WEnn wir die Zeiten / ſo vor uns geweſen ſind / etwas in Augenſchein nemen ſo befindẽ wir uͤberfluͤſſig / daß die Poeſie bey den alten Teutſchen nicht allein / als wie in einem Traume und Nebel / verborgen gelegen / ſon - dern auch wol gegen unſer jetzigen Zeit wie nichts zu ſchaͤtzen geweſen ſey. Wir haben zwar jhren Fleis / den ſie bey ſo groſſen und ſchweren Kriegen nicht ſterben laſſen / hoͤch - lich zu ruͤhmen / jedoch aber ſcheinen ſie in de - me tadelhaftig zu ſeyn / daß ſie faſt immerdar auf einerley Art und Weiſe geblieben / wie aus den alten Meiſter-Geſaͤngen zu erſehen / biß ſie zun Zeiten Carolus des Groſſen her - fuͤr gebrochen / da ſie den Griechen und Roͤ - mern (welche jhre Poeſie erſt 410 Jahr nach erbauung jrer Stadt / wie es Cicero außrech - net / uͤberkommen) nichts bevor gebẽ wollen. Und haben ſich nicht nur gemeine Leute un - terwunden / ſolche zu erheben und zu vermeh - ren; ſondern es iſt auch Fuͤrſtlichen und an -[d]ern hohes Standes Gemuͤhtern belieblich(a) iijgefal -gefallen / jhre beluſtigung zu ſuchen: Geſtalt denn bey Melchior Goldaſten / dem Ritter Teutſcher Zierligkeit / unter andern vieler Fuͤrſten / Grafen / Freyherꝛen / Herꝛen und vornehmer Adlicher Ritter / ja Kaͤyſer Hein - richs / und Conrads Roͤmiſchen Koͤnigs Lie - der und Gedichte angezogen und geruͤhmet werden. Von der Zeit an haben ſich immer je mehr und mehr viel feurige Geiſter gefun - den / welche mit jhren ſcharffen Nachſinnen ſo weit empor geflogen / daß auch die andern in jhren Mutterſprachen ſie zu ereilen nicht vermoͤcht haben. Wie ſchwer uns Teutſchen anfangs die Zunge geweſen / ſo leicht iſt ſie uns nun worden / daß wir nicht allein denen alten Roͤmiſchen / ſondern auch andern Auß - laͤndiſchen Dichtern / mit hoͤchſt-anmuhtiger fertigkeit nachreden / ſondern auch mit jhrer reinen und unverfaͤlſchten Zierde[u]mſetzen koͤnnen. Wir geben nunmehr keinem frem - den Volcke was bevor. Hat Welſchland ſeine Petrarchen / Dantes / Anguillaren / Taxen / Arioſten / Alamannen / Bemben / Veniren / Goſelinen / Perotten / Sannazaren / Stoen / Fauſte / Bibbienen / Bargueſen / Jovien uñ Camillen; Franckreich ſeine Ronſarde / Sa - luſte / Marotten / Rabelaͤiſe; Engelland ſeine Sidneye; Spanien ſeine Mondogneten; Nie - derland ſeine Heinſe / Scrivere / Lazen undStar -Starter; So hat Teutſchland nunmehr ſei - ne Barthe / Werder / Opitze / Buchner / Ta - che / Flemminge / Lunde / Tzſcherninge / Ri - ſte / Harſtoͤrffer / Bremen / Roberthine / Fin - ckelthauſe / Rumpler / Cahlene / Hartmaͤñer / Zeſie / Clajen / Ziegler / und viel andere ſtat - liche Fruchtbringende Gemuͤhter / daß es da - durch ſtoltz und hochmuͤhtig zu werden ſich wol aufblehen koͤnte / wenn es ſeine alte Auf - richtigkeit und Treue zugeben wolte. Und wenn wir nicht an ſo viel Mecenaten Mangel erlitten / ſo wuͤrden ſich gewiß mehr Marones und Horatzen / als Baff und Meffe blicken uñ ſehen laſſen. Die alten Roͤmiſchen Helden haben es in dieſem fall vor einẽ hohen Ruhm geachtet / ſolche trefliche Geiſter zu beehren / damit die Nachkommen etwas haͤtten / das ſie beydes zu jhrem Lobe / und auch zu billiger Nachfolge anreitzen koͤnte. Scipio hat des Ennius Gedichte ſo hoch gehalten / daß er ſie auch vor das beſte Buch ſeiner Zeit geſchaͤtzet. Cherilus (wiewol er nicht ſehr anmuhtig) und Homerus / welcher zuerſt von dem Spar - taniſchen Geſetzgeber Lycurgus zuſammen gebracht wordẽ / ſind des groſſen Alexanders ſtete Reiſe-geferthen geweſen. Darius hat der Stadt Thebe deßwegen verſchonet / weil der Pindarus in Jhr geboren und erzogen worden. Epius oder (wie Quintilianus aus(a) jvdemdem Varꝛo recht wil) Elius Stolo / hat des Plautus Luſt-Spiele in ſolchem Werth ge - halten / daß er auch ohne ſcheu ſagen doͤrffen: Wo die Muſen haͤtten reden ſollen / ſo wuͤrden ſie ſich ohne zweifel ſeiner Verſe gebrauchet haben. Dieſen loͤblichen Exempeln ſind auch jhꝛer viel zu unſern Zeiten nachgefolget. Der Rath zu Rom hat den vortreflichen Petrar - chen am 8 Tage des Aprilis / wegen ſeiner Ge - ſchickligkeit in Dichten / in dem Capitol oder Haupt Kirche oͤffentlich und vor allem Volck gekroͤnet. Quinctianus Stoa bekam glei - chesfals ſeinen Lorber Krantz / als ein Zeichen hoher Ehre / von Koͤnig Ludwigen dem XII. in Franckreich. Fauſtus wurde zur Zeit Koͤ - nigs Franciſci (als wie bey uns Kaͤyſerli - che) Koͤniglicher Poet genennet. Bembus und Bibbiena wurden ſo hoch gewuͤrdiget / daß ſie auf einmahl mit zweyen unterſchiede - nen Kraͤntzen / einem gruͤnen von Lorber / uñ einem Rothen / ohne zweifel von Roſen / ſind verehret worden. Was dem Jrida vor Gunſt und Gnade wiederfahren / das wiſſen ſeine Landsleute. Und damit ich unſers ſel. Opi - tzens nicht vergeſſe / ſo iſt er bey Kaͤyſerlichen / Chur-und Fuͤrſtlichen / ſonderlich an dem uͤm die Teutſche Sprache wolverdienten Anhal - tiſchen Hofe ſo beliebt geweſen / daß er nicht allein gekroͤnet / ſondern auch dermaſſen be -gnaͤdi -gnaͤdiget worden / daß es in ſeinem Leben we - der Er ſelbſt / noch nach ſeinem Tode der hoch - gelarte Riſt mit jhren Goͤttlichen Schriften gnugſam ruͤhmen und erheben koͤnnen. Wie hoch wurde der Edle Fleming gehalten? ſei - ne hinterbliebene und wolgeſetzte Sachen be - zeugen es gewaltig / daß er nicht in ſchlechten Gnaden bey den Ein - und Außlaͤndiſchen ho - hen Haͤuptern muß geſtanden ſeyn. Es iſt a - ber nicht nur bey ſo hoher Beehrung verblie - ben / ſondern auch in der That erwieſen wor - den / daß man jhrer viel noch heutiges Tageſ fuͤr freygebige und milde Printzen zu ruͤh - men und außzuruffen ſatſame Urſach hat / weil ſie / nach des Syneſius Meynung / durch jhre Wolthaten den Goͤttern am aͤhnlichſten worden ſeyn. Cherilus bekam von Alexander dem Groſſen fuͤr einen jeden guten Vers eine Krone. Die Summa / die Virgilius von Kaͤy - ſer Auguſtens Schweſter empfangen / iſt noch aller Welt bekant. Des Edlen Sannazar[o]uͤberſchrift von der Stadt Venedig hat nicht mehr als 600 Ducaten getragen. Was der Herꝛ von Baſſompiere in Franckreich dem Vandero fuͤr eine Comedie verehret / hat ſich (wie es Riſt in der Vorꝛede uͤber ſeine Teut - ſche Muſe erwehnet) auf dreiſſig tauſent Du - caten belauffen. Vor das eintzige und aus dem Seneca zuſam̃en getragene Lied: Wol(a) vdemdem der weit von hohen Dingen; ſol (wie mir glaubwuͤrdig erzehlet worden) der Se - lige Opitz von einem Frey Herꝛn hundert Thaler bekommen haben. Was vor freyge - bige Haͤnde unſer geliebtes Vaterland an - noch getragen / wiſſen die Muſen am beſten. Die Tugend bleibet doch nicht dahinden / Sie iſt immer als wie eine fruchtbare Erde / die in ſich Gold / und auf ſich allerhand Speiſe und Nahrung ſehen laͤſſet. Und ob es wol biß - weilen ſcheinet / als wenn ſie gantz und gar verhaſſet were / ſo finden ſich doch noch allezeit ſolche Goͤnner und Foͤrderer / daß ſie die Al - ten an Gutthaten uͤbertreffen / die Gegenwer - tigen aber und naͤheſten zum heftigſten be - ſchaͤmen.
Jch erinnere mich hier nicht unbillich de - rer groſſen Beliebligkeiten die Meine Groß - guͤnſtige Herꝛen zu meiner wenigen Poeſie jederzeit getragen. Weßwegen ich auch an - laß genommen / hieſige von vornehmen und guten Freunden zur Außfertigung erbetene Lieder unter Jhren Hoch-anſehnlichen Na - men der Spitzfuͤndigen Welt darzuſtellen. Nicht zwar / als wenn ſie wuͤrdig weren / Mei - ne Großg: Herꝛen zu beluſtigen / ſondern deß ich nur ein Zeichen meiner Schuldigkeit aufſtecken moͤchte. Jch befinde mich verpflich - tet / Jhnen ſaͤmtlich nach meinen hoͤchſtenVer -Vermoͤgen aufzuwarten. Ob ich gleich kein Opitz bin / ſo haben doch gegenwertige Lie - der / wie fluͤchtig ſie auch verfertiget / noch je - derzeit jhre Mecenaten gefunden / denen ſie gefallẽ haben. Der von Wolfsberg und Herr Rudolph werden ſich noch unſchwer eriñern / mit was vor Luſt ſie dieſelben / benebenſt ei - ner Violgambe / angehoͤret haben. Mein Großg: Herꝛ Brehme hat ſie jhm ingleichen belieben laſſen / daß Er mir / als einen Unbe - kanten / mit hoher Gunſt beygepflichtet. Du auch mein Freund / Herꝛ Albert / fuͤhreſt ſie noch taͤglich auf deiner lieblichen Zunge.
Weil dann nun Jhre guͤnſtige Gewogen - heit mich verſichert haͤlt / es werde meine we - nigkeit hierinnen gar nicht irren / Als hab ich ſie Jhnen zu ſchreiben und uͤbeꝛſenden wol - len / verhoffende / Sie werden mit jhren Son - nen dieſes ſonſt dunckle Sternlein erhellen und erleuchten / Damit ich verbunden bleibs unter Gottes Schutz zu leben
Jhr Wol-Edl. und Ehren[v]. Leipzig / den XJ. Winter M. M. DC. XLJX. Allzeit aufwartender der in den Loͤb!. Teutſch-geſinnten Genoſſenſchaft Beſchirmende.
JCh ſehe es dir faſt an dei - nen Augen an / ſcharfſinniger Le - ſer / daß ich / wegen meiner hieſi - gen Roſen-Gepuͤſche Rechen - ſchaft zu geben / durch dein alzu - zeitiges Urtheil veranlaſſet werde. Verziehe ein wenig und hoͤre mich. Wie ich verſpuͤre / ſo wolteſtu mich gerne beſchuldigen / als weuͤ ich unter den Roſen der Liebe einen grauſa - men Dornenſtrauch verborgen haͤtte / der ſei - ne unverwarneten Spitzen der eitelen Thor - heit und thoͤrichten Eitelkeit zimlich blick en und ſehen lieſſe. Aber wiſſe hierauf mein ver - antworten; Wenn ich mich bey ſo thummen Sinnen befuͤnde / als wie etwan du mit dei - nen Tadelern / ſo muͤſte ich freylich geſtehen / daß das jenige / was der Ehrliebenden Hoͤf - ligkeit von dir zum Feinde gemachet werden wil / deinen anſchauen nach nicht allein un - loͤblich / ſondern auch gar verdamlich were; Dieweil ich aber ſo viel Exempel vornehmer und treflicher Leute (die auch noch ein geſun - des Gehirn in jhrem Haupte tragen / und[d]e[-]nen we -nen weder ich noch du das Waſſer reichen) vor mir habe / ſo werde ich billich veranlaſſet / deine Momiſche Geiferſucht zu verlachen / und an deinen groſſen Maͤngeln mich zu be - luſtigen. Wenn du nur die Brille der uͤber - machten und unzeitigen Klugheit von deiner geruͤmpften Naſe herunter nehmen wolteſt / ſo wuͤrde dir der Dorn nicht ſo groß ſcheinẽ / daß er die darneben bluͤhende Roſen der Anmuh - tigkeit in deinen bloͤden Augen verkleinern wuͤrde. Hat der wolberedte Eraſmus von Roterdam die Narr-oď Thorheit / Apuleius und Heinſius den Eſel / der unvergleichliche Scaliger die Gans / Ovidius / oder wer es ſonſt geweſen iſt die Nuß / Euripides Putea - nus das Ey / Virgilius die Muͤcke / Majora - gius den Koth / Angelus Politian den Bauer / Janus Guilielmus und Acidalius die Roſen / M. Barth. Spataphora die Dienſtbarkeit / der den Storch / ein ander die Fliege / und ich weiß nicht wer / das Fieber mit ſo ſtatlichen Ruhme begaben koͤnnen / Wer wolte es denn mir verargen / wenn ich meiner Jugend den Zaum laſſen und von den jenigen / in welchen ſich ein zweyfacher Zierrath / das iſt / die Tu - gend und unvergleichliche Schoͤnheit / befin - det / mir unterzeiten etwas aufzuſetzen / nach - gehangen habe. Ob ich aber daduꝛch ein ſche - les Auge zu verdienen berechtiget werdenmoͤch -moͤchte / kan ich noch nicht ſehen. Sehr bey - faͤllig und auf meiner Seiten ſcheinet zu ſeyn was der vorneme Niderlaͤnder Daniel Hein - ſius an den Edlen Adrian Mainekern ſchrei - bet / daß wie ein weiſer Mañ / der niemals ge - lachet habe / nicht allerdinge zu loben ſey / alſo auch die jenigen nicht zu billigẽ weren / welche jhre Muſen mit den keuſchẽ Gratien niemals vereinbarten / und alſo allerhand Schertz - reden und luſtige Erquickungen / doch ohne verletzung der Zucht und Erbarkeit / ſich nicht auch belieben lieſſen. Und diß wil uns auch die Natur zu verſtehen geben. Sie hat zwar faſt eine jede Zeit einer vergoͤnlichen Luſt und freyen Ergoͤtzligkeit gewidmet / doch aber mit einer bequemen unb abſonderlichen die Liebe voraus bedencken wollen. Wer ſihet nicht / daß wir auf den rauhen uñ muͤrriſchen Win - ter die allerſchoͤnſte Liebligkeit des anmuhti - gen Fruͤhlings zu gewarten haben? Und dieſe iſt eben die geringe Zeit / welche bey den Alten der Venus geheiliget / uñ daher nicht unrecht von einem vornehmen Poeten die liebe Zeit genennet worden. Du muſt es ja / Leſer / ſelbſt geſtehen / weñ du es genauer erwegen wolteſt / daß die heitere und warme Luft / wenn ſie die Mutter aller Dinge uͤmfaͤnget und in die Ar - men nim̃et / zu verſtehen geben wolle / daß wir nicht lebloſe Felſen uñ unempfindliche Kloͤtzeſeynſeyn ſollen / die Roſenblaͤtter unſerer Jugend ſo gar verwelcken zu laſſen. Man ſehe nur die unvernuͤnftige Vogel an / ob ſie allezeit trau - rig und voller Grillen ſeyn moͤgen? Man ſe - he ſie nur an / wie ſie / als der Liebe gleichgear - tete Kinder / in jhren gruͤnen Sommerlaͤuben uͤm die rauſchenden Quellen die allerbeſten Poeten geben / in dem ſie jhr bruͤnſtigs Leiden einander zuruffen / bald jhrer Bulſchaft er - freuliche gegenwart belachen / bald aber drauf das ſchmertzliche abſeyn beſeufzen und bekla - gen. Ein Roß / das allezeit in den Wagen zur ſchweren Arbeit getrieben wird / tauret nicht ſo lange / als wenn es bißweilen zum Reiten und anderer Kurtzweil gebrauchet wird. Ein Lauteniſt ſpielet nicht ſtets traurige Padua - nen und Maſcaraden / ſondern er gebrauchet[ſi]ch auch der tantzenden Couranten und Sa - rabanden. Die Sonn und der Mond ſind nicht allezeit / bey verurſachter Finſterniß / un - ter den Wolcken verborgen / ſondern ſie laſſen jhre liebliche Angeſichte bißweilen ſehen / daß man ſich druͤber erfreuen / und in jhren ſchoͤ - nen Golde beluſtigen koͤnne. Warum ſolte ſich ein warmer und hitziger Muth die Kaͤlte der Unfreundligkeit daͤmpfen und unterdruͤ - cken laſſen? Waruͤm ſolte er ſich ſolcher an - mutigen und ohne allen Nachtheil lieblichen Ergetzung entſchlagen? Waruͤm ſolte dasnochnoch nicht gegenwertige Alter die Edele Ju - gend zur Furcht bewegen? Jch bekenne es frey / daß ich nach meiner Wenigkeit manche traurige und ſaure ſtunde mir mit Luſt etwas aufzuſetzen verſuͤſſet habe / weil zum theil die allerherrlichſien Wiſſenſchaften / als goͤldne aͤpfel auf einen ſchoͤnen Purpur / zum theil ei - ne Sittſame Hoͤfligkeit / als ein koͤſtlicher Wein in einem theuren Pocale darunter ver - ſtecket und verborgen ligen. Daß ich aber ſo vieler Namen und Bulſchaften gedacht / iſ[t]keines weges dahin zu deuten / als ſolte unter einer jeden Schale eine Nuß / und unter einen jeden verbluͤmten Worte eine abſonderliche Perſon vermum̃et und verbildert ſtehen. J[ch]bin hier denen vortreflichen Leuten / als ein kleiner Schatten einen groſſen Leibe / nach ge - gangen / haben ſie mich verfuͤhret / ſo wil ich mit jhnen dein Urtheil gerne dulden und lei - den. Mich beduͤncket aber / Plato / Cicero / Plinius / Apuleius / Horatius / Naſo / Tibul - lus / Propertius / und andere tapfere Geiſter / denen es am meiſten gelungen / werden deß - wegen nicht zu verwerffen ſeyn / daß ſie jhre Arbeit mit einer angebildeten Liebe / und zwar mit fremden und unbekanten Benamungen / durchſuͤſſet und beſaͤnftiget haben. Wer ſchilt die hohen und faſt Goͤttlichen Maͤnner vor und zu unſerer Zeit? Angerianus liebet Ce -lien /lien / Marullus Neeren / Secundus Julien / Strotza Antien / Eobanus Flavien / Petrar - che Laurẽ / der uͤbermenſchliche Scaliger Cri - ſpillen und Teleſillen / Lotichius Claudien uñ Callyrhoen / der Hollaͤnder Homer Heinſius Leßbien / Roſſen und die Phyllis / Meliſſus Roſinen / Lernutz Hyellen / Jan von der Doͤß ſeine Jda / Acidalius Ninen / Quintien / Pſy - chen und Venerillen / Opitz Flavien / Aſteri - en / Galatheen Delien und Vandalen / Riſt ſeine Galatheen / Mynien / Dorinden / u. d. g. Homburg ſeine Julien / Fillis / Chloris und Dorillen / der tapfere Augſpurger ſeine Flora. Ja alle und jede Poeten haben jhre ſonderli - che Namen / die ſie / als jhre Gebieterinnen / verehren. Wer wolte ſagen / daß der Edele Fleming und ſein Finckelthaus ſoviel Wei - besbilder ſolten geliebet haben / als ſich Na - men in jhren Schriften befinden? Wer ſihet nicht daß er ſie nach begebenheit der Zeit ver - aͤndert / und ſeine Einbildung / wenn ſie jhm Schmertzen erreget / Cordolien / weñ ſie aber ſeiner Meinung geweſen / Concordien / und ſo fort genennet habe? Es wird es mir niemand verargen / daß ich meine Sinnen auch eben an dem Wetzſteine geſchaͤrffet habe / welcher laͤngſt vor mir andern vergoͤnnet geweſen. Es bleibet darbey / und iſt der Poeten Art / wie es Herꝛ Opitz in Nuͤßlers Perſon in ſeiner Her -(b)cyniecynie ſetzet / das ſie der Natur nichts nach zu - geben / offtmals ſachen erdencken / die nie ge - weſen ſind / noch ſeyn werden / Eine liebe ma - chen / die ſie nie in den Sinn gebracht. Vnd zum theil ander Leute buhlſchafften / eitelkei - ten und muͤſſige unruhe / durch ihre erdichtete fuͤrbilden zum theil die einſamkeit / darinnen ſie ſich dieſer zeit befinden / lieber mit dieſen als mit nichts (ich ſetze hinzu als nichts uͤbels thun) erleichtern wollen. Steckt aber ja auch etwas von den anmuthigen uͤbel bey ihnen / ſo muͤſſen ſie dencken / das die gantze Welt der liebe als wie ein Ballenſpiel ſey / darinnen ſie auch uͤmgetrieben werden / und das war ſey was die Liebe in dem Hollaͤndiſchen Sinn - bildern ofterwehnten Heinſiens allen Men - ſchen fuͤrhelt.
Damit du aber auch von dem Titel un - terricht einholen moͤgeſt (das ich weis / das du dich auch darumb bekuͤmmerſt) ſo wiſſe das ich ihn daruͤmb von den Roſen entlehnet / die weil ſie der Liebe geheiliget ſein / wie Auacreon in der JV. Ode ſolches bezeuget. Die ur - ſache gibt Ovidius in der fabel von dem A -donis.donis. Pauſanias ſpricht es ſey wegen des lieblichen geruchs / und der anmuthigen farbe Daher haben die alten den Haſtam / der der Venus zu ſtunde / zur Fruͤhlingſzeit mit einẽ Apffel / den Apffel aber mit Roſen uͤmſchloſ - ſen / anzudeuten / das in die Lentzenzeit / in wel - cher alles zu lieben ſcheinet / herbey kommen / und die Ernde zu hoffen were. Weil ſie auch ein zeichen des ſtillſchweigens und der ver - ſchwiegenheit iſt / und die Liebe ſchwatzhaffti - ge Zungen nicht leiden kan / als wil ich es auch vor eine urſach anziehen. denn die alten Grie - chen hielten ab ſonderlich dieſen brauch / daß damit aus ihren Gaſtereyen oder andern zu - ſammenkunfften nicht austragen wuͤrde / ſie dem Harpocrati dem Gott (die Roͤmer aber der Angorona der Goͤttinn) des Stillſchwei - gens die Roſen aufgeſetzet / und dem / der ir - gend aus unbedacht etwas vorbringen wol - te / gewieſen uñ gezeiget haben. Daher iſt das ſprichwort auch auf uns Teutſchen kommẽ / das wir das / was wir heimlich gehalten ha - ben wollen / fuͤr unter der Roſen geredet / aus - gegeben / wie denn an unterſchiedlichen orten noch heutiges tages groſſe Roſen aus holtze uͤber den Tiſchen zu ſehen ſein. Anderer ur - ſachen (als das die Roſe die liebe erwecke / das ſie bald wie die Liebe wandelbar werde / das ſie vordeſſen zu Kraͤntzen und zum zierrat der(b) ijzimmerzimmer (in deren eins die Cleopatra vor ein Talend hat ſtreuen laſſen) darein die verlieb - te zu ſammen kommen / gebrauchet worden / voraus zu geſchweigen. Roſengepuͤſche abe habe ich es nennen wollen / dieweil ich kein ſonderliche Ordnung gehalten und in acht genommen habe. Diß ſey kurtzlich die ant - wort auf dein ungegruͤndtes vorbringen. Wirſtu nu die Roſen mit glimp[ſſ]e brechen / ſo wird dir kein dorn zu wieder ſein / wirſtu aber mit unvernunfft hinzufahren / ſo wirſtu empfinden / dz ſie dir mehr als du ihnen ſcha - den zu fuͤgen werden. Jch gebrauche mich hier einzig und allein deſſen / das die Roſen Jungfern / das iſt keuſche und reine Blumen ſein / welche niemand zu einigen argen veran - laſſen koͤnnen / und laſſe mir dieſe uͤberſchriffe gefallen / die an einem uͤberaus ſchoͤnen Luſt - garten in Niederland ſtehen ſoll.
MODESTÆ VOLUPTATI, NON VANITATI.
Denn wie manche den wein zur luſt trincken das vollſauffen aber andern befehlen / alſo wil ich meine Poetiſche Ergetzligkeit auch gedeutet haben. Lebe wol.
Der Beſtaͤndige.
M. Frid. Cahlenus K. P.
dieſespflantzte den lieblichen Roſem gebuͤſche / ſeines vertraueten Freundes vor Jan. Nicolai der R. B.
Zuſonder barer Dienſtbezeigung verfertigte dieſes Seinem vielguͤnſtigen Bruder Alexander-Paul Loth.
Jmmanuel Gerber / der Heil. Schrift Befliſſener.
Heinrich Albert.
Dieſes ſch. dein guter Bekanter Joh. Georg Schoch.
ES war nun albereit des blaſſen Mon - des Gold-bruder durch den eroͤfneten Paß der angrentzenden Erden gerennet / als ich an einen beſonders erfreulichen Orte eine loͤbliche Geſellſchaft angetroffen / welche dermaſſen gefrolo - cker / daß es ſchien / als wolte der guͤtige Himmel mit ſeinen weiß-blauen Angeſichte die angefangene Freu - de vermehren helffen. Nach dem ich aber wieder uͤm urlaub genommen / kam ich in ein mit den runden Schnee-ballen verfallenes Thal / in welchen ich eine klaͤgliche Stimme nur von weiten erklingen hoͤrte / ſo daß ich nichts anders draus urtheilete / es weren denen beruͤhmten Schaͤffern an dem Saalen-ſtran - de umher jhre Heerden geraubet / die Huͤrden einge -riſſen /112D. S. anderriſſen / und jhre Triften verunruhiger worden. Als ich aber naͤher hinzu kam / und dem Saͤnger zuzu - ſprechen vornehmens war / erhoͤret ich alſobald / daß mein Aufenthalt Amyntas / der mit dem Dafnis an der flieſſenden Meiſſe ſeine Laͤmmer taͤglich zu weidẽ pflegt / dieſen Trauer-thon erſchallen lieſſe. Jch / nach dem ich jhm (weil wir einander ſonſt wol vermoͤgen) ruͤckwaͤrts zugeſprochẽ / was ſein Thun hier ſeyn muͤ - ſte? was in den kalten Winter das ſo bruͤnſtige ſin - gen bedeutete? Gab Er kuͤrtzlich dieſe Nachricht: Thyrſis iſt dahin / weil jhm Cynthia keine Gunſt - winde und Lebens-kraͤfte / wie ſonſten / wolte zukom - men laſſen. Jch bat darauf / er moͤchte mir dieſes mal in Dienſten ſtehen / und mich das betruͤbte Lied / deſſen Thon ein weitberuͤhmter Orpheus-bruder neulich aufgeſetzet / anhoͤren und betrachten laſſen. Meine Bitte mir / als ſeinem Vertrauteſten / zu ge - wehren / ſtim̃te er gar zitternd an hieſige nachgeſetzte
Wilſtu / mein Amyntas / ſagt ich nach an - gehoͤrter Oden / ein witziger Schaͤffer ſeyn / und laͤſ - ſeſt dich durch die vielbezungete Goͤttin alſo aufſe - tzen und hintergehen. Gewiß Thyrſis lebet / glaͤub es gewiß / er lebet / und er lebet nicht allein / ſondernHſtehet114D. S. anderſtehet in ſolchen Gnaden bey ſeiner Cynthien / als er vor niemals geſtanden. Diß weiß ich zuvor wol / daß er jhr vor wenig Tagen dieſes zu wiſſen gethan / (nach Art der Buhler / die taͤglich ſterben / und doch niemals todt ſind) daß er jhrentwegen wuͤrde ſeinen Geiſt aufgeben muͤſſen / in dieſen Reimen / die er jhr in ein mit Silber beſchlagenes Buch / das er jhr uͤ - berlieffern laſſen / geſchrieben / darneben allenthalben Tropfen / die auß ſeinen Augen / als Zeugen ſeiner gewiſſen Liebe / hinzu gefallen / anzuſchauen. Seine Worte waren dieſe:
Dieſe Reimen hab ich / ſagt Amyntas / auch geleſen / und nicht anders vermeynet / es were dem alſo / weil die ſchoͤne Cynthia ſie mir / benebenſt dem durch Sil - ber bewaretem Buche / uͤberſchicket. Jhre klaͤgliche Worte und aͤngſtigen Geberden kunte der Coridon nicht gnugſam außreden / wie ſie mit Haar außrauf - fen / mit Haͤnde ringen / mit niedergeſchlagenen Au - gen ſeinen Todt betrauret haͤtte / Auf dieſes nun ha - be ich diß neulich abgeſpieletes Lied hier in dieſer mir von den Schneeflocken erleuchteten Gruben / jhm zu Ehren / und der betruͤbten Cynthien zum Nach den -cken /115Roſen-Gepuͤſche.cken / abgeſungen. Viel ein froͤlichers / fuhr ich fort / wil ich dir / mein Amyntas / zeigen / zog derowegen ei - ne Namens-Feyer-Ode herauß / die dem Thyrſis fuͤr Geſichte kommen ſolte / folgendes Jnhalts:
Als ſie Amyntas geleſen / ſagte er / ich ſolte unbeſchwert jhm doch die Art ſolches Ge - dichtes entwerffen / denn er bekaͤnte / er haͤtte Zeit ſei - nes Lebens keines dergleichen geſchauet / vielweniger geleſen. Es iſt / gab ich zur Antwort / eine Ana -creonti -129Roſen-Gepuͤſche.creontiſche Ode / nach Art der Griechen und La - teiner geſetzet / unter welchen der weitgeprieſene Poe - ten-Vater Taubmann ein Meiſter iſt. Mein Opitz klaget ſelbſt / es haͤtte nie kein Anaereon / weder in den Lateiniſchen noch in den goͤldnen Deutſchen / Jhm wol abgehen wollen. So iſts / ſagt Amyntas / eine ungewoͤhnliche Art bey den Deutſchen? Ja / ge - mein iſt ſie nicht / ſprach ich wieder / weil keiner zur Zeit ſolche aufzuſetzen ſich unternommen und erkuͤh - net / ohne einer / deſſen Namen ich mir vorbehalten wil. Koͤmſtu mein Freund / fuhr Amyntas fort / zu den wolbelobten Thyrſis / bitt ich / unbeſchwert auch mein geringes Liedlein ſeinen Haͤnden einzuliefern / damit er verſpuͤre / wie ein Freund hierinnen jhn be - trauren und beklagen wollen. Nach verrichteter uͤ - bergebung wolleſtu jhm nichts anders als freund - lich zu wiſſen machen / daß der Jenige / der es ſendet / hoͤchſtes Fleiſſes gebeten / ſolches in Eyl aufgeſetzte nicht uͤbel auffzunehmen / vielweniger fuͤr ſchaͤndli - che Zoilus-Augen und Momus-Bruͤder kommen zu laſſen / Weil der Anfang in einem jeden Dinge die Muͤh und Arbeit zur Mutter zu haben pflegt / Wie denn du auch mit dergleichen Worten jhn be - wegen wirſt / wenn du jhn vermeldeſt / daß dieſes der erſte Deutſche Anacreon ſey / den du jhm / als einem guten Freunde / aufzuſchreiben dich befliſſen habeſt. Lebe wol / und verrichte das dir anbefohlen / kan ich wieder in deinen Dienſten ſtehen / Sihe / ſo bin ich dir allzeit da - Nach dem der Amyntas urlaub ge -Jnom -130D. S. ander Roſen-Gepuͤſche.nom̃en / hab ich durch meinen Knabẽ zu den volkom - menen Freundeszeichen den guͤldenen Ring abzufer - tigen mir angelegen ſeyn laſſen / hieſige mir vertrau - te Sachen / benebenſt beygelegten / gebuͤhrlich einzu - haͤndigen / mit angeheften Wunſche / daß der hochbe - lobte Thyrſis dieſen Tag / weil man der Poeten ge - dencken wird / Freuden-vol tauſentmal und aber tauſentmal ſtets anſchauen / und in vollen Triften Feyerlich begehen moͤge. Nach dem es nun der Thyrſis bekommen / hat der froͤliche Himmel und die wiedererfreute Cynthia den gantzen Tag in Lieb und Freude ſo lange zu - gebracht /
Biß der Abendſtern aufgienge / und die Nacht jhr Gold empfinge.
HJer ſehen Sie meine Mar - nia / die ſich nun lange genug in - ne gehalten. Jhre Kleidung iſt faſt ſchlecht / und in etwas un - ſcheinbar worden / daß ſie ſich wol ſchaͤmen moͤchte fuͤr aller Welt herfuͤr zu treten. Weil aber das Frauen Zimmer unter zeiten ohneGold133.[133]Gold und Perlen anmutiger zu ſcheinen pfle - get / als habe ich jhr vergoͤnnet / nach jhren Gefallen der Schoͤnheit zu gebrauchen. Sie wird zwar manches donnerndes Ungewitter auf ſich muͤſſen ſtoſſen laſſen. Jedoch aber wird ſie es / meines beduͤnckẽs / nicht gar groß achten / weil ſie ſchon albereit mit einem gruͤ - nen Lorber-Krantze verſehen iſt. Wer ſich an jhre Roſen wagen wil / der ſehe zu / daß es jhm nicht ergehe / als wie den Nymfen / die ſich ver - wichener Zeit in des Sinnreichen Cats Hol - laͤndiſchen Roſen-Krieg begeben haben. Sie iſt zwar verblichen / deñoch aber lebet ſie noch ſo volkoͤmlich / daß man ſie inſkuͤnftige gar nicht vor todt halten kan. Meine Hochge - ehrten Freunde und Bruͤder geruhen guͤn - ſtig Sie in jhren Schutz zu nehmen / damit Sie hinfuͤrder mir befehlen koͤnne / zu ver - bleiben Jhrer allerſeits
Dienſtfertigſter Leipzig / den XJ. Wintermonats M. DC. XLJX. D. S.
ENDE.
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