EJn Liſpeln, welches ſanfft durch alle Reihen
ſchlich,
Ließ, als ob man ſich ſchon um einen Schluß
verglich:
Doch weil Gleichgiltigkeit aus vielen Augen blickte,
So ſah man, daß der Preiß des Rangs noch keiner gluͤckte;
Noch weniger da ſchon ein angenehmer Mund
Voll Herꝛlichkeit und Pracht, zu ſprechen fertig ſtund.
KMehrMehr als ein Meiſterſtuͤck erhabner, groſſer Sinnen
Wies dieſe durch die Weiß ihr Reden zu beginnen.
„ Jch ſuche weder Rang, noch Frieſe „, fieng ſie an,
10
10 „ Das iſt nicht, was mein Hertz in Regung bringen kann: „ Jch will auch eurem Amt die Ehre nicht verſagen;
„ Jch nehme mir nicht vor, dem Rath was vorzutragen,
„ Damit ich dieſes Steins Beſitz vor euch gewinn;
„ Nein: ich eroͤffne nicht deswegen meinen Sinn.
15Sie griff nach ihrem Schild, und wies ihn gantz erhoben:
„ Seht „, fuhr ſie fort, den Kopf, den Loͤwen-Kopf hieroben!
„ Jſt etwas in der Welt, vor dem der Loͤw erſchrickt?
(Es war ſein Ebenbild in dieſem Schild geſtickt)
„ Sein Hertz iſt mein Gemuͤth, es ſcheuet kein Bedrohen;
20
10 „ Jch blieb in Waffen ſtehn, wo man den Feind geflohen. „ Das iſt des Loͤwens Geiſt: nichts hemmet ſeinen Muth;
„ Er iſt ſich allzeit gleich; er ſchlaͤft nicht, wann er ruht;
„ Dringt gleich die Finſterniß in deſſen Augenlieder,
„ So wirfft er doch den Blitz des Blickes hin und wieder:
25
10 „ Er ligt mit Wachtſamkeit; ſein Auge ſchließt ſich nicht, „ Es gibt ihm ſtets von dem, auf was es ſieht, Bericht.
„ So findt er auch im Schlaf die Mittel ſich zu retten,
„ Mithin traͤgt er niemahls die Laſt der Schwermuths-Ketten.
„ Er iſt ſich ſelbſt zum Schutz, zur Bruſtwehr; auch allein
30
10 „ Wann ihn ein Feind umringt, kan er noch ſicher ſeyn. „ Will„ Will aber er den Streit, die Schlacht, das Kaͤmpfen meiden;
„ So pflegt er nicht mit Furcht vom Waffen-Platz zu ſcheiden:
„ Er reißt ſich der Gefahr nicht niedertraͤchtig loß;
„ Sein Hertz iſt viel zu ſtarck; die Starckmuth viel zu groß;
35
10 „ Die Großmuth viel zu klug: er geht nur dieſe Weege; „ Nur dieſe machen ihn zum unternehmen rege.
„ Der Eigenſchaften Werth iſt der, ſo mich erhebt;
„ Durch eines Loͤwens Hertz wird meine Bruſt belebt.
„ Es heißt nicht Eigenlieb, aus was mein Ruhm entſpringet;
40
10 „ Die Groͤſſe meines Geiſts iſt, die mir Ehre bringet. „ Mich quaͤlet kein Verdruß, kein Eigenſinn, kein Wahn;
„ Nichts iſt, was meinem Muth die Gleichheit nehmen kann.
„ Spricht jemand von dem Lob Verwundrungs-werther Seelen,
„ So pflegt man ihnen mich, die Großmuth, beyzuzaͤhlen.
45
10„ Wer in dem Gluͤcke Muth, in Widrigkeiten Gram; „ Wer nach der Sachen Lauf, Zorn, Traurigkeit und Scham
„ Freud[|]und Verwunderung, nichts anders weiß zu zeigen,
„ Dem iſt kein groſſer Geiſt, nur ſchwache Menſchheit eigen:
„ Der aber hier und dort der Sinnen Gleichheit weiſt;
50
10 „ Deſſelben Bruſt belebt ein groſſer Helden-Geiſt. „ Dergleichen Trefflichkeit iſt, welche mich begeiſtert:
„ Jch habe Freund’ und Feind’, und mich dadurch bemeiſtert.
„ Was man vortrefflich, groß und edel nennt, iſt mein;
„ Wer kann von euch ſo viel, als ich, ſein eigen ſeyn?
K 2„ Wie55„ Wie viele ſehen ſich in Pracht und Hoheit ſchimmern,
„ Die Ruhm und Ehr, und Gluͤck, und Wohl, und Heil verſchlim̃ern?
„ Jch kenne des Gemuͤths Begier und Selbſt-Betrug,
„ Auch der Verwirrungen faſt nie vermerckten Zug.
„ Pracht, Schickſal, Wiſſenſchaft, Freud, Anſehn, Ehr und Guͤter
60
10 „ Verfuͤhren durch den Werth und Unwerth die Gemuͤther: „ Dieß herꝛſcht nicht uͤber mich; nichts iſt, was mir beſiehlt,
„ Ob es, wanns moͤglich waͤr, mich ſchon gefeſſelt hielt.
„ Mich ſchwaͤchet keine Macht; Gewalt hat kein Geſeze,
„ So meines Sinns Beſtand, und freyen Muth verleze.
65
10„ Wann meiner Fauſt die Krafft, indem ſie kaͤmpft, gebricht, „ So fehlt doch meinem Geiſt der Schild der Großmuth nicht.
„ Je weniger ich mich von meinem Stand entferne,
„ Je mehr ich den Gebrauch der falſchen Ehre lerne.
„ Mit ſolchen Wuͤrckungen hatt’ ich den hohen Sinn
70
10 „ Die Herzens-Regungen der Groſſen Koͤniginn „ Begeiſtert und belebt; ſo wußt’ ich ihr zum ſtreiten
„ Den Arm, das Herz, den Muth, die Waffen zu bereiten.
„ So folgte Sieg auf Sieg; ſo thoͤnte Schlag auf Schlag,
„ Von welchem mehr der Feind, als ich erzehlen mag.
75
10„ So wußte ſie das Schwert zur Gegenwehr zu ſchaͤrffen, „ So lehrt’ ich ſie zum Thron den Grund-Riß zu entwerffen.
„ Nun faͤhrt ſie gluͤcklich fort: was klein, veracht ſie nicht,
„ Dem Groſſen ſtellt ſie ſich mit Großmuth vors Geſicht.
„ Es„ Es ſey die Macht des Gluͤcks geſezt, vermehrt, vermindert,
80
10 „ So wird ihr Helden-Geiſt an keinem Werck verhindert. Gebaͤrden, Aug und Sprach erwieſen in der That
Daß dieſe Rednerinn ein ſolches Amt vertrat,
Wodurch Thereſia noch hoͤher ſteigen muͤſſe;
Und andrer Tugenden ſich zu gebrauchen wiſſe.
85„ Jch bin die Fuͤhrerin „, ſo fuhr ſie weiter fort,
„ Man findet ohne mich ſie faſt an keinem Ort.
„ Jch laſſe niemahls zu, daß ſchwache Leidenſchafften
„ An ihren Regungen, an ihrer Neigung hafften.
„ Geſchicke, Rach und Haß, Gluͤck, Freundſchafft, Liebe, Neid,
90
10 „ Luſt, Ungluͤck, Zorn, Gefahr, Freud, Unfall, Ehre, Leid, „ Ja was ein Menſchen-Herz mag ruͤhren und beklemmen,
„ Kan ihre Gleichheit nicht, nicht ihre Großmuth hemmen.
„ Jhr Geiſt iſt viel zu feſt, daß er ſich biegen ließ;
„ Zu ſtarck, daß die Gewalt ihn aus der Tugend riß.
95
10„ Eroͤffnet eine Flutt den Schwall, ſie zu verſchlingen, „ So weiß ſie ſich beherzt aus der Gefahr zu ſchwingen.
„ Was immer ich erwaͤhn’, iſt aller Welt bewußt;
„ Ein Großmuths-volles Herz bewohnet ihre Bruſt.
„ Wer prangt mit ſolchem Ruhm? wer iſt in dieſen Reihen?
100
10„ Wer kan mit gleichem Sinn erzuͤrnen und verzeihen? „ Die Rache ligt beſiegt, wann ſie den Feind erlegt;
„ Jhr Herz wird durch den Sieg zu keinem Stolz erregt.
K 3„ Die„ Die Rechte fuͤhren ſie zum ſtreiten bey den Haͤnden;
„ Wo Wuth und Rache ſicht, pflegt ſie den Fahn zu wenden.
105
10„ Es ſchreckt ſie keine Macht, kein Bliz, kein Donner-Knall; „ Der ihr geweihte Plaz bleibt ihr in jedem Fall.
„ Jhr Thun und Laſſen iſt ſo lebhafft und begeiſtert,
„ Daß ſie den Trieb des Geiſts, ſo viel ſie will, bemeiſtert.
„ Jhr wißt, wie viel ſie will? ſo viel nur, als ſie kann;
110
10 „ Sie faͤngt, wann ſie nicht kann, niemahl zu wollen an: „ Doch kann ſie, was ſie will: ſie folget ihrem Willen,
„ Weil er nichts anders will, als was gebuͤhrt, erfuͤllen.
„ Erkennt ihr nun die Macht, die Tugend und die Krafft,
„ Wodurch Thereſia ſich Hilff und Rath verſchafft?
115
10„ Das iſt, warum ſie groß und maͤchtig ward befunden, „ Als Zepter, Kron und Thron in den Gefahren ſtunden.
„ Das iſt, warum ſie dort am allergroͤſten war,
„ Als ihrer Feinde Stolz das groͤſte Leid gebahr.
„ Sagt! uͤbertraff ſie nicht ſich ſelbſt an ihrer Groͤſſe,
120
10 „ Da ſie ſich unbewehrt, in Hilff - und Waffen-Bloͤſſe „ Des Anfalls nicht entſezt; mit heiterm Auge ſah,
„ Was vor Gewalt dem Heil des Vaterlands geſchah?
„ Die Laͤnder lagen zwar gefeſſelt und gebunden,
„ Nur ihr verlaßnes Hertz verblieb unuͤberwunden.
125
10„ So waͤchſt und gruͤnt, und ſteigt, und bluͤht die Aloe; „ So thuͤrmet ſie den Schmuck der Blumen in die Hoͤh;
Je„ Je mehr die Bitterkeit und Waͤrme ſie durchdringet,
„ Je praͤchtiger ſie ſich aus ihren Stauden ſchwinget.
„ Nun iſt der Feinde Schwert und Wuth, und Stolz gezaͤhmt,
130
10 „ Da ſie mit Sieg und Recht derſelben Ruhm beſchaͤmt. „ Wann jemand es der Welt, der Nachwelt ſoll beſchreiben,
„ Wurd es zur Folge nicht, zum Wunder nur verbleiben.
„ Jhr ſelber nennet ſie der Helden Seltenheit;
„ Ein wahres Meiſterſtuͤck der Unerſchrockenheit:
135
10 „ Jch hab es ſelbſt geſehn, als man ſie wollt berauben, „ Wie ſtarck ſie ſich erwies, ſonſt wurd’ ich es nicht glauben.
„ Jch lernte ſelbſt von ihr der eignen Tugend Werth,
„ Und ſahe, daß der Feind an ihr denſelben ehrt.
„ Jch ſtunde ſelbſt in Angſt, und wußte nichts zu hoffen,
140
10 „ Mithin war ich von ihr an Großmuth uͤbertroffen. „ So hat ſie mir, ich ihr, beſtaͤndig nachgeſchwebt,
„ So ward ihr Geiſt von mir, mein Herz von ihr belebt.
„ Was vor Abwechslungen und unverhoffte Faͤlle
„ Seynd nicht des Wanckelmuths Grund, Urſach, Trieb und Quelle?
145
10„ Bald ſchrecket die Gefahr; bald droht der Feinde Schwert: „ Dort ſoll man tapfer ſeyn; hier Muth-voll und bewehrt.
„ Nicht alle Tugenden ſeynd jederzeit vonnoͤthen;
„ Bald dieſe jenes Amt, bald jene das vertreten.
„ Mir aber iſt Gefahr und Drohung einerley:
150
10 „ Eins: ob ich in der Schlacht; in Staats-Geſchaͤfften ſey. „ Und„ Und ſagt! was iſt im Lauf der Zeiten vorgekommen,
„ Wo nicht die Großmuth ſich des Wercks hat angenommen?
„ Entſchlieſſet, was ihr wollt, des Frieſes Ehren-Stein
„ Koͤnnt nur durch meinen Preiß und Nahmen praͤchtig ſeyn.
155
10„ So wuͤßt ich nicht wer ſonſt denſelben Platz bewohne, „ Die Krone gibt dem Schmuck den Werth, nicht er der Krone?
Jndem die Großmuth ſo von ihren Thaten ſprach,
Gieng meine Wißbegier faſt allen Blicken nach;
Jch wurde nimmer ſatt dieſelben zu betrachten,
160
10 Weil ſie mein Auge ſtets in mehr Ergoͤzung brachten. Die ſchwieg. Nun merckten wir, daß ſeitwaͤrts eine Frau
Von reizender Geſtalt auf ihre Naͤchſte ſchau;
Wie, wann ſie Rath verlang, ob ſie ſich melden ſolte,
Sonſt aber ihren Sinn noch nicht eroͤffnen wolte.
165
10Ein freundliches Geſicht, in deſſen Augen-Paar Fried, Unſchuld, Sittſamkeit und Ruhe kenntlich war;
Man las in ihrer Ernſt - und Demuths-vollen Miene,
Daß ihr in dieſem Streit noch nichts erwieſen ſchiene.
Sie trat zwar wuͤrcklich auf, doch redte ſie noch nicht,
170
10 Ein angenehmes Roth durchbrach ihr Angeſicht. Es ſprach ihr jemand zu; daß ſie ſich endlich wagte,
Und mit Bedachtſamkeit die frommen Worte ſagte:
„ Man ſtreitet um den Rang, Freundinnen! viel zu ſehr:
„ Gluͤck, Wohlfahrt, Rath und Hilff komt nur von oben her.
„ Doch175
10„ Doch es ſey fern von mir, euch etwas abzuſprechen; „ Fern, euern Amts-Verdienſt und Tugend-Werth zu ſchwaͤchen.
Hier ward ſie ſtill, wie wann ſie noch Bedencken trug;
Weil ſie ganz zweifelhaft die Augen nieder ſchlug.
Doch fuhr ſie wieder fort: „ Und wie kan ich mich ruͤhmen,
180
10 „ Daß mir vielleicht der Platz des Frieſes ſoll geziemen? „ Nein: dieß iſt nicht mein Ziel; dann ich verlange nicht,
„ Daß man zu meinem Ruhm ein Ehren-Werck erricht.
„ Entſchließt ihr einen Bau, ſo bauet GOtt zu Ehren,
„ Er iſts, dem Gluͤck und Sieg, und Kron und Thron gehoͤren.
185
10„ Erzaͤhl’ ich meinen Dienſt, ſo ſuch’ ich keinen Ruhm; „ Jch ſchmuͤckte nur mein Haupt mit fremdem Eigenthum.
„ So will ich zwar, was ich gewircket habe, zeigen;
„ Jedoch nur, nicht den Schutz des Himmels zu verſchweigen.
„ Jn den Bedraͤngniſſen, in dem verlaßnen Stand,
190
10 „ Jn dem Thereſia von Anfang ſich befand; „ Wer wollt’ es dazumahl, uns Rath zu geben, wagen?
„ war nicht der Feind ſchon da, den Abzug anzuſagen?
„ Jch ſahe nah und fern deſſelben Krieges-Schaar,
„ Die mehr mit Feur und Schwert, als Recht bewaffnet war:
195
10 „ Da lief ich unverweilt vor allen andern Dingen, „ Uns bey dem Himmel Hilff und Beyſtand aufzubringen:
„ Dann, wo wir hingeſehn, ſagt an! was fanden wir?
„ War nicht der Untergang des Hauſes vor der Thuͤr?
L„ Was„ Was halff es, tapfer ſeyn, nichts fuͤrchten, nirgends weichen,
200
10 „ Wann weder Heil dadurch noch Rettung zu erreichen? „ Die Koͤniginn ergriff und lobte meinen Schluß,
„ Der, ſprach ſie, ſonſten nichts, iſt was uns helffen muß.
„ Je mehr mich Furcht und Angſt, und Schmerz, und Unmuth quaͤlte,
„ Je mehr ich in Vertraun es GOtt um Hilff erzaͤhlte.
205„ Der Schiffmann, welcher Gluͤck und Heil auf Wellen baut,
„ Sein Leben, Hab und Gut dem falſchen Wind vertraut,
„ Was dient ihm zum Geleit, damit er ſicher ſchiffe?
„ Nicht wahr, daß er den Pol, die Nadel immer pruͤffe?
„ Die zeigen ihm den Weeg, den er mit ſeinem Kahn
210
10 „ Zu ſuchen ſich gewagt, zugleich die Mittel an, „ Gefahren, Strandungen und Klippen zu vermeiden,
„ So weiß er unbeſorgt die Wellen durchzuſchneiden.
„ Verachtet er den Pol; verliehrt er den Magnet;
„ Kein Wunder iſt es dann, wann er zu Grunde geht.
215„ Uns iſt bewußt, daß auch Thereſia geſchwommen;
„ Bekannt, was uͤber ſie vor Stuͤrme ſeynd gekommen:
„ Sie ſchiffte durch den Schaum der fuͤrchterlichſten Flutt;
„ Auf wem, als nur auf mir, hat ihre Fart beruht?
„ Die Winde drangen ſich das Schiff herum zu ſchlagen,
220
10 „ Sie ſchaͤrfften die Gewalt, es auf den Strand zu jagen; „ Die Wellen welzten ſich von allen Seiten her,
„ Sie rollten Flutt auf Flutt, erzuͤrnten ſelbſt das Meer;
„ Kein„ Kein Ungeſtuͤm vergaß ſich wieder ſie zu baͤumen;
„ Die Waͤſſer funckelten fuͤr Grimmen-vollem Schaͤumen.
225
10„ So gar der Wolcken Grau wies Rach und Zorn daran, „ Verhuͤllte Lufft und Meer, und den beſtuͤrmten Kahn;
„ Der Schrecken haͤuffte ſich; der Hoffnungs-Ancker krachte,
„ Jndem die ſchwartze Luft den Keilen Weege machte,
„ Wodurch des Donners Macht, Bliz, Feur und Hagel ſchoß,
230
10 „ Das Hoffnungs-bloſſe Schiff in Graͤßlichkeit verſchloß. „ Mich greifft ein Schauer an; Mund, Herz und Stim̃e zittern,
„ Wann ich des ſchwaͤchſten Schlags von dieſen Ungewittern
„ Mich noch erinnere: wie das erboßte Feur
„ Des Hochmuths ſich empoͤrt: mit was vor Abentheur
235
10 „ Das wallende Gebuͤrg den Rachen aufgeblehet, „ Und um deſſelben Schlund das Schiff herum gedrehet.
„ Erzaͤhlt mir, Wertheſte! wie ſich Thereſia
„ Jn der Gefahr erwies! wer war zum Helffen da?
„ Was halff die kuͤhne Fauſt, Standhafftigkeit der Sinnen,
240
10 „ Ein unerſchrockner Geiſt, die Winde zu gewinnen? „ Das Meer trozt jede Macht. Die Nadel und der Pol,
„ An dieſen hieng das Schiff, Gluͤck, Rettung, Heil und Wohl.
„ Das Auge GOttes war der Pol, auf den wir ſchauten;
„ Nach deſſen Blick und Winck wir uns dem Meer vertrauten;
245
10 „ Das Herz der Koͤniginn war Nadel und Compaß, „ Den weder Flutt, noch Wind, noch Jrꝛlicht von der Straß,
L 2„ Vom„ Vom Pol entferneten: mich traff das Ruder fuͤhren:
„ So konnten wir uns nicht in dieſem Sturm verliehren.
„ Ja, was am ploͤzlichſten ſonſt zu erſchrecken pflegt,
250
10 „ War, was in unſerm Sinn oft neuen Muth erregt. „ Je mehr der Bliz das Grau der blaſſen Luft zerrizte,
„ Je mehr in unſrer Bruſt ſich Troſt und Hoffnung ſtuͤzte.
„ Die Finſterniß nahm uns der Augen Zuverſicht,
„ Der Bliz hingegen gab uns wieder Schein und Licht,
255
10 „ Daß wir den Lauf des Sturms, das Wetter konnten ſehen, „ Und folglich der Gefahr des Untergangs entgehen.
„ Nun ruff’ ich billich auf: Wer halff bey dieſer Fart?
„ Da ihr noch ſelber nicht zum Beyſtand einig wart?
„ Wie taugte dazumahl ein menſchliches Vermoͤgen?
260
10„ Drum ſuchten wir die Macht des Himmels zu bewegen: „ Zu ſolchem End hab ichs, die Frommigkeit, gebracht;
„ Und ſo verſchwand der Greul der Schrecken-vollen Nacht.
„ GOtt gab uns Hilff und Schuz; durch ihn ſeynd wir gerettet,
„ Jhn haben wir allein um Beyſtand angebetet. 265
10„ Was ſonſt konnt hilfflich ſeyn, war was vor uns entwich, „ Weil ſchon der Feinde Gifft der Freunde Blut durchſchlich.
„ Nur was uns GOtt verlieh, gieng, trozte die Gefahren,
„ Und wiederſezte ſich den Herꝛſucht-vollen Schaaren.
„ Das hat die Froͤmmigkeit, ich, mein Gebeth erfuͤllt. 270
10„ So ſtreitet man umſonſt, woher die Wohlfart quillt. DieDie Unerſchrockenheit gab oͤffters ſolche Zeichen,
Daß ſich die Froͤmmigkeit mit ihr nicht ſollt vergleichen.
Hier aber ſtund ſie auf, und ſprach: „ Wer weiß es nicht,
„ Daß Froͤmmigkeit von nichts, als von der Andacht ſpricht? 275
10„ Und billig haſt du ſie gebraucht, erzaͤhlt, geprieſen. „ Allein, haſt du dadurch ſo viel, als ich, erwieſen?
„ Dein Vortrag iſt mein Werck: haͤtt euch der Sturm erſchreckt;
„ Wo waͤr die Froͤmmigkeit mit ihrem Schiff geſteckt?
„ Stumm, blind, unmaͤchtig, taub, erſtarꝛt haͤttſt du geſchworen,280
10 „ Das ganze Schiff-Geraͤth ſey durch den Sturm verlohren. Die Froͤmmigkeit vernahm den Einwurff; ſchwieg dazu,
Und wies in dem Geſicht Gelaſſenheit und Ruh:
Doch endlich ſprach ſie dies: „ Was? Freundinn? willſt du ſtreiten?
„ Wie? oder ſelber gar den Sieg mir zubereiten? 285
10„ Vernimm! wer hat das Schwert der Feinde mehr gewezt „ Als du? wer hat es mehr zum Kriegen aufgehezt?
„ Du triebſt es in die Wuth: es hat gepocht, gefochten;
„ Und dannoch ſieht man es mit wenig Laub umflochten.
Darauf ward eingewendt: „ Die Furcht iſt dein Geleit;290
10 „ Verliehrt nicht dieſe ſtets, wo man auch ſiegt, den Streit? „ Sie ſchlaͤgt der Krieger Muth durch ihr Entfliehen nieder;
„ Sie ſtoͤrt der Schaaren Feur, und ſchwaͤcht die Macht der Glieder.
„ Was „, ſprach die Froͤmmigkeit, was iſt dein Helden-Muth?
„ Erzaͤhl, auf was dein Rath, Verdienſt und Werck beruht! L 3„ Mich295
10„ Mich leite Furchtſamkeit; dich unerſchrocknes Weſen „ Sagſt du? ſo biſt du nicht mit uns im Sturm geweſen?
„ Und dannoch haben wir die groͤßte Wuth beſiegt:
„ Wie der Beweiß dem Kreiß und dir vor Augen ligt:
„ Warſt aber du ſowohl als ich im Sturm vorhanden;300
10 „ So weißt du wie beherzt wir alles ausgeſtanden. „ Allein was nuzt die Frag und dieſer eitle Streit?
„ Hier iſt die Froͤmmigkeit; dort Unerſchrockenheit.
Sie ſchwieg und ſezte ſich mit ſtillem Laͤcheln nieder,
Da jene ſich erwies, als braͤchte ſie darwieder305
10 Mit neuer Ehr-Begier noch einen Gegenſaz: Allein es ſtellte ſich ſchon jemand an den Plaz,
Und unterbrach den Streit. So war man zwar zu frieden;
Doch wegen dem Gebaͤu ſo viel als nichts entſchieden.
EJn herꝛliches Geſicht, ſo bald es ſich erhoͤht,310
10 Erweckte bey dem Kreiß durch ſeine Majeſtaͤt Aufmerckſamkeit und Acht. Es war der Fuͤrſten Zierde,
Ja ſelbſt die Majeſtaͤt, die mit Verſtand und Wuͤrde
Zum reden fertig ſtund, nachdem ſie einen Schild,
Den ſie zu mehrer Pracht und Hoheit vor ſich hielt,315
10 Gemach erhob, und ſprach: „ Mein Abſehn und Verlangen „ Jſt biß auf dieſe Zeit allein dahin gegangen,
„ Daß ich die Koͤniginn durch jener Kronen Pracht,
„ Die meine Majeſtaͤt mir eigenthumlich macht,„ Dem
„ Dem Vaterland zum Heil und ihr zum Nachruhm ziere;320
10 „ Der Feinde Laͤnder-Sucht in engre Grenzen fuͤhre. „ Es iſt bekannt, wie ſich des Adlers Aug erquickt,
„ Wann er der Sonne Licht und ſchaͤrfſten Glanz erblickt.
Kaum hoͤrten wir das Wort, ſo wandte ſie das Auge
Nach ihrem Schild, und ſprach: „ Hier ſehet, was er tauge! 325
10Die Schilderey des Blats wies, wie der Adler ſiegt, Wie Pfeilen-ſchnell und ſtolz er durch die Wolcken fliegt.
„ Jemehr der Sonne Strahl ihm in das Antliz blizet,
War ferner ihr Geſpraͤch, „ jemehr er ſich erhizet;
„ Er ſchießt und wirfft den Blick um alle Seiten her,330
10 „ Es wundert ihn der Luft uneingegrenztes Meer, „ Er ſieht die Sonne ſich durch alle Kreiſe ſchwingen,
„ Und auf der hohen Bahn der Sterne Licht verdringen:
„ Er ſchaͤzt und achtet ſich als ſeines gleichens Haupt;
„ Vermeint, er waͤr der Ehr und Majeſtaͤt beraubt,335
10 „ Wann ihm der Sonne Macht der Augen Krafft entzoͤge, „ Und er nicht ſo, wie ſie, den Himmel uͤberfloͤge.
„ Er ſtuͤrzt ſich in die Luft, verlaͤßt der Erde Rund;
„ Und macht der Sonne ſelbſt ſein hohes Weſen kund.
„ Sie ſtrahlt ihm ins Geſicht, er trozt mit ſeinen Augen,340
10 „ Die durch ihr Gegen-Feur das Feuer in ſich ſaugen: „ Er ſchaͤrfft den kuͤhnen Blick, und achtet keinen Keil,
„ Schwingt ſelber ſich ſo ſchnell als ein geſchoßner Pfeil:„ Durch
„ Durch ſein großmuͤthiges und unerſchrocknes Fluͤgen
„ Muß, was ihm wiederſteht, den Klauen unterligen. 345
10„ Er eilt der Sonne zu, verſchmaͤht der Strahlen Spitz; „ Er bricht ſie, wafnet ſich damit: das iſt der Bliz,
„ Mit dem er auf den Feind, der ihn erzuͤrnet, wettert,
„ Deſſelben Hochmuth trozt; Wuth, Rach und Macht zerſchmettert.
„ So ſchuͤzt der Adler ſich; ſo ſchwingt er ſich empor;
350
10 „ So geht ihm kein Geſchlecht der Welt an Hoheit vor. „ So wird der Sterne Reich vom Adler uͤberflogen,
„ Und deſſentwegen er als Koͤnig vorgezogen.
„ Aus dieſem Flug erhellt, was ich erklaͤren will:
„ Ob nicht Thereſia das vorgeſezte Ziel355
10 „ Mit ſolcher Majeſtaͤt, mit ſolchem Muth erreiche, „ Des Adlers Aug’ und Muth in ihren Thaten gleiche.
„ Jhr ſehet, wie beherzt ſie nach des Adlers Art
„ Jn der Standhafftigkeit der Gegenwehr verharrt.
„ Hat ſie der Sonne nicht ſchon Strahlen abgebrochen,360
10 „ Und ſich an ihrem Troz mit Majeſtaͤt gerochen? „ Steigt nun die Majeſtaͤt mit ſolcher Pracht empor;
„ So kommt der Marmel-Stein mir allzu wenig vor,
„ Daß ich um deſſen Rang, Beſiz und Ehre ſtreite:
„ Weil ich mir nichts dadurch zu groͤſſerm Anſehn weihte. 365
10„ Nichts uͤbertrifft den Werth, der meine Tugend ziert; „ Und nichts den Ruhm, womit Thereſia regiert. „ So
„ So faͤllt mir auch nicht ein dem Frieſe nachzuſtreben,
„ Es kann der Majeſtaͤt kein hoͤhers Weſen geben:
„ Thereſia, ſonſt nichts ſchafft meiner Krone Zier,370
10 „ Was ſelbe ſchaͤtzbar macht und ſchmuͤcket, kommt von ihr. „ Hingegen pfleg’ ich auch ihr Haupt empor zu ſchwingen,
„ Wie ich davon gar leicht koͤnnt tauſend Proben bringen;
„ Allein ich trage nichts als einen Umſtand vor:
„ Von dieſem ſtammt ihr Heil, Gluͤck, Anſehn, Ruhm und Flor. 375
10„ Mit mir fieng alles an; ich hatte ſie beſeelet, „ Sonſt haͤtt es ihr vielleicht noch mehr an Hilff gefehlet.
„ Jch wies ihr den Entwurff des aufgedrungnen Kriegs,
„ Den Weeg zur Gegenwehr, die Moͤglichkeit des Siegs.
„ Erinnert euch der Zeit, des Orts und jener Thaten,380
10 „ Wann, wo, wodurch wir uns zum Krieg bereittet hatten. „ Betrachtet nur den Pomp der erſten Koͤnigs-Pracht,
„ Mit der ſie ſich ſo werth und Welt-beliebt gemacht;
„ Als auf dem Koͤnigs-Berg ſie gleich dem groͤſten Helden
„ Gewafnet angezeigt, was einſt von ihr zu melden;385
10 „ Jhr habt es ſelbſt geſehn. Jhr wißt den Freuden-Schall „ Der von derſelben Stund und von demſelben WallM„ Faſt383Als Jhro Majeſtaͤt den 25. Ju - nij 1741. zum Koͤnig von Hungarn ge -ſalbet und grkroͤnet wurden.
383 „ Faſt durch die gantze Welt ſich ploͤzlich ausgebreitet;
„ Das hat die Majeſtaͤt, ich, meine Macht bereitet.
„ Die Folg’ iſt euch bekannt; hieß es nicht: Leib und Blut390
11 „ Wie dort ein gantzes Reich geſchrien, mit Hab und Gut „ Sey dieſer Frau geſchenckt? man wolle ſie beſchuͤtzen,
„ Und eh der Feinde Fauſt mit eignem Blut beſpritzen
„ Als leiden, daß man ihr nur einen Stein der Kron
„ Verruͤcket ſehen ſoll; war dieſes nicht der Thon? 395
11„ Wars nicht, als ſey der Plaz alldort beſtimmet worden, „ Worauf der Helden Fuͤrſt, ja deſſen gantzer Orden
„ Mit ihr ſich ſchlagen ſoll? Sie ſaß in Majeſtaͤt,
„ Das Reichs-Schwert in der Hand, auf einem Pferd erhoͤht;
„ Wie wann von jedem Theil der Welt Gefahr erſchiene,400
11 „ Und ſie ſich gantz allein zur Gegenwehr erkuͤhne. „ Jch ruͤhme kein Geruͤcht; man hatte wohl geſpuͤhrt,
„ Daß wahrer Helden-Muth allda den Degen fuͤhrt.
„ Sie ritte ſo behertzt und hieb ſo ſchwere Streiche,
„ Daß ihr Gethoͤn und Klang durch viele Konigreiche405
11 „ Noch heut zu hoͤren ſeynd. Da zeigte ſie die Bahn „ Auf der man Heil und Ehr, und Sieg erfechten kann. „ Jhr389Dergleichen Zuruff geſchahe zu Preßburg bey der damahligenReichs-Verſammlung den 11. Sept. 1741.
389 „ Jhr Majeſtaͤtiſches, niemahls gepflognes Reiten
„ Fieng dorten an, dem Volck ihr Siegen vorzudeuten.
„ Wer ſahe dort nicht vor, wie ſie das Vaterland430
12 „ Jhr Erb-Recht, ihren Thron, mit Tugend, Herz und Hand „ Jm Heil befeſtigen, im Gluͤck beherꝛſchen werde?
„ Daß es geſchehen ſey, bekennt der Kreiß der Erde.
„ Wir wiſſen was der Feind vor Mienen ſpringen ließ,
„ Wie ſie das Vaterland der Wuth des Gluͤcks entriß. 415
12„ Geht hin auf jenes Feld, umſehet jene Wieſe, „ Wo man zum erſten Mahl derſelben Hoheit prieſe!
„ Schrie nicht das frohe Volck: Begluͤcktes Koͤnigreich!
„ Der Fuͤrſtinn Ankunfft iſt der Morgenroͤthe gleich!
„ Wie? rieff man da: die Frau! den Koͤnig nicht zu ſchuͤzen? 420
12„ Auf! laſſen wir beherzt die ſcharffen Saͤbel blizen! „ Auf Bruͤder zum Gewehr! wann ihr nach Wohlfart ſtrebt!
„ Wir wollen durch den Stahl, der unſern Muth belebt,
„ Der Feinde Troz zu Troz als Koͤnig ſie behaupten;
„ Wann wir uns auch dadurch von Gut und Blut beraubten.
425„ Die Grenzen lagen ſchon zu ſelber Zeit im Brand;
„ Es herꝛſcht - und ſchwaͤrmten ſchon die Feinde durch das Land. M 2„ Da -415Der 20. des Monats Junij 1741 war der gluͤckſaͤlige Tag an welchem dasKoͤnigreich Hungarn Jhro Majeſtaͤt in ſeinen Grenzen zum erſtenmal empfienge.
415 „ Dahero wollte ſie die treuen Voͤlcker lehren
„ Wie man den Saͤbel fuͤhrt, ſich um ſein Recht zu wehren;
„ Wie ſich ein treues Volck zum Schuz des Fuͤrſtens regt,430
13 „ Wann es fuͤr ihn den Trieb der Lieb und Ehrfurcht haͤgt. „ Kein Hieb gieng nur dahin, daß er die Lufft verdrunge,
„ Nein: keiner war, der ſich nicht in die Herzen ſchwunge.
„ Es offenbarte ſich; man jauchzte, rieff und ſchrie:
„ O daß ſie bald mit uns des Feindes Land bezieh!
435„ Und hatte dieſes nicht ſo viel nach ſich gezogen,
„ Daß wir der Feinde Macht von dort aus uͤberwogen?
„ Kein Rath war ſonſten da, kein Freund und kein Gewehr,
„ So daß auf einen Streich der Thron gefallen waͤr.
„ Kaum fieng Thereſia ſo tapfer an zu wincken,440
13 „ So ſah man ſchon den Stolz, den Muth der Feinde ſincken. „ Gleich wurden ſie des Volcks, des treuen Volcks gewahr,
„ Das einem ſiegenden, von einer Helden-Schaar
„ Zur Schlacht gefuͤhrten Heer an Pracht und Starckmuth gliche;
„ Da war es, wo der Feind von unſern Mauren wiche,445
13 „ Und uns den freyen Weeg zum Siegen uͤberließ: „ Zu deſſen Zeugniß ſeynd Wald, Felder, Berg’ und Fluͤß,„ Die444Der Feind hatte den 24. Octob. 1741. ſein Heer uͤber die Do -nau nacher Boͤhmen gezogen.
444 „ Die wir ſo ritterlich durchwadeten, erſtiegen,
„ Daß unſer Zug nichts war, als Schritt vor Schritt zu ſiegen.
„ Kein Wunder: haͤtt ein Feind die Majeſtaͤt geſehn,450
14 „ So wurd er ſeinen Fahn ihr nicht entgegen drehn; „ Er haͤtte ſelber ſich, wie die bekannten Freunde,
„ Mit ihres treuen Volcks frolockenden Gemeinde
„ Als Helffer, Rath und Freund fuͤr Ehrfurcht beygeſellt,
„ Und ſelbſt, daß auch ein Feind ſie liebt, den Spruch gefaͤllt. 455
14„ Wir haben deſſen auch viel tauſendfache Proben. „ Wie wenig hat der Feind ſein eignes Recht erhoben?
„ Kein Gegenſaz hat Statt; auf jeden Koͤnigs-Hieb
„ Entſprung in jedem Sinn ein neuer Ehrfurchts-Trieb.
„ Mit was Lebhaftigkeit, mit was vor hohen Blicken,460
14 „ Wußt ihre Majeſtaͤt den Schwung des Stahls zu ſchmuͤcken? „ Ein Held, dem in der Schlacht der Sieg vor Augen ſchwebt,
„ Regt ſich ſo tapfer nicht, er iſt nicht ſo belebt,
„ Daß er des Kriegers Feur in feſter Ordnung halte,
„ Und ſeiner Schaaren Muth nach jedem Fall geſtallte,465
14 „ Als auf demſelben Berg die theure Koͤniginn „ Mit ihrer Helden-Pracht, mit bloſſen Schwert erſchien. M 3„ Kein448Die Oeſterreichiſche Macht er - oͤffnete ſich mit Anfang des 1742. Jahrsdie Straſſe / in Ober-Oeſterreich einzu - dringen.
448 „ Kein Wunder iſts, ſag’ ich, daß ſeit demſelben Tage
„ Sie nebſt dem Kronen-Schmuck auch Lorber-Kraͤnze trage:
„ Daß ein vergeßnes Heer, ein nie benanntes Volck470
15 „ Durch einen neuen Weeg als eine Wetter-Wolck „ Zu ihrem Beyſtand kam, ja ſie noch ſtets beſchuͤze,
„ Und ihrem Thron ſo viel als tauſend Mauren nuͤtze.
Hier ſagte mir mein Sinn, warum ſo mancher Zug
Der Krieger ſich erwies, den wir in unſerm Flug475
15 Auf jedem Weege ſahn; der aller Orten eilte, Und ſich bald da bald dort in ſtarcke Schaaren theilte.
„ Allein „, ſo fuhr ſie fort, was nuͤzt das Wort-Gepraͤng?
„ Die Sach erweißt ſich ſelbſt. Der Erd-Kreiß iſt zu eng;
„ Dann ihrer Majeſtaͤt zunehmendes Vermoͤgen480
15 „ Wußt auch der Waſſer-Welt Hochachtung einzupraͤgen. „ Es war noch nicht genug, daß, was der Erde Rund
„ Zum Sturz und Fall des Throns der Koͤniginn erfund,
„ Sich mit vereinter Macht zum Vorſchlag brauchen laſſe;
„ Man ſuchte durch den Grund der Flutten auch die Straſſe. 485
15„ Jedoch es hieſſe nur den Winden ſich vertraun; „ Auf Boden-loſen Grund, auf Rauch und Schatten baun. „ Es469Der Feind hatte zwar durch ſein Staats-Fern-Glaß viel ausgeſpaͤhet / doch waren ihm die Croaten / Sclavo - nier / Wallachen / Uskocken / Morlacken /Theiſſer / Maroſcher / Warasdiner / Panduren und andere mehr nicht eher als in dem Streit zu Geſichte gekom - men.
469 „ Es ſchlug der Wellen Strohm ſich Wuth-voll in die Mitte,
„ Als unſrer Feinde Rath zum Unternehmen ſchritte.
„ Das Meer gehorchte nur der Freunde Rechts-Geboth,490
16 „ Und wiegte das Geſchwaͤrm des Feinds im Schwall der Noth. „ Die Wellen welzten ſich nur nach der Freunde Schiffen,
„ Die fuͤr Thereſia dem Feind entgegen lieffen.
„ Jhr wißt wie ſich das Meer vor Rach und Wuth gethuͤrmt,
„ Wie Flutt auf Flutt, und Berg auf Berge loß geſtuͤrmt,495
16 „ Als es die Feſtungen zum Anfall tragen ſollte, „ Wodurch der Feind den Zweck des Siegs erzwingen wollte.
„ Hat nicht der Stuͤrme Macht nur fuͤr die Majeſtaͤt
„ Der Koͤniginn die Wuth der Waͤſſer aufgeblaͤht,
„ Und mit der Graͤßlichkeit der Stucken ſo gewittert,500
16 „ Daß ſich des Ufers Grund fuͤr der Gewalt erſchuͤttert? „ Hat nicht der ſchwere Grimm des donnernden Metalls,
„ Vor den Bedrohungen des gaͤhen Uberfalls
„ Geknallt, gekracht, gemurꝛt, geraßt, gebraußt, gewettert,
„ Und das Gebaͤu des Feinds zerquetſcht, zerknirſcht, zerſchmettert? 505
16„ Maſt, Segel, Seil und Bord der Feinde war zerſtuͤckt, „ Samt allem Kriegs-Geruͤſt den Winden Preiß geſchickt.
„ Das ſtaͤrckſte Schwader ſah Kiel, Korb und Tau zertruͤm̃ern,
„ Und andern halff es nichts ſich um die Flucht zu kuͤmmern.
„ Wie viel verſchluckte nicht des Meers geſpaltne Klufft? 510
16„ Wie viel entriſſe nicht die Mord-erfuͤllte Lufft? „ Bald „ Bald ſuchte dort ein Boot den Schuz im Grund zu finden,
„ Bald ſah man eines da faſt in der Lufft verſchwinden.
„ Dort jagte Furcht, Gewalt und Flutt, und Sturm ein Schiff,
„ Dem noch ein Kugel-Schwarm durch Bord und Segel pfiff. 515
16„ Was hier der Grauſamkeit des Abgrunds konnt entrinnen, „ Mußt ohne Maſt und Tau durch fliehn den Strand gewinnen.
„ Der Feind vermerckte ſelbſt des Meers verborgne Treu,
„ Er fluchte daß es uns zum Beyſtand raſend ſey.
„ Dem Meer wars nicht genug, daß ſich auf einer Seite520
16 „ Durch ſeine Rach und Wuth der Segel-Wald zerſtreute; „ Es warf auch anderwaͤrts die Macht des Grimmes hin,
„ Wo wieder ein Geſtuͤrm auf uns geruͤſtet ſchien.
„ Es ſchluge Wall auf Wall daß es den Schwarm zerſchellte,
„ Die Truͤmmer an den Strand, an Stein und Klippen prellte.
525„ So ſtritte Wind und Meer fuͤr meine Majeſtaͤt;
„ Sie wußten daß ſie nicht durch Menſchen-Macht beſteht:
„ So trozten Erd und Feur, und Flutt die Majeſtaͤten,
„ Die Zepter, Kron und Thron, ſo GOtt mir gab, verſchmaͤhten.
„ Was hatt’ ich nicht zu Land vor Angriff auszuſtehn? 530
16„ Was vor Bedrohungen hatt’ ich nicht anzuſehn? „ Der,519Die Tag-Buͤcher beſchreiben was die den 19. Februari 1744. bey To ulon geſchehene See-Schlacht /und der den 12. Merz 1744. bey Dun - kercke entſtandene Meer-Sturm den Feinden geſchadet habe.
519 „ Der, dem ſein Volck den Thron ſo ſtolz vor Augen mahlet,
„ Daß er faſt mit der Welt-Bothmaͤßigkeit ſich prahlet;
„ Ja mit dem Richter-Amt der Welt-Monarchen prangt
„ Und glaubt, daß nur an ihm des Erd-Runds Wohlſeyn hangt:535
17 „ Vermuthet, ſeine Kron und Hoheit ſey verdunckelt, „ Weil auch dergleichen Glanz auf andern Haͤuptern funckelt.
„ Der, welcher wenig fragt, was Recht was Unrecht, ſey;
„ Nicht ſorgt, ob er ein Wort GOtt oder Menſchen weih;
„ Wann er die Scheitel nur mit Kronen ſo kann ſchmuͤcken,540
17 „ Daß andre Koͤnige vor ihm den Zepter buͤcken. „ Der, welcher meint das Recht zu herꝛſchen ſey nur ſein;
„ Jhm ſey das Reich der Welt nicht als mit GOtt gemein.
„ Der, welcher ſich niemahls pflegt gluͤcklicher zu nennen,
„ Als wann ſein Auge ſieht wie fremde Laͤnder brennen. 545
17„ Der, ſag ich, deſſen Macht wie Stroͤhme ſich ergoß „ Und mir zum Untergang durch Weſt und Norden floß;
„ Der, welcher ſchon befahl, man ſoll auf meinen Waͤllen
„ Was ferners in der Welt zu thun, den Ausſpruch faͤllen. („ Verzeihet daß mein Herz mit ſolchem Eifer ſpricht;550
17 „ Die Majeſtaͤt ertraͤgt dergleichen Eingriff nicht.) „ Der, welcher mich ſchon faſt der Majeſtaͤt beraubte,
„ Den Gipfel ſeines Wunſchs erreicht zu haben, glaubte:
„ Erſchrack, erſtaunt’, erblaßt’, als er mich naͤher ſah,
„ Und wußte nicht woher ihm Wiederſtand geſchah. N555 „ Jch555
17„ Jch bot’ ihm meine Stirn, erhoͤhte Mien und Blicke, „ Troz! ſprach ich, daß er mich auf meinem Thron verruͤcke!
„ Wahr iſts, ſein Vorſatz brach in Strahl und Donner aus,
„ Umblizt’, umrung, ergriff, erſchuͤtterte das Haus;
„ Doch blieb ich unentſezt, ich hielt’ mein Aug erhoben,560
17 „ Und ſahe die Gewalt des eiteln Hochmuths toben. „ Jch wußte, daß wo nichts als Menſchen Rath regiert,
„ Der Glantz der Majeſtaͤt ſo leichtlich nichts verliehrt.
„ So ſah ich unverlezt den erſten Sturm verſchwinden,
„ Und bald darauf den Feind auch meine Macht empfinden. 565
17„ Das, jenes und noch mehr, als alles was ich ſag „ Jſt, was die Majeſtaͤt der Koͤniginn vermag.
„ So uͤberlaß’ ich euch die Muͤhe nachzudencken,
„ Ob ihr der Majeſtaͤt den Vorzug wollet ſchencken.
DEr Juͤngling der dem Kreiß den Vortrag hat gemacht,570
17 Nahm dieſer Tugenden Erklaͤrung ſehr in acht. Bald wies er ſich erblaßt, bald ſchamroth und verdroſſen,
Vielleicht daß ſie bisher fuͤr ihn noch nichts beſchloſſen.
Als nun die Majeſtaͤt von ihren Thaten ſprach,
So ſchlich er unvermerckt, ſtill, heimlich und gemach,575
17 Jndem die Tugenden in groͤſter Obacht ſaſſen, Den Siz, den Plaz, den Rath, die Reihe zu verlaſſen.
Warum verliehrt ſich dann der Zweifel aus dem Kreiß
Dacht’ ich, verzweifelt er vielleicht ſchon an dem Preiß? Will
Will er von ſeinem Saz dann nicht den Ausſpruch hoͤren? 580
17Jedoch wer koͤnnt’ ihn wohl mit einem Beyfall ehren? Viel beſſer iſts wann er aus der Verſammlung ſchleicht,
Des Vortrags Ehr erhaͤlt und von dem Frieſe weicht,
Als wann er ſonder Rang in der Geſellſchafft bliebe,
Und was man ſpricht, mit nichts als Zweifeln unterſchriebe.
585Jndem der Umſtand mir dieß in die Sinnen bracht,
So nahm ich ohngefaͤhr ſein Angeſicht in acht.
Er ſchien mir voller Gram uns beyden nach zu gehen;
So war es: dann er blieb bey der Thalia ſtehen
Und ſagte: „ Wann ich nicht des Frieſes Zier gewinn;590
17 „ So fahr’ ich heut gewiß noch allen durch den Sinn. „ Jch weiß nicht was das heißt: ſich jener Ehren ruͤhmen
„ Die keiner eigen ſeynd, dem gantzen Rath geziemen:
„ Jch gehe fort: vielleicht find ich den guten Rath,
„ Unfehlbar gibt er mir und meiner Meinung Statt. 595
17So ſchlich er aus dem Saal; und meine Freundinn lachte, Daß dieſer Juͤngling ſich ſo viele Sorgen machte.
Jnzwiſchen hatte ſich der ganze Rath geſtillt,
Als ſey ſchon durch den Spruch der Majeſtaͤt erfuͤllt
Was zu entſcheiden war; doch ohne Zeit verliehren600
17 Trat wieder jemand auf, den Vortrag auszufuͤhren. Jhr Antliz wies daß es ihr nicht an Macht gebrach,
Noch weniger an Herz, indem ſie alſo ſprach:N 2„ Jhr
„ Jhr wiſſet allbereits wie hart es mir ergangen,
„ Als man ſich wieder mich zu ruͤſten angefangen;605
17 „ Man pochte nur auf mich, ich war der bittre Dorn, „ Jch uͤbertrug des Feinds Verſchmaͤhung, Spott und Zorn.
„ Auf mich gieng alles loß; man ſah die Schwerter blincken,
„ Und ſelbe nur auf mich mit ihrer Schaͤrffe ſincken:
„ Die Paucken thoͤneten, die Fahnen flogen nicht,610
17 „ Es ſey dann wieder mich; auf mich war es gericht: „ Was Lermen, Mord und Brand, und Drohen konnt erwecken,
„ Geſchahe nicht, als mir mein Erb-Recht abzuſchrecken.
Sie ließ auf ihrer Bruſt ein offnes Auge ſehn,
Ein wunderbar Geſicht! ſie pflog es offt zu drehn;615
17 So dacht’ ich: dieſe mag wohl alle Reden ſchlagen; Jhr Anſehn iſt ſehr groß, ſie braucht nicht viel zu ſagen;
Sie trug nebſt einer Waag ein bloß gekroͤntes Schwert,
Das gab der Rede Macht, Gewalt, Gewicht und Werth.
Thalia ſagte mir: „ Betrachte dieſe Waffen! 620
17„ Mit dieſen pflegt ſie ſich und andern Recht zu ſchaffen; „ Jhr Amt und ihre Pflicht iſt die Gerechtigkeit;
„ Vor der ſich in der Welt nichts als die Bosheit ſcheut.
„ Sie ſieht was billig iſt; ihr Amt iſt, es zu waͤgen;
„ Dem Unrecht ſtellt ſie ſich mit dieſem Schwert entgegen. 625
17„ Sie hat des Feindes Rechts ſich niemahls angemaßt, „ Doch war ſie ſtets von ihm verfolget und gehaßt. „ Man
„ Man ſah derſelben Pracht oft ſo mit Blut beflecket,
„ Daß mancher Freund dadurch ſich hat zur Hilff erwecket.
„ Man unterdruckte ſie mit ſolcher Macht und Liſt,630
17 „ Daß ihr Vermoͤgen faſt fuͤr Qual erloſchen iſt. „ Faſt haͤtte die Gewalt die Waagſchal uͤberwogen,
„ Faſt ward ſie von der Macht auch in den Strohm gezogen.
Jnzwiſchen fuhr ſie ſtets mit ihrer Rede fort:
Jch hoͤrte mit Begier und Luſt ein jedes Wort:635
17 „ Der Feinde Raͤthe ſeynd beſtaͤndig eins geblieben: „ Das was geſchrieben ſey, hieß es, das ſey geſchrieben.
„ Des Urtheils Folgungen erfuhr die halbe Welt;
„ Es halff kein Mittel mehr; der Ausſpruch war gefaͤllt.
„ Man fieng zu ſtuͤrmen an. Der frechen Winde Meiſter640
17 „ Laͤßt die verſperꝛte Brut, die Ketten-loſe Geiſter „ Nicht mit ſo ſchneller Wuth aus ihrer dunckeln Gruft;
„ Sie dringen, reiſſen nicht ſo ploͤzlich durch die Luft;
„ Jhr brauſendes Gemurꝛ bringt nicht ſo ſtrengen Schrecken;
„ Jhr bruͤllendes Geheul kann nicht die Furcht erwecken,645
17 „ Als der Entſchluß des Feinds in unſre Laͤnder bracht, „ Da man am wenigſten auf Krieg und Waffen dacht’.
„ Mein Vorwort halff uns nichts, man fragte nichts nach Rechten;
„ Es hieß nicht um das Recht, nur um die Laͤnder fechten.
„ O waffnete damahls mich die Vermeſſenheit! 650
17„ Nicht dieſer ſchwache Stahl, wodurch GerechtigkeitN 3„ Nicht „ Nicht als mit Milde ſtrafft, ſo wurdet ihr nicht hoͤren,
„ Wie Feuer, Mord und Schwert der Voͤlcker Gut verzehren.
„ Nichts hatte dazumahl mein Herz ſo ſehr gekraͤnckt,
„ Als daß auch Freunde ſich den Feinden nachgelenckt. 655
17„ Weil nur die Laͤnderſucht, die Herꝛſch-Begierde tobte, „ Die nur, was ihnen halff: Recht oder Unrecht, lobte.
„ Wo ſich dergleichen Geiſt in die Geſchaͤffte ſetzt,
„ Dort wird Gewalt vielmehr als alles Recht geſchaͤzt.
„ Nur jenes war da recht was meinen Feinden gluͤckte,660
17 „ Und ungerecht was mir Rath oder Waffen ſchickte. „ Daß ſich Thereſia ſo Waffen-bloß befand,
„ O! dieß war ihnen recht! und da ſie ſich verband,
„ Viel lieber Noth und Troz, und Schwert und Feur zu leiden,
„ Als den ererbten Thron, ihr Eigenthum zu meiden;665
17 „ Das hieß man ungerecht. Daß ſie zu Grunde geh’, „ Daß ihre Zuverſicht nur nach dem Himmel ſeh’;
„ War recht und auch nicht recht: recht; daß ſie keine Waffen
„ Sich und das Vaterland zu ſchuͤzen konnte ſchaffen:
„ Nicht recht; daß Hilff und Rath von GOtt und Freunden kam. 670
17„ Recht; daß ſie von dem Thron ſchon faſt den Abſchied nahm. „ Verſprechen, Wort und Eyd, und Hoͤll und Himmel waren
„ Was ihnen helffen ſollt mir durch den Sinn zu fahren.
„ Sie nennten mich bethoͤrt, mein Hoffen Selbſt-Betrug;
„ Gerechtigkeit ſey da zu ſchwach und nicht genug. „ So675
17„ So weit war es mit mir und meinem Amt gekommen; „ Durch ſolche Funcken war das Feuer angeglommen.
„ Allein ich red’ umſonſt, es iſt ja Welt bekannt,
„ Was man zum Untergang des Hauſes angewandt;
„ Wie mit Betheurungen, mit Worten und mit Schwuͤren680
17 „ Man ſich geſpielet hat den Vorſaz auszufuͤhren. „ Was je Betrug und Liſt, Gewalt und Hochmuth rieth,
„ Mit dem bedraͤngte man das Recht und mein Gemuͤth.
„ Was immer meine Macht konnt aus dem Weege ruͤcken,
„ Mußt ſich mit einem Schwert, mit einer Waage ſchmuͤcken. 685
17„ Nun werffe man mir vor: dies ſey zu keinem Ruhm, „ So ſey Thereſia ſamt ihrem Eigenthum
„ Nicht von Gefahr befreyt; ich habe ſie verlaſſen,
„ Und deſſentwegen mich des Rangs nicht anzumaſſen.
„ Geduld! man hoͤre mich! .... das Wetter muß vergehn,690
17 „ Wird alles umgeſtuͤrzt, ſo muß doch ich beſtehn’, „ Das hatt’ ich in dem Sinn: Gewalt laͤßt ſich nicht zwingen,
„ Nur die Geduld kann mir Schuz und Errettung bringen.
„ Dann in dergleichen Fall bin ich allein zu ſchwach,
„ Ein ſieben-faches Schwert fragt Rechten wenig nach. 695
17„ Mit der Gelaſſenheit wußt’ ich die Zeit zu brauchen, „ So ſah’ ich wuͤrcklich auch den dickſten Dampf verrauchen.
„ Die Schlange pocht und ziſcht, und greifft den Ambos an,
„ Er wiederſteht ihr feſt und ſie zerquetſcht den Zahn. „ Der
„ Der Nord-Wind bricht den Baum, je ſtolzer er ſich thuͤrmet;700
17 „ Das Rohr bleibt unverlezt, je maͤchtiger er ſtuͤrmet. „ Das war die Gegenwehr, wodurch Thereſia
„ Mit heiterm Angeſicht die ſtrengſten Stuͤrme ſah.
„ So wußten wir den Feind gelaſſen auszuweichen,
„ So folgten wir dem Rohr und nicht dem Stolz der Eichen. 705
17„ So lenckten wir die Macht des Rechts nach Zeit und Weil, „ So litten wir Gewalt, und ſtunden doch im Heil.
„ So ward der Schlange Grimm, der Winde Wuth getruzet,
„ So hatte Recht mit Recht der Koͤniginn genuzet.
„ Der Waffen Mord-Geraͤuſch erſcholl zwar ſehr erboßt,710
17 „ Doch brachte mir das Recht Muth, Hoffnung, Herz und Troſt. „ Den Feinden halff das Schwert zu nichts als Blut-vergieſſen,
„ Weil ſie nur ihm allein den Ausſpruch uͤberlieſſen.
„ So griff man nach dem Kiel, der ſollte Richter ſeyn;
„ Auch dies, den Feder-Kampf gieng meine Tugend ein:715
17 „ Je mehr man wieder mich zu ſchreiben ſich erhizte, „ Je mehr der Glanz des Rechts dem Feind ins Auge blizte.
„ Wir brauchten beyderſeits die Gegenwehr des Kiels,
„ Jedoch mit Unterſchied des vorgeſezten Ziels:
„ Er ſchriebe nur die Welt mit Vorwand zu verblenden,720
17 „ Jch aber die Gewalt des Angriffs abzuwenden. „ Wer meiner Feder Art, Natur und Recht beſchaut,
„ Der ſagt, ich habe mich mit Klugheit ihr vertraut. „ Es
„ Es war ein Adler-Kiel. Genug; ihr alle wiſſet,
„ Was die Gerechtigkeit von ihm vor Hilff genieſſet. 725
17„ Wann man denſelbigen mit andern Federn mengt, „ Nicht nur, daß ihre Krafft mit ſeiner nichts verfaͤngt;
„ Des Adlers Feder pflegt dieſelben zu verzehren,
„ Und ihrer Eigenſchafft Vermoͤgen zu vermehren.
„ Der Feind war allzu ſchwach mich, die Gerechtigkeit,730
17 „ Die Strahlen meines Rechts mit einer Dunckelheit, „ Geſchweige mit der Nacht des Unrechts zu verdecken;
„ Man ſahe deſto mehr die Klarheit ſich erwecken.
„ So viel man durch den Kiel mir zu begegnen dacht,
„ So viel ward er durch mich verzehrt und ſtumpf gemacht. 735
17„ Je mehr man ſich befliß, das Affter-Recht zu ſchmuͤcken; „ Je maͤchtiger ward ich mein Erb-Recht vorzuruͤcken.
„ Was fieng man endlich an? man warff die Feder hin,
„ Und ſagte: meine Fauſt ſollt keinen Degen ziehn;
„ Mein Kampf ſey nur ein Spiel: ich wuͤrde nichts gewinnen:740
17 „ Die Rechte nuͤzen nichts, wo Mord und Brand beginnen: „ Das Heer ſey ſchon im Feld, die Fahne ſchon erhoͤht;
„ Jch komme mit dem Recht umſonſt und viel zu ſpaͤt:
„ Es werde wenig Sieg aus meiner Muͤh entſprieſſen;
„ Weil aller Orten her der Waffen Stroͤhme flieſſen;O745 „ Mir728Aquilarum pennæ mixtas re - liquarum alitum pennas devorant. Plin. Hiſt. nat. lib. 10. cap. 13.
728745
18„ Mir fehl’ es am Gewehr. Hieraus zog ich den Schluß, „ Daß, weil denſelben nur das Schlacht-Schwert helffen muß,
„ Sie ſich vielleicht umſonſt die Oberhand verſprechen,
„ GOtt werde die Gewalt gewiß am Ende raͤchen.
„ Dies iſt, was meinem Sinn Muth und Vertrauen bracht:750
18 „ Wo man mit Unrecht kriegt, dacht’ ich, nuͤzt keine Macht. „ Wo man die Waffen nur mit dieſem Wahlſpruch zieret:
„ Nur dem gebuͤhrt das Recht, der mit Gewalt regieret.
„ Dort herꝛſcht man zwar, jedoch wie lang beſteht der Thron?
„ Das Recht fuͤhrt an das End, und dieſes gibt die Kron. 755
18„ Mit dieſer Zuverſicht ließ ich die Feinde fechten, „ Mein Recht wuchs immer fort, da ſie ſich immer ſchwaͤchten.
„ So ſtreifft-und wuͤhlten ſie durch unſre Laͤnder fort,
„ Bedroht-eroberten bald den, bald jenen Ort.
„ Was mich, mein Recht erkannt’, ergriffe Muth und Degen,760
18 „ Und eilte mir zur Hilff derſelben Schwarm entgegen. „ Man fochte ſo begluͤckt fuͤr die Gerechtigkeit,
„ Daß wir uns der Gefahr des Untergangs befreyt.
„ Der Feinde groͤſter Sieg und ſchwerſtes Uberwinden
„ War endlich dieſes nur: den Weeg nach Haus zu finden.
765 „ Ein764Den 14. Decembr. 1742. als die Feinde / des angeruͤckten Entſatzes ungeachtet / die Haupt-Stadt Prag /und bald darauf das ganze Koͤnigreich Boͤhmen verlaſſen mußten.765„ Ein wunderbarer Krieg! Sobald nur unſre Schaar
„ Nicht ſtarck, doch voller Muth ins Feld gezogen war,
„ Und vor dem Gegner ſich mit Recht bewaffnet zeigte,
„ Sobald erkannte man, wohin der Sieg ſich neigte:
„ Jch wuͤrckte ſolchen aus; dann es weiß jedermann,770
19 „ Daß die Gewalt nicht ſtets das Recht bezwingen kann; „ Haͤtt dieſe nur allein, nicht ich mit ihr, geſtritten,
„ So muͤßten wir den Feind noch heut um Gnade bitten.
„ Du Majeſtaͤt geh hin, zeig deines Zepters Pracht!
„ Du Großmuth zoͤrn, verzeih, weis deines Hertzens Macht! 775
19„ Laßt auch die Froͤmmigkeit um Hilff und Beyſtand flehen! „ Was werdet ihr zum Schluß vor Wunderthaten ſehen,
„ Wann die Gerechtigkeit nicht eure Pflichten ziert,
„ Und jede zu dem Amt, ſo ſie verrichtet, fuͤhrt?
„ Der Himmel iſt gerecht; fuͤr mich gab er den Seegen,780
19 „ An dem in einem Krieg mehr als an Muth gelegen; „ Sonſt ſiegte jener nur, der groß und praͤchtig iſt,
„ Mit Andacht Kronen traͤgt, das Recht nach Hoheit mißt.
„ Vom Zweifel ſag ich nichts; meintwegen mag er ſinnen,
„ Wer unter uns den Preis des Frieſes ſoll gewinnen.
785„ Jch wiederſpreche nicht, daß jede von dem Rath
„ Zum Schuz der Koͤniginn viel beygetragen hat;
„ Doch aber, haͤtte man was ohne mich gewaget,
„ So waͤren wir vielleicht von dem Beſiz verjaget. O 2„ Was
„ Was konnten Majeſtaͤt, Muth, Herz und Tapferkeit,790
19 „ Gebet, Altar, Magnet, auch Unerſchrockenheit, „ Was konnt ein Stahl, ein Loͤw, auch ſelbſt ein Adler nuͤzen?
„ Jch, die Gerechtigkeit mußt alles unterſtuͤzen.
„ Jch truge Schirm und Helm, der euch im Streit bedeckt,
„ Jch brachte Zuverſicht, die Geiſt und Herz erweckt;795
19 „ Durch mich allein iſt euch ſo Rath als That gelungen; „ Jch war die Fuͤhrerin, ſo ward der Feind bezwungen;
„ Jch trieb ihn aus dem Land; er ſah, obwohl zu ſpat,
„ Wie ſehr ſich der vergißt, der mich vergeſſen hat;
„ Er lernte von ſich ſelbſt durch ſein vergebnes Kriegen:800
19 „ Daß Waffen ohne Recht zwar fechten, doch nicht ſiegen.