,
Wie weit die Mildigkeit in ihren Thaten ſteige:
So leg ich meinen Saz durch einen Zufall dar,
Wo man zu Grunde gieng, weil ich verachtet war.
95
29 Es wird ſich ſelbſt dadurch unwiederſprechlich weiſen,
Daß oft ein Rohr mehr nuͤzt, als Feuer, Stahl und Eiſen.
Ein uͤberwundnes Heer iſt in der Stadt verſperꝛt,
Wo ſich die Noth mit ihm um Brod und Freyheit zerrt.
Es muß entweder dort dem Zwang zur Beute bleiben;
100
29 Ja, oder den Befehl der Knechtſchaft unterſchreiben.
So wird um Gnad und Huld zum Feind hinaus geſchickt,
Der aber pocht mit Nein: ſein Schwert ſey zu begluͤckt;
Man muͤſſe ſich auf Gnad und Ungnad uͤbergeben,
Sonſt in gewiſſer Furcht des groͤſten Ungluͤcks ſchweben. X 3 VonThereſiade
105
29 Von ſolcher Haͤrtigkeit iſt mein Gemuͤth entfernt;
Weil oft ein Feind dadurch ſich zu entſchlieſſen lernt:
Daß er ſich eh zum Tod, als zu dem Zwang bereite,
Und ſelbſt Unmoͤglichkeit mit neuem Muth beſtreite.
Da die Verzweiflung dann, noch durch die lezte Kraft
110
29 Die ſie zuſammen zieht, ihm Rath und Hilff verſchafft.
Der Lorber-reiche Feind beaͤngſtiget die Mauren,
Daß ſeine Schaaren ſelbſt das Volck der Stadt bedauren.
An allen Orten heult die wohl verwahrte Noth,
Der Sieger zeigt durch Schwert und Feuer ſein Geboth.
115
29 Er laͤßt mit ſteter Wuth die Felſen-Brecher krachen,
Und jeden Weeg zur Hilff durch Mord und Brand verwachen.
Je mehr die Graͤßlichkeit der Sturm-Geraͤthſchaft kracht,
Je mehr man in der Stadt zur Wehr ſich faͤrtig macht.
Es muß der Flammen Wuth durch alle Winckel dringen,
120
29 Das eingeſperꝛte Volck zur Ubergab zu zwingen.
Man ſpricht ihm nichts mehr zu, als den Verheerungs-Zwang;
Man ſchwoͤrt ihm Rach und Grim̃, Blut, Wuͤrgen, Schwert und Strang,
Wann es nicht ſanft, gebuͤckt, mit Stricken an dem Nacken
Zu Fuͤſſen faͤllt: man will es Glieder-weiß zerhacken.
125
29 Der aufgeblaſne Zorn bricht ſolchen Urtheils-Stab,
Er haͤlt die Mauren ſchon vor der Verſchloßnen Grab.
Dieß iſt des Feinds Entſchluß, vor dem die Waͤlle zittern.
Wie geht es in der Stadt bey dieſen Ungewittern? ManSechſtes Buch.
Man bittet, ſeufzet, fleht, weint um die Mildigkeit,
130
29 Man iſt zur Ubergab, doch frey zu ſeyn, bereit.
Nein! ſpricht man vor der Stadt; erwaͤhlen ſie die Ketten,
So koͤnnen ſie, ſonſt nicht, ſich von dem Tod erretten.
Wohlan dann! auf! zum Schwert! weil keine Mildigkeit
Allhier zu finden iſt, und nichts als Tyger-Haͤut
135
29 Der Feinde Bruſtwehr ſeynd: ſo laßt uns lieber ſterben,
Als Rettung ſonder Ehr in ſolcher Schmach erwerben.
So rufft man in der Stadt. Man fraget nichts um Bluth;
Der Schmerz erregt den Zorn; der Zorn die Rach und Wuth;
Die waffnet Hand und Bruſt: der Grimm erfindet Weege
140
29 Durch welche man dem Grimm der Feinde Schrancken lege.
Man ſchmiedet, ſchleifft und gießt, man ſinnet Tag und Nacht
Auf Eiſen, Stahl und Erz, auf ſtarcke Gegen-Macht.
Man graͤbt, man ſucht, man ſtopft, man oͤffnet ſtille Gaͤnge,
Wodurch man unvermerckt den ſtolzen Feind verdraͤnge.
145
Der ſtehet vor dem Thor in tieffer Sicherheit;
Und dieß befreyt die Stadt von ihrer Dienſtbarkeit.
Man ruͤſtet ſich bey Tag, um in der Nacht zu ſuchen,
Was Hoffnung, Rach und Noth ſo ſtreng zuſammen fluchen.
Der Sonne Licht entweicht, als ſcheut es dieſe That,
150
29 So die Verzweiflung ſich zum Ziel beſtimmet hat.
Hingegen eilt die Nacht, den Armen beyzuſpringen,
Sie faͤngt ſchon an den Feind in Finſterniß zu ſchlingen. DieThereſiade
Die Gaͤnge wimmeln ſchon von der bedeckten Schaar,
Man ſchleicht auf Schlangen Art, verachtet die Gefahr;
155
29 Man eilet ſtill und ſchnell: man faͤngt ſich an zu theilen
Auf dem beſtimmten Plaz dem Siege nachzueilen.
Sanft, ſtill gibt man Befehl; des Feindes Haupt-Geſchaͤfft
Jſt, daß ſein Wiz, den Feind zu hoͤhnen, ligt und ſchlaͤft.
Der Angriff raſſelt ſchon, man ſucht an allen Seiten
160
29 Um Freyheit, oder Tod, auf Loͤwen Art zu ſtreiten;
Man ſticht, man haut, man wirfft, die Wachten ſeynd ſchon hin:
Man hoͤret Streich auf Streich, und ſieht ſchon Zelter gluͤhn.
Ein jeder muntert ſich und folgt dem Muth der Bruͤder,
Bricht, ſchlachtet, reißt und dringt durch Gaſſen, Reih und Glieder
165
29 Mit Picken, Schild und Schwert, mit Pech-ernaͤhrtem Brand;
Der angeflammte Zorn bewehret Bruſt und Hand.
Was je zum Morden taugt; Stein, Hacken, Spieß und Hamer
Rauſcht aller Orten durch, erwecket Flucht und Jammer.
Das ganze Lager bebt fuͤr Eiſen, Grimm und Gluth,
170
29 Die Luft bedeckt der Dampf, den Boden Tod und Bluth.
Wuͤrg, ſtuͤrz und ſeng und brenn, zerſchmettre, brich und biege,
Nimmt alle Winckel ein; man kennt ſchon faſt wer ſiege.
Durch den verwirꝛten Kampf, durch das erboßte Schwert,
Wird der Verzweiflenden Rachgierigkeit vermehrt.
175
29 Sie ſehn ſchon allgemach den Baum der Hoffnung bluͤhen,
Der nicht im Schlaf erbleicht, muß Waffen-bloß entfliehen. EinSechſtes Buch.
Ein ſo gebruͤſtetes, bey Tage ſtolzes Heer
Flieht, irret, eilet, lauft, verwirret ſich ſo ſehr
Daß es fuͤr Schrecken ſtarꝛt; nicht weiß, was angekommen,
180
29 Das mit ſo ſchneller Wuth das Lager eingenommen.
Es hoͤrt, bevor es noch zu Wehr und Waffen greifft,
Daß aller Orten her der Schwung der Klinge pfeifft.
Was es in Schutt und Stein zur Bruſtwehr ausgehauen,
Das ſchleifft die frohe Schaar; dann alles wird zu Klauen,
185
29 Von welchen, was man ſich zum Krieg hat angeſchaft,
Jn dieſem Blut-Gefecht zuſammen wird gerafft:
Nichts von dem ganzen Heer verbleibet ungerochen,
Das Lager wird verheert, zerſtoͤrt und abgebrochen.
Gewehr, Gezelt, Geraͤth ſchwimmt in dem Bluth herum,
190
29 Man ſorgt nur um das Heil, nicht um das Eigenthum.
Der Feind wird Haufen-weiß bey dieſen blinden Streichen,
Jn dieſem Nacht-Gefecht verwundet, und zu Leichen.
Nur aus den Folgungen wird jener Schaar bekannt,
Wer Feld und Sieg erhaͤlt, wer ſich zur Flucht gewandt.
195
29 Die Finſternis verbirgt, was Freund und Feind gelitten,
Nur ein zerſtreutes Licht zeigt, wer mit Sieg geſtritten.
Mich kom̃t ein Schauer an, wann ich die Schlacht betracht,
Wo die Verzweifelung den Sieg zu nichte macht.
Hartnaͤckigkeit und Troz ſeynd meinem Geiſt zu wieder,
200
29 Mir zittern, wann die Fauſt ſo tobet, Herz und Glieder.
Y SoThereſiade
So waͤhrt die Raſerey bis an die Morgen-Stund,
Den Ausgang machet erſt die Morgenroͤthe kund;
Da zeigt die Wallſtadt ſich mit Freud und Leid bedecket,
So theils ſich offenbart, theils ſich in Bluth verſtecket.
205
29 Da nimmt der Sieger erſt, was er erfochten, wahr;
Da ſtellt ſich der Erfolg gerechter Nothwehr dar.
(O! waͤr Thereſia bey dieſem Heer geweſen,
So wurde man die Schlacht in keinem Tag-Buch leſen:)
Man ſieht erſtaunend an, zu was der Schluß genuͤzt,
210
29 Wie man die Noth beſiegt, wann man aus Noth ſich ſchuͤzt.
Was von der Feinde Schwarm verjagt, und aufgerieben.
Was deſſen Stolz zur Ehr und zum Triumpf geblieben.
Das Traur-Spiel zeiget auch, was von der Sieger Schaar
Auf dieſes Ehren-Bett tod hingeſtrecket war,
215
29 Und nun geprieſen wird; weil es den Weeg gegangen,
Auf dem man zwar in Bluth, doch Ruhm-voll pflegt zu prangen.
Kurz: was ſchon Feſſeln trug, ſtellt ſich in Freyheit dar,
Und in dem Untergang, was voller Hochmuth war.
Der Zweifel iſt geloͤſt, wer ſich den Sieg erfochten;
220
29 Was jene nun vollbracht, die vor ſo graͤulich pochten.
So208.Eine dergleichen Belagerung / ein ſo blutiger Ausfall / und ein ſo Er - ſtaunens-werther Sieg erfolgte bey derStadt Gent im Jahr 1379. Fulg. l. 5. Meyer l. 13. Annal. Sechſtes Buch.
So bringt Verzweiflung Sieg, wo Mildigkeit veracht;
So wird der Waffen Stolz in Niedrigkeit gebracht;
So wird Unmildigkeit durch eignen Troz zernichtet;
So wird zum eignen Sturz der Abgrund zugerichtet;
225
30 So findet man Verluſt, wo man den Nuzen ſucht;
So wird des Anfangs Gluͤck beym Ausgang oft verflucht.
Der mich verlaͤßt, verderbt und ſchwaͤchet ſein Geſchicke,
Der meine Macht verſchmaͤht, entfernt ſich von dem Gluͤcke.
Wo meine Guͤte fehlt, geht manches Werck zu Grund,
230
30 Das ſonſten ſich erhielt, wann ich zugegen ſtund.
Es kann zu keiner Zeit mir am Gewehr gebrechen,
Jch weiß durch Mildigkeit fuͤr alles gut zu ſprechen.
Das Lager rauchet noch, der Schrecken iſt zerſtreut,
Die Mauren ſeynd entſezt, der Freuden-Tag bereit.
235
30 Haͤtt ſich der Stuͤrmer Haupt der Mildigkeit bedienet,
So haͤtte ſich die Stadt zum Ausfall nicht erkuͤhnet.
Wo die Verzweiflung herꝛſcht, wird Mord und Tod veracht;
Der Schluß erwaͤchſt in Grimm; der Grimm in eine Macht,
Die ſchafft ſich Luft, und raßt: nichts kann ihr Raſen daͤmpfen,
240
30 Derſelben wiederſtehn heißt wieder Felſen kaͤmpfen.
Man ſtuͤrzt ſich in Gefahr; ſo folgt man ſonſt dem Rath,
Man gibt derſelben Flucht durch goldne Bruͤcken Statt;
Wann ich befehlen kann, erfaͤhrt man nichts dergleichen,
Wo Zwang unfruchtbar iſt laß ich den Feind verſchleichen.
Y 2245 AnThereſiade245
An dieſe Tugend iſt Thereſia gewohnt,
So wißt ihr nun, warum ſie oft die Feinde ſchont.
Sie kennt die Rache nicht. Sie ſcheut das Blut-vergieſſen;
So kann man leicht daraus den Urſprung deſſen ſchlieſſen,
Warum ſie manchen Feind aus der Gefangenſchaft,
250
30 Jn die derſelbe ſich aus Furcht oft hingerafft,
Still und aus Mildigkeit entfliehn, verſchwinden lieſſe:
Sie wollte nicht daß Blut anſtatt der Guͤte flieſſe.
Jhr wißt den Abzug noch, durch welchen manche Schaar
Der Noth, des Untergangs, des Schwerts befreyet war.
255
30 Nein! ſagte ſie, was hilffts, wann ſie fuͤr Gram verſchmachten?
Genug, daß ſie ſich ſelbſt ſo weit entwaffnet machten;
Sie wollte nicht, daß ſie durch ihrer Krieger Schwert
Vertilget ſollten ſeyn, durch Elend aufgezehrt.
Man ſoll des ſchaͤrffſten Rechts ſich jederzeit enthalten,
260
30 So lang die Mildigkeit mit Nuzen wurde walten.
Genug, wann man den Feind aus ihren Staaten trieb,
Das iſt der Sieg, womit ihr Herz zu frieden blieb.
Sie wollte nicht daß man ſo vieles Blut verſprize,
Und daß der Helden-Muth ſich allzu weit erhize.
265
Sie fraget ſelten nach, ob man den Feind beſiegt;
Sie ſeufzt, erſchrickt und fragt: ob viel zu Boden ligt?
Wie vielmahl klagt ſie nicht, daß man zu ſcharff geſtritten,
Man habe den Befehl unnoͤthig uͤberſchritten. The -Sechſtes Buch.
Thereſia verſchmaͤht, verbiet und haßt den Streit,
270
30 Aus welchem nichts entſpringt als Unverſoͤhnlichkeit.
Sie ſtrebet nach dem Sieg, doch ſcheuet ſie das Morden,
Genug, wann die Gewalt des Feinds gedaͤmpfet worden.
Das Zeugnis ligt am Tag. Wie viele kommen an,
Die ſie durch Mildigkeit den Feinden abgewan;
275
30 Sie zeigen was vor Lieb auch Feinde ſelbſten haͤgen,
Wann ſie das Krieger-Schwert vor ihre Fuͤſſe legen.
Sie finden Mildigkeit, Verzeihung, Gnad und Huld,
Verdammen ihre That, bereuen ihre Schuld;
Erkennen, daß ſie ſich in ihrem Schluß vergangen,
280
30 Da ſie der Feinde Bund und Waffen angehangen.
Erzaͤhlet eine That, zeigt einen Umſtand an,
Bey dem ſich meine Kraft nicht hat hervor gethan!
Die Stimme klinget ja bey Freunden und bey Feinden;
Es habe mein Betrag faſt alle Welt-Gemeinden
285
30 Der Koͤniginn verknuͤpft. Dergleichen Ruhm-Geſang
Verſchafft den Freunden Troſt, und macht den Feinden bang,
Daß ihre Schaaren ſich nur auf die Liſt befleiſſen,
Dem Lager, dem Gezelt, der Wacht ſich zu entreiſſen;
Da ſuchen ſie den Weeg zu dieſem milden Thron,
290
30 Erwerben Huld und Schuz der Koͤniginn zum Lohn.
Sie ſchmeicheln ſich mit Recht ein beſſers Gluͤck zu finden,
Als jenes, welches ſich nur pflegt auf Wuth zu gruͤnden. Y 3 DasThereſiade
Das zwar, ſo ſagen ſie, Gluͤck, Ruhm und Heil verſpricht,
Doch nur auf Schrauben ſteht, oft das Verſprechen bricht.
295
30 Sie folgen mit Begier den treuen Unterthanen,
Und lernen, wie man ſich die Weege muͤſſe bahnen,
Auf denen alles das uns in die Haͤnde faͤllt,
Was der hat, ſo des Gluͤcks belockte Scheitel haͤlt.
Da, ſagen ſie, kann es nach Wunſch und Hoffen gehen,
300
30 Wo Mauer, Wall und Schloß nur in der Treu beſtehen.
Wo nicht Regier-Gewinn-Rach-Herꝛſch - und Laͤnder-Sucht
Gewehr und Volck und Krieg und Sieg zuſammen flucht;
Wohl aber, wo das Land durch Liebe ſich beſchuͤzet,
Gerecht - und Mildigkeit am Staates-Ruder ſizet.
305
Weil nun Thereſia ſich ſo durch mich erhoͤht,
Daß faſt der ganze Bau des Throns durch mich beſteht;
So darff der blaſſe Zorn des Neids ſich nicht erkuͤhnen
Sie mit vergaͤlltem Aug und ſcheelen Feindſchafts-Mienen
Nur ſeitwaͤrts anzuſehn; nein: dieſes darff er nicht,
310
30 Weil ihm der eigne Gram den Anblick unterbricht.
Jedoch wann er das Gift nach ihren Thaten hauchet,
So wißt ihr was vor Straf ſie wieder ihn gebrauchet.
Jſt es Leichtſinnigkeit, die ſein Beſtreben fuͤhrt,
So bleibt ihr mildes Herz beſtaͤndig, ungeruͤhrt;
315
30 Jſt es nur Hirn-Geſpuͤnſt und Thorheit ſeiner Sinnen,
So pflegt ſie deſſen Gunſt durch Mitleid zu gewinnen: WannSechſtes Buch.
Wann er ſich aber nur aus toller Bosheit baͤumt,
Und wie das Meer am Port vor ihren Fuͤſſen ſchaͤumt;
So kann ſie ſich von ihm durch meinen Rath befreyen:
320
30 Jhr Anblick iſt die Straf, das Strafen ihm verzeihen.
Dieß alles quillt von mir, von meiner Tugend her,
Wer iſt der Koͤniginn dann unentbehrlicher
Als ich, die Mildigkeit? werd ich nicht vorgeſezet,
So weiß ich nicht, was ihr die groͤßte Tugend ſchaͤzet.
325
30 Nur der Gerechtigkeit, die meine Schweſter iſt,
Auch Koͤniglichen Schuz zugleich mit mir genießt,
Muͤßt ich vielleicht, wann es der Kreiß entſchloͤſſe, weichen;
Allein wir wurden uns um ſo viel ehr vergleichen,
Als uns Thereſia ſelbſt gleiche Stellen giebt,
330
30 Und unſre Tugenden mit gleichem Eifer uͤbt.
So waͤr die Frage nur, wer von uns beyden ſiege,
Und nicht an wem von euch die groͤſte Wohlfahrt liege.
KAum hat die Mildigkeit zu ſprechen aufgehoͤrt,
So ſah man die Begier zum Wiederſpruch vermehrt;
335
30 Dann viele wieſen ſich mit Eifer-vollen Blicken;
Sie ſtunden auf, den Sinn mit Worten auszudruͤcken,
Allein die Mildigkeit bat wieder um Verzug:
Wir haben , ſagte ſie, zu reden Zeit genug.
Geduld! man ſeze ſich; man hoͤre von der Treue,
340
30 Wem ſie bey dieſem Streit den Preiß des Vorzugs weihe.
Hier -Thereſiade
Hierauf ward alles ſtill; ſo trat die Treu hervor,
Weil ſie die Mildigkeit vor andern auserkohr.
Ein heiteres Geſicht in den begreißten Haaren
Gab Zeugniß, daß ſie mehr verſteh und mehr erfahren,
345
30 Als jene, welche dort mit Eifer vorgeeilt;
So ward ihr von dem Kreiß auch gleich Gehoͤr ertheilt;
Thalia ſagte mir: Aus dieſer Tugend Wercken
Kann man der Staaten Heil, Beſtand und Wohlfahrt mercken.
Der Freundſchaft Grund und Macht, Geſez und Recht vergeht,
350
30 Wann man derſelben Amt und Wirckungen verſchmaͤht.
Jhr Amt iſt, nur ein Wort ein theures Wort zu ſprechen;
Von ſolchem abzugehn, nennt ſie ein Staats-Verbrechen.
Sie aber fieng ſchon an: Freundinnen! zeigtet ihr
Nichts als nur eure Pflicht, und braͤcht ich jezund hier
355
30 Nicht mein Vermoͤgen vor, das euch vielmehr genuͤzet,
Als alles, was der Kreiß biß jezt hat vorgeſchuͤzet,
So waͤr nichts richtigers, als unſrer Frage Schluß,
Den ich, ſo viel mir ſcheint, euch nun erklaͤren muß.
Oft ſiegten wir im Feld; oft mußten wir auch fliehen;
360
30 Doch hat der Himmel uns ſtets ſeinen Schuz verliehen.
Warum? die Koͤniginn baut allzeit auf die Treu,
Der pflichtet GOtt und Menſch mehr als euch allen bey.
Wann ihr der Koͤniginn nicht waͤret treu geweſen,
Was wurde man von ihr, von euren Thaten leſen?
WerSechſtes Buch. 365
Wer mich, die Treu verlaͤßt, haͤlt es mit dem Verrath,
Mit Argliſt und Betrug; was folgt aus dieſer That?
Daß, wer Vernunft beſizt, ihm nimmermehr kann glauben,
Mithin daß er ſich ſieht des Eigenthums berauben:
Er kaͤmpft und ſicht allein. Haͤtt unſre Koͤniginn
370
30 Nicht mich, nur euern Rath und Beyſtand immerhin
Zur Gegenwehr gebraucht, wie waͤr es uns ergangen?
Was kann ein ſchwacher Chor von Tugenden verfangen,
Wann nicht ein treuer Freund die ſchwere Krieges-Laſt
Mit euch und eurer Muͤh auf ſeine Schultern faßt?
375
30 Die Treu der Koͤniginn konnt es zu Weege bringen,
Daß viele Maͤchtige mit ihr zum Kaͤmpfen giengen.
Sie kannten ihres Sinns unuͤberwundne Treu;
Sie wußten, daß ihr Herz nicht zu veraͤndern ſey;
Mithin, was ſie verſprach, gewiß erfolgen muͤſſe:
380
30 Das iſt, warum man ihr zu helffen ſich befliſſe.
Die Treu iſts, was den Schmuck der Kronen uͤbertrifft;
Derſelben Koſtbarkeit wird durch die Treu gepruͤfft.
Ergreifft die Wage, waͤgt das Wort, ſo ſie gegeben,
Und legt ſtatt des Gewichts den theurſten Eid darneben!
385
30 So ſeht ihr, wie das Wort ſich nach der Tieffe neigt,
Der Eid hingegen leicht wie Rauch und Feuer ſteigt.
Das haben wir bisher mit Freud und Leid erfahren,
Weil hier ein Wort ein Schwur, dort Schwuͤre Woͤrter waren. Z DannThereſiade
Dann ſezet dieſen Fall: daß, wann ſie Treue bricht,
390
30 Man ihr Sud, Oſt und Weſt zum Eigenthum verſpricht.
(Wie durch der Waffen Macht vielleicht geſchehen koͤnnte,
Wann man den Rechten nichts, dem Nuzen alles goͤnnte:)
Noch eine Welt, ſag ich, ſey ihr zum Thron beſtimmt,
Wann ſie das eigne Wort verſchmaͤht, gibt, oder nimmt.
395
30 Was wurd Thereſia bey dieſem Saz beginnen?
Verſuchte ſie vielleicht den Erd-Kreiß zu gewinnen?
Nein: ihr iſt mehr ein Wort, als Zepter, Kron und Thron;
Sie weichet keinen Punct um dieſen Preiß davon.
Eh ſie die Treu verlaͤßt, eh wird ſie Schild und Degen,
400
30 Den ganzen Koͤnigs-Schmuck vor ihre Feinde legen.
Viel lieber leidet ſie den eignen Untergang,
Als daß ſie durch den Bruch dergleichen Schaͤz erlang.
Sie haͤlt es ruͤhmlicher mit Redlichkeit zu ſterben,
Als faſt die ganze Welt durch Falſchheit zu erwerben.
405
30 Jſt aber wer der es zu Staats-Gebrechen zaͤhlt,
Wann ſie mehr auf die Treu, als auf den Vortheil haͤlt;
Der hoͤre, was ſein Wahn und dieſer Fehler heiſſe,
Warum ſie ſich ſo ſehr nur auf die Treu befleiſſe:
Die Treu macht Koͤnige; da ſie die Kronen ſchuͤzt,
410
30 Den Thron befeſtiget; den Zepter unterſtuͤzt.
Der Meineid dringt hervor; ruckt an; beginnt zu ſchlagen;
Bricht loß. Thereſia ſoll Kron und Zepter wagen; SieSechſtes Buch.
Sie kaͤmpft Vertrauens-voll; es wancket Sieg und Schlacht;
Die Treu beſchirmt ihr Haupt, die ſie zum Schild gemacht.
415
30 Jn dieſer hoͤchſten Angſt, in dieſem Kriegs-Getuͤmmel
Erhebt ſie Schild und Schwert und rufft damit zum Himmel:
Durch ihn erhalt ein Wort Vollkommenheit und Kraft,
Er ſey der, der die Treu belohnt, die Untreu ſtraft;
So ſoll er Richter ſeyn, es ſeyen ſeine Wercke,
420
30 Er habe Macht, Gewalt, Vermoͤgenheit und Staͤrcke
Den Feind zu zuͤchtigen, der Schwur und Treu verſchmaͤht,
Und nun mit ſolchem Stolz vor ihren Augen ſteht;
Nachdem er ihr den Schuz durch einen Eid verſprochen,
Den er durch Raͤncke, Liſt und Ubermuth gebrochen.
425
30 Sie ſeufzet, als ſie dort den Friedens-Bruch erblickt;
Doch fuͤhlet ſie das Herz durch ihren Schild erquickt;
Beſchwoͤret GOttes Hand, ihr Eigenthum zu ſchuͤzen,
Und mit gerechtem Zorn auf dieſen Feind zu blizen.
So faßt ſie Muth und Herz, erheitert das Geſicht,
430
30 Sie folgt in ſolchem Streit nur dieſer Zuverſicht.
Des Himmels Gnade blickt aus ihren frohen Mienen,
Als waͤr die Rache ſchon, um die ſie rieff, erſchienen.
Sie glaubt daß ihr der Schild ein ſichrer Buͤrge ſey:
Der Himmel ſteh ihr nun in dem Gefechte bey.
435
30 So muntert ſie ſich auf, und laͤßt in allen Stuͤcken
Zufriedenheit und Ruh nach Art der Helden blicken. Z 2 Kurz:Thereſiade
Kurz: ihre Treu verſchafft (wir haben es geſehn)
Daß ihrer Feinde Zorn und Drohen muß vergehn.
Der Schild, der Schild der Treu, wirfft ſo geſchaͤrffte Strahlen,
440
30 Wann ſich in deſſen Blatt Wort, Eid und Schwuͤre mahlen
Die man ihr zugeſagt; daß ſelbſt der Feind erſchrickt,
Weil er den harten Bruch des eignen Schwurs erblickt.
Erweget, wie ſein Herz, ſein nagendes Gewiſſen
Bey dieſem Vorwurff tobt, was es beginnt zu ſchlieſſen!
445
30 GOtt laͤßt deſſelben Wuth ſein eigner Richter ſeyn,
Er floͤßt deſſelben Rath verwirꝛte Sorgen ein:
Da ſie hingegen ſich durch jene Macht errettet,
Um die ſie ſeinen Arm ſo kraͤftig angebettet.
Was nuͤzt der halben Welt Schaz, Reichtum, Pracht und Gut,
450
30 Wann der Beſiz allein auf Trug und Liſt beruht?
Das kennt Thereſia; ſie weiß, durch welche Waffen
Man in Bedraͤngniſſen ſich koͤnne Troſt verſchaffen.
Es braucht des Zeugniſſes und des Beweiſes nicht;
Es ſchwebet alles noch vor unſerm Angeſicht.
455
30 Getraut ihr euch, es mir mit Fug zu wiederſprechen?
Wer kann mir dieſen Saz durch Gegenſaͤze ſchwaͤchen:
Die Treu vermag ſo viel, als ihr; ſie iſt euch gleich;
Sie macht die Koͤniginn ſo Ruhm-als Wohlfart-reich.
Wie viele koͤnnen oft auch nicht mit allen Rechten,
460
30 Was ihnen zugehoͤrt, von ihrem Feind erfechten? WeilSechſtes Buch.
Weil ſie Verſprechungen und Worten ſich vertraut,
Die Nothwehr auf den Eid deſſelben Freunds gebaut,
Dem ſie zu andrer Zeit was Wichtiges verſprochen,
Und, als er ihren Rath begehrt, das Wort gebrochen.
465
Thereſia verſpricht, beſchließt und haͤlt den Schluß;
Gibt ſie das Wort, ſo folgt die Wirckung auf dem Fuß:
Dann ihr Verſprechen heißt ſo viel als hoch geſchworen,
Der Schwur erthoͤnet ihr beſtaͤndig in den Ohren.
So nenn ich meine Pflicht mit Recht ihr Eigenthum,
470
30 Durch dieſe ſteiget ſie ſo ſehr im Werth und Ruhm.
Dieß iſt, wodurch ihr Herz die Freunde ſo bewogen,
Daß ſie nur ihr zum Schuz den Harniſch angezogen.
Euch iſt bewußt, wer ſich derſelben zugeſellt,
Wer ſich fuͤr ihren Thron zu kaͤmpfen dargeſtellt?
475
30 Das iſt mein Amt, Verdienſt, Beſtreben und Vermoͤgen,
Jch wußte ſolchen Schluß den Freunden einzupraͤgen.
Man ſagt: was nuͤzt die Treu, wo Falſchheit im̃er raubt?
So viel, als keine Macht, als keine Tugend glaubt.
Die Krieger pflegen ſich den Fuͤhrern nach zu richten,
480
30 Die Fuͤhrer nach dem Haupt, dem ſie die Treu verpflichten.
Das Haupt bewahret ſelbſt die Treu wie Gut und Bluth,
Es weiß, daß Heil und Wohl des Staats darauf beruht;
Sie iſt ſein Heiligthum, der Urſprung ſeiner Thaten,
Wodurch ſein treues Herz den Koͤniglichen StaatenZ 3485 Er -Sechſtes Buch.
485
30 Errettung, Ruh und Gluͤck, des Friedens Fruͤchte bringt,
Den Feind aus unſerm Reich in ſeine Grenzen zwingt.
Das Heer nimmt es zum Ziel und Beyſpiel, und erkennet
Warum ein Mann ein Mann, ein Wort ein Wort genennet.
Das iſt der Sieges-Quell. Gleich wie ein kleiner Bach
490
30 Der ſchim̃ernd, hell und ſtill, ſanft, ſchlaͤnglicht und gemach
Durch Wieſen, Wald und Thal, durch Feld und Aecker wellet,
Sich Baͤche, Stroͤhme, Fluͤß und Flutten beygeſellet,
Den Bort erweiteret, den hoͤchſten Ruhm gewinnt,
Und biß zum Ocean mit ſtolzen Flutten rinnt.
495
30 So ſammlet ſich durch mich das Volck bey unſern Fahnen,
Und ſo pfleg ich den Weeg zu dem Triumpf zu bahnen.
Auf einem breiten Berg zerſchmelzet ſich der Schnee,
Er ſchluͤrft, verſchleichet ſich, zerfließt in eine See;
Der ungewohnte Damm wird von der Laſt gedruͤcket,
500
30 Geſchwaͤchet, durchgeſpuͤhlt, auch endlich gar verruͤcket;
Die Waͤſſer dringen durch, Gewalt macht ihnen Luft;
Da waͤlzt und gurgelt ſich die See in eine Kluft,
Dort ſpaltet ſich der Wall, hier wird der Strand zerriſſen,
Daß endlich ſtatt der See faſt truckne Baͤche flieſſen.
505
30 So fangt der Feinde Strohm ſich auszubreiten an,
Er waͤchſt, daß er die Welt faſt uͤberſchwemmen kann.
Weil aber Glaub und Treu von ſeinen Flutten weichet,
So ſieht man wie die Macht deſſelben ſich verſchleichet. DasSechſtes Buch.
Das Heer der Koͤniginn nimmt ſolchen Zufall wahr,
510
30 Mithin verachtet es die drohende Gefahr;
Es lagert ſich vor ihm, und ruhet ungehindert,
Es mehrt die Krieger-Zahl, da die des Feinds ſich mindert.
Wann uͤbrigens auch wahr und oft erwieſen iſt:
Daß man der Voͤlcker Heil nach Treu und Glauben mißt,
515
30 Weil ohne dieſen Volck, Gemeinſchaft, Staͤdt und Staaten
Jn Zwitracht, Haß und Streit, in Schlangen-Zwiſt gerathen;
Uns aber in der Zeit der ſtrengſten Krieges-Noth
Vertrauen, Einigkeit und Ruh die Haͤnde bot:
So zeiget ſich, daß uns die Treu ſo viel gefruchtet,
520
30 Als was, Freundinnen! ihr erſt zu behaupten ſuchtet.
Und recht! dann preiſet nur der groͤßten Tugend Werth!
Jſt ſie von mir entfernt, ſo wird ſie nicht geehrt.
Wo ſich mehr Wuth als Wohl, mehr Blut als Heil ergieſſet,
Wo Friede mit dem Gluͤck ſich nur von weiten kuͤſſet,
525
30 Geſchicht, weil Untreu ſich die Herꝛſchaft des Gemuͤths
Zum Eigenthum gemacht; weil ſie den Tugend-Siz
Mit Argliſt umgeſtuͤrzt, den Schild der Treu zerſchmettert,
Und auf deſſelben Glanz mit Gleiſnerey gewettert.
Wann aber Gluͤck und Wohl des Lands auf Ruhe thront,
530
30 Und die Zufriedenheit ſo Stadt als Dorf bewohnt,
So iſts, weil Redlichkeit, das Trauen und das Glauben
Den Feinden Maß und Weeg, das Heil zu ſtoͤhren, rauben.
HaͤttThereſiade
Haͤtt ſich Thereſia von meiner Lehr entfernt;
Haͤtt ſie niemahls die Treu geuͤbt, ja nicht gelernt;
535
30 Was haͤtten ſich um uns vor Haͤupter angenommen?
Das Feuer unſrer Macht waͤr endlich ausgeglommen.
Sie ſagten: ihr Gemuͤth iſt im Verſprechen feſt,
Es hat in keinem Fall ſich von der Treu entbloͤßt.
Und billig. Dann wer weiß, wann ſie ein Wort gebrochen?
540
Kaum hatte ſie den Saz, dieß lezte Wort geſprochen,
So ſtellte ſich im Saal ein ſolcher Zufall dar,
Der theils zur Aergernuß, theils zur Verachtung war;
Jndem ein freches Maul ſich in die Reden legte,
Daß ſich der ganze Kreiß, der ganze Saal erregte:
545
30 Es brach in Lachen aus. Welch unverſchaͤmte That!
Man wußt nicht, was es ſey, Spott, oder gar Verrath,
Weil der erſt ſtille Saal von deſſen Klang erthoͤnte,
Wie wann man das Geſpraͤch, das lezte Wort verhoͤhnte.
Kein Blick war unverwandt; es ſchoß ein jeder hin,
550
30 Wo der Vermeßne war, wo der Scham-loſe Sinn
Wer weiß, was vor ein Maul zum Lachen aufgehezet;
Jmmittelſt ſchien die Treu faſt auſſer ſich geſezet.
Der Tollheits-volle Geiſt erweckte Rach und Graus,
Man zog und fuͤrchtete mehr Ungebuͤhr daraus.
555
30Ein murmelndes Geraͤuſch, ein Eifer-volles Brummen
Warff den Leichtfaͤrtigen in ſtrafbares Verſtummen. DerSechſtes Buch.
Der Unbeſonnene ward in dem Volck vermengt,
Von dorten aber gleich biß zu der Thuͤr gedraͤngt;
Die Frechheit machte Plaz, mit der er ſo geeilet,
560
30 Als haͤtt ihm eine Fauſt ſchon den Beſcheid ertheilet.
Der Thor war unbekannt. Das Kleid, die Leibs Geſtallt
Schien wilder Jugend Art, gekuͤnſtelt und bemahlt.
Der Hut war hoch umarmt, geſchmuͤckt und weiß bemaſchet;
Das Haar verwirꝛt gerollt, der Schuh zur Pracht belaſchet.
565
30Jch hab auf ſeiner Bruſt ein Kroͤten-Neſt erblickt,
Das Eitelkeit und Stolz in ſeinen Rock geſtickt.
Thalia zuͤrnte: Sieh! , ſprach ſie, die freche Stirne,
Man ließt darauf: Hier iſt mehr Bosheit als Gehirne.
Er wies fuͤrwahr im Aug, im Gehen, im Betrag,
570
30 Daß was Vermeſſenes ihm in den Sinnen lag;
Man ließ ihn gern hinaus. Dann wer ihn nur erblickte,
Beſtrebte ſich, daß er ihm von der Seite ruͤckte.
Hierauf ward alles ſtill; doch ſahn ihm viele nach,
Jndem die Treu das Wort, ſo ſie vorhero ſprach,
375
30 Erhohlt und ſagte: Wann? wann hat ſie Treu gebrochen?
Sag an Verwegener, der du mich ſuchſt zu pochen!
Es ſcheint, du habeſt mich und meinen Saz verlacht,
Und dieſe Spottungs-Art zum Wiederſpruch gebracht!
Ein ſo veraͤchtliches und ungemeſſnes Hoͤhnen
580
30 Jſt nicht der Ehre werth, von mir es abzulehnen.
A a Je -Thereſiade
Jedoch weil mir bewußt, daß man den Vorwurff macht,
Es ſey Thereſia in ſolcherley Verdacht;
(Dieß redt der Feinde Groll) ſo gebt ihr eine Kette,
Die ſie nebſt einem Freund feſt auszuſpannen haͤtte,
585
30 Die Kette nenne man den Glauben und die Treu,
Und beyde, welche ſie ſo ſpannen, jene zwey
Die ſich verbunden ſeynd. Jndem ſie ſo verbleiben,
Jſts billig, ihnen Treu und Glauben zuzuſchreiben.
Der Gegner aber laͤßt die Kette, wirfft ſie fort;
590
30 Was nuͤzt in dieſem Fall ihr Halten und ihr Wort?
Das Band der Treu faͤllt hin; die Kette wird gelaͤhmet;
Wer iſt von beyden nun durch dieſen Bruch beſchaͤmet?
Thereſia fuͤrwahr verdient den Vorwurff nicht;
Sie nimmt ihr Amt in acht; verharret in der Pflicht
595
30 Und haͤlt: allein umſonſt. Die Spannung iſt verſchwunden,
So iſt auch ſie des Worts, das ſie verſprach, entbunden.
So bricht ſie Wort und Treu, wann dieſes Brechen heißt,
Da ihr der Gegentheil ſein Gegenwort entreißt.
Was braucht es aber viel? wer einſt mit ihr gehalten,
600
30 Jſt laͤngſtens uͤberzeugt, wie mancherley Geſtallten
Der Feinde Wort bekommt. Wie dorten Glaub und Treu
Bald angefaͤrbt, geſchmuͤckt, bald unterdrucket ſey:
Wie man ſie gar dem Sinn der Einfalt zuerkenne,
Die Falſchheit eine Kunſt des Staats-Verſtandes nenne. 605 WieSechſtes Buch.
605
30 Wie manch Mahl iſt ein Wort vorlaͤufig ſchon entehrt,
Bevor man noch darum ein Gegenwort begehrt?
Die Feinde wuchern nur mit Worten, Trauen, Glauben;
Es iſt nichts, was ſie nicht der Herꝛſch-Begierd erlauben.
Das iſt der Laͤnder Greul, der Herzen Mißgeburt,
610
30 Weswegen, leider! oft die ganze Menſchheit murꝛt.
Thereſia ſo wohl, als wir ſeynd uͤberzeuget,
Wie weit der Feinde Treu die Falſchheit uͤberſteiget.
Wie vielerley Geraͤth ſie zum Verblenden nimmt,
Wie ſie nur nach dem Thon, der Nuzen ſchaffet, ſtimmt.
615
30 Ja was vor ſtilles Gift in jener Weisheit ſtecket,
Womit der Feinde Treu Betrug und Argliſt decket.
Erwege man die Kunſt, der ſich ein Feind bedient,
Wann er ſich wieder mich und meine Macht erkuͤhnt;
Der Werckzeug, welcher Fried und Freundſchaft ſollte ſtiften,
620
30 Wird oftmahls nur gebraucht, dieſelbe zu vergiften;
Weil ein betheurtes Wort oft nur ein Vorwand iſt,
Der nichts als Liſt, Verrath und Feindſchaft in ſich ſchließt.
Der, welchen man zum Schluß des Frieden-Wercks benennet,
Macht durch Unſtrafbarkeit, daß alles ſich zertrennet:
625
30 Durch ſchlauen Staats-Verſtand verdrehet er das Wort,
Und waltet nach dem Trieb der ſtillen Abſicht fort.
Er ſinnet nicht, wo ich; nein: wo das Heicheln nuͤze,
Mit was vor Wort-Gepraͤng er ſeine Falſchheit ſchuͤze. A a 2 Er -Thereſiade
Erreicht er ſeinen Zweck, was fragt er um die Treu?
630
30 Es iſt genug daß ihm die Liſt gelungen ſey.
Den Ausſchlag pflegt er dann ſo lebhaft zu befaͤrben,
Als ſucht er alles nur durch Freundſchaft zu erwerben.
O GOtt-verhaßte Treu! die nur der Maß-Stab iſt,
Womit die Laͤnderſucht die fremden Rechte mißt!
635
30 Die, die hab ich bisher verſchmaͤht und ſo getruzet,
Daß ſie den Feinden mehr geſchadet als genuzet.
Recht, Wahrheit, Glaub und Treu ſeynd ſtets verfolgt, verhaßt,
Doch bleiben ſie beherzt mit ihrer Macht gefaßt;
Sie ſchuͤzen Stadt und Wall, ſie pflegen nicht zu ſtreiten,
640
30 Als ihre Wirckungen und Tugend auszubreiten.
Mit dieſen kann ein Thron in hoͤchſter Wohlfart ſtehn,
Seynd ſie entfernt, ſo muß die groͤſte Macht vergehn.
Getreu und redlich ſeyn lehrt Koͤnigliche Herzen
Der Feinde Drohungen und ſtillen Groll verſchmerzen.
645
30 Hierdurch wird Land und Volck in Fried und Ruh geſezt,
Wo Treu den Zepter fuͤhrt, bleibt alles unverlezt.
Vertraut man aber ſich der Falſchheit Spiel und Raͤncken,
Da pflegt man Gluͤck und Wohl in den Verfall zu lencken.
Der herꝛſcht, verbindet ſich; die Treu[ma]cht dieſen Bund,
650
30 Und dieſer legt dem Staat zu ſeinem Heil den Grund.
Der Treu nicht in der That, nur in den Worten naͤhret,
Der wundere ſich nicht, wann er ſich ſelbſt verzehret. LaͤßtSechſtes Buch.
Laͤßt man der Untreu nur den ihr beliebten Lauf,
So hoͤret Staat und Volck, ja ſelbſt die Menſchheit auf.
655
So ſolltet ihr ja ſelbſt mir alles Vorrecht geben,
Mich uͤber euern Chor, Verdienſt und Werth erheben.
Was ſeyd ihr ohne mich? legt euch den Nahmen bey,
Verlaßt mich, nennet euch falſch, liſtig, ungetreu.
Das waͤrt ihr ohne mich. Wie wurdet ihr beſtehen?
660
30 Koͤnnt ich in ſolchem Fall nicht billig euch verſchmaͤhen?
Jhr aber ſeyd getreu; ſo ziert euch insgeſammt
Nur was mir eigen iſt, was von der Treue ſtammt.
So machet den Beſchluß! das Haupt, bey dem ich wohne,
Sonſt keines, traͤgt mit Recht und Wohlfart ſeine Krone.
[figure]

About this transcription

TextTheresiade
Author Franz Christoph von Scheyb
Extent204 images; 37079 tokens; 7097 types; 248750 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationTheresiade Ein Ehren-Gedicht Erster Theil Franz Christoph von Scheyb. . [99] Bl. : Frontisp. (Kupferst.), Kupfert., Ill. (Kupferst.) JahnWien1746.

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SUB Göttingen SUB Göttingen, 4 P GERM III, 7490:1

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Belletristik; Lyrik; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:34:30Z
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Holding LibrarySUB Göttingen
ShelfmarkSUB Göttingen, 4 P GERM III, 7490:1
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